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Full text of "Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 8.1904-05"

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Fortschritte 


auf dem Gebiete der 


höntgenstrahlen 


Unter Mitwirkung von 


Geh. Med.-Rat Prof. Dr. v. Bramann in Halle, Prof. Dr. v. Bruns in Tübingen, Geh. Med.-Rat 
Prof. Dr. Curschmann in Leipzig, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Czerny in Heidelberg, Prof. Dr. Deycke 
in Constantinopel, Prof. Dr. Forster in Bern, Dr. Gocht in Halle, Prof. Dr. Grunmach in Berlin, 
Prof. Dr. Henschen in Upsala, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hoffa in Berlin, Privatdozent Dr. Holz- 
knecht in Wien, Dr. Immelmann in Berlin, Prof. Dr. Kölliker in Leipzig, Prof. Dr. Krause in 
Berlin, Oberarzt Dr. Kümmell in Hamburg, Stabsarzt a. D. Lambertz in Berlin, Oberarzt Dr. Carl 
Lauenstein in Hamburg, Prof. Dr. Lenbartz in Hamburg, Prof. Dr. Lennander in Upsala, Prof. 
Dr. Oberst in Halle, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. H. Rieder in München, 
Prof. Dr. Rumpf in Bonn, Generalarzt Dr. Schjerning in Berlin, Prof. Dr. E. Schiff in Wien, Prof. 
Dr. F. Schultze in Bonn, Oberarzt Dr. Sick in Hamburg, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Slaby in Char- 
lottenburg, Generalarzt Dr. Stechow in Hannover, Prof. Dr. Tillmanns in Leipzig, Prof. Dr. 
Voller in Hamburg, u. Dr. Walter in Hamburg 


herausgegeben von 


Dr. med. Albers-Schönberg 


3 
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Lucas Grafe & Sillem 
(Edmund Sillem) 


1904—1905 


Alle Rechte vorbehalten. 


Inhalt. 


— 


Seite 
Walter, B., Der Wechselstrom und. seine Anwendung im Röntgenbetriebe . . . ... . 1,194 
Perthes, G, Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen 
mit Rücksicht auf die Bedeutung der Durchlässigkeit der Gewebe für die Radiotherapie. 12 
Cohn, M., Beitrag zur Lehre von der Funktionsstörung im Ellbogengelenk mit besonderer Berück- 
sichtigung der Ulnarislahmungen. Nach stereoskopischen Röntgenbildern (Tafel I—III u. 
Tafel IV, Fig. 1). ; 25 
Köhler, A., Röntgenbefund der Hiiften bei maluiplen eartilaginicen Exostosen (Tafel IV, Fig. 2 u. 3) 33 
Freund, L, Zur Therapie und forensischen Begutachtung der een . 38 
Beck, C., Die chirurgische Bedeutung der Halsrippe (Tafel IV, Fig. 4 u. 5) . . . 43 
Stegmann, R., Nase vor und nach der Hobelung im Röntgenbild (Tafel IV, Fig. 6 u. 7) . 47 
Reiniger, Gebbert u. Schall, Ein Quecksilberstrahl-Unterbrecher mit mehreren Ausspritzöffnungen 48 
Unna, P. G., Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen (Tafel V u. VI). u A 67 
Scholtz, W., Über die Indikationen der Behandlung mit Röntgenstrahlen in der Dermstologie 91 
Linser, P., Beitrag zur Histologie der Röntgenwirkung auf die normale menschliche Haut. 97 
Holzknecht, G., Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion . 100 
Philipp, Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes 114 
Hahn, B., Beitrag zur Röntgentherapie . T 120 
Stegmann, R., Transportabler Schaukasten . 121 
Levy-Dorn, M., Ein neues orthodiagraphisches Peichensiatir . 123 
Rieder, H., Beiträge zur Topographie des Magendarmkanals beim lebenden Menschen. nebst Unter- 

i Siehungen über den zeitlichen Ablauf der Verdauung (Tafel VII, VIII, IX, X und XI) . 141 
Holzknecht, 6. u. Robinsohn, J., Das Trochoskop, ein radiologischer Universaltisch . Se 172 
Robinsohn, J., Zur Vereinfachung der Blendentecbnik. Die Winkelblende . 183 
Holzknecht, G., Uber die Tiefenverteilung der Strahlenwirkung . ; 191 
Wulf, P., Verwendbarkeit der X-Strahlen für die Diagnose der Blasenditformitäten . 193 
Krause, P., Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. (Leukämie, Pseudoleukämie, iyipo 

intosih; perniciédse Anämie, Anaemia splenica, Polycythaemia mit Milztumor) . 209 
Siebs, E., Beitrag zur Lehre der Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen und ihrer 
"Beziehnungen zur Coxa vara (Tafel XII u. XIII) je a 237 
Holth, S., Zur Röntgenlokalisation okularer Fremdkörper (Tafel XIV, Fig. 1-3) 249 
Wertheim-Salomonson, Kleine und grosse Induktorien : 254 
Schmidt, H. E., Erfahrungen mit einem neuen Radiometer von Sabaurand ind Noiré 260 
Sjogren, T., Über Röntgenbehandlung von Sarkom f 263 
Haffner, S., Die Vermeidung störender Weichteilschatten bei Rontcenaa thaine, isbesondëre des 
Beckens ; 267 
Riedl, H., Zwei Fälle von no Defektbildung des ‚Oberschenkels (Tafel XIV, Fig 4 u. 5 268 
Koch, F. J. u. Sterzel, K. A., Über ,schliessungslichtfreie* Röntgenröhren : 271 
Levy-Dorn, M., Ein are, Blenden- und Schutzapparat für das Königenvorfähren 275 
Walter, B., Über das Röntgensche Absorptionsgesetz und seine Erklärung . 297 
Rieder, H., Zur Technik der Röntgenstrahlen-Therapie . : 303 
Cowl, W., Über ein gangbares Verfahren zur Messung der diagtaplischen Kraft der Röntgenktrahlen 308 
Beck, C., Über die Metakarpalfissur, einen bis dato nicht beschriebenen Typus der ar des. 
Mittelhandknochens . re eR, en ce ©.. . ll 
Hahn, R., Hat die Röntgentherapie Schaller: was sie Verspröchen?, 313 
de la Camp, Was lehrt uns die radiologische Untersuchung über die igcuhpivorsnage. bei der 
croupösen Pneumonie? . : 323 
Immelmann, Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Orthopädie . oh 331 
Levy-Dorn, M., Zu den röntgenologischen Untersuchungsmethoden in der inneren Medizin . 335 
Holzknecht, G., Ein radioskopisches Operationstischchen zum Anschluss an den chirurgischen 
Operationstisch Bc te A ; 344 


560469 


IV Namenregister. 


Seite 

Robinsohn, J., Zur Technik der Fixation des Objekts bei radiologischen Aufnahmen. Die Schlitzbinde 347 

Grashey, R., Technisches zur Albers-Schönbergschen Kompressionsblende . . . . 356 
Albers-Schönberg, Das im März 1905 eröffnete neue Röntgeninstitut des Allgemeinen Krank enhan 

St. Georg-Hamburg . . . . ee a) oe me S08 

Köhler, A. u. Herxheimer, G., Zur Tröntsenstrählentherapie des Garcinome so gh Ge YA wep wk te. te x BOE 

Hoffmann, Aug., Die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. . . . 2 2 . nn nn. 876 

Krause, P., Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. . . 2 2.2.2.2... . 383 

Einheitliche Nomenklatur für die Röntgenologie . . . . 413 


Gelinsky, Das frei artikulirende Os Vesalianum tarsi duplex im Röntgenbild (Tafel XVI, Fig. 1—6) 413 
Sonnenberg, W., Beiträge zur Kenntnis der Ostitis deformans (Paget’s Krankheit der Knochen) 


(Tafel XV, Fig. 1—6)... a’ . 420 
Nenrath, R., Sekundäre Wachstumsstörungen nadi ehrön sehen Gelenkrheumatisnus,. im Kindes 

älter (Tafel XV, Fig. 7 u. 8; Tafel XVI, Fig. 7). 2. oo oo on nn nn. 425 
Berger, W., Das ‚System: Dessauer . . . Be Sh oe ee ee te ee AD 
Walter, B., Einige Versuche mit einem Desie Tnduktok. Er 202.440 
Albers- Schönberg, Der Röhrenverbrauch bei Benutzung kleiner ni grosser induktore. <.. 441 
Correspondenzen . ... . a a nn. 49. 126. 236. 442 
Bücherbesprechungen a aa . nn ne... 9 129, 236. 280, 446 
Vereine und Kongresse . . aa aa aaa a . 58. 131. 282. 444 


Journallitteratur . . saaa aa’ a A 133. 286. 449 


Tafel I—X VI. 


Namenregister. 


(Die Zifforn verweisen auf die Sciten; ein * bedeutet Originalartikel.) 


Alırens 62. 114. 210. 211. 229. 234. 377. 381. 411. — Albers-Schönberg 12. 39. 60. 67. 114. 116. 117. 118. 
119. 132. 176. 183. 184. 185. 190. 191. 193. 212. 277. 292. 295. 323. 334. 347. 356. #359. 441, 448. 
450. 453. — Albert 247. 249. — Allen 139. 140. — v. Ammon 332. — v. Angerer 151. 339. 356. — 
Antonelli 14. — Apolant 60. 137. 373. 374. — Arning 41. — Arnsperger 239. — d’Arsonval 433. 
— Asahi 288. — Aschoff 374. 451. — Aubert 393. — Aubertin-Bauchard 134, 213. 229. 234. — 
Auvray 33. — 


Bade 334. — Baermann 40. 61. 76. 77. 98. 115. 230. 234. — Bähr 140. — Balthazard 156. — Balzer 7S. 


— Barthélémy 67. 78. 233. — Basch 286. — Batelli 14. — Bartholinus 414. — Bauhm 413. — 
Baum 139. — Baur 431. — Deck, €. #45. 150. #511. 574. 457. — Decker 292. — Peeltre 114. 188. 
186. — Behrend 78. — Belot 52. 104. 457. — Benedikt 295. — Benoist 14. 298. 301. 302, 801. 315. 


— Bergell 454. — Berger *432. — v. Bergmann 283. 319. 447. — Bessel, Hagen 83. — Bertelsmann 
243. — Bertram 120. — Birch-Hirschfeld 63. 131. 232. 360. — Blanchard 393. — Blaschko 454. — 
Blauel 454. — Blondlot 130. — Blumenfeld 282. — Boas 124. 441. — Bogoljuboff 117. — Bordier 
129. 455. — Borrel 374. — Boulad 217. 295. — Bowdich 429. 431. — Boyd 45. — Bozzolo 214. 224. 
225. 227. 230. 231. 234. — Brandis 14. — Branth 295. — Braune, J. 33. 143. 144. 145. — Braunstein 
454. — Brautlecht 313. 319. 322. — Brenner 268. — Brinkmann 132. — Brocq 52. — Brown 213. 
234. — Brugger 59. — Bruns 374. — Bryant 210. 231. 234. 377. — Bulkley 139. — Buschke 450. 


Cahen 214. 234. — Caldwell 130. 131. — Calot 334. — de la Camp 140. 236. 289. *323. 381. 383. — 
Cannon 156. — Capps 225. 234. — Carrier 295. — Chaikis 328, — Chalupecky 14. — Charcot 431. 
— Charpentier 129. — Chiari 33. — Chrysosphathes 264. 313. 319. 321. — Cleaves 282. — Cohan 
153. — Cohn, M. *25. — Colombo 234. — Corlett 139. — Costa 296. — Cowl 175. 252. 286. *308. 
348. 447. 448. — Cramer 289. — Crane 377. — Crane-Brangor 210. 231. 234. — v. Criegern 126. — 
Croce 449. — Currier 139. — Curschmann 140. 152. 153. 


Darier 14. 67. 73. 77. 233. — Deau 133. — Delkeskamp 451. — Deneke 359. — Deroche 431. — Dessauer 
*49. 101. 183. 254. 287. 348. 432 u. ff. 451. — Deutsch 134. — Diemerbroeck 414. — Dinkler 227. 
230. 234. — Donath 183. 184. 185. — Donle 54. — Dorn 14. — Doyen 144. — Drault 261. — Dreh- 
mann 293. — Dreyer 134. 286. — Dubois-Reymond 145. 


Eberlein 457. 448. — Eckstein 132. 285. — Ehrhardt 262. — Eijkman 293. — Eisenreich 450, — 


Eisenlohr 229. — Ellinger 448. — Ellis 374. — Elster 63. 451. — Embden 374. — Engel 154. — 
Exner 54. 137. 373. 454. 


Namenregister. M 


Feldmann 425. 431. — Finger 39. — Finch 284. — Finsen 317. 318. — Fischer, H. 33. — Fischl 286. 
— Fittig 54. 65. 227. 231. 234. 284. 318. 374. — Fleischmann-Aschheim 137. — Fleming 255. — 
Forchhammer 286. — Fournier 428. 431. — Fraenkel 289. — Frank 135. — Frentzel 310. — 
Freund, L. *38. 64. 65. 75. 76. 100. 104. 233. 283. 284. 316. — Fried 114. 214. 234 — Fröhlich 229. — 
Fuchs 65. | 


Gadeau 78. — Galimard 455. — Gamlen 138. — Gardiner 133. — Gassmann 74. 76. 77. 78. 80. 98. 99. 
132. — Gaylord 374. — Geitel 63. 132. 451. — Gelinsky *418. — Gérard 143. 153. — Gerber 449. 
— Gerhardt 324. — Gersuny 47. — Glénard 147. 149. — Glew 133. — Gocht 101. 183. 306. 381. 
448. — Goldscheider 452. — Goldstein 56. 77. 115. — Göre 283. — Gottheil 139. — Grashey 62. 
63. 308. 344. *356. 448. — Gratz 199. 200. — Grawitz 215. 229. 233. 234. 452. — Grisson & Co. 445. 
Grouven 76. 313. 319. 321. 373. — Gruber 44. 414. 415. 418. 419. — Grünfeld 178. 186. 344. 345. — 
Guerra 215. 227. 230. 234. — Guillain 33. — Guilleminot 282. — Guillot 227. — Gussenbauer 40. 

— Guttmann 236. | 


Haedke 248. 249. — Haffner *267. — Haga 51. — Hahn, R. 39. 114. *120. *213. 453. — Halberstädter 
134. 313. 322. 450. — Halkin 54. — v. Haller 414. 418. — Hallopeau 78. — v. Hansemann 310. 
— Haret 456. — Harris 133. — Haushalter 428. 431. — Heikmann 46. — Heineke 12. 54. 63. 
115. 116. 211. 212. 213. 217. 229. 233. 234. 286. 379. 381. 382. 395. 410. 452. — Helber 451. — 
Henke 142. 150. — Henle 144. — Herrmann 185. — Herxheimer 292. *367. — Heuk 229. — Heyer- 
dabl 251. 252. 253. — Hildebrand 26. 53. 451. 454. — Hirschel 287. — Hirschmann 262. — His 143. 
145. 147, 148. — Hochsinger 285. 428. 431. — Hoffa 33. 237. 249. 332. 333. 334. 431. — Hoffmann 
150. 449. 455. — Hoffmann, Aug. 218. 228. 235. *376. — Hofmeister 239. 249. — Holland 456. — 
Holländer 55. 317. — Holth *249. 442. — Holzknecht 49. 52. 54. 56. 64. 65. *100. 101. 114. 115. 140. 
*172. 175. 178. 183. 185. 186. *191. 260. 280. 285. 288. 291. 307. 313. 315. 324. *344. 354. 360. 366. 
367. 382. 384. *443, 449. — Hoppe-Seyler 428. 430. 431. — Hulst 62. — Humphrey, W. J. 14. — 
Hunold 44. —. Huntington 40. —  Hurmuzescu 14. — Huschke 148. 150. — Hynek 235. — 
Hyrtl 144. 


Immelmann 131. 132. 288. 313. 321. *331. 447. 448. 449. — v. Jaksch 229. 285. — Jamieson 138. — Jed- 
licka 25. — Johannessen 430. 431. — Jellineck 285. — Jeney 290. — Joachim 216. 228. 230. 232. 
233. 285. — Joachimsthal 237. 247. 249. 268. 269. 270. 334. 


Kammerer 45. — Kapp 255. — Kienböck 33. 49. 54. 75. 101. 105. 106. 107. 114. 140. 175. 185. 260. 285. 
291. 321. 381. 425. 426. 427. 428. 480. 481. — Kitaj 285. — Kleinschmidt 218. 235. — Klingelfuss 
258. — Klingelhöfer 252. — Klingmüller 450. 454. — Koch, F. J. 203. 204. 205. 206. *271. *443. 
446. — Kocher 237. 238. 248. 249. — Koch & Sterzel 203. 446. -- Kohl, Max 254. 256. 367. — 
Köhler, A. *33. 134. 135. 262. 282. 313. 315. 319. 321. *367. 448. 451. — Koll 449. — Koplik 428. 
432. — Kothe 116. 286. — Koräcs 229. — Kramer 231. — Kraus 156. 160. 229. 290. — Krause 
*209. 218. 223. 225. 227. 229. 230. 231. 235. 381. *383. — Kredel 237. 247. 249. — Krehl 452. — 
Krogius 263. 264. 267. — Kromayer 383. — Krone 114. 228. 235. — Kulmus 414. — Kümmell 53. 
813. 316. 319. 321. — Kurpjuweit 216. 228. 230. 232. 233. 235. — Kussmaul 148. 


Lachmansky 428. 432. — Lambertz 27. — Lammers 135. — Lassar 135. 319. 448. — Laubry 235. — 
Lauenstein 238. 249. 267. — Lehndorff 136. — Lehmann 252. — Leick 223. 235. — Lenzmann 382. 
449. 453. — Leonard 457. 458. — Leopold 298. — Lépine 217. 295. 325. — Leredde 283. — Lesser 52. 
260. 283. 313. — v. Leube 157. 452. — Levy, M. 145. — Levy-Dorn 58. 119. *123. 133. 226. 235. 236. 
*275. 288. 313. *335. — v. Leiden 136. 314. — Lichtheim 325. 448. 452. — Lieber 457. — Lieber- 
thal 139. — Liebermeister 449. — Liermann 287. — Lindemann 144. — Linser 40. 61. 76. 77. *97. 
115. 230, 235. 451. — Lion 76. — Lippert 383. — Lodge 138. — Loison 446. — Lommel 452. — 
Londe 67. — London 131. 213. — Lubarsch 374. — Lugenbübl 282. — v. Luschka 143. 144. 147. 
148. 150. 


Marie 27. — Mc. Caw 374. — Mc. Clung 14. 20. — Mac Hardy 252. — Mc Intosh 14. 20. — Me. Leod 137. 
Mackenzie Davidson 252. — Mall 148. 149. — Manz 249. — Marceven 335. — Martius 147. — 
Mauders 457. — Mayer 453. — Mayon 373. — Meinert 147. 148. — v. Mering 156. 157. 158. 452. 
— Merkel 148. — Meyer 450. 453. — v. Mikulicz 26. 54. 313. 335. 374. — Milchner 212. 231. 233. 235. 
— Miller 133. — Mohila 189. — Moncorvo 428. 482. — Montgommery 295. — Mosse 212. 231. 233. 
235. 383. — Moritz 59. 63. 123. 156. 157. 158. — Mouseaux 78. — Mühsam 58. 66. 116. 132. — 
Müller 61. 219. 413. — Müller-Uri 58. — Müller, C. H. F. 209. 356. — Müller, Fr. 329. — Müller 
(Wiesbaden) 313. 319. 321. 

Naunyn 131. — Neisser 75. 77. 97. 100. 134. 313. — Nelaton E6. — Neudörfer 47. — Neurath 284. 285. 
+425. — Nobele 318. 819. 321. — Nobl 285. 449. — Noiré 260. 261. 307. 315. — v. Noorden 453. — 
Nostiz u. Koch 203. — Nösske 374. — Nothnagel 155. — Novak 14. 


VI Namenregister. 


Oberbeck 14. — Obersteiner 290. — Olinto 428. 432. — Oppenheim 31. 33. 75. 76. — Oppenheim, M. 39. 
42. — Orth 375. — Ottendorf 140. — Otto 137. — Oudin 67. 78. 233. 


Paget 431. — Pappenheim 453. — Pawlow 155. — Pels Leusden 132. 237. 249. — Pentzoldt 157. — 
Penzoldt 289. — Perlmann 293. — Perthes *12. 54. 115. 178. 191. 232 344. 345. 374. 375. 384. 420. 
423. 454. — Pesandorfer 135. — Pfahler 139. — Pfitzner 413. 414. 415. 416. 417. 418. 419. — Philipp 
*114. 236. — Philipps 133. — Pic 33. — Pick 141. — Pide 288. — Pilling 44. — Planet 46. — 
Plehn 290. — Plimmer 137. — Polland 291. — Polyphos Gesellsch. 304. 356. — Price 140. — Pusey 
130. 131. 139. 374. 


Quetelet 429. 432. — Quincke 229. 452. 


Radiguet 67. — Rammstedt 237. 241. 249. — Rauber 147. — Raymond 431. — v. Recklinghausen 423. 
— Regling 136. — Renzi 284. — Reiner 428. 430. 432. — Reiniger, Gebbert & Schall *48. 123. 433. 
440. — Ribaut 27. — Rieder 114. 133. *141. *303. 448. — Riedl *268. — Riesenfeld 449. — Rischer 
67. — Robinsohn 136. *172. *183. 185. 344. *347. 354. 443. — Rhode 223. 235. — Rochas 14. — 
Rodde 275. — v. Röntgen 14. 15. 16. 20. 297. 299. 447. — Rosenfeld 145. 146. 290. — Rosenthal 49. 
50. 51. 57. 235. 254. 305. 339. — Roux 156. — Rubinstein 33. 


Sabouraud 260. 261. 307. 315. — Saloioni 14. — Salomon 78. — Salus 286. — Sänger 65. — Schamberg 
139. — Schaper 213. 235. 287. — Schede 335. 424. — Schelle 292. — Schellenberg 294. — Schein 
455. — Schenk 228. 235. — Scherer 294. — Schiefer 451. — Schiff 313. 316. 319. 321. 377. — 
Schiefferdecker 151. — Schild 282. — Schirmer 381. 383. — Schjerning 339. — Schleip 451. — 
Schlesinger 283. — Schmelz 367. — Schmid 230. — Schmidt, H. E. 39. 52. *260. 315. — Schmidt 
115. 450. — Schmid-Monnard 429. 432. — Scholtz 39. 54. 60. 75. 76. *91. 97. 115. 313. 318. 319. 
321. 374. 448. — Scholz 53. 285. — Schott 63. — Schuchardt 33. 431. 432. — Schuck 223. — 
Schüle 62. 155. 157. — Schiller 136. — Schüller (Berlin) 292. — Schüller (Wien) 280. 443. — 
Schultze (Bonn) 224. 235. — Schütze 377. 381. 453. — v. Schumacher 135. — Schürmayer 176. — 
Schwarz 66. 275. 287. — Schweinburg 224. 235. — Schwieden 424. — Sehrwald 339, — Seifert & Co. 
123. 203. 208. 304. 315. 367. 384. 440. 445. 446. — Seldin 117. — Siemens & Halske 275. 
359. 367. — Simon 305. — Senator 290. — Senn 114. 209. 210. 217. 225. 233. 235. 377. 383. — 
Sennor 224. — Sernoff 143. — Sick 67. 79. 80. 84. 427. — Siebs *237. — Simmonds 248. — Sjögren 
175. *263. 313. 316. 317. 319. 321. — Skinner 138. 139. 446. — Sloan 138. — Smith 225. 235. 295. 
Soetbeer 224. 235. — Sommer 313. 321. 455. — Sonnenberg *420. — Sonnenburg 25. — Spieler 284. 
— Spielmann 224. — Spiethof 134. — Spirlas 374. — Spitzy 428. 430. 432. — Sprengel 237. 239. 
240. 249. — Spronk 415. 419. — Stark 51. — Steenbeck 313. 319. 322. — Stegmann *47. *121. 155. 
291. — Stein 282. — Steinwand 226. 235. — Sterzel *271. 443. 445. — Stieda 237. 249. — Stilling 
423. — Stintzing 229. — Stone 62. 224. 235. — Sträter 347. — Strebel 53. — Stroebe 374. — 
v. Strümpell 383. 412. 453. — Stursberg 449. — Sudeck 63. 237. 249. — Sule 14. 


Tappeiner 121. — Thile 339. — Tillmann 45. — Tommasina 294. — Tracy 140. — Turchini 456. 
Unna *67. 74. 77. 89. 90. 317. — Unverricht 225. 235. 


Vallat 431. — Vaquez 235. — Varney 139. — Vesalius 413. 414. 418. — Vezey 133. — Vierordt 341. 
342. — Villard 446. 455. 456. — v. Volkmann 33. — Voller 14. — Voss 339. — Vulpian 431. — 
Vulpius 140. ; 


Wachenhusen 34. — Wagner 137. 249. — Waite 457. — Walsham 138. — Walter *1. 14. 50. 51. 183. 
185. *194. 258. *297. 345. 384. 436. 437. *440. 443. 445. *446. 448. — Weber 31. 235. — Webster, Fox 
252. — Wegele, C. 144. — Weinberger 284. — Weiss, L. 42. 43. 252. — Wendel 381. 451. — Wendt 62. 
Werner 284. 287. 292. 448. 452. 454. — Wertheim, Salomonson *254. — Wichmann 313. 316. 321. 
454. — Wiesinger 237. — Wiesner 183. 348. — Wieting 53. — Williams 127. — Wiltshire 45. — 
Wilms 348. 427. — Wind 51. — Winkler 450. — Winternitz 285. — Wohlgemuth 66. — Wolff 288. 
— Wollenberg 422. — Wood 457. — Wulff *193. 


Zeising 429. 432. — Ziegler 222. 229. 236. — Zuppinger 136. 


Sachregister. VII 


Sachregister. 


(Dio Ziffern verweisen auf die Soiten.) 


Therapie und pathologische Anatomie. 


Alopecia areata, Therapie 283. — Alveolarpyorrhoe 129. — Anaemie perniciöse 209. — Bauchtumor 285. 
— Basedow 285. — Bluterkrankungen, Therapie 209. — Brandmethoden 53. — Bubo inguinalis 139. 
— Cancroid der Nase 448. — Cancroid, Therapie 182. 288. — Carcinoma mammae 456. — Carcinom- 
therapie 65. 182. 138. 139. 292. 295. 367. — Carcinomtherapie mit Radium 137. 454. — Caries, 
Therapie 64. — Centriervorrichtung für Röhren 63. — Dariersche Dermatosen 139. — Dermatitis 58. 
285. — Dermatitis (Röntgen), Therapie 38. — Dermatologie 455. — Epilepsie, Therapie 457. — 
Epitheliom, Therapie 133. — Eosinlichtbehandlung 288. — Farbentransformationstherapie 288. — 
Finsenlicht 189. — Frühreaktion 134. — Gebärmuttergeschwülste, Therapie 184. — Haarausfall 139. 
— Hautkrankheiten, Therapie 61. 138. 139. 140. — Histologie, Böntgenwirkung auf die normale 
Haut 97. — Hochfrequenz, Therapie 188. — Hypertrichosis 133. — Indikationen zur Röntgentherapie 
i. d. Dermatologie 93. — Intensive Strahlen für Therapie 57. — Kathodenstrahlen, Therapie 53. — 
Knochenbrüche, Therapie 287. — Leukämie 62. 134. 209. 376. 383. 448. 449. 450. 451. 452. 
Leukämie, Therapie 289. — Lichtwirkung, baktericide 450. — Lungentuberkulose, Diagnostik 294. 
Lupus 139. 282. — Lupus erythemathodes 133. — Lupus, Therapie 64. 132. — Lymphomatose 209. 
Mammacarcinom 282. 448. — Messung der diagraph. Kraft der R.-Str. 308. — Myelom 292. — 
Mykosis fungoides 285. 295. — Naevus 139. — Ozaena, Therapie 293. — Photodynamische Substanzen, 
Therapie 286. — Polycythämie 209. — Pruritus 139. — Pseudoleukämie 209. 383. 449. — Psoriasis 
449. — Psoriasis, Therapie 138. — Radioaktivität, Therapie 294. — Radium 140. — Radiumapplikation, 
Mastdarm und Scheide 66. — Radiumtherapie 60. 137. 138. 139. 285. 287. 291. 457. — Rhino- 
sclerom 284. — R.-Dermatitis 132. — Röntgendermatitis der Radiologen 67. — Réntgenreaktion, 
Gleichmissigkeit derselben 100. — Röntgenröhre für Therapie 133. — Rönthgentherapie 120. 453. — 
Röntgentherapie, Rückblick 313. — Röntgentherapie bei Sarcom 263. — Röntgentherapie, Technik 
303. — Röntgenverbrennung 138. 139. — Sarkom 133. — Sarkom d. Haut 457. — Sarkom, Schädel 457. — 
Sarkomtherapie 263. — Sensibilisierung nach Dreyer 134. — Skirrhus 133. — Sykosis 285. — Therapie 
282. 283. 296. 367. 457. — Therapie, Epitheliom 283. — Therapie, Sarkom 457. — Therapie, Sensi- 
bilisation 286. — Therapie, Technik derselben 292. — Thorium, Therapie 137. 139, — Ulcerationen 
am Kopf 139. — Urantherapie 139. — Vorreaction 134. 


— 
— 


Theoretische Arbeiten. Plysiologische Wirkungen. Tierversuche. 


Absorptionsgesetz, Röntgen 297. — Allgemeine Wirkungen, Gefässe 61. — Alphastrahlen 133. — Blut, 
Wirkung auf dasselbe 451. — Dermatitis (Röntgen), forensische Begutachtung 38. — Drüsen, Wirkung 
auf dieselben 450. — Durchlässigkeit menschlischer Gewebe 12. — Eiweissabbau und Radium 454. — 
Elektrizitätslehre 236. — Glykolyse 295. — Hodenbestrahlung 60. — Imitation, chemische, der 
Strahlenwirkung 452. — Kabelfabrikation 137. — Karlsbader Thermen, Raktioaktivität 135. — Kathoden- 
strahlen 456. — Kathodenstrahlen, physikal. Grundlagen 453. — Lecithin 448. — Mäusecarcinom 60. 
Menstruation, physiol. Wirkung 284. — Mumie 133. — Nomenklatur der Röntgenologie 413. — 
N-Strahlen 129. 133. — Polonium 133. — Radium 133. 236. 449. — Radium und Lecithin 292. — 
Radium und Nervensystem 290. — Radium, Physiologie 66. — Radium in Soolquellen 451. — Radium, 
Versuche von Loridon 131. — Radium, Wirkung auf embryonale Entwickelungsvorgänge 287. — 
Röntgenologie, ein Spezialfach 291. — Röntgenstrahlen und Sachverständiger 288. — Réntgen- 


bestrahlung der Hoden des Mannes 114. 236. — Tiefenverteilung der Strahlenwirkung 191. — Tierische 
Gewebe und Radium 63. — Thymusausschaltung 286. 


Technik der Anwendungsweisen der Röntgenstrablen. Instrumentarium und Fabrikation. 


Aus der Fabrikation 48. — Bandkompressorium 286. — Bleikiste nach Levy-Dorn 133. — Blendenapparat 
nach Levy-Dorn 58. — Blenden und Schutzapparat nach Levy-Dorn 275. — Dosierung der R.-Strahlen 
451. — Fremdkörper, okulare Lokalisation 442. — Funkenlänge, äquivalente 456. — Krankenkassen 
283. — Kompressionsblende 292. 295. 356. — Induktoren, grosse 254. — Induktoren, kleine 254. — 
Induktoren, grosse und kleine 441. — Magenuntersuchungen 455. — Nierensteintechnik 132. — 
Operationstisch 344. — Operieren im Röntgenlicht 62. — Orthodiagraphie 59. 62. — Orthodiagraph 
nach Levy-Dorn 123. — Platino-Cyanüre, Wirkung der R.-Strahlen auf dieselben 455. — Radio- 


VIT Sachregister. 


meter nach Sabouraud und Noiré 260. — Röhrenverbrauch bei kleinen und grossen Induktoren. 
441. — Röntgenapparate, grosse oder kleine 49. — Röntgeninstitut des Krankenhauses St. Georg- 
Hamburg 359. — Röntgenröhre, schliessungslichtfrei, nach Koch und Sterzel 271. — Schaukasten, 
Negativbühne 121. — Schlitzbinde 347. — Schutz gegen Bestrahlungen 291. — Stereoskopie 292. — 
„System“ Dessauer 433. 440. 441. — Thoraxaufnahmen 62. — Trochoskop 172. —- Unterbrecher, 
Reiniger, Gebbert & Schall 48. — Untersuchungstisch nach Holzkneckt 172. — Ureterensteine, Technik. 
132. — Vacunmapparate 58. — Wechselstromanlagen 1. 287. — Wechselstrombetrieb 443. 446. — 
Wechselstrom im Röntgenbetriebe 194. — Weichteilschatten bei Beckenaufnahmen 267. — Winkel- 
blende 183. 


Diagnostik und Casuistik. 


Aneurysma 285, — Ancurysma der Art. pulmonalis 290. — Barlowsche Krankheit 136. — Blasen- 
difformitäten, Diagnostik 193. — Coxa vara 237. — Exostosen, cartilag. 282. — Exostosen, Cartilaginaere, 
der Hüften 33. — Ellenbogengelenk, Funktionsströrungen bei Ulnarislähmungen 25. — Elen- 
bogenresektion 282, — Fraktur (Splitter), Oberschenkel 456. — Fremdkörper im Auge, Lokalisation 
249. — Fremdkörperoperationen 178. — Gallensteine 31. 232. — Gefässerkrankungen, Diagnostik 65. 
— Gelenkentziindungen im Säuglingsalter 293. — Gelenkrheumatismus im Kindesalter 425. — Hals- 
organe, Bewegung derselben 293. — Halsrippe 43. 59. — Handverletzungen 449. — Hiluszeichnung 
140. — Innere Medizin 289. 335. — Innere Medizin, Diagnostik 296. — Karies, Zeigefinger 283. — 
Kniegelenkflexion 136. — Luxation der Sesambeine 293. — Luxation im Chopartschen Gelenk 
290. — Magen 282. — Magen-Darmkanal, Topographie, Verdauung 240. — Marenuntersuchung 133. 
— Metacarpalfissur 311. — Metacarpus, Pseudarthrose 141. — Myositis ossifieans 282. — Nase, 
Hobelung derselben 47. — Nauheimer Quelle, Radioaktive Substanz 65. — Netzhaut (Finsen-Röntgen- 
Radium) 63. — Nierensteine 132. 133. 295. — Nervus ulnaris, Drucklähmung 285. — Oberschenkel, 
Defekt 268. — Osteopathie 284. — Orthopädie 293. 351. — Osteom 132. — Os lunatum 62. — 
Ostitis deformans 420. — Os Vesalianum 288. — Os Vesalianum tarsi 413. — Pneumenie, Lösungs- 
vorgiinge 323. — Pneumothorax 138. 140. — Radiusluxation 282. — Schädelbasis 136. — Schenkel- 
halsbrüche 237. — Schenkelhalsfraktur beim Kinde 135. — Schrotschuss, Auge 155. — Schulter- 
verletzung 59. — Sesambein im Gastrocnemius 288. — Skoliose, Diagnostik 140. — Spontanfraktur, 
Femurhals 282. — Syndaktylie 135. — Talusverletzung 59. — Ulnarfraktur 186. — Ureterensteine 
132. — Wachstumsstörungen 425. — Wachstumsstörungen nach Polyarthritis 254. -— Wirbelerkrankungen 
bei Tabes 135. — Wirbelfrakturen 449. — Wirbelsäulenerkrankung 63. — Wirbelsäulenfraktur 282. 


Vereine und Kongresse. 


Ärztl. Verein Hamburg 132. 448. — Arztl. Verein Wiesbaden 282. — Berliner mediz Gesellschaft 131. 
283. 448. — Berliner militärärztl. Gesellschaft 59. — Dermatologenkongress, V. internationaler 283. 
Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins 58. 152. 449. — Gesellschaft der Chariteärzte 132. — Ge- 
sellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde, Wien 284. 449. — K. k. Gesellschaft der Ärzte 
in Wien 283. — Mediz. Gesellschaft, Magdeburg 282. — Naturwissenschaftl. mediz. Verein, Strassburg 
131. — Nürnberger mediz. Gesellschaft 233. — Rhein.-westf. Gesellschaft für innere Medizin und 
Nervenheilkunde 449. — Röntgengesellschaft, Deutsche 448. -— Rontgenkoneress 1905 49. 126, 447. — 
Roentgensociety 133. — Société médicale des Hôpitaux de Paris 133. — Verein deutscher Ärzte in 
Prag 285. 132 — Verein Freiburger Ärzte 449. — Verein für wissenschaftl. Heilkunde, Königsberg 448. 
— Vereiniguny der Sanitätsoffiziere 132. — 76. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in 
Breslau 1904 53. 


Bücherbesprechungen. 


Beck, Rentgen-Rays Diagnosis and Therapy 180. — Bélot, La Radiothérapie 52. — Bordier, Die N- 
Strahlen und die N,-Strahlen 129. — Cleaves, Light energy 232. — Guilleminot, Electricité Médicale 


282. — Guttmann, Elektrizitätslehre für Mediziner 236. — Hildebrand-Scholz-Wieling, Arteriensystem 


des Menschen 53. — Loison, Les Rayons de Roentgen 446. — Pusey, Caldwell, Lehrbuch 131. — 
Schmidt, Kompendium der Röntgentherapie 52. — Schüller, Schädelbasis 280. — Stark, Das Wesen 


der Kathoden und Röntgenstrahlen 51. — Ziegler, Lichtstrahlung des Radiums 236. 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 
| Von 
Dr. B. Walter. 


I. Theoretisches. 


Die Elektricitätswerke, welche elektrischen Strom durch Dynamomaschinen erzeugen 
und an Konsumenten abgeben, unterscheiden sich je nach der Stromart, welche sie liefern, in 
Gleichstrom- und Wechselstromcentralen. Schliesst man an die Leitungen einer Anlage der ersteren 
Art irgend einen konstanten Widerstand dauernd an, so behält der den letzteren durchfliessende 
Strom nicht bloss stets dieselbe Richtung — daher der Name „Gleichstrom“ — sondern auch — 
wenn man von dem ersten Ansteigen desselben kurz nach der Schliessung absieht — stets dieselbe 
Grösse bei. Die letztere berechnet sich nämlich hier bekanntlich einfach nach dem Ohmschen Ge- 
setze, indem man die Spannung des Werkes durch die Grösse des daran geschalteten Widerstandes 

afidiert. Ist die erstere z. B. gleich 110 Volt und der letztere gleich 10 Ohm, so ergiebt 
sich die Grösse des in dem Widerstande kreisenden Stromes zu 11°/,, = 11 Ampere; und ebenso 
einfach kann man natürlich auch umgekehrt aus der bekannten Spannung des Werkes und 
der Angabe des Ampéremeters bei dauernd eingeschaltetem Widerstande die Grösse des letzteren 
bestimmen. 

Ganz anders liegen nun aber die Verhältnisse beim Wechselstrom; denn hier hat man 
es in den an das Wechselstromwerk angeschlossenen Leitungen nicht mehr mit einer kon- 
stanten elektrischen Strömung zu thun, sondern die letztere ändert nicht bloss von Moment 
zu Moment ihre Grösse, sondern in ganz bestimmten, und zwar sehr kurz dauernden Zeit- 
abschnitten auch sogar ihre Richtung. Dieser beständige Richtungswechsel, von dem die in 
Rede stehende Stromart auch ihren Namen hat, kommt nämlich dadurch zu stande, dass die 
rotierenden Drahtwindungen des Ankers der Dynamomaschine bei ihrer Rotation ein oder 
mehrere starke magnetische Felder zu passieren haben, und dass dann die beim Eintritt in - 
ein solches Feld in ihnen erzeugte elektromotorische Kraft die entgegengesetzte Richtung hat 
von derjenigen, welche beim Austritt aus dem Felde entsteht (vgl. Schliessungs- und 
Öffnungsspannung beim Induktionsapparat). Demgemiiss hängt denn auch die Schnelligkeit, 
mit welchen sich die Richtungswechsel des Stromes in den an eine Wechselstromcentrale an- 
geschlossenen Leitungen vollziehen, einesteils von der Umdrehungsgeschwindigkeit des Ankers 
der Dynamomaschinen des Werkes und andererseits auch von der Zahl der auf einem Um- 
kreise des Ankers befindlichen magnetischen Pole dieser Maschinen ab. Beide Grössen lassen 
sich natürlich vielfach variieren, und thatsächlich findet man denn auch bei den verschiedenen 


Werken dieser Art ziemlich verschiedene Richtungswechsel- oder, wie man sich gewöhnlich 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 1 


i) 


9 Walter. 


ausdrückt, „Polwechselzahlen“. Andererseits hält aber natürlich doch jedes Werk für sich — 
schon der Gleichmässigkeit der Wirkung wegen — stets möglichst genau dieselbe Polwechsel- 
zahl inne; und ferner haben sich auch sehr viele grössere Elektricitätswerke dieser Art unter- 
einander auf ein und dieselbe Polwechselzahl geeinigt, die in Deutschland z. B. vielfach auf 
100 in der Sekunde festgesetzt ist. In einer an ein solches Werk angeschlossenen Leitung 
fliesst dann also der Strom '/,,, Sekunde lang in der einen, und das nächste Hundertstel der 
Sekunde in der entgegengesetzten Richtung, um dann in dem dritten Hundertstel wieder die 
erstere Richtung anzunehmen u. s. w. Dabei erfolgt der Übergang von der einen Richtung zur 
anderen nicht etwa plötzlich, sondern in einer sich mehr oder weniger sanft krümmenden Kurve, 
so dass wir es demnach auch hier wie so vielfach in der Natur mit einem regelrechten 
Schwingungsvorgang zu thun haben, wie er auf elektrischem Gebiete in derselben Weise 
z. B. auch in den Apparaten für Telegraphie ohne Draht, und auch sogar zwischen den 
schwingenden Teilchen einer Flamme vor sich geht, wenn auch in diesen Beispielen die in 
Frage kommende Schwingungsdauer im ersten Falle etwa 50000- und im zweiten sogar zehn 
Billionen mal so kurz ist wie in dem unsrigen. 

Auch die Vorgänge in einer Wechselstromleitung lassen sich demnach am einfachsten 
übersehen, wenn man sich dieselben, wie dies ja für alle solche Schwingungen üblich ist, durch 
eine Wellenlinie darstellt, wie dies in der Fig. 1 durch die Kurve 1 DUDEFG.... ge- 


Fig. 1. 


schehen ist. Schreitet man nämlich hier auf der mitten durch die Kurve gezogenen geraden 
Linie ACEG.... der „Zeitachse“, in gleichmässigem Tempo fort, so findet man für jeden 
Augenblick die Grösse und Richtung des Stromes durch den senkrechten Abstand der Kurve von 
dem betreffenden Punkte dieser Achse, in welchem man sich gerade befindet, für den Zeitpunkt - 
œ also z. B. durch die Ordinate af; und zwar ist der Strom in positivem Sinne gerichtet, wenn 
sich dabei diese Ordinate von jener geraden Linie aus nach oben zu erstreckt, in negativem 
dagegen, wenn sie — wie beim Punkte y — nach unten zu geht. 

Die Kurve zeigt uns nun ohne weiteres, dass der Strom für alle zwischen -1 und C 
liegenden Augenblicke positiv, für alle zwischen C und Z fallenden dagegen negativ ist u. s. w. 
so dass also die Punkte 4A, C, Z,@,.... diejenigen Augenblicke darstellen. in welchen eine 
Richtungsänderung des Stromes in der Leitung stattfindet. Da nun aber diese Richtungs- 
änderungen natürlich durch die fortwiihrenden Polwechsel der den Strom erzeugenden Dynamo- 
maschine bedingt werden, so ist mithin auch die Zahl der ersteren in der Sekunde genau die- 
selbe wie die der letzteren, d. h. also bei den meisten Elektricitätswerken dieser Art = 100, 
so dass dann also jede der untereinander gleichen Strecken AC, Ch, EG,.... unserer Figur 1 
gleich */,5, Sekunde zu setzen ist. 

Weiter zeigt nun diese Abbildung, dass wir, um zwei völlig identische, d. h. sowohl 
an Grösse als auch an Richtung übereinstimmende Stromwerte zu erhalten, auf der Zeitachse 
nicht etwa bloss um '/,,, Sekunde, also z. B. nicht bloss von « nach y hinzugehen haben — 
wo ay = AC = tlio Sekunde angenommen ist —; denn daun würde der Strom yò zwar seiner 
absoluten Grösse nach mit dem Strome «p übereinstimmen, nicht aber seiner Richtung nach. 
Vielmehr muss man, um die Gleichheit in beiden Beziehungen herzustellen, vom Punkte « 
aus gleich bis zum Punkte € fortschreiten, wo ae = 2ay = 2.AC = > "Io Sekunde ist. 

Diesen Zeitabschnitt zwischen zwei völlig identischen Stromzuständen nennt man nun 
auch hier wie bei jedem anderen Schwingungsvorgang im der Natur die „Periode“ desselben; 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. | 3 


und die letztere ist also, wie eben bewiesen wurde, genau doppelt so gross wie die Zeit zwischen 
zwei aufeinander folgenden Polwechseln, so dass man demnach einen Wechselstrom von 100 
Polwechseln auch als einen solchen von 50 Perioden bezeichnen kann, oder allgemeiner aus- 
gedrückt: wenn z die sekundliche Polwechselzahl und 7 die Periodendauer eines Wechsel- 
stromes ist, ‘so gilt die Gleichung: 


1) z= A eine Gleichung, die im obigen Beispiele 100 — on lautet. 
(iso) 


‚Eine genauere Bestimmung der Wirkung eines solchen periodisch veränderlichen 
Stromes ist nun selbstverständlich nur dann möglich, wenn die Äste der Kurve ABC. 
nach einem einfachen mathematischen Gesetze verlaufen, was allerdings in der Praxis ach 
häufig nicht der Fall ist. Immerhin wird aber doch die Grundform aller hier vorkommenden 
Stromkurven durch die sog. Sinuslinie gebildet; und auf diese beziehen sich denn auch die 
sämtlichen in der Wechselstromtechnik gültigen Gesetze, von denen hier wenigstens die haupt- 
sächlichsten, für uns in Frage kommenden kurz erläutert werden sollen. 

Die Gleichung der Kurve ABC.... lautet in diesem Falle: 

2) imi,sin 2a 7 =i, sin sr zt, 
wo 2 die veränderliche Stromordinate darstellt, die dem ebenfalls veränderlichen Zeitpunkte ¢ 
entspricht, während i den konstanten maximalen Wert jener Grösse bedeutet, der also in der 
Kurve der Fig. 1 von dem Abstande der höchsten Punkte B, F, K der Kurve von der Zeit- 
achse dargestellt wird. Das 7’ der Gleichung 2) ferner bedeutet die konstante Periode des 
Stromes, die also in der Praxis in der Regel !/,, Sekunde beträgt, und die Grösse æ endlich 
ist die bekannte Ludolphsche Zahl, die hier natürlich einen Winkel von 180° bezeichnet. 

Dass diese Gleichung 2) nun thatsächlich eine Kurve von der Form der Fig. 1 dar- 
stellt, sieht man sofort, wenn man z. B. im Punkte A der letzteren mit der Zeitrechnung be- 
ginnt, d. h. also für ihn = 0 setzt und die Strecke AH = .7' nimmt. Die Gleichung 2) sagt 
uns dann zunächst, dass im Punkte A selbst auch <= 0 werden muss, da ja sin 0 = 0 ist. 


Dies ist nun auch in der Kurve der Fig. 1 der Fall. Für die Zeit II dagegen, d. h. für 


den in der Mitte zwischen A und C gelegenen Zeitpunkt, muss ferner die Stromordinate 7 nach 
der Gl. 2) ebenso wie in der Kurve der Fig. 1 ihren grössten positiven Wert +-:, erreichen, 
1 TC 


; , foai t : r t 
denn fiir diesen Wert von ¢ wird ja 21 a ee = d. h. es erreicht dann sin INT 


= sin = seinen grössten Wert + 1 und also ¿ den Wert +7. Für t= = ferner, d. h. also 


für den Punkt C der Fig. 1, wird In = In on, d. h. sin 2 0; = = sin w = 0; und 


demnach wird auch hier die Stromordinate ¿ nach Gleichung 2) ebenso wie in der Kurve der 


Fig. 1 wieder =o; für t= T weiter, d. h. für den mitten zwischen C und Æ gelegenen 


Punkt der Zeitachse, wird sin 2 7 a = sin > mx = — 1 und also nach Gleichung 2) i =— i,» 


d. h. es erreicht hier die Stromordinate nach dieser Gleichung ebenso wie in der Kurve ihren 
grössten negativen Wert, um für ¢= T endlich, d. h. nach einer vollen Periode vom Beginne 
unserer Zeitrechnung an, wieder auf Null zu steigen. Für diesen Wert von ¢ nämlich wird 
der Winkel 20 = 27 und sein Sinus also = 0. Von hier ab aber macht diese Funktion 
mit noch weiter wachsenden Werten von ¢ bekanntlich wieder genau den soeben beschriebenen 
Wechsel durch, so dass also die Gleichung 2) thatsächlich eine bis ins Unendliche fortlaufende 
wlan von der Form der Fig. 1 darstellt. 
1* 


4 Walter. 


Dieselben Betrachtungen, welche wir soeben über die veründerliche Grösse des 
Stromes in einer Wechselstromleitung durchgeführt haben, gelten nun in gleicher Weise auch 
für die elektromotorische Kraft oder Spannungsdifferenz an den Enden derselben, eine 
Grösse, die ja stets als die eigentliche Ursache des Stromes anzusehen ist. Auch sie muss 
nach einer Kurve verlaufen, welche nicht bloss dieselbe Form, sondern auch dieselbe Perioden- 
dauer hat wie diejenige des Stromes. Andererseits findet hier aber doch zwischen beiden 
Grössen insofern ein Unterschied statt, als die Kurven beider, wie dies in der Fig. 2 dargestellt 
ist, in der Regel zeitlich gegeneinander verschoben sind oder, wie man sich in der Wechsel- 
stromtechnik ausdrückt, einen „Phasenunterschied“ gegeneinander zeigen. Stellt also z. B. die 
punktierte Kurve der Fig. 2 die Spannungsdifferenz zwischen den beiden. Enden des 
betrachteten Stromleiters dar, so dass 
mithin diese Grösse z. B. im Punkte 
A, vom Negativen zum Positiven 
übergeht, so findet für den Strom, 
der durch die ausgezogene Wellenlinie 
der Fig. 2 dargestellt sein mag, der 
entsprechende Übergang erst im Punkte 
A, d. h. also um die Zeit A, A, 
später statt; und in diesem Falle. 


Fig. 2. sagt man dann, dass der Strom der 
Spannung nacheilt, oder auch, dass 
er ihr gegenüber eine „Phasenverzögerung“ hat. In der Fig. 2 ist dieselbe durch die Strecke 


A A, dargestellt, und zwar ist diese Strecke daselbst willkürlich gleich Y/, .1,C,, d. h. 
gleich '/, der ganzen Periode, angenommen worden, in welchem Falle man auch, da eine 
ganze Periode in der Gleichung 2) einem Winkel 2 jr = 360° entspricht, von einer Phasen- 


ee JE ~ 0 . 
verzögerung von — oder von 45° spricht. 
4 


Um nun aber zunächst den Grund für das Zustandekommen einer solchen Phasen- 
verschiebung in Wechselstromleitungen einzusehen, erinnern wir uns am besten an die Vor- 
gänge bei der Schliessung des primären Stromes eines mit Gleichstromspannung betriebenen 
Induktionsapparates. Auch in diesem Falle haben wir es nämlich in den ersten Augenblicken nach 
dem Stromschluss mit einer Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung zu thun; denn, 
während die letztere hier natürlich unter allen Umständen konstant bleibt — nämlich gleich der 
konstanten Betriebsspannung des Werkes bezw. der Akkumulatorenbatterie — steigt der Strom 
stets erst allmählich auf den ihm nach dem Ohmschen Gesetze zukommenden Wert an: und zwar 
ist der Grund dieser Erscheinung, wie wir wissen, in der Selbstinduktion der primären Rolle 
des Induktors zu suchen. In derselben Weise ist nun auch die in einer Wechselstromleitung 
stattfindende Phasenverzögerung des Stromes in allen Fällen auf eine Selbstinduktion des betr. 
Stromkreises zurückzuführen; und da demnach dieser letztere Begriff, der ja auch schon für 
die Theorie des Induktionsapparates eine grosse Bedeutung hat, auch in der des Wechselstromes 
sowie natürlich noch mehr in der des mit Wechselstrom betriebenen Induktionsapparates eine 
fundamentale Rolle spielt, so muss derselbe hier zunächst etwas ausführlicher erläutert werden. 

Von Selbstinduktion kann nun bei einem Stromkreise nur dann die Rede sein, wenn 
sich bei Stromdurchgang in der Umgebung desselben ein magnetisches Feld ausbildet; und 
zwar kommen für uns nur solche Stromkreise in Betracht, mit deren Hilfe sich schon recht beträcht- 
liche Feldstärken dieser Art herstellen lassen, d. h. also nur Drahtspulen mit Eisenkern. Die Wir- 
kung der Selbstinduktion ferner vergleicht man am besten mit derjenigen der Trägheit der 
gewöhnlichen mechanischen Masse, also z. B. der des Schwungrades einer Maschine, das be- 
kanntlich bei jeder Geschwindigkeitsänderung seiner Welle eine dieser Änderung entgegen- 
wirkende „Trägheitskraft“ entwickelt. In derselben Weise erzeugt nämlich auch ein Stromkreis 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 5 


mit Selbstinduktion bei jeder Änderung seiner magnetischen Feldstärke eine dieser Änderung 
entgegenwirkende elektromagnetische Trägheitskraft, indem dabei in jeder das Feld um- 
gebenden Drahtwindung eine elektromotorische Kraft (E. M. K.) von solcher Richtung 
„induziert“ wird, dass der dadurch erzeugte Strom jener Feldstärkenänderung eben nach Mög- 
lichkeit entgegenarbeitet. Beim Ansteigen der letzteren wird demnach diese „E. M. K. der 
Selbstinduktion“ der dieses Ansteigen bewirkenden „ursprünglichen E. M. K.“ (Betriebsspannung 
der Maschine) entgegenarbeiten, beim Abfallen der Feldstärke dagegen wird sie in demselben Sinne 
wirken wie diese: Vorgänge, die uns ja übrigens von dem gewöhnlichen Betriebe des Induktions- 
apparates mit Gleichstromspannung und Stromunterbrechung her nicht mehr so unbekannt sind. 
Was sodann aber die Grösse der jeweilig entstehenden E. M. K. der Selbstinduktion 
angeht, so unterstützen sich nun offenbar bei einer Drahtspule, deren Windungen alle in dem- 
selben Sinne gewickelt sind, die sämtlichen, in den einzelnen Windungen derselben erzeugten 
E. M. K. genau so wie diejenigen der einzelnen Elemente einer in Reihe geschalteten galva- 
nischen Batterie, so dass also die gesamte E. M. K. der Selbstinduktion zunächst jedenfalls der 
Windungszahl der Spule angenähert proportional sein muss. Ferner wissen wir aber von den 
Vorgängen im Induktionsapparat, dass eine jede solche induzierte E. M. K. auch um so grösser 
wird, je schneller der Anstieg oder Abfall des im Apparate erzeugten magnetischen Feldes 
vor sich geht; denn das Ziel aller unserer Stromunterbrecher geht ja bekanntlich darauf hinaus, 
jenen Abfall bei der Stromunterbrechung so steil wie möglich zu machen. In ähnlicher Weise 
wird also auch die Grösse der bei Wechselstrom entstehenden E. M. K. der Selbstinduktion von 
der Steilheit des Anstiegs und Abfalls des magnetischen Feldes der betreffenden Spule ab- 
hängen; und da nun dieses Feld natürlich durch den in der Spule selbst zirkulierenden Strom 
erzeugt wird und auch — innerhalb gewisser Grenzen — annähernd mit der Grösse des letzteren 
proportional geht, ferner. aber auch von den Dimensionen des Eisenkerns sowie endlich vor 
allem auch noch wieder seinerseits von der Zahl der den letzteren umgebenden Drahtwindungen 
abhängt, so muss mithin schliesslich die in der Spule in jedem Augenblick entstehende E. M. K. 
der Selbstinduktion einesteils proportional der Grösse der in dem betr. Momente stattfindenden 
Stromänderung, andernteils aber auch proportional einer für jede Spule annähernd konstanten 
Grösse L sein, die aus den beiden angeführten Gründen mit der Windungszahl der betreffen- 
den Spule wächst und daher annähernd dem Quadrate dieser Zahl proportional sein muss, 
ferner aber auch noch von den Dimensionen ihres Eisenkerns abhängt. Diese Grösse Z nennt 
man nun den „Selbstinduktionskoefficienten“ oder auch kurz die „Selbstinduktion“ der betr. 
Spule, und kann dieselbe nach obigem wohl am einfachsten als,das magnetische Trägheits- 
moment der letzteren bezeichnet werden. Ihre Grösse wird in dem in der Elektrotechnik 
gebräuchlichen Masssysteme der Ampere, Ohm und Volt in Henry ausgedrückt. 

Kehren wir aber nunmehr zum Wechselstrome zurück, und zwar zunächst wieder zum 
Verlaufe desselben in einer einfachen Drahtspule mit Eisenkern, so zeigt uns nun der Vergleich 
desselben mit dem Schliessungsstrome eines Induktors, den wir bereits oben herangezogen 
hatten, ferner noch, dass die Selbstinduktion jener Spule nicht bloss eine a 
auch eine Verkleinerung des Stromes — im Vergleich mit der nach Ohmschen Gesetze zu 
erwartenden Grösse — hervorbringen und dass diese Verkleinerung natürlich um so merkbarer 
werden muss, je grösser die Selbstinduktion des Stromkreises ist. Und wie nun endlich beim 
Betriebe des Induktoriums mit Gleichstrom und Stromunterbrecher eine weitere stromverkleinernde 
Ursache in der Zahl der Unterbrechungen pro Sekunde zu suchen ist, insofern ja hier der all- 
mählich ansteigende Strom den ihm nach dem Ohmschen Gesetze zukommenden Wert um so 
weniger erreichen wird, je schneller die Unterbrechung des Stromes auf die Schliessung des- 
selben folgt, so ist auch beim Wechselstrom eine ähnliche stromverkleinernde Ursache schon 
in dem Polwechsel als solchem zu suchen, so dass also auch hier der Strom mit zunehmender 
Polwechselzahl immer mehr hinter der nach dem Ohmschen Gesetze zu erwartenden Grösse 
zurückbleiben wird. 


ur ‘eee 
Melos J laa 


6 | Walter. 


Ehe wir nun aber die genaueren Formeln, durch welche sich die Grösse eines Wechsel- 
stromes berechnen lässt, näher kennen lernen, müssen wir zuvor noch einen kurzen Blick auf 
diejenigen Instrumente werfen, welche man in neuerer Zeit bei Wechselstrémen fast ausschliesslich 
zur Messung von Strom und Spannung verwendet. Es kommen nämlich in diesem Falle offenbar 
alle diejenigen Messapparate, welche auf die bekannte ablenkende Wirkung zwischen einer festen, 
vom Strom durchflossenen Drahtspule und einem beweglich angebrachten Magnetkörper beruhen, 


nicht in Betracht, da ja hier die ablenkende Wirkung — wegen der wechselnden Richtung 
des Stromes — bald in dem einen und bald in dem anderen Sinne gerichtet ist und daher 


eine Ablenkung in der Regel überhaupt nicht zustande kommt. Aus diesem Grunde verwendet 
man gegenwärtig bei Wechselstrémen sowohl zur Messung der Stromstärke als auch zu der 
der Spannung fast ausschliesslich die sog. Hitzdrahtinstrumente, d. h. Apparate, bei denen 
die Verlängerung, welche ein straff ausgespannter Draht infolge seiner Erwärmung durch den 
hindurchgehenden Strom erfährt, durch ein mehr oder minder kompliziertes Hebelwerk auf 
einen über einer Skala spielenden Zeiger übertragen wird. Da nämlich die von einem elektrischen 
Strom in einem Drahte erzeugte Wärme selbstverständlich nicht von der Richtung, sondern 
nur von der Grösse des ersteren abhängig ist, so muss ein Instrument dieser Art, das übrigens 
vorher stets mit Gleichstrom geaicht wird, offenbar einen Mittelwert zwischen den sänt- 
lichen Ordinaten angeben, welche in der Kurve der Fig. 1 unter irgend einem Aste derselben, 
also etwa unter ABC, gelegen sind. Dieser Mittelwert wird, da die elektrische Stromwärme 
mit dem Quadrate der Stromstärke proportional geht, auch häufig als der quadratische 
Mittelwert bezeichnet; noch mehr jedoch hat sich dafür der Zusatz „effektiv“ eingebürgert, 
so dass man also die von diesen Instrumenten angezeigten Werte einfach den .„ettektiven Strom“ 
und die „effektive Spannung“ des Wechselstromes nennt. 

Man wird hier vielleicht noch die Frage aufwerfen, inwiefern es überhaupt möglich 
ist, dass ein solches Hitzdrahtinstrument Spannungen anzeigen kann, da es sich doch bei der 
Erwärmung eines Drahtes nur um eine Wirkung des Stromes handelt. Die Antwort hierauf 
ist einfach die, dass in diesem Falle, wo es sich um einen gerade ausgespannten Draht, d. h. 
um einen Widerstand olıne nennenswerte Selbstinduktion handelt, beim Wechselstrom ebenso 
gut wie beim Gleichstrom einfach das Ohmsche Gesetz gilt und man daher auch dort ebenso 
gut wie hier jedes Instrument dieser Art nicht bloss als Strom-, sondern auch als Spannungs- 
messer benutzen kann, indem man im letzteren Falle den vom Instrumente angegebenen Strom 
einfach mit dem Widerstande des letzteren multipliziert. Um nun aber diese Rechnung nicht 
erst jedesmal ausführen zu müssen, ist bei den speziell zur Messung der Spannung dienenden 
Instrumenten das Resultat derselben gleich auf der Skala hingeschrieben oder mit anderen 
Worten, die Skala direkt auf Spannung geaicht. 

Auch die Angaben der beschriebenen Instrumente lassen nun natürlich nur dann einen 
näheren Schluss auf den Verlauf und die gesamte Wirkung des Wechselstromes ziehen, wenn 
die Kurvenform des letzteren, d. h. also die genauere Gestalt der Linie IBC der Fig. 1 bekannt 
ist. Handelt es sich hier speziell um eine Sinuslinie, wie in der Gleichung 2), so zeigt die 


2 
in 


Theorie, dass jener quadratische Mittelwert = Hes d. h. gleich dem 0,707 fachen der Maximal- 
2 

ordinate der Kurve wird, so dass dann also umgekehrt auch dieser Maximalwert gleich dem 
y2- oder 1,414 fachen von dem von dem Hitzdrahtinstrument angegebenen effektiven Werte 
ist. In der Praxis freilich hat man es nun aber fast stets nur mit diesen effektiven Grössen 
zu thun, und auf diese, die in der Folge mit J (Strom) und Æ (Spannung) bezeichnet werden 
sollen, beziehen sich daher auch nur unsere Formeln. 

Während sich nun bei Gleichstrom der Strom J aus der Spannung Z bekanntlich 
durch die Ohmsche Gleichung 


3) j=+ 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 7 


berechnet, wo ZÆ der Widerstand des Kreises ist, gilt für einen Wechselstromkreis mit Selbst- 
induktion bei sinusförmigem Verlauf des Stromes die Beziehung 


E 


i T= RS eel) 


worin wieder /£ der Widerstand und Z der Selbstinduktionskoefficient des Kreises, ferner 
mu = 3,14... und endlich z die sekundliche Polwechselzahl des Wechselstromes, d. h. also 
ze 7 ist, wie schon in Gleichung 1) gezeigt wurde. 

Die Phasenverschiebung p zwischen Strom und Spannung ferner berechnet sich aus 
der Gleichung 


5) | tg p = en 
oder auch aus der damit identischen. 
R 


" ma 
und diese Grösse p ist hier besonders deswegen von Wichtigkeit, weil sie auch bei der Be- 
stimmung der in einer Wechselstromleitung verbrauchten elektrischen Arbeitsmenge eine Rolle 
spielt, wie wir weiter unten noch genauer sehen werden. 

Vergleichen wir indessen zunächst die beiden Beziehungen 3) und 4) miteinander, vou 
denen die erstere für Gleich- und die letztere für Wechselstrom gilt, so sehen wir, dass an die 
Stelle des einfachen Ohmschen Widerstandes R im Nenner der rechten Seite von 3) in der 


Gleichung 4) der kompliziertere Ausdruck y R? + (xz L)? getreten ist, der deshalb auch der 
„Wechselstromwiderstand“ des betreffenden Stromkreises heisst. Derselbe setzt sich, wie die 
unmittelbare Anschauung lehrt, aus zwei Teilen, nämlich dem Ohmschen Widerstande A und 
dem sog. „induktiven Widerstande“ zz zusammen, deren letzterer einerseits mit dem Selbst- 
induktionskoefficienten Z des Stromkreises und andererseits auch mit der Polwechselzahl des 
Werkes ansteigt. 

Dieser letztere Widerstand enthält mithin diejenigen beiden Momente, welche wir schon 
oben bei unseren allgemeinen Betrachtungen als stromverkleinernde Ursachen bei Wechselstrom 
kennen gelernt hatten, und deren Einfluss jetzt an einigen speziellen Beispielen noch etwas 
näher erläutert werden mag. Zu diesem Zwecke denken wir uns eine dickdrähtige Spule, z. B. 
die Primärspule eines Induktionsapparates, deren Selbstinduktion Z= 0,1 Henry und deren 
Ohmscher Widerstand R = 12 (Ohm) sein mag, direkt an das Netz einer Wechselstromcentrale 
mit z = 100 Polwechseln und E=120 Volt effektiver Spannung angeschlossen. Nach der 
Gleichung 4) erreicht dann der Strom in dieser Spule, trotzdem hier eine verhältnismässig hohe 
Spannung direkt auf einen verhältnismässig kleinen Ohmschen Widerstand wirkt, doch nur den 
kleinen Wert von 3,8 Ampere, während er bei Gleichstromspannung unter denselben Umständen 
nach Gleichung 3) auf 120 Ampere anwachsen würde. Der Grund für diesen gewaltigen 
Unterschied ist lediglich darin zu suchen, dass der induktive Widerstand mz% dieses Strom- 
kreises schon den recht beträchtlichen Wert von 31,4 2 hat; und so kommt es denn. auch hier 
bis zu einem gewissen Grade wenig auf den Wert des Ohmschen Widerstandes an, d. h. es ist 
z. B. gleichgültig, ob derselbe 0,2 oder 2 2 beträgt, während allerdings für Werte von R, die 
dem oben genannten Werte von m zL näher kommen, auch der Einfluss des ersteren bemerkbar 
zu werden anfängt. Für R= 10.2 beispielsweise, wobei man sich übrigens diese Widerstands- 
vergrösserung auch durch besondere zu der Spule hinzugeschaltete induktionsfreie Widerstände 
bewirkt denken kann — die gewöhnlichen Vorschaltewiderstände können hier als solche gelten 
— wird im obigen Beispiele J = 3,6 Amp., für = 20 2 ferner wird J = 3,2 Amp. und für 
A = 31,4 2, d.h. also wenn der Ohmsche und der induktive Widerstand einander gleich sind, 
wird J = 2,68 Amp. Dieser letztere Wert ist nun aber nicht etwa gleich der Hälfte desjenigen 


-~ 


$ Walter. 


(3,8 Amp.), welchen der Strom für ?= 0 erreicht, sondern erheblich grösser; und thatsächlich 


ergiebt auch die Gleichung 4), dass jener Wert nicht das '/,- oder 0,5-, sondern das 2 oder 


0,707 fache von diesem betragen muss. Auf die Hiilfte des erstgenannten Wertes sinkt viel- 
mehr der Strom erst dann, wenn in diesem Falle & = 55 2 genommen wird. 

Zum Betriebe eines Induktionsapparates freilich braucht man in diesem Falle, wie wir 
später sehen werden, nicht kleinere, sondern zumeist erheblich grössere Stromstiirken, und diese 
lassen sich nun bei einer Netzspannung von 120 Volt und 50 Perioden in der Sekunde nach 
der Gleichung 4) nur dadurch erreichen, dass man die Selbstinduktion Z der Spule viel kleiner 
nimmt als oben angenommen wurde, was natürlich in der Praxis in erster Linie durch die 
Verkleinerung der Windungszahl derselben erreicht wird. Eine passende Grösse von J. für 
diesen Zweck ist z. B. der zehnte Teil des letzteren Wertes, also / = 0,01 Henry; denn in 
diesem Falle wird der induktive Widerstand xr z Z} der Spule nur gleich 3,14 2, so dass dann 
also der Strom für sehr kleine Werte von Zt, wie sie bei den betrachteten Spulen ja stets vor- 
liegen, und bei direktem Anschluss der Spule an das obige Netz, nach der Gleichung 4) bis 
zu 38,2 Ampere ansteigen kann. Durch Hinzuschalten von induktionsfreiem Widerstand A 
kann man dann natürlich diesen Strom beliebig abschwächen; und zwar würde derselbe in 
diesem Falle z. B. schon durch A = 3,14 2 ebenso wie oben auf das 0,707 fache, d. h. auf 
26,8 Amp., durch #=10 2 aber schon auf 11,4 Amp. reduziert werden, so dass man also 
in diesem Falle auch schon mit mässig grossen Vorschaltewiderstiinden ganz erhebliche Strom- 
verkleinerungen erreicht. 

Was sodann den Einfluss der Polwechselzahl = des Werkes angeht, so zeigt die Gleichung 
4), dass dieselbe in dem gleichen Sinne wirkt, wie die Selbstinduktion, so dass man also, um bei 
zwei Werken mit verschiedener Polwechselzahl aber gleicher Spannung in zwei Spulen dieselbe 
Maximalstromstärke zu erhalten, die Selbstinduktionskoefficienten der letzteren umgekehrt pro- 
portional mit den Polwechselzahlen der beiden ersteren halten muss. Andererseits ergiebt die 
Gleichung 4), dass für sehr kleine Werte von /, d. h. für induktionsfreie Widerstände — Glüh- 
lampen oder auch die gewöhnlichen Vorschaltewiderstände können hier als solche angesehen 
werden — die Polwechselzahl des Werkes vollkommen gleichgültig ist; denn in diesem Falle 
geht die Gleichung 4) offenbar in die Gleichung >) über. Mit anderen Worten: in einem 
induktionsfreien Widerstande berechnet sich der Strom auch bei Wechselstromnetzen einfach 
nach dem Ohmschen Gesetze. Wenn ich daher oben bei meinen allgemeinen Betrachtungen sagte, 
dass beim Wechselstrom schon die Polwechselzahl als solche eine stromverkleinernde Ur- 
sache darstelle, so war dies natürlich nur auf Stromkreise mit Selbstinduktion zu beziehen, da 
ja auch nur bei diesen jenes Nacheilen des Stromes hinter der Spannung stattfindet, von 
welchem dort die Rede war, während in einem induktionsfreien Widerstand Strom und Spannung 
in gleicher Phase sind und mithin das Ohmsche Gesetz in jedem Augenblick befolgen, so 
dass daher das letztere natürlich auch für die Durchschnittswerte beider Grössen gilt, welche 
unsere Messinstrumente anzeigen. Dass nämlich thatsächlich in einem solchen Stromkreise 
ohne Selbstinduktion der Strom und die Spannung die gleiche Phase haben, folgt ausser unseren 
früheren allgemeinen Betrachtungen auch aus den Gleichungen 5) und 6), da nach diesen für 
L = 0 auch p = 0 wird. 

Kommen wir sodann schliesslich noch zu der in einem Stromkreise mit Selbstinduktion 
verbrauchten Energiemenge, so erweist sich der oben angezogene Vergleich eines solchen 
Stromkreises mit der trägen Masse eines Schwungrades auch in dieser Beziehung als stichhaltig. 
Denn ebensowenig, wie die von einem solchen Rade beim Anlaufen desselben aufgenommene 
Arbeitsmenge für den Betrieb als verloren anzusehen ist, insofern sie nämlich beim Nachlassen 
der Geschwindigkeit sofort wieder als bewegungsfördernde Kraft zur Geltung kommt, so ist 
auch die in einer Spule mit Selbstinduktion beim Ansteigen des magnetischen Feldes aufgewandte 
elektrische Energie durchaus nicht als eine verlorene Arbeitsmenge anzusehen, sondern dieselbe 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 9 


ist dann vielmehr in jenem Felde selbst als magnetische Energie aufgespeichert und kommt 
beim Nachlassen des das Feld erzeugenden Stromes wieder in ihrer ganzen Grösse zum Vorschein. 
Auch bei einer Spule mit Selbstinduktion wird daher ebenso wie bei einem induktionsfreien 
Widerstande die wirklich darin verzehrte Energiemenge — wenn wir von sekundären Erschei- 
nungen absehen — nur durch die zur Erwärmung des Drahtes verbrauchte Arbeitsmenge dar- 
gestellt und hängt also nur von dem Ohmschen Widerstande der Spule nicht aber von deren 
Selbstinduktionskoeffizienten ab, oder genauer: es gilt auch in jenem Falle ebenso wie in diesem, 
für diese Energiemenge A das sog. Joulesche Gesetz (Joule war ein Engländer und ist daher 
Jaul zu sprechen): 

7) A=J®.R.t, 
wo J die Stromstärke, 2 der Ohmsche Widerstand und ¢ die Arbeitszeit bedeutet. Bei Gleich- 
strom schreibt man nun diesen Ausdruck vermöge der Gleichung 3) in der Regel in der Form 

8)  A=K&.J.t, 
so dass man also hier zur Berechnung der in der Sekunde aufgebrauchten Energie den Wider- 
stand des Stromkreises gar nicht erst zu kennen braucht, sondern einfach die bekannte Span- 
nung des Elektricitätswerkes mit der am Ampéremeter abgelesenen Stromstärke zu multiplizieren 
hat. Bei Wechselstrom dagegen ist diese Bestimmung nicht so einfach; denn, wenn man hier 
in die Gleichung 7) die Spannung Æ nach der für diese Stromart gültigen Gleichung 4) ein- 
führt, so findet man 


R 
| A=E.J. VR F web t, 
oder mit Berticksichtigung der Gleichung 6) 
9) A=E.J.cosp.t. 


In Worten: Um bei Wechselstrom die in einem einfachen Stromkreise mit Selbst- 
induktion in der Zeiteinheit verbrauchte Energiemenge zu erhalten, hat man das Produkt aus 
Spannung und Strom noch mit dem Kosinus der FOMENSEreliebung zwischen beiden zu 
multiplizieren. 

Die Berechnung der letzteren macht sich nun zwar nach der Gleichung 5) sehr einfach, 
indessen braucht man dazu nicht bloss den Ohmschen Widerstand Æ, sondern auch die Selbst- 
induktion Z des Kreises, sowie endlich auch die Polwechselzahl z des Werkes. Die Bestim- 
mung aller dieser Grössen würde nun aber in der Praxis natürlich recht umständlich sein, so 
dass man daher hier besondere Instrumente, sog, Wattmeter, verwendet, welche die sekundlich 
verbrauchte Arbeitsmenge direkt zu messen gestatten, Instrumente, deren Handhabung aber in 
der Regel auch nicht ganz einfach ist, und auf die hier daher auch nicht näher eingegangen 
werden soll. Im Gegenteil wollen wir uns, da es uns ja hier nur um einen allgemeinen 
Überblick über die vorliegenden Verhältnisse zu thun ist, lieber an die oben hingeschriebenen 
Gleichungen halten und also auf Grund derselben bei den bereits oben gewählten Beispielen 
auch noch die Phasenverzögerung und die Sekundenarbeit berechnen. Für z = 100, L = 0,1 
und R = 1 wird nun nach Gleichung 5) tg gm = 31,4, mithin 9 = 88° 11’ also nahezu 
gleich 90°, ein Winkel, der nämlich nach Gleichung 5) den grössten überhaupt: möglichen 
Wert von p darstellt, und der nach dieser Gleichung dann erreicht wird, wenn der induktive 
Widerstand 2zZ im Vergleich zu dem Ohmschen Widerstande Æ unendlich gross ist. Im 
obigen Beispiele, wo wzL = 31,4 und È = 1 2 war, kommen wir mithin diesem Grenzfall 
schon ziemlich nahe. Ein Winkel aber, welcher nahe bei 90° liegt, hat nun bekanntlich 
einen sehr kleinen Kosinus, so dass demnach in diesen Fällen nach der Gleichung 9) auch 
die in dem Stromkreise geleistete Sekundenarbeit sehr klein werden muss. In dem obigen 
Beispiele speziell wird cos = 0,032, so dass demnach, wenn die in Betracht gezogene Spule 
direkt an einen Stromkreis von 120 Volt und 100 Polwechseln angeschlossen ist, die in 
ihr pro Sekunde verbrauchte Arbeit nur 120.3,8.0,082—=14 Watt beträgt, während eine 


Gleichstromspannung von 120 Volt in demselben Stromkreis eine Sekundenwärme von 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 2 


10 Walter. 


120.120 = 14400 Watt erzeugt, ein Wert, der also etwa 1000 mal so gross ist, als der soeben 
für die gleiche Wechselstromspannung gefundene. Um sich von diesen Wärmemengen eine 
Vorstellung zu machen, sei angeführt, dass die von einer gewöhnlichen elektrischen Glüh- 
lampe entwickelte Sekundenwäre etwa 50 Watt beträgt. 

Schaltet man ferner zu der in Rede stehenden Spule einen induktionsfreien Widerstand 
von 9 2 hinzu, so dass der ganze Widerstand 10 2 beträgt, so wird nach Gleichung 5) zwar 
p=12°20’ und also bei 120 Volt Spannung nach Gleichung 9) die Sekundenwärme = 
120 . 3,6 . 0,803 = 130 Watt, aber °/,, derselben wird dann in dem zugeschalteten induktionsfreien 
Widerstande und nur '/,, oder 13 Watt in der Spule selbst verbraucht. Dies letztere folgt 
unmittelbar aus der Jouleschen Gleichung 7), nach der sich nämlich die in den verschiedenen 
Teilen eines und desselben Stromkreises erzeugten Wiirmemengen direkt wie die Ohmschen 
Widerstände dieser Teile verhalten. 

Die Gleichung 7) lehrt uns nun aber andererseits auch, dass die in einem bestimmten 
Widerstande Jè erzeugte Stromwärme mit dem Quadrate der Stromstärke 7 ansteigt; und da 
wir nun ferner oben gesehen haben, dass man beim Wechselstrom durch Verkleinerung der 
Selbstinduktion / einer Spule den in ihr pulsierenden Strom ganz erheblich verstärken kann, 
so würde demnach damit bei gleichbleibendem Widerstand der Spule die darin als Stromwärme 
verloren gehende elektrische Energie natürlich in noch viel stärkerem Masse zunehmen. Um auch 
dieses schliesslich noch durch ein Beispiel zu erläutern, nehmen wir jetzt wieder, wie auch oben 
bereits einmal, Z = 0,01 Henry, in welchem Falle ja bei = 120 Volt und : = 100 Polwechseln 
der Strom bis auf 38,2 Ampere ansteigen konnte Würde man nun in diesem Falle wieder 
R=:=1 £ machen, so wäre mithin die pro Sekunde in der Spule erzeugte Wärmemenge nach 
der Gleichung 7) gleich 38,27-1 oder = 1460 Watt, eine Wärmemenge, die etwa derjenigen 
von 30 elektrischen Glühlampen gleichkommt und also in kurzer Zeit eine ganz beträchtliche 
Erhitzung der Spule liefern würde. Man begegnet natürlich diesem Übelstande einfach durch 
Anwendung eines entsprechend dickeren Kupferdrahtes für die Windungen der Spule, wodurch 
man dann den Ohmschen Widerstand derselben und also nach Gleichung 7) auch die darin er- 
zeugte Stromwärme leicht auf den hundersten Teil der oben angegebenen Werte herab- 
setzen kann, 

Hiermit aber wollen wir den Verlauf des Wechselstromes in einer einfachen Spule mit 
Eisenkern verlassen, um nunmehr auch noch kurz die Wirkungen desselben im Induktions- 
apparate zu betrachten. Schon aus unseren allgemeinen Darleguneen lassen sich nun in dieser 
Beziehung eine Reihe wichtiger Folgerungen entnehmen. Schliessen wir nämlich die primäre 
Spule des Induktors unter Benutzung eines Vorschaltewiderstandes wie gewöhnlich an die beiden 
Zuführungsklemmen des Wechselstromnetzes an, so wird natürlich auch in jener Spule ein 
ähnlicher Stromverlauf stattfinden wie er in der Fig. 1 dargestellt ist; und da nun hierbei das 
magnetische Feld der Spule nahezu proportional mit dem Strome geht, so wird mithin bei den 
fortwährenden Schwankungen des letzteren in jeder dasselbe umschliessenden Drahtwindung, 
d. h. also auch in jeder der Windungen der sekundären Spule des Instrumentes, eine E. M. K. 
induziert, genau so wie wir dies früher für die emzelnen Windungen einer einfachen Spule 
sesehen haben. Auch hier in der sekundären Spule sind nun aber alle die einzelnen induzierten 
E. M. K. in demselben Sinne gerichtet und addieren sich also auch sämtlich wie die E. M. K. 
der einzelnen Zellen einer in Reihe geschalteten galvanischen Batterie, so dass mithin leicht 
einzusehen ist, dass die gesamte in dieser Spule induzierte E. M. K. um ebenso vieles höher ist 
als die in der primären Spule induzierte, wie die Windungszahl der sekundären Spule grösser 
ist als die der primären. Das Verhältnis dieser Windungszahlen, das auch das U bersetzungs- 
verhältnis des Induktors genannt wird, giebt uns daher in diesem Falle ohne weiteres die 
Höhe der in der sekundären Spule durch Induktion erzeugten Spannung an, wenn man die in 
der primären Rolle des Instrumentes durch „Selbstinduktion“ entstandene Spannung kennt. Die 
letztere kann man nun aber in diesem Falle einfach durch ein an die Klemmen der primären 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 11 


Spule gelegtes Voltmeter messen; denn wenn auch das letztere Instrument hierbei nicht bloss 
den auf den induktiven Widerstand der Spule zurückzufübrenden Spannungsabfall sondern zu- 
gleich auch den von dem Ohmschen Widerstande derselben herrührenden Wert dieser Grösse 
misst, so ist doch der letztere im Vergleich mit dem ersteren hierbei stets so u dass er 
ohne weiteres vernachlässigt werden kann. 

Andererseits muss nun aber ‘hierbei doch noch betont werden, dass die so berechnete 
Höhe der sekundären Spannung nur dann gleich dem an den sekundären Klemmen des 
Instrumentes auftretenden Werte dieser Grösse ist, wenn hierbei in der sekundären Spule des 
Instrumentes noch kein Strom fliesst, d. h. wenn die Pole derselben noch soweit auseinander 
gezogen sind, dass noch kein Funkenübergang zwischen denselben stattfindet. Denn jeder in 
der sekundären Spule fliessende Strom, und wenn er auch nur einen sehr kleinen Wert hat, 
erzeugt dennoch wegen der sehr grossen Windungszahl dieser Spule eine ganz ausserordentliche 
hohe elektromotorische Gegenkraft gegen die ihn erzeugende E. M. K., so dass deswegen die 
letztere in diesem Falle durchaus nicht in ihrer ganzen Grösse an den Klemmen des Apparates 
erscheint, sondern vielmehr zu einem mehr oder weniger grossen Teile — ja bei sekundärem 
Kurzschluss sogar ganz — in der sekundären Spule selbst vernichtet wird. Sehr wohl brauch- 
bar ist dagegen jene einfache Bestimmungsmethode der sekundären Spannung noch in dem 
Falle, wo der sekundäre Funke eben einzusetzen beginnt, ein Fall, der deswegen von 
besonderer Wichtigkeit ist, weil es sich dann offenbar um denjenigen Wert jener Grösse ‘ 
handelt, welcher zur Überbrückung der betreffenden Funkenlänge eben ausreichend ist. Der 
nach jener Methode gefundene Wert ist dann allerdings noch ein effektiver und muss deshalb 
noch mit Y2= 1,414 multipliziert werden, um den jedesmaligen Maximalwert der Spannung 
zu erhalten, auf den es bei dieser Funkenbildung offenbar ankommt. Als Beispiel seien hier 
die Resultate einiger solcher Messungen angegeben, welche ich vor einiger Zeit nach der 
obigen Methode angestellt habe, und bei denen zwei zugespitzte Messingstäbe als Elektroden 
benutzt wurden. Es erforderte danach 

eine Funkenlänge von 10 20 30 40 50 cm 

eine Maximalspannung von 64000 108000 148000 186000 216000 Volt. 

Derartig grosse Funkenlängen erhält man nun aber freilich in diesem Falle, wo wir 
es ja nur mit den sanft verlaufenden Schwankungen eines gewöhnlichen Wechselstromes, nicht 
aber mit den plötzlichen Wirkungen eines Stromunterbrechers zu tun haben, durchaus nicht 
mit jedem Funkeninduktor, und wenn er selbst für viel grössere Funkenlängen konstruiert wäre; 
denn wir haben schon oben gesehen, dass es für die Höhe der induzierten Spannung ausser 
dem bereits gewürdigten Faktor der sekundären Windungszahl vor allem auch noch auf die 
Steilheit der Änderung des magnetischen Feldes des Instrumentes ankommt. Darum muss 
denn auch ein Indukkionsapparat, der mit einfachem Wechselstrom, d. h. also ohne Stromunter- 
brecher, eine Funkenlänge von 50 cm geben soll, nach ganz anderen Prinzipien gebaut sein, 
als ein für Gleichstrom und Stromunterbrecher bestimmter Apparat, so dass mithin für jene 
Art von Instrumenten auch ein besonderer Name am Platze sein dürfte. Da sich nun aber 
dieselben einerseits in ihren Konstruktionsgrundsätzen in vielen Beziehungen eng an die in der 
Wechselstromtechnik gebräuchlichen Transformatoren anlehnen, andererseits aber nicht wie diese 
in ersterer Linie zur Erzeugung starker Ströme, sondern vielmehr zur Erregung hoher Spannungen 
(Funken) dienen, so dürfte daher die Bezeichnung „Funkentransformator“ dafür wohl 
die geeignetste sein. Derartige Instrumente werden nun thatsächlich bereits bis zu 50 cm 
Schlagweite ausgeführt; wie es sich aber mit der Benutzung derselben im Röntgenlaboratorium 
verhält, wollen wir in einem späteren Aufsatze behandeln. 


Hamburg, Physikalisches Staatslaboratorium, im Juli 1904. 


2* 


12 Perthes. 


Aus dem chirurgisch-poliklinischen Institut der Universität Leipzig.) 
8 p pag 


Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe fiir Rontgen- 
strahlen mit Rücksicht auf die Bedeutung der Durchlässigkeit der Gewebe für 
die Radiotherapie. 


Von 


Professor Dr. G. Perthes. 


Die Frage, ob die Röntgenstrahlen, welche die Haut durchsetzt haben, imstande sind, 
im Körperinnern ähnliche physiologische bezw. pathologische Wirkungen zu entfalten, wie in 
der Haut, ist von unbestreitbarer Wichtigkeit. Insbesondere hat die hierin inbegriffene Frage 
Interesse, ob ähnlich wie ein Carcinom der Haut durch eine relativ kurze Röntgenbestrahlung 
zur Ausheilung gebracht werden kann, ein gleiches auch an tiefer gelegenen Carcinomen 
möglich sein dürfte. Diese Fragen sind noch keineswegs beweiskräftig in positivem oder nega- 
tivem Sinne beantwortet. Immerhin zeigt die von Albers-Schénberg!) gefundene Thatsache 
der durchaus eigenartigen Wirkung der X-Strahlen auf das Keimepithel des Hodens olıne erheb- 
liche Schädigung der darüber legenden Haut, ferner die von Heineke?) entdeckte eigen- 
artige Wirkung auf das Iymphatische Gewebe in Milz und Lymphdrüsen, sowie die von mir?) 
gemachte Erfahrung, dass es möglich ist, carcinöse Lymphdriisenmetastasen beim Lippencarcinom 
mittels Bestrahlung durch die Haut hindurch zum Schwund zu bringen, dass die physiologische 
bezw. pathologische Wirkung der Röntgenstrahlen sich nicht etwa in der Haut erschöpft. Auf 
die Frage, wie weit diese Wirkung in das Körperinnere reicht, wird die Antwort vorwiegend 
durch klinische Beobachtungen am Menschen gesucht werden müssen. Als Ergänzung der 
klinischen und experimentell-pathologischen Untersuchungen, die hier das entscheidende Wort 
zu sprechen haben, sind aber Ermittelungen am Platze über die physikalischen Be- 
dingungen für eine Wirkung der Röntgenstrahlen in der Tiefe der Gewebe. Da 
die Intensität der einwirkenden X-Strahlen den wesentlichsten Faktor für das Zustande- 
kommen des Effekts im Gewebe darstellt, so fragt es sich, wie ändert sich bei der Be- 
strahlung des menschlichen Körpers die Intensität der X-Strahlen mit der Tiefe? 
Wo ist die Schicht, in der die Intensität auf einen beliebig bestimmbaren Bruchteil, etwa die 
Hälfte oder ein Dritteil der auffallenden Intensität herabgesunken ist? Auf diese Frage suchte 
ich Antwort in der folgenden Studie. 

Die Abnahme der Intensität der X-Strahlen bei ihrem Eindringen in den Körper 
beruht auf zwei Faktoren: 1) Auf der Zunahme der Entfernung von der Strahlenquelle und 
2) auf der durch die durchdrungenen Medien bedingten Absorption. 


1. Abnahme der Intensität im Gewebe durch Zunahme der Entfernung. 


Betrachten wir zuerst die Bedeutung des ersteren Faktors. Auch die Röntgenstrahlen 
gehorchen dem Gesetze, dass die Intensität umgekehrt proportional ist dem Quadrate der Ent- 


1) Albers-Schönberg, Über eine bisher unbekannte Wirkung der Röntgenstrahlen auf den 
Organismus der Tiere. Münch. med. Wochenschr. 1903. Nr. 43. 

®) Heincke, Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf innere Organe. Münch. med. 
Wochenschr. 1904. Nr. 18. 

°, Perthes, Zur Frage der Röntgentherapie des Carcinoms. Archiv für klinische Chirurgie. 
Bd. 74, Heft 2. 1904. 


Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen etc. 13 


fernung von der Strahlenquelle, also von dem Strahlen aussendenden Punkte der Antikathode 
der Röntgenröhre. Bezeichne ich nun die in 10 cm Entfernung von der Antikathode vor- 
handene Intensität willkürlich als 100 Einheiten, so ergiebt sich, dass in den weiteren von 5 
zu 5 cm gesteigerten Entfernungen folgende Intensitätsmengen vorhanden sein müssen: 


Entfernung in cm | Intensität Entfernung in cm Intensität 


60 2,78 
65 2,37 
70 2,04 
75 1,78 
80 1,56 
8 1,39 
90 1,24 
95 1,11 
100 1,00 


oder dass die Intensität absinkt wie die Kurve in Fig. 1. 

Man sieht, dass die Abnahme der Intensität in der Nähe der Röntgenröhre 
eine unvergleichlich schnellere ist als in grösserer Entfernung. Bringe ich den 
bestrahlten Körper in einen Abstand von 15 cm von 


der Antikathode, so ist in 5 cm Gewebstiefe — nur der neni 

wegen der Zunahme der Entfernung, ganz abgesehen 

on der Absorption durch das Genete — de Inten- tHe 
sität von 44,44 auf 25 gesunken; es ist also in, EEE 

5 cm Gewebstiefe — das Gewebe als überhaupt nicht 

absorbierend vorausgesetzt — nur 44,44 : 25 = 


56,55%, der auffallenden Intensität vorhanden, 
während bei einem Abstande des bestrahlten Körpers 
von 95 cm die Intensität von 1,108 auf 1,0 also 
nur auf 90,25°/, des auf die Haut auffallenden 
Wertes sinkt. Es hat also die Intensitätsabnahme 
durch Zunahme der Entfernung von der Antikathode 
um so grössere Bedeutung, je näher die Strahlen- O20 0 30 60 0 80 H oem 
quelle dem Objekte gebracht wird. Wählt man einen a E L ARAR 
grösseren Abstand von Strahlenquelle und Objekt, Pige 
so wird die Intensität selbst zwar bedeutend in 
dem durch die Kurve veranschaulichten Masse gesunken sein, die Intensitätsabnahme im 
Inneren des Körpers aber langsamer erfolgen, die Intensitäten daher über die verschiedenen 
Gewebstiefen gleichmässiger verteilt sein. 

Noch grössere Bedeutung als für die Anwendung von Röntgenstrahlen müssen diese 
Verhältnisse für die Anwendung der Radiumstrahlen haben. Hier wird die Radiumkapsel direkt 


1 


auf die Haut In 5 cm = 50 mm Entfernung kann daher nur = 5500° 


in 


1 cm Entfernung nur der Intensität wirksam sein, welche in 1 mm Entfernung wirksam 


mo 
ist. Hieraus ergiebt sich, dass schon wegen der Abnahme der Intensität mit der Entfernung 
die Anwendung von Radium direkt an der Haut eine bedeutende Tiefenwirkung nicht haben 
kann. Entweder die in 1 cm Tiefe vorhandene Intensität ist so gering, dass sie keine physio- - 
logische Wirkung hat, oder aber man lässt die Radiumkapsel solange liegen, dass in 1 cm Tiefe 
eine Wirkung deutlich wird, dann aber muss durch die in 1 mm Abstand von der Strahlen- 


14 Perthes. 


quelle hundertmal grössere Wirkung die Haut gänzlich zerstört sein — es sei denn, dass die 

Wirkung auf das erkrankte Gewebe hundertmal so stark vorauswesetzt werden könnte, als auf 
D 

die nicht erkrankte Haut! 


2. Vorliegende Untersuchungen über die Durchlissigkeit. 


Der zweite, wichtigste Faktor für die Röntgenstrahlenintensität im Körper ist ihre Ab- 
sorption durch das Gewebe. Die Absorption der Röntgenstrahlen ist nun von der Entdeckung 
v. Röntgen’s an zum Gegenstande einer Reihe physikalischer Arbeiten!) gemacht worden. 
Diese beschäftigen sich aber fast nur mit der physikalischen Seite der Frage und haben als 
wichtigste Resultate ergeben, dass die Absorption zunimmt mit der Dicke der durchstrahlten 
Schicht, dass mit dem Vergleich äquivalenter Mengen verschiedener Stoffe von zwei chemischen 
Elementen dasjenige mit höherem Atomgewicht auch den grösseren Bruchteil derselben 
X-Strahlung zurückerhält, dass die Absorption unabhängig ist von der Anordnung der Atome, 
dass die Absorption durch eine chemische Verbindung also dieselbe ist, wie die Summe der 
Absorptionen der einzelnen chemisch miteinander gebundenen Komponenten. Über die Absorption 
der Röntgenstrahlen durch menschliche Gewebe liegen nur wenige Bestimmungen vor, welche 
sich vor allem auf das Auge beziehen. Darier und Rochas?) fanden, dass die brechenden 
Medien des Auges für Röntgenstrahlen sehr wenig durchlässig sind. Salvioni”) giebt an, dass 
das ganze Auge des Menschen von den Röntgenstrahlen ebensoviel absorbiert wie eine Glas- 
platte von 1 mm Dicke und dass die Linse viel weniger durchlässig ist, als die Hornhaut. 
Brandes und Dorn‘) fanden, dass ein ganzes Schweinsauge soviel absorbiert wie 1,5 mm Alu- 
minium und dass die Linse nicht wesentlich mehr absorbiert als die übrigen Augenmedien. 
Chalupecky’) stellte fest, dass die Röntgenstrahlen von den Augenmedien absorbiert werden 
und zwar wie von Linse und Glaskörper so auch in etwas geringerem Masse von der Horn- 
haut. Weitere Arbeiten über die Absorption der Réntgenstrahlen durch das Auge legen vor 
von Darier®), Antonelli‘) und Battelli®). Leider waren mir von diesen letzteren drei Arbeiten 
nur Referate zugänglich und in diesen bestimmte Werte über die Durchlässigkeit der Gewebe 


1) v. Röntgen, Sitzungsberichte der physik. med. Gesellschaft zu Würzburg. 1895. 

v. Röntgen, Weitere Beobachtungen über die Eigenschaften der X-Strahlen. Sitzungsber. der 
kgl. preuss. Akad. der Wiss. zu Berlin. 1897. S. 581. 

Oberbeck, Die Absorption der Röntgenstrahlen. Naturw. Rundschau. 1896. N. 265 u. 458. 

Benoist et Hurmuzescu, Nouvelle recherches sur les rayons X. Comptes rendus T. 122, 
p. 379. 1896. 

Louis Benoist, Loi de transparence de la matitre pour les rayons X. Comptes rendus T. 132, 
p. 324—327. 1901. 

Novak und Sule, Zeitschr. f. physik. Chemie. 1896. 19, S. 489. 

Voller und Walter, Zeitschr. f. angewandte Chemie. 1897, Heft 15. 

W. J. Humphrey, Phylosophical Magazine. 1897, Ser. 5. Vol. 44, p. 401. 

Mc. Clung and Mc. Intosh, Absorption of Röntgen-rays by aqueous solutions. Phylo- 
sophical Magazine. 1902, Series 6. Vol. III, 8. 68. Hierin zahlreiche Hinweise auf andere Arbeiten 
über das gleiche Thema. 


*) Darier et Rochas, Sur le cause de Vinvisibilité des rayons de Röntgen. Comptes rendres 
T. 122, p. 458. 

3) Salvioni, Nature. T. 53, p. 424. 

1) Brandes u. Dorn, Wiedemanns Ann. f. Physik. Bd. 60, S. 47s. 

*) Chalupecky, Zentralbl. f. Augenheilkunde. 1897, August. 

*) Darier, Perméabilité de ’wil aux rayons Röntgen. Rev. gen. d. Ophth. 1896. 

^ Antonelli, Progrès medic. 1897. Nr. 52. 

8) Battelli, Intorno al parsagio c all azione dei raggi di Roentgen sull’oechio. Suppl. al. Poli- 
clinico II 18. Ref. Annali di Ottalm. XXV, p. 409. 1896. 


Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen etc. 15 


des Auges nicht angegeben. Über die Durchlässigkeit der übrigen Gewebe des menschlichen 
Körpers, abgesehen vom Auge, habe ich eine systematische Arbeit nicht auffinden können, so 
dass eigene Bestimmungen nützlich erschienen. 


3. Verschiedenheit der „Durchlässigkeit“ unter verschiedenen Bedingungen. 


Zunächst ist es notwendig, sich klar zu machen, dass die Bestimmungen der Durch- 
lässigkeit der Gewebe für Röntgenstrahlen nicht unter allen Umständen die gleichen Werte 
geben können, wie es etwa der Fall wäre, wenn man die Durchlässigkeit eines Mediums für 
Lichtstrahlen bestimmter Farbe zu bestimmen hätte. 

Mit „Durchlässigkeit eines Körpers“ bezeichnete Röntgen!) in seiner ersten Mit- 
teilung „Das Verhältnis der Helligkeit eines dicht hinter dem Körper senkrecht zu den Strahlen 
gehaltenen Fluorenscenzschirmes zu derjenigen Helligkeit des Schirmes, welche dieser ohne 
Zwischenschaltung des Körpers, aber unter sonst gleichen Verhältnissen zeigt.“ Die Fluores- 
cenzerregung ist aber nicht der einzige Effekt der Röntgenstrahlen. Es kommt als Masstab 
der vorhandenen Intensität ausserdem noch in Betracht: die photochemische Wirkung insbesondere 
auf die photographische Platte, die Änderung des Leitungsvermögens der Luft für Elektrizität, 
endlich die Wirkung auf die lebenden Gewebe von Mensch und Tier. Es ist aber fraglich, 
ob diese vier Wirkungen einander parallel gehen, ob eine Steigerung der Strahlungsintensität, 
die die Helligkeit des Fluorescenzschirmes auf das Doppelte steigert, auch den doppelten Silber- 
niederschlag in der photographischen Platte erzeugt oder eine doppelt so starke Reaktion in 
der menschlichen Haut hervorruft. Es ist sogar von Röntgen?) direkt nachgewiesen, dass 
Fluoreszenzerregung und chemische Wirkung in der photographischen Platte einander bei dem 
Vergleich verschiedener Röhren nicht parallel gehen, und damit ist klar, dass weder die eine 
noch die andere Wirkung ohne weiteres in derselben Weise als Masstab für die vorhandene 
Intensität der Röntgenstrahlen dienen kann. Wenn also die Intensität der Röntgenstrahlen 
auf radioskopischem, oder radiographischem, oder auch elektrometrischem Wege gemessen wird, 
so können die Resultate nur mit einem gewissen Vorbehalt als Masstab für den zu erwartenden 
physiologischen Effekt verwandt werden. Immerhin dürfte die Helligkeit des Fluorescenz- 
schirmes und die davon abgeleiteten Intensitätsbestimmungen doch einen gewissen Anhalt für 
die Schätzung der physiologischen Wirkung abgeben. 

Die Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen würde einfach und sicher 
zu ermitteln sein, wenn alle Röntgenstrahlen gleiche Durchdringungsfähigkeit hätten. Bekannt- 
lich entsenden aber verschiedene Röntgenröhren Strahlen verschiedener Durchdringungsfähigkeit 
und es hängt der Charakter der ausgesendeten Strahlen in erster Linie von dem Widerstande 
ab, den die Röntgenröhre dem elektrischen Strome bietet, welcher seinerseits wieder mit dem 
Grade der in der Röhre herrschenden Luftverdünnung steigt und sinkt. Wie bedeutend die 
verschiedene Durchdringungsfähigkeit der Strahlen verschiedener Röhren ist, erkennt man leicht 
mit Hilfe der Walterschen Härteskala. Die Härtegrade derselben (Rubrik 1) entsprechen Platin- 
schichten von bestimmter Dicke (Rubrik 2), die von den Strahlen noch eben durchdrungen 
werden.. Die nach Messungen mit 10 verschiedenen Röhren verschiedener Konstruktion?) bei- 
gefügte Rubrik 3 zeigt, wie der Härtegrad von dem durch die Länge einer. parallel geschalteten 
Funkenstrecke gemessenen Widerstand der Röhre abhängt. 


1) L c. 

2) Sitzungsber. d. Berliner Akademie 1897, S. 589. | 

3) Ich verwendete, wie auch zu den unten mitgeteilten Dürchlassigkeilähestimiiunen; folgende 
Röhrentypen: Regulierbare Röhre von Müller-Hamburg, Voltobm-s und Mal, Röhren von Gundelach- 
Gehlberg, Wasserkühlungsröhren von M. Kohl-Chemnitz. 


16 Perthes. 


Widerstand der entsprechenden 


Hiirtegrad der Dicke der Platin- Röhre gemessen durch die 
Walterskala schicht Lango einer parallelgeschalteten 
Funkenstrecke 

l. 0,005 mm | u 

2. 0,01 . | 3—4 cm 

3, 0,02. | = 

4. 0,04 . | 8 cm 

5. 0,08 . | 9 cm 

6. 0,16 . | 15—14 cm 

7. 0,32. | 20—24 cm 

8. 0,64 r | — 


Man sieht, dass die Strahlen einer Röhre vom Härtegrad 7 eine 32 mal so dicke 
Schicht von Platin durchdringen, als die Strahlen einer Röhre vom Härtegrad 2, dass also die 
„Durchlässigkeit“ des Platin für die Strahlen der ersteren Gattung einen viel höheren Wert 
haben muss, als für die letzteren. Absolute Werte für die Durchlässigkeit bestimmter 
Stoffe für Röntgenstrahlen kann es also nicht geben, es muss vielmehr bei jeder 
Angabe eines Wertes für die Durchlässigkeit gesagt werden, für welche Art von 
Röhren er gültig ist. 

Es ist ferner zu beachten, dass die von einer Röntgenröhre in einem bestimmten 
Moment ausgehende Strahlung nicht „homogen“ ist. Es entsendet vielmehr, wie v. Röntgen?) 
zeigte, die Röhre ein „Gemisch von Strahlen verschiedener Absorbierbarkeit und Intensität“ 
und es ist „die Zusammensetzung dieses Gemisches wesentlich von dem zeitlichen Verlauf des 
Entladungsstroms abhängig. Die bei der Absorption von den Körpern bevorzugten Strahlen 
sind für die verschiedenen Körper verschieden.“ Infolgedessen ändert sich der Charakter des 
Strahlengemisches bei der Absorption der Röntgenstrahlen. Da in den oberflächlichen Schichten 
die absorbierbaren Strahlen zunächst absorbiert werden, so muss die durchschnittliche Durch- 
dringungsfähigkeit des übrigen Strahlungsgemisches zunehmen. Hierdurch ist es bedingt, dass 
der für die erste Schicht ermittelte Absorptionskoefficient nicht auch für die zweite als gültig 
angesehen und somit die Intensität in beliebiger Tiefe berechnet werden kaun. Es muss viel- 
mehr für jede Schicht empirisch die noch vorhandene Intensität festgestellt werden. 

Endlich werden in den Medien, welche die Röntgenstrahlen durchdringen, nicht nur 
Röntgenstrahlen absorbiert, sondern auch Röntgenstrahlen erzeugt: die sogenannten Sekundär- 
strahlen. Durch diese Neubildung von Röntgenstrahlen wird die Abschwächung durch Absorption 
bis zu einem gewissen Grade wieder ausgeglichen. Es ist klar, dass hierdurch für die Messuug 
der Absorption von Roéntgenstrahlen ein Fehler bedingt sein muss. Da cs aber für unseren 
Zweck nur darauf ankommt, wie gross die Intensität von Röntgenstrahlen in verschiedenen 
Tiefen des Gewebes ist, einerlei ob diese Strahlen dem ursprünglich eintretenden Strahlenbündel 
direkt entstammen oder erst sekundär im Gewebe entstanden sind, so kann diese Fehlerquelle 
für uns ausser Betracht bleiben. 


4. Vergleich der Durchlässigkeit der menschlichen Gewebe mit der des Wassers 
und des Aluminiums. 


Die Durchlässigkeit der menschlichen Gewebe suchte ich zu ermitteln: 1. durch Ver- 
gleich der Durchlässigkeit der Gewebe mit der solcher Stoffe, deren Durchlässigkeit bekannt 
ist oder stets leicht wieder ermittelt werden kann und 2. durch direkte Messung der Strahlungs- 
intensität in verschiedenen Gewebstiefen. 


Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen etc. 17 


Auch für die erstere Vergleichsmethode ist es notwendig auf den Härtegrad der Röhre 
Rücksicht zu nehmen. Denn bei Zunahme der Härte einer Röhre steigt die Durchdringungs- 
fähigkeit der Strahlen nicht für alle Körper in gleicher Weise. 


Stellt man z.B. in dem unten S. 18 angegebenen Durchleuchtungsgefissen mit Papierwandung ober- 
halb einer Wasserschicht von 2 cm Dicke soviel Aluminium auf, dass bei Durchleuchtung mit einer 
weichen Röhre der Schatten des Aluminiums genau gleich dunkel ist wie der des Wassers, und durch- 
leuchtet darauf ein zweites Mal mit einer harten Röhre, so erscheint jetzt auf dem Fluorescenzschirm 
nicht nur der ganze Schatten weniger intensiv, sondern der dem Aluminium entsprechende Teil des 
Schattens wird deutlich heller als der dem Wasser entsprechende, 


Für die in Rede stehenden Vergleiche eignete sich das Wasser ganz besonders als 
Vergleichsobjekt. Betrachtet man mit Hilfe eines Fluorescenzschirmes einen im Wasser be- 
findlichen Körper, dessen Durchlässigkeit geringer ist als der des Wassers, so muss er einen 
dunkeln Schatten geben, ist seine Durchlässigkeit dagegen grösser als die des Wassers, so 
erscheint auf dem Fluorescenzschirme ein helles Bild auf dunkelm Grunde. Hat der Gegen- 
stand gleiche Durchlässigkeit, so bleibt er gänzlich unsichtbar. - 

Für die Ausführung dieser Durchleuchtungen dienten mir Kästen, deren Wände oder 
deren Boden aus paraffingetränktem Papier bestanden und die teils seitlich, teils von unten 
nach oben durchstrablt wurden. Das Papier absorbiert so wenig Röntgenstrahlen, dass diese 
Absorption vernachlässigt werden kann. | 

Füllt man einen solchen Papierkasten mit Wasser, hält darüber eine Hand und durch- 
leuchtet von unten, so erkennt man natürlich auf dem Fluorenscenzschirm in dem durch das 
Wasser bedingten Schatten auch sehr deutlich das Schattenbild der ganzen Hand. Taucht 
man aber jetzt die Hand in das Wasser ein, so verschwindet der Schatten der 
Weichteile der Hand vollkommen und man sieht nur noch die Kuochen, zwischen denen 
die Gelenkspalten scharf hervortreten. Damit ist bewiesen, dass die Weichteile der Hand 
eine Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen haben, welche der des Wassers selır nahe kommt. 

Nach demselben Prinzip wurden nun verschiedene Gewebe in Bezug auf ihre Durch- 
lässigkeit mit destilliertem Wasser verglichen, zuerst mit Hilfe des Fluorescenzschirmes, dann 
auch mit Hilfe der Photographie auf der Platte. Von Milz, Leber, Niere und Muskulatur 
werden 2 cm dicke Schichten zur Prüfung verwandt, die für Durchleuchtung von unten nach 
oben gerade mit Wasser bedeckt oder für seitliche Durchleuchtung in wasserlialtende Gefässe 
mit Papierwänden gebracht wurden, die nur 2 cm Wandabstand hatten. Es ergab sich, dass 
durch Bedeckung mit Wasser für Betrachtung mit dem Fluorescenzschirm vollkommen un- 
sichtbar wurden: Muskulatur der Zunge, des Musc. deltoides, des Herzens, ferner Leber, Milz, 
Niere, Blutkoagula, das ganze Auge eines Rindes, Glaskörper, Linse, die Wand der Aorta, Haut 
ohne das subkutane Fettgewebe, Gehirn. Wurde der betreffende Gewebsteil aus dem Wasser 
herausgehoben und über der von unten durchleuchteten Wasserschicht gehalten, so gab er 
einen sehr deutlichen Schatten, der sofort wieder verschwand, wenn er in dem Wasser unter- 
tauchte, Hierbei machte es keinen Unterschied, ob man mit harten oder weichen Röhren durch- 
leuchtete. Sichtbar waren auf dem Fluorescenzschirm nur Lunge und Fettgewebe der Mamma, 
des Netzes, des Subkutangewebes und zwar als heller Fleck. 

Die radiographischen Versuche, bei welchen von den in Wasser liegenden Gewebs- 
teilen photographische Aufnahmen mit sehr kurzer Expositionszeit hergestellt wurden, hatten 
bei Verwendung mittelweicher und harter Röhren gleiche Ergebnisse. Alle Gewebe mit 
Ausnahme von Fettgewebe und Lunge erzeugen im Wasser liegend keine Spur auf der photo- 
graphischen Platte. Unter Lunge und Fettgewebe dagegen schwärzt sich die Platte mehr wie 
unter der gleichen Schicht Wasser. — Wurden die Aufnahmen mit sehr weichen Röhren ge- 
macht, deren Widerstand einer Funkenstrecke von 2—3 cm entsprach, und sehr kurz (5—10 
Sekunden) exponiert, so wurde Milz, Leber, Niere, elastisches Gewebe (Aorta), ein ganzes Auge 


vom Rind oder Schwein, Muskulatur und Blutkoagula im Wasser andeutungsweise eben er- 
‚Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 3 


i8 Perthes. 


kennbar, erwiesen sich also als ganz wenig undurchlässiger als das Wasser. Am wenigsten 
erkennbar war bei diesen Versuchen das Schattenbild von Epidermis und Gehirn. Nach dem 
Ausfall dieser Experimente müssen Versuche, Gehirnabscesse durch Röntgenstrahlen zur Dar- 
stellung zu bringen, als sehr wenig aussichtsreich erscheinen. 

Es ergiebt sich, dass sämtliche Weichteile des menschlichen Körpers mit 
Ausnahme derer, die spezifisch leichter sind als Wasser (Lunge und Fettgewebe) 
in ihrer Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen der des destillierten Wassers ganz 
ausserordentlich nahe kommen. Nur Lunge und Fettgewebe sind durchlässiger, 
die übrigen erwiesen sich bei radiographischen Versuchen mit sehr weichen 
Röhren als ganz wenig undurchlässiger. 


Wie nahe die Durchlässigkeit der Weichteile, welche im Wasser für Röntgendurchleuchtung 
unsichtbar auf dem Fluorescenzschirm werden, der des Wassers mindestens kommen muss, lässt sich aus 
folgendem Versuche entnehmen. Durchleuchtet man von unten eine Wasserschicht von 20 mm Dicke, 
über welche eine 2 mm dicke Scheibe Wasser in Form von Eis gehalten wird, so giebt diese letztere 
einen erkennbaren Schatten auf dem Fluorescenzschirme, während in Wasser cingetauchtes Kis natürlich 
keinen Schatten geben kann. Da nun eine 20 mm dicke Schicht Muskulatur in Wasser von 20 mm 
Höhe unsichtbar bleibt, so ergiebt sich, dass ihre Durchlässigkeit der des Wassers näher kommen muss, 
als die Zahl 22 der Zahl 20, oder dass die Durchlässigkeit der Muskulatur von der des Wassers sich nur 
um weniger als !’,, der Durchlässigkeit der betreffenden Schicht unterscheiden kann. 


Zur Ergänzung der Vergleiche mit Wasser wurden Vergleichsbestimmungen mit Alu- 
minium gemacht in der Weise, dass neben die betreffende Gewebsschicht soviel Aluminium- 
platten von 0,2 mm Dicke aufgeschichtet werden, bis der Schatten des Aluminium dem des 
Gewebes gleich war. Eine Reihe von Einzelbestimmungen, deren Ergebnis in der Tabelle durch 
einen * markiert ist, hatte mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass es schwer war, von den 
betreffenden Geweben genau platte Scheiben zu erhalten und diese genau zu messen. Fehler 
von 1 mm in der Bestimmung der Dicke waren dabei nicht zu vermeiden. Es wurden deshalb, 
besonders auch zur Bestimmung der Durchlässigkeit des Blutes, Durchleuchtungsgefässe aus 
Messing’) hergestellt, die jedoch an zwei Seiten Wandungen aus paraftingetrinktem Papier 
trugen, deren Abstand voneinander 1, 2, 3, 4 und 5 cm betrug. Wenn das Blut oder die 
Gewebe diese Kästen ganz ausfüllten, war die Dicke der Schicht genau bestimmt. Es war 
durch seitliche Vorsprünge an dem Metall Vorsorge getroffen, dass die Probeplatten von Alu- 
minium die oberhalb des Blutes in die Kästen eingesetzt wurden, genau mit der \Wasserober- 
fläche abschnitten, so dass der Schatten des Ganzen auf dem Fluorescenzschirm bei richtiger 
Wahl der Aluminiumschicht vollkommen homogen erschien. 

Die in der Tabelle verzeichneten Ergebnisse weisen ziemlich beträchtliche Unterschiede 
bei den verschiedenen Versuchen mit derselben Schichtdicke desselben Gewebes auf. Man er- 
kennt, dass die höheren Werte durchweg sich in den Versuchen mit härteren Röhren finden. 
Es beruhte also diese Differenz wohl nicht auf Fehlern in der Bestimmung, sondern auf der 
verschiedenen Beschaffenheit der Röhren. Auch die verschiedenen Gewebe zeigen beim 
Vergleich untereinander und mit Wasser nicht die gleichen Werte. Doch sind die Differenzen 
geringer als die an demselben Gewebe bei Anwendung verschiedener Röhren gefundenen Unter- 
schiede. Ich glaube also hieraus nicht für die einzelnen Organe verschiedene bestimmte Werte 
ableiten zu dürfen, sondern glaube aus dem Vergleich der Organe mit Aluminium nur den 
allgemeinen mit den früheren Versuchsergebnissen übereinstimmenden Schluss ableiten zu können, 
dass die Durchlässigkeit der in der Tabelle verzeichneten Gewebe wenig hinter der des Wassers 
zurückbleibt. 


1) von E. Zimmermann, Präzisionsmechaniker, Leipzig, Emilienstrasse. 


Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen etc. 19 


Eigenschaft der Parallelversuch mit Wasser 


Dicke Dicke einer gleich verwendeten Röhre. Dicke einer gleich 


der stark absorbierenden Länge oiner Dicke stark absorbie- 
Schicht Aluminiumschicht parallel geschalteten der rendenAluminium- 
Funkenstrecke Schicht schicht 


I. Blut. 
Blutserum l cm 0,7 mm weich 3,5 cm 1 cm 0,7 mm 
defibriniertes Blut : 0,7 mm mittelweich 9 cm i 0,6 mm 
a 2 cm 1,4 mm weich 3,5 cm 2 cm 1,4 mm 
Blutserum 1,7 mm weich 4 cm i 1,6 mm 
defibriniertes Blut . 1,8—2,0 mm hart 18 cm P 1,8 mm 
Blutserum 3 cm 2,6 mm weich 3,5 cm 3 cm 24 mm 
D Š 2,6 mm weich 4 cm — — 
K " 2,8 mm mittelweich 8 cm 7 2,6 mm 
defibriniertes Blut a 2,8—3,0 mm hart 18 cm — — 
2 4 cm 5,2 mm mittelweich 9 cm 4 cm 4,6 mm 
R 5 cm 6,2 mm mittelweich 9 cm 5 cm 5,6 mm 
II. Muskulatur. 
1 cm 0,7 mm weich 6,5 cm _ — 
á 0,8—0,9 mm hart 16 cm — — 
1,7 cm*) 1,8 mm mittelweich 10 cm ` — — 
1,8 cm*) 1,9 mm hart 20 cm — — 
2 cm 1,4 mm weich 6,5 cm — — 
3 cm 3,0 mm weich 6,5 cm — — 
a 3,6 mm hart 16 cm — — 
III. Leber. 
2 cm 1,8 mm weich 6,5 cm — — 
a 2,0 mm hart 16 cm — — 
2,4 cm*) 2,6 mm mittelweich 10 cm — — 
2,4 cm*) 3,2 mm hart 20 cm — — 
3 cm 3,0 mm weich 6,5 cm — — 
å 4,0 mm hart 16 cm — — 
4,5 cm 5,0 mm mittelweich 12 cm — — 
IV. Milz 
1,9 cm*) 1,9 mm mittelweich 10 cm — — 
2 cm 2,3 mm hart 20 cm — = 
V. Gehirn. 
1,8 cm*) 1,8 mm mittelweich 12 cm — — 
2 cm 1,6 mm weich 6,5 cm — — 
n 2,4 mm hart 20 cm — = 
VI. Haut und 
Subkutangewebe. 
I cm”) 0,7 mm mittelweich 10 cm — — 
‘ 1,0 mm mittelweich 12 cm — — 
5 0,8 mm hart 20 cm — — 
doppelte Schicht v. 
vorhergeh. Versuch | 2 cm*) 1,5 mm hart 20 cm — — 
Haut, Subkutan- 
gewebe und Muskel- 
schicht 2,6 cm*) 2,6 mm hart 20 cm — — 


*) In den mit * bezeichneten Versuchen waren von den betreffenden Geweben möglichst platte Scheiben geschnitten 
und unbedeckt neben dem Aluminium durchleuchtet, in den nicht mit * bezeichneten Versuchen waren die Durchleuchtungs- 
gefüsse mit Papierwandungen mit dem betreffenden Gewebe erfüllt. 

3* 


20 Perthes. 


5. Direkte Bestimmung der Durchlässigkeit. 


Für die Radiotherapie ist wichtiger als der Vergleich der Körpergewebe mit anderen 
Stoffen die Frage, um wieviel die Intensität der Röntgenstrahlen durch die Absorption in einer 
bestimmten Schicht herabgesetzt wird, also die direkte Bestimmung der Durchlässigkeit. 

Für die Lösung dieser Aufgabe wird in physikalischen Arbeiten, z. B. in der von 
Mc. Clung und Me. Intosh!) die elektrometrische Methode bevorzugt. Réntgenstrahlen 
machen die Luft zu einem Elektrizitätsleiter. Wenn daher Röntgenstrahlen zwischen zwei 
Metallplatten, von denen die eine positiv, die andere negativ geladen ist, hindurchgehen, so 
entwickelt sich zwischen den Metallplatten ein elektrischer Strom, dessen Stärke von der die 
Leitfähigkeit der Luft erzeugenden Strahlung abhängt und dessen Messung einen Rückschluss 
auf die Strablungsintensität gestattet. Für unsere Zwecke glaubte ich jedoch, mich mit der 
radioskopischen Methode begnügen zu dürfen, welche v. Röntgen selbst zur Bestimmung der 
Durchlässigkeit der verschiedenen Stoffe für Röntgenstrahlen angegeben und benutzt hat. 

Die von v. Röntgen benutzte Vorrichtung ist dem Bouguerschen Photometer nach- 
gebildet. v. Röntgen?) beschreibt sie folgendermassen: „Ein 35 cm hohes, 150 cm langes 
und 0,15 mm dickes, rechteckiges Stück Bleiblech ist durch Bretter gestützt in der Mitte 
eines langen Tisches vertikal aufgestellt. Auf beiden Seiten desselben steht auf dem Tisch je 
eine Entladungsréhre. An dem einen Ende des Bleistreifens ist ein Fluorescenzschirm so an- 
gebracht, dass jede Hälfte desselben nur von einer Röhre senkrecht bestrahlt wird. Bei den 
Messungen wird auf gleiche Helligkeit der Fluorescenz beider Hälften eingestellt.“ — „Vor 
die eine der beiden gleich hell fluorescierenden Hälften des Schirmes wurde der betreffende 
plattenförmige Körper —- Aluminium, Staniol, Glas u. s. w. — gebracht und die dadurch ent- 
standene Ungleichheit der Helligkeiten wieder ausgeglichen, entweder durch Vergrösserung der 
Entfernung des nicht bedeckten bestrahlenden Entladungsapparates oder durch Nihern des 
anderen. In beiden Fällen ist das richtig genommene Verhältnis der Quadrate der Entfernungen 
der Platinplatte des Entladungsapparates vom Schirm vor und nach der Verschiebung des 
Apparates der gesuchte Wert der Durchlässigkeit des vorgesetzten Körpers.“ 

Für unsere Zwecke machten sich einige Modifikationen der v. Röntgen’schen Anordnung not- 
wendig. An Stelle des Tisches verwendete ich eine besondere aus Holz gearbeitete 2 m lange Bahn, in 
welcher in zwei Längsnuthen zwei Schlitten mit den Röhrenhaltern von der Medianlinie 23 cm entfernt 
hin und her verschoben werden konnten. An diesen Nuthen wurde ein Massstab aufgetragen, welcher 
die Entfernung, des Spiegels der Antikathode jeder Röhre von der Mitte des Fluorescenzschirmes 
abzulesen gestattete. Der Rand des Fluorescenzschirmes wurde so abgeblendet, dass nur in der 
Mitte von der rechten und linken Hälfte je ein Feld von 5 cm Höhe und Breite übrig blieb. Die 
beiden Felder grenzten direkt aneinander und wenn die von beiden Seiten erzeugte Helligkeit gleich war, 
und der die beiden Röhren trennende vertikale Bleistreifen genügend nahe an den Fluorescenzschirm 
herangeschoben war, so sah man die beiden Felder olıne Unterbrechung ineinander übergehen. Dadurch 
wurde ein weit genauerer Vergleich der Helligkeiten beider Felder möglich, als wenn sie durch einen 
hellen oder dunkeln Streifen getrennt gewesen wären. Allerdings fallen auf die Mitte des Fluorescenz- 
schirmes die Strahlen nicht senkrecht, sondern schief von beiden Seiten auf, doch lässt sich der dadurch 
bedingte Fehler durch Berechnung einer Korrektur für die Resultate ausgleichen. Da mir nur ein 
einziger Funkeninduktor von 65 cm Funkenliinge zur Verfügung stand, legte ich mir die Frage vor, ob 
es möglich sei, beide Röntgenröhren auf beiden Seiten des Photometers mit demselben Funkeninduktor 
zu betreiben. In der That ist das möglich, wenn die beiden Röhren in ihrem Härtegrade, also in ihrem 
Widerstande, einander gleich sind oder doch nicht sehr stark voneinander abweichen. Schaltet man 
zwei derartige Röhren hintereinander, so sind bei gleicher Konstruktion und gleichem Härtegrade der in 
gleicher Entfernung vom Schirm befindlichen Röhren die hervorgerufenen Helligkeiten auf dem Schirm 
einander gleich. Differieren die Röhren in ihrem Härtegrade, so ergiebt bei Hintereinanderschaltung die 


1) Mc. Clung and Me. Intosh, Absorption of Roentgen Rays by Aqueous Solutions. Philo- 
sophical Magazine. 1902, p. 68. 
*) Sitzungsber. der Berliner Akademie. 1597. 8. 578 u. 581. 


Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen etc. 21 


härtere die grössere Helligkeit, bei Nebeneinanderstellung geht selbstverständlich der Strom ganz über- 
wiegend durch die weichere Röhre. Um die Röhren möglichst auf gleichen Härtegrad bringen zu können, 
wählte ich für die Mehrzahl der Bestimmungen zwei Platin-Eisen-Röhren Voltohm ¢ aus, deren Vakuum 
sich leicht regulieren lässt. Wenn die von beiden Röntgenröhren hervorgerufenen Helligkeiten nicht 
gleich sind, so müssen vor der Durchlässigkeitsbestimmung die Röhren auf der Bahn so verschoben 
werden, dass beide Hälften des Gesichtsfeldes gleich hell aufleuchten. Um die Durchlässigkeit von Blut 
bezw. Blutserum für Röntgenstrahlen zu bestimmen, wurden die oben beschriebenen Metallkästen ver- 
wendet, deren zwei durchleuchtete Flächen aus paraffingetränktem Papier bestanden, nur für die ersten 
von mir angestellten Versuche kamen Durchleuchtungsgefässe mit 0,2 mm dicken Aluminiumwandungen 
in Anwendung. Vor der einen Hälfte des Gesichtsfeldes wurde der gefüllte Kasten so aufgestellt, dass 
die Strahlen senkrecht zu der Papierfläche durchtraten, vor die andere Seite des Gesichtsfeldes kam ein 
entsprechender leerer Kasten. Von den Geweben wurden entweder Platten möglichst gleicher Dicke 
untersucht oder es wurden die Durchleuchtungskästen mit dem betreffenden Gewebe angefüllt, wodurch 
die richtige Dicke der Schicht von 1, 2, 3 und 4 cm garantiert war. Die Gewebe waren frisch vom 
pathologischen Institut zur Verfügung gestellt. | 

Als Beispiel einer derartigen Bestimmung folge hier ein Versuchsprotokoll, in welchem > grössere 
Helligkeit, < geringere Helligkeit = gleiche Helligkeit des rechten Gesichtsfeldes am Fluorescenzschirm 
gegenüber dem linken bedeutet: 

Versuch V. Röhren Voltohm e. Mittelweich. Widerstand der rechten Röhre entspricht einer 
Funkenstrecke von 10,0 bis 10,5 cm, der linken von 10,5 bis 11,0 cm. Gleiche Helligkeit der Gesichts- 
felder besteht, wenn die rechte Röhre in 40 cm, die linke in 43 cm Abstand steht. Links werden Wasser- 
schichten in Durchleuchtungskästen mit Papierwandung vorgelegt, die Röhre ruhig belassen, rechts die 
Röhre zur Ausgleichung der Helligkeit verschoben. 


Links Rechts 
ohne Wasser 
43 cm 40 cm = (I) 


lem Wasser | 54 cn > 
58cm < 
56 cm > 
57 cm = (II) 


2cm Wasser | 65 cm > 
70 cm < 
75cm < 
72cm = 


3 cm Wasser | 90 cm < 
80 cm > 
82 cm > 
84cm = 
85cm < 
86 cm < 


4 cm Wasser | 90 cm > 
105 cm < 

100 cm < 

| 95cm = 


Nenne ich nun die Leuchtkraft der rechten Röhre Lr, so ist die von der linken Röhre auf 


Lr 
dem Fluorescenzschirme entwickelte Intensität gleich 7,5 7053 nach Messung I, die von der linken Röhre nach 


Lr 
Vorlegung von 1 cm Wasser daselbst entwickelte Intensität ist nach Messung II gleich 57a 80 ist also 
die Durchlässigkeit 


40? 
D= 572 = 0,4925 = 49 20o 


In analoger Weise berechnen wir für 2 cm 30,85°,, für 3 cm 22,68°/,, für 4 cm 17,78?/,. Durch 
die für Berücksichtigung des schrägen Auffallens der Strahlen zu berechnende Korrektur steigen diese 
Werte für 1 cm auf 53 820» 2 cm 35,74%,, 3 cm 26,62°%,, 4 cm 21,049, oder rund 54°%/,, 36%), 

27 Jo, 21 %Fy. 


29 Perthes. 


Die Ergebnisse unserer Bestimmungen enthält die folgende Tabelle: 


A. Wasser. 


Die Durchlässigkeit betrug: | 
59%, | 61%, 59%, 54%, | 69% | 69% 


bei 1 cm Dicke der Schicht) 46 °/, 


| | 
Versuch | Versuch Versuch | Versuch | Veranch Versuch | Versuch 
I | u j m | IV Voo v VII 
Der Widerstand der verwen- | 
oe e | 
deten Röhre entsprach einer | | 
Funkenstrecke von !!5,S em| 7 cm | 9 cm | 10 cm 10, 5cm 14 cm|24 cm 
| | | 
| 


. 2m . : . 29 9], | 41%, | 42%, 38%, 36%, | 44% | 43% 
. 8em , . . Ä 29%}, | 27%, | 29%, 937% 
n 4 cm - . r | | | | 21 a | 
B. Blut. C. Muskulatur. D. Gehirn. 
| Versuch Vamich | Versuch | 
vill 13 Versuch | Versuch Versuch 
| (geronnenes (Serum) | (geronnenes XI XII XIII 
| Blut) | Blut) 


as aa 


Der Widerstand der verwen. 
deten Röhre entsprach einer! | 


Funkenstrecke von! 9cm |19 em| 21 em 10,5em 16 en 16 cm 
Die Durchlässigkeit betrug: | | 
bei 1 em Dicke der Schicht') 59%, 69 %, 74°, Dreh | 64°, 69°, 
2em , 4. sy, 88% | 56%] 53% 38°, | 50%, 509, 
„8em , , 2 ‚il 220), 42°), | 36°], 280,1 40°), 38%, 
n 4em . ” a 179%, 29:07, 
n 5 cm n n n | | 23 "lo 
E. Einzelbestimmungen. 
Weiche Mittelweiche 
Röhre Röhre 
Haut, Subkutangewebe und Muskelschicht, insgesamt 9 mm dick: 49°), BS Of, 
Haut und subkutanes Fettgewebe, 12 mm dick: 49°, 
Desgleichen in doppelter Schicht, 24 mm dick: 279% 
Bauchhaut (2 mm) mit 26 mm dicker Fettschicht: 37°, 
Schicht von Fettgewebe von 15 mm Dicke: 63°), 


Anmerkung: In den Versuchen I, H, III befand sich das durchleuchtete Wasser in Kästen, 
deren durchleuchtete Wände aus 0,2 mm starkem Aluminium bestanden, während auf der anderen Seite 
des Photometers 0,4 mm Aluminium vorgelegt wurden; in allen anderen Versuchen wurden Metallkästen 
verwandt, deren durchleuchtete Wände aus paraffingetränktem Papier bestanden. 


Das wesentliche Ergebnis der vorstehenden Tabelle wird ganz gut durch die Darstellung 
des Versuches VIII und X über die Durchlässigkeit des Blutes in Kurven veranschaulicht, 
in denen jeder Punkt der Kurve den Prozentsatz der in der betreffenden Schicht noch vor- 
handenen Intensität angiebt, unter der Voraussetzung, dass auf die Oberfläche des Blutes eine 
Intensität von 100°/, auftraf. 

Man erkennt, dass die Intensität der Röntgenstralilen sowohl bei der Verwendung der 
harten wie der mittelweichen Röhre rasch absinkt, um in 5 cm unter 25°/, herunterzugehen. 

Die Bestimmung der Durchlässigkeit von geronnenem Blut und Blutserum ergab 
keine wesentliche Differenz, ausserdem wurde im Versuch X bei jeder einzelnen Bestimmung 
das Gefäss mit geronnenem Blut durch ein solches mit Blutserum ersetzt, ohne dass dadurch 
eine Änderung in der Helligkeit des Fluorescenzschirmes bedingt gewesen wäre. Ich glaube 


Versuch einer Bestimmung der Durchlässigkeit menschlicher Gewebe für Röntgenstrahlen etc. 23 


daher, da Blutserum und geronnenes Blut die gleichen Werte lieferten, diese auch als für Blut 
schlechthin als gültig betrachten zu dürfen. 

Eine wesentliche Differenz zwischen der Durchlässigkeit von Blut und Muskulatur 
ergab sich nicht, ebenso kamen die für Blut und Muskulatur gefundenen Werte denen für 
Wasser sehr nahe — in Übereinstimmung mit den oben mitgeteilten Beobachtungen. 

Man kann aus unseren Bestimmungen die Schätzung wohl begründen, dass bei Ver- 
wendung mittelweicher Röhren (von 7—10 cm Schlagweite) die Intensität in den Weichteilen 
des menschlischen Körpers in 1 cm Tiefe auf 50—60°/,, in 
2 cm Tiefe auf 35—45°/,, in 8 cm Tiefe auf 20—30°, 
herabgesunken ist. Für grössere Tiefen als 5 cm waren 
Bestimmungen mit der angewendeten photometrischen Methode 
leider nicht ausführbar, da dabei das Gesichtsfeld zu dunkel 
wurde, um exakte Vergleiche zuzulassen. Immerhin hat schon 
die Feststellung des Absinkens der Röntgenstrahlenintensität 
in den ersten 3 cm eine gewisse Bedeutung für die Radio- 
therapie. In einer anderen Arbeit!) habe ich darzulegen ver- 
sucht, inwiefern die Durchlässigkeit der Gewebe der Wirkung 
der X-Strahten eine Grenze setzt, und wie diese genauer 
bestimmt werden kann, sobald ausser der Durchlässigkeit 
noch gemessen sein wird, um wieviel die Intensität, die das 
Carcinom zur Rückbildung bringt, geringer ist als die, welche 
für die Zellen der Haut das Maximum des Zulässigen dar- — Fig. 2. 
stellt. Die Bestimmung dieser Differenz stellt eine weitere | 
Aufgabe dar, deren Lösung an dieser Stelle nicht angegriffen werden soll. 

Stellt man alle in der Tabelle mitgeteilten Versuchsergebnisse in Kurven dar, so er- 
giebt sich, dass diese Kurven alle in sehr ähnlicher Weise absinken. Eine wesentliche 
Differenz besteht nicht zwischen den Versuchen mit den verschiedenen Stoffen, wohl aber 
zwischen den Versuchen mit verschieden harten Röhren. Die Versuche mit härteren Röhren, 
deren Widerstand einer grösseren Funkenstrecke entspricht, ergaben im allgemeinen Kurven, 
die weniger rasch absinken, oder mit anderen Worten, die Durchlässigkeit ist bei harten 
Röhren messbar grösser. (Vergleiche die Kurven X und VIII miteinander.) 

Diese Thatsache kommt für die Radiotherapie in Betracht. Es ist klar, dass bei Ver- 
wendung durchdringungsfähiger Strahlen die physiologische Wirkung in grössere Tiefe reichen 
muss, denn das Minimum, welches eben noch eine physiologische Wirkung entfaltet, ist erst 
in grösserer Tiefe erreicht. Es muss jedoch dabei bedacht werden, dass dieselbe Strahlungs- 
intensität von harten Strahlen nicht dieselbe Wirkung haben kann, wie die von weichen, denn 
es wird von einer bestimmten Intensität „harter“ Strahlen, die eine Gewebsschicht durchdringt, 
von dieser eben wegen ihrer grösseren Durchdringungsfähigkeit nur ein kleinerer Bruchteil 
absorbiert als von einer gleichen Intensität „weicher“ Strahlen. Die physiologische Wirkung 
aber kann nur dem absorbierten, nicht dem durchdringenden Strahlenquantum proportional 
sein und ist daher bei den durchdringungsfähigen Strahlen kleiner. — Ferner ist es noch nicht 
untersucht, ob der gleichen absorbierten Menge „harter“ Strahlen, eine andere, geringere physio- 
logische Wirkung zukommt als der weichen. — Diese Fragen können hier nur angedeutet, 
nicht beantwortet werden. Hier soll nur darauf hingewiesen werden, dass die Thatsache der 
messbar grösseren Durchlässigkeit harter Röhren insofern praktische Bedeutung haben dürfte, 
als man durch Verwendung harter Röhren die Tiefenwirkung steigern kann. Die Messungen 
zeigen aber, dass man sich von dieser Verwendung harter Röhren nicht zuviel versprechen 
darf. Denn auch an der Kurve von dem mit einer sehr harten Röhre angestellten Versuch X 


1) Archiv f. klin. Chir. Bd. 74, S. 421. 


24 Perthes. 


erkennt man ein rasches Absinken (vergl. Fig. 2). Auch in dem von harten Röhren ausgehen- 
den Strahlengemisch sind offenbar eine grosse Menge absorptionsfähiger wenig durchdringender 
Strahlen enthalten, welche dann in den oberflächlichen Schichten zurückgehalten werden und 
das rasche Absinken der Intensitätskurve erklären. | 

Besser als bei der Verwendung möglichst harter Röhren erhält man eine auf die 
durchdringungsfähigen Strahlen beschränkte Wirkung meines Erachtens durch die Filtrierung 
der Strahlen. Wenn eine Röntgenstrahlung mehrere gleich dicke und gleichartige Schichten 
hintereinander durchdringt, so absorbiert die zweite Schicht nicht denselben Bruchteil der sie 
treffenden Strahlung wie die erste, vielmehr einen geringeren, oder anders ausgedrückt, die 
Durchlässigkeit ist in jeder nächstfolgenden Schicht eine grössere als in der höheren. In dem 
Versuche IV (Tabelle) wurde durchgelassen vom ersten Centimeter: 59°',, vom zweiten 
Centimeter: 38°/, der auftreffenden Strahlung. Nach dem ersten Centimeter waren also noch 
59 °/, der ursprünglichen Strahlung vorhanden, und von diesen wurden in der zweiten Schicht 
38 Teile oder 64°/, der in die zweite Schicht eintretenden 59 Teile durchgelassen. Berechnet 
man in dieser Weise die Durchlässigkeit jeder einzelnen Schicht, so ergiebt sich: 


Die Durchlässigkeit bei Versuch: | I | II | INI | 1V y | VI Ä VII vm | IX. X | XI XI | xu 
im 1. Centimeter | 96 | 59 61 59 | 54 69 69 59 69 74 57 64 69 
Pa M 63 | 69 | 69 | 64 | 66 | 64 | 62 | 64 | 81 | 72 | 67 | 78 | 72 
» 3. j — ; 70 | 6 | 76 | 735 | — | — | 58 | 75 | 68 | 74 | 80 | 76 
„4. i - | - | - |- |”7|- —|] 7} — | 8 a 


also im allgemeinen eine Zunahme der Durchlässigkeit in den tieferen Schichten. v. Röntgen 
hat auf diese Erscheinung in seiner zweiten Mitteilung aufinerksam gemacht und schliesst aus 
seinen Durchlässigkeitsbestimmungen aus Aluminium, Glas und Stanniol wie folgt: „Denkt man 
sich die untersuchten Körper in gleich dicke zu den parallelen Strahlen senkrechte Schichten 
zerlegt, so ist jede dieser Schichten für die in sie eindringenden Strahlen durchlässiger als die 
vorhergehende.* Die Erklärung dürfte darin zu finden sein, dass in der tieferen Schicht der 
Charakter des Strahlengemisches ein anderer ist als in einer oberflächlichen Schicht, weil die 
leichter absorbierbaren Strahlen in den oberflächlichen Schichten zurückgehalten werden. 

Es wird das deutlich durch folgendes Experiment veranschaulicht. Ich brachte vor 
die eine Gesichtsfeldhälfte des Röntgenphotometers eine Schicht von 2 cm Wasser und stellte 
durch Verschiebung der zweiten Röhre gleiche Helligkeit beider Gesichtsfeldhälften her, darauf 
legte ich vor jede Gesichtsfeldhälfte eme Aluminiumplatte von 1 mm Dicke. Dann erscheint 
nun die Seite, auf der das Wasser steht, wesentlich heller als die andere, trotzdem vorher 
die Gesichtsfelder beiderseits gleich hell waren und beiderseits gleiche Aluminiumschichten 
vorgelegt wurden. Die Erklärung kann nur die sein, dass der Charakter der Strahlen, die das 
Wasser passiert haben, sich geändert hat, dass die Intensität im ganzen zwar durch die 
Absorption vermindert, die durchschnittliche Durchdringsfähigkeit aber sich vergrössert hat. 

In einer früheren Arbeit!) machte ich darauf aufmerksam, dass es möglich sein müsse, 
die Tiefenwirkung bei der Radiotherapie dadurch zu steigern, dass man die weichen von den 
harten Strahlen durch ein Strahlenfilter, also durch eine vorgelegte Stanniollage, oder eine 
Schicht Aluminium trennt, so die Durchdringungsfähigkeit des Strahlengemisches steigert, und 
die dadurch bedingte Herabsetzung der gesamten Strahlungsintensität durch längere Exposition 
ausgleicht. Die vorstehenden Versuche dürften beweisen, dass die diesem Vorschlage zu Grunde 
liegenden Vorstellungen richtige waren. Es wäre wünschenswert, exakt zu bestimmen, um wie- 


1) Arch. für klin. Chir. Bd. 71, Heft 4. 


Beitrag zur Lehre von den Funktionsstörungen im Ellenbogengelenk etc. 95 


viel durch den genannten Vorschlag die Grenze der physiologischen Wirkung insbesondere auf 
das Carcinom in die Tiefe vorgeschoben wird. Doch wird das erst möglich sein, wenn auch 
über die Absorption dickerer Schichten als 4 cm Weichteile Bestimmungen gemacht sein werden, 
Bestimmungen, für welche die photometrische Methode, deren wir uns bedienten, nicht ausreichte. 

Mögen zum Schluss die wesentlichen Ergebnisse der vorstehenden Versuche zusammen- 
gefasst werden: 

1. Die Durchlässigkeit der Weichteile des menschlichen Körpers, mit Aus- 
nahme von den Geweben, die spezifisch leichter sind als Wasser — Lunge und 
Fettgewebe — kommt der des Wassers ausserordentlich nahe. Nur Lunge und Fett- 
gewebe sind durchlässiger als Wasser, die übrigen Weichteile einander ziemlich 
gleich und sehr wenig undurchlässiger als Wasser. 

2. Bei Bestrahlung des Körpers sinkt die Intensität der Röntgenstrahlen 
von der Körperoberfläche nach dem Körperinnern zu rasch ab. Bei Verwendung 
von mittelweichen Röhren ist in 1 cm Tiefe nur 50—60°/» in 2 cm Tiefe nur 
35—45 jp, in 8 cm Tiefe nur 20—30°/, der ursprünglichen Intensität vorhanden. 

3. Die Intensitätsabnahme erfolgt langsamer bei der Verwendung harter 
Röhren, aber auch in diesem Falle sinkt die Intensität im vierten Centimeter 
unter 40 A im fünften unter 25°/, des ursprünglichen Wertes herab. 

. Die Intensitätsabnahme in der Tiefe erfolgt merklich langsamer, wenn 
auf die re eine absorbierende Schicht — etwa 1 mm Aluminium — 
` gelegt wird. 


Aus der chirurgischen Abt. des städt. Krankenhauses Moabit-Berlin. Direktor: Geh. Med.-Rat 
Prof. Dr. Sonnenburg. 


Beitrag zur Lehre von den Funktionsstörungen im Ellbogengelenk mit besonderer 
Berücksichtigung der Ulnarislähmungen. 


Nach stereoskopischen Röntgenbildern. 
| Von 
Dr. Max Cohn, Assistenzarzt. 
(Hierzu Tafel I—III und Tafel IV, Fig. 1.) 


Von jeher haben die Frakturen des Ellbogengelenks der klinischen Diagnose besondere 
Schwierigkeiten bereitet. Hierin Wandel zu schaffen, war der Radiographie in ausgezeichneter 
Weise vorbehalten. Aber bevor man auf diesem Wege zu einwandsfreien Resultaten gelangte, 
mussten mancherlei Klippen überwunden werden. Die erste Schwierigkeit war es, die kompli- 
zierten Ellbogen- Röntgogramme richtig zu deuten. Handelte es sich doch bei diesen Ver- 
letzungen zumeist um Affektionen des kindlichen Alters, wo gerade das Ellbogengelenk mit 
seinen zahlreichen Epiphysenknorpeln und Knochenkernen den Bildern ein kompliziertes Aus- 
sehen verleiht, das wiederum die Erklärung in besonderer Weise erschwert. Nicht wenig 
haben die eingehenden Studien Jedlickas über die topographische Anatomie des Ellbogen- 
Röntgogrammes dazu beigetragen, die obwaltenden Verhältnisse zu klären. Unseren Studien, 
welche die neue Wissenschaft erheischte, fast noch vorausgeeilt sind die Verbesserungen des 
Röntgen-Instrumentariums, die der technisch höchsten Vollendung nahegerückt sind. Wenn 
nun auch die Diagnostik der Ellbogenfrakturen durch die Radiographie ungemein gewonnen 


hat, so kann man das nicht in gleicher Weise von den therapeutischen Fortschritten behaupten. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réutgenstrahlen. VIIT. 4 


26 Cohn. 


Trotz zweckmässig ausgedachter Verbände und Extensionen verschoben sich gar oft die Frag- 
mente im Verbande Das eine Mal entwickelte sich ein übergrosser, bewegungshemmender 
Callus, das andere Mal heilte der abgesprengte Knochenteil gar nicht an und war als freier 
Gelenkkörper berufen, allerlei Komplikationen herbeizuführen. Ein anderer Übelstand war der, 
dass man sich über die Lage der Fragmente zu dem Stammknochen auf dem Röntgenbild, das 
ja ein Schattenbild ist, täuschte: auf dem Réntgogramme standen die Knochen in schönster 
Stellung; wurde der Verband dann abgenommen, so stellte sich heraus, dass aus dem erwünschten 
Aneinander ein Vor- und Hintereinander resultiert war. 

Um den Mechanismus des pathologischen Ellbogengelenkes besser zur Darstellung 
bringen zu können, habe ich nun eine grössere Anzahl von stereoskopischen Röntgenbildern 
angefertigt. Diese scheinen mir berufen zu sein, ein besseres Verständnis zu ermöglichen für 
die Schädigungen, die bedingt sind durch die Abweichung und Drehung der Knochenfragmente 
und die eine fehlerhafte Stellung und Funktion des Ellbogengelenkes zur Folge haben. Wir 
werden feinere Unterschiede, die uns bis jetzt entgangen sind, kennen lernen. Ich erinnere 
daran, dass v. Mikulicz bereits vor der Entdeckung Röntgens darauf hinwies, dass in der 
Stellung des Unterarms zum Oberarm zwischen dem entwickelten Manne und der geschlechts- 
reifen Frau gewisse Unterschiede beständen. Daran gedacht mag werden, dass im allgemeinen 
noch immer die posttraumatischen fehlerhaften Stellungen des Ellbogengelenks in primitivster 
Weise erklärt werden: einem Cubitus valgus sollte ein Abbruch des Condylus externus, einem 
Cubitus varus ein solcher des Condylus internus entsprechen. Das Studium der stereoskopischen : 
Aufnahmen wird zeigen, dass diese Annahmen oft irrtiimlich sind, dass den genannten Ano- 
malien ganz andere Verletzungen zu Grunde gelegen haben, ja dass Stellungsabweichungen 
der Knochen im Gelenk in Erscheinung treten können, ohne dass ein bestimmtes Trauma 
eingewirkt hat. 

Aber die in schlechter Stellung geheilten Ellbogenbrüche können noch von ernsteren 
Folgen begleitet sein. Es kann sich im unmittelbaren Anschluss an ein Trauma oder nach 
kürzerer und längerer Zeit eine Lähmung des Nervus ulnaris einstellen. Mit der Erklärung 
dieser posttraumatischen Ulnarislähmung war es bisweilen recht schlecht bestellt. Handelte es 
sich um eine akute Parese, so wurde angenommen, dass sie durch den interponierten abge- 
sprengten Condylus internus oder durch Callusmassen zustande gekommen wäre, die sich um 
den frakturierten inneren Condyl entwickelt hatten. Trat die Lähmung erst nach Jahren, ja 
nach Jahrzehnten auf, so gestaltete sich die Erklärung noch schwieriger — oder sie versagte 
ganz. Ich will gern zugeben, dass die kombinierte Entstehung, der Oppenheim das Wort redet, 
die toxico-traumatische und traumatisch-professionelle Ätiologie für gewisse Fälle Geltung hat; 
doch kann eine solche Beweisfithrung nicht mehr standhalten, wenn das anatomische Präparat 
resp. das ihm gleichstehende stereoskopische Röntgenbild uns eines besseren belehrt. 

Noch einige Worte über die Technik der stereoskopischen Ellbogen-Aufnahmen! Ich 
habe mich mit Vorteil des Hildebrandschen Verfahrens bedient, das auf einer Doppelaufnahme 
auf einer Platte unter der von ihm angegebenen, dreigeteilten Kassette beruht. Um einen 
Einblick in den Mechanismus eines so komplizierten Gelenks wie des Ellbogengelenks zu 
bekommen, muss man Bilder herstellen, die man mit Erfolg vergleichen kann. Das ist nur 
möglich, wenn stets dieselbe Stellung des Objekts eingehalten wird, und die Entfernung der 
Platte von der Lichtquelle eine Konstante darstellt. Mir erschien für meine Zwecke die 
Distanz von 40 cm Focusabstand die entsprechendste zu sein. Die Aufnahmen wurden in der 
Frontalachse des Ellbogens bei völlig supiniertem und gestrecktem Unterarm gemacht. Die 
Röhre wurde auf die Mitte der Gelenklinie eingestellt. Nun waren aber auch vereinzelt Auf- 
nahmen nötig bei Kontrakturstellung des Gelenks: da musste schlechterdings auf die vorher 
geschilderten Momente verzichtet werden. Ich wählte dann die Mittelstellung des Vorderarms 
bei entsprechend gebeugtem Ellbogen und auf der Platte aufliegender Ulna. Bei Fall VIII war 
die Aufnahme schon deswegen in dieser Position indiziert, weil die pathologischen Veränderungen 


Beitrag zur Lehre von den Funktionsstörungen im Ellenbogengelenk etc. 37 


so am besten in Erscheinung traten. Die Verschiebung der Röhre war an dem Lambertzschen 
Stativ sehr bequem möglich. Während zur Erzielung der gewöhnlichen körperlichen Bilder 
eine Doppelaufnahme von zwei Punkten, die 7 cm von einander entfernt sind, genügt, ist dies 
von den stereoskopischen Röntgenbildern nur mit Einschränkung zu sagen. Der stereoskopische 
Effekt ist oft ein übertriebener. Marie und Ribaut haben diesem Moment Rechnung zu tragen 
gesucht, indem sie auf Grund physikalischer Berechnungen die jeweilige Verschiebung in einer 
Tabelle zusammengestellt haben. Die Verschiebung der Röhre schwankte beim Ellbogen zwischen 
4 und 6 cm, wobei der untere Grenzwert dem männlichen, der obere dem weiblichen Geschlecht 
resp. dem Kinde zukommt. 


Fall I: Normaler männlicher Ellbogen von einem 28jährigen muskulösen Individuum. 


Der mit Muskeln und Haut bedeckte Arm zeigte eine vollkommen gerade Achse; auf dem 
Bilde dagegen sieht man, dass bei völliger Supination im Ellbogen ein nach aussen oflener Winkel 
besteht. Radius und Ulna stehen vollkommen parallel. 


Fall II: Normaler weiblicher Ellbogen von einer 28jährigen kräftig entwickelten Frau. 


Der mit Muskeln und Haut bedeckte Arm zeigte die in gewöhnlichen Grenzen befindliche 
Valgusstellung des E]lbogens, wie sie bei der geschlechtsreifen Frau stets anzutreffen ist. Im Gegensatz 
zum Mann verlaufen Radius und Ulna bei supiniertem Arm nicht mehr parallel. Es folgt daraus, dass 
das, was wir physiologischen Cubitus valgus der Frau nennen, eine Abweichung im Mechanismus des 
Elibogengelenks zum anatomischen Substrat hat. Dieser Thatsache werden wir eingedenk sein müssen 
bei der Erklärung gewisser Ulnarislähmungen. 


Fall III: Normaler Ellbogen eines Yjährigen Knaben. 


Der Gelenkspalt erscheint ungewöhnlich weit, eine Täuschung, die hervorgerufen wird durch 
die noch nicht beendete Verknöcherung der knorplig angelegten Epiphysenkerne. Isoliert zu sehen sind 
die Knochenkerne des Radiusköpfchens, der Eminentia capitata und des Epicondylus internus. Die 
Fossa olecrani erscheint leer. Die Achse des Armes ist vollkommen gerade. 


Fall IV: Pathologischer Cubitus valgus des linken Armes. Ulnarislähmung. 


Frau Therese H., 62 Jahre alt, befindet sich wegen eines inoperablen Uteruscarcinoms, das vor 
drei Jahren radikal operiert worden war, auf der inneren Abteilung des Krankenhauses. Ausser diesem 
Leiden klagt sie über eine Zwangsstellung der linken Hand und über eine Schwäche in dieser sowie dem 
linken Unterarm. Patientin ist seit acht Jahren Wäscherin; in diesem Berufe war sie häufig Erkältungen 
ausgesetzt, die zu chronischem Rheumatismus im linken Ellbogengelenk und in der rechten Schulter 
führten. Durch dieses Leiden bildete sich zuerst, wie sie es nennt, „ein schiefer Ellbogen“ links aus, 
und nach zwei Jahren nahm die linke Hand die erwähnte Krallenstellung ein. Beim Vergleich beider 
Arme ergiebt sich, dass rechts, also auf der gesunden Seite, ein physiologischer Cubitus valgus, links 
dagegen ein ganz excessiver Cubitus valgus besteht. Rechts ist der Nervus ulnaris in seinem Sulcus gut 
zu tasten, links ist kein Sulcus ulnaris wahrnehmbar. Linkerseits sind die kurzen Ulnarismuskeln atro- 
phiert; besonders zeigtsich ein Schwund der M. Interossei und der Kleinfingerballenmuskeln, deren Ausfall 
die Krallenstellung zuwege bringt. Die Nerven-Untersuchung ergiebt eine typische Ulnarislähmung. 
Die Betrachtung des Röntgenbildes zeigt sehr deutlich den Cubitus valgus mit seinen Folgeerscheinungen: 
Condylus und Epicondylus externus kommen getrennt zur Projektion, Radius und Ulna weichen distal- 
wärts immer weiter auseinander. Der Gelenkspalt ist im radialen Teil des Gelenks verschmälert. 


Fall V: Absprengung des Epicondylus internus humeri. 


Richard Sch., 17 Jahre alt, ist beim Turnen vom Reck gefallen; er schlug mit dem Ellbogen 
auf den Fussboden auf. Das Gelenk schwoll in der Nacht stark an, weshalb Krankenhaushilfe in Anspruch 
genommen wird. Es findet sich an dem linken Ellbogengelenk eine starke Schwellung: die Konturen 
sind verstrichen, Bewegungen sowie Druck auf den inneren Condylus sind schmerzhaft. Das Röntgenbild 
ergiebt eine Absprengung des inneren Epicondylus mit Verschiebung nach unten. Trotz sofort einge- 
leiteter, zweckmässiger Behandlung — Versuch der Apposition des abgesprengten Stückes durch Heft- 
pflasterstreifen, fixierender Verband — zeigt sich auf den nach Wochen angefertigten, stereoskopischen 
Röntgogramm, dass eine Restitutio ad integrum nicht eingetreten ist. Der abgebrochene Epicondylus 
steht noch immer an falscher Stelle. Von einer kallösen Verbindung ist naturgemäss nichts zu sehen, 
da sich ja die Frakturflächen nicht berühren. Am äussersten Gelenkteil ist ein kleiner Schatten sichtbar, 
der einer geringfügigen Verknöcherung an der Kapsel entsprechen dürfte. Eine fehlerhafte Stellung des 
Gelenks ist ausgeblieben, da ja der Epicondylus internus ausserhalb des Ansatzes der Gelenkkapsel 
gelegen ist. 

4* 


28 Cohn. 


Fall VI: Aussprengung aus dem Condylus internus humeri. Pathologischer Cubitus valgus. 
Ulnarislihmung. 


Im Alter von fünf Jahren fiel die jetzt 24jiihrige Anna DP. auf den Ellbogen. Es wurde ein 
Bruch im Gelenk festgestellt, und das Leiden mit Gipsverbänden behandelt. Schon vor der Pubertät, 
also durch das Trauma veranlasst, bestand cin Cubitus valgus. Vor 1?/, Jahren stellte sich eines Nach- 
mittags Kribbeln und ein Gefühl von Taubheit im vierten und fünften Finger der rechten Hand ein. 
In der darauffolgenden Nacht traten im Unterarm heftige bis zum Ellbogen ausstrahlende Schmerzen 
auf. Trotz bald eingeleiteter elektrischer Behandlung „bogen sich die beiden letzten Finger der rechten 
Hand nach oben“. Im Verlaufe von zwei Monaten magerte die Hand, besonders „die Maus‘, be- 
trächtlich ab. Unter sachgemässer Therapie ist der Zustand seit 1’/, Jahren stationär geblieben. Die 
elektrische Untersuchung ergab: Die Unterarmmuskeln sind vom Nerven wie vom Muskel aus prompt 
erregbar. Faradisch sind die Muskeln des Kleinfingerballens, die Interossei und der Adductor pollicis 
nur mit starken Strömen erregbar. Galvanisch besteht für diese Muskelgruppen Entartungs-Reaktion. 
Das stereoskopische Röntgenbild ergiebt, dass cs sich bei dem vor 19 Jahren erlittenen Trauma um eine 
Aussprengung aus dem Condylus internus gehandelt hat, die nicht knöchern geheilt ist. Daraus resultierte 
ein hochgradiger Cubitus valgus: die beiden Unterarmknochen haben sich in toto gegen den Humerus 
verschoben. Die Gelenkflächen aller drei beteiligten Knochen haben eine Veränderung durchgemacht, 
die beim Radiusköpfchen besonders deutlich zu sehen ist. Statt der normalen Mulde stellt die Gelenk- 
fläche einen Zapfen dar. Von einem Sulcus ulnaris ist auf dem Bilde nichts wahrzunehmen. 


Fall VII: Fraktur des Condylus externus humeri. Cubitus valgus. Ulnarislähmung. 


Der jetzt 68 Jahre alte Patient S. ist in seinem zehnten Lebensjahre vom Pferd gefallen. Er 
zog sich eine Verletzung des linken Ellbogens zu, die als Verrenkung aufgefasst wurde. Nach der ärzt- 
licherseits eingeleiteten Behandlung stellte sich die Bewegungsfähigkeit in normaler Weise wieder her. 
Sonst ist Patient immer gesund gewesen; im besonderen hat er keinen Gelenkrheumatismus oder andere 
Infektionskrankheiten durchgemacht. Im Mai 1903 fiel ihm nun eine gewisse Steifheit im linken 
Ellbogengelenk auf. Als er dann im Juli desselben Jahres anlässlich einer längeren Reise öfters die 
Koffer in das Coupe und aus demselben heben musste, stellte sich ein Kribbeln in der Kleinfingerseite 
der linken Hand ein, das von einer zunehmenden Muskelatrophie ebenda gefolgt war. Zwei Monate 
später musste er das Klavierspielen aufgeben, weil er die letzteu beiden Finger nicht mehr spreizen 
konnte. Von neurologischer Seite wurde eine Ulnarislähmung konstatiert und die Operation empfohlen. 
Diese ergab, dass der Nerv nicht im Sulcus ulnaris ruhte, sondern auf den Condylus internus disloziert 
war. Der Nerv erwies sich als stark verdickt an der Stelle, wo er dem Condylus auflag. Ein Druck 
von seiten des Knochens konnte nicht konstatiert werden. Der Nerv wurde in grösserer Ausdehnung 
freigelegt und sodann in einen tiefen, mit dem Meissel gewonnenen Kanal gebettet. 

Das stereoskopische Röntgenbild zeigt überaus interessante Verhältnisse: Der Condylus externus 
ist abgebrochen, hat sich völlig gedreht und ist nicht knöchern angeheilt. Vielmehr haben sich an ihm 
im Laufe der Jahre durch Abschleifung zwei neue Gelenkfacetten gebildet. Man sieht aussergewöhnlich 
schön im körperlichen Bilde, wie der Condylus mit dem Radiusköpfehen und mit dem Stammknochen 
artikuliert. Die Ulna hat sich gleichfalls gedreht: das Olekranon hat durch das Fehlen des äusseren 
Condylus jeden Halt verloren. Die Folge davon ist die Ausbildung des Cubitus valgus. Die gerade 
dem Ellbogengelenk eigene, scharfe Vorsprünge aufweisende Gelenklinie ist gänzlich aufgehoben, verwischt 
und lässt an keiner Stelle die normalen Verhältnisse erkennen. Ein kleiner, länglicher Schatten im 
Bereich des Condylus internus zeigt den durch die Operation gewonnenen neuen Sulcus ulnaris. 


Fall VII: Fractura supracondylica humeri mit deformer Heilung. Ulnaris- und Medianus- 
lähmung. Ischaemische Muskelkontraktur der Beuger des Unterarmes. 


Der 9jährige Knabe Otto Sch. fiel vor acht Wochen auf die linke Eltbogengegend und brach 
sich dabei den Oberarm dicht über dem Gelenk. Der zugezogene Arzt legte in Streekstellung einen 
fixierenden Verband an, der handbreit über dem Handgelenk endigte. Nach 2!/, Wochen wurde der 
Verband abgenommen. Es stellte sich darauf ein Taubheitsgefühl im vierten und fünften Finger ein, 
und der Mutter fiel es schon nach wenigen Tagen auf, dass die linke Hand nicht recht bewegt werden 
konnte. Bei der zwecks näherer Untersuchung, sechs Wochen nach dem Trauma erfolgenden Aufnahme 
auf die Abteilung bot der linke Arm des blassen, recht dürftig entwiekelten Knaben folgenden Befund: 
Es besteht ein Cubitus valgus mit einer Abweichung von 24° Die Gegend oberhalb des Ellbogengelenks 
ist deutlich verdickt. Bei Betrachtung von der Seite sieht man ebenda eine nach vorn gerichtete 
winklige Knickung. Das untere Ende des oberen Fragmentes ist in der lillenbeuge gut durchzutasten 
und hemmt sichtlich die Flexion. Die Muskulatur im ganzen zeigt eine leichte Atrophie; im besonderen 
ist die Beugemuskulatur des Unterarms bretthart gespannt. Der Puls der Arteria radialis ist nicht 
fühlbar. Die Finger der linken Hand sind in der Grundphalange gestreckt, in den beiden anderen 


Beitrag zur Lehre von den Funktionsstörungen im Ellenbogengelenk etc. 29 


Phalangen gebeugt. Bei dem Versuch die Finger zu spreizen, entsteht die typische Ulnarisklaue. Die 
neurologische Untersuchung ergiebt eine Parese des Nervus ulnaris und medianus sowie eine ischaemische 
Muskelkontraktur der Beugesehnen des Unterarmes, hervorgerufen durch Zirkulationsstörungen unter 
dem Verband. . l 

Das Röntgenbild, das von der Seite, bei auf liegender Ulna, aufgenommen wurde, zeigt zunächst 
die deforme Anheilung des unteren Fragmentes an der Hinterfläche des Humerus. Man sieht ferner sehr 
reichliche Callusentwickelung, die besonders für den Nervus medianus gefährlich werden konnte. Die 
Knochenkerne der Eminentia capitata sowie des Radiusköpfchens sind isoliert zu sehen. (Fall III stellt 
den rechten Arm desselben Kindes dar.) 


Fall IX: Fractura diacondylica. Excessiver Cubitus varus. 


Der jetzt 36 Jahre alte Patient hat als 6jähriges Kind einen Ellbogenbruch davongetragen. 
Der Arm heilte in schlechter Stellung aus. Die Funktionsfähigkeit war fast gar nicht gestört. Bei 
äusserlicher Betrachtung fällt eine Verdickung des Ellbogengelenks und ein hochgradiger Cubitus varus 
auf. Das stereoskopische Röntgenbild zeigt, dass es sich bei dem derzeitigen Unfall um eine Fractura 
diacondylica gehandelt hat. Die Drehung des distalen .Bruchstiickes um seine frontale Achse kommt in 
dem körperlichen Bilde gut zum Ausdruck. Von Callusbildung ist nichts zu bemerken. 


Fall X: T T = Bruch des Processus articularis humeri mit starker Verschiebung der 
Fragmente. ; 


Der 46 Jahre alte Arbeiter Wilhelm B. trat, als er am 16. Mai 1904 die elektrische Bahn ver- 
lassen wollte, fehl und schlug sehr heftig mit dem linken Ellbogen auf das Strassenpflaster auf. Erst 
nach vier Tagen, als sich infolge der starken Schwellung die Beschwerden mehrten, suchte er ärztliche 
Hilfe auf. Das Gelenk ist stark geschwollen, die Konturen sind verwischt. Die Beugung ist erheblich 
beschränkt, die Schmerzhaftigkeit bei passiven Bewegungen nicht gerade hochgradig. Umfasst man 
die Condylen, so besteht bei seitlichen Exkursionen des Vorderarmes eine abnorme Beweglichkeit. Eine 
genaue anatomische Diagnose ohne Röntgenbild ist nicht zu stellen. Das stereoskopische Röntgogramm, 
das ca. drei Wochen nach dem Unfall hergestellt wurde, giebt einen interessanten Befund. Der Gelenk- 
fortsatz des Oberarmes ist abgebrochen und in drei Teile zersplittert. Diese stellen dar den Condylus 
externus, die Trochlea, mit der die Ulna noch artikuliert, und den Condylus internus. Die Vorderarm- 
knochen sind nach innen abgewichen. Der äussere und der innere Condyl haben sich gedreht. Das 
körperliche Bild, das das Ellbogengelenk von hinten eröffnet zeigt, veranschaulicht sehr gut, dass die 
Condylen in verschiedenen Ebenen stehen: dem Betrachter zunächst erscheint der Condylus externus, 
weit ab, noch vor dem Schaft des Humerus, ist der unscharf gezeichnete Condylus internus zu sehen. 
Vergleichen wir das Bild mit dem klinischen Befund, so machen wir die Wahrnehmung, dass der 
Condylus internus in der Ellenbeuge sitzt und die Flexion erheblich stört. Auf Grund dieser Thatsachen 
konnten wir den noch wenig widerstandsfähigen Callus überwinden und durch ein Redressement in 
Narkose das Gelenk wieder beweglich machen. 


Fall XI: Luxation des Vorderarms nach innen. Ulnarislähmung. 


Der 30 Jahre alte Arbeiter Arthur G. fiel im August v. J. von einer Leiter auf den linken 
Arm. Er trug eine Verrenkung des linken Vorderarms davon, die angeblich sofort auf einer Unfallstation 
eingerichtet worden sein soll. Der Arm lag darauf vierzehn Tage im Gipsverband. Als der Verband 
entfernt wurde, und die Stellung des Armes immer noch schlecht war, wurde ein zweiter Repositions- 
versuch in Narkose vorgenommen. Derselbe verlief gleichfalls ergebnislos. Durch Massage und Übungen 
besserte sich aber das Befinden so, dass Patient seine gewohnte Arbeit wieder aufnehmen konnte. Nach 
dreiviertel Jahren stellte sich jedoch ein Kribbeln und Taubheitsgefühl an der Ulnarseite des Unterarms ein. 
Der Kleinfingerballen und der Adductor pollicis atrophierten. Jetzt ist das Ellbogengelenk beträchtlich 
deformiert und es besteht das ausgesprochene Bild der Ulnarisläihmung. Eine anatomische Diagnose ist 
ohne weiteres nicht zu stellen. Das stereoskopische Röntgenbild bringt die Verhältnisse sofort zum 
klaren Verständnis: der Vorderarm ist unvollständig nach innen luxiert; die Ulna, die normalerweise 
dem Beschauer zunächst stehen müsste, ist nach vorn abgewichen und steht noch vor dem Radius. 
Diese fehlerhafte Stellung der Ulna im Raum ist natürlich dadurch bedingt, dass sie ihren Halt in der 
Incisura olecrani verloren hat: 


Fall XII: Veraltete Luxation des Vorderarms nach hinten. Arthropathie durch Schlaganfall (?). 


Der 42jührige Arbeiter Friedrich V. giebt an, dass er in der Kindheit eine Luxation des 
Vorderarms durch Fall auf den Ellbogen davongetragen habe. Die Beweglichkeit soll nicht wesentlich 
beschränkt gewesen sein. Erst nachdem er vor zwei Jahren einen Schlaganfall gehabt hatte, der die 
rechte Körperhälfte lähmte, ist das rechte Ellbogengelenk unförmiger geworden, und seine Motilität 
wurde geringer. Bei der klinischen Untersuchung erweist sich das rechte Ellbogengelenk in einem 


30 Cohn. 


Winkel von etwa 70° ankylosiert: Pro- und Supination sind nicht ausführbar. Die Deformation des 
Gelenks ist eine so hochgradige, dass jede anatomische Diagnose unmöglich ist. Das Röntgenbild, das 
in den den Verhältnissen entsprechender Weise bei gebeugtem Ellbogen und aufliegender Ulna auf- 
genommen wurde, ergiebt eine Luxation der Vorderarmknochen nach hinten. Die Gelenkteile der Knochen 
sind abgeschliffen. Radius wie Ulna sind an der Hinterfläche des Humerus eine neue Artikulation ein- 
gegangen, so zwar, dass das Radiusköpfchen mit seinem Rande am Radius schleift. Dadurch erklärt es 
sich auch, dass Pro- und Supination so hochgradig beschränkt sind. Die Strukturzeichnung am distalen 
Humerusende weicht nicht unwesentlich von der Norm ab: es scheint eine ziemlich hochgradige Atrophie 
der Corticalis vorzuliegen. Es bleibt dahingestellt, wieviel des pathologischen Prozesses auf die alte 
Luxation, wieviel auf das nervöse Leiden zu schieben ist. (Seit langem sind in den Schultergelenken 
der Apoplektiker arthropathische Veränderungen bekannt.) 


Im Anschluss an diese Reihe stereoskopischer Ellbogenbilder möchte ich hier noch 
auf ein Ellbogen-Röntgogramm zurückkommen, das besonderes Interesse erheischt, weil es ein 
Seitenstück zu Fall VII darstellt und, mit ihm vereint, mich veranlasst hat, die Genese der 
Ulnaritätslähmungen nach Ellbogentraumen näher zu untersuchen. 

Es handelt sich wieder um eine Fraktur des Condylus externus humeri mit Near- 
throsenbildung und Ulnarisparese. (Tafel IV, 1). 


Der 28jäbrige Schneider Fritz Sch. erlitt im Alter von sieben Jahren einen Ellbogenbruch, der 
mit geringer Deformation des Gelenks und ohne Bewegungseinschränkung ausheilte Vor 2'/, Jahren 
traten nun zuerst in der Tabatitre Schmerzen auf; dazu gesellte sich bald Kribbeln im vierten und 
fünften Finger. Nach wenigen Monaten traten die bekannten Muskelatrophien auf: die rechte Hand 
bekam die typische Krallenstellung. Der Befund des Röntgenbildes ergiebt fast völlig analoge Ver- 
hältnisse wie Fall VII: Der Condylus externus ist abgebrochen, nach oben disloziert und gedreht. 
Das Radiusköpfchen ist nachgerückt, und es hat sich zwischen Humerusschaft, Condylus externus und 
Radiusköpfchen eine Nearthrose gebildet. Durch Abschleifung und Aushöhlung ist fast ein Kugelgelenk 
entstanden. Es ist begreiflich, wie durch den fehlenden Condylus externus und die Dehnung der Gelenk- 
kapsel zwischen Radius und Ulna der normale Halt der letzteren verloren gehen musste. Auch die Ulna 
hat sich gedreht, und dadurch ist eine Schädigung des Nervus ulnaris zustande gekommen. Von einem 
Sulcus ulnaris ist auf dem Bilde nichts mehr zu merken. 


Wenn ich nun im folgenden auf die Art und Weise, wie die Funktionsstörungen im 
Ellbogen zustande kommen, des Näheren eingehe, so muss ich mit einigen Worten auf den 
Mechanismus des normalen Gelenks zurückgreifen. Das in der Jugend in seinem knöchernen 
Teil einfacher angelegte Ellbogengelenk entfaltet sich in der Pubertät zu einem Gelenk, wie 
es ein reicheres an Vorsprüngen und Knochenleisten zum zweiten Male nicht im menschlichen 
Körper giebt. Die wesentlichsten Bewegungen, Beugung und Streckung, werden vermittelt, in 
der Führung einer Schraubenlinie; bedenkt man, dass die Schraube zu den komplizierten physi- 
kalischen Maschinen gehört, so kann man verstehen, dass in einem Schraubengelenk besonders 
leicht Störungen eintreten können. Nun sind ferner die Gelenkflächen bei Mann, Frau und 
Kind verschieden. Der kindliche Unterarm stellt normalerweise die gerade Fortsetzung des 
skelettierten Oberarmes dar; nicht so bei den entwickelten Geschlechtern. Die Annahme 
v. Mikulicz’, dass nur dem weiblichen Geschlecht ein physiologischer Cubitus valgus zukomme, 
kann meines Erachtens nur cum grano salis zu Recht bestehen bleiben. Sie erfordert auf Grund 
der Réntgenwissenschaft eine gewisse Einschränkung. Erscheint der mit Bändern und 
Muskeln bepackte Männerarm auch in der Norm absolut gerade, so lehrt uns das Röntgenbild 
des bei voller Supination im frontalen Durchmesser röntgographierten männlichen Armes, dass 
auch hier eine Abweichung der Achse vorliegt. Der männliche physiologische Cubitus valgus 
ist nur nicht so hochgradig als der weibliche. Ich spreche hier von allgemeinen Verhältnissen. 
Nicht verschweigen darf ich, dass es beim Manne wie bei der Frau Ausnahmen giebt, ohne 
dass äusserlieh irgend etwas darauf hinweist. Es giebt normal entwickelte Frauen mit absolut 
geradem Armgerüst; es giebt eben solche Männer, während andererseits auch anscheinend wohl- 
entwickelte Kinder Abweichungen nach der einen oder anderen Richtung aufweisen können. 
Ich lasse es dahingestellt, wieviel dabei auf überstandene, zum Ausgleich an den Röhrenknochen 


Beitrag zur Lehre von den Funktionsstörungen im Ellenbogengelenk etc. 31. 


gekommene Rachitis zu schieben ist. Ich bin mir wohl bewusst, dass solche Untersuchungen 
mit Röntgenstrahlen äusserst difficiler Natur sind. Nur geringe Schwankungen des Focus- 
abstandes, und namentlich solche seitlicher Abweichung, können falsche Resultate liefern. Meinen 
Aufnahmen gingen aber genaue Lotungen voraus, die in den Tangenten der Röhre vorgenommen 
wurden. Der Focusabstand war bequem immer gleich zu wählen, da er an dem in Anwendung 
gekommenen Stativ abzulesen war. 

Den wesentlichsten Halt für die Bewegung im Ellbogen bieten die die Incisura olecrani 
bildenden inneren Flächen der beiden Condylen. Es ist klar, dass durch sie die Exkursions- 
fähigkeit des Vorderarmes bei der gewöhnlichen Beugung und Streckung in bestimmten Grenzen 
gehalten wird, während andererseits die Condylen bei der Pro- und Supination des Vorder- 
armes die Drehungsmöglichkeit des Olecranon ulnae beschränken. Liegt daher ein Bruch des 
einen der beiden Condylen vor, so wird die Bewegungsfähigkeit der Ulna erweitert; denn der 
normale Halt geht für das Olecranon mehr weniger verloren. Die nächste Folge wird eine 
Störung des Schraubengelenkes sein, und daraus resultiert, theoretisch genommen, ein Cubitus 
valgus resp. varus. Ich sage mit Absicht „theoretisch genommen“, denn in Wirklichkeit be- 
steht ja noch die feste, straffe Gelenkverbindung zwischen Radiusképfchen und Ulna einer- 
seits und Radiusképfchen und Eminentia capitata andererseits. Diesen ist es im wesentlichen 
zu danken, dass auch bei Fraktur des inneren Condyls ein Cubitus valgus entsteht, und dass 
dieser trotz der viel häufigeren Fractura condyli interni viel öfter in Erscheinung tritt, als der 
Cubitus varus. Wie verhält sich aber der Radius bei dem Abweichen der Achse der Ulna? 
Es kann zweierlei eintreten: entweder bleibt die straffe Verbindung zwischen Ulna und Radius 
intakt; dann nehmen an der fehlerhaften Stellung des Knochengerüstes beide Vorderarm- 
knochen in toto teil; oder aber die Gelenkverbindung im Radion Ulner gelenk lockert sich; dann 
behält der Radius die gerade Achse bei. 

Fragen wir uns nun, wie sich im Röntgenbild diese Anomalien darstellen! Die felıler- 
hafte Stellung kann sich durch drei Momente dokumentieren: 1. Radius und Ulna zusammen 
bilden einen nach aussen oder innen offenen Winkel, 2. Ulna und Humerus bilden einen solchen 
Winkel; dann weichen Radius und Ulna distalwärts auseinander, 3. durch Veränderungen des 
Gelenkspaltes. 

Die pathologischen Funktionen können aber auch direkt oder indirekt einen Einfluss 
auf die bedeckenden Weichteile ausüben, und da ist vor allem die Parese des Nervus ulnaris, 
welche von jeher das Interesse der Kliniker erregt hat. Ulnarislihmungen wurden nicht gerade 
häufig nach Ellbogentraumen beobachtet. Namentlich ist die Litteratur über den anatomischen 
Befund bei den bezüglichen Operationen eine spärliche. Ich nelıme an, dass daraus keine Rück- 
schlüsse auf die Häufigkeit des Leidens statthaft sind, sondern dass recht oft ein negativer Be- 
fund am Nerven selbst den Operateur schweigen less. Von den seltenen Fällen abgesehen, 
wo primär durch den Unfall eine Verletzung des Nerven stattgefunden hatte, sprach man mit 
Vorliebe von einer Calluslähmung, die zustande gekommen sein sollte durch eine überreiche 
Knochenneubildung nach Fraktur des Condylus internus. Nun ereignete es sich gar oft, dass 
die Lähmung erst recht spät auftrat, zu einer Zeit, wo das Calluswachstum längst aufgehört 
hatte. Von Weber u. a. sind zahlreiche Fälle beobachtet, wo erst nach Jahrzehnten eine 
Parese in Erscheinung trat. Wie war diese zu deuten? Von einer überreichen Callusentwicklung 
kann bei den reinen Gelenkfrakturen — und um diese handelt es sich in der Hauptsache — 
keine Rede sein; denn das Calluswachstum geht im wesentlichen vom Periost aus, und dieses 
fehlt innerhalb der Gelenke. Nur in dem einen Fall X hat sich in relativ kurzer Zeit ein 
reichlicher Callus entwickelt. Alle anderen Gelenkbrüche zeigen entweder gar keine knöcherne 
Vereinigung oder eine solche mit nur geringem Callusansatz. 

` Der Einwand, dass der Callus auf den Röntgenbildern nicht zu sehen wäre, ist bei 
meinen Fällen ausgeschlossen, da ja die Aufnahmen zu einer Zeit gemacht wurden, wo sich in 
dem Callus schon reichlich Knochensubstanz gebildet haben musste. Die von Oppenheim 


32 Cohn. 


angenommene Alteration des Nerven durch chronisch wirkende Schädlichkeiten mag für manche 
Fälle Geltung behalten: aber sie kann nicht Platz greifen für solche, wo uns das Röntgenbild 
Knochenveränderungen anzeigt, die in erster Linie die Lage des Nerven beeinträchtigen und 
dann sekundär zu seiner Parese geführt haben. 

Wenn ich nun auf die von mir beigebrachten Fälle von Ulnarislihmung näher eingehe, 
so könnte Fall IV (Pathologischer Cubitus valgus des linken Armes) fürs erste als professionelle 
Neuritis gelten. Die Patientin ist Wäscherin gewesen und zwei Jahre, nachdem sie sich diesem 
Berufe gewidmet hatte, hat sich bei ihr die Parese eingestellt. Und doch wäre diese Annahme 
nicht richtig. Denn bei der klinischen Untersuchung und besonders auf dem Röntgenbild zeigt 
sich, dass sich bei der Frau, wahrscheinlich im Gefolge des Gelenkrheumatismus, ein excessiver 
Cubitus valgus ausgebildet hat. Durch die Gelenkdeformation ist der Sulcus ulnaris verloren 
gegangen. Der Nerv war in abnormer Lage häufigen Läsionen ausgesetzt, und so ist es zu 
dem jetzt vorliegenden Leiden gekommen. 

Fall V zeigt, dass eine Absprengung des Epicondylus internus, der ja extraartikulär 
liegt, ohne Folgen für die Funktion und die Figuration des Gelenks bleibt. 

Anders bei Fall VI. Hier hat das Olekranon durch den Defekt im Condylus internus 
selbst seinen Halt verloren. Ob die Ulnarislihmung durch Druck von seiten des Olekranon zu- 
stande gekommen ist, oder ob der aus seiner Lage gedriingte Nerv besonderen Schädigungen 
ausgesetzt war, bleibt dahingestellt. 

| Besonders interessant liegen die Verhältnisse bei Fall VII. Hier ist über 50 Jahre 
nach dem Ellbogentrauma eine Ulnarislihmung eingetreten. Es handelte sich um eine nicht 
knöchern geheilte Fractura condyli externi mit sckundärer hochgradiger Deformation des Ge- 
lenks. Ein Blick auf das Röntgenbild genügt, um darzuthun, dass das Olekranon, die wesent- 
liche Stütze des Sulcus ulnaris, seine Lage ganz und gar geändert hat. Über die sekundäre 
Schädigung des verlagerten Nerven weiss der den besseren Ständen angehörige Patient klare 
Angaben zu machen. Er hat den Arm kurz vor Eintritt des Leidens durch Kofferheben ausser- 
gewöhnlich angestrengt. Die vorgenommene Operation zeigte in der That, dass es sich lediglich 
um eine Verlagerung des Nerven und eine spindelige Auschwellung desselben handelte. Ob 
der Eingriff für den Patienten irgend welchen Nutzen haben wird, muss die Zukunft lehren, 
da ja bekanntlich noch nach Jahresfrist und länger Restitution der Funktion eintreten kann. 

Sehr auffällig ist es, dass ich in sehr kurzer Zeit Gelegenheit hatte, zwei ganz gleich- 
artige Fälle zu beobachten; denn der Fall, von dem ich kein stereoskopisches Röntgogramm 
beibringen konnte, stellt ein Analogon zu dem vorigen dar. Auch hier war der Condylus 
externus abgebrochen und nicht knöchern geheilt: Im Laufe der Jahre haben sich die Frag- 
mente abgeschliffen, und das, was wir auf dem Bilde sehen, ist ein richtiges Kugelgelenk 
zwischen äusserem Condylus, Humerus und Radiusköpfchen; letzteres hat die hochgradigsten 
Veränderungen aufzuweisen. Durch das Höherrücken des Radiusképfchens lockerte sich natür- 
lich auch die Verbindung zwischen Speiche und Elle, und das Olekranon erlangte so eine Be- 
weglichkeit, die eine Verlagerung und Beeinträchtigung des Nerven zur Folge hatte. 

Schwierig in der Deutung gestaltet sich Fall VIII. Hier handelt es sich neben einer 
Ulnaris- und Medianusliihmung noch um eine ischaemische Muskelkontraktur der Beuger des 
Unterarmes. Es ist der einzige Fall, der als Calluslähmung aufgefasst werden kann. Der 
sich überreich an der Vorderfläche des Humerus bildende Callus ist dem Nervus medianus ge- 
fährlich geworden, während andererseits der Ulnaris durch eine Schwiele oder etwas Ähnliches 
geschädigt worden ist. Wegen der nicht reparationsfühigen Kontraktur des Beugers des Vorder- 
armes konnte man sich bis jetzt nicht zu einer Operation entschliessen. 

Dass durch eine Luxation des Vorderarmes nach innen leicht eine Läsion des Nervus 
ulnaris statthaben kann, wie es Fall XI zeigt, ist klar. Nur wird es selten vorkommen, dass 
eine solche uns zur Kenntnis konımt. Denn es wird nicht häufig passieren, dass eine Unter- 
armluxation erkannt und nicht reponiert wird. Interessant ist es aber, dass die Parese sich 


Röntgenbefund der Hüften bei multiplen cartilaginiiren Exostosen. 33 


hier langsam ausbildete und erst jetzt nach 1/, Jahre dem Patienten in höherem Grade 
lästig wird. | 

In allen diesen Fällen müssen wir uns immer vor Augen halten, dass der Nerv nor- 
malerweise in seiner Grube geschützt ist, und dass, wenn eine Dislokation desselben eintritt, 
durch die häufigen‘ Bewegungen des Ellbogengelenks leicht eine Alteration eintreten kann. 

Zum Schlusse möchte ich noch darauf hinweisen auf die merkwürdige Thatsache, dass 
unter meinen sechs Fällen von peripherer Nervenlähmung bei oder nach Ellbogentrauma drei 
sich befinden, wo die Parese erst sehr spät in Erscheinung trat. 

Bei Fall IV (I. Ulnarislahmung nach Arthritis cubiti) trat die Lähmung zwei Jahre nach der 
Erkrankung auf; 

Bei Fall VI (II. Ulnarislahmung nach Fraktur des Condylus internus) trat die Lähmung neunzehn 
Jahre p. Trauma auf; 

Bei Fall VII (III. Ulnarislihmung nach Fraktur des Condylus externus) trat die Lähmung 
57 Jahre p. Trauma auf; 

Bei Fall VIII (IV. Ulnaris- und Medianuslähmung nach Fractura supracondylica) trat die 
Lähmung drei Wochen p. Trauma auf; 

Bei Fall XI (V. Ulnarislihmung nach Luxation des Vorderarmes nach innen) trat die Lähmung 
ein halb Jahr p. Trauma auf; 

Bei Fall XIII (VI. Ulnarislähmung nach Fraktura condyli externi) trat die Lähmung 19 Jahre 
p. Trauma auf. 

Ich glaube, dass diese Erscheinung im Verein mit der Serie pathologischer Ellbogen- 
Röntgogramme der Anschauung Geltung: verschaffen wird, dass die Spätlähmungen des Nervus 
ulnaris in erster Linie immer auf die Veränderungen im Mechanismus des Ellbogengelenks 
zurückzuführen sind, und dass Veränderungen sekundärer Natur das Leiden zum Ausbruch 
bringen lassen. Erst die Zeit kann lehren, ob wir bei dieser Erklärung ganz auf die 
„toxico-traumatische“ Genese der Ulnarislähmungen (Oppenheim) werden verzichten können. 


Röntgenbefund der Hüften bei multiplen cartilaginären Exostosen. 
; Von 
Dr. Alban Köhler-Wiesbaden. 
(Hierzu Tafel IV, Fig. 2 und 3.) 


Die Litteratur über multiple cartilaginäre Exostosen ist noch keine umfangreiche. 
Virchow betonte in seinem Werk „die krankhaften Geschwülste“ als erster, dass diese Affek- 
tionen eine Krankheit für sich seien, eine eigenartige Wachstumsstörung des Knochengerüstes 
infolge fehlerhafter Anlagen. Eine grundlegende Arbeit „Über Knochen- und Gelenksanomalien 
insbesondere bei partiellem Riesenwuchs und bei multiplen cartilaginären Exostosen“ veröffent- 
lichte Bessel Hagen im Jahre 1891. Des ferneren haben sich mit Erklärung der multiplen 
Exostosenbildung beschäftigt v. Volkmann, H. Fischer, J. Braune, Pic, Chiari, Rubin- 
stein, Schuchardt, Auvray und Guillain. Aus der Röntgenära existieren bisher drei 
umfängliche Arbeiten über diesen Gegenstand, und zwar von Hoffa, Lippert und Kienböck. 
Alle drei, besonders letzterer Autor, bringen eingehende kritische Übersichten über die bis- 
herigen Veröffentlichungen und hält sich Verfasser in den folgenden kurzen Ausführungen im 
allgemeinen an des letzteren Arbeit: „Zur radiographischen Anatomie und Klinik der chon- 
dralen Dysplasie der Knochen mit multiplen cartilaginären Exostosen.“ 

In diesen drei Arbeiten finden sich Illustrationen von Exostosen an allen möglichen 
Knochen, aber nirgends ist der Befund von Exostosen am oberen Femurende beschrieben. Nur 
bei letztgenanntem Autor heisst es einmal: „Am oberen Ende des Femur finden sich bedeutende 


Deformitäten selten.“ 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. Ə 


34 Köhler. 


Da ich nun vor kurzem Gelegenbeit hatte, Radiogramme dieser seltenen Deformitäten 
des oberen Femurendes anzufertigen, beeile ich mich, dieselben hier reproduzieren zu lassen. 
Allein schon der klinische Befund dieses Falles liess die Veröffentlichung für wert erscheinen. 

Herrn Dr. Wachenhusen, welcher die Liebenswürdigkeit hatte, mir den Patienten 
zur Untersuchung zuzusenden, danke ich hiermit bestens. 


Es handelte sich um einen 47 Jahre alten, gesund aussehenden, etwas wohlbeleibten Herrn von 
kleiner Statur. Patient erinnerte sich nicht, gehört zu haben, dass er als Kind die englische Krankheit 
gehabt oder spät laufen gelernt habe. Seine Eltern und Grosseltern seien ebenfalls klein, seine 
acht Geschwister auch nicht besonders gross. Mit 17 Jahren sei ihm aufgefallen, dass, wenn er 
engere Beinkleider anzog, «dieselben oberhalb des rechten Knies immer schlecht sassen, als wenn sie an 
dieser Stelle etwas zu eng wären. Er fühlte deshalb oft selbst an dieser Stelle nach und fand in der 
Tiefe eine harte Hervorwölbung, die er auch seinem Arzt zeigte. Vom Militär sei er wegen seiner kleinen 
Statur freigekommen. Patient will immer gesund, sowie ein tüchtiger Fussgänger und Jäger gewesen 
sein. Seit drei Jahren hingegen, als er im hohen Norden längere Zeit strapaziösen Elchjagden obgelegen 
hatte, fühlte er lästige Beschwerden eigener Art. Er hat fast immer Schmerzen, entweder mitten im 
Kreuz oder darüber bis zu den Schulterblättern hinauf, ferner an der rechten Hüfte, am rechten Knie 
und an den Knöcheln rechts. Die Beschwerden träten unabhängig von der Witterung auf, werden hin- 
gegen besonders lästig beim Übergang vom Liegen zum Sitzen oder zum Gehen, am ärgsten aber 
nachts, wenn er sich im Schlaf einmal bewege, und morgens, wenn er die ersten Schritte thue. 

Patient macht einen vollkommen gesunden Eindruck, sein Gang ist ohne Besonderheiten; die 
etwas unternormale Höhe von 154 cm ist ja an und für sich nicht besonders auffallend. Ebenso fällt 
nicht auf, dass irgendwelche Abschnitte des Körpers, etwa die Gliedmassen in nichtproportionalem Ver- 
hältnis zur ganzen Höhe des Patienten ständen. Ganze Höhe, wie erwähnt, 154 em; Abstand der 
Symphysis pubis vom Boden 79 em. (Bei einem normal gebauten gesunden Menschen von 180 cm 
Gesamtlinge fand Verfasser letzteres Mass 92 cm betragend.) Irgend eine Entstellung am Körper ist 
nicht zu entdecken. 

Druck auf die Processus spinosi der Wirbelsäule ohne Schmerz, ebenso Druck auf die Becken- 
schaufeln, auch die Hüftgelenksgegend lässt durch Druck und Palpation nichts Verdächtiges feststellen, da 
die Muskelwülste um dasselbe sehr voluminös sind. Aktiv kann der rechte Oberschenkel alle Bewegungen 
ausführen, nur in etwa um zehn Grad kleineren Winkeln; Adduktion etwas beschränkter; ebenso verhält 
es sich bei passiven Bewegungen des Femur, zuweilen hat man beim Rotieren medianwärts das Gefühl 
eines leichten Aneinanderschleifens zweier Knochen. Beim Strecken des Beines im Kniegelenk und 
maximaler Beugung im Hüftgelenk treten Schmerzen den Nervus ischiadicus entlang auf. 

Gegen eigentliche Ischias sprach die Unabhängigkeit der Beschwerden von Wärme und Kälte, 
Witterungswechsel etc., die Zunahme der Beschwerden bei den ersten Schritten nach längerem Sitzen 
oder Liegen. Gegen Arthritis deformans hinwiederum liess sich die relativ gute aktive Beweglichkeit, die 
ins Kreuz und bis an die Schulterblätter ausstrahlenden Schmerzen, die Schmerzen an den Knöcheln, 
schliesslich — und dieses Moment hält Verfasser für sehr wichtig — das Ausbleiben jedes Erfolges der 
Wiesbadener Bäder ins Feld führen. 

Diese Momente veranlassten den behandelnden Arzt, den Patient, der seit drei Jahren bei 
allen Autoritäten Deutschlands umherreist mit der Diagnose Rheumatismus und Ischias, durchleuchten 
zu lassen und zwar wurde zunächst die rechte Hüfte, die obere Partie des Kreuzbeins und das rechte 
Knie radiographiert. 


Das Bild der Hüfte zeigte einen recht eigenartigen Befund, dessen Natur sich Ver- 
fasser ohne die Knieaufnahme nicht hätte erklären können. Die Kreuzbeinaufnahme zeigte 
nichts Grobauffallendes, es wird später noch darüber kurz berichtet. 

Die Knieaufnahme (Fig. 2, Tafel IV) löste das Rätsel. Sie zeigte nicht nur die eine 
bereits erwähnte Exostose aussen über dem Knie, sondern auch eine solche medial (auf dem 
Radiogramm infolge des sie deckenden Patellaschattens weniger deutlich), ferner je eine medial 
und lateral an der Tibia. Jetzt war klar, dass man es hier mit einem Fall von multiplen, 
cartilaginären Exostosen zu thun hatte, während man bisher bei unserem Patienten die eine gut 
fühlbare Exostose für eine solitäre gehalten hatte, wie solche bekanntlich am Femur über 
dem Knie vereinzelt vorkommt (vergl. Verfassers „Knochenerkrankungen im Röntgenbilde®, 
Tafel I, Fig. 4). 


Auf Grund des Knieradiogramms war man jetzt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit 


Röntgenbefund der Hüften bei multiplen cartilaginären Exostosen. 35 


berechtigt anzunehmen, dass auch der Befund an der rechten Hüfte als cartilaginäre Exostosen 
zu deuten sei; diese Wahrscheinlichkeit musste zur Sicherheit werden, wenn die linke Hüfte 
den gleichen, oder doch wenigstens ganz analogen Befund aufweisen würde. Das war auch 
thatsächlich der Fall. 

Der Deutlichkeit halber füge ich eine Zeichnung nach der Platte bei, und zwar 
nach der Platte der rechten Hüfte (Textfigur 1). Der pathologische Befünd der linken 
Hüfte ist nur um eine eben erkennbare Spur weniger hochgradig. Für diejenigen Leser, die 
nicht gewohnt sind, öfters Röntgenaufnahmen von Hüften zu sehen, stelle ich zum Vergleich 
ein abgezeichnetes Radiogramm einer normalen Hüfte eines gleichaltrigen Mannes bei gleicher 
Projektion daneben (Textfigur 2). Der grosse Unterschied ist sofort in die Augen fallend. 
Betrachten wir die Radiogramme Fig. 1 und Tafel IV, Fig. 3 näher, so springt in erster Linie 
die dicke scheinbar walzenförmige Auftreibung des Schenkelhalses in die Augen. Von einem 
„Hals“ kann man eigentlich nicht mehr reden. Während oben zwischen grossem Trochanter und 
Kopf noch eine leichte Einbuchtung besteht, ist zwischen kleinem Trochanter und Kopf (bei 


Fig. 1. Fig. 2. 


sagittalem Strahlengang) nicht nur keine Konkavität, sondern sogar eine ganz erhebliche Knochen- 
hervorwölbung zu sehen, die auf dem Negativ volle 21/, cm, in Wirklichkeit mindestens 2 cm 
beträgt. Da die Crista intertrochanterica sehr deutlich zu verfolgen ist, ebenso die Kontur des 
kleinen Trochanter, obwohl sie in den Bereich des verbreiterten Collumschattens fällt, so ist 
daraus zu schliessen, dass nicht nur oben, sondern auch hinten (und wohl auch vorn) der Hals 
des Femur eine Einschnürung hat, die normalen Verhältnissen etwas ähnelt. Wenn sich auch 
der Femurhals in frontaler Strahlenprojektion nicht gut darstellen lässt, so kann man doch 
die diesbezüglichen Verhältnisse aus dem sagittalen Bild entnehmen. Es entspricht also 
der hervortretende Schatten zwischen dem Ramus superior ossis ischii und dem Trochauter 
minor nicht einer — geformten cylinderähnlichen Partie, sondern einem V förmigen, spangen- 
oder kantenartigen Vorsprung. Dass dem auch wirklich so ist, dass wir es hier mit einem 
leisten- resp. schmalen kantenförmigen Gebilde zu thun haben, beweist seine distale Grenze in 
der Nähe des kleinen Trochanterschattens, die hier keine ganz scharfe Linie zeigt, sondern 
fransenförmig ausklingt. | 

Nur muss man nicht annehmen, dass diese Exostose auf dem Collum femoris aufsitzt, 
sondern sie ist mit demselben in eins verschmolzen; sie ist nicht von ihm zu differenzieren, 
der Femurhals geht nach dieser Richtung in eine schmale Kante aus; die Architektur des 

5% 


36 Köhler. 


Halses und der Kante bilden eine Kontinuität und nur die Kante hat eine eigentliche Kortikalis, 
welche proximal am dicksten ist und nach dem kleinen Trochanter hin zu verschwinden scheint. 

Eine gleichartige Affektion wie am Schenkelhals (bei a) ist direkt unterhalb des kleinen 
Trochanters nachzuweisen, nur in kleineren Dimensionen (bei 7). Der betr. Schatten ist (auf 
der Platte) 9 mm breit, konvex und eine Wenigkeit dichter wie der vorhin beschriebene; distal- 
wärts trägt er eine kleine Spitze. 

Ferner scheint noch eine kleine Exostose am unteren Ende des grossen Trochanters 
zu existieren (bei c), sie hat die Form eines Dornes, ausserdem dürfte die Stelle d, wo Kopf 
und Hals aneinander grenzen, auch exostotisch verunstaltet aufzufassen sein, wenn es auch nicht 
absolut sicher ist. 

Es besteht wohl kein Zweifel, dass auch an den beschriebenen Femora die Ab- 
weichungen von der Norm als multiple cartilaginäre Exostosen anzusprechen sind. Am Darm- 
bein lässt sich nichts Derartiges nachweisen; am Kreuzbein zeigen sich auf dem Radiogramm 
die Cristae sacrales articulares und die kleinen cornua sacralia so kräftige, dicht und deutlich, 
wie sie Verfasser an intakten Kreuzbeinen nie gesehen hat. 

Es lag nalıe, auch von den Vorderarmen, an denen Patient nie die geringsten Be- 
schwerden gefühlt, Radiogramme anzufertigen. Es zeigten sowohl Radius als Ulna an ihren 
Gegenflächen 5 cm von den distalen Enden entfernt, kleine Exostosen, annähernd so gross wie 
der Dorn eines Rosenzweiges. 

Es erübrigt noch, den Fall im ganzen und im Vergleich zu den bisher publizierten 
Fällen kurz zu betrachten. 

Eine besondere Eigentümlichkeit der multiplen kartilaginären Exostosen ist ihre Erb- 
lichkeit. So stellte Reinecke 36 derartige Fälle zusammen, bei denen er die Erblichkeit einmal 
bis in die fünfte Generation, 15 mal bis in die dritte und 12 mal bis in die zweite verfolgen 
konnte. Unser Patient, der selbst ledig ist, weiss von seinen Grosseltern, Eltern und Geschwistern 
nur, dass sie klein waren, eine Schwester habe gehinkt. Aus diesen anamnestischen Angaben 
ist leider gar nichts bez. der Heredität zu entnehmen. 

Es wird jetzt im allgemeinen bestritten, dass Rachitis die Veranlassung zu multiplen 
Exostosen werden kann. Auch in unserem Fall ist kein Anhaltspunkt gegeben, dass Rhachitis 
bestanden hat; ebenso kann man Lues und Tuberkulose ausschliessen. 
| Schwere Fälle gehen mit Verkriimmungen und Verkürzungen der Knochen einher. 
Bei unserem Patienten trifft dies nicht zu; die Femora sind im Verhältnis eher etwas verlängert, 
aber kein Knochen (soweit ste untersucht wurden) ist verunstaltet. Wir haben es hier mit einer 
sehr milden Form des Leidens zu thun. Unwillkiirhch drängt sich aber die Frage auf, ob 
diese Milde des Verlaufs damit zusammenhängt, dass möglicherweise hier keine Heredität 
besteht, sondern das Leiden zum ersten Male ın der Familie auftrat. 

Die Exostosen geben im Radiogramm ein typisches Bild und haben typischen Sitz. 
Unser Befund am Knie ist ebenfalls ganz analog den bisher veröffentlichten Fällen. An der 
Hüfte ist noch kein Röntgenbefund beschrieben; da die Exostosen aber in unserem Falle auf 
beiden Seiten gleichartig waren, so werden sie auch die typische Kontur und den typischen 
Sitz darstellen. 

Zum Unterschied von vereinzelt auftretenden, aus Bindegewebe gebildeten spongiösen 
Exostosen, welche ohne Veränderung der Gestalt des ganzen Knochens der Kortikalis einfach 
aufsitzen, findet man bei multiplen cartilaginären Exostosen diffuse Knochenverdickungen, 
kolbige Auftreibungen der Diaphyse und ein Übergehen der Spongiosaarchitektur der Diaphyse 
in die der Exostose. Das ist in unserem Falle besonders deutlich an der Knieaufnahme, lateralen 
Partie des Femur und bei der Hüftaufnahme an der grossen Spange a zu konstatieren. 

Erwiesen ist ferner das gleichzeitige Auftreten von multiplen cartilaginiiren Exostosen 
mit partiellem Klein- und Riesenwuchs und ähnlichen Missbildungen. Bei unseren Patienten 
wurde nichts Derartiges festgestellt, wobei allerdings zugegeben werden muss, dass es aus 


Röntgenbefund der Hüften bei multiplen cartilaginären Exostosen. 37 


äusseren Gründen nicht möglich war, das ganze Skelett mit Röntgenstrahlen abzusuchen. 
Solche grobe Prozesse sieht man indessen auch ohne Röntgenuntersuchung; es war aber auch 
‚durch blosse Inspektion solches nicht festzustellen. 

Kommen wir zuletzt noch auf die vorgebrachten Beschwerden in ihrer Beziehung zum 
Röntgenbefund zu sprechen: Dass Patient von Ischiasschmerzen geplagt und deshalb die 
Diagnose Ischias, die vor der Röntgenuntersuchung oft gestellt worden ist, nicht direkt falsch 
ist, mag zugegeben werden. Patient hat auf Druck mitten zwischen Tub. ischii und dem 
Troch. major Schmerzen, ebenso bei ad maximum gebeugtem Hüft- und gestrecktem Knie- 
gelenk. Diese Schmerzen aber erklären sich meiner Ansicht nach lediglich aus dem hierbei 
stattfindendem mechanischem Druck der grossen Exostosenkante gegen den Nervus ischiadicus. 
— Von einer typischen Ischias kann wohl nicht die Rede sein. — Andererseits erklären sich 
die Beschwerden bei den ersten Schritten nach einer längeren Ruhepause ebenfalls aus mecha- 
nischen Momenten; das Radiogramm zeigt, dass die grosse Exostose bei Bewegungen des 
Oberschenkels hart am Ramus superior ossis ischii vorbeigleiten muss. Man muss dabei noch 
bedenken, dass die Exostosen meist mit Knorpel überzogen sind, den das Radiogramm nicht 
wiedergiebt, dass sie also immer grösser sind, als sie sich nach dem Röntgenbefund darstellen. 

Das Wachsen der cartilaginären Exostosen hört in der Regel mit dem Körperwachstum 
auf. Patient ist aber 47 Jahre alt und hat seine Beschwerden erst seit drei Jahren. Wir hören, 
dass sich die Beschwerden nach anstrengenden Bergtouren und Jagden eingestellt haben. Es 
genügt aber ein einziger kräftiger Fehltritt, um zu erklären, dass die dem Hüftgelenk und dem 
Ramus sup. ossis ischii auf ein Haar nahe grosse Exostose seither direkt den Sitzbeinast bei 
jeder Bewegung streift, und so dauernd ein mechanisch entzündlicher Reiz unterhalten wird. 

Die Pfannen und die Konturen der Capita femoris sind beiderseits flacher als normal, 
eine Deformation, die sich aus der seit Auftreten der grossen Exostose einsetzenden veränderten 
Funktion ergiebt. Von einer eigentlichen Osteoarthritis kann man in diesem Falle nicht sprechen. 

Über die ebenfalls gestellte Diagnose „Rheumatismus“ wollen wir gar keine Erörterungen 
anstellen, zumal alle möglichen Affektionen unter dieser Flagge segeln. 

„Die Untersuchung des Skeletts mit Röntgenstrahlen ist den anderen Untersuchungs- 
methoden der Knochenaffektionen bei weitem überlegen.“ Diese Weisheit sollte heute, neun 
Jahre nach Entdeckung der Röntgenstrahlen, zum kleinen Einmaleins jedes Arztes gehören. 
Es müsste daher banal erscheinen, einer medizinischen Publikation solchen Gemeinplatz einzu- 
flechten; die Notwendigkeit indessen, jene Thatsache immer und immer wieder zu betonen, 
illustriert obiger Fall besonders treffend. Patient konsultiert seit Jahren zahlreiche Autoritäten, 
um einmal zu erfahren, was ihm eigentlich fehlt. Seine Beschwerden sowie der sonstige 
Befund waren weder charakteristisch für Ichias, noch für Arthritis deformans, noch für Rheuma- 
tismus, und doch hielt es keine der Autoritäten für nötig, eine Röntgenuntersuchung vornehmen 
zu lassen. Die Menge der Alleswisser, Alleskönner unter den Ärzten, die das Röntgenverfahren 
für einen entbehrlichen Luxus halten, ist leider heutzutage noch eine ganz unendlich grosse. 


Röntgenlitteratur über multiple cartilaginäre Exostosen. 


Hoffa: Über mult. cartilag. Exostosen. Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, 
Bd. 3, S. 127. 1899. — Keller, C.: Hereditäre multiple Exostosen. Inaug. Diss. Halle 1901. — Lippert: 
Über Wachstumsstörungen der Knochen bei multiplen cartilag. Exostosen. D. Arch. für klin. Med., 
Bd. 76. 1903. — Kienböck: Zur radiographischen Anatomie und Klinik der chondralen Dysplasie der 
Knochen mit multiplen cartilag. Exostosen. — Wien. Med. Wochenschr. No. 47. 1903. — Köhler, A.: 
Knochenerkrankungen im Röntgenbilde, Tafel I, Fig. 3. Wiesbaden 1901. — Pels-Leusden: Deutsche 
med. Wochenschr.; Vereinsbeilage S. 118. 1901. — Williams: The Röntgen-Rays in Medicine and 
Surgery. New-York 1902. — Beck: Die Röntgenstrahlen im Dienste der Chirurgie. München 1902. — 
Jungmann: Berl. Klin. Wochenschr., S. 524. 1902. — Lannois et Ray: N. Iconographie de la 
Salpêtrière. XV. S. 349. 1902. — Cramer: Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgie, 


38 Freund. 


Bd. 1, S. 218. 1903. — Riethus: Beiträge zur klin. Chirurgie, Bd. 37, S. 639. 1903. — Grünfeld: 
Wien. Klin. Wochenschrift, S. 109. 1903. 


Frühere Litteratur. 


Bessel-Hagen: Langenbecks Archiv, Bd. 41, S.420. 1891. — Volkmann: Beitr. zur klin. 
Chir., S. 241. 1875. — Fischer, H.: Deutsch. Zeitschr. für Chir., Bd. 12, S. 357. 1880. — Pic: Gazette 
hebdom. de Méd. Paris 1890. — Rubinstein: Deutsch. Med. Woch., S. 471. 1891. — Schuchardt: 
Deutsche Chir., Bd. 28. 1899. — Auvray et Guillain: Archives génćz. de Med. 1901. — Nasse: 
Sammlung klin. Vortr. N. F. 124. 1895. — Reinecke: Beitr. zur klin. Chir., Bd. VII. 1891. — Chiari: 
Prager Med. Wochenschr., Nr. 35. 1892. — Hartmann: Langenb. Arch., Bd. 45, S. 572. 1893. — 
Virchow: Verhandl. der Naturforschervers. in Halle, II, S. 159. 1891. Ferner in Virchows Archiv: 
v. Recklinghausen, Bd. 35. 1866. — Heuking, Bd. 77. 1879. — Huber, Bd. 88. 1882. — 
Cohnheim, Bd. 38. 1867. — Heymann, Bd. 104. 1886. — Inaugural-Dissertationen von: Vix, 
Giessen 1858. — Marle, Berlin 1868. — Sonnenschein, Berlin 1873. — Braune, Halle 1882. — 
Meyer, München 1882. — Brenner, München 1884. — Roberg, Bonn 1586. — Spengler, Strass- 
burg 1887. — Schäfer, Würzburg 1888. — Drescher, Giessen 1889. — Herbst, Berlin 1890. — 
Ditrich, Kiel 1892. — Klehmet, Berlin 1892. — Schumacher, Würzburg 1893 und Richter, 
Jena 1894. 


Zur Therapie und forensischen Begutachtung der Röntgenstrahlendermatitiden. 
Von 
Priv.-Dozenten Dr. Leopold Freund, Wien. 


Seit einigen Jahren haben sich die Publikationen über accidentelle Dermatitiden, welche 
zur peinlichsten Überraschung der Ärzte und Patienten als Folge eines radiotherapeutischen 
Eingriffes auftraten, erheblich vermindert. Daran ist weniger der Umstand schuld, dass man 
vielleicht die Natur und die Klinik dieser Hautaffektion vollständig erforscht hätte, denn es 
bleibt uns hierin noch sehr vieles zu wissen und zu arbeiten übrig. Die Zahl der Dermatitiden hat 
sich vielmehr thatsächlich vermindert, teils infolge der grösseren Vorsicht der Ärzte, indem diese 
sich im Gegensatze zu früherer Gepflogenheit nicht mehr mit dem Ankaufe eines Apparates 
begnügen, um Radiotherapie zu treiben, sondern sich noch vorher bei einen erfahrenen Fach- 
manne in der Technik unterweisen lassen; teils deshalb, weil viele Ärzte, gewarnt durch das 
drohende Beispiel anderer Kollegen, die wegen Dermatitis zu hohen Geldbussen verurteilt 
wurden, lieber auf eines der wirksamsten Mittel verzichten, bloss die alte Therapie an- 
wenden und mancher schweren Dermatose ihren unheilvollen progressiven Verlauf lassen, als 
im Interesse des Kranken ihren Ruf, ihr Vermögen und die Existenz ihrer eigenen Familie 
aufs Spiel setzen. Immerhin ist es aber unzweifelhaft, dass noch immer Dermatitiden, wenn 
auch vereinzelt, vorkommen. Bekanntlich bietet deren Behandlung die grössten Schwierig- 
keiten. Es giebt wohl kein Mittel, welches man zu ihrer Heilung nicht versucht hätte, und 
doch quälen sie durch ihren langweiligen, torpiden Verlauf den Kranken wie den alles vergeblich 
verordnenden Arzt unsäglich. Da scheint es denn wirklich geboten, dass jeder Fachmann das- 
jenige, was ihm bei der Bekämpfung dieses hartnäckigen Übels gute Dienste leistete, zum 
Nutzen und Frommen seiner Kollegen, die sich in ähnlicher Klemme befinden, mitteile. In 
den acht Jahren meiner radiotherapeutischen Praxis habe ich acht Fälle von schwerer Röntgen- 
dermatitis beobachtet und behandelt. Drei Dermatitiden waren von mir selbst, die fünf anderen 
von drei Wiener und einem auswärtigen Kollegen erzeugt worden. Diese acht Fälle repräsen- 
tieren Misserfolge sämtlicher von den verschiedensten Autoren vertretenen Methoden; sie 
wurden zum Teile allerdings in der allerersten Versuchszeit der Radiotherapie erzeugt, zum 
Teile fallen sie aber in die gegenwärtige Epoche, in welcher angeblich, dank dem Chromo- 
radiometer, Dermatitiden unmöglich geworden sind. Diese Thatsache allein widerspricht der 


Zur Therapie und forensischen Begutachtung der Röntgenstrahlendermatitiden. 39 


Annahme, dass diese Methode der Messung der Röntgenstrahlenenergie das Zustandekommen 
einer stärkeren entzündlichen Reaktion, als sie in der Absicht des Arztes lag, mit absoluter 
Sicherheit ausschliessen könnte. Die Unmöglichkeit dessen ist schon durch das Wesen dieses 
Messverfahrens bedingt, indem beim Chromoradiometer ein Salz durch Absorption von Röntgen- 
strahlen zersetzt und verfärbt wird, während die Hautveränderung ein Effekt der Einwirkung 
von Röntgenstrahlen auf lebende Gewebe ist, auf Gewebe, die nicht von vornherein bei ver- 
schiedenen Individuen gleiche Beschaffenheit haben, die auch weiter nicht auf gleiche Agentien 
hin in analoger Weise reagieren. Wenn auch Fälle, bei denen eine Idiosynkrasie gegen 
Röntgenstrahlen im gewöhnlichen Sinne vorhanden ist, sehr vereinzelt sind, so ist eine auf- 
fallend erhöhte Reaktionsfähigkeit gegenüber den üblichen „normalen“ unschädlichen Be- 
strahlungsdosen nicht so selten'), und man musste, um diese gesteigerte Empfindlichkeit zu 
berücksichtigen, Tabellen anlegen, in denen jene Umstände, welche die Reaktionsweise 
beeinflussen, zusammengetragen sind. Selbstverständlich war und ist es nicht möglich, in 
diesen Tabellen alles das zu verzeichnen, was man unter dem Begriffe Disposition zusammen- 
fasst, denn immer giebt es diesbezüglich noch Dinge, die wir nicht wissen, und solche wird 
es immer geben. Es kommt noch der Umstand in Betracht, dass nicht allein die Röntgen- 
strahlen, sondern noch andere vom Röntgenrohre ausgehende Agentien in Wirkung treten und 
dies beim Reagenzkörper. und bei lebenden Geweben nicht durchaus proportionaliter geschieht. 

Eine vollständige Beseitigung der Röntgendermatitiden ist durch die Anwendung dieses 
Instrumentes nicht zu erwarten, welches nur die chemische Aktivität der Strahlung zu bemessen 
vermag, wegen seiner geringen Empfindlichkeit aber die individuelle Reaktionsweise nur 
allgemein abzuschätzen, nie in objektiver Weise während der Behandlung zu beurteilen 
gestattet. 

In dieser Beziehung wird das von mir?) mitgeteilte radiometrische Verfahren eher der zweiten 
Anforderung gerecht, indem es einerseits die chemische Aktinität der Strahlung, gemessen an 
einem genau bekannten chemischen Zersetzungsprozess, exakt feststellt, andererseits wegen seiner 
grösseren Empfindlichkeit die Behandlung mit Dosi refracta, und damit die Berücksichtigung der 
individuellen Reaktionsweise in jedem besonderen Falle gestattet. Im letzten Semester sind 
auf der Klinik des Herrn Prof. Finger in Wien von mir eine grössere Anzahl von Be- 
handlungen mit Hilfe dieses Messverfahrens durchgeführt worden. Hierbei kamen einerseits 
die praktischen Erfahrungen zur Geltung, die ich mir in meiner achtjährigen radiotherapeu- 
tischen Thätigkeit an fast 400 Patienten verschafft hatte, andererseits wurde die zur Wirkung 
gelangende Energie nach Intensität und Qualität genau gemessen und die Werte registriert. 
Die Resultate entsprachen den Erwartungen. Unbeabsichtigte Dermatitiden wurden nicht erzeugt. 

Wenden wir uns nun von den Erwägungen, die einer Verhütung der Dermatitiden 
gewidmet waren), zu der eigentlichen Behandlung dieser Hautschädigung, so müssen wir uns 
zunächst darüber klar zu werden streben, was die Ursache des überaus langwierigen Verlaufes 
dieser Hautaffektion ist. In den letzten Jahren herrschte die aus der Neisserschen Klinik von 
Scholtz vertretene Ansicht vor, dass die Degeneration der zelligen Elemente und insbesondere 
der, Bindegewebszellen die Ursache davon sei, dass die Reparation der Röntgenulcera eine so 
hartnäckige ist; denn von den Bindegewebszellen geht die Narbenbildung aus. Vor kurzem?) 
haben aber Verfasser und Dr. M. Oppenheim auf Grund histologischer Untersuchungen 
betont, dass neben der Wirkung auf die zelligen Elemente die Gefässschädigung ein wesentliches 
ätiologisches Moment der durch Röntgenbestrahlung bervorgerufenen Hautveränderungen ist. 
Allerdings liegen noch nicht genügend zahlreiche Untersuchungen vor, um mit Sicherheit zu 


1) Diesen Standpunkt nehmen Hahn, Scholtz, H. E. Schmidt u. a. bekannte Autoren ein. 

2) Wr. Klin. Wochenschr. 1904, 15. 

5) Es möge hier auch auf die beachtenswerten Darstellungen Albers-Schönbergs (Centralbl. 
f. Chirurgie 1903, p. 637) verwiesen werden. 

4) Wr. Klin. Wochenschr. 1904. Nr. 12. 


40 Freund. 


unterscheiden, welche Folgen einerseits die einfache Hyperämie und andererseits, welche 
Konsequenzen die Gefässwandveränderungen und Öbliterationsprozesse in den Arterien nach sich 
ziehen. Die Hyperämie ist eine äusserst chronische und persistierende und kann durch leichte 
Irritation beliebiger Art noch viel weiter prolongiert werden. Sie hat in gewissen Fällen den 
therapeutischen Wert und die Wirkung der Bierschen Stauung, in anderen ist sie Mitursache, 
dass die durch Nekrobiose der Gewebe entstandenen Geschwüre ebensowenig Heilungstendenz 
zeigen, wie die varikösen Geschwüre am Unterschenkel, welche bei den ganz ähnlichen Be- 
dingungen, unter welchen sich der Unterschenkel befindet, nicht heilen. Auch G. Baermann 
und P. Linser geben in Übereinstimmung mit F. und O. und in Bestätigung deren Annahme 
an!), dass die Blutgefässe es sind, die in erster, jedenfalls in wesentlichster Linie durch diese’ 
Strahlen geschädigt und zerstört werden. „Die Theorie von der elektiven Epithelschädigung 
durch Röntgenstrahlen bietet uns dagegen keine Erklärung, weder für die Unheilbarkeit der 
Ulcera noch für das Wiederauftreten von typischen Röntgengeschwüren, nachdem man solche 
im Gesunden bis auf die normale Muskulatur exzidiert hat. Die Erklärung dafür giebt uns 
nur die eminente Gefässschädigung.“ 

Aus dieser Anschauung von der Pathogenese der Röntgendermatitis ergeben sich auch 
die Direktiven für eine kausale Behandlung. In erster Linie müssen Massregeln ergriffen 
werden, welche die chronische Hyperämie beseitigen. Das beste Mittel hierfür ist die Hoch- 
lagerung. Ganz augenfällig war der Erfolg dieses Verfahrens bei einem der erwähnten Kranken, 
welchen ich in Gemeinschaft mit weiland Herrn Hofrat Gussenbauer behandelt habe. Der 
Kranke war anderwärts wegen Ekzem an der Hand mit Röntgenstrahlen behandelt worden; 
nach zehn Bestrahlungen war eine heftige Entzündung aufgetreten, die bis auf ein guldenstück- 
grosses Geschwür über dem Metakarpalphalangealgelenke des Daumens verheilte. Letzteres 
zeigte aber gar keine Tendenz zur Heilung und bereitete dem Kranken die schrecklichsten 
Schmerzen. Während alle Adstringentien und Antiseptika absolut wirkungslos waren, trat 
nach Suspension des Armes in kürzester Zeit eine deutliche Tendenz zum Abstossen der 
Schorfe, ein Nachlass der Schmerzen und die Tendenz zur Vernarbung auf, welche auch bald 
zur völligen Verheilung führte. Die Suspension wurde in der Weise durchgeführt, dass zunächst 
die Einwickelung der ganzen Extremität vorgenommen wurde. Jeder Finger wurde für sich 
in Watte eingehüllt, dann mit Kreistouren einer Calicotbinde umwickelt; dasselbe geschah dann 
mit der Hand und dem Vorderarm bis über das Ellbogengelenk hinauf, so dass schon durch 
den Verband der Blutzufluss zu der kranken Extremität gehemmt wurde. Dann wurde die 
Extremität auf einer gut gepolsterten Holzschiene mit Bindentouren befestigt und letztere 
mittelst einer Schnur so hoch auf den Krankenhebeapparat geknüpft, als es, ohne den Kranken 
wesentlich zu belästigen, geschehen konnte. Diese Behandlung, welche man als kausale 
bezeichnen muss, wirkte selbstverständlich bloss der chronischen Hyperämie entgegen, ein 
direkter Einfluss auf die durch Röntgenbestrahlung erzeugte Nekrobiose der Gewebe kommt 
ihr nicht zu. Bei Ulcerationen an Stellen, die nicht suspendiert werden können, wäre vielleicht 
ein Kompressionsverband zu versuchen. Um die Zerstörungsprodukte zu entfernen, bleibt, 
wofern man ihre spontane Abstossung nicht abwarten kann und will, nichts anderes übrig, als 
sie operativ zu entfernen. 

F. W. Huntington hat einen Fall von X-Strahlenverbrennung erfolgreich behandelt 
mit Exzision des Geschwürs nebst Entfernung des Unterhautfettgewebes und sofortiger Naht 
und Thierschschen Transplantationen. Er betont ausdrücklich, dass alle Teile, in denen Obli- 
teration der Gefässe erkennbar ist, radikal entfernt werden müssen. Bei dem von ihm behandelten 
und geheilten Falle entstand ein Narbenkeloid.’) 

G. Baermann und Paul Linser exzidierten ebenfalls das Ulcus bis auf die normal 


1) Münchener med. Wochenschr. 1904. Nr. 21. 
*) Annals of surgery. 1901 Dez. 


Zur Tberapie und forensischen Begutachtung der Röntgenstrahlendermatitiden. 41 


erscheinende Muskulatur und deckten den Defekt durch grosse gestielte Kutis und Subkutis 
umfassende Hautlappen aus der Umgebung. Diese Verfahren werden wohl in jenen Fällen zur 
Anwendung gelangen müssen, wo Röntgengeschwüre monatelang unverändert fortbestehen und 
nicht anders zur Verheilung gebracht werden können. Indessen ist es zu erwarten, dass der- 
artige Vorkommnisse mit der Vervollkommnung der Technik immer spärlicher werden. 

Neben dieser kausalen Therapie stehen uns noch einige ganz gute symptomatische 
Mittel zur Verfügung. Einer Verunreinigung der Wunde beugen Umschläge mit Liquor Burowii 
vor. Dieselben werden auch von den Kranken sehr angenehm empfunden, indem sie die 
Schmerzen lindern. Dasselbe habe ich durch Applikation der Wärme in Form lauwarmer Um- 
schläge oder mittelst strahlender Wärme der Glühlampen erreicht. Dringend warnen möchte 
ich jedoch vor der Anwendung von Kokain, welches nicht nur keine Anästhesie erzeugt, 
sondern (infolge der Gefässerschlaffung, welche es verursacht) den Zustand eher noch ver- 
schlimmert. Noch ausgesprochener gilt das vom Orthoform und Anästhesin. Die beiden 
letzteren Präparate lindern die Schmerzen wohl für einige Stunden, doch schreitet nach ihrer 
Einwirkung die Gangrän rapid weiter. Hingegen habe ich mit der internen Verabfolgung von 
Phenacetin in Dosen von 0,5 Gramm immer recht gute symptomatische Erfolge erzielt. Damit 
die Umgebung des Geschwüres von der steten Befeuchtung mit der essigsauren Thonerde nicht 
maceriert werde, empfiehlt es sich, die Gazebauschen genau so gross zuschneiden zu lassen, wie 
es das Geschwür ist. Zeitweise wird auch ein Verband mit einer indifferenten Salbe (Lanolin, 
Ungu. emolliens) schmerzlindernd empfunden werden. Antiseptika und insbesondere Sublimat 
werden sehr schlecht vertragen. Sobald sich endlich Granulationen zeigen, wird man deren 
Bildung und Epithelisierung durch schwache Lapissalben zu fördern trachten. Es möge bei 
dieser Gelegenheit auch auf die Angaben Arnings hingewiesen werden, der ein Röntgenulcus, 
welches jeder Therapie trotzte, durch Vereisung zur Heilung brachte. 

Nach Verheilung des Geschwüres müssen die Kranken belehrt werden, dass die affi- 
zierten Stellen sehr lange äusserst empfindlich bleiben und durch mechanische Insulte, leichte 
Verbrennung, irritierende Medikamente (Chrysarobin, Pyrogallus, Kreosotpflaster u. s. w.) leicht 
wieder zum Aufbrechen gebracht werden. 

Nun mögen mir noch einige Bemerkungen über die forensische Beurteilung der Röntgen- 
dermatitiden gestattet sein. Veranlassung hierzu giebt mir die Verurteilung eines österreichischen 
Kollegen, der, wie ich der Darstellung des Falles in einem juristischen Fachblatte entnehme, 
bei einer haarigen Frau mit 14 Bestrahlungen von 25—30 Minuten Dauer Ulcerationen schwersten 
Grades an deren Armen erzeugte. Der österreichische Oberste Gerichtshof verurteilte ihn, nach- 
dem ihn zwei untere Instanzen losgesprochen hatten, zum Schadenersatze, und zwar nicht des- 
halb, weil er sich eines Kunstfehlers schuldig gemacht hatte — auf diese Frage wurde in der 
Verhandlung beim Obersten Gerichtshofe gar nicht eingegangen —, sondern deshalb, weil der 
Arzt der Patientin das Verfahren als schmerzlos und ungefährlich hingestellt, und sie dadurch 
veranlasst hatte, sich in die Behandlung zu begeben. 

Der Ausgang dieses Prozesses berührt die medizinische Seite unseres Gegenstandes 
eigentlich gar nicht. Es handelt sich um eine rein juridische Frage, welche allerdings für 
alle jene Ärzte (Chirurgen, Okulisten, Dermatologen, Radiologen u.s. w.), in deren Specialgebiet 
kosmetische Fragen eingreifen, vitalstes Interesse besitzt. Der juristische Glossator dieses Falles 
hält von seinem Standpunkte aus die Bestrebungen der Ärzte das äussere Aussehen ihrer Mit- 
menschen von Entstellungen zu befreien, ihnen dadurch nicht nur die Freuden des Lebens zu- 
gänglich zu machen, sondern in vielen Fällen sogar die Existenz zu ermöglichen, als mit der 
Kunst des Arztes nicht vereinbar; die Erkenntnis dessen geht ihm ab; ich will mit ihm 
darüber nicht rechten. Wenn es aber thatsächlich richtig wäre, wie jener schreibt, dass ein 
jeder Arzt schon durch die Vornahme eines kosmetischen Eingriffes als solche für jeden Fehl- 
erfolg haftbar wird, und dies noch mehr, wenn er den Patienten nicht auf alle denkbar mög- 


lichen Eventualitäten, die jener Eingriff zur Folge haben kann, aufmerksam macht, dann möge 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 6 


42 Freund. 


der Arzt es sich wohl überlegen, eine Warze zu excochleiren, eine Paraffininjektion vorzu- 
nehmen u. s. w. Wie leicht kann ein Erysipel, eine Phlegmone, eine Embolie den Patienten 
heimsuchen und damit den Arzt ins Unglück stürzen. 

Diese Gefahr ist jedoch nicht so sross. Ich habe Veranlassung genommen, einen auf 
dem Gebiete der Haftpflichtgesetzgebung sehr bewanderten Wiener Rechtsanwalt, Herrn 
Dr. M. Lud. Weiss, dieshalb zu befragen. Derselbe teilte mir folgendes mit: 

„Bein Werkvertrage — unter welchen sich gemäss $ 116 öst. a. B. G. B. u. 3631 
des B. G. B. für das Deutsche Reich eine derartige Behandlung unter Umständen subsumieren 
lässt, entfällt im Falle eines Misserfolges, d. i. bei Nichtbeendigung oder mangelhafter Her- 
stellung des „Werkes“ die Verpflichtung zur Zahlung des vereinbarten resp. üblichen Honorars 
ganz oder teilweise, 

Eine Ersatzverpflichtung wegen allfälliger durch die Behandlung entstandener körper- 
licher Schäden greift nur dann Platz, wenn dem behandelnden Arzte abgesehen von einer 
etwaigen Haftung für den Erfolg — ein Verschulden (Fahrlässigkeit) zur Last fällt (§§ 1299 
u. 1306 öst. a. B. G. B. und $$ 635 u. 276 B. G. B. für das Deutsche Reich).“ 

Sofern der Arzt davon absieht, den ihm um Rat fragenden Patienten ein Verfahren 
als gefahrlos zu bezeichnen, welches thatsächlich noch immer gewisse Gefahren in sich birgt, 
ihn im Gegenteil ausdrücklich darauf aufmerksam macht, und wenn er sich während der Be- 
handlung keines Fehlers schuldig macht, dann hat er also nichts zu befürchten. Als Fehler 
ist wohl nur die Überexposition und die Ausserachtlassung der anerkannten und 
bewährten Vorsichtsmassregeln (Beiseitelassung der Schutzvorrichtung u. 3.w.) zu 
betrachten. Die Nichtbeachtung „der Energieschwankungen“ der Röntgenröhre durch die ın 
dem erwähnten Streitfalle von dem sich aus dem Zimmer zeitweise entfernenden Arzte angeb- 
lich die Schädigung erzeugt, und welche nur damit entschuldigt wurde, dass dem geklagten 
Arzte zu jener Zeit das Chromoradiometer noch nicht bekannt sein und zur Verfügung stehen 
konnte, ist in meinen Augen kein so grosses Vergehen. Erstens ist auch das Chromoradiometer 
nicht imstande, diese Schwankungen, welche oft innerhalb kleiner Zeiträume eintreten, festzustellen; 
dazu ist die Empfindlichkeit der Reagenzkörper zu gering. Der Apparat hat aber auch gar nicht 
den Zweck, diese Energieschwankungen zu registrieren, er verzeichnet einzig und allein die während 
einer bestimmten Zeit in dem Salze wirksam gewesene chemische Energie, ohne darauf Rück- 
sicht zu nehmen, ob die Energie während dieser Zeit konstant oder schwankend war. Aus 
diesem Grunde hat auch der Erfinder des Instrumentes gar kein Gewicht darauf gelegt, dass der 
Arzt während der Behandlung fortwährend im Zimmer weile und die Energieschwankungen der 
Röhre beachte, er überlässt 1m Gegenteil die Beurteilung der erzeugten Farbennuance auch dem 
Personale.') Die exakte Messung dieser Energieschwankungen war bis vor kurzen überhaupt 
nicht möglich und ist meines Wissens zuerst von mir und Dr. Oppenheim mit Hilfe meines 
radiometrischen Verfahrens durchgeführt worden. Diese Messungen haben ergeben, dass bei 


dem Betriebe „harter“ Röhren — und um die Verwendung solcher scheint es sich nach den 
Andeutungen der Sachverständigen in dem erwähnten Falle gehandelt zu haben”), — mittelst 


kleiner Induktorien und schwacher Ströme und innerhalb der kurzen, bei der Methode der 
Bestrahlung mit harten Röhren üblichen Expositionszeiten die Energieschwankungen keineswegs 
einen so ausserordentlich hohen Grad erreichen, dass denselben ein so wesentlicher Einfluss 
auf den schliesslichen Effekt zugeschrieben werden könnte. Grössere Energieschwankungen 
treten nur bei längerer Funktion dieser Röntgenröhren und bei hoher Energie der Betriebs- 
ströme auf. 


Tritt eine stärkere Reaktion ein, trotzdem keine Überexposition stattfand, trotzdem 


1) S. Gebrauchsanweisung f. d. Chromoradiometer. 

*) Allerdings schreibt die Methode der Verwendung harter Röhren nicht 14 Expositionen von 
25—30 Minuten Dauer vor; es ist demnach absolut nicht gerechtfertigt, dass in dem erwähnten Falle die 
Schädigung der Methode zur Last gelegt wird. 


Die chirurgische Bedeutung der Halsrippe. 48 


alle bewährten Vorsichtsmassregeln eingehalten wurden, dann kann die Ursache dafür nur in 
der besonderen Beschaffenheit des Patienten gesucht werden. Es ist Thatsache, dass nicht nur 
die Konstitution, das Alter des Patienten, seine Haut und Haarfarbe, die Lokalität der be- 
strahlten Körperstelle, die Art der Reaktion wesentlich beeinflusst, sondern dass die Bestrahlung 
in manchen, allerdings sehr seltenen Fällen, ganz ungewöhnlich heftige oder allgemeine Reak- 
tionen hervorruft. So habe ich einen Fall veröffentlicht'), wo bei einem Fräulein das behaarte 
Kinn ein Jahr hindurch intermittierend behandelt wurde. Jede Bestrahlungsserie (5—6 
Sitzungen von je 6 Minuten Dauer, harte Röhre, 15 cm Distanz) des Kinns erzeugte mit der 
Sicherheit eines Laborateriumsexperimentes immer nässende Ekzeme am Kinn, an der (geschützt 
gewesenen) Brust, an den Vorderarmen, am Nacken und an der Innenseite der Oberschenkel, 
welche auch nicht in der erwähnten Reihenfolge auftraten. In solchen Fällen muss man wohl 
von einer Idiosynkrasie sprechen. Diese erhöhte Reaktionsfähigkeit kann auch durch zeitliche 
und innere Vorgänge, durch eine allgemeine oder lokale eigentümliche Beschaffenheit des 
Gefässsystems (Endarteriitis, bei Schwangerschaft u.s. w.) veranlasst sein, ohne dass deren Fest- 
stellung und Berücksichtigung dem Arzte immer möglich wäre. Hierher gehören auch die 
Fälle, wo der Prozess, der den Kranken zum Arzte und in die Röntgenbehandlung geführt 
hat, wegen seines entzündlichen Charakters zur erhöhten Reaktion prädisponiert. In sehr vielen 
Fällen liegt eine erhöhte Reaktion ja direkt im Heilplane, stellt ja die Erzeugung einer con- 
gestiven Hyperämie nach unseren gegenwärtigen Anschauungen einen wesentlichen Heilfaktor dar. 
Eine solche Eventualität muss selbstverständlich vom Arzte berücksichtigt und dem 
Kranken mitgeteilt werden. Eine solche Dermatitis infolge besonderer individueller Veranlagung 
ist nach Angabe des Herrn Dr. M. Lud. Weiss im Sinne des österreichischen Rechtes „als 
Zufall anzusehen, der sich in der Person des Patienten ereignet und demnach nach $ 1311 a. B.G. B. 
von letzterem allein getragen werden muss, sofern den Arzt kein Verschulden trifft, und der- 
selbe sich an die wissenschaftlich anerkannten Methoden gehalten hat. (Auch e contrario $ 823 
B. G. B. für das Deutsche Reich.)“ 
| In welcher Häufigkeit eine erhöhte Reaktionsweise der Individuen das günstige Resultat 
einer vorsichtigen Röntgenbehandlung gefährdet, mag aus folgenden Zalılen ersichtlich werden: 
In den Jahren 1896—1904 habe ich 369 Fälle mit Röntgenstrahlen behandelt. und 
zwar jeden Fall durchschnittlich viermal mit je 8 Bestrahlungen. Das ergiebt 1476 Behand- 
lungen von zusammen 11808 Bestrahlungen Da ich bei dieser Thiitigkeit, wie erwähnt, nur 
drei schwere unbeabsichtigte Dermatitiden beobachtete?), so ist die Gefahr dieser Methode 
wohl nicht gar zu hoch zu veranschlagen. 


Die chirurgische Bedeutung der Halsrippe. 
Von 
Dr. Carl Beck, Professor der Chirurgie und Chefchirurg in Newyork. 
Hierzu Tafel IV, Fig. 4 und 5. 


Während den überzähligen Rippen an den Lendenwirbeln nur ein akademisches 
Interesse zukommt, beansprucht die accessorische Rippe an der Halswirbelsäule eine durchaus 
praktische Bedeutung. Die Litteratur weist auch nicht einen einzigen Fall auf, in welchem 
die Lendenrippe irgend welche Beschwerden verursacht hätte. Dagegen mehren sich die 
Beobachtungen über mehr oder minder einschneidende Störungen, welche durch Halsrippen 


1)‘Bum A., Lexikon d. phys. Therapie p. 1148. 
2) Davon war der erste Fall derjenige, an welchem eine Wirkung der X-Strahlen auf die Haut 
überhaupt das erstemal experimentell festgestellt wurde. 
6* 


44 Beck. 


verursacht wurden, mit jedem Jahr. Seitdem die Röntgenstrahlen auch dieses Gebiet erhellten, 
dürfen wir wohl bald eine reichere Statistik erhoffen. Zugleich können wir auf ein genaueres 
anatomisches Verständnis rechnen. 

Dazu gehört auch, dass wir uns allsogleich von dem anatomischen Erfolg unserer 
operativen Tätigkeit überzeugen können, abgesehen davon, dass wir im Röntgenbild von vorn- 
herein einen wertvollen Wegweiser in unserem Operationsplan schätzen lernen. 

Als man die klinische Bedeutung der Halsrippe überhaupt noch nicht würdigte, waren 
es naturgemäss Anatomen, welche die Kasuistik lieferten. Als Pionier in dieser Richtung 
dürfte wohl Hunauld (Sur le nombre des côtes moindres au plus grands qu’ a l’ordinaire, 
Men. de l’academie royale des sciences de Paris, 1742) bezeichnet werden. Später konnte 
Gruber schon 76 Fälle an 45 Leichen und 2 am Lebenden nachweisen. 

Pilling (Uber die Halsrippen des Menschen, Inauguraldissertation, Rostock 1894) 
erwähnt bereits 129 Fälle. Dieselben umfassen jedoch fast nur Leichenbeobachtungen. 

Gruber unterschied die einzelnen Grade der Anomalie nach ihren verschiedenen 
Stadien der Entwickelung. Mit Zugrundelegung seines Standpunktes lassen sich die ver- 
schiedenen 'Typen wohl folgendermassen einteilen: 

a) Geringgradig: Die Halsrippe reicht über den Querfortsatz hinaus. 

b) Höhergradig: Die Halsrippe erstreckt sich über den Querfortsatz binaus und zwar 
entweder mit freier Endigung oder mit Anlehnung an die erste Rippe. 

c) Nahezu vollständig: Die Verbindung mit dem Knorpel der ersten Rippe wird ent- 
weder mittelst eines richtigen Bandes oder mit dem Ende ihres langen Körpers erreicht. 

d) Vollständig: Sie ist zu einer wahren Rippe geworden und hat einen wirklichen 
Rippenknorpel, welcher mit dem Knorpel der ersten Rippe verschmilzt. 

Im Allgemeinen kann man annehmen, dass die Halsrippe bei 67°/, doppelseitig und 
nur bei 33°/, einseitig vorkommt. Eine ausgebildete Halsrippe auf beiden Seiten ist als 
äusserst selten zu betrachten. In der oben genannten Arbeit von Pilling findet sich ein 
derartiger Fall beschrieben. 

Eine additionelle Rippe, welche vom sechsten Halswirbel ausgeht, ist als ein seltener 
Befund anzusehen. Ausser dem von mir weiter unten zu beschreibenden Fall ist diese Ano- 
malie, so weit ich aus der Litteratur entnehmen kann, nur zweimal beobachtet worden. 

Es ist bezeichnend für die Schwierigkeiten der Diagnostik, wie sie sich naturgemäss 
vor der Röntgenära darboten, dass weitaus die meisten Berichte von zufälligen Befunden an 
der Leiche sprechen. Wenn also keine nennenswerten Beschwerden vorlagen, nahm der Hals- 
rippenbesitzer zweifellos seine „besonderen Kennzeichen“ unerkannt mit ins Grab. 

Trotzdem diese Anomalie nun kongenitalen Ursprungs ist, machen sich die Beschwerden 
in der grossen Mehrzahl der Fälle erst in der Niihe des zwanzigsten Lebensjahres geltend, ein 
Faktum, welches sich schwer erklären lässt. 

Aus den meisten Berichten geht hervor, dass bei weitem die meisten Patienten das 
„wanzigste Lebensjahr überschritten haben — einige wenige erreichten sogar das Alter von 
55 Jahren. Bei einer Anzahl lässt sich ein Trauma als Präkursor der Beschwerden nach- 
weisen, bei anderen fällt das Vorhandensein von konstitutionellen Krankheiten, wie Anämie, 
Chlorose, Rheumatismus, Skruphulose oder gar Tuberkulose auf. 

Ob der im Gefolge dieser Krankheiten auftretende Fettschwund, da er die Polsterung 
wegnimmt, die Ursache der sich nun mehr manifestierenden Beschwerden ist, muss dahin gestellt 
bleiben. Jedenfalls muss das Hinzutreten besonderer weiterer Umstände, deren Natur uns nicht 
völlig klar ist, einen entscheidenden Faktor im Zustandekommen der Beschwerden bilden. Es 
ist anzunehmen, dass die Gewebe sich der Rippe im Entwickelungsalter anpassen und dass, wo 
eine gewisse Elastizität resp. Nachgiebigkeit existiert, keine Beschwerden auftreten. 

Das Alter der Patienten an und für sich ist also kaum als diagnostisches Moment 


zu verwerten. 


Die chirurgische Bedeutung der Halsrippe. | 45 


Wenn es nun begreiflich erscheint, dass das Vorhandensein einer Halsrippe, da wo 
keine Beschwerden vorliegen, verborgen bleibt, so sollte man doch erwarten, dass, wenn solche 
auftreten, die Möglichkeit der Anomalie ins Auge gefasst würde. Aber dem war, vor der 
Röntgenära wenigstens, nicht so. Denn in den meisten Fällen dachte man eher an alles 
andere, namentlich an Tumoren aller Art, nur nicht an eine Halsrippe. 

Tilmann (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 41. Band), welcher sich um die Er- 
forschung dieser Fälle ein besonderes Verdienst erworben hat, konnte nur 26 Fälle beim 
Lebenden zusammenstellen und. von diesen repräsentierte die Hälfte wiederum zufällige Be- 
funde Es kann aber nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, dass die Zahl der Fälle eine 
weitaus grössere ist, was die Röntgenstrahlen im Lauf des nächsten Dezenniums klar zu stellen 
haben werden. 

In der trefflichen Arbeit Kammerers (Annals of Surgery, November 1901), welche 
schon durch ihre strenge Selbstkritik Anerkennung und Nachahmung verdient, wird diese 
Schwierigkeit der Diagnose gebührend hervorgehoben. Mau hatte zwar in seinem Falle an 
die Möglichkeit gedacht, eine Halsrippe für die vorhandene Schwellung verantwortlich halten 
zu müssen, scheint aber doch im ganzen geneigt gewesen zu sein, dieselbe als Ausdruck einer 
Exostose anzusprechen. Die ziemlich schweren Drucksymptome waren in diesem Falle nach 
der Rippenentfernung nahezu verschwunden. | 

Als Hauptsymptom der Anomalie wird die höckerartige Prominenz in der seitlichen 
Halsgegend, das oberflächliche Pulsieren der Arteria subclavia und die Erscheinungen von 
Druck auf den Plexus brachialis angesehen, 

Kribbeln und Jancinierende Schmerzen im Arm, allgemeine Abmagerung und besonders 
Atrophie der vom Nervus medianus versorgten Muskulatur, Taubsein und Abnahme der Druck- 
kraft der Hand der resp. Seite, Kältegefühl und fernerhin Nackenschmerz beim Strecken des 
Halses werden ebenfalls beobachtet. 

Bisweilen kommt es zur Bildung eines Aneurysma der Arteria subclavia (Wiltshire, 
Lancet, pag. 633, London 1860 und Boyd, Internat. Med. Mag. 1893). 

Es ist eine auffallende Erscheinung, dass man nach gemachter Diagnose immer noch 
vielfach versucht, der Beschwerden auf internem Wege Herr zu werden. Wenn man sich aber 
über die Anatomie der Halsrıppe klar wird, so muss man sich doch sagen, dass es sich um ein 
in die normalen Blut- und Nervenbahnen eingestreutes Hindernis handelt, welchem die Dignität 
eines Fremdkörpers zukommt. Die Behandlung der hieraus sich entwickelnden Beschwerden 
kann also demgemäss nur eine mechanische, also chirurgische sein. Massage, Elektrizität, heisse 
und kalte Entwickelungen etc. können doch nur von einem temporären Erfolge begleitet sein 
und haben den Nachteil, dass sie, kostbare Zeit vergeudend, die Entwickelung dauernder 
Schädigungen fördern. 

Eine radikale Heilung kann nur durch das Wegschaffen des Druckmomentes, also der 
Rippe selbst, erzielt werden. 

Es ist ebenso thöricht, eine Halsrippe, welche keine Beschwerden hervorruft, zu ent- 
fernen, als es unverantwortlich ıst, eine solche, welche Störungen hervorruft, zu belassen, bis 
sich dauernde Gewebsveränderungen herangebildet haben. Der operative Eingriff, wenn zeitig 
vorgenommen, beseitigt die Beschwerden mit einem Schlage. 

Die, Technik der Rippenentfernung ist zuweilen sehr einfach — in der Mehrzahl der 
Fälle jedoch begegnet man einigen Schwierigkeiten, weshalb die Operation nur von einem 
Fachchirurgen ausgeführt werden sollte. Die Schwierigkeit der Entfernung wird dadurch 
erhöht, dass man das Periost mit der Rippe entfernen muss, denn bei der viel leichteren sub- 
periostalen Resektion muss man infolge der Knochenregeneration vom Periost aus ein Recidiv 
erwarten. 

Das Operationsgebiet streift die zwei untersten Cervicalnerven, den oberen Dorsalnerv 
und das untere Cervicalganglion des Sympathicus, ferner die grossen Gefiisse und die Pleura, 


46 Beck. 


welch letztere gerade hier recht dünnschichtig ist und deshalb sehr leicht verletzt werden kann. 
Freilich bieten die in den meisten Fällen vorhandenen Verwachsungen zwischen costaler und 
pulmonaler Rippenpleura auch wiederum einen gewissen Schutz gegen die Entwickelung eines 
Pneumothorax, wenn eine Verletzung sich ereignet haben sollte. In einem Fall von Planet 
(Tumeurs osseuses de cou, Thèse de Paris, 1890) scheint eine Verletzung der Pleura unver- 
meidlich gewesen zu sein, so dass ein Pneumothorax entstand, welcher übrigens ohne nennens- 
werte Störungen verlief. 

Bei kleinen Rudimenten, deren Spitze die Arteria subclavia überhaupt nicht erreicht, 
ist die Exstirpation natürlich vereinfacht. Wo es sich aber um eine ausgebildete Rippe handelt, 
müssen die einzelnen Schritte der Operation von vornherein darauf hinauslaufen, der Arterie 
aus dem Wege zu gehen. 

Die Inzisionslinie wird von einigen Operateuren entlang dem hinteren Rande des 
Sternocleidomastoideus angelegt, von anderen wird ein Längsschnitt zwischen dem Rande des 
Musculus eucullaris und der Jugularvene angeraten. 

Ich finde, dass ein dreieckiger Lappenschnitt, welcher zuerst dem Cucullaris entlang 
direkt nach abwärts geführt wird und dann dem Schlüsselbein entlang etwa einen Zoll ober- 
halb desselben sternalwärts verläuft, das Operationsgebiet ausgedehnt freilegt. Lässt sich der 
Cucullaris nicht mit breiten Haken nach hinten ziehen, so kann man ihn quer einschneiden, 
denn von der ausgiebigen Freilegung des Operationsgebietes hängt nebst strikter Asepsis der 
Erfolg des Eingriffes ab. 

Der gewöhnlich über die Rippe laufende Brachialplexus kann ebenfalls medialwärts 
verlagert werden. Die Subclavia verzieht man am besten nach vorn. Die Scaleni werden an 
ihren Ansatzstellen vorsichtig durchtrennt, am besten indem man, schichtweise vorgehend, eine 
Coopersche Schere flach unter die einzelnen Muskelfasern schiebt und hebt, dieselbe also wie 
eine Hohisonde benützt. Mittelst meines ringförmigen Periostoms wird dann die Rippe von 
etwaigen kleinen Muskelanhängseln befreit. Die Durchtrennung kann mit meiner schnabel- 
förmigen Rippenschere sehr wohl vorgenommen werden Manche ziehen die Gigli-Säge vor. 
Etwaige Reste kneift man mit der Rongeur-Kneifzange ab. 

Ein von mir jüngst beobachteter Fall dürfte von mehrfachen Gesichtspunkten aus ein 
besonderes Interesse beanspruchen. Er betrifft ein 21jähriges, zartes und chlorotisches Mädchen 
von kleiner Statur. Beide Eltern sind am Leben. Die Mutter ıst ebenfalls klein und delikat, 
aber im ganzen gesund. Als Kind verlor sie durch Trauma ein Auge. Der Vater leidet seit 
Jahren an interstitieller Nephritis. Die Geschwister sind sämtlich gesund. Patientin hat in 
ihrer frühen Jugend Scharlach und Masern überstanden. Vor einem Jahre erkrankte sie nach 
einem Fall an heftigen Schmerzen in der rechten Halsseite, welche als rheumatisch angesehen 
und demgemäss behandelt wurden. Zwei Monate später begannen die Schmerzen auch in den 
Oberarm auszustrahlen und nun gesellte sich Kribbeln und Taubsein der Finger dazu. Sie 
fand nun Aufnahme in der Nervenabteilung der Deutschen Poliklinik der Stadt New-York, von 
wo sie nach kurzer Beobachtung meiner Abteilung zugewiesen wurde. Mein Assistent, Herr 
Dr. Heckmann, konstatierte eine leichte Hervorwölbung der rechten Halsseite und dement- 
sprechend einen knöchernen Tumor, welcher sich von der Wirbelsäule bis in die Nähe des 
Sternocalviculargelenks verfolgen liess. Pulsation war ausgesprochen. Nachden Herr Dr. Heck- 
mann seine Diagnose „accessorische Halsrippe“ durch das Röntgenbild (Tafel IV, Fig. 4) be- 
stätigt hatte, legte er den vorderen Rippenteil durch eine dem hinteren Rande des Sternocleido- 
mastoideus entlang laufende Inzision bloss und fand den Plexus brachialis sowohl als die Arteria 
subclavia darüber hinwegziehen. Nach Resektion dieser Rippenportion sanken sowohl die Arterie 
als der Brachialplexus in die nunmehr entstandene Grube. Da das Druckmoment hinfort 
beseitigt zu sein schien, so glaubte man den hinteren Rippenrest sich selbst überlassen zu 
dürfen. Die Beschwerden verschwanden auch alsbald, kehrten jedoch nach drei Monaten mit 
unverminderter Heftigkeit wieder. 


’ 
Nase vor und nach Hobelung im Röntgenbild. 47 


Als ich Patientin damals untersuchte, konnte ich weder eine Hervorwölbung, noch 
irgendwelche Pulsation mehr entdecken. Der Puls der Axillaris, Brachialis und Radialis ist 
allerdings abgeschwächt. Die elektrische Erregbarkeit der Nerven und Muskeln ist herabgesetzt, 
die Sensibilität jedoch normal. Patientin ist hochgradig chlorotisch, klagt über intensive Schmerzen 
im Nacken und rechten Oberarm und über Kribbeln in den Fingern. 

Beim Strecken des Halses werden die Schmerzen stärker empfunden. Die Druck- 
fähigkeit der rechten Hand ist herabgesetzt. 

Das Röntgenbild (Tafel IV, Fig. 5) — in stark seitlicher Kopflage aufgenommen — zeigt 
rechterseits das Vorhandensein eines beträchtlichen Rippenstumpfes, welcher von der siebenten 
Halsrippe ausgeht, während linkerseits ein kleines Rudiment auffällt, Der sechste Halswirbel 
trägt ebenfalls ein beiderseitiges Rippenrudiment. 

Im Hinblick auf die Vehemenz der Beschwerden, besonders der Schmerzanfälle, beschloss 
ich das Operationsgebiet nochmals freizulegen, um vor allem den Rippenrest zu entfernen. Bei 
vorsichtigem und schichtweisem Vorgehen in die Tiefe kam ich weder mit dem Brachialplexus 
noch mit der Arteria subclavia in Berührung, fand jedoch die Trennung der Muskulatur von 
den Rippenrändern schwierig. Die Trennung geschah zumeist auf stumpfem Wege unter Zuhilfe- 
nahme der Cooperschen Schere als Unterlage. 

Das exstirpierte Rippenfragment mass nahezu 4 Centimeter. Da die Resektion sub- 
periostal vorgenommen worden war, so hatte sich am Rippenstumpf eine Knochenformation 
von mehr als einem Centimeter Länge angesetzt. Hieraus lässt sich ersehen wie notwendig 
es ist, das Periost stets mit der Rippe zu entfernen. Die Rippe ist im ganzen schmal, an 
ihrem Wirbelansatz knollig verdickt und zeigt beiderseits eine leichte Rinne. 

Die Heilung ging ohne Störung vor sich. Die Beschwerden verschwanden zunächst 
gänzlich nach dem Eingriff, doch traten zwei Monate später bisweilen leichte Schmerz- 
empfindungen in der rechten Halsseite auf, welche nach Anwendung des konstanten Stroms 
ebenfalls verschwanden. 


Nase vor und nach Hobelung im Röntgenbild. 
Von 
Dr. R. Stegmann, Röntgenlaboratorium des Rudolfinerhauses, Wien. 
(Hierzu Tafel IV, Fig. 6 u. 7.) 


In seiner Publikation „Operative Verkleinerung der Nase“!) giebt Neudörfer einen 
Überblick über die kleine diesbezügliche Litteratur und beschreibt dann ein Verfahren, wie es 
von Gersuny zum Gerademachen und Verkleinern der Nase angewandt wurde; es zeichnet 
sich dadurch aus, dass einmal der gewünschte Erfolg durchaus erreicht wird, dass ferner eine 
Narbe erzielt wird, die vollständig unsichtbar ist. Ein Querschnitt durch den vorderen Teil 
des Septum mobile und die Durchtrennung des Septum cartilagineum ermöglichen es, die 
mobilisierte Nasenspitze derartig in die Höhe zu ziehen, dass nach Abheben der Haut vom 
Nasenrücken, mittels eines besonderen dazu gefertigten Instrumentes, das knöcherne Gerüst 
dem nivellierenden Meisel, einem der Nasengrösse und ihrer Breite entsprechenden Hobelmeisel, 
frei zugänglich ist. 

Tafel IV, Fig. 6 zeigt das Radiogramm der Nase einer Schauspielerin vor der von Regierungs- 
rat Dr. Gersuny ausgeführten Operation. Man sieht einen deutlich vorspringenden Höcker 
des Nasenbeines, der die Profillinie der Nase in einer für eine Schauspielerin äusserst störenden 
Weise beeinflusst. Das Radiogramm zeigt auch die Weichteile, so dass dadurch eine gewöhnliche 


1) Neudörfer, Wiener klin. Wochenschrift 1903, No. 48, 


48 Aus der Fabrikation. 


Photographie überflüssig wird. In Tafel IV, Fig. 7, die nach der Operation gemacht wurde, sieht 
man den annähernd geraden Verlauf des Nasenbeines. Der Höcker ist vollständig entfernt und 
dadurch die Profillinie von klassischer Form. Wenn auch der Unterschied in beiden Bildern 
kein sehr grosser scheint, so ist die Veränderung der Nase doch eine derartige, dass das ganze 
Gesicht einen durchaus anderen Charakter erhält. Der Erfolg ist ein bleibender, da bei Pa- 
tienten, die vor längerer Zeit operiert wurden, eine störende Callusbildung nicht eintrat. Eine 
Narbe ist überhaupt nicht sichtbar, so dass solche Patienten mit „gehobelten* Nasen zu den 
dankbarsten gehören. Wenn auch oft reine Eitelkeit die Menschen veranlasst, eine solche 
Operation vornehmen zu lassen, so ist doch in vielen Fällen der Besitz einer geraden Nase 
ein wichtiger Faktor im Kampf ums Dasein und die Ausführung einer solchen Operation ein 
gutes Werk. Sollte durch Ungeschick ein zu grosser Teil der knöchernen Nase abgemeiselt 
sein, so genügt eine Vaselininjektion, den Schaden wieder gutzumachen. 


Aus der Fabrikation.’) 


Ein Quecksilberstrahl-Unterbrecher mit mehreren Ausspritzöffnungen. 


Von 
Reiniger, Gebbert & Schall (Erlangen). 


Der Unterbrecher gehört zu der Kategorie der Quecksilberstrahl-Unterbrecher mit rotierendem 
Strahl und ruhenden Segmenten. 

Die Düsen für die Quecksilberstrahlen befinden sich (wie aus nebenstehender Abbildung des 
Apparates ersichtlich), in horizontaler Lage dirckt an dem Gehäuse der Centrifugalpumpe. Je nach der 
Höhe der vorhandenen Betriebsspannung besitzt 
das Gehäuse zwei oder drei Ausspritzdüsen und 
zwar entspricht die Anzahl der Düsen der 
Unterbrechungszahl pro Umdrehung. 

Den Düsen horizontal gegenüber stehen 
zwei Kontaktsegmente, welche in der Lage der 
längsten Kontaktdauer bei zwei Düsen einen 
Winkel von 180° und bei drei Düsen einen 
solchen von 120° einschließen. 

Die Stromzuleitung zum Unterbrecher 
geschieht an den beiden Kontaktsegmenten, so 
fl) dass der Strom geschlossen ist, sobald zwei 
= , Quecksilberstrahlen die Segmente miteinander 
ee t z =//35 © Jeitend verbinden; wird nur ein Segment ge- 

re uud a aon troffen oder spritzen die Quecksilberstrahlen in 

= o den Raum zwischen den Segmenten, so ist der 
; Strom unterbrochen. 

Der Fall, dass nur ein Segment getroffen wird, tritt ein, sobald eines derselben aus der oben 
erwähnten Lage um seine ganze Länge in der Horizontalebene der Düsen verschoben wird, da alsdann 
beide Segmente nicht zu gleicher Zeit, sondern nacheinander vom Quecksilberstrahl getroffen werden. 


!\ In dieser Rubrik soll künftig den Fabrikanten Gelegenheit gegeben werden, über ihre Neu- 
heiten wissenschaftlich zu berichten und somit in nähere Beziehung zu dem Ärztepublikum zu treten. 
Es liegt im Interesse der weiteren Ausbildung der Réntgentechnik, dass auch den Fabrikanten, welchen 
bisher nur der Annoncenteil in den medizinischen Zeitschriften zur Verfügung stand, das Wort erteilt 
wird. Es werden nur solche Arbeiten zur Publikation aufgenommen werden, welche etwas Neues 


bringen und bisher in anderen Zeitschriften oder Katalogen noch nicht publiziert waren. 
Die Red. 


Correspondenzen. 49 


Durch die Verschiebung eines der beiden Kontaktsegmente kann nach Vorstehendem die Dauer 
des Stromschlusses von 0 bis zu einem durch die Breite der Segmente gegebenen Maximum ohne Stufen 
verändert werden, wodurch eine sehr feine und ökonomische BEBUNSFUNE der primären Stromstärke des 
Induktors ermöglicht ist. 

Die Verschiebung des Ronke erfolgt durch eine Kurbel, welche auf dem Deckel des 
Apparates angebracht ist. (Siehe Abbildung). 

Die Achse des Unterbrechers ist, um die Antriebskraft für denselben auf ein Minimum zu 
reduzieren, vollkommen auf Kugeln gelagert. 

Die Firma Reiniger, Gebbert & Schall, Erlangen, liefert den in seiner Konstruktion ausser- 
ordentlich einfachen Unterbrecher sowohl mit Glas-, als auch mit Eisengefäss. 


Correspondenzen.’) 


Berliner Röntgenkongress, 30./IV. bis 3./V. 1905. 

Der Kongress (und die damit verbundene Ausstellung) wird in den ausgedehnten Räumen der 
Resource, Oranienburgerstrasse 18, abgehalten werden. Schon jetzt sind zahlreiche Anmeldungen zur 
Teilnahme bei dem Organisationskomité eingelaufen. Besonders glänzend scheint die Ausstellung beschickt 
zu werden; es empfiehlt sich bald einen Platz zu belegen. 

In den nächsten Tagen wird ein Cirkular zur Versendung kommen, in dem alles Nähere bekannt 


gegeben wird. s Die Red. 

Grosse oder kleine Réntgenapparate? Unter dem obengenannten Titel hat Herr Dr. Rosen- 
thal, der bekannte Konstrukteur der Polyphos-Apparate einen Beitrag in der letzten Nummer dieser 
Zeitschrift zu einer Streitfrage geliefert, die seit fünf Jahren zu manchen Kontroversen führte. Die 
Grundlagen und die Geschichte dieser Streitfragen suchte ich erst jüngst in einer Broschüre?) darzulegen. 

Die Ansichten des Herrn Dr. Rosenthal sind zum Teil richtige. Teilweise stimme ich nicht 
mit ihnen überein und möchte im Nachstehenden kurz die Gründe für meine abweichenden Ansichten 
darlegen. 

Zunächst ist die Frage falsch gestellt. Sie sollte heissen: „Grosse oder kleine Funkenlingen?* 
Unter „Grösse“ eines Apparates an sich versteht die Technik ganz allgemein das Mass seiner Leistung. 
Bei den Motoren die Pferdekräfte, bei den Transformatoren, und dazu zählen unsere Induktorien im 
Röntgenapparat, die Zahl der normal transformierten Watt. Diese Grösse des Röntgenapparates, seine 
Leistung, soll recht beträchtlich sein. Darüber sind wir alle einig. Worin jedoch die Meinungen 
weit auseinander gehen, das ist die günstigste Funkenlänge, die kein Mass für die Grösse, d.i. Leistung 
des Apparates ist. Ich habe schon sehr viele Apparate mit grosser Funkenlänge und recht kleiner 
Leistung gesehen und umgekehrt, sehr grosse, leistungskräftige, mit kleiner Funkenlänge. 

Was nun aber diese Frage anlangt, ob die Funkenlänge gross, 40 bis 60 cm und darüber, oder 
klein, 15 bis 30 cm, gemacht werden soll, so legt Rosenthal folgendes dar: 

Man kann durch die Röhre auch mit kleinen Funkenlängen sehr grosse Energien senden. Also 
für kurz dauernde Aufnahmen, für sehr helle Durchleuchtungen eignet sich die kleine Funkenlänge, 
weil in der Regel mit ihr eine große Frequenz aufgewendet wird. Das ist richtig, und ich stimme dem 
in jeder Beziehung bei. 

Will man indessen, so führt uns der Gedankengang Rosenthals weiter, mit nicht sehr 
schnellen Unterbrechungen erhebliche Energien der Röhre zuführen, so kann man es nicht mit Induk- 
toren kleiner Funkenlänge, und das ist ein Nachteil. 

Wäre es so, so wäre es kein Nachteil, denn die einzige Verwendung für die hier in Frage 
kommenden so lange dauernden Einschaltungen, bei denen weniger rasche Unterbrechungen angewendet 
werden können, die Anwendungen mit sehr langer Sitzungsdauer in der Therapie®), sind veraltet. Ich 
verweise auf die Arbeiten Holzknechts und Kienböcks. Man bestrahlt kurz?) und intensiv. 


1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Aus- 
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- 
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und, 
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind 
direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, Klopstockstr. 10, Hamburg, zu richten. 

2) Rückblick auf die Geschichte der Röntgentechnik, bei Otto Nemnich, Wiesbaden. 

3) Mehrere Stunden. 

*) Bis 30 Minuten. 

Fortschritto a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 7 


| 
\ Be ROALD NA alo 


50 Correspondenzen. 


Dann aber kann man ganz unzweifelhaft auch bei hoher Frequenz mit kleinen Funkenlängen 
die Röhren lange einschalten, ohne dass diese Schaden leiden. Wenn die Impulse rein sind, so ändert 
sich für eine bestimmte Grösse in bestimmter Zeit erzeugter \X-Strahlen die der Antikathode zugeführte 
Wärme nicht, ob die Unterbrechungen (in gewissen Grenzen) rascher oder schneller verlaufen. Daher 
ist unter obiger Voraussetzung auch die Abnutzung der Röhre gleich, werden die X-Strahlen mit mehr 
oder weniger frequenten Impulsen erzeugt. Ich leugne also ganz entschieden eine Notwendigkeit oder 
einen erheblichen Vorteil, der in der Zufuhr grosser Energie mit langsamen Impulsen beruht. 
Einen kleinen Vorteil, der in einer ganz anderen von Rosenthal nicht berührten Richtung liegt, 
gebe ich zu. 

Aber selbst hätte Rosenthal recht, müssten wir für irgend einen gegenwärtigen oder zu- 
künftigen Zweck die Röhre mit langsamen Unterbrechungen und grosser Intensität betreiben, so bestreite 
ich mit aller Entschiedenheit, dass wir dies mit geeigneten Apparaten kleiner Funkenlänge nicht können. 
Jederzeit bin ich bereit, Herrn Dr. Rosenthals normale Röhren mit grosser Energie und Unter- 
brechungen zwischen 8 und 200 in der Sekunde vorzuführen Auch will ich gerne eine Röhre mit 
Wehneltunterbrecher, Starkstromanschluss 110 Volt, ohne erhebliche Erhitzung mit geeignetem Induktor 
von 15 cm Funkenlänge, recht erheblichem Röhrenlicht eine bis zwei Stunden mit den von Herrn Dr. 
Rosenthal geforderten geringen Unterbrechungszahlen arbeiten lassen. 

Jedenfalls ist nicht der Versuch einer Begründung gemacht, warum „man mit Induktorien 
kleiner Funkenlänge bei nicht sehr schnellen Unterbrechungen grosse sekundäre Energien nicht in die 
üblichen Röhren leiten“ kann. Es ist entschieden möglich, dies zu thun, wie ich mit allem 
Nachdruck betonen möchte, wäre es aber nicht möglich, so wäre ein erheblicher Nachteil damit nicht 
verbunden, jedenfalls nicht nachgewiesen. 

Richtig ist, was Rosenthal über die notwendige Spannung sagt: „Kine grössere Spannung als 
diejenige, welche einer Funkenlänge von etwa 20 cm entspricht, ist für die heute angewandten Röntgen- 
röhren zur Überwindung ihres Wiederstandes nicht notwendig.“ Dennoch hält er eine höhere Spannung 
für rätlich, um auch harte Röhren belasten zu können. Dein ist aber entrerenzusetzen, dass wir erstens 
harte Röhren nicht in der Praxis verwenden und dass zweitens eine Spannung von 20—25 cm Funken- 
länge vollkommen zum Betricbe der härtesten in der Röntgenologie verwendeten Röhre ausreicht. Was 
für ein Vorteil ist es, Röhren zu betreiben, mit denen wir keine Aufnahmen mehr machen können? 

Rosenthal bemerkt sehr richtig: Ein Vorzug der kleineren Induktorien (soll heissen: Induk- 
torien kleiner Funkenliinge) ist der relativ geringe innere Widerstand ıImpedanz) der sekundären 
Wicklung. Und ich möchte hinzufügen, dass dieser Vorteil gestattet, Durchleuchtung mit einer so 
ausserordentlichen Brillanz insbesondere beim Thorax zu machen — richtige Induktorkonstruktion 
vorausgesetzt —, ohne dabei die Röhren übermässig anzustrengen, dass selbst die schärfsten Gegner der 
reduzierten Funkenlängen nicht umhin konnten, dies zuzugeben. 

Auch gegen den — übrigens von vornherein hinfälligen — Einwand gegen geringe Funkenlänge, 
dass nämlich die Induktoren leichter durchschlügen, wendet sich Rosenthal. Mit Recht! Unrecht hat 
er dagegen, wenn er die Regulierung der Apparate grosser Funkenliinge als sehr einfach darstellt. Sie 
kann genügend einfach gemacht werden, wird es indessen nur in seltenen Fällen und muss natur- 
notwendig, wenn sie ebenso wirksam sein soll, wie bei reduzierten Funkenlängen, komplizierter als bei 
diesen sein. Denn die schädlichen Wechselstromimpulse sind proportional der sekundären Windungszahl 
und je grösser diese ist, desto grösser ist der nötige Aufwand, um diese Störungen zu beseitigen. Daher 
reduziert Walter mit seiner Schaltung Schliessungsinduktion und Funkenlänre künstlich durch Ver- 
mehrung der primären Windungen. 

Rosenthal hebt als letzten Punkt in seiner Erwägung der Vorzüge und Nachteile der grossen 
Funkenlänge die durch sie gegebene Reserve hervor: „ls ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass man 
später Röntgenröhren benutzen wird, die grössere Spannungen benötigen, als sie einem Induktor von 
20 cm Funkenlänge entspricht.“ Doch, das ist ausgeschlossen, soweit überhaupt etwas physikalisch als 
ausgeschlossen gelten kann Denn die X-Strahlen, die für die menschliche Medizin in Frage kommen, 
entsprechen Kathodenstrahlen bei gewissen Entladungspotentialen, Und von diesen ist die Elektroden- 
spannung eine Funktion. Solange wir X-Strahlen dieser Penetration in Röntgenröhren erzeugen, ohne 
andere Apparate, die mit der X-Strahlenbildung im Vakuum nichts direkt zu thun haben, davor- 
zuschalten, ist die aufzuwendende Spannung definiert. Und weiter brauchen wir wirklich nicht zu 
sorgen. Im Gegenteil, der aufmerksame Beobachter wird immer mehr bemerken, dass die zum Betrieb 
der Röhren aufzuwendenden Spannungen abgenommen haben, weil immer allgemeiner und insbesondere 
seit Anwendung des Blendenverfahrens zur Benutzung möglichst weicher Röhren übergegangen wird. 

Wenn darum Rosenthal zum Schlusse kommt, dass wir mit Apparaten kleiner Funkenlänge 
alle Gebiete, auch die der schwierigen Aufnahmen und Durchleuchtungen, bei seltenem wie bei häufigem 
Gebrauch, beherrschen, so stimme ich bei. Wenn er aber trotz dieser Darlegung sagt, dass die grösseren 
Apparate durch ihre „Reserve“, durch ihre Fähigkeit „bei weniger grossen Unterbrechungszahlen grosse 


Bücherbesprechungen. 51 


Energien lange Zeit in die Röntgenröhre leiten zu können, ohne dass das Vakuum der letzteren sich 
wesentlich ändert“, wenn der Preis keine Rolle spielt, den Vorzug verdienen, so irrt er und bringt ja 
auch für diese Motive irgend welche Gründe nicht. Die „Reserve“ wird nie in Thätigkeit treten. Die 
Fähigkeit langer Betriebsdauer mit langsameren Unterbrechungen können Induktoren kleiner Funken- 
länge ebenso gut haben, wie die mit grosser, und endlich der Betrieb sehr harter Röhren kommt über- 
haupt nicht in Frage. 

Rosenthal hat aber unterlassen, auf die Nachteile der grossen Funkenlängen im Zusammen- 
hang gegenüber denen kleiner Funkenlänge aufmerksam zu machen, An anderer Stelle!) habe ich sie 
wie folgt zusammengefasst: 

Benutzt man eine wesentlich zu grosse Funkenlänge, so verteuert man zunächst die Anlage 
enorm, macht sie komplizierter, unübersichtlicher, gross, unbeweglicher. Dann erschwert man sich die 
Handhabung bedeutend und lenkt dabei die Aufmerksamkeit von der Aufnahme weg zum Apparat. 
Geringer fällt ins Gewicht, dass die Schmerzhaftigkeit der Funkenschläge, die nötige Sorgsamkeit der 
Isolierung wächst, mehr, dass die Röhren leichter durchgeschlagen werden. Will man den Apparat 
beherrschen, so erfordert die Reguliermethode zum mindesten eine starke Stromvergeudung. Der Röhren- 
verbrauch ist viel grösser, weil die Röhren rascher hart werden. Das schlimmste aber ist der Umstand, 
dass bei den heutigen Konstruktionen der Induktoren mit grosser Funkenlänge die Frequenz erheblich 
reduziert wird. Ideal wäre der Durchgang eines konstanten hochgespannten Stromes durch die Röhre, 
und möglichst nahe kommen wir diesem Ideal durch Vergrösserung der Frequenz. Wie wichtig dieses 
Moment ist, kann man aus der mannigfachen Unterbrecherkonstruktionen sehen, die daraus hervorgingen. 
Hierin liegt ja auch die Überlegenheit des Elektrolyt-Unterbrechers zumeist begründet. Wollen wir aber 
mit Walter die Schliessungsinduktion und Funkenlänge eines Induktors mit grosser Schlagweite redu- 
zieren und zu Gunsten unserer Röhren dem Betrieb mit kleineren Funkenlängen möglichst nähern, so 
geben wir damit, ohne Vorteil diesen gegenüber zu erzielen, den diesen eigenen der grossen Frequenz 
und damit die Bildhelligkeit auf, wir gelangen auch so nie zu dem mit diesen möglichen Betrieb „von 
möglichster Leistung bei geringster Belastung der Röntgenröhre‘. 

Physikalisch führt jede Überlegung zu dem Standpunkte, die Funkenlänge nicht grösser zu 
wählen, als für die Röhren, für ihre kräftige X-Strahlen-Emission gut ist; denn man kann mit vergrösserter 
Schlagweite auch nichts mehr machen und verdirbt sich nur die Röhren dabei. 

Praktisch wird dies im vollsten Umfange bestätigt. Auch von Arbeitsergebnissen von 
mehreren hundert mit meinen Apparaten arbeitenden Instituten, aus eigenen hundertfachen Versuchen 
wurde diese Thatsache erhärtet. Hätte je die Überlegung oder das Resultat mir Beispiele des Gegenteils 
gebracht, dargethan, dass etwaige Nachteile der von mir eingeführlen Betriebsart die Vorteile über- 
wiegen oder sie minderwertig machen, so hätte ich nicht gezögert, sofort diese Ergebnisse bekannt zu 
geben und meine Konsequenzen daraus zu ziehen. Friedrich Dessauer, Aschaffenburg. 


Bücherbesprechungen. 
J. Stark. Das Wesen der Kathoden- und Röntgenstrahlen. Leipzig 1904. Preis Mk. —,80. 


Die Abhandlung ist besonders deswegen lesenswert, weil sie am Schlusse eine populäre Dar- 
legung der gegenwärtig in Physikerkreisen am wahrscheinlichsten geltenden Theorie der Röntgenstrahlen 
enthält, einer Theorie, nach der wir es bei den letzteren lediglich mit Ätherschwingungen, d. h. also mit 
einer dem Lichte sehr nahe verwandten Erscheinung zu thun haben. Jene Schwingungen sollen sich 
nämlich darnach von denen des Lichtes nur durch ihre viel kleinere Wellenlänge, sowie auch noch durch 
ihren mehr stossartigen Charakter unterscheiden; und das Zustandekommen derselben denkt man sich 
ferner in der Weise, dass die elektrisch geladenen Kathodenstrahlenteilchen bei ihrem Aufprall auf die 
Antikathode wegen ihrer enormen Geschwindigkeit in ganz ausserordentlich kurzer Zeit zum Stehen 
gebracht werden und hierbei wie ein plötzlich unterbrochener elektrischer Strom Induktionterscheinungen, 
d: h. Erschütterungen des Athers hervorrufen, deren Wellenlänge dann eben kürzer wird als diejenige 
des Lichtes. Ja, der Verf. berechnet sogar diese Wellenlänge auf Grund der Annahme, dass jene Teilchen 
nach Durchlaufung einer halben Molekülbreite ihre ganze Geschwindigkeit eingebüsst haben und findet 
dann jene Grösse gleich 0,00001 em, eine Zahl, die thatsächlich etwas kleiner ist, als die Wellenlänge des 
äussersten bekannten ultravioletten Lichtes aber immerhin noch ungefähr 1000 mal so gross als diejenige, 
welche nach den Versuchen von Haga und Wind sowie auch nach denen des Referenten als die oberste 
Grenze der Wellenlänge der Röntgenstrahlen anzusehen ist. 


1) Vergl. Zeitschrift für Elektrotherapie, Heft 8, 1903. 
7* 


Bücherbesprechungen. 


an 
bo 


Andererseits kommt es nun aber wieder dem Standpunkte des Verfassers zu gute, dass er sich 
einesteils bei seinen Rechnungen um cine Einheit im Exponenten der 10 versehen hat — wodurch nämlich 
die sich auf Grund seiner Annahmen ergebende Wellenlänge schon auf 0,000001 cm herabsinkt — und dass 
andernteils auch seine Theorie sich leicht soweit modifizieren lässt, um mit ihrer Hilfe auch noch auf eine 
viel kleinere Wellenlänge zu kommen. So braucht man, um z. B. die von Haga und Wind angenommene 
Grössenordnung der Röntgenstrahlenwellen zu finden, nur anzunehmen, dass das Kathodenstrahlenteilchen 
bei seinem Aufprallen auf die Antikathode schon auf dem zweihundertsten Teile des Molekül- 
durchmessers zum Stehen komme. Mit «dieser grossen Elastizität verliert nun aber allerdings die in 
Rede stehende Theorie auch wieder jede entscheidende Kraft, und sie kann dieselbe offenbar auch erst 
dann erlangen, wenn die Wellenlänge der Röntgenstrahlen bereits durch unzweideutige Versuche fest- 
gelegt wurde. Dies letztere ist nun aber nach der Ansicht des Referenten bisher noch durchaus nicht 
geschehen. Walter (Hamburg). 


Dr. H.E. Schmidt. Kompendium der Röntgentherapie. Verlag von August Hirschwald. 
Berlin 1904. Preis Mk. 1,20. 


Das vorliegende Kompendium erfüllt ein Bedürfnis indem ces in ausführlicher und klarer Dar- 
stellung die Art der Röntgentherapie des Universititsinstituts für Lichtbehandlung in Berlin schildert. 
Dem Buch ist ein kurzes Vorwort von Prof. E. Lesser beigegeben, in welchem er die Schwierigkeit und 
Verantwortung, welche der Arzt bei der Behandlung mit Röntgenstrahlen übernimmt, hervorhebt. „Die 
Röntgenstrahlen sind ein gefährliches Mittel, schreibt Lesser, und wer sie nicht durch sorgfältige Übung 
und lange Erfahrung genau kennt, der kann mit ihnen das grösste Unheil anriehten. Daher ist die 
Röntgenbehandlung nicht geeignet, Gemeingut der Ärzte zu werden, sie erfordert eine ganz spezielle 
Vorbildung. Und trotzdem ist die Kenntnis der Krankheiten, welche giinstiy dureh dieses Agens becin- 
flusst werden, für jeden Arzt von grösstem Interesse, nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, indem 
er hierdurch in die Lage versetzt wird, einzelnen seiner Patienten eine raschere und sicherere Heilung 
zu verschaffen, als dieses bisher möglich war.‘ 

Der erste Teil umfasst eine Beschreibung des Röntgen-Instrumentariums und seiner Handhabung. 
Besonderer Wert wird auf die Besprechung des Wehneltschen Unterbrechers, sowie auf die Bedeutung 
der Walterschaltung gelegt. Sehr klar ist die Beschreibung der verschiedenen Röhren, welche für die 
Therapie von Bedeutung sind. Das Chromoradiometer von Holzknecht wird vom Verfasser etwas skeptisch 
beurteilt, was im Gegensatz zu den meist sehr enthusiastischen Empfehlungen anderer Autoren steht. 

Der zweite Teil ist der Therapie im speziellen gewidmet und bringt zunächst eine kurze Be- 
sprechung der Entwicklung derselben sowie der Wirkung der Röntgenstrahlen auf die menschliche 
Haut. Sodann folgt eine Darstellung der Behandlungsmethode, wie sie im Institut für Lichtbehandlung 
in Berlin gebräuchlich ist. Recht zweckmässig erscheinen die verschiedenen Schutzbleimasken für die 
Patienten. Entschieden zu wenig Wert legt der Autor auf den Schutz des Arztes. Es genügt nach 
Ansicht des Referenten absolut nicht, dass der behandelnde Arzt seine Stellung ausserhalb des Strahlungs- 
bereiches der Röhre nimmt, unbedingt sind Bleischutzwinde ausserdem in Anwendung zu 
bringen. Die Publikationen über Wirkungen der Röntgenstrahlen auf innere Organe geben genügend 
Veranlassung, die Schutzmassregeln im weiten Umfange derart zur Anwendung zu bringen, dass der Arzt 
vor Röntgenstrahlen auch geringer Intensität völlig bei seiner Arbeit geschützt bleibt. 

Es folgt sodann eine kurze Darstellung der Indikationen für die verschiedenen der Röntgen- 
behandlung zugänglichen Krankheiten. 

Das Buch ist seiner guten Übersicht und seiner Kürze wegen den mit der Röntgentherapie 
beschäftigten Arzten zu empfehlen. Albers-Schönberg (Hamburg). 


Belot: La Radiothérapie. G. Steinheil, Paris 1904. Preis Fres. 15,—. 


Das vorliegende grosse Werk von Belot über die Radiotherapie beweisst, welehe ausserordent- 
liche Bedeutung dieser neuen Heilmethode zukommt und welche Ausdehnung dieselbe bereits in allen 
Kreisen der Ärzte gefunden hat. 

Dem Buche ist eine Vorrede von Brocy vorausgeschickt. Das Buch zerfällt in drei Haupt- 
teile. Der erste ist vorwiegend der geschichtlichen Entwicklung der Röntgenschen Entdeckung ge- 
widmet. Die verschiedenen Apparate, welche heutzutage zur Erzeugung der Röntgenstrahlen 
angewendet werden, finden eine eingehende Behandlung. Besonders interessant für Deutsche ist die aus- 
führliche Besprechung der statischen Maschinen. Die neueren Messmethoden für Röntgenstrahlen sind 
der Gegenstand gründlicher Bearbeitnng geworden. Die Bedeutung, welche dem Holzknechtschen 
Chromoradiometer zukommt, wird vom Verfasser kritisch gewürdigt. Neben den Vorzügen dieses Instru- 
mentes werden auch die Nachteile desselben objektiv besprochen. Interessant ist die Montierung der 


Vereine und Kongresse. 53 


Röhre in dem vom Verfasser konstruierten Gehäuse. Letzteres gestattet die sachgemässe Bestrahlung jedes 
beliebigen Körperteils, sowohl in aufrechter wie in liegender Stellung. Die Röhren, welche Belot an- 
wendet, sind ausschliesslich französisches Fabrikat und durchweg mit der Osmo-Reguliervorrichtung 
versehen. Referent kann in das Lob dieser Reguliervorrichtung nicht unbedingt einstimmen, da dieselbe 
nach seinen Erfahrungen, namentlich bei älteren Röhren, ausserordentlich häufig versagt. Eine Ventil- 
oder Drosselröhre wird vom Verfasser stets in Anwendung gebracht. 

Der zweite Teil des Buches bespricht die Wirkung der Röntgenstrahlen bezüglich ihres phy- 
siologischen Effektes. B. stellt sich auf den auch in Deutschland allgemein als richtig erkannten Stand- 
punkt, dass ausschliesslich die Röntgenstrahlen die bekannten Wirkungen hervorrufen. Die ver- 
schiedenen Methoden der Behandlung, wie sie in Frankreich und in anderen Ländern üblich sind, werden 
alsdann eingehend geschildert. Hierauf folgt eine kritische Zusammenstellung der Indikationen für die 
Röntgentherapie. 

Der dritte Teil des Buches widmet sich klinischen Besprechungen. Die verschiedenen Haut- 
krankheiten und ihre Beziehung zur Röntgentherapie werden besprochen und die Erfolge resp. die Miss- 
erfolge aufgezählt. 

Das ganze Buch ist die reife Frucht jahrelanger Arbeit und wird wesentlich dazu beitragen, die 
Kenntnis der Röntgentherapie zum Nutzen der Kranken auszubauen und zu verbreiten. 

Bei einer zweiten Auflage dürfte es sich empfehlen, die zahlreich zitierten Eigennamen nicht 
französischer Autoren bezüglich ihrer Orthographie einer Revision zu unterziehen, ferner ein kleines 
sprachliches Missverständnis Seite 365 letzte Reihe zu verbessern. 

Das Buch ist, wie alle aus dem bekannten Verlag von Steinheil stammenden Werke, auf das 
Beste ausgestattet und bringt eine grosse Anzahl vorzüglicher Reproduktionen. Besonderes Interesse 
verdienen die sehr schönen Porträtwiedergaben im letzten Teil. Albers-Schönberg (Hamburg). 


Hildebrand, Scholz, Wieting: Das Arteriensystem des Menschen im stereoskopischen 
Röntgenbild. Verlag J. F. Bergmann, Wiesbaden 1904. 2. Auflage. Preis 
Mk. 3,60. 


Das vorliegende Werk, von dem zur Zeit die zweite unveränderte Auflage vorliegt, hat sehr 
schnell einen grossen Kreis von Freunden erworben. Es ist dieses nicht zu verwundern, da die stereo- 
skopischen Bilder, welche das Arteriensystem des Menschen veranschaulichen, von einer solchen Güte der 
Ausführung sind, dass der Atlas mit Recht zu den besten Lehrmitteln auf diesem anatomischen Gebiete 
zu zählen ist. Der neuen Auflage ist ein Vorwort von Kümmell vorangeschickt. Wir können nur die 
Hoffnung aussprechen, dass auch die folgenden Bände in der gleichen Güte in zweiter Auflage gebracht 
werden mögen, wie das vorliegende Werk, das wir namentlich für das Studium im anatomischen Unter- 
richt an den Hochschulen bestens empfehlen. Albers-Schönberg (Hamburg). 


Vereine und Kongresse. 


46. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Breslau 1904. 


Therapeutische Verwendung der Kathodenstrahlen und Demonstration neuer Brandmethoden. 
Von 
Dr. med. H. Strebel, München. 


Nach dem heutigen Stand der Strahlungstherapie wird man sich wohl nur schwer der An- 
schauung mehr verschliessen können, dass bestimmte Formen des Lupus, ferner die Cancroide, Epitheliome, 
Papillome, ja selbst günstig situierte Formen des Carcinoms und des Sarkoms durch Röntgenstrahlen 
günstig beeinflusst, in besonders glücklichen Fällen sogar definitiv geheilt werden können. Allerdings 
muss vor einer kritiklosen Anwendung der Röntgenstrahlen besonders von einer Richtung, die in ihnen 
das Allheilmittel findet, energisch gewarnt werden, und sicherlich haben diejenigen Chirurgen recht, 
welche nicht zugeben wollen, dass man Fälle, welche für eine Messeroperation gute und beste Chancen 
bieten, erst noch oder gar allein mit Röntgenstrahlen behandelt, weil eben erfahrungsgemäss in 
vielen Fällen besonders von Carcinom und Sakrom dies Verfahren total versagt. Es giebt aber eine 
Reihe von Carcinomfällen, und hierher gehören besonders solche mit oberflächlichem Sitz, ober- 
flächliche und gut zugängliche Rezidivformen, metastatische Krebsknoten, ferner eine Reihe von 
Sarkomformen, welche von kompetenten Röntgentherapeuten und Chirurgen zur teilweisen oder totalen 


54 Vereine und Kongresse. 


Rückbildung gebracht werden konnten. Die Möglichkeit der Beeinflussung des Krebses durch Röntgen- 
strahlen liegt darin, dass diese Strahlen einen deletären Einfluss ausüben auf die Blutgefässe, sowie auf 
die Zellteilungsvorgänge der Epithelzellen (Perthes, Scholtz, Exner, Halkin, Holzknecht, 
Mikulicz, Fittig, Heinecke u. a.) des normalen und pathologischen Gewebes. Während aber das 
normale Epithelgewebe vermöge des engen Zusammenhanges mit dem Körper sich nach überstandener 
Röntgenirritation wieder erholen kann, geht das widerstandslose Epithelxewebe des Carcinoms sowie 
das Spindelzellengewebe cinzelner Sarcome unter dem Einfluss der Röntgenstrahlen zu Grunde. Diese 
Wirkung reicht nach Perthes u.a. bis auf einen Centimeter in die Tiefe, und die Erfahrung zeigt, dass 
Krebsgewebe öfters bis zu dieser Tiefe vernichtet wurde. Es existieren merkwürdigerweise in der Reaktion 
der Carcinome besonders aber der Sarkome von vollständig gleichem histologischen Bau bedeutende 
Differenzen, indem sich manche Tumoren beeinflussen lassen, während andere total refraktär bleiben. 
Die Ursachen dieses differenten Verhaltens sind nicht aufgeklärt. 

Was nun das Cancroid, Epitheliom, Papillom angeht, so lieren hier die Verbäitnisse noch viel 
günstiger als beim Carcinom, und es existiert bereits eine Statistik von vielen Hunderten von Fällen, 
aus der mit aller Sicherheit zu entnehmen ist, dass durch ein richtiges Vorgehen genannte Krankheits- 
formen definitiv und ohne Rezidiv geheilt werden können. Absolut refraktär scheinen sich nur wenig 
Fälle zu verhalten. Der mehr in die Tiefe wuchernde rasch wachsende Hautkrebs bietet jedoch weniger 
günstige Chancen. 

Durch eine Reihe von Versuchen (Exner, Holzknecht, Scholtz, Strebel u.a.) wurde dar- 
gethan, dass auch das Radium im Stande ist, durch seine Strahlung alle bösartigen Tumoren zu beein- 
flussen, und zwar hat es den Anschein, als ob die deletäre Energie des Radiums eine viel grössere sei als 
die der Röntgenstrahlen und zwar deswegen, weil die Beeinflussung der Blutgefässe eine viel stärkere ist. 
Nun aber hat man zur Erreichung prompter Radiumreaktionen eine hochwertige Substanz nötig, welche 
leider ihres Preises wegen schwer oder gar nicht zu beschatlen ist. Man ist deshalb gezwungen, mit einer 
minimalen Menge von Radium zu arbeiten, das in eine Ebonitkapsel eingeschlossen nur linsengrosse 
Reaktionen durch eine Bestrahlung hervorrufen kann. Es ist daher die zur Erzeugung von therapeu- 
tischen Effekten notwendige Zeit eine sehr grosse, da man eine grössere Fläche nur durch langsames 
Nebeneinandersetzen von Reaktionen mühsam beherrschen kann. Ich habe allerdings insofern eine Ver- 
besserung gebracht, als ich bei stärkeren Tumoren nicht die epidermatische Applikation des Radiums 
verwendete, sondern die intratumorale, wobei das Radium in die Spitze eines Troikart eingeschlossen, 
direkt mitten in die Krebssubstanz hineingestossen wird. 

Ich war nun in der Lage durch Verwendung einer an sich schon bekannten Strahlungsart, der 
durch ein Lenardsches Aluminiumfenster aus dem Vakuum herausgetretenen äusseren Kathodenstrahlen, 
einen Ersatz für Röntgen- und Radiumstrahlen zu bringen, der vor beiden Strahlungsarten entschiedene 
Vorteile voraus hat. Diese Kathodenstrahlen zeigen physikalisch grosse Ähnlichkeit mit den Strahlen 
des Radiums, sie durchdringen mit Leichtigkeit dünne Schichten von Holz, Papier, Horn, Metall, werden 
aber durch Glas und Bergkrystall total absorbiert, erregen Phosphoreszenz, entfalten chemische Wirkungen, 
erzeugen Ozon, entladen positiv und negativ elektrisch geladene Flächen, erzeugen im freien Raum 
Röntgenstrahlen, jonisieren die Luft, lassen sich durch Magneten ablenken und verhalten sich in Gasen 
wie Licht in trüben Flüssigkeiten. Die von mir angestellten Bakterienversuche ergaben eine Wirksamkeit, 
welche anscheinend der des Radiums sicher aber derjenigen der Röntgenstrahlen überlegen ist. Auf der 
Haut meines Vorderarms konnte ich Entzündungen erzeugen, welche mit der Röntgen- und Radium- 
dermatitis im allgemeinen übereinstimmen. Es gilt auch für die Kathodenstrahlen das für Radium- und 
Röntgenstrahlen aufgestellte Gesetz (Kienböck, Holzknecht), dass die Dermatitis bezüglich ihrer 
Stärke abhängt von der für die Zeiteinheit in der Haut absorbierten Strahlenmenge. Ich war schliesslich 
im Stande, durch eine Exposition von 5 Minuten unter günstigsten Bedingungen bei mässigem Energie- 
aufwand eine deutliche Hautreaktion zu erzielen. Die Entzündung tritt um so früher auf, je stärker die 
Strahlenausgabe war. Im Verein mit Herrn Professor Donle ist es gelungen, die Kathodenstrahlen im 
freien Raum bis auf ca. 60—80 cm Entfernung vom Fenster zu bringen, wobei der Leuchtschirm noch 
deutlich das Schattenbild der Handknochen erkennen liess. Möglicherweise ist die von uns erzielte 
Strahlung keine reine, insofern als ja durch Kathodenstrahlen das Aluminiumfenster auch zur Ausgabe 
von reinen Röntgenstrahlen veranlasst werden kann. Jedenfalls aber handelt es sich um eine ganz 
weiche Strahlung, welche chemisch-biologisch sehr wirksam ist, also für therapeutische Absichten die 
günstigsten Chancen bietet. Leider stösst die Produktion der Kathodenstrahlen noch auf technische 
Schwierigkeiten, so dass die allgemeine Benutzung erst erfolgen kann, wenn ein von der Luftpumpe 
unabhängiges Kathodenrohr zur Verfügung steht. Wir hoffen aber bald in der Lage zu sein, ein der- 
artiges Rohr den Kollegen zur Verfügung zu stellen. 

Trotzdem nun das Arbeiten mit den Kathodenröhen ein sehr mühsames ist, war ich doch in 
der Lage, einige therapeutische Versuche anstellen zu können. Ich habe Gelegenheit genommen, einige 
Fälle von Lupus und Epithelion mit Kathodenstrahlen zu behandeln. Die Exposition dauerte jeweils 


Vereine und Kongresse. 55 


bis zu 10 Minuten. Die Reaktionen traten in gleicher Weise wie beim Radium schon 5 bis 10 Stunden 
nach der Bestrahlung ein und dauerten mehrere Wochen an. Es zeigte sich Sekretion mit Epithel- 
abstossung, die langsam wieder überhäutete. Die bestrahlten Lupusknoten sind nicht mehr zu erkennen, 
anscheinend hat sich gutes Narbengewebe gebildet. Bei den zwei von mir behandelten Epitheliomen, 
eines an der Nase, einer am Ohr, beide etwa 10-Pfennigstückgross — zeigte sich Rückgang der Infil- 
trationen und nach Ablauf der Reaktion glatte Überhäutung. Die Narbenbildung sieht gut aus, zeigt weder 
Schuppung noch Blutgefässerweiterungen. 

Ich möchte noch speziell darauf hinweisen, dass die Kathodenstrahlen dem stark wirksamen Radium 
deswegen besonders überlegen sind, weil sie bei mindestens gleicher chemischer Energie in viel grösserer 
Menge erzeugt werden können. Man ist so im Stande, das Bestrahlungsobjekt in einer Entfernung von 
5 cm vom Fenster aufzustellen, wodurch bei der ausgesprochenen Dispersionsfähigkeit der Kathodenstrahlen 
eine grössere Fläche auf einmal bestrahlt werden kann. Man hat dann nur die Bestrahlungszeit um das 
drei- bis fünffache zu verlängern. Ferner bietet die Einführung der Kathodenstrahlen in Körperhöhlen 
keine Schwierigkeiten, sie gelingt sogar viel besser als bei Röntgenstrahlen, weil eben die Dispersion 
der Kathodenstrahlen einen grossen Vorteil darstellt gegenüber der geradlinigen Fortleitung der Röntgen- 
strahlen. Ich glaube mich auf Grund der bisherigen Erfahrung zu der Annahme berechtigt, dass die 
Kathodenstrahlen mit den Röntgen- und Radiumstrahlen in Konkurrenz treten können und dass sie 
speziell in der Behandlung bösartiger pathologischer Gebilde ebenso wie diese Verwendung finden können. 


Neue Brandmethoden. 


Die heute üblichen Brandmethoden mittelst Glüheisen, Thermokauter, Galvanokauter haben 
meines Erachtens alle den Nachteil, dass die Hitzequelle in den Brennkörper selbst hinein verlegt wird. 
Setzt man einen glühenden Metallkörper auf das lebende Gewebe auf, so wird das Metall sofort dunkel, 
das Glühen hört auf und man ist gezwungen, zu warten, bis man das Metall wieder in glühenden Zustand 
gebracht hat. Das giebt nicht nur zu Unbequemlichkeiten im Arbeiten, Zeit- und Blutverlust, ungenügender 
Brandwirkung Anlass, sondern vor allem ist die unter Umständen doch zu wünschende Tiefenwirkung 
nicht zu erreichen. Dass diese meine Behauptung richtig ist, lässt sich experimentell sehr leicht fest- 
stellen, indem selbst der durch -glühende Eisenstücke erzielte Brandschorf kaum die Dicke von 2 mm 
erreicht. Übrigens hat Hoppe in einer grossen Arbeit (das Feuer als Heilmittel 1847) genaue dies- 
bezügliche Messungen angestellt. Auch die Praxis beweist die geringe Tiefenwirkung glühender Metalle 
dadurch, dass nach den meisten Kauterisationen von Lupus, Cancroid, Carcinom bald wieder Rezidiv 
erfolgt, weil eben die pathologischen Zellen in der Haut nicht tief genug vernichtet wurden. 

Der Grund für diese ungenügende Brandwirkung liegt in der ganz unglaublichen Abkühlung, 
welche durch das strömende Blut veranlasst wird und welche eine sekundäre Hitzequelle wie sie doch 
das glühende Messer darstellt, sofort derartig abkühlt, dass von einer Tiefenwirkung gar keine Rede mehr 
sein kann. Das Heissluftverfahren von Holländer arbeitet mit einer Hitzequelle, welche als solche 
mit dem lebenden Gewebe nicht in Kontakt kommt, also auch keine Abkühlung erfahren kann. Zwar 
wird die strömende Heissluft ebenfalls durch das Blut zum Teil in ihrer Wirkung aufgehoben, aber da 
kontinuierlich neue heisse Luft zuströmt, gelingt es doch, der Abkühlungswirkung des Blutes genügend 
entgegen zu arbeiten. 

Ich habe nun in der Photokaustik ein neues Verfahren veröffentlicht, welches nach bisheriger 
Erfahrung für eine ganze Reihe von Fällen grosse Vorzüge vor jeder anderen Kaustik bietet. Das Ver- 
fahren besteht darin, dass man von einem elektrischen Lichtbogen ausgehende Wärmestrahlen mit Hilfe 
eines kleinen Hohlspiegels sammelt und zu einem kleinen Lichtkegel konzentriert auf die zu kauteri- 
sierende Hautstelle richtet. Die Lampe ist zierlich gebaut, und kann man mit derselben sehr gut in 
Narkose arbeiten. Die Temperaturgrade sind bedeutend höher als die durch Heissluft erzielbaren. Dem- 
entsprechend sind auch die Erfolge z. B. bei Lupus ausgezeichnete. Es lassen sich mit Hilfe der Photo- 
kaustik, die sich die Brennglasätzung mittelst Sonnenlicht zum Vorbild genommen hat, ausgedehnte 
Lupusherde in einer einzigen Sitzung ohne Rezidiv beseitigen. Von Interesse ist der Umstand, dass man 
die Schmerzhaftigkeit des Verfahrens durch einen einfachen Kniff ganz bedeutend heruntersetzen kann. 
Zu diesem Zwecke verwende ich kleine Kühlkompressorien aus Metall mit einer kleinen Öffnung in der 
Mitte. Durch ein solches Kompressorium lässt man Wasserleitungswasser fliessen und setzt es auf die 
zu behandelnde Lupusfläche so auf, dass der Lupusknoten in die Offnung des Kompressoriums hineinfällt. 
Die durch das strömende Wasser erzielte Abkühlung ist so bedeutend, dass die sonst lebhafte Schmerz- 
empfindung ganz bedeutend herabgesetzt wird, ohne dass doch dabei der Strahlenkegel an Wärme verliert. 
Ein besonderer Vorteil der Photokaustiklampe ist der, dass sich sowohl kleinste wie sehr grosse 
Brandflächen ganz nach Wunsch erzielen lassen. Will man grosse Hautflächen kauterisieren, so entfernt 
man am besten den Blendkegel vor dem Spiegel, wodurch die Brandwirkung ihre volle Leistung zum 
Ausdruck bringt, indem die strahlungshemmenden Metallteile aus der Strahlungsbahn wegfallen. Da 
aber bei diesem Vorgehen wegen des optisch ungenauen Brennpunktes neben Verbrennungen dritten 


56 Vereine und Kongresse. 


Grades auch solche zweiten und ersten Grades auftreten, wenigstens in den Randteilen der kauterisierten 
Flächen, welche nach der Narkose zu grosser Schmerzhaftigkeit Anlass geben, helfe ich mir dadurch, 
dass ich die Brandstellen ersten und zweiten Grades vor Schluss der Operation nochmals mit dem rot- 
glühenden galvanokaustischen Flachbrenner bestreiche. Dadurch bilden sich ganz oberflächliche Ver- 
brennungen dritten Grades, die Hautnerven werden zerstört und der Patient fühlt nach dem Erwachen 
absolut keinen Schmerz. Ausserdem hat dieses kombinierte Verfahren den Vorteil, dass man infolge der 
geringen Tiefenwirkung des Galvanokauters schöne Übergänge in das gesunde Gewebe erhält und damit 
einen guten kosmetischen Effekt. Die nach Photokaustik auftretenden Narben fallen meist sehr schön 
aus. Ich verwende die Photokaustik neben Röntgen- und Finsenbehandlung, weil dadurch eine Lupus- 
behandlung ungemein abgekürzt wird und weil bei richtirer Technik Rezidive von vornherein ver- 
mieden werden können. 

Als ein weiteres Brandverfahren, bei dem die Hitzequelle nicht durch Blutabkühlung beeinflusst 
werden kann, habe ich das Flammenbrandverfahren (Phlogokaustik) ausgebildet, bei welchem eine aus der 
Gasleitung entnommene und durch Gebläse hergestellte Spitzflamme auf das zu kauterisierende Gewebe 
gerichtet wird. Wie ich im Verlauf meiner Versuche nachträglich erfahren habe, hat bereits Nelaton 
das Leuchtgas zu diesem Zweck verwendet, es wurde aber sein technisch unvollkommenes Verfahren 
durch den Thermokauter verdrängt. Im Verlaufe meiner Versuche, ein absolut sicheres Verfahren zu 
finden, um auch ganz tiefe Kauterisationen vornehmen zu können — ich dachte dabei hauptsächlich an 
die Vernichtung grösserer Geschwulstmassen — kam ich dazu, das Knallgasgebläse mit dem Leuchtgas- 
gebläse zu kombinieren, und lassen sich mit diesem Verfahren die höchsten überhaupt erreichbaren 
Temperaturen erzielen. Der zugeführte reine Sauerstoff vergast zum grössten Teil die oberflächlichen 
Kohlenschichten des Gewebes. Das Instrument ist sehr handlich, doch gehört einige Übung dazu, mit der 
Flamme umzugehen. Trotz der hohen Temperaturen hat «das Flammenbrandverfahren den grossen Vorteil, 
dass wenig seitliche Wärmestrahlen vorhanden sind, die namentlich beim Glüheisen sehr lästig werden. 
Als weiterer Vorteil ist der Umstand zu betrachten, das keine Verklebungen mit dem Gewebe eintreten 
können wie beim Glüheisen. Allerdings lässt sich die Flamme nicht so ohne weiteres für Körperhöhlen 
verwenden; schliesslich aber lässt sich doch unter Verwendung eines Kaltwasserkühlkompressoriums in 
der Art eines doppelwandigen Scheidenspiegels auch die Kauterisation der erreichbaren Uterusteile vor- 
nehmen. Die Tiefenwirkung des Flammenbrands kann nach Belieben gesteigert werden und zwar abhängig 
von der Annäherung der Flamme und von der Behandlungsdauer. Es kann so z.B. ein grosser Teil 
der oberflächlich gelegenen Krebstumoren (Inoperabler Brustkrebs) durch und durch zur Gerinnung 
gebracht werden. Es gelangt dabei nur die oberste Schichte zur Verkohlung und zwar in der Dicke 
von einigen Millimetern, weil die Hauptmasse des verkohlten Gewebes durch den Sauerstoff zur Ver- 
gasung gebracht wird. Diese Verkohlungsschichte bildet eine Art Schutz gegen tiefere Verkohlung; 
aber die Hitze dringt durch Leitung in die Tiefe und es tritt Eiweisszerinnung ein, die sich bei Tumoren 
sehr gut zur Abtötung des Tumors verwenden lässt. Die durch eine solche Behandlung zur Gerinnung 
gebrachten Gewebe stossen sich innerhalb einiger Wochen ab. Der Defekt füllt sich durch Granulationen 
und überhäutet sich später von selbst bei kleineren Brandflächen. Bei grösseren muss eventuell trans- 
plantiert werden. Die Abschützung der Umgebung bei der Operation geschieht durch nasse Watte oder 
Kühlkompressorium. Ich habe das Flammenbrandverfahren hauptsächlich mit Rücksicht auf diese 
Gerinnungsbehandlung der Krebstumoren ausgebildet, bin aber natürlich noeh nicht im Stande, Definitives 
über den Wert dieser Methode auszusagen. 


Sektion für Dermatologie. 


Holzknecht (Wien): System der Strahlungstherapien. Die sechs Elementarstrahlungen und die 
zahlreichen praktischen Strahlungsquellen werden kurz von den in Betracht kommenden Gesichtspunkten 
(physikalische Eigenschaften, künstliche Transformation; Verteilung im Gewebe, eventuelle natürliche 
Transformation, Art der Gewebs-, Organ- und Allgemeinwirkung, Empfindlichkeit der Zellgattungen 
Verteilung der Reaktion, praktische Applikabilität und therapeutische Erfahrung) abgehandelt. Für die 
unsichtbaren Strahlungen (Ultraviolett, Kathodenstrahlen, Radiumstrahlen, Röntgenstrahlen) wird mit 
Goldstein eine terminale Unifizierung angenommen, dahingehend, dass die drei letzteren bei der 
Absorption in Ultraviolett umgewandelt werden und dieses die Wirkungen übt. Für die sichtbaren 
Farbstrahlen und Wärmestrahlen ist kein Grund zur Annahme einer solchen Transformation. Hinsichtlich 
der biologischen Wirkung beträfe die chemische Schädigung alle tierischen und pflanzlichen Zellen und 
Gewebe, die einen mehr, die anderen weniger. Das pathologische lymphoide Gewebe sei das empfind- 
lichste, das Knochengewebe das unempfindlichste. Junges empfindlicher als altes, die pathologischen 
Abkömmlinge empfindlicher als die normalen Zellen. Die Epithelzellen, das junge Granulationsgewebe 
empfindlicher als die Gefässe. Die multiple kurative Wirkung läge darin, dass viele pathologische 
Gewebe empfindlicher sind als die normalen neben und über ihnen. Theorie der relativen Elektion. 
(Der dritte Teil des Vortrages erscheint ausführlich in dieser Zeitschrift.) Autoreferat. 


` 


Vereine und Kongresse. | 57 


Rosenthal (München): .Über die Erzeugung intensiver Röntgenstrahlen für therapeutische 
Zwecke. Auf einen Vortrag, den er im Jahre 1896 auf der Naturforscher-Versammlung zu Frank- 
furt a. M. über die Erzeugung intensiver Röntgenstrahlen gehalten hat, bezugnehmend, erwähnt der 
Vortragende zunächst, dass er in den nachfolgenden Betrachtungen unter dem Ausdruck „intensive 
Röntgenstrahlen* nicht den rein physikalischen Begriff der Intensität eines Strahles versteht — leider 
sind wir.ja nicht einmal in der Lage, die Energie der Röntgenstrahlen überhaupt messbar nachweisen 
zu können — sondern er nennt vielmehr die Röntgenstrahlen, oder richtiger das Röntgenstrahlengemisch 
um so intensiver, in je kürzerer Zeit man durch dasselbe eine gewünschte Wirkung erhalten kann, bezw. 
eine je stärkere Wirkung es in einer bestimmten Zeit hervorzurufen vermag. 

Man wird also praktisch diese Intensität der Röntgenstrahlen im engeren Sinne von dreierlei 
Gesichtspunkten aus zu betrachten haben: 1. in Bezug auf die Einwirkung auf photographische Platten 
oder sonstige chemische Substanzen, wie Goldsteinsche oder Holzknechtsche Salze, 2. in Bezug auf die 
Erregung von Fluoreszenz, also auf den Durchleuchtungsschirm, entsprechend der direkten Durch- 
leuchtung mittels Röntgenstrahlen, 3. in Bezug auf die Einwirkung auf lebendes Gewebe, auf Zellen, 
Bakterien und dergl., eine Einwirkung, welche bekanntlich in jüngster Zeit sehr schöne, vielversprechende 
Erfolge aufzuweisen hat. 

Ohne auf die unter 1 und 2 genannten Punkte, welche an anderer Stelle behandelt werden 
sollen, einzugehen, bespricht der Vortragende kurz die verschiedenen Stromquellen zur Erzeugung 
intensiver Röntgenstrahlen und kommt zu dem Resultat, dass auch heute noch, wie vor acht Jahren, 
geeignete Induktorien sich hierfiir am besten verwenden lassen. 

Ein grosser Fortschritt ist beziiglich der Unterbrecher fiir die Tndaktorlen gemacht worden, 
zuerst durch den Boasschen Quecksilberstrahlunterbrecher und dann dureh den Wehneltschen und 
Simonschen Flüssigkeitsunterbrecher. Eine Modifikation des letzteren, der nach Angaben des Vortragenden 
von der ee gebaut wird, hat sich bei einer grossen Zahl von Röntgeneinrichtungen 
sehr gut bewährt. 

Sehr wesentliche Verbesserungen haben ‘seit 1896 die Röntgenröhren erfahren, besonders in 
Bezug darauf, gerade die jeweils wünschenswertesten Strahlen und diese möglichst konstant zu erhalten, 
und in Rücksicht auf ihre Haltbarkeit. Es wurden nun die mannigfachen Faktoren kurz besprochen, von 
welchen diese beiden für die therapeutische Anwendung sehr wichtigen Punkte wesentlich abhängen, 
und dann eine solche Röhre, welche die genannten Eigenschaften im hohen Grade besitzt, — die vom 
Vortragenden angegebene und von der Polyphos-Gesellschaft München hergestellte Platineisenréhre — 
demonstriert, die bereits vielfach und mit sehr guten Erfolgen Anwendung gefunden hat. 

Nachdem noch einige Betrachtungen über die zweckmässigste Unterbrechungszahl angestellt 
worden, teilt der Vortragende seine Ansicht — vom physikalischen Standpunkte aus — darüber mit, in 
welcher Weise am zweckmässigsten mit Röntgenstrahlen therapeutisch zu arbeiten sei: 

Über die Bedingungen, unter welchen in der Röntgentherapie möglichst intensive, gewünschte 
Wirkungen erzielt werden, darüber gehen die Meinungen noch sehr auseinander. Von der einen Seite 
wird der Krankheitsherd mit schwachwirkenden Strahlen lange Zeit, von der anderen mit sehr stark 
wirkenden kurze Zeit behandelt. Ein Arzt zieht Strahlen sogenannter weicher Röhren, d. h. von Röhren, 
die geringe Potenzialdifferenz benötigen, vor; ein anderer Strahlen von entgegengesetzter Art. Der eine 
exponiert bei grossem Abstand der Röntgenröhre vom Körper, der andere nahe an demselben u. s. w. 

Nach Ansicht des Vortragenden ist je nach dem Effekt, der erzielt werden soll, die Art der 
Röntgenstrahlen verschieden zu wählen. Wenn man z. B. ganz oberflächliche Einwirkungen auf die 
Haut erhalten will, wird man dieses am besten mit Strahlen, die sehr leicht absorbiert werden, also mit 
sogenannten weichen Röhren, und bei nicht zu grosser Entfernung der Röhren vom Krankheitsherd, 
erreichen. Man wird zweckmässig sehr intensive Strahlen dieser Art verwenden, dafür aber nur relativ 
kurze Zeit bestrahlen, wird aber im allgemeinen der leichteren Dosierung wegen, nicht die ganze not- 
wendige Wirkung durch einmalige Bestrahlung hervorrufen, sondern mit Rücksicht auf die Latenzzeit 
durch zwei-, drei- oder viermalige, in grösseren Zeiträumen aufeinanderfolgende, um unbeabsichtigte 
Verbrennungen zu vermeiden. 

Soll eine Wirkung nicht nur auf die äussersten Hautpartien, sondern auch auf etwas tiefer 
gelegene ausgeübt werden, so wird man besser etwas härtere, aber immer noch ziemlich weiche Röhren 
anwenden. Will man dagegen auf tiefer liegende Organe einwirken, ohne die Hautpartie stärker zu 
beeinflussen, so hat man Strahlen von grosser Durchdringungskraft zu wählen, und vor dem Auftreffen 
auf den Körper durch geeignete Substanzen fallen zu lassen, welche die leicht absorbierbaren Strahlen 
zurückhalten und die durchdringungsfähigeren durchlassen. Es scheint dem Redner überhaupt als ob bis 
jetzt in der Röntgentherapie viel zu wenig Wert auf die Trennung der verschiedenen Strahlenarten gelegt 
worden wäre; er ist überzeugt, dass die Erfolge, die ja schon sehr erfreuliche sind, noch bedeutend 
grössere und insbesondere sicherere werden, wenn diese Forderung mehr berücksichtigt wird. Eines 
scheint ihm aber sicher zu sein, nämlich, dass man mit der Zeit in der Röntgentherapie, ebenso wie 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen, VIII. 8 


58 Vereine und Kongresse, 


dieses bereits in der Röntgenographie der Fall ist, bestrebt sein wird, mit intensiven Röntgen- 
strahlen zu arbeiten, und das Hauptaugennerk auf die Trennung der Röntgenstrahlenarten zu lenken 
und darauf, für jeden speziellen Zweck die richtige Strahlenart zu verwenden. 

Da man bis jetzt aber — im Gegensatz zu den Lichtstrahlen — eine vollständige Trennung der 
verschiedenen Röntgenstrahlenarten nicht vornehmen kann, so wird man zweckmässig Röntgenröhren von 
den erwähnten Eigenschaften verwenden und die nicht gewünschten Strahlen durch Filter z. B. Staniol, 
nach Möglichkeit ausscheiden, wie dies bekanntlich bereits von verschiedenen Seiten praktisch angewandt 
wird. Autoreferat. 


Müller-Uri (Braunschweig) demonstrierte eine Kollektion von ausserordentlich grossen 
Vakuum-Apparaten, sowie eine Reihe von Neukonstruktionen, die im Laufe der letzten Jahre als 
Spezialitäten dieses Institutes erschienen sind. 

Es sind zu nennen: 

1. Die Vakuum-Skala nach Chás R. Cross in drei Ausführungen. Die eine davon (die älteste 
Art) besitzt die Serienschaltung zur gleichzeitigen Beleuchtung aller sechs Röhren, während die nächste 
mit Einzelschaltung versehen ist. Neben dieser üblichen Grösse, deren Röhren 50:3 cm messen, ist 
noch eine extragrosse Ausführung mit Röhren von 125 cm Höhe bei 6 cm Weite vorhanden. Diese 
Einrichtungen sind bekanntlich dazu bestimmt, die aufeinanderfolgenden interessanten Lichterscheinungen 
zu zeigen, die in einem mit der arbeitenden Luftpumpe verbundenen Rohr beobachtet werden — vom 
leuchtenden Lichtfaden bis zur letzten Stufe der grünen Glasfluorescenz (Grookes oder Réntgen-Vakuum). 

2. Die Kollektion-von Geisslerréhren, Kompendium genannt, welche in ausgewählt schönen 
Exemplaren die sechs Hauptarten der Geisslerröhren herausgreift und dadurch ebenfalls wesentliche 
Zeitersparnisse bei der Vorführung erzielen lässt. Diese Serie ist in einem Holzrahmen fest montiert 
und durch einen verschliessbaren Kasten mit Glasscheibe umgeben, der die Kollektion schützt und 
staubfrei hält und auch vollkommen transportsicher ist. Von der Serie Crookesscher Röhren, sind, nach 
der Crookes-Gretschelschen Broschüre zusammengestellt, auf Serienbrettern, grosse Apparate, in ausser- 
ordentlichen Abmessungen dargestellt, vorhanden. Die Kugelapparate besitzen bis zu 25 cm Durch- 
messer und ermöglichen daher auch in den grössten Auditorien den ferner Sitzenden die Eigenheiten 
der Lichterscheinung deutlich wahrzunehmen. Das eine der Serienbretter, mit Kontaktschlitten ver- 
sehen ermöglicht (ohne das lästige und zeitraubende Umhiingen der Drähte) das successive schleunige 
Einschalten der Einzelröhren. 

Die andere Serie kann, gleiche Vakuen vorausgesetzt, gleichpolig verbunden a tempo erleuchtet 
werden. Sehr grosse Exemplare schöner Mineralien- und Phosphoreseenz-Röhren geben herrliche Lickteffekte. 

Ausserdem wurden noch demonstriert und vorgezeigt Spektralréhre nach Michelson mit Cad- 
mium-Elektroden, Spektralréhre nach Grammont, Ð. R. G.-M. und zwei Lupus-Röntgenröhren für elektro- 
therapeutische Behandlung, D. R. G.-M., die extralange neue Form zur Finführung in Körperhöhlen 
bestimmt. (Autoreferat.) 


Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 1904. 9. Mai. 

Mühsam: Über Röntgendermatitis. Bei einem Arzte, der seit 1897 mit Röntgenstrahlen 
gearbeitet hatte, entwickelte sich 1900 eine Dermatitis der Hände; nach einigen Monaten wurden die 
Nägel brüchig und im März 1901 trat eine l’aronychie am linken Zeigefinger auf, derenthalben der 
Nagel entfernt wurde. Es blicb ein Geschwür zurück, das nieht heilte. Im September 1903 wegen an- 
haltender Schmerzen Amputation des Zeigefingers (Prof. Sonnenburg) im Mittelgliede; langsame Heilung 
(9 Wochen). Mikroskopisch fand sich in dem Geschwür ein Nagelrest erhalten; im übrigen bestand 
Schwellung des kollagenen Gewebes, basophile Veränderungen (Unna), Yndarteriitis obliterans ohne 
Vakuolenbildung (Demonstration). M. erläutert die akuten und die chronischen Veränderungen, welche 
an der Hand nach Einwirkung der Röntgenstrahlen auftreten, besonders bei Ärzten und Technikern; 
er weist auf die ungünstige Prognose der entwickelten chronischen Veränderungen hin und auf die 
Machtlosigkeit der Therapie und betont, dass das Hauptgewicht auf die Prophylaxe zu legen ist, für die 
wir bereits ein reichhaltiges Instrumentarium zur Verfügung haben, 


Levy-Dorn: Ein universeller Blenden- und Schutzapparat für das Röntgenverfahren. 
Die Grundlage des Apparates bildet eine grosse Bleikiste mit einer kreisförmigen Öffnung auf der Seite, 
durch welche die Röntgenstrahlen der in der Kiste eingeschlossenen Röhre herausgelcitet werden; um 
diese Öffnung befindet sich eine Schiebevorrichtung, um Blenden aller Art, auch die Kompressionsblenden, 
anzubringen. Kleine Bleiglasfenster ermöglichen die Besichtigung des Rohres während des Betriebes, 
Zur Kontrolle der Qualität der Strahlen ist ein verdeckbares Loch angelegt, über das ein Tastobjekt 
geklemmt wird, und zwar so, dass es die seitlichen Strahlen treffen. Die Bleikiste kann trotz der Schwere 
durch einen besonderen Mechanismus gedreht, seitlich vertikal verschoben werden. Die Patienten 
können unter der Kiste auf einem mit Rollen verschenen Untersuchungstisch mühelos hin- und her- 
geschoben werden. 


Journallitteratur. 59 


Berliner militärärztliche Geseilschaft. 1904. 21. April. 


Brugger demonstriert eine grössere Zahl von Röntgenphotographien; darunter war ein Mann, bei 
dem von Langenbeck 1867 wegen Ankylose des Schultergelenks die subperiostale Resektion des 
Oberarmkopfes gemacht hatte, und den er 1874 in seiner Arbeit als Paradefall mitgeteilt hat. Das 
Resultat der Resektion und Nachbehandlung war ganz ausgezeichnet gewesen. Durch die Röntgenauf- 
nahme ist aber festgestellt, dass sich nicht ein neuer Oberarmknopf gebildet hatte, sondern dass der 
Humeruskopf zur Pfanne, und der Proc. glenoidalis der Skapula zum Kopf geworden ist. — Der zweite 
demonstrierte Fall hat Interesse wegen erhobener Versorgungsansprüche. Es war eine Absprengung vom 
Talus festgestellt worden, worauf der Mann Ansprüche erhob. Eine Durchleuchtung des gesunden Beines 
ergab aber, dass dort die nämlichen Verhältnisse vorlagen. — Sodann demonstrierte Brugger mehrere 
Aufnahmen, durch die ein Vorhandensein von Halsrippen festgestellt wurde. Bei einem Manne waren 
dadurch Beschwerden beim Gewehreinsetzen beim Schiessen hervorgerufen. Endlich ‘wurde eine Reihe 
von Knochenverletzungen, die das Gelenk in Mitleidenschaft zogen, und mehrere Brüche der kleinen 
Hand- und Fussknochen, besonders Frakturen des Kahnbeins, demonstriert. Werner (Hamburg). 


Journallitteratur. 


Deutsches Archiv für klinische Medizin. Bd. LXXXI. 


Moritz: Methodisches und Technisches zur Orthodiagraphie. Die vorliegende Arbeit ist für 
die Beurteilung sowohl wie fiir die Technik orthodiagraphischer Untersuchungen von einschneidender 
Bedeutung. Da gerade in der letzten Zeit durch die Kontroversen mit Smith die Frage der Ortho- 
diagraphie in den Vordergrund gerückt ist, so kann man die vorliegende Publikation jedem mit dieser 
Untersuchungsart beschäftigten Arzt zu eingehenden: Studium nicht warm genug empfehlen. Im folgenden 
sollen kurz die in der Arbeit enthaltenen und bewiesenen Thatsachen zusammengestellt werden. 

Die Exaktheit der Orthodiagraphie ist eine feststehende Thatsache. Die Befürchtung, dass die 
Herzsilhouette infolge der Durchstrahlung. der Randpartien des Herzens zu klein ausfällt, ist durch 
Experimente widerlegt. 

Von den vier Durchleuchtungsrichtungen kommt vorwiegend die sagittale in Betracht. 
(Grösster Kontrast. Vorderansicht des Herzens.) Frontale Durchstrahlungen geben, wenn sie gelingen, 
über die Dicke des Herzens Aufschluss. Zwischen dem Aortenbogen und dem Bogen des linken 
Ventrikels befindet sich ein Bogen, für dessen Erklärung die Pulmonalis der Conus artheriosus des 
rechten Ventrikels und das Herzohr des linken Ventrikels zu berücksichtigen sind. Das Verhalten ist 
wechselnd. Bald kommt das eine, bald das andere der genannten drei Organe in Betracht. Bei Hoch- 
stand des Zwerchfells giebt die Orthodiagraphie über die Gesamtgrösse der Vorderfläche des Herzens 
kein genügendes Urteil. Die Form der Herzspitze kann spitz und stumpf sein. Inspiratorisch wird die 
Krümmung des linken Ventrikels und des rechten Vorhofs frei. Hieraus ergiebt sich die Konstruktion 
des unteren Herzrandes. Bei beträchtlicher, linksseitlicher Herzvergrösserung kann infolge von Ab- 
weichung der Herzspitze nach hinten Verkürzung des Längsdurchmessers eintreten. Korrekturverfahren 
hierfür besteht in Tiefenbestimmung der Herzspitze, wodurch der Grad einer event. Schräglagerung des 
grössten Längsdurchmessers festgestellt wird. (Vergl. Band 7 der vorliegenden Zeitschrift) Die Be- 
stimmung der Dicke der Brustwand lässt sich auf orthodiagraphischem Wege erzielen. Gute Kontraste 
der Bilder werden durch harte Röhren in Verbindung mit Bleiblenden garantiert. Gut abstufbarer 
Primärstrom sowie elektrolytischer Unterbrecher und widerstandsfähige Röhren sind erforderlich. 

Die ‘inspiratorisch geblähten Lungen sind durchlässiger als die exspiratorisch verdichteten; 
desgleichen ist die Lunge im Stehen durchlässiger als im Liegen. Pleuritische Ergüsse, Schwarten oder 
Lungenverdickungen erschweren oder verhindern die Durchleuchtung. Die Lotmarken und der Herz- 
rand sollen sich aufeinander zu bewegen, es empfiehlt sich nicht am Herzrand entlang zu zeichnen. Die 
inspiratorischen Verschiebungen des Herzens, sowie seine Kontraktionen stören bei ruhiger Atmung 
nicht. Die lineare Exkursion des Herzrandes ist sehr gering. (Bei einem Basedow betrug bei lebhafter 
Herzaktion die lineare Exkursion der Spitze nur 0,6 cm.) Projektionen mit divergierenden Strahlen 
bedingen erhebliche Vergrösserung der pulsatorischen Ausschläge. Den Herzstoss kann man wegen der 
kleinen Differenz zur Diastole systolisch nicht aufnehmen. 

Ä Die Projektion auf eine besondere Projektionsebene erfordert absolute Ruhe- 
lage des Patienten, ferner Übertragung gewisser Merkpunkte. Sie garantiert grosse 
Exaktheit der Herzsilhouette, dagegen ist die topographische Orientierung erschwert. 

Die Projektion auf die Brustwand ergiebt eine exakte Topographie, indessen 

können bei Auftragungen auf Papier Ungenauigkeiten vorkommen. 
gx 


60 Journallitteratur. 


Als Merkzeichen für zwei zum Vergleich aufeinander zu legende Herzsilhouetten sind die 
Mamillen trügerisch, da dieselben keine fixen Punkte sind. Der Mamillenstand kann ein wertvolles 
Hilfsmittel sein, aber er ist für sich allein nicht massgebend. Bei Vergleichen zweier Ortho- 
diagramme giebt der Cefisstrunkus den Anhalt. Der Zwerchfellstand ist wertlos, da er ausserordentlich 
variabel ist. Zum Vergleich von Herzsilhouetten ist man nur dann imstande, wenn Herzspitze und 
unterer Teil des rechten Vorhofs genügend ausgezeichnet sind, so dass man die Gesamtoberfläche des 
Herzens besonders die untere Herzgrenze übersehen kann. 

Auch für die Bestimmung der Lage des Herzens im Thorax leisten Mamillen 
und Zwerchfellstand nichts. Hier müssen die Konturen der Rippen und des Sternum aufgezeichnet 
werden. Der Stand der Brusthaut zu den Rippen ist je nach In- und Exspiration verschieden. Die 
Aufzeichnung der Merkpunkte (Rippen) muss genau in derselben Körperlage und Respirationsstellung 
vorgenommen werden in der die Aufnahme erfolgen soll, desgleichen die Übertragung auf die Glastafeln. 

Projiziert man das Herz bei tiefster Inspiration auf die Brusthaut, so erhält man ein wesentlich 
anderes Bild, als wenn man die Projektion auf eine besondere unabhängige Ebene vornimmt. Erstere 
Aufzeichnung ist ungenauer wegen inspiratorischer Verschiebung der Brustwand. 

Die horizontale Lage ist besser als die vertikale. tiründe: Verdrehungen sind bei 
der horizontalen Lage um die Längsachse ebenso wie Verschiebunren so gut wie ausgeschlossen. 
Ferner untersucht man orthodiagraphisch in derselben Stellung des Patienten wie bei der Perkussion. 

Vertikalprojektionen sind sehr oft falsch, namentlich dann, wenn man auf eine unabhängige 
Ebene zeichnet. Die Feststellung des zu Untersuchenden erfordert für Vertikalstellung einen besonderen 
vom Autor konstruierten Apparat. 

Bei Vertikalstellung steht das Herz tiefer als bei horizontaler Stellung, desgleichen steht das 
Zwerchfell tiefer, das Herz ist also weniger „versenkt. Die Lungenfelder sind heller und infolgedessen 
die Kontraste grösser. 

Bei Vertikalaufnahmen erscheint die Herzgrösse durchgehends kleiner als bei 
horizontaler Aufnahme. 

Die grösseren, horizontal gefundenen Masse sind in dubio massgebend, die 
kleineren Vertikalmasse können eventuell durch optische Verkürzung zustande kommen, wahrscheinlich 
liegt indessen eine wirkliche Verkleinerung des Herzens vor. (Ilierüber wird Moritz demnächst Näheres 
berichten.) 

Die Horizontalaufnahme ist der Vertikalaufnahme vorzuziehen. 

Die Orthodiagraphie in Inspirationsstellung ist nieht brauchbar. 

Albers-Schönberg (Hamburg). 


Deutsche med. Wochenschrift. 1904. No. 25. 


Scholtz: Uber die Wirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen. Ergänzung früherer Mit- 
teilungen. (D. m. Wehschr. 1904, No. 3.) Bei Schleimhautlupus (Gaumen- und Zahnfleisch) hat er mit 
bestem Erfolg Radium angewandt. Er hält es hier für besonders zweckmässig, da es leicht an die 
kranke Stelle herangebracht werden kann. Die Wirkung auf die Schleimhaut ist weniger kräftig, als die 
auf die äussere Haut, er konnte die Radiumkapsel 15—50 Min. liegen lassen, ohne Verbrennungen zu 
erhalten. Nach zweiwöchiger Pause wurde wieder ebenso lange bestrahlt, im Ganzen gewöhnlich drei 
Mal. Die Granulationen schwanden, manchmal unter Hinterlassung schnell heilender, oberflächlicher 
Geschwürchen. Ob Dauerheilung erzielt ist, lässt sich der Kürze der Zeit halber noch nicht sagen. 
Ferner behandelte er einen Fall von inoperabelem Hautkrebs in der Umgebung des r. Auges mit Radium 
und erzielte klinisch völlige Heilung. Auch hier wurde die Radiumkapsel direkt auf die kranke Stelle 
gelegt, 15 Min. Bestrahlung. Am inneren Augenwinkel, wo sie nur bis auf '/, em herangebracht werden 
konnte, blieb sie '/, Stde. liegen. Das Krebsgewebe schwand allmählich ohne Geschwürs® oder Schorf- 
bildung; die Infiltration schwand und die Haut wurde beweglich. Auch hierbei ist die Dauer der Be- 
obachtung zu kurz, um endgültige Aussage zu machen. 

Die Nachprüfung der Versuche von Albers-Schönberg, Kaninchen u. ii. Tiere durch Röntgen- 
bestrahlung steril zu machen, ergab ein mit den Versuchen des Letzteren übereinstimmendes Resultat. 
Die histologische Untersuchung ergab völlige Azoospermie, keine Spermatoblasten, Detritus als Inhalt 
der Samenkanälchen. Hautentzündung fehlte bei den Versuchstieren. Durch Anwendung von Radium 
erzielte er Azoospermie nach 20 Tagen nach 100 Min. Radiumeinwirkung, während Röntgenstrahlen bei 


x 
4 


280 Min. Einwirkung frühestens nach 50 Tagen gleiches Ergebnis hatten. 


No. 31. Apolant: Über die Rückbildung der Mäusecareinome unter dem Einfluss der Radium- 
strahlen. Vorliegende Veröffentlichung ist Ergänzung der Arbeit des Verf., die in No. 13, 1904 der 
gleichen Zeitschrift veröffentlicht ist. 

Er bestrahlte Mäuse vom 11. Tage ab, nachdem sich gut wachsende Impfeareinome bei ihnen 
entwickelt hatten, tägl. 10—20 Min. lang mit Radium unter Schonung von Kontrolltieren. Vom 2. Tage 


Journallitteratur. — 61 


ab wurde täglich ein Tier getötet, um die Resorptionsvorgänge möglichst continuierlich verfolgen zu 
können, jedoch erwies sich dies als verfehlt, da die Stärke der Resorptionserscheinungen nicht immer 
mit der Dosis der Bestrahlung übereinstimmte. Es wurden genaue histologische Untersuchungen über 
die Veränderungen durch die Bestrahlung angestellt, die Folgendes ergaben: 1. Das Mausecarcinom be- 
steht aus alveolaren Zellnestern, die nur durch sehr zarte Bindegewebssepten voneinander getrennt sind. 
2. Im Innern der aus grossen, epithelialen Zellen bestehenden Alveolen entsteht leicht Degeneration. 
Niemals werden hierbei Leucocyten angetroffen. 3. Im ersten Stadium der Bestrahlung macht sich eine 
stark resorptionsbefördernde Wirkung der Strahlen ohne entzündliche Reizung bemerkbar. 4. Entzünd- 
liche Veränderungen bemerkt man meist im Bindegewebe. Zahlreiche Wanderzellen dringen bis ins 
Innere der Krebsnester vor. 5. Durch Einwuchern der Fibroplasten wird der Alveolus immer mehr zer- 
teilt, an Stelle der verschwundenen Krebsalveolen liegen noch lange Kernreste. 6. Die Krebszellen 
selbst werden stark verändert durch Zusammenschmelzen, das in völliger Degeneration endet, die mit 
Protoplasmaschwund beginnt, von aussen nach innen vorschreitet und den Kern am längsten verschont. 
An Stelle der sonst häufigen Mitosen tritt eine bemerkenswerte Armut an solchen ein. 7. Ist das Krebs- 
gewebe sehr widerstandsfähig gegen die Bestrahlung, so tritt ein vakuolärer Zerfall des Protoplasmas 
mehr in den Vordergrund. 8. Manchmal tritt, namentlich bei ausgedehnter Radiumwirkung, eine Volums- 
zunahme des Zellprotoplasmas samt dem Kern ein. Die Zellen scheinen hydropisch gequollen. Nach 
Ap. Auffassung sind dies der Bestrahlung stärkeren Widerstand bietende Zellen, und er fasst den Vor- 
gang als Reaktion infolge grösserer Vitalität auf, da sich die Kerne bei diesen häufiger als bei den 
andern noch in Teilung finden. 9. Fettige Degeneration wurde nie beobachtet. 10. Tiefer gelegene Ge- 
schwülste zeigten keinen der beschriebenen Vorgänge, sondern nur Wucherung des Bindegewebes und 
dadurch bei Mäusen sonst nie vorkommende Skirrhusbildung. 11. Eine specifische Wirkung der Strahlen 
auf die Carcinomzellen nimmt Ap. als sicher an, da die infolge Bestrahlung abgestorbenen Zellen resor- 
biert werden, während die infolge der gewöhnlichen Nekrose zu Grunde gehenden nicht verschwinden, 
sondern demarkiert ausgestossen, oft auch bis zum Tode des Tieres als nekrotischer Teil mit herum- 
geschleppt werden. 12. Vielleicht gelingt es, das Radium zur Krebsheilung nutzbar zu machen; seine 
geringe Tiefenwirkung steht dem hinderlich im Wege. 13. Im allgemeinen ist die Wirkung des Radium 
völlig der der Röntgenstrahlen gleich. De 


Münchener med. Wochenschr. 1904. Nr. 23—25. 


Baermann und Linser: Über die lokale und allgemeine Wirkung der Röntgenstrahlen 
(a. d. k. Univers.-Klinik f. Hautkrankh. in Breslau. Prof. Neisser). Die Verf. treten der Ansicht ent- 
gegen, dass die Röntgenstrahlen in der Haut zuerst auf Epithel und epithelähnliches Gewebe wirken. Sie 
nehmen vielmehr auf Grund ihrer Experimente und theoretischen Erwägungen an, dass die Blutgefässe 
zuerst und am stärksten von allen Körpergeweben beeinflusst werden, und zwar vor allen Dingen bei 
der Haut. Die bisher erreichten Heilwirkungen lassen sich durch diese Annahme zwanglos erklären, 
selbst bei Carcinom, wo, wie sie annehmen, die Beeinflussung der Gefässe durch mangelhafte Blutversorgung 
zu Absterben des Krebsgewebes führt, ohne dass es besonders für sich als epitheloides Gewebe ge- 
schädigt zu werden braucht. Dass das Epithel als solches nicht geschädigt werde, wiesen sie nach, 
indem sie bei einem Lupuskranken eine grössere Stelle, der Transplantationen (Thiersch) entnommen werden 
sollten, mit 6 H. bestrahlten. Die dieser Fläche entnommenen Läppchen heilten genau so gut an, wie 
solche von unbestrahlten Stellen, selbst noch nach 24stündiger Aufbewahrung in Kochsalzlésung. Nach 
8 Tagen zeigte die bestrahlte Stelle leichte Röntgendermatitis; dasselbe Ergebnis bei Anwendung von 
7 H. — Bestrahlung eines granulierenden Defektes mit 6 bezw. 7 H. so angeordnet, dass bei einer Hälfte 
nur der Epithelsaum, bei der anderen nur die Granulationen bestrahlt wurden: Das Epithel wuchs ruhig 
fort, auf der Granulationsseite verzögerte sich die Epithelisierung, aufgepflanzte Thiersch-Läppchen 
heilten erst an, wurden dann abgestossen. Bestrahlung einer Kaninchencornea mit 8 H. hatte keine Ver- 
änderung zur Folge (Cornea gefässlos!), während Mitbestrahlung der Sclera schwere Schädigungen herbei- 
führten. Von der Lumbalgegend freigelegte Kaninchennieren reagierten auf Bestrahlung mit länger 
dauernder Albuminurie ohne Entzündungserscheinungen. — Durch Bestrahlung von Blut, sowohl in 
Petrischälchen wie innerhalb der doppelseitig unterbundenen vena jugularis, werden die Blutkörperchen 
nicht verändert, die Sera erlitten Herabsetzung des haemolytischen Vermögens, keine Änderung des 
Spectrums. „Eine chemisch-biologische Schädigung des Blutes und der Lymphe durch Röntgenstrahlen 
ist nicht nachweisbar und auch wohl auszuschliessen.” Die Allgemeinwirkungen haben sie durch 
Stoffwechseluntersuchungen an 7 Patienten festgestellt. Ergebnis: bei allen trat erhöhte N.-Ausscheidung 
im Harn auf. Die Erhöhung folgte unmittelbar der Bestrahlung, hielt durchschnittlich 3—4 Tage an, 
sank dann zur Norm ab. Geringe Temperatursteigerungen fehlten nicht. Für stärkere Temperatur- 
erhöhungen nehmen sie aber auch Gewebszerfall und dadurch Kreisen toxischer Substanzen im Blut an. 


Müller: Zur Behandlung von Hautkrankheiten mit Röntgenstrahlen. Berichtet über im 
Ganzen 7 Fälle von chronischem Handekzem, Hyperhidrosis, Pruritus ani, mit Infiltration und Juckreiz, 


62 Journallitteratur. 


die alle mit Bestrahlung wesentlich gebessert bezw. geheilt wurden. Der Juckreiz schwand mehrmals 
sofort. Die Hyperhidrosis wurde ebenfalls sehr schnell beseitigt, bei Hyp. manuum mit Abstossung der 
Oberhaut. Er arbeitete mit mittelweichen, wenn die Behandlung abgekürzt werden musste, mit ganz 
weichen Röhren. Er warnt davor, nun gleich alle Ekzeme u. dgl. mit Bestrahlung zu behandeln. 


| Wendt: Die Reposition des luxierten Os lunatum, (Aus dem Krkhs. Bergmannstrost, Halle. 
Prof. Oberst.) 7 Fälle dieser Verletzung sind in den letzten Jahren dort beobachtet; alle gelang es 
mit Röntgenstrahlen zu diagnosticieren. Der letzte beobachtete frische Fall ist genauer beschrieben; 
Abbildungen der Röntgenbilder. 


Grashey: Das Operieren bei abwechselndem Röntgen- und Tageslicht. (A. d. Münchener 
chir. Univers.-Klinik. G. B. von Angerer.) Um bequem bei gutem Tageslicht operieren zu können, 
verlegt G. die Leuchtschirmeinrichtung unter den zu operierenden Teil, indem dieser auf die nicht- 
leuchtende Seite des Leuchtschirmes gelegt wird, der auf dem Operationstisch liegt. Unter dem Leucht- 
schirm ist eine kleine Dunkelkammer mit schrägem Planspiegel angebracht, auf den das Durchleuchtungs- 
bild fällt, das der Operateur durch ein Rohr mit einem Auge wahrnimmt, während er mit dem anderen 
die zu operierenden Teile im Tageslicht sieht. Die Röhre befindet sich unmittelbar über dem Körperteil 
in geschütztem Kästchen mit Bleiglasfenstern und Erdableitung, Einschaltung mit Pedal. ’Asepsis, lokale 
Betäubung u.s.w. werden vorher gemacht. Einstellung in den Mittelstrahl ist durch Senkeleinrichtung 
und Marke auf dem Leuchtschirm leicht möglich. Das Operieren soll sich nicht schwieriger gestalten, 
als mikroskopisches Zeichnen. Für Hand, Fuss und ähnliche Teile ist die Vorrichtung sicherlich sehr 
brauchbar. Hergestellt von der Polyphos. Ges., München. 


Ahrens: Über einen Fall von Heilung einer schweren lienalen Leukämie mit grossem 
Milztumor durch Röntgenstrahlen. Bei einem 27 jährigen Mann, der schwerste Leukämie mit Verhältnis 
der roten zu den weissen Blutkörperchen von 1:1 und einen zweimannskopfgrossen Milztumor hatte, 
wurden durch Bestrahlung der Milz jedes Mal 5—10, der grossen Röhrenknochen und des Brustbeins je 
1—2 Min. täglich in 50 Tagen Rückgang der Milz zur Norm und Verhältnis der roten zu den weissen 
Blutkörperchen 525 :1 erzielt. Das Allgemeinbefinden hatte sich so gehoben, dass der Kranke gegen 
früher kräftiger geworden war. Er befolgte den Rat, alle 2 Wochen prophylactische Bestrahlungen vor- 
nehmen zu lassen, nicht, setzte sich einer schweren Erkältung aus und bekam ein acutes Recidiv — auch 
die erste Erkrankung war nach Erkältung aufgetreten — und starb nach wenigen Tagen. Der Milz- 
tumor hatte in ca. 14 Tagen wieder die alte Grösse erreicht. Zur Bestrahlung wurden schr harte 
Röhren benutzt. 


Journ. of the americ. med. associat. 2. Juli 1904. 


Stone: Rontgen ray treatment of leukemia. Bei cinem 44 jährigen Arbeiter, der dem Trunk 
ergeben war, fand sich eine ziemlich hochgradige myelogene Leukämie mit multipeln Drüsenschwellungen 
und bis ins Becken reichender Milzschwellung; 2100000 rote, 960000 weisse Blutkörperchen, Haemo- 
globin: 45 °/, (n. Fleischl-Miescher gemessen). Im gefärbten Blutpräparat waren zahlreiche Myelocyten 
und basophile Zellen enthalten. Die Röntgenbehandlung begann erst nach siebenmonatlicher medicamen- 
töser Behandlung mit Arsen, nach welcher anfangs Besserung eingetreten war. Technik: Mittelweiche 
Röhre, 15—20 cm Abstand, je 5 Min. währende Bestrahlung über Brustbein, Milz und Epiphysenteil der 
grossen Röhrenknochen täglich. Die Zahl der weissen Blutkörperchen nahm schnell ab, die Milz 
schrumpfte stark und wurde härter, das Allgemeinbefinden hob sich sehr. In 6 Wochen Abnahme der 
weissen Blutzellen von 52600 auf 10600. Die Bestrahlung wurde 4 Wochen nach Beginn ausgesetzt 
(20 Bestrahlungen im ganzen). Die Haut zeigte später starke Abschilfung. Ziemlich schneller Tod aus 
nicht aufgeklärter Ursache. Die Section ergab die für Leukämie bekannten Veränderungen, nament- 
lich an Milz, Leber und Knochenmark. Histologische Untersuchungen der Milz scheinen nicht 
angestellt. TER, 

Archives of electrology and radiology. 1904. No. 6. 


Hulst: Skiagraphy of the chest. Röntgenaufnahmen der Brust sind ein wichtiges Hilfsmittel 
neben den älteren physikalischen Untersuchungsmethoden, sie können letztere aber nicht ersetzen. 
Während zur Erkennung pathologischer Zustände und deren Einzelheiten die Aufnahme besser eignet, 
ist die Bewegung besser zu verfolgen auf dem Leuchtschirn. Das aufzunehmende Objekt soll ruhig 
gestellt sein, am besten sind Momentaufnalimen. Für beschränkte Brustaufnahmen sollen Blenden benutzt 
werden, zur Verstärkung des Bildes sind Verstärkungsschirme häufig zweckmiissig. Als Stromerzeuger 
für Brustaufnahme kommt nur ein Induktor in Betracht, nieht die in Amerika sonst viel benutzte 
Influenzmaschine. Für einen mittelstarken Brustkorb ist eine Röhre von der Härte W. 6 notwendig. 

. p. 

Schüle: Die Orthodiagraphie und Perkussion des Herzens. (A. d. evang. Dinkonissenhaus, Frei- 
burg i. B.) Verf. hat vergleichende Versuche an Gesunden und Kranken angestellt. Es wurde im Stehen 


Journallitteratur. 63 


die Durchleuchtung nach vorhergehender Percussion vorgenommen. Die erhaltenen Herzfiguren Schs. 
entsprechen nahezu vollständig den Moritzschen. Tabellen gaben die Masse in Zahlen. Während bei 
gesunden Herzen nie eine Übereinstimmung der Perkussionsgrenze rechts mit dem orthodiagraphischen 
Bild erzielt wurde, war diese häufiger bei nach rechts dilatierten Herzen vorhanden. Auch die linke 
Herzgrenze stimmt bei Gesunden nur sehr selten in beiden Untersuchungsarten überein. Auf einen 
besonderen Fall macht Sch. noch aufmerksam: man findet thatsächlich nach rechts verbreitete Herzen, 
bei denen die Verbreiterung perkutorisch, nicht aber orthodiagraphisch nachweisbar ist. In solchen 
Fällen handelt es sich um sagittale Vergrösserung. Das Herz hat den Lungenrand zurückgeschoben, ist 
aber nicht wesentlich nach rechts ausgedehnt. Im ganzen besteht Übereinstimmung der orthodiagraphischen 
Befunde der verschiedenen Untersucher, dagegen ist die Perkussion keineswegs leistungsunfähig,. sondern 
bleibt, namentlich in ihren gesetzmässigen Beziehungen zwischen gesunden und kranken Herzen, zu 
Recht bestehen. Ganz besonders für den praktischen Arzt. Dass die Orthodiagraphie ein Hilfsmittel 
ersten Ranges ist, ist zweifellos. De 


Ni. 27—31. Schott: Über radioaktive Substanz der Nauheimer Quelle. (Vorl. Mitteilung.) 
Prof. Elster und Geitel haben die Untersuchungen angestellt. Alte Ablagerungen zeigten schon radioaktive 
Wirkung von der Stärke des Fangos von Battaglia (23,4—34,3). Sedimente aus dem grossen Soolesprudel 
und des Friedrich Wilhelm-Sprudels zeigten Radioaktivität von 200—250 bzw. 150, ein schon einige 
Wochen vorher der Steigröhre des Kurbrunnenus entnommenes Scorment sogar 1370 (ebensoviel wie 
Schlamm aus dem Hauptstollen der Baden-Badener Quelle). Die richtige Ziffer wird sich erst an frischem 
Sediment aus den Steigröhren der Quellen ermitteln lassen, die jetzt unzugänglich sind. 


Birch-Hirschfeld: Die Nervenzellen der Netzhaut unter physiologischen und pathologischen 
Verhältnissen mit besonderer Berücksichtigung der Blendung (Finsen-Röntgen-Radium). Hier inter- 
essiert hauptsächlich die Wirkung der Röntgen- und Radiumbestrahlung. Er bestrahlte Kaninchen mit 15H 
und fand neben den äusseren Veränderungen am Auge (Entzündungserscheinungen an Linsen, Bindehaut, 
Hornhaut) nach 39—60 Tagen ausgesprochene Opticusatrophie. Das Hornhautepithel war 30--66 Tage 
nach Bestrahlung histologisch schwer verändert; die Iris zeigte verhältnismässig geringe Änderungen, 
dagegen fanden sich an der Netzhaut ausgesprochene Degeneration an den Ganzlienzellen, ebenso an 
der Körnerschicht. Auch Markscheidenzerfall im Sehnerv konnte nachgewiesen werden. Bei Radium- 
bestrahlung fanden sich ganz gleiche Veränderungen. Bei Behandlung von Geschwulsten u. s. w. in Nähe 
der Augen ergiebt sich aus den Versuchen als Konsequenz: Anwendung geringer Einzeldosen, Schutz 
des Auges durch Staniol oder Bleischalen. Die Wirkung der Strahlen auf die Nervenzellen erklärt sich 
vielleicht aus den Veränderungen, die das Lecithin erleidet (Versuche von Schwarz an Eiern). 


Grashey: Zentriervorrichtung für Röntgenröhren. In dem Drehpunkt der Revolverblende 
eines Polyphos-Blendenkästchens ist ein um diesen parallel zu der Ebene der Blende drehbares, hohles 
Stäbchen angebracht, in dem über Rollen der Senkelfaden läuft. Das eine Ende des Stabchens steht 
genau in der Mitte der jedesmaligen Blendenöflnung und von ihm aus lässt sich das durch Gegengewicht 
ausbalanzierte Senkblei genau und bequem auf den aufzunehmenden Teil herablassen und verbürgt so, 
dass er von dem senkrechten Strahl der vorher genau mit Focus eingestellten Röhre getroffen wird. 


Heinecke: Zur Kenntnis der Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. Wie für 
Röntgenstrahlen, schon früher (M. M. W. Nr. 18) weist er in dieser Mitteilung für Radiumstrahlen nach, 
dass sie von allen Geweben das lymphoide zuerst und am stärksten angreifen und sehr frühzeitig Ander- 
ungen schwerster Art in ihm hervorrufen. Die Ergebnisse seiner Versuche an Meerschweinchen und 
Mäusen lassen sich so zusammenfassen: 1. Die Radiumstrahlen wirken zuerst auf das lymphoide Gewebe. — 
Die Wirkung tritt zeitlich zuerst (schon nach wenigen Stunden) ein und ist im wesentlichen nach 
24 Stunden abgeschlossen. 2. Die Wirkung erstreckt sich auf alles von den Strahlen getroffene Lymph- 
gewebe. 3. In den bestrahlten Lymphorganen tritt nach wenigen Stunden Zerfall der Lymphocyten ein, die 
Kernreste bleiben nach Zerfall als Chromatinkugeln- und -Schollen längere Zeit zwischen dem geschwundenen 
Gewebe liegen, soweit sie nicht von den stets zahlreichen, meist sehr grossen Wanderzellen, aufgenommen 
werden. 4. Das Milzgewebe wird besonders stark beeinflusst, die durch mehrere Stunden bestrahlte Stelle 
sieht durch Zellarmut (Lymphzellen wie ausgepinselt aus. Die Pulpazellen zeigen dagegen nach 
24 Stunden noch keine Veränderung. 5. Bei direkter Anlagerung des Radiums an die aus der Bauchhöhle 
vorgezogenen Organe genügt Bestrahlung von wenigen (5) Minuten, um solche schwere Veränderungen 
herbeizuführen. 6. Die durch Radiumbestrahlung erzielten Veränderungen des lymphoiden Gewebes sind 
den durch Röntgenstrahlen erzeugten ununterscheidbar ähnlich. 5% PD. 


Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie nnd Unfallchirugie. I. Heft 2. 


Sudeck: Die Darstellung der Wirbelsäulenerkrankungen durch die Röntgenschen Strahlen, 
Häufig finden wir in der Unfallpraxis Fälle von Wirbelverletzungen ohne grob anatomische, durch die 
gewöhnlichen am Lebenden anwendbaren Untersuchungsmethoden nachweisbare Veränderungen. Die 


64 Journallitteratur. 


Röntgenstrahlen können häufig Aufklärung geben, jedoch muss man grosse Erfahrung haben, um die 
Bilder richtig zu deuten. Die Arbeit des Verf., die auf Durchsicht der umfangreichen Sammlung des 
Eppendorfer Krankenhauses beruht, ist deshalb schr verdienstvoll, da gerade die Wirbelsäule bisher noch 
wenig dargestellt und beschrieben ist. — In der allgemeinen Einleitung ist die Technik angegeben: 
mittelweiche Röhre: Zeitaufnahme von 5—10 Min., unter Umständen Zuhilfenahme von Blenden, nament- 
lich für die Lendenwirbelsäule. Die Aufnahmen sind von mancherlei Zufälligkeiten abhängig. Hals- und 
Lendenteil sind am leichtesten und sichersten darstellbar, womit noch nicht gesagt ist, dass auch krank- 
hafte Veränderungen dort am leichtesten erkennbar wären, vielmehr sind gerade am Hals die vielen 
kleinen Fortsätze mit ihren sich tiberschneidenden Schatten leicht eine Quelle des Irrtums. Er giebt 
dann eine recht zweckmässige Anleitung zur Betrachtung der gewonnenen Bilder, worauf die einzelnen 
Abschnitte der Wirbelsäule systematisch mit ihren regelrechten urd pathologischen Befunden abgehandelt 
werden unter Beifügung von 19 Abbildungen auf 6 Tafeln. 1. Halswirbelsäule. In günstigen Fällen 
sieht man den Zahn des Epistropheus, Schatten häufig durch den Kiefer vor den obersten Wirbeln. 
Sonst sind Bogen-, Gelenk- und Dornfortsätze, die Gelenke zwischen den Gelenkfortsätzen deutlich er- 
kennbar. Bei sagittaler Durchleuchtung deckt das Kinn die obersten Wirbel, die Körper sind kahn- 
förmig, und oben concav, geschweift, manchmal läuft in der Mitte ein helleres Band (Trachea). 2. Brust- 
wirbelsiule. Kann sagittal oder schräg (Holzknecht) aufgenommen werden. Am leichtesten sind die 
obersten Brustwirbel durch die Brustapertur darstellbar, die tieferen leiden durch die Verdeckung durch 
Herz- und Leberschatten, manchmal ist dort nicht einmal die Bandscheibe erkennbar. Auf der l. Seite 
der mittleren Brustpartie öfters dunklere Streifen, vielleicht von Aorta descendens herrührend. 3. Lenden- 
wirbelsäule. Die Darstellung gelingt meist gut, besonders mit Kompressionsblende. Der Körper des 
V. L.-W. wird manchmal vom Kreuzbeinschatten verdeckt. Pathologische Veränderungen. Form-, Struktur- 
und Dichteveränderungen des Knochens gestattet das R.-Bild zu erkennen. Darstellung der Dichte- und 
Strukturveränderung ist durch eine Aufnahme schwierig sicher zu erkennen, man muss sie dnrch eine 
zweite Aufnahme kontrollieren. Die Dichteveriinderungen, bes. der Schwund hefert harakteristische Bilder, 
die Umrisszeichnungen darstellen. Formveränderungen sind naturgemäss leichter und sicherer festzu- 
stellen. Bei Scoliose, Frakturen, Luxationen, Caries kann man genaue Feststellungen machen, bei Frak- 
turen auch die der Fortsätze erkennen. Kalte Abscesse erscheinen als scharf abgegrenzte, dem Herzschatten 
ähnliche Schatten, ebenso unter Umständen bösartige Geschwülste. Sehr kennzeichnende Bilder liefert die 
ankylosierende Spondylitis: Über die Bandscheiben spannen sich dunkle Knochenbrücken, so dass aus der 
normalerweise unterbrochenen Säule ein gleichmissiges Gebilde, ähnlich einen ‘yedrehten Stuhlbein, wird. 
Erfolgt nun die Beschreibung der Abbildungen, die von jedem Teil der Wirbelsäule normale und mehrere 
krankhafte Befunde enthalten. Die Arbeit ist eine angenehme Bereicherung der Röntgenlitteratur. ...p. 


Wiener klin.-therap. Wochenschrift. Nr. 9. 1904. 


Freund: Radikalheilung von Lupus vulgaris und Knochencaries mittelst Böntgenstrahlen. 
Einen Beitrag, dass die Finsensche Lichttherapie durch X-Strahlen sehr wohl ersetzt werden kann, 
giebt Freund, worin er von der Behandlungsweise und Radikalheilung einer Dame berichtet, deren 
Gesicht und beide Arme von Lupus vulgaris befallen waren. Die Anzahl der vorgenommenen Be- 
strahlungen betrug im Laufe eines Jahres etwa 60, und der günstige Erfolg äusserte sich in glatter, 
weisser Narbenbildung auf den früheren Geschwürsflächen, in dem allmählichen Verschwinden sämtlicher 
Lupusknétcben und in dem Fehlen jeglichen Reeidivs selbst nach Ablauf von 2 Jahren seit dem letzten 
Behandlungstage. Freund legt den Hauptwert darauf, recht vorsichtig vorzugehen, d. h. sobald eine 
starke Rötung oder Schwellung der bestrahlten Teile auftritt, mit dem weiteren Bestrahlen sofort auszu- 
setzen — selbst auf Monate hinaus —, bis alle Entzündungserscheinungen wieder verschwunden sind. Er 
ist der Ansicht, „dass die Röntgenstrahlen gleichsam den Anstoss zum normalen Verheilungsprozesse 
geben und dass dieser dann spontan ohne jede weitere Beeinflussung von aussen fortschreitet*. Genaue 
Vorschriften aufzustellen, ist nicht angängig, es ist vielmehr die Behandlungsweise dem einzelnen Falle 
anzupassen. Der Zufall wollte es, dass sich bei oben erwähnter Patientin gleichzeitig ein cariöser Pro- 
zess am rechten Daumen einstellte, der die distale Epiphyse des ersten Phalangealknochens betraf, zuerst 
Rötung und schmerzhafte Schwellung zeigte und schliesslich zum Durchbruch und zu Fistelgängen führte. 
Freund wendete auch in diesem Falle die Röntgenstrahlen an, davon ausgehend, er könne durch die- 
selben eine persistierende Hyperämie herbeiführen und heilend wirken ähnlich wie durch die Biersche 
Stauungshyperämie. Er nahm ca. 80 Bestrahlungen mit harter Röhre von je etwa 6 Minuten Dauer und 
bei 30 cm Abstand vor und erzielte vollständige Heilung. Bei nicht zu weit ausgedehnten und nicht zu 
tief liegenden tuberculösen Knochenerkrankungen erscheint somit der Versuch, eine Heilung mittelst 
Röntgenstrahlen zu erstreben, durchaus gerechtfertigt. Schreiber vorstehenden Referats behandelt z. Z. 
selbst zwei sehr ähnliche Fälle, die allerdings noch nicht ganz abgeschlossen sind, mittelst Röntgen- 
bestrahlung. Der bisherige Erfolg ist ein sehr zufriedenstellender und lässt eine vollkommene Heilung 
in kurzer Zeit mit Sicherheit erwarten. Hesse. 


Journallitteratur. 65 


Wiener medic. Presse. 1904. No. 13. 

Freund: Die Röntgenstrahlen als diagnostisches Mittel bei Gefässerkrankungen. Nach der 
derzeitig schon allerorts bekannten Anwendung der Röntgenstrablen zur Bestimmung der Herzgrenzen 
resp. Herzerkrankungen lag es nahe, diese Untersuchungsmethode auch zur Erkennung von Gefäss- 
veränderungen, selbst der peripher gelegenen (Gefässe auszunutzen, und die Versuche von Fuchs, 
Saenger, Holzknecht u.a. zeitigten Resultate, die zu weiterer Nachforschung anregten. So berichtet 
auch Freund über radiographische Untersuchungen bei drei Fällen ausgesprochener Claudication inter- 
mittente (intermittierendes Hinken), die den typischen Symptomkomplex boten und von denen der eine 
Fall kontrastreiche Bilder der Arteria tibialis postica, sowie der Arteria dorsalis pedis erkennen liess. 
Ergaben somit zwei Fälle einen negativen Befund, so handelte es sich bei ihnen als Ursache des inter- 
mittierenden Hinkens um eine Neurose oder um sonst eine Erkrankung, die den X-Strahlen keinen 
Widerstand entgegensetzte, während bei dem Falle mit positivem Ergebnisse eine Verkalkung der 
erwähnten Gefässe vorhanden war und somit auch das diesbezügliche Bild zu Stande kommen konnte. 
Unter solchen Umständen dürften die X-Strahlen zur Stellung einer Differentialdiagnose bei Verdacht 
von Erkrankungen, denen sich arteriosclerotische Erscheinungen zuzugesellen pflegen oder die durch 
letztere hervorgerufen werden, von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein. Hesse. 

Beiträge zur klin. Chirurgie. Bd. 42. Heft 2. 

= Fittig (Breslauer chirurgische Klinik): Über die Behandlung der Carcinome mit Röntgen- 
strahlen. F. veröffentlicht unter Beifügung sehr guter Illustrationen 37 Carcinomfälle, von denen 18 die 
Haut, 2 die Mundhöhle, 1 die Halslymphdrüsen, 11 die Brustdrüse und 5 den Ösophagus betreffen. Das 
Alter der Patienten schwankt zwischen 88—87 Jahren, die Mehrzahl der Fälle stellt das weibliche 
Geschlecht. F. macht die Beobachtung, dass die nicht oder nur wenig verhornenden kleinzelligen Haut- 
carcinome solange sie noch die Eigenschaften des Ulcus rodens zeigen, bedeutend günstiger auf die 
Röntgenbestrahlung reagieren als die verhornenden grosszelligen, mehr in die Tiefe greifenden, und als 
Ursache dieser Erscheinung nimmt F. die Verschiedenheit der Vitalität ihrer Zellen an. F. führt die 
Behandlung mit weichen Röhren aus bei geringem Abstande — beim Hautcarcinom oft nur 2 cm, lässt 
die Dauer jeder einzelnen Sitzung von der angewandten Unterbrechungsgeschwindigkeit abhängig sein, 
bevorzugt aber im allgemeinen häufige Sitzungen mit nicht zu langer Expositionszeit, namentlich beim 
- Mundhöhlencarcinom zu dessen Behandlung sich F. eines besonders konstruierten Trichters bedient, der 
in den Mund eingeführt wird und dessen eingeführtes Ende der zu bestrahlenden Fläche an Grösse 
entspricht. So nimmt F. nicht selten 6—7 Sitzungen an nacheinander folgenden Tagen vor oder es 
entfallen etwa 14—16 Sitzungen auf die Zeit eines Monats. Von den oben angegebenen Hautcarcinomen 
können drei als völlig geheilt angesehen werden, da sie während einer Zeit von 15, 12 resp. 10 Monaten 
nach völliger Vernarbung trotz genauester und vielseitigster Untersuchung nicht das geringste Recidiv 
zeigten; bei anderen drei Fällen traten Recidive ein, während von den restierenden Fällen sich nur vier 
als sichere Misserfolge herausstellten, bei allen übrigen aber wegen der Kürze der Zeit das Urteil wohl 
ein noch nicht abgeschlossenes, jedoch nach dem bisherigen Verlauf als ein durchaus günstiges zu 
erwarten ist. Bei einem Mundhöhlencarcinom war der Erfolg ein sehr guter, bei einem Zungen- 
carcinom wurde der Tumor zum Schwinden gebracht. Beim Patienten mit metastasierten Hals- 
lymphdriisen — infolge Zungencarcinoms — mußte die Behandlung wegen fortschreitender Kachexie 
abgebrochen werden. Die Behandlung der Brustdrüsencarcinome erscheint vorerst noch wenig 
aussichtsvoll und zwar vor allem wegen des schnellen Wachsens, des meist relativ tiefen Sitzes 
Sitzes und der Metastasenbildung. F. erzielte in zwei Fällen vorerstige Heilung, der Recidive folgten 
und nur in zwei Fällen, bei denen die Lymphdrüsen ganz verschont geblieben waren, kam völliges 
Schwinden des Tumors zu Stande. Alle übrigen Fälle zeigten höchstens unwesentliche Besserung, einer 
sogar Verschlechterung und bis zu den Rippen reichende Nekrose. Das Osophaguscarcinom scheint der 
Behandlung mittelst Röntgenstrahlen vorläufig nicht zugängig zu sein, weil der Fokusabstand von der 
zu bestrahlenden Stelle ein zu grosser ist und weil der mit dem Ösophagoskop eingestellte Tumor nicht 
wie das Hauptcarcinom in seiner ganzen Fläche, sondern nur am oberen Rande von den Strahlen ge- 
troffen wird.“ F. kommt zu dem Schlusse, dass, so lange die Lymphdrüsen nicht befallen sind, die 
Röntgenbestrahlung bei Carcinomen der Haut und der Mundhöhle ganz Ausserordentliches zu leisten 
vermag, und dass sie in solchen Fällen der operativen Behandlung vorzuziehen ist. Aber auch bei Fällen, 
in denen die schon infiltrierten Lymphdrüsen operativ vorher entfernt wurden, führte die Röntgen- 
bestrahlung noch zu recht guten Resultaten. Bei Brustkrebs bevorzugt F. im allgemeinen den operativen 
Eingriff und beschränkt die Röntgenbestrahlung auf die ganz inoperablen Fälle — ut aliquid fiat — doch 
wohl auch dabei die stille Hoffnung hegend, es könne sich ein günstiger Erfolg einstellen, wie solcher 
thatsächlich vereinzelt und wider jedes Erwarten.auch beobachtet worden ist. Alles in allem gerechnet 
verbleibt somit — trotz gewisser Einschränkungen — den Röntgenstrahlen auch auf diesem Gebiete ein 
weites Feld, auf dem sie Gutes zu wirken vermögen; vielleicht, dass bei weiterer Verbesserung der 
Methoden und Apparate schon in absehbarer Zeit ausgedehntere Erfolge zu verzeichnen sind. Hesse. 

Fortschritte a. d. Gebiete d, Röntgenstrahlen. VIII. | 9 


66 Journallitteratur. 


Berliner klinische Wochenschrift. 1904. Nr. 26. 


Wohlgemuth: Zur Kenntnis der physiologischen Wirkung des Radiums. Verf. hat die 
Wirkung des Radiums auf die Hauptbestandteile des Körpers, auf Eiweiss, Kohlehydrate und Fette 
untersucht. Zu den Versuchen wurden aus der Gruppe der Eiweisskörper: das Witte-Pepton und das 
Asparagin, von Kohlehydraten das «-Methylglycosid und als Repräsentant der Fette das Olivenöl. unter- 
sucht. Die Substanzen wurden durch ! ,—!/,stündliche, mehrmals 5 Tage lang vorgenommene Bestrah- 
lungen im Brutschrank nicht verändert. — Eine Nachprüfung der Schwarzschen Untersuchungen an 
Hühnereiern, die eine Wirkung des Radiums auf Lecithin ergeben hatten, zeigte, dass von einer elektiven 
Wirkung des Radiums auf das Lecithin keine Rede sein kann. Damit sind sämtliche Theorien, die man 
auf Grund jener Versuche aufgestellt hat, hinfällig geworden. Das Verhalten des Lecithins im Ei bei 
der Bestrahlung mit Radium ist so zu erklären, dass das Radium die Autolyse im Ei in Gang gebracht 
hat und durch das autolytische Ferment des Lecithin gespalten wurde. Ferner prüfte Verfasser die 
autolytische Wirkung des Radiums bei pathologischen, speziell tuberkulösen Lungen. Es wurde so ver- 
fahren, dass ein Teil einer hochgradig tuberkulösen Lunge zerkleinert, in zwei genau gleiche Teile 
geteilt und jede Portion mit dem gleichen Volum Wasser und Toluol versetzt wurde. Beide wurden im 
Brutschrank gehalten und die eine mehrmals mit Radium 15—30 Minuten lang bestrahlt; die andere 
diente als Kontrollprobe. Schon nach 24stündigen Stehen zeigte sich in der Farbe eine deutliche Ver- 
änderung: die bestrahlte Partie war hellgrau gefärbt, während die Kontrollprobe ihre dunkelbraune 
Farbe fast gar nicht oder nur sehr wenig verändert hatte. Nach dreitägigem Stehen im Brutschrank wurde 
der Inhalt beider Gläser untersucht. Dabei zeigte sich, daß in der mit Radium bestrahlten Portion 
viermal so viel Stickstoff in Lösung gegangen war, als in der Kontrollprobe. Diese Erscheinung ist wohl 
als Folge einer Autolyse anzusehen. Bei nicht bestrahlten Organen tritt die Autolyse langsamer ein. 
Ein gewisser Widerstand muss erst überwunden werden. Dies vermag das Radium. Nach 10 Tagen 
waren in beiden Portionen gleiche Quantitäten N in Lösung gegangen, als Zeichen, dass nun auch in 
der Kontrollprobe die Autolyse in voller Thätigkeit war. Weitere Schlüsse lassen sich aus dieser noch 
ziemlich rätselhaften Eigenschaft des Radiums noch nicht ziehen. 


Nr. 27. Mühsam: Ein neuer Radiumbehälter für Mastdarm und Scheide. Um die nicht 
erkrankten Teile möglichst vor der Einwirkung der Radiumstrahlen zu schützen und die Strahlen selbst 
nur auf die erkrankten Teile gelangen zu lassen, fixiert Verf. das Radium in einer auf einer Seite offenen, 
bzw. mit Marienglasfenster versehenen Bleikapsel. Mit Hilfe dieser Kapsel kann die radiäre Wirkung 
nach allen Seiten ausgeschaltet werden. Werner (Hamburg). 


Druck von Hesse & Rocker in Leipzig. 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 
Von 


P. 6. Unna. 
(Hierzu Tafel V und VI.) 


Einleitung. 


Die an Überraschungen und Rätseln so reiche Beschäftigung mit Röntgenstrahlen hat 
eine betrübende Schattenseite in der Röntgendermatitis der Radiologen. Diese besitzt 
ein ebenso grosses praktisches wie wissenschaftliches Interesse. Wer je Gelegenheit hatte, als 
Dermatologe zur Beobachtung und Behandlung einer solchen Affektion hinzugezogen zu werden, 
weiss, wie schwierig die Behandlung und die Deutung ihres Symptomenkomplexes ist. Es war 
daher eine sehr richtige und zeitgemässe Idee des Herausgebers dieser Zeitschrift, die einzelnen 
Ärzte, welche an sich selbst Erfahrungen über Röntgendermatitis gemacht haben, zu privaten 
Äusserungen über Pathologie und Therapie dieses Leidens zu veranlassen. Denn in der Litte- 
ratur liegen bisher wohl viele Berichte über die Folgen allzu starker, akuter Bestrablungen 
vor, aber nur sehr spärliche über die chronische Dermatitis der RadioJogen, die durch an- 
dauernde Summierung schwacher und mittelstarker Bestrahlungen allmählich erzeugt wird. 
Mir sind nur die kurzen Mitteilungen über 4 Fälle von Oudin und Radiguet einerseits, Rischer 
und Londe andererseits in der Arbeit von Oudin, Barthélémy und Darier (Monatshefte für 
prakt. Dermat. 1897, Bd. 25, S. 417) früher bekannt gewesen. Ich werde sie im folgenden 
unter Ou. und R. und R. und L. berücksichtigen. Die Berichte, welche auf Anregung von 
Herrn Dr. Albers-Schönberg bei der Redaktion dieser Zeitschrift einliefen und mir gütigst zur 
Bearbeitung übergeben wurden, beliefen sich auf zehn, für welche ich den Kollegen A. K., J., 
L., 0., R., S., Sch., Se., W. — so werde ich dieselben mit den Anfangsbuchstaben bezeichnen — 
zu herzlichem Dank verpflichtet bin. 

Sodann erhielt ich von einem Kollegen 2 kleine, dem Rücken der Finger entnommene 
Hautstückchen, die er sich exstirpieren liess, um zwei der Heilung hartnäckig widerstehende 
Rhagaden zur Heilung zu bringen. 

Endlich verdanke ich Herrn Dr. Sick Hautstücke, von 2 Carcinomfillen, die bei 
Röntgentechnikern auftraten und auf die Genesis des Carcinoms auf dem Boden der X-Derma- 
titis Licht zu werfen geeignet sind. Von dem zweiten dieser Fälle, Bauernschmid, war es mir 
auch möglich, von der durch Röntgenbestrahlung stark affizierten Arm- und Bauchhaut je ein 
Stückchen zur Untersuchung zu erhalten. 

Wenn dies ganze Material auch nicht sehr umfangreich ist, so verlohnt es sich doch 
der Mühe, auf Grund desselben die Klinik, Histopathologie und Therapie dieser Affektion 
einmal eingehender zu besprechen, als es bisher geschehen. Wenigstens hoffe ich mit dieser 
Skizze die Anregung zu geben, dass das Thatsachenmaterial von. möglichst vielen Seiten in 
Zukunft herbeigeschafft und bearbeitet wird, um die vielen Fragen, die sich jedem Beobachter 
der X-Dermatitis aufdrängen, einer Lösung näher zu bringen. 

9* 


68 Unna. 


Zeitliche Verhältnisse der X-Dermatitis. 


Der Beginn der X-Dermatitis fällt in keinem Falle mit dem Beginn der Beschäftigung 
mit Röntgenstrahlen zusammen. Zuweilen zeigen sich die ersten Symptome erheblich später. 

O. bemerkte dieselben relativ am frühesten, „einige Monate“ nachher, J. 3/, Jahr nach Beginn 
der X-Anwendung. A. konstatierte die ersten Symptome erst ein Jahr später, W. und S. erst im dritten 
Jahr, K. sogar erst 1903, obwohl er schon kurz nach Entdeckung der X-Strahlen, also wohl seit 1896, sich 
mit ihnen beschäftigte. 

In allen Fällen setzt die X-Dermatitis nicht mit einem Male stark ein, wie die akute 
X-Verbrennung, um dann in derselben Weise anzudauern, sondern beginnt mit schwachen 
Symptomen, die — unterstützt durch Ruhepausen in der Beschäftigung — zeitweise ver- 
schwinden, rezidiviert dann bei erneuter X-Wirkung in stärkerer Weise, um schliesslich nicht 
mehr aufzuhören. Es besteht dann ein Akmestadium, ein kontinuierlicher Status der X-Hände 
mit einem Symptomenkomplex, der nur unwesentliche individuelle Verschiedenheiten aufweist 
und so lange andauert, wie die schädigenden Faktoren. Wenn diese beseitigt werden, beginnt 
in allen Fällen — auch ohne Mithilfe einer einflussreichen Therapie — ein Stadium decrementi 
mit sehr langsamer Besserung vieler. aber nicht aller Symptome, von denen einige eine un- 
gemein starke Widerstandsfähigkeit gegen alle Heilfaktoren besitzen. 


Nach den Angaben von 8. dauerte das Stadium incrementi 2—3 Jahre bei ihm (1897—1900), 
das Akmestadium 2 Jahre (1900 —1902) und das Stadium decrementi seitdem (1902—1904). 


Örtliche Verhältnisse der X-Dermatitis. 


Die örtliche Ausbreitung der X-Dermatitis ist in allen Fällen die gleiche und entspricht 
ausserdem genau der Lokalisation des X-Traumas. Am meisten gefährdet ist die linke Hand, 
wenn dieselbe berufsmässig zur Demonstration und zur Prüfung der Qualität der Röhren als 
Testobjekt benutzt wird. An dieser wieder ist der den Strahlen direkt ausgesetzte Rücken der 
Hand und der Rücken der ersten beiden Fingerphalangen II—V der Ort des stärksten Traumas 
und der stärksten Entwickelung der X-Symptome. Dagegen sind in den meisten Fällen der 
in Opposition gehaltene Daumen völlig und die etwas einwärts gebogenen letzten Fingerphalange 
relativ unbeschädigt. Sodann sind in hervorragender Weise am X-Prozesse beteiligt die Finger- 
kuppen und Nagelglieder, soweit dieselben den Barıum-Platineyanür-Schirm umfassen, am 
häufigsten und stärksten die Finger Il und IlI der rechten, aber auch II und HI der linken Hand. 

In den Fällen W. und A. sind auch die beiden Daumenniigel in hervorragender Weise beteiligt 

Im Falle L. war vorübergehend auch die Hohlhandfläche schwielig verdickt unter Herabsetzung 
des Tastgefühls daselbst. 

In proximaler Richtung ist die X-Dermatitis stets begrenzt durch die Linie der Kleider- 
bedeckung, also der Kante von Ärmel und Manschetten. Diese Linie liegt mithin auf oder 
etwas oberhalb des Handgelenks. Hautentzündungen, welche über diese Grenze hinaus auf den 
Vorderarm übergreifen, sind als Komplikationen mit infektiösen, vom X-Trauma unabhängigen 
und selbständig fortkriechenden Entzündungsprozessen zu betrachten, so mit Ekzemen, Erysipelen 
und Eiterinfektionen. 


So erlebte O. ein Ekzem mit nachfolgender Furunkulose des Vorderarms. 


Atiologische Verhältnisse. 

Die Beziehung der X-Dermatitis auf das X-Trauma als zureichende Ursache ist des- 
halb eine so klare, weil nach der überemstimmenden Beobachtung aller Patienten die Loka- 
lisation der Dermatitis in In- und Extensität genau der Stärke und Ausbreitung des Traumas 
entspricht. 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 69 


A., R. und L. geben an, dass unterhalb eines goldenen Fingerringes die Haut vollständig gesund 
und der Haarwuchs erhalten geblieben war, während die Umgebung sich diffus erkrankt zeigte. 


Wo im Einzelfalle die X-Strahlen am stärksten und öftersten eingewirkt haben, bildet 
sich allmählich auch die Dermatitis in irgend einer Form am stärksten aus, wo die Strahlen 
unvollständig oder gar nicht hingelangen konnten, findet sich die schwächste Ausprägung 
der Dermatitis oder fehlt dieselbe vollständig; die Grenzen der Dermatitis und des Trauma 
decken sich. F 
Demgegenüber ist die Beziehung der zeitlichen Verhältnisse der Dermatitis auf die 
Einwirkung der X-Strahlen nicht so eindeutig und schlagend. Zwar lautet die übereinstimmende 
Angabe der Autoren, dass im Anfange die X-Symptome sich an den Händen während der 
Ruhepausen, der Ferien, regelmässig und spontan zurückbildeten; in dem Stadium der Akme 
war dieser Rückgang in der Berufspause aber weniger deutlich. Ausserdem begannen die 
X-Symptome in keinem Falle gleichzeitig mit der X-Beschäftigung, in mehreren Fällen 
erst 2—3 Jahre später. Dazu kommt, dass gerade die anfänglichen Entzündungssymptome 
mit den durch Chemikalien, photographische Entwickler, chirurgische Desinfektionsmittel und 
die chemisch wirkenden Sonnenstrahlen erzeugten Entzündungen grosse Ähnlichkeit darbieten, 
oft auf diese und gar nicht auf die X-Strahlen bezogen wurden und sicher auch während des 
ganzen Bestandes der X-Dermatitis dieselbe zweifellos verschlimmerten. | 


So giebt O. an, dass er die ersten Rötungen und Schwellungen der Haut der Hände auf die 
Berührung mit photographischen Chemikalien und antiseptischen Lösungen bezog. Ebenso führt K. diese 
Initialsymptome auf die Hantierung mit Seifenspiritus, Entwickelungs- und Fixierungsflüssigkeiten 
zurück, S. auf eine Insolation der unbehandschuhten Hände. 


Thatsächlich greifen auch die die Gesamthaut der Hände treffenden Schädlichkeiten 
der Entwickler, Desinfektion und der Insolation vorzugsweise die bei der X-Dermatitis haupt- 
sächlich befallenen Rückseiten der Hände und die Nagelglieder an. | 

Wir können daher aus der Ätiologie der X-Dermatitis das Eingreifen anderer Traumata 
als der X-Strahlen durchaus nicht ausschliessen. Teilweise bereiten dieselben, vor allem die 
Hantierung mit photographischen Entwicklern und chirurgischen Desinfizientien, den Boden 
für eine energischere Einwirkung der X-Strahlen auf die Haut: der Hände und die Nägel vor, 
teilweise verschlimmern sie im Verlauf der Krankheit die einzelnen Symptome, wirken den 
gebrauchten Heilmitteln entgegen und entfachen den spontan abnehmenden Krankheitsprozess 
‘von neuem. Wir können hiernach auf eine gewisse Analogie der Wirkung der X-Strahlen 
einerseits, der Klasse der photographischen Entwickler und der chemisch wirkenden Sonnen- 
strahlen andererseits schliessen; da sie sich in ihrer Wirkung auf die Haut summieren und 
verstärken, müssen sie ähnlicher Art sein und wir können von der bekannten Wirkung der 
letzteren auf die noch unbekannte Wirkung der X-Strahlen einen vorsichtigen Schluss ziehen. 

Da nicht alle Ärzte, die sich dem Trauma der X-Strahlen aussetzen, von der X-Derma- 
titis befallen werden und auch die Intensität des Prozesses bei den davon befallenen sich nicht 
allein durch die Stärke des jeweiligen Traumas erklärt, so müssen wir auch noch einen aller- 
dings nicht allzu bedeutenden individuellen Faktor, einen geringen Grad von Disposition zur 
X-Dermatitis voraussetzen. In dieser Beziehung wäre es interessant, in Zukunft mehr als bisher 
auf die frühere Beschaffenheit der Haut der Hände, auf die Beschaffenheit der Zirkulation, der 
Oberhaut, der Schweissfunktion und besondere Idiosynkrasien zu achten. ` 


Hierüber liegen bisher nur die Angaben von K. vor, dass seine Hände vorher immer spröde 
waren und sehr empfindlich gegen Karbòlsäure und andere Desinfizientien, und die Mitteilung von Se., 
dass er während seiner Kindheit viel an Ekzemen gelitten habe und seine X-Dermatitis eigentlich fort- 
dauernd mit Ekzem der Hände kompliziert war (Bläscheneruptionen, Nässen u. s. w.). 


70 Unna. 


Symptomatologie. 


In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle besteht der anfängliche Symptomenkomplex 
in einer Rötung und Schwellung der Haut des Handrückens und der dorsalen Fingerflächen, 
die Rötung ist von vornherein diffus durch Konfluenz. In der Kälte sehen die Flecken blau 
aus und ähneln dem Frosterythem, ein Zeichen dafür, dass die Hyperämie der Hautgefässe eine 
tiefgreifende ist. Auf Druck schwindet die Rötung vollständig; es bestehen also anfangs keine 
centralen Blutungen (wie bei Frostbeulen). 

. Die subjektiven Empfindungen sind stets gering, meist ist ein etwas lästiges Wärme- 
gefühl vorhanden. Bei stärkerem Ödem macht sich ein allgemeines Spannungsgefühl geltend. 

S. beschreibt die einzelnen geröteten Flecke seiner Hand folgendermassen: „sie sahen im Sommer 
so aus wie die Zeichnungen der kleinen Bachforellen, scharf umschrieben, gesättigt rot gefärbt, im 
Winter flossen sie dann zusammen... Die rötlichen Stellen veränderten sich in der Kälte, vor allem 
in kaltem Wasser so, dass bei erstem Blicke eine schwere Congelatio vorzuliegen schien; nach Übergang 
in das warme Zimmer oder nach Waschen mit warmem Wasser verschwand diese Erscheinung sofort — 
im Gegensatz zu den diesbezüglichen bei Frost zu konstatierenden Verschlimmerungen.* S. giebt auch 
an, dass die roten Flecke niemals den Haarbälgen entsprachen, also nicht perifolliculär angelegt waren 
und dass sie Jucken verursachten. — I. hatte nach jeder X-Aufnahme ein brennendes Gefühl in 
den Händen. 

R. und L. berichten über die subjektiven Symptome Folgendes: „Über eigentliche Schmerzen 
klagen die Patienten nicht, nur über ein Gefühl von Spannung und bisweilen verspüren sie eine 
Empfindung von Druck in den Fingerspitzen, als ob sie zu enge Handschuhe anhätten (Hyperkeratose?). 
Das Tastgefühl ist bei beiden etwas vermindert und der eine von ihnen, der im ganzen stärker erkrankt 
ist, gibt an, er erkenne an einem eigentümlichen Gefühl von Hitze in seinen Händen nicht nur, sowie 
diese von den X-Strahlen beleuchtet würden, sondern auch den jedesmaligen Stärkegrad der Strahlen 
und dieses Gefühl vermöge er von dem Stechen und Prickeln des elektrischen Stromes deutlich zu 
unterscheiden. 


Diese initialen Cirkulationsstörungen haben im allgemeinen einen recidivierenden 
Charakter, wobei die spontanen Besserungen den Ruhepausen, die Recidive der erneuten Auf- 
nalıme des Berufes entsprechen. Allmählich wird an den Prädilectionsorten Rötung und 
Schwellung stationär. 


Im Gegensatz zu allen übrigen Autoren giebt S. an, dass an seinen Handriicken die initiale 
Erscheinung in einer Pigmentierung beider Handrücken bestand, die er auf Insolation zurückführte Nur 
am Handgelenk kam es bald zur Bildung von rötlichen Flecken, die sich von hier aus über den Hand- 
rücken verbreiteten. Ebenfalls im Gegensatz zu der Mehrzahl der Autoren war die Haut niemals ge- 
schwollen, ödematös. Se. hat als erstes Symptom eine Längsstreifung der Nägel der linken Hand 
beobachtet. Auch A. konstatierte eine gewisse Gelbfiirbung der Haut und zwar besonders derjenigen 
Stellen, welche in späteren Stadien Rötung und Telangiektasien zeigten. Ödeme bemerkte A. niemals. 


Das nächstfoleende, in allen Fällen ohne Ausnahme auftretende Symptom und zugleich 
D ) D 
das bedeutsamste von allen ist die übermässige Verhornung, die Hyperkeratose. Dieselbe 
8 ’ N 
zeigt sich 
1. in diffuser Form als abnorme Beschaffenheit der Oberfläche, 
2. in circumscripter als Warzen- und Schwielenbildung und 
3. in weiterer Folge als die davon unzertrennliche Begleitung der Risse (Rhagaden). 
Was zunächst die erste, mildeste, aber auch am längsten anhaltende Hyperkeratose der 
gesamten Oberfläche der Hände betrifft, so zeigt sie sich in einer auffallenden Rauhigkeit und 
Harte. Die Haut fühlt sich pergamentartig, fest und trocken an und ist in ihrer Beweglich- 
keit und Verschieblichkeit sehr gehindert. Der über sie hingleitende Finger wird von vielen 
glasharten Unebenheiten aufgehalten, die den insensiblen, sonst nur mit der Lupe wahrnehm- 
baren, hier abnorm vergrösserten Schiippchen der Hornschicht entsprechen. Das Relief der 
8 | I 
Oberfläche ist verändert, teilweise durch grébere Furchen verstärkt, teilweise ausgeglichen. In 
9 D ’ aD 
den vertieften Furchen sammelt sich ein weisslicher Staub sich abschuppender Hornzellen. Die 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 71 


aufgehobene Falte der Haut lässt eine erhebliche Verdickung der Hornschicht erkennen; die 
letztere ist üderdies abnorm fettarm und spröde und weniger elastisch als die normale Horn- 
schicht. Besonders nach einer entfettenden Seifenwaschung zeigt sie sich durchfurcht von 
einem Netz oberflächlicher Einrisse, ähnlich wie bei gerissenen trockenen Ekzemen (Eczéma 
fendillé). Diese diffuse Hyperkeratose der Gesamtoberfläche trägt zu dem allgemeinen, durch 
die Schwellung der Haut erzeugten Spannungsgefühl bei; sie ist hier und da auch von Jucken 
begleitet, im übrigen aber nicht besonders lästig; sie bewirkt das Bedürfnis immerwährender, 
künstlicher Einfettung. 

Wesentlich unangenehmer machen sich die umschriebenen Hyperkeratosen geltend, die 
in drei verschiedenen Hauptformen auftreten 

1. als harte Warze, 

2. als Schwiele, 

3. als subunguale Hyperkeratose. 

Die warzenartigen Verdickungen stellen sich als punktförmige Exzesse der allgemeinen 
Hyperkeratose, als rauhe harte Erhebungen dar; sie sind multipel, nicht an eine bestimmte 
Örtlichkeit gebunden, und zuweilen auf Druck empfindlich, ja, ausserordentlich schmerzhaft (A.), 
wenn ihre Basis stärker entzündlich infiltriert ist. Die schwieligen Verdickungen der Horn- 
schicht finden sich an besonderen Prädilectionsstellen und stellen meistens wulstige, glatte, 
streifenförmige Verhärtungen dar. Insbesondere bevorzugen sie die Gegend des Nagelfalzes 
und die interdigitalen Falten. 


A. beobachtete dieselben an den seitlichen Hautpartien der Zeigefinger in der Gegend des 
I. Interphalangealgelenkes. W. beschreibt solche Schwielen neben den seitlichen Nagelfalzen und über 
den hinteren Nagelfalzen. S. hat Schwielen von strichförmigem Charakter, die in den Interdigitalfalten 
„quer zur Längsachse der Hand verliefen“ beobachtet, während L. an dieser Stelle nur eine stärkere 
Abschilferung beschreibt. 


Die schwieligen Verdickungen zeichnen sich durch grössere Empfindlichkeit aus. Sehr 
häufig treten bei ihnen kleine subepidermidale Abszesse auf, die schmerzhaft sind und wenn sie 
nicht frühzeitig eröffnet werden, nur schwierig zur Heilung kommen. Werden die Schwielen 
mit dem Messer oder der Feile entfernt, so hinterbleibt zuweilen eine empfindliche Hautstelle, 
auf welcher sich die Schwielen innerhalb einiger Tage von neuem bilden. 

Besonders unangenehm bemerklich machen sich die umschriebenen Hyperkeratosen des 
Nagelbettes am vorderen Nagelrande. Wegen ihrer Lage unterhalb der Nagelplatte sind sie 
durch besonders grosse Empfindlichkeit ausgezeichnet und führen, wenn unter ihnen sich 
Abszesse bilden, leicht zu eitrigen, sehr schmerzhaften Paronychien, die unter Nagelverlust heilen. 

Sämtliche Formen der Hyperkeratose führen wegen des Elastizitätsverlustes der Horn- 
schicht zu Rhagaden. Die diffuse Hornschichtverdickung bewirkt am häufigsten schmerzhafte 
Einrisse an den Fingerspitzen und in der Form von Nietnägeln im ganzen Umfange des Nagels; 
selbst die Schwielen reissen leicht in der Mitte ein und die Einrisse heilen schlecht. 


S. schreibt von seiner interdigitalen Schwielenbildung: „wurden die Finger gespreizt, dann traten 
Risse auf, die bluteten und sehr schwer heilten; infolge der sich anschliessenden Schorfbildung, teils 
spontan, teils nach dem Touchieren mit Lapis, kam es zu Wallbildung, die sich auf einen Raum von 
Kleinfingernagelgrösse erstrecken konnte. Das Jucken dieser Zone war unerträglich und durch das unaus- 
bleibliche Scheuern verschlimmerte sich der Prozess mehr und mehr.“ Bei A. traten die Rhagaden mit 
Vorliebe über den Phanlangealgelenken auf und waren trotz der energischsten Therapie hier selbst inner- 
halb Jahresfrist nicht zur Heilung zu bringen, so dass schliesslich nur durch breite Excision der Rhagade 
nebst angrenzender Hautpartie Heilung erzielt wurde. 


Obwohl die Rhagaden nur eine letzte notwendige Folgeerscheinung der Hyperkeratose 


und des Elastizitätsverlustes der Hornschicht sind, treten dieselben subjektiv — übrigens nicht 
anders wie bei den callösen und bei allen palmaren Ekzemen — als selbständige Beschwerde 


sehr in den Vordergrund. Dieses ist um so begreiflicher, als gerade die Berufstätigkeit der 


72 Unna. 


Radiologen sowohl bei der Entwickelung der Photographien wie bei der chirurgischen Desinfektion 
eigentlich eine besonders gut gepflegte und vollkommen intakte Oberhaut verlangt und andern- 
falls nur unter grossen Schmerzen und Erzeugung neuer Läsionen gehandhabt werden kann. 

Während die Symptome, die sich an den oberflächlichen Hautschichten abspielen, von 
fast allen Beobachtern ziemlich gleichlautend angegeben werden, herrscht über die der tieferen 
Hautpartien eine geringere Übereinstimmung. Hierhin gehören bie Symptome der Gefäss- 
erweiterungen, des Haarausfalls, der Nagelverkrüppelung, der Hautatrophie und der mangelnden 
Driisenfunktion. Diese Symptome bilden sich alle erst allmählich aus und treten individuell 
in sehr verschiedenem Grade in den Vordergrund. 

Die Erweiterung der kapillaren Blutvefiisse der Haut (Kapillarvaricen, Telangiektasien ) 
werden nur von vier Beobachtern erwähnt, kommen aber in mehr oder minder grosser Aus- 
breitung wohl in jedem länger bestehenden Falle von X-Dermatitis vor. Ihr Hauptgebiet ist 
der Rücken der Hand und Finger. Es sind punktförmige, unregelmässig auslaufende verästelte 
und schliesslich sternförmige, dunkelrote bis blaurote Fleckchen, die auf Glasdruck nur in ihren 
oberflächlichen Ausläufern, selten ganz verschwinden, mithin auch den tieferen Gefässschichten 
angehören. Ihrem anatomischen Charakter nach sind sie stark erweiterte venöse Kapillaren; 
die punktförmigen Centren entsprechen tief liegenden, schräg aufsteigenden grösseren Kapillaren, 
die sternförmig abgehenden Äste Teilen des oberflächlichen Gefässnetzes (bekanntlich haben 
alle Gefässe der Cutis propria kapillären Charakter). 

Auch der Ausfall der Lanugohaare wird nur von drei Autoren erwähnt und zwar in 
negativer Richtung. Allerdings kommen ja nur die bei den meisten Menschen spärlichen 
Haare des Handrückens und des Rtickens der ersten Fingerphalangen in Betracht. Es scheint 
mithin die Art der Schädigung bei der Gewerbedermatitis weniger tief zu wirken (weiche 
Röhren?), als wie sie bei der Epilation durch X-Strahlen (harte Röhren?) „erzeugt zu 
werden pflegt. 

Um so sorgfältiger werden die Verkrüppelungen der Nägel von allen Beobachtern 
beschrieben. Auch diese gehören zu den Symptomen der tiefen Hautschichten. Denn was 
heute fest geprägt in einer Deformation der Nagelplatte vorliegt, ist schon vor längerer Zeit 
tief unterhalb des Nagelwalles durch Veränderungen der Nagelmatrix erzeugt. Während die 
Hornschicht der Oberfläche sich verdickt und verhärtet, zeigt die Nagelplatte nach den über- 
einstimmenden Angaben aller Autoren Zeichen der Atrophie, Verlust des Glanzes, ausserordent- 
liche Brüchigkeit, Rauhigkeit, Dünne, Neigung zu Kinrissen und Deformationen. 

S. schreibt: „Die Nägel bekamen breite Längsstreifungen, die von der freien Kante nach der 
Basis liefen. Dabei nahm die Dicke der Nägel ab, so dass es unmöglich war, Nägel von üblicher, wenn 
auch reduzierter Länge stehen zu lassen. Sie mussten vielmehr einige Male in der Woche ad maximum 
abgeschnitten werden; sonst bogen sie sich um oder rissen längs ein. Wie sich am Fortrücken von 
differenten Stellen abschätzen liess, ging das Wachstum der Nägel an sieh nur langsam, auf alle Fälle 
langsamer als früher vor sich.“ O. sagt: „Unter den von den Strahlen am meisten getroffenen Nägeln 
besteht ebenfalls Kapillarerweiterung, so dass bei anstrengendem Gebrauch der Hände, besonders bei 
festem Zusammendrücken dieser unter die Nägel oft punktförmige Blutungen erfolgen. Entstehen sie im 
Nagelbett an der Wurzel, so wird der Nagel in seiner Kontinuität getrennt und fördert einen dort gleich 
gespaltenen oder über der Blutungsstelle so weichen Nagel, dass er dort sehr bald einreisst.* A, be- 
vbachtete ebenfalls punkt- und strichförmige subunguale Blutungen, die oft mit Spaltung der Nägel cinher- 
vingen und dadurch besonders entstellend wirkten, dass das punkt- oder strichférmig angetrocknete 
Blut extravasat erst langsam mit dem wachsenden Nagel vorrückte, mithin wochen- und monatelang zu 
sehen war. Auch Se. erwähnt das häufige Vorkommen subungualer Blutungen in Form schwarzer Punkte 
und Flecken. 

Die atrophischen Erscheinungen an der Nagelplatte sind an und für sich lästig genug 
und bilden eine stete Sorge aller Beobachter, da sie nicht bloss zur Verunstaltung der Hände 
das meiste beitragen, sondern wegen der Einrisse häufig zu Infektionen, langdauernden schmerz- 
haften Paronychien und Nagelverlust führen. Die atrophische Nagelplatte bildet zudem eine 
um so auffallendere Erscheinung, als sie gewöhnlich von hypertrophischen Produkten der Oberr 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 73 


haut umgeben ist, von Schwielen an den Nagelfalzen und abuormen Hornmassen auf dem ver- 
dickten Teil des Nagelbettes unter dem freien Nagelrande, der den letzteren abzuheben strebt. 
Dieser Kontrast ist nicht nur der X-Dermatitis; sondern vielen anderen Verunstaltungen der 
Nägel eigen, so z. B. ein häufiger Begleiter des feuchten Ekzems des Nagelgliedes. Eine 
wulstige Anschwellung der Decke des hinteren Nagelfalzes bedingt schon allein einen abnormen 
Druck auf die Nagelmatrix, die dann eine dünnere Nagelplatte produziert. Auch ‘die oft 
erwähnte Längsstreifung der verdünnten Nägel ist ein Zeichen eines schmächtigeren und 
weicheren Nagelmaterials auf der Matrix, das von den normalen Längsleisten des Nagelbettes 
stärker als gewöhnlich modelliert wird. Bei der Abheilung der X-Dermatitis tritt, wie mehr- 
fach angegeben wird, das Umgekehrte ein, die Nägel werden abnorm dick und hart, erlangen 
also später erst die hyperkeratotische Beschaffenheit der umgebenden Oberhaut; sie nehmen 
dann erst allmählich wieder ihre frühere Glätte und normalen Glanz, sehr spät erst eine tadel- 
lose Form an. á 

Ausser der erwähnten Längsfurchung beobachtete A. als eine der ersten Erscheinungen der 
Nagelveränderung eine tiefe Querfurchung des Nagels des linken Zeigefingers. 

Ein seltenes Spätsymptom scheint eine totale Hautatrophie, eine sogen. Glanzhaut 
(Liodermie) zu sein; jedenfalls hat sie ein beschränktes Vorkommen. 

K. schreibt: „An einzelnen Fingern wird die Haut auf der Streckseite glatt, glänzend rot, dünn 
wie nach der Heilung von Verbrennungen zweiten Grades. 

Eine sklerodermatische Veränderung ihrer Haut erwähnen die mir vorliegenden Be- 
richte nicht. | 

Der mangelnden Drüsenfunktion der Haut bei der X-Dermatitis wird (mit Ausnahme 
von A.) nicht gedacht, obwohl die überall hervorgehobene Trockenheit und der Mangel an 
Elastizität der Oberhaut keine andere Erklärung zulässt, als eine Lähmung der Funktion der 
Talg- und Schweissdrüsen. 


A. beobachtete beim Bergsteigen eine ausserordentlich geringe Schweissabsonderung des 
erkrankten Handrückens gegenüber dem gesunden. 


Histologie. 


Die bisherigen histologischen Untersuchungen der durch X-Strahlen veränderten Haut 
sind nicht direkt für die chronische Berufsdermatitis durch X-Strahlen zu verwerten, da das 
Material zu denselben sich zum Teil auf das Tierexperiment, zum Teil auf die am Menschen 
erzeugten akuten Schädigungen bezieht. Immerhin sind sie in mehrfacher Beziehung lehr- 
reich, indem sie uns Aufschluss geben über vieles, was an den Elementen der Haut durch 
X-Strahlen verändert werden kann und soweit diese Veränderungen mit denjenigen der chro- 
nischen Berufsdermatitis übereinstimmen, auch den Wahrscheinlichkeitsschluss zulassen, dass 
bei der letzteren ähnliche elementare Veränderungen der Gewebe den klinischen Erscheinungen 
zu Grunde liegen. 

Dahin gehört vor allem die von Darier?) beschriebene starke Hypertrophie der 
Oberhaut bei Meerschweinchen, die mit X-Strahlen behandelt waren und bei denen — zum 
Teil erst nach 2 Monaten — eine Alopecie an der bestrahlten Stelle auftrat. Darier fand 
bier die Haarfollikel bis auf kleine Reste nebst den Talgdrüsen und Haarbalgmuskeln ge- 
schwunden, dagegen das Deckepithel in allen seinen Schichten beträchtlich (10—15 fach) ver- 
dickt, die Stachelschicht auf 10—12 (statt 2—3) Zellenreihen, die Körnerschicht auf 2 (statt 1). 
Auffällig war in letzteren die enorme Anhäufung von Keratohyalin. Es wurden mithin hier 


1) Oudin, Barthélémy und Darier, Über Veränderungen an der Haut und den Eingeweiden 
nach Durchleuchtung mit X-Strahlen. Monatshefte f. p. Derm. 1897. Bd. 25. p. 417. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. VIII. | 10 


74 Unna. 


durch den Einfluss der X-Strahlen an der behaarten Haut des Rumpfes von Meerschweinchen 
Verhältnisse erzeugt, wie sie sich normalerweise an den Fersen dieser Tiere finden. 

Diese Umwandlung einer dicht behaarten, mit dünnem Deckepithel versehenen Tier- 
haut durch X-Strahlen in eine haarlose Haut mit dickem Deckepithel lässt sich gewiss in 
Parallele stellen mit der Verdickung der Hornschicht, mit den Warzen und Schwielenbildungen 
unter gleichzeitigem Haarverlust an den Handrücken der Radiologen. Dagegen geben dieselben 
Tierexperimente der französischen Forscher keinen Aufschluss über die entzündlichen Anfangs- 
symptome der Rötung und des Odems, ebensowenig über die Spätsymptome, wie der Angiektasie 
und Nagelatrophie. 

Hier werden sie zum Teil ergänzt durch die Untersuchung von Gassmann?), welche 
derselbe an zwei durch X-Strahlen erzeugten Ulcera anstellen konnte. Das eine derselben zeigte 
nur gewöhnliches Granulationsgewebe, das andere aber neben degeneriertem Kollagen eine 
eigentümliche, bisher unbeschriebene Degeneration der Gefässwandungen der Cutis und Sub- 
cutis. An Stelle des normalen kollagenen Faserwerks bestand eine dickfaserige oder trabekuläre 
Masse, deren einzelne Ballen ganz homogen und unregelmässig gequollen waren. Sie lagen 
namentlich an Stelle und in der Umgebung von Kapillaren und waren ihrer Farbenreaktion 
nach basophiles Kollagen’), da sie durch van Gieson gelb, Safranin rot, Methylenblau blau 
und durch Orcéin nicht gefärbt werden. Die Gefässalteration nennt Gassmann vakuolisierende 
Degeneration; sie kam hauptsächlich an der Intima der Blutgefässe, dann auch an der 
Muscularis der grösseren Gefiisse vor; ausserdem bestand eine Zerfaserung der elastischen 
Membranen in grossem Umfange. Durch diese Degenerationen war es zu einer verbreiteten, 
wenn auch nicht kontinuierlichen Verdickung der Gefässwände und hier und da zur Thromben- 
bildung gekommen. | 

Gassmann macht mit Recht darauf aufmerksam, dass diese Gefiissveriinderungen am 
Grunde der Röntgenulcera, die sonst unbekannt sind, wohl die Folge der X-Strahlen und ihrer- 
seits vielleicht die direkte Ursache der Ulceration sind, und dass eine Gefiissdegeneration, wie 
diese „vakuolisierende“, welche zuerst die kleinen Kapillaren der Oberfläche verödet und nur 
langsam in die Tiefe greift, wohl den schleichenden und sich allmählich vertiefenden Gang 
des Ulcerationsprozesses nach übermässiger X-Bestrahlung genügend erklären könnte, 

Dass die X-Stralilen einen solchen das Hautgewebe direkt schädigenden Einfluss aus- 
üben können, machte schon vor der ausführlicheren Untersuchung Gassmanns ein Befund 
von mir?) wahrscheinlich, der an einem bei der Sektion gewonnenen, durch mehrfache Be- 
strahlung pigmentierten Hautstücke erhoben wurde. Es zeigte sich nämlich, dass die elastischen 
Fasern dieses Hautstückes auf die gewöhnliche Weise durch saure Orcéinlésung zunächst gar 
nicht nachzuweisen waren, obwohl sie durch dieselbe stark gefärbt worden; erst eine eigene 
Entfärbung durch eine Mischung von wässeriger Orangelösung und Glyzerinäther entfärbte das 
Kollagen so, dass das in dasselbe eingewirkte Elastin zu Tage trat und sich nun als voll- 
kommen normal erwies. Diese Veränderung des kollagenen Gewebes bestand bei weiterer 
Untersuchung in einer wahrscheinlich durch die X-Strahlen bewirkten Basophilie (wie in 
einem Gassmannschen Falle), die einherging mit einer Anschwellung besonders der gröberen 
Bündel, einem vollständigen Verlust ihrer feineren, fibrillären Struktur und normalen lockigen 
Anordnung und schliesslich einer Zerklüftung derselben in unregelmässige Segmente unter 
Brüchigwerden der gesamten Cutis. Eine Erweiterung der Blutgefässkapillaren und eine vakuo- 


1) Gassmann, Zur Histologie der Röntgenuleera. Fortschr. auf d. Gebiete der Röntgen- 
strahlen. Bd. II. | 

2) Nicht Kollacin, wie Gassmann angiebt. Dazu gehört der Nachweis, dass verändertes Elastin 
in die Substanz aufgenommen ist, der wohl nur durch den gleichzeitigen Nachweis von Kollastin zu 
erbringen ist. 

3) Unna, Zur Kenntnis der lHautveränderungen nach Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen. 
Arbeiten aus Dr. Unnas Klinik 1898. Berlin, E. Grosser. 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 75 


läre Degeneration der Wandungen der grösseren Gefässe bestand in diesem Falle nicht. Da- 
gegen war im Papillarkörper um die Gefässe reichlich Pigment abgelagert. 

Unter den unliebsamen, bleibenden Veränderungen der Haut nach akuten Schädigungen 
der X-Strahlen spielen neben der Hautatrophie und der von mehreren Autoren beschriebenen 
sklerodermatischen Veränderungen die Telangiektasien ebenfalls eine Rolle Daher 
hat eine neuerdings erschienene Arbeit von Freund und Oppenheim’), welche sich haupt- 
sächlich mit diesen Gefässerweiterungen beschäftigt, auch für unsere Frage eine besondere 
Wichtigkeit. Ihr Fall betraf einen Knaben, welcher wegen Psoriasis bestrahlt war und am 
Rücken und Kopf harte Narben mit braunen und roten Flecken gesprenkelt davongetragen 
hatte. Die Autoren konstatierten an Stelle der Telangiektasien eine bedeutende Erweiterung 
präexistenter Kapillaren des oberflächlichen Go ea Die reichlich vorhandenen Pigment- 
zellen der Cutis fanden sich nicht um diese erweiterten Kapillaren angehäuft und es fehlte 
auch oberhalb dieser blutreichen Stellen das sonst vermehrte Oberhautpigment, so dass ein 
gewisser Gegensatz zwischen den Orten der Pigmentbildung und der Gefässerweiterung sich 
geltend machte. Ausserdem bestand ein reichliches Vorkommen von Mastzellen. Die Verfasser 
setzen dieses histologische Bild in Parallele mit dem eines beginnenden Xeroderma pigmen- 
tosum, einer Erkrankung, mit der diese Folgen der X-Bestrahlung ‘ja auch in klinischer Be- 
ziehung eine grosse Ähnlichkeit besitzen. Sie vermuten die Ursache dieser Gefässerweiterungen 
in einer übrigens in ihrem Fall nicht nachgewiesenen primären Erkrankung der Gefässe, durch 
welche „eine abnorme Nachgiebigkeit derselben gegen den Druck des infolge der Hyperämie 
dauernd gestauten Blutes hervorgerufen wird“. Die Annahme Kienböcks, dass die Telangi- 
ektasien durch den Zug des sich retrahierenden Bindegewebes an den durch: die Bestrahlung 
degenerierten Gefässwänden entständen, wird von Freund und Oppenheim zurückgewiesen. 
Dieselben erwähnen dann noch eine Reihe weiterer Hypothesen. Eine endarteritische Gefäss- 
veränderung könnte den arteriellen Druck herabsetzen. Wie durch eine solche Herabsetzung 
des Blutdruckes aber Kapillarerweiterungen entstehen sollen, ist nicht klar; die gewöhnliche 
Folge ist, wenn keine Venenverengerung konkurriert, das Zusammenfallen der Kapillaren.. Die 
Autoren erwähnen sodann auch eine Endophlebitis obliterans als mögliche Ursache; eine solche 
würde in der That allein schon zu einer Kapillarerweiterung führen können, ist aber bisher 
nicht in nennenswertem Grade nachgewiesen. Sie denken. endlich an die Möglichkeit einer 
Lähmung ganzer Gefässbezirke durch toxische Einflüsse, herrührend von Degenerationsvorgängen 
in den zelligen Gebilden. Neisser und Scholz haben von solchen ‚primären Gewebsschädi- 
gungen die ganze entzündliche anfängliche Hyperämie als Reaktion, mithin als eine sekundäre 
Erscheinung abgeleitet, die von anderen Autoren bisher als Ursache der Gewebsschädigungen, 
als das primum movens betrachtet würde. Eine Ulceration ist zum Zustandekommen der 
Telangiektasien nicht nötig. Die Autoren stimmen Oudin völlig bei, dass diese Gefäss- 
erweiterungen nach einer ganz oberflächlichen Einwirkung der X-Strahlen entstehen können. 
Dafür spricht. ja auch das Auftreten der Telangiektasien bei der Berufsdermatitis ohne schwere, 
tiefgehende Veränderungen der Cutis, ohne Nekrose und Ulceration, und wir müssen wegen 
der Gleichheit der Ursache und der klinischen Erscheinung doch wohl eine Wesensgleichheit 
zwischen den Gefässerweiterungen hier und dort annehmen. Dann kommt aber gerade für die 
Telangiektasien der Berufsdermatitis auch die chronische Stauung im Gefässgebiet der 
bestrahlten Haut in Betracht, auf welche Freund und Oppenheim für alle Telangiektasien 
das meiste Gewicht legen. Denn klinisch begleiten derartige Stauungen die chronische X-Derma- 
titis viel regelmässiger als die Folgezustände akuter X Verbrönnungen: Jene Autoren stellen 
wegen der begleitenden Stunde hgperamıe die mit X-Schädigungen behaftete Haut in Parallele 
mit der Haut variköser Unterschenkel und erklären aus dieser Analogie die schwierige Heil- 


1) Über bleibende Hautveränderungen nach Röntgenbestrahlung. Wiener klin. Wochenschrift. 
1904. Nr. 12. | 


10* 


76 Unna. 


barkeit der Röntgenulcera. Sie fassen die Resultate ihrer Untersuchung schliesslich dahin 
zusammen, dass die Telangiektasien wie andere dauernde Veränderungen nach X-Bestrahlung 
nicht nur von den gleichzeitig erzeugten degenerativen Prozessen, sondern ganz wesentlich von 
der ebenfalls durch die Strahlung hervorgerufenen Cirkulationsstörung abhängen. Ihre Ausbildung 
ist an den Ort der Einwirkung gebunden und sowohl von der Intensität wie Qualität des 
Traumas abhängig. Strahlungen weicher Röhren, deren Wirkungsgebiet sich vorzüglich auf 
die oberen Hautschichten erstreckt, kommen ätiologisch ganz besonders in Betracht. Die 
Telangiektasien stellen Erweiterungen oberflächlicher präexistenter Kapillaren dar; eine Neu- 
bildung von Gefässen findet nicht statt. 

Erhält somit die Theorie von Freund und Oppenheim gerade in dem klinischen 
Verhalten der chronischen Berufsdermatitis durch X-Strahlen eine Stütze, bei welcher fast 
immer Hyperämie und Odem Telangiektasien begleiten, so lässt sich doch nicht verkennen und 
tritt gerade durch die Arbeit dieser Autoren besonders deutlich hervor, dass wir über das 
Wesen desjenigen Faktors, welcher mit der Blutstauung oder mit dem entzündlichen Ödem 
zusammenwirken muss, um die Telangiektasien hervorzurufen, noch su gut wie gar nichts 
Sicheres wissen. Eine tiefe Endophlebitis obliterans, wenn sie nachgewiesen wäre, würde die 
Dilatation der oberflächlichen venösen Kapillaren wohl erklären, ist aber bisher nicht konstatiert. 
Eine arterielle Gefässwandveränderung, auch wenn sie konstant gefunden würde, sei es, dass sie 
die Arterien nachgiebiger machte oder verengerte, würde nie imstande sein, die venösen 
Kapillarvaricen zu erklären. Eine toxische periphere Ursache, erzeugt durch die X-Strahlen, 
möchte wohl die Hyperämie und das Ödem bei dem akuten Beginn und den akuten Ver- 
schlimmerungen ım Verlaufe der chronischen Berufsdermatitis zu erklären geeignet sein, aber 
doch wohl kaum die erst spät während des Vernarbungsprozesses nach akuten Schädigungen 
sich bildenden Telangiektasien und ebensowenig die bei den Radiologen noch lange nach Be- 
seitigung des Traumas auf der geschiidigten Haut des Handrückens neu sich bildenden Gefiiss- 


erweiterungen. Man wird für diese — und dann wohl für alle Capillarvaricen dieser Derma- 
tosen, übrigens nicht anders als für diejenigen in Narben, bei Sklerodermie und Xeroderma 
pigmentosum — mechanische Einwirkungen des veränderten Zwischengewebes bei ihrer Genese 


nicht ausschliessen können. Jedenfalls ist auf einen solchen durchaus möglichen Faktor in 
Zukunft mehr als bisher zu achten. 

Kurz vor Abschluss dieser Arbeit erschienen zwei einschlägige Arbeiten: ein Nachtrag 
von Gassmann'), in welcbem er den Befund von einem am Kaninchen erzeugten Röntgen- 
ulcus beschreibt und eine Arbeit von Baermann und Linser über die Wirkung der Röntgen- 
strahlen. Gassmann erwähnt zunächst, dass nach ihm auch Lion, Grouven und Scholz eine 
durch X-Strahlen hervorgerufene Vakuolisation der Gefässwände, wenn auch nicht in so hohem 
Grade ausgeprägt, beobachtet haben. Am Grunde der Ulceration der Kaninchenhaut fand 
Gassmann an den Arterien die Intima stark verdickt und in derselben eine Neubildung 
elastischer Fasern; ausserdem eine Endophlebitis und Endolymphangitis obliterans. Die glatten 
Muskelfasern zeigten Lücken, die durch Ödem hervorgebracht zu sein schienen, ob durch ein 
intercelluläres oder parenchymatöses blieb unentschieden. Noch stärkere Veränderungen zeigten 
die quergestreiften Muskeln, eine Spaltung und völlige Aufsplitterung in Längsfasern bei er- 
haltener Querstreifung, hier und da eine syncytienartige Umwandlung in kernreiche Riesenzellen. 
Die Spindelzellen des Bindegewebes waren gross und teilweise in Schaumzellen*), teilweise in 
Riesenzellen mit grosswabigem Protoplasma umgewandelt. 


va 


1) Gassmann. Histologische Befunde beim Röntgenuleus am Kaninchen. Arch. f. Dermat. u. 
Syph. 1904, Bd. 52, p. 97. 

2) Gassmann identifiziert bei dieser Gelegenheit Schaumzellen mit Plattenzellen. Hier liegt 
ein Missverständnis vor. Die Plattenzellen sind platte, feste, nur hier und da grosswabige Zellen, die 
Bausteine des primären vergänglichen Narbengewebes. Die Schaumzellen sind ödematöse Bindegewebs- 
zellen, liingliche, eylindrische, rein schaumige, zarte Gebilde. 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 77 


Baermann und Linser'), welche der Annahme einer primären Gefässschädigung und 
sekundären Gewebsschädigung huldigen und durch vielfach variierte Versuche einen direkt auf 
die Epithelien und Endotelien und auf die Zellen überhaupt gerichteten, schädigenden Einfluss 
der X-Strahlen glauben ausschliessen zu können, kommen auf Grund weiterer Versuche zu dem 
Schluss, dass auch die Blutkörperchen und das Serum selbst in den Gefässen keine nachweis- 
baren pathologischen Veränderungen erleiden. Sie erklären die Läsionen der Blutgefässe daher 
so, dass die im strömenden Blute beständig vor sich gehende Absorption der X-Strahlen mit 
einer noch nicht genauer bekannten Energieverwandlung (in elektrische Energie oder Wärme) 
verbunden ist, welche auf die zunächst gelegene Blutgefässwandung schädigend einwirkt. Diese 
in betreff der Blutgefässveränderungen gewiss bestechende (Goldstein'sche) Hypothese würde 
indessen wohl kaum die pathologischen Effekte an den den Blutgefiissen ferneren Geweben, am 
Kollagen und Oberflichenepithel, erklären und besonders nicht diejenigen, welche in einer ein, 
fachen Hyperplasie der Zellen bestehen, wie die Hypertrophie mit stärkerer Verhornung des 
Deckepithels bei der chronischen Berufsdermatitis. Die Theorie von Baermann und Linser 
passt entschieden auf die starken, akuten Schädigungen, welche zur Bildung der Röntgenulcera 
führen und bei denen das Deckepithel offenbar erst infolge einer Läsion des darunterliegenden 
Bindegewebes abgeworfen wird. In dieser Beziehung sind ihre Versuche 3. und 4. sehr lehr- 
reich, in denen auf Neisser’s Anregung bei gut granulierenden und sich gut überhornenden 
Geschwüren teils die Granulationsfläche, teils der Epithelsaum für sich bestrahlt wurde. Hierbei 
zeigte sich, dass in beiden Fällen die Überhäutung und Überhornung zunächst nicht gestört 
wurde, dass aber dort, wo die Granulationen bestrahlt waren, zwei Tage nach der Überhornung 
das schon fertige Deckepithel blasig wieder abgehoben wurde, während es dort, wo der Epithel- 
saum bestrahlt war, sich als widerstandfähig erwies. Da ja doch jedenfalls auch durch den 
schon bestehenden Epithelsaum in der Tiefe die Blutgefässe des daselbst befindlichen Granu- 
lationsgewebes bei der Bestrahlung so gut wie die der nackten Granulationen von den 
X-Strahlen getroffen wurden, so scheint mir hier nur eine Differenz des Grades vorzuliegen und 
das bekanntlich stärker durchblutete Gewebe der nackten Granulationen stärker geschädigt zu 
sein als das relativ anämische Gewebe des Epithelsaumes. Für die Ulceration durch Cutis- 
schädigung sind diese Versuche sehr lehrreich, nicht aber ausreichend, um die feineren Ver- 
änderungen der chronischen X-Dermatitis zu verstehen. 

Ehe ich nun auf meine eigenen Befunde eingehe, die ich an bestrahlter Haut gemacht 
habe, sei es mir erlaubt, die soeben referierten Daten in Bezug auf ihre histologische Bedeutung 
etwas zu beleuchten. Ich lasse dabei die eindeutige von Darier gefundene Hypertrophie des 
Deckepithels bei Seite und wende mich den in der Cutis gefundenen Veränderungen zu. Auf 
den ersten Blick scheinen dieselben ganz disparater Natur zu sein: eine Basophilie und Zer- 
klüftung des Kollagens (Unna, Gassmann), eine vakuolisierende Degeneration der Gefäss- ° 
wände, eine fibrilläre Degeneration der Muskeln und Schaumzellen (Gassmann). Bei näherer 
Überlegung aber ordnen sich diese verschiedenen Befunde sämtlich einem Grundsymptom unter; 
dem parenchymatösen, entzündlichen Ödem aller Hautbestandteile. Beginnen wir 
mit den Schaumzellen, so haben meine Untersuchungen und die meiner Schüler Ve ver- 
breitetes Vorkommen bei entzündlichen Ödemen aller Art ergeben (Granulationsgewebe, Milz- 
brandödem, erweichtes Rhinoskleromgewebe, Rhinophym u. s. w.). Sie sind, wo sie vorkommen, 
das Wahrzeichen eines allgemeinen parenchymatösen Ödems, das sich hier speziell in den 
gewöhnlichen Spindelzellen, seltener in den Plasmazellen des Bindegewebes lokalisiert hat, 
Es ist nun im hohen Grad wahrscheinlich und geht geradezu aus der Darstellung Gass- 
manns hervor, dass die von ihm gefundenen Vakuolisierungen der Gefässintima und der 
Muskeln ebenfalls nur Symptome eines parenchymatösen Odems dieser Gewebsbestandteile 


1) G. Baermann und P. Linser. Über die lokale und allgemeine Wirkung der Röntgen- 
strahlen. München med. Woch. 1904, Nr. 23. 


78 Unna. 


sind. Geeignete Färbungen würden die grosswabige Struktur derselben vielleicht noch 
besser hervortreten lassen. Dass die von mir beschriebene Anschwellung und Zerklüftung 
der kollagenen Bündel und Balken in Längssegmente und die von Gassmann gefundene 
fibrilläre Aufsplitterung der quergestreiften Muskeln auch auf ein starkes Odem dieser 
Teile zurückzuführen ist, erscheint selbstverständlich. Aber auch die tinktorielle Ver- 
änderung, die Basophilie des Kollagens, besagt nichts anderes. Denn ich habe kürzlich nach- 
gewiesen, dass man durch schwache (physiologische) Kochsalzlösung und ebenso durch Serum 
aus den Zellen das basophile Granoplasma (ein Paranukleoproteid) mit Leichtigkeit auswaschen 
kann und dass dieses zunächst in gelöstem Zustande das die Zellen umgebende Kollagen 
imbibiert und auf diese Weise künstlich basophil macht. Mit jedem entzündlichen Ödem wird 
daher zu einer gewissen Zeit eine Auswaschung des Granoplasmas aus den Zellen, eine Schaum- 
zellenbildung, eine Vakuolisierung gleichzeitig mit einer Basophilie des umliegenden Kollagens 
statthaben können. Ein parenchymatöses Odem des Kollagens endlich würde auch vielleicht 
die „sklerodermieähnliche“ Beschaffenheit der Haut erklären, die von vielen Beobachtern 
(Balzer und Mouseaux, Barthelemy, Hallopeau und Gadeau, Oudin, Behrend, 
Salomon)') als Folge der Röntgenbestrahlung beobachtet ist. Ein andauerndes Ödem aller 
Gewebsteile verträgt sich natürlich auch sehr gut mit dem schliesslichen Eintritt einer gesamten 
Hautatrophie, ja sie leitet auf das einfachste in eine solche über. 

Wir müssen nach allen diesen Betrachtungen, wenn die Voraussetzung richtig ist, dass 
der chronischen Berufsdermatitis ähnliche elementare Veränderungen der Gewebe zu Grunde 
Jiegen, wie den durch akute Einwirkung von X-Strahlen erzeugten Traumen, annehmen, dass 
das entzündliche Odem, welches in fast allen Fällen mit der anfänglichen Hyperämie zusammen 
die Berufsdermatitis einleitet, nicht bloss ein interstitielles, sondern wenigstens teilweise ein 
parenchymatöses, also ernsteres ist, das vielleicht die Grundlage aller weiteren schweren Ver- 
änderungen bildet. Jedenfalls haben wir auf derartige Erscheinungen besonders zu achten. 

Die beiden vom Rücken zweier Finger stammenden, in toto exstirpierten Rhagaden des 
Kollegen A. liefern histologisch zwei sehr ähnliche Bilder, die verschieden weit, aber in der- 
selben Richtung gehende Veränderungen aufweisen. 


Präparat I (Fig. D: 

Das gesamte Deckepithel ist derartig hypertrophisch, dass es den Eindruek macht, als ob das 
Hautstück von der palma stammte. Hornschicht, Körnerschicht und Stachelschicht sind stark verbreitert; 
die Stachelzellen haben an Volumen bedeutend zugenommen und zeigen die normalen Farbenreaktionen. 
Diese einfache Hypertrophie der Oberhaut bezieht sich aber nur auf den grössten Teil, nämlich die 
beiden Seiten des Schnittes. In der Mitte, der Rhagade entsprechend, sind erhebliche weitere Verände- 
rungen vorhanden. Das Deckepithel ist hier, etwa der Breite von 7 Papillen entsprechend, von oben und 
von unten her verdünnt. Oben fehlt die dicke Hornschicht der Nachbarschaft, die durch eine dünne, 
sich stark färbende Kruste ersetzt ist, unten ist die Stachelschicht erheblich verdünnt und ausserdem 
stark porös, von weitklaffenden Lymphspalten durchsetzt. Diesem interstitiellen Ödem entsprechend fehlt 
auch die Körnerschicht an dieser Stelle. line Leukocytenauswanderung fehlt gänzlich, das Exsudat ist 
cin rein seröses. Die Cutis zeigt ein leichtes, hauptsächlich um die Blutgefiisse lokalisiertes interstitielles 
Ödem; demgemiiss sind die kollagenen Bündel und ebenso die elastischen Fasern feiner als normal; 
erstere färben sich mit Orcein stark, letztere mit angesäuerter Orceinlösung schwach. Die ganze Textur 
der Cutis hat an Festigkeit abgenommen; sie ist abnorm brüchig und zerfällt an den Schnitten auf- 
fallend leicht. Der Rhagade entsprechend weist aber die Mitte des Schnittes noch weitere Veränderungen 
auf. Der hier sehr ödematöse Papillenkörper ist von einem breiten Lager von Plasmazellen ausgefüllt, 
welcher die Rhagade schalenartig umgiebt. Zu uuterst und an den Seiten finden sich sehr grosse, schön 
ausgebildete Plasmazellen; ebensolche durchziehen strangartig die Zellenneubildung, deren mittlere Teile 
von atrophischen Plasmazellen eingenommen werden. Weite Blut- und Lymphkapillaren und stark 
erweiterte Lymphspalten durchsetzen das Plasmon; von einer Leukocytenemigration ist in derselben nichts 
wahrzunehmen. Die Mastzellen scheinen an Zahl etwas vermehrt zu sein. An den Knäueldrüsen und 
den tiefen grösseren Gefässen sind Veränderungen nicht nachzuweisen. 


'y s. Freund und Oppenheim, L eit. 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 79 


Präparat II (Figur 2). 

Dieses Präparat weist dieselbe allgemeine Hypertrophie des Deckepithels auf wie Präparat I 
mit einer analogen aber geringen Verschmächtigung des Epithels in der Mitte, der Rhagade entsprechend. 
An dieser Stelle ist die Hornschicht stellenweise noch erhalten und das Ödem der Stachelschicht geringer. 
Ebenso ist das Ödem der Cutis schwächer ausgeprägt und die plasmomatöse Wucherung, welche auch 
hier die Rhagade umgiebt, weniger umfangreich. Was aber dieses Präparat vor dem ersten auszeichnet 
und ihm eine ernstere Bedeutung verleiht, ist eine atypische Epithelwucherung von walzenförmigem 
Habitus am Grunde der Stachelschicht, der Beginn einer carcinomatösen Wucherung. Dieselbe dringt in 


die bindegewebige Zellenwucherung, welche den Grund der Rhagade umgiebt, ein, aber nicht über die- 
selbe hinaus. | 


Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die sich an diesen Präparaten vom Rücken 
der Hand kundgebende Epithelhypertrophie mit besonders starker Verdickung der Hornschicht, 
als Paradigma für die allgemein bei der chronischen X-Dermatitis vorhandene Verdickung 
des Deckepithels dienen kann und andererseits genau denjenigen Veränderungen entspricht, 
die Darier an bestrahlter Kaninchenhaut gefunden hat. Zugleich haben wir in diesem Bilde 
eine Darstellung der Schwielen, von denen die Radiologen belästigt werden; denn diese sind 
nichts als eine bis ins Extrem getriebene Hyperkeratose derselben Art. Die gefürchteten Ein- 
risse derselben, die so schwer zur Heilung zu bringen sind, werden an diesen Präparaten 
charakterisiert nicht nur, wie man vermuten möchte, durch oberflächliche Defekte der Horn- 
und Stachelschicht und Krustenbildung, sondern durch unerwartet tiefgehende Veränderungen 
der Cutis und Oberhaut. Das allgemeine leichte Ödem der Cutis steigert sich hier zu einem 
erheblichen des: Papillarkörpers und zur Ausbildung einer dichten plasmomatösen Zellen- 
neubildung, wie wir sie sonst nur in der Umgebung infektiöser Geschwüre (z. B. Ulcus molle) 
und bösartigen Neubildungen (z. B. Carcinom), treffen und die begleitende. seröse Exsudation 
wirkt offenbar rückbildend auf die vorangehende Hypertrophie der Stachelschicht an dieser 
Stelle. Wenn diese Befunde uns einerseits eine Erklärung für die auffallend schwere Heilbar- 
keit der Rhagaden zu geben vermögen, so leiten sie anderseits direkt zu dem im zweiten 
Präparat vorliegendem prognostisch noch ungünstigeren Symptom einer atypischen Epithel- 
wucherung am Grunde der Rhagade über. Schon die Möglichkeit des Beginnes solcher echt 
carcinomatöser Wucherungen rechtfertigt die Exstirpation einer jeden Rhagade, die der Heilung 
besonders starken Widerstand leistet. Mit dieser Epithelwucherung führt Präparat II uns 
ohne weiteres über zu den beiden Carcinomen auf dem Boden der chronischen X-Dermatitis, 
welche ich Herrn Dr. Sick verdanke. 


Präparat IIT (Fig. 3): 

Hier überlagert stark verdicktes Deckepithel ein Cutisgewebe, dessen grobfascrige, parallel- 
geschichtete, zellenarme Kollagenbündel an älteres Narbengewebe erinnern. Für eine partielle Neubildung 
dieses Cutisgewebes, d. h. für eine vorhergehende vernarbte Ulceration spricht auch das streckenweis 
vollkommene Fehlen des Elastins, während darunter und seitlich das elastische Netz sich gut erhalten 
vorfindet. Die oberflächliche Partie der Cutis ist von einer mässig dichten plasmomatösen Neubildung 
durchsetzt, welche nach der Oberfläche zu überall an das Carcinom angrenzt. Dieses, die Mitte des 
Präparats einnehmend, entwickelt sich ganz allmählich aus dem hypertrophischen Deckepithel, welches 
an beiden Seitenteilen des Schnittes ansteht und sich hier in nichts von der Oberhauthypertrophie der 
Präparate I und II unterscheidet. Zuerst fällt es auf, dass sich in der stark verbreiterten Stachelschicht, 
besonders oberhalb einzelner Papillen, eine Reihe von kugelig angeschwollenen, stark vergrösserten 
Stachelzellen findet, die im Innern eine endogen erzeugte Zellenbrut, 4—8 und mehr gegeneinander mit 
Facetten abgeplattete junge Epithelien beherbergen. Ein weiteres krebsiges Symptom ist die Unter- 
brechung der pallisadenartig festen Basallage der Stachelschicht durch einzelne loser gefügte Zellkomplexe 
kubischer und kugeliger Epithelien, die sich selbständig in die darunter liegende sehr blutreiche, von 
Plasmazellen durchsetzte Cutis vorschieben. Sodann erweitern sich an vielen Stellen die Lymphspalten 
zu einem breiten, die Epithelleisten im Innern durchziehenden Netze, wodurch das Gefüge derselben 
stark gelockert wird. Vielerwärts ist diese Trennung der Epithelien unmittelbar über der basalen Lage 
auf weite Strecken erfolgt, so dass dann diese Leisten einem mit schönem kubischen Epithel aus- 
gekleideten, im Innern einen losen Epithelbrei beherbergenden Sacke gleichen. Nach der Oberfläche zu 
sind fast alle Epithelleisten von solchen losen Zellkomplexen bedeckt; eine verhornte Lage existiert 


SO Unna. 


nirgends mehr. Am Grunde dieser gewucherten Epithelleisten vollenden cine Anzahl atypischer, meist 
walzenförmig in die Cutis vordringender Epithelfortsätze das Bild des typisch ausgebildeten Hautkrebses. 


Zur Vervollständigung dieser für die chronische X-Dermatitis charakteristischen 
Sequenz: Epithelhypertrophie, Rhagadenbildung, Carcinom, diene das Präparat IV, welches ich 
ebenfalls Herrn Dr. Sick verdanke und welches von dem Falle Bauernschmidt stammt, dem 
wegen ausgebreiteten Carcinoms der Arm amputiert werden musste. 

Präparat IV (Fig. 4): 

Die Fig. 4 zeigt ein Stück vom Rande der Krebswucherung. Über diese selbst kann ich an 
dieser Stelle hinweggehen und mich mit dem Hinweis auf die Figur begnügen. Wichtiger für das vor- 
liegende Thema ist die Frage, wie sich die so lange den X-Strahlen ausgesetzte Haut des Armes verhält, 
welche das Terrain für die Carcinombildung hergegeben hat. Soweit dieselbe mir vorliegt — und ich 
hatte Gelegenheit, nicht weniger als 24 verschiedene Stücke vom amputierten Arm zu untersuchen — 
handelt es sich lediglich um ein chronisches Ödem mit Aufsplitterung der kollagenen Balken, Aufhebung 
der straffen Textur des kollagenen und elastischen Gewebes, Erweiterung der Blut- und Lymphkapillaren, 
leichter Vermehrung und Abrundung der Bindegewebszellen. Hin und wieder gesellt sich dazu, wie auch 
in dem vorliegenden Präparate, eine punktförmige oder auf weitere Strecken ausgedehnte Erweiterung 
der Lymphspalten der Oberhaut. Alle diese leichten Veränderungen, welche nicht zum Bilde des Car- 
cinoms an sich gehören und offenbar als Folgen der langjährigen Bestrahlung anzuschen sind, zeigt auch 
hier die Umgebung des Carcinoms. Dagegen konnte ich von einer Basophilie und weitergehenden Dege- 
neration des Bindegewebes und der Muskeln und besonders von einer vakuolisierenden Entartung der 
subkutanen grossen Gefässe (Gassmann) nichts wahrnehmen. Besonders auffallend war in dem so aus- 
gedehnten und lange bestehenden ödematösen Gewebe der Mangel an Schaumzellen; es entspricht das 
aber der allgemeinen Erfahrung, dass die Schaumzellen wohl ein chronisches Ödem beweisen, aber nicht 
jedes chronische Odem zur Schaumzellenbildung führt. 


Fassen wir die bisherigen Präparate mit ihren Resultaten für die chronische X-Derma- 
titis kurz zusammen, so beweisen sie, dass eine tiefgreifende und ausgedehnte Gefässerkrankung, 
wie sie wahrscheinlich gewissen akuten X-Schädigungen zu Grunde liegt, so wenig existiert 
wie ein erhebliches parenchymatöses Ödem. In seinen Anfüngen mag es ja hier und da auch 
bei der chronischen X-Dermatitis konkurrieren, für die Erklärung der hochgradigen Ver- 
änderungen der Hände der Radiologen kann sie nicht in Betracht kommen. Auf der anderen 
Seite haben dieselben Präparate in vollkommen genügender Weise die histologische Grundlage 
für die folgenden klinischen Symptome der chronischen X-Dermatitis erkennen lassen: die 
Hypertrophie des gesamten Deckepithels, die Hyperkeratose und Schwielen- 
bildung, die Rhagadenbildung mit sekundärer carcinomatöser Entartung, das als 
leichte Schwellung sich äussernde chronische, interstitielle Ödem. Unter den mir 
überwiesenen Präparaten ist nur ein einziges, welches die von Gassmann bei Röntgenulcera 
gefundene vakuolisierende Arteritis aufweist. Ich will es daher hier anhangsweise erwähnen, 
obwohl es sonst für unseren Zweck nicht zu verwerten ist. Unter den mir von Herrn Dr. Sick 
freundlichst zur Verfügung gestellten Präparaten befand sich auch ein mit X-Strahlen behandelter, 
nicht geheilter und deshalb schliesslich exstirpierter Lupus. 

Präparat V (Fig. 14): 

Hier findet sich die Haut von einem typischen Lupus circumscriptus mit schr zahlreichen 
Riesenzellen eingenommen. Im IIypoderm sind einige grössere Gefässe quer getroffen und darunter eine 
Arterie, welche wohl die von Gassmann so genannte vakuolisierende Degeneration aufweist. Die Figur 
zeigt nur dieses Gefäss: die Ringmuskulatur der Media wird durch auffallend weite Spalten unter- 


brochen; dieselben enthielten ausser klaffenden Lymphräumen ödematöse Bindegewebszellen, aber keine 
Schaumzellen. 


Zum Verständnis des klinischen Bildes der chronischen X-Dermatitis fehlt aber nach 
Untersuchung des bisher besprochenen Materiales noch recht viel; die Warzenbildung, das 
scheckige, rot und weiss gesprenkelte Aussehen, welches für die Haut der Radiologen so 
charakteristisch ist, gerade diese wichtigsten Symptome harren noch der Erklärung. Es war 
daher von nicht geringem Werte für mich, dass ich gelegentlich der Behandlung des Falles 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 81 


Bauernschmidt ın den Besitz zweier Hautstückchen gelangte, welche sehr charakteristischen: 
Hautstellen entnommen waren. Dieselben stammten vom linken Arm und Bauch, sahen rot 
und weiss gesprenkelt aus und waren teils glatt, teils mit kleinen warzenähnlichen, sehr harten 
und rauhen Schuppenhügeln bedeckt. Da es sich bei diesen Präparaten zum Teil um feine, 
nicht leicht zu beurteilende Veränderungen handelte, verschaffte ich mir Kontrollpräparate von 
den Leichen zweier ebenso alten, 31 jährigen Individuen. Die Stücke wurden genau denselben 
Gegenden (Arm, Bauch) entnommen, ebenso behandelt und gefärbt. Ich bilde zum Vergleich 
je ein Kontrollpräparat neben dem der X-Haut ab. 


Präparat VI (Fig. 6 und 7; 10 und 11): 

Wie das Kontrollpräparat Fig. 6 zeigt, ist die Oberhaut des gesunden Armes ziemlich dünn. 
Trotzdem ist das unverhornte Deckepithel an der X-Haut (Fig. 7) zweifellos noch dünner, also sicher 
atrophisch, das Leistensystem fast zur ebenen Fläche ausgeglichen und der Papillarkörper demgemäss 
ebenfalls reduziert und weniger kernreich als der normale. Dem gegenüber ist die Hornschicht relativ 
stark verdickt, etwa von derselben Dicke wie die Stachelschicht. Sie ist stark gedehnt und blättert in 
dünnen, grossen Lamellen ab. Noch grössere Veränderungen zeigen die Haarfollikel und Drüsen- 
apparate. Das Kontrollpräparat Fig. 6 zeigt gut entwickelte Lanugohaare, ziemlich grosse Talgdrüsen 
und grosse, sehr gut entwickelte Knäueldrüsen. An der X-Haut sind die Follikel atrophisch oder ganz 
geschwunden, die Talgdrüsen fehlen vollständig, die Knäueldrüsen sind vorhanden, aber im Umfange 
sehr reduziert. Im Zusammenhange damit ist auch das Fettgewebe stark atrophisch. 

In scharfem Gegensatze zur Atrophie der Oberhautanhänge stehen die Musculi arrectores. Sie 
sind an der normalen Haut gut ausgebildet, aber dünn und regelmässig als ein schlankes Bündel über 
den stumpfen Winkel des Lanugohaares hingespannt. In der X-Haut sind die Muskeln stark verbreitert. 
Hierdurch und weil sie an den atrophischen Haarbälgen keinen Halt mehr finden und daher unregel- 
mässig, zum Teil senkrecht in der Haut gelagert sind, bilden sie einen hervorragenden Bestandteil der 
X-Haut, der auf den ersten Blick als etwas Besonderes auffällt. Bekanntlich bilden elastische Fasern 
die Sehnen der schrägen, glatten Hautmuskeln und mittels derselben sind die Hautmuskeln mit dem 
gesamten elastischen Netz der Cutis verbunden. Es ist daher auch nicht auffallend, dass den stark 
hypertrophischen Muskeln ebenso starke elastische Sehnen entsprechen. Dieselben scheinen aber nicht 
aus neugebildeten elastischen Fasern zu bestehen, sondern aus zusammengeschobenen Teilen des alten 
elastischen Netzes. Die vergrösserten Muskeln haben an einem grösseren Teil des letzteren Halt gefunden 
und denselben in ihre Richtung verzogen, so dass die nächste Nachbarschaft relativ elastinarm ist. Das 
elastische Netz der Cutis hat an Faserreichtum und Dicke der Fasern erheblich abgenommen (Fig. 11). 
Verglichen mit der gesunden Haut, in welcher das Elastinnetz nicht bloss reich, sondern auch gleich- 
mässig gut entwickelt ist (Fig. 10), fällt an der X-Haut die ungleichmässige Verteilung des Elastins auf. 
Insbesondere an der Oberfläche, unmittelbar unterhalb des Papillarkörpers, findet sich eine Schicht dicht 
gedrängter, elastischer Fasern, so dass hier ein ähnliches Bild, wie wir es von der normalen Gesichtshaut 
kennen, erzeugt wird. Offenbar hängt die Zusammendrängung des Elastins an dieser Stelle zusammen 
mit dem Schwunde des Kollagens an der Oberfläche der Cutis. Dass die kollagene Substanz am meisten 
im Papillarkörper und der benachbarten Schicht der Cutis, dann aber in der ganzen Dicke der Cutis 
mehr oder weniger atrophisch ist (Fig. 7), ersieht man erst mit Deutlichkeit bei einem Vergleich mit 
dem Kollagen des gesunden Hautstückes (Fig. 6). Die kollagenen Bündel sind dünner, lockerer verwebt 
und verlaufen viel unregelmässiger. Sie sind gleichzeitig etwas basophiler (hier blauer) als normal, was 
sich aus ihrer stärkeren Fixation des Methylenazurs bei der n. Orcein- pol. Methylenblaufärbung ergiebt. 
Was nun endlich die Blutgefässe betrifft, so ist von einer Wandveränderung nichts zu merken, über den 
Blutgehalt bei der Excision giebt das in Alkohol fixierte Stück keine Auskunft. 

Präparat VII (Fig. 8 und 9; 12 und 33): 

In letzterer Beziehung spricht das in Formol fixierte Stück der Bauchhaut eine deutlichere 
Sprache. Der ziemlich lange Schnitt (Fig. 9) hat links eine rote, rechts eine weisse Hautstelle getroffen. 
Dementsprechend sind die oberflächlichen Blutkapillaren am linken Ende des Schnittes beträchtlich 
erweitert und mit Blut überfüllt, an dem rechten Ende zusammengefallen und eng wie an der normalen 
Kontrollhaut (Fig. 8). An der unteren Partie links (Fig. 9) sieht man eine erweiterte, blutüberfüllte 
Arterie verlaufen, zum Zeichen, dass die Blutstauung nicht bloss den venösen Teil des Gefissbaums 
ausgedehnt hat. Im übrigen liegen die Verhältnisse fast genau so wie bei dem Stücke der Armhaut 
(Fig. 7). Auch hier fallen besonders die stark hypertrophischen glatten Muskeln ins Auge, und es ist 
nicht schwer, in ihnen viele helle, kreisrunde und längliche Hohlräume wahrzunehmen, die vielleicht mit 
der „vakuolisierenden Degeneration von Gassmann zu identifizieren sein dürften, wobei jedoch zu 
bemerken ist, dass diese Muskeln nicht gerade den Eindruck degenerierender machen. Ein Umstand in 
Bezug auf die Lagerung der Muskeln ist noch bemerkenswert. Hier, wo die Lage der blutüberfüllten 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 11 


82 Unna. 


Kapillaren der Oberfläche mit der der Muskeln verglichen werden kann, zeigt sich an fast sämtlichen 
Schnitten, dass die Örter dieser beiden, in der atrophischen Haut am meisten Raum einnehmenden 
Elemente nicht zusammenfallen, sondern ziemlich regelmässig abwechseln. So liegen hier die dicksten 
Muskelbündel gerade rechts an den „weissen“, blutarmen Stellen der oberen Cutislage. Über das Elastin 
ist dasselbe zu sagen wie bei Präparat VI. Es hat an Zahl und Dicke der Fasern abgenommen und ist 
ausserdem unregelmässig zusammengeschoben, entsprechend der Hypertrophie der Muskeln und Atrophie 
des kollagenen Gewebes und häuft sich auch hier nahe der Oberfläche in einer zu dieser parallelen, 
horizontalen dichten Lage an (Fig. 13, verglichen mit Fig. 12). Das Kollagen ist nicht leicht basophil 
wie in Präparat VI (Fig. 7), sondern färbt sich bei der n. Orcein- pol. Methylenblau-Methode ganz normal 
orceinrot. Wie schon oben bemerkt, ist die Basophilie kein primäres, konstantes Symptom, sondern 
abhängig von der zur Zeit stattfindenden Granolyse (Auflösung des Granoplasmas der Zellen) und Chro- 
matolyse (Auflösung des Chromatins der Kerne), und Vorhandensein sowie Nichtvorhandensein dieses 
wechselnden Phänomens bedingt keinen Rückschluss auf die Beschaflenheit des Kollagens an sich. Die 
kollagenen Bündel haben an Dicke und festem Zusammenhang abgenommen; sie sind lockerer gefügt 
und durch die sich breit machenden Muskeln und Blutgefässe aus der Lage gebracht. Die Knäueldrüsen 
(Fig. 9) sind in Vergleich mit der normalen Bauchhaut (Fig. 8) wesentlich verkleinert und abgeplattet 
und die mit ihnen dort zusammenhiingenden Fetttriiubchen atrophisch. Die schon auf der normalen 
Bauchhaut spärlichen Haarbälge sind mit den Talgdrüsen vollkommen verschwunden. Das Deckepithel 
ist, verglichen mit der Norm, atrophisch, ebenso der Papillarkörper, der fast zur ebenen Fläche aus- 
geglichen ist. Gegenüber der wesentlichen Verschmälerung der Stachelschicht und dem Mangel jeder 
Körnerschicht tritt jedoch als ein neues Symptom das Vorhandensein kleiner, hauthornähnlicher Horn- 
plättchen hervor, zu denen dic im ganzen verdickte Hornschicht streckenweise aufgeschichtet ist. Hier 
haben wir die histologische Grundlage der vielen warzen- und stachelähnlichen Rauhigkeiten der X-Haut. 
Es sind einfach Stellen, an denen die Hornzellen besonders fest zusammenhalten und dadurch, ohne ihre 
Struktur zu ändern, bis zur 6- und mehrfachen Höhe aufgeschichtet sich erhalten. Diese kleinen Horn- 
platten sind also mit den gewöhnlichen harten Warzen ihrer Struktur nach nicht zu vergleichen, viel 
eher noch mit den senilen Warzen, jenen dunklen bis schwarzen, platten, rauhen, hornigen Mälern alter 
Leute; auch mit den Ilornkegeln der Ichthyosis serpentina sind diese Ilornplättchen in Parallele zu 
stellen. Von den oben besprochenen Schwielen der X-Haut unterscheiden sie sich dadurch, dass sie 
einer atrophischen Stachelschicht, jene einer hypertrophischen Stachel- und Körnerschicht aufsitzen, dass 
sie sich ferner scharfkantig, treppenförmig von der umgebenden Hornschicht abheben, während jene sich 
unmerklich und glatt in die umgebende Hornschicht verlieren. Im übrigen bestehen sie, wie jene, aus 
kernloser und exsudatfreier Hornschicht. 


Präparat VIII: 

Anhangsweise sei endlich noch ein Präparat desselben Falles Bauernschmidt erwähnt, das ich 
von einer hart anzufühlenden Geschwulst der rechten Backe gewann. Diese, nahezu markstückgross, 
erhob sich steil über das Niveau der Umgebung und trug auf der oberen, flachen Seite eine dicke braune, 
durchscheinende Kruste. In der Idee, dass sich hier auf der durch die X-Strahlen stark veränderten, 
scheckig braun und roten Gesichtshaut ein Karzinom entwickle, wurde dieselbe abgetragen und erwies 
sich nun als ein Fibrosarkom. Fig. 5 giebt eine Anschauung von der Struktur desselben. Durch Ein- 
lagerung grosser, meist vielkerniger, mit vielen Ausläufern verschener Spindelzellen (Spiunenzellen) in die 
Cutis, schwillt diese am Umfang des Tumors ziemlich plötzlich stark an. Zugleich schwindet das 
Elastin gänzlich, und das neu sich bildende Kollagen ist schwächer orceinophil als das der gesunden Um- 
gebung. Die gleichmässig von kollagener Substanz durchsetzten Zellenlagen sind meistens wirbelartig 
gedreht um ein erweitertes Blutgefäss als Achse, und diese einzelnen wirbelförmigen Zellterritorien ordnen 
sich an der Peripherie des Tumors zu einem regelmässigen im Zentrum, nach der Oberfläche ziemlich 
unregelmiissig werdenden Mosaik. Die über die Geschwulst hinwegzichende Stachelschicht ist verdickt 
und zu einem breiten gleichmässigen Lager ohne Leisteneinsenkungen ausgedehnt. Anstatt einer regel- 
mässigen Verhornung findet sich auf der Oberfläche cine ausgesprochene Parakeratose und Spongiose 
und dem entsprechend eine breite teils seröse, teils serofibrinöse, stellenweise auch leukoseröse Kruste, 
welche grosse Morokokkendrusen einschlicsst. Die über der Geschwulst gebildete Kruste war mithin eine 
Ekzemkruste. | 

In diesem auf der X-Haut entstandenen Fibrosarkom haben wir ein Analogon aus der Reihe 
der Bindegewebsgeschwülste zu dem auf Grund der Epithelhypertrophie der X-Haut entstehenden 
Carcinom. 


Die Präparate VI und VII des Falles Bauernschmidt geben die gewünschte Aufklärung 
über das eigentümlich scheckige Aussehen der X-Haut und die warzen- und stachelartigen 
Protuberanzen der Oberfläche. Vor allem weisen sie die Erklärungen ab, welche für die akuten 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 83 


Röntgenschädigungen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf Grund einzelner pathologischer 
Befunde an den tiefen Gefässen aufgestellt wurden. Derartige Veränderungen an den grösseren 
Blutgefiissen des Hypoderms und der unteren Cutisgrenze finden sich an meinen Präparaten 
nicht. Das Präparat VII, welches nicht bloss die tiefen Venen, sondern auch die tiefen Arterien 
der Haut blutüberfüllt und erweitert, aber in den Wandungen unverändert zeigt, also gerade so 
verändert wie die Kapillaren der Oberfläche, lässt keine andere Erklärung zu, als dass die 
X-Strahlen auf das gesamte Blutgefässsystem der Haut einen blutanlockenden, 
richtenden Einfluss üben analog der chemotaktischen Wirkung des blauen Spektrum- 
endes auf das Pigment der Haut. Die roten, blutüberfüllten Stellen der Haut, die lange den 
X-Strahlen ausgesetzt war, entsprächen somit den pigmentierten Stellen der sonnverbrannten 
Haut oder der Haut bei Xeroderma pigmentosum. Durch diese Annahme wird verständlich, 
wieso in der Haut eine sich gleichmässig auf Arterien und Venen erstreckende Blutstauung 
zustande kommen kann; es ist eine Blutstauung analog der Saugwirkung des Schröpfkopfes. 
Unter dieser Annahme bedürfen also nur die weissen Hautstellen einer besonderen Deutung, 
und diese ergiebt sich, wie ich glaube, aus der durch die Atrophie des Kollagens und 
Elastins und der sämtlichen Oberhautanhänge in der Cutis hervorgerufenen Ver- 
schiebung der Druck- und Spannungsverhältnisse. Normalerweise sind die Haar- 
follikel und Knäueldrüsen in der Cutis ausser dem Papillarkörper die Orte grössten Blutreich- 
tums. Diese Elemente der Haut unterliegen gerade alle einer langsamen Atrophie Dadurch 
würde eine gleichmässigere Verteilung der Blutmenge und unter der Annahme einer radio- 
taktischen Wirkung auf die Blutmasse eine gleichmässige, stärkere Verteilung an den Ober- 
flächen der Cutis herbeigeführt werden. Nun sind bei der allgemeinen Atrophie der Inter- 
cellularsubstanzen die Muskeln in auffallender Weise verdickt und bilden, eingelassen in das 
Netz der elastischen Fasern, die Mittelpunkte der Kräfte, welche die neue Spannung innerhalb 
der Cutis widerstandslos beherrschen. Von diesem Gesichtspunkt aus scheint mir das in meinem 
Präparate VII fast überall hervortretende gegenseitige Ausschlussverhältnis zwischen den Orten 
der hypertrophischen Muskeln und blutüberfüllter Kapillaren der Oberfläche sehr bemerkens- 
wert zu sein. Sollte es sich bei weiteren Studien über analoges Material als eine konstante 
Erscheinung herausstellen, so würde die scheckige, rot-weiss gesprenkelte Beschaffenheit der 
Röntgenhaut auf einfache Weise erklärt sein. Sie würde sich dann darstellen als die allge- 
meine, oberflächliche, stärkere Durchblutung der atrophischen Haut, in welcher 
die Orte der grössten Muskelspannung als weisse Inseln erscheinen. 

Eine weniger hypothetische und durchaus befriedigende Erklärung erhalten die Horn- 
protuberanzen der Oberfläche. Sie sind eine Teilerscheinung der mit stärkerer Ver- 
-hornung einhergehenden Oberhautatrophie, analog den Protuberanzen bei senilen 
Warzen, bei Carcinom der Seemannshaut, beim Xeroderma pigmentosum u. s. f. 

Ein Gesamtrückblick auf die mikroskopischen Befunde der chronischen X-Dermatitis 
der Radiologen weist uns mit Sicherheit darauf hin, dass der schädigende Einfluss der X-Strahlen 
sich in diesem Falle nicht auf die Blutgefässe beschränkt, sondern alle Teile der Haut 
gleichmässig trifft. Wir können also nicht einen hypothetisch mit besonderer Empfindlich- 
keit für X-Strahlen ausgerüsteten Teil der Haut als den primär geschädigten bezeichnen, durch 
dessen Degeneration alle anderen Symptome sich als sekundäre Folgen ableiten liessen. Ja, 
die für die akuten X-Schädigungen der Ulcera mit Vorliebe in Anspruch genommenen Blut- 
gefässe sehen wir bei der chronischen Dermatitis am wenigsten leiden. Ihre Wandungen er- 
scheinen intakt und sind jedenfalls nicht in grober Weise verändert. Was wir klinisch und 
pathologisch anatomisch an den Blutgefässen verändert sehen, ist eine Alteration der Blut- 
verteilung, eine sowohl die Arterien wie die Venen betreffende, also der Schröpfwirkung ver- 
gleichbare Blutüberfüllung. Mit dieser geht eine schwere Veränderung aller zelligen und 
acellulären Gebilde der Haut einher. Die Oberhaut ist stärker verhornt, zum Teil hypertrophisch 
und zum Krebs prädisponiert, zum Teil atrophisch, stets zu hornigen Auflagerungen in Gestalt 

11* 


84 Unna. 


von Schwielen und warzigen Bildungen neigend. Die Epithelanhänge atrophieren, allen voran 
die Haare und Talgdrüsen, dann die Nägel und auch die Kniiueldriisen. In der Lederhaut 
siedelt sich ein chronisches interstitielles Ödem an, welches die Kollagenfasern lockert und 
dieselben verdünnt und auch zu einer Atrophie der elastischen Fasern führt. Nur die glatten 
Muskeln verdicken sich in höchst auffallender Weise. Durch diese Veränderungen der Inter- 
cellularsubstanzen tritt eine erhebliche Verschiebung derselben untereinander und damit eine 
starke Alteration der gesamten Textur der Cutis ein. Von dieser ist höchstwahrscheinlich auch 
das scheckige, rot-weisse Aussehen der X-Haut abhängig, da die Blutüberfüllung der tiefen 
Hautgefässe eine allgemeine und gleichmässige zu sein scheint. Wie eingreifend die Verände- 
rung der Cutis, die wir als eine direkte Schädigung durch die X-Strahlen ansehen müssen, ist, 
erfährt man bei Herstellung der Schnitte Es gelingt nur selten, einen Schnitt auch bei sorg- 
samster vorheriger Fixation ganz unverletzt auf den Objekttriger zu bringen. Meistenteils 
reisst er innerhalb der Cutis entweder schon beim Schneiden oder bei der weiteren Präparation 
ein und fasert auseinander. Die Behandlung mit Orceinlésune (nicht angesäuert) hat bekannt- 
lich einen macerierenden Effekt, und demgemäss wird sie diesen Schnitten bei längerer Ein- 
wirkung besonders gefährlich. Mit dieser histologischen Erfahrung stimmt durchaus die mir 
von Herrn Dr. Sick mitgeteilte klinische, dass ihm die nach der Exstirpation angelegten Nähte 
sehr häufig durchschnitten und die Haut auffallend viel mürber sei als gewöhnlich. 


Prophylaxe und Therapie. 


Die X-Dermatitis gehört zu den Affektionen, bei denen die Prophylaxis alles, die 
Therapie bisher nichts ist. Seitdem ihr Wesen richtig erkannt und die X-Strahlen selber als 
Ursache allseitig betrachtet werden, kann man diese Affektion wenigstens mit Sicherheit, wenn 
man sich die nötige Mühe giebt, in Zukunft vermeiden. Die schweren älteren Fälle, die alle 
noch aus der ersten sorglosen Zeit der Anwendung ohne Schutzmassregeln stammen, werden immer 
seltener sich wiederholen und leichteren Formen der Erkrankung Platz machen. Spielt dieselbe 
doch nur deshalb heute noch eine so grosse Rolle, weil die X-Strahlen eine ganz besonders 
heimtückische Kumulativwirkung ausüben, wodurch die einmal eingeleiteten Veränderungen eine 
viel längere Zeit progressiv verlaufen, als wie die Schädlichkeit einwirkte. Darüber, dass 
Ferien und Pausen in der Thätigkeit stets und besonders im Anfange ausserordentlich günstig 
wirken, dass die Enthaltung von allen Manipulationen in der Nühe der Röhre und des 
Schirmes, die Abhaltung vagabundierender Sekundärstrahlen, die Bedeckung der Hände mit 
Metallfolie enthaltenden Handschuhen, die Vermeidung des Kontakts mit photographischen 
Entwicklern und Desinfizientien regelmässig die Heilung befördern, sind alle Autoren einig. 

Eine ebenso grosse Einigkeit herrscht aber leider auch in der resignierten Aussage 
aller, dass eigentliche Heilmittel des einmal eingeleiteten Prozesses bisher nicht existieren. Jeder 
Beobachter giebt nur ein Mittel oder einige wenige an, welche ihm persönliche Linderung 
gebracht haben und die Fortschritte der Dermatitis gehemmt haben. Dieselben lassen sich im 
allgemeinen unter den Begriff der alkalischen Erweichungs- und der Schmiermittel 
bringen. Sie wirken, wie leicht verständlich, symptomatisch günstig auf die äusseren Haut- 
schichten und daher im hohen Grade lindernd, doch nichts weiter. Zu den ersteren gehören 
vor allem warme Waschungen und Handbiider. 

K. empfiehle nach dem Waschen Einreiben mit '/.°/) Kalilösung und Glyzerin: T. einfach: 
Nachts Vaseline; L.: Glyzerinsalben und Finpackung in Strümpfe; W. mach der Abseifung: Lanolin SO 
plus Öl 20. A.: Nach dem Waschen Einreiben der Hände mit Bienenwachs-Olivenölmisehung von. 
Salbenkonsistenz. 

Vor allen eintrocknenden und reduzierenden, keratoplastisch wirkenden Mitteln ein- 
schliesslich Zinkoxyd und Ichthyol wird gewarnt. [hergegen spricht es nicht, wenn Se. grossen 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 85 


Nutzen von wässerigen Ichthyol-Dunstumschlägen und der Applikation des Zinkichthyol- - 
Salbenmulls erfahren hat. Denn diese Behandlung war zunächst gegen die komplizierenden 
Eiterinfektionen und Lymphangitis (mit Lymphadenitis und Fieber) sowie gegen die fast be- 
ständig konkurrierenden und schon vor der X-Dermatitis aufgetretenen Ekzeme der Hände 
gerichtet. Gegen die X-Dermatitis, die nach Beseitigung der Streptokokkeninfektionen und 
Ekzeme übrig blieb, helfen die Ichthyol-Dunstumschläge und der Zinkichthyol-Salbenmull nicht 
mehr viel. Sie sind dann nur als allerdings praktisch bewährte Linderungsmittel zu betrachten, 
die durch ihren Ichthyolgehalt schmerzstillend und als Impermeabilien erweichend wirken. 


W. verwirft auch alle Salben und selbst Priessnitzsche Umschläge, ausser solchen mit einer 
Lösung von Argent. nitricum (!/,%/,), rihmt aber als Bedeckung das deutsche Heftpflaster, das „vielleicht 
wegen seines Metallgehaltes* als Schutz günstig wirkt. O. warnt speziell vor dem Gebrauch von Pflastern 
und Schälpasten. Auch von Ungt. Hebrae mit Salicylzusatz unter Gummihandschuhen hat K. keinen 
Erfolg gesehen. 

Eine sehr grosse Versuchsreihe verdanken wir Kollegen S., der sich damit ein wirk- 
liches Verdienst in Bezug auf die Therapie der X-Dermatitis erworben hat. Da seine Mit- 
teilungen sich nicht gut im Auszuge wiedergeben lassen; so mögen dieselben, unwesentlich 
verkürzt, hier folgen: 

„Im Laufe der Jahre wurde alles versucht, was nur passend schien. Im allgemeinen 
steht folgendes fest: kein einziges Mittel hat auf längere Zeit hinaus eine heilende Wirkung 
entfaltet, vielmehr wirkten alle von einem Zeitpunkte an reizend, nachdem sie zuvor gut 
erschienen; ausgenommen gewisse Salben! 

Durch die Beobachtung, dass der photographische Entwickler stets und unter allen 
Umständen eine rapide Verschlimmerung der Dermatitis nach sich zog, so dass schon an dem 
Tage, wo Platten entwickelt wurden, spätestens am folgenden eine heftige Reizung und Ent- 
zündung eintrat, schien ein Fingerzeig gegeben, dass alle reduzierend wirkenden Mittel nicht 
am Platze seien. 

Experimentell wurde die schädliche Wirkung erprobt in Bezug auf: 

Streupulver im allgemeinen, abgesehen von amylumhaltigen bei Komplikation mit 
nässendem Ekzem. 

Äther, Alkohol, Säuren, Phenole, Sublimat. 

Kälte und kalte Flüssigkeiten, abgesehen vom Stadium hoher entzündlicher Reizungen, 
wo vorübergehend, etwa 1 bis 2 Tage derartige Kompressen entschieden lindernd wirkten. 

Von Medikamenten und Chemikalien sind zu nennen: 

Alle Entwickler, vor allem der Glycinentwickler, dann aber auch das gewöhnliche 
Fixirbad mit Natrium subsulfurosum (Fixirsalz). 

Wenig schädlich wirkte dagegen eine 2 °/ -Lösung von Sublimat mit Kalium bromatum, 
wie sie zum Verstärken verwendet wird, im Gegensatze zum Sublimat, wie es als Desinfiziens 
im Gebrauche ist. 

Praktisch macht sich diese Thatsache geltend dadurch, dass im Gegensatze zum Ent- 
wickeln und Fixieren die Verstärkungsarbeit mit genannter Lösung keine Verschlimmerung der 
Dermatitis brachte. 

Dabei wurde bei allen siétogvaphisehen Arbeiten abwechselnd der Einfluss des Hände- 
waschens mit kaltem oder warmem Wasser erprobt und als völlig gleichgültig in Bezug auf 
Vermeidung einer Verschlimmerung befunden. 

Argentum nitricum schwärzte die im Absterben beirihänen Stellen der Ulcera ungleich 
heftiger, so dass trotz sofortiger Waschung der Hände diese Stellen schwarz wurden, nicht aber 
die danebenliegenden, ebenso damit verunreinigten Partien. 

Auch die in der Färbetechnik gangbaren Anilinfarben hafteten an diesen Stellen fester. 

Von Medikamenten erschienen schädlich alle reduzierenden, z. B. Ichthyol und das 
Hg. aus ungt. hydr. cin. 


86 Unna. 


| Diese auf Grund der in der photographischen Technik gemachten Beobachtungen sich 
aufdrängende Thatsache wurde einwandsfrei erwiesen durch folgende Beobachtung. 

Infolge Ritzens der spröden Haut der zweiten Phalange des Daumen r. H. an einem 
Nagel entwickelte sich ein Erysipel des Daumens. 

Ich bin sonst zu solchen Infektionen nicht disponiert und nur ein einziges Mal, trotz 
jahrelanger bakteriologischer Arbeit und Operationen infiziert gewesen. 

U. a. kam in der Folge eine Ichthyol enthaltende Salbe in Anwendung. So oft dieselbe 
sich vom Daumenballen her unter dem Verbande auf die Dorsa manus verstrich, trat unter 
„heissem“ Schmerz eine sehr heftige Reizung auf, so dass ich beim ersten Male der Meinung 
war, das Erysipel habe sich dahin verbreitet; in der Folge aber war einwandsfrei nachzuweisen, 
dass es nur die Ichthyolsalbe und nicht das Erysipel war, was die Rötung und Schwellung 
veranlasste. Ungeeignet erwies sich ferner das acid. salicyl., wie ich feststellen konnte, wenn 
ich eine meinerseits oft gebrauchte Salbe bezw. ein Liniment bei Patienten einrieb und mir 
damit die Hände beschmutzte. 

Gut und reizmildernd haben sich bewährt: 

Warme Handbäder mit ätherischen Zusätzen. So die gewöhnlichen Chamillen-Infuse, 
möglichst warm angewendet. 

Bei Bekämpfung des besagten Erysipels, das eine Lymphangoitis des Armes hervor- 
gerufen hatte, mittels Armbädern, besserten sich die Ulcera der rechten Hand im Laufe einer 
Woche so auffallend, wie niemals zuvor. Selbst nach heissen Vollbädern erschien die Hand 
weniger gereizt und weniger gerötet. 

Kam im obigen Falle das eingeriebene Ungt. hydr. cin. durch Verschieben vom Hand- 
gelenke her auf die Hand und in den Bereich der Ulcera, dann entstand ein solch unerträg- 
licher Schmerz, dass sofort ein Handbad angewendet werden musste, das bald Ruhe schaffte. 

Kompressen mit Arnika und Acet. plumb. bas. sol. in entsprechender Verdünnung und 
warm, taten ebenfalls gute Dienste. 

Zusätze von Acid. boricum schienen ratsam, ebenso von Zine. sulf. 

Dagegen Cave „Burow’'sche Lösung!!“ 

Dermatol in ganz geringen Mengen in Salben erwies sich als gut, wie unten gezeigt 
werden wird; schmerzsteigernd wirkte dagegen die Bardeleben’sche Brandbinde, d. h. trocknes 
Pulver, in diesem Falle das Bismuth. 

Meine Taktik war hier, wie bei anderen Reizungen durch die X-Strahlen, die rein 
symptomatische Behandlung, in schonendster Weise! 

Gegen frische Entzündungen stubenwarme Kompressen, dann Salbenverbände mit Lanolin 
als Grundlage, die Salben von sehr weicher Konsistenz, dass sie unter den mittels feinster 
Mulle hergestellten Verbänden ganz zerflossen. 

Bei Komplikationen mit nässenden Affektionen nur vorübergehend Streupulver mit 
Talcum, Lycopod, Amylum, etwas Dermatol, oder noch besser nur einen höheren Zusatz von 
Dermatol zur Salbe. 

Treten harte Schwielen auf, dann Handbäder mit Arnikaabkochungen, sehr heiss! Diese 
auch, wenn ein Stadium der Atonie eingetreten ist. Dann bessern sich die Stellen schon nach 
1—2 Tagen, die Haut verliert an Sprödigkeit. 

Von Salben hat sich mir folgende gut bewährt: 


R. Ungt. Diachyl. Hebrae 30,0 


Fiat cum 

Sol Zinc. sulf. 0,3 : 20,0 

Acet. plumb b. s. 1,0 

Dermatol 1,0 ev. 2°/, Acid. borici. 


Adip. Lan. Linimentum ad 100,0 
N.S. Auf feines Leinen aufgestrichen auflegen. 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 87 


Von den gangbaren Crémes milderte tagsüber etwa eintretende subjektive Be- 
schwerden, ferner die Sprödigkeit: 

Kalodermin, oder Lanolincréme. 

Augenblickliche geringe Reizung, dann aber Abheilung erzeugte das Bergmann sche 
„Aseptin*, so dass bei schonender allabendlicher Einreibung im Laufe einer Woche, trotz Ein- 
flusses von Winterkälte eine sichtliche Besserung, bestehend in Verblassen der roten Punkte, 
sich einstellte. 

Gegen die auf Gefässektasien beruhenden Rötungen habe ich auch Faradisation mit 
einer Metallplatte — trockene Faradisation — mit gutem Erfolge symptomatisch angewendet. 
Die Hand sieht nach der Behandlung allerdings geradezu erschreckend aus, bessert sich aber 
schon nach Stunden. Im ersten Augenblicke treten die harten Stellen, wohl auch infolge der 
mechanischen Reizung, sehr hervor. Es wird dann die Hand mit einer Lösung von: 

Natr. caust. 0,3:250,0 abgewaschen, was subjektiv und objektiv gut bekommt. Dann 
folgt ein Salbenverband, abends ein Handbad. Mit letztgenannter Therapie konnte ich meine 
linke Hand wie gesagt völlig heilen. 

Schliesslich wäre zu erwähnen, dass auch eine grosse Anzahl von gewöhnlichen und 
medicinischen Seifen in Verwendung kam. 

~ Im allgemeinen wirkten überfettete Seifen am besten; um so mehr erstaunlich war es 
dass eine gewöhnliche Ochsengallseife, soweit das Konstituens „Seife“ in Betracht kommt, einen 
ganz ausgesprochen günstigen Einfluss auf die Abheilung der Dermatitis zeigte; dies aber nur 
dann, wenn etwa eine Woche hindurch die Hände täglich ein- bis zweimal -eingeseift und die 
Seife 10—15 Minuten als Schaum aufgetragen blieb. Die Rötung verblasste, die schwieligen 
Massen verringerten sich, die ganze Haut wurde geglättet und zarter. Aber schon im Laufe 
der zweiten Woche zeigte sich ein Sprödewerden der Haut, eine Neigung zum Schuppenbilden, 
Aufspringen und ein deutlicher Rückgang des zuvor guten Erfolges. 

Im Vereine mit täglichem Einfetten mittels Lanolin aber blieb die letzterwähnte Ver- 
schlimmerung aus, so dass icb glaube, der Ochsengalle einen gewissen günstigen Einfluss auf 
die Röntgendermatitis zuschreiben zu können. Die Verbindung derselben mit einer an. sich 
überfetteten Seife dürfte eine günstige Gesammtwirkung erzielen.“ 

Meine eigeneu Erfahrungen möchte ich, da sie sich grossenteils mit denen des Kollegen 
S. decken, an diese anschliessen. Schon lange, ehe mir dieselben zugängig gemacht wurden, 
war ich auf Grund klinischer Beobachtungen zu demselben Schlusse gelangt, dass bei der 
Therapie der X-Dermatitis reduzierende Mittel durchaus zu vermeiden seien. Aus diesen Satze 
zog ich die Konsequenz, dass man positive Resultate vielleicht mit oxydierenden Mitteln 
erreichen würde, und gestaltete in den letzten beiden Fällen, die ich zu behandeln hatte, die 
Therapie in dieser Richtung mit bemerkenswertem Erfolge aus. Der eine dieser Fälle betraf 
den Röntgentechniker Bauernschmidt, dem wegen Carcinom der rechte Arm amputiert war. 
In der seither verflossenen Zeit hatte sich der Zustand der Haut, obwohl der Patient priva- 
tisierte und nie mehr mit X-Strahlen in Berührung gekommen war, unter den verschiedensten 
anderen Behandlungen nicht merklich gebessert. Bei ihm waren nicht nur die Haut wie 
gewöhnlich befallen, sondern auch in ebenso hohem Grade das Gesicht, die Ohren, die vordere 
Seite des Halses, der erhalten gebliebene linke Arm bis zur Mitte des Oberarms und die Mitte 
der Brust- und Bauchhaut. Alle diese Hautpartien waren scheckig, rot und weiss gesprenkelt, 
und zwar so, dass die dunkelrote Farbe bei weitem überwog. Je nach der Abhängigkeit der 
Lage war die Farbe ziegel- bis blaurot. Im Gesicht konkurrierte hiermit noch eine fleckige, 
unregelmässig verteilte Pigmentierung, nach Art von dunklen Sommersprossen oder der Pigmen- 
tierung des Xeroderma pigmentosum. An den Armen, Brust und Bauch war diese Pigmen- 
tierung nicht vorhanden, an dem Handrücken dagegen mässig ausgebildet. Dieser sowie das 
Gesicht zeigte ausserdem in hohem Masse die eigentümliche Trockenheit und Härte, eine grosse 
Anzahl warziger Hornhügelchen und an den Orten stärkere Bewegung: Rhagaden. Die Nägel 


88 Unna. 


waren hochgradig atrophisch. Auch die Augen hatten durch die X-Strahlen stark gelitten, 
worüber wohl noch von anderer Seite berichtet werden wird. 

Dieser Status besserte sich, nachdem die in Folgendem näher zu erörternde Behandlung 
eingeschlagen war, im Laufe eines Monats so erheblich, dass der Patient an eine völlige 
Heilung im Laufe der Zeit zu glauben beginnt. Ähnliche, aber langsamer eintretende Erfolge 
zeigten sich bei zwei in weit geringerer Ausdehnung geschädigten Kollegen. Ich kann diese 
Art der Behandlung daher allen leidenden und mit ihrer bisherigen Behandlung nicht zufriedenen 
Radiologen entschieden zu einem Versuche empfehlen. 

Die klinischen Thatsachen, welche darauf hinweisen, dass die X-Strahlen einen ähn- 
lichen Einfluss auf die Haut haben wie die reduzierend wirkenden Medikamente und daher 
eine Therapie mit oxydierenden Mitteln verlangen, sind schon bei Gelegenheit der Ätiologie 
der X-Dermatitis erwähnt. Es ist die Analogie mit der schädigenden Wirkung der photo- 
graphischen Entwickler und der der chemisch wirkenden Lichtstrahlen. Jene führen zur Hyper- 
keratose, übermässiger Trockenheit und Blutstauung, diese zur Blutstauung und Hyperpigmen- 
tose. Mit dem reduzierend wirkenden Mittel zar’ &5oyrr, dem Pyrogallol, erzeugen wir Hyper- 
keratose und übermässige Trockenheit der Oberhaut, Blutstauung und Ödem der Cutis und 
mehr oder weniger so mit allen reduzierenden Mitteln in geeigneter Dosis, mit Schwefel, 
Ichthyol, Resorcin u. s. f. Die Hyperkeratose mit den Begleiterscheinungen der Trockenheit, 
Blastizitätsmangel und Neigung zur Rhagadenbildung ist das quiilendste und oberflächlichste 
und aus beiden Gründen zunächst in jedem Falle zu beseitigende Symptom. Es hat sich aber 
herausgestellt, dass mit gründlicher Beseitigung dieses Symptoms auch alle anderen Symptome 
sich bessern, die Blutstanung, Pigmentierung, das scheckige Aussehen der Haut, die Neigung 
zur Ulceration und zu Blutungen. Daher steht die Beseitigung der Hyperkeratose im Mittel- 
punkt der ganzen Behandlung, sie ist nicht bloss eine symptomatische, äusserliche, sondern, 
wie es scheint, ätiologische und daher radikale, tiefgreifende. Es wäre nun einseitig und ver- 
fehlt, wenn wir auf dieser theoretischen Basis. hin die Hyperkeratose nur mit oxydierenden 
Mitteln behandeln würden; denn wir haben zu deren Beseitigung noch die zwei Gruppen der 
hornerweichenden und schälenden Mittel; eine Vereinigung aller derselben wird, uns am 
raschesten zum Ziele führen. 

Die hornerweichenden Mittel zerfallen in vier Gruppen: 1. Wasser, 2. hygroskopische 
Mittel, 3. Alkalien, 4. Fette. Da jede Verhornung einen Verlust an Gewebswasser zur Voraus- 
setzung hat, so ist Wasserzufuhr eine unbedingte Notwendigkeit in unserem Falle; daher die 
Hochschätzung der Bäder und vor allem warmer Bäder von Seite aller X-Patienten. Denn 
das warme, besser heisse Wasser hat eine ungleich viel stärker aufquellende Wirkung auf 
Hornzellen und trockenes Eiweiss überhaupt als kaltes Wasser. Ausser den heissen Bädern, 
die natürlich nur hin und wieder einwirken können, kommen als ständig wirkende Auf- 
quellungsmittel sämtliche Impermeabilien in Betracht (Guttaperchapapier, Fettpapier, Billroth- 
Battist, Valoleum u. s. w.) Die impermeablen Umschläge halten den Hautdunst zurück und 
es ist daher gar nicht nötig, dass die Haut mit feuchten Unischlägen (Dunstumschlägen) und 
dann noch mit Impermeabilien bedeckt wird, um eine Aufquellung hervorzubringen. Auch 
wenn die Haut direkt impermeabel eingebunden wird oder nach Auftragen von Fettsalben 
oder Auflegen von Salbenmullen (z. B. Bleikarbolsalbenmull), geht eine Aufquellung der Horn- 
schicht mit dem natürlichen Wasserdampf der Haut einher. Auch die ganz trocken aufgelegten 
Guttaperchapflastermulle haben eine derartige, die Hornschicht aufquellende Wirkung, selbst 
wenn sie Träger eintrocknender Medikamente (z. B. Zinkoxyd) sind und ihre gute Wirkung 
ist zum grossen Teil auf ihre absolute Impermeabilität zurückzuführen. 

Als hygroskopische Mittel, welche, der Hornschicht imbibiert, von aussen und 
innen Wasser anziehen und festhalten, kommen ausser dem Glycerin die hygroskopischen Salze, 
Kochsalz, Kreuznacher Mutterlauge und vor allem die Quintessenz der letzteren: das Chlorcalcium, 
in Betracht. Praktisch werden die Hygroskopica am besten den Salben als Zusätze einverleibt. 


Die chronische Röntgendermatitis der Radiologen. 89 


Die dritte Gruppe der Alkalien umfasst die kaustischen Alkalien, die Alkalı- 
karbonate und die Seifen. Die ersteren wirken, wie jeder Mikroskopiker weiss, am besten, 
wenn sie mit viel Wasser gleichzeitig angewandt werden, also vor Bädern oder als Zusatz 
zu Bädern; ebenso die milder wirkenden Zusätze von Soda und Pottasche. Ganz hervorragend 
wirken Seifen, ebenfalls in Form protrahirter Bäder und Umschläge. 

Die Fette und Schmiermittel überhaupt (Kohlenwasserstoffe, Fettmischungen aller 
Art) erhöhen die Elastizität der Hornschicht und verhindern damit die Rhagadenbildung; sie 
halten analog den Impermeabilien den Hautdunst zurück und erhöhen dadurch den Wasser- 
gehalt der Hornschicht, sie ersetzen gleichzeitig den Verlust des fettigen Sekrets der Talgdrüsen 
und Knäueldrüsen bei der X-Haut und sind aus diesem Grunde geradezu unentbehrlich und 
durch die anderen hornerweichenden Mittel nicht zu ersetzen 

Die Klasse der oxydierenden Mittel wird durch Wasserstoffsuperoxyd, Natronsuper- 
oxydseife und die Hebra’sche Salbe repräsentiert. Die Chlormittel (Sublimat, Chlorzink, Chlor- 
antimon, Aq. chlorata.), obwohl sie auch zu den oxydierenden Substanzen gerechnet werden 
müssen, wirken selbst zu sehr schädigend auf die Oberhaut, um bei Heilung der X-Dermatitis 
Verwendung zu finden. Das 30°/,ige Wasserstoffsuperoxyd (Merck) hat sich gut bewährt 
zum Atzen der Warzen und der Hyperkeratose des Nagelbettes intercurrent beim Abnehmen des 
Verbandes. Die Natronsuperoxydseife (Mielck) in einer durchschnittlichen Stärke von 
2—5—10°/,(!) ist bei starker Hyperkeratose der Hände, besonders auch bei Schwielenbildung 
zu empfehlen; sie wird zweckmässig während der Bäder verwandt, indem die Haut mit dem 
Schaum abgerieben wird, bis Schmerzhaftigkeit eintritt. In der Natronsuperoxydseife haben 
wir eine sehr wirksame Kombination des Prinzips der Quellung durch freien O, und durch 
Alkalien vor uns, da sie sich mit Wasser sofort in NaHO und O umsetzt (2 Na,O, + 2 H,O 
= 4 NaHO +0,). Dass die Hebra’sche Salbe im Gegensatz zu den meisten übrigen (redu- 
zierenden) Ekzemsalben eine oxydierende, also hornerweichende Eigenschaft hat, ist jederzeit 
dadurch zu erweisen, dass sie Chrysorobin zu Chrysophansäure oxydiert.!) Es ist daher nicht 
verwunderlich, wenn Kollege S. gerade die Hebra’sche Salbe rühmt. Auch ich habe in allen 
Fällen dieselbe in Kombination mit anderen Mitteln mit gutem Erfolge angewandt. 

Aus der Klasse der schälenden Mittel möchte ich nur die Salicylsäure empfehlen, 
da bei den sonst noch schälenden Mitteln (z. B. Resorein) die reduzierenden Nebenwirkungen 
zu stark sich geltend machen! Sie wirkt sehr gut in Form der überfetteten Salicylseife 
bei den Bädern und als Salicyl-Cannabis-Pflastermull gegen alle Warzen und Schwielen. 
Noch potenzierter ist die Wirkung des Arsen-Salicylsäure-Pflastermulls, der auch nur 
bei sehr harten Warzen zur Verwendung kommt. 

Um aus der Reihe dieser Mittel eine praktische Hautpflege zusammenzusetzen, muss 
man bedenken, dass die fettigen Mittel und Impermeabilien am besten zur Nachtzeit, die Bäder 
und trocknen Mittel bei Tage und während der Arbeit angewandt werden. Ich würde aber 
empfehlen, jeden Abend die Hände (und sonst befallenen Hautpartien) mit einem wenigstens 
1/, Stunde ausgedehnten, besser */,—*/, Stunde fortgesetzten heissen Handbade zu baden und 
dabei bei schwacher Keratose mit der überfetteten Salicylseife, bei starker mit der 2—10°/ igen 
Natronsuperoxydseife unter Anwendung eines als Schwamm dienenden Wattebausches ständig 
zu reiben. Besonders starke Schwielen und Warzen können vorher mit Mercks H,O, geätzt 
werden. Auf dieses Bad folgt die Abtrocknung und sofortige Einsalbung mit einer der fol- 
genden Salben: 


Ung. Hebrae rec. par. 25,0 Ung. Hebrae rec. par. 35,0 
Sol. calcii chlorati 10,0 sis Acidi salicylici 2,5 
Glycerini 5,0 Sap. kalini 25 
Adipis lanae 10,0 Vaselini 10,0 


1) S. Unna, Allgemeine Therapie der Hautkrankheiten. Urban u. Schwarzenberg. 1899. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. VIII, 12 


90 Unna. 


Tritt an den Händen neben der Hyperkeratose Oedem und Empfindlichkeit (Anfangs- 
symptome) in den Vordergrund oder bestehen sekundäre Infektionen mit Ekzem oder Follicu- 
litiden, so kann an Stelle der Hebra’schen Salbe eine Applikation des Zinkichthyol-Salbmulles 
nützlich sein. 

Auf alle Fälle ıst die nächtliche Einsalbung durch sorgfältige Einpackung mit Im- 
permeabilien zu vervollständigen. Besser und billiger als Gummihandschuhe ist zu diesem Zweck 
die Einwicklung mit Fettpapier, Guttaperchapapier oder Valoleum derart. dass der Handrücken 
zugleich mit vier Fingern, der Daumen aber extra bedeckt und mit Mullbinden eingebunden 
wird, so dass man mit dem Verbande bequem eine Greifbewegung ausführen und grobe Ver- 
richtungen vornehmen kann. 

Morgens nach Abnehmen des Verbandes folgt ein kürzeres warmes Bad mit Ein- 
schäumung der überfetteten Salieylseife: zum Schluss wird der Seifenschaum nicht abgewaschen, 
sondern trocken abgewischt, so dass eine Spur des fettigen Seifenvehikels auf der Haut bleibt. 
Dann muss man sorgfältig auf einen genügenden Schutz der Haut bei Tage Bedacht nehmen. 
Das einfachste ist ein Bestreichen mit einem Wachssalbenstift von der Formel: 

Adipis lan. anlıydr. 7,0 
Cerae flavae 3,0 
M. 
oder das Einfetten mit der während der Nacht gebrauchten Salbe und nachtolgendem trocknem 
Abwischen, so dass eine Spur des Fettes auf der Hornschicht bleibt. Eine curative Wirkung 
wird hierdurch jedoch nicht erzielt. Eine solche kann man relativ einfach erzielen durch Be- 
kleben des Handrückens und der Rücken der Finger mit Zinkoxvd-Pflastermull. Je fester der- 
selbe klebt und je strammer die Haut eingebunden ist, um so weicher und geschmeidiger wird 
die Haut. Diese Behandlung ist zugleich eine Schutzdecke gegen X-Strahlen, da der an ZnO 
reiche Pflastermull für dieselben fast undurchgängig ist. Daher ist das Bekleben mit Zinkoxyd- 
Pflastermull besonders den Radiologen anzuraten, welche gezwungen sind, ihre Réntgenarbeiten 
bei der Kur fortzusetzen. Kine vielleicht noch bessere und für manche angenehmere Schutz- 
decke liefert das Aufpinseln folgenden Zinkleims:') 
Cinnabarıs 2,0 
Bismuthi oxychlorati 30,0 
Gelatinae Zinci ad 200,0 
M. 

Wie immer wird die Leimdecke, nachdem sie beinahe angetrocknet ist, mit Watte 
betupft und dadurch in eine elastische, beim Arbeiten bequeme Zeugdecke verwandelt. Dieselbe 
löst sich im Wasserbade abends leicht wieder ab. Der Zinkoxyd-Pflastermull wird abgezogen 
und die Pflasterreste werden vor dem Bade mit einigen Tropfen Benzin auf Watte 
abgewischt. 

Auch für die brüchigen Nägel giebt es bisher wohl keine bessere Behandlung als die 
feste Bedeckung mit Zinkoxyd-Pflastermull oder mit obigem Metallleim. 

Lässt die Beschäftigung noch einen Verbandswechsel während des Tages zu, so ist 
gelegentlich desselben wieder ein längeres, heisses Seifenbad anzuraten. Andrerseits aber ist 
nichts dagegen einzuwenden, wenn die Schutzdecke des Zinkoxyd-Pflastermulls oder Metall- 
Leims statt '/, Tag auch 1'/, Tage sitzen bleibt, so dass nur jeden zweiten Abend die Haut 
ein heisses Seifenbad bekommt. In dieser Beziehung spielen die äusseren Verhältnisse und das 
subjektive Empfinden der Haut eine ausschlaggebende Rolle. 

Unter dieser Behandlung blassen, wie schon erwähnt, auch die Telangektasien ab; die 
diffus roten Flecke werden marmoriert, die roten Adern verdünnen sich mehr und mehr und 
gehen schliesslich ganz verloren. Man kann dieselben durch sanftes Aufdrücken — wie 


1) S. Unna, Schutzdecke gegen X-Strahlen. Monatshefte f. praktische Dermatologie, Bd. 26. 
1898, pag. 494. 


Über die Indikationen der Behandlung mit Röntgenstrahlen in der Dermatologie. 91 


andre Kapillarvaricen — mit dem Mikrobrenner einzeln vernichten. Da aber die histologische 
Untersuchung gelehrt hat, dass diese Gefässerweiterungen der Oberfläche nur eine Teilerscheinung 
einer gesamten Stauung im Gefissbaume der Haut sind, kommt ihre Spezialbehandlung mit 
dem Mikrobrenner eigentlich nur aus kosmetischen Rücksichten in Betracht. 

Anders ist es bei den Ulcerationen. Auch auf diese- wirkt die angegebene Allgemein- 
behandlung stets günstig ein. Wo aber die Überhäutung zögert, appliziere man stets den Salicyl- 
Cannabis-Pflastermull einige Zeit, ehe man zur Excision schreitet; man wird die meisten derartigen 
Stellen rasch und schmerzlos zur Heilung bringen. Der definitive Schluss geht, wenn unter 
dem Salicyl-Cannabis-Pflastermull eine Heilungstendenz eingetreten und gute Granulationen 
entwickelt sind, oft bei offener Behandlung oder unter Zinkoxyd-Pflastermull überraschend schnell 
von statten. | | | 

Auch die Rhagaden, Schwielen und subungualen Hyperkeratosen werden am besten 
durch Auflegen des Salicyl-Cannabis-Pflastermulls behandelt. 

Hoffentlich erweisen sich diese aus einer kleinen Anzahl von Fällen gezogenen Schlüsse 
auch für die Tberapie der Röntgendermatitis im allgemeinen als gültig und tragen dazu bei, 
das Leben unserer vielgeplagten, radiologisch thätigen Kollegen erträglicher zu gestalten. 


Über die Indikationen der Behandlung mit Röntgenstrahlen in der Dermatologie. 
Von 
Privatdozent Dr. W. Scholtz (Königsberg). 


Trotzdem die Behandlung mit Röntgenstrahlen bereits auf eine circa siebenjährige 
Entwicklung zürückblickt und sich im Laufe dieser Zeit einen festen Platz in der Dermato- 
therapie errungen hat, sind die Indikationen für diese Behandlung im einzelnen doch noch nicht 
völlig festgelegt. Meine folgenden Ausführungen können daher auch keinen Anspruch auf 
allgemeine Anerkennung machen, sondern sie sollen im wesentlichen nur meinen Standpunkt 
wiedergeben und darlegen, in welchen Fällen ich auf Grund meiner sechsjährigen Erfahrung die 
Röntgentherapie für indiciert halte. 

Bekanntlich beruht das Wesen der Röntgenwirkung sack meinen früheren Unter- 
suchungen auf einer direkten Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die zelligen Gebilde der 
Haut, in erster Linie die Epithelzellen und die Zellen der Gefässwandungen. 

Die mannigfachen klinischen Wirkungen der Röntgenstrahlen lassen sich durch diese 
Beeinflussung der Zellen recht wohl erklären, und selbst die scheinbar recht heterogene thera- 
peuthische Anwendungen der Röntgenstrahlen, wie zum Beispiel bei der Alopecia areata zum 
Zweck des Haarwuchses und der Hypertrichosis zum Zweck der Entfernung der Haare, können 
ihre Erklärung in der Beeinflussung der Zellen des Haartalges finden, die im ersteren Falle 
nur exzierend wirkte, im letzteren Falle bei kräftigerer Anwendung zur Degeneration führte. 

Die verschiedenen Dermatosen, bei denen die Röntgenbehandlung Anwendung findet, 
kann man im wesentlichen in drei resp. vier Gruppen einteilen, wenn dabei manche Dermatose 
auch nicht sehr gut in die betreffende Gruppe passt. 

Die erste Gruppe würden Neubildungen der Haut sein, bei denen der günstige 
Effekt der Röntgenstrahlen in ihrer degenerativen Wirkung auf die Zellen der Neubildung 
beruht. Hierher gehören Carcinome und Sarkome der Haut, die Mycosis fungoides, 
Verrucae, Angiome, der Lupus vulgaris und der Lupus erythematodes. 

Die zweite Gruppe bilden die Haarkrankheiten, das heisst; Affektionen, welche sich 
wesentlich im Haar oder im Haarbalg abspielen, oder wenigstens von hier ihren Ausgang 
nehmen. Hierher gehören die Hypertrichosis, ferner der Favus und die Trichophytie behaarter 

12 * 


92 Scholtz. 


Körperteile, vor allem also des Kopfes und schliesslich die Follikulitis und Sykosis simplex des 
Bartes. Zu dieser Gruppe kann auch die Acne vulgaris gerechnet werden. 

Die dritte Gruppe würden entzündliche Dermatosen bilden, welche sich wesentlich 
im Epithel abspielen. Hierher gehören vor allem das Ekzem, der Lichen chronicus simplex 
die Psoriasis und der Lichen ruber. 

Die vierte Gruppe enthält die juckenden Dermatosen, vor allem also den Pruritus 
simplex und die Prurigo. Hierbei würde dann auch die Wirkung der Röntgenstrablen auf 
neuralgische Affektionen der Haut zu besprechen sein. 


I. Röntgenbehandlung bei Neubildungen der Haut. 


Bei Carcinomen der Haut ist die Röntgenbehandlung unter allen Umständen dann 
indiciert, wenn die Neubildung infolge ihrer Ausdehnung oder ihres Sitzes nicht mehr auf 
operativen Wege beseitigt werden kann oder wenn aus bestimmten Gründen, zum Beispiel wegen 
hohen Alters, eine Operation nicht angezeigt erscheint oder vom Patienten nicht zugelassen 
wird. Bei oberflächlichen Cancroiden der Haut kommt die Röntgenbehandlung bei den 
guten Resultaten, welche mit derselben in derartigen Fällen erzielt worden sind, aber nicht 
allein dann in Betracht, wenn eine Operation aus den oben erwähnten Gründen ausgeschlossen 
ist, sondern sie ist neben der Operation bis zu einem vewissen Grade die Methode der Wahl. 
Die Röntgenbehandlung konkurriert mit dem operativen Verfahren besonders dann, wenn der 
chirurgische Eingriff schwer sein würde oder im Gesicht ein schlechtes kosmetisches Resultat 
geben würde. 

Besonders bei ulcerierten Cancroiden kann man dabei die Heilung nicht unerheblich 
beschleunigen, indem man die Hauptmasse des carcinomatöscn Gewebes durch Anwendung von 
Pyrogallussalbe oder auch mittels des scharfen Löffels oder Heissluft zunächst zerstört und 
dann erst die Röntgenbehandlung folgen lässt oder auch beides gleichzeitig vornimmt. Es ist 
sicher, dass die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die tiefer gelegenen Carcinomnester hier- 
durch erleichtert und die Heilung auf diese Weise wesentlich beschleunigt werden kann. Der 
einzige Übelstand dieser kombinierten Methode liegt meiner Erfahrung nach darin, dass während 
der Anwendung der Pyrogallussalbe leichter als sonst von der Wundfläche ein Erysipel 
ausgeht. 

Bei tiefer greifenden Carcinomen und subkutan gelegenen Krebsknoten, speziell 
Knoten im Drüsengewebe der Mamma, leisten die Röntgenstrahlen weit weniger, doch scheint 
mir auch nach eigenen Beobachtungen selbst in solchen Fällen ein Erfolg der Röntgenbehand- 
lung nicht ganz aussichtslos zu sein. 

Mehr versprechen möglicherweise prophylaktische Bestrahlungen nach operativer 
Entfernung tief liegender Carcinome, speziell Mammacarcinome, um auf diese Weise den Aus- 
bruch von Recidiven zu verhindern. Natürlich müssten derartige Bestrahlungen in ent- 
sprechenden Pausen mehrere Monate oder selbst ein, zwei Jahre systematisch fortgeführt werden, 
und ein Urteil über ihren Erfolg wird man erst nach Jahren gewinnen können. 

Ähnlich wie bei den Carcinomen verhält es sich bei den Sarkomen der Haut, nur 
scheinen dieselben in recht verschiedener Weise auf die Röntgenstrahlen zu reagieren. Während 
die Careinome der Haut zwar sehr langsam, aber, wie es scheint, fast regelmässig durch die 
Röntgenstrahlen beeinflusst werden, bilden sich manche Sarkome, besonders weiche, rasch 
wachsende Rundzellensarkome nach den bisher vorliegenden Beobachtungen recht rasch, schon nach 
wenigen Bestrahlungen zurück, andere besonders harte Spindelzellensarkome leisten hingegen der 
Röntgenbestrahlung hartnäckigen Widerstand und zeigen trotz lange fortgesetzter Bestrahlung 
keinerlei Veränderung. Die Indikationen für die Röntgenbehandlung bei Sarkomen sind danach 
ohne weiteres klar. Bei inoperablen Sarkomen wird stets ein Versuch mit der Röntgen- 
behandlung zu machen sein, bei operablen Fällen wird ein solcher Versuch erlaubt sein; 


Über die Indikationen der Behandlung mit Röntgenstrahlen in der Dermatologie. . 98 


sollte dann aber nach einigen Wochen kein deutlicher Rückgang zu bemerken sein, so wird 
man unverzüglich zur Operation zu schreiten haben. Bezüglich prophylaktischer Be- 
strahlungen gegen Recidive nach Operationen gilt für die Sarkome dasselbe, was für die- Car- 
cinome oben gesagt wurde. 

Ähnlich wie die Sarkome scheinen sich die Tumoren der Mykosis fungoides den 
Röntgenstrahlen gegenüber zu verhalten; wenigstens ist von verschiedenen Autoren über 
prompten Rückgang der Neubildung unter dem Einfluss der Röntgenstrahlen berichtet worden, 
und ich selbst habe ähnliches gesehen. Man wird demnach, besonders beim Vorhandensein 
von prämykotischen Herden und nicht ulcerierten Tumoren, stets einen Versuch mit Röntgen- 
bestrahlung machen. Die Erkrankung als solche scheint durch die Röntgenbestrahlung allerdings 
kaum beeinflusst zu werden, sondern es bilden sich nur die bestrahlten Tumoren zurück, das 
Auftreten neuer Tumoren wird aber nicht verhindert. | 

Ähnlich wie die Röntgenstrahlen wirken nach den neuesten Versuchen bekannt- 
lich die Radiumstrahlen auf Carcinome und Sarkome der Haut ein; ja, die Radiumstrahlen 
scheinen noch intensiver und zuverlässiger die genannten Neubildungen zu beeinflussen. Bei 
kleinen Knoten wird die Behandlung mit Radiumstrahlen der mit Röntgenstrahlen daher 
möglicherweise vorzuziehen sein. Vorläufig ist Radium aber nur in so geringen Mengen vor- 
handen, dass von einer rationellen Behandlung mit Radiumstrahlen noch nicht recht die 
Rede sein kann. 

Schwieriger als bei den Carcinomen und Sarkomen ist die Indikation für die Röntgen- 
behandlung beim Lupus vulgaris zu stellen. 

Bei schwachen Bestrahlungen und unter Vermeidung von Reaktionserscheinungen 
dauert es beim Lupus vulgaris unter allen Umständen bekanntlich Monate lang, ehe sich ein 
Erfolg der Röntgenbehandlung zeigt, und ob auf diese Weise bei einigermassen schweren 
Fällen überhaupt definitive Heilung zu erzielen ist, ist mir nach meinen Erfahrungen noch 
höchst zweifelhaft. 

Wendet man intensive Bestrahlungen an, so dass Exkoriationen und oberflächliche 
Nekrosen entstehen, so sind definitive Heilungen zwar auch in schweren Fällen sicher zu er- 
zielen, doch heilen die Röntgengeschwüre bekanntlich ausserordentlich langsam, und es kommt 
unter allen Umständen zur Bildung von Narben; und wenn dieselben auch ausserordentlich 
schön und glatt sind, so beeinträchtigen sie doch immerhin das kosmetische Resultat. Da wir 
nun ın der Behandlung des Lupus mit konzentriertem Licht nach Finsen ein recht gutes, 
konservatives Verfahren besitzen, wird die Behandlung des Lupus mit Röntgenstrahlen durch 
jene Methode erheblich eingeschränkt. | 

Die Röntgenbehandlung des Lupus kommt demnach erstens als Ersatz für die 
Finsenbehandlung in Fällen in Betracht, in denen die Finsenbehandlung indiciert wäre, aber 
aus äusseren Gründen — wegen ihrer langen Dauer und ihrer hohen Kosten — nicht durch- 
geführt werden kann, und zweitens bei sehr ausgedehnten, stark ulcerierten oder hyper- 
trophischen (intumescierten) Lupusfällen, bei denen die Finsenbehandlung schwer anwendbar ist 
und ausserordentlich lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Bei ulcerierten Lupusherden, häufig 
aber auch in nicht ulcerierten schweren Fällen ist es meiner Erfahrung nach sehr zweck- 
mässig, die Röntgenbehandlung mit operierten Verfahren oder mit der Anwendung von Pyro- 
gallussalbe zu kombinieren, wie es bereits bei der Behandlung der Carcinome besprochen 
wurde Man kommt auf diese Weise ungleich schneller zum Ziel, und die Resultate scheinen 
mir, bezüglich der definitiven Heilung, noch besser als bei energischer Anwendung der Röntgen- 
strahlen allein zu sein. Vor operativen Verfahren — Auskratzung und Heissluftbehandlung — 
oder Anwendung der Pyrogallussalbe allein hat das beschriebene kombinierte Verfahren den 
grossen Vorteil, dass es nicht nur bezüglich der definitiven Heilung bessere Resultate giebt, 
sondern auch der kosmetische Erfolg weit schöner ist. Ferner empfiehlt es sich oft, besonders 
bei hypertrophischen Formen von Lupus, das Röntgenverfahren mit dem Lichtverfahren 


94 Scholtz. 


in der Weise zu kombinieren, dass man zunächst Réntgenstrahlen anwendet, und wenn darunter 
eine Abflachung des Lupusherdes und ein Rückgang der lupösen Infiltrationen eingetreten ist, 
das Lichtverfahren folgen lässt, um einzelne Lupusknötchen oder kleine Recidive zu beseitigen. 

Beim Lupus erythematodes giebt das RRöntzenverfahren im allgemeinen nur wenig 
befriedigende Resultate, mag man die Strahlen intensiv oder schwach einwirken lassen. Die 
Indikationen für die Anwendung der Röntgenstrahlen beim Lupus erythematodes sind 
demnach einfach. Man wird dann einen Versuch mit dem Röntgenverfahren machen, wenn 
andere Methoden versagt haben, oder man wird die Wirkung der gebräuchlichen Behandlungs- 
methoden durch die Einwirkung der Röntgenstrahlen zu unterstützen suchen. Im ersteren Falle 
wird man, je nach Lage der Dinge, schwache Bestrahlungen ohne Reaktionen (grosse Herde) 
oder starke Bestrahlungen mit oberflächlicher Verschorfung (kleine Herde) anwenden können, 
im letzteren Falle wird man nur schwache Bestrahlungen benutzen. 

Bei Gefässneubildungen (Angiomen und telangıektatischen Nävi) leisten die 
Röntgenstrahlen meist wenig, mithin wird man mit dem Röntgenverfahren dann einen Versuch 
machen, wenn die Beseitigung des Gefüssmales auf andere Weise nicht möglich ist. 

Warzen werden durch Röntgenbestrahlungen zwar meist prompt zum Schwinden ge- 
bracht; da wir zu deren Beseitigung aber andere einfache Methoden besitzen. so wird die Be- 
handlung mit Röntgenstrahlen nur bei sehr dicht stehenden oder besonders grossen Warzen 
indiciert sein. 

Schliesslich scheinen die Röntgenstrahlen bei Keloiden bisweilen eine Abflachung oder 
selbst völlige Rückbildungen herbeizuführen, und in geeigneten Fällen wird daher ein Versuch 
mit dem Röntgenverfahren gerechtfertigt sein, 

Aussichtsvoller ist es nach meiner Erfahrung in solchen Fällen, das Keloid operativ 
zu entfernen und durch Nachbehandlung mit Röntgenstrahlen Recidiven vorzubeugen. 

Recht gut wirken die Röntgenstrahlen auf Aknekeloide, und ihre Anwendung ist hier 
stets zu empfehlen. 


II. Indikationen der Behandlung mit Röntgenstrahlen bei Haarkrankheiten. 


Bei den Haarkrankheiten wirken die Roéntgenstrahlen, wie bereits oben erwähnt, 
vornehmlich durch die eintretende Enthaarung. Daneben kommt aber auch eine leichte 
schälende Wirkung durch die Röntgenbestrahlung zu stande, und dieselbe erstreckt sich, zum 
Unterschied von gewöhnlichen Schälkuren, natürlich auch auf das Innere der Follikel. Auf 
diese Beeinflussung des Follikelepithels ist es wohl zweifellos zurückzuführen, dass bei manchen 
follikulären Erkrankungen, speziell der Folliculitis barbea und der Akne, Heilung bereits ein- 
treten oder wenigstens eine Besserung beginnen kann, ehe es zum Ausfall der Haare gekommen 
ist. Eine antiparasitäre Wirkung spielt bei diesen Erkrankungen jedenfalls keine Rolle, 
höchstens könnte man daran denken, dass durch die eintretende leichte Atrophie der Haut der 
Nährboden für die Mikroben verschlechtert wird. 

Der gewöhnlichen Epilation mittels der Pincette oder der Pechkappe ist die Ent- 
haarung durch Röntgenstrahlen jedenfalls weit überlegen und zwar erstens wegen der Voll- 


ständigkeit der Enthaarung — es bleibt bei richtiger Anwendung der Röntgenstrahlen bekannt- 
lich auch nicht ein einziges Haar auf der bestrahlten Partie zurück — und zweitens infolge 


der erwähnten Epitpelabstossung im [ollikel selbst, wodurch die im Follikel sitzendeu Pilze 
natürlich gründlich entfernt werden. Die ursprüngliche Annahme, dass die Epilation mit der 
- Pincette wirksamer sei, weil hierbei die inneren Wurzelscheiden der Haare mit entfernt würden, 
während sie bei der Röntgenenthaarung zurückblieben, war zweifellos irrig. Schliesslich ist die 
Enthaarung durch Röntgenstrahlen ganz abgesehen von der Schmerzlosigkeit auch deshalb 
vorteilhafter als die Epilierung mittels der Pincette, weil die Haarlosigkeit nach Röntgen- 
epilation länger anhält. 


Über die Indikationen der Behandlung mit Röntgenstrahlen in der Dermatologie. 95 


Beim Favus des Kopfes ist die Röntgenbehandlung demnach stets angezeigt, wenn es 
sich um ausgedehnte Herde oder um eine grössere Anzahl kleinere Herde handelt. ` Am 
sichersten ist es, stets den ganzen Kopf zu enthaaren, unter allen Umständen aber die ganze 
Kopfpartie, auf der sich Erkrankungsherde finden. Stets muss der Enthaarung eine antipara- 
sitäre Nachbehandlung während mehrerer Wochen oder einiger Monate folgen. Bei derartigem 
Vorgehen sind die Resultate aber recht gute und Recidive selten. i 

Bei oberflächlicher Trychophytie des Kopfes sind die Indikationen für die Röntgen- 
behandlung gauz ähnlich wie beim Favus, ja, die Röntgenbehandlung ist besonders bei der 
Mikrosporie noch unentbehrlicher als beim Favus, da eine vollständige Epilation durch andere 
Methoden wegen der Brüchigkeit der Haare hier unmöglich ist. 
| Bei der Folliculitis barbae ist die Behandlung mit Röntgenstrahlen stets dann 
indiciert, wenn die Erkrankung hartnäckig und ziemlich ausgedehnt ist. Beschränkt sich die 
Affektion auf wenige Follikel, so wird man die Epilation mit der Pincette vorziehen, und nur 
in sehr hartnäckigen Fällen, in denen fortwährend neue Follikel erkranken, wird man auch 
bei geringer Ausdehnung der Affektion eine Enthaarung der ganzen Bartgegend mittels Röntgen- 
strahlen vornehmen. Gerade bei der Folliculitis barbae sieht man bisweilen, dass bereits eine 
erhebliche Besserung eintritt, ehe es zu vollkommenem Haarausfall gekommen ist. | 

Bei ausgesprochenen Sykosisfällen mit Bildung derber prominierender Knoten leisten 
die Röntgenstrahlen im allgemeinen weniger als bei einfachen Fällen von Folliculitis barbae. 
Die lockersitzenden Haare können hier meist leicht mit der Pincette entfernt werden, und eine 
Enthaarung durch die Strahlen wird nur bei sehr ausgedehnter Erkrankung indiciert sein. Auch 
führt die Röntgentherapie allein bei der Sycosis simplex gewöhnlich nicht zum Ziel, sondern 
nach der Enhaarung müssen zur Resorption der Neubildung noch die üblichen Behandlungs- 
methoden angewandt werden. Ähnlich wie bei der Sycosis simplex ist es übrigens auch bei 
der Sycosis parasitaria. 

Bei der Acne vulgaris ist die Indikation für die Behandlung mit Röntgenstrahlen 
eine beschränkte. Einmal sind die Erfolge der Röntgenbehandlung meiner Erfahrung nach 
bei der Akne häufig nicht besonders glänzend, und es wird oft mit ihr nicht mehr als mit 
anderen’ Behandlungsmethoden erreicht, und ferner tritt bisweilen durch die Bestrahlungen 
eine bräunliche Pigmentation der Haut auf, welche im Gesicht natürlich sehr störend ist. 
Allerdings pflegt diese Pigmentation in der Regel nach einigen Wochen wieder zu verschwinden. 
Dazu kommt, dass die Bestrahlungen meist ziemlich lange fortgesetzt werden müssen und die 
Behandlung daher zeitraubend und kostspielig ist. Man wird die Röntgenbehandlung bei der 
Acne vulgaris demnach nur in schweren, hartnäckigen Fällen anwenden und auch dann am 
besten mit den üblichen Behandlungsmethoden kombinieren. 

Bei der Hypertrichosis sind die Indikationen für die Behandlung mit Röntgenstrahlen 
meiner Ansicht nach auch recht enge zu ziehen. Einmal ist die Behandlung ausserordentlich 
langwierig, denn die Enthaarung muss mindestens vier- oder fünfmal wiederholt werden, ehe 
eine vollständige Verödung der Follikel eintritt, oder man muss nach erfolgter Enthaaruug in 
regelmässigen Intervallen, etwa aller 4—5 Wochen, wieder eine oder einige Bestrahlungen vor- 
nehmen, um das Wiederwachsen der Haare zu verhindern. 

Diese letzte Art der Behandlung scheint zuverlässiger als wiederholte Enthaarung zu 
sein, aber sie muss in der beschriebenen Weise 1—2 Jahre durchgeführt werden, ehe man 
auf eine totale Verödung der Follikel rechnen kann. 

Aber auch wenn eine definitive Enthaarung auf die eine oder andere Art durch die 
Röntgenbehandlung erzielt wird, ist das kosmetische Resultat kein ideales, denn die Haut wird 
durch die lange fortgesetzten Röntgenbestrahlungen meist etwas atrophisch, welk und runzlig. 
Die Röntgenbehandlung der Hypertrichosis ist demnach nur in schweren Fällen indiciert, 
wenn es sich um grössere behaarte Gesichtspartien handelt und dabei die Haare sehr kräftig 
sind und dicht stehen. Handelt es sich nur um eine geringe Anzahl kräftiger Haare, so ist 


96 Scholtz. 


die Entfernung durch Elektrolyse oder mittels des Mikrobrenners vorzuziehen, handelt es sich 
zwar um ziemlich ausgedehnten Haarwuchs, aber im wesentlichen um Lanugohaare, so wird 
die Enthaarung durch Röntgenstrahlen kaum einen kosmetischen Vorteil bringen. 

Bei der Alopecia areata sind nach den bisherigen Mitteilungen zweifellos einige 
bemerkenswerte Erfolge mit Röntgenbestrahlungen erzielt worden, im ganzen scheint die 
Röntgenbehandlung der Alopecia areata aber wenig zuverlässig zu sein. Man wird sie daher 
wohl nur in Fällen hartnäckiger oder sehr ausgedehnter Erkrankung der üblichen medi- 
kamentösen Therapie vorziehen. 


III. Indikationen für die Behandlung mit Röntgenstrahlen bei entzündlichen Epithel- 
erkrankungen der Haut. 


In diese Gruppe rechnen wir, wie schon erwähnt, das Ekzem. die Psoriasis, den 
Lichen chronicus und den Lichen ruber planus. 

Beim Ekzem leisten die Röntgenstrahlen am meisten bei chronischen schuppenden, 
psoriasiformen und hyperkeratotischen, rhagadiformen Ekzemen; bei akuten nässenden Ekzemen 
ist die Wirkung der Röntgenstrahlen zwar bisweilen auch recht günstig, im ganzen aber wenig zu- 
verlässig. Abgesehen von den obengenannten Formen ist die Réntgenbehandlung demnach nur bei 
hartnäckigen Ekzemfällen am Platze und auch da nur um die medikamentöse Behandlung zu 
unterstützen. Auch das Jucken wird recht häufig durch die Bestrahlungen wesentlich gemildert. 

Die Psoriasis ist im Gegensatz zum Ekzem in hohem Masse die Domäne der Röntgen- 
behandlung. | 

Die Psoriasis reagiert nach meiner Erfahrung selbst in recht hartnäckigen Fällen so 
gut wie ausnahmslos ausserordentlich prompt und schnell auf Réntgenbestrahlung, und vor 
der üblichen Salbenbehandlung hat die Röntgentherapie der Psoriasis nicht nur den Vorzug 
der Schnelligkeit, sondern vor allen Dingen den der Bequemlichkeit und Reinliehkeit. Zwar 
ist es vorteilhaft und stets empfehlenswert, die Röntgenbestrahlung mit Applikation von Salben 
zu kombinieren, aber es genügt eben gewöhnlich eime leichte Einfettung der erkrankten Stelle 
mit 5—10prozentiger Salicyl-Anthrasolsalbe und dergleichen, und energischer Anwendung von 
Chrysarobinsalben ist neben der Röntgentherapie nur in aussergewöhnlich hartnäckigen Fällen 
erforderlich. 

Bei sehr ausgedehnten Psoriasisfällen des ganzen Körpers kann man ja im allgemeinen 
bei der üblichen Salbenbehandlung bleiben, da die Bestrahlung des ganzen Körpers doch stets 
ziemlich umständlich ist, viel Zeit erfordert und nach den neuesten Untersuchungen möglicher- 
weise doch nicht ganz gleichgültig für den Organismus ist; klinisch sieht man allerdings auch 
bei sehr ausgedehnten Bestrahlungen eigentlich nie irgend welche Symptome, welche auf eine 
Schädlichkeit der Röntgenstrablen schliessen lassen. 

Dagegen ist die Röntgenbehandlung ganz unschätzbar bei einzelnen hartnäckigen 
psoriatischen Plaques und ebenso bei Psoriasis der Hände, wo eine energische Anwendung 
antipsoriatischer Medikamente schwierig ist. Etwas störend wirken die bisweilen nach der 
Röntgenbehandlung zurückbleibenden bräunlichen Pigmentationen und Pseudopigmentationen an 
Stelle der ursprünglichen Psoriasisherde. Wegen dieser manchmal auftretenden Verfärbung der 
Haut, welche allerdings nach einigen Wochen wieder zu verschwinden pflegt, wird man die 
Röntgenbehandlung der Psoriasis im Gesicht nur mit Vorsicht anwenden. 

Beim Lichen chronicus Vidal (Dermatitis lichenoides pruriens) leisten die Röntgen- 
strahlen bisweilen gute Dienste und man wird daher in hartnäckigen Fällen, in denen die 
übliche Salben- und Pflastertherapie nicht zum Ziel führt, einen Versuch mit der Röntgen- 
behandlung machen oder auch von vornherein die Réntgenbehandlung neben der Salben- 
behandlung u. s. w. als unterstützendes Mittel anwenden können. Gerade beim Lichen 
chronicus macht sich nicht selten die juckstillende Wirkung der Réntgenstrahlen deutlich 


Beitrag zur Histologie der Röntgenwirkung-auf die normale menschliche Haut. 97 


bemerkbar, indem schon nach wenigen Sitzungen das Jucken fast vollständig aufhört, ehe an 
der Haut noch irgend welche Veränderungen sichtbar sind. 

Ähnlich ist es beim Lichen ruber planus. Auch hier sind die Röntgenstrahlen in 
hartnäckigen Fällen, besonders als unterstützendes Mittel, manchmal von zweifellosem Nutzen 
und auch hier tritt ihre antipruriginöse Wirkung oft deutlich zu Tage. 


IV. Indikationen für die Röntgenbehandlung bei pruriginösen Affektionen. 


Ähnlich wie beim Lichen chronicus Vidae und beim Lichen ruber wirken die Röntgen- 
strahlen bisweilen auch beim einfachen Pruritus sowie bei der Prurigo ausgesprochen juck- 
stillend. Immerhin ist der Erfolg der Röntgenstrahlen bei diesen Affektionen ausserordentlich 
verschieden, bald tritt er sehr prompt ein, bald fehlt er vollständig. Trotzdem ist es wohl 
zweifellos, dass die Röntgenstrahlen bisweilen direkt juckstillend wirken und der Erfolg nicht 
etwa nur ein scheinbarer, das heisst suggestiver, ist. In allen hartnäckigen Pruritusfällen ist 
ein Versuch mit der Röntgenbehandlung demnach durchaus indiciert. | 

In ähnlicher Weise wie das Jucken scheinen bisweilen auch neuralgische Schmerzen, 
besonders bei Ulcerationen der Haut (ulcerierten Mammacarcinomen) durch direkte Wirkung 
der Röntgenstrahlen auf die Nervenendigungen günstig beeinflusst zu werden. 

Anhangsweise sei hier erwähnt, dass die Röntgenstrahlen meiner Erfahrung nach bei 
Hyperidrosis der Hände keine bedeutende Wirkung entfalten. 

Wir besitzen also in den Röntgenstrahlen ein ausserordentlich brauchbares thera- 
peutisches Mittel, welches bei den verschiedensten Dermatosen günstig zu wirken vermag. 
Gerade deshalb ist es notwendig, die Indikationen für die Röntgenbehandlung stets recht präzise 
zu stellen, und es muss vor schablonenhafter Anwendung nachdrücklich gewarnt werden. Im 
Grunde sind es doch nur wenige Krankheiten, bei denen die Röntgentherapie den alten Be- 
handlungsmethoden so überlegen ist, dass sie dieselben zu verdrängen vermöchte. Dies ist der 
Fall bei manchen Cancroiden der Haut, besonders des Gesichtes, bei hartnäckiger Psoriasis be- 
sonders der Hände, und beim Lupus vulgaris. Ferner gilt dies für die Epilation bei Favus und 
Trichophytie des Kopfes sowie für hartnäckige Fälle von Follikulitis barbae. Bei den meisten 
anderen Dermatosen, bei denen günstige Wirkungen der Röntgenstrahlen beobachtet werden, 
kommen dieselben im wesentlichen doch nur als unterstützendes Mittel neben der üblichen 
medikamentösen Behandlung in Frage und sind demnach hauptsächlich in hartnäckigen Fällen 
indiciert. 


Aus der kgl. dermatologischen Universitätsklinik in Breslau. 
(Direktor: Geheimrat Prof. Dr. Neisser.) 


Beitrag zur Histologie der Röntgenwirkung auf die normale menschliche Haut. 
| Von 


Dr. P. Linser, 
Privatdozent an der Universität Tübingen, z. Zt. Assistent an der Breslauer dermatol. Klinik. 


` 


Die Histologie der Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die normale menschliche 
Haut ist bisher noch nicht zu eindeutigen Resultaten gekommen. Die meisten Arbeiten be- 
schäftigen sich mit Befunden bei Röntgenulcerationen. Untersuchungen über den Zustand der 
Haut nach Röntgenbestrahlungen vor oder ohne Ulceration sind u. W. nur von Scholtz?) 


1) Arch. f. Derm. u. Syph., Bd. 69. 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. VIII. 13 


98 Linser. 


angestellt worden. aber auch nur an einigen wenigen Präparaten und ohne dass wir über die 
Menge der angewandten Strahlenenergie genauer unterrichtet wären. 

Über Befunde bei Röntgenulcerationen hat uns erst vor kurzem Gassmann!), dem 
wir eine der ersten histologischen Untersuchungen darüber verdanken, einen weiteren Beitrag 
geliefert. Seine Untersuchungen an Röntgengeschwüren beim Kaninchen ergaben überein- 
stimmend mit seinen früheren an menschlichen Ulcerationen starke Veränderungen an den 
Gefässen: Bedeutende Verdickungen der Intima, die zum Teil nicht die ganze Gefässinnen- 
fläche, sondern nur Abschnitte derselben, bestimmte Stellen, z. B. gegenüberliegende Flächen, 
betrafen. Dabei Auflockerung und Zerklüftung der Muskularıs. An den Venen namentlich 
fand er schr starke Verdickungen der Intima bis zur völligen Obliteration. Ähnliche Schlüsse 
konnten auch aus den von Dr. Baermann und mir?) erhobenen Befunden an den von uns 
untersuchten menschlichen Röntgenulcerationen gezogen werden. Jedenfalls gehören diese 
Gefässschädigungen zu den konstantesten Befunden bei den Röntgengeschwüren. 

Diese Befunde scheinen zu demselben Schlusse zu zwingen, der sich auch aus den 
klinischen und experimentellen Untersuchungen gewinnen liess, die wir?) vor kurzen mitteilen 
konnten, nämlich dem, dass die Réntgenstrahlen in erster Linie die Blutgefässe schädigen 
und erst secundär Ernährungsstörungen und Ulcerationen hervorrufen. 

Nun lässt sich aber gegen diese Deutung der histologischen Befunde mit einiger Be- 
rechtigung der Einwurf erheben, dass «dieselben an stark entzündlich veränderter, mehr oder 
weniger lang ulcerierter Haut erhoben sind und dass auch sonst bei lang bestehenden 
Ulcerationsprozessen, z. B. Ulcera eruris, an den Gefässen der Umgebung Endovasculitis mehr 
oder weniger hohen Grades beobachtet wird, die nur secundiir, durch den entzündlichen Prozess 
verursacht ist. Wenn wir auch diesen Einwurf nicht als stichhaltig ansehen können, da die 
Röntgengeschwüre im Vergleich zu Unterschenkelgeschwüren doch noch relativ akut auf- 
tretende und meist bald wieder vernarbende Prozesse sind, so mag es doch erwünscht sein, 
die Veränderungen nach Röntgenbestrahlungen an Hautpartien zu untersuchen, die nicht 
ulceriert waren. 

Die Frage war hier nur die: Wie kann man die Ulceration vermeiden, ohne 
die Dosierung der Röntgenbestrahlung zu sehr abzuschwächen? Diese Schwierig- 
keit lässt sich umgehen dadurch, dass man nur einen schmalen Hautstreifen der Röntgen- 
wirkung aussetzt. Wir hatten Gelegenheit, bei einem an multipelm Lupus leidenden Manne, 
bei dem zahlreiche Excisionen gemacht werden mussten, mehrere solche nur 2 cm breite, in 
ganz gleicher Weise geröntgte Streifen zu gewinnen, die alle der Wirkung von mindestens 
16 H ausgesetzt, waren Dieselben wurden in gewissen Zeitabständen im Verlauf eines Monates 
nach der Bestrahlung excidiert. Die Haut blieb stets intakt; es kam nicht einmal zu 
einer nennenswerten Abschilferung der obersten Epidermisschichten danach. Nur eine deut- 
liche Pigmentierung zeigte sich nach einiger Zeit. Dagegen hatten die Defekte nach 
der Excision, soweit sie nicht primär geschlossen werden konnten, das charakteristische Aus- 
sehen von Röntgenulcera. Trotzdem war die Heilung nur wenig verzögert. 

Die histologische Untersuchung der zahlreichen in gleicher Weise fixierten und 
eingebetteten Stücke ergab, wenn wir uns nur auf die Hauptsache beschränken: 

Am Epithel ist zu keiner Zeit eine degenerative Veränderung sichtbar. Die Zellen 
und ihre Kerne sind stets normal gross, gut fiirbbar, frei von Vacuolen u. s.w. Die Anord- 
nung ist die gewöhnliche. Nur der Pigmentgehalt der Basalzellen des Rete Malpighi 
nimmt mit der Zeit zu und ist in den nach einem Monate entnommenen Stücken ein ganz 
erheblicher. Auch die Haare und die Hautdrüsen sind frei von Veränderungen. 


1) Fortschr. auf d. Geb. d. R. Str., Bd. 2, pg. 197. 
2) Münch. med. Wochenschr. 1904, No. 21. 
t Ebenda sowie No. 23, 1904. 


Beitrag zur Histologie der Röntgenwirkung auf die normale menschliche Haut. 99 


Am Bindegewebe lassen sich keinerlei Degenerationen nachweisen: Die elastischen 
Fasern zeigen in gleicher Weise wie die übrigen Bindegewebsfasern normale Färbung und 
Anordnung. Desgleichen die Nerven. 

Nur die Blutgefässe sind und zwar zum Teil verändert; durchaus nicht sämt- 
liche; Nur einzelne wenige in jedem Schnitt zeigen die gleichen beschreibenden Besonder- 
heiten: Vier Tage nach der Bestrahlung sieht man in einzelnen Gefässen Thrombosen; das 
ganze Lumen ist erfüllt mit Leucocyten. Das Endothel fehlt teilweise; an anderen Stellen ist 
es aufgequollen und springt bläschenförmig ins Lumen vor. Die Media ist aufgelockert, zer- 
klüftet und enthält durchwandernde Leucocyten in auffallender Menge. Die Gefässscheiden 
zeigen die bekannten Bilder der kleinzelligen Infiltration. 

Nach acht Tagen lässt sich noch keine wesentliche Änderung dieser Erscheinungen 
feststellen. Die perivasculäre Infiltration hat wohl noch zugenommen, aber man sieht neben 
zahlreichen kleinen anscheinend normalen Kapillaren immer noch einige ganz oder nur zum Teil 
thrombosierte Gefässe mittlerer Grösse. 

Erst nach etwa 16 Tagen kann man in solchen, die noch nicht ganz thrombosiert 
waren, Verdickung der Intima nachweisen. Die Leucocytenauswanderung, die Zerklüftung der 
Media erreicht um diese Zeit etwa ıhren Höhepunkt. 

Nach 20 Tagen sieht man bereits erhebliche endarteriitische Auflagerungen meist noch 
rein bindegewebiger Natur. Das elastische Gewebe scheint sich erst später zu bilden. 

Die Verdickungen betreffen, wie dies auch Gassmann (cf. oben) beschrieb, nicht 
gleichmässig die ganze Intima, sondern nur Teile, Strecken, oft auch gegenüberliegende 
Flächen derselben. Auf Serienschnitten kann man auch nachweisen, dass Gefässe auf kurze 
Strecken vollkommen obliterieren. 

Nach 30 Tagen sind die entzündlichen Erscheinungen grösstenteils geschwunden. 
Dagegen sieht man jetzt zum Teil schon die typischen endovasculitischen Veränderungen mit 
neugebildeten elastischen Fasern, die den Gefässen eine sehr verschrumpelte, unregelmässige 
Form verleihen, dadurch, dass sie in die Lumina oft polypenförmig vorzuspringen scheinen, 

All diese Veränderungen sind am auffallendsten an den kleinen präkapillaren 
Arterien, an denen noch die verschiedenen Gefässschichten deutlich vorhanden sind. An den 
Kapillaren und zum Teil auch an den Venen entziehen sie sich leicht dem Auge, da solche 
kleine thrombosierte, in Obliteration begriffene Gefässe nur schwer von den übrigen Gebilden 
der Haut zu differenzieren sind. Man hat zwar den Eindruck, dass die Zahl der Kapillaren 
in den späteren Stücken eine geringere ist. Aber dies objektiv festzustellen ist natürlich 
sehr schwer. 

Jedenfalls geht aus diesen histologischen Befunden hervor, dass das Epithel — wenigstens 
bei der normalen Haut — nicht primär geschädigt wird durch diese doch immerhin recht 
erhebliche Bestrahlungsstärke. Dagegen liessen sich an den Gefässen in Übereinstimmung 
mit den oben erwähnten Gassmannschen Befunden sowie unseren klinischen und experimen- 
tellen Erfahrungen deutliche Veränderungen nachweisen, die wohl in unserem Falle einwands- 
frei auf die Wirkung der Röntgenstrahlen zurückgeführt werden müssen. 

Die Gefässschädigung betrifft auch nicht alle Gefässe gleichmässig, sondern 
nur einzelne Gefässe beziehungsweise Gefässstrecken, und auch hier finden wir an einer und 
derselben Intima oft Stellen mit stärkern Veränderungen abwechseln mit solchen, die nur geringe 
Verdickungen zeigen. Dies ist meiner Ansicht nach nicht wohl anders zu erklären, als durch 
das Verhältnis der Strahlenrichtung zum Gefässverlauf. Denn wie wir dies schon 
früher ausführten, bei der Nichtbrechbarkeit der Röntgenstrahlen ist anzunehmen, dass die 
senkrecht von den Strahlen getroffenen Gefässe stärker geschädigt werden als solche, die 
schief oder parallel zur Strahlenrichtung verlaufen. 

Diese partielle Gefässschädigungen lassen uns endlich auch verstehen, weshalb in 
unserem Falle trotz energischer Bestrahlung keine Epithelnekrose, keine Ulceration eingetreten 

13* 


100 Holzknecht. 


ist: Infolge der geringen Breite des bestrahlten Bezirkes reichten die umgebenden 
normalen Collateralen noch aus. um die Blutzirkulation soweit aufrecht zu 
erhalten, dass keine Ernährungsstörung ın dem bestrahlten Bezirk auftrat. 

Die Frage der Einwirkung der Röntgenstrahlen auf epitheliale Neubildungen wird 
durch diese Untersuchungen natürlich nicht direkt berührt. 

Meinem verehrten fr. Chef, Herrn Geheimrat Neisser spreche ich für die Uber- 
lassung des Materials und sein reges Interesse an meinen Untersuchungen meinen verbindlichsten 
Dank aus, 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 
Von 
Dr. G. Holzknecht, Privatdozent für medizinische Radiologie an der Wiener Universität. 


Die tägliche Erfahrung lehrt, dass unsere Röntgenreaktionen fast stets ungleichmässig 
sind. Das heisst, sie fallen in dem bestrahlten Gebiet nicht überall gleich stark aus, hier 
erreichen sie eine höhere, dort eine niedrigere Stufe, gewöhnlich reagieren das Centrum des 
Gebietes und die vorspringenden Punkte am stärksten, und die Reaktion nimmt nach den 
Rändern hin ab, dort entweder scharf absetzend oder verklingend. Diese Maxima im Centrum 
und an vorspringenden Stellen wurden mehrfach damit erklärt, dass es ein intensiv wirkendes 
centrales Strahlenbündel giebt.') 

Man mag sich nun fragen, ob die Gleichmässigkeit überhaupt eine erstrebenswerte 
Eigenschaft der Reaktion ist oder ob es für den Erfolg genügt, wenn nur überhaupt an allen 
kranken Stellen eine Reaktion auftritt, gleichgültig, wie hoch sie ist. Nun, wenn das letztere 
der Fall wäre, so müsste der Gleichwässigkeit der Reaktion trotzdem aus dem Grunde Auf- 
merksamkeit geschenkt werden, weil es klar ist, dass dann mit Rücksicht auf die Schädigungen, 
welche stärkere Reaktionen der Haut stets bringen, stets gleichmiissig im ganzen Gebiet die 
schwächste Reaktion hervorgerufen werden müsste. Allein es stellt sich immer mehr die 
Thatsache heraus, dass jedem der indizierten Prozesse, ja jeder Form desselben eine bestimmte 
Reaktionshöhe entspricht, die ihnen am nützlichsten ist. Im Detail sind freilich diese „richtigen 
Reaktionshöhen“ noch nicht für alle indizierten Prozesse sichergestellt. Bis vor nicht allzu 
langer Zeit konnte ihre Ermittelung nur langsame Fortschritte machen, weil mangels einer 
exakten Dosierungsmethode die zur Beurteilung notwendige grössere Zahl gleich hoher Reaktionen 
fehlte. Die ungleichmässige Reaktion zeigt nun an verschiedenen Stellen der bestrahlten 
kranken Haut verschieden hohe Reaktionsgrade und es ist klar, dass so der Zweck der Behandlung 
nur an einzelnen Stellen, an jenen mit richtiger Reaktionshéhe erreicht wird. Ein Mittel, 


1) Gelegentlich wurden sie auch gänzlich missverstanden. So berichtet Freund aus dem Verlauf 
einer bestrahlten Sykosis barbae, dass während einer mittelstarken Reaktion „der Biter sich an den 
abhängigen Partien‘, also wohl am Unterkieferrande „angesammelt“ habe. Thatsächlich verhielt ‘es sich 
offenbar so, dass sowohl «lie Haut der Wange, als auch die der Regio submaxillares bestrahlt wurde 
und der aus diesem Bestrahlungsgebiet yvorspringende Unterkieferrand die grösste Dosis und damit ein 
Reaktionsmaximum erhielt. Die entzündliche Exsudation musste daher hier am stärksten sein, das Sekret 
ist hier entstanden und stammt nicht von der Wange, wo eine geringere Reaktion auch mit geringerer 
eitriger Sekretion einherging. Auch in den übrigen Arbeiten des Autors und seines ehemaligen Mit- 
arbeiters findet sich die Uneleichmiissigkeit der Röntgenreaktion nirgends erwähnt oder erklärt und 
nirgends ein Weg zu ihrer Hintanhaltune bezeichnet. Übrigens wird man sich über das Wesen dieser 
Ungleichmässigkeit viel leichter bei stärkeren und von einer einzigen Focusstellung aus hervorge- 
rufenen Reaktionen klar, als bei schwächeren in schleppender Weise erzeugten. 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 101 


nirgends eine zu geringe Reaktion zu setzen, ohne die Ungleichmässigkeit zu beseitigen, gäbe 
es allerdings. Es besteht darin, im Centrum des Bestrahlungsfeldes eine höhere als die not- 
wendige und dadurch in der Peripherie sicher eine genügend hohe Reaktion hervorzurufen. 
Das Mittel lässt sich aber einerseits nut dort verwenden, wo der notwendige Grad nicht ohnehin 
ein höherer ist, weil dann das stärker reagierende Centrum dauernde Schädigungen erfahren 
würde, andererseits ist es ein natürliches Postulat, die Reaktion an keiner Stelle höher zu 
machen, als der Prozess verlangt, weil es für die Haut auch nach Heilung des Prozesses 
durchaus nicht gleichgültig wäre, wenn damit ohne Grund die völlige restitutio ad integrum 
verscherzt würde. | 

Eine durch Ungleichmässigkeit stellenweise ungenügend ausgefallene Reaktion durch 
eine nachfolgende zu verbessern, gestaltet sich ferner durch die entstandenen Ringformen u. dgl. 
und durch den allmählichen Übergang von der genügenden zur ungenügenden äusserst schwierig, 
weil schon die Gleichmässigkeit auf einem irregulären Bestrahlungsfeld und nun erst die gleich- 
mässige Abstufung auf einem solchen, wie wir sehen Werden; noch schwieriger ist, als die 
Erzeugung von Gleichmässigkeit von vornherein. 

Wir sollen also erstens im Centrum der Bestrahlungsfläche die richtige Reaktion 
erzeugen, und dafür sorgt, ohne unser Zuthun, die heute mögliche instrumentelle Dosierung '), 
zweitens auch im ganzen übrigen Bestrahlungsfeld die richtige Reaktionshöhe ein- 
halten, und das geschieht durch die Sorge für die Gleichmässigkeit der Reaktion 
und ist der Inhalt der folgenden Ausführungen- Die Länge derselben soll keine falsche Meinung 
über die Schwierigkeit dieser Bemühungen erwecken. Was sich am Ende in feste Regel 
gefügt ergiebt, ist relativ einfach und unschwer zu handhaben. 

Wir müssen, wollen wir die Ungleichmässigkeit der Reaktion beseitigen, uns vor allem 
fragen, woher sie rührt?), welcher physikalische Faktor der Bestrahlung ihre Ursache ist, 
und wie wir ihn wählen müssen, um sie zum Verschwinden zu bringen. Dass das überhaupt 
möglich ist, beweisen uns einzelne unserer Reaktionen, welche vollkommene Gleichmässig- 
keit zeigen. 

Wenn das Kienböcksche Gesetz, dass die Höhe der Reaktion für ein und die- 
selbe Hautstelle von der Menge des absorbierten Röntgenlichtes abhängig ist, 
zu Recht besteht — und es hat geschlossene Beweise und wiederholte Bestätigung, neuerdings 
durch das Chromoradiometer, gefunden —, so ist es keine Frage, dass die Ungleichmässigkeit 
der Reaktionshöhe an den einzelnen Stellen des Bestrahlungsfeldes von verschieden grossen 
Mengen absorbierten Lichtes berrührt. Und so ist die Frage nach der Gleichmässigkeit der 
Reaktion im Grunde ebenfalls eine Dosierungsfrage und betrifft die Grösse der Dosen an den 
einzelnen Stellen des Bestrahlungsfeldes, wie wir dies schon vorweg genommen haben. — Weil 
aber die Haut an diesen verschiedenen Stellen gleich stark absorbiert, so müssen es verschieden 
grosse einstrahlende Lichtmengen sein, die zu verschiedenen absorbierten Mengen führen. 


1) Das Chromoradiometer, siehe Gocht, Röntgenlehre, S. 513 f., und Dessauer-Wiesner, 
Leitfaden, S. 271—287, Holzknecht, die Röntgentherapie in „Die physikalischen Heilmethoden in 
Einzeldarstellungen‘“ (Wien, Deutike, im Erscheinen). 

2) Eine besondere Art von Ungleichmässigkeit der Reaktion, welche hier nicht gemeint ist, 
entsteht mitunter dadurch, dass verschiedene Stellen des Bestrahlungsfeldes verschiedene Empfindlichkeit 
haben. Sie ist sehr häufig. Psoriatische, trichophytische, sykotische Herde, Lupusknötchen sind eben 
empfindlicher, als die normale oder nur wenig entzündlich gereizte Haut und reagieren daher, wenn sie 
die gleichen Lichtmengen erhalten, stärker wie diese, zeigen kürzere Latenz und längeren Reaktions- 
verlauf. Oder es verfallen die kranken Herde einer leichten Reaktion, während die normalen Inseln 
und Zwischenfelder keinerlei Veränderungen zeigen. Auf diese Erscheinung muss natürlich bei Bemessung 
der Dosis geachtet und ihr durch doppelt geführte Verlaufsnotizen Rechnung getragen werden. Gegen- 
stand einer Sorge ist jedoch diese Ungleichmässigkeit meist nicht. Sie ist im Gegenteil sehr erfreulich, 
sie ist der Ausdruck der elektiven Strahlungswirkung und die wichtigste Ursache der hohen Bedeutung, 
welche die strahlenden Agentien in der Therapie errungen haben. 


102 Holzknecht. 


Die schon erwähnte Erklärung der Ungleichmässiskeit aus dem Vorhandensein eines 
intensiver wirkenden centralen Strahlenbiindels ist falsch. Die centralen Reaktionsmaxima würde 
sie scheinbar begreiflich machen, aber schon für die Reaktionsmaxima an vorspringenden 
Stellen des Bestrahlungsfeldes lässt sie im Stich. Übrigens lässt sich auch der exakte Nach- 
weis, dass ein solches stärkstes Centralhiindel, dem schon Röntgen in den ersten Arbeiten ent- 
gegentrat, nicht existiert und die Strahlung vom Focus aus nach allen Richtungen hin gleich- 
mässig wirkt, weil sie in einer halben Kugelwelle verläuft. leicht erbringen. Was also kann 
sonst die einstrahlende Lichtmenge verändern? Gehen wir die Faktoren, von welchen sie ab- 
hängt, nochmals durch, so erkennen wir, dass der grösste Teil derselben, derjenige, welcher 
auf die Intensität des im Focus entstehenden und von hier ausstrahlenden Lichtes Einfluss 
hat, an der Ungleichmässigkeit der Reaktion nicht die Schuld tragen kann; denn das im Focus 
ausstrahlende Licht ist ja nach allen Richtungen hin gleich intensiv. Die Ungleichmassigkeit 
der einstrahlenden Menge kann daher nur auf dem Weg vom Focus zur Haut entstehen und 
der einzige hier massgebende Faktor und zugleich der letzte, der übrig bleibt, ist die Länge 
dieses Weges. Die Lichtintensität hängt auch von der Distanz zwischen Focus und 
absorbierender Fläche, also von der Werlänge der Röntgenstrahlen ab, wie dies 
längst geläufig ist. Thatsächlich sehen wir nun, dass für die einzelnen Punkte der Bestrahlungs- 
fläche oft erhebliche Unterschiede in den Weelingen der Strahlen bestehen, und zwar sind 
eben die Wege vom Focus bis zur Peripherie des Bestrahlungsgebietes die längsten, die zum 
Centrum und zu den verspringenden Punkten die kürzesten. 
Das Verhältnis zwischen Weelinge und Lichtintensität ist 
ein umgekehrtes. Je grösser die Weglingen, desto kleiner 
die Intensitäten. Es ist aber, weil die Ausbreitung des Lichtes 
nicht bloss in einer Ebene, sondern im Raum geschieht, 
bekanntlich nicht ein einfaches, sondern ein quadratisches. 
Das durch die 4 Kanten Oa, Ob, Oc, Od begrenzte pyramidale 
Lichtbündel (Fig. 1) muss in der doppelten Entfernung 
(oy = 20.) eme 4mal so grosse Fläche wie a, b, e, d 
bestrahlen und ihr Licht auf sie verteilen. Sie wird also für 


d 
Fig. 1. eine gleich grosse nur ein Viertel Ihrer Lichtmenge verwenden 
Erläutert das Gesetz der Verteilung können. Kurz, die Intensitätsabnahme infolge verschiedener 
focaler Strahlungen und zeigt, wie Entfernung ist eine sehr bedeutende und sie erklärt uns voll- 
nn nn PD en kommen die Ungleichmässigkeit der Reaktionen. 
die gleiche Strahlung die vierfache Diese Thatsache hängt übrigens nicht mit dem Wesen 
Fläche versorgen muss. der Röntgenstrahlen zusammen, sondern bloss mit den Beson- 
derheiten der üblichen focalen Gewinnung, welche nicht zu 
allen Zeiten bestanden hat. Das Interesse an der Intensität der Strahlung sowie an der Schärfe 
der diagnostischen Bilder hat zur Konstruktion der focusréhren'), zur Erzeugung einer focalen 
Strahlung geführt. Und für focale Lichtquellen gilt eben obiges Gesetz. Eine parallele 
Strahlung würde sich anders verhalten. Eine solche können wir aber nicht erzeugen und 
ebensowenig die divergente parallel machen. Wir müssen uns daher mit der Divergenz 
befreunden und ihre schädliche Wirkung zu paralysieren trachten. Bei Betrachtung der Fig. 2 
finden wir, dass das Gebiet «b von o aus ungleichmässig bestrahlt wird, weil die Weglänge 
der Strahlen von o zu e kürzer ist, als von o zu a oder zu b (siehe Kreisbogen). Sie ist aber 
noch viel kürzer, als zu d, dem Rand des grösseren Gebietes ad. Und nun haben auch die 
beiden Randstrahlen dieses Gebietes nicht mehr den gleichen Wee, es müssen also hier auch 


u 
an den Rändern verschieden grosse Intensitäten bestehen. Noch grösser wird die Differenz der 


1) In Bezug auf die Gleichmiissigkeit der Bestrahlung sind auch die jüngst von mir für die 
Therapie empfohlenen Röhren mit mangelhafter Centrierung als Focusréhren zu betrachten. 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 103 


Weglängen, wenn man von o aus das Gebiet ef bestrahlt, wie der durch e gezogene Kreis- 
bogen zeigt. Ferner zeigt sich, dass ausser der Focaldistanz noch ein zweiter Faktor eine Rolle 
spielt, nämlich die Stellung der 
Röhre zur bestrahlten Fläche, oder 
anders ausgedrückt, der Einfalls- 
winkel der Strahlung. Fig. 3 zeigt 
den Einfluss desselben. Von dem 
ganzen Strahlenbiindel, das die 
Fläche ab trifft, fallen erhebliche 
Anteile weg, wenn die Fläche bis 
a,b, oder a,,b,, gedreht wird, wäh- 
rend in der Stellung a, Ù, kein 
Strahl mehr die Fläche trifft. Die 
Intensität nimmt also mit dem 
Einfallswinkel (genauer: mit seinem 
cosinus) ab und ist daher bei 90° 
am grössten und immer um so kleiner, je kleiner der Einfallswinkel ist. Die in jedem 
Punkte senkrecht einfallende, also die parallele Strahlung wäre daher auch bezüglich des 
Einflusses, den der Einfallswinkel auf die Intensität ausübt, unser Ideal. In praxi bewirkt 
nicht die Lage des Bestrahlungsfeldes zum Focus der Röhre die Differenzen im Einfallswinkel, 
sondern wie Fig. 1, zeigt, die räumliche Ausdehnung des Bestrahlungsfeldes. Die Winkel, 
welche die einfallenden Strahlen mit der bestrahlten Fläche bilden, nehmen von c bis f 
kontinuierlich ab. Gleiche Entfernung und gleicher Einfallswinkel bestehen aber bei einer 
focalen Strahlung nur dann, wenn das Bestrahlungsfeld einer Hohlkugel angehört und die 
Lichtquelle in deren Centrum steht. 
Dann sind alle Weglängen der Strahlen 
gleich dem Radius der Kugel und alle 
Einfallswinkel gleich 90°. Je weniger 
gekrümmt das Stück der Hohlkugel 
ist, desto entfernter läge ihr Mittel- 
punkt, und wenn wir die plane Fläche 
als Hohlkugel von unendlich langen 
Radius auffassen, so ergiebt sich für 
diese auch hier wieder die unendliche 
Entfernung der Röhre als Ideal. An- 
nähernd konkave Bestrahlungsfelder 
kommen am menschlichen Körper in 


Fig. 2. 
Zeigt links die Differenzen in der Weglänge und dem Einfalls- 
winkel der Strahlen vom Focus zu den einzelnen Punkten der 
bestrahlten Fläche und rechts, welchen Einfluss die allgemeine 
Stellung des Focus zu dieser Fläche auf die Weglängen und 
Einfallswinkel hat. 


Fig. 8. 


Der Focus ist oberhalb der 
Figur, und dort zu denken, 
woher dieStrahlen zu kommen 
scheinen. (Pfeil.) Die Figur 
illustriert den Einfluss des 
Neigungswinkels, den die 
Strahlen mit der absorbieren- 
den Fläche bilden. a' und 
a können nur mehr einen 
Teil des ganzen Bündels auf- 
fangen, das die senkrecht ge- 
troffene konsumieren konnte. 
Die in der Strahlenrichtung 
liegende erhält überhaupt 
kein Licht mehr. 


beschränkter Zahl vor, so die Hohl- 
hand, die Achselhöhle, die Kniekehle 
und das aus Hals, Schulter und Supra- 
claviculargrube zusammengesetzte Feld, 
letzteres z. B. als Lieblingssitz des 
chronischen Ekzems. Am häufigsten 
aber sind die konvexen und dann die 
fast planen. Für die ersteren giebt 
es auch theoretisch keine Röhrenent- 
fernung, welche bei focaler Strahlung 
Gleichmässigkeit hervorbrächte. Auch 
die unendliche Entfernung mit paralleler 
Strahlung würde nichts fruchten; die 


Fig. 4. 


Zeigt, dass die Differenz der 
Weglängen einerseits zum 
Scheitelpunkt d. gekrümmten 
Bestrahlungsfläche anderer- 
seits zu ihren Rändern grösser 
ist, wenn die Röhre nahe steht, 
kleiner, wenn sie weit ent- 
fernt ist. Ebenso sind im 
ersteren Falle die Einfalls- 
winkel spitzer, die Bestrahlung 
also in beiden Beziehungen 
im ersten Falle ungleich- 
mässiger. 


104 Holzknecht. 


Strahlen würden auch dann nicht die gleichen Weglängen und Einfallswinkel aufweisen. Sie 
müssten konvergierend zum Krümmungsmittelpunkt auftreffen, während wir für plane Flächen 
die unendliche Entfernung als zureichend anerkannt haben. 

So ausser stande, absolute Gleichmässigkeit der Bestrahlung zu erreichen, 
müssen wir uns mit einer annähernden begnügen. Diesbezüglich sehen wir nun 
in Fig. 2 und Fig. 4, dass den verfügbaren, endlichen Entfernungen verschiedene Weg- 
längen und Einfallswinkel zukommen, und bemerken, dass mit ihnen die Gleichmässigkeit 
wechselt. Wir werden also durch richtige Wahl der Entfernung innerhalb der räumlichen 
Möglichkeit eine approximative Gleichmässigkeit zu erzeugen trachten. Die beiden Figuren 
zeigen, dass die Weglängen um so gleicher sind, und die Einfallswinkel sich um so mehr 90° 
nähern, je weiter entfernt die Röhren stehen, und wir haben also auch praktisch allen Grund, 
die Erkenntnis zu verwerten, dass die Gleichmässigkeit eine Funktion der Entfernung ist. 


Nun dürften folgende geschichtliche Bemerkungen schon verständlich sein. Vor Einführung der 
Chromoradiometrie wurde die Focusbautdistanz in zweierlei Weise verwendet: Alle erkannten, dass sie 
sehr wichtig ist, weil sie grossen Einfluss auf die Lichtintensitiit hat. Meist wurden daher ganz präzise 
Vorschriften über sie gemacht. Aber dieselben lauteten bald 12 cm, bald 50 em und mehr, oder sie wurden 
selbst von einem und demselben Autor verändert und zwar gewöhnlich nach einigen Verbrennungen ver- 
grössert, als ob man aus grösserer Entfernung nicht gelegentlich der dadurch notwendigen Verlängerung 
der Exposition ebenfalls überdosieren könnte. Im Lichte der obigen Ausführungen erscheint ganz 
besonders krass die Vorschrift Freunds: „Als Abstand der Röhre von der behandelten Hautpartie nehme 
ich zu Beginn 15 cm, gehe dann aber successive bis auf 5 cm herab.* Eine Zeile später setzt er seiner 
Einsicht in die Bedeutung der Röhrenentfernung die Krone auf: „Seit einigen Monaten mache ich es 
umgekehrt und nehme anfangs die kürzeren Distanzen . . . 7?) 

Überhaupt findet sich in der ganzen Litteratur nur ein Autor, der, längst vor der eben citierten 
Vorschrift die Bedeutung der Focaldistanz erkannt und erwähnt hat. Kienböck schreibt in seiner Patho- 
logie der Hautveränderungen durch Röntgenstrahlen?) folgendes: „Die Entzündung tritt auf der unter 
dem Focus der Röhre gelegenen kreisformigen Hautpartien auf, und zwar in der Mitte derselben heftiger 
und früher als am Rande, wo die auftreffenden Röntgenstrahlen schon einen grösseren Weg 
zurückgelegt haben und unter kleincrem Winkel einfallen, daher entsprechend abgeschwächt, 
respektive spärlicher sind. In diesem Fall,“ bemerkt er in der Anmerkung, .war also die Exposition nur 
darum nicht allenthalben die gleiche, weil die Entfernung und Stellung der einzelnen Abschnitte 
der Hautoberfläche zum Focus der Röhre eine verschiedene war.“ In derselben Arbeit erkennt er nicht 
nur, dass dabei die Entfernungsdifferenz im quadratischen Verhältnis, sondern sogar, dass die Differenz im 
Einfallswinkel nicht direkt, sondern in dessen Cosinusfunktion in Betracht kommt. Ja er hat auch danach 
gestrebt, diesen Umständen in seiner technischen Praxis Rechnung zu tragen. In seinem Referat über 
die „Technik der Röntgentherapie“?) heisst es zuerst: „Von der Grösse und vom Niveau der zu behan- 
delnden Stelle hängt es ab, ob die Bestrahlung von einem Punkte aus genügt und in welcher Ent- 
fernung man die Röhre anbringt. Kleine Herde werden aus bedeutender Nähe, grosse ebene Flächen 
aus beträchtlicher Entfernung exponiert.“ Dann aber: „Doch ist es praktisch, stets mässigen 
Röhrenabstand, intensives, kritisches Licht .. ... zu verwenden.“ Der darin liegende Wiederspruch 
ist nur ein scheinbarer: Die Gleichmässigkeit verlangt angepasste Focushautdistanzen, „praktische“ Gründe 
liessen dies jedoch damals nicht zu. Die Röhrendistanz musste eine konstante sein, oder etwa einige 
wenige Konstanten betragen, weil sonst die Einrechnung der in quadratischem Verhältnis in Wirkung 
tretenden Entfernung in jedem Fall eine komplizierte und praktisch undurchführbar wäre. Denn nur bei 
gleicher Entfernung und gleich intensiv strahlender Röhre ist die Dosierung nach der Zeit möglich. 
Die konstante Röhrenentfernung war bei der damaligen Sachlage nach das Richtige. In dem Moment 
aber, wo die Dosierung aufgehört hat, alle physikalischen Faktoren der Bestrahlung zu beherrschen, wo 
sie unabhängig von Intensität und Frequenz der Lichtschläge, von der Focushautdistanz u. s. w. wurde, 
wo der Reagenzkörper automatisch die schwerfällige Umrechnung besorgt, war die Röhrenentfernung frei 
und kann nun im Interesse der Gleichmässigkeit der Grösse und Form der Bestrahlungsfläche angepasst werden. 


1) Grundriss der gesamten Radiotherapie 1903. Wie mag er es wohl jetzt machen? 

2) Wiener med. Presse 1901, No. 19fl. Kürzlich hat der Verfasser darüber einige praktische 
Regeln aufgestellt (Phys. med. Monatsh., 1904, 1 u. 2 und in allerletzter Zeit hat Belot in seinem 
Buch: La Radiotherapie die ganze Frage aufgerollt. 

3) 72. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, Hamburg 1901. 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 105 


Und nun müssen wir uns zunächst daran erinnern, dass die Weglängen und Einfalls- 
winkel um so gleicher und damit die Gleichmässigkeit um so besser ist, je grösser die Focus- 
hautdistanzen sind. 

Ihrer freien Verwendung ist aber, abgesehen von der räumlichen Unmöglichkeit eine 
unendliche Entfernung zu wählen, eine noch engere Grenze in der geringen Lichtintensität 
gezogen. Da unsere grössten Lichtintensitäten relativ recht gering sind und ausserdem 
mit der Entfernung der Quelle im quadratischen Verhältnis abnehmen, so können wir bei der 
Wahl der wünschenswerten grossen Entfernungen die dadurch bedingte äusserst geringe Licht- 
intensität nur durch bedeutende Ausdehnung der Bestrahlungszeit kompensieren. Die für eine 
Reaktion ersten Grades genügende Lichtmenge von 3 H. können wir erzeugen, wenn wir bei 
15 cm Entfernung 10 Minuten lang bestrahlen. Bei 60 cm Hautfocusdistanz benötigen wir 
dazu circa 100 Minuten, bei 1 m 20 cm circa 1000 Minuten, also absurd lange Bestrahlungs- 
zeiten. Allerdings, wenn uns die Zukunft grössere Strahlungsintensitäten bringt, so werden wir 
zunächst nicht etwa mittels derselben die Bestrahlungsdauer verkürzen, sondern durch Wahl 
grösserer Röhrendistanzen die Gleichmässigkeit der Reaktion verbessern. Und schon heute 
gewinnt bei rationellem Betrieb derjenige, der vermöge seines besseren Instrumentars über die 
grösseren Lichtintensitäten verfügt, wobei hauptsächlich der Röntgenröhren gedacht ist. 

Die Wahl der Entfernung, die wir treffen müssen, muss daher ein Kompromiss 
zwischen Gleichmässigkeit und Strahlungsintensität, resp. zwischen Gleichmässigkeit und Zeit- 
aufwand sein, die uns bezüglich der Entfernung in entgegengesetztem Sinn zu beeinflussen 
trachten. Wir gehen mit der Röhre um Zeit zu sparen, so nahe, als es die Gleichmässigkeit 
zulässt. Das Kompromiss berücksichtigt also die letztere mehr, es wird zu ihren Gunsten 
geschlossen, und wir erstreben statt der unerreichbaren absoluten eine relative, eine genügende 
Gleichmässigkeit. 

Welche Gleichmässigkeit ist nun „genügend?* Können wir es eine genügende Gleich- 
mässigkeit nennen, wenn am Rande des Bestrahlungsfeldes leichte Rötung und subjektive Symp- 
tome, im Centrum aber eine Excoriation entsteht, welche erst nach zwei Monaten überhäutet 
ist und Pigmentveränderungen und Hautatrophie zurücklässt? Sicherlich nicht. 

Wir wollen, um hier eine Regel zu finden, das Kapitel aus der Pathologie der Röntgen- 
dermatitis streifen, welches von den Graden derselben handelt. 

Mit Kienböck stellen wir im Gegensatz zur üblichen Einteilung bei der Verbrennung 
vier Grade auf.) : 

1. Grad: Latenz ca. drei Wochen. Degeneration ohne entzündliche Reaktion; äusserlich 
nur an ihren Folgen (Desquamation und Depilation, Resorption pathologischer Gewebe) er- 
kennbar. Ausgang ad integrum. 

2. Grad: Latenz ca. zwei Wochen. Die vorigen plus entzündliche Erscheinungen ohne 
Blasenbildung. Ausgang ad integrum, ohne Narbenbildung. 

3. Grad: Latenz ca. eine Woche. Die vorigen mit Blasenbildung, Exfoliation und 
Nässen. Ausgang ad integrum, jedoch später manifest werdende atrophische Veränderung. 

4. Grad: Latenz ca. eine halbe Woche. Die vorigen plus Nekrose Ausgang in 
Narbenbildung oft, erst nach provisorischer Überhäutung. Therapeutisch kommen der 1. und 
2., selten der 3. wie der 4. Grad in Betracht. 

Diese typischen Formen haben auch einen typischen Verlauf bezüglich ihrer Dauer 
und der Länge ihrer Latenzzeit. Die untenstehende Tabelle verzeichnet die Abhängigkeiten 
dieser Grössen voneinander und wir entnehmen ihr, dass im allgemeinen folgendes Verhältnis 
Giltigkeit hat: 


1) Pathologie der Hautveränderungen durch Röntgenstrahlen. M. med. Woch. 1901, Nr. 19ff. 
Fortschritte u. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 14 


106 Holzknecht. S 


Absorbierte Lichtmenge (+) 


| 
Stärke der Degeneration (+) 


| 
Latenzzeit (—) 

| 
Höhe der Reaktion (+) 


| 
Dauer der Reaktion (+) 


Je grösser die absorbierte Lichtmenge (+), desto kürzer (—) die Latenzzeit, desto 
höheren Grad erreicht die konsekutive Zell-Degeneration (+) und die makroskopische entzünd- 
liche Reaktion (+), desto längere Zeit (+) verstreicht bis zum Abheilen derselben. 

Um ein im allgemeinen mit gewissen Einschränkungen zutreffendes Beispiel für eine 
Hautstelle zu geben, würde an bestimmter Stelle eine Reaktion 


1. Grades, durch 3 H. erzeugt, eine Latenz von 3—4 W. und einen Ablauf von 1—3 Wochen 
2s | 4 . 4—5 , j a de Be Geo >» » 48 , 
8. y a 6—10, a 5 5 „1-2, , J 4 „ 8—12 , 
. = 5 12 — x , bs P a „ 2—6 Tg. „ 7 a „12—» ergeben. 


Diese Einteilung kann natürlich keine exakte sein, besonders nicht bezüglich der Zeit- 
angaben, welche gleichmässigen Übergang von einem Grad zum andern ebenso zeigen wie 
innerhalb eines Grades. Mir aber scheint sie selbst für praktische Zwecke noch zu grob. Ein 
Schwanken der Heilungsdauer zwischen 8—12 Wochen z. B. ist von zu ungleicher praktischer 
Bedeutung, als dass eine Unterteilung nicht erwünscht wäre, und so möchte ich auch zu vielen 
anderen Zwecken wenigstens für die beiden ersten Grade eine Unterteilung in je zwei Stufen 
vorschlagen, für welche hauptsächlich die Dauer der Reaktion massgebend ist. Die kürzer 
dauernden Reaktionen eines Grades bilden die erste, die länger dauernden die zweite Stufe 
desselben. 

Man kann sich nun unter den gegebenen Verhältnissen leicht darauf einigen, dass eine 
genügende Gleichmässigkeit der Reaktion dani besteht, wenn die Reaktionshöhen eines Be- 
strahlungsfeldes innerhalb einer und derselben Stufe eines Grades liegen oder in gleicher Breite, 
wenn auch über die Grenzen einer Stufe hinüber. Diese Forderung gebietet sowohl die 
Heilungsabsicht als auch die Behandlungspraxis und sie ist durchaus nicht zu hoch gespannt. 
Denn noch immer kann hier die Reaktion im Centrum erst einige Wochen später weichen, als 
an der Peripherie. Was wir also genügende Gleichmässigkeit nennen ist recht bescheiden 
und fern dem Ideal und nur die Gewolinheit, die meisten Prozesse, weil sie centrifügal ent- 
standen sind, centripetal heilen zu sehen, lässt uns die Unvollkommeit weniger deutlich fühlen. 

Es entsteht nun die Frage: Welche Differenzen in der absorbierten Lichtmenge dürfen 
zwei Hautstellen z. B. das Centrum und der Rand maxımo erhalten, wenn ihre Reaktionen 
innerhalb einer Stufe bleiben sollen, oder wie verhalten sich zahlenmässig die Mengen, welche 
zwei verschiedene Reaktionsgrade hervorrufen? Hier ist ja von vornherein alles möglich. Es 
kann ebensogut bei einfacher, zweifacher und dreifacher Lichtmenge der erste, zweite und 
dritte Grad entstehen, als bet emfacher, dreifacher und neunfacher, wie dies Kienböck für das 
Kaninchen ermittelt bat, als auch jedes andere Verhältnis. Dieses Verhältnis, in welchem die 
Reaktion anwächst, wenn die absorbierten Mengen in arithmetischer Reihe steigen, ist in An- 
lehnung an einen photochemischen Begriff!) als „Gradation* der Röntgenreaktion, und die be- 
treffende für die verschiedenen Gewebe sicher differente Fähigkeit, als deren Gradationsfähigkeit 
zu bezeichnen. 


1) Eine kurze Orientierung hierüber findet sich Fortschritte B. V., Heft 6. Verfasser: „Die photo- 
chemischen Grundlagen der Réntgographie. > 


í 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 107 


So wie dem stetigen Wachsen der Lichtmengen nicht stetige, sondern andere, schicksals- 
reiche Schwärzungskurven der photographischen Platte entsprechen, so hat auch die Haut ihre 
besonderen Reaktionskurven!), und es unterliegt schon jetzt keinem Zweifel, dass auch der 
übrige Teil der Reaktionskurven wesentliche Differenzen analog der verschiedenen Gradations- 
fähigkeit der Platten aufweisen wird. Tierversuche werden hier den Weg weisen. Vorläufig 
können wir die ,Gradation* der Reaktion noch nicht für die Wahl der Entfernung der Röhren 
verwerten, und dieselbe kann daher vorläufig nur empierisch ermittelt werden. 

Zu diesem Zwecke wurden bei einer grossen Zahl von Reaktionen (42) auf ebenen 
und verschieden gekriimmten konkaven und konvexen Bestrahlungsfeldern, bei deren Bestrahlung 
verschiedene Röhrenstellungen und -Entfernungen gewählt und genau protokolliert und 
während der Descendenzperiode der Umkreis, in welchem die einzelnen Reaktionshöhen auf- 
getreten waren, vermessen. Dabei ergab sich zunächst bei den ebenen Flächen, dass die innersten 
Kreise von gleicher Reaktionsstufe Durchmesser hatten, die stets kleiner waren als die ange- 
wandten Röhrenentfernungen, selten grösser als die Hälfte der entsprechenden Focus-Hautdistanz. 
Dabei war noch in Rechnung zu ziehen, dass vollkommen ebene Flächen in ganz geringer Zahl, 
bei besonderer Kleinheit der zu behandelnden Stelle zur Verfügung standen, respektive nur 
wenige als so gut wie eben aufgefasst werden konnten. Man kann also annehmen, dass die 
Gleichmässigkeit der Reaktion auf planer Fläche in obigem Sinne genügend ist, 
wenn der Röhrenfocus in der Höhe des doppelten Durchmessers des kreisförmigen 
Herdes senkrecht über seinem Mittelpunkt steht. 


E=2d. 


Man arbeitet in diesem Falle mit einem Strahlenkegel von konstanter Grösse, nämlich 
von 30° Flächenwinkel. Bei E=1,5d, also bei einem Strahlenkegel von 40° tritt schon 
häufig eine in obigem Sinne ungleichmässige Reaktion auf. Versuchen wir die Regel an einigen 
Beispielen anzuwenden, so erhalten wir für einen Handrücken von 8 cm Durchmesser 16 cm 
Focusdistanz, für einen Lupusherd von 6 cm Durchmesser E = 12 cm. Für einen Herd am 
Rücken von D = 30cm: & = 60 cm, eine sehr bedeutende Entfernung, welche, wenn man z. B. 
eine Menge von 4 H. erreichen will, selbst bei intensivstem Licht eine stundenlange Bestrahlungs- 
zeit erfordert. 

Diese Schwierigkeit, welche nur bei sehr grossen Bestrahlungsfeldern entsteht, kann 
auf zwei Wegen umgangen werden. Schon früher haben Manche die grossen Felder in ent- 
sprechende kleine geteilt, deren gesunde.und kranke Umgebung mit Bleiblech bedeckt und so die 
einzelnen Teile für sich, ebenso bestrahlt, wie wenn sie an verschiedenen Körperteilen gelegen 
wären. Man kann aber auch mehrere Röhrenstellungen, von denen aus jedesmal das ganze 
Feld getroffen wird, wählen. Danach unterscheiden wir also Partial- und Totalbestrahlung 
eines Feldes, je nachdem die Strahlen von einem Teil des Bestrahlungsfeldes durch Abdeckung 
abgehalten werden oder nicht, und je nachdem wir bei der Totalbestrahlung eine oder mehrere 
Röhrenstellungen wählen, einstellige oder mehrstellige Totalbestrahlung. Fig. 8 zeigt 
uns links den Strahlengang bei mehr-(zwei-)stelliger Totalbestrahlung, wobei sich die Be- 
strahlungsbereiche der einzelnen Felder überdecken, und die Strahlenwege teilweise überkreuzen. 
In Fig. 6 ist die einstellige Totalbestrahlung (Focus in O”) und in Fig. 7 die Partialbestrahlung 
(Foci in O mit Abdeckung des Gebietes ed und hierauf Focus in O“ mit Abdeckung von ac 
dargestellt). Wir wollen beide Verfahren untersuchen und uns zunächst graphisch die Licht- 
mengen vor Augen führen, welche die einzelnen Punkte des ganzen Feldes in beiden Fällen 
erhalten. 

Die Kurven der einfallenden Lichtmengen sind, weil die Intensitäten nicht nur im 


1) Auf die zahlreichen Ähnlichkeiten des Verhaltens der Haut mit dem der photographischen 
Platte hat zuerst Kienböck hingewiesen. 
14* 


108 Holzknecht. 


quadratischen Verhältnis zur Entfernung abnehmen, sondern auch der mit der Entfernung vom 
Fusspunkt des Focus immer mehr abnehmende Cosinus des Einfallswinkels in Betracht kommt, 
geometrisch sehr kompliziert und dürften zu den atypischen Kegelschnittlinien gehören. In 
Fig. 5 sind sie nicht exakt, sondern nur 
ungefähr zur Darstellung gebracht: Für 
einen Punkt & in zweifacher Distanz 
(ob = 20a) sinkt die Intensität schon bei 
b unter '/, (4cb < oa). Dazwischen ver- 
läuft die Intensitätskurve wie oc. Ihre 
senkrechten Abstände von der Bestrahlungs- 
fläche zeigen die relativen Lichtintensitäten 
an, welche die Fusspunkte der letzteren 


Fig. 5. erhalten. Die Ungleichmässigkeit der 
O = Focus, ay = bestrahlte, absorbierende Fläche, Bestrahlung eines Feldes drückt sich daher 
oa = Intensität der Strahlung in a, eb Intensität der in dem Verhältnis zwischen dem kürzesten 
Strahlung in b-ch< -e «ox == Kurve der Strahlunys- und dem längsten Abstand der Kurve von 


intensität. Ihre senkrechten Distanzen von der Ebene ay der Abscisse aus: im Falle Fig. 5 beträgt 

giebt die Intensität für die Fusspunkte. sie daher für das Gebiet ab 1:4 oder */, 

resp. etwas weniger (siehe oben); in Fig. 6 

und 7 beträgt sie ?/, sowohl für die Partialbestrahlung, als auch für die einstellige Total- 
bestrahlung. 

Bei parallelen Strahlen würde die Kurve eine gerade Linie sein und die Ungleich- 


mässigkeit '/, sein, also ideale Gleichmässigkeit bestehen, wie uns das schon aus anderen Uber- 


4 


legungen klar geworden ist. 
Betrachten wir nun die in Fig. 6, 7, 8 dargestellten Kurven: Fig. 6 zeigt die Kurve 


mee ee wee m -- E 22-222 Le 2.0. oo 
un onen in nn nn mew wong 


l 


a 
Fig. 6. 


Links: Strahlengang bei einstelliger Totalbestrahlung. Focus in ©. Rechts: Intensitätskurve bei ein- 
stelliver Totalbestrahlung. 


bei einstelliger Totalbestrahlung, 7 bei zweistelliger Partial- und S bei zweistelliger Total- 
bestrahlung, so erkennen wir, dass die Ungleichmiissigkeit in 6 und 7 gleich gross ist, in 
beiden Fällen circa °/, beträgt. Wenn also an Stelle der ciustelligen Totalbestrahlung die 
zweistellige Partialbestrahlung gesetzt wird, so ist fiir die Gleichmiissigkeit selbst nichts ge- 
wonnen, aber die Entfernung der Foci von der Haut ist auf die Hälfte herabgesetzt und 
daher die Bestrahlungszeit auf die Hälfte (2 >X< '/,) reduziert. Jede weitere Verkürzung der 
Entfernung würde natürlich eine Schädigung der eben noch genügenden Gleichmässigkeit 
bedeuten. 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 109 


Decken wir aber die Nachbarfelder nicht ab, sondern setzen sie beiden Bestrahlungen 
aus (mehrstellige Totalbestrahlung, Fig. 8), so erhalten wir durch Addition der von beiden Röhren- 
stellungen aus erzeugten Kurven (mokl und hio’n) nicht nur eine viel grössere Strahlungs- 
intensität, sondern, wie die sumierte Kurve (pggrs) zeigt, auch eine bedeutend grössere Gleich- 
mässigkeit (circa 5:6). Wir haben hier an Bestrahlungszeit durch Reduktion der Entfernung auf 


noone 


Fig. 7. 
Links: Strahlengang bei Partialbestrahlung. Foci in o und o’. Bei Wirkung des Focus o’ ist ae vor 
der Strahlung geschützt und vice versa. Rechts: Die ausgezogenen Linien geben die Intensitäts-Kurve 
wieder, die übrigen sind konstruktive Hilfslinien. 


die Hälfte und bessere Ausnutzung der Strahlung mehr gewonnen, wie bei der zweistelligen 
Partialbestrahlung und haben durch die Mitbenutzung der anderen Röhrenstellung einen 
bedeutenden Gewinn an Gleichmässigkeit, nämlich circa °/,. Da nun circa */, eine genügende 
Gleichmässigkeit ist, so sind wir bei der mehrstelligen Totalbestrahlung in der Lage, die 
Röhrenentfernung (jetzt D = R) mit neuem Zeitgewinn noch einmal zu reduzieren, was bei 
mehrstelliger Partialbestrahlung unmöglich war. Bei mehrstelliger Totalbestrahlung kann daher, 


Vs 
J 
¢ 
AAA 
Sn 
SS 
% 
SY 


2 7 
1; 


Fig. 8. 
Links: Strahlengang bei mehr- (zwei-) stelliger Totalbestrahlung mit sich kreuzenden Strahlenregen und 
einander überdeckenden Bestrahlungsfeldern. Rechts: Die —.—.—. gezeichnete Linie ist die Inten- 


sitätskurve bei mehrstelliger Totalbestrahlung. 


ohne dass die Gleichmässigkeit unter */, herabgedrückt wird, die Focus-Hautdistanz ?/, des Herd- 
durchmessers betragen, wie eine einfache Konstruktion ähnlich den bisherigen lehrt. Der Zeit- 
gewinn beträgt dabei gegenüber der einstelligen Totalbestrahlung circa '°/,,. Daraus geht 
als allgemeine Regel hervor, grosse Felder, welche von mehreren Röhren- 
stellungen aus bestrahlt werden sollen, nur an den Grenzen abzudecken und jede 
Röhrenposition auf das ganze Feld wirken zu lassen (mehrstellige Totalbestrahlung). 
Die mehrstellige Partialbestrahlung aber muss als minderwertig verworfen werden.') 


1) Ein Kollege hat sie scherzweise die finsoide Röntgenbestrahlung genannt, weil sie wie in der 
Finsenbehandlung eine Stelle nach der anderen und jede für sich in Angriff nimmt. Sie hat noch einen 


110 Holzknecht. 


Wir werden also beispielsweise ein 30 cm im Durchmesser fassendes Gebiet nicht in 

60 cm Entfernung einstellig bestrahlen, sondern zweistellig in 15 cm Entfernung. Jedenfalls 

werden wir über 30 cm Entfernung hinauszugehen vermeiden, also schon da, wo der Herd über 

15 cm im Durchmesser misst, zwei statt einer Röhrenstellung wählen, wir werden dann an 
Gleichmässigkeit eher mehr thun, als minimo notwendig ist. 

Wir teilen also den Durchmesser von Bestrahlungsfeldern, welche für einstellige Be- 

strahlung zu gross sind (DV > 15 cm), in gleiche Teile zwischen 10 und 20 cm und stellen 

senkrecht über den Mittelpunkt 

ee j eines jeden die Röhre in der 

seinem Durchmesser gleichen 

Entfernung E = D (während 

bei der einstelligen Totalbestrah- 


by TTIP T Eur en 
10 Q 


P ae lung E = 2D war). 
a N j 4 `. Wir haben die Bestrah- 
/ | lungsfelder bisher der Einfach- 
Lye 4? MR ee heit halber als Kreise gedacht 
x \ ’ Bei anderen Formen ist natür- 
N : 7 lich der grösste Durchmesser 
a u = aes massgebend. Wir miissen daher 
unsere Regel dahin abändern, 


dass bei einstelliger Totalbestrah- 
lung die Focushautdistanz doppelt 
so hoch als der grösste Durch- 
messer gewählt wird und dass 
bei grösseren Herden die längeren 
Durchmesser eingeteilt werden. 

An Fig. 8, welche die 
mehrstellige Bestrahlung eines 
Feldes veranschaulicht, sieht 
man, dass die Ränder des ganzen 
Bestrahlungsfeldes unter einem 
ziemlich raschen Intensitätsabfall 
und entsprechender Ungleich- 
mässigkeit leiden, während die 
Kurve zwischen den beiden 


Beispiele von multiformen Bestrahlungsfeldern und der bei ihnen Itöhrenorten (bei 9) au aig 
anzuwendenden Röhrenstellung. Ihre Dimensionen entsprechen dem leichte Senkung zeigt. Wir 
beigegebenen Massstab (cm). Die Sterne bezeichnen die Zahl und erkennen auch die Ursache dieser 
Fusspunkte der anzuwendenden Focusstellungen, die Zahlen die Differenz darin, dass sich die 
Focushautdistanzen in cm. beiden Strahlungen an den 

Stellen, welche zwischen ihnen 
liegen, mit grösseren Anteilen unterstützen als am Rand. Ein Ausgleich dieser Differenz lässt 
sich leicht dadurch erzielen, dass die Röhren statt senkrecht über den Mittelpunkt der Teil- 
felder näher dem Rande derselben aufgestellt werden. Wo in einer Linie mehr als zwei 


Fig. 9. 


zweiten, ausserhalb dieser Erwägung liegenden Nachteil, der sie auszuschliessen vermag. Es ist nämlich 
auch unter Benutzung besonderer darauf Bedacht nehmender Massregeln schlechterdings unmöglich, die 
Abdeckung des jedesmal von der Bestrahlung ausgeschlossenen Gebietes mittelst eines der üblichen 
Schutzmaterialien so genau vorzunehmen, dass an den Grenzen zweier Partialbestrahlungsfelder nicht ein 
schmaler Streifen entweder jedesmal oder keinmal vom Licht getroffen wird und daher entweder eine zu 
hohe oder keine Reaktion eingeht. In Frankreich ist sie auch heute noch die allgemein übliche. 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 111 


Röhrenstellungen angewandt werden, betrifft diese Randstellung natürlich nur die endständigen 
Röhren, während die mittleren Feldern angehörigen senkrecht über die Mitte derselben ge- 
stellt werden. 

Ebenso wendet man die Randstellung zweckmässigerweise bei Herden an, welche für 
die einstellige Bestrahlung zwar zu gross sind, deren grösster Durchmesser jedoch nur wenig 
über 15 cm beträgt. | 

Wir wählen diese randständige Röhrenstellungen, eingedenk dessen, dass wir dadurch 
an Gleichmässigkeit gewinnen, und ohne zu übersehen, dass wir den bei diesen Distanzen ge- 
ringen Intensitätsverlust mit einigen Minuten längerer Bestrahlungszeit büssen müssen. 

Wir kommen nun zur Erwägung der Umstände, von welchen die Gleichmässigkeit der 
Reaktion auf gekrümmten Flächen abhängt. Selbstverständlich können auch hier nur die 
Entfernung und der (Cosinus des) Einfallswinkel massgebend sein. Während aber bei der 
planen Fläche, die ja als ein besonderer Fall einer Kugelfläche (r = ©) aufgefasst werden 
kann, die Krümmung als konstant im Einzelfall nicht in Betracht kommt, muss jetzt ausser 
der Ausdehnung auch noch die wechselnde Krümmung ins Kalkül gezogen werden. 

Von den zwei Fällen, die sich hier ergeben, der 
konkaven und konvexen Krümmung, können wir der 
ersteren unter Umständen vollkommen gerecht werden. 
Alle Focushautdistanzen sind gleich und alle Einfalls- 
winkel 90°, wenn wir die Lichtquelle in den Krümmungs- 
mittelpunkt bringen (Æ = r). Wir thun dies aber aus 
den schon erörterten Gründen nur dann, wenn der Radius 
zwischen 10 und 30 cm liegt. Ist er grösser, so können 
wir die Fläche schon als ungefähr eben auffassen und 


wie früher erörtert behandeln. Ist der Radius kleiner Fig. 10. 
als 10 cm, so können wir mit Röhren von gewöhnlichen Bestrahlung konkaver Flächen, deren 
Dimensionen!) den Focus nicht in den Kriimmungsmittel- Radius kleiner ist als 10 cm, und die 


punkt bringen. Besser als die thunlichste Annäherung daher die Aufstellung des Focus in 
ist hier die Wahl mehrerer Röhrenstellungen in grösserer ihrem Krümmungsmittelpunkt O" nicht 
Entfernung (Fig. 10), ohne Rücksicht auf die Kleinheit eriaupen: 

der Fläche. Es kann dadurch, wie Fig. 10 zeigt, die 

radıiäre Strahlung einigermassen ersetzt werden. Exakter Randschutz ist hier nötig. 

Viel häufiger als konkave Bestrahlungsfelder (Achselhöhle, Kniekehle, Hals-, Schulter-, 
Supraclavicular-Grube) kommen am Körper die konvexen vor. Auch jene, deren Krümmung 
wir als annähernd plan nicht berücksichtigt haben, sind fast stets konvex. Wir betrachten 
zunächst jene unter ihnen, welche annähernd richtig als Kugeloberflächen aufgefasst werden 
können. Wir machen uns weiter klar, dass von einem Focus aus höchstens die Hälfte der 
Oberfläche einer Kugel überhaupt belichtet werden kann, und zwar dann, wenn der Focus in 
unendlicher Entfernung steht. Zwei in solcher Entfernung befindliche Foci können die ganze 
Kugeloberfläche bestrahlen. Allein der Einfallswinkel des Lichtes ist hier an den verschiedenen 
Stellen allzu verschieden, sein Cosinus nimmt alle Werte an zwischen 0 und 1. Die Ent- 
fernung und der Einfallswinkel nötigen uns daher zu mehreren Stellungen. Das Ideal, dem 
wir dabei nahe zu kommen trachten müssen, ist eine die Kugel auf einer grösseren Kugel- 
oberfläche stetig umkreisende Röhre. Sie würde völlige Gleichmässigkeit garantieren. Die 
wenn auch schwierige Konstruierbarkeit entsprechender Apparate zur Röhrenbewegung zu- 
gegeben, wollen wir doch zunächst nach einfacheren Verfahren suchen. Statt der unendlichen 
Zahl von Röhrenstellungen, als welche die stetig bewegte Röhre’ aufgefasst werden kann, müssen 


1) Röhren wie die Steinthalsche wären hier, wenn sie sonst gut funktionieren, zu erwägen. 
Derm. Kongr. Breslau 1901. 


112 Holzknecht. 


wir eine beschränkte Zahl wählen und zwar jene kleinste Anzahl, welche eben eine „genügende“ 
Gleichmässigkeit gewährleistet. 

Vier Röhrenstellungen und zwar je eine an den Ecken eines 'Tetraeders, das einer 
Kugel umgeschrieben ist, genügen, wie die Erfahrung gezeigt hat, nicht, ebensowenig acht an 
den Ecken eines umgeschriebenen Würfels, wohl aber zwölf an den Ecken eines umgeschriebenen 
Dodekaeders, respektive sechs für eine Halbkugel, z. B. den behaarten Kopf, wie auch Kien- 
böck!) als Mindestmass zur Erreichung einer genügenden Gleichmässigkeit angegeben hat. 
Bezüglich der hierbei zu wählenden Entfernung genügt erfahrungsgemäss E = 2r. 

Wir haben die Bestrahlung einer Fläche von zwei oder mehreren Röhrenstellungen 
aus, also die gegenseitige Überdeckung der Strahlungsbereiche zweier Röhrenpositionen als ein 
vorzügliches Mittel zur Verbesserung der Gleichmässigkeit kennen gelernt und haben auch die 
Ursache darin erkannt, dass diese Art der Bestrahlung dem Ideal, der stetig wandernden Röhre, 
nachstrebt. Wir werden aber zwei oder mehrere Réhrenstellungen doch nur dann anwenden, 
wenn das Bestrahlungsfeld zu gross oder zu stark gekrümmt ist, um noch von einer Röhren- 
stellung aus genügend gleichmässig getroffen zu werden. Die Erfahrung ergiebt, dass auf einer 
Kugeloberfläche noch eine genügend gleichmässige Reaktion bei Anwendung einer einzigen 
Röhrenposition entsteht, wenn der Durchmesser des Bestrahlungsfeldes gleich dem Radius der 
Kugel ist, auf deren Oberfläche es liegt (d = r) und wenn als Entfernung der doppelte Radius 
gewählt wird (Æ = 2r). Früheren Ausführungen parallel werden wir gut thun, bei Feldern, 
deren Durchmesser gleich dem Radius der Kugel ist, auf der sie liegen, nur dann eine einzige 
Röhrenposition anzuwenden, wenn dieser Radius 15 cm nicht übersteigt. Andernfalls müsste ja 
die Entfernung grösser als 30 cm gewählt werden, was die Lichtintensität schon allzu sehr 
herabsetzen und die Bestrahlungszeit verlängern würde. Hier, wie auf planen Flächen ge- 
winnen wir ja durch mehrstellige Bestrahlung statt der einstelligen stets in mehrfacher 
Beziehung, und zwar sowohl an Gleichmässigkeit als auch an Bestrahlungszeit durch Wahl 
geringerer Entfernung und wir thun darum gut, die mehrstellige Bestrahlung zu bevorzugen, 
wo immer Zweifel bestehen. 

Ausser den planen und kugeligen Oberflächenpartien und solchen, welche mit kleinen 
Fehlern den ersteren und letzteren zugerechnet und wie sie behandelt werden können, kommen an 
der Körperoberfläche noch Kombinationsformen vor. Es sind dies Oberflächenformationen, 
deren verschiedene Durchmesser nach verschiedenen: Radius gekrümmt sind. So ist der sattel- 
formige Nacken, der häufige Sitz von Sykosis, im cephalocaudalen Durchmesser schwach 
konkav, im queren stark konvex gekrümmt. Vor allem aber verdient eine Kombinationsform 
ihrer Häufigkeit wegen besondere Beachtung, nämlich die Walzenform, welche nach der einen 
Richtung hin kreisförmig gekrümmt, nach der anderen plan ist. Die Extremitäten stellen 
hierzu das Hauptkontingent. Wir würden hier nach den bisherigen Ausführungen bei jedem 
solchen Herde für jeden Durchmesser andere Entfernungen und Stellungen der Röhre 
wählen müssen. Da dies aber nicht angeht, müssen wir uns für eine Art entscheiden und 
es ergiebt sich olıne weiteres, dass wir den Massstab bloss an den längeren Durchmesser legen 
dürfen. Dieser verlangt ja die grössere Entfernung, respektive die grössere Zahl von Röhren- 
positionen, wenn Gleichmässigkeit erzielt werden soll. lm kleineren Durchmesser tritt dann 
eben eine mehr als genügende Gleichmässigkeit ein. Es wäre also verfehlt, den kürzeren 
Durchmesser zur Grundlage der Berechnungen zu machen, weil dann auf dem längeren nicht 
mehr eine genügende gleichmässige Reaktion entstehen würde. Allgemeiner ausgedrückt und 
für alle Fälle geltend, müssten wir sagen: Wir legen nach Berechnung beider Durch- 
messer jenen unserer Entschliessung zu Grunde, welcher, sei es wegen seiner 
Länge, sei es wegen seiner Krümmung, die grössere Röhrenentfernung respektive 
die grössere Zahl von Röhrenpositionen verlangt. 


') Technik der Röutgentherapie, Referat auf der Vers deutsch. Nat. u. Ärzte. Hamburg 1901, 


Die Gleichmässigkeit der Röntgenreaktion. 113 


Resume. 


Die allgemeinen physikalischen und geometrischen Erwägungen und die Ergebnisse 
der Empirie haben uns im Vorausgehenden zu Regeln über die Röhrenstellung geführt, deren 
wichtigste hier zusammengefasst werden sollen. 

Die Intensität jedes von einem Punkte ausgehenden (focalen, in einer Kugelwelle ver- 
laufenden) Lichtes nimmt (mit dem Quadrat der Entfernung) ab. Ein Strahl wird also um so 
schwächer, je länger der Weg ist, .den er zurückgelegt hat... Zwei Strahlen treffen daher mit 
verschiedener Intensität auf der bestrahlten Fläche ein, wenn ihre Weglänge verschieden war. 
Das trifft aber bei der Röntgenbetrahlung fast immer zu. Denn nur wenn wir mit unserer 
focalen Lichtquelle ein Stück einer Hohlkugelfläche bestrahlen, können alle Strahlen vom Focus 
bis zur bestrahlten Fläche gleich lang sein, nämlich so lang wie der Radius, nach dem jene 
gekrümmt ist. Wir haben es aber nur selten mit annähernd konkaven Bestrahlungsfeldern 
(Kniekehle, Achselhdhle, seitliche Halsfliche und Schulter) sondern fast immer mit annähernd 
ebenen oder annähernd konvexen Flächen zu thun. Vergegenwärtigt man sich durch einige 
konstruktive Skizzen die Weglängen der Strahlen zu den einzelnen Punkten solcher Flächen, 
_so erkennt man, dass sie nicht gleich sein können, dass zum Beispiel der Rand und die Mitte 

des Bestrahlungsfeldes!) von verschieden langen Strahlen getroffen werden. Die Intensität der- 

selben ist daher auch verschieden gross. Die Bestrahlung muss also ungleichmässig sein. Man 
merkt dabei aber auch, dass sie immerhin weniger ungleichmässig ist, wenn die Lichtquelle 
1. senkrecht über der Mitte des Betrahlungsfeldes aufgestellt ist und 2. wenn sie hoch über 
dem Bestrahlungsfeld steht. Wenn man diese Vorteile benützt, so gelangt man zwar, da diese 
unmöglich ist, zu keiner absoluten, wohl aber zu einer genügenden, relativen Gleichmässigkeit 
und kommt bei diesbezüglichen Versuchen empirisch zu folgenden Regeln: 1. Die Röhre 
wird mit dem Focus senkrecht über die Mitte des zu bestrahlenden Feldes gestellt 
und zwar 2. bei ebenen oder annähernd ebenen Flächen doppelt so hoch als der 
längste Durchmesser des Herdes beträgt, bei konvexen noch höher.?) 

Ist die zu bestrahlende Ebene sehr gross, so würde die Bestrahlungszeit sehr lang 
werden. Man geht daher über 30 cm Röhrendistanz nicht hinaus, teilt die zu grosse Fläche 
in entsprechend kleinere Teile ein und bestrahlt sie aus entsprechend kleinerer Entfernung?) 
nacheinander, als ob es sich nur um so kleine handelte, aber ohne dabei die anderen noch zu 
bestrahlenden oder schon bestrahlten Teile mit Schutzmaterial zu bedecken, also unter Über- 
kreuzung der Einzelbestrahlungen. 

Wir sehen, dass die Entfernung des Focus von der Haut, die Focushautdistanz für 
die Gleichmässigkeit der Bestrahlung wichtig ist und nicht, wie dies überall geschieht, nach 
Geschmack gewählt werden darf. Auch mit der Dosierung hat sie nichts zu thun; sie muss 
sich nach der Bestrahlungsfläche richten. Wo man die Gleichmässigkeit der Reaktion ver- 
nachlässigen kann, können noch kleinere Distanzen gewählt werden. Man wird dann im 
Interesse der Kürze der Bestrahlungsdauer eine kleinere Focus-Hautdistanz wählen. 

Wer die genügende Gleichmässigkeit der Bestrahlung, wo sie notwendig ist, vernach- 
lässigt, erhält ungleichmässige Reaktionen, also z. B. am Rande des Bestrahlungsfeldes zu 
niedrige, oder in der Mitte zu hohe. Wer grössere Entfernungen als die für die genügende 
Gleichmässigkeit zulässigen wählt, vermehrt unnützer Weise die Dauer oder Zahl der Be- 
strahlungen. 

Die Verteilung der Röhrenstellung auf grösseren, regelmässigen und unregelmässigen 
Feldern, vor deren mannigfaltigste Formen uns die Pathologie stellt, ist in Fig. 9 in Beispielen 


1) Dabei spielen auch noch die an verschiedenen Stellen verschiedenen Einfallswinkel der Strahlen 
respektive ihre Cosinus eine grosse Rolle. 
?) Immer vom Focus, nicht von der Glaswand gerechnet. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 15 


114 Philipp. 


dargestellt. Sie illustrieren nicht nur die Regeln, sondern auch die Möglichkeit, die Gleich- 
mässigkeit im Einzelfalle beliebig zu erhöhen, ihre Technik unter Berücksichtigung der mass- 
gebenden Faktoren auszugestalten und zu verfeinern. Nicht die richtige Dosierung, welche 
technisch leicht ausführbar ist, nicht die Kürze der Bestrahlungszeiten, die vom leicht erlern- 
baren, rationellen Röhrenbetrieb abhängt, sondern die Gleichmässigkeit seiner Reaktionen wird 
den technisch vollkommenen Radiotherapeuten von dem anderen unterscheiden, an ihr wird die 
Sorgfalt, mit der gearbeitet wurde, gemessen. Denn die so vielgestaltige Oberfläche des Körpers 
mit ihren individuellen Varianten wird gerade die feinste Gleichmässigkeitstechnik in geometrische 
Regeln zu pressen nie erlauben. 


Aus Dr. Philipp’s Röntgeninstitut in Bonn. 


Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes. 
Von 
Dr. Philipp. 


Die radiologische Forschung teilt sich immermehr in drei grosse Gebiete: erstens die 
Röntgenographie, welche dank der erfolgreichen Arbeiten von Albers-Schönberg, Rieder, 
Holzknecht, Kienböck, Béclére u.a. fast vollkommen durchgearbeitet ist, zweitens die Röntgen- 
therapie der Haut, welche bei der Behandlung vieler Affektionen — man denke an den 
flachen und den Papillarkrebs, die Alopecia areata, die Mycosis fungoides, den Favus, Herpes 
tonsuraus, Acne vulgaris, Sykosis -— recht befriedigende Resultate gezeitigt hat, während 
bezüglich der Therapie anderer Hautkrankheiten, wie der Psoriasis vulgaris, Hypertrychosis, 
Verruca, Scrophuloderma und des Lupus vulgaris die Konkurrenz der bisherigen Behandlungs- 
methoden nicht oder nicht vollkommen besiegt worden ist, drittens die Beeinflussung der 
inneren Organe durch Röntgenstrahlen. Diese dritte Gruppe ist die jüngste von den 
dreien, und nur vorsichtig wagt sich hie und da eine Beobachtung an die Oberfläche mit der 
Besorgnis, sie könnte nicht ernst genommen werden. Der amerikanische Arzt Senn!) in 
Chicago war bekanntlich der erste, welcher mit der Heilung einer Leukämie vor die Schranken 
trat. Obwohl seine Publikation zunächst als echt amerikanisch belächelt wurde, fanden sich 
bald auch in Deutschland Röntgentherapeuten genug, welche durch intelligente und belesene 
Patienten gedrängt, diese Behandlung dem Dr. Senn nachmachen mussten, so z. B. Ahrens?) 
Krone?) und neuerdings Fried‘) in Erlangen. 

“ Hahn in Hamburg hatte die Freundlichkeit, schon Ende vorigen Jahres in seinem 
Institut dem Verfasser einen Leukämischen vorzustellen, welcher nach kurzer Behandlung 
erklärte, frei von Beschwerden zu sein. Solche auffallenden Effekte veranlassten allmählich 
immer mehr Autoren, dieser Angelegenheit wissenschaftlich näher zutreten. Albers-Schön- 
berg?) war der erste, welcher durch Bestrahlung von Kaninchen und Meerschweinchen die sehr 
interessante Thatsache entdeckte, dass die männlichen Tiere die Fähigkeit verloren sich fort- 


1) Med. Record 1903, 22. August. 

2) Über einen Fall von Heilung einer schweren lienalen Leukämie mit grossem Milztumor durch 
Röntgenstrahlen. (Münch. med. Wochenschr. 1904 No. 24.) 

3) Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf innere Organe. (Münch. med. Wochenschr. 
1904, No. 21.) 

1) Vorläufiges Ergebnis der Röntgenbestrahlung zweier Leukämiker. (Münch. med. Wochenschr. 
1904, No. 40.) 

6) Uber eine bisher unbekannte Wirkung der Röntgenstrahlen auf den Organismus der Tiere. 
(Münch. med. Wochenschr. 1903, No. 43.) 


Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes. 115 


zupflanzen, ohne dass das körperliche Befinden oder die Kopulationsfähigkeit der Tiere im 
geringsten verändert worden wäre. Als Ursache dieser Sterilität erwies sich Nekrospermie, 
welche allmählich in Azoospermie überging. Schliesslich atrophierte der Hoden. Die Tiere 
wurden täglich ca. 15—80 Minuten bestrahlt und bedurften einer Bestrahlungsdauer von ins- 
gesamt 195—377 Minuten, um die erwähnte Wirkung zu erreichen. 

Kurz darauf berichtete Heineke!) in Leipzig über das Absterben von Mäusen und 
kleinen Meerschweinchen nach 7—14tägiger Bestrahlung, welche bei der Sektion vornehmlich 
zwei Befunde an der Milz aufwiesen: exzessive Vermehrung des Pigments und Verschwinden 
der Follikel. Diese Untersuchungen sind von ihm dann später noch vervollständigt worden.?) 
Er fand, dass die Veränderungen an den Milzfollikeln (Zerfall der Lymphocytenkerne) zeitlich 
viel früher eintreten als die übrigen Degenerationen an der Milz und bei weitem früher als 
diejenigen an der Epidermis, dass die Latenzzeit der Strahlenwirkung und folglich die kumu- 
lative Wirkung, wie sie bei der Epidermis beobachtet wird, bei dem adenoiden Gewebe voll- 
kommen fehlt, dass die erste Wirkung beim Hunde schon nach einer 15 Minuten währenden 
Bestrahlung unter dem Mikroskop zu erkennen ist und nicht nur an den Milzfollikeln, sondern 
auch an den Mesenteriallymphdrüsen. 

Diese Befunde waren um so überraschender, als Scholtz an der Breslauer Hautklinik 
das Epithel als dasjenige Gewebe bezeichnet hatte, welches schneller und schwerer als alle 
übrigen Organe der Haut und des übrigen Körpers durch die Röntgenstrahlen benachteiligt 
würden, und diese Anschauung lange Zeit allgemeingültig gewesen war, nachdem sie auch durch 
Perthes und andere Autoren experimentell gestützt und sogar durch die klinische Erfahrung 
vollkommen bestätigt wurde, da ja bekanntlich bei Bestrahlungen sowohl an der Eintrittsstelle 
als auch an der Austrittstelle Röntgendermatitis beobachtet wurde. — Eine weitere Arbeit 
über diesen Gegenstand aus der Neisserschen Klinik von Baermann und Linser?) trat den 
Anschauungen von Scholtz und Perthes noch präziser entgegen, indem sie durch eine Reihe 
geistvoller Versuche bewiesen, dass der erste Angriffspunkt der X-Strahlen die Blutgefässe und 
besonders deren Intima, alle übrigen Wirkungen aber als sekundäre Gewebsschädigungen zu 
betrachten seien. Das die Strahlen stark absorbierende Blut sei die Hauptursache aller Ver- 
änderungen. Wenn es auch selbst wegen seines kurzen Aufenthaltes an einer Stelle nicht 
nachweisbar geschädigt werde, so übertrage es den in ihm stattgefundenen Energieumsatz der 
Strahlen (Goldsteinsche Hypothese) auf die benachbarte Intima durch Kontaktwirkung. Da 
nun in der Oberhaut und Schleimhaut ein besonders reichliches Gefässnetz vorhanden sei, werde 
hierdurch die starke sekundäre Röntgenwirkung in diesen Teilen erklärt, während bei den 
Tieren, welche ein spärlicher entwickeltes Hautgefässnetz haben, Röntgenulcera thatsächlich 
sehr schwer zu erzeugen seien. Auch die von Schmidt?) beschriebene „Vorreaktion“ (Holz- 
knecht) deute auf eine primäre Reaktion der Gefässe hin, ebenso wie die von Heineke gefundene 
Pigmentanhäufung in der Milz. i 

Diese Beobachtungen von Baermann und Linser haben die Frage bezüglich des 
ersten Angriffspunktes der Röntgenstrahlen um einen guten Schritt vorwärts gebracht, zumal 
da sie sich auch mit vielen anderen radiologischen Beobachtungen decken. Verfasser möchte 
hier nur an die so häufig und mit Vorliebe an denjenigen Hautstellen auftretende Röntgen- 
dermatitis erinnern, welche dem Knochen dicht anliegen, wie z. B. an den letzten Finger- 
gliedern, um die Kontaktwirkung stark Röntgenstrahlen absorbierender Körper wahrscheinlich 


1) Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf innere Organe. (Münch. med. Wochenschr. 
1903, No. 48.) 

®) Uber die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf innere Organe. (Münch. med. Wochenschr. 
1904, No. 18.) 

3) Über die lokale und allgemeine Wirkung der Röntgenstrahlen. (Münch. med. Wochenschr. 
1904, No. 23.) 

*) Deutsche med. Wochenschrift 1904, No. 20. 

15* 


116 Philipp. 


zu machen, ferner an die neuerdings beobachtete intensivere Wirkung der Röntgenstrahlen nach 
Eosin-Injektionen, wie sie auf Grund der verdienstvollen Untersuchungen von Tappeiner von 
vielen Autoren, zuletzt von R. Kothe') beschrieben wurde und wie sie vom Verfasser bei 
Bestrahlungen von Geschwülsten nach Jodipin-Injektionen beobachtet wurde. Auch die von 
Mühsam?) beschriebene Endarteriitis obliterans an dem amputierten Finger eines viel mit 
Röntgenstrahlen beschäftigten Arztes dürfte wohl hier zu erwähnen sein. 

Aber trotz alledem scheint es nach der letzten Arbeit von Heineke, als wenn das 
adenoide Gewebe der Milz und des Darmes noch viel früher als die Blutgefässe nach den 
Bestrablungen schädliche Veränderungen zeigen, wenn dieselben auch mehr vorübergehender 
Natur sein mögen. — Übereinstimmung ist demnach bisher unter den Autoren bezüglich 
des ersten Angriffspunktes nicht einmal am Tierexperiment erzielt worden. Verfasser hat 
daher geglaubt, das Ende dieser mühevollen und zeitraubenden Untersuchungen der beteiligten 
Autoren nicht abwarten zu sollen, bevor er das Experiment auf den Menschen übertrug, 
sondern er entschloss sich, besonders als sich durch Zufall sehr geeignete Versuchspersonen 
ihm zur Verfügung stellten, von allen bekannten Tierversuchen den lohnendsten und aussichts- 
vollsten am Menschen zu probieren. Als solcher erschien ihm Albers-Schönbergs Röntgen- 
bestrahlung der Hoden. Wegen ihrer exponierten Lage erschienen diese Organe für das 
Experiment sehr günstig. Auch die Kontrolle ihrer Funktion konnte hier so bequem und 
sicher ausgeübt werden, wie bei keinem anderen Organ. Was aber diese Versuche für den 
Arzt besonders Jockend machen musste, war die Aussicht, eventuell hierdnrch ein langersehntes 
soziales Heilmittel zu gewinnen, in der Form einer bequemen und schmerzlosen Sterilisierungs- 
methode. 

Die beiden Männer, welche zu diesem Zwecke der Bestrahlung unterworfen wurden, 
sollen hier kurz beschrieben werden. 


Falt I. Christian G., Schmied, 25 Jahre alt, hat beide Eltern durch den Tod verloren, die 
Mutter an Schwindsucht, den Vater an unbekannter Ursache. Von den sechs Kindern, welche der Vater 
von zwei Frauen hatte, sind vier sestorben, davon zwei an Phthisis. Auch ein Oheim des P. ist an 
Schwindsucht gestorben. Mit dem 15. Jahre wurde P. Schmied und blieb bis zu seinem 24. Jahre gesund, 
bekam dann plötzlich eine schwere Rippenfellentzündung und sollte auf ärztlichen Rat, nachdem er 
mehrere Monate im Hospital zugebracht hatte, in eine Lungenheilstätte gehen. P. verzichtete aber auf 
diese Wohlthat, weil er seine Familie nicht verlassen wollte. Seit drei Jahren verheiratet, hatte P. ein 
Kind, das zweite sollte binnen zwei Monaten geboren werden. Als er von starkem Husten befallen wurde, 
kommt er in die Behandlung des Verfassers, um eine gründliche Kur durehzumachen, die ihn wieder 
arbeitsfähig machen sollte. 

Der grosse, schlank gewachsene, blasse, hohläugige P. ist stark abgemagert auf 110 Pfd. (gegen 
140 Pfd. in früheren Jahren), kurzatmig, hüstelnd, heiser. Die Untersuchung der Lungen ergiebt in der 
Gegend der linken unteren Axillarlinie die stärkste Dämpfung und abgeschwächtes Atmen an derselben 
Stelle. Radioskopisch ist hier ein intensiver Schatten sichtbar, welcher medial in den Herzschatten über- 
geht und nach oben allmählich an Intensität abnimmt. Die Lungenspitzen erscheinen normal, dagegen 
sind links bei der Auskultation vereinzelte Rhonehi zu hören. 

Fieber 37,7; im Sputum reichlich "Tuberkelbazillen. 


Als Therapie wurde dem P. ausser der sonst üblichen: Morphium, Bettruhe, gute Er- 
nährung u. s. w. die Röntgenbestrahlung der Hoden vorgeschlagen und zwar mit der ausge- 
sprochenen Absicht der Sterilisierung, um den P. in den Stand zu setzen, durch die Beschrän- 
kung der Kinderzahl für sich die Mittel zur Pflege zu 


gewinnen und seine Familie vor Hunger 


und Tuberkulose zu bewahren. 

P. willigte freudigen Herzens ein. Vom 15. Februar 1904 an wurde derselbe 30 Tage 
lang täglich 10—15 Minuten mit einer mittelweichen Röhre in einer Entfernung von 10—15 cm 
Röhrenabstand bestrahlt. Er Jag während dieser Prozedur auf dem Rücken und zog vermittelst 


1) Deutsche med Wochenschrift 1904, No. 38. 
®) Archiv f. klin. Chirurgie 1901, 74. Band, Heft I u. 2. 


Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes. 117 


seiner mit Bleifolie geschützten Hände den Penis nach oben, während das Scrotum zwischen 
den gleichfalls mit Bleifolie geschützten Schenkeln lag. Als sich nach Verlauf von drei 
Wochen Röntgendermatitis an der Serotalhaut zeigte, wurde das unterste Scrotum mit den 
Händen gefasst und hochgezogen, so dass die bisher der Röntgenröhre abgewendete nicht ent- 
zündete Seite noch einmal ca. acht Tage lang dem direkten Anprall der Strahlen ausgesetzt 
wurde. Die Bestrahlungsdauer hat im ganzen etwa 365 Minuten gedauert. Die Dermatitis 
war leicht und nach 14 Tagen ohne Narben geheilt. — Das Sperma wurde während der Be- 
handlungszeit alle acht Tage eine halbe bis eine Stunde nach dem mit Condom erfolgten Coitus 
untersucht. Alle fünf Untersuchungen ergaben gegen alle Erwartung ein und dasselbe Resultat: 
sehr bewegliche Spermatozoen ohne die geringste Veränderung weder in der Grösse, noch in 
der Zahl, noch in der Form. Auch die übrigen körperlichen Bestandteile der Spermaflüssigkeit 
blieben konstant: nirgends Zeichen von Kerndegeneration oder abnormer Pigmentation. Eine 
sechste Spermaentleerung wurde deshalb in ein Uhrschälchen gefüllt und bei ganz geringem 
Röhrenabstand und ziemlich grosser Intensität etwa eine halbe Stunde lang bestrahlt, um zu 
erproben, ob die Spermatozoen sich nicht durch eine so starke Einwirkung würden beeinflussen 
lassen. Alle 5—10 Minuten wurde während der Bestrahlung mit dem Glasstab etwas Sperma 
entnommen und sofort unter dem bereitstehenden Mikroskop untersucht. Aber es zeigte sich 
kein Erfolg. Als darauf unter das Sperma einige Kubikzentimeter einer fünfprozentigen Eosin- 
lösung gemischt wurden, um die Fluorescenz der Strahlen zu erhöhen, fanden sich nach einer 
weiteren halbstündigen Bestrahlung zwar eine grössere Zahl von Spermatozoen leblos in der 
rotgefärbten Flüssigkeit liegend, aber in ihrer Gestalt waren sie unverändert, so dass man an- 
nehmen musste, sie wären auch ohne Bestrahlung nach so langer Zeit schliesslich abgestorben, 
um so mehr, als andere Samentierchen mit unveränderter Lebhaftigkeit sich durch das Gesichts- 
feld schlängelten. 

Als dem P. eröffnet wurde, dass der Erfolg der Bestrahlung leider ausgeblieben sei, 
verlangte derselbe nach einer weiteren Hilfe. Nach Rücksprache mit einem Chirurgen wurde 
dem P. die beiderseitige Resektion der ductus spermatici vorgeschlagen, welche er sofort aus- 
führen hess. P. blieb in Beobachtung und zeigte nach kurzer Zeit eine auffallende Besserung 
seines Hustens, nach zwei Monaten schon waren die Tuberkelbazillen verschwunden und nach 
einem halben Jahr hatte das Körpergewicht um 18 Pfund zugenommen. Da irgend welche 
wesentliche Behandlung oder Änderung der Lebensweise nicht stattgefunden hatte, konnte man 
nicht umhin bei dieser merkwürdigen Besserung an die Erfolge von Allgemeinheilung nach 
Castration zu denken, wie sie von Bogoljuboff beschrieben und von demselben Autor‘) noch 
in letzter Zeit nach Entfernung des tuberkulösen Nebenhodens beobachtet wurden. Die 
Besserung bei unserem bestrahlten Phthisiker wurde hiernach, wenn überhaupt eine Einwirkung 
von den Genitalien auf den tuberkulösen Prozess möglich war, eher auf die Resektion als auf 
die Bestrahlung bezogen. Als indes von M. Seldin?) eine Arbeit erschien, welche die oben- 
erwähnten Entdeckungen Albers-Schönbergs an Tieren vollkommen bestätigte und nach 
Röntgenbestrahlung, noch schneller nach Radiumbestrahlung eine Atrophie und Degeneration des 
spezifischen Kanälchenepithels in den Hoden mit Nekro- und Azoospermie feststellte, entschloss 
sich Verfasser, zumal da er auch in dem zweiten hier unten zu beschreibenden Falle einen 
Misserfolg gehabt zu haben glaubte, Albers-Schönberg hiervon Mitteilung zu machen und zu 
erklären, dass hier, wie bei so vielen anderen Experimenten — man denke an diejenigen mit 
Morphium — ein Unterschied zwischen Tier und Mensch bestehen müsse. Doch Albers-Schön- 
berg erwiderte umgehend, dass er an einen solchen Unterschied in diesem Falle nicht glaube 
und dass nach seiner Meinung selbst eine minder starke Bestrahlung allmählich im Laufe eines 


1) Arch. f. klin. Chirugie, 74. Band, 1904, 1. u. 2. Heft. Ä 
2°) Über die Wirkung der Röntgen- und Radiumstrahlen auf innere Organe und den Gesamt- 
organismus der Tiere. (Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrahlen, Band VU, Heft 6.) 


118 Philipp. 


halben Jahres durch langsame Hodenatrophie vollkommene Azoospermie auch beim Menschen 
herbeiführen müsse. Da etwa ein halbes Jahr nach der Bestrahlung verflossen war, wurde die 
Probe auf das Exempel gemacht und, weil wegen der Resektion eine Entleerung der Sper- 
matozoen per urethram nicht mehr möglıch war, unter Anästhesie mit der Pravazspritze durch 
die Haut in den Nebenhoden eingegangen und auf diesem Wege Hodensekret entnommen. Die 
mikroskopische Untersuchung dieser llüssigkeit bestätigte die Behauptung Albers-Schön- 
bergs voll und ganz: es war keine Spur von irgend welchen Spermatozoen zu finden. Die 
Hoden erschienen etwas verkleinert, die potentia coeundi war vollständig erhalten. 


Fall II. Jean V., Dekorateur und Hausbesitzer, 31 Jahre alt, verheiratet, hat zwei gesunde 
Kinder von fünf und ein Jahr; ein Kind von drei Jahren ist an Brechdurchfall gestorben. Sein Vater 
starb mit 58 Jahren an einer Lungenkrankheit, Mutter leidet seit den Geburten an Krampfadern, ist 
sonst gesund, ebenso die Geschwister des P. Bis zu seinem 23. Lebensjahre will P. keine Krankheit 
gekannt haben, dann bekam er plötzlich ohne nachweisbare Ursache Jucken am After, welches zeit- 
weise so lästig wurde, dass er oft mehrere Nächte hintereinander nicht schlafen konnte. Morgens sei er 
häufig so schlaff gewesen, dass er nicht habe denken und arbeiten können. Er sei von einem Arzt und 
Spezialist zum anderen gelaufen, aber olme jeden Erfolg. Schliesslich habe er nichts mehr getan und sein 
Schicksal in Geduld getragen. Zeitweise sei er aber recht lebensüberdrüssig gewesen. Nachdem er das 
Leiden volle acht Jahre getragen hätte, immer magerer und blasser geworden sei, habe ihm jemand ge- 
raten, den Verfasser zu konsultieren. Hier sei ihm nach einer kurzen vergeblichen Bäderbehandlung 
geraten worden, die Röntgenbestrahlung zu versuchen. 

P. ist von mittlerer Grösse, blasser Gesichtsfarbe mit unterränderten Augen, wiegt 115 Pfund, 
zeigt an der Haut des Körpers nirgends Abnormitäten ausser am Anus eine ziemlich starke Röte. Diese 
reicht vom Anus bis zum Scrotum und nach der anderen Seite in der rima ca. 8 cm aufwärts, nach den 
Seiten ca. 6 cm weit. Die Affektion machte auf den ersten Blick den Eindruck einer frischen Intertrigo, 
bei näherer Besichtigung aber zeigten sich Zeichen der Chroniecität: Rhagaden und Verdickungen. 
Namentlich war es eine ca. 4cm lange Rhagade in der rima, welche eine ziemliche Tiefe erreichte, leicht 
blutete und stark schmerzte. Von anderen Stellen war es besonders eine kleine Schleimhautfalte im 
Anus nach der Scrotalseite zu, welche sich durch starkes Jucken und Brennen auszeichnete. 

Die inneren Organe waren vollkommen gesund, die Urinuntersuchung ergab nichts Abnormes, 
besonders keinen Zucker. Die Lebensweise war sehr miissig, auch im Alkoholgenuss. 


Nachdem P. darauf aufmerksam gemacht war, dass bei der Bestrahlung des Anus 
möglicherweise durch Mitbestrahlung der Hoden Sterilität erfolgen könnte, erklärte er sich 
damit einverstanden, zumal da seine Frau schon lange halskrank sei und keine Kinder mehr 
wünsche. 

Die Bestrahlungen haben darauf in folgender Weise stattgefunden. Vom 12.—17. Januar 
1904 täglich 10 Minuten mit einer weichen oder mittelweichen Röhre, vom 19.—28. Januar 
ebenso, ferner am 31. Januar 15 Minuten und am 1. Februar 10 Minuten, im ganzen also 
195 Minuten. Vom 2. Februar ab ist P. dann ohne Erlaubnis des Verf. aus der Behandlung 
fortgeblieben, weil er, wie er später berichtete, ohne alle Schmerzen war und die Flechte für 
geheilt hielt. Nach einigen Monaten berichtete er ferner, dass er ein ganz kurzes Recidiv 
bekommen habe, aber seitdem ohne jegliche Beschwerden geblieben sei, allenfalls habe er noch 
hie und da eine geringe Empfindung an der Analfalte. Als derselbe ausserdem noch erzählte, 
dass bei seiner Frau die Menses ausgeblieben seien, nahm Verfasser an, dass die Gesanıtdauer 
der Bestrahlung zu gering gewesen sei, um bei dem P. auch Sterilität zu erzeugen. Erst sieben 
Monate nach der beschriebenen Bestrahlung wurde Verfasser infolge der Überraschung, 'welche 
ihm der Fall I bereitete, veranlasst, auch diesen P. zur Untersuchung seines Spermas aufzu- 
fordern. Die eine halbe Stunde nach der Ejakulation untersuchte Samenflüssigkeit wurde in 
kleinen Mengen aus dem Condom mittels Glasstab auf den Objekttriiger verbracht und ohne 
jeden Zusatz mit dem Deckgläschen bedeckt. Etwa zehn solcher Präparate wurden in dieser 
Weise untersucht, ohne dass sich nur ein einziges Samenfädchen oder Reste von einem solchen 
ergeben hätten. Es musste also die Diagnose auf vollkommene Azoospermie gestellt werden, 
zumal da ein Grund zur Unwegsamkeit des ductus spermaticus nicht vorlag. Die sichtbaren 


Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes. 119 


körperlichen Bestandteile des untersuchten Spermas zeigten wie im Falle I keine Degenerations- 
erscheinungen, weder Zellschwund noch Pigmentation in den Zellen. Dass durch die Bei- 
mischung der Sekrete der Prostata und der Samenblasen die Präparate hier ein viel reich- 
haltigeres Aussehen hatten als im Falle I, bedarf keiner näheren Erörterung. 

Es bleibt nur noch zu erwähnen, dass der impetus coeundi bei dem P. sich in der 
ganzen Zeit ohne die geringste Abschwächung vollzogen hat, ferner dass eine makroskopisch 
erkennbare Atrophie der Hoden nicht nachzuweisen war. 

Was kann man aus diesen beiden Fällen lernen? 

Zunächst ohne Zweifel die Thatsache, dass die Röntgenbestrahlung eine bequeme 
schmerzlose, unschädliche Methode darbietet, um den Mann zu sterilisieren. Diese 
Entdeckung kann gar nicht hoch genug angeschlagen werden in einer Zeit, wo man sich ver- 
geblich abmüht eine brauchbare Methode der Unfruchtbarmachung bei der Frau zu ergründen, 
denn die Resektion der Tuben oder die Vaporisation des Uterus werden wohl niemals ad hoc 
ausgeführt werden, von den fakultativen Methoden ganz zu schweigen. 

Wie im Falle I könnte die Röntgenbestrahlung zwar mit der Resektion der Samen- 
leiter in Konkurrenz treten, welche bei der modernen hochentwickelten chirurgischen Technik 
gleichfalls ohne Schmerz oder Blutung und ohne Narkose ausgeführt werden kann und welche, 
wie der Verfasser sich neuerdings in einigen Fällen überzeugt hat, thatsächlich von ver- 
schiedenen Patienten bevorzugt wird, aber es bleiben doch noch genug ängstliche Männer 
übrig, welche vor der Idee auclı der kleinsten Operation zurückschrecken und lieber den längeren 
Weg der Bestrahlung vorziehen. Die lange Dauer wird indes immer ein Nachteil der Réntgen- 
bestrahlung bleiben, da der Erfolg der Azoospermie wahrscheinlich oft erst nach einem halben 
Jahre eintreten wird. Ob die bestrahlten Spermatozoen vielleicht schon nach kurzer Bestrahlung 
geschädigt werden und trotz ihrer Beweglichkeit zur Befruchtung unfähig geworden sind, 
müsste noch an weiteren Fällen erforscht werden. Nach dem Falle II zu urteilen, wäre dies 
nicht unwahrscheinlich, denn einer Befruchtung der Frau lag hier eigentlich kurz nach der 
Behandlung nichts im Wege, denn das oben erwähnte Ausbleiben der Menses hatte sich später 
als Irrtum herausgestellt. — Fall Il lehrt ferner, dass bereits durch die halbe Bestrahlungszeit, 
welche im Falle I angewendet worden war, vollkommene Azoospermie erzeugt werden konnte. 
Es wäre nicht unmöglich, dass eine noch weitere Abkürzung der Bestrahlungsdauer hinreichen 
würde, um dieselbe Wirkung zu erzielen und dass das Abwarten der Azoospermie überhaupt 
vielleicht gar nicht nötig wäre, um Sterilität zu erzeugen. 

Auf jeden Fall macht Fall II eine grössere Empfindlichkeit des männlichen Hodens 
gegenüber dem Kaninchenhoden wahrscheinlich, weil letzterer nach den Versuchen Albers- 
Schönbergs eine etwa doppelt so grosse Einwirkungsdauer gebrauchte, um denselben Effekt der 
Azoospermie zu erzielen (377 Minuten gegen 195 Minuten). 

Daraus würde aber für die Radiologen eine erneute Warnung hervorgehen, im Um- 
gange mit den X-Strahlen nicht gar zu furchtlos zu verfahren und den Ermahnungen und 
Schutzmassregeln von Albers-Schénberg'), welche von Levy-Dorn?) als übertrieben be- 
zeichnet wurden, jetzt eine erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden. 


1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Band VII, Heft 3S. 144 und Centralblatt 
für Chirurgie 1903, No. 24. 
2) Münchener med. Wochenschr., Dezember 1903. 


120 Hahn. 


Ein Beitrag zur Röntgentherapie. 
Von | 


Dr. R. Hahn, Hamburg. 


In Nachfolgendem möchte ich die Aufmerksamkeit derjenigen Kollegen, die sich mit 
Röntgentherapie beschäftigen, auf zwei Massnahmen lenken, die sich mir bei der Anwendung 
der Röntgenstrahlen zu therapeutischen Zwecken bewährt haben und hiermit zur Nachprüfung 
auffordern. 

Es war uns schon immer aufgefallen, dass bei der Röntgenphotographie die Bilder 
besonders scharf wurden, wenn man die Extremitäten mit einer Esmarchschen Binde auf die 
Röntgenplatte festhand. Einzig und allein die Immobilisation konnte es nicht sein, denn auf 
andere Weise immobilisierte Glieder gaben doch nicht ganz so feine Details wieder wie die 
mit Esmarchscher Binde befestigten Es musste also noch etwas anderes mitwirken, und da 
liegt es nahe, die mehr oder minder erzielte Blutleere in Betracht zu ziehen, die bei einer 
Umschnürung mit einer Gummibinde in einer Extremität entsteht. Wenn man an den tiefen 
Herzschatten denkt, den man sowohl bei Durchleuchtung auf dem Schirm, sowie beim Photo- 
graphieren auf der Platte erhält, und der einzig und allein durch die Blutfüllung der Herzens 
hervorgerufen wird, so leuchtet es ohne weiteres ein, dass auch in den Extremitäten die freilich 
wesentlich geringere Blutmenge einen Einfluss auf die Durchleuchtungsfähigkeit haben muss 
und den Röntgenstrahlen mehr oder weniger den Eintritt m die tieferen Schichten verwehren 
wird. Schaltet man nun die Blutdurchtränkung der Gewebe durch eine Esmarchsche Binde 
aus, so sollte man meinen, dass die Strahlen besser durch und tiefer in die Gewebe ein- 
dringen müssten. 

Ich habe nun eine Reihe von Versuchen in dieser Hinsicht gemacht und in der That 
meine Voraussetzung bestätigt gefunden, dass die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf blut- 
leere Bezirke eine intensivere ist. Während ich bisher eine Serie von fünf bis sechs Bestrah- 
lungen benötigte, um eine stärkere Dermatitis in den bestrahlten Bezirken zu erzielen, komme 
ich nunmehr schon mit drei Bestrahlungen ebenso weit. Ausserdem habe ich den Eindruck, 
als ob die Abflachung wallartiger Ränder prompter und schneller vor sich gehe. Ob die 
Wirkung in der That eine mehr in die Tiefe gehende ist und die vorhandenen lupösen Herde 
energischer beeinflusst werden, muss die Zukunft lehren, da meine Fälle noch nicht lange genug 
in Beobachtung stehen und nicht zahlreich genug sind, um dies unzweifelhaft zu zeigen. 
Weitere Beobachtungen auch von anderer Seite werden ergeben, ob die Methode sich bewährt 
oder nicht. 

So einfach nun das Verfahren der Blutleere an den Extremitäten sich anwenden lässt, 
so kompliziert dürfte es scheinen, eine Blutleere im Gesicht zu erzielen. Ich hatte mir zu- 
nächst Pelotten aus Celluloid anfertigen lassen und mit denselben die zu behandelnde Stelle 
bedeckt und durch Kompression, die durch Anziehen und Festbinden von vier Bändern bewirkt 
wurde, auch in der That leicht eine Blutleere erzielt. Obwohl die Celluloidplatten die Strahlen 
durchliessen, wie photographische Kontrollversuche ergaben, so wurde doch die Wirkung der 
Röntgenstrahlen durch die zwischen Objekt und Röhre eingeschaltete Celluloidschicht beein- 
trächtigt, so dass ich an der zur Dermatitis notwendigen Zahl der Bestrahlungen nicht sparen 
konnte. Freilich schien es, als ob in Bezug auf die Abheilung die durch die Pelotten erzielte 
Blutleere ebenfalls von günstigem Einfluss sei. 

Als ich nun mit diesen Versuchen beschäftigt war, erhielt ich den Besuch des Kollegen 
Sanıtätsrat Dr. Bertram, Meiningen, der mir riet, die Blutleere im Gesicht durch Adrenalin- 
Eucain-Injektionen herbeizuführen und dann zu bestrahlen. Diese Versuche gelangen voll- 


Transportabler Schaukasten. 121 


kommen. Die Umgebung, der Injektionsstellen wurde in gewünschtem Masse blutleer und der 
Erfolg der Röntgenbestrahlungen trat ebenso prompt ein wie nach den Esmarchschen Ab- 
schnürungen. Es war geradezu auffallend, wie schnell der wallartig aufgeworfene Rand der 
lupösen Stelle abflachte. Auch sonst hob sich die betreffende Stelle gegen ihre Umgebung, die 
ohne Injektionen behandelt war, durch ihr gutes Aussehen ab. Eine völlige Heilung des Lupus 
zeigt der betreffende Patient noch nicht. Die Zeit ist noch zu ‚kurz. 

Des weiteren habe ich dann einige Versuche gemacht, mit der von Tappeiner ange- 
regten Eosinbehandlung. Die zunächst damit behandelten Patienten litten an enorm grossen 
Ule. rod. des Kopfes und des Gesichts. Beide klagten über Schmerzen, die die Behandlung 
verursachte, die bei einem so stark waren, dass er die Weiterbehandlung refüsierte In dem 
anderen Falle konnte ich ein promptes Sistieren der bis dahin sehr reichlichen Sekretion kon- 
statieren, ohne dass es zunächst zu einer wesentlichen Verkleinerung der Geschwürsfläche kam. 
Erst durch die eingeleitete Röntgenbehandlung erreichten wir eine gute Überhäutung vom 
Rande her. Ich versuchte nun des weiteren die Eosinpinselungen bei einer frischen durch 
Röntgenbestrahlung entstandenen Excoriation und sah hierbei eine wesentlich schnellere Über- 
häutung des Röntgenulcus, wobei ich als besondere Annehmlichkeit es empfand, dass so gut 
wie gar keine Sekretion des Geschwürs mehr zu bemerken war. 

Die Technik ist eine sehr einfache. Zunächst wird die Geschwürsfläche mit der Eosin- 
lösung eingepinselt, dann eine einfache Lage Verbandgaze, die man dem Ulcus entsprechend 
schneidet, darübergelegt. Dieses Stück Gaze wird dann im Laufe des Tages wiederholt mit 
Kosinlésung angefeuchtet, während Patient sich möglichst intensiv von der Sonne bescheinen lässt. 

Meine beiden Vorschläge sind so einfach, dass sie ohne weiteres nachgeprüft werden 
können. Hoffentlich bestätigt eine ergiebige Nachprüfung meine Resultate. 


Aus dem Réntgenlaboratorium des Rudolfiner- 
hauses in Wien-Döbling. 


Transportabler Schaukasten. 
Von 
Dr. R. Stegmann. 


Es ist ein dringendes Bedürfnis in einem 
Röntgenlaboratorium über einen Schaukasten zu 
verfügen, der es ermöglicht, die gefertigten Platten 
bei verschiedener Beleuchtung, deren Stärke jedes- 
mal erst ausgesucht werden muss, zu betrachten. 
Ferner dient der Schaukasten zum Retouchieren 
und Pausen; ausserdem soll er einen grösserem 
Auditorium Bilder sichtbar machen. 

Es sind nun schon eine grosse Zahl von 
solchen Kästen konstruiert, die entweder sehr 
unhandlich sind, deren Scheibe nur vertikal ge- 
stellt werden kann, die an der Wand befestigt 
werden müssen, die sehr leicht heiss werden, und 
die gewöhnlich sehr teuer sind. Einige vereinen 
alle diese Nachteile, andere nur den einen oder 
den anderen. Fig. 1. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 16 


Stegmann. 


122 


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Ein neues orthographisches Zeichenstativ. 123 


Ich habe mir nun von dem Schreiner und Monteur des Hauses einen Kasten von der Gestalt 
‚eines Schreibpultes konstruieren lassen (Fig. 1). Vorne ist er 1 m 10 cm, hinten 1 m 26 cm 
hoch. Der Ausschnitt zum Betrachten der Platten beträgt 40><50 und kann (Fig. 2) durch Ein- 
lagen oder ein schwarzes Tuch nach Bedarf und Format verkleinert werden. Der obere Teil, in 
welchem sich acht Glühlampen befinden (Fig. 3), kann nach vorne um ein Scharniergelenk ge- 
dreht und in beliebige Neigung gestellt werden (Fig. 4). Je zwei diametralgelegene Lampen sind 
verbunden. Es sind somit vier Helligkeitsmöglichkeiten gegeben, welche durch die an der 
Vorderseite angebrachten vier Schalter reguliert werden; der fünfte Schalter schaltet den durch 
einen Stechkontakt entnommenen Strom aus oder ein. Am Bodenbrett des Kastens, das die 
Lampen trägt, befindet sich eine Asbestplatte zum Schutze gegen die ausstrahlende Hitze. 
Innen ist alles weiss gestrichen. Im Kasten über den Lampen liegt eine horizontale 3 mm dicke 
-Mattscheibe, die erstens dazu dient, das Licht möglichst zu zerstreuen und ferner die Lampen- 
hitze von der zweiten „Beinscheibe“ thunlichst fernzuhalten, da auf diese Scheibe die Platten, 
manchmal in noch feuchtem Zustand zur Betrachtung aufgelegt werden. Der ganze Kasten 
kann nach Bedarf auf Rollen gestellt, also an jeden Stechkontakt angeschlossen werden. Als 
Pult wird er zum Betrachten, Retouchieren und zum Pausen von Platten benutzt; steiler auf- 
gestellt ermöglicht er die Betrachtung aus grösserer Entfernung und für ein grösseres Audi- 
torium. Mit vier Beleuchtungsmöglichkeiten wird man jeder Platte gerecht; die Erhitzung ist 
durch die Mattscheibe keine störende. Die Kosten betragen bei dieser primitiven Ausführung 
50 Mark. Die elegante Ausführung haben Seifert & Co. in Hamburg übernommen. 


Ein neues orthodiagraphisches Zeichenstativ. 
Von 
Dr. Max Levy-Dorn (Berlin). 


Wer den von der Antikathode senkrecht auf einen Fluoreszensschirm fallenden Strahl 
markiert, Objekt mit Projektionsfläche daran vorbeiführt, oder umgekehrt diese letzteren in 
Ruhe lässt und das Rohr mit Lotmarke verschiebt, indem er jedesmal den Schnittpunkt der 
Senkrechten mit der Projektionsfläche fixiert, sobald ein interessierender Teil des Objektes von 
derselben getroffen wird, der treibt Orthodiagraphie. 

Es sind bereits eine grössere Zahl Apparate beschrieben worden, die Orthodiagraphie 
bequem, genau und unter möglichst verschiedenen Bedingungen ausführen zu können. 

Das Zeichenstativ, das ich hier beschreiben will, und das von der Firma Reiniger, 
Gebbert & Schall meinen Angaben entsprechend ausgeführt worden ist, enthält neben den 
älteren bewährten Einrichtungen einige wesentliche Neuerungen, und empfiehlt es sich ganz 
besonders durch seinen soliden Bau und den grossen Umfang seiner Anwendungsfabigkeit. 

Als Lotmarke dient ein Loch in einem Fluoreszensschirm, durch das der Zeichenstift 
für die Projektionsebene geführt wird, mutatis mutandis, genau so, wie ich es auf dem Karls- 
bader Kongress 18991) angegeben, und wie es, soweit ich sehe, allgemeiner Gebrauch geworden 
ist, weil die jedesmalige Lage des Lotpunktes so am leichtesten und sichersten auf die Projektions- 
ebene übertragen werden kann. 

Die Lotmarke, also auch der Schirm, in dem ja diese hier liegt, und ebenso die Schreib- 
vorrichtung sind im Einklang mit der Moritzschen?) Anordnung durch einen [-förmigen 
Rahmen mit dem Halter für das Röntgenrohr fest verbunden, so dass Lotmarke und Schreib- 


1) Levy-Dorn: Zur Untersuchung des Herzens... XVII. Kongress für innere Medizin, 1899. 
2) Moritz, Münch. medizin. Wochenschr. 1900 No. 15, 29. Eine Methode, um beim Röntgen- 
verfahren... — Vergl. dazu Levy-Dorn, Deutsche medizin. Wochenschr. 1900 No. 85—37. Zur zweck- 


mässigen Untersuchung der Brust... 
16* 


124 


Reinige 
Fig. 1. 


Reiniger,Gebbert & Schall, Erl 
Fig. 2. 


Levy-Dorn. 


vorrichtung jede Bewegung des Rohres 
mitmachen müssen, ohne die Stellung zum- 
Rohre zu ändern. , 

Der [-Rahmen trägt auch eine 
Stange zum Halten der Blende, die nach 
Wunsch in verschiedenen Formen, auch als 
Irisblende geliefert wird. 

Als Schreiber dient ein senkrecht 
zum Schirm geführter, federnder Stift, oder 
Dermograph. Wer eine pneumatische 
Punktiervorrichtung vorzieht, kann auch 
eine solche erhalten, 

Der [-Rahmen kann in allen Lagen, 
inbesondere vertikal und horizontal ver- 
stellt, und daher der Patient sowohl im 
Liegen als im Stehen, wie in jeder anderen 
Stellung orthodiagraphiert werden. Auch 
diese Einrichtung ist keine neue mehr; sie 
wurde zuerst von mir 1901 auf dem Kon- 
gress für innere Medizin beschrieben und 
demonstriert. 

Die freie Beweglichkeit des [- Rah- 
mens mit den daran befestigten Teilen bildet 
eine wesentliche Eigenschaft sämtlicher 
orthodiagraphischer Apparate. Ausser der 

„wanglosen Gleitbewegung auf Walzen 
hat sich, und zwar in noch höherem Masse, 
die Führung des Rahmens mittels zweier 
Drehachsen nach H. Boas’) viele Freunde 
erworben. Ich habe immer den gerad- 
linigen Zwangsführungen das Wort 
geredet, weil man so gewissen Aufgaben 
der Messkunst besser genügen kann; als 
Beispiel sei auf die Notwendigkeit hin- 
gewiesen, den Unterschied zwischen den 
senkrechten Projektionen auf die beweg- 
liche, gewölbte Brustwand und den 
wahren Grössen erkennen zu können, 
wie ich ihn in einer Arbeit über die 
Zwergfellbewegung*) mit Hilfe des dort 
beschriebenen Apparates leicht bestimmen 
konnte. 

Trotz aller Sorgfalt liess sich 
aber kein Weg finden, bei alleinigem 
Gebrauch der geradlinigen Zwangsfüh- 


rungen die gewünschte leichte Beweglichkeit des [-Rahmens zu erzielen. In dem neuen Apparate 


wurde durch Zuhilfenahme einer einzigen Rotationsachse das Problem gelöst. Diese Rotations- 


1) H. Boas, Deutsche Mechanikerzeitung 1902 No. 16 u. 17. Apparat zur orthogonal-parallelen 


projektivischen Aufnahme mittels Réntgenstrahlen. 


*) Levy-Dorn, Deutsche medizin. Wochenschr. 1901 No. 49. 


Ein neues orthodiagraphisches Zeichenstativ. 125 


achse, welche zugleich die eine Seite des [-Rahmens bildet, ruht nämlich in einem kleinen 
Wagen aus Aluminium, der in einer zur Rotationsachse senkrechten Geradführung von der 
Form eines Parallelogramms in einer sog. Kulisse leicht und sicher rollt. 

Der [-Rahmen wird natürlich durch einen geeignet angebrachten Hebel mit Gegen- 
gewicht ausbalanziert. Nun sind alle Bewegungen leicht zu bewerkstelligen und lassen sich 
auch alle Messungen ohne Mühe ausführen. 

Ein Zeiger am Wagen zeigt auf einer Skala in der gradlinigen Führung die wahre 
Verschiebung des senkrechten Strahles, welches ja mit derjenigen des Rahmens identisch ist, 
in der einen Richtung; ein anderer auf der Rotationsachse befestigter Zeiger gleitet an einem 
Kreisbogen entlang, dessen Skala für die Exkursionen der Lotmarke in der zur Gradführung 
senkrechten Ordinate geeicht ist. 

Die wahre Höhe und Breite der senkrechten Projektionen kann mithin in jedem Falle 
an den Skalen abgelesen werden, auch wenn die Aufzeichnung auf einer zum Fluoreszens- 
schirm nicht parallelen, unruhigen und gekrümmten Fläche, wie z. B. auf der Brustwand 
erfolgt. Man hat nur nötig, sobald man die Punkte, deren Entfernung voneinander gemessen 
werden sollen, auf der Haut markiert, zugleich einen Strich mit Fettstift neben den Zeiger- 
stiften!) zu machen und nachher im Hellen abzulesen. Wenn man weiterhin die gefundenen 
Zahlen auf zwei rechtwinkelige Coordinaten, etwa an den Ecken eines Papierblattes überträgt, 
so erhält man unmittelbar den Abstand der beiden Punkte. 

Man kann aber auch so verfahren, dass man im Dunklen nur die röntgoskopische 
Hautfigur zeichnet, und sie dann im Hellen, bevor der Patient seinen Platz gewechselt, an den 
Skalen abmisst. | 

Derjenige, dem nur daran gelegen ist, eine Grösse-Bestimmung auszuführen, der auf 
die röntgoskopische Haut, oder Zeichenfigur im übrigen zerzichtet, braucht nur die oben er- 
wähnten Striche an den Skalen anzubringen. 

Wer die röntgoskopische Figur auf das zum Schirm gestellte Reissbrett zeichnet, findet 
an der Ablesungsvorrichtung mit den Skalen eine gute Kontrolle, ob der Schirm auch wirklich 
parallel zum Reissbrett stand, und ob sein Schreibapparat auch richtig funktionierte. Falls 
er im Stich lässt, so liefert die Ablesungsvorrichtung einen teilweisen Ersatz, 

Endlich lassen sich die Skalen dazu benutzen, die Tieflage der Objekte auf einfachem 
Wege zu finden, auch wenn man die Objekte auf die Haut projiziert. 

Die beistehende Figur wird das dazu nötige Verfahren dem Verständnis näherbringen 

Es sei A = die Entfernung der Antikathode vom Schirm, 
lw = die senkrechte Projektion des Objektes O, O, auf demselben 2 
d. h. die sog. wahre Länge; 7s = das durch die gewöhnliche centrale J 
Projektion bei der Rohrstellung A, auf den Schirm geworfene Bild 
des Objektes O,.O, d. h. die scheinbare Länge, a, und a, = die senk- 
rechte Entfernung der Objektpunkte O, und O, von dem Schirm. 
Die gesuchte Entfernung ist dann: 

| Ar is. — lw. 
u} 

ls wird auf einer den Schirm bedeckenden Schreibfläche, lw 
durch Striche an den Skalen und A durch direkte Messung bestimmt. 
Man darf dabei aber nie vergessen, dass a, die Entfernung des Objekts 
von der Schirmoberfläche, nicht von dem Projektionspunkt auf die lw 
Hautoberfläche bedeutet, also verringert werden muss, wenn man Fig. 3. 
diese erfahren will. | 


A, 


1) Sind die Zeigerspitzen, was empfehlenswert ist, gegabelt, so fiihre man den Fettstift durch 
den Gabeispalt; noch besser erscheint mir ein am Zeiger befestigter Zeichenstift. Auch Reiter, die sich 
mit den Zeigern nach je einer Seite der Skalen verschieben, sind zweckdienlich. 


126 Correspondenzen. 


| Die wie ein Parallelogramm geformte Führung, in welcher der Wagen, der Träger 
der Messvorrichtung, gleitet, befindet sich an einer festen drehbaren Eisenstange, die durch ein 
Gegengewicht ausbalanziert ist und leicht in jeder beliebigen Stellung fest geklemmt werden 
kann. Die beiden Hauptlagen des Apparates, die vertikale und horizontale, werden ohne Mühe 
durch einen Anschlag gefunden. 

Ein kräftiges gusseisernes Stativ, das zwecks bequemen Verschiebens auf Rollen läuft, 
aber durch Schrauben während der Untersuchung festgestellt und zweckmässig gerichtet wird, 
trägt die ganzen bisher beschriebenen Teile. Ein Lot an demselben erleichtert die richtige Stellung. 

Als grosse Annehmlichkeit wird empfunden werden, dass der Messapparat durch ein ver- 
möge eines Rades leicht drehbares Schraubengewinde um 20 cm gehoben, beziehungsweise ge- 
senkt zu werden vermag. Auf diesem Wege lässt sich der Apparat ohne Mühe bei Liegenden 
den verschiedenen Tischhöhen und bei Untersuchung Stehender den verschiedenen Grössen der- 
selben anpassen. 
| Die Apparate, welche zur Lagerung des Kranken oder zur Ruhigstellung im Stehen 
(von CGriegern!) u. a.) gebraucht werden, müssen unabhängig vom orthodiagraphischen 
Zeichenstativ aufgestellt werden, um es nicht zu stark zu belasten, und seine Bewegungsfreiheit 
oder Festigkeit nicht zu gefährden. Dasselbe gilt für eventuelle Massregeln zum Schutz des 
Untersuchers. 

Zum Schluss sei hervorgehoben, dass sich das beschriebene Stativ auch für andere, 
als orthodiagraphische Aufgaben vorzüglich eignet. Alle Arme des [- Rahmens sind auf- 
und abschraubbar; auch das am Grundstativ befestigte Reissbrett lässt sich mühelos abnehmen. 
Man hat also nur nötig, allein den Rohrhalter an der Rotationsachse anzubringen (mit oder 
ohne Blende) und die Rotationsachse durch die dazu vorgesehene Schraube festzustellen. Unter 
Benutzung der graduierten Geradführung®), lassen sich erforderlichenfalls bequeme und genaue 
Verschiebungen des Rohres vornehmen, wie sie z. B. für Stereoskopaufnahmen ausgeführt 
werden müssen. Durch Drehen der Rotationsachse kann das Rohr für die Durchleuchtung 
von unten, wie Bestrahlung von oben, sowie überhaupt für jede Lage des Patienten ein- 
gestellt werden. 

Wer sich für alle Fälle eine möglichst grosse Anpassungsfähigkeit des Instrumenta- 
riums sichern will, ganz besonders aber, wer sich mit wenigen Instrumenten begnügen muss, 
ohne doch seine Leistungsfähigkeit einzubüssen, wird die universelle Anwendungsfähigkeit des 
Stativs willkommen heissen. 


Correspondenzen.‘) 


Röntgenkongress in Berlin. 
30. April bis 3. Mai 1905 
in den Räumen der Ressource zur Unterhaltung, Oranienburgerstrasse 18 (am Montbijouplatz). 


Röntgenausstellung. 
Mit dem Röntgenkongress zu Berlin vom 30. April bis 3. Mai 1905 (cf. Prospekt) be- 


absichtigt die Röntgenvereinigung zu Berlin eine 
Röntgenausstellung zu verbinden und beehrt sich, hiermit zu derselben ganz ergebenst einzuladen. 


1) von Criegern, Kongress für innere Med. 1899. 

2) Es ist dann jedesmal der Wagen in der Gradfiihrung festzustellen. 

*) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Aus- 
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- 
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und, 
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind 
direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, Klopstockstr. 10, Hamburg, zu richten. 


Correspondenzen. 127 


Cilinder 


H. Stashalte 


Plan der Kongress- und Ausstellungsräume. 


Leitung. Die Leitung der Ausstellung ruht in den Händen des von der Röntgenvereinigung 
gewählten Organisationsausschusses, 

Dauer und Ort. Die Ansstellung beginnt mit der Eröffnung des Koner am 30. April 
mittags 12 Uhr und endet am 3. Mai abends. Die Ausstellungsräume sind mit den Kongress- 
räumen vereinigt. 

Abteilungen. Die Ausstellung zerfällt in einen medizinischen und einen physikalisch- 
technischen Teil. Hierzu kommt eine Auslage der Röntgenlitteratur. 

Der medizinische Teil umfasst alle Zweige der Heilkunde, insbesondere das Gebiet der 
Chirurgie, der Kriegs-Chirurgie, der inneren Medizin, der Zahnheilkunde, der Tierheil- 
kunde, und der Röntgentherapie. Es sollen namentlich derartige Bilder, Originalplatten, Diapositive, 
stereoskopische Bilder und Platten, makroskopische und mikroskopische Präparate, sowie Moulagen aus- 
gestellt werden, welche besondere medizinische Bedeutung haben oder deren Herstellung mit technischen 
Schwierigkeiten verbunden ist. 

Im physikalisch-technischen Teil finden alle wissenschaftlichen physikalischen Apparate; 
sowie alle zur Röntgentechnik erforderlichen Apparate (Induktoren, Unterbrecher, Röhren etc.) und 
Hilfsapparate (Röhrenhalter, Blenden, Kassetten, Lagerungstische u. s. w.) Aufnahme. Hier sind auch 
die für die Röntgenographie, für die Demonstration der Platten und Bilder erforderlichen Apparate, 
Hilfsapparate, Chemikalien u. s. w. erwünscht. 

Die Schutzvorrichtungen für Arzte, Patienten, Techniker, Fabrikanten gegen die Schädigung 
durch Röntgenstrahlen können in beiden Abteilungen ausgestellt werden. 

Die Litteraturausstellung umfasst die Auslage aller auf die Röntgenologie sich beziehenden 
Publikationen. Insbesondere ist erwünscht, dass die spezielle Röntgenlitteratur des In- und Aus- 
landes möglichst vollständig ist, damit dieselbe gleichzeitig einen Überblick über die bisherige Ent- 
wickelung gestattet. : 

Teilnahme. Wissenschaftliche Institute, Physiker, Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte 
Fabrikanten, Verlagsbuchhändler und andere Interessenten sind berechtigt auszustellen. 

Elektrische Kraft. Für die Aussteller steht Gleichstrom von 110 und 220 Volt Spannung 
zur Verfügung. Beim Bedarf von Wechselstrom hat der Aussteller für den erforderlichen Umformer 
selbst Sorge zu tragen. | 


128 Correspondenzen. 


Es ist wünschenswert, dass die Apparate u. s. w. auch im Betrieb gezeigt werden. 
Für Apparate, welche die Leitung besonders hoch beanspruchen, behält sich die Ausstellungsleitung vor, 
den Betrieb auf bestimmte Stunden einzuschränken. Die Kosten für den benutzten Strom werden auf 
die Beteiligten repartiert. 

Anmeldetermin. Die Anmeldeerklärunzen müssen unter Benutzung des anliegenden 
Formulars bis spätestens den 15. März 1905 erfolgt sein. Die Ausstellungsleitung kann jedoch 
diesen Termin verkürzen, sobald die Räume besetzt sind. 

Zulassung von Gegenstiinden und Platzbestimmung. Über die Zulassung von Gegenständen 
entscheidet allein die Ausstellungsleitung; desgleichen über die Bestimmung der Plätze. In dieser 
Beziehung werden Wünsche jedoch gern berücksichtigt. 

Platzmiete. Die Platzmiete beträgt für die Dauer der Ausstellung für jedes Quadratmeter 
10 Mark. Auf Wunsch stehen Tische zur Verfügung, für welche ausser der Platzmiete eine Leihgebühr 
von 5 Mark für das Quadratmeter zu entrichten ist. Die Beträge für Platz- und Tischmiete sind 
vor dem Beginn der Ausstellung zu entrichten. 

Wissenschaftliche Institute können, soweit Platz zur Verfügung steht, auf Beschluss der Aus- 
stellungsleitung von der Platzmiete ganz oder teilweise befreit werden. 

Ausschmückung. Über die Ausschmückung des überlassenen Platzes werden keine Vorschriften 
gemacht. Es wird jedoch gebeten, dieselbe entsprechend dem Charakter der Ausstellung würdig zu gestalten. 

Aufstellung der Gegenstände. Das Auspacken, Aufstellen und Anbringen der Aus- 
stellungsgegenstände muss durch den Aussteller oder dessen Vertreter erfolgen. 

Die Wände, Fussböden, Fenster dürfen zur Befestigung der Ausstellungsgegen- 
stände oder Dekorationen nicht benagelt oder angebohrt werden. Für etwaige Beschädigungen 
haftet der Aussteller. 

Legitimation. Jeder Aussteller und dessen Vertreter erhält cine Einlasskarte, welche aber 
auf andere Personen nicht übertragbar ist. 

Einlieferung und Wegräumen. Die Einlieferung der Ausstellungsgiiter muss so erfolgen, 
dass die Aufstellung rechtzeitig bis zur polizeilichen Abnahme geschehen kann. Das Ausstellungslokal 
steht den Ausstellern am 28. und 29. April für die Aufstellung der Gegenstände zur Verfügung. 

Die Wegräumung der Ausstellungsregenstände muss bis zum 4. Mai abends 
vollendet sein. 

Während der Dauer der Ausstellung dürfen die Ausstellungsgegenstände aus der Ausstellung 
nicht entfernt werden. 

Spedition. Sämtliche Ausstellungsgegenstände sind unter der Bezeichnung: „Gegenstände für 
die Röntgen-Ausstellung* an Herrn Spediteur Knauer, Berlin, Wiehmannstrasse 5 zu senden. Mit 
demselben ist ein Vertrag geschlossen, wegen Ablieferung der Güter bis in den Ausstellungsraum, und 
kosten pro 100 kg 50 Pf. Rollgebiihr. Die Colli sind mit den vom Ausschuss gratis verabfolgten Adressen 
zu versehen. 

Hierdurch ist es möglich, dass die Aussteller ihre Gegenstände frühzeitig absenden können 
und rechtzeitig auf der Ausstellung vorfinden. 

Zollerlass. Der Herr Provinzial- Steuer - Direktor zu Berlin hat genehmigt, dass diejenigen 
Gegenstände, welche für die Röntgen- Ausstellung aus dem Ausland eingeführt werden, zollfrei zu be- 
lassen sind, falls sie innerhalb 10 Tage nach der Ausstellung unter Zollkontrolle wieder nach dem Aus- 
land ausgeführt werden. Die Ausstellungsgegenstände sind deshalb als. solche zu kenn- 
zeichnen oder in den Frachtbriefen zu bezeichnen. 

Feuer- und Diebstahlversicherung und sonstige Haftung. Die Versicherung gegen 
Feuersgefahr und Diebstahl ist obligatorisch und wird auf Rechnung der Aussteller von der 
Ausstellungsleitung besorgt. Es ist deshalb bei der Anmeldung der Wert der ausgestellten Gegenstände 
in Mark anzugeben. Die Prämie beträgt pro Mille 3,75 Mark. 

Für Beschädigung dor ausgestellten Gegenstände, sowie durch unvorhergesehene Er- 
eignisse erlittenen Schaden wird keine Bürgschaft übernommen. 

Katalog. Es wird cin Katalog der Ausstellungsgerenstände erscheinen. Demselben wird ein 
Anhang von Inseraten beigegeben. Der Katalog wird allen Kongressteilnehmern gratis verabfolgt. 

Der erste Teil des Katalogs enthält nur die Aufführung der ausgestellten Gegenstände, 
jedoch ist ein Hinweis auf den Inseratenteil gestattet. Jedem Aussteller steht hier ein Raum bis zu 
5 cm Seitenhöhe kostenlos zur Verfügung; weiterer beanspruchter Raum wird mit je 1 Mark für den 
Centimeter Seitenhöhe berechnet. 

Im Inseratenteil beträgt der Preis für !/, Seite 30 Mark, für '/, Seite 15 Mark. Hier sind 
Illustrationen sehr erwünscht, und können Clichés in einer Grésse von 18><10 cm aufgenommen 
werden. Unter Berücksichtigung des sehr niedrigen Preises ist die ausgiebige Benutzung des Inseraten- 
teiles des Katalogs möglich und der Vollständigkeit wegen sehr erwünscht. 


Bücherbesprechungen. 129 


-~ Die Texte und Clichés für den Katalog müssen bis spätestens den 15. März 1905 dem 
_ Ausstellungsausschuss eingesandt sein. Die Anmeldung erfolgt jedoch zweckmässig schon früher. 
Beschwerden. Bei vorkommenden Beschwerden oder Zweifeln in Ausstellungsangelegen- 
heiten entscheidet endgültig die Ausstellungsleitung. 
Anmeldung, Anfragen, Correspondenzen sind an den Vorsitzenden oder den ‚Schriftführer, 
Zahlungen an den Kassenführer des unterzeichneten Organisationsausschusses zu richten. 


Organisations-Ausschuss. 


Prof. Dr. Eberlein-Berlin. | Dr. Immelmann-Berlin. 
Vorsitzender. Schriftführer. 
Luisenstr. 56. - Lützowstr. 72. 
Dr. Cowl-Berlin. 
| Kassenführer. 
l Gleditschstr. 6. 
Dr. Albers-Schönberg-Hamburg. Prof. Dr. Rieder-München. 
Corresp. Mitglied, Corresp. Mitglied. 


Dr. C. L. in Helsingfors stellt folgende Fragen, welche wir aus dem Leserkreis zu beant- 
worten bitten: 

1. Ist die Alveolarperiostitis bereits mit Röntgenstrahlen erfolgreich be- 
handelt worden? 

2. Sind Veröffentlichungen über diese Behandlungsart bereits in der 
Litteratur erschienen? | 

3. Ist es ratsam eine derartige Behandlung anzufangen? 

4. Welches ist die geeignete Technik? 


Bücherbesprechungen. 
H. Bordier. Die N-Strahlen und die N,-Strahlen. Paris 1905. 96 Seiten. Preis Fres. 1,50. 


Die N-Strahlen und die N,-Strahlen, deren Existenz übrigens von vielen hervorragenden Phy- 
sikern noch durchaus bestritten wird, führen ihren Namen nach der Stadt Nancy, wo dieselben vor einiger 
Zeit von dem Physiker Blondlot entdeckt worden sind, der auch dafür bereits von der französischen 
Akademie einen namhaften Preis erhalten hat. Nach demselben stellen beide Strahlengattungen gleich- 
artige Erscheinungen dar, die dem Lichte verwandt sind, deren Wellenlänge aber für die N-Strahlen etwa 
30—120 und für die N,-Strahlen etwa 80—200mal kleiner ist als die der Lichtstrahlen gelber Farbe. Die 
Unsicherheit über die Existenz dieser Strahlungen rührt vor allem daher, dass die Wirkungen derselben 
sich in der Hauptsache nur vermittelst gewisser sehr schwacher Lichtquellen, vor allem eines phospho- 
reszierenden Schwefelkalziumschirms, nachweisen lassen, deren Intensität nämlich durch N-Strahlen etwas 
vermehrt und durch die N, -Strahlen etwas vermindert werden soll, so dass mithin bei diesen Be- 
obachtungen subjektive Einflüsse eine grosse Rolle spielen können. Überdies kommt hinzu, dass beide 
Strahlarten nicht wie das Licht auf die photographische Platte wirken und demnach objektive Spuren 
ihrer Wirkungen kaum zu erhalten sind. Auch scheint es nach dem vorliegenden Buche, das übrigens 
recht klar und übersichtlich geschrieben ist, als ob selbst die Anhänger der neuen Strahlungen noch nicht 
ganz einig darüber sind, ob wir es bei jenen Wirkungen wirklich mit einer objektiven Vermehrung bezw. 
Verminderung der Intensität der betr. Lichtquellen oder nur mit einer Absorption der Strahlen durch 
diese Quellen, sowie einer daraus resultierenden, sekundären Wirkung der letzteren auf das sie beobach- 
tende Auge zu thun haben. Die letztere Auffassung wird wahrscheinlicher, wenn man bedenkt, dass 
nach den Beobachtungen von A. Charpentier — gleichfalls in Nancy — die Strahlen in ähnlicher 
‘Weise auch auf das Gehör, den Geruch und den Geschmack wirken sollen. 

Von den sonstigen, teilweise recht sonderbaren Eigenschaften und Wirkungen der N-Strahlen 
mögen an der Hand des Buches noch folgende genannt werden. Von reinem Wasser werden dieselben 
vollständig absorbiert, von einer wässrigen Salzlösung dagegen vollständig durchgelassen, ebenso auch 
von Holz, Papier, Aluminium sowie von einer 3 mm dicken Silberplatte. Andererseits absorbiert wieder 
eine 0,2 mm dicke Nickelplatte dieselben vollständig. Vor anderen Strahlenarten haben sie ferner die 
Eigenschaft voraus, dass man sie z. B. vermittelst eines Kupferdrahtes oder auch sogar eines Bindfadens 
mehrere Meter weit fortleiten kann. Diese seltsame Eigenschaft soll durch vielfache Reflexionen der 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 17 


130 Bücherbesprechungen. 


Strahlen im Innern dieser Körper erklärt werden, was aber doch einerseits bei dem Kupferdraht eine ganz 
ausserordentliche Durchlässigkeit voraussetzen würde und andererseits beim Bindfaden schon wegen der 
unregelmässigen Oberfläche desselben sehr unwahrscheinlich ist. 

Die Strahlen können reflektiert und gebrochen werden. Das Aluminium z, B. hat nach Blond- 
lot für die N-Strahlen Brechungsexponenten zwischen 1,006 und 1,85, für die N,-Strahlen solche zwischen 
1,004 und 1,0125; erstere werden also hier erheblich stärker dispergiert als letztere. Die N-Strahlen er- 
zeugen weiter auch Sekundärstrahlen, aber in völlig regelloser Weise, z. B. nicht im Platin, Silber und 
Aluminium, kräftig dagegen im Kupfer und Zink. 

Als Quellen von N-Strahlen werden genannt: eine Reihe von Lichtquellen (Sonne, Nernstlampe, 
Auerbrenner u. s. w.), ferner aber auch die Röntgenröhre, mittelst derer sogar die Strahlen von Blondlot 
entdeckt wurden, sodann jeder sich in einem inneren Zwangszustand befindliche Körper (gehärteter Stahl, 
magnetisiertes Eisen, gepresste Stoffe, tönende Körper u. s. w.), weiter flüssige Gase, riechende Stoffe, 
lösliche Fermente, pflanzliche Gewebe und endlich vor allem auch der menschliche und tierische Orga- 
nismus (Charpentier). Im letzteren Falle soll es besonders die Umgebung der Muskeln sein, von der 
jene Strahlen ausgehen und zwar um so mehr, je stärker der betreffende Muskel kontrahiert ist. Auch 
die Nerven liefern N-Strahlen und zwar um so stärkere, je vollkommener ihre Funktion ist. N,-Strahlen 
dagegen scheinen besonders bei pathologischen Zuständen dieser Organe ausgesandt zu werden. Nimmt 
man hinzu, dass auch die Nerven die Eigenschaft haben, die Strahlen in sich fortzuleiten, so erklärt sich 
daraus eine Reihe höchst seltsamer von Charpentier beobachteter Erscheinungen, z. B. die, dass ein an 
die linke Seite des Schädels (Broca’sches Centrum) gehaltener Schwefelkalziumschirm eine Vermehrung 
der Intensität eines Phosphoreszenzlichtes anzeigt, wenn die betr. Person laut oder auch nur leise spricht, 
sowie auch die, dass man auf diese Weise sogar auf dem an die Stirn einer Person gehaltenen Schirm 
beobachten kann, ob die letztere nachdenkt oder nicht. 

Diese Wirkungen auf die genannte phosphoreszierende Substanz sollen sich noch wesentlich 
erhöhen lassen, wenn man die letztere mit einem passenden Alkaloide umgiebt, nämlich demjenigen, 
welches zu dem zu untersuchenden Organe die grösste Verwandtschaft hat, also z. B. Digitalis oder 
Atropin für Untersuchungen am Herzen, Strychnin für solche am Rückenmark, Chloral für solche am 
Gehirn u. s. w. 

Zum Schlusse werden in dem Buche noch einige bestimmte physiologische und pathologische 


Fälle angeführt, bei denen die genannten Untersuchungsmethoden positive Resultate ergeben haben. 
Walter (Hamburg). 


Carl Beck, Rentgen-Rays Diagnosis and Therapy. New York and London. D. Appleton 
& Co. 1904. 


Den bekannten amerikanischen Werken von Williams und Pusey-Caldwell schliesst sich das 
vorliegende Buch von Beck würdig an. Es ist mit Freude zu begrüssen, dass einer der besten Kenner 
des Röntgenverfahrens und der Röntgendiagnostik in Amerika sich dazu entschlossen hat, seine jahrelangen 
Erfahrungen in einem Lehrbuch niederzulegen. Wohl niemand wird das Buch aus der Hand legen, ohne 
reichen Nutzen für seine technische und wissenschaftliche Ausbildung daraus gezogen zu haben. 

In den ersten Kapiteln bespricht Beck die in Amerika und speziell in seinem Institut übliche 
Technik. Dieselbe unterscheidet sich in den wesentlichen Punkten nicht von der in Deutschland 
gebräuchlichen Methode. In vielen Fällen, z. B. Blendentechnik, ist sie mit derselben sogar identisch. 
Beck bevorzugt die deutschen Röhren von Gundelach und Müller. Von Interesse ist in der technischen 
Darstellung vor allen Dingen die Becksche Methode des Nachweises von Gallensteinen. Wie bekannt, 
ist der Nachweis von Konkrementen in der Leber bislang noch ein schwer zu erfüllender Wunsch der 
Ärzte gewesen. Durch die Becksche Methode scheint die Aussicht auf erfolgreichere Gallensteinunter- 
suchungen eröffnet zu werden. 

Sehr ausführlich ist die Kasuistik behandelt. Kine grosse Anzahl von Röntgenogrammen ver- 


anschaulicht interessante und diagnostisch wichtige Fälle, welche in der Beckschen Klinik zur Unter- 
suchung gekommen sind. Nicht allein die Chirurgie, sondern auch die innere Medizin wird besprochen. 
Eine besonders wertvolle Beigabe ist die Behandlung der Röntgentherapie. In Amerika ist schon seit 
Jahren die Therapie intensiver in Angri genommen worden als in Deutschland. Unter den um die 
Ausbildung ihrer Technik besonders verdienten Forschern steht an erster Stelle Beck. Seine Erfolge 
sind, wie die Abbildungen des Lehrbuches beweisen, hervorragende. Auch die neueste Behandlung mit 
Radium, sowie die Finsentherapie, ist am Schluss des Buches abgehandelt. Ein reiches Inhaltsverzeichnis 


bildet den Schluss des von der Verlagsbuchhandlung aufs vorzüglichste ausgestatteten Werkes. 
Albers-Schönberg (Hamburg). 


Vereine und Kongresse. 131 


Pusey und Caldwell: The Practical Application of the Röntgen Rays in the Thera- 
peutics and Diagnosis, W. B. Saunders & Comp. Philadelphia. New-York. 
London. Preis 5 Dollars, gebunden 6 Dollars. 


Das vorliegende grosse Werk erlebt bereits die zweite Auflage in einem Jahr, was einen Beweis 
dafiir liefert, dass das Buch von grossem praktischem Werte ist. Die ausserordentliche Menge von Litte- 
ratur, welche sich während des vergangenen Jahres angesammelt hat, ist kritisch gesichtet und die neuesten 
Erfahrungen und Fortschritte aus ihr entnommen. Die Illustrationen zeigen vorwiegend klinische Fälle, 
welche es ermöglichen, den Nutzen der Röntgenstrahlen bei den verschiedensten Arten von Krankheiten 
in therapeutischer Hinsicht zu zeigen. Die Autoren haben ihre Arbeit geteilt, so dass Caldwell vor- 
wiegend den technischen Teil der diagnostischen Anwendung, Pusey dagegen die Therapie behandelt. 
Das Buch beweist, mit welchem Fleiss und Erfolg in Amerika auf dem Gebiete der Röntgenforschung 
gearbeitet wird. Wir können die Herausgeber zu dem wohlgelungenen Werke, welches seiner grossen 
praktischen Bedeutung wegen allseitig zu empfehlen ist, beglückwünschen. 

Albers-Schönberg (Hamburg). 


Vereine und Kongresse. 


Berliner medizinische Gesellschaft. 1904. 13. Juni. 


Immelmann: Über Londons neue Versuche mit Radium. Londons frühere Studienergebnisse 
über die Einwirkung des Radiums auf die Netzhaut sind nicht bestätigt. Während er glaubte, dass 
Radium von der sonst nicht mehr leistungsfähigen Retina Erblindeter wahrgenommen würde, hat im 
Gegenteil Birch-Hirschfeld neuerdings gefunden, dass Radium Netzhaut und Sehnerven atrophisch macht. — 
Durch seine neuesten Versuche will London nun beweisen, dass Körper, welche der Emanation des Radiums 
ausgesetzt sind, nicht nur dessen physikalische, sondern auch dessen physiologische Eigenschaften 
annahmen. — Da sich die tberleitete Radioaktivität in einem geschlossenen Raume bedeutend länger 
erhält, so hat L. folgendermassen seine Versuche angestellt: In eine Flasche hat er 10 mgr Radiumbromid, 
welches in 10 ccm Wasser gelöst war, gebracht. In eine zweite ebenso grosse Flasche that er verschie- 
dene Körper wie Glas, Metall, Watte etc. Beide Flaschen verband er durch ein gebogenes Glasrohr. 
Nachdem er die Emanation einige Tage hatte wirken lassen, befestigte er die genannten Körper mittels 
einer Binde an der Beugeseite seines Vorderarmes; nach einigen Tagen trat an allen Stellen die Reaktion 
auf und zwar war die durch die radioaktivierte Watte hervorgerufene am grössten. Weiterhin setzte er 
in die der Emanation ausgesetzte Flasche einen Frosch und in eine gewöhnliche Flasche einen Kontroll- 
frosch. Während sich die beiden Frösche in den ersten acht Tagen gleich verhielten, wurde der „Ema- 
nationsfrosch* vom 10. Tage an apathisch, reagierte nicht mehr auf Reize und atmete träge; am 14. Tage 
trat der Tod infolge Erstickens ein. Dieser Frosch war so radioaktiv geworden, dass es L. gelang, nach- 
dem er ihn auf eine photographische Platte gelegt hatte, ein vollständiges Radiogramm zu erhalten. Der 
Kontrollfrosch hingegen lebte 30 Tage, eine erfahrungsgemäss normale Zeit. Während bei diesen Ver- 
suchen die Emanation dauernd einwirkte, brachte L. weiterhin zwei kleine Mäuse, die noch von der Mutter 
genährt wurden, nur auf vier Stunden in Verbindung mit der Emanation; darauf wurden die Tierchen 
der Mutter zurückgegeben. Am dritten Tage begannen die radioaktivierten Mäuse unregelmässig zu 
atmen, die Nahrung zu verweigern und nach weiteren zwei Tagen trat der Tod ebenfalls durch Ersticken 
ein. Ergeben die Nachprüfungen dieser Versuche, dass es thatsächlich möglich ist, z. B. Watte radio- 
aktiv zu machen uud ihr damit therapeutische Kraft zu geben, so können wir mit Hilfe eines kleinen 
Quantums Radium, welches bekanntlich nichts von seiner Kraft einbüsst, beliebige Mengen Watte radio- 
aktivieren, um sie alsdann zu therapeutischen Zwecken zu verwenden. 


Naturw. mediz. Verein in Strassburg. 1903. 19. Juni. 


Naunyn spricht über die Bedeutung der Röntgenuntersuchung in der Diagnose innerer 
Krankheiten und demonstriert speziell Photogramme, welche die Bedeutung des Ca-Gehaltes der Gallen- 
steine für die Erkennbarkeit im Röntgenbild zeigen (wie er dasselbe bereits 1900 auf dem internationalen 
Kongress demonstriert hatte). Auf der Klinik gelang es mehrfach in Fällen, in denen nachher bei der 
Operation Steine gefunden wurden, Schatten in den Gallenblasengegenden zu sehen, welche auf Steine 
bezogen werden konnten, doch waren dies immer Ca-arme Steine und da die dicke menschliche Galle 
ebenso undurchgängig ist für Röntgenstrahlen wie solche Ca-arme Steine, so glaubt Naunyn, dass das, 
was man da gesehen hatte, nur die Galle und nicht die Steine waren. Werner (Hamburg). 

17* 


= 


132 Vereine und Kongresse, 


Ärztlicher Verein Hamburg. 1. November 1904. 


Albers-Schönberg demonstriert einen Patienten mit ausgedehntem Concroid der Nase. Der 
Patient wurde im Röntgen-Institut des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg behandelt. Die Entfernung 
der Geschwulst auf chirurgischem Wege war nicht mehr möglich. Im ganzen wurde 33mal à 6 Minuten 
bestrahlt. Der Abstand der Röhre betrug ca. 30 cm. Zur Anwendung gelangte das Verfahren des Vor- 
tragenden, welches im Gebrauch der Kompressionsblende zu therapeutischen Zwecken besteht. Es wurden 
Müllersche Wasserkühlröhren benutzt und dieselben mittelst eines 80 cm-Induktor und Wehnelt- Unter- 
brecher betrieben. Das Resultat ist ein vollkommen gutes, die Geschwulst ging ausserordentlich schnell 
zurück, ohne das es zu einer nennenswerten Reaktion durch die Bestrahlung gekommen war. Der kos- 
metische Erfolg ist ein vorzüglicher. Mit Ausnahme einiger Substanzdefekte zeigt die Nase ein völlig 
normales Verhalten. An Stelle der Geschwulst hat sich eine feine, weissliche, glatte Haut gebildet, 
welche stellenweise von erweiterten Gefässen durchzogen ist. Im Augenwinkel befindet sich noch eine 
kleine, etwa erbsengrosse Partie, welche zur Zeit der Demonstration nicht als völlig abgebheilt bezeichnet 
werden kann. Dieselbe wird noch weiter bestrahlt. Vortragender spricht sodann über die Theorie der 
Heilung oberflächlicher Carcinome mittelst Röntgenstrahlen Er betont die spezifische Wirkung der 
Strahlen auf das careinomatöse Gewebe und wendet sich gegen die Ansicht, dass die Wirkung der 
Röntgenbestrahlung identisch mit der Wirkung von Ätzungen ete. sei. (Autoreferat.) 


Vereinigung der Sanitiitsoffiziere des IX. Armeekorps in Altona. Sitzung vom 20. Febr. 1904. 


Brinkmann. Über Osteombildung des Oberschenkelknochens nach Hufschlag. Ein Kanonier 
erhielt am 20. Oktober 1903 einen Hufschlag gegen die Mitte der Aussenseite des rechten Oberschenkels. 
Nach völligem Schwinden der ersten nicht sehr bedeutenden schmerzhaften Schwellung begann etwa nach 
14 Tagen unter mässigen Beschwerden erneute Anschwellung des Oberschenkels in der Gegend der Ver- 
letzung; die Anschwellung nalım allmählich unter Steigerung der Beschwerden zu. Bei der Krankmeldung 
Anfang Dezember wurde eine dem Oberschenkelknochen fest aufsitzende, gleichmässig knochenharte, 
etwa 14 cm lange und 8 cm breite Geschwulst festgestellt, über welcher die Muskulatur frei beweglich 
war; die umgebenden Weichteile, insbesondere die benachbarten Lymphknoten, zeigten keinerlei entzünd- 
liche Reaktion. Die Geschwulst veränderte sich von da ab nicht merklich. Die Mitte Dezember im 
Garnisonlazarett Altona vorgenommene Durchleuchtung ergab einen dem Oberschenkelknochen unmittel- 
bar und breit aufsitzenden Knochenschatten von 14 cm Länge und 3 cm Höhe. Auch fernerhin trat eine 
merkliche Veränderung der Geschwulst nicht mehr ein. Es handelte sich also um Bildung eines Osteoms 
von sehr erheblicher Grösse nach verhältnismässig geringfügiger stumpfer Gewalteinwirkung auf den 
Knochen; charakteristisch ist — gegenüber Myositis ossificans, l’eriostitis und ähnlichem — das selbst- 
ständig einsetzende Wachstum lange nach der Verletzung und dem Abklingen der ersten Reaktions- 
erscheinungen an den mit betroffenen Weichteilen, wodurch der Geschwulstcharakter offenbar wird. Von 
einer Operation wurde wegen Befürchtung eines Rezidivs abgesehen. — Auf die Seltenheit dieser Affek- 
tion hatte kurz vor der Aufnahme des Kanoniers Professor König-Altona hingewiesen, der im ärztlichen 
Verein Hamburg einen ähnlichen Fall aus dem Altonaer Krankenhause vorstellte. In der Literatur 
fänden sich nur noch 5 Fälle (zusammengestellt in Band 33 von Bruns Beiträgen zu klinischen Chirurgie 
Seite 556). Werner (Hamburg). 


Ges. der Chariteärzte. 


Pels Leusden. Bei einem Fall von Lupus der Hand gab Röntgen-Finsen-Behandlung keinen 
Erfolg, mikroskopisch war kein auf Heilung hinweisender Vorgang zu entdecken; bei einem Fall von 
Gesichtslupus trat während der Behandlung ein Sarkom auf, bei einem Fall von Hautkrebs des Gesichtes 
entwickelten sich Drüsenmetastasen. (Wieviel Fälle sind ausser diesen drei mit Erfolg behandelt? Ref.) 


\ 


Ver. deutscher Ärzte in Prag. 


Eckstein: hat bei einem 5'/, Monate alten Kind eine Teleangiektasie mit Radiumbromid be- 
seitigt. Anwendungsweise: Die Radiumkapsel mit Gewicht auf die ergriffene Stelle gedrückt. Dauer 
8 Minuten Tynische Reaction. Heilung mit flacher, weisser Narbe. 


Freie Ver. der Chirurgen Berlins, Sitzung 9. 5. 1904. 


Immelmann spricht über Darstellung von Nieren- und Uretersteinen, die jetzt bei über Erbsen- 
grösse stets gelingt. Er befolgt dabei die von Albers-Schönberg gegebenen Vorschriften unter Benutzung 
von dessen Kompressionsblende. 


Mühsam. Röntgendermatitis. Hat durch mikroskopische Untersuchung eines wegen Röntgen- 
ulcus amputierten Fingers in den Gefässen desselben sehr starke Auflockerung der Intima (Eudarteriitis 
obliterans) gefunden, ebenso wie Gassmann, jedoch keine Vacuolenbildung dabei beobachtet wie jener. 
Die Prognose der entwickelten Geschwiire ist sehr ungünstig, Prophylaxe ist das einzige Mittel ihr Ent- 
stehn zu verhindern. 


Journallitteratur. 133 


Levy-Dorn beschreibt eine Bleikiste in die die Röhre eingeschlossen ist, vorne befindet sich 
eine Öffnung für einen Schieberahmen, in den alle möglichen Blenden, auch Compressionsblenden, ein- 
gesetzt werden können, während durch Bleiglasfenster der Betrieb der Röhre beobachtet und durch eine 
andere seitliche Öffnung, die bejiebig verschliessbar ist, an einem Testobjekt (Knochen) die Qualität der 
Strahlen geprüft werden kann. Wegen der Schwere des Kastens (50 kg.) ist er mit einer Schraube ein- 
stellbar, die durch ein Räder- und Kettenwerk betätigt wird. Die Bleikiste steht fest, der Untersuchungs- 
tisch wird dagegen an sie heran gefahren. Re, 


The London Roentgen Society. 1904. 7. April. 
Philipps zeigte verschiedene mit Radium und Polonium erzeugte Bilder. 
Miller demonstrierte Blondolets N-Strahlen. 


Gardiner: Radiographien von Mumien aus den Sammlungen des British Museum. Durch die 
Durchleuchtung kann man ganz gut das Alter der Mumien bestimmen. 


Deau zeigte Röntgenröhren zu therapeutischen Zwecken. Die Neuerung besteht darin, dass 
die Röhre selbst mit einer dünnen Bleikapsel umgeben wird, in die kleine Löcher geschnitten werden 
können, die dann durch eine sterilisierbare Glasröhre auf die zu bestrahlende’ Hautfläche gerichtet wer- 
den können. 

5. Mai. Vezey: The Rentgen Society: its past work and future prospects. 

Glew: Some Experiments with Alpha Rays. 


Harris: The Rentgenrays. Vortr. giebt einen interessanten summarischen Überblick über seine 
Erfahrungen an 3000 Fällen in sechs Jahren. Er hat nie Schädigungen gesehen unter Beobachtung 
folgender drei Kautelen: 1. So kurz als möglich zu exponieren, 2. nicht zu weiche Röhren zu benutzen 
und 3. möglichst weiter Röhrenabstand. Bei der Untersuchung von 294 auf Nierensteine verdächtigen 
Fällen hatte H. 50 positive Resultate. Siebenmal notierte er Fehldiagnosen: dreimal waren die Patienten 
sehr dick und fett, zwei Fälle hatten Harnsäuresteine, die keinen deutlichen Schatten geben, zweimal 
wurde auf Grund eines positiven Schattenbefundes operiert, aber kein Stein gefunden. Schöne Unter- 
suchungsresultate ergaben die ophthalmologischen und die zahnärztlichen Fille. Die therapeutischen 
Erfolge unterscheiden sich nicht wesentlich von denen anderer Autoren: Sehr Gutes leisteten die X-strahlen 
in der Behandlung des Keloid. Keine wesentlichen as sah H. bei Skirrhus Hypertrichosis, Sarcom 
und Lupus erythematodes. 


Société médicale des Höpitaux de Paris. 1904. 10. Juni. 


Béclére: Un cas d’épithéliome végétant de la région temporo-maxillaire guéri par la radio- 
therapie. Die Heilung des gänseeigrossen Cancroids, dessen Malignität durch histologische Untersuchung 
festgestellt wurde, erfolgte durch 13 Bestrahlungen im Laufe eines Vierteljahres. Hand in Hand mit der 
allmählich zur Vernarbung führenden Reaktion ging ein Nachlassen der zeitweise sehr erheblichen 
Schmerzen, und der Neigung zu Blutungen. Interessant ist bei dieser Beobachtung, dass der Kranke 
mehrfache mit kurzdauernden hohen Temperatursteigerungen einhergehende Anfälle von Gallenkoliken und 
Cholangitis durchzumachen hatte, die die Heilung wesentlich verzögern. 


17. Juni. Béclére: Guérison par la radiothérapie d’un sarcome du maxillaire supérieur, 
récidivé aprés deux interventions chirurgicales. Es handelt sich um ein sehr gefässreiches, klein- 
zelliges Sarcom, das nach viermonatlichem Bestehen einem 23jährigen Patienten zuerst zweimal operativ 
entfernt wurde. Die Bestrahlungen wurden etwa 3/, Jahr lang fortgesetzt, bald in kurzen, rasch auf- 
einander folgenden Sitzungen, bald in stärkeren Beleuchtungen in grösseren Intervallen kombiniert wurde 
diese Therapie mit subkutanen Arsen- und Chinininjektionen. Das Resultat ist glänzend. 

Werner (Hamburg). 


Journallitteratur. 


Münchener med. Wochenschrift. 1904. Nr. 35, 36, 37. | i 


Rieder. Radlologische Untersuchungen des Magens und Darmes beim lebenden Menschen. 
Die radiologische Untersuchung des Magendarmkanals wird vorgenommen, indem den Speisen resp. dem 
Klysma Bismut. subnitr. beigemengt wird. Dieses schlägt sich aus den Speisen nicht nieder, sondern 
bleibt innig damit vermengt. Die Röntgenuntersuchung vermeidet die Fehler der Leichenuntersuchung: 
Verschiebung der natürlichen Lage der Organe. Die Durchstrahlungsrichtung ist dorso-ventral, die Röhre 
steht in Nabelhöhe. Magen. Man sieht seine Stellung, kann grosse und kleine Curvatur deutlich unter- 


134 Journallitteratur. 


scheiden, ebenso den Pylorusteil, dessen Abgrenzung durch eine Furche vom übrigen Teile des Magens 
deutlich hervortritt. Ebenso ist eine incisura cardiaca in characteristischer Weise sichtbar, die den 
Magen gewissermassen in Vor- und Hauptmagen trennt. Die Cardia selbst ist radiologisch nicht abzu- 
grenzen. Bei entsprechender Füllung kann man die Grösse des Magens feststellen, leichter und gefahr- 
loser als durch Aufblähung und den anderen älteren Verfahren. Ferner ist die Motilität und der Ein- 
fluss von Tumoren u, a, pathologischen Zuständen zu beobachten, ebenso wie Geschlechtsunterschiede 
(Tiefstand des Magens häufiger und stärker beim Weib) Am Dünndarm lassen sich für gewöhnlich 
nur wenig Beobachtungen anstellen, da die cylindrische Form, der verdünnte Chylus und die starken 
peristaltischen Bewegungen einer Darstellung nicht günstig sind. Vorteilhafter für eine solche sind die 
Verhältnisse des Diekdarmes, dessen Haustren namentlich sich durch das Wismut deutlich hervor- 
heben. Coecum und Colon ascendens sind deutlich erkennbar, in letzterem findet sich häufig eine Kot- 
säule, wenn andere Teile des Dünn- und Dickdarmes bereits leer sind. Das Colon transversum zeigt be- 
sonders deutlich die Haustren und ist vielfach erheblich gekrümmt, M, S, W, U, Vförmig, kann bis ins 
kleine Becken herabbängen. Durch wismuthaltige Einläufe wurde die bisher stets noch strittige Frage 
gelöst, ob Einliiufe bis ins Coecum vordringen können, und zwar in bejahendem Sinn. Selbst ganz ge- 
wöhnliche, in Seitenlage beigebrachte Einläufe erreichen die Bauhinsche Klappe, Lageveränderungen 
der Darmschlingen sind dabei leicht zu sehn. Ein wesentlicher Fortsehritt ist durch die Röntgenunter- 
suchung für die Beobachtung der Funktion erzielt, hauptsächlich der des Magens, während man am Dünn- 
darm wenig davon wahrnehmen kann; die motorischen Vorgänge im Dickdarm dagegen lassen sich leicht 
feststellen. An den Umbiegestellen des Dickdarms sind stets Gasansammlungen zu erkennen. Die Rönt- 
genuntersuchung ist ein Fortschritt in morphologischer und physiologischer Hinsicht und wird bei wei- 
terem Ausbau mit Sicherheit noch Bedeutung für die praktische Medicin erlangen. 


Deutsch. Die Radiotherapie bei Gebürmuttergeschwülsten. Vorläufige kurze Mitteilung 
über einen Fall von Uterusmyom, der wegen Operationsverweigerung mit R-Strahlen behandelt wurde. 
Unter 122 Bestrahlungen im Laufe von zwei Jahren ging der das ganze kleine Becken ausfüllende, bis 
handbreit über den Nabel reichende Tumor auf kaum Manneskopfgrösse zurück, das Becken wurde frei. 
Urinbeschwerden hatten schon nach der 12. Bestrahlung aufgehört, das Allgemeinbefinden war sehr ge- 
bessert. Günstig beeinflusst wurden noch andere Uterusmyome, ein Uterusmyom kompliziert mit Ovarial- 
kystom, ein Uteruscarcinom (verjaucht, inoperabel). Die Blutungen bei Myom liessen während der Be- 
strahlung von selbst nach. Bei allen Myomkranken traten ähnliche Symptome auf wie bei Schilddrüsen- 
behandlung des Kropfes (Herzklopfen, Reizbarkeit u. a. nervöse Erscheinungen), die bei Aussetzen der 
Bestrahlung bald schwanden. Die angewandte Technik ist nicht mitgeteilt. ee De 


Presse medicale 1904 Nr. 67. 


Aubertin-Bauchard Therapeutische Notizen teilen in der Presse médicale 1904 Nr. 67 Be- 
obachtungen bei Behandlung von Leukämie mit Réntgenstrahlen mit, besonders die Blutveränderungen 
sind angegeben. Nach jeder Sitzung nimmt die Zahl der weissen Blutkörperchen stark zu, um nachher 
wieder abzunehmen und zwar unter die Zahl der vor der Bestrahlung vorhandenen. Nach längerer Zeit 
nimmt die Zunahme bedeutend ab, als endgültiges Ergebniss bleibt die bedeutende Abnahme der weissen 
Blutkörperchen, die schon besteht, che die Milzschwellung nachgelassen hat. 


Deutsche med. Wochenschrift. 1904. Nr. 35 u. 36. 


Köhler. Frühreaktion nach Röntgenbestrahlung. (Zu dem gleichnam. Art. von Dr. H. E. Schmidt 
in Nr. 20 ders. Wochenschr.) K. kommt auf Grund seiner Beobachtungen zu dem Schluss, dass die 
„Frühreaktion* überhaupt keine Wirkung der R-Strahlen sondern eine nur durch die von der Röhre aus- 
strahlende Wärme erzeugte Hyperämie ist. Beweis: Die sogen. Frühreaktion kommt zu stande haupt- 
sächlich nach längerer Bestrahlung bei kurzem Röhrenabstand, besonders bei weichen Röhren. Hierbei 
wird die Röhre meistens erheblich warm, während bei harten Röhren, vorausgesetzt, dass sie keinen 
zu dünnen Antikathodenspiegel haben, die Erwärmung geringer ist. Bestrahlt man mit sehr weicher 
Röhre, deren Antikathode mit Wasser gekühlt ist, so bleibt .Vorreaktion* aus, trotz späterer starker 
Dermatitis; bestrahlt man mit harter Röhre, deren Antikathodenspiegel dünn ist und die Hitze nicht 
ableitet, so tritt , Vorreaktion* auf. 

1. Die „Vorreaktion* ist abhängig von der Beschaffenheit des Antikathodenspiegels, nicht vom 
Härtegrade der Röhre. 2. Sie steht mit der eigentlichen Wirkung der R-Strahlen in keiner Beziehung. 
3. Sie ist reine Wärmewirkung. Einen Wert hat diese Hauthyperämie vielleicht dureh die Wärme aber 
nicht in therapeutischer Bezichung, nähere Versuche über Einwirkung der R-Strahlen auf erwärmte Haut 
sind erst noch anzustellen. 


Berliner klinische Wochenschrift. 1904. Nr. 29. 


Spiethoff. Beitrag zum therapeutischen Wort der Dreyerschen Sensibilisierungsmethode. 
Eine Nachprüfung der von Dreyer angegebenen, von Neisser und Halberstädter warm empfohlenen 


` Journallitteratur. 135 


neuen Methode an der Klinik von Lassar hat so wenig günstige Resultate erzielt, dass der Verf. die 
Ergebnisse seiner Bemühungen als vollkommen negative bezeichnet. Es handelt sich bekanntlich um die 
Unterstützung der Finsen-Behandlung des Lupus durch vorausgehende subkutane Injektionen von 19/0 
Erythrosinlösungen in die tiefen Schichten des lupösen Gewebes. Nach 2—3 Stunden folgt dann eine 
20—30 Minuten währende Finsen-Bestrahlung. Das Verfahren ist ungemein schmerzhaft und erfreut sich 
schon aus diesem Grunde kaum der Beliebtheit bei den Patienten. In keinem der Versuchsfälle erwies 
sich die Dreyersche Methode der einfachen Finsen-Methode überlegen. Ebensowenig wurde der thera- 
peutische Erfolg rascher erzielt: Kurz die Sensibilisierungsmethode scheint weder zu einer zeitlichen 
Abkürzung noch zu einer Steigerung der Wirkungsfähigkeit der Finsen-Behandlung geeignet zu sein.. 


Nr. 82. Lammers. Ein Fall von Schenkelhalsfraktur beim Kinde. 4*/, Jahre alter Knabe 
kommt zum Arzt, weil er hinkt. Linkes Bein in leichter Flexion, Auswärtsrotation und Abduction. 
Schenkelkopf an normaler Stelle. Verkürzung um 1 cm. Die Diagnose war erst durch das Röntgenbild 
zu stellen. Der Schenkelhals erscheint verkürzt, der. Schenkelschaft ist etwas in die Höhe geschoben, 
aus der unteren Hälfte des Schenkelhalses ist ein dreieckiges Stück herausgebrochen. Knochenbriiche, 
welche zwischen Kopf und Schenkelschaft, sodann zwischen letzterem und dem dreieckigen Bruchstücke 
verlaufen, zeigen die Heilung. Derartige Frakturen sind sehr selten, ihre Diagnose ohne Röntgenauf- 
nahme wohl kaum zu stellen. Verf. glaubt, wenn man regelmässig hinkende Kinder, bezw. Kinder, die 
auf die Hüfte gefallen sind und bei denen die Diagnose nicht ganz klar ist, durchleuchten wird, würde 
man auch diese Bruchform häufiger beobachten können. Wichtig ist die möglichst frühzeitige Erkennung 
wegen der einzuleitenden Therapie, die übrigens auch dann noch oft genug im Stich lässt. 

Nr. 34. Köhler. Wichtiger Röntgenbefund bei Schrotschuss ins Auge. In Bd. 6. Seite 190 
der Fortschritte hat Verf. seinerzeit eine Methode angegeben, durch die man unterscheiden kann, ob ein 
ins Auge eingedrungener Fremdkörper innerhalb oder ausserhalb der Orbita lagert. Er macht zwei Auf- 
nahmen der Orbita während verschiedener Blickrichtungen der Bulbi. In dem jetzt beschriebenen Falle 
fand sich ein Schatten, der bei veränderter Blickrichtung seinen Ort wechselte. Das Schrot musste also 
im Augapfel sitzen. Trotzdem war der Augenspiegelbefund negativ. Dieser Widerspruch ist dadurch 
erklärt, dass man annimmt, dass der Fremdkörper in der äusseren Hälfte: der Bulbuswandung in der Ge- 
gend des Eintrittes des Sehnerven sitzt, eine Gegend, die man mit dem Spiegel natürlich nicht sehen 
kann. Werner (Hamburg). 

Wiener klin. Wochenschrift. 1904. Nr. 28. 

Herrmann und Pesandorfer. Radioaktivität der Karlsbader Thermen. Es lag nahe, die 
Radioaktivitätsprüfung, die schon bei einer Reihe bekannter Quellen ausgeführt ist, auch bei den Karls- 
bader Quellen vorzunehmen. In einer vorläufigen Mitteilung skizzieren die Verff. das Resultat ihrer 
Untersuchungen. Während bei Sprudelwasser, Sprudelstein, Sinter, Sprudelsalz und Sprudellauge keine 
Einwirkung auf die photographische Platte konstatiert werden konnte, ergab die Untersuchung das der 
Hauptmenge nach aus Kohlensäure bestehenden Quellengases positive Ergebnisse. Wurde das Quellen- 
gas von Ozon und Kohlensäure befreit, so war die Wirkung noch deutlicher. Mit dem von Geitel ver- 
bessertem Aluminiumplättchen-Elektroskop ausgeführte Versuche bewiesen gleichfalls die Radioaktivität 
des Quellengases. Innerhalb 3—4 Tage nimmt die Aktivität des Gases bedeutend ab, d. h. die Beein- 
flussung der photographischen Platte, die Fähigkeit die Luft zu ionisieren und leitend zu machen. Die 
charakteristische Abnahme der Radioaktivität weist daraufhin, dass die dem Sprudel entströmende Ex- 
halation neben der 92,2°/, betragenden Hauptmasse von Kohlensäure eine nicht unbedeutende Menge 
Emanation enthält. Die Verff. meinen, mit feineren Methoden würde der Nachweis der Radioaktivität 
des Wassers selbst gelingen. 

Nr. 30. von Schumacher. Ein Fall von sekundärer Syndaktylie an den Zehen. Die Syn- 
daktylie betrifft die drei ersten Zehen des linken Fusses einer Frau mit sonst gesunden Gliedmassen, 
Verf. giebt eine ausführliche Beschreibung der Abnormität mit Illustrationen des Röntgenbildes, sowie 
des präparierten Fusses. Er charakterisiert die Missbildung als eine exogene, sekundäre, partielle, distale 
Syndaktylie. l 
Nr. 34. Frank. Wirbelerkrankung bei Tabes dorsalis. Ein 55jähr. Tischler, der früher 
immer ganz gesund gewesen, namentlich keine Lues durchgemacht hat, erlitt im Juli 1902 ein gering- 
fügiges Trauma in der Kreuzgegend, ohne weitere Folgen davon zu verspüren. Ein Jahr später traten 
tabische Symptome auf: lanzinierende Schmerzen. Parästhesien, Blasenstörung, leichte Gangstörung 
und transitorische Diplopie. Die Untersuchung im Sept. 1903 ergab das Fehlen von luetischen 
Erscheinungen. Pupillen myolisch und lichtstarr; Analgesie beider Nervi ulnares; Fehlen der 
Patellar und Achillessehnenreflexe. Incontinentia vesicae et alvi, keine Ataxie. Der Kranke zeigt eine 
vornübergebeugte Haltung, eine Kyphoskoliose im Brust-Lendenwirbelsegment und einen Knochentumor 
neben der Lendenwirbelsiule. Es wurde von der Lendenwirbelsäule mittels Kompressionsblende ein 
umschriebenes Stück radiographisch aufgenommen. Auf dem Bilde zeigen der 2. und 3. Lendenwirbel 


136 Journallitteratur. 


ein ganz anderes Bild als der 4. und 5. Die letzteren erscheinen fast vollkommen normal; doch ver- 
glichen mit normalen Bildern zeigt sich der Schatten eigentümlich aufgehellt und die Umrisse ziemlich 
scharf. Der 2. und 3. Lendenwirbel dagegen sind nicht in allen ihren Einzelheiten zu sehen und geben 
einen viel dunkleren Schatten. Bandscheibe zwischen 3. und 4. Wirbel scheint intakt. Neben dem 
2. und 3. Wirbel erkennt man eine knöcherne Iixostose, welche etwa 1'/, cm hoch erscheint und 1 cm 
nach links vorspringt, die Spitze hakenförmig nach oben kehrt und mit einer Synostose des 2. und 3. 
Wirbels einherzugehen scheint. — Die Frage, ob das Trauma die Veranlassung zur Tabes gegeben hat, 
glaubt Verf. verneinen zu müssen. Er nimmt vielmehr an, dass es sich um eine der tabischen Arthro- 
pathien handelt, deren Studium neuerdings durch die Röntgendurchleuchtung schon manche Förderung 
gefunden hat. Wichtig ist es jedenfalls in vielen Fällen von Erkrankung des Nervensystems eine syste- 
matische Wirbelsäulendurchleuchtung vorzunehmen, eine Forderung, die schon von v. Leyden er- 
hoben ist. 

Wiener klinische Bundschau. 1904. Nr. 26. 

Schüller und Robinsohn. Die röntgenologische Untersuchung der Schädelbasis. Die 
Anfertigung brauchbarer Röntgenbilder der Schüdelbasis und die richtige Deutung derselben unterliegen 
namhaften Schwierigkeiten. Und doch können alle Teile der Schädelbasis zur Darstellung gelangen, nur 
bedarf es dazu einer ganzen Reihe in verschiedenen Durchleuchtungsrichtungen angefertigter Aufnahmen. 
Die Verfasser unterscheiden vier Gruppen: die frontalen, sagittalen, axialen und schrägen Aufnahmen 
und geben eine detaillierte Beschreibung der Schattenverhältnisse, die in diesen Richtungen zur Kennt- 
nis des Beobachters kommen. Bei den Aufnahmen in schrägen Durchmessern beschreiben die Verff. 
eine Reihe typischer Bilder. Die praktische Verwendbarkeit dieser Methode zeigt sich besonders bei der 
Untersuchung von Missbildungen, von Form- und Grössenanomalien des Schädels und ferner bei den 
destruktiven und hyperostotischen Prozessen an der Schädelbasis. Schliesslich gaben auch Verletzungen 
Anlass zur Durchleuchtung. 


Deutsche militärärztliche Zeitschrift. 1904. Nr. 8. August. 

Regling. Seltener Fall von Ulnarfraktur. Sind schon isolierte Brüche der Elle durch indi- 
rekte in der Längsrichtung wirkende Gewalt (z. B. Fall auf die Hand) nicht häufig, so gehören solche 
durch gewaltsame Torsion (Pro- oder Supination) zu den grössten Seltenheiten. In diese Kategorie gehört 
der beschriebene Fall: ein Soldat fühlt beim Heben eines Tränkeimers auf die Krippe plötzlich einen 
starken Schmerz im Vorderarm, kann sofort den Arm nicht mehr gebrauchen. Keine sicheren Fraktur- 
symptome. Die Ulna war mit Erhaltung des Periosts gebrochen, was sich besonders nach Auftreten des 
Kallus im Röntgenbild nachweisen lies. 


Archiv für Kinderheilkunde. Bd. 38. Heft IIUIV. 

Lehndorff: Röntgenbefund bei Barlow’scher Krankheit. Es handelt sich um einen mit 
fabrikmässig sterilisierter Milch ernährten achtmonatlichen Knaben, der missig anämisch und rhachitisch 
und durch Krankheit herabgekommen war. Er bekam allmählich zunehmende, höchst schmerzhafte, 
derbe Anschwellungen der Diaphyse. Die Probepunktion ergiebt periostale Hämatome. Die Diagnose 
des Morb. Barlow wird durch die Therapie bestätigt. Nach fünf Wochen tritt Heilung ein. Das Röntgen- 
bild zeigt den Oberschenkel in seiner unteren Hälfte verbreitert, parallel mit dem unteren Femurende 
einen Schatten, der, scharf an der Diaphysengrenze beginnend, in einer konvexen Linie verläuft und an 
der Stelle der grössten Verbreiterung den Knochenschatten um 8—10 mm überschreitet. Ähnliche Ver- 
änderungen bestehen an beiden Unterschenkelknochen. Unterhalb des dunkelen, leicht zackigen Schatten- 
streifens findet sich eine ca. 3 mm breite, beiderseits unscharf begrenzte Zone, wo eine deutliche Auf- 
hellung des Knochenschattens wahrzunehmen ist. Diesen wichtigen Befund erklärt L. dahin, dass das 
durch Blutung abgehobene Periost, seine osteogenetische Funktion geltend machend, junge neue Knochen- 
bälkchen bildet und weiter, dass echte Diaphysenfrakturen vorhanden sind. Er weist jedoch selbst darauf 
hin, dass Ähnlichkeit mit Befunden an syphilitisch erkrankten Röhrenknochen die differential-diagnostische 
Bedeutung abschwiicht. Werner (Hamburg). 


Anatomische Hefte. 25. Bd. H. 77. 

Zuppinger: Die aktive Flexion im unbelasteten Kniegelenk. Verf. hat sehr umfangreiche 
und eingehende mathematische und kinematische Untersuchungen angestellt, zur Lösung der Frage, welcher 
Art von Gelenken das Kniegelenk angehört. Röntgenographie ist als Hilfsmittel dabei verwandt, ihre 
Ergebnisse sind in Form von Umrisszeichnungen auf zwei Tafeln wiedergegeben. Gesamtergebnis: 1. Die 
aktive Flexion im Kniegelenk inklusive. Schlussrotation ist zwangläufig, jedoch ist die Zwangläufigkeit nicht 
streng. 2. Das Knie ist kein konaxiales Gelenk, d. h. die Relativbeweyungen der Tibia sind von denen 
des Femur verschieden. 3. Die Flexionsbewegung setzt sich im medialen wie im lateralen Gelenke 
zusammen aus einer Rollung und nachfolgenden Gleitung der Tibia längs der Femurkondylen. 4. Die 
Rollung im lateralen Gelenk ist grösser als im medialen, daraus ergiebt sich die Schlussrotation. 5. Die 
Polbahnen für die Rollbewegungen sind die vorderen Partien der tibialen und femoralen Gelenkprofile, 


4 


Journallitteratur. 137 


für die Gleitbewegungen die Evoluten der Femurkondylen mit ihrer Tangenten-Achse für die Rotation 
gehen durch die hintere, äussere Partie der tibialen Gelenkfläche. 6. Der Zwanglauf wird durch die jeweils 
gespannten Bänder dirigiert. 7. Diese Bänder werden durch die Form der Gelenkprofile in Spannung . 
gehalten. 8. Die Gelenkknorpel und Menisken sind die Druckorgane, die Correlata der Bänder, welche 
Zugorgane sind. 9. Die Hemmung der Extension erfolgt der Hauptsache nach durch Anschlag, die der 
aktiven Flexion durch Annäherung an den toten Punkt. 10. Auswärtsrotatoren für die Schlussrotation 
giebt es am Knie nicht. 11. Die Patella vergrössert das statische Moment der Extensoren. 4 De 


Elektr. Echo XVII. 32. 1904. 

Otto: Réntgenstrahlen im Dienste der Kabelfabrikation. Diese Strahlen sind fiir die Be- 
dürfnisse der Technik, nämlich für die Feststellung von Fremdkörpern in der Isolierschicht der Kabel, 
nutzbar gemacht worden. Der dazu benutze Apparat enthält alle die nötigen Teile, ausser der Haupt- 
stromleitung, den Funkeninduktor, den Kondensator, den Unterbrecher mit dem Motor und den 
Schieberrheostaten für denselben, den für die Regulierung des Primärstromes nötigen Widerstand und 
endlich die Röntgenröhre und den Durchleuchtungsschirm. Beim Gebrauch wird das Kabel unter dem 
Leuchtschirm hergezogen, wobei das Licht der Röhre jede Unregelmässigkeit und Verunreinigung in der 
Isolierschicht im Bilde auf dem Schirme wiedergiebt. 


Electr. World a. Eng. 44 S. 290. 1904. 

E. Fleischmann-Aschheim: Röntgenstrahlen-Praxis in San-Francisco. Es ist bekannt, 
dass das Glas für die X-Strahlen undurchsichtig ist — im grösseren oder kleineren Grade von der 
Dicke der Platte abhängig — aber diese Eigenschaft war noch nicht in der Praxis angewandt. Die 
Metalle wie Blei, Aluminium, Eisen, Kupfer sind zwar für die X-Strahlen undurchsichtig, aber die Glas- 
platte hat ausser der Eigenschaft den Operateur vor der schädlichen Wirkung der X-Strahlen zu schützen, 
noch die wesentliche Eigenschaft, dass sie das ungestörte Einsehen auf das operierte Objekt und auf die 
X-Strahlenröhre, zum Zwecke der Prüfung der Strahlenintensität, erlaubt. Man benutzt dazu einen Glas- 
schirm von ohngefähr 2 engl. ft. Breite und 5!/, engl. ft. Höhe, den man beim Operieren, wenn möglich, 
zwischen den Operateur und die X-Strahlenröhre hinstellt; die exponierten Hände sind durch die Gummi- 
handschuhe geschützt. Ein solcher Glasschirm kann ebensogut in der Radiotherapie wie in der Radio- 
graphie benutzt werden. F. B. 


Brit. med. journ. 1904. 11. Juni. 

M. H. Mc. Leod. The therapeutic value of Thorium and Radium. Verfasser beschreibt eine 
Anzahl von Apparaten zur Anwendung des Radiums. Den grössten Erfolg sah er bei kleinen Ulcera 
rodentia; sind diese Geschwüre grösser als ein Markstück, so zieht er die Behandlung mit Röntgenstrahlen 
vor, da man rascher damit vorwärts kommt. Gelegentlich verlieren aber die Röntgenstrahlen ihre 
Wirkung, so dass kein weiterer Fortschritt zu bemerken ist; in diesen Fällen empfiehlt sich die Weiter- 
behandlung mit Radium. Epitheliome werden weniger gut beeinflusst, hier empfiehlt sich am meisten 
die Exzision. Lupus reagiert sehr gut, doch ist die Behandlung vor der Hand kaum durchführbar, da 
man zu wenig Radium besitzt, um grössere Herde gleichzeitig behandeln zu können. Man kann es aber 
gut mit der Finsenmethode kombinieren, da man mit dem Radium schwer zugängliche Stellen, wie die 
Nasenschleimhaut, die Augenlider etc., leicht behandeln kann. Bei Lupus verrucosus wirkt Radium besser 
als die Finsenmethode. Bei Lupus erythematodes wurde kein Erfolg erzielt. Man soll lieber unter- als 
überexponieren, da stärkere entzündliche Reaktion leicht zur Bildung hartnäckiger Geschwüre führt. 
Thorium, das in grossen Mengen angewendet wurde, blieb erfolglos. 


The Lancet. 1904. April 16. 

H. G. Plimmer: Krebsbehandlung mit Radiumbromid. An 17 Kranken des Krebs-Hospitals 
in London stellte Plimmer seine therapeutischen Versuche mit 30 mmg Radiumbromid an. In allen 
Fällen war die Diagnose Carcinom durch mikroskopische Untersuchung der primären Geschwulst oder einer 
Metastase sichergestellt. Die Expositionszeit variierte zwischen 5 und 20 Minuten. Die das Radium ent- 
haltende Kautschukkapsel wurde direkt an den Krebsknoten angelegt. Nach der einmaligen Bestrahlung 
wurden die Fälle durch einen ganzen Monat hindurch nicht untersucht. Nach dieser Zeit war in allen 
Fällen der Effekt negativ, entweder war gar keine Veränderung nachzuweisen, oder ein Anwachsen der 
Geschwult. Eine Bestrahlung von zehn Minuten war in der Regel hinreichend, nur auf der Haut Blasen 
und später Schorfe zu erzeugen. Unter den Schorfen erschienen langsam heilende Ulcerationen. Das 
Radium hatte überdies keinen Effekt in Bezug auf die Besserung der Schmerzen. Von drei Kranken, 
die mit Radium behandelt worden waren und bald starben, wurden die Knoten exstirpiert und einer 
genauen mikroskopischen Untersuchung unterzogen. In keinem Falle konnte eine Veränderung in den 
Carcinomzellen oder in dem Bindegewebe nachgewiesen werden. Bloss eine Rundzelleninfiltration des 
subkutanen Gewebes an den Stellen, die bestrahlt worden waren, kam zur Beobachtung. Der Umstand, 
dass Apolant in Ehrlichs Laboratorium einen sehr günstigen Einfluss auf die rasch wachsenden 
Impfcarcinome bei Mäusen konstatierte, und das Exner in Wien rapid wachsende Melano-Sarcomknoten 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. i 18 


138 Journallitteratur. 


mit günstigstem Erfolge bestrahlt, führt Plimmer zu der Ansicht, dass Radiumbestrahlungen nur bei 
jungen, rasch wachsenden Zellen erfolgreich angewendet werden, während ältere Zellen, speziell solche, 
die von Bindegewebsschichten überzogen sind, weniger leicht beeinflusst werden können. 

Scott. med. and surg. journ. 1904. Febr. 


W. A. Jamieson: On the treatment of various forms of cutaneous disease by the X-rays 
and light. Dass die X-Strahlen keine direkt tödliche Wirkung auf die Mikroben ausüben, geht unzwei- 
deutig aus den Erfolgen bei der Behandlung der Sykosis hervor. Da die Strahlen die Eigenschaft haben, 
eine Trennung des Haares von der Papille zu veranlassen und sein Wachstum und sein Wiedererscheinen 
zu verhindern, wenigstens für eine Zeit, so töten sie nur die Staphylokokken, indem sie ihnen den durch 
die Haare und ihre Scheiden gelieferten Nährboden entziehen und die Follikel entleeren. Bei der Sykosis 
ist die Vitalität der Staphylokokken nicht völlig aufgehoben, solange Pusteln an den Stellen wieder 
erscheinen, an welchen junge Haare wieder wachsen. Beim Favus dagegen gilt als bestes Mittel die 
Epilation, und die X-Strahlen unterstützen ihre Wirkung. Von selbst vermögen sie dem Achorium kein 
Ende zu setzen. Die bakterizide Wirkung beim Lupus kann am besten durch die hervorgerufene 
Phagocythose erklärt werden. Die Bazillen sind nur gering an Zahl und in den Knötchen verstreut. 
Sie werden leicht in Mitleidenschaft gezogen, wenn die polynukleären Leukocyten an Zahl und Aktivität 
zunehmen. Bei Mycosis fungoides und Ulcus rodens haben wir es mit keiner bakteriellen Krankheit zu 
thun, wenigstens sind die sie veranlassenden Organismen noch nicht isoliert. Die hervorragende Wirkung 
der Strahlen bei diesen beiden Krankheiten scheint nur durch die Fähigkeit bedingt zu sein, welche 
die Strahlen besitzen, um abirrende Zellen der Kontrolle des trophischen Nerven wieder zu unterwerfen. 


Med. news. 1904. Febr. 20. 

Skinner: Two cases of severe X-ray necrosis, presenting some unusual features. Den 
beiden mitgeteilten Fällen ist gemeinsam, dass die Nekrose auffallend lange Zeit nach Aussetzen der 
Röntgenbestrahlung auftrat, einmal nach fünf, das andere Mal nach sechs Monaten. Die voraufgegangene 
Behandlung war sehr lange ausgedehnt worden — 75 Sitzungen in 9 Monaten resp. 115 in 14 Monaten. 
Bemerkenswert ist noch, dass im zweiten Falle die Nekrose eingeleitet wurde durch Auftreten mehrfacher 
kleiner subkutaner Blutextravasate. 


Glasgow med. journ. 1904. Juni. 

Sloan: Note on the X-ray treatment of cancer. Verf. spricht sich auf Grund seiner Erfolge 
an drei Fällen (Carcinom der Scheide der Brustdrüse und des Blinddarmes) dahin aus, dass mit den 
X-Strahlen in gewissen Fällen noch Erfolge erzielt werden können, wo alle anderen Mittel im Stiche 
lassen. Doch kommt es zuweilen zu heftigen Schmerzen und zu Gieschwürsbildung, so dass grosse Vor- 
sicht geboten ist. Von den drei Füllen des Verf. wurden zwei wesentlich gebessert, keiner geheilt. 

Werner (Hamburg). 

Archives of the Rentgenray. No. 48—50. 

Lodge: High frequency and radium. Ein Vortrag über die Entstehung der Hochfrequenz- 
phänomene, der von vorzüglicher Übersichtlichkeit und Klarheit ist. Zahlreiche schematische Abbildungen 
verdeutlichen die angeführten Thatsachen aufs Beste. Zu eingehendem Referat sind die Vorträge 
nicht geeignet. 

(tamlen: The treatment of some skin diseases with X-rays. Er ist sehr enthusiasmiert von 
der Anwendung der R.-Strahlen bei chronischem, frischem und parasitärem Ekzem. Seiner Ansicht nach ist 
kein Fall von Ekzem, mag er noch so chronisch und andern Behandlungsarten unzugänglich sein, als 
unheilbar zu betrachten, ehe R.-Strahlen versucht sind Er wendet weiche Röhren an, erzeugt mittel- 
starke Reaktion durch mehrere Bestrahlungen. Nach scheinbarer Verschlimmerung durch die Reaktion tritt 
nach deren Ablauf völlige Heilung ein. Nach dieser noch einige Bestrahlungen zur Befestigung des 
Resultates. Er hat bei keinem seiner Kranken innerhalb 14 Monaten Rückfall beobachtet. Die Behand- 
lung dauerte zwei Monate. Ausführliche Krankengeschichten von Ekzem, Sykosis, parasitiirem Ekzem. 
Abbildungen. 

Gamlen: A record of attempts to treat psoriasis by X-rays with an example. Auch diese 
Krankheit ist sicher mit R.-Strahlen zu heilen, durch Anwendung gleicher Röhren und ähnlicher Dosen 
wie oben beschrieben. Ob Rückfälle entstehen, kann er wegen Kürze der Zeit nicht sagen. Kranken- 
geschichte. Hochfrequenzentladungen gleichzeitig, abwechselnd mit R,-Strahlen verbessern das Ergebnis, 
allein sind sie wirkungslos. 

Walsham: On the diagnosis of partial pneumothorax by the Rontgen-rays. Die Diagnose 
des partiellen Pneumothorax ist oft sehr unsicher, wenn derselbe klein ist. Röntgenstrahlen lassen sie 
sicher stellen. An Stelle der Luftansammlung ist eine stark aufgehellte Stelle sichtbar. In seinem Fall 
bestand partieller Pneumothorax rechterseits, das Herz war stark verdrängt. Die Abbildungen zeigen die 
Verhältnisse sehr deutlich während des Bestehens der Aflektion und nach Abheilung. Ursache war 
Tuberkulose, die sich durch Lungeninfiltrationen auf dem Bild kennzeichnet. 


Journallitteratur. 139 


Journ. of the american medical association. 16. Juli bis 5. Aug. 1904. Vorträge von der 
55. Jahresvers. der americ. med. assoc. 

Pusey spricht über Natur und therapentische Anwendung des Radiums ind die damit aidien 
Erfolge. Sein Vortrag ist eine Zusammenfassung der in der Literatur niedergelegten Erfahrungen. 
Eigene Versuche und Erfahrungen bringt er nicht. In a Hinsicht ist bisher das Radium 
überschätzt worden. 

Diskussion: Corlett-Cleveland betrachtet Radium (ind Röntgenstr.) als Hilfsmittel bei der 
Finsenbehandlung des Lupus und berichtet über günstige Erfahrungen. 

Schamberg-Philadelphia. Die Empfindlichkeit verschiedener Individuen gegen Radium ist sehr 
verschieden. Die von ihm ausgehende Energie ist weit geringer als die einer Röntgenröhre, (Die bis 
jetzt verwandten Mengen sind aber auch sehr klein! Ref.) | 

Bulkley-New York. Bei Hautkrankheiten ist Radium den Röntgenstrahlen unterlegen. Mit 
Erfolg wird es bei inoperabelen Geschwälsten von Hohlräumen (Mund, Oesophagus) verwandt. Führt 
Fälle an. Die einzelnen Radiumsalze sind ihrer Herkunft nach sehr verschieden wirksam, auch er nimmt 
aber eine verschiedene Empfänglichkeit für die Wirkung an. Versuche mit Uran- und Thoriumsalzen 
waren gänzlich ergebnislos. 

Lieberthal-Chicago spricht über einen Fall von Darierscher Dermatose. Hier interessiert nur, 
dass allein die mit Röntgenstrahlen behandelten Teile (Gesicht) glatt und weich wurden, ohne dass die 
dunkle Färbung verschwand. Alle andern Behandlungsarten waren ergebnislos. Diskussion: 


Bulkley-New York berichtet über eine Patientin, deren Handflächen und Fusssohlen sehr stark, 
bis zur völligen Unbrauchbarkeit, befallen waren. Durch kräftige Röntgenbestrahlung wurde die Affektion 
völlig zum Schwinden gebracht. 

Allen-New York stellt einen Vergleich zwischen Licht-, Röntgen- und Hochfrequenzbehand- 
lung an, wobei er auf eigener Beobachtung von 450 Fallen basiert. 1. In der gréssten Mehrzahl der 
Hautaffektionen ist die Röntgenbehandlung den beiden andern überlegen. 2. Bei Lupus ist die Finsen- 
behandlung wirksamer. Vereinigung von Licht- und Hochfrequenzbehandlung hat ebenfalls gute Erfolge 
gegeben. 3. Bei Krebs ist die Röntgenbehandlung viel wirksamer als Lichtbehandlung. 4. Hochfrequenz- 
entladungen sind genau dosierbar, nicht unangenehmer in der Anwendung als Finsenlicht und geben bei 
kleineren Affektionen durch Lupus, Hautkrebs, Lupus erythemathodes u. a. Hautkrankheiten schnellere und 
bessere Resultate als die beiden andern Verfahren. 5. Alle drei können unter Umständen zweckmässig 
vereinigt oder nach einander verwandt werden, je nach dem Stadium der Krankheit. | 


Diskussion: Corlett-Cleveland. Röntgen- und Finsenlicht sind die wirksameren Heilfaktoren. 
Gottheil-New York betont die völlige Unschädlichkeit des Finsenlichtes.. a 
Baum-Syracuse berichtet über einen Fall grosser Ulceration am Hinterkopf unbekannter Natur 


der durch R.-Strahlen zur Heilung kam. Auf der Narbe sollen .nachher üppige Haare gewachsen sein, 


trotzdem in der Geschwürsfläche alle epithelialen Gebilde der Haut fehlten. (? Ref.) Ein Fall von Eiter- 
höhle nach Bubo inguinalis, die alle möglichen Eitererreger enthielt, wurde durch Einführen der Hoch- 
frequenzelektrode in wenigen Tagen keimfrei. Pruritus des Scrotum wurde durch Hochfrequenzbehand- 
lung schnell geheilt. on 

Schamberg-Philadelphia. Lupus wird oft sehr gut durch Röntgenstrahlen beeinflusst, aber 
nicht in allen Fällen. 

Skinner-New Haven warnt vor Anwendung der R.-Strahlen gegen Haarausfall. 

Currier-Detroit dagegen beobachtete stärkeres Wachsen der Haare nach R.-Behandlung won 
verschiedener Krankheiten. 

Varney-Detroit. B.-Verbrennungen beugt er durch häufige und kurze Sitzungen vor. Eben- 
so verfährt 

Bulkley. Dieser machte bei Behandlung von R.-Verbrennungen die besten Erfahrungen 
mit Uberpinseln der Geschwüre mit 25°), wässeriger Ichthyollösung. Hochfrequenzbehandlung wandte er 
mit Erfolg an bei Teleangiektasieen und juckenden Hautaffektionen. 

Allen. Die Heilung von Röntgenverbrennungen zweiten und dritten Grades wird durch Hoch- 
frequenzentladungen sehr günstig beeinflusst. 

Pfahler-Philadelphia. Mitteilung von sechs Krankengeschichten. 1. l5jähriges Mädchen 
mit ausgedehntem Naevus im Gesicht mit Neigung zur Ausbreitung. Acht Bestrahlungen mit weicher 
Röhre, je zehn Minuten, brachten oberflächliche Verschorfung. Nach Abfall des Schorfes glatte;: pigment- 
lose Heilung. 2. Naevus des halben Gesichts und der halben oberen Körperhälfte mit Arm. Nur die 
Hand wurde behandelt wie vorbeschrieben. Nach 36 Sitzungen in neun Monaten war die Färbung der 
bestrahlten Teile gleich der der gesunden Haut. Frost u. dgl. führen noch tiefere Färbung vorüber- 
gehend herbei. Das viel vorsichtiger (kleinere Dosen) behandelte Gesicht hat sich auch wesentlich 
gebessert. 3. Gesichtslupus. Befallen: Kinn, Lippen: innen und aussen, Nase, Teil der Nasenschleimhaut. 

18* 


140 Journallitteratur. 


Bestand fünf Jahr, vielfach ohne radikalen Erfolg behandelt. Weiche Röhre in 25 cm Entfernung, acht 
Minuten Bestrahlung. 13 Sitzungen in acht Wochen, später wöchentlich eine. 30 Sitzungen im Verlauf 
von acht Monaten führten zu völliger Heilung. 4. Krebs der Unterlippe bei 4ljährigem Mann. Geschwulst 
von Walnussgrösse, ulceriert, beiderseitige Unterkieferdrüsen geschwollen, Operation verweigert. Unter 
42 Bestrahlungen mit weicher Röhre wurde die Geschwulst wenig kleiner, dagegen verschwanden nach 
fünf Monaten die Drüsen. Schliesslich Operation, auch nachher noch Bestrahlung. Pf. ist der Ansicht; 
dass bei Lippenkrebs Operation und Bestrahlung zusammen angewandt werden sollen. 5. Ulcerierte 
Flechte (morphea) bei 25jähriger Frau. Sie hatte aller Behandlung Trotz geboten. Mit R.-Bestrahlung 
(45) in acht Monaten Heilung. 6. Acne und Flaumbildung. Nach wiederholter Behandlung mit monate- 
langer Unterbrechung keine völlige Entfernung des Flaumhaares ohne Wiederkehr. Die Acne wird gut 
beeinflusst, bei der nötigen Vorsicht (Bleischutz der nicht behandelten Teile, milde Reaktion) ist die 
Behandlung ungefährlich. 


Diskussion: Price-Scranton teilt einen Fall von Sarkomrecidiv (kleinzelliges Rundzellen- 
sarkom) mit, der durch Bestrahlung geheilt wurde. Heilung besteht noch jetzt nach 15 Monaten. 
Allen-New York erzielte guten Erfolg mit R.-Bestrahlung be? Ichthyosis. De 


New York and Philadelphia med. journ. 9. Jan. 1904. 

S. Tracy. Radium: induced radioactivity and its therapeutical possibilities. Verf. hat in 
Verfolgung seines Radiumstudiums versucht, die Radioaktivität auf Medien zu übertragen, deren thera- 
peutische Verwendung einfach und praktisch wäre; er fand, dass die Normalkochsalzlésung ein gutes 
. Objekt dafür ist. Er ging in der Weise vor, dass er in eine Flasche mit Kochsalzlösung zwei hermetisch 
verschlossene Tuben mit Radiumbromid brachte, von denen die eine 1800000, die andere 950000 radioak- 
tiver Substanz entsprach. Die Tuben blieben 24 Stunden in der Lösung, welch letztere dann erhebliche 
radioaktive Eigenschaften aufwies. Dies bewies Verf. dadurch, dass er auf zwei photographische Platten 
verschiedene Schlüssel u. s. w. legte, über welche er für je 24 Stunden die präparierte Flasche mit 
Kochsalzlösung hängte. Es wurden Bilder erzielt, die, wie die beigefügten Illustrationen zeigen, ganz den 
mit Röntgenstrahlen erzeugten entsprechen. 

Die Wirkung der Lösung kann gesteigert werden durch Abbrennen von Magnesium in der 
Nähe, durch Entladen einer Leydener Flasche oder Exposition von ultravioletten Strahlen. 

Die bisherige Anwendungsweise des Radiums direkt auf bösartige Geschwülste, Hautkrankheiten, 
Lupus u. s. w. erfährt dadurch eine bemerkenswerte Erweiterung, da hierdurch eine innere Anwendung 
der Lösung möglich erscheint, und so eine Bekämpfung der Infektionskrankheiten, der Geschwülste des 
Magendarmkanals u. s. w., eine Beeinflussung von Wundhöhlen durch Tränken der Gase mit der Lösung, 
die jedesmal leicht frisch herzustellen wäre, nicht unwahrscheinlich ist; auch könnte gleichzeitiger inner- 
licher Gebrauch von Chinin Fluorescenz auslösen und die Kombination mit Bestrahlung durch ultravio- 
lettes Licht erhöhte Wirkung erreichen. 

Inwieweit diese Ideen praktische Bedeutung haben, lässt sich vorerst nicht beurteilen; Verf. ist 
selbst mit den ersten Versuchen darüber beschäftigt, glaubt zwar günstige Beeinflussung zu sehen, kann 
aber noch nichts Definitives berichten. Werner (Hamburg). 


Physik. med. Monatshefte 1904. Heft 5 und 7. 

Hans Curschmann: Zur Radiologie der Heilungsvorgünge bei unkomplizierten Pneumo- 
thorax. Dic Arbeit, welche der Poliklinik der Il. Medicinischen Klinik in Berlin entstammt, schliesst 
sich an die Arbeiten von Holzknecht und Kienboeck über die Beobachtungen am Pneumothorax an. 
Sie ergänzt die genannten Arbeiten in sehr wertvoller Weise und bringt unter Beifügung einer Reihe von 
Krankengeschichten manches Neue. Die beigegebenen Aufnahmen sind von der Neuen Photographischen 
Gesellschaft in Berlin hergestellt. 

Heft 7. De la Camp: Ein anatomisches Substrat der sogenannten Hiluszeichnungen im 
Röntgenbild. Die Publikation beschäftigt sich mit der Erkläruug der jedem Réntgenuntersucher bekannten 
Hilusschatten in der Lunge. An zahlreichen Versuchen an der Leiche wird eine anatomische Erklärung 
dieser Schatten geliefert. Die Einzelheiten sind im Original einzusehen. 


Bähr: Über Psoudarthroson im Metacarpus. Kasuistischer Beitrag. 


Ottendorf: Zur Röntgendiagnostik der Skoliose. Die Arbeit handelt vorwiegend über den 
Zusammenhang zwischen Halsrippen und Skoliosen. Unter den in der orthopädisch-chirurgischen Heil- 
anstalt von Vulpius beobachtetr Fällen von cervicaler Skoliose war nur in einem Fall mit Sicherheit 
eine Halsrippe als Ursache der Deformität festzustellen. H. A. 


Druck von Hosso & Bocker in Leipzig. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen nebst | 
Untersuchungen über den zeitlichen Ablauf der Verdauung. 
Von 


Prof. H. Rieder (München). 
(Hierzu Tafel VII, VIII, IX, X, XI) ` 


Zur radiologischen Untersuchung des menschlichen Magen-Darmkanales haben sich, 
wie allgemein bekannt, die bisher verwendeten Methoden der Lufteinblasung und Sonden- 
einführung nicht vollkommen bewährt. Es lag deshalb nahe, eine andere Methode ausfindig 
zu machen, welche uns genaueren Einblick in den Verdauungskanal auf radiologischem Wege 
gestattet, und eine a Methode, für deren Brauchbarkeit ich den Beweis erbringen werde, 
soll in folgendem geschildert Werden 

Man mischt zu besagtem Zwecke der Nahrung oder dem Clysma Stoffe bei, welche 
die Röntgenstrahlen in hohem Grade absorbieren, also am besten solche Metallsalze, welche, 
auch in grösseren Dosen verabreicht, den Magen-Darmkanal passieren, ohne den Organismus 
und speziell die Verdauungsorgane irgendwie zu schädigen. Hierzu eignet sich wohl am besten 
das Bismutum subnitricum, welches in den bekannten, mit schwarzem Schwefelwismut über- 
zogenen Kryställchen in den Faeces wieder vorgefunden wird. 

Die Verwendung dieses Salzes zu radiologischen Zwecken ist ja nicht neu — schon 
seit Jahren leistet uns dasselbe gute Dienste zum Nachweise und zum Studium von Ösophagus- 
Erkrankungen (Stenose, Divertikel, diffuse Erweiterung der Speiseröhre u. s. w.). | 

Trotz der Verabreichung relativ grosser Mengen dieses mikrokrystallinischen Salzes 
(siehe die einzelnen Versuche am Schlusse dieses Aufsatzes!) haben wir niemals eine nach- 
teilige Wirkung desselben auf den Organismus — nur vorübergehende Obstipation — beobachten 
können!). 

Vielleicht werden auch andere Substanzen gefunden werden, die sich noch besser als 
Bismutum subnitricum für diesen Zweck eignen. Ferratin, Ferrum reductum, kolloidales Silber 
und verschiedene andere, für den Magen-Darmkanal ziemlich indifferente Arzneistoffe haben 
sich dem Verfasser nicht so gut bewährt als Bismutum subnitricum und zwar besonders des- 
halb, weil sie doch nicht in so grosser Dosis wie das letztgenannte Präparat verabreicht 
werden können. 


Versuchsanordnung. 


Bei der Zufuhr per os wurden die zu verwendenden Nahrungsmittel (Mehlbrei, 
Kartoffelbrei, Milch, Fleischpurée) in einer Menge von etwa 0,4 Kilo nach inniger Vermischung 


1) Auch R. Pick (Die Behandlung des chronischen Magenkatarrhs mit grossen Wismutdosen, 


Berliner klinische Wochenschrift 1893, No. 31) hat schon sehr grosse Wismutdosen (14—16 g) und zwar 
bei Magenkranken verabreicht, ohne je nachteilige Wirkungen derselben gesehen zu haben. 


142 Rieder. 


derselben (unter Zusatz von Milch) mit 2—3 Esslöffel Bismutum subnitricum (ca. 30 g) dem 
Magen-Darmkanal einverleibt und nun in gewissen Zeitabschnitten, der Plattengrösse 40:50 cm 
entsprechende Röntgen-Aufnahmen des Rumpfes (mit Ausschluss der oberen Thoraxpartien) 
vorgenommen. 

Bei der Zufuhr per rectum wurde eine Mischung von ca. 1000 ccm Wasser oder Milch 
oder Öl mit 100 g Bismutum subnitricum dem Darme einverleibt, und zwar wurde diese Darm- 
eingiessung bei Rücken- oder Seitenlage des Patienten ausgeführt unter Verwendung eines 
gewöhnlichen Glastrichters oder Irrigators mit einfachem Ansatz oder mit weichem Darmrohr. 
Gute Dienste leistet hierbei die Verwendung eines Friedlieb scher Gummiballons (wie solcher 
zu Magenausspülungen gebräuchlich ist), doch möchte ich von der Verwendung desselben ab- 
raten, da der Kranke hierdurch, wie ich mich überzeugt habe, zu sehr belästigt wird, insofern 
offenbar wegen des hierbei stattfindenden Druckes liingerdauernde Leibschmerzen hervorgerufen 
werden. An die Darmeingiessung schloss sich die Röntgenaufnahme an; dieselbe wird jedoch 
zweckmässig erst einige Minuten nach Verabreichung des Darmeinlaufes vorgenommen, um 
dem spezifisch schweren Wismutsalze zur Sedimentierung in den Aussackungen (Haustren) des 
Darmes Zeit zu lassen, da dann viel schönere, klarere Bilder gewonnen werden, wie ohne 
weiteres die Betrachtung von Fig. 29 und 30 (auf Tafel XI) erkennen lässt. 

Der Stand der Vakuumröhre (stets kamen weiche Polyphos-Réhren zur Verwendung) 
wurde bei allen Aufnahmen so gewählt, dass die Antikathode in Höhe des Nabels zu stehen 
kam und 60 cm von der Bild aufnehmenden Fläche, d. h. der photographischen Platte, ent- 
fernt war. Ausserdem wurde zur Erhöhung der Bildschärfe eine weite Blende (12 em Durch- 
messer) der Röntgenröhre vorgeschaltet. Die Aufnahmen wurden sämtlich bei aufrechter 
Stellung der Versuchsperson (im Stehen oder Sitzen) und zwar während der Atempause in 
Inspirations-Stellung vorgenommen, wodurch allerdings die im Epigastrium gelegenen Ein- 
geweide, also zumeist Magen und Colon transversum, etwas nach abwärts gedrängt werden. 

Stets war die Strahlenrichtung eine sagittale und zwar dorsoventrale. Damit die zu 
gewinnenden Bilder nicht durch die Magen-Darmbewegungen gestört werden, sind möglichst 
kurzdauernde, d. h. nur mehrere Sekunden währende Expositionen angezeigt, so dass die Ver- 
wendung von Verstärkungsschirmen nicht wohl umgangen werden kann. Zur Hervorrufung 
des Bildes auf dem zur Aufnahme verwendeten Film empfiehlt es sich, jedesmal frischen Ent- 
wickler zu benutzen. 

Häufig wurde bei den radiographischen Aufnahmen eine künstliche Orientierungsmarke, 
d. h. ein Bleistückchen, eine Geldmünze u. dgl. zur Kennzeichnung des Nabels verwendet, da 
die Lage desselben — wenn sie auch nicht als absolut konstant und zuverlässig gelten kann — 
doch neben den natürlichen knöchernen Orientierungspunkten (Rippen, Wirbelkörper, Becken- 
knochen) einen guten Anhaltspunkt bei der topischen Orientierung giebt. i 


A. Topographisches. 


Der normale Situs viscerum war schon oft Gegenstand eingehender anatomischer 
Untersuchungen. 


Henket') lehrte als erster, dass die Därme eine ganz bestimmte Lage innerhalb der Bauchhöhle 
haben, doch sei cs schwierig, sie abzugrenzen, da die Schlingen von «dem einen Raum in einen andern 
sich verlagern können. 

Er ging bei seinen topographischen Untersuchungen, welche namentlich auf den Dünndarm sich 
erstreckten, in der Art vor, dass er zunächst den Situs nach Eröffnung der Bauchdecken zeichnete und 
dann nach Entfernung der oberflächlichen Darmschlingen auch die tieferen Schlingen, worauf er durch 
Vergleich der Zeichnungen den Verlauf des Darmes vom Duodenum bis zum Coecum feststellte. 


') W. Henke, Der Raum der Bauchhöhle des Menschen und die Verteilung der Eingeweide in 
demselben, Archiv für Anatomic und Physiologie. Anatomische Abteilung Leipzig 1891, 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 143 


His!) machte seine ersten diesbezüglichen Studien an Gypsabgüssen, welche direkt nach der 
Natur an unversehrten Leichen nach Entfernung der äusseren Bedeckung gewonnen wurden. Ausserdem 
injicierte derselbe 1/,—1 proz. Chromsäure (etwa 5—10 Liter) von der Arteria cruralis aus — und zwar 
so lange, bis die Chromsäurelösung aus den eröffneten Venae jugulares und crurales ausfloss. Doch be- 
tont dieser Autor mit Recht, dass durch die Herausnahme einzelner Körperteile bez. Organe die Lage 
der Nachbarteile erheblich beeinträchaet wird. 

Sernoff?) bediente sich gleichfalls der Chromsäuremethode, indem er den Körper mit einer 
grösseren Menge Chromsäure injicierte und so den Darm und das Mesenterium in situ härtete. Nach 
Eröffnung der Bauchhöhle wurde ein Gypsabguss vom Darme genommen und hierauf erfolgte eine Fär- 
bung der oberflächlichen Darmschlingen — behufs ihrer Kennzeichnung — mit Fuchsin. 

Endlich Franklin P. Mall?) injicierte den Körper mit 33 prozent. Karbollösung von der Arteria 
femoralis aus, wodurch die Brust- und Bauchorgane vollständig gehärtet wurden; alsdann liess er die 
Leichen gefrieren und untersuchte sie erst nach ein bis zwei Jahren. 

Übrigens wurde auch von verschiedenen anderen Untersuchern an gefrorenen Leichen der 
Situs viscerum eingehend studiert. Doch galt die bisher bei Leichen festgestellte Lage des Magens und 
der Därme in der Bauchhöhle als nicht ganz einwandsfrei, da die genannten Organe nachgiebig und 
beweglich sind. 

Dass aber Gestalt und Lage der Fingeweide, besonders des Magens, bei Leichen durch 
Formalinhärtung einwandsfrei geprüft werden kann, zeigte W. His in einer erst kürzlich erschienenen 
verdienstvollen Studie'), auf die wir später noch zurückkommen werden, desgleichen Gérard’). 

Natürlich muss aber, da namentlich der Magen nach dem Tode erhebliche Veränderungen seiner 
Grösse und Gestalt erleidet, eine derartige Formalininjektion noch an der lebenswarmen Leiche vor- 
genommen werden. 


Es existieren also zur Zeit bereits verschiedene Arbeiten über die Lage der Bauch- 
eingeweide beim normalen Menschen, indessen sowohl die Topographie des Magens als die des 
Darmes, besonders des Dünndarmes, bedarf noch vielfach der Aufklärung, da die Lagerungs- 
verhältnisse dieser Organe grossen Schwankungen unterworfen sind. 

Bei Lebenden, welche vor der Entdeckung der Röntgenstrahlen derartigen topo- 
graphischen Untersuchungen grosse Schwierigkeiten darboten, ist nun aber mit Hilfe des 
radivlogischen Verfahrens, wie Verfasser sich durch zahlreiche Untersuchungen überzeugt 
hat, die Topographie der Baucheingeweide ausgezeichnet zu studieren.) | 


Es sollen nun die einzelnen Abschnitte des Magen-Darmkanales in Bezug 
auf ihre topographische Lage einer Erörterung unterzogen und daran anschliessend die 
bisherigen Untersuchungsergebnisse mit den auf Röntgenbildern sich ergebenden Befunden ver- 
glichen werden. 


1. Magen-Topographie. 
Was zunächst den Magen anlangt, so gelten (seit Luschka’) sein Anfangs- und 
sein Endstück auch als seine Fixationspunkte, insofern die Cardia mit dem Oesophagus, der 
Pylorus mit dem Duodenum fest verbunden ist. Doch betont Braune®) besonders, dass — 


') W. His, Über Präparate zum Situs viscerum, Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte, 
Jahrg. 1878 S. 53 u. ff. 

2) W. Sernoff, Internationale Monatschrift für Anatomie und Physiologie 1894. 

3) F. P. Mall, Uber die Entwicklung des menschlichen Darmes und seine Lage beim Eirwach- 
senen. Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte, Jahrg. 1897 Supplementband S. 403. 

t) W. His, Studien an gehärteten Leichen über Form und Lagerung des menschlichen Magens, 
Archiv für Anatomie und Entwicklungsgeschichte 1903 S. 345 u. s. f. 

*) G. Gérard, De quelques anomalies du côlon transverse, Bibliographie anatomique, Paris et 
Nancy, Tome XII 1903 pag. 56. 

*) Verfasser hatte nur Gelegenheit bei Erwachsenen oder nahezu Erwachsenen diese Verhältnisse 
zu studieren, bei Kindern müssten dieselben noch viel schöner zu kontrollieren sein. 

‘) H. v. Luschka. Die Anatomie des menschlichen Bauches, Tübingen, 1863, und Die Lage 
der Bauchorgane des Menschen, Karlsruhe, 1873. 

`) W. Braune. Topographisch-anatomischer Atlas, 3. Auflage, Leipzig, 1888. 


144 Rieder. 


neben dem Oesophagus und dem zugehörigen Bandapparate — nur der absteigende, stärker 
befestigte Teil des Duodenums für die Fixierung des Magens in Betracht komme. In der 
That ersieht man schon bei Kontrolle der normalen Magenverdauung sowie in Fällen von 
Gastroptose, wie fest die Verbindung zwischen Magen und Oesophagus im Vergleich zu der 
Fixation des Pylorus ist. | 

Durch genauere Untersuchung an Lebenden kann man sich leicht von der sehr 
wechselnden Grösse, Form und Lage des Magens bei verschiedenen, selbst gesunden Per- 
sonen überzeugen, wobei allerdings der Umstand, ob derselbe leer, wenig oder stark gefüllt 
ist, wesentlich in Betracht komnit. 

Nach den älteren anatomischen Lehrbiichern (von Hyrtl. Henle u. a.) steht bei 
leerem Zustande des Magens die kleine Curvatur nach oben, die grosse nach abwärts, 
bei gefülltem Magen die kleine Curvatur nach rückwärts, die grosse nach vorne. 

Luschka lehrte, dass der normale Magen mit dem grössten Teil seiner Länge schräg 
von links hinten nach rechts und vorne herabsteige, sich aber in seinem Pylorusteile erhebe 
und dabei stärker von der vorderen Bauchwand abweiche. 

Derselbe, wie später auch Braune, beschreibt aber den leeren Magen als stark in 
sich zusammengezogen (kontrahiert), seine kleine Curvatur sei nach oben gekehrt, die grosse 
stehe nach abwärts; dabei befinde sich der Pylorus in der Mittellinie des Körpers, während er 
bei stärkerer Anfüllung des Magens nach rechts hinüberrücke. 

Während wir über Lage und Form des leeren Magens keinen Aufschluss durch 
Röntgenbilder bekommen, findet man bei mässiger Füllung des Magens auf Radiogrammen 
gesunder Personen das ganze Organ mit Ausnahme des Pylorus in der linken Körperhälfte 
gelagert und ferner seine Längsaxe nicht horizontal, sondern vertikal oder höchstens etwas 
diagonal. Dabei steht die kleine Curvatur im Bereich des Magenkorpus medial, in ihrem 
Pyrolusteile cranial und dorsalwärts gerichtet, die grosse im Bezirk des Magenkorpus lateral- 
wärts, in ihrem Pylorusteile kaudal und ventralwärts gerichtet. Die kleine Curvatur sieht also 
nach der Mittellinie und bildet in der Projektion eine grosse Strecke weit die linksseitige Be- 
grenzung der Wirbelsäule, indem sie ungefähr mit der linksseitigen Grenze der Wirbelsäule 
zusammenfällt, die grosse sieht in ihrem Fundus- und Corpusteile nach links, bez. unten, in 
ihrem Pylorusanteile nach rechts. Nach meiner Erfahrung steht der Magen bei weiblichen 
Personen im allgemeinen tiefer als bei männlichen, am tiefsten bei Gastroptose. Ich habe mich 
aber überzeugt, dass auch beim männlichen Geschlechte in die Länge gezogene Mägen häufig 
vorkommen und dass dieselben besonders bei langen mageren Individuen zu finden sind. 

Dass Lage und Form des Magens eine sehr variable und bei verschiedenen Menschen 
sehr verschiedene ist, zeigt schon ein Blick auf die dieser Arbeit beigegebenen Abbildungen. 
Die Gestalt des Magens ist aber, abgesehen von der Füllung desselben, auch vom Kontraktions- 
zustand der Muscularis abhängig und deshalb werden radiographische Aufnahmen des Magens 
selbst bei einem und demselben Individuum, in verschiedenen Zeiträumen vorgenommen, nicht 
immer das gleiche Resultat ergeben. 

Doyen') war vielleicht der erste, welcher die vertikale Lage des Magens hervor- 
hob und die Luschka'sche Auffassung von der Lage des normalen Magens bekämpfte?). 

Schon vor mehreren Jahren versuchten sowohl C. Wegele*) als E. Lindemann‘) sich 


1) Doyen, Traitement chirurgical des affections de Pestomac. Paris 1895. 

2) Nach mündlicher Mitteilung von Prof. G. Klein (München) findet sich übrigens schon bei 
Peplizk (1499) und bei Magnus Hundt (1501) vertikaler Stand des Magens (analog den Thieren) 
abgebildet. 

3) C. Wegele, Ein Vorschlag zur Anwendung des Röntgen’schen Verfahrens in der Medizin. 
Deutsche medizin. Wochenschr. 1896 No. 18. 

1) E. Lindemann, Demonstration von Röntgenbildern des normalen und erweiterten Magens. 
Deutsche medizin. Wochenschr. 1897 No. 17. 


y 
Beitrige zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 145 


der Röntgenstrahlen zu topographischen Magenuntersuchungen zu bedienen, indem sie eine Sonde 
mit für diese Strahlen undurchlässigem Inhalt (Metall-Mandrin) in den Magen einführten; ebenso 
M. Levy und Dubois-Reymond'), welche im Anschluss an die Aufblähung des Magens mit 
Gas die Radioskopie in Anwendung zogen. 

Den genannten Autoren folgte Rosenfeld*), welcher gleichfalls versuchte, Lage, Form 
und Grösse des Magens vermittelst der Röntgenstrahlen zu bestimmen. Er kam zu der Über- 
zeugung, dass die Normalform des Magens die vertikale ist und dass der Magen nur mit dem 
Endabschnitte des Pylorus die Mittellinie nach rechts überschreitet —, eine Auffassung, die 
nicht allgemein acceptiert wurde, durch meine jüngsten Untersuchungen aber bestätigt wird. 

Einen ähnlichen Befund in Bezug auf die Lage des Magens, wie den eben skizzierten, 
hat auch His (l. c.) bei seinen mit Formalin gehärteten Leichen erhoben. Nach seinen Unter- 
suchungen nimmt die Pars pylorica an der Ausdehnung des Magens aber selbst bei stärkerer 
Füllung nur geringen Anteil — die Volumszunahme beschränke sich hauptsächlich auf den 
Fundus bez. Corpus. 

Dem muss entgegengehalten werden, dass Des der Pylorusteil des Magens schon 
bei mässiger Füllung desselben, mindestens in derselben Weise wie der Fundus in Anspruch 
genommen wird, wie auf Röntgenbildern zu ersehen ist, und dass die allmähliche Entleerung 
des Magens während der Verdauung wie in einem Gefäss mit unterer Ausflussöffnung gerade 
von der hochliegenden Cardia nach dem tiefliegenden Pylorus zu erfolgt. Deshalb sind auch 
Speisereste gegen Ende der Verdauung nur in der regio pylorica sowie in den angrenzenden 
untersten Partien des Magencorpus anzutreffen. 

Auffällig auf Röntgenogrammen ist noch das fast stets zu beobachtende Vorhanden- 
sein einer grösseren Gecunsammlung während der Magenverdauung in Form einer rundlichen, 
scharf begrenzten Partie im obersten Teile des Magens. 

Ferner erscheint meist in charakteristischer Weise auf Röntgenbildern mässig gefüllter 
Mägen und zwar am Übergang von Magenfundus (Antrum cardiacum „His“) und Magencorpus 
die nach Braune den kardialen Magenschluss bewirkende Einkerbung der Magenwand, welche 
die rückläufige Bewegung des Speisebreies verhindern soll. Nach den Angaben von His, welcher 
sie stets bei seinen formalingehärteten Magen nachweisen konnte und als Incisura cardiaca 
bezeichnete, ist diese Grenzmarke auf Seite der kleinen wie der grossen Curvatur zu finden. 
Auf dorsoventralen Radiogrammen ist aber gewöhnlich die Incisura cardiaca nur im Bereich der 
grossen Curvatur deutlich zu erkennen (Fig. 6, 19, 20). 

Sie bildet also die Grenzlinie zwischen Magencorpus und Magenfundus?). 

Zuweilen finden sich ausser der Incisura cardiaca auf dem Röntgenbilde noch an 
anderen Stellen Einschnürungen oder Hervorbuchtungen der Magenwand von verschiedener 
Stärke (Fig. 14, 19) und zwar sind derartige Kontraktionswellen besonders an der grossen Curvatur 
des Magens zu sehen. Bei grosser peristaltischer Unruhe des Magens sind seine Umrisse stets 
unscharf und verschwommen. 

Der zwischen Oesophagus und Cardia bestehende Einschnitt ist ebensowenig wie die 
Cardia selbst auf den Radiogramnıen abzugrenzen. 

Der meist in gleicher Höhe mit dem tiefsten Punkte der kleinen Curvatur stehende 
Pförtner folgt stets der Richtung des Duodenums und ist wie in situ, so auch häufig auf 


1) M. Levy, Die Durchleuchtung des menschlichen Körpers mittelst Röntgenstrahlen zu medi- 
zinisch-diagnostischen Zwecken. Physiologische Gesellschaft zu Berlin, Sitzung vom 12. Juni 1896. 

2) G. Rosenfeld, Klinische Diagnostik der Grösse, Form und Lage des Magens. Centralblatt 
für innere Medizin, 1899 No. 1 und Zur Topographie und Diagnostik des Magens, Münchener medizin. 
Wochenschr. 1900 No. 35 und Beiträge zur Magendiagnostik, Zeitschrift für klinische Medizin, Bd. 37, 
Seite 81 u. ff. 

3) Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass es sehr wünschenswert wäre, wenn eine Klärung in 
der Bezeichnung der einzelnen Magenabschnitte herbeigeführt werden könnte. Selbst in den anatomischen 
Lehr- und Handbüchern stösst man auf viele diesbezügliche Unklarheiten bez. Ungenauigkeiten. . 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 19 


146 Rieder. 


Röntgenbildern (Fig. 1) durch eine seichte ringformige Einschnürung — den Sulcus pyloricus —, 
welche eine scharfe Abgrenzung vom Duodenum bildet, gekennzeichnet. 

Auf Seiten der kleinen Curvatur kann man mitunter, z. B. in Fig 19, eine ziemlich scharfe 
Abgrenzung der Pars pylorica von Corpus erkennen und zwar durch die Incisura angularis. Ein 
eigentliches Antrum pyloricum ist aber auf Röntgenbildern nicht zu erkennen. Dabei weicht der 
Pylorus nicht unerheblich von der vordern Bauchwand ab und deshalb sowohl als auch wegen 
seiner lebhaften motorischen Tätigkeit erscheint derselbe auf dorsoventralen Röntgenbildern, 
namentlich wenn der Magen stärker gefüllt ist, weniger scharf und deutlich als die übrigen, 
der Vorderfläche des Körpers näherliegenden Abschnitte des Magens. Bei mässigem Füllungs- 
zustande des Magens hegt der Pförtner zwar meistens rechts von der Wirbelsäule, überschreitet 
aber — entgegen der bisherigen Annahme — nicht immer die Mittellinie, ja er kann sogar 
bei stärkerer Gastroptose (Fig 20) etwas links von derselben angetroffen werden. 

Beobachtet man den Magen während seiner Verdauungs-Thätigkeit, so kann man 
deutlich erkennen, dass der Austritt von Speisebrei aus dem Magen rasch nach der Nahrungs- 
zufuhr erfolgt, indem man wismuthaltige Nahrung schon gleich nach ihrer Einfuhr im An- 
fangsstück des Duodenums nachzuweisen vermag. Ferner sieht man, wie mit dessen zunehmender 
Entleerung der Pylorus, welcher nach der Nahrungszufuhr meist rechts von der Wirbelsäule 
angetroffen wird, allmählich nach links und etwas nach oben rückt, so dass derselbe gegen 
Ende der Magen-Entleerung links von der Wirbelsäule gefunden wird. (Fig. 9, 10, 15, 16.) 

Auf Radiogrammen, die bei miissig gefülltem Magen aufgenommen wurden, ist, wie 
erwähnt, die grosse und die kleine Curvatur deutlich sichtbar; beide beschreiben, wie oben 
bereits auseinandergesetzt, von oben nach unten und zwar von der Längs- zur Queraxe des 
Körpers verlaufende Grenzlinien. 

Die früher geübten Methoden zur Bestimmung der kleinen und grossen Curvatur beim 
Lebenden behufs Nachweises einer Magen-Ektasie müssen als unzulänglich bezeichnet werden. 
So ist die bis zum sichtbaren Hervortreten der Magenwand gesteigerte Aufblähung zur Be- 
stimmung der kleinen Curvatur, sowie der Nachweis des tiefsten Punktes der grossen 
Curvatur vermittelst der Sondenspitze in unmittelbarem Anschluss an die Aufblähung oder die 
Feststellung der Plätscher-Geräusche bez. die Perkussion des mit Flüssigkeit gefüllten Magens 
im Stehen zum Nachweis der grossen Curvatur durchaus nicht zuverlässig. Auch der 
diaphanoskopische Nachweis der Magengrenzen vermittelst der Lichtsonde hat sich 
wegen des Mitleuchtens von Darmschlingungen nicht bewährt. Wesentlich bessere Resultate giebt 
schon die von Rosenfeld (l. c.) ersonnene Methode, bei der eine weiche, mit Schrot gefüllte, 
unten geschlossene und mit seitlichen Öffnungen versehene Sonde zur Bestimmung der tiefsten 
Stelle des Magens und nach vorheriger Luftemblasung die Radioskopie zur Bestimmung der 
Lage und Grösse des Magens benutzt wird. Störend ist hier nur die mit der Anwendung des 
Verfahrens einhergehende Belästigung des Kranken. Wohl deshalb hat auch die letztgenannte 
Methode sich keinen Eingang in Klinik und Praxis zu verschaffen gewusst. Allgemein hat 
man bisher beim Unterricht und in der Praxis die Methode der künstlichen Aufblähung 
des Magens in Anwendung gezogen, um über den Stand der grossen und kleinen Curvatur, 
über Gesamtgrösse, Form und Lage des Magens sich zu orientieren -— eine Methode, welche 
doch unter Umständen gewisse Gefahren in sich birgt, namentlich bei ulcerösen Prozessen 
des Magens, abgesehen davon, dass die Magenform bei Verwendung grösserer Mengen von Gas 
eine grobe Verzerrung erleidet. 

Jetzt aber besitzen wir in dem Röntgen-Verfahren unter Zuhilfenahme von 
Bismutum subnitricum eine brauchbare, stets ausführbare und vollkommen unschädliche, 
wenn auch nicht so einfache Methode wie die Aufblähung. Zudem gestattet die Aufblähung 
des Magens mit Luft (vermittelst der Magensonde) oder mit Kohlensäure nicht, dessen Aus- 
dehnung und Conturen so sicher und genau festzustellen, wie mit Hilfe der Wismutmethode. 
Den älteren Methoden ist das Röntgen-Verfahren also entschieden vorzuziehen, da der Tief- 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 147 


stand der grossen und meist auch der kleinen Curvatur nach Zufuhr von !/, Liter mit 1—2 Ess- 
löffel Wismutpulver versetzter Milch durch ein Radiogramm innerhalb weniger Minuten leicht 
und sicher nachgewiesen werden kann. Dabei ist zweckmässig die Nabelgegend, wie eingangs 
erwähnt, und eventuell auch die Gegend des Schwertfortsatzes, durch eine Bleimarke kenntlich 
zu machen! Auch die auf dem Röntgenbilde meist deutlich abgrenzbaren Wirbel können 
natürlich zur Lagebestimmung der grossen und kleinen Curvatur, des Pylorus u. s. w. mit 
benützt werden. 

Normaler Weise steht die Cardia (nach Rauber) in Höhe des elften Brustwirbels, der 
Pylorus an der rechten Seite des ersten Lendenwirbels. Nach eigenen Beobachtungen steht 
der tiefste Punkt der kleinen Curvatur normalerweise ın Höhe des zweiten bis vierten, der grossen 
in Höhe des dritten bis fünften Lendenwirbels. Kleine Curvatur und Cardia dürfen natürlich auf 
Grund der oben geschilderten Magenstellung künftighin nicht mehr als synonym gebraucht 
werden. Eine mit Tiefstand kombinierte Senkrechtstellung des Magens ohne jede Grössen- 
zunahme kann in Folge des Tieferrückens der unteren Magengrenze eine Ektasie vortäuschen. 
Darüber besteht wohl kein Zweifel, dass Ektasie (d. h. diffuse Dilatation) und Gastroptose 
(d. h. Dilatation in der Längsrichtung) vor der allgemeinen Anwendung des Röntgen-Verfahrens 
sehr häufig klinisch nicht genügend auseinander gehalten wurden. 

Wie Form und Lage des Magens, so ist auch seine Grösse durch das Röntgen -Ver- 
fahren gut zu erurieren, in exakter Weise allerdings nur durch das orthodiagraphische Ver- 
fahren und diese Bestimmung der Magen-Form und Grösse mit Hilfe senkrecht auffallender 
Strahlen gelingt bei nicht zu korpulenten Leuten ganz gut. Doch muss eine derartige Be- 
stimmung sofort nach der Aufnahme wismuthaltiger Nahrung vorgenommen werden. 

Um die volle Umgrenzung des gefüllten Magens auf dem Röntgenbilde sichtbar zu 
machen, müssen natürlich grössere Mengen von Wismutbrei oder mit Wismutsalz versetzter 
Flüssigkeit, also zirka ein Liter, verabreicht werden. 

In Bezug auf Grösse des Magens spielen ausser dem Füllungszustande Alter, Indivi- 
dualität, Körpergrösse, aber auch pathologische Veränderungen der Magenwandung eine 
grosse Rolle. 

Grösse, Gestalt und Lage des Magens sind ferner sehr verschieden, je 
nachdem der Füllungszustand des Magens ein regelmässig wechselnder (beim Gesunden!) oder 
ständig ein abnorm hoher (Ektasie!) oder geringer (Inanition!) ist. Ausserdem wurden schon 
sowohl von anatomischer Seite (Luschka, His u.a.) als von klinischer (Meinert, Martius u.a.) 
die grossen Unterschiede erörtert, die in dieser Beziehung das männliche und weibliche 
Geschlecht darbietet. 

Endlich sind Verengerungen des Pförtners auf die Grösse und hochgradige Gravidität 
sowie das Schnüren der Brust (durch Tragen eines engen Korsetts, behufs Erzielung einer 
schlanken Taille) auf Form und Lage des Magens von besonderem Einfluss. 

Verlagerungen des Magens nach oben, seitlich und besonders nach unten werden 
häufig beobachtet. So kann bei Lungen-Emphysem, Habitus phthisicus, Kyphoscoliose, Tumor- 
bildung im Abdomen, Leukämie, Lebercirrhose, wie nach dem Schnüren eine Verlagerung der 
Baucheingeweide und speziell des Magens erfolgen. Diese „Enteroptose“, zu deren genauerem 
Studium besonders die bekannte Arbeit von Glénard angeregt hat, ist von grosser, praktischer 
Bedeutung, insofern die Entstehung nervöser Magensymptome und sonstiger nervöser Erschei- 
nungen häufig auf dieselbe zurückgeführt werden muss. 

Die Lage- und Formveränderungen des Magens und Quercolons sind beson- 
ders wichtig, weil die übrigen Bauchorgane sich den veränderten Raumverhältnissen anpassen 
müssen. Am häufigsten kommt Verlagerung des Magens nach unten vor. Verlagerung des- 
selben nach oben beobachtet man besonders bei Meteorismus, Ascites, Graviditas und bei 
Unterleibstumoren, seitliche Verlagerung des Magens besonders bei Lebervergrösserung und 
Milztumoren. 

19* 


148 Rieder. 


Über die schon oben angedeuteten Geschlechtsunterschiede und die durch das Schnüren 
veranlassten Form- und Lageveränderungen des Magens sei noch kurz Folgendes bemerkt: 

Schon Huschke gab an, dass der weibliche Magen länglicher ist als der männliche und auch 
Luschka (die Lage der Bauchorgane des Menschen S. 14) lehrte, dass beim weiblichen Geschlechte 
die Richtung des Magens häufig eine vertikale ist. His fand sogar schon bei 12jährigen Mädchen steile 
Magenstellung; er lässt es aber unentschieden, ob die Steilheit, welche dem fötalen Zustande entspricht, 
eine Geschlechtseigentümlichkeit oder Folge der Bekleidung ist. 

Meinert?) vertrat ursprünglich die Ansicht, dass keine Geschlechtseigentümlichkeit der Steil- 
stellung des menschlichen Magens zu Grunde liegt, sondern dass eine pathologische Verlagerung in- 
folge der Bekleidungsart beim weiblichen Geschlechte vorhanden ist. Nach ihm handelt es sich in 
solchen Fällen um „Gastroptose“, welche er allerdings bei 90°), erwachsener Frauen gefunden haben will. 
Derselbe Autor, der seine Untersuchungen an Lebenden nach Aufblähung des Magens mit Gas vor- 
genommen hat, nahm stets dann Gastroptose als bestehend an, wenn die kleine Curvatur bei der künst- 
lichen Aufblähung bis unter den Schwertfortsatz herabstieg. 

Nach weiteren Untersuchungen kam Meinert? zu der Auffassung, dass zweierlei Lagetypus 
des normalen Magens zu unterscheiden seien, nämlich ein solcher mit der Verlaufsrichtung nach vorne 
und rechts und einer mit der Verlaufsrichtung nach abwärts. Der dem 2. Typus angehörende „herab- 
hiingende* Magen finde sich bei beiden Geschlechtern und zwar besonders bei paralytischem Thorax und 
bei Enteroptose, aber doch viel häufiger beim weiblichen als beim männlichen Geschlecht. 

Bei langen, schmächtigen Leuten überwiege in Bezug auf Häufigkeit des Vorkommens der 
herabhäugende Magen und Meinert nimmt an, dass bei Gruppierung der Wirbeltiere nach ihrer zu- 
nehmenden Schmächtigkeit eine allmählige Anpassung der Form und der Lage des Magens an den sich 
verschmälernden Bauchraum stattfindet — bis herab zu den Schlangen, deren langgezogene Mägen völlig 
in die Verlaufsrichtung der Wirbelsäule eingerückt sind. 

Auch Kussmaul”) sprach schon die Ansicht aus, dass der Befund eines vertikalen Magens bei 
Erwachsenen für das Stehenbleiben dieses Organes auf fötaler Entwicklungsstufe spreche. 

In der Fötalperiode ist ja stets der Magen als spindelförmige Erweiterung mit senkrechter Längs- 
axe an dem gerade verlaufenden Verdauungsrohre zu schen. Ursprünglich ist also der Magen senk- 
recht gestellt und in dieser Lage bleibt er in der Revel, sodass er im ausgebildeten Zustande, d. h. beim 
Erwachsenen, sich in Vertikalstellung befindet, wobei der Pylorus transversal gelagert ist. 

Davon, dass der Druck der Bekleidung stets als Ursache der so häufig zu beobachtenden Ver- 
tikalstellung des Magens anzusprechen ist, kann aber keine Rede sein, denn auch bei Mädchen, die nie- 
mals ein Corset oder sonstige beengende Kleidungsstücke getragen haben, findet sich ein derartig vertikal 
gestellter Magen. Die Vertikalstellung des Magens ist also keine Ausnahmestellung, wie man früher 
allgemein annahm, sondern die Normalstellung. 

Was die Ausbildung des sogenannten Schnür- und Senk-Magens betrifft, der neben der 
Vertikalstellung einen erheblichen Tiefstand aufweisst, so kommt derselbe nach der bisherigen land- 
laufigen Auffassung durch künstliche Verengerung der unteren Brust- und oberen Bauchgegend zu Stande. 
Durch den Druck des Korsetts werden die Baucheingeweide direkt nach abwärts und nach vorne gedrängt, 
es kommt zur Ausweitung des Bauches dureh Erschlaffung der Bauchdecken, zu Diastase der Recti und 
zur Entstehung des Hängebauches, während das Zwerchfell hinaufgedrängt wird. Die Bauchhöhle wird 
auf diese Weise nach oben verlängert, der Brustraum verkürzt, das vordere Lungenvolumen verkleinert, 
das Herz wird (wie man durch transversale Röntgen- Aufnahmen nachweisen kann) gehoben, und ausser- 
dem um seine (Jueraxe gedreht. Es handelt sich hierbei nicht um eine totale Abwärtsdrängung des 
ganzen Magens, wie bei der Nephroptose, sondern nur um ein Herabtreten oder ITerabsinken des Magens, 
da derselbe ein punctum fixum an der Cardia bezw. dem Oesophagus hat. Der Magen ist dabei durch 
das Herabdrängen der unteren Magengrenze gestreckt und in die Länge gezogen; die Magenaxe steht 
vertikal, der Pylorus liegt in der Mittellinie oder linkerseits und zwar sehr tief. Schon Kussmaul hat 
betont, dass die Dislocation des Pylorus hierbei die Hauptrolle spielt und je nach dem Grade dieser Dis- 
location unterschied Kussmaul einen vertikalen oder einen subvertikalen Magen, bezw. eine Schlingen- 
oder Hérnchenform des Magens. Dabei biegt der Pylorus- Anteil oft scharf nach oben ab (Merkel), so 
dass eine Angelhakenform des Magens zustande kommt. Ein soleher Schniirmagen (Fig. 20) zeigt dann 

1) E. Meinert. Über normale und pathologische Lage des menschlichen Magens und ihren 
Nachweis. Centralblatt für innere Medizin, 1896. Nr. 12 und 13. 

2 E. Meinert. Welches ist die normale Lage des menschlichen Magens? Verhandlungen der 
Gesellschaft deutscher Naturforscher und Arzte (71. Versammlung zu München 1899). Leipzig, Verlag 
von F. C. W. Vogel. 1900. pag. 52/53. 

3) A. Kussmaul. Die peristaltische Unruhe des Magens, Sammlung klinischer Vorträge Nr. 181. 
Leipzig, Breitkopf & Härtel. 1880. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 149 


die Gestalt eines Schlauches mit zwei nahezu parallel zu einander oder doch spitzwinklig zu einander, 
also fast vertikal gestellten Schenkeln; er kann als ein elastischer Sack aufgefasst werden, der an seinem 
kardialen Ende stark, an seinem duodenalen Ende aber nur schwach befestigt ist. 

Aber erst weitere Untersuchungen, namentlich auf radiologischem Gebiete, können uns darüber 
Klarheit bringen, wo die Grenze zu ziehen ist zwischen normalem (vertikal stehendem) Magen und 
Gastroptose. 

Dass im Anschluss an das Tragen unpassender Kleidung auch Form und Lageveränderungen 
des Dickdarmes, besonders Senkung desselben auftritt, wobei das Colon transversum, meist auch eine 
oder beide Flexuren (die rechte seltener als die linke) herabgedrängt werden, soll in dem folgenden, die 
Topographie des Darmes behandelnden Abschnitt noch näher ausgeführt werden. Ja Glénard hält die 
Erschlaffung der Colon-Fixationen, welche einen guten Schutz gegen das Herabtreten des Magens ge- 
währen, als Vorbedingung für die Entstehung der Gastroptose. 


2. Darm-Topographie. 


Wir wollen nun, unter voller Berücksichtigung der bisherigen, d. h. ohne Zuhilfe- 
nahme der Röntgenstrahlen erzielten Untersuchungs-Ergebnisse den wismuthaltigen, aus dem 
Magen in den Darm übergetretenen Chymus mit Hilfe des Röntgen-Verfahrens durch das 
lange, vielfach gewundene Darmrohr verfolgen und dabei zusehen, ob wir aus diesen radio- 
logischen Untersuchungen diagnostische Anhaltspunkte für die praktische ärztliche Thätigkeit 
gewinnen können. Liegt doch die topische Diagnostik der Darmkrankheiten noch sehr im Argen! 

Nur zu häufig genügt eben nicht die praktische Regel, dass der Dünndarm erkrankt 
ist, wenn die mittleren und unteren Bauchpartieen der Sitz subjektiver oder objektiver Ver- 
änderungen sind, und der Rückschluss auf eine Dickdarmerkrankung, wenn an den peripheren 
Teilen des Bauches sich Krankheitserscheinungen einstellen, ist gleichfalls nicht immer 
zutreffend. 

Auch die Annahme, dass das Coecum in der rechten fossa iliaca liegt und eine 
Erkrankung des Querkolon vorliegt, wenn der Sitz einer Darmkrankheit in der epigastrischen 
Gegend gelegen ist, stimmt häufig nicht mit dem anatomischen Befund überein. 


Der ca. 8 Meter lange Dünndarm durchzieht in zahlreichen, scheinbar ungeordneten, 
aber doch ziemlich typisch gelagerten Windungen die Bauchhöhle, indem er von der Lenden- 
wirbelsäule seitlich nach abwärts zieht bis zur fossa iliaca dextra, wo er in den Dickdarm 
einmündet. Für eine gewisse Gesetzmässigkeit in der Lagerung der Därme spricht unter 
anderem die bei Tieren nach operativen Eingriffen gemachte Beobachtung, dass, wenn man 
die Darmschlingen in willkürlicher Weise in die Bauchhöhle zurückgebracht hatte und die 
Bauchwunde dann zugenäht wurde, Darm und Netz rasch wieder ihre normale Lage einnahmen. 

Franklin P. Mall (l. c) fand auch bei seinen Untersuchungen nach Eröffnung der 
Bauchhöhle, dass grössere getreunte Gruppen von Darmschlingen vorhanden waren und dass 
den Hauptabschnitten des Dünndarmes abgegrenzte Gebiete der Banchhéhle zukommen. 

Wir verdanken diesem Autor ein gutes Schema des Verlaufes von Jejunum und Ileum 
und dessen Abweichungen. 

Er teilt in topographischer Hinsicht den Dünndarm in mehrere grössere Abschnitte ein, und 
zwar unterscheidet er ein oberes, mehr links gelegenes, grosses Convolut von Darmschlingen, 
ein weiteres, etwas tiefer und mehr nach rechts gelegenes, nach links und unten zu ein drittes 
und endlich ein zu unterst gelegenes, nach rechts zu gegen das Coecum sich erstreckendes. 

Häufig fand Mall, dass in der rechten Körperhälfte überhaupt keine Diinndarm- 
schlingen vorhanden waren, oder dass sich die ersten Darmschlingen in der rechten, statt in 
der linken Körperhälfte befanden. Der Dünndarm kann offenbar, namentlich wenn er aus- 
gedehnt ist, fast in allen Teilen des Bauches und Beckenraumes vorkommen; allerdings, wenn 
er schlaff und wenig ausgedehnt ist, rückt er weiter in die Beckenhöhle hinab. 

Die Dünndarmschlingen, deren Verbindung mit dem Pylorus auf Radiogrammen häufig 
nachzuweisen ist, füllen auf Röntgenbildern gewöhnlich den mittleren Bezirk des Bauches, 


150 “Rieder. | 


häufig aber auch einen grossen Teil des kleinen Beckens aus (Fig. 21) und bilden hierbei 
längere, aber stärker gekrümmte und schmälere Bogen als die Dickdarmschlingen. — 


Das Anfangsstück des Dünndarıns, das 20—30 cm lange Duodenum, welches nur eine 
grosse Darmschlinge darstellt, die zwischen Pylorus und Jejunum liegt, und teilweise unter 
bezw. hinter dem Magen verläuft, besteht nach Huschke aus einem oberen queren, einem 
absteigenden und einem unteren queren Abschnitt. Es verläuft nach hinten gegen die 
Wirbelsäule; seine Convexität ist nach rechts, hinten und unten gerichtet, weshalb es auf dorso- 
ventralen Bildern nicht gut sichtbar ist; auch wird es zum Teil von Leber und Magen über- 
deckt. Durch das Ligamentum hepato-duodenale ist es nach hinten und oben fixiert, aber 
doch ist eine derartige Beweglichkeit ermöglicht, dass das Duodenum den Bewegungen des 
Magens zu folgen imstande ist, ohne stärkere Zerrungen zu erleiden. 

Der Zwölffingerdarm ist der kürzeste und weiteste Teil des Dünndarmes; er legt sich 
hufeisenförmig um den Kopf des Pankreas berum und ist in seinem untern Teile sehr wenig 
beweglich. 

Der Übergang des Duodenum in das Jejunum ist auf dem Röntgenbilde nicht sichtbar. 


r 


Jejunum und Ileum, zusammen ca. 7 m lang, sind nur von Netz- und Bauchhaut 
bedeckt. Auf Radiogrammen nehmen sie vorwiegend den Mittelteil des unteren Bauchraumes 
ein und werden vom Dickdarm fast vollständig umschlossen. 

Unter Jejunum (Leerdarm) versteht man ja — topographisch-anatomisch — den in der Nabel- 
gegend und in der linken fossa iliaca befindlichen Teil des Dünndarmes, welcher etwa die oberen drei 
Fünftel des letzteren ausmacht, während man als Ileum (Krummdarm) diejenigen Diinndarmschlingen 
bezeichnet, welche rechts, d. h. in der fossa iliaca dextra und im kleinen Becken gelegen sind und etwa 
die untern zwei Fünftel des Dünndarns ausmachen. 

Luschka verlegt das Jejunum in die oberen, das Ileum in die unteren Abschnitte der Bauch- 
höhle und behauptet, dass das erstere sich abwärts nach der linken fossa iliaca ausdehnt, während das 
[leum im Becken gelegen sci und sich nach der rechten fossa iliaca erstreckt. 

Nach Hoffmann liegt das Jejunum hauptsächlich in der regio umbilicalis und in der linken 
regio iliaca, das Ileum in den unteren Bauchregionen und im kleinen Becken. 

Nach Henke verlaufen die Diinndarmschlingen in der linken Körperhälfte transversal, in der 
rechten parallel der Körperaxe. 


Es bestehen also gewisse Verschiedenheiten hinsichtlich der anatomischen Auffassung 
über die Lage dieser Darmabschnitte. 

Leer- und Krummdarm lassen sich schon anatomisch nicht leicht voneinander trennen, 
um so weniger ist diese Unterscheidung auf dem Röntgenbilde möglich. 

Der Umstand, dass der Dünndarm nur wenig gefüllt und der Chymus ausserdem stark 
verdünnt ist und zudem rascher fortbewegt wird als im Dickdarm, macht es erklärlich, dass 
auch auf dem Röntgenbilde die Lage der Dünndarmschlingen oft schwer zu bestimmen ist. 
Ausserdem sind die letzteren im Gegensatz zu denen des Dickdarmes eylindrisch und glatt, so 
dass eine Ablagerung von wismuthaltigem Chymus dort nicht zur Beobachtung kommt. 

Die Kerkringischen Falten sind auf dem Röntgenbilde niemals zu sehen. 

Am deutlichsten ist auf demselben noch die letzte, dem Ileum angehörige Schlingen- 
gruppe zu erkennen, welche den mittleren Bauchraum ausfüllt und in das kleine Becken her- 
untertritt. (Fig. 21.) 

Manchmal sieht man auch das Ende des Diinndarmes in der rechten Fossa iliaca an 
der Einmündung in das Coecum. 

Die Einmündungsstelle des Heum in den Dickdarm ist z. B. gut auf Fig. 22, nicht 
aber bei allen Personen auf dem Radiogramme sichtbar, wahrscheinlich weil oftmals eine Über- 
lagerung derselben durch die Coecal-Haustren stattfindet. 

Der Dünndarm mündet in geringer Entfernung über dem blinden Anfange des Dick- 
darmes, in der Fossa iliaca dextra, in den letzteren an dessen medialer Seite in der Art ein, 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 151 


dass das schräg nach rechts aufsteigende Endstück des Dünndarmes mit dem unterhalb der 
Einmündung gelegenen Teil des Dickdarmes einen spitzen Winkel bildet. 

Nach den Angaben von Schiefferdecker') ist indessen diese Einmündungsstelle (in 
der Fossa iliaca dextra, in der Höhe der Articulatio sacro-iliaca) so unregelmässig gelagert wie 
die Flexura sigmoidea; auch kann die Einmündung unter verschiedenen Winkeln erfolgen. 


Der Dickdarm, welcher erheblich kürzer (seine Gesamtlänge beträgt im Durchschnitt 
11/, m, doch ist die seiner einzelnen Abschnitte grossen Schwankungen unterworfen), aber viel | 
weiter und ausdelinungsfähiger ist als der Dünndarm, bildet einen grossen, den Dünndarm um- 
rahmenden Kranz. Derselbe nimmt vom Blinddarm bis zum After ganz allmählig an Weite 
ab, erstreckt sich erst nach aufwärts, dann steigt er unter dem Magen schräg nach links hinauf 
und auf der linken Seite herab, um über dem linken Ileopsoas mit einer Sförmigen Krümmung 
in die Kreuzbeinhöhlung und von da zum After zu gelangen. 

Er besteht bekanntlich aus drei grossen Abteilungen, d. h. aus dem Coecum (Blind- 
darm), dem Colon (Grimmdarm) und dem Rectum (Mastdarm). Das Colon zeigt hierbei drei 
Umbiegungen. 

Seine erste Umbiegungsstelie rechterseits, die Flexura coli dextra, hat man als Leber- 
biegung, seine linksseitige Umbiegungsstelle, die Flexura coli sinistra, auch als Milzbiegung, die 
-Flexura sigmoidea (S. Romanum) auch als Hüftbiegung bezeichnet. 

Je weiter der Darminhalt nach abwärts rückt, desto fester wird derselbe infolge des 
abnehmenden Wassergehaltes. Im Dickdarm erfolgen die peristaltischen Bewegungen nur 
langsam, so dass der mehr und mehr eingedickte Inhalt in den durch die Plicae semilunares 
gebildeten rundlichen Ausbuchtungen, den sog. Haustren, längere Zeit liegen bleibt und nur 
ganz allmählich weiter abwärts rückt — es kommt mehr und mehr zur Bildung zylindrischer 
Ballen, welche dem Lumen des Dickdarmes entsprechen und auch auf Röntgenbildern sich 
deutlich markieren. 

| Von den charakteristischen Kennzeichen des Dickdarmes, den bandartigen 
Streifen der Liingsmuskulatur (Taenia coli), welche sich bis zum Wurmfortsatze erstrecken, den 
Falten (Plicae semilunares), welche in das Innere des Darmes vorspringen und den durch die 
letzteren gebildeten Aussackungen (Haustren), welche durch Einschniirungen (Sulci transversi) 
von einander getrennt und durch die drei Längszüge der Muscularis in drei Parallelreihen an- 
geordnet sind, sowie den Appendices epiploicae sind nur die unter sich parallel gestellten 
Haustren auf Radiogrammen zu sehen. 

Die Lage-Anomalien des Dickdarmes werden bei Besprechung seiner einzelnen Ab- 
schnitte noch besonders erwähnt werden. Nur soviel sei zunächst bemerkt, dass neben der 
schon oben kurz berührten Tieflagerung einzelner Dickdarmabschnitte, welche besonders bei 
Schnürbrust beobachtet wird, auch Hochlagerung einzelner Dickdarmpartien durch den Druck 
des hinter dem Netz gelegenen Dünndarmes, besonders Hochlagerung des Coecum sowie des 
S-Romanum, vorkommt. 


Das in der Fossa iliaca dextra gelegene Coecum, das blindsackförmige Anfangsstück 
des Dickdarmes unterhalb der Einmündungsstelle des Ileum, welches bei normaler Lage dieses 
Darmstückes etwa der Mitte des Poupart’schen Bandes entspricht, ist in Bezug auf seine Länge 
sehr variabel, meist sehr kurz, aber viel weiter als der Dünndarm, überhaupt der weiteste Teil 
des Dickdarmes. Nach unten und gegen den Wurmfortsatz spitzt sich der Blinddarm etwas 
zu, so dass er in gefülltem Zustande eine stumpf kegelförmige Gestalt annimmt. Er ist übrigens 
durch seine Ausbuchtungen (Haustren) von benachbarten Dünndarmschlingen gewöhnlich leicht 
zu unterscheiden. Auf den Röntgenbildern ist er an seiner charakteristischen, gedrungenen, 


u nn rn a a 


1) P. Schiefferdecker. Beiträge zur Topographie des Darmes. Archiv für Anatomie und Ent- 
wicklungsgeschichte 1886, Seite 335. 


152 Rieder. 


ampullenförmigen Gestalt und seinen abgerundeten Haustren zu erkennen; doch ist weder die 
in dasselbe einmündende Ileocoecal-Klappe (Valvula coli s. Bauhini) noch der Wurmfortsatz des 
Coecum auf radiographischem Wege sichtbar zu machen. 

Das Coecum ist meist deutlich gegen das Colon ascendens abgesetzt, indem die 
Grenzfurche dieser beiden Darmabschnitte auf Röntgenbildern in der Regel gut zu unter- 
scheiden ist. 

Mitunter trifft man das Coecum verlängert oder es zeigt Umknickungen und Um- 
biegungen. So fand Curschmann!) dasselbe nach oben ungeschlagen, so dass es ein ent- 
sprechendes Stück des Colon ascendens tiberdeckte. Auch hat man es schon, zusammen mit 
dem Colon ascendens einen beweglichen, medianwärts liegenden Tumor bildend, gelegentlich 
eines operativen Eingriffes angetroffen (v. Angerer). Infolge von kongenitaler Verkürzung 
des Colon ascendens kann der Blinddarm, welcher ursprünglich in unmittelbarer Verbindung 
mit dem Colon transversum steht, auch bis zur Leber hinaufrücken. 

Neben dem Colon ascendens gilt das Coecum als eines der am meisten beweglichen 
Teile der Bauchhöhle, da es durch das hier bandartig gestaltete Peritoneum nur lose in der 
fossa iliaca dextra befestigt ist. 

Das Coecum mit angrenzendem Colon ascendens stellt bei mässiger Füllung mit 
Chymus auf Röntgenbildern einen gleichmässig weiten, nach unten zu abgerundeten Cylinder 
mit einzelnen queren, den Haustren entsprechenden Einschnürungen (Fig. 3, 11, 12, 13, 16, 
17) dar. | 


Das der Regio lumbalis und hypochondriaca dextra angehörende Colon ascendens 
beginnt wie erwähnt an der Grenzfurche des Coecum, steigt in der Regio lumbalis und hypo- 
chondriaca ziemlich vertikal zur unteren Fläche der Leber auf und reicht bis zur Flexura coli 
dextra. Es tritt in der Nähe der Gallenblase nach vorne, macht hier eine starke Biegung, 
die Flexura coli dextra, um sich dann nach links zu wenden und so in das Colon transversum 
überzugehen. Es findet sich zwar in situ meist von Diinndarmschlingen überlagert, dieselben 
sind aber auf den Röntgenbildern gewöhnlich nicht siehtbar — vielleicht werden sie durch 
das gefüllte Colon zur Seite gedrängt. | 

Das Colon ascendens kann erfahrungsgemäss bei starker oder abnormer Entwicklung 
des Gekröses bedeutende Verlagerung zeigen. doch wird Schlingenbildung mit Axendrehung 
hier nur sehr selten beobachtet. 


Als Flexura coli dextra bezeichnet man allgemein den Winkel, m dem sich das 
Colon ascendens abknickt. Diese Abknickung ist auf Röntgenbildern sehr deutlich zu sehen, 
wenn auch nicht immer vollständig, da die Flexur gewöhnlich von der Leber teilweise über- 
deckt wird. 


Das von der Gallenblase bis zur Milz sich erstreckende und durch die Verbindung 
mit der Flexura coli sinistra einerseits und der Flexura coli dextra andererseits etwas fixierte und 
ausserdem durch das Ligamentum gastrocolicum an den Magen geheftete Colon transversum 
ist durchschnittlich '/, m lang, oft auch länger oder kürzer. Es verdient wegen seiner wenigstens 
beim Erwachsenen meist von der Horizontalen abweichenden Verlaufsrichtung seinen Namen 
nicht. Vom grossen Netz, welches das Colon transversum ebenso wie die Mehrzahl der Dünn- 
darmschlingen überdeckt, ist natürlich auf Röntgenbildern nichts zu sehen. 

Das Colon transversum nimmt, der Krümmung der grossen Curvatur des Magens fol- 
gend, eine von rechts nach links meistens steil ansteigende Richtung, indem es vom rechten 
Hypochondrium durch den oberen oder den unteren Teil der Regio umbilicalis nach dem linken 


1) H. Curschmann, Topographisch-klinische Studien, Deutsches Archiv für klinische Medicin, 
Band 53, 1894, S. 1 u. ff. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 158 


Hypochondrium bis zur Milz verläuft und zwar meist in einem leichten Bogen, dessen Kon- 
vexität, besonders bei herabhängendem Magen, nach unten gerichtet ist, also von der Regio 
hypochondriaca dextra durch den oberen Teil der Regio umbilicalis zur Regio hypochondriaca 
sinistra. Der Bogen liegt mit seinem linken Ende (Flexura coli sinistra) meist viel höher als 
mit seinem rechten (Flexura coli dextra), offenbar da das linke Ende des Quercolons durch die 
Milz weniger behindert ist als das rechte Ende desselben durch die Leber. 

Beim Colon transversum, das in der Norm einen gewissen Schutz gegen die Entstehung 
einer Gastroptose bildet, sind Abnormitäten in Bezug auf Lage und Form besonders häufig. 
Oft bildet dasselbe — namentlich bei Frauen — eine in die Bauchhöhle, ja bis ins kleine 
Becken herabhängende Schlinge, so dass dadurch der Zwischenraum von einer Flexur zur andern 
erheblich verkürzt wird; zuweilen zeigt es doppelte Schlingenbildung oder mehrere schwächere 
Biegungen. Auch eine grosse, die Vorderfläche der Leber überragende Schlinge kann dasselbe 
bilden (Curschmann), welche sich nach oben bis gegen die Herzgrube erstrecken kann, be- 
sonders wenn eine oder beide Flexuren fehlen. Variationen im Verlaufe dieses Darmstiickes 
sind überhaupt sehr häufig. So behauptet Cohan!), dass gar kein Normaltypus des Quercolons 
besteht und dass dasselbe in allen Teilen der Bauchhöhle sich vorfinden kann. Gerard (l.c.) 
beschreibt V, U, W, M und S-Formen des Colon transversum. (In unseren Abbildungen zeigen 
Fig. 4, 23, 29 eine V-Form, Fig. 27 eine W-Form, Fig. 30 eine S-Form). Doch dürfen Lage- 
abweichungen des Colon transversum ebensowenig wie die Vertikalstellung des Magens der 
Enteroptose in die Schuhe geschoben werden. Die Füllung des Colon transversum ist auf 
dessen Lage und Ausdehnung nicht von grossem Einfluss. So zeigt dasselbe bei ein und der- 
selben Person das eine Mal bei geringerer Füllung (wismuthaltige Nahrung), das andere Mal 
bei stärkerer Füllung (wismuthaltiger Einlauf) die gleichen topographischen Verhältnisse. 

Zum Magen kann das Colon transversum in einem sehr verschiedenen Verhältnisse 
stehen, je nach dem verschiedenen Füllungszustande der beiden Organe. 

Die Haustren treten am Colon transversum deutlicher und charakteristischer hervor 
als an irgend einem andern Dickdarmabschnitte; von den dreifachen Kolonnen derselben sind 
aber auf Röntgenbildern nur eine oder zwei zu sehen. 

Das Colon transversum biegt unter spitzem Winkel in das Colon descendens ein. Die 
hierdurch gebildete Flexura coli sinistra s. splenica ist (durch das Ligamentum splenico- 
colicum) viel besser fixiert als die rechte Flexur. Der Winkel, in dem Colon transversum und 
descendens in dieser Flexur ineinander übergehen, ist gewöhnlich viel spitzer als der der rechten 
Flexur und man sieht, dass das zur Flexur aufsteigende und das von ihr herabkommende 
(nach rückwärts ziehende) Darmstück sich teilweise decken. Im Gegensatz zur rechten Flexur 
ist die linke meist sehr hoch gelegen. Sie verläuft über das untere Ende der linken Niere 
zur linken Fossa iliaca und reicht auch weiter nach hinten als die rechte Flexur. 

Curschmann (l.c.) hat schlingenartige Vergrösserungen der rechten wie der linken 
Flexur beobachtet, wie überhaupt Ausdehnungen der linken Flexur und des Colon transversum 
viel häufiger sind als Ausdehnungen des Magens. Doch sind Axendrehungen am Quercolon 
und an den Flexuren viel seltener als an andern Dickdarmpartien. 


Nach Bildung der linken Flexur steigt der Dickdarm als Colon descendens, welches 
meistens viel länger ist als das Colon ascendens, links lateralwärts durch die Regio lumbalis 
und hypochondriaca herab. Das Colon descendens ist von Dünndarmschlingen bedeckt, und 
man sieht auf dem Röntgenbilde, dass in der von ihm eingenommenen Region während der 
Dünndarmverdauung schwach gefüllte Darmschlingen liegen. 


In der linken Darmbeingrube geht das Colon descendens in das sehr bewegliche, mit 


S-förmiger Krümmung versehene Colon sigmoideum (Flexura sigmoidea, S-Romanum) über. 


1) E. Cohan, Recherches sur la situation du colon transverse, Thèse de Paris, 1898 Nr. 178, 5 pl. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. VIII. 20 


154 Rieder. 


Der vom Colon descendens nach abwärts steigende Schenkel des letztgenannten Darm- 
abschnittes heisst Colonschenkel, das zum Rectum ziehende Endstück desselben, welches über 
die Lendenwirbelsiiule nach dem Kreuzbein zu verläuft, Rectumschenkel. Die Flexur, welche 
durch das Colon sigmoideum gebildet wird, erstreckt sich in der Regel in das kleine Becken, 
kann aber auch in die Bauchhöhle aufsteigen. In letzterem Falle biegt es sich stark nach 
rechts, um dann erst zum kleinen Becken zurückzukehren. 

Engel!) sagt schon, dass bei allseitiger Ausdehnung das S Romanum die Form eines 
zylindrischen, nur hier und da leicht eingeschnürten Schlauches habe und wenn nur einzelne 
Partien ausgedehnt seien, so zeigten diese nicht selten eine fast kugelartige Form. Häufig 
wird auch Hochlagerung des ausgedehnten S Romanum beobachtet, welche dann häufig die 
Ursache von Axendrehungen ist. 

Das Colon sigmoideum kann sogar die Mittellinie überschreiten, ja sich bis zum Coecum 
oder gar bis zur Leber erstrecken. Die Lage des Colon sigmoideum ist übrigens in hohem 
Grade abhängig von der des Colon transversum und descendens, ja die Anatomen nehmen an, 
dass von allen Darmabschnitten das Colon sigmoideum neben dem Colon descendens den 
grössten Variationen in Bezug auf Lage und Form unterworfen ist. 

Auch Volvulus ist hier sehr häufig zu beobachten. 

Sind die Dünndarmschlingen stark ausgedehnt, so findet man (nach Engel) das 
S-Romanum in dem Beckenwinkel vor der linken Synchondrosis sacro-iliaca. 

Das S-Romanum bildet ja gewöhnlich eine einfache, unregelmässige Schleife, doch 
kann man an demselben häufig auf Röntgenbildern den Colonschenkel und Mastdarmschenkel 
voneinander unterscheiden. Bei der grossen Häufigkeit der am S-Romanum vorhandenen 
Anomalien hat aber die Berücksichtigung des Röntgenbildes hier keine besondere praktische 
Bedeutung. 


Der Mastdarmschenkel des Colon sigmoideum geht in der Gegend des Promontorium 
direkt in den nach dem Damm zu verlaufenden Mastdarm über. Derselbe, die unterste 
Abteilung des Darmkanals, liegt ganz in der Beckenhöhle und erreicht mit dem Anus sein 
Ende. Er ist glatt und zylindrisch, ohne Haustren und ohne Taenien, 15—20 cm lang; er 
macht zwei Biegungen in sagittaler und meist ebensoviel in frontaler Ebene. 

Oberhalb seiner Ausmündung befindet sich eine starke Erweiterung, die Ampulla recti. 

Auf dorsoventralen Bildern, welche bei unsern Untersuchungen ausschliesslich zur Ver- 
wendung kamen, wird das in den hinteren Partien des Beckens gelegene Colon sigmoideum 
und Rectum ziemlich weit unter die Symphyse projiziert. — 


Die Bestimmung der Lage des Dickdarmes kann, wie in Folgendem gezeigt 
werden soll, auch ganz gut durch Massnahmen vom Rectum aus erfolgen. 

Dieselbe geschah bisher gewöhnlich durch Einblasen von Luft ins Rectum mittels 
eines Doppelgebliises oder nach der Empfehlung von Boas durch Vornahme eines Einlaufes 
ins Rectum und Bestimmung des Plätscherbezirkes. Diese Methoden geben indessen nur un- 
genügende Resultate, da die einzelnen Darmabschnitte auf diese Weise nicht sicher unter- 
schieden werden können. 

Die topographischen Verhältnisse des Darmes, speziell des Dickdarmes, können, wie 
oben gezeigt, durch Darreichung wismuthaltiger Nahrung, noch besser aber durch die in 
neuester Zeit geübte Eingiessung wismuthaltiger Flüssigkeiten in das Rectum (nach 
gründlicher Entleerung des Darmes) studiert werden. Man sieht auf Radiogrammen (Fig. 27, 
28, 29, 30), die im Anschluss an derartige rektale Infusionen aufgenommen wurden, die ge- 
füllten Dickdarmschlingen mit ihren Haustren geradezu plastisch hervortreten. 


1) Engel, Einige Bemerkungen über Lageverhältnisse der Baucheingeweide im gesunden Zu- 
stande, Wiener medizin. Wochenschr. 1857 Nr. 30—40. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 155 


Stegmann!) und Schiile*) haben zuerst auf diese Methode aufmerksam gemacht 
und dieselbe zur allgemeinen Anwendung empfohlen. Schüle läugnet (wohl mit Recht) gleich 
Boas die Passierbarkeit des Colon sigmoideum durch Sonden und ihr Vordringen bis zum 
Colon transversum, da sie sich bei weiterem Vorschieben in der Mastdarm-Ampulle nur aufrollen. 

Die einzige zuverlässige Kontrolle der Sondierung und des Vordringens der infundierten 
Flüssigkeit im Dickdarme besteht in der Radiographie und gerade bei Verwendung dieser Methode 
hat Schüle gezeigt, dass die Sonde sich meistens schon in der Rectum-Ampulle aufrollt und 
dass bei weiterem Vordringen der Sonde nur ein Ausweiten und Empordrängen des S-Romanum 
stattfindet, weshalb das Colon descendens oder gar das Colon transversum nie erreicht werde. 

Dass selbst gewöhnliche rektale, in Rücken- oder Seitenlage ausgeführte Einlänfe bei 
weiterem Vorschieben der Sonde die Bauhin'sche Klappe leicht erreichen, ja sogar überschreiten 
können, zeigen die Röntgenbilder (Fig. 27 mit 30) ganz deutlich. In Übereinstimmung mit 
diesem Befunde steht auch die Thatsache, dass man zuweilen nach Klystieren eine Entleerung 
derselben durch Erbrechen beobachtet hat. 

Man sieht hieraus, dass zur Ausspülung des Dickdarmes mit Flüssigkeit durchaus 
keine so hohen, unter besonderen Vorkehrungen ausgeführten Einläufe nötig sind. Auffällig 
ist die Thatsache, dass in den von uns beobachteten Fällen (siehe die Protokolle r—z) bei 
rektaler Infusion die Flüssigkeit fast niemals ins Coecum übertrat; offenbar stellt die Ileocoecal- 
Klappe, worauf wohl Nothnagel zuerst aufmerksam gemacht hat, sich der andrängenden 
Flüssigkeit meistens erfolgreich entgegen. | 

Nach Eingiessung wismuthaltiger Flüssigkeit (Wasser oder Milch oder Öl) giebt uns 
das Röntgenbild Aufschluss nicht bloss über die Lage, sondern auch über die Ausdehnung, bez. 
Weite des Dickdarmes, da wir auf dem Radiogramm die Konturen der einzelnen Darm- 
schlingen gut unterscheiden können. 

Wir erkennen also nach Wismuteinläufen mit Sicherheit, wieweit die Flüssigkeit im 
Dickdarm vorgedrungen ist, auch lassen sich etwaige Lageveränderungen des Dickdarmes auf 
diese Weise eruieren. 

Die Belastung des Darmes durch ein grösseres Clysma erzeugt übrigens keine Enterop- 
tose, wie man vielleicht annehmen könnte. Darüber belehrt ein Vergleich von Darmbildern, 
die nach innerlicher Darreichung von Wismutbrei und nach rektaler Infusion von 11 wismut- 
haltiger Flüssigkeit vorgenommen wurden. Betreffs der einzelnen instruktiven, auf Röntgen- 
bildern erkennbaren Details muss auf die nachstehend protokollierten Untersuchungen sowie 
auf die zugehörigen Illustrationen (Fig. 27 mit 30) hingewiesen werden. 


B. Physiologisches. 


Wie die Topographie der Verdauungsorgane, so kann auch die motorische Funktion 
derselben durch das Röntgenverfahren einer systematischen Untersuchung unterzogen werden. 

Die motorische Magen- und Darmfunktion an Tieren wurde bisher meistens im Zu- 
stande der allgemeinen Narkose studiert und zwar im Kochsalzbade, nach Eröffnung der Bauch- 
höhle. Seltener wurden Magen- oder Darmfisteln angelegt oder ein isolierter kleiner Magen 
(Pawlow)?) und nach der Ausheilung eine diesbezügliche Untersuchung vorgenommen. 


1) Stegmann, Eine neue Darstellungsart des Gangsystems des menschlichen Körpers mittels 
Röntgenstrahlen. Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft, Freiburg i. Br. und Verhandlungen 
des Chirurgenkongresses zu Berlin, Pfingsten 1903. | 

2) Schüle, Uber die Sondierung und Radiographie des Dickdarmes. Archiv für Verdauungs- 
krankheiten, Bd. X Heft 2, Berlin 1904 und Sitzung des Vereins Freiburger Arzte vom 29. Januar 1904 
(Autoreferat. Münchener medizin. Wochenschr. 1904 No. 16). 

5) J. P. Pawlow, Die Arbeit der Verdauungsdrüsen. Deutsche Ausgabe, besorgt von A. Walter 
(J. F. Bergmann, Wiesbaden). 1898. 

20 * 


156 Rieder. 


Derartige vivisektorische und chirurgische Eingriffe, welche für den mechanischen Ab- 
lauf der Verdauung gewiss nicht gleichgültig sind, suchten zuerst Cannon (Boston)'), dann 
Roux und Balthazard (Paris)*), endlich Kraus (Karlsbad)°) auszuschliessen, indem sie an 
intakten Fröschen, Mäusen, Meerschweinchen, Katzen und Hunden radioskopische und radio- 
graphische Versuche anstellten, nachdem sie diesen Tieren Bismutum subnitricum unter das 
Futter gemischt hatten. Ja Roux und Balthazard haben sogar versucht, auf dem Leucht- 
schirm den menschlichen Verdauungsmechanismus zu kontrollieren, allerdings ohne in diesem 
letzteren Falle zum gewünschten Ziele zu gelangen. 

Zweifellos stellen die Versuche der genannten Forscher eine Bereicherung der physio- 
logischen Untersuchungstechnik dar und verdienen sowohl aus diesem Grunde gewürdigt und 
in erweitertem Massstabe nachgeprüft zu werden, als auch deswegen, weil auf diesem Wege 
auch die verschiedenen Verdauungsphasen gut studiert werden können. 

Die im Folgenden geschilderten Versuche dürften den Beweis liefern, dass man mit 
Hilfe des Röntgenverfahrens einen schönen Einblick in die motorische Thätigkeit des Magens 
und Darmes auch beim Menschen erhalten kann. 


1. Magen-Motilität. 


Was zunächst die motorische Funktion des Magens anlangt, so haben in jüngster 
Zeit besonders die Arbeiten von v. Mering und von Moritz nach dieser Seite hin aufklärend 
gewirkt und speziell die grosse Bedeutung des Magens als Schutzorgan für den Darm, speziell 
den Dünndarm, klargelegt. 

Es zeigte sich, dass dem Darm eine viel grössere Verdauungsthätigkeit zukommt als 
dem Magen; denn eine Resorption von Fett findet im Magen gar nicht, von Eiweiss und 
Kohlehydraten nur in sehr geringem Grade statt. Dementsprechend ist die motorische Thätigkeit 
des Magens bei Einfuhr dieser Nahrungsstoffe nicht die gleiche, d. h. Fett, z. B. Öl, wird er- 
fahrungsgemiiss langsamer aus dem Magen entleert, als andere Nahrungsstoffe. 

Von grossem Einfluss auf die Motilität des Magens ist ausser der chemischen auch 
die mechanische Beschaffenheit (die Konsistenz) der Nahrung, insofern Verkleinerung 
derselben die Motilität wesentlich erhöht. Die letztere wird auch beschleunigt durch inner- 
liche und äusserliche Anwendung von ‘Wärme, z. B. warme Getränke und warme Leib- 
unschläge. 

Die Motilität des Magens wird aber noch von verschiedenen anderen Faktoren 
beeinflusst, so von dem jeweiligen Zustande des Nervensystems, von körperlichen Bewegungen 
u. s. w. Bekannt ist auch der verlangsamende Einfluss, welchen die Menstruation auf die 
Magen-Verdauung ausübt. 

Endlich Kohlensäure regt erfahrungsgemäss die Magenperistaltik stark an, ohne (nach 
Moritz) die Austreibung zu beschleunigen. 

Beobachtungen über Magenentleerung nach Einnahme verschiedener Nahrungsstoffe 
müssen auf Grund der genannten Einflussnahme verschiedener Faktoren unter möglichst gleichen 
Bedingungen angestellt werden. 

Schliesslich sind auch die anatomischen Verhältnisse des Magens selbst von grossem 
Einfluss auf die Magen-Motilität, insofern namentlich bei den Formen von Gastroptose, die 


1) W. B. Cannon, The movements of the stomach studied by means of the Röntgen rays, 
American Journal of Physiol. Bd. I, pg. 359 u. ff. 1898. 

Derselbe: The movements of the intestines, studied by means of the Röntgen rays, Journ. of 
the medical Research. Jan. 1902. S. 72. 

2) Roux et Balthazard, Etude du fonctionnement moteur de l'estomac à Paide des rayons de 
Röntgen. Arch. de physiol. 1898. pg. 85. 

3) O. Kraus, Radiographische Verdauungsstudien, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgen- 
strahlen. Bd. VI Heft 6 S. 252 u. ff. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 157 


mit Schlingenform der pars pylorica einhergehen, eine mechanische Behinderung der Magen- 
entleerung zu erwarten ist, sowie bei Magen-Ectasie, wo infolge der muskulären Insufficienz 
eine Störung der Motilität die Regel ist. | 

Ferner wurde der Pylorus als der eigentliche Motor des Magens aan und fest- 
gestellt, dass die Überführung der Ingesta vom Magen in den Darm nur in kleinen Portionen 
erfolgt. Da nun durch Flüssigkeiten, wie v. Mering und Moritz nachgewiesen haben, die 
rhythmische Thätigkeit des Pylorus sehr rasch angeregt wird, verlassen diese rascher den 
Magen als konsistentere Nahrungsstoffe. 

Wasser (in einer Menge von 300—400 ccm) verlässt nach den Beobachtungen von 
Moritz bei Hunden schon innerhalb 20—30 Minuten den Magen, beim Menschen (in einer 
Menge von 500 ccm genossen) in */,—*/, Stunde bis auf einen kleinen Rest. Viel langsamer 
als Wasser verlässt Bier den Magen. 

Der Pylorus gestattet aber nur in Intervallen den Durchtritt des Chymus, indem der- 
selbe nur erfolgen kann, wenn die tonische Kontraktion der sphinkterartig wirkenden Ring- 
muskulatur nachlässt. Hingegen kommt die rythmische Entleerung des Magens zum Stillstand, 
wenn der Dünndarm stark gefüllt ist, um einer Überfüllung des letzteren vorzubeugen. Dieser 
regulatorische, bezw. hemmende Einfluss des Darmes auf die Pylorus-Muskulatur kommt in 
Wegfall bei Darmfistelfunden und deshalb beobachtet man hier auch besonders rasche Ent- 
leerung des Magens. 

Da die Aufenthaltsdauer einer Speise im Magen einen Anhaltspunkt für deren Magen- 
verdaulichkeit giebt, so bietet die erstere ein grosses, physiologisches Interesse. 

Aber auch der Kliniker muss die Motilität des Magens als eine der wichtigsten 
Funktionen dieses Organes wohl berücksichtigen. 

Von den bisher angewandten Methoden zur Motilitätsprüfung des Magens hat 
sich nur die zuerst von v. Leube angegebene, d. h. einige Stunden nach Verabreichung einer 
Probemahlzeit den Magen auszuhebern, als praktisch brauchbar erwiesen. 

Sofort nach Zufuhr der Nahrung beginnt die Austreibung derselben. Doch weichen 
die Angaben verschiedener Forscher hinsichtlich des beendigten Übertrittes von Ingesten in den 
Darm wesentlich voneinander ab. 

v. Leube nimmt an, dass ein gesunder Magen längstens in 6—7 Stunden die nicht 
in übermässiger Menge eingeführte Nahrung in den Darm zu befördern vermag. 

Pentzoldt hat im Verein mit mehreren seiner Schüler die Aufenthaltsdauer der ver- 
schiedensten Speisen im Magen unter Anwendung der Magensonde bezw. der Ewald'schen 
Expressions-Methode geprüft und bei Einnahme mässiger Mengen von Flüssigkeit 1—3 Stunden, 
bei festen Speisen nie über 5 Stunden Aufenthaltsdauer im Magen festgestellt. 

Verfasser bat sich nun davon überzeugt, dass auch die Röntgen-Untersuchung als 
eine brauchbare Methode zur Motilitätsprüfung des Magens anzusehen ist. 

Um diese Behauptung zu beweisen, muss zunächst die Frage erörtert werden, ob dem 
zu derartiger Prüfung verwendbaren basisch-salpetersauren Wismut ein besonderer 
Einfluss auf die Magenverdauung, speziell die motorische Thätigkeit, zukommt. Das scheint 
aber nicht der Fall zu sein; denn Schüle (l. c.) hat nachgewiesen, dass zwar durch grössere 
Wismutdosen die Sekretion der Magensäure herabgesetzt, aber die Motilität des Magens und 
die Verdauung selbst nicht verändert wird. 

Schüle fand bei Verabreichung von Mehl- oder Kartoffelbrei (400 g) eine Magen- 
verdauung von durchschnittlich zweistündiger Dauer; auch bei Zusatz von Wismutpulver 
(ca. 7 g) zum Probefrühstück ergab sich keine Verzögerung (sondern sogar eine leichte Er- 
höhung) der Motilität. 

Bei der Prüfung der Magen-Motilität auf radiographischem Wege erhält 
man, wie meine bis jetzt allerdings noch nicht sehr zahlreichen Versuche ergeben, ungefähr die- 
selben Werte wie mit Hilfe der Ausheberungsmethode. 


158 Rieder. 


Ein Beispiel (Protokoll h) möge diese Behauptung veranschaulichen! 


Anna P., 35 Jahre alt, erhält eine Probemahlzeit, bestehend aus Beefsteak und Kartoffelbrei. 
Nach 6 Stunden, wird bei der Ausheberung der Magen leer befunden und bei der Ausspülung werden 
nur Spuren von Speiseresten gefunden. Tags darauf dieselbe Probemahlzeit, mit 2 Esslöfel Wismut- 
pulver. Die darnach vorgenommene Aufnahme (Fig. 20) ergiebt vertikalen Magen, Pars cardiaca „His“ 
und Corpus gut geschieden. Nach drei Stunden hat der grösste Teil der Speisen den Magen verlassen, 
nach 6 Stunden ist der Magen vollständig lcer und der Chymus im Dünndarm und in den Anfängen des 
Dickdarmes zu finden. 

Nur dann, wenn vor Ablauf der für die Magenverdauung gültigen Zeitperiode Flüssig- 
keiten oder konsistentere Nahrung nachgenommen wurde, wie dies in den meisten der nach- 
stehend protokollierten Untersuchungen der Fall war, konnte wismuthaltiger Chymus noch bis 
zu 12 Stunden nach Zufuhr des wismuthaltigen Speisebreies radiographisch nachgewiesen werden. 
(Siehe Fig. 2, 11, 16.) Zudem kamen hier sehr grosse Mengen von Brei (ca. 400 g) und 
Wismutsalz (ca. 40 g) zur Einführung. 

Durch unsere Röntgenbilder wird die oben erwähnte Beobachtung von v. Mering 
und Moritz bestätigt, dass die Entleerung des Magens successive erfolgt, d. h. sein Inhalt nimmt 
nur allmählich ab, wie ja bekannt ist, dass von Zeit zu Zeit ein Teil des verflüssigten Chymus- 
breies unter Eröffnung des Pylorus in das Duodenum übertritt. 

Es hat sich ferner gezeigt, dass die Entleerung des Magens nach dem Genuss von 
Flüssigkeiten, z. B. Milch, eine viel raschere war als nach der Zufuhr fester bezw. breiartiger 
Speisen — eine Bestätigung der von Moritz u. a. gemachten diesbezüglichen Angaben. 

Dass durch die stärkere Anfüllung des Magens dessen spezifische Entleerungs- 
geschwindigkeit gesteigert wird, zeigte sich in allen Fällen unserer Beobachtung, indem der 
Mageninhalt im Anfang viel rascher abnahm als in den späteren Stunden. Ein kleiner Nahrungs- 
rest ist oft lange Zeit im Magen nachzuweisen. 

An den verschiedenen Abschnitten des Magens lassen sich, wie nochmals betont werden 
soll, während der Verdauungstitigkeit desselben von Kontraktion seiner Wand herrührende 
Einkerbungen derselben — namentlich bei peristaltischer Unruhe des Magens — auf radio- 
logischem Wege nachweisen. — 

Das Röntgenverfahren ermöglicht ziemlich genau eine Differenzbestimmung zwischen 
der in den Magen eingeführten und der eine gewisse Zeit nachher noch in ihm befindlichen 
Nahrungsmenge. 

Wenn auch die fast beständige Sekretion des Magens bier mit in Betracht gezogen 
werden muss, so kann doch die Frage, wie lange nach Aufnahme gewisser Speisen der Magen 
noch belastet bleibt, durch eine radiographische Aufnahme sicher entschieden werden. 

Auch kann auf diese Weise die bisher angewandte, nicht immer ausführbare Unter- 
suchungsmethode mit Hilfe des Magenschlauches in geeigneten Fällen durch das Röntgen-Ver- 
fahren ersetzt werden. 

Bei Patienten, wo die Einführung der Schlundsonde aus irgend einem Grunde nicht 
angängig ist, kann die Motilität des Magens auf diese Weise leicht und sicher kontrolliert 
werden, nicht aber natürlich die bei der Verdauung sich abspielenden chemischen Vorgänge. 
Bei Einfuhr von Kohlehydrat- und Eiweisskost wird die Motilität gleich befunden (Proto- 
koll a, b, c, Versuch I—II), bei Fettnahrung ist sie wahrscheinlich herabgesetzt. 

Das hohe spezifische Gewicht der wismuthaltigen Nahrung scheint also auf den Ab- 
lauf der Magenverdauung nicht verlangsamend einzuwirken, was sich ja auch daraus ersehen 


lässt, dass im Beginn der Magenverdauung — wie nach Darreichung gewöhnlicher wismutfreier 
Nahrung — eine sehr rasche Abnahme des Mageninhalts erfolgt. 


Das Wismutsalz bleibt auch nicht, wie wir das im Darm beobachten können, in den 
Falten der Schleimhaut längere Zeit haften. Der wismuthaltige Nahrungsrest ist vielmehr stets 
am tiefsten Punkt des Magens zu finden und nimmt stetig, wenn nicht neuerdings Nahrung 
per os zugeführt wird, an Grösse ab. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 159 


Dabei bleiben Nahrungsstoffe und basisch salpetersaures Wismut während ihres 
Aufenthaltes im Magen und Darmkanal — wahrscheinlich infolge der sich stetig wiederbolenden 
peristaltischen Bewegungen — gut gemischt, wie man aus der gleichmässigen Absorption der 
Röntgenstrahlen seitens des wismuthaltigen Chymus in allen Regionen des Magens und Darmes 
zu verschiedenen Beobachtungszeiten ersehen kann. 


2. Darm-Motilität. 


Die zur Weiterbeférderung und Mischung des Darminhaltes so notwendige Darm- 
bewegung ermöglicht dem Speisebrei die verschiedenen Verdauungssäfte zuzuführen und eine 
Wechselwirkung zwischen Nahrungsbestandteilen und Verdauungssäften zu erzielen. 

Während wir über die motorische Tätigkeit des Magens verhältnismässig gut 
unterrichtet sind, wissen wir nur sehr wenig über die motorische Tätigkeit der einzelnen 
Darmabschnitte. 

Zur Beobachtung des zeitlichen und örtlichen Ablaufes der Darmverdauung waren die 
Physiologen bisher auf die Beobachtung der freigelegten Därme an Tieren angewiesen. 

Auf diese Weise erst wurde festgestellt, dass bei dem in Verdauungstätigkeit befind- 
lichen Darme die peristaltischen Bewegungen ein grosses Darmstück entlang wellenförmig 
vor sich gehen. Ä 

Die Verdauungsvorgänge im menschlichen Darmkanal sind aber wie die im Magen 
sich abspielenden auf radiologischem Wege wohl zu kontrollieren! Doch ist beim Studium des 
zeitlichen Ablaufes der Dickdarmverdauung zu berücksichtigen, dass das hierzu unentbehrliche 
Bismutum subnitricum obstipierend wirkt und dass wahrscheinlich noch wismuthaltiger Chymus 
in den Haustren abgelagert ist, wenn schon später eingenommene wismutfreie Nahrung den 
Dickdarmkanal passiert. 

Um die Motilität der einzelnen Darmabschnitte zu prüfen, ist der Darm vor der 
Darreichung wismuthaltiger Nahrung möglichst zu entleeren! 

Die Dünndarmschlingen sind nicht bloss deshalb, weil sie nur wenig (flüssigen) Inhalt 
führen, schwer auf dem Röntgenbilde zu erkennen, sondern auch weil sie die Nahrungsbestand- 
teile rasch passieren lassen und deshalb oft ein etwas verschwommenes Bild auf der photo- 
graphischen Platte geben. Die Beweglichkeit am Dünndarm ist ja eine sehr viel lebhaftere 
als am Dickdarm; denn während unter normalen Verhältnissen der Inhalt des letzteren diesen 
in 20—24 Stunden passiert, wird der Weg durch den sehr viel längeren Dünndarm in 
2—6 Stunden zurückgelegt. 

Die Schnelligkeit des Durchganges des Chymusbreies durch den Dünndarm hat man 
übrigens auch an Darmfisteln des Menschen beobachtet und konstatiert, dass frühestens 
zwei Stunden nach Einnahme von Nahrung der Chymusbrei die Grenze des Dickdarmes erreicht. 
Auf Röntgenbildern (Fig. 9, 10, 15, 22) zeigt sich auch, dass für gewöhnlich schon nach 
3—4 Stunden die Nahrung im Dickdarm angetroffen wird. 

Abweichungen von diesen Befunden lassen sich radiographisch leicht nachweisen, 
z. B. bei Enteroptose, wo mitunter nach 12 Stunden erst Spuren von Speisebrei im Dickdarm 
nachzuweisen sind. 

Wenige (d. h. 3—4) Stunden naclı einer bestimmten Nahrungsaufnahme ist unter 
normalen Verhältnissen die zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeführte Nahrung gleichzeitig 
im Magen, im Dünndarm und im Dickdarm anzutreffen. 

Über die jeweilige Beteiligung der einzelnen Darmabschnitte an der Verdauung gibt 
in jedem einzelnen Falle das Réntgenhild genauen Aufschluss, indem der Blinddarm, das Colon 
ascendens und descendens und namentlich das Colon transversum mit seinen charakteristischen 
Haustren auf derartigen Bildern mit aller Deutlichkeit auf der -photographischen Platte 
zu erkennen sind. 


160 Rieder. 


Nach Zufuhr der mit Bismutum subnitricum vermengten Nahrungsstoffe war es stets 
auffällig, dass dieselben sehr lange im Coecum verblieben, gleichgültig ob eine vorwiegend 
aus Eiweiss oder aus Kohlehydraten bestehende Nahrung gereicht wurde. 

Es wäre interessant zu prüfen, wie sich Vegetabilien in dieser Beziehung verhalten 
und ob nicht vielleicht die ın jüngster Zeit so gesteigerte Ausbreitung des Vegetarianismus die 
Ursache der jetzt sich auffällig häufenden Blinddarmentzündungen ist. (Gerade bei Herbivoren, 
z. B. bei Kanichen, ist ja der Chymus lange Zeit hindurch im Blinddarm anzutreffen, so dass 
man oft den übrigen Darm leer findet und nur im Blinddarn Speisebrei antrifft.) 

Angestaute Kotmassen findet man sehr häufig ausser im Coecum und Colon ascendens 
auch im S Romanum und natürlich auch im Rectum. An den Umbiegestellen des Qucerolons, 
d. h. in der rechts- und linksseitigen Flexur, welche gewissermassen die Aufhängepunkte der 
Colonguirlande „bilden, sammeln sich mit Vorliebe Gase an, wie man auch auf den Röntgen- 
bildern (Fig. 15, 18 u.s. w.) an diesen Stellen lufthaltige Partien fast stets erkennen kann. In 
der That sind häufig gewisse Schmerzensäusserungen an Darmstörungen leidender Personen 
durch Gasansammlung in einem oder beiden Hypochondrien bedingt. 

Der Darminhalt wird nicht immer in einer kontinuierlichen Säule fortbewegt (Fig. 23 
mit 26), wie dies ja auch Kraus (l. c.) in seinen Froschversuchen schon beobachtet hat. 

Auf Röntgenbildern erwachsener Personen sieht man, dass der Darminhalt nur lang- 
sam und allmählich weiter befördert wird, und dass nicht alle Darmschlingen gleichzeitig 
gefüllt sind, wenn der Speisebrei einerseits schon bis zum Dickdarm vorgedrungen ist und anderer- 
seits noch teilweise im Magen sich befindet. Es wird eben anscheinend in regulatorischer 
Weise soviel aus dem Magen in den Darm befördert, als dieser verarbeiten kann; weshalb nie- 
mals ein beträchtlicher Inhalt des Dünndarms nachzuweisen ist, und auch im Dickdarm erfolgt 
manchmal streckenweise Stillstand der Darmbewegung, indem zwischen grösseren gefüllten 
Dickdarmabschnitten einzelne Strecken des Colon leer von Speiseresten befunden werden. 
(Fig. 12, 13 u. s. w.) 

Beim Menschen trifft man die ersten Schlingen des Dünndarmes sogar meistens leer 
an, daher der dem Duodenum sich unmittelbar anschliessende Teil des Dünndarmes von 
Alters her „Jejunum“ d. h. Leerdarm, benannt worden ist. 

Lage-Anomalien des Darmes sind wahrscheinlich von ebenso grossem Einfluss auf 
die Fortbewegung des Darminhaltes, wie solche des Magens für die Magenmotilität. Besonders 
ein stiirkeres Herabsinken des Colon transversum, wobei es oft zu scharfer, winkliger 
Abknickung desselben kommt, ist wahrscheinlich für die Fortbewegung des Darminhaltes 
sehr ungünstig. 

Auch die Aufenthaltsdauer der Nahrungsbestandteile in den einzelnen Abschnitten 
des Dickdarmes kann durch das Röntgenverfahren festgestellt werden. 

Bei unseren Versuchen hat sich kein wesentlicher Unterschied ergeben hinsichtlich der 
Motilität während der Magen- und Darmverdauung, je nachdem Eiweiss oder Kohlehydrate 
verabreicht wurden. Fett wurde in dieser Beziehung nicht geprüft. 

Es dürfte schliesslich nicht gleichgültig sein für die Beurteilung der Magen- und 
Darmverdauung, ob während des Ablaufes derselben neuerdings Nahrungsstoffe per os zugeführt 
werden oder nicht. In unseren Versuchen wurde vornehmlich der erste Fall berücksichtigt. 

Das Wismut ist ausserordentlich lange (3—4 Tage) im Dickdarm nachzuweisen und 
es ist nicht anzunehmen, dass für gewöhnlich Speisereste solange im Colon sich aufhalten als 
wismuthaltige Nahrungsstoffe. Wenn sich das oftgenannte Wismutsalz, welches im Darmkanal 
adstringierend wirkt und gewissermassen einen Ausguss der Dickdarmhaustren darstellt, auch 
nicht zur genauen Feststellung des zeitlichen Ablaufes der Diekdarmverdauung eignet, so kann 
mit Hilfe desselben doch die Vorwärtsbewegung des Darminhaltes kontrolliert werden. 

Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass die Konturen des wismuthaltigen Speise- 
brei enthaltenden Magens und Darmes bei guter Réhrenbeschaffenheit und zweckmiissiger 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 161 


Blendenverwendung auch auf dem Leuchtschirm zu erkennen sind, allerdings nicht mit der 
Deutlichkeit wie auf der photographischen Platte. Ubrigens sind auch die von Magen und 
Darm aufgenommenen Radiogramme öfters, besonders bei beleibten Personen, so flau, dass sie, 
um alle Details erkennen zu können, vor einer Mattscheibe oder vor dem sogenannten Licht- 
kasten betrachtet werden müssen. 


Zur Bekräftigung der obigen Erörterungen über Darmmotilität soll hier eine kurze 
Skizze über den zeitlichen Nachweis wismuthaltigen Speisebreies im Magen-Darm- 
kanal, wie derselbe auf Radiogrammen eines gesunden Erwachsenen sich gewöhnlich 
erbringen lässt, hier folgen: 

Sofort nach der Nahrungszufuhr ist der Spenebrel im Magen und eventuell auch 
im Duodenum nachzuweisen. 

Nach etwa !/, Stunde zeigen sich vereinzelte Diinndarmschlingen in der linken 
Fossa iliaca und zahlreiche median zwischen Articulatio sacro-iliaca dextra et sinistra, aber 
so, dass zwischen Magen und Diinndarmschlingen einer- und zwischen letzteren und Symphyse 
andererseits ein grösserer freier Zwischenraum sich findet. 

Nach ca. 1—2 Stunden findet sich erheblich weniger Speisebrei im Magen, dagegen 
lassen sich median und rechts (die Darmbeinschaufel zum Teil ausfüllend) zablreiche Dünn- 
darmschlingen nachweisen. 

Nach ca. 8 Stunden finden sich noch Speisereste im Magen, Dinndarmschlingen 
lassen sich median und unten (Ileum) nachweisen, rechterseits zeigen sich die ersten Speise- 
partikel auch im Verbindungsstück zwischen Ileum und Coecum sowie in den Anfängen des 
Dickdarmes, d. h., im Coecum und Colon ascendens. 

Nach ca. 4 Stunden kann man noch Reste im Magen konstatieren, Speisebrei im 
Ileum median oberhalb der Symphyse, im Verbindungsstiick von Hleum und Coecum, im Coecum, 
Colon ascendens und Anfangsteil des Colon transversum. 

Nach ca. 6 Stunden findet sich Speisebrei im Ileum, d. h. median, oberhalb der 
Symphyse, im Coecum, Colon ascendens, transversum und descendens. 

Nach ca. 8—10 Stunden im Coecum, Colon ascendens, transversum, descendens. 

Nach ca. 12 Stunden im Coecum, Colon ascendens, transversum und descendens. 

Nach ca. 24 Stunden im Coecum und im gesamten Colon einschliesslich des Colon 
sigmoideum. 

Nach ca.:36 Stunden in allen Abteilungen des Colon. 

Nach ca. 48 Stunden trifft man nur mehr spärliche Nahrungsreste im ganzen Dickdarm. 

Nach ca. 60 Stunden findet man Reste im Colon transversum, descendens, sigmoi- 
deum und Rectum. 

Erst drei bis vier Tage nach der Zufuhr wismuthaltiger Nahrung wird der Ver- 
dauungskanal frei von Wismut angetroffen. 


Schlussbemerkungen. 


Die Ergebnisse der oben geschilderten Untersuchungen sind nicht unwichtig in mor- 
phologischer Hinsicht, insofern der Situs viscerum bisher fast nur an Leichen studiert 
werden konnte. Und es besteht kaum ein Zweifel, dass Lage und Form der verschiedenen 
Abschnitte des Verdauungskanales durch das Röntgenverfahren weit besser zu bestimmen sind 
als durch das Studium des Situs bei Operierten oder an Leichen. Auch gelang es erst mit 
Hilfe des Röntgenverfahrens, Lage und Form des normalen Magens zu eruieren. 

Die beigegebenen Röntgenbilder liefern ferner den Beweis, dass die Umrisse nicht bloss 
des Magens, sondern auch des Darmes trotz der grossen Beweglichkeit dieser Organe auf 


radiographischem Wege gut zur Darstellung gebracht werden können. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 21 


162 Rieder. 


Man findet auch durch unsere Untersuchungen den alten anatomischen Lehrsatz be- 
stätigt, dass die Lageverhältnisse der Baucheingeweide, besonders der einzelnen Darmabschnitte, 
beim Menschen grosse Verschiedenheiten darbieten und dass in dieser Beziehung kleine Ab- 
weichungen noch als physiologisch und erst grössere, die Grenzen der Gesundheit überscheitende, 
als pathologisch aufzufassen sind. 

Gröbere Form- und Lageveränderungen von Magen und Dickdarm sind aber von 
grosser praktischer Bedeutung, denn durch die Dislocation eines Bauchorganes werden auch 
die Funktionen anderer, damit in Zusammenhang stehender beeinflusst. 

Um Lageveränderungen des Magens und der Därme sichtbar zu machen, giebt es kein 
besseres Mittel als die radiographische Wismutmethode. 

Doch müssen Abweichungen in der Lage der Baucheingeweide, besonders des Magens, 
wenn sie auf radiologischem Wege nachgewiesen werden, unter Berücksichtigung der Projektions- 
verhältnisse beurteilt werden und namentlich die Stellung der Antikathode muss beachtet werden. 


Auch in physiologischer Beziehung darf die radiologische Untersuchung des 
Magendarmkanales einen gewissen Wert beanspruchen, indem der zeitliche Ablauf der Magen- 
verdauung sowie das Passieren der einzelnen Darmabschnitte durch die Nahrung auf diese 
Weise festgestellt werden kann. 

Das Röntgenverfahren dürfte dazu berufen sein, einen vollgültigen Ersatz für dies- 
bezügliche Beobachtungen an Tieren und für die bisherigen Untersuchungsmethoden am leben- 
den Menschen zu liefern. 

Über die motorische Funktion des menschlichen Magens und Darmes im allgemeinen 
und über die Thätigkeit der Verdauungsorgane bei Einverleibung verschiedener Nahrungsstoffe 
(Fett, Eiweiss, Kohlehydrate) in den Verdauungskanal kann die Methode Aufschluss geben und 
durch das Studium von Radiogranımen können wir uns — das wird wohl jedermann zugeben — 
eine viel bessere Vorstellung von den motorischen Verdauungsvorgängen im Darme machen, 
als durch irgend eine andere Methode. 

Allerdings darf auch die Radioskopie bei derartigen Verdauungsversuchen nicht ver- 
nachlässigt werden, weil da die einzelnen Akte der Bewegung des Verdauungsrohres mit 
dem Auge verfolgt werden können. Zumal bei Tieren sind radiographische Untersuchungen 
schwieriger auszuführen, weil bei diesen nicht wie beim Menschen die Atembewegungen aus- 
geschaltet werden können. 


Auch seitens der praktischen Medizin, d. h. der Chirurgie und inneren Medizin, 
dürfte die Möglichkeit, Form, Lage und Grösse sowie die Ausdehnung der einzelnen Bauch- 


‘organe unter Umständen sicherer bestimmen zu können, als mit den bisherigen Untersuchungs- 


methoden, freudig begrüsst werden. 

Ich erinnere an die Darstellung des Magens mit seinen einzelnen Abschnitten, der 
Pars cardiaca, des Corpus und der Pars pylorica, an die Darstellung der Dünndarmschlingen, 
der Ileocoecalverbindung, des Dickdarmes mit seinen Haustren und zwar des charakteristisch 
geformten Coecums, des Colon ascendens und descendens mit ihren Flexuren, des Colon trans- 
versum und sigmoideum sowie des Rectums. 

Querkolon und Magen. deren Abgrenzung durch die Perkussion oft schwierig 
oder gar unmöglich ist, können durch radiologische Untersuchung, d. h. durch Darreichung 
von wismuthaltiger Milch oder Wismutbrei, absolut sicher in ihrer Lage bestimmt werden. 

Die Aufblähung des Magens und Darmes mit Kohlensäure bez. Luft, welche für den 
Patienten lästiger als das oben beschriebene Verfahren und zudem nicht ganz gefahrlos ist, 
kann auf diese Weise umgangen werden; auch liefert dieselbe zweifellos weniger zuverlässige 
Resultate als die radiologische Untersuchung. 

Die Differential-Diagnose „Magen-Ectasie“ und „Gastroptose* dürfte gleichfalls durch die 
Anwendung des Wismutverfahrens erleichtert werden. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 163 


Durch die radiologische Untersuchung ist gewiss in vielen Krankheitsfällen Aufklärung 
über die Lagerung des Darmes, den Sitz einer Stenose u. s. w. zu erhalten, zu deren Fest- 
stellung so oft ein praktisches Bedürfnis vorliegt. 

Auch bei Invagination, Axendrehung des Darmes, Tumoren des Verdauungstractus und 
anderen Erkrankungen desselben dürfte die beschriebene Methode zum diagnostischen Studium 
sich eignen. Endlich kann die bisher allein gültige Prüfung der motorischen Leistungsfähig- 
keit des Magens durch Ausheberung des Speiserückstandes nach bestimmten Zeitabschnitten 
durch die Röntgenuntersuchung ersetzt werden. Aber auch die motorische Arbeitsleistung des 
Darmes kann vermittelst der Röntgenstrablen bis zu einem gewissen Grade kontrolliert werden. 

Die Zufuhr wismuthaltiger Nahrungsstoffe kann wohl bei allen Kranken, die etwas 
Nahrung zu sich nehmen können, zur Verwendung kommen. Nur wenn die Nahrungsaufnahme 
sehr erschwert oder unmöglich ist, sowie bei hartnäckigem Erbrechen ist sie nicht ausführbar. 
In solchen Fällen, z. B. bei Ileus, wird man wegen des bestehenden Brechreizes und der 
störenden antiperistaltischen Bewegung sich der oben geschilderten Wismuteinläufe bedienen. 
Diese sind unter allen Umständen der Aufblähung des Colons mit Luft vom Anus aus vor- 
zuziehen, da dieses Verfahren schmerzhaft ist und ausserdem keine absolut zuverlässigen 
Resultate giebt. | 

Wir schliessen mit der Behauptung, dass die Anwendung der Röntgenstrahlen 
im Gebiete des Verdauungskanals als eine die Magen- und Darmdiagnostik wesent- 
lich unterstützende, höchst zweckmässige klinische Untersuchungsmethode an- 
zusehen ist. 


Protokolle 


zu den einzelnen topographischen Untersuchungen und Verdauungsversuchen, welche der vorliegenden 
Arbeit zu Grunde gelegt wurden. 


Verdauungsversuche. 


a) Gastroptose. 

Marie M., 24 Jahre, Köchin, steht wegen Urticaria in Behandlung. Sie will nie an Magen- 
störungen oder Verdauungsbeschwerden gelitten haben, giebt aber zu, sich früher geschnürt zu haben. 
Durch Palpation und Perkussion ist keine Abnormität in Bezug auf den Situs viscerum zu eruieren. 
Prüfung der Magenmotilität durch Darreichung einer Probemahlzeit und Ausheberung nach sechs Stunden 
ergiebt normalen Befund. 


I. Versuch. Am 28. März gründliche Entleerung des Darmes, abends nur Suppe. Am 29. Marz 
erhält Patientin morgens neun Uhr 300 ccm Mehlbrei, vermischt mit zwei gehäuften Esslöffein Bis- 
mutum subnitricum. 


1. Radiographische Aufnahme direkt nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 1.) 

Magen tiefstehend. Nur die Pars pylorica und die angrenzenden Partien des Corpus sowie das 
Anfangsstück des Duodenum ist gefüllt, Magen zeigt ausgesprochene Hörnchenform. Kleine Curvatur 
in der pars pylorica in Höhe des vierten Lendenwirbels, grosse Curvatur an der Grenze von Lenden- 
wirbelsäule und Kreuzbein. Pylorus selbst in Höhe des dritten Lendenwirbels. 

2. Fünf Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Patientin hat mittags etwas wismutfreie Nahrung 
zu sich genommen.) Im Magen wenig Inhalt, Chymus im Dünn- und Dickdarm nachzuweisen. 

3. Acht Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 2.) 

Im Pylorusteil des Magens, in Höhe des vierten Lendenwirbels, noch Nahrungsreste. In der 
Gegend der Cardia helle Luftblase. Dünndarminhalt nicht nachzuweisen. Ileocoecalverbindung undeut- 
lich, dagegen die Konturen des Coecum, Colon ascendens, transversum (mit den Flexuren) und descendens 
sehr deutlich durch ihre Haustren gekennzeichnet. An den obersten Partien der Flexuren Gasansammlung. 
Colon transversum guirlandenartig nach unten gewölbt. 

30. März erhält Pat. morgens Kaffee, mittags und abends gewöhnliche Kost. 

4. 30. März morgens sieben Uhr Radiographie, d. h. 22 Stunden nach der Nahrungsauf- 
nahme. (Fig. 3.) 

Wismuthaltiger Chymus im Coecum und Colon ascendens sowie im Rectum nachzuweisen, 
Reste im Colon transversum, den beiden Flexuren sowie im Colon descendens. 

21* 


164 Rieder. 


5. 32 Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 4.) 

Wismuthaltiger Chymus im ganzen Dickdarm nachzuweisen. 

6. 48 Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 5.) 

Wismuthaltige Nahrungsreste noch im ganzen Dickdarm nachzuweisen, besonders im Coecum 
und Colon ascendens. 


b) Dieselbe Patientin wie in a. 


II. Versuch. Am 5. Mai Darmeinlauf. Abends nur Snppe. 6. Mai früh eine Tasse Milch. 
Um acht Uhr vormittags 500 g Kartoffelbrei mit drei Esslöffel Bismutum subnitricum. 


1. Radiographische Aufnahme sofort nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 6.) 

Magen vertikal, Fundus vom Corpus scharf abgesetzt. Tiefpunkt der kleinen Curvatur in Höhe 
des vierten Lendenwirbels, der grossen unterhalb des fünften Lendenwirbels, Incisura cardiaca (His) 
stark ausgesprochen. In der Gegend der Cardia, die oberste Begrenzung des Chymus bildend, eine grosse 
rundliche Luftblase. Pförtner in Höhe des dritten Lendenwirbels, Anfangsteil des Duodenum sowie 
Jejunum nur angedeutet. 

2. Eine halbe Stunde nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 7.) 

Mageninhalt erheblich geringer. Gasblase im obersten Bezirke des Magens noch vorhanden. 
Vom Pylorus an bis zur Symphyse lassen sich, vorwiegend in den mittleren Partien des Abdomens, 
Dünndarmschlingen nachweisen. Die Lage der beiden Colonflexuren durch kleine Luftansammlungen 
gekennzeichnet. 

3. Zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 8.) 

Mageninhalt hat weiter abgenommen. Gasblase in der Regio cardiaca weniger umfangreich. 
Zahlreiche Dünndarmschlingen vom Pylorus bis zur Ileocoecalverbindung ersichtlich, auch im Coecum 
und Colon ascendens schon wismuthaltiger Chymus nachzuweisen. 

4. Drei Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 9) 

Speisereste nur im Pylorusteil des Magens und den angrenzenden Magenpartien, so dass eine 
Art Hörnchenform zustande kommt ähnlich wie in Figur 1. Pförtner immer noch median gelegen, in 
Höhe des dritten Lendenwirbels. Gasblase in der Regio cardiaca schwach sichtbar. Im Dünndarm und 
im ganzen Colon wismuthaltiger Chymus. 

5. Vier Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 10.) 

Im Magen nur wenig Inhalt, dagegen reichlich im Dünndarm (Ileumschlingen in den unteren 
und mittleren Partien des Abdomens) sowie im Coecum und im gesamten Colon. Ileocoecalverbindung 
deutlich! Coecum und Colon ascendens durch die Grenzfurche scharf abgesetzt. (Patientin nimmt mittags 
gewöhnliche Nahrung in geringer Menge zu sich.) 

6. Sechs Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

In der Regio pylorica (vom unteren Rande des fünften Lendenwirbelkörpers von der Mittel- 
linie bis fingerbreit über den Querfortsatz dieses Wirbels hinausreichend) Speisereste. Diese mit Speise- 
brei gefüllte Partie des Magens ist nach oben durch eine horizontale Linie begrenzt, nach unten ist sie 
konvex gestaltet. Im Dünndarm, namentlich in den untersten Ileumschlingen, Speisereste. Ileocoecal- 
verbindung deutlich, im Coecum und Colon viel Inhalt, nur im Colon sigmoideum wenig Inhalt. 

7. Acht Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 11.) 

Im Magen ein kleiner Nahrungsrest, im Dünndarm wenig Chymus, Coecum vom Colon ascendens 
scharf abgesetzt, im Coecum und im gesamten Colon einschliesslich des Colon sigmoideum viel wismut- 
haltiger Chymus. 

8. 24 Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 12.) 

Nur im Coecum und Colon ascendens sowie im Colon sigmoideum und Rectum viel wismut- 
haltiger Chymus; im Colon transversum und descendens nur vereinzelte wismuthaltige Bröckel. 

9. 32 Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 13.) 

Im Coecum und Colon ascendens viel wismuthaltiger Chymus, desgleichen im Colon sigmoideum 
und Rectum, während das Colon transversum und descendens nahezu frei von Speiseresten sind, 

10. 48 Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Im Coecum, Colon ascendens, transversum, descendens immer noch erhebliche Nahrungsreste, 
durch welche sogar die Haustren noch deutlich erweitert werden; im Colon sigmoideum kein Inhalt, wohl 
aber im Rectum. 


ce) Dieselbe Patientin wie in a und b. 

Ill. Versuch. Am 18. Mai Darmeinlauf, abends nur Suppe. 19. Mai früh eine Tasse Milch- 
kaffee. Um acht Uhr vormittags 400 g Haché und zwei gehäufte Esslöffel Bismutum subnitricum. 

1. Radiographische Aufnahme sofort nach der Nahrungszufuhr. 

Magen vertikal gestellt, zeigt in der Projektion zwei parallele Schenkel, einen lüngeren links- 


À a nn 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 165 


seitigen und einen kurzen rechtsseitigen. Tiefster Punkt der kleinen Curvatur in Höhe des fünften 
Lendenwirbels, der grossen in der Gegend der linken Symphysis sacro-iliaca. Pförtner in Mittellinie 
an der Begrenzung des dritten und vierten Lendenwirbelkörpers. 

2. Eine halbe Stunde nach der Nahrungszufuhr. 

Magen weniger gefüllt. Tiefpunkt der kleinen Curvatur in Höhe des fünften Lendenwirbels, 
der grossen in der Gegend der linken Symphysis sacro-iliaca. Pförtner in der Gegend des vierten 
Lendenwirbels. Chymus im Dünndarm, namentlich in den mittleren und unteren Partien des Abdomens, 
nachzuweisen. 

3. Eine Stunde nach der Nahrungszufuhr. 

Fast der gleiche Befund wie bei 2. | 

4. Zwei Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Im.Magen bedeutend weniger Inhalt, wismuthaltiger Chymus im Dünndarm sowie in Spuren 
auch im Coecum und Colon ascendens. | 

5. Drei Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Im Pylorusteil des Magens etwas Chymus (Pförtner in der Mittellinie, in Höhe des vierten 
Lendenwirbels), ebenso in den Dünndarmschlingen der mittleren und unteren Bauchpartien, sowie im 
Coecum und Colon ascendens. 

6. Sechs Stunden nach der Nahrungsaufnahme. - (Mittags Bouillon mit Ei!) 

Im Pylorusteil des Magens noch Reste von wismuthaltigem Chymus. Solcher ist auch nach- 
zuweisen in den untersten Ileumschlingen sowie im Coecum und Colon ascendens. 

7. Acht Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Im Magen sowie im Dünndarm Speisereste, reichlicher Chymus im Coecum und Colon ascen- 
dens, welche durch eine Einkerbung scharf voneinander getrennt sind. 

8. Zehn Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Speisereste im Magen, in den unteren Partien des Ileum viel Chymus, weniger im Coecum und 
Colon ascendens. 

9. 24 Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Wismuthaltiger Chymus nur im Coecum und Colon ascendens, welche scharf voneinander zu 
trennen sind, sowie Spuren in Form kleiner Bröckel im Colon transversum. 

10. 32 Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Wismuthaltiger Chymus im Coecum, Colon ascendens, Colon transversum, Spuren im Colon 
descendens und tiefer. | 

11. 48 Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Wismuthaltiger Chymus im ganzen Colon (nur von der Mitte des Colon transversum bis zur 
linken Flexur ist dasselbe frei von Chymus!) sowie im Rectum. 


d) Dieselbe Patientin wie in a, b und c. 


IV. Versuch. Marie M., 24 Jahre, Köchin, erhält am 27. Mai 1904 per os 500 ccm Milch 
mit zwei gehäuften Esslöffeln Bismutum subnitricum. 


1. Sofort nach der Nahrungszufuhr radiographische. Aufnahme. 

Magen tiefstehend, wie bereits bei früheren Versuchen festgestellt, nur seine unteren Partien 
sind gefüllt. In der Regio cardiaca eine cirkumskripte lufthaltige Partie. Grosse Curvatur: untere Be- 
grenzung zwei bis drei Querfinger unterhalb der Verbindung von Lendenwirbelsäule und Kreuzbein. 
Pylorus in der Höhe des vierten Lendenwirbels. Kleine Curvatur entspricht in der Projektion der Mitte 
des fünften Lendenwirbels. | 

2. Vier Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Magen und Dünndarm frei von wismuthaltigem Chymus, dagegen findet sich solcher reichlich 
im Coecum und Colon ascendens. | 


e) Enteroptose. Dilatatio ventriculi. 


Edna U., 27 Jahre. Seit mehreren Jahren Appetitstörungen. Vor drei Jahren Magenkatarrh 
und Gelbsucht. Seither Schmerzen im Epigastrium und grosse Unruhe in den Gedärmen. Gewisse 
Speisen werden nicht vertragen, verursachen Sodbrennen. In letzter Zeit zunehmende Appetitlosigkeit 
sowie Unbehagen im Magen nach dem Essen, manchmal sofort nach der Mahlzeit, manchmal später. 
Niemals Erbrechen. Trotz häufig ausgeführter Magenspiilungen, elektrischer Behandlung, Massage keine 
Besserung. Sehr mageres, graciles Mädchen. Abdomen leicht eingesunken. Keine Druckschmerzpunkte. 
Magenplätschern bis zwei Querfinger unterhalb des Nabels. Ausheberung wird wegen Verdachts auf 
Uleus ventriculi unterlassen. Leichte Scoliose. 


I. Verdauungsversuch (zur Eruierung der topographischen Verhältnisse des 
Magens und Darmes). Patientin erhielt 400 g Reisbrei mit 40 g Bismutum subnitricum. 


166 Rieder. 


1. Radiogramm sofort nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 14.) 

Magen tiefstehend, fast vertikal, eigentümlich geformt, verschiedene bucklige Hervor- 
ragungen der Magenwand, besonders an der grossen Curvatur. Cranialer Teil des Magens schlauch- 
förnig, Incisura cardiaca wenig deutlich, in der Regio cardiaca rundliche Luftblase, unterhalb derselben 
der den Magen ausfüllende Chymus. Nabelmarke am oberen Rand des vierten Lendenwirbels, Tief- 
punkt der kleinen Curvatur am oberen Rand des fünften Lendenwirbels, der grossen Curvatur in der Mitte 
des Kreuzbeines. Pylorus undeutlich, in Höbe des fünften Lendenwirbels, etwas rechts von demselben. 

2. Radiogramm vier Stunden nach der Aufnahme wismuthaltiger Nahrung. (Fig. 15.) 

Der Magen ist ganz in die linke Körperachse herübergerückt, nur der caudale Teil desselben 
ist noch gefüllt, man kann aber scine Fortsetzung, d h. den von Nahrung freien Teil des Magens cranial- 
wärts bis zur Cardia verfolgen. Pylorus am linken Rande des vierten Lendenwirbelkörpers, Nabelmarke 
am oberen Rande dieses Wirbels. Tiefpunkt der grossen Curvatur etwas höher stehend als direkt nach 
der Nahrungsaufnahme; im Dünndarm zerstreute Wismutbröckel, vom Diekdarm nur Ausgüsse vereinzelter, 
zierlicher Haustren des Colon transversum mit Sicherheit zu unterscheiden und zwar sehr tief, etwas 
nach rechts von der Mittellinie und dicht oberhalb der Symphyse. Der Sitz der Colonflexuren durch 
lufthaltige Partien in den oberen Partien des Abdomens angedeutet. 

3. Radiogramm acht Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Drei Stunden nach der Mittags- 
Mahlzeit.) 

In den untersten Partien des Magens wismuthaltiger Chymus. Magen in derselben Lage wie 
vor vier Stunden. Dünndarm nicht abgrenzbar. Vom Dickdarm nur Blinddarm und Colon ascendens 
deutlich abgrenzbar. 

4. Radiogramm zwölf Stunden nach Zufuhr wismuthaltiger Nahrung. (Fig. 16.) 

In den untersten Partien des Magens nur noch wenig wismuthaltiger Chymus, die übrigen 
Partien des Magens cranialwärts zu verfolgen, in der Gegend der Cardia etwas verbreitert: Milz- 
schatten schr deutlich abzugrenzen. Dünndarm nicht zu differenzieren, dagegen Coecum und Colon 
ascendens deutlich abzugrenzen. Die Lage der rechten und linken Colonflexur, besonders der letzteren, 
deutlich sichtbar. 

5. Radiogramm 24 Stunden nach der Zufuhr wismuthaltiger Nahrung. (Fig. 17.) 

Im Magen kein wismuthaltiger Inhalt (in der Gegend der Cardia grosse Luftblase), desgleichen 
Darm leer (Patientin hat eine Stunde vor der Aufnabme einen Einlauf erhalten!), nur im Coecum und 
Colon ascendens reichliche wismuthaltige Nahrungsreste. Ausgüsse der Haustren deutlich, aber Grenz- 
furche undeutlich. Nabel markiert durch Bleiplättchen. 


f) Dieselbe Patientin wie in e. 

II. Versuch (zur Prüfung der Magenmotilität). Patient erhielt wieder 300 g Brei mit 
zwei Esslöffel Bismutum subnitricum und zwar abends acht Uhr. 

1. Radiogramm sofort nach der Nahrungsaufnahme. 

Magen schr tief stehend, nur in seinen unteren und mittleren Partien gefüllt, Lage des Pylorus, 
der kleinen und grossen Curvatur, des Nabels wie beim I. Versuch. Leber steil gestellt, unterer Rand 
derselben rechterseits sichtbar. Milzschatten deutlich; rechte Colonflexur gut sichtbar, linke weniger 
deutlich abzugrenzen. 

2. Radiogramm zwölf Stunden nach der Nahrungsaufnahme, d. h. acht Uhr morgens. (Fig. 18.) 

‘Magen leer, auch im Dünndarm kein wismuthaltiger Chymus nachzuweisen. Coceum und Colon 
ascendens, rechte Colonflexur, Colon transversum (das guirlandenförmig bis zur Symphyse reicht), linke 
Flexur, sowie Colon descendens in Bezug auf Lage und Form auf dem Bilde deutlich abzugrenzen. 


g) Chlorose. 

Frieda H., 24 Jahre, in Behandlung wegen Chlorose, erhielt am 30. März abends nur Suppe 
sowie eine Dosis Brustpulver behufs Entleerung des Darmes, 31. März erhält Patientin morgens nur 
Milchkaffee, um 10'/, Uhr Mehlbrei mit Wismut; im Anschluss an die Nahrungsaufnahme Radio- 
graphic, die nach sechs, neun und 22 Stunden wiederholt wird. 

1. Bald nach der Nahrungsaufnahme. 

Magen vertikal, zeigt verschiedene Einkerbungen. Kleine Curvatur in ihrem Pylorusteile in 
Höhe des dritten, grosse in Höhe des fünften Lendenwirbels. Pförtner etwas nach rechts von der Mittel- 
linie. Im Duodenum und Jejunum bereits Chymus nachweisbar. 

2. Sechs Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Patientin hat mittags etwas Speise genossen.) 

Reste im Magen, gefüllte Dinndarmschlingen, namentlich in den mittleren und unteren Partien 
des Abdomens, wismuthaltiger Chymus im Coecum, Colon ascendens, transversum, descendens. Colon 
ascendens und descendens verlaufen fast vertikal, linke Flexur höher als die rechte, Colon transversum 
verläuft fast genau horizontal. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 167 


3. Neun Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

Reste im Magen, wismutbaltiger Chymus in den unteren Partien des Ileums sowle in allen 
Abteilungen des Colons. 

4. 22 Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

Magen und Dünndarm leer, wismuthaltiger Chymus in allen Abteilungen des Colons sowie 
im Rectum. 


h) Gastroptose. Hysterie. 


Anna P., 35 Jahre, erhielt am 18. Juni 1904 ein Beefsteak, ferner Kartoffelbrei mit ca. zwei 
Esslöffel Bismutum subnitricum und etwas Wasser. 


1. Radiographische Aufnahme sofort nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 20.) 

Magen vertikal, langgezogen, schlauchférmig. Cranialer Teil des Magens kugelig geformt, die 
untere Hälfte desselben mit Chymus gefüllt, welcher durch eine horizontale Linie von der überstehenden 
Gasschicht abgegrenzt ist. Kleine Curvatur im Fundusteil in der Projektion etwa zwei Finger breit nach 
links von der Wirbelsäule, in der Pars pylorica am oberen Rande des fünften Lendenwirbels; grosse 
Curvatur im Pylorusteil in der Fossa iliaca sinistra. Pförtner am unteren Rande des vierten Lenden- 
wirbels. Anfangsteil des Duodenum undeutlich sichtbar. 

2. Drei Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Mageninhalt nur in den untersten Partien des Corpus und in der Pars pylorica. Pförtner in 


der Nabelgegend (entsprechend dem vierten Lendenwirbel). Kleine Curvatur bildet (in der Projektion) 


die untere Grenze des vierten Lendenwirbels, grosse Curvatur ist gleichfalls etwas nach oben gerückt. 
Im Dünndarm, Coecum und Colon ascendens ist wismuthaltiger Chymus nachzuweisen. 

3. Sechs Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

Magen leer, unteres Ileum in der Gegend der Symphyse, Coecum, Colon ascendens, transversum 
und descendens enthalten wismuthaltigen Chymus. Colon transversum Vförmig, nach unten verlagert, 
reicht bis oberhalb der Symphyse, zeigt dieselbe Lage und Form wie nach Darmeinlauf (Fig. 28 u 29). 
Die Magenmotilität ist also hier trotz der hochgradigen Abnormität des Magens (in 
Bezug auf Lage und Form) normal befunden worden — ebenso wie Tags vorher, wo nach 
Darreichung einer Probemahlzeit (Beefsteak, Kartoffelbrei, Wasser) unter Anwendung 
der Sondenmethode der Magen gleichfalls leer gefunden wurde. 


i) Max K., 16 Jahre, Rekonvaleszent von Typhlitis. 22. April Aufblähung des Magens 
mit Kohlensäure. Die Konturen des Magens sind nicht deutlich auf dem Radiogramm zu 
sehen. 22. April Darmeinlauf. Abends nur Suppe. 23. April morgens sieben Uhr Milchkaffee. Acht 
Uhr morgens 400 g Mehlbrei mit zwei Esslöffel Bismutum subnitricum gemengt. 


l. Sofort nach der Nahrungszufuhr radiographische Aufnahme. 

Magen vertikal gestellt. Tiefpunkt der kleinen Curvatur in Höhe des zweiten bis dritten 
Lendenwirbels, der grossen in Höhe der unteren Grenze des fünften Lendenwirbels. Pylorus an der 
rechtsseitigen Begrenzung des dritten Lendenwirbels. Sulcus pyloricus und Anfangsteil des Duodenum 
deutlich sichtbar. 

2. Eine halbe Stunde nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 21.) 

Mageninhalt hat abgenommen, vom Pylorus nach abwärts sieht man Darmschlingen verlaufen, 
zwischen grosser Curvatur des Magens und Symphyse ein grosses Convolut von Dünndarmschlingen, 
schmal und vielfach gewunden, auf der Abbildung leider nicht sehr deutlich. 

3. Eine Stunde nach der Nahrungszufuhr. j 

Mageninhalt ist weiter zurückgegangen, vereinzelte Danndarmschlingen in den oberen Partien 
des Abdomens rechts und links, zwischen grosser Curvatur des Magens und Symphyse ein grosses Kon- 
volut in verschiedenen Richtungen verlaufender, schmaler, starkgewundener DENnUBrmEchlngen. 

4. Zwei Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Nur in den tiefsten Partien des Magens bezw. der Pars pylorica noch Inhalt, in den medianen 
unteren Partien des Abdomens und rechts gegen das Coecum zu unregelmässige, verschieden grosse 
Chymuspartikel; Konturen der einzelnen Darmschlingen nicht deutlich abzugrenzen. 

5. Drei Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Im Magen noch Spuren von Speisebrei, in verschiedenen Dünndarmregionen zerstreute Wismut- 
partikel, im Coecum und Colon ascendens bereits wismuthaltiger Inhalt nachzuweisen. 

6. Vier Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 22.) 

Magen leer, unterste Ileumschlingen stark gefüllt, eine Lleumschlinge bis zur Einmün- 
dung ins Coecum zu verfolgen (auf der Abbildung leider nicht sehr deutlich). Im Coecum und 
Colon ascendens sowie in den Anfängen des Colon transversum wismuthaltiger Chymus. 

7. Sechs Stunden nach der Nahrungszufuhr. 


J 
ls |. 


168 Rieder. 


In den untersten Tleumpartien wismuthaltiger Inhalt, ferner in dem kleinen, verkürzten und 
verschmälerten Coecum, sowie in den verzerrten Colon ascendens; fortlaufende Spuren von Chymus im 
Colon transversum und descendens. 

8. Acht Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Dünndarm enthält nur Reste von Speisebrei, im Coecum und Colon ascendens viel Inhalt, 
wenig im Colon transversum und descendens. Colon ascendens und Flexura coli dextra verzerrt und 
undeutlich abzugrenzen. ` 

9. Zehn Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Im Ileum immer noch Spuren von Speisebrei. Coecum, Colon ascendens und RFlexur 
schwer abzugrenzen. Inhalt des Colon transversum hat erheblich zugenommen (zwei Serien von 
Haustren!), dasselbe steigt ziemlich steil nach links empor, im Colon descendens Spuren von Wismut 
nachzuweisen. 

10. Zwölf Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Fast der gleiche Befund wie bei 9. 

11. 24 Stunden nach der Nahrungszufuhr (eine Stunde vorher Darmentleerung!) | 

Im Colon ascendens und deseendens wenig Inhalt, Colon transversum frei von Wismut, in der 
Flexura sigmoidea sowie im Rectum grosse wismuthaltige Kotballen. 

12. 32 Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Spärliche wismuthaltige Nahrungsreste im ganzen Dickdarm. 

13. 54 Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Spuren von Wismut noch in verschiedenen Diekdarmpartien nachzuweisen. 


k) Bartholomäus W., 22 Jahre, Zimmermann, ist Rekonvaleszent von croupöser Pneumonie. 
18. April 1904 Aufblähung des Magens mit Kohlensäure; das Radiogramm lässt die Grenzen 
des Magens nicht deutlich erkennen. 21. April 1904 erhält deıselbe morgens Milch, dann um 
8t Uhr 350 g Mehlbrei mit zwei Esslöffel Bismutum subnitricum. Mittags und abends 
gewöhnliche Kost. 


1. Direkt nach der Zufuhr wismuthaltiger Nahrung Radiographie. 

Magen subvertikal, ziemlich klein, nicht tiefstehend. His’sche Furche scharf ausgeprägt. Kleine 
Curvatur in der Pars pylorica an der untern Grenze des ersten Lendenwirbels, grosse Curvatur an der 
Grenze von zweitem und drittem Lendenwirbel. Pförtner in Mittellinie, in Höhe des zweiten Lenden- 
wirbels. Die Lage der rechten und linken Flexura coli ist durch Gasblasen angedeutet. 

2. Eine Stunde nach der Nahrungszufuhr. 

Über die Hälfte des Mageninhaltes ist bereits in den Darm übergetreten, so dass das Magen- 
corpus zum grössten Teile leer ist. In den verschiedensten Partien des Dünndarms, namentlich medial, 
grössere wismuthaltige Bröckel, welche den Verlauf der Dünndarmschlingen anzeigen. 

3. Zwei Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Im Magen (Pars pylorica) wenig Inhalt; im Dünndarm zerstreut zahlreiche Bröckel, etwas wismut- 
haltiger Chymus schon im Coecum und Colon ascendens. 

4. Drei Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Magen fast leer, in den medial gelegenen Dünndarmschlingen zerstreute Chymuspartikel, die 
untersten Ileumschlingen deutlich zu schen, voll von Chymus; im Coecum und Colon ascendens ist 
derselbe noch nicht weiter vorgedrungen. 

5. Vier Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Magen leer, ebenso Dünndarm mit Ausnahme der untersten Heumschlingen. Im Dickdarm ist 
der Chymus im Anfangsteile des Colon transversum angelangt. 

6. Sechs Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Reste von wismuthaltigem Chymus in den untersten Heumschlingen. Coecun und Colon ascendens 
stark gefüllt, im Colon transversum wenig Inhalt, im Colon descendens nur Spuren von Wismut. 

7. Acht Stunden nach der Nahrungszufuhr. 

Wismuthaltiger Chymus im Coecum, Colon ascendens, Colon transversum, auch in beiden 
Flexuren; zerstreute Partikel im Colon descendens. (Das Colon transversum steigt steil in die Höhe von 
der rechten zur linken Flexur.) 

: 8. Zehn Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 23.) 

Inhalt des Coecum hat abgenommen, viel Chymus im Colon ascendens, in der Flexura coli 
dextra, im Colon transversum und in der Flexura sinistra; wenig Inhalt im Colon descendens. 

9. 12 Stunden nach der Nahrungszufuhr: derselbe Befund wie bei 8. 

10. 24 Stunden nach der Nahrungszufuhr. (Fig. 24.) 

Wenig Inhalt im Coecum, mehr im Colon ascendens, wenig im Colon transversum, descendens 
und sigmoideum. Die Haustren des Colons viel weniger ausgesprochen als in Aufnahme 7 und 8. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen etc. 169 


11. 32 Stunden nach der Nahrungszufuhr. 
Derselbe Befund wie bei 10, aber auch im Rectum wismuthaltiger Chymus sichtbar. 
12. Nach weiteren zwei Tagen Darmkanal vollständig frei von Wismut. 


I) Therese M., 14 Jahre, steht wegen Epilepsie in ärztlicher Behandlung. Sie erhält am 25. Mai 
einen Darmeinlauf und ein Abführmittel, abends nur Suppe, am 26. Mai früh Morgens nur Milchkaffee, 
um 8 Uhr vormittags einen Teller Griesbrei mit zwei Esslöffel Bismutum subnitricum. 


1. Radiographische Aufnahme direkt nach der Nahrungszufuhr. 

Magen gut gefüllt, vertikal gestellt. Tiefpunkt der kleinen Curvatur in Höhe des dritten, der 
grossen in Höhe des fünften Lendenwirbels. Der Pförtner selbst dicht rechts neben der Wirbelsäule in 
Höhe des dritten Lendenwirbels. Auch in den Anfangsteilen des Duodenum wismuthaltiger Chymus 
nachweisbar. l 

2. Eine Stunde nach der Nahrungszufuhr. 

Mageninhalt erheblich geringer; nur die Pars pylorica ist noch gefüllt. Im Anfangsteil des 
Duodenum sowie in den linksseitigen und besonders in den dem mittleren, untern Bauchraum ange- 
hörigen Dünndarmschlingen ist Chymus nachzuweisen. 

3. Zwei Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

Im Magen (Pars pylorica) wenig Inhalt, im Duodenum, Jejunum und Ileum, besonders in den 
untersten Ileumpartien (unten und rechts) ist Chymus nachzuweisen. 

4. Drei Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

Derselbe Befund, doch auch im Coecum Chymus vorhanden. (Patientin nimmt etwas Milch und 
Mehlspeise — ohne Wismut — zu sich). 

5. Fünf Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

Reste im Magen, wenig Chymus im Dünndarm, mehr im Coecum und Colon ascendens sowie im 
Colon transversum bis zur linken Flexur nachzuweisen. Das Colon transversum verläuft längs der grossen 
Curvatur des Magens, nach unten konvex ausgebogen, schief von rechts unten nach links oben. Linke 
Flexur viel höher stehend als die rechte. 

6. Sieben Stunden nach der Nahrungsaufnahme. 

Wismutreste im Magen; im Dünndarm sowie im Coecum, Colon ascendens und Colon trans- 
versum wismuthaltiger Chymus, in der linken Flexur sowie im Colon descendens nur Spuren in Form 
von kleinen Bröckeln nachweisbar. 

7. Neun Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 25.) 

Reste im Magen, viel Chymus im Dünndarm, d. h. in den Schlingen der unteren mittleren 
Bauchpartien, im Coecum und Colon ascendens, kleinere Nahrungsreste in Form unregelmässig geformter 
Bröckel im Colon transversum, Spuren in der linken hochliegenden Flexur und im Colon descendens nach- 
weisbar. Nach der radiographischen Aufnahme gewöhnliche Abendkost! 

8. 24 Stunden nach der Nahrungsaufnahme. (Fig. 26.) 

Magen und Dünndarm leer, wismuthaltiger Chymus im gesamten Colon sowie im Rectum nach- 
zuweisen. Die Stellung der Flexura coli dextra und sinistra gut ersichtlich. 


mm) Otto H., 24 Jahre, normale Körperorgane, mittelgross, von mittlerem Ernährungsstand, erhält 
am 30. Juli 1904 ca. 400 g Mehlbrei mit zwei Esslöffel (25 g) Bismutum subnitricum gemischt. 


Sofort nach der Nahrungsaufnahme Radiographie. (Fig. 19.) 

Magen in normaler Höhe, vertikal, liegt mit Ausnahme des Pars pylorica ganz in der linken 
Körperaxe. Cardialer Teil des Magens leer. Mageninhalt cranialwärts durch eine horizontale Linie be- 
grenzt. An der kleinen und grossen Curvatur verschiedene, offenbar von peristaltischen Bewegungen 
herrührende Vorbuchtungen und Einziehungen der Magenwand, so dass eine unregelmässige Begrenzung 
des Magens zustande kommt. Pylorus in Höhe des dritten Lendenwirbels, die kleine Curvatur reicht nach 
unten bis zur Grenze des zweiten und dritten, die grosse bis zur Grenze des dritten und vierten Lenden- 
wirbels. Nabelmarke entsprechend der Mitte des dritten Lendenwirbels. Incisura cardiaca nicht sicher 
zu unterscheiden. 


n) 18 jähriger, gesunder, sehr langer Mechaniker erhält am 17. Juli 1904 500 g. Mehlbrei mit 
drei Esslöffel Bismutum subnitricum. Radiogramm sofort nach der Nahrungsaufnahme. Magen tief- 
stehend, wie bei Gastroptose und vertikal. Incisura cardiaca deutlich ausgesprochen, Tiefpunkt der 
kleinen Curvatur sowie des Pylorus in Höhe des vierten Lendenwirbels, Tiefpunkt der grossen Curvatur 
an der Grenze von Lenden- und Kreuzbeinwirbelsäule, Nabel dem untern Rande des dritten Lenden- 
wirbels entsprechend. 


o) Wilhelm G., 37 Jahre, Arzt (Ulcus ventriculi) erhält am 14. Juni 1904 eine grössere Portion 
Mehlbrei (ca. 400 g) vermischt mit Bismutum subnitricum (zwei Esslöffel). 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. VIII. 22 


170 Rieder. 


Radiographische Aufnahme direkt nach der Nahrungszufuhr. 

Magen vertikal, tiefstehend. Incisura cardiaca „His“ deutlich ausgesprochen. In der obersten 
Partien des Magens rundliche Gasblase. Kleine Curvatur direkt unterhalb des (markierten) Nabels an 
der oberen Grenze des vierten Lendenwirbels. (irosse Curvatur untere Grenze des fünften Lendenwirbels. 
Pförtner in Höhe des vierten Lendenwirbels. 


p) Michael E., 38 Jahre, Werkführer (Leukaemia lienomedullaris) erhält am 20. Juni 1904 ca. 400 g 
Mehlbrei mit zwei Esslöffel Bismutum subnitricum gemischt. 

Sofort nach der Nahrungsaufnahme Radiographie. 

Magen tiefstchend, vertikal, nach rechts verlagert. Pylorus in Höhe des fünften Lendenwirbels, 
zwei Finger breit nach rechts von diesem. Grosse Curvatur reicht in ihrem Pylorusteile nach unten bis 
in die Mitte zwischen Nabel und Symphyse, lateralwärts steht sie zwei Querfinger nach links von der 
Wirbelsäule. 


Darmeinläufe. 


r) Am 6. Juni 1904 erhält Marie M., 24 Jahre alt (dieselbe Person wie in Fig. 1—13), Köchin 
(Hysterie), in Riickenlage vermittelst eines langen, biegsamen Darmrohres einen Einlauf von 1000 cem 
Milch mit 100 & Bismutum subnitricum. 

Fünf Minuten nach vollzogenem Einlauf radiographische Aufnahme. (Fig. 27.) 

Rectum, Flexura sigmoidea, Colon descendens und transversum sind mit wismuthaltiger Flüssig- 
keit erfüllt. Im Colon ascendens wenig Inhalt. Coecum frei von Flüssigkeit, desgleichen der Dünn- 
darm. Aussackungen des Colons treten deutlich hervor. An der oberen Grenze der Flexura coli dextra 
und sinistra finden sich Gasansammlungen. Im Epigastrium in der Gegend des Magen-Fundus eine 
grössere (rasblase. 


s) Am 27. Juni 1904 erhält Frau P., dieselbe Person wie in h Fig. 20 (Hysterie) nach langsamem 
Vorschieben einer langen weichen Sonde einen Darmeinlauf, bestehend aus 1200 cem Milch mit 100 g 
Bismutum subnitricum. 

Perkussion nach dem Einlaufe ergiebt Dämpfung in den abhängigen Partien des Abdomens (nur 
in der Gegend der Fossa iliaca sinistra besteht lauter tympanitischer Schall), sowie in der regio 
umbilicalis. 

Radiographische Aufnahme. (Fig. 28.) 

Rectum, Flexura sigmoidea, Colon descendens, transversum, ascendens sind prall mit Flüssigkeit 
gefüllt. Haustren im ganzen Colon deutlich ausgesprochen. Coecum und Dünndarm frei von Wismut 
bez. Flüssigkeit. In der Flexura coli dextra eine grosse, in der Flexura coli sinistra eine kleine Gas- 
blase oberhalb der horizontalen Flüssigkeitsgrenze. Colon transversum ist V-formig gestaltet, eine grosse 
median gelegene Schlinge reicht weit nach abwärts, bis nahe an die Symphyse. Nabel durch Bleimarke 
gekennzeichnet. 


t) Dieselbe Person wie in s erhält am 7. Juli 1904 in Rückenlage vermittelst eines weichen 
Darmrohres einen Darmeinlauf, bestehend aus einem Liter Olivenöl und 100 g Bismutum subnitricum. 
Fünf Minuten später radiographische Aufnahme (Fig. 29) in aufrechter Körperstellung. 

Die Ampulle des Rectum, das S-Romanum, das Colon deseendens, transversum, ascendens und 
Coecum treten plastisch hervor, aber nicht in dem Grade wie nach Wasser- oder Milcheinläufen. Im 
Diinndarm ist kein Inhalt nachzuweisen. Nabel markiert. 


u) Am 17. Mai 1904 erhielt Therese M., dieselbe Patientin wie in I (Fig. 25 u. 26), 14 Jahre 
alt, Kindsmädchen (Epilepsie), mittels langer Gummisonde einen Darmeinlauf, bestehend aus 1 Liter 
Milch und 100 g Bismutum subnitricum. 

Nach demselben ergibt sich perkutorisch Dämpfung über den abhängigen Partien des Abdomens 
sowie im Epigastrium. 

Das Radiogramm (Fig. 30), lässt ersehen, dass das Rectum mit seiner Ampulle, die Flexura 
sigmoidea, Colon descendens, transversum, ascendens, nicht aber das Coecum mit wismuthaltiger Flüssig- 
keit erfüllt sind und plastisch heraustreten. In den unteren Partien der Darm-Aussackungen hat sich 
Wismut abgesetzt. Linke Flexura sehr hochstehend, Colon transversum S förmig, eine grosse Schleife 
nahe der rechten Flexur bildend. Etwas Flüssigkeit ist offenbar auch in den Dünndarm vorgedrungen, 
denn die unteren Lendenwirbel erscheinen undeutlich, sie sind wahrscheinlich von Flüssigkeit überlagert. 
Doch enthält letztere daselbst wie in den ersten Partien des Diekdarms wenig Wismut — offenbar weil 
in den untersten Partien des Dickdarms schon grössere Mengen dieses Metallsalzes zur Ablagerung ge- 
kommen sind. 


v) Am 16. Juni 1904 erhält Frau N., 30 Jahre alt (Hysterie), in Rückenlage mittels eines 
kurzen Darmrohres einen Einlauf von 1000 cem mit 100 g Bismutum subnitricum gemengtem Wasser. 


Beiträge zur Topographie des Magen-Darmkanales beim lebenden Menschen ete. 17 


Radiographische ‘Aufnahme zehn Minuten nach beendigter Eingiessung. Die Flüssigkeit ist hier 
nur wenig über die linke Flexur vorgedrungen. 

In Rectum und Flexura sigmoidea viel wismuthaltiger Inhalt. Auch Colon descendens, Flexura 
coli sinistra und Endstück des Colon transversum sind mit Flüssigkeit erfüllt und treten plastisch hervor. 
An den tiefsten Stellen der Aussackungen des Colon transversum und descendens finden sich stärkere 
Wismutablagerungen. 


w) Marie W., 23 Jahre, Fabrikarbeiterin (Hysterie), erhält am 22. Juni 1904 einen Darmeinlauf von 
1000 cem Milch mit Bismutum subnitricum. 

Fünf Minuten nach vollzogenem Einlauf radiographische Aufnahme. 

Flüssigkeit ist bis zur Bauhinschen Klappe vorgedrungen. Colon transversum sehr tiefstehend, 
eine U Form bildend. Linke Flexur erheblich höher als die rechte. 


x) Dieselbe Patientin erhält am 27. Juni 1904 per os ein Quart Milch mit einem Esslöffel 
Bismutum subnitricum vermengt, per rectum einen Liter Milch mit 100 g Bismutum subnitricum. 

Fünf Minuten später radiographische Aufnahme. 

Die untersten mit Wismutmilch erfüllten Partien des Magens als halbmondförmige Kontur 
sichtbar; die grosse Curvatur und die Pars pylorica des Magens zwischen Nabel (markiert!) und Symphyse. 
Das ganze Colon ist ausgefüllt mit wismuthaltiger Flüssigkeit, die Haustren deutlich sichtbar. Colon 
transversum zwischen Symphyse und grosser Curvatur des Magens. 


z) Josefa K., 16 Jahre, Dienstmädchen (Angina follicularis), erhält am 18. Juni 1904 in Rücken- 
lage mit weicher Sonde einen hohen Darmeinlauf bestehend aus 1000 ccm Milch mit 100 g Bismutum 
subnitricum. | 

Sofort nach Beendigung des Einlaufes radiographische Aufnahme. 

Rectum, Flexura sigmoidea und die übrigen Abschnitte des Colons sind erfüllt mit wismut- 
haltiger Flüssigkeit. Letztere hat offenbar die Ileocoecalklappe überschritten und ist in den Dünndarm 
vorgedrungen. Linke Flexur sehr hochstehend, rechte tiefer als der Norm entspricht. An der obersten 
Begrenzung beider Flexuren sind Gasblasen sichtbar. Haustren des Colon wenig deutlich, offenbar weil 
die Radiographie sofort an den Einlauf angeschlossen wurde. 


Verzeichnis der beigegebenen Abbildungen (Fig. 1 bis 30 der Tafeln VII bis XI.) 
Verdauungsversuch I. Marie M. 24 Jahre. 


Fig. 1. Direkt nach der Zufuhr wismuthaltiger Speisen. Erklärung: Protokoll a 1 
; 2. 8 Stunden , = a a „ E 2 a3 
” 3. 22 n 2 n 7 n n baj kad kad a 4 
- 432 , " on >’ n : n : : a 5 
n 5 48° x ee r A 3 x ‘ : a 6 
Verdauungsversuch II. Dieselbe Person wie in Versuch I. 
Fig. 6. Direkt nach der Nahrungszufubr. . . . . . Erklärung: Protokoll b 1 
„7. 1], Stunde , = P ng 5 i b 2 
3 & 2 Stunden „ 5 u i 5 b 3 
, 9. 8 5 5 i A ee ee ae ae ‘ b 4 
„n 10. 4 T 7 y p. ee ii He i ; b5 
a 14.28 4 7 2 eas hy ‘ b 7 
» 12.2 „ non » > n b 8 
, 13. 82 > š 5 X N b 9 
Verdauungsversuch HI. Edna U. 27 Jahre. E 
Fig. 14. Direkt nach der Nahrungszufuhr. . . . . . Erklärung: Protokoll el 
„ 15 4 Stunden „ : le a a ee Şi pai e2 
„ 16. 12 5 i P pa a ee ä e4 
.„ 17. 24 , oe p Be fs 3 A e5 


Verdauungsversuch IV. Dieselbe Person wie in Versuch III. 


Fig. 18. 12 Stunden nach der Nahrungszufuhr . . . Erklärung: Protokoll f 2 
Mägen: Fig. 19. 24jähriger Mann, normal, mittelgross, direkt nach 
der Nahrungszufuhr . . . ” 5 m 


» 20. Anna P., 35 Jahre, Hysterie, Eoteroptose, mittel. 
gross, direkt nach der Nahrungszufuhr 


172 Holzknecht u. Robinsohn. 


Dünndarm: Fig. 21. Max K, 16 Jahre, Typhlitis-Rekonvaleszent. 


2!, Stunde nach der Nahrungszufuhr . . . . . Erklärung: Protokoll i 2 
Tleocoecal- Fig. 22. Derselbe wie in Fig. 21. 
verbindung: 4 Stunden nach der Nahrungszufuhr . . . .. f $ i6 
Dickdarm: Fig 23. Bartholomäus W., normal, 22 Jahre 
10 Stunden nach der Nahrungszufuhr . . . . a i k 8 
» 24. Derselbe wie in Fig. 23. 
24 Stunden nach der Nahrungszufuhr . . . . . á à k 10 
» 25. Therese M., normal, 14 Jahre. 
9 Stunden nach der Nahrungszufuhr . . . .. ` s 17 
» 26. Dieselbe wie in Fig. 25. 
24 Stunden nach der Nahrungszufuhr . . . . . $ a 18 
Darmein- Fig. 27. Marie M., 24 Jahre (dieselbe wie in Fig. 1—13). 
läufe: Milch-Wismut-Einlauf ee a ee Tor Sl 2 2 r 
, 28. Anna P., 55 Jahre, (dieselbe wie in Fig. 20) Milch- 
Wismut-EBinlauf 2... oo oo on a R S 
» 29. Dieselbe Person wie in Fig. 20 u. 28. Ol-Wismut- 
POM a: se tr Nee we ee a z t 
» 30. Therese M. (dieselbe wie in Fig. 25 und 26). 
Wasser-Wismut-Einlauf . 20. 0... R ; u 


Aus dem Röntgenlaboratorium des K. K. Allgemeinen Krankenhauses in Wien (Dr. Holz- 
knecht, Privatdozent für medizinische Radiologie). 


I. 
Das Trochoskop, ein radiologischer Universaltisch. 


Von 
Dozent Dr. G. Holzknecht und Dr. I. Robinsohn. 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


Denken wir uns einen radiologischen Untersuchungstisch — wir haben ihn Trochoskop 
benannt — unter dem eine mittels verborgener Stromzuleitung betriebene Röntgenröhre derart 
angebracht ist, dass sie durch äussere Handgriffe in Funktion gesetzt 1. durch die Kombi- 
nation einer fortschreitenden und einer Rotationsbewegung unter jeden beliebigen Punkt der 
Tischplatte gebracht werden, 2. um jeden Punkt in der Mittellinie des Tisches eine Rotations- 
bewegung ausführen kann, so ergeben sich daraus die im folgenden zu schildernden Anwendungs- 
möglichkeiten. 

Bei jeder derselben geht man im Allgemeinen in der Weise vor, dass man den 
Patienten in der der speziellen Absicht entsprechenden Weise auf der für Röntgenlicht durch- 
liissigen Platte des Tisches lagert, die Irisblende maximal erweitert, die Röntgenröhre in Betrieb 
setzt, Tag- und künstliches Licht verlöscht.) Nun wird mit dem Schirme der Lichtkreis über 
dem Patienten aufgesucht und unter Benützung der äusseren Handgriffe des Tisches das Zen- 
trum des Lichtkreises und damit der Fokus der Röntgenröhre unter den zu untersuchenden 
Körperteil gebracht. Nach Vertauschung des Röntgenlichtes mit dem Tageslicht wird die 
Blende auf die entsprechende Weite gestellt.) 


1) Der Wechsel zwischen Fages- und Röntgenlicht und umgekehrt ptlegt hier vom Wartepersonal 
auf das Kommando „Licht-Dunkel*! ausgeführt zu werden. 

*) Die manipulierenden Aerzte schützen ihren Körper vor Rénteenstrahlen durch einen von der 
Brust bis zum Knie reichenden Bleischurz oder durch Umhüllung der Röhre mit dem von Gundelach 
in den Handel gebrachten Bleiglasmaterial. 


Das Trochoskop, ein radiologischer Untersuchungstisch. 173 


Das weitere Vorgehen richtet sich nach den verschiedenen Arten der Verwendung, als 
da sind: Durchleuchtung und Aufnahme in liegender Stellung des Körpers oder von Körper- 
teilen von oben und unten her (reziproke Aufnahmen), anatomisch genaue Blendeneinstellung, 
Kompressionsdurchleuchtung und -Aufnahme, Durchleuchtung bei rotierender Röhre, radiologische 
Operationen und Funktionsprüfungen, Fistelexplorationen, Ortho- und Stereodiagraphie etc. 


I. Durchleuchtung im Liegen. 


Bei der einfachen Durchleuchtung im Liegen kann man bei engster Blende 
unter Benutzung der von aussen dirigierbaren Einstellvorrichtung der Röntgenröhre in bequemer 
Weise auch an denjenigen Körperteilen Stelle für Stelle absuchen, an welchen die Durch- 
leuchtung bei dem bisher üblichen Vorgeben mühsam und lästig war, wie insbesondere an den 
unteren Extremitäten bei der Untersuchung im Stehen. Man hat dabei den Vorteil, etwa mit 
dem auf dem Tische aufruhenden Beine des Patienten Lageveränderungen vornehmen zu 
können, was im Stehen natürlich sehr misslich ist. Beı Patienten, deren schwerer Allgemein- 
zustand das Stehen oder Sitzen erschwert oder unmöglich macht, treffen diese Vorteile auch für 
alle übrigen Körperteile zu. 


II. Das Trochoskop als „Sucher“. 


Das Trochoskop ermöglicht eine Reihe von Verbesserungen in der Aufnahmstechnik: 

1. Die vorausgehende diaskopische Kontrolle des Arrangements der Aufnahme. 

2. Unmittelbaren Übergang von der Durchleuchtung zur Aufnahme mit Beibehaltung 
der diaskopisch ermittelten günstigsten Verhältnisse bezüglich der Röhren- und Objektstellung. 

3. Exakte Abblendung, d. h. Einstellung der Blendenweite in Bezug auf Lage und 
‚Grösse, genau entsprechend der diaskopisch sichtbaren erkrankten Kérperpartie. 

ad 1. Mehr als Postulat, denn als praktischer Usus hat es bisher gegolten, die 
Aufnahmsrichtungen vorher mittels der Durchleuchtung zu kontrollieren. Insbesondere bei 
Kontinuitätstrennungen im Skelett wurde das Bedürfnis einer vorherigen Einstellung in der zur 
Erkennung der Dislokation günstigsten Richtung sehr stark empfunden. Viele Aufnahmen ver- 
lieren bekanntlich, wenn die Projektionsrichtung eine ungünstige war, an Wert und geben zu 
Wiederholungen Anlass, oder sie bringen sogar vorhandene Veränderungen nicht zur Dar- 
stellung. Beispielsweise sind Frakturen mit geringfügiger Dislokation in manchen Aufnahms- 
richtungen nicht erkennbar. Auch die übliche Anfertigung zweier Bilder in zwei aufeinander 
senkrecht stehenden Aufnahmsrichtungen bietet nicht immer sicheren Schutz vor dem Übersehen 
derartiger Frakturen. Denn es lässt sich unschwer der Fall denken, dass eine Frakturlinie 
oder richtiger Frakturfläche, in keiner von zwei Projektionsrichtungen zur Darstellung gebracht 
wird, weil sie eben in einer dritten Ebene liegt, und nur von einem bestimmten Punkte aus 
in sie hineingeleuchtet werden kann. Diesen Punkt, resp. diese Aufnahmsrichtung zu treffen, 
war bei dem bisherigen Aufnahmeverfahren dem Zufall überlassen, während bei voraus- 
geschickter diaskopischer Einstellung die Frakturlinie auf der Aufnahme auch dann mit voller 
Schärfe erscheinen wird, wenn sie bei der Durchleuchtung kaum angedeutet und nicht zur 
Evidenz erkennbar war. Wer erfahren hat, wie sehr die Nebensächlichkeit oder Beweiskraft 
des Bildes von der Aufnahmsrichtung abhängt, wird den Wert der diaskopisch kontrollierten 
Aufnahme zu schätzen wissen. 
| ad 2. Will man von der einmal diaskopisch gewonnenen günstigen Projektions- 
richtung zur Aufnahme übergehen, so muss dies ohne Veränderung der gewonnenen Lage 
von Röhre und Objekt geschehen können. Dieser Bedingung lässt sich aber fast nur am 
Trochoskop sicher leicht und rasch entsprechen. Denn was jeder gewissenhafte Radiologe 
gelegentlich mit dem Versuche bezweckt und bald wieder aufgegeben hat, nämlich sich zur 


174 Holzknecht u. Robijnsohn. 


Kontrolle der Projektionsverhältnisse mit dem Schirme unter den Tisch zu begeben, gelingt 
mit Hilfe des Trochoskops mühelos; dazu kommt, dass nach der Einstellung nicht die geringste 
Lageveränderung mehr mit dem Objekte vorgenommen werden muss, da die Platte nicht 
zwischen das Objekt und die Unterlage, auf welcher es aufruht, gebracht werden muss, sondern 


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einfach an Stelle des Schirmes auf die freie Oberfläche des Objektes, Schichtseite nach unten, 
gelegt wird. Sie wird dort mittels Sandsäcken ete. niedergedrückt und befestigt. 

ad 3. Die exakte Einstellung der Blenden hat immer grosse Schwierigkeiten bereitet. 
Bei der wachsenden Erkenntnis des Wesens (der Blendenwirkung ist noch hinzugekommen, dass 
wir bei unseren Blendenaufnahmen stets den Zwiespalt empfinden, die Blende einerseits mög- 


Das Trochoskop, ein radiologischer Untersuchungstisch. 175 


lichst eng zu nehmen, und dadurch ihre Wirkung zu steigern, andererseits möglichst 
weit, damit nichts Wichtiges durch sie verdeckt wird. Bei relativ weitem Blendenfeld 
sind diese Schwierigkeiten zwar durch die Einführung der von einem von uns angegebenen 
Winkelblenden!) erheblich eingeschränkt worden, bei engster Blendeneinstellung geschieht es 
aber noch immer häufig, dass das Blendenfeld für die Ausdehnung des veränderten Gebietes 
zu gross war, oder was schlimmer ist, dass ein Teil dieses Gebietes durch den Blendenrand 
verdeckt wurde, ja dass kleine Herde vollständig verfehlt wurden. Dagegen ist die trocho- 
skopische Einstellung engster Blenden leicht und sicher und man vermöchte z.B. ohne weiteres 
den eng abgeblendeten Femurkopf auf eine Platte °/, cm zu projizieren. 

Um tastbare, oder überhaupt durch eine andere klinische Untersuchungsmöglichkeit 
gefundene, aber auf dem Schirme nicht sichtbare Bildungen zwecks eventueller radiographischer 
Darstellung trochoskopisch einzustellen, bedient man sich mit Vorteil mittels Heftpflasters auf- 
geklebter Bleimarken, die, wenn sie stören, nach vollzogener Einstellung entfernt werden. 


III. Reziproke Aufnahmen. 


Von jedem Körperteil lässt sich im Grunde eine unendliche Zahl von radio- 
logischen Projektionsbildern erzielen. Die nach der Richtung differenten Projektionsverhältnisse 
bedingen es, dass nicht eine einzige Projektion der anderen gleicht. Unter der unendlichen 
Zahl von Projektionsrichtungen giebt es nun einzelne Gruppen, welche deshalb wertvoll sind, 
weil sie einen detailreicheren Einblick in den Zustand des betreffenden Körperteils gewähren 
als andere, bei welchen Überdeckungen häufiger sind. 

Es war immer ein leichtes, mittels Durchleuchtung eines Skelettes oder auch bei der 
einfachen Betrachtung eines solchen diejenigen Projektionsrichtungen auszudenken, welche die 
besten Projektionsverhältnisse darbieten. Man hätte sich nun, die Entwickelung der radio- 
logischen Diagnostik verfolgend, füglich wundern müssen, dass von den zweckmässigen Pro- 
jektionsrichtungen eigentlich nur ein geringer Teil frühe und allgemeine Verwendung gefunden 
hat, wenn man nicht selbst oft und oft beim Arbeiten diese Absicht dem Zwecke bequemer 
Durchführbarkeit geopfert hätte. 

So ist z. B. von allen Aufnahmsrichtungen des Thorax die ventro-dorsale (Röhre 
vorne, Platten hinten) die ungünstigste: die Organe des Mediastinum, welche der vorderen 
Fläche des Thorax anliegen, werden vergrössert und verschwommen auf die der hinteren 
Thoraxfläche anliegende Platte projiziert. Trotzdem begegnen wir in den ersten Jahrgängen 
der radiologischen Litteratur nur dieser Aufnahmsrichtung; sie ist auch heute noch die vor- 
herrschende. Die viel wertvollere dorso-ventrale Aufnahme benötigt nämlich, wenn nicht 
besondere Vorrichtungen (Aufnahmsstuhl von Holzknecht und Kienböck, Cowl, Sjögren) 
benutzt werden, eine unbequeme Lagerung des Patienten, die Bauchlage; Kinder, Herz- und 
Lungenkranke können in dieser Stellung fast niemals untersucht werden. 

Die Aufnahme des Hüftgelenkes in Rückenlage ist die weitaus verbreitetste, obwohl 
die physiologische Haltung des Schenkelhalses die Aufnahme in entgegengesetzter Richtung 
um vieles günstiger gestaltet. 

Aufnahmen des Schädels, bei denen die Stirn oder die vordere Gesichtsfläche der 
Platte aufliegen müsste, wird allgemein nur wegen der Unbequemlichkeit der Bauchlage ver- 
mieden und selbst wo eine sagittale Aufnahme unbedingt notwendig ist, wie bei Lokalisation 
von Fremdkörpern, die im Gesichtsschädel oder Vorderhirn liegen, sehen wir in den Arbeiten 
immer wieder die fronto-okzipitale Aufnahme (Platte hinten) wiederkehren, welche der reichen 
anatomischen Anhaltspunkte, die der Gesichtsschädel bietet, entbehrt. 


1) Vgl. in der vorliegenden Nummer: Robinsohn, Zur Vereinfachung der Blendentechnik. 
Die Wirbelblende. 


176 Holzknecht u. Robinsohn, 


War es in der Reihe von Fällen, aus denen einige Beispiele herausgehoben wurden, 
die Absicht, für den Patienten unbequeme und erzwungene Lagen zu vermeiden, welche ana- 
tomisch ungünstige Projektionsrichtungen akzeptieren liess, so musste man in anderen, um der 
Stabilität des Objektes willen, auf bessere Aufnahmsrichtungen verzichten. Der Carpus gleicht 
in seinem architektonischen Aufbau einem Mauergewölbe; es ist daher klar, dass nur ein sich 
an der Palmarseite befindliches Auge durch sämtliche Gelenkspalten sieht, resp. dass nur eine 
palmo-dorsale Aufnahme die Konturen aller Carpalknochen unverdeckt erkennen lässt. Trotz- 
dem ist die palmo-dorsale Aufnahme der Hand eine Rarität: die Hand liegt nämlich bei der 
dorso-palmaren Aufnahme ohne unser Hinzutun ruhig auf der Volarseite auf, während es ihr 
bei entgegengesetzter Haltung an Unterstiitzungspunkten fehlt. 

Wir könnten diese Beispiele leicht häufen und aus allen ginge hervor, dass der 
Bequemlichkeit der Ausführung und dem Mangel an entsprechenden technischen Einrichtungen, 
der klinische Nutzen des Verfahrens, der einzige Endzweck desselben oft geopfert wurde. 


IV. Kompressionsdurchleuchtung. 


Die Wichtigkeit der Eliminierung des störenden Einflusses massiger Weichteile bei 
der Aufnahme durch die Kompression ist durch die verdienstvollen Arbeiten Albers-Schön- 
bergs über diesen Gegenstand allgemein verbreitet und anerkannt. Das Trochoskop bietet 
nun eine einfache und bequeme Gelegenheit, dieselben Vorteile auch für die Durchleuchtung 
auszunutzen, eine Thatsache, die uns schon die ersten Versuche am Trochoskop aufdrängten. 
Ebenso, wie man den Nutzen der Blende überhaupt am sinnfälligsten am Schirme wahr- 
nehmen und beweisen kann, so ist man überrascht von der Verbesserung, die schon der 
leiseste Druck auf das zwischen Röhre und Schirm befindliche Objekt am Schirmbilde 
hervorbringt. Gewisse Ansätze zur Kompressionsdurchleuchtung hat wohl jeder gemacht, wenn 
er die Weichteilmassen des Oberarmes oder Oberschenkels, der Nase etc. mit den Fingern 
kompromiert hat, um etwa einen Fremdkörperschatten deutlicher zu sehen, oder das zwischen 
Schirm und Blende gefasste Abdomen plattzudrücken versucht hat. Schürmeyer hat zu 
diesem Zwecke sogar eine eigene Blendenvorrichtung, die freilich nur im Stehen des Patienten 
anwendbar ist, angegeben. 

Allein mit vollem Nutzen und in bequemer Weise bei entspannter Muskulatur der 
Patienten lässt sich die in Zukunft als besondere Technik auszubildende Kompressionsdurch- 
leuchtung nur gegen den Widerstand der Unterlage ausüben, auf welcher der Patient ruht. 

Nachdem man sich mit Hilfe eines gewöhnlichen Schirmes am Trochoskop eine all- 
gemeine Orientierung verschafft hat, wird dieser mit dem Kompressionsschirn vertauscht. 
Dieser besteht aus einem Kompressionsrohr aus Holz von verschiedener Grösse und Form, in 
das ein entsprechender Schirm versenkt ist. Nachdem man die Weichteile mit Hilfe des Rohres 
von oben her eingedrückt hat, erscheint auf dem Schirme ein durch seine Klarheit oft über- 
raschendes Bild. Von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der Kompressionsdurchleuchtung 
wollen wir vor allem die Aufsuchung von Fremdkörpern im Abdomen und die wesentliche 
Bereicherung der Nierensteindiagnostik hervorheben. 

Obwohl dieser Umstand in der radiologischen Literatur eigentümlicherweise keinen 
deutlichen Ausdruck gefunden hat, ist sich doch jeder Radiologe bewusst, dass die Mehrzahl 
der kleinen Fremdkörper im Abdomen mit der bisherigen Technik nicht nachweisbar war — 
ein in der Praxis oft missliches Ereignis. Die diesbezüglichen Schwierigkeiten waren selbst- 
verständlich je nach der Grösse und dem spezifischen Gewicht des Fremdkörpers verschieden. 
Die radiologische Aufnahme, die ja im ganzen mehr als das lichtschwache Durchleuchtungs- 
bild Chancen bot, den Nachweis des Fremdkörpers zu erbringen, hatte, hatte hier wegen 
der Verwischung des Bildes durch die respiratorischen und peristaltischen Verschiebungen 
meist wenig Erfolg. Wahrhaft erfreulich ist es dagegen zu sehen, wie an einer Stelle des 


Das Trochoskop, ein radiologischer Untersuchungstisch. 177 


Abdomens, an der bei einfacher Durchleuchtung — natürlich mit enger Blende — nichts 
wahrnehmbar ist, bei leichtem Druck des Kompressionszylinders die früher graue, leere Fläche 
an Helligkeit rasch zunimmt und den Fremdkörperschatten erscheinen lässt. Ein gleich ver- 
lässliches Resultat ist nur durch eine grosse Serie von, das ganze Abdomen allmählich ab- 
schreitenden gewöhnlichen Kompressionsaufnahmen zu erlangen. Abgesehen davon, dass 
eine solche Abschreitung des Abdomens mittels Kompressionsaufnahmen sehr zeitraubend ist, 
besteht die Möglichkeit, dass zwischen der einen Aufnahme und der anderen der Fremdkörper 
durch peristaltische Bewegung und durch mechanische Verschiebung aus einer noch nicht 
aufgenommenen in eine bereits aufgenommene Stelle gelangt und auf diese Weise der Unter- 
suchung entgeht. Während wir seit Anwendung der Kompressionsdurchleuchtung am Trocho- 
skop wiederholt verschluckte oder durch die Bauchdecken eingedrungene kleine Fremdkörper, 
sogar Nadeln im Abdomen auffinden und ihre Wanderung regelmässig verfolgen konnten, ist 
uns vor Einführung des Trochoskops niemals gelungen, eine Nähnadel im Verdauungstrakt 
nachzuweisen, | = | 


V. Kompresssionsaufnahme. 


Ersetzt man in dem im vorhergehenden beschriebenen Kompressionszylinder den ein- 
gepassten Schirm durch eine entsprechend grosse und geformte Platte oder einen Film und 
fixiert den Zylinder mit einer improvisierten resp. besonderen Vorrichtung, so lässt sich das 
vorhin beschriebene Bild der’Kompressionsdurchleuchtung radiographisch festhalten. Dabei ist 
es von grosser Wichtigkeit, dass die Weite der im Tisch befindlichen Blende der Weite des 
Zylinders der Kompressionsblende genau angepasst wird, vor allem nicht grösser ist, als es 
dieser entspricht. 


‘VI. Durchleuchtung bei rotierender Röhre. 


Die Durchleuchtung mit unter: dem Tisch befindlicher fixer Röhre bietet bei unver- 
änderter Lage des Objektes nur eine Projektion desselben. Zahlreiche Fälle, in denen eine 
Beurteilung der Distanz zweier gesehener Punkte notwendig ist, erfordern bekanntlich mindesteus 
eine zweite, am besten auf die erste senkrechte Projektionsrichtung. Insbesondere ist es die 
Absicht, bei Kontinuitätstrennungsn des Skelettes und Lageveränderungen der: Gelenkenden 
während der Durchleuchtung Stellungskorrekturen vorzunehmen, welche zur Benutzung einer 
zweiten Projektionsrichtung drängen. Eine zweite auf die erste senkrechte Projektionsrichtung 
ist nun zwar am Trochoskop, wenn man die Lage des Objektes nicht wechseln oder wenn 
man sich nicht durch Benutzung einer zweiten ausserhalb des Trochoskops aufgestellten Röhre 
des Vorteils der wohlversorgten Röhre und ihrer geschützten Stromzufübrung verlustig gehen 
soll, nicht verwendbar. Das gleiche Resultat aber erreicht man im Prinzip durch zwei unter 
dem Tisch befindliche Röhren, von denen keine genau senkrecht unter dem Objekt steht und 
deren Strahlung das Objekt unter einem möglichst grossen Winkel trifft. Aber zu diesem 
Zwecke wäre nicht nur eine zur rechten und eine zur linken Seite des Objektes postierte Röhre 
notwendig, sondern auch eine zephal- und eine kaudalwärts verschiebliche. Ja zur vollen 
Exaktheit müsste der Fokus dieser Röhre auch alle Zwischenstellungen zwischen den vier 
angegebenen einnehmen, also an alle Punkte der Peripherie eines Kreises gebracht werden können. 

Nun ersieht man aus nachstehender Beschreibung, dass der Fokus der Röhre bei 
unserer Konstruktion unter Benützung der einen Kurbel auf der Peripherie eines Kreises 
bewegt werden kann. | | 

Durchleuchtet man mittels rotierender Röhre bei entsprechend eingestellter Blende 
ein in einen Punkt der Mittellinie des Tisches gebrachtes Objekt, z. B. zwei dislozierte Frag- 


Fortsohritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 23 


178 Holzknecht u. Robinsohn. 


mentenden, so kann man bei richtiger Deutung des beständig wechselnden Schattenbildes der 
Fragmentenden eine vollkommene Klarheit über das wirkliche, das objektive gegenseitige Lage- 
verhältnis derselben (mit Ausnahme der Dislocatio ad peripheriam) erlangen. Allerdings wird 
man sich denkend und übend an das neue Bild einer kreisförnig parallaktischen Verschiebung 
gewöhnen miissen.') 


VII. Fremdkörperoperationen im abwechselnden Röntgen- und Tageslicht. 


Wiederholt wurde auf die noch immer verbreitete irrtümliche Auffassung hingewiesen, 
als könnte man mit Hilfe eines oder zweier, in aufeinander senkrecht stehenden Durch- 
leuchtungsrichtungen aufgenommenen Radiogrammen, quasi nach einer Vorlage, Fremdkörper» 
deren Extraktion ja seit der Entdeckung Röntgens in einen grösseren Indikationskreis fällt, 
in jedem Falle mühelos entfernen. Die unausbleiblichen Misserfolge, verursacht durch die 
wiederholt besprochene Unmöglichkeit, plane Projektionsbilder verschiedener Richtung exakt 
für eine räumliche Vorstellung zu verwerten, führten aber nicht, wie man annehmen sollte, zu 
der Erprobung exakterer geometrischer Methoden, sondern brachten vielmehr bei den Operateuren 
die Fremdkörperradiologie in einen gewissen Misskredit, der in dem verschiedentlich geäusserten 
Ausspruch, die Fremdkörper würden seit Einführung der Röntgenstrahlen wohl öfters gesucht, 
aber seltener gefunden, gipfelte. Dass dem so ist, kann nicht geleugnet werden. Wie 
oft sah man thatsächlich den Operateur nach längeren, für Arzt wie Patienten gleich pein- 
lichem, zerwühlendem und doch vergeblichem Suchen von der Beendigung dieser atypischesten 
aller Operationen Abstand nehmen. In diese Verhältnisse brachten auch die zahlreichen — 
gegenwärtig sind es 81 — Lokalisationsmethoden, meist geometrischer Natur, keine Besserung. 
Jederzeit aber hatte der Chirurg wie der Radiologe den Gedanken, Lokalisation und Operation 
in einen Akt zusammenzuziehen, eine naheliegende Abhilfe für die Misshelligkeit, einmal den 
Fremdkörper im Röntgenlichte zu sehen und ihn später bei Tageslicht nicht finden zu können. 
Die Fremdkörperpunktion (Perthes), bezw. die Harpunierung (Holzknecht-Grünfeld) setzte 
hier an und wies dem Chirurgen einen klaren, anatomisch wie funktionell erwogenen direkten 
Weg. Indes haften auch dieser Methode immer noch Mängel genug an, das Ideal an Einfach- 
heit, Sicherheit und Schnelligkeit ist durch sie nicht erreichbar; allerdings bleibt sie für 
gewisse Fälle und für jene Verhältnisse, unter denen das einzeitige Operieren unmöglich ist, 
noch immer das beste Verfahren. Allen Anforderungen wird hingegen durch die einzeitige 
Aufsuchung im wechselnden Röntgen- und Tageslichte entsprochen. 

Dieselbe giebt die Möglichkeit, die angtomisch und funktionell günstigste Stelle zur 
Inzision zu benützen, auf dem kürzesten Wege zu dem fremden Körper zu gelangen und in 
jedem Momente durch einfache Umschaltung den Operationsgang zu kontrollieren. Allerdings 
stehen der praktischen Ausführung nicht unwesentliche technische Schwierigkeiten entgegen, 
die aber durch eine einmalige Adaptierung des Instrumentars zu beheben sind. Zunächst die 
entsprechende Einrichtung des Operationsraumes, der sowohl die Untersuchnng im Röntgen- 
lichte als auch die aseptische Operation bei Tages- resp. künstlicher Beleuchtung gestatten 
muss, weiters die Versorgung der Kabel für die Zuleitung des Stromes in einer den Operateur 
wie den Patienten nicht behindernden Weise. Endlich darf die Asepsis durch den komplizierten 
Mechanismus des radiologischen Instrumentars in keiner Weise beeinträchtigt werden. 

Allen diesen Anforderungen entspricht das Trochoskop.?) 


1) Diesem immerhin schwierigen Verfahren steht freilich als Ideal die Röntgenstereoskopie 
gegenüber, aber ihre Technik ist derzeit noch nicht praktikabel. Über Stereodiagraphie mit Hilfe des 
Trochoskops s. Abschnitt XI. 

®) Vgl. Holzknecht-Grünfeld, Die Fremdkörperentfernung bei wechselndem Röntgen- und 
Tageslicht als Grundlage der Lehre von den radioskopisehen Operationen, (Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, 
Bd, LXXIII, 1904.) 


Das Trochoskop, ein radiologischer Untersuchungstisch. 179 


In praxi spielt sich der Vorgang. folgendermassen ab: Nach einer provisorischen 
Durchleuchtung, welche zunächst den Nachweis des Fremdkörpers überhaupt erbringt und einer 
beiläufigen Lokalisation des letzteren wird der Operationsplan, d. h. der Ort des Hautschnittes, 
die Ebene der Schnittführung und die weitere Präparation an der Hand der Zugänglichkeits- 


Fig. 2. 


verhältnisse mit Berücksichtigung der Topographie (Faserverlauf der Muskulatur, Sehnen, 

Bänder, Nerven, Gefässe etc.) bis ms kleinste Detail erwogen. Dadurch ist man in die Lage 

versetzt, mit der kleinstmöglichen Verletzung auszukommen und die durch das Eindringen des 

’remdkörpers bedingte functio laesa durch die Operation zu beheben, statt sie durch die 
23 * 


180 Holzknecht u. Robinsohn. 


Operation nur noch zu vergrössern. Der Patient, das chirurgische Instrumentar etc. wird nun 
in der herkömmlichen Weise operationsreif vorbereitet und am Orte der Wahl der entsprechende 
Hautschnitt geführt. Nach Einführung einer Sonde in die Wunde wird durchleuchtet und der 
Schatten des Sondenknopfes mit dem Fremdkörper zur Deckung gebracht. Bewegt sich sodann 
der Fremdkörper bei geringen Bewegungen der Sonde mit, dann ist man in der richtigen 
Tiefenschichte und kann ihn entweder bei künstlichem Lichte zu Tage fördern oder unter 
Röntgenlicht mit einem an Stelle der Sonde eingeführten fassenden Instrumente extrahieren. 
Bewegt sich der Fremdkörper noch nicht mit der Sonde, dann muss man dort tiefer präparieren. 

Ob man im gegebenen Falle den Fremdkörper während der Durchleuchtung fasst, 
wobei event. ein wenig vom umgebenden (Gewebe mitgeht oder bei künstlichen Lichte 
präparatorisch weiterarbeitet, entscheidet die Relevanz oder Irrelevanz einer derartigen Ver- 
letzung in Ansehung der topographisch-funktionellen Verhältnisse. Fin paar Muskelfasern des 
Thenar kann man schlechterdings opfern, in der Palma, am Handgelenk etc. muss man vor- 
sichtiger sein. | 

Mit der geschilderten Methode wurden im Röntgenlaboratorium des k. k. Allgemeinen 
Krankenhauses bisher zahlreiche Fremdkörper entfernt. Der Fortschritt drückt sich am besten 
in den erheblich abgekürzten Aufsuchungszeiten aus, welche zwischen ein bis zelın Minuten 
schwankten. Die zur Entbindung notwendige Zeit hängt natürlich von den topographischen 
Verhältnissen und der Form des Fremdkörpers ab. 


VIII. Radiologische Funktionsprüfungen. 


Es ist naheliegend und muss als geboten bezeichnet werden, die Lokalisation von 
Fremdkörpern in den Weichteilen durch die Prüfung auf die Mitheweeungen derselben mit den 
Exkursionen der Gelenke, Sehnen, Muskeln, Ränder zu vervollständigen. Aus der verschiedenen 
Art, Richtung und Exkursionsgrösse oder aus dem Fehlen der Mitbewegungen ergeben sich ja 
reichlich Anhaltspunkte für die topischen Beziehungen der Fremdkörper zu den Bandapparaten 
der Gelenke, den Muskeln und den Sehnen. 

Bisher haben sich nur wenige experimentelle Arbeiten mit der radiologischen 
Funktionsprüfung beschäftigt, so namentlich mit dem Mechanismus der Intercarpalgelenke und 
mit den Belastungsdeformitäten der Weichteile der Fusssohle. 

Zahlreiche andere Möglichkeiten aus dem Bereiche der radiologischen Funktionsprüfung 
konnten jedoch wegen der gleichen Mängel der Durchleuchtungstechnik, die wir oben wieder- 
holt geschildert haben, und die den Anstoss gaben zur Einführung des Trochoskops, bisher 
nicht verwirklicht werden. 

Eine grosse Zahl derselben lässt sich nun ohne besondere Schwierigkeiten anbahnen, so: 

Die physiologische Prüfung, insbesondere der komplizierten und nicht 
sichergestellten Mechanismen der kleineren Gelenke, ferner die pathologischen 
Abweichungen von den auf diese Weise gefundenen Normen sowohl dort, wo durch trauma- 
tische und pathologische Schädigung des Bandapparatss abnorme Beweglichkeit entstanden ist, 
als auch dort, wo dieselbe beschränkt oder aufgehoben ist (Ankylose), insbesondere wieder 
dort, wo zahlreiche kleine Gelenke den Zustand ihrer Binzelfunktion der prüfenden Hand 
verbergen. 

Die Prüfung der Beweglichkeit von Fremdkörpern und Konkrementen. 
Wir meinen die von uns seither oft herangezogene passive Beweglichkeit der Fremdkörper im 
Darme und der Konkremente im Nierenbecken, ferner die eventuelle Möglichkeit freie und 
abgesackte Steine in der Blase zu unterscheiden. 

Die Prüfung auf Beweglichkeit bei Verdacht auf Pseudarthrose, insbeson- 
dere wo grosse, äusserlich sichtbare Exkursionen fehlen oder es sich um die kleineren der 
äusseren Untersuchung schwerer zugänglichen Knochen handelt. 


Das Trochoskop, ein radiologischer Untersuchungstisch. 181 


IX. Radioskopische Fistelexploration. 


Zu den älteren Angaben der radiologischen Litteratur zählt die Methode, Verlauf und 
Ausdehnung von Fistelgängen dadurch zu eruieren, dass dieselben vor der Durchleuchtung 
oder Aufnahme mit spezifisch schweren Flüssigkeiten gefüllt werden. Allein weder die dies- 
bezügliche Technik (Wahl der Flüssigkeit, ein allen Einzelfällen anpassbares Instrumentarium), 
noch auch die radiologische Beurteilung der Resultate hat bisher eine weitere Verbreitung 
gefunden. | | 

Auch diese Untersuchungsart wird durch die Anwendung des Trochoskops wesentlich 
erleichtert, durch die Möglichkeit der radioskopischen Aufsuchung der zweckmässigsten 
Aufnahmsrichtung, der Möglichkeit einer genauen Blendeneinstellung etc. 


X, Das Trochoskop als Orthodiagraph. 


Wenn man 1 über die Irisblende des Trochoskops die dem Tisch nach Bedarf beigegebene 
Zentriervorrichtung legt, so sind im Prinzipe jene technischen Bedingungen erfüllt, auf welchen 
das orthodiagraphische Verfahren beruht. Bei den üblichen Orthodiagraphen ist mit Recht 
besonderes Gewicht darauf gelegt, dass der zeichnende Stift selbst die ungemein bewegliche 
Röhre bei seinen Exkursionen mitnimmt. Dadurch ist ein sehr rasches und bequemes Aufschreiben 
der orthodiagraphisch aufzunehmenden Linien und Punkte möglich und ein solches ist dort 
notwendig, wo es sich um die Erledigung eines grossen orthodiagraphischen Materials handelt 
z. B. bei einer auf diese Methode gerichteten oder auf ıhr basierenden Untersuchungsreihe. 

In der Gesamtsumme der allgemeinen radiologischen Praxis spielt dagegen der Ortho- 
diagraph keine besondere Rolle und es ist daher ohne weiteres möglich, das in der erwähnten 
Weise ergänzte Trochoskop, wenn auch mit etwas langsamerer Ausführung, an Stelle des 
eigentlichen Orthodiagraphen zu verwenden. 


XI. Trochoskopische Stereodiagraphie. 


In Bezug auf ein in der Mittellinie liegendes Objekt nimmt die Röntgenröhre des 
Trochoskops, wenn man sie in zwei einander entgegengesetzten Stellungen (Rotation um 180°) 
benützt, jene Lagen ein, welche für stereoskopische Aufnahmen notwendig ist. Dabei kann der 
Winkel zwischen den beiden Aufnahmsrichtungen durch entsprechende Einstellung der Blende 
entsprechend gewählt werden. Damit erscheinen alle technischen Bedingungen gegeben, unı 
stereoskopische Aufnahmen zu bewerkstelligen. Als besonderer Vorteil der Benutzung des 
Trochoskops zu denselben erscheint die Möglichkeit, die Stellung vorher zu sehen und die 
auf dem Objekt liegende Platte ohne die ee und unhandliche Kassette auf einfachste 
Weise durch blossen Austausch zu wechseln. 


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Die zahlreichen, mit den vorhergehenden Ausführungen weder intensiv noch extensiv 
erschöpften Möglichkeiten, welche das Trochoskop bietet, wurden hier zum Teil nur andeutungs- 
weise mitgeteilt, um den grossen Gewinn, welchen die Röntgentechnik schon jetzt ohne weiteres 
aus denselben ziehen kann, allgemein zugänglich zu machen. Und als grossen Gewinn bezeichnen 
möchten wir Möglichkeiten wie die so erfreuliche Vermehrung der diagnostischen Sicherheit 
bei der Nephrolithiasis, einer Affektion, bei welcher die Indikation zu einem relativ schweren 
Eingriff in so hohem Masse auf der radiologischen Untersuchung beruht. Jede Vermehrung 
der Symptomatologie eines solchen Leidens, wie sie durch den Nachweis der palpatorischen 
und respiratorischen Beweglichkeit und die eigentümliche Konstanz der Übereinstimmung zwischen 
Druckempfindlichkeit und Lage des steinhaltigen Nierenbeckens gegeben ist, ist als erheblicher 
Fortschritt zu betrachten. 


182 Holzknecht u. Robinsohn. 


Dieses und die anderen Kapitel, über die uns bereits ein grosses Erfahrungsmaterial 
vorliegt, sollen Gegenstand monographischer Bearbeitungen werden. 
Zum Schlusse sei die Abbildung und kurze Beschreibung des Trochoskops beigegeben.') 


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Das Trochoskop, cin radiologischer Universaltisch für Durchleuchtung und Aufnahme im Liegen, 
in einfachen und reziproken Stellungen, orientierte Blendeneinstellung, Kompressionsdurchleuch- 
tung und Kompressionsaufnahme, Durchleuchtung bei rotierender Röhre, radiologische 
Operationen und Funktionsprüfungen, Fistelexplorationen, Ortho- und Stereodiagraphie. 

(Der mittlere Teil der durchlässigen Tischplatte ist durchbrochen gezeichnet, damit die Blenden- 
platte mit der Irisblende sichtbar wird. Die beiden Kurbeln, welehe die Längs- und Rotationsbewegung 
beherrschen, sind an der vom Beschauer abgewandten Stirnseite [rechts im Bilde] angebracht.) 


Das Trochoskop besitzt zwei ca. 20 cm vom Erdboden und 40 cm voneinander entfernte 
Holzleisten, auf welche der ganzen Länge nach zwei Eisensehienen aufmontiert sind. Diesen ist ein 
leichter Wagen aufgesetzt, der mittels Riemen und kleinen Schnurrollen mit der an der Stirnseite des 
Tisches angebrachten ersten Kurbel über die ganze Länge des Tisches geschoben werden kann. Die Eisen- 
schienen dienen auch gleichzeitig als Zuleitungsschienen und werden direkt mit den sekundären Ab- 
leitungsklemmen des Induktors verbunden. Im Zentrum des Wagens ist eine Achse angebracht, die durch 
ein Zahnrad getrieben, mit einer zweiten Kurbel von der Stirnseite des Wagens aus in rotierende 
Bewegung gesetzt werden kann. Bei der Längsbewegung schaltet sich das Zahnrad selbsttätig vom Triebe 
ab, so dass man mit der einen Kurbel die Längsbewegung, und mit der anderen die Kreisbewegung des 
Wagens mit der darauf befindlichen Röhre machen kann. Die Röhre ist zum Höher- und Tieferstellen 
eingerichtet und gestattet eine Annäherung bis zu 12 und eine Weitestentfernung bis zu 26 cm von der 
unteren Seite des zu durchleuchtenden Objektes. Auf der sich drehenden Achse sind vier Stützen für 
eine Zinkplatte von 60 cm Durchmesser und 1 mm Stärke angebracht, auf welcher eine gegen das Zentrum 
zu verschiebbare Irisblende montiert ist. An der Irisblende sind mehrere Zapfen (kleine Handgriffe) 
ein geschraubt, welche man mit der Hand durch den an der Längswand des Tisches angebrachten 
Schlitz erreichen kann, wodurch eine leichte Verstellung der Blende möglich ist. Für die Zuleitung 
des Stromes wird im Boden ein Schacht gegraben, durch welchen die beiden sekundären Ableitungsdrähte 
des Induktors geführt sind, damit man ohne Gefahr von den elektrischen Schlägen um den Tisch herum 
tätig sein kann. Wenn die Untergrundleitung nicht durchführbar ist, so können die Kabel an der freien 
Stirnseite des Tisches (im Bilde links) zugefügt werden, da der Radiologe und der Chirurge sich an der 
Stirnseite, welche die Kurbeln trägt, aufhalten. Die Weiterleitung von den Schienen erfolgt durch die 
Metallräder des Wagens, von hier durch cine im Innern mit cinem Draht versehene Holzsäule, wo die 


1) Der Apparat wurde nach unseren Angaben von der Firma Reiniger, Gebbert & Schall in 
Erlangen hergestellt. 


Zur Vereinfachung der Blendentechnik. Die Winkelblende. 183 


Weiterleitung auf eine kleine federnde Rolle führt, die den Strom an einen darauf schleifenden grossen 
Metallring abgiebt, der mit der Röhre verbunden ist. Der zweite Pol führt zur Achse im Innern des 
Tisches und von hier zur Röhre. Die obere Platte des Tisches hat einen Rahmen, welcher mit dicht 
gestellten Gurten und einem festen Stoff überzogen ist, auf welche das zu durchleuchtende Objekt gelegt 
wird. Der Tisch ist aussen mit einem waschbaren weissen Lack lackiert und wird bei Operationen mit 
Billroth-Battist, sonst mit Leintüchern bedeckt. 


II. 


Zur Vereinfachung der Blendentechnik. Die Winkelblende. 
Von 
Dr. I. Robinsohn. 
Mit 7 Figuren im Text. 


Band VII, Heft 3 der „Fortschritte auf dem Gebiete der Réntgenstrahlen“ (unter 
„Correspondenz*) bringt einige wichtige Ausführungen Walters, als Antwort auf eine ent- 
sprechende Anfrage von Holzknecht. | 

Man finde — giebt Walter an — dass die Härte der Sekundärstrahlung des Objektes zwei bis 
drei Nummern höher in der Skala (von Benoist-Walter) liege, als die der Primärstrahlung der Röhre, 
während die von der Glaswand der Röhre herrührenden Sekundärstrahlen dieselbe Härte haben, wie die 
direkte Strahlung. Auf diesen Unterschied sei es in erster Linie zurückzuführen, dass die von der 
Glaswand herrührende Sekundärstrahlung bei der Durchleuchtung stärkerer Objekte die Klarheit des 
Bildes erheblich weniger beeinträchtigt, als die im Objekte selbst erzeugten Sekundärstrahlen. Die 
Sekundärstrahlung sei nämlich um so weicher, d. h. um so weniger durchdringungsfähig, je grösser das 
Atomgewicht des dieselben erzeugenden absorbierenden Mediums ist. Die Sekundärstrahlen des Bleies 
z. B. vermögen kaum durch ein dünnes Blatt Papier hindurchzudringen, während diejenigen des Kohlen- 
stoffs und seiner organischen Verbindungen an Penetrationskraft selbst die härteste Primärstrahlung 
hinter sich lassen. 


Aus den vorstehenden Ausführungen Walters geht klar hervor, dass die Aufgabe der 
Blendentechnik weniger in der Abhaltung der von der Glaswand der Röhre herrührenden 
Sekundarstrahlen, der sogenannten Glasstrahlen, bestehen müsse, als vielmehr in der möglichst 
weitgehenden Verhütung des Zustandekommens von Sekundärstrablen im Objekte selbst, nament- 
lich in dessen Weichteilen. Denn die von der Glaswand und überhaupt von den umgebenden 
Gegenständen herrührenden Sekundärstrahlen (exogene Strahlen, Holzknecht) haben wenig 
Penetrationskraft und werden beim Passieren des Objektes aufgebraucht, während die im 
Objekte selbst, namentlich in dessen tieferen Partien entstehenden sekundären Strahlen (entogene 
Strahlen, Holzknecht) grosse Penetrationskraft besitzen und neben den primären Strahlen die 
Bildentstehung beeinflussen. 

Bisher wurde auf die exogenen Strahlen ein grosses Gewicht gelegt und eine Reihe 
von Autoren (Albers-Schönberg, Dessauer und Wiesner, Donath, Gocht etc.) haben 
Blendenvorrichtungen angegeben, welche neben den entogenen auch die exogenen Sekundär- 
strahlen abhalten sollten. Diese Blendenvorrichtungen haben (bis auf die Kompressionsblende) 
das eine gemeinsam, dass sie in die Nähe der Röntgenröhre postiert sind. 

Im folgenden sei der Kürze halber für die in die Nähe der Röntgenröhre postierten 
Blenden der Terminus röhrenständig, für die dem Aufnahmsobjekt genäherten der Terminus 
objektständig gebraucht. 

Die genannten Autoren verwenden als röhrenständige Plattenblenden zwei Typen: 
Blenden mit fixer Öffnung und variabler Entfernung vom Fokus und Blenden mit fixer Stellung 
zum Fokus und variabler Öffnung (Irisblenden). 


184 Robinsohn. 


Eine Blende der ersten Art hat z. B. Donath angegeben. Zur Beschreibung der 
Blende selbst und zur Schilderung der Art ihrer Anwendung sei diesem Autor selbst das Wort. 
überlassen '): 


„ Verfasser verwendet kleinere Blenden und bringt dieselben ;srleich unterhalb der Röhre mit einer 
Klammer an, die er am Röhrenstativ, selbst befestigt. Die genaue Einstellung der Blende ist sehr ein- 
fach. Zunächst wird die Röhre so aufgestellt, dass sie die gewünschte Entfernung von der Platte hat, 
darauf an Stelle der Platte ein Fluoreszenzschirm auf den Aufnahmetisch gelegt und dann die Blende in 
der Höhe so verstellt, dass gerade nur ein der Plattengrösse entsprechendes Stück des Schirmes zum Auf- 
leuchten kommt. An diese Stelle wird daun die Platte und darüber das Aufnahmeobjekt gelegt.“ 

Die Langatmigkeit dieser Schilderung lässt das Verfahren als nicht gar so einfach 
erscheinen, als der Autor es meint, auch kann man sich durch einen Versuch leicht vom Gegen- 
teil überzeugen. Abgesehen davon, dass dieses Verfahren das Arbeiten im verdunkelten Raume 
voraussetzt, weil man sonst bei jeder Aufnahme gezwungen ist, das Auge an die Dunkelheit 
zu akkommodieren, und dass es zeitraubend ist. dürfte es in vielen Fällen auch undurchführbar 
sein. Ohne vorherige diesbezügliche Untersuchung, d. h. bevor die aufzunehmende Person 
auf dem Aufnahmetisch gelagert ist, wird es in vielen Fällen unmöglich sein zu entscheiden» 
welche Lage die aufzunehmende Partie auf dem Tische haben wird und welche Stellung zum 
Objekte, resp. welche Höhe man der Röhre geben solle. Eine einwandsfreie Arbeitsmethode 
muss von dem Prinzip ausgehen, dass vor allem das Objekt in bequemer und zweck- 
entsprechender Weise auf dem Aufnahmetisch gelagert werden und dass sich die Röhre in 
Stellung und Höhe, dann aber auch die Blende und die Plattengrösse den besonderen Ver- 
hältnissen des Aufnahmsobjektes adaptieren müsse und nicht umgekehrt das Objekt der fixen 
Stellung der Röhre resp. Blende. 

Dies gilt natürlich nicht minder für die Irisblende. Ich hebe diese selbstverständliche 
Thatsache nur deswegen besonders hervor, weil in den Beschreibungen der röhrenständigen 
Irisblenden meist ebenfalls nur die theoretische und nicht die praktische Anwendungsmöglichkeit 
ihren Ausdruck findet. 

Es sei des Beispiels halber als Typus der röhrenständigen Irisblenden gleich die voll- 
kommenste angeführt, die von Albers-Schönberg angegebene „Schiebeblende“, welche Gocht 
treffend als „viereckige und vierspaltige Irisblende“ definiert. 

Aus der Beschreibung, die Albers-Schönberg”’) von dieser Blende giebt, seien 
folgende Sätze citiert: 

„Man kann somit (mit Hilfe der Schiebeblende) aus dem zu durchleuchtenden Körperteil ein 
Quadrat oder ein Rechteck mit kleiner Basis und grosser Höhe oder ein Rechteck mit grosser Basis und 
geringer Höhe herausblenden. Solche Bleidiaphragmen, welehe Offnungen von jeder beliebigen Grösse 
hervorzubringen imstande sind, erleichtern die Einstellung sehr wesentlich, da man sich schnell diejenige 
Blendenweite ausprobieren kann, welehe erforderlich ist, um bei einem gewissen Abstande eine gewisse 
Plattengrösse vollständig auszuzeichnen.* 

Das wäre die theoretische Anwendungsmöglichkeit der Schiebeblende, wie verhält es 
sich jedoch mit der praktischen? 

Da dem jedesmaligen „Ausprobieren“ mit Zuhilfenahme des Leuchtschirmes dieselben 
Nachteile anhaften, die oben Donath für seine Blende so drastisch geschildert hat, sieht sich 
Albers-Schönberg gezwungen, zu einem Auskunftsmittel zu greifen. Er führt fixe Masse 
ein für die Entfernung zwischen Fokus und Blende einerseits, Blende und somit auch Fokus 
und Platte andererseits. Nach einer von Albers-Schönberg aufgestellten Tabelle beträgt 
z. B. bei einer Fokus-Blendendistanz von 8'/, cm, Blenden-Plattendistanz von 27 cm und einer 
Blendenweite von 4'/, cm die auf der Platte bestrahlte Fläche im entsprechenden Durchmesser 
16 cm, bei einer Blendenweite von 4 cm der Durchmesser der bestrahlten Fläche 14 cm. 


1) Donath, Die Einrichtungen zur Erzeugung der Réntgenstrablen, 1903. III. Auflage, S. 186. 
*) Albers-Schönberg, Réntgentechnik 1903, S. 59. 


Zur Vereinfachung der Blendentechnik. Die Winkelblende. 185 


Wenn ich hinzufüge, dass die Tabelle überhaupt nur wenige Angaben enthält, nämlich Angaben 
bezüglich der Grösse des bestrahlten. Feldes bei 8 cm Blendenweite und der Blenden-Platten- 
distanz von 41, 36 und 33 cm, ferner 4?/, cm Blendenweite und 27 cm Blenden-Plattendistanz, 
endlich 4 cm Blendenweite und 27 resp. 23 cm Blenden-Plattendistanz, Entfernungen, berechnet 
ausschliesslich für bloss drei Plattenformate, nämlich die Formate 30 x 40, 18 x 24 und 
13 x 18, so ist leicht einzusehen, dass das anscheinend einfache Manipulieren nur durch 
Verzichtleistung auf eben den Vorteil erkauft ist, der oben angepriesen wurde, die Variabilität. 

Dabei ist zu bedenken, dass der einfachen und billigen Donathschen Blende durch 
Einführung fixer Abstände, die ja ebenfalls ein für allemal empirisch mit Hilfe des Leucht- 
schirmes oder rechnerisch leicht zu finden sind, die gleichen Eigenschaften verliehen werden 
können, wie der an und für sich- teueren und ein schweres und kompliziertes Stativ 
erheischenden Blende von Albers-Schönberg. 

Die röhrenständigen Blenden sind daher nicht nur überflüssig, sofern es sich um die 
Abhaltung der exogenen Sekundärstrahlen handelt — wie eingangs mittels Zugrundelegung 
der Walterschen Untersuchungen erörtert wurde — sondern sie erweisen sich auch in der 
praktischen Anwendung als umständlich, zeitraubend, ungenau und unzulänglich, wie selbst 
aus den wohlmeinendsten Schilderungen ihrer Autoren hervorgeht und wie wir bei eigenen 
diesbezüglichen Versuchen erfahren haben. 

Den röhrenständigen Blenden haftet ferner der gemeinsame Nachteil an, dass es mit 
ihrer Hilfe bei Inkaufnahme sämtlicher Beschränkungen höchstens nur so viel gelingt, mehr 
oder weniger verlässlich eine beschränkte Anzahl von Plattenformaten „auszuzeichnen“, d. h. 
die Basis des die Blende passierenden Lichtkegels resp. der Lichtpyramide in der Höhe der 
Platte dieser selbst gleich zu machen. Nun haben wir es aber so gut wie nie mit Objekten 
zu thun, deren uns hauptsächlich interessierenden Partien, speziell Skelettteile irgend eines der 
gebräuchlichen Plattenformate vollständig bedecken, vielmehr bleibt, selbst wenn man das 
jeweilig entsprechendste Plattenformat') wählt, auf der Platte immer ein mehr oder minder 
grosser Luftraum zurück, der als schädlich ausgeschaltet werden muss, nicht minder, wie die 
Weichteile. Es ist, mit anderen Worten, für die Qualität des Röntgenbildes am vorteilhaftesten, 
soweit als möglich die blossen Skelettteile herauszublenden. 

Dies kann man unter gewöhnlichen Bedingungen, d. h. ohne vorherige Durchleuchtung, 
etwa mit Zuhilfenahme des Trochoskops 2) nur durch objektständige Plattenblenden exakt be- 
werkstelligen. Am primitivsten in der Weise, dass man die aufzunehmende Partie mit drei, 
vier oder mehr Bleiplatten umgrenzt. Diese Teilstücke jedoch zu einem fixen Ganzen zu ver- 
einigen ist eine missliche Sache, ein Umstand, auf den mich ein Kollege, der dieses Ver- 
fahren geübt hatte, aufmerksam machte, als er das sogleich zu beschreibende Blendenverfahren 
kennen lernte. 

Nach diesem Verfahren geschieht die Abblendung durch ein Paar gegeneinander 
verschieblicher objektständiger, rechtwinkeliger „Winkelblenden“. Diese Blenden 


1) Vgl. Holzknecht u. Kienböck, Die Einrichtung des Plattenarchivs (Fortschr. a. d. G. der 
Röntgenstrahlen. Bd. V): „Es ist leicht einzusehen, dass praktisch-sparende Anpassung an die Objekt- 
grösse — viele Formate (etwa 1!/, Dutzend) notwendig sind, nicht nur die üblichen (aus der Kamera- 
photographie übernommenen): 4/0; ios Hans Plea ıs und die kleineren %,,, %g, °/,, sondern auch die 
durch Längsspaltung der ersteren erhältlichen; 2,5, jo 2"/go, au 65], und 45/49, wie sie heute von zwei 
Fabriken (Schleussner-Frankfurt und Siebert-Wien) einzeln gepackt geliefert werden. Viel mehr als 
die Hälfte der Röntgenaufnahmen sind von Extremitäten herzustellen, denen aber Längsformate ent- 
sprechen, will man die „luftschwarzen“ Randteile bei Aufnahme grosser Abschnitte sparen. Übrigens 
sind auch bei Rumpfaufnahmen, wo man nur bestimmte Abschnitte untersuchen will (z. B. Schultern, 
Wirbelsäule, Lungenspitzen, Hüftgelenk, Nieren rechts und links verglichen), quergelegte Längsformate 
willkommen.“ 

2) Vgl. die vorhergehende Arbeit: Holzknecht und Robinsohn, Das Trochoskop, ein radio- 
logischer Universaltisch. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 24 


186 Robinsohn. 


sind aus 1 mm dickem, am besten beiderseits mit Kautschuk überzogenem Blei (nach Holz- 
knecht-Grünfeld) geschnitten.) Es hat sich nach monatelanger Erprobung als zweckmässig 
herausgestellt, zwei Blendenpaare von verschiedener Grösse vorrätig zu halten. Die kleinere 
gestattet Aufnahmen mit der grössten Blendenlichtung von 13><18 cm, die andere solche bis 
30><40 cm. Die kleinere ist die am häufigsten verwendete, die grössere kommt fast nur bei 
Übersichtsaufnahmen des ganzen Beckens Erwachsener, bei Thoraxaufnahmen, bei Aufnahmen 
grösserer Extremitätenabschnitte in Betracht. (Die Dimensionen sind der Fig. 1 zu entnehmen.) 


0 10 20 30 40 so 60 20 80 30 


0 10 20 30 40 50 60 20 80 90 100 


Fig. 1. 

Aus 1 m? gewöhnlichen oder kautschukbedeckten Bleibleches kann, wie in vorstehender Figur 
vorgezcichnet ist, ein vollständiger Satz objektstiindig zu gebrauchender Tlattenblenden geschnitten 
werden und zwar: 1. je ein Paar grösserer und kleinerer eigentlicher Winkelblenden (links unten) 
und eine schmale Winkelblende zur Umrahmung konvexer Körperteile (links oben), 2. eine Schulter- 
blende (rechts unten), 3. eine „Lungenspitzenblende* (rechts oben). 


Es ist ohne weiteres einzusehen, dass ein solches Blendenpaar gestattet, durch gegen- 
seitige Verschiebung der Teilstücke jede Blendenlichtung einzustellen, welche innerhalb der 
Grenzen der maximalen Blendenweite liegt. (Fig. 2.) 

Es ist mir sehr wohl bekannt, dass verstellbare Winkelblenden sowohl bei optischen 
Instrumenten (z. B. im Försterschen Photometer) als auch in der Radiologie (von Béclére) 
bereits verwendet wurden, doch geschah dies nur in Form von fixen, in Rahmen montierten, 
in Schienen laufenden lichtquellständigen Blenden. Die Nachteile der Verwendung letzterer 
in der Radiologie wurden oben gezeigt. Ich verwende dagegen die Winkelblenden objekt- 
ständig, d. h. sie werden dem Objekte selbst aufgelegt. An dieses schmiegen sie sich wegen 
ihrer Plastizität an, tragen zu dessen Fixation bei, bedürfen aber selbst nur in den wenigsten 
Fällen einer besonderen Fixierung und zwar desshalb, weil der eine Schenkel meist seiner 


1) In fertigem Zustande werden die Winkelblenden von der Firma Rudolf Siebert in Wien 
und den radiologischen Firmen geliefert. 


Zur Vereinfachung der Blendentechnik. Die Winkelblende. 187 


ganzen Länge nach der aufzunehmenden 
Partie aufruht, während der andere sie quer 
überbrückt; da nun dieser quere Schenkel 
wieder dem längsverlaufenden Schenkel 
der zweiten Blende aufruht, welcher selbst 
wieder durch den Querschenkel der ersten 
Blende getragen wird, ist es, zumal man 
die überstehenden Ränder abbiegen kann, 
jedesmal leicht, dem Blendenrahmen die 
nötige Stabilität und Formbeständigkeit 
zu geben. 

Selbst unter scheinbar ungün- 
stigen Verhältnissen lässt sich die Win- 
kelblende leicht anbringen. Der Patient 
sitze z. B. zur Thoraxaufnahme auf dem 
Aufnahmstuhl und es wäre der Mittel- 
schatten herauszublenden. Man legt dann 
den einen Schenkel der einen Blende hori- 


Fig. 2. 


zontal etwa in der Höhe des Zwerchfelles auf, das obere Ende des zweiten vertikalen Schenkels 
wird um die Schulter des Patienten oder die Sessellehne geschlagen und so der horizontale 
Schenkel suspendiert erhalten (s. Fig. 3). Dasselbe geschieht mit der zweiten Blende. 

Durch die gegenseitige Verschiebung der Blendenplatten lassen sich zunächst nur 


Figuren mit geraden Seiten und 
rechten Winkeln herausblenden. 
Wo eine geringe Abweichung 
von der rechteckigen Figur not- 
wendig ist, lässt sie sich leicht 
durch Aufbiegen der inneren 
Blendenränderanden entsprechen- 
den Stellen erzielen. Beim Knie- 
und Ellbogengelenk jedoch, die 
zur Erzielung grösserer Stabilität 
bei seitlichen Aufnahmen in 
mehr weniger rechtwinkeliger 
Beugestellung _radiographiert 
werden sollen, beim Schulter- 
gelenk und auch beim Hüft- 
gelenk, ferner bei tangentialen 
Aufnahmen der Schädelkapsel 
und überhaupt dort, wo die auf- 
zunehmenden Skelettteile sich in 
keine aus durchaus rechten Win- 
keln begrenzte Figur hineinfügen, 
würde bei rechtwinkeliger Ab- 
blendung an den konvexen 
Partien ein grosser Luftraum 


ja ani 
| 


j\, 
SFR] [TP 


SS — 
a a 


Fig. 3. 


Abblendung des „Mittelschattens® mittels der 


unausgeschaltet bleiben. In Wirbelblenden. Die aufzunehmende Person sitzt auf dem 


diesen Fällen jedoch lässt sich 


Schulterstuhl; die Wirbelblende ist durch das über die Sessel- 
lehne umgeklappte Ende des einen Winkelarmes suspendiert. 


eine geradezu ideale Abblendung Die Gegenblendung ist, um nicht die Übersichtlichkeit der 
in leichtester Weise dadurch Darstellung zu beeinträchtigen, nicht eingezeichnet. 


24* 


188 Robinsohn. 


bewerkstelligen, dass man den einen Schenkel der einen Winkelblende, in der durch die Rand- 
strahlen gegebenen Mantelfläche gekrümmt, um die konvexe Körperpartie herumlegt und den 
anderen Schenkel proximal oder distal vom Gelenk um den Körperteil zur Abblendung und 
zur Fixation der Blende herumschlägt. Die Gegenblendung wird mit der zweiten Winkelblende 
in entsprechender Weise vorgenommen (Fig. 4 u. 5.) 


= EEE 


Fig. 4. Fig. 5. 


Knie- und Ellbogengelenksaufnahme als Paradigmata der Abblendung konvex begrenzter 
Körperpartien. Die konvexe Seite ist mittels einer schmalen Winkelblende, die ungefähr senkrecht zur 
Platte steht, umsäumt; Gegenblendung mittels der kleineren Winkelblende (in der Figur etwas zu schmal 
gezeichnet). 


Als typisch sei noch die Abblendung der Schulter und der Lungenspitzen mit Hilfe 
besonderer Blenden, welche in unserem Institute in Verwendung stehen, geschildert. 

Bei der Schulteraufnahme (Fig. 6) wird die Schulterwölbung in der Richtung der 
Randstrahlen mit dem einen Schenkel einer schmalen Winkelblende (Fig. 1 links oben) um- 
kreist, deren anderer Schenkel um die Sessellehne zur Fixation gelegt wird. Diese Blende 
kann der Haut direkt anliegen; man hat nur darauf zu achten, dass kein Teil der Blende nach 
innen von der Projektion der Schulterwölbung durch die Randstrahlen zu liegen komme. Zur 
medialen Begrenzung der Schulter, namentlich zur Abblendung der Pektoralismuskulatur resp. 
der Mamma eignet sich vorzüglich die „Schulterblende“ (Fig. 1 rechts unten). 

Bei der Aufnahme der Lungenspitzen (Fig. 7) handelt es sich darum, einerseits 
die Luftstrahlung, andererseits die vom Massiv des Halses und von den den Mittelschatten 
erzeugenden endothorakalen Gebilden ausgehenden Sekundärstrahlen abzuhalten. Alle diese 
Anforderungen erfüllt die „Spitzenblende“ (Fig. 1 rechts oben). Das Arrangement einer 
solchen Aufnahme geht aus Fig. 6 hervor. 

Die Schulter- und die Spitzenblende bilden eine willkommene Ergänzung der Winkel- 
blenden. 

Die Winkelblende ist einfach in der Anwendung, mannigfaltig in der Verwendbar- 
keit; man kann jeden einzelnen Fall individualisieren. Die Einstellung ist unter sämtlichen 
Blendenverfahren, mit Ausnahme der nach vorheriger Durchleuchtung, wohl die verlässlichste, 
bequemste und am wenigsten zeitraubende. Das mag auch aus folgendem hervorgehen. 

Vor Einführung der Winkelblende standen im hiesigen Institut wie wohl auch vielfach 


Zur Vereinfachung der Blendentechnik. Die Winkelblende. 189 


anderwärts „Lochblenden“?) in 
Verwendung, Plattenblenden 
mit zentralem, verschieden 
grossem, kreisförmigem oder © 
ovalem Ausschnitt. Sie waren 
eigentlich dazu bestimmt, ob- 


jektständig angewendet zu 
werden. Da man jedoch nur 


eine beschränkte Zahl von 
solchen Blenden vorrätig halten 
konnte, benutzte man gewöhn- 


. lich eine Blende mit etwas 


kleinerem Ausschnitt, als der 
aufzunehmenden Partie ent- 
sprach, in der Weise, dass man 
sie in entsprechender Höhe 
über dem Objekt mit Hilfe von 
Schachtelwerk etc. aufstellte, 
um einem grösseren Lichtkegel 
den Eintritt zu gewähren. Eine 
solche Aufstellung hatte die 
Labilität eines Kartenhauses, 
dabei lief man stets Gefahr, 
nicht ordentlich zu visieren und 
mit dem Blendenrand einen Teil 
der aufzunehmenden Partie abzu- 
schneiden, eine Gefahr, die nur 
zu oft eintrat, wenn man nicht in 
weitem Ausmasse abblendete, wo- 
durch natürlich die eigentliche 
Tendenz der Abblendung vereitelt 
wurde, Da dieses Blendenverfahren 
so unsicher, mühevoll und zeit- 
raubend war, wurden Blendenauf- 
nahmen namentlich der Extremi- 
täten nur relativ selten gemacht, 
während seit Einführung der 
Winkelblende nur in den wenigsten 
Fällen — Aufnahmen der kleinsten 
Körperteile mit weicher Röhre — 
die Anwendung der Blende unter- 
lassen wird, so einfach, sicher und 
schnell ausführbar ist die Blenden- 
technik geworden. 


1) Vgl. Mohila, Die 
radiographische Aufnahmetechnik 
der Extremitäten in Dessauer- 
Wiesner, Leitfaden des Röntgen- 
verfahrens. 


halten. 
blende umsäumt. 


Fig. 6. 
Die „Schulterblende® umgreift mit 
ihrem schmalen Teil den Hals und wird dadurch suspendiert ge- 


Schulteraufnahme. 


Die Schulterwölbung ist mittels einer schmalen Winkel- 


i 
| 
| 


Nig 


| Mn | R | 
| 


| i | 


Fig. 7. l 
Lungenspitzenaufnahme. Die aufzunehmende Person 
sitzt rittlings auf dem Schulterstuhl mit gesenkten, ruhig zu 
haltenden Schultern, nach vorne verschränkten Armen, der Kopf 
mittels Kinnstütze fixiert. Mittels der Klappen kann ein grösserer 
oder kleinerer Teil der Lungenfelder herausgeblendet werden. 


190 Robinsohn. 


Es seien noch einige Bemerkungen in Bezug auf die Treffsicherheit der Einstellung 
hinzugefügt. 

Jedes Blendenverfahren erfordert die Kenntnis der normalen Projektion der einzelnen 
Skelettteile auf die Körperoberfläche, eine Kenntnis, die man durch Überlegung und Übung 
erwerben muss. Je genauer man die Lage der Skelettteile bei jedweder Körperstellung kennt, 
je genauer man sie zudem im Einzelfalle unter normalen und pathologischen Verhältnissen 
immer wieder feststellt, desto exakter und daher wirkungsvoller kann natürlich die Einstellung 
der Blende werden. Bei der Winkelblende kommt hierbei zustatten, dass sie der aufzunehmen- 
den Körperpartie direkt aufliegt, dass also die Differenz zwischen der Grösse des Blenden- 
ausschnittes und der Basis der die Platte treffenden Lichtpyramide die kleinstmöglichste ist. 


x ik 
* 

Im Vorhergehenden ist gezeigt worden, dass von Plattenblenden nur die Winkelblende 
in Betracht kommt. Es wäre nun noch die Frage zu erörtern: Welche Stellung nimmt in der 
Blendentechnik der Gebrauch der Winkelblende zu der der Kompressionsblende em? Welche 
ist die Domäne der einen, welche die der anderen Blendenart? 

Um diese Frage zu entscheiden, ist zunächst zu erwägen, dass die Winkelblende die 
Weichteile in horizontaler, die Kompressionsblende in vertikaler Richtung eliminiert. Mittels 
der Winkelblende kann man einen Skelettteil in seinem Kontur aufs engste aus den umgeben- 
den Weichteilen herausblenden, so dass bei der Erzeugung der Sekundirstrahlen nunmehr die 
über und namentlich unter ihm liegenden Weichteile in Betracht kommen. Die Kompressions- 
blende dagegen vermindert die Dicke der über dem betreffenden Skelettteile liegenden Weich- 
teilschichten, hauptsächlich indem sie sie zur Seite drängt, überschreitet jedoch in horizontaler 
Ausdehnung meist die Breitendimension des zu untersuchenden Skelettteiles. Es handle sich z. B. 
um die radiologische Untersuchung eines im grössten Teil seiner Länge osteomyelitisch veränderten 
Femur. Da der langgestreckte Femur den Oberschenkel in diagonaler Richtung durchsetzt, gelingt 
es mit Hilfe der Winkelblende unschwer, ihn eng herauszublenden und so die Weichteile zu 
eliminieren. Bei guter Fixation und Wahl der richtigen Röhrenqualität erhält man eine 
Ubersichtsaufnahme des ganzen Oberschenkelknochens, welche, da jeder Teil des Knochens seit- 
lich eng abgeblendet war, zugleich detailreich genug geworden ist, um den besonders hohen 
Ansprüchen, welche man in diesem Falle an ein Röntgenbild zu diagnostischen Zwecken stellen 
muss, zu genügen. Von der dann am meisten interessierenden Partie, z. B. dem Sitze eines 
etwaigen Sequesters, kann man dann entweder eine noch engere Winkelblenden- oder aber eine 
Kompressionsblendenaufnahme bewerkstelligen. Von vornherein jedoch das Bild des Femur in 
eine Serie von Kompressionsblendenaufnahmen zu zerlegen, ist unbequem, zeitraubend und 
irrationel. Wenn man nämlich eine Serie von Kompressionsblenden, z. B. der Wirbelsäule, 
anfertigt, so ist daneben meist auch eine Übersichtsaufnahme zur Orientierung sehr willkommen, 
obwohl die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule immerhin ziemlich viel charakteristische 
Merkmale zur Identifizierung darbieten. Den einzelnen Abschnitten des Femurschaftes fehlen 
jedoch solche orientierende Merkmale so gut wie ganz und man wird nicht leicht bestimmen 
können, in welcher Höhe des Knochens eine auf einer Platte der Serie gefundene Veränderung, 
etwa eine Knochenlade mit Sequester sitzt — eine Angabe, die für die Chirurgen durchaus 
unerlässlich ist.) 

Wiewohl nun die Qualität eines mittels Kompressionsblende gewonnenen Bildes in 
gewissen Fällen besser ist als die einer gewöhnlichen Blendenaufnahme, so ist dafür die Ver- 
wendbarkeit der Kompressionsblende eine beschränkter. Man wird sich die Kompression im 


1) In der neuesten Zeit hat Albers-Schönberg eine parallelepipedische Kompressionsblende 
angegeben; da diese fixe Masse hat, also in Bezug auf die Dimensionen der Lichtung nicht variabel ist, 
müsste man eine grosse Anzahl Blenden vorrätig halten. 


Über die Tiefenverteilung der Strahlenwirkung. 191 


Allgemeinen für Fälle reservieren, in denen man ohne solche schwer oder gar nicht auskommt, 
besonders Aufnahmen der Lendenwirbelsäule und des Kreuzbeins, Nieren- und Blasensteine- 
aufnahmen. Bis auf letztere wird man wohl fast immer mit der Winkelblende allein sein 
Auslangen finden. 

Ausser der Kompression kompressibler Teile werden von manchen Autoren, nament- 
lich von Albers-Schönberg mit der Kompressionsblende noch zwei andere Absichten verfolgt, 
die Abhaltung der Glasstrahlen und die Fixation des Objektes. Die Abhaltung der Glas- 
strahlen ist jedoch wie Albers-Schönberg selbst zugiebt*) ziemlich belanglos, während die 
Fixation des Objektes in den meisten Fällen auf andere Weise ebenso sicher zu erreichen ist, 
in anderen Fällen die Anwendung der Kompression unzweckmässig oder unausführbar ist, so 
bei Aufnahme schmerzhafter Teile. 

Namentlich der Anfänger sei darauf aufmerksam gemacht, dass das Aufnehmen mittels 
Kompressionsblende eine gute Röhrentechnik nicht minder voraussetzt, als wie die Verwendung 
jeder anderen Blende. 

Die Bedeutung der Winkelblende einerseits, der Kompressionsblende andererseits lässt 
sich ungefähr in folgender Weise zusammenfassend präzisieren: 

Die Blendentechnik hat durch die Kompressionsblende eine Bereicherung in hauptsäch- 
lich qualitativer Beziehung erfahren, insofern in bestimmten Fällen Bilder von gleicher Schön- 
heit, wie die mittels der Kompression gewonnenen, auf andereın Wege nicht zu erreichen sind; 
dagegen ist die Anwendbarkeit der Kompressionsblende eine beschränkte. In qualitativer und 
quantitativer Beziehung gewinnt die Blendentechnik sehr viel durch die Einführung einer ein- 
fachen und billigen Blendenvorrichtung, wie sie mit der Winkelblende gegeben ist. 

Die Vorteile des Blendenverfahrens dem vielbeschäftigten Röntgenpraktiker und dem 
kargst eingerichteten Röntgenlaboratorium zugänglich gemacht zu haben, ist das Hauptverdienst 
der Einführung der Winkelblende. Dieser Umstand möge die etwas ausführlichere Erörterung 
eines so einfachen Behelfes gerechtfertigt erscheinen lassen. 


II. 


Über die Tiefenverteilung der Strahlenwirkung.’) 
Von 
Dr. G. Holzknecht, Privatdozent für med. Radiologie an der Wiener Universität. 


Über die Verteilung der direkten chemischen Strahlenwirkung und der biologischen 
Gewebsreaktion herrschen noch immer mancherlei divergente Auffassungen. Dass die Röntgen- 


1) Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstr. Bd. VII, Heft 3, S. 140. 


2) Nach dem 3. Teil des Vortrages: System der Strahlungstherapien. Vers. d. Nat. und A. in 
Breslau 1904, dermat. Sektion. Die übrigen Teile sind in der Berl, klin. Woch. und Minch, klin. Woch. 
im Erscheinen begriffen. 

Inzwischen hat Perthes in dieser Zeitschrift den ersten Teil dieses Gegenstandes, die relative 
Mengenverteilung der chemischen Wirkung in seiner Arbeit: Versuch einer Bestimmung der Durchlässig- 
keit menschlicher Gewebe mit Rücksicht auf ihre Bedeutung für die Radiotherapie eingehend dargestellt. 
Was hier nur erschlossen wurde, hat er experimentell und metrisch untersucht und damit eine Arbeit 
geleistet, die mir nicht nur überhaupt, sondern auch in den Punkten, wo sie von meinen skizzenhaften 
Ausführungen abweicht, das richtige zu treffen scheint. — Bei praktischer Anwendung seiner Filtrations- 
methode würde unsere Bestrahlungstechnik insofern modifiziert werden müssen, dass der Reagenzkörper 
zum Chromoradiometer unterhalb des Deckblattes zu liegen käme, als welches ich Glas verwende. 


192 Holzknecht. 


strahlen den Körper durchdringen und dass trotzdem ihre Wirkung auf die Haut der Ein- 
trittsstelle so sehr überwiegt, dass das Eisenlicht (ultraviolettreich) nur die äusserste Ober- 
fläche in Reaktion versetzt, und das Ultraviolett trotzdem durch mehrere Hautschichten hin- 
durch die photographische Platte schwärzt, will sich dem Denken nicht einordnen. Dass 
Bleiblech die Haut vor Reaktionen schützt, dass man aber durch dasselbe Bleiblech die Knochen 
der Hand röntgographieren kann, scheint rätselhaft, und weil das Radiogramm der Knochen 
absolut nicht geleugnet werden konnte, bezweifelte man lieber die Schutzwirkung der Bleiplatte 
oder die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen. 

Die Ursache solcher Verwirrung ist die unexakte Art der für den täglichen Gebrauch 
stilisierten Regeln der Strahlungsphysik. Es ist genau genommen nicht wahr, „dass die 
Röntgenstrahlen tiefer dringen als das Ultraviolett“, wahr ist vielmehr, dass kein Körper, und 
sei er noch so dicht und schwer, für eine dieser Strahlungen undurchdringlich ist. Die Inten- 
sitit der Strahlungen nimmt zwar mit ihrem Vorwärtsdringen in verschiedenem Masse ab, 
aber immer dringt ein Teil noch weiter, und immer frägt es sich nur darum, wie sich die 
Intensität der Strahlung an einem beliebigen Punkte des Fortpflanzungsmedium zur Intensität 
der einfallenden verhält. Jede Schicht jedes Körpers absorbiert (gleichartige Schichten voraus- 
gesetzt) von jeder einfallenden Strahlung nur einen aliquoten Teil, z. B. 10°/, oder 50°/, oder 
90°/, je nach dem Absorptionsvermögen des betreffenden Gewebes und der Penetrationskraft 
der betreffenden Strahlung; der Rest tritt in die nächste Schicht ein. Und die nächste gleiche 
Schicht absorbiert von diesem Rest wieder denselben aliquoten Teil, die percentuell gleiche 
Menge. Daher müssen die in jeder weiteren Schicht eintreffenden Mengen ebenso wie die 
absorbierten beständig an Grösse abnehmen. Aber eben darum kann im Prinzip keine Strahlung 
von einem Körper vollständig absorbiert werden; denn auch der kleinste in eine neue Schicht 
eintretende Rest kann nicht ganz, sondern nur zu einem aliquoten Teil absorbiert werden, während 
ein Rest immer noch weiter gehst; die absorbierten Mengen bilden daher eine unendliche Reihe 
mit negativen Quotienten?). Ist die Absorptionskraft der Gewebsschichten verschieden (Haut, 
Fettgewebe, Knochen, Drüsengewebe), so ändert sich der Quotient und dem entsprechend auch 
die in den verschiedenen Tiefen deponierten Wirkungen. Damit ist die relative Mengen- 
verteilung der chemischen Energie gegeben. Sie hängt also von der Absorbierbarkeit der 
eindringenden Strahlungen und der (wechselnden) Absorptionskraft der Gewebe ab. 

Die Verteilung der Reaktion (Tab. 3, 7) hängt nun von zwei Faktoren ab, erstens 
von der relativen Mengenverteilung der chemischen Energie (oben) und zweitens von der 
Empfindlichkeit der einzelnen Zellen. So kann z. B. bei einer stark penetrierenden 
Strahlung eine oberflächige Haarpapille und ein Drüsengewebe in der Tiefe ungefähr gleich 
stark reagieren: Ihre Absorptionskraft ist zwar die gleiche, die Haarpapille absorbiert aber, 
weil sie der Eintrittsstelle näher liegt, mehr als die Drüse, diese dagegen reagiert trotzdem 
ebenso stark, weil ihre Empfindlichkeit eine grössere ist. Viel weniger als beide reagiert 
der etwa zwischen ihnen gelegene Knochen, und zwar, obwohl er wegen seiner grossen 
Absorptionskraft für die unsichtbaren Strahlungen sehr viel absorbiert, deshalb, weil seine 
Empfindlichkeit sehr gering ist. 


10 
1) Also eine geometrische Regression mit dem beispielsweisen Quotienten 9° 


Verwendbarkeit der X-Strahlen für die Diagnose der Blasendifformitäten. 193 


Verwendbarkeit der X-Strahlen für die Diagnose der Blasendifformitäten. 
Von 
Dr. P. Wulff, Spezialarzt für Nieren- und Blasenleiden in Hamburg. 


Der folgende Fall hat mir Veranlassung gegeben, auf eine neue Möglichkeit der 
X-Strahlenbenutzung aufmerksam zu werden, die in vereinzelten Fällen von Blasenerkrankungen 
auch praktische Bedeutung gewinnen kann. 

Am 21. April wurde mir der 68jährige Patient wegen hochgradiger Eiterung im Urin 
überwiesen. Er gab an, vor einem halben Jahr Blut im Urin bemerkt zu haben, ferner 
musste er schon längere Zeit bei der Miction stärker pressen. Die Untersuchung des sehr 
heruntergekommenen Patienten ergab äusserlich nichts Besonderes. Nur bei der Palpation des 
Abdomens fühlte man über der Mitte des linken Poupartschen Bandes eine leichte druck- 
empfindliche Resistenz. Der Urin war neutral, enthielt massenhaft Eiter und entsprechenden 
Eiweissgehalt. Bei einem Versuch, die Blase zu beleuchten, konnte ich, trotzdem das Spül- 
wasser mässig klar war, nichts sehen und als ich das eben 
noch klare Wasser entleerte, war wieder massenhaft. Biter 


in demselben vorhanden. Daraus war schon klar, dass YW i Hy i} 

’ Hl VAL H; Yili / y 
die Blase mit einer Eiterhöhle in Beziehung stehen musste. Hi) Mi, Wy) Wp, 
Diese Vermutung konnte ich nach einigen Tagen durch oN ` h j | I) 
das Cystoskop bestätigen. Es zeigte sich nämlich, dass HUHN i 


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die linke Wand der Blase, während die rechte ganz nor- 
mal erschien, aus einer wulstigen, rötlich durchscheinenden 
Membran bestand, durch die das Cystoskop unter länger 
anhaltender Verdunkelung des Gesichtsfeldes hindurch- 
rutschte, um dann in einen neuen Hohlraum zu treten, 
der ebenfalls von Schleimhaut ausgekleidet war. Die 
Ureteren schienen beide in den ersten Hohlraum zu treten. 
Wir hatten es demnach mit einer Vesica bilocularis zu 
thun. Daneben bestand, cystoskopisch erkennbar, eine geringe Prostatahypertrophie, die zur 
Bildung des Residualuriens und dadurch auch zur Eiterung geführt hatte. Die Therapie war 
insofern einfach, als man mit einem elastischen Prostatakatheter durch eine Drehung leicht in 
den zweiten Hohlraum gelangen und dadurch eine gründliche Ausspülung desselben bewirken 
konnte. | 

Bei meiner Absicht diesen immerhin seltenen Fall einer grösseren Zahl von Ärzten 
zu demonstrieren, habe ich nun, da dies mittels Cystoskop bei einem grösseren Kreise nicht 
durchführbar ist, folgendes Verfahren eingeschlagen. Ich habe, da Wismut für X-Strahlen 
undurchlässig ist, die Blase mit einer Bi-Lösung gefüllt und zwar habe ich eine 10°/, Auf- 
schwemmung genommen, die zur besseren Suspendierung des Bi mit Amylum versetzt ist (das 
Rezept ist Bi subnitr. 5.0, Amyl. 1.5 Ag. ad 50.0). Nach Füllung der Blase mit dieser 
Lösung sehen wir das beifolgende vorzügliche von Herrn Dr. Albers-Schönberg angefertigte 
Röntgenbild. In dem Becken liegen oberhalb der Symphyse zwei eirunde Schatten, die deut- 
lich durch eine zwischen ihnen sich in die Höhe ziehende Membran getrennt sind; an einer 
Stelle ist dieselbe ganz verwaschen, offenbar dort, wo die beiden Höhlen kommunicieren. Die 
rechte Hälfte des Beckens und der Blase ist nicht ganz mit auf das Bild gekommen, da uns 
vor allem an der deutlichen Darstellung der Membran gelegen gewesen ist. Das Bi hat sich 
leicht ausspülen lassen, und ist am dritten Tage ohne irgendwelche Störungen zu bedingen, 


völlig entfernt gewesen. Wenn die Methode im vorliegenden Fall auch nur die klinische 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Rontgenstrahlen. VIII. i 25 


194 Walter. 


Diagnose bestätigt hat, so kann sie unter Umständen auch praktische Bedeutung erlangen, 
wenn z. B. der Verdacht auf ein Divertikel besteht und infolge der hochgradigen Eiterung 
eine Cystokopie nicht durchführbar ist. Ferner kann sie auch bei Lageveränderungen der 
Blase, z. B. den Blasenhernien in Betracht kommen. 

Nach Abschluss der Arbeit bekam ich Kenntnis von einer Demonstration in der k. k. 
Gesellschaft der Ärzte in Wien, 22. Januar 1904, wo Keller ein Blasendivertikel mittels Luft- 
aufblasung durch Röntgenverfahren sichtbar gemacht hat. Abgesehen von der eventuellen 
Gefahr der Lufteinblasung (vgl. z. B. Sick, Ärztl. Verein Hamburg 1903), glaube ich auch, 
dass mein Verfahren ein viel präziseres Resultat giebt und auch schon bei kleinen Ausbuch- 
tungen und Verlagerungen mit Erfolg verwendbar sein wird. 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 
Von 
Dr. B. Walter. 


II. Praktisches. 


In dem theoretischen Teile dieser Abhandlung (p. 1—11 dieses Bandes) ist dargelegt, 
dass ein Induktionsapparat, in dessen Primärspule gewöhnlicher Wechselstrom hineingeschickt 
wird, auch ohne Unterbrecher einen sekundären Funkenüberschlag liefert, und dass der 
Grund hierfür in den wellenartigen Schwankungen liegt, welche dieser Strom ausführt. Bei 
jedem Ansteigen und Abfallen des primären Stromes steigt und fällt eben auch das magnetische 
Feld des Induktors, und die Folge davon ist, dass auch in der sekundären Spule desselben die 
bekannten Induktionsspannungen entstehen, deren Polaritäten für ansteigenden und abfallenden 
Magnetismus entgegengesetzt gerichtet sind — genau so, wie wir es beim Gleichstrombetriebe 
mit den beiden entgegengesetzt gerichteten sekundären Schliessungs- und Öffnungsspannungen 
zu tun haben. 

Wenn es nun aber auch aus diesen Gründen zunächst scheint, als ob der Röntgen- 
betrieb mit Wechselstrom sogar einfacher sein müsste als der mit Gleichstrom, insofern ja bei 
ersteren zur Erzeugung der sekundären Induktionswirkungen ein Unterbrecher überhaupt nicht 
mehr nötig ist, so standen doch dieser Anwendung des Wechselstromes von vornherein zwei 
Hauptschwierigkeiten im Wege. Zunächst nämlich war die mit diesen einfachen Schwankungen 
des primären Stromes erreichbare sekundäre Funkenlänge bei den bis dahin gebräuchlichen 
Induktionsapparaten, selbst wenn dieselben mit den bekannten Gleichstromunterbrechern eine 
Schlagweite von 50—60 cm hatten, und selbst wenn man einen Wechselstrom von 20 Amp. 
anwandte, doch je nach der Konstruktionsart nur 5—15 cm, so dass man also auf diese Weise 
höchstens eine weiche, nicht aber eine harte Röntgenröhre betreiben konnte. Der Grund aber 
dieses so verschiedenen Verhaltens des Induktors bei Gleichstrombetrieb einerseits und Wechsel- 


strombetrieb andererseits ist natürlich darin zu suchen, dass bei ersterem — eben durch die 
bekannte Wirkungsweise der Unterbrecher — der Abfall des primären Stromes im Instrumente 


ganz erheblich viel steiler gemacht wird als der Anstieg, ‚während beim gewöhnlichen Wechsel- 
strom, der ja nach dem Bilde einer Welle auf- und abschwankt, Anstieg und Abfall gleich 
steil oder — besser ausgedrückt — gleich sanft verlaufen, so dass demnach auch die in der 
sekundären Spule erzeugte Induktionsspannung eine entsprechend geringere wird. 

In dieser Gleichmässigkeit des Verlaufes des Anstieges und Abfalles des Wechsel- 
stromes liegt nun aber zugleich auch die zweite der oben angedeuteten beiden Schwierigkeiten, 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 195 


die der direkten Anwendung desselben im Röntgenbetriebe im Wege standen, begründet; denn 
es folgt eben daraus, dass die beiden, hierbei in der sekundären Spule erzeugten, entgegengesetzt 
gerichteten Spannungen, die hier natürlich nicht mehr als Schliessungs- und Öffnungsspannung, 
sondern richtiger als Anstiegs- und Abfallsspannung zu bezeichnen sind, genau die 
gleiche Grösse haben. War es nun aber schon beim Gleichstrombetrieb oft mit Schwierig- 
keiten verbunden, der verkehrt gerichteten Spannung, d. i. in diesem Falle der Schliessungs- 
spannung, den Weg durch die Röhre zu versperren, so mussten diese Schwierigkeiten sich beim 
Wechselstrom aus den soeben genannten Gründen natürlich noch ganz erheblich steigern. 

Eine zweite mögliche Betriebsart einer Röntgenröhre mit Wechselstrom, die für den 
der Elektrotechnik ferner stehenden Röntgenarzt zunächst sogar noch naheliegender erscheinen 
dürfte, ist die, dass man auch hier wie beim Gleichstrom einfach &inen der gewöhnlichen 
Stromunterbrecher anwendet. Dieselbe ist aber wieder deswegen unbrauchbar, weil dann die 
dadurch bewirkten Stromunterbrechungen natürlich ganz regellos bald bei der positiven und 
bald bei der negativen Richtung des Wechselstromes stattfinden; und was nun dies für die 
durch diese Unterbrechungen im Induktor hervorgerufenen Induktionsströme bedeutet, ersehen 
wir am besten aus der im theoretischen Teile dieser Abhandlung auf S. 2 diese Bandes abge- 
bildeten .Fig. 1; denn daraus folgt unmittelbar, dass eine Unterbrechung im positiven Teile 
des Stromes, also z. B. bei @ daselbst, einen Stromabfall, eine solche im negativen Teile, 
also z. B. bei ô daselbst, dagegen einen Stromanstieg bedeutet, so dass demnach auch die 
Richtung der in der sekundären Spule des Induktors erzeugten Ströme in beiden Fällen die 
entgegengesetzte wird, und wir also bald einen richtig, bald aber auch einen verkehrt gerichteten 
Induktionsstoss durch die Röntgenröhre bekommen. Bei dieser Betriebsweise würden also 
„Schliessungsstrom® und „Öffnungsstrom“, wenn wir diese nun einmal in der Röntgentechnik 
eingebürgerten Worte auch hier beibehalten wollen, in der Röhre ebenfalls wieder in nahezu 
gleicher Intensität auftreten, ein Umstand, der natürlich nicht bloss für die Güte der Bilder, 
sondern auch für die Lebensdauer der Röhre von dusserstem Nachteil sein müsste. Ausserdem 
würden in diesem Falle offenbar auch nur ungefähr die Hälfte aller Unterbrechungsstösse in 
der richtigen Richtung durch die letztere hindurchgehen und von diesen auch wieder noch ein 
grosser Teil in die Nähe eines Schwingungsknotens der Wechselstromwelle, d. h. in die Nähe 
der Punkte A, C, E, G u.s. w. der Fig. 1, fallen, wo der absolute Wert der Stromstärke und 
daher auch die Wirkung der betreffenden Unterbrechung selbst nur klein ist, so dass daher 
auch die Leistungsfähigkeit dieser Betriebsweise nur eine verhältnismässig geringe sein kann. 

Es liegt nun der Gedanke nahe — und derselbe taucht auch jetzt noch von Zeit zu 
Zeit wieder als neu auf, trotzdem er schon vor Jahren von mehreren Seiten her ausgesprochen 
und durch Versuche widerlegt worden ist —, dass man zur Vermeidung aller der genannten 
Übelstände in diesem Falle nicht eine gewöhnliche Röntgenröhre, sondern eine solche mit zwei 
Kathoden anzuwenden habe, wie sie in der umstehenden Fig. 3 abgebildet ist. Verbindet 
man nämlich bei derselben die beiden Kathoden X, und A, mit den beiden Polen des Induk- 
tors, so scheint es, als ob damit thatsächlich der grösste Teil der genannten Übelstände be- 
seitigt sein müsste, da bei einer solchen Schaltung dieser Röhre für die eine Richtung des 
Wechselstromes X, und für die andere X, zur Kathode wird, und mithin in diesem Falle 
einerseits von einer verkehrten Richtung des Stromes in der Röhre nicht mehr die Rede sein 
kann und andererseits auch bei gleicher Wechselstromstärke die Leistungsfähigkeit derselben 
gerade doppelt so gross zu sein scheint als die der einfachen Röhre, da ja im ersteren Falle 
die Induktionsstösse beider Richtungen des Wechselstromes zur Erzeugung von Kathoden-' 
strahlen beitragen. 

Nichtsdestoweniger haften nun aber auch dieser Betriebsart eine Reihe von Unvoll- 
kommenheiten an, die dieselbe so gut wie unbrauchbar machen. Die hauptsächlichste derselben 
besteht darin, dass dabei eine der wesentlichsten Bedingungen für die gute Funktion einer 
Röntgenröhre nicht erfüllt ist, die Bedingung nämlich, dass bei jedem Induktionsstoss der 

25* 


196 Walter. 


positive Pol des Induktors mit der Antikathode der Röhre verbunden sein muss. 
Ist dies nämlich nicht der Fall, so wird, wie ich schon im zweiten Bande dieser Zeitschrift 
p. 148 und 149 dargelegt habe, die Antikathode der betreffenden Röhre mit negativer 
Elektrizität überladen, d. h. sie erhält dann einen geradezu kathodischen Charakter und 
wird deshalb dann auch wesentlich schneller zerstäubt als dies schon bei einer richtig geschal- 
teten Röhre der Fall ist. Eine Röhre mit zwei Kathoden, die in der obigen Weise mit 
Wechselstrom betrieben wird, muss daher zunächst schon aus diesem Grunde viel schneller zu 
Ende gehen als eine gewöhnliche Röntgenröhre.?) 

Es giebt aber noch einen zweiten, fast ebenso wichtigen Grund für die Unmöglichkeit 
einer Röhre nach Art der Fig. 3. Eine solche Röhre funktioniert nämlich überhaupt nur dann, 
wenn sie noch ziemlich weich, d. h. wenn ihr Luftinhalt noch ein ziemlich grosser ist, nicht 
aber mehr für die höheren Härtegrade; und der 
Grund hierfür ıst nun auch hier wieder, wie 
leicht einzusehen ist, darin zu suchen, dass eben 
die Antikathode dieser Röhre bei der angegebenen 
Schaltung nicht mit dem positiven Pole der 
Elektrizitätsquelle verbunden ist. Denn, wie man 
auch über die Natur der Röntgenstrahlen denken 
mag, soviel ist jedenfalls sicher, dass dieselben 
durch eine Neutralisation der in dem 
Kathodenstrahlenbünde) enthaltenden ne- 
gativen Elektrizität durch eine ent- 
sprechende Menge positiver zu stande 


kommen: ist nun aber — wie bei unserer Doppel- 

kathodenréhre — die Antikathode überhaupt 

ien nicht mit dem positiven Pole des Induktors ver- 

Röntgenröhre mit zwei Kathoden für bunden, so wird derselben jene entsprechende 
Wechselstrombetrieb. Menge positiver Elektrizität eben nur solange von 


der jeweiligen positiven Elektrode der Röhre zu- 
getragen, als der Luftinhalt der letzteren noch genügend leitend ist — nicht aber mehr bei den 
höheren Verdünnungsgraden. Thatsächlich findet man denn auch, dass eine solche Röhre, die 
bei Gleichstronibetrieb — wobei man dann natürlich .{ als Anode und entweder K, oder A, 
als Kathode benutzt — etwa eine Härte von 6—7 meiner Skala hat, aber sonst noch ganz 
ausgezeichnet funktioniert, mit Wechselstrom — unter Anwendung der beiden Elektroden X, 
und A, —- überhaupt nicht mehr anspricht, selbst wenn man Funkenlängen von 30 cm und 
mehr anwendet. 

Als ein dritter Nachteil der in Rede stehenden Doppelkathodenröhre mag schliesslich 
noch der erwähnt werden, dass es für den Glasbliiser äusserst schwierig, ja fast unmöglich ist, 
die beiden von K, und A, ausgehenden Kathodenstrahlenbündel genau auf denselben Fleck der 
Antikathode zu richten, so dass man daher bei Anwendung derartiger Röhren in der Regel 
Bilder mit doppelten Umrissen erhält. 

Wir sehen mithin, dass eme direkte Verwendung des Wechselstromes --- in ähnlicher 

1) Es mag bei dieser Gelegenheit erwähnt werden, dass die obige Bedingung natürlich auch für 
Gleichstrombetrieb gilt, und dass man daher in diesem Falle, wenn es sich um Röhren mit Hilfsanode 
handelt, den positiven Pol des Induktors nicht an die Hilfsanode, sondern besser direkt an die 
Antikathode legt, oder — wenn das erstere bequemer sein sollte — doch wenigstens darauf achtet, 
dass die Verbindung zwischen «diesen beiden Elektroden eine möglichst gute ist. Aus diesen Gründen 
sind auch Röhren, bei denen die Härte durch cine zwischen Hilfsanode und Antikathode eingeschaltete 
Funkenstrecke reguliert wird, durchaus verwerflich, da dadurch die Lebensdauer derselben erheblich ver- 
kürzt werden muss. 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 197 


Weise wie die des Gleichstroms — im Réntgenbetriebe zunächst jedenfalls mit grossen 
Schwierigkeiten verbunden war; und dieselben führten denn auch dazu, von dieser Betriebsart 
zunächst gänzlich abzusehen und den Wechselstrom also für Röntgenzwecke stets erst durch 
eine Umformermaschine in Gleichstrom umzuwandeln, eine Betriebsweise, die auch wohl heute 
noch an vielen Stellen im Gebrauch ist. Thatsächlich hat dieselbe ja auch, vorausgesetzt, dass 
die Umformermaschine die nötige Grösse hat, den Vorzug, dass man dadurch ohne weiteres in 
die Lage versetzt ist, alle Vorteile des bereits so hoch ausgebildeten Gleichstrombetriebes aus- 
zunutzen. Andererseits ist aber auch wieder dagegen zu bemerken, dass einesteils eine solche 
Maschine den Preis der Anlage ganz erheblich erhöht, und dass dieselbe andernteils auch die 
Unannehmlichkeit mit sich bringt, dass sie für jede Benutzung des Röntgenapparates erst be- 
sonders in Gang gesetzt werden muss. Endlich verlangt die letztere natürlich auch von Zeit 
zu Zeit der Wartung und unter Umständen auch wohl gar der Reparatur. 

Aus allen diesen Gründen haben denn auch die Bemühungen der Physiker und Tech- 
niker, einen Apparat zu konstruieren, der eine direkte Verwendung des Wechselstromes im 
Röntgenbetriebe gestattet, niemals ganz aufgehört; und es sollen nun in der Folge die haupt- 
sächlichsten der dabei in Frage kommenden Vorrichtungen kurz besprochen werden. 

Dieselben werden, da ja ihr wesentlichstes Ziel darin besteht, mit dem in den In- 
duktionsapparat hineingeschickten Wechselstrom nur gleichgerichtete Induktionsströme zu 
erzielen — denn nur solche kann ja die Röntgenröhre gebrauchen — auch wohl kurz als | 
Gleichrichter bezeichnet; und zwar kann man hierbei zwei Arten von Apparaten unterscheiden, 
nämlich 1. solche, bei welchen die Gleichrichtung des Wechselstromes schon gleich im primären 
und 2. solche, bei denen dieselbe erst im sekundären Stromkreise des Induktors stattfindet. Die 
Apparate der ersteren Art sind die älteren, und dies erklärt sich zum Teil daraus, dass man 
eben in den damaligen Induktorien, wie oben auseinandergesetzt wurde, mit den einfachen 
Schwankungen des Wechselstromes noch nicht die zum Röntgenbetriebe notwendigen Funken- 
längen erhalten konnte und deshalb in die Notwendigkeit versetzt war, einen der gewöhnlichen 
Gleichstromunterbrecher anzuwenden. Ein solcher durfte nun aber, wie bereits oben dargelegt 
wurde, den Wechselstrom nicht ganz regellos unterbrechen, sondern musste vielmehr derartig 
konstruiert sein, dass er immer nur während der einen, also z. B. immer nur während der 
positiven, nicht aber während der negativen Stromphase unterbricht. Haben wir es demnach 
mit einem der mechanischen Unterbrecher zu tun, so heisst dies mit andern Worten, dass 
derselbe genau im Takte oder — wie man in der Wechselstromtechnik zu sagen pflegt — 
genau synchron mit den Schwankungen dieses Stromes arbeiten muss. 

Solche Unterbrecher lassen sich nun thatsächlich konstruieren; und zwar ist das Prinzip 
des ältesten und einfachsten derselben, des sogenannten elektromagnetischen Gleichrichters, 
schematisch in der Fig. 4 auf S. 198 dargestellt. In derselben bedeutet AB einen federnden 
Metallstreifen, dessen eines Ende A fest eingeklemmt ist, während das andere B frei hin und 
her schwingen kann. Bei B ist, wenn es sich um einen Platinunterbrecher handelt, ein Platin- 
stück, wenn dagegen — wie in der Figur — ein Quecksilberunterbrecher in Frage kommt, ein 
amalgamierter Kupferstift K befestigt, Metalle, welche beim Hin- und Herschwingen der Feder 
mit dem zugehörigen Metall, d. h. im ersteren Falle also mit Platin, im letzteren mit Queck- 
silber, abwechselnd in und ausser Berührung kommen. Dadurch wird dann der von A über B 
und die Unterbrechungsstelle hinweg zum Induktor geleitete Strom abwechselnd geschlossen 
und unterbrochen. 

Das Haupterfordernis ferner, dass das Spiel dieses Unterbrechers genau synchron 
mit den Schwankungen des Wechselstromes stattfindet, wird nun bei dem in der Figur dar- 
gestellten Modell dadurch erreicht, dass auf dem Metallstreifen AB ein Bündel EE aus 
mehreren dünnen Eisenblechen angebracht ist, das von einem kräftigen Hufeisenmagneten NS 
nach unten zu gezogen wird. Diesem Zug hält aber die Spiralfeder F, die an dem Punkte D der 
Platte A B einerseits und an dem festen Punkte C andererseits angebracht ist, das Gleichgewicht. 


198 Walter. 


Um die Eisenlamellen # #% endlich sind noch eine Reihe von Drahtwindungen W lose herum- 
geführt, durch welche ein Teil des in Frage kommenden Wechselstromes hindurchgeleitet 
wird, der dann den durch N S in dem Eisen Æ F erregten Magnetismus während seiner einen 
Phase verstärkt, während seiner entgegengesetzten aber schwächt und also dadurch bewirkt, 
dass der Metallstreifen .17 im ersteren Falle stets nach unten, im zweiten dagegen stets nach 
oben zu gezogen wird. | 


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Fir. 4. 
Klektromagnetischer Gleichrichter für Röntrenbetrieb mit Wechselstrom. 


Kine andere Art derartiger mechanischer Wechselstromunterbrecher beruht auf der 
Anwendung eines sogenannten „Synehronmotors“, d. h. eines Motors, welcher durch eine Ab- 
zweigung des zu unterbrechenden Wechselstromes in Gang gesetzt wird und derartig kon- 
struiert ist, dass er sich genau synchron mit der Periodenzahl dieses Stromes, also in der Regel 
50mal in der Sekunde umdreht. Benutzt man nämlich die Achse eines solchen Motors zu- 
gleich als Achse eines der bekannten rotierenden Unterbrecher, also z. B. eines Turbinen- oder 
eines Gleitkontaktunterbrechers, und lässt dann die Unterbrechungsvorrichtung desselben bei 
jeder Umdrehung des Motors immer nur einmal in Funktion treten, so kann man es offenbar 
durch passende Einstellung der zweiten Kontaktstelle erreichen, dass die Unterbrechungen des 
Stromes immer nur während der gleichen Phase desselben — und zwar zugleich auch stets im 
Augenblicke des Maximums der primären Stromintensität stattfinden, wo dann natürlich auch 
die Wirkung der Unterbrechung selbst ein Maximum wird. 

So einfach nun aber auch alle diese Unterbrecher auf dem Papiere aussehen, so 
bringen dieselben in der Praxis doch allerlei Übelstände mit sich. Dazu rechne ich nun aller- 


dings nicht, wie es wohl häufig geschieht, den Umstand, dass sie — wie ja aus den obigen 
Darlegungen unmittelbar einleuchtet — an eine bestimmte Unterbrechungszahl, die Perioden- 


zahl des Wechselstromnetzes nämlich, gebunden sind; denn einesteils ist diese Zahl, die ja in 
der Regel 50 in der Sekunde beträgt, mehr als ausreichend, um das Licht der Röhre und des 
Leuchtschirmes für das Auge nicht mehr als intermittierend erscheinen zu lassen und anderer- 
seits existiert auch ein triftiger Grund dafür, dass beim Röntgenbetriebe die Zahl der Unter- 
brechungen veränderlich sein müsste, nach meinem Dafürhalten nicht. Höchstens könnte 
man m. E. gegen die obige Zahl das anführen, dass sie schon etwas zu hoch sei, da ich es 
im Interesse der Lebensdauer einer Röntgenröhre für wünschenswert halte, die Zahl der Unter- 
brechungen so klein wie möglich zu machen. 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 199 


Ein wirklicher Übelstand dieser Gleichrichter besteht jedoch darin, dass sie für den _ 
Gebrauch jedesmal erst in Synchronismus mit dem Netzstrome gebracht werden müssen, was 
— besonders bei den Synchronmotoren — häufig einige Geduld erfordert; während andererseits 
die elektromagnetischen Gleichrichter wieder durch mechanische Störungen, die mit Platin- 
kontakten arbeitenden z. B. durch das Klebenbleiben dieses Kontaktes, nicht immer die gleiche 
Phasendifferenz innehalten und dann natürlich ein ungleichmässiges Licht in die Röhre gehen. 

Erheblich einfacher gestaltet sich demgegenüber der Betrieb bei Anwendung einer 
anderen Gattung primärer Gleichrichter für Wechselstrom, der „elektrolytischen Gleich- 
richter“ nämlich, deren einfachster übrigens durch einen gewöhnlichen Wehneltunter- 
brecher dargestellt wird. Dass nämlich thatsächlich eine Wehneltzelle in Verbindung mit 
einem Induktionsapparat auf einen hindurchgesandten Wechselstrom die hier gewünschte 
gleichrichtende - Wirkung ausübt, erkennt man am besten, wenn man einen Gleichstrom 
von bestimmter Grösse einmal in der einen und das andere Mal in der entgegengesetzten 
Richtung dyrch die beiden genannten Apparate hindurchschickt. Man wird dann finden, dass 
der Induktor zwar für beide Stromrichtungen die bekannten Unterbrechungsfunken liefert, dass 
jedoch diejenigen der richtigen Wehneltschaltung, bei der bekanntlich der Platinstift dieses 
Unterbrechers mit dem positiven Pole der Elektrizitätsquelle verbunden ist, etwa die 4—5fache 
Länge haben wie diejenigen der entgegengesetzten Schaltung. Dieser Unterschied beider 
Funkenlängen ist nun zwar nicht ganz so gross wie derjenige der Längen des Öffnungs- und 
des Schliessungsfunkens bei einem guten Gleichstrombetriebe, immerhin zeigt aber doch der 
direkte Versuch mit Wechselstrom, dass der Betrieb der Röhre, zumal wenn man noch eines 
der später zu beschreibenden Hochspannungsventile vor dieselbe schaltet, auf diese so einfache 
Art in recht guter Weise gelingt — und zwar sogar schon mit einem Induktor von ver- 
hältnismässig kleiner sekundärer Windungszahl. Dabei kann man dann ferner auch noch die 
Oberfläche des Wehneltstiftes in diesem Falle erheblich kleiner machen als beim Gleichstrom- 
betriebe, ohne dass der Unterbrecher aussetzt, so dass demnach auch der Stromverbrauch 
hierbei nur verhältnismässig gering ist. Thatsächlich werden denn auch derartige einfache und 
in der Anschaffung naturgemäss auch sehr billige Röntgeneinrichtungen für Wechselstrom bereits 
von mehreren Firmen geliefert; dieselben dürften aber einesteils den Nachteil aller kleinen 
Induktoren haben, dass dabei der Röhrenverbrauch erheblich höher ist als bei der Anwendung 
grosser Instrumente und andernteils auch den, dass dabei die in der verkehrten Richtung durch 
die Wehneltzelle hindurchgehende Phase des Wechselstromes eine sehr schnelle Zerstäubung des 
Platinstiftes der Zelle bewirkt, so dass daher dieser Betrieb aus doppeltem Grunde ein höchst 
unökonomischer wird.!) Ausserdem soll auch die Qualität der Bilder, welche man bei einem 
derartigen Betriebe erhält, eine minderwertige sein (cf. Bd. 6 dieser Zeitschr., p. 157). 

Wollte man aber etwa, un den Platinverbrauch bei dieser Betriebsweise zu vermeiden, 
den Wehneltunterbrecher mit dem sog. „Lochunterbrecher“ vertauschen, bei dem bekanntlich 
der Platinstift des ersteren einfach durch ein Loch ersetzt ist, das sich in einer Scheidewand 
aus Porzellan oder dgl. befindet und das die einzige Verbindung zwischen den beiden dadurch 
voneinander isolierten Teilen einer Wehneltzelle darstellt, so tritt hierbei wieder der Ubelstand ` 
ein, dass wegen der beiderseits symmetrischen Form der Unterbrechungsstelle auch die Länge 
der Induktionsfunken für beide Richtungen des Wechselstromes die gleiche wird, so dass mit- 
hin von einer gleichrichtenden Wirkung dieses Unterbrechers nicht mehr die Rede sein kann. 

Eine andere Art von elektrolytischem Gleichrichter, die übrigens auch ganz allgemein 
zum Gleichrichten eines jeden, für beliebige Zwecke bestimmten Wechselstromes benutzt werden 
kann, wird durch die schon im Jahre 1897 zu diesem Zwecke von Prof. Grätz ın München 
vorgeschlagene „Aluminiumzelle“ dargestellt. Dieselbe wurde vor etwa drei Jahren auf 


1) Nach meinen Versuchen beträgt der Platinverbrauch bei diesem Betriebe ungefähr 4 Pf. für 
die Expositionsminute. 


200 Walter. 


meine Veranlassung hin und auch vorzugsweise auf Grund meiner ausgedehnten Versuche von 
der damals hier in Hamburg ansässigen Firma Grisson & Co. mit mehreren nicht unwesentlichen 
Verbesserungen versehen: da aber diese Firma schliesslich die betriebsfähige Form des Gleich- 
richters, ohne mich zu fragen, mit ihrem Namen zum Patente anmeldete, so habe ich mich 
daraufhin von derselben gänzlich zurückgezogen. 

Ein solcher „Grätz’scher Aluminiumgleichrichter*“, wie dieser Apparat natürlich 
genannt werden muss, besteht nun, wenn er für einfachen Wechselstrom dienen soll, aus vier 
vollkommen gleichen Zellen, deren Schaltung ebenfalls schon von Prof. Gritz angegeben wurde 
und später besprochen werden wird. Betrachten wir nämlich zunächst die einzelne Zelle selbst, 
so sehen wir, dass die eine Elektrode derselben aus Aluminium, die andere dagegen aus einem 
beliebigen indifferenten Leiter — und zwar in der Regel aus Blei besteht. Auch der Elek- 
trolyt der Zelle ist für ihre Wirkung ziemlich gleichgültig, wenn auch im Interesse einer 
längeren Haltbarkeit eine konzentrierte, ca. 7° „ige Lösung von doppeltkohlensaurem Natrium 
besonders zu empfehlen ist. Aus dem gleichen Grunde ist es notwendig, zum Ansetzen der 
Lösung nur destilliertes Wasser sowie auch nur 4llerreinstes Salz zu verwenden, da die Zellen 
selbst gegen Spuren von Verunreinigungen sehr empfindlich sind. Weiter muss zu dem ge- 
nannten Zwecke die Form der Aluminium-Elektrode eine ebene und die Lage derselben im 
Elektrolyten eine horizontale sein, wie ferner auch der aus gleichem Material bestehende 
Zufiihrungsdraht mit einer isolierenden Glasröhre überzogen sein muss — und zwar besonders 
dort, wo er die Oberfläche der Flüssigkeit durchsetzt. 

Die Wirkungsweise einer solchen Aluminiumzelle wird nun von verschiedenen Physikern 
verschieden erklärt. Nach meiner Ansicht beruht dieselbe darauf, dass die Oberfläche des 
Aluminiums, wenn dasselbe als Anode eingeschaltet ist, sich mit dem an dieser Elektrode auf- 
tretenden Sauerstoff mit einer dünnen Schicht von Aluminiumoxyd überzieht, einer Ver- 
bindung, die einen vollständigen Nichtleiter der Elektrizität darstellt und deshalb den Strom 
auch schon in ganz dünner Schicht vollständig unterbricht. Andererseits bedeckt nun aller- 
dings dieser Überzug niemals die ganze Oberfläche des Aluminiums, sondern es bleibt darin 
stets noch eine mehr oder weniger grosse Zahl von mikroskopisch kleinen Löchern übrig, 
die einen mehr oder weniger grossen Strom hindurchlassen: und diese Löcher sind auch für 
den hier vorliegenden Zweck durchaus nötig, da ja ohne sie auch die entgegengesetzt gerichtete 
Phase des Wechselstromes nicht durch die Zelle hindurch gelangen könnte. Denn nur dadurch, 
dass der von dieser Phase in den Löchern gebildete Wasserstoff das Aluminiumoxyd der 
Umgebung derselben schnell wieder zu Aluminium reduziert und damit die Löcher selbst also 
vergrössert, während dann die positive Phase die letzteren wieder verkleinert u. s. w., nur 
dadurch kommt nach meiner Ansicht der starke Unterschied der in beiden Richtungen durch 
die Zelle hindurchfliessenden Strommengen zu stande Zur Begründung dieser Auffassung 
will ich hier nur erwähnen, dass es auch bei Anwendung einer im richtigen Sinne an die Zelle 
gelegten Gleichstromspannung niemals gelingt, den durch dieselbe hindurchgehenden Strom 
gänzlich bis auf Null herabzudrücken. Bei Anwendung von 110 Volt z. B. betrug die kleinste 
von mir in diesem Falle beobachtete Stromstärke 0,01 Amp., bei 220 Volt aber schon 0,1 Amp.: 
ausser von der Betriebsspannung hängt dieselbe aber auch noch stark von dem Grade der 
Reinheit der Oberfläche des Aluminiums ab. 

Ferner spricht für die obige Auffassung die auch für die Praxis wichtige Thatsache, dass 
bei frischen Aluminiumplatten sowie auch bei solchen, die mehrere Wochen lang unbenutzt 
im Elektrolyten gestanden haben, die Bildung der richtigen Oxydschicht sich niemals sofort 
nach dem Einschalten des Stromes vollzieht — und wenn es auch richtig gerichteter Gleich- 
strom wäre —- sondern im ersteren Falle in der Regel einige Minuten, im letzteren oft sogar sehr 
lange erfordert. Darum dürfen denn auch in den genannten Fällen die Zellen niemals direkt 
an die betr. Stromquelle angelegt werden, da dies natürlich geradezu einen Kurzschluss durch 
dieselben bewirken würde, sondern es muss dann vielmehr stets erst vor dieselben, d. h. also 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 201 


in eine der direkt vom Netz kommenden Leitungen + oder F der Fig. 5, ein regulierbarer 
Widerstand sowie ein Ampéremeter geschaltet werden, deren ersteren man dann allmählich aus- 
schaltet, bis das letztere bei gänzlich ausgeschaltetem Widerstande höchstens 1—2 Amp. anzeigt. 

Dieser Prozess des „Formierens“ der Aluminiumplatten, der aber nur bei einem frischen 
sowie bei einem längere Zeit nicht benutzten Gleichrichter notwendig ist und im letzteren Falle 
unter Umständen 5—10 Minuten dauern kann — wenn er dann nicht beendet ist, so müssen 
die Aluminiumplatten aus den Zellen herausgenommen und mit verdünnter Salzsäure gereinigt 
und ev. auch der Elekrolyt erneuert werden —, geschieht bei einem fertigen Gleichrichter 


ODE | \ GU: 


1 WG AZ 


Fig. 5. 
Grätz’scher Aluminiumgleichrichter für Wechselstrom. 


dieser Art am einfachsten mit Wechselstrom und zwar zugleich für alle vier Zellen desselben, 
indem man nämlich dabei direkt die auch für den Röntgenbetrieb desselben dienende, in der 
Fig. 5 dargestellte Schaltung benutzt, die nun schliesslich noch etwas näher erläutert werden muss. 

In dieser Figur stellen die breit gezeichneten Elektroden A die Aluminiumplatten, die 
schmalen B dagegen die Bleiplatten dar, deren Grösse und Lage aber hier natürlich nur 
schematisch angedeutet ıst. Jeder der beiden Poldrähte des von oben her zugeführt gedachten 
Wechselstromes, + und +, ist nun, wie die Figur zeigt, sowohl mit einer Aluminiumplatte, 
einer Zelle als auch mit einer Bleiplatte einer zweiten verbunden. Demgegenüber hat man 
von denjenigen beiden Drähten, welche den aus diesen Zellen zu entnehmenden Gleichstrom 
ableiten sollen, und die in der Figur durch die nach unten zu gehenden Linien + und — dar- 
gestellt sind, den positiven mit den beiden zugekehrten Aluminiumelektroden, d. h. also 
mit den Zellen II und IV und den negativen mit den beiden zugekehrten Bleielektroden, 
d.h. den Zellen I und III zu verbinden, wie dies in der Figur dargestellt ist. 

Thatsächlich überzeugt man sich nun auch sehr leicht davon, dass durch die in Fig. 5 
gezeichnete Schaltung — unter der Voraussetzung, dass die Zellen den positiven Strom nur 
in der Richtung vom Blei zum Aluminium hin durchlassen — in der nach unten zu gehenden 
Drahtleitung nur gleichgerichteter Strom fliessen kann. Denn fassen wir beispielsweise zunächst 
einen solchen Moment des Wechselstroms ins Auge, bei welchem die positive Stromrichtung 
desselben von dem oben links in der Figur gezeichneten Wechselstromdraht ausgeht, so wird 
diese Phase von hier aus nur durch die Zelle II hindurch können, von dieser aus also that- 
sächlich an den positiven Draht der Gleichstromleitung und von hier aus durch den negativen 
Draht derselben sowie durch die Zelle II zurück an den andern Pol der Wechselstromquelle 


gelangen. Für die entgegengesetzte Phase des Wechselstromes ferner, bei welcher also der 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. VII. 26 


302 Walter. 


Sand 


positive Pol desselben in der Figur oben rechts liegt, kann der Strom von hier aus nur durch 
die Zelle IV, d.h. also wieder nur an den positiven Draht der Gleichstromleitung gelangen, 
um dann von hier aus durch die Zelle I zu dem andern Pole der Maschine hin zu- 
rückzukehren. 

Gleichzeitig ersehen wir noch aus diesen Darlegungen, dass der Strom für die 
Phasen der erstgenannten Richtung des Wechselstromes nur die beiden Zellen II und III, für 
diejenigen der letztgenannten Richtung dagegen nur die Zellen IV und I durchsetzt, so dass 
also durch diese Schaltung — bei gleicher Beschaffenheit der Zellen — zugleich auch eine 
vollkommen gleichmässige Belastung derselben erreicht ist. 

Nachdem nun diese Zellen in der soeben beschriebenen Schaltung und nach der früher 
geschilderten Weise „formiert“ worden sind — was übrigens bei täglichem Gebrauche derselben, 
solange sie gut imstande sind, in der Regel überflüssig ist oder höchstens einige Sekunden er- 
fordert —, kann nun der Gleichstromkreis ohne weiteres eingeschaltet werden. In demselben 
befinden sich in unserem Falle zunächst der Stromunterbrecher, «dann die Primärspule des In- 
duktors, deren Selbstinduktion natürlich dem erstgenannten Apparate angepasst sein muss, ferner 
ein regulierbarer Widerstand und schliesslich noch ein Amperemeter zur Bestimmung der Strom- 
stärke. Das letztere kann hier, wo es sich ja um Gleichstrom handelt, von ganz beliebiger 
Konstruktion sein, Will man dagegen auch den ganzen verbrauchten Wechselstrom bestimmen, 
so hat man vor dem Gleichrichter, d. h. also in eine der beiden Leitungen + oder + der 
Fig. 5, noch ein Wechselstromamperemeter einzuschalten; und soll schliesslich auch noch der 
„Nutzeffekt“ des Apparates bestimmt werden, so sind zu diesem Zwecke auch noch zwei 
Voltmeter nötig, von denen eines die Spannung zwischen den Drähten + und — und das 
andere diejenige zwischen + und -i- misst. Bei einem meiner derartigen Versuche mit einem 
Gleichrichter, der — unter kräftiger Kühlung durch einen Wasserstrom — mehrere Stunden 
lang ununterbrochen einen konstant gehaltenen Gleichstrom vom 12,0 Amp. in einen mit 
Wehneltunterbrecher arbeitenden Induktionsapparat geliefert hatte, ergab sich am Schlusse 
dieser Versuche die Gleichstromspannung zu 90,2 Volt, die Wechselstronstärke zu 18,8 Amp. 
und die Wechselstromspannung zu 140 Volt.!) Da nun aber hierbei der in dem Induktor- 
kreise fliessende Strom ein nahezu kontinuierlicher Gleichstrom war — die Zahl der Unter- 
brechungen im Wehnelt war nur verhältnismässig gering —, ein eigentlicher Wechselstrom 
also nur in den Zellen, d. b. in einem induktionsfreien Widerstande, auftrat, so kann man 
hier die pro Sekunde geleistete und verbrauchte Arbeitsixenge annähernd durch die Produkte 
von Strom und Spannung darstellen und erhält mithin im obigen Falle für die erstere Arbeit 
12,0 x 90,2 = 1080 und für die letztere 18,8 >< 140 = 2630 Watt, so dass sich mithin 
der Nutzeffekt des Gleichrichters in diesem Falle auf ungefähr 40°/, stellte. Dieser Effekt ist 
übrigens bei verschiedenen Apparaten sehr verschieden, und wird auch bei demselben Apparate 
mit der Zeit immer kleiner, zumal wenn der letztere mehrere Wochen hindurch unbenutzt 
gestanden hat, so dass dann meistens eine gründliche Reinigung der Aluminiumplatten, sowie 
auch eine Erneuerung des Elektrolyten notwendig wird. 

Andererseits ist der Betrieb mit diesem Gleichrichter, solange er gut im Stande ist, 
ein ausserordentlich einfacher, da man hierbei, zumal wenn man einen Wehneltunterbrecher 
anwendet, bei einmal eingestellter Röhre nur einen einzigen Hebel ein- oder auszuschalten hat, 
um dieselbe in oder ausser Betrieb zu setzen. Immerhin kann aber auch diese Form des 
Röntgenbetriebes wegen der verhältnismässig geringen Haltbarkeit der Aluminiumzellen noch 
nicht als eine vollkommene bezeichnet werden. 

Damit aber verlassen wir jetzt die erste der beiden oben genannten Arten von Wechsel- 


1) Aus diesen Versuchen ist zugleich zu entnehmen, dass durch den Gleichrichter die Spannung 
des Wechselstromes erheblich herabgesetzt wird, worauf sowohl bei der Konstruktion des Induktors als 
auch bei der des Motors eines ev. zu verwendenden Quecksilberunterbrechers Rücksicht zu nehmen ist. 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 203 


stromeinrichtungen für Röntgenbetrieb, diejenige nämlich, bei der die Gleichrichtung dieses Stromes 
im primären Stromkreise des Induktors bewirkt wird, um uns nun derjenigen zuzuwenden, 
bei der die letztere erst im sekundären Kreise desselben erfolgt, und bei der also der direkte 
Wechselstrom des Werkes ohne weiteres, d. h. ohne Benutzung eines Gleichrichters oder eines 
Stromunterbrechers, sondern nur unter Vorschaltung eines Regulierwiderstandes, in die primäre 
Spule des Induktors gesandt wird. In diesem Falle soll dann also die zum Betriebe der Röntgen- 
röhre notwendige Spannung lediglich durch die Schwankungen des primären Wechselstromes 


Fig. 6. 
Funkentransformator mit einseitig geschlossenem Eisenkern. 


selbst erzeugt werden, eine Forderung, die aus den schon in der Einleitung dargelegten Gründen 
mehrere nicht unerhebliche Änderungen in dem Aufbau des Induktoriums notwendig macht. 
Die wesentlichste derselben besteht darin, dass man dem Eisenkern des letzteren, der ja sonst 
bekanntlich nur aus einem langen, stabförmigen Cylinder besteht, in diesem Falle nach Analogie 
der in der Wechselstromtechnik gebräuchlichen Transformatoren nach aussen herum „magnetisch 
kurz schliesst“. Bei dem in der 
Fig. 6 skizzierten, nach meinen 
Angaben von R. Seifert & Co. 


hierselbst gebauten Apparaten UN, 
dieser Art, ist dies dadurch bewirkt, Y% 
dass man den innerhalb der Spulen j) 


liegenden Eisencylinder AB mit 
einem zweiten gleichartigen, ausser- 
halb liegenden, Cylinder GH durch 
die beiden Querjoche CD und FE 
von rechteckigem Querschnitte ver- 
bindet. Alle diese Eisenstücke sind 
natürlich, um Induktionswirkungen 
in sich selbst zu verhindern, aus 
vielen dünnen Blechstreifen zu- Fig. 7. 
sammengesetzt. Der Cylinder GH Funkentransformator mit zweiseitig geschlossenem Eisenkern. 
ferner wird in dem Apparat der | 
Fig. 6 unterhalb der Induktionsspulen auf dem Grundbrette des ganzen Apparates gelagert, wo 
er einerseits am wenigsten im Wege liegt und andererseits auch mit als Stütze der Spulen dient. 
Herr Franz Jos. Koch, früher Mitinhaber der Firma Nostitz & Koch in Chemnitz, 
jetzt in Firma Koch & Sterzel in Dresden-A., der sich um die Entwickelung dieser Art des 
Röntgenbetriebes grosse Verdienste erworben hat, bewirkt bei seinen Apparaten den magne- 
26* 


204 Walter. 


tischen Kurzschluss dadurch, dass er von vornherein jeden einzelnen Blechstreifen des in den 
Spulen liegenden Eisenkerns so lang nimmt, dass derselbe nach aussen herum gebogen und 
für sich allein magnetisch geschlossen werden kann, und biegt ferner die eine Hälfte dieser 
Bleche nach der einen, die andere nach der andern Seite der Induktionsspulen um, so dass 
also der Apparat — von oben gesehen — die Gestalt der Fig. 7 hat, wobei wieder wie in 
der Fig. 6 — die Eisenteile schraffiert und die Umrisse der Spulen punktiert gezeichnet sind. 

Derartige Apparate, für die aus leicht ersichtlichen Gründen der Name „Funkentrans- 
formator“ besonders bezeichnend ist, liefern nun bei passender Wahl der primären und sekun- 
dären Windungszahl schon mit den einfachen Wechselstromschwankungen, d. h. also ohne 
Unterbrecher, Funken von 50 cm Länge und mehr, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass 
die Richtung des Stromes in diesen Funken genau so wechselt wie die des Stromes in der 
primären Spule des Instrumentes, so dass dasselbe daher ohne weiteres noch nicht zu einem 
ordnungsgemässen Röntgenbetriebe zu benutzen ist. Vielmehr gilt es auch hier, die eine Phase 
dieses hochgespannten Wechselstromes von der Röhre fern zu halten, wozu dann natürlich 
ebenfalls wieder ein „Gleichrichter“ erforderlich ist, der dann in diesem Falle als ein „Hoch- 
spannungsgleichrichter“ bezeichnet wird. 

Bei dem Instrumentarium des genannten Herrn Koch besteht derselbe im wesentlichen 
aus einem rotierenden Metallstabe 13 von ca. 40 cm Länge (s. Fig. 5), der an dem einen Ende 
eines ungefähr ebenso langen Hartgunmi- 
stabes H, quer zu der Längsaxe des letz- 
teren, befestigt ist. Der Stab Z ferner 
wird durch den Synchronmotor S um diese 
Axe synchron zu den Schwankungen des 
Wechselstromes gedrelit, wobei der Metall- 
stab AP dann eine Kreisfläche beschreibt 
und sich nun auch bei jeder Umdrehung, 
d.h.also in jeder vollen Periode des Wechsel- 
stromes, einmal in die Verbindungslinie 
+ ----- A--- = =-=----H der beiden Metallklemmen C und D stellt, 

wie man noch deutlicher aus der Fig. 9 
ersicht, in welcher nur der obere Teil des 


COQ SJ, 2 EO 7) 


-a a’ mi (| er eee 


Viv. 8. Gleichrichters der Fig. 8, von oben her 
Hochspannungsgleiehrichter. gesehen, gezeichnet ist. Von diesen Klemmen 


C und // ist nun, wie in Fig. 9 angegeben, 
die erstere mit dem einen Pole P, des Funkentransformators 7 und die letztere mit der Anti- 
kathode der Röntgenröhre Z? verbunden, deren Kathode wieder in direkter Verbindung mit dem 


anderen Pol P, 
Die Fig. 9 zeigt uns nun unmittelbar, dass ein Strom in die Röhre nur dann eintreten 
kann, wenn der Stab .1 die Verbindung zwischen C und J herstellt, d. h. also nach dem 
Obigen stets nur einmal während jeder vollen Periode des Wechselstromes, so dass demnach 
hierbei immer nur die Induktionswirkung der einen der beiden Schwankungsrichtungen dieses 
Stromes zur Geltung kommt. 

Bei dieser Betriebsweise schaltet man also zuerst den Synchronmotor ein und wartet 
dann einige Zeit, bis der letztere in den Synchronismus hineingelaufen ist, was bei den 
Kochschen Motoren lediglich durch Regulierung an einem zum Motor zugehörigen Widerstande 
erreicht wird. Die Frage, ob der Motor bereits synchron ist oder nicht, entscheidet man am 
einfachsten durch Einschalten des Transformatorstromes, wobei nämlich im ersteren Falle das 
Licht der Röhre gleichmässig bleibt, im letzteren dagegen bald als Schliessungs-, bald als 
Öffnungslicht auftritt — und zwar ist man den Synehronismus um so nüher, je langsamer 


des Transformators steht. 


dieses Umspringen von der einen zur andern Form dieses Lichtes geschieht. Ist schliesslich 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 205 


_ dasselbe gleichmässig geworden, und hat man es also entweder nur mit Schliessungs- oder nur 
mit Offnungslicht zu tun, so geht man ev. vom verkehrten zum richtigen Lichte sehr einfach 
dadurch über, dass man das in der Fig. 8 punktiert gezeichnete, drehbare Gestell des Gleich- 
richters um 90° dreht; denn dadurch wird offenbar z. B. statt der Anstiegspannung des Wechsel- 
stromes die um 90° davon entfernt liegende Abfallspannung desselben durch die Röhre geleitet. 
Diese Drehvorrichtung wird ferner gleichzeitig auch dazu benutzt, um die Schliessung des 
sekundären Stromes durch den Stab AB für jede Phase in einen möglichst günstigen Zeit- 
punkt zu verlegen, d. h. mit andern Worten: jene Vorrichtung wird solange gedreht, bis das 
Licht der Röhre für die betreffende Schaltung des Transformatorwiderstandes ein Maximum 
geworden ist. Erst dann stellt man schliesslich die richtige Belastung der Röhre wie gewöhnlich 
durch Regulierung an diesem letzteren Widerstande her. 

Bei dieser Koch’schen Betriebsweise einer Röntgenröhre mit Wechselstrom hat nun 
die letztere tatsächlich ein geradezu ideales Aussehen, was eben auf eine so gut wie vollständige 
Unterdrückung der verkehrten Stromrichtung 
des Transformators hindeutet und also auch 
einen verhältnismässig geringen Röhrenver- 
brauch erwarten lässt. Ferner ist auch die 
Leistungsfähigkeit des Systems eine recht grosse, 
da sich z. B. mit einem Funkentransformator 
von 40 cm Funkenlänge eine grosse und ziem- 
lich harte Wasserkühlröhre voll belasten liess; 
und da nun endlich auch der Gang des Motors, 
sobald er einmal im Synchronismus drin ist, 
ein unbedingt zuverlässiger ist, so dürfte mit- 
hin das System hinsichtlich der Ökonomie, der 
Leistungsfähigkeit und der Sicherheit des Be- 
triebes allen Anforderungen gerecht werden. 

Immerhin haften demselben aber doch 
auch wieder einige Nachteile an, von denen 
der erste natürlich schon in der Anwesenheit 
des Gleichrichters selbst, sowie auch in der. 
immerhin etwas langwierigen Art des Anlassens 
desselben besteht. (Für eine grössere Reihe 
von Aufnahmen lässt man ihn natürlich dauernd 


laufen.) Ein anderer Übelstand des Koch’schen Fig. 9. 
Systems besteht darin, dass dabei alle Röhren Wechelstrom-Röntgenbetrieb mit Funkentrans- 


fast dieselbe Härte, etwa 6—7 meiner Skala, formator und Hochspannungsgleichrichter. 


zeigen, auch wenn sie bei anderer Betriebs- 

weise erheblich weicher sind, so dass man also bei jenem eigentlich nur mit mittelharten und 
ganz harten, nicht aber mit weichen Röhren arbeiten kann. Auf den Grund dieser bemerkens- 
werten Erscheinung will ich hier nicht näher eingehen. 

Als letzter Nachteil des Koch’schen Systems — wenigstens in seiner bisher geschil- 
derten, ursprünglichen Gestalt — ist noch der zu nennen, dass dabei die verkehrt gerichteten 
Induktionsstösse des Transformators überhaupt nicht zur Entladung kamen, und dass sich daher 
mit zunehmender Belastung des Instrumentes die Spannung derselben zu einer nicht bloss für 
diesen Apparat selbst sehr gefährlichen, sondern auch für Patient und Arzt höchst unangenehmen 
Höhe steigert. Ist doch der eine Pol des Transformators direkt mit der Kathode der Röhre 
verbunden! Aus einer nicht geerdeten Bleiblende z. B., die in 30 cm Abstand von der Röhre 
aufgestellt wurde, konnte man bei richtiger Belastung der letzteren mit dem Finger Funken 
von mehreren Zentimetern Länge herausziehen; erdete man aber andererseits die Blende, so er- 


206 Walter. 


folgte schon in 20 cm Abstand von der Röhre zwischen ihr und der Blende ein sehr lebhaftes 
Funkensprühen, das für die Personen im Zimmer womöglich noch unangenehmer wirkt und 
ausserdem auch eine direkte Gefahr für die Röhre selbst darstellt. Diese Gefahr besteht näm- 
lich des Näheren darin, dass die genannte Spannung von der Kathode der Röhre her, die ja 


für die betreffende Phase die Anode darstellt, auch leicht ın das Vakuum der Röhre über-. 


seht und sich dann durch irgend einen günstig gelegenen Punkt der Glaswand derselben — 


und zwar am leichtesten durch die Spitze ihres Luftpumpenansatzes — nach der geerdeten 
Bleiwand hin entladet. Hierbei wird natürlich die Glaswand durchbohrt und die Röhre also 
— wenigstens vorläufig — unbrauchbar. 


Dieser letztere Übelstand des Kochschen Gleichrichters liess sich nun freilich durch diesen 
Apparat selbst in sehr einfacher Weise beseitigen. inden man nämlich, wie in der Fig.9 durch 
punktierte Linien angedeutet ist, auf dem äusseren Umkreise des Hartgummikastens, mit wel- 
chem der rotierende Stab 4 B — des Geräusches der Funken wegen — umkleidet ist (diese 
Verkleidung zeigt am besten Fig. 8), senkrecht zu den beiden Klemmen C und D noch zwei 
weitere Klemmen G und H anbrachte und diese dann, wie in Fig. 9 durch punktierte Linien 
angegeben ist, mit den beiden Polen P, und P, des Transformators verband. Wenn dann der 
‚Apparat so eingestellt ist, dass die richtige Phase des Hochspannungsstromes stets dann auf- 
tritt, wenn der Stab A B zwischen den Klemmen C und J) steht, so muss die verkehrte Phase 
desselben, da sie ja zeitlich um 90° gegen die erstere verschoben ist, offenbar stets gerade in 
dem Augenblicke einsetzen, wo sich der Stab A B zwischen den Klemmen G und H befindet, 
so dass sich also dann die Spannung derselben einfach durch diesen Stab hindurch entladet. 
Der Versuch zeigte denn auch sofort, dass man auf diese einfache Weise die oben beschriebenen, 
so ganz ungewöhnlichen Spannungserscheinungen der Koch’schen Betriebsweise in der voll- 
kommensten Weise beseitigen konnte, wenn dadurch allerdings auch wieder das Geräusch und 
die Wärmeentwickelung der Funken im Gleichrichterkasten erheblich vermehrt wurde. Übrigens 
kann man aber auch diesen jedenfalls viel geringeren Nachteil noch in ganz beträchtlicher 
Weise dadurch herabmindern, dass man in der Leitung P, @ der Fig. 9 einen Hochspannungs- 
widerstand von einigen Millionen Ohm legt, wodurch dann nämlich nicht bloss das starke 
Geräusch der Funken der verkehrten Phase ganz erheblich herabgemindert sondern auch die 
von dieser Phase erzeugte Wärmemenge gewissermassen aus dem Gleichrichterkasten heraus 
und in den erwähnten Widerstand hineingelegt wird. 

Ist nun aber auch auf diese Weise der letztgenannte Ubelstand des Kochschen Systems 
in ziemlich einfacher Weise zu vermeiden, so bleiben doch immerhin noch die beiden zuerst 
erwähnten bestelen; und so glaube ich es denn als einen Fortschritt ansehen zu dürfen, dass 
es mir nach längeren Versuchen gelungen ist, einen Wechselstrom-Réntgenbetrieb mit Hoch- 
spannungstransformator (d. h. also ohne Unterbrecher) auszubilden, bei welchem ein beweglicher 
Gleichrichter überhaupt nicht zur Anwendung kommt, sondern wo die Gleichrichtung des 
hochgespannten Wechselstroms — oder, richtiger ausgedrückt, die Fernhaltung der ver- 
kehrten Phase desselben von der Röhre —- lediglich durch einige sehr einfache, feststehende 
und auch der Abnutzung nicht unterworfene Apparate bewirkt wird. Dieselben bestehen näm- 
lich im wesentlichen aus zwei sogenannten „asymmetrischen“ Funkeustrecken (Spitze — Platte), 
von denen die eine, /”, wie die Fig. 10 zeigt, parallel, die andere, f, in Serie mit der 
Röntgenröhre geschaltet ist, sowie aus einem Hochspannungswiderstand W von einigen Millionen 
Ohm. Betrachten wir zunüchst die Wirkung der beiden Funkenstrecken, so beruht dieselbe 
bekanntlich auf der Thatsache, dass bei einer derartigen verschiedenen Form der Elektroden 
die Entladung viel leichter zu stande kommt, wenn die Spitze positiv und die Platte 
negativ ist, als bei umgekehrter Polarität derselben. Hieraus folgt nun aber für die in der 
Fig. 10 dargestellte Schaltung der beiden Funkenstrecken F und f, dass dadurch diejenigen 
Phasen des hochgespannten Wechselstromes, bei welchen der Pol P, des Transformators T 
positiv ist, ihren Weg nicht über die Funkenstrecke f und die Röhre Ze, sondern über die 


Der Wechselstrom und seine Anwendung im Röntgenbetriebe. 207 


Funkenstrecke F und den Widerstand W nehmen werden — und zwar aus zwei Gründen: 
erstens nämlich, weil sie in f die ihr nicht angenehme Platte und zweitens, weil sie in F 
die ihr angenehme Spitze vorfindet; umgekehrt wird auch die entgegengesetzte Phase jenes 
Stromes, bei der also P, negativ ist, ebenfalls wieder aus zwei Gründen ihren Weg nicht über 
F und W sondern, wie es beabsichtigt ist, über f und R nehmen, da sie im ersteren Falle 
die ihr nicht angenehme Spitze, im zweiten dagegen die ihr angenehme Platte vorfindet. 


Bei richtiger Länge der beiden Funkenstrecken / und f — worüber später noch Ge- 
naueres mitgeteilt werden wird — entladen sich mithin die sämtlichen Induktionsstösse der 


einen Richtung, deren Zahl ja in der Regel 50 in der Sekunde beträgt, als Funken durch die 
Funkenstrecke F’, diejenigen der andern Richtung dagegen durch die Röntgenröhre R, der in 
diesem Falle allerdings noch die Funkenstrecke f vorgeschaltet ist, deren Länge aber bei einer 
guten Röhre in der Regel nur einige Millimeter beträgt. Nichtsdestoweniger ist klar, dass 
schon der Lärm der zahlreichen und auch ziemlich langen Funken in F ein recht grosser 
Übelstand dieser Betriebsweise sein würde, wenn es nicht gelänge, denselben erheblich ab- 
zudämpfen; und diese Aufgabe erfüllt nun — neben 
einer zweiten, sogleich zu erwähnenden — in einer sehr 
vollkommenen Weise der Widerstand W, indem er 
nämlich den Funken — statt ihres bekannten knallen- 
den Geräusches — einen dem Ohre durchaus nicht 
unangenehmen, sausenden Ton giebt. 

Dabei stört aber der Widerstand W nicht etwa 
die Wirkung der Funkenstrecke F, sondern begünstigt 
vielmehr dieselbe sogar ganz erheblich; und hierin © 
besteht nun thatsächlich die zweite, soeben schon an- 
gedeutete Aufgabe desselben. Diese ist nämlich des 
Näheren dahin auszusprechen, dass der Widerstand W, 
da er ja die Stromstärke in den durch F hindurch- 
schlagenden Funken ganz bedeutend herabsetzt, damit 
zugleich auch verhindert, dass die in der Bahn dieser 
Funken liegenden Luftteilchen zu stark „ionisiert“, d. h. 
zu gut leitend ‚gemacht werden, in welchem Falle näm- 
lich auch die Entladungen der entgegengesetzten Phase 


| ` Fig. 10. 
: > i Wechselstrom-Röntgenbetrieb mit 
des Transformators = statt durch die Rontgenrohe ki Mia kentrausformator und asımmetrischei 
-— einfach durch diese leitend gewordene Luftlinie Farkensteecken 


überschlagen würden. Andererseits beeinträchtigt aber 
wieder der Widerstand W das Zustandekommen derjenigen Funken, die hierbei durch /’ hin- 
durschlagen sollen, nur sehr wenig, da es sich bei der Bildung eines Funkens ja sowieso 
nur um sehr geringe Stromstärken handelt. | 

In der Praxis stellt man nun den Funkentransformator 7 der Fig. 10 am besten, wie 
dies ja vielfach auch schon mit den Induktorien geschieht, in etwas über Manneshöhe auf und 
bringt dann ferner die beiden Funkenstrecken F und f unmittelbar über seinem eigenen Kopfe 
an, so dass man also an den unteren Enden der die Elektroden isolierenden Hartgummistangen 
die Regulierung der richtigen Längen von F und f in bequemer Weise vornehmen und dabei 
doch auf die Röntgenröhre achten kann. Die Regulierung erfordert höchstens einige Sekunden 
und ist auch für jede Röhre selbstverständlich nur einmal vorzunehmen, da, solange die Härte 
und Belastung der letzteren konstant bleibt, offenbar auch zu einer Veränderung in den einmal 
richtig eingestellten Längen von F und f kein Grund vorliegt. Thatsächlich lassen sich denn 
auch Röhren auf diese Weise ohne jeden Handgriff beliebig lange in Betrieb halten, wobei aber 
selbstverstandlich — wie auch sonst — die Belastung derselben nicht zu gross genommen 
werden darf. Ferner kann man natürlich auch, nachdem einmal die Längen von F und f für 


208 Walter, 


eine bestimmte Röhre richtig eingestellt sind, die letztere nach Belieben aus- und wieder 
einschalten, ohne dass inzwischen — wie beim Laufenlassen eines Synchronmotors — ein 
Stromverbrauch stattfindet. | 

Was nun aber weiter die Regulierung der beiden Funkenstrecken F und f selbst an- 
geht, so hat man die Länge der ersteren mittelst ihres Plattenständers, die der letzteren 
dagegen mittelst ihres Spitzenständers zu verändern, da die beiden andern Elektroden der 
Einfachheit wegen nicht bloss, wie die Fig. 10 zeigt, fest miteinander, sondern auch fest mit 
dem Grundbrett verbunden sind. Vor der eigentlichen Einstellung achtet man natürlich zu- 
nächst darauf, dass die Röntgenröhre in richtigem Sinne, d. h. also wie in Fig. 10 angegeben, 
an den Funkenstreckengleichrichter angelegt ist, da ja hierauf die ganze Wirkung desselben 
beruht. Dann macht man zunächst die Länge von f gleich Null, d. h. man bringt die be- 
wegliche Spitze derselben mit der zugehörigen Platte in Berührung. Sodann stellt man F 


auf eine Länge von etwa 5—10 cm ein — für eine harte Röhre mehr, für eine weiche 
weniger — und kann nunmehr, nachdem im primären Stromkreise ein passender Widerstand 


vorgeschaltet ist, diesen Strom ohne weiteres einschalten. Dabei werden dann in der Regel noch 
beide Phasen desselben durch die Funkenstrecke /’ überschlagen, wie man einfach daran 
erkennt, dass die Röhre noch dunkel bleibt. Die Luft in / wird eben bei diesen kleinen 
Funkenlängen trotz der Anwesenheit des stromverkleinernden Widerstandes W doch noch zu 
stark ionisiert, so dass also dann die eigentlich für A bestimmte Phase hier noch einen 
besser leitenden Weg vorfindet. Entfernt man aber nun die Platte / von ihrer zugehörigen 
Spitze, so wird bald ein Punkt kommen, wo die Röhre plötzlich aufzuleuchten beginnt und in 
diesem Augenblicke lässt man dann die Platte von F stehen, auch wenn sich in der Röhre 
dann noch einiges Schliessungslicht zeigen sollte, Dies letztere lässt sich nämlich nicht etwa 
durch eine noch weitere Vermehrung der Länge von F entfernen, eine Massregel, die vielmehr 
gerade das Gegenteil davon bewirken würde, indem nämlich der verkehrten Phase, die ja ihren 
Weg über F nehmen soll, derselbe dadurch offenbar geradezu erschwert werden würde. In 
einer ganz ausgezeichneten Weise dagegen erreicht man jenes Ziel in diesem Falle durch eine 
geringe Öffnung dev Funkenstrecke f — und zwar braucht die Länge derselben bei einer 
guten Röhre nur einige Millimeter zu betragen, so dass also die durch f hindurchschlagen- 
den Fünkchen dann nicht bloss vollkommen geräuschlos sind, sondern auch nur eine äusserst 
geringe Energie verzehren. Gerade hier zeigt sich die Ventilwirkung einer solchen asymmet- 
rischen Funkenstrecke oft in einer sehr überraschenden Weise, indem eben die letztere der 
einen Phase den Weg vollkommen versperrt, der anderen dagegen so gut wie vollkommenen 
Durchlass gewährt. 

Bei dieser Gelegenheit mag übrigens noch erwähnt werden, dass sich diese Ventil- 
wirkung nicht etwa, wie man noch vielfach zu glauben scheint, dadurch verstärken lässt, dass 
man an die Stelle eines einzigen solchen Elektrodenpaares (Spitze — Platte), eine mehr oder 
weniger grosse Zahl davon hintereinander schaltet; denn man kann sich einfach durch Messung 
der in beiden Fällen abgedrosselten Funkenlängen davon überzeugen, dass ein einziges Elektroden- 
paar eher besser wirkt als mehrere. 

Auch die Verwendung von „Ventil“- oder „Drosselröhren“, die ja für derartige Zwecke 
häufig empfohlen werden, ist nach meinen Versuchen durchaus unpraktisch, da 1. die Härte der- 
selben nicht die leichte Regulierbarkeit der Länge einer asymmetrischen Funkenstrecke hat, 
ferner 2. dieselben bei stärkerer Belastung sehr leicht weich werden, wodurch dann ihre Ventil- 
wirkung natürlich erhebliche Einbusse erleidet, und endlich 3. dieselben ebenso wie eine 
Röntgenröhre mit der Zeit immer leerer werden und daher eine neue dauernde Ausgabe 
bedingen. Demgegenüber ist der in der Fig. 10 dargestellte „Funkenstreckengleichrichter“ 
nicht bloss einfacher, billiger und haltbarer, sondern auch vor allen Dingen zuverlässiger.') 


', Der Apparat wird von der Firma R. Seifert & Go. hierselbst nach meinen Angaben gebaut, 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 209 


Schliesslich sei noch erwähnt, dass das zuletzt beschriebene, in der Fig. 10 dargestellte 
Instrumentarium übrigens auch einen ausgezeichneten Prüfstein für die Güte der Konstruk- 
tion der Röntgenröhre selbst abgiebt, indem offenbar — bei gleicher Härte — diejenige 
Röhre als die beste zu bezeichnen ist, bei welcher sich das Schliessungslicht in diesem Falle 
mit der kleinsten Funkenlänge f unterdrücken lässt. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, 
habe ich daher die bekannte hiesige Röntgenröhrenfabrik von C. H. F. Müller veranlasst, eine 
grosse Reihe von möglichst verschiedenartigen Konstruktionen ihrer Fabrikate auf diese Weise 
auf die Probe zu stellen, worauf die Firma in der dankeswertesten Weise einging. Dabei 
stellte sich dann das Resultat heraus, dass bei jeder der bekannten Röhrenformen dieser Firma 
auch die geringste Abweichung von der gebräuchlichen Form stets von einer erheblichen 
Verschlechterung des Betriebes begleitet war, so dass also auch für Wechselstrombetrieb die 
günstigste Röhrenform dieselbe zu sein scheint, wie für Gleichstrombetrieb, wie ja auch eigent- 
lich nicht anders zu erwarten war. Von den verschiedenen Röhrenformen der Firma anderer- 
seits zeichneten sich hierbei besonders diejenigen aus, deren Antikathode mit einem Glasmantel 
umgeben war, eine Verbesserung, die übrigens schon vor etwa vier Jahren auf meinen Vor- 
schlag hin von der Firma eingeführt wurde. Hierbei ging ich nämlich von dem Gedanken 
aus, dass ebenso, wie man die Röhre von der Seite der Kathode her dadurch härter machen 
kann, dass man diese Elektrode tiefer in ihren Glashals hineinzieht, man dieselbe offenbar 
auch für den Schliessungsstrom — für den ja die Antikathode zur Kathode wird — härter 
machen kann, wenn man auch diese Antikathode mit einem Glasmantel umgiebt. Dieser Mantel 
erschwert eben das Eintreten des Schliessungsstromes bezw. — bei Wechselstrombetrieb — der 
verkehrten Phase in die Röhre und dürfte daher unter allen Umständen nicht unerheblich zur 
Verlängerung der Lebensdauer derselben beitragen. 


Hamburg, physikal. Staatslaboratorium, im Januar 1905. 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 


(Leukaemie, Pseudoleukaemie, Lymphomatosis, perniciöse Anaemie, Anaemia splenica, Poly- 
cythaemia mit Milztumor.) 


Referat erstattet von 
Privatdozent Dr. Paul Krause-Breslau. 


Als vor Jahresfrist aus Amerika die Kunde kam, dass ein Fall von Leukaemie durch 
Bestrahlung mit Röntgenstrahlen gebessert resp. geheilt worden sei, wurde diese Nachricht in 
Deutschland mit berechtigtem Misstrauen entgegengenommen; auch in der Röntgentherapie war 
ja ın den letzten Jahren durch einseitige, ungenügende Beobachtung einzelner Fälle, der häufig 
voreilige Publikation folgte mit der durchsichtigen Absicht, sich in unserer schnelllebigen Zeit 
das Prioritätsrecht zu wahren, der Sache mehr geschadet als genützt worden: ich erinnere an 
die enthusiastischen Schilderungen über therapeutische Wirkungen der Röntgenstrahlen bei 
Lungentuberkulose, . bei Carcinomen innerer Organe, wie sie mit südlichem Feuer speziell von 
französischen Autoren gegeben worden waren. 

‚Die Priorität in der Röntgenbehandlung der Leukaemie und Pseudoleukämie 
kann Senn mit Recht beanspruchen; in der Augustnummer 1903 des New York Medical 
Journal berichtete er, dass er in einem Falle von „Hodgkinscher Krankheit“ nach vier bis acht 
Sitzungen ein Weicherwerden und eine merkliche Verkleinerung der Drüsen beobachtet habe. 
Nach 15 Sitzungen sei eine leichte Dermatitis mit einem eigenartigen Zustande von Toxämie 
aufgetreten, welche eine Unterbrechung der Behandlung erforderten. Drei Wochen später war 
das Befinden des Patienten ein gutes, die Drüsen waren sehr verkleinert, die Haut darüber 


mässig pigmentiert. Der Haemoglobingehalt war von 73 auf 85°/,, die Zahl der roten Blut- 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 27 


210 Krause. 


körperchen von 3475000 auf 4,5 Millionen gestiegen, die der weissen von 208000 auf 76000 
und später auf 46500 gesunken. Ähnlich sei das Ergebnis in einem anderen Falle gewesen. 

Senn meint, dass die Störungen, welche auf die prolongierte Anwendung der Röntgen- 
strahlen folgten und gleichzeitig mit der Verkleinerung der Drüsen einsetzten, auf Toxaemie 
infolge von Resorption von Zerfallsprodukten der leukaemisch veränderten Gewebe zurückzu- 
führen waren. Er empfiehlt die Röntgenbehandlung auf das wärmste, da er von anderen 
Methoden nie Erfolge gesehen hat. Er glaubt die Ursache der leukaemischen Erkrankungen 
in Mikroorganismen erblicken zu müssen, welche eine besondere Vorliebe für lymphoide Gewebe 
besässen: die Röntgenstrahlen wirkten auf diese bakterielle Noxe direkt ein. 

Der Fall von Bryant-Crane-Brangor bekam ausser der Bestrahlung mit Röntgen- 
strahlen auch noch Arsen und Eisenpräparate; da die Milz bei der Entlassung noch deutlich 
vergrössert und der Haemoglobingehalt nur 60°), betrug, dürfte auch hier nur von einer 
Besserung, nicht von Heilung gesprochen werden dürfen. Der Bericht dieser Autoren ist 
zweifellos mit Vorsicht aufzunehmen, da sie in derselben Arbeit von einer „Heilung“ eines 
Leukaemiefalles durch Eisen-Arsentherapie zu sprechen sich für berechtigt halten. In der 
deutschen Litteratur wird allen „geheilten“ Fällen von Leukaemie meiner Erfahrung nach mit 
sehr grossem Rechte mit grösster Skepsis begegnet. 

In Deutschland wurden diese therapeutischen Versuche seit der Mitteilung von Ahrens 
einem grösseren ärztlichen Kreise bekannt und Yegten bei der Aussichtslosigkeit jeglicher 
anderer Therapie der leukaemischen und pseudoleukaemischen Erkrankungen zu eifriger Nach- 
ahmung an. 


In dem Ahrensschen Falle handelte es sich um einen 27jährigen Herrn mit doppeltmannskopf- 
grossem leukaemischen Milztumor und dem enormen Verhältnisse der weissen zu den roten Blutkörperchen 
von 1:1. Die Krankheit bestand seit 1'/, Jahren. In der letzten Zeit hatten sich die allgemeine 
Schwäche, das Mattigkeitsgefühl, cin starkes Druckgefühl im Unterleibe mit Magenbeschwerden und 
grossem Lufthunger bedeutend gesteigert, auch waren Knochenschmerzen im rechten Arme aufgetreten. 

Die Milz wurde täglich ca. 5—10 Minuten, jeder lange Röhrenknochen sowie das Brustbein je 
1—2 Minuten mit sehr harten Röhren bei starkem Strome bestrahlt. 

Nach 20 Sitzungen war eine so auffallende Besserung des Patienten eingetreten, dass er wieder 
grössere Spaziergänge unternehmen komnte, alle Bälle und andere Festlichkeiten des Winters ohne jegliche An- 
strengung mitmachen konnte. Der Leibesumfang nahm sichtlich ab, die bleichen Wangen röteten sich. 
Nach der 25. Sitzung war die Milz bereits über die Mittellinie des Bauches zurückgegangen, nach weiteren 
10 Sitzungen war sie kaun noch unter dem linken Rippenbogen und nach der 50. Sitzung war sie durch 
Palpation überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. 

Nach der 40. Sitzung war das Verhältnis der weissen zu den roten Blutkörperchen wie 1:525. 
Die Knochenschmerzen waren völlig geschwunden. 

Nach etwa dreimonatiger Behandlung wurde der Patient in blühendster Gesundheit und einer 
grossen körperlichen Leistungsfihigkeit entlassen, wie er sie nie vorher besessen hatte: der Arzt schärfte 
ihm ein, sich wenigstens alle 14 Tage das Blut unterSuchen zu lassen, mit der ausgesprochenen Absicht, 
den Patienten bei der geringsten Vermehrung der weissen Blutkörperchen sofort wieder mit Röntgen- 
strahlen zu behandeln. Einen Monat noch nachher ergab die Zählung der weissen Blutkörperchen keine 
Abweichung von der Norm. 

Daraufhin erklärte der Kranke, da er sich durchaus leistungsfähig fühle, er wolle wieder Dienst 
thun und habe deshalb schon eine Richterstelle in einer sehönen Ciebirgsgegend Schwabens angenommen. 
Vergeblich redete ihm der Arzt ab. 

Sechs Tage später trat im Anschluss an einen ca, fünfstündigen Marsch mit starker Erhitzung 
und darauffolgender Kırkältung plötzlich Stechen in der Milzgegend auf. Die Untersuchung ergab einen 
grossen Milztumor, welcher fast bis zur Tleoevecalgegend reichte, der Bauch war wieder wie bei einer 
hochschwangeren Frau gedehnt, es waren wiederum heftige Schmerzen vorhanden. Die Zahl der weissen 
Blutkörperchen war zuerst anscheinend nicht vermehrt, fünf Tage später um das 22fache des bei der 
letzten — 17 Tage vorher stattgefundenen — Zählung gefundenen Resultates vermehrt. Nach elfmaliger 
Bestrahlung wurde die Milz wieder etwas kleiner, die Blutuntersuchung ergab aber keine Besserung. Es 
traten hohes Fieber (bis 40°) und schwere Schweisse ein, der Patient starb am 29. März unter den Zeichen 
der chronischen Suffocation. 


In dem Ahrensschen Falle handelte es sich zweifellos um eine höchst merkwürdige 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 211 


Beeinflussung eines Leukaemiekranken durch Röntgenstrahlen: einerseits wurde schon sehr 
bald eine grosse Besserung des subjektiven Befindens des Kranken, andererseits aber 
auch objektiv eine Veränderung im Krankheitsbild erzielt. Die Milz wurde kleiner und ging 
fast zur Norm zurück, und die Zahl der weissen Körperchen verminderte sich, während die der 
roten stieg, so dass schliesslich ein fast normaler Befund erhoben wurde. 

Der Patient fühlte sich nicht mehr krank. Im Anschluss an einen anstrengenden 
Marsch trat ein akutes Recidiv ein, dem er erlag. 

Die Sektion ergab eine 6'/, Pfund schwere leukaemische Milz mit vielen Milzinfarkten, 
leukaemisches himbeergeleeartiges Knochenmark und leukaemische Leber; in der Milz fanden 
sich zahlreiche Emboli. 

Eine histologische Untersuchung der Milz, Drüsen und des Knochenmarks scheint nicht 
vorgenommen worden zu sein. 

Von einer „Heilung“ kann demnach auch in diesen Falle keine Rede sein, aber 
immerhin konnte Ahrens mit Recht von einer zauberhaften Wirkung der Röntgenstrahlen auf 
die Milz und das Blut reden und zu weiteren therapeutischen Versuchen auffordern. 

Diese Mitteilungen erhielten erst das richtige Interesse durch die höchst bemerkens- 
werten Arbeiten H. Heinekes „Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf innere Organe“, 
auf die ich hier wegen ihrer prinzipiellen Wichtigkeit für die vorliegende Frage etwas näher 
eingehen muss. 


In seiner ersten Arbeit teilte er mit, dass Mäuse und kleine Meerschweinchen nach 7—14 Tagen 
zu Grunde gehen, wenn sie eine Reihe von Stunden den Strahlen der Röntgenröhre ausgesetzt 
worden sind. 

Durch die mikroskopische Untersuchung der Milz wurden zwei auffallende Befunde festgestellt: 
erstens eine excessive Vermehrung des Pigmentes; zweitens ein Verschwinden der Milzfollikel und eine 
weitgehende Rareficierung der zelligen Elemente der Milzpulpa. 

In einer weiteren Verfolgung seiner Untersuchung stellte Heineke weiterhin fest, dass die 
Vorgänge an den Milzfollikeln zeitlich von den übrigen Veränderungen in der Milz voll- 
kommen zu trennen sind. Während die Pigmentanhäufung erst nach mehreren Tagen einsetzt, um 
erst kurz vor dem Tode der Versuchstiere — es wurden Mäuse, Meerschweinchen und Ratten verwendet 
— grössere Grade zu erreichen, beginnen die Veränderungen, die zum Untergange der Follikel 
führen, schon wenige Stunden nach dem Anfange der Bestrahlung, erreichen ihren Höhe- 
punkt bereits in der 8. bis 12. Stunde und sind nach 24 Stunden in der Hauptsache abge- 
schlossen. Unter dem Einflusse der Bestrahlung zerfallen nach Angabe Heinekes die 
Kerne der Lymphocyten in den Follikeln nach wenigen Stunden in Trümmer und Kugeln, diese 
Kerntrimmer würden von Phagocyten aufgenommen, welche ihrerseits wieder nach kurzer Zeit ver- 
schwänden. Die Follikel gingen etwa nach 24 Stunden je nach der Dauer der Bestrahlung bis auf mehr 
oder weniger grosse Reste zu Grunde. | 

Das wichtigste von den Angaben Heinekes scheint zu sein, dass die eben kurz skizzierten 
Veränderungen an den Malpighi’schen Körperchen der Milz sich abspielen zu einer Zeit, wo andere 
Veränderungen, spez. Veränderungen an der Haut, noch vollständig fehlen; die Wirkung der 
Röntgenstrahlen auf die Milzfollikel wäre demnach eine durchaus elektive. 

Ganz analoge Vorgänge wie in den Milzfollikeln fänden sich zur gleichen Zeit auch in 
allen Lymphdrüsengruppen des Körpers, in den Follikeln des Darmkanals und bei jungen Tieren 
auch in der Thymus. 

Es träten wenige Stunden nach Beginn der Bestrahlung — bei kleinen Meerschweinchen nach 
etwa 21), bis 3 Stunden — sich intensiv färbende Chromatinkugeln auf, die Heineke als’ Kern- 
trümmer Ansicht, Wenige Stunden später finden sie sich in grossen Zellen, in Phagocyten, eingeschlossen, 
welche mit den Kerutriimmern gänzlich vollgestopft sind. 

Nach etwa 24 bis 36 Stunden sind die Follikel, d. h. ihre spezifischen Elemente, die Lympho- 
cyten, mehr oder weniger vollständig zu Grunde gegangen. - 

In den Lymphdrüsen seien nicht bloss die Follikel, sondern bald auch die ganze Rinden- 
substanz und die Markstränge verändert. 

Im Knochenmark kommt es zu einem Zugrundegehen eines grossen Teiles der spezifischen 
Zellen und zu ihrem Ersatz durch Fettzellen. 

Im Blute ist ausser einer geringen Verminderung der Leukocytenzahl nichts Abnormes zu er- 
kennen. Durch weitere Versuche zeigte Heineke, dass nicht bloss bei kleineren Tieren — Mäusen, 

21 * 


212 Krause. 


Meerschweinchen, Ratten —, sondern auch bei grösseren — Kaninchen, Hunden — genau derselbe 
Prozess, auch zeitlich, an dem Lymphapparate sich abspiele. 

Was die Dauer der Bestrahlung anbetrifft, die nötig ist, um die geschilderten Vorgänge bei 
grossen Tieren hervorzurufen, so beträgt das Minimum derselben beim Kaninchen und Hunde un- 
gefähr !/, Stunde. 

Diese Versuch Heinekes sind sehr interessant, weil sie zeigen, dass es Zellen im Tierkörper 
giebt, welche auf die Strahlen der Röntgenröhre viel feiner reagieren, als die Zellen der 
Epidermis, dass diese Reaktion von seiten der Lymphfollikel vie) früher eintritt, als die 
Reaktion des Deckepithels. Der Schluss des Autors, dass durch diese Kenutnis vermittelt, auch analoge 
Veränderungen an den Lymphfollikeln des Menschen stattfinden könnten, scheint durchaus nicht zu ge- 
wagt: er empfiehlt daher mit Recht die therapeutische Bestrahlung mit Röntgenstrahlen beim malignen 
Lymphom, Lymphosarcom und bei den unter dem Namen Pseudoleukaemie zusammengefassten Formen 
des chronischen Milztumors, ferner bei den verschiedenen Formen der Leukaemie. 

In einer weiteren experimentellen Arbeit, welche er in sehr ausführlicher Weise in den Mit- 
teilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie publizierte, deren Studium allen denen, welche 
die Röntgenstrahlen therapeutisch bei Leukacmiekranken anwenden wollen, dringend zu empfehlen ist, 
konnte Heineke seine ersten Angaben bestätigen resp. erweitern. Er fand: °* 

I. Auch bei denjenigen Tieren, die der Bestrahlung schon nach durchschnittlich 8 Tagen und 
vor Ausbruch einer makroskopisch nachweisbaren Dermatitis erliegen, lassen sich mikroskopisch fast 
immer bereits leichte Hautveränderungen feststellen; die Intensität dieser Hautläsionen ist im allgemeinen 
proportional der Lebensdauer nach der Bestrahlung. Nur bei Mäusen sind in der Regel zur Zeit des 
Todes auch mikroskopisch noch keine Symptome einer Röntgendermatitis nachweisbar. 

II. Bei allen durch Bestrahlung getöteten Tieren finden sich ohne Ausnahme Veränderungen 
an den inneren Organen, nämlich: 

1, Veränderungen in der Milz und zwar a) das Zugrundegehen eines grossen Teiles ihrer Zellen, 
in erster Linie der Lymphocyten in den Follikeln sowohl wie in der Pulpa, dann der Riesenzellen (bei 
Mäusen), der polynucleären Leukocyten und wahrscheinlich auch der eosinophilen Zellen; b) eine Ver- 
mehrung des Milzpigments, die bei Mäusen schr stark, bei Meerschweinchen und Kaninchen geringer ist 

2. Veränderungen an den Lymphdrüsen, bestehend in dem Untergang des grössten Teiles des 
Lymphoeyten in und ausserhalb der Follikel; 

3. Veränderungen in gleichem Sinne an den Follikeln des Darmkanals; ` 

4. Veränderungen am Knochenmark, nämlich cine weitgehende Rarefizierung der spezifi- 
schen Zellen. 

Die fleissige und gründliche Arbeit enthält ferner Angaben über mikroskopische Untersuchung 
des Zentralnervensystems über Blutuntersuchungen und in erschöpfender Weise über die histologischen 
Veränderungen der Milz, der Lympbdriisen und des Knochemarkes und über ihr zeitliches Auftreten bei 
den bestrahlten Tieren. 

Auch auf das Theoretische der Wirkung der Röntgenstrahlen geht der Verfasser kurz ein. 

Der Arbeit sind treffliche Abbildungen beigegeben. 


Erst aus den experimentellen Arbeiten Heinekes können wir meiner Ansicht nach die 
Berechtigung herleiten, in jedem Falle von Leukaemie, Pseudoleukaemie und in diese Gruppe 
gehörige Krankheiten (Lymphosarcom, malignes Lymphom), ferner Milzhyperplasien, sonstige 
Erkrankungen des lymphoiden Apparates, wie z. B. die Mikuliczsche Krankheit, die Röntgen- 
strahlen therapeutisch zu verwenden. Dass sie an den inneren Organen anatomische Ver- 
änderungen auslösen können, welche von den Vorgängen am Deckepithel ganz unabhängig sind, 


ist jetzt bewiesen: ebenso dass diese Veränderungen — ausser Störungen der Hodenfunktion 
(Albers-Schönberg) — fast ausschliesslich, soweit unsere Kenntnisse reichen, diejenigen 


Organe betreffen, die in Beziehung zur Blutbereitung stehen. Sie äussern sich nach zweierlei 
Richtung: erstens in der Vernichtung des Iymphoiden Gewebes, zweitens in dem Untergang der 
Zellen des Knochenmarks und der Miszpulpa. 

Einen experimentellen Beitrag „Zur Frage der Behandluug der Blutkrankheiten mit 


Röntgenstrahlen“ haben auch Milchner und Mosse gegeben. 


Sie bestrahlten die eine hintere Extremität von Kaninchen, während die andere durch Blei- 
platten vor der Einwirkung der Strahlen geschützt wurde. Es wurde eine harte Röhre angewandt in 


einer Entfernung von 10—12 em. Der Quecksilberunterbreeher hatte 2000 Unterbrechungen in der- 


Minute. Drei Tiere wurden je 8—4 Stunden, eins nur 50 Minuten den Réntgenstrahlen ausgesetzt. 


Zur Röntgenbehandlung. von Bluterkrankungen. 213 


Das Knochenmark zeigte sich bei dem letzteren Tiere nur gering, bei den anderen 3 
dagegen sehr intensiv verändert: Die Veränderungen erstreckten sich nur auf die weissen 
Blutkörperchen des Knochenmarks und zwar sowohl auf die der lymphoiden, wie 
diejenigen der myeloiden Reihe. Dagegen blieb unbeeinflusst die Reihe der 
hämoglobenhaltigen Elemente, d. h. die kernhaltigen Zellen (Normo- und Megaloblasten) 
und die kernlosen. 

Die Verfusser betonen, dass ihre Experimente also keine Grundlage für die Annahme 
sind, dass die perniciöse Anaemie irgend wie günstig durch Röntgenstrahlen beeinflusst werden 
könnte, dagegen scheint nach dem Ergebnis ihrer Untersuchung durchaus plausibel, dass die 
Leucaemie als Knochenmarkskrankheit infolge des Schwunds des BR und myeloiden 
Gewebes gebessert werden kann. 

Analog den Röntgenstrahlen scheinen ja auch die Radiumstrahlen auf innere Organe 
zu wirken, London und Heineke teilten hierauf bezügliche Versuche mit, vor allem sind die 
experimentell embryonologischen Untersuchungen von Alfred Schaper mit Radiumstrahlen 
_ ausserordentlich interessant und eröffnen für die Zukunft ein weites Feld für neue Forschungen, 
welche uns noch grosse Überraschungen bringen können. 

Was nun die bisher vorliegenden praktisch therapeutischen Erfahrungen mit 
Réntgenstrahlen bei Leucaemie, Pseudoleucaemie und ähnlichen Erkrankungen anbetrifft, so ist 
vorerst im allgemeinen vorauszuschicken, dass die meisten derselben nur als Sorläufige angesehen 
werden können, dass ferner ein grosser Teil auch der mitgeteilten Fälle nur in wenig ausführ- 
lichen Referaten von gehaltenen Vorträgen vorliegt; ich will versuchen, soweit es mir möglich 
ist, das vorliegende Material kurz zu skizzieren. 


I. Übersicht über die bisher in der Litteratur mitgeteilten Fälle über Röntgen- 
behandlung der Leucaemie. 

1. Fall Senn s. oben. 

2. Fall Bryant-Brangor s. oben. 

3. Fall Ahrens s. oben. | 

4. Fall Brown: | | 

Typischer Fall von Leucaemie mit starker Milzvergrösserung. 

Blutbefund bei Beginn der Kur: 

Erythrocyten 2600000. 
Leucocyten 800000. 
Haemoglobin 65°/,- 

Die roten zeigten viele Degenerations- und kernhaltige Formen, die weissen stammten 
teils aus dem Knochenmark, teils aus der Milz. Neun Monate lang Behandlung mit Röntgen- 
strahlen, in den ersten zusammen mit Arsen und Eisen, vom vierten Monat ab tägliche Be- 
strahlung der Milzgegend, der grossen Röhrenknochen und des Brustbeins. Zwei 
Monate nach Beginn der Behandlung konnte der Patient seine Arbeit wieder aufnehmen, am 
Schluss der Behandlungszeit Bluthefund : | 

Erythrocyten 4690000. 
Leucocyten 7890. 
Haemoglobin 95o; 

5. Fall von Aubertin-Bouchard: 

Günstige Beeinflussung eines Falles von Leucaemie durch Röntgenstrahlen. Nach 
jeder. Sitzung soll die Zahl. der. weissen Blutkörperchen stark zugenommen haben, um nachher 
wieder abzusinken und zwar unter die Zahl der vor der Bestrahlung vorhandenen. Nach 
längerer Zeit nimmt die Zunahme bedeutend ab, als endgültiges Ergebnis bliebe die be- 
deutende Abnahme der weissen Blutkörperchen, die schon dauernd bestehen bleibt, noch ehe die 
Milzschwellung nachgelassen hat. 


214 Krause. 


6. Fall von Bozzolo-Turin: 

Fall von chronischer Leucaemie, nach Einleitung der Röntgentherapie wurde die 
Temperatur, die zwischen 39° und 41° C. schwankte, zu einem langsamen Abfalle gebracht, so 
dass sie am 18. Tage der Kur normal wurde. Nach einmonatiger Bestrahlung beobachtete 
man eine fortschreitende Abnahme des Milzvolums und eine gleichmässige Besserung des All- 
gemeinbefindens. Der Appetit wurde normal, der Kräftezustand besserte sich, das Körpergewicht 
nahm um 15,5 kg zu. Die Gesichtsfarbe wurde eine normale, die Menstruation, die gestört 
war, wurde regelmässig. Die Zahl der Leucocyten nahm rapid ab, so dass nach drei Monaten 
ungefähr dieselbe auf 10000 reduziert war. Die roten Blutkörperchen und der Haemoglobin- 
gehalt nahmen allmählich bis zu vollkommen normalem Verhalten zu. Um eine definitive 
Heilung handelte es sich, wie Bozzolo selbst betont, demnach auch in seinem Falle nicht. 

7. Fall von Cahen: 

Fall von Leucaemie, die Milz reichte handbreit nach rechts über den Nabel und füllte 
fast den ganzen Leib aus; die Krankheit bestaud seit etwa Jahresfrist. 

Schon nach mehreren Bestrahlungen sei das Volumen der vergrösserten Milz zurück- 
gegangen. 

Blutuntersuchung, vorgenommen während der ersten Bestrahlungen, ergab: 

Erythrocyten 3925000. 


Leucocyten 98560. 
L 1 
Eo 40 


Nach 22 Bestrahlungen waren: 
Erythrocyten 4625000. 


Leucocyten 4375. 
L 
also E = 1 A 1074. 


Während dieser Bestrahlungen war die Milz so weit zurückgegangen, dass sie durch 
Palpation überhaupt nicht mehr nachweisbar war. Das subjektive Befinden des Patienten 
besserte sich zusehends, Haut und Schleimhäute zeigten wieder normale Färbung, das Gewicht 
des Patienten hat trotz Abnahme der Milzvergrösserung erheblich zugenommen. 

Technisches: Bestrahlt wurde mit harter Röhre bei einem Röhrenabstand von 25 cm 
und mittlerer Geschwindigkeit des Unterbrechers. Nach der 25. Bestrahlung trat auf der linken 
Seite ein Erythem ein, das nach der üblichen Behandlung wieder zurückging. Während dieser 
Zeit wurde von einer Bestrahlung des Leibes abgesehen und nur eine solche der Röhren- 
knochen vorgenommen. Die Bestrahlungsdauer war anfangs 8, dann 10, 12 und zum Schluss 
15 Minuten. 

8. 2 Fälle von Fried: 

I. Beginn der Erkrankung sicher vor mindestens 2 Jahren. Der Milztumor reicht bis 
zur Spina anterior und linken Parasternallinie, Lebertumor bis zur Nabelhöhe reichend. Blut- 
befund: Haemoglobin 50°/,, Erythrocyten 2595000, Leucocyten 62280. 

Wiedereintritt am 27. Juli. Milztumor bis zur Linea alba reichend. Höhe in der 
Papillarlinie senkrecht vom oberen Rand der Dämpfung bis zum unteren 23 cm. Leber wie 
früher. Haemoglobin 60°/,, Erythrocyten 2525000, Leucocyten 89285, resp. 98510. 

L:E= 1:26. 

Technisches: Schutz der Umgebung der Milz durch Bleiplatte, Röhre meist mittel- 
hart, Röhrenabstand ca. 30 cm, Motorunterbrecher auf „Langsam“, Kontakt 6, 1 Ampere, 60 
bis 120 Volt, allmähliche Zunahme der Spannung und Stärke. Sitzungsdauer 8—15 Minuten. 
Dauer der ganzen Behandlung vom 27. VII. bis 1.1X, 4 Tage wurde ausgesetzt, also 26 Tage. 

Am Schluss der Behandlung überragte die Milz den linken Rippenbogen um 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 215 


2 Querfinger, 11 cm von der Mittellinie entfernt. Höhe in der oben angegebenen Richtung 
13 cm. Leber wie früher. Ä 

Blutbefund: Haemoglobin 74, Erythrocyten 3925000, Leucocyten am 29. VIII. 6785 
und zwar Myelocyten 2500, polynucleäre 4285 (L:E=1:577), am 31. VIII. 22500 
(L:E = 1:174). Das Körpergewicht sank in der ersten Woche von 117?/, Pfund auf 110, 
um am Schluss auf 120 zu steigen. Subjektives Befinden wesentlich gebessert. Nach schrift- 
lich eingezogener Erkundigung geht es dem Patienten gut. 

ll. 46 Jahre alte Frau. Krankheitsbeginn unbestimmt. Vor ca. 5 Wochen geschwollene 
Füsse, vor 3 Wochen Schwellung des Leibes. Milztumor sehr beweglich, in der Rückenlage 
nach rechts bis ca. 5 Querfinger breit über die Mittellinie, nach unten bis zum Poupartschen 
Bande reichend. Leber bis Nabelhöhe. 


Blutbefund: 
| Hacmoglobin Brythrocyton | Leucocyten | Myelocyten Polynucleäre L.| Lymphocyton 

een Renee T —- er eee 
Vor der Röntgenbehand- | 

lung 60°, 3 075 000 185 000 Ä 
Nach 2tägiger Röntgen- | 

behandlung 66, | 3 375 000 132000 ` 27857 72 857 32 142 
ae er es | Se ee st | ee Se 
Nach 10tägiger Röntgen- 

behandlung 124 000 35 357 73 928 15 000 
Nach 22tägiger Röntgen- 

behandlung | 50 500 11 571 28 287 10 714 
Nach 27tägiger Röntgen- 

behandlung 31 400 
Nach 3ltägiger Röntgen- 

behandlung 66°, 4 450 000 14 642 2143 11 785 714 


Die Milz verkleinerte sich beträchtlich, das Körpergewicht sank bisher von 1177), auf 
111?/, Pfund. Subjektives Befinden sehr gebessert. 


9. Fall von Grawitz. 

Sehr schwerer Krankheitsfall, Blutbefund 11/, Millionen weisse, 1 Million rote Blut- 
körperchen, als mehr weisse also rote. Durch die Röntgenbehandlung wurde in frappanter 
Weise das Allgemeinbefinden gebessert, die Milz- und Leberschwellung ging zurück, auch der 
Blutbefund besserte sich sehr. 

Grawitz führt zur Erklärung dieses merkwürdigen Einflusses der Röntgenstrahlen an, 
dass die Leukocyten während und nach der Behandlung eine grössere Hinfälligkeit zeigen, in- 
dem sie durch hypo- und hypertonische Kochsalzlösung sofort zerstört wurden: es könnte also 
auch ein Einfluss der Röntgenstrahlen selbst statthaben. 


10. Fall von Guerra. Ä 

Leider konnte ich nicht in Besitz der Originalmitteilung kommen, welche eine tabel- 
larische Übersicht der Blutuntersuchungsresultate und nach Angabe des Referenten auch „ein 
die Abnahme des Milzschattens illustrierendes Réntgenbild“ enthalten soll. Als Vorteile der 
Behandlung werden angegeben: Verschwinden des Fiebers, Abschwellung der Milz, Vermehrung 
der Erythrocyten, des Haemoglobingehaltes, des Körpergewichts, der Kräfte und des Allgemein- 
befindens bis zur Norm. 

Trotzdem könne man nicht von einer Heilung der Leucaemie sprechen. Obwohl die 
Leukocyten zuerst zur Norm an Zahl und Qualität zurückgegangen waren, stiegen sie doch 
nachher wieder an und das Blut zeigte sich an Quantität und Qualität als ein leukämisches. 


216 Krause. 


11. 2 Fälle von Joachim und Kurpjuweit: 

J. Fall: typische Myelämie. 

Die 39 jährige Frau hatte die ersten Krankheitszeichen im 4. Monate ihrer neunten 
Schwangerschaft bemerkt: stechende und drückende Schmerzen unterhalb des linken Rippen- 
bogens, zunehmende Mattigkeit. Nach der Entbindung nabmen Schwäche und Mattigkeit zu, 
sie fieberte mehrere Wochen. 

Bei ihrer Aufnahme in die medizin. Klinik zu Königsberg reichte der kolossale Milz- 
tumor nach unten bis zur Symphyse und füllte nicht bloss die ganze linke Bauchhälfte aus, 
sondern reichte auch noch weit in die rechte Bauchbälfte hinein. 

Doppelseitige Neuroretinitis leucaemica, mit Erweiterung und Schlängelung der Venen 
und kleinsten Blutungen in der Peripherie. 

Das Blut zeigte hochgradige myelämische Beschaffenheit. 


| Hb. | Erythrocyten Leucocyten Myelocyten 


| Polynuceläre L. | Lymphoeyten w:E 
2 Tage vor Beginn der | | | 
Röntgenbehandlung | | | ! 

15. Juni 40°, | 2500000 693 000 400 000 225000 = 2,6, 1:3,5 
4 Wochen spiiter | | 

15. Juli | — 2 835 000 315000 | 225000 150000 22%) . 1:9 
EE RSL: AU Gee mee ee | Se Re EE ua u cg tee a I neu 
5 Wochen später | | : i 

21. September — 3 400 000 | 6300 | 200 4500 11%, | 1:540 
5 Wochen spiter | | | | 

26. Oktober 68°/, 4350 000 | 26 000 2 200 20200 | 6,5%, | 1:166 

| 


| 


Die eosinophilen Zellen zeigten nur sehr geringe Schwankungen der Prozentziffern. 

Die Prozentziffer der Mastzellen steigt, während in der ersten Periode die Zahl der 
Leukocyten auf die Hälfte heruntergeht, von 2,7°/, auf 4,6°/,, schliesslich findet auch ein 
rapider Fall der Zahl der Mastzellen statt auf 3°/, resp. 1,4°/). 

Die ungekörnten Zellen (Lymphocyten + übrige einkörnige Elemente) gingen 
gleichfalls erheblich zurück, zuerst ziemlich parallel dem Leucocytenrückgang, dann aber er- 
heblich langsamer, so dass das Prozentverhältnis ansteigt (die betreffenden Zahlen sind 6,1°/,; 
5o To 18,5 °/o). 

Mit Recht betonen demnach auch in diesem Falle die Autoren, dass die leukämische 
Blutbeschaffenheit des Blutes niemals vollkommen schwand. Auffallend war, dass die Erythro- 
cyten fast um das doppelte stiegen, ferner, dass die Milz sich enorm verkleinerte. 

Besonders hervorzuheben ist noch, dass die Retinitis viel geringer wurde, besonders 
die Schlängelung der Venen sei fast vollkommen geschwunden, die Neuritis des einen Auges 
ist ganz, die des anderen erheblich zurückgegangen, Haemorrhagien sind nicht mehr vorhanden. 

Nach 2wöchentlicher Behandlung traten stecknadelkopf- bis linsengrosse bräunliche 
Fleckchen auf der bestrahlten Hautpartie auf, die in den nächsten Tagen zunahmen, gleich- 
zeitig bildeten sich miliare Bläschen. Deshalb wurde von einer weiteren Bestrahlung der Milz 
Abstand genommen. 

Nach 4 tiigiger Pause wurden die Extremitätenknocheu bestrahlt; nach kurzer Zeit 
trat hohes Fieber (bis 39,8°) ein, es schloss sich eine langdauernde Fieberperiode an, 
während welcher die Leukocytenzahl rasch sank. Die Harnsäureausscheidung war sehr 
hoch (1,228 g pro Tag). Trotz des Fortlassens der Behandlung sank die Leukocytenzahl fort- 
während, allmählich war auch die Harnsiiureausscheidung wieder die normale (0,2442 g). 

Eine Zeitlang traten Schmerzen in den Gelenken, besonders in den. Knieen auf. 

Das Allgemeinbefinden der Patientin war ein vorzügliches. | 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 217 


II. Fall von Lymphaemia chronica. 

50 jähr. Mann mit zwei Lymphdrüsenpaketen an den Kieferwinkeln, Tumoren in beiden 
Achselhöhlen und kleineren Tumoren in den Inguinalgegenden. Mässig geschwollene Leber 
und Milztumor, welcher bis zum Nabel reicht. 


Blutbefund: 


| = ee E | wm Erythrocyten ton | Tencooyion | m Leucocyten 


Vor der Röntgenbehandlung Vor der Röntgenbehandtung | | 
3. Juni 590, 3 200 000 385 000 l: :8,8 98—99°, 1—2°/, 


Polynucleäre L 


Jus | Lymphocyten . 


Vor der Röntgenbehandlung a 
1. August = 2 500 000 500 000 = = a 

Nach 1wöchentlicher Röntgen- 

behandlung = = 430 000 as ins = 
Nach 2wöchentlicher Röntgen- | | B 

behandlung — — 200 000 = == -s 
Nach 3wöchentlicher Röntgen- en 

behandlung = = 60 000 = = | = 
Nach 4wöchentlicher Röntgen- I. | | | 

behandlung = = 30 000 = yam = 
Am 3. September — 1 750 000 22 700 1: 78,1 ca. 979], ca. 3°, 


Auch in diesem Falle rapide Verkleinerung der Lymphdrüsen, schon nach 14 tägiger 
Behandlung waren nur noch einige kleine, vielleicht ae Drüsen fühlbar. Auch 
die Milz war an Umfang zurückgegangen. 

Die Besserung des Allgemeinbefindens das Körpergewicht ging 
zurück, die Zahl der Erythrocyten sank. 

In den späteren Wochen, während welcher Zeit er nicht behandelt wurde, bekam: er 
Diarrhöen, unter heissen Kompressen löste sich die Epidermis der bestrahlten Hautpartie 
ohne Blasenbildung. Bemerkenswert ist, dass sich auch in dieser Zeit ein erheblicher 
Rückgang der Iymphämischen Blutbeschaffenheit gezeigt hat (E = 1,600,000, L. 8800, 
Hb. 35°/,). Die Autoren bemerken, dass von ihnen zum ersten Male die günstige Einwirkung 
der Röntgenstrahlen auf die Lymphämie konstatiert sei; was nicht ohne weiteres zu erwarten 
gewesen wäre, da neuerdings Lymphaemie von der Myelaemie scharf getrennt würden, nach 
Ehrlich soll die myelämische Blutbeschaffenheit eine Ele, die Iymphämische eine passive 
Leucocytose sein. 

Theoretisches: Die Ansicht Senns, nach der es sich um eine „parasitäre“ 
Wirkung der Röntgenstrahlen handeln soll, nehmen die Autoren nicht an. 

Auch die Erklärung Heinekes von der elektiven Wirkung auf das ipiiphoide Gewebe 
wollen sie nicht gelten lassen, sie hätten seine Resultate im Tierexperiment nicht 
bestätigen können. 

Eine direkte Wirkung auf das Blut Leukämischer konnten sie ebenfalls nicht finden. 

Die Ansicht, dass die Röntgenstrahlen auf schädliche Enzyme im Blute von 
Leukämischen wirken könnten’), hat etwas Bestechendes, ist aber bisher nicht bewiesen. 

Die Autoren glauben gezeigt zu haben, dass die Röntgenstrahlen n nur auf leukämisch 
erkranktes Gewebe die geschilderte Wirkung ausüben: 

Als bei einem neu aufgenommenen Leukämiker nur die Leber 14 Tage lang bestrahlt 
wurde, sei der Erfolg aufgeblieben. 


1) Dass Röntgenstrahlen auf Enzyme können, ist von Lépine und Boulad nachgewiesen. 
(Académie des sciences 138,2, 65.) 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 28 


218 Krause. 


12. 4 Fälle von Aug. Hoffmann. 

2 davon sind längere Zeit mit Röntgenstrahlen hehandelt worden. 

„Bei den beiden ersten war das Leiden so vorgeschritten, dass sie nahezu moribund 
waren, als sie zur Kenntnis des Vortragenden kamen und nach einmaliger resp. zweimaliger 
Sitzung musste die Behandlung aus äusseren Gründen abgebrochen werden. Der 3. Fall betraf 
eine 52jährige Frau, welche, sicher festgestellt, seit einem Jahre an myelogener Leukämie er- 
krankt war. Es wurden insgesamt 30 Sitzungen innerhalb von 6 Wochen vorgenommen. 
Während die Grösse der allerdings kolossal gewachsenen Milz unverändert blieb, hat sich auch 
die Leber während dieser Zeit nicht verändert und auch die Blutbefunde, welche wohl eine 
Abnahme der Leukocyten erkennen lassen, können nicht als wesentliche Veränderung aufge- 
fasst werden. 

Doch wurde das subjektive Befinden und der Kräftezustand auffallend gut beeinflusst. 
Die Kranke starb an einer interkurrenten Pneumonie, ohne dass eine wesentliche objektive Ein- 
wirkung auf das Leiden nachweisbar war. 

Eine Sektion und histologische Untersuchung scheint nicht gemacht worden zu sein. 

Der 4. Fall betraf einen 43jährigen Mann, welcher seit früher Jugend an Asthma und 
Lungenemphysem leidet. Vor 5 Monaten machte er heftige Aufregungen durch, seit dieser 
Zeit fühlt er sich nicht mehr gesund. In den letzten Wochen traten Magenstörungen auf, und 
bei der Untersuchung wurde ein Milz- und Lebertumor konstatiert. Am 25. X. ergab die 
Blutuntersuchung das Bestehen einer myelogenen Leucaemie, das Verhältnis der weissen zu den 
roten Blutkörperchen betrug 1:40, das Körpergewicht 76 kg, Erythrocyten waren 3950000, 
Hb. = 75°/,. Röntgenbehandlung: tägliche Bestrahlung. Am 5. XI. war die Zahl der roten 
Blutkörperchen auf 4,2 Millionen, der Haemoglobingehalt auf 83°/,, das Verhältnis der weissen 
zu den roten Blutkörperchen betrug 1:90; das Körpergewicht betrug 77,1 kg. Vom 24. X. 
an war der Patient täglich eine Viertelstunde mit einer harten Röhre in einer Entfernung von 
25 cm ın der Milz- und Brustbeingegend bestrahlt worden, „denn nur das Brustbein zeigte auf 
Druck Schmerzhaftigkeit.“ (?) Es war innerhalb dieser Zeit ein Rückgang der Milz um 3 cm 
und eine Verbesserung des Blutes, wie oben angegeben, eingetreten. Das objektive Befinden 
hatte sich dabei ebenfalls sehr gehoben. 

Am 2. XI. war die Milz rapide zurückgegangen. Merkwürdigerweise erwähnt Hoff- 
mann, dass der Blutbefund völlig normal geworden sei und die Diagnose „Leucaemie* nicht 
mehr gestatten würde. 


13. Fall von Kleinschmidt: 

Fall von hochgradiger lienaler Leucaemie. Mann in den mittleren Jahren in cachek- 
tischem Zustande mit kolossalem Milztumor, 300000 Leucocyten. Wird seit einem Viertel- 
jahre der Behandlung mit Réntgenstrahlen mit sehr günstigem Erfolge ausgesetzt. Der 
Milztumor hat sich sehr verkleinert, die Zahl der Leucocyten ist auf 16000 zurückgegangen. 
Das subjektive Befinden ist gut, das Körpergewicht hat zugenommen. 


14. 6 Fälle von Paul Krause: 

I. Fall von chronischer Myclaemie. A. St. 57 Jahre alter Bergmann, in der Klinik 
vom 17. V. bis 25. VL, vom 5. XII. bis 19. XII. 1904, jetzt wieder seit 28. XII. 1904. 

3 Monate vor der Aufnahme merkte der Kranke eine zunehmende allgemeine Mattig- 
keit, ein spannendes Gefühl im Leibe, welcher anschwoll und gespannt wurde. Zeitweise traten 
Kopfschmerzen und Erbrechen auf. 

Aus dem Befunde ist hervorzuheben: Zahlreiche harte Drüsenschwellungen am Nacken, 
in den Achselhöhlen und Leistenbeugen. Sehr starke Schwerhérigkeit. Mässıger Lebertumor. 
Grosser Milztumor, nach unten zu 3 Querfinger unter dem Nabel reichend; die Perkussions- 
dämpfung (von oben nach unten gemessen) beträgt 25 cm, die Breite kann nicht exact fest- 
gestellt werden, da sie in der Leberdämpfung übergeht. 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 219 


Blutbefund: ee ee ee 


Elei Pos að Eee Leucoeyten. | Spez. Gew. 
8,8%), 2,4 Mill. | 156000 | 108 
88%, | 28Min. | 26000 1048 
54%, | 82 Mil. | 24000 | 1045 
8,6%), 38 Mil. | 29000 | — 
u = 31.000 = 
| en a | Leucooyten OR Gewicht 
sx | 557, | 36mm. | 256000 | 1050 
8. XII 53%, | 3,0 Mill. | 224000 = 
14. XI | 40% | 8.17 Mill 350000. | 1028 


17. XL. | 65°, 3,68 Mill. 320 000 1038 


Von der histologischen Blutuntersuchung will ich hier nur. anführen, dass es sich um 
starke Vermehrung der polynucleären Leucocyten und Myclocyten handelt, die eosinophilen sind 
spärlich, ebenso die kernhaltigen roten Blutkörperchen. : Prozentual wurden am 5. XII. 54°/, 
Leucocyten, 34°/, Myelocyten, 8°/, Übergangsformen, 2°/, Lymphocyten, 2°/, eosinophile Zellen 
gefunden, am 17. XII. gestaltete sich das Verhältnis folgendermassen: 47°/, Myelocyten, 45°/, 
polynucleäre Leucocyten, 1,5°/, eosinophile Zellen, 1°/, Lymphocyten, 1,2°/, Ubergangsformen. 

Das Allgemeinbefinden besserte sich; nach der ersten Bestrahlungsperiode sank die 
Leucocytenzahl beträchtlich, bei der zweiten Bestrahlungsperiode ist dagegen ein grosser Effekt 
noch nicht erzielt. Die Milz hat sich etwa nur um 3 Querfingerbreite bisher zurückgebildet. 

. Technisches: Harte Röhre, Walterskala 7—8, 30—50 Volt, 3 Ampère, elektro- 
teche Unterbrecher, 60 cm-Induktor. Bestrahlung von Milz und langer Röhrenknochen. 
Dauer -der Bestrahlung: .1. Periode 570 Minuten, 2. Periode 420 Minuten.. 

IL Fall von chronischer Myelaemie. A. W., 31 Jahre alter Kaufmann, seit twa 
2 Jahren krank, Klagen über heftige Kopfschmerzen bis zum Hinterkopf, wodurch der Kranke 
fast vollständig ar beitsunfähig war. 

Sehr grosser Milztumor, welcher fast bis zur Symphyse nach unten aa etwa über 
die Mittellinie nach rechts hinüberzieht. Mässige Vergrösserung der Leber. 


Blutbefund: 
19. VI. 75%, 1050 1,530 Mill. | 285 800 n 
26. VI. 78%], 1055 5 2,37 Mill. | 340000 
2. VII. = == 245 Mill. 240 000 
10. VII. 749, 1051 3,07 Mill. 189 000 | 
15. VI. — f © — 36 Mill. 120 000 u 


28* 


220 Krause. 


Hb. 
(Sahli) 


Spez. Gew. Erythrocyten Leucocyten 
i =— 
28. VII. | 820), za 3,41 Mill. | 125000 
1. VIII. | 80°, — 41 Mill 125 000 


1050 42 Mill. 104 000 


7 


1052 43 Mill. | 34000 

_ 425 Mill. 25000 
SSS SS 

1056 |48 Mill. | 17500 


Aus der histologischen Untersuchung ist hervorzuheben, dass es sich um eine starke 
Vermehrung der polynucleären und myelogenen Zellen handelte, die Lymphocyten, Übergangs- 
formen und eosinophilen Zellen waren nur wenig vermehrt, mit dem Zurückgehen der Leuco- 
cyten traten prozentualisch Myelocyten und Polynucleäre zurück, doch war der Blutbefund 
histologisch auch in der letzten Zeit noch durchaus als leukämisch zu erkennen. 

Die Milz veränderte sich in der ersten Zeit nur wenig, nach etwa sechswöchentlicher 
Bestrahlung aber ging sie rapid zurück, zur Zeit ist sie nur eben noch unter dem linken 
Rippenrande bei tiefer Inspiration zu fühlen. Das Allgemeinbefinden besserte sich sehr, so dass 
der Kranke wieder völlig arbeitsfähig ist. 

Die Harnsäureausscheidung war zur Zeit, als die Leucocyten sich so stark ver- 
minderten, sehr erhöht (betrug durchschnittlich 1,0—1,3 g pro Tag), sie sank allmählich wieder 
fast zur Norm, ebenso verhielt sich die Ausscheidung der Purinbasen. 

Technisches: Wie oben. Behandlungsdauer: 1. Periode 805 Minuten, 2. Periode 
908 Minuten. 

Auf der Haut des Abdomens trat ein mässig intensives Erythem auf, welches die 
Ursache war, dass etwa 3 Wochen die Milzgegend nicht bestrahlt wurde. Die Haut ist zur 
Zeit ziemlich stark pigmentiert; ausser der Milzgegend wurden die Réhrenknochen und das 
Sternum bestrahlt. 

III. Fall von chronischer Myelaemie. 22 Jahre altes Dienstmädchen, seit etwa 
1!/, Jahren krank: allgemeine Mattigkeit, Kopfschmerzen, enorm grosser Milztumor, so dass 
die Patientin aussieht wie einc hochgravide Frau; derselbe ragt weit in das kleine Becken 
hinein und nach rechts bis in die lleocoecalgegend. Sie klagte viel über Schmerzen und Ge- 
fühl der Schwere im Leibe. 

Die Leber war mässig vergrössert. 

Der Blutbefund war folgender; um Platz zu sparen, aber nehme ich nur Stichproben 
der Untersuchungsresultate: 


Erythrocyten Leucocyten 


Hb, | Erythrocyten Leucocyten | : | 

40°) | 2,4 Mill. 220 000 24, IX. 58%], | 3,2 Mill. 220 000 
559], = 80 000 X || 5200 | 37 Min. | 160000 
58% | — 120 000 EX. x = 81 800 
=: 2,4 Mill. 286.000 2, XL | 61%, 3,8 Mil. 71.000 
55%, | 3,1 Mill. 240 000 


l 
i 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 221 


Im mikroskopischen Präparate waren sehr reichlich myelogene und polynucleäre 
Leucocyten zu sehen, während Lymphocyten, eosinophile und andere pathologische Leucocyten- 
formen spärlicher vorhanden waren. Auch hier war eine Wirkung in erster Linie auch der 
myelogenen Formen zu erkennen, welche prozentualisch am schnellsten zurückgingen. 

Die Zahl der Erythrocyten, ebenso der Haemoglobingehalt nahm zu, das Allgemein- 
befinden besserte sich, so dass die Kranke zeitweise leichte Arbeiten vollführen konnte. 

Die Milz ging erst nach etwa 8monatiger Behandlung, dann allerdings verhältnis- 
_missig schnell, zurück, auch jetzt ist sie noch als grosser Tumor (etwa bis 2 Finger über 
Nabelhöhe) zu palpieren. Schon nach den ersten Bestrahlungen trat deutliches peritonitisches 
Reiben über der Milzgegend auf, welches der Kranken Schmerzen verursachte. Die Kranke 
verliess wiederholt die Klinik, daher die Rückschläge, sie wurde bisher gegen 1800 Minuten 
bestrahlt. Ein leichtes Erythem der Haut über der Milzgegend verhinderte eine Zeitlang 
weitere Röntgenbehandlung. 

IV. Fall von chronischer Myelaemie: 44 Jahre alter Kaufmann, seit 2 Jahren 
krank, die Krankheit mit Verdauungsbeschwerden, weshalb er nach Karlsbad geschickt wurde, - 
daselbst wurde ein Milztumor festgestellt. In der letzten Zeit bestehen ausser Druck in der 
Milzgegend, Schwindelgefühl keine weiteren Beschwerden. 

Milztumor, welcher bis zur Nabelhöhe reicht. 


Blutbefund: 
| Hb. | | | 
(Sahli) Erythrocyten Leucocyten Spez. Gew. 
| ` Myelocyten 3,5°/, 
4, X. 110°], 4,8 Mill. 22 600 1055 Polynucleäre L. 7°), 
Ä Lymphocyten 0,5°/, 
13. X. 110%, 4,9 Mill. 21 500 1059 — 
20. X. 108°, 4,3 Mill. 20 500 — — 
27. X. 106°), 5,04 Mill. 18800 — 1060 — 


Myelocyten 1°, 
5,1 Mill. 9 600 1060 Polynucleäre L. 8°, 
Lymphocyten 0,5—1°/, 


Das histologische Blutbild gestattet aber auch heute noch die Diagnose der Leucaemie. 

Der Milztumor ist in der letzten Zeit kleiner geworden, aber noch als mächtiger 
Tumor zu palpieren. 

Das Allgemeinbefinden ist sehr gebessert. 

Dauer der Bestrahlung: 750 Minuten. 

V. Fall von chronischer Myelaemie. 

Der 51 Jahre alte Landwirt G. H. giebt an, dass er schon seit etwa 3 Jahren sich sehr 
matt fühle und wiederholt an Durchfall erkrankt gewesen war. Seit Jahresfrist habe er wieder- 
holt sehr starke Schmerzen in der Magen- und Lebergegend gehabt, welche alle 2 Tage wieder- 
kehrten. Seit September 1904 traten grosse Schmerzen in der Milz- und Lebergegend auf, 
nach Angabe des Arztes sei Milz und Leber stark geschwollen gewesen, sei aber wieder all- 
mählich zurückgegangen. 

Aus dem Befunde hebe ich hier nur hervor, dass ein grosser, derber Milztumor vor- 
handen ist, welcher bis etwa zur Nabelhöhe reicht; die Leber ist mässig vergrössert. 

Der Urin enthält Eiweiss und Blut. 


922 Krause. 


Der Blutbefund ist folgender: 


| Hb. | Erxthrocyten Leucocyten 


12. XII. 530/0 29 Mill. 550 000 
18. XII. = 2,6 Mill. 510 000 
23. XII. 57%, | 3,7 Mill. 540 000 


Durch mikroskopische Untersuchung wird festgestellt, dass etwa 61°/, Myelocyten, 
34°/, polynucleäre Leukocyten vorhanden sind. Eine Einwirkung auf den Milztumor war bisher 
nicht zu konstatieren. Da der Kranke durchaus vor dem Weihnachtsfest aus der Klinik wollte, 
wurde vorläufig die Behandlung unterbrochen. Im ganzen ist er bisher gegen 300 Minuten 
den Röntgenstrahlen ausgesetzt gewesen. 

Fieber bestand nicht. 


VI. Fall: Chronische Lymphocyten-Leucaemie. 

51 Jahr alter Maurer, von 17. X.—19. XI. 04, 7 26. XI. 04. 

Seit etwa 14 Monaten krank im Anschluss an einen Unfall: seine Klagen sind seit 
jener Zeit Brustschmerzen, Kreuzschmerzen, allgemeine Schwäche, seit 14 Tagen Anschwellung 
des Leibes. 

Im Abdomen sind mehrere Tumoren von unregelmässiger Oberfläche, harter Konsistenz 
zu fühlen, welche auf Druck nicht schmerzhaft sind. Die Milz ist perkutorisch vergrössert, der 
Palpation infolge des Meteorismus nicht zugänglich. Leber nicht vergrössert. 


Blutbefund: 

BT Fa ate» tien ate tae 

| Sahi seucoeyten | Erythrocyten 
9. X. of 20%, | 210000 230 Mill. 
MX. OL 2o | 257000 | 2,69 Min. 
28. X. 04. | 20%, 136500 gr AG Min. 
4 XL Of 300, 196 000 325 Mill, 
10. XI. O04.) Bun 1.155.000 Ki: 3,00 Mill. 
“18. XI. 04. 85), 240000 | 8.56 Mill. 


Im mikroskopischem Blutbilde sieht man fast nur Lymphocyten mit schmalem Proto- 
plasmasaum, daneben reichlich bläuliche, unregelmässige, homogene, schattenhafte Schollen. 
Wenig Myelocyten. 

Die Röntgenbehandlung hatte wenig Einfluss auf den Verlauf der Krankheit, in den 
letzten Tagen des klinischen Aufenthaltes traten profuse Durchfille auf. 

Gegen ärztlichen Rat wurde der Kranke nach Hause entlassen, wo er kurze Zeit 
darauf starb. Die Sektion konnte nach Überwindung grosser äusserer Schwierigkeiten vor- 
genommen werden. Im allgemeinen war makroskopisch und mikroskopisch der gewöhnliche 
bei Leucaemie erhobne Befund. (Dr. Ziegler.) 

Ein I. Fall von Lymphocyten-Leucaemie ist seit kurzem in Beobachtung, ebenso 
kann ich noch kurz über 2 andere Fälle von myelogener Leucaemie berichten, die ich 
selbst nicht gesehen habe: bei der einen trat eine ausgedehnte: Röntgenstrahlen- Verbrennung 
ein, wohl infolge von fehlerhafter Belichtung, weshalb der Kranke den Gedanken einer weiteren 
Behandlung weit von sich weist, bei dem IL eine langsam fortschreitende Besserung, 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 228 


Krause legte auf die technische Seite einen Hauptwert der Beobachtung, benutzte 
stets die Walterskala zur Feststellung der Harte der Réhre, ging langsam mit der Dauer 
der Dosierung der Röntgenstrahlen vorwärts, schützte die nicht zu belichtenden Partien mit 
dicken Bleiplatten, die Dosierung der Stromstärke und Funkenlänge wurde jedesmal sorgsam 
gemessen, die Tabellen werden in der ausführlichen Publikation mitgeteilt. Schädigungen durch 
Röntgenstrahlen wurden auf diese Weise vollständig vermieden. 


15. Fall von Krone: 

„Lienale Leucaemie“ mit grossem Milztumor und sehr schlechtem Allgemeinbefinden. 
Von dem Blutbefunde ist nur mitgeteilt, dass das Verhältnis der weissen zu den roten Blut- 
‚körperchen wie 1:8 war, nach 17 Bestrahlungen hatte es sich gebessert (1:20), die Milz war 
kleiner geworden, das Allgemeinbefinden resp. die Psyche hatte sich so gebessert, dass der 
Kranke wieder seine Beschäftigung aufnehmen konnte. 


16. Fall von Leick: 

„Lienale Leucaemie“, erheblich durch Röntgenstrahlen gebessert. Nicht nur in Bezug 
auf das subjektive Befinden, sondern auch objektiv lässt sich eine starke Verkleinerung des ursprüng- 
lich sehr grossen Milztumors sowie eine starke Verminderung der Leukocytenzahl nachweisen: 
vor der Behandlung Verhältnis der weissen zu den roten Blutkörperchen 1:6, nach ca. 4 wöchent- 
licher Behandlung Verhältnis 1:166. Gleichzeitig stieg der Haemoglobingehalt um 10°/, und 
zeigten die. roten Blutkörperchen eine. wesentliche Vermehrung. Das Körpergewicht war um 
einige Kilo gestiegen. Ob die Besserung eine dauernde sein wird, muss die Zukunft zeigen: 
Der Patient soll weiter mit Röntgenstrahlen behandelt werden, sobald eine an der Bauchhaut 
entstandene oberflächliche Ulceration zur. Heilung gekommen ist. 


17. Fall von Rhode. | 

34 jährige Frau, nach Beliendiang mit Röntgenstrahlen rapide Verkleinerung der enorm 
vergrösserten Milz und Schwinden der. leukämischen Blutbeschaffenheit. 

In der Diskussion erwähnte Köster ein Be Ergebnis der Röntgenbehandlung 
der Leucaemie. | 


18. Fall von Schuck. | 

Lymphocyten-Leucaemie, 53 jährige Patientin, seit einigen Monaten krank, grosser 
Milztumor bis 2 Finger unter den ae und zur Mittellinie reichend; es bestand eine Retinitis 
leucaemica. i 
| „Der Verlauf der Erkrankung lässt sich le in 3 Perioden zerlegen. 

Der erste Abschnitt reichte vom Beginne. der Beobachtung bis zum 20. August. Er 
war ausgezeichnet durch heftige Diarrhöen, zeitweises Erbrechen, Temperatursteigerungen 
bis 39°, zunehmende Blässe und Schwäche mit Gewichtsabnahme. Der Zustand der Patientin 
war so, dass man das Ableben jederzeit befürchten musste. 

Indes trat ziemlich unerwartet eine rasche Besserung ein. Diese Remission — die 
2. Periode — hielt bis zum 5. Oktober an. Während dieser Zeit besserte sich das Allgemein- 
befinden subjektiv und objektiv. Es war, abgesehen von dreimaligen abendlichen Temperatur- 
steigerungen bis 37,8 und 38° kein Fieber da. Der Appetit und die Nahrungsaufnahme 
wurden gut, das Körpergewicht nahm zu. Am 25. August, also nach Eintritt dieser spontanen 
Besserung hatte die Behandlung mit Röntgenstrahlen eingesetzt. Während dieser u. wurde 
die Milz weicher, späterhin deutlich kleiner. 

Da trat aber — während die Réntgenbehandlung noch fortgesetzt wurde — ein Rück- 
fall ein. Dieser 3. Abschnitt, wieder eingeleitet mit Erbrechen und Durchfällen, mit Eiweiss- 
gehalt des Harns, Fieber und Gewichtsabnahme einhergehend, endigte mit dem Tode am 
19. Oktober. Auffallend war, dass während der letzten Zeit die Verkleinerung der Milz 
schneller und schneller vor sich ging. 


994 Krause. 


Blutbefund: 
Benahingen | Mb | Bevthaeten | Lacoste enon | win 
8. VIIL a 3097, 15 Mil. | 45000 | 
16. VIII. = | 30%, | — 140000 140000 | 1:38 1:33 
o | 25°% | 1,46 Min. 54 000 1:27 
2001, 1,026 Mill. 45 000 1:23 
15%, 10,77 Mill. 32000 | 1:24 
100, $ 0,632 Mill. , 46.000 TRH 


Mikroskopisch waren vor der Bestrahlung 90°/, Lymphocyten, 10°/, Polynucleäre vor- 
handen, nach 20 Bestrahlungen 85°/, Lymphocyten, 15°/, Polynucleäre, nach 30 Bestrahlungen 
90°/, Lymphocyten, 10°/, Polynucleäre. 

‘ Uber den Sektionsbefund ist nichts Besonderes erwähnt. 

19. Schultze-Bonn erwähnte einen Fall von Leukaemie, der bisher ohne Erfolg mit 
Röntgenstrahlen behandelt wird. 

20. Soetbeer berichtete über günstige Beeinflussung eines Leukaemikers durch 
Rontgenstrahlen. 

21. Fall von Stone: 

„Bei einem 44jährigen Arbeiter, der dem Trunke ergeben war, fand sich eine ziemlich 
hochgradige myelogene Leukaemie mit multiplen Drüsenschwellungen und bis ins Becken 
reichender Milzschwellung; 2,1 Millionen rote, 960000 weisse Blutkörperchen, Haemoglobin 45°/). 
Im gefärbten Blutpräparate waren zahlreiche Myelocyten und basophile Zellen enthalten. Die 
Röntgenbehandlung begann erst nach siebenmonatiger medikamentöser Behandlung mit Arsen, 
nach welcher anfangs Besserung eingetreten war. Technik: mittelweiche Röhre, 15—20 cm 
Abstand, je 5 Minuten währende Bestrahlung über Brustbein, Milz und Epiphysenteil der grossen 
Röhrenknochen täglich. Die Zahl der weissen Blutkörperchen nahm schnell ab, die Milz 
schrumpfte stark und wurde härter, das Allgemeinbefinden hob sich sehr. In 6 Wochen Ab- 
nahme der weissen Blutzellen von 52600 auf 10600. Die Bestrahlung wurde 4 Wochen nach 
Beginn ausgesetzt (20 Bestrahlungen im ganzen). Die Haut zeigte später scharfe Abschilfe- 
rung. Ziemlich schneller Tod aus nicht aufgeklärter Ursache. Die Sektion ergab die für 
Leukaemie bekannten Veränderungen, namentlich an Milz, Leber und Knochenmark. Histo- 
logische Untersuchungen der Milz schemen nicht ausgestellt worden zu sein. 

22. Fall von Schweinburg: 

„Lienale Leukaemie, durch Behandlung mit Röntgenstrahlen bemerkenswerte Besserung 
des Allgemeinzustandes und des objektiven Befundes, insbesondere Verkleinerung des Milztumors 
und Verminderung der Leukocytenzahl; es wurden 29 Bestrahlungen mit mittelweicher Röhre 
im Beginn während 10, dann 15 und zuletzt 20 Minuten vorgenommen und die Röhre jedes- 
mal auf einem anderen Punkt der Hautfläche, unter welcher der Tumor lag, eingestellt. Keine 
Hautreaktion. 

23. Capps und Smith, deren Arbeit mir nur durch das kurze Referat in der Deut- 
schen mediz. Wochenschrift bekannt ist, geben eine kurze vorläufige Mitteilung über drei Fälle 
von Myelämie mit Milztumor und sechs Fälle von lymphatischer Leukaemie. Die X-Strahlen 
brächten in manchen Fällen Milz und Drüsen zum Verschwinden, beeinflussten das Blutbild in 
ganz auffallender Weise, schienen aber nicht kurativ zu wirken.!) 


Die von Bozzolo erwähnten Fälle von Spielmann, Guillot und Sennor waren mir 
nicht zugänglich. 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 225 


24. Unverricht | 
stellte in der medizinischen Gesellschaft zu Magdeburg einen: durch Röntgenstrahlen. behandelten 
Fall, der eine ganz auffallende Besserung darbot. 

„Der Kranke kam auf die Privatklinik im Zustande hochgradiger Schwäche, hatte 
mehrfach Ohnmachtsanfälle durchgemacht und war die letzten 2 Monate. um 20 Pfund abge- 
ınagert. Der Erfolg einer vierwöchigen Behandlung war eine auffällige Besserung der Körper- 
kräfte und des Appetites, eine Zunahme des Gewichts um 8 Pfund, eine auffällige Verminderung 
der Zahl der weissen Blutkörperchen bei geringer Vermehrung der roten und eine recht be- 
trächtliche Verkleinerung der Milz.“ 

Auch in einem Falle von Hodgkinscher Krankheit ist bisher Besserung er- 
zielt worden. 


ll. Übersicht über die bisher in der Litteratur ere Fälle über Röntgen- 
behandlung der Pseudoleukaemie. 


1. N. Senn (New York Medicinal Journal April 18 1908) berichtet über 2 Fälle, 
welche ich nach der Beschreibung im Beckschen Handbuche!) skizziere. | 

Der eine der beiden Fälle betraf einen Farmer von 45 Jahren, dessen Erkrankung seit 
etwa einem Jahre bestand. Es begannen zuerst die Cervicaldrüsen zu schwellen, später auch 
die Axillar- und Inguinaldrüsen. Es bestand ferner ein maculöses Exanthem über den ganzen 
Körper. Die vorhandene Dyspnoe gestattete den Schluss, dass auch die Mediastinal- und 
Bronchialdrüsen erkrankt seien. Die Milz war sehr gross, die Leber mässig gross. Es bestand 
eine leichte Anaemie, doch keine Abmagerung. Die Blutuntersuchung ergab normale Ver- 
hältnisse. Senn verordnete Arsen und Eisen und Réntgentherapie. Es wurden im ganzen 
54 Bestrahlungen vorgenommen und zwar die rechte und linke Seite des Nackens je eine 
Minute, ebenso die Hinterseite und Vorderseite des Halses, jede Achselhöhle, beide Inguinal- 
furchen und die Milzgegend. In den ersten 10 Tagen tägliche Sitzung: 60 Volt, 8 Ampere; 
es wurde eine mittelweiche Röhre in einer Entfernung von 12 Zoll (= 30,5 cm) angewandt. 
Die Behandlung war am 29. 3. 02 begonnen worden: Am 7. April zeigten nach 10 Sitzungen 
die Drüsen eine bemerkenswerte Verkleinerung. Da ein stark juckendes Erythem auftrat, 
wurde mit 42 Volt und 6 Ampere bestrahlt, später nur mit 42 Volt bei derselben Ampérezahl. 
Das juckende Erythem wurde stärker, die Haut braunschwarz. Am 24. April waren alle 
Drüsen verschwunden. Die Haare der Achseln, des Kopfes, Gesichts und die Schamhaare waren 
ausgefallen. Die Haut der Brust schuppte stark und war braun. Die Behandlung wurde ab- 
gebrochen, 2 Wochen später stellte sich der Kranke mit gutem Appetite wieder vor: es bestand 
keine Drüsenvergrösserung, kein Fieber. Am 1. August kam er wieder ins Hospital, die 
Cervical- und Axillardrüsen waren leicht vergrössert. Die Dermatitis war verschwunden. Der 
Haarwuchs war wiedergekehrt. Nach 10 Röntgenbestrahlungen schwanden die Drüsen wiederum, 
ohne wiederzukehren. 

Auch in dem 2. Falle T sei ein ähnlicher Erfolg zu verzeichnen gewesen. 

2. Bozzolo berichtet über einen Fall, dessen Einzelheiten mir nicht näher bekannt sind. 

3. Paul Krause kann über 2 Fälle berichten: 

I. Fall: 

30 Jahre alter Maurer, vom 25; 5. bis 18. 6. 04 in der Klinik, bemerkte seit Dezember 
1903 eine Anschwellung unter dem rechten Arme, die seitdem allmählich grösser geworden ist, 
Schmerzen seien nur bei schwerer Arbeit aufgetreten. Seit derselben Zeit sei er müde und 
matt geworden. Bei seinem Eintritt in die Klinik klagte er über Schwäche, Appetitlosigkeit 
und Kopfschmerzen. 


1) Carl Beck, Röntgen Ray Diagnosis and Therapy, London an 1904, Seite 425. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgeustrahlen. VIII. 29 


226 Krause. 


Aus dem Status ist hervorzuheben, dass in der rechten Achselhöhle ein etwa hühnerei- 
grosses Drüsenpaket vorhanden ist, einzelne Drüsen liegen tiefer, andere oberflächlicher, auf 
Druck sind sie nicht schmerzhaft, auch in der rechten Fossa supraclavicularis fühlt man 
mehrere erbsen- bis bohnengrosse Drüsen, die z. T. ziemlich hart und auf Druck auch etwas 
schmerzhaft sind. In der linken fossa supraclavicularis sind 2—3 kaum erbsengrosse Drüsen, 
in der linken Achselhöhle 2 bohnengrosse, auf Druck etwas schmerzhafte Drüsen. Die Milz 
erscheint perkutorisch etwas vergrössert, nicht deutlich palpabel. 

Blutbefund: Weder im frischen, noch im gefärbten Präparate irgend welche Verände- 
rungen, Leucocytenzahl 7000, normale Erythrocytenzahl, normaler Haemoglobingehalt. Die 
Diagnose wird auf Pseudoleukaemie gestellt. 

Der Kranke wird 570 Minuten lang mit Réntgenstrahlen behandelt; es trat leichte 
Pigmentierung der Haut auf. Das Drüsenpaket in der rechten Achselhöhle erweichte und 
wurde kleiner. Das Allgemeinbefinden besserte sich sehr. 

Nach Mitteilung des behandelnden Arztes hätten sich die Drüsen noch mehr verkleinert, 
seien aber jetzt in der rechten Achselhöhle etwa wallnussgross, die der fossa supraclavicularis 
rechts seien etwa erbsengross. Der Milztumor sei völlig verschwunden. 


IL. Fall: „Lienale Pseudoleukaemie“. 
Seit etwa 1'/, Jahren kranker, 36 Jahre alte Arbeiter. Seine hauptsächlichsten Beschwerden 
sind Schmerzen im Leibe, besonders nach dem Essen, Appetitlosigkeit und allgemeine Schwäche. 
Aus dem Befunde ist hervorzuheben, dass die Milz sehr stark vergrössert ist, sie er- 
streckt sich bis 2 Querfinger unter Nabelhöhe und ist auf Druck empfindlich. Leber ist nur 
wenig vergrössert. l 
Blutbefund; Erythrocyten 3 400 000 
Leukocyten 4000 
Hb. = 9,6 (Fleischl-Miescher). 


Durch Röntgenbehandlung wurde das Allgemeinbefinden sehr gebessert. Dauer der 
Behandlung: 465 Minuten, Bestrahlung der Milzgegend. 

An der Milz war zunächst keine Verkleinerung eingetreten. Etwa 8 Wochen später 
wurde bei erneuter Untersuchung eine erhebliche Verkleinerung festgestellt. 


4. Fall von Levy-Dorn: 

Levy-Dorn stellte als Seitenstück zu dem oben erwähnten Falle von Grawitz einen 
Mann mit pseudoleucaemischen Drüsentumoren vor, welche durch Röntgenbehandlung zum 
Schwinden gebracht worden sind. 


5. Fall von Steinwand: 

Der Beginn der Krankheit bei der 15jährigen Patientin lag fünf Jahre zurück. Es 
bestanden erhebliche Drüsenanschwellungen am Hals, in den Ober- und Unterschlüsselbein- 
gruben, in den Achselhöhlen. Sehr schlechter Allgemeinzustand, der durch Gebrauch von Arsen 
noch schlechter wurde. Röntgenbestrahlung der Halsgegend steigerte zunächst die Schwäche 
und Hinfälligkeit, während der ersten Tage Temperatursteigerung über 40° C., die jedesmal 
nach der Bestrahlung, wenn auch geringer, auftrat. Zehn Sitzungen: wegen starker Ver- 
brennung, die später Transplantation erforderte, musste ausgesetzt werden. Da auch nachher 
dauernd weitere Rückbildung der Drüsen statt hatte, Wiederholung nicht nötig, Arsen und 
Chinin wurde gegeben. Elf Monate nach Beginn der Behandlung völlige Gesundheit. Die 
früher geschwollenen Drüsen als kleine, harte Knoten fühlbar. — Strom wurde von Influenz- 
maschine genommen, mittelweiche Röhre benutzt in ca. 50 cm Abstand. Sitzungsdauer: 
20 Minuten täglıch. 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 227 


IH. Übersicht über die bisher bekannten Fälle über Röntgenbehandlung von „Anaemia 
splenica, Bantischer Krankheit, Mikuliczscher Krankheit, Lymphomatosis, Anaemie 
und Polycythaemie mit Milztumor.‘ 


1. Fall von Bozzolo, Behandlung von Bantischer Krankheit mit Röntgenbehand- 
lung, Näheres war mir nicht zugänglich. 

2. Guerra behandelte zwei Fälle von Bantischer Krankheit mit günstigem Erfolge. 

3. Dinkler berichtet über günstige Beeinflussung „von idiopathischer Milzhyperplasie“ 
durch Réntgenstrahlen, der Fall sei mehrere Monate nach Beendigung der Röntgenbehandlung 
unverändert gebessert geblieben. 

4. Fittig zeigte Abbildungen eines mit Röntgenstrahlen erfolgreich behandelten 
Falles von symmetrischer Erkrankung der Parotis (Mikuliczscher Krankheit), ferner 
hat er auch eine sehr grosse Geschwulst vom malignen Lymphomen am Halse, nach zwei Be- 
strahlungen ohne Latenzstadium zurückgehen sehen. 

5. Paul Krause behandelte einen Fall von sehr grossem Milztumor mit Albumi- 
nur, Cylindrurie, chronischer Bronchitis, chronischer Pneumonie beider Unterlappen. Es war 
klinisch nicht sicher zu entscheiden, ob es sich um Milztumor leucaemischen oder amyloiden 
Ursprungs handelte. Durch Röntgenbestrahlung (1200 Minuten) trat keine Verkleinerung des 
Milztumors auf; auch das Allgemeinbefinden wurde nicht erheblich gebessert. Im Urin traten 
während der Röntgenbehandlung auffallend viel Albumosen auf. 

6. Paul Krause bestrahlte ferner einen Patienten mit einer grossen Struma mit 
Röntgenstrahlen, in beiden Seitenlappen konnte man deutliche Drüsenpakete abtasten; auch in 
beiden Fossae supraclaviculares und im Mediastinum waren Drüsenpakete vorhanden. Blut- 
befund ohne Besonderheiten. Durch die Röntgenbehandlung gingen die Lymphome sehr zurück 
(der Halsumfang wurde von 431/, auf 39 cm verringert), das Allgemembefinden wurde be- 
deutend gebessert. 

7. Bei dem neuerdings erst genauer bekannt gewordenen und studiertem Krankheits- 
bilde der „Polycythaemia mit Milztumor* hat Weber, Vaquez und Laubry keine be- 
merkenswerten Veränderungen im Blute während und nach der Röntgenbehandlung gefunden. 

NB. Zum Schluss will ich noch bemerken, dass in der medizinischen Klinik in Breslau 
2 Fälle von hochgradiger Anaemie mit Röntgenstrahlen behandelt worden sind; während 
in dem einen Falle zweifellos eine deletäre Wirkung auf das Blut dadurch ausgeübt wurde, so 
dass von einer weiteren Behandlung Abstand genommen werden musste, wurde in dem zweiten 
Falle durch Bestrahlung der Knochen anscheinend eine regere Blutneubildung verursacht. Die 
merkwürdige Beobachtung, dass in vielen Fällen von Leucaemie während der Röntgen- 
behandlung die Zahl der Erythrocyten und auch der Haemoglobingehalt und das spezifische 
Gewicht stieg, fordert ja direkt zu solchen Versuchen auf. 

Aus der in den vorhergehenden Zeilen gegebenen Skizze geht hervor, dass man zur 
Zeit eine Einwirkung der Réntgenstrahlen auf folgende Brustkrankheiten versucht hat, 
nämlich auf: 


3 


1. Leucaemie, der bisher publizierten Fälle sind ca. 40. 
2. Pseudoleucaemie, der bisher publizierten Fälle sind ca. 10; ferner einige 
Fälle von: 
. Anaemia splenica. 
. Bantischer Krankheit. 
. Lymphomatosis (maligna). 
. Anaemia gravis. 
. Mikuliczscher Krankheit. 
. Polycythaemia mit Milztumor. 


O Ss 9 ct A WW 


29 * 


928 Krause. 


Am besten bekannt und studiert ist zur Zeit die Röntgenbehandlung der Leucaemie. 
Die bisher bekannt gewordenen Wirkungen lassen sich zwanglos in zwei grosse 
Gruppen einteilen, einerseits ist die subjektive Wirkung auf die Patienten eine recht auf- 
fällige, und soweit es die myelogene Leucaemie anbetrifft, anscheinend eine fast konstante: die 
subjektiven Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Schwäche, Müdigkeit, Mattigkeit, Unlust zur 
Arbeit, Appetitlosigkeit liessen bei einem grossen Teil der Patienten nach, ja verschwanden 


vollständig, so dass ein Teil der Kranken wieder ihrer Beschäftigung nachgehen konnte. Die 


Fälle von lymphatischer Leucaemie sind wohl von dieser subjektiven Besserung, soweit bisher 
bekannt, auszunehmen. In den genauer beschriebenen Fällen wird ausdrücklich betont, dass 


das subjektive Befinden sich nicht in dem Masse gebessert hat, wie in den Fällen von myelo- 


gener Leucaemie, ja in einigen scheint direkt eine Verschlimmerung eingetreten zu sein. 

Andererseits ist die Wirkung der Röntgentherapie bei Leucaemie eine sehr gut 
objektiv nachweisbare; hervorzuheben sind dabei folgende Punkte: 

Zuerst die Wirkung auf das Blut. 

Am bemerkenswertesten ist die Wirkung auf die Leucocyten: für die Dauer ist 
wohl während der Röntgenbehandlung nur in wenigen Fällen von Leucaemie eine Verminderung 
ausgeblieben. In den allermeisten Fällen war dieses Ereignis geradezu frappant, so dass man 
ohne Übertreibung sagen kann, wir kennen bisher kein Mittel, welches eine gleiche Wirkung 
zu erzielen ande wäre. 

Es ist ja allerdings durch klinische Beobacheane sicher gestellt, dass im Verlaufe 
eines Leucaemiefalles recht beträchtliche Schwankungen der Leucocytenmengen vorkommen, so 
wurde z. B. in der medizinischen Klinik zu Breslau durch 2 Jahre hindurch eine Patientin P. 
mit myelogener Leucaemie beobachtet, bei der die Leucocytenzahl unter Arsenbehandlung und 
Bettruhe von 360000 auf 4000 herunterging, mehrere Wochen so blieb, um plötzlich wieder 
auf die frühere Höhe hinaufzugehen (es wurden damals 2tägige Zählungen vorgenommen), 
kurz vor dem Tode trat wieder eine Verminderung auf. 

Derartige Beobachtungen sind nicht gerade ein seltenes Vorkommnis. Doch bleibt 
dabei eins sehr bemerkenswert, wir haben bisher kein Mittel in der Hand gehabt, welches uns 
gestattete, die Verminderung der Leucocyten bei der Leucaemie mit Sicherheit zu erwirken, 
während, soweit bisher unsere Kenntnisse reichen, die Röntgenstrahlen dieses fast mit der 
Sicherheit des Experimentes bewirken. 

Allerdings ist an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die leucaemische 
Blutbeschaffenheit auch bei niedriger, in normalen Grenzen sich haltender Leucocytenzahl durch 
histologische Blutuntersuchung in den Fällen, in welchen eine genaue mikroskopische Durch- 
musterung der Präparate stattfand, festgestellt werden konnte; es fanden sich im zirkulierenden 
Blute dieser Kranken stets pathologische Leucocytenformen (myelogene Leucocyten, reichlich 
Lymphocyten etc.) (Nur Hoffmann konnte einen normalen Befund erheben.) Auch dieser 
Befund kann in vereinzelten Fällen spontan auftreten. In dem oben erwähnten Falle P., ebenso 
wie in einem nur poliklinisch von mir einmal untersuchten Falle konnte durch gefärbte Prä- 
parate nachgewiesen werden, dass es sich um myelogene Leucaemie handelte trotz der in der 
normalen Grenze sich haltenden Leucocytenzahl. Deshalb ist die Forderung auszusprechen, dass 
stets in allen weiterhin publizierten Fällen von Leucaemie, die mit Röntgenstrahlen behandelt 
worden sind, auch eine genaue histologische Blutanalyse vorzunehmen ist, mit der Zählung 
der Leucocyten und Erythrocyten und der Verhältniszahl allein ist nicht viel anzufangen. In 
mustergültiger Weise liegen solche Untersuchungen von Joachim und Kurpjuweit, von 
Schenck und einigen anderen Autoren vor. Es scheint danach, als ob in einigen Fällen die 
Zahl der pathologischen Leucocyten prozentualisch geringer wird, als die der normalen Formen: 
in einem unserer Fälle war es sehr in die Augen springend. 

Am intensivsten war die Wirkung auf die Myelocyten (bei der myelogenen ieuano 
und auf die Lymphocyten (bei der Lymphocyten-Leucacmie). Diese beiden Leukocytenarten 


\ oe | ons A eel ee na 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 229 


gingen am schnellsten zurück, während die Verhältnisse der anderen al Formen 
nicht so klar liegen. Ä 

Das von Aubertin- Bauch ada’ ee Ansteigen der EN, sofort nach 
der Röntgenbestrahlung und die darauf erfolgende langsame Verminderung unter die vor der 
Bestrahlung vorhandenen Zahlen kann ich für einige von mir beobachtete Fälle nicht bestätigen. 

Zu erwähnen ist noch, dass Grawitz anführt, dass die Leukocyten während und nach 
der Behandlung eine grössere Hinfälligkeit zeigten, indem sie in hyper- und hypotonischen 
Kochsalzlösungen schnell zerfielen: er. schliesst deshalb auf die Einwirkung der Röntgenstrahlen 
auf das Blut selbst. 
| Eine zweite Einwirkung auf das Blut ; zeigen die Réntgenstrahlen insofern, ‘als von den 
meisten Beobachtern angegeben wird, dass die Zahl der Erythrocyten zunimmt und in 
einem gewissen Verhältnis damit auch der Haemoglobingehalt und das spezifische Ge- 
wicht. Während bei der myelogenen Leucaemie diese Wirkung eine fast regelmässige 
zu sein scheint, sind bei der Lymphocyten-Leucaemie zweifellos Fälle beobachtet, bei denen 
diese wünschens- und erstrebenswerte Wirkung auf die Erythrocyten ausblieb. 

Ich glaube, dass gerade diese Eigenschaft der Röntgenstrahlen die roten Blutkörperchen 
zu vermehren und den Haemoglobingehalt zu erhöhen (in meinen Fällen trat das nach einer 
genügenden Anzahl von Bestrahlungen stets ein), sehr dazu auffordern muss, in geeigneten 
Fällen von Anämie und speziell auch bei Chlorose therapeutische Versuche damit anzustellen. 

Von ferneren Wirkungen der Röntgenstrahlen ist die Verkleinerung selbst riesiger 
Milztumoren zu nennen. Ä 

Auch hierbei will ich betonen, dass solche Verkleinerungen der Milz bei Leucaemie 
auch ohne Röntgenbehandlung beobachtet werden, speziell scheinen einige interkurrent zur 
Leucaemie. dazukommende Infektionskrankheiten innerhalb von kurzer Zeit grosse Milz- 
schwellungen zum Verschwinden bringen zu können, derartige Fälle sind von Eisenlohr 
(Virchows Archiv 1878), Heuk (Virchows Archiv 1879), Quincke (Referat in d. Münch. med. 
Wochenschrift 1890), Stintzing (ebenda), Müller (Deutches Archiv f. klin. Medizin 1891 u. 
1892), Fröhlich (Wien. med. Wochenschrift 1896), Jacksch (Prag. med. Wochenschrift 1896), 
Koräcs (Wiener klin. Wochenschrift 1893), Kraus (Prag. med. Wochenschrift 1899), be- 
schrieben worden. 

Aber auch dieses Kleinerwerden resp. Verschwinden des Milztumors, welches nur 
meist ein intermittierendes war, war und blieb ein mehr zufälliges Ereignis — durch Röntgen- 
bestrahlung dagegen wird in den allermeisten Fällen, welche lange genug behandelt wurden, 
eine Verkleinerung des Milztumors regelmässg erzielt. 

Von einigen Autoren wird angegeben, dass dieselbe innerhalb der ersten Woche er- 
folgt; in der grösseren Anzahl der Fälle vergehen darüber mehrere Wochen, ja Monate. Das 
Kleinerwerden scheint teils sehr rasch eingetreten zu sein, teils aber wird ausdrücklich hervor- 
gehoben, dass es nur langsam erfolgte. 

Nur in einem Falle scheint der objektiv nachweisbaren Verkleinerung der Milz ein 
peritonitisches Reiben über der Milzgegend, welches mit Schmerzen verbunden war, längere 
Zeit vorhergegangen zu sein. 

Völlig verschwundene Milztumoren können in kurzer Zeit wieder auftreten, 
in dem traurigen von Ahrens beschriebenen Falle kann eine grosse Überanstrengung dafür 
verantwortlich gemacht werden. 

Dass aber Zurückgehen der Leukocytenzahl und Verschwinden resp. Kleinerwerden des 
Milztumors nicht gleichbedeutend ist mit „Heilung“, beweisen diejenigen Fälle, welche beides 
aufwiesen und trotzdem ad exitum kamen. In dem von Ziegler und Krause unter- 
suchten, konnte in der Milz kein anderer Befund. erhoben werden, als wie er gewöhnlich bei 
Leucaemie vorkommt; Bilder, wie sie etwa den von Heineke im Tierexperimente erzeugten 
Milzveränderungen entsprächen, sind sicher nicht vorhanden gewesen. 


230 Krause. 


Demnach ist es nicht angangig, bei therapeutischen Versuchen bei Leucaemie die 
Leukocytenzahl, oder das Kleinerwerden resp. Verschwinden des Milztumors zum Wertmesser 
des Erfolges zu machen. | 

Von ferneren Wirkungen der Röntgenstrahlen bei Leucaemie ist die Gewichtszunahme 
und der gute Appetit der Patienten eine sehr erwünschte, allerdings sind auch hier 
wiederum die Fälle von lymphatischer Leucaemie auszunehmen, bei diesen scheint die Gewichts- 
zunahme nicht so regelmässig vorzukommen (Fall von Joachim und Kurpjuweit). 

Nur wenig Beachtung haben bisher die Veränderungen des Stoffwechsels ge- 
funden, welche durch Bestrahlung mit Réntgenstrahlen im Tierexperimente und vor allem beim 
Menschen entstehen. Es liegen nur Mitteilungen von Linser und Baermann bei normalen 
Menschen vor, bei Leucaemie haben Untersuchungen Joachim und Kurpjuweit (auf Harn- 
säure), Krause (auf Harnsäure und Purinbasen) angestellt. 

Letztere Untersucher erhielten während der Periode des Zurückgehens der Leukocyten- 
zahl und des Milztumors auffallend grosse Mengen von Harnsäure resp. von Harnsäure und 
Purinbasen. Eine definitive Aufklärung dieser Verhältnisse kann aber erst durch ausführ- 
liche, zu diesem Zwecke angestellte Stoffwechselversuche erbracht werden, wie sie z. Z. in der 
Breslauer mediz. Klinik im Gange sind. Wie andere und zuletzt noch Schmid!) durch Unter- 
suchungen aus dem Laboratorium derselben Klinik nachwies, kommen ja grosse Schwankungen 
im Stoffwechsel der Leukämiker vor, so dass auch hier die vorläufigen Angaben mit Vorsicht 
zu verwerten sind. 

Die Einwirkungen der Réntgenstrahlen auf pseudo-leukämische Drüsen und Milz- 
schwellungen, über welche weniger Mitteilungen vorliegen. als über solche bei Leucaemie, 
scheinen unter denselben Bedingungen zustande zu kommen. In einzelnen, z. B. in den von 
Senn erwähnten, erfolgte prompt ein vollständiger Rückgang der Drüsen- und Milztumoren 
und eine Besserung, welche wohl mit Recht als zeitweilige „Heilung“ angesprochen werden 
kann. Auch hier aber kommt häufig die Wirkung erst Wochen nachher; in einem unserer 
Fälle bildeten sich die Drüsen ca. erst 8 Wochen nach der ersten Bestrahlung zurück, um 
später langsam wieder zu wachsen, ähnlich verhält es sich mit dem Abschwellen der Milztumoren. 

Es ist sehr begreiflich, dass nicht in allen Fällen, welche zur Pseudoleucaemie ge- 
rechnet werden, eine so erhebliche Besserung eintritt, zweifellos weil die vorliegenden anato- 
mischen Prozesse bei der Pseudoleucaemie (Tuberkulose, Lues, Lymphomatosis) zu ver- 
schiedene sind. Nach unseren heutigen Erfahrungen ist nicht anzunehmen, dass tuberkulöse oder 
luetische Tumoren durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen sich zurückbilden werden, wohl aber 
solche, deren anatomisches Substrat Lymphome darstellen. Die experimentellen Versuche von 
Heineke sprechen durchaus für diese Anschauung. 

Bei Splenomegalie sah von deutschen Autoren Dinkler einen Erfolg von der Röntgen- 
therapie, mehrere italienische Autoren berichteten günstige Resultate durch Radiotherapie bei 
Bantischer Krankheit (Bozzolo, Guerra). Krause sah durch 5 wöchentliche Bestrahlung eines 
grossen Milztumors in einem in klinischer Hinsicht nicht absolut sicheren Falle von Anaemia 
splenica kein Zurückgehen der Milz. Auch hier wird man wohl in Zukunft durch genaue 
anatomische Untersuchungen der Milz solcher Krankheitsfälle zu eruieren haben, auf welches 
anatomisches Substrat die Röntgenstrahlen wirken und auf welches nicht. 

Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir gerade durch die Wirkung oder Nichtwirkung 
der Röntgenstrahlen auf Milztumoren ein Mittel in die Hand bekommen werden, um schon bei 
Lebzeiten mit Sicherheit auf die anatomische Grundlage der Milzvergrösserung schliessen zu 
können. Auch hier erscheint es mir höchst fraglich, dass sich Milztumoren, welche durch 
Amyloid-Degeneration, durch Stauung, bindegewebige Hyperplasie und ähnliche Prozesse ent- 
stehen, durch Röntgenstrahlen irgendwie werden beeinflussen lassen. 


1) Schm id, Ein Beitrag zum Stoffwechsel bei der chronischen Leucaemie, Arch. f. klin, Medizin. 
Bd. 77. S. 506. 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 281 


Der Erfolg, den Fittig bei der Mikuliczschen Erkrankung (= symmetrischer Er- 
krankung der Parotis, ev. auch der Glandul. submaxillaris und lacrymalis) mit der Radiotherapie 
erzielt hat, scheint mir in theoretischer Beziehung besonders interessant, als hierdurch eine Ein- 
wirkung der Röntgenstrahlen auf Drüsengewebe mit grosser Wahrscheinlichkeit bewiesen ist. 
Es dürfte sich empfehlen, im Tierexperimente den Nachweis zu führen, ob eine solche Wirkung 
auch auf andere Drüsen zustande kommt. | 

Was schliesslich die Erfolge der Radiotherapie bei Anaemien, spez. der perniciösen 
Anaemie anbetrifft, so ist nochmals auf die oben erwähnte Thatsache hinzuweisen, dass in den 
Leukaemiefällen fast von allen Untersuchern ein günstiger Einfluss auf die Zahl der Erytho- 
cyten, Haemoglobingehalt und spezifische Gewicht nicht zu erkennen ist. Wenn auch die 
Tierexperimente (Milchner und Mosse) und ein ungünstig verlaufener Fall Kramers nicht 
gerade zu sanguinischen Hoffnungen berechtigen, so ist ein praktischer Versuch damit durchaus 
angezeigt, da Krause in einem Falle von schwerer Anaemie Günstiges sah und die Analogie 
mit den Leukaemiefällen direkt dazu auffordert: man müsste in diesen Fällen in erster Linie 
ein Bestrahlung der langen Röhrenknochen vornehmen. 

Ob die Röntgenstrahlen vorhandenes Fieber irgendwie stärker in schädlicher oder 
nützlicher Weise beinflussen, ist aus den vorliegenden Berichten nicht immer zu ersehen: in den 
meisten Fällen scheint es nicht so gewesen zu sein, sonst würden wohl Berichte darüber vor- ` 
liegen: es würde auch mit eignen Beobachtungen übereinstimmen; in 2 Fällen sah ich aller- 
dings, dass in den ersten Tagen der Röntgenbehandlung nach jeder Bestrahlung eine leichte 
Temperatursteigerung erfolgte, eine Beobachtung, welche übrigens schon von mehreren Radio- 
therapeuten gemacht worden ist; in einem Falle ging übereinstimmend mit der Beobachtung 
von Bozzolo das vorher bestehende Fieber dauernd zurück. | 

Ich schliesse hier der Besprechung der erwünschten Wirkungen, welche die Röntgen- 
strahlen auf die blutbildenden Organe ausüben, ein paar Notizen über die mehr oder minder 
unerwünschten Nebenwirkungen, welche dadurch veranlasst werden, an. 

Von subjektiven Beschwerden bekamen einige Patienten, vor allem die ängstlichen 
und neurasthenischen, nach den ersten Bestrahlungen allgemeinesUnbehagen, ja einige Male stärkere 
Kopfschmerzen und Schmerzen im Leibe, eine unserer Kranken hatte in der ersten Woche 
auch subjektiv starkes Reibegefühl über der Milzgegend, das Reiben wurde, wie oben erwähnt, 
auch objektiv festgestellt. Das in dem Fall von Stone erwähnte plötzliche Eintreten eines 
Schwächezustandes, welches nach wenigen Tagen den Tod zur Folge hatte, hängt sicher nicht 
mit der Röntgenbestrahlung zusammen. 

Bryant und Crane-Brangor beobachteten nach der therapeutischen Bestrahlung 
„Erbrechen, Herzklopfen, auch äusserste Nervosität mit Herzklopfen“; wie weit dafür die 
Röntgenstrahlen zur Erklärung herangezogen werden dürfen, ist schwer zu entscheiden. Im 
allgemeinen sind jedenfalls derartige Beschwerden nicht beobachtet worden. 

Ein besonderes Augenmerk ist auf die Veränderung der Haut zu richten. Eine 
Pigmentation derselben bleibt nach längerer Bestrahlung wohl in keinem Falle aus; sub- 
jektive Beschwerden sind damit nicht verbunden. Bei einem meiner Patienten schieferte die 
Haut leicht ab, eine Pityriasis versicolor kam, soweit die Bestrahlungszone reichte, allmählich 
zur Heilung. Unangenehmer für den Krauken und Arzt ist das Auftreten von Erythemen, 
welches recht hänfig zur Beobachtung gekommen ist. Es tritt meist erst in der zweiten Woche 
nach Beginn der Röntgenbehandlung .auf, verursacht der grössten Anzahl der Menschen ein 
leichtes Brennen. Es ist unter allen Umständen ein Fingerzeig, dass eine weitere Bestrahlung 
der betreffenden Hautpartie für 2—3 Wochen zu unterbleiben hat. Durch Einpudern und 
Bedecken der erkrankten Stelle mit dickem Bleiblech gelang es mir bisher stets, das Erythem 
zum Zurückgehen zu bringen. Leider haben einige Autoren von einer stärkeren Ver- 
brennung der Haut zu berichten, welche zu Geschwürsbildung führte In jedem Falle 
haben wir es hierbei mit einer sehr unangenehmen Nebenwirkung der Röntgenstrahlen auf die 


232 Krause. 


Haut zu thun, welche auf das ernsteste auffordert, von jeder weiteren Bestrahlung der befallenen 
Hautpartie Abstand zu nehmen, bis eine vollständige Heilung erfolgt ist. Dass darüber unter 
Umständen Monate vergehen können, ist bekannt; ja, es gelingt vereinzelt nur, durch aus- 
gedehnte Transplantation eine Restitutio ad integrum zu erzielen. Auch Haarausfall (Kopf, 
Bart, Achsel, Schamgegend) wurde beobachtet. 

Ob die Darmstörungen spez. die Durchfälle, welche einige Patienten während der 
Röntgenbestrahlung bekommen, als Nebenwirkung desselben aufzufassen sind, lasse ich unent- 
schieden. Heineke hatte bei seinen Tierversuchen wiederholt starke Durchfälle zu verzeichnen. 

Andere Störungen, welche etwa durch unbeabsichtigte Beeinflussung innerer Organe 
durch Röntgenstrahlen entstehen, sind bisher nicht bekannt geworden. Die Mitteilungen von 
Birch-Hirschfeld!) über unangenehme schwere Verbrennung der Hornhaut und dem von ihm 
experimentell erbrachten Beweise, dass bei bestrahlten Kaninchen Nekrose der Ganglienzellen 
in der Retina und sekundäre Sehnervenatrophie zustande kommen, sollte alle Radiotherapeuten 
bestimmen, die Augen ihrer Kranken zu schützen. 

Was das Technische der Röntgenbestrahlung bei Blutkrankheiten anbetrifft, so 
weise ich besonders auf folgende Punkte hin: 

Die meisten Autoren verwandten mittelweiche, resp. harte Röntgenröhren. Leider 
fehlen meist exakte Angaben. Es dürfte sich empfehlen, um schwere Verbrennungen zu verhüten, 
sich nicht mit einer subjektiven Schätzung des Härtegrades einer Röhre zu begnügen, sondern 
in jedem Falle eine genaue Messung mittelst der Walterschen oder Benceistschen Skala 
. vorzunehmen. Dass unter allen Umständen nur ein höherer Härtegrad einer Röhrenröhre zur 
Röntgenbehandlung innerer Organe in Betracht kommt, ist wohl jetzt fast allgemeine Ansicht 
der Radiotherapeuten. Weiche Röhren wirken in erster Linie auf die Haut und die dicht 
darunter liegenden Partien. Will man auf innere Organe einwirken, ohne die Hautpartien 
stärker zu beeinflussen, so stehen zwei Wege zur Verfügung, entweder man nimmt harte 
Röhren, welche eine starke Penetrationskraft haben, oder man filtriert nach der Angabe von 
Perthes die ungeeigneten Strahlen einer weicheren Röhre durch Staniolpapier ab. Es dürfte 
sich empfehlen, gewöhnlich den ersteren Weg einzuschlagen. 

Das Holzknechtsche Chromoradiometer scheint bisher von keinem der Autoren, 
welche über Röntgenbehandlung der Leukaemie publizierten, angewendet worden zu sein: der 
allgemeinen Anschaffung des Instrumentes steht leider sein ziemlich hoher Preis im Wege. 

Die Grösse des Induktors wird wohl kaum für die vorliegenden Zwecke irgendwie in 
Betracht kommen: es scheinen grosse und kleine Induktorien gebraucht worden zu sein, ebenso 
wurde mit verschiedenen Unterbrechern gearbeitet (Quecksilberstrahlenunterbrecher, elektro- 
lytischer Unterbrecher). 

Als Schutz der nicht den Röntgenstrahlen auszusetzenden Teile des Körpers werden 
meist dünne Bleiplatten oder Stanniolpapier verwendet. 

Die Entfernung der Röntgenröhren von der bestrahlten Körperstelle schwankte nach 
Angabe der Untersucher zwischen 10—80 cm, eine Entfernung von 35—50 em dürfte wohl 
am meisten angebracht sein. 

Als Bestrahlungsort kommen zuerst die Milzgegend, ferner die langen Röhrenknochen 
und das Sternum in Betracht; nach Joachim und Kurpjuweit hatte die Bestrahlung der 
Lebergegend allein keine Einwirkung weder auf den Blutbefund, noch auf den Milztumor. 
Die Bestrahlung der Röhrenknochen allein (ohne die Milzgegend) hatte in einem Falle von 
Krause Erfolg mässigen Grades. 

Die Dauer der Bestrahlung schwankte von mehreren Minuten bis '/, Stunde und 
mehr in der einzelnen Sitzung. Es wurden 30—50 und mehr tägliche Bestrahlungen vorge- 
nommen; die Belichtungszeit betrug in vielen Fällen durchschnittlich mehrere hundert, ja 
1000 Minuten. 


1) Münch. med. Wochenschrift 1904, Nr. 27. Monatshefte f. Augenheilkunde 1904. 


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Zur Réntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 238 


Zum Schlusse will ich kurz die Anschauungen zusammenfassen, welche bisher darüber 
geäussert sind, auf welche Weise eigentlich die hönigenstfehten bei den Blut- 
Or ankungen curativ wirken können. | 

Während die Einwirkung der Röntgenstrahlen RR die Haut schon 1896 erkannt und 
bald darauf auch therapeutisch verwendet wurde (Freund), verging lange Zeit, ehe eine 
Wirkung derselben auf innere Organe einwandsfrei nachgewiesen wurde. Bis ganz vor kurzer 
Zeit nahm man, durch tausendfältige Erfahrung berechtigt, an, dass innere Organe durch selbst 
langdauernde Bestrahlungen weder geschädigt, noch sonstwie verändert würden. 

Von französischen Autoren (Oudin, Barthelemy, Durier) werden speziell häufig 
Herzklopfen, Angstgefühl, Herzdruck, Irregularität des Pulses, Verdauungsstörungen, Erbrechen, 
Durchfall auf Bestrahlung mit Röntgenstrahlen zurückgeführt; in der deutschen Litteratur 
sind solche Symptome nach Röntgenuntersuchungen nicht beschrieben worden, ebensowenig als 
die von französischer Seite beschriebene günstige Einwirkung der Röntgenstrahlen auf Lungen- 
tuberkulose, Pneumonie, tuberkulöse Peritonitis, Beschleunigung der Frakturheilung und anderes 
bestätigt werden konnte. 

Von Tiefenwirkung der Röntgenstrahlen ist auch von einer Anzahl deutscher Autoren 
die analgisierende, bei tiefsitzenden Schmerzen der verschiedensten Art (Neuralgien, Schmerzen 
bei inoperablen Tumoren, schmerzhaften Gelenkleiden), anerkannt. Nach diesen Bemerkungen 
erscheint es nicht Wunderbar, dass die Angaben Senns über Besserung resp. Heilung der 
Leucaemie grossen Zweifeln begegneten. 

Senn selbst glaubt an eine parasitäre Wirkung der Röntgenstrahlen auf die uns 
aber nicht bekannten Erreger der Leucaemie; wenn man Anhänger der Löwitschen Protozöen- 
theorie ist, klingt das ja sehr plausibel — doch bisher fehlt der wissenschaftliche, anerkannte 
Nachweis, dass die Leucaemie wirklich durch eine Protozöen- oder Bakterieninfektion verursacht 
ist — damit fällt auch die Sennsche Theorie. 

Am besten experimentell begründet erscheint die Ansicht Heinekes, dass es sich bei 
der Wirkung der Röntgenstrahlen um eine „elektive* auf die Follikel der Milz, der Lymph- 
drüsen und des Darmes handelte. An der experimentell gesichteten Grundlage kann nach den 
Arbeiten Heinekes nicht mehr gezweifelt, für Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen, Hunde und 
Katzen ist es einwandsfrei von ihm nachgewiesen worden. Bestätigungen dieser Angaben 
werden hoffentlich von anderer Seite bald erfolgen; Joachim und Kurpjuweit geben aller- 
dings an, dass sie bisher abweichende Resultate bei der Nachprüfung der Arbeiten Heinekes 
gehabt. Sehr wahrscheinlich liegt das aber an einer anderen Versuchsanordnung; die seinige 
hat Heineke erst in seiner letzten ausführlichen Arbeit mitgeteilt. 

Immerhin würden Heinekes Befunde, selbst wenn sie für den Menschen einwands- 
frei nachgewiesen würden, eine „Erklärung“ für die Erfolge der Röntgentherapie nicht geben, 
sie würden bis zu einem gewissen Grade nur das Verständnis erleichtern, weshalb der Milz- 
tumor bei der Leucaemie zum Verschwinden kommt, vielleicht auch warum die Leucocyten- 
zahl abnimmt. Auch die Versuche von Milchner und Mosse bringen uns nicht viel weiter. 

Die Ansicht, dass eine direkte Wirkung auf das Blut stattfinde, speziell auf die 
zirkulierenden Leucocyten, dürfte nur wenige Anhänger finden. Grawitz stellte allerdings fest, 
dass während und nach der Bestrahlung die Leucocyten hinfälliger winder) indem sie in hypo- 
und hypertonischen Kochsalzlésungen schnell zerfallen. | 

Joachim und Kurpjuweit erhielten dagegen bei Bestrahlung von leucaemischem 
Blut im Reagenzglase (mit zugesetztem Blutegelextrakt, um die Gerinnung zu verhindern) 
kein Resultat, welches für eine direkte Einwirkung der Röntgenstrahlen auf das Blut 
sprechen könnte. | 

Ebensowenig kann begründet werden, dass im leucaemischen Blut kreisende 
Enzyme durch Röntgenstrahlen vernichtet und dadurch eine Besserung des Krankheitszustandes 


bewirkt würde. | 
Fortschritte a. d. Gebiote d. Röntgenstrahlen. VIII, 30 


934 Krause. 


Wie die klinische ist demnach auch die experimentelle und theoretische Seite 
der Röntgenbehandlung der Leucaemie und anderer Blutkrankungen weiterer Studien 
noch sehr bedürftig. Bei dem regen Interesse für dieses Gebiet wird es an Aufklärung nach 
der einen oder anderen Seite hin in der nächsten Zeit nicht fehlen. An alle Autoren, welche 
fernerhin über diesen Gegenstand publizieren, will ich aber zum Schluss die Bitte aussprechen, 
nicht zu aphoristisch gehaltene Mitteilungen zu liefern: eine genaue klinische Beobachtung, eine 
genaue wiederholte Blutuntersuchung, Angabe über das Technische der Bestrahlung und eine 
genügend lange Beobachtung der Fälle, eventuell recht ausführliche (makroskopische und 
mikroskopische) Untersuchung von Sektionsfällen thun uns dringend not. Es würde die Orien- 
tierung sehr erleichtern, wenn gerade „die Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen“ 
für ausführliche Publikationen häufiger benutzt würden, als es bisher geschah. 


Litteratur. 


Ahrens: Über einen Fall von Heilung einer schweren lienalen Leucaemie mit grossem Milz- 
tumor durch Röntgenstrahlen. Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 24, S. 1054, 

Aubertin-Banchard: Günstige Beeinflussung der Leucaemie durch Röntgenbehandlung. 
Presse médicale 1904, No. 7. 

Bärmann u. Linser: Uber die lokale und allgemeine Wirkung der Röntgenstrahlen. Münch. 
med. Wochenschrift 1903, No. 23, S. 994. 

Bozzolo: Über die Wirkung der Röntgenstrablen auf die Leucocyten produzierenden Organe. 


Mitteilung an die Turiner Königl. med. Akademie, Juli 1904. — Referat in d. Blättern für klinische 
Hydrotherapie 1904, No. 11, S. 260. 
Brown: Leucaemia, symptomatically cured with X-ray. — Referat: Fortschritte auf d Gebiete 


der Röntgenstrahlen. Bd. VII, S. 353. 

Bryant and Crane Brangor: Two cases of spleno-medullary Leucaemia, treatment and recovery. 
Medical Record, 9. April 1904. (Nur einer von beiden Fällen wurde mit Röntgenstrahlen behandelt.) 

Cahen: Ein Fall von Leucaemie mit Röntgenstrahlen behandelt. Münch. med. Wochenschrift 
1904, S. 2138. 

Capps and Smith: X-Strahlenbehandlung bei Leucaemie. Journ. of. americ. Assoc., No. 13. — 
Referat: Deutsche med. Wochenschrift 1904, No. 49. Litteraturbeilare S. 1588. 

Colombo: Drei Fälle von Leucaemie, durch Réntgenstrahlen geheilt. 14. Kongress für innere 


Medizin in Rom. — Referat in d. Münch. med. Wochenschrift 1905, No. 1, S. 58. 
Dinkler-Aachen: Günstige Beeinflussung eines Falles von Milzhyperplasie durch Röntgen- 
strahlen. Diskussionsbemerkung. — Referat in d. Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 50, S 2252. 


Finch: A case of Hodgkin’s disease treated by X-rays. New York medical Record 1904, 
May 14. l 

Fittig: Röntgenbehandlung eines Falles von symmetrischer Erkrankung der Parotis (Mikuliez- 
scher Krankheit). Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur. Sitzung v. 8. Juli 04. Allgemeine 
„Med. Central-Zeitung 1904, No. 31. 

Fried: Vorläufiges Ergebnis der Röntgenbehandlung zweier Leucaemiker. Münch. med. Wochen- 
schrift 1904, No, 40. 

Grawitz: Günstige Beeinflussung eines desolaten Leucaemiefalles durch Röntgenstrahlen. 
Berliner med, Gesellschaft. Sitzung v. 23. Nov. 1904. — Referat: Münchner med. Wochenschrift 1904, 
No. 48, S. 2162. 

Guerra: Uber die Wirkung der Réntgenstrahlen bei Leucaemie. Gazzetta degli ospedali 1904, 
No. 94. -- Referat in d. Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 50, S. 2246. 

H. Heineke: Über Einwirkung der Röntgenstrahlen auf Tiere. Münch. med. Wochenschrift 
1903, No. 48, 

Heineke: Zur Kenntnis der Wirkung der Radiumstrahlen auf tierische Gewebe. Münch. med. 
Wochenschrift 1904, No. 31. | 

Heineke: Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf innere Organe. Münch. med. 
Wochenschrift 1904, No. 18. 

H. Heineke: Experimentelle Untersuchungen über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf 
innere Organe. Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. XIV. Band, I. und II. 
Heft, 1904. | 


Zur Röntgenbehandlung von Bluterkrankungen. 285 


Hynek: Günstige Beeinflussung eines Falles von perniciöser Anaemie durch Röntgenstrahlen. 
Böhmische Zeitschrift Sborink Klinicky, Bd. VI, Heft 1, 1904. — Referiert in der Arbeit von 
Milchner und Mosse. Berliner klin. Wochenschrift No. 49, 1904, S. 1268. 

Joachim und Kurpjuweit: Über die Behandlung der Leucaemie mit Réntgenstrahlen. 
Deutsche med. Wochenschrift 1904, No. 49. 

Aug. Hoffmann: Uber therapeutische Beeinflussung der Leucaemie durch Röntgenstrahlen. 
Rheinisch-westphälische Gesellschaft f. innere Medizin und Nervenheilkunde, 4. Versammlung am 6. Nov. 
1904. — Ausführliches Referat in d. Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 50, S. 2251. Mit wertvollen 
Diskussionsbemerkungen von Schultz, Leick, Dinkler, Hochhaus, Kleinschmidt, Rumpf, 
Lenzmann. 

Kleinschmidt-Elberfeld: Günstige Beeinflussung eines Falles von hochgradiger lienaler 
Leucaemie durch Réntgenstrahlen. Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 50, S. 2252. 

Paul Krause: Über therapeutische Versuche bei Kranken mit Leucaemie und Pseudoleucaemie 
durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen. Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur, Sitzung v. 
15. Juli 1904. Allgem. med. Centralzeitung 1904, No. 32. 

Paul Krause: Über therapeutische Versuche bei Kranken mit Leucaemie und Pseudoleucaemie 
durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen. Verhandlung der 76. Versammlung deutscher Naturforscher 
und Arzte zu Breslau. — Referat: Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 42, S. 1895. 

Krone: Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf innere Organe. Münch. med. Wochen- 
schrift 1904, No. 21, S. 927. 

Leick- Witten: Günstige Beeinflussung von einem Fall von lienaler Leucaemie durch Röntgen- 
strahlen. Diskussionsbemerkungen. Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 50, S. 2252. 

Levy-Dorn: Günstige Beeinflussung von pseudoleucaemischen Drüsentumoren durch Röntgen- 
strahlen. Berliner med. Gesellschaft. Sitzung v. 23. Nov. 1904. — Referat in d. Münch. med. Wochen- 
schrift 1904, No. 48, S. 2162. 

Milchner und Mosse: Zur Frage der Behandlung der Blutkrankheiten mit Röntgenstrahlen. 
Berliner klin. Wochenschrift 1904, No. 49. 

Rhode: Ein Fall von Leucaemie, erfolgreich pahaudelé mit Réntgenstrahlen. Vortrag auf d. 
V. Nord. Kongress f. innere Medizin, August 1904. — Referat in d. Deutschen med. Wochenschrift 1904 
No. 40. Vereinsbeilage S. 1488. | 

Rosenthal: Über die Erzeugung intensiver Röntgenstrahlen für therapeutische Zwecke. 
Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 47. 

Schaper: Experimentelle Untersuchungen über den Einfluss der Radiumstrahlen und der 
Radiumemanation auf embryonale und regenerative Entwicklungsvorgänge. Anatomischer Anzeiger XXV. 
Band 1904, S. 298. 

Schenck, Über die Behandlung der Leueaemie durch Röntgenstrahlen. Münch. med. Wochen- 
schrift 1904, No. 48, S 2135. 

Schultze, Bonn: Behandlung eines Leucaemikers mit Röntgenstrahlen, bisher ohne Erfolg, 
wahrscheinlich weil zu weit fortgeschrittener Fall. Diskussionsbemerkung. Münchner med. Wochenschrift 
1904, No. 50, S. 2252. 

Senn: Case of spleno-medullary Leucaemia succesfully treated by the use of the Roentgen 
Rays. New York Medical Record 18. April, 22. Aug. 1903. — Referat: Fortschritte auf d. Gebiete der 

Röntgenstrahlen. Band VI, S. 273. 
Soetbeer, Greifswald: (Günstige Beeinflussung eines Falles von myelogen. Leucaemie durch 
Röntgenstrahlen.) Diskussionsbemerkung. 76. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in 
Breslau 1904. 

Steinwand: A case of pseudoleucaemia successfully treated with Y-rays. — Referat: Fortschritte 
auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. Bd. VII, S. 353. 

Stone: Roentgen ray treatment of leucaemia. Journal of the American med. association Juli 
1904. — Referat: Fortschritte auf d. Gebiete der Röntgenstrahlen. Bd. VIII, S. 62. 

Schweinburg: Röntgenbehandlung der Leucaemie. Verhandlungen der 76. Versammlung 
deutscher Naturforscher und Ärzte zu Breslau. — Referat: Münch. med. Wochenschrift 1904, No. 42, 
S. 1895. 


’ 


Unverricht stellte in der med. Gesellschaft zu Magdeburg einen durch Röntgenstrahlen 
behandelnden Fall von Leucaemie vor. Münch. med. Wochenschrift 1905, No. 1, S. 48. 

Vaquez und Laubry, Paris: Société med. des Höpitaux 22. Juli 1904. Citiert nach Schenck 
s. oben. 

Park. Weber: Behandlung eines Falles von ,,Polycythaemia mit Milztumor“ mit Röntgenstrahlen. 
Citiert nach Schenck s. oben. 


30 * 


236 Correspondenzen. — Bücherbesprechungen. 


Correspondenzen.') 


Bemerkung zu der Arbeit von Dr. Philipp. Bd. VIII, Heft 2, S. 119. 

Sie haben mich am Schluss Ihrer Arbeit „Die Röntgenbestrahlung der Hoden des Mannes* mit 
Unrecht citiert. Sie sagen dort: „.. . Schutzmassregeln von Albers-Schönberg, welche von Levy-Dorn 
(Münchener med. Woch., Dezember 1903) als übertrieben bezeichnet werden.* Ich habe thatsächlich nicht 
in der Münchener, sondern Deutschen medizinischen Wochenschrift No. 49, 1903, die von Ihnen 
offenbar gemeinte Arbeit veröffentlicht. Ausserdem bin ich kein Gegner, sondern der älteste Befür- 
worter energischer Schutzmassregeln des Untersuchers gegen Röntgenstrahlen, vgl. z. B. Verhandlungen 
des Chirurgenkongress 1898 .. . 

Ihr Irrtum entstand wohl dadurch, «dass ich die Angaben Albers-Schönbergs über die zu- 
lässigen Maximaldosen aus den in dem betreffenden Aufsatz bezeichneten Gründen als nicht glücklich 
gewählt beanstandete. 

Falls Sie mit meiner Berichtigung einverstanden sind, bitte ich Sie, dieselbe den Fortschritten 
einsenden zu wollen. Levy-Dorn. 

Druckfehler. 

In Heft 2 des 8. Bandes ist die Arbeit von De la Camp aus den Physikalisch- Medizinischen 
Monatsheften unter ungenauer Überschrift referiert worden. Das Thema lautet „Das anatomische Sub- 
strat der sogenannten Hiluszeichnung im Réntgenbild.- 


Bücherbesprechungen. 


Walter Guttmann. Elektrizitätslehre für Mediziner, 224 Seiten, 263 Abbildungen 
und zwei lithographische Tafeln. Verlag von Georg Thieme, Leipzig. Preis 4,80 M. 


Die vorliegende Elektrizitiitslehre ist nicht bloss für Mediziner, sondern auch von einem 
Mediziner geschrieben; und wenn es auch zunächst etwas ungewöhnlich erscheinen mag, dass ein der- 
artiges physikalisches Gebiet von einem Mediziner und nicht von einem Physiker dargestellt wird, so 
spricht doch für dieses Unternehmen besonders der Umstand, dass der erstere die Bedürfnisse seiner Fach- 
genossen entschieden besser kennt als der letztere. Thatsächlich lässt denn auch schon das blosse Durch- 
blättern des Buches erkennen, dass dasselbe sämtliche für den praktischen Arzt in Frage kommenden 
Teile der lilektrizitätslehre mit. genügender Ausführlichkeit behandelt, wenn auch allerdings der Röntgen- 
specialist darin natürlich nicht mehr ganz auf seine Rechnung kommt. 

Kine wichtige Frage ist nun aber in diesem Falle offenbar noch die, ob der Inhalt des Buches 
auch sachlich korrekt ist; und in dieser Beziehung kann nun der Referent demselben nur das beste 
Zeugnis ausstellen. Denn wenn auch ein durchgebildeter Physiker sich wohl hin und wieder noch etwas 
präziser ausgedrückt haben würde, so betrifft dies doch durchweg nur nebensächliche Punkte. Berück- 
sichtigt man andererseits noch, dass die Darstellungsweise des Verf. kurz und klar und demgemiiss der 
Inhalt des Werkes im Vergleich zu seiner Seitenzahl ein äusserst reichhaltiger ist, so muss man dasselbe 
unbedingt als eine höchst gelungene Leistung bezeichnen. Die Kapitelüberschriften des Buches lauten: 
I. Einige physikalische Grundbegriffe und ihre Masse. II. Elektrostatik. [fk Der galvanische Strom und 
seine Gesetze. IV. Stromarbeit und Stromeffekt. Wärme- und chemische Wirkungen des elektrischen 
Stromes. V. Elektromagnetismus und Elektrodynamik. Induktionsströme. VI. Elektrische Maschinen 
und Transformatoren. Wechsel- und Drehstréme. VII. Induktionsapparate. VIII. Röntgen- und 
Secquerelstrahlen. Teslaströme. (NB. Die letzteren wären wohl richtiger in einem der vorhergehenden 
Kapitel besprochen.) IX. Die Anwendung der Elektrizität in der Medizin. Walter, Hamburg. 


J. H. Ziegler. Die wahre Ursache der hellen Lichtstrahlung des Radiums. 
Zürich 1905. Preis 1.50 M. 

Verfasser will durch das vorliegende Buch das Rätsel der Radioaktivität „aufs einfachste und 
grindlichste* gelöst haben; dem Referenten ist es indessen nicht gelungen, aus den abenteuerlichen 
philosophisch-physikalischen Darlegungen desselben auch nur eine einzige nützliche Erkenntnis heraus- 
zuschälen. Walter, Hamburg. 


1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Ans- 
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- 
gerichtet worden. [Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und, 
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind 
direkt an die Redaktion Pr. Albers-Schönberg, Klopstockstr. 10, Hamburg, zu richten. 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig. 


To 


Aus der chirurgischen Abteilung des Allg. Krankenhauses Hamburg-St. Georg. 
(Oberarzt Dr. Wiesinger.) 


Beitrag zur Lehre der Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen 
und ihrer Beziehungen zur Coxa vara. 
Von e 
Dr. E. Siebs, Assistenzarzt. 
(Hierzu Tafel XII und XIII.) 


In seinem Aufsatze „über einen operierten und einen nicht operierten Fall von Coxa 
vara traumatica“ vertritt Sprengel(1) die Ansicht, dass diese Fälle häufiger sind, als man 
allgemein annimmt und glaubt, dass für eine grosse Anzahl von Fällen sogenannter reiner 
Coxa vara statica ein in der Anamnese übersehenes Trauma ätiologisch verantwortlich zu machen 
ist. In der That hat sich denn auch die Zahl der bis dahin bekannten Fälle von Schenkelhals- 
brüchen jugendlicher Personen rasch vermehrt, indem Kredel (2), Rammstedt(8), Joachims- 
thal(4)(5), Stieda(6), Wagner(7), Pels-Lensden (8), Hoffa(9), Sudeck(10) und andere 
den bekannten neue Fälle hinzufiigten. Wir wissen durch diese Arbeiten dank der vorge- 
schrittenen Röntgentechnik, dass wir mit der Diagnose der Coxa vara statica vorsichtig sein 
müssen. Dennoch ist die Bedeutung des Traumas für das Zustandekommen der Schenkelhals- 
brüche jugendlicher Personen offenbar sehr verschieden, indem es in einer Anzahl von Fällen 
nur die Stellung eines den Schenkelhalsbruch auslösenden Momentes bei vorhandener Knochen- 
weichheit zu haben scheint, während es in anderen als einzige Ursache hingestellt worden ist. 
Endlich auch sind bei Kindern Schenkelhalsbrüche bekannt geworden, wo das Trauma in der 
Anamnese vollkommen fehlte. Eine Einigung der Autoren über die Bedeutung des Trauma in 
der Ätiologie der Schenkelhalsbrüche jugendlicher Personen und Kinder ist bisher nicht erzielt. 
Neue kasuistische Beiträge zu dieser Frage zu liefern erscheint daher berechtigt. 

In dem Allgemeinen Krankenhause Hamburg-St. Georg sind seit dem Jahre 1901 bis 
zum 1. Juli 1904 im ganzen sechs Fälle von Coxa vara zur Beobachtung gekommen, die nach 
Ätiologie, Grad der funktionellen Störung und Alter der Personen verschieden sind. Eine reine 
Coxa vara statica in dem Kocherschen (11) Sinne, d. h. eine allmählich durch die Berufsthätig- 
keit hervorgerufene, lediglich in der Nähe der Kopfepiphyse sich abspielende Verbiegung des 
Schenkelhalses einer in den Entwicklungsjahren stehenden Person, findet sich unter diesen 
Beobachtungen nicht. An der Hand von operativ gewonnenen Präparaten die Kenntnis. der 
Anatomie der Coxa vara zu fördern, sind wir nicht in der Lage, da keiner unserer Fälle zur 
Resektion des Schenkelhalses geführt hat. Um so mehr Sorgfalt ist auf die gute Wiedergabe 
der gewonnenen Röntgenbilder verwendet worden; vermögen sie auch das anatomische Präparat 
für die Erkennung des feineren Knochenaufbaues nicht zu ersetzen, so lassen sie doch mit 
Sicherheit erkennen, ob ein Bruch vorliegt oder nicht und geben über den Grad und: Sitz der 
Verbiegungen genauere Auskunft, als es das vom Schaft losgetrennte Schenkelhalspräparat 
kann. Das Röntgenbild ist nach einstimmigem Urteil aller Autoren bei der klinischen Unter- 
suchung für die Differentialdiagnose ausschlaggebend. 


238 Siebs. 


Unsere Bilder sind alle mit Hilfe der bekannten Albers-Schénbergschen Kom- 
pressionsblende in Riickenlage der Patienten angefertigt, eine perspektivische Vereichnung ist 
daher auszuschliessen. Naturgemäss kann bei den Röntgenbildern nur der Grad der nach oben 
gerichteten Krümmung des Schenkelhalses, dagegen nicht die mit der Konvexität nach vorne 
gerichtete, von Kocher für charakteristisch gehaltene zur Geltung kommen, dazu ist entweder 
eine stereoskopische Aufnahme nötig oder eine Aufnahme in Beugung und Abduktionsstellung 
des Oberschenkels, wie es Lauenstein(12) für diese Verhältnisse mit Erfolg angewandt hat. 
Jedoch ist dazu eine gute Beweglichkeit der Hüfte Vorbedingung, die in vielen Fällen auf- 
gehoben ist; auch ist es bei jugendlichen und kindlichen Personen meistens möglich, diese Ver- 
biegung, falls sie ausgesprochen ist, unter dem Lg. Touparti deutlich als Höcker durchzutasten. 

Die Bruchlinie liegt in allen unseren Fällen in oder dicht an der Epiphysenlinie und 
insofern haben die Bilder etwas Gleichförmiges, verschieden dagegen sind die Halsverhältnisse 
und die im Anschluss an die Fraktur aufgetretenen Veränderuugen, namentlich der Kopfkappe. 
Um diese schrittweise verfolgen zu können, sind die Fälle so angeordnet, dass die gleich nach 
der Verletzung zur Beobachtung gekommenen zuerst besprochen werden und dann die weiter 
zurückliegenden folgen. 


Fall 1. E. Om., 14 Jahre, Arbeiters Tochter, Krankenhausaufnahme am 15. Dezember 1903. 


Ist vor 14 Tagen auf ebener Erde ausgeglitten und auf die linke Seite gefallen. Hat sofort 
heftige Schmerzen in der linken Hüftgegend verspürt und mit dem linken Bein nicht mehr auftreten 
können. Schon einige Zeit vor dem Unfall hat sie Schmerzen in der linken Hüfte gehabt, wenn sie 
sich nach längerem Sitzen erhob. Hat mit 1!/, Jahren Laufen gelernt, soll keine englische Krankheit 
gehabt haben. 


Befund: Blasses, grazil gebautes Mädchen mit gesunden inneren Organen. Keine Zeichen über- 
standener Rhachitis. 

Der linke Oberschenkel ist in seinen oberen Partien geschwollen, die linke Inguinalfalte ver- 
strichen. Das linke Bein liegt nach aussen rotiert der Unterlage flach auf, die linke Hüfte ist hoch- 
gezogen, das Bein erscheint verkürzt und adduziert. Der Trochanter major steht gut fingerbreit oberhalb 
der Roser-Nélatonschen Linie, Betasten der Gelenkgegend und des Trochanters ist schmerzhaft, die 
aktiven Bewegungen sind völlig aufgehoben, bei passiven erscheint die Hüftmuskulatur gespannt und 
geht die Hüfte mit. Die Temperatur ist subfebril. 

Im Röntgenbilde wird die Diagnose auf frische Fract. colli femoris bestätigt. 


Man sieht (Fig. 1, Tafel XII) eine deutliche Frakturlinie im Verlaufe der Epiphysenlinie. 
Das untere Bruchende der Kopfkappe steht nach unten hin über, sie ist um die sagittale Achse 
gedreht und der Schenkelhals und -Schaft nach oben verschoben. Durch die Drehung und 
Verschiebung der Kopfkappe hat diese das untere Drittel der Gelenkpfanne verlassen. Der 
Trochanter major reicht bis zum oberen Pfannenrande in die Höhe, er tritt in seiner ganzen 
Breite hervor und verdeckt den Ansatz des Halses an den Schaft, namentlich an der oberen 
Seite. Der Hals erscheint erheblich verkürzt. Diese Verkürzung ist bedingt teils durch die 
ihn verdeckenden Knochenbälkchen des Trochanter major, teils durch die bestehende erhebliche 
Aussenrotation, die sich aus dem starken Vorspringen des Trochanter minor erkennen lässt. 

An der oberen Seite unseres Bildes fallen Halsbruchende und Kopfkappenrand in eine 
Linie. Das Bruchende des Halses stösst nirgends an den Pfannenrand. Überall am Ober- 
schenkelknochen tritt die Struktur scharf hervor, es finden sich keine Herderkrankungen, der 
Schaft ist gerade und zeigt keine Andeutung rhachitischer Verkriimmung. Die Epiphysen der 
Trochanteren sind noch gut zu erkennen, ebenso die Nahtstelle der an der Pfanne zusammen- 
stossenden Beckenknochen. 

Wir haben also einen traumatisch entstandenen Schenkelhalsbruch vor uns, der in der 
Kopfepiphyse verläuft. Auffällig muss sofort das relativ leichte Trauma sein, das zur Fraktur 
geführt hat, und es erhebt sich die Frage, ob nicht bereits vor Einwirkung des Traumas ein 
Knochenprozess bestanden hat, der ın der Epiphysenlinie und ihrer Nachbarschaft eine Stelle 
grösserer Nachgiebigkeit geschaffen hat, auf Grund deren dies leichte Trauma den Knochen 


Beitrag zur Lehre der Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen etc. 239 


brechen konnte. Wir erinnern uns, dass bereits vor dem Unfall über Schmerzen geklagt 
wurde, die den Gedanken einer genuinen Knochenerkrankung wesentlich unterstützen. Hof- 
meister(14) hat wiederholt auf die Bedeutung dieses „prämonitorischen“ Schmerzes vor Eintritt 
des „akuten Stadiums“ der Coxa vara für diese Frage hingewiesen. Man sollte nun erwarten, dass 
bei dem Vorhandensein eines vor dem Trauma bereits bestehenden Knochenprozesses dieser 
auch eine durch die Last des Körpers bedingte Verbiegung hervorgerufen hätte. Wenn zu 
der Zeit, wo die Fraktur entsteht, im Röntgenbilde eine Halsverbiegung festzustellen ist, so ist 
man zu der Annahme genötigt, dass der Knochen schon vorher abnorm weich war, und 
namentlich dann besteht dieser Gedanke zu recht, wenn die Verbiegung weit lateral von dem 
frischen Bruche liegt. In der That macht nun der Hals auf dem Bilde Fig. 1 deutlich einen 
flachen Bogen in seinem Verlaufe, dem der Kopf in scharfer Knickung wie der Knopf einem 
römischen Krummstabe aufsitzt. Zur deutlichen Veranschaulichung der Verkriimmung habe 
ich die Konturen des ersten Bildes durchgepaust und hier skizziert, um die sich zum Teil 
deckenden Schatten des Schenkelhalses und Trochanter major von einander zu trennen. 

Man könnte nun einwerfen, dass die Verkriimmung des Halses durch eine perspekti- 
vische Verzeichnung in der Aussenrotationsstellung des Beines hervorgerufen sei... Dass dem 
nicht so ist, lehrt die folgende, von dem Röntgenbild eines gesunden 14jährigen Knaben in 
Aussenrotationsstellung des Beines durchgepauste Skizze, wo der Hals in gerader Richtung 
schräg emporsteigt und im übrigen die gleiche Verkürzung des Halses und Deckung durch 
den Trochanter major statt hat. 

Theoretisch ist wohl denkbar, dass ein verkriimmter Schenkelhals bei einer gewissen 
Rotationsstellung im Röntgenbilde als gerade erscheint, und es ist ohne Frage wichtig in den 
Fällen von Schenkelhalsfraktur bei jungen Personen, wo diese Verkrümmung nicht sichtbar 
ist, bei verschiedenen Rotationsstellungen zu röntgenen. Ganz ausgeschlossen erscheint es 
dagegen auch theoretisch, dass eine gerade Strecke vom Röntgenbilde als gekrümmt wieder- 
gegeben wird. Ich. komme in den nächsten Fällen noch einmal. auf diesen Punkt zurück. 
Etwas anderes ist es, aus dem Röntgenbilde einen Rückschluss auf den Grad dieser Verkrimmung 
machen zu wollen. Derselbe muss bei der geringsten Veränderung der Rotation im Bilde 
genau so varlieren wie die Länge des Schenkelhalses, die Steilheit, mit der er emporsteigt, und 
die Grösse des Schenkelhalswinkels. Lehrreich hierfür sind die Versuche Hofmeisters (13), 
der durch Schattenbilder eines normalen Oberschenkels die durch Verstellung der Lampe und 
Drehung des Knochens veränderte Projektion der Länge und des Neigungswinkels des Schenkel- 
halses zur Anschauung bringt. Aus diesen Experimenten hat sich ergeben, dass, je stärker die 
Aussenrotation ist, desto steiler der Schenkelhals ansteigt und desto kürzer er erscheint, dass 
dagegen seine normale Länge erst bei starker Innenrotation zutage tritt. Die Messung des 
Schenkelhalswinkels allein hat deshalb, auch wenn der Rotationsgrad mit in Rechnung gezogen 
wird, im Röntgenbilde für die wirkliche Grösse des Schenkelhalswinkels wenig Wert. Dasselbe gilt 
im Röntgenbilde für den Alsbergschen Richtungswinkel, d. h. den Winkel, der durch die 
mittlere Längsachse des Schaftes und die Richtung der Kopfepiphyse gebildet wird, obgleich 
dieser Winkel bei bestehender Drehung der Kopfkappe um die sagittale Achse in Fällen von 
Coxa vara stets verkleinert sein wird. Einen gewissen Anhaltspunkt für den Grad der Ver- 
krümmung bei Coxa vara ergiebt dagegen die Differenz des Schenkelhalswinkels von dem 
Winkel, der von dem Schafte einerseits und Mitte der Kopfkappe und Trochanteren anderer- 
seits gebildet wird. Voraussetzung ist dabei natürlich, dass die Verbiegung nicht dicht am 
Trochanter liegt. Dieser Winkel ist in Skizze I (Seite 241) mit d bezeichnet, in Skizze II, 
die normale Verhältnisse abbildet, fällt er mit dem Schenkelhalswinkel zusammen. 

Der Schenkelhalswinkel beträgt in unserem Falle 123°, der Winkel zwischen Schaft 
und Mitte der Kopfkappe und Trochanteren 110°. Der Alsbergsche Richtungswinkel 29° ` 

Eine ausserordentliche Ähnlichkeit hat dieser Fall mit den beiden von Sprengel (1) 
veröffentlichten, in denen auch vor dem Trauma bereits Schmerzen bestanden. Sprengel ist 


240 Siebs. 


jedoch geneigt, den neben dem Bruche bestehenden Halsveränderungen eine sekundäre Bedeutung 
beizumessen, die erst später durch den Bruch hervorgetreten sind, weil das durch Resektion 
gewonnene Präparat des einen Falles an der Verbiegungsstelle des Halses Apposition neuge- 
bildeten Knochens zeigte. Diese Apposition soll durch die veränderten statischen Verhältnisse 
bedingt sein. 

Für unseren Fall erscheint es mir jedoch völlig ausgeschlossen, dass die Verbiegung 
des Schenkelhalses in den 14 Tagen entstanden ist, die zwischen Fall und Krankenhausaufnahme 
liegen, zumal das Mädchen während dieser Zeit bettlägerig gewesen ist. Wir haben im Gegen- 
satze zu Sprengel anzunehmen, dass bereits zur Zeit des Traumas eine krankhafte Knochen- 
weichheit des Schenkelhalses bestand. 

Was den weiteren Verlauf des Krankheitsfalles betrifft, so hat die Behandlung mit 
Extensionsverbänden und monatelang durchgeführter mediko-mechanischer Nachbehandlung ein 
recht unbefriedigendes funktionelles Resultat ergeben; mit dem linken Oberschenkel können nur 
ganz geringfügige Bewegungen ausgeführt werden. Hochstand des Trochanter major um 2 cm; 
wenn die Kranke auf dem linken Bein steht, wird sie unsicher und senkt die gesunde Becken- 
seite (Trendelenburgsches Phänomen). Das Röntgenbild bietet dieselben Verhältnisse. 


Fall 2. Fr. St., 15 Jahre alt, Ackerknecht. Aufgenommen am 1. November 1901. 


Ist vor drei Wochen beim Kutschieren einer zweiräderigen Karre dadurch, dass die Pferde 
durchgingen, rücklings in die Karre gefallen. Hat sofort heftigen Schmerz in der rechten Hüfte verspürt, 
ist aber noch imstande gewesen, wenn auch unter Schmerzen, seiner Arbeit nachzugehen, bis er nach acht 
Tagen beim Gehen ausglitt und zu Boden fiel. Seit dieser Zeit waren die Schmerzen der rechten Hüfte 
so heftig, dass er das Bein nicht gebrauchen konnte. 


Befund bei der Aufnahme: Gut entwickelter, gesunder Junge. Das rechte Bein wird adduziert 
nach aussen rotiert und leicht flektiert gehalten. Von der Spina ant. sup. bis zum inneren Knöchel 
gemessen ist dasselbe 1'/, cm kürzer als das linke, vom Trochanter major aus gemessen sind beide gleich 
lang. Der Trochanter steht ca. 1'', cm oberhalb der Roser-Nelatonschen Linie und springt deutlich 
hervor. Aktive Bewegungen in der Hüfte sind aufgehoben, bei passiven geht das Becken mit. Druck 
auf die Hüftgegend ist schmerzhaft, Krepitation nicht festzustelllen. 

Das Röntgenbild zeigt eine Schenkelhalsfraktur in der Epiphysenlinie. 


Da der folgende Fall dem zweiten in der Krankengeschichte sowie dem Röntgenbilde 
ausserordentlich ähnlich ist, lasse ich ihn sofort folgen. 


Fall 3. D. H., 15 Jahre alt, Laufbursche. Aufnahme am 15. Juni 1904. 


Der Junge giebt an, gestern einen plötzlich auftretenden, heftigen Schmerz in der rechten Hüfte 
bekonmen zu haben, als er sich vom Stuhl erheben wollte. Er konnte nicht aufstehen und musste ins 
Bett getragen werden. Nach wiederholten Fragen giebt er nachträglich an, vor einem halben Jahre eine 
etwa 50 Pfund schwere eiserne Kiste auf der rechten Schulter getragen zu haben. Während des Gehens 
auf ebener Erde hat er einen Stich in der rechten Hüfte bemerkt, der ihn zwang, die Kiste abzusetzen. 
Seitdem dauernd geringen Schmerz in der rechten Hüfte und leichtes Hinken. Ist niemals bettlägerig 
gewesen und hat seine Arbeit als Laufbursche verrichten können. Der Arzt, der ihn vor einem halben 
Jahre der Hüftschmerzen wegen untersucht hat, hat angeblich nichts Krankhaftes finden können. Will 
im letzten Jahre stark gewachsen sein, hat keine Infektionskrankheiten durchgemacht. 

Befund bei der Aufnahme: 163 cm grosser, robuster Junge. Das rechte Bein ist in der Hüft- 
gegend geschwollen, es liegt nach aussen rotiert flach der Unterlage auf und kann auf Verlangen nicht 
angehoben werden. Die rechte Hüfte ist hochgezogen, das Bein erscheint verkürzt und adduziert. Beim 
Versuch, passive Bewegungen mit dem rechten Beine auszuführen, geht die rechte Hüfte mit. Der 
Trochanter major steht 3 cm oberhalb der Roser-Nélatonschen Linie. Vom Trochanter bis zum 
inneren Knöchel gemessen, sind beide Linien 83 cm lang, von der Spina ant. sup. bis zum inneren Knöchel 
das rechte 86 cm, das linke 89. 


In diesem wie dem Röntgenbilde von dem vorigen Patienten (Fig. 2 u.3, Tafel XII) sehen 
wir einen Schenkelhalsbruch, der genau in der Epiphysenlinie, entsprechend dem ersten Bilde, 
verläuft, und die genauere Betrachtung zeigt eine in die Augen springende Übereinstimmung. 
Auch hier wieder Hochstand des Trochanter major, starkes Vorspringen des Trochanters minor 


Beitrag zur Lehre der Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen etc. 241 


und perspektivische Verkürzung des Schenkelhalses, der teilweise durch den Trochanter major 
verdeckt ist. Die Kopfkappe ist nach unten gerutscht und eingerollt, so dass sie den unteren 
Bruchrand des Halses pilzhutförmig deckt; die Drehung der Kopfkappe ist in beiden Bildern 
nicht so ausgesprochen wie in dem ersten Falle Im Falle 2 (Fig. 2) beträgt der Schenkelhals- 
winkel 180° der zwischen Schenkelschaft, Mitte der Kopfkappe und Trochanteren 115°, der 
Alsbergsche Richtungswinkel 20°. Im Falle 8 (Fig. 3) betragen dieselben 140°, 113° und 15°. 
In beiden Fällen ist der Schaft gerade und zeigt sich überall tadellose Knochenstruktur. In 
beiden Bildern kehrt nun die in dem ersten Falle ausführlicher besprochene, bogenförmige, 
krummstabartige Verbiegung des Schenkelhalses lateral von der Epiphysenlinie wieder, die an 
der oberen wie unteren Halskontur gleich deutlich ist. 

Wir haben in beiden Fällen zu erörtern, ob anzunehmen ist, dass die lateral von dem 
Epiphysenbruch befindliche Schenkelhalsverbiegung zur Zeit des Traumas schon bestanden hat 
oder nicht. Für den zweiten Fall ist die Annahme fraglos zu bejahen, denn wenn wir auch 


Alsbergscher 
Richtungswinkel 
Alsbergscher 


Richtungs- 
/\ winkel 


TA 
ir E eee Schenkelhalswinkel 


“=> Schenkelschaft- 


| kopfkappenwinkel | en 


Skizze I. Skizze II, 


zugeben, dass das erste, drei Wochen zurückliegende schwerere Trauma bereits den Bruch an 
der Epiphysenlinie gesetzt hat, und das zweite vielleicht nur die Verschiebung der Fragment- 
enden durch Einreissung des Periostes hervorgerufen hat!), so dürfte es, genau wie in der 
Besprechung des ersten Falles betont, für völlig ausgeschlossen gelten, dass diese Halsverbiegung 
im Verlaufe dieser drei Wochen bis zur Krankenhausaufnahme eingetreten ist, es muss sich 
vielmehr die Überzeugung aufdrängen, dass die beschriebene varische Schenkelhalsverbiegung 
bereits zur Zeit des ersten Traumas bestanden hat. an 

Etwas anders liegen die Verhältnisse in Fall 3. Hier liegt das erste Trauma, wenn 
man überhaupt von einem solchen sprechen will, ein halbes Jahr zurück, und der Junge hat 
während dieser Zeit gehinkt, es ist also wahrscheinlich, dass während dieser Zeit auch die 
Epiphysenlösung schon bestanden hat. Man könnte daher glauben, dass die Schenkelhals- 
verbiegung während dieser Zeit durch die veränderte Beanspruchung zustande gekommen sei. 

Ob diese Annahme jedoch richtig ist, erscheint mir aus Erwägungen unwahrscheinlich, 
die ich anstellen will, wenn wir die beiden folgenden Fälle kennen gelernt haben. 


1) Rammstedt hat experimentell an Leichen nachgewiesen, dass eine sofortige Verschiebung 
der Kopfepiphyse nicht stattfindet, wenn der feste Periostüberzug erhalten bleibt. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. al 


242 Siebs. 


Um über die Lage der Kopfkappe und die etwaige Schenkelhalsverbiegung mit der 
Konkavität nach hinten ein Urteil zu gewinnen, habe ich den Schenkelhals der gesunden und 
kranken Seite unseres dritten Patienten einmal in extremer Innenrotation und einmal in extremer 
Aussenrotation bei flektiertem Knie im Röntgenbilde aufgenommen. Der Vergleich dieser 
Bilder erscheint mir wichtig und der Mitteilung wert. Diese Aufnahmen waren im ersten 
Falle wegen der auftretenden Ankylose im Hüftgelenk nicht mehr möglich, im zweiten Falle 
war mir der Patient nicht zugängig. 

Betrachten wir zunächst die bei der Innenrotation aufgenommenen Bilder (Fig. 5 u. 6, 

Tafel XII), so ist vorweg zu bemerken, dass diese Innenrotation auf der kranken rechten Seite 

nicht so ausgiebig ausgefallen ist, wie auf der gesunden linken; das ist an dem stärkeren 
Hervortreten des Trochanter minor auf der rechten Seite ersichtlich (Fig. 5). Vor allen Dingen 

fallen zwei Umstände auf. Nämlich erstens ist die vorhin beschriebene Schenkelhalsverbiegung 

durch die Drehung des Halses fast ganz zum Verschwinden gebracht, und zweitens sehen wir 

keine Frakturlinie mehr, die durch die um ihre frontale Achse gedrehte Kopfkappe verdeckt 

wird. Dadurch erscheint auch der Hals in seiner Länge verkürzt, während er bei genauem 
Hinsehen durch seinen tieferen Schatten bis zu dem medialen Drittel der Kopfkappe verfolg- 
bar ist (cf. Skizze Ill). 

Auf der gesunden, linken Seite (Fig. 6) dagegen sehen wir einen schlank empor- 
strebenden, geraden langen Hals, eine fast horizontal bogenförmig verlaufende Kopfepiphyse 
und eine kalottenartige Kopfkonfiguration. 

Das Bild der rechten Seite mahnt uns also zu grosser Vorsicht in der Beurteilung 
dieser Verhältnisse und liefert für unsere Betrachtung den exakten Beweis, dass wir aus einem 


AN 


A N 


Skizze Ill. Skizze IV. 


Bilde, das keine Frakturlinie am Schenkelhals zeigt, dieselbe nicht ausschliessen dürfen und 
dass eine Schenkelhalsverbiegung dennoch vorhanden sein kann, obwohl sie in diesem Bilde 
nicht sichtbar ist. 

Ebenso lehrreich sind die bei extremer Aussenrotation und gebeugtem Knie gewonnenen 
Bilder. Der Unterschied der kranken von der gesunden Seite ist evident. Hier (Fig. 7) der 
fast in der Richtung des Schenkelschaftes gerade verlaufende, nach der Kopfkappe zu sich ver- 
breiternde Hals, dem durch eine schmale, gewellte Epiphysenlinie getrennt die Kopfkappe auf- 
sitzt, dort dagegen (Fig. 8) ein leicht konkav nach unten gebogener Hals, der gegen den von 
ihm abgebrochenen Kopf nach oben verschoben erscheint. Der oberen Halskontur sitzt ein 
konvexer Höcker auf, der auf der gesunden Seite fehlt (cf. Skizze IV). Die genaue Messung 
ergiebt auf beiden Seiten die gleiche Halslänge. Die in diesem Bilde hervortretende Verbiegung 


| 


Beitrag zur Lehre der Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen etc. 943 


des Schenkelhalses muss nach der Anordnung der Aufnahme die von Kocher(11) fir die 
Coxa vara statica betonte, nach vorne konvex gerichtete Schenkelhalsverbiegung (vgl. Lauen- 
stein)(12) zur Anschauung bringen. Ob der beschriebene, der konvexen Seite aufsitzende 
Knochenhöcker neugebildeter Knochen ist, halten wir für wahrscheinlich aber immerhin für 
nicht sicher erwiesen. Die Trochanteren sind auf beiden Bildern als kleine Zapfen am Grunde 
des Halses zu erkennen. Der Vergleich der Bilder der kranken Seite ergiebt, dass zwischen 
Hals- und Kopffragment eine knöcherne Verbindung nicht eingetreten und eine reelle Ver- 
kürzung des rechten Schenkelhalses sicher nicht besteht. 

Fall 3 wird zur Zeit noch mit Streckverbänden behandelt. Fall 2 ist hier bis zum 
4. Januar 1902 mit Streckverbänden und mediko-mechanischen Übungen behandelt worden. 
Bei der Entlassung steht in der Krankengeschichte notiert: 


Es besteht noch eine Andeutung von Aussenrotation am rechten Bein, das um 2 cm kürzer ist 
als das linke, der Oberschenkel ist 2 cm dünner als der linke. Die Bewegungen sind aktiv sowie passiv 
deutlich nur im Sinne der Abduktion beschränkt, im übrigen als annähernd normal zu bezeichnen, und 
gelegentlich einer Nachuntersuchung zwecks Begutachtung */, Jahr später konnte das gleiche, auffallend 
gute funktionelle Resultat bestätigt werden. 


Fall 4.1) H. N., Arbeiter, 18 Jahre alt. 


Hat im Juli 1902 als Junge von 16 Jahren mit einem Mitarbeiter einen schweren Balken 
getragen. Der vorne gehende Genosse ist ausgerutscht und hat den Balken von der Schulter gleiten 
lassen. Dadurch hat N. einen heftigen Rückschlag auf seiner eignen rechten Schulter bekommen und 
einen starken Schmerz in der rechten Hüfte gespürt. N. hat noch acht Tage lang weiter gearbeitet, ist 
dann bis zum November 1902 bettlägerig gewesen und kommt im November 1902 wegen dauernder Hüft- 
schmerzen ins Kranhenhaus. Hat mit zwei Jahren laufen gelernt, will angeblich englische Krankheit 
gehabt haben. 

Zur Zeit besteht nun folgender Befund bei der Nachuntersuchung. Kräftig gebauter junger 
Mensch, Körpergrösse 1,58 m. Die Beine sind ungleich lang. Von der Spina ant. sup. bis zum inneren 
Knöchel gemessen ist das rechte 88, das linke 91 cm lang. Vom Trochanter major bis zum inneren 
Knöchel gemessen beiderseits 83 cm. Der Trochanter major tritt stark hervor und überragt die Roser- 
Nélatonsche Linie um 8 cm. Der rechte Oberschenkel ist durchgehends 2!/, cm dünner als der linke, 
die Umfangsmasse der Unterschenkel sind gleich. Das rechte Bein steht adduziert und nach aussen 
rotiert. Bei Bewegungen des rechten Beines geht die Hüfte mit, das Hüftgelenk ist so gut wie völlig 
versteift. Bei diesen Bewegungsversuchen tritt keine Spannung der Oberschenkelmuskulatur auf. Die 
Leistenbeuge ist an einer Stelle flach vorgewölbt, beim Betasten fühlt man hier unter dem Lg. inguinale 
einen walzenförmigen Vorsprung durch, der im ersten Augenblick als Schenkelkopf angesprochen werden 
könnte. Beim Stehen auf dem rechten Beine tritt keine Unsicherheit auf, das Becken bleibt in hori- 
zontaler Lage bestehen. 


Das jetzt angefertigte Röntgenbild ergiebt nun folgenden interessanten Befund (Fig. 9, 
Tafel XIII). Der in der Gegend der Epiphysenlinie gebrochene Schenkelhals lehnt sich mit dem 
oberen Teil seiner Bruchfläche gegen den oberen Pfannenrand und die Beckenwand an und hat 
zu einer sporenartigen Knochenauflagerung auf dieselben geführt. Der untere Teil der Halsbruch- 
fläche ist gegen die obere Hälfte der sich in der Pfanne befindlichen schalenartigen, dünnen 
Kopfkappe angestemmt; es bleibt im Bilde zweifelhaft, ob er mit ihr in knöcherne Verbindung 
getreten ist oder nicht. Die untere Hälfte der Kopfkappe, die nur noch in ihren Konturen 
angedeutet ist, überdacht die untere Halspartie pilzhutartig. Der Gelenkspalt ist in der unteren 
Hälfte verschwunden, in der oberen als schmaler, heller Saum angedeutet. Der Hals nimmt 
nach der Epiphyse hin an Breite zu, er erscheint unten länger als oben, es macht den Ein- 
druck, als wenn oben ein Stück verloren gegangen ist. Trochanter major und minor bieten 


— 


1) Fall 4 und 5 sind von Herrn Dr. Bertlelsmann, früherem Sekundärarzt des Krankenhauses, 
auf der 77. Naturforscherversammlung in Kassel besprochen worden. Ich teile die Krankengeschichten 
hier deshalb nur soweit mit, als sie zur Beurteilung dieser Fälle und zum Verständnis der jetzt 
gewonnenen Röntgenbilder nötig sind. 

3l* 


244 Siebs. 


dieselbe Stellung wie in den bisher besprochenen Bildern. Der Schenkelhalswinkel beträgt 
121°, der Winkel zwischen Schenkelschaft einerseits und Mitte der Kopfkappe und beiden 
Trochanteren andererseits 109°, der Alsbergsche Richtungswinkel 32°. 

Die bedeutende Atrophie der Kopfkappe sowie die Knochenwucherung am oberen 
Pfannenrande ergeben ohne weiteres, dass wir es mit einem schon lange bestehenden Schenkel- 
halsbruch zu thun haben, der eine weit ausgiebigere Verschiebung der Bruchenden erkennen 
lässt als alle bisher besprochenen Bilder. Was ausserdem in besonderem Masse bemerkens- 
wert erscheint, ist der Umstand, dass eine bogenförmige Verkriimmung des Halses mit der 
Konkavitaét nach unten an dem Bilde nicht abzulesen ist. Dass diese Verbiegung damit auch 
in Wirklichkeit nicht besteht, kann allerdings nicht sicher behauptet werden, denn es ist, wie 
wir uns von der Betrachtung des letzten Bildes erinnern, denkbar, dass durch die vorhandene 
Rotationsstellung des Beines diese mögliche Verbiegung so verdeckt wird, dass sie auf dem 
Bilde als gerade Strecke erscheint. Wir können mithin den exakten Beweis nicht erbringen, 
dass der Schenkelhals lateral von dem Epiphysenbruch in gerader Richtung verläuft, sondern 
können es nur als höchst wahrscheinlich daraus schliessen, dass hier nach der ganzen Kon- 
figuration der Trochanteren derselbe Rotationsgrad nach aussen besteht, wie bei den Bildern, 
in denen die fragliche Verkrümmung ausgesprochen vorhanden war (Fig. 1, 2 u. 3). Uns will 
daher scheinen, als ob eine Abknickung nur an der Stelle des Bruches vorliegt, nicht aber eine 
Verbiegung des Schenkelhalses lateral von ihm. Für die Beurteilung des Falles ist diese An- 
nahme, wenn sie richtig ist, von wesentlicher Bedeutung, insofern, als in dem vorliegenden 
Falle dann eine rein traumatische Epiphysenlösung anzunehmen wäre, ohne vorhergehende 
Knochenweichheit. Wichtig für diese Deutung ist fraglos auch die Schwere des Traumas, das 
für das Zustandekommen einer Fraktur an einem gesunden Schenkelhals als durchaus äquivalent 
anzusehen ist; ich will aber auch nicht vergessen, noch einmal hervorzuheben, dass der Kranke 
als Kind Rhachitis gehabt hat und möglicherweise der Knochen doch kalkarm und brüchig 
geblieben ist, obgleich von der früheren Rhachitis andere Reste nicht mehr bestehen. 

Was nun endlich die zunehmende Verbreiterung des Schenkelhalses nach dem Kopfe 
hin betrifft, so müssen wir es unentschieden lassen, ob dieselbe durch die Aussenrotation des 
Halses vorgetäuscht erscheint, oder ob sie durch sekundäre Knochenanlagerung wirklich zu- 
stande gekommen ist, ebenso ist aus dem Bilde auch nicht zu erweisen, ob die scheinbare 
Verkürzung des oberen Schenkelhalsrandes eine reelle ist, hervorgerufen durch den Druck des 
oberen Pfannenrandes, oder ob sie durch die Projektion verkürzt ist. Zu entscheiden ist diese 
Frage nur durch eine Röntgenaufnahme bei Innenrotation, die aber wegen der knöchernen 
Fixation des Gelenkes unausführbar ist. 

N. wird durch seine steife Hüfte und das kürzere rechte Bein wenig bei seiner Arbeit 
belästigt, nur Bücken fällt ihm schwer, dagegen kann er Lasten tragen und den ganzen Tag 
über auf den Beinen sein. 


Fall 5. M. G., Dienstmädchen, 18 Jahre alt. 


Fiel mit 13 Jahren beim Sprung über einen ‘grossen Graben mit der linken Hüfte auf einen 
Stein. Im ersten Augenblicke grosse Schmerzen, die sich aber bald wieder legten und nur ein dumpfes 
Gefühl zurückliessen. Erst nach 1!/, Jahren ging sie wegen erneuter Schmerzen zum Arzt, der ihr vier 
Wochen Bettruhe verordnet hat, wonach die Schmerzen vorübergingen. Nach weiteren 1°?/, Jahren wieder 
heftigere Schmerzen, wiederum vier Wochen Bettruhe und Anlegung eines Gipsverbandes, da dieselben 
nicht nachliessen. Acht Wochen lang hat die Hüfte in Gips gelegen. Da die Beschwerden noch immer 
dieselben geblieben waren, Aufnahme ins Krankenhaus Hamburg St. Georg (1902). Die Diagnose ist 
hier auf einen rechtsseitigen Schenkelhalsbruch gestellt, der durch die damalige Röntgenaufnahme sicher- 
gestellt ist. 

Jetzt ist folgender Befund zu erheben (1. Mai 1904): 

1,61 m grosses, grobknöchiges, kräftiges Mädchen. Das linke Bein ist sichtbar kürzer, beim 
Stehen berührt nur der linke Fussballen den Boden, es steht auswärts rotiert, adduciert und liegt der 
Unterlage flach auf, Beugung und Abduktion nur in geringfügigem Grade ausführbar, darüber hinaus 


Beitrag zur Lehre der Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen etc. 245 


geht die linke Hüfte mit, Rotation überhaupt nicht möglich. Der Trochanter steht 3 cm oberhalb der 
Roser-Nélatonschen Linie. Von der Spin. ant. sup. gemessen, ist das linke Bein 82, das rechte 85 cm 
lang. Vom Trochanter bis zum inneren Knöchel beiderseits 76 cm. Der linke Oberschenkel ist durch- 
gehends 4 cm dünner als der rechte. Kann alle Arbeiten als Dienstmädchen verrichten. Will nur im 
Sitzen das linke Bein nicht heugen können, da es dann in der Hüfte strammt. 


Das Röntgenbild (Fig. 10) zeichnet sich vor den bisher besprochenen dadurch aus, dass 
ein von dem Schenkelhals abgrenzbarer Kopf nicht mehr vorhanden ist. Der kurze, breite Hals 
hat an seiner oberen Kontur dicht vor dem oberen Pfannenrande einen winkelartigen Absatz. In 
die Pfanne hinein geht ein vom Hals untrennbarer, oben abgerundeter Zapfen, dessen untere 
Partie mit der Pfanne verwachsen ist. Auch an der unteren Seite macht der Hals vor dem 
unteren Pfannenrand einen Absatz, der mit dem an der oberen Seite Ähnlichkeit’ hat. Der 
untere Sporn erscheint dadurch zustande gekommen, dass ein leistenartiges Stück des Halses 
mit dem Kopfteil abgebrochen aber nicht völlig losgetrennt ist, denn über dieser schmalen 
Leiste findet sich eine Knochenlücke von ovaler Gestalt, deren Zustandekommen sonst nicht 
erklärt wäre. Eine Bruchlinie ist nicht mehr zu sehen, sie ist nach Analogie mit den früher 
gewonnenen Röntgenbildern an der Stelle verlaufen, wo der Hals sich absatzartig abknickt. 
Der Schenkelhalswinkel beträgt 110°, die anderen Winkel sind nicht zu messen. 

Dies ist der zeitlich am weitesten zurückliegende Schenkelhalsbruch (5 Jahre) unserer 
Fälle, bei dem eine Wiedervereinigung des im einzelnen nicht mehr zu differenzierenden Kopfes 
mit dem Halse in winkeliger Abknickung stattgefunden hat. Wie bei dem vierten Falle 
bestehen auch in diesem Bilde sekundäre Gelenksveränderungen, die klinisch in der starken 
Bewegungsbeschränkung ihren Ausdruck finden. 

Wenn wir uns den Schenkelhals lateral von dem Bruche ansehen, so haben wir analog 
dem Falle 4 festzustellen, dass derselbe in schräg aufsteigender Richtung völlig gerade ver- 
läuft, an der oberen Kontur findet sich nirgends auch nur die Andeutung eines bogenförmigen 
Verlaufes, die untere ist dadurch leicht geschwungen, dass die erwähnte Knochenleiste isoliert 
herabgedrückt ist. Auch in diesem Bilde haben wir eine Verbreiterung des Halses nach dem 
Kopfende hin festzustellen, genau wie bei dem vierten, die sich bier ohne weiteres durch die 
heruntergedrückte Knochenleiste erklärt. 

Wenn wir nun die beschriebenen fünf Fälle miteinander vergleichen, so müssen wir 
sagen, dass sie zwar symptomatologisch so gut wie nichts Neues dem bereits Bekannten hinzu- 
fügen, dagegen scheinen sie mir die wiederholt ausgesprochene Hypothese, dass traumatische 
Epiphysenlösung und sogenannte Coxa vara traumatica verschiedene Dinge sind, zu bestätigen. 
Zwischen den Röntgenbildern unserer fünf Fälle haben wir einen durchgreifenden Unterschied 
konstatieren können. Die ersten drei gehören zusammen, sie zeigen ausser der traumatisch 
entstandenen Epiphysenlösung eine deutliche, bogenförmige Verkrümmung des Schenkelhalses. 
Diese Verkriimmung muss nach unseren Ausführungen in den beiden ersten Fällen bereits 
zur Zeit des Traumas bestanden haben, weil das Trauma erst zwei resp. drei Wochen zurück- 
lag, als die Bilder gewonnen wurden und die Verkriimmung eine so ausgesprochen sichtbare 
ist, dass sie sich während dieser Zeit nicht ausgebildet haben kann. Etwas zweifelhaft wird 
das Urteil bei dem dritten Fall, der die deutlichste bogenförmige Verbiegung des Halses dar- 
bietet. Hier lag das (erste) Trauma 1/, Jahr zurück, daher ist es denkbar, dass sekundäre 
statische Verhältnisse die Verbiegung bedingt haben. Wahrscheinlich ist diese Möglichkeit 
jedoch nicht, weil wir dann auch in dem vierten und fünften Falle, wo die Traumen viel 
weiter vor der Aufnahme der Röntgenbilder zurücklagen — zwei resp. fünf Jahre —, den- 
noch von einer bogenförmigen Verbiegung des Schenkelhalses nicht die Rede sein kann. Im 
Gegensatze zu den drei ersten zeigen die beiden letzten Fälle nur an der Stelle des Bruches 
eine winklige Abknickung. Nach unserer Auffassung sind diese beiden Gruppen nicht gleich- 
wertig und ätiologisch verschieden. Bei der ersten Gruppe haben wir einen verbogenen, 
varisch verkrümmten Schenkelhals vor uns, der bei der geringfügigsten Veranlassung an der 


246 Siebs, 


Epiphyse bricht, bei der zweiten haben wir dagegen einen geraden Schenkelhals, an dem ein 
mittelschweres Trauma einen Bruch an der Epiphyse setzt. 

Dass zu dem Zustandekommen einer Epiphysenlösung mit Coxa vara ein Trauma 
überhaupt nicht nötig ist, zeigt folgender sehr interessante Fall, der für sich allein besprochen 
zu werden verdient. i 


Fall 6. J. W. Sechsjähriges Mädchen. Aufnahme im April 1904. 


Hat, als sie mit 1—1!/, Jahren gehen lernte, allmählich einen wackelnden Gang bekommen, der 
mit dem dritten Lebensjahre ausgesprochen wurde. Das Kind ist in Schädellage geboren, soll keine 
Kinderkrankheiten, vor allem keine englische Krankheit gehabt haben. Es hat nie über Schmerzen 
in den Hüften geklagt und spielt den ganzen Tag umher. Ausser dem wackelnden Gang ist bei dem 
Kinde die Art des Sitzens aufgefallen, es sitzt am liebsten mit gekreuzt untergeschlagenen Füssen bei 
annähernd geschlossenen Knien. Ein Trauma wird bestimmt in Abrede gestellt. Das Kind hat keine 
Geschwister. 


Befund: Das 1,13 m grosse Mädchen hat einen grazilen Körperbau, die Rippenknorpelenden 
sowie die Handgelenke zeigen keine Verdickungen. Wenn das Kind hingelegt wird, lassen die zusammen- 
gelegten Beine keinen Spalt zwischen sich. Es liegt mit hohlem Kreuze, das flach aufliegt, wenn die 
Beine in Knie und Hüften gebeugt werden. Die Hüften treten beiderseits stark hervor, die Trochanteren 
stehen beiderseits 1°), bis 2 cm oberhalb der Roser-Nélatonschen Linic. Es besteht ein leichter Grad 
von Plattfuss ohne Fixation der Fussgelenke. Die gestreckten Beine können nur bis zu einem Abstand 
der Fersen von 43 cm auseinander gebracht werden. Beide Beine liegen leicht nach aussen rotiert der 
Unterlage auf. Auch Beugung und Innenrotation der Beine ist wesentlich gehemmt. Beim Stehen auf 
einem Bein Andeutung des Trendelenburgschen Phänomens, auf der rechten ausgesprochener als auf 
der linken. Bei Druck auf die Mitte der Glutualgegend werden Schmerzen geklagt. Wenn das Kind 
geht, sieht man mässiges aber deutlich ausgesprochenes Wackeln wie bei beiderseitiger Luxatio 
coxae congenita. 

Die Diagnose wurde nach dieser Untersuchung auf beiderseitige Coxa vara gestellt 


Die mit der Kompressionsblende gewonnenen Röntgenbilder zeigen rechts (Fig. 11) wie 
links (Fig. 12) sofort erkennbar einen Schenkelhalsbruch in der Gegend der Epiphysenlinie. 
Der Schenkelhalswinkel des mässig nach aussen gerollten Oberschenkels beträgt auf dem Bilde 
rechts 82, links 85°. Der Alsbergsche Richtungswinkel rechts 20, links 21°. 

Betrachten wir zunächst das Bild der rechten Seite genauer, so sehen wir, dass die 
bedeutende Verbiegung im Sinne der Coxa vara ihren Krümmungsscheitel nicht an der Fraktur- 
stelle hat, sondern es macht den Eindruck, als ob der ganze Schenkelhals von der Trochanteren- 
gegend an herabgedrückt ist. Der Hals zieht von hier in schräger Richtung unter gleich- 
zeitiger, schnabelartiger Verjüngung nach unten. Der medialen Schrägseite dieses Schnabels 
sitzt die an sich nur wenig gedrehte Kopfkappe an. Es ist nicht sicher zu entscheiden, ob 
der schnabelartige Fortsatz ein mit der Kopfkappe abgetrenntes Bruchstück des Schenkelhalses 
ist oder ob es mit diesem in fester Verbindung steht. Der Schatten des Halses ist oberhalb 
der Mitte der in die Länge ausgezogenen Epiphysenlinie weit intensiver als unterhalb, jedoch 
ist eine sichere Frakturlinie zwischen den beiden verschiedenen Schatten des Halses nicht zu 
erkennen. Auf dem Bilde der linken Seite (Fig. 12) dagegen sieht man deutlich die rechts 
vermutete, fast senkrecht verlaufende Frakturlinie am Kopfende des Halses, die sich oben an die 
Epiphysenlinie hält, unten aber dieselbe verlässt und einen Teil des Halses mit der Kopfkappe 
in Verbindung geblieben zeigt. Hier ist also sicher ein Teil des Halses mit der Kopfkappe 
zusammen abgerissen. | 

Beide Bilder zeigen normale Pfannenverhiiltnisse, scharfe Knochenstruktur, der in der 
Höhe des oberen Pfannenrandes stehende Trochanter major hat noch eine wohlerhaltene Epi- 
physenlinie. Eine rhachitische Verkrümmung findet sich am Oberschenkelknochen nicht. 

Der Krankengeschichte nach haben wir einen Knochenprozess vor uns, der in die Er- 
scheinung trat, als das Kind laufen lernte. Wir haben anzunehmen, dass die beschriebenen 
beiderseitigen Epiphysenlösungen bereits seit dieser Zeit bestehen. Ob sie der vorgeschrittenen 
Schenkelhalsverbiegung vorangegangen oder mit ihr gleichzeitig aufgetreten sind, ist natürlich 


Beitrag zur Lehre der Schenkelhalsbrüche jugendlicher und kindlicher Personen etc. 947 


nicht zu sagen. Es ist genau so berechtigt anzunehmen, dass die nach dem Schenkelhalsbruche 
veränderten statischen Verhältnisse die Verbiegung des Halses bedingten, als zu glauben, dass 
derselbe Knochenprozess beide Erscheinungen gleichzeitig hervornef. Der Fall hat mit den 
drei zuerst besprochenen Ähnlichkeit, insofern, als ausser der Epiphysenlösung eine Schenkel- 
halsverbiegung besteht, es fehlen aber die begleitenden Schmerzen und das Trauma. Der 
Scheitel der Halsverbiegung ferner liegt nicht in der Nähe des Bruches, sondern dicht am 
Trochanter. Die Erklärung für den verschiedenen Sitz dieser Verkrümmung dürfte darin zu 
suchen sein, dass bei dem noch wachsenden jugendlichen Schenkelhals diese fragliche Ver- 
biegung um so näher dem Schafte liegen muss, je früher sie zeitlich einsetzt, wie das von 
verschiedenen Autoren bereits hervorgehoben worden ist (13) (15). Unsere Bilder von spontaner 
Epiphysenlösung bei einem Kinde gleichen einem von Joachimsthal(4) und einem von 
Kredel (2) veröffentlichten Fall wie ein Ei dem andern. In diesen ‚beiden Fällen ist die 
Epiphysenlösung und Schenkelhalsverbiegung einseitig. Im Falle Joachimsthal handelt es 
sich um ein 51/, jéhriges, gesundes Mädchen, das nach einem Sprung durch einen Reifen zu 
hinken angefangen hat; im Falle Kredel ist das Hinken im vierten Lebensjahre aufgetreten, 
ein Trauma ist hier nicht vorangegangen. Das Bild dieses letzten Falles lässt, wie unseres auf 
auf der linken Seite, eine senkrecht verlaufende Bruchlinie erkennen, das untere, mediale Hals- 
stück ist mit der Kopfkappe zusammen abgerissen, während bei dem Falle Joachimsthal 
eine reine Epiphysenlösung vorhanden zu sein scheint. Kredel ist der Ansicht, dass auch in 
dem Falle Joachimsthal das leichte Trauma nur die Bedeutung eines auslösenden Moments 
bei bestehender Knochenweichheit haben könne und ist geneigt, in beiden Fällen die Rhachitis 
als Ursache für diese Knochenweichheit anzusprechen, weil in beiden Bildern rhachitische 
Knochenverkriimmungen der Schenkelschäfte bestehen. Diese sind in unserem Falle nicht 
vorhanden, auch hat die Untersuchung der unteren Femur- und Radiusepiphysen im Röntgen- 
bilde keine Verbreiterung und Zackung der Epiphysenlinien ergeben. 

Man könnte daher in unserem Falle meinen, die Coxa vara sei angeboren. Durch 
die Arbeiten von Albert(16) und Joachimsthal(17) kennen wir eine Coxa vara congenita, 
Bei diesen Fällen hat sich entweder eine angeborene Defektbildung oder Luxation eines Ober- 
schenkels und sozusagen „funktionelle“ Verbiegung des anderen Schenkelhalses gefunden oder 
es handelte sich auch um beiderseitige Schenkelhalsverbiegung aber ohne sichtbare Epiphysen- 
lösung (Joachimsthal). Für unseren Fall muss eine spätere, nach der Geburt eingetretene 
Knochenweichheit der Schenkelhälse angenommen werden, wenn wir eine angeborene Deformität 
der Schenkelhälse ausschliessen können und bei der Geburt, wie mir bestimmt versichert worden 
ist, keine Gewaltwirkungen stattgefunden haben, die zu einer Fraktur hätten führen können. 
Ein endzündlicher Prozess kann wohl kaum in Frage kommen; von vornherein wäre dabei nur 
an Tuberkulose zu denken. Gegen diese spricht die Beiderseitigkeit, das Fehlen jeglicher 
Schmerzen und auch der Befund des Réntgenbildes. Einen instruktiven Vergleich für die Ver- 
schiedenheit der in Frage stehenden Art der Coxa vara mit einer Tuberkulose des Schenkel- 
halses, die zu einer spontanen Lösung der Kopfepiphyse geführt hat, giebt das Bild (Fig. 13, 
- Tafel XIII), das von einem siebenjährigen Jungen herrührt, der, als das Bild gewonnen 
wurde, ein Jahr lang wegen Coxitis in Behandlung stand. Auf die klinische Seite dieses 
Falles gehe ich nicht weiter ein, sondern erwähne nur, dass die weiter fortgeführte Beobachtung 
das Bestehen eines tuberkulösen Schenkelhalsprozesses sehr wahrscheinlich gemacht hat. Der 
Unterschied zwischen den Röntgenbildern fällt sofort in die Augen. Die um die sagittale 
Achse nach unten gedrehte und nach unten verrutschte Kopfkappe sitzt hier wie abge- 
brochen einem kurzen, plumpen, lückenhaften Schenkelhals auf, dessen Begrenzung und Struktur 
unscharf und verwaschen ist. Der Hals erscheint durch den Krankheitsprozess aufgezehrt, der 
bereits auch auf den Trochanter major übergegriffen hat. Ganz anders in unseren Bildern von 
Epiphysenlösung, wo keine Einschmelzung von Gewebe, sondern nur Verschiebung der Bestand- 
teile stattgefunden hat. Wir würden nach Zurückweisung der auseinandergesetzten Möglich- 


248 Sicbs. 


keiten zu dem Schlusse kommen, dass es sich in unserem Falle dennoch um eine rhachitische 
Knochenweichheit handelt, die zur Epiphysenlösung und Schenkelhalsverkriimmung geführt hat, 
obwohl sonstige rhachitische Veränderungen an dem Mädchen nicht nachzuweisen sind. Durch 
eine sehr sorgfältige mikroskopische Untersuchung eines durch Resektion gewonnenen Präparates 
von Coxa vara durch Haedke(18) wissen wir, dass es eine sich im Schenkelhals lokalisierende 
Rhachitis giebt, für die das übrige Knochensystem nichts erkennen lässt. Es handelt sich in 
dieser Untersuchung um einen 17jährigen Knecht, der ohne Trauma mit Coxa vara erkrankt 
ist. An dem Schenkelhalspräparat ist der Kopf pilzhutförmig verzogen und dem kleinen 
Trochanter genähert. Die Epiphysenlinie ist mikroskopisch stark rhachitisch verändert, nur 
im unteren medialen Teile geradlinig, dann von dunkelroten Partien jungen Knochens unter- 
brochen, während kleinere und grössere Inseln von bläulichem Knorpelgewebe zu beiden Seiten 
besonders nach der Diaphyse hin liegengeblieben sind. Auch am Übergange des Epiphysen- 
knorpels in die Diaphyse ist die Zone der säulenartigen Knorpelzellschichtung verbreitert und 
der Knorpel ohne Schichtung gewuchert, ferner finden sich maschenartige Einlagerungen 
osteoider Substanz in den Knorpel. 

Wenn wir also der beschränkten, eigenartigen und offenbar seltenen Lokalisation wegen 
kein Bedenken zu tragen brauchen, Rhachitis in unserem letzten Falle anzunehmen, wie es 
auch Kredel in seinem Falle gethan hat, so haben wir eine weitere Stütze für diese Auf- 
fassung zunächst in dem Alter des Kindes, in dem der Prozess einsetzte. Ferner scheint mir 
aber auch das Röntgenbild zu dem Beweise beizutragen. Rhachitische Spontanfrakturen sitzen 
gerne an den Epiphysen und brechen ein Stückchen der Diaphyse mit ab. In Fig. 14, Tafel XIII 
ist eine solche Spontanfraktur an der unteren Femurepiphyse bei einem schwer rhachitischen 
Kinde abgebildet. Während die rhachitische Verkrümmung im unteren Drittel der Diaphyse 
sitzt, ist nicht hier, sondern an der Epiphyse eine (spontane) Fraktur eingetreten und ein 
Stückchen der Diaphyse mit abgerissen. Wieviel leichter wird eine Fraktur an dem mit seiner 
Achse schräg zu der Körperbelastung stehenden Schenkelhals eintreten können! 

Ob die Annahme emer sogenannten Spätrhachitis auch für unsere ersten drei aufge- 
führten Fälle zu recht besteht, oder ob wir eine juvenile Osteomalacie (Kocher) vor uns 
haben, muss ich dahingestellt sein lassen. Es wäre zu gewagt, aus unseren Röntgenbildern 
daraufhin Schlüsse ziehen zu wollen, da beide Prozesse, wenn sie nicht sehr ausgesprochen 
sind im Röntgenbilde, nichts Charakteristisches haben. Als Beweis für diese letztere Behauptung 
ist in Fig. 15, Tafel XIII noch das Röntgenbild eines osteomalacischen Schenkelhalspräparates 
einer 60 jährigen Frau abgebildet, wo eine Schenkelhalsverbiegung durch Einknickung dicht am 
Trochanter zustande gekommen ist. Das Bild zeigt eine tadellos erhaltene Knochenstruktur, 
eine Rarefizierung der Knochenbälkchen ist nicht sicher zu erkennen, und dennoch hat das 
mikroskopische Präparat nach der Untersuchung durch Herrn Prosektor Fr. Simmonds aus- 
gesprochene osteomalacische Veränderungen ergeben. 

Für Fall 4 und 5 haben wir zu beweisen versucht, dass das Röntgenbild nicht berechtigt, 
einen weichen Knochen anzunehmen, sondern durchaus dafür spricht, dass wir einen normalen 
oder wenigstens annähernd normalen Knochen vor uns haben. 

Fassen wir das Ergebnis unserer Betrachtungen noch einmal kurz zusammen, so ergiebt 
sich etwa folgendes: 

1. Eine Reihe von sogenannter Coxa vara traumatica bei jugendlichen Personen ist 
nichts anderes als eine Schenkelhalsepiphysenlösung auf Grund einer pathologischen Knochen- 
weichheit des Schenkelhalses. 

2. Für das Zustandekommen dieser Epiphysenlösung bildet ein leichtes Trauma oft die 
äussere Veranlassung. Die Epiphysenlösung kann aber auch spontan auftreten. 

3. Die Knochenweichheit dokumentiert sich in einer schon zur Zeit des Traumas -im 
Röntgenbilde nachweisbaren Schenkelhalsverbiegung. 


Zur Röntgenlokalisation okularer Fremdkörper. 249 


4. Dass es Fälle reiner Coxa vara traumatica giebt, bestätigen die Fälle 4 und 5, bei 
denen sich eine Schenkelhalsverbiegung nicht nachweisen lässt, obwohl das Trauma bereits 
weit zurückliegt. 

5. Der Epiphysenlösung mit Schenkelhalsverbiegung bei jugendlichen Personen ent- 
sprechend, kommt eine solche auch bei Kindern mit und ohne Trauma vor. Unser Fall (6) 
zeichnet sich vor dem bisher bekannten durch Doppelseitigkeit aus. 

6. Die Röntgenbilder lassen für die der Knochenweichheit zugrunde liegenden Prozesse 
keine sicheren Schlüsse zu. 

7. Für die Frage, ob bei der Coxa vara ein Epiphysenbruch und eine Halsverbiegung 
vorliegt, muss man in der Beurteilung des Röntgenbildes sehr vorsichtig sein und nach Mög- 
lichkeit Bilder in verschiedener Rotationsstellung des Beines anfertigen. 


Litteratur. 


1. Sprengel: Über einen operierten und einen nicht operierten Fall von Coxa vara traumatica. 
Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1899. 
2. Kredel: Über den Zusammenhang von Trauma, Epiphysenlösung und Coxa vara. Deutsche 
Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 54. . 
3. Rammstedt: Übertraumatische Lösung der Femurkopfepiphyse und ihre Folgeerscheinungen. 
Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 61. 
4. Joachimsthal: Über Coxa vara traumatica infantum. Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 60. 
5. Derselbe: Über Wesen und Behandlung der Coxa vara. Sammlung klin. Vorträge. Neue 
Folge. No. 215. 
6. Stieda: Zur Coxa vara traumatica. Archiv für klin. Chirurgie, Bd. 63. 
7. M. Wagner: Die Coxa vara, eine zusammenfassende Betrachtung über den heutigen Stand 
dieser Frage. 
8. Pels-Leusden: Über die sogenannten Schenkelhalsfrakturen. Archiv für klin. Chirurgie, Bd.66. 
9. Hoffa: Über Schenkelhalsbrüche im kindlichen und jugendlichen Alter. Zeitschrift für 
orthopäd. Chirurgie, Bd. 8, 9 und 10. 
10. Sudeck: Statische Schenkelhalsverbiegung nach Trauma (Coxa vara traumatica). Central- 
blatt für Chirurgie 1899. 
11. Kocher: Zur Coxa vara. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Bd. 38 und 40. 
12. Lauenstein: Nachweis der Kocherschen Verbiegung des Schenkelhalses bei der Coxa vara 
durch Röntgenstrahlen. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Bd. IV, S. 61 und folgende. 
13. Hofmeister: Zur Pathologie und Therapie der Coxa vara. Beiträge zur klin. Therapie, Bd. 21. 
14. Hofmeister: Diskussion der Verhandlungen der deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1899. 
S. 62 und 63. . 
15. Manz: Die Ursachen der statischen Schenkelhalsverbiegung. Beiträge zur klinischen 
Chirurgie, Bd. 28. 
16. Albert: Zur Lehre von der sogenannten Coxa vara und valga. 
17. Joachimsthal: Die angeborenen Verbildungen der unteren Extremität. Fortschritte auf 
dem Gebiete der Réntgenstrahlen. Ergänzungsband 8. 
18. Haedke: Zur Ätiologie der Coxa vara. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Bd. LXVI. 


Zur Röntgenlokalisation okularer Fremdkörper. 
Von 
Dr. med. S. Holth, Augenarzt in Christiania. 
(Hierzu Tafel XIV, Fig. 1—3.) l 
Seit Juli 1902 benutze ich folgendes Verfahren zur Röntgenlokalisation von Fremd- 
körpern im Auge oder Orbita. 


Nach Einträufeln von Cocain (samt Adrenalin, wenn das Auge sehr hyperämisch ist) 


wird am oberen und unteren Ende des Vertikalmeridians durch die Pupille unmittelbar am 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 32 


250 


Holth. 


Limbus eine kleine Lokalisationsmarke mit einer einfachen Sutur in der Bindehaut befestigt. 
(Fig. 1.) Die Lokalisationsmarke (Fig. 2) ist ein kleiner plankonvexer bleierner Knopf von 2 mm 


Fig. 1. 


Durchmesser, mit 2 Löchern versehen, die 
auf der konvexen Seite durch eine seichte 
Furche vereint sind, worin der dünne seidene 
Faden (Turner Nr. 0, am besten schwarz) ver- 
senkt liegt. 

Der Patient setzt sich auf einen ge- 
wöhnlichen Stuhl, während ein in die Höhe ver- 
stellbares Lokalisationsstativ (Fig. 3) vor ihn 
in einer solchen Höhe gestellt wird, dass er das 


Kinn bequem auf der Kinnstütze ruhen lassen kann, die Schläfe der ladierten Seite gegen einen 
Rahmen gekehrt, worin eine photographische Platte (13><18 cm) angebracht ist. Eine Metall- 
spatel, mit ein wenig steriler Gaze umwickelt, wird zwischen die Zahnreihen, die zubeissen, 
untergebracht, während das freie Ende der Spatel in einer Metallgabel festgeschraubt wird, die 


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Fig. 3. 
Lokalisationsstativ während der Exposition 
einer occipito-frontalen Platte vor dem 
rechten Auge, 


mit der Kinnstütze verbunden ist. Hierdurch 
wird die Unbeweglichkeit des Kopfes während 
der 2 notwendigen Expositionen gesichert. Die 
Unbeweglichkeit der Augen wird gesichert, in- 
dem der Patient mit dem unbeschädigten Auge 
ein kleines, 1 oder 2 m entferntes, in gleicher 
Höhe wie das Auge des Patienten angebrachtes 
weisses Objekt auf schwarzem Grund fixiert. 
Wenn das unverletzte Auge sehr amblyopisch ist, 
kann es eine Lichtflamme fixieren. 

Nun wird zuerst eine bitemporale Platte 
genommen, indem das Crookesrohr auf die Seite 
der gesunden Schlife angebracht wird, so dass 
die Antikathode sich genau in der Höhe des Auges 
und ungeführ 40 cm von der photographischen 
Platte befindet, die gegen die Schläfe der ladierten 
Seite anliegt, dem Sagittalplane parallel. Nach 
geendeter Exposition kann die Platte entfernt 
werden, ohne dass der Patient seinen Kopf bewegt. 
Dann wird eine Platte (9><12 cm) vor das lädierte 
Auge gestellt, dem Frontalplan parallel; die Platte 
wird in eine mit Schrauben versehene Klammer 
fixiert und muss ein wenig schräg gegen die Nase 
auf der Seite des lädierten Auges anliegen (Fig. 3); 
hierdurch - wird erreicht, dass das unverletzte 


Zur Röntgenlokalisation okularer Fremdkörper. 251 


Auge noch sehen und dieselbe Fixation wie während der Exposition der sagittal gestellten 
Platte beibehalten kann. Die Crookesröhre wird nun hinter dem Kopf des Kranken mit der 
Antikathode in genau derselben Höhe wie während der ersten Exposition angebracht. 

Auf beiden Platten zeigt sich nun der Schatten der beiden Bleimarken und eventuell 
des Fremdkörpers. Der Abstand wird direkt auf den Platten mittels eines Millimetermasses 
gemessen. Wegen der Entfernung zwischen den Bleimarken und den photographischen 
Platten sind die Dimensionen auf den letzteren ungefähr 10°/, vergréssert. Man kann also 
ohne Berechnung den Platz eines Fremdkérpers im Verhältnis zu 2 anatomisch wohl charakteri- 
sierten Punkten auf der Oberfläche des Auges bestimmen. Intraokuläre Fremdkörper in der 
vordersten Hälfte des Bulbus werden mit grösster Leichtigkeit genau lokalisiert. Sitzt der 
Fremdkörper nahe (vor oder hinter) der hinteren Bulbuswand wird es auch nicht schwer sein, 
seinen intra- oder extraokularen Platz zu bestimmen, vorausgesetzt, dass die Refraktion des 
lädierten Auges entweder schon bekannt ist oder bestimmt werden kann. Man geht davon aus, 
dass der axis antero-posterior des emmetropischen Auges 24 mm ist und nimmt an eine Ver- 
längerung oder Verkürzung von 1 mm für 3 Dioptrien Refraktionsanomali. Gewöhnlich kann 
die Refraktion nicht bestimmt werden wegen intraokularen Blutens oder traumatischen Katarakts. 
Da aber Anisometropien von mehr als 3 Dioptrien sehr selten sind, kann man in der Regel 
annehmen, dass die Längenachse des verletzten Auges nicht mehr als höchstens 1 mm von 
der des unverletzten differiert. Wenn das unbeschädigte Auge emmetropisch ist, und die Masse 
auf den 2 Platten (nach Reduktion der Vergrösserung) ein Fremdkörper im Sagittalplan durch 
die Mitte der Pupille 20 mm hinter der Verbindungslinie zwischen den Schatten der 2 bleiernen 
Zeichen oder 23 mm hinter dem Zentrum der vordersten Hornhautfläche nachgewiesen haben, 
muss man annehmen, dass der Splitter intraokulär ist; sind die erwähnten Abstände 24 mm 
bez. 27 mm, hat der Splitter wahrscheinlich die hintere Wand des Auges perforiert. 

Ist der Splitter dem Sagittalplan durch die Mitte der Pupille nasal oder temporal 
gelegen, werden die bezüglichen Masse kürzer sein.') Ich habe eine Erleichterung in der Be- 
urteilung des intra- oder extraokularen Sitzes in solchen Fällen gefunden, 
indem ich eine Metallkugel von 24 mm Durchmesser benutzt habe, auf 
welcher ein Ritz der Hornhautgrenze, der Pupille und der 2 Bleimarken 
gezeichnet ist. (Fig. 4) Zur Kugel gehört ein Satz Metallringe, wovon 
der grösste einen 24 mm inwendigen Durchmesser hat und so zu dem 
Halbierungsplan der Kugel passt; die übrigen. Ringe können auf die 
Kugel in jeden zweiten Millimeter tangentialer Entfernung gelegt werden 
(durch Strichelung in Fig. 4 angedeutet). 

Überträgt man die Masse von der Platte innerhalb dieser Ringe, kann auch der 
Sitz lateral gelegener Fremdkörper mit so grosser Grenauigkeit wie überhaupt möglich 
bestinnmt werden. 

Eine Schwierigkeit kann bei der Benutzung meiner 2 Lokalisationsmarken während 
occipito-frontaler Exposition gedacht werden: Ein Fremdkörper von weniger als 2 mm Durch- 
messer könnte hinter einer der Marken liegen. Der Schatten des Fremdkörpers würde 
dann nur auf der bitemporalen Platte erscheinen. Man muss in dem Falle die Expositionen 
noch einmal machen und die betreffende Marke im Limbus ein wenig lateral anbringen. 


1) Anmerkung während der Korrektur. Ich habe eben einen Eisensplitter (2><1,5><1 mm) 
aus der Netzhaut eines emmetropischen Auges entfernt. Linse und übrigen Medien waren klar, den Sitz 
des Splitters konnte ich mit dem Augenspiegel genau bestimmen; eine knappe Papillenbreite nasal vom 
nasalen Rande der Papille. Ich schickte doch den Kranken mit den Bleimarken an Kollegen S. A. Heyer- 
dahl: in der bitemporalen Platte (Tafel XIV, Fig. 2) war der Fremdkörperschatten 20 mm hinter der 
Vertikale durch das vordere Ende der zwei Bleimarkenschatten; in der occipito-frontalen Platte (Tafel XIV, 
Fig. 1) war der Fremdkörperschatten 4 mm nasal von der Vertikale durch die zwei Bleimarkenschatten 
entfernt. Die Entfernung zwischen diesen war in beiden Platten 13,5 mm; die Horizontale durch den Fremd- 
körperschatten halbierte in beiden Platten genau die Verbindungslinie zwischen den Bleimarkenschatten. 

32* 


+, 


252 Holth. 


Ich will doch bemerken, dass ich bisher trotz vieler Fälle nicht nötig gehabt habe dies 
zu tun; denn der Schatten des Fremdkörpers ist immer entweder unmittelbar neben dem 
Schatten des Lokalisationszeichens oder auch als eine Verlängerung desselben erschienen. | 

Doch giebt es ein absolutes Hindernis gegen die Anwendung der occipito-frontalen 
Exposition: dass das nicht lädierte Auge so blind ist, dass es nicht einmal eine Lichtflamme 
fixieren kann. 

Wenn das lädierte Auge die Lichtflamme sehen kann, muss man erst eine bitemporale 
Platte nehmen und dann noch eine, nachden man die Antikathode, der Sagittalfront parallel, 
6 bis 7 mm bewegt hat. Die Platten müssen dann stereoskopisch betrachtet werden, und der 
Sitz des Fremdkörpers muss nach Gutachten bestimmt werden. Die Stereoskopie ist eben nur 
eine Schätzung — keine Messung. Wenn in solchen Fällen auch nicht das lädierte Auge die 
Lichtflamme fixieren kann, ist Röntgenlokalisation eines intraokularen Fremdkörpers überhaupt 
nicht möglich; es wäre denn, wenn es gelingen könnte, das anästhesierte Auge während der 
Exposition mit 1 oder 2 Pinzetten zu fixieren. 

Occipito-frontale Exposition bei intraokularen Fremdkörpern werden schon in den ersten 
Tagen der Röntgenphotographie versucht, aber wieder verlassen, nachdem Weiss und Klingel- 
höfer mitgeteilt hatten, dass sie hierdurch nur negative Ergebnisse bekommen hatten. Es ist 
indessen das Ganze nur eine technische Frage: die occipito-frontale Exposition muss 4 bis 
6 Mal länger als die bitemporale sein, die mit den gegenwärtigen Crookesröhren und schnellen 
Platten nicht mehr als 10—15 Sekunden zu dauern braucht. Auf der occipito-frontalen Platte 
sieht man (Tafel XIV, Fig. 1) freilich trotz der besten Exposition nie so viele Einzelheiten 
des Knochenbaues des Kraniums als auf der bitemporalen Platte (Tafel XIV, Fig. 2 und 8); 
doch wird der Schatten der bleiernen Marken und der Fremdkörper auf dem Negative deutlich 
genug — wenn auch häufig nicht so deutlich, dass sie sich zur Kopierung und Reproduktion 
eignen;!) ich habe den Schatten von nur 0,5><1 mm grossen Splittern in der occipito-frontalen 
Platte gesehen ja mitunter im Schatten der Bleimarken die zwei feine Löcher. 

Die Idee, die Lokalisationsmarken auf die Oberfläche des Auges selbst anzubringen — 
anstatt wie gewöhnlich am Orbitalrande und in der Schläfe — ist auch früher zur Anwendung 
gebracht. In der Diskussion zu Mackenzie Davidson’s Vortrag auf dem IX. int. ophth. 
Kongress in Utrecht äusserte Mac Hardy,’) dass man einen Streifen Zinnfolie auf die 
Oberfläche des Auges fixieren könne. Cowl und Lehmann?) plazierten eine kleine Schale 
von Goldblech auf die Hornhaut und exponierten, ausser bitemporal, auch auf einer Platte 
zwischen den Zahnreihen des Patienten angebracht;?) eine occipito-frontale Exposition wird 
ja hier unmöglich. Webster Fox°) exponierte wie ich bitemporal und occipito-frontal und 
liess als Lokalisationsmarke einen Korb aus Metalldraht in der Form einer kleinen Prothese 
machen, die in den Konjunktivalsack angebracht wurde. Dieses Verfahren ist aber sehr 
schwerfällig, indem für jeden neuen Fall eine neue abgepasste Prothese aus Metalldraht 
gemacht werden muss, die trotz der best möglichen Form selbst von dem cocainisierten 
Auge sehr schlecht vertragen wird; dadurch wird die Fixation des gesunden Auges sehr 
beschwerlich. Meine Bleimarken werden wegen ihrer flachen plankonvexen Form und wegen 
des Sitzes im Limbus selbst nach Aufhören der Cocainaniisthesie fast nicht empfunden. Meine 
erste Lokalisationsmarke (Juni 1902), ein feiner dem Limbus angepasster Metallring, wurde 
nicht so gut vertragen. 

Ich habe im Laufe der Jahre viele der in der Litteratur empfohlenen Verfahren 


1) In der letzten Zeit teilt mir Heyerdahl mit, dass die Resultate besser werden durch An- 
wendung einer Bleiblende zwischen Hinterkopf und Antikathode. 

2) Compte rendu. Amsterdam. 1900. S. 123. 

5) Centralblatt für Augenheilkunde. Oktober 1902. 

1) Natürlich kann man auch eine solche Aufnahme unter Verwendung meiner Bleimarken machen. 

6) Philadelphia Polyclinie. Januar 1902 (?) 


Zur Röntgeulokalisation okularer Fremdkörper. 258 


zur Lokalisation intraokularer Fremdkörper versucht; mit den meisten können gute Erfolge 
erreicht werden. 

Ich habe aber mit keinem Verfahren auch nur annähernd so sichere Erfolge erreicht 
wie mit demjenigen, das ich die letzten 2 Jahre benutzt habe. 

Ausser sicherer Lokalisation vieler Fremdkörper in der Linse, im Glaskörper und Orbital- 
gewebe habe ich zu wiederholten Malen den Sitz des Splitters in der hinteren Wand des Aug- 
apfels diagnostizieren und, wenn von Eisen, durch Magnetoperation extrahieren können. 


Fig. 5. 


Zweimal habe ich durch Meridionalschnitt mit passenden Pinzetten mit fein durch- 
löcherten Blätten (Fig. 5) kupferne Splitter (Zündhütchenfragmente) aus dem Glaskörper 
extrahieren können; in beiden Fällen war es traumatischer Katarakt, so dass Lokalisation nur 
durch Röntgenphotographie möglich war. 

Einen Fall: Eisensplitter in einem Processus ciliaris werde ich besonders erwähnen; 
der Splitter (1><1><2 mm) konnte im Verhältnis zur unteren Bleimarke so genau lokalisiert 
werden, dass ich gerade auf ihn einschneiden konnte; nach einem T-förmigen Schnitt durch 
Sclera plazierte ich die Spitze eines kräftigen Handmagnets auf Corpus ciliare, der sich mitten 
in der Wunde gipfelte; mit einer Schere aus gehärtetem Neusilber machte ich gerade unter der 
Spitze des Magnets einen Schnitt, worauf der Eisensplitter sofort herauskam. 

Die Originalaufnahmen der Figuren Tafel XIV, 1, 2 und 3 verdanke ich Herru Dr. S. 
A. Heyerdahl, Christiania. 

Bleimarken (Fig. 1 und 2), Metallkugeln mit Metallringen (Fig. 4) und Fremdkörper- 
pinzetten (Fig. 5) werden von Herrn Instrumentenmacher Gallus, Pilesträdet 7, Christiania, 
verfertigt. 

Das Lokalisationsstativ wird in Jacobsens elektrischer Werkstätte, Pilesträdet 25, 
Christiania, fabriziert. (Preis 60 Kr. ohne den schweren Eisenfuss, den man am bequemsten 
in seinem Wohnorte herstellen lässt.) 


Tafelerklärung. 


Tafel XIV. Fig. 1. Occipito-frontale Exposition. Eisensplitter in der Netzhaut nasal eine 
knappe Papillenbreite vom nasalen Rande der Papille des linken emmetropischen Auges mit dem Augen- 
spiegel zu sehen. (22jähriger Commis ) 

Fig. 2. Bitemporale Exposition von demselben Falle wie in Fig 1. 

Fig. 3. Bitemporale Exposition. Eisensplitter im Orbitalfette etwas hinter der nasalen Hinter- 
wand des doppelt perforierten fast emmetropischen rechten Auges und ein bisschen unterhalb der 
Horizontalebene durch die Pupillenmitte und Fovea centralis. (30jähriger Arbeiter.) Aus 
der Stellung der Bleimarkenschatten sieht man, dass der Blick stark gesenkt ist; trotz der Lage des 
Splitters im Orbitalfette sieht man doch, dass er mit dem Hinterwande des Auges nach oben gegangen 
ist: durch die Läsion ist die hintere Bulbuswunde mit der Wunde in der Capsula Tenoni verklebt. Die 
bitemporale Platte beim Blicke gerade hinaus und die occipito-frontale Platte waren zur Reproduktion 
weniger geeignet. 

Der grosse Schatten zwischen den Zähnen unten rechts rührt von der Kopf- 
fixierspatel her. 


254 Wertheim Salomonson. 


Kleine und grosse Induktorien. 
Von 


Professor Dr. Wertheim Salomonson in Amsterdan. 


Wer seinerzeit die Mitteilungen Dessauers und die Diskussion auf der Naturforscher- 
versammlung über die günstigste Grösse des Induktors für Röntgenbetrieb gelesen hat, kann 
unmöglich die Sache als erledigt betrachten. Da auch Rosenthal vor kurzem zugeben konnte, 
dass mit kleinen Induktorien vorzügliche Resultate erzielt werden können, kann ich nicht umhin, 
einige Bemerkungen über diese Frage zu machen. Ich thue dies um so eher, als auch von 
Rosenthal die Induktorgrösse in den Hintergrund geschoben ist gegenüber der Leistungfähigkeit 
der Röhren. Obgleich ich die Mitteilung Rosenthals als vollständig zutreffend bezeichnen 
möchte, glaube ich doch, dass noch immer einige Punkte mehr berücksichtigt werden sollen, 
als dies bis jetzt geschehen ist. Wenn ich im weiteren diese Frage erörtere, so ist dabei aus- 
drücklich vorausgesetzt, dass die Röhrenfrage dabei gänzlich ausser Acht gelassen ist, und zwar 
absichtlich, um keine Komplikationen herbeizuführen. 

Die ursprüngliche Frage ist von Dessauer richtig gestellt worden. Er ist der Meinung, 
dass die erheblich grösseren Kosten, welche die Anschaffung eines grossen Induktors mit sich 
bringt, nicht gleichen Schritt halten mit den geringen Vorteilen, die dadurch geboten werden. 
Er meint, ein kleiner Induktor leiste praktisch dasselbe, was mit einem grossen Induktor erreicht 
werden könne, 

Man hat Dessauer hierüber sehr hart begegnet, wobei einige unphysikalische Äusse- 
rungen eine nur zu günstige Gelegenheit boten. Man hat mit dem Spreu auch das Korn 
verschiittet. 

Es sei mir vergönnt, der Sache näherzutreten. 

Am einfachsten betrachten wir zuerst den Induktor als Transformator und prüfen 
daran die Erfahrungen, die die Technik mit ihren Transformatoren gemacht hat. Gegen dieses 
Verfahren werden wohl keine schwerwiegenden Bedenken erhoben werden. 

Als Beispiel führe ich zwei Induktorien von Max Kohl an; ‚der erste in der Grösse 7, 
für 30 cm Funkenlänge mit dem Motorunterbrecher und 33—35 für Wehneltbetrieb; der andere, 
Grösse 11, ist normiert für 50 resp. 55 cm Funkenlänge, er giebt indessen mit Leichtigkeit 
etwas mehr als 60 cm lange Funken. Beide Instrumente sind schon seit einigen Jahren in 
regelmässigem Betrieb. 

Vergleichen wir die Dimensionen des kleinen Induktors mit denjenigen des grossen, 
so zeigt es sich, dass sämtliche lineären Dimensionen etwa im Verhältnis von 4:7 stehen. Dies 
gilt für die äussern Dimensionen, aber auch für die Länge und Durchmesser des Eisenkerns. 
Auch die Windungszahl ist etwa in dem nämlichen Verhältnis vergrössert. Wenn wir aus 
diesen Dimensionsverhältnissen das Leistungsverhältnis berechnen nach den Grundsätzen der 


. oe ° . . oe . 7 5 
Elektrotechnik, dann dürfen wir erwarten, dass die Leistung des grösseren Induktors eine (3) = 


etwa 16fach grösser sein muss. Da die Windungszahl 4 fach grösser ist, werden der primäre 
Š ; A : 13 ae i 2 

und sekundäre Induktionskoefficient jeder „fach grösser. Da der Umfang jeder einzelnen 

Windung = fach vergrössert ist, bedingt dies auch noch eine Vergrösserung dieser Koefficienten 
7\2 ‘ s : ‘ [AV ie ; i ; 

um das (3) fache. Die Gesamtinduktion wird also (x) fach vergréssert. Wird endlich in Be- 


tracht genommen, dass bei dem vergrösserten Drahtdurchmesser auch die relative primäre 


7 eo bi s s oe 
Belastung um das ; fache grösser sein darf, ohne dass dabei der relative Wärmeverlust pro 


Kleine und grosse Induktorien. 255 


Gewichtseinheit Kupfer zunimmt, so folgt hieraus, dass der grössere Induktor eigentlich eine 
etwa 16fach grössere Leistung ergeben sollte.+) 

Diese Zahl ist zwar ein unerreichbares theoretisches Maximum, und zwar selbst nur 
bei Transformatoren mit geschlossenem Eisenkreis. Bei dem Induktor mit offenem Eisenkreis 
ist diese Zahl unbedingt viel zu gross. Wären z. B. die Induktionskoefficienten der primären 
und sekundären Spirale Lr und Ly, dann wäre der mutuelle Induktionskoefficient M = k v Lı Lu, 
wobei & eine Konstruktionskonstante ist, die immer kleiner ist als 1. Während bei industriellen 
Transformatoren mit geschlossenem Eisenkreis von demselben Typus, jedoch verschiedener Grösse, 
dieses K wirklich ziemlich konstant ist bei einer bestimmten Stromintensität und folglich auch 
magnetischer Sättigung, trifft dies bei offenen Transformatoren nicht mehr zu. Hier wächst 
die magnetische Streuung bei Vergrösserung des Instruments. Ausserdem wird bei dem Induktor 
mehr Raum eingenommen vom Isoliermaterial. Bei einer rohen Bestimmung dieser k für meine 
beiden Induktorien fand ich etwa 0,36 und 0,24, wobei die kleinere Zahl zu dem grösseren 
Induktor gehörte.) Auf Grund dieser Zahlen dürfen wir erwarten, dass die Leistung der 


beiden Induktorien sich verhält wie 1 zu (+) x< G) = 1:38.38. 


Was lehrt die Erfahrung über die Leistung dieser Induktorien? Eine direkte Messung 
der sekundären Leistung ist bis jetzt nicht gut ausführbar. Wir kennen aber die Zahl der in 
der primären Spirale verbrauchten Watts. Der kleine Apparat lässt sich gerade noch belasten mit 
16 Ampere bei 110 Volts, wobei auch die maximale Leistung erreicht sein dürfte. Den grossen 
Apparat habe ich bis jetzt noch nicht bei voller Belastung benützen können: in Betracht obiger 
Zahlen, darf eine Leistung von 1-76 x 3-3 = 5-8 Kilowatt erwartet werden: ich zweifle 
keinen Augenblick, dass der grosse Induktor thatsächlich für eine kurze Zeit eine so grosse 
Belastung verträgt. Für den regelmässigen Gebrauch scheint es mir aber nicht geraten, für | 
das kleine Induktorium über 1 Kilowatt, für das grosse über 3- 3 Kilowatt zu setzen. Ich be- . 
trachte diese Zahlen als die maximale, in normalem, wenn auch einigermassen angestrengterem 
Betriebe, zulässige Belastung, und nehme also an, dass der kleine Induktor ein Transformator 
von 1 Kilowatt, der grosse von 3 -3 Kilowatt darstellt. 

Wie ist es jetzt mit dem täglichen Gebrauch dieser beiden Induktorien? Während 
wir dabei das kleinere bei nur einigermassen schwierigen Aufnahmen ad maximum belasten, wird 
das grosse Induktorium nie ad maximum belastet. Es besteht keine Röntgenröhre, die dies 
überleben würde. Wir stellen uns meistens zufrieden mit einer Belastung von beinahe 1 Kilo- 
watt, wobei eine Schaltung für mittelharte Röhren verwendet wird. 

Die tägliche Erfahrung lehrt, dass wir kleine Induktorien bei voller Leistung betreiben, 
grosse dagegen bloss teilweise ausnutzen. 

Wenden wir uns jetzt wieder an den industriellen Transformator. Versuche von 
Fleming’), angestellt an einem kleinen Westinghouse-Transformator, zeigten, dass bei zu- 
nehmender Belastung der Nutzeffekt regelmässig anstieg. Derselbe betrug bei 50 Watt bloss 
40°/,, bei 100 Watt 53°/,, bei 200 Watt 68°/, und erreichte bei 500 Watt 87°/,, 

Nehmen wir an, dass der Nutzeffekt bei dem Induktor erhöht werden kann bis auf 
60°/,, welches eine nicht zu niedrige Schätzung sein dürfte, so können wir ruhig annehmen, 
dass bei dem kleinen Induktor diese 60°/, regelmässig erreicht werden. Bei grossen Induktorien 
sinkt der Nutzeffekt gewiss herab auf weniger als 40°/, infolge des regelmässigen Gebrauchs 
bei !/, der maximalen Leistung. 


1) G. Kapp sagt, dass ein Transformator, deren jede lineäre Dimension zweimal grösser ist, als 
diejenige eines vollkommen gleichartig gebauten Transformators, theoretisch für eine 32fach grössere 
Leistung bestimmt ist (vide Fleming, The alternate current transformer II S. 566). 

2) Während diese Zahlen relativ ziemlich genau sind, ist die absolute Grösse vielleicht 25°], 
fehlerhaft. 

3) Fleming l. c. II. S. 450. 


256 Wertheim Salomonson. 


Bis jetzt wurde angenommen, dass der Nutzeffekt bei maximaler Leistung bei kleinen 
und grossen Induktorien nicht verschieden sei. Dieses darf aber nicht geschehen. Wir können 
mit Bestimmtheit sagen, dass der kleinere Induktor einen besseren Nutzeffekt ergeben muss, 
als der grössere. Werden doch bei letzterem infolge der grösseren lineären Dimensionen der 
sekundären Spirale, und durch den absolut und relativ grösseren Raum, welcher vom Isolier- 
material ausgefüllt wırd, relativ weniger Kraftlinien durch die sekundären Windungen dringen, 
als bei dem kleineren Transformator; hierdurch unterscheidet sich eben der Transformator mit 
offenem magnetischen Kreis von den industriellen Transformatoren. Schätzen wir darum den 
Nutzeffekt des kleineren Induktors auf 60°/,, dann ist der Nutzeffekt bei grösseren Induktorien 
auf vielleicht 50—55°/, zu veranschlagen, infolgedessen also bei den gebräuchlichen Belastungen 
die Zahl 60°/, für den kleineren Induktor und etwa 35°/, für den grösseren Induktor gilt. 
Führen wir also einem kleinen und einem grossen Induktorium die gleichen Mengen Energie zu, 
dann dürfen wir voraussetzen, dass an den sekundären Klemmen des kleinen Induktors mehr 
Energie verfügbar ist, als an denen des grossen Induktors. 

Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht die Erfahrung mit meinen beiden 
Induktorien. Bei einem Versuche, wobei als Stromquelle eine Akkumulatorenbatterie von 28 
sehr grossen Zellen verwendet wurde, und unter Benutzung des ausgezeichneten Hirschmann- 
schen Unterbrecher mit Gleitkontakten ergab sich folgendes. Der kleine Induktor der bei 


16 Volt schon 14 Funken von 30 cm Länge pro Sekunde giebt, gab bei 56 Volt 14 x 5e = 
49 Funken von 30 cm. Der grosse Induktor gab bei 48 Volt 13 Funken und bei 56 Volt: 
13 x = 15 Funken von 50 cm pro Sekunde!) Würde die Unterbrechungszahl bis auf 25 


pro Sekunde erhöht, dann verminderte sich die Funkenlänge ebenfalls auf 30 cm. Allerdings war 
dann die primäre Belastung beim grossen Induktor um ein Geringes kleiner als bei dem kleinen: 
wurde der kleine Induktor mit 49 Unterbrechungen, der grosse mit 25 Unterbrechungen be- 
trieben, dann war die primäre Stromstärke in beiden Fällen 2-2 Ampere. Die erzielte Leistung 
konnte jetzt verglichen werden. Die Energiequantitäten, die an den sekundären Klemmen zur 
Verfügung standen, betrugen bei dem kleinen Induktor: 49 >< 30° = 44100 Einheiten, bei dem 
grossen Induktor 15 x 50° = 37500 Einheiten, also ein Verhältnis von 44.1: 37.5. Der kleine 
Induktor ergab also rund 17°/, mehr Energie. 

Jetzt wurde eine bestimmte Röntgenröhre nacheinander von den beiden Induktorien 
betrieben unter den hier oben mitgeteilten Betriebsverhältnissen. Dabei mass ich die Distanz, 
wobei die Skiameternummer 8 noch erkannt werden konnte Ich fand die Distanz 216 cm 
bei dem kleinen Induktor und 204 cm bei dem grossen Induktor. Das daraus berechnete 


Verhältnis (i) — 1-12 zeigt eine genügende Übereinstimmung mit der berechneten Zahl 1-17. 


Allerdings war das Durchdringungsvermögen bei dem grossen Induktor etwas grösser: das 
Wehnelt-Skiameter zeigte die Einstellungen 7-2 bei dem kleinen, 7-9 bei dem grossen Induktor. 

Bei diesem Versuche wurde als feststehend angenommen, dass ein Induktorfunken von 
einem grossen oder kleinen Instrument erzeugt, immer die gleiche Elektrizitätsmenge repräsen- 
tiert, wenn die Länge unverändert bleibt. Für Induktorien der gebräuchlichen Art wird die 
wohl kaum beanstandet werden, obgleich ich dahingestellt lasse, ob nicht einzelne Spezial- 
konstruktionen, wie z. B. der Funkentransformator mit fast geschlossenem Eisenkern von 
Klingelfuss oder auch Rocheforts Transformator kleinere oder grössere Abweichungen 
zeigen. Bei den gangbaren Konstruktionen (Max Kohl, Hirschmann und Siemens & Halske), die 
ich prüfen konnte, ist auch nicht der geringste Unterschied bemerkbar. 


!) Diese Zahlen sind kleiner als diejenigen, welche Max Kohl mitteilt. Wird aber die 
„Economie* des Unterbrechers durch Verlängerung der Schliessungszeit vergrössert, so werden die Zahlen 
Max Kohls erreicht. Die Economie des obigen Unterbrechers ist gerade 0,5. 


Kleine und grosse Induktorien. 357 


Noch ein gewisser Punkt muss berührt werden. Der Begriff „Nutzeffekt“ ist bei dem 
Induktor ziemlich kompliziert. Es wird elektrische Energie angewandt, um rhythmisch ein 
magnetisches Feld hervorzurufen. Bei dem rhythmischen Verschwinden dieses Feldes wird 
nutzbare Energie an den sekundären Klemmen frei. Bis jetzt haben wir nur das Verhältnis 
zwischen primärer und sekundärer Energie betrachtet. Es wäre besser gewesen, wenn wir den 
Prozess sogleich in diesen beiden Hälften getrennt beobachtet hätten. Wir hätten dann 
sogleich die Frage gestellt: Wieviel von der an den primären Klemmen applizierten Energie 
wird in ein nutzbares magnetisches Feld umgesetzt? 

Bekamntlich steigt der ae Strom an nach der Helmholtzschen Formel: 


(ee 7’), 1) 
wobei E die Emk. der a P: der Widerstand, L der Selbstinduktionskoefficient 
und ¢ die Zeit in Sekunden vorstellt, e ist die Napiersche Grundzahl. Diese Formel ist wenig 


praktisch wegen der exponentiellen Form. Nach Reihenentwicklung wird sie aber sofort 
brauchbar. Verwenden wir drei Glieder, dann erhalten wir: 


E R 
während bei Verwendung von zwei Gliedern die Formel übergeht in: 


In dieser Formel ist der Widerstand gänzlich verschwunden: Falls der Widerstand 
nicht zu gross ist, ist die primäre Stromstärke völlig unabhängig vom Widerstand und hängt 
nur noch ab von der Selbstinduktion der primären Rolle und von der Schliessungsdauer. 

Da bei dem regelmässigen Betrieb eines Induktors immer nur ein sehr kleines ¢, also 
kürzere Schliessungsdauer verwendet wird, ist eine Beschränkung auf zwei Glieder vollkommen 
zulässig. Wir werden also die letztere Formel benutzen. 

Bekanntlich beträgt die Energie, welche im magnetischen Felde am Ende der 
Schliessungsperiode aufgespeichert ist: 


1 
| Q = 5 LP. 4) 
Indem wir für J den Wert aus Formel 3 entnehmen, erhalten wir: 
> Eet 
Q = D L 5) 


Die gesamte Energie, die in der Be Spirale in Joulesche Wärme transformiert 

wird, beträgt: | 
t 

W = /JRdt. 6) 


Setzen wir auch den Wert von J aus Formel 3 in diese letzte Formel ein, dann 


bekommen wir: 
1 E? 


W=7 7: Re. 7) 
Diese letzte Energiemenge ist eine unangenehme Nebenwirkung bei dem Betrieb des 
Induktors: diese soll gegenüber der Feldenergie möglichst gering sein — oder auch die im 


Magnetfelde aufgespeicherte Energie soll ein so gross wie möglicher Teil der gesamten Energie 


betragen. Folglich stellt _® den Nutzeffekt dieser Transformatoren vor und wir berechnen 


YW i 
oQ+W I, 2ER, 8) 
i+ 35 
Damit dieser Wert so gross als möglich sei — also zu eins sich nähern, sollen - und ¢ 
beide so gering als möglich sein. Erstens also soll die Schliessungsdauer so klein als möglich, 


e es Ld . . Ld R oe u 
also die Frequenz so gross als möglich sein, zweitens ist + möglichst herabzusetzen. 


Fortschritte a. d. Gebiote d. Röntgenstrahlen. VIII. 33 


258 Wertheim Salomonson. 


Für ein bestimmtes Induktorium ist bei gegebenem Eisenkern und primären Wicke- 


lungsraum eine Veränderung von = ausgeschlossen. Eine Walterschaltung hält in jeder denk- 


. . . . R ee bd 
baren Kombination bei konstantem Kupfergewicht auch z konstant. Könnten wir aber das 
Eisengewicht ändern, dann würden wir durch einen grösseren Durchmesser des Eisenkerns 
y kleiner machen können. Hierin liegt eben der Vorteil eines dicken kurzen Eisenkerns, wie 


es von Walter schon konstatiert wurde, und auch von Klingelfuss. 
Vergleichen wir jetzt den kleinen und den grossen Induktor. Falls beide einen gleich 


dicken Eisenkern besässen, würde 7 für beide Indnktorien auch gleich sein — wenn wir ab- 


strahieren von dem Einflusse der Solenoidenden, da die Längevergrösserung einer langen 
dünnen Spirale Æ und L gleichmässig zunehmen lässt. Sobald aber ein Eisenkern eingeschoben 
ist, nimmt bei Zunahme des Durchmesssers L schneller als Æ zu, wenigstens bei den gebräuch- 
lichen Graden der magnetischen Sättigung — sagen wir bis 10000 Einheiten. Hierin sehe ich 
einen Vorteil des grösseren Induktors über den kleineren. 

Leider geht dieser Vorteil bei der zweiten Energietransformation — Magnetfeldenergie 
in sekundäre elektrische Energie — wieder gänzlich verloren, je grösser der Induktor ist, wie 
schon gezeigt wurde: das Resultat der beiden Transformationen zusammen, gestaltet sich für 
den kleineren Induktor wesentlich günstiger als für grössere Instrumente. 

Übersehen wir obige Betrachtungen, so ergiebt sich, dass bei relativ niedrigen 
Spannungen die kleinen Induktorien den grösseren überlegen sind, falls beiden die gleiche 
Energiemenge zugeführt wird. Der Vorteil der grösseren Apparate besteht ausschliesslich aus 
zwei Faktoren: sie können eine grössere Energiemenge aufnehmen und an den sekundären 
Klemmen zurückerstatten; sie geben diese Energie unter höherer Spannung. 

Der Nachteil besteht in dem geringen Nutzeffekt. 

Bei dem heutigen Standpunkte der Technik lohnt es sich vielmehr, eine ausgiebige 
Elektrizitätsquelle zu beschaffen — 1 Kilowatt mindestens — als einen Rieseninduktor. 

Es ist mit einem kleinen Induktor schon mehr sekundäre Energie verfügbar, als von 
den besten Röntgenröhren vertragen wird — wenigstens im Dauerbetrieb. Der Vorteil, den 
der grosse Induktor bietet, besteht nur in der verfügbaren Reserve an sekundärer Energie und 
Spannung. Da ich überzeugt bin, dass Industrie und Wissenschaft uns in absehbarer Frist 
bessere Röhren bieten werden, die bedeutend höhere Energiemengen aufnehmen können und 
sogar die ganze verfügbare Energie eines 60—75 cm-Induktors in Röntgenlicht transformieren 
werden, so glaube ich, dass bei der Neuanschaffung eines Instrumentariums zu einem 50 cm- 
Induktor geraten werden muss, trotzdem derselbe etwas unvorteilhafter arbeitet, als der kleinere 
Transformator. 

In einigen Mitteilungen über diesen Gegenstand ist die Regulierbarkeit des kleinen 
Induktors bei Wehneltbetrieb beanstandet. Ich glaube, dass dieser Vorwurf ungerecht ist. 
Kleinere Apparate können gerade so gut als grössere Apparate mit Walterschaltung versehen 
werden, wobei allerdings die Windungszahl in modifizierter Weise geändert werden muss, und 
speziell die kleineren Windungszahlen nur in kleinen Stufen zunehmen sollen, z. B. 100, 130, 
180 und 250, während sehr grosse Windungszahlen überflüssig sind. Dann soll der kleinere 
Induktor auch mit niedriger Spannung betrieben werden, also mit 50 bis 80 Volt, und nur 
bei schwierigen Aufnahmen mit 110 Volt. Aber auch mit einer einzigen Schaltung ist die 
Regulierbarkeit eine sehr vollkommene, falls man selbstinduktive Widerstände vorschaltet. Die 
Konstruktion derselben ist ausserordentlich einfach. Es lieferten einige Konstrukteure diese 
Drosselspulen mit veränderlicher Selbstinduktion schon seit längerer Zeit. 

Während also die jetzigen Besitzer kleiner Induktorien sich trösten mögen mit dem 
Gedanken, dass sie nicht zurückstehen bei den Besitzern von sehr grossen Instrumenten, giebt 


Kleine und grosse Induktorien. 259 


es eine bestimmte Betriebsweise, bei der der kleine Induktor unbedingt hinter dem grösseren 
zurückbleibt: jeder Betrieb, bei dem die Unterbrechungszahl nicht willkürlich in den weitesten 
Grenzen geändert werden kann, oder wobei man an eine bestimmte Unterbrechungszahl gebunden 
ist — wie bei direktem Anschluss an Wechselstromanlagen — erheischt einen möglichst 
grossen Induktor. Hier darf es als Regel gelten, dass die Leistungsfähigkeit des Induktors 
zunimmt mit dem Quadrate der Funkenlänge. 

Wir sprachen bis jetzt immer von kleinen Induktoren ohne weiteres. Ich muss en 
bemerken, dass ich damit den Induktor von weniger als 30 cm, jedoch mehr als 20 cm Funken- 
länge bezeichne. 

Es muss jetzt noch die Frage erörtert werden, ob bei noch kleineren Induktorien, also 
von 20 cm und weniger, obige Auseinandersetzungen ihre Gültigkeit behalten. Ist dies der 
Fall, so käme die Beschaffung der kleinsten Induktorien — von etwa 10 cm Funkenlänge — 
ernstlich in Frage. 

Eine direkte Antwort lautet a priori schon verneinend. Bei zunehmender Herab- 
` setzung der Dimensionen eines Induktors treten neue Faktoren auf, mit denen wir zu 
‘rechnen haben. 

Könnten wir alle Energie, die an den Klemmen der Jaike Spirale geliefert wird, 
in Röntgenlicht transformieren, dann würde kein Grund vorhanden sein, um anzunehmen, dass 
eine weitere Dimensionsreduzierung des Induktors günstige Resultate liefern müsse. Bei jeder 
Entladung durch eine Röntgenröhre bleibt ein Teil der vom Induktor gelieferten Energie 
unbenutzt zurück. Eine sekundäre Entladung erreicht nicht augenblicklich die grösste Spannung, 
sondern steigt vom Nullwert schnell an, wobei die Elektroden eine zunehmende Ladung erhalten. 
Sobald die Spannung einen gewissen Wert erreicht hat, fängt die Aussendung von Kathoden- 
strahlen an, wobei die anfänglich auf den Elektroden aufgespeicherte Ladung ausgeglichen 
wird. Am Ende des sekundären Stromstosses sinkt in gleicher Weise die Spannung der 
Blektrizität auf den Elektroden der Röntgenröhre: bei einer bestimmten Grenze hört der Über- 
gang von Elektrizität in der Röhre auf, bis die ganze sekundäre Entladung beendet ist. Dieser 
letzte Teil der Entladung wird also nicht benützt für die Erregung von Röntgenstrahlen, 
sondern als Joulesche Wärme in den sekundären Windungen verbraucht werden. Je kleiner 
das Induktorium, um so grösser ist der unverwendbare Teil der sekundären Entladung, während 
bei Vergrösserung der sekundären Funkenlänge die Ausbeutung an Röntgenstrahlenergie sich 
um so günstiger gestalten wird. Wir können uns ein Urteil formen über die Quantität der 
nicht gebrauchten Energie, indem wir als Mass die Länge der parallelen Funkenstrecke nehnen. 
Betrüge dieselbe hei einer gewissen Röhre 8 cm und wäre die Kapazität der Kathode, 
Sekundärklemme, Sekundärspirale und Verbindungsdraht = C, dann wäre der Betrag der un- 
gebrauchten Energie etwa K C >< 8°, wobei K eine konstante ist. Bei 20 cm Funkenlänge 
würde also K C (20°?—8°) in der Röhre verbraucht werden: der Nutzeffekt der sekundären 


20? — 8? 
2 7 0,84 oder 84°/,. 


In folgender Tabelle ist der Teil der brauchbaren Energie bei verschiedenen Funken- 
längen und verschiedenen parallelen Funkenstrecken der Röhre übersichtlich verzeichnet: | 


Entladung beträgt dann 


Funkenlänge: 10 15 20 25 30 40 50 
Parallel- 5 0.75 0.89 0.94 0.96 0.97 0.985 0.99 
funke 10 — 0.555 0.45 0.84 0.89 0.94 0.96 
15 — — 0.44 0.64 0.75 0.86 0.91 


Wir ersehen hieraus, dass die verfügbare Energie um so schlechter ausgenutzt wird, je kleiner 

der Induktor ist, und zwar ebenfalls um so ungünstiger, je härter die Röhre ist. Hierin liegt 

jedenfalls auch ein Grund, warum sehr kleine Induktorien ohne Ausnahme uns im Stich lassen, 

wenn wir sehr schwierige Aufnahmen vom Becken oder von Nierensteinen zu machen haben. 
33* 


260 Schmidt. 


Obige Betrachtung — obgleich sie hier als eine theoretische gegeben ist — ist von 
mir experimentell bestätigt!), in der Weise, dass ich fand, dass die Röntgenlichtintensität einer 
einzelnen Entladung ausgedrückt werden kann durch die Formel 


Konst >< 3 5 
J = d? — (L —l )» 9) 


wobei L die Funkenlänge, mit der gearbeitet wird, / die parallele Funkenstrecke, d die Distanz 
der Antikathode von der Platte in Centimeter vorstellt. — Die Konstante hängt ab von der 
Röhrenkonstruktion und beträgt etwa 0,2 bis 0,5. Die Formel giebt die Lichtintensität in 
Sekundenmeterkerzen. 

Es kommt mir wahrscheinlich vor, dass auch bei sehr kleinen Induktorien die Kon- 
struktion schon bedingt, dass der Nutzeffekt kleiner ist, als man nach dem früher Mitgeteilten 
erwarten sollte. Die Verminderung des Nutzeffekts bei sehr grossen Induktorien war ver- 
ursacht durch die Notwendigkeit, sehr viel Raum mit Isoliermaterial auszufüllen: auch bei 
sehr kleinen Induktorien findet sich etwas Ähnliches. Es scheint mir in der Nähe von 25 cm 
ein Optimum für die Konstruktion zu bestehen. 

Da auch bei 25 cm schon sehr günstige Betriebsverhältnisse vorliegen, so glaube ich, 
dass wenigstens jetzt ein Besitzer eines solchen Instrumentes sich nicht zu beeilen braucht, um 
es für ein grösseres umzutauschen. Bei Neuanschaffung sollte man mit der Zukunft rechnen 
und dürfte doch ein 50 cm-Instrument mehr zu empfehlen sein. 


Aus dem Königl. Universitiitsinstitut für Lichtbehandlung in Berlin (Dir. Prof. E. Lesser). 


Erfahrungen mit einem neuen Radiometer von Sabouraud und Noire. 
Von 


Dr. H. E. Schmidt in Berlin. 


Eine der Hauptschwierigkeiten bei der Röntgenbehandlung liegt bekanntlich in der 
richtigen Bemessung derjenigen Röntgenstrahlenmenge, welche von der Haut absorbiert werden 
muss, damit ein Haarausfall oder allenfalls ein leichtes Erythem entsteht. Eine derartige 
Dosis genügt für die Behandlung der meisten Hautaffektionen; in manchen Fällen braucht sie 
nur einmal, in den meisten muss sie öfter mit den erforderlichen Pausen appliziert werden. Die 
Applikation dieser Röntgenstrahlenmenge in einer einzigen Sitzung ist wegen der Abkürzung 
der Behandlungsdauer natürlich das einzig Rationelle. 

Man kann diese Dosis empirisch bestimmen, indem man immer mit der gleichen 
Primärstromstärke, Unterbrechungszahl, Focusdistanz, bei gleichem Härtegrade und notabene 
auch mit gleicher Röhrentype arbeitet. Man wird dann bei einer ganz bestimmten 
_ Expositionsdauer die gewünschte Reaktion erhalten. Diese von Kienböck empfohlene Methode 
ist aber doch immerhin ziemlich kompliziert und erfordert sehr viel Übung. Um sich von 
den verschiedenen massgebenden physikalischen Faktoren unabhängig zu machen, hat Holz- 
knecht ein Instrument angegeben, das zur direkten Messung der von der Haut absorbierten 
Röntgenstrahlenmenge dient. Es besteht bekanntlich aus dem sogenannten „Reagenskörper“, 
der unter der Einwirkung der Röntgenstrahlen seinen gelblichen Farbenton verliert und sich 
grün färbt, um so stärker, je mehr Röntgenstrahlen er absorbiert. Die gewünschte Färbung 
wird dann durch Vergleich mit einer empirisch hergestellten Farbenskala abgeschätzt; neben 


1) Zeitschrift für Elektrotherapie 1904, Heft 10, S. 321. 


Erfahrungen mit einem neuen Radiometer von Sabouraud und Noire. 261 


dieser Skala sind Zahlen angegeben, welche die der Farbennuance entsprechende Röntgen- 
strahlenmenge bezeichnen. Die Röntgenlichteinheit bezeichnet .Holzknecht mit H. 3—5 H 
sollen im allgemeinen genügen, um einen unkomplizierten Haarausfall, resp. ein leichtes 
Erythem zu erzeugen. So gut das Instrument im Prinzip ist, so hat es doch einen grossen 
Fehler: Der Unterschied zwischen den einzelnen Farbennuancen der Vergleichsskala ist so 
gering, dass jedenfalls eine grosse Übung zur richtigen Abschätzung der Reagenskörperfärbung 
erforderlich ist. Aber auch bei grosser Übung ist eine Täuschung in der Beurteilung der 
erzielten Färbung sehr leicht möglich. 

Dieser Ubelstand ist nun bei einem anderen von Sabouraud und Noiré angegebenen 
und von Drault in Paris hergestellten Radiometer beseitigt. Auch dieses Radiometer ist ein 
Chromometer und misst direkt die absorbierte Röntgenstrahlenmenge. Statt eines Reagens- 
körpers wird hier ein Reagenspapier benutzt, das mit Barium-Platin-Cyaniir imprägniert ist, und 
dessen hellgrüne Farbe unter der Einwirkung der Röntgenstrahlen zunächst in ein Gelb und 
schliesslich in ein Rot übergeht. Unter dem Einfluss des Tageslichtes nimmt das verfärbte 
Papier dann wieder seine hellgrüne Farbe an und kann von neuem benutzt werden. 

Von grosser Wichtigkeit ist es natürlich zu wissen, ob ein mehrmals benutztes Reagenspapier 
die gleiche Empfindlichkeit für Röntgenstrahlen besitzt, wie ein unbenutztes, da, wenn das nicht der Fall 
ist, grosse Irrtümer in der Dosierung möglich sind. In dieser Hinsicht habe ich noch keine ausreichende 


Erfahrungen. Ein bereits dreimal benutztes Reagenspapier färbte sich jedenfalls in der gleichen Zeit 
gleich stark, wie ein in gleicher Entfernung angebrachtes noch nicht benutztes Papier. 


Zur Abschätzung der durch die Röntgenstrahlen hervorgerufenen Färbung dienen zwei 
Farben: ein dem Reagenspapier entsprechendes Hellgrün (als Teinte A bezeichnet) und ein 
Dunkelgelb (als Teinte B bezeichnet). Man soll nun so lange bestrahlen, bis das Reagens- 
papier die dunkelgelbe Färbung angenommen hat; dann hat man die Maximaldosis appliziert, 
welche die Haut vertragen soll, ohne dass eine Dermatitis oder dauernder Haarausfall eintritt. 

‘Das Reagenspapier muss von der Antikathode halb so weit entfernt sein wie die Haut 
und eine metallische (Bleiblech) Unterlage haben. 

Diese Befestigung des Reagenspapieres in der halben Entfernung ist sees umständ- 
lich und muss mittels eines besonderen am Röhrenstativ verschieblich angebrachten Halters aus 
Metall oder Holz bewerkstelligt werden. 

Im übrigen ist das Instrument, das die Form eines kleinen Taschenbuches hat, dem 
Holtzknechtschen Chromoradiometer entschieden überlegen. 

Denn der Unterschied zwischen der normalen und der der Maximaldosis entsprechenden 
Färbung ist so deutlich, dass ein Irrtum in der Abschätzung der Farbe kaum möglich ist, 
ganz abgesehen davon, dass der Preis des Radiometers um mehr als das Zehnfache niedriger ist. 
Man muss die erzielten Färbungen immer bei bestimmtem Licht (am besten Tageslicht) ver- 
gleichen. Bei Glühlampenlicht erscheinen die Testfarben wesentlich matter als bei Tageslicht. 
Die durch die Röntgenstrahlen hervorgerufenen Färbungen haben bei Glühlampenlicht einen 
mehr rötlichen, bei Tageslicht dagegen einen mehr gelblichen Farbenton. 

Bevor ich das Reagenspapier bei Bestrahlungen zu therapeutischen Zwecken verwandte, 
habe ich mich darüber orientiert, ob die Färbung wirklich nur durch die Röntgenstrahlen 
hervorgerufen wird, oder ob dabei die Wärmeentwicklung und die elektrischen Entladungen 
eine Rolle spielen. 

Das war sehr einfach festzustellen. 

Befestigt man das Reagenspapier nämlich so, dass es der Röhrenwand anliegt und 
dass die eine Hälfte hinter, die andere vor der Ebene des Antikathodenspiegels gelegen ist, so 
färbt sich auch bei stärkster Erhitzung der Glaswand nur die von Röntgenstrahlen getroffene 
Hälfte. Da sich die Erwärmung der Glaswand und die elektrischen Entladungen nicht an die 
durch die Ebene des Antikathodenspiegels gegebene Grenze halten, so müssen die Röntgen- 
strahlen allein die Ursache der Farbenänderung sein. 


262 Schmidt. 


Ich habe das Instrument bisher bei zwanzig Bestrahlungen zur Dosierung der erforder- 
lichen Röntgenstrahlenmenge angewandt. 

Es wurde in acht Fällen solange bestrahlt, bis die Färbung des Reagenspapieres der 
als „Teinte B“ bezeichneten entsprach. In allen Fällen trat eine mehr oder weniger starke 
Rötung der Haut auf. 

In fünf Fällen wurde solange bestrahlt, bis das Reagenspapier fast, aber doch nicht 
ganz die als Teinte B bezeichnete Färbung zeigte. 

Nur in einem Falle trat keine sichtbare Reaktion auf, in einem Falle von ulcus 
rodens nur eine Rötung des Epithelwalles, in den übrigen drei Fällen ein genau dem be- 
strahlten Bezirk entsprechendes ganz leichtes Erythem der Haut, dem später eine geringe 
Braunfärbung folgte. In allen Fällen gingen die wenig auffallenden entzündlichen Erschei- 
nungen sehr bald zurück. 

In vier Fällen wurde solange bestrahlt, bis die Färbung des Reagenspapieres nur eine 
ganz schwache gelbliche Verfärbung erkennen liess. In diesen Fällen trat gar keine sichtbare 
Reaktion ein. 

In drei Fällen wurde solange bestrahlt, bis die als „Teinte B“ bezeichnete Färbung 
überschritten war, zweimal nur um ein Geringes, einmal um ein Bedeutendes, so dass das 
Reagenspapier nicht gelb, sondern rot aussah. Im den beiden ersten Fallen trat gleichfalls 
nur eine leichte Bräunung und Rötung, im dritten eine starke Schwellung und Rötung der 
bestrahlten Haut auf, die nach 4 Wochen noch nicht völlig verschwunden war, während sich 
die Schwellung schon nach 2 Wochen zurückgebildet hatte. 

Acht Bestrahlungen wurden immer mit derselben neuen Hirschmann’schen Monopolröhre 
vorgenommen. Bei einer Focusdistanz von 15 cm gelang es niemals — ceteris scheinbar 
paribus — in weniger als 10 Minuten Expositionsdauer die gewünschte Färbung zu erzielen; 
in einem Falle betrug die Expositionsdauer 15, in anderen 20, 25 und 35 Minuten. Das ist 
selbstverständlich nur dadurch zu erklären, dass der Härtegrad der Röhre nicht immer der 
gleiche war. 

Jedenfalls beweist die Verschiedenheit der zur Erzielung des gleichen Effektes erforder- 
lichen Expositionsdauer bei Benutzung derselben Röhre wieder einmal die ja längst bekannte 
Thatsache, dass die Angaben über die Bestrahlungsdauer nur einen sehr geringen Wert haben, 
wenn die Kontrolle des Härtegrades während des Betriebes nicht eine ganz genaue ist. 

Das geht auch aus dem folgenden Versuche hervor, bei welchem in einer Sitzung 
erst die linke und dann die rechte Wange einer Patientin diesmal mit einer ziemlich alten 
harten Wasserkühlröhre von Ehrhardt bestrahlt wurde, und zwar unter anscheinend 
gleichen Bedingungen. Bei Bestrahlung der linken Wange war nach 10 Minuten die als 
Teinte B bezeichnete Färbung des Reagenspapieres erreicht, bei der unmittelbar folgenden 
Bestrahlung der rechten Wange war diese Färbung bereits nach 8 Minuten bedeutend über- 
schritten, so dass das Reagenspapier — wie schon oben erwähnt — nicht gelb, sondern rot 
aussah. Die Röhre war eben während der ersten Bestrahlung weicher geworden und wirkte 
daher trotz der kürzeren Expositionsdauer viel stärker. Dem entsprach auch die Reaktion: 
Trotz kürzerer Expositionsdauer bereits am Tage nach der Bestrahlung starke Rötung und 
Schwellung der rechten, dagegen — gleichfalls anı Tage nach der Bestrahlung — ganz 
geringe Bräunung und leichte Rötung der linken Wange. (,,Friihreaktionen“*) bei besonders 
empfindlicher Patientin.) 


1) Dass diese „Frühreaktionen* eine Wärmewirkung sind, wie Köhler annimmt, halte ich für 
ausgeschlossen. Ich habe bei stark glühender Antikathode oftmals keine, dagegen bei nicht glühender 
Antikathode häufig Frühreaktionen beobachtet, und zwar immer nur bei bestimmten Individuen; ich bin 
also nach wie vor fest davon überzeugt, dass diese Frühreaktionen eine Wirkung der Röntgenstrahlen 
sind und auf einer besonderen Empfindlichkeit des Gefässsystems beruhen. 


rn ET ic RE 


Über Röntgenbehandlung von Sarkom. 263 


Nach den Erfahrungen, die ich bisher mit dem Radiometer von Sabouraud und 
Noiré gemacht habe, glaube ich folgendes als bewiesen ansehen zu können: 

1. Je stärker die durch die Röntgenstrahlen hervorgerufene Gelbfärbung 
des ursprünglich hellgrünen Reagenspapiers ist, desto stärker ist auch die ent- 
sprechende Hautreaktion. 

2. Nach einer Röntgen-Bestrahlung, welche eine der Teinte B entsprech- 
ende Färbung des Reagevspapieres zur Folge hat, tritt je nach der individuell 
verschiedenen Empfindlichkeit eine mehr oder weniger starke Rötung der Haut auf. 

Obwohl ich in einem Falle bei einer offenbar sehr empfindlichen Patientin auch trotz 
einer sehr beträchtlichen Überschreitung der als zulässig angegebenen Färbung keine nässende 
Dermatitis, sondern nur eine starke Schwellung und Rötung der Haut erhalten habe, halte ich 
nicht nur eine Überschreitung der als Teinte B bezeichneten Farbe für unzulässig, sondern 
ich rate sogar dringend dazu — jedenfalls bei einer ersten Bestrahlung — die 
Sitzung nicht einmal solange auszudehnen, bis die Färbung des Reagenspapieres 
völlig der als Teinte B bezeichneten entspricht. 


Sollte eine einzige derartige Bestrahlung zur Erzielung des gewünschten therapeutischen Effektes 
nicht ausreichen, so darf die nächste Bestrahlung selbstverständlich erst frühestens nach 10 Tagen vor- 
genommen werden, vorausgesetzt, dass keine sichtbare Reaktion eintritt. Andernfalls muss natürlich mit 
der nächsten Bestrahlung solange gewartet werden, bis die Reaktion vollständig abgeheilt ist. 


Bei dieser vorsichtigen Anwendung halte ich allerdings das Radiometer von Sabouraud 
und Noiré für das einfachste‘ und beste Mittel, welches wir zur Zeit besitzen, um sowohl 
Überdosierungen, welche eine Schädigung der Patienten zur Folge haben, als auch Unterdosie- 
rungen, welche die an sich schon langwierige Behandlung noch mehr verzögern, ziemlich sicher 
zu vermeiden. 


Über Röntgenbehandlung von Sarkom. 


Von 
Dr. Tage Sjögren, Stockholm. 


Bereits vor etwa 4!/, Jahren hatte ich die Ehre in der Gesellschaft Schwedischer 
Ärzte einen Fall von Epitheliom im Gesicht zu demonstrieren, der unter Röntgenbehandlung 
geheilt worden war, und dies geschieht nunmehr in allen Röntgenlaboratorien, wo die Behand- 
lung stattfindet. Man darf wohl annehmen, dass diese Methode bei der Behandlung des Haut- 
krebses für die Zukunft ihren Platz in der Therapie, als eine in gewissen Fällen besonders 
zweckmässige, behalten wird. 

Die Anwendbarkeit der Röntgenbehandlung bei schwereren Formen von Cancer dürfte 
zur Zeit nicht völlig klar sein. Indessen ist man vielerwärts mit grossem Eifer mit Versuchen 
beschäftigt, dieselbe bei verschiedenen Formen von Krebs, besonders solchen, die nahe der 
Körperoberfläche liegen, speziell bei Cancer mammae, anzuwenden, und mehrere verschiedene 
Publikationen in diesem Fache sind schon zu Tage getreten. Was die seither erzielten Resultate 
anbelangt, so will ich hier nicht auf einen Bericht darüber eingehen, da die Frage sich noch 
in einem unaufgeklärten Stadium befindet. | 

Der erste Fall von röntgenbehandeltem Sarkom, der, so viel ich weiss, ausführlich 
publiziert worden ist, ist von Professor Krogius in Helsingfors und findet sich wiedergegeben 
in Langenbecks Archiv, 1. Heft 1908. 

| Es betraf einen 40 jährigen Seemann, der im Januar 1901 in der chirurgischen Klinik 
zu Helsingfors wegen eines im hinteren Teile des Kopfes gelegenen, vom Occipitalknochen 
ausgehenden, von gesunder Haut bedeckten Sarkomes operiert wurde. Auf Grund von Recidiv 


264 Sjögren. 


wurde er im September desselben Jahres von neuem operiert; die Geschwulst hatte damals an 
Grösse zugenommen und eine neue an der Stirn war hinzugekommen. Als Patient im Januar 
1903 wiederum Recidiv bekommen hatte, wurde zur Röntgenbehandlung gegriffen, die von 
überraschendem Erfolg gekrönt wurde. 

Krogius, der in Bezug auf den Nutzen der Röntgenbehandlung als therapeutisches 
Mittel zuvor zu den Skeptischen gehört hatte, spricht in der ebenerwähnten Publikation seine 
Verwunderung über diese, wie er sagt, wunderbare Wirkung aus, die die Strahlen ausübten. 
Unter dem Einfluss des Röntgenlichtes schmolzen sowohl die kleinen Tumoren, wie auch der 
faustgrosse am Hinterkopf, zusammen wie Schnee vor der Sonne, so dass nach zweimonatlicher 
Behandlung keine Spur von denselben zu entdecken war. Der Effekt der Behandlung war 
womöglich noch handgreiflicher als der, den eine antiluetische Kur auf syphilitische Neu- 
bildungen auszuüben pflegt. Vier Monate nach Schluss der Behandlung sah Verfasser den 
Patienten wieder, und war dieser dann fortdauernd frei von Recidiv, während ausserdem auf 
den kahlen Partieen des Kopfes ein dichter Haarwuchs sich entwickelt hatte. 

Seit dieser erste Fall publiziert wurde, sind mehrere Mitteilungen von erfolgreicher 
Behandlung von Sarkom eingegangen. So berichtet Colley in New-York von nicht weniger 
als 36 Fällen von nicht zu operierendem Sarkom, die in der kurzen Zeit von 11/, Jahren von 
ihm mit Röntgenstrahlen behandelt worden sind. Von diesen waren 21 Rundzellensarkome, 
6 Spulzellensarkome, die übrigen Mischungsformen oder seltenere Formen. Colley zeigt, wie 
anscheinend hoftnungslose Sarkompatienten bei langwieriger und wiederholter Behandlung mit 
Röntgenstrahlen entweder bedeutend besser wurden, oder, so weit man sehen konnte, völlige 
Genesung erreichten. In einzelnen Fällen zeigte sich durchaus gar keine Wirkung, und 
Colley meint bemerkt zu haben, dass dies besonders von Spulzellensarkomen galt, während die 
besten Resultate bei Rundzellensarkom erzielt wurden. Recidive traten sehr oft auf und gaben 
dann Anlass zu erneuter Behandlung. 

Endlich hat Dr. Chrysospathes in Athen in der „Münchener med. Wochenschrift“, 
Dezemberheft 1903, einen besonders interessanten Fall von Röntgenbehandlung eines nicht zu 
operierenden Sarkomes in der Bauchhöhle publiziert. Im August 1902 sollte die Patientin, 
eine 35Jjährige verheiratete Frau, wegen einer Geschwulst unbekannter Art im rechten Hypo- 
chondrium einer Operation unterzogen werden, aber bei der Laparotomie fand man die Geschwulst 
grossenteils sowohl an der vorderen Bauchwand als an den Dünndärmen adhärent, so dass eine 
Exstirpation des Tumors untunlich war. Die bei derselben Gelegenheit gemachte Probeexcision 
der Geschwulst, die wahrscheinlich vom rechten Ovarium ausging, ergab ein kleinzelliges Rund- 
zellensarkom. Die Röntgenbehandlung nahm ihren Anfang im November 1902 und wurde 
sechs Monate hindurch fortgesetzt, worauf der Bauchtumor völlig verschwunden war, und bei 
einer im Dezember 1903, also sieben Monate nach beendigter Behandlung vorgenommenen 
Untersuchung, zeigte die Patientin ein blühendes Aussehen und von dem früheren Tumor war 
keine Spur zu entdecken, weder bei äusserlicher noch bei bimanueller Untersuchung. 

Ein Fall wie dieser letztere scheint geradezu rütselhaft und ist geeignet, das aller- 
grösste Interesse zu erregen. Es kann nach derartigen Mitteilungen nicht bezweifelt werden, 
dass es, gerade wie dies bei Carcinomen der Fall ist, auch Sarkome giebt, die durch Röntgen- 
behandlung zu einer, wenn auch nur temporären, Heilung gebracht werden. Als einen Beitrag 
zu dieser neuesten Methode, maligne Geschwülste zu behandeln, möchte ich mir erlauben, ein 
paar Fälle mitzuteilen, die ich selbst in Behandlung gehabt habe, und wo gleichfalls die 
Röntgenstrahlen gezeigt haben, dass sie eine überraschende kurative Wirkung besitzen. 

G. T. J., 48 Jahre, Eisenarbeiter. — Im Monat Mai 1903 begann an der rechten 
Seite der Nase am Nasenflügel eine kleine dunkelgefärbte Geschwulst sichtbar zu werden, die 
während des Sommers und Herbstes langsam aber stetig zunahm. Eine Probeexcision wurde 
Anfang November gemacht und hierbei wurde Spulzellensarkom konstatiert. Die Geschwulst 
war nun von ungefähr der Grösse einer Bohne, blaurot, fest, gut begrenzt gegen die Umgebung 


Über Röntgenbehandlung von Sarkom. 265 


und etwas schmerzend bei Berührung. Die Oberfläche etwas excoriiert, bisweilen blutend. 
Lues ist nicht vorgekommen, keine Anschwellung der Lymphdrüsen. Bei der Behandlung, die 
den 9. November begann, zeigte sich, dass der kleine Tumor sehr bald beeinflusst wurde, so 
dass derselbe schon nach einer Woche anfing, merklich an Grösse abzunehmen. Mit Ausnahme 
davon, dass die kleine Wundborke, die nach der Probeexcision an der Oberfläche entstand, 
nach einigen Tagen abfiel, ging die Heilung in der Weise vor sich, dass der Tumor gradweise 
abnahm, so dass er schliesslich völlig verschwand und die Stelle der umgebenden Hautfläche 
gleich wurde Eine nennenswerte Reaktion ist nicht entstanden. Etwa zwei Wochen nach 
Beginn der Behandlung wurde von neuem eine kleine Probe genommen, die mikroskopisch 
untersucht wurde Die Veränderungen, die an dieser Probe konstatiert wurden, sind von 
gewissem Interesse; die Struktur ist fleckenweise verwischt, während sie an anderen Stellen 
unverändert ist; die Zellgrenzen hie und da undeutlich, und ein Teil Zellkerne färbten sich 
nicht. Die Behandlung wurde den 30. Dezember, nach etwa 30 Seancen, abgeschlossen. Gegen- 
wärtig, also vier Monate nachher, ist es kaum möglich zu sehen, wo der kleine Tumor gesessen 
hat. Eine geringe Atrophie in der Haut daselbst ist alles, was man wahrnimmt. Keinerlei 
Unbehagen irgendwelcher Art ist nicht durch die Behandlung entstanden. 

Ein zweiter Fall ist diesem sehr ähnlich. 

Frau V. E., 22 Jahre, hat seit neun Monaten einen kleinen Knoten an der Nasen- 
wurzel gehabt; derselbe ist sehr langsam gewachsen und schmerzt; die Oberfläche gelinde 
gerötet, für das Gefühl ist er fest, nahezu knorpelartig. Mikroskopische Untersuchung zeigt 
ein Spulzellensarkom. Er hatte Mitte Februar die Grösse einer kleineren Haselnuss, war recht 
entstellend, sass wie ein kleiner Buckel mitten zwischen den Augenbrauen. Die Behandlung 
begann den 20. Februar. Da die Patientin weit von meiner Wohnung entfernt wohnt, hält es 
schwer für sie, regelmässig zu kommen, so dass die Behandlung nicht täglich gegeben worden 
ist. Infolgedessen hat sich die Behandlung in die Länge gezogen, aber als dieselbe gegen Ende 
Mai beendet wurde, war das Resultat das beste, indem, gerade wie im vorhergelienden Falle, 
die Geschwulst, nachdem sie gradweise an Grösse abgenommen hatte, völlig verschwunden war. 

Wenn von diesen beiden Fällen gesagt werden kann, dass sie kein anderes als rein 
theoretisches und wissenschaftliches Interesse besitzen, da ja die Tumoren bei beiden besonders 
leicht zugänglich für Exstirpation sassen, obwohl das kosmetische Resultat mutmasslich nach 
einem chirurgischen Eingriff nicht so befriedigend hätte werden können, wie es nun nach der 
Röntgenbehandlung der Fall geworden ist, so stellt sich die Sache ganz anders in dem dritten 
Falle, den ich nun mitteilen werde. 

J. 0., 82 Jahre, Landmann. — Im Februar 1902 bekam er nach einem gelinden 
Trauma an der Innenseite des linken Oberarmes eine Sugillation, die bald verschwand. Gegen 
Johanni bemerkte er an der Stelle, wo zuvor der blaue Fleck gewesen war, einen etwa hasel- 
nussgrossen kleinen Knoten. Derselbe war hart, gegen Druck recht empfindlich und verschieb- 
bar. Ein Arzt wurde konsultiert, und während der folgenden Monate mancherlei äussere 
Behandlung versucht, aber der Knoten nahm zu. Im Oktober hatte er die Grösse eines 
Hühnereies erreicht und recht schwere Schmerzen fingen an sich einzustellen. Im Monat März 
1903 wurde ein Hospitalarzt um Rat gefragt, welcher Operation befürwortete. Infolge da- 
zwischentretender Hindernisse kam diese gleichwohl nicht zur Ausführung, sondern der Patient 
ging mit seiner Geschwulst bis Anfang Juni 1903, wo der Hospitalarzt in Karlskrona ihn nach 
gemachter Probeexcision darüber aufklärte, dass eine bösartige Geschwulst vorliege, und unmittel- 
bare Operation anempfahl. Der Patient reiste darauf nach Stockholm herauf und wurde den 
2. Juli 1903 im das Seraphimerlazarett aufgenommen. 

Bei der Aufnahme wurde über den Patienten, der ein ungewöhnlich kräftiger Mann 
mit sehr guter Körperfülle und Muskulatur ist, nichts anderes Pathologisches notiert, als die 
Geschwulst am Oberarm. Am oberen, inneren Teile desselben bemerkte man einen Tumor von 


der Grösse einer geballten Faust, von fester, nahezu knochenharter Konsistenz. Nirgends weich 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 34 


266 Sjögren. 


oder fluktuierend; aufwärts nach der Schulter zu scheint er gut begrenzt zu sein, ebenso. ein- 
wärts. Dagegen ist seine äussere und untere Grenze nicht so deutlich gegen die Umgebung 
markiert. Der Tumor ist sehr beweglich von einer Seite zur anderen. Nirgends gegen Druck 
empfindlich. Keine Auftreibung oder Empfindlichkeit am Humerus an der Stelle der Geschwulst. 
Die Haut über dieser ist etwas gerötet, aber völlig verschieblich, ausgenommen inmitten der 
Geschwulst, wo eine Narbe nach der vorerwähnten Excision vorhanden ist. Keine geschwollene 
oder empfindliche Drüsen. Das Schultergelenk fühlt sich normal an. Es liegt keine Beschrän- 
kung der Bewegung vor. Die Sensibilität am unteren Teil der Beugeseite des Unterarmes 
und dem Kleinfinger ist etwas herabgesetzt, ebenso ist die Kraft im Kleinfinger bedeutend 
herabgesetzt. 

Operation den 4. Juli 1903. Entfernung des Tumors, der sich, wie sich herausstellte, 
um den Nervus ulnaris entwickelt hatte, weshalb dieser aufgeopfert werden musste. Die patho- 
logisch-anatomische Untersuchung zeigte ein ziemlich grosszelliges, alveolär wachsendes Rund- 
zellensarkom. Die Heilung schritt unbehindert fort und der Patient wurde den 14. desselben 
Monats entlassen. 

Bereits im November war der Patient genötigt, wegen eines eingetretenen Recidivs 
wieder Aufnahme im Hospital zu suchen, woselbst den 20. November die Exstirpation der 
Axillardrüsen vorgenommen wurde. Es dauerte nicht länger als ein paar Monate, bevor der 
Patient von neuem Aufnahme im selben Krankenhause nachsuchen musste Der Zustand war 
nun bedeutend schlimmer. Nicht nur in der Achselhéhle und an der Operationsnarbe entlang 
ist Recidiv entstanden, sondern auch an der Rückseite des Armes hat eine verdächtige Infil- 
tration angefangen sich zu zeigen. Er wurde nun darüber aufgeklärt, dass der einzige operative 
Eingriff, der möglicherweise ein Resultat herbeiführen könne, die Exartikulation des Armes im 
Schultergelenk sei. Da er sich zu dieser Operation nicht entschliessen wollte, riet man ihm 
als letzten Ausweg Röntgenbehandlung durchzumachen, und zu diesem Zwecke reiste er nach 
Stockholm, wo er sich den 26. Februar bei mir einfand. In der linken Axılla hatte er nun 
einen apfelsinengrossen, festen Tumor, mit einer strahligen Narbe bedeckt. Längs der Operations- 
narbe an der Innenseite des Oberarmes befand sich eine knollige, feste Infiltration. Die Aussen- 
seite des Armes von der Schulter ganz hinunter bis an den Ellbogen war hart und infiltriert 
anzufühlen, bei Berührung schmerzend. Die Haut von normalen Aussehen an der Streckseite, 
Die Narbe lebhaft rot. Der ganze Arm unbeweglich und so gut wie unbrauchbar. Er kann 
denselben nicht aktiv bis zur Horizontalebene heben, passiv kann derselbe mit Schmerzen un- 
gefihr bis zur Horizontalebene geführt werden. Die Infiltration an der Rückseite macht nicht 
den Eindruck einer gewöhnlichen ödematösen Anschwellung, sondern scheint der Verdacht vor- 
zuliegen, dass die maligne Geschwulstbildung auf das Unterhautbindegewebe daselbst über- 
gegangen ist. 

Die Bestrahlung nahm zuerst ihren Anfang an der Innenseite und in der Achselhöhle. 
Schon nach einer Woche gab der Patient eine bestimmte Verbesserung an insofern, als die 
Schmerzen abgenommen und die Beweglichkeit zugenommen hatte. Alsdann schritt diese 
Besserung überraschend schnell fort, so dass nach dreiwöchentlicher Behandlung diese an den 
bis dahin bestrahlten Stellen unterbrochen werden konnte, worauf an der Aussenseite des Armes 
fortgefahren wurde, welche Partie sodann vier Wochen nacheinander behandelt wurde. In 
der letzten Zeit wurde die Behandlung der Innenseite des Armes und der Axilla wieder auf- 
genommen. 

Als die Behandlung den 17. April abgeschlossen wurde, war die Infiltration an sowohl 
der äusseren wie der inneren Seite verschwunden. Das einzige, was noch übrig ist, ist eine 
Verhärtung in der Axilla, die als veschrumpftes Narbengewebe aufgefasst wird. 

Die Behandlung kann nun nicht länger fortgesetzt werden, weil die reaktive Inflam- 
mation so stark geworden ist, dass jede weitere Behandlung auf dieser grossen Hautfläche 
ausgeschlossen ist. Die Beweglichkeit des Armes ist so gut wie normal, nur etwas beschränkt 


Die Vermeidung störender Weichteilschatten bei Röntgenaufnahmen, insbesondere des Beckens. 267 


auf Grund der strammenden Narbe in der Achselhéhle. Das Volumen kleiner als das des 
gesunden Armes, was auf Grund der langwierigen Untätigkeit der Muskulatur ja auch zu 
erwarten war. 

Die erste Frage, die man sich in diesem und ähnlichen Fällen vorlegt, ist ganz natür- 
lich die, ob das günstige Resultat, das erreicht worden ist, bestehen bleiben wird oder nicht. 
Eine Antwort hierauf kann noch nicht gegeben werden, da eine gar zu kurze Zeit verflossen 
ist, seit diese Behandlungsmethode in Anwendung gekommen ist. Ebensowenig wissen wir 
von Anfang, welche Fälle sich für diese Behandlung eignen. Natürlich müssen wir stets den 
Grundsatz aufrechthalten, dass für alle operierbaren Fälle die operative Behandlung die zweck- 
mässigste Methode ist. Es verbleiben gleichwohl, wie Krogius in seinem Aufsatz sagt, immer 
noch hinreichend viele Fälle, bei denen die Anwendung der Röntgenbehandlung ihre volle 
Berechtigung hat. Als solche können wir nicht nur die an und für sich inoperablen, sondern 
auch die Fälle rechnen, in welchen eine Operation aus einem oder dem anderen Grunde kontra- 
indiciert ist, oder wo der Patient eine Operation nicht zulässt. | 

Dass manche Fälle für die Röntgenbehandlung mehr zugänglich sind, als andere, lässt 
sich wohl nicht bezweifeln. Colley giebt, wie bereits zuvor erwähnt wurde, an, seine Erfahrung 
deute darauf hin, dass Rundzellensarkome am besten durch die Röntgenbehandlung beeinflusst 
werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur bemerken, dass von meinen drei Fällen 
zwei Spulzellensarkome und ein Rundzellensarkom gewesen sind. Dass nicht geringes Gewicht 
auf der Technik und der richtigen Ausübung derselben liegt, ist selbstredend. Es scheint mir 
von Wichtigkeit bei einem jeden Falle, der in Behandlung gekommen ist, diese nicht zu früh- 
zeitig aufzugeben, selbst wenn ein Erfolg nicht gleich bemerkbar ist. Der Fall aus Athen 
zeigt, dass erst nach sehr langwieriger Bestrahlung (von zwei Monaten), eine deutliche Ver- 
ringerung der Geschwulst wahrzunehmen war, die doch alsdann das völlige Verschwinden der- 
selben im Gefolge hatte. 

Schliesslich möchte ich die Worte anführen, mit denen Krogius seine vorstehend 
erwähnte Publikation schliesst: „Ich glaube, dass es unter den malignen Tumoren einige giebt, 
auf welche die Réntgenstrahlen eine ganz eklatant zerstörende Wirkung ausüben; dass wir 
vielleicht durch fortgesetzte methodische Untersuchungen so weit kommen werden, die günstigen 
Fälle im voraus zu erkennen, und dass es durch Verbesserung der Technik sowie namentlich 
durch eine zweckmässige Kombination von operativen Eingriffen mit der Röntgenbehandlung 
gelingen wird, innerhalb gewisser Grenzen die Brauchbarkeit der Methode noch bedeutend zu 
entwickeln. Bei einem so fürchterlichen Leiden, wie es die inoperablen malignen Geschwülste 
sind, muss man eben ohne vorgefasste Meinung alle Mittel versuchen, welche irgendwelche 
Aussicht auf Erfolg bieten .. .* | 


Aus dem Hafenkrankenhaus in Hamburg (Oberarzt Dr. C. Lauenstein). 


Die Vermeidung störender Weichteilschatten bei Röntgenaufnahmen, insbesondere 
| des. Beckens. 


Von 
Dr. S. Haffner, früherem Sekundärarzt. 


Wohl jedem, der Röntgenaufnahmen macht, ist es bekannt, wie sich häufig über sonst 
brauchbare Beckenradiogramme ein störender, manchmal alle Details verdeckender Schatten von 
meist ovaler Umgrenzung zieht. Am dichtesten und am besten abgegrenzt pflegt er in der 
Pfannen- und Schenkelkopfgegend zu sein. Von da zieht er bogenförmig nach oben und nach 
unten, sich allmählich verlierend. 

34* 


268 Riedl. 


Dass er mit den Weichteilen des Gesässes zusammenhängt, geht aus seiner Form ohne 
weiteres hervor. Er entspricht offenbar dem Gebiet, in dem die Gesässweichteile der Platte 
direkt anliegen. Je dicker der Patient, desto intensiver ist der Schatten und desto mehr rückt 
seine Begrenzung nach aussen. Bei sehr dicken Leuten kann eine Beckenaufnahme geradezu 
unmöglich werden. 

Nicht bei jeder Aufnahme kommt dieser Gesässschatten zur Beobachtung. Der 
Charakter der Röhre ist von Bedeutung: harte Röhren liefern Bilder ohne Gesässschatten; 
es ist ein gewisser Grad von Weichheit nötig. I 

In der letzten Zeit haben wir durch ein sehr einfaches Mittel, das ich zur Nachahmung 
empfehle, den Gesässschatten mit gutem Erfolge auszuschalten versucht. Wir legen zwischen 
Platte bezw. Kassette und Gesäss eine gut für Réntgenstrahlen durchlässige Schicht und zwar 
benützen wir zu diesem Zweck ein mit Holzwolle gefülltes Verbandkissen (ca. 1—2 Finger 
dick), wie wir sie zu den grösseren Wundverbänden verwenden. Wo solche Kissen nicht vor- 
rätig sind, lassen sie sich leicht herstellen durch Einfüllen von grober Holzwolle in platte 
Mull- oder Leinensiicke. Selbstverständlich sind Verbandkissen, die mit Sublimat impriigniert 
sind, nicht brauchbar. 

Kontrollversuche: Eine Beckenhälfte mit untergelegtem Holzwollekissen, die andere 
oline dasselbe ergaben, dass auf der ersten Hälfte der Schatten fehlte, auf der zweiten aber 
ausgesprochen vorhanden war. 

Die Vergrösserung des Abstandes der zu durchleuchtenden Körperteile von der Platte 
spielt bei dem dabei gebräuchlichen Réhrenabstande von ca. 50 cm keine Rolle. 

Ob es die gut durchlässige Schicht überhaupt ist, die den Weichteilschatten aus- 
schaltet, oder ob der Luftgehalt des Kissens von Bedeutung ist, weiss ich nicht. Das ist auch 
praktisch ziemlich gleichgültig. Zweckmässig scheint unter allen Umständen die Verwendung 
des Kissens zu diesem Zweck zu sein, weil der Patient bequem darauf liegen kann, was für 
sein Stillhalten wieder von Wichtigkeit ist. 

Nicht nur am Becken, sondern auch an anderen Körperteilen, bei deren Durchleuchtung 
die verschleiernde Wirkung der Weichteile in Betracht kommt, wie Schulter und Thorax, 
glaube ich durch Verwendung eines Holzwollkissens, zumal bei korpulenten Leuten, bessere 
Bilder erzielt zu haben. 

Insbesondere möchte ich empfehlen, bei Aufnahmen von Nieren- und Gallensteinen, 
bei denen jede Verfeinerung von besonderer Bedeutung ist, mit Zwischenschaltung des Kissens 
„u arbeiten. Uns stehen darüber keine Erfahrungen zu Gebote. 


Aus dem städtischen allgemeinen Krankenhause in Linz a. d. Donau. 
(Primararzt Dr. A. Brenner.) 


Zwei Fälle von angeborener Defektbildung des Oberschenkels. 


Von 
Dr. Hermann Riedl, Abteilungsassistent. 
(Hierzu Tafel XIV, Fig. 4 und 5.) 
In seiner Bearbeitung der angeborenen Verbildungen der unteren Extremitäten beschreibt 


Joachimsthal') zwei Fälle von Defektbildungen am Oberschenkel, welche er selbst mittels 


des Röntgenverfahrens untersuchen konnte, 


1) Archiv und Atlas der normalen und pathologischen Anatomie in typischen Röntgenbildern. 
Band 8: „Die angeborenen Verbildungen der unteren Extremitäten® von Dr. Georg Joachimsthal. — 
Hamburg, L. Gräfe & Sillem, 1902. 


Zwei Fälle von angeborener Defektbildung des Oberschenkels. 269 


Im Nachfolgenden möchte ich die Kasuistik dieser immerhin 
seltenen Missbildungen um zwei weitere Fälle meiner eigenen Beob- 
achtung vermehren. 


Der erste Fall betrifft ein zweijähriges Mädchen, welches uns durch 
die Freundlichkeit des Herrn Dr. Friedmann aus Thomasroith in Oberöster- 
reich zur Untersuchung hereingeschickt wurde. | 

Die Eltern des Kindes geben an, dass eine auffallende Verkarsnng 
des rechten Beines schon bei der Geburt bemerkt wurde, dass aber in der 
Folgezeit das Missverhältnis in der Länge der beiden unteren Gliedmassen 
noch stärker geworden sei. 

Das sehr kräftig entwickelte Kind war bisher noch nie krank und 
kann seit °/, Jahren gehen; auf ebenem Boden läuft es watschelnd, doch sehr 
behende umher, rechts tritt es mit den Zehenspitzen auf, links mit dem 
ganzen Fusse, doch wird gleichzeitig das linke Bein zur vollständigeren Aus- 
gleichung des Längenunterschiedes im Knie- und Hüftgelenk gebeugt gehalten. 

Der rechte Oberschenkel erscheint gegen den linken auffallend 
kurz, dick und plump. Man tastet in diesem Gebilde, in einiger Entfernung 
vom Becken, einen ziemlich kurzen und schmalen Knochen, welcher mit 
der Tibia des Unterschenkels artikuliert. Dieser ist ganz normal ausgebildet, 
doch schwächer entwickelt als der linke, und um 8 cm kürzer; er hängt, 
wenn das Kind auf dem linken Bein aufrecht steht, in Auswärtsrotation frei 
herab, die Ferse reicht dann etwa bis in die Höhe des Tuberositas tibiae 
der anderen Seite. 

Eine Kniescheibe ist nicht zu tasten. 


Im Röntgenbilde (Tafel XIV, Fig. 4) sieht man an Stelle 
des rechten Femur ein kurzes, nach oben spitz zulaufendes Knochen- 
stück mit einer distal sich ansetzenden Epiphyse. Daran schliesst sich. Tibia mit Fibula des 
Unterschenkels. Von einer Patella, welche unter normalen Verhältnissen im zweiten Lebens- 
jahre ossifiziert, ist, wie in dem analogen Falle von Joachimsthal, nichts zu sehen. 

Der zweite von mir untersuchte Fall, ein 28jähriger Schuhmachergeselle in Lustenau 
bei Linz, stammt aus Schlesien. 


Fig 1, 


Anamnestisch wäre anzuführen, dass die Verkürzung, welche auch hier das rechte Bein 
betrifft, schon seit der Geburt vorhanden ist, dass der Mann bis zu seinem neunten Lebensjahre ohne 
Stelze herumlief, dabei aber gezwungen war, das linke Knie gleichzeitig stark einzubiegen. Zum Aus- 
gleich der im Laufe der Jahre immer stärker und auffallender gewordenen Verkürzung benutzte er von 
da an einen mit einem Schnürschuh fest verbundenen Stelzfuss, den er in der Folgezeit noch öfters ver- 
längern musste. 

Mit Hilfe dieser Prothese, welche auf dem beigegebenen Bilde ersichtlich ist, kann er ohne 
Anstrengung stundenlang umhergehen. 

Der Mann ist gross und im allgemeinen kräftig entwickelt. Abgesehen von der weiter unten 
näher beschriebenen Verkürzung des rechten Beines bemerkt man zunächst, dass der ganze rechte Arm 
schwächer entwickelt ist als der linke; die Messung ergiebt eine Verkürzung von 5 cm. Pro- und 
Supination kann infolge eigentümlicher Krümmung der beiden Unterarmknochen gegeneinander so 
gut wie gar nicht ausgeführt werden; bei allen Bewegungen des Unterarmes befindet sich derselbe in 
Mittelstellung. — Die rechte Hand ist bloss dreistrahlig ausgebildet (s. Abb.), ausser dem Daumen sind 
nur zwei Finger vorhanden; die zugehörigen drei Metacarpalknochen sind, wie die Röntgendurch- 
leuchtung ergab, gut entwickelt. 

Besondere Beachtung verdient die hochgradige Verkürzung der rechten unteren Extremität. 
Von einem Oberschenkel findet sich nur ein kurzer fleischiger Ansatz, so dass der Unterschenkel an der 
Hüfte zu beginnen scheint. Beim aufrechten Stande des Patienten hängt das rechte Bein frei herab, 
die Ferse reicht bis in die Höhe der Kniegelenksspalte der anderen Seite. Vergleicht man die Länge 
der beiden Unterschenkel, so ergiebt sich eine Differenz von bloss 1 cm zu Gunsten des linken. 

Der rechte Fuss, ein starker Pes valgus, ist um 3 cm kürzer als der linke; die vierte Zehe 
erscheint aus der Reihe der übrigen gleichsam nach oben herausgedrängt und liegt den beiden 
Nachbarn auf. : 

Der Mann ist imstande, das verkiirzte Bein in der Hiifte bis zum rechten Winkel zu beugen, 


>70 Riedl. 


im Liegen kann er dasselbe quer über den linken Oberschenkel ‚hinüberlegen; die Abduktion gelingt 
nur bis zu einem Winkel von 45°, Rotation ist in schr ausgiebigem Masse ausführbar: Mit Leichtigkeit 
kann in Liegelage bald innerer, bald äusserer Fussrand der Unterlage aufgelegt werden. 


Fig. 2. Fig. 3. 


Das Röntgenbild (Tafel XIV, Fig. 5,) welches wie das des vorher beschriebenen Falles 
in Riickenlage bei Auswärtsrotation des Beines angefertigt wurde, ergiebt folgenden Befund: 

Von einem Oberschenkelknochen ist nichts zu sehen. Doch besitzt die Tibia oben 
einen zapfenförmigen Ansatz, welcher vielleicht als ein mit dem Schienbein verschmolzenes 
Rudiment des Oberschenkelknochens anzusprechen wäre. - Nach aussen davon ist ein scharf- 
begrenzter linsenförmiger Schatten sichtbar, der nach Lage und Form einer in Seitenansicht 
eingestellten Patella entsprechen könnte. Zu tasten war davon nichts. 

Leider liess sich der Patient zu einer weiteren Untersuchung nicht mehr bewegen, so 
dass ich mich mit dieser einen Röntgenaufnalme begnügen musste Aus diesem Grunde 
konnte auch nicht das Hüftgelenk der andern Seite näher studiert werden, um eine eventuelle 
Verbiegung des Schenkelhalses im Sinne einer kompensatorischen Coxa vara nach Joachims- 
thal festzustellen. Die oberflächliche Untersuchung, wie auch die Photographie des Mannes 
sprechen nicht dafür. 


Über schliessungslichtfreie Röntgenröhren. 271 


Über „schliessungslichtfreie“ Röntgenröhren. 
| Von 
F. J. Koch und K. A. Sterzel in Dresden. 


Die Röntgenröhren in ihrer üblichen Konstruktion setzen für den Betrieb hochgespannte Gleich- 
stromimpulse unter absolutem Ausschluss der entgegengesetzten Stromrichtung voraus. Leider entsprechen 
diesen Voraussetzungen gerade die von den verbreitetsten Hochspannungsapparaten, den Funkeninduktoren 
mit Primärunterbrechern gelieferten Betriebsspannungen durchaus nicht. Oft, insbesondere bei niedrigem 
Vakuum, also niedrigem elektrischen Durchbruchswiderstande finden die bei der Schliessung des Primär- 
stromes im Induktorium erzeugten Spannungen von verkehrter Richtung den Weg durch die Röhre. 
Alsdann übernimmt die für die Aussendung von Kathodenstrahlen an Gestalt und Anordnung im allge- 
meinen ungeeignete Anode, sowie die Antikathode zeitweilig die Rolle der Kathode. Die Öffnungs- 
spannungen erzeugen zwar in normaler Weise auf dem Antikathodenspiegel ein punktförmiges Radiations- 
centrum für Röntgenstrahlen, aber auch die während der Schliessungsspannung von der Anode und der 
Antikathode ausgehenden Kathodenstrahlen erzeugen auf allen 
entgegentretenden Metallteilen in der Röhre, sowie auf der 
Röhrenglaswand selbst ausgedehnte Radiationsstellen für Röntgen- 
strahlen. Dieses Auftreten von Nebenlichtquellen, „Schliessungs- 
licht“ beeinträchtigt naturgemäss die Schärfe der Konturen auf 
dem Leuchtschirm sowie im Radiogramm ganz erheblich. Gleich- 
zeitig werden die direkt von Kathodenstrahlen getroffenen Teile 
der Glaswand stark erhitzt. 

Eine weitere Folge des Stromdurchganges in verkehrter 
Richtung ist die beträchtliche Zerstäubung von Metallteilchen 
der Antikathode, die damit verbundene Absorption der Luft- 
reste und die rasche Erhöhung des Vakuums in so betriebenen 
Röntgenröhren. 

Die bisher zur Lösung des Problems einer schliessungs- 
lichtfreien Betriebsweise „weicher“ Röhren unternommenen 
Schritte zielen unter Beibehaltung der tradionellen Form der 
Röhren zunächst darauf die Spannungen verkelrter Richtung 
durch rein äusserliche Mittel hinlänglich oder radikal zu unter- 
drücken. Ventilfunkenstrecken (Spitze, Platte) sowie Ventil- 
vakuumröhren im Hochspannungskreis werden verwendet, um 
den Durchbruch verkehrt gerichteter Spannungen zu verhindern. 
Man giebt damit einen nicht unwesentlichen Prozentsatz der 
verfügbaren Spannung (Schlagweite) auch in der Nutzrichtung 
verloren, insbesondere aber lassen die erwähnten Hilfsmittel hin- 
sichtlich der Zuverlässigkeit und Wirkungsweise noch manche 
Wünsche unerfüllt. 

Gleichviel in welcher Bauart fügen sie der Anlage Fig. 1. 
einen neuen veränderlichen Faktor hinzu, der während des 
Betriebes zur richtigen Nachregulierung ebensoviel Aufmerksamkeit absorbiert, als die Röntgenröhre 
selbst. Nicht vollkommen abgeschlossene Funkenstrecken insbesondere kommen durch das unangenehme 
Geräusch und die in kurzer Zeit das Röntgenkabinett verpestende Luftoxydation für die Röntgentechnik 
ernstlich nicht in Frage. 

Eine unter allen Umständen zuverlässige Betriebsweise von gewöhnlichen Röntgenröhren mit 
absolutem Gleichstrom unter völligem Ausschluss der verkehrten Stromrichtung beruht auf der Gleich- 
richtung von hochtransformiertem Wechselstrom durch einen synchron zur Wechselspannung angetriebenen 
mechanischen Hochspannungskommutator oder Unterbrecher, dem gegenüber die oben erwähnten „Ventile“ 
nur als unvollkommene Surrogate erscheinen. ?) 

Thatsächlich zeigen Röutgenröhren in Verbindung mit Anlagen nach diesem System ein geradezu 
ideal ruhiges, streng geteiltes Licht und eine entsprechend längere Lebensdauer als bei Induktorbetrieb. 
i Emancipiert man sich indessen einmal ganz von dem Gedanken, Röntgenröhren mit absolutem 
Gleichstrom zu Bemeipen, und stellt sich die Aufgabe, die Konstruktion der Röhren selbst derart 


1) Vgl. F. J. Koch, Annalen der Physik. Vierte Folge. Band 14. 


272 Koch und Sterzel. 


durchzubilden, dass sie bei Speisung mit ,unreinem* Gleichstrom, in letzter Linie mit Wechselstrom, den 
reinen ,Gleichstromeffekt* als Röntgenlichtquelle aufweisen, so wird man in erster Linie die gerade 
durch die Forschungsarbeiten der letzten Jahre wesentlich geförderten Erkenntnisse über den Stromdurch- 
gang durch verdünnte Gase zu Rate ziehen. 

Um von vornherein volle Klarheit über das Verhalten von Röntgenröhren gegenüber dem Strom- 
durchgang in verkehrter Richtung zu bekommen und entsprechende Kriterien aufstellen zu können, 
musste zunächst eine Untersuchungsmethode geschaffen werden, welche messend vorzugehen gestattete. 
Als Spannungsquelle war dabei das Induktorium nicht verwendbar, da dessen Spannungsimpulse nicht 
gleichgerichtet, nicht regelmässig genug und ihrem ausserordentlich kurzem Verlauf nach exakten Messungen 
nicht zugänglich sind. Mit der Influenzmaschine konnte die normaler Betriebsweise entsprechende Leistung 
nicht erhalten werden, mit einer Hochspannungsbatterie zu arbeiten war bei dem Charakter der Röntgen- 
röhren als Durchbruchswiderstand ganz ausgeschlossen. Die Verfasser bedienten sich vielmehr der in 
Fig. 1 skizzierten Anordnung: An das Wechselstromnetz ,N* (110 Volt 100 Polwechsel) ist ein eisen- 
geschlossener Wechselstrom-Hochspannungstransformator „T+ (wie ihn Fig. 2 zeigt) unter Einbeziehung 
eines Stromwenders „U“, eines Hauptstromrerulators „WI und einer Drosselspule „D“ in den Primär- 
l stromkreis angeschlossen. Beide 
Wechsel der Hochspannung wer- 
den mittelst eines Hochspann- 
ungsgleichrichters ,H* auf die- 
selbe Richtung kommutiert. 

Der eisengeschlossene 

Hochspannungstransformator 
sowie der Hochspannungsgleich- 
richter sind ähnlich den Appa- 
raten, welche die Verfasser für 
die Röntgeneinrichtungen ihres 
Systems konstruierten. 

Der Hochspannungs- 
gleichrichter für vollständige 
Kommutation, dessen Ansicht 
Fig. 3 zeigt, besteht aus zwei 
Systemen von Kontaktsegmenten, 
ers, = die in zwei Hartgummikapseln 
Tea e l | eingebaut sind. Durch einen 
on Synchron-Motor mit horizontaler 
Fig. 2. Welle in Rotation versetzt, läuft 

innerhalb jeder der Kapseln ein 
mit Schleifbürsten armierter Kontaktarm um. Zufolge der synehronen Umlaufsgeschwindigkeit steht 
beispielsweise im Scheitel des positiven Wechsels das Armsystem in der stark eingezeichneten Stellung, 
während er im Scheitel des darauf folgenden negativen Wechsels sich in der punktierten Lage befindet. 
Wie aus Fig. 1 leicht zu entnehmen, erhält die zu untersuchende Röntgenröhre ,R* den einen (positiven) 
Wechsel direkt, den folgenden (negativen) Wechsel kommutiert zugeführt, also absolute Gleichstrom- 
impulse von hoher Spannung. Durch geeignete Beeinflussung wird zugleich die sonst mehr sinusartig 
verlaufende Form der einzelnen Stromimpulse in die Nähe ihrer Scheitel zusammengedrängt, so dass die 
Kommutation auch bei verkürzten Segmenten funkenlos von statten geht. 

Die Regulierung der an die Röhren gelegten Spannung geschah durch Verändern des Primär- 
stromregulators „ W*. Durch Umwenden des Stromwenders „U* konnte die Polarität der Hochspannungs- 
impulse für den Stromdurchgang durch die Röntgenröhren in normaler und verkehrter Richtung bequem 
gewendet werden. 

Die Messung der Hochspannungsimpulse geschah durch direkte Messung der vom Transformator 
gelieferten effektiven Wechselspannung mittelst eines statischen Elektrometers „S“ von Hartmann & Braun, 
welches direkte Ablesung für Wechselspannungen bis 100000 Volt gestattete. 

Es bedarf wohl keines Hinweises, dass die vor der Kommutation durch den Hochspannungs- 
gleichrichter gemessene Wechselspannung ein passendes Mass für die Höhe der an die Röntgenröhre selbst 
gelegten gleichgerichteten Spannungsimpulse darstellt, da durch die funkenlose Kommutation mittelst 
metallischer Schleifbürstensysteme cin Spannungsverlust nicht verbunden ist. 

Die Messung des durch die Röntgenröhre gehenden Stromes geschah mittelst eines besonders 
eingerichteten Milliamperemeters nach Deprez d’Arsonval „M“. | 

Wenngleich zur Zeit der gesetzmässige Zusammenhang zwischen der effektiven Spannung an 
einer Röntgenröhre, zwischen dem Mittelwert des durchgehenden Stromes und der Quantität und Qualität 


i | 
I 


Über schliessungslichtfreie Röntgenröhren. 273 


des Röntgenlichtes selbst noch wenig erforscht ist und erst die Kenntnis der Momentanwerte von Spannung 
und Strom Klärung bringen könnte, so ergeben doch diese beiden Faktoren gemeinschaftlich gute und 
vergleichbare Aufschlüsse über das Verhalten verschiedener Röhrenkonstruktionen hinsichtlich des Strom- 
durchganges in normaler und verkehrter Richtung. Gleiche Kurvenformen vorausgesetzt ist das Verhalten 
der Mittelwerte auch für die Scheitelwerte charakteristisch. 

Fig. 4 zeigt als typisches Beispiel die „Charakteristik“ einer Röntgenröhre mit Antikathode in 
Glasmantel, die als besonders vorzüglich gerühmt zu werden pflegt. Eine allmählich gesteigerte Spannung 
wurde an die Röhre gelegt, bis die zunächst nichtleuchtende Röhre im Dunkeln ein plötzliches Auf- 
leuchten zeigte. Die in diesem Moment 
gemessene Mittelspannung entspricht 
einer kritischen Scheitelspannung, 
bei der der Widerstand der Röhre ge- 
wissermassen zusammenbricht und an 
Stelle einer statischen Potentialverteilung 
ein Stromdurchgang durch das Vakuum 
beginnt. 

Die Beobachtung dieser Spann- 
ung wurde sowohl in normaler als in 
verkehrter Richtung mehrfach wieder- 
holt und es stellte sich schon hierbei 
die bemerkenswerte Thatsache heraus, 
dass bei allen üblichen Röhrenkonstruk- 
tionen die kritische Spannung für 
den Durchgang in verkehrter Rich- 
tung tiefer liegt als für das „Ansprechen“ 
in normaler Betriebsweise. Sie betrug 
bei der eben angeführten Röntgenröhre 
nur */, der kritischen Spannung in nor- 
maler Richtung. Noch ungünstiger ver- 
halten sich die gebräuchlichen Röntgen- 
_réhren nach erfolgtem Zusammenbruch 
des Röhrenwiderstandes. Hier rief bei- « Fig. 8. 
spielsweise eine Spanung von 30000 Volt . 
einen Strom von 0,2 Milliampere in der normalen Richtung und eine Spannung von 29000 Volt einen 
Strom von 1,5 Milliampere in der verkehrten Richtung hervor. Das ist das 7*/,fache! 

Der Zustand des Vakuums ändert diese Verhältnisse nur quantitativ. Die kritischen Spannungen 
sinken bei zunehmendem Innendruck ausserordentlich herab. 

Sowie die kritische Spannung 
für die verkehrte Richtung niedriger 
geworden ist als der Schliessungs- 
spannungsscheitel des Induktoriums, tritt 
ein entsprechend grosser Stromdurchgang 
mit seinen schädlichen Folgen ein. Die 
Röntgenröhren in ihrer üblichen 
Bauart begünstigen also, wie auch 
bei kritischer Betrachtung vorauszusehen 
war, direkt den Eintritt und Durch- 
gang des Stromes in verkehrter 
Richtung. Dieses Missverhältnis zu 
beseitigen ist den Verfassern durch die 
Konstruktion einer neuen Röntgenröhre 
gelungen, deren Charakteristik in Fig. 5 
wiedergegeben ist. Als Beispiel wurde 
absichtlich eine ziemlich weiche Röhre 
gewählt, da für diese die Verhältnisse relativ ungünstig ausfallen. Schon die kritische Spannung in 
verkehrter Richtung liegt indessen um 100 %, über derjenigen in normaler Richtung! Um den gleichen 
Strom von beispielsweise 0,3 Milliampere in verkehrter Richtung durch die Röhre zu treiben, bedarf es 
der 4,2fachen Spannung! = 

Bei höherem Vakuum wird die kritische Spannuug in verkehrter Richtung so hoch, dass das 
Glas von aussen durchschlägt, ehe ein Stromdurchgang durch die Röhre einsetzt. Röntgenröhren dieser 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrablenu. VIII, 35 


Fig. 5. 


274 Koch und Sterzel. 


Art gestatten sogar im Anschluss an symmetrische Wechselspannungen den Stromdurchgang nur in einer 
Richtung. Sie sind Röntgenröhren mit Ventilcharakter. 

Es erübrigt sich, auszuführen, wie vollkommen der Anschluss der verkehrten Stromrichtung bei 
der Verwendung solcher Röhren im Anschluss an die von Induktorien gelieferten Spannungen erfolgt. 

Bei derartig unterdrücktem Stromdurchgang in verkehrter Richtung fällt naturgemäss die bei den 
üblichen Konstruktionen auftretende Metallzerstäubung fast vollständig weg. Die Absorption der Luft- 
teilchen und die Erhöhung des Vakuums geht entsprechend langsamer vor sich und das Regenerieren 
braucht seltener angewendet zu werden. 

Beistehende Abbildung, Fig. 6, zeigt eine derartige „Bikathodenröhre‘. Man bemerkt, dass 
beide Zuleitungselektroden kathodenartig als Hohlspiegel ausgebildet sind. Das von der einen 
Zuleitungselektrode („aktive Kathode“) ausgehende Kathodenstrahlbündel wird in der üblichen Weise auf 
einen Antikathodenspiegel konzentriert. Die andere Zuleitungselektrode („inaktive Kathode“), welche in 
normalem Betrieb die Anode darstellt, ist in den Glashals zurückgezogen. Ihr gegenüber ist ein trichter- 
artiges Metallstück angeordnet, welches an der Rückseite der Antikathode befestigt wurde. Erfahrungs- 
gemäss stellt sich dem Stromdurchgang durch eine Vakuumröhre ein ausserordentlich hoher Widerstand 
entgegen, wenn der sogenannte dunkle Kathodenraum, 
der sich an der negativen Zuleitungselektrode bildet, 
an seiner Ausbreitung durch die Glaswände der Röhre 
oder durch einen gegenüber befindlichen Fremdkörper 
gehindert wird. Dagegen wirkt eine solche Disposition, 
so lange die betreffende Zuleitungselektrode positiv 
(Anode) ist, nicht wesentlich als Widerstand erhéhend. 


normaler Richtung die Bikathodenröhre einen normalen 
Widerstand aufweist, tritt dem Stromdurchgang in 
entgegengesetzter Richtung cin wesentlich erhöhter 
Widerstand entgegen, wie auch die in Fig. 5 gegebene 
Charakteristik bestätigt. 

Tritt aber doch bei ganz weichen Röhren 
eine Erniedrigung der kritischen Spannung und eine 
Herabminderung der Ventilwirkung ein, so werden die 
von der inaktiven Kathode ausgehenden Kathoden- 
strahlen zu einem Bündel vereinigt und in den Metall- 
trichter gelenkt. Da weder dessen Metall zur Aussen- 
dung von Röntgenstrahlen geeignet ist, noch die etwa 
entstandenen Strahlen in der Richtung der normalen 
Röntgenstrahlen Nebenlichtwirkungen ausüben können, 
so ist eine solche Röhre unter allen Umständen 
„schliessungslichtfrei*. Man erhält auf alle Fälle 
schärfste Bilder auf dem Schirm und im Radiogramm, 
gleichviel ob Spannungen gleicher oder wechselnder 
Richtung an der Röntgenröhre liegen. 

Der Anschluss der Bikathodenröhren erfolgt in der Weise, dass der negative Pol des Induktors 
zur „aktiven“ der positive Pol zur „inaktiven“ Kathode geführt wird. Die Antikathode bleibt also 
unangeschlossen. Hier sei gleich dem Einwand begegnet, dass die Antikathode, wie bei den üblichen 
Röntgenröhren, metallisch mit dem positiven Pol des Induktors in Verbindung stehen müsse, um das 
Ansammeln von negativer Ladung auf derselben zu verhindern und die Neutralisation der von den Kathoden- 
strahlen mitgeführten negativen Ladungen zu bewirken. Da der metallische Trichter ziemlich nahe bis 
an die mit dem positiven Pol verbundene „inaktive‘ Kathode heranreicht, so lassen schon die Gesetze 
über das Spannungsgefälle in verdünnten Gasen voraussagen, dass für die auszunutzende Stromrichtung 
zwischen Anode und Antikathode kein wesentlicher Prozentsatz der Gesamtspannung liegen kann. Man 
kann dies auch sofort experimentell kontrollieren, indem man die Verbindung zwischen Anode und Anti- 
kathode durch eine Luftfunkenstrecke herstellt. Ein solcher Versuch zeigt erstens, dass die maximal 
erzielbare Funkenstrecke nur wenige Millimeter beträgt und dass der Charakter der ausgesandten Röntgen- 
strahlen bei vollständig metallischer Verbindung nur ein wenig härter wird, als ohne dieselbe. Die 
Bikathodenröhre unterscheidet sich hierin von anderen Konstruktionen, bei denen allerdings, zumal wenn 
die Antikathode mit einem Glasmantel umgeben ist, die metallische Verbindung erforderlich wird. Eine 
solche Röhre war auch die einzige Konstruktion, bei der sowohl das Auftreten negativer Ladung, als 
auch ein vollständiges Versagen des Ansprechens konstatiert werden konnte, wenn die glasummantelte 
Anode nicht mit der Antikathode verbunden wurde. Bikathodenröhren sprechen anstandslos noch bei 


Fig. 6. 


Während also für den Stromdurchgang in’ 


a TE 


Ein universeller Blenden- und Schutzapparat für das Röntgenverfahren. 275 


einem Härtegrade an, der dem Skalenende des Wehneltschen Radiometers entspricht, mit dem die ent- 
sprechenden Untersuchungen angestellt wurden. 

Dem Röntgenpraktiker dürften die Bikathodenröhren insofern willkommen sein, als sie zu ihrem 
Betrieb nicht mehr absoluten Gleichstrom liefernde Apparate erfordern und alle auf Vermeidung des 
Schliessungslichtes gerichtete Aufmerksamkeit während der Aufnahmen entfällt. Gleichzeitig wird durch 
die Schaffung von Röntgenröhren mit Ventilcharakter eine wesentliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit 
jeder Induktoranlage und eine Erniedrigung des Röhrenbudgets ermöglicht. 

Über höchst einfache und doch äusserst vollkommene Röntgeneinrichtungen mit eisengeschlossenem 
Hochspannungstransformator, welche die Verfasser unter Verwendung von Bikatlıodenröhren ausgebildet 
haben, wird demnächst an dieser Stelle zu berichten sein. 


Ein universeller Blenden- und Schutzapparat für das Röntgenverfahren'). 
Von 
Dr. Max Levy-Dorn. 


Der Schutz des Untersuchers gegen Röntgenstrahlen, sowie geeignete Vorrichtungen 
zum Gebrauch von Blenden bilden, aus Gründen, die ich in einer Fachzeitschrift nicht näher 
zu erörtern brauche, heute eine notwendige Forderung für jedes Röntgenlaboratorium. Ich habe 
mich seit vielen Jahren?) damit beschäftigt, einen Apparat zu konstruieren, der sowohl 
durch die Vielseitigkeit seiner Anwendung, als auch durch bequeme Handhabung möglichst 
wenig zu wünschen übrig lässt. 

Der einfache Blendenkasten und der verstellbare Tischaufsatz für Blenden, den ich 1897 
bauen liess und 1898 beschrieb, erfüllten zwar ihre Hauptaufgaben, genügend Schutz zu geben 
und das Blendverfahren zu vereinfachen, ärgerten aber durch ihre Schwerfälligkeit, sodass ich, 
wenn es nur irgend anging, von ihrem Gebrauche in der Praxis absah. 

Die Schwierigkeit für das Herstellen ganz 'zufriedenstellender Apparate lag besonders 
darin, dass man schwere Gegenstände, wie sie naturgemäss die Bleiplatten darstellen, leicht be- 
weglich anbringen musste, ohne die Sicherheit, der Patienten und Röntgenröhren zu gefährden. 

Wer sich mit dem allerdings nicht unbeträchtlichen Schutz zufrieden geben will, den 
schon wenige Stangen Stanniol bewerkstelligen, hat natürlich ein leichtes Spiel. Die gewöhn-. 
licheren solideren Stative reichen dann für die verschiedensten Einrichtungen, die sich eine kühne 
Phantasie ausdenken kann, vollständig aus, und es bestehen keine Schwierigkeiten, jedes beliebige 
Instrument, das sonst in der Praxis gebraucht wird, mit besonderen Sicherungen gegen Röntgen- 
strahlen zu versehen, falls es nur erwünscht ist). 

Doch möchte ich nicht näher darauf eingehen, da ja natürlich der grössere Schutz das 
Bessere ist, und ich vorhabe, ein Instrument zu beschreiben, das aus vielen Gründen den Vor- 
zug verdient, wenn die äusseren Mittel gestatten, es anzuschaffen. Dasselbe wurde nach meinen 
Angaben von Siemens & Halske gebaut und zwar zum grössten Teil durch Herrn Rodde, 
zum kleineren Teil durch seinen Nachfolger Herr Schwarz und hat sich mir etwa seit Jahres- 
frist vorzüglich bewährt. 

Die Grundlage des Apparates, vgl. Fig. 1, bildet eine Bleikiste, in der das Röntgen- 
rohr so befestigt wird, dass die Strahlen allein durch eine Blendenöffnung den Kasten verlassen 
können. Die Bleikiste kann in der Quere und in der Senkrechten — mit anderen Worten — 


1) Eine vorläufige Mitteilung erschien „Deutsche Ärztezeitung“, Heft 8, 1904. 
2) Vgl. Chirurgen-Kongress 1898 und 1901. Zeitschrift für Krankenpflege, April 1898, 
Deutsche med. Woch. No. 49, 1903. 
3) Vgl. Levy-Dorn. Chirurgen-Kongress 1900. 
35* 


976 Levy-Dorn. 


in einer senkrechten Ebene bewegt werden, sowie um eine horizontale Achse im Um- 
fang eines rechten Winkels gedreht und in allen nur herstellbaren Lagen leicht befestigt 
werden. Dadurch ist es möglich, ohne Mühe der Blendenöffnung, also der Austrittspforte der 
Röntgenstrahlen, die Richtungen und Stellungen zu geben, die in der Radioskopie, Radiographie 
und Therapie notwendig gebraucht werden. 

Bei der Durchstrahlung von oben nach unten ist es aber auch nötig, eine zur Be- 
wegungsebene der Bleikiste senkrechte Verschiebung bewerkstelligen zu können. Der 
Untersuchungstisch wurde daher mit Rollen versehen und auf Schienen gestellt, sodass 

nunmehr selbst schwere Objekte leicht mit ihm unter 

BEER der Bleikiste hin und her geschoben werden können. 

Auf die entsprechende Bewegung des Bleikastens, die 

unständliche Vorrichtungen erfordert hätte, konnte 
mithin verzichtet werden. 

Die Bleikiste hat die Form einer qua- 
dratischen Säule und auch einen für grosse Röhren 
genügenden Umfang; ihre Längsachse beträgt 60 cm, 
die beiden Querachsen messen 40 cm‘). | 

Aus der Mitte der einen Längsseite ist eine 
Kreisscheibe von 20 cm Durchmesser ausgeschnitten. 
Die äussersten Punkte der dadurch entstandenen 
Blendenöffnung stehen also 20 cm, beziehungs- 
weise 10 cm von den Kanten ab. Die Wand der 
Blendenöffnung gegenüber bleibt offen und dient als 
Zugang zum Innern des Kastens, demselben Zweck 
dient eine breite verschliessbare Thür an der einen 
quadratischen Schmalwand. 

An einem verstellbaren Halter wird die 
Röntgenröhre so befestigt, dass ihre Längsachse mit 
derjenigen des Kastens parallel läuft. 

Um die Öffnung läuft ein | _|-förmiger 
Schieberahmen herum, durch den man Blenden 
von geringerem Lumen und von den verschiedensten 
Formen einschliesslich der Kompressionsröhren an- 
bringen kann; zwei kleine Bleiglasfenster ermöglichen 
die Kontrolle des Rohres während des Betriebes 
durch das Auge. Ausserdem können die Strahlen 
durch einen seitlichen Ausschnitt hindurch, dem ein 
Testobjekt — ich benutze dazu gewöhnliche Knochen 
— vorgelagert ist, vermittelst des Fluorescenzschirmes auf ihre Qualität geprüft werden, ohne 
dass die Stellung des Röntgenrohrs zu dem Kranken geändert zu werden braucht. 

Diese Öffnung ist gewöhnlich durch eine metallene Thür verschlossen. Wird der auch 
sonst zu Untersuchungen benutzte Fluorescenzschirm, wie zu raten ist, dauernd mit einer Glas- 
scheibe bedeckt, so lässt sich das Rohr während des Betriebes ohne Störung desselben und 
ohne Gefahr für den Untersucher auf seine Qualität prüfen, indem man die das Testobjekt 
überlagernde Thür hochhebt und den Schirm vorhält. 


Fig. 1. 


1) Röhren von 200 mm Durchmesser lassen sich noch bequem unterbringen; solche von 250 mm 
verursachen, besonders wegen ihrer Liingsdurchmesser Schwierigkeiten, weil. die Drahtöfen nicht mehr 
den genügenden Abstand von den Bleiwänden besitzen und Lichtfunken überschlagen. "Wer durchaus 
diese Riesenröhren anwenden will, sollte daher einen etwas geräumigen Kasten wählen. Gewöhnlich be- 
trägt der Durchmesser der Rénteenréhren nur 150 mm. 


Ein universeller Blenden- und Schutzapparat für das Röntgenverfahren. 277 


Ich halte es nicht für zweckmässig, einen Schirm dauernd über dem Testobjekt zu 
befestigen, weil er dann infolge zu starker Bestrahlung ermüden würde Man müsste ihn we- 
nigstens durch eine dicke Bleithür vor den Strahlen schützen, falls er nicht gebraucht wird. 
Diese Anordnung erübrigt sich aber, da sie nicht einmal den Vorzug einer nennenswert grösseren 
Bequemlichkeit besitzt. | 

Eine Anlage für die elektrischen Leitungsschnüre zum Röntgenrohre verhütet, 
dass dieselben den Bleiwänden zu nahe kommen, oder das Rohr zerren, wenn die Bleikiste be- 
wegt wird. Quer über die offene Seite derselben verläuft parallel zur kleinen Kante etwa 15 cm 
von ihr entfernt ein Holzstab, unten und oben je mit einer metallenen Doppelöse, welche 
dauernd mit dem Röntgenrohr verbunden wird. Die Zuleitungsdrähte vom Induktor werden 
ebenda befestigt und durch 25 cm lange von den Bleiwänden abstehende Halter aus Holz in 
einen zweckmässigen Abstand gebracht. 

Diese Halter lassen sich in den Kasten hinein umklappen, so dass sie bei Drehung des- 
selben nirgends anzustossen und zu hindern brauchen. Wenn die Drähte ohne das Röntgenrohr 
gewechselt werden müssen, ist es daher nur nötig, sie am Kasten ein- und auszuhaken; die 
Notwendigkeit des unbequemeren Hantierens mit den Drähten im Kasten wird hierdurch er- 
heblich beschränkt. 


Bewegungs-Vorrichtungen der Bleikiste: 

Die Achse, um welche der Bleikasten gedreht werden kann, ruht in einem. vertikal 
. gestellten Rahmen, 65 >< 42 cm, welche in einem zweiten Rahmen, 100 >< 70 cm, auf Rollen 
horizontal verschoben werden kann. Der letztere hinwiederum hängt an einem kräftig gebauten 
Gestell und kann auf und ab- bewegt werden. Da es nicht sicher genug schien, eine so schwere 
Masse, wie Rahmen und Kasten sie darstellen, durch Gegengewichte zu äquilibrieren, wurde das 
Ganze an einer zweigängigen Schraube von 100 cm befestigt, welche bequem durch Vermittelung 
einer über Räder laufenden Kette vom Untersucher herauf und herunter gedreht werden kann. 
An dem galgenartigen Traggestell aus |— Eisen greifen vier am grossen Rahmen befestigte Räder 
herum, um die Führung zu sichern, während die Bewegung, wie beschrieben, durch die Kette 
und Schraube, an welchen der Rahmen hängt, vermittelt wird. 

Die Bleikiste mit dem kleinen Rahmen zeigten sich so schwer, dass die untere Schiene 
des grossen Rahmens ausgebogen wurde, obwohl sie aus starkem |— Eisen hergestellt war. Da- 
her musste eine besondere Versteifung angebracht werden, welche nach unten nicht unerheblich 
überstand und bei einzelnen Untersuchungen hinderlich war. Es empfiehlt sich daher in Zu- 
kunft, die Bleikiste um einen rechten Winkel gedreht anzulegen, so dass ihre langen Kanten 
parallel zur Drehachse liegen und nicht wie jetzt dieselben _| schneiden, die Blendenöffnung 
kann dann leicht an einer Längswand angelegt werden, welche von der störenden Stütze des 
grossen Rahmens wenig oder gar nicht überragt wird. 

Die Blenden, welche man in den Schieberahmen vor der Offnung des Kastens in ge- 
eigneten Fällen bringe, können von jedem leicht aus 2—3 mm dickem Bleiblech ausgeschnitten 
werden. Nur das Kompressionsrohr muss bestellt werden. Ich besitze zwei Stück von 30 cm 
Länge und mit einem Querkreis von 12 und 10 cm Durchmesser. Der äussere Rand, welcher 
auf den Patienten zu liegen kommt, ist mit Hartgummi isoliert, wie im Albers-Schönbergschen 
Apparat. In dem weiten Kompressionsrohr befindet sich ein kurzer, leicht verschiebbarer Cy- 
linder, dessen eine Seite offen blieb, während die andere mit einem Loch von 4 cm Durchmesser 
versehen wurde. Die Öffnungen beider in und übereinander geschalteten Cylinder liegen kon- 
zentrisch. Durch Verschieben des Kompressionscylinders im Schieberahmen der Bleikiste lässt 
sich leicht das Röntgenrohr über die Mitte der beiden Diaphragma-Öffnungen bringen, indem 
man auf die Antikathode visiert oder mit dem Fluorescenzschirm kontrolliert. Natürlich lässt 
sich dasselbe erreichen, wenn man das Röntgenrohr zweckmässig verstellt; jedoch erfordert dies 
grössere Umstände. | 


278 Levy-Dorn. 


Benutze ich nicht die Kompressionsblende, so schiebe ich weist eine Bleiplatte, die 
einen Ausschnitt von 10 cm in der Mitte enthält, ein. Um eine mehr seitliche, obere oder 
untere Beleuchtung zu erzielen, hat man nur nötig, die Öffnung in den einzuschiebenden Blei- 
platten anstatt, wie gewöhnlich in der Mitte, seitlich, oben oder unten anzulegen. Durch Ab- 
suchen mit dem Fluorescenzschirm wird bei vorzunehmender Radiographie festgestellt, ob die 
X-Strahlen die zu untersuchenden Körperteile treffen oder daneben fallen. 

Den Gebrauch der Blende, wie einige wichtige Stellungen des Apparates, sollen die 
Lichtbilder 2, 3 und 4 vorführen. 

In Figur 2 ist der Kasten schräg nach unten und brustwärts gerichtet, um die Rohrblende 
unter den Rippenbogen zu pressen, wie es z. B. bei Nierensteinaufnahmen geschieht. 


Fig. 2. Fig. 3. 


Figur 3 zeigt den Weg, auf welchem man im stande ist, liegende Kranke senkrecht 
von innen nach aussen zu durchstrahlen. Die Schulter des Patienten ist auf eine schräge Ebene 
gelegt. Der Patient liegt quer auf dem Tisch. Reicht die Breite des Tisches für diesen Zweck 
nicht aus, so kann man leicht, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist, durch einen Tisch- 
aufsatz mit genügend langem Querbrett die Möglichkeit dazu schaffen. Nun wird der Kasten 
wie bei Bild 2 mit fokal gestellter Rohrblende in schräger Lage festgeschraubt und so weit 
wie möglich dem Kranken genähert. | 

Sollen die Strahlen aber schräg, nicht senkrecht auffallen, so liegt Patient wie gewöhn- 
lich auf dem Tisch und schiebt man statt des Blendenrohrs eine Bleiplatte mit seitlichem 
Ausschnitt ein. 

Im Bilde 4 sieht man eine Knie-Aufnahme. Im Kasten befindet sich die Bleiplatten- 
Blende mit centralem Ausschnitt, die natürlich hier nicht gesehen werden kann. Das genügend 
ruhig gestellte Bein liegt mit dem Knie in angemessener Entfernung vom Röntgenrohr darunter. 

Zu therapeutischen Zwecken lege ich in den seltensten Fällen die Hüllen, die die 
gesunde Haut schützen sollen, auf den Körper des Patienten. In der Regel lasse ich vielmehr 
die zu behandelnden Stellen an die entsprechend geformte Öffnung einer Bleiplatte bringen, 
welche wie die anderen Blenden in den Schieberahmen gesteckt werden. Damit das Blei nicht 


abfärbt und sonst schädigt, wird es mit Heftpflaster beklebt, vgl. Lichtbild 5, das die Behand- 


Ein universeller Blenden- und DD: arat für das Röntgenverfahren. 279 


lung einer Bartflechte an der Wange vor Augen führt. Vorragende Körperteile, wie Zunge 
und Nase werden durch geeignete Blendöffaungen hindurchgesteckt; in anderen Fällen werden 
kleine und daher leichte Masken dem Körper angelegt und mit diesen eine gewöhnliche Blend- 
öffnung bedeckt. Das therapeutische Verfahren wird hierdurch wesentlich vereinfacht und 
belästigt den Patienten wenig; die Sauberkeit lässt sich leicht durchführen und dem Arzt wird 
viele Mühe erspart. 

Ein Ubelstand besteht darin, dass gelegentlich infolge der Breite des Bleikastens dis 
fiir eine. schnelle Behandlung wiinschenswerte Annäherung an den Patienten nicht bewerkstelligt 
werden kann; in solchen, übrigens seltenen Fällen, kann man sich leicht auf andere Weise behelfen. 

Was die Stellungen der Patienten während der Aufnahme betrifft, so muss man 


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Fig. 4. Fig. 5. 


. gelegentlich von der bei den üblichen Stativen für Röntgenröhren beliebten Anordnung 
abweichen, da eben statt der kleinen Röhre ein erheblich mehr Raum beanspruchender Kasten 
über den abzubildenden Körpergegenden ruht und die Kanten dieses Kastens hier und da im 
wahrsten Sinne des Wortes Anstoss erregen. So z. B. stösst, wenn man, wie sonst üblich ist, 
in sitzender Stellung den Fuss röntgographieren will, das. Knie gegen den Kasten, besonders, 
falls es sich um kleinere Personen handelt. Durch Schrägstellung der Bleikiste lässt sich 
dieser Übelstand abwenden. Ich ziehe es indes vor, den Fuss auch von vorn nach hinten im 
Liegen zu durchstrahlen, während der Kasten, unter dem das Bein hindurchgesteckt ist, schräg 
festgeschraubt, und die Fusssohle gegen eine entsprechend schräg gestellte Platte meines Tisches 
gestemmt wird. Es würde wohl zu weit führen, bei dieser Gelegenheit alle Stellungen durch- 
zunehmen, die bei den verschiedenen Radiographien Anwendung finden. Ernstliche Schwierig- 
keiten sind mir aber bei meinem Apparat nie entstanden. 

Die Art und Weise, wie die verschiedenen notwendigen Stellungen des Kastens herbei- 
geführt werden, versteht sich aus den Eigenschaften des Apparats und ihrer Beschreibung von 
selbst. Es sei hier nur hinzugefügt, dass beim Übergang von der vertikalen Durchstrahlung 
in die horizontale oder umgekehrt, der obere Zuleitungsdraht abgeknüpft und passend wieder 
befestigt werden muss — eine Arbeit, die nur wenige Sekunden in Anspruch nimmt. 

Für die Durchstrahlungen von unten ist eine feststehende Bleikiste, ähnlich der 


280 Bücherbesprechungen. 


oben beschriebenen, aber etwas geräumiger, vorgesehen, in welcher man das Réntgenrohr hoch 
und niedrig stellen kann. Die Kiste geht auf Rollen, oder steht auf einem mit Rollen ver- 
sehenen Schlitten und wird in der Regel während der Untersuchung nicht bewegt, sondern der 
auf Schienen gleitende Tisch wird über sie hinweggezogen. 

Zum Zurückhalten der Zuleitungsdrähte von den Metallteilen des Apparates können 
die natürlichen Halter von den mannigfachsten Formen gebraucht werden. Mir leistet hierbei 
ein Holzstab von 50 cm, der auf dem oberen, wagerechten Balken des Gestelles auf einer 
Schiene gleitet und in einem Kugelgelenk bewegt werden kann, die trefflichsten Dienste. Der 
Draht wird in einen Schlitz am freien Ende des Stabes gesteckt und dort durch eine einfache 
Feder zurückgehalten. 

Bei der Auswahl der Bleiplatten- Belege des Schutzkastens scheint es mir notwendig, 
sich vor Augen zu halten, dass sich die Eigenschaften des Schützens und der Undurch- 
lässigkeit der Bleiplatten nur zum Teil decken. Ebensowenig, wie wir uns scheuen am 
Tage spazieren zu gehen, obwohl wir wissen, dass die Sonnenstrahlen heftige Dermatiden her- 
vorrufen können, brauchen wir geringe Mengen Röntgenstrahlen zu scheuen. Meines Erachtens 
reichen 1 cm dicke Bleiplatten für den Schutz reichlich aus. Wer sich damit nicht zufrieden 
geben mag, kann so dicke Platten benutzen, wie er es der Tragkraft des Gestelles seines 
Apparates nur zuzumuten vermag. 

Als einen besonderen Vorteil der von mir beschriebenen Anlage, die Stativ, Leucht- 
kasten, Kompressionsblende, Schutzwand und therapeutische Blende zugleich vertritt, möchte 
ich noch hervorheben, dass sie die Anforderungen, die man an die Grösse des für ein Röntgen- 
laboratorium notwendigen Raumes stellen muss, nicht unwesentlich verringert und dass sich das 
solide Stativ mit semen in Zwangslagen leicht beweglichen Rahmen ohne Mühe dazu verwenden 
lässt, für besondere Zwecke besondere Halter und dergleichen daran festzuschrauben. 


Bücherbesprechungen. 


Archiv und Atlas der normalen pathologischen Anatomie in typischen 
Réntgenbildern. Band 11.. 


Dr. Arthur Schiller: Die Schädelbasis im Rontgenbilde. Hamburg, Graefe &. 
Sillem, 1905. 4°, VII, 73 S. Mit 6 Tafeln, 6 zugehörigen Skizzenblättern und 30 Abbildungen 
im Text. 14 Mark. 


Holzknecht hat dem Atlas ein Vorwort mitgegeben, in welchem er die Wichtigkeit des 
typischen Bildes gerade des Schädels für den Réntgenologen besonders hervorhebt. Ist doch kein Bild 
komplizierter als dieses, und bei keinem sind durch Überschneidungen und dergleichen mehr Veran- 
lassungen zu Irrtümern gegeben. 

Im I. Teil wird das Röntgenbild der normalen Schidelbasis abgehandelt. Dieser Teil des 
Schädels war vor der Röntgenzeit jeglicher direkten Untersuchung unzugänglich, und auch jetzt noch 
stellt seine Darstellung auf der Platte grosse Anforderungen an Fertigkeit und Erfahrung des mit der 
Technik Vertrauten. 

Die Technik ist schwierig, wenn man nicht nach einem bestimmten Plan verfährt. Um stets 
miteinander vergleichbare Bilder zu erhalten, muss man hier noch viel genauer arbeiten als sonst. Dies 
wird erleichtert durch eine Anordnung der Platte in einem Wandgestell, an welchem der Kopf unver- 
rückbar fixiert werden kann, die Kassette trägt eine Quadrierung. In sitzender Stellung ist die Orien- 
tierung leichter als im Liegen. Visierstäbe erleichtern die Einstellung, welche mit Hilfe der Mittellinie 
des Schädels und der „Deutschen Ilorizontale* geschieht. Als Orientierungspunkte für die Querrichtung 
dienen die ,Ohrpunkte* = höchsten Punkte der äusseren Ohröffnungen. Durch diese Linien und Punkte 
und die Lage des „Fokus“, der stets 60 em vom Centrum der Platte steht, lassen sich alle Lage- 
beziehungen leicht ansdrücken und stets wieder herstellen, so dass genau miteinander vergleichbare 
Bilder gewonnen werden. Stets wird das Blendenverfahren angewandt. 


Bücherbesprechungen. 281 


Alle Teile der Schädelbasis lassen sich auf dem Röntgenbilde darstellen, dazu bedarf es aller- 
dings einer Reihe von Aufnahmen in den verschiedenen Durchleuchtungsrichtungen. Die Bilder, welche 
durch Ausnutzung der einfachen, leicht zu bezeichnenden und herzustellenden Projectionen, bei welchen 
starke Verzerrungen vermieden sind; hergestellt werden, bezeichnet Verf. als die „typischen“. Sie lassen 
sich in vier Gruppen bringen: frontale, sagittale, axiale und schräge Aufnahmen. 

1. Frontale Aufnahmen. Der Hauptstrahl geht durch beide Ohrpunkte. Auf der Platte 
‚ erscheint die Schädelbasis in ihrer längsten Ausdehnung, von der Nasenwurzel bis zur protub. oceip. ext., 
man sieht auf ihr die Schädelgruben in ihrem sagittalen Durchschnitt, namentlich deutlich den Türken- 
sattel, die Gefässfurchen der Art. meningea media. Dagegen kann man die Gelenkfortsätze nebst Atlas 
und Epistropheus deutlich sichtbar machen durch Aufnahme in nach hinten gebeugter Kopfhaltnng. 
Von besonderem Wert ist die frontale Durchleuchtung zur Messung des anthropologischen Basal- 
winkels, der Orbitaldachlinie, der gesamten Schädelbasislänge, die bisher nur am macerierten Schädel 
messbar waren. 

2. Sagittale Aufnahmen. Hier kommen schon zwei Aufnahmen in Betracht, je nachdem 
man die vorderen oder hinteren Teile der Schädelbasis der Betrachtung zugänglich machen will. Bei 
dorso-ventralen Aufnahmen kommt vordere und mittlere Schädelgrube, die Nase und Augenhöhle, auf die 
Platte. Die Einstellung geschieht, während Stirn und Nase der Platte aufliegen, indem der Haupstrahl 
parallel der deutschen Horizontale auf die oberen Ränder der Augenhöhle gerichtet wird. Ein noch 
genaueres aber umständlicheres Verfahren ist auch angegeben. Die Mittellinie des Schädels muss natür- 
lich genau senkrecht zur Platte stehen. Durch diese Anordnung wird vordere und mittlere Schädelgrube 
getrennt projiziert und der dunkele Schatten der Felsenbeine vermieden. Für die Darstellung ihrer 
oberen Kanten muss der Fokus tiefer, entsprechend dem „Schädelmittelpunkt“ (Mitte der Verbindungs- 
linie beider Ohrpunkte) liegen. Zur Darstellung der hinteren Schädelgrube wird die Platte bei stark 
nach vorn gebeugtem Kopf dem Nacken und Hinterhaupt angelegt, während die Röhre vor dem weit- 
geöffneten Mund steht, so dass der Hauptstrahl den Zahnreihenabstand halbiert und durch die tiefsten 
Punkte der Gelenkhöker des Hinterhauptes geht. 

3. Axiale Aufnahmen. Sie können in wirklicher Vollendung wohl nur am abgetrennten 
Schädel gemacht werden. Bei den ersten liegt die Platte auf dem Scheitel, parallel der deutschen 
Horizontale, der Mittelpunkt der Antikathode steht vor der Mittellinie des Halses, der Hauptstrahl geht 
durch die Mitte der Schädelbasis. Die zweite axiale Aufnahme erfolgt auf der dem Kinn anliegenden 
Platte. Fokus über dem Scheitel. | 

4. Schräge Aufnahmen. Bei diesen ist die Medianebene des Schädels weder parallel zur 
Platte noch auch senkrecht zu ihr, sondern sie bildet mit ihr schiefe Winkel. 

Abgeleitet werden sie aus der typischen frontalen Aufnahme, indem der Schädel um dic 
Längs- oder Querachse oder um beide zugleich gedreht wird, woraus dann einfache und doppelte Schräg- 
aufnahmen sich ergeben, die dann wieder jede zweiseitig gemacht werden kann. Durch Angabe von 
Drehungsachse und -Winkel ist aber jede Schrägaufnahme eindeutig definierbar. Als Aufnahme in 
„geneigter Stellung“ wird die bei Drehung um die Sagittalachse, als in „gedrehter Stellung“ die 
bei Drehung um die Vertikalachse gemachte bezeichnet. Nur wenige Stellungen sind ausgewählt, um 
stets gleichbleibende Bilder zu erzielen. So ergeben sich zwei Aufnahmen in geneigter Stellung, bei 
welcher die Drehung 25° um die Sagittalachse beträgt, und zwar liegt bei der ersten die Platte dem 
höher stehenden Teil (Unter=Oberkiefer-Joch—=Schläfenbein) an, Hauptstrahl geht durch die Schädel- 
basismitte auf die Plattenmitte, bei der zweiten geneigten Stellung ist das Kinn von der Platte weg- 
gedreht, Drehung ebenfalls 25° und der Hauptstrahl geht durch die Mitte der Schädelbasis zum oberen 
Plattenrand. Schräge Aufnahmen in gedrehter Stellung sind vier unterschieden, die beiden ersten bei 
25°, die letzten bei 65° Drehung um die vertikale Achse, und zwar liegt bei 1. und 2. die vordere bzw. 
hintere Schädelhälfte der Platte an bei temporalem Stand des Fokus, während bei 3. und 4. die frontale 
bzw. occipitale Seitenfläche des Schädels an der Platte liegt bei entsprechendem gegenüberliegenden 
Stand der Antikathode; stets geht der Hauptstrahl durch die Basismitte. Doppelt schräge Aufnahmen 
werden nur in einer typischen Art gemacht: Neigung um 25°, Drehung um 65°, Platte an der vorn und 
höher liegenden Schädelhälfte. 

| Während die geraden Aufnahmen mehr der allgemeinen Orientierung, Messung und dergleichen 

dienen, sind die schrägen besonders zur Darstellung der Einzelheiten bestimmt. Alle „typischen“ Bilder 
sind am leeren, maceriertem Schädel gewonnen, können aber ohne weiteres mit dem vom lebenden her- 
gestellten verglichen werden. Übersichtstabellen erleichtern die praktische Anwendung und lassen leicht 
die bei den einzelnen Aufnahmen zu findenden Teile erklären. 

Bei jeder einzelnen Aufnahme ist an der Hand der Bilder mit Hilfe entsprechender Röntgeno- 
gramme das Sichtbare erklärt. Ein näheres Eingehen darauf kann hier nicht stattfinden. 

Eine kurze Besprechung ist dem Bilde der kindlichen Schädelbasis gewidmet; bei ihr kommen 
namentlich entwicklungsgeschichtliche Fragen in Betracht. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 36 


282 Vereine und Kongresse. 


Der 11. Teil beschäftigt sich mit dem Bilde der pathologisch veränderten Schädelbasis. Der 
Reihenfolge nach sind folgende Veränderungen besprochen: Missbildungen, Grössen- und Form- 
abweichungen, destruktive Veränderungen, hyperustotische Veränderungen, Verletzungen. Anhangsweise 
ist erwähnt, wieweit die Nähte, Gefässfurchen und Fissuren des Schädels im Röntgenbilde darstellbar sind. 

Die reiche Menge des Materials, die klaren Bilder des Atlas und namentlich die grosse Ver- 
einfachung, welche die ,typischen* Aufnahmen darstellen, machen das Werk für jeden mit Röntgenstrahlen 
Arbeitenden unentbehrlich. Eine Menge anregender Bemerkungen finden sich ausserdem. Die über den 
Gegenstand vorhandene Literatur ist eingehend berücksichtigt. re * 


H. Guilleminot: Electricité Médicale. G. Steinheil, Paris. Preis 10 Franken. 


Das vorliegende Werk wendet sich ebensowohl an den Praktiker wie an den Studierenden. Es 
enthält theoretische Betrachtungen sowie technische Erörterungen über die verschiedenen elektrischen 
Stromarten. Die Röntgenstrahlen, die Phototherapie, Dermatotherapie werden ausführlich abgehandelt. 
Besonderer Wert ist auf die Darstellung der Elektrotherapie gelegt, auch die Röntgentherapie wird abge- 
handelt. Die einzelnen Krankheiten werden besonders besprochen und die Art ihrer Behandlung 
angegeben. Allen denen, welche die Elektrizität zu therapeutischen Zwecken verwenden, kann das Buch 
empfohlen werden. H. A. 


Margaret A. Cleaves, M. D.: Light energy. Its physics, physiological action 
and therapeutic applications. London uud New York. Rebman. Preis 21 sh. 


Das Werk behandelt das gesamte Gebiet der Anwendung der verschiedenen Arten von Licht in 
der Medizin. Die gesamte einschlägige Literatur wird berücksichtigt. Man erhält einen systematischen 
Überblick über die physikalischen, physiologischen und therapeutischen Wirkungen des Lichts. Sowohl 
die natürlichen Lichtquellen (Sonnenlicht) wie auch die künstlichen werden besprochen. Auch die ver- 
schiedenen Theorien über die Lichtwirkung finden eine eingehende Erörterung. Die Leser unserer Zeit- 
schrift interessiert vorwiegend der Abschnitt, welcher den Röntgen-, Kathoden- und Becquerelstrahlen 
gewidmet ist. Die betreffenden Kapitel sind fesselnd geschrieben und zeigen ebenso wie die Abschnitte, 
welche die Lichtbehandlung im allgemeinen darstellen, grosse Sachkenntnis der Verfasserin. Die Aus- 
stattung des Buches ist in jeder Beziehung vorzüglich zu nennen. H. A. 


Vereine und Kongresse. 


Ärztlicher Verein zu Wiesbaden. 1904. 7. Scmptember. 


Alban Köhler: zeigt Photogramme von Patienten mit Lupus vulgaris und Mammacarcinom- 
recidiv (ulceriert) vor und nach Röntgenbehandlung. Ferner Radiogramme von Wirbelsäulenfrakturen, 
sodann folgende seltene Befunde: 1. Grosser Gallenstein, durch mehrere Aufnahmen sichergestellt. 
2. Beiderseitige angeborene Radiusluxation nach hinten. 3. Proximales Femurende mit multiplen kar- 
tilaginiiren Exostosen. 4. Ideal geheilte Ellenbogenresektion, ein Jahr nach Operation; beginnende 
Bildung eines neuen Olekranon. 5. Coxa vara bei tuberkulöser Zerstörung des Caput femoris derselben 
Seite bei einem hochgradig rachitischen Mädchen; schliesslich 6. Röntgenbilder des Magens vom erwachsenen 
lebenden Menschen. Die Achse des mit Bismut. subnitr.- und Brotkrumemischung kenntlich gemachten 
Magens steht vollständig vertikal. 

Lugenbühl stellt einen Fall von Myositis ossiflcans progressiva mit Röntgenbildern vor. 

Blumenfeld demonstriert das Radiogramm des Thorax eines Patienten, welcher sich wegen 
Dextrokardie in ärztlichen Gesellschaften gegen Entgelt sehen lässt. Das Röntgenbild beweist, dass es 
sich nur um Verziehung des Herzens nach rechts durch Pleuraperikardverwachsungen handelt. (Röntgen- 
aufnahme von Alban Köhler.) 


Stein bringt eigene Skiagramme eines Falles von Spontanfrakturen des Femurhalses und der 
Tibia bei einem Tabeskranken. Köhler (Wiesbaden). 


Medizin. Gesellschaft in Magdeburg. 1904. 


Schild: Über Radiotherapie der Hautkrankheiten mit Finsenlicht, Röntgen- und Radium- 
strahlen. Vortr. hält die Röntgenstrahlen für vielseitiger in ihrer Wirkung als die übrigen angeführten 
Strahlenarten. Ihre Wirkung bezeichnet er als ätzend und hochgradig kumulativ, ihr Vorzug besteht in 
der Tiefenwirkung, die, weil sie neugebildetes Gewebe stärker angreift als gesundes, selektiv ist. Für 
die Anwendung der drei Bestrahlungsarten in der Privatpraxis stellt er folgende Grundsätze auf: 1. Die 


Vereine und Kongresse, 283 


Radiotherapie überhaupt ist nur dann anzuwenden, wenn sie thatsächlich mehr leistet als ältere Behandlungs- 
verfahren. 2. Akute Dermatosen sind im allgemeinen davon auszuschliessen, ebenso Herpes tonsurans 
(frischer), weil mit anderen Mitteln ebenso schnell und billiger heilbar. 3. Bei chronischem Herpes tons. 
(Folliculitis, sycosis barbae) dagegen ist die Röntgentherapie allen anderen Mitteln an Schnelligkeit und 
Sicherheit überlegen. 4. Bei Hyperthrichosis (Frauenbart) ist die Röntgenbehandlung das beste Mittel. 
(Von anderen Autoren wird wegen der Gefahr der Verbrennung und Narbenbildung vor derselben ge- 
warnt! Ref.) 5. Bei Lichen ruber und Psoriasis ist Röntgenbehandlung nur an den Stellen anzuwenden, 
wo das Leiden anderen Behandlungsmethoden nicht weicht 6. Chronische Unterschenkelgeschwüre und 
torpide Ekzeme heilen oft überraschend schnell durch Röntgenstrahlen. 7. Bei Hautkankroiden liefert — 
die Röntgenbehandlung vorzügliche Ergebnisse, auch wenn chirurgischer Eingriff keinen Stillstand herbei- 
führte. Narbenbildung äusserst gering. Bei ganz kleinen Kankroiden kann Radiumbehandlung angewandt 
werden, namentlich wenn Narbenretraktion zu vermeiden ist. 8. Die beste Lupusbehandlung ist Finsen- 
licht. Wegen der hohen Kosten und der Zeitdauer ist sie häufig mit Vorteil mit chirurgischer Behandlung 
zu vereinigen. 9. Teleangiektasien sind oft vorteilhaft mit Finsenlicht zu behandeln, Alopecia areata erst 
dann, wenn die üblichen Mittel versagt haben. 


Nürnberger med. Ges. 

Görl: Radiotherapie und Krankenkassen. Drei Klassen von Erkrankungen giebt es, die der 
Radiotherapie zugänglich aber für die Kassenpraxis ganz verschieden zu beurteilen sind. 1. Klasse: 
Erkrankungsformen, bei welchen die Radiotherapie lediglich eine angenehme Behandlungsart darstellt. 
Fällt für Krankenkassen natürlich fort. 2. Klasse: Die Radiotherapie kommt billiger zu stehen, da sie 
entweder rascher oder ohne Berufsstörung zur Heilung führt. Dazu gehören Favus hartnäckige Sykosis 
und Akne, Psoriasis der Hände (erfordern alle je eine Sitzung zur Heilung), kleinere Epitheliome (zwei 
Sitzungen), Lupus vulgaris (fünf bis sechs Sitzungen), skrofulöse Drüsen (vier bis fünf Sitzungen). Die 
3. Klasse umfasst Erkrankungen, welche bei anderer Behandlung nur wenig Aussicht auf Heilung bieten 
oder überhaupt nur mittels Radiotherapie heilbar sind. Lepraknoten (ein bis zwei Sitzungen), Mycosis 
fungoides (ein bis zwei Sitzungen), grosse Epitheliome (zwei bis drei Sitzungen), Sarkome (drei bis vier 
Sitzungen), zahlreiche skrofulöse Drüsen, Scrofuloderma. Krankenvorstellungen beweisen die Richtigkeit 
seiner Ausführungen. Namentlich wichtig bei der Radiotherapie ist der Umstand, dass viele der genannten 
Leiden ambulant, ohne Berufsstörung behandelt werden können, die früher lange Zeit klinischer Behandlung 
bedurften, z. B. Psoriasis, die in einer Sitzung abheilt, wodurch der Krankenkasse wesentliche Ersparnisse 
an Krankengeld erwachsen. 


V. internat. Dermatologenkongress. 

Die Epitheliome und ihre Behandlung. Während über eine Anzahl guter Erfolge mit Röntgen- 
und Lichtbehandlung berichtet wird, warnen v. Bergmann und Schlesinger vor Überschätzung der 
Methode. Das Sicherste ist die operative Entfernung wenn irgend angängig. Sie wollen die Bestrahlung 
nur für sicher inoperabele Fälle verwandt wissen, bei welchen durch sie zwar keine Heilung aber doch 
eine bedeutende Erleichterung der Kranken durch Aufhören von Schmerzen und Jauchung herbeigeführt 
werde Nach Leredde-Paris ist Röntgenbehandlung die beste Behandlungemethode des Epithelioms. 
Ebenso spricht sich Lesser-Berlin für dieselbe aus. cee P 


Berliner medizinische Gesellschaft. 1904. 30. November. 

Kromayer: Vorstellung von Resultaten der Eisenlichtbehandlung bei Alopecia areata. 
Vier Patienten mit seit 4—6 Jahren bestehender völliger Kahlköpfigkeit (zwei mit Alopecia areata totius 
corporis) sind seit August bezw. September dieses Jahres alle 8—14 Tage mit kaltem Eisenlicht bestrahlt 
und zwar an drei aufeinanderfolgenden Tagen, derart, dass durch diese Bestrahlungen die Kopfhaut intensiv 
gerötet und entzündet wurde. Vorher jede Kurmethode ergebnislos. Bei allen vier Patienten ist mit 
Beginn dieser Behandlung das Wachstum der Haare eingetreten und hat mit der Fortsetzung der Kur 
gleichen Schritt gehalten, ein Beweis für den spezifischen Erfolg der Behandlung. Interessanterweise 
lässt sich beobachten, dass das Neuwachsen der Haare an den Stellen zuerst erfolgt, die zuletzt behaart 
waren, d. h. an der Peripherie des Kreises, der die Area Celsi charakterisiert. Das Centrum, das den 
Beginn des Haarausfalles bot, lässt die Regeneration der Haare zuletzt erkennen. 


K. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien. 1904. 28. Oktober. 

Freund demonstriert ein 11jahriges Mädchen mit tuberkuléser Karies der Grundphalange des 
rechten Zeigefingers, die seit vielen Jahren bestand, mehrfach excochleiert war und jetzt zu multiplen 
Fisteln geführt hatte. Röntgenbehandlung in zwei Serien, vom 4. —10. Mai und vom 4.—9. Juli je sechsmal 
mit ziemlich harten Röhren aus geringer Entfernung (15 cm). Jede dieser Bestrahlungen hatte eine geringe 
Reaktion, Rötung, Schwellung, stärkere Sekretion dünneren Eiters zur Folge. Nach der letzten Serie 
schloss sich die Fistel. An Stelle des Fistelganges befindet sich jetzt massiges Knochengewebe, welches 
denselben bis auf eine hanfkorngrosse Lücke ausgefüllt hat. Auch der übrige Knochen zeigt eine bessere, 
deutlicher ausgeprägte Struktur. Ein ähnlicher günstiger Erfolg ist von Freund schon zu Beginn. des 

36 + 


284 Vereine und Kongresse. 


Jahres publiziert. Er ist der Meinung, dass die Strahlen durch das atrophische, kalkarme Knochengewebe 
zum Krankheitsherd eindringen und dort stationäre Hyperämie erzeugen. 

Freund zeigt ferner drei durch Röntgenbestrahlung mit vorzüglichem kosmetischen Effekt 
glatt vernarbte Epitheliome in der Nasolabialfurche, am inneren Augenwinkel und an der Oberlippe. — 
Bei grösseren tiefergreifenden Neoplasmen ist es empfehlenswert, den Tumor durch Exstirpation zu ent- 
fernen und die granulierende Wundfläche zu bestrahlen, um etwa zurückgebliebene Herde zu zerstören. 

Freund macht ferner darauf aufmerksam, dass Frauen kurz vor und während der Menstruation 
auf die Bestrahlung schneller und intensiver reagieren, und dass in einer wiederholt bestrahlten, scheinbar 
normalen Haut bei Eintritt von Gravidität Teleangiektasien auftreten können. Diese Eigentümlichkeit 
ist auf das geänderte Verhalten des gesamten Gefiisssystems und seine grössere Empfindlichkeit gegen 
Reize zurückzuführen. 

2. Dezember. Renzi demonstriert einen günstigen Röntgenerfolg bei Bhinosclerom. Der 
26jährige Pat. war schon mehrfach von anderer Seite mit Excochleationen erfolglos behandelt. 35 Be- 
strahlungen mit weichen Röhren; 6—10 H. Nach 5!/,monatlicher Behandlung sind die Infiltrate an der 
äusseren Nase verschwunden. Versucht wurde eine radiotherapeutische Beseitigung der Infiltrate an der 
hinteren Fläche des Gaumensegels. Zwei ähnlich günstige Rhinoskleromfälle hat Fittig aus der Breslauer 
Klinik veröffentlicht. 

Weinberger berichtet über einen Misserfoly bei lange Zeit durchgeführter Finsenbehandiung 
und über einen Erfolg nach 13stündiger Bestrahlung ınittelst eines Radiumpriiparates. Bei dem ersten 
Falle wird jetzt eine Röntgenbehandlung begonnen. 

9. Dezember. Exner hat, um die Wirkung der Röntgenstrahlen näher zu studieren, Tier- 
versuche gemacht, die sich an ähnliche Versuche Werners mit Radium anschlossen. Dieser hatte gefunden, 
dass mit Radium bestrahltes Lecithin intrakutan injiziert dieselben Erscheinungen an der Haut hervorruft, wie 
wir sie bei Radiumdermatitis zu schen gewohnt sind. Wird eine Aufschwemmung von Leeithin in Wasser 
der Wirkung der Röntgenstrahlen längere Zeit ausgesetzt, so bilden sich Zersetzungsprodukte, wie man 
aus der Farbenänderung und dem Auftreten eines stechenden (teruchs entnehmen kann. Injiziert man 
derartig behandeltes Leeithin intrakutan, so bildet sich bereits nach sechs Tagen unter Haarausfall ein erst 
ganz flaches Ulcus, das mit Borken belegt ist, später vertieft sich das Geschwür und es kommt zu ober- 
flächlicheren oder tiefergreifenden Prozessen. Sterilisierung der Lecithinaufschwemmung wirkt dem Auf- 
treten dieser Veränderungen nicht entgegen. Hingegen werden Injektionen von unbestrahltem Lecithin 
ohne Schädigung vertragen. Dies zersetzte Leeithin lässt sieh auch therapeutisch verwenden, worüber 
Vortr. Veröffentlichungen in Aussicht stellt. 


Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien. 1904. 3. November. 

Spieler demonstriert einen 3jährigen Knaben mit einer ätiologisch und diagnostisch unklaren 
Osteopatbie. Seit dem 15. Lebensmonate haben sich allmählich zunehmende Verdickungen und eigen- 
tümliche Verkrümmungen der Vorderarme, Ober- und Unterschenkel entwickelt, die spontan sowie auf 
Druck schmerzhaft sind. Diese Knochenverdickungen lässt das Röntgenbild als schalenartige Knochen- 
auflagerungen erkennen, die ausschliesslich die Diaphysen betreffen, während die Auftreibungen der 
Gelenkgegenden sowie die Trommelschlägellinger und Zehen als Weichteilverdickungen gedeutet werden 
müssen. Die Knochen des Stammes sowie das Gesichtsskelett zeigen keinerlei Veränderungen. Dagegen 
findet man sämtliche Nähte am Schädel weit klaffend. Dabei normaler Schädelumfang; keine Zeichen 
von Hydrocephalus. Es steht also bei dem Kinde, das in anamnestischer Beziehung nichts Bemerkens- 
wertes bietet und das auch sonst gesunde Organe aufweist, der Befund von Hyperostosen an den 
Extremitätenknochen, dem einer Wachstumshemmung, einer Hypostose, der Schädelknochen gegenüber. 
Differential-diagnostisch kommen Osteoarthropathie hypertrophic. — Ostitis deformans Pagets bezw. — 
im Sinne Lannelongues — der pueri-adoleszente Typus der „Syphilis héréditaire osseuse tardive* in Betracht. 
Den scheinbaren Widerspruch zwischen dem gleichzeitigen Befunde von Hyperostosen an den langen 
Röhrenknochen und einer Hyperostose der Schädelknochen möchte Vortr. mit dem auch sonst vielfach 
zu beobachtenden differenten Verhalten der platten gegenüber den Röhrenknochen erklären. Derselbe 
Reiz, der die Röhrenknochen zur Osteophytenbildung angeregt hat, mag auf die platten Schädelknochen 
im Sinne einer Wachstumshemmung gewirkt haben. 

Neurath demonstriert einen Fall von sekundären Wachstumsstörungen nach Polyarthritis 
deformans im Kindesalter. Das jetzt sieben Jahre alte Mädchen erkrankte vor zwei Jahren an Gelenk- 
affektionen, die als Polyarthritis gedeutet und behandelt wurden. Die Krankheit nahm aber unter Über- 
greifen auf die kleinen Extremitätengelenke und die Wirbelsäule einen chronisch rezidivierenden Verlauf. 
Derzeit ist das Kind 98 cm gross; Bewegungen des Kopfes sind, bis auf Streckung nach hinten, frei. Die 
Ellbogengelenke sind mässig aufgetrieben, Hand- und Fingergelenke sind geschwellt, die Bewegungen 
wenig eingeschränkt. An den unteren Extremitäten sind starke, kugelige Auftreibungen der Kniegelenke 
und Schwellungen der Sprunggelenke vorhanden. In allen Gelenken sind aktive Bewegungen möglich, 
extreme Streckung aktiv und passiv unmöglich. Krepitation bei Bewegungen der Kniegelenke. Äusserst 


Vereine und Kongresse. | 285 


geringe Schmerzhaftigkeit. Die Röntgenogramme (Kienböck) zeigen Atrophie aber normale Formen der 
Knochen, Beschleunigung der Ossifikation der Handwurzelknochen. Die Länge der Extremitätenknochen 
bleibt weit zurück hinter den dem Alter entsprechenden Massen. Das Krankheitsbild entspricht der 
chronischen (rheumatischen) Polyarthritis, von der die Arthritis deformans nicht abzugrenzen ist; sie ist 
meistens ein frühes Stadium der deformierenden Arthritis. Im Kindesalter ist die Krankheit recht selten. 

Hochsinger bemerkt, dass in differential diagnostischer Hinsicht bei dem von Neurath 
demonstrierten Fall die Schmächtigkeit der langen Röhrenknochen ‘gegentiber den aufgetriebenen und 
versulzten Gelenken von Wichtigkeit sei. Dergleichen kommt bei tardiver Lues nicht vor, welche durch 
Hypertrophie der Röhrenknochen ausgezeichnet ist. Auch sind die luetischen Arthromeningitiden nie so 
multipel wie bei diesem Falle, welchen Hochsinger demnach im Sinne Neuraths als infantile Form 
der Arthritis deformans auffasst. 

10. November. Jellineck demonstriert Röntgenogramme eines in röntgen-diagnostischer 
Beziehuug interessanten Falles von Bauchtumor. Esergab sich, dass eine in den Schlingen des Jejunums 
abgesackte traumatische Blutcyste vorlag, in deren flüssigem Inhalt Gallenfarbstoff nachgewiesen wurde. 
An eine Dislokation der Leber musste gedacht werden, weil auf dem Radiogramm in der Lebergegend 
nur ein kleiner Schatten zu sehen war, was auf einen Leberdefekt bezogen wurde. Kienböck nahm 
an, dass die Leber disloziert war, wobei sie nicht mehr mit einem normal grossen, sagittalen Durchmesser 
eingestellt wäre, oder dass es sich um eine Absprengung eines Teiles derselben handele. Bei der Lapa- 
rotomie fand sich die Leber an normaler Stelle. 

1. Dezember. Nobl demonstriert einen Knaben mit den Residuen einer Röntgendermatitis; 
der Knabe wurde angeblich wegen Psoriasis am Kopfe dreimal durch 10—12 Minuten bestrahlt. Nach 
einigen Wochen fielen die Haare aus und es stellte sich ein chronisch ulzeröser Prozess der Kopfhaut 
und am Rücken ein. Erstere ist in eine glasige dünne Membran umgewandelt, in welcher sich narbige 
und sklerodermieartige Plaques und nävusartige Gefässnetze befinden. Innerhalb der atrophischen und 
narbigen Stellen sind dunkel pigmentierte Stellen verstreut. Der Kopf ist bis auf eine einzige Stelle 
ganz kahl. Werner (Hamburg) 

Verein deutscher Ärzte in Prag. 1904. Sommersemester. 

Eckstein. Radiumbromidbehandlung eines 5'/, Monate alten Kindes mit angeborener 
Teleangiektasie des rechten Dorsum manus in drei Sitzungen. Jede einzelne Stelle wurde acht Minuten 
lang bestrahlt und zwar wurde die Hartgummikapsel, die das Radiumbromid enthält, mittelst eines 
Gewichtes auf die Haut gepresst, um durch Verdrängung der Gewebsflüssigkeit und des Blutes das 
Radium so nahe wie möglich an die Gefässe zu bringen, damit dadurch die Wirkung auf letztere ver- 
grössert und beschleunigt wird. Die bisherige Anwendungsweise besteht in einfachem Fixieren der 
Hartgummikapsel auf die zu bestrahlende Fläche mittelst Heftpflasters. Die Reaktion trat bereits nach 
acht Tagen auf und bot die von Holzknecht und Scholz beschriebenen typischen Erscheinungen. An 
den exponierten Stellen sind die Blutgefässe vollkommen verschwunden und dafür ist eine weisse, 
glänzende, oberflächliche Narbe aufgetreten. Weitere drei in Behandlung stehende Fälle zeigen dieselben 
Erscheinungen. 

von Jaksch demonstriert einige Fälle, welche die Wichtigkeit der Böntgenuntersuchung und 
zwar der Röntgenographie für die Diagnostik darthun, so einen Fall von Rekurrenslähmung, bei welchem das 
R-Bild das unzweifelhafte Vorhandensein eines Aortenaneurysmus zeigte. In einem zweiten Fall fehlten 
alle physikalischen Erscheinungen, das Röntgenogramm fiel positiv aus. Anschliessend zeigt der Vortr. 
einen Fall von Morbus Basedowii, den er bereits in Karlsbad 1902 wegen der eigentümlichen Knochen- 
veränderungen besprochen hatte. Röntgenographisch finden sich Atrophie und stellenweise Dehiszenzen fast 
in allen Knochen, dabei eine auffallende Versinterung des Beckens. Osteomalacie wurde durch wieder- 
holte Untersuchung namhafter Gynäkologen ausgeschlossen. Dann demonstriert Vortr. die Apparate für 
Hochfrequenzströme (d’Arsonval) und -bespricht dann die damit gewonnenen Erfahrungen bei der Behand- 
lung verschiedener Erkrankungen, namentlich bei Diabetikern und Neurasthenikern. Die damit gewonnenen 
therapeutischen Erfolge beruhen nach der Anschauung des Vortr. nur auf suggestiven Wirkungen. 

Winternitz demonstriert 1. einen Fall von inveterierter Sykosis, der bisher aller Behandlung 
trotzte. Jetzt ist die eine mit Röntgen behandelte Gesichtshälfte glatt vernarbt, während die unbe- 
handelte andere Hälfte des Gesichtes die schweren Veränderungen der Sykose noch erkennen lässt. 
2. Einen seit fünf Jahren bestehenden Fall von Mykosis fungoides, bei dem sich in den letzten acht 
Monaten neben schon vorhandenen kleineren Tumoren ein über mannsfaustgrosser, an der Oberfläche 
exulzerierter Tumor in der Kniekehle entwickelt hatte. Arsen ohne Erfolg. — Röntgenerfolg sehr 
eklatant. Der grosse Tumor verschwand völlig, die kleineren gingen zurück, das sehr heftige Jucken 
wurde geringer. | 

19. November. Kitaj demonstriert einen Infanteristen mit Drucklähmung des Nervus ulnaris 
nach Fraktur des Condylus internus humeri sinistri. Röntgenbilder des Ellenbogengelenkes in Pronations- 
und Supinationsstellung zeigen die Ablösung des Condyl. intern. humeri und Verwachsung desselben 


986 Journallitteratur. 


mit dem Olecranon ulnae, wodurch die Drucklähmung erklärt erscheint. Es bestehen in dem vom Nervus 
ulnaris versorgten Teilen Sensibilitätsstörungen und Atrophie der Muskeln. Keine Entartungsreaktion 


Fischl: Über experimentelle Thymusausschaltung. Im Gegensatz zu anderen Autoren, die 
nach Thymusentfernung einen deutlichen Einfluss auf das Knochenwachstum, speziell auf die Callus- 
bildung nach künstlich gesetzten Frakturen zu beobachten glaubten, hat F. in seinen an Kaninchen, 
Ziegen und Hunden angestellten Versuchen nichts derartiges feststellen können. Weder Wachstums- 
hemmuugen, noch trophische Störungen, noch rhachitisähnliche Symptome konnte er nachweisen. Die 
Heilung der Frakturen, die eventuelle Callusbildung verlief analog wie bei den nicht ekthymierten Ver- 
suchstieren. Der bisherige Stand der Untersuchungen veranlasst ihn, die Thymus bei der Ziege, dem 
Hund und dem Kaninchen als ein für das postfötale Leben bedeutungsloses Organ anzusehen, dessen 
Exstirpation weder trophische Störungen, noch sonstige Ausfallssymptome zur Folge hat, keinen rhachito- 
genen Effekt ausübt und auf den Verlauf der Heilung künstlich gesetzter Frakturen ohne Einfluss ist. 
(Demonstration von Röntgenbildern.) 


25. November. Diskussion. Basch glaubt die negativen Ergebnisse gegenüber seinen 
positiven Mitteilungen in der Verschiedenheit in der Wahl der Versuchstiere, die ungeeignet sind und in 
der Verschiedenheit in der angewandten Versuchsmethode sehen zu müssen. 


Salus: Die von Heineke mitgeteilte Wirkung der Röntgenstrahlen im Tierversuch, nämlich 
die elektive Atrophierung des lymphatischen Gewebes, legt den Gedanken nahe, dass es gelingen könnte, 
auch das dem lymphatischen nahe verwandte Thymusgewebe durch Röntgenstrablen zur Atrophie zu 
bringen und so für diese lixperimente eine einfachere Methode zu gewinnen. 

Werner (Hamburg). 


Journallitteratur. 


Deutsche med. Wochenschrift. 1904. Nr. 88—42. 


Forchhammer: Eine klinische Mitteilung über Lichtbehandlang nach Sensibilisation. Aus 
Finsens med. Lichtinst. Kopenhagen. Die Angaben Dreyers über verstärkte Lichtwirkung nach Ein- 
spritzung fluoreszierender Lösungen sind im Institut nachgeprüft. Die erste Versuchsreihe ist streng nach 
Dreyers Vorschrift ausgeführt: 1°/,, sterile Erythrosinlésung (physiol. Kochsalzlösung) kutane oder sub- 
kutane Einspritzung, 15—20 Min. dauernde Belichtung nach 4—8 Stunden. Im ganzen 23 Lupuskranke 
in 350 Sitzungen behandelt. Ergebnis: Die Lichtwirkung ist ausserordentlich intensiv, schmerzhaft, oft 
unerträglich. Die Reaktion gleicht manchmal einer Phlegmone, nicht selten entsteht tiefgreifende centrale 
Nekrose mit Narbenbildung. Das Heilergebnis ist trotz der starken Reaktion nicht so gut wie bei ein- 
facher Lichtbehandlung. Auch Behandlung von Schleimhautlupus durch die Weichteile hindurch, nach- 
dem die lupösen Stellen mit Erythrosintampons bedeckt waren, hatte keinen Erfolg. Durch Abschwächung 
der Lösung, Verminderung der Lichtintensität, Ausschalten chemischer Strahlen liess sich keine Ver- 
besserung herbeiführen; trat Reaktion ein, so war sie der ohne diese Massregeln erzielten gleich, oder es 
trat überhaupt keine ein. F. warnt auf Grund dieser Erfahrungen vor der Anwendung dieses Verfahrens. 


Kothl: Über den Einfluss photodynamischer Substanzen auf die Wirkung der Röntgenstrahlen. 
(A. d. St. Johannesspital, Bonn.) Versuche, die Wirkung der Röntgenstrahlen auf die photographische 
Platte und auf das Gewebe des lebenden Organismus durch Anwendung von Farbstofflösungen zu steigern. 
Ersteres versuchte er dadurch, dass er die eine Hälfte der zu bestrahlenden Platte mit blauen, blaugrünen 
und violetten Farbstofflösungen vorbehandelte. Beim Entwickeln blieb die gefärbte Hälfte hell, zeigte 
nur verwaschene Spuren des aufgenommenen Objektes, Thionin liess die damit behandelte Hälfte ganz 
hell bleiben. Bei Platten, die mit gelben, orangefarbenen und roten Farbstoften behandelt waren, zeigte 
sich dieser Unterschied nicht. Bei Röntgenbehandlung von Warzen verwandte er Einspritzungen von 
Eosinlösung 1:100 und 1:1000. Es trat bei den so behandelten Warzen schnellere und heftigere Re- 
aktion an der injizierten Stelle auf, ein mit Eosineinspritzung vorbehandelter Lupus verrucosus schmolz 
nach der Bestrahlung auffällig schnell ein. Diese Ergebnisse wurden durch Tierversuche geprüft und 
bestätigt. Er ist der Ansicht, dass durch örtliche Eosineinspritzungen die Röntgenbehandlung vielleicht 
abgekürzt und besser lokalisiert, sowie auch auf tiefer sitzende Gewebe (Tumoren) ausgedehnt werden 
kann. Wie und wodurch die Wirkung zustande kommt, bleibt noch unentschieden. 


Cowl: Über ein Bandcompressorium für Röntgenaufnahmen. Ein breites Band wird fest über 
den aufzunehmenden Teil gespannt und bewirkt gleichzeitig dessen sichere Festlegung und den nötigen 
Druck, ähnlich der Kompressionsblende. Blenden können noch darüber angebracht werden. Die Fest- 
stellung des gespannten Bandes, das mit Stativ für Röhre vereinigt ist, geschieht dureh einen Hebeldruck. 


Journallitteratur. 287 


Schaper: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung des Radiums auf embryonale 
und regenerative Entwicklungsvorgänge. Er stellte seine Studien an Eiern und Larven vom grünen 
Wasserfrosch, Triton und Planaria lugubris (von letzterer nur erwachsene Exemplare) an. Das benutzte 
Radiumbromid, 10 mg, stammte aus der Braunschweiger Anilinfabrik v. Buchler & Comp., und wurde in 
üblicher Weise — Hartgummikapsel mit Glimmerblättchen — aufbewahrt, die Bestrahlung schwankte 
zwischen 11/, und 30 Stunden. Ergebnisse: 1. Eine ausgesprochene Hemmung der Zellteilung der 
embryonalen Differenzierung des embryonalen Wachstums nnd der Regeneration war stets zu bemerken. 
2. Diese Hemmungen traten nach einer Latenzperiode auf, deren Länge in gewissem Verhältnis zur 
Bestrahlungsstärke und zu der Entwicklungshöhe des Organismus stand. Bei älteren Larven und nicht 
sehr starker Bestrahlung konnte sie mehrere Tage dauern. 3. Bei jungen Embryonen vom Wasserfrosch 
traten z. T. schwere Missbildungen nach der Bestrahlung auf. Eine beschleunigte Entwicklung fand sich 
nur einmal angedeutet. 4. Bei Bestrahlung amputierter Tritonen vor der Amputation der Extremität 
trat zuerst normale und rasche Wundheilung ein, erst nach mehreren Tagen zeigte sich Wachstums- 
stillstand und Verkümmerung der neugebildeten Extremität. Ähnlich verhielten sich Teilstücke von 
Planarien. 5. Bei Bestrahlung nach der Amputation kam das Wachstum noch rascher zum Stillstand. 
6. Die Emanation des Radiums ergab deutliche Schädigung der Froschlarve. 7. Bei ganz jungen dotter- 
. reichen Larven entleerten sich Dotterschollen, ohne dass die Larven sofort zu Grunde gingen. 8, Es 
scheint danach, als hätten die Radiumstrahlen eine spezifische Wirkung auf den Dotter, wie Schwarz 
sie am Ei gefunden hat, und dass diese Wirkung eher auftritt als die Beeinflussung der Zellsubstanz. 
Eine genauere Erklärung der Einwirkung auf die Zelle selbst, ebenso der Verkrüppelungen kann erst 
nach histologischer Untersuchung gegeben werden. 


Werner und Hirschel: Erfahrungen über die therapeutischen Wirkungen der Radiumstrahlen. 
(A. d. chir. Klinik der Univers. Heidelberg.) Nur solche Kranke, die von August 1903 bis Ende März 1904 
behandelt sind, kommen in Betracht. 1. Bösartige Geschwilste, Kankroide und Metastasen von Melano- 
sarkom. Die Behandlung operabeler Carcinome mit Radium ist nicht zu empfehlen. Ob eine unvoll- 
kommene Zerstörung des Tumors den Rest zu stärkerem Wachstum anregt, lässt sich noch nicht ent- 
scheiden. Von der oberflächlichen Bestrahlung mit Radium bei bösartigen Neubildungen scheint im 
allgemeinen wenig zu erhoffen zu sein, mehr vielleicht aus der Behandlung mit Sonden und Einspritzungen 
der gelösten Emanation. 2. Gutartige Neubildungen. Naevi, Angiome, Keloid, Lupus. Die Erfolge bei 
diesen Leiden bezeichnen die Verf. als befriedigend. Sie haben vielfach „forcierte* Behandlung ohne 
Berücksichtigung der Hautschonung angewandt und erhebliche Geschwüre erzeugt, die lange Zeit zur 
Vernarbung brauchten, die dann aber in allen Fällen erfolgte und gutes kosmetisches Resultat hatte. 
Es zeigte sich, dass bei über grössere Flächen ausgedehnten Affektionen die an mehreren Stellen bestrahlt 
wurden, auch die in der Umgebung bestrahlter Stellen gelegenen Krankheitsprozesse beeinflusst wurden. 
Sie vergleichen dies mit der Stichelung mit dem Thermocauter. Bei gutartigen Erkrankungen richtet 
sich die Stärke der Bestrahlung nach dem Einzelfall, bei bösartigen soll man entweder radikal bestrahlen 
oder gar nicht. 


Nr. 44. 1904. Liermann: Behandlung der Knochenbriiche. L. ist ein begeisterter Verfechter 
der frühzeitigen Massagebehandlung nach Knochenbrüchen. Was hier besonders interessiert, ist die Er- 
wähnung der Kontrolle der Frakturheilung durch Röntgenbilder. Bei der Massagebehandlung, lehrt uns 
das Röntgenbild, geht die Callusbildung rascher vor sich und ebenso die Callusresorption. Es zeigt sich, 
dass selbst bei hochgradiger Verschiebung der Bruchenden die Verschweissung der Knochenenden rasch 
vollendet ist und dass demgemäss die völlige Stillstellung der gebrochenen Glieder viel eher aufgegeben 
werden kann als bisher üblich: war. Durch die lange Stillstellung wird eine „Callusmästung“ herbei- 
geführt, wie das Röntgenbild lehrt. Durch frühzeitige Massagekur kann gleichzeitig die Callusbildung 
und Resorption bewirkt und dadurch die Gesamtheilungsdauer abgekürzt werden. Er führt zum Schluss 
noch an, wie wichtig die Kontrolle durch Röntgenbilder für Berufsgenossenschaften ist; da die grösste 
Zahl aller Frakturen durch die prakt. Ärzte behandelt wird, wie er nachweist, geht indirekt daraus die 
Wichtigkeit der Röntgenmethode für den prakt. Arzt hervor. ie Di 


Münchener med. Wochenschrift. 1904. Nr. 40. 


Dessauer: Die Frage des Wechselstrombetriebes bei ärztlichen Anlagen (insbesondere 
Röntgenanlagen). Der Wechselstrom wird bei Neuanlagen immer mehr, weil mit weniger Verlusten ver- 
bunden, angewandt. Bei Röntgenanlagen kann aber nur Gleichstrom verwandt werden. Der Wechselstrom 
muss in solchen umgeformt werden. 1. Durch Einschaltung eines Wechselstrommotors, der eine Gleich- 
stromdynamo treibt. Die Dynamo wird zweckmässigerweise mit ihren Widerständen, der Selbstinduktion u.s.w. 
dem betr. Röntgeninstrumentarium angepasst. Die Anschaffung ist sehr teuer, der Betrieb auf diese Art 
der beste. 2. Verwendung des Grissongleichrichters. Wenn entsprechend gebaut, arbeitet eine vierzellige 
Gleichrichteranlage bei Wechselstrom sehr gut und wirtschaftlich, bei Drehstrom eine sechszellige; die 
Anschaffung ist wesentlich billiger als die eines Motors und eines Dynamos. Verf. hat zehn solche 


288 Journallitteratur. 


Kinrichtungen ausgeführt und diese arbeiten ganz wie eine Grleichstromanlage. Nachteil: Grissongleichrichter 
sind nur bis höchstens 150 V. Spannung zu gebrauchen. 3. Bei höherer Spannung im Netz als 150 
(meist 220) und Wechselstrom oder Drehstrom hat D. mit Erfolg vor Einleitung in den Gleichrichter 
einen Transformator angewandt, der den Strom auf etwa 100 V. heruntertransformiert. Der Boassche 
Quecksilberunterbrecher für Wechselstrom hat den Nachteil aller Hg-Unterbrecher. .. P. 


Berliner klinische Wochenschrift. 1904. Nr. 37. 

Pide und Asahi: Zur Eosinlichtbehandlung. Die Verff. haben nach Tappeiner-Jasioneckschem 
Vorschlag mit 1°/, Eosinlösung und Sonnenlichtbestrahlung 22 Fälle von Hautkrankheiten behandelt. Es 
handelte sich um 12 Lupusfälle, ferner um Tuberculosis cutis verrucosa (1 Fall), Trichophytie (5 Fälle), 
Scrophuloderma (3 Fille) und Ulcus rodens (1 Fall). Die Resultate sind durchweg günstige. In allen 
Lupusfällen kam es schon nach kurzer Zeit zu einem deutlichen Rückgang der Entzündungserscheinungen. 
Sehr auffällig waren die Rückbildungsvorgänge in jenen Fällen, in welchen es sich anfänglich um mehr 
oder minder hypertrophische Prozesse handelte. Der kosmetische Effekt befriedigte sehr. In den Fällen 
von parasitärer Erkrankung der Haut war zunächst ein Stehenbleiben des Prozesses zu konstatieren, dann 
ein — mit anderen parasiticiden Mitteln nicht erzieltes — rasches Verschwinden. Das Epitheliom war 
ein ausgedehntes Ulcus rodens der Thoraxhaut. Auch hier war das Resultat recht gut. Die Verfasser 
sprechen nicht von Heilung. Es wird noch langer, vielfach modifizierter Versuche bedürfen, bevor man 
von Heilungsresultaten reden darf. 

Nr. 38. Levy-Dorn: Ein Kankroid auf lupöser Grundlage bei starkem Diabetes, behandelt 
mit Röntgenstrahlen. 59jähriger Mann. — 7°], Zucker. — Am Gesäss ein Ulcus von 6cm Länge und 
5cm Breite. Die Ränder und der Grund des Geschwiirs waren uneben, gewulstet, braunrot verfärbt, mit 
mehr oder weniger breiten Knötchen durchsetzt Sekretion von übelriechendem Eiter. Schmerzen, 
Brennen, Jucken. Diagnose auf lupöses Kankroid von vielen Autoritäten gestellt. Therapie bisher 
ergebnislos. Röntgenbestrahlung, anfangs jeden zweiten Tag, dann wöchentlich einmal, je 10 Minuten lang. 
Gegen Lupus und Kankroid hat das Röntgenverfahren gesondert Triumphe gefeiert, in diesem Falle hat 
cs sich auch gegen die verbundenen Feinde bewährt. Die Komplikation mit schwerem Diabetes würde 
wohl viele Chirurgen veranlasst haben eine Operation nieht zu befürworten. Es verdient hervorgehoben 
zu werden, dass das R.-Verfahren trotz des Diabetes nicht zur Gangrän führte, dass Diabetes also keine 
Contraindikation gegen die Anwendung der Röntgenstrahlen bildet. Endlich ist erwähnenswert, dass ein 
Erfolg trotz der langen Dauer und grossen Ausdehnung des Leidens und zwar ohne wesentliche Reaktion 
und mithin ohne Belästigung des Patienten erzielt wurde. 

Nr.40. Wolff: Uber die praktisch chirurgische Bedeutung des Sesambeines im Musculus 
gastroenemius. Der mitgeteilte Fall gehört in das Kapitel der radiodiagnostischen Irrtümer. Es 
handelte sich um einen jahrelang durch ein Kniegelenksleiden in seinem Gehvermögen behinderten 
Mann. : Alle Symptome sprachen für eine Gelenkmaus und auch auf dem Röntgenbild erschien ein klarer, 
kirschkerngrosser Schatten in der Kniekehle, anscheinend im hinteren Teil des Gelenks liegend. Infolge 
dieses Befundes wurde das Gelenk eröffnet und nach Durchschneidung der Bandapparate intensiv nach 
dem vermuteten Störenfried durchsucht, aber ohne Ergebnis. Der im Bilde greifbar daliegende Körper 
war nicht vorhanden. Nachträglich wurde die Diagnose rektifiziert: es handelte sich um ein extraartikulär 
gelegenes, in der äusseren Ursprungssehne des Musculus gastrocnemius vorkommendes, schon Vesal be- 
kanntes, neuerdings von Hellandall wieder studiertes Sesambein. Die ausgeführte Kniegelenkseröffnung 
hat übrigens dem Kranken die lang ersehnte Heilung gebracht. 

Nr. 43. Immelmann: Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für den ärztlichen Sachverständigen. 
An einer Reihe von interessanten Beispielen erörtert I. den Wert der Röntgenoskopie für ärztliche Gutachten. 
Die Möglichkeit, an Stelle langer Krankengeschichten und ausführlicher Beschreibung krankhafter Prozesse 
durch ein einfaches Bild den Nichtmediziner über das Wesen des fraglichen Prozesses zu orientieren ist 
von enormer Bedeutung. Eine genaue Kenntnis der im Körper vorkommenden Abnormitäten ist für den 
Gutachter erforderlich. Er darf nicht den in 7—8°/, vorkommenden Schatten am Prozessus posterior tali 
für eine Knochenabsprengung erklären, er muss über die Lage und das Vorkommen von Sesambeinen 
orientiert sein. Von grosser Bedeutung ist ferner die Röntgenuntersuchung der Unfallsimulanten. Wert- 
volle Aufschlüsse erhält man in gerichtlich medizinischen Fragen. Die Untersuchung der Kinderleichen 
auf ihr Alter, auf ihre Lebensfähigkeit, ob die Kinder geatmet haben u.s.w. geschieht jetzt mit Leichtig- 
keit durch Röntgenaufnahmen. Der Lebensversicherungsarzt und der Militärarzt endlich begegnen einer 
Reihe von Fragen, die jetzt mit Einfachheit durch eine Röntgenuntersuchung zu beantworten sind. 

Nr. 46. Holzknecht: Zur Farbentransformationstherapie (Sensibilisierung; Fluorescenz). 
Interessante theoretische Erörterung des neuen Phänomens, über dessen Natur seitens der ersten Bearbeiter 
und Entdecker noch recht viel strittige Ansichten gehegt werden. Verf. sieht in dem Phänomen 
eine auf Fluorescenz beruhende Sensibilisierung, eine Farbentherapie mit künstlicher Transformation 
(Reduktion) der Wellenlänge. Verf. ermahnt, trotz der wenig ermutigenden therapeutischen Erfolge, auf 
diesem neu erschlossenen Gebiete fortzufahren. Werner (Hamburg). 


B- 


Journallitteratur. 289 


Medizinische Woche. 1904. Nr. 1 (Dezember). Wochenschrift für praktische Ärzte. 

de la Camp: Die medizinischen Anwendungsgebiete der Röntgenstrahlen. Nach kurzen 
physikalischen Bemerkungen giebt der Verfasser in fesselnder Weise einen kurzen Überblick über die 
zurzeit bekannten Anwendungsgebiete der Röntgenstrahlen in der Medizin in diagnostischer und thera- 
peutischer Beziehung. Der in Form eines klinischen Vortrags gehaltene Aufsatz dürfte sich für alle 
diejenigen, welche sich kurz über den derzeitigen Stand der Röntgendiagnostik und -therapie orientieren 
wollen, empfehlen. 

Arnsperger und Cramer: Uber die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. Aus 
der medizinischen Klinik in Heidelberg. Die Autoren veröffentlichen eine kurze vorläufige Mitteilung, 
welche den günstigen Einfluss der Röntgenstrahlen auf die Leukämie von neuem bestätigen. 36jährige | 
Patientin, etwa seit Jahresfrist mit Schmerzen in der Milzgegend erkrankt, welche seit Ende Oktober 1904 
grösser geworden waren. Grosser derber Milztumor: Masse 35:22 cm. Keine Drüsen- und Leber- 
schwellung. Keine Knochenschmerzen. Guter Allgemeinzustand. Die Blutuntersuchung ergab eine 
myeloide Leukämie, Leukocytenzahl: 290000, Erythrocyten: 4,56 Millionen, W:R= 1:15, Hämo- 
globin 70°/,; „etwas herabgesetzte Menge der polynukleären, neutrophilen und eosinophilen Zellen, starke 
Verminderung der Lymphocyten, der Rest der weissen Blutkörperchen aus mononukleären, meist neutro- 
philen Elementen zusammengesetzt. Mässige Poikilocytose, vereinzelte Normoblasten. 

Therapeutisches: Zuerst Arsenbehandlung, später Röntgenbehandlung: vom 19. November 
bis 17. Dezember im ganzen 20 Bestrahlungen mit einer mittelharten Röhre in einem Abstand von 15 cm 
(zwischen Glas und Körper) bei einer Stromstärke von 4—5 Ampere mit Quecksilberstrahlenunterbrecher. 
Die Milz wurde täglich 5 Minuten bestrahlt, während in dreitägigen Perioden das Sternum 3, beide Ober- 
armknochen je 2!/,, beide Oberschenkelknochen je 2'/, Minuten bestrahlt wurden. In den ersten Tagen 
der Behandlung schwanden die Milzschmerzen vollkommen, eine Verkleinerung und Konsistenzverminderung 
der Milz zeigte sich deutlich erst nach der zwölften Bestrahlung (Masse 31,9:19) und machte von da 
an stetige Fortschritte. 

Die Leukocytenzahl ging nach 11 Bestrahlungen auf die Hälfte zurück (145000) nach 14 
Bestrahlungen auf 69000, nach 19 Bestrahlungen auf 17000. Die Erythrocytenzahlen hielten sich mit 
mässigen Schwankungen auf derselben Höhe. Im Laufe der Behandlung trat auch eine relative Abnahme 
der mononukleären Leukocyten, eine relative Zunahme der polynukleären Leukocyten und in geringem 
Masse der Leukocyten auf. Der Blutbefund konnte aber stets noch als pathologisch durch mikroskopische 
Untersuchung erkannt werden. Krause (Breslau). 

Medizinische Klinik. 1905. Nr. 6, S. 136. 

Die äusserst regsame Redaktion der neuen Wochenschrift hat auf eine Umfrage über die 
Behandlung der Leukämie mit Rontgenstrahlen eine Reihe von Antworten erhalten, welche hier in 
kurzer Skizzierung angedeutet werden sollen: 

Penzoldt, Erlangen, verweist auf die aus seiner Klinik publizierte Arbeit von Fried 
(M. m. W., 1904, Nr. 40). Ausser den zwei dort beschriebenen hat er zurzeit noch einen III. Fall in 
Behandlung, welcher keine wesentliche Abnahme von Leukocyten, dagegen eine Zunahme der Erythrocyten 
um über eine Million, beträchtliche Verkleinerung der Milz und Zunahme des Gewichts um 8 Pfund 
durch Röntgenbehandlung erfuhr. Ein schwerer IV. Fall mit 533000 Leukocyten und grossem Milz- 
tumor zeigt nach zweimonatlicher Behandlung wesentliche Besserung: Leukocyten 207000, Gewichts- 
zunahme um 7 Pfund, Verkleinerung der Milz. Bei einem V. ganz schweren Falle mit Ödemen und 
unstillbaren Diarrhöen wurde nichts erreicht. Vorläufig sei nur die klinische Behandlung im Kranken- 
hause zu empfehlen, die ambulatorische zu widerraten. Penzoldt spricht die Überzeugung aus, dass 
sich unter steterärztlicher Überwachung, beirechtzeitiger Wiederholung, zweckmässiger 
Ausführung und genügender Fortsetzung der Röntgenbehandlung auf längere Zeit eine 
relatve Heilung erzielen lassen wird. 

Fraenkel (Berlin) behandelte bisher erst einen Fall von medullärer Leukämie mit Röntgen- 
strahlen, bei dem die Einwirkung bisher eine sehr geringe war. Status: Pat. kräftig gebaut, gut genährt. 
Keine Driisenschwellungen. Milztumor derb mit glatter Oberfläche. Aus dem Blutbefunde wurde die 
Diagnose medulläre Leukämie gestellt. Die Milz wurde handtellergross, das Sternum in fünfmarkstück- 
grosser Ausdehnung mit Röntgenstrahlen bestrahlt. Dauer der Einwirkung anfangs 6 resp. 3 Minuten, all- 
mählich auf 15 Minuten steigend. Einzige örtliche Reaktion (im ganzen 15 Sitzungen) geringe Pigmen- 
tierungen der betreffenden Hautstellen. Keine subjektiven Beschwerden. Seit der Behandlung besteht 
andauernd geringes remittierendes Fieber, selten bis 38°, das vorher aber auch schon auftrat. 

Wirkung der Behandlung: 

Milz vor der Behandlung: 30:14!/,, gegenwärtig 27:13 cm. 

Hb. Erythrocyten Leukocyten 
Blut vor der Behandlung: 85°, 5,2 Mill. 112000 
nach , ; 83°/5 4,7 Mill. 80000. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. VIII. 37 


290 Journullitteratur. 


Der Prozentgehalt der Myelocyten blieb immer derselbe (gegen 44°/,), nur die Baso- 
philen stiegen von 1°/, bis 7%. 

Kraus (Berlin) teilt mit, dass er bisher nur bei einem Fall von myeloider Leukämie die 
Röntgentherapie zu versuchen Gelegenheit hatte. Das Ergebnis sei ein völlig negatives gewesen. 
In Anbetracht der negativen Fälle halte er es für unangebracht, jede vereinzelte „Besserung“ sofort mit- 
zuteilen‘, bevor der weitere Decursus morbi deren Fortdauer erwiesen hat. Üble Folgen fürchte er für 
die Haut. 

Senator (Berlin) erzielte bei drei Fällen nach 8--14 Sitzungen in zwei Fällen eine unzweifel- 
hafte, in dem einen Falle sogar eine ganz auffallende Verkleinerung der vorher, wie gewöhnlich, sehr 
stark geschwollenen Milz. Er würde auf die, unter der Röntgenbehandlung erfolgte Verkleinerung der 
Milz und selbst auf eine Verbesserung der Blutbeschaflenheit, welche Senator in seinen Fällen nicht 
beobachtet hat, gar kein Gewicht legen, wenn jene Verkleinerung nicht so überraschend schnell erfolgt 
wäre, wie er sie bisher bei keiner anderen Behandlungsmethode gesehen hat. Im übrigen betont auch 
Senator seine Bedenken, dass durch die Röntgentherapie eine „Heilung“ der Leukämie zu erzielen 


sein werde. 
Plehn (Berlin) scheint eigene Fälle nicht beobachtet zu haben, spricht sich aber zugunsten der 


Therapie aus. 

Rosenfeld: Zur Diagnostik der Aneurysmen der Arteria pulmonalis. Sonderabdruck aus der 
Festschrift für Senator. (Zeitschrift f. klinische Medizin.) Aus dem klinischen Befunde des inter- 
essanten Krankheitsfalles ist hervorzuheben: kleine Dämpfung in der Höhe des II. Intercostalraumes 
links dicht neben dem Sternum, auffallende Pulsfrequenz beim Stehen, welche als Vagusreizung 
gedeutet wurde. Klinisch kam als Diagnose in Betracht: 1. Mitralstenose mit sehr starker Ausdehnung 
des linken Vorhofes, 2. tuberkulése Lymphdrüsenpakete, 3. Aneurysma arcus aortae, 4. Aneu- 
rysma der Arteria pulmonalis. 

Die radioskopische Untersuchung (Grunmach) ergab eine grosse Verwölbung des oberen 
linken (d.h. Gefäss-) Bogens. Mit Hilfe des Valsalvaschen Versuches wurde eine so deutliche Ver- 
grösserung des an und für sich schon vergrösserten Teiles des Herzschattens erzielt, „dass Herr Prof. 
Grunmach keinen Augenblick zweifelte, dass diese ursprüngliche Vergrösserung nur zu beziehen sei auf 
ein Aneurysma resp. Dilatation der art. pulmonalis.“ Der Autor beobachtete einen zweiten ähnlichen 
Fall, welcher nur flüchtig skizziert ist. Die radioskopische Beschreibung ist leider etwas kurz aus- 
gefallen. Der Fall ist klinisch beobachtet, hoffentlich ist es möglich, den Kranken weiter in Behandlung 
zu behalten und ev. später die klinische Diagnose durch die Autopsie zu erhärten. Krause (Breslau). 


Wiener klinische Wochenschrift. 1904. Nr. 36. 

Nr. 40. Obersteiner: Die Wirkung der Radinmbestrahlung auf das Nervensystem. Verf. hat 
an Mäusen experimentiert und sah von seiten des Centralnervensystems ungemein wechselnde Erschei- 
nungen, die sich bald langsam, bald stürmisch bei den Tieren entwickelten und bei Anwendung wirksamer 
Präparate stets den mehr oder minder frühen Tod des Versuchstiers zur Folge hatten. Es traten auf: 
heftige Krämpfe, Opisthotonus bis Aufstellen des Schwanzes, Aufspringen und Umherrennen, Kreis- 
bewegungen nach einer Seite, andererseits Monoplegien und Paraplegien, Sphinkterenlähmung, schwer- 
fällige, ataktische Bewegungen, dann aber auch trophische Störungen wie Panophthalmitis oder eine auf- 
fällige Akronekrose an den Extremitäten, der Nase, den Ohren. Gehirn und Rückenmark von 29 dieser 
Mäuse wurden genauer mit den üblichen Tinktionsmitteln in all ihren Teilen untersucht. — Die Resultate 
dieser Untersuchung sind nun folgende: In den meisten Fällen konnte Hyperämie des Gehirns und 
Rückenmarks und auch der Meningen gefunden werden. Nicht selten waren grössere und kleinere 
Blutungen; das Rückenmark fand sich in einem Falle in seinem unteren Teil durch eine Anzahl Hämor- 
rhagien am grössten Teil des Querschnittes vollständig destruiert; im Grosshirn sowie im Kleinhirn und 
auch in der Medulla oblongata fanden sich wiederholt Blutungen (vielleicht mit Vorliebe in der Gegend 
der Bulbi olfactorii); sub- und intrameningeale Blutungen waren über dem Gehirn und dem Rückenmark 
nachzuweisen. Zweimal war ein ausgebreiteter encephalitischer Herd in einer Kleinhirnhemisphäre vor- 
handen. Auch Rundzelleninfiltration der Meningen, die längs der Basalgefiisse sich ins Gehirn fortsetzte, 
konnte mehrmals gesehen werden. Die Nervenzellen erschienen häufig unverändert; in Vorderhornzellen 
des Rückenmarks waren die Kernkörperchen mehrmals alteriert, gross, zackig und sternförmig. Besonders 
bemerkenswert ist es, dass in einigen Gehirnen die Endothelien der Gefiisse Anzeichen der Verfettung 
darboten, so dass z. B. in der hell bleibenden grauen Substanz des Linsenkernes die Kapillarschlingen 
sich durch ihre schwarze Punktierung deutlich hervorhoben. 

Nr. 42. Jeney: Ein Fall von Luxation im Chopartschen Gelenk. Die Möglichkeit einer 
Luxation im Chopartschen Gelenk wurde von älteren Chirurgen überhaupt in Abrede gestellt. Den 
spärlichen positiven Mitteilungen derartiger seltener Fälle fügt Verfasser eine neue Beobachtung bei, die 
durch Röntgenographie bestätigt wurde. Die Verschiebung des Vorderfusses medial- und plantarwärts 
lässt sich im Böntgenbild sehr gut erkennen. Auffallend in der äusseren Konfiguration des Fusses war 


Journallitteratur. 391 


die Beugestellung fast sämtlicher Zehen, insbesondere der grossen Zehe, welche durch die Verschiebung 
der Knochen nach abwärts, gegen die Beugesehnen zu, bedingt war. Der Entstehungsmechanismus ist in 
forcierter Adduktion resp. Abduktion bei Fixation des Fusses in beiden Sprunggelenken zu suchen. Es 
muss natürlich der enorm starke dorsale und plantare Bandapparat lädiert sein, um das Zustandekommen 
dieser Gelenkverschiebung gerade an der Stelle zu ermöglichen. Die Behandlung hat in Reposition in 
Narkose zu bestehen. 

Nr. 44. Polland: Therapeutische Versuche mit Radium und sensibilisierenden Substanzen. 
Verf. publiziert aus der Grazer dermatologischen Klinik eine Reihe von Fällen, die a) mit Radium, 
b) mit sensibilisierenden Substanzen und direktem Sonnenlicht, c) mit sensibilisierenden Substanzen und 
Radium behandelt sind und kommt zu folgenden Schlüssen: a) Das Radium wirkt in analoger Weise 
wie die X-Strahlen oder konzentriertes Sonnen- oder elektrisches Licht. Eine elektive Wirkung in dem 
Sinne, dass neoplasmatisches Gewebe früher oder gar allein mit Schonung der gesunden Umgebung zer- 
stört würde, lässt sich nicht feststellen. Eine Zerstörung tieferliegender Gebilde bei Erhaltung der ober- 
flächlichen Schichten tritt nicht ein. Der Gewebszerfall dauert noch lange nach dem Aussetzen der Be- 
strahlung fort. Die Heilungsdauer der gesetzten Substanzverluste ist abnorm lang. Kavernöse Hämangiome 
kommen dadurch zur Vernarbung, dass sich die an der bestrahlten Stelle angesetzte Blutgerinnung rasch 
auf die Umgebung fortpflanzt und die entstandenen Thromben sich organisieren. Die Zerstörung grösserer, 
flächenhaft ausgedehnter Krankheitsherde erweist sich wegen der langen Behandlungsdauer als praktisch 
undurchführbar, wenn man nicht sehr viel Radium zur Verfügung hat. Die Wirkung des Radiums scheint 
inkonstant zu sein und zeitweisen Schwankungen zu unterliegen, so dass eine sichere Dosierung vorläufig 
nicht möglich ist. b) Durch intrakutane Injektion von .1°/,, Eosinlösung wird die Absorptionsfähigkeit 
der Haut für direktes Sonnenlicht gesteigert. Oberflächliche Ulcerationen epithelisieren unter dieser Be- 
handlung sehr rasch. Eine sichere und dauernde Zerstörung alles lupösen Gewebes ist selbst bei lang 
dauernder Behandlung nicht zu gewährleisten. Irgend welche toxische, auf das Eosin zurückzuführende 
Lokal- oder Allgemeinerscheinungen treten nicht auf. c) Durch vorausgeschickte Eosineinspritzungen 
wird die Wirkung des Radiums nicht gesteigert. Diese Thatsache lässt sich vielleicht so erklären, dass 
die Radiumstrahlung den übrigen bekannten Strahlenarten nicht analog ist. | 

Nr. 48. Stegmann: Schutz für Arzt und Patienten bei Röntgenbehandlung. Im Röntgen- 
zimmer befindet sich ein 2,50 m hoher, 1,60 m breiter und 95 cm tiefer Kasten, der innen vollständig mit 
Bleiblech (1,5 mm) ausgeschlagen ist. In dieser Schutzhütte, in die eine Thür führt, steht der Regulier- 
tisch; drei Personen haben darin stehend bequem Platz. Ein Bleifenster ist so angebracht, dass das 
ganze Zimmer überblickt werden kann. Ein Ventilator sorgt im Kasten für genügenden Luftwechsel. 
Das Induktorium steht auf dem Dache des Kastens. Damit ist eine Aufstellung erreicht, die sehr wenig 
Platz in Anspruch nimmt und dem Arzt vollständigen Schutz gewährt. Durch die Anwendung des 
Universalstativs (Seifert & Co., Hamburg) ist auch der Patient geschützt. Die Röhre befindet sich dabei 
auf einem mit Blei beschlagenen Brett, so dass nur der in die Blende eingestellte Körperteil des Kranken 
bestrahlt zu werden braucht. Bei Durchleuchtungen werden Hände und Augen des Untersuchers durch 
besonders präparierte Handschuhe und Bleigläser geschützt. Damit ist ein vollkommener Schutz des 
Arztes und des Patienten erreicht. 

Nr. 50. Holzknecht u. Kienböck: Die medizinische Röntgenologie als selbständiger Zweig 
der medizinischen Wissenschaft. Abdruck des Promemoria, das die Verf. ihren Gesuchen um Zulassung 
zur Privatdozentur über medizinische Radiologie an der Wiener medizinischen Fakultät beilegten. Sie 
skizzieren den Inhalt durch folgende Angaben: 1. Definition der med. Röntgenologie. Bedeutung derselben. 
Blick auf den Beginn und die Entwickelung. 2. Erklärung der Réntgendiagnostik. 3. Röntgentherapie. 
4. Notwendigkeit der spezialistischen Bethätigung in dem neuen Wissenszweig. 5. Berechtigte Anforde- 
rungen an den Röntgenologen. 6. Umfang der wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Röntgeno- 
logie. Zeitschriften, Sammelwerke, Handbücher, Lehrbücher, Atlanten, Vereine, Kongresse. 7. Würdigung 
und Benutzung specialistischer Röntgenologen in forensischen Angelegenheiten seitens des Staates durch 
Bestellung von beeideten, gerichtlichen Sachverständigen im Röntgenverfahren. 8. Unterricht in der med. 
Röntgenologie durch eigene Lehrämter, Inland und Ausland. 9. Lehrplan. 10. Stellung der med. Röntgeno- 
logie zu den anderen Zweigen der Medizin. 11. Widerlegung der gegen die Anerkennung der med. Röntgeno- 
logie geltend gemachten Bedenken. 12. Aus der älteren Geschichte der Specialisierungen in der Medizin. 

Nr. 5l. Kienböck: Über Prophylaxe des Radiologen gegen Beschädigung beim Beruf. In 
übersichtlicher Weise giebt Verf. eine kurze Zusammenstellung der verschiedenen modernen, von den 
erfahrensten Röntgenologen benutzten und erprobten Schutzapparaten, deren ständige Benutzung Verf. auf 
das Angelegentlichste empfiehlt. Auf schematischen Zeichnungen skizziert er die Anlage eines Röntgen- 
untersuchungs- und -behandlungszimmers. Er beschreibt eingehender eine von ihm verwandte, einfache 
Hängeblende und ferner mehrere Hüllen, mit denen sich der Arzt umgeben kann. K. resümiert den 
Inhalt der kurzen Abhandlung in folgenden Sätzen: „Überblicken wir die genannten, dem Röntgenologen 
zur Verfügung stehenden Methoden der Prophylaxis gegen Röntgenschäden: 

37 * 


292 Journallitteratur. 


l. Methode: Vermeidung des Röntgenlichtrayons durch Aufenthalt hinter der Ebene des 
Antikathodenspiegels (bei Röntgentherapie und Röntgenographie). 

2. Methode: Vermeidung von Annäherung an die funktionierende Röntgenröhre (idem). 

3. Methode: Anwendung von Blenden. 

Der Lage und Befestigung nach sind dreierlei zu unterscheiden: a) Der Arzt bedeckt sich an 
den exponierten empfindlichen Stellen mit Bleiblech oder Bleikautschuk u. dergl. b) Bleiplatten werden 
zwischen Arzt und Röhre aufgestellt oder aufgehängt, der Leuchtschirm wird mit Bleiglas überzogen. 
c) Die Röhre wird mit Gehäusen oder Schutzmänteln versehen. 

Der besonders vorsichtige Röntgenologe wird sich bei der Röntgenoskopie durch gleichzeitige 
Verwendung von Blenden nach Art a) und b) vor Röntgenlichtwirkung zu schützen suchen. Bei röntgen- 
therapeutischen und röntgenographischen Bestrahlungen wird er z. B. Methode 2 und 3c kombinieren. Der 
Schutz der Patienten entspricht dem des Arztes nach der 3. Methode: a) der Kranke trägt Bleiblech 
oder Bleimasken mit Ausschnitten, oder er wird b) durch Stativ- oder Hängeblende (Diaphragma) geschützt, 
wobei zugleich das röntgenoskopische und röntgenographische Bild verbessert wird oder c) die Röhre wird 
mit Bleikiste, Bleikautschuk- oder Bleiglasmantel umgeben. 

Mit dieser kurzen Skizzierung der Methoden ist nichts wesentlich Neues gebracht, sondern nur 
bezweckt, dass sich unter den mit Röntgenstrahlen beschäftigten Personen cine grössere Zahl die Fort- 
schritte der röntgenologischen Technik aneigne, als es bis heute der Fall ist, zu eigenem und fremdem Nutzen. 


Centralblatt für Chirurgie. 1904. Nr. 39. 


Becker: Über Röntgenstereoskopie. Nach einer kurzen Einleitung, die das Wesen der 
stereoskopischen Betrachtung, die angegebenen Stereoskope und speciell die für Röntgenzwecke veröffent- 
lichten Methoden behandelt, giebt Verf. die Darstellung einer einfachen und billigen Methode, die sich 
ihm bewährt hat. B. greift auf das ursprüngliche Wheatstonesche Spiegelstereoskop zurück, das er in 
einer Holzkiste anbringt, deren vordere Lingswand nach innen stumpfwinklig eingeknickt ist und mit 
einem Guckloch versehen wird; man legt nun den Nasenrücken gegen die Kante des „Spions“ und sieht 
mit dem rechten Auge das rechte, mit dem linken Auge das linke Bild. Beide Bilder sind in 40 cm Ab- 
stand aufgehängt. Das eine steht fest, das andere wird mit Hilfe eines einfachen Hebelarmes so lange 
verschoben, bis der Beobachter körperlich sicht. Die Beleuchtung ist natürlich, je nachdem man Platten 
oder Abzüge betrachtet, verschieden. Details ohne Abbildungen nicht verständlich. 

Nr. 43. Werner-Heidelberg: Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung der Radium- 
strahlen auf tierische Gewebe und die Rolle des Lecithins bei derselben. Vorläufige Mitteilung von 
ausgedehnten Versuchen an Tieren, die das Wesen der Radiumverbrennung ergründen sollten und die 
zu sehr interessanten Ergebnissen geführt haben. Die Arbeit, die für die Forscher, welche auf ähnlichem 
Gebiete arbeiten, von grosser Bedeutung ist, eignet sich nicht zu kurzem Referat. Die Radiumwirkung 
stellt der Hauptsache nach eine Intoxikation mit den Zersetzungsprodukten des Lecithins dar. 

Nr. 42. Schüller-Berlin: Die Einwirkung der Röntgenbestrahlungen auf das Krebsgewebe 
und die darin enthaltenen Krebsparasiten. Der Verfechter der Lehre von den Krebsparasiten beschreibt 
in den Sporen seiner Parasiten vorkommende Chromatinkörper, welche sich unter dem Einfluss von 
Röntgenbestrahlung in eigentümlicher Weise verändern. Die Veränderungen am Gewebe und an den 
Parasiten gleichen zum Teil denen, welche bei während des Lebens mit Hitzeeinwirkung verschiedener 
Art behandelten Geschwülsten wiederholt vom Verfasser beobachtet werden konnten. 

Nr. 44. Albers-Schönberg: Zur Technik der Röntgentherapie. Verf. beschreibt die neuen, 
von ihm angegebenen und mit grossem Vorteil benutzten röhrenförmigen Bleiglasansatzstücke, welche 
direkt in die Cylinder der Kompressionsblende eingesetzt werden können. Diese Ansätze sind handlicher 
als die sonst üblichen Bleiglashalbkugeln. Die Röhre ist in derselben Weise wie bei der Röntgenographie 
üblich, über dem Cylinder derart centriert, dass die Mitte der Antikathode in der Cylinderlängsachse 
liegt. Um die Bestrahlung in Blutleere vornehmen zu können, kann man diese Konstruktion mit einem 
die Blutleere herstellenden Gummiring verbinden. Die Verwendung der dergestalt armierten Kompressions- 
blende zu röntgentherapeutischen Zwecken hat den Vorzug einer stets gleichbleibenden Entfernung der 
Lichtquelle von der zu bestrahlenden Haut und der Möglichkeit, kleinste Hautbezirke fixieren zu können. 

Werner (Hamburg). 

Zeitschrift für klin. Medizin. Bd. 54. H. 1 u. 2. 


Schelle und Herxheimer: Über einen bemerkenswerten Fall von multiplem Myolom (sog. 
Kahlerscher Krankheit.) An dieser Stelle ist nur von Interesse, dass bei diesem Erkrankungsfall zum 
erstenmal die Untersuchung mit Röntgenstrahlen in vivo angewandt wurde, während sie von Jochmann 
und Schumm an der Leiche ausgeführt worden ist. Im vorliegenden Falle hatte die Untersuchung 
charakteristische Veränderungen sowohl an einer Spontanfraktur des Oberschenkels, wie auch besonders 
in der Spongiosa der Rippen nachweisen lassen, so dass mit Recht die Hoffnung ausgesprochen wird, 
dass die Röntgenuntersuchung zur Stellung der Frühdiagnose verwendbar sei. ee Ds 


Journallitteratur. 293 


Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie. XIII. Heft 1—3. 

Ein Referat der einzelnen Aufsätze in dieser Zeitschrift ist nicht möglich, da die Röntgenbilder 
hier nur als Hilfsmittel zur Diagnosenstellung verwandt sind und die Röntgentechnik selbst nirgends 
erwähnt ist. Beim Durchlesen der einzelnen Artikel hat man aber einen starken Eindruck davon, ein wie 
unentbehrliches Hilfsmittel für den Orthopäden noch mehr wie für den allgemeinen Chirurgen die Röntgen- 
strahlen geworden sind. In manchen Fällen würde Entstehung und Entwicklung eines Leidens ganz 
dunkel sein ohne Röntgenbild, wie z. B. die Bilder zum Artikel von Drehmann über „Gelenkentzündungen 
im Säuglingsalter und ihre ätiol. Beziehung zu Deformitäten* beweisen, die Ergebnisse der Behandlung 
können ganz anders verfolgt werden, wie aus den allen Mitteilungen über Reposition angeborener Hüft- 
gelenksverrenkungen beigegebenen Röntgenogrammen hervorgeht, und in manchen Fällen kann die 
Behandlung nach ganz anderen Grundsätzen in Angriff genommen werden, nachdem die genaue Lage der 
Knochenteile durch das Röntgenbild festgestellt ist, als sie es nach dem grobsichtbaren und fühlbaren 
Befund wäre. Auch die Verbesserung der Ergebnisse durch die jetzt so bequeme Kontrolle, die selbst 
im Gipsverband vorgenommen werden kann, ist ohne weiteres einleuchtend. ei. 


Zeitschrift für Elektrotherapie und die physikal. Heilmethode. 1904. H. 7. 

Benedikt: Ein weiterer Beitrag zur Radiologie des Kopftraumen. B. weist darauf hin, wie 
durch sorgfältige Aufnahme und Durcharbeitung der Platte eine grosse Vollkommenheit und Plastik der 
Aufnahme erzielt werden kann und wendet dies praktisch auf die Darstellung des Schädels an. Er sucht 
an der Hand von Bildern zu beweisen, dass nicht nur die Knochen und Höhlen derselben, sondern auch 
Veränderungen des Schädelinhaltes, besonders auch alte Blutungen, Pachymeningitis haemorrhagica u. dgl. 
nachzuweisen sind. Zum Beweis führt er auch einige Krankengeschichten an, bei denen die klinischen 
Erscheinungen sich mit dem Röntgenbefund deckten. Sein Aufsatz soll im ganzen mehr eine Anregung 
zur weiteren und intensiveren Behandlung des betr. Kapitels sein; er ist ohne Wiedergabe der Zeich- 
nungen schwer zu referieren. Zur Wiedergabe der Veränderungen des Gehirns und seiner nicht knöchernen 
Anhänge gehören technisch ausserordentlich vollkommene Bilder. pan D 


Deutsche Militärärztliche Zeitschrift. 1904. September. 

Perlmann: Ein Fall von Luxation beider Sesambeine des ersten Mittelfussknochens. Der 
seltene Fall, dessen Charakteristika eine Röntgenaufnahme deutlich erkennen liess, ereignete sich bei 
einem Kürassier, der mit dem Fuss unter ein stürzendes Pferd geriet. Man erkennt eine unvollkommene 
Luxation des Halluxgrundgliedes nach dem Innenende des Fusses zu, ferner einen bogenförmigen Bruch 
ohne Dislokation im Köpfchen des zweiten Mittelfussknochens, der als eine Epiphysendiastase aufzufassen 
ist, ferner eine vollkommene Luxation beider Sesambeine des ersten Mittelfussknochens derart, dass das 
linke an die Innenseite des Fusses, das rechte zwischen erstem und zweitem Metatarsusköpfchen zu 
liegen kommt. Die Therapie bestand in Reposition in Narkose, die bei dem rechten Sesambein wegen 
seiner Kleinheit und versteckten Lage nicht gelingt. Trotzdem völlige Gebrauchsfähigkeit. Verf. erklärt 
sich die Entstehung dieser seltenen Verletzung (nur ein analoger Fall in der Litteratur zu finden) so, 
dass die von oben auf den Metatarsus wirkende Gewalt diesen durch die Ossa sesamoidea hindurchtrieb 
und letztere beiseite schob. Werner (Hamburg). 


Pflügers Archiv. Bd. 105. 

Eijkman: Die Bewegung der Halsorgane bei Kopfbeugen, Anstrengen, Bauchpressen und 
Glottisschliessen. Der durch ähnliche Untersuchungen bekannte Verf. hat die Halsorgane bei den oben- 
genannten Bewegungen durch Serienaufnahmen untersucht. Die wesentlichsten Ergebnisse sind folgende: 

1. Bei sehr starker Vorwärtsbewegung des Kopfes nähert sich der Zungengrund der hinteren 
Rachenwand, das Zungenbein dem Schildknorpel und die Spitze des Kehldeckels legt sich der hinteren 
Rachenwand an. Der Luftzutritt geschieht durch seitliches Offenstehen der Plicae ary-epiglotticae. 
2. Die sinus piriformes sind nach seiner Ansicht Luftkanäle, welche bei obenerwähnter Stellung die Luft 
zuführen. 3. Bei starker Anstrengung unter Anspannung aller Muskeln und der Bauchpresse ist der 
ganze Kehlkopf mit Kehldeckel weit von der Wirbelsäule abgehoben, so dass der Oesophagus weit offen 
steht. Er sieht diese Abhebung als Schutz des verletzlichen Kehlkopfes an, damit er nicht durch unwill- 
kürliche und unzweckmässige Muskelkontraktionen gegen die Wirbelsäule gepresst wird. Auch die Hals- 
gefässe werden durch die Abhebung entlastet. 4. Weder bei der Bauchpresse, noch bei Anstrengung, noch 
bei scharfen Anlauten findet ein Verschluss des Kehlkopfes durch den Kehldeckel statt. un: 


Fortschritte der Medizin. 1904. Nr. 29. 

Leopold: Heilung der Ozäna mit Finsenlicht. Er benutzte die mit vier Kohlen versehene 
Lampe von Strebel-München. Das abgekühlte, durch Linsen konzentrierte Licht wurde durch entsprechend 
gekrümmte Glasstäbe in die Nasenhöhle geleitet. Schon nach wenigen Belichtungen schwanden Borken 
und übler Geruch, nachher trat in allen Fällen vollständige Heilung ein. Recidive sind bei den längst 
beobachteten Fällen (über 17) bis jetzt nicht aufgetreten. Wie lange die einzelne Sitzung dauert, ist 
nicht mitgeteilt. En pe 


Journallitteratur. 


td 
Ne) 
RR 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. 

Schellenberg und Scherer: Was leistet die Röntgendurchleuchtung des Brustkorbes als 
Diagnostikum bei tuberkulösen Lungenerkrankungen? Die Verff. haben ihre Untersuchungen an einem 
Material von 320 Fällen der Lungenheilstätte Beelitz i. d. M. angestellt und zwar so, dass der eine nur 
die Perkussion und Auskultation, der andere die Röntgenuntersuchung vornahm, ohne dass der eine die 
Ergebnisse des anderen kannte, um möglichst objektive Ergebnisse zu haben. Besonders haben sie auf 
die Durchleuchtung der Lungenspitzen Wert gelegt. Sowohl die Durchleuchtung wie Photographie wurde 
angewandt. Eine Einrichtung von Reiniger, Gebbert & Schall mit Walter-Schaltung und dreistiftigem 
Wehnelt-Unterbrecher lieferte die Energie, die Röhren waren mittelhart. Betont wird, dass für die Schirm- 
untersuchung absolute Dunkelheit und völlig an sie gewöhntes Auge nötig ist; auch das Röhrenlicht 
muss verdeckt sein. Ein Umwickeln des Kathodenhalses mit feuchter Mullbinde wird als ein die Härte 
der Röhre lange gleichmässig erhaltendes Mittel gerühmt. Der Leuchtschirm muss auch von guter Be- 
schaffenheit (ausgeruht) sein. Blenden haben sie nicht angewandt, obwohl sie deren Vorteile kannten. 
Die Unterbrechungen waren grob (feinster Stift des Wehnelt), auch bei Aufnahmen keine Atempausen, 
sondern oberflächliche Atmung. Von Aufnahme in der Atempause sahey sie keine wesentlichen Vorteile. 
Bei der Aufnahme wurde der Verstärkungsschirm benutzt. Bei Durchleuchtung der Lungenspitzen dorso- 
ventral steht die Röhre zwischen den Schulterblättern in Höhe des vierten und fünften Brustwirbels, bei 
entgegengesetzter Aufnahme in Höhe des Brustbeinhandgriffes. Beide Durchleuchtungen zeigen nicht 
das gesamte Feld jeder Spitze, dies ist für eine Spitze nur sichtbar zu machen bei Stand der Röhre hinter 
dem Schultergelenk der betr. Seite. Die übrigen Teile werden bei wechselnden Röhrenstellungen unter- 
sucht. Es wurde stets von beiden Seiten durchleuchtet. Die erkrankten Spitzen liessen stets Verdunke- 
lungen erkennen, Herde waren als dunklere Flecken sichtbar, besonders rühmen sie die Erkennbarkeit 
centraler Herde, die mit keiner anderen Untersuchungsmethode auffindbar waren. Auf die Sichtbarkeit 
der sogen. ,Hiluszeichnung* und des „Begleitschattens des Herzens“ legten sie besonderen Wert. Nur 
bei 22 ihrer Patienten konnte der Röntgenbefund mit dem nach alter Weise erhobenen in keine Überein- 
stimmung gebracht werden, bei dem Rest von 298 war das Ergebnis beider übereinstimmend. 
Die Spitzenerkrankungen waren häufiger rechts, nach Tuberkulinbehandlung verdunkelten sich die Schatten. 
Bei einigen Kranken, bei denen Spitzenschatten da waren, ergab die Tuberkulinprobe keine Reaktion, 
so dass es sich bei diesen sicher um abgelaufene Prozesse mit Vernarbung handelte. Bei frischen Spitzen- 
affektionen war in manchen Fällen das Schirmbild in einer Richtung heller als in der anderen durch 
periphere Lage des Herdes. Öfters zeigte sich die Durchleuchtung der physikalischen Untersuchung 
überlegen, insofern der Röntgenbefund ausgedehntere Erkrankungen als jene enthiillte. Der Röntgen- 
befund wurde durch den Verlauf bestätigt. Nach der Verff. Ansicht wird die Röntgendiagnostik den 
pathalogisch-anatomischen Verhältnissen besser gerecht als die alten Methoden, die Ausdehnung der 
tiefliegenden Herde namentlich ist besser und mit der Wirklichkeit übereinstimmender durch sie zu 
erkennen, besonders wenn noch die Orthodiagraphie zugezogen wird. Die ,,Hiluszeichnung* war am 
deutlichsten bei Männern die viel Staub u. dgl. inhaliert und von chronischen Katarrhen befallen waren. 
Sie erklären daher dies stärkere Vortreten durch bindegewebige Veränderungen nach chron. Bronchitis, 
Peribronchitis und Lymphadenitis der entspr. regionären Lymphdrüsen. Bei Frauen dagegen war bei 
schmächtig gebauten und schlecht genährten die Zeichnung auch olıne diese Veränderungen recht deutlich. 
Bei Frauen fand sich auch verhältnismässig häufig der Begleitschatten des Herzens, ohne dass sie be- 
stimmte Beziehungen zu der übrigen Erkrankung auffinden konnten. Frauen zeigen auch häufiger ein 
kleines, mit der Spitze auf der Zwerchfellkuppe liegendes Herz; bei diesen bestanden meistens Herz- 
palpitationen. I:xsudative Pleuritiden liessen sich durch dunkeln Schatten leicht, trockene überhaupt 
nicht nachweisen. Eine Anzahl interessanterer Krankengeschichten folgt. Jhr Gesamturteil über die 
Röntgenuntersuchung lautet etwa folgendermassen: Die Röntgendiagnostik ist den alten physikalischen 
Untersuchungsmethoden ebenbürtig. Sie hat stets ein positives Ergebnis gehabt, wenn mit den alten 
Verfahren Tuberkulose als vorhanden festgestellt war, dagegen ist sie bei zweifelhaften Befunden 
noch kein so zuverlässiges diagnostisches Mittel, dass man allein auf den Röntgen- 
befund die Diagnose aufbauen könnte. Viel wertvoller ist die Methode zur Beurteilung der: Aus- 
breitung der Krankheit, da sie oft viel grössere Ausdehnung der Herde erkennen lässt, als die alten 
Verfahren. Auch kann durch das Röntgenverfahren der Verlauf besser und genauer beobachtet werden. 
Durch dasselbe kann nach ihrer Ansicht bei einer grossen Zahl sonst zweifelhafter Tuberkulosefälle die 
probatorische Tuberkulininjektion erspart werden. Bei verbesserter Technik und Übung hoffen die Verff. 
auch auf erweiterte Anwendbarkeit namentlich zur Frühdiagnose. u 


Comptes rendus. T. 139, p. 728. 1904, 

Th. Tommasina: Über die Abmessung der induzierten Radioaktivität für ihre therapeu- 
tische Verwendung. Unter dieser etwas seltsamen Überschrift zeigt der Verfasser an, dass nach seinen 
Beobachtungen eine jede, längere Zeit in einer durch Röntgenstrahlen ionisierten Luft befindliche Person 
oder Sache, auch wenn sie von den Strahlen selbst nicht getroffen wurde, auf mehrere Tage hindurch radioaktiv 


Journallitteratur. 295 


wird, d. h. also selbständig Strahlen aussendet, welche ihrerseits wieder ebenfalls ionisierende Wirkungen 
ausüben. Dabei scheint es aber notwendig zu sein, wenn es auch aus der Abhandlung nicht mit Sicherheit 
hervorgeht, dass während der Thätigkeit der Röntgenröhre die zu aktivierende Person oder Sache selbst 
auf einem hohen negativen Potentiale gehalten werden muss; denn sonst würden offenbar alle sich 
dauernd in einem Röntgenlaboratorium aufhaltenden Personen oder Sachen, auch wenn sie nicht direkt 
von den Strahlen getroffen wurden, permanent radioaktiv sein. Verfasser verspricht sich von seiner Ent- 
deckung einen ganz erheblichen Nutzen, indem er annimmt, dass durch eine derartige Aktivierung nicht 
bloss Nahrungsmittel, sondern auch alle Medikamente für inneren und äusseren Gebrauch, da sie ja dann 
durch ihre ionisierende Wirkung möglicherweise auch elektrolytische Prozesse einleiten können, teils 
leichter assimiliert werden, teils stärkere Wirkungen hervorrufen. Unter anderm würde auch die Radio- 
aktivität gewisser Mineralwässer, die ja die Ursache ihrer spezifischen Wirkungen zu sein scheine, auf 
diese Weise vermehrt, sowie auch eine solche sogar in gewöhnlichen Wässern künstlich erzeugt werden 
können. Endlich lassen sich auch ganze Personen auf diese Weise aktivieren. Für diejenigen, welche 
die Versuche des Verfassers, und zwar insbesondere die Aktiviernng von Nahrungsmitteln etc. wiederholen 
wollen, sei noch erwähnt, dass die Mitteilungen desselben in dieser Hinsicht zwar sehr unvollständig 
sind, dass man aber nach Ansicht des Referenten jene Gegenstände am besten auf ein Drahtnetz und 
dieses wieder in eine allseitig abgeschlossene Holzkiste legen dürfte, in die man durch eine dünne Holz- 
oder Aluminiumschicht hindurch die Röntgenstrahlen hineinfallen lässt. Um nun aber eine direkte Wirkung 
der letzteren, die ja eventuell störend wirken könnte, auszuschliessen, wird man die zu aktivierenden 
Körper im Schatten von passend angebrachten Bleiplatten aufstellen. Das Drahtnetz, auf welchem die 
Körper liegen, verbindet man durch einen Draht mit dem negativen Pole des Induktors, welcher auch 
die Röntgenröhre bethätigt, bzw. mit dem negativen Pole dieser Röhre selbst. Soll eine Person, also z. B. 
ein im Bette liegender Patient, aktiviert werden, so schlägt der Verfasser vor, das Bett auf isolierende 
Unterlagen zu stellen und die Person durch eine feuchte Schnur mit der inneren Belegung einer Leydener 
Flasche zu verbinden, die andererseits über eine Funkenstrecke von 1 cm Länge von dem negativen Pole 
des die Röntgenröhre treibenden Induktors her Funken zieht. Die äussere Belegung der Flasche sowie 
der positive Pol des Induktors sollen an Erde (Gas- oder Wasserleitung) gelegt werden. 
Walter (Hamburg). 
Annals of surgery. May 1904. 


Smith: The Röntgen ray diagnosis of renal calculus. Im Presbyterian Hospital in Chicago 
sind bei 27 Fällen von Nierenkranken mit Steinverdacht in den letzten 2'/, Jahren Röntgenstrahlen zur 
Diagnose verwandt mit 13 positiven Erfolgen, bei denen Operation stets den Stein finden liess, eine 
zweifelhafte Diagnose und 13 negative Diagnosen, bei welch letzteren die Operation auch kein Steinleiden 
enthüllte. Die Technik hält sich an die Vorschriften von Albers-Schönberg unter Benutzung seiner 
Kompressionsblende. skes Ds 


New York and Philadelphia med. journ. 1904. No. 24. 


Branth: Roentgen rays in the treatment of cancerous and skin affections, and epilepsy, 
and in diagnosis. Ref. des Centralblatts f. Chirurgie 1904, No. 42. Summarisch gehaltene Mitteilungen, 
von denen als neu nur die Heilungen und Besserungen von Epilepsie durch Röntgenbestrahlungen des 
Kopfes zu erwähnen sind. Doch sind die Berichte zu ungenau, um als Grundlage für eine Beurteilung ` 
dienen zu können. Werner (Hamburg). 


The Journal of cutaneous diseases including Syphilis 1904. Januar. 


Douglass W. Montgommery in San Francisco berichtet über einen Fall von Vitiligo, 
behandelt mit Finsenlicht. Es kam im Gesicht und an den Händen, welche fünfmal bestrahlt wurden, 
zu einer leichten entzündlichen Reaktion. Nach einiger Zeit sollen die Vitiligoflecke vollständig ver- 
schwunden sein. 

Februar. Albert E. Carrier in Detroit hat einen Fall von Mykosis fungoides mit X-Strahlen 
behandelt. Die Hauptbeschwerde des 75jährigen Patienten war ein unerträgliches Jucken, das allmählich 
unter der Behandlung aufhörte. Einige kleinere Efflorescenzen verschwauden ziemlich bald. Nach 
energischerer Bestrahlung schwanden die Tumoren rapide. Schliesslich bildete sich alles zurück und 
vernarbte mit pigmentierten Stellen. Werner (Hamburg). 

Lyon méd. 1903. Nr. 50 u. 51. 

Lépine et Boulud. Action des rayons X sur la nutrition. Die Röntgenstrahlen sollen zu- 
nächst eine Wirkung auf die Funktionen der Leber haben; eine frische Meerschweinchenleber, zerschnitten 
und zur Hälfte bestrahlt, zur Hälfte vor den Strahlen geschützt, zeigte in ersterer etwas weniger Gly- 
kogen. Ausserdem konnte an defibriniertem frischen Hundeblut eine etwas stärkere Glykolyse der be- 
strahlten Blutproben gegenüber den unbestrahlten nachgewiesen werden. Die quantitativen Unterschiede 
sind übrigens recht gering. Lebende Hunde, welche den Strahlen eine Stunde lang ausgesetzt wurden, 


206 Jounallitteratur. 
zeigten Atemnot, Pulsbeschleunigung, leichte Temperaturerhebung, Appetitlosigkeit; Kontrollhunde, die 
im Nebenkäfig durch Aluminiumbleche vor den Strahlen geschützt wurden, zeigten keinerlei Störungen. 


Revista de In sociedad medica Argentina. 1904. 


1. Jaime R. Costa. Los Rayos X en el diagnostico de las enfermedadas internas. Für die 
Diagnose der inneren Krankheiten hat die Röntgenoskopie beträchtliche Vorteile gegen die Röntgeno- 
graphie. Auf dem Lichtschirm sieht man die Organe in voller Thätigkeit, sieht wie das Herz schlägt, 
wie das Zwerchfell sich bewegt, während die photographische Platte sie in einer einzigen Lage fixiert 
und diese letztere somit noch aus einer früheren Röntgenoskopie ausgewählt werden. Die Röntgenoskopie 
ist im Gebrauch schneller und billiger und ermöglicht eine genauere Diagnose der Abnormitäten in den 
verschiedensten Ebenen des Körpers. 

2. Damit die Röntgenoskopie alles hergiebt was die klinische Medizin logischer Weise von ihr 
verlaugen kann, ist eine verständige, vor allem leicht zu handhabende Anordnung der Apparate nötig. 

3. Für die Deutung der röntgenoskopischen Bilder ist es gut, wenn der Röntigenologe auch 
Kliniker ist, nicht nur wegen des analytischen Scharfsinns, den das klinische Studium im Menschen weckt, 
sondern wegen der anderen Untersuchungs-Vorgänge oder -Arten, die jener anwenden kann, und welche 
die auf dem Lichtschirm gemachten Beobachtungen vervollständigen und unterstützen. 

4. Zur Beurteilung von Details der Struktur, z. B. bei Erkrankungen der Knochen oder bei der 
Aufnahme des Schädelinnern ist die photographische Festlegung des Befundes auf der Platte durchaus 
notwendig. Ebenso ist die Röntgenographie der Röntgenoskopie auch beim Bestimmen der Nierensteine 
weit überlegen, denn durch die gemachten technischen Fortschritte kann man die Existenz von oxal- 
sauren oder Phosphatsteinen schon exakt nachweisen, wenn sie grösser sind als eine Erbse. 

5. Von beträchtlichem Wert ist die Röntgenoskopie bei der Früh-Diagnose von Lungentuberkulose, 
da es in vielen Fällen möglich ist, mit ihrer Hilfe tuberkulöse Spitzen, Infiltrationen festzustellen, wenn 
diese noch durch kein anderes physikalisches Zeichen zu erkennen sind und selbst wenn dieses der Fall 
sein sollte, bietet sie dem Kliniker eine objektive Kontrolle, was stets von Nutzen bei einer Krankheit, 
die in ihren Anfängen so vage und unbestimmt ist. 

6. Bei Speiseröhren- und Aorta-Affektionen bietet die Röntgenoskopie auf ihrer jetzigen Höhe 
dem Arzte das sicherste Untersuchungsmittel, denn einzig durch sie kann man die Funktionen dieser 
Organe getrennt untersuchen. 

7. Die Röntgenoskopie korrigiert in gewissen Fällen die Irrtümer, die bei der Perkussion unter- 
zulaufen pflegen, z. B. bei der Bestimmung der lIerzgrenzen. 

8. Die röntgenoskopische Untersuchung ist das einzige physikalische Verfahren, mittels dessen 
man mit Sicherheit eine centrale Pneumonie diagnostizieren kann. Sie orientiert auf das genaueste über 
die Verlagerung des Herzens bei Pleuraergüssen und lässt uns noch Reste von Entzündungsvorgängen 
im Thorax erkennen, wenn alle anderen physikalischen Zeichen längst nicht mehr vorhanden sind. 

9. Von ganz besonderer Bedeutung ist die Röntgendurchleuchtung der Brusthöhle für den Arzt 
der Lebensversicherungen und bei der Rekrutenaushebung. Die Wichtigkeit einer röntgenologischen Herz- 
untersuchung bei Abschluss einer hohen Lebensversicherung ist auf dem jüngsten Kongress der Asse- 
curadeure betont worden. 

Derselbe. Röntgentherapie. Die Röntgentherapie erfordert mehr als jedes andere Heilmittel 
` grosse Vorsicht seitens des Arztes. Genaue Kenntnis des Eintritts der „Reaktion“ ist das beste Mittel, um 
Schädigungen zu entgehen. Stets muss man sich der cumulierenden Wirkung der X -Strahlen bewusst 
bleiben. Alle die Bedingungen, die zur Erzielung einer dosierbaren Menge Röntgenlichtes angegeben 
sind, müssen eingehalten werden. Das Anwendungsgebiet dieser Methode ist ein recht grosses. Die 
Resultate sind ermutigend. Die vom Verf. erzielten unterscheiden sich von den sonst bekannt ge. 
wordenen nicht. Werner (Hamburg). 


Druck von Hesse & Bockor in Leipzig. 


Über das Röntgensche Absorptionsgesetz und seine Erklärung. 
Von 
B. Walter. 


In seiner dritten Mitteilung über die X-Strahlen hat Röntgen durch photometrische 
Messungen nachgewiesen, dass eine Röntgenstrahlung, die durch eine bestimmte Schicht 
Aluminium, Glas oder Stanniol hindurchgegangen ist, von einer zweiten ebenso dicken Schicht 
desselben Stoffes zu einem erheblich grösseren Bruchteile hindurchgelassen wird, als von der 
ersten. Mit anderen Worten heisst dies, dass die Strahlung nach dem Verlassen der ersten 
Schicht für den betreffenden Stoff ein erheblich grösseres Durchdringungsvermögen erworben 
hat oder auch — wie wir heute gewöhnlich sagen — für ihn erheblich härter geworden ist 
als vorher. 

| Diese Thatsache will ich als das Röntgensche Absorptionsgesetz bezeichnen. 

An derselben Stelle hat Röntgen dann auch für dieses eigenartige Verhalten seiner 
Strahlen eine Erklärung gegeben, die im wesentlichen darauf hinausläuft, dass die Strahlung 
einer jeden Röhre aus einem Gemisch von Strahlen verschiedener Härte besteht. That- 
sächlich leuchtet ja auch ohne weiteres ein, dass die weicheren, d. h. weniger durchdringungs- 
fähigen Teile eines solchen Strahlengemisches beim Durchgang durch irgend einen Körper 
relativ mehr abgeschwächt werden müssen als die härteren, so dass mithin in dem Gemisch 
nach dem Durchgang ein grösserer Prozentsatz von harten Strahlen vorhanden sein muss 
als vorher. 

Wenn nun aber diese Erklärung richtig sein soll, so muss die darin enthaltene That-. 
sache natürlich für jeden beliebigen Stoff gelten; und es ergiebt sich denn auch aus der 
genannten Abhandlung Röntgens, dass derselbe an der Allgemeingültigkeit seines oben- 
genannten Gesetzes nicht gezweifelt hat. 

Versucht man nun aber, dasselbe in möglichst einfacher und direkter Weise dadurch 
zu demonstrieren, dass man die Härte der Strahlung irgend einer Röhre mit einer Härteskala 
nach dem Benoistschen System einmal direkt und einmal nach dem Durchdringen 
eines beliebigen Stoffes bestimmt, so wird man zwar für die meisten Metalle, wie Aluminium, 
Eisen, Kupfer, Zink, Platin, Blei u. s. w. thatsächlich auch auf diese Weise eine unmittelbare 
Bestätigung jenes Gesetzes finden. Hält man dagegen bei diesen Versuchen ein Stück Silber- 
blech vor die Skala, so zeigt sich die Feldnummer in derselben nicht — wie bei den soeben 
genannten Metallen — erhöht, sondern vielmehr erniedrigt; und in ähnlicher, wenn auch 
weniger ausgesprochener Weise wirken hierbei auch Bleche aus Palladium, Cadmium, Zinn und 
Antimon, Metalle, die übrigens hinsichtlich ihres Atomgewichtes dem Silber nahe stehen. 

Alle diese Thatsachen lassen sich ferner nicht bloss subjektiv auf dem Leuchtschirm 
der in Rede stehenden Härteskala beobachten, sondern auch objektiv mit Hilfe der photo- 
graphischen Platte nachweisen, wie hier durch die umstehenden drei Aufnahmen, Fig. 1, 2 
und 3, einer Härteskala nach dem Benoist-Walterschen System (B. W.-Skala, s. Bd. 6 


Fortschritto a. d. Gebiete d. Röntgenstrablen. VIIT. 38 


298 


Fig. 1. 


Fig. 3, 


Walter. 


dieser Zeitschr. p. 71, 1902/03) dargethan werden 
mag.') Von diesen Figuren ist zunächst die 
erste in der Weise gewonnen, dass bei ihr nur 
die B. W.-Skala auf die in licht dichtes Papier 
eingeschlagene und auf einer Bleiunterlage liegende 
photographische Platte gelegt war, während bei 
der zweiten unmittelbar vor der Skala noch eine 
6,0 mm dicke Aluminiumschicht und bei der 
dritten statt ıhrer eine 0,11 mm dicke Silber- 
platte in den Gang der Strahlen eingeschaltet 
war. Die Härte der Réntgenréhre wurde bei 
allen drei Aufnahmen in gewöhnlicher Weise mit 
einer zweiten B. W.-Skala fortwährend überwacht 
und durch passende Wahl der Belastung die ganze 
Zeit hindurch konstant gehalten. Sie war, wie ja 
auch aus der Fig. 1 hervorgeht, gleich 5 B. W.; denn 
das Mittelfeld dieser Aufnahme erscheint gleich dunkel 
mit dem fünften Aussenfelde der Skala. Demgegen- 
über zeigen nun aber die Figuren 2 und 3, dass die 
nach dieser Methode gemessene Härte derselben 
Strahlung einerseits nach dem Durchgange durch 
eine 6 mm dicke Aluminiumschicht grösser als 
6 B. W., und andererseits nach der Durchquerung 
eines 0,11 mm dicken Silberbleches gleich 4 B. W. 
geworden ist. | 
Das Resultat der Fig. 2 ist nun auf Grund 
der Röntgenschen Erklärung seines Absorptions- 
gesetzes ohne weiteres verständlich; denn nach dieser 
muss eben die durch einen beliebigen Stoff hindurch- 
gegangene Strahlung unter allen Umständen härter 
geworden sein. Um so mehr aber steht mit dieser Er- 
klärung das Ergebnis der Aufnahme 3 im Widerspruch; 
denn hiernach sind ja die durch das Silber hindurch- 
gegangenen Strahlen nicht härter, sondern weicher 
geworden. 
1) Das mittlere Feld dieser Skala besteht — wie 
in der ursprünglichen Benoistschen Skala (B.-Skala)— aus 
einem 0,11 mm dieken Silberblech, die Zahl der äusseren 
Felder dagegen, die bei der letzteren 12 beträgt, ist in 
der ersteren auf 6 reduziert; und ferner sind die Aluminium- 
dieken in der ersteren nicht wie in der letzteren nach 
einer arithmetischen Reihe erster, sondern nach einer 
solchen zweiter Ordnung bemessen — nämlich statt 
1, 2, 3,... 12 mm in der B.-Skala hier der Reihe nach 
gleich 2,0, 2,4, 3,2, 4,4, 6,0 und 8,0 mm genommen. 
Durch diese Änderungen wird nämlich für die 
verschiedenen in der Praxis gebräuchlichen Röhren- 
härten eine wesentlich gleichmässigere Abstufung der 


Feldhelligkeiten erreicht, wie ja auch die Aufnahmen 
zeigen. Die Härte der Röhre wird in diesen Skalen 


bekanntlich durch die Nummer desjenigen Aussenfeldes bezeichnet, welelies mit dem Mittelfeld gleich 
hell erscheint; und zwar wird die Numerierung wie bei der Uhr von oben aus nach rechts herum 
gerechnet. Die Nummern der B.-Skala und der B.-W.-Skala lassen sich übrigens, da das Mittelfeld bei 
beiden identisch ist, unmittelbar aufeinander reduzieren. 


Über das Röntgensche Absorptionsgesetz und seine Erklärung. 299 


Das Verhalten der Strahlen bei diesen Versuchen erinnert vielmehr so sehr an die in 
der Optik so bekannte Erscheinung der „selektiven“ Absorption, dass ich hierauf mit einigen 
Worten eingehen muss. Dieselbe tritt auf, wenn man zwei komplementiire Farbstoffschichten, 
z. B. ein rotes und ein grünes Glas von nahezu gleicher Helligkeit nebeneinander gegen das 
Tageslicht hält, und nun vor beide einesteils ein rotes und andernteils ein grünes Glas hält. 
Im ersten Falle bleibt dann die Helligkeit des roten, im zweiten die des grünen Feldes nahezu 
ungeschwächt, während dagegen das andere Feld jedesmal um ein ganz Erhebliches verdunkelt 
wird: also ganz ähnlich, wie wir es hier in den Aufnahmen 2 und 3 für das Mittelfeld und 
das fünfte Aussenfeld der Aufnahme 1 gesehen haben. 

Die genannten optischen Versuche erklären sich nun bekanntlich sehr einfach dadurch, 
dass jede der beiden in Frage kommenden Glasarten die Strahlen ihrer eigenen Farbe nahezu 
vollständig durchlässt, diejenigen der anderen aber nahezu vollständig absorbiert; und mit Rück- 
sicht auf diese Erklärung einerseits, sowie auf die von Benoist gefundene und in den Skalen 
seines Systems ja auch in so ausgesprochener Weise zum Ausdruck kommende Thatsache, dass das 
Silber die Strahlen einer harten Röhre verhältnismässig stärker absorbiert als das Aluminium — 
mit Rücksicht auf diese Thatsache andererseits scheint es nun im ersten Augenblicke das ein- 
fachste, das durch die Figg. 1—3 dieser Abhandlung nachgewiesene entgegengesetzte Verhalten des 
Silbers und des Aluminiums durch die Annahme zu erklären, dass das erstere Metall mehr von 
den weichen, das letztere dagegen mehr von den harten Strahlen des ursprünglichen, von 
der Röhre ausgehenden Strahlengemisches absorbiert. Bei näherer Überlegung findet man 
jedoch, dass die erstere dieser beiden Annahmen, nämlich die, dass das Silber die weichen 
Strahlen leichter hindurchlassen soll als die harten, offenbar in direktem Widerspruche mit der 
Röntgenschen Auffassung seines Absorptionsgesetzes steht. 

Zur Aufklärung dieses Widerspruches erschien es mir nun zunächst von Wichtigkeit, 
dieses Gesetz selbst auch noch speziell für das Silber auf die Probe zu stellen, d. h. also nach 
der in der Einleitung erwähnten photometrischen Methode Röntgens festzustellen, ob auch beim 
Silber von den durch eine bestimmte Schicht hindurchgegangenen Strahlen in einer zweiten 
gleich dicken Schicht weniger absorbiert wird, als in der ersten. Dies war denn nun tat- 
sächlich der Fall, und zwar wurde der Beweis hierfür einerseits — wie von Röntgen selbst 
— durch die Bestimmung der Zahlenwerte für die Durchlässigkeit der beiden Schichten und 
andererseits auch noch dadurch geführt, dass man zunächst unter Anwendung der einen Silber- 
schicht das bedeckte und unbedeckte Feld des Leuchtschirmes durch entsprechende Verschiebung 
der beiden Röntgenröhren auf gleiche Helligkeit einstellte und dann eine mit der ersten gleich 
dicke Platte vor oder hinter beide Felder zugleich brachte. Es fand sich dann — wie 
beim Aluminium, Kupfer und Platin — so auch beim Silber und Zinn, dass dadurch das bis 
dahin unbedeckte Feld erheblich dunkler wurde als das andere; und dieselbe Erscheinung 
zeigte sich hierbei selbst dann, wenn das vor beide Felder geschaltete Metall ein anderes war 
als das bereits auf dem einen Felde befindliche, so dass sich also auf diese einfache Weise die 
Allgemeingültigkeit des Röntgenschen a nn sozusagen unmittelbar vor die Augen 
führen liess. 

Wenn nun aber auch so die Richtigkeit dieses Gesetzes selbst ausser Frage 
gestellt sein dürfte, so kann dasselbe doch noch nickt für die Röntgensche Erklärung 
dieses Gesetzes gelten; vielmehr haben wir in dieser Beziehung das Resultat unserer früheren 
Auseinandersetzungen dahin zusammenzufassen, dass das abnorme Verhalten des Silbers und 
seiner Verwandten mit der Röntgenschen Auffassung selbst dann nicht in Einklang zu 
bringen ist, wenn man die obenerwähnte, von Benoist entdeckte Thatsache hinzuzieht, wonach 
die Metalle der Silbergruppe die Strahlen harter Röhren verhältnismässig stärker absorbieren 
als die übrigen Metalle, und umgekehrt diejenigen weicher verhältnismässig leichter hindurch- 
lassen als diese. Denn, wenn danach auch sehr wohl zu verstehen ist, dass durch das bei 
der Aufnahme 3 vor die ganze Skala vorgeschaltete Silberblech ein grösserer Prozentsatz 
an weichen Strahlen hindurchgegangen ist, als durch das bei der Aufnahme 2 vorgeschaltete 

38* 


300 Walter. 


Aluminium und daher die Strahlung im ersteren Falle weicher erscheinen muss als im letzteren, 
so ist deswegen doch immer noch nicht klar, warum die durch das Silberblech gesiebten 
Strahlen sogar weicher geworden sind als die ursprünglichen (vgl. die beiden Figg. 3 und 1); 
vielmehr bleibt diese Thatsache nach wie vor ein Widerspruch mit der Röntgenschen Er- 
klärung seines Absorptionsgesetzes. 

Lassen uns demnach diejenigen Auffassungen, welche man sich bisher über die Zusammen- 
setzung und das Verhalten der direkten, von der Röhre ausgehenden Strahlung gebildet hat, 
bei der hier zu erklärenden Erscheinung vollkommen im Stich, so scheint nun allerdings noch 
der Ausweg übrig zu bleiben, zu diesem Zwecke die sekundären, in den betreffenden Metallen 
selbst entstehenden Strahlungen heranzuziehen; und thatsächlich findet denn auch ein sehr 
wesentlicher Unterschied in dem Verhalten der Sekundärstrahlen der hier in Frage kommenden 
Metallgruppen statt, ein Unterschied, auf Grund dessen die in Rede stehende Anomalie sich 
sogar im ersten Augenblick in verhältnismässig einfacher Weise aufzuklären scheint. 

Dieser Unterschied besteht nämlich in dem ganz ausserordentlich verschiedenen 
Durehdringungsvermögen der hier in Frage kommenden Sekundärstrahlen, eine Thatsache, 


die man z. B. dadurch nachweisen kann, dass man — wie in der Fig. 4 angedeutet — das zu 
untersuchende Metall M unter einem Winkel von 45° in das durch 

A ein passendes Diaphragma abgegrenzte direkte Strahlenbündel 

hält und ferner in etwa 15 cm Abstand davon — senkrecht zur 


Richtung der direkten Strahlen gemessen — die photographische 
Platte P anbringt, die natürlich gegen die Wirkung der direkten 
Strahlung und die der Glasstrahlung der Röhre R durch genügend 
starke Bleischirme geschützt werden muss. Zur Feststellung 
des Durchdringungsvermögens der Sekundärstrahlung von Jf legt 
man ferner auf P eine Härteskala nach Benoistschen System; 
und zwar habe ich bei meinen diesbezüglichen Versuchen eine 
Vig. 4. B. W. Skala benutzt, zu deren sechs Aluminiumfeldern aus so- 
gleich ersichtlichen Griinden noch zwei stiirkere von resp. 10,4 
und 13,2 mm Dicke hinzugefügt wurden, Zahlen, die sich olıne weiteres aus der Progression 
dieser Skala ergeben. 
Benutzt man nun z. B. eine Röhre von der Härte 5 B. W. und als Sekundärstrahlen 
lieferndes Metall einerseits eine 0,11 mm dicke Silberplatte und andererseits eine 6,0 mm dicke 


Aluminiumschicht — Metalldicken, die ja für die Strahlen der genannten Röhre äquivalent 
sind — so erhält man bei einem Abstande von etwa 15 cm zwischen M und der Strahlenquelle 


schon mit einer Expositionszeit von einigen Minuten ein genügend kräftiges Bild der auf P 
liegenden Skala; und findet dann das Resultat, dass die auf diese Weise bestimmte Härte der 
Sekundärstrahlen des Aluminiums gleich 7 B. W., derjenigen des Silbers dagegen nur gleich 
2 B. W. (!) ist. Dasselbe Resultat ergiebt sich auch, wenn man M — statt nach vorne — nach 
hintenüber neigt, d. h. also, wenn man die Härte der das Blech J/ nach hintenzu verlassenden 
Sekundiirstrahlen bestimmt; nur hat man in diesem Falle natürlich etwas länger zu exponieren. 


Mit anderen Worten lässt sich dieses Resultat auch so ausdrücken, dass - ım Ver- 
gleich mit der direkten Strahlung — die Sekundärstrahlen des Aluminiums ganz 


ausserordentlich viel leichter durch Aluminium und diejenigen des Silbers ganz 
ausserordentlich viel leichter durch Silber hindurchgehen. 

Im ersten Augenblick scheint nun wie gesagt das hier beschriebene Resultat that- 
sächlich zu genügen, um die in den Figg. 2 und 3 zutage tretenden Gegensätze in der Härte- 
bestimmung der durch das Aluminium bezw. Silber hindurchgegangenen Strahlen zu erklären. 
Deun da in diesem Falle die Sekundärstrahlung des vorgeschalteten Metalles gewissermassen 
einfach zu dem Bilde der Fig. 1 hinzuzufügen ist — wobei das letztere natürlich noch durch 
die vorgeschaltete Schicht um ein Erhebliches abgeschwächt zu denken ist — so wird zunächst 
bei vorgeschaltetem Aluminium (Fig. 2) die Strahlung aus zwei Gründen härter erscheinen 


Über das Röntgensche Absorptionsgesetz und seine Erklärung. 801 


müssen als ohne dasselbe: einmal nämlich, weil die direkte Strahlung nach der Röntgen- 
schen Auffassung seines Absorptionsgesetzes wirklich härter geworden ist und zweitens, weil auch 
die Sekundärstrahlung des vorgeschalteten Aluminiums eine so erheblich viel grössere Härte hat 
als die direkte Strahlung. Bei vorgeschaltetem Silber andererseits (Fig. 3) ist die Härte der 
direkten Strahlung nach der Röntgenschen Auffassung zwar ebenfalls etwas härter geworden — 
wenn auch nicht soviel wie bei vorgeschaltetem Aluminium (Gesetz von Benoist) —; indessen wird 
diese Vermehrung der Härte hier vollständig dadurch verschleiert, dass die Härte der Sekundär- 
strahlung des vorgeschalteten Silberbleches so ausserordentlich viel geringer ist, als die der 
direkten Strahlung, so dass also schliesslich die Gesamthärte sozusagen das Mittel aus der der 
direkten Strahlen und der der Sekundärstrahlen wird. Nehmen wir also z. B. an, dass die 
Härte der ersteren beim Durchgang durch das vorgeschaltete Silberblech von 5 auf 6 gewachsen 
ist, so wird, da die Härte der Sekundärstrahlung jenes Bleches nach den oben beschriebenen 
Versuchen gleich 2 ist, dieses Mittel gleich 4, d.h. um eine Nummer kleiner als die 
Härte der ursprünglichen Strahlung; und dieses zeigt denn nun auch thatsächlich 
die Fig. 3. 

Diese ganze Erklärung scheint offenbar sehr einfach und ungezwungen; nichtsdesto- 
weniger giebt es nun aber doch eine Erscheinung, die nicht mit ibr in Einklang zu bringen 
ist. Dieselbe besteht darin, dass das Resultat der Aufnahme 3 ungeändert bleibt, wenn 
man das Silberblech — statt unmittelbar vor der Skala — in einem beliebig grossen Abstande 
vor derselben anbringt; und zwar bin ich dabei bis zu 50 cm gegangen. Nach der oben 
gegebenen Erklärung nämlich sollte man in diesem Falle offenbar ein ganz anderes Resultat 
erwarten; denn wenn es die Sekundärstrahlung des vorgeschalteten Silberbleches ist, welches 
den Widerspruch der Aufnahme 3 mit der Röntgenschen Erklärung seines Absorptionsgesetzes 
veranlasst, so sollte man meinen, dass dieser Widerspruch sich schon durch eine kleine Ver- 
grösserung der Entfernung zwischen diesem Bleche und der photographischen Platte bezw. dem 
Leuchtschirm erheblich vermindern und schliesslich auch ganz beseitigen lassen müsste, da 
doch durch diese Abstandsvergrösserung die Wirkung der sich nach allen Seiten hin zer- 
streuenden Sekundärstrahlung ganz ausserordentlich vermindert werden muss, während, wenn man 
bei derartigen vergleichenden Versuchen die Entfernung zwischen Röhre und Leuchtschirm 
konstant hält, die Wirkung der direkten Strahlung natürlich konstant bleibt. 

In ähnlicher Weise wurde dann noch festgestellt, dass es auch nicht etwa die in 
den Metallen der Härteskala selbst erzeugten Sekundärstrahlen sind, durch welche die 
zu erklärende Anomalie hervorgerufen wird, denn die letztere zeigte sich auch dann noch, 
wenn man die Entfernung zwischen Leuchtschirm und Skala beliebig vergrösserte, Ver- 
suche, für welche man allerdings, um die durch die unscharfe Zeichnung der Röhre entstehenden 
Halbschatten zu vermindern, statt der Härteskala besser eine Bleischablone mit zwei, einige 
Millimeter voneinander entfernten Ausschnitten benutzt, welche mit den beiden in Betracht 
kommenden Schichtdicken des Silbers und Aluminiums bedeckt werden. 

Nach allem diesen kann man nun wohl mit ziemlicher Sicherheit behaupten, dass es nicht 
die Sekundärstrahlen der in Frage kommenden Metalle sind, welche die in Rede stehende Ano- 
malie veranlassen; und da wir nun oben gesehen haben, dass auch diejenige Auffassung, welche 
man sich bisher auf Grund des Röntgenschen Absorptionsgesetzes über die Zusammensetzung 
und das Verhalten der direkten Strahlung einer Röhre gebildet hatte, zur Aufklärung dieser 
Beobachtungen nicht geeignet erscheint, so dürfte daher kein anderer Ausweg übrig bleiben, 
als eben jene Auffassung durch eine andere zu ersetzen. 

Eine Annahme, durch welche alle bisher bekannten Thatsachen in genügender Weise 
erklärt werden dürften, scheint mir nun die zu sein, dass die Strahlung einer Röntgen- 
röhre, die man dann sogar als homogen ansehen kann, bei der Absorption durch 
den Einfluss des absorbierenden Atomes derartig verändert wird, dass sie all- 
gemein für jeden beliebigen Körper ein grösseres Durchdringungsvermögen, in 
ganz besonderem Masse aber ein solches für Atome derselben Art erhält. 


9302 Walter. 


Denn dass durch diese Annahme zunächst das Röntgensche Absorptionsgesetz ebenso 
gut erklärt wird wie durch die bisherige Auffassung, folgt offenbar unmittelbar aus dem Wort- 
laut der ersteren; und ferner wäre dann auch die von Benoist entdeckte Ausnahmestellung 
der Metalle der Silbergruppe von diesem Gesichtspunkte aus vielleicht so zu verstehen, dass 
die in dieser Theorie angenommene besondere Wirkung des Atoms eben hauptsächlich nur 
durch die Atome der genannten Metallgruppe ausgeübt wird — und auch von diesen nur auf 
die Strahlen weicher Röhren. Die eigentliche kritische Erscheinung aber bildet hier natürlich 
die auf S. 298 beschriebene Thatsache, dass die mit der Benoist-Skala gemessene Härte einer 
Röntgenstrahlung nach Vorschaltung eines Silberbleches weicher erscheint als ohne dieses, da 
nämlich diese Erscheinung, wie ich oben gezeigt zu haben glaube, mit der bisherigen Auf- 
fassung nicht in Einklang zu bringen ist, während dieselbe nach der neuen Theorie offenbar 
so zu verstehen sein würde, dass die durch Silber hindurchgehenden Strahlen eben dadurch für 
Silberatome ein relativ grösseres Durchdringungsvermögen erlangen, als für Atome anderer Art. 

In einer besonders überzeugenden Weise lässt sich übrigens die Richtigkeit dieser 
letzteren Annahme auch noch dadurch zeigen, dass man bei dem in der Fig. 3 dargestellten 
Versuch einerseits für das vor die Härteskala vorgeschaltete Silberblech eine ähnliche Blech- 
stärke aus einem der dem Silber atomistisch nahestehenden Metalle Palladium (Pd), Cadmium (Cd), 
Zinn (Sn) oder Antimon (Sb) bringt, und andererseits auch direkt die mittlere Silberscheibe 
der Benoistschen Skala durch eine Scheibe aus einem anderen dieser Metalle ersetzt und dann 
wieder einesteils die Härte der Strahlung mit freier Skala und anderenteils auch unter Vor- 
schaltung aller in Frage kommenden Metalle bestimmt. Auf diese Weise ergaben sich bei 
Benutzung einer Skala in der ursprünglichen, von Benoist angegebenen Form für die Strahlung 
einer bestimmten Röhre folgende Feldnummern: 


Das mitt] 3 = ; 
en no E E E Feldnummer der Strahlung nach Vorschaltung von (mm): 
Benoist-Skula Su & ; 
bestand aus: | E S? || 45 Al | 0,14 Cu | 0,11 Pa | 0,11 Ag | 0,19 Cd | 0,20 Sn | 0,30 Sd || 0,024 Pt 
| | |: 

0,11 mm 4g | 6,0 10 10 i 5,0 3,5 4,5 5,5 6,0 11 

0,17 mm cd) 7,0 | >12 | >12 i 7,0 5,0 4,5 5,5 8,0 >12 

0,20 mm Sn | 80 © >12 | >R f u 8,0 6 5,0 5,0 >12 
Atomgewichte: | 27 | 63 | 106 18: N2 N7? ; 120 | 194 


Man ersieht aus dieser Tabelle zunächst wieder das schon von Fig. 2 her bekannte 
Resultat, dass durch die Vorschaltung von Aluminium, Kupfer und Platin die Feldnummer in 
der Skala ganz beträchtlich erhöht wird — und zwar gleichgültig, ob das mittlere Blech der- 
selben aus Silber, Cadmium oder Zinn besteht. Weiter zeigt sodann die Tabelle auch das schon 
aus Fig. 3 bekannte Ergebnis, dass durch die Vorschaltung eines Metalles der Silbergruppe 
die Feldnummer in der Regel erniedrigt wird. Als eine neue Tatsache aber lernen wir 
schliesslich aus dieser Tabelle noch die, dass diese Erniedrigung durchaus nicht bei allen 
Metallen dieser Gruppe die gleiche, sondern stets am grössten bei demjenigen ist, 
welches in der Skala selbst als Mittelfeld benutzt wurde, und dass sie von hier aus 
um so mehr abnimmt, je mehr sich das Atomgewicht des vorgeschalteten Metalles von dem 
des Mittelfeldes der Skala entfernt, um bei grösseren Unterschieden dieser Atomgewichte unter 
Umständen auch ganz zu verschwinden und bei noch grösseren sogar in eine Erhöhung überzugehen. 

Alle diese Thatsachen sind nun offenbar nichts anderes als eine Bestätigung der oben 
gemachten Annahme, dass eine Röntgenstrahlung durch die Absorption in einem bestimmten 
Stoffe die Fähigkeit erlangt, gerade denselben Stoff relativ am besten zu durchdringen, eine 
Thatsache, aus der man übrigens auch praktisch bei der therapeutischen Verwendung unserer 
Strahlen einen gewissen Nutzen ziehen kann, indem man beispielsweise, wenn man bei der Be- 


Zur Technik der Röntgenstrahlen-Therapie. 303 


strahlung tieferer Organe die darüber liegende Haut vor Verbrennung schützen will, die Strahlen 
zunächst durch einen dieser Haut möglichst ähnlichen Stoff bindurchgehen lässt. 

In theoretischer Hinsicht aber sei schliesslich noch darauf aufmerksam gemacht, dass 
nach den auf S. 300 angegebenen Versuchen auch sogar die Sekundärstrahlen die hier in 
Rede stehende Eigenschaft haben, dass sie gerade denjenigen Stoff, in welchem sie entstanden 
sind, mit besonderer Leichtigkeit durchdringen; und zwar sind hier die Unterschiede zwischen 
den einzelnen Metallgruppen noch ganz erheblich viel grösser als bei den direkten Strahlen, 
wo die Erscheinung ja eigentlich nur bei den Metallen der Silbergruppe in deutlicherem Masse 
hervortritt. Auf diesen Punkt gedenke ich in einer besonderen Abhandlung einzugehen. 

Hamburg, physikalisches Staatslaboratorium, im März 1905. 


Zur Technik der Röntgenstrahlen-Therapie. 
Von l 
Professor Dr. H. Rieder in München. 


Abgesehen von den Hautkrankheiten, welche schon seit 1897 der Röntgenbehandlung 
unterworfen werden, sind in neuerer Zeit bekanntlich auch tieferliegende Geschwülste, besonders 
solche des lymphatischen Apparates, erfolgreich mit Röntgenstrahlen behandelt worden. Durch die 
hierbei erzielten, günstigen Resultate, welche bereits in zahlreichen Publikationen zur allgemeinen 
Kenntnis gekommen sind, wurde das ärztliche Interesse für die Röntgenstrahlen und deren 
therapeutische Verwendung neuerdings in hohem Grade geweckt und gefördert. 

Da nun je nach Sitz und Ausdehnung der zu behandelnden Krankheitsherde das 
Bestrahlungsverfahren sich verschieden gestalten muss, so dürfte ein kurzer Hinweis auf 
die wichtigsten, in technischer Beziehung zu berücksichtigenden Kautelen gerechtfertigt sein. 

Um unliebsamen Reaktionserscheinungen der Haut, welche infolge der langen Latenz- 
periode erst mehrere Tage nach stattgehabter Bestrahlung auftreten, vorzubeugen, ist neben 
anderen Vorsichtsmassregeln besonders eine sorgfältige Dosierung der Strahlen und eine 
rechtzeitige Unterbrechung der Bestrahlung am Platze. Um diesen Forderungen ent- 
sprechen zu können, ist die genaue Kenntnis der verschiedengradigen Reaktionserscheinungen, 
welche im bestrahlten Hautbezirke sich einstellen können, notwendig, doch soll auf dieselben 
hier nicht eingegangen werden, weil hierüber bereits vielfach berichtet worden ist. 

Es sei aber noch besonders bemerkt, dass wenn auch die Wirkung der Bestrahlung 
im allgemeinen von deren Intensität abhängig ist, doch auch eine gewisse individuelle Em- 
pfindlichkeit der Haut gegen Röntgenstrahlen angenommen werden muss. 

Die therapeutische Wirkung der genannten Strahlen, welche ja in der Hauptsache in 
Degeneration und Zerfall pathologischer Zellen und Resorption des erkrankten Gewebes — mit 
oder ohne entzündliche Reaktion — besteht, ist an deren Absorption gebunden und umgekehrt 
ist nur dort, wo diese Absorption zustande kommt, eine Einwirkung der Röntgenstrahlen auf 
das betreffende Gewebe zu erwarten. 

Deshalb ist es nicht gleichgültig, ob wir weiche oder harte Röntgenröhren in 
der Therapie verwenden, insofern ja die ersteren oberflächlich wirkende, die letzteren tiefer ein- 
dringende Strahlen liefern. 

Abgesehen von der Röhrenbeschaffenheit ist bei der Bestrahlung zu therapeutischen 
Zwecken zu berücksichtigen die in die Vakuumröhre zu schickende elektrische Energie, 
ferner die Entfernung der Antikathode vom Krankheitsherd und die Bestrahlungs- 
dauer, d. h. die Dauer der jedesmaligen Exposition, die Zahl der Sitzungen, sowie 
die Dauer ihrer zeitlichen Zwischenräume. Schliesslich ist auch die Verwendung gewisser 
Schutzvorrichtungen nicht zu umgehen. 

Ich will hier nur die Bestrahlungsmethode schildern, welche sich mir bewährt hat, 
insofern ich hiermit gute therapeutische Resultate erzielt habe, ohne die so gefürchtete Haut- 


304 Rieder. 


Verbrennung zu erhalten; deshalb sei dieselbe solchen Ärzten empfohlen, welche keine grössere 
eigene Erfahrung in der Bestrahlungstechnik besitzen. Hierbei sollen die vorhin aufgeführten 
Faktoren (Röhrenbeschaffenheit, elektrische Energie u. s. w.) nacheinander besprochen und näher 
erläutert werden, wobei ich vorausschicke, dass ich mich zu therapeutischen wie zu diagnostischen 
Zwecken eines Polyphos-Apparates bediene. 


Röhrenbeschaffenheit und parallele Funkenstrecke. 


Zu therapeutischen Bestrahlungen sind erstklassige Röhren mit regulierbarem 
Vakuum empfehlenswert, bei denen man den Luftgehalt der Röhre je nach Bedarf verändern, 
d.h. je nach der beabsichtigten Wirkung die Art der Röntgenstrahlen verschieden wählen kann. 

Für Bestrahlung oberflächlicher, nur die Haut betreffender Krankheitsherde 
sind Strahlen zu verwenden, die sehr leicht absorbiert werden, also die Strahlen einer weichen 
Röhre, bei nicht zu grossem Abstand der Röhre vom Objekt (ca. 20 cm Antikathoden-Abstand). 
Hingegen sind, um auf tieferliegende Organe einzuwirken, Strahlen grösserer Durchdringungs- 
fähigkeit, also härtere Röhren zu wählen, wobei die Fokus-Distanz eine erheblichere (30 cm 
und mehr betragende) sein darf. Ausserdem sind in letzterem Falle zweckmässig die Röntgen- 
strahlen vor ihrem Auftreffen auf den Körper durch geeignete Substanzen, etwa durch aufgelegte 
Tücher, Stauniol u. s. w. hindurch zu schicken, um so die leicht absorbierbaren Strahlen zurück- 
zuhalten und nur die durchdringungsfähigeren durchzulassen. Auf diese Weise werden die 
oberflächlicheren Gewebsschichten geschont, da die genannten Schutzmittel die leichter absorbier- 
baren Strahlen in sich aufnehmen; allerdings erfolgt hierdurch eine Schwächung der Gesamt- 
strahlung. 

Zu therapeutischen Bestrahlungen verwende ich die regulierbaren Platin-Eisen- 
röhren der Polyphos-Gesellschaft (München), welche längere Zeit eingeschaltet werden 
können, ohne dass sich deren Strahlenqualität — bei richtiger Behandlung der Röhre — wesent- 
lich ändert. Für Bestrahlung grösserer Flächen sind die bekannten, mit Doppelkugeln ver- 
sehenen Röhren der genannten Firma, zur Einführung der Röntgenstrahlen in Körperhöhlen 
(Vagina, Rachen, Nase) Röhren mit cylindrischem Ansatz gegenüber der Antikathode behufs 
leichterer Zuführung der Strahlen in Gebrauch zu ziehen. 

Aber keine der bisher in der Therapie verwendeten Röhren (weder die oben genannten 
noch irgend welche andere der bisher konstruierten Röhren) sind als das Ideal für alle Be- 
strahlungszwecke anzusehen. Zum Beispiel für die Behandlung der Leukämie wäre die aus- 
schliessliche Verwendung von Strahlen wünschenswert, welche tief eindringen, ohne die Haut 
zu schädigen und solche Strahlen sind bisher nur nach entsprechender Abfiltrierung der ober- 
flächlich wirkenden Strahlen erhältlich. Einstweilen müssen wir uns nun damit behelfen, für 
einzelne Organe und Körperbezirke z. B. die Milz, das Mediastinun, die langen Röhrenknochen, 
verschiedene Angriffspunkte — Bestrahlung von vorne, seitlich, von rückwärts — zu wählen, 
um die Behandlung entsprechend lange fortsetzen zu können. 

Wenn auch die Feststellung der Röhrenqualität im Beginn der therapeutischen Be- 
strahlung am sichersten durch einen Hiirtemesser (Actinometer) von Benoist erfolgt, so giebt 
uns doch während der Vornahme einer therapeutischen Bestrahlung am besten die 
parallele Funkenstrecke über die jeweilige Härte der Röhre in einfacher Weise 
guten Aufschluss. 


Zur Prüfung der parallelen Funkenstrecke dient ja dieselbe Vorrichtung, welche uns — 
allerdings ohne Einschaltung der Vakuumröhre — gestattet, die Funkenlänge des Induktoriums. unseres 
Röntgen-Apparates zu messen. 

Man nähert also den einen der mit der Sekundiirspirale leitend verbundenen Metallstiibe dem 
anderen so weit, bis die Funken in einem geschlossenen Bündel überspringen, und bestimmt durch 
direkte Ablesung an einer an dem Apparate angebrachten Skala den Abstand der beiden Metallstäbe und 
damit die Funkenstrecke. 


Zur Technik der Röntgenstrahlen-Therapie. 305 


Je grösser diese sogenannte parallele Funkenstrecke bei gleicher Röhre unter sonst 
gleichen Bedingungen ist, desto grösseren Widerstand bietet die letztere, desto „härter“ — wie 
man sich in der Praxis ausdrückt — ist dieselbe, d. h. desto durchdringungsfähiger sind die 
von ihrer Antikathode ausgehenden Strahlen. 

Als hart bezeichne ich eine Röhre, bei deren Einschaltung die Funkenstrecke mehr als 15 cm 
beträgt, als mittelweich eine solche, welche eine Funkenstrecke von 6—15 cm zeigt und als weich eine 
Röhre, deren Funkenstrecke weniger als 6 cm beträgt. 

| Für die Praxis ist diese Methode der öfters in einer therapeutischen Sitzung wieder- 
holten Kontrolle der parallelen Funkenstrecke sehr empfehlenswert, weil man das Konstant- 
bleiben der Vakuumröhre auf diese Weise am besten kontrollieren kann und somit zur rechten 
Zeit mit der unten zu erwähnenden Regulierung der Unterbrechungszahl eingreifen kann. 


Elektrische Energie. 


(Unterbrechungszahl des Primärstromes, Stärke undSpannung desSekundärstromes, 
Grösse des Induktoriums.) 


Die in die Vakuumröhre gesandte elektrische Energie ist abhängig von der Zahl 
der Unterbrechungen des primären, bezw. der Stärke und Spannung des sekundären Stromes. 
Während die Spannung des letzteren beim Betriebe des Röntgen- Apparates so gross ist, dass 
sie mit gewöhnlichen Messinstrumenten gar nicht zu bestimmen ist, beträgt dessen Stromstärke (im 
Gegensatz zum primären Strom) nur wenige Milliamperes. Ich verwende zur Stromunterbrechung 
fast ausschliesslich den elektrolytischen Unterbrecher nach Simonschem Prinzip, der 
durch entsprechende Einstellung zunächst eine Veränderung der primären Stromstärke und 
damit eine Regulierung der Stärke und Spannung des Sekundärstromes ermöglicht, und arbeite 
gewöhnlich bei 110 Volt mit 10—12 Amperes. 

Übrigens hat die Amperezahl des Primärstromes für unsern Zweck nur einen beschränkten Wert 
und erlaubt nur bei Berücksichtigung der mannigfaltigen übrigen Verhältnisse einen Schluss auf die 
Intensität der angewandten Röntgenstrahlen. 

Jedenfalls ist es aber empfehlenswert, sich anzugewöhnen, mit einer bestimmten, nahezu kon- 
stant zu erhaltenden Amperezahl zu arbeiten und die Intensität der Röntgenstrahlen durch Vergrösserung 
oder Verkleinerung der Unterbrechungszahl zu regeln. 

Ich ziehe (bei Vorhandensein einer Starkstromanlage) den elektrolytischen Unterbrecher 
dem Quecksilberstrahl-Unterbrecher vor, obgleich letzterer viel geringere Stromstärke benötigt; 
denn die durch den Gebrauch des erstgenannten Unterbrechers entstehenden Mehrkosten für 
Stromverbrauch werden reichlich aufgewogen durch die grosse Annehnilichkeit, dass derselbe 
fast nie einer Reparatur bedarf und bei seiner Verwendung der Betrieb des Röntgen-Apparates 
ungestört von statten geht. Namentlich für grösseren Betrieb (in Röntgenlaboratorien, Kliniken, 
Krankenhäusern) ist derselbe sehr geeignet. 

Da die Antikathode (auf welche die Kathodenstrahlen fallen und von welcher die 
Röntgenstrahlen ausgehen) sich um so stärker erwärmt, je häufiger die Stromunterbrechungen 
erfolgen und je grösser die aufgewandte Energie während einer Entladung ist, so muss zur 
Vermeidung übergrosser Erhitzung, bezw. um die Zeitdauer der Bestrahlung zu erhöhen, die 
Unterbrechungszahl entsprechend reguliert werden. Diese Regulierung ist bei Verwendung eines 
elektrolytischen Unterbrechers im Verlaufe einer therapeutischen Bestrahlung durch Einschaltung 
von Induktionswiderständen in den Primärkreis in einfacher Weise ermöglicht. 

Die Vakuumröhre ist also entsprechend der Grösse der parallelen Funkenstrecke durch 
Einschaltung von mehr oder weniger Selbstinduktionswiderständen schwächer oder stärker zu 
belasten, und zwar so weit, dass der gewünschte Härtegrad der Röhre womöglich für die ganze 
Dauer der stets mehrere Minuten währenden Sitzung erzielt wird. Dabei ist natürlich möglichst 
volle Belastung der Röhre im Sinne einer rascheren therapeutischen Wirkung anzustreben. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgeustrahlen. VIII. 39 


306 Rieder. 


Während die obengenannte, am Unterbrecher selbst befindliche Reguliervorrichtung 
nur ausnahmsweise, d. h. alle paar Wochen zur Einstellung auf eine bestimmte Stromstärke 
benützt wird, erfolgt die Regulierung der Stromunterbrechung vermittelst des Selbstinduktions- 
widerstandes in der eben angegebenen Weise unter Kontrolle der parallelen Funkenstrecke in jeder 
einzelnen Sitzung. Durch diese Veränderung der primären Stromstärke und Spannung kann 
die Unterbrechungszahl je nach Bedarf gut abgestuft und eine richtige Belastung der Vakuum- 
röhre erzielt werden, wodurch sich der Betrieb des Röntgen-Apparates für die ganze Dauer 
der therapeutischen Sitzungen einfach und sicher gestaltet. 

Neben der Regulierung der Unterbrechungszahl, durch welche ein rationeller 
Röhrenbetrieb ermöglicht ist, bediene ich mich, wenn die Vakuumröhre es erfordert, im Beginn 
der Bestrahlung zur Regulierung des Vakuums zu hart gewordener Röntgenröhren 
eines Gochtschen Regulierstäbchens, um den übermässigen Härtegrad derselben zu ver- 
mindern. Diese Regulierung des Vakuums vollzieht sich indessen bei richtiger Belastung der 
Röhre meistens von selbst, so dass eine künstliche Regulierung nicht nötig ist und die in der 
Reguliervorrichtung vorhandene Reserveluft für spätere Zeit aufbewahrt werden kann. Es 
sei jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass bei grösserem Betrieb auch ein grösserer Vorrat 
von Röntgenröhren (harte, mittelweiche, weiche) behufs Auswahl einer solchen für jeden ein- 
zelnen Krankheitsfall wünschenswert ist, um nicht zu oftmalige, zeitraubende und die Röhren 
angreifende Regulierungen des Vakuums vornehmen zu müssen. 

Für die Therapie sind meines Erachtens kleine Induktorien (von 25—30 cm Funken- 
länge) hinreichend. 

Doch gebe ich dem grossen Induktorium im Allgemeinen den Vorzug vor dem 
kleinen, weil besonders bei Verwendung des ersteren ein längerdauernder geregelter Betrieb 
der Vakuumröhren — welcher für die Therapie unerlässlich ist — gesichert erscheint. Ich 
verweise übrigens betreffs dieser wichtigen, aber rein physikalischen Frage auf die Abhandlungen 
von J. Rosenthal (Grosse oder kleine Réntgen-Apparate? Fortschritte auf dem Gebiete der 
Réntgenstrahlen, Bd. VII und W. Salomonson, Kleine und grosse Inductorien, Bd. VIII). 


Fokus-Distanz. 
(Entfernung der Antikathode von der Körperoberfläche.) 


Ich nehme bei mehrmals nacheinander auszuführenden Bestrahlungen im allgemeinen 
eine Entfernung von 20 —30 cm; sie wird niedriger bemessen, wenn mit weicher Röhre kleine, 
oberflächlich gelegene Krankheitsherde bestrahlt werden sollen und grösser gewählt (30 cm und 
mehr), wenn grössere und tiefer liegende Krankheitsherde zu bestrahlen sind. Die Entfernung 
muss in letzterem Falle eine grössere sein, damit einerseits die Haut mehr geschont wird und 
andererseits ein gleichmässigeres Auffallen der Röntgenstrahlen auf die erkrankte Körperpartie 
und somit eine gleichmässigere Wirkung derselben ermöglicht ist. 

Dabei kann die Röhre, um nicht eine einzelne Hautpartie zu stark zu bestrahlen, in 
einer Sitzung mehrmals verschoben werden. 


Bestrahlungsdauer, Zahl der Sitzungen, Bestrahlungspause. 


Ich belaste bei dem von mir geübten Bestrahlungsverfahren die Röhre derart, dass 
sie bei Anwendung des elektrolytischen Unterbrechers in einer Sitzung 7—8 Minuten ohne 
erhebliche Änderung der parallelen Funkenstrecke bezw. des Härtegrades bei einer primären 
Stromstärke von 10—12 Amperes eingeschaltet bleibt (oder bei Verwendung eines Quecksilber- 
Unterbrechers 10—12 Minuten bei 2 Amperes). 

Um keine stärkere Hautreaktion hervorzurufen, verabreiche ich die für den betreffen- 
den Krankheitsfall passende Strahlendosis in drei bis vier Sitzungen d. h. an 3—4 auf ein- 


Zur Technik der Röntgenstrahlen-Therapie. 307 


ander folgenden Tagen und wiederhole eine solche Serie von Bestrahlungen je nach Bedarf, 
aber erst nach Ablauf der 2—3 Wochen dauernden Latenzzeit. Bei Benutzung des Holz- 
knechtschen Chromoradiometers erreiche ich in einer Bestrahlungs-Serie (vier Sitzungen) 
4—6 Einheiten des Instrumentes (bei späteren Bestrahlungsserien, wo die Dosis häufig etwas 
verringert werden muss, allerdings etwas weniger). 

Die Gefahr des Eintrittes einer Dermatitis ist nach meinen Erfahrungen geringer, 
wenn die Expositionszeit auf mehrere Sitzungen von geringerer Wirksamkeit verteilt wird, und 
nur bei Bestrahlung eines von Haut entblössten Krankheitsherdes (z. B. eines Ulcus rodens) ist 
es rathsam, die genannte Strahlendosis in einer Sitzung zu verabreichen. 

Das zur Messung der angewandten Strahlendosis gebräuchliche, übrigens ziemlich kostspielige 
Chromoradiometer von Holzknecht beruht auf der chemischen Beeinflussung gewisser Salze durch die 
Röntgenstrahlen. Das Instrument ist namentlich für den weniger Erfahrenen geeignet und erleichtert 
demselben die Aufgabe, an seinem Apparate durch Übung die richtige Expositionszeit zu ermitteln. Die 
genannte Messmethode ist indessen nur ein Notbehelf, insofern man, wenn das Instrument in unmittel- 
bare Nähe des Krankheitsherdes, bez. in die gleiche Entfernung von dem Ausgangspunkte der Röntgen- 
strahlen gebracht wird, nur einen Schluss auf die jeweils an der Oberfläche des erkrankten Körperteiles 
absorbierte Strahlenmenge ziehen kann. 

In allerjüngster Zeit ist übrigens ein billiges und scheinbar zuverlässiges Radiometer (von 
Sabouraud u. Noiré) im Handel erschienen. Es besteht aus einem Reagenspapier, welches mit Baryum- 
platincyanür imprägniert ist. 

Die Sitzungen sind zu unterbrechen bei eintretender Folliculitis oder Hautröte und 
stärkerem Juckreiz und so lange auszusetzen, bis die entzündlichen Erscheinungen der Haut 
vollständig verschwunden sind. 

Die oben beschriebene Methode eignet sich indessen nicht für die Behandlung stark 
reagierender Krankheitsherde und entzündlich veränderte Haut, z. B. bei Lupus, Acne, Sykosis. 
Hier ist besondere Vorsicht geboten und deshalb ein schonenderes Verfahren einzuschlagen, 
indem nur schwache Dosen Röntgenlichtes in grösseren Zwischenräumen zu verabreichen sind, 
also etwa alle 8—14 Tage eine Sitzung von 7—8 Minuten Dauer. 

Im allgemeinen ist, wie nochmals betont werden soll, mit Rücksicht auf die Latenz- 
zeit nach jeder Bestrahlungsserie eine 14tägige Bestrahlungspause zu empfehlen, von der letzten 
Sitzung ab gerechnet, und unter Umständen erst nach Ablauf von 3 Wochen die Bestrahlung 
zu wiederholen.) Eventuell kann inzwischen ein anderer Krankheitsherd bestrahlt werden, 
oder der gleiche Herd kann, wenn er tiefer liegt, von einer anderen Hautstelle aus in 
Angriff genommen werden, um auf diese Weise unbeabsichtigte Verbrennungen zu ver- 
meiden und doch starke therapeutische Wirkungen zu erzielen. Indessen können die zeit- 
lichen Zwischenräume bei kleineren Krankheitsherden unter Umständen auch kürzer gewählt 
werden und andererseits müssen dieselben verlängert werden, wenn stärkere Reaktionserscheinungen 
nach mehrwöchentlicher Behandlung zu beobachten sind. In letzterem Falle ist eben die In- 
kubationszeit für den Eintritt der Haut-Reaktion nicht mehr so genau zu bemessen, da die 
Reaktionen gewissermassen ineinander übergreifen. Deshalb sind besonders in dieser Zeit alle 
objektiven und subjektiven Veränderungen an der Haut des bestrahlten Bezirkes besonders sorg- 
fältig zu kontrollieren und gegebenen Falles die Bestrahlungen sofort auszusetzen. 


Schutzvorrichtungen. 


Im weiteren Umkreise des Krankheitsherdes sind Schutzvorrichtungen für die gesunde 
Haut, für die Augen, für Kopf- und Barthaar anzubringen, d. h. die hier auftreffenden Röntgen- 
strahlen müssen durch aufgelegte, ca. 1/, mm dicke Bleiplatten aufgefangen werden. 


1) Es ist strenge davor zu warnen, bei Verwendung weicher Röhren die Sitzungen in ununter- 
brochener Reihenfolge bis zur beginnenden Reaktion fortzusetzen. 
39 * 


308 Cowl. 


Die gleichzeitige Verwendung von Bleiglasbrillen und Bleihandschuhen seitens des Arztes 
sowie von Schutzvorrichtungen für den Patienten in grösserer Entfernung vom Krankheitsherde 
sind überflüssig, wenn man sich des sehr zweckmässigen, von Grashey noch mit besonderer 
Centriervorrichtung versehenen Polyphos-Blendenkästchens bedient. Neuerdings wird dieses 
Kästchen noch mit stark absorbierendem Bleiglas umschlossen, so dass nicht bloss alle für die 
Behandlung nicht benötigten Röntgenstrahlen, sondern auch die Sekundärstrahlen durch dasselbe 
abgefangen werden. Somit ist für Arzt und Patient die Gefahr einer Röntgenverbrennung 
wesentlich verringert. Ein weiterer Vorteil beim Gebrauch dieses Kästchens ist dadurch ge- 
geben, dass für die nötigen Schutzvorrichtungen bier nur kleine Dimensionen benötigt sind. Da 
man nämlich je nach Grösse des Krankheitsherdes schnell und einfach eine Blende von ent- 
sprechender Grösse einstellen kann, hat man nur kleine, die zu bestrahlenden Flächen freilassende 
Bleibedeckungen nötig. 


Schlussbemerkung. 


Die obigen Darlegungen fussen auf eigenen Erfahrungen und stimmen in der Haupt- 
sache mit den Beobachtungen anderer überein. 

Jeder Arzt, der sich mit dieser jungen und noch nicht vollständig ausgebildeten 
Therapie beschäftigt, sollte genaue Aufzeichnungen machen, um sich über die in technischer 
Hinsicht noch schwebenden Differenzen allmählich ein selbständiges Urteil bilden und zur Klärung 
derselben beitragen zu können. 

Ist doch die technische Seite der Bestrahlungstherapie von ausschlaggeben- 
der Bedeutung für die zu erreichenden Erfolge, insofern bei korrekter Durchführung 


der Bestrahlung auch die günstigsten Resultate erzielt werden — vorausgesetzt, dass die 
betreffende Krankheit der Beeinflussung durch die Röntgenstrahlen zugänglich ist — und 


Schädigungen des Patienten am sichersten hintangehalten werden können. 

Eine wesentliche Vereinfachung der Bestrahlungs-Methode wäre allerdings zu erzielen, 
wenn es den Physikern gelänge, eine reinliche Scheidung der verschiedenen in der Vakuum- 
röhre entstehenden Röntgenstrahlen vorzunehmen. 


Über ein gangbares Verfahren zur Messung der diagraphischen Kraft der 


Röntgenstrahlen. 
Von 
Dr. med. W. Cowl in Berlin. 


Unbedenklich kann man den Satz aufstellen, dass die Güte der Réntgenbilder in erster 
Reihe von der Höhe des Vakuums in der Röntgenröhre im Verhältnis zur Beschaffenheit und 
Dicke des aufgenommenen Objektes abhängig ist. Freilich kann man mit einer sehr harten 
Röhre den Sitz z. B. einer Bleikugel im Gehirn ohne Regulierung des Vakuums feststellen. 
Dagegen konnte man bisher kein gutes Bild der Knochenkerne in der Säuglingshand zumal bei 
Myxödem ohne ein leicht durchschlagbares Vakuum erzielen. 

Bei Aufnahmen wie Durchleuchtungen handelt es sich in der That darum, das Vakuum 
und damit den bisher sog. Härtegrad der Röntgenröhre leicht und genau beurteilen zu können, 
so dass vermittelst der Regulierungen das Vakuum auf die richtige Höhe für die vorliegende 
Aufgabe sowohl rasch als auch sicher und bequem eingestellt werden kann. Denn, wie allgemein 
bekannt, erhalten die erzeugten Röntgenstrahlen ein sehr verschiedenes Durchdringungsvermögen 
bei verschiedener Höhe des Vakuuns. 


Über ein gangbares Verfahren zur Messung der diagraphischen Kraft der Réntgenstrahlen. 309 


Das Vakuum der Röntgenröhre setzt nun dem elektrischen Strom einen grossen Wider- 
stand entgegen, der rasch mit der Höhe des Vakuums steigt. Wohl auf diesem grossen 
elektrischen Widerstand des Vakuums beruht das Zustandekommen der Röntgenstrahlen und auf 
dessen Grösse zum Theil deren Durchdringungsvermögen dem Grade nach.!) 

Auch die Spannung der Induktionsschläge, die dazu nötig ist, das Vakuum der Röntgen- 
röhre zu durchschlagen und Röntgenstrahlen zu erzeugen, muss mit der Höhe des Vakuums - 
rasch steigen. Mit der Steigerung der benutzten elektrischen Spannung steigt aber auch das 
Durchdringungsvermögen der erzeugten Röntgenstrahlen oder wie man wohl sagen kann 
ihre Spannung. 

Die Verschiedenheit im Durchdringungsvermögen der Röntgenstrahlen hat nun in der 
Diagraphie nach Röntgen Dreierlei zufolge, nämlich 1. einen verschieden hohen Kontrast im 
Bilde eines jeden Objektes, 2. bei der Anwendung zu weicher Strahlen zur Abbildung dicker 
Objekte schwache Bilder, 3. bei der Anwendung sehr harter Strahlen zur Abbildung aller 
nicht sehr kontrastreichen Objekte, z. B. Kopf und Abdomen, flaue Bilder, infolge des grossen 
wenig unterscheidenden Durchdringungsvermögens der Strahlen. Harte Strahlen gehen wie eine 
Flintenkugel glatt durch alles hindurch, während weiche Strahlen wie Schrot namentlich an 
dicken Knochen einen hemmenden Widerstand finden. 

Wie ich schon früher (Berliner klin. Wochenschrift, Nr. 30, 1896) über vergleichende 
Versuche berichtete, verhalten sich gegenüber Röntgenstrahlen mittlerer Spannung die einzelnen 
Hauptgegenstände unserer Aufnahmen untereinander in Durchlässigkeit wie folgt: 


Lunge 100 Leber 12 
Fettgewebe 20 Muskel 10 
Wasser 15 | Knochen 

Blut 14 | compacta 1 


In derselben Mittheilung, wie auch später (Zeitschrift für diatet. u. physikal. Therapie 
1898, Band II, Heft 1) führte ich nach einem diesbezüglichen Versuch den Grund für die 
verzweigte jetzt wohlbekannte Gefässfigur der Lungen an. Da diese beiden Gegenstände 
neulich nochmals wie neu untersucht worden sind, erwähne ich sie gern an dieser Stelle. 

Wie ich auch schon früher an anderer Stelle auseinandergesetzt habe*), bewirkt Weich- 
heit der Strahlen Kontrast, hohe Spannung derselben Flauheit im Bilde, das erstere also 
leicht Unterexposition, das letztere Überexposition. 

Die drei oben genannten Folgen verschieden hoher Spannung der Röntgenstrahlen, die 
sich bei einer und derselben Stromstärke unmittelbar auf eine verschiedene Höhe bezw. Widerstand 
des Vakuums beziehen, zeigen uns hinreichend das dringende Bedürfnis nach einem leicht brauch- 
baren Verfahren, diesen Widerstand zu messen, um sodann an der Hand der Regulierungen der 
Röntgenröhre, zumal während der ungestörten Aufnahme, ' den Widerstand dem Zweck ent- 
sprechend anzupassen. Ein besonderes Bedürfnis liegt ferner in allen Fällen, wo die Röntgen- 
röhre nicht konstant bleibt, vor, den Widerstand in jedem Augenblicke feststellen zu können. 

Da bisher weder die hohe Spannung der in der Radiologie verwendeten Induktions- 
schläge, noch der Widerstand von Zwischenräumen in Luft bezw. in vacuo haben in absolutem 
Maass gemessen werden können, so liegt es uns ob, ein brauchbares relatives Maass des Wider- 
standes der Röntgenröhren ausfindig zu machen und dauernd zu benutzen. 

Ein solches Maass ist nun einmal die Funkenlänge an einem Spintermeter im 
Nebenschluss zur Röntgenröhre?), wobei, je grösser der Widerstand in der Röhre, je 


1) Vgl. Röntgen: Weitere Beobachtungen über die Eigenschaften der X-Strahlen. Sitzungs- 
berichte der Königlichen Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, 20. Mai 1897, S. 576. 

2) Diagnostik und Untersuchungsmethoden mittels Réntgenstrahlen. Urban & Schwarzenberg. 1903. 
S. 491 et seq. in Eulenburg, Kolle und Weintraud. Lehrbuch der klinischen Untersuchungsmethoden. 

5) Nach dem allgemein gültigen Ohm’schen Gesetz der Stromverteilung in verzweigten Leitern 
verhalten sich die Stromstärken umgekehrt wie die Widerstände in den beiden Zweigen. 


310 Cowl. 


grösser die Funkenlänge am Spintermeter ausfällt, und umgekehrt, dagegen je kleiner der 
Widerstand in der Röntgenröhre, desto kleiner die Funkenlänge am Spintermeter, vorausgesetzt, 
wie selbstverständlich bei allen Vergleichsmessungen, dass man bei einer und derselben Stärke 
der benutzten Schläge bleibt. 

Dass das erwähnte Maass des Widerstandes der Röntgenröhre für unsere Zwecke ein 
völlig hinreichendes ist, geht aus der Thatsache, die ich wiederholt habe konstatieren können, 
hervor, nämlich, dass unter sonst gleichen Bedingungen identische Bilder!) erzielt werden, wenn 
man beidemale nach Vorregulierung der Röntgenröhre, gleichviel ob von hart zu weich oder 
umgekehrt, dieselbe Funkenlänge im Nebenschluss während der Aufnahme hat. Statt eines 
Spintermeters kann man sich in momentan einfacher und ausreichender Weise einer lokalen 
Annäherung der einen zur anderen Leitungsschnur mittels eines mit einem Endhaken ver- 
sehenen Centimeter-Maassstabes bedienen. Hierbei leidet die wollene Hülle der Leitungsschnur 
durch die Funken. 

Es ist mir bekannt, dass das Spintermeter bisher (ausser zur Messung der Stärke der ver- 
wendeten Induktionsschläge durch deren Funkenlänge und zwar im einfachen Kreise der Röntgen- 
röhre und der sekundären Spirale des Induktors) im Nebenschluss zur Röntgenröhre als einen 
Abblender für zu starke Schläge, sowie ferner zu anderen Zwecken benutzt worden ist, jedoch 
meines Wissens nicht zur Messung des Widerstandes der Röntgenröhre, bezw. des Leitvermögens | 
des Vakuums für die verwendeten Stromschliive ausdrücklich gedient hat. 

Bekanntlich findet die Entladung der Stromschläge bei jedem Betrieb der Röntgenröhre 
immer zum Teil durch die Luft zwischen den beiden Leitungen vom Induktor statt, was bei 
einer harten Röntgenröhre durch ein mit dem Wachsen des Widerstandes der BRöntgenröhre 
lauter werdendes knisterndes Geräusch, das neben den inneren Erscheinungen in der Röntgen- 
röhre, welche für jede verschiedene Konstruktion andere sind, bisher allein dem erfahrenen 
Röntgographen hat dazu dienen müssten, über den Härtegrad der von ihm benutzten Röhre 
und im voraus über die Qualität der erzielten Bilder Auskunft zu geben. 

Absichtlich unterlasse ich hier eine Berücksichtigung der relativen Mengen der aus 
weicher bezw. harter Röhre entströmenden Strahlenenergie, da, abgesehen von der Messung durch 
das Elektroskop nebst dem allgemeinen Gesetz der beschleunigten Abnahme fernwirkender 
Kräfte durch die Entfernung, die bisher beliebte photographische Methode prinzipiell unzu- 
reichend ist, und zwar infolge des verschiedenen Durchdringungsvermögens verschiedener Röntgen- 
strahlen auch durch das Bromsilber der photographischen Platte, das nur durch einen kleinen, 
noch gar nicht bestimmten, je nach dem „Härtegrad“ der Röntgenröhre verschiedenen Bruchteil 
der Strahlenenergie wirklich beeinflusst wird, wie das schon aus den Mitteilungen von 
v. Hansemann wie Frentzel im Jahre 1896, die bei je einer Aufnahme auf vielfach zusammen- 
gefaltetem Bromsilberpapier ebenso viele Röntgenbilder auf einmal gewannen, hervorgeht. 

Wie auch ich einmal seitdem und zwar mit 50 Blatt aufeinandergeschichtetem Brom- 
silberpapier konstatieren konnte, schwächen sich schon Röntgenstrahlen von mässiger Spannung 
bei dem Durchgang durch Bromsilberschichten sehr langsam ab unzweifelhaft im Verhältnis 
der absorbierten, also wirksamen Energiemengen, wie das gesetzmässig, nur weit rascher für 
Licht gilt. 


1) Betrefis Höhe des Kontrasts, Menge der Einzelheiten und Kraft des Bildes. 


Über die Metakarpalfissur, einen bis dato nicht besch. Typus der Verletzung d. Mittelhandknochen. 311 


Über die Metakarpalfissur, einen bis dato nicht beschriebenen Typus der 
Verletzung der Mittelhandknochen. 


Von 
Dr. Carl Beck, Professor der Chirurgie und Chefchirurg in New York. 


Die Lehrbücher, welche vor der Röntgenära geschrieben wurden, behandeln die Frakturen 
der Mittelhandknochen als eine Quantité négligeable. Dem Zauberspiegel Röntgens war es erst 
vorbehalten zu zeigen, dass eine erkleckliche Zahl sogenannter „Dislokationen und Kontusionen“ 
der Mittelhandknochen thatsächlich nichts anderes waren als Frakturen. So sind wir heute 
stets in der angenehmen Lage eine akurate Differentialdiagnose zu stellen, und mehr als dies, 
wir können uns auch zugleich über mehr oder minder wichtige kleinere Details bei diesen 
häufigen Traumen unterrichten. | 

Man gestatte mir darauf hinzuweisen, dass ich der Röntgenmethode den Vorzug ver- 
danke, das alte Dogma, dass die Dislokationsstellung der Fragmente bei der Metakarpalfraktur 
nur dorsaler oder palmarer Natur sei, erschüttert haben zu können. Denn ich durfte an der 
Hand zahlreicher klinischer Beobachtungen den Beweis liefern, dass bei der Mehrzahl der 
Bruchfälle die Dislokationsstellung eine laterale oder doch dorsolaterale war (vgl. New York 
Medical Journal, 4. August 1900.) 

Die alten Regeln, welche man für die Behandlung der dorsalen resp. palmaren Dislo- 
kationsstellung aufstellte, bestehen auch heute noch zu Recht. Man reduziert durch Druck nach 
oben oder unten und immobilisiert dann entweder vermittelst eines kurzen leichten Gipsverbandes 
oder durch entsprechende Schienen. Wenn man sich aber die anatomischen Verhältnisse bei 
der seitlichen Dislokationsstellung klar macht, so ist es einfach unverständlich, wie man durch 
Druck von oben oder unten einen Einfluss auf diese Stellung gewinnen will. Was seitlich 
ausgewichen ist, muss auch seitlich wieder eingerichtet werden und man könnte fast versucht 
sein, den homöopathischen Grundsatz Similia similibus curantur hier gelten zu lassen. 

Dieser seitliche Einfluss wird in einfacher Weise durch meinen Gummirohrschienen- 
verband zuwege gebracht. Derselbe besteht darin, dass man je ein Gummidrainrohr (von 
höchstens Kleinfingerdicke) in den der Bruchstelle angrenzenden Zwischenknochenraum presst 
und dort mittels eines Heftpflasterstreifens befestigt. Man kann dem Einpressen der Gummi- 
röhren erst eine seitliche Repositionsbewegung voraussenden, man wird aber finden, dass das 
einfache Hineindrücken des Gummirohres genügt, die Deviation der Fragmente auszugleichen. 

Über den Gummirohrschienenverband legt man dann entweder einen leichten kleinen 
Gipsverband oder, wie ich es vorziehe, einen Moospappenverband. 

Meine Beobachtungsdauer erstreckt sich auf nunmehr sechs Jahre. Während dieser 
Zeit hatte ich häufige Gelegenheit, die Folgen dieser Behandlungsmethode zu beobachten und 
ich kann mit gutem Gewissen erhärten, dass ich seither niemals mehr einer Difformität oder 
gar einer Funktionsstörung begegnet bin. | 

Seitdem. ich nun das Blendenverfahren anwende, stiess mir gelegentlich meiner Beobach- 
tungen eine Knochenverletzung auf, welche meines Wissens nirgendwo in der Literatur beschrieben 
ist, nämlich die Fissur oberhalb der Epiphyse des Mittelhandknochens. 

In den meisten Fällen von Metakarpalfraktur findet sich die Bruchlinie in der Mitte 
des Knochens, wo er am dünnsten ist. Die Richtung derselben ist gewöhnlich quer, zuweilen 
beobachtet man jedoch auch den Schrägtypus. Bei der dorsalen oder palmaren Dislokations- 
stellung sind die Bruchsymptome ziemlich ausgesprochen. Man pflegt cirkumskripten Bruch- 
schmerz und zuweilen auch Krepitation zu konstatieren Ferner findet sich eine Difformität, 
abnorme Beweglichkeit und Funktionsstörung, oft auch eine lokale Ekchymose. Stösst man 
den resp. Finger gegen den zugehörigen Metakarpalknochen, so ist die Diagnose anf Bruch 


312 Beck. 


gesichert, falls sich ein Nachgeben eruieren lässt. Dann ist auch der Schmerz, welcher dieser 
Manipulation folgt, intensiv. Zu solchen Eisenbartprozeduren braucht man aber glücklicher- 
weise heutzutage seine Zuflucht nicht mehr zu nehmen, da die Röntgenmethode bedeutend 
zuverlässiger und gänzlich schmerzlos ist. 

Die Röntgenmethode ist aber um so dringender indiziert, als man häufig genug beweisen 
konnte, dass selbst bei der Abwesenheit aller genannten Symptome, etwas Schmerz und 
Schwellung ausgenommen, doch eine Fraktur vorhanden war. So ist denn der thatsächliche 
Befund in solchen Fällen einzig und allein durch die Röntgenmetliode klar gestellt worden. 

Man muss ferner berücksichtigen, dass es sich häufig ereignet, dass in den ersten 
Stunden nach der Verletzung die Bruchsymptome ausgesprochen sind, so lange der Bluterguss 
um die Bruchstelle gering ist, während später, wenn der Erguss einen grösseren Umfang ange- 
nommen hat, die aborme Beweglichkeit aufgeboben sein mag. Auch kann dann die Difformität 
verstrichen sein, weil die stärkere Gewebsschwellung sie maskiert. Andererseits ist es mir trotz 
reicher klinischer Erfahrung wiederholt passiert, dass ich beim Vorhandensein reichlicher 
Schwellung einen Bruch annehmen zu dürfen glaubte, während die Réntgenuntersuchung die 
Intaktheit der Knochen darlegte. Es hatte sich also um einfache Kontusionen gehandelt. Hier 
kommt die Massage zu ihrem Recht, während die Fraktur die Immobilisation erheischt, resp. 
Reposition, falls Dislokation der Fragmente vorhanden war. Man sieht also, dass der Diffe- 
rentialdiagnose eine sehr wesentliche therapeutische Bedeutung zukommt, denn wie falsch 
wäre z. B. wiederum, bei einer nicht dislozierten Fraktur Massage oder ähnliche Prozeduren 
anzuwenden. 

Wie bereits angedeutet, findet man die Bruchlinie zumeist in der Mitte des Knochens. 
Zuweilen stösst man auf Epiphysentrennung, wie es von Malgaigne zuerst beobachtet worden 
ist. Quer- und Schrägfrakturen oberhalb der Epiphyse sind in meinen Lehrbüchern über 
Frakturen sowohl als über Röntgendiagnose und -therapie abgebildet. Bei allen diesen Fällen 
war mehr oder minder seitliche Dislokationsstellung vorhanden. Aus dieser Ähnlichkeit der 
Symptome mit denen der Luxation erklärt es sich, warum man diese Fälle in früheren Jahren 
fälschlich als Luxationen oder Subluxationen angesehen hat. 

Nun hatte ich selbst zur Anfangsperiode des Röntgenverfahrens wiederholt Gelegenheit, 
Fälle zu untersuchen, bei denen der ausgesprochene intensive und cirkumskripte Schmerz in 
Verbindung mit einer entsprechenden Schwellungssphäre mich eine Fraktur hatte vermuten 
lassen. Das Röntgenbild jedoch liess keine Bruchlinie erkennen. Zuweilen hatte ich allerdings 
den Eindruck, als ob eine Andeutung einer Frakturlinie oberhalb des Epiphysenendes vorhanden 
gewesen wäre, ich war aber meiner Sache nicht sicher genug. Seitdem ich aber mittels des 
Blendenverfahrens bei scheinbaren Kontusionen dieselben Linien in ausgesprochenerer Weise 
nachweisen konnte, und nachden ich ausserdem die quere Fissurlinie über der Epiphyse sich 
in eine longitudinale fortsetzen sah, glaube ich die Kollegen auf diese Thatsache aufmerksam 
machen zu müssen. | 

Bezüglich der Ätiologie der Verletzung möchte ich erwähnen, dass es ausnahmsweise 
Mittelhandknochen giebt, welche in der Mitte stärker entwickelt sind als über den Epiphysen 
und scheint es mir, dass unter solchen anatomischen Verhältnissen eine Gewalteinwirkung, 
welche sonst einen Bruch in der Mitte des Knochens hervorgebracht hätte, hier den Locus 
minoris resistentiae hart über den Bänderansätzen findet. Die Richtung ist dem Bänderansatz 
entsprechend dann nicht ganz quer, sondern eher leicht schräg oder halbmondförmig. Be- 
sonders bei indirekter Gewalteinwirkung (Faustschlag oder Fall auf die Knöchel) und wenn 


dieselbe miissigen Grades ist, scheint mir die genannte Frakturforn, welche zugleich durch 


ihre geringe Tendenz zur Dislokationsstellung gekennzeichnet ist, zustande zu kommen. 

Es ist kaum nötig hervorzuheben, dass die Behandlung dieser Verletzung in nichts 
weiter als der Immobilisation besteht. Rohe Manipulationen, zum Zweck der Untersuchung 
unternommen, schliessen die Gefahr in sich, die Ausdehnung der Verletzung zu vergrössern 


Hat die Röntgentherapie gehalten, was sie versprochen? 313 


und eventuell sogar eine Dislokationsstellung hervorzubringen, welche die Natur durch die 
Kohärenz des Periosts gnädig genug war zu verhindern. Angesichts des Röntgenbeweises erscheint 
es natürlich, dass die Massagebehandlung, welche bei Kontusionen so segensreich wirkt, unter 
den beschriebenen Verhältnissen geradezu schädlich ist. Der Patient bedarf eines schützenden 
Verbandes auf zwei bis drei Wochen. Derselbe mag aus Gips oder Moospappe bestehen, wie 
wir es bereits oben beschrieben haben. Eine eventuelle Difformität in dieser Gegend mag ja 
für einen Maurergesellen gleichgültig sein, aber ein junges Musikgenie kann hierdurch einfach 
verhindert werden zu einem zweiten Paganini emporzuwachsen. 

Bei einem kürzlich im New York Medical Journal beschriebenen Falle war ohne das 
Blendenverfahren eine schräg um die Epiphysenbänder herumlaufende Bruchlinie bei einem 
25 jährigen Manne nachzuweisen, welcher einen Angreifer mit einem Faustschlag zurückgewiesen 
hatte. Sofort stellte sich intensiver Schmerz über dem fünften Metakarpophalangealgelenk ein. 
Am folgenden Tag konstatierte ich beträchtlichen Schmerz an dieser Stelle, wie man ihn ge- 
wöhnlich bei Frakturen findet. Echymosis war nicht vorhanden. Bei der Schirmuntersuchung 
liess sich nichts Abnormes nachweisen, die Röntgenplatte aber zeigte die Fissurlinie sehr deutlich. 
Die Behandlung bestand in der Anlegung eines Armreifs aus Moospappe, welcher vom Hand- 
gelenk bis zum zweiten Gelenk des Mittelfingers reichte. Hierdurch war Patient imstande 
leichte Arbeit zu verrichten. Die Heilung war schon zwei Wochen nach dem Unfall eingetreten. 


Hat die Röntgentherapie gehalten, was sie versprochen? 
Von 
Dr. R. Hahn, Hamburg. 


Einer Anregung der Redaktion der „Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen“ 
folgend, übernahm ich es, gelegentlich des Röntgenkongresses, einen Überblick über die Erfolge 
der Therapie mit Röntgenstrahlen zu geben, musste mich jedoch bald überzeugen, dass mein 
eigenes Material von einigen hundert Fällen durchaus nicht hinreiche, alle einschlägigen Fragen 
genügend zu behandeln, dass es andererseits aber einfach unmöglich war, in der Kürze der 
Zeit aus der Literatur alles Einzelne zusammenzutragen, um nur einigermassen den Gegenstand 
zu erschöpfen. Ich wandte mich daher mit einem Fragebogen an eine Reihe der bekanntesten 
Röntgentherapeuten und hatte die grosse Freude, reichliches Material von folgenden Herren zu 
erhalten: Prof. Dr. Lesser-Berlin, Prof. Dr. Mikulicz, chir. Klin. Breslau, Dr. Halberstädter, 
dermatol. Univers.-Klinik Breslau (Chef Prof. Neisser), Dr. Brautlecht-Bremen, Dr. Grouven, 
dermatolog. Klinik Bonn, Dr. Chrysospathes-Athen, Dr. Immelmann-Berlin, Dr. Köhler- 
Wiesbaden, Dr. Kümmell-Hamburg, Dr. Müller-Wiesbaden, Dr. Nobele-Gent, Prof. 
Dr. Schiff-Wien, Dr. Scholtz-Königsberg, Dr. Sjögren-Stockholm, Dr. Sommer-Winter- 
thur, Dr. Steenbeck-Stockholm, Dr. Wichmann-Hamburg. Ausserdem äusserten sich ohne 
Eingehen auf Spezialfragen die Herren Dr. Levy-Dorn-Berlin und Dr. Holzknecht-Wien. 

Allen diesen Herren sage ich nochmals für ihre Bereitwilligkeit, mit der sie mich 
unterstützt haben, meinen besten Dank. Hoffentlich habe ich das Material in dem Sinne ver- 
wandt, wie es ihnen genehm war. 

Zusammen mit meinen eigenen Fällen verfügte ich somit über ein zahlenmässiges 
Material von 2608 Fällen. Aus der beigefügten Tabelle ergiebt sich des Näheren die Ver- 
teilung der Fälle auf die einzelnen Autoren sowie auf die behandelten Krankheiten. 

Aus den Zahlen allein schon könnte man seine Schlüsse ziehen, nicht nur in Bezug 
auf die Art der behandelten Krankheiten, sondern auch auf den erzielten Effekt. Würde doch 


niemand eine Methode immer und immer wieder in Anwendung bringen, wenn er mit den durch 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VILI. 40 


Hahn. 


314 


Ekzem. 


Disidrosis. 

Psoriasis . P 
Seborrhoe ....... 
Akne . 2. 2 2 2 2 2 2 . 
Rosacea 


Sykosis idiop. . 


Ichthyosis a 
Tylositas . . . . 
Verrucae . 

Favus . : ee 2 
Sycosis parasit. Pa” ' 
Lupus u. tubercul. cutis 

Mycosis fungoid. be 
Rhinosklerom . . . 2.2... 
Hypertrichosis . an 
Naevus, Angiom 

Sarkom 

Ulcus rodens : 

Lupus erythematodes 

Pruritus Sa | 
Prurigo ; | 
Alopecia areata 

Skleroderma 

Carcinom . : 

Hyperhydrosis . 


Lepra . : Be 
Lupuscarcinom | 
Neuralgien — 
Hysterie . . . 2... 


Erysipel, chron. 
Alopecia, PHS OE. 
Keloid. . 


Prof. Lesser 
Prof. Neisser 
Brautlecht 
Bremen 
Grouven 
Athen 
Hahn 
Hamburg 
Immelmann 
Berlin 
Köhler 
Wiesbaden 
Kimmell 
Hamburg 
Miller 
Wiesbaden 
Nobele 
Gent 
Schiff 
Wien 


Prof. Mikulicz 
Bonner Hautklinik 


Berliner Universitäts-Klinik: 
Breslauer Chir. Klinik 


Breslauer Derm. Klinik 


ET a, 


Scholz 
Königsberg 


on po | Lo vo | D 


ziemlich viel 
ziemlich viel 


PEE III IS I Pet el ol |] Smee I | 
II II II III I bel eet ol Lee] mre 


(1 Odema manus) 


| 
Leukämie, Pseudoleukämie i l 
| 


ur 
5 
60 


25 
6 
50 


ı 4- Follicul. | 


| | ro | | | smwwuooswu | ew 


394 


Sjogren 
Stockholm 
Steenbeck 
Stockholm 
Sommer 
Winterthur 
Hamburg 
Summa 


Wichmann 


p_i 
© 


bO OUTDO CO Ot U = CO Hf CO OD 


Hat die Röntgentherapie gehalten, was sie versprochen? 315 


sie erzielten Erfolgen nicht zufrieden wäre, freilich gilt dies nicht, wie wir weiter unten sehen 
werden, ohne gewisse Einschränkungen, z. B. in Bezug auf die Hypertrichosis und gewisse 
Formen der bösartigen Neubildungen. Doch gehen wir in medias res und orientieren wir uns 
zunächst einmal über die rein technische Seite der Röntgentherapie. 

Man sollte annehmen, dass sich im Laufe der Jahre eine Einigkeit herausgestellt 
hätte, welche Qualität der Röhre, ob hart oder weich, bei den Bestrahlungen anzuwenden ist, 
dem ist aber anscheinend nicht so. Ein Teil der Autoren bevorzugt nach wie vor harte, 
ein anderer Teil weiche Röhren. Doch hat sich die Frage dahin mehr geklärt, dass man 
weiche Röhren dort verwendet, wo man eine energische Wirkung auf die Haut selbst erzielen 
will. Soll die Wirkung in die Tiefe gehen, also etwa bei tiefer gelegenen Tumoren, bei Leu- 
kämie etc., so wenden alle Autoren harte Röhren an. Ebenso verschieden verhalten sich die 
Autoren in Bezug auf die Verwendung der Röhren insofern, als eine, freilich kleine, Zahl nur 
eine einmalige grosse Dosis geben gegenüber anderen, die eine grössere Anzahl kleinerer Dosen 
geben bis zum Eintritt der Reaktion. Zwischen diesen beiden Gegensätzen vermittelt gewisser- 
massen eine Anzahl, die eine bestimmte Reihe, meist 4—6 Einzelsitzungen, je nach der Affektion 
verabfolgen und die danach unter allen Umständen abwarten, bis die meist nach 10—15 Tagen 
auftretende Reaktion sich gezeigt hat. Andere Autoren kombinieren noch anders, indem sie 
zunächst eine stärkere Dosis verabfolgen und dieser dann nach einigen Tagen eine oder mehrere 
kleinere Dosen folgen lassen. Die Dauer der Einzelsitzung schwankt zwischen 5 und 40 Minuten, 
je nachdem stärkere oder schwächere Anfangsdosen appliziert wurden, oder je nachdem ein 
Messapparat der Röntgenlichtmenge angewandt wurde, im allgemeinen werden 10 Minuten als 
Durchschnitt der Bestrahlungsdauer angegeben. Die Wiederholung der Sitzungen findet ent- 
weder täglich oder einen Tag um den anderen oder in noch grösseren Zeitabständen bis zu 
sechs Wochen statt, was sich zumeist danach richtet, was für eine Anfangsdosis verabfolgt wurde: 
ob schwach oder stark, und ob weiche oder harte Röhren benutzt wurden. 

Bei weitem, die meisten Autoren bestrahlen bis zum Eintritt der Reaktion, nach Ein- 
tritt derselben bestrahlt niemand mehr, nur wenige setzen vorher aus, nachdem sie eine be- 
stimmte Anzahl von Sitzungen appliziert haben. 

Die Lichtmenge wird von einzelnen Autoren gemessen und zwar mit dem Chromoradio- 
meter nach Holzknecht, den andere aber als unzuverlässig und ungleichmässig wieder ver- 
lassen haben. Auch das Benoistsche Instrument wird zur Messung benutzt, desgleichen die 
Knochenhanddurchleuchtung nach Schmidt sowie der Radiometer von Sabouraud und Noire. 
Verschiedene Autoren beurteilen die Lichtmenge nach dem Aussehen der Röhre, lassen sich also 
von ihrer Erfahrung leiten. Köhler benutzt nur die von ihm angegebene Methode der Wärme- 
messung der Röhre. Gross ist die Zahl der benutzten Induktorien. Vom 50 cm-Induktor der 
verschiedensten Firmen bis herunter zum 25 cm-Dessauer, alle werden sie zu therapeutischen 
Zwecken angewandt, ein Zeichen, dass sowohl die Fabrikanten leistungsfähig sind als auch dass 
für die Therapie wenigstens in Bezug auf den Erfolg gegenüber den behandelten Krankheiten 
die Grösse der Induktorien eine Rolle nicht zu spielen scheint. Freilich äussert sich kein Autor 
über den Röhrenverbrauch, der nach meinen Erfahrungen bei_kleinen Induktorien wesentlich 
grösser ist, als bei grösseren. Auch die Unterbrecher spielen keine Rolle, sowohl Wehnelt 
wie die verschiedenen Formen Quecksilberunterbrecher sind im Gebrauch. Auch hier findet sich 
keine Notiz über den etwaigen Röhrenverbrauch bei den verschiedenen Unterbrechern, doch ist 
mir ein Artikel von Köhler gegenwärtig, in dem er darauf hinweist, dass der Wehneltunter- 
brecher mehr Röhren konsumiert, als jeder andere. Das möchte ich auch unterschreiben, wenn 
der Wehnelt ohne Walterschaltung und ohne besonderen Reguliertisch gebraucht wird. Andern- 
falls ist der Betrieb keineswegs teuerer, da man durch Walterschaltung plus Seiferts Regulier- 
tisch gerade beim Wehnelt die feinsten Nuancen ausnutzen kann. 

Das Röhrenmaterial entstammt gleichfalls den verschiedensten Fabriken; in der Haupt- 


sache werden Regulierröhren gebraucht, von einzelnen Autoren sogar Wasserkühlröhren bevorzugt. 
40* 


316 Hahn. 


Es wird nun berichtet über 329 Fälle von Ekzem und zwar sowohl trockenen wie 
nässenden. Nur ein Autor schreibt, dass bei nässenden Ekzemen eine Verschlimmerung ein- 
getreten sei (Wichmann), ein anderer, dass er statt Röntgenbestrahlung in den letzten Jahren 
Hochfrequenzströme und zwar mit besserem Erfolge anwende. Alle übrigen sprechen sich 
über die Erfolge bei der Ekzembehandlung günstig aus, wobei wohl in dem einen oder andern 
Falle die Methode versagte. In vielen Fällen aber führte die Röntgenbestrahlung zur Heilung 
des Eikzenis, wo vielfach schon seit Jahren alle möglichen andern Mittel umsonst angewandt waren. 

Bei Dysidrosis wurden in den berichteten Fällen nur geringer Erfolg erzielt. 

Auch bei Psoriasis ist der Erfolg ein wechselnder. Wirklich gut beeinflusst werden 
nach den Angaben der Autoren nur ganz lokalisierte Plaques, die schon nach wenigen leichten 
Bestrahlungen verschwinden. Die unbestrahlten Partien bleiben unverändert. Rezidive treten 
auf, weichen aber wieder der Bestrahlung, die psoriatische Haut scheint den Röntgenstrahlen 
gegenüber sehr vulnerabel zu sein, weswegen nur minimale Dosen in Anwendung kommen dürfen. 

Fälle von Seborrhoe wurden nur in geringer Anzahl behandelt, zumeist in der Form 
des seborrhoeschen Ekzems, wo gelegentlich gute Erfolge erzielt wurden. Referent sah jedoch 
auch Rezidive besonders bei den seborrhoischen Kopfekzemen der Kinder. 

Acne vulgaris-Fälle und Rosacea werden 90 berichtet, wo nähere Angaben gemacht 
sind, sprechen sich dieselben günstig aus, da das Resultat ein befriedigendes war. Referent 
sah vorzügliche Resultate, in einigen Fällen aber lokale Rezidive noch nach zwei Jahren. 
Einen prompten Erfolg sah Referent in einem Falle von Acne necroticans. Der Verlauf der 
Rosacea scheint unter der Röntgenbehandlung ein gleicher zu sein wie der bei Acne vulgaris, 
in einzelnen Fällen ist er ein guter, in andern versagt die Behandlung. 

Die Fälle von Sycosis idiopathica resp. von Folliculitis barbae weisen im grossen und 
ganzen einen prompten Erfolg auf, doch kommen Rezidive gelegentlich vor, die, wie Referent 
in einem Falle erfahren musste, äusserst hartnäckig wieder auftreten können, wenngleich sie 
immer wieder der Réntgenbehandlung zugängig blieben. 

Die progressiven Ernährungsstörungen der Haut liessen sich ebenfalls durch die Röntgen- 
strahlen günstig beeinflussen. So sah Referent in einem Fall von Ichthyosis hystrix ein 
Weicher- und Glatterwerden der bestrahlten Hautpartie, die Schuppung ging an der betreffenden 
Stelle erheblich zurück, ob ein Dauerresultat erzielt ist, ist nicht zu sagen, da Patient sich der 
Beobachtung entzog, während freilich ein anderer Autor, der gleichfalls über einen Fall von 
Ichthyosis verfügt, über einen eventuellen Erfolg nichts mitteilt. Besonders günstig sind die 
Erfolge bei Tylositas und den Verrucae. Namentlich wenn man während der Nachbehandlung 
noch zu aufweichenden Medikamenten seine Zuflucht nimmt und monatelang einfetten lässt, 
sind die Erfolge dauernd und gut, gelang es dem Referenten doch seine vier Fälle von Tylositas 
sämtlich zu heilen. Die Verrucae heilen gut ab, wenn sie einer intensiven Bestrahlung unter- 
zogen werden, rezidivieren jedoch leicht an den Randpartien, wo die Strahlen vielleicht weniger 
intensiv eingewirkt hatten. 

Die parasitären Dermatosen der Favus, die Sycosis parasitaria und die Trithophytie 
des Kopfes sind ganz besonders eine Domäne für die Strahlenbehandlung. Gelingt es doch 
durch dieselbe eine so gründliche Entfernung der Haare zu erzielen, wie durch keine andere 
Methode. Freilich bedarf es gerade in diesen Fällen einer besonders aufmerksamen Nach- 
behandlung, da von zurückgebliebenen Resten leicht ein Rezidiv ausgehen kann. 

Von den chronischen Infektionskrankheiten interessiert naturgemäss am meisten der 
Lupus; war es doch diese Erkrankung der Haut, die auf Vorschlag von Schiff und Freund 
einerseits und Kümmell andererseits als die erste für die therapeutische Wirkung der Röntgen- 
strahlen herangezogen wurde. Wenn sich nun auch die hochgespannten Erwartungen nicht 
ganz erfüllt haben, so ergeben die eingelaufenen Berichte doch durchaus befriedigende Resultate, 
die die Berechtigung der Behandlung des Lupus mit Röntgenstrahlen darlegen. Nur ein Autor, 
Sjögren-Stockholm, erklärt, er habe die Behandlung wegen der schlechten Resultate, die er 


Hat die Röntgentherapie gehalten, was sie versprochen? 317 


erzielte, seit drei Jahren aufgegeben. Eine derartige Äusserung eines bekanntlich sehr ruhigen 
und sachlichen Beobachters wie Sjögren giebt zu denken und es verlohnt sich deshalb wohl 
der Mühe, das vorhandene Material besonders eingehend zu prüfen. Zunächst berichten alle 
Autoren übereinstimmend, dass am besten die schweren, ulcerativen Formen durch die X-Strahlen 
beeinflusst werden, sehr viel weniger die trockenen serpiginierenden, eine Erfahrung, die auch 
bei allen übrigen Behandlungsmethoden des Lupus gemacht worden ist. Während es also 
gelingt, die ulcerativen Formen mehr oder weniger prompt zunächst zur Ausheilung zu bringen, 
verhalten sich die serpiginierenden Formen sehr häufig refraktär, bedürfen infolgedessen inten- 
siverer Behandlung und führen leicht zu Exkoriationen mit ihren langwierigen Heilungs- 
vorgängen. Aber auch die ulcerativen Formen bleiben, obwohl sie zunächst in geradezu ver- 
blüffend schneller Weise abzuheilen pflegen, nicht immer ohne Rezidive. Sie bedürfen einer 
oft jahrelangen minutiösen Aufpassung und Nachbehandlung, dann aber sind diese Fälle auch 
äusserst dankbar, insofern es nicht nur gelingt, die Ulcerationen aufzuhalten, sondern auch 
Nasenflügel, Lippen und Augenlider dauernd zu erhalten. Es muss des weiteren zugegeben 
werden und wird von den verschiedenen Autoren ausdrücklich betont, dass kleine lokale 
Recidive, bestehend in kleinen Knötchen oder kleinen zirkumskripten Ulcerationen häufiger auf- 
treten, dass aber ausgedehnte Geschwürsflächen, wie sie beim Beginn der Behandlung bestanden, 
niemals mehr sich zeigten. Deswegen verabfolgen eine Reihe von Autoren auch prophylaktisch 
mehrmals im Jahre eine Anzahl Sitzungen, um die Rezidive möglichst im Keime zu ersticken 
oder doch im Zaum zu halten. Trotz aller Mühe aber wird es doch nicht gelingen, des Lupus 
in jedem einzelnen Falle Herr zu werden, wenn wir uns nur auf die eine Methode der Behand- 
lung, die Röntgentherapie, beschränken. Ebensowenig wie jede andere Methode, heisse sie 
nun Finsen, Holländer, Unna oder sonstwie, sicher jeden Fall von Lupus heilt, ebensowenig 
thut es die Röntgentherapie. Gerade der Lupus verlangt wie kaum sonst eine Hautkrankheit 
eine individuelle, kombinierende Behandlung. Was hilft uns die schönste Behandlung der Haut 
des Gesichts, wenn wir den Lupus des Naseninnern nicht gleichfalls in Angriff nehmen, was 
nützt die Abheilung einer ulcerierten Lippe, wenn die Schleimhaut des harten Gaumens 
Ulcerationen aufweist, deren wir nicht Herr werden können? Der Lupus drängt geradezu zur 
Anwendung der verschiedensten ‘uns zur Verfügung stehenden Methoden und gehen in diesem 
Sinne auch bereits die meisten der Autoren vor. Benutzt man seinen Röntgenapparat zu der 
gewissermassen vorbereitenden, das Gröbste erst beseitigenden Kur und bedient man sich zur 
Detailarbeit all der vielen anderen Methoden, dann, aber auch nur dann werden die Resultate 
bei der Bekämpfung des Lupus erfreuliche sein, sowohl für den Arzt als auch den Patienten. 
Es wird dann nicht mehr bei den verhältnismässig wenig geheilten Fällen bleiben, über die die 
Autoren berichten konnten, so lange sie die Röntgenbehandlung allein ausübten. Freilich wird 
man Sich auch nicht rühmen können, dass man mit dieser einen Methode Heilungen aller 
Lupusformen erreichen kann, es wird eben nicht die Möglichkeit da sein, gewissermassen hand- 
werksmässig mit seinem Apparat alles, was einem in die Sprechstunde kommt, mechanisch zu 
behandeln, sondern die Individualität des Falles und des Arztes werden den Erfolg bedingen. 

Die Lupusfrage bedarf aber noch von einer anderen Seite her der Beleuchtung, nämlich 
der sozialen. Auch hier zeigt sich, dass nicht immer eine Heilung im medizinischen Sinne 
notwendig ist, damit der Patient von der Behandlung einen Nutzen habe. Im Gegenteil, 
gerade die schwersten, die ulcerativen Formen, welche die scheusslichen Entstellungen herbei- 
führen, die den Erkrankten aus dem Verkehr mit der Gesellschaft und somit bei dem arbei- 
tenden Teil der Bevölkerung aus der Arbeit drängen, sind es, die recht häufig recidivieren, die 
aber, wie bereits oben gesagt, nach dem übereinstimmenden Urteil aller Autoren, am besten 
auf die Röntgenbehandlung reagieren. Mit Hilfe der Röntgenbestrahlung gelingt es nun in 
diesen Fällen gelegentlich völlige Heilung zu erzielen, in allen Fällen aber die Kranken so 
weit zu bringen, dass sie von der Gesellschaft wieder gelitten werden, dass sie nicht nur sich 
beschäftigen können, sondern in vollem Masse wieder erwerbsfähig werden. Was verschlägt 


318 Hahn. 


diesem Umstande gegenüber, dass in einigen Monaten oder Jahren wieder mal einige Knötchen 
auftauchen, dass sie also ın medizinischem Sinne nicht heil sind. 

Mir scheint viel zu viel Wert gelegt zu werden auf die rein ideale Seite der Heilung, 
die ja gewiss in allen Fällen anzustreben ıst, gegenüber dem grossen praktischen Wert 
in Bezug auf die Arbeitsfähigkeit und die Möglichkeit der mit Lupus Behafteten sich wieder 
unter den Mitmenschen frei und unbelästigt zu bewegen. Wer über ein grösseres Lupusmaterial 
verfügt, kann sich diesem Faktor unmöglich verschliessen, er wird immer und immer wieder 
beobachten, wie die ganze Stimmung des Patienten mit dem Fortschreiten der Besserung eine 
andere wird, wie sein Selbstbewusstsein sich wieder hebt, wenn er seinen Unterhalt wieder 
verdienen kann, wie anders er sich giebt, wenn ihn die menschliche Gesellschaft nicht mebr 
meidet. Die wenigen gelben oder braunen Flecke, die den ungenügsamen Medizinmann mit 
gerunzelter Stirn und unter Glasdruck zu dem vernichtenden Urteil eines ungeheilten Falles 
veranlassen, beunruhigen seine Umgebung gar nicht und ihn nur insoweit, als der Patient weiss, 
dass er sie zu beobachten hat und sich gelegentlich wegen derselben seinem Arzte vorstellen 
muss. Wenn wir auch von diesem Standpunkte den Erfolg unserer Behandlung betrachten, dann 
werden wir schon ganz anders über den Wert der Röntgentherapie beim Lupus urteilen, wir 
werden ohne weiteres zugeben können, dass die Zahl der in medizinischem Sinne Geheilten eine 
verhältnismässig geringe ist, dass aber unsere Arbeit für den Patienten und sein Fortkommen eine 
hervorragende gewesen ist, erreicht man doch mit einem so geringen Aufwand von Zeit und Mitteln 
ein gutes Resultat, wie bei keiner anderen Methode, nicht einmal bei der so viel gerühmten Finsen- 
methode. Wer sich selbst eingehend mit der Finsenmethode beschäftigt und viele nach Finsen 
behandelte Fälle gesehen hat, wird gewiss nach der einen Seite seine Freude gehabt haben 
an den erreichten Resultaten, nach der anderen Seite aber sich nicht haben dem Gedanken 
verschliessen können, stehen die Kosten und der Zeitverlust vor allem in Einklang mit dem 
Erreichten, giebt die Finsenmethode wirklich eine grössere Garantie vor dem Rezidiv als z. B. 
die Röntgentherapie? Die lokale Erkrankung beeinflussen sie beide, die Allgemeinerkrankung 
und das Rezidiv in der näheren oder gar weiteren Umgebung dagegen nicht. Auch dieser 
Umstand drängt dazu, sich nicht auf eine einzelne Methode zu beschränken, sondern dem Falle 
entsprechend die Methoden zu wechseln oder zu kombinieren. 

Nach dieser Abschweifung vom Thema, die man mir in Rücksicht auf die Wichtigkeit 
der Lupustherapie zugute halten mag, kehre ich zu demselben zurück. Wie bereits gesagt, 
wird nur über eine geringe Anzahl von Heilungen von den Autoren berichtet, in den bei weitem 
meisten Fällen kam es zu Rezidiven, gelegentlich auch innerhalb der bestrahlten Partien, wenn 
auch zumeist ausserhalb derselben. Eine Besserung wurde überall erzielt, die Rezidive ver- 
liefen gutartig, doch sind auch ganz vereinzelte Fälle beobachtet, in denen im Anschluss an 
die Bestrahlungen am Rande der reaktiven Entzündung neue Eruptionen von Lupusknötchen 
auftraten, die sich jedesmal wiederholten, wenn intensivere Bestrahlungen vorgenommen wurden, 
so dass in einem Falle des Referenten, wo ursprünglich eine zirkumskripte Erkrankung der 
Nasenflügel vorgelegen, nach einer Anzahl von Bestrahlungen, von denen jede folgende die 
neu erkrankten Partien mitbetraf, die Hälfte beider Wangen schliesslich ergriffen war. Doch 
sind derartige Verschlimmerungen zum Glück ganz vereinzelt geblieben. Die behandelten 
Fälle von Tuberculosis cutis boten nichts Besonderes. 

In den Fällen von Mycosis fungoides wurde zweimal ein lokaler Erfolg erzielt, da- 
gegen wurden die beiden angeführten Fälle von Lepra von Scholtz ohne Erfolg behandelt. 

Fälle von Rhinosklerom sind nur von der Breslauer chirurgischen Klinik mitgeteilt, 
und nach der damaligen Publikation von Fittig (Bruns Beiträge, Bd. XXXIX) geheilt, resp. 
sebessert. 

Die Hypertrichosis erfreute sich eine Zeitlang besonderer Aufmerksamkeit von seiten 
der Röntgentherapeuten, leider scheint sie nach den Mitteilungen der Autoren nun nicht mehr 
so beliebt zu sein, da, so prompt auch der erste Erfolg zu sein pflegt, die Rezidive meist 


Hat die Röntgentherapie gehalten, was sie versprochen? 319 


bald wiederkehren und Dauerresultate scheinbar nur unter mehr oder minder intensiver 
Schädigung der Haut erzielt werden können. Nur Schiff, Wien, der über mehr Material ver- 
fügt, als alle übrigen Autoren zusammen, behandelt, während wohl ebenso wie der Referent 
die meisten andern Autoren nur noch in ganz verzweifelt ausgedehnten Fällen die Hypertrichose 
der Röntgentherapie unterziehen, unentwegt weiter und erzielt mit seiner Methode der vielen 
schwachen Bestrahlungen mit harten Röhren nach wie vor günstige Resultate. 

Die Zahl der behandelten Naevi ist eine geringe, die Erfolge, wie Scholtz schreibt, 
meist nicht nennenswert. 

Sarkome der Haut wurden eine ganze Reihe behandelt, zum Teil mit vollem Erfolg 
der Heilung. Erwähnenswert scheinen besonders die Fälle von Chrysospathes (veröffentlicht 
Münch. med. Wochenschrift 1903, Nr. 50), wo es sich um ein mikroskopisch nachgewiesenes, 
inoperables kleinzelliges Rundzellensarkom des Ovariums handelt und ein Fall von Steenbeck, 
wo es sich um ein Mediastinalsarkom handelte, das bereits die Trachea zusammendrückte. In 
dem ersten Falle wurde völlige rezidivlose Heilung erzielt, in dem zweiten Falle fast Heilung. 
Diese beiden Fälle scheinen dem zu widersprechen, was die Autoren sonst beschreiben, dass näm- 
lich oberflächliche Sarkome sehr prompt von der Röntgenbestrahlung beeinflusst werden, tiefer 
gelegene dagegen nicht. Beide Autoren behandeln mit harten Röhren, vielleicht hing das 
günstige Resultat von dieser Technik ab. Im Interesse der Sarkomkranken wollen wir nur 
wünschen, dass es der Fall sei, dann würden auch weiterhin erfolgreiche Heilungen zu er- 
zielen sein. 

Nächst Ekzem und Lupus nimmt unser Interesse besonders in Anspruch das Verhalten 
der carcinomatösen Neubildung, gegenüber den Röntgenstrahlen. Dem entsprechend ist auch 
‘die Zahl der behandelten Fälle eine sehr erhebliche (315), ausser den nicht zahlenmässig auf- 
geführten Fällen von Grouven, Sjögren, Steenbeck und Brautlecht. 

Bei der Behandlung der Carcinome herrscht eine erfreuliche Übereinstimmung, so dass diese 
Frage durch die Enquete gelöst sein dürfte. Man hat zu unterscheiden zunächst einmal wischen dem 
Ulcus rodens und den andern Carcinomen. Es wird berichtet über 203 Fälle von Ulcus rodens, 
die Resultate der Behandlung sind äusserst erfreulich, grössere Statistiken (Schiff z. B. mit 
50 Fällen) berichten über 95°/, Dauererfolge. Auch die Autoren, die weniger günstige Re- 
sultate erzielten, können über einen grossen Prozentsatz von Heilungen berichten, während die 
übrigen nicht geheilten Fälle wesentliche Besserungen aufwiesen. Dabei handelte es sich, wie 
mehrfach ausdrücklich bemerkt wird, um absolut inoperable Fälle Einem solchen Material 
gegenüber werden auch wohl die messerfreudigsten Chirurgen ihre Skepsis fahren lassen, zu- 
mal wenn sie hören, dass die Narbe als glatt und zart (Müller), glatt und tadellos (Schiff), 
gut (Grouven), so gut, wie ich sie sonst noch niemals bei Röntgenbestrahlung sah (Köhler), 
. vollständig glatt und weich (Scholtz), blass, zartglänzend (Kümmell), superbe cicatrice (Nobele), 
glatt (Sjögren), glatt, fast normale Haut (Steenbeck), glatt (Brautlecht), geschildert 
wird. Rezidive wurden sehr wenig beobachtet. Bedenkt man, dass es vielfach inoperable Fälle 
waren, die doch zumeist Kopf und Gesicht betrafen, bei denen das Röntgenverfahren noch 
Erfolge erzielte, wo die chirurgische Hilfe naturgemäss versagen musste, so sollte man meinen, 
dass die Chirurgen uns durch Zuweisung der Ulcus rodens Fälle unterstützen müssten, nicht 
aber zum Schaden der betreffenden Patienten unsere Konkurrenz gewissermassen fürchten. Wer 
auf dem letzten Dermatologenkongress die von v. Bergmann operierten Fälle gesehen hat, wird 
gewiss voller Bewunderung über die Technik und den Erfolg derselben gewesen sein, verlieren 
aber deshalb die von Lassar und anderen vorgestellten, mit Röntgenstrahlen behandelten Fälle 
an Interesse? Ich möchte meinen, eher im Gegenteil, zumal vielfach Fälle darunter waren, 
die nach Lage der Sache für das Messer des Chirurgen ein noli me tangere waren. 

Auch über die Art der Behandlung herrscht im allgemeinen eine erfreuliche Überein- 
stimmung, nur ein oder zwei Autoren belichten längere Zeit mit schwachen Strömen, bei weitem 
die Mehrzahl wendet. kräftige Bestrahlungen an und scheut sich keineswegs es bis zu stärkerer 


320 Hahn. 


Dermatitis oder gar zur leichten Excoriation kommen zu lassen, ein Verfahren, dessen auch 
Referent sich jetzt bedient, nachdem die Resultate mit schwächeren Bestrahlungen ihn nicht 
befriedigten. Es ist geradezu verblüffend, wie sehr sich die Resultate ändern, wenn man von 
den schwächeren zu den intensiveren Bestrahlungen übergeht, nicht nur, dass das Heilresultat 
ein besseres ist, auch die Zahl der Rezidive sinkt sofort. Irgend welche Schädigungen des 
Gehirns sind von den Autoren zwar nicht beobachtet, doch möchte Referent folgenden Fall 
mitteilen, der ihm doch zur Vorsicht zu mahnen scheint. 

Ein 79jähriger Herr litt an einem Ulcus rodens der linken Kopfhälfte, das sich in 
etwa Handflächengrösse über dem linken Schläfenbein etabliert hatte. Ziemlich in der Mitte 
befand sich ein durch Arrosion des Knochens entstandener Schädeldefekt, unter dem man das 
Gehirn pulsieren sah. Die erste Serie der Bestrahlung wurde unter Abschützen des Defekts 
mit Bleiplatte vorgenommen. Als nun die ganze Ulceration abheilte, mit Ausnahme der dem 
Schädeldefekt entsprechend abgeschützten Stelle und von dieser aus das Rezidiv wieder seinen 
Ausgang nahm, wurde bei der nächsten Bestrahlungsserie auch diese Stelle mit bestrahlt. Acht 
Tage nach Aussetzen der ca. 5mal stattgehabten Bestrahlungen bekam Patient eine Facialisparese 
auf der entgegengesetzten rechten Seite, alle drei Äste waren ergriffen und der Facialis war in 
der typischen Weise gelähmt. Eine andere Erklärung als die Röntgenbehandlung war zunächst 
nicht zu eruieren. Doch stellte sich später heraus, dass Patient vor ca. 15—20 Jahren schon 
einmal eine Facialisparese überstanden hatte und zwar eine solche auf der linken Seite, infolge 
einer Erkältung. Eine solche lag diesmal allerdings nicht vor, aber es wäre ja doch möglich, 
dass bei der Lokalisation des Schädeldefekts, ziemlich genau entsprechend dem Bein-, Arm- 
Facialis centrum auch schon eine, sich nicht allgemein bemerkbar machende, Erkältung der betr. 
Gegend stattgehabt haben könnte. Andrerseits aber lässt es sich nicht von der Hand weisen 
dass durch den Reiz, der bei dem Eintritt der Röntgenreaktion auf die dortigen Gehirngefässe 
ausgeübt würde, die Lähmung entstanden ist und somit auf die Bestrahlung zurückgeführt 
werden müsste. — 

So einseitig günstig das Resultat bei Behandlung des Ulcus rodens ist, so verschieden 
ist dasselbe bei den übrigen Carcinomen. Einmütigkeit herrscht darin bei den Autoren, dass 
die in der Haut liegenden oberflächlichen Krebstumoren durchgängig günstig beeinflusst werden, 
indem sie unter der Bestrahlung verschwinden. Freilich wollen einzelne Autoren die Bemerkung 
gemacht haben, dass die Metastasenbildung entschieden begünstigt wurde. Über die Erfolge bei 
tiefer gelegenen Tumoren, wie denen der Drüsen und der inneren Organe, sind die Ansichten 
geteilt. Ein kleiner Teil der Autoren sah auch bei diesen gute Erfolge, während die meisten 
eine Beeinflussung in gutem Sinne negieren, ja manche sogar glaubten, unter der Bestrahlung 
eine Verschlimmerung und stärkeres Wachtsum der Tumoren konstatieren zu können. Jeden- 
falls könne im Gegensatz zum Ulcus rodens die Röntgenbehandlung niemals die chirurgische 
Behandlung ersetzen, sondern sie nur symptomatisch verwertbar gemacht werden, insofern die 
Köntgenstrahlen in einer grossen Anzahl von Fällen die Schmerzen prompt beseitigen. 

Die Behandlung der Angiome ergab keine befriedigenden Resultate, desgleichen nicht 
die der Sklerodermia, bei welch letzterer Referent einmal eine lokale Besserung erzielte, ohne 
dass dem Fortschreiten der Erkrankung irgendwie Einhalt gethan werden konnte. 

Die Resultate beim Lupus erythematosus sind nicht übereinstimmend, insofern, als 
einige Autoren mit der Röntgenbehandlung so unzufrieden waren, dass sie dieselbe verliessen, 
andere Autoren dagegen, wenn auch nicht in allen Fällen, so doch in einer grösseren Anzahl 
gute Erfolge erzielten. Bei der Behandlung des Lupus erythematosus mit Röntgenstrahlen ist 
zum mindesten ebensoviel Vorsicht geboten, wie bei jeder anderen Therapie dieser Krankheit: 
eine jede kann zur Heilung führen, auf eine jede kann aber der betr. Fall zu kräftig reagieren 
und zu einer Verschlimmerung des Zustandes führen. 

Der Einfluss der Röntgenstralilen auf die neuritischen Dermatosen, scheint doch nicht 
so ausgesprochen günstig zu sein, wie man nach den gelegentlichen Veröffentlichungen in 


Hat die Röntgentherapie gehalten, was sie versprochen? 321 


früheren Jahren hätte glauben sollen. Scholtz und andere bemerken, dass in einzelnen Fällen 
von Prurigo und Pruritus zweifellos Erfolge sich zeigten, doch ist es wohl nicht in allen so 
gewesen. Über die meisten Fälle von Pruritus verfügt Sjögren, nämlich 45. Er hat zwar 
in dem Fragebogen keine Bemerkung über den Erfolg der Behandlung gemacht, doch darf man 
wohl aus der so oft in Anwendung gebrachten Behandlungsweise auf seine Zufriedenheit mit 
ihr schliessen, was auch in der That der Wirklichkeit entspricht, wie ich aus persönlichen Be- 
merkungen von Sjögren entnehmen konnte. Es dürfte sich also empfehlen, die Aufmerksam- 
keit noch etwas mehr auf die neuritischen Dermatosen zu lenken. 

Alopecia areata ist nur in wenigen Fällen behandelt worden, die Resultate erscheinen 
nicht so erfreulich, wie sie seinerzeit die Kienböcksche Veröffentlichung erwarten liess. In 
einem Fall von Ekzema palmarum mit Hyperidrosis man. sah Referent noch ein Jahr nach 
Aussetzen der Behandlung eine auffallend trockene Innenfläche der Hand, die den betreffenden 
Patienten veranlasste, seine Hand häufiger einzufetten. Scholtz sah in drei Fällen nicht ge- 
rade eklatanten Erfolg, dagegen konnte er in vier Fällen von Keloid dreimal sehr gutes und 
einmal ein etwas weniger gutes Resultat erzielen. 

Interessant ist es nun, gegenüber den gelegentlichen Veröffentlichungen i in den Zeitungen, 
auch den nichtmedizinischen, die Schädigungen der Haut und der sonstigen Organe festzustellen, 
die nach Röntgenbestrahlung auftreten. 

Scholtz schreibt: Abgesehen von vorübergehenden Pigmentationen habe ich niemals 
dauernde Störungen oder Veränderungen der Haut nach Röntgenbestrahlungen gesehen, sofern 
Exkoriationen vermieden wurden. Nach Exkoriationen oder Röntgenulcerationen habe ich fast 
ausnahmslos schöne glatte weisse Narben erhalten und auch störende Teleangiektasien habe ich 
höchst selten beobachtet. Auch Schädigungen der inneren Organe habe ich nicht beobachtet. 

Chrysospathes: Die Haut blieb fast in allen Fällen normal, in sehr wenigen 
pigmentiert. 

Immelmann sah nur in einigen Fällen Pismena; in mehreren Fällen gingen bei 
Psoriasis capitis die Haare aus, sonst blieb die Haut normal. 

Schiff erlebte in 90°/, der Fälle leichte Pigmentation und in drei Fällen Röntgen- 
ulceration, sowie Atrophien der Nägel und in ebensovielen Fällen Teleangiektasien, die inner- 
halb sechs Monaten bis zwei Jahre nach der letzten Bestrahlung auftraten. Alle diese Schädi- 
gungen traten auf, ohne dass Exkoriationen vorhergegangen waren. 

Köhler sah die Haut normal oder höchstens leicht atrophisch werden. Nach 
Belichtungen bei Hypertrichosis traten dagegen regelmässig Pigmentierungen der Haut auf, 
während Gefässektasien sich häufig einstellten im Anschluss an energische Lupusbehandlung. 
Alle diese Schädigungen zeigten sich aber nur bei energischen Belichtungen, sonst kaum. 

Grouven sah nach langdauernden Behandlungen Teleangiektasien, selten Röntgenulcera 
und Keloide; ferner Atrophien bei Hypertrichosis. 

Wichmann sah in sechs Fällen vorübergehende Pigmentation, in einem Falle von 
Psoriasis traten in dem bestrahlten Bein mässige Neuralgien auf, die Hautpigmentierungen 
traten in den Fällen von Hypertrichosis auf, bei denen es durch die Bestrahlung zu deutlicher 
Reaktionserscheinung kam. 

Kümmell sah feste, weisse, glänzende Narben ohne Schädigung der Haut. 

Müller-Wiesbaden erzielte fast in allen Fällen normale Haut, einmal ein Röntgen- 
ulcus, das mit einer Narbe heilte, zweimal sklerodermatische Verdickung mit Hyperkeratose 
und mässiger Rhagadenbildung. Exkoriationen waren nie aufgetreten. 

Sommer-Winterthur schreibt: Die Haut war meistens normal, nur in einigen Fällen 
leicht pigmentiert. In einem Falle konnte er ein leichtes, einige Tage anhaltendes Stadium 
maniacale beobachten. 

de Nobele-Genf sah einen Fall von Röntgenulcus, sonst blieb die Haut normal. 


Sjögren hatte meist normalen Hautbefund, in wenigen Fällen von Hypertrichosis 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 4] 


3992 Hahn. 


jedoch, wo zu stark bestrahlt war, Narbenbildung. Die durch Aussetzen der Behandlung auf- 
getretene Pigmentation verschwand später. 

Brautlecht berichtet, dass die Haut sich im allgemeinen normal verhielt. 

Steenbeck verzeichnet gleichfalls in den allermeisten Fällen normales Verhalten der 
Haut, doch sah er auch öfter Narben sowie Pigmentationen. Letztere besonders bei Sarkom 
und lienaler Leukämie. Bisweilen neigte die Haut zu Ulcerationen. Im Anfang der Behand- 
lung (1897/98) sah er auch Röntgenulcera. Gelegentlich trat eine Conjunctivitis auf, sowie 
dauernder Haarausfall. | 

Halberstädter (Neissersche Klinik) schreibt: Schädigungen der Haut nach thera- 
peutischen Röntgenbestrahlungen sind in den ersten Jahren häufig eingetreten: Dermatitis, 
Erosionen bis zu den schwersten spontan nicht mehr heilenden Ulcerationen (stets nach 
starken Reaktionen mit Exkoriationen im Anschluss an die Bestrahlungen). Nach Abheilung 
starker Reaktionen blieben häufig Atrophie der Haut, sklerodermieartige Veränderungen, stern- 
formige Gefässektasien, Pigmentierungen zurück. 

Veränderungen an Augenmedien, nervösen Organen u. s. w. haben wir bis jetzt 
nicht gemerkt. 

Referent selbst konnte neben den von den verschiedenen Autoren geschilderten Ver- 
änderungen, wie Atrophien, Pigmentationen, Haarausfall, mehrfach eine Längsstreifung der 
Nügel, sowie ein Brüchigwerden derselben beobachten. In einem Falle sah er eine starke 
Laryngitis (Bestrahlung von Sykosis der Hals- und Kinngegend), Schleimhaut des Larynx stark 
gerötet, der ganze Kehlkopf fühlt sich eeschwollen an, ist auf Druck sehr schmerzhaft; in zwei 
Fällen eine Conjunctivitis, in einem Fall ein Ulcus corneae, (es handelte sich um ein Ulcus 
rodens, das auf die Augenlider übergriff, so dass sich bei der Bestrahlung das Auge nur 
schlecht abschützen liess), in einem Falle eine Linsentrübung. Es handelte sich in letzterem 
um einen Techniker, der herufsmässig höntgenröhren fabrizierte. Derselbe bot auch noch eine 
grosse Reihe anderer schwerer Veränderungen, wie Carcinom des Handrückens, reichliche 
Warzenbildungen, Pigmentationen, Haarausfall, sklerodermieartige Veränderungen der Haut des 
Gesichts und des Halses, schwere Nagelveränderung, Teleangiektasien, Röntgenulcera, Rhagaden. 

In noch zwei andern Fällen salı Referent ebenfalls bei zwei Patienten, die sich berufs- 
mässig mit der Fabrikation von Röhren und ihrer Anwendung beschäftigen mussten, ausser 
anderen bereits geschilderten Veränderungen, Neigung der Haut zu Rhagadenbildung und Ent- 
stehen von Epitheliomen auf diesen Rhagaden, 

Mit Ausnahme des oben erwähnten Falles von Facialisparese, dessen Genese überdies 
noch zweifelhaft ist, sah Referent keinen Fall von nervösen Störungen, wenn man nicht solche 
Fälle von Schmerzen und intensivem Brennen der Haut hierher rechnen will, die gemeinsam 
mit der Dermatitis eintreten und mit ihr zurückgehen und verschwinden. Röntgenulcera von 
mehrjähriger Dauer sah Referent zwei aus seiner eigenen Klientel, dieselben entstammen den 
ersten Jahren der Roéntgentherapie und trotzten zunächst sänmmtlichen Heilversuchen. Einen 
derselben gelang es vor einigen Monaten durch Eosinpinselung zu heilen, vor drei Wochen trat 
jedoch ein Rezidiv auf, der zweite bessert sich anscheinend unter Ungt. praec. alb., sowie vier, zu 
denen er konsultativ hinzugezoven wurde Alle übrigen Exkoriationen, auch schwerer Art 
heilten mit mehr oder minder guter glatter weisser, manchmal etwas atrophischer Narbe ab, 

In sämtlichen Fällen von Röntgenulceration konnte eine lange fortgesetzte, vielfach 
auch sehr intensive Röntgenbehandlung als Grund derselben eruiert werden. Seitdem nur 
wenige nicht so intensive Bestrahlungen angewandt werden, sind Röntgenulcera nicht mehr 
aufgetreten. 

Referent möchte anregen, den Begriff „Röntgenuleus“ genauer zu präzisieren, mit 
demselben nämlich nur diejenigen Uleerationen zu belegen, die entweder im Anschluss an die 
Behandlung oder auch längere Zeit nach Aussetzen derselben in der vulnerablen Haut meist 
aus einer Rhagade entstehen und die absolut keine Tendenz zur Heilung zeigen, wohl aber 


Was lehrt uns die radiolog. Untersuchung über die Lösungsvorgänge .bei der croupösen Pneumonie? 323 


geneigt scheinen, sich in Epitheliome umzuwandeln. Von diesen möge man streng trennen 
die unmittelbar nach der Bestrahlung gemeinsam mit einer Dermatitis auftretenden Exkoriationen, 
die nach Ablauf der Hautentzündung sich, wenn auch manchmal langsam überhäuten und mit 
schöner glatter, weisser Narbe abheilen. 

Aus dem eben Gesagten kann man wohl unschwer entnehmen, dass die Gefahren, die 
die Röntgentherapie mit sich bringt, zwar nicht zu unterschätzen, dass dieselben aber, was 
ebenfalls aus den Berichten der Autoren hervorgeht, eigentlich nur in den ersten Perioden be- 
obachtet wurden, dass jetzt, wo die Technik eine vereinfachtere vorsichtigere geworden ist, 
solche schweren Schädigungen kaum mehr vorkommen. Haben wir doch gelernt, dass sie nur 
dann auftreten, wenn eine grosse Reihe intensiver Bestrahlungen vorgenommen ist, die jetzt ja 
überhaupt nicht mehr in Anwendung kommen oder dann, wenn Leute sich berufsmässig mit 
Röntgenstrahlen beschäftigen müssen. Die Notwendigkeit für letztere, geeignete Schutzmass- 
regeln zu schaffen, ist schon lange von Albers-Schönberg betont worden und von den Fa- 
brikanten der Apparate genügend berücksichtigt worden, so dass wir hoffen dürfen, in Zukunft 
ganz die schweren Schädigungen zu meiden und überall uns der Segnungen der therapeutischen 
Verwendung der Röntgenstrahlen erfreuen zu dürfen, die uns die mehr als 2600 Fälle der 
Autoren, die sich an der Enquete beteiligt haben, so schön vor Augen geführt haben. 

Ziehen wir nun das Fazit aus unsern Ausführungen, so lässt sich unschwer feststellen, 
dass die Röntgentherapie vollauf das gehalten hat, was man billigerweise von ihr verlangen 
kann. Werden in Zukunft die Indikationen für die Röntgentherapie noch präziser gestellt, 
wird man weiterhin noch mehr unter Berücksichtigung des Falles die Wahl der Methode 
(weiche oder harte Röhre, starke oder schwache Dosis etc.) noch eingehender treffen und in 
Bezug auf etwaige Schädigungen noch mehr Vorsicht walten lassen, so wird das zweite De- 
cennium, in das der Gebrauch der Röntgenstrahlen in der Medizin tritt, auch der Röntgen- 
therapie weitere Freunde erwerben. 


Aus der zweiten medizin. Universitätsklinik Berlin. 


Was lehrt uns die radiologische Untersuchung über die Lösungsvorgänge bei 
der croupösen Pneumonie? 
u: Von | 
Professor Dr. de la Camp. 


Die Anwendung des Röntgenverfahrens auf diagnostische Gebiete der inneren Medizin 
muss, wo immer demonstrable Schattendifferenzen erhältlich sind, nutzbringend sein. Es wird 
sich dabei weniger um eine direkte Bestätigung des durch andere physikalische Untersuchungs- 
methoden erlangten Thatsachenmaterials handeln, als um eine individuelle Ergänzung desselben, 
im besonderen Falle auch Neubeschaffung eines solchen. 

Was insonderheit die Röntgeuuntersuchung pathologischer Lungenverhältnisse angeht, 
so hat man sich zum Vorteil der betreffenden Untersuchungsmethoden abgewöhnt insgemein 
perkussorische und radiologische Resultate in direkten Vergleich zu setzen. Die perkussorische 
sich stets senkrecht auf die Körperoberfläche beziehende Darstellung von Lungenherden ver- 
langt eine andere Beurteilungsbasis als die radiologische Demonstration der gesamten Massen- 
und Dichtigkeitsverhältnisse in der Strahlenrichtung. 

Spezielle Fragestellung kann natürlich Kontrollergebnisse veranlassen. So kann z. B. 
die Frage nach Grösse (mittels Orthodiagraphie etc.) und Sitz (Lokalisationsmanöver durch 
Drehung des Patienten etc.) eines Lungenherdes von der Perkussionsmethodik gestellt werden, 

41* 


324 de la Camp. 


um ihre Technik förderlich zu überwachen. Auch ın dem Falle, wo Perkussion, Auskultation 
und Palpation die physikalische Veränderung eines ganzen Lungenlappens, wie z. B. bei der 
Lobirpneumonie, ergeben, muss unter Bezugnahme auf die anatomische Begrenzung der Lungen- 
lappen gegeneinander, ein unmittelbares Vergleichsresultat von dem Röntgenverfahren gefordert 
werden können. 

Die Technik der Erkennung lobärer Infiltration ist in präziser Form von Holzknecht 
in seinem Werke „Die röntgenologische Diagnostik der Erkrankungen der Brusteingeweide“ 
beschrieben und begründet. Gleichzeitig findet sich auch dort die Erklärung für frühere 
Mitteilungen, dass die radiologische Projektion von Lungenentzündungsherden grösser ausfalle, 
als dem Substrat entspreche, ferner auch dafür, warum bei tuberkulöser Infiltration eines Ober- 
lappens das ganze entsprechende Lungenfeld verdunkelt erscheint, u. s. f. Diese Verhältnisse 
dürfen als hinlänglich bekannt vorausgesetzt werden. 

Nun ist aber bei der croupösen, der sog. Lobär-Pneumonie, das pathologische physi- 
kalische Geschehen keineswegs jeweils auf einen (oder mehrere) Lappen scharf beschränkt oder 
im Lappen zur gleichen Zeit gleichartig: zwecks Erkennung der vorliegenden Verhältnisse die 
übrigen physikalischen Untersuchungsmethoden individuell zu unterstützen, muss bei nötiger 
Kritik die Radiologie leisten können. 

Gerhardt sagt gelegentlich der Besprechung der physikalischen Erscheinungen der 
croupösen Pneumonie: „Nun wird aber neben dem zweiten Stadium jedesmal zugleich das 
erste, oft auch das dritte getroffen.“ 

Wollen wir also einen analysierbaren Überblick über das Röntgenbild der croupösen 
Pneumonie gewinnen, so ist zunächst die Frage zu beantworten: kommen die verschiedenen 
Dichtigkeitsverhältnisse in den einzelnen Stadien der Pneumonie in verwertbarer Schattendifferenz 
zum Ausdruck ? | 

Ich beginne aus praktischen Gründen mit der Besprechung des zweiten Stadiums, der 
Hepatisation. Dass hepatisiertes, in Wasser untersinkendes Lungengewebe einen erheblichen, 
gegen lufthaltiges Lungengewebe scharf kontrastierenden Schatten produziert, ist vielfach 
demonstriert. Gleich grosse Stücke einer im Stadium der roten und der grauen Hepatisation 
befindlichen Lunge zeigen keine verwertbaren Schattendifferenzen; aber selbst, wenn solche 
vorhanden wären, wären intra vitam Schlüsse aus Schattenvariationen auf die Hepatisationsqualitat 
unangebracht, weil neben noch zu besprechenden Umstiinden vor allem bier immer die Massen- 
verhältnisse (in der Durchleuchtungsrichtung) unübersehbar wirksam werden. So sind die 
durch Farbe und durch chemische Vorgänge so sehr verschiedenen beiden Hepatisationsstadien 
durch Perkussion und Radiologie nicht unterscheidbar. — 

Anders verhält es sich mit dem ersten und dritten, ebenso radiologisch, wie perkus- 
sorisch und auskultatorisch sich gleichendem Stadium mit Beziehung auf das zweite Der 
Schatten des perkussorisch wenig tympanitisch gedämpften, in den Alveolen Luft und Exsudat 
enthaltenden Lungenparenchyms ist als weit lichterer, weniger begrenzter, manchmal nur als 
leichter Schleier sich darstellender Schatten von dem intensiveren des hepatisierten Lungen- 
gewebes unterscheidbar. Binnen weniger als einem Tage kann er sich zum prononzierteren, 
schärfer gegen die Umgebung abgesetzten des zweiten Stadiums verdichten, während die Auf- 
hellung gewöhnlich etwas länger zu dauern scheint (s. u.). Eine einzige Plattenaufnahme kann 
allerdings intra vitam niemals genügenden Aufschluss bringen; Durchleuchtung in dorsoven- 
traler und ventrodorsaler Richtung, sowie Röhrenverschiebungen unter Bezugnahme auf die 
anatomische Begrenzung der Lappen ist zum Vergleichsurteil erforderlich. 

Weit interessanter und wichtiger erscheint aber nun die Frage, wann schon im ersten 
Stadium und wann noch im dritten Stadium sich überhaupt Schatten demonstrieren lassen, und 
ob hier Unterschiede gegenüber den Ergebnissen der Perkussion und Auskultation bestehen. 

Die Frage, wann im ersten Stadium zuerst pathologische Schatten manifest werden, 
ist ungeheuer schwer zu beantworten. Wir bekommen einen Pneumoniker gewöhnlich erst 


Was lehrt uns die radiolog. Untersuchung über die Lösungsvorgänge bei der croupösen Pneumonie? 825 


nach dem initialen Schüttelfrost zu sehen, dann ist allerdings in der Regel schon ein patho- 
logischer Befund zu erheben. Man könnte daran denken eine Antwort zu finden in der Beob- 
achtung eines Falles, bei dem es während der Kontinua oder nach einem fieberfreien Intervall 
zur frischen Erkrankung eines neuen Lappens kommt. Nun steht aber gewöhnlich dann die 
später ergriffene Lunge schon vordem nicht unter gesundhaften Verhältnissen (veränderte Blut- 
versorgung, Bronchitis, veränderter Lungenschall, lauteres Ausatmungsgeräusch, vermindertes 
Stimmzittern etc.), so dass ein Urteil über eine erste Veränderung im Böntgenbild ebenso 
schwierig wird in Bezug auf normale Verhältnisse, als auf perkussorische (ete.) Befunde. Und 
zu zweit sind gewöhnlich die betreffenden Kranken besonders schwer in ihrer Widerstands- 
fähigkeit geschädigt und zum Transport und eingehenderer Untersuchung unfähig. Von der 
Pneumonia migrans ist hier natürlich ebenso abzusehn, wie von dem Pneumonie-Nachschub 
oder -recidiv. 


Der Verzicht auf die Beantwortung der angeregten Frage ist nun deshalb nicht so 
bedauerlich, weil die Beobachtung der Lösungsvorgänge im dritten Stadium einige analoge 
Verhältnisse (wie ja auch für die Perkussion, Auskultation etc.) bringt und weil jedenfalls 
die Antwort auf jene Frage: wie lange können wir noch Residuen der pneumonischen Er- 
krankung im Röntgenbild beobachten? — auch aus praktischen, prophylaktischen und thera- 
peutischen Gründen eine weitgehendere Bedeutung beansprucht. 


Ehe ich auf dieses, mein spezielles Thema eingehe, möchte ich noch einiger radiolo- 
gischer Besonderheiten Erwähnung thun, die sich bei der Untersuchung der croupösen 
Pneumonie ergeben. 


1. Dass ein pneumonischer Herd, welcher seiner centralen Lage halber durch die 
Perkussion nicht nachweisbar ist, zuerst und auch weiterhin überhaupt nur radiologisch nach- 
weisbar ist, dafür hat seiner Zeit Lichtheim den Beweis erbracht. Dass unter Umständen trotz 
zweifellos schon bestehender Pneumonie weder Perkussion noch Radiologie Befunde zu ergeben 
brauchen, hat Lépine auf Grund seiner Beobachtungen behauptet. Die aus der mehr centralen 
Lage sich ergebenden Differenzen zwischen perkussorischem und radiologischem Befund sind 
zuweilen entsprechend bedeutende. Dafür möchte ich einen Fall anführen, möchte aber an 
dieser Stelle nochmals auf die am Eingang meiner Arbeit betonte Thatsache verweisen, dass 
jede Berechtigung volle Kongruenz zu verlangen, fehlt. 


1. F., weiblich, 33 J. Aufnahme am fünften Tag nach dem Schüttelfrost; Leucocytenzahl: 30000. 
Sputum rostbraun, Reinkultur von Pneumokokken. Fieber — Continua zwischen 39 und 40°. 


Aufnahmebefund: Nur rechts hinten über dem unteren Teil der Scapula leichte Schallverkürzung; 
im übrigen überall heller Lungenschall. Auskultation: hinten rechts im Bereich der Dämpfung ganz ver- 
einzelt feinblasige Rasselgeräusche. Rechts vorn neben dem Sternum etwa in der Höhe der Mammilla 
einzelne knackende Geräusche. Kein Bronchialatmen. Atmung beschleunigt, 40. Die rechte Seite atmet 
nicht weniger. | 


Am selben Tage Durchleuchtung und Plattenaufnahmen: Neben dem Herzschatten, etwa in der 
Hilusgegend ein kleinapfelgrosser tiefer wolkiger Schatten, an den sich peripherwärts ein nicht bis an die 
Thoraxwand reichender, lichterer ca. zwei Finger breiter Schattenhof ansetzt, welcher wieder gegen die 
weitere Umgebung nicht scharf abgesetzt ist. 


Am siebenten Tage (also zwei Tage später) Krise; 14 Tage darauf geheilt entlassen. 


2. Aber auch in Fällen, in welchen keine centrale Lage des pneumonischen Herdes zu 
konstatieren ist, erscheint unter Anrechnung der Projektionsart des Schattenbildes der Schatten 
nach meinen Erfahrungen ausgedehnter, als man nach den sonstigen Befunden annehmen würde. 
Es mögen hier mehrfache Gründe mitsprechen: Erstens bedeutet die pneumonische Metamorphose 
eines grösseren Lungenteils sicher eine Massenzunahme, welche allerdings nicht in der Ver- 
drängung der Mediastinalorgane, bekanntlich aber schon perkussorisch zum Ausdruck kommt: 
so kann eine Dämpfung in der fossa supraspinata sich sowohl bei einer Pneumonie des Ober-, 
wie des Unterlappens finden. Das bedeutet eine Entspannung des peripneumonischen Gewebes, 


326 de la Camp. 


welches an der Schattenbildung dann in geringeren: Masse teilnehmen kann. Zu zweit kommt. 
die Bronchitis und Bronchiolitis in den nicht pneumonisch erkrankten Lungenpartien, resp. ıhre 
Folgezustände (Atelektasen u. s. w.) in Betracht, um so mehr, als sie manchmal wieder durch 
komplementär emphysematöse Lungenpartien gut darstellbar werden; zu dritt die Pleuritis sicca, 
welche durch reflektorische Verminderung der Brustkorb- und Zwerchfellatmung zur mässigen 
Verdunkelung des ganzen betroffenen Lungenfeldes führen kann. 


3. Niemals ist der der Pneumonie entsprechende Schatten ein homogener. Gewöhnlich 
ist die nach dem Mittelschatten hin liegende Partie die dunklere; es kommt aber auch gegen- 
teiliges Verhalten vor, wenn der Schatten breit, wie etwa ein Infarkt, der Thoraxwand aufsitzt. 
Dass ein intensiver Schatten einen ganzen Lappen okkupiert, ist die Ausnahme. Gewöhnlich 
finden sich im Lappen alle Übergänge auch bis zur normalen Helligkeit mit entsprechender 
Hiluszeichnung. Auch ohne Pleuritis exsudativa kann übrigens ein Unterlappenschatten so 
intensiv werden, dass er Zwerchfellkuppenstand und -bewegung nicht mehr erkennen lässt. 
Die Abgrenzung des Schattens ist bei der gewöhnlichen Durchleuchtungsart gewöhnlich keine 
scharfe, sondern eine wolkig unbestimmte. Die schärfsten Begrenzungen erhält man meist, 
wenn man den Lappengrenzen parallel durchleuchtet; damit ist dann auch der lobäre Charakter 
gekennzeichnet, ohne dass damit gesagt ist, dass der pneumonische Schatten der Ausdehnung 
des ganzen Lappens entsprechen muss. 


4. Die Schattenintensitäten können auch während des Ablaufs einer Pneumonie im 
selben Lappen wechseln. Manchmal sind dafür Exacerbationen des pneumonischen Prozesses, 
sog. Früh-Recidiv.-Ebstein, der Grund. Ich möchte kurz einen solchen Fall citieren: 


2. D., Mann, 35 J. Aufgenommen am dritten Tag nach dem Schüttelfrost. Rostbraunes Sputum, 
in welchem ebenso wie im Blut Pneumokokken nachgewiesen werden. Leucocyten 21600. Pneunomie des 
linken Unterlappens, intensive Dämpfung vom Angulus ab. Krise am sechsten Krankheitstag. 


Am Tage nach der Krise Plattenaufnahme und Durchleuchtung. Oberhalb der linken Zwerch- 
fellkuppe ein nach oben hin allmählich abnehmender wolkiger Schatten. Auch die rechte supradiaphrag- 
male Lungenpartie nicht so hell, als normal; starke Hiluszeichnung. Überhaupt geringe Zwerchfellexkur- 
sionen, starke Bronchitis. 


Fünf Tage darauf Solutionserscheinungen. Im linken unteren Lungenfelde noch leichter Schatten, 
geringe Zwerchfellexkursion. Keine Adhäsionen. Vier Tage später 2tiigiges Fieber (39°) unter erneutem 
Stechen in der linken Seite und Beförderung von mässigem, rein rostbraunem Auswurf, der schon über eine 
Woche sistiert hatte. Die Durchleuchtung ergiebt am Tage nach Abklingen des Fiebers weit inten- 
siveren Schatten, welcher die linke Zwerchfellkuppe nicht erkennen lässt. Irgend welche Zeichen eines 
Eirgusses bestehen nicht. Zwerehfellexkursionen rechts gering. — Neun Tage später kann er als geheilt 
entlassen werden. 


Das Gesamtmaterial, welches ich für die nun folgenden die Solution betreffenden 
Betrachtungen zur Verfügung habe, stellen 45, wenn angängig im inspiratorischen Stillstand, 
gewöhnlich in dorsoventraler Richtung aufgenommene Thoraxplatten von Pneumonikern dar und 
einige 50 Durchleuchtungen. Von diesen scheidet jedoch eine ganze Reihe aus, weil sich 


1. eine komplizierende exsudative Pleuritis (resp. Empyem) einstellte, 

2. es sich um sog. chronische Pneumonien, erheblich verzögerte Solutionen, Ausgang in 
bindegewebige Metamorphose (mit Bronchiectasenbildung) handelte, 

3. sich septische oder embolische Prozesse anschlossen oder von vornherein der Grund der 
(nicht croupösen) Pneumonie waren, 

4. zwei Fälle ad exitum kamen. 


Somit bleiben 13 Platten und 18 Durchleuchtungen bei sieben geheilten Pneumonikern. 
Ferner sollen noch 2 Platten und Durchleuchtungen Verwendung finden von einem Pneumo- 
niker, bei dem sich unter besonderen Verhältnissen ein Empyem entwickelte, ferner 7 Platten 
und Durchleuchtungen von zwei Patienten, bei denen sich an die Pneumonie ‘eine Tuberkulose 
anschloss. 


Was lehrt uns die radiolog. Untersuchung über die Lösungsvorgänge bei der croupösen Pneumonie? 327 


Ich lasse zunächst das kasuistische Material folgen: 


3. N., W., 51 J. Aufgenommen am fünften Tag nach dem Schüttelfrost. Leucocyten 13000. 
Gelblicher Auswurf. Temperatur 40,2. Perkussorisch rechts im Bereich der Spin. scap. Dämpfung mit 
tympanit. Beiklang. Auskultator oberhalb der Spin. verschärftes Atmen, rechts in der Achselhöhle pleu- 
ritisches Reiben; in der Ausdehnung der fossa infraspinata Bronchialatmen mit zahlreichsten Rassel- 
geräuschen. | 

Krise am siebenten Tag. Am selben Tage erste Plattenaufnahme und Durchleuchtung: Faust- 
grosser Schatten in der Mitte des rechten Lungenfeldes (bei dorsoventraler Durchleuchtung), der nicht 
mit dem Hilus zusammenhängt, sondern der Thoraxwand breit aufsitzt. Der Schatten hebt sich nicht 
beim Schluckakt, verändert sich nicht bei Lagewechsel, setzt sich wolkig unscharf gegen die Umgebung 
ab. Rechtes Zwerchfell minder beweglich, als das linke. Die untersten Teile beider Lungenfelder mässig 
verdunkelt. — Mittlerer linker Bogen der Herzsilhouette vorragend. 

Drei Tage später: Schatten viel heller, kleiner; immer noch mit breiter Basis der Thoraxwand 
aufsitzend. Auch die übrigen Lungenpartien nicht normal hell. Vorbuchtung des mittleren linken Herz- 
schattenbogens verschwunden. Sputum sehr reichlich, bronchitisch. 

Dritte Platte und Durchleuchtung eine Woche nach der Krise: Leichter flockiger Schatten an 
derselben Stelle von geringerer Ausdehnung. Übrige Lungenfelder o. B. 

Vierte Platte u. s. w. vier Wochen nach der Krise, wo Patient mit 7 Pfund Körpergewichtszu- 
nahme, 10 Tage ausser Bett, völlig wohl, ohne jeden perkussorischen und auskultatorischen pathologischen 
Befund geheilt entlassen wurde: 

Noch immer an der nämlichen Stelle ein leichter, aber zweifelloser, flockiger Schatten von gleicher 
Gestalt und Ausdehnung, wie auf der dritten Platte. — 


4. K., M., 35 J. Genuine Pneumonie, Bakteriimie. Sputum: rostbraun, Aufgenommen am 
fünften Tag nach dem Schüttelfrost. Leucocyten: 27600. Typische Pneumonie des linken Unterlappens, 
Fieberabfall lytisch; am 10. Tage wurden unter Schweissausbruch normale Temperaturen erreicht. 

Fünf Tage nach dem Erreichen der Normaltemperatur: erste Röntgendurchleuchtung und Platten- 
aufnahme (nur noch geringe Dämpfung, wenig Reiben, schon vesikuläres Atmen): diffuser, flockiger, der 
linken Zwerchfellkuppe aufsitzender, schlecht nach oben sich abgegrenzter Konglomeratschatten. Der 
linke Herzschattenrand zeigt sich winkelig abgeknickt, das linke Zwerchfell steht hoch. 

18 Tage nach dem Erreichen der Normaltemperatur wird Patient, der ausser einer mässigen 
Minderverschieblichkeit des linken unteren Lungenrandes kein objektives und ausser anfallsweise auf- 
tretenden schmerzhaften Sensationen in der Herzgegend beim tiefen Atemholen kein subjektives patho- 
logisches Symptom mehr hat, geheilt entlassen. An diesem Tage zweite Plattenaufnahme: zeigt noch 
deutlichen diffusen Schatten auf dem hellen Magengrund. Die Zacke am linken Ventrikelrand noch 
prononzierter. | 

Vier Monate später zwei Plattenaufnahmen (dorsoventral und ventrodorsal): vom Schatten 
ist nichts mehr sichtbar; hingegen verbindet ein (bei der dorsoventralen Durchleuchtung) ca. !/, cm breites 
Schattenband jene schon früher erwähnte Abknickung am Herzschattenrand mit der Spitze einer winkligen 
Abknickung an der linken Zwerchfellkuppe (Adbäsion zwischen linker Pleura diaphragm. und Herz- 
beutel). — Jene (s. 0.) Sensationen beim tiefen Atmen bestanden noch. — 


5. H., M., 15 J. Pneumonie d. L. U. L., vielleicht auch Herd im R. U. L. Leucocyten: 30000. 
Sputum: rostbraun, enthält Pneumokokken. Krise am fünften Tag. Pericarditis. 

Zwei Wochen nach der Krise geheilt entlassen. Es fand sich perkussorisch noch eine geringe 
Schallabschwächung links, radiographisch: links minderbewegliches Zwerchfell, ganz geringer, nicht be- 
grenzbarer Schatten. — 


6. Z., M., 22 J. Genuine Pneumonie der L. U. L.; Herd im R. U. L. Aufgenommen einen Tag 
nach dem initialen Schüttelfrost. Leucocyten: 19800. Krise am siebenten Tage. 

16 Tage nach der Krise geheilt entlassen; Es fand sich noch perkussorisch etwas verkürzter 
Schall und abgeschwächtes Atmen über der linken Seite, 14 Pfund Gewichtszunahme. 

Platte und Durchleuchtung zeigten am Entlassungstage: Zwerchfellkuppen beiderseits gut be- 
weglich. Das linke Lungenfeld mit Ausnahme der obersten Partien noch deutlich gegen rechts, diffus 
verdunkelt. — 


7. Str., M., 45 J. Pneumonie d. R. U. L. Sputum rostbraun, enthält Pneumokokken, am zweiten 
Tage nach der Aufnahme Krise. 

Am Tage vor der Krise Durchleuchtung: In dem unteren Lungenfeld nach oben schlecht be- 
grenzter, unten intensiver Schatten. 

Durchleuchtung zwei Tage nach der Krise: Obere Partien des Schattens deutlich aufgehellt. 

Sechs Tage nach der Krise Plattenaufnahme und Durchleuchtung, als perkussorisch und aus- 


398 de da Camp. 


kultatorisch kaum noch ein pathologischer Befund vorlag: Uber faustgrosser intensiver Schatten, welcher 
mit der Gwerchfellkuppe und der seitlichen Thoraxwand in Berührung steht, nach oben hin sich scharf 
konvex abgrenzt, mit dem Hilusschatten nicht zusammentliesst und zwischen sich und Herzschatten ein 
dreieckiges Stück helles Lungenfeld frei lässt. — 

S. J., M., 64 J. Aufgenommen 10. Tax nach dem Schüttelfrost. Leucocyten: 19200. Genuine 


Pneumonie des R. O. L. Rein rostbraunes Sputum. 
Am 13. Tage Pscudokrise, rostbraunes Sputum und Schallabschwächung über den r. M. L. Am 


17. Tage lytisch entfiebert. — Am 31. Tage kann noch Zurückbleiben der rechten Seite und geringe Schall- 
abschwächung konstatiert werden. Am selben Tage wird er (16 Tage völlig fieberfrei) mit 10 Pfund 
Körpergewichtszunahme geheilt entlassen. Bei der Durchleuchtung wird noch ein deutlicher Schatten in 
den äusseren Partien des rechten Lungenfeldes konstatiert. Die Platte zeigt ihn der äusseren Thoraxwand 


breitbasig aufsitzend. 
14 Tage später wird eine zweite Plattenaufnahme gemacht: Dieselbe zeigt den erwähnten Schatten 


viel schwächer gezeichnet und undeutlich konturiert, aber sicher vorhanden. Die Hiluszeichnung ist 
rechts im ganzen Lungenfeld stärker und weitgehender vorhanden. 

Sechs Wochen später dritte Plattenaufnahme: Helligkeitsditferenz zwischen rechts und links 
noch vorhanden, vielleicht diffuser. Patient ist sonst wohl, ohne Beschwerden und sonstigen pathologischen 
Befund. — 

9. G, M, 42 J. Genuine Pneumonie der R. U. L. Leucoeyten: 22000. Sputum rostbraun. Auf- 


genonmen am 10. Krankheitstag, Am 14. Tage Krise. 

Am Tage vor der Krise Plattenaufnahme (ventro dorsal), rechts unten intensiver, nach oben nicht 
scharf abgesetzter, von der Wirbelsäule nach den seitlichen Partien zu abfallender Schatten. 

Zwei Wochen nach der Krise Durchleuchtung: Rechtes Lungenfeld dunkler, als linkes; unten 
ein ca. handbreiter, dunkler, nach oben schlecht begrenzter Schatten. Zwerchfell gut verschieblich. 

Fünf Tage später: Rechtes Lungenfeld aufgehellt, kaum noch dunkler als linkes. Dem ent- 
spricht eine fast völlige Aufhellung der perkussorischen Dämpfung. — Mit 10 Pfund Zunahme zwei Wochen 


darauf geheilt entlassen. 


Wollen wir aus diesen kurzen Berichten, welche ja keineswegs die Demonstration der 
betreffenden Röntgenbilder ersetzen können und wollen, einige Schlussfolgerungen ziehen, so 


wären es etwa folgende'): 

Wo immer bei echter croupöser (lobärer) Pneumonie perkussorische und auskultatorische 
Befunde erhoben werden konnten, fehlten entsprechende radiologische auch nicht. 

Aber auch wenn im Verlaufe der Rekonvaleszenz (bei der Entlassung als „geheilt“) 
sonstige Zeichen einer noch nicht wieder normalen physikalischen Lungenbeschaffenheit ge- 
schwunden waren, konnte radiologisch noch einiges nachgewiesen werden. 

Es handelte sich dabei nicht um im Centrum verzögerte Solution, um centrale Ex- 
sudatresiduen, sondern meist um Schatten an der Thoraxfliiche, welche an sich auch einem 
perkussorischen Nachweis zugänglich sein mussten, und zwar bei Fällen, welche klinisch als 
gewöhnlicher Typus der croupésen Pneumonie verliefen. 

Nach meinen geringen Erfahrungen scheint das Geschlecht keinen Unterschied zu 
machen, hingegen das Alter. Ein Beispiel bietet der Fall 6 eines 64 jährigen Mannes. Wie 
überhaupt im Alter, dann aber bier durch nachträgliehes Befallenwerden der R. M. L. ver- 
zögert sich der Verlauf, ohne dass es späterhin gerade zu dem kommt, was man verzögerte 
der Entlassung ist noch perkussorisch einiges zu erfahren, acht Wochen 
kaum, und trotzdem Wisst hier die radiologische Untersuchung noch 


Solution nennt. Bei 
nach der Entlassung 


mancherlei erkennen. 
Wenn solche Befunde, welche die nicht totale restitutio ad integrum in physikalischer 


Beziehung besagen, in grösserer Zahl und längerer Beobachtungsdauer vorliegen werden, so 
werden sich vielleicht einige Verhältnisse, welche die Neigung von Pneumonikern späterhin 
wieder und zwar im niimlichen Lappen zu erkranken, besser verstehen lassen. — Dass das 


1) Etwas ausführlichere Krankheitsberiehte und Schattenbeschreibungen wird demnächst eine 


Inaugural-Dissertation von Chaikis bringen. 


i 


Was lehrt uns die radiolog. Untersuchung über die Lösungsvorgänge bei der croupösen Pneumonie? 329 


Lungenparenchym sich in unserem Sinne restituieren kann, auch wenn es zu lokalen Ver- 

wachsungen an Herzbeutel und‘ Pleura gekommen ist, zeigt Fall 2, bei dem vier Monate nach 

der Entlassung jene Verwachsungen wohl sichtbar, Schatten aber geschwunden waren. 
Experimentell die vorliegenden Verhältnisse aufzuklären, habe ich aus folgenden 


' Gründen unterlassen. 


Die Pneumonie bei Hunden und auch die sog. croupöse, durch Einbringen von 
Pneumococcen in die Jugularis bei Meerschweinchen erzeugte Pneumonie ist nicht der mensch- 
lichen physikalisch direkt vergleichbar. 

An der menschlichen, secierten Lunge Studien zu machen, etwa wie Fr. Müller 
gleich grosse Würfel der hepatisierten Lunge der Autolyse zu überlassen und nachdem mit 
gleich grossen Stücken lufthaltiger, normaler Lunge radiologisch zu vergleichen, konnte keine 
eindeutigen Aufklärungen bringen, weil die vitalen Luft- und Blutfüllungsverhältnisse fehlen- 

Ich glaube, dass hier nur ein sorgfältig und kritisch gesammeltes kasuistisches Material 
weiterhin ein besseres Verständnis der Dauer der sog. Solution bringen wird. Höchstwahr- 
scheinlich werden sich dabei alle, ja auch sonst klinisch bekannten Übergänge zu dem, was 
man verzögerte Solution und schliesslich subchronische und chronische Pneumonie nennt, finden 
lassen. Dass dabei alle Fälle mit irgend welchen Komplikationen, speziell der Pleuritis exsudat. 
ausgeschlossen werden müssen, soll nur nochmals erwähnt werden. 

Bevor ich schliesse, möchte ich noch dreier Fälle Erwähnung thun, welche als reine 
croupöse Pneumonien beginnend, kompliziert verliefen, aber zu der vorliegenden Solutionsfrage 
einiges besondere beitragen. 


10. R., M., 48 J. Aufnahme am fünften Krankheitstag nach dem Schiittelfrost. Krise am 
siebenten Krankheitstag. Typische Pneumonie des R. U. L. 

Erste Platte und Durchleuchtung am Tage der Krise: In der Mitte des rechten Lungenfeldes 
zeigt sich ein von den wolkig vergrösserten Hilusdrüsenschatten nach der Thoraxwand hinüberziehendes 
etwa drei Finger breites nach unten scharf konvex nach oben hin diffuses Schattenband. In ihm sind noch 
etwa wallnussgrosse, besonders tiefe Schattenpartien erkennbar. Nach unten hin folgt dann eine Partie 
fast normal helles Lungenfeld; das Zwerchfeld wird aber von einem oben durchaus horizontal verlaufen- 
den Schatten verdeckt, dessen oberer Kontur sich wie zerzupfte Watte präsentiert. Zu ihm schräg zieht 
sich vom Hilus ein fingerbreites Schattenband. Es ist also, um dies noch einmal hervorzuheben, zwischen 
dem Schatten im Lungenfeld und dem supradiaphragmalen Schatten wohl zu unterscheiden. Beide sind 
nur durch eine schräge Schattenbrücke verbunden. Der mittlere Bogen des linken Herzschattenrandes 
vorgebauscht. — Sechs Tage darauf wird ein Exsudat rechts unten nachweisbar. Es schliesst sich ein 
geringes remittierendes (zwischen 37 und 38°) Fieber an. 

Eine Woche darauf wird die Punktion des bis zum achten Brustwirbel reichenden Exsudats in 
der hinteren Axillarlinie vorgenommen. 

Vordem zweite Plattenaufnahme: Der supradiaphragmale Schatten, der übrigens, wie bei der 


ersten Durchleuchtung geringe respiratorische Verschieblichkeit zeigte, besteht annähernd in derselben 


Form und Intensität fort. Der Schatten im mittleren Lungenfeld hingegen hat sich in zarte wolkige 
Schatten aufgelöst; das ganze Lungenfeld ist in seinen schattenlosen Partien etwas dunkler als das linke. 

Die Punktion ergiebt dünnen Eiter, 17 Tage darauf muss noch einmal punktiert werden. 
(Temperatur gering). Drei Wochen später kann er mit einer geringen zwei Finger breiten Dämpfung, 
R. H. U., geheilt entlassen werden. | 


Die Bilder demonstrieren mithin deutlich frühzeitig getrennt die pneumonischen und 
pleuritischen Schatten, ferner die Solution des pneumonischen Exsudats bei bestehenbleibendem 
pleuritischen. 


Die beiden letzten Fälle betreffen zwei Patienten, welche im Anschluss an eine Pneu- 
monie die Zeichen manifester Tuberkulose boten. 


11. M., weibl., 30 J. Angeblich drei Wochen krank. Am Tage vor der Aufnahme ausserordent- 
lich heftiger Schüttelfrost. Leucocyten 23200. Spärliches, eitrig schleimiges Sputum. Starke linksseitige 
Bruststiche. — Kontinua um 40°. Über dem linken Unterlappen mässige Dämpfung mit tympanitischem 
Beiklang, welche in der Axillargegend am intensivsten ist. Pektoralfremitus dort gesteigert. Auskulta- 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 42 


330 de la Camp. 


torisch in einem Fünfmarkstück grossen Bezirk in der Mitte des l. U. L. zwischen hinterer und mittlerer 
Axillarlinie Bronchialatmen, spärliches Knistern und pleuritisches Reiben. Im Sputum Reinkulturen von 
Tuberkel-Bazillen. Am vierten Tage nach dem Schüttelfrost Pseudokrise. Am siebenten Tage echte Krise 
unter Schweissausbruch mit Heruntergehen von Puls und Atmung. Seitdem fieberfrei. 

Erste Plattenaufnahme u. s. w. am dritten Tage nach dem Schüttelfrost: In der Mitte des linken 
Lungenfeldes ist ein keilförmiger, mit der Basis der Thoraxwand aufsitzender Schatten sichtbar, welcher 
mit seiner Spitze nicht ganz den Hilus erreicht. Starke Hiluszeichnung. Linke respiratorische Zwerch- 
fellbewegung geringer als rechts. Keine Zeichen einer Exsudatbildung, keine sonstigen pathologischen 
Schatten in den Lungenfeldern. — Ausbuchtung des mittleren linken Schattenbogens des Herzens. 

Zweite Platte am Tage der Krise: Der Schatten ist viel lichter, schlechter gegen die Umgebung 
abgesetzt, hat sich aber verbreitert, so dass er als Schleier auch die Zwerchfellkuppe bedeckt. Die grösste 
Tiefe hat er immerhin in den supradiaphragmalen Partien. — Mittlerer linker Herzschattenbogen minder 
prononziert. 

Dritte Platte eine Woche später. Bei der fieberfreien Patientin sind im spärlichen Auswurf nur 
mit Mühe einige Tuberkel-Bazillen nachzuweisen. — Der Schatten ist noch lichter geworden, deckt ausser 
dem oberen Lungenfeld die ganze linke Seite als leichter Schleier; die Hiluszeichnung ist beiderseits 
abnorm stark ausgebildet; daneben finden sich im rechten Lungenfeld spärlich, im linken etwas reichlicher 
nicht über erbsengrosse zarte runde pathologische Schatten, welche dem ganzen Bilde ein marmoriertes 
Aussehen verleihen. 

Einen Monat später wird Patientin (hin und wieder ganz leichte abendliche Temperatursteige- 
rungen) mit einer leichten Verkürzung des Schattens in der linken Fossa supraspinata und abgeschw. 
Atmen, mit 4 Pfund Körpergewichtszunahme geheilt, resp. gebessert entlassen. — 


R., M., 31 J. Seit dem 12. Lebensjahre an heftigen Asthmaanfällen leidend. 1894 Lungen- 
entzündung. In den asthmafreien Zeiten völlig wohl. Jetzt seit vier Jahren kein Anfall mehr. — Acht 
Tage vor der Aufnahme plötzlich Schüttelfrost, Stechen in der rechten Seite, später rostbrauner Auswurf. 
Bei der Aufnahme Zeichen pneumonischer Infiltration der R. M. L. (Dämpfung, Knisterrasseln, pleuri- 
tisches Reiben, rostbraunes Sputum). Temperatur 37,3. 

Am neunten Tage nach dem Schüttelfrost, zweiten Tage nach der Aufnahme, erste Platten- 
aufnahme u. s. w.: In der Mitte des rechten Lungenfeldes ein ca. drei Finger breites queres Schattenband, 
welches nach oben hin wolkig begrenzt, nach unten hin gegen die Zwerchfellkuppe medialwärts einen 
fingerbreiten Schattenzapfen aussendet. Zwerchfell rechts weniger beweglich. Oberes Lungenfeld minder 
hell wie links. Mittlerer Bogen des linken Herzschattenrandes vorragend. 

Fünf Tage darauf zweite Röntgenuntersuchung (Plattenaufnahme) des fieberfreien Patienten. Der 
Schatten vor allem in seinen seitlichen Partien lichter. Die Form ist eine schlankere, mehr gebogene 
(nach unten konvexe) geworden. Jener Schattenzapfen hat sich in mehrere Schattenstreifen aufgelöst, 
lässt sich bis zur Hilusgegend durch jenen anderen queren Schatten hindurch verfolgen. Hiluszeichnung 
besonders deutlich im übrigen, auch links. Der linke Herzschattenrand jetzt annähernd normal kon- 
figuriert. — Im rechten oberen Lungenfeld einzelne kleine pathologische Schatten. 

Fünf Tage später: In der Form ist jener pathologische Hauptschatten derselbe geblieben, aber 
viel wenig hervortretend und in seiner Innenzeichnung wolkiger. Mehr kommen jetzt kleine Einzelschatten 
und starke Prononzierung der Hiluszeichnung in den oberen Lungenfeldern hervor. 

Fünf Tage später auf Tuberkulin-Injektion typische Reaktion, Fieber u. s. w. Am nächsten 
Tage wieder fieberfrei. | 

Vier Wochen nach der dritten Platte wird die vierte angefertigt: Über dem ganzen rechten 
Lungenfeld liegt ein leichter Schleier. Von irgend einer Formierung im Sinne des früheren Schattens 
(R. M. L.) ist nicht mehr die Rede. Hingegen tritt Hiluszeichnung und eine grobe Marmorierung in den 
oberen Lungenfeldern besonders brüsk hervor. 

Der Kranke wird mit den physikalischen Erscheinungen eines beiderseitigen Spitzenkatarrhs 
(immer fieberfrei) gebessert entlassen. 


Mag man über die Aetiologie der pneumonischen Erkrankung in den beiden letzten 
Fällen denken, wie man will; mag man sie als echte croupöse Pneumonien auffassen oder als sog. 
tuberkulöse Pneumonien, jedenfalls zeigt sich beide Male in klarster Weise, wie der anfänglich 
durchaus solitär sich präsentierende pneumonische Schatten an Intensität, Form und Innen- 
zeichnung sich verändert und verschwindet, um dann jene feineren Details der im Anschluss 
an die Pneumonie Ausbreitung gewinnenden Tuberkulose hervortreten zu lassen. Immerhin 
werden die einschlägigen Verhältnisse hiermit physikalisch verständlicher, als es mittels sub- 
tilster Perkussion und Auskultation möglich ist. 


Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Orthopädie. 331 


u 


Durch die vorliegenden Mitteilungen, welche zum mindesten beweisen, wie vorsichtig 
man in der Annahme einer physikalischen restitutio ad integrum nach abgelaufener Pneumonie 
sein muss, hoffe ich zur weiteren Beobachtung einschlägiger Verhältnisse die Anregung ge- 
geben zu haben. : 


Die Bedeutung der Röntgenstrahlen fiir die Orthopädie. 
Von 


Dr. Immelmann, Berlin. 


Da die Orthopädie diejenige Wissenschaft ist, welche es sich zur Aufgabe macht, die 
dauernde Abweichung eines Skeletteils von der normalen physiologischen Form und Stellung 
zu erkennen, zu beurteilen und zu behandeln, so erscheint die Behauptung berechtigt zu sein, 
dass die Röntgenstrahlen für diesen Zweig der Medizin ganz besonderen Wert haben. Wollten 
wir den letzteren in seinem ganzen Umfange einer: Besprechung unterziehen, so müssten wir fast 
alle orthopädischen Erkrankungen zur Betrachtung heranziehen, eine Aufgabe, die zu erfüllen 
nicht der Zweck dieser Zeilen sein kann. Sie sollen vielmehr im Rahmen der vorliegenden 
Festschrift nur ein Beweis mehr dafür sein, wie auch dieses Spezialfach seinen unendlichen 
Vorteil aus der Entdeckung der Röntgenstrahlen gezogen hat. 

Zuerst wollen wir die angeborenen und erworbenen Deformitäten betrachten, zu deren 
Beurteilung, sowohl in Bezug auf ihre Entstehung, wie auf ihre Behandlung, die Röntgenbilder 
von grossem Werte sind. Durch sie können wir die primären angeborenen Deformitäten leicht 
von den sekundären unterscheiden. | 

So sehen wir z. B. bei dem angeborenen Klumpfuss, dass es sich um einen Mangel 
des Os naviculare oder der Tibia, bei der Klumphand um einen solchen des Radius handelt, dass 
bei einer angeborenen Deformität der Wirbelsäule von einem Wirbelkérper die eine Hälfte 
ganz fehlt, oder dass eine überzählige, keilförmige Wirbelkörperhälfte an irgend einer Stelle 
eingeschaltet ist, ein Umstand, der häufig eine Scoliose zu Folge hat. Andererseits giebt uns 
das Bild Aufschluss darüber, ob die Deformität als intrauterine. Belastungsdeformität auf- 
zufassen ist (angeborene Verrenkungen, Klumpfüsse u. a. m.). Schliesslich können wir kon- 
statieren, ob der Fötus erkrankt war und so seine normale Widerstandsfähigkeit verloren hat. 

Die Erkrankung, die häufig zu Deformitäten führt, ist die fötale Rachitis, auf die wir 
später noch spezieller zu sprechen kommen. Besser noch wie bei den angeborenen Deformitäten 
können wir im Röntgenbilde die postfötal erworbenen Deformitäten studieren. Bei den trauma- 
tischen Deformitäten sehen wir als Grund eine Fraktur oder Luxation, z. B. dass eine Fraktur 
des Epicondylus externus oder internus humeri einen cubitus valgus oder varus, eine solche 
des Condylus externus oder internus femuris, oder des Tibiakopfes ein Genu valgum oder 
varum, und eine solche des Maleolus externus oder internus einen Klump- oder Plattfuss 
erzeugt hat, wenn nicht eine Luxation des Sprunggelenkes oder einzelner Gelenke und Knochen 
des Fussskelettes die Veranlassung hierzu ist. 

Als Ätiologie eines Schiefhalses finden wir eine Luxation der Halswirbelsäule — 
Weiterhin können wir die Veränderungen studieren, welche an solchen Knochen, die an der 
Bildung von Gelenken teilnehmen, unter dem Einfluss der Körperlast oder anderer äusserer 
Druck- oder Zugwirkung entstanden sind; die sogenannten extrauterinen Belastungsdeformitäten. 
Dank der Vervollkommnung unserer Röntgenapparate erhalten wir herrliche Strukturbilder 
und können, ebenso wie bei normalen Knochen, die den Gesetzen der Statik mathematisch ent- 


sprechende innere Architektur beobachten, so bei pathologischen konstatieren, dass sich auch 
42* 


332 Immelmann. 


hier diese Architektur den Gesetzen der Statik entsprechend regelt (Genu valgum, Ankylosen). 
Wir sehen, dass ein vermehrter Druck ein Kompakterwerden des Knochengewebes bedingt, dass 
eine Druckentlastung stets einen Schwund von Knochensubstanz zur Folge hat (lacunäre Atrophie). 

Auch die sogenannten vestimentären Belastungsdeformitäten, das heisst die Verunstaltungen 
des Skelettsystems durch die in unzweckmässiger Weise angelegten Bekleidungsgegenstände des 
Körpers hervorgerufenen Deformitäten (zu fest geschnürte Korsetts, schlechte Schuh und Stiefel — 
Chinesinnenfüsse -—), können wir tadellos im Röntgenbilde beobachten. 

Von den sogenannten statischen Belastungsdeformitäten eignen sich besonders diejenigen 
Fälle zur Röntgenuntersuchung, bei denen durch einseitiges, stärkeres Wachstum (Radius oder 
Tibia) eine Deformität (Klumpfuss oder Klumphand) entsteht. Handelt es sich hierbei um Be- 
lastungsdeformitäten gesunder Knochen, so können wir andrerseits auch bei solchen durch er- 
krankte Knochen hervorgerufenen Deformitäten den Sitz der Ursache (Tuberkulose, akute 
Osteomyelitis, Osteohalisteresis, Osteomalacie) leicht finden. 

Ich komme noch einmal auf die Rachitis zu sprechen, diejenige Erkrankung, welche 
durch mangelnde Kalksalzablagerung in den wachsenden Knochen diese zur Erfüllung ihrer 
Funktion unfähig macht; sie dokumentiert sich im Röntgenbilde als eine Mangelhaftigkeit der 
Knochenausbildung. Besonders charakteristisch sind die Veränderungen an den Epiphysen. Die 
sonst scharf begrenzte, schmale Epiphysenlinie erscheint im Röntgenbilde verbreitert und un- 
regelmässig, hervorgerufen dadurch, dass reichlich vorhandene Knorpelzellen an vielen Stellen 
tief in die Ossifikationslinie hineingreifen. Der gleiche Prozess an der periostalen Ossifikations- 
grenze führt zu einer Verdickung der Epiphysen. Auch die Verschiebungen, Abdrehungen und 
Abbiegungen an den Epiphysen, so wie etwaig vorhandene Infraktionen und Frakturen der 
Diaphysen präsentieren sich aufs deutlichste auf der Platte. 

Im Anschluss hieran wollen wir die Ankylosen erwähnen, das heisst diejenigen Zu- 
stände, in denen zwei oder mehrere, knöcherne Gelenkenden durch zwischen oder übergelagertes 
Gewebe unverschiebbar miteinander vereinigt sind (Hoffa). Ist dieses Gewebe, wie im Anfang 
immer, Bindegewebe, so erscheint die Gelenkspalte im Röntgenbilde normal, wird es durch | 
Knochen ersetzt, so verschwindet diese Spalte. Bei den durch überlagertes Gewebe entstandenen, 
sogenannten Knochenbrückenankylosen sehen wir den eigentlichen freien Gelenkraum überbrückt, 
von ausserhalb der Gelenkhöhle liegenden, und von einem Gelenkende zum andern führenden 
Knochenmassen (Synchondrosen, Syndesmosen, Kiefergelenke). Es bedarf kaum der Erwähnung, 
dass wir unser therapeutisches Handeln, welches wir zur Beseitigung der angeführten De- 
formitäten einschlagen, durch die Röntgenstrahlen kontrollieren können, in erster Linie die 
Operation am Skelettsystem. 

Aus der grossen Reihe der hierher gehörigen Erkrankungen will ich einige markante 
Krankheitsformen herausgreifen, um an der Hand dieser die Wichtigkeit hervorzuheben, welche 
die Röntgenstrahlen für die Orthopädie haben. 

Wir wollen zunächst die angeborenen Hüftgelenksluxationen besprechen. Von den 
zahlreich aufgestellten Theorien über ihre Entstehung gilt die von von Ammon vertretene jetzt 
für die wahrscheinlichste, zumal sie durch das Röntgenbild gestützt wird. Dieses zeigt uns, 
dass sich die Pfanne nicht zu einer Grube vertieft hat, sondern tellerartig geblieben ist, während 
der Schenkelhalskopf fast die dem Alter des Kindes entsprechende Grösse erkennen lässt. 
Weiter spricht für von Ammons Annahme, die häufige Erblichkeit der angeborenen Hüft- 
verrenkungen und die von Hoffa gefundene Thatsache, dass in einer grossen Anzahl von 
einseitigen Luxationen, auch Veränderungen im Hüftgelenk der gesunden Seite auf dem Röntgen- 
bilde sichtbar sind. Was nun die Diagnose der vorliegenden Erkrankung betrifft, so haben 
wir auch hierin seit Röntgen ganz bedeutende Fortschritte gemacht. Abgesehen davon, dass 
ein Übersehen jetzt vollständig ausgeschlossen ist, werden Verwechselungen mit Coxa vara und 
mit den Folgen einer früheren tuberkulösen Coxitis sicher vermieden. Ganz besonders ist das 
stereoskopische Röntgenbild imstande uns Aufschluss sowohl über die allgemeinen Tiefen- 


Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die Orthopädie. 333 


verhältnisse der Pfanne, wie über die Stellung des Kopfes zu dieser und dem Hüftbein zu 
geben. Man sieht auf ihm genau, ob der Schenkelkopf direkt nach oben luxiert, ob er bereits 
nach oben und aussen von der Pfanne getreten ist, ob er gar noch weiter hinauf gerückt und 
nach aussen von der Spina ilei ant. sup. steht. Auch die vierte Stellung, nämlich die des 
Kopfes auf dem Darmbein (die Luxatio iliaca) entgeht unsern Blicken nicht. Dem therapeu- 
tischen Handeln sind jetzt bestimmte Wege vorgezeichnet. Finden wir auf dem Röntgenbilde, 
dass jede Andeutung von Pfannenbildung fehlt, so werden wir von vornherein von einer un- 
blutigen Operation absehen. Wir schreiten vielmehr in diesem Falle zu der Hoffaschen 
blutigen Reposition des Schenkelkopfes in eine künstlich genügend vertiefte Pfanne. Was die 
Prognose dieser Operation betrifft, so hängt sie von der Bildung des oberen Femurendes ab. 
Wenn auch eine Herstellung absolut normaler Verhältnisse niemals zu erwarten ist, so wollen 
wir eine geringe Verkürzung des Beines und Beschränkung in der Beweglichkeit des neu ge- 
bildeten Gelenkes mit in den Kauf nehmen, gegenüber den Vorteilen für den Patienten. 
Finden wir die Pfanne angedeutet, so werden wir die unblutige Reposition versuchen. Haben 
wir uns nun zu einer blutigen oder unblutigen Operation entschlossen, so können wir durch 
das Röntgenbild die therapeutischen Massnahmen kontrollieren und uns davon überzeugen, 
ob die Einrenkung gelungen, oder ob wir uns mit einer blossen Reposition oder Transposition 
begnügen müssen. Ich selbst habe in meiner Röntgenpraxis sehr oft Gelegenheit, bei von den 
verschiedensten Operateuren ausgeführten Operationen tadellose Resultate zu sehen. 

Wır erwähnten oben, dass wir vor Verwechselung mit Coxa vara bewahrt bleiben, 
eine Krankheit, bei der das Röntgenverfahren ungemein viel zur Klärung beigetragen hat, mag 
es sich um die Coxa vara rhachitica, traumatica, adolescentium, oder um die bei malum senile 
coxae entstehende Form handeln. Verstehen wir doch unter Coxa vara eine pathologische 
Formveränderung des oberen Femurendes, welche dadurch charakterisiert ist, dass der Schenkel- 
halswinkel eine Verkleinerung erfährt. Die Diagnose stützt sich, einmal auf die typischen 
Klagen des Patienten (Schmerzen im Hüftgelenk, Hinken, und bei doppelseitiger Erkrankung 
der watschelnde Gang), sowie auf objektiven Befund: Atrophie der Muskulatur der Gesässgegend 
und des Oberschenkels, Beeinträchtigung der Abduktionsfähigkeit des Beines, und ganz besonders 
auf das Röntgenbild. Selbstverständlich hat nıan beim Anfertigen solcher Röntgenphotographien 
strikte die Forderung zu befolgen, dass die Lagerung der Extremitäten eine solche ist, dass 
sie den Verlauf des Schenkelhalses genau erkennen lässt. Die Anomalie wird der thatsächlichen 
Form entsprechend wiedergegeben, wenn wir die Aufnahme bei einwärts rotierten Oberschenkeln 
vornehmen. Meiner Meinung nach wird bei der Coxa vara bei kleinen Kindern fälschlich eine 
Fraktura colli femoris als Ursache angenommen, ich glaube, dass diese Annahme dadurch 
hervorgerufen wird, dass die etwas lateral verlagerte Epiphysenlinie als Frakturlinie ge- 
deutet wird. | 

Wenden wir uns nun der anderen Erkrankung, welche mit der Luxatio coxae congenita 
in differenzialdiagnostischer Beziehung in Frage kommt — der Coxitis tuberculosa — zu, so 
müssen wir konstatieren, dass diese schon in ihren allerersten Anfängen im Röntgenbilde zu 
erkennen ist. Während das Hüftgelenk der gesunden Seite scharfe Konturen erkennen lässt, 
erscheint das der kranken Seite unscharf. Je weiter die Erkrankung vorgeschritten ist, desto 
deutlicher sind die durch sie hervorgerufenen Knochenveränderungen zur Anschauung zu bringen. 
So sehen wir deutlich, ob es bergits im Gelenk zu Zerstörungen, zur Lösung der proximalen 
Epiphyse eventuell zur spontanen Luxation nach oben gekommen, und ob die Form des Kopfes 
verändert ist. In hervorragendem Masse können wir das Röntgenbild als Unterlage für unsere 
einzuschlagende Therapie benutzen. So besonders die Frage entscheiden, ob ausser der Ruhig- 
stellung des Gelenkes noch Einspritzungen mit Jodoformöl vorgenommen werden müssen. Auch 
die Entscheidung, wie lange eventuell der Stützapparat getragen werden muss, können wir von 
dem Röntgenbefund abhängig machen. Í 

Ähnlich wie bei der Coxitis tuberculosa verhält es sich mit der Spondylitis tuberculosa. 


334 Immelmann. 


Hier ist besonders die mit Necrose einhergehende Form für die Untersuchung mit Réntgen- 
strahlen geeignet. Auf einem mittels Albers-Schönbergscher Kompressionsblende herge- 
stellten Bilde ist meistens, bei seitlicher Durchleuchtung, die an der vorderen Fläche des 
erkrankten Wirbelkörpers vorhandene Einknickung sowie der Gibbus deutlich zu sehen; bei 
ventro dorsal Durchleuchtung die Frage zu entscheiden, ob der Seitenteil des Wirbel befallen 
und wie die Skoliose beschaffen ist. Aus der Zahl der betreffenden Dornfortsätze ist leicht auf 
die, der zu Grunde gegangenen Wirbel zu schliessen; je mehr die Teile vorn zusammengerückt 
sind, desto mehr weichen die Dornfortsätze auseinander. Ein gut gelungenes Röntgenbild 
beeinflusst unser therapeutisches Handeln in hohem Grade. Solange die Konsolidierung der 
Wirbelsäule noch nicht eingetreten ist, werden wir den Patienten die Horizontallage einnehmen 
lassen, ist sie eingetreten, die Behandlung mit einem portativen Apparat fortsetzen. Das 
Röntgenbild hat uns aber auch die Schädlichkeit des Calotschen gewaltsamen Redressements 
bewiesen. Man muss einmal die kolossalen Knochenlücken gesehen haben, die durch dies 
genannte Verfahren entstehen, um sich die Unmöglichkeit klar zu machen, dass diese durch 
neue Knochenmassen ausgefüllt werden könnten. 

Auch bei dem Malum vertebrale suboccipitale, der Krankheit, bei welcher die beiden 
oberen Halswirbelgelenke von der Tuberkulose befallen werden, wenden wir die Röntgenstrahlen 
in differentialdiagnostischer Beziehung an, um andere Erkrankungen, wie z. B. ein periostales 
Sarkom in der hinteren Gegend der Schädelbasis, oder traumatische Frakturen und Luxationen 
ausschliessen zu können. Eine ganz besonders praktische Bedeutung haben die Röntgenstrahlen 
für die Spondylitis traumatica gewonnen, namentlich in der Unfallheilkunde. Da diese Erkrankung 
durch ein mehr oder weniger heftiges, bisweilen nur sehr wenig ausgesprochenes Trauma, welches 
die Wirbelsäule direkt oder indirekt trifft, hervorgerufen ist, und die Symptome derartig ver- 
schieden sein können, so ist es nicht zu verwundern, dass die Verletzung so selten erkannt 
wird. So kommt es, dass derartige Unfallverletzte häufig für Simulanten gehalten werden, bis 
die Röntgenaufnahme eine Fraktur der Wirbelsäule nachweist. Auch in solchen Fällen, in 
denen es sich nur um eine Fraktur eines Prozessus transversus handelt, können wir jetzt leicht 
die Diagnose stellen. 

Was die Skoliose betrifft, so ist es klar, dass auch bei dieser häufigsten, orthopädischen 
Erkrankung, wie schon zum Teil erwähnt, die Röntgenstrahlen eine wichtige Rolle spielen. 
Hoffa war der Erste, welcher das Röntgenbild zum Messen der Skoliose benutzte; Joachims- 
thal photographiert ein quadratisches Fadennetz mit, und kann durch den Abstand des Pro- 
zessus spinosi von den vertikalen Fäden die seitlichen Abweichungen der Wirbelsäule erkennen. 
Peter Bade benutzt den Orthodiagraphen, um den genauen Umriss des Skoliotikers, das 
Taillendreieck, den Hochstand der Schulter, die Deviation nach der Seite und die wahre Seiten- 
abweichung der Wirbelsäule nach einer Ebene, bei seitlicher Durchleuchtung die wahren Niveau- 
differenzen und die anteroposterioren Krümmungen aufzuzeichnen. Durch dieses Verfahren sind 
wir in den Stand gesetzt unsere therapeutischen Massnahmen zu kontrollieren. Ganz besonders 
die Frage zu entscheiden, in welchen Fällen wir von den Redressions- Übungen Besserung er- 
warten können. Bade hat Skoliotiker durchleuchtet, während sie Redressions-Übungen machten, 
und dabei gefunden, dass in sehr vielen Fällen von einem Selbstredressement der Skoliose nicht 
im entferntesten die Rede sein kann. Wenn die Skoliose einigermassen hochgradig war, so 
sah er, dass sich oberhalb und unterhalb der skoliotischen Wirbelsäulenverbiegung die noch 
beweglichen Teile der Wirbelsäule verschieben, dass dagegen die eigentliche Verkrümmung sich 
gar nicht verändert. Nur in ganz leichten Fällen von Skoliose, bei denen eben erst in Vor- 
beugestellung eine leichte Niveaudifferenz am Rücken und ein geringes Abweichen der Prozessus 
spinosi-Reihe von der Mittellinie bemerkbar war, konnte er mit Sicherheit auf dem Durch- 
leuchtungsschirm die korrigierende Wirkung der Redressions-Übungen erkennen. Bade hat 
auch den Wert der portativen Apparate kontrolliert, derart, dass er Skoliotiker im Hessingschen 
und anderen Korsetten durchleuchtet hat und nachweisen können, dass die Korrektur der Wirbel- 


Zu den röntgologischen Untersuchungsmethoden in der inneren Medizin. 335 


säule nur eine ganz minimale ist. Bessere Resultate konnte er bei radikalem Verfahren des 
modellierenden, forcierenden Redressements der Skoliose nachweisen. Er konnte auf dem 
Röntgenbilde aus dem grösseren Klaffen der Wirbelkörper schliessen, dass die Intervertebral- 
scheiben und die Bänder durch die Extension eine grosse Dehnung erfahren, und dass an der 
konkaven Seite, wo die Intervertebralscheiben durch den Druck komprimiert und atrophisch 
geworden sind, sich infolge der funktionellen, durch den übermässigen Zug bedingten Reizes, 
eine Hyperplasie der Intervertebralscheiben herausbildete. So hat er die allmähliche Rückbildung 
der abnormen, abgeschrägten Wirbelkörper zu annähernd normal gestellten, sowie den Rückgang 
der Torsion der einzelnen Wirbelkörper beobachtet und festgestellt. Durch Thoraxaufnahmen 
vor und nach dem Redressement hat er nachgewiesen, dass die Thoraxorgane (Lunge, Herz, 
Aorta und Zwerchfell) unter viel günstigere Bedingungen gesetzt werden. 

Was nun zum Schluss die Deformitäten der unteren Extremitäten (das X- und O-Bein) 
betrifft, so hat das Röntgenbild sowohl in bezug auf die pathologische Anatomie, wie für die 
Therapie grosse Bedeutung. Dasselbe beweist, dass v. Mikulicz mit seiner schon 1879 auf- 
gestellten Theorie recht hat. Diese lautet: „Das Genu valgum ist eine Verkrümmung, welche 
in den benachbarten Enden der Diaphyse des Femur und der Tibia ihren Sitz hat und teils 
in einem ungleichen Wachstum an der Epiphysengrenze, teils in einer abnormen Krümmung 
des ganzen Diaphysenendes ihren Grund hat. Die Epiphyse ist nicht wesentlich beteiligt.“ Es 
würde zu weit führen, auf die Theorien anderer Forscher hier näher einzugehen. Was die 
Behandlung betrifft, so wird auch hier das Röntgenbild für eine event. notwendige Operation 
von grossem Werte sein. Die Entscheidung, ob wir zur. supracondylären, linearen Osteotomie 
nach Marceven, oder zur Schedeschen Osteotomie an der Tibia und Fibula schreiten, wird 
uns jetzt leichter gemacht. — Eine getrennte Besprechung des Genu varum, sowie der Defor- 
mitäten des Unterschenkels erübrigt sich. Auch dass die Behandlung der Deformitäten des 
Fusses aus der Röntgenschen Entdeckung ihre grossen Vorteile gezogen hat, brauche ich nach 
dem bisher Gesagten nicht erst noch zu betonen. 

Meine kurze Betrachtung will ich nicht schliessen, ohne auch vom Standpunkt des 
Orthopäden der Freude darüber Ausdruck zu geben, dass wir in dem Besitz dieses wertvollen 
Mittels sind. 


Zu den röntgologischen Untersuchungsmethoden in der inneren Medizin. 
Von 
Dr. Max Levy-Dorn, Berlin. 


Es ist schwer zu sagen, ob für die Diagnostik der inneren Krankheiten mittelst Röntgen- 
strahlen der photographischen Platte oder dem Fluorescenzschirm ein grösserer Wert zugemessen 
werden muss. Ohne Zweifel giebt die Platte in nicht wenigen Fällen, ganz besonders vom 
Abdomen und Kopf allein brauchbare Bilder; aber abgesehen von ihrer Kostspieligkeit, lässt sie 
uns immer lange warten, ehe sie ihre Geheimnisse ausplaudert. Ob wir einen Patienten richtig 
oder falsch gelagert, erfahren wir bei dem photographischen Verfahren erst verdriesslich spät. 
Auf einen etwa wünschenswerten Gebrauch vieler Projektionen müssen wir oft aus ökonomischen 
Gründen verzichten; ausserdem hat die Expositionszeit noch nicht die Kürze erreicht, um alle 
bewegten Organe in ihren einzelnen Bewegungsphasen fixieren zu können. Für das Abdomen 
verursacht schon die Atemstillstandsaufnahme ohne Verstärkungsschirm nicht selten unüber- 
windliche Schwierigkeiten; bei den Brustaufnahmen vermögen wir nicht das Herz in einem 
bestimmten Stadium der Diastole oder Systole genau aufzunehmen. Der Schirm dagegen giebt 
seine Nachrichten so billig und schnell, dass wir olıne Bedenken alle erforderlichen Projektionen 


336 Levy-Dorn. 


mit ihm auffangen und die Bewegungen der Organe leicht studieren können. Er zeichnet jedoch 
nicht alles so deutlich wie die Platte und stellt grössere Ansprüche an den Geist wie Körper 
des Untersuchers. Dieser muss schnell das flüchtig Geschehene erfassen, kommt dabei in die 
Bahn der Röntgenstrahlen und giebt sich so leicht ihren schädlichen Einflüssen preis. Nicht, 
wie man gewöhnlich sagt, das Plattenverfahren, sondern das Schirmverfahren stellt erhebliche 
höhere Anforderungen an den Untersucher, die richtige Ausübung dabei natürlich vorausgesetzt. 

Auch trifft heute der Satz nicht mehr zu, dass die Arbeit mit dem Schirm eine ein- 
fachere Technik beansprucht als diejenige mit der Platte. Es sei nur an die besonderen Blenden- 
und Schutz-Apparate, den Untersuchungstisch, den Orthodiagraphen erinnert, die zu einer modernen 
Einrichtung für Durchleuchtungszwecke gehören. Die Technik ist seit Entdeckung der Röntgen- 
strahlen verwickelter geworden, führt aber zu besseren und sichereren Ergebnissen als früher; 
ein Beweis, dass die Entwickelung der Technik im grossen und ganzen wenigstens den rechten 
Weg wandelt. 

Der Umstand, dass das Auge sich der Dunkelheit gut angepasst haben muss, erschwert 
allerdings am meisten am Tage genauere Untersuchungen mit Hilfe des Fluorescenzlichtes. Falls 
es angeht, verlege man diese daher auf die Abendstunden. Der Gebrauch des Kryptoskops 
sollte auf das geringste Mass beschränkt werden, da ohne Adaptation der Augen an die Dunkel- 
heit nur grobe Aufgaben mit Hilfe des Schirms gelöst werden können. 

Während wir auf der photographischen Platte nur Bilder erhalten können, die von den 
sich im Fokus der Röntgenröhre schneidenden Strahlen entworfen werden (centrale Projektionen), 
so gelingt es mit Hilfe des Schirms auch parallele und zum Schirm senkrechte Projektionen 
anzufertigen (Parallelo- und Orthoskopie). 

Auf die Lage des Schirmes während der Untersuchung wird im allgemeinen noch zu 
wenig geachtet. Man neigt dazu, denselben so zu halten, dass man das Röntgenbild am besten 
sieht. Die Dunkelheit verbirgt die eigentümlichen Stellungen, welche man, in dem an sich 
gerechtfertigten Streben nach Deutlichkeit, dem Schirm giebt. 

Das Arbeiten im Hellen bei der Radiographie, der Zwang, den Platten eine ebene Unter- 
lage zu geben, hat aber Stellungsnormen geschaffen, die man auch bei der Radioskopie berück- 
sichtigen muss, falls man centrale Projektionen anwenden will. 

Als Leitstern für alle Aufnahmen sollte uns immer vorschweben, nicht allein einen 
irgend beliebigen Ausdruck eines Objektes zu erhalten, sondern auch zugleich brauchbare An- 
haltspunkte für seine Gestalt und Lage zu gewinnen; dies ıst aber nur möglich, wenn die 
gegenseitige Lage am Schirm, Körper und Rohr zueinander genau wie beim Plattenverfahren 
bestimmt sind. Aus der unendlichen Zahl von möglichen Stellungen hat die radiographische 
Praxis einige übersichtliche herausgegriffen. 

Ein wesentlicher Vorzug des Schirmes vor dem Plattenverfahren besteht darin, dass 
wir uns nicht ängstlich an wenige Projektionen zu binden brauchen, die uns mancherlei, was 
die Röntgenstrahlen zeigen können, noch verheimlichen. So kann z. B. ein Lungenherd, der 
sich hinter dem Herzen nicht weit von seinem Rande befindet, in den gewöhnlich benutzten 
sagittalen Strahlen-Richtungen dem Auge entgehen, bei geeigneter schräger Durchstrahlung 
aber getrennt vom Herzschatten auf den Schirm projiziert werden. 

Da die Schatten um so undeutlicher werden, je weiter ihre Objekte von der Bildfläche 
entfernt liegen, so entsteht ein weiterer Grund, die Aufnahmebedingungen nach Möglichkeit zu 
variieren. Insbesondere für die Schirmuntersuchungen fällt dieser Umstand ins Gewicht, da ja 
das Fluorescenzbild weniger Details bringt als die Platte. 

Der Wunsch nach Vollständigkeit wird nicht allein durch die Notwendigkeit, die Unter- 
suchungsdauer in gewissen Grenzen zu halten, sondern auch durch die Unmöglichkeit, sich in 
allen Projektionsrichtungen gut zurechtfinden zu können, einigermassen gedämpft. Gleichwohl 
halte ich es für verfehlt, sich auf wenige typische Röntgenbilder bei den Untersuchungen be- 
schränken zu wollen. Vielmehr wird derjenige Vollkommeneres leisten, der möglichst viele 


Zu den röntgologischen Untersuchungsmethoden in der inneren Medizin. 337 


derselben kennt und zu deuten weiss. Es ist aber natürlich besser, wenige gut studiert, als 
eine grosse Zahl oberflächlich begriffen zu haben. 

Je mehr Projektionen bei der Diagnostik einer Körpergegend in Anwendung gezogen 
werden, desto dringender muss eine methodische Reihenfolge derselben gefordert werden, damit 
man sich leicht zurechtfinde und nichts Wesentliches auslasse. Als Beispiel diene der Gang 
der Untersuchung bei dem wichtigsten Teil der Diagnostik mit dem Schirm; nämlich derjenigen 
der Brust, welchen Untersuchungsgang ich kurz so darstellen will, wie ich ihn empfehlen möchte. 


Bei stehenden Patienten stelle man das Rohr 


I. in Höhe der Thoraxmitte. 
a) hinter dem Rücken, 
1. gegenüber der Wirbelsäule, 
2. er „ linken Seite, 
3. a „ rechten Seite. 
b) hinter die Vorderseite, 
1. gegenüber der Mitte des Thorax, 
2. . „ linken Seite, 
8. R „ rechten Seite. 
II. Man führe die beiden transversalen Durchleuchtungen aus. 


III. Das Rohr wird in der Höhe der oberen Brustapertur 
a) hinter dem Rücken, 
b) , die Vorderseite gestellt. 


IV. Das Rohr steht der unteren Brustapertur gegenüber 
a) nach hinten, 
b) nach vorn. 


Bei den schrägen Durchstrahlungen bringe man den Schirm nicht allein an die Seite 
senkrecht zum schrägen Brustdurchmesser, sondern auch auf die Brust, resp. Rückenfläche, 
weil, wie die beistehende Skizze zeigt, gewisse Punkte dabei günstiger projiziert werden. 

Ob man bei den | 
schrägen Durchstrahlungen 
den Kranken sich drehen, 
zur Seite treten lässt, oder 
das Rohr verschiebt, be- 
dingt keinen wesentlichen 
Unterschied. Man ver- 
säume in keiner Stellung, 
den Patienten tief atmen 
zu lassen, weil mit der 
grösseren Ausbreitung der 
Lungen der Kontrast 
zwischen den lufthaltigen 
und verdichteten Stellen 
sehr verstärkt wird. Falls 
die Schulterblätter stören, 
lasse man die Arme heben, 
nach oben und vorn führen. 

Bei sitzenden und 
liegenden Patienten er- 
ledigt man zweckmässig alle Projektionen hintereinander, bei welchen der Patient seine 
Stellung nicht zu wechseln braucht. 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VII. 43 


338 Levy-Dorn. 


Zur Übersicht arbeite man mit grosser Blendöffnung (Durchmesser 15—20 cm). In 
den Fällen, in welchen sich der Wunsch nach deutlicheren Schattenbildern aufdrängt, stelle 
man eine enge Blende ein. Ich gebrauche dazu solche mit quadratischem Ausschnitt und einer 
Seitenlänge von 5 cm, weil sich beim Ableuchten einer Körpergegend die quadratischen Bilder 
besser aneinanderreihen als die runden. Eine Blende mit zwei dreieckigen Öffnungen leistet 
für die Durchstrahlung und den Vergleich beider Lungenspitzen gute Dienste. 

Die Rücksicht auf den Patienten kann den Untersucher zwingen, auf einen Teil der 
Massnahmen zu verzichten. Er ist dann gezwungen, je nach dem vermuteten Sitz des Leidens 
die geeigneteste Projektion auszuwählen. Hier sei nur bemerkt, dass man bei den schrägen 
Bestrahlungen besonders auf den Mediastinalraum, sowie die Herzriinder achten soll, und dass 
bei hochstehendem Röntgenrohr die sonst durch die Zwerchfellkuppe verdeckten Teile erscheinen 
können; bei tieferstehendem Rohr, z. B. Lungenherde, die in Höhe des oberen Herzrandes liegen, 
zum Ausdruck kommen können. Die Lungenspitzen erscheinen bei Durchstrahlung von vorn 
nach hinten am besten, wenn das Rohr in der Höhe der Thoraxmitte steht, bei umgekehrte. 
Strahlenrichtung, wenn das Rohr die Clavicula überragt. | 

Der bisher von mir geschilderte Untersuchungsgang rechtfertigt sich von dem Gesichts- 
punkt aus, dass bei ihm kaum etwas übersehen wird, was auf dem Fluorescenzschirm er- 
scheinen kann. 

Haben wir aber etwas gefunden, so kann die weitere Aufgabe entstehen, die Grösse, 
Gestalt und topographische Lage des Gefundenen möglichst genau festzustellen. Schon aus den 
Verschiebungen, welche die Schatten durch das Ändern der Lage des Rohrs zum Körper auf 
den Schirm erleiden, lassen sich wichtige Schlüsse auf die Tiefenverhältnisse ziehen. Je weiter 
nämlich die Objekte von Schirm abliegen, also was auf dasselbe herauskommt, je mehr sie 
dem Rohr benachbart sind, um so stärker verschieben sich ihre Röntgenschatten bei Bewegung 
des Rohres oder des Körpers. Einige Übung lehrt bald annähernd die Tiefen ohne jede Be- 
rechnung abzuschätzen, wenn man sich gewöhnt, den Patienten stets in ungefähr gleiche Ent- 
fernung vom Schirm zu stellen und die Röntgenröhre stets um ungefähr gleiche Strecken zu 
verschieben. 

Eine ganz genaue Lokalisation stösst bei den physiologischen wie pathologischen Ge- 
bilden auf um so grössere Schwierigkeiten, als sie sich meist nicht nur durch die Atmung, 
eventuell auch Herzkontraktion bewegen, sondern auch zu umfangreich und unregelmässig ge- 
baut sind, denn die Ortsbestimmungen rechnen entweder mit punktiormigen Objekten, oder 
wenigstens mit Punkten, die sich bei verschiedenen Projektionen immer wieder leicht auffinden 
lassen. Immerhin aber kann man auch im Thorax mit Hilfe der exakten Lokalisationsmethoden 
oft annähernd richtige Werte erzielen, falls die Eigentümlichkeiten dieser Körpergegend genügend 
gewürdigt werden. 

Die beliebteste Zeichenfläche, auf welcher wir die Befunde im Thorax markieren, bildet 
von je her die Brusthaut. Es sei nur an die Perkussionsfiguren erinnert. Wenn wir nun, 
was sich oft empfehlen dürfte, auch die Röntgenschatten auf die Brusthaut übertragen, so 
dürfen wir nie vergessen, dass wir eine bewegte Fläche vor uns haben, die je nach den Um- 
ständen scheinbar grössere, oder kleinere Schattenverschiebung vortäuschen kann. So kommt 
die Projektion der Zwerchfellkuppe auf die Brusthaut, da diese sich hebt, wenn jene sich senkt, 
und sich senkt, wenn jene sich hebt, bei der Inspiration zu tief und bei der Exspiration zu 
hoch auf der Brust zu liegen, so dass ungeheuerliche Zwerchfellexkursionen vorgetäuscht werden 
können. Auch bei der Projektion des übrigen Thoraxinnern, wie des Herzens, eines Aneurysmas, 
von Lungenherden entstehen natürlich durch die Atmung ebenfalls Fehler. Dies gilt sowohl 
für Frauen, wie für Männer, da die Abdominalatmung der letzteren keine vollkommene ist, 
Wir müssen daher, um jene Fehler auf das geringste Mass zu bringen, die Regel aufstellen, 
dass sämtliche Projektionen auf die Brusthaut bei ruhiger Atmung ausgeführt werden sollen. 
Ein bestimmtes Stadium der Atmung lässt sich nicht in der Weise definieren, dass man es 


Zu den röntgologischen Untersuchungsmethoden in der inneren Medizin. 339 


immer — etwa für Vergleichszwecke — wiederherstellen könnte, sonst müsste man den Vor- 
schlag machen, stets während eines Atemstillstandes in bestimmter Phase die Untersuchung 
auszuführen. Dies gilt natürlich nur für topographische und lokalisatorische Bestimmungen, nicht, 
falls es lediglich darauf ankommt, das Dasein von Objekten im Thorax festzustellen. Diese 
treten, wie oben schon erwähnt, oft bei starker Inspiration deutlicher, oder überhaupt erst vor 
Augen. Natürlich muss auch zum Studium des Verhaltens des Thoraxinnern in verschiedenen 
Atmungsphasen von jener Regel Abstand genommen werden. | 

Unter den für die Lokalisation angegebenen Methoden, muss man zwischen denjenigen, 
welche sich nur für den Schirm eignen und denen, die für das Plattenverfahren vorzuziehen 
sind, unterscheiden. 

Ausserdem zerfallen die Methoden vom San des Praktikers in solche, welche 
keinen oder wenigstens keinen grösseren Apparat nötig haben und solche, die sich ohne einen 
solchen nicht ausführen lassen. Unter den Schirmmethoden erscheint mir immer noch die von 
mir angegebene sog. Markierungsmethode am meisten empfehlenswert. In der grossen Arbeit 
von Schjerning, Thöle und- Voss: „Die Schussverletzungen“!), wird ihr' allerdings der Vor- 
wurf gemacht, dass sie nicht ganz genaue Ergebnisse liefert, aber mit Unrecht. Die Grundlage 
meines Verfahrens, wie seiner Modifikationen (Angerer-Rosenthal, Sehrwald u. s. w.) beruht 
darauf, dass durch je zwei Punkte auf der Haut zwei sich spitzwinklig schneidende Linien 
bestimmt werden, in deren Schnittpunkt sich die zu lokalisierende Stelle befindet. ' Man bringt 
zwei Stücke Metall so auf entgegengesetzten Seiten der Körperoberfläche an, dass ihre Schatten 
sich mit dem des Objektes decken. Dann liegen bekanntlich die Metallmarken, wie das Objekt 
auf demselben Strahlenkegel, oder, falls das Objekt klein genug ist, auf derselben Linie. Lässt 
man nun den Patienten sich irgendwie bewegen, oder verschiebt das Rohr und sucht wiederum 
mit Hilfe von Metallmarken den Strahl auf, weicher durch das Objekt geht, so erhält man 
eine zweite Grade Im Schnittpunkt beider Linien, die durch je zwei Punkte auf der Haut 
charakterisiert sind, liegt nun das Objekt. Am besten durch Konstruktion mit Hilfe von 
Kyrtometer oder besser Schubleere und Übertragung der Hautpunkte auf dieselben und hinter- 
her auf ein Blatt Papier; jedoch auch durch Rechnung lässt sich leicht die gesuchte Tiefen- 
bestimmung ausführen. Wir haben den grossen Vorteil dabei, die Beziehungen des Objektes 
zur Körperoberfläche, die uns ja allein interessieren, originaliter zu besitzen, während bei den 
andern Lokalisationen nachträglich Übertragungen von den Bildern auf die Haut nötig sind. 
Schjerning-Thöle-Voss sprachen nun die Ansicht aus, dass die beschriebene Methode nur 
dann genaue Ergebnisse liefern könne, wenn man dafür Sorge trage, dass Irradiationsquelle und 
Objekt in einer Horizontalebene liegen. Bei anderen Durchleuchtungsrichtungen befänden sie 
sich nicht in einer Ebene und lasse sich daher auch der Schnittpunkt der durch die Aauptmarkon 
bestimmten Linien nicht auf einem Bogen Papier konstruieren. 

Durch die ganze betreffende Darstellung der genannten Autoren schimmert die An- 
schauung durch, dass es zwei sich schneidende gerade Linien geben kann, die nicht in einer 
Ebene liegen; denn sonst verlieren ihre Beweismittel sofort ihre Stärke. Natürlich liegen jene 
Markierungspunkte, falls man die Strahlenquelle nach dem Augenmass einstellt, nicht genau 
in der Horizontalebene; aber sie liegen ohne Zweifel in einer Ebene, die die Horizontale in 
einem mehr oder weniger spitzen Winkel schneidet. Der Schnittpunkt lässt sich mithin wohl 
auf einem Blatt Papier konstruieren. Die Abweichung der Ebene der Hautpunkte von der 
Horizontalebene wird durch geeignete Anwendung einer Schubleere genügend deutlich zum 
Ausdruck gebracht. Ungenau wird also nur die Methode, falls man ihre Ergebnisse ohne 
weiteres auf die Horizontalebene überträgt. 

Zur genauen Bestimmung der Lage eines Objektes in der Horizontalebene, und 
dies scheinen jene Autoren meint zu haben, sind allerdings besondere Vorkehrungen nötig. 


1) Archiv und Atlas der normal. und pathol. Anatomie in typischen Röntgenbildern, VII, 1902. 
43* 


340 Levy-Dorn. 


Am besten wendet man dabei Messapparate an, von denen wir solche jetzt in grosser Voll- 
kommenheit besitzen, namentlich die sogenannten Orthodiagraphen, wenn sie auch in erster 
Linie für andere Zwecke entworfen wurden. 

Zum guten Gelingen des Verfahrens ist es durchaus nötig, dass sich der Patient während 
der Markierung und Übertragung der Marken in derselben Körperstellung befindet. Er darf 
sich also-dabei nicht um die Horizontale drehen, der Brustkorb muss sich annähernd — wenn es 
sich ausführen liesse, ganz — in derselben Atemphase befinden. Sonst können in der That die 
vier Punkte nicht in einer Ebene, weder in einer schrägen, noch in einer horizontalen liegen, 
gleichgültig, nach welcher Modifikation man sonst die Methode ausübt. 

Von diesem Gesichtspunkte aus verschiebe man lieber das Rohr, nachdem man den 
Patienten sicher festgestellt hat, als dass man ihn bewegt und das Rohr in Ruhe lässt. Die 
vier Metallmarken brauchen nicht auf der Haut befestigt zu werden. Ich punktiere vielmehr 
gleich bei der Untersuchung die Stellen derselben auf der Haut mit einem Dermographen aus 
Metall, den ich mir für diese und ähnliche Zwecke habe anfertigen lassen. Dieser kann hinter 
dem Schirm, da im Dunkeln sichtbar, unter Kontrolle des Auges auf den richtigen Platz ge- 
bracht werden. Auf der dem Schirm abgekehrten, also dem Rohr zugewandten Seite des 
Brustkorbs kann die Spitze des Dermographen öfter nur schlecht erkannt werden. In solchen 
Fällen bringe man ein etwa 5 mm dickes durchlochtes Stück Bleiblech an die betreffende 
Stelle und dermographiere durch das Loch, welches die Marke vertritt, hindurch. 

Wir haben bisher nur von den centralen Projektionen gesprochen, die bekanntlich stets 
Schatten werfen, welche grösser sind, als die zugehörigen Objekte und noch andere zur Vorsicht 
mahnende Eigenschaften haben. Wir wollen uns nun vergewärtigen, wie gross die Fehler- 
quellen werden, wenn wir die Verhältnisse, die thatsächlich bei Untersuchung des Brustkorbes 
vorkommen, zu Grunde legen. Der Röntgenschatten wird um so grösser, je näher das Rohr 
dem Schirm, und je weiter das Objekt von ihm steht. Die Objekte, welche weiter vom Schirm 
entfernt liegen, werden zugleich um grössere Strecken nach der Seite projiziert, als die 
näher liegenden. Endlich müssen die Strahlen je nach ihrem Einfallswinkel verschiedene 
Stellen der körperlichen Objekte treffen, ein Umstand der nur für punktförmige Gebilde keine 
Rolle spielt. 

Mir liegt, um ein konkretes Beispiel zu geben, das Bild eines sackförmigen Mediasti- 
naltumors des oberen Brustraumes vor, das bei einem Focus-Platten-Abstand von 60 cm von 
vorn nach hinten durchstrahlt wurde. Die grösste Länge und Breite des Tumorschattens be- 
trägt ca. 19 cm; derselbe reicht von der ersten bis neunten Rippe und liegt zu etwa */, links 
von der Medianlinie. Sowohl bei der Bestrahlung von vorn, als von hinten zeigt der Schatten 
ungefähr dieselben Dimensionen. Der Tumor oder besser die den Schattenrand gebenden Theile 
desselben müssen also etwa in der Mitte des Thorax liegen. Die Sterno-vertebral-Durchmesser 
im Bereich des Tumors betragen 15—18 cm. Wenn man berücksichtigt, dass infolge der 
Schulterblätter die Rückenfläche des Thorax die Platte nicht unmittelber berühren kann, so 
gehen wir kaum fehl, wenn wir den mittleren Abstand der Tumors von der Platte auf ca. 
10 cm berechnen. Hieraus folgt, dass die längsten Durchmesser des Schattens 4 cm grösser 
sind, als einer parallelen Projektion entsprechen würde. Da die dicht bei der Platte befind- 
lichen Rippen nur wenig vergrössert und verschoben sein können, so ragt der Tumor über 
einen Interkostalraum weniger nach oben, als es nach dem Bilde scheint, — ich sage „nach 
oben“; denn das Rohr stand über der Mitte der Platte, also unterhalb des Tumors. 

Diese eben ausgeführten zahlreichen Betrachtungen auf Grund nur annähernd ge- 
schätzter Grössen thun zur Genüge dar, dass ein Bedürfnis nach einfacheren Methoden für die 
Topographie und Messkunst vorliegt — ein Bedürfnis, das heute noch von einigen bestritten 
wird. Jenes Beispiel zeigt auch, dass die fehlerhafte Zeichnung der centralen Projektionen 
recht beträchtlich sein kann. 


Zu den röntgologischen Untersuchungsmethoden in der inneren Medizin. 341 


Um eine allgemeinere Grundlage für unsere Betrachtung zu gewinnen, seien die 
wichtigsten Thoraxmasse nach H. Vierordt!) übersichtlich angeführt. 


Sagittal-Durchmesser Frontal Dacchinesser 


= +s (Sterno-vertebral) 
Körpergrösse obere mittlere untere obere mittlere untere 
cm | cm | cm cm | cm cm 
157—165 10—11.5 13—15.5 15—17.5 23—25 80—34 17—18 
165--175 12—14.5 16—18 18—20.5 26—30 85—39 19—22 
175 u. mehr || 15 u. mehr | 19 u. mehr | 21 u. mehr || 31 u. mehr | 40 u. mehr | 23 u. mehr 
Durchschnitt: | 185 | 175 | 185 | 276 | 359 | 208 


Der Sterno-vertebral-Durchmesser an Neugeborenen wird auf 8,7, der Frontaldurch- 
messer auf 9,8 angegeben. 

Die Länge der Vorderwand des Brustkorbs beträgt in Ruhelagen bei Erwachsenen 
16—19 cm, die der Hinterwand 27—30 cm und die der Seitenwand 82 cm. 

Wir wollen nun berechnen, um wieviel die vordere und hintere Brustwand sich ver- 
grössern müssen, wenn wir den kleinsten in der Tabelle verzeichneten Sagittaldurchmesser (d. 1. 
10 cm) und den grössten (d. i. 21 cm) als Abstand der Platte, oder dem Schirm nicht zugekehrten . 
Brustweite betrachten. Beträgt der Focusabstand von der Platte wie üblich 60 cm, so wird 
bei Durchstrablung von vorn nach hinten je nachdem man 10 oder 21 cm als Durchmesser 
annimmt die Vergrösserung der hinteren Brustwand 5—6 cm oder 13—15 cm. 

Bei der entgegengesetzten Strahlenrichtung, aber sonst gleichen Verhältnissen wird die 
Vorderwand um 3—4 beziehungsweise 8—10 cm vergrössert. Verlängert man den 
Focusabstand auf 100 cm, so verwandeln sich jene Zahlen für die Hinterwand auf 3—3'/, 
beziehungsweise 7—8 cm, für die Vorderwand auf ca. 2—3 beziehungsweise 4—5 cm. 
Bei einem Focusabstand von 200 cm halbieren sich ungefähr die letzteren Zahlen 

In den oberen Thoraxpartien verursacht die Projektion geringere Vergrösserungen, als 
in den unteren. Natürlich verringert sich auch der Fehler mit der Grösse der untersuchten 
Person. Die berechneten Masse bilden also nur die äussersten Grenzen, zwischen ‘denen der 
wahre Wert liegt. Wenn das Rohr, wie gewöhnlich, in der Mitte steht, verteilen sich die 
Masse zur Hälfte nach unten und zur Hälfte nach oben. Was für die Länge der Thoraxwand 
ausgeführt ist, gilt natürlich in noch höherem Grade für die Breitenmasse. Weil sie jene an 
Grösse übertreffen, die relative Vergrösserung durch die Projektion aber dieselbe bleibt, so 
müssen sich eben erheblichere absolute Masse ergeben. 

Die von der Platte abgewandte Thoraxseite wird aber im Réntgenbilde nicht nur 
erheblich vergrössert, sondern natürlich auch gegen die der Platte aufliegende und daher nur 
wenig vergrösserte Seite verschoben. 

Die projektive Vergrösserung der Theile des Thoraxinneren erreicht nur einen 
kleineren Grad, als die der Thoraxwände. Die Relativ-Zahlen für einige häufig vorkommende 
Abstände von der Platte, die ich berechnet habe, giebt die folgende Tabelle wieder. 

Die Vergrösserung beträgt bei 


Focusschirm-Distanz und Objektschirm-Distanz von 
von | 5 cm | 7 cm | 10 cm | 20 cm 
60 cm 12, 12], 
100 cm 14j, 11, 
200 cm Tfi rh 


1) Vierordt, anatomische, physiologische, physikalische Daten u. Tabellen zum Gebrauche für 
Mediane. Fischer-Jena 1893. 


342 Levy-Dorn. 


Mit Hilfe dieser Tabelle wird man leicht annähernd den Projektionsfehler bei Auf- 
nahmen bestimmen können, wenn man die Tiefenlagen des in Betracht kommenden Gebildes 
ungefähr kennt und in jedem Falle zwei Grenzen ausfindig machen können, innerhalb deren 
der Fehler liegen muss. f 

Bei kleinen Herden macht natürlich auch der grösste relative Projektionsfehler, absolut 
genommen, wenig aus. Dass man z. B. von einem 2 mm grossen Herd einen 3 mm grossen 
Schatten bekommt, wird in der Praxis ziemlich gleichgültig sein. Dagegen können sich be- 
deutende Irrtümer herausstellen, falls die Lage jenes Herdes zu einem weiter entfernten fest- 
gestellt werden soll. Sind die Herde z. B. 10 cm voneinander und von der Platte entfernt, so 
rücken sie auf einem Röntgenbilde, das in dem beliebten Abstand von 60 cm aufgenommen 
wurde, 12 cm auseinander. 

Erklärt man noch für unerheblich, dass interessierende Objektpunkte um 5 mm im 
Röntgogramm verschoben erscheinen, so darf ihre Entfernung unter bestimmten Aufnahme- 
bedingungen eine bestimmte Grösse nicht überschreiten. 

Die zulässigen Grössen, bei denen also kein Fehler über 5 mm vorkommt, betragen 
bei einer 


Focusschirm-Distanz und Objektschirm-Distanz von 


von 5cm | Tem 20 cm | 20 cm 
ise ea eG olathe Sel aia a a Re 
60 cm 5.5 3.5 2.5 l 
100 cm 9.5 6.5 4.5 2 
200 cm 19.5 13.5 95 | 45 


In der Regel liegen zwei Punkte, deren Abstand man feststellen soll, in ver- 
schiedenen Tiefen, und dann kann es leicht vorkommen, dass zwei weit entfernte Punkte bei 
einigen Projektionsrichtungen fast aufeinanderfallen. Es muss in solchen Fällen eine Bestimmung 
der Tiefe vorhergehen. Bei punktförmigen Gebilden, aber nur bei solchen, stösst man dabei 
auf keine besonderen Schwierigkeiten, wenn gleich der Gang der Untersuchung durch Orts- 
bestimmungen wesentlich aufgehalten wird. Die Bemerkungen, welche ich in dieser Arbeit 
über die Lokalisationsmethoden machen wollte, sind bereits oben ausgesprochen worden. 

Unter den Thoraxorganen, deren Grösse den Praktiker interessiert, nimmt das Herz 
mit die erste Stelle ein. Die grösste Länge desselben, vom Vorhof bis zur Spitze gemessen, 
beträgt bei mässiger, gleichförmiger Dehnung an der Höhe 14,9 cm und seine grösste Breite 
10,8 cm (vergl. Vierordt l. c.) Bedenkt man, dass die den Rand des Herzschattens bedingenden 
Teile des Herzens im Durchschnitt etwa 7 cm von der vorderen Brustwand entfernt liegen, so 
folgt aus der zuletzt aufgestellten Tabelle, dass erst bei 200 cm Focusdistanz der Projektions- 
fehler auf ca. '/, cm vermindert wird, dass die Aufnahme des Herzens bei dem gewöhnlichen 
Focus-Platten-Abstand von 60 em in dieser Hinsicht nicht empfohlen werden kann, weil der 
Fehler dann beiläufig 2 cm beträgt. 

Kinder und kleine Personen liefern natürlich weit günstigere Bedingungen für die 
Messung. Aufnahmen in Schirm-Abstiinden von 100 cm dürften dort in der Regel genügen. 

Gelänge es, die Tiefe der einzelnen Randteile des Herzens zu bestimmen, so wäre es 
auch möglich, mit centraler Projektion die wahre Länge der Herzdurchmesser in jedem Fall 
zu erfahren. Ich habe schon vor vielen Jahren Versuche in dieser Richtung angestellt; sie 
fielen aber unzuverlässig aus. 

Verhältnismässig günstig liegen die Verhältnisse für die centrale Projektion, falls es 
gilt, vergleichende Untersuchungen an derselben Person zu verschiedenen Zeiten anzustellen. 
Es ist natürlich in erster Linie dafür zu sorgen, dass Patient, Schirm und Objekt jedesmal 
genau die gleiche Lage zu einander einnehmen. Die Entfernung des Schirms vom Rohr kann 
ohne Mühe stets gleich gemacht werden. Nehmen wir an, ein Herz mit einem Längendurch- 


Zu den röntgologischen Untersuchungsmethoden in der inneren Medizin. 343 


messer von 14 cm liege 7 cm von der Brustwand und dem Schirm entfernt, so wird diese 
Distanz zu verschiedenen Untersuchungszeiten ohne Zweifel ein wenig, aber kaum jemals um 
1 cm differieren. Dies führt aber, ob der Schirm-Rohr-Abstand 60 oder 100 cm beträgt, keinen 
grösseren Unterschied als von 1'/, mm herbei. 

Dagegen können bei verschiedenen, innerlich ähnlich gebauten Leuten durch das 
Fettpolster (Brüste etc.) leicht Distanzunterschiede des Schirms von 3 cm und mehr hervor- 
gerufen werden. Hierdurch würden, wenn man im Übrigen dieselben Verhältnisse wie oben 
vorausgesetzt, Projektionsunterschiede von mindestens 5 und 10 mm entstehen. 

Aus unseren Betrachtungen und Rechnungen geht hervor, dass es wohl eine grosse 
Zahl von Fällen giebt, in denen man auch bei quantitativen Bestimmungen mit richtig aus- 
geführten centralen Projektionen auskommt, dass aber zum Vergleich der an verschiedenen 
Personen gewonnenen Ergebnisse und zum Erkennen der wahren Objektgrössen oftmals eine 
feinere Methode notwendig ist. Ganz besonders gilt dies, wenn man in dem gewöhnlich be- 
nutzten Schirm- oder Platten-Abstand von 60 cm arbeitet. Ausserdem liegt ein praktisches 
Bedürfnis vor, eine Untersuchungsweise zu besitzen, die in jedem Falle genauere Resultate 
liefert und nicht wie die centrale Projektion nur in auszuwählenden Fällen hinreicht, in denen 
man noch späterer Vergleiche wegen umständlich die Versuchsanordnungen protokollieren muss, 

Alles, was man nun in dieser Hinsicht verlangen kann, leistet die sogenannte Ortho- 
diagraphie, d. h. die Kunst, die Projektion der Organe durch zum Schirm senkrechte Strahlen 
auf die Brusthaut oder eine Tafel zu zeichnen. Der Raum verbietet, hierauf näher einzugehen. 
Nur so viel sei hervorgehoben, dass die "einfachen orthodiagraphischen Bestimmungen ohne 
wesentliche Extraapparate häufig ausreichen, dass aber Vollkommenes nur mit besonderen, hierfür 
konstruierten Instrumenten, die von Jahr zu Jahr verbessert wurden, erlangt wird. Während 
die einfachere Orthodiagraphie schon bald nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen hier und da 
geübt wurde, sieht die instrumentelle erst auf wenige Jahre zurück, erwirbt sich aber wegen 
der vielen Vorteile und Bequemlichkeiten, die sie bietet, eine immer grössere Anhängerschaft. 
Der Hauptwert derselben scheint mir darin zu liegen, dass für alle Untersuchungen gleiche 
Untersuchungsbedingungen bestehen, dass vor allem der Abstand des Patienten vom Schirm 
und der Abstand des Schirms vom Rohr ihre Bedeutung für die Messung eingebüsst haben, 
und dass daher die an verschiedenen Patienten gewonnenen Ergebnisse gut miteinander ver- 
glichen werden können. Erst in zweiter Linie kommt in Betracht, dass durch die Orthodiagraphie 
auch die sogenannte wahre Grösse gefunden wird, ein Ausdruck, der unglücklich gewählt ist, 
weil die meisten nicht ahnen, dass er nicht die wirkliche, wahre Grösse des Körpers bedeutet 
sondern nur seine senkrechte Projektion auf eine Zeichenfläche. Beide Grössen sind aber nur 
kongruent, wenn die Zeichenfläche und die Schatten werfenden Teile des Objekts parallel stehen. 
Bilden beide wie gewöhnlich einen Winkel miteinander, so fällt die wahre Grösse kleiner als 
das Objekt aus. 

Die Exaktheit, mit welcher die moderne Orthodiagraphie arbeitet, ist so gross, dass keine 
wesentlichen Fehler mehr vorkommen, soweit es auf den .Apparat ankommt. 

Dagegen veranlasst die Respiration, Pulsation und Stellung des Patienten leicht Ver- 
schiedenheiten bei verschiedenen Untersuchungen, die erst durch grössere Übung auf ein sehr 
geringes Mass herabgedrückt werden können. 

Die Orthodiagraphie kann aber durchaus nicht die centrale Projektion vollständig er- 
setzen; denn wie oben erläutert, sind einzelne Befunde nur bei schrägen Durchstrahlungen zu 
gewinnen. Doch auch das Plattenverfahren, das unter Umständen neue, wichtige Details 
aufdeckt, kann nicht entbehrt werden. Wir dürfen daher keine Methode auf Kosten der 
anderen loben, da sie sich alle ergänzen; wir müssen sie alle üben, soweit es der einzelne Fall 
erheischt und die äusseren Umstände es zulassen. 


344 


Holzknecht. 


Aus dem Röntgenlaboratorium des k. k. Allgemeinen Krankenhauses in Wien 
(Dr. Holzknecht). 


I. 


Ein radioskopisches Operationstischehen zum Anschluss an den chirurgischen 
Operationstisch. 


Von 


Dr. G. Holzknecht, Privatdozent für medizinische Radiologie. 


Verfasser hat seinerzeit gemeinsam mit Grünfeld, ein dem Handtischchen der Chirurgen 


ähnliches 


hölzernes Tischchen mit Blendenbelag und Blendenausschnitt und unter der 


Auchplehe armierter Röhre (Centralblatt für die gesamte Therapie, Jänner 1904, No. 2) kon- 


Röntgen-Operationstischchen. 


Unter der durchlässigen Tischplatte ist 
die Irisblende hier unsichtbar angebracht. 
Die vier Pedale heben und seuken die 
Röhre, erweitern und verengern die Iris- 
blende. Haupteinschalter, primärer Rheo- 
stat, Licht, Unterbrecher, Selbstinduktion, 
mehrfacher Wehnelt werden durch assi- 
stiereudes Personal auf Kommando gehand- 
habt. Der Tisch ist durchverstellbare Füsse 
an jeden gewöhnlichen Operationstisch an- 
fügbar oder allein zu gebrauchen. 


struiert. — Hierauf hat Griinfeld+) in einer vor- 
läufigen Mitteilung über die mit Verfasser entrierten 
Operationen im wechselnden Röntgen- und Tages- 
licht das von Verfasser und I. Robinsohn als 
radiologischen Universaltisch konstruierte Trocho- 
skop?) auch für die radiochirurgischen Operationen 
empfohlen. Hierauf hat Perthes unabhängig von 
uns®) Mai 1904*) die Fremdkörperoperation unter 
unmittelbarer Durchleuchtung empfohlen und bestätigt, 
und hat dabei ein radiochirurgisches Operations- 
tischchen mit unter dem Tisch angebrachter Röntgen- 
röhre beschrieben. Zuletzt hat Grashey-München 
ein Operationstischen angegeben, welchem eine neue 
Anordnung zu Grunde liegt, indem die Röhre über 
den Tisch angebracht ist, das Bild auf einem unter 
der Tischplatte, auf welcher der zu untersuchende 
Körperteil liegt, befindlichen Schirm entsteht und 
durch eine Spiegelreflexion dem einen Auge des 
Operateurs sichtbar wird. Es hat schwere Nachteile, 
die der Autor selbst nicht unterschätzt hat.°) In 
der letzten Zeit bin ich nun auf die Form des 
kleinen Tischchens zurückgekommen, in der Erwägung, 
dass das Trochoskop zwar alle Möglichkeiten bietet 
und daher als gegenwärtig bestes Instrument 
bezeichnet werden muss, dass aber seine Grösse und 
Kostspieligkeit seiner Verwendung und damit den 
Segnungen der radioskopischen Operationen Abbruch 
thut (ihrer Vortrefflichkeit, die andernorts beleuchtet 


werden soll, müsste längst eine allgemeine Verwendung gefolgt ‚sein), und anderseits, besonders 
für Chirurgen eben nur die Indikation der radioskopischen Operationen besteht oder gerade ins 
Auge gefasst wird, während die anderen Möglichkeiten, die das Trochoskop bietet, nicht in Kauf 


1) Wiener klin. Wochenschrift No. 9, März 1904. 


2) Dieselbe Zeitschrift Bd. VIII. 


3) Zentralblatt für Chirurgie 1904, No. 23. 
4) Zentralblatt für Chirurgie 1904, No. 18. 


5) Grashey, Münch. med. Woch. 


Ein radioskopisches Operationstischchen zum ‘Anschluss an den chirurgischen Operationstisch. ‘845 


genommen werden wollen. Diesem Zweck entspricht freilich das Tischchen von Perthes nicht, 
schon weil es nur für die allerdings überwiegenden Operationen an den kleinen Extremitäten- 
abschnitten verwendbar ist. Ich habe aus dem Grunde ein Tischchen zum Anschluss an den 
grossen chirurgischen Operationstisch bauen lassen!) und. dabei eine Reihe von Nachteilen ver- 
mieden, welche mir das Perthessche Tischchen zu haben scheint. So ist es nicht richtig, 
dass der Operateur mit den von Perthes angewendeten Pedalen das Röntgenlicht bedienen 
kann. Es kann zwar ein Einschalter als Pedal konstruiert werden, aber der „BRöntgen- 
gehilfe“ ist damit durchaus nicht vermieden, wie Perthes?) glaubt, weil die zum rationellen 
Röhrenbetrieb notwendige Regulierung des Primärstromes durch die Rheostaten ebenso wie 
die Selbstinduktion (Walter) am Pedal des Operationstischchens nicht angebracht werden 
kann, jedenfalls nicht angebracht wurde und daher doch. eine Assistenz notwendig ist. 
Diese kann nun auf ein Kommando (bei uns: Licht — dunkel! und stärker, schwächer! usw.) 
ganz gut auch den Wechsel der Lichtsorten besorgen, so dass die Pedale für diese Zwecke 
überflüssig sind. Dagegen sind vier andere Veränderungen am Instrumentar nicht gut in 
der jeweils vom Operateur gewünschten Weise durch fremde Hilfe erreichbar, und das sind 
die Verengerung und Erweiteruug der Blende und Hebung (Annäherung) und Senkung (Ent- 
fernung) der Röhre. Besonders die Blendenregulierung (P. hat eine unveränderliche Blende 
angeordnet) ist von grossem Nutzen und als notwendig zu bezeichnen. Über die Wichtigkeit 
des Blendengebrauches, die mit der Enge der Blende wachsende Bildschärfe und ihrer Schutz- 
wirkung für die manipulierenden Hände, braucht man ja heuté und in dieser Zeitschrift kein 
Wort zu verlieren. Und die Möglichkeit, durch ihre Erweiterung, besonders anfangs, Über- 
sicht zu haben, rasch auffinden und einstellen zu können, wird man sich leicht klar. 

Ich habe darum die vier Veränderungen durch vier Pedale besorgen lassen acts 
Figur). Sonach besteht das Tischchen aus vier Säulen, welche in der Höhe verstellbare Füsse 
darstellen, wodurch es möglich ist, dasselbe mit den vorhandenen Operationstischen, an 
die es an beliebiger Stelle (je nach dem Körperteil) angeschoben wird, zu egalisieren. Diese 
Säulen tragen oben eine durchlässige Tischplatte, die mit Mosetigbattist überzogen wird, und 
hart unter derselben eine undurchlässige Blech- oder Bleiglaswand mit centralem, eine Irisblende 
enthaltendem Ausschnitt. Im Innern befindet sich der Träger der Röntgenröhre, in der Höhe 
verstellbar. Am unteren Rahmen vier Pedale, welche die Höhenverstellung der Röhren und 
die Einstellung der Irisblende beherrschen. Die vier Seitenwände sind mit Bleiglas gefüllt, 
wodurch zusammen mit der oberen röntgenlichtdichten Deckplatte das Licht gehindert wird, 
irgendwo anders als durch die Irisblende das Tischchen zu verlassen. Die Stromzuleitung ge- 
schieht im Innern des Tischchens durch ein Gestänge, ausserhalb durch einen Kabel-Kasten, welcher 
zugleich einem Assistenten als Sitz dienen kann, so dass drei Seiten des Tischchens für die 
operierenden Ärzte frei und nur jene Seite unverwendbar ist, mit der das Tischchen an den 
Operationstisch angeschlossen ist. Es sind also die gleichen Verhältnisse wie bei einem ein- 
fachen Operationstisch hergestellt. Selbstverständlich kann das Tischchen auch für sich allein 
verwendet werden. | 5 

Die radioskopischen Operationen vollziehen ‚sich nun genau so wie bisher und wie 
seiner Zeit?) mitgeteilt wurde. | 


Der praktische Vorgang ist nun der folgende: 


Der nachgewiesene und zur Entfernung bestimmte Fremdkörper wird in der hergebrachten 
Wen aber bloss auf Grund des Durchleuchtungsbildes beiläufig lokalisiert. 

Danach werden die operativen Zugänglichkeitsverhältnisse erwogen, wobei man den Ort des 
Hautschnittes und die weitere Schnittführung und Präparation mit Rücksicht auf den Faserverlauf etwa 


1) R. Siebert, Hoflieferant, Wien. 
*) Arch, fiir Chirurgie 1904, No. 23. i | | u 
3) Grünfeld und Verfasser, die Fremdkörperentfernung bei wechselndem Röntgen- und 
Tageslicht. 1904. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 
Fortschritte a. d, Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 44 


346 Holzknecht. 


zu durchtrennender Muskulatur und die Umgehung aller wichtigen Gebilde (Bänder, Gelenke, Sehnen, 
Gefässe, Nerven) bisins kleinste Detail überlegen kann, und das ist es, was jede einzelne solche 
Operation sozusagen zu einer typischen und wegen des steten Wechsels der präzise gestellten Aufgaben 
zu einer interessanten macht. Man kann das aber nicht nur, man muss es auch. Denn nur dadurch 
vermag man die durch die Operation gesetzte Verletzung auf das notwendige Minimum zu reduzieren. 
Diese Sorgfalt fällt um so melır ins Gewicht, als die Indikation zur Entfernung eben meist darin liegt, 
dass komplizierte und wichtige Regionen, besonders die Hand, schon durch kleine Fremdkörper an 
sich funktionellen Gefahren ausgesetzt sind. Dabei vermag man an diesen Zweck viel Geschicklichkeit 
und Witz zu wenden, worüber zu berichten schon wegen der Mannigfaltigkeit der Fälle zu weitläufig 
wäre. Als Beispiel möchte ich aber einen ziemlich häufigen Typus von Nadelverletzungen anführen, der 
bisher zu den prognotisch und operativ unangenehmsten gerechnet wurde, und der sich zuletzt bei einem 
Patienten der Klinik des Hofrat v. Eiselsberg vorfand. Bei der orientierenden Durchleuchtung und zwar 
bei der funktionellen Lokalisation konnte man bemerken, dass die Nadel bei extremer Dorsalflexion der 
Hand und der Finger vom Schatten des Carpus auf die des Metacarpus glitt. Sie lag also zwischen den 
Beugersehnen im Sehnenkanal, der dorsal durch den Carpus, palmar durch das den letzteren festigende 
Ligamentum carpi transversum gebildet wird. Es wurde in der Palma manus incidiert, und als wir bei 
wechselndem Tages- und Röntgenlicht tief genug gedrungen waren, durch Dorsalflexion die Nadel so weit 
aus dem Sehnenkanal herausgeschafft, dass ihr distales Ende in der Operationswunde gefasst werden 
konnte, ohne das Ligamentum carpi zu durchtrennen. > 

Ist also der Operationsplan gefasst und alles vorbereitet (der Patient wird in der Umgebung 
des Operationsfeldes wie zu jeder anderen blutigen Operation gewaschen, der Körperteil steril versorgt, 
die Instrumente’), Tupfer, sowie die Hände desinfiziert), so wird an der gewählten Stelle in der günstigsten 
Richtung und Ebene inzidiert, eine Sonde in die Wunde eingelegt und durchleuchtet. Der Sondenknopf 
wird mit dem Fremdkörper oder seinem einen Ende zur Deckung gebracht. Bewegt er sich bei geringen 
exkursiven Bewegungen der Sonde mit, so ist die nötige Tiefe erreicht und man findet ihn bei künst- 
lichem Lichte unter der Sondenspitze, oder man fasst ihn im Röntgenlichte mit den ebenfalls sichtbaren 
Branchen eines Péan, schliesst diesen und entbindet ihn samt dem Fremdkörper. Bewegt sich der 
Fremdkörper mit der Sonde noch nicht, dann ist man noch nicht tief genug und muss dort, wo der 
Sondenknopf im Röntgenlicht den weiteren Weg weist, bei gewöhnlichem Licht tiefer präparieren, bis 
eben bei der eingeschobenen Durchleuchtung die Mitbewegung eintritt. Wegen der Adaption der Netz- 
haut darf nur künstliches (am besten das rasch wechselbare elektrische Licht) gebraucht werden. 

Am besten drückt sich der Gewinn, der im Ersatz der üblichen durch die radioskopische 
Operation erzielt wird, in den Operationszeiten aus und in der Möglichkeit, sie ziemlich genau vorher- 
zusagen. Dieselbe ist ja nicht mehr vom Zufall abhängig, wie bisher, sondern aus dem Operationsplan 
berechenbar. Dabei ist nicht nur die Aufsuchung, sondern auch die Entbindung zu berücksichtigen, 
welche besonders bei tief und parallel zur Oberfläche liegenden Nadeln und bei eingekeilten Projektilen 
oft einige Schwierigkeiten macht. Immerhin beträgt die Operationsdauer meist nur wenige Minuten, 
während früher selbst in Fällen, die heute zu den ganz leichten gezählt werden müssen, selbst 14/, stün- 
diges Suchen mit und ohne Resultat nicht zu den Seltenheiten gehörte. 

Das Ergreifen des Fremdkörpers ist oben in der Weise geschildert, dass, sobald seine Mitbewegung 
mit der Sondenspitze anzeigt, dass der Fremdkörper bereits im Gebiete der Operationswunde liegt, die 
Sonde durch einen geschlossenen Péan ersetzt wird, mit welchem der Fremdkörper während der Durch- 
leuchtung gefasst wird. Dabei wird nun fast immer ausser dem Fremdkörper noch ein wenig Gewebe 
von der Umgebung mitgefasst. In den meisten Fällen handelt cs sich um Muskelfasern und mag hingehen, 
weil dadurch nicht nur die Operationszeit abgekürzt, sondern auch mit einer weniger ausgedehnten 
chirurgischen Freilegung das Auslangen gefunden wird. In Regionen aber, wo es nicht irrelevant ist, 
lässt es sich unter Zugabe einiger Minuten zur Operationszeit leicht vermeiden, indem man von dem Ge- 
brauche des fassenden Instrumentes absieht und sich bloss mit der Sonde im Röntgenlichte den Ort be- 
zeichnet, den Fremdkörper hierauf im Tageslicht präparando dem Auge sichtbar macht und dann in 
gewöhnlicher Weise ergreift. 


Über die Details und Kasuistik siehe die oben angegebene Arbeit. 

Das Tischchen lässt sich überdies zu einigen weiteren der am Trochoskop möglichen 
radiologischen Massnahmen verwenden (Durchleuchtung von unten, reciproke Aufnahmen, enge 
Blendeneinstellung, Stellungskorrekturen bei Skelettverletzungen während der Durchleuchtung), 
wenn auch nicht in so rascher Weise wie beim Trochoskop. 


1) Darunter auch der sterilisierbare in Celluloid eingeschlossene Operationsdurchleuchtungsschirm, 
wie ihn die obige Firma nach meinen Angaben herstellt. 


Zur Technik der Fixation des Objektes -bei radiologischen Aufnahmen. Die Schlitzbinde. 347 


ğ 
IL 


Zur. Technik der Fixation des Objektes bei radiologischen Aufnahmen. 
Die Schlitzbinde. 


Von 
Dr. I. Robinsohn. 


-= Bevor ich zur Mitteilung der neuen Methode übergehe, welche, wie vorweggenommen 
werden soll, neben überraschender Einfachheit, über die Massen vielfältiger Anwendbarkeit, 
fast absoluter Sicherung der Ruhe nicht nur die gewöhnliche Reinlichkeit, sondern die 
Wahrung der Asepsis gestattet — ein Umstand, der bisher in der radiologischen Technik 
sehr vernachlässigt wurde, resp. mangels geeigneter Hilfsmittel nicht beachtet werden konnte —, 
möchte ich die bisher zur Fixation des Objektes gebrauchten Methoden kurze kritische Revue 
passieren lassen. 

Als bestes Mittel zur Fixation dient bisher der Sandsack. Er wird aus einem 
für Sandstaub undurchdringlichen Stoff (Mosetig-, Billrothbatist) angefertigt. Das Objekt wird 
je nach seiner Konfiguration in darunter oder daneben gelegte Sandsäcke gebettet oder mittels 
darübergelegter Sandsäcke beschwert. Selbst wenn man den impermeablen Stoff mit einem 
waschbaren Überzug versieht und letzteren öfter, als es in der Regel geschieht, wechselt, 
kommt doch indirekt der Sandsack sukzessive mit den verschiedenen, nicht immer reinen Körper- 
stellen verschiedener Menschen, mit deren Kleidung und Schuhwerk ın Berührung, wird in die 
Nähe eiternder Wunden verschiedener Art gebracht, nicht selten auch mit Sekreten beschmutzt 
— ein Hohn auf die Asepsis, ja auch nur einfachste Reinlichkeit überhaupt. 

Die Fixation mittels Pelotten, wie sie etwa in neuester Zeit in dieser Zeitschrift 
von Sträter!) beschrieben wurde, möchte ich der Vollständigkeit halber nur erwähnt haben. 
Die Mängel dieser Methode hegen auf der Hand. Dreh- oder kugelrunde, mit verschieblichen 
Weichteilen bedeckte, mit eigener Bewegungsfähigkeit ausgestattete Objekte lassen sich auch 
durch mehrseitigen Pelottendruck nur wenig fixieren. 

Auch die Kompressionsblende ist, wie schon aus dem Namen hrade ein 
mangelhaftes Fixationsmittel, wenn es sich um wenig kompressible Körperteile handelt. Man 
denke nur an die Schwierigkeit, den Schädel, das Sprunggelenk, das Handgelenk bei seitlicher 
Aufnahme mittels der mean von Albers-Schönberg, selbst der verbesserten, 
zu fixieren. 

Es bleiben dann nur noch die bisherigen Methoden der Bindenfixation zu besprechen. 
Man . bedient sich elastischer Binden oder gewöhnlicher Leinwand- und Kalikotbinden. 

Die elastischen Gummibinden absorbieren viel Röntgenlicht, können daher zur direkten 
Fixation der aufzunehmenden Stelle nicht in Verwendung kommen. 

Die Fixation mittels unelastischer Binden kann eine zweifache sein: 1. mittels 
Bindentouren, 2. mittels Bindenzuges. 


I. Mittels Bindentouren wurde in zweifacher Weise fixiert: 
a) Platte und aufzunehmendes Objekt wurden mehrfach umwickelt, das Objekt selbst 
besonders fixiert (mittels Sandsäcke). 
| b) Das Objekt oder Objekt und Platte zusammen werden an die fixe Unterlage oder 
an eine eigene Vorrichtung gebunden, z. B. die untere Extremität an eine Art Petitschen Stiefel 
(vgl. auch Sträter |. c.). 


1) Sträter: Apparat zur Feststellung des Kopfes und der Gliedmassen. Fort- 
schritte, Bd. VII, 
44* 


348 | Robinsohn. 


Bei der ersteren Methode ist die Lage des Objektes im Raume, also auch zum Fokus 
durch die Binde an sich überhaupt nicht gesichert, die letztere Methode bietet in der Aus- 
führung oft grosse Schwierigkeiten, so dass aus zahlreichen Gründen, die sich aus den praktischen 
Versuchen bald ergeben und von deren Aufzählung hier abgesehen werden soll, der praktische 
Nutzen dieser Methoden ein beschränkter ist. Mögen sie mangels einer besseren bisher auch 
recht nützlich erschienen sein, mit der im folgenden beschriebenen Methode halten sie einen 
Vergleich nicht im entferntesten aus. 

Fixierung des Objektes mittels Bindenzuges kam bisher nicht zur Anwendung. 
Einen Anlauf zu dieser Methode nahmen Wilms und Cowl. Ersterer!) spannte die Binde 
quer über Objekt und Aufnahmetisch mittels manuellen Zuges an den herunterhängenden 
Enden, letzterer mittels Zuges je einer auf jeder Seite angebrachten Winde Cowl wollte 


/ 


KEES 


Fig. 1. Fig. 2, 
Unzweckmässige Anwendung der Bindenfixation, Unstatthafte Fixation mittels Spiralbinden- 
eine quer über das Objekt gespannte Binde. Die tour: diagonale Wirkung auf das Objekt und 
Pfeile deuten den Gewichts- oder manuellen Drehung in der durch Pfeile angedeuteten 
Zug an, Richtung. 


übrigens mittels dieser Methode nicht fixieren, sondern komprimieren. An der erzielten Ver- 
besserung der Bilder war aber augenscheinlich nicht die Kompression, sondern die Fixation 
schuld. Diese unvollkommene Art, mittels darübergelegter Binde zu fixieren, bildete auch den 
Ausgangspunkt meiner Methode, nur bediente ich mich gleich von Anfang zum Spannen der 
Binde des Gewichtszuges.*) (Fig. 1.) 

Bei dieser Art der Fixation kommt eine nach abwärts wirkende Kraft zur Geltung; 
je nach deren Grösse wird das Objekt mehr oder minder stark gegen die Unterlage angedrückt 
und einer Bewegung desselben in vertikaler Richtung entgegengewirkt. Dagegen sind die 
Bewegungen des Objektes in transversaler Richtung so gut wie frei, es braucht bloss die durch 
den Druck und die Schwere des Objektes bedingte Reibung überwunden zu werden. 

Es lag daher nahe, eine Sicherung gegen seitliche Bewegungen durch Zug und Gegen- 
zug zu erstreben. Ich versuchte dies in der Weise, dass ich die Binde in einer Spiraltour um 
das Objekt herumfihrte. Da jedoch alsdann die beiden Bindenschenkel nicht in vollkommen 
entgegengesetzter Richtung am Objekt ansetzen, so macht sich ein Drehmoment geltend: die 
senkrecht zur Wirkungsrichtung der beiden Kräfte stehende Achse des Objektes trachtet sich 
parallel zu diesen einzustellen (Fig. 2). Praktisch resultiert also eine Bewegungstendenz und 
bei kranken Teilen eine meist empfindlich schmerzhafte Zerrung. 

Lässt man dagegen den rücklaufenden Schenkel durch einen Schlitz (praktisch Längs- 
schlitz) des umfassenden Schenkels hindurchtreten, so haben die beiden Bindenschenkel voll- 
kommen entgegengesetzte Verlaufs- und Wirkungsrichtung (Fig. 3). 

Die Erfahrung hat nun in überraschender Weise gelehrt, dass bei dieser Art zu fixieren 
das Objekt gegen Bewegungen in vertikaler und horizontaler Richtung in hohem Grade 
gesichert ist. 


1) Wilms und Sick: Die Entwicklung der Knochen und Extremitäten. Archiv und 
Atlas der normalen und pathalogischen Anatomie in typischen Röntgenbildern. Hamburg 1902. 

2) Derselben unvollkommenen Methode bedienen sich auch Dessauer und Wiesner, wie ich 
aus einer Illustrationsprobe ihrer Ankündigung eines Kompendiums der Röntgenographie entnehme, 


Zur Technik der Fixation des Objektes bei radiologischen Aufnahmen. Die Schlitzbinde. 849 


Welche mechanischen Momente kommen dabei zur Geltung? 

Denken wir uns zunächst (Fig. 4) der Vereinfachung ' halber die freien Enden der 
Bindenschenkel über Rollen an den Rändern der Unterstützungsfläche gleitend, so herrschen in 
dem im Gleichgewicht befindlichen System folgende statische Verhältnisse. Die beiden unter 


Fig. 8. Fig. 4. 
Richtige Anlegung einer Kreisbindentour mit Bestimmung der Kraft, welche bei der Schlitzbinden- 
Hilfe der Schlitzbinde: Keinerlei Bewegungs- fixation vertikal und horizontal gerichteten Be- 
tendenz des Objektes. (Es ist zweckmässiger und wegungen des Objektes entgegenwirkt. 
leichter statt des Querschlitzes (wie in der Figur) 
einen Längsschlitz in die Fixationsbinde zu reissen). 


einem Winkel am Objekte angreifenden gleichen Kräfte AB’, AB“ Gewichtszüge) setzen 
sich zu einer Resultierenden AD zusammen, welche vertikal abwärts wirkt. Ist ferner Q das 
Eigengewicht des Objektes, so beträgt der Druck auf die Unterlage P= AD + Q. Bei einer 
seitlichen Bewegung des Objektes ist die Reibung (R) zu überwinden, deren Grösse natürlich 
von der Ausdehnung und Oberflächenbeschaffenheit der Berührungsflächen zwischen Objekt und 
Unterlage und dem Drucke P abhängt. 

Laufen dagegen die Bindenschenkel nicht über Rollen, sondern über die mehr oder 
weniger rauhe Kante der Unterlage (Aufnahmetisch), so erhöht sich die bei seitlichen Bewegungen 
zu überwindende Reibung um 2r, wobei r den Reibungswiderstand der Binde an der Tisch- 
kante bedeutet. Denn das Gewicht A B' auf der Seite, nach der die Bewegung geschieht, wirkt 
nur mit AB’—r, wogegen beim Hinaufziehen des Gewichtes AB” der entgegengesetzten Seite 


c 


. i 3 l l Fig. 5. 
Bestimmung der Kräfte, welche bei der Schlitzbindenfixation den Pro- und Supinationsbewegungen des 
Objektes entgegenwirken. (Die rotierende Bewegung des Objektes innerhalb der Bindentour ist durch 

die Reibung (Konstriktion) unmöglich gemacht.) 


350 Robinsohn. 


die Reibung r überwunden werden muss, sich also zu AB“ addiert. Die Seitenbewegung ist 
also erheblich erschwert. | i 

Wie gestalten sich nun die Verhältnisse bei Drehbewegungen (Pronations- und Supi- 
nationsbewegungen) des Objektes? | 

Der Punkt A des Objektes (Fig. 5a) trachte um X als Drehpunkt eine (Supinations-) 
Bewegung im Sinne des Pfeiles (tangential zu A X als Radius eines Kreises) mit der Kraft AF’ 
auszuführen. Es ergiebt sich bei der gewählten Grösse von AF als Resultierende die Kraft AG. 

Diese Resultierende AG können wir uns (Fig. 5b) in zwei Komponenten zerlegen; 
die eine AZ wirkt senkrecht zur Unterlage, wird also aufgehoben resp. vermehrt den Druck 
des Objektes auf die Unterlage und erhöht dadurch die Reibung, die andere AH wirkt im 
Sinne einer Seitwärtsbewegung, kommt aber ebenfalls nicht zur Geltung, weil im gegebenen Falle 


AH<Q+AI 


Bei einer bestimmten Grösse von A F (Fig. 5c) nimmt die Resultierende A G horizontale 
Richtung an, wird also im Sinne einer reinen Seitwärtsbewegung wirken, wobei noch keine 
Abhebung eines Teiles des Objektes von der Unterlage stattfindet. Erst bei noch weiterer 
Zunahme von Á F würde eine sukzessive Dreh- 
bewegung erfolgen, wobei sich das Objekt so 
lange in gestörtem Gleichgewicht befände, bis 
A senkrecht über X zu stehen käme, dann würde 
es wieder in eine neue Gleichgewichtslage sich 
begeben; ein Unterarm z. B. aus reiner in reine 
Supinationsstellung. Ä Ä 

Selbstverständlich macht sich auch in 
Bezug auf das Zustandekommen der Dreh- 
bewegung der Reibungswiderstand der Binden an 
Die: Axierende Wirkung der Schlitzbinde isp ed. schkanten 70) aml: geltend: "Die Kanten: 
(im allgemeinen) umso grösser, je geringer die teibung ist natürlich wieder nicht immer eine 
Breite des Aufnahmetisches und je grösser die gleich grosse; sie ist ceteris paribus ebenfalls 

Höhe des Objektes ist. vom Neigungswinkel der Bindenschenkel abhängig. 

Die nun folgende theoretische Betrach- 

tung (Fig. 6) bezieht sich auf den Einfluss der Relation zwischen Breite der Unterlage (Spann- 
weite der Binde) und Höhe des Objektes auf dessen Stabilität. 

Bei gegebener Höhe des Objektes sei die Breite der Unterlage das eine Mal M, N,, 
das andere Mal JAZ, N, Die am Punkte A beiderseits angreifende Kraft sei jedesmal gleich A B. 
Die Resultierende ist jedoch im ersten Falle kleiner (= A C) als im zweiten (= AD). 

Der Wert der Resultierenden, die wir früher mit A D bezeichnet haben, ist also abhängig 
von der Grösse des Winkels «, dem Neigungswinkel der Bindenschenkel: je grösser 
letzterer, desto grösser ist die Hemmung von seitlichen und Drehbewegungen. 

Dieser Umstand kommt zunächst dem durch die Bequemlichkeit bei radiologisch- 
chirurgischen Arbeiten, nicht selten auch durch Platzmangel diktierten Bedürfnisse nach 
möglichst schmalen Aufnahmetischen entgegen. Bei den früheren Fixationsmethoden war 
passive, bequeme, weithingestreckte Lagerung des Objektes ein unbedingtes Erfordernis, die 
Stützpunkte lagen in der Regel in einer Ebene, bildeten planimetrische Figuren, während, wie 
eine einfache Überlegung ergiebt, bei der Schlitzbindenfixation die Angriffspunkte der wirkenden 
Kräfte stereometrisch angeordnet sind. 

Auf die gleichen mechanischen Verhältnisse ist ferner der glückliche Umstand zurück- 
zuführen, dass Stellungen, welche bisher der Fixation die grössten Schwierigkeiten bereitet 
haben, bei Anwendung der Schlitzbinde die günstigsten Fixationsbedingungen bieten. | 

Ich möchte dies mit einigen Beispielen belegen. 


Fig. 6. 


Fig. 6 dient zur Erläuterung des Satzes: 


Zur Technik der Fixation des Objektes bei radiologischen Aufnahmen. Die Schlitzbinde. 351 


Schädel. Die Eiform des Schädels findet in passiver Seitenlage mehr Stützpunkte 
als in Rückenlage. Bei der Schlitzbindenfixation wird dieser Nachteil kompensiert, ja wie die 
Praxis lehrt, überkompensiert, dadurch, dass bei dorsoventraler Aufnahme der grosse antero- 
posteriore Durchmesser die Bindenschenkel steiler abfallen lässt, als im anderem Falle. 

Becken. Bei anteroposteriorer Beckenaufnahme in Rückenlage ist im allgemeinen eine 
Fixation beinahe entbehrlich, dringend notwendig nur bei unruhigen Kindern. Bei postero- 
anteriorer Aufnahme in Bauchlage ist ohne die Schlitzbindenfixation nur selten genügende 
Ruhigstellung zu erreichen und diese kaum zu entbehren, ebenso bei Seitenlagerung des Beckens 
(für die seitliche Aufnahme des oberen Femurendes). 

Winkelige Ankylosen und Kontrakturen des Knie- und Ellbogengelenkes 
sind in anteroposteriorer und reziproker Stellung passiv kaum ruhigzustellen und geben sonst 
nur selten unverwackelte Aufnahmen. Anders bei Schlitzbindenfixation. Man braucht nur das 
Knie- resp. Ellbogengelenk in die eine, das distale Ende der betreffenden Extremität in eine 
zweite Binde zu fassen und erhält eine Fixation, die kaum zu wünschen übrig lässt. 
~. | Thorax und Schulter. Gute Thoraxaufnahmen gelingen bekanntlich nur bei 
Atmungsstillstand, in Inspirationstellung. Die Ausführung dieser Methode ist nicht leicht, bei 
Kindern, unintelligenten Erwachsenen, Dyspnöischen überhaupt nicht möglich. In Fällen, bei 
denen es sich nun nicht um die Darstellung der Lungenzeichnung und des Zwerchfellstandes, 
sondern um die des Thoraxskelettes handelt, wird daher ein Feststellen des Thorax allein und 
Einschränkung oder Aufhebung der thorakalen bei ungehinderter abdominaler Atmung zu 
bevorzugen sein. 

Die Aufhebung der thorakalen Atmung braucht nicht eine aktive, sondern kann eine 
passive sein: man legt um den Thorax eine oder zwei Schlitzbinden mit entsprechender Belastung. 

Auch die Fixation des Schultergürtels in schräger und in reiner Seitenlagerung (bei 
Kopf- und Halsaufnahmen) bietet bei Anwendung der Schlitzbinde keine Schwierigkeit. 

In innigem Zusammenhange mit der Frage der Ausschaltung der thorakalen Respiration 
steht die Lösung des Problems einer guten Schulteraufnahme. Ausser den willkürlichen, wenn 
auch häufig unbewusst erfolgenden aktiven Bewegungen zeigt bekanntlich die Schulter passive 
Mitbewegungen beim Atmen. Man pflegt dabei Aufnahmen der Schulter in einem eigenen 
„Schulterstuhl“ im Sitzen zu bewerkstelligen, wobei durch Hochziehen und Abheben des 
Schultergiirtels vom Thorax die Mitbewegungen des letzteren möglichst eingeschränkt 
werden sollen. 

Das Problem der Ruhigstellung der Schulter lässt sich nun auch in folgender Weise 
lösen. Stelle ich den Thorax fest, schalte ich dessen respiratorische Bewegung aus, so hören 
natürlich auch die Mitbewegungen der Schulter auf. Fixiere ich ausserdem den Arm, so sind 
alle das Schultergelenk konstituierenden Skelettteile ruhiggestellt. Gegenüber der Aufnahme 
im Sitzen hat die Aufnahme der Schulter im Liegen noch den Vorteil, dass man bei letzterer 
den Oberarm in verschiedener Rotationsstellung darstellen kann. 

Im vorhergehenden wurden die Mechanik der Schlitzbindenwirkung und die darauf 
beruhenden speziellen Applikationsarten teils in Worten, teils in Abbildungen geschildert, wobei 
ich mir bewusst bin, nicht alle in Betracht kommenden mechanischen Momente in der Dar- 
stellung erschöpft zu haben. Im folgenden sei auf einige weitere, allgemeine Vorteile, welche 
die Anwendung der Schlitzbinde gewährt, hingewiesen. 

1. Direkte Fixation der zu radiographierenden Stelle. Bei der Fixation 
mittels Sandsäcke ist dies natürlich nicht möglich. Aber selbst bei den bisherigen Methoden 
der Bindenfixation durfte man sich dies nicht immer erlauben, weil das gewöhnliche Anbinden 
einer Extremität an die Unterlage ein ziemlich rohes Verfahren darstellt und fast immer 
Schmerzeu verursacht, Dagegen wirkt die gleichmässige, ruhige, sich sanft einschleichende 
Konstriktion einer kranken Partie mittels der Schlitzbinde selbst bei traumatischen und akut 
entzündlichen Veränderungen wider Erwarten und im Anfange zum grössten Erstaunen des 


5 5 9 Robinsohn. 


Patienten nicht minder wie des Arztes kalmierend auf die Schmerzen; man hat nur darauf zu 
achten, die Gewichtszüge auf beiden Seiten gleichzeitig sinken zu lassen, damit ruckartige 
Seitenbewegungen der Extremität vermieden werden. Natürlich wird man von einer direkten 
Konstriktion der erkrankten Körperstelle Abstand nehmen, wenn eine Fraktur vorzuliegen 
scheint, bei der die Fragmente durch die Um- 
schnürung in ungünstiger Weise disloziert werden 
könnten. (Fig. 7). | | 

2. Kinderaufnahmen. Untersuchungen 
bei Kindern gehören zu den schwierigsten Aufgaben 
der radiologischen Technik. Die Kunst des Unter- 
suchens besteht hier darin, auf die Kleinen ebenso 
mechanisch wie psychisch zu wirken. 

Ich möchte zuerst letzteres Moment besprechen, 
da darüber zwischen den publizierenden Radiologen 
keine Übereinstimmung herrscht. Schon bei Er- 
wachsenen kommt jeder Fixation eine Art psychischer 
Einwirkung zu, denn schliesslich ist ja keine Fixations- 

Fig. 7. methode und auch die mittels Schlitzbinde nicht 
Indirekte Fixation des Ellbogengelenkes eine so absolut sichere, als dass eine aktive Bewe- 
mittels zweier Senlzbingen, einer am Ober- gung des Objektes unmöglich gemacht wür de: Aber 
arn und einer am Unterarm angelegten. . . : 5 
ebenso wie nur selten jemand imstande ist spontan 
ruhig zu halten, ebenso häufig sehen wir bei nur leichter Fixation vollständige Ruhe des Ob- 
jektes eintreten — die Fixation mindert die unwillkürlichen Bewegungen wie ein Gelände an 
steiler Stelle den Schwindel. Besonders gilt dies für Kinder. Beim Kinde mit erwachender 
Verstandesfähigkeit kommt es, nach den Erfahrungen, die in unserem Institut gesammelt wurden, 
hauptsächlich darauf an, es sozusagen zu hypnotisieren. Während z. B. Albers-Schönberg 
rät, die Röntgenröhre während der Aufnahme mit einem Tuche zu bedecken, sehen wir fast immer, 
wie im Momente des Aufleuchtens der Röntgenröhre, durch die ungewohnte Lichterscheinung 
gebannt, selbst widerspenstige Kinder sich beruhigen. Wir pflegen in solchen Fällen den Strom 
zuerst verkehrt einzuschalten und bekommen so ein effektvolles aber fast unwirksames Licht- 
phänomen; hat sich das Kind unter dem Einflusse dieser Erscheinung beruhigt, dann wendet 
man die Pole um. Auch eme Einwirkung auf das Gehör durch das Pfeifen einer Melodie, 
Händeklatschen, alles, was Auge und Ohr des Kindes beschäftigt, ist eine wertvolle Unterstützung. 
Während der Aufnahme hält also ein Kind meist ruhig, wenn es nur einmal gelungen ist, es 
auf die Platte zu bringen. Dazu braucht es aber Gewalt. Und da giebt es kein schonenderes 
Bändigungsmittel als die Schlitzbinde. Mit zwei, im Notfalle drei und vier Schlitzbinden kann 
man fast immer ein sich noch so sträubendes Kind in der richtigen Stellung auf die Unterlage 
resp. Platte zwingen. Das Kind mag dann noch eine Weile wie ein gefangener Fisch im Netze 
zappeln, krampfhaft schluchzen, seine fixe Lage gegen die Unterlage kann es aber in ausgiebiger 
Weise nicht mehr ändern. 

Man schaltet nun den Strom verkehrt ein — das Kind stutzt, starrt die Röhre an, 
vergisst auf Abwehrbewegungen. Dann heisst es rasch einschalten und mit intensivstem Licht 
kurz exponieren. Auf diese Weise gelingen uns in den meisten Fällen die schwierigsten Auf- 
nalımen und manche Narkose bleibt erspart. 

3. Expositionsdauer. Wie eben gezeigt wurde, ist man bei Kindern gezwungen, 
die Expositionsdauer durch Anwendung intensiven Lichtes möglichst herabzudrücken. Auch 
bei Aufnahmen physiologisch bewegter Organe (Zwerchfell, Lunge, Darm) liegt die gleiche 
Nötigung vor. Sonst entsprang das bisher so oft zum Ausdruck gebrachte Verlangen nach 
Abkürzung der Expositionsdauer fast durchaus dem bisherigen Mangel an einem Mittel: zur 
dauernden, sicheren Ruhigstellung. Je kürzer die Exposition, desto geringer die Wahrschein- 


Zur Technik der Fixation des Objektes bei radiologischen Aufnahmen. Die Schlitzbinde. 353 


lichkeit des Verwackeltseins der Aufnahme. Kurze Exposition kann man nur durch Anwendung 
hoher Lichtintensitäten und diese durch starke Inanspruchnahme, starke Belastung der Röhre 
erkaufen; das involviert aber die Gefahr einer Überbelastung der Röhre, qualitative Veränderung 
des Röntgenlichtes, Abkürzung der Lebensdauer der Röhre. Noch schlechter ist es, durch 
Wahl entsprechend härterer Röhren, also stärker penetrierender Strahlen, die Expositionsdauer 
herabzusetzen, weil darunter die Güte des Bildes leidet. Die Schlitzbindenfixation garantiert 
aber absolute Fixation von beliebig langer Dauer, legt also die Expositionsdauer und somit die 
Wahl von Lichtstärke und Lichtqualität ganz in unsere Macht. 

Ist schon unter normalen Verhälnissen die Ruhigstellung einer Extremität eine 
schwierige Aufgabe, gerichtet sowohl gegen die groben willkürlichen, als gegen die feinen 
unwillkürlichen Bewegungen des Objektes, so gilt es unter pathologischen Verhältnissen nicht 
selten, mehr oder minder ausgiebige Bewegungsformen wie fibrillare Zuckungen, Tremor, klonische 
Zuckungen zu bekämpfen. Auch in diesen Fällen bietet die direkte Fixation des aufzunehmenden 
Körperteils mittels der Schlitzbinde eine grössere Sicherheit als die indirekte Fixation benach- 
barter Teile. Dabei ist zu erinnern, dass man gewisse klonische Bewegungen durch Konstriktion 
direkt zu coupieren imstande ist. 

4. Besondere Verwendungsarten. Die Schlitzbinde bietet noch einige besondere 
Verwendungsmöglichkeiten, die zum Teil der radiologischen Technik angehören, zum Teil ihr 
ferne liegen. 

Die von mir angegebene Winkelblende!) findet an den ausgespannten Bindenschenkeln 
eine in vielen Fällen willkommene Stütze. 

Bei radiologischer Untersuchung abgeschnittener Leichenteile leistet die Schlitzbinden- 
fixation ausgezeichnete Dienste. Man ist imstande, solche u in jeder beliebigen Lage zur 
radiographischen Untersuchung zu orientieren. 

Diese Befestigungsart dürfte sich daher auch im Seziersaale einbürgern. 

Auch zur Ruhigstellung von Körperteilen bei therapeutischen Bestrahlungen und 
bei chirurgischen Eingriffen lässt sich die Schlitzbinde gut verwenden. 

Ausführung und Handhabung. Die Schlitzbindenfixation ist ungemein leicht, 
einfach und billig auszuführen. Sie erfordert 4—6 mit einem Haken versehene Gewichte resp. 
mit Sand oder Bleischrot gefüllte Säcke und eine Anzahl von Kalikotbinden, die an jedem Ende 
mit einem Ringe ausgestattet sind. Die Länge der Binden soll die Breite des Tisches durch- 
schnittlich um 1 resp. 1'/, Meter übersteigen. Die kurzen Binden dienen zur Fixation der 
Extremitäten und des Kopfes, die längeren zur Fixation des Rumpfes. Die Breite betrage ca. 
15 cm. Man nehme die Binde ja nicht zu schmal, weil sie sonst wie eine Schnur einschneidet. 
Bei nachgiebigen Teilen entstehen — abgesehen davon, dass das Einschneiden häufig schmerzt 
— luftgefüllte Rinnen zwischen Objekt und Platte, die zu schädlicher Sekundärstrahlenbildung 
Anlass geben. Bei solchen mit massigen Weichteilen bedeckten Körperstellen (Hüften, Hals, 
Schulter) empfiehlt es sich daher, die Binde recht breit zu nehmen und mit Watte zu 
unterpolstern. 

Auch die Handhabung der Schlitzbinde ist eine sehr einfache. 

Nachdem man den zu radiographierenden Körperteil mittels der Schlitzbinde umschlungen 
hat, wird der eine Schenkel der Binde durch einen an entsprechender Stelle (über der Kon- 
vexität des Körperteils) in die Binde gerissenen Längsschlitz gezogen. Je eine Person ergreift 
nun das eine Ende der Binde mit der einen Hand, hält es fest, befestigt das Gewicht mittels 
des Hakens am Ring und lässt mit der anderen Hand das Gewicht vorsichtig sinken, ohne 
dass die erste Hand zunächst das Ende der Binde freigiebt, damit keine ruckartige Erschütterung 
des Objektes erfolge. Erst dann lässt man beide Bindenschenkel langsam und vorsichtig 
gleichzeitig dem Gewichtszuge folgen, so dass sich allmählich und gleichmässig die Kon- 
striktion vollzieht. 


1) In der vorletzten Nummer dieser Zeitung. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 45 


354 Robinsohn. 


Wenn man ohne Assistenz arbeitet, legt man die Haken der auf den Tisch gestellten 
Gewichte in die Ringe der Binden und lässt dann mit je einer Hand, sich über den Tisch 
beugend, die Gewichte langsam sinken, was bei schmalem Tisch nicht schwer ist. 

Die Stärke der Konstriktion, welche, wie hier ergänzend eingeschaltet werden soll, das 
Rotieren des Körperteils innerhalb der Bindenschlinge verhindert, hängt natürlich von der 
Grösse des Zuges an den Bindenschenkeln ab, die Stärke des abwärts gerichteten Druckes, wie 
oben gezeigt wurde, ausserdem von der Neigung der Bindenschenkel, also dem relativen Ver- 
hältnis zwischen Höhe des Objektes und der Breite des Tisches (Spannweite der Bindenschenkel) 
ab. Man kann daher bei gleichbleibender Belastung den Druck zunächst dadurch regulieren, 
dass man das Objekt höher oder niedriger bettet, wie in Fig. 8 a und b dargestellt ist. In 


C 


Fig. 8. 


Fig. 8 a—d dient zur Erläuterung der Aenderung in den Fixationsbedingungen durch verschieden hohe 
Lagerung des Objektes bei gegebener Breite des Tisches und Höhe des Objektes. 


Fig. 8 c hat jede abwärtstreibende Kraft aufgehört, die Bindenschenkel laufen parallel zur Unter- 
lage; letztere Fixationsart wirkt natürlich nur seitlichen Bewegungen entgegen und wäre even- 
tuell nur dann anzuwenden, wenn z. B. Druck gegen die untere Fläche nicht vertragen wird. 
In letzterem Falle könnte man auch so vorgehen, dass man die Binde an der unteren Seite 
des Objektes kreuzt und dieses gegen eine darüber befindliche Widerlage drückt (Fig. 8d). Diese 
Fixation könnte z. B. auch bei Durchleuchtungen und Aufnahmen von unten her vorgenommen 
werden, wie solche mittels des Trochoskops') leicht zu bewerkstelligen sind. 

Eine weitere Regulierungsmöglichkeitt bei gleichbleibender Belastung ergiebt sich 
praktisch aus dem Umstande, dass der durchtretende Bindenschenkel an den ihn umgreifenden 
Schlitzrändern eine nicht unbeträchtliche Reibung erfährt. Der Zug der Gewichte allein reicht 
gewöhnlich nicht hin, diese Reibung zu überwinden, die Bindenschenkel lassen sich in der 
Regel mehr oder minder ausgiebig nachspannen. 

Die Belastung betrage auf jeder Seite durchschnittlich 3—4 kg. In manchen Fällen 
kann man getrost auf das Doppelte steigen; bei kleinen Kindern wird man natürlich nur ent- 
sprechend geringere Belastung wählen; bei Neugeborenen lässt man eventuell den Zug an 
den Bindenschenkeln manuell von der Begleitperson (Mutter, Pflegerin), der ja eine einmalige 
Bestrahlung nicht schaden kann, ausführen. Man lasse ferner wegen der Nachgiebigkeit der 
Fontanellen die Binde nicht über Stirn und Hinterhaupt, sondern über Nasenwurzel und Nacken 
oder Hinterhaupt gehen. Hier sei die praktisch-wichtige Beobachtung verzeichnet, dass, wenn 
man bei Schädelaufnahmen Neugeborener die Binde über die Augen des Kindes legt, es in 
einen schlafähnlichen Zustand zu verfallen pflegt. 


1) Vgl. Holzknecht und Robinsohn: Das Trochoskop, ein radiologischer Univer- 
saltisch in der vorletzten Nummer dieser Zeitschrift. 


Zur Technik der Fixation des Objektes bei radiologischen Aufnahmen. Die Schlitzbinde. 355 


Bindenmaterial. Soll man als Bindenmaterial Kalikotbinden oder dauerhaftere Stoffe 
(Flanellbinden, Leinwandstreifen, Gurte etc) wählen? Ich möchte nur die Kalikotbinden 
empfehlen, 1. aus Gründen der Reinlickeit und Asepsis soll man einen möglichst billigen Stoff 
benutzen, der im Prinzip nach einmaligem Gebrauch weggeworfen werden soll; 2. sind dichtere 
und dickere Stoffe weniger durchlässig und geben auf dem Negativ die zarte, schleierartige 
Zeichnung, die man vom Mitphotographieren der Wäsche 
her kennt. 

Noch ein kleines, technisches Detail: Soll man 
die Platte in die Binde einschliessen oder nicht? Das 
Einschliessen möchte ich entschieden widerraten, nament- 
lich dann, wenn ihre Breitendimension die des zu radio- 
graphierenden Objektes übertrifft. Aber auch wenn dies a 
nicht der Fall ist, begiebt man sich dadurch des Vorteils, 

im letzten Augenblick die Lage der Platte zum Objekte a ON 
regeln oder behufs eventueller Duplierung der Aufnahme 

ohne Änderung des Arangements die exponierte Platte her- 

vorziehen und durch eine unbelichtete ersetzen zu können 

(Vgl. Figg. 9 a, b,c). D 

Wenn ich der vielen Vorteile der Schlitzbinde 


gedacht habe, so will ich auch ihre Nachteile nicht ver- 
schweigen. ME 


Erstens ist ihre Bedienung durch eine Person 
etwas unbequemer, gelingt aber unschwer auf schmalen 
und langen Tischen. Und diese sind es ja gerade, welche 
sich für die Anwendung der Schlitzbinde am besten eignen 
und die ja auch in jeder anderen Richtung von jeher als Die Piatte darf, wenn sie breiter 
die brauchbarsten Formen angesehen wurden, von deren ;. als das Objekt (Fig. 9a) in die 
Verwendung nur wegen der Sandsackfixation Abstand ge- in die Schlitzbinde nicht einge- 
nommen werden musste. schlossen werden; ist sie schmäler 

Zudem sind zwei mögliche Ausführungsformen (Fig. 9b) so ist ihre Einbeziehung 
der Schlitzbinde möglich, welche ich praktisch zu erproben ADBPDEIG, ZWSCRWICEE Ask die Ein’ 

. ; j schliessung einer Platte, die breiter 
nicht Gelegenheit hatte und welche eine Vermehrung der ist als das Objekt (Fig. 9): Ver- 
Bequemlichkeit gestatten, wenn keine Assistenz vorhanden minderung der Konstriktion durch 
ist. Die erste Ausführungsform (Fig. 10) beruht darauf, dieBinde,ErmöglichungderRotation 
dass das Gewicht, welches auf der dem Standorte des innerhalb der Bindenschlinge. 
Manipulierenden entgegengesetzten Seite in Anwendung 


Fig. 9. 


PP 
Fig. 10. 7 
Modifikation der Schlitzbindenapplikation Ü 
mittels des Schnurfängers (S) zur Erleich- Fig. 11. 
terung des Arbeitens ohne Assistenz bei Modifikation der Schlitzbindenappli- 
breiten Aufnahmstisch. kation zur Erleichterung des Arbeitens 


ohne Assistenz bei breitem Aufnahms- 
tisch. P Perle, S Schlitz. 
45 * 


356 Grashey. 


kommt, an einer Schnur hängt, welche durch einen am Tischrande befestigten Schnurfänger 
festgehalten wird. Man könnte auch den Haken der Schnur in eine dem Tischrande parallel 
laufende Stange einhängen. 

Bei der zweiten möglichen Ausführungsform (Fig. 11) wird das eine Ende der Binde 
mittels Ringes an einer Schnur befestigt, welche über Rollen unter der Tischplatte durchläuft, 
so dass beide Gewichte auf dieselbe Seite zu hängen kommen und eine gemeinschaftliche Be- 
dienung durch eine Person möglich ist. Das vollständige Zurückgleiten der Schnur wird durch 
die Perle (P) und den Schlitz (S) verhindert. 

Übrigens kommt man, wie nochmals hervorgehoben werden soll, bei schmalem niedrigem 
Tisch auch allein, onne Assistenz, ganz gut zu stande. 


Aus der Münchner königl. chirurgischen Klinik (Direktor: Geh. Rat v. Angerer). 


Technisches zur Albers-Schönbergschen Kompressionsblende. 
Von 
Dr. R. Grashey. 


Die Albers-Schönbergsche Kompressionsblende hat sich viele Freunde erworben. 
Wer sich die vom Erfinder wiederholt gegebenen praktischen Winke zu nutze macht und eine 
gewisse technische Gewandtheit erlangt hat, wird gewiss gerne und mit Erfolg damit arbeiten. 
Für gewisse schwierigere Aufnahmestellungen schienen mir einige technische Ergänzungen nötig, 
die ich im folgenden beschreiben will, da sie sich in unserem Betriebe bewährt haben.?) 

I. Auf Fig. 1 wird auffallen, dass die Röhre horizontal auf zwei Lagern ruht. Die 
übliche Schrägstellung scheint keine wesentlichen Vorzüge zu haben; der Umstand, dass das 
Glas in dem senkrecht zur Röhrenachse stehenden Meridian am dünnsten ist und nach den 
cylindrischen Ansatzteilen hin an Dicke zunimmt, spricht sogar gegen die Schrägstellung mit 
parallel zur Platie gestellter Antikathodenfliche.*) Auf zwei Lagern aus Hartgummi Z, und L, 
durch Gummibänder @ festgehalten (Fig. 1), wird die Röhre entschieden sicherer gehalten, als 
wenn sie in einer Holzklammer schwebt, wie sie von der Fabrik geliefert wird. Die beiden 
Lager sind sowohl in der Längsachse als in der Querachse des Röhrenbrettes B geradlinig ver- 
schiebbar und werden durch Schrauben fixiert. Eine Lager-Verschiebung in der Längsachse ist bei 
Gebrauch ähnlicher Röhrentypen unnötig; eine Verschiebung in querer Richtung ist nur für die 
wenigen Röhren nötig, deren Brennpunkt nicht durch Drehung um die Längsachse sich in eine 
Ebene bringen lässt, welche man sich senkrecht auf der Längshalbierenden des Röhrenbretts 
errichtet denkt, welche also auch durch den Mittelpunkt des kreisrunden Blendenausschnittes 
geht. Es ist in der Regel nur nötig, die Röhre in der Längsachse zu verschieben und 
etwas zu drehen, bis eine angebrachte Papiermarke M mit einem bestimmten Punkt des Lagers 
L, abschneidet. Die Papiermarke wird auf die Röhre aufgeklebt auf Grund einer einmaligen, 
möglichst genauen Centrierung. Für alle folgenden Aufnahmen genügt dann die Ein- 
deckung der Papiermarke auf den gewählten Punkt der Lagerkante. Diese Einstellungen sind 
dann einfacher und genauer als das Visieren mittelst der von der Fabrik gelieferten aufzu- 
steckenden „senkrechten“ Nadeln, welche überdies voraussetzen, dass der Brennpunkt in der 
Mitte der Antikathode sich befinde. 


1) Die betr. Apparate werden hergestellt durch die ,Polyphos*-Gesellschaft, München. 
2) Auch die Firma Müller- Hamburg empfiehlt in neuerer Zeit die horizontale Lagerung ihrer 
Röhren. 


“ Technisches zur Albers-Schönbergschen Kompressionsblende. 357 


II. Die einmalige genaue Centrierung geschieht mittelst einer Pendelvorrichtung B, 
Fig. 3. Ein flacher Eisenring R, der in den Blendenausschnitt des Réhrenbretts passt, trägt 
mittelst Steg Q den konzentrischen, dickeren, kleinen Bleiring r. Durch den gemeinschaftlichen: 
Mittelpunkt gleitet, in einer Ose, der Faden des Pendels P. Auf den senkrecht stehenden 
Kompressionscylinder wird das Röhrenbrett mit dem Pendelring und der grob centrierten Röhre 
aufgesetzt. Unter dem Kompressionscylinder wird ein Fluorescenzschirm (ohne Bleiglas), mit 


$ 


Fig. 1. 


der Schichtseite nach oben horizontal hingelegt und das kleine Metallpendel P am Faden so 
weit herabgelassen, dass es den Schirm fast berührt. Man verdunkelt den Raum und sieht nach 
Einschaltung der Röhre auf dem Leuchtschirm den vergrösserten Schatten des Ringes r und 
innerhalb desselben den schärferen kleinen Pendelschatten; drei- bis viermalige geringe Ver- 
schiebungen bezw. Drehungen der jeweils ausgeschalteten Röhre genügen, um den Pendelschatten 
in die Mitte des Ringschattens zu bringen, womit dann die Röhre centriert ist; d. h. ihr Brenn- 
punkt befindet sich dann in der Mittelsenkrechten des kleinen Ringes r, also auch mitten über 
dem Presscylinder. Der Vorteil dieser Vorrichtung beruht darin, dass der Abstand zwischen 
Antikathode und Ring r viel kleiner ist als der Abstand des Ringes r vom Pendel bezw. dem 
Schirm. Eine ganz geringe Verschiebung der Röhre bewirkt eine viel bedeutendere Verschie- 
bung des Pendelschattens aus dem Centrum des Ringschattens. Dies ermöglicht eine genaue 
Centrierung. Die danach vorgenommene Markierung der Röhre kann man gelegentlich kon- 
trollieren, wenn man befürchtet, dass der Brennpunkt gewandert sein könnte, 

II. Fig. 2 zeigt eine Visier- und Pendelvorrichtung, welche am Presscylinder an- 
geschraubt ist und umgeklappt wird, wenn nach Einstellung des Objektes das Röhrenbrett nebst 
Röhre aufgesetzt werden soll. 


398 Grashey. 


Ein durch Schraube F anziehbares Metallband A, welches 
den obersten Teil des (Stereoskop-) Presscylinders umgreift, trägt 
zwei in Scharnieren «, c, um 90° drehbare graduierte Metallstäbe 
m, m,, über welche die beiden Hülsen 4,4, tubusartig ausziehbar 
sind. Die Hülsen sind oben verbunden durch den Steg Q. Der 
Faden f des Pendels P geht durch eine Ose, welche zugleich der 
Mittelpunkt der runden Öffnung in der Visierscheibe v ist. Mittelst 
des Pendels kann man bei Präzisionsaufnahmen auf einen be- 
stimmten Punkt der Körperfläche, z. B. eine Orientierungsmarke 
genau einstellen, man kann auch durch zweimaliges Loten erreichen, 
dass ein gewünschter Punkt des Objekts sich senkrecht über einem 
andern Punkt, z. B. dem Plattenmittelpunkt befindet. Zwischen 
Objekt und Hartgummiring des Presscylinders wird ein in Verband- 
gaze eingenähter Wattering eingelegt. Während der Aufnahme stört die umgeklappte Visier- 
vorrichtung in keiner Weise (siehe Fig. 1 bis f, v,¢,). Hat man einmal gemessen, wie gross 
der Abstand der Antikathode (Brennpunkt) von der Ebene der obern Presscylinder-Öffnung ist, 
so braucht man nur die Hülsenrohre A, A, (Fig. 2) entsprechend weit an den graduierten Stäben 
m, m, in die Höhe zu ziehen, und kann dann das Auge an den Punkt bringen, an welchem 
bei der folgenden Aufnahme die Antikathode stehen wird, man kann demnach mit dem Auge 
das sehen, was die Antikathode „sehen“ wird. Man zieht also die Hülsen ca. 1 cm weniger 
weit aus, als dem Abstand der Antikathode entsprechen würde, legt das Auge dicht an die 
Visierscheibe und kann so erkennen, ob die untergelegte Platte richtig ausgenutzt wird, welche 
Teile des Objekts sich abbilden werden, man kann visierend ausprobieren, wie eng man in einem 
bestimmten Abstand von der Röhre eine Blende nehmen darf. Für schräge Aufnahmen ist die 
Visiervorrichtung ebenfalls geeignet; bei mässiger Schrägstellung des Presscylinders kann man 


Fig. 2. 


ni 54 
dj er, 


Fig. 3. 


mittelst der ausgezogenen Pendelvorrichtung auch den Punkt auf der Platte bezeichnen, der 
vom senkrechten Röntgenstrahl getroffen wird; dies ist oft wichtig zur Beurteilung des Grades 
perspektivischer Verzeichnung bei schräger Projektion. Ä 

Für manche Aufnahmen kann man solcher Vorrichtungen allerdings entbehren. Handelt 
es sich jedoch darum, in gewissen Zeiträumen Aufnahmen unter möglichst gleichen Bedingungen 
zu wiederholen (um z. B. das Wachstum eines Knochentumors zu verfolgen), so werden solche 
Präzisionsapparate die Zuverlässigkeit der Resultate sicher erhöhen. 

IV. Objekte, die nicht voll von der Kompressionsblende erfasst werden, sind nicht immer 
genügend fixiert. Stellt man z. B. ein Scheitelbein oder eine Orbita ein, so kann der Puls des 
Kranken, sein Tremor noch störend wirken. Sandsiicke genügen nicht immer, sind auch wegen 
ihrer Sekundärstrahlung nicht vorteilhaft. Ich liess daher besondere Kopfstützen anfertigen 
(s. Fig. 1); dieselben haben durch Scharniergelenke, die mit Flügelschrauben S, S, fixiert werden, 
eine grosse Bewegungsfreiheit; man könnte auch mit einem Kugelgelenk auskommen. Die ab- 
nehmbaren Holzbüchsen H, H,, in denen die Metallrohrstützen X, R, verstellbar sind, umgreifen 
drehbar und in der Höhe verstellbar die Stützsäulen des Blendengestells. Mit Hilfe dieser 


Das im März 1905 eröffnete neue Röntgeninstitut des Allg. Krankenhauses St. Georg-Hamburg. 359 


Kopfstützen gelingt es uns auch bei unruhigen Schädelverletzten Nähte, Gefässfurchen und 
Frakturlinien klar abzubilden. In einem unserer Fälle wurde die auf der Röntgenplatte 
sichtbare feine Frakturlinie später bei der Sektion bestätigt. 

V. Zur Fixierung zitternder Amputationsstümpfe und Gelenke genügen Kompressionsblende 
und Sandsäcke ebenfalls nicht immer. Für solche Fälle liess ich mehrere nach Art eines fran- 
zösischen Schraubenschlüssels bewegliche Holzklammern anfertigen (A, Fig. 8). Zwei recht- 
winklige Holzbretter W, und W, gleiten aufeinander. Die im Schlitz S bewegliche Schraube 7 
fixiert die Stellung. Man kann den Kopf, Unterschenkel, die zitternden Finger der seitlich 
aufzunehmenden Hand, das Becken kleiner Kinder u. a. bequem fassen und den Holzwinkel 
ausserdem durch Sandsäcke beschweren. 

IV. Auf Fig. 3 sieht man noch zwei mit Blei ausgekleidete hölzerne Ansatzstücke C und D, 
welche mittelst eines Kragens a in den Hartgummiring des Kompressionsrohrs eingepasst und 
durch die Kompression gehalten werden. Der cylindrische Ansatz dient dazu, das „Gesichtsfeld“ 
der Röhre zu vergrössern, der schräge Ansatz ist für Schulter-, Fussgelenksaufnahmen praktisch; 
man kann sich durch entsprechende Ansatzstücke der Form des Rippenbogens, des Halses u. s. w. 
anpassen. 

In Fig. 1 wird noch auffallen, dass die von Siemens & Halske gelieferten Griffe zum 
Drehen der Schrauben, welche die Blende in der Höhe verstellen, durch Räder S, S, ersetzt 
wurden. An den Griffen bleibt man leicht hängen, die dann herabfallende schwere Blende kann 
den darunter liegenden Kranken verletzen. 


Das im März 1905 eröffnete neue Röntgeninstitut des Allgemeinen Krankenhauses 
St. Georg-Hamburg. 
Von | 
Dr. Albers-Schönberg, leitender Arzt des Institutes. 


Gelegentlich des Neubaues eines Operationshauses für das Allgemeine Krankenhaus 
St. Georg wurde mir vom Direktor Herrn Dr. Deneke der ehrenvolle Auftrag zuteil, in dem 
neuen Gebäude ein mit allen modernen Hilfsmitteln der heutigen Technik, soweit dieselben sich 
bewährt haben, ausgerüstetes Röntgeninstitut einzurichten. Ich habe diesen Auftrag zu erfüllen 
gesucht, indem ich von folgenden Gesichtspunkten, welche mir die wichtigsten für den 
rationellen Betrieb eines solchen Institutes zu sein schienen, ausging. 


1. Das Institut soll sämtliche Arbeiten der medizinischen und chirurgischen 
Station übernehmen, sowie alle therapeutischen Aufgaben erfüllen. 


2. Sämtliche Untersucher, sowohl Ärzte wie Schwestern sollen bei ihren 
Arbeiten in dem Institut gegen Bestrahlungen ihres eigenen Körpers absolut 
geschützt sein. 


8. Die täglich vorzunehmenden Untersuchungen sollen ım Interesse der 
Kranken schnell erledigt werden, so dass etwaige chirurgische Eingriffe sofort 
im Anschluss an die Untersuchung vorgenommen werden können. 

4. Alle Hilfsapparate sollen jederzeit gebrauchsfertig sein und ihre festen 
Plätze im Laboratorium erhalten, so dass ein durch Aufstellen der Apparate 
bedingter Zeitverlust vermieden wird. 

5. Da trotz der genügend grossen Räumlichkeiten infolge der Grösse 
mancher Hilfsapparate der Raum bestens ausgenutzt werden muss, so soll bei der 


360 Albers-Schönberg. 


Aufstellung der Apparate auf diesen Punkt ganz besondere Rücksicht genommen 
werden. 
6. Das Institut soll nicht allein den praktischen Bedürfnissen des Kranken- 


hauses gerecht werden, sondern es soll auch ein Muster-Versuchs- und Lehr- 
institut der Röntgenologie sein. 

Das Röntgeninstitut liegt im ersten Stock des Operationshauses und besteht aus zwei 
miteinander durch eine Tür verbundenen grossen, hellen Räumen. Ein Personenaufzug mündet 
innerhalb derselben und öffnet sich nach beiden Zimmern. An dieselben schliesst sich 
unmittelbar ein als Dunkelkammer dienender Raum an. Um das an und für sich unwahr- 
scheinliche Durchdringen von Strahlen aus dem Untersuchungsraum in das Dunkelzimmer 
durch die steinerne Wand absolut sicher zu verhindern, wurde unter der Verputzung der be- 
treffenden Dunkelzimmerwand eine '/, mm dicke Bleiplatte angebracht. Die Wände des 
Dunkelzimmers sind mit schwarzen, glasierten Kacheln verkleidet. Der Fussboden ist mit 
matten schwarzen Kacheln bedeckt. Der Wand- und Deckenanstrich ist in matter schwarzer 
Farbe gehalten. Der Eingang in das Dunkelzimmer führt durch einen Vorraum, welcher 
dazu dient, dem Tagelicht beim Betreten des Dunkelzimmers den Zutritt zu verwehren. 
Das letztere ist gegen den Vorraum, und der Vorraum gegen das Untersuchungszimmer 
durch Türen abgeschlossen. Im Vorraum befindet sich ein mit Wasserzufluss und Abfluss 
versehener Spültisch, welcher bei Verstärkungsarbeiten mit Quecksilberlösungen zur Ver- 
wendung kommt. Da das Sublimat sehr leicht zu Verunreinigungen der photographischen 
Lösungen führen kann, so war die Absonderung dieser Arbeiten in einem besonderen Raum 
erforderlich. Das Dunkelzimmer hat ein grosses, lichtdichtes Fenster, in welchem eine rote 
Scheibe eingelassen ist. Die Lüftung des Zimmers kann in ausreichendem Masse stattfinden. 
An der Längswand des Dunkelzimmers sind zwei grosse Spültische mit Wasserzufluss und Abfluss 
aufgestellt, ferner ein durch einen Elektromotor angetriebener, selbstthätiger Entwicklungs- 
schaukeltisch. Die nötigen Chemikalien finden gegenüber dem Spiiltisch auf einem Bord 
Aufstellung. Für die Auswässerung von Papierabzügen ist ein mit Wasserzufluss und Abfluss 
versehener metallener Spülkasten angebracht. Das zufliessende Wasser tritt in denselben von 
unten hinein und veranlasst so Wirbelbewegungen des Wassers, wodurch das Zusammenkleben 
von mehreren Papierabzügen verhindert wird. Das gebrauchte Wasser fliesst durch einen 
Überlauf ab. 

Im ersten Untersuchungszimmer finden die Aufnahmen zu chirurgischen Zwecken sowie 
sämtliche Durchleuchtungen, ferner therapeutische Bestrahlungen, welche mit der Kompressions- 
blende ausgeführt werden, statt. Im zweiten Zimmer ist der zur exakten Herzmessung be- 
stimmte Orthodiagraph, sowie der von mir modifizierte Holzknechtsche Untersuchungstisch 
(Trochoskop), welcher zu Operationen im direkten Röntgenlicht zum Eingipsen von Frakturen 
unter Röntgenlicht und zur Aufnahme von Thoraxaufnahmen dient, aufgestellt. 

Durch die Veröffentlichungen der letzten zwei Jahre ist die Einwirkung der Röntgen- 
strahlen auf innere Organe sichergestellt. Die Versuche mit der Röntgentherapie bei Leukämie 
erbrachten den Beweis einer intensiven Wirkung der Strahlen auf das Milzgewebe. Die 
schädigenden Wirkungen auf die Haut sind seit langem bekannt. Ferner haben Versuche von 
Birch-Hirschfeld bewiesen, dass auch das Auge beträchtlich durch die Bestrahlung in 
Mitleidenschaft gezogen wird. Es ist hier nicht der Ort auf die Einzelheiten der Röntgen- 
wirkung auf innere Organe einzugehen. Die Arbeiten müssen im Original nachgelesen werden. 
Es ergiebt sich indessen aus ihnen, dass es eine unabweisbare Pflicht der Vorsteher 
von Krankenhäusern und Kliniken ist, in genügender Weise für den Schutz der 
im Röntgenlaboratorium arbeitenden Ärzte und Schwestern zu sorgen. Im Kranken- 
hause St. Georg wurde diese Anforderung in folgender Weise gelöst. 

Die Schutzvorrichtung besteht aus einem rechtwinkligen Kasten von 172 cm Länge, 
92 cm Breite, 195 cm Höhe. (Fig. 1.) Derselbe ist an seiner Innenseite lichtdicht mit Blei aus- 


Das im März 1905 eröffnete neue Röntgeninstitut des Allg. Krankenhauses St. Georg-Hamburg. 361 


geschlagen und letzteres mit einem Ölfarbenanstrich versehen. In diesem Kasten haben drei 
Personen bequem Platz. Da der Raum des Untersuchungszimmers durch einen derartig grossen 
‘ Schutzkasten sehr erheblich beeinträchtigt wird, so musste darauf Bedacht genommen werden, 


Fig. 1. 


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den Kasten auch für andere Zwecke des Laboratoriums bestmöglichst dienstbar zu machen. 


Dieses wurde so erreicht, dass der Induktor seinen Platz auf dem Dach des Schutzhauses er- 
hielt, so dass ein Stativ für den ersteren überflüssig wurde. 


Da das Laboratorium auch für 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen, VIIT. 


46 


362 Albers-Schönberg. 


Versuchszwecke bestimmt ist und namentlich auch Induktoren verschiedener Fabrikation hier 
praktisch ausprobiert werden sollen, so wurde der für den steten Gebrauch bestimmte 80 cm- 
Induktor auf das eine Ende des Kastens gesetzt so dass genügend Platz auf dem Dache für 
die Aufstellung von weiteren Induktoren blieb. Die beliebige Einschaltung der letzteren er- 
folgt mittels eines mehrpoligen Umschalters direkt vom Rheostaten aus. Man ist also in der 
Lage, bei der Arbeit unmittelbar von einem auf den anderen Induktor übergehen zu können, 
was bei Vergleichsversuchen von grossem Werte ist. Der Rheostat in Tischform steht an der 
Schmalseite im Innern des Kastens und ist durch das Dach hindurch mittels isolierter Kabel 
mit dem Induktor verbunden. Ausserdem befinden sich sämtliche für den Betrieb erforderlichen 
Sicherungen, sowie die meisten Lichtschalter des Untersuchungszimmers im Innern des Kastens. 
Ferner ist in ihm ein Generalausschalter für den Betriebsstrom des ganzen Institutes in einem 
verschliessbaren Schrank, zu welchem nur die zur Benutzung der Apparate berechtigten Personen 
den Schlüssel besitzen, angebracht. Soll eine Röntgenröhre eingeschaltet werden, so kann 
dieses nur dann geschehen, wenn sich der Untersucher in den Kasten hinein an den Rheostaten 
begiebt. Er befindet sich dann unter allen Umständen in völliger Deckung. Da erfahrungs- 
gemäss im Laufe der Zeit das Personal ın der Befolgung der Sicherheitsvorschriften 
nachlässig wird, so wurde durch diese Aufstellung des Rheostaten dafür gesorgt, dass ein 
Inbetriebsetzen der Apparate nur dann möglich ist, wenn sich der Untersuchende im Schutz- 
hause befindet. Wir sehen, dass bet den Arbeiten nicht nur ein vollkommener Schutz des 
Gesamtkörpers des Personals gewährleistet wird, sondern dass auch jegliches Arbeiten mit den 
Händen in der Nähe der Röhre, wie dieses früher beim Regulieren oder bei der Härte- 
bestimmung unerlässlich war, ausgeschlossen ist. In den beiden Längswänden des Schutzkastens 
befindet sich je ein Bleiglasfenster, sowie je eine nach den parallel zum Kasten beiderseits 
aufgestellten Untersuchungstischen gerichtete Härteskala. Die Feststellung des Härtegrades der 
Röhre wird also aus einer Entfernung von ca. 1?/, Meter vorgenommen. Bei diesem Abstand 
ist bei der von mir speziell für diese Distanzmessung abgeänderten Walterschen Skala eine 
ausserordentlich genaue Bestimmung des Härtegrades möglich. Die Exaktheit des Ablesens 
wird noch dadurch erhöht, dass sich der Untersucher im Dunkel des Schutzhauses befindet, 
mithin seine Augen durch das Fluorescenzlicht der Röhre nicht geblendet werden können. 
Nach den zu beiden Seiten des Schutzkastens aufgestellten Untersuchungstischen verläuft eine 
Fadenleitung, welche an dem Regulierdraht der Röhre mittels einer Klemmschraube befestigt 
wird. Durch ein an dieser Leitung befindliches Gewicht kann vom Innern des Kastens aus je 
nach Bedarf der Regulierdraht dem negativen Pol der Röhre genähbert, und somit das erforder- 
liche Vacuum eingestellt werden. Rechts und links sind in Dachhöhe des Schutzkastens zwei 
hölzerne Stangen angebracht, auf welchen sich Isolatoren befinden. Die letzteren sind mit je 
zwei parallelen 50 cm voneinander entfernten, in der Längsrichtung der Untersuchungstische 
verlaufenden Messingdrähten verbunden. An diese Drähte werden die Zuführungskabel der 
Röntgenröhre angehakt. Der Strom wird vom Induktor in der später zu beschreibenden Weise 
direkt in die Messingdrähte geleitet. Die Aussenseite des Schutzhauses dient zur Aufhängung 
solcher Normalbilder, welche stets im Laboratorium gebraucht werden, z. B. Moritzsche Skizzen 
des normalen Herzens für die Orthodiagraphie. Sollen Durchleuchtungen vorgenommen werden, 
so wird nur das auf dem Rheostaten befindliche Glühlicht eingeschaltet, denn dasaus dem Eingang 
des Kastens herausdringende und von der Wand reflektierte Licht genügt vollständig, um alle 
im Zimmer befindlichen Gegenstände zu erkennen und ist dabei doch so schwach, dass sich die 
Augen des Untersuchers genügend für die Beobachtung auf dem Leuchtschirm ausruhen 
können. Zeigt sich z.B. bei einer Untersuchung des Ösophagus, dass die Herstellung 
eines Wismuthbolus erforderlich ist, so kann dieselbe im Inneren des Schutzkastens bei guter 
Beleuchtung vorgenommen werden, ohne dass im Zimmer Licht gemacht wird. Wir sehen also, 
dass die vorbeschriebene Schutzvorrichtung ausser ihrem eigentlichen auch noch verschiedene 
sehr wesentliche Nebenzwecke erfüllt. 


Das im März 1905 eröffnete neue Röntgeninstitut des Allg. Krankenhauses St. Georg-Hamburg. 363 


Rechts und links neben dem Schutzkasten ist je ein mit verschiebbarer Kompressions- 
blendenvorrichtung versehener Untersuchungstisch aufgestellt. Der rechtsseitige wird für schwer- 
verletzte Patienten, welche in liegender Stellung untersucht werden sollen, benutzt. Er ist vor 
dem Personenaufzug so postiert, dass der Kranke, welcher mittels des letzteren in den 
Untersuchungsraum befördert wird, entweder mit der Tragbahre oder ohne dieselbe direkt 
auf den Tisch gehoben werden kann. Es ist dieses namentlich bei schweren Frakturen im 
Interesse der Schmerzersparung sehr wesentlich, da der Patient nur wenig gerührt zu werden 
braucht. Der links neben dem Schutzkasten stehende Tisch dient vorwiegend solchen Unter- 
suchungen, welche in sitzender Stellung ausgeführt werden. An der ihm benachbarten Zimmer- 
wand ist ein Wandarm befestigt, mit welchen Aufnahmen, die ohne das Blendenverfahren 
hergestellt werden sollen (Kiefer, Zähne), gemacht werden können. Das Vorhandensein von 
zwei Untersuchungstischen gestattet ein sehr schnelles Arbeiten. Ist nur ein Tisch vorhanden 


ı rechts 


Fig. 2. 


und ist derselbe besetzt, so muss man mit der nächsten Untersuchung unter Umständen sehr lange 
warten, da der Patient in schweren Fällen nicht eher vom Tisch genommen werden darf, als 
bis man sich im Dunkelzimmer davon überzeugt hat, dass die Aufnahme gelungen ist. Verfügt 
man über zwei Tische, so kann während der Entwicklungszeit auf dem andern Tisch, welcher 
nicht besetzt ist, weiter gearbeitet werden. 

An der Schmalseite des Schutzhauses ist die Bleikistenblende, welche allen Unter- 
suchungen mittels des Leuchtschirms dient, aufgestellt. Der Raum ist so bemessen, dass eine 
grössere Anzahl von Zuschauern bequem vor der Blende Aufstellung nehmen kann, um den 
Demonstrationen zu folgen. 

Da es mit grossen Schwierigkeiten verbunden ist bei drei Apparaten, welche in drei 
verschiedenen Richtungen vom Induktor aufgestellt sind, die Kabelverbindungen mit dem 

Ä 46* 


364 Albers-Schönberg. 


letzteren herzustellen, so liess ich einen Hochspannungsumschalter, einen bislang in der Röntgen- 
technik noch unbekannter Apparat konstruieren. 

Der Hochspannungs-Umschalter besteht aus einem an der Decke des Zimmers befind- 
lichen Brett, auf welchem sich in der Art wie die Fig. 2 zeigt 8 dicke Glasstäbe befinden, welche 
an ihren unteren Enden Messingkappen tragen. Die Stäbe c und d stehen in dauernder Ver- 
bindung mit den sekundären Klemmen des Induktor. Ist die Holzschiene e in der in der 
Figur angegebenen Weise eingestellt, so geht der Strom von den Klemmen des Induktor über 
c und d nach a und b. Die Uberleitungen finden mittelst zweier Federn A und A, statt. 
a und 5 stehen in dauernder fester Verbindung mit der Bleikistenblende Durch Zug an dem 
Faden f wird das Brett e nach links herumgedreht, so dass die Federn 4 und A, mita, und b, 
in Kontakt kommen und zwar tritt die Feder 4 mit b, die Feder A, mit a, in Kontakt. Die 
auf der rechten Seite des Brettes e angebrachte Feder A, bleibt durch einen Kabel mit der 
Klemme d in Verbindung. Der Strom geht nunmehr von c und d direkt nach a, und 5, 
welche beiden letzteren Kontakte in dauernder Verbindung mit den über dem linksseitig 
aufgestellten Untersuchungs-Tisch befindlichen obenerwähnten Messingdrähten stehen. Die 
Rückwärtsbewegung des Brettes e aus der eben genannten, in die zuerst beschriebene 
Stellung geschieht durch einen Gewichtszug nach Lösung der Schnur f. In gleicher Weise 
können die Punkte a, und b, nach Drehung des Brettes e in Folge Zug an der Schnur f, 
nach rechts mit den Federn 4 und A, in Verbindung gebracht werden. Feder h, tritt mit 
a, und Feder 4 mit b, in Kontakt. An dem der Klemme c zugekehrten Ende des Brettes e 
befindet sich ebenfalls eine kurze Kabelleitung, welche die dauernde Verbindung der Feder h 
mit c auch dann sichert, wenn sich das Brett e nach rechts dreht, a, b, stehen in gleicher 
Weise wie a, b, mit den über dem rechtsseitig aufgestellten Tisch befindlichen Messing- 
drähten in dauernder Verbindung. Die Rückkehr aus der eben beschriebenen, in die auf der 
Figur 2 eingezeichnete Stellung findet wiederum durch den Gewichtszug nach Lösung der 
Schnur f, statt. Der Mechanismus ist ein ausserordentlich einfacher. Irgendwelche Ver- 
wechselungen der Pole sind gänzlich ausgeschlossen; auch erkennt man auf den ersten Augen- 
blick aus der Stellung des Brettes e, welcher der 3 Apparate eingeschaltet ist. 

Diese Vorrichtung bedeutet für den Untersucher eine ausserordentliche Erleichterung, 
da die lästige Kabelzuführung zur Röhre vollkommen in Wegfall kommt. 

Die für die beiden Untersuchungszimmer erforderlichen Wehneltschen Unterbreclier 
befinden sich in einem von den Untersuchungsräumen entfernt liegenden Raum. 

Der Gang einer Untersuchung gestaltet sich also etwa folgendermassen: Patient wird 
auf den Untersuchungstisch gelagert. Die Blende wird in der bekannten Weise eingestellt und 
der zu untersuchende Körperteil durch dieselbe fixiert. Die auf dem Röhrenbrett stets centriert 
eingestellte Röhre wird auf die Blende aufgesetzt. Die über dem Tisch verlaufenden parallelen 
Zuleitungskabel werden mit den Polen der Röhre verbunden und an den Regulierdraht der 
letzteren die Regulierschnur befestigt. Der Hochspannungsumschalter wird für den in Betracht 
kommenden Untersuchungstisch eingestellt. Der Untersucher begiebt sich in das Schutzhaus und 
schaltet ein. Sollnun z. B. unmittelbar nach einer solchen Untersuchung eine Durchleuchtung 
stattfinden, so kann dieses ohne jeden Zeitverlust geschehen. Es ist nur erforderlich, den Hoch- 
spannungsumschalter durch einen Zug an der Schnur des letzteren für die Bleikistenblende 
einzustellen. 

Als Beleuchtung dient für beide Untersuchungstische je ein senkrecht über denselben 
hängender Pendel. Ferner ist eine Deckenbeleuchtung vorgesehen, welche zur allgemeinen Be- 
leuchtung des Raumes dient. | 

Der vorbeschriebene Untersuchungsraum hat zwei grosse Fenster, mit je einer un- 
geteilten Mattglasscheibe. In dem Fensterrahmen sind an einer Schiebevorrichtung horizontal 
verlaufende, nach oben und unten verschiebbare Eisenschienen angebracht, in welche Negative 
aller Formate eingesetzt werden können. Jedes Fenster kann z. B. ca. 45 Negative von der 


Das im März 1905 eröffnete neue Röntgeninstitut des Allg. Krankenhauses St. Georg-Hamburg. 365 


Grösse 18:24 resp. 18:18 in diesen Schienen aufnehmen. Das eine der Fenster ist mit Nega- 
tiven, welche das ganze normale Skelett umfassen, dauernd armiert, so dass es nicht nötig 
ist, wenn normale Vergleichsbilder gewünscht werden, dieselben erst hervorzusuchen. In 
dem anderen Fenster werden die sämtlichen innerhalb der letzten 24 Stunden gemachten Auf- 


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Fig. 3. 


nahmen, soweit sie nicht in dringenden Fällen direkt auf die Station geschickt werden, für die 
Morgenvisite eingestellt. Die betreffenden Stationsärzte finden also Gelegenheit, bei guter 
durchfallender Beleuchtung und Abblendung allen überflüssigen Lichtes, die Platten ihrer 
Kranken zu studieren und eventuell mit normalen Bildern zu vergleichen. Die Verdunkelung 
geschieht durch ‚grosse, lichtdichte, eiserne Doppelfenster, welche mit Leichtigkeit geschlossen 


866 Albers-Schönberg. 


werden können. Zwischen den Fenstern ıst in einer in der Wand befindlichen Nische ein 
Transparenzkasten (Negativbühne) zur Betrachtung von Platten bei elektrischem Licht an- 
gebracht. Ein photographischer Vergrösserungsapparat zur Herstellung von Diapositiven lässt 
sich an diese Negativbühne ohne weiteres ansetzen. 

Im zweiten Untersuchungsraum ist der Induktor auf einem 2 Meter hohen Stativ, 
zwischen dessen Füssen sich der Tischrheostat befindet, aufgestellt. Auf einem Wandbord 
gegenüber dem Induktor sind Quecksilbermotorunterbrecher, Turbine sowie ein Wehnelt zu 
Demonstrationszwecken aufgestellt. Eine Umschaltvorrichtung ermöglicht das Arbeiten ausser 
mit dem, in einem Nebenraum für den täglichen Gebrauch befindlichen Wehnelt, mit jedem 


Fig. 4. 


der genannten Unterbrecher. Links neben dem Induktorstativ hat der Orthodiagraph seinen 
definitiven Platz erhalten. Die Röhre ist stets richtig centriert in demselben eingestellt, so dass 
nur die Kabel in die unter dem Untersuchungstisch verlaufenden Zuführungsdrähte eingehängt 
zu werden brauchen. Soll in vertikaler Stellung orthodiagraphiert werden, so wird der Tisch zur 
Seite gerückt und der Orthodiagraph aufrecht gestellt. 

Rechts vom Untersuchungstisch hat das von Holzknecht angegebene Trochoskop Auf- 
stellung gefunden. Der in den Fortschritten a. d. G. d. R. Bd. VIII Heft 2 beschriebene Apparat 
dient bekanntlich für Operationen, sowie Anlegung von Gipsverbänden im direkten Röntgen- 
licht. Ich habe denselben für die Zwecke des neueingerichteten Laboratorium in einigen Teilen 
verändern lassen. Der ganze Holzkasten, in welchem sich die Röhre befindet, ist mit Blei 
ausgeschlagen. Die für die Beobachtung der Röhre erforderlichen Fenster sind aus Bleiglas 
gearbeitet und höher gelegt und verkleinert worden. Die ursprünglichen Fenster sind in 


Zur Röntgentherapie des Carcinoms. 367 


Holzschiebetüren umgewandelt worden. Hierdurch ist eine Bestrahlung des Operateurs während 
der Arbeit ausgeschlossen. An Stelle der Leinwandbedeckung des Kastens ist eine solche aus 
Wachstuch, damit keine Feuchtigkeit in das Innere des Kastens dringen kann, zur Anwendung 
gekommen. Hierdurch wird ein sorgfältiges Reinigen der Tischfläche möglich. Die Tisch- 
platte selber ist wesentlich verbreitert worden, so dass sie an sämtlichen Seiten 10 cm über- 
steht. Es bietet dieses die Möglichkeit, Extensions- und andere Apparate an dem Trochoskop 
befestigen zu können. Ferner kann obne Schwierigkeit meine Compressionsblende, in an anderer 
Stelle zu veröffentlichender Weise, unter Zuhilfenahme der überstehenden Tischkante mit dem 
Trochoskop kombiniert werden. Um das Halten des Leuchtschirms mit der Hand zu vermeiden, 
habe ich auf der Tischplatte zwei Schienen anbringen lassen, auf welchen auf Rädern ein vier- 
eckiges metallenes Gestell läuft, welches mittels zweier Klammern den Leuchtschirm festhält. Ausser 
dem Leuchtschirm kann das fahrbare Gestell auch eine Kassette bis zur Grösse 40/50 aufnehmen. 
Man wird also das Trochoskop nach Holzknechts Vorschriften sehr zweckmässig für Aufnahmen 
des Thorax in Rückenlage mit der Platte gegen die Brust benutzen können, wobei die Platte 
so genau eingestellt werden kann, dass sie gerade die Brusthaut berührt. Diese Art der Auf- 
nahmetechnik ist derjenigen in sitzender Stellung unter Umständen vorzuziehen, da eine Be- 
wegung des Patienten ausgeschlossen ist. 

Besondere Schutzvorrichtungen wurden in diesem Raum nicht eingerichtet, da das 
Trochoskop durch seine Bleibekleidung bereits den erforderlichen Schutz gewährt. 

Gegen die Bestrahlung bei Arbeiten mit dem Orthodiagraphen wird man sich nur sehr 
schwer schützen können, ohne die leichte Handhabung des letzteren zu erschweren. Es wird 
hierzu ein rechtwinkliges, fahrbares, mit Blei bekleidetes Holzgestell von Tischhöhe benutzt, 
hinter welches der Operateur tritt oder, was sehr zu empfehlen ist, die neuerdings von Kohl 
in den Handel gebrachten Schutzschurzfelle, welche relativ leicht sind und einen sehr aus- 
gedehnten Schutz gewähren. 

An der den Fenstern gegenüber liegenden Längswand des zweiten Untersuchungs- 
zimmers werden demnächst einige für therapeutische Bestrahlungen konstruierte Sitze angebracht 
werden, ferner ein gynäkologischer Untersuchungstisch mit Vorrichtung zum Bestrahlen des 
Uterus. Die Kabelverteilung an sämtliche Hilfsapparate dieses Zimmers findet mittels eines 
auch in diesem Raum befindlichen Hochspannungsumschalters statt.?) 


Zur Röntgentherapie des Carcinoms. 


Von 
Dr. A. Kohler, Dr. G. Herxheimer, 
Spezialarzt fiir Radiologie zu und Prosektor am Städt. Krankenhaus 
Wiesbaden. zu Wiesbaden. 


In dem sogleich zu beschreibendem Falle, dessen Überweisung zur Röntgenbehandlung 
wir Herrn Dr. Schmelz verdanken, handelte es sich um ein mächtiges exulceriertes Mamma- 
carcinomrecidiv, welches unter Röntgenbehandlung in vier Monaten sich bedeutend verkleinerte 
und vollständig überhäutete. 


Beamtenfrau, 50 Jahr alt. Beide Eltern in hohem Alter gestorben. Ein Bruder an Leberkrebs 
eingegangen. Ein anderer Bruder, der seither gesund war, hatte vor kurzem einen leichten Schlaganfall. 
— Patientin bis zum 19. Jahre gesund, dann nach einem Stoss gegen die Thürklinke Schmerzen und 
Nässen der linken Brustwarze. Mit 34 Jahren entstand an dieser Brust ein Knötchen, das in 9 Jahren 
zu Hühnereigrösse anwuchs, ohne sich zu Öffnen; sodann Operation. Neben der Narbe entstand nach 


1) Die technische Ausführung der vorbeschriebenen Einrichtungen hatte die Firma Richard 
Seifert & Co., Hamburg, übernommen, 
Die Kompressionsblendeneinrichtungen lieferte die Firma Siemens & Halske, Berlin-Westend. 


368 Köhler und Herxheimer. 


einem Jahr ein neues Knötchen. Behandlung geschah nun mit Geheimmitteln. Das Knötchen öffnete sich 
bald, blieb bis jetzt (5 Jahre lang) offen uud vergrösserte sich langsam. Als ein Chirurg hinzugezogen 
wurde, erklärte derselbe die Affektion für inoperabel. Zuletzt wurden Atzungen mit Höllenstein und 
Karbolsäure angewandt, Borsalbenverband. In den letzten Monaten sehr heftige Schmerzen an der 
Wunde. 

Dieser kaum durch Morphium zu lindernden Schmerzen wegen wurde mir (K.) die Patientin zur 
Röntgenbestrahlung überwiesen. Status: Schwächliche, wenig kachektisch aussehende Frau. Die ganze 
linke Brustseite ist von einer 22 cm langen, 12 cm breiten, geschwürigen, granulierenden Tumormasse 
eingenommen (Fig. 1), die durch ein paar stehengebliebene Hautstreifenreste in mehrere grosse erhabenere 
Felder mit wulstigen Rändern eingeteilt wird. An der vorderen Partie der Achselhöhle ebenfalls eine 
grössere exulcerierte Fläche; zwei kleinere, geschwürig zerfallende Knötchen in weitem Abstand links 
unten von der Hauptstelle. In der linken Achselhöhle ein kleineres Drüsenpaket zu fühlen, links hinten 
kleine-Tumorknoten über der Spina scapulae zu palpieren; eine kleinere Metastase rechts vorn, etwas 
lateral von der Infraklavikulargrube. 


Die Röntgendurchleuchtung des Thorax ergab links nichts Auffälliges, dagegen rechts, 
in der Hilusgegend der Lunge, einen etwa walnussgrossen, zirkumskripten, bei der Atmung sich 
etwas mitbewegenden Schatten. Ein Dorsalradiogramm zeigt den betreffenden Schatten ganz 
gut (Fig. 3). 

Die Behandlung bestand in achtzehn intensiven Bestrahlungen von 10 bis 15 Minuten 
Länge, die in Intervallen von drei bis vier Tagen verabfolgt wurden. Es wurden immer nur 
fünfmarkstückgrosse Stellen auf einmal belichtet bei 5 cm Röhrennähe, so dass einzelne 
Partien dreimal, andere zwei- 
mal, die isolierten Knötchen 
links unten nur einmal den 
Strahlen ausgesetzt waren. Das 
Drüsenpaket in der Achsel- 
höhle, auf der linken Rücken- 
seite und vorn an der rechten 
Schulter sollten zunächst nicht 
belichtet werden. 

Der Erfolg war ein 
überraschender. Elf Wochen 
nach der ersten Bestrahlung 
(s. Fig. 2) war die ganze 
Tumormasse ebener, flacher, 
sauberer geworden. Die Epi- 
dermis hatte sich von aussen 
überall um 11/, bis 2 cm 
über die affizierte Partie vor- 
geschoben, ebenso hatten sich 
die alten Epidermisstreifen 
innerhalb des Tumors nach 
allen Richtungen hin ver- 
breitert. Die isolierten Par- 
tieen links unten seitlich 
waren ganz überhäutet. Die 
Sekretion war ganz gering. 
Während vor der Behandlung die Granulationen beim Verbandwechsel immer bluteten, geschah 
dies seit Wochen nicht mehr. Gleich hier erwähne ich, dass sieben Wochen nach dieser 
photographischen Aufnahme (Fig. 2) keine exulcerierte Stelle mehr vorhanden, sondern alles mit 
einer zarten weissen Haut überkleidet war. Die ganze behandelte Stelle war fast überall auf 
das Niveau der Umgebung zurückgegangen, nur da, wo die erhabensten Tumorpartien bestanden 


Fig. 1. 


Exulceriertes Mammacareinomrecidiv. Vor Beginn der Röntgen- 
behandlung. 


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Zur Röntgentherapie des Carcinoms. 369 


hatten, waren auch jetzt noch kleine etwa 4 mm hohe Wulstungen unter der Haut zu erkennen 
und zu fühlen. 

Patientin hatte zur Zeit, als Bild 2 aufgenommen wurde, auch unter starken Schmerzen an 
der linken Hüfte und grosser Müdigkeit zu leiden. Verdacht auf Femurmetastase. Radiogramm 
zeigte aber eine fünfmarkstückgrosse zirkumskripte, erweichte Stelle in der linken Darmbein- 
schaufel. Patientin war bald zu schwach zu gehen, konnte nicht weiter mit X-Strahlen behandelt 
werden, und starb sieben Wochen nach der letzten Röntgenbestrahlung an allgemeiner Ka- 
chexie. Wir hatten die Patientin in den letzten sieben Wochen nicht gesehen und waren 
deshalb, als die Sektion vorgenommen wurde, um so mehr überrascht, als die ganze Tumorpartie 
fast gänzlich verschwunden, d. h. abgeflacht und vollständig überhäutet war. Leider musste 
von Anfertigung eines Photogramms abgesehen werden, da man gezwungen war, die Autopsie 
am Abend bei Lampenlicht vorzunehmen. 


Von der Sektion, die aus äusseren Gründen keine vollständige sein konnte, sei als Wichtigstes 
angeführt, dass Adhäsionen der Pleuren nur links oben bestanden, dass an den Pleuren verstreut den 
Verlauf von Lymphbahnen entlang kleinste Tumoren sassen, in der Mitte der rechten Lunge ein erbsen- 
grosser, mehr hiluswärts (s. Radiogramm) ein haselnussgrosser, gelblichweisser Tumor gefunden und in 
der l. Lungenspitze konsistente diffuse Partien mit schiefrig indurierter Umgebung (makroskopisch dem 
Bilde ausgeheilter Tuberkulose ähnelnd) festgestellt wurden. Es sei gleich vorweggenommen, dass alle 
diese Tumoren, auch die Affektion an der linken Lungenspitze — die übrigens ebenfalls 
im Radiogramm sich abzeichnet — sich mikroskopisch als Carcinome erwiesen. 

Zur histologischen Untersuchung wurden eine grössere Reihe Stücke von der Haut sowie Meta- 
stasen aus der Lunge verwandt. Dieselben wurden in Formol gehärtet und teils (besonders zur Fett- 
färbung) auf dem Gefriermikrotom geschnitten, zum grössten Teil aber in Celloidin eingebettet. Gefärbt 
wurde vorzugsweise mit Weigertschen Eisen-Hämatoxylin und nach van Gieson, ferner mit der 
Weigertschen Elastica-Färbungsmethode, nach Unna auf Elacin und Collagen, ferner nach der ELDER 
schen Fibrinmethode, mit Fettponceau auf Fett etc. etc. 

Der folgenden kurzen Beschreibung legen wir Schnitte von unbelichtetem Carcinom nein: 
metastasen und ein kleines Knötchen in der Haut auf der rechten Schulter) von weniger belichtetem und 
von intensiv bestrahltem zugrunde. 

1. Lungenmetastasen. In einem bindegewebigen Stroma finden sich hier susämmenhängende 
alveolar angeordnete Haufen grosser Zellen. Teils liegen letztere in grösseren Massen von Bindegewebe 
umgeben zusammen, teils liegen sie in schmalen langen Streifen in den Bindegewebsspalten. In dem Be- 
reich dieses ganzen — makroskopisch als Knötchen imponierenden — Bezirkes ist von normalem Lungen- 
gewebe nichts mehr erhalten. Jene Zellen haben einen helleren Kern mit deutlichem Kerngerüst und 
meist einem oder mehreren Kernkérperchen. Die Kerne sind zum grossen Teil rund, zum Teil auch 
länglich geformt, im ganzen sind sie gross, aber nicht gleichmässig, einige von auffallender Grösse. 
Einzelne, vor allem grosse, Kerne sind auch dunkler gefärbt. Die Zellen. besitzen reichliches Proto- 
plasma; die einzelnen Zellen lassen sich, insbesondere wo sie mehr isoliert liegen, scharf begrenzen. Die 
Zellform ist meist eine unregelmässige, mehr oder weniger kubische. Eigentliche typische Zylinder- 
epithelien liegen nicht vor, auch keine typischen Plattenepithelien, wie sich auch keine Verhornung oder 
dergl. findet. Das Stroma ist derb, erscheint bei van GiesonFärbung dunkelrot, im ganzen ist es arm 
an Spindelzellen, nur an einigen Stellen sind die Zellen des Bindegewebes zahlreicher. Die Gefässe an 
sich sind normal. Während die meisten auch ganz kleinen eine deutliche Wand aufweisen, scheint in 
anderen das Geschwulstgewebe direkt an die roten Blutkörperchen zu grenzen. Letztere liegen an 
manchen Stellen auch zwischen den Tumorzellen in reichlicher Menge. Nekroseherde finden sich nur 
in geringer Zahl und Ausdehnung und auch nach aussen von Carcinomzellen umgeben, also zentral ge- 
legen. Mitosen sind nur ganz spärlich vorhanden; dagegen öfters Geschwulstzellen mit mehreren Kernen. 
Das Protoplasma der Zellen ist gut färbbar ohne Veränderungen regressiver Art, nur ganz vereinzelt 
wurden mehrere Zellen mit Vacuolen und ganz vereinzelte mit den noch zu beschreibenden, in den 
Vacuolen gelegenen Gebilden gefunden. An einer Stelle nun im Zentrum eines grösseren Tumorknotens 
fällt schon mit schwacher Vergrösserung auf, dass die Kerne der Tumorzellen weiter auseinanderliegen, 
ihr Protoplasma sich heller gelb färbt, so dass diese kleine Stelle in toto heller erscheint. Offenbar handelt 
es sich hier um Veränderungen regressiver Natur, wohl ein Vorstadium der Nekrose. Mit der Ölimmersion 
sieht man, dass eine Reihe der Zellen an dieser allerdings nur kleinen Stelle deutlich Vacuolen enthalten. 
Die ganze Zelle erscheint wie aufgetrieben, wird aber oft zum grossen Teil von einer solchen Vacuole 
eingenommen; der Kern ist plattgedrückt, im Reste des Protoplasmas vorhanden. In der Vacuole oft 
zentral, oft excentrisch, liegen nun kleine runde, gelbe (bei van Gieson Färbung), keine Zeichnung auf- 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIL. 47 


370 Köhler und Herxheimer. 


weisenden Massen von unregelmässiger Grösse. Zum Teil weisen diese Gebilde absolut das gleiche Bild 
auf wie die bekannten sogenannten Krebsparasiten, die von v. Leyden sogenannten „vogelaugenähn- 
lichen® Gebilde etc. Zum Schlusse sei noch erwähnt, dass das Lungengewebe in der Nähe der grösseren 
Tumormassen zellig infiltriert ist und sich auch hier jene grossen Zellmassen in umschlossenen Räumen 
in der Umgebung von Gefässen, also in Lymphgefässen, finden. 


Es handelt sich also somit um ein typisches Carcinom und zwar mehr von indifferentem 
Charakter der Zellen, dem gewöhnlichen Mammacarcinom entsprechend. 


2. Unbelichtetes Carcinomknötchen von der rechten Schulter. Unter dem normalen 
Oberflächenepithel liegt eine Schicht ziemlich derben, an elastischen Fasern reichen Bindegewebes, dann 
folgt das kleine schon makroskopisch erkennbare Tumorknötchen. Über seinen Bau können wir uns kurz 
fassen, denn Anordnung, Stroma und Carcinomzellen gleichen durchaus dem eben beschriebenen. 

Auch hier finden sich, besonders an einer Stelle, zahlreiche rote Blutkörperchen zwischen den 
Tumorzellen. Auch hier ist wieder nur ganz geringe Nekrose zu erkennen; Vacuolen und jene „vogel- 
augenähnlichen* Gebilde fanden sich nur einige wenige. Das übrigens nur geringe Stroma im Geschwulst- 
knoten ist arm an Zellen; das angrenzende Binde- und Fettgewebe enthält eine grössere Zahl von 
Rundzellen. 

3. Mässig belichtete Carcinomstelle. Es findet sich wiederum das Carcinomgewebe von 
dem Oberflichenepithel durch eine dünne Schicht derberen Bindegewebes mit zahlreichen Gefässen ge- 
trennt. Das Carcinomgewebe gleicht wiederum ganz dem beschriebenen Bilde. Auffallend ist nun aber 
die obere Grenze des Carcinoms nach dem dies bedeckenden Bindegewebe zu, sowie letzteres selbst. Hier 
finden sich zwischen den Bindegewebsfasern Stellen, welche an Form — meist streifenförmig — durch- 
aus den hier noch weiter nach abwärts gelegenen mit Tumorzellen gefüllten Krebsnestern gleichen. Jene 
Stellen enthalten nun zum Teil zwar auch Carcinomzellen, aber deren Kerne und Protoplasma färben 
sich anders — schlechter. Die Kerne sind zum Teil auch weit dunkler, kleiner, unregelmässig ge- 
zackt wie geschrumpft. Das Protoplasma zeigt eigentümliche Veränderungen. Die geringsten bestehen 
darin, dass die Zellgrenzen sich nicht mehr scharf trennen lassen, sondern die Zellen sehen wie ver- 
schmolzen und komprimiert aus. An anderen Zellen nun ist das Protoplasma wie gelockert, heller gelb 
gefärbt, und gerade hier finden sich teils kleine Vacuolen, teils grössere. Manche Zellen enthalten auch eine 
ganze Reihe solcher. In den Vacuolen finden sich nun wieder zum grossen Teil jene kleinen gelbgefärbten 
Punkte. Diese sind meist rund und von ganz verschiedener Grösse. Während manche klein sind und 
so jenen vogelaugenähnlichen Bildungen durchaus gleichen, — durch mehrere nebeneinander gelagerte 
Körnchen kommen auch jene auf Teilungen bezogenen komplizierteren Bilder zustande — sind andere 
so gross, dass sie fast die ganze Vacuole füllen. Da häufig rote Blutkörperchen in der Nähe sind, lassen 
jene Gebilde oft nicht entscheiden, ob es nicht etwa rote Blutkörperchen, mit denen sie ja eine grosse 
Ähnlichkeit haben, sind. Sie finden sich nun aber auch an solchen Stellen, wo keine Erythrocyten in 
der Nähe vorhanden sind, ferner sind jene hyalinen Massen zum Teil weit kleiner, zum Teil aber auch 
drei- bis viermal so gross als rote Blutkörperchen, und ferner sind sie vollständig rund, während die Blut- 
körperchen infolge von Schrumpfung meist eckige Formen angenommen haben; auch die Farbintensität 
ist eine etwas verschiedene. Färben sich ja auch rote Blutkörperchen sowohl wie jene hyalinen Kugeln 
bei van Gieson Färbung gelb, so sind die roten Blutkörperchen doch etwas dunkler gelb gefürbt und 
glänzender als die hyalinen Gebilde und das übrige Zellprotoplasma. Alle diese Veränderungen finden 
sich also an jenen Stellen an der oberen Carcinomgrenze bezw. weiter nach oben im Bindegewebe in 
grossen Mengen, während sie im übrigen Carcinom höchstens hier und da vorhanden sind, wie unter 1. 
und 2. beschrieben. Nun finden sich aber an jenen Stellen auch streifenförmige Carcinomzellmassen, in 
denen zwar zum Teil noch Kerne und Zellen mit den eben beschriebenen Veränderungen vorhanden sind, 
die in anderen Abschnitten auch gar keine Kerne und einzelne Zellen mehr aufweisen, sondern hier nur 
aus einer gleichmässigen, wie geronnen erscheinenden oder leicht gekörnten hellgelben Masse bestehen. 
Und ferner finden sich in diesem Gebiet zahlreiche Stellen, welche an Form den beschriebenen Carcinom- 
nestern durchaus gleichen, die aber gar keine Carcinomzellen, sondern nur eben jene gelben zusammen- 
hängenden Massen enthalten. Vereinzelter fanden sich solche Stellen auch weiter oben dicht unter- 
halb der Epidermis. Im Bindegewebe am Rande solcher Stellen sind zahlreichere Spindel- und besonders 
Rundzellen als im übrigen Bindegewebe vorhanden. 

4. Stark belichtete Carcinomstelle. Hier finden sich genau dieselben Veränderungen. 
An einigen Stellen liegen auch Carcinomzellennester fast dicht unter der Epidermis. Diese zeigen nun 
besonders hochgradig jene Protoplasmaverdünnung, Vacuolenbildung, hyalinen Massen etc. Sonst finden 
sich diese wieder auch zahlreich an der obersten Carcinomgrenze, wo dasselbe nicht so weit nach oben 
reicht, während das in der Tiefe liegende Tumorgewebe jene Gebilde nicht aufweist. Unter jenen Zellen 
mit Vacuolen, hyalinen Massen etc. finden sich auch solche, in deren Protoplasma keine Vacuolen sich 
gebildet haben, bei denen aber dadurch eine eigentümliche Protoplasmazeichnung zustande kommt, dass 


Zur Röntgentherapie des Carcinoms. 371 


dieses im ganzen heller erscheint und darin etwas dunkler gelbe Massen liegen, jenen hyalinen durchaus 
gleichend, nur eben nicht in Vacuolen, sondern direkt im Protoplasma gelegen. Da, wo besonders noch 
im oberen Bindegewebe einzelne kleine mit Zellen gefüllte Krebsnester vorhanden sind, finden sich auch 
wieder Veränderungen, welche zu so geschrumpften kleinen dunklen Kernen mit geringem Protoplasma- 
saum führen, dass es oft kaum entscheidbar ist, ob es sich um Reste von Carcinomzellen oder um Binde- 
gewebs- bezw. Blutzellen handelt. Jene gelben Stellen ohne Carcinomzellen und Kerne finden sich wieder 
an der obersten Grenze des Carcinomgewebes in besonderer Menge. Hier sind nun und zum Teil auch 
in jene eingedrungen zahlreiche Rund- und Spindelzellen gelegen. Die Gefässe in der oberen Bindegewebs- 
schicht zeigen gross eEndothelien, und um die Gefässe liegen häufiger kleine Ansammlungen von Rund- 
zellen mit vereinzelten polynucleären Leukocyten. Die Gefässe weiter in der Tiefe zeigen keinerlei Ver- 
änderungen. Zu bemerken ist noch, dass an einigen wenigen Stellen Carcinomzellennester sich weit 
hinauf nach der Epidermis zu erstrecken, welche jene sonstigen Zerfallserscheinungen nur in geringem 
Masse zeigen, sondern noch vollsaftigen Carcinomzellen entsprechen. 

5. Sehr intensiv belichtete, Carcinomstellen. Hier finden sich dieselben Veränderungen 
im Prinzip, aber zum Teil in weit höherem Masse, so dass sie nur angedeutet zu werden brauchen. Ober- 
flächlich findet sich die neugebildete Epidermis, dann wieder der Streifen derben Bindegewebes, und besonders 
in dessen unterer Hälfte jene gelben Flecke und Streifen, welche zum Teil noch Reste von Carcinomzellen, 
zum grössten Teil aber keine solchen mehr enthalten. Diese Stellen finden sich in diesen Schnitten in 
besonders grosser Zahl. Sodann kommt wieder das eigentliche Carcinomgewebe, das in seiner obersten Lage 
wiederum in besonderer Menge allerhand Vacuolen und in diesen gelegene hyaline Massen beherbergt. 
Während die mit einer oder mehreren Vacuolen versehenen Zellen meist den Kern flachgedrückt dunkel am 
Rand zeigen — es kommen so vollständig siegelringartige Formen zustande — haben andere Zellen zwar 
Vacuolen aber keine Kerne mehr. Andere Vacuolen haben auch an jedem von zwei Enden einen Kern, und 
da solche Vacuolen sehr gross 
sind und wie aus zwei Kreisen 
entstanden in der Mitte eine 
leichte Verengerung aufweisen 
können, so liegt der Gedanke 
nahe, anzunehmen, dass solche 
Vacuolen aus dem Protoplasma 
zweier konfluierter Zellen ent- 
standen seien. Der Rand der 
Vacuole gegen das Protoplasma 
ist manchmal so scharf, dass der 
Eindruck einer eigenen Membran 
hervorgerufen wird. Während 
die hyalinen Massen in den 
Vacuolen meist rund sind, wur- 
den hier und da mehr wurst- 
förmige langgestreckte Bildungen 
beobachtet. Hier finden sich 
auch gerade jene schon erwähn- 
ten hyalinen Massen von beson- 
derer Grösse. Da wo Carcinom- 
nester weiter nach oben ragen, 
finden sich derartige Verände- 
rungen fast in jeder Zelle, doch 
sind einige wenige Zellnester auch 
weiter nach oben zu wiederum 
noch von diesen Veränderungen 
verschont geblieben. Auch in 


jenen gelben Stellen mit nur noch l Fig. 2. 
Resten von Carcinomzellen oder Elf Wochen nach Beginn der Bestrahlungen. Nach weiteren sieben 
auch ohne Kerne fanden sich noch Wochen war die Stelle vollständig überhäutet und auf das Niveau 
etwas schärfer abgrenzbare Proto- der Umgebung abgeflacht. 


plasmamassen mit Vacuolen und 

jenen hyalinen Massen, oder auch es waren nur noch letztere an jenen Stellen unscharf abgrenzbar zu erkennen. 

In einigen wenigen Vacuolen finden sich auch ganz dunkle braunschwarze Punkte mit mehreren noch 

kleineren ebensolchen daneben, offenbar Kerntrümmer. An mehreren Stellen fallen im Bindegewebe an 

noch vorhandenen Krebszellennestern eigentümliche Veränderungen auf. Hier sind einige Zellen, welche 
47* 


872 Köhler und Herxheimer. 


noch deutliche Kerne enthalten, konfluiert; nach aussen von den Kernen ist das Protoplasma noch er- 
halten, färbt sich nur etwas anders wie das der anderen Zellen: nach innen vom Kern aber ist kaum mehr 
Protoplasma vorhanden, vielmehr liegt hier ein von allen Zellen umgebener Hohlraum fast ganz an- 
gefüllt mit einer gelben hyalinen aber unregelmässig gezackten Masse. Ob diese aus einem Teil aller 
jener Zellen entstanden oder aus anderen hier ursprünglich gelegenen Zellen, welche ganz zugrunde ge- 
gangen, liess sich nicht entscheiden. Im Bindegewebe fallen nun ausser jenen den Carcinomnestern ent- 
sprechenden Stellen, welche eine hyaline oder leicht gekörnte gelbe Masse enthalten, noch andere auf, 
welche jenen dadurch ähneln, dass sie dieselbe gelbe Farbe besitzen, aber insofern verschieden sind, dass 
sie aus Fasern bestehen, welche durchaus in ihrer Form und Wellenbewegung den umliegenden Binde- 
gewebsfasern entsprechen. Sie fallen also lediglich dadurch auf, dass sie gelb gefärbt sind und dass in 
ihnen keine Kerne oder wenigstens nur sehr spärliche gelegen sind. Es lässt sich oft schwer entscheiden, 
ob ein spindelförmiger Kern einer derartig veränderten oder den benachbarten normalen Bindegewebs- 
fasern angehört. Diese Stellen sind ziemlich zahlreich. Oft umfassen sie nur einige wenige Fasern, 
welche gelb gefärbt sind, oft sind mehr circumskripte solche Herde, aus einer grösseren Reihe einzelner 
Fasern bestehend, vorhanden. Diese Stellen finden sich im ganzen Bereiche jenes Bindegewebsstreifens, 
auch weiter oben, dicht unterhalb des Epithels. Oft finden sich in den gelben Stellen noch ganz feine, 
rotgefärbte Bindegewebsfäserchen, von denen nicht entscheidbar ist, ob es Reste alter oder eingewucherte 
neue sind. An einer Stelle findet sich unter jenem Bindegewebe etwa 4 mm unter der Hautoberfläche 
quergestreifte Muskulatur. Carcinom ist hier nicht vorhanden, nur noch gelbe Stellen im Bindegewebe 
oberhalb der Muskulatur. Letztere selbst zeigt keine Veränderungen und weist deutlich wohlerhaltene 
Querstreifung auf. 


Zum Schlusse sei bemerkt, dass sich Fett nirgends in jenen degenerierten Herden fand. Nur 
in wenig Schnitten wurden in der Tiefe im Carcinom feine Fetttrépfchen, zum Teil in den Carcinom- 
zellen, zum Teil in Bindegewebszellen gelegen, festgestellt. 


Wir können unsere Befunde kurz zusammenfassen: Es fanden sich oberflächlich an 
vielen Stellen keine Carcinomzellennester mehr, wohl aber Stellen, welche offenbar aus diesen 
entstanden waren und vollständiger Nekrose derselben entsprachen. Hierbei fanden sich alle 
Übergänge von den Carcinomzellen durch allerhand Degenerationsformen zu jenen Nekrosen. 
Bei den Degenerationen stand eine eigenartige Vacuolisierung des Protoplasmas im Vordergrund 
des Interesses. Eine teilweise Verdünnung, teilweise auch Zusammenballung des Protoplasmas 
leitete offenbar jene Vacuolisierung ein. In den fertigen Vacuolen lagen dann jene geronnenen 
wie konzentrierter erscheinenden Reste des Protoplasmas als hyaline Kugeln. Ein Teil dieser 
bot durchaus das Bild der „vogelaugenähnlichen“ Bildungen, doch fanden sich alle Übergänge 
zu Vacuolen obne jenes centrale Korn einerseits zu solchen, welche fast ganz mit riesigen, hyalinen 
Kugeln angefüllt waren und so gar nicht mehr an die vogelaugenähnlichen Bildungen er- 
innerten andererseits. Während diese Bilder so sicher zum grössten Teil aus dem Protoplasma 
der Carcinomzellen bei ihrer Degeneration entstanden waren, liess sich nicht sicher entscheiden, 
ob nicht an manchen Stellen sich auch rote Blutkörperchen oder Reste von solchen an der 
Bildung jener hyalinen Massen beteiligten. Dicht unterhalb des Oberflächenepithels lag Binde- 
gewebe mit Resten von Zellnestern, wo aber die Zellen meist zerstört waren, dann kamen noch 
vorhandene Carcinomnester, deren Zellen aber jene Degenerationserscheinungen aufwiesen, und 
ohne scharfe Grenze schloss sich hieran das eigentliche Carcinom an. Hier war eine stärkere 
Degeneration nicht mehr festzustellen, wenigstens nicht stärker als in den nicht belichteten 
Haut- und Lungenknoten. Hier wie da geringe, aber nur centrale Nekrose und nur ganz ver- 
einzeltes Vorkommen von Vacuolen mit vogelaugenähnlichen Bildungen. Um die Stellen, wo 
die Carcinomnester degeneriert oder nekrotisch waren, fand sich — und zum Teil auch in ihnen 
— ein grösserer Reichtum an Rund- und Spindelzellen. Auch um einige Gefässe lagen 
Haufen von Rundzellen und vereinzelte polynucleären Leukocyten, sonst waren die Entzündungs- 
zeichen nur sehr gering. Die Gefässe selbst wiesen ausser einer Schwellung der Endothelien — 
und auch dies fand sich nur in den oberflächlicheren Lagen — keine Veränderungen auf. Die 
Bindegewebsfasern zeigten nur bei den stark belichteten Stücken Veränderungen und zwar 
solche, welche auf eine Degeneration bezw. Nekrose einzelner solcher hinwiesen. Zu bemerken 
ist noch, dass sich an einigen Stellen, — allerdings vereinzelten — Careinomgewebe auch noch 


Zur Röntgentherapie des Carcinoms. 373 


im oberflächlichen Bindegewebe dicht unter der Epidermis erhalten hatte. Dass hier besonders 
derbe Lagen straffen Bindegewebes diese Carcinominseln geschützt hatten — derartige An- 
deutungen fanden sich hier und da — ist möglich, aber nicht -beweisbar. 

Die histologischen Untersuchungen von carcinomatösen Gewebsstücken nach Röntgen- 
behandlung sind noch sehr spärlich in der Literatur, und fast stets handelt es sich um Cancroide 
der Haut. Wir haben hier nicht den Raum, auf die Literatur des Genaueren einzugehen und 
wollen nur kurz andeuten, dass diese sich in zwei Richtungen teilen lässt. Die einen Autoren 
— so Exner und Mayon — sehen die erste Wirkung der Röntgenstrahlen in einer Entzündung 


Fig. 3. 
Dorsales Thoraxradiogramm der Patientin Figg. 1 u. 2 vor Beginn der Röntgenbehandlung. 
Pathologische Schatten: am rechten Hilus (zirkumskript) und an linker Lungenspitze (mehr diffus). 


und entzündlichen Wucherung des Bindegewebes, welche zum Verschwinden der Carcinomzellen 
führen soll. In ähnlicher Weise ist von manchen Seiten auch bei der sonstigen Wirkung der 
Röntgenstrahlen auf normale und pathologisch veränderte Gewebe auf die Entzündung der Haupt- 
nachdruck gelegt worden, so z. B. von Grouven bei den durch Röntgenbehandlung im Lupus- 
gewebe erzielten Veränderungen. Allerdings bespricht er auch Degeneration der spezifischen 
Elemente. Auch Apolant, welcher Mäusecarcinome mit Radiumstrahlen behandelte, schildert 
zunächst die Leukocyten-Infiltration und das Auftreten von Fibroblasten, nimmt aber doch auch 
eine primäre Schädigung der Carcinomzellen an. In dieser wird nun von der zweiten Gruppe 
der Autoren die erste und Hauptwirkung der Röntgenstrahlen gesehen. Hiernach handelt es 
sich bei Bestrahlung der normalen Haut wie der Carcinome um eine primäre Degeneration von 
‘ Zellen, besonders Epithelien, während die entzündliche Wucherung dann nur eine naturgemässe 


374 Köhler und Herxheimer. 


Folge ist. In dieser Weise wurden die Veränderungen im Carcinomgewebe z. B. von Scholtz, 
Perthes, Bruns, Mikulicz und Fittig, Mc. Caw, Beck, Pusey und Ellis dargestellt. 
Allgemein pathologische Betrachtungen bieten nun dieser Auffassung eine feste Stütze. Wenig- 
stens für jeden, der, wie wir, bei pathologischen Prozessen z. B. in der Entzündungslehre auf 
dem Boden des von Weigert aufgestellten Gesetzes steht, demzufolge hierbei stets eine primäre 
Schädigung von Zellen, die erste Wirkung irgend eines schädigenden Agens ist, während die 
entzündliche Wucherung und zwar im allgemeinen die des Bindegewebes nur die naturgemässe 
Folge darstellt; ausgelöst wird letztere dadurch, dass jeder Zelle eine bioplastische Energie 
innewohnt, die für gewöhnlich latent bleiben muss, aber nun, da durch die Folgen jener 
Schädigungen Wachstumswiderstände geschwunden sind, in kinetische Energie umgesetzt wird. 
Von der primären Schädigung wird das labilste Element zuerst ergriffen, in parenchymatösen 
Organen die am höchsten differenzierten Epithelien. Dasselbe tritt bei den Folgen der Röntgen- 
bestrahlung in der Haut auf und ist auch aus den Veränderungen im Carcinomgewebe er- 
sichtlich. Hier werden die Carcinomzellen vor den Hautepithelien ergriffen, da erstere ja zwar 
wohl niedriger differenziert, aber doch labiler sind — gehen doch stets zahlreiche Carcinom- 
zellen durch Nekrose zu Grunde, während die anderen regellos weiter wuchern — als die 
‚normalen Hautepithelien. Dieser ganzen Anschauungsweise verleihen nun auch unsere histo- 
logischen Befunde eine feste Stütze. Ohne nochmals auf diese weiter eingehen zu wollen, 
geht aus ihnen die direkte Schädigung — Degeneration und Nekrose — deutlich hervor, bevor 
noch irgendwelche entzündliche Reaktion — d. h. regenerative Bindegewebswucherung — zu 
beobachten ist, welche in unseren Präparaten erst spät und in nur geringem Grade einsetzt. 
Die primäre Schädigung hat zunächst nur die Carcinomzellen, an sehr stark belichteten Stellen 
aber auch die Bindegewebsfasern betroffen. Die Gefässe sind nur sehr wenig verändert. Auch 
in Details stimmen unsere Bilder mit denen anderer Beschreiber zum grossen Teil überein, so 
z. B. im Zusammenfliessen von Zellen mit Perthes und wohl auch mit Mikulicz und Fittig, 
die von Riesenzellenbildung sprechen. Mit Apolant stimmen unsere Befunde im Gegensatz zu 
Pusey in dem Punkte überein, dass das Protoplasma zuerst und viel stärker angegriffen wird, als 
der Kern der Zellen. Unter den Degenerationsformen steht wie bei den meisten Autoren so auch 
bei uns die vacuoläre an erster Stelle. Wir glauben alle Übergänge beobachtet zu haben, wie 
das Protoplasma an manchen Stellen gleichsam dünner, an anderen wie konzentrierter wird, 
wie sich so Vacuolen bilden und in diesen jene hyalinen Schollen auftreten. Dass die Vacuolen 
öfters wie von einer eigenen Membran umrandet erscheinen, ist im Text erwähnt. Ein Teil 
dieser Gebilde entspricht durchaus den „vogelaugenähnlichen* Körpern v. Leydens, 
Plimmerschen Körperchen etc., wie sie zum Beispiel auch Gaylord beschreibt. Ein anderer 
Teil jener Gebilde hat damit keine Ähnlichkeit und doch liegt offenbar derselbe Prozess vor. 
Wir fassen somit jene Gebilde als aus degeneriertem Carcimomzellprotoplasma — und eventuell 
vereinzelten roten Blutkörperchen — entstanden auf. Dass ganz die gleichen Bilder unter 
verschiedenen Bedingungen in verschiedener Weise entstehen können, haben die eingehenden 
Arbeiten von Lubarsch, Stroebe, Borrel, Nösske, Apolant und Embden, Aschoff, 
Spirlas ete. genau geschildert. Die letztgenannten Autoren konnten jene Bilder auch experi- 
mentell erzeugen, wobei sie in Lymphocyten durch Aufnahme und Verdauung von polynucleären 
Leukocyten entstanden. Die Röntgenstrahlen sind also auch imstande, jene Gebilde experimentell 
hervorzurufen, was allgemein pathologisch von Interesse ist und bei dem hierbei besonders 
starken Auftreten von Vacuolen nahe liest. Apolant hat bei seinen Versuchen mit Mäuse- 
carcinomen die gleichen Gebilde in ganz derselben Weise entstehen sehen wie wir und diesen 
Punkt schon hervorgehoben, und in einer Abbildung (Fig. 6) der Perthesschen Arbeit im 
Archiv für klinische Chirurgie 1903 sehen wir sie bereits deutlich angedeutet. Ein Vergleich 
jener ganzen Vorgänge mit ähnlichen mit Vacuolenbildung und centralem Korn einhergehenden 
in Bazillen, zum Beispiel Spirillen, —- wobei es sich auch meist um Involutionserscheinungen 
handelt — sei hier nur angedeutet. Dass in unserem Falle alle diese Gebilde sicher unter der 


Zur Röntgentherapie des Carcinoms. 375 


Einwirkung der Röntgenstrahlen entstanden, geht daraus hervor, dass sie sich im übrigen 
Carcinomgewebe nur ganz vereinzelt — bei Mammacarcinomen wurden sie überhaupt am 
meisten beobachtet — fanden, stets aber an den Stellen, wo die Wirkung der Röntgenstrahlen 
zu erkennen war, massenweise vorhanden waren. Die Degenerationen also, welche die Strahlen 
erzeugen, sind nicht artverschieden von solchen wie sie auch sonst in Carcinomen auftreten — 
sind doch auch hier die von Orth neuerdings wieder betonten Ansätze zur Spontanheilung 
bekannt — aber quantitativ jenen so ausserordentlich überlegen, dass eine Heilung möglich 
wird. In unserem Falle liegt selbst in den oberen Schichten keine vollständige vor, denn 
es fanden sich auch hier noch vereinzelte Carcinomzellnester, deren Wucherungsfähigkeit 
allerdings, wie aus Versuchen von Perthes zu schliessen, wohl auch infolge der Bestrahlung 
herabgesetzt sein mag, — und tiefer als höchstens !/, cm schienen die Strahlen überhaupt 
nicht eingewirkt zu haben. Hier lag noch massenweise unversehrtes Carcinomgewebe. Ob sich 
nun diese erhaltenen Carcinomzellen für den Untergang der von den Röntgenstrahlen erreich- 
baren — ein Prozess, der zu dem für die Patienten ja schon sehr wichtigen oberflächlichen 
Abheilen und zur Überhäutung führt — dadurch rächen, dass sie besonders stark und schnell 
in die Tiefe wuchern — es wäre dies nach allgemeinen Gesetzen möglich — ‘muss dahingestellt 
bleiben. Es ist zuzugeben, dass unser Fall besonders vorgeschritten war und somit in dieser 
Beziehung ungünstig lag. | 

Gehen wir zum Schluss noch die klinisch praktischen, aus den vorhergehenden Aus- 
führungen sich ergebenden Gesichtspunkte kurz durch, so kommen wir zu folgenden Resultaten: 

Bei Mammacarcinom versäume man niemals, eine Durchleuchtung des Thorax vor- 
zunehmen, sie deckt eventuelle intrathorakale Metastasen auf und kann insofern unsere thera- 
peutischen Massnahmen entscheiden und die Prognose präziser stellen helfen. Einer von uns 
hat seit dem in Fig. 3 erhobenen Röntgenbefund jede der ihm zur Therapie überwiesenen 
Patientinnen mit Brustcarcinom vor Beginn der Röntgenbestrahlung einer Durchleuchtung unter- 
zogen mit der Erfahrung, dass in der Hälfte der Fälle Metastasen in den Lungen bezw. Lungen- 
drüsen vorhanden waren. Nun handelte es sich allerdings bei diesen Fällen ausnahmslos um 
inoperabele Affektionen, bei denen durch die Aufdeckung der inneren Metastasen die Therapie 
nicht modifiziert wurde. Aber folgendes ist zu bedenken: Es kann jedenfalls auch einmal 
eine innere Metastase gefunden werden in äusserlich scheinbar leichten Fällen eines mässig 
grossen Tumors der Mamma. Ist man in solchen Fällen, die jeder Therapie gegenüber voll- 
ständig aussichtslos sein müssen, berechtigt den operativen Eingriff einer Mammaamputation 
vorzunehmen? 

Hat man bei einem inoperabelen Mammacarcinom auch einen intrathorakalen Tumor 
aufgefunden, so ist es wichtig, dessen Verhalten während der äusseren Therapie zu beobachten 
hinsichtlich dessen, ob er in seiner Grösse verharrt, ob er wächst, ob sich weitere Knoten in seiner 
Umgebung bilden, oder ob er, was sehr unwahrscheinlich, sich verkleinert. Jedenfalls ist die 
Frage noch eine sehr offene, ob während der Röntgenbehandlung und äusserlichen Besserung 
der Prozess im Innern nicht schneller fortschreitet. Dieser Punkt ist mit der wichtigste bei 
der ganzen Röntgentherapie des Carcinoms (und anderer tiefgreifender Prozesse). In unserem 
Fall war jedenfalls soviel sicher zu konstatieren, dass der vor Beginn der Behandlung radio- 
graphisch festgestellte Tumor der rechten Hiluspartie bei der Sektion sicher nicht grösser gefunden 
wurde, wohl aber auffallend klein, ein Umstand, der vielleicht durch die Projektionsverhältnisse 
zu erklären ist. Dass der Knoten in Wirklichkeit kleiner geworden wäre, halten wir für absolut 
ausgeschlossen. In unserem Fall lassen sich jedenfalls sichere Anzeigen für eine schnellere Aus- 
breitung des Carcinoms im Thoraxinnern nicht angeben. Dennoch müssen wir erwähnen, dass 
bei anderen Fällen von Hautmetastasen (bei Carcinomrecidiven) während der Röntgentherapie in 
kurzer Zeit oft eine Menge metastatischer Knötchen in nächster Nähe und weiterer Umgebung 
auftraten. Nun ist uns allerdings nicht genügend bekannt, ob nicht auch ohne jede Röntgen- 
behandlung solche Schübe von kleinen Tumoren aufzutreten pflegen, sobald die ersten Recidiv- 


376 Hoffmann. 


knoten sich einmal etabliert haben. Jedenfalls wird man auf diesen Punkt weiter sein Augen- 
merk lenken müssen. 

Das Überraschendste für den Radiotherapeuten war an unserem Falle unbedingt die 
schnelle und vollständige Epidermisierung der grossen exulcerierten Partieen. Es war tat- 
sächlich bei der Sektion die ganze, in Fig. 1 so markante umfangreiche Geschwürsfläche ohne Lücke 
überhäutet. Ausserdem war sie um ein ganz Bedeutendes flacher geworden. Dieses Moment 
kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Wenn eine Patientin sieht, wie eine seit vielen 
Jahren sich stetig vergrössernde, jeder Behandlung trotzende „offene“ Partie ihres Körpers sich 
plötzlich unter einer neuen Behandlung binnen wenig Wochen vollständig schliesst, so kann 
einen solchen Nutzen nur der ermessen, der weiss, was es heisst, unheilbare Kranke zu behandeln. 

Es drängt sich hier ferner die Frage auf, ob man nicht bei anderen Gelegenheiten, 
wo die Epidermis keine Neigung zeigt, zu proliferieren, die Röntgenstrahlen als Reizmittel zu 
Hülfe nehmen soll. 

Was endlich die Tiefenwirkung angeht, so haben wir in unserem Falle dieselben Ver- 
hältnisse wie in allen diesbezüglichen Publikationen. Die gewebezerstörenden Faktoren des 
Strahlengemisches, Röntgenstrahlen genannt, haben nur bis zu einer recht mässigen Tiefe ihre 
Wirksamkeit entfaltet. Wir haben oben gesagt, dass die Veränderungen degenerativer Natur 
sich böchstens 5 mm in die Tiefe erstrecken. Das ist richtig und nicht richtig: Richtig ist es 
am Präparat gemessen, nicht richtig ist es insofern, als die Dicke der neugebildeten Haut- 
bedeckung von den 5 mm abzuziehen ist. Die Epidermis ist ja erst nach der Röntgenbestrahlung, 
als Folge derselben, aufgetreten; sie darf also nicht mit inbegriffen werden. 2 mm sind 
demnach abzurechnen, so dass 3 mm Tiefenwirkung übrig bleiben. Das ist sehr wenig, 
trotzdem die Belichtung eine äusserst intensive war. Unser Fall variiert aber in diesem Punkte 
nicht vor anderen. Es scheint bisher kein einziger einwandfreier Fall in der ganzen Röntgen- 
literatur nachgewiesen, bei welchem eine lokale Wirkung der Röntgenstrahlen in einer Tiefe 
von mehr als 6 bis 8 Millimeter stattgehabt hat. Die sonst an inneren Organen nach- 
gewiesenen Veränderungen sind sekundäre auf Veränderungen des Blutes, erlitten bei seinem 
Durchgang durch Kapillaren während der Bestrahlung, zurückzuführen und zu erklären. 

Daraus erhellt, dass wir unsere Hoffnungen, tiefer als ein paar Millimeter gehende 
Affektionen erfolgreich mit Röntgenstrahlen zu behandeln, noch sehr wenn nicht für immer 
zurückdämmen müssen. Der scheinbar logische Vorschlag, durch Bedeckung der Haut mit 
absorbierenden Medien die weicheren Strahlen aufzuhalten und mit den stark penetrierenden 
Strahlen in der Tiefe, ohne Schädigung der Hautoberfläche, therapeutisch zu wirken, scheint 
sich als falsch zu erweisen. Man erhält auf diese Weise entweder überhaupt keine Wirkung, 
oder auch nur eine solche auf der Haut und nicht in der Tiefe. Eine Menge Versuche der 
Verfasser, auf carcinomatiés entartete Drüsen der Achselhöhle einzuwirken, haben kein sicheres 
dositives Resultat ergeben. Wir fassen im Übrigen unsere Ansicht über die Röntgentherapie 
der Tumoren, insbesondere der Carcinome, dahin zusammen, dass sie nur bei flachen, oberflächlichen, 
am besten bei exulcerierten Geschwülsten ohne Drüsenmetastasen mit Erfolg anzuwenden ist, bei 
Cancroiden und Ulcus rodens zuweilen mit idealem Resultat. 


Die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. 
Von 
Prof. Dr. med. Aug. Hoffmann - Düsseldorf. 
Ein ganz neues Anwendungsgebiet haben die Röntgenstrahlen in der Behandlung 


innerer Erkrankungen und zwar der des Iymphoiden Gewebes und des Blutes gefunden. Die 
erste einschlägige Beobachtung wurde am 22. August 1908 von dem amerikanischen Chirurgen 


Die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. 377 


Senn mitgeteilt, der, von der Ansicht ausgehend, dass die Leukämie eine Infektionskrankheit 
sei, die Infektionserreger durch Röntgenstrahlen zur Abtötung bringen wollte. Ein Fall von 
Myelämie wurde von ihm zur Heilung gebracht. Inzwischen wird Senn die Priorität, der 
erste gewesen zu sein, der Leukämie mit Röntgenstrahlen erfolgreich behandelte, durch eine 
Mitteilung von Schütze (Kösen) streitig gemacht, der schon 1901 einen Fall von Leukämie 
mit Réntgenstrahlen besserte. Die nächsten Beobachtungen datieren auch aus Amerika, 
und zwar von Bryand und Crane, die ebenfalls eine auffallende Besserung erreichten. 
In Deutschland wurde man erst durch die Mitteilung einer, wenn auch vorübergehenden 
Heilung von Leukämie von Ahrens und durch die ferneren Mitteilungen von Schiff an der 
Erlanger Klinik allgemein auf das Verfahren aufmerksam. Diese übereinstimmend günstigen 
Resultate gaben wohl zunächst den Anlass, dass bei der bis heute als unheilbar geltenden 
Krankheit jetzt nahezu überall, wo sich ein Fall findet, der Versuch gemacht wird, dieselbe 
auf diesen Wege zu beeinflussen. Die Zahl der bis jetzt vorliegenden Mitteilungen ist bereits 
in Anbetracht der Seltenheit der Krankheit sehr gross, und wenn auch der grösste Teil der- 
selben recht unvollständig ist, so ist doch andererseits schon jetzt zu erkennen, dass jene zu- 
fällig gemachte Entdeckung Senns fiir die Behandlung dieser Erkrankung sicher eine Bedeutung 
behalten wird. 

Die meisten der mitgeteilten Resultate sind gegenüber der bisherigen therapeutischen 
Ohnmacht bei dieser Krankheit geradezu erstaunlich, und wenn auch die Zeit, seitdem diese 
neue Behandlungsmethode in weiteren Kreisen Eingang gefunden hat, zu kurz ist, um schon 
jetzt ein abschliessendes Urteil zu erlauben, so ist doch der Hoffnung Raum gegeben, dass es 
gelingt, der bisher absolut tödlichen, keinem Mittel zugänglichen Krankheit nunmehr, wenn 
auch vielleicht zunächst nur vorübergehend, entgegentreten zu können. Der Umstand, dass die 
Krankheit selten ist — nur in wenigen Gegenden Deutschlands tritt sie in relativ grösserer 
Anzahl auf —, verhindert es, dass der einzelne in der Lage ist, an einer größeren Zahl von 
Kranken Erfahrungen zu sammeln, und ich muss es als einen besonders glücklichen Zufall 
ansehen, dass ich in Düsseldorf, wo die Leukämie eine ziemlich seltene Erkrankung ist, bis jetzt 
schon 6 Kranke dieser Behandlung unterziehen konnte, davon allerdings 2 nur ganz kurz. 
Die 3 anderen aber repäsentieren jeder ein verschiedenes Stadium der Mischzellen- Leukämie: 
Ein beginnender Fall, ein vorgeschrittener und ein sehr weit vorgeschrittener. Es sei mir 
erlaubt, diese meine eigenen Erfahrungen hier voranstellen zu dürfen. Zunächst 2 kurz 
behandelte Fälle: 

Fall 1. Y9jähriges Mädchen, kam in die Behandlung im März 1903. Seit einem Jahre etwa er- 
krankt an Mattigkeit und zunehmender Schwellung des Unterleibes, dabei Abmagerung und Blässe. Das 
Kind wurde bis zum März 1904 mit Arsen teils innerlich, teils subcutan behandelt. Der Blutbefund 
während dieser Zeit wechselte. Es stellte sich das Verhältnis der weissen Blutkörperchen zu den roten 
am 16. März 1903 wie 1:14 (3250000 Erythroc. und 23000 Leukoc.) Von den Leukocyten waren 33°, 
Multinulc. Neutroph., 42°/, Myelocyten, 5°/, Eosinophile, der Rest grosse und kleine Lymphocyten, Über- 
gangsformen und basophile Zellen. Bis März 1904 war das Verhältnis auf 1:8 gestiegen. Hämoglob. 
nach Fleisch! 45°). 

Im März 1904 entschloss ich mich, einen Versuch mit Réntgenstrahlen zu machen. 
Diese und alle folgenden Applikationen wurden stets in gleichbleibender Weise gemacht. Der 
angewandte Induktor ist ein Seifertscher 45 cm-Induktor mit Walther-Schaltung, die Spannung 
wird durch Nebenschluss auf 40—60 Volt ermässigt. Die angewandte Energie beträgt 
5—6 Ampere bei Walther-Schaltung Nr. 6, dabei Wehnelt-Unterbrecher Stiftlange 1 mm, 
Röhre: Müllersche Röhre Nr. 13 mit verstärkter Antikathode und regulierbarem Vacuum. Die 
Röhre war sehr hart und wurde stets zu Beginn der Behandlung das Vacuum reguliert auf 
Waltherskala 6—7. Der Abstand der Antikathode vom Körper betrug durchweg 25—30 cm. 
Bei dieser Patientin wurde nur die Milzgegend mit Bleiabdeckung (0,5 mm dick) der Um- 
gebung bestrahlt. Die Dauer der Anwendung wagte ich nicht über 5 Minuten zu steigern 


und wandte die Strahlen abwechselnd einen um den andern Tag an. Nach 3 Bestrahlungen, 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 48 


378 Hoffmann. 


welche eine Veränderung der Milzgrösse und des Blutbefundes nicht erkennen liessen, blieb die 
Patientin aus. Da die Anwendung keinerlei subjektive und objektive Beschwerden hervor- 
gerufen hatte — das Mädchen erklärte, sich sogar subjektiv wohler zu befinden, was ich aber 
damals der suggestiven Wirkung zuschrieb —, so wagte ich bei meinem zweiten Fall intensiver 
vorzugehen. 


Fall 2. 47 Jahre alte Frau, konsultierte mich zuerst im Oktober 1903 wegen mässiger Milz- 
schwellung. Ich konstatierte damals myeloide Leukämie. Der Blutbefund war 4000000 rote und 370000 
weisse Körperchen, unter letzteren 64°/, polynucleäre Neutrophile, 5°, grosse Lymphocyten, 6°/, Eosino- 
phile, 5%, Lymphocyten und 20°/, Myelocyten, ca. '/; der Eosinophilen waren mononucleär. Die Frau 
wurde mit Arseninjektionen und Arsen innerlich von seiten ihres Hausarztes behandelt. 


Im Juni 1904 sah ich sie wieder und schlug ihr eine Behandlung mit Röntgenstrahlen 
vor. Dieselbe wurde mit demselben Instrumentarium vorgenommen wie bei dem Kinde, mit 
derselben Röhre, demselben Induktor und derselben Stromstärke. Die Sitzungen waren anfangs 
dreimal in der Woche, nach 6 Sitzungen aber täglich. Es wurde 5 Minuten die Milz und je 
3—5 Minuten das Sternum und jede obere und untere Extremität bestrahlt. Abwechselnd wurde 
die Müller-Röhre Nr. 13 und eine Volt-Ohmröhre benutzt. Die Milz war zu Beginn der Be- 
handlung 3 Finger breit rechts über die Mittellinie, hatte einen gelappten Rand und war auf 
Druck hart und schmerzlos. Die Frau war sehr abgemagert, Druck auf das Sternum, die 
Oberarme und Schenkelknochen waren schmerzhaft, es bestanden Nachtsch weisse und allabendliche 
Temperatursteigerungen. Das Gehvermögen war sehr herabgesetzt, sie konnte nur mit Unter- 
stützung gehen und fühlte sich sehr elend. Der Blutbefund hatte sich noch verschlechtert. 
Die Zahl der roten Blutkörperchen betrug 2860 000, die der weissen 400 000 oder c w.1:7 r. 
Die Prozentverhältnisse der verschiedenen Form waren ähnliche wie oben angegeben: Polyn. 
Neutrophil. 60°/,, Gr. Monon. 5°/,, Eosinoph. 4°/,, Lymphoc. 7°/,, Myeloc. 24°/,. Schon nach 
der 3. Sitzung erklärte die Frau, sich besser zu fühlen, die Nachtschweisse hatten aufgehört 
und die Fiebersteigerungen waren verschwunden. Nach der 6. Sitzung konnte sie schon mit 
der Strassenbahn fahren und brauchte nicht mehr den Wagen zu benutzen; nach 14 Sitzungen 
ging sie bereits zur Ausstellung, wo sie sich stundenlang aufhielt. Nach der 20. Sitzung be- 
gann eine starke Pigmentierung der Haut über der Milzgegend mit starkem Jucken, so dass 
ich aus Besorgnis vor einer Röntgenverbreunung die Behandlung für einige Zeit aussetzte. 
14 Tage nach Aussetzen der Behandlung nahm die Mattigkeit wieder zu, die Fiebersteigerung 
und Schweisse traten wieder ein, es trat nach einem Schüttelfrost eine Lungenentzündung auf, 
der sie erlag. Autopsie wurde nicht gestattet. Der Blutbefund hatte sich trotz der subjektiven 
Besserung nicht wesentlich verändert. Im Anfange betrug das Verhältnis der weissen zu den 
roten 1:7. Nach 20 Bestrahlungen war das Verhältnis 1:10. Die Zahl der roten 3000000, 
die der weissen 368000. Das Prozentverhältnis hatte sich nicht wesentlich verschoben. In 
diesem Falle zeigte sich, dass eine länger dauernde Behandlung ausser einer oberflächlichen 
Hautreizung, die zu keinem Epithelverlust führte, das Allgemeinbefinden nicht geschädigt hatte. 
Im Gegenteil, es war gebessert. Eine objektive Einwirkung auf den Milztumor liess sich nur 
in geringem Masse konstatieren, derselbe war zwar um etwa 2 Centimeter in der Länge ver- 
kleinert, er überragte die Mittellinie weniger weit und war entschieden weicher geworden am 
Schluss der Behandlung, aber der Blutbefund war nicht merklich gebessert. 

Fall 3. Ein 64 jähriger Herr war seit Juni 1904 an Mattigkeit und Appetitlosigkeit erkrankt, 
wegen einer Leberschwellung machte er eine Karlsbader Kur durch, durch welche sein Befinden nicht ge- 
bessert wurde, sondern eine rapide Gewichtsabnahme eintrat. Am 20. September 1904 sah ich ihn zum 
erstenmal. Mir fielen sofort die geschwollenen Halsdrüsen auf, die beiderseits als flache Pakete sicht- 
und fühlbar waren, ebenso waren die Achsel- und Inguinaldrüsen stark geschwollen. Das Aussehen des 
Kranken war anämisch, er war kurzatmig, jedoch war an Herz und Lunge nichts Krankhaftes nach- 
zuweisen. Die Leberdiimpfung überragte um Handbreite den Rippenbogen nach unten, Druck auf die 


Lebergegend war schmerzhaft, die Milz überragte den Rippenbogen um mehr als Handbreite, sie war hart, 
aber gegen Druck unempfindlich. Der Blutbefund ergab eine Lymphocyten-Leukimie; auf 8600000 rot 


Die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. 379 


zählte ich 80000 weisse, also 1 weisses 45 rote. Die weissen Blutkörperchen waren der Mehrzahl nach 
grosse und kleine Lymphocyten. 


Die angefangene Behandlung musste in diesem Falle wegen zunehmender Schwäche 
nach einer Woche abgebrochen werden. Sauerstoffinhalationen brachten keine Besserung, und 
der Patient ging unter den Erscheinungen eines Coma sehr rasch zugrunde, ehe eine nach- 
weisliche Wirkung zu konstatieren war. Autopsie wurde verweigert. Wenn ich diese Fälle 
trotz des zweifelhaften resp. negativen Resultates mitteile, so sollen sie es rechtfertigen, dass 
ich bei den beiden folgenden Fällen mich veranlasst fühlte, weit energischer vorzugehen. 

Inzwischen waren auch die Arbeiten von Heinecke erschienen, die den zu erwartenden 
Resultaten eine physiologische Begründung gaben. Das Resultat seiner Untersuchungen gab 
mir wie auch anderen erst den Mut, wirklich zielbewusst an die Behandlung heranzutreten. 
Das unsympathische Tappen im Dunkeln konnte aufhören und gegenüber einer bisher absolut 
tödlichen Krankheit konnte, wenn die Hoffnung bestand, eine Besserung, ja Heilung zu erzielen, 
eine übermässige Rücksicht auf etwaige Beschädigungen der Haut geopfert werden. 


Am 18. X. 1904 kam mir der 4. Fall zur Beobachtung (Myeloide Leukämie). 


43 jähriger Mann, von Jugend auf asthmatisch, sonst gesund, machte im Sommer 1904 grössere 
Aufregungen durch. Seit August etwas kurzatmig, namentlich beim Treppensteigen, auch litt er viel an 
Herzklopfen. Im September nahmen die Beschwerden zu. Der Appetit liess nach und er wurde matter. 
Am 25. Oktober erste Konsultation. Es fand sich bei dem zart gebauten Mann ausser einem mässigen 
Lungenemphysem an Kopf und Brust nichts Abnormes. Die Leber ükerragt um drei Finger breit den 
Rippenbogen, die Milz war zungenförmig verbreitert und reichte bis in die Nabelhöhe ca. drei Finger 
breit nach links von der Mammillarlinie entfernt. Sie.fühlt sich dort als ein etwa 8 cm breiter und 18 cm 
langer Tumor an. Die Hautfarbe war blass, ins Gräuliche spielend. Am rechten Bein befindet sich vom 
Knie abwärts eine grosse Hautblutung, die an der äusseren Seite fast bis an die Knöchel hinabreicht. 
Dieselbe soll durch einen Stoss gegen das Knie entstanden sein. Die Untersuchung des Blutes ergab 
starke Vermehrung der weissen Blutkörperchen, und zwar ergab sich bei der Zählung ein Verhältnis von 
1:34 für die weissen und roten. Gesamtzahl der weissen 109000, Gesamtzahl der roten 3810000, 
Hämoglobin 84%, (nach Fleischl), von den weissen waren Multinucleäre Neutroph. 62°/,, Eosinoph. 4], 
grosse einkörn. 2°),, Lymphocyten 5°/,, basoph. gekörnte Mastzellen 2°), Myelocyten 25°],. 


Am 28. X. wurde mit der Röntgenbehandlung begonnen, und zwar wurde nur die 
Milzgegend bestrahlt. Knochenschmerzhaftigkeit bestand nirgendwo, nur das Sternum war etwas 
druckempfindlich. Es wurde von einer Bestrahlung der Knochen Abstand genommen. Nur die 
ersten 7 Male wurde auch das Sternum bestrahlt. Die Stromstärke war bei 50 Volt 6 Amp., 
bei harter Röhre und 25 cm Abstand. Gleich nach der ersten Bestrahlung besserte sich das 
Allgemeinbefinden, das Herzklopfen hörte auf, der Appetit nahm zu, und schon nach der ersten 
Woche. war eine Zunahme des Körpergewichtes um 1 kg zu konstatieren. Zugleich änderte 
sich der Blutbefund. Am 5. XI. war das Verhältnis zwischen weissen und roten 1 : 98. 
Pn. 66°/,, Basoph. 2.4°/,, Eosinoph. 1,2°/,, Lymph. 2,4°/,, Myeloc. 26°/,. Am 15. XI. war 
der Blutbefund bereits bedeutend verändert. Das Verhältnis der weissen zu den roten war 
1: 520 geworden. Von den weissen waren 79°/, Neutroph. Polynucl., 1°/, Basoph., 1°/, Eosinoph., 
2°/, Lymphoc., 18°, Myeloc. Am 2. XII. war das Blutbild normal: w. : r. = 1 : 932. 
88°/, Mutioph., 2°/, Eosiu., 10%, Lymphoc. Die Behandlung wurde am 2. XII. ausgesetzt, da 
sich Pigmentierung und Jucken der Haut am Bauch zeigte. Ausserdem war durch Überspringen 
eines Funkens auf den linken Handriicken dort eine kleine Verbrennung entstanden, die unter 
Puderbehandlung rasch heilte. Trotz Aussetzens der Behandlung trat 8 Tage später umfang- 
reiche Blasenbildung ein, die Blasen platzten auf und das Corium lag in einer grösseren Aus- 
dehnung frei. Unter Behandlung mit Wismuth-Binden trat allmählich eine Verkleinerung ein, 
doch ist eine etwa 7 cm lange und 5 cm breite buchtige Stelle bis Mitte Februar noch nicht 
geschlossen. Die weitere Überhäutung geht überaus langsam vor sich, ein Absterben der 
tieferen Hautschichten fand aber nicht statt. Unter dieser langdauernden Dermatitis litt das 


Allgemeinbefinden etwas, es traten zeitweilig, namentlich nach dem Verbandwechsel, auch heftige 
48* 


380 Hoffinann. 


in den Rücken ausstrahlende Schmerzen auf, doch ist bis jetzt der Blutbefund normal, 
4200000 rote und 8000 weisse Blutkörperchen wurden am 10. IJ. gezählt. Davon waren 
90°/, Polynucl. Neutroph., 1,5°/, Eosinoph., 7,8%, Lymphocyten. Myelocyten finden sich also 
im Blutbilde nicht mehr, hauptsächlich sind es polynucleäre Neutrophile, wenig Lymphocyten 
und Eosinophile. Blutbefund am 9. UL: R: W = 1: 830. Polynucl. Neutrophil. 82°/,, 
Eosinophil. 16° ,, Lymphoc. 16°', (unter letzteren !;, grosse). Die Milz ist nicht palpabel. 
Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass in diesem Falle eine vorläufige Heilung 
der Leukämie vorliegt. Zu bemerken ist dass zeitweilig die Zahl der weissen Blutkörperchen 
1:1200 betrug aber subnormale Werte erreichte. 


Den Fall 5 (myeloide Leukämie) bekam ich am 18. Februar 1905 zu sehen. Es handelt sich 
um eine 24 jährige Frau. Dieselbe hat vor zwei Jahren das erste noch lebende, vor einem Jahre das 
zweite Kind geboren, welches starb. Sie war bis dahin ganz gesund. Im Juni 1904 bemerkte sie 
beim Auflehnen auf eine Fensterbrüstung, dass dieses in der linken Seite schmerzhaft war. Sie legte 
dem keine Bedeutung bei, aber beobachtete doch, dass von da an der Leib dicker und härter wurde. 
Erst am 10. Februar 1905, als unter Nachtschweissen mit zunehmender Mattigkeit das körperliche Befinden 
intensiver gelitten hatte, konsultierte sie den Hausarzt; derselbe konstatierte Milztumor und Leukämie; 
irgend sonstige Beschwerden will sie nicht haben. 

Die Untersuchung ergab bei der etwas anämisch aussehenden, mageren kleinen Frau an Kopf 
und Brust nichts Abnormes, die Leber überragt nun zwei Finger breit den Rippenbogen, in der linken 
Seite liegt ein flacher, grosser Tumor, welcher in Nabelhéhe die Mittellinie drei Finger breit überschreitet 
und nach abwärts bis zur Spina ilei sich erstreckt. Die Länge beträgt 31 em, die Breite 20 cm. Knochen- 
schmerzen und Hautblutungen waren nicht vorhanden, nur das Manubrium sterni ist auf Druck etwas 
empfindlich. Auch hier wurde der Blutbefund der myelogenen Leukämie erhoben. Das Verhältnis der 
weissen zu den roten Blutkörperchen betrug am 20. Februar: 236000 : 3620000 =1:12. Von den weissen 
waren 55°/, Polynucl. Neutroph., 7°, Eosinoph., 4°/, Basoph. Mastz, 9°, Lymphoc., 25°), Myeolocyt., 
der Hämoglobingehalt war 55%, (nach Fleischl), Der Urin war frei von Eiweiss und Zucker und ent- 
hielt viel Urate. 


Am 20. ll. wurde sofort mit der Behandlung begonnen, und zwar wurde wieder Müller- 
Rohr 13 verwandt bei 30 cm Abstand. Es wurde nur die Milzgegend bestrahlt und zwar mit 
Bleiabdeckung der Umgebung und durch eine mit 12 1 cm weiten runden Löchern versehene 
Bleischeibe, die nach je einer Minute etwas gedreht wurde, 5 Minuten vom Bauch und eben 
so lange vom Rücken aus. Täglich wurde das Blut untersucht. So wurden gezählt das Ver- 
haltnis der weissen zu den roten am 21. Il. 1:16,8, am 22. lI. 1:26, am 23. II. 1:26, am 
24. II. 1:25, am 25. If 1:60, am 27. 11. 1:55 (am 26. war nicht behandelt), am 28. II. 
1:45, am 1. Ill. 1:52 (am 2. UI. wurde nicht behandelt), am 3. Ill. 1:52, am 4. IID 1: 48. 
am 6. ITI. 1:40, am 17. Ill. 1:68. Die Verhältniszahlen lassen ein Absinken der Myelocyten 
und eine Steigung der polynucleären Neutrophilen erkennen. Am 4. Ill. waren Polynucl. 65°/,, 
Eosinoph. 6°/,, Basophil. 5°/,, Lympocyten 10°/, (darunter die Hälfte grosse), Myelocyten 19°/,. 
Das Allgemeinbefinden besserte sich sehr, die Milz verkleinerte sich auf 29 : 18, wurde weicher 
und entschieden dünner. Die Behandlung wird fortgesetzt. Einen 6. Fall, 47jährige Frau, 
seit 6 Monaten krank, nahm ich Ende März in Behandlung. Schon nach 14 Behandlungen 
Rückgang der weissen Blutkörperchen von 1:16 auf 1:38. 

Von diesen 6 Fällen können 3 als nicht genügend lange beobachtet ausscheiden, 
die 3 anderen aber, sämtlich gemischtzellige oder mycloide Leukämie betreffend, zeigen eine 
Beeinflussung des Krankheitsbildes im günstigsten Sinne. Der erste, schr weit vorgeschrittene 
Fall zeigte die geringsten Veränderungen, trotzdem war die Hebung des subjektiven Befindens 
ganz auffallend, wenn auch die objektive Veränderung geringfügig war. 

Der zweite, entschieden noch am wenigsten vorgeschrittene Fall zeigte das beste 
Resultat. Man kann den Blutbefund jetzt noch nach 4 Monaten nicht mehr als leukämisch 
bezeichnen. 

Der dritte, mässig vorgeschrittene Fall ist noch in Behandlung, zeigt aber jetzt schon 
eine bedeutende Verbesserung des Blutbildes, ebenso der letzte. 


Die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. 381 


Diese günstigen Einwirkungen stimmen mit den anderwärts durchweg gemachten Er- 
fahrungen überein. In neuester Zeit erschienen an Zusammenstellungen die von Wendel 
(Münchener med. Wochenschrift 1905, S. 158) über 29 Fälle. De la Camp stellt in der 
Therapie der Gegenwart 102 Fälle zusammen, von denen 41 kürzer referiert resp. vorläufig 
mitgeteilt sind. Krause hat in Fortschritte der Röntgenstrahlen (letzte Nummer) einen ein- 
gehenden Bericht über alle bis zum: Dezember 1904 mitgeteilten Fälle geliefert, auf welchen 
hier verwiesen wird, und ganz neuerdings bringt Schirmer im Centralblatt für die Gesamt- 
gebiete der Medizin und Chirurgie ein umfangreiches Referat über diese Frage. Es liegen 
danach schon über 100 Fälle vor, die aber sämtlich mit Ausnahme des eingangs erwähnten 
Schützeschen Falles erst kurze Zeit behandelt werden. Nur Schütze hat 4 Jahre langen 
Stillstand des Leidens bei einem so behandelten Fall beobachtet. Bei dem wechselnden 
Verlauf des oft sehr langsam fortschreitenden Leidens wird vor Ablauf der nächsten 3 bis 
4 Jahre ein abschliessendes Urteil über den Wert der Heilmethode nicht möglich sein. Wohl 
aber kann man schon heute sagen, dass zumal bei der myeloiden Form Besserungen zu 
erzielen sind, die mit keinem bisher angewandten Mittel so weit und so regelmässig erreicht 
wurden. Da sowohl das Wesen der Leukämie, wie ihre Ursache, ja vielleicht sogar der eigent- 
liche Sitz der Krankheit noch nicht bekannt sind, so ist es auch nicht möglich, theoretisch die 
Frage zu beantworten, ob durch die Röntgenstrahlen eine wirkliche Heilung oder nur eine mehr 
oder weniger rasch vorübergehende Besserung zu erzielen ist. Man hat etwas frühzeitig aber 
doch vielleicht zutreffend die Wirkung mit der Wirkung der Digitalis bei Herzkrankheiten 
oder der Schilddrüsentherapie bei Myxödem verglichen. (Schiffer und De la Canıp.) 

Über die Entstehung der Besserung und die Art des Zustandekommens hat die Arbeit 
von Heineke einigen Aufschluss gebracht. Heineke stellte fest, dass bei Tieren: Mäusen, Meer- 
schweinchen, Kaninchen, Hunden durch längere Bestrahlung mit Röntgenstrahlen folgende Ver- 
änderungen an den inneren Organen sich ausbilden: | 

„1. Veränderungen in der Milz, und zwar a) das Zugrundegehen eines grossen Teiles 
ihrer Zellen, in erster Linie der Lymphocyten in den Follikein sowohl wie in der Pulpa, dann 
der Riesenzellen (bei Mäusen), der polynucleären Leukocyten und wahrscheinlich auch der 
eosinophilen Zellen; b) eine Vermehrung des Milzpigments, die bei Mäusen sehr stark, bei 
Meerschweinchen und Kaninchen geringer ist. 

2. Veränderungen an den Lymphdrüsen, bestehend in dem Untergang des grössten 
Teiles der Lymphocyten in- und ausserhalb der Follikeln. 

3. Veränderungen in gleichem Sinne an den Follikeln des Darmkanals. 

4. Veränderungen am Knochenmark, nämlich eine weitgehende Rarefizierung der 
spezifischen Zellen.“ 

Die Untersuchungen des Blutes ergaben keine ade Resultate, doch fand er 
eine Verminderung der Leukocyten. Im lymphoiden Gewebe fand er einen rapiden Zerfall der 
Lymphocytenkerne innerhalb weniger Stunden in Chromatin-Schollen und -Kugeln, Aufnahme 
der Kerntrümmer durch Phagocyten, Verschwinden der Phagocyten; Effekt dieses Vorgangs: 
mehr oder weniger vollständiger Untergang des lymphoiden Gewebes im Verlaufe von 
ca. 24 Stunden. Er konnte feststellen, dass das lymphoide Gewebe in allen Regionen des 
Körpers bei allgemeiner Bestrahlung schon nach 2 bis 3 Stunden zerstört wird, nach 6 bis 
8 Stunden erreicht der Prozess den Höhepunkt und ist in 24 bis 36 Stunden erledigt, in der 
Milzpupa und im Knochenmark beginnt diese Zerstörung später. 

Nach seinen Untersuchungen üben die Röntgenstrahlen einen electiven Wert auf das 
lymphoide Gewebe aus und zerstören dasselbe auch bei grösseren Tieren. Diese Zerstörung 
tritt schon nach kurzer Einwirkung, deren Minimum nicht genau festzustellen ist, auf, jeden- 
falls aber schon nach einer Viertelstunde. Damit wäre ein experimenteller Nachweis der Art 
der Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die blutbildenden Gewebe gegeben. In welcher Art 
und Weise die Réntyenstrahlen einwirken, wissen wir aber damit noch nicht. Kienböck, Gocht, 


382 Hoffmann. 


Holzknecht nehmen an, dass chemische Veränderungen in den Geweben erzeugt werden, deren 
giftige Produkte die Erscheinungen in der Haut hervorrufen können. Derartige Produkte 
scheinen ja bei der Dermatitis gebildet zu werden, da man häufig Fieber, Kopfschmerz, ausser- 
dem Störungen des Allgemeinbefindens dabei bemerkt, wie auch in unserem Falle. Toxin- 
wirkungen liessen sich aber von Heineke nicht nachweisen. Auch ich habe Serum von Fall 4 
mit dem noch unbehandelten Blut von Fall 5 gemischt. In den Ausstrichpräparaten zeigte 
sich keine Einwirkung auf die Zahlenverhältnisse der Leukocyten. Brachte ich aber die in 
Na Cl-Lésung in dem Verhältnis von 1:100 verdünnten Gemisch von Blut eines unbehandelten 
Falles (6) mit Serum des „geheilten“ (4) zusammen seit 12 Stunden in den Thermostaten, so 
fand sich ein starker Zufall der Leukocyten. Diese Versuche sind noch nicht abgeschlossen 
bei Abschluss dieser Arbeit. | 

Eine solche Veränderung des Blutes (Leukolyn) erklärt vielleicht, dass in einer Reihe 
von Fällen, besonders in dem sehr günstig verlaufenden Fall 4 die alleinige Bestrahlung der 
Milz den günstigen Effekt herbeigeführt hat, jedenfalls müssen wir die Frage nach der Art 
der Einwirkung der Kéntgenstrahlen auf das Blut heute noch als eine offene betrachten. 

Was nun die vorläufigen Resultate der Behandlung betrifft, so wird man das Wort 
Heilung, wenn es den erreichten Dauerzustand bezeichnen soll, aus den obengenannten Gründen 
nicht anwenden dürfen. Zumal auch deshalb nicht, weil mehrere Fälle, so der von Ahrens, 
nach kurzer Dauer eines anscheinend normalen Zustandes plötzlich sich verschlimmerten und 
zum letalen Ausgang kamen. Überhaupt ist unter den genauer, mit eingehend erhobenem 
Blutbefund mitgeteilten in Deutschland beobachteten Fällen ausser meinem Fall 4 kein ein- 
ziger, der völlig normalen Blutbefund erreichte. Entweder waren noch Myelocyten nachweis- 
bar oder doch eine Vermehrung der grossen Lymphocyten, die zwar normalerweise im Blute 
vorhanden sein können, aber nur in sehr geringer Anzahl. Doch geht aus allem hervor, dass 
jedenfalls incipiente früh behandelte Fälle einen besseren Erfolg zeigen als vorgeschrittene. Das 
zeigt besonders mein Fall 4. 

Die konstanteste Besserung ist die der Blutbefunde: Das Hämoglobin nimmt zu, ebenso 
die Zahl der roten Blutkörperchen. Die Leukocyten nehmen ab und zwar in erster Linie die 
pathologischen Blutzellen, die Myelocyten. Bei der Iymphatischen Leukämie, die seltener beob- 
achtet wurde, scheint die Beeinflussung nicht so deutlich, aber sie ist doch in vielen Fällen 
beobachtet (Holzknecht). Hier tritt zunächst eine Verniehrung, dann eine rasche Verniinderung 
der weissen Zellen ein. Doch bleiben die grossen Lymphocyten in der Mehrzahl (Lenzmann). 
Die Veränderung bei der myeloiden Form — gemischtzellige Leukämie — tritt bei leichteren 
Fällen sehr rasch ein, und es nähert sich der Blutbefund rasch der Norm. Bei vorgeschrittenen 
Fällen tritt die Besserung langsam ein. Ohne dass sie gleichmässig vorschreitet, tritt sprung- 
haft eine oft weitere Verminderung der Leukocyten auf. 

Nach der einzelnen Bestrahlung zeigt sich hier keine in den nächsten Stunden ein- 
eintretende Vermehrung der Leukocyten, sondern eine Verminderung. Die Milz wird in der 
Regel zunächst weicher, dünner und dann kleiner. Wenn der Blutbefund annähernd normal 
ist, ist die Milz doch noch vergrössert. Erst allmählich geht der Tumor zurück. 

Das Allgemeinbefinden wird auffallend rasch günstig beeinflusst auch bei Patienten, 
die nicht suggestiv beeinflusst erscheinen. Gerade diese rasche Besserung des Allgemein- 
befindens: Hebung der Kräfte, Nachlass des Fiebers etc., scheint dafür zu sprechen, dass nicht 
nur eine symptomatische, sondern eine wirkliche Besserung der Krankheit vorliegt, dass die- 
selbe gewissermassen an ihrer Wurzel getroffen wird. Damit Hand in Hand geht eine 
Besserung des Ernihrungszustandes. Der Appetit hebt sich, das Körpergewicht steigt — oft 
nach einer auf den Rückgang des Milztumors zu beziehenden Verminderung. 

Wie sich anatomisch die Verhältnisse darstellen, ist bisher nicht festgestellt worden. 
Genaue anatomische Befunde bis zum Exitus gelangten, mit Röntgenstrahlen behandelten 
Patienten liegen bisher nicht vor. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 383 


Von schädlichen Nebenwirkungen sind bisher nur Störungen von seiten der Haut ge- 
nannt worden. Ob sich dieselben bei so starker Einwirkung, wie sie zur Erzielung eines 
dauernden Erfolges notwendig ist, vermeiden lassen, kann nicht festgestellt werden. Sehr 
häufig jedenfalls sind Reizungen der Haut, Dermatitis und Gangrän beobachtet. Jedenfalls 
wird man mit grösster Sorgfalt diese höchst unerwünschten Komplikationen vermeiden müssen. 
Andrerseits wird aber, wenn es nicht anders geht, die Rücksicht auf eine stets heilbare Haut- 
entzündung gegenüber einer eventuellen Heilung der bisher als unheilbar geltenden Leukämie 
nicht allzuschwer ins Gewicht fallen. Wir sind heute noch nicht imstande, die auf das 
lymphoide Gewebe wirkenden Strahlen zu messen oder abzuschätzen. In dieser Beziehung ist 
noch viel zu schaffen. So kann auch heute noch kein Urteil über die beste Art der Technik 
abgegeben werden. Es bedarf noch vieler Versuche und weiterer Erfahrungen. Der Weg 
aber ist hier vorgezeichnet. Es ist das von Heineke, von Mosse und anderen inaugurierte 
Tierexperiment. Gerade nach der technischen Seite hin bedarf dasselbe einer Erweiterung. 

Die Beurteilung der Heilwirkung aber unterliegt der Empirie. Über das Wesen der 
Leukämie sind die Ansichten so sehr geteilt und ist des Sicheren so wenig bekannt, dass nur 
ein rein empirisches Arbeiten vorläufig zum Ziele führen kann. Es ist deshalb anzustreben, 
dass bei der Seltenheit der Erkrankung sich eine Centralstelle schaffen liesse, bei der die 
weiteren Resultate der Röntgenbehandlung sich sammeln und bearbeitet werden. Nur Mit- 
teilungen, die genaue Angabe der Technik enthalten und genaue Beobachtungen des Kranken, 
des Blutbefundes und der sonstigen ın Betracht kommenden Verhältnisse können zur völligen 
Sicherstellung der Methode dienen und an diese Centralstelle vermittelt werden. Als gegebenes 
Organ für eine solche wäre gewiss die Redaktion der Zeitschrift für die For tschritte der 
Röntgenstrahlen zunächst anzusehen. 


Aus der medizinischen Klinik zu Breslau (Direktor: Geh. Rat Professor von Strü mpell). 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 
Von 
Privatdozent Dr. Paul Krause. 


Die Röntgentherapie der Leukämie und Pseudoleukämie ist nach dem Vorgange- des 
Amerikaners Senn in dem letzten Jahre in Deutschland eifrig geübt worden. - Es liegen zur 
Zeit Berichte über mehr als 100 meist mit Erfolg behandelter Fälle vor, in der grösseren 
Zahl allerdings nur in kurzen Mitteilungen.) | 

Da ich an anderer Stelle dieser Zeitschrift über die vorliegende Litterätur eingehend 
berichtet habe mit spezieller Berücksichtigung der technischen und experimentellen Grundlagen, 
sei es mir hier gestattet, die in der Breslauer medizinischen Klinik beobachteten zale etwas 
ausführlicher zu beschreiben. 

Ich gebe dabei eine möglichst objektive Darstellung, welche weder nach der dian, 
noch nach der schlechten Seite etwas verschweigen soll. Denn es kann kein Zweifel bestehen, 
dass der Sache am besten gedient wird, wenn durch scharfe Kritik eine genügende Hervor- 
kehrung des Schlechten, aber auch des Guten der neuen therapeutischen Methode erfolgt: 
die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit in der Praxis werden so am schnellsten erkannt werden. 


OL | 
Technik der Röntgenbehandlung bei Leukämie. 


Um Wiederholungen zu vermeiden, will ich .vorweg über die von mir angewandte 
Technik der Bestrahlung am enfissend berichten: 


1) Zusammenfassende Berichte siehe 
1. De la Camp, Therapie der Gegenwart 1905, März. - 
2. Schirmer, Centralblatt f. d. Grenzgebiete 1905, 1. u. 2. Heft. 
3. Paul Krause, Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrallen 1905, Februar. 


384 Krause. 


In der ersten Zeit arbeitete ich mit Voltohm-Röhren, später ausschliesslich mit 
Müller-Wasserkühlröhren resp. Müller-Röhren mit verstärkter Antikathode. Ich verwendete 
ausschliesslich härtere Röhren; täglich wurde der Härtegrad durch mehrfache Untersuchungen 
mit der Walterschen Härteskala festgestellt, die weichste Röhre, welche ich zur Bestrahlung 
gebrauchte, zeigte Härtegrad 5, am liebsten sind mir die Härtegrade 6, 7 und 8, da ich bei 
diesen am wenigsten schädigende Wirkungen auf die Haut zu fürchten glaube Mit ganz 
weichen Röhren wagte ich nicht zu arbeiten, da ich wiederholt auch bei geringerer Belichtungs- 
zeit von mehreren Minuten Dauer „Früh- und Spät-Erytheme“ auftreten sah. 

Ob durch Stanniolfilter (nach der Angabe von Perthes) solche weiche Röhren für 
langdauernde Bestrahlungen verwendbar werden, müssen spätere Erfahrungen lehren. 

Der ausschliesslich verwandte Induktor hat 60 cm Funkenlänge, als Unterbrecher steht 
ein 3stiftiger elektrolytischer von Wehnelt zur Verfügung, ferner ein von Seifert & Co. in 
Hamburg gelieferter grosser Tisch für „Walterscbaltung‘*. 

In der grössten Mehrzahl der Fälle verwende ich zur Bestrahlung Stift I (Stiftlänge 
8 min) des elektrolytischen Unterbrechers. Durch Vorschaltung setze ich die primäre Strom- 
spannung auf durchschnittlich 30 Volt herab, allerdings kommen Schwankungen bis 60—90 Volt 
vor, welche auszuschalten z. Zt. nicht möglich ist. Die durch die primäre Rolle dem Induktor 
zugeführte Stromstärke beträgt 2—3, höchstens einmal 4 Ampere. 

In dieser Weise gelingt es mir, die Miiller-Réhren stundenlang in Betrieb zu halten. 
Der Härtegrad ändert sich natürlich, indem während der Behandlung die Röhren weicher 
werden. Eine Kontrolle mit der Walterschen Härteskala ist daher stets zu empfehlen. 

Ich habe in den letzten Wochen mit dieser Anordnung neben Vermeidung von 
Schädigungen gute Erfolge erzielt. 

Vereinzelt versuchte ich es mit einer durch die primäre Rolle dem Induktor zuge- 
führten Stromstärke von 6 bis 8 Ampere, ich glaube aber, dass dadurch eher Schädigungen 
erzielt werden, olıne dass der Erfolg ein grösserer wäre. 

Die Entfernung der Röhre vom bestrahlten Körperteil betrug durchschnittlich 
35—40 em. Eine grössere Annäherung halte ich nicht für angebracht, um zu verbüten, dass 
auf die mit Stanniolpapier bedeckten Patienten Funken überspringen, was beim Ansetzen der 
Röhren hin und wieder vorkommt, auch die Wärmestrablung einer stundenlang betriebenen 
Röhre würde bei grösserer Nähe sich unangenehm bemerkbar machen, Die Röhre noch weiter 
als 40 cm vom Körper zu entfernen, dürfte kaum nötig sein. 

Eine besondere Sorgfalt ist auf den Schutz derjenigen Körperstellen zu legen, welche 
von den Röntgenstrahlen nicht getroffen werden sollen. Ich verwende dazu dicke Bleiplatten, 
welche mit Leinwand überzogen sind, auch die Holzknechtschen Schutzdecken (Bleiplatte 
mit Gummiüberzug), vor allem aber bleihaltiges Stanniolpapier. Letzteres hat den grossen 
Vorzug, dass es sich der Körperform leicht anschmiegen lässt, ohne schwer zu sein. Der da- 
durch erzielte Schutz ist nach meiner Erfahrung durchaus ausreichend. 

Wenn es aus äusseren Gründen geboten erscheint, kann über die Haut ein linnenes 
Tuch gelegt oder die Bestrahlung durch ein dünnes Kleid hindurch erfolgen, ohne dass der 
Erfolg irgendwie beeinträchtigt wird. 

Die Patienten werden am besten in ihrem Bette oder auf einem Sofa so gelagert, dass 
sie sich etwas hin und her bewegen können, da einzelne die '/,stiindige Ruhelage sehr unan- 
genehm empfanden. 

Wiederholt wende ich als Schutz des Gesichts oder des behaarten Kopfes an einem 
besonderen Gestell befestigte Platten an, um den Kranken eine freiere Atmung zu ermöglichen. 

Zu grosser Beruhigung ängstlicher Kranken trägt es bei, wenn die Belichtung bei 
Tageslicht vorgenommen wird. Ich nehme deshalb die notwendigen, im dunklen Zimmer aus- 
zuführenden Messungen und die genaue Einstellung der Röhre vor und nach jeder Sitzung vor. 

Was die Dauer der einzelnen Sitzungen anbetrifft, so ging ich in der ersten Zeit 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 385 


sehr vorsichtig vor. Ich begann gewöhnlich mit 10—15 Minuten täglich und stieg. allmählich 
bis 30 Minuten. Seitdem ich meinen Apparat und die verwandten Röhren besser kennen lernte, 
beginne ich jetzt gewöhnlich mit 20—380 Minuten. Längere Zeit als 30 Minuten bestrahlte 
ich täglich nur selten, zum Teil allerdings aus äusseren Gründen, da der Apparat mir nicht 
länger zu therapeutischen Zwecken zur Verfügung stand, weil er zu diagnostischen Unter- 
suchungen gebraucht wurde. 

Es wurde regelmässig zuerst die Milzgegend bestrahlt, nach 5 Tagen abwechselnd 
die langen Röhrenknochen (Arme, Beine) und das Sternum. Ich hatte den Eindruck, als ich 
in meinem Falle ca. 200 Minuten lang die Extremitäten allein bestrahlte, dass eine Besserung 
der Krankheit nur langsam erfolgte: Eine Bestrahlung der Leber allein scheint auch nach 
meiner Erfahrung keinen Effekt zu haben. | 

Jedenfalls ist soviel sicher, dass eine Verkleinerung des Milztumors und eine schnelle 
Besserung des Blutbefundes nur bei gleichzeitiger Bestrahlung der Milzgegend und der langen 
Röhrenknochen zu erzielen ist. 

Was ferner die Gesamtdauer der Bestrahlung anbetrifft, so ist zurzeit eine be- 
stimmte Norm noch nicht aufzustellen. Die einfachste Antwort auf die Frage, wie lange ‘soll 
die Röntgentherapie der Leukämie und Pseudoleukämie dauern, wäre die: „Bis Heilung erfolgt 
ist.“ Leider sind aber ,Heilungen* bisher noch in keinem Falle einwandsfrei erwiesen worden; 
ausserdem ist grösste Vorsicht am Platze bei langdauernden Bestrahlungen, da wir nicht wissen, 
ob wir nicht dadurch, ganz abgesehen von den Erscheinungen von seiten der Haut, schwere, 
unerwünschte Wirkungen der inneren Organe verursachen. Deshalb ziehe ich es auch in Zu- 
kunft in meinen Fällen vor, hintereinander nur etwa 1000 Minuten zu belichten, lasse absicht- 
lich eine Pause von mehreren Wochen eintreten unter stetiger Kontrolle des Befundes und 
wende dann erst eine neue Serie von Sitzungen an. 

Bis eine experimentelle oder praktische Klärung über langdauernde Bestrahlung 
mit Röntgenstrahlen vorliegt, möchte ich dringend raten, in so vorsichtiger Weise vorzugehen, 
nur in besonders schweren Fällen, wo keine Zeit zu verlieren ist, wird man davon abweichen dürfen. 


II. 
Die bisher längere Zeit mit Rontgenstrahlen behandelten Fälle von Leukämie. 


Nach dieser kurzen Darstellung der angewandten Technik will ich in folgenden Zeilen 
eine Schilderung der selbst beobachteten Fälle geben.. 

Um einen Vergleich und eine bessere Übersicht zu ermöglichen, habe ich nach 
Wiedergabe des Status die Ergebnisse der Blutuntersuchungen und Körperwägungen 
in Tabellenform, den jeweiligen Befund des Milztumors in graphischer Darstellung 
zusammengestellt. | 


I. Fall von chronischer myelogener Leukämie. 


Der 31 jährige Kaufmann Arthur W. ist seit dem 31. März 1904 in Beobachtung. Hereditäre 
Verhältnisse belanglos. Im Alter von fünf Jahren hatte der Kranke Scharlach, war sonst bisher nicht krank. 

Die Beschwerden, welche ihn in die Klinik führen, bestehen seit etwa zwei Jahren. Bei der 
geringsten Bewegung treten starke Kopfschmerzen, besonders im Hinterkopfe auf; seit vier Wochen ist 
der Leib dicker geworden, so dass der Patient „die Hosen nicht mehr zumachen“ konnte. Der Appetit 
ist gut, es besteht kein besonderes Mattigkeitsgefühl, keine Knochenschmerzen. Kopfschmerzen sind seit 
vierzehn Tagen so heftig, dass der Kranke deshalb häufig in der Nacht aufwacht und stundenlang munter 
liegt. Das Durstgefühl ist gesteigert. Irgend welcher Anhaltspunkt, ob er durch äussere Einflüsse krank 
geworden ist, lässt sich nicht herausbekommen. Ein Arzt hätte die Diagnose vor kurzem auf „Milzkrank- 
heit“ gestellt und ihn deshalb der Klinik überwiesen. 

Aus dem Befund ist hervorzuheben: 

I. Beobachtungsperiode vom 21. bis 26. III 04. 

Herr W. ist mittelgross, gracil gebaut, hat eine wenig entwickelte Muskulatur und ein aigen 
Fettpolster. a4 : 
Fortschritte a, d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 49 


386 Krause, 


Die Temperatur schwankte von 36,0 bis 37,2 C. 

Die Zahl der Pulse betrug 80-—104, die der Atemzüge durchschnittlich 20. 

Die Haut- und Gesichtsfarbe ist blass. 

Die Lymphdrüsen im Nacken, in den Achselhöhlen, in den Supraclaviculargruben, in den 
Ellbeugen sind erbsen- bis bohnengross, die der Inguinalfurchen erbsen- bis bohnengross. 

Auf Brust, Abdomen und Rücken ausgedehnte Pityriasis versicolor. 

Ohren, Nase, Augen weichen von der Norm nicht ab, der Augenhintergrund ist normal. 

Der Befund von Herz und Lungen ist ohne Besonderheiten. | 

Der Leib ist mässig stark gewölbt; freier Ascites ist nicht nachweisbar. 

Die Milz ist stark vergrössert, sie reicht nach rechts bis in die Mittellinie, nach unten bis 
etwa 4 cm oberhalb der Symphyse, die perkussorisch nachweisbare obere Grenze findet sich in der vor- 
deren Axillarlinie an der VI. Rippe. Dicht oberhalb des Nabels ist eine deutliche Incisur zu fühlen, 
die Konsistenz ist sehr derb, auch bei stärkerem Drucke ist die Milz nicht schmerzhaft. 

Die Leber reicht palpatorisch drei Finger unter den rechten Rippenrand, sie ist nicht schmerz- 
haft, von derber Konsistenz. 

Der Urin ist sauer, enthält weder Eiweiss, noch Zucker, mikroskopisch sind reichlich oxalsaure 
und harnsaure Kristalle vorhanden, in der Tagesmenge Urin 0,4 g Harnsäure, 14,2 g Stickstoff. 

Der Nervenstatus bietet keine Besonderheiten; der Bauchdeckenretlex ist links weniger lebhaft, 
als rechts. 

Die Untersuchung des Blutes ergiebt folgenden Befund: 

Hämoglobingehalt=8,6°/, (nach Fleischl-Miescher bestimmt); das spezifische Gewicht 
beträgt 1040. Die Zahl der Leukocyten ist 243000, die der Erythrocyten 2950000. 

Im ungefiirbten Präparate erkennt man bei stärkerer Vergrösserung ausser der reichlichen Ver- 
mehrung der Leukocyten sehr viel weisse Blutzellen mit Körnungen, welche stark lichtbrechen, eine 
leichte Poikilocytose und sehr viele Blutplättchen. In gefärbten Präparaten (Hämatoxylin-Eosin, 
Triacid, Boraxmethylenblau) werden gegen 60°, polynucleäre Leukocyten, gegen 34°], Myelocyten, 
ca. 3—4°/, grosse und kleine Lymphocyten, ca. 2—3°/, eosinophile Zellen, vereinzelte kernhaltige Erythro- 


cyten gefunden. 
Der Kranke wurde mit Natrium kakodylicum behandelt und auf Wunsch am 26. III. aus der 


Klinik entlassen. 

Inzwischen war durch die Mitteilung von Krone und Ahrens die Röntgentherapie bei Leu- 
kämie einem grösseren ärztlichen Kreise bekannt geworden. Dies war die Veranlassung, dass der Kranke 
am 13. VI. 1904 wieder in die Klinik bestellt wurde. 


II. Beobachtungsdauer vom 13. VI. bis 19. VI. 04. 

Seit seiner Entlassung fühlte sich der Patient leidlich wohl, zeitweises Auftreten von Schmerzen 
im Hinterkopfe, besonders während der Nachtzeit, schmerzhaftes Druckgefühl in der Milzgegend, 
besonders bei der Defäkation, sind seine Hauptbeschwerden. Durch Injektionen von kakodylsaurem 
Natrium hätten sie sich aber etwas gebessert. 

Die Körpergewichtsabnahme in der letzten Zeit beträgt ca. 12 Pfund. 

Der Befund hat sich seit der letzten Untersuchung wenig geändert. 

Der Urin enthält an einigen Tagen Spuren von Eiweiss und reichliche Mengen von Indikan. 
Das Körpergewicht beträgt 65,5 kg. Der Kranke wird von jetzt an regelmässig bestrahlt. Es sei erwähnt, 
dass er in den nächsten Monaten wiederholt die Klinik aus geschäftlichen Rücksichten verlassen musste. 


Die 
III. Beobachtungszeit, in der er täglich bestrahlt wurde, erstreckte sich vom 21. VI. bis 3. VII. 04. 
IV. a oe P n 5 : „ vom 6. VII. bis 15. VII. 04. 
V. a T a a z 3 a : „ vom 25. VII. bis 1. VIII 04. 
VI. oe Me 2 2 ; 2 „ vom 14. IX. bis 2. X. 04. 
VII n OBEN Er" i : z g . vom 14. XI. bis 15. XI. 
VIII. A s o d a a a a „a vom 26. XI. bis 28. XI. 
IX. a EN s 7 z - „ vom 13. XII. bis 14. XII. 04. 
X. a a ee a k A X 5 „ vom 25. I. bis 31. I. 08. 
XI. i os ee ow a A a „a vom 8 III. bis 11. III. 05. 


Am 9. Juli trat ein leichtes Erythem der linken Abdominalseite auf, dasselbe verursachte dem 
Kranken keine Beschwerden. Die Schuppen der Pityriasis versicolor hoben sich von der geröteten Haut 
als braunschwarze Flecke ab. In den nächsten 14 Tagen wurde eine Bestrahlung der Milzgegend nicht 
mehr vorgenommen. Weitere therapeutische Massnahmen waren nicht erforderlich, um das Erythem zum 
Verschwinden zu bringen. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 387 


Am 20. VII. stürzte der Kranke mit dem Motorrad — trotz ärztlichen Rates trieb er fleissig 
Sport — blieb mehrere Minuten lang bewusstlos und zog sich eine grosse Risswunde am linken Auge zu. 
Eine Verschlimmerung der Leukämie wurde dadurch nicht bewirkt. 

Seit Juli besteht eine mässige Anschwellung um die linke Mammilla, welche nicht schmerzhaft 


ist (Mastitis chronica sin.). 

Fiebersteigerungen waren nie vorhanden. | 

Es handelt sich also um einen Fall von myelogener Leukämie bei einem bisher ge- 
sunden, 31jährigen Kaufmann, der Beginn der Erkrankung liegt um etwa 2 Jahre zurück. 
Ausser den subjektiven Klagen: Kopfschmerzen, dadurch bedingte Schlaflosigkeit, Unlust zur 
Arbeit, wurde objektiv ein grosser Milztumor und ein pathologischer Blutbefund nachgewiesen. 

Die Röntgenbehandlung wurde am 16. VI. 04 (tägliche Bestrahlungszeit: 10 Minuten 
Dauer) begonnen, vom 23. VI. wurde jede Sitzung auf 30 Minuten verlängert. Bis 11. III. 05 
war der Kranke im ganzen 2355 Minuten bestrahlt worden, etwa */, dieser Zeit kommen auf 
die Bestrahlungen der Milzgegend, das letzte Drittel verteilt sich auf die Bestrahlung der langen 
Röhrenknochen (rechter, linker Unterschenkel und Oberschenkel) und des Sternum. 

Ein Effekt der Therapie konnte bald konstatiert werden: Die zeitlich zuerst zu 
beobachtende Wirkung der Röntgenstrahlen ist die auf das Blut. 

Der Übersichtlichkeit und Einfachheit halber gebe ich die Blutuntersuchungen in 
Tabellenform wieder: 


Hb. Spez. Gew. Erythrooyten Leukocyten 
21. III. 8,6%, 1040 2,95 Mill. 243 000 
(Fleischl-Miescher) 
19. VI. 75%, 1050 1,53 , 285 800 
(Salis) 
26. VI. 78%, 1055 287 , 340 000 
2. VII. — — 2,45 , 240 000 
10. VII. 74h 1051 3,07 , 189 000 
15. VII. = er 36 , 120 000 
28. VIL. 829, = 841, 125 600 
1. VIII. 80°}, = 41 „ 125 000 
13. IX. 80°, 1050 42 , 104 000 
26. IX, 820), — 4,2 A 98 000 
2. X. 86°], 1052 43 , 84 000 
10. X. 8501, 1052 5,02 „ 50 500 
16. X. 84%], = 425 n | 25000 
20. XI. 990], 1058 48 , 20000 
28. XI. 102°), 1056 48 , | 17 500 
14. XII. 1029|, 1054 49 , | 13 200 
26. I. 102°], 1054 5,1 a 11 800 
8. II. 1049), 1056 52°», 74800 


Die mikroskopischen Untersuchungen ergaben sehr reichlich polynucleäre Leukocyten 
(etwa 80°/,), reichlich Myelocyten (ca. 18°/,), während die grossen und kleinen Lymphocyten, 
die Übergangsformen, die ein- und mehrkernigen eosinophilen Zellen zusammen nur etwa 
1—2°/, betrugen. 

Während des Zurückgehens der Gesamtzahl der Leukocyten änderte sich auch die 
Prozentzahl allmählich, indem die Zahl der polynucleären Leukocyten rascher zunahm, während 
die der Myelocyten zurückging, die Zahl der Lymphocyten und eosinophilen Zellen nahm 
prozentualisch gleichfalls zu; z. B. am 28. VII. betrug die Prozentzahl der 


polynucleären Leukocyten ca. 82°/,, 


Myelocyten ca. 14°, 
Lymphocyten ca. 2°. 
eosinophilen Zellen ca. 2°/,. 


49* 


388 Krause. 


Sehr auffallend ist die Vermehrung der Erythrocyten, welche von 2,95 auf 
5,02 Millionen stiegen, in den letzten Monaten dauernd über 4,5 Millionen betrugen. Auch 
der Hämoglobingehalt ist allmählich gestiegen und dauernd normal geblieben. 

Kernhaltige rote Blutkörperchen fanden sich in den letzten Monaten nicht mehr. 

Ich muss aber hier ausdrücklich hervorheben, dass man aus dem histologischen 
Blutbilde auch heute noch in der Lage ist, trotz der nur geringen Vermehrung der Leuko- 
cyten, die Diagnose eines leukämischen Blutbefundes zu stellen: Myelocyten und 
andere pathologische Leukocytenformen (z. B. einkernige eosinophile) sind noch in allen 
Präparaten zu finden. 

Vielleicht lohnt sich noch die Bemerkung, dass die polynucleären Leukocyten wieder- 
holt in den letzten Monaten 5—6, ja 10 Kerne aufwiesen, dass auch Mitosenformen nicht gar 
so selten waren. | 

Die zweite hervorzuhebende Wirkung der Röntgenbehandlung betrifft den Milz- 
tumor, derselbe bildete sich allmählich zurück und ist z. Zt. nicht mehr zu palpieren, der 
Perkussionsschall über der Milzgegend ist aber noch immer ein sehr gesättigter. 

Besser als jede Beschreibung veranschaulichen folgende Skizzen das allmähliche Kleiner- 
werden der Milz: 


SS 
= 


ws = f 
= | 
GW 


s7 


Fig. 7 Fig. 2 


Befund vom 21. II. und 13. VI. 04 Befund vom 9. VII. 04. 
= vor der Röntgenbehandlung. Bestrahlungsdauer: 390 Minuten. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 389 


Braune 
Pigmen- 
Braune IR tation 
Pigmen- EHE der Haut 
i tation 2 
Fi g. 3 der Haut 
Befund vom 15. IX. 04. Befund vom 25. X. 04. | | 
Bestrahlungsdauer: 895 Minuten. _ Bestrahlungsdauer: 1785 Minuten. _ 


wy 
Fiy.6 
Befund vom 28. XI. 04. Befund vom 15. III. 05. 
Bestrahlungsdauer: 2065 Minuten. Bestrahlungsdauer: 2355 Minuten. 


Eine dritte objektiv festzustellende Wirkung der Röntgenstrahlen ergibt sich 
aus folgender Gewichtstabelle: | 


390 Krause. 


Datum | Kilo Datum Kilo 
92. III. 04. | 62 1. VIII. 04. | 65,5 
26. III. 04. | 68 17. IX. 04. 66,5 
13. VI. 04. | 655 25. IX. 04. 67,0 
23. VI.04. | 66,0 7. X. 04. 65,5 
27. VI. 04. | 670 28. XI. 04. 67,5 

6. VII. 04.) 66,0 14. XIL 04. | 67,7 
12. VII. 04.| 66,0 31.105. | 67,6 
25. VII. 04.| 65,5 8. 111.05. | 672 


Daraus ist ersichtlich, dass das allgemeine Körpergewicht des Kranken, trotzdem sein 
Milztumor sicher mehrere Pfund an Gewicht verloren hat, gegen 10 Pfund zugenommen hat, 
dass er nach seiner Angabe wieder so viel wiegt, wie vor Beginn seiner Erkrankung. 

Von einer vierten objektiv nachweisbaren Wirkung der Röntgentherapie vermag 
ich leider nur ein paar Daten zu geben, da ich bisher nıcht längere Untersuchungsreihen aus- 
führen konnte: ich meine die grössere Ausscheidung von Harnsäure durch den Harn. 
Durch Herrn Dr. Heile, welcher den Urin einiger meiner mit Röntgenstrahlen behandelten 
Patienten zu anderen Zwecken untersuchte, wurde ich aufmerksam gemacht, dass die Menge 
der ausgeschiedenen Harnsäure bei diesen Kranken eine sehr beträchtliche ist. Ich konnte bei 
eigenen daraufhin angestellten Proben feststellen, dass während der allerdings nur einmal mehrere 
Wochen vor der Röntgenbehandlung vorgenommenen Untersuchung die Tagesmenge Harnsäure 
0,4 g betrug, am Schluss der Röntgenbehandlung (im Oktober und November) durchschnittlich 
0,9—1,4 g Harnsäure ausgeschieden wurden, also etwa das zwei- bis dreifache. Spätere Beob- 
achter sollten diesen Verhältnissen eine spezielle Aufmerksamkeit widmen. 

Als unangenehme Nebenwirkung ist schon oben das Auftreten eines schnell ver- 
schwindenden Erythems erwähnt. 

Die subjektive Wirkung der Röntgentherapie bestand vor allem in dem vollständigen 
Verschwinden der Kopfschmerzen uud der dadurch bedingten 

Bei der Untersuchung Mitte März 05 wird konstatiert, dass die Milz klein geblieben 
ist, dass sie aber immer noch perkussorisch wie palpatorisch als vergrössert nachzuweisen ist: 
dagegen ist die Leukocytenzahl wiederum auf ca. 75000 in die Höhe gegangen, die Prozent- 
zahl der Myelocyten beträgt 32°/,, die der polynucleären Leukocyten 65° ,, der Rest entfällt 
auf eosinophile Leukocyten. Es wird deshalb zu einer erneuten Réntgenbehandlung geraten, 
der sich der Patient z. Zt. auch wieder unterzieht. 

Zusammenfassend kann man deshalb von diesem Fall sagen, dass eine recht bedeutende 
Besserung eingetreten ist, welche wir zweifellos berechtigt sind, als Wirkung der Röntgen- 
therapie anzusehen. 

Von einer Heilung kann bisher keine Rede sein. Sehr bemerkenswert ist der Befund, 
dass bei längerem Aussetzen der Behandlung die Leukocytenzahl wieder in die Höhe geht, und 
zwar eher, als irgend welche andere Symptome einer Verschlechterung auftreten. Der Patient 
arbeitet bis heute in angestrengter kaufmännischer Tätigkeit, ohne dass er irgend welche sub- 
jektive Klagen hat. Auch der Milztumor ist klein geblieben. 


Il. Fall von chronischer myelogener Leukämie. 

Das 22 Jahr alte Dienstmädchen Emma B. hatte als Kind Masern, Scharlach, Diphtherie und 
Keuchhusten. 

Die erste Periode trat im Alter von 17 Jahren auf, vom 18. Jahre setzte sie alle 3—4 Monate 
aus. Die letzte Periode vor 12 Monaten. 

Bis zum 18. Lebensjahre keine weiteren Erkrankungen. 

Am 30. April 1900 überstand sie eine normal verlaufene Geburt, 9 Tage post partum stand sie 
auf. Seither fühlt sie sich elend und matt. 6 Wochen post partum erfolgte eine starke Blutung aus der 
Scheide, welche die Patientin noch mehr herunterbrachte. In der linken oberen Bauchseite bemerkte sie 
allmählich eine Geschwulst, welche langsam, aber stetig zunalım, indem sie sich weiter nach unten er- 
streckte. Seit jener Zeit hat sie Schmerzen in der linken Seite, Gefühl von Druck gegen die 
Gegend des vorderen Mediastinums, Kreuzschmerzen. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 391 


Alle 4 Wochen treten an Stelle der menstruellen Blutung starke Wallungen nach dem 
Kopfe, Schwindelgefühl, Kopf- und Kreuzschmerzen. Zur Zeit besteht ein starkes Druckgefühl 
im ganzen Leibe, besonders in der Nabelgegend. 

Die Kranke lag 1900 bis 1902 wiederholt in Krankenhäusern: so in Düsseldorf, 1902 bis 1904 
fast ununterbrochen in Hannover. Ausser den obengenannten Klagen hatte die Kranke bei der Auf- 
nahme noch folgende Beschwerden: Schwäche, Mattigkeit, Schmerzen in den Seiten und im Rücken und 
Appetitmangel. 

Aus dem Befunde ist anzuführen, dass es sich um eine mittelgrosse Patientin in sehr schlechtem 
Ernährungszustande handelt. Ihre Haut- und Gesichtsfarbe ist blass. 

An der Streckseite beider Arme, vor allem in den Ellbeugen und beider Handrücken finden 
sich Gruppen von psoriatischen, mit Schuppen bedeckten, leicht geröteten Plaques (leukämische Haut- 
erkrankung). 

Die Sinnesorgane weichen von der Norm nicht ab. 

Die Schleimhäute sind blass mit einem Stich ins Gelbliche. | 

Die Lymphdrüsen am Halse sind nicht vergrössert. Die Thoraxapertur ist stark verbreitert. 
Druck auf die Wirbelsäule, auf die Rippen und oas Sternum, besonders aber das Beklopfen dieser Stellen 
ist schmerzhaft. 

Die linke Thoraxhälfte dehnt sich bei der Atmung weniger aus, als die rechte. 

Die Lungen stehen etwas hoch, zeigen aber sonst normale Verhältnisse, ebenso die sakine: 
rischen Verhältnisse am Herzen; an der Herzspitze, besonders auch über der arteria pulmonalis, ein 
lautes systolisches Geräusch zu hören, die Aktion des Herzens ist regelmässig. 

Das Abdomen ist sehr stark aufgetrieben, aoe frische und alte Striae, die linke Seite ist 
stärker gewölbt, als die rechte. 

Die regio hypochondriaca sin., hypogastrica sin., lumbalis sin. bis zur regio ileocoeliaca dextra 
ist von einem michtigen Tumor eingenommen, dessen seitlicher linker Rand abtastbar ist und mehrere 
Incisuren aufweist. | 

Die Konsistenz des Tumors ist derb, seine Oberfläche glatt, die Haut darüber verschieblich, 
nach unten zu verschwindet der Tumor ins kleine Becken. 

Die Leber ist palpabel, reicht etwa handbreit unter dem rechten Rippenrand und geht nach 
links in den Milztumor über, auch sie ist bei Druck schmerzhaft. 

In der ersten Zeit bestand hohes Fieber bis 40°C. von intermittierendem Charakter, welches 
allmählich fiel, Ende Juni und im Juli waren subfebrile Temperaturen vorhanden. Mitte September 
stellten sich höhere Grade bis 39,5° mehrere Wochen ein, ebenfalls wieder intermittierendes Fieber, 
welches Ende Oktober und im November leichten Steigerungen bis 37,9° Platz machte. Im Dezember 
und Januar waren ebenfalls Temperaturen bis 38° zu verzeichnen. 

Der Urin enthielt wiederholt Spuren von Albumen, grössere Mengen von Indikau, reichlich 
oxalsauren Kalk und Harnsäurekristalle. In den letzten Wochen ist wiederholt kein Eiweiss, auch 
keine Albumosen vorhanden gewesen. 

Die organisierten Formbestandteile des Harns bestehen fast nur aus "Leukoeyten, darunter be- 
finden sich auch Myelocyten. 

Anfang Juni klagte die Kranke über intensive Schmerzen im Leibe, es trat ein starkes krepi- 
tierendes Reiben über der ganzen Milzgegend auf, welches subjektiv, durch Palpation und Auskultation, 
wahrnehmbar war. Nach mehreren Tagen war das Reiben verschwunden. Nach dieser Zeit liess das 
Spannungsgefühl etwas nach. Die drückenden Schmerzen in der linken Seite bestanden aber fort, 
zeitweise war etwas Atemnot vorhanden. 

”Am 11. Juni war freier Ascites im Abdomen nachweisbar, welcher am 30. Juni fast völlig 
verschwunden war. Während der ganzen Zeit sind sämtliche Knochen bei Druck stark schmerzhaft, 
speziell das Sternum. Ende Juni tritt wiederholt starkes Nasenbluten auf. Die Amenorrhoe besteht 
nach wie vor fort (jetzt schon seit 14 Monaten). 

Anfang Juli tritt wiederum sehr starkes Reiben über der Milzgegend auf, welches der Patientin 
Schmerzen verursacht, dasselbe hält bis Ende des Monats an. 

Ferner sind wiederholt Durchfälle vorhanden, welche etwa 3 Wochen (mit Unterbrechungen) 
andauern. _ | 

Die schon oben erwähnten leukämischen Knötchen und Papeln an den Handrücken sind 
allmählich etwas grösser geworden: sie sind scharf begrenzt und weisen einen gelblichrötlichen Saum auf. 

Allmählich tritt subjektive Besserung ein, auffallend ist der starke Appetit. 

Am 8. August wird die Kranke auf eigenen Wunsch entlassen. Sie fühlte sich ziemlich wohl, 
so dass sie wieder eine Stellung annehmen konnte. Doch bald traten wiederum äusserst heftige Kopf- 
schmerzen auf, bald kamen auch wieder Kreuzschmerzen und Schwindelgefühl dazu. Zur Zeit der Menses 
starkes Nasenbluten. Die Kranke glaubte, dass die Milz wieder grösser geworden sei, sie kommt deshalb 
wieder in die Klinik. 


392 Krause, 


Ihre Klagen sind: Gefühl der Schwere im Leibe, Schmerzen in der Lebergegend, 
Druck vor dem Magen. 

Der Befund weicht wenig van dem Ende Juli erhobenen ab. 

Der Milztumor zeichnet sich noch durch eine ganz gewaltige Ausdehnung aus. Allmählich er- 
folgt eine langsame Abnahme des Tumors. 
Die Schmerzen in der Milzgegend, vor allem das Spannungsgefühl im Leibe wird geringer. Die 
leukämischen Hautveränderungen an den Armen werden nach und nach ausgedehntere. 

Da das subjektive Befinden der Patientin sich sehr gebessert hat, verlässt sie am 23. XI. die 
Klinik, um wieder zu versuchen, etwas zu arbeiten. 

Von Anfang Dezember 1904 bis Ende Januar 1905 befand sich die Kranke wiederum in der 
Klinik, sie wurde zuletzt Ende Februar untersucht. 


Auch in diesem Falle handelte es sich um eine chronische myelogene Leukämie, 
welche im Anschluss an einen Partus sich entwickelte. Ausser Allgemeinsymptomen — 
Mattigkeit, Schwäche, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit — trat auch hier in den 
Vordergrund der Erscheinungen ein mächtiger Milztumor. 

Seit 29. April 1904 wird die Kranke mit Réntgenstrahlen behandelt. Bis 5. Juli — 
im ganzen 580 Minuten — wurde nur die Milzgegend bestrahlt. Vom 19. Juli ab auch die 
langen Röhrenknochen. 

Auch hier wurde eine harte Röhre benützt. Die übrige Anordnung war die oben beschriebene. 

Bis 28. Januar 1905 wurde im ganzen 3650 Minuten bestrahlt. 

Zum besseren Vergleiche betrachte ich auch bier die Wirkungen der Röntgenbehandlung 
unter folgenden Gesichtspunkten: 

Erstens die Wirkung auf das Blut ist auch bei diesem Falle zu konstatieren. 

Die folgende Tabelle orientiert am schnellsten über die Ergebnisse der Blutuntersuchungen. 


Tat, Hh, Spez. Gew. Erythrocyten Leukocyten 
25 V | 40°), — | 24 Mill. 220 000 
16. VI. = = = 140.000 
28. VI. 55%), un = 80 000 
12. VII. 530], 1052 = 120 000 
24. VII. = at = 200 000 

5. VID = oa = 167 000 
9. IX. = = 24 Mill. 286 000 
18. IX. 55%, 1052 31 , 240 000 
5.X. 529), = 37 1% 160 000 
22. XI. 619], eS 38 . 71000 
11. XII. 70, = 46 . 64 400 
22. XII. 70%], en 48 . 43 800 
24. XII. 70°], = 45 . “| 38500 
9.1. 729], = 44 25 000 
21. I. 71%, | = 42  , 14 400 
29. I. 72°], | ee | = 11 400 : 


Etwas näher will ich auf das histologische Blutbild eingehen. 

Im ungefärbten Präparate ist eine mässige Poikilocytose, reichliche Blutplättchen, 
starke Vermehrung der Leukocyten zu konstatieren gewesen. Im gefärbten Präparate werden 
55°/, Myelociten, 38°/, polynucleäre, 5°/, eosinophile, ca. 1—2°/, Lymphocyten gezählt, kern- 
haltige rote Blutköperchen sind sehr selten. 

Mit dem Zurückgehen der Leukocytenzahl wurde auch in der prozentualischen Zu- 
sammensetzung eine allmähliche Änderung gefunden: so waren am 22. Juni 48°/, Myelocyten, 
32°/, polynucleäre Leukocyten, 12°/, eosinophile Leukocyten, 8°/, Lymphocyten, am 28. Juni 
48°/, Myelocyten, 40°/, polynucleäre, 3°/, eosinophile, 8°/, Lymphocyten vorhanden. Nach 
und nach änderte sich das Verhältnis derart, dass prozentualisch am meisten die polynucleären 
Leukocyten in den Vordergrund traten, während die myelogenen auch in der Prozentzahl ge- 
ringer wurden, l 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 393 


Bemerkenswert ist ferner der grosse Wechsel in der absoluten Zahl der Leukocyten, 
zum Teil ist er zweifellos durch das zeitweise Aussetzen der Röntgenbehandlung bedingt. Die 
von französischen Autoren (Aubert et Blanchard) gemachte Beobachtung, dass regel- 
mässig nach jeder Bestrahlung die Leukocytenzahl in die Höhe geht, um schliesslich unter 
die vor der Behandlung festgestellte Leukocytenzahl zurückzugehen, konnte bei drei Zählungen 
nur zum Teil bestätigt werden. Einmal betrug die Leukocytenzahl vor der Bestrahlung 37 500 
und kurz nach derselben 33500. Das andere Mal war sie vor der Bestrahlung 25 800, 
1!/, Stunde nach derselben 29000, 3 Stunden nachher 34 700, 8 Stunden nacher 28 600. 
Doch ist hierbei in Betracht zu ziehen, dass in die Zwischenzeit das Maximum der Verdauungs- 
leukocytose fällt. Das dritte Mal betrug die Leukocytenzahl vor der Behandlung 18500, 
eine Stunde nachher 15 000, 2 Stunden nachher 16 600, 3 Stunden nachher 14 400. 

Die Zahl der Erythrocyten ging regelmässig in die Höhe von 2,4 Millionen bis 
4,5 Millionen (höchste Zahl bisher 5 Millionen), ich glaube, dass auch hierauf zweifellos ein 
nicht zu geringer Nachdruck gelegt werden muss. Dass mit dem Ansteigen der Erythrocyten 
auch der Hämoglobingehalt ein höherer wurde, erscheint verständlich. 

Zweitens: die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf die Milz blieb auch hier 
nicht aus. Ich will die Bemerkung nicht unterdrücken, dass ich selbst bei dem excessiv 
grossen Milztumor lange Wochen Zweifel hegte, ob überhaupt je eine erheblichere Verkleinerung 
der Milz der Kranken eintreten würde. Sie liess lange auf sich warten, schliesslich aber nahm 
der Tumor von Woche zu Woche ab. 

Die beifolgende Skizze orientiert über die vorliegenden. Verhältnisse: 


4%, 

44 

144 WY, 
OK DIR 


DEREK 


Fig.7 
Befund am 28. V. 04 Befund vom 28, VII. 04 
vor der Röntgenbestrahlung. Bestrahlungsdauer: 730 Minuten. 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 50 


394 Krause. 


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KS E ZA II wey 


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HUNG 
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S 


HG u “Yj 
‘MWh Wy DIL, 
ie PNS 


Milz 


Spina 
anter. 
sup. sin. 


Fig. 9 Fig. 70 


Befund vom 22. XT. 04. Befund vom 11. I. 05, 
Bestrahlungszeit: 2240 Minuten. Bestrahlungszeit: 3110 Minuten. 


[7 


D I, 


28. I. 05. 26. IT. 05. 
Bestrahlungszeit von 3650 Minuten. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 395 


Das starke peritonitische resp. perisplenitische Reiben, welches subjektiv und objektiv 
nachweisbar der Patientin Tage lang Schmerzen verursachte, ist wohl nachträglich ohne Zwang 
als erstes Symptom des Kleinerwerdens des Milztumors anzusehen. Als besonderer Befund ist 
noch anzugeben, dass in dieser Zeit Ascites auftrat. 

Gleichzeitig mit dem Zurückgehen des Milztumors wurde ein gaue Kleiner- 
werden der Leber beobachtet. 

Drittens konnte auch bei dieser Patientin ein Ansteigen der Körpergewichtes 
festgestellt werden, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht. 


Tabelle der Körpergewichte. 


Datum kg Datum kg Datum _ | kg 


ev | 85 5. 


IX. 49,0 14. XI. 54,0 
6. VI. 46,5 12. IX. 50,2 12. XII. 51,0. 
20. VI. 44,5 19. IX. 52,5 19. XII. 55,0 
27. VI. 45,5 26. IX. 52,0 27. XII. 55,5 
4. VIL 46,3 3. X, 51,5 2.1 55,0 
11. VIL. 46,7 9. X. 50,0 9L |. 550 
18. VII. 47,5 17. X. 515 16. I. | 545 
25. VIL. 48,2 24, X. 53,0 23.1 . 55,0 
1. VID. 49,0 31. XI. 52,5 Ä 
8. VII. 49,2 7. XI. 58,0 


Viertens: die Harnsäureausscheidung im Harne war be gleichbleibender Nahrung 
in Perioden, in welchen die zn sehr AULDENGING, auffallend Be (pis 2—3 g 
pro die). 
Von Nebenwirkungen, zum Teil: naheeneiner Art, sind zu nennen: ein ziemlich 
brennendes Erythem über der Milzgegend (nach 580 Minuten Belichtungszeit), welches eine 
Unterbrechung der Kur in Dauer von ca. 10 Tagen erforderte, eine allmählich eintretende 
starke Pigmentierung der Haut, soweit dieselbe bestrahlt wurde, das oben erwähnte sub- 
jektiv und objektiv nachweisbare perisplenitische Reiben; inwieweit auch die zeitweise vor- 
handenen Durchfälle auf das Konto der Röntgenstrahlen zu setzen sind, wage ich nicht zu 
entscheiden, jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass bei Heinekes experimentellen Versuchen 
mit Röntgenstrahlen eine Anzahl der Tiere Diarrhöen bekamen. 

Als subjektive Einwirkung ist die Hebung des Allgemeinbefindens, das Verschwinden 
der Kopfschmerzen, der Mattigkeit, des Schwächegefühls zu nennen, der Appetit ist gut, der 
Schlaf zufriedenstellend geworden. Als wichtig will ich noch erwähnen, dass sich bei der 
Patientin nach jahrelanger Ccssatio im Dezember wieder die Regel einstellte und seitdem 
regelmässig geblieben ist. 

Also ist alles in allem auch in diesem Falle von chronischer myelogener Leukämie 
durch die Röntgenbehandlung eine ganz erhebliche Besserung zu konstatieren gewesen. Von 
einer Heilung kann bisher keine Rede sein. 

III. Fall von chronischer myelogener Leukämie. 

Der 57 Jahre alte Bergmann A. St. ist nach seiner Angabe früher stets gesund gewesen, mit 
Ausnahme eines Unfalls (Rippenbruch vor 10 bis 12 Jahren auf der linken Seite) und einer Rippenfell- 
entzündung vor 3 Jahren. 

Seit Januar 1904 bemerkt der Patient eine zunehmende Schwäche und Mattigkeit, im Leibe 
ein spannendes, drückendes Getühl infolge grösserer Spannung und Anschwellung. Zeitweise traten 
Kopfschmerzen, Erbrechen, stärkerer Husten und Auswurf ein. Appetit und Stuhlgang ist 
immer in bester Ordnung gewesen. _ 

Der Kranke arbeitete in diesem Zustande noch bis zum 30. IV. Die Zunahme seiner Be- 
schwerden zwangen ihn zur Arbeitseinstellung. 

Nach vorübergehender Besserung wurde am 2. V. 04 im Ambulatorium der Klinik die 


Diagnose auf Leukämie gestellt, und kurz nachher erfolgte die Aufnahme in die Klinik. 
50 * 


396 Krause. 


I. Aufenthalt in der Klinik vom 17. V. bis 26. VI. 04. 

Bei seiner Aufnahme klagte der Kranke über allgemeine Schwäche, Mattigkeit, aufgetriebenen, 
gespannten Leib, über drückende und spannende Schmerzen im Leibe in der Milzgegend, über Schmerzen 
bei der Atmung. 

Aus dem Befunde ist hervorzuheben, dass der Kranke während der Beobachtungszeit stets 
fieberfrei war, die Pulszahl schwankte zwischen 76 und 94, die Atmung zwischen 22 bis 24. 

Der Patient ist von kräftigem Knochenbau, in ziemlich reduziertem Ernährungszustande. Sein 
Fettpolster ist gering, seine Muskulatur sehr schlaff. Die Farbe der Haut und sichtbaren Schleimhäute 
blass von gelblichem Colorit. 

Es bestehen weder Ödeme, noch Exantheme. 

Zablreiche, z. T. recht harte Drüsenschwellungen am Nacken und in der fossae supra- 
claviculares, ebenso in den Achselhöhlen und Leistenbeugen. 

Augenbefund ohne Besonderheit. 

Ohrbefund: das rechte Trommelfell minimal eingezogen, es besteht eine Verdichtung einzelner 
Radiärfasern, zwischen welchen sich 6 kleinere, schwarze Petechien befinden. Rechts besteht voll- 
kommene Taubheit, links eine starke Schwerhörigkeit, die von spezialistischer Seite als leukämische ge- 
deutet wird. 

Auffallende Blässe des Gesichts. 

Geringes Emphysem der Lungen. 

Das Abdomen ist etwas aufgetrieben und weist gespannte Bauchdecken auf. 

Die Leber ist gering vergrössert. 

Grosser Milztumor, derselbe reicht in der Mammillarlinie bis 3 Querfinger unterhalb des 
Nabels, die Länge der Perkussionsdämpfung beträgt ca. 25 cm. Der Tumor ist von harter Konsistenz 
und bei der Palpation schmerzhaft. 

Blutbefund siehe unten. 

Die Milz ist während der ersten Periode der Röntgenbehandlung nicht kleiner geworden, da- 
gegen ist das Allgemeinbefinden ein besseres, auch die Schmerzen sind geringer. 


Abgesehen davon beschränkte sich die günstige Wirkung der Röntgenstrahlen in diesem 
Falle während der Bestrahlungsperiode auf den Blutbefund: Bei der späteren Behandlung ge- 
lang es, die Leukocytenzahlen fast bis zur Norm zurückzubringen. 

Am besten orientiert darüber folgende Tabelle. 


Tabelle der Blutuntersuchungen. 
I. Klinischer Aufenthalt vom 17. V.— 25 VI. 04. 


Dat. WHimoglob. Spez. Gew, | Erythrocyten © Leukocyten 
! 
18. V. 8,3%, | 1048 | 2,4 Mill. 156 000 
4. VI. 8,80], 1043 28. 4; 26 000 
13. VI. 5,4°/, (2) 1045 32 ,, 54 000 
20. VI. 8,6%, — 3,3 4, 29 000 
24. VI. | n. Fleischl-Miescher bestimmt = foe 31 000 
II. Klinischer Aufenthalt vom 5. XIL.—19. XII. 04. 
5. XII | 550, 1050 8,6 Mill. 256 000 
8. XII. | 990], — 3,0 , 224 000 
14. XI. 40°), 1028 3,17 „ 350 000 
17. XII | 65, 10388 | 3,68 ,, 320 000 
III. Klinischer Aufenthalt vom 28. XII. 04—25. II. 05. 
28. XL. | 48°, 1045 2,8 Mill. 310 000 
9.1. 55%), 1048 36 „ 200 000 
16. I. 73°], — 4,4 ,, 160 000 
23. I. 68°, | = 3,6 ,, 280 000 
31. I. 63°, a 44, 123 000 
2. II. 61°), = 4,4 121 000 
10. II. — — 46 , 50 000 
14. II. 68°|, 36 ,, 40 000 
21. II. | 80°] En 41 5 26 000 


0 
25.1. | 75°], = 46 „ 10 000 


Zur Réntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 397 


Der mikroskopische Blutbefund ergab das typische Bild der chronischen myelogenen 
Leukämie; ungefärbte Präparate wurden gegen 45°/, Myelocyten, ca. 50°/, polynucleäre Leuko- 
cyten, 2—3°/, Lymphocyten gefunden, der Rest verteilt sich auf Ubergangsformen und eosino- 
phile Leukocyten. Während der ersten Bestrahlungsperiode (im ganzen 710 Minuten) wurde 
eine rasche Einwirkung auf die Leukocytenzahl erzielt, welche, wie aus der Tabelle zu ersehen 
ist, von 156 000 auf 26 000 herunterging. 

Im Gegensatze dazu konnte bei der zweiten Bestrahlungsperiode, in welcher zuerst nur 
die langen Röhrenknochen bestrahlt wurden, während die übrigen Körperteile, vor allem die 
Milz, sorgfältig geschützt wurden, nur eine viel langsamere Einwirkung auf den Blutbefund 
festgestellt werden. Erst als wiederum die Milzgegend und die langen Röhrenknochen in der 
oben beschriebenen Weise bestrahlt wurden, kam es zur schnellen Besserung. 

Von den histologischen Blutuntersuchungen will ich der Vollständigkeit halber nur ein 
paar Notizen geben: Unter den 310000 Leukocyten, welche am 28. XII. 04 gefunden wurden, 
fanden sich 42°/, Myelocyten, 50°/, polynucleäre Leukocyten, 1°/, Lymphocyten, 6°/, Uber- 
gangsformen, 0,5°/, eosinophile Zellen. Direkt nach einer 80 Minuten anhaltenden Bestrahlung 
an demselben Tage verminderten sich die Leukocyten auf 306 000, darunter 28°/, Myelocyten, 
67°/, polynucl. Leukocyten, 7°/, Übergangsformen,. 0,5°/, Lymphocyten, 0,5°/, eosinophile Zellen. 

Am 31.1. 05 waren unter 123000 Leukocyten 66°/, polynucleäre Formen, 24°/, Myelo- 
cyten und Ubergangsformen, 3°/, eosinophile Zellen, 4,5°/, Lymphocyten. 

Am 21.11. 05 zeigte das frische Blutpräparat eine geringe Poikilocytose. Im gefärbten 
Präparate wurden 72°/, polynucleäre Leukocyten, 23°/, Myelocyten, 4°/, Lymphocyten, 1°/, Eosino- 
phile angetroffen, kernhaltige Erythrocyten, welche früher stets in spärlicher Anzahl vorhanden 
waren, fehlten. 

Auch hier konnte neben der absoluten Abnahme der Leukocyten eine Verschiebung 
der verschiedenen Arten konstatiert werden, indem die polynucleären Leukocyten über die Myelo- 
cyten und andere pathologische Formen auch relativ die Übermacht bekamen. 

l Auf feinere histologische Daten hier j 
einzugehen, erscheint mir überflüssig und 


zum Verständnis kaum etwas beizutragen. 
Die Wirkung auf denMilztumor 
blieb in dem vorliegenden Falle auffallend an 
lange aus. Nach der ersten Bestrahlungs- Do Sy =) q 
periode (710 Minuten) war eine objektive I, 
Verkleinerung nicht nachzuweisen. Auch 


während der zweiten Periode (360 Minuten SEA 
Bestrahlung vom 7. bis 18. XIL 04) konnte —A 


kaum eine Veränderung konstatiert werden 


e ° hg hd OU 
— in dieser Zeit wurden nur die langen fl Wy 
; WEL, 
Röhrenknochen, nicht die Milz bestrahlt. My 
Erst während der dritten Periode (1710 CH: 


Minuten Dauer vom 28. XII. 04 bis 27. I. ever ~\ SY 

i j ws MY 

05) trat eine deutliche Verkleinerung der 2 

iy 

Milz auf. | 

Im ganzen wurde dieser Fall 2780 
Minuten lang bestrahlt. 

Am besten orientiert nebenstehende 

und folgende graphische Skizze über die Fig. 73 


Grösse des Milztumors zu verschiedenen Befund vom 28. XII. 04. 
Zeiten Bestrahlungszeit: 1070 Minuten, 


Milz 


398 Krause. 


Mf 
4y 


A 


N “Wi yy Wy 


Fig. 74 | Fig. 15 
Befund vom 15. I. 05. Befund vom 16. II. 05. 
Bestrahlungszeit: 1610 Minuten. Bestrahlungszeit: 2780 Minuten. 


Um einen Vergleich mit den anderen Fällen zu ermöglichen, lasse ich auch hier ein 
paar Stichproben der beobachteten Körpergewichte folgen: 


kg Datum kg Datum | kg 


Datum 
18. V. 60,0 12. XL. 59,0 30. I. | 59,0 
30. V. 60,5 19. XII. 59,5 6. I. 57,5 
6. VI. 60,5 28. XII. 59,0 13. II. 57,5 
13. VI. 59,5 9.1. 59,5 20. II. 56,0 
20. VI. 59,0 16. 1. | 59,5 27. II. 56,0 
5. XII. | 60,0 22.1. 585 


Es liegen also hier die Verhältnisse nicht so günstig; das anfangs beobachtete Körper- 
gewicht ist noch nicht erreicht worden, vielmehr nahm der Kranke in den letzten Wochen 
3kg ab. Zur Erklärung sei dazu bemerkt, dass derselbe mehrere grosse Karbunkel am Rücken 
bekam, welche Fieber verursachten und eine grosse Incision notwendig machten. 

Die Ausscheidung der Harnsäure wurde auch hier in der Zeit des Zurückgehens der 
Leukocyten eine ganz auffallend hohe (täglich durchschnittlich 1,2—1,8 g), während im übrigen 
Stoffwechsel keine besondere Änderung eintrat. a 

Die subjektive Besserung war nur eine mässige, jedenfalls war sie wegen der Schwer- 
hörigkeit und allgemeinen Stumpfheit des Patienten nicht gerade in die Augen springend. 

Eine Besserung der Schwerhörigkeit blieb aus. 

Von unangenehmen Nebenwirkungen wurde während der letzten Tage der Be- 
handlung eine leichte Excoriation am Nabel mit geringer Rötung entdeckt, weshalb die 
ganze Gegend nicht mehr bestrahlt wurde. Laut brieflicher Mitteilung sei die Stelle Anfang 
März noch nicht ganz geschlossen gewesen, vielmehr habe sie noch stark genässt. Anscheinend 
ist demnach ein oberflächlicher Epithelverlust eingetreten, zweifellos bedingt durch die Röntgen- 


behandlung. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 399 


Alles in allem ist dieser Fall refraktärer gegen die Röntgenbehandlung gewesen als 
die übrigen. Die Wirkung auf die Leukocyten und schliesslich auch auf den Milztumor blieb 
zwar auch hier nicht aus, liess aber lange auf sich warten. Die Besserung im Allgemein- 
befinden war eine geringe. 


IV. Fall von chronischer myelogener Leukämie. 


Der 44jährige Kaufmann G., welcher als Kind Masern hatte, später aber nie ernsthaft krank 
gewesen sein will, giebt an, dass er sich jetzt schon seit etwa zwei Jahren unwohl fühle. Seine Krank- 
heit habe mit Stuhlverstopfung begonnen, er sei deshalb nach Karlsbad geschickt. Dort sei eine ge- 
schwollene Milz entdeckt worden. In den letzten Jahren habe er an Gewicht abgenommen. Seine 
gegenwärtigen Beschwerden beständen hauptsächlich in einem Druckgefühl in der Milzgegend und 
plötzlich auftretendem Schwindelgefühl, welches ihn häufig in Gesellschaft oder auf der Straße über- 
fiele. Appetit und Schlaf gut. Der Stuhlgang ist stets angehakten. Morbus sexualis und Missbrauch 
von geistigen Getränken wird in Abrede gestellt. 


Aus dem Befunde ist hervorzuheben, dass es sich um einen grossen, kräftig gebauten, muskulösen 
Herrn handelt, dessen blühende Gesichtsfarbe und lebhafter Gesichtsausdruck ihn nicht als krank er- 
scheinen lassen, 


Es besteht kein Fieber, der Puls beträgt 75—85 in der Minute, 


Von seiten der inneren Organe ist als einziger pathologischer Befund ein Milztumor zu 
konstatieren, welcher etwa bis in Nabelhöhe reicht, von derber Konsistenz ist und auch bei tiefem 
Drucke keitıe Schmerzhaftigkeit aufweist. 


Die Leber ist nicht vergrössert. 


Die Diagnose war bisher auf Pseudoleukämie gestellt worden, da der erhobene Blutbefund 
von der Norm nicht abgewichen sei. 


Am 2. X. 04 wurde folgendes durch Blutuntersuchung festgestellt: Hämoglobingehalt 110°/, 
(nach Sahli), Erythrocyten 4,8 Millionen, Leucocyten 22600. 


Das histologische Blutbild weist reichlich polynucleäre Leucocyten (etwa 65°/,), reichlich Myelo- 
cyten (ca. 30°/,) auf, grosse und kleine Lymphocyten sind spärlich, ebenso eosinophile Zellen; keine kern- 
haltigen roten Blutkörperchen, keine Poikilocytose. Es muss deshalb die Diagnose „myelogene Leukämie“ 
gestellt werden. 


Der Kranke kann nur poliklinisch beobachtet und behandelt werden. 


Vom 28. September bis 4. November 1904 wird drei- bis fünfmal wöchentlich mit 
Röntgenstrahlen bestrahlt, im ganzen 720 Minuten lang, in den nächsten Wochen alle 8 Tage 
einmal, so dass bisher, alles in allem 840 Minuten lang belichtet worden ist. ?/, dieser Zeit 
fallen auf die Bestrahlung der Milz, wahrend das letzte Drittel auf diejenige der langen Röhren- 
knochen (Ober- und Unterschenkel) und des Stamm verwendet wurde. Die tägliche Sitzung 
betrug 30 Minuten. 


Das Technische wie in Fall I, es wurde ausschliesslich eine Müller-Röhre benutzt, die 
Härte derselben betrug nach der Walterskala 6 resp. 7. 


Die Wirkung auf das Blut ergiebt sich aus folgender Tabelle. 


11. IIL. 05. 110°, 6,9 ,, 9 800 1062 


Dat. | Hb. | Erythrocyten Leukocyten Spez. Gew. 
4. X. 04. 110°, 4,3 Mill. 22 600 1058 
13. X. 04. 110°, 49 ,, 21 500 1059 
20. X. 04. 108°, 43 ,, 20 500 — 
25. X, 04. 1089), 5,01 ,, 17 600 1060 
22. XI. 04. 110%, 52: y 16500 — 1060 
17. XII. 04. 108°), 49 ,, 10 200 — 


400 Krause. 


Im histologischen Blutbilde fanden sich stets reichlich Myelocyten, welche prozen- 
tualisch allmählich von ca. 30°/, auf 8°/, zurückgingen, die Zahl der polynucleiren Leu- 
kocyten stieg prozentualisch allmählich und beherrschte histologisch das Blut, in dem letzten 
Präparate von Mitte März sind ca. 90°/, polynucleäre Leukocyten. Lymphocyten waren in 
1—2°/, vorhanden. 


Sehr hervorstechend ist hier der Anstieg der Erythrocyten, bei der letzten Zählung 
Mitte März wurde ca. 7 Millionen gefunden, während die Leukocytenzahl gering blieb. Ich 
muss aber konstatieren, dass man bei genauem Studium des gefärbten Präparats (mit Häma- 
toxylin, Eosin, Triacid und Färbung nach May-Grünwald) auf das Pathologische des Leuko- 
cytenbefundes aufmerksam wird, einerseits wegen der verhältnismässig hohen prozentualischen 
Zahl der Myelocyten, andererseits zeigten Zellen mit mittelgrossen Kernen fast ausschliesslich 
intensiv basophiles Protoplasma, auch einkernige Zellen mit oxyphiler grober Granulation 
waren vorhanden. 


Worauf die Vermehrung der Erythrocyten beruht, ist nicht mit Sicherheit zu 
sagen. Jedenfalls bestimmte sie mich, in diesem Falle vorläufig von jeder weiteren Bestrahlung 
Abstand zu nehmen, was mir zur Zeit um so leichter wurde, als auch das Allgemeinbefinden 
ein befriedigendes zu nennen ist. 


Die Wirkung auf den Milztumor liess ebenfalls wieder mehrere Wochen auf sich 
warten, trat aber, wie aus den Skizzen zu ersehen ist, langsam em, so dass Mitte März eine 
nur geringe Schwellung der Milz zu konstatieren ist. 


Fig. 16 Fig. 17 
Befund vom 28. IX. 04. Befund vom 4. XI. 04. 
Vor der Röntgenbehandlung. | Bestrahlungsdauer: 720 Minuten. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 401 


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Fig. 78  Fig.19 
Befund vom 17. XII. 04 Befund vom 11. III. 05. 
Bestrahlungsdauer: 840 Minuten. Bestrahlungsdauer: 840 Minuten. 


Eine geringe Gewichtszunahme konnte auch hier konstatiert werden (um ca. 3 kg). 

Der Urin war stets frei von pathologischen Bestandteilen, eine zweimalige quantitative 
Untersuchung auf Harnsäure ergab in der Tagesmenge Harn Zahlen, welche in normalen 
Grenzen liegen (0,6 resp. 0,9 g), eine genauere Untersuchung konnte aus äusseren Gründen 
nicht stattfinden. = 

Von unangenehmen Nebenwirkungen ist ein leichtes, schnell vorübergehendes 
Erythem über der Milzgegend zu nennen, welches verschwand, als 5 Tage lang eine Be- 
strahlung dieser Körperstelle unterblieb. Allmählich bildete sich über der bestrahlten Gegend 
eine auffallend starke, bräunliche Pigmentation der Haut heraus. | 

Die subjektive Besserung blieb auch hier nicht aus. Der Patient fühlt sich 
kräftiger, ist jetzt seit Monaten ohne Beschwerden. Die Milzgegend, welche früher ihn 
schmerzte, thut ihm nicht mehr weh, auch das Gefühl der Spannung hat sich verloren. Die 
Schwindelanfälle, über welche er früher so häufig zu klagen hatte, sind monatelang weg- 
geblieben. Die Besserung des Krankheitsbildes ist demnach zur Zeit in diesem Falle eine be- 
friedigende; besonders hervorzuheben ist, dass sie trotz 21/, Monate langem Aussetzen der 
Behandlung bestehen bleibt. ze 

Gerade bei diesem Patienten konnte eine „Nachwirkung“ der Röntgentherapie 
auf die Grösse des Milztumors in einwandsfreier Weise beobachtet werden. Diese Nachwirkung 
ist ja schon bei einer einmaligen Bestrahlung bekannt — Röntgenerytheme und -ulcera ent- 
stehen in der Regel erst 10—14 Tage nach der schädigenden Sitzung — scheint mir aber 
gerade bei sehr langdauernden Bestrahlungen weniger, als es der Wichtigkeit der Sache 
entspricht, beachtet zu werden. 


V. Fall von chronischer myelogener Leukämie. Ä 


Der 51 Jahr alte Landwirt G. H. hatte als Kind Diphtherie, Masern, in den späteren Jahren 
viel Husten und Magenkrämpfe. Im Januar 1904 erkrankte er plötzlich mit heftigen Schmerzen in der 
Magen- und Lebergegend. Im Juni zog er sich eine linksseitige Pleuritis zu. Eine Milzschwellung sei 
zuerst im September 1904 konstatiert worden. Er habe häufig an Nasenbluten gelitten. Die übrige, sehr 
lange Anamnese ist für die vorliegende Erkrankung ohne Belang. 

Auch aus dem Status hebe ich nur ein paar Punkte hervor. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlon. VIII, 51 


402 Krause. 


Der mittelgrosse Patient ist blass und in schlechtem Ernährungszustande. Knochenempfindlich- 
keit auf Druck besteht weder am Sternum, noch über anderen Knochen. Leichte Ödeme an den 
Knöcheln. Die Leber überragt den Rippenbogen um zwei Querfinger, geht in der Mittellinie in eine 
Dämpfung über, welche das Epigastrium, linke Hypochondrium und den grössten Teil der Lumbalgegend 
ausfüllt und in die Milzdämpfung übergeht. 

Die Milz ist als ein mächtiger Tuomr zu palpieren, welcher bis zur Nabelhöhe reicht und sich 
bis in die Mittellinie hinein erstreckt. 

Die Lymphdriisen sind nicht geschwollen. 

Der Urin enthält Eiweiss und Blut, mikroskopisch granulierte Cylinder viele polynucleäre 
Leucocyten und Myelocyten, einige Nieren- und Blasenepithelien. 

Der Blutbefund war folgender: Hämoglobin 53%, (nach Sahli), spez. Gewicht 1053, Erythro- 
cyten 2,9 Millionen, Leukocyten 550000. Die Zahl der polynucleären I. und Mpyelocyten ist etwa 
gleichgross. 

Es handelt sich in diesen Falle um eine chronische myelogene Leukämie bei einem 
5ljährigen Manne, welche durch eine starke Albuminerie und Hämaturie kompliziert ist. 
Ausserdem besteht Verdacht auf amyloide Degeneration der Leber, Milz, Nieren und des 
Darms. Die leukämische Erkrankung, welche erst in der Klinik gefunden wurde, besteht 
zweifellos schon längere Zeit. 

Der schwer zu nehmende Patient wurde der Réntgenbehandlung vom 13.—23. Dezember 
1904 ausgesetzt und im ganzen 210 Minuten bestrahlt. 

Schädigende Wirkungen wurden nicht beobachtet. 

Die Leukocyten gingen im Anfang etwas zurück, so wurden am 15. Dezember 520 000, 
am 18. Dezember 510 000 Leukocyten gefunden, stiegen aber am 23. Dezember wiederum auf 
540000. Die Prozentzahlen betrugen: 


| 
| Myelocyten | Polynuel. Leukoeyten Ly mphocyten Eosinophile 
SS Š = = = = . u 7 og ae a oe eS ze ei u od Ga En "1 . Pe es Las 
15. XII 56°, Ä 3307, | 1°, 29, 
23. XII 61°, 340) | 1%, 2°), 


Die Zahl der Erythrocyten schwankte in den Grenzen der Fehlenquelle der Zählmethode. 

Eine Wirkung auf den Milztumor konnte nicht festgestellt werden. 

Die Untersuchungen des Urins ergaben ziemlich konstante Resultate: reichliche 
Albumenmengen, Blut und die oben genannten Formbestandteile. 

Eine subjektive Besserung war gleichfalls nicht festzustellen. Der Kranke musste 
leider auf seinen dringenden Wunsch entlassen werden. | 

Ich führe diesen Fall in der Absicht an, um zu zeigen, dass auch eine Bestrahlung 
von mehr als 200 Minuten nicht imstande ist, bei einzelnen Leukämiekranken eine Besserung 
zu erzielen. Das liegt aber, soweit bisher zu übersehen ist, nicht an der Methode, sondern nur 
an einer zu kurzen Anwendung derselben. Wahrscheinlich erklären sich einige der ungünstigen 
Erfahrungen, welche von verschiedenen Ärzten speziell in Diskussionen an Vorträge über das 
vorliegende Thema mitgeteilt sind, zwanglos dadurch, dass die betreffenden Patienten nicht 
lange genug oder auch sonst auf unzweckmässige Weise bestrahlt worden sind. 

Leider war es mir bisher nicht möglich, den oben erwähnten Patienten nochmals zu 
untersuchen. Es soll aber, wenn irgend es die Verhältnisse gestatten, nachgeholt werden. 
Gerade in diesem, nur kurze Zeit behandelten Falle wäre es sehr interessant festzustellen, ob 
nachträglich noch eine Besserung eingetreten ist. | 


VI. Fall von chronischer myelogener Leukiimie. 


30 jährige Landwirtsgattin J. G. aus Ungarn. 
Aus der Vorgeschichte ist zu erwähnen, dass die hereditären Verhältnisse für die vorliegende 
Krankheit ohne Belang sind. Die Kranke hatte als Kind Masern, Dyphtherie, Scharlach. 
Seit 4 Jahren hat die Kranke Magenbeschwerden. Seit !/, Jahre fühlt sich die Patientin matt, 
seit 3 Monaten spürt sie einen Druck in der linken Seite. 
In den letzten Wochen ist ihr Stuhl häufig diarrhoisch. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 403 


Ende Oktober 1904 wurde von dem Hausarzte der Patientin eine Milzschwellung konstatiert. 
Die bisherigen: Blulunierenchungen ergaben: Ä 


Hämoglobin Erythrocyten 


Oktober 04 | 50%), 3,0 Mill. | 210000 


Dezember 04 609%, 3,8 „ 170 000 
Januar 05 80°, 34 , 190 000 


Leukocyten 


Die Patientin machte eine Arsenkur durch ohne Erfolg, auch ein Aufenthalt | in Abbazzia 
brachte keine Besserung. 

Die Menses traten bei ihr im 14. Lebensjahre zuerst auf und waren bisher stets rgelintasg 
Die Kranke hat bisher keine Geburten durchgemacht. Ihr Ehemann ist gesund. 

Aus dem Befunde ist hervorzuheben, dass es sich um eine mittelgrosse, gracil gebaute Patientin 
mit schlechtem Ernährungszustande handelt. Sie ist meist trauriger Stimmung, ängstlich, hat eine grosse 
Furcht vor der Röntgenbehandlung. 

Das Gesicht zeigt zahlreiche Sommersprossen, im übrigen fällt die grosse Blässe der Haut 
und der Schleimhäute auf. Die Haut ist elastisch und feucht. 

Kein Exanthem: keine Ödeme. 

Die Lymphdrüsen sind nicht geschwollen. 

Augen, speziell Augenhintergrund normal (Dr. Heine), ebenso Nase, Ohren, Rachengebild, 
Brustorgane. 

Abdomen weich, nicht eingesunken. 

Die Leber ist gerade unter dem rechten Rippenrand, perkussorisch vergrössert, nicht schmerzhaft. 

Die Milz reicht palpatorisch bis 2 Finger unterhalb des Nabels, nach innen fast bis zur Mittel- 
linie, etwa 2 cm oberhalb der horizontalen Nabellinie eine leichte Incisur zu fühlen. Die Konsistenz ist 
derb, der Milzrand scharf. Bei Druck leicht druckempfindlich. Der übrige Abdominalbefund ist ohne 
Besonderheiten. 

Der Urin enthält eine Spur Eiweiss, reichliche Indikanmengen, reichlich Harnsäurekristalle. 

Blutbefund siehe unten. | 


Es handelt sich demnach um eine chronische myelogene Leukämie bei einer 
30 jährigen Patientin, deren Krankheit etwa vor ‘le Jahre entdeckt worden ist. Sie hat bisher 
eine erfolglose Arsenkur durchgemacht. | 

Am 16. II. 05 wurde die Ronigenbehandlade begonnen. Bei der sehr ängstlichen 
Patientin war grosse Vorsicht geboten: es wurde deshalb mit allen Cautelen jedesmal vor der 
Bestrahlung sorgfältigst die Röhre eingestellt. Gesicht, Haare und der ganze übrige Körper 
bis auf die Milzgegend mit mehreren Schichten Stanniolpapier bedeckt, um mit Sicherheit jede 
Schädigung zu vermeiden. 

Nach 150 Minuten Bestrahlung trat hohes Fieber bis 39,2 auf. Die Patientin ass so 
gut wie gar nichts, angeblich weil sie die deutsche Küche nicht vertragen könne. Der geringe 
Bronchialkatarrh, welcher zu gleicher Zeit bestand, erklärt wohl kaum die hohe Temperatur- 
steigerung, welche bis zum 27. II. in intermittierender Weise bestand. Eine andere Erklärung 
soll unten versucht werden. Seit 28. II. 04 ist die Kranke in die medizinische Klinik auf- 
genommen und wird seitdem regelmässig belichtet. Abgesehen von der Milz sind bisher auch 
beide Beine, das Sternum und die Arme bestrahlt worden, im ganzen 680 Minuten. Der Erfolg 
der Réntgenbebandlung ist in den letzten 2 Wochen ein geradezu frappierender. 


Die Wirkung auf das Blut ergiebt sich aus folgender Tabelle. 


| Haemoglobin Erythrocyten Leukocyten 


3,2 Mill. | 310000 


41, 263 000 
31, 22 000 

= -27000 
40 ,, 16 000 


ol* 


404 


Krause. 


Da die rapide Abnahme der Leukocyten am 9, III. bei dem behandelnden Arzte selbst 
Zweifel an der Richtigkeit der Zäblung erweckte, wurde am 11. III. nochmals mit der pein- 
lichsten Genauigkeit gezählt und dabei 27000 Leukocyten festgestellt. Die Verminderung der 
Leukocytenzahl ist also eine verhältnismässig schnelle. 


Was das histologische Blutbild 


anbetrifft, so ist zu erwähnen, dass 50°, polynucleäre 


Leukocyten, 20°/, Myelocyten, 8°/, kleine Lymphocyten, 4°/, grosse Lymphocyten, 1—2°/, ein- 
kernige eosinophile Leukocyten, 2—3°/, mehrkernige eosinophile Zellen, 12°, kernhaltige 


AL 
LL 

"a 

f ij 


Fig. 20 
Befund vom 14. II. 05. 
Vor Beginn der Röntgenbehandlung. 


Erythrocyten vorhanden waren. Es bestand eine leichte 
Poikilocytose, einzelne Erythrocyten nahmen ausser- 
ordentlich intensiv das Eosin an, Mekro- und Mikrocyten 
waren spärlich vorhanden. 

Das histologische Blutbild ist am 18. III. ein 
durchaus anderes geworden. Kernhaltige Erythrocyten 
sind nicht mehr vorhanden, auch die Poikilocytose ist 
verschwunden. Unter den 16 000 Leukocyten sind 80°), 
polynucleäre Leukocyten, 10°/, Myelocyten, 2°/, Lym- 
phocyten, 3°/, eosinophile Zellen, 5°/, Ubergangsformen, 
darunter 68°/, Neutrophile, 20°/, Basophile, 12°/, 
Oxyphile. 

Die Vermehrung der Erythrocyten ist bisher 
eine geringe, dementsprechend auch die Erhöhung des 
Hämoglobins. 

Eine fernere Wirkung betrifft den Milz- 
tumor. In den letzten 10 Tagen klagt die Patientin 
über leichtes Ziehen in der Milz, welches sehr wohl 
eine Begleiterscheinung des Kleinerwerdens des Milz- 
tumors sein kann. 

Besser als Worte erklären folgende Skizzen 
den beobachteten Befund. 


Fig. 2/ 
Befundfam 10. III. 05. 
Bestrahlungsdauer: 430 Minuten. 


Fig. 22 


Befund am 18. III. 05. 
Bestrahlungsdauer: 650 Minuten. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 405 


Die Harnsäureausscheidung im Harne stieg mit dem grösseren Zerfall der Leuko- 
cyten auch in diesem Fall an, Anfang März wurde 0,89—1,88 g (höchster Wert) pro Tag aus- 
geschieden, während die täglichen Werte Mitte März, während die Leukocytenzahlen schon 
niedrige waren, auf 0,87—0,48 g herabsanken. Ähnlich verhielt es sich mit den Purinbasen, 
es wurden Werte bis 0,1742 erreicht, welche allmählich wieder sanken bis 0,0189. Ich er- 
wähne, dass die Bestimmungen nach der Salkowskischen Methode ausgeführt wurden und dass 
die angegebenen Zahlen dem Harnsäure- resp. Basenstickstoff entsprechen. Auf Näheres gehe 
ich an dieser Stelle nicht. ein. | 

Über die Körperwägungen giebt OB, Tabelle eine kurze Übersicht: 


Datum kg Datum kg 


16. II. | 55,0 
28. II. 54,7 
6. IH. 58,0 


Ks ist dabei zu bemerken, dass die Kranke tagelang kaum etwas Festes’ zu sich nahm 
und 11 Tage intermittierendes Fieber (bis 39,1° C) hatte. Es ist daher begreiflich, dass sie 
zuerst abnahm; ein allmähliches Ansteigen des Körpergewichts ist nicht zu verkennen. 

Die Wirkung auf das Allgemeinbefinden blieb auch hier nicht aus. Während 
die Kranke in den ersten Tagen schlecht ass und sehr gedrückter Stimmung war, ist seit mehr 
als 2 Wochen eine ganz auffallende Besserung eingetreten. Der Appen ist gut, die “Summing 
ist zuversichtlich, nur der Schlaf ist noch häufig gestört. 
| Unangenehme Wirkungen der Röntgenstrahlen. auf ai Haut wurden bisher 
nicht beobachtet, selbst die Pigmentation der belichteten Stellen ist eine auffallend geringe, 
vielleicht ist das damit zu erklären, dass wegen der grossen Ängstlichkeit der Patientin in 
diesem Falle fast stets durch ein dünnes Kleid hindurch bestrahlt wurde: die Patienten war 
sehr erfreut darüber, dass sie sich nicht entblössen durfte; dem therapeutischen Effekt hat es 
nicht geschadet. | 

Was nun das oben erwähnte Fieber anbetrifft, so ist es nicht mit Sicherheit von der 
Hand zu weisen, dass dasselbe ein Effekt der Bestrahlung war. Der geringfügige Katarrh 
vermag es kaum zur Zufriedenheit zu erklären. Dass es durch die Réntgenbehandlung zu 
einem mächtigen Zerfalle der Leukocyten, zu einer erhöhten Ausscheidung der Harnsäure und 
Purinbasen konımt, ist für diesen Fall mit allen Kautelen einwandsfrei sichergestellt: ich 
möchte daher die Ansicht aussprechen, dass in dem Zerfalle der Nucleinsubstanzen die Ursache 
des Fiebers zu suchen sei. Jedenfalls muss darauf später noch sorgfältig geachtet werden. 
Das Fieber wäre demnach der wenig angenehme Ausdruck einer beginnenden Besserung. 

Also auch in diesem Falle wiederum ein prompter Effekt der Röntgenbehand- 
lung: Zurückgang der Leukocyten, Anstieg der Erythrocyten, schliessliche Gewichtszunahme, 
Kleinerwerden des Milztumors, Ausscheidung grösserer Harnsäuremengen. 

Wir sind durchaus berechtigt, die eingetretene Besserung auf die Röntgentherapie 
zurückzuführen. 


VIE Fall: Lymphatische Leukämie. 


Der 5ljahrige Maurer F. D. war vom 17. X. bis 19. XL 04 in der medizinischen Klinik. 

Aus der Vorgeschichte ist zu bemerken, dass der Kranke 1876 Typhus, 1902 Rheumatismus in 
Armen und Beinen hatte.. 

Sein jetziges Leiden besteht seit August 1903 und wird auf einen Unfall zurückgeführt, „beim 
Abreissen eines Balkens stolperte er nach hinten“. Er bekam sofort Brustschmerzen, später Kreuzschmerzen, 
allgemeine Schwäche. Der Appetit sei gut geblieben, der Stuhlgang sei unregelmässig, zeitweise verstopft. 
Seit 14 Tagen bestände eine Anschwellung des Leibes. 

Aus dem Befunde hebe ich hervor, dass D. ein mittelgrosser, schlecht genährter Mann ist. 
arbe der Haut und sichtbaren. Schleimhäute ist blass: 

Am Halse befindet sich beiderseits ein Kranz von erbsen- bis kleinkirschgrossen 


406 Krause. 


Drüsen von harter Konsistenz, in der linken Fossa supraclavicularis ist eine wallnussgrosse Drüse. In 
beiden Leistenbeugen finden sich zahlreiche kirschgrosse Drüsen. 

Druck auf das Sternum und die untere Brust- und Lendenwirbelsäule ist ziemlich 
schmerzhaft. | 

Der Schädel ist beim Beklopfen etwas empfindlich. 

Augen: Pupillen mittelweit; auf der linken Cornea eine alte linsengrosse Narbe. Augenhinter- 
grund o. B. | 

Aus dem übrigen Status seien noch kurz folgende Punkte hervorgehoben: Herz- und Lungen- 
befund ohne Besonderheit. 

Der Leib ist im ganzen aufgetrieben. Die obere Bauchgegend ist stark vorgewölbt, daselbst 
fühlt man in der Tiefe apfelgrosse Tumoren von unregelmässiger Oberfläche und harter Konsistenz, eben- 
solche auch in der rechten Unterbauchgegend, weniger ausgeprägt in der linken. Auf Druck sind die- 
selben nicht empfindlich. 

Die Milz ist perkussorisch gross, eine einwandsfreie l’alpation bei dem aufgetriebenen, prall- 
gespannter Leib nicht möglich. Die Leber ist weder perkussorisch, noch palpatorisch vergréssert. Der 
Urin ist frei von Eiweiss und Zucker. Hämoglobin 20). 

Erythrocyten: 2!/, Millionen, Leukocyten 210000. 

Das mikroskopische Bild weist fast nur Lymphocyten mit schmalen Protoplasmasaum auf, es 
sind sowohl grosse, als kleine Lymphocyten vorhanden, letztere in der Mehrzahl. Daneben finden sich 
reichliche bläuliche unregelmiissige homogene Kernschatten. Wenig Myelocyten, keine Eosinophilen. 


Es handelt sich demnach in dem vorliegenden Falle um eine lymphatische Leu- 
kämie, welche neben dem charakteristischen Blutbefunde durch zahlreiche Drüsentumoren am 
Halse, in den Achselhöhlen, Inguinalbeugen und im Abdomen, ferner durch einen rn 
und die bekannten Allgemeinsymptome ausgezeichnet war. 

Die Röutgenbehandlung wurde vom 21. X. bis 18. XI. 04 täglich 20 Minuten Te 
durchgeführt, im ganzen 560 Minuten. Die technische Anordnung war, wie oben angegeben, 
die Schutzvorrichtungen desgleichen. Es wurde in erster Linie die Milz und das Abdomen, 
etwa !/, der angegebenen Zeit die Drüsen am Halse, in den Achselhöhlen und Leistenbeugen 
und die langen Röhrenknochen bestrahlt. 

Eine günstige Wirkung der Röntgenbehandlung blieb in diesem Falle aus, 


Die Blutuntersuchungen ergaben folgendes: 


Datum | Himoglobin | Leukocyten | Kirythrocyten 
20. X. 2301, 20500 ; 2,9 Mill. 
24. X. | 20° 9 | 257 000 | 2,69 . 
28. X. 20%, 136 000 | 246 , 

4, XI. 20%], 196000 | 225 | 
10. XI. 63°/, 155000, 3,0 , 
15. XI. 70°], 155600 | 32 . 
18. XI. 85° =| 210000 | 35 , 


Die Leukocyten schwankten in ihrer Zahl in grossen Grenzen, eine dauernde und be- 
trächtliche Verminderung konnte nicht erzielt werden. Auch ım histologischen Blutbilde trat 
keine Besserung ein. 

Die einzige, als Besserung zu deutende Wirkung der Röntgenstrahlen bestand im An- 
steigen des Hämoglobingehaltes und der Erythrocytenzahlen; doch ist auch da nur ein sehr 
mässiger Erfolg zu verzeichnen. 

Auch die Drüsentumoren wurden ebensowenig wie die Milzschwellung nachweislich 
beeinflusst. 

An Körpergewicht nahm der Kranke beständig ab von 69 kg bis 62 kg. Auch 
das Allgemeinbefinden wurde schlechter. Auf sein Drängen wurde der Kranke nach Hause 
entlassen, wo er 8 Tage später starb. 

Eine nachweisliche Schädigung ist durch die Bestrahlung mit Röntgenstrahlen 
in diesem Falle nicht erfolgt. 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 407 


Der Kranke war am 19. XI. nach zweistündiger Bahnfahrt noch eine volle Stunde zu 
Fuss nach Hause gelaufen, worauf eine ganz rapide Verschlimmerung seines Zustandes eintrat. 
Nach Aussage des ihn zuletzt behandelnden Arztes habe er sich eine starke Erkältung zugezogen, 
es hätte fast 3 Tage völlige Anurie bestanden. Der Tod sei unter allgemeiner Schwäche erfolgt. 


Die Sektion wurde von dem Assistenzarzt der med. Klinik Herrn Dr. Ziegler unter schwie- 
rigen äusseren Verhältnissen vorgenommen, ich bin ihm für Überlassung des Sektionsprotokolles zu grossem 
Danke verpflichtet. Ich führe daraus im Auszuge an, dass die Hals- und Brustorgane normal waren. 
Die Milz war vergrössert, Kapsel etwas verdickt, leicht runzelig; auf dem Durchschnitte hellrote Pulpa 
mit deutlich sichtbaren Follikeln, Trabekelsystem kaum erkennbar. Die Leber ist gross, von normaler 
Konsistenz, von gelbrötlicher Farbe. Nieren am oberen Pole von Tumormassen umgeben, welche retro- 
peritoneal gelegen sind und sich gegen die Wirbelsäule hin erstrecken. Nebennieren unverändert. 
Nieren geschwollen mit verbreiterter, leicht getrübter Rinde, die Marksubstanz etwas cyanotisch, sonst 
nicht abnorm. Nierenbecken mit wenig getrübtem Inhalte gefüllt. | 

Lymphdrüsen: Oberflächliche und tiefe Halslymphdrüsen deutlich Versionen; von mässig 
derber Konsistenz, wohl abgegrenzt, nicht verwachsen, auf dem Durchschnitte blassrötlich bis weisslich. 
Die Axillardrüsen kirsch- bis wallnussgross, die Tigin und Femoraldrüsen ebenso geschwollen. 

Die Mediastinaldrüsen enorm geschwollen, auf dem Durchschnitt markig weiss, von festweicher 
Konsistenz, durch Bindegewebssepten geteilt. Retroperitoneale Drüsen enorm vergrössert. 

Die Aorta abdominalis ganz von Geschwulstmassen eingemauert, diese verbreiten sich gegen 
beide Nierenpole hin, in der Gegend des processus vermiformis befinden sich Tumormassen von Klein- 
Apfel- bis apfelsinengrösse, dieselben sind nicht mit der Umgebung verwachsen, auf dem Durchschnitte 
hellrötlich oder markigweiss und durch Bindegewebssepten abgeteilt. Knochenmark rot. 

Von weitgehendem Interesse ist die Angabe, dass bei der histologischen Unter- 
suchung der Milz- und Lymphdrüsen keine Abweichungen von dem typischen Befunde, 
wie er bei lymphatischer Leukämie erhoben wird, nachgewiesen werden konnte. Bilder von 
Follikelveränderungen, wie sie Heineke in seinen Tierexperimenten erzielte, wurden 
vermisst. 


Die beschriebenen, hochgradigen Veränderungen lassen es begreiflich erscheinen, dass 
die Behandlung mit Röntgenstrahlen keinen Erfolg mehr erzielen konnte. Es ist verständlich, 
dass bei so weit fortgeschrittenen Fällen von einer Einwirkung in günstigem Sinne kaum je 
wird die Rede sein können. 


VIII. Fall: Lymphatische Leukämie. 


66 Jahr alter Arzt L. von K. aus Warschau. 

Die hereditären Verhältnisse sind für die vorliegende Krankheit ohne jeden Belang. 

Als Kind hatte der Patient Scharlach, Masern, Diphtherie und Lungenentzündung, 
1852 Cholera, 1867 Typhus, 1856 schwere Malaria, welche jahrelang andauerte und schliesslich auf 
ernergische Chininkur verschwand, 1898 leichter Gelenkrheumatismus, 1901 Magenbeschwerden 
mit starker Abmagerung in Anschluss an eine wahrscheinliche Oxalsäurevergiftung. 

| Seine jetzige Erkrankung führt er auf ihre Infektion zurück. Auf einer Fahrt von Warschau 
nach Petersburg habe er sich mit einer nicht einwandfreien Seife gewaschen, hinter dem linken Ohre sei 
eine „Dermatitis“ aufgetreten; von dermatologischer Seite sei die Diagnose „atypische Psoriasis‘ gestellt 
worden. Kurze Zeit nachher hätte sich an dieser Stelle ein Erysipel eingestellt, und im Anschlusse daran 
sei es zu Drüsenschwellungen, erst in der linken, dann in der rechten Nacken- und Halsseite, schliesslich 
zu Drüsenschwellungen in den Achselhöhlen und Inguinalbeugen gekommen. 

Die Beschwerden bei der Aufnahme bestanden einerseits in grossem Schwächegefühl, anderer- 
seits aber vor allem in Klagen über die Drüsentumoren und die starke Anschwellung des linken Beines, 
welche ihm das Gehen fast unmöglich mache. Der Appetit war gut, der Schlaf leidlich, die anderen 
anamnestischen Angaben mögen hier übergangen werden. 

Aus dem Status ist hervorzuheben, dass es sich um einen kräftigen Herrn mit guter Muskulatur 
und gutem Ernährungszustande handelt. Sensorium, Psyche frei. Das ganze linke Bein ist stark 


geschwollen. Masse betragen 


rechts links 

Mitte des Oberschenkels 43 cm 55 cm 
‘ , Unterschenkels 33 cm 44 cm 

i „ Patella 37 cm 45 em 
Über den Malleolen 27 cm 31,5 cm 


Mitte des Fusses 23,5 cm 27,5 cm 


408 Krause. 


Die ganze Extremität ist mässig stark gerötet, vor allem am linken Unterschenkel; es besteht 
ein teigiges Ödem. Im unteren Drittel findet sich eine etwa bohnengrosse Papel, welche von dermato- 
logischer Seite als leukämische Hautveränderung angesehen wird. Die Hauttemperatur des linken Beines 
ist höher, als die des rechten. 

Die Oberlymphdrüse links ist bohnengross, die glandulae nuchales zeigen fast Walnuss- 
grösse, und beiderseits sehr zahlreich, von derb-weicher Konsistenz, nur bei Druck schmerzhaft; die 
glandulae supraclaviculares sind sehr zahlreich, im übrigen von derselben Grösse und Beschaffenheit, auch 
längs der musculi sterno-cleido-mastoidei finden sich zahlreiche, bohnengrosse Lymphdrüsen, ebenso an 
den inneren Partien des Unterkiefers. 

Die Drüsen der Achselhöhle stellen beiderseits ganze Pakete dar, sie haben etwa die Grösse 
eines kleinen Apfels, sie sind auf der linken Seite stärker als auf der rechten; das periglanduläre Gewebe 
ist stark geschwollen und verdickt, man vermag ausserdem bei stärkerer Palpation vereinzelte Drüsen 
abzutasten. Die glandula para maxillaris ist nicht geschwollen. Die glandulae inguinales stellen auf 
beiden Seiten .je einen Kranz von bohnen- bis wallnussgrossen Drüsen dar, dicht über dem rechten liga- 
ment inguinale findet sich ein Paket von Apfelgrösse. Grosse Lymphdrüsen lassen sich auch längs der 
beiden Gefässscheiden der Oberschenkel nachweisen. Die oberflächlichen Hautvenen in der linken oberen 
Thoraxhälfte sind etwas ektasiert. 

Capillitium grau; Brachycephaler Schädel. 

Augen: beiderseits Gerontoxon, Reaktion auf Licht und Konvergenz erfolgt prompt. Augen- 
hintergrund ohne Besonderheiten (Dr. Heine). Ohren, Nase o. B. Lippen rot, trocken. 

Zähne gut. Zunge nicht belegt. Rachengebilde ohne Besonderheit. 

Hals mittellang, Schilddrüse o. B. 

Thorax ist fassformig. Die Lungen sind leicht emphysematés. 

Das Herz ist in normalen Grenzen, der II. Aortenton ist stärker klappend als der II. Pulmonalton. 
Die Radialarterie ist beiderseits rigid, leicht geschlängelt, ebenso beiderseits die arteriae temporales. 

Das Abdomen ist weich. 

Milz und Leber ist weder perkussorisch, noch palpatorisch vergrössert. 

Der Nervenstatus bietet keine Besonderheiten. 

Blutbefund: siehe unten. 

Der Harn ist frei von Eiweiss und Zucker, enthält etwas vermehrte Indikanmenge, Harnsäure 
und Purinbasen in normalen Mengen, mikroskopisch spärliche Leukoeyten und Plattenepithelien, spärliche 
Oxalsäure- und Harnsäurekristalle, hin und wieder war während der Beobachtungszeit das Urobilin etwas 
vermehrt. 


N 


Es handelt sich in diesem Falle um eine lymphatische Leukämie, welche in be- 
stimmter Weise auf eine Infektion zurückgeführt wird. Ausser dem unten näher beschriebenen 
Blutbefunde sind die multiplen Drüsenschwellungen, und das durch Druck auf die vena 
femoralis verursachte Ödem des linken Beines die hervorstechenden Symptome. Der Kranke 
hatte sich schon mehr als 100 Injektionen von Natr. kakodylic. ohne grossen Nutzen ap- 
plicieren lassen. 

Während des klinischen Aufenthaltes vom 9. Januar bis 19. Februar 1905 wurde er 
nur mit Röntgenstrahlen behandelt und zwar ım ganzen 1660 Minuten lang. Es wurden 
sämtliche Drüsenpakete besonders, fast tiiglich 5—15 Minuten lang bestrahlt, die Jangen Réhren- 
knochen und das Sternum in der Woche mehrere Male 5—10 Minuten lang. Eine Bestrahlung 
der Milzgegend fand in diesem Falle natürlich nicht statt. 

Die Anordnung der Technik und die Schutzmassregeln waren die oben geschilderten. 

Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass es sich zweifellos um eine lymphatische 
Leukämie handelte: am 19. Dezember wurden unter 42800 (L:E = 1:139) 63°/, kleine 
Lymphocyten, 15°/, grosse Lymphocyten, 12°/, polynucleäre, 8°, eosinophile und ca. 11/,°/, 
Mastzellen gefunden. | 

Bemerkenswert ist es, dass diese Prozentzahl sich nur sehr wenig ändert auch dann, 
als die absolute Zahl der Leukocyten zurückging. Stets blieben die Lymphocyten die pro- 
zentualisch weitaus überwiegenden Leukocytenformen. Anffallend häufig fanden sich in den 
ersten Wochen „Kernschatten“ vor, während dieselben in den späteren Präparaten an Zahl sehr 
in den Hintergrund traten. 


foo 


Zur Röntgenbehandlung der Leukämie und Pseudoleukämie. 409 


Auch hier will ich das Resultat der Behandlung nach den oben dargelegten Gesichts- 
punkten mitteilen: 

Die Wirkung der Röntgentherapie auf das Blut erfolgte prompt: folgende 
Tabelle giebt darüber Auskunft: 


Tabelle über die Blutuntersuchungen. 


- Datum Hämoglobin - Datum | Mumogtobin | spez. Gewicht | Erythrocyten | Leukooyten. Gewicht Ss ee Erythrocyten Leukocyten . 
RE £ , X. 04. ee ee ae Tae z = 5 Mil, 18 000 
I WX. 04. 929], 1056 5 „ 14 000 
angestellt | 19 XIT 04.| 789), 1051 BE 42 800 
30. XII. 04. 95, 1059 48 ,, 94 000 
12. I. 05. | 92%, 1058 4,9 „ 64 000 
22. I. 05. 95%, a. 43 „ 51 500 
28. I. 05. 96%, = _— 55 400 
5. II. 08. 98°, 1060 4,6 ,, 49 800 
10. II. 05. 96%, 1059 49, 86400 
15. II. 05. 96%, | = 51 ,, 28 600 
19. II. 08. 98%, | u 6,1 ,, | 16 400 


& 


Am 138 i 1905 wurden unter den 16 800 Leukocyten kleine Lymphocyten 59°/,, 
grosse Lymphocyten 11°/,, polynucleäre Leukocyten 22°/,, eosinophile Zellen 6°/,, Übergangs- 
formen 1°/,, Mastzellen 1°/,. Die basophilen Zellen waren die weitaus am häufigsten (ca. 70°/,) 
der Leukocyten. 

Die Erythrocyten erfuhren zwar auch eine Vermehrung, doch ist dieselbe zweifellos 
geringer, als in den Fällen von myelogener Leukämie. 

Die Wirkung auf die Drüsentumoren war eine ausserordentlich markante. . Schon 
am 25. Januar 1905 waren die Lymphdrüsenpakete in den Achselhöhlen wie in den Inguinal- 
beugen bedeutend zurückgegangen. Auch das Ödem des linken Beines war geringer geworden. 
Da der Umfang desselben einen gewissen Schluss auf die Wegsamkeit der Venen und damit 
auch auf das Kleinerwerden der einen Druck auf dieselben ausübenden Drüsenpakete gestattet, 
so. will ich hier die Masse der linken Extremität, an verschiedenen Tagen gemessen, in 
Tabellenform wiedergeben. | 


Maasse des linken Beines: 


ehe | E 18. II. 05. 18. II, 05. 

| Links ~ Rechts 

Mitte der Patella 4 cm | cm 38 cm 88 cm 
Mitte des Oberschenkels > 2 48 „ 46 „ 
Mitte des Unterschenkels g = A 34 „ 33, 


Am 18. Februar 1905 war der Befund an den Tymphdrüsen folgender: Am Halse sind 
rechts wie links eine Anzahl erbsen- bis bohnengrosser Drüsen zu fühlen. Die Drüsenpakete 
in beiden Achselhöhlen sind an Grösse auffallend zurückgegangen, das periglanduläre Ödem 
ist verschwunden, ganz in der Tiefe 1 resp. 2 etwa wallnussgrosse Drüsen. Die Drüsen in 
beiden Inguinalgegenden sind etwa bohnengross, in der Tiefe dicht über dem ligamentum 
inguinale mehrere, bis wallnussgrosse Drüsen. 

Am linken Mallcolus ist kein Ödem mehr nachzuweisen. Die eigenartige Beschaffenheit 
der Haut, welche wohl nur zum Teil als reines Ödem, zum Teil wohl als lymphatische Ver- 
änderung anzusehen ist, ist fast geschwunden. Auch die kleine Papel am linken Unterschenkel 


ist etwas geringer als Grösse geworden. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. VIII. 52 


410 Krause. 


Was nun das Körpergewicht anbetrifft, so verhielt es sich folgendermassen: 


Datum | kg Datum | kg 
9. I. | 88,5 6. II. 880 
16. I. 188,5 13. II. 80,0 
24. I. 86,5 19. II. 80,0 
29. 1. 835 


Man wird nicht fehlgehen, wenn man einen Teil dieser Gewichtsabnahme auf den starken 
Zurückgang des Odems des linken Beines bezieht, zum Teil ist es aber zweifellos durch die 
unten noch zu erwähnenden Durchfälle bedingt und demnach wohl als unangenehme 
Wirkung aufzufassen. Ob eine weitere Gewichtsabnahme erfolgt ist, werde ich wohl später 
noch erfahren, da der Kranke einen ärztlichen Bericht in Aussicht gestellt hat. 

Als günstige Wirkung der Röntgenstrahlen fasse ich in diesem Falle auch den 
Einfluss der Behandlung auf die Temperaturverhältnisse auf. Während in den Wochen vor 
der Behandlung die Temperatur wiederholt bis 39,0, einmal sogar bis 39,8 C anstieg, blieb 
dieselbe bald nach Einsetzen derselben stets unter 37,30 C. 

Was die Urinuntersuchungen anbetrifft, so wurde nie Eiweiss oder Zucker, dagegen 
reichliche Mengen Indikan, vermehrte Menge Ätherschwefelsäuren gefunden, Der Stickstoffgehalt 
schwankte in normalen Grenzen, die Harnsäuremengen betrugen nur wenig mehr als bei 
normalen Menschen (so wurden 0,6, 0,4, 0,6 g pro die gefunden); auch die Purinbasen waren 
wenig vermehrt. 

Als unerwünschte Nebenwirkung muss ich hier berichten über die auffallend 
starke Pigmentation, besonders über den Inguinalgegenden und Achselhöhlen, weniger stark 
am Halse und Nacken; allerdings machte dieselbe dem Patienten keine Sorge. 

Ferner hatte der Kranke seit den 28. I. bis zum Schlusse des klinischen Aufenthaltes 
meist täglich dünne Stühle, an einzelnen Tagen sogar mehrere Male. Eine Entscheidung, 
ob die Diarrhöe durch die Röntgenstrahlen verursacht ist, indem dieselben nicht bloss auf die 
Follikel der Drüsen, sondern auch auf diejenigen des Darms einwirken, ist zur Zeit nicht mit 
Sicherheit möglich. Immerhin giebt die von Heineke eyperimentell festgestellte Thatsache, 
dass seine Tiere, besonders Mäuse, welche lange Zeit den Röntgenstrahlen ausgesetzt waren, 
unstillbare Durchfälle bekamen, Veranlassung, mit der Möglichkeit einer schädigenden Ein- 
wirkung der Röntgenstrahlen auf die Darmfollikel des Menschen zu rechnen. 

Ich schütze deshalb seitdem noch sorgfältiger als früher den Leib mit möglichst vielen 
Lagen Stanniolpapier. 

Die Wirkung auf das Allgemeinbefinden blieb auch in diesem Falle nicht aus; 
Appetit und Schlaf waren gut, die Stimmung vortrefflich. 

Zusammenfassend können wir demnach auch von diesem Falle berichten, dass eine 
ganz auffallende gute Wirkung der Röntgenstrahlen erfolgt ist: grosse Lymphdrüsentumoren 
wurden zum Verschwinden gebracht, ohne dass irgend eine erhebliche Schädigung des Körpers 
erfolgte. Bei der Aussichtslosigkeit jeder anderen Art Therapie ist es heute direkt Pflicht, 
auch bei lymphatischer Leukämie die löntgenbehandlung zu versuchen. 


lII. 


Zusammenfassende Übersicht über die Wirkungen der Röntgenstrahlen bei Leukämie 
nach den in Kapitel II mitgeteilten Erfahrungen. 


Wenn ich nun in gedrängter Kürze die Wirkung der Röntgentherapie der Leukämie zu- 
sammenfassen soll, so ist hier in erster Linie diejenige auf das Blut der Kranken hervorzuheben. 
Am bemerkenswertesten ist die Wirkung auf die Leukocyten: die Zahl derselben 
‚ging zurück, bei fünf myelogenen Leukämien und einer lymphatischen, während in je einem 
Falle von myelogener und lymphatischer Leukämie die Zahlen nicht herabgedrückt wurden. 


Zur Röntgenbehandlung der Leuhämie und Pseudoleukämie. 411 


Trotzdem kann man sagen, dass dieses Absinken der Leukocytenzahlen fast regelmässig eintritt, 
denn wie oben angeführt, waren die beiden Fälle, bei welchen keine Wirkung eintrat, keine 
unkomplizierten und sind unter besonderen Gesichtspunkten zu betrachten. i | 

Für die Praxis wichtig wäre es, wenn wir von vornherein. angeben könnten, wann 
voraussichtlich das Absinken der Leukocytenzahlen erfolgen wird. Es scheinen aber hierbei 
die einzelnen Fälle individuelle Eigentümlichkeiten aufzubieten, bisher ist es nicht möglich, 
bestimmte Angaben auf die aufgeworfene Frage zu machen. Jedenfalls tritt eine Wirkung 
gewöhnlich erst nach mehreren hundert Minuten Bestrahlung mit Réntgenstrahlen ein; ein 
definitives Herabsinken kann sogar erst nach 1000—2000 Minuten Belichtungszeit erfolgen. 
Es wird vielleicht möglich werden, wenn wir die schädigenden Einflüsse werden mehr als 
bisher ausschalten können, durch intensivere Behandlung die Wirkung zu beschleunigen. 

Nicht alle Leukocytenformen wurden gleichmässig beeinflusst, am stärksten war 
die Einwirkung auf die Myelocyten, während die Lymphocyten bei der lymphatischen 
Leukämie sich refraktärer verhielten. Es ist einer besonderer Hervorhebung wert, dass während 
der Röntgentherapie auch die prozentualische Zusammensetzung der Leukocyten sich insofern 
änderte, als die polynucleären die der pathologischen Formen allmählich überflügelte, jedenfalls 
scheint das kei der myelogenen Leukämie regelmässig vorzukommen, während im Begenalze 
dazu bei der lymphatischen die Lymphocyten die Übermacht behalten. 

Die Zahl der Erythrocyten stieg an, in einem Falle sogar zu einer Höhe, dass wir 
berechtigt wären von einer „Polycythämie“ zu sprechen. Auch der Hämoglobingehalt und 
das spezifische Gewicht nahm zu. | 

Als die zweite bemerkenswerte Wirkung der Röntgentherapie ist die Ver- 
kleinerung selbst riesiger Milztumoren zu nennen. Der II. oben erwähnte Fall bietet dafür 
ein gutes Beispiel. Verkleinerungen der Milz bei Leukämie sind ja auch ohne Réntgen- 
behandlung beobachtet worden, speziell scheinen interkurrent auftretende Infektionskrankheiten 
innerhalb von kurzer Zeit selbst abnorm grosse leukämische Milztumoren zum Verschwinden 
bringen zu können, doch ist und bleibt das ein zufälliges Ereignis — durch Röntenbehandlung, 
welche lange genug fortgesetzt wird, gelingt das anscheinend mit der Sicherheit des Experi- 
mentes. Selbst lange Zeit bestehende Milzschwellungen, die wie im Falle III nach der ersten 
Serie der Bestrahlungen nicht kleiner wurden, gingen bei genügender Dauer der Bestrahlung 
schliesslich zurück. In meinen Fällen erfolgte die Einwirkung nur langsam, ein bis zwei 
Monate, ja sogar drei bis vier Monate, ehe sie einwandsfrei konstatiert werden konnte. Dass 
die kleiner gewordenen Milzschwellungen wieder grösser werden, wenn die Behandiung aus- 
setzte, habe ich in den mitgeteilten Fällen nicht gefunden, im Gegenteil schien es mir, dass 
eine gewisse Zeit eine Nachwirkung der Röntgenstrahlen erfolgte, wodurch das Kleinerwerden 
der Milz geradezu begünstigt wurde. Nach dem traurigen, von Ahrens beschriebenen Falle, 
ist es aber angezeigt, dass wir bei Überanstrengungen seitens des Patienten auf ein Wieder- 
auftreten von geschwundenen Milztumoren gefasst sein müssen, eine Nachuntersuchung von 
Aeit zu Zeit dürfte sich daher auch unter diesem Gesichtspunkte empfehlen. 

Von. ferneren Wirkungen der Röntgenstrahlen ist bei der myelogenen Leukämie die 
stetige Gewichtszunahme zu nennen, welcher gewöhnlich eine geringe Abnahme des Körper- 
gewichts vorhergeht. Bei der lymphatischen Leukämie (Fall VIII) erfolgte eine starke Abnahme, 
welche wenigstens zum Teil durch das Zurückgehen des starken Odems des linken Beines zu 
erklären ist. | 

Die durch die Höntgentherarie jednen Änderungen im Stoffwechsel, speziell die 
auffallend grosse (anscheinend regelmässige) Ausscheidung von Harnsäure und Purinbasen 
während der Periode des Zurückgehens der Leukocytenzahlen und des Milztumors sind zur Zeit 
noch zu wenig studiert, um bindende Schlüsse daraus ziehen zu können. 

Bei einer genaueren Durchsicht der Litteratur über den Stoffwechsel der Leukämiker 
sieht man, wie ausserordentlich grosse Schwankungen im Stoffwechsel dieser Kranken (speziell 

52% 


412 | Krause. 


auch ım Harnsäure-, Purinbasen- und Phosphorstoffwechsel) unter gewöhnlichen Bedingungen 
vorkommen, so dass man gut thut, zur Zeit mit allen Schlussfolgerungen vorsichtig zu sein. 
Immerbin scheint schon jetzt ein Zusammenhang der erhöhten Ausscheidung von Harnsäure 
und Purinbasen mit dem Zerfall der Leukocyten und dem Kleinerwerden der Milz für eine 
Anzahl von myelogener Leukämien erwiesen. | | 

Die subjektiven Wirkungen der Röntgentherapie bei Leukämikern ist innerhalb von 
kurzer Zeit eine auffallend günstige Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Schwäche- 
Müdigkeitsgefühl, Unlust zur Arbeit, Appetitlosigkeit, Mangel an Schlaf liessen bei 
den Patienten nach, ja verschwanden vollständig, so dass einige schon seit Monaten wieder 
ihrer gewohnten Beschäftigung nachgehen konnten. Auch der eine Kranke mit lymphatischer 
Leukämie wies subjektive Besserung in hohem Masse auf, was ich deshalb hervorhebe, weil 
andere derartige Fälle nicht so günstig beeinflusst worden sind. Die Stimmung und das All- 
gemeinbefinden besserte sich regelmässig. | 

Von schädigenden Wirkungen der Röntgentherapie sei erwähnt, dass zwei Patienten 
ein schnell vorübergehendes Erythem der Haut über der Milzgegend bekamen, welches nach 
Schutz der geröteten Hautpartien heilte, ohne dass die Behandlung längere Zeit ausgesetzt zu 
werden brauchte. Ein Kranker zog sich eine leichte Excoriation am Nabel zu, welche wohl 
ebenfalls als üble Nebenwirkung zu bezeichnen ist. Hautulcera habe ich nicht zu verzeichnen. 
Kine unbeabsichtigte, aber regelmässig auftretende Nebenwirkung ist die mehr oder minder 
starke Pigmentation der Haut, soweit sie bestrahlt wird. In einem Falle war sie ganz auf- 
fallend stark. 

Ob die während der Behandlung beobachteten Diarrhöen durch Wirkung der 
Röntgenstrahlen auf die Darmfollikel bedingt sind, ist zur Zeit noch nicht sicher zu entscheiden. 

Ebenso kann während der Behandlung auftretendes Fieber bei früher febrilen Kranken 
noch nicht mit Sicherheit der Röntgenbehandlung aufs Konto gesetzt werden, immerhin ist es 
denkbar, dass durch Verfall der nucleimhaltigen Leukocyten Fieber erzeugt werden kann. 

Wie aus den Krankengeschichten zu ersehen ist, verschwindet sogar bei genügender 
Behandlung lange bestehendes Fieber, so dass man berechtigt wäre, auch dieses Ereignis als 
günstige Wirkung der Röntgenstrahlen hinzustellen. Durch genaue, wiederholt vorgenommene 
Temperaturmessungen vor, während und nach der Bestrahlung habe ich feststellen können, dass 
ein direkter Einfluss der Roéutgenstrahlen auf die Temperatur des Menschen nicht stattfindet. 

Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass einige Patienten eine grosse Ängstlichkeit mit 
Pulsbeschleunigung vor und während jeder Behandlung zeigten, welche aber bald, nachdem sie 
sich von der Gefahrlosigkeit der Behandlung überzeugt hatten, verschwand. Einige Male klagten 
sie über Kopfschmerzen, über Schmerzen in der Milzgegend; einmal bestand subjektives 
Reibegefühl im Leibe, wie oben erwähnt, konnte in diesem Falle auch objektiv Reiben nach- 
gewiesen werden. 

Zusammenfassend kann ich demnach sagen, dass die Röntgenstrahlen auf die Zu- 
sammensetzung des Blutes, auf Milz- und Drüsentumoren, auf das Körpergewicht 
und den Stoffwechsel von Leukämiekranken eine intensive Wirkung haben, welche 
wir berechtigt sind, als Heilungsvorgänge zu deuten. Eine Heilung, d.h. ein dauerndes 
Verschwinden aller pathologischen Symptome konnte ich nicht beobachten, wir sind bisber nur 
berechtigt, von einer regelmässigen, bedeutenden Besserung des Krankheitsbildes zu sprechen. 

Bei der Aussichtslosigkeit jeglicher anderer Therapie wäre es nicht berechtigt, wegen 
der immer noch nicht mit Sicherheit zu vermeidenden Schädigungen die Röntgentherapie bei 
Leukämikern zu unterlassen. 

Es ist mir eine angenehme Pflicht, schon an dieser Stelle Herrn Geheimrat 
von Strümpell für sein reges Interesse und seine weitgehende Beförderung dieser Arbeit 
meinen besten Dank zu sagen. (Fortsetzung folgt.) 


Einheitliche Nomenklatur für die Röntgenologie. 


Am 2. Mai 1905 hat der in Berlin tagende Röntgenkongress beschlossen, eine einheit- 
liche Nomenklatur der Röntgenologie für die Kongress- und Schriftsprache einzuführen. 
Folgende Bezeichnungen sollen in Zukunft verwendet werden: 


Röntgenologie — Röntgenlehre, Röntgenwissenschaft, 
Röntgenoskopie — Röntgendurchleuchtung, 
Röntgenographie — Réntgenaufnahme, 
Röntgenogramm — Réntgenbild, 


a) Röntgennegativ, 

b) Röntgenpositiv, 

c) Röntgendiapositiv, 
Ortho-Röntgenographie, 
Réntgentherapie — Röntgenbehandlung, 
Röntgenisieren — mit Röntgenstrahlen behandeln. 


Aus der Chirurgischen Klinik der Universität Rostock. (Direktor: Professor Dr. W. Müller.) 


Das frei artikulierende Os Vesalianum tarsi duplex im Röntgenbild. 
Von 
Dr. Gelinsky, Oberarzt, kommandiert zur Klinik. 


(Hierzu Tafel XVI, Fig. 1—6.) 

Andreas Vesal hat in seinem Buche: De Humani Corporis Fabrica libri septem, 
Venetiis, 1568 auf Seite 104 zwei Fuss-Skelette in Holzschnittdruck gebracht, welche auf der 
lateralen Seite des os cuboideum in dem Winkel zwischen der Basis des Metatarsus V und 
dem Cuboid ein Knöchelchen zeigen, das er mit zu bezeichnet s. Fig. 1 u. 2. In dem 
erläuternden Texte sagt er davon: u 1, 2 Ossiculum ad externum articulationis latus obuium, 
quo pedis os, paruo praepositum digito, ossi cubum exprimenti committitur. Ferner fällt bei 
den Abbildungen auf, dass der rechte Metatarsus V in Dorsalansicht eine ausgebildete Tubero- 
sitas zeigt, während derselbe in Plantaransicht dieselbe nur schwach angedeutet oder, man kann 
auch sagen, gar nicht enthält. Dieses Knöchelchen wird in der medizinischen Litteratur dann 
ab und zu als Sesambein erwähnt, ohne uns jedoch wissen zu lassen, ob es neu gefunden oder 
nur einfach aus der Beschreibung Vesals übernommen sei. Pfitzner, der durch seine ein- 
gehenden Arbeiten über das Hand- und Fuss-Skelett uns erst eine genaue Kenntnis über die 
Varietäten am Hand- und Fuss-Skelett und ihr Wesen gegeben hat, hat in seinem Werke über 
„die Sesambeine des Menschen“!) ein genaues Verzeichnis der gesamten Litteratur über die 
Sesambeine gegeben. In 174 Hand- und Jahrbiichern der medizinischen Gesamtlitteratur vom 
Jahre 1555—1890 findet sich danach die Erwähnung dieses Os Vesalianum, wie es Pfitzner 
nach seinem Eintdecker genannt hat, nur in folgenden: 

1. Bauhin, Caspar, Theatrum anatomicum. Frankfurt 1605. „Bildet ab das Os 
Vesalianum pedis und rechnet es zu den Sesambeinen.“ 2. id. Institutiones anatomicae, 4. Aufl. 


1) Morphologische Arbeiten, 1. Bd., 4. Heft, pg. 718—759. 


414 Gelinsky. 


Basel 1609. „An der unteren Extremität kommen folgende weitere Sesambeine vor ... das 
os Vesalianum pedis.“ 

8. Bartholinus, Thomas, Anatome. 5. Aufl. Leyden 1686 erwähnt das Os Vesa- 
lianum an Hand und Fuss. 

4. Diemerbroeck, Isbr. de Anatome corporis humani. 4° Utrecht 1672. „Nicht 
selten werde das Os Vesalianum tarsi gefunden, bisweilen auch ein Knöchelchen in der End- 
sehne des M. peroneus long.“ 

5. Kulmus, Joh. Adam, Tabulae Anatomicae. Amsterdam 1732. „K.!) selbst hat ent- 
gegen den älteren Angaben folgende Sesambeine gefunden: ... je eins unter dem Os cuboides.“ 

6. Haller, Albrecht, Commentarii in Boerhavii institutiones medicae. Göttingen 
1745. Erwähnt das Os Vesalianum an Hand und Fuss. 

Bezeichnend für die Seltenheit des Vorkommens dieses Knöchelchens möchte ich hier 
schon erwähnen, dass Pfitzner?) bei der Erwähnung des Vesalius in dem Litteraturverzeichnis 
schreibt: Vesalius, Andreas, De corporis humani fabrica libri septem. 2°. Basel 1555. 

„(S. 173, Fig. I, II) bildet einen Fuss ab mit 

1. 2. einem Knöchelchen an dem fibularen Rande des 
Cubord, distal an die Tuberositas ossis metatar- 
salis V angrenzend. Der Kürze halber bezeichne 
ich dies rätselhafte Skelettstück als das Os 
Vesalianum tarsi.“ — In einer späteren Arbeit: 
„Die Variationen im Aufbau des Fussgelenks“ 
geht Pfitzner auf das Os Vesalianum eingehend 
ein. Schon Wenzel Gruber hat in mehreren 
Arbeiten das ‚Os Tuberositatis metatarsi quinti 
proprium‘, wie er es nannte, beschrieben. 1875s) 
beschreibt er ein Metatarsale unbekannter Herkunft 


Dorsalansicht Plantaransicht 
des echten nese. eines älteren Individuums, da die Epiphysen- 
Nach Abbildung bei Andreas Vesal grenze am Capitulum schon verschwunden ist, 
„De humani corporis Fabrica libri septem‘. 8.104. bei welchem die Tuberositas ossis metatarsi quinti 
Fig. 1 u. 2. mit der Basis durch Coalescenz verbunden ist. — 
In einer zweiten Arbeit 1885%>) hat Gruber 
2127 Metatarsalia V untersucht. — Er fasst seine Untersuchungen in folgende Schlusssätze: 


1. In 5°/, hat das os cuboides an seiner vorderen Gelenkfläche 3 Facetten, davon 
artikuliert die mediale mit denı Metatarsus V, die beiden anderen, welche in mehr oder weniger 
stumpfem Winkel aufeinander stossen, mit dem Metatarsus V, davon die tibiale mit der Dia- 
physe, die fibulare mit der Tuberositas ossis metatarsi V. 

2. In fast gleicher Hiiufigkeit weist das proximale Ende des Metatarsale V an seiner 
superficies tarsale 2 Facetten auf. 

3. Unter 354—555 Metatarsalia V Erwachsener tritt die ganze Tuberositas nur einmal 
als Epiphyse oder sogar, wie zu vermuten, als besonders artikulierender Knochen auf. (Bei 
Subjekten vor der Pubertät noch nicht beobachtet.) 

4 In 14, 4°/, kommt an der Tuberositas der Metatarsaha V von Subjekten vom 
10. Lebensjahre aufwärts bis in das Alter der Pubertät eine an deren seitlichem Umfange auf- 
sitzende Epiphyse vor (bei Subjekten nach der Pubertät noch nicht beobachtet) 


Vielleicht das Os Vesalianunı tarsi. 

*) Pfitzner, die Scsambeine des Menschen. Morphologische Arbeiten, 1. Bd., 4. Heft, pg. 757, 1892. 

3a) Wenzel Gruber, Uber den Fortsatz des Seitenhöckers — Processus tuberositatis lateralis — 
das Metatarsale V und sein Auftreten als Epiphyse. Archiv f. Anat. Physiol. wiss. Mediz. 1875. 
pg. 48—58, Taf. Ila. 

3b) Gruber, Auftreten des Os Metatarsale V. 


Das frei artikulierende Os Vesalianum tarsi duplex im Röntgenbild. 415 


~ 


und schliesst mit den Worten: „Die Tuberositas des Metatarsale V in ihrer Totalität 
tritt daher sehr selten als Epiphyse auf, öfters aber kommt bei Subjekten vor der Pubertät 
eine dem äusseren Umfange dieser Tuberositas aufsitzende Epiphyse vor“. 

... Nach Gruber geht also die Tuberositas nicht konstant von der Diaphyse aus, 
sondern ossificiert öfters mit einem 


besondern Kern. 3. 4. 

1887 veröffentlichte Spronk t) ‚Ouboid. 
ein rechtsseitiges selbstständiges Os Pe: N 
Vesalianum bei einem neugeborenen Os NESEY = 
weiblichen Individuum, welches wegen Vesalianum‘“ X 


bestehender Polydaktylie an beiden 
Händen und Füssen zur Präparation 
geschickt war. R 

Die Tuberositas des rechts-  Metatarsale y N 


seitigen Metatarsale V wird durch ein Rechter Fuss. Linker Fuss. 
völlig isoliertes Knorpelelement gebil- Fall von Spronk: Anatomischer Anzeiger. II. 1887. 
det, welches distal mit der lateralen Fig. 3 u. 4. 


Fläche des Metatarsale V, proximal 

mit der lateralen Fläche des Cuboid artikuliert. Das Cuboid trägt an seiner distalen Gelenk- 
fläche 3 Facetten, von denen 2 nach vorne, die lateral gelegene mehr seitlich orientiert 
ist. Fig. 3. 

Am linken Fusse ist die Tuberositas metatarsi V mit dem Metatarsale verschmolzen, 
aber durch einen feinen, untief in den Knorpel eindringenden Spalt ist die Andeutung einer 
Grenze gegeben. Auch an dem linken Cuboid finden sich 3 distal gelegene Gelenkfacetten in 
gleicher Anordnung wie rechts. Fig. 4. 

Spronk hat also ein rechts- 
seitiges, freies artikulierendes und 
knorplig präformiertes Os Vesalianum 
tarsi gefunden. 

Pfitzner teilt über das Os 
Vesalianum tarsi in seiner Arbeit?): 
„Die Variationen im Aufbau des 
Hand- und Fuss-Skeletts“ folgendes, 
in Kürze hier zusammengefasst, mit: 

Das Os Vesalianum pedis ist 
äusserst selten selbstständig, Pfitzner 
hat unter mindestens 1000 Füssen 
nicht einen einzigen selbstständigen 
Fall beobachtet. Es liegt am lateralen 
Fussrand in dem Winkel zwischen Cuboid und Metatarsale V, mit beiden artikulierend; dass es 
knorplig präformiert ist und mit beiden Nachbarn durch ein echtes Gelenk verbunden war, 
beweist der Fall von Spronk. Sehr selten tritt es noch als Epiphyse oder Andeutung einer 
Epiphyse auf. Fast ausnahmslos verschmilzt es mit dem Metatarsale V, um dessen Tube- 
rositas zu bilden. Die Verschmelzung tritt schon sehr früh auf, als Koncrescenz im Knorpel- 
stadium, so dass wir es selbst beim Embryo nur selten noch als getrennte Knorpelanlage werden 
auffinden können. Wir haben hier also die Erscheinung, dass ein assimiliertes Skelettstiick zu 
einer Epiphyse wird und zwar zu einer inkonstanten Epiphyse, die im Begriffe steht, eliminiert 


ð. 6. 


Metatarsus V : Mefatarsus V 


Os ves ê Os ves?! 
Abbildungen von Pfitzner. 
Morphologische Arbeiten. Bd. 6, Taf. XIV, Fig. 64 u. 65. 
Fig. 5 u. 6. 


1) Spronk, Anatomischer Anzeiger II, 1887, pg. 734—739. 
2) Morpholog. Arbeit, Bd. 6, Heft 2, pg. 473. 


416 Gelinsky. 


zu werden. Dass aber eine ‘solche unvollständige, rudimentäre, abortive Epiphyse keineswegs 
mit dem ursprünglichen Skelettstück selbst identisch ist, erkennen wir an den Abgrenzungs- 
erscheinungen, die sehr häufig ausserdem und nebenher bestehen. Die Tuberositas ist nämlich 
gar nicht selten schwächer oder stärker abgesetzt, aber stets in demselben Umfange, stets in 
einem Maassenverhältnis, wie es dem gelegentlich auftretenden selbstständigen Os Vesalianum 
entspricht (vgl. Fig. 64 u. 65 bei Pfitzner) s. Fig. 5 u. 6. Diese Absetzung erscheint als Ein- 
kerbung oder Spalt auf der dem Cuboid zugekehrten Fläche Soweit Pfitzner. 

Am 25.11.04 wurde der 15jährige Bäckerlehrling Paul F. in die chirurgische Klinik 
wegen Schmerzen im linken Fuss aufgenommen. Es handelte sich bei ihm um Plattfuss und 
Knickefuss beiderseits, jedoch links mehr als rechts. Der etwas blasse, schlanke, seinen Jahren 
entsprechend grosse Mensch war sonst völlig normal gebaut. Nach dem Brauch an unserer 
Klinik, thunlichst von allen Veränderungen des Knochensystems röntgenographische Aufnahmen 
zu machen, wurde ein Bild von dem linken Fusse gemacht und zwar in Seitenlage, den lateralen 
Fussrand der Platte aufgelegt. Es zeigte sich nun, siehe Taf. XVI, 1 u. 2, ein kleines bohnen- 
formiges Knöchelchen lateral von dem Cuboid an seiner distalen Gelenkfläche nach dem Meta- 
tarsale V. Um Absprengung auszuschliessen, wurde ein Bild (Taf. XVI, 3 u. 4) von dem anderen 
Fusse aufgenommen, dasselbe zeigte genau das gleiche Gebilde an derselben Stelle. Trotz 
Hunderten von Fussaufnahmen, die an unserer Klinik gemacht worden sind, war ein ähnliches 
Gebilde bisher nicht beobachtet. Bei weiteren Aufnahmen, auch bei Aufnahmen in sagittaler 
Richtung zeigte sich an beiden Füssen stets das gleiche umschriebene Knöchelchen. Das Bild 
(s. Taf. XVI, 1 u. 2) des linken Fusses in seitlicher Aufnahme zeigt eine gute, kräftige Knochen- 
struktur. Die unteren Epiphysenlinien an der Tibia und Fibula sind noch gut erhalten, ebenso 
die Epiphysenlinie des Calcaneus. An dem hinteren Rande der Tuberositas calcanei zwischen 
dem Knochen und dem Ansatze der Achillessehne liegt ein 2 mm langes, 1 mm dickes, linsen- 
formiges, anscheinend selbstständiges Knöchelchen, vielleicht ein isoherter Knochenkern der 
Calcaneusepiphyse. Im Chopartschen Gelenke besteht ein leichtes Klaffen der Gelenkflächen, 
und zwar sind die beiden proximalen Knochen (Talus und Calcaneus) leicht nach dorsalwärts 
verschoben, Veränderungen, die ja dem Plattfusse eigentümlich sind. Am lateralen Rande von 
dem Cuboid, entsprechend der tarso-metatarsalen Gelenkspalte, nach dem Metatarsale V gelegen!) 
sieht man ein bohnenförmiges Knochenkörperchen, welches einen lateralen konvexen Rand und 
einen fast planen medialen Rand zeigt, der durch eine kleine, fast 1 mm tiefe und breite Ein- 
kerbung in der Mitte gezeichnet ist. Durch diese Einkerbung wird der mediale Rand in zwei 
Pole mit glatten Rändern zerlegt, von denen der distale nach einer entsprechend grossen 
Facette an der lateralen Seite des Metatarsale V hinzeigt, der proximale nach dem Cuboid zu. 
Das Körperchen hat eine Länge?) von hinten nach vorne gemessen von 9 mm und eine Breite 
von 5 mm. Die distale Gelenkfliiche des Cuboid trägt nach den Zehen zu 2 Facetten, von 
denen die mediale mit dem Metatarsale IV, die laterale mit dem Metatarsale V artikuliert. Das 
Metatarsale V hat keine Tuberositas. Das Knöchelchen liegt dorsalwärts von der Muskulatur?) 
und dem Fettpolster. Der Abstand des distalen Pols vom Metatarsale V beträgt 4 mm, des 
proximalen Pols vom Cuboid 3 mm. An dem fibularen Fussrande entsprechend der Tuberositas 
metatarsi V fühlte man ein etwas bewegliches Knöchelchen dicht unter der Sohlenhaut und 
zwar lateral von Cuboid und Metartarsale V gelegen. 


1) Auf dem Bilde unterhalb des Cuboid u. s. w. gelegen. Der Fuss hat bei der Aufnahme mit 
der fibularen Dorsalseite der Platte aufgelegen, daher sind die in einer Reihe liegenden Knochen, das 
Naviculare, Cuboid und das neue Ossiculum untereinander projiciert. 

2) Die. Maasse sind nach dem Bilde genommen und können daher bis auf 1 mm vielleicht nicht 
stimmen. Da sich die Röhre durch die Kompressionsblende stets in demselben Abstande von 40 cm be- 
funden hat und das Knöchelchen mit dem fibularen Fussrande der Platte direkt auflag, so können die 
Bildmaasse nur ganz geringe Differenzen mit den reellen Maassen haben. 

>) Auf dem Bilde in die Muskulatur hincinprojiciert. 


Das frei artikulierende Os Vesalianum tarsi duplex im Röntgenbild. 417 


Am rechten Fusse, Taf. XVI, 3 u. 4, sieht man auf der Seitenansicht genau die gleichen 
Verhältnisse . Nur fehlt das linsenförmige, anscheinend selbstständige Knéchelchen: an dem 
Achillessehnenansatz. 2 

Der Längendurchmesser des Ossiculums beträgt ebenfalls 9 mm, der Besitendarchimesser 
5 mm. Der Abstand des distalen Pols von der ausgesprochenen lateralen Gelenkfacette des 
Metatarsale V beträgt 5 mm, des proximalen Pols vom  Cuboid 3 mm. Das Metatarsale V hat 
keine Tuberositas. a 

Auf dem rechten Fussbilde vom Dorsum gesehen s. Taf. XVI, 5 sieht. man gute, 
kräftige Knochenstruktur. An den Tarsalknochen sind keine Besonderheiten, am Metatarsus I 
sieht man eine deutliche Epiphysenlinie. Am Metatarsus V fehlt die Tuberositas,. sie wird 
gebildet durch einen selbstständigen Knochenschatten, der sich von der lateralen Basisecke nach 
der lateralen distalen Gelenkkante des Cuboid hinzieht, und den Gelenkspalt nach lateral ab- 
schliesst. Das Knochenkörperchen hat eine etwas unregelmässig elliptische Form, die Länge 
beträgt von vorne nach hinten gemessen 9—10 mm, die Dicke in der breitesten Mitte in fibular 
tibialer. Richtung 6 mm. An der distalen Gelenkfliiche des Cuboid befinden sich 3 Gelenk- 
facetten, zwei Zehwärts gerichtet, davon trägt die mediale das Metatarsale IV, die laterale das 


i- Metatarsus V- 


x 
Cuboid. 


Das Os peroneum nach Pfitzner. 
Morphologische Arbeiten. Bd. 4, Fig. 12 u. 13. 
Fig. 7 u. 8. | 


Metatarsale V. An der lateralen distalen Kante des Cuboid befindet sich ein etwas stumpfer, 
kurzer Fortsatz, der eine ausgesprochene Gelenkfacette trägt, die mit dem Schatten des 
Knöchelchens sich etwas deckt. Der vordere Polschatten ‘des Knöchelchens berührt die laterale 
Basiskante des Metatarsale’ V. | | | 

Genau die gleichen Form- und Maassenverhältnisse finden sich an dem linken Fuss- 
bilde s. Taf. XVI, 6 vom Dorsum, betrachtet. 

Am lateralen Fussrande am Cuboid kommen 2 ‚Knochen | in Betracht. 

1. Das Os vesalianum. 

2. Das Os peroneum. 

Das Os peroneum ist nach Pfitzuer') ein Sesambein in. der Endsehne des M. peroneus 
longus und liegt an dem lateralen Ende der Eminentia obliqua des Cuboid und findet sich in 


‘etwa 7°/, aller Füsse. Pfitzner giebt zwei schöne Abbildungen (s. Fig. 7 u. 8) des Os 
peroneum, welches ich zum Vergleich an dieser Stelle noclı einmal bringen möchte. 


1) W. Pfitzner, die Sesambeine des Menschen. Morph. Arb., Bd. 1, Heft 4, pg. 594 ss. 1392. 
Fortschritte a. d. Gebiete d. Réntgenstrahien. VIII. 58 


a 1 Be sn Eh Da 


418 -  Gelinsky. 


In allen Fällen (Pfitzner hat unter 385 Füssen das Os peroneum 27mal gefunden) 
bestanden keine direkten Beziehungen zum Metatarsale V, wenn es dasselbe (s. Fig. 7) auch 
beinahe erreichte. 

Das von uns gefundene Knöchelchen (Taf. XVI, 1—6) liegt aber weit entfernt von der 
Eminentia obliqua und steht in ausgesprochener Beziehung zum Os Metatarsale V, indem es 
die ihm fehlende Tuberositas bildet. 

Ausserdem entspricht das Bild des Knochenkörperchens genau der Beschreibung, die 
Wenzel Gruber!) von der von ihm gefundenen Epiphyse an der 'Tuberositas ossis metatarsi V 
gegeben hat. Ich möchte diese Beschreibung hierher setzen. Er sagt: 

„Die Epiphyse hat die Gestalt des Segmentes eines nach denı Längendurchmesser 
halbierten, ovalen oder elliptischen Körpers, dessen Schnittfläche etwas konkav ist, somit die 
Gestalt eines kahnférmigen Knochenstücks hat, welches zwei Pole rückwärts und vorwärts und 
seine Verbindungsfläche einwärts kehrt und zur Ergänzung der Tuberositas an derem lateralem 
Umfange nach vorne von ihrer Spitze mehr oder weniger beiträgt. 

Die freie laterale Fläche ist konvex, die Verbindungsfläche etwas konkav, höckrig und 
grubig. Ihre Länge in sagittaler Richtung variiert von 0,9—1,8 cm, ihre Breite in vertikaler 
Richtung von 7—10 mm und selbst bis 1,3 cm, ihre Dicke in transversaler Richtung von 
2—6 und 7 mm.“ 

Dieses ist eine genaue Beschreibung auch des von uns gefundenen Knochenstückchens, 
genau bis auf die Maasse. Aus den angeführten Gründen, aus der Übereinstimmung mit dem 
von Gruber beschriebenen Epiphysenstückchen und dadurch, dass es durch seine Lage die 
fehlende Tuberositas des Metatarsale V bildet, möchte ich das Knochenstückchen für ein Os 
Vesalianum erklären. 

Auf seine Bedeutung brauche ich wohl nicht mehr einzugehen, nachdem ich vorbin 
eingehend Pfitzner citiert habe. Nur über seine Seltenheit möchte ich mir noch eine kurze 
Bemerkung erlauben. 

Auffallend ist es bei Vesal, wie ich schon anfangs erwähnte, dass er bei seinen Ab- 
bildungen (Fig. 1 u. 2) auf der Plantaransicht die Tuberositas fortlässt und das Os Vesalianum 
die Tuberositas bilden, auf der Dorsalansicht dagegen bestehen lässt. 

Es legt das die Vermutung nahe, dass Vesal nur an einem Fusse das Os beobachtet 
und diese Beobachtung verallgemeinert hat, wie ja auch Spronk bei seinem Falle nur an einem 
Fusse ein abgesetztes, artikulierendes Os gefunden hat. 

Noch 1892 spricht Pfitzner trotz seiner eingehenden Untersuchungen an zahlreichen 
Fussgelenken bei Beschreibung des Os peroneum die Vermutung aus: °) „dass vielleicht ein stark 
ausgebildetes Os peroneum Vesal veranlasst habe, dieses Knochenstück als normalen Bestand- 
teil des Carpus und Tarsus aufzustellen, das ich der Kürze wegen als Os Vesalianum bezeichne, 
und das mir bis dahin ganz unerklärlich schien“. 

„Vesal beschreibt (und bildet ab) ein kleines Knochenstück, das einerseits mit dem 
Hamatum, andererseits mit dem Metacarpale V artikulierend, den Winkel, der zwischen beiden 
an der ulnaren Seite bleibt, ausfüllt; und mutatis mutandis dasselbe beim Fusse. Ich habe 
nie etwas gefunden, was diese Angaben aufzuklären geeignet wäre. Zweifellos handelt es sich 
um einen Einzelfund, den Vesal nicht nur für die Species homo verallgemeinert, sondern auch 
von der Hand auf den Fuss oder umgekehrt übertragen hat.“ 

„Vesal bezeichnet diese Gebilde ausdrücklich als Sesambeine und dasselbe thun seine 
Nachbeter bis einschliesslich Albrecht v. Haller, von denen übrigens keiner ehrlich genug 
ist, einzugestehen, dass er sie niemals gefunden, oder wenigstens, dass er sie nicht konstant 
gefunden habe: in dem Konflikte zwischen der Autorität Vesals und den eigenen Augen fand 


1) Virchows Archiv, Bd. 99, 1885. 
*) W. Pfitzner, die Sesambeine des Menschen. Morph. Arbeiten, Bd. 1, Heft 4, pg. 596. 


Das frei artikulierende Os Vesalianum tarsi duplex im Röntgenbild. 419 


man keinen anderen Ausweg als entweder blinde Unterwerfung unter die Autorität oder ver- 
legenes Schweigen.“ 7 

| „Wenn ich vermute, dass das Sesamum peroneum Anlass gegeben haben könnte zu der 
Konstruktion des Os Vesalianum, so stehen dem zwei gewichtige Bedenken gegenüber. Erstens 
zeichnet Vesal, wie man dies deutlich auf der Plantaransicht des Fuss-Skeletts erkennt, das 
relativ kleine Knöchelchen entfernt von der Eminentia obliqua. Zweitens aber führt Vesal 
als bei Greisen vorkommend unter den Sesambeinen des Fusses ausdrücklich ein solches in der 
Peroneussehne an.“ 

Erst 1896 beschreibt Pfitzner, sich stützend auf die Untersuchungen von Wenzel 
Gruber und den Fall von Spronk und nach eigenen Untersuchungen an mindestens 1000 
Füssen das Os Vesalianum als ein besonderes, nicht mit dem os peroneum übereinstimmendes 
Gebilde; seine eingehenden Ausführungen habe ich oben in Kürze wiedergegeben. 

Durch die Seltenheit des Falles habe ich mich veranlasst gefühlt, nicht nur eine kurze 
Mitteilung und Beschreibung des Röntgenbildes zu bringen, sondern ausführlicher die Mit- 
teilungen und Untersuchungen der angeführten Autoren teilweise mit Abbildungen wieder- 
zugeben, um das weniger Bekannte hier noch einmal zusammenzustellen und auf den Wert des 
Röntgenverfahrens zur Beurteilung und Ergänzung anatomischer Forschungsresultate hin- 
zuweisen. | 

Nach Vesal und dem Falle von Spronk ist dieses meines Wissens der dritte in der 
Litteratur bekannte Fall, in welchem das Os Vesalianum als selbstständiges, artikulierendes 
Knöchelchen gefunden ist, während Wenzel Gruber es einmal koaleszierend und etwa sechsmal 
als abgesetzte Epiphyse beobachtet hat; Pfitzner dagegen nur als besonderen Prozessus an 
der Tuberositas, nach Vesal aber der erste, an welchem es an beiden Füssen gleichmässig 
gefunden ist. 

Um noch einmal den Wert dieses zufälligen Röntgenfundes zu betonen, ist es ein Be- 
weis mehr für die Ansicht Grubers und Pfitzners, dass die Tuberositas ossis metatarsı V 
ein selbstständiges, artikulierendes Tarsale in früheren Epochen gewesen ist, welches sich all- - 
mählich zu einem Processus eines Metatarsalknochens assimiliert hat und nur noch selten eine 
Andeutung seines ehemaligen Wertes zeigt durch stärkere Absetzung oder durch besondere 
Epiphysenbildung. Dass der geschilderte Befund den in der Deutung von Röntgenbildern noch 
Unerfahrenen, besonders wenn es gilt, Schmerzen zu erklären, täuschen kann, sei noch erwähnt, 
dass ähnliche variable Gebilde zu Beginn der Röntgenära, wie z. B. das Sesamum in den 
Gastrocnemiusköpfen schon den Anlass zu operativen Eingriffen gegeben haben und dass wir 
es erst der weitgehenden Anwendung der Untersuchung mit Réntgenstrablen verdanken, dass 
diese Gebilde, die sonst nur durch das Messer des Präparators mühselig herausgeschält wurden, 
durch das Röntgenverfahren auch am Lebenden leicht gefunden und einer allgemeinen Kenntnis 
zugeführt werden können. 

Zum Schlusse erlaube ich mir, für die Überlassung des Falles meinem Chef, Herrn 
Prof. W. Müller, meinen ergebenen Dank auszusprechen. 


35* 


420 Sonnenberg. 


- 


Aus dem chirurgisch-poliklinischen Institut der Universität Leipzig (Direktor Prof. Perthes). 


Beiträge zur Kenntnis der Ostitis deformans. 


(Pagets Krankheit der Knochen.) 
Von 


Dr. Wilhelm Sonnenberg. 
Mit 6 Figuren auf Tafel XV und 1 Abbildung im Text. 


In den letzten zwei Jahren kamen in dem chirurgisch-poliklinischen Institut der Uni- 
versität Leipzig drei Fälle von Ostitis deformans zur Beobachtung, in denen die Réntgenstrahlen 
zum Studium dieser seltenen Knochenkrankheit herangezogen wurden. Auf Veranlassung von 
Herrn Prof. Perthes werde ich im folgenden über diese Fälle berichten, da bisher nur wenige 
Röntgenaufnahmen von Ostitis deformans vorliegen, und da alle drei Fälle auch in klinischer 
Hinsicht Interesse beanspruchen. Insbesondere verdient das Verhalten der Knochen. nach Osteo- 
tomie im dritten Falle als bemerkenswert hervorgehoben zu werden. 

Bekanntlich bezeichnet man mit dem Namen „Ostitis deformans* jene von Paget 
1876 zuerst genauer beschriebene, ätiologisch gänzlich unaufgeklärte Krankheit des Skelettes, 
die sich in Erweichung und Verdickung der Knochen äussert und so vor allem bei Erwachsenen 
zu eigenartigen Verbiegungen und Deformitäten führt. Enorm chronisch verlaufend, erscheint 
sie in der Regel zuerst an den Tibien, um im Laufe der Jahre meist auch andere Knochen: 
die Femora, die Schlüsselbeine, den Schädel, zu beteiligen. Unsere Fälle!) können als typische 
Vertreter der Krankheit gelten, von welcher bis jetzt im ganzen etwa 60 Beobachtungen 
vorliegen. | 


Fall 1. 


Frau H. S., 61 Jahre alt, hat angeblich mit 17 Jahren einen schweren Typhus gehabt, ist aber 
seitdem immer gesund gewesen. Nie ist verheiratet und hat fünf normale Partus durchgemacht, den 
letzten vor 14 Jahren. Von den Kindern leben vier und sind gesund, cins starb drei Wochen alt an 
Krämpfen. Der Vater der Pat. starb über 70 Jahre alt und soll lange Zeit an Gicht gelitten haben, die 
Mutter starb im 52. Lebensjahr an einer „Geschwulst in der Seite“. Uber sonstige Krankheiten in der 
Familie weiss Pat. nichts anzugeben. Vor acht Jahren bemerkte sie zuerst eine Krümmung ihres linken 
Unterschenkels, die sie zunächst nicht beachtete, die aber allmählich zunahm. Zugleich wurde das be- 
treffende Schienbein dieker und das Bein schwächer, ohne schmerzhaft zu sein. In letzter Zeit nahm der 
Zustand rasch an Schwere zu, auch stellten sich Schmerzen im linken Knie ein, die nach längerer Ruhe 
besonders heftig sein sollen. Das Schienbein schmerzt nur nach längerem Gehen. Jetzt kann Pat. infolge 
der Schwäche des Beines kaum noch cine Stunde lang gehen. Irgendwelche rhachitische, luetische, 
arthritische oder sonstige Veränderungen am Skelett oder überhaupt am Körper der Pat. sind nicht nach- 
zuweisen, auch keine nervösen Störungen; Pat. ist sonst ganz gesund. 

Der linke Unterschenkel ist in seiner ganzen Länge hochgradig verkrümmt. Bei der Palpation 
der Tibia fühlt man die Crista flach und abgerundet, die ganze Tibia ist enorm verdickt und verlängert. 
Ihre Oberfläche ist rauh und höckerig. Die übrigen Knochen sind normal. 


Umfang des Unterschenkels dicht unter dem Knie rechts 28 em, links 30,5 cm 
à : e zw. ob. u. mittl. Drittel | 29 , a oo , 
z a : zw. mitth u. unt. , „ 215, n 26 ‘ 


Wie die Röntgenbilder lg. 1 und Fig. 2, Tafel XV zeigen, ist die Verdickung der 
Tibia eine sehr beträchtliche. Vor allem in der oberen Hälfte sieht man in dem Schatten der 
Tibia hellere Stellen, die nur durch einen particllen Schwund von Knochensubstanz in 


1) Von Herrn Prof. Perthes wurde Fall 1 am 12.5.1903, Fall 2 am 17.1.1905 in der medic. 
Gesellschaft zu Leipzig vorgestellt. 


Beiträge zur Kenntnis der Ostitis deformans. 421 


der Tibia erklärt werden können. Während die linke Fibula den normalen geraden Verlauf 
und die gleiche Länge wie die rechte aufweist, beschreibt die Tibia einen sehr beträchtlichen 
Bogen, über den die Fibula gleichsam als Sehne gespannt ist. Die Röntgenaufnahmen zeigen 
also deutlich, dass bei der Erkrankung nicht nur eine Verdickung, sondern gleichzeitig eine 
Längenzunahme der Knochen stattgefunden hat. 


. Fall 2. 


Der zweite Fall betrifft einen 47 jährigen Auktionator, dessen Familienanamnese nichts Besonderes, 
vor allem keinen Anhaltspunkt für die Annahme einer hereditären Lues ergeben hat. Der Vater starb 
72 Jahre alt an Altersschwäche, die Mutter lebt noch hochbetagt und ist gesund. Von 14 Geschwistern 
leben noch zwei und sind gesund, die übrigen sind meist schon klein gestorben. Von erblichen Krank- 
heiten in der Familie weiss Pat. nichts. Von den sieben Kindern des Pat. starb eins ganz klein, angeb- 
lich an Gehirnentzündung, ein anderes mit 17 Jahren. an einem Herzleiden. Von den lebenden leidet 
eins an Hüftgelenksentzündung. 

Pat. selbst war als Kind und junger Mensch schon immer schwach auf den Beinen, das rechte 
Bein sei schon immer etwas X-bein gewesen. Von Rhachitis weiss Pat. nichts. In der Jugend habe er 
viel an Rheumatismus gelitten, auch habe er mit etwa 24 Jahren zuweilen Herzbeklemmungen gehabt, 
beides sei jetzt schon seit geraumer Zeit nicht mehr der Fall. Fünf- bis sechsmal habe er eine Rippen- 
fellentzändung gehabt, die letzte etwa vor drei Jahren. Pat. ist Kaufmann und hat niemals schwere 
körperliche Arbeit verrichtet, ist auch nicht auf Reisen gewesen. Er lebt in guten und gesunden Ver- 
hältnissen, isst, trinkt und raucht mässig, lebt überhaupt sehr regelmässig und fühlt sich, abgesehen von 
seinem Leiden, ganz wohl, Trotzdem nimmt Pat. seit einiger Zeit stetig ab, angeblich alle drei bis vier 
Wochen 2—2,5 kg. Er wiegt zur Zeit 39 kg. Auch giebt er an, dass er in letzter Zeit auffallend ge- 
altert sei. | 

Den Beginn seines jetzigen Leidens verlegt Pat. in den Anfang seiner zwanziger Jahre. Da sei 
zuerst das rechte, das X-bein krumm geworden, und zwar ganz allmählich. Das linke sei erst später 
nachgefolgt, doch sei die Affektion von Anfang an mit Schmerzen verbunden gewesen. Seit drei Jahren 
könne er kaum noch auftreten, er stützt sich mit der rechten Hand auf einen Stock. Zur Zeit habe er 
vor allem im linken Oberschenkel Schmerzen, die aber anders seien als rheumatische, auch in beiden 
Knien, aber immer nur beim Auftreten, in der Ruhe nicht. Seit etwa t/a Jahr habe er auch im 
rechten Arm sehr heftige Schmerzen, die auch in der Ruhe nicht ganz aufhörten. 


Befund. 


Linkes Bein: Ist in toto stark nach aussen konvex gekrümmt. An der Krümmung beteiligen 
sich Ober- und Unterschenkel ziemlich gleichmässig, doch ist die Tibia in ihrem unteren Drittel be- 
sonders stark verbogen. Das Femur ist verdickt, der Condylus externus springt stark hervor. Die Tibia 
ist gleichfalls verdickt, die vordere Kante abgerundet, die Oberfläche rauh. Es beträgt die Entfernung 
von der Spina il. ant. sup. bis zum Malleolus internus in gerader Linie gemessen 63 cm, von der Spina 
bis zum Malleolus externus auf der konvexen Seite des Beines gemessen 78 cm. 

Rechtes Bein: Ist in toto sehr stark nach innen konvex gekrümmt. Hier liegt die Krümmung 
hauptsächlich in einem nach aussen offenen Winkel von nicht viel mehr als 90°, in dem die Tibia etwa 
handbreit unter dem Knie abgeknickt ist. Im übrigen ist die Tibia nur mässig nach innen, das Femur 
dagegen, namentlich in seiner unteren Hälfte, stark nach vorn konvex verbogen. Femur und Tibia sind 
gleichfalls verdickt, die vordere Tibiakante ist plump abgerundet, die Oberfläche rauh. Es beträgt die 
Entfernung von der Spina il..ant. sup.-bis zum Malleolus externus in gerader Linie gemessen 56 cm, von 
der Spina bis zum Malleolus internus auf der konvexen Seite des Beines gemessen 71 cm. 
| Umfang des Beines dicht über den Malleolen rechts 18 cm, links 20 cm, 


p k „ in der Mitte des Unterschenkels rechts 21 cm, links 21,5 cm, 
re j »  handbreit unter dem Kniegelenk rechts 27 cm, links 26 cm, 
s p » um die Condylen herum rechts 35 cm, links 32,5 cm, 

: z „ in der Mitte des Oberschenkels rechts 34 cm, links 34 cm, 
a in der Schenkelbeuge rechts 35 cm, links 37 cm. 


Beide Kniegelenke sind durch Arthritis deformans hochgradig verändert. Die Füsse sind normal. 
Pat. hat sich angeblich vor fünf bis sechs Jahren den rechten Fuss im Fussgelenk gebrochen. Es ist 
dies anscheinend eine einfache Distorsion des Fussgelenks gewesen; objektiv ist nichts nachzuweisen. 
Die Muskulatur der Beine ist schlaff und atrophisch. Die Streckung in beiden Kniegelenken ist un- 
gehindert und vollständig möglich. Die Beugung ist aktiv und passiv nur unvollständig ne und 
von einem knirschenden Geräusch begleitet. = 


422 Sonnenberg. 


Obere Extremitäten: Der rechte Unterarm ist schwach nach aussen konvex gekrümmt. Die 
Knochen sind, soweit sie abzutasten sind, nicht nachweisbar verändert. Schmerzen werden etwa von der 
Mitte des Oberarms bis zur Grenze zwischen oberem und unterem Drittel des Unterarms empfunden. Am 
linken Arm ist nichts nachzuweisen. Beide Hände sind intakt. Bewegungen in beiden Hand- und Ellen- 
bogengelenken sind frei, im rechten Ellenbogen jedoch schmerzhaft. Beide Schlüsselbeine sind im mittleren 
Abschnitt stark nach vorn konvex gekrümmt und verdickt, das rechte noch mehr als das linke. Die 
Oberfläche ist rauh. Der rechte Arm kann aktiv und passiv nur bis zur Horizontalen erhoben werden, 
der linke etwas weiter, ohne dass an den Schultergelenken 
etwas nachzuweisen wäre. Vielleicht spielen dabei die 
Deformitäten der Schlüsselbeine eine Rolle. 

Schulterblätter, Rippen und Brustbein sind nor- 
mal, die Wirbelsäule ist vollständig gerade. Am Schädel 
ist nichts Besonderes zu bemerken, doch giebt Pat. auf 
Befragen an, dass ihn seit einiger Zeit Hüte von der 
Weite, wie er sie sonst immer getragen habe, drückten. 

Pat. ist im übrigen gesund, Herz, Lungen und 
Bauchorgane sind intakt. Spuren von Rhachitis und 
Syphilis sind am Körper nicht zu bemerken. Doch macht 
Pat. den Eindruck eines weit über seine Jahre gealterten 
Mannes. Die Intelligenz ist ungestört. 

Ein Bild von der hochgradigen Verkrümmung 
der Beine giebt die nebenstehende Abbildung. Auch 
sieht man daran die schwere Veränderung, die die ganze 
Figur des Patienten erfahren hat. 


Die Röntgenaufnahmen von den Beinen 
des Kranken lassen zunächst eine fast rechtwinklige 
Abbiegung der unteren Epiphyse des rechten Femur 
gegenüber der Diaphyse erkennen (Fig. 3, Tafel XV), 
ebenso Verdickungen beider Femora in der unteren 
Hälfte, sowie des unteren Abschnitts der rechten 
Fibula. Vor allem aber erkennt man beim Vergleich 
mit Aufnahmen von normalen Extremitäten eine 
wesentliche Differenz der Knocheustruktur 
(Fig. 3 und Fig. 4, Tafel XV). Die einzelnen 
Knochenbälkchen stehen erheblich weiter auseinander, 
so dass zwischen ibnen grosse lichte Stellen sicht- 
bar sind. Die Spongiosa erscheint hier wie auf- 
gelockert. Dabei weist der Verlauf der einzelnen 
Knochenbälkchen, welche die auffallend grobmaschige 
Struktur bedingen, gegenüber der Norm Unregel- 
mässigkeiten auf. An einzelnen Stellen sieht man geringe Unebenheiten der Knochen- 
oberfläche. 

Dieser hinsichtlich der Knochenstruktur erhobene Befund stimmt gut überein mit dem 
Ergebnis der Röntgenanfnahme in unserem ersten Falle und mit den von Wollenberg!) mit- 
geteilten Befunden. Auch Wollenberg macht darauf aufmerksam, dass die „streifen- und 
fleckenförmige Transparenz“ der Knochen im Röntgenbilde „auf eine stellenweise Verminderung 
des Kalkgehaltes der Knochen“, die „zwischen den dunkleren Bälkchen befindlichen hellen Partien 
auf den reichlichen Gehalt der hypertrophischen Knochen an osteoidem Gewebe“ hinweisen. 
Ebenso stimmen diese mit Hilfe der Röntgenstrahlen in vivo erhobenen Befunde mit den 
Resultaten der pathologisch-anatomischen Untersuchungen, unter denen besonders die Arbeiten 


') Wollenberg, Beitrag zur Pagetschen Knochenkrankheit. Zeitschrift für orthopäd. Cbirurgie. 
Bd. XIII. S. 49, 


Beiträge zur Kenntnis der Ostitis deformans. 423 


von Stilling!) und v. Recklinghausen?) hervorzuheben sind. Es wird mikroskopisch eine 
beträchtliche Erweiterung der Haversschen Kanäle und eine Verminderung der Lamellensysteme 
gefunden. Dabei kann man deutlich die Resorption des Knochens und Apposition neuer Knochen- 
substanz in all ihren Stadien und Einzelheiten verfolgen. Doch überwiegt die Aufzehrung des 
ursprünglich vorhandenen, normalen Knochens bei weitem, während neuer Knochen nur spär- 
lich gebildet wird und sehr lange unverkalkt bleibt. — Die Flecken und hellen Stellen, die 
wir auf dem Röntgenbilde in dem Knochenschatten erkennen, finden dadurch sehr gut ihre 
Erklärung. 


Ein sehr bemerkenswertes Bild bietet ferner die Aufnahme des Beckens (Fig. 5, 
Tafel XV). Eine andere Aufnahme eines Beckens liegt meines Wissens bisher nicht vor, das- 
selbe gehört überhaupt zu den seltener befallenen Teilen des Skeletts, Seine Form ähnelt in 
unserem Falle sehr der des osteomalacischen Beckens, und zwar vorwiegend auf der rechten 
Seite. Die Pfannengegend ist durch den Druck des Schenkelkopfes nach innen getrieben, wo- 
durch die Vorderwand des Beckens die bekannte schnabelförmige Verbiegung erfahren hat. 
Auch der obere Teil des Kreuzbeins erscheint durch die Last des Rumpfes etwas in die Becken- 
höhle hineingedrängt, so dass wir ein der Kartenherzform des osteomalacischen Beckens ganz 
ähnliches Bild erhalten. Warum diese Veränderungen auf der rechten Seite viel deutlicher 
ausgesprochen sind als auf der linken, erklärt sich ohne weiteres aus der Stellung der Beine 
zum Becken. Die Hauptlast des Beckens und damit des Rumpfes ruht auf dem rechten, nach 
innen konvex gekriimmten Bein, das infolgedessen mit aller Macht gegen den in seiner Struktur 
veränderten, weichen Knochen und in die Beckenhöhle hinein vorgetrieben wird. Das linke, 
nach aussen konvexe Bein dagegen, auf dem das Becken sozusagen nur mit seiner äussersten 
Kante aufliegt, kann eine Verbiegung des Knochens nur nach hinten und oben zur Folge haben. 


Fall 3. 


L. H., Schneiderin, 16 Jahre alt, giebt an, sie habe im dritten Jahre laufen gelernt, als kleines 
Kind die Masern gehabt, sei aber seitdem stets gesund gewesen. Auch ihre Eltern und vier Geschwister 
seien gesund. Von ihrem 14. Jahre an sei das rechte Bein, das früher ganz gesund gewesen sei, ganz 
allmählich krumm geworden, doch habe sie niemals, weder im Anfang, noch später, Schmerzen dabei 
gehabt. Zuletzt habe sie nur noch sehr mühsam gehen können, da das Bein kürzer als das andere und 
ganz nach aussen verbogen gewesen sei. 

Befund am 22.7.08: Starke Verbiegung der rechten Tibia mit der Konvexität nach vorn und 
innen. Fraktur der rechten Fibula etwa zwei Querfinger breit über dem Malleolus externus. Über die 
Entstehung derselben giebt Pat. nichts an. Fuss dementsprechend in extremer Pronation und starker 
Dorsalfiexion. Beim Gehen berührt Pat. mit der Gegend des Os naviculare den Boden. 

Zum Ausgleich der starken Krümmung der Tibia wird an demselben Tage (22. 7. 03) von Herrn 
Professor Perthes die Osteotomie gemacht. In Chloroformnarkose Durchmeisselung der Tibia in offener 
Wunde. Abmeisselung eines Keiles mit vorderer, innerer Basis vom proximalen Ende. Drahtnaht, Haut- 
naht, Gipsverband. Die Wunde heilt reaktionslos und aseptisch, Pat. wird am fünften Tage nach der 
Operation mit Gipsverband nach Hause entlassen, doch zeigte sich bei den folgenden Verbandwechseln, 
die in Zwischenräumen von etwa drei Wochen vorgenommen wurden, durchaus kein Zeichen von Kon- 
solidation. Pat. bekommt deshalb am 24.11.03 einen Schienenhülsenapparat für das rechte Bein, der 
dadurch, dass er seinen Stützpunkt am Tuber ischii nimmt und so den Unterschenkel von der Last des 
Körpers befreit, der Pat. das Gehen wieder ermöglicht. 

Befund am 12. 8. 04: Der rechte Unterschenkel ist erheblich schwächer und kürzer als der linke, 
seine Muskulatur schlaff und atrophisch. 

Länge des Beines von der Spina iliaca ant. sup. bis zum Malleolus ext. rechts 68 cm, 
links 76 cm. 

Umfang des Unterschenkels dicht unter dem Knie rechts 26,5 cm, links 29 cm 
: 2 P in der Mitte . = 2A a » 80,5, 
x J . dicht üb. d. Malleolen „ 205 „ » 20 , 


1) Stilling, Uber Ostitis deformans. Virchows Archiv. Bd. 119. S. 542. 
2) v, Recklinghausen, Die fibröse oder deformierende Ostitis, die Osteomalacie und die osteo- 
plastische Carcinose in ihren gegenseitigen Bezichungen. Festschrift der Assistenten fiir Virchow 1891. 


424 Sonnenberg. 


4 cm über dem Malleolus internus eine 3 cm lange, horizontal verlaufende, auf Druck nicht 
schmerzhafte, nicht adhärente Narbe, unter der man deutlich einen scharfen Knochenvorsprung fühlt, 
An dieser Stelle abnorme Beweglichkeit, durch die der Fuss etwa von der normalen Mittelstellung in 
ziemlich hochgradige Pronation, aber nicht in Supination gebracht werden kann. Dabei keine Schmerzen. 
Die Tibia ist im übrigen, weiter oben, nicht nachweisbar verändert, sie ist nicht verdickt, die Crista 
scharf, die Oberfläche glatt. Von der Fraktur der Fibula lässt sich palpatorisch nichts mehr nachweisen. 
Mit Hilfe ihres Apparates kann Pat. gut und ohne Schmerzen, angeblich auch längere Zeit, gehen. Bei 
dem Versuch, ohne Schiene zu gehen, knickt der Fuss nach aussen um und schmerzt. 

ANe übrigen Knochen sind normal, nur die Wirbelsäule zeigt in den untersten Brust- und oberen 
Lendenwirbeln eine leichte Skoliose nach links: Pat. ist sonst gesund, Herz und Lungen sind intakt, am 
Körper finden sich keine Zeichen von Rhachitis und Syphilis. | 

Von den Röntgenbildern zeigt das bei der ersten in der Krankengeschichte mitgeteilten Unter- 
suchung am 22. 7. 03 aufgenommene vor allem die starke Verbiegung der Tibia in ihrem untersten 
Abschnitt, die etwa einem Winkel von 120—130° entspricht. Verdickt ist der Knochen nur wenig (Fig. 6, 
Taf. XV). Die Fibula hat einen Schrägbruch etwa zwei Querfinger breit über dem Malleolus externus 
erlitten. Die Frakturenden erscheinen verdünnt, wie zugespitzt nach der Frakturstelle zu. 

Zwei weitere Bilder wurden bei der letzten Untersuchung am 12. S. 04 aufgenommen. Hier 
sieht man, dass an der Stelle der Osteotomie der Tibia jede Spur von Callusbildung fehlt. Die bei der 
Operation am 22. 7. 03 angelegte Drahtnaht liegt noch. Auch die Fraktur der Fibula ist nicht konso- 
lidiert. Die Knochenenden bilden einen nach aussen offenen Winkel von 140°, zwischen ihnen besteht 
keine knöcherne Verbindung, auch fehlt jede Andeutung von Callusbildung. 


Es bildete sich also in diesem Falle nach einer Osteotomie mit ungestörtem 
Verlaufe der Wundheilung eine Pseudarthrose, bei welcher noch 18 Monate nach 
der Operation jede Tendenz zur Callusbildung fehlte. 

Eine ähnliche Erscheinung macht sich an der Fibula bemerkbar. Offenbar war in- 
folge der Biegung der Tibia eine Überlastung der Fibula und dadurch eine Fraktur derselben 
eingetreten. Auch diese Fraktur der sonst allerdings nicht nachweisbar an der Erkrankung 
beteiligten Fibula zeigt nach einem mehr als 13 Monate langen Bestehen keine Neigung zur 
Konsolidation. | 

Schon Schmieden!) berichtete von einem Fall, bei dem gleichfalls, um die starke 
Verkrümmung der Tibia auszugleichen, von Schede die Osteotomie gemacht worden war. 
Diese heilte glatt und fest, während bei einer an demselben Knochen später vorgenommenen 
Resektion keine Ausheilung erzielt werden konnte. Hier aber haben wir die sehr merkwürdige 
Thatsache einer Pseudarthrosenbildung an beiden Knochen des Unterschenkels. Dass wir die 
Ursache dieser mangelhaften Heilungsbestrebungen in den schweren Veränderungen, die Struktur 
und Substanz der betreffenden Knochen erleiden, zu suchen haben, liegt wohl auf der Hand. 

Ganz abgesehen von der Bedeutung für die Prognose einer zufällig eingetretenen 
Fraktur dürften solche Beobachtungen wohl geeignet sein, mit zur Erkenntnis des Wesens der 
Ostitis deformans beizutragen. 

Zu Operationen an ostitisch erkrankten Knochen wird man sich nach solchen Er- 
fahrungen nur mit einer gewissen Reserve entschliessen können. Sollte die mangelhafte Callus- 
bildung nach der Durchtrennung von Knochen, die an Ostitis deformans erkrankt sind, auch 
weiterhin beobachtet werden, so würde man von der Osteotomie bei dieser Erkrankung über- 
haupt entschieden abraten müssen. 


1) Schwieden, Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie, Bd. 70, S. 206. 


Sekundäre Wachstumsstörungen nach chronischem Gelenkrheumatismus im Kindesalter. 425 


J 


Aus dem I. öff. Kinderkrankeninstitut (Abteilung Dr. Neurath) und dem Röntgeninstitut 
Doz. Dr. R. Kienböck in Wien. 


Sekundäre Wachstumsstörungen nach chronischem Gelenkrheumatismus 
im Kindesalter. 
Von 
Dr. Rudolf Neurath. 
(Hierzu Tafel XV, Fig. 7 u. 8 und Tafel XVI, Fig. 7.) 


Der Einfluss chronischer Erkrankungen auf das Wachstum der Knochen ist ein wenig 
bearbeitetes Gebiet der Medizin; und doch sind gewisse, jedem erfahrungsreicheren Praktiker 
zur Beobachtung kommende excessive Fälle geeignet, das Interesse für die, das Knochenwachstum 
hemmenden Grundkrankheiten zu wecken. Es versteht sich von selbst, dass im jugendlichen 
Alter, vor Abschluss des Knochenwachstums, solche Einflüsse zur Wirkung kommen müssen. 
Eine in den letzten Jahren vielfach studierte Affektion, das Myxödem, die Thyreoaplasie, hat 
eine längst bekannte, das Knochenwachstum stark alterierende Komponente. 

Was die Rhachitis betrifft, hat Feldmann in einer preisgekrönten Arbeit die fast un- 
ermessliche Literatur gesichtet und durch eigene fleissige Studien zur Klärung der Frage nach 
dem wachstumhemmenden Einfluss der Rhachitis auf die Knochenentwickelung beigetragen. Wie 
sich das Knochenwachstum bei hereditär luetischen Kindern in den verschiedenen Entwickelungs- 
stadien verhält, wäre eine wichtige, definitiver Entscheidung noch harrende Frage. 

Aber auch abgesehen von solchen typischen Konstitutionskrankheiten im engeren Sinne, 
üben Erkrankungen anderer Art Einflüsse auf das Knochenwachstum aus, Einflüsse, die patho- 
genetisch nicht immer klar liegen. Gelegentlich der Beobachtung von chronischer Arthritis 
mit ausgesprochenen sekundären Wachstumsstörungen schien es uns verlockend, der Frage, wie 
solche Störungen zustande kommen, nachzugehen und einschlägige Fälle aus der Literatur mit 
unserem zu vergleichen. | 


A. K. kam im März 1903 als fünfeinhalb Jahre altes Kind zum ersten Mal zur Untersuchung. 
Sie ist das erste Kind (die erste Gravidität), Mutter und Vater waren immer gesund. Drei Wochen vor 
der Zeit geboren, war sie von schwächlicher Konstitution; sie wurde künstlich ernährt. Im Alter von 
elf Monaten überstand das Kind eine Lungenentzündung, mit viereinhalb Jahren Masern. Im Herbst 
1902 machte die Kleine mit ihren Eltern einen Ausflug, war ganz gesund und munter, doch kaum nach 
Hause gekommen, klagte sie über Schmerzen in den Füssen, konnte nicht mehr gehen und musste sich 
niederlegen. In den nächsten drei Wochen bildete sich eine starke Schwellung der Gelenke, und zwar 
rasch eine solche der Sprunggelenke, langsamer eine solche der Kniegelenke. Die Beine waren unbeweg- 
lich, die Schmerzen ziemlich stark, auch zeitweise im Hüftgelenk, so dass Stehen und Gehen unmöglich 
war. Nach wenigen Wochen kam es auch zur Schmerzhaftigkeit und Schwellung an den Gelenken der 
Arme, besonders die Gegend der Handgelenke und der Handrücken, aber auch die Ellbogen und Finger- 
gelenke schwollen an, so dass z. B. die Faustbildung fast unmöglich war. In den nächsten Monaten 
stellte sich auch Schmerzhaftigkeit der Halswirbelsäule bei den leisesten Bewegungen ein, so dass der 
Kopf immer nach vorne geneigt gehalten wurde und Rückwärtsstreckung von den stärksten Schmerz- 
äusserungen begleitet war. Ob je Fieber bestanden, weiss die Mutter nicht anzugeben. Die Schmerz- 
haftigkeit und wohl auch die Schwellung der Gelenke nahm bald zu, bald ab, wich aber nie ganz. 

Bei der ersten und den folgenden Untersuchungen im Frühjahr 1903 erschien die Patientin auf- 
fallend klein, die Stirnhöcker merklich aufgetrieben, die Stirne leicht vorladend; an der Stirne oberhalb 
und zwischen den Orbitalrändern eine schiefgestellte Narbe, darunter der Knochen höckerig aufgetrieben 
(das Resultat eines vor Jahren überstandenen geschwürigen Prozesses nach einem Sturz). Der Nasen- 
rücken etwas tief, die Nase leicht aufgestilpt. Die Zähne rhachitisch (gezähnte Kanten der Schneide- 
zähne). Keine Narben am Lippenrand. Der Kopf wurde immer nach vorne gesenkt gehalten, die Hals- 
wirbelsäule arkuär-kyphotisch, die Dornfortsätze des dritten bis fünften Halswirbels kaum zu tasten, 

Fortschritte a. d. Gebicto d. Rontgenstrahlen. VIII. 54 


426 Neurath. 


doch die entsprechende Gegend sehr druckempfindlich. Alle Versuche, den Kopf passiv zu strecken oder 
zu drehen, stiessen auf Widerstand und waren schmerzhaft. 

Die oberen Extremitäten zeigten in der Ruhe eine leichte Flexionsstellung in den Ellbogen- 
gelenken, eine geringe Beugung in den Hand-, eine Streckung in den Metakarpophalangeal-, und die 
Mittelstellung in den Interphalangealgelenken. Die einzelnen Abschnitte der Extremitäten erschienen 
im Verhältnis zum Rumpfe verkürzt. Auffallend war eine leichte Auftreibung der Ellbogengelenks- 
gegend; weiter eine dem Sehnenverlaufe parallele, mehr umschriebene, sehr undeutlich fluktuierende, 
mehr konsistente Schwellung an beiden Handrücken, direkt unterhalb des Handgelenkes, die von blasser 
aber sonst nicht veränderter Haut bedeckt war. Die Handgelenksgegend war beiderseits aufgetrieben, 
die Finger verdickt und zwar besonders entsprechend den Interphalangealgelenken. 

Aktive Bewegungen waren im Schultergelenk vollkommen frei, im Ellbogengelenk eine mässige 
Beugung möglich, doch die Streckung nur in geringem Ausmass ausführbar. Die Beweglichkeit in den 
Hand- und Fingergelenken war nach allen Richtungen schr eingeschränkt. Wurden in den Armgelenken 
passive Bewegungen versucht, so zeigten sich solche in den Schultergelenken vollkommen frei; solche in 
den übrigen Gelenken waren schmerzhaft und waren bedeutend eingeschränkt. Bei passiven Be- 
wegungen der Hände konnte die auf die Dorsalseite aufgelegte Hand des Untersuchers feines reibendes 
Vibrieren fühlen. 

Die Muskulatur der Arme war stark atrophisch, die Partien zwischen den Gelenken stark ab- 
gemagert, so dass die Verdickung der Gelenkspartien noch deutlicher wurde. Mit dieser Abmagerung 
der Ober- und Vorderarme kontrastierten die auffallend dicken Finger, deren Dickenzunalime besonders 
entsprechend den Interphalangealgelenken deutlich war. 

An den Beinen waren die Auftreibungen der Sprung- und Kniegelenke und die starke Atrophie 
der Weichteile auffallend. Die Kniegelenke traten als kugelige Schwellungen hervor, die deutlich 
fluktuierten, die Patella war als balottierender Körper zu tasten. Geringe Schmerzhaftigkeit und leises 
Knirschen bei passiven Bewegungen. Auch in dem sonst normal erscheinenden Hüftgelenk waren Be- 
wegungen beiderseits schmerzhaft, cbenso die aktiven und passiven Bewegungen in den Knie- und Sprung- 
gelenken. Eine Streckung in den Knien fand nur bis zu einem stumpfen Winkel statt, dann stiess man 
auf Widerstand. Die Gegend der Sprunggelenke war beiderseits stark geschwellt, so dass die Konturen 
verwischt waren. Die Füsse meist plantarflektiert, die linke grosse Zehe dauernd dorsalflektiert. Unter 
mässigen Schmerzen waren aktive und passive Bewegungen in den Sprunggelenken ausführbar. Be- 
wegungen in abnormer Richtung liessen sich in keinem Gelenke vollführen. 

Stehen und Gehen war zwar möglich, wegen zunehmender Schmerzen bei Inanspruchnahme der 
Beine aber nur für kurze Zeit. Die inneren Organe, im Besonderen das Herz, gaben normalen Befund. 
Seit Beginn der Krankheit bemerkte die Mutter cine Neigung zu starken Schweissen. Besonders Hand- 
teller und Fusssohlen waren immer feucht. 

Die Behandlung bestand in der Folgezeit in Darreichung von Salicylpräparaten, warmen 
Bädern, leichter Massage; doch blieb jeglicher Erfolg aus. Es stellten sich zeitweilig Remissionen, 


Nachlassen der Schmerzen, Rückgang der Schwellungen ein, doch kam cs — zeitweilig auch unter 
Temperatursteigerungen — nach einiger Zeit wieder zu Verschlechterungen. Ichthyolsalben, später von 


der Erwägung ausgehend, dass vielleicht eine latente Syphilis den Gelenksprozessen zu Grunde liegen 
könnte, graues Pflaster, innerlich durch längere Zeit abwechselnd Jodnatrium und Protojoduretum 
Hydrargyri brachten ebenfalls keine dauernde Besserung. Im Sommer 1904 brachte die Kleine drei 
Monate im Seehospiz zu St. Pelagio zu Bei der Rückkehr zeigte sich eine ausgesprochene Ver- 
schlechterung des Zustandes im Vergleiche zum Frühjahr, doch schon nach kurzer Zeit besserte sich 
wieder der Gelenksprozess. 

Derzeit ist die Patientin 98 cm gross, Bewegungen des Kopfes sind bis auf die Streckung 
nach hinten, die nicht vollkommen gelingt, frei. Die oberen Extremitäten zeigen keine für das Auge 
bemerkbare Veränderungen der Ellbogengelenke, noch immer deutliche, und mit den bei der ersten Unter- 
suchung erhobenen identische Veränderungen der Hand- und Fingergelenke. 

Im März 1903, bald nach der ersten Untersuchung der Patientin, wurden in Doz. Dr. 
Kienböcks Röntgeninstitut Radiogramme von der linken Hand, vom rechten Knie, Unter- 
schenkel und Fussgelenke angefertigt. Der radiographisch-anatomische Befund lautet: 

Der Radius in seinem mittleren Diaphysenanteile etwas stärker gekrümmt; die Struktur 
- beider Vorderarmknochen überaus deutlich, so dass der Verlauf der Knochenbälkchen schärfer 
als gewöhnlich zutage tritt. Der Knochenschatten im allgemeinen heller. Die Kompakta der 
Vorderarmknochen etwas durchsichtiger, aufgefasert und etwas verdünnt. An den Epiphysen- 
zonen der Vorderarmknochen nichts Abnormes, speziell keine osteochondritischen oder rhachi- 
tischen Veränderungen. 


Sekundäre Wachstumsstörungen nach chronischem Gelenkrheumatismus im. Kindesalter. 427 - 


In dem Bilde des Handgelenkes wird durch Ausbuchtung des Hautkonturs die Schwellung 
der Gelenksgegend angezeigt. Die Handwurzelknochen selbst erscheinen, sowie das übrige 
Skelett, stark in ihrem Schatten aufgehellt, ihre Struktur deutlich, die Randkonturen als etwas 
dunklere Linien, der Hintergrund, von dem sich die Knochenschatten nicht gut abheben, ver- 
dunkelt. Die Metakarpi und die Phalangen zeigen normale Formen, ihre Diaphysenenden und 
Epiphysen stark aufgehellt und von deutlichster Struktur, so dass der Verlauf der Knochen- 
bälkchen sich überaus schön erkennen lässt; die Kompakta auch hier verdünnt und stellenweise 
aufgefasert, wie aus mehreren Schichten bestehend. Die Weichteilschatten der Finger lassen 
die im klinischen Bilde erwähnten Schwellungen der Finger erkennen; eine leise Verstärkung 
der Schatten um die Interphalangealgelenke deutet den Gelenkprozess an. 

Ausser diesen Einzelheiten verdient noch das Stadium der Ossifikation Beachtung. 
Von den Handwurzelknochen zeigen grosse Knochenkerne das Os capitatum und Os triquetrum, 
mittelgrosse das Os hamatum und Os lunatum, kleine Kerne des Scaphoideum, Multangulum ma- 
jus und minus; ein grosser Kern ist in der Radiusepiphyse, kein Kern in der Ulnaepiphyse zu 
sehen. Dieses Stadium der Ossifikation entspräche nach Kienböcks Erfahrungen beiläufig dem 
siebenten Lebensjahre?). l 

An den Radiogrammen der unteren Extremität tritt die starke Schwellung der Knie- 
gelenksgegend und die Abmagerung des Unterschenkels deutlich hervor. Die Muskelatrophie 
wird durch den unscharfen, breit wellenförmigen Rand des schmalen Muskelschattens kenntlich. 
Tibia und Fibülaschatten zeigen eine Verschmälerung der Kompaktazone, eine in den Endpartien 
überaus deutliche Aufhellung des ganzen Knochenschattens, eine ungewöhnlich deutliche Struktur- 
zeichnung in der ganzen Länge der Knochen; die Abschlusslinie des Diaphysenschattens gegen 
die Epiphysenfuge ist eine wellige zarte Linie, zu welcher parallel in der Nähe gewellte 
Schattenstreifen in mehrfacher Zahl ziehen (diskontinuierlich verzögertes Wachstum). Diese 
Veränderungen sind an dem oberen und unteren Ende der Tibia, an dem unteren Ende der 
Fibula (das obere Ende der Fibula trägt noch keinen Epiphysenkern) und an dem unteren 
Femurende zu sehen. Was die Knochendimensionen anbelangt, erscheinen Tibia und Fibula 
in ihren mittleren Anteilen leicht verschmilert. Der Tibiaschatten ist 181/, cm lang, der 
Unterschenkel (Knie bis Sohle) 23 cm (normale Länge 257/, cm). Die Unterschenkelknochen 
zeigen einen vollkommen geradlinigen Verlauf. | 

Am Sprunggelenk tritt eine sehr starke Aufhellung der Knochenschatten, eine überaus 
deutliche Zeichnung der Struktur und eine zartlinige, helle Umgrenzung der einzelnen Schatten 
zutage. Die einzelnen Knochen zeichnen sich als blasige Gebilde vom wenig dunkleren Weich- 
teilschatten ab. Auch hier entsprechen die Ossifikationsverhiltnisse ungefähr dem siebenten 
Lebensjahr. 

Wir haben es in vorliegendem Falle mit einer akut einsetzenden, allmählich fast alle 
Extremitätengelenke und ein oder mehrere Vertebralgelenke betreffenden Gelenkserkrankung 
zu tun, die mit Schmerzhaftigkeit, Deformation, hauptsächlich infolge Flüssigkeitsergusses, und 
Funktionshemmung einhergeht und einen chronisch-rezidivierenden und progressiven Verlauf 
nimmt. Das klinische Bild und der Verlauf der Erkrankung deckt sich vollkommen mit dem, 
bei Erwachsenen häufigeren, im Kindesalter relativ seltenen Typus der chronischen Poly- 
arthritis (chronischer Gelenkrheumatismus), von der ältere Anschauungen die Arthritis deformans 
trennen, neuere stufenweise Übergänge zum deformierenden Gelenkrheumatismus finden. 

Bevor wir uns jedoch entschliessen, die mitgeteilte Beobachtung rundweg zur chro- 
nischen Polyarthritis zu zählen, ist ein ätiologisches Moment multipler Gelenkserkrankungen 
in Erwägung zu ziehen, das eine gewisse Sonderstellung verlangt, die eventuelle luetische, sc. 


1) Auch ein Vergleich mit der Abbildung No. 9 Tafel IL in „Wilms und Sick: Die Entwicklung 
der Knochen der Extremitäten (Hamburg 1902)“ liesse nach dem Radiogramm auf das siebente Lebens- 
jahr schliessen, wobei jedoch das Vorkommen beträchtlicher individueller Schwankungen zu berück- 
sichtigen ist. 

54* 


428 Neurath. 


hereditär-luetische Basis der Affektionen. In klassischer Form Fournier, und in letzter Zeit 
Hochsinger haben das Zustandekommen solcher multipler chronischer Arthropathien auf 
hereditär-syphilitischer Grundlage betont, und der objektive Befund einiger Fälle, die Hoch- 
singer bei Kindern jenseits der Grenze des Säuglingsalters beschreibt, deckt sich bis ins 
kleinste Detail mit unserem Falle Was uns aber veranlassen muss, die hereditäre Lues in 
unserem Falle auszuschliessen, ist der akute Beginn, die Schmerzhaftigkeit, das Fehlen aller 
speziellen anamnestischen Einzelheiten und das Versagen der in Anwendung gekommenen anti- 
luetischen Medikation. Die beschriebene Narbe an der Stirne der Patientin und die eigenartig 
gestaltete Nase sind somatische Befunde, die im Rahmen einer anderen Krankengeschichte für 
Syphilis verwertet werden könnten, für sich allein aber kaum in Betracht kommen können. 

Für die Annahme einer postinfektiösen Polyarthritis als Folge einer überstandenen 
Scarlatina, eines Typhus etc. liegt kein Moment vor, auch die gonorrhoische Natur der Affektion 
erscheint ausgeschlossen. Und so können wir mit Fug und Recht in unserem Falle von einer 
sogenannten rheumatischen chronischen Polyarthritis sprechen. 

Der chronische Gelenkrheumatismus zeigt besonders in den relativ selten verzeichneten 
Beobachtungen bei Kindern vielfach Übergänge zur deformierenden Arthritis. Moncorvo, 
Spitzy, Reiner konnten die Entwicklung der Arthritis deformans aus dem Bilde der chro- 
nischen Arthritis verfolgen, Reiner beide Prozesse an einem Individuum feststellen. Konform 
den Anschauungen neuerer Autoren lässt sich nach unserem Dafürhalten eine Sonderung beider 
Formen in ätiologischer oder klinischer Hinsicht nicht durchführen. Gegen eine solche 
Trennung scheint auch das Unvermögen zu sprechen, rein klinisch immer den deformierenden 
Charakter des Gelenksprozesses festzustellen. Radiologische Untersuchungen zeigen, dass öfters 
Kapselverdickungen, Sehnenscheidenergüsse und Kontrakturen eine Deformation der Gelenks- 
enden der Knochen vortäuschen können (Spitzy). 

Im klinischen Verlaufe unseres Falles sind Einzelheiten, die besonders hervorgehoben 
werden sollen. Zunächst der akute Beginn und der chronisch-recidivierende Ablauf der Krank- 
heit. Unter den bisher beschriebenen Fällen der chronischen Polyarthritis des Kindesalters 
kehrt dieser Wechsel von Besserung und Verschlechterung oft wieder, und Moncorvo und 
Reiner halten ihn geradezu für eine Kigentiimlichkeit der Krankheit in den ersten Lebensjahren. 

Was Zahl und Reihenfolge der befallenen Gelenke anbelangt, ist die Multiplizität der 
Arthritis und der Beginn an den unteren Extremitäten ein häufig wiederkehrender Befund in 
der Kasuistik der infantilen chronischen Polyarthnitis. Die Lokalisation in den Wirbelgelenken 
der Halswirbelsäule scheint besonders ein Charakteristikum der Krankheit im Kindesalter zu 
sein. Haushalter, Olinto, Koplik, Lachmansky, Hoppe-Seyler, Kienböck beobachteten 
sie in ihren Fällen. Die in der Kasuistik oft hervorgehobene Beteiligung der Kiefergelenke 
und die danach manchmal die Erscheinung tretende Rückständigkeit im Wachstum des Unter- 
kiefers zeigte unser Fall nicht. 

Die objektiven Symptome der Gelenkveränderungen traten als Schwellung, Schmerz- 
haftigkeit, Funktionshemmung und Schwirren und Knarren bei Bewegungen auf. Wir müssen 
aus diesen Erscheinungen auf einen exsudativen Gelenksprozess, cine Arthromeningitis, mit 
sekundären Strukturveränderungen des Kapsel- und Bandapparates schliessen, welch letztere die 
durch die Arthritis selbst herbeigeführte Funktionsstörung noch mechanisch vermehren. Im 
Dauerzustand der Krankheit, nach Ablauf der initialen Attacke und beim Fehlen einer even- 
tuellen Exacerbation bestand die Funktionshenmung in einer Einschränkung des normalen Ex- 
kursionswinkels der Extremitätenabschnitte. Unsere Beobachtung repräsentiert einen verhältnis- 
mässig frühen Akt der chronischen deformierenden Polyarthritis. Noch ist der Prozess nicht 
in jenes Stadium gelangt, in welchen stärkere Deformitäten der Gelenkskörper, dauernde Kon- 
trakturstellungen der Extremitäten, bindegewebige oder gar knöcherne Ankylosen die Dauer- 
zustände bilden. Für eine graduelle Kontinuität solcher Affektionen mit den Befunden unseres 
Falles bringen Beobachtungen, wie die Spitzys, Reiners, Haushalters, Kienböcks die 


Sekundäre Wachstumsstörungen nach chronischem Gelenkrheumatismus im Kindesalter. 429 


Beweise; es lassen sich anamnestisch für solche hochgradige Verkrüppelungen des Körpers 
Krankeitsstadien in Erfahrung bringen, die unseren Befunden vollkommen gleichen. 

Von Interesse sind aber in unserem Falle ganz besonders trophische und Wachstums- 
störungen, die alle Gewebe, Haut, Muskulatur und Knochen betreffen. Die blasse, zu starken 
Schweissen neigende Hautdecke zeigt auffallend dichtstehende Behaarung, besonders an den 
Vorderarmen und Unterschenkeln. Die atrophische Muskulatur erhöht den Kontrast zwischen 
der Umfangszunahme der Gelenkspartien und den dünnen Diaphysenabschnitten der Extremi- 
täten. Die Muskelatrophie kommt auch im Radiogramm zum Ausdruck als unscharfer, grob- 
gezackter Kontur und heller, ungleichmässiger Ton des Muskelschattens. 

Die wichtigsten Dienste leistet uns jedoch das Radiogramnı bei Analyse der Knochen- 
veränderungen. 

Wir finden: eine für das Alter der Patientin sehr vorgeschrittene Ossi- 
fikation, weiters hinter den Normalmassen des Alters zurückbleibende Knochen- 
dimensionen, eine Herabsetzung der Intensität des Knochenschattens!) und eine schärfere 
Zeichnung der Knochenstruktur. 

Wie schon hervorgehoben, entsprechen die Ossifikationsverhältnisse nach dem im 
5. Lebensjahre aufgenommenen Radiogramme einer Altersstufe von circa 7 Jahren. Es liegt 
wohl am nächsten, für diese Beschleunigung des Verknöcherungsvorganges direkt den in der 
nächsten Nähe der Ossifikation bestehenden Entzündungsprozess verantwortlich zu machen. 

Die Extremitätenknochen erscheinen dünner und kürzer als der Norm entspräche. 
Dadurch ist die klinisch erhobene Kleinheit der Extremitäten und das zurückgebliebene 
Grössenwachstum des Kindes erklärt. Rein klinisch ist eine Beurteilung der Dimensionen 
der Extremitäten und ihrer Abschnitte recht schwierig. Es liegen bisher nur wenige Unter- 
suchungen über die Normalmasse vor. Die wechselnde Entwickelung des Fettpolsters und der 
Muskulatur, die Schwierigkeit, die Masspunkte sicher zu fixieren, machen die Anwendung des 
Bandmasses fast illusorisch. Verlässlich richtige Zahlen könnte die unseres Wissens bisher 
nicht in Verwendung gekommene Messung der Knochen im Röntgenbilde geben, und wäre die 
systematische Bestimmung aller Normalzahlen eine dankenswerte Aufgabe. 

Möglichst genaue Messungen mit dem Bandmasse ergaben in unserem Falle folgende 
Körpermasse: 


Oberarm 18 cm (22.8) 
Vorderarm 14 „ (24.5) 
Hand: 12 „ (13.1) 
Unterschenkel 21 , (28.6) 
Fusslänge 15 „ (17.6) 


Die in Klammern beigesetzten Zahlen giebt Zeising (nach Baur) für 6— 9 jährige 
Kinder an. 

Das 7jährige Kind ist 98 cm gross. Schmid-Monnard berechnete aus 102 Körper- 
messungen als Durchschnittslänge für Mädchen im 7. Jahre 115.2 cm, Bowdich für Mädchen 
von 7—8 Jahren 115.6 cm, A. Key 116 cm. Die Höhe von 98 cm entspräche nach Quetelet 
einem Alter von 5, nach Zeising von 4 Jahren. 

Die Verdünnung und Verkürzung der Knochen, die Herabsetzung der Intensität des 
Knochenschattens und die schärfere Zeichnung der Knochenstruktur sind Symptome einer 
pathologischen Änderung des Knochengefüges, die wir als eine Knochenatrophie auffassen 


1) Bei Beurteilung der Intensität des Knochenschattens ist der Härtegrad der Röhre zu berück- 
sichtigen; bei härteren Röhren erscheinen die Schatten lichter. In unserem Fall ist die Helligkeit durch 
Atrophie bedingt, es kam eine ziemlich weiche Röhre bei den Aufnahmen zur Verwendung; überdies ver- 
vollständigt die Auffaserung und Rarefikation das Bild der Atrophie. 


430 Neurath. 


müssen. Auch diese sekundären Erscheinungen der chronischen Polyarthritis sind seit Ein- 
führung der Radiologie in die klinischen Untersuchungsmethoden unserer Erkenntnis näher 
gerückt. Spitzy aus der Klinik Escherichs in Graz, Johannessen, Reiner, Kienböck 
und Hoppe-Seyler haben ihre Fälle von im Kindesalter begonnener Erkrankung auch radio- 
logisch untersucht. Spitzy konnte konstatieren, dass die vorgetäuschten knöchernen Ankylosen 
seiner Beobachtung sich radiologisch als durch Bindegewebssynechien, Epiphysenlösung und 
Muskelkontrakturen bedingte Sperrung der Gelenke bedingt zeigten; es lassen die Reproduktionen 
seiner Radiogramme dieselbe Aufhellung der Knochenschatten, dieselbe blasige Gestaltung der 
Fusswurzelknochen wie unser Fall erkennen. 

Johannessen berichtet über drei Fälle, deren erster, gleich im Beginn chronisch ein- 
setzend, starke Verbildung der Gelenke, Krepitation bei Bewegungen, Kontrakturen und schiefe 
Stellung der Artikulation erkennen liess. Anatomisch ergab sich Vaskularisation des Gelenk- 
knorpels und Übergang desselben in Bindegewebe. Der zweite Fall entwickelte sich aus einer 
akuten Polyarthritis unter Nachschüben und führte zu raschem Fortschritt der Muskel- und 
Knochenatrophie Anatomisch fand sich eine chronische, rein exsudative Arthritis. Der dritte 
Fall stand klinisch dem ersten nahe. Die Radiogramme der ersten zwei Fälle zeigen die in 
unserer Beobachtung zutage tretenden Einzelheiten der Knochenatrophie. 

Reiner bringt drei interessante, klinisch und radiologisch sorgfältig untersuchte Fälle, 
die als Charakteristika eine chronische Entwickelung mit akuten Nachschüben, eine Betheiligung 
aller grossen und kleinen Extremitätengelenke, eine hochgradige konzentrische Atrophie, resp. 
periostale Hypoplasie der langen Röhrenknochen, starke Veränderungen an den Epiphysen 
zeigen. Reiner findet die Dimensionen der Knochen unter den dem Alter zukommenden 
Massen, so dass man mit der Annahme einer einfachen Sistierung des weiteren Diekenwachstums 
kaum das Auslangen finden kann. Zur Erklärung wäre neben der Inaktivitätsatrophie auch 
die sogenannte reflektorische Atrophie m Erwägung zu ziehen; aber auch eine unmittelbare 
Kontinuität zwischen Gelenksprozess und Periost kommt vielleicht in Betracht. 

Hierher gehört weiters en von Kienböck in der Wiener Gesellschaft für innere 
Medizin am 5. Juni 1902 demonstrierter Fall von infantilen, fast generalisierten knöchernen 
Ankylosen mit hochgradiger Wachstumshemmung, Hypoplasie des gesamten Skelettes, be- 
deutender Muskelatrophie und myxödemartigem Zustand des Unterhautzellgewebes und der 
Haut, eine 32jährige Patientin betreffend, deren Krankheit im 7. Lebensjahre begonnen hatte. 
An den Fingern waren neben Ankylosen auch Schlottergelenke ausgebildet. Die Hemmung 
des Längen- und Dickenwachstums der Röhrenknochen, die Porose der Spongiosa, die Muskel- 
atrophie und Hautdystrophie ist Verf. geneigt, als arthrogen aufzufassen. 

Schliesslich finden wir bei Hoppe-Seyler einen Fall von Enwickelungshemmung der 
Extremitäten nach Gelenkrheumatismus; die Krankheit hatte im 7. Lebensjahre eingesetzt, die 
Patientin starb mit 23 Jahren. Im Gegensatze zur Ansicht Reiners, der mit einer einfachen 
Sistierung des Wachstums zur Erklärung der rückständigen Knochendimensionen nicht auskommt, 
nimmt Hoppe-Seyler an, dass die Extremitätenknochen in dem Zustand geblieben sind, in 
welchem sie zur Zeit bestanden, da die Krankheit von den Gelenken auf die Epiphysen übergriff. 

Unser Fall erinnert insofern an die Beobachtung Kienböcks und an die Hoppe- 
Seylers (der Kienböcks Fall nicht kannte), als, obwohl unsere Kranke nicht so hochgradig 
deformierende Gelenksveränderungen zeigte, doch die Weichtheilsatrophie, die Aufhellung der 
Knochenschatten und die deutlichere Strukturzeichnung sehr ausgeprägt ist und eine vorge- 
schrittene Knochenatrophie schon circa ein halbes Jahr nach Einsetzen der Krankheit sicher 
ist. Und die zu dieser Zeit angefertigten Radiogramme lassen schon ein Zurückbleiben oder 
einen Rückgang der Dimensionen der Extremitätenknochen erkennen, wiewohl für eme zahlen- 
mässige Beurteilung leider keine Normalmasse zur Verfügung stehen. Solche hätten, auch bei 
Fortfall der erwähnten technischen Schwierigkeiten, auch aus dem Grunde nur bedingten Wert, 
weil neben dem physiologischen Wachstum und seinen Komponenten auch eine gewisse ange- 


-= Sekundäre Wachstumsstörungen nach chronischem Gelenkrheumatismus im Kindesalter. 481 


stammte Wachstumsenergie in Betracht kommt, für deren Schätzung die Körpergrösse der Eltern 
und eventuellen Geschwister herangezogen werden könnte. 

Die Eltern unserer Kranken sind mittelgross. Für den derzeitigen vorläufigen Abschluss 
der Beobachtung zeigt die Körperhöhe des Kindes 98 cm, im Vergleich zum Durchschnittsmass 
ein Minus von 12—15 cm, die Summe der Massdifferenzen der Knochen der unteren Extremi- 
täten und vielleicht der Wirbelkörper. 

Für die Erklärung unserer Knochenbefunde genügt eine reine Inaktivitätsatrophie sicher 
nicht. Die gefundenen Entwickelungsstörungen der Haut, der. Muskulatur und der Knochen 
aus dem Funktionsausfall zu erklären, hindert die vielleicht herabgesetzte, sicher nicht aufge- 
hobene Aktivität, weiters der Vergleich mit anderen Affektionen (Frakturen), deren Folge oft 
länger dauernder Funktionsausfall, nie aber derartig hochgradige Atrophie ist. 

Ob die vorgeschrittene Ossifikation, wie sie in den Knochenschatten der Handwurzel- 
knochen zutage tritt, zu der Entwickelungshemmung der Extremitätenknochen in einer kausalen 
Beziehung steht, und in welcher, ist nicht zu erweisen; es scheint jedoch die Entwickelungs- 
hemmung der Weichtheile mit der der Knochen auf eine gemeinsame Basis bezogen 
werden zu sollen. Aus diesem Grunde möchten wir der Annahme, die auch Reiner in Er- 
wägung zieht, dass vielleicht ein direktes Übergreifen des Reizprozesses vom Gelenksknorpel 
auf das Periost in Betracht käme, nicht beipflichten. In einem solchen Falle wäre ja auch 
eine — wenigstens initiale — Steigerung der periostalen Ossifikation, und weiters eine von der 
Diaphysenmitte gegen die Epiphyse um so stärkere Alteration der Ossifikation zu erwarten, je 
näher wir der Epiphysenfuge kommen, ähnliche Verhältnisse, wie wir sie oft bei hereditär- 
syphilitischen Periostprozessen finden. | 

Eine weit grössere Bedeutung scheint uns die reflektorische Atrophie für die Er- 
klärung derartiger „arthrogener“ Entwickelungshemmungen der: Weichtheile und der Röhren- 
knochen zu haben. Die Auffassung dieser Hemmungen als trophischer Störungen sucht 
Schuchardt durch Hinweis auf die Versuche Vallats zu stützen, der schon 24 Stunden naclı 
Erzeugung einer arteficiellen Arthritis beim Tiere eine deutliche (quantitative) Atrophie der 
benachbarten Muskeln fand. Paget und Vulpian, Charcot u. a. geben der Vermutung 
Ausdruck, dass die Muskelatrophie ebenso wie gewisse andere Trophoneurosen der Haut und 
der Knochen die Folge eines auf reflektorischem Wege von den trophischen Zentren des Rücken- 
markes ausgelösten Reizes seien. Beweise dieser Theorie sieht Schuchardt in den von Hoffa 
bestätigten Versuchen von Raymond und Deroche, die ein Ausbleiben der Reflexatrophie 
fanden, wenn bei einem bestehenden Gelenksprozess der Reflexbogen an irgend einer Stelle unter- 
brochen wird, beim Kniegelenk z. B. durch Durchschneiden der hinteren Rückenmarkswurzeln. 

Grundbedingung für das Zustandekommen solcher Wachstumshemmungen ist das jugend- 
liche Alter vor Abschluss des Knochenwachstums. 

Häufigere gründliche klinische Untersuchungen einschlägiger Fälle, Fixierung der 
Normalzahlen der verschiedenen Altersstufen und experimentelle Studien könnten in die be- 
rührten ungeklärten Fragen Licht bringen. 


Litteratur. 


Baur, A., Das kranke Schulkind. Stuttgart, 1902. 

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Hoppe-Seyler, G., Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 75. 

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432 Berger. 


Koplik, H., Arch. of Pediatries IHI. 1896. 

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Moncorov, Rev. mens. des mal. de l’enfance. 1901. 

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Quetelet, A., bei Vierordt. 

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Schmid-Monnard, eit. bei Baur. 

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Spitzy, H., Jahrbuch f. Kinderheilkunde. 49. Bd. 189. 

Vierord, H., Anat. phys. u. physik. Daten und Tabellen. Jena 1893. 
Zeising, cit. bei Vierordt. l 


Das „System“ Dessauer. 
Von 
Ingenieur W. Berger in Erlangen. 


Die Art und Weise, in welcher Herr Dessauer in Aschaffenburg für sein „System“ 
Reklame macht, hat mich veranlasst, einmal praktische vergleichende Versuche mit einem 
grossen und einem Dessauerschen Induktor, sowie auch Vergleiche zwischen diesem und anderen 
kleinen Induktoren anzustellen, 

Was behauptet nun Herr Dessauer eigentlich? Herr Dessauer behauptet in mehreren 
von ihm stammenden Artikeln in den Fortschritten auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, in 
der Zeitschrift für Elektrotherapie etc. und ausserdem in verschiedenen Vorträgen, so z. B. in 
einem Vortrag, gehalten im Elektrotechnischen Verein zu Frankfurt a/M. am 12. Februar 
1902, dass seine kleinen Induktoren den grossen Induktoren, welche von anderen Firmen her- 
gestellt werden, in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Schonung der Röntgenröhren überlegen 
oder doch mindestens ebenbürtig seien. 

Weiter behauptet Herr Dessauer, dass seine Induktoren eigentlich keine Induktoren, 
sondern ganz besondere Apparate, nämlich „Hochspannungstransformatoren“ seien. Schliesslich 
sucht er durch Wort und Schrift den Glauben zu erwecken, als läge den von dem elektro- 
technischen Institut in Aschaffenburg hergestellten Röntgeneinrichtungen ein besonderes 
„System“ zu Grunde, welches hauptsächlich durch die besondere Bauart seines kleinen Induk- 
tors gekennzeichnet sei. | 

Die von mir angestellten praktischen Versuche mussten sich also auf folgende Punkte 
erstrecken: 

1. Vergleich der effektiven Leistung eines grossen und des Dessauerschen Induktors 
bei gleicher Primärstronstärke, Verwendung des gleichen Unterbrechers bei gleicher Unter- 
brechungsfrequenz und Benützung em und derselben Röhre. 

2. Vergleich der Schliessungsinduktion bei Verwendung einer weichen Röntgenröhre 

3. Vergleich der Schliessungsinduktion bei gleicher Funkenlänge, gleicher Primär- 
stromstärke und gleicher Unterbrechungsfrequenz. 

4. Vergleich des Unterbrechuugsfrequenz-Maximums bei Beobachtung der Primär- 
stromstirke. 

5. Vergleich der Helligkeit der Durchleuchtungsbilder. 

6. Vergleich des erzielten photochemischen Effektes bei gleicher Expositionszeit und 
gleicher Primärstromstärke. 

7. Vergleich der Bauart beider Induktoren. 

Aus der Zusammenstellung der Resultate soll dann hervorgehen, inwieweit die Be- 
hauptungen Dessauers gerechtfertigt sind, woraus wiederum die Konsequenzen für die prak- 
tische Verwendbarkeit grosser und kleiner Röntgenapparate, insbesondere der Apparate von 


Das „System“ Dessauer. 433 


Dessauer zu ziehen wären. Die Frage der Handhabung der Röntgeneinrichtungen und des 
Preises derselben wäre hierbei auch mit in Rücksicht zu ziehen. 

Wenngleich die von mir angestellten Versuche in erster Linie den Physiker und In- 
genieur interessieren, so wird doch nicht zu leugnen sein, dass die Frage, ob grosse oder kleine 
Induktoren, vom Standpunkt des Physikers und Ingenieurs genau so betrachtet werden muss, 
wie vom Standpunkt des Arztes, auch die Preisfrage spielt für den Fabrikanten in gewissem 
Sinne dieselbe Rolle, wie für den Arzt. 

Ich beginne nun mit den eigentlichen Versuchsergebnissen: 

Die Spannung, welche für die ganze Versuchsreihe verwendet wurde, betrug 110 Volt. 
Es gelangte zur Verwendung ein Induktor von 50 cm Funkenlänge von Reiniger, Geb- 
bert & Schall, eingerichtet für Betrieb mit Wehnelt- und Quecksilber-Unterbrecher und aus- 
gerüstet mit veränderlicher Selbstinduktion der Primärspule und veränderlicher Kapazität des 
Kondensators. Die Regulierung des Induktorstromes erfolgte in jedem Fall durch Vorschalt- 
widerstände. Das Dessauersche Instrumentarium bestand aus einem kleinen Induktor, welcher 
maximal 18 cm Funkenlänge gab, und einem Wehnelt-Unterbrecher. Die Regulierung des 
Induktors erfolgte ebenfalls durch Vorschaltwiderstand. Hervorzuheben ist, dass der Dessauer’sche 
Apparat aus neuerer Zeit stammt, da der Regulierapparat mit dem sogenannten Etappen- 
schalter ausgerüstet ist; d. i. ein Schalter, welcher gestattet, einen Teil des Vorschaltwider- 
standes kurzzuschliessen. 

1. Vergleich der effektiven Leistung des grossen und kleinen Induktors bei gleicher 
Primärstromstärke und Benützung des gleichen Unterbrechers bei gleicher Unterbrechungs- 
frequenz und Benützung ein und derselben Röhre: Es ist zweifellos, dass die Stromstärke, 
welche durch die Röntgenröhre fliesst, ein direktes Mass für die Menge der erzeugten Röntgen- 
strahlen ist.) Ausgehend hiervon wurde die Leistung der Induktoren vergleichsweise durch 
Messung des Röhrenstromes mittels eines besonders konstruierten Milliamperemeters gemessen. 
Die Unterbrechungszahl betrug in beiden Fällen ca. 20 pro Sekunde, die Primärstromstärke 
10 Ampere. Es wurde eine Müllersche Wasserkühlröhre von 200 mm Kugeldurchmesser ver- 
wendet, von der anzunehmen ist, dass sie sich während der kurzandauernden Belastung in 
ihrem Härtegrade nicht ändert. Mit der Wehneltschen Härteskala, welche auf dem Prinzip 
des Benoistschen Chromoradiometers beruht, liess sich auch leicht kontrollieren, dass sich die 
Härte der Röhre zwischen den vergleichenden Versuchen tatsächlich nicht änderte. Das In- 
strument zeigte 110 Skalenteile an, was gleichbedeutend ist dem Härtegrade einer mittelweichen 
Beckenröhre. 

a) Dessauer-Apparat — 0,2 Milliampére. 

b) 50 cm-Induktor von Reiniger, Gebbert & Schall. 

Primär 4 Lagen hintereinander geschaltet — 0,1 M. A. 
” 3 n ” ” —1 ” 
» 2 „ und mit den beiden übrigen Lagen parallelgeschaltet — 0,8 M. A. 
» alle 4 Lagen parallel geschaltet — 0,5 M. A. 

Hieraus geht hervor, dass bei einer bestimmten Schaltung des Induktors, 
welche dem Härtegrade der eingeschalteten Röntgenröhre am besten entspricht, 
das Maximum der Sekundärstromstärke erreicht wird. Dieses Maximum ist acht- 
mal so hoch, als die Sekundärstromstärke bei Anwendung eines Dessauer Appa- 
rates ist. = 

2. Vergleich der Schliessungs-Induktion bei Verwendung einer weichen Röntgenröhre 

Hiernach wurde die gleiche Röhre auf ca. 70 Skalenteile des Wehneltschen Härte- 
messers gebracht, was dem Härtegrad „sehr weich“ entspricht. 


1) Siehe Archives d’électricité médicale, 25. Dez. 1904. Permettant de rendre identiques les 
Tubes a Rayons, Prof. d’Arsonval. 
Fortschritte a, d. Gebiete d. Réntgenstrahlen. VIII. 55 


434 Berger. 


a) 50 cm Induktor von R. G. S. 

Primärstromstärke 10 Ampère, ca. 100 Unterbrechungen per Sekunde, Schaltung „sehr weich“ 
(4 Lagen hintereinander), sekundär 4 M. A.: Es ist keine Spur von Schliessungslicht 
in der Röhre zu entdecken. 

b) Dessauer-Induktor, primär 15 Ampere, ca. 200 Unterbrechungen per Sekunde, 
sekundär 2 M. A.: 

Es sind deutlich Schliessungsringe auf der der Antikathode gegenüber 
liegenden Röhrenwandung zu bemerken. (Die Unterbrechungszahl wurde in grober An- 
näherung mittels eines Telephones, welches an Wechselstrom von 50 Perioden angeschlossen 
war, festgestellt). 

3. Vergleich der Schliessungsinduktion bei gleicher Funkenlänge, gleicher Primär- 
stromstärke und gleicher Unterbrechungsfrequenz. 

Es wurde nunmehr der grosse Induktor so geschaltet, dass seine Funkenlänge der- 
jenigen des Dessauer-Apparates sehr nahe kam. Es geschah dies durch Wahl der Gruppen- 
parallelschaltung. Der primäre Strom betrug bei beiden Apparaten 12 Ampere, Röhrenhärte 
70 Skalenteile (Wehnelt). 

a) Dessauer-Induktor; Unterbrechungszahl ca, 200, Sekundärstrom 1 M. A.: 
Schliessungslicht. 

b) R. G. S. Induktor: Sekundiirstrom 4,4 M. A. Kein Schliessungslicht. 

4. Vergleich des Unterbrechungsfrequenz - Maximums bei Beobachtung der Primär- 
stromstärke. 

a) bei offener Funkenstrecke 


a) R. G. S. Induktor, primär alle 4 Lagen hintereinandergeschaltet — 0,8 Milliampère, 
ca. 180 Unterbrechungen per Sekunde, 

primär 3 Lagen hintereinander — 1,1 Ampère, ca. 200 Unterbrechungen per Sekunde. 

primär 2 Lagen hintereinander und parallel mit den beiden übrigen Lagen geschaltet 
(Gruppenparallelschaltung) — 2 Anıpere ca. 230 Unterbrechungen. 

Primär alle 4 Lagen parallel geschaltet, — 6 Ampere, ca. 250 Unterbrechungen 
per Sekunde, 

B) Dessauer Induktor, primär — 8,5 Ampere, ca. 380 Unterbrechungen per Sekunde. 


Das Stromminimum, bei dem die Unterbrechungszahl infolge des unreinen Tones mit Hilfe des 
Telephones nicht mehr feststellbar ist, betrug 6 Ampere. Unter dieser Stromstärke arbeitete 
der Unterbrecher nicht mehr, er schlug um. 

Um nun auch konstatieren zu können, in welcher Weise sich das primäre Strom- 
minimum bei Einschaltung einer sehr weichen Röhre veränderte, wurde die Müllersche Wasser- 
kühlröhre auf 40 Wehnelt regeneriert, entsprechend einem Härtegrade, hei dem die Knochen 
und das Fleisch der Hand auf dem Leuchtschirm vollständig schwarz erscheinen, die Röhre 
aber noch die charakteristische Halbteilung aufweist. 

a) R. G. S. Induktor primär alle 4 Lagen hintereinander — 2 Ampere. 

b) D. Induktor 11 Ampere. 

Die niedrigste Stromstärke bei Verwendung des zuletzt genannten Apparates 
ist also mehr als fünfmal so hoch. 

5. Vergleich der Helligkeit der Durchleuchtungsbilder. 

Das Durchleuchtungsbild bei Verwendung des grossen Induktors ist wesent- 
lich heller, besonders dann, wenn die Röhre ziemlich’ weich war, in welchem Falle 
der Dessauersche Induktor wegen des ausserordentlich hohen Schliessungsstromes 
in der Röntgenröhre nicht bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit gebracht 
werden durfte Schon bei emem früheren Versuch, bei dem eine weiche Müllersche 
Wasserkühlröhre an den Dessauerschen Induktor angeschlossen wurde, schmolz die Glaswand, 
an der der Antikathode gegenüberliegenden Stelle, infolge der von der Antikathode auf die 


Das „System“ Dessauer. 435 


Glaswand treffenden, durch den Schliessungsstrom entstehenden Kathodenstrahlen nach: wenigen 
Sekunden. Die primäre Stromstärke betrug bei dem neuerdings angestellten Versuch unter 
Verwendung des Dessauerschen Induktors 15 Ampère, bei Verwendung des R. G. S. Induktors 
10 Ampere. Als massgeblich wurde das Durchleuchtungsbild, welches mit einer mittelweichen 
Röhre erzielt wurde, betrachtet. 

6. Vergleich des erzielten puotochemueeren Effektes bei gleicher Expositionszeit und 
gleicher Primärstromstärke. 

Als Objekt wurde das Schultergelenk eines mittelkräftigen Mannes gewählt (Wasser- 
kühlröhre von Müller, Härte 88 Wehnelt). 

a) R. G. S. Induktor Gruppenparallelschaltung, primär 12 Ampere, Abstand der Anti- 
kathode von der Platte 45 cm. Expositionszeit 1 Minute ohne Verstärkungsschirm. 

b) D. Induktor. Eine zweite Aufnahme mit diesem Apparat wurde unter völlig gleichen 
Bedingungen gemacht, nur dass bei gleicher Stromstärke die Anzahl der Unterbrechungen be- 
trächtlich höher war, die Bedingungen also günstiger lagen. | 

Beide Platten, die übrigens aus einem Paket stammten, wurden gemeinschaftlich ent- 
wickelt. Während die mit dem grossen Apparat hergestellte Platte ein kräftiges 
Bild mit guter Knochenstruktur erkennen liess, war die mit dem Dessauerschen 
Induktor hergestellte Aufnahme vollständig unterexponiert. 

7. Vergleich der Bauart beider Induktoren- 

a) R. G. S. Induktor. Die Hartgummiarmatur des Induktors bestand aus zwei in- 
einandergeschobenen Röhren, von denen die äussere Röhre 15 und die innere Röhre 
10 mm Wandstärke besass, zusammen also 25 mm. Da diese Wandstärke für die Durch- 
schlagsgefahr doppelt zu nehmen ist, so kommt bei voller Funkenlänge auf jedes cm 1 mm 
Wandstärke. Der Eisenkern der Primärspule war aus 0,5 mm starken weichen Dynamoblechen 
zusammengesetzt, die von einander durch Seidenpapier und Schellack isoliert waren. Der 
Durchmesser des Eisenkernes beträgt 60 mm, die Länge 1050 mm, die primäre Wicklung selbst 
bestand aus 4 Lagen, 2,4 mm Kupferdraht von je 200 Windungen. Die Anfänge und Enden 
aller Lagen führten zu einer Schaltvorrichtung, welche gestattet, die einzelnen Lagen durch 
Einsteckschieber beliebig mit einander zu verbinden. (Veränderliche Selbstinduktion nach Dr. 
Walter). Die Sekundärspule, als vielfach unterteilte Scheibenwicklung ausgeführt, war aus 
0,2 mm starkem Draht hergestellt und besass einen gesamten Widerstand von 21000 Ohm. 

b) Dessauer-Induktor. Die Hartgummiarmatur bestand aus einem 8 mm starken 
Rohr. Es entfällt also auf jedes Centimeter Funkenlänge bei 18 cm maximaler Länge etwas 
weniger als 1 mm Wandstärke. Der Eisenkern, welcher ebenfalls aus Dynamoblechen bestand 
war 450 mm lang und 40 mm stark, die Primärspule bestand aus 2 Lagen 2><3 mm Draht, 
von je 100 Windungen. Die Sekundärspule, als Scheibenwicklung ausgeführt, war aus 0,15 mm 
Kupferdraht hergestellt und betrug der Gesamtwiderstand 12500 Ohm. 


„Resumé.“ 


Das Resultat des vergleichenden Versuches ist allerdings sehr wenig günstig für den 
Dessauerschen Apparat, wenngleich es von vornherein nicht anders erwartet werden konnte. 

Ist Dessauer die Antwort auf die Aufforderung Dr. Walters, Beweise zu liefern, 
dass seine kleinen Induktoren mit einem einzigen Induktionsschlag mehr leisten, als ein grosser 
Induktor, schuldig geblieben, so dürfte der von mir angestellte Versuch bewiesen haben, dass 
umgekehrt der grosse Induktor mehr leistet. Unter den gleichen Bedingungen geht der acht- 
fache Strom durch die Röntgenröhre, wenn diese an den grossen Induktor angeschlossen wird. 
Damit ist zwar nicht gesagt, dass die Menge der erzeugten Röntgenstrahlen ebenfalls achtmal 


so gross ist, da es schliesslich doch Bel: völlig feststeht, dass der Strom direkt proportional der 
50 * 


436 Berger. 


Röntgenlichtmenge ist, soviel wird indess als feststehend erachtet werden, dass die Leistungsfähig- 
keit bezw. der Nutzeffekt eines grossen Apparates entschieden grösser ist, als die des Des- 
sauerschen Hochspannungstransformators. Die Induktoren bilden eben auch keine Ausnahme 
von dem für Transformatoren gültigen Gesetz, dass der grössere Apparat der leistungs- 
fähigere ist. Weiter dürfte durch den Versuch festgestellt sein, dass bei grossen Induktoren 
mit veränderlicher Selbstinduktion nach Dr. Walter die Spannung des sekundären Schliessungs- 
Induktionsstromes erheblich geringer ist. Es geht dies namentlich daraus hervor, dass bei 
gleicher Funkenlänge beider Apparate der kleine Induktor der ungünstigere ist. Ferner lassen 
sich sehr weiche Röhren, besonders solche, welche wie die Müllerschen Röhren eine dünn- 
wandige Glaskugel haben, mit dem Dessauerschen Induktor überhaupt nicht ohne Gefahr 
betreiben, dass die Kugel der Réntgenréhre perforiert wird, ein Schaden, der selbstverständlich 
überhaupt nicht zu kurieren ist. Es ist eigentlich ganz selbstverständlich, dass die Schliessungs- 
spannung, gleiche Funkenlängen der Induktoren vorausgesetzt (beim grossen Induktor durch 
entsprechende Schaltung der Primärspule zu erreichen), beim kleinen Induktor höher sein muss, 
da seine magnetische Trägheit kleiner ist und das magnetische Feld infolgedessen beim Strom- 
schluss viel rascher anwächst. Es ist aber doch interessant, diese rein theoretische Erwägung 
durch den praktischen Versuch unwiderleglich zu beweisen. 

Als grossen Vorzug seiner kleinen Apparate hat Herr Dessauer stets den Umstand 
geltend gemacht, dass die erreichbare Unterbrechungszahl des verwendeten Wehnelt- Unter- 
brechers infolge der geringen magnetischen Trägheit (geringe Selbstinduktion) dem Ideal 
eines konstanten Stromes möglichst nahe komme, dass es mit grossen Induktoren aber un- 
möglich sei, auch eine nur annähernd genügende Unterbrechungszahl herauszubekommen. 
Wie der Versuch lehrt, ist die Differenz zwischen dem Maximum der Unterbrechungsfrequenz 
bei beiden Apparaten aber nicht so beträchtlich, dass von einem Nachteil, sofern von einem 
solchen überhaupt dabei zu reden ist, gesprochen werden kann. Jeder Arzt wird zufrieden sein, 
wenn das Licht der Réntgenrdhre so ruhig ist, dass auf dem Durchleuchtungsschirm kein 
Flackern mehr zu sehen ist. 

Um bei photographischen Aufnahmen der Röhre in kurzer Zeit grössere Energie- 
mengen zuführen zu können, ist es nur notwendig, ein Instrumentarium zu haben, welches 
gestattet, der Röntgenröhre momentan grosse Energiemengen zuzuführen. Dessauer hat 
allerdings recht, wenn er sagt, dass das Ideal ein konstanter, der Röhre zugeführter Hoch- 
spannungsstrom sei, er vergisst nur, dass dieses Ideal mit dem Wehnelt- Unterbrecher infolge 
seiner üblen Eigenschaften in puncto Schliessungsspannung nicht zu erreichen ist. 

Die Unterbrechungszahl, bei der das Auge überhaupt noch den Eindruck des Inter- 
mittierens wahrnimmt, liegt aber bekanntlich unter 70 in der Sekunde; von einer zu geringen 
Unterbrechungszahl kann also bei Verwendung grosser Röntgenapparate und Betrieb durch den 
Wehnelt-Unterbrecher nicht die Rede sein. 

Dessauer hat des Öfteren auch behauptet, dass die Regulierung grosser Induktoren 
nur mit gleichzeitiger Stromvergeudung möglich sei. Der Versuch beweist das Entgegen- 
gesetzte. Das Stromminimum, welches beim Dessauerschen Induktor überhaupt erreichbar 
ist, beträgt mit offener Funkenstrecke 6 Ampere und bei Einschaltung einer weichen Röhre, 
sofern ein regelmässiger Betrieb aufrecht erhalten werden soll, gar 11 Ampere, während das 
Minimum des grossen zur Untersuchung gelangten Induktors auf 0,8 bezw. 2 Ampere fest- 
gestellt wurde. Ein Kommentar hierzu ist völlig überflüssig. 

Aus den ganzen Versuchsergebnissen ersieht jeder Eingeweihte auch sofort, dass die 
Helligkeit des Durchleuchtungsbildes, sofern es darauf ankommt, zu zeigen, was die Apparate 
leisten, bei Benützung eines grossen Induktors ganz bedeutend grösser sein muss, als bei 
einem kleinen Induktor; der Dessauer Induktor macht hiervon keine Ausnahme. Sehr weiche 
Röhren lassen sich mit dem kleinen Induktor, immer Wehnelt-Betrieb vorausgesetzt, tiber- 
haupt nur mit äusserster Vorsicht kräftig betreiben. 


Das „System“ Dessauer. 437 


Der Neuling und Laie wird allerdings geblendet werden, wenn er ein schönes ruhiges 
- Durchleuchtungsbild von einer gutgeeigneten Person im Dunkelzimmer mit dem kleinen Des- 
sauerschen Induktor sieht. Würde er das gleiche Objekt aber mit einer grösseren Einrichtung 
darnach durchleuchtet sehen, so würde er den grösseren Wert des grossen Induktors sofort 


erkennen. Eine brillante Durchleuchtung unter günstigen Umständen ausgeführt und ohne ; 


Vergleich mit anderen Apparaten beweist nichts. | 

Den besten Beweis der Überlegenheit des grossen Induktors gegenüber dem „Hoch- 
spannungstransformator“ von Dessauer giebt die angestellte photographische Aufnahme ein 
und desselben Objektes bei gleicher Expositionszeit und unter gleichen Bedingungen. 

Ich bin bereit, jedem Interessenten Abzüge von beiden Platten zur Verfügung 
zu stellen. 

Nun ist es zweifellos möglich, jede Aufnahme mit kleinen Induktoren zu machen, 
wenn nur genügend lange exponiert wird. Die Erkenntnis dieser Thatsache ist aber nicht, 
wie es fast scheinen will, geistiges Eigentum des Herrn Dessauer, sie war vielmehr längst 
vor dem Bekanntwerden des „Systems“ Dessauer jedem Eingeweihten geläufig. 

Von Wichtigkeit ist es, an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass in der Röntgen- 
praxis trotz der gegenteiligen Ansicht Dessauers Röhren verwendet werden, welche eine 
höhere Betriebsspannung zur kräftigeren Fluoreszens-Erregung verlangen, als die, welche 18 cm 
Funkenlänge entspricht. Namentlich bei Kopfaufnahmen von erwachsenen Personen und Be- 
handlung der Leukämie mittels Röntgenstrahlen tritt an den Röntgenologen die Notwendigkeit 
heran, ziemlich harte Röhren zu verwenden und dann reicht der Dessauersche Apparat nicht aus. 

In neuerer Zeit soll Dessauer Induktoren von etwa 25 cm Funkenlänge liefern, wahr- 
scheinlich hat er die Unzulänglichkeit der 18 cm Apparate selbst erkannt. 

Trifft dies zu, so setzt er sich damit in direktem Gegensatz zu seiner Behauptung, dass 
die grossen, nach der Vorschrift von Walter!) gebauten Induktoren eine zu hohe Funkenlänge 
aufwiesen, denn Walter hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass 25 cm zum Betreiben selbst - 
der härtesten im praktischen Gebrauche vorkommenden Röntgenröhren hinreiche und dem- - 
zufolge die Bedingung gestellt, dass alle Induktoren, gleichviel welche äusseren Dimensionen 
sie besitzen, so abzustimmen seien, dass sie bei Betrieb mit dem Wehnelt-Unterbrecher nicht 
mehr oder doch nicht wesentlich mehr als 25 cm bei Wahl der geringsten primären Selbst- 
induktion schlagen. 

Aber selbst wenn Dessauer jetzt Induktoren von 25 cm Klemmenabstand liefert, so 
kann die Leistungsfähigkeit derselben wegen der ungünstigeren Eisen- und Kupferverhältnisse 
nicht im entferntesten derjenigen grosser Induktoren mit gleicher Funkenlänge gleichkommen. 
Ein Blick auf die vorhergehende Versuchsreihe, welche den gewaltigen Unterschied zwischen 
einem 18 cm und einem nach Walter abgestimmten 50 cm Induktor beweist, lässt dies un- 
zweifelhaft erkennen. 

Was weiter die vielumstrittene Regulierfahigkeit anlangt, so beweist der Versuch, 
dass der kleine Dessauer-Induktor mit Strom unter 6 Ampère nicht arbeitet. Über 15 Ampere 
können andererseits aber auch nicht zur Anwendung gelangen, da dies weder der Induktor 
nach dem Querschnitt der primären Wicklung und der Masse des Eisenkernes, noch die ver- 
hältnismässig dünnen Spiralen des Vorschaltwiderstandes vom Apparat vertragen. 

Anders die grosse Réntgeneinrichtung: Der primäre Strom kann zwischen 0,8 und 
30 Ampère variiert werden, ohne einerseits die Regelmässigkeit der Unterbrechungen des elektro- 
lytischen Unterbrechers zu beeinträchtigen und andererseits den Induktor oder deu Vorschalt- 
widerstand des Regulierapparates zu überlasten. 

Hinzu kommt die in ihrer Wirkung ausgezeichnete veränderliche Selbstinduktion der 
Primärspule: Bei dem Vorhandensein dieser Reguliermethode ist es nicht nur möglich, mit sehr 


1) Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen, Band IV: Über einige Verbesserungen im 
Betriebe des Induktionsapparates, Dr. B. Walter. 


438 Berger. 


geringen Strömen zu arbeiten und dadurch an Stromkosten zu sparen, sondern auch den für die 
Röntgenröhren so schädlichen Schliessungsstrom ohne Zuhilfenahme anderer unvollkommener 
Mittel zu unterdrücken und so die Lebensdauer der teuren Röhren ausserordentlich zu verlängern. 

Der grosse [Induktor ist in der Regel für abwechselnden Betrieb durch Wehnelt- 
und Quecksilberstrahl- Unterbrecher eingerichtet, da diese Betriebsart hinsichtlich des Strom- 
verbrauches, der Betriebsbereitschaft, der Schonung der Röntgenröhren und der Leistungs- 
fähigkeit des Instrumentariums sich allen anderen Betriebsarten gegenüber überlegen erwiesen 
hat. Der Wehnelt- Unterbrecher eignet sich infolge seiner hohen Leistungsfähigkeit gut für 
photographische Aufnahmen und kurz anhaltende, besonders helle Durchleuchtungen, während 
der Quecksilberstrahl-Unterbrecher für Therapie und längere Zeit anhaltende Durchleuchtungen 
geeigneter ist. 

Auf kleine Induktoren lässt sich diese Betriebsart nicht gut übertragen, da die mit 
dem Quecksilberstrahl- Unterbrecher erzielten Resultate nur sehr unvollkommene sein würden. 

Dabei ist die Handhabung der grösseren Einrichtung, sofern diese zweckentsprechend 
konstruiert ist und keine überflüssigen Instrumente enthält, durchaus nicht viel komplizierter 
als eine Einrichtung von Dessauer; em Griff schaltet den Strom ein, ein zweiter reguliert ihn. 
Die Wahl der richtigen Selbstinduktion kann wohl kaum als wesentliche Komplikation ange- 
sehen werden. 

Wer nur einmal eine gute grössere Röntgeneinrichtung in Bezug auf Regulierfähigkeit 
mit dem Dessauer-Apparat verglichen hat, der wird mir beistimmen, dass letzterer dem grossen 
Instrumentarium erheblich nachsteht. 

Schliesslich komme ich noch zur Betrachtung der Bauart beider untersuchten Induk- 
toren, die einen Rückschluss auf die Belastungsfähigkeit und somit direkt auf die Leistungs- 
fähigkeit der Apparate zulässt. Dessauer behauptet bekanntlich, dass sich seine „Hoch- 
spannungstransformatoren* infolge ihrer eigentümlichen Bauart von allen übrigen Apparaten 
anderen Fabrikats unterscheiden. Der innere Widerstand der Sekundärspulen soll erheblich 
kleiner sein als bei gewöhnlichen Induktoren, ebenso soll auch die Primärspule zur Ermög- 
lichung der hohen Unterbrechungsfrequenz eine besondere Wicklung aufweisen, was ja eigentlich 
unmittelbar aus der zuerst genannten Konstruktion folgt. 

Das ist das Fundament des „Systems“ Dessauer. Ich muss gestehen, ich war 
sehr überrascht, als mir die nähere Untersuchung des „Hochspannungstransformators® den 
Beweis lieferte, dass es sich um einen in keinem Punkte von anderen Induktoren unter- 
scheidenden Apparat handelt. Der Dessauersche „Hochspannungstransformator* entspricht in 
seinem ganzen Aufbau so vollständig den Induktoren anderer renommierter Firmen, dass von 
einem besonderen „System“ füglich micht die Rede sem kann; insbesondere ist die Sekundär- 
spule aus genau dem gleichen dünnen Draht hergestellt, so dass der Widerstand der Spule 
nicht niedriger ist, als der Widerstand irgend eines anderen 20 cm Induktors. Es versteht 
sich von selbst, dass auch die Primärspule, abgesehen von geringfügigen Abweichungen nichts 
Neues bietet. Dieser Umstand verdient besonders hervorgehoben zu werden. 

Vergleicht man die Bauart des Dessauerschen und des R. G. S. Induktors, so bemerkt 
man zunächst, dass der Unterschied in dem inneren ohmischen Widerstand der Sekundärspule 
beider Apparate nicht so erheblich ist, wie Dessauer behauptet, woraus zu folgern ist, dass auch 
der induktive Widerstand nicht sehr verschieden sein kann. Der Kupferquerschnitt der primären 
Wickelung des kleinen Induktors beträgt 6 qmm, der beim grossen Induktor 4, 5—9 und 
18 qmm, je nachdem die 4 einzelnen Lagen der Primärspule hintereinander, in 2 Gruppen 
parallel und hintereinander oder sämtlich parallel geschaltet werden. Sieht man von der 
Parallelschaltung ab, die den dreifachen Kupferquerschnitt hat, als die Primärwicklung des 
Dessauerschen Induktors, und zwar deshalb, weil diese Schaltung verhältnismässig selten ge- 
braucht wird, und berücksichtigt man nur die mehr gebräuchliche Gruppenparallelschaltung, so 
sieht man, dass der Kupferquerschnitt bei dieser Schaltung um ca. !/, grösser ist. 


Das „System“ Dessauer. 439 


Resultiert schon hieraus eine grössere Belastungsfähigkeit des grossen Induktors, so 
gestattet die grössere Masse des Eisenkernes bei diesem Induktor ohnehin eine viel höhere Be- 
triebsstromstärke, vorübergehend, wie dauernd, als beim kleinen Induktor. Berücksichtigt man 
dabei, dass wie schon früher erörtert, und durch den Versuch bewiesen ist, der Nutzeffekt des 
grossen Apparates um ein Vielfaches höher ist, so ist es leicht zu entscheiden, ob der grosse 
oder der kleine Induktor der leistungsfähigere Apparat ist. 

Dessauer hat in seinen Vorträgen das dünne Funkenbüschel des grossen Induktors 
und den Lichtbogen eines kleinen Induktors gezeigt. Wenn er einen grossen Induktor 
moderner Konstruktion zu der Demonstration gehabt hätte, so würde sein Auditorium wohl 
einen anderen Eindruck gewonnen haben. Der Lichtbogen, den ich mit dem R. G. S. Induktor 
erzielen konnte, besass bei Parallelschaltung eine Länge von 30 cm. Wurde die Funkenstrecke 
auf 18 cm zusammengeschoben, so war das Flammenband ganz erheblich stärker als das des 
Dessauer’schen Induktors. 

Auch in Bezug auf die Durchschlagsgefahr war der grosse Induktor der günstigere, nicht 
allein deshalb, weil auf jedes cm Funkenlänge eine etwas grössere Wandstärke kommt, sondern 
vor allen Dingen deshalb, weil 2 Hartgummirohre, bei denen infolge der Oberflächenverteilung 
der elektrischen Entladungen die Durchschlagsgefahr verringert ist, vorhanden sind. 

Interessant war es mir auch, zu sehen, dass der Dessauersche Induktor ein normaler 
15 cm Induktor aus den Werkstätten der A. E. G. in Berlin war. Alle Einzelheiten im 
Aufbau waren so typisch und stimmten mit den Tabellen der A. E. G. in deren Katalog so 
völlig überein, dass ein Irrtum meinerseits vollkommen ausgeschlossen ist. Auch dieser Um- 
stand erscheint mir sehr bemerkenswert. 

Hiermit wäre eigentlich meine Aufgabe: zu untersuchen ob Dessauer das hält, was 
er in seiner Reklame verspricht, erfüllt. Ich kann es mir aber nicht versagen, mein Erstaunen 
darüber auszudrücken, dass es möglich ist, dass die allerdings von vielen Fachleuten von vorn- 
herein als haltlose Theorie erkannte „Aschaffenburger Richtung“ so lange bestehen konnte, 
denn es ist selbstverständlich, dass jeder grosse Induktor einer anderen bekannten Firma ebenso 
gut die Überlegenheit des grossen Induktors gegenüber dem Dessauer’schen Apparat, also 
dem kleinen Induktor, im Verlauf der Untersuchung bewiesen hätte, als es der Induktor von 
R. G. S. gethan hat. | | 

Ich glaube das nachgewiesen zu haben, dass der grosse Induktor dem kleinen Apparat, 
wenn es auf den Anschaffungspreis nicht ankonmmt, unzweifelhaft vorzuziehen ist, da er diesem 
in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Ökonomie im Betriebe und Schonung der Röntgenröhren ent- 
schieden überlegen ist und ausserdem, dass das „System“ Dessauer nicht existiert, vielmehr 
jeder kleine Induktor annähernd genau so gebaut ist, und infolgedessen auch dasselbe leisten 
muss, als der „Hochspannungstransformator“ vom elektrotechnischen Laboratorium Aschaffenburg. - 

Spielt der Anschaffungspreis dagegen eine grosse Rolle, wird der Röntgenapparat 
seltener gebraucht, wie dies bei praktischen Ärzten viel der Fall ist, oder dient die Einrichtung 
vorzugsweise zur Durchleuchtung oder zu therapeutischen Zwecken, so genügt auch der kleine 
Induktor und soll es nicht geleugnet werden, dass sich mit Ausnahme einiger wenigen Fälle 
alle Aufnahmen und Durchleuchtungen damit machen lassen; allerdings ist der Verbrauch an 
Strom und Röhren grösser als beim grossen Induktor. 

Bei Anschaffung einer kleinen Röntgeneinrichtung muss aber stets berücksichtigt 
werden, dass der Dessauer-Apparat gleichgrossen Einrichtungen anderer renommierter Firmen 
in keinem Punkte überlegen ist. 

In keinem Falle stellen diese Erzeugnisse „wertlose billigere Nachahmungen“ des 
„Systems“ Dessauer, wie Herr Dessauer behauptet, dar. 


Erlangen, d. 20. IIL 05. 


440 Walter. 


Einige Versuche mit einem Dessauer-Induktor. 
Von 
Dr. B. Walter. 


Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, verschiedene Versuche mit einem „Spezialtyp“ 
eines „Hochspannungstransformators“, vulgo 20 cm-Induktors, von Dessauer, Aschaffen- 
burg, zu machen, worüber ich hier kurz berichten möchte. 

Bei diesen Apparaten soll nach dem Dessauerschen Katalog die alte Rhumkorffsche 
Anordnung des Induktors verlassen sein und nur die äussere Form der Spulen noch an diese erinnern. 

Diese Behauptungen sind indessen in keiner Weise gerechtfertigt; denn einesteils unter- 
schied sich die Primärspule des Apparates, wie man sich durch direkte Besichtigung überzeugen 
konnte, durchaus nicht von der eines andern Induktors, und dass ferner auch die Sekundär- 
spule des Instrumentes nichts Neues darbot, liess sich einfach vermittelst einer Durchleuchtung 
derselben nachweisen. Es ergab sich nämlich dabei, dass diese Spule — wie ja auch bei den 
Apparaten der meisten anderen Firmen — aus einer grossen Zahl einzelner Scheibenspulen zu- 
sammengesetzt war; zugleich aber auch, dass das Isolationsmaterial zwischen den einzelnen 
Scheiben zahlreiche Löcher bis zu Centimetergrösse aufwies, so dass also das bei der Zu- 
sammenfügung der einzelnen Scheiben benutzte Verfahren jedenfalls nicht als ein vollkommenes 
bezeichnet werden kann. 

Dass aber endlich auch die Leistungsfühigkeit des Apparates durchaus nichts Besonderes 
darbot, glaube ich sodann noch dadurch bewiesen zu haben, dass ich zunächst auf experimentellem 
Wege die Zahl der sekundären Windungen des Dessauerschen Instrumentes bestimmte, und 
dann von Rich. Seifert & Co. hierselbst einen Induktor bauen liess, der sowohl hinsichtlich 
seiner primären und sekundären Windungszahl als auch in Bezug auf Grösse und Form seines 
Eisenkerns, sowie der isolierenden Hartgummiteile mit dem zu untersuchenden Apparate mög- 
lichst genau übereinstimmte. Die beiden Instrumente gaben dann, mit dem gleichen Wehnelt- 
stift betrieben, bei gleicher Schaltung des primären Widerstandes sowohl hinsichtlich der 
Funkenlänge als auch — bei Réntgenbetrieb — hinsichtlich der durch dieselbe Röhre hin- 
durchgehenden sekundären Stromstärke nahezu identische Resultate; und wenn hierbei der 
Dessauersche Apparat dem Seifertschen überall um 5—10°/, überlegen war, so erklärte 
sich diese kleine Differenz sehr einfach daraus, dass die sekundäre Windungszahl des ersteren 
annähernd ebenfalls um denselben Prozentsatz höher war als die des letzteren. Diejenige des 
ersteren betrug nämlich 35900 und diejenige des letzteren — nach demselben Verfahren be- 
stimmt — 38 800. 

Demnach lässt sich also die Leistungsfähigkeit des Dessauerschen Apparates ohne 
Schwierigkeit erreichen; dass sie sich aber auch — bei miissiger Vergrösserung des ganzen 
Apparates — sogar noch erheblich übertreffen lässt, bewies ferner ein gleichzeitig unter- 
suchter 25 cm-Induktor von Reiniger, Gebbert & Schall m Erlangen, dessen primäre und 
sekundäre Spule zusammen etwa 50°, mehr wogen als die entsprechenden Teile des Dessauer- 
Apparates und dessen sekundäre Windungszahl 51500 d. h. also 43°/, grösser war als bei 
letzterem. Dementsprechend lieferte denn auch dieser Apparat bei derselben Schaltung, wo der 
Dessauersche einen Funkenstrom von 18,0 cm maximaler Länge gab, einen solchen von 
25,8 cm Länge d. h. gerade ebenfalls um 43°/, mehr; und als ferner mit derselben Schaltung 
nacheinander mit beiden Apparaten eine mittelharte Röntgenröhre betrieben wurde, zeigte ein 
in den sekundären Stromkreis eingeschaltetes Milliampéremeter beim Aschaffenburger Instrument 
1,0 und beim Erlanger 2,0 Milliampere d. h. sogar 100°/, mehr an als bei jenem. Bei dem 
erwähnten Seifertschen Apparate betrugen die betreffenden Zahlen bezw. 17,3 cm und 
0,9 Milhampere. 


Der Röhrenverbrauch bei Benutzung kleiner und grosser Induktoren. 441 


Alle diese Zahlen liefern nun m. E. den vollkommen exakten Beweis, dass bei Ver- 
mehrung der sekundären Windungszahl eines Induktors, womit aber natürlich auch die übrigen 
Teile desselben entsprechend zu vergrössern sind, nicht bloss die maximale sekundäre Funken- 
länge, sondern auch — bei konstantem äusseren Widerstande — die sekundäre Stromstärke, 
d. h. also die ganze Wirkung des Apparates in entsprechender Weise zunimmt, wie ich dies 
aus theoretischen Gründen schon so häufig behauptet habe. 

Ich will schliesslich noch erwähnen, dass der von mir untersuchte Dessauersche 
Apparat zwischen den Klenımen der Primärspule das Fabrikzeichen E von Hans Boas, Berlin, 
trug, so dass also Herr Dessauer auf diesem Gebiete überhaupt nicht Konstrukteur sondern 
nur Wiederverkäufer zu sein scheint — und zwar ein Wiederverkäufer, der mit ausserordentlich 
hohem Nutzen arbeitet; denn der Preis seiner oben untersuchten Spezialtype ist laut Katalog 
435 M., während z. B. der soeben erwälınte Erlanger Apparat — trotz seiner erheblich höheren 
Leistung — nur 250 M. kostet. 


Hamburg, den 1. April 1905. 


Der Röhrenverbrauch bei Benutzung kleiner und grosser Induktoren. 
Von 
Dr. Albers-Schönberg. 


Um den Röhrenverbrauch bei der Benutzung grosser und kleiner Induktoren fest- 
zustellen, habe ich im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg-Hamburg die Röhrenleistungen so 
genau protokolliert, dass ich über die Gesamt- und Einzelleistungen jeder Röhre eine einwand- 
freie Statistik besitze. Im Krankenhaus St. Georg wird mit einem 80 cm Induktor (Seifert) 
mit Walterschaltung und Wehnelt bei herabgesetzter Primärspannung gearbeitet. Zur Ver- 
wendung kamen ausschliesslich Miillersche Wasserkühlröhren von 200 mm Kugeldurchmesser 
zum Preise von 100 M. resp. 85 M. das Stück, Ventilröhren wurden dabei nicht benutzt. 

In meinem Privatinstitut habe ich innerhalb einer fast 8 monatlichen Zeit 5 Müller- 
sche Wasserkühlröhren von 200 mm Kugeldurchmesser, Preis pro Stück 100 M., ausschliesslich 
mit einem sogen. Dessauerschen Spezialtyp von 20 cm Funkenlänge betrieben. Dabei wurde 
bei zwei Röhren nach Vorschrift des Fabrikanten eine Ventilröhre vor die Röntgenröhre geschaltet, 
bei der dritten Röhre wurde dieselbe fortgelassen. 


Vergleichstabelle 


über die Leistungen Müllerscher Wasserkühlröhren bei Betrieb mittels eines 
80 cm Induktor und eines Dessauer-Spezialtyp 20 cm. 


I) 80 cm Induktor. 


No. Preis Gesamtzahl der 


der Röhre der Röhre 


Gesamtoxpositionsdaucr Kosten der 
in Sckunden Expositionsminute 


Einzclexpositionen 


409 60 083 M. 0,0852 
= 618 61 608 „0,0972 
100 377 53 096 „ 0,1134 
ET | 1404 | 174 787 | M. 0,0978 
ID) 20 cm a | 
14 100 301 31 985 M. 0,18 
9 100 73 8 070 . 0,72 
8 | 100 117 11 915 „ 0,48 
| 300 | 491 | 51 970 | M. 0,36 


Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 56 


442 Correspondenzen. 


Die Röhren 17, 18 und 4 wurden so lange mit dem grossen 80 cm Induktor benutzt, bis 
sie aufgebraucht, d. h. bis sie wegen zu grosser Härte unbrauchbar waren und die Regulier- 
vorrichtung versagte. Die einzelnen Rubriken zeigen die Gesamtleistungen jeder einzelnen 
Röhre, sowie die Berechnung der Kosten pro Expositionsminute. Die unter dem Strich befind- 
liche Rubrik giebt die aus den vorstehenden drei Rubriken gewonnenen Durchschnittswerte. 

Röhre 14, 9 und 8 wurden in gleicher Weise, 14 und 9 mit, 8 ohne Gundelachsche 
Drosselröhre mit Dessauerschem Spezialtyp bis zur völligen Unbrauchbarkeit betrieben. Die 
Berechnung erfolgte in der gleichen Weise wie oben. Es ergeben sich also pro Expositions- 
minute folgende Kosten: 

bei Benutzung eines 80 cm Induktor 0,10 M., 
bei Benutzung eines Dessauer-Spezialtyp 20 cm Induktor 0,36 M. 

Mithin arbeitet der Dessauer-Spezialtyp, was Réhrenverbrauch angeht, 3,6 mal so 
teuer als der 80 cm Apparat, wobei der Preis für die Ventilröhren noch nicht einmal mit in 
Berechnung gezogen ist. 

Vergleicht man die ausgedienten Röhren mit einander, so fällt die ausserordentlich viel 
tiefere Gelbfärbung der hinter der Antikathode liegenden Hemisphäre bei den mit Dessauer 
Spezialtyp betriebenen Röhren auf. Diese Erscheinung stimmt durchaus überein mit der be- 
kannten und durch vorstehendes Experiment von neuem bewiesenen Thatsache, dass die kleinen 
Induktoren eine erheblich grössere Metallzerstäubung bewirken als die grossen Apparate. 

Während die Röhren mit grossem Induktor andauernd absolut gleichmässig und ruhig 
funktionierten, war dieses am kleinen Apparat nur so lange der Fall, als sie neu und weich waren. 
Mit zunehmendem Alter wurden die Röhren immer unruhiger, d. h. sie flackerten, setzten aus u. s. w. 

Eine weitere interessante Beobachtung war die, dass die Wasserröhren nach ihrer 
Reevakuierung am grossen Apparat gut funktionierten. Röhre Nr. 17 brachte es bei 2 maliger 
Neuevakuierung im ganzen auf 81203”, Röhre 18 sogar auf 101213”. Am kleinen Induktor 
waren sie dagegen nicht in Thiitigkeit zu bringen. An letzterem zeigten sie Ring- und Flecken- 
bildung u. s. w., welche durch Vorschaltung von Ventilröhren nicht beseitigt werden konnte. 
Ich habe mich überhaupt von der Wirksamkeit der Ventilröhren nicht völlig überzeugen 
können. Ganz abgesehen davon, dass es sehr schwer ist, den Härtegrad der Ventilröhre mit 
demjenigen der Röhre in Einklang zu bringen, funktionierte, wie aus den obigen Experimenten 
hervorgeht, die ohne Ventilröhre am Dessauer-Apparat betriebene Wasserkühlröhre länger als 
die mit Ventilröhren betriebenen beiden anderen Röhren. 


CGorrespondenzen.'‘) 


Im vierten Hefte dieser Zeitschrift ist in der Arbeit „Zur Röntgenlokalisation ocularer 
Fromdkörper“* von S. Holth ein ungemein einfaches Mittel zur sicheren Fixation des Kopfes an- 
gegeben: Der Patient beisst sich mit den Zabnreihen in ein fixes Brettchen ein. Wer die Schwierigkeit 
der Ruhigstellung des Kopfes und die Insufficienz aller bisher hierfür angegebenen Mittel, als da sind 
Sandsiicke, Pelotten, Kompressionsblende u. s. w. kennt, wird ein so einfaches, an den einzigen von 
allen mobilen Weichtheilen freien und dazu von der Natur mit einem eigenen Apparat zum Festklemmen 
verschenen Gebilde, wie es die Zahnreihen sind, einen bedeutenden und dauernden Wert beimessen. 
Darum soll es nicht unbeachtet bleiben, wie dies in der vorliegenden Arbeit ohne redaktionelle Bemerkung 
geschehen ist, dass diese für die Aufnahmetechnik wichtige Neuerung durch Schüllers Werk: Die 
Schädelbasis im Röntgenbilde bekannt geworden ist. An der Durchführungsmöglichkeit der in 


1) Seitens der Redaktion der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen ist eine Aus- 
kunftsstelle für alle auf die Anwendung der Röntgenstrahlen sich beziehenden Angelegenheiten ein- 
gerichtet worden. Fragen medizinischer, physikalischer oder technischer Art werden beantwortet und, 
soweit dieselben von allgemeinem Interesse sind, unter dieser Rubrik publiziert. Alle Anfragen sind 
direkt an die Redaktion Dr. Albers-Schönberg, Klopstockstr. 10, Hamburg, zu richten. 


Correspondenzen. | 443 


demselben niedergelegten Arbeiten hat dieses Fixationsmittel einen wesentlichen Antheil. Zwar konnte 
Schüller in der Besprechung desselben bei der Fülle des gebotenen Materiales keine ausführliche 
Würdigung unterbringen, doch hat er dadurch, dass er den Autor desselben — meinen Schüler Herrn 
Dr. I. Robinsohn — ausdrücklich hervorhob, seine nicht ungewöhnliche Bedeutung anerkannt. Nur 
die letztere Konstatierung veranlasst mich zu diesen Zeilen, und ich setze als selbstverständlich voraus, 
dass die obige Quelle Herrn Holth nicht bekannt war. Hat er ja sogar übersehen, dass in einer oku- 
listischen Zeitschrift eine die seine bei weitem übertreffende Lokalisationsmethode für intraoculare Fremd- 
körper aus meinem Institute mitgetheilt worden ist. Holzknecht. 


Bemerkungen zu der Abhandlung des Herrn Dr. B. Walter: „Der Wechselstrom und seine Anwendung 
im Röntgenbetriebe*. Von Franz Jos. Koch, Dresden. 
Im 2. Teil seines Artikels: 
„Der Wechselstrom und seine Anwendung im Réntgenbetrieb* 
beschreibt Herr Dr. B. Walter unter anderem auch einige technische Neuerungen, welche von mir durch- 
gebildet und in die Röntgentechnik eingeführt wurden. Es sei mir gestattet, zu diesem Artikel einige 
zusätzliche Bemerkungen zu machen. 

1. Auf Seite 195, Zeile 29 ist vom Schwingungsknoten der Wechselstromwelle die Rede. Gemeint 
ist der Nullwert des Wechselstromes, d. h. derjenige Zeitmoment, bei welchem die den zeitlichen Verlauf 
des Wechselstromes darstellende Kurve die Abscissen-Achse schneidet. Der Ausdruck ,Schwingungsknoten‘ 
ist an dieser Stelle falsch und demgemäss irreführend. 

| 2. Am Ende der Seite 195 bespricht Herr Dr. B. Walter eine Röntgenröhre, welche für Wechsel- 
strombetrieb in Vorschlag gebracht worden ist. Mit Rücksicht auf die von Herrn K. A. Sterzel und 
mir angestellten und in Heft 4 des Bandes VIII, der Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 
publizierten Versuche, brauche ich nicht weiter auf die Ausführungen des Herrn Dr. B. Walter zurück- 
zukommen. Aus unseren in diesem Artikel niedergelegten Erfahrungen erhellt, dass die seitens des Herrn 
Dr. B. Walter aufgestellte Behauptung, die Antikathode müsse unter allen Umständen angeschlossen 
sein, nicht richtig ist. Auch die von Herrn Dr. Walter in Fig. 3 angegebene Röntgenröhre kann unter 
Umständen mit gutem Erfolg angewendet werden, wobei jedoch vorausgesetzt werden muss, dass die im 
Schema des Herrn Dr. Walter angedeutete Ausführungsform unbrauchbar ist. Ich behalte mir vor, auf 
diese Röhrenform demnächst in den ,Fortschritten* zurückzukommen. 

3. Auf Seite No. 197, 3. Absatz spricht Herr Dr. Walter von einem elektromagnetischen Gleich- 
richter und giebt auf der Seite 198 zugleich eine schematische Darstellung dieses Apparates. Zunächst 
sci mir gestattet zu bemerken, dass der von Herrn Walter schematisch dargestellte magnetische gleich- 
richtende Unterbrecher in der Praxis nie Eingang finden konnte, weil er in .der beschriebenen Weise 
nicht einwandfrei wirkt. Sendet man durch die Spule W des in Fig. 4 gegebenen Schemas einen Wechsel- 
strom, so schliesst sich der Weg der im Eisenkern EE induzierten Kraftlinien zum Teil durch den Stahl- 
Magneten NS und entmagnetisirt diesen in relativ kurzer Zeit. Ferner ist zu berücksichtigen, dass zu- 
folge der Selbstinduktion der Spule W der mechanischen Trägheit der Massen und zufolge der Hysteresis 
des Eisens der Anker hinsichtlich seiner Schwingungsphase der Phase der Netzpannung erheblich nach- 
eilt. Der von Herrn Dr. B. Walter Fig. 4 dargestellte Apparat würde, vorausgesetzt, dass der permanente 
Magnet NS hinsichtlich seiner Intensität konstant erhalten wird, ungefähr im Punkte D unterbrechen, 
also unter allen Umständen während des Anstieges der Stromkurve. Zur Erreichung einer exakten Unter- 
brechung ist es aber, wie ich festgestellt habe, nötig, dass unter allen Umständen während des Ver- 


I 


schwindens des Stromes unterbrochen werden muss. Ich gebe hier das Schema des gleichrichtenden 

Wechselstrom-Unterbrechers, wie er von mir vor Jahren durchgebildet wurde. Bei diesem Apparat ist 

zunächst das Magnetsystem derart ausgebildet, dass der remanente Magnetismus des das Polsystem 

polarisierenden Magneten NS in keiner Weise in Mitleidenschaft gezogen wird. Durch den Stahl- 

Magneten NS werden die aus Weicheisen bestehenden Schenkel S S,, sowie der Anker A A, polarisiert 
56 * 


444 Correspondenzen. 


und liegt im vorliegenden Schema der Anker A A, als Nordpol den südmagnetischen Schenkeln S S, 
gegenüber. Lassen wir durch die Schenkelbewicklung einen Strom fliessen, so wird die magnetische 
Symmetrie des Systems gestört und zwar derart, dass bei geeigneter Stromrichtung der Südmagnetismus 
des Schenkels S verstärkt und derjenige des Schenkels S, geschwächt, bez. die Polarität des Schenkels S, 
umgedreht wird. Es wird dann die Anker-Hälfte A vom Schenkel S angezogen und die Ankerhälfte A, 


vom Schenkel S abgestossen. Mit dem Wechsel der Stromrichtune werden die Wirkungen in den 
Schenkeln vertauscht, so dass bei einem durch die Spule fliessenden Wechselstrom der Anker in eine 
schwingende Bewegung versetzt wird. Unter allen Umständen also erzeugt der durch die Spulen fliessende 
Strom eine Intensitätsdifferenz der beiden Schenkelfelder derart, dass die Summe der das Weich- 
eisensystem durehsetzenden Kraftlinien unter allen Umständen die gleiche bleibt. Bei 
dieser Anordnung nimmt sogar die Intensität des permanenten magnetischen Feldes bis zur Sättigung 


Í x 


~ 


— A BEN G— z L —— 


des remanenten Magneten während des Betriebs zu, auf welche Erscheinung hier jedoch nicht weiter 
eingegangen werden kann. Vor die Erregerspulen des Unterbrechers wurde von mir der Kondensator X 
geschaltet, dessen Kapazität derart bemessen ist, dass der die Spulen durchfliessende Wechselstrom um 
denjenigen Winkel der Netzspannung voreilt, um welchen der Anker bei Ilinweglassung des Kondensators 
der Netzspannung nacheilen würde. (Ð. R. P.) Auf diese Weise wird erreicht, dass der Kontakt C genau 
im Nullwerte der Netzspannung geschlossen und genau im Nullwerte der Netzspannung geöffnet wird. 
Es erfolgen also die Schliessungen in den Punkten A und C, die Öffnungen in den Punkten B und D. 
Da nun die Primärspule des Funkeninduktors eine erhebliche Selbstinduktion besitzt, so erfolgt eine 
Phasenverschiebung des in die Spule hineingeleiteten Stromwechsels gegenüber der Netzspannung und es: 


Correspondenzen. 445 


resultiert die Stromform AEB und CFD. Es hat also der Strom im Momente der Öffnung zufolge der 
eingetretenen Phasenverschiebung seinen Nullwert noch nicht erreicht und aus den angegebenen Kurven 
geht ohne weiteres hervor, dass der Strom im abfallenden Kurvenast kurz nach Überschreitung des 
Scheitelwertes unterbrochen wird. Es sind also die Bedingungen zur Erzielung einer hohen sekundären 
Öffnungsspannung erfüllt und gleichzeitig ist durch Schliessung des Stromes im Nullwert der Netz- 
spannung dafür Sorge getiagen, dass die Schliessungsspannungen einen möglichst geringen Scheitelwert 
erreichen. Neuerdings habe ich im Verein mit Herrn K. A. Sterzel den Phasenkondensator K durch 
ein Kunstphasensystem ersetzt. Es werden durch Anwendung eines Ohmschen und eines induktiven 
Widerstandes zwei gegeneinander phasenverschobene Ströme erzeugt, die bei Verdrehung des einen um 
180° einen resultierenden, der Netzspannung um einen beliebigen Winkel voreilenden Strom ergeben. 
(D. ‘R. P. a.) Dieser Unterbrecher, der im In- und Auslande weitgehendste Verbreitung gefunden hat, 
bedarf natürlich einer besonderen Synchronisierung nicht. 

4. Auf Seite 203 geht Herr Dr. Walter zur Beschreibung des Funkentransformators über. Er 
erwähnt dabei zunächst die von ihm für die Firma Seifert & Co. ausgeführte Form. Ich möchte mir 
mit Bezug hierauf gestatten, darauf hinzuweisen, dass Herr Dr. B. Walter den Funkentransformator, 
den ich in die Röntgentechnik eingeführt habe, durch mich kennen gelernt hat. Es wäre deshalb vielleicht 
am Platze gewesen, eine diesbez. Bemerkung in den Text des Aufsatzes einzuflechten. Am Schlusse der 
Seite 203 bemerkt Herr Dr. Walter, dass ich mir um die Durchbildung des Systems, d. h. um die 
Durchbildung der Anwendung des Funkentransformators grosse Verdienste erworben hätte. Dem gegen- 
über möchte ich nochmals erwähnen, dass ich für mich nur das Verdienst in Anspruch nehme, das ganze 
System durchgebildet zu haben. Herr Dr. Walter war bei diesen Arbeiten nicht beteiligt. Wie aus 
dem Artikel des Herrn Dr. B. Walter hervorgeht, hat er für die Hamburger Firma Seifert & Co. ein 
Röntgensystem mit Funkentransformator durchgebildet. Er führt in seinem Artikel auf Seite 203 sogar 
den von ihm durchgebildeten Funkentransformator, welcher lediglich eine andere, weniger günstige 
Gestaltung des Eisenwegs aufweist, in erster Linie an! Auf Seite 204 giebt Herr Dr. Walter ein 
Schema des von mir durchgebildeten mechanischen Hochspannungsgleichrichters und stellt den Text 
seiner Beschreibungen derart, dass der Unkundige lediglich den mechanischen Gleichrichter als von mir 
stammend ansehen muss. Dass Herr Dr. B. Walter die Idee, leistungsbegrenzte Wechselspannungen 
durch blosse Transformierung von Wechselströmen niedriger Frequenz in einer für Röntgenbetriebe aus- 
reichenden Höhe als unmöglich von vornherein ablehnte, geht aus einem nach Chemnitz gerichteten 
Briefe des Herrn Dr. B. Walter hervor. In diesem Briefe bezweifelt Herr Dr. Walter die Möglichkeit 
der Erzielung genügend hoher Wechselspannungen auf dem von mir angegebenen Wege, indem er bemerkt, 
dass zum Betrieb harter Röhren doch eine Schlagweite von über 20 cm nötig sei. Dass in dem die 
Einrichtung betreffenden Prospekt die Schlagweite des Funkentransformators auf 40 cm angegeben war, 
hatte Herr Dr. Walter übersehen. Dass die Durchbildung und Einführung des Funkentransformators 
von wesentlicher Bedeutung für die Verwendung des Wechselstromes auf Röntgengebiet ist, geht auch 
daraus hervor, dass schon im Jahre 1901 die Firma Grisson & Co. in Hamburg versucht hatte, durch 
mechanische Kommutation hochgespannte Wechselströme für Röntgenzwecke nutzbar zu machen. Der 
Versuch scheiterte aber daran, dass es der genannten Firma nicht gelang, ausreichend hohe Spannungen 
bei genügender primärer Leistungsbegrenzuug zu erzielen. Meine Priorität auf dem einschlägigen Gebiete 
habe ich mir durch meine Publikationen in den Annalen der Physik vierte Folge, Band XIV: „Über 
eine Einrichtung zur Erzeugung hochgespannten Gleichstroms im Anschluss an eine Wechsel- oder Gleich- 
stromquelle“ gesichert. Von seiner Absicht, der Firma Seifert & Co. den Funkentransformator zugänglich 
zu machen unterrichtete mich Herr Dr. Walter in einem Privatbriefe vom 4. Juli 04. Nunmehr konnte 
ich Herrn Dr. Walter über meine wissenschaftlichen und technischen Fortschritte keine Berichte mehr 
geben und insofern braucht auch auf die Beschreibung des Hochspannungsgleichrichters Seiten 204/205 
nicht mehr eingegangen zu werden. Der Apparat in der von Herrn Dr. Walter beschriebenen Form 
wird von mir nicht mehr ausgeführt, und die von Herrn Dr. Walter gerügten Übelstände, über deren 
quantitatives Bestehen man sehr geteilter Meinung sein konnte, sind längst beseitigt. Ich konstatiere 
hier ausdrücklich, dass das von Herrn Dr. B. Walter auf Seiten 204/205 beschriebene System der Hoch- 
spannungsgleichrichtung lediglich die Apparate betrifft, die Herr Dr. B. Walter im Frühjahre 1904 in 
der Voraussetzung erbielt, dass sein Interesse an der Neuerung ein rein wissenschaftliches sein und bleiben 
würde. Hätte ich gewusst, dass Herr Dr. Walter die durch die Überlassung der Apparate und durch 
die nebenhergehende Korrespondenz erlangten Kenntnisse und Erfahrungen der Hamburger Firma, für 
die er nach seiner eignen Mitteilung „Röntgenapparate aber nur für Gleichstrom“ konstruiert 
zugängig macht, so würde er zur Zeit noch nicht in der Lage gewesen sein, sich ein Urteil über die 
Neuerung zu bilden. — Über die heutige Ausbildung des Systems und über ein weiteres System, welches 
ohne Funkenstrecken und ohne Hochspannungsgleichrichter der Röhre Gleichstrom zuführt, werde ich 
in weiteren Publikationen im Verein mit Herrn Sterzel berichten. 

Dresden-A., den 18. März 1905. 


446 Bücherbesprechung. 


Gegenbemerkungen zu den vorstehenden Ausführungen. Von Dr. B. Walter. 

ad 1. Da man von ,Schwingungsknoten* nur bei einer stehenden Welle reden kann, die 
Wellenlinie des Wechselstromes, als Funktion der Zeit dargestellt, jedoch eine fortschreitende Wellen- 
bewegung darstellt, so war der obige Ausdruck an der betr. Stelle allerdings nicht am Platze. Der Sinn 
des Satzes ist aber nichtsdestoweniger vollkommen deutlich. 

ad 2. Aus meinen Ausführungen über Doppelkathodenröhren für Wechselstrom geht unzwei- 
deutig hervor, dass ich nicht die Behauptung aufgestellt habe, dass die Antikathode einer Röntgenröhre 
unter allen Umständen angeschlossen sein müsse, sondern dass ich dies nur für härtere Röhren 
für nötig, für andere aber im Interesse ihrer normalen Funktion sowie ihrer Lebensdauer für wün- 
schenswert erklärt habe. Ob die Bikathodenröhren von Koch & Sterzel diese Sätze widerlegen, kann 
ich nicht entscheiden, da ich eine derartige Röhre noch nicht in Händen hatte; für wahrscheinlich halte 
ich dies aber nicht. 

ad 3. Dass der von mir schematisch dargestellte elektromagnetische Gleichrichter bei richtiger 
Dimensionierung und mit den nötigen Hülfsapparaten (Drosselspulen oder Kondensator zur Verzögerung 
bezw. Beschleunigung der Phase) verschen — auch in der Praxis einwandfrei wirken kann, glaube ich 
im Gegensatze zu Herrn Koch schon deswegen behaupten zu können, weil der Apparat in fast genau 
derselben Ausführung von Villard angegeben worden ist und auch von einer bekannten Pariser Firma 
in den Handel gebracht wird. 

ad 4. Ich gebe zu, dass ich auf die neuere Ausführungsform des Funkentransformators erst 
durch Herrn Koch gebracht worden bin und habe dies auch in einer Abhandlung in den Annalen der 
Physik ausdrücklich erwähnt. Wenn ich andererseits in meinem Artikel in den Fortschritten die von 
mir angegebene Form vor der Koch’schen erwähnt habe, so geschah dies lediglich aus didaktischen 
Gründen, insofern die erstere sich mehr an die bekannte Form des Induktionsapparates anlehnt. 

Herr Koch macht mir schliesslich einen Vorwurf daraus, dass ich das von mir ausgebildete 
Röntgensystem mit Funkentransformator der Firma Seifert & Co. hierselbst zur Ausführung übergeben 
habe. Hierzu habe ich zunächst zu bemerken, dass mein System — bis auf den Funkentransformator — 
vollständig von demjenigen des Herrn Koch verschieden ist; und dass auch der Funkentransformator 
selbst, wenn ich persönlich auch erst durch Herrn Koch auf ihn aufmerksam geworden bin, doch schon 
längst vor Koch zumal in Frankreich und in Amerika gebaut wurde; denn beispielsweise hat E. 
Skinner in Amerika schon im Jahre 1898 mit einem solchen Apparate unter Anwendung gewöhnlichen 
Wechselstromes Funken von über 50 cm Länge erzeugt. Auch muss ich es entschieden zurückweisen, 
wenn Herr Koch meine Handlungsweise als eine Art Vertrauensbruch ihm gegenüber darstellen will, da 
ich von ihm nicht etwa irgendwelche nähere Konstruktionsangaben erhalten habe als diejenigen, 
welche auch in jedem seiner Kataloge enthalten sind und da auch der erste, von Seifert & Co. nach 


meinen Angaben hergestellte Apparat dieser Art bereits im November 1903 fertig war — und 50 cm 
Funkenlänge ergab — während das mir von Herrn Koch zur Prüfung übersandte Instrument erst im 


März 1904 in Hamburg eintraf und auch nur für 40 cm Schlagweite gebaut war. 

Schliesslich erwähne ich noch, dass Herr Koch selbst es war, der sich in der ganzen Ange- 
legenheit zuerst an mich gewandt hat, und dass ich ausserdem denselben vor Einsendung seiner Apparate 
auch noch ausdrücklich auf meine Beziehungen zu der Firma Seifert & Co. aufmerksam gemacht habe. 


Bücherbesprechung. 


Edmond Loison: Les Rayons de Roentgen. Paris. Octave Doin. 1905. 


Das gross angelegte Werk zerfällt, wie in der Vorrede gesagt, in 3 Hauptteile. Im ersten 
werden die zur Erzeugung der Röntgenstrahlen erforderlichen Apparate, sowie ihre Handhabung be- 
schrieben. Der zweite Teil zeigt dem Praktiker, in welcher Weise er die R.-Strahlen zweckmässig an- 
wenden kann. Im dritten Teile werden schliesslich unter Inhilfenahme ausserordentlich zahlreicher 
schematischer Zeichnungen und unter Fortlassung aller überflüssigen Details, die chirurgischen Er- 
krankungen des Skelettes des Erwachsenen beschrieben. Eine grosse Anzahl von Krankengeschichten 
sind den einzelnen Kapiteln beigegeben. Das Buch stellt gewissermassen einen Atlas dar, dessen Haupt- 
wert in der Reichhaltigkeit der abgehandelten Fälle beruht. Von diesem Gesichtspunkte aus kann es 
durchaus empfohlen werden. A. H. 


Vereine und Kongresse. 447 


Vereine und Kongresse. 


Röntgenkongress in Berlin von 30. April bis 3. Mai 1905 
verbunden mit einer Röntgenausstellung. 


Der Verlauf des Kongresses war ein ausserordentlich glänzender, was wesentlich durch 
die hervorragende Beteiligung der deutschen und ausländischen Fachleute bedingt war. Von 
fremden Nationen waren vertreten: Frankreich, Belgien, England, Holland, Schweden, Ungarn, 
Bulgarien, Spanien, Amerika und Japan. 

Wer aus eigener Erfahrung weiss, welche Arbeitslast vom Organisationsausschuss zu 
leisten war, um ein solches in allen Teilen völlig befriedigendes Unternehmen zustande zu 
bringen, der wird das Verdienst der Herren Eberlein, Immelmann und Cowl, welchen die 
Kongressteilnehmer zu grossem Dank verpflichtet sind, würdigen können. 


Am Sonntag, den 30. April fand bei Anwesenheit zahlreicher offizieller und in- 
offizieller Vertreter die feierliche Eröffnung des Kongresses, sowie ein Rundgang durch die 
Ausstellung statt. Leider war Röntgen, auf dessen Erscheinen man allgemein gehofft hatte, 
im letzten Augenblick von der Teilnahme am Kongresse abgehalten worden. Er begrüsste 
jedoch den Kongress durch eine Depesche, deren Inhalt wert ist in den Annalen der Röntgeno- 
logie aufbewahrt zu werden. 


„Für den mir vom Ausschuss des Kongresses im Auftrag der versammelten Teil- 
nehmer gesandten Gruss danke ich verbindlichst. Ich bitte die Versicherung entgegen 
nehmen zu wollen, dass ich von Bewunderung und Freude erfüllt bin, über das was die 
Arbeit anderer, von denen so viele auf dem Kongress jetzt vereinigt sind, aus der Ent- 
deckung der X-Strahlen gemacht hat. — Röntgen.“ 


Auch der Ehrenvorsitzende des Kongresses v. Bergmann war am Erscheinen ver- 
hindert worden. 


Am Montag, den 1. Mai fanden in den Vor- und Nachmittagsstunden Vorträge 
medizinischen Inhalts ihre Erledigung. Besonders hervorzuheben war die Besprechung der 
Luugenaufnahmen, der Nierensteinaufnahme-Technik und der bei Nierensteinaufnahmen vor- 
kommenden Fehlerquellen. Am Abend fanden Projektionen statt, welche aus allen der 
Röntgenologie zugänglichen Gebieten interessante Beiträge brachten. 


Am Dienstag, den 2. Mai wurden ausschliesslich Fragen physikalisch-technischen 
Inhalts in Vorträgen und Diskussionen besprochen. Von besonderer Wichtigkeit waren die 
Erörterungen über die Nutzbarmachung des Wechselstroms zu Röntgenzwecken, sowie über die 
Messmethode der Intensität der Röntgenstrahlen. In der Nachmittagssitzung wurde eine ein- 
heitliche Nomenklatur für die Röntgenologie angenommen. Ferner wurde Mitteilung von der 
Gründung der Deutschen Röntgengesellschaft gemacht. 


Am Mittwoch, den 3. Mai wurden vorwiegend Vorträge über Röntgentherapie ge- 
halten. Das Hauptinteresse nahm die Behandlung der Tumoren in Anspruch. 


Auf die Würdigung der einzelnen Vorträge gehen wir an dieser Stelle nicht näher 
ein, da die Verhandlungen, sowie ein Ausstellungsbericht in Kürze als Beiheft zu Bd. 8 der 
Fortschritte auf dem Gebiet der Röntgenstrablen erscheinen werden. A.-S, 


448 Vereine und Kongresse. 


Deutsche Röntgengesellschaft. 
1. Sitzung am 2, Mai 1905. 


Eberlein (Berlin), Immelmann (Berlin), Cow! (Berlin), Gocht (Halle), Albers- 
Schönberg (Hamburg), Walter (Hamburg), Rieder (München), Grashey 
(München), Köhler (Wiesbaden). 
gründeten am 2. Mai 1905 die Deutsche Röntgengesellschaft. Die Geschäftsführung liegt vor- 
läufig in den Händen der oben genannten Herren und wird vom Vorstand der Berliner 
köntgenvereinigung (E. V.) geführt. 
Die Geschäftsführung ist beauftragt entsprechende Satzungen auszuarbeiten. 
Die Mitglieder des Berliner. Réntgenkongresses wurden eingeladen Mitglieder der Ge- 
sellschaft zu werden. 
Beitrittserklärungen können an die Redaktion dieser Zeitschrift gerichtet werden. 


Berliner med. Gesellschaft. 14. XH. 1904. 


Lassar demonstrierte ein durch Röntgenbehandlung zur Heilung gebrachtes recidivirtes 
Mammacarcinom. Die Behandlung hatte mehrere Monate gedauert Zunahme des Körpergewichtes 5 kg. 

Werner: Zur Kenntnis und Verwertung der Rolle des Lecithins bei der biologischen 
Wirkung der Radium- und Röntgenstrahlen. Kine Ergänzung der Versuche des Verf., die im Zentralbl. 
f. Chir. 1904, Nr. 43 mitgeteilt sind. Er wandte zur Bestrahlung des zur Injektion dienenden Lecithins 
Röntgenstrahlen anstatt Radium an, er fand in der Wirkung des so behandelten T’s keinen Unterschied 
gegen das mit Radium bestrahlte. Die äusserlich wahrnehmbaren Veränderungen des Stoffes geben 
keinen Anhalt für die physiologische Wirkung. Durch Erwärmen wird L. viel stärker grob physikalisch 
verändert, ohne aber grosse Wirkung auf den Organismus zu zeigen. Eine gewisse Aktivierung findet 
allerdings durch Erwiirmen, sowohl wie durch chemische Beeinflussung (Behandlung mit Salzsäure und 
Pepsinlösung) statt, jedoch ist die „Aktivierung* durch kein anderes Mittel bisher so rein und vollständig 
zu erzielen, wie durch Bestrahlung. Zuerst bestrahltes und dann mit Magensaft behandeltes Lecithin 
löste sich in letzterem leichter als unbestrahltes. Aus diesem Verhalten des L.s zieht er den Schluss, 
dass in den Zellen bestrahlter Gegenden das L. ebenfalls leichter zersetzlich wird und den autolytischen 
Vorgängen, welche durch Gewebsfermente bewirkt werden, geringeren Wiederstand entgegensetzt. Er 
vergleicht diese radichemischen Vorgänge mit den photochemischen bei der Photographie. Da einige 
Autoren eine Verwandlung der Röntgen- und Radiumstrahlen in ultraviolette Strahlen annehmen, will 
er noch die Wirkung letzterer auf das L. prüfen. Die Spaltungsprodukte des Leeithinus haben wohl 
Reizwirkungen, aber nicht die dem L. selbst eigentümlichen auf die lebende Zelle. Durch Tierversuche 
suchte er eine elektive Wirkung des aktivierten L’s festzustellen. Er fand: 1. Auf normale und patho- 
logische Gebilde der Haut wirkt es ein. 2. Die durch L.-Injektionen gesetzten Substanzverluste heilen 
langsamer als anderweitig erzeugte, aber rascher als Radiumgeschwüre. Die Narben gleichen den von 
Radiumverbrennungen gesetzten. 3. Die Lokalisierung gelingt durch L.-Injektion gut, an schwer zugäng- 
lichen Stellen besser als durch Bestrahlung Die Möglichkeit, Röntgen- und Radiumwirkung durch 
solche Injektionen zu ersetzen, ist vorhanden. 4. Subkutan und intravenös in genügender Dosis wirkt 
aktiviertes L. als Blutgift. Bei kleinen Mengen, in lockeres Bindegewebe injieiert, bleibt lokale- und All- 
gemeinwirkung aus und es ist damit die Möglichkeit vegeben, die elektive Wirkung zu studieren, 


Verein für wissenschaftliche Heilkunde in Königsberg. 1904. 

Lichtheim stellt zwei mit Röntgenstrahlen behandelte Leukiimiefiille vor. Bei einer 39 jähr. 
Frau wurde bedeutende Besserung erzielt, jedoch ist das Blut bei genauerer Untersuchung noch immer 
leukämisch. Ebenso verhält es sich bein zweiten Fall, der auch im Allgemeinen bedeutend gebessert ist. 

Diskussion: 

Scholtz erklärt die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf das leukämische Blut für cine die 
Zellen selbst direkt treffende. 

Ellinger neigt mehr in der Ansicht, dass sie auf Fermente, welche im leukämischen Blut 
enthalten sind, einwirken. 


Ärztl. Verein in Hamburg. 1. XI. 1904. 

Albers-Schönberg stellte einen Patienten vor, bei welchem ein ausgedehntes Caneroid der 
Nase durch Röntgenbestrahlung bis auf ein kleines Knötchen abgeheilt ist. Hierzu waren 33 Sitzungen 
zu 6 Min. erforderlich. Stärkere Reaktion wurde durch Anwendung der Kompressionsblende und weiten 
Röhrenabstand vermieden. Die Wirkung der Röntgenstrahlen ist keine Ätzwirkung. 


Journallitteratur. 449 


Freie Vereinigung d. Chirurgen Berlins. 12. XII. 1904. . 

Immelmann zeigte Röntgenbilder seltener Handverletzungen vor. 1. Bruch des os navikulare 
sei durch Ausringen entstanden. 2. Luxatio dorsalis der Grundphalaux des Mittelfingers. 3. Fraktur 
des condylus internus der Grundphalaux des Daumens. 


Verein Freiburger Ärzte. 30. XI. 1904. 


Liebermeister stellte eine Kranke vor, welche anscheinend pseudolenkämische Drüsen- 
schwellungen am Halse zeigte. Dieselbe war mit Röntgenstrahlen behandelt, diese Behandlung musste 
aber wegen rascheren Wachstums der Tumoren und Verschlechterung des Allgemeinbefindens durch die 
Bestrahlung bald ausgesetzt werden. Arsenbehandlung war ebenso erfolglos. In nachträglicher Mitteilung 
ist über den erfolgten Tod und die Sektion berichtet, welche Lymphosarkom mit zahlreichen Metastasen 
in retroperitonealen und iliacalen Lymphdrüsen ergab. 


Rhein.-westf. Ges f. innere Med. u. Nervenheilk. 1904. 


Stursberg berichtet über einen in der Bonner Klinik vom Sept. 1904 bis Jan. 1905 mit Röntgen- 
bestrahlung behandelten Fall von Leukämie. Es war eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes, kein 
Rückgaug der Milzschwellung und nur vorübergehender Leukocytenabfall eingetreten. Er hat die An- 
sicht, dass in diesem und ähnlichen veröffentlichten Fällen sogar eine Schädigung eingetreten ist, ent- 
weder durch die Zerfallsprodukte der Leukocyten oder durch Strahleneinwirkung auf andere Gewebe. 
Trotzdem kann in geeigneten Fällen die Röntgenbehandlung den Körper bei der Heilung wesentlich 
unterstützen durch die frühzeitige Vernichtung der neugebildeten Leukocyten. Auch die Beseitigung 
leukämischer Infiltrate spielt dabei eine Rolle. 

Diskussion: 

Hoffmann-Düsseldorf berichtet über einen behandelten Fall mit günstigem Verlauf, der nach 
drei Monaten, nach Aussetzen der Bestrahlung, normalen Blutbefund aufweist. 

Lenzmann-Duisburg: Hat einen Fall behandelt ohne Erfolg, die Zahl der weissen Blut- 
körperchen ging zwar fast zur Norm zurück, ebenso aber auch die der roten bis zur Hälfte des Normalen. 
Verschlechterung des Allgemeinzustandes. 

Koll-Barmen: Ähnliche Erfolge wie mit der Bestrahlungs- wurden auch mit Arsenikkur erzielt. 


Ges. f. innere Med. u. Kinderheilk. in Wien. 1904. 


Gerber und Holzknecht berichteten über Behandlung der Leukämie und Röntgenstrahlen. 
Bei der lymphatischen Leukämie wird unmittelbar im Anschluss an die Bestrahlung Vermehrung der 
Leukocytose beobachtet. G. bezeichnet dies als ,Ausschwemmung* und als Wirkung auf die Drüsen. 
Erst nach dieser Ausschwemmung fällt die Zahl ab. — H. hat acht Fälle mit gutem Erfolg behandelt. 
Seiner Erfahrung nach verläuft die Behandlung so, dass zuerst die Zahl der Leukocyten schnell zunahm, 
um allmählich auf normale oder subnormale Werte abzufallen. Nach Aussetzen vermehrte sie sich wieder 
etwas. Milztumoren verschwanden manchmal völlig, ebenso Drüsenschwellungen. Die roten Blutkörper- 
chen nahmen zu. Subjektive Beschwerden und Fieber schwanden, das Allgemeinbefinden hob sich 
beträchtlich. Er bezeichnet diese Wirkungen aber nur als „vorübergehende Besserungen‘*. 

Nobl demonstriert einen Knaben von elf Jahren, der vor vier Jahren dreimal wegen Psoriasis 
bestrahlt worden. (Nähere Angaben fehlen.) Nach dem Haarausfall erhebliche, schwere Dermatitis, die 
noch nicht abgeheilt ist und die Kopf- und Rückenhaut in spröde, leicht verletzliche Narben umgewandelt 
hat. Die histologische Untersuchung ergab schwere Schädigung der Hautblutgefässe. > DE 


Journallitteratur. 


Deutsche med. Wochenschrift. 1905. Nr. 1—14. 


Riesenfeld: Vom Radiumgehalt der Heilquellen und Moorerde. Die in einer Anzahl von 
Heilquellen sicher nachgewiesene Radioaktivität stammt teils von Emanation, teils ist sie in dem Sedi- 
ment enthalten in Form von Trümmern radioaktiver Substanzen. Nur Quellen aus grosser Tiefe zeigen 
sie, eingedrungene Tagewässer, auch wenn mit ausgelaugten Stoffen reichlich beladen, zeigen sie nicht. 
Die höchsten Werte sind für Baden-Badener Quellen bisher erwiesen. Moorerden sind Zersetzungs- 
produkte, haben daher keine Radioaktivität. Der Fangoschlamm dagegen, als vulkanischen Ursprunges, 
zeigt sie deutlich. | 

Croce: Über Wirbelfrakturen. Alle Fälle aus der Unfallpraxis, bei denen die subjektiven 
Beschwerden mit dem äusserlich zu erhebenden Befund in Widerspruch stehen, sollen mit Röntgen- 
strahlen aufgenommen werden. Beweis an zwei Fällen von Wirbelfraktur. 1. 28 jähr. Frau, die vom 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VIII. 57 


450 Journallitteratur. 


Heuwagen gestürzt war, nachher eine geringe Schiefheit des Halses mit erheblichen Beschwerden zeigte. 
Aufnahme ergab: schräger Bruch durch vierten Halswirbelkörper, Senkung der rechten Brusthälfte nach 
unten und vorn, rechte Gelenkfläche des gebrochenen Wirbels zusammengedrückt, wodurch Zusammen- 
rücken der Wirbelsäule nach rechts entsteht. Schädigung von Rückenmark und peripherer Nerven danach 
auch sicher vorhanden. 2, 26 jähr. kräftiger Mann erhielt mässigen Schlag mit einer Wagendeichsel 
gegen den linken Trochanter. Kurz nachher grosses TTämatom an der getroffenen Stelle, starke Be- 
wegungsbeschränkung des linken Beines. Später schr geringe Beweglichkeit anhaltend, dazu treten 
Kreuz- und lanzinierende Schmerzen. Systematische Aufnahme der ganzen Gegend erwiesen Bruch des 
hinteren Bogens des letzten Lendenwirbels. Das linke Bruchstück über das rechte geschoben. 


Buschke und Schmidt: Über die Wirkung der Röntgenstrahlen auf Drüsen. (A. d. Univ.- 
Poliklinik f. Hautkr. Prof. Lesser-Berlin.) Ihre Versuche erstrecken sich auf die Hoden, Nieren und 
Schweissdrüsen von Kaninchen, Meerschweinchen und Katzen. Die Versuchsergebnisse kann man in 
Folgendem zusammenfassen. 1. Hodengewebe reagiert bei der nötigen Dosis Röntgenstrahlen makros- 
kopisch mit Verkleinerung und Erschlaffung, mikroskopisch mit Schwund des Epithels. 2. Hauptsächlich 
vom Schwund betroffen wird das sich lebhaft teilende Epithel der Hodenkanälchen, während das ruhende 
des Nebenhodens länger erhalten bleibt. 3. Die Veränderungen treten erst nach längerer Zeit ein. 
4. Es gelingt, diese Veränderungen durch perkutane Bestrahlung zu erzielen ohne gleichzeitige schwere 
Veränderungen der Haut. 5. Die Ergebnisse sind denen von Albers-Schönberg beschriebenen (Münchner 
Wehschr., 1903, Nr. 45) analag. 6. Die Niere reagiert bei der nötigen Strahlendosis mit sehr groben, 
sichtbaren Veränderungen (Nekrose), mikroskopisch findet sich in Umgebung dieser Herde reaktive Ent- 
zündung. 7. Die Nieren reagieren aber nur auf schr starke Bestrahlung, nachdem sie freigelegt sind. 
8. Das Nierenepithel ist gegen die Bestrahlung bedeutend widerstandsfähiger als das schnell wachsende 
Hodenepithel. 9. Die Blutyetiisse waren kaum verändert, so dass die Annahme, die Gefässveränderung 
sei das Primäre bei der Wirkung der Bestrahlung nicht wahrscheinlich ist. 10. Die Schweissdrüsen 
(Katzenfussballen) werden durch die Bestrahlung, schr stark in ihrer Funktion beeinträchtigt. 11. Sie 
reagieren verhältnismässig leicht. 12. Die Haut der Fussballen zeigt nach der Bestrahlung atrophische 
Veränderungen. 13. Das Drüsenepithel selbst liess auch längere Zeit nach der Bestrahlung mikroskopisch 
keine Veränderung erkennen. 14. Hyperhidrosis kann ohne Schädigung der Haut auch beim Menschen 
dureh Bestrahlung beseitigt werden. Versuchsanordnung ist im Original nachzulesen. 


Klinsmüller und Halberstidter: Uber die bakterieide Wirkung des Lichtes bei der 
Finsenbehandlung (a. d. dermatol. Univ. Klinik-Breslau). Schr umfangreiche Versuche mit Tuberkel- 
bazillen und Staphylococeus pyogenes aureus, deren Anordnung hier anzuführen zu weitläufig ist. Sie 
fanden, dass bei der Finsenbehandlung selbst verhältnissmässig oberflächlich gelegene Tuberkelbazillen 
nicht abgetötet werden, ebensowenig werden Staphylokokken vernichtet. Die Wirkung des Lichtes bei 
Lupus beruht nicht auf die bakterientötender Kraft, sondern auf histologischen Vorgängen. De 


Münchener med. Wochenschrift. 1905. Nr. 1—16. 


Meyer und Kisenreich: Die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrablen. 

Winkler: Zur Technik der Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. Die beiden 
ersten Verf. berichten über den klinischen Verlauf, Winkler über die angewandte Technik. Beide 
Leukämiefälle müssen zu den schwereren gerechnet werden, bei beiden lag Milz- und Leberschwellung 
vor, das Allgemeinbefinden war schleeht. Beim ersten Fall wurde durch 678 Min. Bestrahlung eine Zu- 
rückführung des vorher schwer veränderten Blutes fast zur Norm erzielt. Zeitweise konnte aus dem 
Blutbefund allein nicht mehr die Diagnose gestellt werden. Die Zahl der Leukocyten nahm ab, die 
der Erythrocyten bedeutend zu, ebenso der Hämoglobingchalt. Besonders bemerkenswert war die 
Änderung des Verhältnisses der einzelnen Leukocytenarten zueinander. Die unreifen Formen schwanden 
zeitweise ganz, traten aber nach Aussetzen der Behandlung wieder auf. Während die Leber ganz zu 
ihren normalen Grenzen zurückging, blieb noch ein Rest Milzschwellung bestehen. Der Mann wurde 
arbeitsfälig. Beim zweiten Fall, 24 jähr. Mädchen, war der Erfolg im Ganzen viel geringer, es waren 
aber auch schon drei Jahre vor Beginn der Behandlung Beschwerden da, die auf Milz- und Leber- 
schwellung hinwiesen. Die Schwellungen von Milz und Leber gingen während der Behandlung (536 Be- 
handlungsminuten) nicht deutlich zurück, auch die Leukoeytenzahl sank niemals zur Norm ab, während 
allerdings die Erythrocyten sich fast zur normalen Zahl vermehrten, Ilämoglobin 95°/, erreichte und dem- 
entsprechend bedeutende Besserung des Allgemeinbefindens eintrat. Bei Entlassung war trotz der wesent- 
lichen Besserung des Blutbefundes Leukämie noch leicht diagnostizierbar. Temperatursteigerungen wurden 
in beiden Fällen schnell zum Abfall gebracht. Verf, erklären die Wirkung der Strahlen als wahrschein- 
lich auf vitalen Vorgängen berubend. Experimentell liess sich keine Einwirkung auf autolytische Fermente 
nachweisen. Die Zahlenangaben, welche in übersichtlichen Tabellen zusammengesetzt sind, möge man 
im Original nachsehen. — Zur Behandlung obiger Fälle dienten ¢-Polyphos-Réhren, die durch einen von 
Starkstrom gespeisten 70 em-Induktor betätigt wurden. Simon-Unterbrecher. Die Röhren waren mittel- 


Journallitteratur. 451 


weich bis hart; Bleischutz; Holzknechts Chromoradiometer. Milz, Brustbein und grosse Röhrenknochen 
wurden bestrahlt, die Milz von vorn und von hinten. In jeder Sitzung wurden etwa zwei bis drei H. 
verabreicht. Hautverbrennungen bis zur Excoriation und leichtem Nässen zwangen mehrmals zum Aus- 
setzen. Der erste Fall ist noch in weiterer Behandlung, der zweite hat sich derselben entzogen. 

Wendel: Zur Röntgenbehandlung der Leukämie. 42jähr. Frau, anscheinend länger als drei Jahre 
krank. Grosser Milztumor. W : R = 1 : 14. Rote Blutkörperchen = 1800000. Technik wegen Mangels 
eines Chromoradiometers ungenau. Zuerst nur Milz, drei Wochen später Brustbein bestrahlt, danach 
erst Leukocytenrückgang, Hebung des Allgemeinbefindens, so dass sie wieder arbeitsfähig, auch Vermehrung 
der roten Blutkörperchen aufs doppelte. Nach etwa dreimonatlichem Aussetzen wieder Vergrösserung 
des stark geschwundenen Milztumors, Vermehrung der Leukocyten. Behandlung noch nicht abgeschlossen. 
Litteraturverzeichnis von 27 Nrn. in Tabellenform. 7 

Schiefer: Weitere Beiträge zur Behandlung der Lenkiimie mit Röntgenstrahlen. Mitteilung 
von fünf Fällen. Sehr übersichtliche Zusammenstellung des Blutbefundes in Kurvenform. Ein Todesfall. 
In allen Fällen trat Besserung ein, auch der später Verstorbene hatte, wenn auch geringe, Besserung aller 
Symptome gezeigt. Bald nach dem Aussetzen der Behandlung trat bei Letzterem rasch starke Milz- 
schwellung mit Fieber und Kräfteverfall auf. Tod in Kollaps. Dermatitis leichten Grades war bei allen 
Behandelten aufgetreten. Während des Aussetzens der Behandlung bis zur Heilung war bei allen aber 
die Weiterwirkung der Bestrahlung zu beobachten. Verf. vergleicht die Wirkung der Bestrahlung auf 
Leukämie mit der Digitalisbehandlung der Herzkrankheiten. 

Schleip und Hildebrandt: Beitrag zur Behandlung der myeloiden Leukämie mit Röntgen- 
strahlen. Schwere Leukämie mit grossem Milztumor bei 20 jähr., seit zweieinhalb Jahren kranken 
Mädchen. Eine deutlichere und schnellere Wirkung trat erst nach ca. 700 Bestrahlungsminuten ein, 
nachdem zuletzt noch Einspritzungen von Liq. Natrii arsenicosi neben der Bestrahlung verwandt wurden. 
Nach Beginn der Arseninjektionen trat Fieber auf, das das Allgemeinbefinden und den Stoffwechsel 
nicht störte und baldiges Absinken der Leukocytenzahl zur Folge hatte. Während das endgültige Ab- 
sinken erst nach so langer Zeit eintrat, wurde ein solches bald nach den Einzelbestrahlungen (regelmässige 
Untersuchungen in Perioden von zwei und drei Stunden vor und nach der Bestrahlung) jedesmal be- 
obachtet. Dem täglichen Leukocytensturz folgte stets ein Anstieg, der aber ganz unregelmässig, nicht 
staffelförmig abfallend (s. Aubertin und Beaujard) war. Die Verf. erklären diese Zahlschwankung als 
durch ungleichmässige Verteilung, nicht Vernichtung der Leukocyten bewirkt. Die Patientin wurde 
sehr gebessert, später musste die Bestrahlung. wegen Erscheinungen von Seiten des Darmes (Zerstörung 
von Lymphfollikeln durch die Bestrahlung?) und Albuminurie ausgesetzt werden. — Zusanımenfassend 
sagen Verf. etwa Folgendes: „Den Röntgenstrahlen kommt bei der Leukämie eine Art spezifischer Ein- 
wirkungen auf das Blut zu. Die Fiebersteigerungen, vielleicht Fermentfieber, zeigen im Verein mit dem 
Verhalten des Körpergewichtes, dass der Körper den Kampf mit der Krankheit aufgenommen hat. 
Das Arsen scheint eine Kräftigung des Gesammtorganismus und dadurch erhöhte Reaktionsfähigkeit zu 
bewirken, denn die spezifischen Einwirkungen auf das Blut vor und nach Arsendarreichung sind im 
Prinzip die Gleichen. Da das Wesen der Leukämie ganz unbekannt ist, lässt sich nicht sagen, ob man 
durch die Röntgenbehandlung der indicatio morbi gerecht wird oder nur symptomatisch behandelt.“ 

Dessauer: Zur Frage der therapeutischen Dosierung der Réntgenstrahlen. Nachweis, dass 
die Behauptung von Albert Köhler-Wiesbaden, die Erwärmung der Glaswand der Röntgenröhre gegenüber 
der Antikathode sei der erzeugten R.-Strahlenmenge proportional, falsch ist und dass damit die von K. 
getroffene Anordnung eines Thermometers an dieser Stelle als Dosierungsmittel hinfällig wird. 

Aschoff: Das Vorkommen von Radium in den Kreuznacher Soolquellen. A. stellte aus dem 
Quellsinter der Soolquellen das in demselben enthaltene Barium in Form von Sulfat dar (1 g etwa) und 
fand, dass dieses Salz stark radioaktiv ist. Er legte es auf eine mehrfach in Dunkelpapier eingewickelte 
photographische Platte und fand nach 24 Stunden starke Schwärzung. Ausser den f-Strahlen waren 
auch Metall durchdringende y-Strahlen nachweisbar. «-Strahlen und. Emanation wurden mittels des von 
Elster und Geitel angegebenen Elektroscopes festgestellt, wobei sich herausstellte, dass sowohl das 
Wasser mit sehr reichlicher Emanation beladen war, als auch der Quellbaryt mit zu den stärkst 
radioaktiven Körpern der Art gehört. Auch der Sinterschlamm der Gradierkästen war stark radioaktiv. 
Dass nicht etwa Fluor-, sondern Radiumsalze die Radioaktivität bedingen, wies Elster nach. Sinter- 
massen von benachbarten Bergen, von deren Höhen in früheren Perioden nach Delkeskamp die 
Quellen entsprungen sein sollen, waren ebenfalls radioaktiv, ein Umstand, der D.s Annahme stützt. A. 
weist noch auf die Wichtigkeit des hohen Radiumgehaltes der Kreuznacher Quellen hinsichtlich ihrer 
therapeutischen Wirksamkeit hin. Die Untersuchungen sollen fortgesetzt werden. 

Helber und Linser: Experimentale Untersuchungen über die Einwirkung der Röntgen- 
strahlen auf das Blut. (A. d. mediz. Klinik zu Tübingen. Prof. Romberg.) Versuche zur Feststellung 
der Strahlenwirkung auf gesundes Blut an Ratten, Kaninchen und Hunden. Ergebnis: 1. Gesundes 
Blut reagiert stets auf Röntgenstrahlen. 2, Nach einer gewissen Bestrahlungszeit tritt Absinken der 

57* 


452 Journallitteratur. 


Leukocytenzahl ein. 3. Dieses Absinken ist selbst bei der gleichen Tiergattung und bei gleicher 
Grösse der Versuchstiere schwankend. Im allgemeinen aber erfolgt die Reaktion um so langsamer, je 
grösser das Tier ist. 4. Manchmal lässt sich das Blut ganz leukocytenfrei machen. 5. Die Verminderung 
der Leukocyten beruht auf Zerstörung derselben sowohl in den blutbereitenden Organen wie im Kreis- 
lauf. 6. Die roten Blutkörperchen werden durch die Bestrahlung ebenfalls geschädigt, so dass nach 
längerer Bestrahlung eine Anaemia simplex entsteht. Ebenso werden Blutplättchen und Hämoglobin un- 
günstig beeinflusst. 7. Die histologischen Veränderungen in der Milz, Knochenmark und Darmfollikeln 
sind durch Lymphocytenverarmung gekennzeichnet und entsprechen den von Heinecke beobachteten. 
8. Die Nieren erkranken bei längerer Bestrahlung des Körpers an akuter Nephritis, die nicht auf direkter 
Strahleneinwirkung beruht. 

Werner: Zur chemischen Imitation der biologischen Strahlenwirkung. (A. d. chir. Klinik 
d. Univ. Heidelberg, Prof. Czerny). W. fand, dass durch Radiumbestrahlung vcrändertes Lecithin intra- 
kutan injiziert, dieselben Veränderungen hervorruft, wie Radiumbestrahlung der Haut. Das Lecithin 
kann auch durch Röntgenstrahlen und durch Salzsäure-Pepsinverdauung „aktiviert“ werden. Auch durch 
Ozonisierung einer alkoholischen oder Olivenöl-Lösung von Lecithin liess letzteres sich aktivieren. Die 
Wirkung der Radiumstrahlen auf das Gewebe beruht nach seiner Ansicht wahrscheinlich darauf, dass die 
Einbringung von Sauerstoffträgern in das Gewebe oder Abspaltung solcher in demselben das Lecithin 
leichter zersetzlich macht oder direkt abbaut, und dieses letztere dann von Fermenten angegriffen und 
weiter zerstört wird. Vielleicht werden dabei wieder Sauerstoffträger (Cholin, Ölsäure) frei, die dann 
ihrerseits zur Weiterverbreitung des Prozesses beitragen. Versuchsanordnungen sind im Original nach- 
zusehen. PD 


Medizinische Klinik. 1905. Nr. 7 u. 8. 


Quincke-Kiel berichtet über einen Fall von Leukämie von mononuclärem Typus (mehr als 
950%, der weissen Blutkörperchen mononucleär) verbunden mit Anämie und Milztumor, welcher in noch 
nicht 3!/, Monaten tödlich verlief. Die Réntgenbehandlung bestand in Bestrahlung mit einer harten 
Röhre 115 Minuten lang in 21 Sitzungen auf 27 Tage verteilt, ausserdem wurde 30 Minuten mit einer 
weichen Röhre behandelt. Die Röntgenbehandlung hat zunächst eine Verminderung der weissen Blut- 
körperchen herbeigeführt, hat aber dem Fortschreiten des Grundleidens keinen Einhalt tun können. 

Krehl-Strassburg hat zweimal gesehen, dass unter dem Kinflusse von Röntgenstrahlen bei 
mycloiden Leukämien die Zahl der weissen Blutzellen, spez. auch der Myclocyten erheblich zurückging 
und dass die Milz kleiner wurde. 

Lommel-Jena behandelte in Jena je einen Fall von Pseudoleukämie und Leukämie mit 
viinstigem Erfolge. 

Technisches: In Verlauf von 58 Tagen wurden an 34 Tagen verschiedene Körpergegenden 
abwechselnd bestrahlt, namentlich die Milz und die langen Knochen der Extremitäten. Die Dauer der 
einzelnen Bestrahlungen betrug 10—15 Minuten. Resultat: Die Leukucyten fielen in dem Leukämiefalle 
von 540 000 auf 16000, die Erythrocyten stiegen von 3,1 auf 4,7 Mill. Die Milz wurde stark verkleinert. 
Das Allgemeinbefinden besser, vorhandene Ödeme verschwanden, das Körpergewicht nahm zu. In dem 
Fall von Pseudoleukiimie sank die Zahl der Leukocyten von 50000 auf 6820, die Erythrocyten steigen 
von 8,5 auf 4,0 Mill. Der Milztumor wurde kleiner, das Allgemeinbefinden hatte sich gebessert. 

von Leube-Würzburg sah günstire Wirkung der Röntgenstrahlen bei Leukämie: Abnahme der 
weissen Blutkörperchen von 230 000 auf ca. 13000, Rückgang des enormen Milztumors; bei der Pseudo- 
leukämie: Rückgang der Mesenteriallymphome auf die Hälfte ihres Volums mit ca. 20 Sitzungen. Be- 
merkenswert ist die Angabe, dass nach Aufhören der Röntgenbehandlung in dem Falle von Leukämie 
der Milztumor, sowie die Leukocytenzahl ziemlich rasch wieder zugenommen haben. 

Goldscheider-Berlin hält es für geboten, die Röntgentherapie bei Leukämie und Pseudo- 
leukämie weiter auszubauen. Er sah eine günstige Beeinflussung bei einem Fall von Pseudoleukimie. 

v. Mering-Halle behandelte einen Fall von Leukämie 14 Tage lang mit Röntgenstrahlen, ohne 
günstige Beeinflussung zu sehen. 

Grawitz-Charlottenburg sah eine frappante Beeinflussung cines Leukiimiefalles unter der 
Röntgenbehandlung. Bei dem äusserst kachektischen, ödematösen und dyspnoischen Patienten mit schwerer 
Anämie (1 Mill.) und hochgradiger Leukocytenwucherung (1,25 Mill. im emm) wurde durch einige 20 Be- 
strahlungen das Allgemeinbefinden in günstigster Weise beeintlusst, die Leukocyten gingen auf 8000 im 
emm zurück. Diese Besserung besteht jetzt 2 Monate, gleichzeitig haben die roten Blutkörperchen er- 
heblich zugenommen. G. hat Versuche angestellt, welehe zu beweisen scheinen, dass die Leukocyten 
nach der Bestrahlung in ihrer Vitalität geschädigt werden 

Lichtheim-Königsberg sah bei drei Myeliimien, zwei Lymphiimien und einer atypischen 
Leukämie ausnahmslos eine günstige Beeinflussung. Der Erfolg liess in den letzten Fällen länger auf 
sich warten, erst nach einem mehrwöchentlichen Latenzstadium begann der Rückgang der leukämischen 


Journallitteratur. 453 


Blutbeschaffenheit; ferner dauerte nach dem Einstellen der Behandlung die Wirkung noch eine zum Teil 
recht erhebliche Zeit fort. Die Wirkung bestand in Besserung des Allgemeinbefindens, in Zunahme des 
Körpergewichts, in Steigerung der Erythrocytenzahl, mit einer einzigen Ausnahme (Fall v. chron. Lym- 
phämie, über welche schon besonders berichtet ist). L. glaubt aber nach seinen Erfahrungen nicht, dass 
der Erfolg ein dauernder sein wird. Auch pseudoleukiimische Lymphdrüsentumoren sind durch Röntgen- 
strahlen günstig beeinflusst worden. 

Meyer berichtet aus d. II. med. Klinik in München über günstige Erfahrungen an zwei Fällen 
von myeloider Leukämie. Behandlungsdauer im ersten Falle im ganzen 678, im zweiten etwas über 
600 Minuten. In beiden Fällen ging die Milz an Grösse zurück, die Leukocytenzahlen wurden geringer, 
Hämoglobin und Erythrocyten erreichten normale Werte. Von Nebenerscheinungen wurde eine leichte 
Dermatitis beobachtet. | 

von Noorden-Frankfurt a/M. sah einen zweifellosen, aber „nicht durchschlagenden Erfolg“ 
in einem Falle von lymphatischer Leukämie. Technisches: Mittelharte Röhren, 29 Bestrahlungen & 
10 Minuten, 30 cm Röhrenabstand, Extremitäten, Milz, Sternum. Resultat: Zurückgaug der Leukocyten, 
Zunahme der Erythrocyten, Verkleinerung der Milz. 

Albers-Schönberg-Hamburg teilt wertvolle technische Winke betr. die Röntgentherapie 
mit. Eine allzu intensive Bestrahlung der Milzgegend ist nicht anzuraten, ebensowenig darf die zur 
Verwendung kommende Röntgenstrahlung zu schwach dosiert sein. Röhrenabstand sei 30 cm, Dauer der 
einzelnen Bestrahlung etwa 6 Minuten pro Sitzung. Nach 5—6 Sitzungen soll eine Pause von mindestens 
einer Woche eintreten. Tritt keine Hautreaktion ein, verabfolge man eine zweite Serie. Der Autor 
empfiehlt kurz zusammenfassend die Anwendung einer mittelweichen Röhre bei genügend grossem 
Abstand (30cm), kurzer Expositionszeit (6 Min.) und voller Belastung. „Die beste Röhre ist für die 
Röntgentherapie gerade gut genug.“ 

Hahn-Hamburg sah bei einem Fall von Leukämie bei 6 maliger Bestrahlung keine Besserung, 
bei einem zweiten Falle trat nach ca. zwei Wochen schon wesentliche Besserung ein, die nach vier 
Wochen so erheblich ist, dass die Patientin bereits Spaziergänge machte, blühend- aussah, die Knochen- 
schmerzen verschwanden und die Menses wiederkehrten. H. fast seine Meinnng über diesen Fall resp. 
über Leukämie dahin zusammen, dass man wohl bei der heutigen Bestrahlungstechnik einen gewissen 
Einfluss auf die Erkrankung erzielen kann, dass aber Dauererfolg von allen möglichen Umständen 
anderer Art abhängen wird. Er warnt vor zu grossem Optimismus der Röntgentheraphie bei inneren 
Krankheiten. i 

Pappenheim-Hamburg tritt warm für die Röntgentherapie der Leukämie ein und weist in 
lesenswerter Weise die theoretischen Bedenken Wolfs gegen die neuc Methode zurück. 

von Strümpell-Breslau berichtet, dass an seiner Klinik in sechs Fällen von Leukämie, in 
einem Falle von Pseudoleukämie günstige Erfahrungen mit der Röntgentherapie gemacht worden sind. 
Die Fälle sind an anderer Stelle dieser Zeitschrift ausführlich beschrieben. 

Nr. 9. S.210. Lenzmann-Duisburg: Uber die Behandlung der Leukämie mit Röntgenstrahlen. 
59 jährige Patientin mit Schwellung der Submaxillar- und Axillardrüsen ohne Milzschwellung. Die Blut- 
untersuchung ergab im April 1904 35 000 Leukocyten, davon 5000 grosse, mononucläre, Übergangsformen 
und eosinophile Zellen nur vereinzelt, die übrigen 30 000 waren grosse Lymphocyten. Die Schwellung 
der Lymphdrüsen nahm rasch zu, wiederholte Atoxylkuren brachten keine besondere Besserung. Am 
22. Nov. 1904 Bestrahlung der Drüsentumoren mit Röntgenstrahlen. „Harte Röhre, zunächst 25 cm, dann 
15 cm Entfernung. Bestrahlung der einzelnen Pakete je 3 Minuten, im ganzen 12 Minuten, im Nov. 
täglich, im Dezember — weil Dermatitis drohend — 10mal, Jan. 05 15mal, im ganzen bis Febr. 33mal. 
Resultat: Zunächst stärkere Schwellung der Lymphdrüsen, dann von Mitte Dezember an deutliche Ver- 
kleinerung. Die Zahl der weissen Blutkörperchen zu Anfang der Kur: 72000, Ende Nov. 138000, Ende 
Januar 05 Leukocyten 28200, davon polynucläre 4500, die übrigen Lymphocyten. zu °/, grosse Zellen, 
Erythrocyten 2,5 Million. Subjectives Befinden schlechter. 

Lenzmann hebt ausdrücklich hervor, dass durch die Röntgenbehandlung das Krankheitsbild 
verändert, aber nicht gebessert sei, deshalb sei grosse Skepsis am Platze. 


Medizinische Klinik. 1905. Nr. 10, S. 237, 

Mayer-Graz: Die physikalischen Grundlagen der Kathodenstrahlen. Kurze referierende Auf- 
zählung der physikalischen Grundlagen der Kathodenstrahlen mit Berücksichtigung der geschichtlichen 
Eutwicklung ihrer Entdeckung; dieselbe orientiert in klarer Weise über die zur Zeit bekannten Eigen- 
schaften der Kathodenstrahlen. 

Medizinische Klinik. 1905. Nr. 11, 248. 

Schütze: Zwei Fälle von Leukämie mit Röntgenstrahlen behandelt. Der erste Fall ist des- 
halb bemerkenswert, weil er schon im August 1901 mit Röntgenstrahlen behandelt worden ist. Es han- 
delte sich um einen 52jährigen Patienten mit grossen symmetrischen Driisentumoren am Halse, in beiden 


454 Journallitteratur. 


Achselhöhlen, während in den Inguinal- und Kubitalgegenden sich nur etwa erbsengrosse Drüsen be- 
fanden. Der Milztumor war mässig gross. Blut enthielt am 17. VIIT. 01 Erythocyten 3,2 Millionen, 
Leucocyten 96600, Hämoglobin (nach Sahli?) 55%,, am 30. IX. 01 Erythocyten 5,5 Millionen, Leuko- 
eyten 11200, Hämoglobin 65°/,, über mikroskopische Blutuntersuchung ist nichts angegeben. Uber das 
Technische ist nur bemerkt, dass die täglichen Röntgenbestrahlungen „meist 6—7 und auch weniger 
Minuten Dauer“ betrugen. Resultat der Behandlung: völliges Schwinden der Tumoren, Beseitigung der 
Druckempfindlichkeit der Knochen, mässige Grössenabnahme der Milz und die langsam der Norm sich 
nähernde Zusammensetzung des Blutes. Bis Januar 1905 seien die Drüsenschwellungen nicht wieder- 
gekehrt. Auch in dem zweiten Falle handelt es sich um einen ea. 50jährigren Patienten mit starken 
Drüsenschwellungen (bis taubeneigross) am Hals, in den Achselhöhlen, in Leisten- und Kubitalgegenden 
mit miichtigem Milztumor. Unter der Röntgenbehandlung, über welche nichts Näheres mitgeteilt ist, 
sank die Leuhocytenzahl von 733000 (ausschliesslich mononucleäre) bis auf 32000, während die Zahl der 
Erythrocyten von 2,2 auf 3,4 Millionen anstieg und zwar innerhalb von 4 Monaten. Neben der sicht- 
baren Veränderung des Blutes zeigte auch die Milz- und Leberdiimpfung gleich wie der Umfang der 
Drüsentumoren cine deutlich nachweisbare Abnahme. 

No. 13, S. 307. Umfrage über die Behandiung des Krebses mit Radium, welche von der Re- 
daktion der „Medizinischen Klinik* angeregt worden ist. Bisher liefen darauf folgende Antworten ein: 

I. Perthes-Leipzig hat vier Fälle von linsengrossen Caneroiden an Nase und Augenlid in 
der Weise behandelt, dass die 10 mg haltende Kapsel von Radiumbromid ein oder anderthalb Stunden 
aufgelegt wurde. Drei Tage danach wurde der Beginn der reaktiven Rötung beobachtet, acht bis zehn 
Tage nach der Sitzung war Abflachung und Erweichung des Creschwürrandes zu konstatieren, sechs bis 
zehn Wochen nach der Behandlung waren die Gteschwüre vernarbt. In zwei Fällen erscheint die Heilung 
zunächst als vollständig, in einem wurde wegen verdächtiger Knötchen in der Narbe von neuen be- 
strahlt, in dem vierten musste schliesslich operiert werden. Bei Osuphagus, inoperablen Rektum- 
und Zungencarcinom trat kein Erfolg ein. 

I. Wichmann-Hamburg sah Heilungserfolge bei flachen Hautkrebsen, welche aber auch 
durch Ätzmittel verhältnissmässig leicht beseitigt werden. Er probiert zurzeit Radiumlösungen zur In- 
jektion und Deponicrung des Radiums in der Tiefe aus, um auch tiefergreifende Careinomen damit be- 
handeln zu können. 

HI. Klingmüller berichtet aus der Neisserschen Klinik in Breslau, dass sich zur Behand- 
lung mit Radium im allgemeinen nur die kleineren und oberflächlich gelegenen Careinome eignen, 
besonders wenn dieselben an den Augen, der Nasolabialfalte, am und hinterm Ohre sitzen. Es kann 
zur vollständigen Ausheilung kommen, Recidive treten aber auch nach dieser Behandlung auf. 
Die Narbenbildung ist eine ziemlich gleichmässige. Klingmüller führt als Vorteile der Radium- 
behandlung an 1. die bequeme Applikation, 2. die Schmerzlosigkeit des Verfahrens im Gegensatze zu 
der früheren Atzbehandlung, 3. die relativ schöne Narbenbildung. Als Nachteile derselben erwähnt er 
1. den ausserordentlich hohen Preis der Präparate, 2. die Unmöglichkeit, grössere Flächen damit in 
kürzerer Zeit zu bestrahlen. 

IV. Hildebrand-Berlin hat die Radiumbehandlung, ebenso wie die Röntgenbehandlung ohne 
Erfolg bei regionären Hautmetastasen versucht. 

V. Exner- Wien erwähnt die Heilung eines ausgedehnten Careinoms der Wangenschleim- 
haut, das bereits nach aussen durch die Wange wewachsen war. Nach Excochleation des Tumors wurde 
die Wundhöhle energisch mit Radium bestrahlt. Es entwickelte sich eine heftige Reaktion, und erst 
nach mehreren Monaten kam es zur Verheilung der Wunde. Ein Jahr nachher war die Frau noch voll- 
kommen recidivfrei. 

VI. Blaschko-Berlin erscheint die Behandlung des Carcinoms durch Radium keine irgendwie 
nennenswerte Bereicherung unseres therapeutischen Arsenals. Er weist zusammenfassend auf die Nach- 
teile der Behandlung hin. 

VII Blauel-Tübingen teilt mit, dass die praktischen Versuche in der ehirurgischen Klinik 
in Tübingen nur bei kleinen, oberflächlichen Epitheliomen einzelne Erfolge erzielt haben. Bei tieferen 
Hautearcinomen, bei inoperablen recidivierenden Mammacareinomen, bei inoperablen stenosierenden 
Rektumkarzinomen versagte die Methode. 

VIIL Werner berichtet, dass an der Heidelberger chirurgischen Klinik 34 Patienten wegen 
45 verschiedenen lokalisierten Affektionen mit Radium behandelt wurden, nur bei zwei ganz oberfläch- 
lichen Epitheliomen des Gesichts war eine eklatante Heilwirkung zu konstatieren, in den übrigen Fällen 
kam es nur zu einer leichten Abflachung, meist mit lokaler Nekrose, während die Hauptmasse der Ge- 
schwulst intakt blieb. Demnach würde Radium nur bei ganz oberflächlichen Haut- und Schleimhaut- 
krebsen mit dem Messer oder Thermokauter in Konkurrenz treten können. 

No. 13, S. 310. Bergell und Braunstein: Über den Einfluss der Radiumsalze auf den fer- 
mentativen Eiweissabbau, Die Verfasser erwähnen, dass im Anschluss an die Untersuchmungen über 


Journallitteratur. 455 


den Einfluss des Radiums auf tierische Gewebe und Zellen zur Erklärung der beobachteten Erschei- 
nungen auch Experimente angestellt worden sind über die Beeinflussung der verschiedenen Ferment- 
wirkungen durch die neuen Substanzen und die von ihnen ausgesendeten Strahlenarten. Diesbezügliche 
Versuche sind von Henri und Mayer, von Schmidt-Nielsen, von Neuberg, von Danysz gemacht 
worden. Bergell und Braunstein teilen als Ergebnis ihrer neuen Versuche mit, dass der Zusatz des 
Radiumbromids selbst und des radioaktiven Wasers die Emzymwirkung in den Pankreatin-(Trypsin)- 
Präparaten enthaltenden Fermenten, welche in der Abspaltung des Tyrosens sich kennzeichnet, sicher 
nicht hindert, sondern sogar, anscheinend beträchtlich, verstärkt. Dagegen hindert die Bestrahlung mit 
Radiumbromid, welches durch eine Glimmerspalte von dem Pepton-Pankreagemisch getrennt ist, diese 
Emzymwirkung deutlich. Näheres ist in der Originalabhandlung nachzulesen. 

No. 14, S. 338. Hoffmann berichtete in der Leipziger Medizinischen Gesellschaft über 
Röntgenuntersuchungen am Magen. Er demonstrierte typische Bilder von „normalem Magen“ und 
„Gastroptose*. Er teilte ferner seine Beobachtungen mit über die ,Magenblase‘, eines „blasenartigen 
Schatten“, welcher bei aufgeblähtem Magen zu finden ist. „Am auffälligsten jedoch war, nach dem Re- 
ferate von Liebold, die Beobachtung an vier hochgradig nervösen, neurasthenischen Patienten, für deren 
Leiden eine Ursache nicht zu finden war, die aber alle eine ausgesprochne, jahrelang beobachtete 
»Magenblase“ bei der Röntgenuntersuchung aufwiesen. Hoffmann nennt den Zustand, für den er eine 
Erklärung zurzeit noch nicht zu geben vermag, „chronische idiopathische Magenblase“. Alle therapeu- 
tischen Versuche seien bisher gescheitert. Paul Krause (Breslau). 


Pester medizinisch-chirurgische Presse. 1905. Nr. 2/3. 


Schein: Röntgenstrahlen in der Dermatologie. Verf. sieht in der Röntgentherapie ein für 
den Dermatologen unentbehrlich gewordenes Hilfsmittel, wobei jedoch eine richtige Auswahl der zu be- 
handelnden Krankheiten und eine rationelle Anwendung Haupterfordernis sind. Hinsichtlich der rationellen 
Anwendung betont Sch. vornehmlich die Beachtung der cumulativen Wirkung der Röntgenstrahlen sowie 
die Kontrolle des „latenten Stadiums“ der Reaktion und die Möglichkeit des Auftretens einer sekundären, 
erst sehr spät auftretenden Hautveränderung. Zur Vermeidung übler Folgen wird die Anwendung des 
Holzknechtschen Chromoradiometers angeraten. Härtere Röhren sollen für tiefer sitzende, weichere für 
oberflächlich sitzende Affektionen verwandt werden. Der Dosis plena (Erreichung der beabsichtigten Re- 
aktionshöhe in einer Sitzung) wird von der Dosis refracta (öftere Bestrahlung mit geringerer Strahlenmenge) 
der Vorzug gegeben. Am Schluss der Arbeit wird eine kurze Aufzählung der Hautkrankheiten gegeben, 
die sich für die Röntgenbehandlung eignen. Irgend welche neue Gesichtspunkte enthält die Arbeit nicht. 
Auch das vom Verfasser beobachtete Nachleuchten der Röhren im Dunkeln dürfte ein den Röntgenologen 
wohl bekanntes Phänomen sein, wenn dasselbe auch vielleicht noch nicht besonders beschrieben worden ist. 


Monatsschrift für praktische Wasserheilkunde und physikalische Heilmethoden. 1904. Nr. 11/12. 


Sommer: Über Röntgenstrahlen. Der Aufsatz enthält eine allgemein fassliche Darstellung der 
Entstehung und des Wesens der Röntgenstrahlen sowie der zu ihrer Erzeugung nötigen Apparate. Der 
Bau des Induktors, von welchem Verf. übrigens die kleinere Form zu bevorzugen scheint, findet unter 
Würdigung allgemein physikalischer Grundsätze eine eingehendere Darstellung. Auch der Aufbau des 
Unterbrechers und der Röhre werden kurz beschrieben. Von Nebenapparaten finden besonders die zur 
Abhaltung der Sekundärstrahlung nötigen Blenden sowie der Orthoréntgenograph und das Holzknechtsche 
Chromoradiometer Erwähnung. Die Arbeit schliesst mit einem kurzen Überblick unserer heutigen Leistungen 
auf dem Gebiete der Röntgenoskopie, der Röntgenographie und der Röntgentherapie. Die Lektüre des 
sehr übersichtlich geschriebenen Aufsatzes, der den gestellten Zweck durchaus erreicht, ist bestens zu 
empfehlen. Silberberg (Breslau). 


Archives d’électricité médicale. 13° année p. 323. 1905. 


Bordier u. Galimard: Über die Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Platino-Cyanüre. 
Die Verfasser zeigen, dass die von Villard entdeckten Farbenveränderungen, welche das Bariumplatin- 
cyanür unter dem Einfluss der Röntgenstrahlen durchmächt, auf eine Wasserentziehung und die all- 
mähliche Rückkehr desselben in den ursprünglichen Zustand auf die Wiederzufuhr des entzogenen 
Wassers zurückzuführen ist. Das Licht, welches man bisher als die eigentliche Ursache dieser Rück- 
kebr ansah, soll nur die Wiederaufleuchtung des Salzes begünstigen. Dieselben Farbenveränderungen, 
welche das letztere unter dem Einfluss der Röntgenstrahlen durchmacht, lassen sich ferner nach den 
Verf. auch noch dadurch erhalten, dass man 1. das Salz leicht erwärmt, 2. dadurch, dass man es unter 
einem Exsikkatur austrocknet und 3 dadurch, dass man es in einem Mörser zerreibt. Bei allen diesen 
Operationen verliert das Salz Wasser und geht von dem grünen fluoreszierenden Zustand in den braunen, 
nicht fluoreszierenden über. Von diesen Operationen ist besonders die erstere von praktischer Wichtig- 
keit, da wir nämlich zunächst daraus ersehen, dass wir einen durch die Wirkung der Röntgenstrahlen 
unempfindlicher gewordenen Leuchtschirm zum Regenerieren nicht etwa in die direkte Sonne legen 


456 Journallitteratur. 

dürfen, da sonst der Schirm wegen der Erwärmung durch die Sonnenstrahlen nicht regeneriert, sondern 
vielmehr noch stärker entfärbt werden würde. Am besten bewahrt man daher seinen Leuchtschirm an 
einen Orte auf, wo er nur von dem nicht erhitzenden diffusen Tageslichte getroffen wird. Eine andere 
Folge der obigen Versuche ist die, dass man in dem Falle, wo man das Bariumplatincyanir als Mittel 
zur therapeutischen Dosierung der Röntgenstrahlen benutzt (Verfahren von Sabouraud und Noiré) 
dieses Salz nicht zu nahe an die Glaswand der strahlenden Röhre heranbringen darf, da sonst die 
Entfärbung desselben zum Teil auch durch die von dieser Glaswand ausgestrahlte Wärme hervorgerufen 
sein kann. Ausser dem Bariumplatineyanür haben die Verf. auch noch andere Platinocyanüre unter- 
sucht und dabei gefunden, dass von allen das erstere am schnellsten verändert und am langsamsten 
regencriert wurde. Walter (Hamburg). 


Comptes rendus. 140. p. 649. 1905. 


Turchini: Verändernng der äquivalenten Funkenlänge einer Röntgenröhre. Vielfach wird 
als Mass der Härte der Strahlung einer Röntgenröhre noch die äquivalente Funkenlänge der letzteren 
benutzt. Ein wie unsicheres Verfahren dies indessen ist, zeigen die Versuche des Verfassers sehr deut- 
lich; insofern nämlich aus ihnen hervorgeht, dass auch bei derselben Röhre die äquivalente Funkenlänge 
sich nicht bloss mit der Intensität des sekundären Stromes, sondern bei gleichbleibender Stärke des 
letzteren auch noch mit der Zahl der Unterbrechungen sowie mit der Grösse des angewandten Induktors 
ganz beträchtlich ändert. Stieg beispielsweise der sekundäre Strom von 0,3 auf 1,0 Milliampére, so nahm 
auch die äquivalente Funkenlänge der Röhre von 4,5 bis 10,5 cm zu; und als Verf. mit einem Turbinen- 
quecksilberunterbrecher einmal bei 15 und das andere Mal bei 126 Unterbrechungen in der Sekunde den 
Sekundärstrom jedesmal auf 0,5 Milliampere brachte, war die äquivalente Funkenlänge im ersten Fall 8 
und im zweiten nur 2,5 em. Walter (Hamburg). 

139. p. 1200. 1904. Villard: Über die Kathodenstrahlen und die Gesetze des Elektro- 
magnetismus. Verf. untersucht, ob die sich in den Kathodenstrahlen bewegenden, elektrisch geladenen 
Teilchen in einem magnetischen Felde eine Reibung erfahren und findet, dass dies nicht der Fall ist. 
Der Beweis wird dadurch geführt, dass ein schr dünnes Kathodenstrablenbündel schräg gegen die Kraft- 
linien eines magnetischen Feldes gerichtet wird. Dasselbe beschreibt dann bei konstanter Feldstärke 
eine Schraubenlinie, die auf dem Mantel cines Cylinders verläuft, wenn die Bewegung reibungslos ge- 
schicht, auf dem Mantel einer sich kegelartig verjüngenden Fläche dagegen, wenn Reibung vor- 
handen ist. Im ersteren Talle werden die Cylinder bei zunehmender Feldstärke zwar immer enger 
haben aber sämtlich eine bestimmte Gerade gemeinsam, diejenige nämlich, welche durch den 
Ausgangspunkt des Bündels geht und den Kraftiinien des Feldes parallel ist. Auf einem zu diesen 
Linien senkrechten Schirm wird within in diesem Falle die Spur dieser Cylinder für verschiedene Feld- 
stärken durch verschieden grosse Kreise dargestellt, welehe sämtlich durch einen bestimmten Punkt, eben 
die Spur der genannten Geraden, hindurchgehen; und dureh diesen Punkt muss mithin auch bei einer 
reibungslosen Bewegung das Bündel selbst hindurchgehen, wenn es durch die Einwirkung einer bestimmten 
Feldstärke gerade eine oder mehrere volle Umdrehungen auf seiner Schraubenlinie gemacht hat. Bei 
einer Bewegung mit Reibung dagegen kann das Bündel nach dem Verlassen der Kathode die genannte 
Gerade nicmals wieder schneiden, da die kegelartige Fläche, auf welcher dasselbe sich dann bewegt, 
gänzlich innerhalb des Cylinders liegt, welchen dasselbe bei reibungsloser Bewegung beschreibt und 
sich auch bei jeder Umdrehung des Mobils immer mehr von ihm entfernt Verf. fand nun aber bei 
seinen Versuchen, dass das in obiger Weise gerichtete, dünne Kathodenstrahlenbündel selbst nach 
mehreren Umdrehungen in einem magnetischen Felde immer wieder durch die genannte Gerade hindurch- 
ging, so dass mithin die Bewegung desselben in diesem Falle, wie bereits zu Anfang erwähnt, als 
reibungslos anzusehen ist. Walter (Hamburg). 


Archives of the Röntgen ray. Nr. 53-—57. 


Holland: Bei 21 jüährigem Mann mit Splitterfraktur des Oberschenkels, welche durch Röntgen- 
untersuchung festgestellt wurde, liess die ungewöhnliche Bruchstelle, dicht unterhalb des kleinen 
Trochanters und der sehr grosse Bluterguss an Sarkom denken, ohne dass bei der ersten Untersuchung 
der Verdacht bestätigt wurde. Erst einen Monat später war auf der Röntgenplatte eine deutliche Ge- 
schwulst, die Fenurkopf und -Hals bis zum kleinen Trochanter einnahm, nachweisbar. Sie erwies sich 
als Rundzellensarkom, Patient starb nach Exartieulation des Oberschenkels. Bei der ersten Aufnahme 
hatte der grosse Bluterguss nach Ansicht H.s ein kennzeichnendes Bild nicht erlangen lassen. 

Haret: Some symptoms of a toxaemic nature manifested during the course of treatment 
by three patients suffering from non ulcerated cancer of the breast. Bei drei Kranken mit nicht 
ulcerierten Brustkrebsen trat nach Röntgenbehandlung nach einer allmählich verabreichten Dosis von 
ungefähr 17 H. ein Zustand von Schwäche, verbunden mit Übelkeit, Schwindel und Kopfschmerzen auf, 
welcher nach Aussetzen der Behandlung langsam wieder zurückging. Verf. führt wohl mit Recht diese 
Zustände auf eine Intoxikation mit Zerfallsprodukten der Geschwülste zurück, welche sich unter der 


Journallitteratur. 457 


Bestrahlung schnell verkleinert hatten. Da bei geschwürigen Krebsen sehr starke Sekretion eintritt und 
durch diese die Zerfallsprodukte aus dem Körper entfernt werden, rät er, vor der Behandlung an ge- 
eigneter Stelle einen Einschnitt zu machen, durch welchen ebenfalls diese ihren Ausweg finden können. 
Den Vorschlag von Williams, der zum gleichen Zweck ein Röntgengeschwür erzeugen will, verwirft er, 
da das Ulcus zu schwer heilbar und in Schranken zu halten ist. 

Wood: Case of sarcoma of the scalp (recurrent) treated by exposurs to X-rays. Siebenjähriges 
Mädchen, bei welchem wiederholt Sarkomrecidive am Schädel chirurgisch entfernt waren, zeigte bei Auf- 
nahme etwa 8 cm im Durchmesser grosse, flach erhabene, pulsierende Geschwulst auf dem Scheitel. 
Die Behandlung mit Bestrahlung ergab schnelle Abnahme der Schwellung. Während der Behandlung 
Auftreten neuer Geschwulst 5cm nach hinten; wurden chirurgisch mit Periost entfernt. Heilung beider 
Wunden ohne Recidiv bis etwa ein Jahr nach Beginn der Behandlung, noch in Beobachtung. 

Beck: Recent advances in Roentgen ray diagnosis with especial reference to the use of the 
diaphragm and osteoscope in renal skiagraphy. Betonung des Unterschiedes zwischen Aufnahmen 
mit und ohne Blenden. Beschreibung seiner eigenen ,Stellrohrblende“. - Angabe, wie dieselbe für Auf- 
nahme von Nieren und Gallensteinen zu verwenden ist. Das Osteoskop dient zur Bestimmung des 
Härtegrades und soll die Hand des Arztes vor den Strahlen bewahren. 

Belot: Treatement of diffuse cutaneous sarcoma, praemycosis and mycosis fungoides by radio- 
therapy. Bei Hautsarkom wendet er in zwei Sitzungen zusammen 6—8, bei sehr schwerer Affektion bis neun H. 
an, unter Benutzung einer weichen Röhre. Die nächste, ähnlich dosierte Strahlung erfolgt erst nach zwei 
bis drei Wochen. Die Reaktion ist verhältnismässig gering. — Mycosis fungoides und Prämycosis sind 
gut heilbar mit Röntgenstrahlen. Bei den Frühstadien der „Prämycosis“ genügen oft sechs bis sieben H. 
zur Heilung. Die tumorartige Form dagegen ist sehr hartnäckig aber auch unzweifelhaft heilbar. Nur 
muss man die nötige starke Gabe verabreichen, so viel, dass eine Dermatitis entsteht. Dazu sind acht 
bis neun H. nötig, die gewöhnlich in zwei aufeinanderfolgenden Tagen verabreicht werden. Die einzelnen 
Sitzungen sind durch zwei- bis drei-wöchentliche Pausen getrennt, und die Dosis wird dem Abnehmen 
der Affektion entsprechend, allmählich verringert. Eine sofort einsetzende Wirkung der Bestrahlung 
ist das Nachlassen des Juckens, das oft schon am ersten Tag beginnt. Bei sehr ausgedehnter Er- 
krankung wird die Gesammtsumme der verabreichten Strahlenmenge sehr gross, so in einem mit- 
geteilten Fall 1200 H! Jedoch sind bisher keine schädlichen Einwirkungen auf den Gesamtorganismus 
beobachtet worden. 

Waite: A few points in the fiuoroscopy of the chest. Vorschriften über den Betrieb mit 
Induktionsmaschine und Verdunkelung der Röhrenfluoreszenz. Er empfiehlt neben Seidenumhüllung 
eine Lackierung der Röhre mit rotem Lack. | 

Mauders: The treatement of epilepsy by X-rays. Branth in Amerika hat zuerst Angaben 


‚gemacht über diese Verwendung der Röntgenstrahlen. Verf. selbst stellt sehr kühne Theorien auf über 


Zellschwingungen und Anziehungen derselben zueinander und schreibt die Epilepsie Störungen diesen 
„Oscillationen* zu. Durch Strahlungen will er das Gleichgewicht wieder herstellen. Ein mit Bestrahlung 
behandelter und angeblich günstig verlaufener Fall ist ausführlich mitgeteilt. 

Lieber: A new and possibly improved method of using radium. Durch die gewöhnliche 
Anordnung der Radiumsalze in den bekannten Kapseln oder ähnlichen Einrichtungen gehen die sehr 
wirksamen Strahlen wegen ihrer geringen Penetrationskraft verloren. Um auch die nutzbar zu machen, 
überzieht er dünne Celluloidplatten durch Eintauchen in eine Radiumlösung in Amylacetat mit einer 
sehr dünnen Radiumschicht, die mit einem ausserordentlich feinen Collodiumhäutchen gegen Verletzungen 
geschützt wird. Auf diese Art hat er eine grosse radiokative Fläche, die auch reichlich Emanation er- 
zeugt. Wenn das Innere einer Röhre so überzogen wird, kann durch ein Doppelgebläse ein Luftstrom 
hindurchgetrieben werden, der die Emanation mit fortführt, so dass sie inhaliert werden kann. Er 
fordert zu Versuchen mit seiner Anordnung, namentlich Prüfung der Inhalation auf. DE 


American Medicine. Vol. VIII. No. 23 (Dezember 1904). 


Leonard, Review of other malignant cases. Verfasser berichtet tiber eine Reihe von Fallen 
von Carcinoma uteri, Augenlidepitheliom, Ulcus rodens, Kiefercarcinom und Sarkom (Mandel, Nacken 
und Obersehenkel), in denen er gute Resultate oder Besserung durch Behandlung mit Röntgenstrahlen zu 
verzeichnen hatte. Hinsichtlich der verwandten Technik ist folgendes bemerkenswert: Sowohl bei dem 
Tonsillar- wie bei den Uteruscarcinomen wurde zweimal bestrahlt, einmal von aussen durch die Wange 
resp. das Abdomen hindurch und einmal innerlich, wobei für die Bestrahlung im Munde unter Deckung 


‘des Gesichtes mit einer Bleimaske, ein Knebel zwischen die Zähne gesteckt wurde, während für die Be- 


strahlung per vaginam ein eigens konstruiertes zweiklappiges Speculum zur Anwendung kam, das cine 
genaue Abdeckung der umgebenden Teile zuliess. Den Schluss der Arbeit bilden die Krankengeschichten 
der behandelten Fälle. 

Fortschritte a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen. VII. 58 


458 Journallitteratur. 


Leonard, The Röntgen treatment of malignant disease of the breast. Auf Grund patho- 
logisch-anatomischer Überlegungen und an der Hand von 26 Fällen von Mammacarcinom, die Verfasser 
zu behandeln Gelegenheit hatte, kommt derselbe zu folgenden Hauptsätzen: Die Resultate der Röntgen- 
behandlung beim Mammacarcinom sind ermutigend, die Methode ist eine wertvolle, wenn sie auch unter 
Umständen nur Linderung zu erzielen imstande ist und eine Operation nicht ersetzen, sondern nur als 
Ergänzung derselben dienen kann. Die besten Erfolge sind zu erzielen, wenn man frühzeitig und gründ- 
lich vorgeht. Von besonderem Wert ist dic postoperative Röntgenbehandlung der Mammacarcinome, die 
unter den Wund- und Geschwürsflächen einen besseren Heilungsverlauf erhalten. Auch die Schulter- 
steifigkeit geht dabei rasch zurück. Auch für die Prophylaxe spielt die postoperative Behandlung eine 
Rolle, in dem Recidive seltener und langsamer entstehen. Auch die Linderung der Schmerzen ist als 
ein bedeutsamer Erfolg der Bestrahlung anzusehen. Die Bestrahlung muss von sachkundiger Hand ge- 
leitet werden, die es versteht, für jeden einzelnen Fall zu individualisieren. Beim Skirrhus nimmt die 
Röntgenbehandlung einen besonders wichtigen Platz ein, da hier die Operation meist mehr schadet 
als nützt. Silberberg (Breslau). 


Druck von Hesse & Becker in Leipzig. 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr. VIII 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Rontgenstr. VIII Tafel II 


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Atrophische Knäueldrüsen 


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Elastin der 
Armhaut von 
Fall Bauernschmidt 


Fig.14. 


Subeultane 
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Erweiterte Vene 


Armhaut von Fall Bauernschmidt 


BESETZEN Hypertrophische Muskeln 
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Atro phischer Haarfollikel 
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Fig.7. 


Fig.13. 


Elastin der Bauchhaut 


von Fall Bauernschmidt 


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{trophische kKnäueldrüsen 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr. VIII | Tafel XII 


Neue Photogr, Gesellsch. A-G. Berlin-Steglitz Verlag von Lucas Gräfe & Killem in Hamburg. 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Rontgenstr. VIII Tafel Nill 


Neve Photogr. Gesellsch. A-G. Berlin-Steglitz Verlag von Lucas Grafe & Sillem in Hamburg. 


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Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr. VII lafel XIV 


Neue Photowr Gesellsch A-G. Berlin-Steglita Verlag vor Lin Fi in Ham 


Fortschritte a. d. Gebiet der Röntgenstr. VIN | Fr Tati XV ~“ 


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Nene Photogr. Gesellsch. A:6. Berlin-Steglitz 1 


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