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Full text of "Fortschritte der Medizin"

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1  * 


THE  UNIVERSITY 
OF  ILLINOIS 
LIBRARY 

610.5 

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v.40 


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Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes. 


Herausgegeben 


von 


L.  v.  Criegern           B.  Fischer          R.  Th.  Jaschke  G.  Köster  E.  Opitz 

flildesheim                   Frankfurt  am  Main                     Gießen  Leipzig  Freiburg 

C.  L.  Renn          K.  Reifferscheid     H.  Schlossberger  G.  SchĂŒtz  E.  Schreiber 

Frankfurt  am  Main                    Göttingen                   Frankfurt  am  Main  Berlin  Magdeburg 

F.  Skutsch              O.  Tilntann  O.  Vulpius 

Leipzig                               Köln  Heidelberg 

Redaktion: 

Prof.  Dr.  Arthur  Keller,  Berlin. 


40.  Jahrgang:. 


BERLIN  SW  48 

—  Verlag  von  Hans  Pusch  — 
1922. 


Inhalts-Verzeichnis. 


I.  Original-Artikel. 


Aebly,   Zur  Geschichte   der  Geschlechtsproguostik 

123—124 

Alexander,  Der  Entwurf  zu  dem  preußischen  Tuber- 
kulosegesetz 647 

—  Maßnahmen  der  Gesetzgebung  des  Deutschen 
Reiches  auf  dem  Gebiete  des  Gesundheitswesens 

551— 553 

Arzneimittelgesellschaft  der  Deutschen  Gesellschaft 
fĂŒr  innere  Medizin,  unterstĂŒtzt  vom  Deutsehen 
Aerztevereinsbund  201 

AuskĂŒnfte  der  Arzneimittelkommissiou  der  Deutschen 
Gesellschaft  fĂŒr  innere  Medizin  532 

Axhausen,  Die  luetische  Erkrankung  der  Gelenke 

141—147 

B 

BĂ€lintj  Beitrag  zur  Behandlung  der  vegetativen 
Störungen  kn  Kindesalter  291 — 292 

Baum  und  Schumann,  BeitrÀge  zur  Serodiagnose 
‱der  aktiven  Tuberkulose  567 — 568 

Behrendt,  Zur  Behandlung  des  habituellen  Er- 
brechens der  SĂ€uglinge  (mit  Abb.)  454 — 457 

Berkholz,  Ueber  die  AbhĂ€ngigkeit  der  SchĂŒler- 
leistungen von  körperlichen  und  geistigen  De- 
fekten 447—450 

BlanV  Die  medikamentöse  Behandlung  der  Galien- 
le  221—224 
Wann  ist  die  kĂŒnstliche  Unterbrechung  der 
'angerschaft  bei  Lungen-  und  Kehlkopf- 
 wKulose  gestattet?  29 — 32 

Bösser,  Wie  lange  dauert  der  Impfschutz     515 — 516 

Bruck,  Semmclweis,  deir  Entdecker  der  Kontakt- 
infektion und  damit  BegrĂŒnder  der  Anti-  und 
Aseptik  551 

Braun,  Ueber  „Stypbural"  in  der  gynĂ€kologischen 
Praxis  295—296 

—  Schulgesundheitspflege  548 — 550 
Busch,  Das  Orthodiagramm  in  der  Sprechstunde  des 

praktischen  Arz'tcs  315 — 316 


v.  Criegern,  Lokalisten  und  Generalisten     599 — 601 
D 

Debrunner,  Vom  Stil  der  wissenschaftlichen  Ab- 
handlungen 40 — 4:! 

—  Die    Behandlung    der    tuberkulösen  Spondylitis 

85—87 

—  Apparat  zur  Messung  von  Beinstellungen  408 — 409 
Debrunner-Frosch,  Vedsuche  mit  SĂŒĂŸstoff  266 — 268 
Doli,  Johann  Baptista  Morgagni,  Der  BegrĂŒnder  der 

pathologischen  Anatomie  als  Wissenschaft  und 
seine    VorlÀufer    Bonet,    Wepler    und  Schenk 

617—619,  635— C43 

Drexel,  Ueber  die  Behandlung  der  Tuberkulose  im 
Kindesalter  nach  „Deyke-Much"  61 — 62 

Dreuw,  Die  beiden  GesetzentwĂŒrfe  zur  BekĂ€mpfung 
der  Geschlechtskrankheiten  94 — 98 

—  Theoretisches  und  Praktisches  zur  Syphilis- 
therapie 167 — 174 

—  'Salvarsanlose  Behanddung  der  Syphilis     191 — 198 

—  Die  Gegner  der  Quecksilberbehandlung  248 — 250 

—  Ueiber  ein  neues  System  der  kontinuierlichen 
SpĂŒldesinfektion  477—481,  497—502 

—  Schutz  vor  dem  Verkriechen  etwa  abgebrochener 
Pravaznadeln  in  das  Unterhautzellgewebe   517 — 518 

—  Zur  sicheren  Handhabung  der  Pravaz-Injektions- 
und  Blutentnahmetechnik  663—664 

Duzar,  Ueber  die  Malaria  im  SĂ€/uglingsalter  268 — 270 

E 

Eisenberg,   Biologische   Untersuchungen  ĂŒber  das 

PreteinkörperprĂ€parat  „Albusol"  336 — 339 

Engel,  Rachitis'tod  543 — 544 

P 

Faerber,  Ein  Fall  von  HĂ€mangiom  der  Harnblase 
bei  einem  elfjĂ€hrigen  MĂ€dchen  358 — 360 

Feilbacb,  Ueber  Salbenbehandlung  bei  Cervix- 
katarrhen  und  Pseudoerosionen  665 

Fertig,  Wer  soll  eine  Brille  tragen,  und  wann  soll 
man  eine  Brille  tragen?  120 — 122 

Frosch,  Ueber  orthopĂ€dische  Maßnahmen  hei 
Rachitis  165—167 

Funck,  Ueber  die  Grundlagen  oraler  unabgestimm- 
ter  und  spezifischer  Reiztherapie  mit  Eiweiß- 
abbau Produkten  428 — 430 

G 

Gaul,  Zur  Frage  der  experimentellen  Erzeugung  der 
Tumoren  200—201 
'-'"in,  Zur  Behandlung  der  Enuresis  nokturna 
'-'ten  471—473 


Gralka,  Ueber  die  Heilung  eines  Falles  von  putrider 
Bronchitis  mĂŒt  Neosalvarsan  219 — 221 

—  Ueber  Chylothorax  im  Kindesalter  im  Gefolg'a 
einer  Hodgkin'schen  Krankheit  242—245 

Graul,  Ueber  Genese,  Diagnostik  und  interne  The- 
rapie der  Cholejithiasis  116 — 120 

GrÀvinghoff,   Beobachtungen    bei  SÀuglingsskorbut 

353—358 

Grimme,  Allgemeines  ĂŒber  Bismogenol  685 
GrĂŒnthal,   Albertan   in  rhinologiseher   und  otologi- 
scher  Therapie  27»— 271 

H 

Haedicke,  Ueber  Entstehung,  Bedeutung  und  Be- 
handlung der  Wassersucht  511 — 515 

Hahn.  Ueber  chronische  WirbelentzĂŒndungen  und 
ihre  Behandlung  261—264 

Hauberrisser,  Wichtige  BerĂŒhrungspunkte  zwischen 
KieferortlhopĂ€die  und  Allgemeinpraxis  400 — 408 

Heim,  Ueber  die  biologischen  Beziehungen  von 
Mutter  und  SĂ€ugling  nach  der  Geburt        87 — 90 

Hertz,  Ueber  Erfahrungen  mit  Telatuten  (GefĂ€ĂŸ- 
prÀparat) Heilner  bei  Arteriosklerose  40 

Holtz.  Yatren-Casein-Lösung  in  der  Praxis  245 — 246 

v.  d.  HĂŒtten,  Zur  Behandlung;  der  Kniescheiben- 
briiehe  174 — 175 


Jacobson,  Amenorrhoe-Behandlung  mit  Novariol 
und  Feirrovariol  (Merck)  495 — 497 

Jaffe,  Die  Bedeutung  des  Cholesterin-Stoffwechsels 
fĂŒr  die  pathologische  Anatomie  2 — 8 

Junius,  Augenheilkunde  378—385,  568—573 

K 

KĂ€rcber,  Ein  Beitrag  zur  therapeutischen  Anwen- 
dung des  „Helisicol"  667 

Karger,  Die  Verordnung  von  Bettruhe  bei  kranken 
Kindern  32 — 35 

—  Mißerfolge  in  der  Röntgentiefentherapie  der 
tuberkulösen  Halslymphoma  und  ihre  Vermei- 
dung 57—58 

—  Ueber  Naehahmungskrankheiten  bei  Schul- 
kindern 264—266 

Klapp,  Ueber  Fortschritte  in  der  Behandlung  des 
Empyems  und  der  Gonorrhoe1  der  Gelenke     1 — 2 

Klug,  SalbenverbĂ€nde!  530—531 

Koeppe,  Weitere  Erfahrungen  mit  der  Perkussion 
des  SchĂ€dels  147—148 

Kölzer,  BeitrÀge  zur  Therapie  und  Prophylaxe  im 
SĂ€uglings-  und'  Kindesalter         615—616.  632—635 

Kottmaier,  Indikationstabellen  zur  Röntgenbehand- 
lung 331—336 

—  Die  Dickfilterung  der  Röntgenstrahlen  495 

—  Die  Röntgenbehandlung  von  Ohren-,  Nasen-  und 
Kehlkopf  krankheiten  631—632 

Krehl,  Einige  Bemerkungen  ĂŒber  die  diĂ€tetische 
Behandlung  des  Diabetes  309—310 

Kuhn,  Diagnostische  und  therapeutische  IrjtĂŒmer  in 
der  GynĂ€kologie  360—361,  385—337 

—  Zur  Ursache  der  Hyperemesis  Gravidarum  550 


Lackner,  Hohlfußbeschwerden  11 — 12 

Latz,  Ueber  die  wirksame  Verbindung  von  mine- 
ralischen und  pflanzlichen  AbfĂŒhrstoffen  476—  477 
Lippert,   Erfahrungen   mi't  Duploferrin   in   der  Re- 
konvaleszenz 602—603 

M 

Mentberger,   Cyarsal  und  Syphilis  246—248 
Michaelis,  Geweibehygienische  Rundschau  ĂŒber  das 
Jahr  1921  12—15 

—  Die  Kohlenoxydgasvergiftung  583 — 585 
Mittenzwey,  Reiztherapie  218 — 21!) 
Moll,  Die  Behandlung  der  Dyspepsie  der  SĂ€uglinge 

mit  milchloser  DiÀt  bezw.  mit  einer  leicht  her- 
stellbaren Eiweißmilch  8 — ll 
Much,  Zur  Frage  der  Antikörper  gegen  Fettstoffe 

329—330 

Mull,  Ueber  Rißpilzvergiftungen  601—602 
MĂŒller-Waldeck,  Beitrag  zur  Behandlung  der  chro- 
nischen, fortschreitenden  Schwerhörigkeit  473 — 474 

N 

Neter,  Aus  der  Kinderpraxis  122 — 123 

Ncurnay,  Immunbiologie  der  Syphilis  292—295 

—  Zur  Immunbiologie  der  Syphilis,  II.  426 — 428 
Nußbaum,    Die    Verwendung    eines  organischen 

NĂ€hrprĂ€parates  474 — 476 

o 

-Oehlecker,  Ueber  Blutverpflanznng,  auf  Grund  von 
240  direkten  Transfusionen  310 — 315 

Opitz,  Die  Anwendung  detr  Bluttransfusion  in  der 
PĂ€diatrie  450 — 454 

Ostwald,  Nucleogen  zur  UnterstĂŒtzung  der  Behand- 
lung von  Hauterkrankungen  616 


Petenyi,  BeitrÀge  zu  einer  systematischen  Diagnostik 
de«  Kindesalters  38 — 39 

—  Ueber  die  Wachstumsfunktionen  der  Hvnonbvse. 
Die  Pathogenese  der  Akromegalie  und  des 
Gigantismus  213 — 217 

Pniower,  „Reicht  auf  Gesundheit"  und  „Pflicht  zur 
Gesundheit"  als  Bestandteile  des  Bewußtseins 
eines  sozialen  Pflichtmenschen  92 — 93 

—  Numerus  clausus  154 — 155 

—  Das  Reichs-Schieds-Aimt  224—225 

—  Arzt  und  Gewerkschaftspolitik  271 — 272 

—  Das  Recht  unserer  TarifvertrĂ€ge  481—483 
Pfannenstiel,  RĂŒckblick  auf  die  Frage  der  Herkunft 

und  der  experimentellen  Grundlag-em  des  Fried- 
mann'schen  Tuberkulosemittels  113 — 116 

R 

Reinhard.  Ueberblick  ĂŒber  die  geschichtliche  Ent- 
wicklung der  Psychiatrie  im  klassischen  Alter- 
tum 585—587,  603—604 

Reuß,  Kasuistischer  Beitrag  zur  Prognose  der 
ĂŸĂ€uglingstuberkulose  548 

Runze,  Nervöse  Erscheinungen  auf  innersekretori- 
scher Basis  bei  der  Frau  und  deren  Behandlung 
mit  Ovobrol  665 


Schiff-Eliasberg,  Beitrag  zur  Frage  der  direkten 
und  indirekten  Reftjfction  des  Serumbilirubins. 
Beobachtungen  an  einem  Falle  von  kong.  Ver- 
schluß der  großen  Gallenwege  316—318 

Schiff  und  Benjamin.  Weitere  Untersuchungen  ĂŒber 
die  Verdauungsleukozytose  beim  Kinde.  Zugleich 
ein  Beitrag  zur  Frage  der  FunktionsprĂŒfung  der 
Leber  nach  Widal  544 — 546 

Schild,  Ueber  eine  Modifikation  des  Spekulums 
nach  Trelat  430 

Siebert,  Ueber  di&  interne  UnterstĂŒtzungstherapie 
der  Gonorrhoe,  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung 
des  „Cvstosan"  90 — 92 

Standvoß,  Die  hausĂ€rztliche  Behandlung  der  Lun- 
gentuberkulose nach  Prof.  Dr.  A.  Bacmeister  409 

Stemberg,  Die  Gastroskopie  in  Gegenwart  und  Zu- 
kunft 457 — 159 

Stern,  Beitrag  zur  Wirkung  des  „Kalzans"  516—517 

Sternberg,  Neue  Gesichtspunkte  aus  der  Mechanik 
fĂŒr  die  physiologische  Muskelmechanik  der  Be- 
wegungsart, fĂŒr  die  Mechanotherapie  und  Be- 
wegungstherapie 35 — 38 

—  Neue  Gesichtspunkte  aus  der  physiologischen 
Muskelmechanik  fĂŒr  die  Graphologie  und  inter- 
nationale phonetische  Lautschrift  63 — 65 

Stieker,  Wert  und  Aufgaben  der  Medizingeschichte 
im  Studium  und  Berufsleben  des  Arztes    175 — 176 

Stintzing,  Ueber  parentale  Behandlung  mit  unspezi- 
fischen Eiweißkörpern  199 — 200 

Sudhoff,  Galenos,  Das  neue  Korpus  antiker  Aerzte 
und  die  heutige  Aerztewelt  Nr.  5 

Sworowski,  Ein  neues  Röhrcinspekulum  fĂŒr  Frauen 
(mit  Abb.)  459 

—  Ueber  Erweiterungsinstrumente  mit  besonderer 
BerĂŒcksichtigung     einer     neuen  Konstruktion 

531—532 

T 

Thoma,  Ueber  Isapogen  und  Salicyl-Isapogen 
„SchĂŒrholz"  664 

Tscherning,  Heilung  eines  schweren  lebens- 
bedrohenden Inanitionszustandes  durch  Hypnose 

198—199 

u 

Utitz,  Psychologie  und  Medizin  285 — 291 


Vogeler.  Die  Grundlagen  der  Kreislaufstörungen  in 
der  Chirurgie  377 — 378 

w 

Weichen,    Ueber    Badekuren    und  Schwellenreiz- 
therapie 527—530 
Weil,    Körperbau    und   psychosexueller  Charakter 

423—425 

Weiß,  Ein  Beitrag  zur  Latenz  der  Tuberkulose  nach 
erfolgter  kutaner  Infektion  546 — 548 

Weißbein  und  Wittkugel,  Ueber  die  Einwirkung 
kohlesaurer  StahlbÀder  auf  das  Elektrokardio- 
gramm 237—242 

Winckler,  Einfluß  der  BerufstĂ€tigkeit  auf  die  Le- 
bensdauer 189 — 191 

Winkler,  Ein  Fall  von  Pleuritis  mediastinalis  ex- 
sudativa posterior  217 — 218 

Wohlgemuth,  Nebennierenexstirpation  bei  Epilepsie 

399 — 400 

—  Appendizitis  und  AbfĂŒhrmittel  425 — 426 


II.  Konfcreßberichte. 

Doulsche  Gesollschaft  fĂŒr  ChlrurRie  in  Berlin  »93—398 

Deutsche  Gesellschaft  fĂŒr  innoro  Medizin  in  Wies- 
baden ‱116 — 422 

Praktische  Ergebnisse  der  Radiumtagung  in  Kreuz- 
nach  445 — 446 

Pincu&scn,  Hungertjahrfcier  Deutseher  Natur- 
lorscher  und  Aerzte,  l^eipzig  605 — 606 

III.  Jenseits  von  Beruf  u.  Amt. 

Bochn,  Das  Standc-sklcid  des  Aerztes  Nr.  35/86 
Boing,  H.,  A. ‱rzt.lichcr  Beruf  Nr.  39/10 

—  Polypragnvasie  (nach  Kußmaul)  Nr.  45/46 

von  Broekdorff    Cay,  Die   gesellschaftliche  Maske 

Nr.  6/7 

Bultersack,  F.  C.  Dondcrs  Nr.  22/23 

Clausmann,  Hamlet  Nr.  2 

Ebstein,  Ans  den  Briefen  des  Klinikers  M.  E.  A. 

Nr.  27/28,  31/32 

Fiuckh,  Der  Arzt  als  Patient  Nr.  6/7 

France,  Bios,  die  Gesetze  der  Welt  Nr.  3 


Haoring,  Der  Kntwicklungsgcdunke  und  seine  An- 
wendung auf  die  verschiedenen  Wissenschafts- 
gebiete Nr.  14/15,  Hl/17 

Hohenheims  literansehe  tllnterlassenschafl    Nr.  M,  il 

JacobsĂŒhn,  Geber  den  Spatiktorus  nach  Salvarsan 

1 48— 152 

Kossina,  Die  Indogermanen  Nr.  :i 

Krutzsch,  Johannes  Hartmannus,   Praxis  Chymia- 
trica  oder  Chymlsche  Artzney-Uebung    Nr.  24/20 
von  Liliencron,  Dotlov,  Der  Haie  als  Patient   Nr.  6/7 

Luda,  Heber  Bartflechtenbehandlung  67—68 

Möller,  Medizin  und  Handschrift  65 — 67 
MĂŒnzer,  Hanneies  Himmelfahrt  Nr.  18 

Naumann  in  Bonn  und  Uber  seine  Beziehungen  ZU 

Goethe  Nr.  27/28,  31  /32 

De  Nora,  Der  Fuß  Nr.  4,  5 

Owlglass,  Zu  Adolf  Kußmauls  100.  Geburtstag  Nr.  8 

—  Kin  Paracelsiis-Roman  Nr.  9 
Petenyi,  BeitrÀge  zu  einer  systematischen  Diagnostik 

des  Eindesalters  62 — 63 

Pflug,  Zur  HĂ€mophiliefrage  in  der  Praxis  68 — 69 
Pniower.  Der  Heilzauber  in  der  Heilkunde     Nr.  12 

—  Die  Stellung  der  Aorzte  in  der  Standesgeschichte 

Nr.  18/19 

Prinzhorn,  Kunst  und  Geisteskrankheit       Nr.  18/19 


Soligmann,  Zauberkraft  de»  Augei  Nr.  2,  3 

Die  Augen   der  Hexen,  Zauberer   und  Dumm  

Nr.  43/14 

Sudhoff,  Hygienische  Gedanken  und  ihre  Mani- 
festationen in  der  Weltgeschichte  Nr.  11 

—  Malerei  und  Geecblohte  der  Medizin        Nr.  12 

—  Medizin  Und  Kunst  Nr.  16/17 
Scholcnz,  Eine  Silinciderge  werb.-k  1  anUhi-it  Nr.  22/23 
v.  Schnizer,  lieber  (lalls  KchÀ  delle  h  rc  I.'>2-1.'.4 

Sticker,  Goethes  Morpbelogle  und  Metamorph  dien- 

lehre  \r.  g 

Thiersch,    Carl    Thicrsch    und    die    Studentin.  (Zu 

seinem  100.  Geburtstag.)  Nr.  24/-':'. 

Turnowsky,    Lisa,    Ein    ernstes    Mahnwnrt    an  die 

Kitern  Nr.  45/46 

Von  den  Velden.  Anatomie  und  Krankheiten  in  den 

Ă€ltesten  Zeiten  \r.  \ 

Walte,  Die  VorgÀnge  in  den  Muskeln  und  Nerven 

69—71 

Wolffheim,  Die  Bewertung  des  Kindes  Inj  Wapdel 
der  Zeiten  Nr.  26 

Zachariae,  Ueber  Behandlung  der  Tuberkulose  mit 
KTB-Vacine  58 

Zell,  Hygiene  in  der  Tierwelt  Nr.  1 

—  Tiere  als  Medizinspender  Nr.  22/23 


IV.  Autoren=Verzeichnis, 


A 

JVaron,  A.  H.  55 
Aars  Nicolaysen.  N.  650 
Aebly,  J,  123 
Abott,  M.  F.  27 
Abraham!,  P.  655 
Abrami,  P.  467,  655 
Achard  596 
Acre.  B.  E.  675 
AcuĂŒa,  M.  468 
Adler  49,  302,  592 
Afflitto,  R.  466 
Agasse-Lafont,  E.  304, 
653 

Agramunt,  I.  M.  507 
Aiello,  G.  466,  651 
Allen,  F.  541 
Aimard,  J.  161 
Ake  Akerlund  542 
Alapy  320 

Albers-Schöneberg.  E.  73 
Alder,  A.  202.  302 
Aldor,  L.  624 
Alexander  99 
Alessandri,  C.  582,  611 
Alfaro,  G.  A.  610 
Aliibert  26 
AHport,  F.  56 
Almkvist,  J.  75 
Ais-Nielsen,  A.  595 
Amberson,  J.  163 
Ambrozic,  M.  660 
Aineuille,  M.  P.  525 
Ammann,  R.  208,  391 
Amstad,  E.  207 
Andova  344 
Andre-Thomas  208 
Angerer,  C.  v.  231 
Antheaume.  A.  371 
Appel,  J.  73 
Appel,  H.  N.  508 
Arasser,  U.  628 
d'Arcy  Power  612 
Arguellada.  A.  M.  324 
Argyll  Campell,  J.  326 
Arlas,  C.  P.  345 
Arieus  Kappers,  C.  U.  871 
Armand-Detille,  P.  440 
Arne«,  M.  D.  657 
Arnold,  E.  H.  138,  534 
Arnoldi  100 
Arons  649 
Asakawa,  O.  509 
\sal-Falk  410 
.Aschner,  P.  W.  106,  252,  592 
Aschner,  B.  593 
Ascboff  555,  649 
Asmus  461 
Ast  49 

tkinson,  H.  V.  103 
Attinger  562 
Auer  226 

Auerbach,  S.  158,  433 
Aulfeld,  F.  487 
Auricchio,  L.  53,  851 
Aviragnet  468 
Ashausen  141 
Azoulay,  R.  418 

B 

Baastrup.  Chr.  208 
Babes,  A.  655 
Baccarani,  U.  611 
Bachem  341 
Backer,  K.  H.  52,  465 
Backmann.  W.  341 
Baehr,  G.  136 
Baer,  J.  L.  658 
Baetzner,  W.  253 
Bainbridge,  W.  S.  540 
Balduin,  L.  B.  510 
Baien,  A.  van  892 
Balint  291 
Ballin  487 
Balvay  134 
Bane  56 


Bannwart,  A.  524 
Bahueci,  F.  582 
Ban'fcing,  F.  G.  413 
Banzhaf,  E.  J.  106 
Barach,  A.  L.  281 
Karaez  559 
Harbier,  H.  257 
Barbier,  L.  346 
Barbey.  A.  438 
Bard,  L.  440 
Harenberg.  L.  H.  282 
Barjon,  F.  467 
Barnes,  G.  E.  346,  443 
Barnett,  Ch.  E.  415 
Barr,  C.  W.  280 
Barr,  J.  538 
Barrie,  G.  258 
BaiTon,  M.  210 
Basilio,  M.  611 
Bassler,  A.  660 
Battino,  G.  467 
Bauch,  B.  433 
Bauer,  H.  102 
Bauer,  K.  485 
Bauer,  J.  593,  676 
Baum.  F.  567 
Baumann,  E.  411.  489 
Bau  mann  508 
Baumann,  H.  560 
BĂ€umer  484 
Baumm  182 
Bausch.  W.  227 
Bayer,  C.  47 
Bayer,  G.  593 
Bayley,  H.  347 
Beattic,  W.  W.  27 
Beck,  E.  C.  55 
Becker  74,  536 
Becker,  J.  E.  662 
Beckler,  E.  163 
Beckmann,  M.  160 
Beer  342 

Behrendt,  H.  454 
Belai,  A.  535 
Belbeze,  R.  661 
Belcsta.  F.  R.  26 
Belfanti,  S.  611 
Bell,  J.  N.  282 
Benedek,  T.  157,  391 
Benedict,  F.  G.  443 
Benians,  F.  H.  C.  210 
Benjamin.  C.  544 
Benveniste,  E.  25 
Berg,  A.  255 
Bergamini,  M.  25 
Berget  272 
Berger,  W.  368 
Berghaus  322 
Beriel,  L.  134 
Berkholz,  A.  447 
Bernard,  L.  25 
Berner,  J.  561 
Rei  nheim,  M.  D.  677 
Bernheim-Karrer.   J.  132, 
558 

Bertier,,  J.  280 
Bertolini,  G.  72 
Bertrand  667 
Bertram,  M.  677 
Besancon  278 
Besredka  302,  653 
Bessau,  G.  299,  436 
Best,  C.  H.  413 
Beth,  H.  274 
Better,  O.  542 
Beumer,  H.  74 
Beuck  460 
Beuttner,  O.  389 
Bibersteiu  649 
Bie,  V.  303,  491 
Biedl,  A.  106 
Biehler,  M.  304 
Bielefeldt  577 
Bieling  525 
Hie  mann  156 
Bienchi,  G.  104 
Bigger,  J.  W.  161 


Bill,  A.  H.  282 
Billings,  F.  672 
Bing,  R.  301,  344 
Biugel  73,  461 
Bingold,   K.  130 
Bircher,  M.  E.  103 
Birnbaum,  R.  23.  555 
Bitter,  L.  322 
Black,  N.  56 
Blackfan,  K.  D.  27 
Blake,  E.  M.  56 
Bland-Sutton,  J.  258 
Blatt,  N.  486 
Blechmann,  G.  187,  304 
Bleyl,  R.  23 
Bliedung  341 
Bloch  201,  325,  655,  675 
Blond  44 

Bloodgood.  J.  C.  493 
Bloom,  O.  J.  508 
Bloom,  W.  670 
Bloomfield,  A.  L.  328 
BlĂŒhdorn,  K.  204,  520.  575, 
607 

Blum,  J.  29 
Blum,  L.  526 
Blumenthal  49 
Boas,  H.  564 
Boas,  I.  607 
Boccadoro,  C.  467 
Bockenheimer  623 
Boeminghaius  366,  628 
Boenheim,  F.  435 
Boenninghaus  43 
Eodin  322 
Böhme  341 
Bolognini,  L.  77 
Bolton,  C.  347 
Bolten,  G.  C.  577 
Bond,  C.  J.  54 
Bonifield,  Ch.  L.  469 
Bonn,  R.  107 
Bonnet,  L.  M„  325 
Bonsmann  71 
Borchardt  226 
Borovsky,  M.  P.  494 
Böruttau,  H.  158 
Bosco,  L.  133 
Bösser,  F.  515 
Bosworth,  A.  F.  260 
BoĂŒteri,  J.  H.  624 
Botti,  A.  324 
Böttner  99 

Bottomley,  J.  T.  440 
Bouquier  54 
Bourne,  A.  W.  612 
Bowening,  K.  C.  612 
Bowie,  A.  327 
Braascb,  W.  F.  668 
Brachhorst,  W.  581 
Braun  362 
Brasch,  W.  187 
Braun,  W.  295 
Braun-Fernwald  485 
Braun,  H.  548 
BrÀuning  322 
Bravo  345 
Brennemann,  J.  27 
Brenner,  J.  M.  137 
Bresler,  J.  49,  435,  592 
Brett.  P.  C.  161 
Brezona  488 
Brieger,  H.  46 
Bright,  C.  M.  662 
Brinkmann  17,  2o 
Brodin,  P.  654 
Broun,   G.   O.  510 
Brösa.mien,  O.  558 
Brosc,  L.  D.  470 
Brown,  W.  H.  55 
Brown,  L.  259,  509 
Brown  van  Amber  469 
Browne,  F.  J.  491 
Browning,  C.  H.  326 
Bruck,  F.  438,  551 
BrĂŒhl.  F.  506 
Brunauer,  St.  R.  608 


BrĂŒning,    F.    16.    21.  23, 

590,  615 
BrĂŒnner,  K.  322 
Brunner  364 
Bruns,  O.  557 
Brunthaler,  E.  463 
Brunzel,  H.  F.  21 
Bruton  Sweet,  G.  161 
BrĂŒtt,  H.  v.  626 
BuchaJian,  J.  A.  259,  526 
Buck,  H.  107 
Budde  591 
Bugbee,  H.  372 
Bull,  P.  391 
Bumpus,  H.  C.  26.  672 
Burbank,  R.  80 
Burchardi  251 
BĂŒrger,  M.  525,  562 
Burgkhardt.  F.  523 
Burian,  F.  208 
Burkard  203 
Burmeister,  J.  129 
Burnad,  R.  280 
Burnham,  G.  H.  415 
Burus,  J.  163 
Busacchi,  P.  77 
Busch,  W.  315 
BĂŒscher,  J.  204 
Buschmann  362 
Buschke  578 
Busca-Lay,  E.  466 
Buttenwieser  179 
Buzello,  A.  321 
Bychowski,  G.  557 
Byrne,  I.  670 
Byrnes,  C.  M.  493 

c 

Caballero,  R.  V.  135 
Cabot,  H.  139 
Cadenac  413 
Caffarena,  D.  104 
Calderin,  A.  M.  256,  490 
Catdwell,  G.  T.  666 
Calman,  A.  72 
Calot.  F.  210 
Calve,  J.  526 
Calvin,  J.  K.  494 
Cameron,  H.  C.  582 
De  la  Camp  558 
CaneflÀ,  A.  F.  52,  104 
Cantalamessa  -  Carbont,  L 

466 
Carnot  508 
Caronia,  G.  651 
Carrien,  F.  654 
Carter  612 
Carthaus  158 
Cassel  590 
Castellani,  A.  612 
Castelnau,  R.  655 
Catresana,  B.  610 
Caulk  164 
Cavengt  650 
Cawadias,  A.  78 
Caylord,  W.  660 
Celly,  S.  613 
Chable,  R.  24 
Chambers,  H.  258 
Chaperon,  R.  655 
Chauffard,  A.  536.  612 
Cbeinisse.  L.  325,  525,  536, 

654 

Cheney  660 
Cbeiplin,  H.  A.  660 
Cbevalley,  M.  187 
Chiek,  H.  161 
Cliipman,  E.  D.  657,  674 
Cbipman,  C.  N.  677 
Cluiray,  M.  185 
Christin,  M.  51 
Chute,  A.  L.  139 
Chvostek  678 
Cieszynski  436 
Clarck,  H.  M.  306 
Clark,  T.  661 
Clauß,  E.  23Q  ...  , .  .  , 


Clerc  78 

Cleweltyn,  L.  J.  371 
Clodi,  E.  486 
Olute.  H.  M.  210,  441 
Cobet  273 

Coglievina  Benvenuto  542 
Cohen  Tervaert,  D.  G.  255 
Coleman.  G.  H.  672 
Comby,  J.  134 
Comisso  674 
Comrie,  J.  D.  25 
Comstock,  A.  541 
Conor,  V.  J.  281 
Constantin,  E.  325 
Conti,  L.  162 
Cooke,  J.  V.  27 
Copps,  L.  A.  56 
Corbus,  B.  C.  281 
Cori  525 
Cornil,  L.  654 
Coronas,  E.  N.  133 
Corson.  E.  F.  493 
Cort.  W.  C.  307 
Cortezo,  F.  J.  53 
Costantini  371 
Coste  78 
Coury,  A.  185 
Cox,  A.  259 
Cozzolino,  O.  278 
Crabtree.  E.  669 
Cramer  559 
Crane,  A.  W.  539 
Criegern,  v.  599 
Crocket.  J.  537 
Cron,  R.  S.  470 
Crowell,  A.  J.  164 
Cullen,  Th.  S.  661 
Culver,  G.  D.  445 
Cumming,  R.  E.  281 
Cumming,  J.  G.  443 
Curschmann  410 
Curtis  Wells,  J.  210 
Cushing  665 
Custer,  J.  50 
Cutler,  E.  C.  676 
Czapski,  E.  127 

D 

Ducrey,  C.  465 
Dagnini,  G.  345 
Dahl-Iversen  581 
Dahm,  H.  A.  46 
Dahmann  387 
Dalyell,  E.  J.  161 
van  Dam  17 
Dandy.  W.  E.  470 
Daniel,  C.  655 
Danielopolu,  D.  656 
Dannemann,  F.  566 
DarÀnyi.  V.  521 
D'Aunoy  662 
David,  M.  625 
Davis,  B.  B.  492 
Dawies  670 
Dearing,  B.  F.  259 
Debrunner,  H.  40,  85,  266, 

408 
Decker  650 
Dehnow,  F.  560 
Delates  653 
Delbanco,  E.  627 
Delherm.  L.  655 
Dembo,  L.  H.  281,  307,  492 
Demel  229 
Demuth,  F.  19 
Dessauer.  Fr.  564 
Deutsch,  F.  340,  555 
DeutschlÀnder.  C.  206, 
Diamond,  M.  D.  658 
Dice,  W.  G.  282 
del  Diestro,  J.  G.  661 
Dietrich,  H.  A.  179 
Dimmer  522 
Dingwall  Tördya,  A. 
Dittel,  G.  591 
Divry  656 

Dobrovolskaia,  N.  105 


Doebeli  344 
Doelle,  O.  254 
Dodds,  J.  C.  133,  491 
DĂŒlken  252 
Doli  617,  635 
Donaldson,  A.  N.  493 
Donnelly,  J.  D.  328 
Dorlencourt  468 
Dorner,  G.  48,  503 
Douglass.  W.  445 
Dragancsco,  S.  656 
Draper,  J.  W.  442 
Dreifus  340 
Dresel,  J.  182 
Dressler,  W.  561 
Dreuw    94,    167,    191,  248, 

477,  497,  517,  663 
Drew,  A.  H.  54 
Drexel,  E.  61 
Dreyer,  K.  230 
Dreyfus,  H.  534,  590 
Dreyfuss  130 
Driesseu,  L.  F.  160 
Drueck,  C.  J.  677 
Duboff,  W.  S.  669 
Dubois,  M.  301 
Du  Bois,  Ch.  580 
Duboucher  371 
Dubs,  J.  205.  489,  676 
Ducrey,  C.  466 
Duhem,  P.  134 
Duhot  279 
Dukes,  C.  E.  372 
Dunant,  R.  580 
Duncan,  R.  188 
Dunkhase,  O.  524 
Dunlo-p,  E.  M.  326 
Dunn,  B.  S.  306 
DĂŒnner.  L.  129 
Durand,  M.  612 
Duval,  P.  656,  662 
Duzilr,  J.  268 
Dvi,  Y.  669 


E 

Eckstein.  A.  488.  661 
Eden  226 
Edens  297 

Edmands,  G.  H.  494 
Edward.  W.  188 
Edwards,  O.  J.  27 
Edwards,  D.  J.  672 
Ehrenberg,  L.  256,  504 
Eisenmenger,  E.  657 
Eisenstein  644 
Eiseisberg,  A.  202,  206 
Eisler,  F.  17,  485 
Einhorn  297 
Ekwall,  S.  595 
Eldridge.  C.  J.  493 
Eliasbelg,  H.  316,  661 
Eliassow,  A.  507 
Ellerbrock,  N.  321 
Elschnig,  A.  589 
Elving   H.  303 
Emile-Weill  78 
Emerson,  F.  P.  442 
Engel,  S.  228 
Engel,  St.  543 
Engelmann    18,  74 
Engelmann.  J.  S.  321 
Engelmann  484 
Eppinger,  H.  485,  535 
Epstein,  B.  593 
Erlacher  365 
Ernbexg,  H.  307 
253  Esch,  A.  23,  503,  594 
Eskil  Kyltn  323 
Escomel,  E.  256 
Ettorre,  658 
Eufinger,  H.  322 
Evans,  F.  A.  306 
10    Evans,  A.  C.  307 
Evening,  O.  391 
Ewaldt  534 
Exchaquet,  L.  24 


4 


Inhaltsverzeichnis. 


Eymer,  H.  48 
Eyster,  J.  A.  327 

F 

Faber,  K.  131,  610 
Fabris,  S.  104 
Facce  Schaeffer,  N.  J.  M. 
581 

Faerber.  E.  358,  463 
Fahr.  G.  E.  327,  657 
Fairbairn,  J.  S.  491 
Fairbrother,  T.  H.  537 
Falk,  R.  523 
FaukhÀuser,  E.  536 
Farbarge-Vail  303 
Farr,  R.  E.  540 
Favento,  P.  de  466 
Feil,  A.  304,  653 
FeUchenfehl  75 
Feinberg,  S.  M.  493 
Fekete,  A.  298 
Fehling,  H.  411 
Feldmann.  W.  275,  306 
Felsenreich,  G.  274 
Fennen  581 
Ferraro,  A.  134 
Fertig,  A.  120 
Feiß,  H.  O.  259 
Feustell,  R.  340 
Feutelais,  P.  371,  653 
Fiebach,  R.  438 
Fiedenwald,  J.  26 
Fieling  539 
Fildes  537 
Filippini,  A.  324 
Finck,  v.  102 
Findley,  P.  282 
Finger  484 

Finkelstein,  H.  79,  251 
Fink,  K.  343 
Finney,  J.  M.  T.  26 
Finnoff,  W.  C.  470 
Finsterer,'  H.  205,  624 
Fischbein.  L.  538 
Fischer.  O.  71 
Fischer,  C.  202 
Fischer,  H.  299,  342 
Fischer,  B.  576 
Fischer,  I.  F.  610 
Flamini.  M.  104,  257 
Flatau,  W.  132 
Fleckseder  203 
Fleming,  G.  B.  306 
Fleisher,  M.  S.  327 
Fleischmann,  C.  160 
Flörcken  578 
Florence,  L.  327 
Floystrup,  G.  464 
Focke,  C.  18 
Fonzo,  F.  104 
Foote,  J.  A.  281 
Fordemann  389 
Ford  Robertson,  W.  24 
Fordyee,  J.  A.  55 
Forestier,  J.  233 
Formet  367 
Fornet  227 
Forst,  W.  624 
Forster  615 
Förtig  363 

Fortwaengler,  A.  591 
Forytier  652 
Fraenkel,  E.  202 
Fragale.  G.  490 
Framer,  B.  260 
Francis,  E.  668 
Frank  138.  342 
Frank,  E.  V.  390 
Frank,  R.  T.  677 
Franke,  F.  520 
Frankenthal.  L.  274 
Frankel,  E.  434,  461 
Frankel,  M.  523 
FrÀser,  J.  F.  55 
Frassetto,  F.  660 
Frassi,  L.  53 
Frei.  W.  127 
French,  R.  W.  283 
Freud,  8.  565,  597 
Freudenberg  319,  410 
Frey  17 

Freymann.  W.  182 
Frias  345 
Friedet  508 
FriedlÀnder  75 
Friedemann,  U.  575 
Friedenthal,  H.  73 
Friedenwald.  J.  26,  541 
Friedrich,  V.  205 
Friedrichs,  Th.  562 
Frik,  K.  657 
Frisch,  F.  362,  415 
Frischman.  L.  136 
Fritz  71 

Frosch,  L.  165,  266,  559,  574 
Fröscheis,  F.  624 
Froelich  185  ' 
Frontali,  G.  278 
Frugoni,   C.  465 
Fuchs,   D.  437 
Fuchs,  v.  298 
■  Fuchs  340 
Fuchs,  E.  522 
Funck  428 
Fujii  226 
Fiirbringer  554 
FĂŒret  371 
Furno,  A.  465 


FĂŒrnrohr,  W.  158 
Fursac.  J.  371 


Gachtgens,  W.  19 
Gaertner,  G.  16 
Gail,  W.  522 
Galewsky  363 
Gallavardin  280 
Galpern  410 
Gamble,  T.  O.  392 
Gandusio  47 

Gardner.  E.  W.  106,  184 
Gardner.  S.  M.  281 
Garland,   J.  283 
Garrido-Lestache,  J.  54 
GĂ€rtner,  H.  182 
Gasa,  v.  460 
Gates,  F.  L.  668 
Gaudissart,  P.  415 
Gaul.  E.  200 
Gautier,  P.  51 
Gauss,  C.  J.  615 
Gaza,  v.  503 
Geist.  8.  H.  469 
Gellhorn,  G.   282,  469 
Genevrier  664 
Gennerich,  W.  157 
de  Gennes,  L.  655 
Geraghty,  J.  T.  414 
Gerönne  519 

Gerrit  van  Zwaluwenburg, 

J.  414 
Gerson   K.  225 
Gertz,  H.  464 
Geßjer  45 
Gestewitz  607 
Gewinn.  W.  C.  188 
Gibbon,'  M.  D.  657 
Gibson,  Th.  E.  138 
Giesecke,  A.  389 
Gieseler  48 
Gieszynski  301 
Gifford,  H.  56 
Gifford,  S.  R.  677 
Gignon  412 
Gigon,  A.  439 
Gilbert  661 
Gillette.  H.  163 
Gilpatrick,  R.  H.  468 
Gins,  H.  A.  367 
Girbal  106 
Gagensohn.  K.  438 
Gittings,  .1.  C.  328 
(ilaser,  F.  362 
Glingar  628 
Gluck,  Th.  21 
Göbel  519 
Godlewski,  H.  536 
Goedhart,  C.  369 
Goerlitz,  M.  579 
Goetsch,  E.  671 
Gohrbandt,  E.  16.  661 
Gola,  J.  655 
Golan,  D.  L.  260 
Goldberg,  B.  598 
Goldflam,  S.  434 
Goldschmidt,  W.  624 
Goldschneider,  H.  576 
Goldstein    H.  J.  443 
Goldstein.  F.  471 
Gomier  562 
Gougerot  105 
Gonzales  277 
Göpfert,  H.  522 
Göppert  128 
Gordon,  M.  B.  56,  260 
Gordon,  W.  346 
Gordon,  W.  G.  347 
Gordon,  G.  613 
Göll,  L.  276 
Gött  273 
Gotthold  624 
Gottlieb  201,  432 
Gottschalk  525 
Gottstein  459 
Gougerot  651 
Grabe,  E.  v.  888 
Gradle.  H.  S.  107,  678 
Gradwohl,  B.  B.  H.  188 
Graf,   H.  486 
GrÀff,  S.  561 
Grage  434 

Graham  Willmore,  J.  184 
Graham  Brown  613 
Gralka.  R.  219,  242 
Gram.  H.  C.  184 
Grant.  F.  C.  492 
Granville  669 
Graßberger,  R.  486 
GrassOj  S.  490 
Grauert.  H.  206 
Grauhan,  M.  562 
Graul.  G.  117 
Graves,  M.  D.  660 
Grevinghoff  354 
Gray,  H.  494 
Greenthal,  R.  M.  541 
Greff  678 
Gregrory  364 
Greil  367 

Greenhill,  J.  P.  259 
Grießmann  72 
Griffin,  W.  A.  442 
Grimme,  Cl.  585 
Groag  461 
Groedel  227 
Groß,  A.  128 
Groß,  E.  0.  488 


Groß.  M.  537 
Grosser  297 

Großmann,  M.  484,  535,  670 
Grosz,  K.  130 
Grote  519 

Grove,  W.  R.  541.  673 
Grube  520 
tiruber  99 
Grumbach,  A.  302 
GrĂŒnthal,  E.  278 
Guanos.  C.  132 
Gudzent  556 
Gueffror,  H.  366 
Gueissaz,  E.  51 
Guerin,  A.  654 
Guggisberg,  H.  183 
Guillain,  565 
Guillaume,  A.  C.  208 
Guisez,  J.  655 
Gulecke,  N.  21 
GUssow.  Dr.,  M.  594 
Guth,  E.  576 
Guthmann,  J.  542 
Guthrie,  C.  G.  137,  393 
Gutman,  M.  B.  259 
Gylleup,  O.  183 
György  319,  410 
Gyorgyeire,  G.  437 

H 

Haas  534 

Habein,  H.  C.  210 
Haberer  21 

Haeberlin,  A.  488,  594 
Haeckel,  E.  566 
Haedickc.  J.  511 
Haeßler,  H.  510 
Hadjopoulos,  L.  G.  80 
Hagemann  525 
Hagenbucb,  M.  410 
Hahn,  F.  131,  261 
Hai  ler,  E.  557 
Hajos.   K.  299 
Halban  462 

Halberstaedter,  L.  229 
Halbertsma,  J.  J.  464 
Hall,  J.  E.  415 
Haller  252 
Hallez,  G.  L.  186 
Halpert,  H.  80 
Halshoff  Pol.  D.  J.  52 
Hamburger.  F.  557 
Hamilton,  B.  E.  307,  441 
Hammar,  J.  A.  138 
Hammesfahr  438 
Hanauer  579 
Hanausek  413 
Handfield.  J.  R.  133 
Handornn  363 
Hanford,  C.  W.  258 
HĂ€nisch  48 
Hannemann,  Fr.  576 
Hannes  340 
Hanstein  579 
Hanamaki  646 
Harms  50 
Harris,  R.  J.  164 
Hart,  H.  H.  327 
HĂ€rtel,  F.  17,  253,  340 
Hartmann,  F.  W.  258 
Hartman,  H.  327 
Hartwell,  G.  A.  305 
Hartwich,  A.  301,  524 
Harvier  652 
Haß,  J.  485 
Hassencamp,  E.  298 
Hashimoto.  H.  107 
Hassin  526 
Hauberrisser  400 
Haudek  273 
Haugk,  H.  343 
Hausmann  590 
van  Hauth,  P.  556 
Havas,  J.  341 
Hawes,  J.  B.  669 
Hayashi,  N.  307 
Hayek,  M.  484 
Haythurst,  E.  R.  258 
Hazen,  H.  A.  538 
H'Doubler,  F.  676 
Hecht  4,62,  590 
Hedinger  302 
Heffter  201 
Heil,  K.  523 
Heile  463 
Heilig,  R.  274 
Heim,  P.  87 
Heim.  F.  304 
Heimann,  H.  138,  459 
Helmholz,  H.  F.  260 
Heinlein,  F.  275 
Heißen  49 
Hektoen,  L.  492 
Helferich  678 
Heller  387 
Hellmuth,  K.  300 
Hellwiig,  H.  74.  272 
Helwig  342 

Hempelmann,  T.  C.  79 
Henkel,  M.  181.  366 
Henneberg  272 
Hennel,  van  den  G.  C.  255 
Henrichs,  R.  607 
Hemry,   C.   K.   P.  668 
Herbeck  387 
Herrmann,  W.  G.  136 
Herrmann,  G.  577 
Herrnheiser,  G.  362 
Hertz,  F.  40 


Hertz,  P.  392 
Herve.  M.  664 
Herxheimer  340,  483 
Herzenberg,  R.  388 
Herzger  252 
Herzfeldt  435 
Herzfeld  591 
Herzog,"  F.  227,  507 
Heß,  A.  F.  259 
Hess,  J.  H.  660 
Heß.  L.  R.  308 
Hess  Thaysen.  Th.  E.  159, 
595 

Hesse.  M.  72 
Hesser,  C.  104,  277 
Hetenyi,  G.  16,  227,  649 
Hetzer  590 
Heubuer,  O.  592 
Hewer,  E.  E.  233 
Hewins,  H.  675 
Heyde,  H.  C.  van  der  413 
Hey  mann  320 
Hibbs.  W.  G.  672 
Hickl,  J.  535 
Hicks,  E.  P.  305 
Hickey,  P.  M.  672 
Hie.mann,  Fr.  372 
Higier,   H.   434  577 
Hill,  C.  D.  80 
Hill,  L.  326 
Hillemuud.   H.  440 
HUlet.  H.  560 
Hinman  138 
Hinrichs,  R.  343 
Hiraishi,  S.  80 
Hirsch,  G.  16,  49,  225 
Hirsch,  C.  342,  460 
Hirschsohn,  J.  486 
Hocfert,  B.  130 
van  der  Hoeve.  .7.  628 
Hofbauer,  J.  487 
Hof  er,  C.  23 
Höfer  578 
Hoffmaun,  K.  17 
Hoffmann,  A.  43 
Hoffmaun.  E.  46 
Hoffmann,  H.  181 
Hoffmann,  R.  202 
Hoffmaun,  W.  302 
Hoffmann  340 
Hoffmannn.  F.  L.  443 
Hoffmann,  W.  562 
Hoffmann,  K.  625 
Hoffmann  650 
Hofmann,  H.  485 
Hofmeister,  v.  252 
HofstÀtter,  R.  520 
Howland,  J.  27 
Hohlbaum,  J.  274,  300,  410 
Hohlfeld,  M.  463 
Hollendall.  H.  103 
Holloway,  T.  B.  415 
Holst,  J.  E.  369 
Holste  201 
Holten  581 
Holtz  245 
Holzel,  F.  506 
Holzer,  P.  341 
Holzknecht  505 
Holzweissig  229 
Homans,  J.  659 
Hoobler,  H.  R.  259 
Hoover.  C.  F.  414 
Hopp,  W.  M.  306 
Höppli,  R.  507 
Horn,  P.  577 
Horner,  E.  591 
Hornung,  R.  300 
Hotz  592 
Hovorka,  O.  522 
Howard,  C.  P.  139 
Howland,  J.  27,  260 
Hryntschak  560 
HĂŒbner,  A.  251,  389,  677 
Hughson.   W.  135 
Huggins,  R.  R.  540 
HĂŒlse,  W.  179 
Hummel,  H.  657 
Hunt  665 

Hunter,  G.  H.  V.  540 
Hunziker.  H.   183,  594 
Hutinel  508 
HĂŒtten.  F.  v.  d.  174 
Htitter  486 


lacchia,  P.  651 
Ide,  T.  662 
Iglauer,  S.  657 
Ilberg,  G.  556 
Ilenberg,  H.  ISO 
Imhofer,  R.  520 
Inkster,  J.  54 
Irving,  G.  R.  509 
Isaac,  S.  157,  525 
Isacson  99 
Tsserlin  387 
Ittelson,  M.  S.  137 


.lablonski,  W.  628 
Jacobeus.  H.  C.  184,  803 
Jacobi,  W.  203 
Jacobsohn,  J.  148,  495 
.lacobsohn,  F.  593 
Jacquclin.  A.  491 
Jaeger,  H.  103 
.Taffe,  R.  2,  524 
Jagie,  N.  535 


■lahnel,  F.  577 
Jankelson,  J.  R.  671 
Janker  577 
Jansen,  H.  464 
Jansen,  C.  W.  540 
Jansson,  G.  323 
Jantzen,  W.  46 
Japha,  A.  228 
Jaquet,  A.  391 
Jaschke,  R.  Th.  v.  615 
Jaspers,  K.  566 
.Tay  Frank  445 
Jeanselmo,  E.  445,  655 
Jcng.  de  T>.  A.  255 
.(‱ntzer.  A.  103 
Jeß.  A.  156,  251,  628 
Jeßner.  M.  101 
Johan,  B.  160 
Johannesen,  A.  77 
Johansson,  8.  256 
Johansson,  Sven  344 
.lolia.nsson  650 
John,  M.  D.  445 
John.   H.  657 
Johnston.  R.  A.  164,  .393 
Joltrain,  E.  055 
Jones,  M.  R.  259 
Jones,  F.  B.  308 
Jones,  D.  F.  442 
Jmig,  R.  de  204,  278 
Joung,  H.  H.'414 
Josefson,  A.  276 
Josseliu,  de.  204 
Joseph.  8.  129.  521.  658 
Josephs,  H.  W.  135 
Juillard,  Ch.  439 
.Tundell,  J.  370 
Jung,  P.  183 
Junius  378,  568 
Juvin,  P.  325 

K 

Kadza,  F.  366 

Kafka,  V.  536 

Kahane,  M.  273 

Kahler,  H.  486.  608 

Kahlmetcr,  G.  303 

Kahn,  E.  180 

Kaiser  99 

Kamiya  649 

Kammann,  O.  434 

Kamnitzer  129 

Kanski  Sassa  537 

Kapff,  v.  503 

Karezag.  L.  299 

Karewski  272 

Karger,  P.  32.  58.  264 

Kassowitz.  K.  19 

Kastan,  M.  204 

Kalo,  G.  415 

Katsch  205,  520 

Katsumi  646 

Katz,  R.  182,  437 

Katz,  J.  443 

Katz,  G.  615 

Katzenstein  387 

K.iuffmann,  M.  597 

Kawamura,  R.  494 

Kayser  534 

K.efe.   J.  W.  442 

Keefe,  E.  672 

Keeser  556 

Kehrer  388 

Keitli,  A.  670 

Keilty,  R.  A.  79 

Kelling  608 

Kellog,  F.  S.  539 
P^cllock,  T.  H.  612 
.  Kempner.   R.  462 
j'\ennaway.  E.  L.  326 
l'venneth  510 
"Kesch,  E.  253 

KĂ€stner,  O.  557 

Key.  E.  391 

Keyserlingk,  R.  343 

Keysser,  Fr.  47 

Kibafca,  T.  307 

Killian,  J.  A.  102 

Kimmerle,  A.  180 

King,  E.  L.  326 

Kingsley  Ward,  H.  326 

Kionka,  H.  319,  589 

Kirkendall,  C.  F.  306 

Kirkpatrick,   H.  491 

Kirschbaum,  M.  130 

Kirschbaum.  W.  523 

Kirschner  438 

Kirstein,  F.  182 

Kiruchi.  M.  509 

Kisch.  F.  589 

Kishalmy,  v.  17 

Klander.  J.  V.  668 

Klapp,  R.  1,  253 

Klare,  K.  558.  591 

Klarfeld  341 

KlÀsi.  J.  299,  630 

Klauder,  J.  V.  56 

Kleeis  50 

Klein,  F.  178 

Klein.  V.  582 

Kleinschmidt,  O.  575.  657 

Klemperer.  E.  127 

Klestadt  99 

Klewitz  341 

Klieneberger,  O.  522,  536 
Kling,  C.  75 
Kling.  D.  504 
Klippel,  M.  655 
Klipstein  273 


Klopstock,  F.  226 
Knapp,  A.  227,  505 
KnĂŒpffer  592 
Körte,  W.  206 
Krabbe,  K.  H.  465 
Krabbel,  M.  556 
Kraamer,  C.  228 
KrÀmer,  B.  27 
Kramer  Petersen  184 
Krantrig  489 
Kranz,  P.  100 
Krasemann,  E.  613 
Kraßnig,   M.  608 
Kratzeisen  99 
Krauß,  E.   19,  592 
Kraus,  E.  J.  627 
Krause,    A.    K.    283,  444, 
669 

Krebs,  W.  251,  320 
Krehl,  L.  309,  542 
Kreilich  437 
Kreissmann  228 
Kreuter  488 

Kretschmer,  H.  L.  101,  164 
Krisch  387 
Kriser  273,  505 
Kromayer  623 
Kronfeld,  R.  522,  568 
Kross,  I.  542 
Krott.  H.  675 
Krukenberg  389 
Kobayashi,  R.  415 
Koechlin,  H.  580 
Koelzer,  W.  615,  632 
Koeppe  147 
Koerting,  W.  18 
Köffler,  T.  674 
Kohlrausch.  W.  19  590 
Kolde,  W.  488 
KoUsch,  R.  486 
Kolmer,  A.  445 
Kolodny  301 
König.  F.  320 
Königsfeld  525 
Kontschalowsky  644 
Koopman  671 
Körte  128,  563 
Kortzeborn  274,  275 
Korybut-Daszkiewicz,  B.' 
325 

Kotischet,  G.  658 
Kottmaier,  J.  495,  631 
Kouindjy.  P.  136 
KovÀcs,  N.  576 
Kovjanic  226 
Kowitz,  H.  L.  558 
Kubinyi,  P.  v.  160,  254 
Kn<=iuckcr  203 
Kufs.  H.  522 
Kuhn.  R.  360.  385,  550 
KĂŒhn.   A.  44,  128 
KĂŒlbs  641 
Kulcke  460 
Kumaris  364 
KĂŒmmel.  H.  47,  254 
KĂŒmmell  jr.  72 
Knud  52 

Kundratifa,  X.  661 
Kuntze,  G.  74 
Kupferberg,  H.  462,  575 
KĂŒppers,  E.  505 
KĂŒster.  H.  131,  390 
KĂŒstner,  H.   297,  524 
KĂŒstner,  O.  626  / 
Kurtzahn  73,  102 
Kurz-Goldensteiner,  M.  485 
Kuttner,  L.  433 
KUttner  462 
Kylin.  E.   180,  608 
Kyrides,  L.  P.  80 

L 

Laband,  P.  73 
Labbe  609 
Labey,  F.  H.  210 
Labhardt.  A.  323 
Labourand,  R.  210 
Lacassagne,  J.  526 
Lacassagne,  A.  654 
Lacasseyne  582 
Lackner,  F.  11,  559 
Ladislaus.  F.  v.,  98 
Lafora,  G.  R.  76.  304.  610 
Lahey,  F.  H.  441 
Lahm,  W.  390 
Lang,   G.  435 
Lange  460 
Lange,    J.  593 
Langer.  E.  128.  178 
Langer,  H.  593,  554 
Langston,  W.  413 
Lanz,  W.  132 
Larimore,  L.  C.  510 
Larkin,  J.  H.  106 
Laroche,  G.,  565,  654 
Larson,  E.  E.  658 
Lasch,  W,  519,  660 
Lashlay  537 
Lassueur,  A.  439 
Latham.  A.  538 
Latz.  B.  325,  476 
Lauritzen,  M.  18 
de  Lavergin  653 
de  Lavergne,  V.  467,  653 
Lavermicocca  105 
Lawrence,  W.  S.  188,  493 
Lawrence,  Ch.  S.  415 
Lax.  H.  180 
Lazar,  E.  559 


Inhaltsverzeichnis. 


r» 


Lazarus,  P.  500 
Leary,  T.  671 
Le  Blane,  E.  »57 
Lcbon,  H.  238 
Lechellc  585 
Leolerq,  F.  541 
Lederer,  L,  411 
l.egraml  508 
Lehmann,  H.  253 
Lehndorff,  II.  566 
Lehrnbecher,  A.  321 
Leichsenring  594 
Leichtentritt,  B.  209,  436 
Leisewitz  563 
Lemaire,  H.  186,  468 
Lenk  17.  179,  505 
Lenk,  R.  535 
Lc  Noir  507 
Lenobls  508 
Leo  462 

Lepehne  303,  460 
L.  reboullet  134,  611 
Leredde.  E.  105 
Leri.  A.  208 
I/Crmoyez,  J.  467 
Leroux,  R.  161,  652 
Lesehke,  E.  439 
Lestocqnoy,  Ch.  440 
Lctuile,    M.    325,  491 
Leuschen,  J.  Th.  52 
Levine,  S.  A.  211 
Levine,  E.  C.  656 
Levinson.  8.  A.  281 
Levinsohn,  G.  628 
Leva,  J.  388 
Levy,  D.  J.  78 
Levy  203  298 
Levy,   R.  304 
I.evy-Dorn  49 
Levy-Lenz  554 
Lewes  670 
Lewin,  C.  646 
Lowinson  526 
Lewis,  J.  H.  493 
Lewis.  Th.  563 
Ley  525 
Li.  T.  M.  328 
Lian,  C.  161 
Libert  508 

Lichtenstein,  F.  131,  275 
Lichtenstein,  A.  369 
Liebei,  H.  19 
Liegner,  B.  160 
Liek,   E.  388 
Iiiepmann,  W.  48 
Liesegang,  Ed.  R.  436 
Liesegang,   Raphael  Ed. 
596 

Linas-si,  A.  466 
Lincoln,  M.   C.  281 
Lindberg.  G.  465 
Lindig  649 
Lindner,  K.  507 
Lindatedt,  F.  180 
Linzenmeier,  G.  487 
LipschĂŒtz,  B.  101.  182 
Lisser.  H.  671 
Litchficld.  H.  R.  281,  307 
492 

Little,  K.  27 
Little,  J.  M.  283 
Litzner  341 
Llicrmitte,  J.  654 
Löber  590 
Loefflcr  297 
Loenlng  298 
Loeper,  M.  654 
Loehenstein,  F.  204 
Locw,   O.  342 
Loisel,-  P.  655 
Lobmann,  W.  560 
Löhnberg.  E.  230 
Lohnes,  H.  R.  56,  282 
Löhr,  H.  561 
Loll  203 
Lonne.  F.  160 
Looft,  C.  392 
Lorenz  48 

Lotheissen,  G.  485,  608 
Lotsch  297 
Loubet  654 
Louhrieu  279 
Long.  E.  R.  673 
Lougheed,  G.  W.  139 
Loup,  F.  439 
Lovett.  R.  W.  136 
Low,  G.  C.  210 
Löwenstein  541 
Lowstey,  O.  S.  284 
Löwy,  M.  577 
Lubhars,  H.  A.  464 
Lucas,  W.  p.  259  ' 
Luda,  G.  67 
Ludwig,  F.  207 
Ludwig,  IL  521 
Luigi  Conti  489 
Luithlen,  F.  555 
Lumiere.  A.  78 
Lunde,  N.  228 
Lundsgaard,    Chr.  369 
Lundherg  650 
LUscher.  W.  75 

Lust  99 

Lutembacher,  R.  25 
Lutz,  J.  R.  660 
Lynah,  H.  L.  55 
Lyon.  A.  B.  806 


.‱S 


M 

Kaaa  4«o 
aaB,  H.  560 
ap  Cuen  16.3 
Mac  Lachlan,   VV,   W .  ('. 
106 

.\Lu-  Nlder,  Wm.  de  B.  442 
Uacera,  J.  M.  468 
Machold,  K.  608 
Machon,  F.  «09 
Macht,  D.  .1.  669 
Mackenzie,  W.  R.  647 

Mackenzie,  G.  Ikl.  492,  510 
Mackenzie,  W.  508 
Maclcod.  J.  J.  R.  667 
Macleish  56 
Madiener  578 
Madier  134 
Maggiore,  S.  324 
Maggunna  460 
Magruder,  A.  C.  328 
Mahnert,  A.  627 
Mahr.  E.  F.  27 
Maicr,  H.  W.  43,  412 
Maignon,  F.  653 
Maitland,  H.  B.  139 
Major,  R.  H.  327 
Maki,  R.  415 
Mallardi,   M.  278 
Hallet,  L.  304,  440 
Mandl,  F.  677 
Manges,  W.  F.  672 
Manini,  L.  466 
Mannahyrg,  J.  485 
Mannheim,  E.  678 
Mants  462 
Marafion,  G.  363 
Marcus  132 

Mar6n  Amat.  M.  324,  507, 
582 

Marin.  P.  465 
Marine,  I).  138 
Marfan,    A.    B.    134.  186, 
468 

Markel,  C.  669 
Marko,  D.  299 
Markovits  504 
Markuson  75 
Markwalder  272,  629 
Marshall,  B.  C.  137,  393 
Martin,  A.  F.  210,  387 
Martin,  P.  241,  469 
Martin  562 
Martin,  W.  656 
Martin.  Ch.  L.  666 
Martini  387 
Marvin,  H.  M.  lj«j 
MĂ€rquez  579 
Mrasci,  B.  162 
Massey,  G.  B.  540 
Massia  582 
Massimi,  S.  162 
Massimi.  G.  490 
M.assini,  R.  75 
Master,  P.  M.  510 
Matignot  508 
Matsuyama.  T.  509 
Mattausch,  F.  658 
Matthews,  H.  B.  470 
Mauthner,  E.  525,  535 
May,  S.  522 
Mayer  16,  252,  388 
Mayer,  A.  555,  615 
Mayer,  E.  284 
Mayer,  K.  594 
Mayer,  L.  341 
Mayr,  J.    K.  437 
Mc.  Cain,  P.  P.  284 
Me.  Cann.  W.  S.  327,  444 
Mc.  Cann,  G.  F.  510 
Me.  Garrison,  R.  257,  258 
Me.  Collum,  E.  V.    280,  HOC. 

328,  662 
Mc.  Connell,  G.  280 
Mc.  Clure,  C.  W.  26 
Mc.  Gnire,  L.   W.  469 
Mc.  Neal,  M.  D.  281 
Medi  277 
Metier,  M.  159 
Meier-MĂŒller,   H.  489 
Meißer,  J.  G.  281 
Meißner,  .1.  G.  26 
Meggendorfer.  F.  506 
Melchior.  E.  71,  319 
Melier,  J.  486 
Menge,  C.  131 
Mensi,  E.  651.  673 
Mentbergcr  246 
Merk  44 

Mertens,  E.  V.  505 
Mertins,  P.  666 
Messerli,  Fr.  M.  276 
Mettenleiter.  M.  410 
Meumann,  E.  321 
Meyer,  E.  178,  301 
Meyer,  J.  492 
Meyer,  M.  506 
Meyer,  W.  47,  72 
Meyer-Bisch  459 
Meyer-RĂŒegg,  H.  323 
Michaelis,   P.  12.  525,  583 
Michel,  L.  L.  445 
Micholitsch,  Th.  534,  591 
Miginiae  413 
Mignotl,   R.  656 
Milian  279 

Miller,  A.  F.  283,  659 
Minel  508 


Minkowski,  M.  371,  504 

Minor,  O,  L.  444 

Misch,  J.  598 

Mita,  K.  163 

Miyadera  393 

Miyahara,  T.  494 

Mouk,  H.  541 

Mocuy,  F.  21 

Modiglani,  E.  651 

Modot  667 

Moeves,  C.  159,  554 

Moll,  L.  8.  462,  4«4.  f>9l 

Moll.    A.  5G5 

MĂŒller,   W.  65 

Möller.  E.  369 

Molnar,  B.  298 

Monakow,   C.  v.  412 

MĂŒnkemöller,  O.  613 

Monrad-Krohn,  C.  II.  464 

Montagnani,  M.  185 

Montesino,  V.  D.  610 

De  Montet  562 

Montgomery  445 

Moon,  R.  O.  346  - 

Moore,  G.  A.  137 

Moore,  W.  F.  673 

Moorchead,  F.  B.  136 

Moran,  J.  F.  348 

Morawitz  50.3 

Morgan,  H.  J.  393 

Morgan,  VV.  G.  672 

Morita  470 

Morimoto,  Y.  509 

Moro  432 

Morquio,  L.  465 

Morrisy.  J.  H.  284 

Morrow  659 

Morse,  J.  L.  280,  666 

Moser,  E.  623 

Moses,  J.  205 

Mosher,  G.  Cl.  347 

Moss.  VV.  L.  137 

Motarland,  A.  R.  492 

Mottram,  J.  C.  541 

Mougeot.  A.  654 

Moutier,  F.  652,  654 

Much,  H.  255,  329 

Mueller  049 

Mull,  VV.  601 

MĂŒller,  M.  181,  519,  525 

MĂŒller,  W.  365 

MĂŒller,  O.  558  *" 

MĂŒller,  F.  564 

MĂŒller,  E.  613 

MĂŒller,  O.  650 

MĂŒller,  E.  F.  675 

MĂŒller-Deham.  A.  274,  657 

MĂŒller- Waldeck  473 

Mulzer.  P.  564 

Munro,  D.  442 

Munter  100 

Murray  Cowie,  D.  541 
Murray.  L.  VV.  139 
Muschens,  L.  3.  .T.  464 
Musser,  J.  H.  80 
Mustelin.  O.  646 
MĂŒtteh,  N.  106 
Myres,  M.  ,T.  259 

N 

Xaessens,  VV.  392 
Xadal.  L.  257 
Nagy,  A.  534 
Naito,   L.  344 
Nafiagias,  J.  C.  137 
Nander,  N.  505 
Napoli,  F.  de  466 
Narath,  A.  20 
NĂ€slund,  C.  596 
Nassau,  E.  593 
Nasso,  J.  345 
Nathan,  P.  W.  79 
Nather,  K.  365,  590 
Nauder  52 
Neil,  M.  L.  107 
Xeff,  F.  C.  666 
Xelius,  A.  507 
Xeter,  E.  122 
Xeuhurger  598 
Neudörfer,  A.  485 
Neiucndorff-Viek,  F.  230 
Xeugebauer,  F.  343 
Neuhof  346 
Neuland  339 
Neumann  521 
Neustadt  201 
NeustÀdter,  M.  106 
Ncvermann  202,  506 
Neweomet.  VV.  S.  188 
Newham,  H.  B.  G.  210 
Newman,  G.  674 
Ni,  T.  494 
Nicolaysen,  K.  131 
Xidal,  F.  655 
Nielsen   N.  A.  658 
Xiemeyer,  R.  102 
XTieny.  K.  596 
Nigro,  T.  53 
Nohßcourt  105 
Nobccourt,  P.  257 
Nohcl,  E.  535 
Noeggerath.  C.  299,  43G 
Noel  Paton,  D.  371 
Noerdenhos,  VV.  464 
KTonnenhrur.il  251 
Nordhof  43 
Xourney   292,  42C 
Novak,  J.  625 


tfpTe-Josserand  «Mi7 

Nowack,  E.  486 
Xiirnherger,  L.  390,  H2fi 
Nußbaum,  \V.  3«u,  474 

O 

Oberender,  W,  las 
Ochlecker  310 

Oettinger,    W.  135 

Dettingen    v.  366 

Oetvös,  E.  129 

Oftermann,  VV.  230 

Ogava,  674 
Ukamoto,  K.  80 
Oldfield,  C.  073 
Olitsky,  P.  K.  668 
Oliver,  E.  A.  493 
Oliver,  E.  L.  674 
Olpp  341 
Omaha  677 
O'Maifey,  J.  J.  668 
Ombredanne  186 
Opitz,  H.  178,  450 
Oppenheimer.  E.  300,  484, 

524 
Orator  644 
Ornstein,  G.  284 
Orphanides  233 
Ortenberg,   H.  v.  340 
Ostwald.   O.  616 
Oswald,  A.  629 
Ott.  .1.  277 
Ott»   100.  462 


Pabel  667 
Packard,  M.  258 
Paetsch  50 
Pfister  624 
Pagniez.  P.  279 
Pajares,  J.  133 
Pallin  656 
PaTmer,  M.  B.  414 
Paisseau  279 
Pancoast,  H.  K.  414 
Pappenheimer,   A.  M.  510 
Paramore.  R.  H.  24 
Park,  E.  A.  27,  280,  306, 

328,  662 
Parker,  M.  163 
Parotinagian,  M.  B.  56 
Partsch  615 

Paterson,  D.  133,  280,  612 
Patterson,  S.  ff.  280 
Patterson,  J.  A.  328 
Patton,  J.  M.  677 
Payr  130 

Peahody.  H.  C.  107 
Pedraja  582 
Pecmöller  623 
Peers  659 
Peieie  560 
Peiser,  B.  578,  593 
Peller,  S.  322 
Pelouze,  P.  S.  144 
Poltason,  F.  463 
Pembcrton,  J."  de  J.  441 
Penn,  H.  8.  677 
Penso,  E.  255 
Pentagna,  O.  467 
Pents  461 
Penzoldt  201 
Perin  26 

Perret,  Ch.  A.  276 
Perutz,  A.  73 
Peshkia,  M.  306 
Pcstalozza,  C.  53,  77 
Petenyi,  G.  38.  62.  213 
Peteren,  F.  524 
Petersen,  VV.  F.  281,  526, 
534 

Peterson,  A.  414 
Petit,  L.  134 
Pewny,   VV.  627 
Pcyrer,   K.  486,  535 
Peyser,  F.  364 
Pezold,  v.  254 
Pezzi  78 

Pfahler,  G.  E.  414,  442,  666 

Pfannenstiel,  VV.  114 

Pfenninger,  VV.  183 

Pflug.  VV.  68 

Pick.  E.  P.  534 

Phemister,  D.  B.  326 

Philipps,  IL  B.  79 

Phipps,  C.  392 

Philipp  158 

Pick,   E.  P.  47,  555 

Pieree  347 

Pierre  Marie  370 

Pierst,  G.  M.  305 

Piery  346 

Pictrusky,  F.  579 

Piticarin,  J.  608 

Pitts,  H.  H.  139 

Piltat,   A.  628 

Piltz  228 

Pincussen,  L,  582 
Pirquet,    v.  613 
Pirquet,   C.  443 
Pirondini,    E.  611 
Plaezek  598 

PJantenga,  B.  P.  B.  204 
Plenge,  K.  623 
Plenk,    A.  535 
Pniower,  151.  224,  271 
481 

Pochhammer  364 


Poelehra  362 

Polllisch,    K.  181 
Pok  485 

Pokorny.    A.  487 
Polak,    .1.    O.  348 

Polano,  o.  806 
PolliUteer,  R.  78 
Pomaret,  ,vi.  146,  6.r>."> 
Pontano,  T.  345 

Pontonpidau,    II.  437 
Pordes  505 
Porten    v.  d.  644 

Potter,    VV.    B.  27 
Posne.r  273 
Pototschnig  47 
Powell    White,    C.  326. 
Powes,    G.    F.  280 
Prados.   M.  304 
Pratt,    F.    H.  283 
PrehJe,  W.  E.  468 
Prelot  508 
Prest,    E.   E.  184 
Pribram,  II.  100 
Pribram,  E.  W.  389 
Price,  F.  VV.  538 
Prieseil,  R.  340 
Prinzing,   O.  520,  626 
Pritchard.  E.  537 
Probstner,  A.  275 
Proust,  R.  304 
Pulay,  E.  319,  436,  512 
Putn.am,  T.  J.  670 

O 

De  Quervain  6776 
Quimbey,  E.  347 
Quinby,  VV.  C.  658 

R 

Raab  463 

Rabinowiteh,  I.  M.  510 
Rachmilewitsch.    E.  320 
Rackemann,   F.  M.  210, 
541 

Radulesco,   A.  674 
RahnenfĂŒhrer  49 
Raiziss,  G.  VV.  445 
Ranke  179 
Ra.meau-Hansen  276 
Rasch,  C.  595 
Rathbun,  N.  P.  80 
Ratner.  B.  27 
Rauch,  B.  390 
Rawack.  K.  46 
Rawis,  R.  M.  282 
Raymond  308 
Reche,   F.  99 
Redfield,  A.  C.  662 
Redlich,  E.  608 
Reese,  H.  594,  675 
Reh.  II.  275,  432,  623 
Reid    W.  D.  55 
O'Reilly,  W.  F.  538 
Reinhardt,   A.  202 
Reinhard,  VV.  364 
Reinhard,  F.  603 
Reinhard-Eichelbaum  362 
Renault,    J.  161 
Rennen,  K.  204 
Reinner,  A.  556 
Rennet,   T.   J.  133 
Renshaw.  A.  537 
Reschke,  K.  321,  578 
Rettgfe,  L.  F.  660 
Reuling,  F.  H.  327 
Reuss,   A.  548 
Reverchon  653 
Reynolds,  L.  26 
Rhaesa,  P.  557 
Rheindorf  229 
Ricci,  J.  V.  284 
Richards.  G.  E.  666 
Richter  43 
Richter    P.  F.  157 
Rick,   F.  626 
Rickmann  363 
Riddel  539 
Rieder,  H.  229,  320 
Rieser,  S.  L.  444 
Rieser,   W.  444 
Rietschel  45 
Rigelo.  G.  H.  414 
Rille.  R.  7ß 
Rindfleisch  363 
Ringer,    P.    H.  444 
Riser  654 
Rist.  E.  279 
Ritter,  S.  136 
Ritter,   L.  202 
Rittershaus,  E.  624 
Robertson,  B.  139 
Roblee,  W.  W.  661 
Roch,  M.  609 
Rodenhuis,  J.  255 
Rodriguee,    J.    D.  232 
Roch.  M.  411 
Roederer  413.  504 
Rocren  365 
Roessingh  592 
Roger,  H.  440 
Rogntes    de  371 
Rohde  460 
Rohmer.  P.  304 
Rohonyi,   H.  180 
Rohorn.  E.  507 
Rohr  591 

Rolfe  Floyd,  M.  657 
Rolleston,  H.  D.  133 


BoUwure  205 

Kennlinie,    W.    F.    C.  372 
Homberg,   v.  201 
Homberg.    E.  582 
Korn  he  Iii  461 

Bomich,  8.  320 
Rominger,  ES.  «61 

Komisch,  8.  4M« 
Konchi,   A.  304 

Ronne&ux,  GL  654 
Konzone,  E.  657 
Roodhouae  (Heyne  54 
Rook,  A.  F.  184 
Roos,  E.  433 
Root,   A.   8.  307 
Kosenbcrg,  P.  282 
Rosen,    I.  55 

Roeenhaum,  8.  299,  436 

Rosenbloom,  J.  526 
Rosenow,    E.    C.  281 
Rosentsein,  J.  202,  659 
Rosenthal.   O.  16 
Rosenthal,  B.  80 
Rosenthal  319.  504 
Ross,  J.  N.  M.  133 
Kosser,   C.  107 
Rosso,  .M.  77 
Rost,  W.  L.  306,  503 
Rothbart  73 
Rothgießer,   G.  558 
Rothmann,  8.  624 
Roth,  M.  542,  598 
Rott  298 
Rötth.  A.,  v.  629 
Roubitsehek  272 
Rous,  P.  510 
Rout,   E.   A.  80 
Roux,  J.  411 
Rowntree,    L.    G.  658 
Ruad,  VV.  H.  G.  E.  508 
Rubensohn  340 
RĂŒhsamen  22 
Rucker,  M.  347 
Rudolf  539 
Rueck.    G.   A.  80 
Ruiz-Contreras.  J.  Ma. 
625 

RĂŒscher  298 
Runge .  251 
Russ,  V.  321 
Russeil-Wells  538 
Russell.   VV.  538 
RusznyÀk,  St.  16 
RusznyÀk,  St.  298 
Rykens  581 


Sabouraud,   R,  440 
Sachs,  O.  521 
Sachs,  E.  625 
Saenger  252 
Saenger,  H.  300 
Sahli,  H.  301 
Saito.  J.  284 
Saiz,    G.  345 
Sakae,  T.  284 
Sakaguchi,  K.  509 
Sala,  A.  651 
SĂ€len,  E.  303 
Sales,  G.  187 
Salomon.  R.  160,  231 
Salomon,  R.  252,  487 
Salomonsen  369 
Sam,  E.  F.  132 
Sampson,  J.  284 
Samuel  341 
Sandelin,  T.  323 
Sanders,  H.  T.  597 
Sanderson,  E.  S.  494 
Sanderson- Wells.  T.  H.  24 
Sanes,    K.   I.   326,  540 
Sanfjilippo.  E.  133 
Sans,  E.   F.  413 
De  Santa  Maria  v  Marren 
277 

Santner,  A.  627 
Sanz,  E.  F.  650 
Sappington.  S.  W.  494 
Sargent  537 
Sato,   K.  284 
Saitta  675 
Saud  52 

Sauer,  L.  W.  282 
Sauerbruch,  F.  253 
Savelli.  G.   B.  77 
Savettt.  G.  187 
Saxl,  P.  131,  274,  410,  485 
Schaffer,  K.  434 
SchÀffer,   J.  627 
Schamberg  445 
Scharlam  623 
Scharnke  388 
Scheer,  K.  19 
Scheicher  272,  340 
Schemensky.  W.  341 
Schenk  367 
Scherf,  D.  485 
Schiemann,  O.  411 
Schiff,    E.    316,    436,  544, 

590.  661 
Schiff.  Fr.  361 
Schiffmann.   J.  485 
Schild-Hörde,  F.  480 
Schilder,  P.  180 
Schiller,   E.  228 
Schiller,  VV.  300 
Schilling,  E.  341,  519,  049 
Schindler  433 


6 


Inhaltsverzeichnis. 


Scbinz,    H.    101.   579,  644, 
677 

Schiötz,  I.  628 
Schittonhelm  156 
Schjerning,  J.  557 
.SchlĂŒpfer,  K.  559 
Schlesinger  615,  623 
Schloeßmann  20.  157 
SchlĂŒter  72 
Schmelzeis.  K.  75 
Schmieden,    O.  200 
Schmieden,  V.  342 
Schmidt,  P.  128,  650 
Schmitt  435 
Schmitz  435 
Schmoeger  20 
SchÀfer,  H.  365 
Schneider,  H.  C.  55.  298 
Schneller,   ,T.  365 
Schob,   F.  101 
Schober  521 
Schödel,  J.  23 
Schoen  608 
Scholtz  43 
Scholtz-Gregor  613 
Schönfeld.  A.  659 
Schönfeld,  H.   E.   H.  231 
Schöning  202 
Schopper,    K.  486 
Schott  388 
SchottmĂŒller  251 
SchrÀder.  R.  16 
Schreiber,  E.  580 
Sehreus,  H.  Th.  73,  564 
Schrijven.  J.  369 
Schröder.  H.  206 
Schröder,  R.  230,  322 
Schubert.  A.  102,  364 
Schugt.  P.  160 
Schiihmann.  M.  567 
Schultz,  J.  H.  630 
Schultze,  A.  22,  74 
Schutze,  '  E.  205 
Schultze-Rhonhof,    F.  275 
Schumacher  45 
Schummans  Stockheven, 

W.  255 
Schußier,  H.  675 
SchĂŒtz,  F.  367 
SchĂŒtz,  E.  485 
SchĂŒtz,  J.  521,  578 
SchĂŒtze  73 
Schwab.  M.  534,  615 
Schwalbe  563 
Schwartz,  E.  M.  163 
Schwartz,  A.  279,  325,  438 
Schwarz,  W.  411 
Schwarzachen  W.  524 
Schwenkenbecher,   A.  45 
Schweyer,  .1.  158 
Scott.  G.  M.  258 
Scott,   O.  672 
Sebastiani,  V.  611 
Sebastiani.   A,  651 
Segagni,  S.  77,  187 
Segall.    H.    N.  656 
Seidl.  A.  555 
Seifert,    E.  564 
Seifert.  O.  678 
Seitz,  A.  22.  156 
Seitz,    L.    159,    230.  343, 

483 

Seiberg  297 
Seligmann,  E.  226 
Sella  490 
Selma  325 
Seltcr,  H.  323 
Semon.  H.  C.  537 
Senigaglia,  A.  133 


Sergent,  E.  26 
Sever,   J.   W.  442 
Sfamani,  P.  625 
Sforga,   N.  324 
Sgalitzer.  M.  20 
Shapiro  138 
Sheen,  A.  W.  347 
Sherman,  H.  56.  282 
Shermitt\  ,T.  279 
Slijriley,   P.   G.  280,  308, 
328 

Shinley.   P.  6.  662 
Shipmann  659 
Shizume,  S.  415 
Sicbeck,  R.  19 
Siebelt  342 
Sieben.  W.  435 
Sieberti  C.  90 
Siebrecht  504 
Sicedey  582 
Siemens,  H.  W.  436 
Siemerling,  E.  388 
Sidlick.  D.  M.  493 
Sigwart,  W.  389,  524 
Silvestri,  F.  53 
Simici  653 

Simmonds,   N.   306,  328, 
662 

Simonds,    J.    P.  327 
Simon  320,  534 
Simons,  A.  229 
Simonini,  A.  185 
De  Simone,  R.  53 
Sindlcr,  .T.  26 
Singer,  G.  44,  179 
Singer.  R.  274 
Sironi,  L.   278,  507 
Slavko  225 
Smellie,  J.  M.  612 
Smillie.  W.  G.  666 
Smith,  H.  L.  27 
Smith,  S.  163 
Smith,   H.  258 
Smith,  Scott  F.  259 
Smith,  C.  L.  328 
Smith,  S.  C.  346 
Smith,    F.   M.  493 
Smith,  G.  G.  659 
Smitt,  W.  158 
Snapper  459,  581,  590 
Snow  Miller,  W.  163 
Söderlun<l,    G.  25 
Solomon,  H.  C.  56 
Sonnenberg  204 
Sorgo  71 
SorreH  54 
Soula.  L.  C.  325 
Soulthworth  T.  S.  469 
Spatz  2f1i 
Spence,  J.  C.  161 
Spiethoff  297 
Spir,  E.  560 
Spitzer,  R.  127 
Spitzner,  R.  23 
Spolverini,  L.  M.  256 
Spuhl,  R.  542 
Souarti,  G.  611 
Stachelin.   R.  301 
Stacy,  L.  J.  414 
Stadelmann  201 
Stahl,   R.   74,  99,  363,  579 
Stahr  16 
Standvoß  409 
Stangenberg,  J.  390 
Stanley.  L.  L.  138 
Starkenstein  503 
Starlinger,  F.  362.  624 
Staub,  H.  580 
De  Stefano  277 


Steiger,   W.   521,  535 

Stein,  A.  492 

Stein,  C.  565 

Stein,   L.  608 

Stein,   R.  O.  565 

Steiner,  W.  R.  281 

Steinert.  E.  509 

Stekel  225 

Stephan,  R.  17,  159 

Stephan,  S.  627 

Stern  391 

Stern,  C.  434,  516 

Sternberg,  F.  299,  554 

SternbeTg.  W.  35,  63,  457 

Sternthal  503 

Stetner  341 

Stevens,  J.  H.  79 

Stewart  539 

Stewart,  D.  A.  667,  669 

Stewart.  T.  M.  443 

Stiei.cr,   G.  299,  485 

Stiles.  C.  W.  468 

Stillwill.  H.  R.  328 

Stintzing,  R.  199,  201,  363 

Stirling,  W.   C.  415 

Stock  630 

Stockert,  F.  G.  624 
Stoeber  178 
Stoeltzner  156 
Stone  526 

Storm  van  Leuwen,  W. 
674 

Stransky,  E.  204,  228 
Straßburg  203 
Sitrauch,  A.  668 
Strauß  101,  519 
Strauß.  H.  15 
Strauß,  H.  180 
Strauß,    O.  462 
Strohl,  A.  279 
Strickler.  A.  673 
StrĂŒmpell,  A.  44,  564 
Stuart,  D.  D.  V.  672 
Stubbe,  H.  558 
StĂŒhmer,  A.  229 
StĂŒmpke  650 
Stumpf,  P.  49 
Stutzin  159 
Sultan  251 
Sundelius,  H.  646 
De  Sutty  613 

Suzuki,    T.   304,   467,  468 
Svartz,  N.  256 
Swale  Vincent  347 
Sylves«,  E.  610 
Syme,  W.  S.  308 
Symons.  A.  D.  491 
Szeines,  A.  365 
SzentkirÀlyi,  S.,  v.  276 
Szily,  v.  252 
Szondi  534 

T. 

Taddei,  D.  466 
Takata,  v.  234,  509 
TalJquist,  T.  W.  676 
Tanberg,  A.  464 
Tanere  251 
Tangheroni.   D.  324 
Tannenberg,  C,  de  161 
Tanner,  Ch.  O.  661 
Tanturri,  O.  467 
Taschenberg  623 
Tauber,  R.,  624 
Taussing,    F.    J.  46t, 
Tavernier  186  370 
Teleky  489 
Tenney,  C.  F.  280 
Tenschert,  O.  534 


Terrien.  F.  232.  653,  664 
Thaer,  E.  299 
Thaler,  H.  535,  677 
Thannhauser,  S.  J.  158 
Thedering,  F.  598 
Thoenes,  F.  577 
Thomas,  E.  252,  320 
Thomas.,   J.  661 
Tharp,  M.  415 
TlĂŒemann,  C.  74 
Tigerstedt,  C.  646 
Tigerstedt   R.  646 
Tillier,  R.  371 
Tilmann  206 

Tisdall,  F.  F.  27,  260.  308 
Tobias,  E.  607 
Todd.  A.  T.  133 
Toe plitz  72 

Tompkins,  E.  79,  210,  413 

Töpleir  226 

Törbes,  D.  347 

Traser,  J.  257 

Travers,  P.  19 

Tredgold  539 

Tremcl,  F.  559 

Trent  i,  E.  345 

Trepsat,  L.  371 

Troell,  A.  104.  277,  646 

Trotter,  L.  B.  C.  184 

Tscherning  198 

Tsutsumi.  T.  284 

Tugeudredch  49 

Tumpeer,  J.  H.  280 

Turini,  G.  411 

Turolt.  M.  390 

Turquety  468 

Turrettini,  G.  580 

u. 

Ullmann,  K.  535 
l  liiei,  H.  487 
Uhlenhulth,  P.  557 
Uhlenhuth.  E.  671 
Uhlmann  596 
Uhthoff,  W.  579 
Ujhelyi  504 
Umansky,  M.  50 
Umeno,  L.  669 
Unger,  L.  J.  187,  662 
Urban,  K.  521 
Urtel  297 
l'tlimöller,  A.  625 
ĂŒtitz,  285 


Vaerting,  M.  630 
Vaglio,  R.  52 
Vahlen  298 
Valande  667 

Del    Valle   y  Aldahalde, 

R.  277 
VaUery  Radot,  P.  187 
Vandorfy,  J.  16 
Varekamp,  H.  674 
Vaux,  N.  W.  80 
Veeder,  B.  S.  79 
Velasco  138 
Veronese,  D.  53 
Veronoff,  S.  76 
Vey,  E.  22,  178 
Villa,  S.  de  304,  651 
Villegas  Ramon  673 
Viner  539 
Vines.  H.  W.  C.  673 
Vogel,  K.  207,  410 
Vogeler,  K.  377,  559 
Vogl,  A.  589 
Vogt,  E.  43,   48,  322 
de  Vricse,  T.  J.  J.  392 


Vacchelll  105 
Voegtlin,  C.  656 
Voehl,  J.  23 
Voigt,  L.  276 
Volkmann  47 
Vollmer,   E.  101 
Vonderlehr,  R.  A.  27 
Vonesseii  228 

w. 

Wachendorf,  K.  20 
AVagner-Jauregg  484 
AVagner-Jauregg  535 
Walker,   K.   M.   326,  281, 

492.  510 
Walkw.itz  524 
Walker,  659 
Wallgren,  A.  646 
Walshe  665 
AY'alte  69 
Walter.  F.  K.  181 
Waithard,  11.  302,  368 
Waithard,  B.  627 
Wang.  C.  V.  258 
Warnekros  17 
Warnock,  T.  526 
Warren,  M.  675 
Warthin,  A.  S.  346 
WaissertrĂŒdinger  578 
Weaver,  H.  L.  280 
Weber,  E.  506,  579 
Weber,  O.  204 
AVebster,  W.  668 
Wechsler,  J.  47 
Wegge,  K.  595 
Weimer,  E.  102 
Weibel,  W.  484 
Weichbrodt.  R.  46 
Weicbert,  O.  527 
Weinstein  49 
Weil,  A.  423.  597 
Weil.  R.  534 
Weil,  M.  P.  655 
Wein,  D.  F.  658 
Weinberg  489 
Weisbach  75 
Weiss,  H.  546 
Weiißbedn  237 
Weitgasser,  H.  555 
Weitz,  W.  74 
Wellmann  578 
Wells,  A.  G.  106 
Wells,  H.    G.  493 
Weltmann,  O.  534 
Welton,  Th.  8.  348 
Werner,  P.  99.  230 
Wernstedt  W.  369,  370, 

392 
AVerl  e  43 
Weskoff  555 
Weskott,   H.  320 
W  esterberg  627 
Westhues.  H.  627 
Weth.  G.  v.  d.  463 
Wetmore,  A.  S.  26 
Wetterer  504.  649 
White,  P.  D.  135,  210 
White,  M.  187 
Whitei  188 
White,  F.  W.  441 
Wichmann,  A.  227 
WĂŒchmann,  P.  436 
Widal,  F.  655 
Widel,  F.  467 
Widowitz  128 
Wiedemann.  H.  17 
Wiedhoff,  O.  343 
Wieland,  E.  438 
Wieting  488,  556 


Wiethold,  F.  524 
W'ĂŒldbolz  22 
Wildbrand,  E.  486 
Wiliams.  F.  M.  305 
Wilkins,  H.  F.  188 
Wilkins.  G.  C.  210 
Wildebrand,  E.  A.  v.  646 
W'illemse,  A.  255 
Willemse,  A.  369 
William,  C.  56 
AN  illiams,  J.  T.  539 
Williamson,  A.  C.  539 
Wilson,  M.  G.  27 
Wilson,  C.  M.  612 
Wilson,  M.  G.  672 
Wimberger  252 
Winckler,  A.  190 
Winkler,   C.  217.  366,  462 
Wrinter,  G.  22,  156 
Winterberg,  H.  274 
Winternitz"  505 
Wirges,  J.  435 
AVirth  483 
AVirz,  F.  437 
AA  ishart,  M.  541 
De  Witt.  H.  56,  282 
Wittkugel  237 
Wresehner  411 
Wright  54.  526 
AVright  F.  R.  445 

Wright,  H.  P.  667 
Wohlgemuth,   K.   399,  425 
Wohlwill,   F.  13U 
AVolbarst,  Abr.  L.  444 
AA'olff.  E.  178,  320 
Wolff,  P.  275 
AVolff,  F.  624 
AVolffheim,  AV.  159 
AVollenberg  410 
AVollner,    A.  627 
Woringer,  P.  325 
Worms  653 
AVosegien,  H.  675 
AV'otzilka,  G.  561 
AVulff,  E.  98 
WĂŒlff,  Ove  581 
AVĂŒrtzen  581 
AA'yard,.S.  537 
Wyeth.  G.  A.  163 
AA'ygodzinski  231 

Y 

Young,  H.  H.  493 

z 

Zachariae,   G.  58 
Zadek,  I.  23 
Zamorani.   V.  77 
Zandren,  Sv.  556 
Zappert.  J.  613 
Zeller  591 
Zemann,  W.  555 
Zibordi.  F.  466 
Zielaskowski.  M.  463 
Zieler  555 

Zietzschmann.  O,  IS1 
Zimmer.  A.  18 
Zimmermann.  R.  300,  553 
Zimmern  157 
Zink,  R,  R.  306 
Zins,  B.  589 
Zinsser  1" 
Zoep(fcl  460 
Zondek,   B.   463,  625,  626, 
657 

Zottcrmann,  Y.  255 
Zucker,  T.  F.  510 
Zweig,  H.  202,  273 
Zweifel  460,  649 


V.  Sach -Verzeichnis. 


Abdomen.  AuskultationsphÀnomen  bei  akuten  Er- 
krankungen (Aschner)  106 
Abdflminalbeschwerden  bei  Kindern  (Traser)  257 
AbfĂŒhrmittel  (MĂŒller)  554 
AbfĂŒhrtahletten,  Homburger  (Latz)  476 
Abnorme  Jugendliche  (Kastan)  204 
Abort  (Engelmann)  484 

—  septischer  (Grube)  520 

—  krimineller    (Offermann)  230 

—  fieberhafter  (Mauthner)  535 

—  Behandlung  (Yates)  282 

—  Therapie  des  septischen  (Hardorn)  363 
1 —  (HammerschlagD  71 

—  dss  fieberhaften   (Offermann)  230 

—  aktive  (Saenger)  252 
Ahortivbehandlung  der  Syphilis  (Perutz)  73 
Abtreibung,      Aenderung     des     Gesetzes  (AVygo- 

dzinski)  231 
Accessorius-LĂ€hmung  nach  Halsoperationen  (Lahey 

und  Clute)  210 
Achondropla-sie  (Bergamini)  25 
Achylia  gastrica  (Willemse)  255 

 (Grote)  519 

Alenoides  Gewebe,  Röntgenbestrahlung  (Herrmann) 

136 

AderhautentzĂŒndung  mit  dichten  GlaskörpertrĂŒ- 
bungen (Buck)  107 

Adnexerkrankungen,  Behandlung  entzĂŒndlicher  mit 
Terpentineinspriitzungen  (Hollendall)  103 

—  mensuellor  Zyklus  heli  akut-  und  chronisch- 
entzĂŒndlichen  (Schröder  und  Neuendorff- Viek)  230 

Adnex,  Operationen  (NĂŒrnberger)  "  890 


Adnextumoren  (Probstner)  275 
Adrenalin  (Hottz)  591 

—  Bedeutung  der  Milz  (Beniner  und  Helhvig)  74 

—  Störungen  der  Bildung  (Peiser)  593 

—  bei  Myelosen  (Gola)  655 
Akromegalie,  Pathogenese  (Petenyi)  213 
Aktinemykose  (Baracz)  559 
Albertan  (GrĂŒnthal)  270 

—  (BrĂŒning) 

Albuminurie,   Bence-Jones'sche    (Krauß)  19 

—  orthostatische  (Rieser)  443 

—  Strauß'sche    Wasserprobe     bei  orthostatischer 
(Gram)  184 

Albusol  (Eisenberg)  336 
Alkalipenie  (Symons)  491 
Alkohol,  Gesundheitliche  AA7irkungen  der  EinschrÀn- 
kung im  Kriege  (Vogel)  207 
Alkoholische   Geistesstörungen,    Statistik  (Glaubitt) 

126 

Amaurosis     eclamps     und     Retinitis  gravidarum 
(Schlötz)  234 
Ammenwesen  (Moll)  484 
Ammniakausscheidung     nach     Einverleibung  von 
SĂ€uren  (Keeton)  235 
Ammoniakausscheidung  im  Blutserum  (Strauß)  180 
Ammoniak-Dermatitis  der  Glutealgegend  bei  SĂ€ug- 
lingen (Cookc)  27 
Amylnitrit.   Mischnarkose    (AVinkler)  366 
Anaemie.  aplastische  (Hummel)  657 

—  perniziöse  (Adler)  302 

—  perniziöse  (AVillebrand)  646 

—  sub  partu,  akute  (Runge)  251 

—  sekundĂ€re  im  Kindesalter  (Evans  und  Hopp)  306 


—  Knochenmarkbefunde  bei  kryptogenetischer  per- 
niziöser (Zadek)  2:1 

—  Trabekelblasen  bei  perniziöser  (Kretschmer)  164 

—  Blutbehandlung  (Groß)  128 

—  DuodenalspUlungen  bei  perniziöser  (Böttner  und 
AVerner)  99 

AnÀsthesie,  AArert  richtig  angewendeter  (Johnston) 

164 

AnÀsthesierung,  lokale  (Gerson) 

Angina  mercurialis  (Almkvist)  75 

—  pectoris  (Schmidt)  155 
Anginose  (Imhofer)  520 
Angiosklerosis  der  Retina  (Copps)  56 
Ankylose  des  Kniegelenks,   operative  Behandlung 

(Tavernier)  186 
Ankylostoma  duodenale  (Cort)  307 
Antikörper  gegen  Fettstoffe  (Mmch)  329 
Antisepsis  (v.  Gaza)  503 
Anus    praeternaturalis.    Erzielung    der  Kontinenz 

(Kurtzahn)  102 
Aortensklerose  (Mougeot)  654 
Aortitis  syphilitica  (Schittenhelm)  156 
Aphasie  (Christin)  51 

—  totale  bei  Herd  im  Temporallappen  (Marcus)  132 
Appendix,  Pigmentation  (Cowell)  184 

—  Invagination  (Hofmann)  321 
Appendicilts  (König)  320 

—  gangraenosa  (Steiger)  535 

—  das  konstitutionelle  Moment  (Backmann)  341 

—  und    Pseudoappendizitis    amöboiden  Ursprungs 
(Sanfilippo)  133 

—  und  Heus,  Differeutialdiagnose  (Belesta.)  26 

—  und  AbfĂŒhrmittel  (Wohlgemuth)  425 


Inhaltsverzeichnis. 


7 


Appeudizitisfrage  (Rheiudorf)  229 
Argaldon  (Schlesinger)  628 
Arm.  kĂŒnstlicher  (Roodcrer)  41S 
Arsenobenzol  bei  Paralyse  (R.  do  Fursae  und  FĂŒ- 
ret) 370 
Arsentherapic  bei  Nerven-  und  Geisteskrankheiten 
(Blouohi)  104 
Arteria  bepatica  propria,  Unlterhinduug  ohne  Leber- 
seuÀdigung  (Hofmeister)  252 
Arteriosklerose,  Behandlung  (Hertz)  40 

—  intravenöse  K  wsclsĂ€ureinjektioncn  (KĂŒhn)  44 
Arthritis  deformans  (Guleckc)  21 

—  —  (Resehkei)  321 

—  typhosa  und  Periostitis  (Strauß)  15 

—  Deviationen  (Kaklmetcr)  303 

—  Intestiualinfektionen  bei  chronischer  (Multen.)  106 

—  metastatische       infektiöse      der  WirbelsĂ€ule 
(Schvvartz)  163 

Arthrodese  des  Fußes  (Ombredanne)  185 
Arzneimittel  der  heutigen  Medizin  (DornblĂŒth)  236 

—  aus  dw  DigitaldBieihe  (Marvin  und  White)  135 
Arzneimittelgesellschaft  der  deutschen  Gesellschaft 

fĂŒr  innere  Medizin  201 
Aerztliehes  Standesgericht,  Verein  in  Breslau  125 
Aerzteverband,  Wöhlfahrtseinrichtungen  des  WĂŒrt- 
tembergischen 125 
Askaridiasie  der  Gallenwege  (Neudörfer)  485 
Astasie-Abasie,  hysterische  (Arlas)  345 
Asthenische  UitfĂ€ĂŸreaktion  (Schiff)  361 
Asthenopie  bei  Tuberkulose  (Magruder)  328 
Asthma,  klinische  Klassifikation  (Rackemanu)  III 

—  infolge  defekter  ZĂ€hne  (Rueck)  80 

—  und  Raddummenopause  (Roß  und  Roideston)  133 

—  ein  Syndrom  der  Hypervagotonie.  Belladonua- 
behanddung  (Lian)  161 

—  Bronchiale,  Röntgenbestrahlung  (Klewitz)  340 
Atbetose,  doppelseitige  (Thomas)  320 
Atem,   Entstehung   de«    Cheyne-Stokesschen  (Her- 
zog) 227 

Atmungsgymnastik  (Kouindjy)  136 
Atropin,  Einfluß  auf  die  MagenmotilitĂ€t  (Lasch)  519 
Auge,  Verkupferung  ,(Jeß)  251 
Augen,  poÀrtraumatische  Tuberkulose  (Block)  234 
Augenbefunde  bei  Gehirnkrankheiten  (Black)  ??? 
Augendruek,  Verhalten  im  Fieber  (Wessely  und  Ho- 
rowrtz)  140 
Augenheilkunde,  Sammelreferat  (Junius)  378 

—  Sammelreferat  (Junius)  568 
Augenkomplikatdonen  bei  Kinderkrankheiten  (Pea- 

body)  107 
Augenleiden,  Berufsberatung  in  der  Schule  (Levin- 

sohn)  in 
Augenspiegel   und    ophthalmoskopische  Diagnostik 

(Dimmer)  235 
AugenverÀnderungen  bei  infantilem  Skorbut  (Blake) 

56 

B 

Bacillus  aeidophilus  (Baßler  und  Lutz)  660 

—  pyoeyaneus,  MenschenpathogepitĂ€t  (Fi\aeukel)  202 
BĂ€derbehandlung  in  Irrenanstalten  74 
BĂ€derreak/tion  (Zimmer)  18 
Badgasteiner  Thermalwasser,  biologische  Wirkun- 

gen  (Schweyer)  158 
Balkenstichoperation,  Ergebnisse  (Pohlisch)  181 
Bantische  Krankheit  im  Kindcsalteir  (Canelli)  53 
Barlowsche  Krankheit  (Nassau  und  Singer)  591 

—  —  (Ide)  662 
Bartflechtenbehandlungi  (Luda)  67 
Basedowsche       Krankheit,  Röntgenbehandlung 

(Haudek  und  Kriser)  272 

—  —  Behandlung  mit  frischen  Ncbejiniereurinden 
(Shapiro  und  Marine)  138 

Bauchschmerz  (Karewski)  272 
Bauchschmerzen  bei  Infektion  der  oberen  Luftwege 
(Brennemann)  27 
Becken,  akute  EntzĂŒndungen  (Secord)  308 

—  kĂŒnstliche  (Baumann)  489 
Behandlung,    voroperative    zur    Erleichterung  der 

postoperatfiven  Erscheinungen    (Glaß  und  Wal- 

lace)  258 
BeingeschwĂŒre,  Behandlung  (Fischer)  202 
Beinstellungen,  Apparat  zur  Messung,  (Debrunner) 
_  „  408 
BerufstĂ€tigkeit,     Einfluß     auf     die  Lebensdauer 

(Winckler)  '  189 
Beteiligung    der  Bauchdecken    bei    der  Lumbago 

(Smitt)  158 
Bettruhe  bei  kranken  Kindern  (Karger)  32 
Bilirubin,  Ausscheidung  (HĂ€ĂŸler)  Ö10 
BilirubinÀmie  (Vogl  und  Zjnsj  589 
Biologische  Beiziehungen  von  Mutter  und  SĂ€ugling 

nach  der  Geburt  (Heim)  87 
Bismogenol  (Grimme)  585 
Blase,  Karzinom  (Smith)  659 

—  Plattenepithelkarzinom  (Hinman  und  Gibson)  138 
Blasen-Scbeidenfisteln,   Nachbehandlung    von  ope- 
rierten (Chuite)  139 

Blasensteine  bei  Kindern  (Johansson)  256 
Bleivergiftung  (Barron  und  Habein)  209 
Blennorhagie  beim  Kinde,  (Frassi)  53 
Blepharospasmus  (Blatt)  486 
Blindheit,  hysterische  (Amat)  324 
Blut,  Gerinnung  (Elving)  303 

—  Nachweis  im  Urin  (Johanuesen)  77 

—  Chloridgehalt  bei  Sublimatnelphrose  (Killian)  162 

—  gefĂ€ĂŸverengernde  Stoffe  bei  Hypertonien  (HĂŒlse) 

179  - 

Blutdruck,  hoher  (Kiseh)  589 

—  hei  funktionellen  GerĂ€uschen  (Martin)  209 

—  Verhalten  nach  Röntgenbestrahlung  (Levy-Dorn 
und  Weinstein)  ,  49 

—  Verhalten  nach  Röntgenbestrahlung  (Strauß)  101 
Blutkörperehen,     Gruppenreaktion    zum  Nachweis 

aktiver  Tuberkulose!  (KĂŒmmell)  72 
Blutplasma     und     Blutkörperchen,  Kalziumgehalt 

beim  Neugeborenen  (Jones)  109 
Bdutregeneratipn    nach    hÀmorrhagischer  AnÀmie 

(Musser)  80 


Blutstillung  bei  Verletzungen  von  GefĂ€ĂŸen  (Volk- 
mann) 47 
Bluttransfusion  (Oehlecker)  310 

—  (Levine  und  Segall)  656 

—  deleitĂ€rer  Effekt  des  Natriumzltrafcs  (Unger)  ist 
Bluttransfusionen  bei  schweren  Verbrennungen  im 

Kindesalter  (Robertson)  189 
Blutung,  lntraperitonieale  bei  Ruptura  vesicae  tel- 

leae  (Gylleup)  183 
Blutungein,    intrakraniellc    Neugeborener  (Henkel) 

181 

—  Nachweis    von    okkulten   (RusznyĂ€k    und  Van- 
dorfy)  1« 

Blutuntersuchungen     bei     Neugeborenen  (Lucas, 
Dearing,  Hoobler,  Cox,  Jones  und  Smith)  259 
Blutzucker  bei  Artenioskerose  (Botti)  324 

—  Verhalticn  bei  Herzkrauken  (Travels)  19 
Blutzuckerspiegel     nach    intravenösen  Infusionen 

hochprozentiger    Traubenzuekerlösungen  (Opitz) 

178 

BolzenkauĂŒle  (Esch)  593 
Brille,  Indikationen   des   Gebrauchs    (Fertig)  120 
Bronchialasthma,  Beziehungen  zur  chronischen  Ob- 
stipation (KrÀmer,  Petersen)  184 
BronchialdrĂŒsen,  Röntgendiagnose  der  Tuberkulose 
(Kretschmer)  101 
Bronchiadkarzinom  (Walkwitz)  524 
Bronchialverzweigungen,    Muskulatur  der  feineren 
(Snow  Miller)  163 
Bronchdektasie  im   Kindesalter  (Piltz)  228 
Bronchitis,    Heilung   putrider   durch  Neosalvarsan 
(Gralka)  219 
Bronchoskopie  bei  Lungenabszeß   (Lynah)  55 
Briisitl,  Diathermiebehandlung  (Seitz  und  Vey)  22 
Brustkarzinom  (Merk)  44 
Bulbus  Scillae  (Markwalder)  272 

—  (Markwalder)  629 
Buttermehlnahrung    (Exchaquet)  24 

'  —  (Sehloßmianii)  157 
Butyn  (Bulson)  281 

c 

Calomelinjektionen  als  Ursache  von  tödlichen  Ver- 
giftungen (Backer)  52 
Cardiospasmus,  Operation  (KĂŒmmel)  47 
Cerebellares     Lokalisationsproblem     (Troell  und 
Hesser)  104 
Cerebrale   Diplegie    und    statischer  Infantilismus 
(Thomas)  130 
Chaumoognaöl   (Peers)  659 
Cinchonaalkalodide   (Acton)  ‱  184 

Clavicula,  Behandlung  der  Fraktur  durch  Dauer- 
traktion (Burian)  208 

—  Behandlung  und  Mechanik  typischer  BrĂŒche 
(HĂ€rtel)  253 

Coagulen  (Perreiti)  276 
Colitis  ulcerosa  (Leuschen)  52 
Corpus  luteum  und  Menstruation  (Mackenzie)  347 
Cyanose,  vorĂŒbergehende  schwere  Mischuugs- 
eyanose  beim  Neugeborenen  (Göppert)  128 
Cyarsal  (Negendank)  73 

—  und  Syphilis  (Mentberger)  246 
Cymarintherapie  (Bonsmann)  71 
Chinidinsulfat    hei  Herzerkrankungen   (White  und 

Burwell)  187 
Chinidin    bei    Herzerkrankuugen    (Cheinisse)  325 

—  zur  Behandlung  von  Vorhofflimmern  (Wolferth) 

209 

—  bei  Vorhofflimmern  (Eysttr  und  Fahr)  327 
('hinin  (»Singer)  273 
Chirurg  und  Pathologe  (Bond)  64 
Chlorophyll,  PrÀparate  (Köndgsfeld)  :rij 
Cholecystektomie,  Erfolge  (Hinz)  21 
Cholelithiasis,  Genese,  Diagnostik  und  interne  The- 
rapie (Graul)  116 

Cholesteringehalt  des  Blutserums  beim  Neugebo- 
renen (De  Simone)  53 

Cholesterin  in  der  ZerebrospinalflĂŒssigkeit  (Fa- 
brios)  104 

—  Bedeutung  des  Stoffwechsels  fĂŒr  die  patholo- 
gische  Anatomie  (Jaffe)  2 

Chorea,     Natur    der    choreatisehen  Bewegungen 
(Andre-Thomas)  208 
Choroiditis,  chronische  (Allport)  56 
Chylothorax    im  Kindesalter    nach  Hodgkin'scher 
Krankheit  (Gralka)  242 

D 

DarmtÀtigkeit,  Regelung  (Arnoldi)  100 
Darm,    Bakterienflora     (Sherman,     de     Witt  und 
Lohnes)  282 
Darmhakterien,  Beziehungen  zur  Wasserstoffionen- 
konzentration  (Scheer)  19 
Darminvagination  (Goldschnrddt)  20 
Darmkolik,  Pathogenese  der  Schmerzen  (BrĂŒning 
und  Gohrbandt)  16 
Darm,    postdiiphtherische    Störungen    (Werle)  43 
Darmstöruugen,    Injektion    von    Ziegenmilch  bei 
chronischen  (Rodriguez)  232 
Darmtuberkulose  (Loll)  203 

—  beim  Kind  (Pitts)  139 
Darmuclus,  entzĂŒndlicher   (Körte)  206 
Dementia    praecox     und     Hysterie,  Differential- 
diagnose (Wichmann)  227 

Dermatosen,  desquamative  beim  SĂ€ugling  (Hallez) 

186 

Dermatitis  herpetiformis  (Oliver  und  Eldridge)  493 
Desinfektionsmittel,  PrĂŒfung  und  Begutachtung 
(Ritter)  202 
Desinfektionsordnung,  neue  preußische  28 
Diabetes  (Renshaw)  537 

—  Aetiologie  (Strauß)  519 

—  und  Schwangerschaft  (Bell)  281 

—  insiipidus  (Larson)  658 

—  mellitus  und  Urobilinogenurie  (Hetenyi)  16 

—  Behandlung    (Richter)  157 

—  diĂ€tetische  Behandlung  (Kreiil)  309 

—  Organtherapie  (Loening  und  Vahlen)  298 

—  und  chirurgischer  Eingriff  (Lauritzen)  18 
Diadin  (Oppenheimer)  484 


Diagnostik,  systematische  des  KlndcHalter«  <l'n 
tenyi)  38,  62 

Diaphragma,  kongenitale  Hernie  1  Hofen  2:1 

—  traumatische  Hernie  (Gordon  und  Golan)  280 
Dialhese.  exkudative,   lymphatische  (Mouradi  :,2 

—  spasmophdle  (Wcrnstcdt)  370 
Diphtherie   beim  SĂ€ugling    (Spiitzncrj  28. 

—  VerĂ€nderungen  dos  Liquor  cerebrospinalis  I Hal- 
lez) 270 

—  bakteriologische  Diagnose    (Sitter)  322 

—  experimentelle  Impfung  mit  virulenten  Bazillen 
(Guthrie)  137 

—  Serumthcrapie    (Friede  mann)  r>7.', 

—  Einfluß  des  Trypaflavins  auf  Infektion  und 
Vergiftung  (Reinhardt)  202 

—  Puppenauge  bei  postdiphthcrisclicr  LĂ€hmung 
(Widowitz)  .  12s 

Diphtheriebazillen  im  Auswurf  (Singer)  44 

—  im    Auswurf    (Meyer)  72 

—  in  der  Nase  beim  SĂ€ugling  (Schödel)  23 

—  Vorkommen  in  der  Scheide  (Lonne  und  Schlifft) 

tĂŒ>  Iii,  160 

Diphtherie,    BazillentrÀger   (Marsball  und  Guthrie) 

392 

DiphtheriebazillentrÀger,  Behandlung  (Amman)  208 

—  Behandlung  mit  Diphthosan  (Biemann)  15(i 

—  unter  den  Schulkindern  (Beckler,  Gillette  und 
Parker  is:; 

Diphtheriebouillon,  paradoxe  Reaktion  §Kassowitz) 

19 

Diphtherietoxin,    Nachweis    im    Serum    von  Diph- 

theriekranken  (Busacchi)  77 
Diphtlierievakzine    ,,TA",    passive  Immunisierung 

der  Neugeborenen  (Kirstein)  182 
Diphtherische     Angina     bei     jungen  SĂ€uglingen 

(Bleehmann  und  Chevalley)  187 
Diphthosan  (Scheicher)  272 
Diurese,    Beeinflussung    durch  Traubcnzuekerinfu- 

sionein  (Isaac)  157 
DiureWicum  Novasurol  (Haggeney)  156 
Duodenaldivertikel  (Holzweißig)  229 
Duodenum,   Sekretion   (Bennet  und  Dodds)  133 

—  Bakterienbcfunde  im   Saft  (Hoefert)  130 

—  Analyse  des  Inhalts  (FrledejiwaJd  und  Sindler)  26 

—  Physikalische  Beschaffenheit  und  Enzymwirkung 
des  Inhalts    (McClure,    Wetmore  und  Reynolds) 

26 

—  Indikationsstelluug  bei  akuten  Blutungen  (Fin- 
sterer) 205 

—  peptische  GeschwĂŒre  (Gruber  und  Kratzeisen)  99 

—  Stenose  (Meyer)  272 

—  Ulcus   (Lorenz)  48 

—  Ulcus  beim  SĂ€ugling  (Palferson)  133 

—  SpĂŒlungen  bei  der  perniziösen  AnĂ€mie  (Böttner 
und  Werner)  99 

Duploferrin  (Lippert)  602 
Dysenterie.   Agglutination    des    Bacillus  (Flexner) 

108 

—  Serumth&rapie  der  bazillĂ€ren  beim  Kinde  (Jo- 
sephs   und  Davison)  135 

DysenterieÀhnliche  Erkrankungen  bei  Kindern 
(Mita)  163 

Dyspepsie,  hĂ€ufige  Ursache  bei  kĂŒnstlicher  Er- 
nÀhrung  (Veronese)  53 

—  Behandlung  beim  SĂ€ugling  (Moll)  8 
Dystrophie  der  Knochen  (Leri)  208 

—  muscularis  progressiva  nseudobypertrophica, 
Bildung  von  Kreatine  (Gibson  und  Martin)  235 


Ehe  und  Gesundheitszeugnisse  (Feilehenfeld)  75 

Eigenharnreaktion     nach     Wildbolz,  Darstellung 
eines  AntigeuprÀparates  (Lanz) 
-   —  im  SĂ€uglingsaltler  (Alder)  201 

Einffeß  des  Kalkes  auf  den  Stickstoff-  und  Harn- 
sÀurcwechisel  (Koichi  Nijadera)  235 

Eiterungen,  chemotherapeutische  Behandlung  (HĂ€r- 
tel und  v.  Kishalmy)  17 

Eiweiß,  l'eheremipfindlichkeit  beim  Kinde  (Peshkin 
und  Roet)  306 

Eiw.eißkörper,    Vorkommen  des  Bence-Jones'schen 
(Kimmerle)  180 

—  parenterale      Behandlung      mit  unspezifischen 
(Stintzig)  199 

Eiweißmilch  (Moll)  591 

—  in  Pulverform  (Sader)  '  282 
Eiweiißprodukte,   toxische   als    Ursache    des  Inani- 

tdonsfiebers  (De  Witt,  Sherman  und  Lohnes)  56 
Eklampsie  (Paramore)  24 

—  puerperale  (Schönfeld)  231 

—  Aetiologie  und  Behandlung  (Liepmann)  48 

—  abwartende  Behandlung  (Lichtenstein)  131 
Elektrokardiogramm,      Einwirkung  kohlensaurer 

StahlbĂ€der  (Weißbein  und'  Wittkugel)  237 
Embolektomie  (Key)  391 
Empyen  der  Gelenke,  Behandlung  (Klapp)  1 
Empyeme,  chronische.  (John  und  Gibbon)  657 
Encephalitis  (Monakow)  412 
-‱  (Sawz)  413 

—  congenita    (Wohlwill)  130 

—  epidemica   (Beriel)  134 

—  epidemica  (Bing  und  Staehelin)  301 

—  —  (M'etnsi)  651 

—  —  Histologie  (HĂ€uptli)       1  111 

—  —  SpĂ€t-  und  DauerschĂ€den  (Hofstadt)  110 

—  lethargica  (Stiefler)  299 

—  —  (Achard)  596 

—  —  und   Poliomyelitis   (Neustaediter,  Larkin  und 
Banzhaf)  106 

—  PersönlichkeitsverĂ€nderungen    bei    Kindern  in- 
folge  epidemischer   (Kirschbaum.)  130 

—  experimentelle     epidemische     des  Kaninchens 
(Kling,  Bayide  und  Liljenquist)  76 

Encephalocele  (Arquellada)  324 
Encephalomyelitis  epidemica  (Alexander)  99 
Endarteriitis  ohliterans  (Higier)  434 
Endocarditis  (John  u.  Arnett)  657 

—  chronische   (Curschmann)  410 

—  lenta  (Geßler)  45 


8 


Inhaltsverzeichnis. 


—  und  Schwangerschaft  (Eufinger)  322 

—  Klinik  der  subakuteu  bakteriellen  (Murray)  139 
Endocrine  Probleme  in  der  Beckenehirurgie  (Ros- 
ser) 107 

—  Sekretion,   Bedeutung   bei  Störungen   des  Stoff- 
wechsels und  der  Verdauung  (Biedl)  106 

Endokranielle  Operationen  gegen  die  Fazialis- 
neuralgie  (JentzeT)  103 
Eudothermie,  chirurgische  bei  malignen  GeschwĂŒl- 
sten (Wyeth)  163 
Enteroantigene  (I)unn)  305 
EntzĂŒndung  (Aschot'f)  555 
Enuresis  nocturna,  Behandlung  (Goldstein)  471 
Epidermolysis  bullosa  (Mayr  und  Katz)  437 
Epididymitis  (Reinhard-Eichelbaum)  361 

—  (Wetterei)  503 

—  (MlUler  u.  Reese.)  675 
Epilepsie  (Schott)  38? 

—  (Klienbcrger)  536 

—  operative  Behandlung   (LiMle)  282 

—  Nebennierenexstirpatiou  (Sultan)  251 
-  Xebennierenexstirpatiou    (Wohlgemutu)  399 

—  die  syphilitische  Natur  der  essentiellen  (Leredde) 

105 

Epiphyse,  Erweichung  (Liek)  388 
Epispadie  (Joung)  414 
Epitheliome,    Behandlung  der  oberflÀchlichen  mit 

Radium  IDuncan)  188 
EpithelkĂŒrperclien  (Hartwich)  300 
Erbrechen,    habituelles   und   Syphilis  (Marfan  und 

Lcmiaire)  186 
ErkÀltungskrankheiten  (Chvostek)  678 
Erkrankungen,  scheinbare  zeitliche  VeiÀnderungen 
in  der  HĂ€ufigkeit  und  Erscheinungsweise  (StrĂŒm- 

pel)  44 
ErnĂ€hrung,  kĂŒnstliche  beim  SĂ€ugling  (Savetti  und 

Segagni)  187 

—  im  Alter  von  2—20  Jahren  (Renault  und  Tannen- 
berg>  161 

—  Beeinflussung  der  KörperlĂ€nge  und  -fĂŒlle  (Kasso- 
witz)  10« 

—  und  Verdauungsstörungen  (Mc  Carrison)  258 

—  bei  Tuberkulose  (Cawadias)  78 
ErnÀhrungszustand    und    Fettpolster    bei  Kindern 

(Kuntze)  74 

—  und  Körpermasse  (Huth)  108 
Eruptionsfieber  beim  Kinde  (Levy)  78 
Eiweiterungsinstrumente  (Sworowski)  531 
Erysipel,   Behandlung   (Kumaris)  364 

—  heilender  Einfluß  auf  Gewebsneubildungen,  be- 
sonders bösartige  Tumoren  (Wolffheim)  159 

ErythrÀmi«,  Behandlung  mittels  Röntgenstrahlen 
(Schöning)  202 
Erythema  nodosum  (Gneissaz)  51 
Exanthem,  febriles  beim  Kinde  (Veeder  und  Hempel- 
mann)  78 
Exophthalniie,  semiotischer  Wert  (Temen)  232 
Exophthalmus  und  Polyurie  bei  Kindern  (Hand)  26 
Exsudative  Diiathese,  Konstitutionspathologie 

(Stransky  und  Weber)  204 


FacialislÀhmuug.  Behandlung  (Auerbach)  158 

—  Neuralgie,  endokranielle  Operationen  (Jentzer)  103 

—  PhĂ€nomen  bei  Geisteskranken  (Holzel)  505 

—  PhĂ€nomen,  Bedeutung  im  schulpflichtigen  Alter 
(Schnitze)  74 

Fetrgewebsnekrosen,  subkutane  boim  Neugeborenen 

(Bernheini-Karrer)  132 
Fettpolster    und    ErnÀhrungszustand    bei  Kindern 

(Kuntze)  74 
Fibromyombehandlung  mit  Röntgenstrahlen  (Dries- 

sem)  160 
Fieber,     alimentÀres     (Be«sau,     Rosenbaum  und 

Leichtentritt)  299 

—  alimentĂ€res  (Bessau)  435 
Fixationsabszeß  (Todd)  133 
Fixationsverband  (Loeffler)  297 
FleckĂŒeber  (Finkeistein)  251 
Flexura  sigmoidea  Volvulus  (Gussea)  159 
Flockungsreaktionen    nach    Meinicke,  Ergebnisse 

(Jantzen)  46 
Fluorbehandlung  mit  Bazillosan   (v.   Jaschke  und 

Salomon)  160 
Frauenmilch,  Kalorienwert  (Pestalozza)  53 
Fremdkörperperitonitis,  Diagnose  (Pick)  47 
Friedreich-Ă€hnliche  Krankheitsbilder  (Schob)  10t 
FrĂŒhgeburt  (Rosenstein)  659 

—  von  790  gl-  (Huber)  108 
Funktionelle  GerÀusche,  Blutdruck  (Martin)  209 
Fuß,   Lehre   vom  Fußgewölbe   und   Plattfuß  (BrĂŒ- 
ning) 21 

Fuß,  Plattfußoperatfionsmethode  (WĂ€chter)  131 

—  Hohlfußbeschwerden  (Lackner)  11 

—  Aetiologie  des  kongenitalen  Klumpfußes  (Hahn) 

131 

—  Vorfußsehmerz   (Engelmann)  74 

—  entzĂŒndliche    MHtelfußgeschwĂŒlste  (DeutschlĂ€n- 
der  253 

—  Arthrodese   (Ombredanne)  185 


Gallenblase,  Ruptur  (Gylleup)  183 

Gallenblase.    Diathermie    bei    entzĂŒndlichen  und 

spastischen  Reaktionen  (Aimard)  161 
GallengÀnge,  Injektion  von  Wismuthpaste  (Tenney 

und  Patterson)  280 

Gallensteine,   Röntgendiagnostik   (Rieder)  229 

—  röntgenologische    Darstellbarkeit    (SchĂŒtze)  73 

—  medikamentöse  Behandlung  (Blank)  221 
Gallensteinerkrankung  (Körte)  128 
Gallenwege,    kongenitaler    Verschluß    (Schiff  und 

Eliasberg)  316 

—  Infektionen  (Bottomley)  440 
Ganglioneurom  (Berner)  561 
Gastroenteroanastomose,  Circulus  vitiosus  (Blond)  44 
Gastroskopie  (Schindler)  433 


Gaumenabszeß,  lymphatischer  der  oberen  Front- 
zÀhne (Klestadt)  99 

Geburt,  diagnostische  und  therapeutische  IrrtĂŒmer 
(Fehling)  349 

—  rektale  Untersuchung   (Heynemann)  48 

—  Traubenzucker  als  wehenförderndes  Mittel  (MĂŒl- 
ler) 181 

—  die  fötale  Indikation  zur  operativen  Beendigung 
(Guggisberg)  183 

—  plötzlicher  natĂŒrlicher  Tod  (Katz) 

—  erschwerte,  infolge  AbschnĂŒrung  eines  Schen- 
kels durch  die  Cervix  (Greenhill)  259 

Geburtshilflich-gynÀkologische     PropÀdeutik  (Po- 
lano)  349 
GeburtslÀhmung  (Schubert)  364 
GefĂ€ĂŸverletzung,  Versorgung  (Mocny)  21 
Gehen,   orthopĂ€discher   Apparat    fĂŒr    die  Wieder- 
herstellung (Lavermlcocca)  105 
Gehirn  und  SchÀdelknochen  (Tillmann)  206 
Gehirnkrankheiten,    Augenbefunde    (Black)  56 
Gehirnrachitis  (Looft)  392 
Gehirnrinde,      Zwerchfellzentrum      und  Singultus 
(Knapp)  227 
Gehörorgan,  funktionelle   ErmĂŒdung   (Bleyl)  23 
Geisteskrankheiten,   Arsentherapie    (Bicuchi)  104 
Gelenke,  luetische  Erkrankung  (Axhausen)  141 
Gelenkrheumatismus,      Behandlung      mit  Salizyl- 
natrium  (Lutembacher)  "25 
GelenkentzĂŒndung,   gonorrhoische    (Langer)  128 
Gelenktuberkulose,    Behandlung    der    offenen  mit 
KontentivverbÀnden   (Conti)  162 
Genitale,     Funktionen    des     weiblichen  (Zietzsch- 
mann)  181 
Genital-  Prolaps  (Meyer-RĂŒegg)  323 
Genitaltuberkuilose    bei  Knaben  (Dellinger-Barney) 

260 

—  weibliche  (Bertolini)  ??? 
Geruch,  Physiologie  (Calderin)  490 
Geschlechtskrankheiten  (Stein)  565 

—  Krankenordnung  der  R.  V.  O.  (Haunauer)  112 

—  GesetzentwĂŒrfe  zur  BekĂ€mpfung  (Dreuw)  94 

—  Kontrolle  in  England  (Rout)  80 
Geschlccbtsprognostik  (Aebly)  123 
Geschlechtsverirrungen  (Sadger)  348 
Gesundheit  und  gewerbliche  Arbeit  (Beyer)  82 
Gewebe,   Beziehungen  zur  Diurese  und  Bedeutung 

als  De.pots  (Nonnenbruch)  251 
Gewerbehygienische  Rundschau  (Michaelis)  12 
Gicht  (Gudzent)  556 

—  Therapie  und  Pathogenese  (Thannhauser)  158 
Gigantismus,  Pathogenese  (Petenyi)  213 
Glandula  pinealis,  Histologie  und  Physiologie  der 

menschlichen  (Walter)  181 
GlaskörpertrĂŒbungen       beti  AdcrhauterutzĂŒndung 
(Buck)  107 
Glaukom  (Levinsohn)  628 
Glaukoma,     Simplex     mit     normalen  Tonometer- 

werten  (Köllner) 
Glomerulonephritis,  Aetiologie  der  akuten  dif- 
fusen (Kylin)  180 
Glukose,  Toleranz  (Langston)  413 
Glukoseinjektionen,  intravenöse  bei  Schwanger- 
schaftstoxÀmie  (Givens)  259 
Glykosurie,    alimentÀre    (Holst)  369 

—  bei  Schwangerschaft  und  Menstruation  (KĂŒstner) 

297 

Goldkolloid,  Reaktion  bei  Poliomyelitis  (Regan)  328 
Gonorrhöe,  Provokation  der  latentejn  (Nevermann) 

202 

—  Behandlung    (Roseinthal)  319 

—  Lichtbehandlung  (Guthmaun)  48 

—  interne  UnterstĂŒtzungstherapie:  Cystosan  (Sic- 
hert) 90 

-  der  Gelenke.  Behandlung  (Klapp)  1 
Gonorrhoische  Gelenks-  und  Sehnenscheidenent- 
zĂŒndung (Langer)  128 
GraviditĂ€t,  extrauterine  (v.  Oettingen)  ‱  366 
GraviditÀtsanÀmie,  perniziöse  und  perniziosaartige 
(Beckmann)  160 
Grippe,  Jodprophylaxe  (Stettner)  340 

—  Behandlung  bei  Schwangeren  (Koertiug)  18 

—  Encephalitis  XGrage)  434 

—  Pseudoappendizitis  (Dubs)  489 
Gruber-Vidalsche  Reaktion  (Großer)  297 
Grundriß    der  inneren  Medizin  einschließlich  der 

Nervenkrankheitein   (Milchner)  212 

—  der  Röntgendiagnostik  innerer  Krankheiten 
(MĂŒnk)  212 

Gumma  syphiliticum  ovarii,  positiver  Spirochaeten- 
befund  (v.  Kubinyi  und  Johan)  160 
GynÀkologie,  Repetitorium  (Leisewitz I  563 
-—  diagnostische      und      therapeutische  IrrtĂŒmer 
(Kuhn)  360 

—  und   Allgemeinerkrankungen   (Waithard)  368 

H 

Haarausfall.     Behandlung     des    vorzeitigen  (Mac 
Kee  und  Andrews)  79 
Haarwuchs,  Förderung  (Friedenthal)  73 
Habitus,  praktische  Bedeutung  der  Lehre  (Aschner) 

252 

Hiftpflichtversicheruug  84 
Halluzinationen,  einseitige  akustische  (Sam)  132 
Halslymphome,  Röntgentiefenthcrapie  der  tuberku- 
lösen (Karger)  57 
HĂ€magglutination.  gruppenweise  (Eden)  226 
HĂ€mangiom  der  Blase  (Faerber)  358 
HĂ€moglobinurie,  paroxysmale  und  Syphilis  (Bur- 
meister) 129 

—  paroxysmale  und  hĂ€moklasische  Krise  (Mon- 
tagnanu)  185 

HĂ€moklasiche  Krise   (Holzer  und  Schilling)  341 

—  Krisen    (Gautier)  51 

—  Krise  und  paroxysmale  HĂ€moglobinurie  (Mon- 
tagnani)  185 

HĂ€mophilie  (Pflug)  68 
HĂ€moph.tyse  bei  Lungentuberkulose  (Ehreubcrg)  256 
HĂ€morrhoiden,  Injektionsbehandlung  (Boas)  607 


HĂ€mosiderose  (Araaaer)  627 
HĂ€mosiderosis  bei  SĂ€uglingen  (Dubois)  301 
Hand,  Riesenwuchs  der  rechten  Hand  (Jouon)  140 
HandinfektiKjnen.  Aetiologie  und  Behandlung 
(Hill)  80 
Handschrift  und  Medizin  (Möller)  65 
Handbuch  der  Röntgenlehre  (Gocht)  212 
Harn,  Nachweis  von  Blut  (Johanesen)  77 

—  quantitative    kolorimetrische  Zuckerbestimmung 
(Cohen,  Tervaert)  255 

—  Kolloidgehadt  (Pribram  und  Ergeuberger)  100 

—  pathologische   Beistandteile   bei   Kindern  (Ding- 
wall-Thordya)  209 

—  klinische    Reaktion    auf    die    Anwesenheit  von 
Zellen  (Benians)  209 

—  BekĂ€mpfung     der     postoperativen  Verhaltung 
(Vogt)  48 

Haminkontineuz,     operuative      Behandlung  beim 
Weibe  (RĂŒbsamer)  22 
Harnröhre,  Dilatation  (Hammesfahr)  438 

—  VerĂ€nderungen  der  mĂ€nnlichen  im  Röntgenbild 
nach  KontrastfĂŒllung  (Kurtzahn)  73 

HarnsĂ€ure,  Gehalt  des  Blute«  (Krauß)  591 
HarusĂ€urewechsel  Einfluß  des  Kalkes  (Koichi  Ni- 
jadera)  235 
Harnstoffbildende  TĂ€tigkeit  der  Leber  bei  Leber- 
kranken (Petenyi)  227 
Hasenscharte,  Behandlung  (Moorehead)  136 
Haut,  Beziehungen  zum  Gesamtorganismus  (Bloch) 

201 

—  Schwankungen  in  der  Temperatur  hei  Kindern 
(Fonzo)  104 

—  Röntgenbehandlung  der  Krankheiten  (Lawrence) 

188 

—  intravenöse    Traubenzuckerinjektionen    bei  Er- 
krankungen (Scholtz  und  Richter)  43 

Hautkrankheiten.   Lehrbuch   (Joseph)        '  236 

—  durch  mineralische  Oele  (Nauder)  52 
Hautouberkulose,   neue  Injektionsmethode  des  Tu- 
berkulins  (Straßburg)  203 

HautverÀnderungen  bei  Typhus  abdominalis  (Var- 
gas)  110 
Hefe,  bakterizide  Wirkung  (Schugt)  160 
Heizsonde  bei  Gonorrhoe  (Frank)  390 
Heliotherapie,  intermittierende  (Romich)  320 

—  der  nichttuberkulösen  Aftektionen  (Arnstadt)  207 
Hellsehen  und  Telepathie  (v.  Wasielewski)  236 
Helisicol  (KĂ€rcher)  667 
Herellesches  PhÀnomen  (Otto  und  Munter)  99 
Herpes,    Aetiologie    (LipschĂŒite)  101 

—  Aetiologiei  (LipschĂŒtz)  182 

—  Zoster,    Ă€tiologischer    Zusammenhang    mit  Va- 
rizellen  (Jacobi)  109 

Herpes  zoster  und  Facialisparalyse1  (Worms)  653 
Herz,  Frequenz   (Tigerstedt)  646 

—  Röntgenverfahren  zur   FunktionsprĂŒfung  (Groe- 
del)  227 

—  Störungen  bei  Scharlach  (Hirsch)  225 

—  Tuberkulose  (Korybut)  325 

—  Verlagerung     bei     umfangreicher  Lungenver- 
dichtungen im  Kindesalter  (Duhem)  134 

—  Kalzium   in   der   Therapie    (Singer)  179 
Herzanomalien,    seiteine    (Ratner,    Abott   und  Be- 
attie) 27 

Herzerkrankungen,    Diagnose    (White)  211 

—  vitale  KapazitĂ€t  der  Lungen  (Wilson  und  Ed- 
wards) 27 

—  intravenöse  Traubenzuckerinfusion  (Travers)  19 
Herzklappen,  Tuberkulose  (Dreßler)  561 
Herzkranke,  nervöse  Störungen  (Jaquet)  391 
Herzkrankheiten.  Prognose.  (Moon)  346 
Herzleiden  und  Schwangerschaft  (Nelius)  506 
Herz.  Massage  (Eisenmenger)  657 
Herzmassage  beim  Wegbleiben  der  Kinder  (Japha) 

228 

Herzmuskel.  Nervenendigungen  (Sato)  284 
Herzschmerzen  (Hoffmann)  43 
HerztÀtigkeit,  Beeinflussung  durch  Traubenzucker- 
infusionen (Isaac)  157 
Herztod  bei  Diphtherie.  (Smith)  346 
Heufieber  (Kamann)  434 
Hilfsschule,  BedeĂŒtun  g  endogenerer  und  exo- 
gener Faktoren  (Reiter  und  Osthoff)  47 
Hirn,  Encephalographie-  (Bingel)  73 

—  Bestimmung     des     elektrischen  Widerstandes 
(SchlĂŒter)  72 

—  körperliche     LeistungsfĂ€higkeit     bei  Verletzte!1 
(Bappert)  101 

—  Abszeß   (Rindfleisch)  262 

—  Strahlenbehandlung  der  Tumoren  (Pancoast)  414 
Hirntumoren,  Methode  zum  Auffinden  (Meyer)  72 
Hirschsprungschc    Krankheit    (Haugk)  ÂŁ42 

—  —  (Vogel)  364 
Hoden,      Transplantation      und  HomosexualitÀt 

(Kreuter)  488 
Hodgkin'sche  Krankheit.  Chylothorax  (Gralka)  242 
Hohlfuß  (Lackner)  559 
HomosexualitÀt,  Behandlung  (Moli)  565 
HĂŒfte,   schnappende   (Vogel)  410 

—  Osteochondritis  (Calot  und  Collen)  209 
HĂŒft-Frakturen  (Moore)  137 
HĂŒftgelenk,  Analyse  der  Bewegungen  (Scherb)  34* 
HĂŒftgelenksluxation,     traumatische     bei  Kindern 

(Doelle)  254 
HĂŒftluxationem,  Fernresultate  der  unblutigen  Ein- 
renkung (Frölich)  185 
llumagsolan  (Scharlaml  623 
Hutinelsche  Krankheit,  chirurgische  Behandlung 
(Curchod)  24 
Hydrocephalus    (Nafiagas)  137 

—  postoperativer  (Garrido-Lestache)  54 
Hygiene,  Kompendium  der  sozialen  (Chajes)  236 
Hyperemesis  gravidarum  (Kuhn)  550 

—  —  Behandlung  mit  Veronal  (JacobĂ€us)  184 
Hyperthymisation,  Folgen  (Demel)  229 
Hyperthyreodismus,     Verhalten     des    Herzens  bei 

experimentellem  (Hashimoto)  107 
Hypertonie   (KĂŒlbs)  644 

—  gefĂ€ĂŸverengernde  Stoffe  im  Blute  (HĂŒlse)  179 


Inhaltsverzeichnis. 


—  und  Diabetes  (Kyltn)  S2» 
Hypervagotonle  als  Ursache  von  Asthma  (Lian)  101 
Hypnose  (Schnitt)  030 

—  und  Suggestion   (Sanders)  82 

—  —  (Friedrichs)  502 

—  »ur  Heilung  eines  schweren  Innnltionszjistandes 
(Tscherning)  198 

Hypnotischer  Geburtadammerschlaf  (Sohultse-Rhon- 

hof)  275 

Hypnotismus  und   Suggestion   (Satow)  82 

—  und  Geistesstörung  (Siermerling)  «88 
Hypophyse,  Wachstumsfunktionen  (Petenyi)  213 

—  Störungen     der     Funktion     bei     Lues  cerehri 
(BĂŒseher)  204 

—  und  AntikĂŒrperbildung  (Cutlcr)  678 

—  Schwaiigerschaftshyperthrophie  (Jung)  183 

—  bei  Nferenerkrankungen  (Höppli)  007 
Hypophysenextrakte     zur    Wehenauregung  (Oal- 

man)  72 
Hypophysenextrakt     zur  NierenfunktionsprĂŒfung 

(Brieger  und  Rawack)  46 
Hypophysentumor  (Neff)  107 
Hypophysis,  Tumoren  (Eisenslein)  644 
Hypopituitarismus  (Lisser)  671 
llysterektomie  (Proust  und  Mal'et)  304 
Hysterie,  kindliehe  (Carvengt)  659 

—  und     Dememtia      prĂ€eox.  Diffeientialdiagnose 
(Wlchmann)  227 

1 

Idiosynkrasien  (Wiedemann)  17 
Jejunalulcus,  Bedeutung  des  Pylorus  fĂŒr  das  Zu- 
standekommen des  postoperativen  (Haberer)  21 
.Tejunum,  Ulcus  (Beer)  34J 
Ikterus  catarrhalis  (Eppinger)  485 

—  septischer    (Birngold)  130 

—  Simplex  (Schilf  und  Eliasberg)  661 
SpÀtikterus  nach  Salvarsan  (Jacobsohn)  148 

Ileus,  Diagnose  des  akuten  mittels  Röntgenstrahlen 
(Guillaume)  208 

—  und     Appendizitis.     Differentialdiagnose  (Be- 
lesta)  26 

ImmunitÀt,  tinspezifische  (Much)  255 
Impetigo,   Nephritis    (Husler)  658 
Impfnekrose   (Vollmer)  101 
Impfschutz   (Bösser)  515 
Impfung  per  os  (Besredka)  652 
Impotenz  des  Mannes   (Orlowski)  82 
Inanitionsfieber.     verursacht     durch     toxische  Ei- 
weißprodukte (De  Witt,  Sherman  und  Lohnes)  56 
Inanitionszustand,  Heilung  durch  Hypnose  (Tscher- 
ning)  198 
Indikanurie   bei   Kinderkrankheiten    (Nigro)  C39 
Infantilismus,    Abgrenzung    und    Aetiologie  (Bor- 
chardt)  226 

—  intestinaler  (Lichtenstein)  369 

—  psychosexueller   (Kronfeld)  82 

—  statischer  bei  cerebraler  Diplegie  (Thomas)  130 
Infektionen,  chirurgische  u.  Dispostion  (Cabot)  139 
Influenza,  Aetiologie  (Angerer)  231 

—  als     primĂ€res     Oedem      der  respiratorischen 
SchleimhÀute  (Brenner)  137 

—  bei   Tuberkulösen    (Lunde)  228 

—  Behandlung  durch  direkte  Reizung  der  Leuko- 
zytenbildung (Willmore  und  Gardner)  184 

Inguinalhernie,  rezidivierende  (French)  283 
Injektion,  intrakardiale  (Vogif)  43 
Innere  Sekretion   (Weil)  348 
Intestinalinfektionen     be'i      chronischer  Arthritis 
(Mutch)  106 
Intestinum,   Lage-   und  Formanomalien  des  kind- 
lichen  (Simonini)  185 
Jodkalilösung  zur  Darstellung  von  FistelgÀngen  im 
Röntgenbild   (Lehmann)  253 
Irrenanstalt.  Stand  der  Krankenpflege  (Ast)  49 
Irresein,  Bedeutung  der  ErbkonsUtĂŒtion  (Kahn)  180 
Isapogen  (Thoma)  664 
Ischias,  Aetiologie  und  Pathogenese  (Lindstedt)  180 
Tsoagglutinine  Im  Blut  des  Neugeborenen  (Jones) 

260 

Jugendirresein,  Ursachen  (Sonnenberg)  204 

K 

Kaiserschnitt    (Gamble)  392 

—  in  LokalanĂ€sthesie  (Frey)  17 
Kalk,  Stoffwechsel  u.  innere  Sekretion  (Bauer)  670 

—  der   Kuhmilch,    Beziehung   zur   Verdauung  und 
Resorption  des  Kaseins  (Bosworth)  259 

Kalkgehalt    des    Serums    (Framer,     Tisdall  und 
Howland)  260 
Kalomel,  Gefahr  bei  interner  Darreichung  (Schu- 
macher) 45 
Kalzan  (Stern)  516 
Kalziumgehalt    des    Blutplasmas    und    der  Blut- 
körperchen beim  Neugeborenen   (Jones)  109 
Kampferwasser,   intravenöse   Injektion  (Scheicher) 

840 

Karbolparraffin  und  Karbolglyzejin  (Boenning- 
haus)  48 
KardiopulmonÀres  GerÀusch  (Loup)  439 
Kardiospasmus  (Finsterer)  623 
KardiovaskulÀre  Forschung  (Levine)  210 
Karzinom,  Versuche  ĂŒber  ImmunitĂ€t  258 

—  experimentelle  Einimpfung  (Kaysscn)  47 

—  Abwehrmaßnaihmen   des   organisierten  Gewebes 
(Bayer)  47 

—  und  Infektion   (Ford  Robertson)  24 

—  des  Uterus,  InopcrabilitĂ€t  (Winterl  22 

—  des  Daumens  (Stahr)  16 

—  der  Brust  (Merk)  44 

—  der    Lippe,    Radiumbehandlung     (Wilkin  und 
Gewinn)  188 

—  des    Oesophagus,    Radiumbehandlung  (Hanford) 

258 

—  Tiefenbestrahlung   (Ward)  326 

—  Freund-Wertheimsche  Operation  (v.  Kubinyl)  254 
Kasein,  Beziehung  des   Kalks  der  Kuhmilch  zur 

Verdauung   und   Resorption    (Bosworth)  259 


Kaseosan  (Voehl)  23 
Kassenarzt,    Erstattung    eines    gezahltem  Honorars 

126 

Kassenarztliche     Gteblihrung     in  WĂŒrttemberg, 
Sehledsspruch  iss 
Katarakt,  erstes   Stadiuni   des  senilen   (Smith)  258 
Katatonie,       Vorkommen      elementarer  KrÀmpfe 
(Bauseh)  227 
KatheterLamus,    Indikation    und    Technik    des  re- 
trograden  (Bonn)  107 
KeimdrĂŒsen  bei  Konstitutionsanomalien  (Joffe)  524 
Keratitis   diseiforms   (Hann)  56 

—  infolge  ZuckeriiberernĂ€hrung  (Maclelsh)  56 

—  parenehyinatosa,  Jodinjektionen  (Rosenstein)  202 
Keratoplastik  (Gradle)  107 
Kiefer,     Osteomyelitis     beim    Kinde,    (Waton  und 

Aimes)  140 

—  OrthopĂ€die  (Hauberrisser)  400 
KieselsĂ€ureinjektionen  (KĂŒhn)  128 
KieselsÀure  bei  Tuberkulose  (Klare  und  Budde)  590 

—  bei  Lungentuberkulose  (Mattauseh)  658 
Kindbettfieber  (Zweifel)  649 
Kindcrpraxls  (Netei)  122 
Kniegelenk,   schnellendes    (Frosch)  559 

—  Mobilisation   (Roeren)  365 

—  operative    Behandlung    der   Ankylosen  (Taver- 
nier)  "  156 

Kniescheibe,  habituelle  Luxation  254 
KniescheibenbrĂŒche,  Behandlung  (v.  d.  HĂŒtten)  174 
Knochendiystrophie  (MoTi)  208 
Knochenentwieklung,  Biologie  in  Beziehung  zur 
Knoehentransplantation  (Nathan)  79 
Knoelienerkiaukungen    im    JĂŒnglingsalter  (Vogel) 

207 

Knochenmarkbefunde    am    Lebenden    bei  krypto- 
genetischer perniziöser   AnÀmie   (Zadek)  23 
Knochenwachstum  (Miaaß)  560 
Kochsalz,   Ausscheidung   (Möwes)  158 
Kohlehydrat,      Stoffwechsel      der  Leberkranken 
(Hetenyi)  649 
Kohlenoxyd,   Vergiftung   (Michaelis)  583 
Kohlenoxydpsychosen  (Heißen)  49 
Köhlersche   Krankheit  (Abrahamsen)  140 
Kolloidchemie   (Liesegang)  596 
Koloptose     als     Ursache     der     Obstipation  (Heß 
Thaysen)  159 
Kolostrum   (Lewis  und  Wells)  493 
Kompendium  der  Lichtbehandlung  (SchmLdt)  212 

—  der  sozialen  Hygiene  (Chajes)  236 
Kongreß,    Naturforscherveirsammlung  605 

—  Deutsche  Gesellschaft  fĂŒr  Chirurgie  349 

—  Deutsche  Gesellschaft  fĂŒr  innere  Medizin  398 

—  Radiumtagung  in  Kreuznach  445 
Kopfhaut,  Affektionen  der  behaarten  (Labourand) 

209 

Kopfschmerz  (Lobedank)  348 

—  Anwendung  von  Chlornatrium  (Hughson)  135 

—  Behandlung    durch  Kochsalzinjektionen  (Peritz) 

100 

KörperfĂŒlle,  Indices  (Pfaundler,  v.)  108 
Körpermaße  von  Schulkindern  (Bachauer)  '  111 
Korpusadenom  der  Matrone  (Menge)  131 
Krampfadern,  Behandlung  mit  Sublimatinjek- 
tionen  (Fischer)  102 
KrĂ€mpfe  beim  SĂ€ugling  (BlĂŒhdorn)  607 
Kraniotabes  und  syphilitische  Rachitis  beim  SĂ€ug- 
ling (Marfan)  134 
Krankenkassen  und  Aerzteverband  176 

—  und   Reichsversicherungsgesetz   (Martinek)  28 
Krankenversicherung    in    Tschechoslavien  28 
Kreatine,  Bildung  bei  Dystrophia  muscularis  pro- 
gressiva pseudohypertrophiea  (Gibsoii  und  Mar- 
tin) 235 

Kreislaufstörungen  in  der  Chirurgie  (Vogeler)  377 
Kriegsenteritis  (Oetvös)  129 
Kriegs-   und   Nachkriegsopfer,   weibliche  (AVinter) 

156 

Kurpfuscherei  177 
Kystoskopischer  Atlas  (Wossidlo)  212 


Labyrinth,  Intoxikation  (Calderin)  256 
Laktation  und  Menstruation  (Engel)  228 
Laryngitis,  ultraviolette  Bestrahlung  bei  tuber- 
kulöser (Mayer)  283 
Lebensdauer,  Einfluß  der  BerufstĂ€tigkeit  (W'inck- 
ler)  189 
Lebcinshaltungsindex  28 
Leber   in  der  Schwangerschaft  (Waithard)  626 

—  Beziehungen  der  Parenchymdegeneration  zur 
akuten    gelben   Leberatrophie    (Meier)  159 

—  harnstoffbildende  TĂ€tigkeit  bei  Leberkranken 
(Hetenyi)  227 

—  Organotherapie  bei  Erkrankungen  (Oddo  und 
Borie)  161 

Leberatrophie,  akute,  gelba,  Beziehungen  zur 
Phosphorvergiftung  uneJParenchymdegenerationen 
der  Leber  (Meier)  159 

Leberfunktion.  PrĂŒfung  (Aaron,  Beck  und  Schnei- 
der) 55 

Leber,   FunktionsprĂŒfung  (Lepehne)  363 

Leber  -  Gallensteinerkrankungen,  DĂŒferentialdia- 
gnose    (SchrÀder)  16 

Leberinsuffizienz,  Verwendung  der  Laevulose  zur 
Untersuchung   (iSpence   und   Brett)  151 

Lehrbuch  der  allgemeinen  Pathologie  und  patho- 
logischen  Anatomie   (Mönckeberg)  212 

—  der  Hautkrankheiten  (Joseph)  236 

—  der  gerichtlichen  Medizin  (Kratter)  81 
Lepra.  Antimonbehandlung  (Wildieh)  184 
LeukĂ€mie    im   Kindesalter   (Baß)  106 

—  und  Tuberkulose  (Weill  und  Coste)  78 
Leukoderma  syphiliticum  (Freymann)  182 
Leukozytenreaktion    beim     Neugeborenen  (Auric- 

chio))  53 
Leukozytose,  postoperative  (Stall!)  99 
Linserverfahren  (v.  Pezold)  252 
Lipase  des  Magens  (Takata)  234 


Lipodystrophia    progressiva  (Smith)  17 

Lippe,  Radiumbehandhing  des  Karzinoms  (WH- 
Uns  und  Gewinn)  ins 
LokalanÀsthesie  (Tompkins)  79 
Llthlasil  (llarvier)  |gg 
Lokalisten  und  Genera  listen  (v.  (riegem)  599 
Luftembolie  (l'ordemann)  ,')H9 
Luftwege,  Bauchschmerzen  bei  Infektion  (Hrenne- 
niann)  j7 
Lumbago,   Aetiologie    und    Pathogenese  (Lindstedt) 

180 

—  Beteiligung  der  Bauchdecken  (Smltt)  158 
-  Laminektomie    bei    chronischem  rheumatischen 

(Sicard   und    Forcsticr)  >x; 
(Mayer)  lg 
Lumbalpunktion    (Millan)  27fl 

—  bei  Intrakfaniellen   HĂ€morrhagica  (de  Stefano) 

277 

Lunge.  vitale  KapazitÀt  bei  Merzerkrankungen 
(Wilson  und  Edwards)  27 

Luugemkrankheiten,  Digitalis  bei  chronischen 
(Focke)  ]g 

Lunge,  Abszeß   (Moore)  673 

—  Verwendung  der  Bronchoskopie   (Lynath)  .... 

—  Blutung  (Rickmaiin)  302 

—  Echinokokkus    (Lenk)  535 

—  GangrĂ€n   (Roch)  411 

—  GangrĂ€n    (PeemĂŒller)  623 
Lungeneiterungen,   Klinik  der  (ItahuenfĂŒhrer)  49 
Lungenemphysem,     Kontraindikation     des  kĂŒnst- 
lichen Pneumothorax  (Wulff)  9k 

LungenhÀmorrhagien.  Behandlung  (Schwatt)  136 
Lungensklerose,  Verlagerung  des  Heazens  (Duhcm) 

134 

Lungentuberkulose    (Burnand)  280 

—  (Brown)  509 

—  offene,  im  Kindesalter  (Klare)  557 

—  abortive  Formen  'Corvetto)  110 

—  FrĂŒhdiagnose   (Brown)  259 

—  HĂ€moptyse    (Ehrenberg)  256 

—  und    Röntgenuntersuchung    (Schinz)  101 

—  Röntgentherapie    (Stephan)  17 

—  röntgenologischer  Beitrag  zur  Kenntnis  (Tho- 
mas) 252 

—  ringförmige  Pleuraschatteto  im  Röntgenbilde 
(Burns  und  Amberson)  164 

—  und  tracheale  Injektionen   (Balvay)  134 

—  Einfluß  der  Kontakttherapie  bei  chronischer 
(Gareera)  110 

—  hausĂ€rztliche  Behandlung  (Standvoß)  409 
Lupus   erythematodes   (Göll   und  Voigt)  276 

—  vulgaris,    KontagiositĂ€t    (Buchaidi)  251 
Lymphozyten,   Funktion  (Cramer,   Drew   und  Mot- 
tram) 54 

Lytophan    (Feustell)  ?40 

M 

Magen,  Bedeutung  der  Faltenzeichnung  (Eisler 
und  Lentz)  17 

—  MotilitĂ€tsprĂŒfungen  mit  Eiweiß,  Fett  und  Kohle- 
hydraten  (Demuth)  19 

—  Sekretion    (Bennet    und   Dodds)  133 

—  Erscheinungen  und  HĂ€ufigkeit  der  GeschwĂŒre 
der  kleinen  Kurvatur  (Faber)  133 

—  Karzinom  (Katz)  443 

—  Ulcuskarzinom  (Peyser)  364 
Magenblutungeu,    Indikationsstellung    bei  akuten 

(Finsterer)  205 
Magendiagnostik,     praktische     Methoden  (Fried- 
rich, v.)  98 
Magenfunktionen,     Untersuchung     ohne  Schlund- 
sonde  (Custer)  50 
MagengeschwĂŒr,  pathologisch-anatomische   und  ex- 
perimentelle Studien  ĂŒber  das  chronische  (Nico- 
laysen)  131 
MagengeschwĂŒre,  peptische  (Gruber  u.  Kratzeisen)  99 
Miageninsuffizienz  im  SĂ€uglingsalter  (BlĂŒhdorn  und 
Loehenstein)  204 
Magenlipase  (Takata)  234 
Magensaft,  bakterielle  Wirkung  auf  Tuberkelbazil- 
len (Inkster  und  Roodhouse*  Gloyne)  54 
Magenschmerzen  und  Pleuritis  (Rennen)  204 
Magenstraße,    Bedeutung    (Katsch    und    v.  Fried- 
rich) 205 

—  Exstirpation  (Bauer)  1°2 
Magenuleus.   Behandlung    (Kovjanic)  226 

—  kausale  Behandlung  (Schmieden)  206 
Malaria  im  SÀuglingsalter  (DuzÀr)  268 

—  bei  Kindern  (Suzuki)  304 

—  Behandlung  (Buen)  184 

—  Behandlung  (Mayer)  387 

—  Behandlung  (Reh)  432 

—  Behandlung  (Gcnevrier)  668 
Markfaserschwund  (Kufs)  522 
Masern  (Kawamura)  494 

—  Schute  durch  Rekonvaleszentenserum  (Kutter)  109 

—  Rekonvaleszentenserum  (Mc.  Neal)  281 

—  prophylaktische  Impfung  (Hiraishi  und  Oka- 
moto)  f° 

—  EmpfĂ€nglichkeit  (Grund)  307 
Mastdarm,  Fistel  (Schneck)  677 

—  Krebs  (Schmieden  u.  Fischer)  342 
Mastitis.  Behandlung  mit  Opsonogen  (Bodin)  322 
Mastoiditis  (Smith  und  Mac  Cuen)  163 
Mechanotherapie  (Sternberg)  35 
Medizin  und  Handschrift  (Möller)  65 
Medizinalverwaltung,  Reform  (Hirsch)  49 
Medizingeschichte,  Wert  und  Aufgaben  im  Studium 

und  Berufsleben  des  Arztes  (Stic.ker)  175 
Megacolon  congenitum  (de  Jong  und  Platitenga)  204 
Mehlnahrung,  konzentrierte  (Rachmilewitsch)  320 
Melaena  neonatorum  (MĂŒller)  108 
Meningeale  Syphilis.  Behandlung  (Generich)  157 
Meningitis    cerebrospinalis   beim  SĂ€ugling  (Pesta- 

lozza)  H 

—  tuberkulöse  (Montanari)  278 

—  durch  fadenartigen  diphtheroiden  Organismus 
(Miller   und  Lyon)  26 


10 


Inhaltsverzeichni 


s. 


Meningokokken,  Sepsis  (Pontano)  345 
Menstruation,  Zyklus  (Seitz)  230 
—und  Laktation   (Engel)  228 

—  Störunge*  bei  lungenkranken  Frauen  (Guth)  575 
Menstruatiönsausfall    infolge    endoeriner  Störungen 

(Rosser)  107 
MenstruationsunrcgelmĂ€ĂŸigkeiten,  Benennung 

(Seitz)  159 
Metapliyse  (TUlier)  370 
MigrÀne,    Behandlung    durch  Kochsalzinjektionen 

'Peritz)  100 
Milch,  Harnstoffgehalt  (Morimoto)  508 

—  Injektionen  hei  Buhonen  (Bonnet)  325 

—  gewĂ€sserte  als  SĂ€uglingsnahrung  (Silvestri)  53 
Milz,    Bedeutung  bei  Injektionen  von  Adrenalin  (Ben- 
iner und  Hellwig) 

—  Exstirpation  (Morawitz)  503 

—  Karzinom  (Sappington)  493 
Mirion  (GĂ€rtner)  182 
Mittelohreiteruug.  chronische  (Wells)  106 
Mongolismus  (de  Bichler)  304 
Morgagni  (Doli)  617 
Mundhöhle,  Trypaflavin  b.  Erkrankung.  (Maier)  43 
Mundschreibapparat  f.  Armlose  (Lavermicocca)  105 
Muskel,       Arbeitsleistung       des  tnansplantierten 

(Saxl)  131 
Muskeln,  VorgÀnge  (Walte)  69 
Muskelmechanik    (Sternberg)  35 

—  physiologische  in  Beziehung  zur  Graphologie  und 
phonetischen   Lautschrift  (Sternberg)  63 

Muskeldystrophie,  Vererbung  (Weitz)  74 
Muskelrheumatismus  (Tobias)  607 
Muskulatur    der    feineren    Bronchialvei  zweigungen 
(Snow  Miller)  163 

—  auffĂ€llige   Beherrschung   willkĂŒrlicher   und  Be- 
einflussung unwillkĂŒrlicher   (Kohlrausch)  19 

Myocarditis  tuberculosa  (LĂŒscher)  75 

—  tuberculosai  (Massini)  75 
Myom,  Genese  (Seitz)  230 
Myomektomie  (Gouillond)  440 
Mvomentwicklung       nach  Ovarialtransplantation 

(Fleischmann)  160 
Myopie   (Jablonski)  ‱  628 

Behandlung  (Elschnig)  589 
Myxödem,    somatische    Struktur   des"  kongenitalen 

sporadischen  infantilen  Thyreoidcakur  (Rosso)  77 

N 

Nachahmungskrankheiten  bei  Schulkindern  (Kar- 
ger) 264 
NackenphÀnomene  (Segagni)  77 
Narbenenveichung  durch  PepsLnlösung  (Payr)  130 
Nebenniere,   ifunktionen   (Hewer)  2:13 

—  Atrophie  des  Marks  (Zimmermann)  300 
Nebenniereninsuffizienz,  plötzlicher  Tod  durch  akute 

beim  SĂ€ugling  (Victor)  109 
Nebennierenexstirpation  bei  Epilepsie  (Sultan)  251 
-‱‱  und  Epilepsie  (Heymann)  320 

—  ExstirpaOon  bei  Epilepsie  (Wohlgemuth)  399 
Neoarsenobenzol  (Spano)  278 
Neosalvarsan  und  Soluesin  (v.  Szily  und  Haller)  252 

—  nitritoide  Krisen  (Goedhart)  368 

—  bei  putrider  Bronchitis  (Gralka)  ■  219 
NeosHhersalvarsan  (Zimmern)  157 

—  Dreifus  340 

—  und  Novasurol  (Krebs)  251 
Nephritis  unilaterale  (Rathhun)  80 

—  Behandlung  mit  hohen  Alkoholdosen  (Masel)  162 

—  Zuckertage   in  der  Behandlung  der  kindlichen. 
(Czapski)  127 

—  beiderseitige  Operation  der  chronisch.  (Vaux)  80 
Nephrolithiasis  (Rosenow  u.  Meisser)  280 
Nerven,  VorgÀnge  (Walte)  69 
Nervenkrankheiten.  Arsentherapie  (Bicuchi)  104 
Nervensubstanz.  ErnÀhrung  (Boruttau)  158 
Nervensystem,  Syphilis  (Maitland)  ‱  139 

—  Reizleitung   im   peripheren    (Zottermann)  255 
Nervenverletzungen,  Behandlung  irreparabler  (Har- 
ris) 164 

Neugeborene,  Wund-  u.  Rektumkeime  (Salomon)  487 

—  Isoagglutinine  im  Blut  (Jones)  260 
Neuralgien,  Röntgentherapie  (FĂŒrnrohr)  158 
Neuralgie.  Behandlung  mit  subkutanen  Sauerstoff- 

insufflationen  (Bolognini)  77 
Neuritis  optica  bei  Serumkrankheit  (Mason)  259 
Neurosen.  Therapie  (Jones)  82 
Neurosyphilis  mit  negativer  SpinalflĂŒssigkeit  (So- 
lomon) 56 
Niere,  Funktion  und  Blutdruckpackung  (MĂŒller- 
Deham)  273 

—  FunktionsprĂŒfung  (Pierst)  305 

—  Dekapsulation  bei   Brightscher  Krankheit  (San- 
derson-Wells)  24 

—  Hypophysenextrakt  zur  FunktionsprĂŒfung  (Brie- 
ger  und  Rawach)  40 

—  FunktionsprĂŒfung   mit   Jodkalium    (Narath)  20 

—  abakterielle  Pyurien  (SĂŒderhind)  25 

—  bei  akuteT  gelber  Leberatrophie  (Meyer)  300 

—  Erkrankungen  nach  Angina  (Kayser-Petersen)  534 
Nierendekapsulation    bei    Sublimatvergiftung  (Roll- 
wagen) 205 

Nierenerkrankungen    in    der    Praxis    (Halpert)  80 

—  Salz-  und  Wasserwechsel  (Siebeck)  19 
Nierenfunktion  bei  Schwangeren  und  Entbundenen 

(Werner)  230 
Niereninsuffizienz,    Nitrogen-Retention    und  Rest- 

N-Verteilung    in    den    Geweben    (Rohonyi  und 

Lax)  180 
Nierenproben,  Bedeutung   der  funktionellen  (Com- 

rie)  24 
Nierensteine,   wiederholte    (Dellinger.  Barney)  210 

—  bei  Kindern  (Johansson)  256 
Nierentuherkulo.se   (Owilk)  164 

—  (Stutzin)  159 

—  Erfolge  der  Nephrektomie  (Wildbolz)  22 
Nitrit-Krisen  (Girbal)  106 
Novalgin  (Auer)  226 
Novariol  (Jacobson)  495 


Novasurol,  Diurese  (Saxl  und  eHilig)  ‱  273 

—  und  Silbersalvarsan  (Krebs)  251 
Novatropin  (Hoffmann)  202 
Nucleogen  (Ostwald)  616 
Numerus  clausus  (Pniower)  154 
Nystagmus   (Schamke)  388 

o 

OberflÀchenspannung,  Methode  zur  Bestimmung 
(Brinkmann  und  van  Dam)  17 

Obstipation,  chronische  und  Bronchialasthma  (KrÀ- 
mer Petersen)  184 

—  durch  Koloptose  (Hess  Thaysen)  159 
Ohrenkrankheiten,  Diagnostik   u.   Therapie  (Stein) 

565 

Ohrlabyrinth,  kalorische  Erregung  (Grießmann)  72 
Okkultismus  und  Spiritismus  (Moerchen) 

—  und  Wissenschaft  (Aigner)  82 
OkulomotoriuslÀhmung,    periodische    bei  Rekur- 

rensfieber    (Mironesco)  208 
Ophthalmoblennorrhoe  (Lahm)  389 
Üppenheimsehe    Krankheit    bei    einem  hereditĂ€r- 
luetischen Neugeborenen   (Flamjjii)  104 
Organotherapie  bei  Lebererkrankungen  (Oddo  und 
Borie)  161 
Orthodiagramm  (Busch)  315 
Ortskrankenkassentag  84 
Oseillierende  Ströme,  AVirkung  auf  Bakterien  und 
Protozoen  (Philipp  und  Carthaus)  158 
Oesophagus,    idiopathische   Erweiterung  (Oetfinger 
und  Caballero)  135 

—  Radium  zur  Behandlung  des  Karzinoms  (Han- 
ford) 258 

—  karzinom,  Operation  (KĂŒmmel)  47 
Osteochondritis  deformans   (Hagenbuch)  410 

—  deformans  juvenilis  (Feutelais)  140 

—  der  HĂŒfte  (Calot  und  Collen)  209 

—  der  Rippe  nach  Typhus  (Dobrovolskaia)  105 
Osteogenesis  imperfecta  (Baumm)  182 
Osteomyelitis,  hÀmorrhagische   (Arnold)  138 

—  hĂ€morrhagische  eines  Mittelhandknochens  (Pae- 
kard  und  Barrie)  258 

—  der  Kiefer  beim  Kinde  (Waton  und  Aimcs)  140 
Osteoplastik  (Gluck)  21 
Osteopsafhyrose.  (Slallardi)  278 
Ostitis    deformans    des    SchĂ€dels    (Groß)  130 

—  der  SĂ€uglinge   und  Neugeborenen  (Leroux)  161 
Ovarialtransplantation    als   Ursache    von  Moment- 
entwicklung (Fleischmann)  160 

Ovarialtumor,  SpirochÀtenbefund  bei  syphilitischem 
(v.  Kubinyi  und  Joban)  160 
Ovarialtumoren  als  Komplikation  von  Schwanger- 
schaft und  Geburt  (Vcv)  178 
Ovobrol  (Runge)  665 
Oxyuriasis  (Heubner)  592 
Oxvuren  (Braun)  362 
Oxvuris.  Therapie  (Nordhof)  43 


Pankreas,  innere  Sekretion  (Banting  und  Best)  413 

—  Erkrankungen  (Herrnheiser)  362 
Pankreatitis  (Jones)  442 
Paraffin  bei  chronischer  Obstipation  (Zweig)  273 
Paraguaytee  (Cortezo)  53 
Parakardiale  DĂ€mpfung  (Felsenreich)  273 
Paralyse.  Behandlung  (Adler)  49 

—  unspezifische  Therapie  und  Prophylaxe  der  pro- 
gressiven (Fischer)  71 

—  progressive  (Jahnel)  576 
Paralysis  progressiva.  JodprÀparat  (Jacobi)  203 

—  agitans,    GemĂŒtsbewegung  in   der  Genese  (Gu- 
arros)  132 

Paralytischer   GrĂ¶ĂŸenwahn,   Psychologie  (Schilder) 

180 

Paranoische  Psychosen,  Genese  (Lafora)  76 
Parasakrale  AnÀsthesie  (Burgkhardt)  523 
Paratyphus.   Laktotherapie    (Canelli)  104 

—  beim  SĂ€ugling  (Blechmann)  187 

—  und  Tvphus  beim  SĂ€ugling  (Sales  und  Vallery- 
Radot)  187 

Parenterale  Behandlung  mit  unspezifischen  Eiweiß- 
körpern (Stinzig)  199 
Parrorsche  Krankheit  (Barbier)  257 
Pathologisch-histologische  Untersuchungsmethoden 
(Sohmorl)  81 
Pepsin,  Dosierung  (Takata)  233 
Pepsinlösung  zur  Narbenerweichung  (Payr)  130 
Perikarditis  (Mac  Lachlan)  106 

—  Diagnose  und  Theaapie  (DĂŒnner)  129 
Perikarditis  mit  Erguß  (Williamson)  162 
Periostitis  und  Arthritis  typhosa  (Strauß)  15 
Periostverpflanzung,   experimentelle  freie  (BĂ€tzner) 

253 

Peritonealtuberkulose,  Behandlung  der  exsudativen 
Form  mit  Pneumoperitoneum  (Sorge  und  Fritz) 

71 

Peritonitis    durch    Fremdkörper  (Piek)  47 

—  durch  Pneumokokken  (Heimann)  138 
Peritonsillitis  (Dahmann)  387 
Perthes'sche  Krankheit  (Krabbel)  555 
Pertussis   (Appel   und   Bloom)  508 

—  Klinik  und  Epidemiologie  (Pospischill)  81 

—  atypische      und      bakteriologische  Diagnostik 
(Thiermann)  74 

—  bei   Erwachsenen  (Schwenkenbecher)  45, 

—  Konvulsionen    (Hoffmann)  562 

—  Behandlung    (Auricchio)  53 

—  Behandhing  nach  Violi  (Reiche)  99 
Pflegepersonal,  Ausbildungs-  und  PrĂŒfungsordnung 

49 

Pfleglinge,  BeschÀftigung  (Bresler)  49 
Pfriemenschwanz  (Nordhof)  43 
Phagozyten  in  der  Lunge  (Westhues)  627 
Pharmakotherapie   (Uhlmann)  596 

—  und  Pharmazie*,  Neuerungen  (Merck)  236 
Phenoltetrachlorphtaleinprobe      zur     PrĂŒfung  der 

Leberfunktion  (Aaron.  Beck  und  Schneider)"  55 
Phlebalgia  ischiadica  (Kleinschmidt)  657 


Phosphorvergiftung,  Beziehungen  zur  akuten  gel- 
ben Leberatrophie  (Meier)  159 

—  Behandhing  der  akuten  (Aktinson)  163 
Physosttigmin  (Minel)  508 
Placenta  aecreta  (Dietrich)  390 

—  praevia    (Heinlei  n )  275 

—  —  (Meyer)  441 

—  —  (Bauch)  433 
Placentalipoide.  ToxizitÀt  (Schönfeld)  231 
Plattfuß  (BrĂŒning)  21 

—  Behandlung  (Schultze)  22 
Pleuraschatten,    ringförmige   im   Röntgenbilde  bei 

Lungentuberkulose  (Burns  und  Amberson)  164 
Pleura,  Erkrankungen  (Cobet)  273 
Pleuritis,  akute  eitrige  (Schwartz)  278 

—  mediastinalis  exsudative  posterior  (Winkler)  217 

—  seröse  beim   Kind  (Neuland)  839 

—  und  Magenschmerzen  (Renneu)  204 
Plexus  choroideus   und  Psammome  (Bland-Sutton) 

258 

Plexusdruckschmcrz,  anginöser  linksseitiger,  als' 
Symptom  der  Angina  pectoris  (Schmidt)  155 
Pneumoabdomen  (Feldmann)  275 
Pneumokokken-Peritonitis  (Heimann)  138 
Pneumonie,  tuberkulöse  (Rist  und  Ameuille)  134 

—  asthenische   der   SĂ€uglinge   (Nobel)  203 

—  Behandlung  (Howard)  139 
Pneumoperitoneum    (Partsch)  645 

—  bei  Cardiospasmus  (Iglauer)  657 

—  zur  Behandlung  der  exsudativen  Form  der  Peri- 
tonealtuberkulose   (Sorgo   und  Fritz)  71 

—  Todesfall  (GĂ€rtner)  .16 
Pneumothorax  (Liebe)  19 

(Bertier)  280 

—  (FrĂ€nkel)  297 

—  (Piery  und  Barbier)  346 

—  (Leschke)  438 

—  rezidivierender   (Hawes)  669 

—  Kontraindikation   bei   Lungenemphvsem  (Wulff) 

98 

—  kĂŒnstlicher  (Miller)  283 
Polioencephalitis  epidemica  (Quest)  204 
Poliomyelitis  anterior  acuta   (Lovett)  -  136 

—  acuta.  Histologie  (HĂ€uptli)  111 

—  Behandlung  (Feiß)  259 
Polyneuritis,  Pathogenese  und  Lokalisation  (Stahl) 

74 

—  Heilung  durch  Adrenalin  (Del  Valle)  277 
Polyperiostitis  hyperaesthetica  (Stephan)  159 
Polyurie  und  Exophthalmus  bei  Kindern  (Hand)  26 
Porphyrinurie  (Snapper)  589 
PrÀsystolisches  GerÀusch  (Rcid)  55 
Pravaznadeln,  abgebrochene  (Dreuw)  517 
Pravazspritze,  Technik  (Dreuw)  663 
Prolaps,  Therapie  (Pribram)  389 
Promonta  (Nußbaum)  474 
Prostata,  Hypertrophie  (Niemeyer)  102 
Prostatektomie  (HĂŒbner)  677 
Prostatitis,  gonorrhoische  (Arnold)  534 
Proteiinkörpertherapie    (Coronas)  133 

—  (Stern)  433 
Proteinkörper  und  Reizkörper   (Dolken   und  Herz- 
ger) 252 

Protoznoosis  bei  Kindern  in  SĂŒd-Peru  (Escomel)  256 
Psammone   und  Plexus   choroideus  (Bland-Sutton) 

258 

Pseudoarthrosen  (Lorentz)  21 
Pseudopsychosen  (Moerchen)  130 
Pseudosklerose  (Saiz)  345 
Psoriasis  (Stangenberg)  390 
Psychoanalyse,  Grenzen.  Gefahren  und  MißbrĂ€uche 
(Stekel)  225 
Psychiatrie  im  Altertum  (Reinhard)  585 
Psychiatrisches  Konstitutionsproblem  (Hoffmann)  181 
Psychoanalyse  (Freud)  597 
Psychologie  (Kretschmer)  348 
—und  Medizin  (L'titz)  285 
Psychosen.  Genese  der  paranoischen  (Lafora)  76 

—  und  Syphilis  (Barnes)  80 
Psvchosexueller   Charakter  und    Körperbau  (Weil) 

423 

—  Infantilismus  (Kronfeld)  82 
Psychotherapie  (Deutsch)  555 

—  und  Ă€rztliche  Praxis  (Oberender)  129 
Puerperalfieber.  Behandlung  (Hieß  und  Hirschen- 

hauser)  254 

—  Therapie    und    Prophylaxe    (Dietrich)  179 
Pupillen,  Ungleichheit  bei  pleuropulmonÀren  Affek- 
tionen (Sergent,  Perin  und  Alibert)  26 

Purpura  (Sternberg)  298 
PyĂ€mie,    Ligatur    der    großen   Beckenvenen  bei 
puerpuraler  (Warnekros)  17 

—  Venenunterbindung   bei  puerperaler  (Birnbaum) 

23 

Pyelitis,  Infektionswege  (Helmholz)  260 

—  acuta,  Infektionswege  (Levy)  203 
Pyelocystitis  (BlĂŒhdorn)  520 
Pyelonephritis,      Infektionsherde      (Bumpus  und 

"  Meißner)  26 
Pylorospasmus  (Finneiy  und  Friedenwald)  26 
Pylorostenose  (Emberg  und  Hamilton)  306 
Pyloruskrankheit  beiim  SĂ€ugling  (Pinel)  109 
Pyurien,  abakterielle  renale  (Söderlund)  25 

0 

Quarzlieht  und  seine   Anwendung  in  der  Medizin 

(Thedering)  212 

Quecksilberbehandlung,  Gegner   (Dreuw)  248 


R 

Prypaflavin 


hei 


Rachenhöhle, 

(Maier) 
Rachitis  (Noel  Paton) 

—  experimentelle,  (McCollum) 

—  experimentelle  (Pappenheimer) 

—  experimentelle  (McCollum) 

—  Aetiologie  (Bruton  Sweet) 

—  Aetiologie  (Tisdall) 


Erkrankungen 
43 
371 
306 
510 
662 
161 
308 


I  ii  h  a  I  t  s  v  c  r  z  c  i 


n  1  s. 


1  I 


—  Pathogenese  und  Behandlung;  (Jundeil)  231 

—  Pankreossymptomo  (Dodds)  491 

—  Therapie  (Hamburger)  503 

—  orthopĂ€disohei   Maßnahmen  (Frosch)  165 

—  Sonnenlicht  (Powes)  280 

—  Heliotherapie  bei  kindlicher  (Heß  und  CJutman) 

259 

—  Einfluß  von  Lebertran  (Park  und   Howland)  27 

—  syphilitische  und  Kraniotabcs  beim  SĂ€ugling 
(Marfan)  IM 

Rachitistod  (Engel)  .'1-13 
Radiotherapie  (Lebon)  233 
Radiotherapeutische  Erfahrungen,  Tumoren  de« 
Auges  (Jendralski)  234 
Radium  und  Röntgen   in  der  Medizin  (Newcomet) 

188 

—  Anwendung  CW'ilkins)  210 

—  intrauterine    Anwendung    (Flatau)  132 

—  bei  Krebs  der  weiblichen  Genitalorgane  (Bay- 
ley)  347 

Radiuniemanntionstheirapie  (Engelmann)  18 
Radius,     Behandlung    frischer    und    alter  BrĂŒche 

(Klapp)  253 
Radix  Ginseng  (Saito)  284 
Rattenbißkrankheit  (Zamorani)  77 
Regcnerntionslchre,      Stand     der  Steiuach'schen 

(Schmidt)  129 
Reichsschiedsamt  (Pniower)  224 
Reichsversicherungsgesetz       und  Krankenkassen 

(Martinek)  28 

—  (Pniower)  83 
Reichsversicherungsordnung  (Hoffmann)  81 
Reichswochenhilfe  (Salomon)  231 
Reiztherapie  (Mittenzwey)  218 

—  mit  Eiweißprodukten  (Funck)  428 
Rektale    Digitalistherapie    (Meyer)  178 
Bekurreiisfieiber    und    periodische  Okulomotorius- 
lÀhmung (Mironesco)  208 

Rckurrensinfektion  zur  Beeinflussung  von  Psy- 
chosen (Weichbrodt)  46 

RekurrenslÀhmung,  linksseitige  bei  einem  Mitral- 
vitium (Klein)  178 

Respiratorische  AffcktkrÀmpfei  (Vaglio)  '  52 

Retina,  Angiosklerosis  (Copps)  56 

—  spĂ€te  traumatische  Ablösung  (Gjfford)  56 

—  Purtscher'sche  FernschĂ€digung  durch  SchĂ€del- 
trauma (Vogt  und  KnĂŒsel)  235 

-Retinitis  gravidarum  et  amaurosis  eclamps 
(Schiötz)  234 

Rheumatismus,  chronischer  beim  Kind  (NobCcourt 
und  Nadal)  257 

Riesenwuchs  (Packard  und  Barrie)  258 

—  der  rechten  Hand  (Jouon)  "  140 
Rippe,  Osteochondritis  nach  Typhus  (Dobrovolskaia) 

105 

Rippenbuckel,     blutige    Behandlung    und  orthopÀ- 
dische Nachbehandlung  (Gaudier  und  Swinghc- 
dauw)  140 
Rißpilzvergiftungen  (Mull)  601 
Rivanol  (Katzenstein)  387 

—  (Siebrecht)  504 
Rohrscher  Index  (Harms)  50 
Röntgen  und   Radium  in  der  Medizin  (Newcomet) 

188 

—  Diagnostik  der  Nasennebenhöhlen  (Gerrit)  414 
Röntgendaktyloskopie  (Rothbart)  73 
Röntgenbehandlung,   Indikationstabelle  (Kottmaier) 

331 

—  von  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkrankheiten 
(Kottmaier)  631 

—  des   Perniones    (Lenk)  179 

—  in  der  Dermatologie  (Schreus)  564 
Röntgenplatten,  Eigentumsrecht  (HÀnisch)  48 
Röntgenstrahlen,  Dickfilterung  (Kottmaier)  495 

—  Reizwirkung  (Halbcrstacdter  und  Simons)  229 
Röntgentherapie    (HÀnisch)  73 

—  hei  chronischen  Erkrankungen  der  Knochen  und 
Gelenke   (Philips  und  Finkelstein)  79 

Röntgentiefentherapie,  Mißerfolge  bei  tuberkulösen 
Halslymphyomen  (Karger)  57 

Röntgenverfahren  zur  FunktionsprĂŒfung  des  Her- 
zens (Grödel)  227 

RĂŒekenlĂ€hmunj»,  Fall  von  Schlottergelenk  im 
Schultergelenk    (D'Asaco   Biondo)  133 

Rudolf  Virchow  (Posner)  236 

Ruhr   (Kling)  504 

—  Azetonurie  und  experimentelle  Adrenalingly- 
kÀmie  (Butteji wieser)  179 

—  Kohlebehaudlung  (Kling)  155 
Ruhrepidemie  in  Flandern  (Halshoff)  52 
Rumination  (Bcrnheim-Karrer)  558 

—  beim  SĂ€ugling  (Wernstedt)  369 

s 

Saccharin.  Versuche  (De.hrunner  und  Frosch)  2ES 
Saccharosurie  (W'oringer)  325 
SakralanÀthesie  (Hoffmann)  17 
Sakralisation  des  5.  Lendenwirbels  (Turinst)  411 
SalbenbehandJung    der    Ccrvixkatarrhe  (Feilbach) 

665 

SalbcnverbÀnde  (Klug)  530 
Salizyl,  Therapie  (Herzfcld)  590 
Salvarsan,  Dermatitis  (Krott)  675 

—  SpĂ€tikterus  (Jacobsohn)  148 

—  VerhĂŒtung  des  Schocks  durch  konzentrierte 
Traubenzuckerlösung   (Dukot)  279 

—  Hirntod  (Henneberg)  272 
Salvarsanerythem     und    Herxheimer'sehe  Reaktion 

(Hesse)  j  72 
Salvarsanexantheme  und  Entwicklung  der  Syphilis 

(Benveniste)  25 
Salvarsanbehandlung,  endolumbale  (Benedek)  154 
Salz,  Ursprung  und  Gewinnung  in  Beziehung  zur 

Gesundheit  (Haythurst)  258 
SamenblasenentzĂŒndung  (White  und  Gradwohl)  188 
Samenwege,  Unterbrechung  (Wehner)  102 
Sarkom,     Versuche     ĂŒber     ImmunitĂ€t  (Cambers), 

Scott  und  Ruß)  258 
SÀuglingKskorbut  (GrÀviugboff )  353 


Soarlatlna,  Verbreitung  (Rothpietz)  B01 

—  AuslöscbphĂ€nrnnen    (Horner)  98 

—  Herzstörungen  (Hirsch)  225 

—  Komplikation  (Med!)  277 
SchÀdctl,  Erfahrungen  mit  der  Perkussion  (Köppe) 

147 

—  Gerftuscho   (Still)  280 

—  Ostitis  deformans  (Groß)  130 
Seb.-ide.lgcschwulst,      Einwirkung     von  Röntgen- 
strahlen   (Blumenthal    und    Tugendreich)  49 

SchÀdelknochen    und    Gehirn    (THlmann)  206 
SchÀdcllehre   nach  (lall   (v.   Schnizer)  152 
SchÀdeltrauma     als    Ursache    von  Purtscher'seher 
FernschĂ€digung  der  Netzhaut!  (Vogt  und  KnĂŒsel) 

235 

Scheide,      Vorkommen      von  DiphtheriebazHlen 
(Lönne  und  Schugt)  160 
Schenkelhals,  Fraktur  (HĂŒbner)  388 
Schicksohe  Probe  (Meyer)  492 

—  Reaktion   (Ekwall)  595 

—  Reaktion  bei  SĂ€uglingen  (Flamini)  257 
Schiefhalserkrankung,    Ursachen    der  angeborenen 

(Schubert)  102 
SchilddrĂŒse   (Starlinger)  623 

—  Einfluß  auf  den  Stoffwechsel  (Schenk)  367 
Schizophrenie    (FankhÀuser)  536 
Schlafstörung,    Beeinflussung    der  postenzephaliti- 
schen  (Lust)  99 

Schnupfenmittel  (Isacson)  99 
Schock,   Prophylaxe  und  Therapie  des  kolloidalen 

(Lumiere)  78 
Schule,     Innere    Kinderklinik     als  medicosoziale 

(Nobecourt)  105 

—  Nachahmungskrankheiten       bei  Schulkindern 
(Karger)  264 

Schulgesundheitspflege  (Braun)  548 
Schularzt  (Szagunn)  111 
Schwangerschaft,    Phloridzindiagnostik    der  FrĂŒh- 
graviditÀt  (Kamnitzer  und  Joseph)  129 

—  Blutreinfusion  bei  Graviditis   exrrauterina  rupta 
(Töpler)  226 

—  Nephritis  (Baer)  658 

—  und  Tuberkulose  (Bernard)  25 

—  Erhrechen  (King)  326 
Schwangerschafts-ToxÀmie,     intravenöse  Glukose- 
injektionen (Givens)  259 

Schwangerschaft,  plötzlicher  natĂŒrlicher  Tod  (Katz) 

182 

Schwangerschaftsunterbrechung    bei    Lungen-  und 
Kehlkopftuberkulose   (Blum)  ??? 
Schwangersehaftsglykosurie,    Bedeutung     der  re- 
nalen   fĂŒr    die  Diagnose    der  Schwangerschaft 
(Seitz  und  Jess)  156 
Schwangerschaftshypertrophie        der  Hypophyse 
(.lung)  183 
Schwellenreiztherapie   (Weichert)  527 
Schwerhörigkeit,  Behandlung  (MĂŒlleT-Waldeek)  473 
Scleirodermia   neonatorum  (Pollitzer)  78 
Sehen    der   Glaukomatösen    und     der  Amblyopen 
(Ammann)  234 
SehnennÀhte,  Prognose  und  Heilung  (Salomon)  159 
SehnenscheidenentzĂŒndung,     gonorrhoische  (Lan- 
ger) 128 
Semmelweis   (Bruck)  551 
SensibilitÀt  (Dorbeli)  344 
Sensible     Fasern       in     den      vorderen  Wurzeln 
(Meyer)  47 

Sepsis  im  SĂ€uglingsalter  (Stransky  und  Schiller)  228 
Serunikrankheit,  Neuritis  optica  (Mason)  259 
Sexualpsychologie  und  -pathologie  des  Kindesalters, 
Konstitution  und  Erlebnis  (Moses)  205 
Sexualreform  (Weil)  597 
Siedelungsfrage  (Weisbach)  75 
Sinus  longitudinalis  superior.  Punktion  beim  Neu- 
geborenen (Gordon)  58 
Sinus,  operative  Freilegung  (Leichsenring)  593 
Skabies,  Diagnose  und  Behandlung  (BĂ€umer)  4S:i 
Sklerose,  .multiple  und  Beruf  (Drcyfuß)  130 

—  Behandlung  der  multiplen  (Byrnes)  492 
Skoliose    (Hanausek)  413 

—  habituelle     (Frey)'  388 

—  und  Thoraxplastik  (Hug)  47 
Skoliosen,  operative  Behandlung  schwerer  (Sauer- 
bruch) 253 

Skorbut,    infantiler    (Gomby)  184 

—  AugenverĂ€nderungon  bei  infantilem  (Blake)  56 
Sclaesthin  (Hellwig)  272 
Soluesin  und  Neosalvarsan  (v.  Szily  und  Haller)  252 
Sozialbewußtsein.  Recht  auf  Gesundheit  und  Pflicht 

zur  Gesundheit  (Pniower)  92 
Soziale  Versicherung,  Vereinheitlichung  (Kleeis)  49 
Spekulum  (Schild)  430 
Spina  bifida  occulta,  pathologische  Anatomie  und 

Klinik  (Finck.  v.)  10J 
SpinalflĂŒssigkeit,  negative   bei  Neurosyphilis  (So- 

lomöm)  5ĂŒ 
Spiritismus  und  Okkultismus  (Moerchen)  230 
Spirochaeta  pallida   (v.  SzentkirÀlyi)  276 

—  pallida,   Abwehrreaktion   von   infizierten  Tieren. 
(Brown  und  Pearee)  55 

Spirochetose  bei  Kaninchen  (Noguehi)  102 

Spitzfußstellung  der  FußstĂŒmpfe  (Kortzeborn)  274 

Spondylitis  (Quincke)  364 

—  tuberculosa   (Wimberger)  252 

—  Behandlung  der  tuberkulösen  (Debrunner)  85 
Sprachzentren  (Pierrei-Marie)  370 
SpĂŒldesinfektion   (Dreuw)  497 

—  kontinuierliche  (Dreuw)  477 
Starkstromverletoungen  (Jaeger)  103 
Stereotypien  (KlÀsi)  630 
SterilitÀt  beim  Manne  (Kenneth  und  Walker)  510 
Sternumspaltung  (Wechsler)  47 
Stickstoff-Stoffwechsel.  Einfluß  des  Kalkes  (Koichi 

Nijadera)  235 
Stil  der  wissenschaftlichen  Abhandlungen  (Debrun- 
ner) 40 
Stirnlage    (Eyinen  48 


Stoffwechsel,  Bedeutung  der  inneren  Sekretion  bei 
Störungen   (Biedl)  |on 

—  bei  Kindern  mit  untemormalnm  Körpergewicht 
(Wund,   Nelson,  Oloson)  iu9 

Stomatitis  mercurialif,    VerhĂŒtung  und  Behandlung 
(Schreus)  73 
Stottern   (Tumpkins)  209 
Struma   und   .lodijimangcl  (Haythurat  258 

—  Fette  in  Beziehung  zur  Entstehung  (Me.  Carri- 
son)  257 

—  systematische  Therapie  und  Prophylaxe  rifun- 
ziker)  183 

—  Jodbehandlung  (Baumann)  411 

—  kongenitale   (Porter  und   Vonderlehr)  27 

—  kongenitale   (Melchior)  319 

—  kongenitale    (Bravo   y    Frias)  345 

—  toxischer   (Pemberton)  44 1 

—  hei  Kindern  (Messcrli)  276 
Stumpfplastik     bei     KinderstĂŒmpfen  (DeutschlĂ€n- 
der) 200 

Stuporlösung  durch  Kokain  (Becker)  71 
Stryptural  (Braun)  295 
Suggestion  (Kauffmann)  597 
Suggestivbehandlung      in      der  Frauenheilkunde 

(Liegner)  ign 
Sulfarsenol  (Warren)  675 
SĂŒĂŸstoff,  Versuche  (Ditbmnner  und  Frosch)  266 
Syntrophie  von  KrankhcitszustÀnden  (Pfaundler,  v. 

und  Seht,  v.)  108 
Syphilis.  Atlas  (Zumbusch)  212 

—  hereditaria  praecox  (Sisto)  54 

—  maligna,  Pathogenese  (Almansky)  50 

—  in  der  Allgemeinpraxis  (Mulzer)  564 

—  natĂŒrliche  Abwehrmittel  (Bergelj  272 

—  Praezipitationsreaktion   (Wang)  ~  258 

—  Immunbiologie  (Nourney)  292  426 

—  Laboratoriumsbefunde  (Fördyce  und  Rosen)  5.". 

—  serologische  Untersuchungen  (Mahr)  27 
--  Reaktion  im  Blutserum  (Kilduffe)  79 

—  UnzuverlĂ€ssigkeSt  der  Serumuntersuchung  bei 
Schwangeren  und  GebĂ€renden  (StĂŒhmer  und 
Dreyer)  22 

—  Sigmareaktion  (Rook)  134 

—  febrile,  syphilitisches  und  syphilo-therapeutisches 
Fieber   (Chiray   und  Coury)  185 

—  Reinfektion  (Finger)  484 

—  u.  paroxysmale  HĂ€moglobinurie  (Burmeister)  129 

—  viscerale  VerĂ€nderungen  (FrĂ€ser)  55 

—  des   Nervensystems   (Maitland)  139 

—  physiognomische  Erkenntnis  in  der  zweiten  und 
dritten   Generation   (Kraupa   und   Kraupa)  100 

—  Vestibularerkrankungen  im  FrĂŒhstadhim  (Esch)23 

—  cerebri,  Störungen  der  Funktionen  von  Hypo- 
physe und  Zwischenhirn  (BĂŒscher)  204 

—  des  Zentralnervensystems    (Keilty)  79 

—  und  Psychosen  (Barnes)  80 

—  u.  Tuberkulose.  Koinzidenz  (Frei  u.  Spitzer)  127 

—  der  Knochen   (Skinner)  445 

—  der  Gelenke  (Eckhausen)  141 

—  Knochen-  und  GelenkverĂ€nderungen  bei  kongeni- 
taler  (Dembo,   Litchfield  und  Foote)  280 

—  LebensfĂ€higkeit  des  kongenital  syphilitischein 
Kindes  (Pajares)  133 

—  HĂ€ufigkeit  bei  SĂ€uglingen  mit  habituellem  Er- 
brechen (Marfan  und  Lemaire)  186 

—  Abortivbehandlung    (Perutz)  73 

—  Abortivbehandlung  (Sachs)  521 

—  Quceksilber-Inunktiion  (Cole.  Gericke  und  Soll- 
mann) 162 

—  salvarsanlose  Behandlung  (Dreuw)  191 

—  und  Cyarsal   (Mentberger)  246 

—  Neosalvarsan-Cyarsalbehandlung  (Laband)  73 

—  Behandlung  mit  Silherarsphenamin  (Parouna- 
gian)  56 

—  Selbstheilung  und  Quecksilber  (Rosenthal)  16 

—  Behandlung  der  menigealen  (Gennerich)  157 

—  Behandlung,  Schmierseifeneinreibungen  (HĂŒbner) 

251 

—  Resultate  der  Behandlung  (van  den  Hennel)  255 

—  Wiederaufflackern  nach  ernergischer  Behandlung 
(Orphanides)  233 

—  hereditaria,  Jodinjektionen  (Rosenstein)  202 

—  Zucker,  die  Strafe  fĂŒr  Uebertragung  126 
SyphiJistherapiei,     Theoretisches     und  Praktisches 

(Dreuw)  167 
Syphilitischer  PrimÀraffekt  der  Zehen   (Rille)  73 
Syphilitische  Rachitis  und  Kraniotabes  beim  SĂ€ug- 
ling (Marfan)  134 


Tabes,  Blasenparese  (Oppenheimer)  300 

—  WirbelsĂ€ulcnschĂ€digung    nach  Lumbalpunktion 
(Gieseler)  48 

—  Behandlung  (Adler)  49 
Tachykardie,  paroxismale  (Price)  537 
Talus,  VergrĂ¶ĂŸerung  des  Processus  (Baastrup)  208 
Tebecin  (Haeberlin)  594 
Telepathie    (FriedlÀnder)  75 

—  und  Hellsehen  (v.  Wasielewski)  236 
Tenodese  (Vaechelli)  105 
Testes,  Ueberpflanzung  (Stanley)  138 
Tetania   parathvreopriva,    Behandlung  (Eiseisberg) 

202 

 (Eiseisberg)  207 

Tetanie,    infantile    (Kramer,     Tisdall     und  How- 
land) 27 

—  EJektrodiagnostik  (Farbarge-Vail)  302 

—  und   Rachitis   (Freudenberg   und   György))  410 

—  Salmiakbehandlung    (Freudenberg   und  György) 

319 

Tetanus    (Sehultze)  205 

—  tötlicher  nach  Verwundung  (Brunzel)  21 
Therapie    und    Prophylaxe    im   Kindesalter  (Köhl- 

zerj  615 
Thoraxplastik  und  Skoliose  (Hug)  47 
Thymus,  Untersuchung  bei  Kindern  (Blackfan  und 

Little)  27 

—  Funktion  und  Morphologie  (Hammer)  138 

—  Radiotherapie  bei   Hypertrophie  (Spolverini)  256 


J 


Inhaltsverzeichnis. 


Thyreoidea,  Beziehungen  z.um  Typhus  (Fleck- 
seder)  203 

—  Indikation  und  Wirkungsweise  der  Operationen 
(Grauert)  206 

Tod,  plötzlicher  im  SÀuglingsalter  (Victor)  109 

Tonsillarabszesse,  manuelle  Perforation  (Schum- 
mans   Stockherven)  255 

TonsillÀres  und  adenoides  Gewebe  unter  Röntgen- 
behandlung   (Herrmann)  136 

Tonsille,  erkrankte  (Ittelson)  137 

—  Desikkation    mit    Hochfrequenzstrom    Mc  Cain) 

283 

Tracheale  Injektionen  und  Lungentuberkulose 
(Balvay)  134 

Trache.obronchialdrĂŒsentuberkulose,  Symptomatolo- 
gie  und  Diagnose    (Frischman)  136 

Tracheobronchitis,  spastische  (Besancou  und 
de  .long)  278 

Transfusions-Reaktionen  und  Citration  des  Blutes 
in  der  Nadel  (Hartmann)  258 

Transplantationen  von  Organen  (Veronoff)  76 

Traubenzucker,   Infusion   mit   Kalkausatz  (Helwig) 

341 

Traubenzuckerinfusionen,  Beeinflussung  der  Herz- 
tÀtigkeit und  der  Diurese  durch  intravenöse 
(Isaac)  157 
Trauma  und  chirurgische  Tuberkulose  (Madier)  134 
Trepanation,  doppelseitige  SpÀtinfektion  nach 
Elliottrepanation  (Erlanger)  235 
Trichophytia  barbae  und  Röntgenepilation  (Penso) 

255 

Trichophytide,  Pathogenese  (Jessner)  101, 
Trigeminusneuralgie,  Behandlung  (Auerbach)  158 
Trockenmilch   (Leary)  671 

—  in    der   KinderernĂ€hrung    (Nobel    und  Wagner) 

108 

Tschechoslavien,  Krankenversicherung  28 
TubargraviditÀt,  Klinik  (Löhnberg)  230 
Tuberkelbazilicn,     mikroskopischer    Nachweis  im 
Sputum  (Dahin)  46 

—  bakterielle  Wirkung  des  Magensaftes  (Inkster 
und  Roodhaose  Gloyne)  34 

—  im  Urin  (Fragalci)  490 
Tuberkulin,  perkutane  Behandlung  (Moro)  432 

—  subkutane^  Probe    (Schröder)  322 

—  antigene  Eigenschaften  (Seligmann  und  Klop- 
stock)  226 

—  nach  Moro  (Cozzolino)  278 

—  bei  Augenkrankheiten  (Melier)  486 

—  Beseitigung  der  Tuberkel  (Hirsch)  16 
Tuberkuline,  Wirkung  und  SchÀden  (Neustadt  und 

Stadelmann)  _  201 

Tuberkulinbchandlung,  gegenwÀrtiger  Stand  (Klem- 

perer)  127 
Tuberkulose    (Toeplite)  72 

—  Biochemie     (Long)  673 

—  Serodiagnose  (Baum  u.  Schumann)  567 

—  Partialantigene  nach  Deycke-Much  (Brinkmann 
und  Schmoeger)  -  20 

—  Latenz  (Weiss)  546 

—  ErnĂ€hrung  (Pirquet)  443 

—  Nachweis  (KĂŒmmell)  72 

—  Ansteckung   (Hamburger)  567 

—  Reinfektion  (Köffler)  674 

—  Infektion  in  der  Privatpraxis  (BrĂŒning)  23 

—  HĂ€ufigkeit  der  Infektion  im  Schulalter  (Vo- 
nessein)  228 

—  des  SĂ€uglings  (Reuss)  548 

—  Trennung  von  offener  und  geschlossener 
(Paetsch)  50 

—  klinische  Diagnose  der  Entwicklungsformen 
(Ranke)  179 

—  der  Tiere,  Beziehung  zur  Tuberkulose  des  Men- 
schen (Pfenninger)  183 

—  Empyem  (Mc  Kinnie)  304 

—  des  Auges  (Radiotherapeutische  Erfahrungen 
(Jendralski)  234 

—  der  Knochen  und  Gelenke,  Fehldiagnosen 
(Kesch)  253 

—  der  Nieren    (Stutzin)  159 

—  der  Nieren  (Caulk)  1(54 

—  und  LeukĂ€mie  (Weill  und  Coste)  78 

—  und   Influenza   (Lunde)  228 

—  und  Schwangerschaft  (Bernard)  25 

—  Schwangerschaftsunterbrechung    (Blum)  29 

—  chirurgische  und  Trauma  (Madier)  134 

—  und  Svphilis,  Koinzidenz  (Frei  und  Spitzer)  127 

—  Gelenkplastik   (Wieting)  488 

—  des  Metatarsus  I  (Sorrel  und  Bouquier)  54 

—  des  lymphatischen  Systems  233 

—  der    TracheobronchialdrĂŒsen    (Frischman)  136 

—  Behandlung  der  offenen  osteo-artikulĂ€ren 
(Conti)  162 

—  Geldbehandlung   (Levy)  298 

—  Behandlung  mit  kolloidalem  Kalzium  (Prest)  184 

—  Anstaltsbehandlung    (Miller)  28S 

—  Behandlung  nach   „Deyke-Much"    fDreiel)  61 


—  Behandlung  mit  KTB- Vaccine   (Zacharias)  58 

—  Ausheilung   (Kraemer)  228 

—  Rolle  der  Aerzte  im  PrĂ€ventivkampf  (Rolleston) 

110 

—  Herkunft     und    experimentelle   Grundlagen  des 
Friedmannschen  Mittels   (Pfannenstiel)  113 

—  Untersuchungen     in    einem   Dorfe  (Kreißmann) 

228 

Tuberkulöse    Spondylitis,    Behandlung  (Debrunner) 

85 

TuberkulosebekĂ€mpfung  in  Rußland  (Markuson)  75 
Tuberkulöse  Pneumonie  (Rist  und  Ameuille)  134 
TuberkulosefĂŒrsorge  und  extrafamiliĂ€re  Exposi- 
tionsprophylaxe (Burkard) 
Tuberkulosestudien  (Fcrnet)  227 
Tumor,  kongenitaler  beim  Neugeborenen  (Hand- 
field)  133 
Tumoren,   experimentelle  Erzeugung   (Gaul)  200 

—  heilender   Einfluß   des   Erysipels    auf  bösartige 
Tumoren  (Wolffheim)  159 

TurmschÀdel  (Savelli)  77 
Typhus  abdominalis,  atypischer  (Zweig)  202 

—  abdominalis,    HautverĂ€nderungen    (Vargas)  110 

—  bei  Kindern  (Peller  und  Ruß)  322 

—  Wert   der   Blutkultur    (Svartz)  256 

—  klinischer    Wert    der    Gruppenagglutination  bei 
Kindern  (Caffarena)  104 

—  Beziehungen  zur    SchilddrĂŒse    (FJeckseder)  203 

—  ZĂŒchtung     von     Rickettsia-Ă€hnlichen  Gebilden 
(Loewe,  Ritter  und  Baehr)  136 

—  Laktotherapie  (Canelli)  104 

—  und  Paratyphus  beim  SĂ€ugling  (Sales  und  Val- 
lery-Radot)  187 

u 

Uebererregbarkeit  im  frĂŒhen  Kindesalter  (Bessert) 

111 

Ulcus    pepticum    (Galpern)  410 

—  der  kleinen  Kurvatur  (Faber)  133 

—  Röntgendiagnose     des     subkortikalen     an  der 
kleinen  Kurvatur  (Wolff)  178 

—  duodeni,   Diagnose   (Lorenz)  48 

—  des   Magens,   Behandlung    (Kovjanic)  226 

—  ventriculi,    chirurgische   Behandlung   (Dubs)  205 

—  Röntgcntiefentherapie     bei     malignem  (Curtis 
Wells)  209 

Ulcusperforation,  Magenausheherung  vor  der  Ope- 
ration  (Gandusio   und   Pototschnig)  47 
Ulzeration    mit    eyanotischen    RĂ€ndern  (Gougerot) 

105 

Unfallneurosen,  Einteilung  (Zimmermann)  112 
Unfallsbegriff  (Reichel)  112 
Unfallverletzungen,  Schmerzensgeld  (Horn)  111 
Unfruchtbarkeit  (Nacke)  349 
Urobilin  (Adler)  591 
UnterernÀhrung  (Pfaundler,  v.)  108 
UnterschenkelgeschwĂŒr  (Simon)  534 
UrÀmie  (Beth)  273 

—  (van  Hauth)  556 
Ureter,  Knotung  (Hornung)  300 
Uretersteine,      Entfernung      durch  zystokopische 

Manipulation  (Crowcll)  164 
Urobilinogen  (Weltmann)  534 
Urobilinogenurie    und   Diabetes    mellitus  (Hetenyi) 

16 

Urugenitalkraft,    Infektion    durch    defekte  ZĂ€hne 
(Rueck)  80 
Urologie   (Goldberg)  598 

—  Zusammenarbeit    mit    Spezialisten    anderer  Ge- 
biete (Brasoh)  187 

Urotropin  bei  pyogener  Blutinfektion  (Buzello)  321 
Uterus,  Fibroide   (Gellhorn)  281 

—  Vorfall  (Mayer)  555 

—  Karzinom    (Letiuile)  324 

—  —  (Hinrichs)  343 

—  —  InoperabilitĂ€t  (Winter)  22 

—  Keilexzision    (Bcuttner)  389 

—  Verminderung  der  Abortgefahr  bei  Operationen 
am  schwangeren  (KĂŒster)  131 

Vakzine,  Wirkungsweise  und  Altern  (Buschke  und 
Langer)  178 
Variola  der  Hornhaut  (Burnham)  415 

—  und   Vakzine    (Gins)  367 
Varizellen,   Àtiologischer  Zusammenhang  mit  Her- 
pes Zoster  (Jacobi)  109 

Varizen,  Behandlung  (Lotheißen)  608 
Vas  deferens,  Unterbindung  (de  Vriese)  392 
Vasektomie     als    Regenerationsexperiment  (Knud) 

52 

Vasogene  in  der  Dermatologie  (Stoeber)  178 
Vegetativa  Störungen  im  Kindesalter  (BÀlint)  291 
Venaesektion  (Petersen)  181 
Verbrennungen,     Bluttransfusionen     bei  schweren 

(Robertson)  139 
Verdauung.  Bedeutung  der  inneren   Sekretion  bei 

Störungen  (Biedl)  106 
Verda-uungskrankheiten,    initraperitoneale  Infusion 

bei  schwer  erkrankten  SĂ€uglingen  (Mayer)  252 


Verdauungsleukozytose  (Schiff  und  Benjamin)  544 
Verdauungsstörungen     und     ErnÀhrung  (McCar- 
rison)  258 
Verordnung    ĂŒber   das   Unterrichtsfach   der  Heil- 
kunde 126 
Virulizide  Stoffe  im  Blute  vakzinierter  und  revak- 
zinierter Menschen   (Fujii)  226 
Viscerale  VerÀnderungen  bei  kongenitaler  Syphi- 
lis   (FrÀser)  f.5 
Viskosimetrie  (Bircher)  163 
Vitaltuberkulin   (Tancre)  251 
Vitamine  (Schiff)  590 
Vitamin  B,  Einfluß  auf  den   Appetit   (Wright)  54 
Vitaminreiche   ErnĂ€hrung,    Einfluß    auf  schwache 
Kinder  (Chiek   und  Dalyell)  161 
Volvulus  der  Flexura  sigmoidea  (Gussew)  159 
Vorhofflimmern,    Behandlung    mit    Chinidin  (Wol- 
gerth)  209 
—  Wirkung   des   Chinidins    (Giere   und   Pezzi)  78 
Vulvovaginitis     gonorrhoica     infantum,  Spontan- 
heilung (Dresel)  182 

w 

Warzcnbehandlung    mit    Radium    (Young)  188 
Wassermann'sche    Reaktion,    Eichung    der  Blut- 
zellensuSpension  (Bigger)  161 
Wassersucht    (Hacdicke)  511 
Wendung  nach  Potter  (Speidel)  347 
Wirbel,  Luxation  (Costantini  und  Duboucher)  370 
WirbelentzĂŒndungen,  chronische  und  ihre  Behand- 
lung (Hahn)  261 
Wirbelerkrankung,  posttraumatische  (KĂŒmmell)  254 
.WirbelsÀule,      metastatische     infektiöse  Arthritis 
(Schwartz)  163 
WirbelsÀulenschÀdigung  nach  Lumbalpunktion  bei 
Tabikern  (Gieseler)  48 
Wismuth,    Stomatitis    (Azoulay)  413 
Wismuth  bei  Neurosyphilis   (Agramunt)  507 
Wochenhilfe,   Gesetzgebung   (Hoffmann)  28 
Wolfsrachen,    Behandlung    (Moorehead)  136 
Wortblindheit,  kongenitale   (Fildes)  537 
Wundbehandlung.   Anwendung    des  Wechselstroms 
von  hoher  Frequenz   (Massimi)  162 
Wuuddiphtherie    (Frankenthal)  274 
Wurmerkrankungen     der     Bauchorgane  (SchlĂ¶ĂŸ- 
mann)  20 


Xerophthalmie  (Walker) 


Yatren  (Rietschel)     -  45 

—  bei    Gonorrhoe    (Herbeck)  387 

—  in  der  Chirurgie  (Kaiser)  99 
Yatren-Caseinlösung   in   der  Praxis  (Holtz)  245 


ZĂ€hne   des  Kindes   (Kronfeld)  563 

—  defekte  als  Ursache  von  Infektion  des  Uro- 
genitaltrakts und  von  Asthma  (Rueck)  80 

Zahninfektionen       und  AJlgemeinerkrankungeu 
(SchottmĂŒller)  251 
Zahnhypoplasien  und  Syphilis   (Zinsser)  IT 
Zahnheilkunde  (Parreidt)  82 
ZahnÀrztliche   Prothetik  und  Verbandlchre  (Schrö- 
der) 206 
ZahnÀrztekammer,  Verleihung   des  Umlagerechts  84 
ZahnÀrztliche     Versorgung     in     den  Krankenan- 
stalten 28 
Zahntechniker,  Erlaß  betreffend  Zulassung  zu  den 
Krankenkassen  126 
Zahnextraktionen,  AnÀsthesie  (Kneucker)  203 
Zangengeburt  und  Kindersterblichkeit  (Lonne  und 
Lunkel)  48 
Zehe,    syphilitischer    PrimÀraffekt    (Rille)  73 
Zentralnervensystem.   Reizleitung   (Zottermann)  255 

—  Syphilis  (Keilty)  7» 
Zerebrale  KinderlÀhmung    (Wachendorf)  20 

—  Lokalisation  (Troell  und  Hesser)  276 
ZerebrospinalflĂŒssigkeit.    Cholesterin    (Fabris)  1U4 

—  Reaktion  des  kolloidalen  Benzoes  (Ferraro;  134 
Zervix,  Amputation  (Rawis)  281 
Zervixgonorrhöe,  Behandlung  (Salomon)  252 
ZiegenmilchanÀmie  (Stoeltzner)  156 
Zuckerinjektionen,      Verlauf     intravenöser  beim 

SÀugling  (Beumer)  10» 

Zuckerkrankheit.  Sekretion  des  Magens  und  Duo- 
denums  (Bennet  und  Dodds)  133; 

ZuckerĂŒberernĂ€hrung  als  Ursache  von  Keratitis 
(Macleish)  56 

Zwerchfellzentrum  in  der  Gehirnrinde  und  der 
Singultus   (Knapp)  227 

Zwergwuchs   (Gigeon)  41* 

—  renaler  (Paterson)  180 
Zwischenhirn,    Störungen    der   Funktion   bei  Lues 

cerebri  (BĂŒscher)  204 
Zyanose  und  Pneumonose  (Schjerning)  55T 
Zystopyelitis  (Kundratitz)  661 


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Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  prakiischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Stra&e  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
InseraienannĂŒhme:  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Stra&e  20  /  Lernsprecher.  LĂŒtzow  9057 

Nr.  1  Berlin,  den  4.  Januar  1922  40.  Jahrgang 

Oer  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der- OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  chir.  UniversitÀtsklinik  Berlin 
(Vorstand  Geh.  Rat  A.  Bier;. 

Ueber  Fortschritte  in  der  Behandlung  des 
Empyems  und  der  Gonorrhoe  der  Gelenke. 

Von  Prof.  Dr.  R.  Klapp. 

Es  wĂ€re  ganz  verlockend,  die  Arbeit  ĂŒber  Fortschritte  in 
der  Behandlung  der  Gelenkempyeme  mit  einer  historischen 
Betrachtung  zu  beginnen.  Auf  diesem  Gebiete  spiegeln  sich 
die  Anschauungen  ĂŒber  Phlogistik  und  Antiphlogistik  und 
ĂŒber  den  Wert  der  Antiseptika  am  besten  wieder;  die  Ge- 
lenkwunden und  -entzĂŒndungen  galten  von  jeher  als  PrĂŒf- 
stein fĂŒr  den  Wert  einer  Behandlungsmethode. 

1.  Die  beste  Therapie  ist  die  Prophylaxe. 
Das  gilt  ganz  besonders  von  den  Gelenkempyemen.  Bei  Ver- 
letzungen es  nicht  zur  Entwicklung  der  eingeschleppten  In- 
fektion kommen  lassen,  war  die  Aufgabe,  der  ich  mich  mit 
vielen  Anderen  im  Kriege  besonders  gewidmet  habe.  Meine 
verstĂ€rkte  Antisepsis,  die  in  frĂŒhem  Aus- 
schneiden der  Wunden  b  i  s  ■  i  n  das  Gelenk 
hinein,  dichter  Kapsel  naht,  SpĂŒlung  und 
FĂŒllung  des  Gelenks  mit  Vuzin  und  Infil- 
tration der  Gewebe  mit  Vuzin  lösung  (Tie- 
fenantisepsis) bestand,  ist  zum  Teil  anerkannt,  zum 
Teil  bekĂ€mpft.  Als  objektiven  Beobachter  fĂŒhre  ich  hier  als 
einzigen  Körte*)  an,  der  bei  den  SchlĂŒssen,  welche  er  aus 
seiner  YA  jÀhrigen  kriegschirurgischen  TÀtigkeit  zieht,  u.  a. 
erwĂ€hnt:  „Bei  Artilleriegeschossen  und  verwandten  Wunden 
bietet  die  grĂ¶ĂŸtmögliche  Sicherheit  das  Ausschneiden  der  un- 
ieinen Wunden  unter  Zuhilfenahme  der  Tiefenantisepsis  mit 
Vuzin,  die  antiseptische  AusspĂŒlung  des  Gelenkes,  und  bei 
irischen  FĂ€llen  die  Kapselnaht,  bei  Offenlassen  oder  nur 
partiellem  Schluß  der  Hautwunde". 

Bei  diesem  schonenden  chirurgischen  Vorgehen  in  frĂŒher 
Zeit  nach  der  Verletzung  kommt  es  natĂŒrlich  sehr  darauf  an, 
ob  soviel  von  dem  Gelenke  erhalten  ist,  daß  das  Gelenk  als 
solches  zu  erhalten  sich  lohnt,  ob  eine  Resektion  der  zer- 
trĂŒmmerten Gelenkenden  dasselbe  Ziel  und  nur  schneller  er- 
reichen lĂ€ĂŸt,  oder  ob  das  Glied  verloren  gegeben  werden  muß. 
Entscheidet  man  sich  fĂŒr  die  Erhaltung  des  Gelenkes,  so 
muß  man  es  auch  von  da  ab  physiologisch  richtig  behandeln, 
d.  h.  fĂŒr  seinen  Abschluß  nach  außen  hin  so  weit  sorgen, 
daß  die  Gelenkenden  unter  Weichteilen  versleckt  bleiben. 
Das  war  uns  B  i  e  r  sehen  SchĂŒlern  schon  seit  langem  aus 
den  Lehren  B  i  e  r's  vertraut.  Sind  die  Weichleile  ĂŒber  dem 
Gelenke  so  knapp,  daß  ĂŒberknorpelte  Gelenkteile  freiliegen, 
so  braucht  man  auch  dann  noch  nicht  an  der  Erhaltung  des 
Gelenks  zu  verzweifeln.  Man  kann  entweder  primÀr  eine 
VVeichteilplastik  aus  der  Nachbarschaft  herbeifĂŒhren,  die  in 
gestielten  Haut-Muskellappen  oder  auch  nur  Muskellappen 
besteht,  oder  man  erhÀlt  den  leicht  austrocknenden  und  dann 
sicher  sequestierenden  Knorpel  unter  feuchtwarmem  Um- 
schlag oder  Bierschcr  Verklebung  und  macht  die  Plastik  se- 
kunder, was  von  uns  verschiedentlich  mit  Erfolg  versucht  ist. 

Ans  den  Kriegsverletzungen  der  Gelenke  haben  wir  ge- 
lernt, wie  die  Friedensverletzungen  der  Gelenke  zu  behau - 

*)  Körte,  Erfahrungen  ĂŒber  die  Kriegsverletzungen  des 
Kniegelenks,  Acta  chirurgica  scandinavica  Vol.  LIII,  1920. 


dein  sind.  Die  GrundsĂ€tze  lassen  sich  ohne  weiteres  ĂŒber- 
tragen. 

2.  Das  Empyem  der  Gelenke,  welches  auf 
irgendeinem  Wege,  direkt  oder  indirekt,  vom  Knochen  her 
oder  auf  der  Blutbahn,  mit  gemeinen  Eitererregern  infiziert 
ist,  wurde  im  Kriege  wie  frĂŒher  mit  5 — 3prozentiger  Karbol- 
sÀure, mit  Phenolkampfer  (Payr),  mit  Vuzin,  von  unseren 
Feinden  mit  Dakinscher  Lösung  behandelt.  Ich  habe  mit 
Vuzin  gearbeitet  und  manchen  Erfolg  damit  gesehen.  Es 
kam  in  glĂŒcklichen  FĂ€llen  zur  klinischen  Ausheilung,  ohne 
daß  die  bakteriologische  Untersuchung  des  Gelenkinhalts 
nach  Vorbehandlung  mit  Vuzin  SterilitÀt  hÀtte  nachweisen 
lassen.  Die  Keime  wurden  offenbar  nur  so  schwer  geschÀ- 
digt, daß  eine  klinische  Ausheilung  zustande  kam, 
aber  eine  bakteriologische  Ausheilung  wurde  vermißt.  Es 
wĂ€re  gewiß  daran  zu  denken,  daß  die  Erfolge  nur  auf  der 
StÀrkung  der  biologischen  Komponente, 
die  in  Gestalt  einer  leichten  chemischen  EntzĂŒndung  zu  den- 
ken wÀre,  beruht  hÀtten,  was  ich  aber  gerade  bei  der  Ver- 
langsamung des  biologischen  Wundablaufs,  die  wir  als 
Folge  der  Vuzinanwendung  sahen,  nicht  fĂŒr  wahrscheinlich 
halte,  vielmehr  halte  ich  auch  hier  an  der  bakteriziden  Kom- 
ponente in  Gestalt  der  AbschwÀchung  der  Keime  fest. 

Auf  das  Chininderivat  Vuzin  hat  der  schöpferische  Geist 
Morgenroths  jetzt  das  AkridinprÀparat  Rivanol  folgen 
lassen.  Bei  der  Anwendung  dieses  Mittels  in  einer  Lösung 
1  :  1000  bis  1  : 500  beim  Gelenkempyem  ist  es  mir  bisher 
stets  gelungen,  den  eitrigen  Gelenkinhalt  zu  s  t  e  ri  1  i  s  i  e  - 
r  e  n.  Damit  ist  nicht  nur  die  Ueber  legen  heit  des 
Rivanols  ĂŒber  das  Vuzin  klar  erwiesen,  sondern  die 
Möglichkeit,  ein  gemein  infiziertes  Gelenkempyem  oder  einen 
Abszeßinhalt  zu  sterilisieren,  was  uns  wie  HĂ€rtel  eben- 
falls in  hohen  ProzentsÀtzen  gelungen  ist,  stellt  eine  neue 
Errungenschaft  in  der  Geschichte  der  Chirurgie  dar,  man 
muß  hier  von  einem  ganz  gewaltigen  wissenschaftlichen 
Fortschritt  sprechen.  Auch  in  der  Praxis  muß  sich  dieser 
Fortschritt  bemerkbar  machen.  Wenn  es  wÀhrend  der  alten 
Periode  der  Antisepsis  gelungen  wÀre,  den  Inhalt  von  Ab- 
szessen und  Gelenkempyemen  zu  sterilisieren,  so  ist  es  die 
Frage,  ob  wir  dann  jemals  eine  rein  physikalische  Asepsis 
bekommen  hÀtten. 

In  der  Behandlung  der  Gelenkempyeme  ist 
die  EinfĂŒhrung  des  neuesten  Morgenrothschen  Mittels  von 
grĂ¶ĂŸter  Bedeutung. 

Ich  gehe  jetzt  in  folgender  Weise  beim  Empyem  des 
Kniegelenks  vor: 

Das  heiß  entzĂŒndete  und  mit  FlĂŒssigkeit  gefĂŒllte  Gelenk 
wird  an  der  ĂŒblichen  Stelle  unter  lokaler  AnĂ€sthesie  mit 
dicker  KanĂŒle  punktiert,  der  Gelenkinhalt  bis  auf  den  letzten 
Tropfen  ausgesogen.  Verstopfungen  der  KanĂŒle  durch  Ge- 
rinnsel werden  durch  Einspritzen  von  etwas  Novokainlösung 
beseitigt.  In  das  leere  Gelenk  spritze  ich  10 — 15  cem  Riva- 
nollösung  1  :  1000.  Das  Knie  wird  auf  einer  Schiene  ruhig- 
gestellt. Die  angesogene  FlĂŒssigkeit  wird  stets  bakteriolo- 
gisch im  Ausstrich  und  Kultur  untersucht.  Die  Einspritzun- 
gen in  die  Gelenkhöhle  sind  kaum  schmerzhaft. 

In  manchen  FĂ€llen  kommt  man  mit  einer  Punktion 
und  Injektion  aus.  In  anderen  wird  beim  Wiederanstieg  der 
gefallenen  Temperatur   und  Wiederschmerzhaftwerden  des 


r 


Jaffe:  Cholesterin-Stot'fwechsel 


40.  Jahi 


Nr.  1. 


Gelenks  wieder  punktiert,  völlig  leer  gesogen  und  wieder  10 
bis  13  ccm  injiziert.  In  einem  Falle  mußte  die  Injektion 
einige  Zeit  ĂŒber  alle  zwei  Tage  wiederholt  werden.  Da  han- 
delte es  sich  um  eine  von  anderer  Seite  ausgefĂŒhrte  infizierte 
Steinmannsehe  Nagelextension  des  unleren  Femurdrittels. 
Uni  den  Nagelkanal  entwickelte  sich  eine  Weichteilphleg- 
nume,  aus  der  sich  grĂ¶ĂŸere  Weichteilnekrosen  eitrig  ab- 
sließen, und  eine  Osteomyelitis,  die  zu  Sequesterbildung 
fĂŒhrte.  Von  hier  aus  wurde  das  Gelenk  einige  Zeit  immer 
wieder  reinfizier  t.  Das  Empyem  heilte  ohne  Inzision 
aus,  trotzdem  der  ganze  Gelenkteil  des  FemĂŒr  durch  entzĂŒnd- 
liche Erweichung  ganz  deformiert  wurde. 

Rivanol  in  das  Gelenk  gespritzt,  macht  EntzĂŒndung  der 
Synovialis.  Die  bei  allen  antiseptischen  Mitteln  von  Ax- 
n  a  u  s  e  n  am  Kaninchenknorpel  gesehene  mehr  oder  we- 
niger starke  Knorpelnekrose  ist  beim  Rivanol  erheblich  ge- 
ringer als  beim  Phenolkampfer,  ja  auch  als  beim  Vuzin. 
Axhausen  glaubt  die  Gefahr  einer  Arthritis  deformans  vor- 
auszusehen. Die  Bedeutung  dieser  SpĂ€tfolge  darf  nicht  ĂŒber- 
schÀtzt werden.  Zwischen  dem  Kaninchen  mit  seinem  zarten 
Knorpelbelag  und  dem  Menschen  ist  ein  großer  Unterschied. 
Die  nur  mikroskopisch  erkennbare  Nekrose  bleibt  klinisch  in 
den  nÀchsten  Jahren  wenigstens  ohne  jede  Bedeutung,  und 
ein  zurzeit  nicht  infiziertes  Gelenk  ist  mehr  wert  als  die 
ganz  entfernte  Möglichkeit  einer  Arthritis  deformans,  die  bis- 
her beim  Menschen  nach  Vuzin  nicht  beobachtet  ist. 

Ist  der  Gelenkinhalt  bakteriologisch  steril  geworden,  so 
ist  weiterer  Rivanolgebrauch  unnötig  und  sofort  einzustellen. 
In  der  Möglichkeit,  die  SterilitÀt  des  Gelenks  nachzuweisen, 
beruht  auch  die  Möglichkeit,  das  Gelenk  vor  weiteren  Injek- 
tionen zu  schönen.  Deshalb  soll  jede  PunktionsflĂŒssigkeit 
bakteriologisch  untersucht  werden.  Bei  Mischinfektionen 
von  Strepto-  und  Staphylokokken  verschwanden  in  meinen 
GelenkfÀllen  die  Streptokokken  zuerst,  bei  misch- 
infizierten  Abszessen  beide  gleichzeitig.  Der  schließ- 
lich im  Gelenk  verbleibende  aseptische  und  klinisch  symp- 
tomlose Erguß  muß  auch  abgelassen  werden,  da  die  Erholung 
des  Gelenks  dann  schneller  vor  sich  geht. 

Die  Drainage  des  Kniegelenks  mit  einem  verschließbaren 
Dauerröhrehen  nach  Payr  ist  unnötig  und  hat  sich  keine 
Freunde  erwerben  können.  Vorteile  treten  bei  seiner  An- 
wendung nicht  hervor.  Die  Drainage  der  beiden  hinteren 
Kniegelenksrecessus  nach  Payr  oder  Kroh,  die  bei  den  aus- 
gedehnten Empyemen  des  Krieges  nötig  waren,  habe  ich  bei 
meinen  FriedensfÀllen  noch  nicht  gebraucht. 

Abschließe  h  d  möchte  ich  ĂŒber  die  Gelenk- 
e  m  p  y  e  m  e  sagen: 

Die  Behandlung  der  Gelenkempyeme  des  Friedens  ist 
weitgehend  konservativ  geworden.  An  Stelle  der  frĂŒher  öfter 
notigen  Drainagen  oder  Inzisionen  kann  meist  die  Punktion, 
Aussaugung  und  Injektion  von  Rivanol  treten.  Nach  meinen 
Erfahrungen  gelingt  es,  den  infizierten  Gelenkinhalt  durch 
Rivanolinjektionen  zu  sterilisieren.  Durch  die  bak- 
teriologische Kontrolle  gewinnt  die  Sicherheit  der  Behand- 
lung außerordentlich. 

3.  Gonorrhoische  GelenkentzĂŒndungen. 
Der  Versuch,  die  gonorrhoischen  GelenkentzĂŒndungen  in  den 
Bereich  der  chemotherapeutischen  Antisepsis  zu  ziehen,  ist 
als  durchaus  geglĂŒckt  zu  betrachten.  Schon  das  Vuzin  ließ 
gute  Ergebnisse  erzielen,  die  aber  vom  Rivanol  ĂŒbertroffen 
werden. 

Falls  grĂ¶ĂŸere  ErgĂŒsse  vorhanden  waren,  wie  sie  z.  B.  am 
Kniegelenk  leicht  zu  punktieren  sind,  geschah  das,  und  die 
Injektion  von  10 — 15  ccm  Rivanol  wurde  auch  in  das  Ge- 
lenk gemacht.  Bei  der  gonorrhoischen  EntzĂŒndung  der  an- 
deren Gelenke  fehlen  ErgĂŒsse  hĂ€ufiger,  oder  man  wĂŒrde  nur 
mit  MĂŒhe  wenige  Kubikzentimeter  ansaugen  können.  Dann 
habe  ich  auf  die  intraÀrtikulÀre  Injektion  verzichtet  und 
paraĂ€rtikulĂ€r  in  die  Gegend  der  grĂ¶ĂŸten  Schmerzhaftigkeit 
gespritzt. 

Da  die  Schmerzhaftigkeit  der  frischen  gonorrhoi- 
schen EntzĂŒndung  zu  groß  ist,  als  daß  man  ohne  weiteres  in 
die  Gelenkgegend  einstechen  und  einspritzen  kann,  habe  ich 


meist  den  ChlorÀthylrausch  dazu*  benutzt.  Sonst  empfiehlt 
es  sich,  eine  Lösung  herzustellen,  die  eine  0,5  prozentige  No- 
vokainlösung  und  eine  1  promillige  Rivanollösung  ist.  H  À  r- 
l  e  1  empfiehlt,  auf  1  Ltr.  0,5  prozentiger  Kochsalzlösung  5  g 
Novokain  und  1  g  Rivanol  zu  nehmen. 

Die  Wirkung  der  Rivanole  inspritz  u  n  g 
bei  der  gonorrhoischen  GelenkentzĂŒndung 
tritt  meist  schnell  ein.  Viele  Kranke  waren  froh  darĂŒber, 
daß  sie  wegen  der  auffallenden  Linderung  der  Schmerzen 
zum  ersten  Male  wieder  geschlafen  hatten.  Die  Schmerz- 
haftigkeit geht  gewöhnlich  schrittweise  zurĂŒck.  Tritt  ein 
RĂŒckfall  der  Schmerzhaftigkeit  ein,  so  muß  wieder  einge- 
spritzt werden.  Die  meisten  FĂ€lle  wurden  durch  1 — 2  Ein- 
spritzungen geheilt.  AnfĂ€nglich  mĂŒssen  die  Gelenke  in  phy- 
siologisch richtigen  Stellungen  festgestellt  werden. 

Die  gonorrhoische  GelenkentzĂŒndung  eignet  sich  in 
jedem  Stadium  zur  Rivanolbehandlung.  Auch  die  Àlteren 
FĂ€lle,  die  aus  einem  gewissen  schmerzhaften  Stadium  sonst 
nur  schwer  herauskommen,  bessern  sich  auf  intra-  oder 
paraartikulÀre  Rivanoleinspritzungen  sehr  gut  und  kommen 
zur  Ausheilung.  Man  kann  dann  oft  auffallend  schnell  zur 
Bewegungstherapie  ĂŒbergehen. 

Zur  ErklÀrung  der  R  i  v  a  n  o  1  w  i  r  k  u  n  g  bei 
infektiösen  GelenkentzĂŒndungen  möchte  ich 
glauben,  daß  es  nicht  allein  die  bakterizide 
Wirkung  auf  die  Keime  und  nicht  allein 
der  entzĂŒndliche  Reiz  der  Einspritzung  auf  die 
Gewebe  ist,  dem  wir  die  guten  Erfolge  verdanken,  sondern 
beide  VorgÀnge  sind  es  gemeinsam,  denn  beide  sind  nach- 
gewiesen: die  starke  bakterizide  Kraft  des  Rivanols 
durch  die  grĂŒndliche  experimentelle  Vorarbeit  Morgenroths, 
die  entzĂŒndungserregende  Eigenschaft,  die 
Ă€hnlich  wie  Bier's  Stauung  wirkt,  durch  den  folgenden  Fall: 
Bei  einem  Falle  von  Poncetscher  Gelenkerkrankung 
punktierte  ich  das  prall  gefĂŒllte  Kniegelenk,  entleerte  es 
völlig  und  spritzte  dann  8  ccm  Rivanollösung  1  :  1000  ein. 
4  Tage  spÀter  schnitt  ich  zur  Dauerdrainage  in  die  Nachbar- 
schaft ein  Synovialisfenster  aus  dem  seitlichen  Teil  des 
oberen  Recessus  aus.  Die  Untersuchung  des  SynovialisstĂŒcks 
durch  Prof.  Hart  ergab  folgendes:  „Die  innere  Zone  dicht 
infiltiert  von  Lymphozyten,  Plasmazellen  und  zerfallenden 
Leukozyten;  die  Ă€ußere  Zone  durch  fibrinreiches  entzĂŒnd- 
liches Oedem  aufgelockert,  ihre  Kapillaren  erweitert  und 
strotzend  gefĂŒllt.  Histologisch  kein  Anhalt  fĂŒr  SpezifitĂ€t  des 
Prozesses." 

Literatur. 

M  o  r  g  e  n  r  o  t  h  ,  Schnitzer  und  Rosenberg:  Ueber  ein 
neues  Antiseptikum,  Deutsche  Medizinische  Wochenschrift 
Nr.  44,  1921. 

Klapp:  Ueber  die  erneute  Fortsetzung  der  Gewebsantisepsis 
(Vuzin  und  Rivanol),  Deutsche  Medizinische  Wochenschrift 
Nr.  46,  1921. 


(Aus  dem  Senckenbergischen  Patholog.  Institut  der  UniversitÀt 
Frankfurt  a."  Main,  Direktor  Prof.  Dr.  R.  Fischer.) 

Die  Bedeutung  des  Cholesterin  =  Stoffwechsels 
fĂŒr  die  pathologische  Anatomie. 

Von  Dr.  Rudolf  Jaffe,  Priv.-Doz.  und  1.  Ass.  am  Institut. 

Seitdem  durch  die  grundlegenden  Arbeiten  von  Kayse  r- 
1  i  n  g  und  O  r  g  1  e  r  doppeltbrechende  Substanzen  in  den  Ge- 
weben festgestellt  und  durch  die  Untersuchungen  von 
A  s  c  h  o  f  f  und  K  a  w  a  m  u  r  a  Methoden  ausgearbeitet  wor- 
sind,  durch  die  es  gelingt,  auch  im  histologischen  Schnitt  die 
einzelnen  Lipoide  weitgehend  zu  unterscheiden,  und  gleich- 
zeitig von  A  s  c  h  o  f  f  auf  die  ungeheure  Bedeutung  hinge- 
wiesen worden  ist,  die  der  Cholesterinester-Verfettung  in  der 
pathologischen  Anatomie  zukommt,  sind  zahlreiche  Arbeiten 
erschienen,  die  den  Zusammenhang  verschiedener  Krank- 
heitsbilder mit  dem  Cholesterinstoffwechsel  darzulegen 
suchen.  Es  kann  im  Rahmen  dieser  AusfĂŒhrungen  nicht 
meine  Aufgabe  sein,  alle  diese  Arbeiten  zu  referieren  oder  gar 
kritisch  zu  besprechen;  ich  muß  mich  vielmehr  darauf  be-  j 


iö.  Jahrg.     Nr.  l. 


Jaffe:  Cholesterin -Stoffwechsel 


schrĂ€nken,  kurz  zusammengefaßt  mitzuteilen,  was  ĂŒber  Zu- 
sammenhÀnge zwischen  Cholesteriristoffwechsel  und  be- 
stimmten Krankheitsbildern  heute  bekannt  ist.  Ich  will  auch 
nicht  alle  Orguno  einzeln  bespre<  hen,  in  denen  ĂŒberhaupt 
Cholesterin  oder  Cholesterinester  nachgewiesen  sind,  ebenso- 
wenig alle  Erkrankungen,  bei  denen  derartige  Ablagerungen 
beobachtet  wurden,  sondein  nur  diejenigen  VerÀnderungen, 
bei  denen  die  Störung  des  Cholesterinstoffwechsels  eine 
wesentliche  Rolle  spielt. 

Cholesterin  wird  mit  der  Nahrung  aufgenommen  und 
gelangt  dann  durch  den  Dann  wohl  meist  in  Form  von  Cholc- 
sterinfettsÀureester  auf  dem  Lymphwege  ins  Blut  und  wir,! 
durch  die  Leber  und  Galle  ausgeschieden.  Eine  Vermehrung 
des  Cholesterinspiegels  des  Blutes  kann  also  Zustandekommen 
durch  vermehrte  Zufuhr  und  durch  verminderte  Abfuhr  in- 
folge irgendeiner  Störung  der  Leberfunktion.  Letzteres  ist 
z.  B.  durch  die  schönen  Experimente  von  Bacmeister 
und  HĂ€vers  nachgewiesen  worden.  Die  Autoren  gingen 
davon  aus,  daß  wĂ€hrend  der  Schwangerschaft  eine  Erhöhung 
des  Cholesterinspiegels  eintritt.  Sie  legten  nun  HĂŒndinnen 
Gallenfisteln  an,  um  gesondert  den  Cholesteringehalt  des 
Blutes  und  der  Galle  untersuchen  zu  können.  Dann  ließen  sie 
die  HĂŒndinnen  decken  und  fanden,  daß  wĂ€hrend  der  Schwan- 
gerschaft der  Cholesterinspiegel  der  Galle  sinkt,  wÀhrend  der 
des  Blutes  eine  Zunahme  erfÀhrt.  Sie  konnten  daraus 
schließen,  daß  wĂ€hrend  der  Schwangerschaft  eine  Abdichtung 
des  Leberfilters  erfolgt.  Nach  dem  Wurf  tritt  eine  rapide 
Ausschwemmung  durch  die  Galle  ein,  wÀhrend  gleichzeitig 
der  Cholesteringehalt  des  Blutes  absinkt.  Die  Abdichtung 
des  Leberfilters  ist  also  nach  der  Geburt  wieder  beseitigt. 

l'ntersuchungen  des  Blutserums  auf  ihren  Cholesterin- 
gehalt sind  in  großer  Anzahl  ausgefĂŒhrt  worden.  Ich  kann 
diese  Arbeiten,  da  sie  meist  rein  klinisch  sind,  hier  nicht  im 
einzelnen  besprechen,  erwÀhnt  seien  nur,  um  einige  Beispiele 
zu  nennen,  die  Arbeiten  von  Obakewitsch,  Welt- 
mann, Fischl,  Bauer  und  Skutezky,  Heues, 
P  r  i  b  r  a  m,  M  e  d  a  k  u  n  d  P  r  i  b  r  a  m,  S  t  e  p  p,  K  o  1 1  e  r  t  und 
Finger,  Chauffart  und  G  i  i  g  a  u  t,  H  o  r  i  u  c  h  i  u.  a. 
Aus  diesen  Arbeiten  geht  hervor,  daß  der  Cholesterinspiegel 
des  Blutes  außer  bei  der  GraviditĂ€t  bei  verschiedenen  Krank- 
heiten mehr  oder  weniger  regelmĂ€ĂŸig  erhöbt  ist,  so  z.  B.  bei 
Diabetes,  bei  verschiedenen  Leberkrankheiten,  besonders 
wenn  diese  mit  chronischem  Ikterus  einhergehen,  bei  chro- 
nischer Nephritis,  bei  verschiedenen  Infektionskrankheiten* 
Arleriosklerose  usw.  Ein  Teil  der  genannten  Autoren  bat 
auch  Bestimmungen  des  Blutcholesteringehalts  bei  Tieren 
vorgenommen. 

Die  Krankheiten,  bei  denen  Störungen  des  Cholesterin- 
stoffwechsels eine  wesentliche  Rolle  spielen  und  die  ich  des- 
halb nÀher  besprechen  will,  sind  vor  allem  drei:  die  Arterio- 
sklerose, die  Gallensteinleiden  und  die  Xanthome,  Pseudo- 
xanthome und  Xanthelasmen.  Außerdem  ist  es  aber  nötig, 
einige  Worte  ĂŒber  einige  andere  Krankheilsbilder  sowie  ĂŒber 
die  Bedeutung  zu  sagen,  die  die  Cholesterinablagerungen  in 
der  Nebennierenrinde  haben. 

Zum  Schluß  wollen  wir  versuchen,  die  Frage  zu  beant- 
worten, ob  zwischen  diesen  an  und  fĂŒr  sich  so  verschiedenen 
Erkrankungen  nur  eine  Ă€ußere  Aehnlichkeit  durch  die  Chole- 
sterinablagerung  gegeben  ist,  oder  ob  irgendwelche  gleichen 
Bedingungen  zu  dieser  Erscheinung  Veranlassung  geben. 

Das  Krankheitsbild  der  Arleriosklerose  muß  ich  als  be- 
kannt voraussetzen.  Ich  will  nur  noc  h  einmal  kurz  hervor- 
heben, wie  die  ersten  Stadien  aussehen,  da  gerade  diese  fĂŒr 
das  Experiment  von  besonderer  Bedeutung  sind,  besonders 
auch  fĂŒr  die  Beurteilung,  ob  ein  bestimmter  Prozeß  wirklich 
echte  Arteriosklerose  darstellt  oder  nicht.  Die  Arteriosklerose 
beginnt  stets  in  der  Intima,  und  zwar  findet  sich  zunÀchst, 
worauf  Ribbert,  Aschoff  u.  a.  besonders  hingewiesen 
|aben,  feine  Lockerung  der  KittsĂŒbstanz  in  den  liefen 
Schichten  der  Int  inia.  Ls  kommt  dadurch  zu  einem  Ein- 
bringen von  Blulspasma  und  zu  Fettablagerung  zwischen  den 
elastischen  Fasern.  Dann  kann  das  Bild  sehr  schwanken. 
Je  nachdem  die  jetzt  einsetzende  Intimaw Sicherung  oder  aber 


die  Nekrosen,  KĂ€lkablagerungen  usw.  mein  im  Vordergrund 
sieben. 

Dieses  Krankheitsbild  der  Arleriosklerose  im  Tien  speri 

Dient  zu  erzeugen,  war  lange  Zeit  unmöglich.  Wohl  gejang 
es,  verschiedene  VerÀnderungen  in  der  Aorta  der  Kaninchen 
hervorzubringen,  die  aber  alle  wesentlich  verschieden  von 
dem  eben  geschilderten  Bild  waren.  Am  bekanntesten  sind 
die  VerÀnderungen  mu  h  Adrenalinin jektionen,  die  besonders 
eingehend  von  B.  Fischer  untersucht  worden  sind.  Dabei 
linden  sich  aber  vorwiegend  Nekrosen  in  der  Media,  denen 
höchstens  sekundÀr  Intimaverdickungen  folgen  können. 

Die  Ansichten  ĂŒber  die  Entstehung  der  Arteriosklerose 
waren  lange  Zeil  ĂŒberaus  sc  hwankend,  da  von  den  verschie- 
denen Ursachen,  die  in  Frage  kommen,  bald  die  eine,  bald  die 
andere  mehr  im  Vordergrund  steht,  und  daher  von  den  ver- 
schiedenen Autoren  bald  diese,  bald  jene  Ursache  als  die 
wesentliche  angesehen  wurde.  Eine  Wendung  in  unserer 
Auffassung  trat  erst  dann  ein,  als  es  gelang,  die  entsprechen- 
den VerÀnderungen  beim  Tier  zu  erzeugen. 

Der  erste,  der  diesen  Erfolg  zu  verzeichnen  hatte,  war 
S  a  1 1  y  k  o  w;  und  zwar  erzeugte  er  eine  Arteriosklerose  beim 
Kaninchen  durch  Injektion  von  Bakterien.  Wie  aber  Àuf 
Grund  spÀterer  Experimente  erwiesen  und  auch  von 
Saitykow  selbst  anerkannt  wurde,  waren  nicht  diese  Injek- 
tionen die  eigentliche  Ursache  fĂŒr  die  VerĂ€nderungen,  als 
vielmehr  die  Art  der  FĂŒtterung,  die  die  Tiere  wĂ€hrend  der 
Experimente  erhielten.  Denn  daß  es  gelingt,  durch  bestimmte 
FĂŒtterung  die  angegebenen  VerĂ€nderungen  hervorzubringen, 
haben  zahlreiche  Versuche  erwiesen. 

Die  ersten  derartigen  Experimente  veröffentlichte  I  g  n  a- 
towsky  im  Jahre  1909.  Er  fĂŒtterte  Kaninchen  mit  Fleisch, 
in  einer  anderen  Reibe  mit  Eigelb  und  Milch,  und  zwar  in 
der  ersten  Reihe  mehr  alte,  in  der  zweiten  jĂŒngere  Tiere.  Er 
berichtet  nun,  daß  er  bei  den  jungen  Tieren  (d.  h.  also  bei 
denen,  die  mit  Eigelb  und  Milch  gefĂŒttert  wurden)  Äorten- 
verÀnderungen  arteriosklerotischer  Natur  gefunden  habe, 
wÀhrend  er  bei  den  alten  Tieren  mehr  VerÀnderungen  der 
Media  beobachtete.  Er  zieht  aus  seinen  Befunden  zunÀchst 
absichtlich  keine  weiteren  SchlĂŒsse. 

Lubarsch  und  sein  SchĂŒler  Steinbiss  berichten 
dann  ĂŒber  FĂŒlterungsversuche  an  Kaninchen,  von  denen  eine 
Gruppe  mit  Leber,  eine  zweite  mit  Nebenniere,  eine  dritte  mit 
Pferdefleisch  gefĂŒttert  wurde.  Bei  der  letzten  Gruppe  fanden 
sich  gar  keine  VerÀnderungen,  wÀhrend  die  stÀrksten  bei  der 
mit  Leber  gefĂŒtterten  festzustellen  waren.  Lubarsch  er- 
klĂ€rt das  Zustandekommen  der  VerĂ€nderungen  dadurch,  daß 
infolge  der  verÀnderten  ErnÀhrungsweise  im  Körper  gebil- 
dete Abbauprodukte  als  Gifte  in  erster  Linie  die  glatte  Mus- 
kulatur und  das  elastische  Gewebe  der  Schlagader  schÀdigen, 
und  daß  dann  durch  Knocheneinschmelzung  Kalk  frei  wird 
und  in  den  Nekrosen  zur  Ablagerung  kommt.  Er  betont,  daß 
die  VerÀnderungen  besonders  durch  das  Fehlen  der  initialen 
Intima  vmcherung  und  -Verkalkung  ausgezeichnet  sind. 
Lubarsch  lehnt  nach  seinen  Untersuchungen  den  Schluß 
ab,  „daß  die  menschliche  Atherosklerose  stets  eine  Stoff - 
w-ehselerkrankung  wĂ€re",  betont  aber  sehr  scharf,  daß  die 
Experimente  dargetan  haben,  „daß  mechanische  SchĂ€digun- 
gen, besonders  auch  Blutdrucksehwankungen  fĂŒr  die  Ent- 
stehung, ja  selbst  Lokalisation  der  Schlagaderverkalkung  ent- 
behrlich sind".  L  u  b  a  r  s  c  h  lĂ€ĂŸt  also  beides  —  Stoffwechsel- 
erkrankung und  mechanische  SchĂ€digung  —  nicht  als 
alleinige  Ursache,  zum  mindesten  nicht  in  jedem  Fall  gelten, 
ein  Standpunkt,  der,  wie  wir  noch  sehen  werden,  auch  heute, 
nachdem  inzwischen  sehr  zahlreiche  Experimente  ausgefĂŒhrt 
worden  sind,  als  zu  Recht  bestehend  anerkannt  werden  muß. 

Um  nun  genauer  festzustellen,  welche  Stoffe  eigentlich 
von  Einfluß  auf  die  VerĂ€nderungen  der  Aortenintima  seien, 
fĂŒtterte  Stuckey  Kaninchen  mit  Fleischsaft,  HĂŒhnereiweiß, 
Eigelb,  Milch  u.  a.  Er  stellte  dabei  fest,  daß  Fleischsaft, 
HĂŒhnereiweiß  und  Milch  fast  keinen  Einfluß  hatten,  wĂ€hrend 
die  Tiere,  die  mit  Eigelb  gefĂŒttert  worden  waren,  in  <h  r 
Aorta  eine  enorme  Intimabypertropbie  mit  Infiltration  mit 
Feltsubstanzen  aufwiesen.    Versuche  mit  verschiedenen  tieri- 


i  Jaffe:  Cholesterin -Stoffwechsel  40.  Jahrg. — Nr.  1. 


sehen  und  pflanzlichen  Fetten  waren  völlig  negativ,  nur  bei 
FĂŒtterung  mit  Gehirnsubstanz  fanden  sich  noch  gering- 
gradige VerÀnderungen. 

Auf  den  bisher  beschriebenen  Versuchen  fußend  fĂŒtterten 
C  h  a  1  a  t  o  w  und  Anitschkow  Kaninchen  mit  reinem 
Cholesterin.  Sie  fanden  schon  nach  4 — 8  Wochen  Bilder,  die 
sie  als  beginnende  Arteriosklerose  deuteten. 

UnabhÀngig  von  diesen  beiden  Autoren  nahmen 
Wacker  und  H  u  e  c  k  gleichartige  Experimente  vor,  und 
es  gelang  auch  ihnen,  echte  Arteriosklerose  zu  erzeugen.  Sie 
ziehen  aus  ihren  Versuchen  den  Schluß,  daß  auch  beim 
Menschen  der  Cholesteringehalt  des  Blutes  fĂŒr  die  Entstehung 
der  Arteriosklerose  eine  wesentliche  Rolle  spiele,  daß  aber 
fĂŒr  die  Lokalisation  noch  lokale  Momente,  vielleicht  mecha- 
nischer Natur,  hinzukÀmen. 

Ein  Jahr  spĂ€ter  berichtet  Anitschkow  ĂŒber  seine 
scheinen,  im  A  s  c  h  o  f  f  sehen  Instiut  ausgefĂŒhrten  Experi- 
mente. Er  weist  aus  der  Literatur  nach,  daß  bei  den  frĂŒheren 
Versuchen  relativ  kolossale  Cholesterinmengen  zur  Erzeugung 
der  VerÀnderungen  notwendig  waren,  und  zwar  solche  Men- 
gen, wie  sie  der  Mensch  bei  Berechnung  des  kg-Körper- 
gewichts  niemals  zu  sich  nimmt.  Auch  die  Cholesterin- 
mengen des  Blutes  seien  gewaltig  groß.  Er  selbst  stellte  da- 
her Versuche  mit  geringen  Mengen  von  Cholesterin  an  und 
kombinierte  diese  FĂŒtterungsversuche  mit  anderen  Methoden, 
die  geeignet  sein  konnten,  GefĂ€ĂŸschĂ€digungen  zu  erwirken. 
So  nahm  er  bei  einigen  Tieren  eine  Verengerung  der  Aorta 
vor,  um  dadurch  den  Blutdruck  zu  erhöhen.  Dadurch  ge- 
lang es  ihm,  auch  bei  relativ  sehr  kleinen  Mengen  von  Chol- 
esterin schon  schwere  VerÀnderungen  in  der  Aorta  zu  er- 
zielen, wÀhrend  solche  bei  Verengerung  der  Aorta  ohne  Chol- 
esterinfĂŒtterung  fast  ganz  fehlten,  besonders  fand  dann 
keinerlei  Fettablagerung  statt.  Bei  anderen  Tieren  wurde 
gleichzeitig  mit  der  CholesterinfĂŒtterung  die  Suspension  aus- 
gefĂŒhrt. Auch  hier  zeigten  sich  keine  VerĂ€nderungen  bei 
nicht  gleichzeitig  Cholesterin-gefĂŒtterten  Tieren,  wĂ€hrend  sie 
sich  regelmĂ€ĂŸig  bei  den  FĂŒtterungstieren  fanden,  allerdings 
auch  kaum  viel  frĂŒher  als  bei  FĂŒtterungstieren  ohne  Sus- 
pension. Schließlich  wurden  noch  Versuche  mit  Adrenalin- 
injektionen mit  und  ohne  CholesterinfĂŒtterung  vorgenom- 
men. WĂ€hrend  letztere  nur  die  bekannten  Medianekrosen 
mit  sekundÀrer  Intimaverdickung  in  Form  von  Wucherung 
von  elastischen  und  Muskelfasern  ergaben,  zeigten  erstere 
außerdem  reichlich  Ablagerung  anisotropen  Fettes,  besonders 
in  den  tiefen  Intimaschichten.  Anitschkow  bezeichnet 
diesen  Vorgang  als  sekundÀre  Atheromatose. 

Anitschkow  hat  dann  weiterhin  sehr  genau  den  Vor  - 
gang  der  Ablagerung  von  anisotropem  Fett  beobachtet  und 
festgestellt,  daß  diese  zuerst  immer  zwischen  den  elasti- 
schen Fasern  erfolgt,  dann  treten  fetthaltige  große  Zellen  auf, 
die  elastischen  Fasern  wuchern  usw.  Daneben  findet  ein 
Austritt  von  Plasma  in  die  oberflÀchlichen  Schichten  der 
Aortenwand  statt.  Er  bezeichnet  also  den  Vorgang  als  Infil- 
tration mit  Fettmassen  und  sieht  in  seinen  Befunden  eine 
BestĂ€tigung  der  „Infiltrationstheorie",  wie  sie  von  R  i  b  b  e  r  t, 
A  s  c  h  o  f  f  u.  a.  fĂŒr  den  Menschen  aufgestellt  worden  ist. 
Anitschkow  schließt  aus  seinen  Versuchen,  daß  auch 
beim  Menschen  eine  Summierung  von  Momenten,  die  viel- 
leicht allein  nicht  dazu  imstande  wÀren. 

Sehr  interessant  ‱  ist  es,  daß  Anitschkow  auch  an 
d(  mi  Aortensegel 'der  Mitralis,  sowie  an  den  Semilunarklappen 
der  Aorta  VerÀnderungen  beobachtete,  die  nach  seiner  Dar- 
stellung vollkommen  die  gleichen  wie  die  in  der  Aorta  sind, 
die  gleichen  Befunde,  wie  sie  beim  Menschen  als  „weiße 
Flecken  der  Mitralis"  von  Marti  us  und  anderen  beschrie- 
ben worden  sind  und  auch  beim  Menschen  als  erste  AnfÀnge 
der  Arteriosklerose  betrachtet  wurden.  Sie  entstehen  im  Ti^r- 
experiment  auch  bei  reiner  CholesterinfĂŒtterung  ohne  infek- 
tiöse Momente,  allerdings  bei  Tieren,  die  große  Dosen  Chole- 
sterin erhalten  hatten. 

WĂ€hrend  aus  den  bisher  angefĂŒhrten  Arbeiten  ersicht- 
lich ist,  daß  es  auch  ohne  weitere  SchĂ€dlichkeiten,  allein 
clĂŒrch  Erhöhung  des  Cholesterinspiegels  im  Experiment  ge- 


lingt, echte  arteriosklerotische  VerÀnderungen  zu  erzielen, 
kommt  Knack,  der  im  F  a  h  r  sehen  Institut  experimentierte, 
zu  dem  Schluß,  daß  stets  noch  eine  infektiös -toxische  oder 
auch  mechanische  SchĂ€dlichkeit,  die  die  GefĂ€ĂŸe  trifft,  voraus- 
gehen mĂŒsse.  Wenn  er  allerdings  als  solche  auch  schon  die 
EinfĂŒhrung  des  Magenschlauches  und  die  dadurch  bedingte 
Erregung  des  Tieres  betrachtet,  so  muß  man  wohl  zugeben, 
daß  der  Mensch  im  allgemeinen  recht  hĂ€ufig  Ă€hnlichen 
SchÀdlichkeiten  ausgesetzt  ist. 

Sehr  eigenartig  ist  es,  daß  im  Gegensatz  zu  diesen  FĂŒtte- 
rungsversuchen Klotz  nach  lÀngere  Zeit  hindurch  fortge- 
setzter intravenöser  Injektion  von  einer  Mischung  von  Chole- 
sterin und  Olivenöl  die  großen  Arterien  durchweg  frei  von 
VerÀnderungen  fand,  und  nur  VerÀnderungen  an  den  Lungen- 
kapillaren  nachweisbar  waren. 

Aschoff  hat  dann  in  einem  zusammenfassenden  Re- 
ferat ĂŒber  die  Arteriosklerose  auch  Stellung  genommen  zu 
der  Frage:  „Ist  die  HypercholesterinĂ€mie  die  Ursache  des 
ganzen  Prozesses?"  Nach  seinen  AusfĂŒhrungen  spricht  gegen 
diese  Annahme  schon  der  Umstand,  daß  die  Verfettung  der 
Intima  nur  eine  besondere  Form  der  VerÀnderung  darstellt, 
nicht  aber  jede  sklerotische  Platte  atheromatös  sein  muß, 
wenn  man  von  geringfĂŒgigen  Verfettungen  absieht.  Er 
schließt  aber  aus  den  geschilderten  Experimenten,  daß  die 
eigentliche  atheromatose  VerÀnderung  nichts  anderes  ist  als 
eine  Folge  der  in  die  gelockerte  Intima  stattfindenden  Eirt- 
pressung  myelin-  und  cholesterinhaltigen  Blutplasmas.  „Ob 
es  freilich  nur  die  stÀrkere  Einpressimg  oder  vielleicht  auch 
eine  stÀrkere  Adsorption  der  sowieso  eindringenden  Fett- 
massen durch  physikalisch-chemisch  verÀndertes  Gewebe  der 
ĂŒberanstrengten  Intima  sind,  kann  nur  durch  das  Experi- 
ment entschieden  werden."  Nur  die  StÀrke  der  Entwicklung 
der  lokalen  Cholesterinspeicherung  hÀnge  von  dem  Reichtum 
des  Blutes  an  Cholesterinestern  ab.  „Die  funktionelle  Ab- 
nutzung oder  Ueberanstrengung  bedingt  die  Lockerung  der 
Kittsubstanz  bestimmter  Systeme  mit  den  reaktiven  Wuehe- 
rungsvorgÀngen  an  anderen  Systemen,  das  eindringende  Blut- 
plasma lĂ€ĂŸt  diese  funktionelle  Abnutzung  je  nach  seinem 
Cholesterinester-  oder  Kalkgehalt  mehr  oder  weniger  deutlich 
hervortreten,  macht  sozusagen  die  erfolgte  Abnutzung  sicht- 
bar und  fĂŒhrt  durch  sekundĂ€re  Umsetzungen  und  Nekrosen 
zur  Kalkplatten-  oder  GeschwĂŒrsbildung,  welche  das  Ende  in 
der  kontinuierlichen  Kette  ein  und  desselben  Prozesses  bil- 
den." 

Wenn  wir  jetzt  auf  die  Frage  der  Ablagerung  von  Chole- 
sterin in  Tumoren  und  die  dazu  fĂŒhrenden  Bedingungen 
ĂŒbergehen,  so  mĂŒssen  wir  uns  zunĂ€chst  klar  sein  ĂŒber  die 
Art  der  Neubildungen,  in  denen  solche  Ablagerungen  vor- 
zugsweise auftreten.  Ueber  diese  Frage  besteht  eine  große 
Ă€ltere  Literatur,  auf  die  ich  hier  nicht  eingehen  kann.  Ich 
will  mich  einfach  an  die  Einteilung  halten,  die  A  s  c  h  o  t'  f  gibt, 
und  auf  einige  andere  beschriebene  cholesterinhaltige  Tumoren 
im  Anschluß  an  diesen  Abschnitt  eingehen.  A  s  c  h  o  f  f  unter- 
scheidet: 1.  Xanthome.  Echte  GeschwĂŒlste,  hei  denen  die 
LebensfÀhigkeit  der  Xanthomzellen  jahrelang  bestehen  bleibt, 
und  zwar  trennt  er  die  reinen  Xanthome  von  den  Xantho- 
matosen MischgeschwĂŒlsten.  2.  Xanthelasma.  XanthomĂ€hn- 
liche  GeschwĂŒlste  infolge  primĂ€rer  oder  sekundĂ€rer  Stoff  - 
Wechselstörungen.  3.  Pseudoxanthome,  bei  denen  es  sich  um 
eine  sekundÀre  Resorption  von  Fett  handele.  Nach  dieser 
Einteilung  werden  also  einmal  die  echten  Tumoren  von 
tumorÀlmlichen  Neubildungen  geschieden,  andererseits  letz- 
tere getrennt  in  zwei  Gruppen,  je  nachdem  ob  die  Cholesterin- 
aufnahme resorptiv  aus  der  Umgebung  erfolgt  (Pseudoxan- 
thome), oder  ob  sie  aus  dem  Blut,  ev.  infolge  vermehrten 
Blutcholesteringehaltes,  stattfindet  (Xanthelasma).  Die  dabei 
auftretenden  cholesterinhaltigen  Zellen  werden  gleichfalls  als 
Pseudoxanthom-  und  Xanthomzellen  geschieden.  Dabei  ist 
aber  zu  bemerken,  daß  eine  morphologische  Verschiedenheit 
dieser  Zellen  eigentlich  nicht  besteht,  daß  also  nur  im  Rahmen 
des  Gesamtbildes  die  Zelldiagnose  gestellt  werden  kann. 

Pinkus  und  Pick  haben  im  Jahre  1908  als  eiste  dar- 
auf hingewiesen,  daß  die  in  diesen  GeschwĂŒlsten  auftretenden 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


.laffo:  Cholesterin -Stoff  wooh sei 


I 


Fette  doppelbrechende  Substanzen  und  zwar  Gholesterinfetl 
sĂ€ureester  sind.  Sic  machen  darauf  aufmerksam,  daß  mul- 
tiple Xanthome  ĂŒberhaupt  seiton  sind,  nieist  aber  kombiniert 
mit  anderen  Krankheiten  auftreten,  und  zwar  sehr  hÀufig  bei 
chronischem  Ikterus  und  Diabetes  beobachtel  werden.  Sie 
beschreiben  dann  einen  sehr  interessanten  Fall  von  Leber- 
cirrhose  mit  sehr  zahlreichen  Xanthomen.  Den  Autoren  fiel 
es  auf,  daß  sieh  alle  Hauteffloreszenzen,  Kratzeffekte  usw.  in 
Xanthome  innwandelten;  nach  einem  Erysipel  blieb  die  ganze 
befallene  Stelle  ockergelb.  Die  Autoren  weisen  dann  als  erste 
auf  den  Znsammenhang  zwischen  CholesterinÀmie  bei  Ikterus 
und  Diabetes  mit  dem  Xanthom  hin;  sie  glauhen,  daß  es  sich 
einfach  um  eine  Speicherung,  eine  Infiltration  von  Cholesterin 
aus  dem  Blut  handelt.  Pick  grenzt  allerdings  hiervon  die 
eigentlichen  Xanthome  als  echte  GeschwĂŒlste  ab:  „hier  sind 
die  nĂ€heren  UmstĂŒnde  der  Ablagerung  wohl  rein  lokal  be- 
dingt und  rein  lokal  ablaufend." 

Aehnlich  ist  ein  Fall  von  Nico  11,  der  bei  einer  Chinin- 
intoxikation ein  mit  Fieber  und  Ikterus  verbundenes, 
schuppendes  Exanthem  beobachtete,  aus  dem  eine  allgemeine 
xanthelasmaartige  VerÀnderung  der  Haut  entstand.  Auch 
diese  wurde  so  erklĂ€rt,  daß  eine  AusschĂŒttung  von  Chole- 
sterinestern  in  den  Kreislauf  erfolgt  sei,  die  dann  von  den 
Makrophagen  der  Cutis  aufgespeichert  wurden. 

Die  Richtigkeit  der  von  P  i  n  k  u  s  und  Pick  geĂ€ußerten 
Anschauuungen  wurde  von  Anitschkow  in  seinen  im 
A  s  c  h  o  f  f  sehen  Institut  angestellten  Versuchen  bewiesen. 

Anitschkow  ging  von  dem  Befund  aus,  daß  man  in 
der  NĂ€he  von  EntzĂŒndungsherden  oft  Cholesterinester  in 
Zellen,  besonders  in  Makrophagen  abgelagert  findet,  die  viel- 
leicht durch  den  Gewebszerfall  dorthin  gelangen.  Er  erzeugte 
nun  bei  Kaninchen  im  subkutanen  Bindegewebe  chronische 
Eiterungen,  und  zwar  durch  mit  Terpentin  getrÀnkte  Fremd- 
körper, die  zuvor  mit  Staphylokokken  infiziert  worden  waren, 
andererseits  sterile  EntzĂŒndung  ohne  Eiterung  durch  Ein- 
fĂŒhrung von  Zelloidinröhrchen.  Bei  den  ersteren  fand  er 
stets  Pseudoexanthomzellen  mit  doppeltbrechenden  Sub- 
stanzen, bei  letzteren  niemals.  Machte  er  nun  aber  dieselben 
Versuche  hei  Tieren,  deren  Cholesterinspiegel  durch  ent- 
sprechende FĂŒtterung  erhöht  war,  so  fand  er  stets  eine  ge- 
waltige AnhÀufung  von  Xanthomzellen,  die  auch  bei  eitriger 
EntzĂŒndung  erheblich  reichlicher  als  in  der  ersten  Reihe 
waren.  Die  Zellen  waren  noch  lange  in  der  Narbe  nach- 
weisbar. Den  gleichen  Erfolg  hatte  er  auch  bei  allen  mög- 
lichen anderen  Reizen,  auch  bei  Reizung  innerer  Organe.  Bei 
CholesterinfĂŒtterung  ohne  daß  irgendein  Reiz  hinzukam,  fand 
er  Cholesterinablagerung  in  den  Makrophagen  des  ganzen 
Körpers,  besonders  in  der  Milz,  dem  Knochenmark  und  den 
Kupferschen  Sternzellen. 

Diesen  letztgenannten  Befunden  entsprechen  die  Unter- 
suchungsergebnisse von  Ku  s  o  n  o  k  i,  der  in  der  menschlichen 
Milz  eine  reichliche  Ablagerung  von  doppeltbrechenden  Sub- 
stanzen bei  solchen  Erkrankungen,  bei  denen  auch  eine  Er- 
höhung des  Blutcholesterinspiegels  gefunden  wird,  beob- 
achtete. 

Anitschkow  hat  dann  in  sehr  eingehenden  Unter- 
suchungen die  Herkunft  der  cholesterinhaltigen  Zellen  fest- 
gestellt. Er  fand,  daß  bei  den  ersten  Versuchen  (Entstehung 
von  Eiterung  hei  nicht  cholesteringefĂŒtterten  Tieren)  die 
doppeltbrechenden  Substanzen  in  Makrophagen  stets  in  der 
auf  die  Eiterung  folgenden  Schicht  lagen.  Sie  fehlen  in 
frĂŒhen  und  spĂ€ten  Stadien,  finden  sich  also  nur  dann,  wenn 
die  Eiterung  vorhanden  ist.  Er  bezeichnet  diese  Zellen  als 
typische  Pseudoxanthomzellen:  „Dieselben  sind  lediglich  als 
gewöhnliche  Makrophagen  aufzufassen,  welche  einige  Be- 
sonderheiten in  der  Struktur  ihres  Protoplasmas  (feinschau- 
miger Bau)  aufweisen".  „Die  Entstehung  von  anisotropen 
FetteinschlĂŒssen  in  den  Makrophagen  bei  der  eitrigen  Ent- 
zĂŒndung stellt  einen  lokalen  Resorptionsprozeß  von  Chole- 
sterinfelton  seitens  dieser  Zellen  dar  und  kann  experimentell 
hervorgerufen,  vollkommen  in  Parallele  mit  der  Bildung  des 
Pseudoxanthoms  beim  Menschen  gestellt  werden."  Nach 
steinen  Untersuchungen  haben  aber  auch  die  Xanthomzellen. 


die  bei  mit  Cholesterin  gefĂŒtterten  Tieren  auftreten,  die 
gleiche  Herkunft:  „Die  Xanthomzellen  sind  gewöhnliche. 
Makrophagen  (I'olyblasten,  Ilistiozyten ),  wie  sie  bei  den  ent- 
zĂŒndlichen Prozessen  auftreten,  die  sich  nur  etwas  eigenartig 
differenziert  haben".  Das  Pigment,  das  sieh  in  diesen  Zellen 
so  hĂ€ufig  findet,  sei  durch  frĂŒhere  Phagozytose  roter  Blut- 
körperchen entstanden.  Die  Xanthomzellen  fanden  sich 
nun  auch  bei  cholesteringefĂŒtterten  Tieren,  bei  denen  Eite- 
rungen erzeugt  worden  waren,  im  Gegensatz  zu  den  Pseudo- 
xanthomzellen in  allen  Schichten  der  EntzĂŒndung.  Je  inten- 
siver die  EntzĂŒndungserscheinungen,  um  so  reichlicher  waren 
die  Xanthomzellen,  was  der  Autor  auf  die  grĂ¶ĂŸere  Zahl  der 
Makrophagen  zurĂŒckfĂŒhrt;  andererseits  bestanden  aber  auch 
direkte  Beziehungen  zu  dem  Grade  der  Cholcsterinisation." 
HierfĂŒr  erbringt  er  einen  sehr  schönen  Beweis  durch  einen 
weiteren  Versuch:  Er  ließ  bei  Tieren  erst  aseptische  Fremd- 
körper einheilen  und  fĂŒtterte  danach  mit  Cholesterin.  Die 
Untersuchung  der  Narben  zeigte  dann,  daß  auch  hier,  wenn 
auch  in  geringerer  Anzahl  Makrophagen  zu  finden  waren,  die 
mit  doppeltbrechenden  Substanzen  beladen  waren  (wÀhrend 
oben  erwĂ€hnt  wurde,  daß  solche  bei  nicht  mit  Cholesterin 
gefĂŒtterten  Tieren  gĂ€nzlich  fehlten).  Dadurch  ist  bewiesen, 
daß  die  Infiltration  mit  Cholesterin  durch  den  vermehrten 
Cholesteringehalt  des  Blutes  bedingt  ist. 

Anitschkow  kommt  also  auf  Grund  seiner  Experi- 
mente zu  dem  Schluß:  „daß  bei  einer  kĂŒnstlichen  Erhöhung 
des  Cholesteringehaltes  im  Organismus  eine  reichliche  Ab- 
lagerung von  anisotropen  Fettropfen  in  den  Makrophagen 
(Klasmatozyten)  des  Bindegewebes  stattfindet,  die  sich  dabei 
in  typische  Xanthomzellen  verwandeln.  Wenn  dabei  infolge 
eines  lokalen  entzĂŒndlichen  Reizes  eine  AnhĂ€ufung  von  Ma- 
krophagen stattfindet,  so  wandeln  sich  auch  diese  Makro- 
phagen auf  gleiche  Weise,  d.  h.  infolge  einer  Infiltration  mit 
Cholesterinfetten  in  Xanthomzellen  um,  und  es  kommt  zu 
bedeutenden  Ansammlungen  dieser  sehr  charakteristischen 
Zellformen  —  ein  Prozeß,  den  man  morphologisch  und  patho- 
genetisch in  Parallele  zu  den  Xanthelasmen  des  Menschen 
stellen  kann." 

Zu  Àhnlichen  Resultaten  kam  L  e  b  e  d  o  w,  der  Kanin- 
chen, die  mit  Cholesterin  gefĂŒttert  worden  waren,  eine  10  % 
Na  OH-Lösung  injizierte,  oder  bei  diesen  Tieren  die  Haut 
durch  Reiben  mit  einer  BĂŒrste  reizte  und  dann  einen  mit  KOH 
stark  geÀtzten  Faden  hindurchzog.  Auch  er  fand  in  der  Um- 
gebung der  Reizungsstellen  Xanthomzellen,  entstanden  aus 
„Makrophagenpolyblasten",  daneben  aber  auch  Sphaero- 
kristalle  in  Fibroblasten,  ferner  auch  frei  zwischen  den  In- 
filtratzellen und  in  den  Endothelien  der  GefĂ€ĂŸe.  Seine  RĂŒck- 
schlĂŒsse auf  menschliche  Befunde  gehen  allerdings  etwas  weit 
und  sind  nicht  ganz  klar. 

Auch  Hoessli  gelang  es,  im  Experiment  beim  Kanin- 
chen den  gleichen  Prozeß  hervorzurufen,  wie  er  sich  bei  Ent- 
stehung der  Xanthelasmen  beim  Menschen  abspielt.  Er  be- 
tont aber  scharf,  daß  es  niemals  glĂŒckt,  VerĂ€nderungen  ana- 
log dem  Xanthoma  tuberosum  zu  erzeugen,  was  im  Einklang 
mit  der  Auffassung  steht,  daß  das  Xanthom  eine  echte  Neu  - 
bildung  ist. 

Nach  den  Befunden  der  Tierexperimente  lag  nun  die 
Frage  nahe,  ob  auch  die  Entstehung  der  echten  GeschwĂŒlste, 
der  Xanthome,  eine  Folge  der  Cholesterinablagerung  darstelle 
oder  ob  durch  irgendwelche  anderen  UmstÀnde  das  Chole- 
sterin erst  in  die  Zellen  der  schon  vorhandenen  Geschwidst 
abgelagert  wĂŒrde. 

Zu  dieser  Frage  nehmen  z.  B.  A  r  n  i  n  g  und  Lipp- 
mann  Stellung.  Sie  legten  ihrer  Arbeit  folgende  Fragestel- 
lung zugrunde:  „Sind  die  Fibrome  das  primĂ€re  und  stellt  das 
Xanthom  nur  eine  Ablagerung  von  Lipoiden  in  denselben  aus 
dem  vermehrten  Blutcholesterin  dar  oder  entstehen  die  fibro- 
matösen  Tumoren  durch  die  Bildung  der  Lipoide  in  be- 
stimmten Gewehen  des  Mesodernis  oder  hat  vielleicht  sogar 
das  Xanthomgewebe  die  Möglichkeit,  Cholesterin  herzustellen 
und  in  das  Blut  auszuschĂŒtten?"  Zu  einer  bestimmten  Be- 
antwortung dieser  sicher  Ă€ußerst  wichtigen  Fragestellung 
kommen  die  Autoren  nicht. 


Jaffe:  Cholesterin-Sloffwechsel 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


Die  letzte  von  ihnen  angedeutete  Möglichkeit  ist  wohl  un- 
bedingt abzulehnen,  da  es  noch  keineswegs  erwiesen  ist,  ob 
bei  Xanthomen  stets  eine  HypereholeslerinÀmie  vorliegt,  wir 
vielmehr  vorlĂ€ufig  nur  sagen  können,  daß  bei  Cholesteri- 
nÀmien  hÀufig  auch  Xanthome  auftreten.  Es  liegt  also  viel 
nÀher,  an  ein  umgekehrtes  VerhÀltnis  zu  denken.  Ob  aber  der 
CholesterinĂŒberschuß  die  Ursache  zur  Geschwulstentstehung 
abgeben  kann,  ist  heut  noch  nicht  mit  Sicherheit  zu  ent- 
scheiden. Im  Experiment  ist  ein  derartiger  Zusammenhang 
nicht  erwiesen.  Nachdem  aber  heut  durch  verschie- 
denc  chemische  Mittel  auch  im  Experiment  eine  Erzeugung 
echter  Tumoren  geglĂŒckt  ist,  kann  man  auch  die  Möglichkeit 
eines  Zusammenhangs  zwischen  der  Cholesterinablagerung 
und  der  Tumorentstehung  nicht  unbedingt  ablehnen,  wenn  er 
auch  zunÀchst  nicht  wahrscheinlich  erscheint.  Dagegen 
spricht  z.  B.  die  Tatsache,  daß  wir  im  Xantheblasma  die  Chole- 
sterinablagerung oft  viele  Jahre  lang  sehen,  ohne  daß  es  je- 
mals beobachtet  worden  wĂ€re,  daß  sich  dort  ein  echter  Tumor 
entwickelt  hĂ€tte.  ZunĂ€chst  hat  also  die  Annahme  die  grĂ¶ĂŸte 
Wahrscheinlichkeit  fĂŒr  sich,  daß  das  Cholesterin  in  die  schon 
vorhandenen  Tumoren  abgelagert  wird.  Möglich  ist  es,  daß 
die  Tumorzellen  eine  besondere  AffinitÀt  zum  Cholesterin  be- 
sitzen, möglich  ist  es  aber  auch,  daß  durch  mechanische  oder 
Àhnliche  Reize,  denen  solche  Tumoren  zweifellos  hÀufig  aus- 
gestzt  sind,  gewissermaßen  ein  lokus  minoris  resistenliae 
geschaffen  wird,  und  nun  erst  sekundÀr  die  Ablagerung  zu- 
stande kommt.  FĂŒr  eine  derartige  Auffassung,  nĂ€mlich  daß 
es  oft  erst  sekundÀr  zur  Cholesterinablagerung  in  Tumoren 
komme,  und  zwar  als  Folge  einer  Stoffwechselstörung  in  Ge- 
meinschaft mit  lokalen  Störungen,  hat  sich  auf  dem  letzten 
Pathologentag  in  Jena  K  i  r  c  h  sehr  entschieden  ausge- 
sprochen. Sehr  interessant  ist  es,  daß  er  unter  insgesamt 
8  Xanthomatosen  Tumoren  zwei  Lymphangiome  und  ein 
Endotheliom  der  Dura,  die  alle  drei  typische  Xanthomzellen 
enthielten,  beschrieb.  Bei  drei  FĂ€llen  untersuchte  er  chemisch 
das  Blut  und  stellte  vermehrten  Cholesteringehalt  fest.  Er 
schließt  daraus,  daß  auch  fĂŒr  die  blastomatösen  Xanthome 
eine  Störung  des  allgemeinen  Cholesterinstoffwechsels  maß- 
gebend sei.  Jedoch  sei  zweifellos  noch  das  Hinzukommen 
eines  lokalen  Momentes  erforderlich.  Er  meint,  daß  gerade 
seine  beiden  FĂ€lle  von  Lymphangiom  die  von  Lubarsch 
geĂ€ußerte  Ansicht,  daß  als  solche  eine  lokale  Lymphstauung 
in  Frage  komme,  bestÀtigten. 

In  der  Diskussion  teilten  dann  noch  Beitzke  und 
Dietrich  Àhnliche  FÀlle  mit.  Letzterer  schlug  vor,  solche 
Tumoren,  in  die  erst  sekundÀr  eine  Ablagerung  von  Chole- 
sterin erfolgt  sei,  als  sekundÀre  Xanthome  von  solchen  sel- 
tenen GeschwĂŒlsten  abzutrennen,  „in  denen  auch  die  kleinsten 
Teilchen  die  ausgesprochene  Xanthomzellbildung  als  zellige 
EigentĂŒmlichkeit  bieten."  Letztere  seien  dann  als  primĂ€re 
Xanthome  zu  bezeichnen.  Lubarsch  schlug  anstelle  des 
Ausdrucks:  sekundÀre  Xanthome  vor,  lieber  von  Xanthoma- 
tosen Blaslomen  zu  sprechen. 

Wichtig  ist  noch,  daß  Arzt  in  der  Debatte  auf  einen 
Fall  von  ausgesprochener  Xanthomatosis  hinwies,  bei  dem 
der  Cholesteringehalt  des  Blutes  nicht  erhöht  war.  Wem, 
also  K  i  r  c  h  betont  hatte,  daß  bisher  in  'der  Literatur  noch 
keine  solchen  FĂ€lle  verzeichnet  seien,  so  steht  seiner  An- 
gabe dieser  Fall  gegenĂŒber.  Es  ist  aber  außerdem 
auch  darauf  hinzuweisen,  daß  bisher  ĂŒberhaupt  Blutunter- 
suchungen bei  Xanthomen  sehr  spÀrlich  veröffentlicht  wor- 
den sind.  Es  scheint  danach  gar  nicht  ausgeschlossen,  daß 
gerade  negative  Resultate  nicht  publiziert  wurden.  Jeden- 
falls mĂŒssen  erst  noch  sehr  viel  zahlreichere  Untersuchun- 
gen vorgenommen  werden,  ehe  man  hier  von  eindeutigen  Er- 
gebnissen sprechen  kann. 

Daß  ĂŒberhaupt  Cholesterin  sich  in  den  verschiedensten 
Geweben  ablagern  kann,  geht  aus  einer  Reihe  von  kasuisti- 
schen Mitteilungen  hervor. 

So  beriehtet  z.  B.  W.  H.  Schulze  ĂŒber  einen  Fall,  bei 
dem  sich  eine  ausgesprochene  LipÀmie  bei  schwerem  Dia- 
betes fand.    In  diesem  Falle  war  (las  Milzpulpagewebe  durch 


auffallend  große  Zellen  von  wabig-schaumigem  Bau  ersetzt, 
in  denen  Cholesteringemische  eingelagert  waren. 

Kinoshita  belichtet  aus  dem  H  e  d  i  n  g  e  r  s  c  h  e  n 
Institut  ĂŒber  ein  Prostatakarzinom,  das  massenhaft  doppelt- 
brechende  Lipoide  enthielt. 

Derselbe  Autor  untersuchte  systematisch  die  Prostata  auf 
das  Vorkommen  doppeltbrechender  Lipoide  und  fand,  daß 
sie  regelmĂ€ĂŸig  in  der  Altersprostata  nach  dem  45.  Lebens- 
jahre in  grĂ¶ĂŸerer  Menge  auftreten.  Er  bringt  ihr  Vorhanden- 
sein in  Zusammenhang  mit  einer  reduzierten  aber  abnor- 
men ZelllÀtigkeit. 

Schulte  beschreibt  xanthelasmatische  Fleckungen  der 
Leber-  und  Milzkapsel  bei  einem  Fall  von  chronischem 
Ikterus  infolge  Karzinoms  des  Choledochus.  Gleichzeitig  be- 
standen xanthomartige  HautverÀnderungen  an  der  Ellen- 
beuge. 

Hirsch  beschreibt  7  FĂ€lle  von  Cholesterinverfe'ttung 
des  Mesenteriums,  bei  denen  sehr  oft  starke  allgemeine  Adi- 
positÀs  oder  Kreislaufstörungen  gleichzeitig  bestanden.  Er 
weist  darauf  hin,  daß  Lymphe,  Blut  und  GewebsflĂŒssigkeit 
des  Mesenteriums  wegen  der  Resorption  des  Cholesterins  vom 
Darm  aus  reicher  an  Cholesterinverbindungen  sein  mĂŒssen 
als  das  ĂŒbrige  Körperblut,  „wodurch  deren  Ablagerung  im 
Mesenterium  bei  lokaler  Lymph-  und  Blutstauung  zwanglos 
zu  erklĂ€ren  ist".  AehrĂŒiche  FĂ€lle  sind  auch  von  Verse  und 
von  Schlagenhaufer  beschrieben  worden. 

Durch  die  Lokalisation  im  Mesenterium  ist  vielleicht 
auch  der  Cholesteringehalt  in  einem  von  Dietrich  be- 
schriebenen Tumor  zu  erklÀren.  Dagegen  bieten  die  Riesen - 
zellen-Xanthome,  wie  sie  Kammer,  Spieß,  Gast  und 
Z  u  r  h  e  1 1  e  beschrieben  haben,  der  ErklĂ€rung  große  Schwie- 
rigkeiten. Die  letztgenannten  Autoren  nehmen  zur  ErklÀ  - 
rung  fĂŒr  die  Entstehung  ihres  Tumors  an,  daß  Ă€tiologisch 
eine  Vermehrung  des  Cholesterins  -f  chronischem  Trauma,  in 
diesem  Falle  eine  vernachlÀssigte  Verstauchung,  in  Frage 
kĂ€me.  Sie  meinen,  erst  mĂŒsse  das  Trauma  dagewesen  sein, 
dann  sei  eine  zufĂ€llige  vorĂŒbergehende  Störung  im 
Cholesterinstoffwechsel  und  dadurch  Aufnahme  von 
Cholesterin  im  Tumor  zustandegekommen,  durch  diesen  Reiz 
sei  dann  schnelleres  Wachstum  des  Tumors  erfolgt,  eine  An- 
nahme, die  nicht  zu  beweisen  ist.  W  e  i  1  dagegen  will  auch 
fĂŒr  die  Riesenzellen-Sarkoxanthome  eine  Störung  des 
Cholesterinstoffwechsels  verantwortlich  machen. 

ErwÀhnt  sei  hier  auch  der  Cholesterinbefund  bei  chro- 
nischen Nierenerkrankungen,  auf  den  Löhlein  besonders 
hingewiesen  hat.  Aschoff  sagt  ĂŒber  diese  Cholesterinab- 
lagerungen  in  der  Niere:  Sie  kommen  vor  „bei  allen  chroni- 
schen Nephropathien,  welche  mit  Untergang  der  epithelialen 
Elemente  verbunden  sind,  insbesondere  bei  der  entzĂŒndlichen 
Schrumpfniere  und  der  Amyloidniere.  In  den  in  ihrer  Er- 
nÀhrung gestörten  Elementen  findet  eine  AnhÀufung  von 
Cholesterinfetten  statt,  die  beim  Zerfall  der  Zellen  frei  wer- 
den und  dann  in  den  Bindegewebszellen  der  Zwischensub- 
slanz  durch  Resorption  zur  Ablagerung  gelangen.  Diese  Zel- 
len nehmen  dabei  alle  Charaktere  der  Xanthomzellen  an." 

Klinisch  wird  in  einer  großen  Zahl  von  FĂ€llen  bei  chron 
Nephritis  anisotropes  Fett  im  Harn  gefunden.  WĂ€hrend 
aber  z.  B.  L  a  w  rynowitsch  annimmt,  daß  es  sich  zu- 
nÀchst um  eine  AnhÀufung  in  den  Nierenepithelien  handelt, 
und  dann  die  Cholesterinverbindungen  mit  den  zerfallenden 
Epithelzellen  in  die  HarnkanÀlchen  und  in  den  Urin  gelan- 
gen, kommt  O.  Groß  auf  Grund  eingehender  Untersuchun- 
gen zu  anderen  Resultaten.  Er  konnte  nÀmlich  nachweisen, 
daß  in  FĂ€llen,  in  denen  im  Harn  nur  wenig  doppelt- 
brechende Substanzen  nachweisbar  waren,  solche  in  großen 
Mengen  im  Urin  auftraten,  wenn  nĂŒchtern  eine  Cholesterin  - 
gÀbe  von  5  bis  10  g  gereicht  wurde,  und  zwar  ist  dieses  Re- 
sultat nur  in  den  FĂ€llen  zu  erreichen,  in  denen  der  Kanal 
( hen-Epithel-Apparat  verÀndert  ist.  Er  nimmt  daher  an. 
daß  es  sich  in  diesen  FĂ€llen  um  eine  Undichtigkeit  des 
Nierenfilters  fĂŒr  Lipoide  handelt. 

Genannt  seien  schließlich  noch  die  Befunde  bei  EntzĂŒn- 
dungen, wie  sie  bei  chronischen  Eiterungen,    z.    B.  auch 


10.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


regelmĂ€ĂŸig  bei  gonorrhoischer  Salpingitis  und  bei  aktinomy- 
kotischen  Eiterungen  erhoben  werden.  Bei  diesen  bandelt 
es  sieli  allerdings  wohl  ausschließlich  um  resorptive  Ablage- 
rung von  Cholesterin  in  Makrophagen. 

Auch  wenn  Schönlank  in  einer  Karzinommetastase 
in  der  Muskulatur  des  Oberschenkels  nach  einem  Penis- 
karzinom  'in  den  subepithelial  gelegenen  Wanderzellen 
große  Mengen  von  Cholesterin  nachweisen  konnte,  so  wird 
diese  wohl,  wie  auch  Schönlank  seihst  annimmt,  durch 
Resorption  von  den  zerfallenden  Ca-Zellen  aus  hingelangt 
sein. 

Die  im  Tierexperiment  bei  CholesterinfĂŒtterung  mehr- 
mals, /.  B.  von  ChalatOW  beobachtete  Leberzirrhose  ist 
schwer  zu  erklÀren  und  wohl  als  Reaktion  auf  die  durch 
das  abgelagerte  Cholesterin  geschÀdigten  Leberzellen  zu 
deuten. 

Uebersieht  man  die  in  diesem  Abschnitt  besprochenen 
Krankheitsbilder  nochmals  im  Zusammenhang,  so  ergibt 
sich,  dal)  bei  Erhöhung  des  Cholesterinspiegels  im  Blute  das 
Cholesterin  ĂŒberall  abgelagert  werden  kann,  besonders  dort, 
wo  ein  locus  minoris  resistentiae  vorhanden  ist.  Meist  erfolgt 
die  Ablagerung  in  Makrophagen.  Die  Cholesterinahlagerung 
in  Tumoren  ist  so  zu  erklĂ€ren,  daß  entweder  die  Tumor- 
zellen besondere  AffinitÀt  zum  Cholesterin  besitzen  oder 
daß,  bei  gleichzeitiger  Störung  im  Cholesterinstoffwechsel, 
durch  lokale  Momente,  unter  denen  mechanische  Reize  oben- 
an stehen  mögen,  die  Ablagerung  zustande  kommt. 

WĂ€hrend  wir  bisher  Prozesse  besprochen  haben,  die 
ausschließlich  als  Folgen  von  Störungen  im  Cholesterin- 
stoffwechsel zu  betrachten  sind,  mĂŒssen  wir  jetzt  noch  ein 
Organ  mit  seinen  VerÀnderungen  erwÀhnen,  das  schon  nor- 
malerweise Cholesterinhaltig  ist,  bei  dem  aber  bei  allen  mög- 
lichen Erkrankungen  Schwankungen  des  Cholesterinreich- 
tums  beobachtet  werden,  die  Nebennieren.  Grade  infolge 
der  Tatsache,  daß  die  Nebennieren  stets  cholesterinhaltig 
sind,  hat  die  Untersuchung  dieser  Organe  viel  Autoren  be- 
schÀftigt, und  die  im  ganzen  gleichartigen  Resultate  haben 
ganz  verschiedene  Deutung  erfahren.  Die  französische 
Schule,  an  ihrer  Spitze  Chauffart,  sah  in  den  Neben- 
nieren die  BildungsstĂ€tte  des  Cholesterins  und  glaubte,  daß 
von  hier  aus  das  Cholesterin  ausgeschwemmt  wĂŒrde  und  auf 
diese  Weise  ins  Blut  gerate,  wÀhrend  die  deutschen  Autoren 
mehr  die  Ansicht  vertreten,  daß  die  Schwankungen  des 
Blut  ho'esteringehalts  das  primÀre  seien,  und  erst  als  Folg? 
davon  der  verschiedene  Cholesteringehalt  der  Nebennieren  be- 
obachtet wird.  Wichtig  ist  in  dieser  Beziehung  der  Nach- 
weis, daß  der  Gehalt  des  Bluts  an  Cholesterin  abhĂ€ngig  von 
der  Nahrung  ist,  worauf  z.  B.  Obake  witsch,  Heues 
Li.  a.  hinweisen;  auch  der  Befund,  daß  bei  der  KriegsernĂ€h- 
i  ung  eine  Cholesterinverarmung  des  Blutes  beobachtet  wurde 
'R  o  s  eh  t  h  a  1,  Rosent  h  a  1  und  P  a  Irzc  k),  lĂ€ĂŸt  den  Zu- 
sammenhang zwischen  Blutcholesteringehalt  und  ErnÀhrung 
klar  erkennen. 

‱■■  c  ii  c  r  und  Hu  eck  stellten  durch  Experimente  fest, 
(iaß  ein  gewisser  Zusammenhang  zwischen  Blut-  und  Neben- 
nieren holesteringehalt  sicher  auch  heim  Tier  besteht.  Sie  in- 
jizierten Tieren  Saponin  und  Digitonin,  da  danach  Chole- 
sterin als  Schutzstoff  gebildet  wird.  ZunÀchst  wird  danach 
das  Cholesterin  des  Bluts  gebunden,  wÀhrend  das  der  Neben 
nieren  unverĂ€ndert  bleibt.  Bei  kleinen  Dosen  in  großen 
ZwischenrÀumen  fand  sich  starker  Anstieg  in  Blut  und 
Nebennieren. 

W  e  I  l  m  a  n  n  fand  bei  septischen  Infektionen  erst  eine 
Zunahme  des  Nebennierencholesterins  der  Versuchstiere, 
fclann  aber  Abnahme  und  bei  hochvirulenter,  zum  Exitus 
fĂŒhrender  Infektion  vollstĂ€ndigen  Schwund.  Beim  Menschen 
fand  er  bei  Untersuchung  von  600  Nebennieren  eine  Lipoid- 
vermin«  tri  ng  bei  septischen  Prozessen  (allerdings  mit  Aus 
nahmen),  bei  Infektionskrankheiten,  ulceriertem  Karzinom 
um  Tuberkulose,  dagegen  Lizoidvermehrung  bei  Athero- 
sklerose, Lebcrcirrhose,  ehron.  Nephritis. 

Kr  y  low,  der  die  Nebennieren  der  Tiere  aus  den  oben 
erwÀhnten  Versuchen  von  A  nitsc  h  k  o  w  und  C  h  a  1  a  l  o  w 


untersuchte,  sah,  je  lĂ€nger  der  Versuch  mit  der  FĂŒtterung 
von  Cholesterin  dauerte,  um  so  grĂ¶ĂŸere  Mengen  von  Chole- 
sterin in  der  Nebenniere  abgelagert,  auch  mit  dci  GrĂ¶ĂŸe  dci 
Dosierung  wurden  die  abgelagerten  Mengen  grĂ¶ĂŸer. 

Besonders  wichtig  fĂŒr  die  Frage  des  Neben nierenfipoids 
ist  die  ausfĂŒhrliche  Bearbeitung  von  L  a  n  d  a  u,  auf  die  auch 
wegen  aller  Einzelheiten  verwiesen  sei.  Landau  teilt  die 
Prozesse,  bei  denen  eine  Steigerung  des  Nebennierenlipoids 
gefunden  wird,  in  'A  Grupen:  I.  Störung  der  Blulzirkulation, 
vielleicht  dadurch  Relcnlion  der  Lipoide.  2.  Reichliches  Frei 
werden  der  Lipoide  bei  stark  ausgeprÀgten  ZerfÀllsprozessen 
in  den  großen  Organen,  wie  hei  akuter  gelber  Lcberali  ophie, 
bei  Zerstörungen  im  Zentralnervensystem,  bei  eitriger  Ein« 
Schmelzung  der  Gewebe  usw.  (Vielleicht  gehören  hierher 
auch  die  TumorfÀlle,  die  mil  einer  Vermehrung  des  Chole- 
sterins einhergehen,  indem  nÀmlich  ev.  die  Tumornekroseh 
fĂŒr  das  Auftreten  des  Cholesterins  verantwortlich  gemacht 
werden  können.)  3.  ZustÀnde,  bei  denen  ein  gesteigerter  Ge- 
websahbau  in  Betracht  kommen  mag,  wo  aber  teils  zum  Er- 
satz fĂŒr  die  verbrauchten  Substanzen,  teils  als  „NĂ€hrmateriar' 
zugleich  eine  vermehrte  Lipoidproduktion  seitens  des  Körpers 
stalthat:  Schwangerschaft,  Puerperium,  protrahierte  Blutver- 
luste, Inanition,  Diabetes,  Tumoren.  Landau  sÀgt  direkt: 
„FĂŒr  die  ĂŒberwiegende  Mehrzahl  aller  ZustĂ€nde  werden  wir 
den  Parallelismus  im- Verhalten  des  Blut-  und  Nebennieren- 
lipoids  als  Regel  ansehen  dĂŒrfen.  Dort,  wo  dies  nicht  der 
Fall  ist,  liegt  wohl  nur  ein  Absinken  des  Blutlipoids  vor,  dem 
die  Lipoide  der  Nebenniere  noch  nicht  gefolgt  waren." 
Landau  bringt  dann  noch  sehr'  schöne,  z.  T.  mit  R  o  t  h  - 
schild  gemeinsam  ausgefĂŒhrte  Tierexperimente,  die  seine 
Ansicht  beweisen  sollen,  indem  er  zeigt,  daß  bei  Tieren  nach 
Exstirpation  einer  Nebenniere,  noch  wesentlic  h  stÀrker  aber 
nach  Entfernung  beider  Nebennieren  der  Blutcholesterin- 
gehalt ansteigt. 

Als  letzte  Erkrankung,  die  mit  dem  Cholesterinstoff- 
wechsel in  nahem  Zusammenhang  steht,  ist  die  Gallenstein- 
erkrankung zu  nennen,  wenn  auch  hier  vielleicht  mehr 
lokale  Momente  als  allgemeine  Stoffwechselstörungen  in  Be- 
tracht kommen. 

Die  alte  Naunyn  sehe  Lehre,  daß  das  Cholesterin  der 
Galle  als  ein  Produkt  der  Epithelien  der  Gallenwege  zu  be- 
trachten sei,  ist  heute  verlassen,  vielmehr  nehmen  wir  heute 
an,  daß  Cholesterin  durch  die  Galle  ausgeschieden  wird,  daß 
also  die  Menge  des  Gallencholesterins  von  der  Menge  des 
Blutcholesterins  in  gewissem  Maße  abhĂ€ngig  sei.  Wenn 
Cnolesterin  in  den  Epithelien  der  Gallenblase  und  sogar  auch 
den  Endothelien  der  Lymphspalten  nachweisbar  ist,  so  ist 
es  dorthin  nach  Resorption  aus  der  Galle  gelangt.  Wir  finden 
dann  sogar  in  der  Gallenblasenwandung  typische  Xanthom- 
zellen. 

Bacmeister  konnte  an  Menschen  mit  Gallenfisteln 
den  Zusammenhang  von  Blut-  und  Gallencholesterin  sehr 
genau  durch  die  Beobachtung  nachweisen,  daß  die  Tages- 
choleslerinmengen  bei  eiweißreicher  Nahrung  steigen,  bei 
Kohlehydratreicher  Nahrung  aber  fallen. 

Aschoff  und  Bacmeister  nehmen  in  ihrer  be- 
kannten umfassenden  Bearbeitung  der  Gallensteine  denn  auch 
an,  daß  der  reine  Cholesterinstein  nichts  mit  EntzĂŒndungen 
zu  tun  habe,  vielmehr  nur  durch  ein  Ausfallen  von  ange- 
reichertem Cholesterin  zustande  komme.  Diese  Anreicherung 
mag  vielleicht  auch  durch  zu  reichliche  Ausscheidung  zu- 
stande kommen  können,  nach  Aschoff  ist  meist  aber  eine 
lokale  Ursache  in  Form  von  Gallenstauung  maßgebend.  Erst 
durch  Einklemmung  dieser  Steine  kommt  es  dann  zu  sekun- 
dĂ€ren Infektionen  und  EntzĂŒndungen. 

Ueberhlicken  wir  noch  einmal  all  die  geschilderten  Ver- 
Ànderungen, so  können  wir  zwei  Gruppen  von  VerÀnderungen 
unterscheiden:  lokale  Ablagerung  infolge  von  lokalen  Stö- 
rungen, hierher  gehört  die  lokale  Stauung,  die  zur  Bildung 
des  reinen  Cholesterinsteins  fĂŒhrt,  die  Ablagerung  von  Chole- 
sterin in  der  Umgebung  von  Eiterungen,  bei  chronischer  Ne- 
phritis usw.  Dem  steht  die  zweite  Gruppe  von  Erkrankungen 
gegenĂŒber,  die  als   Folge   allgemeiner  Stoffwechselstörung, 


Moll:  Dyspepsie  der  SĂ€uglinge 


40.  JĂ€hrt«  —  Nr.  1. 


(1.  h.  einer  Erhöhung  des  Blulcholcsteringehalts  angesehen 
werden  kann.  Wir  sehen  im  Tierexperiment,  daß  die  hier- 
her gehörigen  VerÀnderungen  z.  T.  ohne  weitere  SchÀdigungen 
allein  durch  die  Erhöhung  des  Blutcholcslerinspiegels  ent- 
stehen können,  z.  B.  Atherosklerose,  z.  T.  sich  aher  erst  an 
der  Stelle  irgendeiner  sekundÀren  SchÀdigung  anlagern 
(Xanthelasma).  Wir  werden  aher  nicht  fehlgehen,  wenn  wir 
fĂŒr  den  Menschen,  bei  dem  solche  extremen  Grade  von  Steige- 
rimg des  Cholesterinspiegels  nicht  vorkommen,  annehmen, 
dall  hier  stets  eine  Vielheit  von  Ursachen,  unter  denen  aller- 
dings die  Steigerung  des  Blutcholesterins  eine  sehr  wichtige 
Wolle  spielt,  zusammenkommen  mĂŒssen,  damit  eine  ent- 
sprechende Krankheit  in  Erscheinung  treten  kann.  Wir 
werden  dann  all  die  verschiedenen  Krankheitshilder,  so  ab- 
weichend voneinander  sie  auch  zurerst  aussehen,  zusammen- 
bringen, wenn  wir  sagen,  daß  bei  einer  Erhöhung  des  Chole- 
sterins im  Blut  das  Cholesterin  sich  dort  ablagert,  wo  ein 
locus  minoris  resistentiae  besteht,  und  daß  dann  von  den 
lokalen  Gewebshedingungen  die  weitere  Entwicklung  des 
Prozesses  abhÀngt. 

Literaturverzeichnis. 

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Fischer,  Jena 

19,  ref.  Cbl.  f. 
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57. 

58. 
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60. 

61. 

62. 
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Saltykow,  Ziegl.  Beitr.,  43,  1908. 
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Ders.,  Verh.  d.  D.  path.  Ges.,  XIV,  Tagung,  1910. 
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Stepp,  M.m.W.,  1918,  S.  781. 

Stucke  y,  Inaug.-Diss.,  Petersburg,  1910,  eil.  nach  Anilschkow 
u.  Chalatow. 

Verse,  Ziegl.  Beitr.,  52,  H.  1. 
Wacker  u.  Hu  eck,  M.m.W.,  1913,  Nr.  38. 
Dies.,  Arch.  f.  exp.  Path.  u.  Pharmak.,  71,  1913,  S.  37:5 
Weltmann,  Ziegl.  Beitr.,  56,  1913,  S.  278. 
Weltmann,  Wien.  klin.  W.,  1913,  S.  874,  ref.  Cbl.  f.  Path., 
1914,  25,  S.  76. 


Die  Behandlung  der  Dyspepsie  der  SĂ€uglinge 
mit  milchloser  DiÀt  bezw.  mit  einer  leicht 
herstellbaren  Eiweißmilch. 

Von  Prof.  Dr.  Leopold  Moll, 
Direktor  der  Reichsanstalt  f.  Mutter-  u.  SĂ€uglingsfĂŒrsorge  Wien. 

Von  den  verschiedenen  Heilnahrungen,  welche  zur  Be- 
handlung der  Dyspepsie  der  SĂ€uglinge  in  den  letzten  Jahren 
empfohlen  wurden,  haben  sich  insbesondere  zwei  NĂ€hr 
mittel,  und  zwar  die  Malzsuppe  nach  Keller  und  die  Ei- 
weißmilch nach  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  zu  erhalten  gewußt,  ob- 
zwar  ihre  wissenschaftlichen  Grundlagen  auf  ganz  gesonder- 
ten Prinzipien  aufgebaut  sind.  Keller  hat  seine  Malzsuppe 
bei  jenen  ErnÀhrungsstörungen  empfohlen,  die  unter  dem 
Namen  „MilchnĂ€hrschaden"  zusammengefaßt  wurden  und 
vornehmlich  die  chronischen  Formen  der  bei  kĂŒnstlicher  Er- 
nÀhrung auftretenden  Störungen  darstellen.  Es  handelt  sich 
um  Kinder,  welche  durch  eine  allzu  reiche  ErnÀhrung  mit 
Vilch  in  einen  Zustand  des  Gewichtsstillstandes  und  der  Ge- 
wichtsabnahme gelangen.  Das  Krankheitsbild  ist  ein  genau 
umschriebenes  und  wohlbekanntes.  BlÀsse,  Mattigkeit,  Hy- 
potonie, FettseifenstĂŒhle  beherrschen  das  Krankheitsbild,  das 
allmÀhlich  die  Neigung  zur  Atrophie  zeigt.  Die  Malzsuppe 
von  Keller  ist  eine  milcharme  und  kohlenhydratreiche 
Nahrung  und  bewÀhrt  sich  in  diesen  FÀllen  meistens  sehr 
gut,  vorausgesetzt,  daß  der  Uebergang  zu  dieser  DiĂ€t  lang- 
sam vorgenommen  wird  und  ohne  akute  dyspeptische  Störun- 
gen verlÀuft. 

Es  kommen  gewiß  bei  der  Malzsuppe  auch  noch  andere 
Faktoren  wie  der  Kohlenhydratreichtum  und  Alkaligehall 
in  Betracht,  auf  welche  hier  jedoch  nicht  weiter  ein 
gegangen  werden  soll.  Die  Voraussetzung  einer  guten  Wir- 
kung dieser  Nahrung  ist,  daß  man  ein  gutes  MalzprĂ€parat 
zur  VerfĂŒgung  hat.  Leider  war  ein  solches  in  den  letzten 
Jahren  fĂŒr  uns  unerschwinglich.  Es  wurde  daher  bei  der 
Behandlung  von  mit  einem  MilchnÀhrschaden  behafteten 
Kindern  meistens  derart  vorgegangen,  daß  die  Kinder  eine 
an  Milch  reduzierte  und  an  Kohlenhydraten  angereicherte  Nah- 
rung erhielten.  Traten  bei  diesem  Uebergang  jedoch  akute 
dyspeptische  Erscheinungen  auf  (Diarrhöen,  Gewichtsab- 
nahme, Temperaturschwankungen  usw.),  wurde  eine  Zeit- 
lang eine  milchlose  Kost  (siehe  unten)  eingeschaltet. 

Auf  einer  hiervon  vollkommen  verschiedenartigen  Basis 
ist  die  von  Finkelstein  angegebene  Eiweißmilchtherapie 
aufgebaut.  Den  Heilwert  erblickt  Finkelstein  in  der  fein- 
flockigen  Verteilung  des  Kaseins,  in  der  Beduktion  der 
Molke,  im  reichen  Kalkgehalt  und  in  einer  gĂŒnstigen  Korre- 
lation des  letzteren  zum  Fett-  und  Eiweißgehalt  der  Nah- 
rung. Bei  der  Anwendung  der  Eiweißmilch  wird  nach 
Finkelstein  in  der  Weise  vorgegangen,  daß  zunĂ€chst  die 
Nahrung  mit  wenig  Zucker  zubereitet  und  daß  die  Zucker- 
anreicherung mit  Besserung  der  Symptome  allmÀhlich  vor- 
genommen wird.    Ohne  hier  auf  die  weitere  theoretische  Be- 


10.  Jahrg.     Nr.  1 


Moll:  Dyspepsie  der  SĂ€uglinge 


grĂŒndung  nĂ€her  einzugehen  und  ohne  auch  die  Frage  zu 
diskutieren,  inwieweit  die  Eiweißmilch  eine  modifizierte 
Bultermilchnahrung  darstellt,  sei  erwĂ€hnt,  daß  man  mit  der 
jpl'iginalei  weißmilch  von  Finkelstein  und  unter  Beob- 
achtung der  von  dem  Autor  angegebenen  Anwendungsari 
auch  in  schweren  FÀllen  von  dyspeptischeri  Störungen  oft 
sein  gute  Resultate  erzielt,  iis  kommt  insbesondere  darauf 
::n.  öl)  diese  dyspeplischen  Störungen  ein  bisher  gesundes 
Kind  oder  ob  sie  ein  dystrophisches  oder  dekomponiertes, 
also  schon  durch  lÀngere  Zeit  geschÀdigtes  Kind  betreffen. 
In  letzteren  FĂ€llen  sieht  man  holz  vorsichtiger  Dosierung 
nicht  gar  zu  selten  Versager.  Die  StĂŒhle  behalten  weher  ihre 
dĂŒnnflĂŒssige  Konsistenz,  die  Gewichtskurve  wird  abschĂŒssig 
und  das  Allgemeinbefinden  zeigt  keine  Tendenz  zum  Besser- 
werden. In  diesen  FÀllen  lÀngere  Zeit  zuzuwarten  und  den 
Eintritt  der  Reparation  zu  erhoffen,  ist  oft  recht  verhÀngnis- 
voll, fĂŒr  den  praktischen  Arzt  weit  verantwortlicher,  als  fĂŒr 
den  Anstaltsarzt,  der  ein  geschultes  Pflegepersonal  zur  Ver- 
fĂŒgung hat  und  rechtzeitig  durch  Ausselzen  der  Nahrung 
oder  Aenderung  derselben  den  jÀhen  Sturz  abwenden  kann. 
Trotz  dieser  Versager  bildet  die  Eiweißtherapie  einen  we- 
sentlichen Fortschritt  bei  der  Behandlung  der  Dyspepsie  der 
SĂ€uglinge  und  hat  mich,  da  die  Originaleiweißmilch  nicht 
herzustellen  möglich  war,  dazu  veranlaßt,  eine  Herstellungs- 
weise der  Eiweißmilch  zu  versuchen,  welche  unter  den  ge- 
gebenen VerhÀltnissen  auch  im  Privathause  möglich  ist. 

Zur  Herstellung  der  Eiweißmilch  nach  Finkelstein 
gehört  eine  gute,  womöglich  nicht  abgekochte  Vollmilch,  ein 
gutes  Labenzym  und  eine  einwandfreie  Buttermilch.  Alle 
diese  Bedingungen  konnten  hierzulande  weder  wÀhrend  des 
Krieges  noch  in  der  Nachkriegszeit  beschafft  werden.  Die 
Modifikation  der  Zubereitung  der  Eiweißmilch,  wie  ich  sie 
jetzt  in  der  Anstalt  verwende  und  zu  der  ich  nach  langen 
Irrfahrten  und  Versuchen  gelangt  bin,  ist  folgende: 

y*  1  Vollmilch  wird  mit  Vi  1  Wasser  verdĂŒnnt.  Zu  dieser 
Zweidrittel-Milch  werden  2  g  Calcium  lacticum  in  Substanz 
gegeben.  Nun  wird  unter  stĂ€ndigem  RĂŒhren  gut  aufgekocht. 
Die  Milch  gerinnt  feinflockig,  das  Kasein,  welches  eine  Ver- 
bindung mit  Kalk  zu  Kaseinkalk  eingegangen  ist,  sinkt  zu 
Boden.  Die  Molke  wird  durch  ein  Seihtuch  abgegossen.  Von 
der  Molke  gibt  man  in  ein  zweites  GefĂ€ĂŸ  XA  1,  gibt  dazu  l/8  1 
Vollmilch,  3/8  1  Wasser,  passiert  durch  ein  Haarsieb  den  im 
Seihtuch  befindlichen  KĂ€se  hinein,  gibt  ferner  15  g  Mehl 
und  30  g  Zucker  dazu.  Ich  wÀhle  deswegen  einen  kleinen 
Mehlzusatz  und  insbesondere  in  Form  von  MaisstÀrke  (Amyt 
inaidis),  weil  dadurch  eine  gleichmĂ€ĂŸige  Verteilung  der 
Kaseinflocken  erzielt  wird.  Auf  dieses  rein  physikalische 
Moment  ist  es  wohl  zurĂŒckzufĂŒhren,  daß  weit  seltener  Er- 
brechen beobachtet  wurde,  als  bei  der  Zubereitung  ohne 
Mehl,  bei  der  das  Kasein  zu  Boden  fÀllt.  Man  wird  wohl 
nicht  fehl  gehen,  wenn  Erbrechen  und  schlechte  ZutrÀglich- 
keit hĂ€ufig  auf  diese  Sedimentierung  zurĂŒckgefĂŒhrt  werden. 
Die  ganze  Mischung  wird  unter  Quirlen  (Schlagen  mit  der 
Schneerute)  aufgekocht.  Das  Endvolumen  ist  gleich  dem 
AnfĂ€ngsvolumen  und  zwar  %  Liter.  Diese  Eiweißmilch  hat 
einen  Kaloriengohalt  von  660  Kalorien  pro  Liter.  Wenn  mau 
grĂ¶ĂŸere  Mengen  herstellen  will,  so  nimmt  man  das  Vielfache 
von  der  angegebenen  Menge,  nur  ist  der  Wasserzusatz  etwas 
kleiner  zu  bemessen.  Ms  soll  soviel  Wasser  gegeben  werden, 
daß  zum  Schluß  immer  jene  Menge  resultiert,  die  als  Aus- 
jjangsmenge  gewÀhlt  wurde.  WÀhrend  bei  der  genannten 
pbigen,  fĂŒr  die  hĂ€uslichen  VerhĂ€ltnisse  bestimmten  Menge 
von  %  1  Zweidrittelmilch  3U  1  Wasser  genĂŒgten,  so  wird  man 
z.  B.  bei  dem  Vierfachen  der  Ausgangsmenge  nicht  viermal 
>  1  Wasser,  sondern  etwas  weniger  nehmen,  um  wieder  das 
Ausgangsvolumen  zu  erhalten.  Ks  hÀngt  dies  damit  zusam- 
men, daß  bei  einer  grĂ¶ĂŸeren  FlĂŒssigkeitsmenge  heim  Kochen 
weniger  Wassel'  verdunstet. 

Will  man  eine  zuckerfreie  oder  zuckerarme  Eiweißmilch 
Verabreichen,  so  wird  man  die  Zuckermenge  weglassen,  oder 
vielleicht  nur  in  der  HĂ€lfte  der  angegebenen  Menge  gehen 
Die  qualitative  Zusammensetzung  dieser  Eiweißmilch  stimm! 
mit  jener  von  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  vollkommen  ĂŒberein  und  ist 


nur   im  Kalkgehalt   etwas    hoher.    Sie   enthalt    2,6  Eiweiß, 

2.2  Fett,  2,2  Milchzucker,  0,5  Asche  und  0,17  CaO. 

Diese  Eiweißmilch  wird  seit  lĂ€ngerer  Zeil  verwende!  und 
die  Erfolge  sieben  der  ( )i  iginaloiwcillmilch  nach  I  i  n  k  e  I 
stein  keineswegs  nach,  so  daß  die  Annahme  des  Autors  in 
seinein  neuen  Lehrbuche,  daß  mit  den  ErsatzprĂ€paraten  seine, 
Eiweißmilch  doch  nicht  so  gute  Erfolge  erziel!  werden  winden 
als  mit  der  Originalmilch,  hier  nicht  zutrifft.  Den  Zucker 
zusalz  auf  I  Prozent  in  der  oben  angegebenen  Menge  wÀhle 
ich  jedoch  entweder  gleich  von  allem  Anfang  oder  lÀngstens 
nach  24  Stunden. 

Im  Allgemeinen  verwenden  wir  diese  Eiweißmilch  beim 
dyspeptischen  Brustkinde,  indem  ein  bis  höchstens  zwei 
Brustmahlzeiten  durch  diese  Eiweißmilch  ersetzt  werden.  Man 
findet,  daß  die  bisher  sauren,  dĂŒnnflĂŒssigen,  zerhackten 
StĂŒhle  ihre  saure  Eigenschaft  mehr  oder  minder  ganz  ver- 
lieren und  neutrale,  manchmal  leicht  alkalische  Reaktion  und 
eine  breiige,  konsistente  Beschaffenheit  annehmen.  Die 
Kinder,  die  bis  dahin  sehr  unruhig  waren,  und  auch  son%tig< 
nervöse  Erscheinungen  (Unruhe,  gestörten  Schlaf,  Marmo- 
rierung der  Haut,  Fußsohlen-  und  Mundrote,  Meteorismus, 
Hypertonie,  Gewichtsabnahme  usw.)  aufwiesen,  verlieren 
diese,  fĂŒr  die  Dyspepsie  des  Brustkindes  charakteristischen 
Erscheinungen.  Die  Kinder  erholen  sich  bald  zusehends, 
nehmen  an  Gewicht  zu.  werden  ruhiger  und  es  kann  dann 
wieder  zur  normalen  alleinigen  Brustnahrung  ĂŒbergegangen 
werden.  Auch  bei  chronisch  dyspeptischen  Brustkindern,  die 
allmÀhlich  Symptombilder  zeigen,  welche  den  von  Czernv 
und  K  e  1 1  e  r  als  MilchnĂ€hrschaden  beim  kĂŒnstlich  genĂ€hrten 
Kinde  bezeichneten  vollkommen  Àhnlich  sind,  kann  man  mit 
Ersatz  der  Brustnahrung  durch  ein  bis  zwei  kĂŒnstliche  Mahl- 
zeiten einen  eklatanten  Erfolg  erzielen.  Die  Kinder,  welche 
schon  lÀngere  Zeit  an  Gewicht  nicht  zugenommen  haben,  ein 
fahles,  blasses  Aussehen  zeigen,  hypotonisch,  welk  und  schlaft' 
sind  und  angehaltene,  salbige,  fettreiche  StĂŒhle  haben,  ver- 
lieren diese  Erscheinungen,  werden  Iiis»  hei,  agiler,  nehmen 
an  Gewicht  zu  und  verlieren  auch  die  stark  fetthaltigen 
StĂŒhle.  Bemerkt  sei  noch,  daß  auch  bei  frĂŒhgeborenen  Kin- 
dern, die  bei  Frauenmilch  allein  ungenĂŒgend  gedeihen,  durch 
Ersatz  von  ein  bis  zwei  Mahlzeiten  mit  Eiweißmilch  ein 
wesentlicher  Fortschritt  im  Gedeihen  erzielt  wurde.  Die 
Nahrung  wurde  durchwegs  gut  vertragen. 

Hatten  wir  also  bei  dieser  neuen  Zubereitung  der  Eiweiß 
milch  sowohl  beim  dyspeptischen  Brustkinde  wie  beim 
kĂŒnstlich  genĂ€hrten  Kinde,  welches  durch  dyspeptischc 
Störungen  in  einen  Zustand  der  Hypolrophie  oder  Dekom- 
posilion  gelangt  war,  Erfolge,  so  fehlte  es  doch  nicht  an  Ver- 
sagern. 

Das  Material  in  der  Reichsanstalt,  welche  ĂŒber  100  SĂ€ug- 
lingsbetten verfĂŒgt,  gab  insbesonders  reichlich  Gelegenheit, 
bei  den  verschiedenen  Formen  der  Dyspepsie  der  KĂŒnstlich- 
genÀhrten die  Ersatznahrung  zu  erproben.  Es  kommen 
durchwegs  Kinder  in  mehr  oder  minder  geschÀdigtem  Zu- 
stande, jĂŒngere  oder  Ă€ltere,  die  durch  bisherige  ErnĂ€hrungs- 
methoden mit  den  verschiedenartigsten  NĂ€hrmischungen  ge- 
litten haben,  in  die  Anstalt.  FĂŒr  die  Anwendung  der  Ei- 
weißmilch bei  bisher  mit  den  ĂŒblichen  Milchmischungen 
kĂŒnstlich  genĂ€hrten  Kindern  die  mangelndes  Gedeihen, 
BlĂ€sse,  Schlaffheit,  lĂ€ngeren  Gewichtsstillstand,  dĂŒnne,  zer 
fabrene,  dyspeptische  StĂŒhle,  vasomotorische  Störungen, 
subtoxische  und  toxische  Erscheinungen  aufweisen.  Wenn 
bei  den  gewöhnlichen  Milchmehlmischungen,  sei  is  in  Form 
von  Halbmilch  oder  Zweidrittelmilch,  mehr  oder  minder 
akute,  unter  Gewichtsstillstand  oder  Gewichtsabnahme  ge- 
hÀufte Entleerungen  auftraten,  so  konnte  man  nach  Ein- 
schaltung einer  6 — 12  stĂŒndigen  TeediĂ€t  und  anfangs  kleinen 
und  spĂ€ter  grĂ¶ĂŸeren  Mengen  ein  Festerwerden  der  StĂŒhle  und 
ein  Steigen  der  Gewichtskurve  und  Verschwinden  der  dys- 
peptischen und  der  geschilderten  paradyspeptischen  Erschei- 
nungen beobachten. 

Bei  mehr  chronisch  verlaufenden  FĂ€llen  wurde  der 
Uebergang  zur  Eiweißmilch  nicht  plötzlich,  sondern  ein- 
schleichend durch  allmÀhlichen  Ersatz  der  bisherigen  Nah- 


10 


Moll:  Dyspepsie  der  SĂ€uglinge 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


rung  mit  Eiweißmilch  durchgefĂŒhrt.  Die  Eiweißmilch  wurde 
durchschnittlich  nur  4 — 8  Wochen  verabreicht  und  dann 
durch  die  gewöhnliche  Kt-Milch  mit  10%  Zucker-  und  7% 
Mehl-  oder  Schleimzusatz  in  der  VerdauungsflĂŒssigkeit  er- 
setzt. Bei  schwer  geschÀdigten  Kindern  winde  die  Repa- 
ration mit  einem  niedrigen  Energiequotienten  von  80  bis 
90  Kalorien  per  1  kg  unter  allmÀhlicher  Steigerung  auf  100 
bis  120  versucht.  Bei  leichter  geschÀdigten  Kindern  wurde 
der  Energiecjuolient  pro  1  kg  Körpergewicht  mit  100  Kalorien 
vou  vornherein  angenommen.  Wenn  aber  bei  den  kĂŒnstlich 
genÀhrten  dvspeptischen  Kindern  nicht  innerhalb  kurzer 
Zeit,  d.  h.  innerhalb  der  ersten  2 — 3  Tage  sich  eine  wesent- 
liche Neigung  zur  Besserung  feststellen  ließ,  wenn  die 
StĂŒhle  ihre  dĂŒnnflĂŒssige  Form  behielten  und  in  gehĂ€uftem 
Zustande  entleert  wurden,  wenn  das  Kind  weiter  starke  Ge- 
wichtsabnahme zeigte  und  die  Gewichtskurve  keine  Tendenz 
zum  Stillstand  oder  Aufstieg  annahm,  kurz,  wenn  sich  die 
dvspeptischen  Erscheinungen  immer  mehr  verschlechterten 
oder  Intoxikationssymptome  hervortraten,  so  hielt  ich  im 
Gegensatz  zu  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  ein  lÀngeres  Zuwarten  auf 
Grund  frĂŒherer  anfĂ€nglicher  Mißerfolge  fĂŒr  nicht  lĂ€nger  an- 
gezeigt und  wÀhlte  eine  vollkommen  m  i  1  c  h  1  o  s  e  Kost. 

Mit  dieser  milchlosen  DiÀt  habe  ich  in  den  letzten  zwei 
Jahren  bei  schweren  dyspeptischen  Formen,  wie  sie  gewöhn- 
lich auch  in  der  alten  Nomenklatur  als  schwere  Magen-  oder 
Darmkatarrhe  der  SĂ€uglinge  bezeichnet  wurden,  in  solchem 
Maße  gute  Resultate  erzielt,  so  daß  ich  nicht  anstehe,  sie  zur 
NachprĂŒfung  anzuempfehlen.  Diese  milchlose  DiĂ€t  ist  nur 
zum  Teil  eine  RĂŒckkehr  zur  alten  Mehltherapie.  Es  unter- 
scheidet sich  die  von  mir  gewÀhlte  milchlose  DiÀt,  die  ich  kurz 
P  u  d  d  i  n  g  d  i  Ă€  t  nennen  möchte  dadurch,  daß  sie  die  Nach  - 
teile  der  gewöhnlichen  MehldiÀt  wesentlich  verringert  bzw. aus  - 
schaltet.  UrsprĂŒnglich  habe  ich  diese  PuddingdiĂ€t  in  Form 
eines  Cakespuddings  zur  Behandlung  des  Pylorospasmus  ver- 
wendet. (Siehe  Zeitschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Band  22, 
Seite  147.  Moll:  Die  Behandlung  des  Pylorospasmus  des 
SĂ€uglings  mit  milcharmer  Breikost.)  Ich  konnte  zeigen,  wie 
bei  schweren  FĂ€llen  von  Pylorospasmus  durch  Anwendung 
einer  milchfreien,  aber  kalorisch  ausreichenden  Breikost  selbst 
in  jenen  FÀllen,  wo  die  gewöhnliche  milchhaltige  Breikost 
versagte,  gute  Resultate  erzielt  werden  können.  In  letzter 
Zeit  hat  F  r  i  e  d  j  u  n  g  in  der  MĂŒnchener  medizinischen 
Wochenschrift  diese  Beobachtungen  auch  bestÀtigen  können. 
Der  Cakespudding  wird  in  folgender  Weise  zubereitet: 
75  g  Cakesmehl,  40  g  Zucker,  20  g  Butter,  1  Eidotter, 
1  g  Kochsalz  werden  in  :7s  Liter  Wasser  angerĂŒhrt 
und  hernach  mit  dem  zu  Schnee  geschlagenen  Eiklar  fest 
verrĂŒhrt.  Die  gut  durchgetriebene  Masse  wird  in  eine  kleine 
Puddingform,  die  mit  5  g  Butter  ausgeschmiert  wird,  gegeben 
und  eine  Stunde  lang  in  Dunst  erhitzt.  In  Àhnlicher  Weise 
wie  der  aus  Cakes  hergestellte  Pudding  kann  man  auch  einen 
solchen  aus  Reis  herstellen,  indem  man  75  g  Reis  in  einem 
halben  Liter  Wasser  unter  jeweiliger  ErgÀnzung  des  Ver- 
dunstungswassers weichkocht  und  nach  Erweichung  des 
Reis  das  Wasser  verdunsten  lĂ€ĂŸt.  Der  Reis  wird  passiert 
und  mit  Zucker  und  Eidotter,  bezw.  Eiklar  in  den  oben  ge- 
nannten Mengen  verrĂŒhrt.  Die  Puddingmasse  wird  entweder 
mit  den  gleichen  oder  zwei  Teilen  Tee  verrĂŒhrt,  in  der 
Flasche  verabreic  ht.  Diese  Puddingmasse  enthÀlt  pro  100  g 
rund  200  Kalorien.  Der  Wasserzusatz  wird  verschiedenartig 
gewÀhlt,  je  nachdem  man  eine  konzentriertere  oder  weniger 
konzentrierte  Nahrung  verabreichen  will.  Bei  Brechneigung 
ist  die  erstere  Form  angezeigt.  Die  Anwendung  des  Pud- 
dings wird  bei  ĂŒber  3  Monate  alten  Kindern  mit  grĂ¶ĂŸerer 
Sicherheit  und  mit  grĂ¶ĂŸerem  Erfolge  verbunden  sein  als  bei 
jĂŒngeren  SĂ€uglingen.  Bei  jĂŒngeren  Kindern  versuchten  wir 
die  PuddingdiÀt  mit  Frauenmilch  abwechselnd  zu  geben  oder 
auch  in  der  Weise,  daß  Frauenmilch  mit  Puddingmasse  zu 
gleichen  Teilen  verrĂŒhrt  verabreicht  wurde.  Sowohl  durch 
Ă€en  Fettgehalt  wie  durch  den  Eiweiß-  und  Salzgehalt  stellt 
die  PĂŒddingdiĂ€t  eine  suffiziente  und  kalorisch  hochwertige 
Nahrung  dar.  Man  vermeidet  damit  die  mit  dem  Hunger 
verbundenen  SchĂ€digungen,  ohne  Milch  geben  zu  mĂŒssen. 


Wenn  man  gezwungen  ist,  die  Milchnahrung  ganz  wegzu- 
lassen, wie  sich  dies  bei  schwer  dyspeptischen  und  toxischen 
Erscheinungen  empfiehlt,  so  ist  die  alleinige  Verabreichung 
der  Mehltherapie,  in  Form  der  ĂŒblichen  Kindermehle  mit  der 
Gefahr  der  UnterernĂ€hrung  bezw.  des  Eiweiß-  und  Salz- 
hungers verbunden.  Die  Warnung  vor  dem  Hunger  wird 
demjenigen  hier  bald  als  sehr  berechtigt  erscheinen,  der  Ge- 
legenheit hat,  mit  einer  so  gewÀhlten  kalorisch  hochwertigen 
Nahrung  die  Reparation  einzuleiten,  ohne  die  toxisch  wir- 
kende Milch  anwenden  zu  mĂŒssen.  In  vielen  FĂ€llen  zeigt  sich 
nĂ€mlich,  daß  die  Kinder  auf  der  Höhe  der  Erkrankung  durch 
die  milchhaltige  Nahrung  derartig  geschĂ€digt  sind,  daß  sie 
Milch  in  keinerlei  Form,  auch  nicht  in  der  Form  von  Butter- 
milch, Eiweißmilch  oder  Malzsuppe,  ja  selbst  Frauenmilch 
vertragen,  und  daß  erst  die  vollstĂ€ndige  Ausschaltung  der 
Milch  aus  der  Nahrung  die  schwierige  Heilung  anbahnt.  Das 
Stuhlbild  und  die  Darmflora  verÀndern  sieh  bei  Ausschal- 
tung der  Milch  aus  der  Nahrung  mit  einem  Schlage  voll- 
stĂ€ndig. Die  StĂŒhle  nehmen  breiige  und  feste  und  saure  Be- 
schaffenheit an.  Besonders  interessant  gestalten  sich  Beob- 
achtungen von  der  Art,  daß  z.  B.  ein  Kind,  das  bei  einer 
gewöhnlichen  %  -Milchmehlmischung  erkrankt  war,  bei  ein- 
geleiteter EiweißmilchdiĂ€t  nicht  genas,  sondern  im  Gegen- 
teil eine  Verschlechterung  der  ErnÀhrungsstörung  aufwies, 
daß  erst  bei  PuddingdiĂ€t  eine  Reparation  angebahnt  wurde, 
die  den  Gewichtssturz  aufhielt,  eine  Einstellung  bezw.  Steige- 
rung des  Gewichtes  herbeifĂŒhrte,  und  daß  dann  bei  allmĂ€h- 
licher Einschaltung  der  Eiweißmilch  oder  der  ursprĂŒnglichen 
Ä  -Mehlmilchmischung  die  vollstĂ€ndige  Genesung  des  Kindes 
erfolgte. 

Also,  dieselbe  Mischung,  die  zuerst  krankmachend  wirkte, 
wurde  Heilnahrung,  als  durch  3 — 4  Tage  hindurch  jegliche 
Milch  aus  der  Nahrung  weggelassen  worden  war.  Welche 
Substanz  in  der  Milchmehlmischung  oder  in  der  Eiweißmilch 
die  schĂ€digende  Wirkung  ausgeĂŒbt  hat,  dies  zu  entscheiden 
sind  wir  nicht  imstande;  jedenfalls  reicht  die  milchlose  Pud- 
dingdiÀt hin,  um  den  Organismus  vor  Hunger  und  seinen 
schĂ€digenden  Wirkungen  zu  schĂŒtzen  und  ihm  so  viele  NĂ€hr- 
stoffe zuzufĂŒhren,  daß  der  Gewichtssturz  aufgehalten  und  die 
Reparation  eingeleitet  ward. 

Wenn  bei  neuerlicher  Zufuhr  von  MilchdiÀt  in  irgend- 
einer Form  abermals  eine  Verschlechterung  der  dyspeptischen 
und  toxischen  Erscheinungen  eintrat,  so  wurde  die  Pudding- 
diÀt neuerdings  aufgenommen  und,  um  einen  Salzhunger  zu 
vermeiden,  statt  mit  Wasser  mit  Molke,  die,  wie  mitgeteilt 
wurde,  bei  der  Eiweißmilchbereitung  gewonnen  wurde,  ge- 
mischt. Auch  haben  wir  bei  FĂ€llen  schwerer  Toxikose  die 
Molke  rektal  verabreicht,  indem  sie  mit  einer  10  prozentigen 
Zuckerlösung  gemischt,  vor  den  Mahlzeiten  alle  3 — 4  Stunden 
per  Klysma  in  Mengen  von  30 — 40  cm3  verabreicht  wurde, 
oder  indem  sie  als  Tropfklysma  zur  Anwendung  gelangte. 

Bei  jĂŒngeren  Kindern,  bei  denen  Frauenmilch  unum- 
gÀnglich notwendig  war,  konnte  oft  in  schweren  FÀllen  von 
mit  toxischen  Erscheinungen  einhergehender  Dyspepsie  trotz 
Verabreichung  reiner  Frauenmilch  keine  Gewichtseinstellung 
und  Reparation  angebahnt  werden.  In  diesen  FĂ€llen  erwies 
sich  die  Mischung  von  Frauenmilch  mit  Molke,  welche  im 
VerhÀltnis  von  2  Teilen  Frauenmilch  und  einem  Teil  Molke 
verabreicht  wurde,  als  recht  vorteilhaft. 

Die  oft  verblĂŒffend  gute  Wirkung  der  Molketherapie 
steht  mit  der  Ansicht  von  Finkelstein  und  L.  F.  M  e  y  e  r 
sowie  anderen  Autoren,  welche  in  der  Molke  das  schÀdigende 
Agens  gefunden  zu  haben  glauben,  in  einem  gewissen  Wider- 
spruch. Unsere  Beobachtungen  mit  Ein-  und  Ausschaltung 
der  Molke  fĂŒhrten  zu  dem  Schluß,  daß  nicht  in  der  Molke, 
sondern  im  Kasein  die  schÀdigende  Wirkung  zu  suchen  sei. 
Wurde  das  Kasein  aus  der  Nahrung  weggelassen,  und  wurde 
Molke  und  Pudding  verabreicht,  so  trat  Besserung  ein.  Neuer- 
liche Zugabe  von  Kasein  verschlechterte  hÀufig  den  Zustand, 
so  daß  die  Annahme  eines  Kaseinschadens  naheliegt,  ohne 
jedoch  behaupten  zu  wollen,  daß  er  hiermit  bewiesen  sei. 
Von  maßgebender  Bedeutung  fĂŒr  die  schĂ€digende  bezw. 
heilende  Wirkung  des  Kaseins  scheinen  die  physikalisch- 


10.  Jahrg.   -  Nr.  1 


I .ackncr:  I lohlfulllMsrliwci  den 


chemischen  Momente  zu  sein.  Die  K,a s  e i n k  a  1  k v  e  r 
bin  dun  g,  wie  sie  durch  das  Kochen  der  Milch  mil  ("nie. 
lacticum  entsteht,  stellt  eine  fixe  Verbindung  dar,  durch 
welche  der  Kalk  in  tiefer  gelegene  Darmabschnitte  zu  ge- 
langen scheint.  HierfĂŒr  sprechen  auch  ErnĂ€hrungsversuche, 
die  solchermaßen  angestellt  wurden,  daß  Kinder,  die  bei  einer 
%  -Milchschleimmischung  nicht  gediehen,  eine  wesentliche 
Besserung  des  ErnÀhrungserfolges  aufwiesen,  als  die  gleiche 
Nahrung  mil  Calc.  lad.  aufgekocht  in  gleichen  quantitativen 
Mengen  verabreicht  wurde.  Z.B.  'A  Liier  Milch  gemischt 
mil  1  Liter  7%  Reisschleim  (der  10%  Zucker  enthĂŒll)  win- 
den mit  2  g  Calc.  lact.  unter  RĂŒhren  aufgekocht.  Oh  hier 
die  feinflockige  Verteilung  des  Kaseins  oder  die  Ueber- 
fĂŒhrung  des  Kaseins  in  die  Kaseinkalkverbindung  maß- 
gebend  war,  sollen  erst  weitere  Untersuchungen  feststellen. 
Jedenfalls  konnten  wir  leichlere  dyspeptische  Störungen 
schon  durch  diese  einfache  Modifikation  der  Milch  ohne 
Aenderung  der  quantitativen  VerhĂ€ltnisse  gĂŒnstig  beein- 
flussen. Konnte  jedoch  durch  die  kalkangereicherte  geronnene 
Milch  keine  Einstellung  und  keine  Aenderung  des  Sluhl- 
bildes  erzielt  werden,  wurde  ebenfalls  wie  bei  der  Eiweiß- 
milchtherapie eine  2 — 3  tĂ€gige  milchlose  DiĂ€t,  die  Pudding- 
diÀt eingeschaltet,  die  um  so  lÀngere  Zeil  (im  Höchstfall 
durch  8  Tage)  fortgesetzt  wurde,  je  Àlter  der  SÀugling  war. 

Die  DiÀtetik  im  SÀuglingsalter  ist  Wissenschaft  und 
Kunst.  Die  erslere  sucht  auf  dornenreichen,  von  Irrungen 
nicht  freien  Wegen  zu  Heilnahrungen  zu  gelangen,  welche 
allerdings  nur  dann  sich  bewÀhren,  wenn  sie  nur  bei  den 
fĂŒr  sie  bestimmten  Indikationen  angewendet  werden.  Diese 
zu  finden  wird  dem  geĂŒbten  und  am  SĂ€uglingsbett  geschulten 
Arzt  gelingen.  Wer  die  feinen  Abstufungen  im  Befinden  des 
kranken  SĂ€uglings  erkennen  zu  lernen  Gelegenheit  hatte, 
wird  diesen  entsprechend  die  richtige  Heilnahrung  anwenden 
und  auch  sie  quantitativ  richtig  zu  bemessen  verstehen.  Er 
wird  nach  dem  klinischen  Bilde  das  NahrungsbedĂŒrfnis  ein- 
schÀtzen können.  Das  beste  Instrument  versagt  in  den 
HĂ€nden  des  UnkĂŒnstlerischen  und  der  wahre  KĂŒnstler  wird 
auch  dem  nicht  vollkommenen  Instrument  schöne  Harmonien 
zu  entlocken  verstehen.  Nur  so  ist  es  zu  erklĂ€ren,  daß  der 
eine  mit  ein  und  derselben  Heilnahrung  Erfolge,  der  andere 
Versager  hat. 


Hohlfußbeschwerden. 

Von  Dr.  Felix  Lackner, 
Spezialarzt  fĂŒr  OrthopĂ€die,  Charlottenburg.     (Ehem.  Assist,  d 
Univ.-Instituts  fĂŒr  OrthopĂ€die,  Berlin.  Direktor:  Prof.  Gocht.) 

Unter  den  vielen  Ursachen,  die  Fußbeschwerden  machen, 
ist  wohl  die  Hohlfußbildung  diejenige,  die  nicht  nur  in 
Laien-,  sondern  auch  in  Aerztekreisen  am  wenigsten  bekannt 
ist  oder  wenigstens  in  ihrer  vollen  Bedeutung  meist  nicht 
richtig  gedeutet  und  ausgewertet  wird. 

Um  die  Arl  der  Hohlfußbeschwerden  richtig  einschĂ€tzen 
zu  können,  muß  man  die  Entstehungsart,  den  Entwicklungs- 
mechanismus und  die  Entwicklungsmöglichkeiten  des  Hohl- 
fußes sich  vergegenwĂ€rtigen. 

Der  Hohlfuß  kann  ererbt  oder  durch  embryonalen  Bil- 
dungsfehler  entstanden  oder  spÀter  durch  Infektionskrank- 
heiten, meist  spinale  KinderlÀhmung,  erworben  sein. 

Die  ererbten  HohlfĂŒĂŸe  sind  meist  keine  hochgradigen 
Verbildungen,  sie  werden  mit  „hohem  Spann"  oder  „hohem 
Reihen"  bezeichnet  und  finden  sich  meist  beiderseitig  bei 
mehreren  Familienmitgliedern  in  mehreren  Generationen 
hintereinander. 

Beim  infolge  embryonalen  Bildungsfehler  entstandenen 
Hohlfuß  ist  oft  spina  oifida  festgestellt  worden.  Die  Fuß- 
verbildung zeigt  sich  auch  hier  meist  beiderseitig,  entwickelt 
sich  nach  und  nach  zu  hohen  Graden  und  ist  manchmal  noch 
mit  anderen  Mißbildungen  vergesellschaftet. 

Der  durch  Infektionskrankheiten,  vor  allem  spinale 
KinderlĂ€hmung  zustande  gekommene  Holdfuß  kann  alle 
Grade,  vom  leichtesten  bis  zum  schwersten,  zeigen,  kommt 


meist  einseitig  vor,  kann  aber  mil  verschiedenen  LĂ€lnnungs 
erscheinungen  am  Skelett    und    der  Muskulatur   des  Fußen 
oder  der  ganzen  ExtremitÀt  verbunden  sein. 

Der  Hohlfuß  aller  drei  Entstehungsarten  zeigl  dieselben 
eigenartigen  mechanischen  Verhaltnisse.  Die  vermehrte  Fuß- 
LĂ€ngswölbung  kömmt  dadurch  zustande,  daß  im  Lisfranc- 
schen  Gelenk,  in  schwereren  FĂ€llen  im  Lisfranc 'sehen  und 
Chopart'schen  Gelenk  eine  stÀrkere  Flektionsstellung  der 
distalen  Fußteile  vorliegt,  oft  mit  Verbildung  der  Skelett- 
teile. Beim  normalen  Fuß  hallen  sich  die  langen  und  kurzen 
Muskeln  und  BĂ€nder  des  FußrĂŒckens  mil  denen  der  l'uli- 
planta  das  Gleichgewicht;  beim  Hohlfuß  sind  dadurch,  dal! 
die  LĂ€ngswölbung  des  Fußes  vermehrt  ist,  die  BĂ€nder  und 
Muskeln  der  Dorsalseite  ĂŒberdehnt  oder  ĂŒbernatĂŒrlich  lang 
im  VerhÀltnis  zu  denen  der  Plantarseile  und  nicht  so 
leistungsfĂ€hig  wie  beim  normalen  Fuß.  Beim  normalen  Fuß 
wird  das  FußlĂ€ngsgewölbe  beim  Stehen  und  besonders  beim 
langen  Stehen,  ebenso  periodisch  beim  Gehen  etwas  abge- 
flacht, beim  Hohlfuß  ist  das  höhere  LĂ€ngsgewölbe  nicht  so 
nachgiebig,  nicht  so  elastisch,  die  Muskeln  des  FußrĂŒckens 
beteiligen  sich  weniger  beim  Muskelspiel  des  Fußes,  der 
Bandapparat  des  FußrĂŒckens  gibt  mein-  nach,  im  Ruhezu- 
stand bleibt  der  Fuß  in  Hohlfußstellung  oder  wird  noch 
hohler.  So  neigt  die  Hohlfußbildung  zur  Progression,  was 
am  meisten  wÀhrend  eines  langen  Krankenlagers  wÀhlend 
einer  beliebigen  Krankheil  in  Erscheinung  tritt.  Wenn  ein 
Patient,  der  bisher  von  seiner  Hohlfußbildung  kaum  etwas 
wußte,  nach  langem  Krankenlager  zum  ersten  Mal  wieder 
aufsteht,  zeigen  sich  Hohlfufibeschwerden,  und  jetzt  erst 
merkt  der  Arzt  die  Deformierung  des  Fußes. 

Die  Hohlfußbeschwerden  kommen  zustande  durch  eine 
gewisse  FußschwĂ€che.  Die  AuftrittsflĂ€che,  der  Gewölbebau 
des  Fußskeletts,  der  Muskel-  und  Bandapparat  sind  nicht  so 
zweckmĂ€ĂŸig  eingerichtet  wie  beim  normalen  Fuß.  Ein  Kind, 
ein  Erwachsener  auch  nur^mit  leichten  HohlfĂŒĂŸen  ist  nicht 
so  leistungsfĂ€hig  wie  jemand  mit  normalen  FĂŒĂŸen.  Das 
zeigt  sich  natĂŒrlich  weniger  beim  Laufen  und  Gehen  auf 
weichem  Boden,  also  auf  dem  Lande,  als  besonders  in  der 
Stadt  auf  Steinpflaster  und  Asphalt.  Es  treten  leicht  Ueber- 
anstrengung,  EntzĂŒndungserscheinungen,  GehunfĂ€higkeit  ein. 
Diese  Beschwerden  werden  sehr  oft  nicht  richtig  gedeutet, 
die  Diagnose  „schwach  gebaute  FĂŒĂŸe"  muß  aushelfen.  Die 
leichte  Hohlfußform  fĂ€llt  ja  nicht  als  unschön  auf,  bei  ganz 
kleinen  Kindern  ist  es  schon  fĂŒr  den  Arzt  schwer,  die  anor- 
male Fußform  zu  erkennen,  da  Fettpolster  die  Hohlform 
verdeckt. 

Ein  weiteres  Zeichen  der  HohlfußschwĂ€che  ist  das 
leichte  Umknicken  in  den  Sprunggelenken,  das  als  sehr  liistig 
empfunden  wird,  nicht  nur  werden  die  Schuhe  leicht  „schief- 
getreten", es  kann  auch  hÀufig  zu  Distorsiouen  Veranlassung 
geben.  Ist  der  Patient  gezwungen,  lange  zu  gehen  oder  zu 
stehen,  so  tritt  frĂŒhzeitig  ErmĂŒdung  ein  und  der  Fuß  kann 
gar  nicht  mehr  aktiv  normal  gehalten  werden,  ohne  in  Val- 
gusstellung  zu  geraten.  Die  Folge  davon  ist  teilweise  Ueber- 
dehnung  des  Muskel-  und  BÀnderapparats  und  weitere  SchÀ- 
digung der  LeistungsfĂ€higkeit.  Es  können  auch  EntzĂŒn- 
dungserscheinungen am  Calcaneus  eintreten  mit  den  schwer- 
sten Beschwerden.  Die  Diagnose  „Calkaneussporn"  trifft 
nicht  den  springenden  Punkt,  und  therapeutische  Maß- 
nahmen, die  nicht  mit  dem  GrundĂŒbel,  der  Hohlfufiform  und 
dem  dadurch  bedingten  pes  valgus  rechnen,  haben  nur  selten 
Erfolg  und  sind  zudem  sehr  langwierig. 

Beim  Hohlfuß  sind  die  ossa  metatarsalia  steiler  zur 
Planta  gestellt  als  beim  normalen  Fuß,  d.  h.  der  Winkel 
zwischen  jedem  einzelnen  os  metatarsale  und  der  zugehörigen 
FußlĂ€ngsachsenlinie  isl  grĂ¶ĂŸer  als  normal.  Infolgedessen 
haben  die  Metatarsophalangealgelenke  eine  ungĂŒnstigere 
Stellung  zur  AuftrittsflĂ€che,  werden  leicht  ĂŒberanstrengt  und 
reagieren  mit  schmerzhaften  EntzĂŒndungserscheinungen. 
Dies  trifft  hauptsÀchlich  auf  das  erste  Metatarsolphalangeal- 
gelenk  zu,  und  wenn  dieses  auch  durch  zwei  ossa  sesamoidea 
besonders  geschĂŒtzt  ist,  so  versagt  dieser  Schutz  gerade  bei 
stĂ€rkerei-  Hohlfußbildung  dadurch,  daß  diese  ossa  sesamoida 


1*2  Michaelis:  Gewerbehygienische  Rundschau 


nach  distal' wÀrts  vom  Gelenk  zu  liegen  kommen,  wie  man 
es  am  deutlichsten  auf  dem  Röntgenbild  jedes  Klauenhohl - 
fußes  konstatieren  kann;  und  der  Klauenhohlfuß  ist  ja  nichts 
anderes  als  eine  Hohifußbildung  stĂ€rksten  Grades.  Daß  diese 
Beschwerden  vom  ersten  Metatarsophalangealgelenk  bei  un- 
zweckmĂ€ĂŸigem Schuhwerk  vergrĂ¶ĂŸert  werden,  ist  leicht  er- 
sichtlich, hier  kommt  es  uns  jedoch  nur  darauf  an,  zu  zeigen, 
daß  die  erste  Ursache  dieser  Beschwerden  oft  die  Hohlfuß- 
bildung sein  kann.  In  frĂŒhester  Jugend  ist,  auch  bei  schwe- 
rerer Hohlfußform,  von  diesen  Beschwerden  kaum  etwas  zu 
merken,  da  schĂŒtzt  noch  der  jugendlich  straffe  Bandapparat 
und  das  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  stĂ€rkere  Fettpolster.  Diese  Be- 
schweiden treten  erst  ein  etwa  im  15..  18.,  20.  Lebensjahre, 
und  zwar  bei  sehr  schweren  und  infolge  sehr  langer  Bett- 
lĂ€grigkeit  sich  verschlimmernden  Hohlfußbildungen  mit  einer 
gewissen  GesetzmĂ€ĂŸigkeit. 

Dadurch,  daß  sich  im  Laute  der  Jahre  eine  mittelgradige 
Hohlfußform  allmĂ€hlich  oder  infolge  schwerer  Krankheit  mit 
BettlÀgrigkeit  in  kurzer  Zeit  in  eine  hochgradige  umwandelt, 
werden  unwillkĂŒrlich  durch  mechanische  Notwendigkeit  die 
kurzen  und  langen  Zehenstrecker  zu  kurz  und  ziehen  die 
Zehen  allmÀhlich  immer  mehr  in  Hammerzehenstellung.  Es 
bildet  sich  so  die  eben  ei  wĂ€hnte  Klauenhohl  fußform  aus. 
Druck-  und  Scheuerstellen  an  den  Zehen  und  unter  dem 
vorderen  queren  Fußgewölbe.  EnlzĂŒndungserseheinungen  an 
den  Phalangeal-  und  Metatarsophalangealgelenken  sind  die 
hauptsÀchlichsten  Krankheitserscheinungen  der  Hammer- 
zehenbildung. Fertige  Schuhe  passen  schon  bei  gering- 
gradigem Hohlfuß  schlecht,  es  mĂŒssen  hĂ€ufig  Maßschuhe  an- 
gefertigt werden;  wenn  nun  noch  die  Hammerzehenbeschwcr- 
den  hinzukommen,  spielt  die  Schuhfrage  eine  immer  schwie- 
rigere Rolle.  Dazu  kommt,  daß  das  Hammerzehenleiden  bei 
HohlfĂŒĂŸen  weder  durch  Apparate  noch  durch  Hammerzehen- 
operationen beseitigt  werden  können,  da  durch  die  hoch- 
gradige Hohlfußform  die  Zehen  immer  wieder  in  ungĂŒnstige 
Stellung  gebracht  werden.  Ohne  Angreifen  der  Hohlfuß- 
deformitÀt, in  diesem  Falle  ist  oft  eine  Knochenoperation  des 
Mittelfußes  selbst  notwendig,  ist  dem  Uebel  nicht  abzuhelfen. 

Der  durch  die  Metatarsophalangealgelenke  gebildete  vor- 
dere Fußgewölbebogen  flacht  sich  bei  lĂ€nger  bestehendem 
Hohlfuß  infolge  der  diesem  eigentĂŒmlichen  mechanischen 
VerhÀltnisse  nach  Ueberanstrengungen  oder  in  einem  ge 
wissen  Alter,  wieder  zwischen  dem  15.  und  20.  Lebensjahr, 
leicht  ab,  so  daß  beim  Auftreten  auch  das  zweite,  dritte  und 
vierte  Metatarsophalangealgelenk  dem  Bodendruck  ausgesetzt 
wird  und  mit  EntzĂŒndungserscheinungen  reagiert,  die  die 
LeistungsfÀhigkeit  sehr  stark  herabsetzen.  Die  Abflachung 
des  vorderen  Fußgewölbes  kann  mehr  und  mehr  zunehmen, 
infolge  EntzĂŒndungserscheinungen  sich  in  dieser  anormalen 
Lage  fixieren  und  es  können  dann  noch  die  von  Morton  ge- 
schilderten Plantarnervenschmerzen  hinzukommen.  Un- 
ertrĂ€glich können  die  Ă€ußerst  empfindlichen  Druckschwielen 
werden,  die  sich  an  den  verschiedensten  Stellen  unter  dem 
vorderen  Fußquergewölbe  bilden. 

Alle  diese  Beschwerden  hĂ€ngen  schließlich  zusammen 
mit  dem  Begriff  „FußschwĂ€che".  ,,Insuffizientia  pedis",  und 
die  Gedankenverbindung  „FußschwĂ€che-Plattfußeinlage"  ist 
nicht  nur  beim  Laienpublikum  und  den  OrthopÀdiemechani- 
kern eine  ganz  feststehende  geworden.  Allerdings  wird  eine 
solche  Einlage  bei  vollkommen  fixiertem  Hohlfuß  Ă€lterer  Pa- 
tienten, bei  denen  also  im  Chopart'sehen  und  Lisfranc'schen 
Gelenk  auch  nicht  die  geringste  Beweglichkeit  mehr  vorhan- 
den ist,  oft  von  großem  Segen  sein,  die  Beschwerden  werden 
aufhören,  der  Fuß  wird  eine  gute  StĂŒtze  haben  und  es  wird 
auch  keine  Vermehrung  der  Hohlfußform  eintreten.  Anders 
beim  noch  nicht  fixierten  Hohlfuß,  insbesondere  beim  Hohl- 
luß  des  wachsenden  Kindes.  Hier  werden  die  Beschwerden 
nur  fĂŒr  die  erste  Zeit  beseitigt  und  die  Gefahr  ist  sehr  groß, 
daß  die  Hohlform  durch  eine  solche  Einlage  noch  vermehrt 
wird  und  dementsprechend  die  Beschwerden  sich  steigern. 

Die  OrthopĂ€die  verfĂŒgt  ĂŒber  zahlreiche,  gut  ausgebildete 
Methoden,  die  Hohlfußbcschwerden  zu  beseitigen,  resp.  zu 
lindern.   Bei  leichten  HohlfĂŒĂŸen,  insbesondere  in  frĂŒher  Ju- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


gend,  leisten  gymnastische  und  redressierende  Uebungen  und 
Massage  in  Verbindung  mit  kleinen  orthopÀdischen"  Appa- 
raten vorzĂŒgliches.  Die  von  Gocht  angegebene  „flache 
Sohle  mit  Spannlasche"  hĂ€lt  das  durch  RedressionsĂŒbungen 
abgeflachte  FußlĂ€ngsgewölbe  in  dieser  Stellung  fest  und  kann 
ohne  Beschwerden  fĂŒr  lange  Zeit  tags  und  nachts  getragen 
werden.  Und  sowohl  bei  angeborenem  als  auch  bei  erwor- 
benem Hohlfußleiden  bringt  solche  sorgfĂ€ltige,  eventl.  ĂŒber 
Jahre  hinaus  durchgefĂŒhrte  Behandlung  oft  vollkommene 
Heilung. 

Bei  schwereren  FĂ€llen  kommt  man  noch  sehr  gut  zum 
Ziel  mit  ein-  oder  mehrmaligen  Redressionen  in  Narkose  mit 
darauffolgenden  mehrwöchigen  GipsverbÀnden  und  spÀterer 
lĂ€ngere  Zeit  durchgefĂŒhrter  Massage-  und  ĂŒebungsbehand - 
hing,  auch  wieder  in  Verbindung  mit  der  „flachen  Sohle  mil 
Spannlasche". 

Bei  den  sogenannten  LĂ€hmungshohlfĂŒĂŸen  haben  auch  oft 
ausgezeichnete  Resultate  Muskel-  und  Sehnenoperationen.  bei 
denen  teilweise  oder  ganz  gelÀhmte  Muskeln  durch  vollwertige 
ersetzt  werden. 

Bei  den  schwersten  FĂ€llen  kann  man  sich  nur  von  sein 
eingreifenden  Knochenoperationen  Heilung,  d.  h.  volle 
LeistungsfĂ€higkeit  des  Fußes,  versprechen. 

Wie  aus  den  obigen  AusfĂŒhrungen  hervorgeht,  wird  es 
immer  eine  dankbare  Aufgabe  des  Arztes  sein,  m  ö  g  1  i  c  h  s  1 
frĂŒhzeitig  die  Hohifußbildung  festzustel- 
len, da  jeder  Hohl  fuß  bei  Uebe ran  streu 
g  u  n  g  und  lÀngerem  Krankenlager  zur  Pro 
gression  neigt  und  hier  eine  versÀumte 
Gelegenheit,  frĂŒhzeitig  zu  behandeln,  spĂ€- 
ter seh  r  s  c  h  w  e  r  e  Folge  n  h  a  ben  k  a  n  n.  Ein  - 
gehende  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  „Hohlfußbehandlung"  finden 
sich  in  meiner  gleichnamigen  Arbeit  im  Archiv  fĂŒr  ortho- 
pÀdische und  Unfallchirurgie  1922. 


Gewerbehygienische  Rundschau  ĂŒber  das  Jahr  1921. 

Voii  Dr.  P  a  u  I  Michaeli  s.  Fabrikarzt  der  Chemischen  Fabrik 
Griesheim-Electrön  zu  Bitterfeld. 

Wie  in  Nr.  28  dieser  Wochenschrift  ausfĂŒhrlicher  erörtert 
wurde,  besitzt  nun  auch  Preußen  selbstĂ€ndige  medizinische 
Gewerbeaufsichtsbeamte,  Landesgewerbearzt  mit  dem  Amts 
titel  Gewerbemedizinalrat.  Ueber  das  Programm  diese] 
neuen  Institution  unterrichtet  uns  Beyer,  der  Referent  im 
Wohlfahrtsministerium,  in  seiner  ausgezeichneten  Schrift: 
Gesundheit  und  gewerbliche  Arbeit.  (Verlag  Schötz-Berlin.) 
Ein  Hauptziel  der  Àrztlichen  Gewerbeaufsicht  ist  die  Be- 
kÀmpfung und  möglichste  Ausrottung  der  Gewerbekrank  - 
heilen,  wozu  die  EinfĂŒhrung  einer  allgemeinen  Anzeige 
pflicht  dieser  seitens  der  praktischen  Aerzle  sich  als  unbe- 
dingt notwendig  erweist.  Francke  und  B  a  c  h  f  e  I  d  be- 
richten hierĂŒber  auf  Grund  einer  Umfrage  (Meldepflicht  der 
Berufskrankheiten.    Verlag  Jul.  Springer,  Berlin). 

Eine  internationale  Uebersicht  ĂŒber  die  Gewerbekrank 
heiten  allerdings  erst  fĂŒr  1913  gibt  Tele  k  y  -Brezo  n  a, 
Wien.    Es  wĂ€re  sehr  zu  begrĂŒĂŸen,  wenn  diese  Wiener  Ar- 
beiten sich  mit  etwas  preußischer  PĂŒnktlichkeit  einstellen 
wĂŒrden. 

Auf  der  letzten  Tagung  des  Internationalen  Arbeitsamtes 
in  Genf  wurde  die  Frage  des  eventuellen  Bleiweißverbotes 
erörtert.  Sowohl  von  technischer  wie  auch  medizinischer 
Seite  sind  eine  Reihe  Arbeiten  fĂŒr  und  wider  erschienen. 
Teleky:  Die  Bleifarbenverwendung  zu  Anstreicherarbeiten 
(Verlag  Schötz-Berlin)  und  K  ö  1  s  c  h:  Die  BleischÀdigungen 
im  Maler-  usw.  Gewerbe  unter  dem  Gesichtswinkel  des  Arztes 
und  des  Gesetzgebers  (Verlag  Streine-Hamburg)  zeigen  be- 
kannte Gewerbehygieniker  als  Verfasser. 

Von  den  ĂŒbrigen  zahlreichen  Arbeiten,  welche  sich  mit 
der  Bleivergiftung  befassen,  kann  ich  nur  folgende  erwÀhnen. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


Michaelis:  Gcwcrbehygienischc  Kundschau 


Schön  fei  d  (Das  drohende  Bleiweißverbot)*)  verfocht 
den  Standpunkt,  daß  es  unnötig  und  unberechtigt  ist,  das 
Bleiweiß  und  schließlich  das  Blei  ĂŒberhaupt  wegen  der  Ver 
giftungsgefahr  aus  dir  Industrie  zu  verbannen.  „Die  Blei- 
erkrankungen sind  als  Beruf  sunfallKrankheiten  gesetzlich  zu 
werten,  Schiedsrichter  ist  auch  hier  das  Mikroskop.  Bei 
allen  Kranken,  die  sichtbare  Zeichen  von  Bleivergiftung  auf- 
weisen, ist  basophile  Körnelung  der  roten  Blutkörperchen 
vorhanden  und  dieses  Symptom  hat  sieh  auch  praktisch  zur 
FrĂŒhdiagnose  stets  bewĂ€hrt.  Schwere,  komplizierende  Er- 
krankungsformen dĂŒrfen  dank  der  Blutuntersuchung  nicht 
mehr  vorkommen.  Die  Blutuntersuchung  hat  sie  zu  ver- 
hĂŒten und  somit  die  schweren  Gefahren  der  Bleiindustrie  vom 
gewerbetreibenden  Volke  fernzuhalten.  Darin  liegt  der 
Segen  dieser  Methode." 

In  einer  anderen  Arbeit:  Zur  FrĂŒhdiagnose  der  Bleiver- 
giftung geht  Schönfeld  nÀher  auf  die  Blutuntersuchung 
ein.  Grawitz  fand  als  erster  in  den  roten  Blutkörperchen 
krankhafte  VerÀnderungen,  nÀmlich  zahlreiche  punktförmige 
Gebilde,  die  sog.  Granula  oder  TĂŒpfel,  welche  sich  als  patho- 
gnomonisch  fĂŒr  Bleikrankheit  erweisen  sollten.  Seit 
Sc h m i d t  - T r  a u t  m  a  n  n  s  praktischen  Untersuchungen 
hat  sich  die  Blutuntersuehung  Bleikranker  mehr  und  mehr 
eingebĂŒrgert.  „Ich  fand  Körnelung  der  roten  Blutkörper- 
chen in  der  Zahl  von  30—15  000  auf  1  Million  und  bewerte 
von  meinem  Standpunkte  als  Vertrauensarzt  aus  auch  einen 
Befund  von  unter  100  gekörnten  roten  Blutkörperchen  auf 
1  Million  schon  als  positiv."  Zu  bemerken  ist,  daß  bei  dem 
Eintreten  einer  schwereren  Komplikation  —  wie  Nierenent- 
zĂŒndung, BleilĂ€hmung  —  eine  Beaktion  der  blutbildenden 
Organe  nicht  mehr  eintritt.  Die  Blutuntersuchung  ist  ein 
sicheres  Hilfsmittel  zur  Erkennung  des  ersten  Stadiums  der 
Bleivergiftung  bevor  noch  andere  Zeichen  einer  Bleiver- 
giftung aufgetreten  sind.  WĂ€hrend  vor  der  systematischen 
Blutuntersuchung  in  der  Leipziger  Ortskrankenkasse  sieh 
durchschnittlich  jÀhrlich  249  Personen  wegen  Bleikrankheit 
mit  7850  Krankengeldtagen  krank  meldeten,  haben  sich  seit 
ihrer  EinfĂŒhrung  im  Jahre  1919  nur  20  Mann  erwerbsun- 
fÀhig gemeldet.  Die  Blutuntersuehung  bildet  eine  Beruhi- 
gung fĂŒr  die  Aengstlichen  und  Hypochonder  und  eine  Ueber  - 
fĂŒhrung  von  Arbeitsscheuen. 

WÀhrend  diese  BlutprÀparate  bisher  in  der  alten  ge- 
wohnten Art  durch  Ausstreichen  gewonnen  wurden,  emp- 
fiehlt Schwarz  (Ueber  Blutuntersuchungen  bei  Bleikrank  - 
heitsverdÀchtigen.  Medizinische  Klinik,  1921,  Nr.  22)  die 
Untersuchung  im  dicken  Tropfen.  Zur  Orientierung  ist  sie 
einfacher  und  billiger. 

Im  Gegensatz  zu  S  c  h  ö  n  f  e  1  d  legt  B  ö  1 1  r  i  c  h  (Einige 
Bemerkungen  zur  „FrĂŒhdiagnose  der  Bleivergiftung")  mehr 
Wert  auf  die  bekannten  klinischen  Symptome.  Bleisaum 
kann  nur  durch  Blei  entstehen.  Niemals  zerfÀllt  er  ge- 
schwĂŒrig wie  z.  B.  bei  Quecksilber.  PrĂ€dilationsstelle  im 
Bereich  der  Mundspalte  und  an  den  EckzÀhnen.  Betreffs  der 
BleilÀhmungen  ist  er  sehr  optimistisch,  nach  seiner  Er- 
fahrung sind  alle  diese  Paresen  restlos  zurĂŒckgegangen!  Als 
Erkennungszeichen  einer  Bleivergiftung  fordert  er:  Blei- 
kolorit,  Bleisaum,  Basophilie,  HĂ€matoporphyrie. 

In  WĂŒrdigung  der  Wichtigkeit  der  Blutuntersuchung 
lĂŒr  die  Diagnose  der  151  ei  Vergiftung  ist  in  dem  Laboratorium 
fĂŒr  gewerbliche  Medizin  und  Hygiene  des  bayerischen 
Landesgewerbearztes  zu  MĂŒnchen  eine  unentgeltliche  Unter- 
suchungsstelle eingerichtet  worden.  (Seiffert:  Blutunter- 
suchungen bei  Verdacht  auf  Bleierkrankungen.  MĂŒnch. 
Med.  Wochenschr.  Nr.  49.) 

Ueber  die  Natur  der  basophilen  Erythrozytengranula  be- 
lichtet G.  Krei  bisc  h  in  Nr.  26  der  Berliner  Klinischen 
Wochenschrift. 

Die  neue  Verordnung  zum  Schutze  der  Preßluftarbeiter 
vom  2<S.  Juni  1920  giebt  LeynVann  Gelegenheit,  sich  ein- 
gehender ĂŒber  die  hierbei  entstehenden  GesundheilsschĂ€di- 

*  Arbeiten,  bei  den  der  Erscheinungsort  nicht  besonders  an- 
gegeben,  erschienen  im  Ceiifralblatl  fĂŒr  Gewerbehygiene. 


gungen  zu  Ă€ußern.  Bei  Taucherarbeiten,  ĂŒberhaupt  bei  allen 
Arbeiten  unter  Wasser,  wenn  das  Wassel-  ans  RĂ€umen  enl 
fernt  werden  soll,  muß  Luft  in  diese  eingedrĂŒckt  weiden,  so 
daß  der  Arbeiter  unter  einem  erhöhten  Luftdrucke  arbeiten 
muß.  Die  hierdurch  .entstehenden  Krankheitserscheinungen 
werden  als  „Taucher-  oder  Caisson -Krankheil*'  bezeichnet! 
„Man  kann  dabei  zwei  Gruppen  von  Krankheitserscheinungen 
unterscheiden:  1.  Trommelfell-  und  Mittelohrstörungen,  odei 
Kopfschmerz,  die  besonders  bei  schnelle!  Steigerung  des 
Druckes  vorkommen  und  oft  sein-  schmerzhaft  sind.  Sie 
treten  auf,  wenn  die  AusgÀnge  in  den  Hohlen  des  Mittelohres 
oder  der  Nase  verengt  oder  verstopft  sind  und  infolgedessen 
der  Druck  der  in  ihnen  befindlichen  Luft  sich  nicht  sogleich 
mit  dem  der  Preßluft  ausgleichen  kann.  2.  Die  eigentlichen 
Preßlufterkrankungen,  die  nur  bei  oder  nach  ĂŒem  Aul 
hören  des  Druckes  —  beim  Ausschleusen  aus  den  Preßluft- 
rĂ€umen —  auftreten.  Sic  sind  darauf  zurĂŒckzufĂŒhren,  daß 
sich  die  KörperflĂŒssigkeit  mit  Gas  sĂ€ttigt  und  grĂ¶ĂŸere 
Mengen  davon  aufnimmt  als  unter  gewöhnlichem  Luftdrucke. 
Wenn  der  Druck  nun  schnell  nachlĂ€ĂŸt,  so  werden  diese  G;ise 
frei  und  scheiden  sich  als  Blasen  ab.  Diese  GasblÀsen  rufen 
nun  dadurch,  daß  sie  den  Blut-  oder  SĂ€fteumlauf  in  den 
betreffenden  Körperleilen  erschweren  oder  ganz  behindern, 
mehr  oder  weniger  bedrohliche,  hÀufig  sehr  schmerzhafte 
Erscheinungen  hervor.  Die  beobachteten  und  bei  mĂ€ĂŸigen 
Drucken  hÀufigsten  Erscheinungen  sind  die  Gliederschmer- 
zen, die  meist  in  Heilung  ausgehen,  aber  auch,  wie  Born- 
stein und  Plate  festgestellt,  zu  Knochenerkrankungen 
und  InvaliditĂ€t  fĂŒhren  können. 

Schwerer  sind  schon  die  Erscheinungen,  die  vom  Gehirn 
ausgehen,  Schwindel,  Kopfschmerz,  Uebelkeit  und  Erbrechen. 
Sie  rĂŒhren  nach  Born  stein  wahrscheinlich  von  einer  zer- 
streuten, sehr  kleinblasigen  Gasentwickelung  im  Gehirn  her 
und  sind  deswegen  unangenehm,  weil  sie  durch  das  ĂŒbliche 
Heilverfahren  (der  Erkrankte  wird  in  einer  besonderen  Vor- 
richtung nochmals  unter  erhöhten  Luftdruck  gebracht  und 
der  Druck  nach  einiger  Zeit  ganz  langsam  und  vorsichtig 
abgelassen)  nicht  gebessert  wird. 

Die  ganz  schweren  Erscheinungen  bestehen  in  LĂ€hmun- 
gen, Lungenembolie  und  HerzschwÀche,  je  nachdem  sich 
grĂ¶ĂŸere  Luftblasen  im  Zentralnervensystem,  in  der  Lunge 
oder  im  Herzen  bilden  oder  ansammeln.  Sie  verursachen 
schwere,  oft  dauernde  LĂ€hmungen  und  nicht  selten  den  Tod." 

Mit  der  Höhe  des  Luftdruckes  steigt  die  Zahl  und 
Schwere  der  Erkrankungen.  Unter  1,3  kg/qcm  Ueberdruck 
pflegen  schwerere  Erkrankungen  auszubleiben. 

Klinisches  und  Experimentelles  ĂŒber  das  anaphylak- 
tische  Bronchialasthma  der  FellfÀrber  berichtet  Hans 
Curschmann  (MĂŒnch.  Med.  Wochenschr.  Nr.  7)  und 
kommt  zu  folgenden  SchlĂŒssen:  Das  Ursol  (p-Phenylen- 
diamin-)  Asthma  der  FellfĂ€rber  und  KĂŒrschner,  eine  in 
kleineren,  hygienisch  noch  unvollkommeneren  Betrieben 
relativ  hÀufige  und  schwere  Erkrankung,  zeigt  klinisch  alle 
Symptome  der  Anaphylaxine. 

Es  gelang  sowohl  im  passiven  als  im  aktiven  Versuch 
an  Meerschweinchen,  den  anaphylaktischen  Charakter  des 
Ursolasthmas  nachzuweisen,  besonders  schwer,  wenn  nach 
Sensibilisierung  mit  Ursol asthmatikerser um  die  Aufnahme 
des  Stoffes  mittels  Inhalation  erfolgt. 

Durch  prophylaktische  Kalziuminjektionen  gelang  es 
regelmĂ€ĂŸig,  dem  anaphylaktischen  Schock  und  Asthma  völlig 
vorzubeugen. 

Die  Kalziumprophylaxe  in  Form  der  Inhalation  wird 
fĂŒr  die  Arbeiter  der  FellfĂ€rberei  und  KĂŒrsc  hnereien  vorge- 
schlagen. 

Wer  sich  fĂŒr  den  ausfĂŒhrlichen  klinischen  und  experi- 
mentellen Teil  interessiert,  findet  ihn  bei  C.  Ger  dorn  und 
Mehl. 

Seit  den  grundlegenden  pathologischen  Untersuchungen 
Zenkers,  Merkels  und  Arnolds  ĂŒber  Pneumono- 
koniosen  sind  wir  nur  wenig  weitergekommen.  18(v>  publi- 
zierte Zenker  2  FĂ€lle  von  Tabakpneumonokoniose,  seit- 
dem finden  wir  keine  neuen  Beobachtungen  in  der  Literatur 


14  Michaelis:  Gewerbehygienische  Rundschau  10.  .Tain  g.  —  Nr.  1. 


Palitzsch  (lieber  Tabak-Pneumonokoniose)  konnte 
einen  neuen  derartigen  Fall  bei  einem  47  jÀhrigen  Mecha- 
niker beobachten,  welcher  an  einer  eigenkonstruierten  Tabak- 
maschine, welche  enorm  viel  Staub  aufwirbelte,  jahrelang 
arbeitete.  Klinisch  zeigte  sich  ein  außerordentlich  chronisch 
verlaufender,  ziemlich  stationĂ€rer  Prozeß  in  den  Lungen,  der 
mit  Indurationen  in  beiden  Oberlappen  verbunden  ist,  die 
weiterhin  zu  Schrumpfungsprozessen  gefĂŒhrt  haben,  be- 
stehend in  Verengerung  und  Verlagerung  des  Bronchialrohr- 
systems, sowie  Retraktion  besonders  der  linken  Lunge  mit 
Verziehung  des  Mediastinums  nach  links.  Abs  Folge  der 
hierbei  zustande  gekommenen  Zerrung  des  rechten  N.  recur- 
rens ist  eine  rechtsseitige  PostikuslÀhmung  aufgetreten. 
Pathologisch  -  anatomisch  finden  sich  neben  hochgradigen 
atrophischen  ZustĂ€nden  der  Lunge  eigentĂŒmliche  braune 
Flecke  im  Lungengewebe  und  den  BronchialdrĂŒsen,  welche 
offenbar  durch  eingedrungenen  Tabakstaub  bedingt  waren. 

J  e  n  n  y  Adlcr-Hcrz  m  a  r  k  glaubt,  daß  die  Fieber - 
erscheinungen  und  die  ReizzustÀnde  der  SchleimhÀute,  die 
bei  gewissen  Arten  des  autogenen  Schweißens  auftreten,  dem 
Gießfieber  analog  sind,  daß  es  sich  um  Aetzwirkungen  des 
Zinkoxydes  handelt,  d.  h.  um  ein  Resorptionsfieber  (Gesund- 
heitliche Gefahren  des  autogenen  Schweißens). 

Die  schÀdlichen  Wirkungen  des  Hochofengases,  welches 
auch  Zyan,  Arsen,  Schwefelwasserstoff  enthÀlt,  weiden  von 
])  e  r  d  a  c  k  auf  das  Kohlenoxyd  zurĂŒckgefĂŒhrt. 

Im  Anschluß  hieran  sei  MĂŒllers  Arbeit  ĂŒber  Kohlen- 
oxydgasv.ergiftungen  erwÀhnt,  ferner  die  Beobachtung  von 
Gros-Roc  h  m  a  n  n:  Leber  eine  Kohtenoxydgasvergiftung 
in  einer  Gießerei  (beide  in  der  Viertel jahrsschrift  fĂŒr  gericht- 
liche Medizin  erschienen). 

Leber  Behandlung  von  Leuchtgasvergiftung  mit  Magne- 
siumperhydrol  berichtet  Kottek  (MĂŒnch.  Med.  Wochen- 
schrift Nr.  21).  Er  gab  2  stĂŒndlich  je  2  Tabletten  und  sah 
ausgezeichnete  Erfolge. 

Leber  akute  Polymyositis  nach  Leuchtgasvergiftung  und 
Erfrierung  berichtete  Sc  bar  mann  im  Deutschen  Archiv 
fĂŒr  klinische  Medizin). 

Gewerbliche  Vergiftungen  durch  gasförmige  BlausÀure 
beim  Vergolden  und  Versilbern  beobachtete  H  o  1 1  z  - 
mann.  „Einwirkung  von  gasförmiger  BlausĂ€ure  beim  gal- 
vanischen Versilbern  und  Vergolden  sind  meist  leichter  Art. 
Das  Vergolden  und  Elektroplattiere'n  in  heißen  BĂ€dern  ist 
hinsichtlich  der  BlausÀuregefahr  gefÀhrlicher  als  in  kalten 
BÀdern.  Die  GefÀhrlichkeit  steigt  mit  zunehmender  Strom- 
dichte und  Spannung.  Bei  anodischer  Goldauflösung  ent- 
steht am  meisten  BlausĂ€uregas;  der  Vorgang  lĂ€ĂŸt  sich  aber 
durch  geeignete  Einrichtungen  völlig  gefahrlos  machen  und 
ist  daher  der  Auflösung  durch  SÀure  vorzuziehen."  Als 
Zyaneinwirkung  haben  zu  gelten:  eigentĂŒmlich  sĂŒĂŸlicher  Ge- 
schmack im  Munde,  leichter  Reiz  der  Augenbindehaut,  Blut- 
andrang nach  dem  Kopfe  und  leichter  Kopfschmerz.  Haut- 
ausschlÀge kommen  nur  bei  dazu  disponierten  Arbeitern  vor. 

Eingehende  differential-diagnostische  Belehrung  erhalten 
wir  von  Heffter  (IrrtĂŒmer  bei  der  Erkennung  und  Be- 
handlung der  Arsenikvergiftung.  Deutsche  med.  Wochen- 
schrift, 1921,  Nr.  30).  Der  einzig  unfehlbare  Beweis  ist  der 
chemische  Nachweis  des  Arsens,  welcher  noch  nach  mehreren 
Jahren  aus  den  Haaren  gelingen  kann. 

Statistische  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  des  elektrischen  Unfalles 
behandelt  ausfĂŒhrlich  JĂ€ger  auf  Grund  der  amtlich  ge- 
meldeten UnfĂ€lle  in  der  Schweiz  von  1914—20.  Es  besteht 
nach  seinem  Materiale  eine  absolute  Zunahme  der  jÀhrlich 
vorkommenden  UnfÀlle.  Es  findet  sich  eine  relative  Ab- 
nahme der  UnfĂ€lle,  gemessen  am  „GefĂ€hrdungskoeffizienten'* 
fĂŒr  elektrische  Anlagen.  Als  dieser  wird  das  VerhĂ€ltnis  der 
jÀhrlichen  Unfallszahl  zur  Kilometerzahl  von  Freileitungen 
b(  ■zeichnet.  Die  Sachkundigen  machen  zwei  Drittel,  die 
NichtsachverstÀndigen  ein  Drittel  der  Verunfallten  aus.  Die 
UnfĂ€lle  an  elektrischen  Bahnen  betragen  ein  FĂŒnftel,  die- 
jenigen in  Betriehen  vier  FĂŒnftel  der  Gesamtzahl.  Die  Un- 
fÀlle an  Niederspannungen  (bis  1000  Voll)  belaufen  sich  auf 


ein  Drittel,  diejenigen  an  Hochspannungen  auf  zwei  Drittel. 
Die  Zahl  der  NiederspannungsunfÀlle  ist  erheblich  gestiegen. 
Die  statistische  MortalitÀtsziffer  ist  abhÀngig  von  der  Art  des 
Einzugsgebietes  und  von  der  BerĂŒcksichtigung  des  elektri- 
schen „FrĂŒhtodes"  oder  der  elektrischen  Verletzung  mit 
„SpĂ€ttod".  Die  Niederspannungs-  und  Hochspannungs- 
unfÀlle  haben  die  gleiche  MortalitÀt.  Es  verdient  endlich 
Gemeingut  zu  werden,  daß  unter  gewissen  Bedingungen, 
nĂ€mlich  bei  großen  BerĂŒhrungsflĂ€chen  und  stark  reduziertem 
Körperwiderstand  (nasses  Milieu,  Schweiß)  die  gemeinhin 
als  ungefÀhrlich  bezeichneten  Spannungen  der  Lichtleitung 
lebensgefÀhrlich  werden  können.  In  der  Praxis  hat  jeder 
technisch  verwendete  Strom  unter  gegebenen  LmstÀnden  als 
lebensgefÀhrlich  zu  gelten.  Der  Selbstmord  durch  Elektri- 
zitÀt ist  im  Zunehmen  begriffen.  Es  besteht  eine  HÀufung 
der  elektrischen  UnfÀlle  in  dien  Sommermonaten  Juni,  Juli. 
August  aus  meteorologisch  -  physikalischen  und  meteoro- 
logisch-biologischen GrĂŒnden." 

Zur  BestĂ€tigung  dieser  AusfĂŒhrungen  sei  die  Beobach- 
tung KrĂ€mers  (Zeitschr.  f.  Medicinalheamte)  angefĂŒhrt, 
wonach  der  Tod  durch  BerĂŒhren  einer  defekten  Leitungs- 
schnur einer  Tischlampe  hei  120  Volt  Wechselstrom  eintrat. 

Eine  zusammenfassende  Lehel  sieht  ĂŒber  den  Methyl- 
alkohol (Die  gewerblich-medizinische  Beurteilung  des  Holz- 
geistes bezgl.  Methylalkohols)  gibt  uns  Koelsc  h.  Der 
Methylalkohol  des  Handels  (Holzgeist,  Karbonol,  Spiritol, 
Spiritogen)  enthĂ€lt  meist  noch  1— 2°/oo  Propyl-  und  Allvl- 
alkohol,  Aldehyd,  Methylacetat,  Aceton  ehe.  neben  anders- 
artigen Verunreinigungen.  In  der  industriellen  Praxis  spielt 
die  Aufnahme  per  os  keine  Rolle,  vorwiegend  ist  es  die  Wir- 
kung der  DĂ€mpfeaufnahme  bei  Herstellung  und  Verwendung 
von  reinem  Methylalkohol  oder  bei  Verarbeitung  von  methyl- 
alkoholhaltigen  Anstrich-  und  Lösungsmitteln.  Nach 
Lewin  ist  die  Wirkung  die  gleiche,  ob  der  Methylalkohol 
in  Substanz  in  den  Magen  oder  als  Dampf  durch  die  Lungen 
in  den  Körper  eintritt;  auch  von  der  Haut  aus  sind  Ver- 
giftungen beobachtet  worden.  ..Die  Wirkungen  können  sein 
lokale:  Reizungen  der  AugenbindehÀut,  der  SchleimhÀute  der 
Luftwege  bis  zu  tntlicher  Bronchopneumonie  —  dann  aber 
res  orptiv  —  allgemeine:  Kopfschmerzen,  SchwindelgefĂŒhl, 
Ohrensausen,  „gastrische  Unordnungen",  krampfartige 
Zuckungen,  Beklemmung,  Brechneigung,  Sehstörungen  bis 
zur  Erblindung.  Pupillenstarre  —  die  Pupillen  sind  weit 
oder  trÀge  reagierend,  oft  als  einziges  und  erstes  Symptom 
zu  beobachten  — ,  dann  Akkomodationsstörungen,  Gesichts- 
feldverengungen, Skotome  bis  zur  völligen  Erblindung  mit 
elektiver  SchÀdigung  von  Sehnerv  und  Netzhaut  (Neuritis 
optica).  Besserung  kommt  öfter  vor,  völlige  Wiederherstel- 
lung ist  selten.  Die  persönliche  Empfindlichkeit  ist  außer- 
ordentlich verschieden. 

Interessant  sind  die  AusfĂŒhrungen  von  Kölsch  ĂŒber 
Lacke,  ImprÀgnier-,  Klebe-,  Lösungs-  und  Reinigungsmittel. 
Eine  fast  unĂŒbersehbare  Menge  von  Rohstoffen  und  Ge- 
mischen bilden  diese  Arbeitsmittel.  Die  festen  Körper  haben 
gesundheitlich  wenig  Interesse.  Hingegen  sind  die  Lösungs- 
und  VerdĂŒnnungsmittel  fettlösende  und  leicht  verdunstende 
Substanzen.  Sie  werden  leicht  durch  die  Atemluft  in  den 
Körper  aufgenommen;  auch  durch  die  unverletzte  Haut 
können  sie  infolge  ihrer  Fettlöslichkeit  leicht  eindringen. 
GesundheitsschÀdigungen:  An  erster  Stelle  stehen  die  Wir- 
kungen auf  das  Zentralnervensystem  in  Form  von  Rausch- 
zustÀnden, Kopfschmerzen,  Schwindel  und  Taumel,  Willen  - 
losigkeit,  Gedankenlosigkeit,  SinnestÀuschungen,  Brustbe- 
klemmung, Schlafstörung,  Schleiersehen,  Lehelkeit,  Appetit- 
losigkeit, Erbrechen,  Mattigkeit  bis  zur  Ohnmacht,  evtl.  Tod 
durch  AtemlÀhmung  bei  konzentriertester  Einwirkung.  Die 
Kranken  erholen  sich  meist  rasch  wieder,  wenn  sie  an  die 
frische  Lull  kommen.  Weniger  von  Bedeutung  sind  die  ört- 
lichen Reizwirkungen  der  oberflÀchlichen  SchleimhÀute  und 
der  Haut.  Dazu  können  noch  spezifische  Wirkungen  ein- 
zelner Körper  treten,  wie  die  gechlorten  Kohlenwasserstoffe 
(Fettnekrose  der  Leber),  des  Schwefelkohlenstoffes  (Gehirn 
und  Nerven!),  des  Methylalkohol  (Neuritis  optica)  usw. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  1 


R  c  f  <‱  I  a  l  e 


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Die  GesundheitsschÀdigungen  heim  Arbeiten  mit  de 
naturiertein  Spiritus  bestehen  nach  Kölsch  nur  in  der 
PolierkrÀtze,  Polierckzem.  Kr  fand  es  unter  Möbelpolierern, 
12 unlcr  Leistenpolierern,  5,8%;  in  einzelnen  Betrieben 
wieder  gar  nicht.  Die  PolierkrÀtze  Mal  wenig  Charakte- 
ristisches. Sie  findet  sieh  an  den  [nterdigotalfalten,  in  der 
Bohlhand,  am  HandrĂŒcken,  am  Vorderarm  his  zur  Ellen- 
beuge als  ein  meist  erheblich  juckendes,  unter  den  Erschei 
nungen  der  akuten  Dermatitis  einhergehendes  Ekzem, 
welches  bei  geeigneter  FĂŒrsorge  in  einigen  Wochen  abzu  - 
heilen pflegt;  aber  auch  Neigung  zu  Rezidiven  zeigt  und  sich 
dann  ĂŒber  Monate  hinziehen  oder  chronisch  werden  kann. 
In  letzteren  FĂ€llen  findet  sich  eine  verdickte,  raube  und 
spröde  Haut  mit  stellenweise  eingestreuten  Rhagaden  oder 
StÀrker  erkrankten  nÀssenden  Partien;  stellenweise  liegt  die 
Unterhaut  frei;  stellenweise  sind  Borken  und  Schuppen  auf- 
gelagert, letztere  besonders  an  den  Uebergangsstellen  gegen 
die  gesunde  Haut  zu. 

Prophylaktisch  kommt  nur  der  Ersatz  des  Methylalko- 
hols und  Pyridins  durch  Terpentinöl  in  Betracht.  Therapie: 
persönliche  Reinlichkeit,  besonders  peinlich  genaues  Ab- 
trocknen, kein  BĂŒrsten,  fleißiges  Einfetten:  Im  akuten  Sta- 
dium 2 — 3  %  Liq.  alum.  aeetic. -UmschlĂŒge,  SaliĂŒylpaste  mil 
Perubalsam.  Ung.  Diachylon,  in  chronischen  FĂ€llen  Teer- 
prÀparate.   Bei  Idiosynkrasie  Aufgeben  der  Arbeit. 

Ueber  mehrere  höchst  rÀtselhafte  plötzliche  TodesfÀlle 
berichtet  Thiele  (Krankheit  und  Tod  durch  Ferrosilicium). 
Mitten  aus  völligem  Wohlbefinden  erkrankten  mehrere  Leute 
an  Kopf-,  Leibschmerzen  mit  Brechdurchfall.  Unter  Be- 
nommenheit trat  bald  der  Tod  ein.  Einige  andere  Leute  er- 
krankten weniger  heftig  und  genasen.  Interessanterweise 
wurden  auch  4  Singvögel  in  ihrem  KÀfig  zur  gleichen  Zeil 
tot  aufgefunden.  Dies  fĂŒhrte  auf  die  richtige  Spur.  In  den 
direkt  unter  den  Wohnzimmern  der  Erkrankten  gelegenen 
Von atsrÀumen  war  feuchtgewordenes  Ferrosilicium  einge- 
lagerl  worden.  Ferrosilicium  wird  durch  Zusammenschmel- 
zen von  EisenspÀnen,  KieselsÀure  und  Kohle  gewonnen.  Der 
Siliciumgehalt  betrĂ€gt  12—80%,  als  Verunreinigung  findet 
sich  Arsen  und  Phosphor,  es  bildet  sich  Kalziumnhosphid. 
aus  welchen  bei  BerĂŒhrung  mit  Wasser  oder  feuchter  Luft 
Phosphorwasserstoff  und  Arsenwasserstoff  entsteht.  Diese 
beiden  Stoffe  hatten  im  obigen  Falle  zu  den  schweren  Ver- 
giftungen gefĂŒhrt. 

Die  Beziehungen  zwischen  Beruf  und  ZahnschÀdigungen 
erörtert  Michaelis  (Medizinische  Klinik  Nr.  19).  BÀcker, 
Konditoren  und  Zuc  kerbÀc  ker  leiden  meist  an  hochgradiger 
Zahnkaries,  verursacht  durch  den  Zucker,  welcher  durch  den 
Speichel  in  GĂ€rung  gerĂ€t.  Die  entstehende  SĂ€ure  fĂŒhrt  zur 
Entkalkung  der  ZĂ€hne.  Die  Arbeiter  in  SalzsĂŒurefabrikeu 
Àlterer  Art  zeigen  ebenfalls  ausgedehnte  Zerstörung  ihres  Ge- 
frisses;  ebenso  die  Nitrierarbeiter  in  Pulverfabriken.  Ver- 
fÀrbung der  ZÀhne  weisen  Kupferarbeiter,  Blumenmacher, 


Blei-  und  Silbei  arbeitet'  auf.    Mec  hanisc  h  bedingte  Verluste 
an  den  VorderzÀhnen      hervorgerufen  durch  Arbeitsinstru- 
mente       sehen  wir  bei  den  Schustern,  Tapezierern,  Glas- 
blÀsern,  Schneidern,   Modistinnen.   Zeichnern    und  Pfeifen 
rauchein. 

Ueber  BerufsschÀdigungen  der  Haut  berichtet  zu- 
sammenfassend M  i  c  b  a  e  I  i  s  (SanilÀtswarte  Nr.  II ). 

Die  ArbeitsverhÀltnisse  und  Organisation  der  hÀuslichen 
Dienstboten  in  Bayern  erörtert  eingehend  Steinbrechl 
auf  Grund  ausgedehnten  statistischen  Maleiiales  (BeitrÀge  zur 
Statistik  Bayerns,  Heft  94,  MĂŒnchen,  Lindauers  Verlag). 

Ueber  Tuberkulose  in  einer  chemischen  Fabrik  berichtet 
Lac  Ilfeld.  Die  Tuberkulose  der  chemischen  Arbeiter 
ĂŒbertrifft  die  der  Handwerker  und  anderen  Arbeiter  um 
mehr  als  die  HÀlfte.  Sie  haben  auch  eine  lÀngere  Arbeits- 
unfÀhigkeit zur  Folge  und  mehr  TodesfÀlle  und  FÀlle,  die 
im  Verlaufe  eines  Jahres  nicht  wieder  arbeitsfÀhig  werden. 
Deshalb  darf  man  auch  ohne  weiteres  erwarten,  daß  ein 
arbeitsfĂ€higer  Tuberkulöser  mit  grĂ¶ĂŸerer  Wahrscheinlichkeit 
wieder  erkrankt,  wenn  er  in  einen  chemischen  Betrieb  ein- 
tritt. 

An  dieser  Stelle  mögen  auch  Bruns  Untersuchungen 
ĂŒber  HerzgrĂ¶ĂŸe,  Blutdruck  und  Puls  vor,  wĂ€hrend  und  nach 
kurzdauernder  starker  körperlicher  Arbeil  erwÀhnt  werden 
(MĂŒnch.  Med.  Wochensch.,  1921,  Nr.  29).  Nach  der  Arbeil 
war  der  Herzschalten  in  75  %  kleiner  als  vor  der  Arbeil, 
grĂ¶ĂŸer  in  7  %;  in  GrĂ¶ĂŸe  wechselnd  18  %;  wĂ€hrend  der  Arbeil 
15  %  dauernd  grĂ¶ĂŸer,  25  %  dauernd  kleiner  als  in  Ruhelage; 
60  %  schwankend.  Der  Blutdruck  war  um  10—40  mm  Hg 
erhöbt,  der  Puls  um  10—50  SchlĂ€ge.  50  %  zeigten  eine  Herz- 
seitenverschiebung  nach  links.  Die  bei  körperlichen  An- 
strengungen beobachteten  Blutdrucksteigerungen  gehen  nicht 
mit  der  HerzvergrĂ¶ĂŸerung  parallel. 

BrĂŒckner  untersuchte  den  Einfluß  der  Nachtarbeit 
auf  den  Gesundheitszustand  der  Arbeiter.  „Soweit  wir  die 
VerhĂ€ltnisse  bis  jetzt  ĂŒberblicken  können,  ist  der  Einfluß 
der  Nachtarbeit  auf  die  GesundheitsverbÀltnisse  der  Arbeiter- 
schaft in  keiner  Weise  von  ausschlaggebender  Bedeutung. 

Groß  ist  die  Literatur  zur  Psychologie  der  Berufseignung 
und  des  Wirtschaftslebens.  Als  gute  EinfĂŒhrung  in  dieses 
Gebiet  sei  S  c  h  1  e  s  i  n  g  e  r:  Psychotechnik  und  Betriebs- 
wissenschaft erwÀhnt,  sowie  die  Serie:  Schriften  zur  Psycho- 
logie der  Berufseignung  und  des  Wirtschaftslebens,  heraus- 
gegeben von  Lipmann-  Stern  (Verlag  Barth-Leipzig); 
Inner  FĂŒrst:  Die  Frage  der  Berufsberatung  und  Berufs- 
eignung vom  hygienischen  Standpunkt  (MĂŒnchen:  Olden- 
burg-Verlag). 

Auch  das  Taylorsystem  beginnt  in  Deutschland  mehr 
und  mehr  an  Boden  zu  gewinnen.  Bei  Schlesinger: 
Taylorsystem  und  deutsche  Betriebswissenschaft  finden  wir 
hierĂŒber  erschöpfende  Auskunft. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Berliner  klinische  Wochenschrift. 

28,  November  1921,  58,  X.  18. 

Helfer  HYso  il  Behandlung;  clor  Gicht.    G  u  cl  z  e  n  t ,  V. 

lehn-  die  Wirkung  Àtherischer  Oelc  auf  das  leukozytÀro  Blutbild  den  Kanin- 
chens hei  verschiedenen  Injektionsmethoden.    Burraestct,  .1. 

I  clii'v  das  Vorkommen  der  Kp'roehactii  palli  Im  in  der  mÀnnlichen  Harnröhre  lioj 
priniilrer  und  sekundÀrer  Syphilis.    F  r  i  e.  cl  1  ;i  n  d  c  r  ,  E. 

Heilung  der  Aktimiinykose  durch  Jatren.    Pfeiler.  VV. 

Beber  ein  neues  Hehnnpfmittel.   I  s  :i  c  s  o  il  .  I.. 

Nachtrag  /u  unser  r  Arbeit  „lieber  das  Vorkommen  von  Oiphthcrie.bazillc!! 
im  Ohrsekret.    I>  tt  v  i  cl  s  o  h  n  ,  II.  und  Heck,  II. 


5.  Dezember  1921,  42,  Nr.  49. 

♩Melier  Periostitis   I   Arthritis  typhösa.    Strauß,  II.  1429. 

‱♩‱Ein  experimenteller  Beitrag  zur  Pathogenese  der  Schmerzm  hei  der  Darm- 

kolik.     II  r  ii  n  i  n  g  ,  F.  und  (i  o  Ii  r  Ii  a  n  d  t  .   E.  1431. 
❖Zur  Dtfferentialdiiagnose  der  Leber-Galleasteinerkrankungen.    S  c  h  r  a  d  e  r . 

R.     1433.  ' 

Bitrag  zu  (ton  Beziehungen  zwischen  Pemphigus  neonatorum  und  Impetigo 

contagiosa.    P  eile  h  e  n  f  cid.  B.  1430. 
Zur  Chromdiagnostik  der  Leber.    Lepehne    t;.    1 437. 
ĂŒyperemesis  gravidarum  durch  Salvarsan  geheilt.    M  ii  n  d  h  e  i  m.  L437. 
Vnkziucthcrapic  der  Ruhr.    Schelk  n  z  .  ('.  143». 

Uns  Stillen  der  MĂŒtter  Nor.  in  und  noch  dem  Kriege.    Cot  n  .  XI.  1438. 

Ueber  Periostitis  und  Arthritis  typhosa.  Bericht  ĂŒber  drei 
TyphusfÀlle  mit  Komplikationen  am  Skelettsystem-  Periostitiden 
und  Arthritiden  treten  hÀufiger  posttyphös,  als  wÀhrend  der 


1« 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1 


Fieberperiode  auf.  Die  Arthritiden  sind  sehr  selten;  bei  der 
spÀrlichen  Kasuistik  kann  von  einer  gewissen  Bevorzugung  der 
HĂŒft-  und  Kniegelenke  gesprochen  .werden.  AuffĂ€llig  ist  die 
lange  Lebensdauer  der  Typhusbazillen  bei  Knochenprozessen,  so 
wurden  z.  B.  noch  7  Jahre  spÀter  virulente  Bazillen  in  solchem 
Herd  gefunden. 

Ein  experimenteller  Beitrag  zur  Pathogenese  der  Sehmerzen 
bei  der  Darmkolik.    Durch  Tierversuche  ward  gezeigt: 

1.  daß  Reize,  die  auf  die  Darmschleimhaut  einwirken,  nur 
dann  Schmerzen  auslösen,  wenn  durch  sie  heftige  Kontrak- 
tionen der  Darmmuskulatur  verursacht  werden; 

2.  daß  der  Kolikschmerz  in  der  Regel  ohne  jede  Zerrung  d<  s 
Mesenteriums  zustande  kommt,  also  in  der  Darmwand 
selbst  entsteht; 

3.  daß  im  Gegensatz  zur  AußenflĂ€che  der  Darmwand  die 
Darmschleimhaut  auf  Applikation  eines  Tropfens  Senföl 
primÀre  ReizhyperÀmie  zeigt,  d.  h.  SensibilitÀt  besitzt. 

Zur  Differentialdiagnose  der  Leber-Gallensteinerkrankungen. 
Verf.  teilt  3  FĂ€lle  mit,  die  das  typische  klinische  Bild  der  Choleli 
thiasis  boten  ,  mit  schwersten  mit  Ikterus  und  LehmstĂŒhlen  ein- 
hergehenden kolikartigen  SchmerzanfÀllen.  Bei  der  Operation 
zeigte  sich,  abgesehen  von  leichten  GrĂ¶ĂŸendifferenzen  der  Leber 
und  in  einem  Falle  geringen  entzĂŒndlichen  Prozessen  in  der 
GallenbhTsengegend,  ein  ganz  normaler  Befund.  Die  Ă€ußerlich  in 
jeder  Richtung  einem  gesunden  Organ  gleichenden  Lebern  (trotz 
teilweise  schwerster  Funktionsstörungen)  ließen  auch  auf  der 
SchnittflÀche  nur  bei  mikroskopischer  Betrachtung  einmal  das 
Bild  der  Leberatrophie,  in  den  beiden  anderen  FĂ€llen  das  einer 
Cirrhose  erkennen.  Das  Symptom  des  Ikterus  fĂŒhrt  Verfasser 
auf  eine  Abdrosselung  der  Gallenwege  durch  die  Schrumpfungs- 
prozesse zurĂŒck.  Dieser  Ikterus  hĂ€lt  solange  an,  bis  die  regene- 
rierten Gallenkapillaren  wieder  Abflußmöglichkeiten  fĂŒr  die  Galle 
bieten.  Das  Symptom  der  Schmerzhaftigkeit  allein  auf  die  Cho- 
langiolitis  (Naunyn)  zu  beziehen,  hĂ€lt  Verf.  fĂŒr  unangebracht, 
er  ist  vielmehr  der  Ansicht,  daß  es  sich  um  uns  bisher  unbekannt'' 
reflektorische  VorgÀnge  handelt.  Mit  Sicherheit  die  Differential- 
.diagnose  zwischen  den  erwÀhnten  Leber.ef krankungen  und  Gal 
lenblasenaffektionen  zu  stellen,  ist  unmöglich,  man  muß  sich  ge- 
gebenenfalls zur  Probelaparotomie  mit  cvenll.  Probeexzision  aus 
der  Leber  entschließen. 

0.  S.  Tarnow  (Charlotlenburg-Westend 

12.  Dezember  1921,  58,  Nr.  50. 

lieber  Men  beutigen  Stand  des  Basedowprobleius    in    Theorie    und  Praxi»; 
Melchior.  E.  1453. 
❖Die  SelbstheiluBg  der  Syphilis  und  das  Quecksilber.    R  o  s  o  n  t  h  a  I  .  0.  1457. 
❖lieber  Fehlerquellen  heim  Nachwes  von  okkulten  Blutungen.    Ell  5z  p  j  Ă€  !<  . 

St.  und  Vandorfy  ,  J.  I4fil. 
❖Diabetes  mellitus  und  ÜrobHinogenurie     H  e  t  e  n  y  i  .  G.  1462. 
Genius  epidemicus  (in  Berlin).    M  a  g  e  1  ß  e  n  ,  A.  1463. 
F.in  Fall  von  Heminanopsie  hei  Encephalitis  letbargica.    A  r  l  t  .  F..  1465. 
Zur  Beurteilung  der  LeistungsfÀhigkeit  des  Herzens  unmittelbar  vor  dem 
Tode   durch  Feststellung  der  Menge,  der  postmortal  gelĂŒfteten  SĂ€ure. 
W  a  rker,  L.    1465.  y 
❖Ein  Todesfall  nach  Pneumoperitoneum.    G  a  e  r  t  a  e  r  .  G.  1466. 
❖Ist  das  Kochsehe  Tuberkulin  imstande.  Tuberkel  zu  beseitigen?   Hirsch,  fi. 
1466. 

l'eber  die  Oxural- Wurmkur.    F  e  y  e  r  a  b  c  n  d.  1468. 

Vorrichtung    zum    Sammeln    und    Aufarbeiten     des  Zentrifugenbndensatz.- 
Picker,  R.  1469. 

Die  Selbstheilung  der  Syphilis  und  das  Quecksilber.  Polemik 
gegen  die  Arbeiten  von  Fritz  Lesser,  nach  denen  das  Queck- 
silber fĂŒr  die  medikamentöse  Heilung  der  Syphilis  ĂŒberhaupt 
nicht  in  Betracht  kommt,  die  auf  Quecksilberwirkung  zurĂŒck- 
gefĂŒhrten Heilungen  auch  ohne  Quecksilber  eingetreten  wĂ€ren 
und  schließlich  alle  Syphilisheilungen  vor  der  SalvarsanĂ€ra  als 
spontane  Heilungen  zu  betrachten  sind. 

Verfasser  kommt  zu  entgegengesetzten  Ansichten. 

Uebcr  Fehlerquellen  beim  Nachweis  von  okkulten  Blutungen. 
Der  Ausfall  der  Beaktion  bei  den  sogen,  katalytischen  Blutproben 
wird  nicht  nur  von  dem  vorhandenen  Blutfarbstoff  sondern  von 
vielen  anderen,  mehr  oder  weniger  unbekannten  Substanzen  und 
UmstĂ€nden  in  positiver  oder  negativer  Richtung  beeinflußt.  Man 
kann  endogene  und  exogene  Faktoren,  die  die  Reaktion  beein- 
flussen, unterscheiden.  Zu  ersteren  gehören  u.  a.  reduzierende 
Substanzen,  die  Zersetzung  des  Blutes  im  Magendarmkanal, 
FÀcesfarbstoffe,  pflanzliche  Farbstoffe,  Felle,  die  SalzsÀure  des 
Magensaftes.  Als  exogene  Faktoren  sind  zu  nennen  die  medi- 
kamentöse Verabreichung  von  Wismutsalzen,  die  die  katalyti- 
schen Beaklionen  hemmen,  ferner  in  gleichem  Sinne  hemmend 
die  anderen  oft  angewandten  Adsorplionsmittcl  wie  Carbo  ani 
malis.  Bolus  alba.  Neutraion  usw. 


Es  ist  also  von  praktischer  Bedeutung,  zu  wissen,  daß  man  die 
therapeutische  Wirkung  beispielsweise  einer  Ulcuskur  auf  die 
okkulte  Blutung  nur  dann  einwandfrei  beurteilen  kann,  wenn  der 
Kranke  keine  derartigen  adsorbierenden  Substanzen  zu  sich  ge- 
nommen hat. 

Diabetes  mellitus  und  Urobilinogenurie.    Untersuchungen  auf 

Urobilinogenurie  bei  Diabetischen  ergaben: 

1.  Bei  unkompliziertem  Diabetes  findet  keine  erhöhte  Urobili- 
nogenausscheidung  statt. 

2.  Auch  solche  FĂ€lle  von  Diabetes,  in  welchen  eine  Kompli- 
kation besteht,  die  sonst  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  Urobilinogenurie 
mit  sich  bringt,  lassen  die  Urobilinogenurie  vermissen. 

Ein  Todesfall  nach  Pneumoperitoneum.     Verf.  hat  1902  ge- 

zeigt,  daß  man  große  Mengen  Sauerstoff  —  beim  Menseln  n 
mehrere  Liter  —  intravenös  injizieren  kann,  ohne  eine  SchĂ€di- 
gung des  Organismus  zu  setzen.  Das  Gas  wird  von  den  roten 
Blutkörperchen  glatt  aufgenommen  und  es  kommt,  wenn  der  Gas- 
strom eine  bestimmte  Geschwindigkeit  nicht  ĂŒberschreitet,  nic- 
mals  zur  Gasembolie.  Verf.  stellt  daher,  angeregt  durch  die 
Arbeil  von  Joseph  in  Nr.  46  der  „Berk  klin.  Wochenschrift  ',  die 
Forderung  auf.  bei  Anlegung  des  Pneumoperitoneums  nur 
reinen  sticksloff-  und  Wasserstoff  reien  Sauer- 
stoff, niemals  Luft  zu  verwenden.  WĂ€hrend  der  Operation 
ist  das  Herz  zu  auskultieren;  gelangen  Gasblasen  in  den  rechten 
Ventrikel,  so  erzeugen  sie  ein  lautes,  meist  aus  der  Entfernung 
hörbares,  mit  dem  Pulse  synchrones  PlÀtschergerÀusch, 
das  als  Warnungssignal  dient  und  zur  sofortigen  Unterbrechung 
der  Einspritzung  veranlassen  muß. 

Ist   das   Koch'sehe   Tuberkulin   imstande   Tuberkel    zu  be- 
seitigen?    Verfasser   teilt  als   Augenarzt   einen  Fall  von  Kon- 
glomerattuberkel der  Papille  und  einen  Fall  von  bitemporaler 
Hemianopsie  auf  der  Grundlage  eines  Konglomerattuberkels  des; 
Chiasma  mit,  die  beide  auf  Tuberkulinbchandlung  zur  klinischen 
Heilung  kamen.    Er  folgert  daraus,  daß  die  Wirkung  des  Tubrr-j 
kulins  eine  spezifische  ist.  daß  es  im  Tuberkel  die  Bazillen  ab-j 
tötet  und  ihn  damit  zur  RĂŒckbildung  bringt. 

0.  S.  Tarnow  (Charloltenburg-Westend\ 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

1.  Dez.  1921.  47.  Nr.  48. 

Virchows   Reizthcori  ‱   und    die  heutige   experimentelle  Geschwulstforschuiijl 

F  i  b  i  g  e  r  ,  Kopenhagen.  1449. 
❖Schusterdaumenkrebs.    S  t  a  h  r  .  Danzig.  14.">2. 

❖l'eber  die  Wirkung  der  LumbalanĂ€sthesie  auf  d  e  glatte  Muskulatur.  M  a  y  e  r.f 

TĂŒbingen.  1454. 

❖Chemotherapeutische  Behandlung  akutPT  Kiterungcn  mit  Morgenroths  lli.anoj 
H  ii  r  t  c  I    und  v.  K  i  s  h  a  1  in  y  .   Halle  a.  S.  1455. 
Zur  Kenntnis  der  klinischen  Zeichen  einer  Pyramidenerkrankung  der  oberes 
ExtremitĂ€ten.     M  a  t  ■/.  d  o  r  f  f  .  Hamburg.  1458. 
❖  D  e  Bedeutung  der  FaMenzeichnung  des  Magens  fĂŒr  die  Diagnose  des  1'lcul 
ventriculi.     (Mit  3  Abbildungen.)     Fisler  und  T.  e  n  k  .   Wien.  1459.1 
Versuche     ĂŒber     KeimesĂ€nderung    durch     Inkreteinfluß.     Grote.  Halle 
a.  S.  1461. 

Miischspriteen    von    Novasurol    und    Neosalvarsan    bei    Luetikern.     I  s  s  e.B 

Berlin.  1462. 

Vergleichende    I'ntersuchungen    mit     „amtlichen     Extrakten"     zur    Wa.  R. 
Stern.    DĂŒsseldorf.  1463. 

Der  Einfluß  der  Wasserstoffionenkonzentration  auf  d>e  Aufnahme  und  Aus- 
scheidung saurer  und  basischer  organischer  Farbstoffe  im  WarniMutcr- 
ofganisnvus.    Pohle.  Frankfurt  a.  M.  1464. 
Ein  bemerkenswerter  Fall  von  Gcisehoßwanderung  mit  Einbruch  in  das  Knie- 
gelenk.   H  a  g  n  e  r  .  Bochum.  1465. 

Zur     Behandlung      der     Incontinentia      uriuae.       F  1  o  r  c  k  e  n  .  Frank- 
furt a.   M.  1466. 

< 'h  rurgische  RatschlĂ€ge  fĂŒr  den  Praktiker.  X.  Chronische  Celenkerkrankun- 

gen.     L  p  d  d  e  r  h  o  s  e  .    MĂŒnchen.  1466. 
Die    internationale    Hvgiene- Ausstellung    in    Amsterdam  692t.     S  <‱  h  tu  i  d  & 

Hille.  1468. 

Schusterdaumenkrebs.  Beschreibung  eines  Falles,  bei  dem 
bei  einem  Schusterjungen  durch  hÀufige  Verletzungen  des 
Daumens  ein  bis  in  den  Knochen  der  Endphalange  sicli  fort- 
setzendes Karzinom  bildete.  Bei  der  Ungeschicklichkeit  und  dem 
Stumpfsinn  des  Jungen  war  dieser  Dauerreiz  die  notwendige  und 
einzige  Ursache  fĂŒr  das  Zustandekommen  des  Krebses. 

Die  Wirkung  der  LumbalanÀsthesie   auf   glatte  Muskulatur 

Nach  RĂŒckenmarkseinspritzungen  kann  Abgang  von  Stuhl  be 
obachtet  werden:  Hyperperistaltik  durch  Ausschaltung  der  hetftj 
menden  Splanchnici  infolge  der  LumbalanÀsthesie.  Dann  Lösung 
von  spastischen  DarmkrÀmpfen:  die  Darmbewegung  fördernd 
Wirkung  beim  atonischen  Darm,  hemmende,  d.  h.  spasmuslösend« 
beim  hypertonischen.  Endlich  findet  man  im  postoperativen  Ver 
laufe  hĂ€ufiger  wie  frĂŒher  Urinretention  mit  Ischuria  pnradali 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


i; 


jauch  nach  Laparotomien,  bei  denen  die  Blase  gar  nichi  berĂŒhrl 
winde    Die  LumbalanÀsthesie  wirkt  hier  Àhnlich  wie  die  Durch 
jgehneidung  aller  zur  Blase  ziehenden  Nerven     Dies  die  ErklÀ- 
rungen, die  Verfasser  FĂŒr  seine  Beobachtungen  gibt 

Chemotherapeutische  Behandlung  akuter  Eiterungen  mit 
Morgenroths  Rivanol.  Das  Antiseptikum  Bivanol  bedeutet  einen 
Fortschritt:  man  kann  damit  Weiehteilabszesse  jeder  Art  und 
GrĂ¶ĂŸe  geschlossen  und  mit  minimaler  Narbenbildung  einer 
haschen  Heilung  zufĂŒhren.  Vorteile  gegenĂŒber  den  Chinin- 
Derivaten:  die  Steigerung  der  EntzĂŒndungserscheinungen  bleibt 
ins  die  Schmerzen  werden  mit  dem  Beginn  der  Behandlung 
SĂ€uernd  beseitigt  und  meist  wird  eine  Sterilisation  dos  Abszeß- 
Inhaltes  erreicht.  Technik:  Punktion  des  Abszesses  an  einer  der 
Voraussichtlichen  Senkung  des  Eiters  gegenĂŒberliegenden  2  .'!  cm 
von  der  EntzĂŒndung  entfernt  liegenden  stelle  mit  Hilfe  einer 
Schleich'schen  Quaddel.  Dadurch  Schmerzlosigkeit  der  Punktion, 
hermetischer  Abschluß  des  Kanals,  sichere  Vermeidung  der 
Durchbruchsstelle  an  der  Punktionsstelle.  Nach  3 — 5  Punktionen 
tÀglich  einmal  gewöhnlich  lytisehe  Entfieberung  Danach  Spal- 
tung des  Abszesses  durch  2  kleine  Stichinzisionen.  StationÀre 
Behandlung  vorlĂ€ufig  noch  nötig.  Die  bloße  SpĂŒlung  schon 
operativ  eröffneter  Eilerungen  (also  auch  beim  Pleuraempyem 
ist  erfolglos,  Erfolg  ist  aber  damit  versprechend  bei  anderen  ge- 
schlossenen Eilerungen :  Gelenkempyeme,  SehnenscheidenentzĂŒn- 
dungen 

Die  Bedeutung  der  Faltcnzciehnung  des  Magens  fĂŒr  die  Dia- 
jfcnose  <les  Ileus  ventrieuli.  Konvergierende  Schleimhautfalten 
deuten  auf  ein  Ulcus  an  der  Spitze  des  Faltendreiecks.  Normale 
Schleimhaut:  parallele  Faltenbildung.  v.  Schnizer 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

2.  Dezember  1921,  Nr.  48. 

❖Zahnlivpopl.-isien  und  Syphilis  congenita.    Z  i  n  s  s  e  r.  I.'i4." 
‱r  Ligatur  der  großen   Beekcnvenen   Ix- i   puerperaler  Pviini  e.     \V  a  i  n  e  k  r  o  * 
154S. 

-    ^Abdominaler  Kaiserschnitt  in  LokalanÀsthesie.     Krpj,  i:e-. 

❖  Methode    zur    Bestimmung    der    OberflĂ€chenspannung;    von    sehr  geringen 
FlĂŒss'gkeitsmcngen.    Brin  k  in  a  "  n  um!  v  a  n  1>  a  m.  IöjO. 
Diagnostischer    Wert    der    Methoden    von    Wassermann.    Sachs-Georgi  und 

Me-i  :kc  <I>.  VI.)  in  MalarialÀndern.    Heine  mann.  1581. 

\  ppendi/.iltis  und  Witterung.    Seifert.  1553. 
Noviisurol  als  Diuretikum.    15  r  u  n  n.  1554, 
Xovasurol  als  Diuretikum.    H  u  h  e  r  t.  1555. 
Eleiktroferrol  bei  AnÀmien.    A  r  n  d  t.  1557. 

Vorschlag  zur  Behandlung  der  Bicirmcrschcn  Anam  c.    S  t  o  e  I  t  z  n     r.  IV>s. 
Rhythmische    Muskelzuckungen    im    Schlaf    nach    Kneephalitis  lolhargicu 
Brock.  1559. 

Röntgenbehandlung  der  Sklerodermie.    II  a  in  in  e  r.  lÀ.'ifl. 
Diagnostische  SuJvarsaneinspritzung.    O  e  I  z  e.  1560. 
I'ueumothoraxbchandlung.    A  I  e  x  a  n  d  e  r.  1560. 

Beeinflussung   der    Lungen-    und    Kehlkopf- Tuberkulose    durch  Seliwanger- 
schaft.  Gehurt  und  Wochenbett.    K  e  h  r  e  r.  1561. 

Zahnhypoplasien  und  Syphilis  congenita.      Die  kongenitale 
Syphilis  ist  die  weitaus  hÀufigste  Ursache  der  Zahnhypoplasien. 
I  h.  der  Hutchinsonschen  ZĂ€hne  und  der  Hypoplasie  an  der  Kau 
Bache  der  1.  MolarzÀhne.    Auch  bei  nicht  ganz  typischem  Befund 
muH  an  Eues  gedacht  und  energisch  behandelt  werden. 

Zur  Ligatur  der  großen  Beckenvenen  bei  puerperaler  PrĂ€mie. 
Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von  chronisch  verlaufender  puerperaler 
Hreptokokken-PyÀmie,  der  nach  sechswöchentlichem  Verlauf 
durch  Ligatur  der  Vv.  spermaticae  sin.  -\  dextr.  +  Vena  iliaea 
ipmm.  sin.  prompt  geheilt  wurde.  Verl'  empfiehlt  die  Liffatur 
bei  akuten  PyÀmien.  bei  denen  das  Blut  im  Fieberintervall  bak- 
»nenfrei  ist. 

Per  abdominale  Kaiserschnitt  in  LokalanÀsthesie.  Verfassci 
Berichtet   ĂŒber   gute  Erfolge   der  Operation   in  LokalanĂ€sthesie 
Novokain   '/‱  %  mit  2—4  Tr.  Adrenalin,  1  : 1000,  auf  je  100  cem 
Die  Kombination  mit  Morphium  ist  wegen  beobachteter  Zwischen 
lalle  von  seilen  des  Herzens  gefĂ€hrlich:  Ersatz  dafĂŒr  Somnifen 
zur  Vorbereitung.    AnĂ€sthesie  hĂ€lt  2—  VA  Std.  an.    Genaue  Tech 
nik  im  Original  nachzulesen. 

Eine  einfache  und  schnelle  Methode  zur  Bestimmung  der 
OberflĂ€chenspannung  von  sehr  geringen  FlĂŒssigkeitsinengen.  Es 
fird  zur  Bestimmung  die  Methode  der  AdhÀsionsringe  ver- 
wendet, d.  h.  die  Kraft  bestimmt,  die  gerade  imstande  ist.  das 
perflÀchenhÀutchen.  das  an  einem  Ring,  welcher  aus  der 
ÂŁlĂŒssigkeil  gezogen  wird,  adhĂ€siert,  zu  zerreißen.  Diese  Kraft 
minus  das  Gewichl  des  aufgehobenen  FlĂŒssigkeitssĂ€ulchejas  und 
dividiert    durch   die  ,  LÀnge   der    AdhÀsionsperipherie,   gibt  die 


OberflÀchenspannung  in  Grammen  pro  Zentimeter,  wenn  man  die 

gespannte  OberflÀche  als  genau  vertikal  siebend  annimmt  Da 
letzteres  nichi  der  Fall  ist  und  die  Berechnung  zu  kompliziert 
wÀre,  gehen  Ycrff.  von  sehr  genau  bekannten  Oberl larhcnwei  leu 
reiner  FlĂŒssigkeiten  aus.  Zur  Messung  wird  die  Torsionswagc 
und  ein  Platinringcl  verwandt.  Die  OberflÀchenspannung  ist 
K  G  (K  —  Losreißungskrafl,  (■  Ringgewicht  \  adhĂ€riertc 
L 

l-'lĂŒssigkeit,  L  =  LĂ€nge  der  AdhĂ€sionsperipherie  des  Ringes  . 
Der  Temperaturfaktor  ist   aus  einer  beigefĂŒgten  Tabelle  zu  er 
sehen.    Genaue  Einzelheiten  siehe  Original. 

Eine    ĂŒberall    ausfĂŒhrbare    polychemische  Urobilinreaktion. 

Verf.  beschrieb  1913,  daß  durch  Zusatz  gröberer  Mengen  cone 
Kupfersulfatlösung  (10  Prozent    l'robilinogen  in  Urobilin  ĂŒber 
gefĂŒhrt  wird,  wodurch  die  Probe  sehr  empfindlich  wird.  \us 
schĂŒtteln  mit  Chloroform  (orange  bis  rosa).    Diese  Reaktion  isl 
ebenso  mit  jeder  starken  Lösung  von  Schwcrmelallsalzen  oder 
SÀuren  möglich.     Die  Farbnuance  des  Chloroformauszuges  ist 
abhÀngig  von  dem  Harn  und  nicht  etwa  von  dem  zugesetzten 
Reagens.     Es  darf  vorher  kein  Formaldehyd  enthallendes  Pia 
parat  gegeben  sein  fFormamint,  Erotropin,  Neosalvarsan  .  Man 
kann  also  im  Notfalle  am  Krankenbell  in  der  Privatpraxis  Essig- 
essenz. Zitronen-  oder  WeinsÀurekristalle  verwenden,  da  oft  die 
sofortige   Entscheidung  wichtig   ist.      Zum  Beispiel:  Fehlendes 
Urobilin  spricht  fĂŒr  Diphtherie  gegen  Angina,  in  den  ersten  1  bis 
*  Tagen  fĂŒr  Flccklvphus.  in  der  intermittierenden  Apyrexie  fĂŒr 
Malaria,  positive  Reaktion  bereits  am  Ende  des  1.  Tages  fĂŒr 
Beknrrens. 

F.  L.o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Charlottenburg- Westend 

Zeitschrift  fĂŒr  Ă€rztliche  Fortbildung,  Jena. 

1.V  November  1021.  18.  Nr.  22  \ 

Iii  her  ilie  Gonorrhöe  des  Weibes.    Franz.  K.  625. 
â–șMiie  sogenannten  Idiosynkrasien.   W  i  e  d  e  m  a  n  n  .  Ii.  680. 
❖sakralanĂ€sthesic.     Hoffmann.  K.  638. 

Die  sogenannten  Idiosynkrasien.  Klinisches  Bild.  Wesen  und 
Behandlung.  Die  Verfasserin  teilt  die  ..genetisch  unerklÀrten, 
germinaliv  ĂŒbertragbaren,  hislogenen  eigentlichen"  Idiosynkra 
sien  (v.  Behring)  ein  in  eine  vorherrschend  a  s  t  h  m  a  t  i  s  c  h  e 
Form  mit  Schleimhautschwellungen  der  Respirationswege.  Husten 
und  schwerer  Dyspnoe  und  eine  g  a  st  r  o  i  n  Fe  s  t  i  n  a  1  e  Form 
zwei  FĂ€lle  werden  ausfĂŒhrlich  beschrieben)  mit  akuter  Schwel 
lung  und  Rötung  von  Lippen,  Zunge,  Rachen,  auch  Nase  und  Kon- 
junktiven sowie  Uebelkeit,  Erbrechen.  Magenschmerzen  und 
DurchfÀllen.  Die  Dauer  betrÀgt  meist  zwei  Stunden,  wonach  wie- 
der Wohlbefinden  und  eine  vorĂŒbergehende  ..ImmunitĂ€t"  eintritt 

Uebcr  SakralanÀsthesie.  Bei  der  SakralanÀsthesie  wirkt  die 
AnĂ€sthesier  ungsflĂŒssigkeit  extra  dural  auf  die  von  einer 
Du  raischeide  umhĂŒllten  Spinalnerven  ein.  Sie  ist  indizier!  bei 
sÀmtlichen  Eingriffen  an  den  Beinen,  an  Vulva.  Vagina  und 
Damm,  aber  auch  bei  allen  gynÀkologischen  und  chirurgische,) 
Laparotomien  mit  Einschluß  der  Leber-  und  Nierenoperationen. 
Die  Dauer  der  Schmerzfreiheit  betrÀgt  nur  60  bis  80  Minuten,  m 
daß  bei  ihrer  Verwendung  in  der  Geburtshilfe  ZurĂŒckhaltung  emp- 
fohlen wird.  Ihre  Vorteile  bestehen  in  der  VerhĂŒtung  der  Xai 
koseschÀden.  im  Ausbleiben  postoperativer  Bronchitiden  und 
Pneumonien  und  dem  Fehlen  sonstiger  Nebenerscheinungen.  Ais 
Gegenanzeigen  gelten  hochgradige  Verbildungen  des  Beckens  und 
dickes  Fettpolster  sowie  Verknöcherung  des  Hiatus  canalis  sacra 
Iis  beim  plattrachitischen  Becken.  Die  MortalitÀt  betrÀgt  0,0"  % 
1  Todesfall  auf  1400  AnÀsthesien  Therapeutisch  wird  die  .,epi 
durale  Injektion"  angewandt  bei  Ischias.  Enuresis  nocturna  und 
bei  Kreuzschmerzen  unbekannter  Aeliologie.  1.   Kann  er 

Zeitschrift  fĂŒr  Ă€rztliche  Fortbildung,  Jena. 

1.  Dezember  1021,  18,  Nr.  23. 

Die  biologische  Syphi'lisdiagnostik.     I.  a  n  g  e  .  C.  fiÀ7. 

Das   bakteriophage  Virus.     (1  '  H  e  r  e  I  1  c.  664. 

Hie    sogenannten    Idiosynkrasien.      W  i  e  d  c  m  a  n  n  ,     H.  6ß7. 

Therapeutische  Halbmonatshefte,  Berlin. 

1.  November  1921,  35,  Heft  21. 

+  I)ie  Röntgentherapie  der  Lungentuberkulose.   Stephan,  R.  649. 

❖  Behandlung  der  Grippe  bei  Schwangeren.    Koerting,  W.  B5&. 

Die     experimentellen     Grundlagen     einer     Arbeitstherapie     des  Diabetes 
BĂŒrger.  M. 

Die  Röntgentherapie  der  Lungentuberkulose.  Durch  Bestraft 
hing  der  Eungenherde  erfolgt  eine  zeitlich  ungemein  rasche,  lokal 


18 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  — Nr.  1. 


verschieden  starke  Schrumpfung  der  Lungeninfiltrate  (Dosis  ca. 
'  -‱<! — 1  io  der  HaĂŒteinheitsdosis,  d.  h.  ca.  8 — 10  elektrostatische  Ein- 
heiten;. Die  kleinste,  noch  eben  als  wirksam  erkannte  Strahlen- 
dosis ist  die  Dosis  der  Wahl.  Verf.  vermag  aus  dem  kleinen  bis 
herigen  Material  die  definitiv  praktischen  Ergebnisse  noch  nicht 
zu  ĂŒbersehen. 

Die  Behandlung  der  Grippe  bei  Schwangeren.  Systematische 
frĂŒhzeitige  Adrenalinanwendung  (3 — 4  stdl.  intramuskulĂ€r  bis  zu 
18  cem  pro  die)  hatte  guten  Erfolg. 

F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  ( Charlottenburg-We  sie  nd  . 

Therapie  der  Gegenwart 

November  1921,  11. 

❖  I »iabetes  und  chirurgischer  Eingriff.    Lauritzen.  Marius.  -109. 
Uebex  einige  Atropinvcrgiftungen.    Meißner.  K.  11«.. 

[jeher  ErnÀhrungsstörungen  und  ihre  Behandlung  mit  TonophospUan  als  Stoff- 
wechselstinvulans  unter  besonderer  BerĂŒcksrehrSigung  der  Rachitis. 
Hoff  m  a  n  n  ,  C.  422. 

❖  Digitalis  bei   chron.    LungenkrĂ€nkheitch,   besonders   bei   der  Schwindsucht. 

Fotkf  .   ('.  426. 

❖  Der  jetzige  Stand  der  Kadiiimemanatiunstberapie.    K  u  g  e  1  m  a  n  u.  430. 

Diabetes  und  chirurgischer  Eingriff.  Die  Arl)eit  oder  besser 
der  Vortrag  von  Lauritzien  zerfÀllt  in  zwei  Teile.  Die  Indikation 
zu  chirurgischen  Eingriffen  bei  Diabetikern  und  zweitens  die 
moderne  diĂ€tetische  Diabetesbehandlung.  Mit  allerĂ€ußerster  Vor- 
sicht stellt  L.  —  er  ist  Internist  —  die  Indikation,  er  macht 
immer  wieder  auf  das  Ziel  aufmerksam,  den  Diabetiker  glycae- 
miefrei  zu  machen,  ehe  man  ihn  chirurgisch  anfaßt.  Das  gehl 
oft  bei  den  eigentlich  diabetischen  Komplikationen,  z.  B.  Furun 
kulose,  auch  mitunter  bei  trockener  GangrÀn.  Da  gibt  es  bei 
guter  DiÀtbehandlung  manchmal  Spontanheilungen.  Vor  allem 
muH  man  sofort  versuchen,  die  speziellere  Diagnose  des  betr. 
Diabetesfalles  zu  erkennen.  Wenn  irgend  möglich,  acidosefrei 
machen.  Wenn  man  aber  bei  schwerer  GangrĂ€n  sieht,  daß  Aci- 
dosefreiheil  nicht  erreichbar  ist,  dann  lieber  gleich  amputieren. 
NatĂŒrlich  ist  bei  Operation  Acidose-Kranker  große  Komagefahr. 
Bei  Nephritis  wird  es  meist  unmöglich  sein,  die  HyperglykÀmie 
restlos  zu  beseitigen.  Ein  frĂŒhes  chirurgisches  Eingreifen  in 
diziert  die  Otitis  media  diabetica  (necrotica).  Diabetische  Neu- 
ralgien —  meist  doppelseitig  —  heilen  meist  bei  innerer  Behand- 
lung. Das  Ziel,  erst  glycaemiefrei  machen,  dann  ev.  operieren, 
ist  natĂŒrlich  schwieriger  bei  interkurrenten  Erkrankungen.  Ver- 
fasser warnt  vor  jeder  nicht  absolut  nötigen  Operation.  Man 
kann  auch  bei  anscheinend  leichten  FĂ€llen  aufs  unangenehmste 
durch  plötzliches  Koma  ĂŒberrascht  werden.  Die  Allgemein- 
narkose ist  immer  eine  Gefahr  fĂŒr  den  Diabetiker.  Absolut  zu 
vermeiden  ist  das  Chloroform.  Bei  GraviditÀt  Zuckerkranker  sah 
Verfasser  normalen  Verlauf  und  Geburt.  Relativ  gefahrlos  zu 
operieren  sind  die  benignen  oder  „renalen"  oder  „transitorischen" 
Glykosurien,  die  nĂŒchtern  keine  Erhöhung  des  Blutzuckers  haben. 
Auch  ein  leichterer  Grad  von  Acidose  soll  die  Operation  nicht 
absolut  kontraindizieren,  weil  er  meist  diÀtetisch  in  Schranken 
zu  halten  ist.  Doch  vermeidet  es  hier  der  Verfasser,  exakte 
rnlerscheidungsmerkmale  zu  geben.  Der  andere  Teil  der  Arbeit 
geht  auf  die  DiÀtbehandlung  des  Zuckers  speziell  ein.  Lau- 
ritzen snrjcht  von  dem  völligen  Umschwung  eFr  Anschauungen. 
FrĂŒher  hat  man  den  Diabetiker  gemĂ€stet,  heute  setzt  man  ihn 
auf  Minimalkost.  Stall  der  Hungertage,  wie  sie  von  Amerikanern 
vorgeschlagen  wurden,  gibt  Verfasser  GemĂŒselage.  Im  ganzen 
ist  es  interessant  zu  sehen,  wie  Verfasser  —  in  DĂ€nemark  - 
ebenso  behandelt,  wie  wir  es  hier  in  unfreiwilligen  Kriegsexperi- 
menten gelernt  haben.  Es  ist  natĂŒrlich  unmöglich,  auf  die  ein- 
zelnen DiÀtschemen  hier  einzugehen.  Denn  jeder  Fall  verlangt 
besonderes.  Man  versuche  im  allgemeinen  zuerst,  durch  GemĂŒse- 
lage den  Patienten  zuckerfrei  zu  machen,  achte  natĂŒrlich  auf 
etwaige  Acidose.  Gelingt  es.  dann  hat  man  eben  einen  gut- 
artigen Fall  vor  sich  und  kann  operieren.  Bei  Acidose  muß  man 
'  v.  doch  Hungertage  einschieben  oder  Alkalien  geben.  Bei  akuten 
Operation sfĂ€llen.  z.  B.  Appendizitis,  ist  natĂŒrlich  keine  Zeit  zu 
diĂ€tetischer  Vorbereitung.  Man  muß  dann  eben  mögliehst  viel 
hungern  lassen  und  nach  der  Operation  mit  Ilafersunne  beginnen. 
Im  allgemeinen  soll  man  vor  Operationen  einen  GemĂŒse-  oder 
dupgertag  machen  und  Alkalien  geben,  um  den  Urin  alkalisch  zu 
machen,  auch  nach  der  Operation  darauf  achten,  daß  der  Urin 
alkalisch  bleibt,  bis  iede  Komagefahr  vorbei  ist.  Nach  jeder 
Operation  genaue  Beobachtlipp,  s*>br  langsames  Weitergehen  in 
der  DiÀt  und  mindestens  t  Wochen  Bettm'1".  Verfasser  meint, 
daß  durch  die  moelerne  DiĂ€tbehandlung  die  Operationen  Zucker- 
kranker schon  s"hr  viel  besser  verlaufen  und  verspricht  sich 
noch  weit  grĂ¶ĂŸere  Erfolge,  wenn  erst  diese  DiĂ€tbehandlung  all- 
gemein in  allen  chirurgischen  Kliniken  eingefĂŒhrt  werden. 


Digitalis  bei  chronischen  Lungenkrankheiten,  besonders,  bei 
der  Schwindsucht.  Verfasser  geht  bei  seinen  AusfĂŒhrungen  auf 
die  Angaben  englischer  Aerzte  zurĂŒck,  die  vor  110  Jahren  ĂŒber 
Digitalis  berichteten  und  damals  viel  Lungenkrankheiten  behan- 
delten. Im  allgemeinen  bestÀtigt  er  die  alten  Berichte.  Bei 
Asthma  wirkt  Digitalis  nur,  wenn  Herzstörungen  vorliegen.  Es 
versagt  bei  reinem  Bronchialasthma.  Bei  den  chronischen  Ka- 
tarrhen Àlterer  Leute  wirken  kleine,  lange  gegebene  Digitalis- 
gaben sehr  gut,  eventl.  kombiniert  mit  Ipecacuanha.  Bei  Phthise 
berichten  die  EnglĂ€nder  ĂŒber  gute  Erfolge  im  Anfangsstadium 
durch  lange  Zeit  hindurch  gegebene  kleine  Dosen.  Die  Behand- 
lung muß  Monate  lang  fortgesetzt  werden,  die  Dose  so  klein 
sein,  daß  keine  MagenbelĂ€sligung  entsieht.  Verf.  referiert  das 
englische  Ergebnis,  gibt  selbst  kein  Werturteil  ab,  sondern 
fordert  zu  NachprĂŒfungen  auf.  Theoretisch  begrĂŒndet  ist  die 
.Digitalisbehandlung  damit,  daß  man  eine  Entlastung  des  durch 
den  chronischen  Prozeß  geschĂ€digten  Lungenkreislaufs  infolge 
besserer  Blutverteilung  annimmt.  —  Im  2.  Stadium  der  Phthise 
sind  keine  Erfolge.  Im  3.  Stadium  empfiehlt  Verfasser  als  gutes 
symptomatisches  Mittel  gegen  dyspnoische  Beklemmungen  die 
Strophanustinktur  mit  etwas  Opium. 

Der  jetzige  Stand  der  Radiumemanationstherapie.  Die  Haupt- 
domÀne der  Emanationsbehandlung  ist  tlie  Gicht  Die  theoreti- 
schen Grundlagen  der  gichtischen  Erkrankungen  sind  ja  noch 
nicht  geklÀrt,  es  ist  eine  Streitfrage,  ob  Gicht  und  harnsaure  Dia- 
these GegensÀtze  sind  oder  verschiedene  Wirkungsstadien  eines 
supponierten  uricolytischen  Fermentes.  Jedenfalls  sind  praktisch 
die  Emanationswirkungen  sehr  stark.  Zuerst  eine,  oll  sehr 
heftige  Reaktion,  dann  ZurĂŒckgehen  der  Ă€ußeren  gichtischen  Er' 
scheinungen  und  des  HarnsÀuregehalts  im  Blut.  Bei  schweren 
Gichtikem  muß  man  mit  kleinsten  Dosen  Emanation  beginnen. 
Die  Wirkung  der  E.  auf  gichtische  Tophi  lĂ€ĂŸl  sich  auch  im  Tier- 
experiment zeigen.  Bei  sonstigen  Stoffwechselkrankheiten  (Dia- 
betes, Fettsucht)  kann  man  durch  Emanation  im  allgemeinen  eine 
Anregung  der  ResorptionsvorgÀnge  erwarten.  Gute  Erfolge 
nennt  Verfasser  noch  bei  Asthma,  chronischer  Bronchitis  und 
vqr  allem  eine  Anregung  der  Libido  sexualis,  ein  allgemeines  Er- 
frischungsgefĂŒhl, ferner  bei  nervösen,  abgearbeiteten  Patienten; 
Noch  im  Fluß  sind  die  Anschauungen  ĂŒber  die  Wirkung  der  E. 
inf  den  Kreislauf.  Nach  Ansicht  des  Verfassers  wirken  Fma- 
uationsbÀder  von  34°  und  W0?0  M.  E.  nicht  schÀdlich  auf  H<  rz 
und  GefĂ€ĂŸe,  sondern  setzen  sogar  Rlulelruck  und  Pulsfrequenz 
herab,  wirken  also  herzschonend.  Ob  man  dies  bei  Herzerkran- 
kungen therapeutisch  verwenden  soll,  vermeidet  der  Verfasser 
anzugeben.  Seine  Experimente  sind  am  Herzgesunden  ausgefĂŒhrt. 
Blutungen  und  Nierenkrankheiten  kontraindizieren  eine  E.-Kur, 
ebenso  sind  Personen  ungeeignet,  die  zu  Blutungen  neigen. 

A.  Glaser. 

Zeitschrift  fĂŒr  physikalische  und  diĂ€tetische  Therapie 
einschl.  Balneologie  und  Klimalologie. 

192L  25,  Nr.  11. 

Zu  August  Biers   60.  Geburtstag.    Kirr  b  b  e  r  g  .  V.  465. 
Die  LeibesĂŒbungen  als  Lehr-  und  Forschungstach.    M  a  1  1  w  i  t  /. .  A.  472. 
❖Zur  BĂ€derreakt'on.     Zimmer.  Arnold.  475. 

❖AuffĂ€llige  Beherrschung  willkĂŒrlicher  und  Beeinflussung  unwillkĂŒrlicher  Mus- 
kulatur.   Kohlrausch.  W.  48">. 
Heilgymnastischer  Unterricht   fĂŒr    körperlich     minderwertige  Schulkinder. 

Gl  o  I  d  s  e  Ii  eitler.   A.  489. 

Das  vorliegende  Heft  ist  der  Feier  des  60.  Geburtstags  von 
August  Bier  gewidmet  und  demgemĂ€ĂŸ  auf  die  physikalische 
Therapie  abgestimmt,  insoweit  der  berĂŒhmte  Chirurg  sie  gefördert 
hat.  Nach  einer  Uebersicht  ĂŒber  Bier 's  diesbezĂŒgliche  Bei- 
trĂ€ge von  Kirchberg  tritt  Mallwitz  warm  fĂŒr  die  Leibes- 
ĂŒbungen als  Lehr-  und  Forschungsfach  ein  unter  Hinweis  auf 
die  unter  Bier 's  Auspizien  gegrĂŒndete  deutsche  Hochschule  fĂŒr 
LeibesĂŒbungen. 

B  i  e  r  '  s  Assistent  A.  Zimmer  bringt  eine  interessante,  den 
Titel  des  Themas  ĂŒberschreitende  Studie  ĂŒber  Therapie  im  allge- 
meinen. Sein  Grundgedanke  ist,  man  mĂŒsse  allmĂ€hlich  aus  dem 
Chaos  von  Einzelbeobachtungen  die  Grundregeln  herausschÀlen, 
nach  denen  die  lebendige  Substanz  unseres  Körpers  auf  Beize 
antwortet.  Dabei  ergibt  sich,  daß  zwar  die  verschiedenen  Pro- 
zeduren der  physikalischen  Therapien,  einschließlich  Balneo-  und 
Klimatotherapie  nicht  anders  wirken  als  parenteral  oder  oral 
(ingefĂŒhrte  Protein-Reizkörper  und  zwar  nach  dem  Arndt- 
S  e  h  u  1  z  sehen  Gesetz,  daß  jedoch  die  Art  und  GrĂ¶ĂŸe  abhĂ€ngt  von 
der  Konstitution,  der  Natur  der  Erkrankung  und  den  vorauf- 
uegangenen  Reaktionen.  Mag  also  ein  gewisser  richtiger  Kern 
in  den  monotherapeutischen  Anpreisungen  gewisser  Charlatarjj 
oder  einseitig  eingestellter  Ileilbeflissener    enthalten    sein,  so 


10. 


Nr.  i. 


Aus  de 


II    Ii  c  II  (' 


steii  Zeitschriften 


bleibt  doch  fĂŒr  die  Ă€rztliche  Kunst  der  Beurteilung  des 
ganzen  Reaklionssyslems  noch  ein  weiter  Spielraum  und  das  enl 
scheidende  Wort.  Wer  inmitten  des  Durcheinanders  in  Diagnose 
und  Therapie  sich  den  kĂŒhlen  historischen  Sinn  bewahrt  hat,  sei 
auf  die  AusfĂŒhrungen  von  C.  A.  Wunderlich  hingewiesen  in 
seinem  Handbuch  der  Pathologie  und  Therapie,  I..  1852,  S.  66 ff. 

Bis  /.u  welcher  Feinheit  sich  die  ĂŒblichen  koordinierten  Bc- 
WOgungen  in  ihre  einzelnen  Komponenten  zerlegen  hissen,  selzl 
Kohlrausch        z.  T.  auf  Grund  persönlicher  Versuche 
auseinander.     Ich  glaube,  daß  seine  Mitteilungen  das  Lebhafte 
Interesse  der  Neurologen  finden  mĂŒssen. 

FĂŒr  Schulturnen  —  sowohl  zu  orthopĂ€dischen  Zwecken  (Sko 
liosenbekÀmpfung),  wie  zur  allgemeinen  KrÀftigung  tritl 
Ii  o  1  d  s  c  h  e  i  d  e  r  ein.  Zugleich  bekĂ€mpft  er  —  und  das  er 
scheint  mir  noch  viel  bedeutsamer  die  Ruhe-,  Liege-  und 
PĂ€ppelungskuren,  wie  sie  teils  aus  ĂŒbertriebener  Aengstlichkeit 
wie  auf  Grund  irriger  Vorstellungen  hÀufig  verordnet  werden. 
Es  lehnte  sieh  wahrhaftig  eine  Studie,  wie  viel  im  Namen  der 
..Vorsicht'"  geschadet  worden  ist.  B  ut.t  er  s  ack. 

Deutsches  Archiv  fĂŒr  klinische  Medizin. 

21.  Oktober  1921,  137,  5.  und  Ii.  Heft. 

‱{»Studien  zur  Bence-Jonesscben  Albuminurie.    K  r  auB,  E.  257. 

♩Ueber  das  Verhallten  des  Blutzuckers  bei  Herzkranken  unter  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung der  therapeutischen  Anwendung  von  intravenösen  Traubem- 
zuckerinfusionen.    Traven,  P.  284. 

<$>MotilitĂ€tsprĂŒfungen  mit  Eiweiß,  Fett  und  Kohlehydraten  ;tni  kranken  Magen. 
J)  e  in  u  t  h  ,  F.    -'92.  ' 
Hie  Adrenalinhyperglykaemie.    K  r  ö  s  a  in  I  e  u.  299. 

♩M'elier  den  Salz-  und  Wasserwechsel  hei  Nierenkranken.   Siebec  k,  1!.  Iii. 
D.e  Beideutung  des  Katalaseindexes  fĂŒr  die  Diagnose  der  pernieiösen  AnĂ€mie. 
N  e  u  in  a  n  n  ,  K.    324.  ' 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  Fehlerquellen  bei  der  klinischen  Blut- 
druckmessung.   Hartz,  H.  337. 
Die  bakterizide  Funktion  des  DĂŒnndarmes,  ti  ante  r  u.  v  an  der  R  c  i  s.  348. 
Stoff weehselversuche  an  entwĂ€ssernden  Oedemiatösen.    H  o  e  ß  i  i  n  ,  H.  359. 

Studien  zur  Bence-Jones'schen  Albuminurie.  Es  gelang  Ver- 
fasser den  B.-J.-Eiweißkörper  aus  dem  Harn  eines  iViyelomkran- 
ken  krystallisiert  als  Prismen  und  feine  Nadeln  darzustellen.  Der 
b.-J.-Eiweilikörper  ließ  sich  bei  14— %  Volumenzusatz  von  Ehr- 
lichs  Aldehydreagens  ausfĂŒllen;  bei  2  Volumen  Zusatz  geht  er 
w  ieder  in  Lösimg.  Der  FÀllungsmodus  ist  nicht  durch  die  Salz- 
saure des  Ehrlich'schen  Reagenses  bedingt.  Stickstoffgehalt 
16,12  Prozent,  Zersetzungspunkt  bei  225  Grad.  Die  Menge  des 
ausgeschiedenen  B.-J. -Eiweißes  geht  der  GrĂ¶ĂŸe  des  Eiweißum- 
satzes ĂŒberhaupt  parallel.  Die  Geschwulstzellen  scheinen  in 
ihrer  Produktion  des  B.-J. -Eiweißkörpers  von  der  Höhe  der  ihnen 
angebotenen  Eiweißbausteine  abhĂ€ngig  zu  sein.  Die  kranke 
Niere  ist  fĂŒr  den  B.-J. -Körper  leichter  durchgĂ€ngig  als  die  ge- 
sunde. Bei  parenteraler  Einverleibung  verhÀlt  sich  der  B. -J.- 
Körper wie  plasmafremdes  Eiweiß.  Bei  Kaninchen  lĂ€ĂŸt  sich  mit 
B.-J. -Eiweiß  eine  allgemeine  und  lokale  Anaphylaxie  erzeugen. 
Durch  wiederholte  Injektion  des  B.-J. -Körpers  konnte  beim  Ka- 
ninchen eine  Nephrose  erzeugt  werden,  die  im  Prinzip  dieselben 
ZĂŒge  aufwies  wie  bei  dem  Patienten,  aus  dessen  Harn  der  Ei- 
weißkörper gewonnen  war.  Die  Nierenerkrankung  bei  Bence- 
.lones'scher  Albuminurie  ist  also  wohl  als  eine  toxische  Wirkung 
des  im  Blut  zirkulierenden  B.-J. -Eiweißes,  z.  T.  als  eine  Folge 
der  SchĂ€digung  durch  den  die  Nieren  passierenden  Eiweißkörper 
aufzulassen. 

reber  das  Verhalten  des  Blutzuckers  bei  Herzkranken  unter 
besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  therapeutischen  Anwendung  von 
intravenösen  Traubenzuckerinfusionen.  Verfasser  wendet  sich 
gegen  den  von  BĂŒdingen  neu  aufgeslelllen  Krankheilsbegriff 
der  Kardiodystrophia  hypoglykaemica.  Bei  102  Kranken  konnte 
eine  Hypoglykaemie  nicht  festgestellt  werden.  Auch  den  theoreti- 
schen Vorstellungen  BĂŒdingens  ĂŒber  die  gĂŒnstige  Wirkung 
der  Traubenzuckerinfusionen  durch  eine  elektive  Speicherung  von 
Traubenzucker  bezw.  Glykogen  im  Herzmuskel  kann  Verf.  nicht 
Folgen.  Trotzdem  wird  in  der  Anwendung  der  intravenösen 
Traubenzuckerinfusionen  ein  Fortschritt  nicht  nur  bei  der  Be- 
handlung Herzkranker,  sondern  auch  bei  vielen  anderen  Krank- 
heiten mit  KrÀfleverfall,  starkem  Blutverlust  oder  Wasserver- 
armung erblickt. 

MotilitĂ€tsprĂŒrungen  mit  Eiweiß,  Fett  und  Kohlehydraten  am 
kranken  Magen.  Bei  gleich  großen  Mahlzeiten  ist  die  Ent- 
leerungszeil derjenigen  am  kĂŒrzesten,  in  der  Kohlehydrate  vor- 
herrschen, lĂ€nger  die  einer  eiweißreichen,  am  lĂ€ngsten  einer  fett- 
reichen Nahrung.  Sauerkraut  (also  besonders  schwer  verdau- 
liche Speise)  wurde  noch  langsamer  als  Fell  aus  dem  Magen 
entleert.  Bei  AnaziditÀt  ist  die  Verweildauer  der  Kohlehydrate 
relativ  zu  der  von  Eiweiß  und  Fett  herabgesetzt.    Bei  den  unter- 


suchten   Karzinomen    w  ar   die    hnl  Icei  iingszcil    fĂŒr    Eiweiß   vi  i 

lungert,  so  daß  sie  die  von  l  eii  sogar  ĂŒbertraf.  Bei  den  ĂŒbrigen 
Magenkrankheiten  wird  das  VerhÀltnis  der  lintleerungs/eiten  im 
allgemeinen  mit  großer  RegelmĂ€ĂŸigkeit  eingehalten. 

Heber  den  Salz-  und  Wasserwechsel  bei  Nierenkranken.  Zwei 
PrÀgen  sind  auseinanderzuhalten:  einmal,  welchen  Anforderungen 
der  Stoffwechsel,  (I.  h.  die  Gesamtheit  der  ihn  bestimmenden  Vor- 
gÀnge, gewachsen  ist,  und  dann,  wie  sich  der  Organismus  hei 
einer  kurzdauernden  Aenderung  der  Zufuhr  verhall  WĂ€h 
rend  bei  Gesunden  au!  einmalige  Salzzulage  rasche  Anpassung 
des  Organismus  durch  schnelle  vermehrte  Ausscheidung  erfolgte, 
schieden  hydropische  Nierenkranke  auf  einmalige  Kochsalz- 
zulage wenig  mehr  aus,  wohl  aber  war  auf  periodische  Salzzu- 
lagen ein  erhebliches  Ansteigen  der  Salzausfuhr  festzustellen, 
wenn  sie  auch  langsamer  als  bei  Gesunden  erfolgte.  Ks  hat  sich 
lerner  gezeigt,  daß  nicht  immer  gerade  die  Kranken,  die  hei  ein- 
maliger Zulage  besonders  wenig  ausscheiden,  auch  auf  eine 
dauernde  Zulage  sich  besonders  langsam  einstellten.  Das 
zeigt  deutlich,  daß  die  beiden  Untersuchungen  etwas  ganz  Vi  i 
schiedenes  bedeuten.  Die  TrÀgheit  der  Einstellung  ist  das  We- 
sentliche an  der  Funktion  der  kranken  Niere:  der  Cl-Gehalt  im 
Blute  steigt  an,  weil  die  Nieren  den  grĂ¶ĂŸeren  Anforderungen  nicht 
rasch  genug  nachkommen,  er  sinkt,  wenn  die  Nierenfunktion  sich 
entsprechend  eingestellt  hat,  so  daß  dann  die  Nieren  auch  hei 
nicht  erhöhtem  Cl-Gehalt  im  Blute  eine  erheblich  grĂ¶ĂŸere  Menge 
Gl  ausscheiden.  Auch  auf  die  verminderten  Anforderungen 
stellen  sich  die  Nieren  trĂ€ge  ein,  so  daß  sie  beim  UebergĂ€ng  von 
salzreicher  zu  salzarmer  Kost  weit  grĂ¶ĂŸere  Mengen  Salz  sezer- 
nieren,  als  vorher  bei  salzarmer  Kost.  FĂŒr  die  Behandlung 
Nierenkranker  ist  es  wichtig,  Wasser-  und  Salzzufuhr  brĂŒsk  zu 
reduzieren,  um  im  Hinblick  auf  die  langsame  Anpassung  der 
Nierenfunklion  dem  Wasser-  und  Salzhaushalt  einen  Auslaß  zu 
geben,  der  fĂŒr  die  Ausscheidung  der  Oedeme  bedeutungsvoll  isl. 

D.  S.  Tarnow  (Charlottenburg- Westend). 

Zeitschrift  fĂŒr  ImmunitĂ€tsforschung,  Jena. 

4.  November  1921,  33,  Hefl  1. 


hei     der     W  asserm. umsehen     Reaktion.     (i  ;i  e  h  t- 
Wasserstoff  iiinenkim/.entration. 


zur 


Kompliiientauswertung 

g  e  n  s  .   W.  l. 
❖Beziehungen       der  Darmhaktericu 

S  c  h  e  e  r  ,  K.  36. 
Wirkung  der  Metalle  auf  die  Imunagglutination.    Hajos,  K.  42. 
Wirkung  der  Einspritzung  von  Seirum.  Toxinen  und  anderen  Giften  in  die 

Carotis    zentralwÀrts    bei    verschiedenen    Tierarten.     Fried  ber  g  e  r, 

10.    und    (>  s  h  i  k  a  w  a  .    K.  48. 

❖Bedeutung  der  paradoxen  Reaktion  auf  Diphtherieboulllon  heim  .Mensehen. 
K  a  ssowitz,  K.  111. 

Ueber  die  Beziehungen  der  Darmbakterien  zur  Wasserstoff- 
ionenkonzentration.  Die  untersuchten  Bakterienarien  wurden  je- 
weils durch  die  fĂŒr  sie  charakteristische  H-Jonenkonzenlration 
in  einer  bestimmten  Zeit  abgetötet.  SÀurebildende  Bakterien  ver- 
mögen dies  nur  bis  zu  einer  bestimmten,  ebenfalls  spezifischen 
Il-Jonenkonzentralion.  Untersucht  wurden  Typhus,  Dysenterie, 
Coli  und  Bakterien,  welche  sich  nach  Gram  positiv  verhalten. 

Zur  Bedeutung  der  paradoxen  Reaktion  auf  Diphtherie- 
bouillon beim  Menschen.  Erwiderung  auf  die  Entgegnung  von 
B  e  s  s  a  u.  W.  Weisbach  (Halle  a.  S.). 

BeitrÀge  zur  Klinik  der  Tuberkulose,  Berlin. 

12.  November  1921,  49,  Heft  2. 

♩♩♩Kritischer  Bericht  ĂŒber  104   PneumothoraxfĂ€lle.     Li  ehe,   II.  125. 

Das  weiße  Blutbild  und  seine  Aciulerungen  im  Verlaufe  der  Lungentuberkulose. 

Klee  m  a  n  n  ,  A.  138. 
^Erfahrungen  in  Tuberkulosetherapie   mit  Partialantigenen    nach  Peycke- 
Mueh.    Briti  k  m  a.  n  n  und  >S  c  h  m  o  ei  g  e  r.  153. 
Pathologisch-anatomische  (röntgenologische )  und  biologische  Differenzierung 
tuberkulöser  Lungenerkrankungen.  H  a  y  e  k  ,  Ii.  v.  und  1'  e  t  e  r  s  ,  R.  162. 
Technik  der  röntgenologisch  differenzierten  Lungenuntersuchung.  Peters, 
R.  187. 

Einwirkung    von    Pleuraexsudaten    auf    die     Lungentuberkulose.      0  r - 

s  z  À  g  h  ,  O.  194. 
Tuberkulöser  Kopfschmerz.    F  r  i  s  c  h  ,  A.  203. 
Beitrag  zur  Kenntnis  des  Chlorstoffwechsels.  B  o  e  n  h  e  i  m  .  F  233. 

Kritischer  Berieht  ĂŒber  104  PneumothoraxfĂ€lle.  Verfasserin 
berichtet    ĂŒber   ihre   Beobachtungen    und   Erfolge    der  letzten 

Jahre  bei  der  Anwendung  des  kĂŒnstlichen  Pneumothorax.  Der 
Eingriff  wurde  bei  104  Patienten  versucht,  er  gelang  73  mal,  miß- 
lang 31  mal.  Die  Technik  betreffend,  empfiehlt  Verf.  eine  sehr 
zweckmĂ€ĂŸige  Apparatur  (von  der  Firma  Willi.  Holzhauer  in 
Marburg  a.  Lahn  hergestellt),  bei  der  Einschaltung  von  Sauer- 
stoff auf  Stickstoff  in  besonders  einfacher  Weise  ermöglicht  wird. 
FĂŒr  die  erste  Anlage  des  Pneumothorax  wurde  Sauerstoff  an- 
gewandt, hei  den  NachfĂŒllungen  je  nach  Lage  des  Falles  Sauer- 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


tĂŒ.  Jahrg.  —  Nr.  1 


»toll  oder  Stickstoff.  Die  praktisch  wichtigsten  Gegenindika- 
lionen  sind  Kehlkopf-  und  Darmtuberkulose.  Bei  der  Aus- 
wahl der  FĂ€lle  spielt  der  Umstand  eine  wichtige  Rolle,  daß  nicht 
alle  HeilstÀtteninsassen  nach  ihrer  Entlassung  aus  der  Anstalt 
die  Möglichkeit  haben,  die  Behandlung  konsequent  durchzusetzen, 
vorzeitiges  Eingehenlassen  des  Pneumothorax  kann  den  Erfolg 
zunichte  machen  oder  gar  Verschlimmerungen  des  Prozesses 
herbeifĂŒhren.  Von  ZwischenfĂ€llen  werden  erwĂ€hnt  2  mal  Haut- 
emphysem  (beide  Male  nach  dem  spÀter  durch  das  Stichverfahren 
ersetzten  Schnittverfahren;,  dreimal  Kollaps,  einmal  wahrschein- 
lich Gasembolie  (.Zuckungen  der  einen  GesichlshÀlfte,  BlÀsse, 
Zyanose).  In  26  von  den  73  FĂ€llen,  in  denen  der  Eingriff  gelang, 
kam  es  zur  Exsudalbildung,  Umwandlung  in  Empyem  wurde  nie 
beobachtet.  Die  in  der  Anstalt  beobachteten  Erfolge  waren  leid- 
lich befriedigend,  die  Dauererfolge  ergeben  kein  allzu  erfreu- 
liches Bild;  diese  Tatsache  wird  z.  T.  dem  schweren  Kranken- 
material und  der  ungenĂŒgenden  Fortsetzung  der  Behandlung 
nach  der  Entlassung  zugeschrieben. 

Erfahrungen  in  Tuberkulosetherapie  mit  Partialantigenen 
nach  Deycke-Much.  Die  heute  herrschende,  ziemlich  allgemeine 
geringe  WertschÀtzung  der  Partigenmelhode  wird  von  den  Ver- 
lassern nicht  geteilt.  Weder  die  theoretisch  vielleicht  berech- 
tigten Zweifel  an  der  Reinheit  der  Partigene,  noch  die  Zweifel 
an  ihrer  Anligennatur  sind  praktisch  von  entscheidender  Bedeu- 
tung. Die  Partigene  zeichnen  sich  durch  das  Ausbleiben  plötz- 
licher hoher  Fieberanstiege  und  unerwĂŒnscht  starker  Herdreak- 
tionen  vortediaft  aus.  In  FĂ€llen,  in  denen  trotz  Anwendung  hoher 
Dosen  eine  Hcrdreaktion  nicht  zu  erzielen  ist,  was  Vorbedingung 
zur  Erzielung  eines  Erfolges  ist,  mag  es  sich  empfehlen,  die  Kur 
mit  Volltuberkulinen  fortzusetzen.  Die  hÀufig  genug  vorge- 
nommene Aufstellung  des  Intrakutantiters  scheint  im  Rahmen 
aller  anderen  klinischen  Kriterien  ein  brauchbares  Prognostikuni 
zu  sein.  Nach  Ansicht  der  Verfasser  bedeutet  die  jetzt  fast  all- 
gemein an  die  Stelle  der  Behandlung  mit  Partialantigenen  ge 
tretene  Anwendung  des  M.  Tb.  R.,  sowie  die  EinfĂŒhrung  des 
M.  Tb.  L.  einen  RĂŒckschrill  auf  einem  aussichtsvoll  erscheinenden 
Wege.  Ueber  ihre  Erfolge  berichten  die  Autoren,  daß  bei  der 
Entlassung  56,7  %  gebessert  waren,  43,2  %  unverÀndert  oder  ver- 
schlechtert. Eine  NachprĂŒfung  mehrere  Monate  nach  der  Ent- 
ladung zeigte  jedoch,  daß  diese  Zahlen  ein  zu  gĂŒnstiges  Resultal 
vortÀuschen:  von  80  als  gebessert  entlassenen  FÀllen  waren  29 
unverÀndert  und  17  verschlechtert.  Wolff  (Hamburg). 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie,  Jena. 

1921,  34,  Heft  1. 

»>.\cue  Beobachtungen  und  Erfahrtingen  ĂŒber  schwere  Wurmerkrankiiugeii  ilei 
Bauchorgane.    Scliloellmann.  1. 
BeitrÀge  zur  Bakteriologie  der  Gallenwege.    Wagner,  A.  41. 
Ulcus  und  Acrophagie     FĂŒll,  H.  und  Friedrich,  L.  v.  53. 
‱M'ebcr  zerebrale  KinderlĂ€hmung  und  im  Anschluß  an  diese  auftretende  un 
willkĂŒrliche,  athetotische.   choreatische  Bewegungsstörungen     und  Epi- 
lepsie.   \V  a  c  h  e  n  d  o  r  f  ,   K.  64. 
♩H-'unktionsprĂŒfung  der  normalen  Niere  mit  Jodkalium  (qualitativ  und  i|u;m:i 
tatĂŒv).    Narath.   A.  90. 
BeitrÀge  zur  Lehre  von  der  Pankreatitis.    Schoening,  F.  101. 
^Einige  Bemerkungen  ĂŒber  Darmiuvaginationen.    Goldschmidt,  \V.  112. 
VerÀnderung    der     Blaseugestalt      bei      offenen     Bruchpforten.       S  g  a  - 
1  i  t  z  e  r  ,  M.  132. 

Spulwurmerkrankungen  der  Bauchorgane  haben  seit  dem 
Kriege  an  HĂ€ufigkeit  und  Schwere  zugenommen.  Der  Grund 
hierfĂŒr  ist  die  immer  wachsende  Anwendung  von  Menschen- 
l'Ă€kalien  zur  BodendĂŒngung  und  die  hierdurch  bedingte  Ver- 
breitung der  Askariden.  Die  WĂŒrmer  werden  fĂŒr  den  TrĂ€ger 
dann  gefĂ€hrlich,  wenn  sie  wandern,  oder  wenn  sie  in  großen 
Massen  auftreten.  Der  normale  Aufenthaltsort  der  Askariden  ist 
das  obere  Jejunum.  Die  Auswanderung  von  hier  erfolgt  erstens 
bei  krankhaften  VerĂ€nderungen  des  Darmes  selbst  und  bei  —  aus 
irgend  welchen  GrĂŒnden  auftretender  —  Temperaturerhöhung  des 
WurmtrĂ€gers.  Die  Wanderung  der  den  DĂŒnndarm  verlassenden 
Askariden  kann  sehr  weit  gehen:  nach  abwÀrts  bis  zum  Coecum, 
nach  aufwÀrts  bis  in  den  Magen  und  von  dort  unter  Brechbe- 
wegungen in  die  Speiseröhre,  den  Mund,  die  Nase  und  den  Kehl- 
kopf; letzteres  Ereignis  fĂŒhrt  fast  stets  schnell  zum  Exitus  durch 
Erstickung.  —  Bei  der  magenwĂ€rts  gerichteten  W7anderung  ge- 
langen die  Askariden  nicht  so  selten  durch  die  Duodenalpapille 
in  die  Gallenwege.  Jedoch  gestattet  die  normale  Papilla  Vateri 
den  andrĂ€ngenden  WĂŒrmern  keinen  Eintritt;  erst  wenn  durch  vor- 
angegangene chronische  EntzĂŒndungsprozesse  die  Papille  zum 
dauernden  Offenstehen  gebracht  worden  ist,  sind  fĂŒr  die  Spul- 
wĂŒrmer die  Vorbedingungen  zum  EinschlĂŒpfen  gegeben.  Daher 


findet  man  bei  solchen  Fallen  fast  stets  in  der  Anamnese  cm 
langes  Gallensteinleiden.  Die  klinischen  Erscheinungen  lassen 
im  allgemeinen  die  Diagnose  der  Wurmeinwanderung  kaum  ver- 
mutungsweise zu;  nur  bei  Kindern  soll  man  bei  Erkrankungen 
des  Gallensystems  stets  an  Wurmerkrankung  denken.  Ueber 
wiegend  werden  Frauen  im  Alter  von  10 — 60  Jahren  befallen 
Die  Parasiten  können  Wochen-,  ja  monatelang  in  den  Gallen 
gĂ€ngen  leben  bleiben.  FĂŒr  die  chirurgische  Behandlung  ist  von 
allergrĂ¶ĂŸter  Wichtigkeil  die  T-Drainage  der  GallengĂ€nge,  da  so- 
wohl von  der  Leber  als  vom  Darm  her  sich  noch  WĂŒrmer  ent- 
leeren können. 

Eine  andere  Komplikation  stellt  di-e  Einwanderung  der  Aska- 
riden in  den  \\  urmlortsatz  dar.  Die  klinischen  Erscheinungen 
sind  im  allgemeinen  die  einer  akuten  Appendizitis. 

Von  besonderem  Interesse  sind  die  Talle  von  AskÀfidenileus 
Dieser  kann  in  zwei  Formen  auftreten:  erstens  als  Okklusions- 
ileus,  indem   durch    .MassenanhĂ€ufung    von    SpulwĂŒrmern  das 
Darmlumen  völlig  verlegt  wird,  und    zweitens   als  spastische) 
Ileus,  indem  ganz  wenige   WĂŒrmer,  die  bei  weitem  nicht  das 
normale  Darmlumeu  ausiullen,  einen  solchen  Reiz  auf  die  DĂŒnn 
darmwandung  ausĂŒben,  daß  diese  sieh  in  Form  einer  Dauerkon 
traktion  fest  um  die  Parasiten  zusammenzieht.    Bei  Verdacht  auf 
Askaridenileus  soll  man  zunÀchst  innere  Mittel  versuchen  San 
tonin  usw.),  um  erst  beim  Versagen   dieser   chirurgisch  einzu- 
greifen.   Die  örtlichen  SchÀdigungen  der  Darmwand  selbst  durch 
große  MassenanhĂ€ufungen  von  WĂŒrmern  sind  nur  gering:  Ge- 
schwĂŒrsbildung und  Perforationen  kommen  nicht  vor. 

Ohne  die  bisher  besprochenen  mechanischen  Störungen  /u 
verursachen,  können  die  Askariden  allein  durch  ihre  Giftwirkung 
ein  Ă€ußerst  schweres  Krankheitsbild  hervorrufen;  es  Ă€ußert  sich 
in  motorischer  Unruhe,  starker  psychischer  Erregung,  Delirien 
und  schließlich  einem  schweren  Koma,  das  gewöhnlich  in  den  Tod 
ĂŒberleitet.  Allerdings  sind  solche  FĂ€lle  seilen.  Ein  spezifisches 
Gift  der  SpulwĂŒrmer  konnte  noch  nicht  gefunden  werden. 

Im  Anschluß  an  zerebrale  KinderlĂ€hmung  kommt  es"  bis- 
weilen nach  Ablauf  der  akuten  Krankheilssymptome  zu  Erschei- 
nungen von  unwillkĂŒrlichen  Bewegungsstörungen  (.Athetose. 
Ilemichorea)  und  Epilepsie.  Drei  derartige  FĂ€lle  wurden  ope 
riert.  Bei  der  Trepanation  zeigte  sich  in  dem  ersten  Fall  ein 
betrÀchtlicher  Hydrocephalus  externus;  die  Obduktion  Exitus 
24  Stunden  p.  o.)  deckte  einen  Kalkherd  im  Nucleus  ruber  auf. 
In  dem  zweiten  Falle  wurde  eine  Zyste  der  Arachnoidea  und  in 
dem  letzten  eine  von  der  2.  Stirnwindung  bis  zur  vorderen  Zern 
tralwindung  reichende  Zyste  gefunden.  Der  zweite  Fall  wurde 
durch  die  Operation  gebessert,  der  dritte  hatte  trotz  anfÀnglicher 
Besserung  nach  Ablauf  von  5  Monaten  wieder  seihe  alten  Be- 
schwerden. Die  chirurgischen  Heilungschancen  sind  demnach 
gering. 

FunktionsprĂŒfung  der  normalen  Niere.  Neri  prĂŒfte  (Iii- 
Funktion  normaler  Nieren  an  einer  Reihe  von  FĂ€llen  mittels  Jod. 
Er  gab  0,1  g  Jodkali  intravenös  und  untersuchte  den  Urin  nach 
der  Injektion  alle  2 — 3  Minuten,  bis  die  erste  positive  Probe  er- 
zielt wurde.  Hiernach  wurde  der  Urin  jede  Stunde  bis  zum  Ver- 
schwinden der  positiven  Reaktion  untersucht.  Die  beste  Probe 
zum  Jodnachweis  ist  die  mit  rauchender  SalpetersÀure  und] 
Chloroform.  Die  erste  positive  Jodreaktion  setzt  nach  3  bis. 
S  Minuten  ein,  die  Ausscheidungsdauer  betrĂ€gt  14—22  Stunden. 
StÀrkere  Abweichungen  hiervon  sind  als  pathologisch  zu  be- 
zeichnen. Die  quantitative  Messung  ergibt,  daß  die  Ausscheidung 
von  Jod  in  den  ersten  zwei  Stunden  den  Höchstwert  erreicht,  um 
in  den  nÀchsten  Stunden  fast  ebenso  schnell  wieder  ganz  niedrige 
Werte  anzunehmen. 

Ueber  Darminvaginationen.  Der  Beginn  einer  Invagination 
ist  oft  in  einem  lokalen  Darmspasmus  zu  suchen.  Dieses  spastisch 
kontrahierte  StĂŒck  wird  dann  durch  die  Peristaltik  in  den  ab- 
fĂŒhrenden Darmteil,  das  passive,  unbewegliche  Invaginans,  hin- 
eingetrieben. Aetiologisch  werden  die  verschiedensten  Momente 
beschuldigt:  DiÀtfehler,  Traumen,  Tumoren,  Ulcera  u.  v.  a.  In 
manchen  FĂ€llen  muß  man  eine  Spasmophilie  als  Ursache  an- 
nehmen. Meistens  ist  die  Aetiologie  unklar.  Hauptbedingung  fĂŒr 
eine  erfolgreiche  Therapie  ist  die  frĂŒhzeitige  Diagnose  und 
schnelles  Eingreifen.  Da  nichtbehandelte  FÀlle  eine  MortalitÀt  von 
90 — 100  %  ergeben,  konservativ  behandelte  eine  solche  von  etwa 
80  %,  durch  Eingießungen  behandelte  70 — 75  %  und  operierte  nur 
31,5  %,  muß  unbedingt  operiert  werden,  wenn  nicht  ein  sofort 
vorgenommener  Einlauf  unzweifelhaften  Erfolg  hat;  vor  der 
Darmresektion  ist  allerdings  bei  SĂ€uglingen  zu  warnen;  hier  ist 
die  Desinvagination  die  Methode  der  Wahl. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 


10.  Jahrg.  —  Nr.  I. 


A  u  s  (l  e  ii  neuesten  Zcilschrifte  n 


il 


Archiv  fĂŒr  klinische  Chirurgie,  Berlin. 

1021,  117,  1.  Heil. 

♩Ubjuklivos  und  Subjektivos  im  Krnnkheitshild  der  Arthritis  doformans     (;  u  ‱ 

locke.  N.  l. 
‱fcl  elior  Osteoplastik.   CJ  l  u  c  k  .  Th.  13. 

Angeborene  Ostitis  fibrosa  als  Ursache  einer  Intrauterinen  Unterschenkel- 
(raktur.    F  r  a  u  g  e  n  h  e  i  m  ,  P.  Jl1. 

Oic  Bedeutung  des  Neuroms  am  zentralen  N'eirvenende  (in  die  ICutsiehung 
und  Heilung  irophiaoher  fetowebsschiiden  nach  Nervenverletzuug.  Btll* 
F.  n'i  n  g  .  P.  :ju. 

»M>ie    Bedeutung  de«  Pylorus   (ĂŒr   das   Zustandekommen    dos  nostoperativeu 
Jejunalulcus.    II  u  Ii  e  r  e  r.«  ;>o. 
Lieber  die  Beziehungen  zwischen  l'ylorusausschaltung  und  peptischem  Jejunal- 
geschwiir  und  Uber  dile  BerĂŒcksichtigung  der  UeiĂ€ĂŸversorgung  hui  v/agen- 
operatiuiien.    K  e  1 1 1  n  g  ,  Ci.  68. 

Das  Versagen  der  RĂŒiitgeniidefenbestrahlung  und  die  Bedeutung  d<i  biologi- 
schen Prophylaxe  fĂŒr  eine  erhebliche  Verbesserung  der  operativen  Be- 
haotHu.Bg  bösartiger  GeschwĂŒlste.    Keysscr,  F.  97. 
❖  Die  unmittelbaren  und  Dauererfolg«  der  Cholecystektomie.     II  i  n  /..  tOC. 

D.c  reine  .Synechie  und  der  Ersatz  des  Herzbeutels.    K  I  q  s  c  .  St.  133. 
‱{‱Pseudoarthrosen  unttier  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  IvriegsbescbĂŒ  ligten. 
L  o  r  c  u  t  z  .  v.  149. 
Zwerehfellh,exnien.    B  r  e  i  t  n  e  r  ,  B.  IM, 

liadikal  operiertes  Caroinom  des  Ductus  cholcdoehus.    Ambe  r  g  e  r.  iB9. 

Objektives  und  .Subjektives  im  Krankheit  sbild  der  Arthritis 
Üelormaus.  \  eriasser  weist  nachdrĂŒcklich  hin  aul'  die  hĂ€utig  ge- 
nug bestehenden   GegensÀtze  zwischen  subjektiven  Symptomen 

..einerseits  und  klinisch-pathologischem  Befund,  bezw.  zwischen 
letzterem  und  den  objektiven  klinischen  Merkzeichen.  So  stehen 
oll  die  Heselns  erden  in  keinem  VerhÀltnis  zur  Schwere  der  krank- 
halten  VerÀnderung,  wahrend  andererseits  schon  beginnende 
Formen  der  Erkrankung  erhebliche  Schmerzen  bereiten  können. 
Auch  das  gewöhnlich  als  diagnostisches  Merkmal  angesehene 
Kniegelenkreiben  —  mehr  weich  bei  Gelenkrheumatismus,  rauher 
und  intensiver  bei  Arthritis  del.  —  verdient  nicht  die  klinische 

.Wichtigkeit,  die  man  ihm.  beizulegen  gewohnt  ist:  es  kann  ent- 
weder ĂŒberhaupt  nicht  pathologisch  sein  oder  aber  auch  selbst 
bei  schweren  FÀllen  vollkommen  fehlen.  Nur  sehr  ausgeprÀgte, 
namentlich  rauhe  GerÀusche  bedeuten  schwerere  VerÀnderungen, 
bei  leichten  GerÀuschen  darf  die  Diagnose  erst  bei  Nachweis 
anderer  Symptome  als  sicher  gelten. 

[Jeber  Osteoplastik.  Bericht  ĂŒber  einige  Dauerresultate  aus 
dem  Gebiete  des  Knochenersalzes  und  Erörterung  der  Grund- 
lagen ĂŒer  Osteoplastik.  WĂ€hrend  der  Nutzen  der  letzleren  heute 
feststeht,  sind  pathologische  und  physiologische  1- ragen,  haupt- 
sÀchlich in  bezug  auf  das  Schicksal  des  transpiantierten  Gewebes, 
iiuch  umstritten.  Nach  Ansicht  des  Verl.  wird  die  angesetzte 
i  rolaese  je  nach  ihrer  Beschaffenheit  substituiert  (gebendes  Ge- 
webe; oder  heill  ein  (totes  Gewebe  oder  Fremdkörper).  Beiden 
gemeinsam  isl  als  wichtigstes  der  ausgeĂŒbte  Beiz  zur  Osteogenese 
und  ehe  fixierende  Wirkung.  Das  implantierte  Gewerbe  kann  be- 
reits vor  seiner  völligen  Substitution,  infektionsfreien  Verlauf  der 
Heilung  vorausgesetzt,  als  Prothese  wirken.  Verl.  geht  des 
Breiteren  nÀher  auf  die  von  ihm  geschaffene  Fremdkörpertherapie 
ein,  d.  h.  Benutzung  von  totem  Material  (toter  Knochen,  Elfen- 
Bein  usw.,  „Heteroplastik")  als  Prothese.  Die  Vorteile  dieses 
Vorgehens  sind:  Vielseitigkeit,  leichte  Steriiisierbarkeit,  Ver- 
wendung eines  jederzeit  in  gewĂŒnschter  GrĂ¶ĂŸe  herzustellenden 
Materials  ohne  dabei  bestehende  Notwendigkeit,  wie  bei  der 
homologen  Implantation,  erst  nach  Entnahme  der  Prothese  eine 
neue  Wunde  schaffen  zu  mĂŒssen.  Die  vorstehenden  Darlegungen 
werden  durch  beigebrachte  Nachuntersuchungsbefunde  hetero- 
plastisch  behandelter  Patienten,  bei  denen  sich  nach  Jahren  noch 
ideale  Einheilung  der  Prothese  ergab,  bestÀtigt. 

Die  Bedeutung  des  Pylorus  fĂŒr  das  Zustandekommen  dos 
postoperativen  Jejunalulcus.  Das  immer  wieder  beobachtete  und 
BefĂŒrchtete  Auftreten  des  JejunalgeschwĂŒrs  in  vielen  Fallen 
operierter  Magen-  oder  Duodenalulcera  gibt  dem  Verfasser  Ge- 
legenheit, auf  Grund  außerordentlich  großen  diesbezĂŒglichen 
Op<  xationsmaterials  die  einschlÀgigen  Fragen  zu  erörtern.  Kli- 
nische Erfahrungen  weisen  mit  grĂ¶ĂŸter  Wahrscheinlichkeit  auf 
den  bezĂŒglich  seiner  Funktion  ausgestalteten  Pylorus  (nach 
Gastroenterostomie,  bezw.  Gastroenterostomie  mit  Pylorusaus- 
fchaltung)  als  Urheber  des  postoperativen  Jejunalulcus  hin. 
HierfĂŒr  spricht  auch  die  Tatsache,  daß  ausgedehnte  oder  nur  den 
Pylorustcil  betreffende  Magenresektionen  nie  zu  dieser  Kompli- 
kation fĂŒhrten.  (Die  Ursache  liegt  vielleicht  im  ersteren  Falle 
in  Pylorusspasmen;  die  genaueren  Einzelheiten  hat  Verfasser  be- 
reits frĂŒher  mitgeteilt.)  An  einigen  neuen  entsprechenden  Krank- 
heitsfÀllen werden  die  geschilderten  VerhÀltnisse  nÀher  gekenn- 
zeichnet. So  ist  es  vor  allem  das  Ulcus  duodeni,  durch  dessen 
Behandlung  mittels  Pylomsausschaltung,  sellener  mittels  ein- 
facher Gastroenterostomie,  das  JejunalgeschwĂŒr  auftritt.  Man 


vermeide!  nach  den  Erfahrungen  Staber  ow  s  diese  ĂŒble  Ope 
ralionslol^c  am  besten  durch  Resektionen  des  Magens  mit  Bin 
Schluß  des  Pylorusgebietes  bezw    des  Duodenums.   Auch  in  jedem 
balle  operierten  JejunalgeschwĂŒres  SOltte  man  den  Pylorus  eben 

lalis  resecieren.  LĂ€ĂŸt  sieb  eine  Resektion  nicht  ausfĂŒhren,  s<> 
isi  therapeutisch  die  einfache  Gastroenterostomie  am  Platze. 

Die  unmittelbaren   und  Dauererfolge  der  Cholecystektomie 
Frlahrungen  an  9S  FĂ€llen  von  Cholezystektomie  ergaben:  nur  die 
frĂŒhzeitige  Operation  bedingt  gĂŒnstige  Erfolge  bezgl.  der  Mor 
lalitÀt.    Ebenso  wird  die  IntensitÀt  der  auch  nach  dem  Eingriff 
in  der  HĂ€lfte  aller  FĂ€lle  zurĂŒckbleibenden  Hypo-  und  Achylie 
nur  durch  möglichst   rechtzeitiges  operatives  Vorgehen  vorteil- 
haft beeinflußt.     Postoperative  Beschwerden  sind  weniger  Ope- 
rationsfolgen als  auf  Beste'  frĂŒherer  entzĂŒndlicher  Prozesse  (Ver 
wachsungen,  Narben)  zurĂŒckzufĂŒhren.    Die  frĂŒhzeitige  Diagnose 
und  Therapie  schaff!  auch  hier  am  ehesten  Besserung. 

Pseudoarthrosen  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 
KriegsbeschÀdigten.  Die  Indikation  zu  operativem  Vorgehen  bei 
der  Pseudoarthrosenbehandlung  richtet  sich  vor  allem  nach  dem 
lokalen  Befunde  (Ausschluß  latenter  Infektion,  gĂŒnstige  Beschaf- 
fenheit des  Knochens  in  der  Umgebung  der  Pseudoarthrose}, 
ferner  nach  dem  Allgemeinzustand.  Auch  die  psychische  Ver- 
fassung des  Kranken  soll  dabei  eine  gewisse  Bolle  spielen.  Der 
Eingriff  selbst  besteht  am  besten  in  der  unmittelbaren  autoplasti- 
schen Ueberpflanzung  unter  möglichst  reichlicher  Erhaltung  des 
Periostes  des  zu  implantierenden  Knochens.  Zwecks  Vermeidung 
der  Infektion  ist  genaueste  Blutstillung  geboten,  obwohl  bekannt- 
lich die  Blutung  einen  osteogenetischen  Beiz  (Bier")  ausĂŒbt. 
Einige  FÀlle  operativ  geheilter  Pseudoarthrosen  KriegsbeschÀ 
digter  illustrieren  das  Gesagte.  L.  Frosch  (Berlin\ 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

19.  November  1921,  48,  Nr.  46. 

Die  BelreEiing  der  Vena  subclavia  beim  eyanotischen  Oedem.    Bedrt,  A. 
1678. 

(Jeher    Dauerresuiltate    nach    Sehnenveirlagerung    bei    irreparabler  Radialis- 
lÀbmung.    K  cause,  W.  1680. 

*5*Bine  neue  Art  der  Versorgung  von  Gel'Ă€ĂŸverleitwungen.    Mocny,  F.  1682. 
*TĂŒd,lieher    Tetanus    nach    einer    7    Jahre    zurĂŒckliegenden  Verwundung. 
B  r  u  n  z  e  1  ,  H.  F.  1684. 
Beitrag  zur  Behandlung  von  Sauerbruehkaualen.     P  1  a  t  o  u.  1685. 
Entgegnung   auf   die    AusfĂŒhrung   von   H.   Hans,    ..Sauerbruchsehe  Uuter- 
tuuuclung  als  Sphinkterers&tz  beim  Anus   praeternaturalis"   in   Xr.  37. 
K  u  r  t  z  a  h  u  .  H.  1686. 

Ueber  eine  neue  Art  der  Versorgung  von  GefĂ€ĂŸverletzungen 
und  Aneurysmen.  Es  ist  dem  Verfasser  gelungen,  bei  einer 
fingerkuppengroßen  Verletzung  der  Art.  femoralis  die  Blutung 
auf  folgende  Weise  zum  Stehen  zu  bringen:  Er  bestrich  die 
WundrĂ€nder  des  GefĂ€ĂŸes  mit  Gummilösung  und  verklebte  das 
Loch  mit  einem  die  WundrĂ€nder  um  1  cm  ĂŒberragenden  Gumnii- 
plÀttchen,  das  aus  einem  sterilen  Fingerling  geschnitten  war. 
Dann  legte  er  um  das  GefĂ€ĂŸ  noch  an  der  VerlelzungssteUe  ein 
Gummirohr,  das  lÀngs  aufgeschnitten  und  wieder  vernÀht  wurde. 
Der  Patient  kam  24  Stunden  p.  o.  ad  exitum,  Sektion  wurde  ver- 
boten, doch  nimmt  Verf.  an,  daß  die  Verklebung  gehalten  hatte, 
da  beide  Beine  intra  vitam  gleich  gut  durchblutet  waren.  Im 
Tierexperiment  hielt  eine  gleiche  Gummiverklebung  noch  nach 
1  Wochen. 

Tödlicher  Tetanus  nach  einer  7  Jahre  zurĂŒckliegenden  Ver- 
letzung. Bei  einem  Manne,  der  1915  durch  Granatsplitter  am 
Oberschenkel  verletzt  worden  war,  wurde  im  Juni  1921  ein  dicht 
unter  der  Haut  liegender  Splitter  in  LokalanÀsthesie  entfernt. 
(S  Tage  darauf  schwerster  Tetanus,  der  in  kurzer  Zeit  trotz  aller 
Therapie  zum  exitus  kam.  Man  soll  also  bei  allen  Nachopera 
tionen  nach  Verwunelungen  aus  dem  Kriege  auch  jetzt  noch  stets 
Tetanusantitoxin  prophylaktisch  geben! 

K.  Wohlgemut  h  (Berlind 

Zeitschrift  fĂŒr  orthopĂ€dische  Chirurgie,  Stuttgart. 

1921,  42,  Heft  1. 

Eis  Fall  kongenitalen  Defekts  von  Radius  und  Ulna.   .1  o  h  a  n  s  s  o  n.  1. 
Ein  neuer  Osteoklast.     M  ö  h  r  i  n  g.  4. 
Ein  eigenartiger  StĂŒtzkorsett-Typus     Staffel.  5. 
‱{‱Beitrag  zur  Lehre  von  Fußgewölbe  und  vom  Plattfuß.    BrĂŒning.  11. 
‹»♊Die  Einteilung  des  Plattfußes  in  seine  einzelnen  Formen  rnd  deren  Behau  I- 
lung.    S  c  h  u  1  t  z  e.  15. 
Zur   Madelungseben    DeformitÀt   des   Handgelenks.    Brandes.  20. 
Die  Volkmannsebe  Spriinggelcnkdefnrmi'tiU  als  Folge  kongenitaler  Luxation 
der  Fibula  nach   hinten.     Brandes.  38. 

Beitrag  zur  Lehre  vom  Fußgewölbe  und  Plattfuß.  Die  an- 
gestellten Betrachtungen,  die  sich  aus  Studien  am  lebenden  Mate- 


Aus   den  neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahrg.  —  Nr.  1 


rial  sowie  aus  phylogenetischen  Ueberlegungen  herleiten,  dienen 
als  BeitrÀge  zu  den  noch  umstrittenen  Theorien  der  Entstellung 
des  Plattfußes.  Nach  Ansicht  des  Verfassers  sind  es  die  Mela- 
tarsalien  1  und  V,  die  vorzĂŒglich  die  Last  des  Körpers  beim 
Gehen  tragen:  ein  BerĂŒhren  des  Bodens  mit  den  Köpfchen  der 
Aletalarsalien  II  und  III  ist  pathologisch.  Hieraus  erklÀrt  sich 
die  Entstehung  des  vollendeten  Pes  planus  aus  einem  Pes  planus 
Iransversus,  bei  dem  eine  Abplattung  des  vordem,  also  des  Quer- 
gewölbes vorliegt.  Die  so  hĂ€ufig  beim  Plattfuß  gefundene  Valgus 
Stellung  des  Fußes  ist  vermutlich  als  Folge  des  Gehens  mit  aus- 
wĂ€ris  gerichteten  Fußspitzen  (nach  Ansicht  des  Verf.  Einfluß  der 
militĂ€rischen  Spreizsteliung  der  FĂŒĂŸe*)  anzusehen,  da  das  Nor- 
male und  Primitive  die  Parallelstellung  der  FĂŒĂŸe  ist.  Aus  phylo- 
genetischen ErwÀgungen,  die  von  Interessenten  an  Ort  und  Stelle 
nachzulesen  sind,  wird  die  Bichtigkeil  der  Theorie,  die  das  Mela- 
Lr.rsale  III  als  vordem  Bogen  des  Fußgewölbes  ansieht,  hei 
geleitet. 

Li.-  Einteilung  des  Plattfußes  in  seine  einzelnen  Formen  uns 
deren  Behandlung.  Nach  pathologischen  VerÀnderungen  sind  drei 
iformeii  des  Pes  planus  zu  unterscheiden,  deren  Schwere  der 
Heihtniolge  der  Anordnung  entspricht; 

muskulÀre  I 

iigamentÀre       \  Form. 

e.slale  j 

Die  erste  und  Licnkste  ist  als  Folge  einer  Gleichgewichtsstörung 
der  voraefen  und  hinteren  Muskelgruppm  des  Fußes  aufzufassen. 
Systematische    fyiuskelĂŒbungen,    besonders     Muskelarbeit  beim 
Genen,  tĂŒhren  den  Normalzustand  herbei.    Bei  der  LigamentĂ€ren 
Form  der  DeformitĂ€t  ist  zwar  noch  die  LĂ€ngsachse  des  Fußes, 
nicht  mehr  jedoch  das  Gewölbe  und  die  volle  Beweglichkeil  er- 
hallen.   Weil  schwerer  sind  die  VerÀnderungen  bei  der  pstalen 
Form,  bei  der  eine  Abduklion  des  ‱VordeffĂŒĂŸes,  hochgradige  Ab- 
plattung der  Fußsohle  und  Torsion  eles  Talus  und  Galcaneus  um 
die  LĂ€ngsachse  besteht.    Nur  noch  eingeschrankle  Beugung  und 
Streckung,  keine  Pro-  und  Supination  mehr  isl  möglich.    Die  Be 
Handlung  der  beiden  letztgenannten  Formen  des  Plattfußes  be- 
sieht in  einer  energischen  Redression  im  Apparat,  zunÀchst 
UeberfĂŒhrung  eles  Fußes  in  Spitzfußstellung,  dann   Drehung  d.s 
Caleaneus  nach  innen,  schließlich  stĂ€rkste  'Torsion  des  Vorder 
lußes  ebenfalls  nach  innen.    Sehr  wichtig  isl  die  Korrektur  e 
Zehen.    las  Resultat  der  Redression  wird  im  Gipsverband  fest- 
gehalten und  soll  so  beschallen  sein,  daß  Einlagen  niehl  mein 
Erforderlich  sind.  I-  F  rosch  (Berlin,). 

Zeitschrift  fĂŒr  Urologische  Chirurgie,  Rellin. 

21,  November  102!,  8,  Hell  1/2. 

Pyelographie    /.um    Zwecke    der    Lage;be,stinimuiig    kle  nster    Kpnkre  nentc. 

innerhalb  der  N'm.    Blum,  V.  t. 
AmitmniM-lic  Folgen  «er  pej-iiienren  Prostatektomie  naeli  Wiidi,..!/..  .1  <‱  n  t.  B.  6. 
^Dauererfolge  der  Nephrektomie  weg  a  Xiereuliiiherkulose.    VV  il  d  b  o  1  /..  17, 
Kinc  neue  Cystoskopkl  immc.    P  icket.  1).  B.  21, 
Rcfahrlöse  AusfĂŒhrung  der  Pyelographie,    fcf  c  h  t  e  riVe  r  g  ,  A,  v.  24. 
l  „tersuchuageii  ĂŒber  die  Physiologie   und   Patholoff:«  der  Blascnlunktion. 

N  c  h  w  n  r  /.  .  O.  32. 
Total;  Kxidl;.-:  »a  der  ßlafcaschleimtuiut  beim  Manne  nach  Schußverleteung 

des  Lcndenmarks.    E  8  a  u.  68. 

Dauererfolge    der    Nephrektomie    wegen  Nierentuberkulose. 

Verfasser  berichtet  ĂŒber  445  Operierte,  von  denen  11  innerhalb 
der  ersten  6  Wochen  an  den  Operationsiolgen  starben,  fĂŒr  die 
Berechnung  seiner  Statistik  lÀlil  er  alD  FÀlls  fori,  die  niehl 
schon  ein  Jahr  nach  der  Operation  sind,  von  diesen  L16  hat  er 
99  niehl  erreichen  können,  so  daß  er  ĂŒber  317  kritisch  berichten 
kann  61,5  Proz.  geheilt,  8,7  1  roz.  ungeheilt,  94  =  29,9  Pro/., 
gestorben.  Verfasser  rÀt,  bei  der  Nephrektomie  den  Ureter  min- 
destens 10—15  cm  unterhalb  eles  Nierenbeckens  zu  durchtrennen, 
weil  bei  lĂ€ngeren  StĂŒmpfen  die  Bildung  eines  Stumpfabszesses  ge- 
fördert  Wird.  Außerdem  soll  der  Stumpf  niehl  zu  sehr  aus  seiner 
Umgebung  gelöst  werden.  Gewöhnlich  entscheidet  sich  das 
Schicksal  der  Nephrektomierlen  innerhalb  .'!  Jahren  seil  der  Ope 
tation.  Von  einer  konservativen  Therapie  hall  W.  nichts,  wie  er 
auch  bei  doppelseitigen  Tuberkulosen  nie  eine  Heilung  der  we- 
niger Erkrankten  nach  Entfernung  der  Kranken  sah. 

F  r  À  n  k  et. 

Centraiblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie. 

3.  Dezember  1921,  45,  Nr.  18. 

*nie  zunehmende   rnoneralrilitĂ€.1   .1.-   tternskwtose?   liaÜ   »rc  BeKĂ€iatffnnÂŁ. 
VV  i  n  t  C  r  ,  C  1783. 

‱    Erziehungsfehler,  „Tanzmeisterstellung ".    Anm.  des  Ret 


Beitrag  zur  Kasuistik  clgr  LĂŒiigKiiembotie  in  (iraviditate.    De  u  scher.  VV, 
Cr.    1743.  ' 

<S»Die  Biathermiebehandlung  dir  weiblichen  Brust.    Seitz.  A.  und  Vcy,  K. 

1748. 

Zur  Kasuistik  des  NĂ€belschnurbruches.    G  e  n  s  e  h  e  1 ,  3.  1751). 
Kin  Fall  von  ProLapsus  vaginae  et  uiieri  ante  ei  intra  partum  i.iit  tötlieheuj 
Ausgang  fĂŒr  Mute»-  und  Kind.    Kri  t«  le  r  ,  11.  17:>:>. 

Die  zunehmende  lnoperabilitÀt  des  Lteruskrebses  und  ihre 
jßeieĂ€mptiuig.  Dem  Leiter  der  Königsberger  L niversilĂ€is-Fiauen- 
klinik  ist  es  aufgefallen,  daß  in  den  letzten  Jahren  unter  den  an 
der  Klinik  behandelten  Uterus-Karzinom-FĂ€llen  die  Zahl  der 
inoperablen  wesentlich  zugenommen  hat.  uaß  diese  Zunahme  der 
vorgeschrillenen  FĂ€lle  aui  vermehrte  Einweisung  zur  Strahlen- 
therapie beruhen  könne,  glaubt  Verfasser  nicht,  er  ist  vielmehr 
der  Ueberzeugung,  daß  als  Grund  fĂŒr  die  Verschleppung  fehler- 
haftes Verhalten  eler  Aerzle  und  Hebammen,  sowie  besonelers 
fehlerhaftes  Verhalten  eler  Kranken  selbst  anzunehmen  isl.  Es  muß 
daher  von  neuem  das  Syslem  zur  BekÀmpfung  des  GebÀrmutter- 
krebses wieder  aufgenommen  werden,  welches  Verfasser  1904 
empfohlen  hat.  Der  Grunelgcelanke  aller  AulklÀrungen  geht 
darauf  aus,  die  FrĂŒhstadien  eles  Karzinoms  zur  Behandlung  zu 
bringen.  Die  krebsverdÀchtigen  Symptome  werden  nochmal  zu- 
sammengestellt, als  da  sind  nie  Blutungen  post  cohabitationem, 
die  Blutungen  in  eler  Menopause,  Blutungen  ex  vagina,  welche  im 
unmittelbaren  Anschluß  an  die  Entleerung  des  Harnapparales 
oder  Darmes  auftreten,  ĂŒberhaupt  Blutungen,  weiche  vollstĂ€ndig 
unabhĂ€ngig  von  eler  Ovarialfunkfion  sind,  vielmehr  unregelmĂ€ĂŸig 
mit  oder  ohne  besondere  Veranlassung  /.wischen  den  Menstrua- 
tionen eintreten.  Beachtung  der  krebsverdÀchligen  Symptome 
seitens  der  Aerzle,  Hebammen  und  der  Flauen  selbst  und  sichere 
Diagnose  bei  krebsverdÀchligen  Befunden  eventl.  mit  Hille  der 
Probeexzision  und  Ausschabung  oder  eles  Beirais  der  Klinik  oder 
erfahrener  Spezialisten  sind  die  Vorbedingung  lĂŒr  die  Gewinnung 
der  FrĂŒhstadien,  welche  allein  Erfolg  fĂŒr  die  Operation  und« 
Strahlenbehandlung  versprechen.  Zur  Erreichung  dieses  Zieles 
U.rdert  W.  zunÀchst  die  Leiter  der  gynÀkologischen  Kliniken  auf, 
ihr  Karzinommaterial  auf  OperabilitĂ€t  zu  prĂŒfen  und  nach  Kö- 
nigsberg mitzuteilen,  um  dann  mit  Hilfe  der  deutschen  Gesell- 
schaft fĂŒr  GynĂ€kologie  den  Kampf  gegen  den  Uteruskre  l.s  erneut 
und  mit  Erfolg  aufnehmen  zu  können. 

Die  Diathermiebehandlung  der  weiblichen  Brush    Zur  ,\i 
rurig  der  Leistung  bei  unterwertiger  Funktion  eler  weibliche) 
Brust  wurde  die  HyperĂ€mie  schon  frĂŒher  verwandt.  Verfasse« 
henulzen  zur  Erzeugung  der  HyperÀmie  die  Diathermie  mit  be- 
sonderer Apparatur  —  im  Original  nachlesen:  — ,  besonders  zur 
Behandlung  der  Hypogalactie,  und  zwar  der  anatomisch  begrĂŒn- 
deten mangelhaften  LeistungsfÀhigkeit.   Bei  infantiler  BeschÀl! 
heil  der  Brust,  bei  lelaliver  Kleinheit  des  DrĂŒsenkörpers  oder 
bei  Verminderung  der  DrĂŒsenparenchvmmenge  mich  Zerstörung 
durch  vorauf  gegangene  Maslilis  scheint  die   HyperÀmie  wachs- 
Uimsf ordernd  und  insbesondere   sekrelionssleigei  nel  zu  wirken. 

S  p  e  y  e  r  (Berlin  . 


Archiv  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Berlin. 
1921,  114,  3.  Hell. 


illun« 


der    Harninkontiiienz    beim    Weibe.     I!  ii  Ii 


‱M>.e    operative  Be 
s  a  in  e  n.  4ii. 

Vergleichende    tierexper'meiitelle   nnd    Uliii'Jche    Versuche    i:iii  Seealeersat« 
.1  a  c  jf  r.    r.  11)7. 
»J-KIinisibe  uu'.l  scjolagischc  Untersuchungen  mit  Kaseos:i:i,    Voehl.  .1. 
♩I+Zur  Venenuuterbindung  hei  puerperaler  Pyiimie.    Birnbaum,  It.  ‱'>:'■‱'‱ 
Bei' rage  zur  Anatomie  und  Kl'uik  parainctr.iner  K.\s  i  I  i:e    uutrr  hesoml-r« 
BerĂŒcksichtigung  der  BeugcsOelliing  d<«  Ol.crsehe  tkels  ‱.-  el,  IN..  i*a<ueU. 
W  alter.  0  557. 
Zuv   Kenntnis  der   Struma   colloulcs.  ovarii.     Kafka.  V  567. 
Ii  c  pa'hologisch-anatomische  Diagnose  der  Salpingitis  isthm'c  i  nndnsa  unter! 
Zuhilfenahme  der  clessidualcn  Reaktion.    Kose  n  h»c  r  g  e  r  ,  M. 
vZur  Kenntnis   der    Hein  a   diaphraginatica    co'.ig.'iiii'a.     linier.    Carl.  69 

Die  operative  Behandlung  eler  Harninkontinenz  beim  Weibe. 
Bericht  ĂŒber  11  geheilte  FĂ€lle  der  Dresdner  slĂ€dl.  Frauenklinik. 
1  Operation  nach  Goebell-Stoeckel-Frangenheim,  1  FĂ€lle  mit 
l  lastik  aus  elem  Levalor  ani  nach  Franz.  wobei  auf  che  A.ögĂŒch- 
keit  starker,  u.  U.  Beendigung  der  Opertition  hindernder  Bildung 
:  ufmerksam  gemacht  wird.  Verf.  gibt  prophylaktisch  !  )  ecm  10  1 
Kochsalzlösung  intravenös.  2  FÀlle  nach  der  W  e  r  I  h  e  i  m  sehe  i 
.">.  elhode  der  Interposition,  wo  bei  Kontraktion  der  Loyaleren  d<M 
Uterus  pc-loltengleich  gegen  die  Symphyse  gepreßt  wird.  Alle-- 
e.ings  Gefahr  eler  Urininfiltration,  Ref.).  Schließlich  Bericht  ĂŒbe.; 
mehrere  nach  eigener  Methode  des  Verf.  operierte  FĂ€ll.-,  v. obtij 
Xtnix  in  \  orde  ren  Levatorspalt  vernÀht  wird.  Portio  wifl 
durch  Levateren  gehoben  und  gegen  Symphyse  gepreßt.  Methode 
Bestattet    Schwangerschaif    eher    ttls  PyramidalislaszienplasĂŒ^j 


10.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


Aus   den   neuesten   /  c  i  t  s  e  Ii  r  i  f  t  c  n 


211 


deren  Erfolg  meist  durch  Ueberdehnung  der  Bauchdecken  zerstörl 
wird.  Methode  des  Verf  leichter  als  die  nach  Franz.  W  ahl  des 
Verfahrens  im  einzelnen  Kalle  individuell.  AusfĂŒhrliche,  durch 
nuie  Zeichnung  unterstĂŒtzte  Beschreibung. 

Klinische  und  serologische  Untersuchungen  mit  Kascosan. 
Mittels  Koniplementbindungsreaklion  nach  Salomon  erscheint 
Dosierung  in  der  Kasi osanlherapie  möglich.  Die  im  Normalseruni 
pchon  vorhandenen  Antikörper  werden  durch  Injektion  vermehrt. 
Findet  man  mittels  Reaktion  wenig  Kascosanantikörper  im  Serum, 
dann  grĂ¶ĂŸere  Kaseosandosen  (etwa  1  cem),  findet  man  viele,  dann 
niedere  Posen  (0,1 — 0,2),  und  langsamere  Verteilung  durch  intra 
muskulÀre  statt  intravenöse  Injektion.  Mehrere  FÀlle  von 
Mastitis,  Wochenbellbhitung  mit  Scheidendiphtherie,  Adnex- 
lumoren.  Parametritiden  wurden  so  behandelt  und  gebessert  bezw. 
geheilt,  ein  fiebernder  Abort  rasch  entfiebert,  Neben  Ausfall  der 
Koniplementbindungsreaktion  aber  auch  Konstitution  hinsichtlich 
Dosierung  zu  berĂŒcksichtigen. 

Zur  Venenunterbindung  bei  puerperaler  PyÀmie.  Kasuistischer 
Beitrag.  Verf.  unterband  nach  wochenlangem  Fieber.  SchĂŒtte! 
frosten,  fĂŒhlbaren  thrombosierten  Venen  die  V.  cava  5  cm  ober- 
halb ihrer  Tcilungsstelle.  Heilung.  Zwar  kann  Möglichkeit,  daß 
der  I'rozeß  auch  ohne  den  Eingriff  zum  Stillstand  gekommen  wĂ€re, 
nicht  ausgeschlossen  werden,  die  Anlage  einer  hohen  Unterbindung 
ist  aber  einfach  und  wird  ihren  Platz  in  der  operativen  Behand 
hing  des  Kindbettfiebers  behaupten. 

Zur  Kenntnis  der  Hernia  diaphragmatica  congenita.  Zwei 
Falle  von  congenitalem  Zwerchfelldefekt.  Durch  den  Bruchring 
sind  Teile  von  Darm,  Leber,  Milz,  Pankreas  emporgetreten  und 
fĂŒllen  das  Cavum  pleurale  grĂ¶ĂŸtenteils.  Zustandekommen  der 
Mißbildung  des  Zwerchfells  vermutlich  durch  fehlerhafte  Keim- 
anlage. K  u  h  n. 

Jahrbuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

96,  November  1921,  Heft  5. 

Besonderheiten  in  der  chemischen  Zusammensetzung  iles  NĂ€uglingsgehirns 

Schiff,  Er.  und  Strans  k  y  .  F.  24."). 
KrnĂ€hrungsveisuche  am  Fiistelhund.    Zahn,  K.  A.  2Ă¶ĂŒ. 
*$*DiphtheriebaziMem  in  der  Nase   des   Neugeborenen    und   Àlteren  SÀuglings. 

S  c  h  ĂŒ  d  e  1  ,  .T.  273. 
‱M>ie  Prophylaxe  und  Behandlung   der   Di-BazillentrĂ€ger   im  SĂ€uglingsalte'r. 
S  p  i  1 1.  n  e  r  ,  R.  279. 

❖Zur     Frage     der     Tuberkulos'einfekt'on     bei     Kindern     der  Privatpraxis 
B  r  ĂŒ  n  i  n  g  ,   H.  286. 

Diphtheriebazillen  in  der  Nase  des  Neugeborenen  und  Àlteren 
SĂ€uglings.  Parasitierende  Di-Bazillen  kommen  in  der  Nase  des 
Neugeborenen  und  Àlteren  SÀuglings  sehr  hÀufig  vor,  besonders 
wenn  die  Kinder  in  ungĂŒnstigen  WohnungsverhĂ€ltnissen  leben. 
Die  Gefahr  einer  Selbstansteckung  ist  gering.  Eine  Neigung  dazu 
besteht,  wenn  die  Luftwege  anders  erkranken.  Im  Verkehr  mit 
den  BazillentrÀgern  ist  Vorsicht  geboten,  doch  ist  eine  polizeiliche 
Meldung  unnötig. 

Die  Prophylaxe  und  Therapie  der  Di-Bazillen  im  SĂ€uglings- 
alter. Um  die  Infektion  des  Neugeborenen  mit  Di-Bazillen  in  der 
Klinik  zu  verhĂŒten,  werden  verschiedene  Maßnahmen  vorge- 
schlagen: Untersuchung  des  Vaginalsekretes  aller  Hausschwan- 
Seren  auf  Di-Bazillen,  des  Pflegepersonals  auf  BazillentrÀger, 
EinschrÀnkung  der  Besuche,  Isolation  der  erkannten  Bazillen- 
trÀger. Heilseruminjek'tionen  sind  nur  bei  klinischer  Diphtherie, 
nicht  bei  BazillentrÀgern  wertvoll.  Um  dem  BazillentrÀger  mög- 
lichst viele  Abwehrstoffe  zuzufĂŒhren,  ist  die  ErnĂ€hrung  an  der 
Brust  anzustreben.  Das  beste  Mittel,  um  die  BazillentrÀger  ba- 
zillenfrei zu  machen,  war  das  Diphtosen  (5  cm3  von  einer  Lösung 
von  1  -.5000  wurden  aus  einer  Pipette  2  stĂŒndlich  abwechselnd  in 
das  rechte  und  linke  Nasenloch  eingetrÀufelt). 

Zur  Frage  der  Tuberkuloseinfektion  bei  Kindern  der  Privat- 
nraxis.  Von  350  Kindern  der  Privatpraxis  reagierten  auf  die 
Pirquetsche  Reaktion  31  positiv.  Und  zwar  reagierten  von  70 
SĂ€uglingen  6,3%,  von  105  Kleinkindern  22,9%,  von  166  Schul- 
kindern 17,4  %.  Es  waren  also  in  den  wohlhabenden  Volks- 
schichten bereits  26  %  aller  zur  Untersuchung  gelangten  Kinder 
mit  Tuberkulose  infiziert.  A.  P  ei  per  (Berlin). 

Archiv  fĂŒr  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfheilkunde,  Leipzig. 

11.  November  1021,  108,  Heft  3-4. 

Ken  trag  /cm   pathologischen  Anatomie  der  erworbenen  Taubstummheit.  Le- 
der o  r  ,  L.  145. 

Durch  Knochennekrose  gestörte  Wundhoiliing  n.ich  einfacher  Äutmeißeiung 

B  r  n  c  k  und  Z  u  in  Ii  r  i  c  h.  18.1. 
TÜic  funktionelle  ErmĂŒdung'  ocs  Gehörorgans.    Bl  ey  1  ,  1?.  192, 


l'hysiolog ische  und  physikalische  Itrklilrunft  der  AtulOtung  des  kalorischen 

Nystagmus?     K  0  Ii  r  a  k  ,  V,  108. 
❖  Vestibulaici  krankiingcii  im   [‱'rĂŒhstadiuiii  di  r  Lues.     V.  f  c  Ii  ,  A  201. 

Zur  Kasuistik  der  Tumoren  des  Vettttbulum  oasl.    v  t  U  Ii  «  al  d  ,  v.  210. 
Kail  von  konkomiiii in  iiendeni  BcMclmhautkarzinom  bei  Xeroderma  pluttion- 

tuMim.    S  p  c  C  h  t  ,  F.  219. 

Das  Denkersche  Verfahren  der  Radiknioperation  chronische!   B ieforböbleu 

ĂŒiupyenie  als  die  Methode  der  Wahl  zur  Operation  von  den  siniis  iii.imI 
laris  verdrĂ€ngenden  Kieferzysten  (antralen  Zyslien).  mit  BcrĂŒcluicbthjruna. 
der  Histologie  der  Zahnwurzelzysten.    Ii  i  r  k  Ii  0  lz  ,  II.  224. 

Von     den     Nasennebenhöhlen     ausgehende     intrakranielha  Komplikationen. 
R  a  m  d  o  h  r  .  P.  271. 

Die  funktionelle  ErmĂŒdung  des  Gehörorgans.  Die  Unter 
suchungen  Urbantschitsch's  haben  einwandfrei  den  Nachweis  er- 
bracht, daH  die  ErmĂŒdung  des  Gehörorganes  eine  physiologische 
EigentĂŒmlichkeit  ist  und  auf  den  jeweilig  einwirkenden  Ton  resp. 
die  Tongruppe  beschrĂ€nkt  bleibt.  Die  Dauer  der  ErmĂŒdung  be- 
trĂ€gt 2 — 5  Sekunden.  FĂŒr  das  erkrankte  Ohr  sind  die  Fragen  der 
ErmĂŒdung  noch  nicht  geklĂ€rt,  und  Verfasser  hat  00  normale 
90  mit  Labyrinth-  resp.  Akuslikuserkrankungen,  90  Mittelohr- 
erkrankungen und  72  Gehörorgane  bei  Neurasthenie,  Hysterie  und 
Ă€hnlichen  ZustĂ€nden  geprĂŒft,  und  er  kommt  zu  dem  Schluß,  daß 
die  GehörsermĂŒdung  immer  nachweisbar  ist,  wenn  die  Schwer- 
hörigkeit nicht  zu  groß  ist.  Sie  erstreckt  sich  auf  alle  Töne,  die 
bei  der  HörprĂŒfung  benutzt  werden  und  ist  bei  Labyrinth  und 
Hörnervenerkrankungen  grĂ¶ĂŸer  als  bei  normalen  Gehörorganen, 
am  hochgradigsten  bei  Neurasthenie  und  zerebralen  Erschöp- 
fungszustÀnden. 

Vestihularerkrankungen  im  FrĂŒhstadium  der  Lues.  Bei 
Akustikuserkrankungen  ist  der  Cochlear-Apparat  gewöhnlich 
frĂŒher  und  intensiver  geschĂ€digt  als  der  Vestibularapparat;  nor- 
male Funktion  des  Vcstibularapparates  bei  vollslÀndigem  Funk- 
tionsausfall ist  nicht  selten.  Nach  Liebenmann  deswegen,  weil 
der  Vestibularapparat  als  phylogenetisch  Àltere  auch  der  wider- 
standsfÀhigere ist.  Das  umgekehrte  Verhalten  ist  selten.  Diese 
VerhÀltnisse  finden  wir  bei  luetischen  Erkrankungen  des  Akusti- 
kus.  Die  isolierte  VestibularausschÀltung  wurde  hÀufiger  nach 
EinfĂŒhrung  des  Salvarsans  in  die  Luesbehandlung.  Verfasser 
zĂ€hlt  kurz  die  Wenigen  bekannten  FĂ€lle  auf  und  berichtet  ĂŒber 
zwei  eigene  mit  Krankengeschichten,  die  beide  Stadium  II  der 
Lues  nach  Hg-Salvarsanbehandlung  die  VestibularausschÀltung 
zeigten  und  durch  kombiniertes  Jod-Quecksilber-Salvarsan  gĂŒnstig 
beeinflußt  wurden.  Die  klinischen  Erscheinungen  sind  Ohren- 
sausen, Schwerhörigkeit  und  Gleichgewichtsstörungen.  Zuersl 
wurden  diese  Erscheinungen  als  SalvarsanschÀdigungen  ange- 
sprochen, da  auch  Arsacetin  im  Experiment  mit  weißen  MĂ€usen 
Gleichgewichtsstörungen  hervorruft.  Aber  das  gehÀufte  Auf- 
treten von  Hirnnervenerkrankungen  nach  Salvarsan  ist  wohl  eher 
auf  eine  nicht  ausreichende  Kur  zurĂŒckzufĂŒhren.  WĂ€hrend  die 
SpirochĂ€ten,  die  im  SekundĂ€rstadium  Ă€ußere  Haut  dem  Zentral- 
nervensystem bevorzugen,  bald  wieder  aus  der  Haut  verschwin- 
den, keimen  sie  im  Zentralnervensystem  wieder  aus  und  fĂŒhren 
so  zu  der  erwÀhnten  Krankheit.  Verfasser  wendet  eine  kombi- 
nierte Jod-Quecksilber-Salvarsan-Kur  an  zur  Vermeidung  der 
Herxheimer-Reaktion  an  den  Hirnnerven.  Nach  Quecksilber-  oder 
■Toddarreichung  Anfang  mit  kleinsten  Dosen  Salvarsan;  nach  Be- 
obachtung der  Wirkung  grĂ¶ĂŸere  S-Dosen.  In  mehreren  Dosen 
Ins  9,0  g  Neosalvarsan.  Ist  nach  Abschluß  der  Kur  der  Liquor- 
Wassermann  noch  positiv,  kein  Salvarsan  mehr  wegen  der  Ge- 
fahr der  Arsenpolyneuritis.  Frankel  (Berlin). 

Archiv  fĂŒr  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie, 

Leipzig. 

22.  November  1921,  Ol,  Heft  6. 

['nspezielle   Reiztherapie:  experimentelle   Steigerung  der  Anthrakozidie  im 

Blute      Dresel    und  Freund.  «17. 
Blutkonzentraitiion.   Wirkung  der  Diuretika  der  Purinreihe  auf  den  Stoffaus- 

tausch  zwischen  Oeweben  und  Blut.     X  o  n  n  e  n  b  r  u  e  h.  332. 
Die    durch    Azetylebolin   bewirkte    FrroHiingskontraktur   des  Froschmuskels. 

RiollfT    und   Neuschloß.  312. 
(iewelisatmung  bei  der  EntzĂŒndung.    O  e  ß  1  e  r.  3fifi. 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

24.  November  1921,  Nr.  47. 

Die  Röntgentherapie  der  inneren  Medizin.     I.  ii  diu.   M.  1081. 
Schwangerschaft  und  Geburt  nach  Röntgenbestrahlung  des  myomatösen  Utti  ras 

Steiger.  M.  1084. 
‱J'Knoehenmarkbefumle  am  Lebenden  bei  kryptogenetischer  perniziöser  AnĂ€mie, 

insbesondere  im  Stadium  <U  r  Remission.    Zadel;,  I.  1087. 
Untersuchung   der   Magenfunktionen    ohne    Anwendung     der  Schlundsonde. 

GĂŒster,  .T.  1091. 

Knochenmarkbefunde  am  Lebenden  bei  kryptogenetischer 
pernieiöser   AnÀmie,   insbesondere   im   Stadium   der  Remission 


24 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


In  weitgehenden  und  vollkommenen  Remissionsstadien  der  kryp- 
togenetischen, pernieiösen  AnĂ€mie,  fĂŒhlen  sich  die  Betroffenen  ge- 
sund und  sind  klinisch  frei  von  den  auf  der  Höhe  und  im  Recidiv 
des  Leidens  nachweisbaren  Symptomen;  sie  zeigen  hÀmatologisch 
keine  Charakteristica  des  pernieiös-anÀmischen  Blutstatus.  Eben- 
sowenig treffen  wir  hei  dem  in  vivo  in  diesem  Stadium  unter- 
suchten Knochenmark  der  Röhrenknochen  das  fĂŒr  die  vollenl- 
wickelte  pernieiöse  AnÀmie  so  typische  megaloblastische  Mark, 
was  Verf.  an  beigegebenen  Tabellen  erhÀrtet. 

Auch  bei  den  in  voller  Remission  an  intercurrenten  Krank- 
heiten Verstorbenen  findet  sich  gelbes  Knochenmark. 

Das  megaloblastische  Knochenmark  ist  demnach  nur  bei  aus- 
gesprochener Giftwirkung  in  den  Vollstadien  und  Recidiven  des 
Leidens  vorhanden.  Es  wird  vermißt,  nicht  nur  wenn  die  Toxin- 
quelle  völlig  versiegt  ist,  sondern  auch,  wenn  die  toxische  Noxe 
nur  spÀrlich  zur  Geltung  kommt,  wie  in  den  meisten  Bcsserungs 
stadien  der  Krankheit.  Der  Morbus  Biermer  stellt  also  ein  Lei- 
den dar,  bei  dem  die  klinischen  Symptome,  das  typische  Blutbild 
und  gesamte  hÀmatologische  Verhalten  insbesondere  die  lymphoide 
Umwandlung  des  Knochenmarks  labile  VerÀnderungen  sind,  ab- 
hÀngig von  dem  Grade  der  Krankheit,  d.  h.  von  der  Giftwirkung 
des  kryptogenetischen  Toxins.  Folglich  stellt  die  pernieiöse 
AnÀmie  keine  primÀre,  spezifische  Knochenmarkkrankheit  dar. 

Die  hier  wohl  zum  ersten  Mal  beim  Morbus  Biermer  systema- 
lisch  angestellten  Knochenmarkuntersuchungen  am  Lebenden 
sollten  zwecks  KlÀrung  und  BestÀtigung  der  hier  gefundenen  Re- 
sultate im  Interesse  der  wissenschaftlichen  Analy/se  der  perni- 
eiösen AnÀmie  in  geeigneten  FÀllen  weiter  angewendet  werden, 
solange  noch  keine  einfacheren  Methoden  zur  Erkennung  des 
Zustandes  des  -Knochenmarks  existieren.  Insbesondere  ist  es 
notwendig,  das  Knochenmark  an  ein  und  demselben  Falle  wÀhrend 
verschiedener  Stadien  des  Leidens  an  derselben  Stelle  in  vivo 
zu  untersuchen  und  neben  den  Vollstadien,  Remissionen  und  Re- 
cidiven auch  den  FrĂŒhstadien  des  Morbus  Riermer  besondere  Be- 
achtung zu  schenken.  K.  Held  (Berlin). 

Revue  medicale  de  Ia  Suisse  Romande,  Lausanne-Genf. 

Oktober  1921,  41,  Nr.  10. 

Ervtlicma  nodosum.    Oucis  s.a  z  .  E.  605. 
â–ș>Hutinelsehe  Krankheit  und  ihre  chirurgische  Behandlung;.    Cmi  C  h  o  d,  II.  648. 
Individuelle  Prophylaxe.    Cliablc,  R.  662. 
‱MJuttermchlnahrung.    E  x  c  h  a  q  u  e  t  ,  L.  671. 
Tumor  des  Rhinopuarynx.    P  a  y  o  t  ,  F.  674. 

Lymphosarkom      der      Tonsille       mit      Metastasen;  Hridiumliehaiidliing. 
P  e  r  r  i  c  r  ,  C.  675. 

Die  Hutinelsche  Krankheit  und  ihre  chirurgische  Behandlung. 

Die  von  Hutinel  1893  beschriebene  Krankheit  entspricht  der  cal- 
löscn  Mediaslino-Pericarditis  von  Kußmaul.  Hutinel  hat  diese 
Erkrankung  von  den  gewöhnlichen  Herzaffektionen  abgetrennt 
und  gezeigt,  daß,  so  verschiedene  Symptome  die  Krankheit  auch 
zeitigt,  sie  alle  sich  auf  eine  einzige  Ursache  zurĂŒckfĂŒhren  lassen: 
die  Tuberkulose,  die  die  serösen  HÀute  des  Brustkorbs,  speziell 
das  Perikard,  angreift,  bringt  eine  besondere  Form  der  adhÀsiven 
Pericarditis  hervor.  Hier  die  Hauptpunkte  der  Hutinel'sc'hen  Be- 
schreibung: Die  Krankheit  setzt  im  Kindesalter  ein  mit  Bronchitis 
oder  Pleuritis,  dazu  kommen  LebervergrĂ¶ĂŸerung,  Ascites,  allge- 
meine Zirkulationsstörungen.  Am  Herzen  findet  man  keine  be- 
sonderen Zeichen,  oft  nicht  einmal  eine  VergrĂ¶ĂŸerung,  statt  dessen 
eine  Unbeweglichkeit  der  Spitze,  die  an  die  Vorderwand  fixiert 
ist.  Autoptisch  besteht  eine  große  cirrhotische  Leber,  Peric-jr- 
ditis,  Pleuritis  perivasculÀre,  Mediastinitis  adhÀsiva.  Die  Ent- 
zĂŒndung kann  auch  auf  das  subdiaphragmatische  Peritoneum 
ĂŒbergreifen:  dann  liegt  eine  echte  tuberkulöse  Perivisceritis  vor. 

Im  Laufe  der  letzten  Jahre  hat  Verf.  3  FĂ€lle  von  Concretin 
pericardii  tbc.  zu  Gesicht  bekommen,  2  davon  hat  er  nach  der 
Brauerschcn  Methode  operiert  und  will  seine  Schlußfolgerungen 
fĂŒr  die  Indikationsstellung  dieser  Operation  mitteilen. 

Allen  3  FĂ€llen  (die  Krankengeschichten  werden  ausfĂŒhrlich 
wieder  gegeben)  sind  folgende  Punkte  gemeinsam:  1.  Das  Miß- 
verhÀltnis zwischen  den  VerÀnderungen  am  Herzen  selbst  und  der 
Schwere  der  Kreislaufstörung,  2.  die  Verteilung  des  Oedems. 
Immer  trat  das  Oedem  zu  Anfang  im  Gesicht  auf,  oft  an  den  HĂ€n- 
den, dann  erst  wurden  die  FĂŒĂŸe  ergriffen.  Diese  Eigenart  des 
Oedems,  das  dem  renalen  entspricht,  wenn  nicht  Albuinen  fehlt-.', 
ist  charakteristisch  fĂŒr  die  Hutinelsche  Krankheit  und  beruht  auf 
einer  Kompression  der  V  Cava  sup.  durch  die  adhÀsive  Mediasli 
nitis.  Gegen  die  Pericarditis  auf  rheumatischer  Grundlage  i-,1 
die  Krankheit  leicht  abzugrenzen  infolge  der  fehlenden  Klappcn- 
lÀsionen  und  ihres  langsameren  Verlaufs. 

Hutinel  selbst  weist  auf  eine  chirurgische  Inangriffnahme 
der  Erkrankung  hin.  Nach  Brauer  befreit  man  das  Herz  au^ 
seinem  knöcheren  KÀfig  durch  Resektion  der  prÀeordialen  Rippen 
ev.  durch  Wegnahme  eines  Teils  Wim  Stei  num. 


Nach  den  verschiedenen  Mitteilungen  scheint  es,  als  mĂŒsse 
die  Thorakeclomie  den  FÀllen  reiner  tuberkulöser  Pericarditis 
adhÀs.  vorbehalten  bleiben;  KlappenlÀsionen,  fortschreitende  Tu- 
berkulose, Fieber  bilden  eine  absolute  Contraindikation.  Der 
Wert  der  Operation  wird  immer  nur  ein  palliativer  sein,  Àhnlich 
wie  die  Entlastungsoperation  bei  inoperablen  Hirntumoren.  Sie 
dient  der  Erleichterung  des  Kranken  und  kann  ihn  vor  den 
Schrecken  der  Erstickung  bewahren.  Die  beste  Therapie  der 
Hulinelschen  Krankheit  liegt  in  der  VerhĂŒtung  ihres  Zustmdc- 
kommens,  d.  h.  in  der  Tuberkulose-Prophylaxe  beim  Kinde. 

Die  Buttermehlnahrung.  Seit  2  Jahren  verwendet  Verf.  die 
Buttermehlnahrung  hÀufig,  sowohl  in  der  Spital-  wie  in  der  Fa- 
milienpraxis. Die  Resultate  ermutigen  ihn,  weitere  Kreise  darauf 
aufmerksam  zu  machen.  Er  verwendet  das  Buttermehl-Milchge- 
menge zur  ZwiemilchernĂ€hrung  bei  zurĂŒckgebliebenen  und  de- 
bilen SĂ€uglingen  und  zwar  schon  von  der  6.  Lebenswoche  an.  Er 
vermeidet  es  bei  SÀuglingen  mit  ErnÀhrungsstörung. 

Obwohl  nichts  gegen  einen  prolongierten  Gebrauch  von  But- 
termehlnahrung spricht,  kehrt  er  zur  gewöhnlichen  Milchmischung 
zurĂŒck,  sobald  der  SĂ€ugling  sein  normales  Gewicht  erreicht  hat 
und  sich  wohl  fĂŒhlt.  Der  Uebcrgang  zur  gewöhnlichen  ErnĂ€hrung 
vollzog  sich  ohne  Schwierigkeiten.  Ohne  die  bisher  gebrÀuchlichen 
Methoden  kĂŒnstlicher  ErnĂ€hrung  verdrĂ€ngen  zu  wollen,  erblickt 
Verf.  in  der  Buttermehlsuppe  eine  wertvolle  Bereicherung  der  fin- 
den SĂ€ugling  geeigneten  Nahrungsmitteln. 

K.  Held  (Berlin). 
Rritish  med.  Journal,  London. 

3.  Dezember  1921.  Nr.  3179. 

Varikokele    heim  Weihe.    Fothcrgill.  W.  F..  925. 

Die  Prognose  einiger  Herzkrankheiten  und  einiger  VerÀnderungen  im  Harri. 

Bianso-a,  W.  P.  S.  926. 

❖  Krehs  und  Infektion.     Ford  Robertson,  W,  929. 
Pathologie  des  Magen-  und  DuodenalgeschwĂŒrs.    Cr  i  h  s  o  n  .  A.  ('.■  !>:t.i. 
Knochentransplantation.     M  a  m  o  u  r  i  a  n  .  M.  934. 

Allgemeine.      BetÀubung      und      die      AtmosphÀre     im      Operationsziui  nie 

M  a  e  k  e  n  z  i  e  ,  J.  R.  und  Colt.  G.  H.  938. 
♩DekapsulÄtion  der  Nieren  hei  der  Brightschen  Krankheit.    SS  a  n  d  e.  r  s  o  n 

Wells.  T.  H,  940. 
Pasteoirisation  der  Milch.     Moore.  S.  G.  941. 
Erythems  scarlatimforme.    R  a  v  e  n  ,  M.  O.  942. 
Inguinale  Hysterokele.     D  o  w  n  i  n  g  .   C.   C.  R.  942. 
Ein  Fall  von  Vierling-Schwangersehaft.    B  a  1  e  s  o  n  ,  H.  943. 

Krebs  und  Infektion.    Verfasser  hat  mittels  eines  besondere 
Verfahrens  (FĂ€rbung  mit  Palladiummethylviolet)  im  Krebse  ein 
Diphtheric-bazill-Ă€hnliche  Mikrobe  gefunden.   Der  Bazillus  ist  a 
aerob  und  lĂ€ĂŸt  sich  zĂŒchten.   Er  ist  unvollstĂ€ndig  Grampositi 
und  enthÀlt  metachromatische  Körnchen.    Es  gelang  durch  Ein 
spritzung  der  Kulturen  bei  MĂ€usen  maligne  GeschwĂŒlste  zu  er 
halten.    Es  scheint  sogar  möglich  zu  sein,  Vakzine  zu  bereite 
die  therapeutisch  nĂŒtzlich  sind.    (Die  Krankengeschichten,  die  g 
geben  werden,  sind  so  unvollstĂ€ndig,  daß  sie  absolut  nichts  b 
weisen.) 

Dekapsulation  der  Nieren  bei  der  Brightschen  Krankheit.  S 

gar  in  verzweifelten  FĂ€llen  kann  die  Dekapsulation  der  Niere 
noch  einen  guten  Erfolg  geben.  Insbesondere  ist  die  Operatio 
bei  Eklampsie,  UrÀmie,  Harnverhaltung  usw.  angezeigt.  Auch 
chronischen  FĂ€llen,  wo  die  interne  Behandlung  keinen  Erfol 
hat,  sollte  man  die  Operation  versuchen.  Ein  Erfolg  wird  ab 
nur  dann  erreicht,  wenn  Herz  und  GefĂ€ĂŸe  nicht  star 
verĂ€ndert  sind,  woraus  hervorgeht,  daß  speziell  bei  nicht  zu  alte 
Individuen  auf  guten  Erfolg  gehofft  werden  darf. 

Koopman  (Haag). 

The  Lancet,  London. 

3.  Dezember  1921,  201,  Nr.  5127. 

♩Eklampsie  «ad  ihre  Bedeutung,    l'ariinorp.  R.  H.  1147. 

❖  Bedeutung  der  funktionellen  Nieren  proben.    C  o  m  r  i  e  .  .7.  D.  1150 
DĂ€mmerschlaf  und  der  praktische  Arzt.    Horwitz.  C.  H    S.  1154. 
Behandlung  im   Hause  des  Kranken  (Ter  Knochen-   und  Gelenktuberkulos 

R  i  v  e  r  8  .  W.  C,  11. IS.      ‱  ‱ 
Die  Guelpasebc    Methode  der   Behandlung   von  Gicht   und  Zuckerkrankheit, 
f.  u  n  n  .  IT.     1 157. 

Ein  Fall    e'triger   monartikulĂ€rer    Arthritis   lĂŒ-i    einem    SĂ€ugling,  verursach« 

durch  B.paratyphosiis.     T.  a  n  g  \v  i  1  1  .  A.  1158. 
F.in  Fall  vftfl  eingeklemmter  Hernia  ohiuratoria.    Saw  j»y,  A.  1159. 
Ein  Fall  Von  ^Ahe!eiterung.   .1  o  b  n  s  o  n  .  F.  1159. 

Eklampsie  und  ihre  Bedeutung.  Verfasser  betrachtet  die 
Eklampsie  als  eine  einfache  Uraemie.  die  nur  etwas  besondere; 
Erscheinungen  gibt.  Die  toxÀmischen  Erscheinungen  sind  we- 
nigstens durch  die  UrÀmie  verursacht.  Auch  der  intraabdominelle 
Druck  ist  ein  wichtiger  Faktor.     Wenn  dieser  sehr  hoch  wirdJ 


40.  Jahrg.  —  Nr.  i 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


wird  das  Blut,  dns  der  Leber  zugefĂŒhrt  wird,  in  den  kleinen  Ge- 
fĂ€ĂŸen des  Magendarmkanals  gestaut  werden.  Bluterbrechen  kann 
sogar  die  Folge  sein;  auch  kann  ein  Teil  des  Blutes  dann  durch 
die  Venen  des  Oesophagus  oder  durch  die  Venae  haemorrhoidales 
Elbfließen.  Die  Blutversorgung  der  Leber  seihst  wird  aber  un- 
genĂŒgend. Dnsseihe  ist  der  Fall  mit  den  Nieren,  wo  das  Blut, 
das  zu  den  Tubuli  fließen  muß.  in  den  Glomeruli  gestaut  wird. 
Verfasser  glaubt  also,  daß  der  hohe  Rauchdruck  fĂŒr  die  Nieren 
und  LeberverÀnderungen  in  der  Eklampsie  verantwortlich  ist. 

Bedeutung  der  funktionellen  Nierenprobe.  Die  beste  Methode 
der  funktionellen  Nierenuntersuchung  ist  die  Harnstoffbestimmung 
im  Blute  und  Harn  und  die  Ausscheidungsprobe  mittels  phenol 
sulphonphtalein.  Wenn  der  Harnstoff  im  Serum  ĂŒber  50  Milligramm 
pro  100  cm3  betragt,  ist  die  Prognose  ernst,  betrÀgt  sie  mehr  als 
100  Milligramm,  so  ist  die  Prognose  absolut  schlecht:  Nieren- 
krankheiten mit  niedrigen  Ilarnstoffwcrten  im  Serum  haben  eine 
gute  Prognose.  Der  Blutdruck  steht  in  keiner  direkten  Beziehung 
zum  Harnstoffgehalt  des  Blutes.  Wenn  70  %  des  einverleibten 
Phenolsulphonphtalein  in  den  ersten  2  Stunden  ausgeschieden 
wird,  ist  die  Prognose  gut:  bis  zu  50  Prozent  ist  eine  Heilung 
möglich.  BetrÀgt  sie  aber  20  Prozent  oder  weniger,  so  ist  der 
Tod  innerhalb  einem  Jahre  zu  erwarten. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag). 

La  Clinica  Pcdiatria.  Modena. 

1921,  3.  Nr.  8. 

‱frAchondroplasie.     Borfamini,  M.  267. 

Beitrag  zum  Studium  der  Aehondroplasie.  Die  zufĂ€llige  Über- 
weisung der  Leiche  eines  15  Tage  alten  Kindes  mit  den  Symptomen 
der  Aehondroplasie  setzt  Verf.  instand,  an  dem  gesamten  Sklelett 
histopathologische,  radiographische  und  chemische  Untersuchun- 
gen anzustellen.  ZunĂ€chst  vergleicht  er  die  Körpermaße  des 
achondroplastischen  Kindes  mit  denen  eines  normalen,  gleichalt- 
rigen, gibt  sodann  eine  ausfĂŒhrliche  Beschreibung  des  knöchernen 
Skeletts  und  hebt  aus  seinen  radiologischen  Beobachtungen  fol- 
gende Hauptpunkte  'hervor:  1.  ein  beachtenswerter  und  generali- 
sierter Mangel  an  Dichtigkeit  des  kompakten  Knochengewebes  und 
zwar  am  geringsten  am  Rumpf,  am  stÀrksten  an  den  Gelenken  aus- 
geprÀgt. 2.  von  der  WirbelsÀule  hat  man  den  Eindruck,  als  sei 
sie  am  wenigsten  an  dem  Krankheilsprozeß  beteiligt.  3.  an  Ge- 
lenken und  Rippen  zeigten  sich  BrĂŒche  in  verschiedenen  Stadien 
der  Reparation.  4.  an  Oberarmen  und  Oberschenkeln  zeigen  sich 
zwischen  Mitte  der  Diaphyse  und  distalem  Gelenkende  vaeuolÀre, 
gut  abgrenzbare  zirkulÀre  Aufhellungen.  5.  die  SchÀdelnÀhte 
klafften.  An  Querschnitten  durch  die  Humerusdiaphyse  bestÀtigte 
sich  die  geringe  Dichte  der  kompakten  Knochensubstanz.  Die 
Spongiosa  war  arm  an  Trabekeln,  Osteoblasten  fanden  sich  spÀr- 
lich. Auf  einer  vergleichenden  Gewichtslabelle  zeigt  er  das  auf- 
fallende MißverhĂ€ltnis  zwischen  dem  Gewicht  des  achondroplasti- 
schen und  des  normalen  Kindes.  Ein  Unterschied,  der  V\ — des 
Gesamtgewichts  betrĂ€gt  und  sich  gleichmĂ€ĂŸig  auf  alle  Skelett- 
teile erstreckt,  der  jedoch  verschwindet,  ja  sogar  sich  ins  Gegen- 
teil verkehrt,  wenn  man  die  Prozentzahlen  der  Komponenten, 
hauptsĂ€chlich  der  anorganischen,  gegenĂŒberstellt.  In  der  Tat  ließ 
sich  beobachten,  daß  bei  Kopf-  und  Rumnfknochen  die  Gesamt 
Prozente  der  Kalzium-  und  Magnesiumsalze  beim  achondropl  - 
stischen  mehr  betrugen  als  beim  normalen  Kinde,  wogegen  bei  den 
Gelenken  der  anorganische  Bestandteil  des  normalen  Knochens 
grĂ¶ĂŸer  war  als  der  des  achondroplastischen.  Die  chemische  Unter- 
suchung, die  dorso-lumbale  Kyphose,  die  Tubera  frontalia  und 
parietalia  konnten  an  das  gleichzeitige  Bestehen  einer  ange- 
borenen Rachitis  denken  lassen,  besonders  da  die  Coinzidenz 
beider  Erkrankungen  von  Marfan  und  anderen  Autoren  anerkannt 
wird.  Doch  fehlt  in  unserem  Falle  die  angeborene  SchÀdelweich- 
hcil.  das  1.  und  manchmal  einzige  Zeichen  einer  intrauterinen 
Rachitis.  Verf.  grenzt  das  Krankheitsbild  ferner  gegen  Osteo- 
psalyrose  und  Chondrodystrophie  ab.  K.  Held,  Berlin  - 

Presse  mcdicale,  Paris. 
0.  November  1921.  Nr.  90. 

fiy.ierchniostorinam'e   und   Retinitis  a.lbuminurici.    O  a  11  il  i  s  s  a  r  t  ,   P.  ''SS. 
li'in.ĂŒiiMir  de-    'ikilten  (Ji'lcnkilicumatisuiUS   mit        izv hi;t,' vi u m .      I.  n  t  c  m  - 
Ii  a  c  her.  R.  £9ö. 

Technik  der  Anastomose   End-zti-Knd  dos   riinndinrm.s   mit  dem  Dickdarm. 
T>  ti  )i  (i  ii  c  Ii  e  r  .  H.  *n.-). 

Die  Behandlung  des  akuten  Gelenkrheumatismus  mit  Salicyl- 
natrium.  Um  die  nach  großen  Dosen  von  Salicylnatrium  hĂ€ufig 
auftretenden  Verdauungsstörungen  zu  vermeiden,  werden  intra- 
venöse Injektionen  angewandt,  wobei  das  Na-salicylicum  durch 


Rekristallisation  vollkommen  gereinigt  wird  I ):. s.  Mittel  wird 
in  einer  Lösung  von  1  :  30  in  Dosen  von  30  g  zweimal  tÀglich 
gegeben,  wÀhrend  zur  Nacht  die  Medikation  per  os  beibehalten 
wird.  Der  Organismus  wird  so  stÀndig  unter  Salievlwii  I  u  . 
gehalten,  da  die  Elimination  durch  die  N'ieren  eist  nach  12  13 
Stunden  vollendet  ist  Diese  Behandlung  wird  bei  guter  Tole 
ranz  3—4  Wochen  fortgesetzt,  dann  werden  3 — 4  Wochen  3  %4  g 
tÀglich  gegeben  und  die  folgenden  12  18  Monate  wÀhrend  je 
10  Tagen  im  Monat  2-  3  g.  auch  wenn  keinerlei  Krankheits- 
symptome vorhanden  sind.  Auf  diese  Weise  wird  eine  rasche 
Sterilisation  der  rheumatischen  SeptikÀmie  erzielt  und  den  Re 
zidiven  energisch  vorgebeugt.  Haber. 

12.  November  1921,  Nr.  91. 

Wirkung  der  Or^anextnakte  auf  den  Blutdruck.    Roger.  H.  901. 
❖Salvarsanoxauthrmc  und  Entwicklung  der  Syphilis.    B  c  n  rc  n  i  r  t»,  E.  904. 

Salvarsancxanthem  und  Syphilisverlauf.  Verf.  stĂŒtzl  sieh  auf 
die  im  April  1921  in  der  Berl.  kl.  W.  erschienene  Arbeit  von 
Buschke  und  Freymann,  „Einfluß  der  Salvarsanexantheme 
auf  den  Verlauf  der  Syphilis."  Diese  Autoren  halten  bei  zehn 
FÀllen,  von  denen  nur  2  lÀngere  Zeit  verfolgt  werden  konnten, 
die  Beobachtung  gemacht,  daß  die  Salvarsanexantheme  die 
Prognose  fĂŒr  den  Verlauf  der  "Lues  um  so  gĂŒnstiger  gestalten, 
je  schwerer  sie  auftreten.  Benveniste  kommt  bei  Beobach- 
tung von  13  FĂ€llen,  von  denen  5  regelmĂ€ĂŸig  lange  Zeit  hindurch 
verfolgt  wurden,  zu  völlig  abweichenden  Resultaten.  Danach 
tritt  die  Erythrodermie  gleichzeitig  mit  der  Umwandlung  der 
Seroreaktion  von  positiv  in  negativ  auf.  Diese  NegalivitÀl 
dauert  nur  eine  Zeitlang  an  (bis  zu  einigen  Monaten),  Meist  isl 
der  serologische  auch  von  einem  klinischen  RĂŒckschlag  be- 
gleitet. Die  gĂŒnstige  Wirkung  des  Salvarsanexanthems  ist  also 
nach  Ansicht  des  französischen  Autors  illusorisch,  es  beeinflußt 
den  Verlauf  der  Syphilis  in  keiner  Weise,  verschlechtert  höch- 
stens die  Prognose  dadurch,  daß  die  antiluetische  Arsentherapie 
ihrer  besten  Waffe  beraubt  wird.  II  ab  er. 

16.  November  1921.  Nr.  92. 

‱^Schwangerschaft  und  Tuberkulose.     Bern  a  r  d  .   L.  909. 
Die  BekÀmpfung  des  Trachoms  in  Polen.    M  a  .i  o  w  s  k  i  .  C.  910. 
AzotÀmie  und  Malaria.    B  e  n  h  a  m  o  u  .  .T.  und  Bert  Ii  6  I  e  m  y. 

Schwangerschaft  und  Tuberkulose.  Eine  Beobachtung  von 
164  FĂ€llen  erwies,  daß  zwar  im  allgemeinen  bei  Vorhandenst  in 
von  Tuberkulose  eine  Schwangerschaft  besser  zu  vermeiden  ist, 
daß  aber  eine  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  nur  bei  der 
kÀsigen  Form  der  Tuberkulose  unbedingt  erforderlich  ist,  bei 
der  lokalisierten  indurierenden  Form  dagegen  Schwangerschaft 
Geburt  und  Laktation  ohne  Gefahr  fĂŒr  Mutter  und  Kind  durch 
gefĂŒhrt  werden  kann,  vorausgesetzt,  daß  sorgfĂ€ltigste  Beob- 
achtung und  Behandlung  möglich  ist.  Als  praktisch  hat  sich 
erwiesen,  das  Kind  beim  Stillen  vor  einer  Tröpfcheninhalation 
dadurch  zu  schĂŒtzen,  daß  die  Mutter  dabei  eine  besondere  Bluse 
und  Gesichtsmaske  trÀgt.  Haber. 

19.  November  1921,  Nr.  93. 

Totgeburten.     C  0  U  v  c  1  a  i  r  e  .    \.  !M7. 

Der  Sympathiicus;  vegetative  Reflexe.    If  arte  n  Ii  e  r  g .,  P.  fllfl. 
Actiologio  und  Natur  des  Molluscum  contagiosum.     P  a  g  n  i  e  /.  .  P.  H22. 

Acta  chirurgica  scandinavica,  Stockholm. 

16.  November  1921,  54,  Nr.  2. 

‱frAbakrerielle  renale  Pyurien.    Söderlund.  (1.  101. 
Totliche   Lungenembolie  bei   einem   4jÀhrigen  Kinde   nach  Rippenreso.ktion 

hei  Pleuraempyen.     W  essen.  N.  123. 
Doppelseitige  DeformitÀt   des  I'reters.     B  r  a  t  t  s  t  r  ii  m  .    F..  1.12. 
Fall  von  rechtsseitigem  Doppelureter,  beweglicher  Xii  re  und  Pyelitis.    W  i  il  - 

feit.  G.  137. 

Bastedoweehes  Symptom  bei  Appendizitis.   .T  e  r  1  o  w  .  E.  145. 
Weitausgebreitete  Resektion  der  Thoraxwand   bei  Sarkom!    K  e  y  .  E.  10?. 
Subkutane   Sehnenrupturen   und   Deckung  von    Sehnendefekten   durch  freie 
Sehnentransplantation.     S  t  a  p  e  1  m  o  h  r  .   St.    v.  177 

~~  Beitrag  zur  Frage  der  sog.  abakteriellen  renalen  Pyurien. 
Drei  FÀlle  von  renaler  Pyurie.  In  sÀmtlichen  FÀllen  wurden 
weder  in  dem  spontan  entleerten  noch  durch  Zysto-  und  Uretro- 
skopie  gewonnenen  Urin  Bakterien  .gefunden.  In  einem  Fall 
wurde  nephrektoniert,  ohne  daß  irgend  welche  Anzeichen  von 
Tuberkulose,  die  neben  Gonorrhoe  differentialdiagnostisch  in  Be- 
tracht kommt,  gefunden  wurden,  beide  anderen  FĂ€lle  heilten  snon- 
l.m  aus. 

Verfasser  hÀlt  das  Vorkommen  abakterieller  renaler  Pyurien 
fĂŒr  erwiesen  und  denkt  Ă€tiologisch  an  toxische  Bestandteile  des 
Urins,  zu  deren  Feststellung  er  eine  eingehende  chemische  [.Tnter 
suchung  fĂŒr  wichtig  erachtet.  Cordes  (Berlin 


26 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


Revue  de  In  Tuherculose,  Paris. 

Oktober  1921,  2.  Nr.  5. 

Kigenharnreaktion     nach     Wiidbolz.      B  e  z  a  n  com,    V.     und     W  ei  Ii 

it.    P.  319. 

^â–șProvozierte  Pupillenungleiehheit  liei  der  Diagnose  der  pleuropulmonĂ€reii  Er? 
krankung-!  n,  besonders  der  Tuberkulöse.    S  e  r  g  e  n  t  ,  E.,  Per  in  und 

‱  A  1  i  b  e  r  t.  327. 

Internationale  Tuherkuhisekonfcrcnz  in  London.    P  u  i  x  ,  Gk  353. 

Ungleichheit  der  Pupillen  als  diagnostisches  Zeichen  in  den 
pleuro-pulmonÀren  Aiiektionen  und  besonders  bei  der  Tuber- 
kulose: Verfasser  hat  bei  zalilreichen  FĂ€llen  von  Lungcnaffek- 
lionen  als  diagnostisches  Zeichen  auf  der  erkrankten  Seile  ciiv 
Erweiterung  der  I  upille  gefunden,  fĂŒr  deren  Ursache  freilieh  aufs 
sorgfÀltigste  andere  krankhafte  Prozesse  ausgeschlossen  sein 
mĂŒssen.  Er  stellt  diese  „einfache  lupillenungleichheit",  wie  ers 
nennt,  anderen  Diagnostica  gleich  und  verspricht  sich  viel  fĂŒr  die 
Lokal isĂ€ti&n  und  fĂŒr  die  Ahfangsdiagnose. 

('.  o  r  d  e  s    Berlin  . 

El  siglo  medico,  Madrid. 

Ii).  November  1921.  68,  3545: 

Ueber  chirurgische  Behandlung  der  l.  iryjrx-TuUerkulose.    Barajas  v  De 

V  i  1  c  h  e\s  .  .T.  Mi  1118. 
Die  großen" Nieren.    .Marion.  G.  1118. 
‱Hlifferentialdiagnose  zwiseben  Appendizitis  und  Ileus.   Bei  esta,  F.  R.  li"-'u. 
Klinische  Erfahrungen  mit  der  Wa. -Reaktion.    S  i  e  i  1  i  a.  1121. 
Das  Sumpffieber  im  Heier  und  seine  soziale  Bedeutung.    B  o  r  e  s  ,  F.  B.  1122. 

Differentialdiagnose  zwischen  Appendizitis  und  Ileus.  31  jÀh- 
riger Mann  hatte  dreimal  heftige  SchmerzanfÀlle  in  der  rechten 
UnterbÀuchseite,  dabei  galliges  Erbrechen,  fadenförmigen  Puls, 
Kollaps.  Diese  Zeichen  ließen  an  Ileus  denken;  jedoch  ergab  sieh 
bei  genauerer  Untersuchung  Druckempfindlichkeit  des  Mac-BĂŒr- 
ney'schen  Punktes  und  defense  museulnire,  so  daß  die.  Diagnose 
Appendizitis  gestellt  wurde,  deren  Richtigkeit  die  Operation  er- 
gab. L  u  r  j  e. 

The  Journal  of  tlie  American  Medical  Association,  Chicago. 

5.  November  1921,  77,  Nr.  19. 

Eudocrinulogic.    II  ö  s  k  i  n  s  .  R.  Gt.  1495. 
Alkoholismus,    .1  a  n  e  t    1'.  1462. 
♩M'hysikalische    He-ehaffenheit    und      Enzyinwirkung      des  Duodenalinlialts. 
'  Mc.  C  1  u  r  e  .  C.  W.,  W  e  t  m  o  r  e  .  A.  8.  und  R  e  y  n  »  1  d  s  ,  L.  1408. 

❖  Analyse   des   Duodenaliuh.'ilts   bei   normalen   Individuen.    F  r  i  e  d  e  n  \v  a  1  d. 

.1.   und    S  i  n  d  1  e  r  .    .1.  14G9. 
Analyse  des  Duodenalinlialts  bei  septischem  Ileus.     Einhorn,   M.  1471. 
^Infektionsherde    bei    Pyelonephritis.     Bilm  p  U  6  .    H.    C.    und    M  e  i  ß  u  <■  r  . 
.7.    Gr,  1475. 
Rhinoplastik.     Blair,  V.  P.  1479. 

Der  blinde  Fleck  in  der  Retina.    Gfadlei  H.  S.  1483. 
\  aginalzysten.     I  n  g  r  a  h  a  in  .  C.  B.  1487. 

SchÀdliche  Wirkung  der  Röntgen-  und  Radiumbehandjlung.    Mae  K  e  e  .  (;. 
M.    und    Andrews.    CK   C.  1489. 

Magnesiuin-Sulphat-Lösung  bei  der  AnÀsthesie.    C  11  r  t  i  s  .  A    II.  1492. 

Fettgehalt  des  Blutes.  C  o  w  i  e  ,  I).  M.  und  II  o  a  g  .  L.  A.  1493. 
Physikalische  Eigenschaften  und  EnzymaktivitÀt  im  Duo- 
denalinhalt.  Verff.  untersuchten  den  Duodenalinhalt  von  15  ge- 
sunden jungen  Menschen,  denen  verschiedene  Mahlzeiten  von  be- 
stimmter Zusammensetzung  gereicht  waren.  Die  Untersuchungs- 
technik war  die  allgemein  ĂŒbliche.  Nach  EinfĂŒhrung  der  Sonde 
wurde  regelrechte  Seitenlage  eingenommen  und  stĂŒndlich  Duo- 
denalinhalt aspiriert.  ViscositÀt  und  Farbe  zeigten  sich  von  der 
Art  der  Nahrung  abhÀngig.  Die  proteolytische  Enzymwirkung 
betrug,  bezogen  auf  nichteiweißhaltigen  Stickstoff  2  mg,  die  lipo- 
lytische  Wirkung  1  cem  n/10  SalzsĂ€ure,  die  amylolyĂŒschc  Wir- 
kung etwa  1  mg  Glukose.  Die  Wasserstoffioncnkonzenlrntion 
schwankte  zwischen  5  und  7,5,  sie  scheint  unabhÀngig  von  der 
Enzymwirkung  zu  sein.  Auch  der  SĂ€uregrad  seheint  hierauf 
weniger  Einfluß  zu  haben,  wĂ€hrend  die  Art  der  ErnĂ€hrung  be- 
deutungsvoller ist. 

Fraktionierte  Analyse  des  Duodenalinlialts  bei  Gesunden.  Der 
Untersuchung  des  Duodenalinlialts  ging  in  den  hier  berichteten 
10  FĂ€llen  stets  eine  solche  des  Magensaftes  voraus.  Dieser 
schloß  sich  die  buödenalsaftuntersuchung  an,  der  nach  bestimmter 
Probemahlzeil  halbstĂŒndlich  entnommen  wurde.  Die.  Analyse 
wurde  nach  der  von  Einhorn  angegebenen  Methode  vorgenom- 
men, bei  der  man  die  Fermentwirkung  in  Millimetern  ablesen 
kann.  Ferner  wurde  Reaktion,  Farbe  und  Konsistenz  geprĂŒft. 
Es  zeigte  sich,  daß  der  Duodenalsaft  aus  Pankreas-  und  Duodenal 
sekret  und  Galle  besteht,  goldgelb  bis  braun  gefÀrbt  ist,  geruchlos 
ist  und  alkalisch  reagiert.  Die  Alkaleszenz  schwankte  zwischen 
15  und  40,  die  Werte  fĂŒr  Amylopsin  betrugen  1—15  mm,  fĂŒr 
Steapsin  1—12  mm  und  fĂŒr  Trypsin  t— 12  mm,  je  nach  der  Zeit 


der  Entnahme.  Die  Alkaleszenz  ist  gewöhnlich  in  den  Nahrungs 
pausen  am  höchsten,  nimmt  nach  der  Nahrungsaufnahme  rasch 
ab,  um  dann  wieder  zuzunehmen,  sie  ist  vom  SĂ€uregrad  des 
Magensaftes  augenscheinlich  unabhÀngig.  Die  quantitativen 
Schwankungen  der  Fermente'  gehen  in  gleicher  Richtung.  Die 
Durchschnittswerte  betrugen  fĂŒr  Amylopsin  2.29  mm,  fĂŒr  Steapsin 
3,5  mm  und  fĂŒr  Trypsin  5,8  mm. 

Ueber  Ausgangspunkte  der  Infektion  bei  Pyelonephritis.  Bis- 
her  ist  weder  eindeutig  bewiesen,  daß  die  in  fast  allen  FĂ€llen 
von  Pyelonephritis  gefundenen  Colibakterien  Ă€tiologisch  fĂŒr  das 
Krankheitsbild  in  Frage  kommen,  oder  ob  ihr  Auftreten  sekundÀr 
aufzufassen  ist.  noch  ist  bei  Annahme  der  primÀren  Ursache  der 
[nfektiohsweg  sichergestellt.  Verff.  konnten  in  6  FĂ€llen  die 
frĂŒher  schon  mitgeteilten  Unter  sĂŒchungsergebnisse  ergĂ€nzen. 
Sie  zĂŒchteten  aus  den  entfernten  Tonsillen  oder  aus,  auch  rönt- 
genologisch gesund  erscheinenden,  trotzdem  gezogenen  ZĂ€hnen 
hÀmolysicrende  Streptokokken,  die  bei  Kaninchen  intravenös  ein 
gespritzt  schwere  Nierenaffeklionen  verursachten.  Verff.  haben 
nun  Kulturen  dieser  Streptokokken  aus  den  ZĂ€hnen,  Tonsillen. 
I  rin  oder  Rlut  von  12  FĂ€llen  von  Pyelonephritis  82  Versuchs- 
tieren injiziert  und  fanden  hei  (>.')  Tieren  NierenschÀdigungen. 
Der  hÀmolysierende  Streptokokkus  scheint  demnach  eine  gewisse 
AffinitÀt  zum  Urogenitaltraktus  zu  besitzen  und  hÀufig  die  pri- 
mĂ€re Ursache  fĂŒr  das  Entstehen  einer  Pyelonephritis  zu  sein, 
wĂ€hrend  dem  Bakt.  coli,  das  ja  fast  regelmĂ€ĂŸig  gefunden  wird, 
nur  sekundÀre  Bedeutung  zukommt.  Kack  eil  (Hamburg  . 

American  Journal  of  the  Medical  Sciences, 
‱  Philadelphia -New  York. 

Oktober  1921.  162.  Nr.  1. 

♩M'ylorospasmus  bei   Erwachsenen;  Behandlung.    Pinney,  J.   M.  T.  und 
F  i  e  d  e  n  w  a  1  d  .  3.  4G9. 

Die  auf  den  Streifenkörper   und   den   Schhiige]   hinweisenden   Typen  von 
Eiizrrplia.lit!s.    II  mit,  .7.   K.  481. 

Die  Vcgetabilienfruge  in  der  DiÀt  der  Diabetiker.    (I  r  t  o  n  .  W.   A.  198. 
‱J*Exophthartmo8  und  Polyurie  bei  Kindern.    II  a  n  d  .  A.  509. 

Ilodgkinscbe  Krankheit.    L  c  m  o  n  ,  W.  S.  und  Doyle.  3.  K.  MC. 

MutknrpeichcnzÀhlung.    (1  r  ii  y  ,  II.  Ài'ö. 

Maligne  Endokarditis.    (!  e  o  r  g  e  .  St.  550. 

nebandlung  der  Syphilis.    X  e  w  c  o  m  e  r  .  H.  S.  505. 

Syphilis  in  ihrer- Verteilung  1>;"'11  der  BeschÀftigung  der  Kranken.  S  tok'e  s  , 

3.  H.  und  Brehme,  r.  H.  E.  572. 
Sinu-Aurikularer  Herzblock.    Smith,  S.  G.  575. 

Bakterien   auf   MĂŒnzen,    Banknoten    u  ;\\       Ward.    C.    B.   und  Taillier. 

F.  W.  585. 

❖.Meningitis  heim  SĂ€ugling  durch  einen  fadenartigen  dipbtheroiden  Organismus. 
Miller.  Bf.  \C  und  Lyon,  M.  W.  59;!. 

Innere  und  chirurgische  Behandlung  de»  Pylorospasmus  Er- 
wachsener. P\ iorospasmus  ist  ein  nervöser  Symptomenkomplex 
von  nicht  völlig  geklÀrter  Aetiologie.  Experimentell  kann  er  bei 
Kaninchen  durch  Vagusreizung  ausgelöst  und  durch  Splanch- 
nicusreizung  behoben  werden.  Ebenso  ergibt  sich  seine  Be- 
ziehung zum  innersekretorischen  System  dadurch,  daß  er  durch 
Thyreoid-  und  Parathyreoidextrakte  hervorgerufen  und  durch 
Aetrenalininjektion  aufgehoben  werden  kann.  Es  gibt  eine  neu- 
rotische, EntzĂŒndungs-  und  Reflexform.  Meist  kommt  er  vor  bei 
entzĂŒndlichen  SchĂ€digungen  des  Magens  oder  als  Reflex  bei  Er- 
krankungen anderer  Organe,  z.  B.  Gallensteinen,  chron.  Appen- 
dizitis. Es  gibt  aber  auch  rein  neurotische  EĂ€lle.  Symptome 
nicht  sehr  charakteristisch:  Hungerschmerz  2—3  Std.  nach  dem 
Essen,  der  nach  Magenentleerung  und  nach  neuer  Nahrungsauf- 
nahme aufhört;  intermittierende  HyperaziditÀt  und  Stagnation 
der  Nahrung  im  Magen.  Durch  die  Röntgenuntersuchung  können 
die  nervösen  Formen  von  den  organisch  bedingten  (Tumorij  gut 
getrennt  werden.  Therapie:  Behandlung  der  primÀren  Neu- 
rasthenie, unterstĂŒtzt  von  allgemeinen  diĂ€tetischen  und  hygieni- 
schen Maßnahmen.  Im  akuten  Anfall  Morphium.  A tropin  sub- 
kutan und  Magenauswaschung.  Wenn  alle  internen  Maßnahmen 
ohne  Erfolg  sind,  ist  die  Pyloroplastik  indiziert  und  gibt  prak- 
tisch zufriedenstellende  Resultate. 

Knochendefekte,  Exophthalmus  und  Polyurie  in  der  Kindheit 
als  Zeichen  von  Dyspituitarisnuis.  Verfasser  erörtert  an  der 
Hand  von  zwei  eigenen  FĂ€llen  und  1  FĂ€llen  der  Literatur  die 
Möglichkeit  einer  Hypophysenerkrankung,  ohne  jedoch  einen 
sicheren  Beweis  dafĂŒr  bringen  zu  können,  zumal  nicht  einmal 
die  6  erwĂ€hnten  FĂ€lle  alle  drei  Symptome  gleichmĂ€ĂŸig  zeigten, 
nur  die  KnochenverÀnderungen  waren  vorhanden,  die  Sclla 
turcica  in  2  FÀllen  völlig  normal.  Durch  Pituitrin  wurde  nur 
die  Polyurie  beeinflußt.  Die  wirkliche  Ursache  ist  unbekannt  und 
bedarf  weiterer  Beobachtungen  zur  endgĂŒltigen  KlĂ€rung. 


10.  Jahrg.     Nr.  1. 


A  u  s  (1  e  ii  ii  r  ii  <■  s  i  c  n  Zeil  s  <‱  h  r  i  f  t  e  n 


Fall  von  Meningitis  bei  einem  Kinde  durch  ein  haarförmiges 
Aiphtheroldes  Bakterium.  Bei  einem  Kinde  mil  eitriger  Meningitis 
und  Pneumonie  wurde  als  Erreger  ein  diphtheroider  Mikro- 
organismus gefunden  (Corynebakterium  trichodiphtheroides),  der 
im  Spinalpunktal  nls  StÀbchen  erschien,  in  der  echten  Kultur  zu 
unregelmĂ€ĂŸigen  Fadenformen  auswuchs  und  spĂ€ter  StĂ€bchenform 
mit  grampositiven  Polkörpern  und  Segment  vom  Typus  des  Diph- 
theriebazillus  zeigte.  Er  war  nicht  pathogen  fĂŒr  Kaninehen  und 
Meerschweinchen. 

F.  L  o  e  w  e  n  Ii  a  r  d  (('.harlotle'nburg-Weslend  i. 

Bulletin  of  Ute  Johns  Hopkins  Hospital,  Baltimore. 

November  1921,  32,  Nr.  360 

‱H'adiographisehor  He\veis  des  Einflusses  \ 011  Lebertran  hei  Rachitis.  Purk, 

E.  A.  und  II  o  W  1  a  n  d  .  J.  341. 
‱M.ipodyMrophia  progressiv:!.    Smith,  II.  L.  344. 

Phagozytose  in  Beziehung  zu  tei-m  i  iialen  Infektionen.    C  roll,  H.  B.  350. 

fhamisehe  Dynamik  der  Muskeln.    Hopkins.  F.  G.  359. 

Der  röntgenogrÀphische  Nachweis  des  Einflusses  des  Leber- 
Irans  auf  die  Rachitis.  Durch  fortlaufende  Röntgenuntersuchungen 
des  Skelettes  konnte  der  Nachweis" erbracht"  werden,  daß  Leber- 
Iran  am  rachitisch  erkrankten  Knochen  VerÀnderungen  hervor- 
ruft, die  im  Verlaufe  von  2  bis  3  Monaten  zu  einer  annÀhernden 
Heilung  fĂŒhren.  Es  findet  eine  intensive  Ablagerung  von  Kalk 
salzen  in  das  osteoide  Gewebe  statt,  die  schweren,  im  Röntgen- 
bilde klar  hervortretenden  pathologischen  VerÀnderungen  an  der 
Kncchenknorpelgre  nze  machen  allmÀhlich  im  Laufe  der  Behand- 
lung normalen  VerhÀltnissen  Platz.  Verff.  sprechen  dem  Leber- 
tran spezifische  Wirkungen  auf  den  rachitischen  Prozeß  zu,  die 
auch  dann  zutage  treten,  wenn  der  Allgemeinzustand  durch  an- 
dere schwere  Erkrankungen  stark  beeintrÀchtigt  ist. 

Lipodystrophia  progressiva.  Auf  Grund  der  in  der  Literatui 
beschriebenen  FĂ€lle  und  eines  selbst  genau  untersuchten  Falles 
wirel  die  Symptomatologie  und  die  Frage  nach  der  Aetiologie  des 
Leidens  erörtert.  Es  handelt  sich  um  eine  recht  seltene  Affeklion, 
die  schleichend  in  frĂŒhem  Lebensalter  beginnt,  in  der  weitaus 
grĂ¶ĂŸten  Zahl  der  typischen  FĂ€lle  das  weibliche  Geschlecht  be- 
fÀllt und  durch  einen  langsamen,  fast  völligen  Schwund  des  sub- 
kutanen Fettes  am  Kopf,  Gesicht,  Hals  und  oberen  Gliedmaßen 
sowie  am  Rumpf  oberhalb  des  Beckens  gekennzeichnet  ist,  wÀh- 
rend es,  besonders  bei  weiblichen  Individuen  zu  einer  ZunÀhme 
des  Fettpolsters  am  GesĂ€ĂŸ  und  an  den  unteren  ExtremitĂ€ten 
kommt.  Die  histologische  Untersuchung  eines  exzidierten  Hau! 
StĂŒckes  ergibt  normale  Struktur  der  Haut  mit  Ausnahme  des  fast 
vollstÀndigen  Fehlens  des  Fettes.  Die  Aetiologie  ist  noch  unge- 
klÀrt; möglicherweise  kommen  innersekretorische  Störungen  in 
Betracht.  Wolff  (Hamburg). 

American  Journal  of  Diseases  of  Children,  Chicago. 

November  1921,  22,  Nr.  5. 

‱Mnlaiurilo    Tetanie.      K  r  :i  m  e  r  ,     Ii.,    T  i  s  d  a  1  1  ,     F.     F.     und     II  o  w  - 
1  a  n  (1  ,  ,J.  4SI. 

Experimentelle  Albuminurie  beim  Kaninchen     S  a.i  t  o  ,  H.  und  G  o  n  d  o  , 

K.  439. 

♩Vitale  KapazitĂ€t  der   Lunge  I    ihr   VerhĂ€ltnis   zur  Uebungstherapie  bei 

herzkranken  Kindern.   W  ilson,  M.  <i.  und  Ed  warfls',  O.  J.  443. 
SituglingsernÀhrung,    Chemische  Untersuchung  von  TrockenmilchprÀparaten. 
B  0  s  w  o  r  t  Ii  .  A.  W.  455. 

♩Klinische  und  radiiographische   Untersuchung  der  Thymus  bei  SĂ€uglingen. 
B 1  a  e  k  f  a  n  ,  K.  I).  und  Little,  K.  459. 
GrĂ¶ĂŸe  dos  SĂ€uglingsgaumens.    De  nze  r,  B.  S.  471. 

♩Kongenitaler  Kropf.    Porter,  W.  B.  und  Vonderlehr,  R.  A.  477. 

♩Aetiologie  und  Behandlung  der  Ammouiak-Dermatitis  der  Olutealgegend  beim 
SĂ€ugling.    C  o  o  k  c  ,  J.  V.  481. 

♩Bauchschmerzen    hei     Infektionen     der     oberen      Luftwege.  Brenne- 
rn a  n  n  ,  J.  493. 
HchtĂŒ VersĂ€umnisse  und  ihre   Ursachen.     M  nsn,  II.  H.  500. 

♩Seltene  Herzanomalien.     Ratner,    B..   Aoott,  M.  F.  und  Beattie, 
W.    VV.  508. 

Diffuse  Tuberkulose  der  spinalen  Meningen.    K  e     o  n  .  J.  C.  und  Cheney, 

Ct.    W.    H.  510. 

Intermittierendes  Fieber  durch  .Mastoiditis.    L  e  o  p  o  1  d  .  J.  S.  521. 

Beobachtungen  ĂŒber  SĂ€uglingstetanie.  Mit  den  Erscheinungen 
manifester  Tetanie  gehl  regelmĂ€ĂŸig  niedriger  Kalkgehalt  des 
Blutserums  einher,  und  hierin  ist  die  Ursache  der  gesteigerten  Er 
regbarkeit  gegeben.  Zum  Gehalt  des  Serums  an  anorganischem 
l'bosphor,  der  in  der  HĂ€lfte  der  FĂ€lle  regelrecht  oder  leicht  er- 
höbt berunden  wurde,  bestehen  keine  gesetzmĂ€ĂŸigen  Beziehungen. 
Das  VerhÀltnis  der  einwertigen  zu  den  zweiwertigen  Kationen  im 
Serum  ist  bei  Spasmopbilie  grĂ¶ĂŸer  als  bei  gesunden  SĂ€ug- 
lingen infolge  des  verminderten  Kalkgehalts  des  Serums.  Der 
Ciehall  des  Serums  an  Natrium  und  Magnesium  ist  regelrecht,  der 
Kaligehalt  etwas  erhöbt. 


Die  VitalkapazitiU  der  Longen  und  ihn-  Beziehung  zur  körper- 
lichen LeistungsfÀhigkeit  bei  Kindern  mit  Herzkrankheiten.  Die 
YitalkapazilÀt  von  <S.">  gesunden  Kindern,  darunter  14  Kniiben, 
II  MĂ€dchen,  im  Aller  von  6  l<>  .Iahten  beirĂŒg  durchschnittlich 
1870  cc.  bezogen  auf  l  qm  Körperoberflache.  Die  Werte  Lagen  bei 
Knaben  nur  3,5  v.  H.  höhet  als  bei  MÀdchen.  Eine  Herabsetzung 
der  VitalkapazitÀt  bei  36  Kindern  ohne'  krankhaftem  Herzbefund 
ging  einher  mit  VerÀnderungen  de  s  I  Iilusschaltcns  im  Röntgenbild 
Herzkranke  Kinder  mit  ungeschÀdigter  körperlicher  Leistungs 
fĂ€higkeil  zeigten  so  gut  wie  keine'  Einbuße  an  VilalkapazilaL  da 
gegen  war  bei  verminderter  LeistungsfĂ€higkeit  auch  regelmĂ€ĂŸig 
ein  Verlust  an  VitalkapazitÀt  bei  zu  30  50  v.  II.  vorhanden 
Kinder,  die  an  Rheumatismus  e)der  Chorea  gelitten  hatten,  aber 
keine  erkennbare  Erkrankung  eles  Herzens  noch  SchÀdigung  der 
körperlichen  LeistungsfÀhigkeit  aufwiesen,  hallen  regelrechte 
VitalkapazitÀt.  Die  Feststellung  der  VitalkapÀzitÀt  liefert  zwar 
nicht  so  eindeutige  Ergebnisse  wie  die  PrĂŒfung  der  körperlichen 
LeistungsfĂ€higkeit,  bildet  aber  doch  ein  werlvolles  PrĂŒfungsvei> 
fahren  fĂŒr  die  LeistungsfĂ€higkeit  eles  Kreislaufs  beim  herzkranken 
Kinde. 

Klinische  und  radiologische  Untersuchung  der  Thymus  beim 
SÀugling.  Ein  viermonatliches  Brustkind,  das  plötzlich  an 
Zyanose,  inspiratorischem  Stridor  und  KrÀmpfen  erkrankte  und 
zwei  Stunden  nach  therapeutischer  Röntgenbestrahlung  der 
Thymus  plötzlich  starb,  hatte  im  Leben  eine  ThymusdÀmpfung  mit 
entsprechendem  Schatten  im  Röntgenbild  und  nach  dem  Tode  eine 
17  g  schwere  vergrĂ¶ĂŸerte  ThymusdrĂŒse.  Die  Untersuchung  dieses 
Falles  lehrte,  daß  die  bei  wagerechter  Lagerung  eles  Kindes  mit 
halbgebeuglem  auf  dem  Hinterhaupt  aufliegenden  Kopf  sehr  deut- 
liche ThymusdÀmpfung  verschwand,  wenn  der  Kopf  stark  nach 
hinten  gebeugt  wurde.  Die  mit  BerĂŒcksichtigung  dieser  VerhĂ€lt- 
nisse durchgefĂŒhrte  Untersuchung  von  G0  Kindern  im  Alter  von 
5  Stunden  bis  zu  einem  Jahr,  die  keine  sonstigen  Erscheinungen 
von  Erkrankung  der  Thymus  aufwiesen,  ergab  bei  29,  also  etwa 
der  HĂ€lfte,  einen  Schatten  im  vorderen  Mediastinum.  Von  diesen 
hatten  20  auch  eine  entsprechende  DĂ€mpfung,  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigen 
sie  vermissen  ließen.  Bei  vier  Kindern  wurde  eine  DĂ€mpfung 
festgestellt  ohne  entsprechenden  Röntgenbefund.  Durch  die  bei 
einzelnen  Kindern  durchgefĂŒhrte  Röntgenbestrahlung  konnte  der 
auf  die  Thymus  bezogene  Schatten  zum  Verschwinden  gebracht 
werden.  Die  gleiche  Wirkung  hatte  die  Bestrahlung  bei  vier 
Kindern,  die  neben  dem  Perkussions-  und  Röntgenbefund  Er- 
scheinungen von  Atemnot,  Zyanose  usf.  aufgewiesen  hatten. 

Angeborener  Kropf.  Bei  einem  3^jÀhrigen,  einem  6jÀhrigen, 
einem  8-  und  einem  14  jÀhrigen  Knaben  wurden  weiche  Strumen 
festgestellt,  die  von  Geburt  an  bestehen  sollten.  Die  FĂ€lle  stam- 
men alle  aus  dem  SĂŒdwestteil  von  Virginia,  wo  der  Kropf 
endemisch  sein  soll.  Thyreotoxische  Erscheinungen  hatte  keins 
der  Kinder. 

Leibschmerz  bei  HalsentzĂŒndung.  Verfasser  betont  die  HĂ€ufig- 
keit von  Leibschmerzen  bei  Kindern,  die  an  EntzĂŒndungen  dei 
oberen  Luftwege  leiden.  Die  Schmerzen  werden  in  die  Nabel 
gegend  verlegt.  Als  Ursache  vermutet  Verfasser  eine  EntzĂŒndung 
der  MesenterialdrĂŒsen,  da  diese  bei  Operation  wegen  fĂ€lschlich 
angenommener  Appendizitis,  ebenso  bei  Obduktion  von  Grippe 
lallen  oft  geschwollen  und  entzĂŒndet  betroffen  wurden. 

Seltene  Herzmißbildung.  Bei  einem  mit  17  Tagen  verstorbenem 
SĂ€ugling  fand  sich  eine  seltene  Verbildung  des  Herzens.  Es  be- 
stand ein  situs  inversus  der  Ventrikel,  deren  Scheidewand  voll 
ausgebildet  war,  w  Àhrend  die  Vorhöfe  die  gewöhnliche  Lagerung 
l  at len,  aber  kein  Seplum.  Die  Cava  superior  mĂŒndete  in  die  er- 
halten gebliebene  omphalomesenterische  Bucht,  ein  Gebilde  aus 
dem  frĂŒhen  Dotterkreislauf.  Als  Ausgleichseinrichtungen  waren 
anscheinend  die  Verlagerung  der  rechtsseitigen  Pulmonalvenen 
nach  rechts  und  die  Zuleitung  des  Blutes  aus  dem  pulmonalen 
Ventrikel  in  die  Aorta  elescendens  auf  dem  Wege  der  Pulmonal- 
arterie  zu  betrachten.  H.  Vogt 

The  Journal  of  Laboratory  and  Clinical  Medicine.  St.  Louis. 

Oktober  1921,  7,  Nr.  1. 

❖Serologische  Untersuchungen  Uber  Syphilis.    M  a  h  t  .  K.  F.  t. 
Chemotherapie  der  organischen  Arseiiverbiiidungon.    Myers,  C.  N'.  IT. 
VcntilaJlion.  Witterung.  ErkÀltung.     P  a  1  m  e  r  ,  O.  T  39. 

Serologische  Syphilisstudien.  Syphilimetrische  Farbenindizes. 
Den  Untersuchungen  liegt  das  Bestreben  zugrunde,  die  wenig 
exakten  bisher  ĂŒblichen  Angaben  ĂŒber  die  IntensitĂ€t  des  Aus- 
falles der  Wassermannsc'hen  Reaktion  durch  prĂ€zisere  Maßan- 
gaben zu  ersetzen.  Verf.  lehnt  sich  dabei  an  die  syphilimetrische 
Methode  von  Vernes  an;  bei  dieser  wird  die  Tatsache  benĂŒtzt, 


28   Soziale  Medizin  40. Jahrg.  —  Nr. i. 


daß  Schweineserum  die  FĂ€higkeit  besitzt,  die  ausflockende  Wir- 
kung luetischer  Sera  auf  eine  Suspension  eines  in  bestimmter 
Weise  bereiteten  Pferdeherzextraktes  hintanzuhalten;  in  dem 
.Maße,  wie  es  diese,  die  Ausflockung  hemmende  Wirkung  ausĂŒbt, 
verliert  das  Schweineserum  seine  hÀmolytische  Wirkung  auf  Ham- 
melerythrocyten;  das  Maß  der  bewirkten  HĂ€molyse  wird  kolori 
metrisch,  durch  Vergleich  mit  8  verschiedenen  VerdĂŒnnungen 
einer  bestimmten  Farblösung  bestimmt.  Den  kolorimetrischen 
Teil  dieser  Methode  verwendet  Verf.  bei  der  W.  R.,  indem  er  mit 
kolorimetrisch  eingestellten  Mengen  von  Hammelerythrocyten  ar- 
beitet und  das  Maß  der  bei  der  Reaktion  erreichten  HĂ€molyse  in 
Graden  nach  Vernes  angibt.  Diese  quantitative  Modifikation  der 
W.  R.  gestattet  genauere  Angaben  ĂŒber  die  Schwankungen  der 
Reaktion  im  Verlaufe  spezifischer  Kuren  und  gibt  eindeutige 
Zahlenwerte  in  FĂ€llen,  in  denen  man  sich  sonst  mit  zweifelhaften 
Angaben,  wie  „plus-minus"  begnĂŒgen  mußte. 

Wolff  (Hamburg). 

Aus  den  verschiedenen  Sondergebieten. 

Soziale  Medizin. 

Aenderungen  der  Gesetzgebung  ĂŒber  die  Wochenhilfe. 

In  einem  Aufsatze  der  Volkswohlfahrt",  Organ  des  preußi- 
schen Ministeriums  fĂŒr  Volkswohlfahrt  gibt  der  Ministerialrat 
Dr.  Hoffmann  einen  U eberblick  ĂŒber  die  neuerdings  vom 
Reichstage  beschlossenen  Aenderungen  ĂŒber  die  Wochenhilfe. 
Wir  entnehmen  den  AusfĂŒhrungen,  die  nicht  frei  von  Kritik  der 
gesetzgeberischen  TÀtigkeit  des  Reichstages  sind,  einige  tatsÀch- 
liche Bemerkungen.  Der  Entbindungsbeitrag  ist  von  50  auf  lĂŒĂŒ  M., 
die  Schwangerenbeihilfe  von  25  auf  50  M.,  die  MindestsĂ€tze  fĂŒr 
das  Wochen-  und  Stillgeld  sind  gleichfalls  erhöht  worden.  Die 
Familienwochenhilfe  soll  auch  dann  gezahlt  werden,  wenn  die 
Niederkunft  innerhalb  9  Monaten  nach  dem  Tod  des  anspruchs- 
berechtigten Versicherten  erfolgt.  Wöchnerinnen  sind  auch  dann 
minderbemittelt,  wenn  ihr  und  ihres  Ehemannes  Gesamtein- 
kommen, oder,  sofern  sie  allein  stehen,  ihr  eigenes  Einkommen 
in  dem  Jahre  oder  Steuerjahre  vor  der  Entbindung  den  Betrag 
von  10  000  M.  nicht  ĂŒberstiegen  hat.  WochenfĂŒrsorge  wird  nur 
solchen  gewĂ€hrt,  welche  tatsĂ€chlich  ihrer  bedĂŒrftig  sind.  Be- 
stimmend ist  das  Versicherungsamt.  Der  Wöchnerin  ist  erlaubt, 
wÀhrend  des  Bezuges  der  Wrochenhilfe  nach  Belieben  gegen  Ent- 
gelt Arbeiten  zu  verrichten.  Das  Stillgeld  wird,  entgegen  der 
Vorlage,  nach  wie  vor  nach  dem  Krankengeld  abgestuft.  Die 
Krankenkassen  sind  verpflichtet,  Àrztliche  Geburtshilfe  in  natura 
zu  leisten.  Da  aber  die  EinfĂŒhrung  dieser  Verpflichtung  eine 
Aenderung  der  ArztvertrÀge  insofern  voraussetzt,  als  die  Aerzte 
nur  zur  Behandlung  in  KrankheitsfÀllen  verpflichtet  sind,  nor- 
male Geburten  aber  keine  Krankheiten  darstellen,  so  ist  die 
DurchfĂŒhrung  dieser  Bestimmung  bis  auf  weiteres  vertagt. 

Die  Krankenversicherung  der  Staatsangestellten 
in  Tschechoslavien. 

Es  ist  ein  Gesetzentwurf  ausgearbeitet,  wonach  die  Kranken- 
versicherung bei  den  Staatsangestellten  Àhnlich  wie  bei  den 
Arbeitern  eingefĂŒhrt  wird.  Die  Leistungen  sollen  bestehen  in 
Àrztlicher  Behandlung,  GewÀhrung  von  Arzneimitteln,  ZuschlÀgen 
bei  Geburten,  Schwangerschaft  und  Wochenbett,  Krankenhaus- 
behandlung und  Sterbegeld.  Die  Standesorganisation  der  Staats- 
angestellten in  Prag,  welche  37  000  Mitglieder  zÀhlt,  hat  die 
Forderung  aufgestellt,  daß  die  Einbeziehung  der  Versicherung  in 
die  Arbeiterversicherung  unterbleibt,  weil  an  dieser  Lösung  der 
Frage  die  Staatsbeamlenschaft  kein  Interesse  hat. 

Lebcnshaltungsindex. 

Die  Reichsindexziffer  fĂŒr  die  Lebenshaltungskosten,  die  auf 
Grund  der  Erhebungen  ĂŒber  die  Ausgaben  fĂŒr  ErnĂ€hrung,  Heizung, 
Beleuchtung  und  Wohnung  festgestellt  wird,  ist  von  10G2  im 
September  auf  1146  im  Oktober  gestiegen.  Die  Erhöhung  betrÀgt 
gegenĂŒber  dem  Oktober  1920  35,9  v.  H.,  gegenĂŒber  dem  Januar 
1921  21,1  v.  H.  Im  Monat  November  sind  die  Lebenserhaltungs- 
koslen  von  1146  in  Monat  Oktober  auf  1397  im  Monat  November, 
also  um  weitere  21,9  v.  H.  gestiegen.  Seit  Januar  betrÀgt  die 
Steigerung  48  v.  H.,  seit  November  v.  J.  58,4  v.  H. 

Die  neue  preußische  Desinfektionsordnung. 

Die  vor  mehreren  Monaten  erlassene  neue  Desinfektions- 
ordnung bringt  auch  fĂŒr  den  praktischen  Arzt  eine  Anzahl,  wenn 
auch  nicht  gerade  Neuerungen,  so  doch  Aenderungen  von  der  bis- 
herigen   Auffassung    und    AusfĂŒhrung    der    Desinfektion  am 


Krankenbett.  Daß  die  Desinfektion  nicht  das  alleinseligmachende 
Mittel  zur  VerhĂŒtung  der  Verbreitung  ĂŒbertragbarer  Krankheiten 
darstellt,  ist  nachgerade  Gemeingut  der  wissenschaftlichen  Kreise 
wie  der  Praktiker  geworden.  Auch  daß  die  AusfĂŒhrung  der  Des- 
infektion, selbst  wenn  sie  nach  den  gegebenen  Vorschriften  ge- 
schah, nicht  immer  den  erwarteten  Erfolg  garantierte,  stand  fest. 
Andererseits  war  die  Handhabung  mit  großen  wirtschaftlichen 
Unannehmlichkeiten  fĂŒr  die  Bevölkerung  verknĂŒpft.  Es  war 
daher  in  amtlichen  Kreisen  schon  lÀngst  das  durch  eingehende 
Versuche  gestĂŒtzte  Bestreben  vorhanden,  die  Formen  der  Des- 
infektion zu  vereinfachen  und  sie  dadurch  dem  VerstÀndnis  der 
Bevölkerung  nÀher  zu  bringen,  andererseits  aber  durch  er- 
giebigere Anwendung  den  Zwecken  der  SeuehenverhĂŒtung  mehr 
als  bisher  zu  dienen.  Dies  ist  durch  ausgiebigere  Durch- 
fĂŒhrung der  Desinfektion  am  Krankenbett  gegenĂŒber  der  Schluß- 
desinfektion erreicht.  Ueber  die  Art  der  DurchfĂŒhrung  sind  in 
der  Verordnung  eingehende  Vorschriften  erlassen. 

Die  zahnÀrztliche  Versorgung  in  Krankenanstalten. 

Ein  Erlaß  des  preußischen  Ministers  fĂŒr  Volkswohlfahrt  be- 
faßt sich  mit  der  zahnĂ€rztlichen  Versorgung  in  Krankenanstalten. 
Es  wird  hervorgehoben,  welche  Schwierigkeiten  entstehen,  wenn 
die  Allgemeinbehandlung  unter  dem  UmstĂ€nde  leidet,  daß  erheb- 
liche Zahnerkrankungen  im  Krankenhause  nicht  behandelt  wer- 
den, besonders  dann,  wenn  es  sich  um  bettlÀgerige  Kranke 
handelt.  Der  Minister  ordnet  deshalb  an,  daß  fĂŒr  den  Fall,  daC 
eigene  zahnĂ€rztliche  Stationen  nicht  errichtet  werden  können,  fĂŒr 
die  Behandlung  von  Zahn-  und  Kiefererkrankungen  Vorsorge  ge- 
troffen wird. 

Was  den  Zahnkrankheiten  recht,  ist  andern  fachÀrztlich  zu 
behandelnden  Krankheiten  billig.  Auch  fĂŒr  diese  fehlt  es,  be- 
sonders in  kleinen  KrankenhÀusern,  nicht  selten  an  der  Möglich- 
keit, besonders  aber  auch  an  den  Mitteln,  geeignete  FachÀrzte  zu- 
zuziehen. 

Krankenkassen  und  Reichsversorgungsgesetz. 

Aus  einem  lÀngeren  Aufsatz  des  Herrn  Ministerialrats  Prof. 
Dr.  Martinek  ĂŒber  das  genannte  Thema  in  dem  Reichsarbeits- 
blatt  Nr.  25  entnehmen  wir  auszugsweise  einige  wichtige  Aus- 
fĂŒhrungen ĂŒber  die  Sicherstellung  der  im  Reichsversorgungs - 
gesetz  vorgesehenen  Àrztlichen  Behandlung.  Zu  ihrer  Regelung 
mĂŒĂŸten  besondere  Vereinbarungen  zwischen  Krankenkassen,  denen 
die  Ă€rztliche  Behandlung  durch  Gesetz  ĂŒbertragen  ist,  und  den 
KassenĂ€rzten,  deren  VertrĂ€ge  die  Bestimmungen  ĂŒber  die  Be- 
handlung KriegsbeschÀdigter  nicht  enthalten,  getroffen  werden. 
Die  Vereinbarungen  bedĂŒrfen  der  Zustimmung  des  Reichsarbeits- 
ministeriums. Es  handelt  sich  bei  der  Regelung  insbesondere  um 
das  Arztsystem,  die  Honorarfrage  und  die  Mitarbeit  der  Aerzte  bei 
den  organisatorischen  und  verwaltungstechnischen  Maßnahmen. 
Hinsichtlich  des  Arztsystems  ist,  unabhÀngig  von  dem  Arztsystem 
iĂŒr  die  Versicherten,  die  organisierte  freie  Arztwahl  vorgesehen. 
Der  Mantelvertrag  kann  zwischen  Kassen-  und  Arztorganisation 
abgeschlossen  werden,  der  behandelnde  Arzt  muß  seine  Zustimmung 
erklÀren.  Von  den  Àrztlichen  Organisationen  sind  vorzusehen 
fachmĂ€nnische  UeberprĂŒfungen  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Arbeits- 
unfÀhigkeit, Àrztliche  Kontrollkommissionen,  bestehend  aus  drei 
Aerzten,  von  denen  einer  Beauftragter  des  Hauptverpflegungs- 
amtes ist,  zur  Entscheidung  ĂŒber  Berufung  gegen  vertrauens- 
Ă€rztliche Gutachten  und  ĂŒber  Beschwerden  von  Kranken  gegen 
Aerzte,  sowie  zur  UeberprĂŒfung  der  Ă€rztlichen  Leistungen.  Ueber 
diesen  ist  eine  Berufungsstelle,  paritÀtisch  zusammengesetzt, 
gegenĂŒber  den  Erkenntnissen  der  Ă€rztlichen  PrĂŒfungsstellen  er- 
richtet. Karenzzeit  ist  ausgeschlossen.  Die  Bezahlung  der  Àrzt- 
lichen Leistungen  wird  durch  einen  Reichstarif  geregelt.  Dieser 
gibt  genaue  Bestimmungen  ĂŒber  den  Zahlungsmodus  gegenĂŒber 
den  einzelnen  Gruppen  der  Versorgungsberechtigten.  Es  ist  auch 
Vorsorge  getroffen  fĂŒr  die  Ausstellung  Ă€rztlicher  Bescheinigungen 
und  Gutachten.  Zur  Entscheidung  ĂŒber  Streitigkeiten  aus  der 
Auslegung  der  Bestimmungen  des  Reichstarifs  wird  im  Reichs- 
arbeitsministerium eine  Reichsschlichtungsstelle  gebildet,  be- 
stehend aus  je  2  Vertretern  der  Kassen-  und  Aerzleorganisationen 
mit  einem  Beauftragten  des  Reichsarbeitsministeriums  als  Vor- 
sitzendem. Der  Reichstarif  hat  Geltung  bis  31.  Dezember  1925 
fĂŒr  den  allgemeinen  Teil,  fĂŒr  den  GebĂŒhrentarif  bis  31.  Dezember 
1921. 

Recht  beherzigenswert  ist  der  Schluß  der  AusfĂŒhrungen  des 
Verfassers  ĂŒber  die  Arbeitsgemeinschaft  der  Versorgungsbehörden 
mit  den  TrÀgern  der  Sozialversicherung  in  den  Aufgaben  der 
sozialen  FĂŒrsorge.  Mögen  als  Dritte  im  Bunde  die  Aerzteorgani- 
sationen  zu  dieser  Mitarbeit  hinzugezogen  werden! 

S.  Alexander. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafte  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Strafce  20  /  Fernsprecher:  LĂŒizow  9057 

Nr.  2  Berlin,  den  11.  Januar  1922  40.  Jahrgang 

Der  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Wann  ist  die  kĂŒnstliche  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  bei  Lungen-  ,und  Kehlkopf- 
tuberkulose gestattet? 

Von  San. -Kai  Dr.  Jose!  B  1  u  m. 
Direktor  der  FranziskusheilstÀtte  Vf. -Gladbach-Windberg. 

Bei  der  heute  höchst  gesteigerten  WerlschÀtzung  des 
kindlichen  und  werdenden  Lehens  ist  die  Wichtigkeit  der 
Frage  hegreiflich,  wann  die  kĂŒnstliche  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  bei  Lungen-  und  Kehlkopftuberkulose  ge- 
stattet ist. 

Denn  eine  .bestimmte  Beantwortung  dieser  Frage  scheint 
um  so  wĂŒnschenswerter,  als  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  in  den  letzten 
Jahren  die  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  bei  Tuber- 
kulösen einen  bedenklichen  Umfang  angenommen  hat.  Die 
Folge  davon  ist,  daß  auch  unter  den  Laien  und  insbesondere 
unter  den  lungenkranken  Frauen  eine  geradezu  leichtfertige 
Auffassung  ĂŒber  die  Schwangerschaftsunterbrechung  bei 
Tuberkulose  Platz  gegriffen  hat.  Beispiele  hierfĂŒr  haben  wir 
in  unserer  HeilstÀttentÀtigkeit  hÀufiger  zu  verzeichnen  ge- 
habt. In  jedem  Jahre  kommt  es  mehrmals  vor,  daß  Frauen, 
die  der  Invaliden-  oder  Reichsversicherung  angehören,  wenn 
sie  nach  4— 6  wöchigem  Aufenthalt  in  der  HeilstĂ€tte  durch 
Ausbleiben  der  Regel  die  Gewißheit  einer  vorliegenden 
Schwangerschaft  erlangt  haben,  die  Anstalt  ohne  weiteres 
verlassen,  um  sich  die  Frucht  beseitigen  zu  lassen.  Sie  be- 
grĂŒnden ihr  Vorhaben  durchweg  mit  der  Angabe,  daß  fin- 
den Fall  des  Eintrittes  einer  Schwangerschaft  "die  kĂŒnstliche 
Unterbrechung  derselben  im  Interesse  ihrer  Gesundheit  und 
Ihres  Lebens  notwendig  sei.  Eine  Frau,  bei  welcher  schon 
zweimal  die  kĂŒnstliche  Fehlgeburt  eingeleitet  worden,  be- 
trachtete ihre  Lungentuberkulose  geradezu  als  einen  Frei- 
brief zur  fortgesetzten  Unterbrechung  der  Schwangerschaft. 
Nebenbei  ist  es  vielleicht  interessant,  zu  hören,  daß  diese 
Patientinnen  durchweg  aus  den  benachbarten  GroßstĂ€dten 
und  vorwiegend  aus  DĂŒsseldorf  stammten.  Nun  wĂ€ren  diese 
wenigen  FĂ€lle  an  sich  ja  bedeutungslos,  wenn  sie  nicht 
einige  von  vielen  darstellten  und  nicht  fĂŒr  die  geradezu 
frevelhaft  leichtfertige  Auffassung  der  Laien  in  dieser  heiklen 
Frage  beredtes  Zeugnis  ablegten.  Dazu  erfahren  wir  zu- 
weilen auch  in  der  Vorgeschichte,  daß  das  eine  oder  andere 
Mal  die  Schwangerschaft  wegen  der  Tuberkulose  unter- 
brochen worden  ist,  und  sind  in  der  Lage,  durch  unsere  Er- 
fahrung  in  der  Sprechstunde  diese  FĂ€lle  aus  den  Kreisen  der 
Bessergestellten  noch  zu  ergÀnzen. 

Von  den  Aerzten  wird  die  Frage  nach  der  Notwendig- 
keit und  NĂŒtzlichkeit  der  kĂŒnstlichen  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  l>ei  Tuberkulose  verschieden  beantwortet. 

Einigkeit  besteht  nur  bezĂŒglich  der  kĂŒnstlichen  FrĂŒh- 
geburt. Denn  allgemein  ist  man  der  Ansicht,  daß  sie  der 
spontanen  Geburl  am  Ende  der  Zeit  gleichzusetzen  und  des- 
halb auch  von  ihr  ein  therapeutischer  Nutzen  fĂŒr  die  Mutter 
nicht  zu  erwarten  sei.  Nur  vereinzelt  taucht  in  der  Literatur 
noch  die  Forderung  auf,  der  ohnehin  verlorenen  Mutter  durch 
die  kĂŒnstliche  FrĂŒhgeburt  eine  wesentliche  Erleichterung 
großer  Beschwerden  zu  verschaffen. 

Weit  auseinander  dagegen  gehen  die  Anschauungen  be- 
zĂŒglich der  Einleitung  einer  Fehlgeburt.    Wenngleich  auch 


heutzutage  wohl  kein  Arzt  —  weder  GynĂ€kologe  noch  Lun- 
genarzt —  die  Einleitung  einer  Fehlgeburt  bei  Lungentuber- 
kulose grundsÀtzlich  ablehnt,  so  begegnen  wir  doch  bei  der 
Indikationsstellung  zu  derselben  den  widersprechendsten  An- 
schauungen. WĂ€hrend  auf  der  einen  Seite  diejenigen  Aerzte 
stehen,  welche  jede  Schwangerschaft  bei  Tuberkulose  unter- 
brechen wollen,  steht  auf  der  anderen  Seite  die  grĂ¶ĂŸere  Zahl 
derjenigen,  welche  individualisierend  nur  von  Fall  zu  Fall 
die  Entscheidung  treffen  wollen,  ob  die  Schwangerschaft 
unterbrochen  werden  soll  oder  nicht.  Dabei  zeigt  sich  frei- 
lich, daß  es  einheitliche  GrundsĂ€tze  fĂŒr  die  Entscheidung 
dieser  Frage  nicht  gibt,  sondern  jeder  nach  seinen  eigenen 
Erfahrungen  den  Fall  zu  entscheiden  sucht.  Die  einen 
wollen  nur  in  schwereren  FĂ€llen  bei  offensichtlicher  Ver- 
schlimmerung des  Krankheitsbildes,  die  anderen  gerade  in 
leichteren  oder  beginnenden,  aber  aktiven  FĂ€llen  die 
Schwangerschaft  unterbrechen,  wĂ€hrend  schließlich  die 
dritten  vor  der  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  erst  den 
Erfolg  einer  sachgemĂ€ĂŸen  Behandlung  abwarten  wollen. 

Im  Jahre  1913  hat  der  Vorstand  der  Landesversiche- 
rungsanstalt Rheinprovinz  bei  den  HeilstÀttenÀrzten  der 
Rheinischen  HeilstÀtten,  sowie  einigen  anderen  LungenÀrzten 
eine  diesbezĂŒgliche  Rundfrage  veranstaltet,  wobei  in  den 
Antworten- die  vorgenannte  Verschiedenheit  der  Anschau- 
ungen deutlich  zum  Ausdruck  kam.  WĂ€hrend  der  eine  es 
fĂŒr  eine  nationale  Pflicht  jedes  Arztes  erklĂ€rt,  bei  Lungen- 
tuberkulose jede  Schwangerschaft  zu  unterbrechen,  hat  ein 
anderer  noch  keinen  Fall  gesehen,  wo  die  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  notwendig  gewesen  wÀre:  und  zwischen 
diesen  extremen  Meinungen  steht  die  Mehrzahl  derjenigen, 
welche  die  Frage  von  Fall  zu  Fall  entscheiden  wollen.  In 
diesem  Widerstreit  der  Meinungen  haben  auch  die  Ver- 
sammlung der  TuberkuloseÀrzte  in  Karlsruhe  und  der  Gy- 
nĂ€kologenkongrefi  in  MĂŒnchen  im  Jahre  1911  keine  end- 
gĂŒltige KlĂ€rung  gebracht. 

Trotzdem  möchten  wir  den  Versuch  mÀchen,  an  Hand 
der  Forschungsergebnisse  der  letzten  Jahre  und  der  eigenen 
Erfahrungen  mehr  odei  weniger  bestimmte  Richtlinien  fĂŒr 
die  Einleitung  der  kĂŒnstlichen  Fehlgeburt  bei  Tuberkulosen 
aufzustellen. 

ZunÀchst  haben  wir  festzulegen,  welche  GrundsÀtze 
jeden  gewissenhaften  Arzt  bei  der  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  ĂŒberhaupt  zu  leiten  haben.  Dabei  gilt  als 
oberster  Grundsatz,  daß  die  Unterbrechung  der  Schwanger- 
schaft niemals  ein  Vorrecht  des  Arztes,  sondern  immer  nur 
ein  Ă€rztlicher  Eingriff  sein  darf,  fĂŒr  den  besonders  strenge  In- 
dikationen verlangt  weiden  mĂŒssen.  Diese  Indikation  darf 
nur  dann  als  vorliegend  erachtet  werden,  wenn  hei  der  be- 
treffenden  Person  infolge  einer  bereits  bestehenden  Erkran- 
kung eine  als  unvermeidlich  erwiesene,  schwerste  Gefahr  fĂŒr 
Leben  und  Gesundheit  vorhanden  ist,  die  durch  kein  anderes 
Mittel,  als  durch  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  abge- 
wendet werden  kann.  Diese  strikte  Indikation  hat  auch  die 
erweiterte  wissenschaftliche  Deputation  fĂŒr  das  Medizinal- 
wesen festgelegt  und  diesem  obersten  Leitsalz  noch  folgende 
hinzugefĂŒgt: 

2.  Der  Arzt  ist  nicht  berechtigt,  die  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  aus  sozialen  rassehygienischen  GrĂŒn- 


30 


Blum:  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 


10.  Salus,.  — 


Nr.  2. 


den  vorzunehmen;  er  wĂŒrde  durch  eine  solche  Hand- 
lung einen  Verstoß  gegen  das  Strafgesetzbuch  begehen. 
;5.  Es  empfiehlt  sich  eine  Schwangerschaftsunterbrechung 
nur  auf  Grund  einer  Beratung  mehrerer  Aerzte  vor- 
zunehmen, und 

\\.  fĂŒr  die  durch  Aerzte  vorgenommene  Unterbrechung 
der  Schwangerschaf  l  ist  die  Anzeigepflicht  einzu- 
fĂŒhren. 

Nach  diesen  GrundsÀtzen  haben  wir  also  in  erster  Linie 
zu  prĂŒfen,  ob  und  unter  welchen  UmstĂ€nden  die  Schwanger- 
schaft fĂŒr  die  tuberkulöse  Frau  eine  unabweisbare,  schwerste 
Gefahr  fĂŒr  Leben  und  Gesundheit  mit  sieh  bringt,  und  zwei- 
tens, ob  diese  Gefahr  durch  die  Unterbrechung  der  Schwan- 
gerschaft beseitigt  werden  kann. 

Ohne  auf  "Widerspruch  zu  stoßen,  kann  man  wohl  all- 
gemein behaupten,  daß  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Wochenbett  fĂŒr  jede  tuberkulöse  Frau  eine  Kraftprobe  dar- 
stellt, deren  Ausgang  man  nie  mit  Sicherheit  vorhersehen 
kann.  Auch  bevölkerungsstatistisch  lĂ€ĂŸt  sich  ein  ungĂŒnstiger 
Einfluß  der  Schwangerschaft  auf  die  Tuberkulose  nach- 
weisen. Bekannt  ist  in  dieser  Hinsieht  die  Statistik  von 
Rode,  der  fand,  daß  in  Christiania  in  der  Altersklasse  von 
20 — 25  Jahren  auf  100  tuberkulöse  Verheiratete  nur  08  un- 
verheiratete starben,  von  25 — 30  Jahren  auf  100  verheiratete 
Tuberkulöse  nur  47,6  unverheiratete.  Und  da  die  Ehe  an  sich 
auf  die  Tuberkulösen  einen  gĂŒnstigen  Einfluß  auszuĂŒben 
pflegt,  zumal  wenn  damit  eine  Hebung  der  sozialen  VerhÀlt- 
nisse der  Frau  verbunden  ist,  kann  die  grĂ¶ĂŸere  Sterblichkeit 
der  Verheirateten  nur  den  Schwangerschaften  zugeschrieben 
werden.  Der  ungĂŒnstige  Einfluß  der  Schwangerschaft  auf 
die  Tuberkulose  erhellt  ferner  aus  der  Tatsache,  daß  die  Tu- 
berkulose unter  den  TodesfÀllen  im  Wochenbett  nach  der 
Sepsis  die  grĂ¶ĂŸte  Rolle  spielt.  Dagegen  kann  ich  auf  Grund 
der  eigenen  Erfahrungen  der  Ansicht  derjenigen  Fachkolle- 
gen nicht  beitreten,  welche  in  einem  Prozentsatz  von  7,~>  Pro- 
zent eine  ungĂŒnstige  Beeinflussung  der  Tuberkulose  durch 
die  Schwangerschaft  beobachtet  haben  wollen. 

Die  Ursachen  dieser  ungĂŒnstigen  Beeinflussung  sind 
mannigfacher  Art.  Schon  in  den  ersten  Monaten  der 
Schwangerschaft  spielen  Störungen  des  Stoffwechsels  eine 
gefÀhrliche  Rolle.  So  hat  man  mehrfach  bei  Schwangeren 
VerÀnderungen  des  Serums  und  der  roten  Blutkörperchen 
festgestellt,  Àhnlich  wie  sie  bei  Krebskranken  vorkommen. 
Auch  kreisen  vom  3.  Schwangerschaftsmonat  ab  Fettstoffe 
(Gholesterinester  und  Cholesterinfette)  im  Blute  der  Schwan- 
geren. Stoffe,  von  denen  nachgewiesen  ist,  daß  sie  das 
Wachstum  der  Tuberkelbazillen  befördern,  ferner  zu  einer 
Zeit,  wo  sonst  die  Schwangerschaft  noch  nicht  nachgewiesen 
werden  kann,  Eiweiß-  und  andere  schĂ€dliche  Stoffe  (Anti- 
trypsin), von  denen  man  vermutet,  daß  sie  entweder  die  Ge- 
w-ebe  und  deren  SĂ€fte  zu  einem  besseren  NĂ€hrboden  fĂŒr  die 
Tuberkelbazillen  machen  oder  die  normalen  Abwehrvorrich- 
tungen des  Körpers  gegen  die  Tuberkelbazillen  schwÀchen. 
Diesen  VorgÀngen  könnte  es  auch  wohl  zuzuschreiben  sein, 
daß  mehrfach  erst  wĂ€hrend  der  Schwangerschaft  die  Tuber- 
kulose in  die  Erscheinung  tritt.  In  den  spÀteren  Monaten 
der  Schwangerschaft  sind  jedenfalls  die  gesteigerten  An- 
forderungen an  die  LeistungsfÀhigkeit  des  Organismus,  die 
erschwerten  mechanischen  VerhÀltnisse  der  Atmung  und 
Zirkulation  und  wÀhrend  Geburt  und  Wochenbett  der  durch 
die  außerordentliche  Leistung  des  Körpers  bedingte 
SchwĂ€chezustand  Momente,  welche  fĂŒr  die  Entwicklung  der 
Tuberkulose  gĂŒnstig  sind. 

Gelegentlich  ist  die  tuberkulöse  Wöchnerin  auch  dadurch 
gefĂ€hrdet,  daß  im  Anschluß  an  die  Geburt  Miliartuberkulose 
oder  fortschreitende  Genital-  und  Bauchfelltuberkulose  sich 
entwickelt,  als  deren  Ursache  die  neue  Forschung  Tuber- 
kulose der  Nachgeburt  oder  auch  ohne  dieselbe  das  Vor- 
handensein der  Tuberkelbazillerj  in  der  Nachgeburt  oder  im 
Nabelschnurblut  festgestellt  hat. 

Nun  kennt  jeder  Arzt  FĂ€lle  von  Tuberkulose,  in  denen 
die  Schwangerschaft  ohne  jede  Störung  verlÀuft.  Vereinzelt 
kommen  sogar  FĂ€lle  vor,  wo  trotz  Schwangerschaft  der  Lun- 


genbefund  gebessert  und  der  allgemeine  ErnÀhrungs-  und 
KrÀftezustand  gehoben  wird,  wÀhrend  wiederum  in  anderen 
FĂ€llen  eine  Verschlimmerung  des  Lungenleidens  nicht  zu 
verkennen  ist.  Diese  Erscheinung  hat  weniger  in  dem  Sta- 
dium, als  in  dem  Charakter  der  Erkrankung  ihren  Grund. 
Ausgeheilte  Tuberkulose  wird  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  durch  die 
Schwangerschaft  in  keiner  Weise  beeinflußt.  Die  inaktiv 
latente,  d.  h.  die  ruhende  und  verborgene  Lungentuberkulose 
nur  in  seltenen  FĂ€llen.  Selbst  nach  der  ungĂŒnstigsten  Sta- 
tistik wurden  nur  25  Prozent  der  FĂ€lle  verschlimmert,  nach 
der  gĂŒnstigsten  nur  3,5  Prozent.  In  den  meisten  FĂ€llen,  in 
welchen  eine  Verschlimmerung  des  Lungenleidens  festzu- 
stellen ist,  handelt  es  sich  um  klinisch  manifeste  aktive 
Lungentuberkulose.  Hier  gibt  die  vorgenannte  Statistik  bis 
zu  86  Prozent  Verschlimmerungen  an:  bei  anderen  Autoren 
finden  wir  auch  eine  geringere  Prozentzahl  angegeben.  Aber 
ganz  abgesehen  von  dieser  Differenz  sind  nicht  alle  Ver- 
schlimmerungen derart,  daß  sie  ernstlich  Leben  und  Gesund- 
heit der  Schwangeren  bedrohen.  HĂ€ufig  genug  folgt  der 
Verschlimmerung  bald  ein  Stillstand. 

Freilich  gibt  es  Anzeichen,  bei  deren  Vorhandensein  ein 
Stillstand  nicht  zu  erwarten  ist  und  der  fortschreitende  Pro- 
zeß der  Schwangeren  gefĂ€hrlich  wird.  Dies  sind  in  erste) 
Linie  diejenigen  FÀlle,  wo  kurz  vor  oder  wÀhrend  der 
Schwangerschaft  Bluthusten  auftritt.  Auch  diejenigen  FĂ€lle 
gehören  hierher,  in  welchen  sich  wÀhrend  der  Schwanger- 
schaft Fieber  einstellt,  das  andauernd  bestehen  bleibt  und 
den  allgemeinen  ErnÀhrungs-  und  KrÀftezustand  der 
Schwangeren  reduziert.  Auch  gibt  es  vereinzelte  FĂ€lle,  wo 
ohne  Bluthusten  und  ohne  Fieber  durch  ein  schnelles  Fort- 
schreiten des  anfangs  lokalisierten  Lungenherdes  Gesundheil 
und  Leben  der  Sc  hwangeren  bedroht  wird.  Der  Bazillen  - 
befund  ist  dabei  nicht  von  ausschlaggebender  Bedeutung. 
Denn  nicht  jede  offene  Lungentuberkulose  wird  der  Schwan- 
geren zum  VerhÀngnis,  wÀhrend  umgekehrt  manche  ge- 
schlossene Lungentuberkulose  in  der  Schwangerschaft  eine 
bedrohliche  Versc  hlimmerung  annimmt  und  gefÀhrlich  wird. 
Die  Kehlkopftuberkulose  bietet  fĂŒr  die  Schwangeren  meist 
eine  sehr  ungĂŒnstige  Vorhersage;  nur  wenige  FĂ€lle  haben 
von  vornherein  einen  so  gutartigen  Charakter,  daß  sie  durch 
den  Eintritt  der  Schwangerschaft  nicht  ungĂŒnstig  beeinflußt 
wĂŒrden.  Meistens  verschlimmert  sich  die  Kehlkopftuber- 
kulose wÀhrend  der  Schwangerschaft,  geht  in  die  diffuse 
ulceröse  Form  ĂŒber  und  wird  so  lebensbedrohend.  Der  Grund 
der  auffallenden  Verschlimmerung  der  Kehlkopftubcrkulose 
ist  einmal  in  der  regelmĂ€ĂŸigen  Kombination  mit  Lungen- 
tuberkulose zu  suchen.  Sodann  haben  neuere  Untersuchun- 
gen ergeben,  daß  die  Schwangerschaft  allgemein  in  den  ĂŒber- 
aus meisten  FÀllen  typische  VerÀnderungen  der  Kehlkopf- 
schleimhaut und  der  Stimme  bedingt,  die  bei  Tuberkulösen 
jedenfalls  einen  gĂŒnstigen  Boden  fĂŒr  die  Ansiedelung  und 
Weiterentwicklung  der  Tuberkulose  bilden. 

Nur  in  ganz  seltenen  FĂ€llen  kann  eine  Verschlechterung 
des  Allgemeinbefindens  allein  bei  der  schwangeren  Tuber- 
kulösen gesundheits-  oder  lebensgefÀhrlich  weiden.  Ver- 
schlechterung des  Allgemeinbefindens  kommen  eben  bei  jeder 
Schwangeren  vor.  Bei  den  tuberkulösen  Schwangeren  han- 
delt es  sich  auch  oft  genug  um  scheinbare  Verschlimmerun- 
gen, die  im  Wesentlichen  auf  psychischem  Wege  dadurch 
zustande  kommen,  daß  die  Kranke,  obwohl  vor  der  Schwan- 
gerschaft gewarnt,  nun  doch  in  Hoffnung  gekommen  ist. 
Auch  kann  man  der  Gewichtsabnahme  der  Schwangeren  in 
vielen  FĂ€llen  keine  besondere  ernste  Bedeutung  zumessen. 
Dieses  Moment  ist  nur  in  Verbindung  mit  anderen  ernsten 
klinischen  Erscheinungen  zu  verwerten.  Ebenso  ist  das 
Schwinden  oder  Fehlen  der  Tuberkulinreaktion  nicht  als 
eine  bedrohliche  Erscheinung  anzusehen. 

Wie  sind  nun  die  vorgenannten  FĂ€lle,  denen  durch  di.' 
Schwangerschaft  eine  ernste  Gefahr  fĂŒr  Gesundheit  und  Le- 
ben droht,  im  einzelnen  zu  beurteilen  und  zu  behandeln'.' 
FĂ€lle,  in  denen  kurz  vor  dem  Eintritt  der  Schwangerschaft 
oder  wÀhrend  derselben  Bluthusten  aufgetreten  ist,  erheischer 
ohne  weiteres  die  Unterbrechung  derselben,  wenn  der  Fall 


V 


fi).  Jahrg.    Nr.  2.  Blum:  Unterbrechung  def  Schwangerschaft  :u 


sonst  als  heilbar  erscheint;  denn  diese  geben  immer  eine 
schlechte  Vorhersage.  Tritt  die  Tuberkulose  erst  wÀhrend 
der  Schwangerschaft  in  die  Erscheinung,  so  kommt  unseres 
Erachtens  bei  den  meisten  FÀllen  eine  HeilstÀttenbehandlung 
in  Frage,  weil  dieselben,  abgesehen  von  einzelnen  Fidlen 
blĂŒhender  oder  galoppierender  Sehwindsucht,  durchweg  eine 
forte  Vorhersage  haben.  Ganz  typisch  tritt  hei  diesen  Frauen 
immer  die  Meinung  zutage,  daß  sie  den  wĂ€hrend  der 
Schwangerschaft  erworbenen  Husten  erst  nach  Beendigung 
derselben  wieder  los  wĂŒrden. 

Im  ĂŒbrigen  ist  daran  festzuhalten,  dali  die  Entscheidung 
ĂŒber  die  Behandlung  jedes  einzelnen  Falles  möglichst  erst 
(lach  einer  genauen  klinischen  Beobachtung  zu  treffen  ist, 
die  zweckmĂ€ĂŸig  in  einem  Krankenhause  oder  in  einer  Lun- 
genheilstĂ€tte vorzunehmen  ist,  aber  nicht  ĂŒber  die  Dauer 
einiger  Wochen  hinaus  ausgedehnt  zu  werden  braucht.  Die 
Erfahrung  lehrt  nĂ€mlich,  daß  bei  sachgemĂ€ĂŸer  Beobachtung 
mancher  Fall  fĂŒr  die  kĂŒnstliche  Unterbrechung  der  Schwan- 
gerschaft ausscheidet.  Ueberhaupt  dĂŒrfte  die  Behauptung, 
daß  die  HeilstĂ€ttenbehandlung  bei  tuberkulösen  Schwange- 
ren keine  Erfolge  aufzuweisen  habe,  nicht  ganz  richtig  sein. 
Unsere  Erfahrungen  sprechen  jedenfalls  dagegen.  Auch 
namhafte  GynĂ€kologen  und  LungenfachĂ€rzte,  die  frĂŒher  an- 
derer Meinung  waren,  haben  im  Laufe  der  Zeit  diese  ihre 
Ansicht  zugunsten  der  HeilstÀttenbehandlung  geÀndert  und 
uns  dies  auf  Anfrage  auch  persönlich  bestĂ€tigt.  Man  mĂŒĂŸte 
den  schwangeren  Tuberkulösen  nur  mehr  als  bisher  in  den 
ersten  4  Monaten  die  HeilstÀtten  öffnen  oder  noch  besser, 
gleichsam  prophylaktisch,  darauf  bedacht  sein,  tuberkulöse 
Frauen,  wenn  sie  nicht  schwanger  sind,  einer  grĂŒndlichen 
HeilstĂ€ttenbehandlung  zu  unterziehen;  dann  wĂŒrden  die 
Fidle,  welche  eine  kĂŒnstliche  Unterbrechung  der  Schwanger- 
schaft notwendig  machen,  noch  seltener  werden. 

Wenn  aber  die  klinische  Beobachtung  ergibt,  daß  auf 
keine  Weise  eine  Besserung  oder  ein  Stillstand  des  Lungen- 
leidens zu  erzielen  ist,  so  dĂŒrfte  fĂŒr  gewisse  FĂ€lle  die  kĂŒnst- 
liche Unterbrechung  der  Schwangerschaft  nicht  zu  vermeiden 
sein  und  deren  gĂŒnstiger  Einfluß  außer  Frage  stehen;  und 
je  frĂŒher  dann  die  Schwangerschaft  unterbrochen  wird,  desto 
aussichtsreicher  ist  es  fĂŒr  den  gĂŒnstigen  Verlauf  der  Tuber- 
kulose und  desto  einfacher  und  ungefÀhrlicher  ist  auch  der 
Eingriff.  Je  nÀher  das  normale  Ende  der  Schwangerschaft 
heranrĂŒckt,  um  so  gefĂ€hrlicher  und  angreifender  ist  die 
Unterbrechung  derselben,  wĂ€hrend  der  Gewinn  fĂŒr  die  Mutter 
nur  gering  ist.  In  der  zweiten  HĂ€lfte  der  Schwangerschaft 
soll  man  daher  in  der  Regel  den  Eingriff  unterlassen. 

Bei  der  Einleitung  der  kĂŒnstlichen  F'ehlgeburt  kann  es 
sich  natĂŒrlich  nur  um  solche  FĂ€lle  handeln,  bei  denen  durch 
den  Eingriff  das  Leben  und  die  Gesundheil  der  Mutler  —  sei 
es  mit  oder  ohne  Nachbehandlung  —  mit  Sicherheit  oder 
wenigstens  grĂ¶ĂŸter  Wahrscheinlichkeit  zu  erhalten  ist.  Ist 
die  Krankheit  bereits  so  weit  vorgeschritten,  daß  es  ausge- 
schlossen erscheint,  durch  den  Eingriff  dem  Krankheils- 
prozeß Einhalt  zu  tun  und  das  Leben  der  Mutter  wenigstens 
fĂŒr  Jahre  zu  erhallen,  so  ist  von  der  Unterbrechung  der 
Schwangerschaft  Abstand  zu  nehmen.  In  solchen  Fallen  aus 
sozialen  oder  rassehygienischen  GrĂŒnden  die  Schwanger- 
schaft unierbrechen  zu  wollen,  ist  verwerflich,  ganz  abge- 
sehen davon,  daß  es  eine  unleugbare  Tatsache  ist,  daß  auch 
sehr  schwer  tuberkulöse  MĂŒtter  hĂ€ufig  ganz  gesunde  und 
stellenweise  sogar  ausnahmsweise  krÀftige  Kinder  zur  Welt 
bringen,  deren  Zahl  auf  30 — 35  Prozent  geschĂ€tzt  wird,  und 
die  sicherlich  grĂ¶ĂŸtenteils  erhalten  werden  können,  wenn  sie 
nur  rechtzeitig  aus  der  tuberkulösen  Umgebung  entfernt  und 
in  SĂ€uglingsheimen  untergebracht  wĂŒrden.  Könnte  —  neben- 
bei bemerkt  —  von  dieser  Maßnahme  in  allen  diesen  FĂ€llen 
Gebrauch  gemacht  werden,  so  wĂŒrde  der  Prozentsatz  von 
54,5 — 70  Prozent  der  Kinder  tuberkulöser  MĂŒtter,  welche  im 
ersten  Lebensjahr  sterben,  sich  bestimmt  erheblich  vermin- 
dern lassen.  Sehr  lehrreich  ist  in  dieser  Hinsicht  eine  Sta- 
tistik von  Professor  Cornel,  nach  der  von  515  Waisen,  bei 
welchen  allen  hereditÀre  PrÀdisposition  bestand,  nur  drei  an 
Tuberkulose  erkrankten.  Nur  ganz  ausnahmsweise  wird  man 


sich  in  schweren  Fidlen,  wenn  es  sich  um  ein  bereits  Lebens 
fÀhiges  Kind  handelt,  bei  augenblicklicher  Lebensgefahr  da- 
zu bestimmen  lassen,  mit  RĂŒcksicht  auf  das  kindliche  Leben 
die  Schwangeist  hall  kĂŒnstlich  zu  unterbrechen.  Praktisch 
dĂŒrfte  das  am  ehesten  hei  Kehlkopituberkulose  in  Frage 
kommen. 

Abgesehen  von  diesen  seltenen  FĂ€llen  kommen  also  fĂŒr 
die  kĂŒnstliche  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  nur  an 
und  fĂŒr  sich  heilbare  Fidle  1.  und  II.  Stadiums  in  Frage, 
welche  unter  dem  Einfluß  der  Schwangerschaft  eine  sieht 
liebe  Verschlimmerung  erleiden,  die  durch  die  sonst  ĂŒblichen 
Behandlungsmethoden  nicht  aufzuhallen  ist  und  eine  als  un- 
vermeidlich erwiesene,  schwerste  Gefahr  fĂŒr  Leben  und  Ge- 
sundheit der  Schwangeren  darstellt.  Die  Tatsache,  daß  man 
in  keinem  Falle  von  Schwangerschaft  und  Tuberkulose  den 
Ausgang  mit  Sicherheit  vorhersagen  kann,  daß  möglicher- 
weise wÀhrend  der.  Schwangerschaft  oder  wÀhrend  des 
Wochenbettes  eine  Verschlimmerung  sich  einstellen  könnte, 
genĂŒgt  keinesfalls,  um  die  Unterbrechung  einer  Schwanger- 
schaft zu  rechtfertigen.  Denn  neben  ethischen  und  morali- 
schen ErwÀgungen  kommt  hier  auch  die  rechtliche  Seite  in 
Frage.  Nach  den  geltenden  Rechtsanschauungen  ist  ein  Ein- 
griff an  der  Leibesfrucht  keine  private  Angelegenheit  zwi- 
schen Arzt  und  Patientin.  Denn  die  Leihesfrucht  gilt  nicht 
als  ein  Teil  des  mĂŒtterlichen  Organismus,  sondern  als  ein 
rechtlich  geschĂŒtztes  Wesen  fĂŒr  sich;  ein  Eingriff,  der  seine 
Vernichtung  zur  Folge  hat,  ist  somit  aus  dem  Kreis  der  ge- 
wöhnlichen Àrztlichen  Handlungen  scharf  herausgehoben, 
und  es  gilt  keine  gesetzliche  Bestimmung,  welche  selbst  der 
wissenschaftlich  begrĂŒndeten  Schwangerschaftsunter- 
brechung Straflosigkeit  garantiert. 

Aber  auch  aus  ethischen  und  moralischen  GrĂŒnden 
mĂŒssen  wir  Aerzte  die  Frage  der  kĂŒnstlichen  Unterbrechung 
der  Schwangerschaft  viel  diskreter  behandeln,  als  dies  bis- 
lang vielfach  geschehen  ist.  Wenn  wir  der  tuberkulösen 
Frau  ans  Herz  legen,  daß  es  wĂŒnschenswert  sei,  wenn  sie  in 
den  nÀchsten  Jahren  nicht  in  Hoffnung  kÀme,  so  brauchen 
wir  doch  nicht  gleich  hinzuzufĂŒgen,  daß  fĂŒr  den  Fall  der 
Schwangerschaft  die  kĂŒnstliche  Unterbrechung  derselben  er- 
forderlich wÀre,  gerade  als  ob  die  Einleitung  des  Abortes  ein 
Heilmittel  darstelle;  und  dabei  handelt  es  sich  doch  um 
weiter  nichts  als  um  die  Beseitigung  einer  unerwĂŒnschten 
Komplikation,  eine  unmittelbare  gĂŒnstige  Beeinflussung  der 
Tuberkulose  durch  den  Eingriff  kommt  nicht  in  Frage,  er 
beseitigt  nur  die  SchĂ€den,  welche  die  Schwangerschaft  fĂŒr 
den  tuberkulösen  Organismus  mit  sich  bringt. 

Eine  solch  oberflÀchliche  Behandlung  der  Frage  kann  nur 
dazu  beitragen,  im  Laienkreise  eine  leichtfertige  Auffassung 
ĂŒber  die  Schwangerschaftsunterbrechung  aufkommen  zu 
lassen.  Ob  nachher  die  kĂŒnstliche  Fehlgeburt  notwendig 
wird  oder  nicht,  wird  sich  zeigen,  und  falls  sie  notwendig 
werden  sollte,  so  ist  es  noch  immer  Zeit  genug,  die  Frau  und 
ihren  Ehemann  diesbezĂŒglich  aufzuklĂ€ren. 

Aber  auch  dann  nicht  darf  ein  Arzt  allein  die  schwere 
Verantwortung  der  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  auf 
sich  nehmen;  gegebenenfalls  soll  neben  dem  GynÀkologen 
noch  ein  erfahrener  Internist  oder  Lungenfacharzt  hinzu- 
gezogen werden,  deren  Zusammenwirken  fĂŒr  die  endgĂŒltige 
Entscheidung  dringend  wĂŒnschenswert  erscheint.  Diese  Um- 
stÀndlichkeit des  Verfahrens  erscheint  aus  verschiedenen 
GrĂŒnden  geboten.  Sie  bewahrt  den  Arzt  nicht  nur  vor 
falschem  Verdacht,  sondern  weist  auch  den  Laien  auf  die 
Wichtigkeit  und  den  Ernst  der  Situation  hin,  die  ihm  klar- 
machen soll,  daß  jede  Schwangerschaftsunterbrechung  höchst 
bedauerlich  ist  und  nur  durch  den  Zwang  der  Not  gerecht- 
fertigt erscheint. 

Auch  in  der  AusfĂŒhrung  der  zeitlichen  und  dauernden 
Unfruchtbarmachung  der  tuberkulösen  Frau,  fĂŒr  welche  die 
GynÀkologen  verschiedene  sinnreiche,  aber  auch  mehr  oder 
weniger  gefÀhrliche  Operationsmethoden  ersonnen  haben, 
sollte  man  sich  die  grĂ¶ĂŸte  ZurĂŒckhaltung  auferlegen  und  sie 
nur  auf  ganz  vereinzelte  FÀlle  beschrÀnken,  in  denen  bei 
MehrgebÀrenden  nach  dem  4.  Monat  die  VerhÀltnisse  so  im- 


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Karger:  Bettruhe 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2, 


gĂŒnstig  liegen,  daß  aller  Voraussicht  nach  die  einfache  Ent- 
leerung der  GebĂ€rmutter  nicht  genĂŒgt,  sondern  auch  die  Be- 
seitigung der  Nachgeburtsstelle  dringend  notwendig  er- 
scheint. 

Zusammengefaßt  wĂŒrden  also  unsere  GrundsĂ€tze  fĂŒr  die 
Frage  der  kĂŒnstlichen  Unterbrechung  der  Schwangerschaft 
bei  Lungen-  und  Kehlkopftuberkulose  folgende  sein: 

1.  Die  Lungen-  und  Kehlkopftuberkulose  an  sieb  ist  kein 
Grund  zur  kĂŒnstlichen  Unterbrechung  der  Schwanger- 
schaft. 

2.  Aus  prophylaktischen  GrĂŒnden,  d.  h.  von  dem  Gesichts- 
punkt aus,  daß  Schwangerschaft  oder  Wochenbett  der 
tuberkulösen  Mutter  möglicherweise  gefÀhrlich  werden 
könnten,  darf  die  Schwangerschaft  nicht  unterbrochen 
werden,  ebensowenig  aus  sozialen  oder  rassehygieni- 
schen RĂŒcksichten. 

3.  In  schweren  FĂ€llen  von  Lungen-  und  Kehlkopf  tuber- 
kulöse, in  denen  durch  den  Eingriff  das  Leben  der 
Mutter  nicht  mehr  zu  retten  ist,  ist  die  Unterbrechung 
der  Schwangerschaft  im  allgemeinen  zu  unterlassen, 
ausgenommen  sind  nur  diejenigen  seltenen  FĂ€lle,  wo 
bei  lebensfÀhigem  Kinde  und  plötzlich  eintretender 
Lebensgefahr  die  Unterbrechung  mit  RĂŒcksicht  auf  die 
Erhaltung  des  kindlichen  Lebens  geboten  erscheint. 

4.  Berechtigt  und  erlaubt  erscheint  die  kĂŒnstliche  Unter- 
brechung der  Schwangerschaft  nur  in  solchen  FĂ€llen, 
in  denen  durch  exakte  klinische  Beobachtung  zweier 
Aerzte  —  eines  GynĂ€kologen  und  eines  Internisten 
Lungenfacharztes)  in  einer  LungenheilstÀtte  oder  in 
einem  geeigneten  grĂ¶ĂŸeren  Krankenhause  einwandfrei 
festgestellt  ist,  daß  eine  aktive,  manifeste  Tuberkulose 
durch  die  Schwangerschaft  eine  fortschreitende  Ver- 
schlimmerung erlitten,  die  eine  schwere  Gefahr  fĂŒr 
Leben  und  Gesundheit  der  Frau  darstellt  und  durch 
keine  andere  Behandlungsweise  zu  beseitigen  ist. 

Bei  dieser  strikten  Indikationsstellung  dĂŒrfte  die  kĂŒnst- 
liche Unterbrechung  der  Schwangerschaft  bei  Tuberkulose 
nicht  zum  Schaden  fĂŒr  das  Volkswohl  erheblich  einge- 
schrÀnkt werden. 


Aus  der  UniversitÀts -Kinderklinik  in  Berlin. 

Die  Verordnung  von  Bettruhe 
bei  kranken  Kindern. 

Von  P.  Karge  r. 

Jedes  Medikament  und  jeder  Eingriff  hat  seine  bestimm- 
ten Indikationen.  Ueberall  suchen  wir,  Ueberdosierungen  zu 
vermeiden  und  ĂŒber  der  Einwirkung  auf  das  Krankheits- 
s  y  raptom  nicht  die  Allgemeinwirkung  auf  den  kranken 
Menschen  zu  ĂŒbersehen.  Immer  mehr  sehen  wir  das  Be- 
streben, Verordnungen,  die  gewissermaßen  reflektorisch  oder 
traditionell  getroffen  werden,  auf  ihren  wahren  Wert  zu 
] »rufen  und  ihre  Anwendung  von  kritischen  Ueberlegungen 
abhÀngig  zu  machen.  Trotzdem  ist  unsere  Therapie  noch 
vielfach  belastet  mit  Maßnahmen,  deren  Verordnung  mehr 
oder  minder  gefĂŒhlsmĂ€ĂŸig  vorgenommen  wird,  mit  Kuren, 
deren  Beginn  leicht,  deren  Ende  schwer  oder  ĂŒberhaupt  nicht 
festzulegen  ist.  Das  fĂŒhrt  dazu,  daß  man  als  zweiter  oder 
dritter  behandelnder  Arzt  ohne  es  zu  wollen,  gerade  das 
Gegenteil  von  dem  anordnet,  was  die  VorgÀnger  sagten;  ein 
Vorkommnis,  das  in  den  Augen  der  Laien  nicht  zur  Festi- 
gung des  Ă€rztlichen  Ansehens  beitrĂ€gt.  Denn  was  wir  fĂŒr 
ziemlich  gleichgĂŒltig  halten,  erscheint  dem  Kranken  mitunter 
als  sehr  wesentlich. 

Ein  sehr  lehrreiches  Beispiel  fĂŒr  das  eben  Gesagte  bildet 
die  Verordnung  von  Bettruhe  bezw.  die  Erlaubnis  zum  Auf- 
stehen. Es  ist  wohl  nicht  ĂŒbertrieben,  wenn  ich  sage,  daß 
Aerzte  und  Laien  seit  altersher  den  Begriff  des  Krankseins 
mit  dem  der  Bettruhe  assoziieren,  und  daß  man  in  vielen 


FĂ€llen  ĂŒber  die  Dauer  der  Ruhekur  und  ihre  Beendigung 
keine  großen  klinischen  Ueberlegungen  anstellt.  Betrachten 
wir  also  einmal  die  Bettruhe  als  ein  Medikament  und  prĂŒfen 
sie  nach  den  fĂŒr  Medikamente  geltenden  Gesichtspunkten. 
Dann  wĂŒrde  sich  unser  Thema  so  formulieren:  „Ueber  den 
Einfluß  der  Bettruhe  auf  kranke  Kinder  und  auf  Krankheits- 
symptome der  Kinder".  Die  Frage  nach  der  Notwendigkeit 
und  ZweckmĂ€ĂŸigkeit  der  Bettruhe  wurde  vor  einigen  Jahren 
von  chirurgischer  Seite  aufgeworfen  und  viel  diskutiert.  Da- 
bei ergab  sich  die  merkwĂŒrdige  Tatsache,  daß  man  sich  nicht 
einmal  darĂŒber  einigen  konnte,  ob  das  FrĂŒhaufstehen  nach 
Operationen  und  Geburten  die  Bildung  von  Thromben  und 
das  Auftreten  von  Embolien  begĂŒnstigte  oder  hinderte,  ob  sie 
also  nĂŒtzlich  oder  schĂ€dlich  sei. 

Die  Verordnung  von  Bettruhe  ist  kein  unerheblicher  Ein- 
griff.   Oft  sogar  so  erheblich,  daß  in  manchen  FĂ€llen  die 
pharmakologischen   und  physikalischen  Heilmethoden  da^j 
neben  an  Bedeutung  zurĂŒcktreten.    Wer  unter  ungĂŒnstigen 
VerhÀltnissen  gezwungen  war,  fast  ohne  Medikamente  Kranke 
behandeln  zu  mĂŒssen,  der  wird  bestĂ€tigen  können,  welchen 
enormen  Wechsel  im  Krankheitsbilde  man  dadurch  erziele« 
konnte,  daß  man  weiter  „nichts"  tat,  als  die  Feldsoldaten  in? 
das  fragwĂŒrdige  Revierstubenbett  zu  legen.   Wenn  man  nun, 
durch  Bettruhe  allein,  die  Bedingungen,  unter   denen  der 
Kranke  zu  leben  pflegt,  so  hochgradig  Àndert,  so  liegt  doch 
der  Gedanke  nahe,  daß  man  auch  hier  ĂŒberdosieren,  auch 
hier  schaden  kann. 

Der  Gesichtspunkt,  unter  dem  man  Menschen  ins  Bett 
legt,  ist  doch  der,  daß  man  die  KrĂ€fte  des  Körpers  dadurch^ 
möglichst  weitgehend  fĂŒr  den  Kampf  mit  dem  Krankheits-^ 
prozesse  frei  zu  machen  sucht,  daß  man  die  Anforderungen^ 
die  das  Leben  an  sie  stellt,  auf  ein  Mindestmaß  herabsetzt. 
Wenn  ein  Mensch  sich  krank  fĂŒhlt,  so  Ă€ußert  sich  das,  ab- 
gesehen von  Schmerzen  u.  Ă€.  zunĂ€chst  darin,  daß  ihm  die 
BetÀtigung  seiner  Bewegungsorgane  anstrengend  wird,  und 
diesen  erheblichen  Faktor  der  Muskelarbeit  schalten  wir  vor 
allein  durch  die  Ruhelage  aus.  Wir  kommen  der  Bewegungs- 
unlust der  Kranken  entgegen. 

Das  Wort  „Bettruhe"  setzt  stillschweigend  voraus,  daß 
der  im  Bett  liegende  Kranke  ruht.  Diese  Annahme  entbehrt 
jeder  Grundlage,  sobald  es  sich  um  kranke  Kinder  handelt. 
Die  Bewegungsunlust,  die  Voraussetzung  einer  Bettruhebe- 
handlung ist,  ist  gebunden  an  das  subjektiv  gestörte  Be- 
linde n,  nicht  an  den  objektiven  Krankheits  b  e  f  u  n  d. 

Das  gegenseitige  VerhÀltnis  von  Befund  und  Befinderl 
wird  in  manchen  FĂ€llen  von  dem  Krankheitsprozeß  bestimmt 
und  kann  in  seiner  Eigenart  diagnostische  Winke  geben;  ich 
erinnere  an  das  schwer  gestörte  Befinden  des  Grippekranken 
bei  fehlendem  oder  minimalem  Befunde,  andererseits  an  die 
bekannte  Euphorie  mancher  Tuberkulöser.  HÀufiger  ist  die 
Reaktion  auf  die  Erkrankung  aber  von  persönlichen  Eigen- 
tĂŒmlichkeiten des  Kindes  abhĂ€ngig,  so  daß  bei  gleichem  Be- 
funde das  eine  Kind  schwer  krank,  das  andere  ganz  gesund 
erscheinen  kann. 

Soweit  nicht  Erziehungsfehler  bei  Neuropathen  im  Spiele 
sind,  d.  h.  soweit  nicht  das  Kind  mit  seinen  geringfĂŒgigen 
Störungen  Gegenstand  intensivsten  Interesses  seiner  Um- 
gebung wird,  kann  man  zwei  Typen  von  kranken  Kindern 
unterscheiden. 

Bei  der  ersten  Gruppe  verlÀuft  eine  Störung  als  lokaler 
Prozeß.   Diese  kommen  in  die  Sprechstunde,  weil  der  Mutter  I 
etwas  auffĂ€llt.    Bei  der  zweiten  Gruppe  fĂŒhrt   die  gleiche 
Störung  zu  Allgemeinsymptomen,  diese  kommen,  weil  das  j 
Kind  sich  krank  fĂŒhlt.    Wovon  diese  Verschiedenheit  ab- 
hĂ€ngt, ist  schwer  zu  sagen,  ich  habe  aber  den  Eindruck,  daß 
der  zweite  Typ  sich  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  aus  Kindern  j 
rekrutiert,  die  zu  Störungen  in  der  GefĂ€ĂŸinnervation  neigen] 
oder  pastösen  Habitus  zeigen.   Sie  sind  jedenfalls  nicht  iden-j 
tisch  mit  der  bekannten  Spezies  der  anfÀlligen  Kinder,  denal 
gerade  unter  diesen  fand  ich  viele,  die  sehr  gegen  ihren  Willen  Ii 
bei  ihren  Infekten  mit  Àrztlicher  Untersuchung  belÀstigt  wur-jj 
den.  Im  allgemeinen  ist  nach  meinen  Erfahrungen  der  zweite l 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


Karger:  Bettruhe 


Typ  mit  seiner  Neigung  zu  Allgemeinerscheinungen  als  der 
schwerere  einzuschÀtzen. 

Beiden  Sorten  von  Kindern  pflegt  man  „zunĂ€chst'1  Bett- 
ruhe zu  verordnen,  nur  mit  dem  erheblichen  Unterschiede, 
^daß  sich  die  einen  ins  Bett  legen,  die  andern  ins  Bett  gepackt 
werden. 

Wo  die  Ruhe  im  Bette  nicht  gewollt  wird  oder  nicht 
erzwungen  werden  kann,  leistet  der  Aufenthalt  im  Bette 
natĂŒrlich  gar  nichts.  Es  hat  aber  nur  Sinn,  die  Ruhe  zu  er- 
zwingen, wenn  man  damit  ein  vorhandenes  Krankheits- 
symptom beseitigen  oder  eine  drohende  Komplikation  ver- 
hĂŒten kann.  Wie  weit  diese  Einwirkung  in  klinische  Er- 
fahrung begrĂŒndet  ist,  wird  im  ‱  speziellen  Teil  zu  erörtern 
sein.  Von  dem  Ergebnis  dieser  ErwÀgung  wird  man  dann 
den  Entschluß  abhĂ€ngig  machen,  ob  eine  Bettruhe  ĂŒberhaupt 
anzuordnen  ist.  Allgemein  kann  man  sagen,  daß  Bettruhe 
nur  da  indiziert  ist,  wo  die  Ruhe  im  Bette  durchfĂŒhrbar  ist. 

Mindestens  ebenso  wichtig  ist  aber  die  Frage,  wie  lange 
man  diese  Behandlung  eigentlich  ausdehnen  soll?  Wenn  wir 
jetzt  also  gewissermaßen  die  „Toxikologie"  der  Bettruhe  be- 
sprechen wollen,  so  liegen  die  durch  Ueberdosierung  drohen- 
den SchÀden  in  drei  Richtungen. 

Erstens  tritt  mit  der  langen  Ruhigstellung  eine  allge- 
meine MuskelschwÀche  ein.  Das  erste  Aufstehen  wird  immer 
schwieriger  und  die  Rekonvaleszenzzeit  erheblich  verlÀngert. 

Zweitens  wird  man  meist  eine  Verschlechterung  des 
Appetites  sehen.  Diese  beruht  einerseits  auf  dem  gerin- 
geren Nahrungsbedarf  des  ruhenden  Kranken,  anderseits  aber 
auch  auf  dem  verminderten  NahrungsbedĂŒrfnis  des  Kindes, 
das  an  chronischer  Langeweile  leidet. 

Drittens  kann  man  wohl  sagen,  daß  bei  einem  bettlĂ€ge- 
rigen Kinde  die  Erziehung  im  allgemeinen  zu  ruhen  pflegt, 
und  zwar  um  so  mehr,  je  strenger  die  Bettruhe  vom  Arzt  an- 
geordnet wurde.  Dabei  wÀre  eine  pÀdagogische  Beeinflussung 
um  so  mehr  am  Platze,  je  geringer  das  KrankheitsgefĂŒhl  ist. 

Die  BeschÀftigung  des  subjektiv  wenig  gestörten  Bett- 
lĂ€gerigen ist  ein  schweres,  aber  reizvolles  Problem.  MĂŒssen 
wir  schon  bei  ansteckenden  Krankheiten  auf  die  Gesellschaft 
anderer  .Kinder  verzichten,  so  muß  doch  unser  Augenmerk 
darauf  gerichtet  sein,  daß  weniger  die  Erwachsenen  sich  mit 
dem  Kinde  beschĂ€ftigen,  als  daß  wir  dem  Kinde  BeschĂ€fti- 
gungsstoff bieten,  mit  dem  es  sich  selbst  beschÀftigen  kann. 
So  banal  diese  Forderungen  fĂŒr  das  gesunde  Kind  sind,  mit 
so  großer  SelbstverstĂ€ndlichkeit  werden  sie  beim  bettlĂ€gerigen 
(denn  d.  h.  ja  fĂŒr  den  Laien  kranken  Kinde)  nicht  beachtet. 
Manche  Enuresis  oder  Àhnliche  Störungen  sind  dann 
scheinbar  die  Folge  eines  lÀngeren  Krankenlagers,  tatsÀchlich 
aber  Folge  des  Aussetzens  der  Erziehung.  Daraus  ergibt  sich 
die  Forderung,  die  Zeit  der  Bettruhe  so  weit  abzukĂŒrzen, 
wie  sich  mit  dem  Zweck  der  Verordnung,  den  wir  oben  skiz- 
zierten, vertrÀgt. 

Damit  kommen  wir  zur  Besprechung  der  Frage:  Wie 
wirkt  Bettruhe  auf  Krankheitssymptome  der  Kinder? 

Wenn  man  die  Frage  auf  wirft,  welches  Krankheits- 
symptom  am  hÀufigsten  und  unbedingt  zur  Verordnung  von 
Bettruhe  Veranlassung  gibt,  so  wird  wohl  einstimmig  das 
Fieber  genannt  werden.  Wenn  man  dagegen  fragen  wĂŒrde, 
ob  es  notwendig  sei,  Kinder  mit  Schnupfen  oder  Pharyngitis 
ins  Bett  zu  legen,  so  wĂŒrde  das  wohl  meist  verneint  werden. 

Hier  liegt  offenbar  schon  eine  Inkonsequenz  vor,  denn 
eine  nicht  geringe  Zahl  von  Kindein  beantwortet  diese  ge 
ringfĂŒgigen  Affektionen  mit  Temperalursleigerungen  bis  zu 
39°  C  und  darĂŒber.  Dabei  ist  in  vielen  FĂ€llen  das  Allgemein- 
befinden so  wenig  gestört,  daß  manche  solche  Erkrankungen 
der  Beobachtung  entgehen  wĂŒrden,  wenn  die  Tcmperatur- 
messung  unterblieben  wÀre. 

Ich  hatte  einmal  Gelegenheit,  die  Kinder  eines  Instituts- 
dieners zu  behandeln,  der  seine  beiden  Kinder  mehrere  Jahre 
nindurch  tÀglich  2  mal  zu  messen  pflegte  und  zweimal  in  der 
Woche  den  Urin  untersuchte.  Aus  der  meterlangen  Kurve 
ging  hervor,  dal?  bei  den  anscheinend  gesunden  Kindern  von 
Zeit  zu  Zeil  Abend temperaturen  von  38 — 39°  gefunden  win- 
den, ohne  daß  der  Vater  einen  Grund  angeben  konnte,  und 


da  am  nÀchsten  Morgen  wieder  alles  normal  war,  so  wurde 
Ă€rztliche  Hilfe  nicht  in  Anspruch  genommen,  auch  natĂŒrlich 
keine  Bettruhe  eingehalten. 

Das  stimmt  mit  den  Erfahrungen  ĂŒherein,  die  vor  vielen 
Jahren  an  der  Czcrny sehen  Klinik  gemacht  winden,  als 
es  sich  darum  handelte,  die  Normaltempera turen  des  Kindes 
festzulegen.  Es  wurden  wiederholt  gesunde  Kinder  aufge- 
nommen, aber  immer  traten  nach  kĂŒrzerer  oder  lĂ€ngerer  Zeil 
Temperaturen  von  ĂŒber  38"  C  auf,  die  nur  einen  Tag  an- 
hielten, so  daß  es  nicht  gelang,  so  normale  Kinder  aufzu- 
treiben, wie  man  sie  wĂŒnschte. 

Daraus  muß  man  schließen,  daß  Fieber  ohne  Störung 
des  Allgemeinbefindens  an  sich  kein  Grund  ist,  die  Kinder 
als  Kranke  zu  behandeln.  Als  Fieber  möchte  ich  erst  Rektal- 
Tcmperaturen  ĂŒber  38°  ansprechen,  wenn  sie  unter  den 
nötigen  Kautelcn.  also  z.  B  nicht  nam  körperlichen  Anstren- 
gungen, gemessen  wurden. 

Es  wird  ziemlich  gleichgĂŒltig  sein,  ob  ich  ein  Kind  mal 
einen  Tag  im  Bette  lasse  und  ihm  am  nÀchsten  Tage,  wenn 
der  Fieberabfall  die  Störung  als  harmlos  aufdeckt,  wieder  die 
Freiheit  schenke;  anders  liegt  aber  die  Sache  bei  langdauern- 
dem Fieber. 

Um  die  Frage  nach  der  Notwendigkeit  der  Bettruhe  im 
Fieber  zu  prĂŒfen,  habe  ich  ĂŒber  ein  Jahr  lang  fiebernde 
Kinder  aufstehen  lassen.  NatĂŒrlich  nicht  wahllos.  Bei  der 
Auswahl  war  mir  aber  nicht  die  Höhe  des  Fiebers,  meist  auch 
nicht  seine  Aetiologie  maßgebend,  sondern  die  Allgemein - 
reaktion  des  Organismus  auf  die  erhöhte  Temperatur.  Von 
zwei  Kindern  mit  gleicher  Fieberhöhe  gleicher  Aetiologie 
kann,  wie  wir  sahen,  das  eine  in  bezug  auf  sein  Allgemein- 
befinden gesund  und  das  andere  schwer  krank  sein. 

Eine  Messung  der  IntensitÀt  der  Allgemeinstörung  nahm 
ich  in  der  Weise  vor,  daß  ich  das  subjektive  Krankheits- 
gefĂŒhl als  Maßstab  benutzte.  Ich  frage  also  einfach  die 
Kinder  immer,  ob  sie  aufstehen  möchten,  ganz  gleich,  ob  ich 
das  fĂŒr  angebracht  halte  oder  nicht.  Dabei  ergeben  sich 
natĂŒrlich  Unterschiede,  die  aber,  von  Extremen  (Pneumonie, 
dekompensierter  Herzfehler  usw.)  abgesehen,  weitgehend  un- 
abhÀngig von  der  Art  der  Erkrankung  sind.  Wohl  aber  ist 
es  nicht  gleichgĂŒltig,  ob  das  Kind  im  großen  Saale  oder  im 
Infektionseinzelzimmer  liegt.  Hier  spielen  Begehrungsvor- 
s teil u ngen  eine  nicht  zu  unterschÀtzende  Rolle. 

Ich  kann  gleich  zusammenfassend  sagen,  daß  ich  einen 
Einfluß  des  Aufstehens  auf  den  Charakter  der  Fieberkurve 
nicht  beobachtet  habe.  Dabei  habe  ich  experimenti  causa 
sogar  einen  Jungen  wÀhrend  einer  Typhuserkrankung  stun- 
denweise aufstehen  lassen  und  sogar  wÀhrend  einer  Zeit,  in 
der  die  Temperaturen  zwischen  39  und  40°  schwankten.  Das 
Kind  war  auch  durch  diese  Fieberhöhe  nicht  im  geringsten 
gestört,  sondern  spielte,  las,  lief  herum  wie  ein  gesundes.  Als 
nach  einiger  Zeit  ein  Rezidiv  auftrat,  ließ  es  sich  wĂ€hrend 
der  ersten  Tage  nur  unter  Protest  im  Bette  halten,  obwohl 
es  ĂŒber  40°  fieberte.  Ich  hatte  in  diesem  Falle  den  Mut  zur 
Konsequenz  verloren,  was  das  Kind  bei  ungeÀndertem  Be- 
finden natĂŒrlich  nicht  einsehen  konnte.  Im  weiteren  Ver- 
laufe des  Rezidivs  stellten  sich  Kopfschmerzen  ein  und  damit 
schwand  das  Verlangen  nach  dem  Aufstehen.  Dieser  Um- 
schwung trat  aber  bei  Temperaturen  von  etwa  39°  G  und 
darunter  ein.  Daß  das  Aufstehen  das  Rezidiv  verschuldete, 
kann  man  schon  deshalb  nicht  behaupten,  weil  die  meisten 
typhuskranken  Kinder  bei  Bettruhe  auch  Rezidive  bekommen. 

SpÀter  habe  ich  noch  2  Kinder  mit  Typhus  wÀhrend  der 
Kontinuaperiode  aufstehen  lassen,  die  mit  Einschluß  eines 
Rezidivs  dauernd  außer  Bett  blieben,  und  bei  denen  der  Ver- 
lauf der  Kurve  keinerlei  Besonderheiten  gegen  den  gewohnten 
Verlauf  bot.  (NB.  Es  handelt  sich  hier  um  ein  Experiment, 
nicht  um  die  Empfehlung  einer  Therapie.) 

Hier  muß  einmal  die  praktisch  wichtige  Frage  erörtert 
werden,  wann  man  Kinder  nach  Infektionskrankheiten  aus 
dem  Bette  lassen  darf.  Dabei  können  wir  wohl  die  kurz- 
dauernden, wie  z.  B.  die  Varicellen  und  Röteln,  ganz  unbe- 
rĂŒcksichtigt lassen,  weil  man  ja  solche  Patienten  nur  wĂ€h- 


 '  -  


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rend  der  wenigen  Fiebertage  festlegt,  und  dabei  ist  zwischen 
ja  und  nein  kein  nennenswerter  Unterschied. 

Anders  liegt  die  Frage  bei  Masern,  Scharlach,  Diphtherie. 
Da  wir  nach  den  oben  angestellten  ErwÀgungen  Kinder  nicht 
ohne  strikte  Indikation  im  Bette  lassen  wollen,  so  mĂŒssen  wir 
untersuchen,  ob  ein  frĂŒheres  Aufstehen  Schaden  bringen 
kann,  der  durch  lÀngeres  Liegen  zu  vermeiden  wÀre. 

Masernkranke  Kinder  pflegen  wÀhrend  der  ersten  Tage 
so  stark  gestört  zu  sein,  daß  man  sie  möglichst  in  Ruhe  lassen 
wird.  Dieses  Stadium  ist  aber  nach  3 — 5  Tagen  meist  ĂŒber- 
wunden und  jetzt  haben  wir  die  Kinder  aufstehen  lassen. 
Komplikationen  habe  ich  dabei  bis  jetzt  nicht  gesehen,  wenn 
auch  unser  Infektionsmaterial  nur  klein  an  Zahl  ist.  Im 
ĂŒbrigen  sind  ja  bettlĂ€gerige  Masernkinder  auch  vor  Störungen 
nicht  sicher,  und  nur  grobe  Differenzen  an  großem  Material 
wĂŒrden  den  ungĂŒnstigen  Einfluß  zu  frĂŒhen  Aufstehens  be- 
weisen können.  Die  ebenfalls  wichtige  Frage,  wann  ein 
solches  Kind  wieder  fĂŒr  die  Gesellschaft  anderer  Kinder  ge- 
eignet ist,  soll  hier  nicht  geprĂŒft  werden. 

Wesentlich  vorsichtiger  wird  man  bei  Diphtheriekranken 
vorgehen  mĂŒssen.  Wir  wissen  nicht,  ob  und  wann  im  Einzel- 
falle das  Herz  geschÀdigt  ist,  und  so  wollen  wir  auf  alle  FÀlle 
eine  Ueberlastung  des  GefĂ€ĂŸsystems  durch  Körperbewegung 
vermeiden.  Wie  lange  man  abwarten  muß,  ehe  diese  Gefahr 
ĂŒberwunden  ist,  das  wird  von  den  Erfahrungen  und  der 
daraus  folgenden  Aengstlichkeit  des  einzelnen  Arztes  ab- 
hÀngen. Wenn  ich  also  ohne  weiteres  die  Berechtigung  einer 
langen  Ruheperiode  zugebe,  so  möchte  ich  doch  auf  eine 
Möglichkeit  hinweisen,  diese  Zeit  den  Kranken  ertrÀglicher 
zu  gestalten. 

Es  wird  sich  nicht  vermeiden  lassen,  daß  die  Kinder 
schon  nach  kurzer  Zeit  sitzend  im  Bette  spielen.  Wenn  ich 
ein  solches  Kind  angezogen  im  Lehnstuhle  am  Tische  sitzen 
lasse,  so  wird  das  bei  zweckmĂ€ĂŸiger  Polsterung  und  Unter- 
stĂŒtzung fĂŒr  das  Herz  nicht  den  geringsten  Unterschied 
machen.  Und  doch  ist  das  fĂŒr  den  Kranken  ein  ganz  gewal- 
tiger subjektiver  Fortschritt,  da  das  Sitzen  am  Tische  Ge- 
meinschaftsspiele und  gemeinschaftliches  Essen  gestatten, 
dauernde  Anregung  bietet  und  dadurch  auf  Stimmung  und 
Appetit  wirkt.  Ich  habe  Kinder  gesehen,  die  im  Bette  herum- 
lobten, da  sie  mit  den  Rekonvaleszenten  unbedingt  Ball 
spielen  wollten,  am  Tische  sitzend  aber  mit  Lotto-  und  Quar- 
tettspielen stundenlang  ruhig  zu  halten  waren.  Welche  Me- 
thode die  wirkliche  Organschonung  erzielt,  ist  wohl  in  diesem 
Falle  klar.  Mit  dem  Herumlaufenlassen  wird  man  zurĂŒck- 
haltend sein,  gute  Aufsicht  wird  das  leicht  hindern  können. 
Ich  empfehle,  solchen  Kindern  zu  große  StrĂŒmpfe  anzuziehen, 
die  die  Bewegungen  nach  Art  einer  Zwangsjacke  stören. 

Bei  Scharlachkindcrn  hat  sich  die  Sitte  eingebĂŒrgert,  daß 
man  mindestens  bis  zum  Ablaufe  der  dritten  Woche  mit 
dem  Aufstehen  abwartet,  weil  man  nach  dieser  Zeit  vor  der 
Nephritis  sicher  zu  sein  glaubt.  Es  ist  nun  aber  schwer  er- 
weisbar, daß  Körperbewegung  eine  NierenschĂ€digung  her- 
vorruft. Man  ist  da  noch  befangen  in  der  Vorstellung  der 
orthostatischen  und  Marschalhuminurie,  die  aber  beide  keine 
EntzĂŒndungen  darstellen.  Außerdem  hat  man  den  Eindruck, 
daß  die  Disposition  zu  Nierenerkrankungen  bis  zu  einem  ge- 
wissen Grade  familiÀr  bedingt  ist.  Man  könnte  also  aus  Vor- 
sicht darauf  RĂŒcksicht  nehmen,  wenn  eine  belastende  Anam- 
nese vorliegt. 

Einfacher  ausfĂŒhrbar  ist  die  umgekehrte  Versuchsan- 
ordnung, nÀmlich  die  Frage,  was  passiert  mit  einer  hÀmo- 
rhagischen  Nephritis,  wenn  man  sie  nicht  mit  Ruhe  behan- 
delt? Die  Ergebnisse  derartiger  Versuche  waren  so  frap- 
pierend, daß  sie  fĂŒr  mich  der  Ausgangspunkt  fĂŒr  die  anderen 
Versuche  wurden.  Es  passiert  nÀmlich  gar  nichts,  im  Gegen- 
teil, man  hat  eher  den  Eindruck,  daß  in  manchen  FĂ€llen  das 
Blut  schneller  aus  dem  Harn  verschwindet.  Auf  die  Auf- 
stellung von  Hypothesen  ĂŒber  den  Mechanismus  dieser  Er- 
scheinung möchte  ich  verzichten.  Wir  haben  als  Indikationen 
zur  Bettruhe  seit  lÀngerer  Zeit  bei  Nierenkranken  nur  die 
Oedeme  angesehen  und  damit  gute  Erfahrungen  gemacht,  die 
sich  auch  mit  denen  deckten,  die  in  frĂŒheren  Jahren  von 


Czerny  gemacht  wurden.  Nach  seinen  Beobachtungen 
waren  Kinder  mit  hÀmorrrhagischer  Nephritis  nur  selten  ge- 
fĂ€hrdet. Im  ĂŒbrigen  wurden  alle  die  Kinder,  die,  damals 
gegen  Ă€rztlichen  Rat,  mit  ihrer  Nephritis  auf  der  Straße 
spielten,  rasch  geheilt,  und  verloren  wurden  nur  die  bett- 
lÀgerigen Kinder. 

Daraus  möchte  ich  nicht  den  Schluß  ziehen,  daß  die 
Bettruhe  den  tödlichen  Ausgang  herbeifĂŒhrte,  sondern  daß 
eben  die  Kinder  meist  im  Bette  liegen,  die  zu  dem  erwÀhnten 
schwer  einzuschÀtzenden  Typ  gehören.  Um  eine  direkte  Heil- 
wirkung der  Bewegung  annehmen  zu  können,  dazu  bedarf  es 
noch  der  Sammlung  weiterer  Erfahrungen  aus  der  Praxis. 
Auch  auf  die  Ausscheidung  von  Zylindern  und  Eiweiß  hatte 
die  Bewegung  keinen  merklichen  Einfluß. 

FĂŒr  den  Scharlach  können  wir  daraus  die  Nutzanwen- 
dung ziehen,  daß  wir  die  Kinder  ruhig  nach  einigen  Tagen 
aufstehen  lassen  können.  Wenn  man  sich  auch  hier  vor 
Herzkomplikationen  fĂŒrchten  muß,  so  kann  man  doch  nicht 
mit  Sicherheit  angeben,  nach  welcher  Zeit  man  sie  erwarten 
kann,  wie  lange  man  also  auf  sie  warten  muß;  auch  sie 
können  durch  Bettruhe  nicht  verhĂŒtet  werden.  An  dem 
großen  Material  der  Straßburger  Kinderklinik  wurden  keine 
SchÀdigungen  durch  Verlassen  des  Bettes  gleich  nach  Abfall 
der  Temperatur  gesehen. 

Da  das  Verlassen  des  Bettes  in  den  meisten  FĂ€llen  keinen 
Einfluß  auf  das  Harnsediment  zeigt,  so  liegt  auch  kein  Grund 
vor,  Kranke  wegen  einer  langdauernden  Albuminurie  ans 
Betl  zu  fesseln.  Diese  Frage  hat  große  praktische  Bedeutung 
fĂŒr  die  Behandlung  der  Nephrosen.  Ein  Heilmittel  gegen 
diese  Affektion  besitzen  wir  nicht,  also  muß  es  unsere  Auf- 
gabe sein,  die  Kranken  mit  diesem  Leiden  möglichst  lange  am 
Leben  zu  erhalten.  Die  Nephrosen  können  sehr  lange  mit 
einem  ungestörten  Allgemeinbefinden  vereinbar  sein,  denn 
von  der  Eiweißausscheidung  hat  der  Patient  keine  Beschwer- 
den. Will  man  sich  also  an  das  Symptom  der  Albuminurie 
klammern,  so  ist  der  betreffende  Mensch  sein  ganzes,  unter 
UmstÀnden  langes,  Leben  hindurch  krank.  Zu  dieser  Auf- 
fassung liegt  aber  gar  keine  Veranlassung  vor.  Solange  keine 
Oedeme  bestehen,  besteht  auch  keine  Gefahr,  besteht  auch 
keine  Indikation  zur  Bettruhe.  Kranke  mit  Oedemen  sind  in 
den  meisten  FÀllen  auch  im  Allgemeinbefinden  so  gestört, 
daß  sie  ins  Bett  verlangen;  sind  die  Oedeme  aber  geschwun- 
den, so  muß  dem  Kranken  so  schnell  wie  möglich  wieder  das 
GefĂŒhl  der  Gesundheit  beigebracht  werden,  und  die  Zeit  his 
zur  nĂ€chsten  Wasseransammlung  ist  im  LebensgenĂŒsse,  in' 
Spiel  und  Schule,  und  nicht  im  Bette  abzuwarten.  FĂŒr  uns 
sind  also  nur  Oedeme  und  schwere  Störungen  des  Allgemein- 
befindens eine  Veranlassung,  nierenleidende  Kinder  als  akut 
krank  anzusehen,  nicht  aber  Symptome,  die  uns  nur  die 
chemische  Untersuchung  des  Harns  zeigt,  Reaktionen,  ĂŒber 
denen  oft  das  Kind  zu  seinem  großen  Schaden  vergessen 
wird. 

Bei  der  Frage,  wie  weit  ein  Herzbefund  zur  Verordnung 
einer  Ruhekur  zwingt,  mĂŒssen  wir  natĂŒrlich  von  vornherein 
die  vielen  FĂ€lle  ausschalten,  wo  auf  Grund  eines  funktionellen 
GerĂ€usches  irrtĂŒmlich  ein  organisches  Leiden  angenommen 
wird.  Es  bleiben  aber  dann  immer  noch  genug  FĂ€lle  ĂŒbrig] 
die  einer  individualisierenden  Behandlung  bedĂŒrftig  sind. 
Daß  im  akuten  Stadium  einer  Endokarditis  und  wĂ€hrend 
einer  Dekompensation  Bettruhe  verordnet,  dann  aber  rĂŒck- 
sichtslos erzwungen  werden  muß,  bedarf  keiner  besonderen 
ErwÀhnung,  hier  ist  oft  das  Morphium  ein  besseres  Herz- 
mittel als  die  DigitalisprĂ€parate.  Daß  in  der  weiteren  Be- 
handlung ein  Zuviel  an  Bewegung  schadet,  ist  allgemein  be- 
kannt, viel  wreniger  bekannt  leider,  daß  es  auch  eine  Art  Ina 
aktivitÀtsatrophie  des  Herzmuskels  gibt,  die  ebenfalls  nicht 
gleichgĂŒltig  ist.  Die  Wahl  zwischen  Ruhekur  und  Uebungs- 
therapie  darf  keineswegs  unbedenklich  zu  sehr  im  Sinne  der 
ersteren  entschieden  werden. 

Ein  beliebtes  Mittel,  sich  ĂŒber  die  LeistungsfĂ€higkeit  des 
Herzens  zu  unterrichten,  ist  die  Belastungsprobe.  Man  pflegt 
die  Kinder  sich  aufsetzen  zu  lassen  und  aus  der  GrĂ¶ĂŸe  und 
Dauer  der  Pulsbeschleunigung  SchlĂŒsse  zu  ziehen.    Ich  halte 


V 


K).  Jahrg.     Nr.  2 


Sternberg:  Vlechanothcrapie 


:;6 


diese  Methode  fĂŒr  unseren  Zweck  fĂŒr  ungeeignet,  da  wir  eine 
TĂ€tigkeit  als  Testobjekt  benutzen,  die  wir  dem  Kinde  ja  gar 
nicht  zumuten  wollen.  Wir  werfen  hier  zwei  sehr  verschie- 
dene Dinge  zusammen:  das  aktive  Sichaufsetzen  und  das 
Aufrechtsitzen. 

Ersteres  ist  subjektiv  und  objektiv  eine  anstrengende  Be- 
wegung, letzteres  ist  eine  Körperhaltung,  die  sogar  gerade  von 
dyspnoischen  Herzkranken  gern  eingenommen  und  einge- 
halten wird,  um  die  Atmung  zu  erleichtern.  Es  interessiert 
uns  also  nur,  wie  weit  das  Aufrechtsitzen  mit  UnterstĂŒtzung 
vertragen  wird.  Ist  man  erst  so  weit,  daß  das  Sitzen  möglich 
'  ist,  dann  ist  das  Sitzen  im  Stuhle  anzustreben,  wie  wir  das 
oben  bei  der  Behandlung  der  Diphtherie  ausgefĂŒhrt  haben, 
worauf  dann  die  weitere  Uebungstherapie  in  ĂŒblicher  vor- 
sichtiger Weise  fortgefĂŒhrt  wird. 

Wir  haben  bei  sorgfÀlliger  Beachtung  des  Allgemeinzu- 
standes sogar  ein  Kind  mit  Cor  bovinum  und  Leberschwel- 
lung aus  dem  Bette  geholt  und  unter  chronischer  Digitalis- 
therapie so  weit  gebracht,  daß  es  jetzt  mit  dem  großen  Herzen 
und  Digitalis  die  Schule  besuchen  kann.  Ob  wir  damit  die 
Prognose  bessern,  erscheint  fraglich,  wichtig  ist  uns  auch  nur, 
daß  wir  sie  nicht  verschlechtern  und  dem  Kinde  die  Mög- 
lichkeit geben,  die  ihm  nun  einmal  zugemessene  Lebenszeit 
genußfĂ€hig  zuzubringen  und  sie  nicht  im  Bette  zu  vertrauern. 

Ebensowenig  wie  die  HerzgrĂ¶ĂŸe  kann  der  Befund  von 
Arrhytmien  a  priori  als  eine  Indikation  zur  Verordnung  von 
Bettruhe  anerkannt  werden.  Letztere  sind  ja  durchaus  nicht 
immer  Ausdruck  einer  Myokarditis  und  gewisse  harmlose 
Formen  verschlechtern  sich  sogar  deutlich  unter  Bettruhe. 
Ebenso  werden  Kinder  mit  schlaffen  Herzen  erheblich  ge- 
schÀdigt, wenn  man  eine  Ruhekur  statt  einer  Uebungs- 
therapie einleitet.  Wir  sehen  nicht  selten  Kinder  in  der  Poli- 
klinik, die  seit  einem  Jahr  und  lÀnger  ohne  zureichenden 
Grund  geschont  und  sogar  lange  Zeit  der  Schule  ferngehalten 
wurden.  Hier  ist  natĂŒrlich  die  beste  Therapie,  mit  der  Ă€rzt- 
lichen Behandlung  Schluß  zu  machen.  Diese  Frage  ist  be- 
sonders fĂŒr  die  SchulĂ€rzte  wichtig,  in  deren  HĂ€nden  ja  die 
imlscheidung  ĂŒber  die  SchulfĂ€higkeit  derart  schwĂ€chlicher 
Kinder  liegt. 

Ein  sehr  schönes  Beispiel  dafĂŒr,  wie  wenig  ausschlag- 
gehend ein  sehr  deutliches  physikalisches  Symptom  fĂŒr  die 
Wertung  eines  Krankheitsprozesses  sein  kann,  bieten  zwei 
Ei  scheinungen  bei  der  Pneumonie  der  Kinder,  auf  die  ich  an 
anderer  Stelle  aufmerksam  gemacht  habe.  Man  kann  nÀm- 
lich noch  mehrere  Wochen  nach  Ablauf  einer  lobÀren  Pneu- 
monie, wenn  die  Kinder  klinisch  lÀngst  geheilt  sind,  im 
Röntgenbilde  noch  einen  so  erheblichen  Schatten  wahr- 


nehmen, daß  man  die  Kinder  sicher  fĂŒr  schwer  krank  halten 
wĂŒrde,  wenn  man  ein  Röntgenbild  machen  wĂŒrde.  Zum 
GlĂŒcke  fĂŒr  die  Kinder  wird  das  ja  vom  Praktiker  nie  ge- 
macht, und  so  lĂ€ĂŸt  man  sich  mit  Recht  von  diesen  Resten 
nicht  beeinflussen.  Unangenehmer  ist  es  schon,  daß  nach 
Grippepneumonien  noch  wochenlang  nach  der  Entfieberung 
sehr  reichlich  laute  ohrnahe  RasselgerĂ€usche  ĂŒber  großen 
Partien  der  Lunge  zu  hören  waren,  die  wir  als  pleurale  Rest- 
erscheinungen  auffassen  und  die  keinen  Anlaß  zu  irgend- 
welcher FreiheitsbeschrÀnkung  der  Kinder  bieten. 

Auf  dem  Gebiete  der  Tuberkulosebehandlung  interessiert 
man  sich  schon  lange  fĂŒr  unsere  Frage,  ohne  daß  man  zu 
einer  einheitlichen  Auffassung  gelangt  wÀre.  Wo  die  einen 
Autoren  fĂŒr  „Kadaverruhe"  eintreten,  empfehlen  die  anderen 
Gymnastik.  Daraus  kann  man  den  Schluß  ziehen,  daß  beide 
Parteien  mit  ihrer  jeweiligen  Methode  in  gewissen  Stadien 
und  bei  gewissen  Formen  der  Tuberkulose  Erfolge  gesehen 
haben  mĂŒssen.  Ich  möchte  auf  diese  noch  im  Flusse  befind- 
lichen Fragen  hier  nicht  nÀher  eingehen. 

Man  wird  aber  chronisch  fiebernde  Kranke  ruhig  auf- 
stehen lassen  können,  und  zwar  am  besten  vormittags,  weil 
dann  das  Fieber  nicht  hoch  und  das  Allgemeinbefinden  besser 
zu  sein  pflegt  als  am  Abend.  Besonders  schöne  Erfolge  sah 
ich  leiner  bei  einigen  Kindern  mit  Darmtuberkulosen,  die 
nach  dem  Aufstehen  geradezu  aufblĂŒhten,  sich  in  ihrem 
Appetit  und  damit  in  ihrem  Allgemeinbefinden  trotz  des 


fortbestehenden  Fielxus  in  erfreulicher  W  eise  besserten.  Auch 
hier,  wo  wir  im  allgemeinen  wenig  heilen  können,  besteht 
doch  die  Indikation,  das  Leben  mit  und  trotz  der  Krankheit 
möglichst  ertrÀglich  zu  gestalten,  ohne  zu  schaden. 

Eine  besondere  Besprechung  erfordert  die  Behandlung 
der  Bauchfelltuberkulosen,  die  zwar  heilbar  sind,  aber  zu 
Rezidiven  neigen.  Vor  Ablauf  von  2  .Jahren  nach  Schwund 
aller  klinischen  Symptome  kann  von  einer  Heilung  kaum  ge- 
sprochen werden.  NatĂŒrlich  kann  man  kein  Kind  so  langi 
im  Bette  halten.  Auf  der  anderen  Seite  wissen  wir,  daß  die 
Rezidive  im  Anschluß  an  brĂŒske,  mit  Zerrungen  und  Er- 
schĂŒtterungen verbundene  Bewegungen  aufzutreten  pflegen. 
Mit  dem  Verbot  von  Turnunterricht  ist  es  nicht  getan,  man 
mĂŒĂŸte  also  BĂŒcken,  Springen,  Rennen  usw.  noch  dazu  ver- 
bieten. Hier  hört  die  Macht  des  Arztes  auf  und  beginnt  das 
rein  pÀdagogische  Problem,  die  Zeit  und  das  Interesse  eines 
Kindes  so  auszufĂŒllen,  daß  es  möglichst  wenig  Behinderung 
empfindet,  d.  h.  daß  möglichst  wenig  ausdrĂŒcklich  ver- 
boten zu  werden  braucht.  Wo  diese  Forderung  ein  frommer 
Wunsch  bleiben  muß,  wird  die  Prognose  schlechter  sein  als 
da,  wo  ein  vollendeter  PĂ€dagoge  uns  unterstĂŒtzen  kann. 

Die  vorstehenden  Betrachtungen  erschöpfen  das  Gebiet 
naturgemĂ€ĂŸ  nicht  annĂ€hernd.  Ihr  Zweck  war  nur,  an  Hand 
einiger  Beispiele  dazu  aufzufordern,  einmal  die  wahllose  Ver- 
ordnung von  Bettruhe  bei  den  verschiedensten  Krankheits- 
symptomen einer  kritischen  Revision  und  erneuten  Dis- 
kussion zu  unterziehen,  um  zur  PrÀzisierung  der  Indikations- 
Stellung  zu  gelangen.  Da  die  Entscheidung  zwischen  Ruhe 
Bewegung,  zwischen  Schonung  und  Uebung,  zwischen 
Krankenlager  und  freiem  Spiele  in  vielen  FĂ€llen  fĂŒr  die 
Kinder  nicht  bedeutungslos  ist,  so  wird  man  diese  Wahl  ab- 
hĂ€ngig machen  mĂŒssen  von  der  genauen  Beobachtung  und 
Bewertung  des  gesamten  Menschen,  nicht  von  dem  Bestehen 
oder  Fehlen  einzelner  Symptome,  und  nicht  von  der  einmal 
ĂŒbernommenen  Tradition. 


Neue  Gesichtspunkte  aus  der  Mechanik 
fĂŒr  die  physiologische  Muskelmechanik  der 
Bewegungsart,  fĂŒr  die  Mechanotherapie  und 
Bewegungstherapie. 

(Analyse  der  Mechanik  der  Koordination.) 
Von  Wilhelm  Sternberg  -  Berlin. 


Stoß  und  Schlag  einerseits,  Zug  andererseits  sind  gegen- 
sÀtzliche Begriffe,  die  schon  jedem  modernen  Handwerker 
fĂŒr  sein  mechanisches  Denken  und  Handeln  gelĂ€ufig  sind  und 
nicht  etwa  bloß  dem  Feinmechaniker  oder  PrĂ€zisionsarbeiter 
fĂŒr  seine  KunstĂŒbungen.  Die  technische  Mechanik  und 
mechanische  Technologie  unterscheiden  grundsÀtzlich  die 
Bewegungen  des  Stoßes  und  Schlages,  nĂ€mlich  die  Wurf- 
Bewegungen  einerseits  und  andererseits  die  Bewegungen  des 
Zuges.  Das  sind  die  Bewegungen  der  FĂŒhrung  und  Leitung. 
Trennen  ja  auch  schon  Sprache  und  Volksmund  diese  Be- 
wegungen und  Begriffe  des  tÀglichen  Lebens,  z.  B.  in  den 
Bezeichnungen  „Leitrohr",  „Leitschiene"  einerseits  und 
„Wurfgeschoß",  „Ballistik"  andererseits.  Auch  die  medizi- 
nische Terminologie  trennt  die  gegensÀtzlichen  Bewegungen 
des  Stoßes  und  Schlages  von  denen  des  Zuges.  Allgemein 
spricht  man  zwar  von  Herz-Stoß,  Spitzen-Stoß,  Herz-Schlag, 
Puls-Schlag,  aber  doch,  ebenso  wie  von  Schrift-Zug  oder 
Gesichts-Zug,  von  Atem-Zug  und  Kunst  der  Atem-FĂŒhrung. 

Die  moderne  Wissenschaft  der  Mechanik  untersucht 
diese  Bewegungen  und  die  FolgezustÀnde  dieser  Bewegungen 
aufs  genaueste.  Kirsch1)  behandelt  dieses  Gebiet  in  seinem 
Werk:  „Ueber  Stoß".  Da  die  Physik  fĂŒr  die  physiologische 
Muskel-Physik,  die  Mechanik  fĂŒr  die  physiologische  Muskel- 


l)  Ueber  Stoß,  Relaxation  und  Sprödigkeit.  Ein  Beitrag  zur 
technischen  Mechanik  zÀher  Körper'.  Bernhard  Kirsch,  1921. 
Wien,  Franz  Deuticke. 


Sternberg:  Meehanotherapie 


40.  Jahrg. —  Nr.  2. 


Mechanik  maßgeblich  sein  mĂŒssen,  dĂŒrfte  sicli  die  Frage  auf- 
drangen, in  welcher  Weise  die  moderne  Medizin,  die  Mechano- 
therapie und  die  physikalische  Therapie  diesen  Gesichts- 
punkten der  Physik  und  Mechanik  ■  gegenĂŒbertreten.  Diese 
Frage  verdient  um  so  mehr  Berechtigung,  als  die  namhaften 
Forscher  auf  den  Gebieten  der  Bewegungslehre,  wie 
Duchenne  und  Fo  erster,  diese  Probleme  noch  nicht 
einmal  aufwerfen. 

Die  willkĂŒrlichen  Koordinationen  sind  Bewegungen,  die 
auf  den  inneren  Reiz  des  Willens  eingeleitet,  einen  gewissen 
Zweck  verfolgen,  also  zweckmĂ€ĂŸig,  d.  h.  rationell,  ökono- 
misch, mit  dem  Minimum  von  Kraft  ausgefĂŒhrt  werden. 

Alle  gewollten  Bewegungen  lassen  sich  in  zwei  grund- 
sĂ€tzlich verschiedene  Gruppen  unterbringen.  FĂŒr  die  theo- 
retische Erkenntnis  und  fĂŒr  die  praktische  Anwendung  in  der 
Bewegungstherapie  ist  man  sogar  darauf  angewiesen,  end- 
lich diese  prinzipielle  Trennung  allgemein  vorzunehmen. 
Diese  zwei  Gruppen  von  Bewegungsarten  sind  folgende: 

I.  die  Bewegungsart  der  FĂŒhrung,  des  „Zuges". 
II.  die  Bewegungsart  des  Wurfs,  Stoßes,  Schlages,  der 
„Zuckung". 

Dazu  kÀme  noch  der  wiederholte  Wurf;  und  das  ist 

III.  die  Bewegungsart  des  SchĂŒtteins  bezw.  die  des  Zit- 
terns.  Das  Wort  „SchĂŒtteln"  —  das  „1"  deutet  die  HĂ€ufig- 
keitsbildung zu  „SchĂŒtten"  an  —  bezeichnet  das  wiederholte 
Werfen  zusammenhÀngender  Mengen,  das  heftige  Hin-  und 
Herbewegen.  Zittern  bedeutet  das  schnelle  und  kurze 
Schwingen  oder  Wanken. 

Schon  lÀngst  hat  die  angewandte  Muskelmechanik  des 
tÀglichen  Lebens  imd  die  angewandte  PÀdagogik  von  diesen 
Begriffen  und  Bezeichnungen  Kenntnis  genommen  und  Ge- 
brauch gemacht.  Es  ist  nicht  wenig  bezeichnend,  daß  es 
gerade  die  KunstĂŒbung  ist,  die  von  der  Ton-„FĂŒhrung" 
spricht,  von  der  Bogen -„FĂŒhrung",  von  der  Atem-, .FĂŒhrung". 
Die  PĂ€dagogik  verlangt  eine  geradezu  „kĂŒnstlerische  Be- 
handlung" des  Atems.  Der  Ton,  so  heißt  es  allgemein,  darf 
nicht  „herausgestoßen"  werden,  sondern  muß  „gezogen",  „ge- 
sponnen" werden.  Deshalb  ist  es  auffallend,  daß  die  medi- 
zinischen Wissenschaften  von  diesem  Kunstausdruck  der  Be- 
wegungsart, von  dieser  Form  der  Koordination,  noch  nicht 
Notiz  genommen  haben.  Dies  ist  um  so  merkwĂŒrdiger,  als 
die  Physiologie  und  gerade  die  Pathologie  die  andere  Be- 
wegungsart und  die  andere  Form  der  Koordination  bereits  in 
der  Bezeichnung  hervorheben:  „Auswurf",  „Ejakulation", 
„Jactatio",  „SchĂŒttellĂ€hmung",  SchĂŒttelfrost",  „Sich  schĂŒtteln 
vor  Lachen",  „Zuckungen"  u.  a.  m. 

Schon  diese  Tatsachen  scheinen  anzudeuten,  daß  die 
gefĂŒhrten  Bewegungen  erworben  sind  und  der  Uebung  be- 
dĂŒrfen, um  zur  Kunstfertigkeit  zu  fĂŒhren,  wĂ€hrend  die  ge- 
worfenen Bewegungen  angeborene,  tierische,  unwillkĂŒrliche, 
reflektorische  Koordinationen  sind,  die  nicht  der  Uebung  be- 
dĂŒrftig, ein  Kinderspiel,  kein  KunststĂŒck  sind. 

Ein  und  dieselbe  Bewegung  kann  einmal  eine  gefĂŒhrte, 
ein  ander  Mal  eine  geworfene  Bewegung  sein.  Da  zudem 
jede  Koordinationsbewegung  nur  zustande  kommt  durch  Zu- 
sammenwirken von  Agonisten  und  Antagonisten,  muß  sich 
die  Unterscheidung  besonders  beziehen  auf  Mitwirkung  der 
Antagonisten.    Das  ist  auch  tatsÀchlich  der  Fall. 

1.  Einmal  sind  die  Antagonisten  dauernd,  wÀhrend  der 
ganzen  Dauer,  in  jeder  kleinsten  Zeiteinheit  der  Koordination 
mittÀtig,  gleichsam  wie  eine  arretierende  Feder  zur  Siche- 
rung der  Bewegung,  jeden  Augenblick  bereit,  abstufend, 
bremsend,  hemmend  einzugreifen,  wenn  etwa  die  Agonisten 
aus  irgend  einem  Grunde  zu  stark  in  Anspruch  genommen 
sind. 

Der  physiologische  Mechanismus  fĂŒr  alle  Bewegungen, 
die  mit  Vorsicht  ausgefĂŒhrt  werden,  kommt  so  zustande,  daß 
die  die  Kontrolle  fĂŒhrenden  Antagonisten  stark  beteiligt 
weiden.  Gerade  der  Feinmechaniker,  der  PrÀzisionsarbeiter, 
der  Graveur  u.  a.  m.,  der  mit  großer  Vorsicht  subtilste  Be- 
wegungen auszufĂŒhren  hat,  muß  die  Antagonisten  immer 
in  Bereitschaft  halten,  um  ja  nicht  auszurutschen  in  seinen 


Bewegungen  des  Kunsthandwerks  oder  Kunstgewerbes.  Die 
Antagonisten  verhindern  das  Ausgleiten.  Das  ist  das,  was 
man  eine  „leichte  Hand"  nennt:  Die  „schwere  Hand"  ist 
eine  Hand,  die  diese  Hemmungen  der  Antagonisten  ĂŒbertreibt 
oder  aber  gar  nicht  zu  ĂŒberwinden  hat,  um  das  Handwerk 
der  groben  tierischen  Kraft  zu  verrichten. 

Die  gleichzeitige  Intervention  der  Antagonisten  könnte 
streng  genommen  als  ĂŒberflĂŒssiger  Energieverbrauch  miß- 
deutet werden.  Allein  bei  sÀmtlichen  Bewegungen  eines 
Gliedes  treten  immer  außer  den  eigentlichen  Agonisten  auch 
die  Antagonisten  gleichzeitig  in  TĂ€tigkeit,  um  die  Be- 
wegungen zu  moderieren,  um  ihnen  PrÀzision  und  Sicherheit 
zu  verleihen.  Diese  Mitwirkung  der  Antagonisten  und  ihre 
VerknĂŒpfung  mit  den  Agonisten,  diese  „Harmonie  der  Ant- 
agonisten", oder  „Synergie  der  Antagonisten",  und  ihre  Ver- 
knĂŒpfung mit  den  Agonisten  zu  einem  gemeinschaftlichen 
Akt  als  „antagonistische  Muskelassoziation",  die  als  physio- 
logische elementare  Einheit  der  chemischen  Verbindung  oder 
dem  chemischen  MolekĂŒle  im  Gegensatz  zu  den  Atomen 
gleichzusetzen  wÀre,  ist  ein  Hilfsmittel  des  Koordinations- 
vermögens, um  eine  Bewegung  zu  moderieren  und  zu  prÀzi  - 
sieren. 

Dabei  werden  die  Antagonisten  bei  der  Spannung  der 
Agonisten  mitunter  gedehnt.  Gerade  in  diesem  Zustand  der 
Dehnung  sind  sie  erst  recht  geeignet,  fein  zu  reagieren; 
außerdem  werden  sie  dann  noch  besonders  unterstĂŒtzt  durch 
die  physikalische  Spann-  oder  Schnellkraft  der  ElastizitÀt. 

2.  In  der  Bewegungsvorstellung,  die  jeder  gefĂŒhrten  Be- 
wegung vorausgeht,  besteht  nur  die  Einleitung  der  Bewegung 
als  Bewegungsbild.  Nur  diese  Einleitung  ist  erforderlich  fĂŒr 
diese  Bewegungsvorstellung.  Denn  die  Antagonisten  passen 
ja  sozusagen  auf,  sie  liegen  ja  auf  der  Lauer,  begabt  mit 
feiner  Sinnesempfindlichkeit,  die  kumulativ  durch  Uebung 
steigerungsfĂ€hig,  sogar  steigerungsbedĂŒrftig  ist,  sofort,  wenn 
es  nötig  ist,  ein  Zuviel  der  Agonisten  abzuschwÀchen  und  zu 
hemmen. 

Das  ist  die  Bewegungsart  der  FĂŒhlung. 

DemgegenĂŒber  steht  als  prinzipieller  Gegensatz  die  Be- 
wegungsart, die  einen  Wurf  darstellt.  Dabei  kann  sich  die 
geworfene  Bewegung  richten  auf  einen  Fremdkörper,  einen 
Stein  z.  B.,  der  geworfen  wird,  oder  aber  auf  den  Gesamt- 
körper, der  durch  Wurfbewegung  der  Muskulatur  geworfen 
wird,  oder  schließlich  auf  einzelne  Teile  des  Körpers,  die 
durch  Wurf  bewegung  höher,  proximal,  gelegener  Muskel - 
gruppen  geworfen  werden. 

I.  Diese  Bewegungsart  des  WTurfes  kommt  zustande  da- 
durch, daß  nur  einen  Augenblick  die  biologische  Kraft  der 
physiologisch  tÀtigen  Muskelgruppen  einsetzt,  und  dann  der 
geworfene  Gegenstand,  der,  wie  man  sogar  in  der  Mechanik 
sich  ausdrĂŒckt,  einen  Arbeitsinhalt,  „lebendige  Kraft"  in  sich 
birgt,  von  selbst,  scheinbar  von  allein,  sich  fortbewegt. 

Die  Vorstellung  des  geworfenen  Steines  erlÀutert  dies 
leicht.  Durch  die  Wurfbewegung  wird  der  Masse  des  Steins 
eine  gewisse  Geschwindigkeit  erteilt,  und  dadurch  die  Arbeit, 
die  der  Arm  geleistet  hat,  in  ihm  aufgespeichert.  Er  erhÀlt 
einen  Arbeitsinhalt;  die  Kraft  des  Armes  wird  im  geworfenen 
Stein  zur  „lebendigen  Kraft",  und  diese  treibt  den  Stein  durch 
die  Luft.  Er  wĂŒrde  mit  dieser  Geschwindigkeit  weiterfliegen, 
wenn  nicht  der  Luftwiderstand  und  die  Schwerkraft  auf  ihn 
einwirkten  und  den  Arbeitsinhalt  allmÀhlich  aufzehrten. 
Seine  Geschwindigkeit  wird  also  ziemlich  schnell  geringer 
und  bald  gleich  null. 

Ebenso  wie  dem  Stein  kann  man  auch  der  Hand,  bezw 
Hand  und  dem  Arm  durch  einen  nur  kurze  Zeit  andauernden 
Anstoß  eine  relative  große  Geschwindigkeit  und  damit  einen 
Arbeitsinhalt  erteilen,  vermöge  dessen  das  Glied  imstande  ist, 
WiderstÀnde,  die  sich  seiner  Fortbewegung  entgegenstellen, 
zu  ĂŒberwinden. 

Der  dauernden  TĂ€tigkeit  der  Muskelgruppen  bei  der  Be- 
wegungsart der  FĂŒhrung  steht  also  gegenĂŒber  der  nur 
kurze  Zeit  dauernde  Anstoß,  durch  welchen  dem  Fremdkörper 
eine  gewisse  Geschwindigkeit  erteilt  wird.  Der  Fremdkörper 
wird  nach  diesem  Anstoß  sich  selbst  ĂŒberlassen  und  bewegt 


Sternberg:  Mechanotherapie 


10.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


sic  h  infolge  des  Beharrungsvermögens  fort,  bis  sein  Arbeits 
Inhalt  durch  die  zu   ĂŒberwindenden   WiderstĂ€nde  auf  ge- 
lehrt ist. 

Bildlich  isl  der  Vorgang  folgendermaßen  darzustellen: 


B 


A  D  C 


A  bezeichnet  den  Ausgangspunkt,  B  das  Maximum  der 
jptĂ€rke,  die  gegenĂŒberliegende  Dreieckspitze  C  das  Ende  der 
Wirkung,  das  Minimum  der  angewandten  Kraft.  Hingegen 
isi  der  Verlauf  bei  dauernder  Muskelwirkung  der  gefĂŒhrten 
Bewegungsart  folgendermaßen  graphisch  darzustellen: 

B, 


A,  D,  C, 

Die  Bewegungsart  des  Wurfs  erfolgt  plötzlich,  nach  Art 
dei  Explosion,  zu  grĂ¶ĂŸerer  Höhe.    D  B  >  Di  Bi. 

Die  Laute,  die  die  Phonetik  als  „Explosions'iaute  be- 
zeichnet, fasse  ich  als  solche  auf,  deren  Bildung  durch  die 
Bewegungsart  des  Wurfs  erfolgt.  In  der  Violintechnik  hat 
man  den  Vergleich  mit  dem  HÀmmern  gewÀhlt  und  spricht 
von  einer  Strichart  „martele".  Das  Wort  kommt  von  mar- 
lellus,  der  Hammer. 

2.  Hat  die  Bewegungsart  der  FĂŒhrung  eine  andauernde 
Mitwirkung  der  Antagonisten  nötig,  dann  hat  diese  Be- 
wegungsart des  Wurfes  das  Gegenteil  nötig.  Denn  dort  unter- 
stĂŒtzt die  Mitwirkung  der  die  Agonisten  bremsenden,  hem- 
menden Antagonisten  die  geordnete  Bewegungsart  der 
FĂŒhrung;  hier  aber  wĂŒrde  die  Bewegungsart  des  Wurfs  da- 
durch nicht  etwa  unterstĂŒtzt,  sondern  im  Gegenteil  sogar  auf- 
gehalten werden.  Die  Bewegungsart  des  Wurfes  erfordert 
gerade  eine  Ausschaltung,  eine  Inaktivierung  der  Antago- 
nisten. 

3.  In  der  Bewegungsvorstellung  dieser  Bewegungsart  muß 
also,  im  Gegensatz  zur  Bewegungsvorstellung  der  FĂŒhrung, 
die  gesamte  Bewegung  vom  Anfang  bis  zum  Ende  enthalten 
sein. 

4.  Dazu  kommt  noch  der  Grad  der  Kraft,  der  geistigen 
Spannkraft,  der  Energie,  des  Willens,  und  der  Spannkraft 
des  mechanischen  Ausdrucksmittels,  des  Muskels. 

Der  Muskelstoß,  welcher  die  Bewegungsart  des  Wurfs 
veranlaßt,  muß  sehr  stark  sein,  viel  stĂ€rker  jedenfalls  als  der 
Anstoß  zur  Einleitung  der  FĂŒhrung.  Denn  dieser  erzeugt 
mir  die  Arbeit,  welche  nötig  ist,  um  das  impulsgebende  Glied 
um  die  erforderliche  Strecke  mit  der  notwendigen  Geschwin- 
digkeit zu  bewegen.  Nicht  inbegriffen  ist  darin  die  Arbeit, 
welche  noch  zu  leisten  ist  fĂŒr  den  Wurf.  Und  das  ist  die 
Arbeit,  die  nach  Aufhören  der  Muskelwirkung  geleistet  wird. 

Die  Heftigkeit  des  Wurfs,  sowie  die  große  Energie,  mit 
der  die  Anfangsgeschwindigkeit  des  Wurfs  erzielt  wird,  ist 
ein  Symptom  fĂŒr  den  Charakter  des  AusfĂŒhrenden,  also  ein 
Ausdruck  der  Energie.  Die  Bewegungsart  verrÀt  den  Cha- 
rakter. Diese  Erkenntnis  ist  der  erste  Anfang  zur  wissen - 
sehaftlichen  BegrĂŒndung  der  Graphologie.  Diese  Bewegungs- 
art  erzeugt  aber  auch  zugleich  auf  Auge  und  Girr  der  Um- 
gebung den  Eindruck  der  Energie.  Dem  gegenĂŒber  steht  der 
sanfte,  zierliche  Verlauf  der  gefĂŒhrten  Bewegung  als  Zeichen 
fĂŒr  den  Mangel  an  Energie.  So  ist  das  mechanisch-physio- 
logische Element  der  Bewegungsart  zugleich  ein  analytisches 
Element  fĂŒr  das  psychische  Verhalten. 

5.  Daraus  ergibt  sich  der  Unterschied  in  der  Leichtig- 
keit bezw.  Schwierigkeit  der  beiden  Bewegungsarten,  wenn 
man  ihre  EinĂŒbung  und  Erlernung  miteinander  vergleicht 
und  wenn  man  vergleicht  die  ununterbrochene  Anwendung 
ihrer  Koordinationsformen. 


Der  Mechanismus  der  werfenden  Bewegungsart  erfordert 
heiligste  AktivitÀt  des  Muskels,  die  zudem,  falls  sie  etwa 
eine  Zeitlang  fortgesetzt  werden  soll,  fortwÀhrend  wechselt 
mit    dem    diametralen    Gegensatz,   nĂ€mlich    mit  grĂ¶ĂŸter 

PassivitÀt.  Dieser  Mechanismus  ist  also  ein  doppelter,  ein 
Mechanismus -Wechsel.  Die  Heftigkeit  und  KĂŒrze  der  Be- 
wegungen einerseits,  die  plötzliche  und  vollkommene  Re 
Laxion  andererseits,  vollends  der  jÀhe  Wechsel  dieser  polar 
entgegengesetzten  Funktionen  begrĂŒnden  die  Schwierigkeil 
dieses  Mechanismus. 

Der  AnfÀnger  in  irgendeiner  Disziplin  der  pÀdagogischen 
Uebungs-  oder  Bewegungstherapie,  der  eine  neue,  ungekonnte 
Bewegung  auszufĂŒhren  hat,  nimmt  zuerst  immer  die  Anta- 
gonisten viel  zu  sehr  in  Anspruch,  ĂŒbers  Maß.  Er  tut  dies 
ohne,  ja  gegen  den  Willen,  um  die  ungekonnte  Bewegung  zu 
sichern  und  zu  stĂŒtzen.  Daher  hat  die  Uebungstherapie  dar- 
auf zu  achten,  und  die  Bewegungstherapie,  die  pÀdagogisch- 
didaktische  Therapie  danach  zu  streben,  daß  der  AnfĂ€nger 
diesen  Fehler  der  Kraftverschwendung  ablegt,  damit  er  die 
zu  große  Aktivierung  der  Antagonisten  verlernt.  Denn  erst 
dann  wird  die  Bewegung  rationell,  zweckmĂ€ĂŸig,  koordiniert. 
UrsprĂŒnglich  ist  die  Mitwirkung  der  Antagonisten  immer  zu 
groß.  Das  ist  das  Symptom  des  Unfertigen,  Kindlichen,  Un- 
geĂŒbten, Ungekonnten.  Das  Erlernen  der  Fertigkeit  und  der 
Kunstfertigkeit  ist  daher  immer  ein  Verlernen.  Und  das  muß 
auch  der  rationelle,  pÀdagogische  Weg  sein,  wenn  es  sich 
darum  handeJt,  umzulernen,  also  das  ĂŒbertriebene  Maß  in  der 
Aktivierung  der  Antagonisten  zum  Minimum  herabzu- 
mindern. 

Bei  den  geworfenen  Bewegungen  besteht  nicht  so  sehr 
diese  physiologische  Neigung,  die  Aktivierung  der  Antago- 
nisten zu  ĂŒbertreiben,  um  damit  die  Koordination  zu  sichern. 
Denn  hier  steht  ja  diese  Aktivierung  nicht  so  sehr  unter  der 
Kontrolle  des  Willens.  Der  Wille  ist  es  doch,  der  zum  Brem- 
sen die  Aktivierung  der  Antagonisten  ĂŒbertreibt.  Das  ist  der 
Grund  dafĂŒr,  daß  die  geworfenen  Bewegungen  leichter  zu  er- 
lernen sind,  als  die  gefĂŒhrten  Bewegungen. 

Demnach  bestehen  fĂŒnf  Unterschiede  in  den  beiden  Be-« 
wegungsarten.    Sie  beziehen  sich  auf 

1.  die  zeitliche  Andauer, 

2.  die  GrĂ¶ĂŸe  der  Kraft,  den  Grad  der  AktivitĂ€t, 

3.  die  Mitwirkung  der  Antagonisten, 

4.  die  Bewegungsvorstellung. 

5.  die   Leichtigkeit,    bezw.    Schwierigkeit    der  Aus- 
fĂŒhrung. 

Noch  deutlicher  tritt  der  Unterschied  der  Bewegungsarten 
hervor  bei  einer  Reihe  von  Bewegungen,  bei  einer  Verbindung 
von  Koordinationen.  FĂŒr  die  Wahrnehmung  des  Unter- 
schiedes im  Mechanismus  der  Verbindung  der  Koordinations- 
reihen ist  mehr  noch  als  das  Auge  das  Ohr  empfÀnglich, 
vollends  der  durch  Uebung  zu  Ă€ußerster  Empfindlichkeit  er- 
zogene Tonsinn.  Bezieht  sich  die  „musikalische  Aussprache" 
—  dieser  Kunstausdruck  stammt  von  Q  u  a  n  t  z,  1752  — ,  auf 
den  einzelnen  Ton,  so  bedeutet  die  „Artikulation"  in  der 
Musik  die  Verbindung  der  Einzeltöne,  die  innigere  oder 
losere  AneinanderfĂŒgung,  und  zwar  das  lĂŒckenlose  Schleifen 
einerseits,  legato,  und  das  Stoßen  andererseits,  Staccato,  mit 
den  Pausen  zwischen  den  Einzeltönen. 

Die  Verbindung  von  gefĂŒhrten  Bewegungen  erfolgt  stetig, 
ohne  Ruck,  ohne  Pause,  stationĂ€r,  gleichmĂ€ĂŸig  fließend; 
eine  Strömungsbewegung  ist  es. 

Die  geworfene  Bewegung  an  sich,  oder  gar  eine  Reihe 
von  WĂŒrfen,  erfolgt  nicht  stetig,  fließend,  gleichmĂ€ĂŸig,  son- 
dern ruckweise,  mit  Pausen.  Daher  ist  auch  die  Notierung 
in  der  Tonschrift  entweder  mit  einem  Zeichen  fĂŒr  den  Wurf, 
oder  aber  mit  dem  Zeichen  der  Pause  nach  dem  Wurf  all- 
gemein ĂŒblich. 

Ein  physiologisches  Beispiel  fĂŒr  eine  Reihe  derselben 
Wurfbewegungen  des  Staccato  ist  das  Lachen.  Lachen  ist 
ein  reflektorisches  Staccato  der  Exspirationsmuskeln.  Die 
Lachbewegung  ist  wiederholter  Wurf  des  Diaphragma  und 
der  Bauchmuskeln,  wobei  durch  die  lockere  Normalstellung 
der  Stimmlippen -Muskulatur  der  Hauch  „h"  und  durch  die- 


38 


Petenyi:  Diagnostik  des  Kindesaltcrs 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2 


selbe  lockere  Ruhelage  der  Artikulations-Muskulatur  die 
Klangfarbe  fĂŒr  den  Vokal  „a"  gebildet  wird,  also  „:  ha  ha, 
ha  ha:".  Demnach  sind  die  volkstĂŒmlichen  AusdrĂŒcke,  sich 
„den  Bauch  halten  vor  Lachen",  „sich  vor  Lachen  schĂŒtteln" 
durchaus  richtig. 

Gemeinhin  sind  die  reflektorischen  Bewegungen  Wurf- 
bewegungen; wiederholte  Reflexe  sind  Reihen  von  WĂŒrfen, 
also  heftige  SchĂŒttelbewegungen  mit  gewaltsamer  Inakti- 
vierung  der  Antagonisten  und  anderer  Muskelgruppen. 

Nun  kann  es  sich  aber  oftmals  darum  handeln,  eine 
Ueberspannung  der  Muskeln,  eine  krampfartige  Hyperaktivi- 
tĂ€t, bis  zur  vollkommenen  Relaxion  und  endgĂŒltigen  Ent- 
spannung therapeutisch  zu  bekÀmpfen.  Da  sind  die  Reflexe 
heilsam.  TatsÀchlich  empfiehlt  die  PÀdagogik  schon  lÀngst, 
freilich  ohne  diese  wissenschaftliche  BegrĂŒndung,  die  krĂ€ftige 
SchĂŒttelbewegung  eines  Gliedes  zum  Zweck,  die  Relaxion  zu 
erreichen.  So  lĂ€ĂŸt  die  PĂ€dagogik  der  Kunsttechnik,  z.  B.  der 
Streichinstrumente,  den  Arm  schĂŒtteln,  die  GesangspĂ€dagogik 
rÀt  Àhnliche  Uebungen,  um  die  bei  jedem  AnfÀnger  regel- 
mĂ€ĂŸig wiederkehrenden,  also  physiologischen  Fehler  der 
Ueberspannung  zu  bekÀmpfen.  TatsÀchlich  ist  die  Relaxion 
zugleich  das  elementarste  Mittel  der  physiologischen  Tech- 
nologie allgemein  und  auch  physiologisch  die  schwierigste 
ElementarĂŒbung.  Denn  unsere  Körpermuskulatur  ist  nun 
einmal  gerade  auf  das  Gegenteil  eingestellt,  nÀmlich  auf  Kon- 
traktion. 

Ich  verwende  SchĂŒttelbewegungen  allgemein  fĂŒr  die  ver- 
schiedensten Zwecke,  um  krampfartige  Ueberspannungen,  die 
ich  als  die  elementarste  Grundursache  mancherlei  Krank- 
heiten ansehe,  z.  B.  des  Asthmas  und  der  Sprachgebrechen, 
restlos  zu  beseitigen  und  Entspannung  herbeizufĂŒhren.  Ganz 
besonders  wertvoll  dafĂŒr,  auch  aus  anderen  GrĂŒnden,  sind 
die  reflektorischen  SchĂŒttelbewegungen,  wenn  es  sich  um  die 
pÀdagogisch-didaktische  Therapie  handelt. 

Ist  das  richtig,  dann  mĂŒssen  Lachen  und  Kitzelbewegun- 
gen als  heilsame  Mittel  der  Bewegungstherapie  angesehen 
werden. 

Wiederholtes  Werfen  in  geringerer  ExtensitÀt,  also 
SchĂŒttelbewegung  mit  kleinem  Ausschlag  ist  die  Zitterbe- 
wegung. 

Ein  allgemeiner  Unterschied  der  verkleinerten,  bezw.  ver- 
grĂ¶ĂŸerten Bewegung  drĂ€ngt  sich  hier  auf.  Ist  nĂ€mlich  die 
ExtensitĂ€t  der  Bewegung  grĂ¶ĂŸer,  so  erscheint  jdie  Bewegung 
großzĂŒgig.  Ist  die  ExtensitĂ€t  derselben  Bewegung  kleiner, 
dann  erscheint  dieselbe  Bewegung  kleinlich.  Physiologisch 
handelt  es  sich  um  eine  Kraftquellenwanderung.  Die  Kraft- 
quelle liegt  mehr  proximal  bei  großzĂŒgigen  Bewegungen,  die 
Kraftquelle  rutscht  nach  dem  distalen  Ende  bei  kleinlichen 
Bewegungen.  Dieser  physiologische  Grundsatz  entspricht 
durchaus  dem  rationellen  ökonomischen  Prinzip  der  Me- 
chanik. Daher  verrÀt  schon  die  qualitative  Auswahl  der  im- 
pulsgebenden Mischung  von  Muskeln  zur  quantitativen  Be- 
wegung den  großzĂŒgigen  bezw.  kleinlichen  Charakter,  ein 
weiteres  Element  zur  physiologischen  BegrĂŒndung  des  Zu- 
sammenhanges von  Schreibbewegung  und  Charakter. 

Auch  diese  Zitterbewegung  findet  in  der  Kunsttechnik, 
sogar  unter  derselben  Bezeichnung  „Tremolo",  ferner  „Tre- 
molieren",  „Vibrato"  u.  a.  m.  Verwendung.  Da  die  Psyche 
den  Muskel  dermaßen  beeinflußt,  daß  Aufregung,  zumal ' 
Furcht,  diese  schnellen,  kurzen,  kleinlichen,  wiederholten 
Wurfbewegungen  bedingt,  malt  der  Spieler  mit  diesem  Mittel 
seines  Muskels  umgekehrt  jene  Art  der  psychischen  Erregung. 
Dieser  psychische  Ausdruck  des  Schallgebers,  diese  Reiz- 
wirkung  des  Schallgebers,  wird  zugleich  der  psychologische 
Eindruck,  der  Reiz  fĂŒr  den  SchallempfĂ€nger. 

Dabei  kann  einmal  jede  einzelne  Zitterbewegung,  also 
jede  Periode  von  zwei  pendelartigen  Wurfbewegungen,  ein 
Hin  und  ein  Her,  vom  Willen  eingeleitet  sein.  Dann  ist  die 
Bewegung  zeitlich  langsamer,  aber  physiologisch  schwieriger. 
Andernfalls  kann  echtes  Zittern,  das  ĂŒberhaupt  vom  Willen 
nicht  mehr  beeinflußt  werden  kann,  willkĂŒrlich  eingeleitet 
werden,  so  daß  die  Perioden  der  pendelartigen  Wurfbewegun- 


gen automatisch  von  selbst  weitergehen,  solange  bis  sie  durch 
den  Willensimpuls  gehemmt  und  beendigt  werden. 

Dabei  ist  die  Zahl  der  Repetitionen  merkwĂŒrdigerweise 
ein  fĂŒr  allemal  fĂŒr  alle  Menschen  konstant,  in  Ă€ußerst  ge- 
ringer Breite  schwankend.  Diese  schnelle  Zitterbewegung  ist 
physiologisch  leichter. 

FĂŒhrung  und  Wurf  bedeuten  also,  miteinander  ver- 
glichen, nicht  bloß  einen  Koordinations -Wechsel,  nicht  bloß 
eine  Kraftquellenwanderung,  sondern  einen  prinzipiellen 
Mechanismuswechsel.  Und  doch  kommt  FĂŒhrung  und 
Wurf  sehr  schnell  hintereinander  bei  allen  alltÀglichen  Ko- 
ordinationen vor.  Ist  nun  schon  die  schnelle  und  gleich- 
mĂ€ĂŸige Umschaltung  von  zwei  gefĂŒhrten  Bewegungen  nicht 
immer  leicht,  so  wÀchst  die  Schwierigkeit  bei  der  Umstel- 
lung von  der  FĂŒhrung  zum  Wurf.  Diese  FĂ€lle  kommen  vor 
bei  den  Atembewegungen,  zumal  wenn  sich  Schwierigkeiten 
der  Ausatmung  entgegenstellen,  wie  beim  Sprechen  oder  gar 
beim  Asthma. 

So  kommt  es,  daß  die  Elementar- Analyse  der  Mechanik 
der  Koordinationen  zu  der  Einsicht  drÀngt:  zwei  Krankheiten 
sind  in  Verbindung  zu  bringen,  die  man  bisher  noch  nicht 
in  Beziehung  gesetzt  hat.  Das  ist  Asthma  und  das  Stottern, 
dessen  eine  Form  ich  Asthma-  fruste  nennen  möchte.  Die 
Uebungstherapie  des  Asthma,  die  Bewegungstherapie  de% 
Stammeins,  die  pÀdagogisch-didaktische  Therapie  des  Stot- 
terns  gewinnen  neue  Gesichtspunkte  durch  die  Analyse  des 
Mechanismus  der  Bewegungsart. 


(Au§  der  Kinderklinik  der  Preßburger  ungarischen  UniversitĂ€t, 
derzeil  in  Budapest  im  „Weißen  Kreuz"-Kinderspital.  [Direktor: 
Prof.  Dr.  P.  Heim.]) 

BeitrÀge  zu  einer  systematischen  Diagnostik 
des  Kindesalters. 

Von  Dr.  Geza  Petenyi 

1.  Mitteilung. 

Die  Trennung  der  Kinderheilkunde  von  der  inneren 
Medizin  ist  nur  langsam  vor  sich  gegangen.  Erst  hat  man 
die  in  den  klinischen  Bildern  wahrnehmbaren  auffallenden 
Unterschiede  beschrieben,  spÀter  wurde  dann  immer  mehr, 
die  funktionelle  Sonderstellung  des  Kindesalters,  besonders; 
des  SĂ€uglingsalters  in  den  Vordergrund  gerĂŒckt.  In  der1 
Diagnostik,  besonders  in  der  Wertung  der  einzelnen  dia- 
gnostischen Methoden  und  der  Bedeutung  der  einzelnen 
Symptome  in  verschiedenen  Lebensaltern,  wurde  diese  Tren- 
nung nicht  so  streng  durchgefĂŒhrt.  Die  Grundlage  bilden 
auch  heute  die  Diagnostiken  der  inneren  Medizin.  Zwar 
gibt  es  besondere  pediatrische  Diagnostiken,  aber  diese 
bringen  den  Unterschied,  welcher  zwischen  dem  Kindesalter 
und  dem  der  Erwachsenen  in  der  Anwendung  der  diagnosti- 
schen Methoden  und  der  Beurteilung  ihrer  Ergebnisse  be- ! 
steht,  nicht  in  einer,  den  tatsÀchlichen  VerhÀltnissen  ent- 
sprechenden Weise  zum  Ausdruck.  Im  folgenden  wollen  wir 
hierzu  einige  Daten  liefern. 

1.  Ueber  die  Bedeutung  der  respiratorischen 
Phase  in  der  Lungenperkussion  der  SĂ€ug-J 

1  i  n  g  e. 

Die   Perkussion   ist   eine   der   allerwichtigsten  Unter- 
suchungsmethoden, welche  man   tĂ€glich   oft  ausĂŒbt.  Man 
könnte  glauben,  daß  unsere  diesbezĂŒglichen  Kenntnisse  klar  j 
und  definitiv  seien;  und  eben  hier  begegnen  wir  oft  der  An- 
gabe, bei  SĂ€uglingen  sei  hĂ€ufig  wahrzunehmen,  daß  man 
eine  DĂ€mpfung  findet,  welche  am  folgenden  Tage  nicht  mehr 
zu  konstatieren  ist  oder  man  findet  eine  DĂ€mpfung  bis  antel 
mortem  und  bei  der  Sektion  zeige  sich  an  der  entsprechenden  » 
Lungenpartie  keine  pathologische  VerÀnderung. 

Feer  sagt  in  seiner  heuer  erschienenen  Diagnostik:  .,Hinten 
unten  rechts  wird  der  Schall  wĂ€hrend  des  Schreiens  oft  kĂŒrzer.  I 
so  daß  man  irrtĂŒmlicherweise  eine  DĂ€mpfung  annehmen  möchte.  I 


V 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2.  Petenyi:  Diagnostik  des  Kindcsaltcrs  M 


wenn  man  nicht  auch  wahrend  der  Inspiration  perkutiert,  wo 
Sich  der  Schall  aufhellt.  WĂ€hrend  des  Pressens  in  der  Phase  der 
starken  Exspiration  wird  das  Schwingungsfeld  des  Perkussions- 
Schalles  durch  die  Muskelspannung  und  durch  die  nahe  Masse 
der  hochgedrÀngten  Leber  verkleinert,  daher  die  DÀmpfung".  Im 
Fe  er  sehen  Lehrbuch  sagt  Thiemich  ĂŒber  denselben  Punkt 
folgendes:  „Zweitens  erzeugt  die  beim  Schreien  eintretende  stĂ€r- 
kere Spannung  der  Interkostalmuskeln  eine  SchallabschwÀchung 
und  Krhöhung  des  ResistenzgefĂŒhls,  welche  beide  im  Moment  des 
Inspiriums  verschwinden;  dadurch  ist  eine  Unterscheidung  von 
einer  echten  auf  eine  Erkrankung  der  Lunge  hindeutenden  Schall 
VerkĂŒrzung  möglich".  H  u  t  i  n  e  1  und  Grane  her-Comby  be- 
schĂ€ftigen sich  in  ihren  HandbĂŒchern  mit  der  Technik  der  Per- 
kussion nicht  eingehender.  In  der  F  i  1  a  t  o  w  sehen  Diagnostik 
finden  wir  die  Angabe:  „Man  darf  ferner  nicht  vergessen,  daß 
der  Perkussionsschall  bedeutend  dumpfer  klingt,  wenn  das  Kind 
wÀhrend  der  Perkussion  schreit  und  zwar  am  meisten  gedÀmpft 
in  den  hintern  und  untern  Partien  des  Thorax,  wo  die  Mehrzahl 
der  Exspiratoren  ansetzt;  man  muß  daher,  wenn  das  Kind  schreit, 
mit  kurzen  SchlÀgen  auf  ein  und  derselben  Stelle  so  lange  per- 
kutieren,  bis  eine  tiefe  Inspiration  erfolgt:  dauert  der  dumpfe 
Schall  auch  dann  noch  fort,  so  kann  man  von  seiner  RealitÀt 
ĂŒberzeugt  sein". 

Wir  halten  diese  Beschreibungen  nicht  fĂŒr  ganz  aus- 
reichend und  die  ErklÀrung,  wie  die  DÀmpfung  zustande 
kommt,  nicht  fĂŒr  richtig.  Es  wird  zu  sehr  betont,  daß  bei 
der  forcierten  Exspiration  die  SchallverkĂŒrzung  hinten  unten 
zustande  kommt.  Auch  F  i  1  a  t  o  w  betont  dies  und  die 
neueste  Darstellung  von  Fe  er  z.  B.  erwĂ€hnt  sie  nur  bezĂŒg- 
lich der  Lungenpartie  hinten  unten  rechts.  Nach  unserer 
Erfahrung  kommt  bei  der  forcierten  Exspiration  die  Schall  - 
VerkĂŒrzung  ĂŒber  der  ganzen  Lunge,  also  auch  ĂŒber  den  vor- 
deren und  oberen  Teilen  zustande.  Eigentlich  kann  es  sich 
bei  solchen  Gelegenheiten  nicht  nur  um  SchallverkĂŒrzung, 
sondern  auch  um  eine  totale  DĂ€mpfung  handeln.  Die  GrĂ¶ĂŸe 
der  SchallverkĂŒrzung  steht  im  geraden  VerhĂ€ltnis  zu  der 
IntensitÀt  des  Expiriums.  Das  kann  man  gut  beobachten, 
wenn  man  bei  lange  anhaltendem  Weinen  fortwÀhrend  auf 
dieselbe  Stelle  klopft,  da  hört  man,  wie  der  Perkussionsschall 
immer  kĂŒrzer  und  kĂŒrzer  und  am  Ende  vollstĂ€ndig  ge- 
dĂ€mpft wird.  Die  Erscheinung,  daß  die  SchallverkĂŒrzung 
wÀhrend  der  Exspiration  immer  intensiver  wird,  spricht 
schon  allein  gegen  die  Annahme,  diese  rĂŒhre  von  der  Kon- 
traktion der  Exspirationsmuskeln  her.  Dieses  stĂ€ndig  KĂŒrzer- 
werden weist  darauf  hin,  daß  die  Ursache  in  der  VerĂ€nde- 
rung des  Luftgehaltes  der  Lunge  zu  suchen  sein  dĂŒrfte.  Man 
kann  sich  vorstellen,  beim  Schreien  (forciertes  Exspirium) 
vermindere  sich  der  Luftgehalt  der  Lunge  derart,  daß  sich 
eine  Differenz  in  dem  Perkussionsschall  ergibt.  Bei  den 
Internisten  spielt  der  Umstand,  ob  man  in  In-  oder  Ex- 
spirationsphase  perkutiert,  keine  große  Rolle.  Beim  nor- 
malen Atmen  findet  man  keinen  großen  Unterschied,  bei 
maximaler  Ausatmung  ist  jedenfalls  eine  deutliche  Ver- 
kĂŒrzung wahrnehmbar.  Man  kommt  aber  außerordentlich 
selten  in  die  Lage,  einen  Erwachsenen  zu  perkutieren,  wenn 
er  eben  weint.  Bei  SĂ€uglingen  aber  ist  es  bei  einem  großen 
Prozentsatz  immer  der  Fall. 

Daß  die  Annahme,  es  spiele  die  Verminderung  des  Luft- 
gehaltes  der  Lunge  wÀhrend  des  Exspiriums  eine  Rolle  bei 
der  SchallverkĂŒrzung,  nicht  nur  eine  Möglichkeit  ist,  an  die 
man  ev.  denken  kann,  sondern  tatsÀchlich  eine  Rolle  spielt 
und  der  einzig  in  Betracht  kommende  Faktor  ist,  das  demon- 
striert ganz  klar  die  Röntgendurchleuchtung.  Wenn  man 
einen  schreienden  SÀugling  wÀhrend  der  Durchleuchtung 
beobachtet,  so  sieht  man,  wie  die  Lunge  in  allen  ihren  Teilen 
gleichmĂ€ĂŸig  immer  dunkler  wird.  Bei  lange  dauerndem 
Schreien  kann  die  Verdunkelung  einen  solchen  Grad  er- 
reichen, daß  die  Konturen  des  Herzens  unbestimmt  werden, 
denn  Herz  und  Lunge  geben  eine  Verdunkelung  von  unge- 
fÀhr derselben  IntensitÀt.  Dann  wÀhrend  des  Inspiriums  er- 
hellt sich  die  Lunge  fĂŒr  einen  Augenblick,  um  sofort  wieder 
dunkler  zu  werden.  Bei  solchen  FĂ€llen  kann  man  die 
Durchleuchtung  nur  so  ausfĂŒhren,  daß  man  auf  den  Moment 
Wartet,  wo  das  Kind  einatmet  und  nur  das  Bild  dieses 
Augenblickes  kann  in  Betracht  gezogen  werden,  denn  außer- 


halb dieser  Zeit  ist  die  Lunge  immer  schleierartig  gedeckt, 
ev.  am  Ende  des  Exspiriums  ganz  dunkel.  So  bekommen 
wir  auch  die  ErklÀrung,  warum  auch  Vorne  und  oben  eine 
SchallverkĂŒrzung  entsteht:  die  Lunge  verdunkelt  sich  ĂŒberall 
gleichmĂ€ĂŸig  in  allen  ihren  Teilen.  Und  so  gewinnen  wir  die 
Regel,  man  muß  beim  schreienden  Kinde  lange  Zeit  auf  die- 
selbe Stelle  perkutieren  —  nicht  nur  hinten  unten  ,  das 
bezieht  sich  auf  die  ganze  Lunge  —  und  es  wird  nur  ein 
einziger  Perkussionsschall  bewertet,  welcher  eben  auf  die 
Inspirationszeit  fĂ€llt,  alle  anderen  werden  außer  acht  ge- 
lassen. Die  Inspirationsphase  ist  so  kurz,  daß  man  auch, 
wenn  man  schnell  nacheinander  perkutiert,  gewöhnlich  nur 
einen  solchen  Schall  erhÀlt,  welcher  reinen  Lungenschall  gibt, 
der  nĂ€chstfolgende  ist  schon  verkĂŒrzt.  Deshalb  ist  es  zweck- 
mĂ€ĂŸig, in  jedem  zweifelhaften  Falle  auf  dieselbe  Stelle 
mehrere  Respirationsphasen  hindurch  zu  klopfen.  Diese 
VerÀnderung  des  Perkussionsschalles  ist  nicht  nur  an  SÀugr 
lingen,  sondern  auch  an  Ă€lteren  3 — -1  jÀÀhrigen  schreienden 
Kindern  wahrnehmbar. 

Vor  kurzem  hat  Noeggerath  ĂŒber  die  Erscheinung 
geschrieben,  daß  es  bei  SĂ€uglingen  DĂ€mpfungen  gibt,  die 
plötzlich  bei  der  nÀchsten  Untersuchung  verschwinden  und 
bei  denen  in  der  Lunge  mit  der  Röntgenuntersuchung  oder 
ev.  bei  der  Sektion  keine  entsprechenden  VerÀnderungen  ge- 
funden werden.  Er  sucht  die  Ursache  in  dem  Umstand,  daß 
bei  SĂ€uglingen  leicht  eine  kleine  Skoliose  zustande  kommen 
kann  und  man  hinten  auf  der  KonvexitĂ€tsseite  eine  VerkĂŒr- 
zung bekommt.  Nach  ihm  lĂ€ĂŸt  sich  diese  Schwierigkeit  um- 
gehen, wenn  man  den  SĂ€ugling  ein  wenig  aufhebt  und  so 
auf  dem  RĂŒcken  perkutiert  („Schwebeperkussion").  Es 
streckt  sich  die  WirbelsÀule  und  wir  bekommen  einen  reinen 
Lungenschall.  F  i  1  a  t  o  w  macht  auch  darauf  aufmerksam, 
daß  man  bei  Skoliose  (infolge  schlechter  Haltung)  Schall - 
VerkĂŒrzung  beobachten  kann.  Es  kommt  gewiß  vor,  daß  sich 
bei  dieser  Schwebeperkussion  eine  DĂ€mpfung  hinten  unten 
aufhellt,  ob  aber  die  Ursache  im  Verschwinden  der  Skoliose 
zu  suchen  sei,  ist  sehr  fraglich.  Wenn  es  wahr  wÀre,  so 
mĂŒĂŸte  man  bei  jedem  Kinde  jederzeit  eine  DĂ€mpfung  auf 
beliebiger  Seite  hervorrufen  können,  man  brauchte  nur  den 
Rumpf  des  Kindes  nach  rechts  oder  links  zu  beugen.  Da.s. 
ist  aber  nicht  der  Fall.  Wenn  man  den  Rumpf  eines  SĂ€ug- 
lings stark  nach  rechts  oder  links  beugt,  so  daß  eine  maxi- 
male (kĂŒnstliche)  Skoliose  zustande  kommt,  erhalten  wir 
auch  so  keine  DÀmpfung  an  der  KonvexitÀtsseite.  Abge- 
sehen davon,  daß  es  sich  unter  normalen  VerhĂ€ltnissen  in- 
folge schlechter  Haltung  nur  um  eine  kleine  Skoliose  handeln 
kann.  Wenn  trotzdem  diese  Methode  (Schwebeperkussion) 
in  einzelnen  FĂ€llen  wirksam  ist  und  eine  DĂ€mpfung  ver- 
schwindet, so  muß  der  Mechanismus  dieser  Wirkung  ein 
andersartiger  sein.  Wenn  man  ein  Kind  in  sitzende  Stellung 
bringt  und  besonders  wenn  der  Rumpf  ein  bißchen  nach 
vorne  neigt,  so  bedeutet  das  eine  wesentliche  VergrĂ¶ĂŸerung 
des  intraabdominalen  Druckes  im  VerhÀltnis  zur  stehenden 
Haltung.  Das  Zwerchfell  wird  unter  grĂ¶ĂŸeren  Druck  gesetzt 
und  steigt  auch  in  vielen  FÀllen  höher  samt  der  Leber.  Da- 
von kann  man  sich  sehr  leicht  bei  der  Röntgendurchleuch- 
tung der  SĂ€uglinge  ĂŒberzeugen,  wenn  man  sie  erst  in  sitzen- 
der und  dann  in  stehender  Stellung  untersucht:  in  den 
meisten  FÀllen  verlÀngert  sich  das  Lungenfeld  sichtlich,  weil 
das  Zwerchfell  tiefer  steht.  Das  ist  der  Grund,  weshalb  eine 
DĂ€mpfung  bei  der  Schwebeperkussion  verschwinden  kann. 
Im  allgemeinen  beruhen  aber  die  unmotiviertne  und  uner- 
wartet verschwindenden  DĂ€mpfungen  darauf,  daß  die  Re- 
spirationsphase bei  der  Perkussion  nicht  genĂŒgend  berĂŒck- 
sichtigt wird  und  man  nicht  ausschließlich  auf  den  das  In- 
spirium  fallenden  Perkussionsschall  bewertet. 

Literatur. 

1.  Fe  er:  Diagnostik  der  Kinderkrankheiten  1921. 

2.  F  ilatow:   Semsotik  und  Diagnostik  der  Kinderkrankheiten 
"1892. 

3.  Noeggerath:  M.  m.W.,  1921,  Nr.  36 
I    Thiemich:  Feer's  Lehrbuch.  1920 


40 


Hertz:  Telatulen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2 


Ueber  Erfahrungen  mit  Telatuten  (GefĂ€ĂŸ= 
PrÀparat)  Heilner  bei  Arteriosklerose. 

Von  Dr.  Fritz  Hert  z,  Badearzt  in  Bad-Nauheim. 

Im  folgenden  erlaube  ich  mir,  meine  Beobachtungen,  die 
ich  mit  dem  Heilner'schen  GefĂ€ĂŸprĂ€parat  in  einer  grĂ¶ĂŸeren 
Serie  von  FĂ€llen  gemacht  habe,  der  medizinischen  Öffent- 
lichkeit zu  unterbreiten.  Meine  vorzĂŒglichen  Erfahrungen 
mit  Sanarthrit-Heilner,  die  in  einer  großen  Literatur  ihre 
BestÀtigung  gefunden  haben,  haben  mich  ermutigt,  trotz  ge- 
wisser theoretischer  Bedenken  Versuche  mit  dem  genannten 
Mittel  anzustellen.  Um  zu  einem  exakten  und  gewissenhaften 
Urteil  zu  kommen,  habe  ich  mich  auf  zwei  besondere  Indi- 
kationen beschrÀnkt,  d.  h.  auf  Formen  der  Arteriosklerose, 
bei  denen  sich  eine  Besserung  deutlich  und  objektiv  zeigen 
mußte.  Gleichzeitig  habe  ich  in  allen  FĂ€llen  die  Behandlung 
mit  einer  Badekur  mit  kohlensauren  BĂ€dern  kombiniert,  von 
dem  Gedankengang  ausgehend,  daß  bei  der  ganz  besonderen 
Anregung  und  Aktivierung  des  ganzen  Stoffwechsels  eine 
gewisse  „AviditĂ€t"  der  erkrankten  GefĂ€ĂŸe  nach  Stoffen  be- 
stehen muß,  die  ihren  natĂŒrlichen  Gewebsschutz  erhöhen 
sollen.  Alle  FĂ€lle  habe  ich  in  klinischer  Behandlung,  teils 
im  stÀdtischen  Konitzkystift,  teils  im  Israelitischen  Frauen- 
heim  beobachtet,  so  daß  ich  eine  genaue  Kontrolle  der  Kran- 
ken hatte.  Ich  kann  zunÀchst  die  Beobachtungen  von  Heilner 
bestÀtigen,  insoweit  das  Mittel  als  vollkommen  unschÀdlich 
ausnahmslos  ohne  jede  Störung  vertragen  wurde;  in  der 
Mehrzahl  der  FĂ€lle  trat  am  Tage  der  Injektion  oder  zuweilen 
auch  erst  am  folgenden  Tage  die  von  Heilner  als  biologische 
Resonanz  geschilderte  Erscheinung  auf,  und  zwar  ohne  daß 
ich  die  Patienten  vorher  auf  die  Möglichkeit  des  Eintretens 
irgendwelcher  subjektiver  Erscheinungen  aufmerksam 
machte,  so  daß  eine  suggestive  Beeinflussung  vollkommen 
ausgeschlossen  ist.  Die  Wirkung  der  Behandlung  war  in 
fast  allen  FĂ€llen  wider  Erwarten  durchaus  gĂŒnstig,  so  daß 
ich  das  Mittel  nur  weitesten  Àrztlichen  Kreisen  zur  Nach- 
prĂŒfung empfehlen  kann.  Die  Einspritzungen  sind  technisch 
ohne  jede  Schwierigkeit;  ich  habe  das  Mittel  in  allen  FĂ€llen 
ambulant  intravenös  gegeben.  Die  beiden  Indikationen,  die 
ich  zu  meinen  Versuchen  wÀhlte,  waren  erstens  sklerotische 
VerÀnderungen  der  aufsteigenden  Aorta  mit  Blutdrucksteige- 
rungen und  zweitens  sichere  FĂ€lle  von  Coronarsklerose  mit 
erheblichen  stenokardischen  Beschwerden.  Ausnahmslos  und 
zwar  bei  Frauen  mehr  als  bei  MĂ€nnern  ging  der  Blutdruck 
bei  den  FĂ€llen  der  ersten  Klasse  im  Verlauf  der  Kur  ganz 
bedeutend,  oft  bis  zur  Norm  zurĂŒck,  allerdings  meist  nicht 
schon  bei  Beginn  der  Kur,  sondern  erst  nach  der  3.  Woche, 
also  der  6.  Injektion.  Auch  bei  den  FĂ€llen  der  zweiten  Klasse 
fand  eine  ganz  erhebliche  Verbesserung  der  Beschwerden 
statt.  Ob  gerade  die  Kombination  mit  den  kohlensauren  BĂ€- 
dern und  der  Aufenthalt  im  Kurort  einen  so  guten  Erfolg  be  - 
wirkt,  möchte  ich  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  glaube  es 
aber.  Auf  jeden  Fall  trÀgt  gerade  die  Injektionskur  einen 
Hauptanteil  an  dem  guten  Verlauf,  wie  besonders  ein  Fall 
(Fall  2  s.  u.)  deutlich  schildern  wird.  Arzneimittel  irgend- 
welcher Art  habe  ich  absichtlich  in  keinem  Falle  wÀhrend 
der  ganzen  Dauer  der  Kur  gegeben,  nur  in  einem  einzigen 
Falle  konnte  ich  anfangs  ohne  einige  Gaben  von  Nitroglyzerin 
nicht  auskommen.  Ich  will  nun  im  folgenden  einige  FĂ€lle 
schildern,  die  das  oben  Gesagte  illustrieren  und'  beweisen 
sollen. 

Fall  1:  Frau  W.,  58  Jahre  alt,  leidet  seit  einiger  Zeit  an  Blut- 
andrang nach  dem  Kopfe,  Druck  in  der  Brust.  Mattigkeit  und  ist 
körperlich  und  seelisch  sehr  heruntergekommen.  Herz  nach  links 
verbreitert,  unreine  Töne,  2.  Ton  klingend,  II.  Aortenion  akzentu 
iert,  Puls  hart,  G8  in  der  Minute,  Blutdruck  170  mm  Hg.  Urin 
ohne  chemischen  und  mikroskopischen  pathologischen  Befund. 
Badekur  mit  18  ThermalbÀdern  von  34  Grad  Celsius,  12  Injektionen 
mit  GefĂ€ĂŸprĂ€parat  Heilner.  Nach  Beendigung  fĂŒhlt  sich  die  Pa- 
tientin körperlich  und  psychisch  in  jeder  Weise  gebessert,  hat  an 
Gewicht  zugenommen.  Herztöne  noch  unrein,  doch  nicht  mehr  so 
klingender  II.  Ton.  Blutdruck  ging  gegen  Mitte  der  Kur  allmÀh- 
lich herunter  und  hielt  sich  auf  125  mm  Hg  zum  Schluß. 


Fall  2:  Frau  B.,  61  Jahre  alt,  hat  in  den  letzten  Jahren  sehr 
Schweres  durchzumachen  gehabt,  leidet  an  leichter  Paralysis 
agitans,  ist  sehr  unruhig  und  erregt,  hat  viel  Kopfschmerz  und 
Druck  auf  der  Brust,  Herzklopfen.  Herz  mĂ€ĂŸig  nach  links  ver- 
breitert, Blutdruck  190  mm  Hg,  Böntgenbild  zeigt  Sklerose  der 
aufsteigenden  Aorta  und  des  Aortenbogens.  Gebraucht  Badekur 
mit  18  kohlensauren  BĂ€dern,  Blutdruck  bleibt  dauernd  gleich 
hoch,  Allgemeinbefinden  kaum  gebessert  bei  Abreise.  Wieder- 
holung der  Kur  nach  2Vi  Monaten.  Diesmal  nur  wenige  BĂ€der 
(im  ganzen  10)  und  12  intravenöse  GefĂ€ĂŸprĂ€paratinjektionen.  An- 
fangs sehr  starke  „biologische  Besonanz".  AllmĂ€hlich  bedeutende 
Besserung  des  gesamten  Befindens.  Vor  allem  Senkung  des  ßlul- 
di  ucks,  der  sich  zum  Schluß  dauernd  um  140  mm  Hg  hĂ€lt. 

Eine  ganze  Reihe  anderer  FÀlle  bestÀtigen  die  bei  diesen 
beiden  gemachten  Beobachtungen.  Und  nun  noch  zwei  FĂ€lle 
der  zweiten  Gruppe,  die  ebenso  eklatant  die  gĂŒnstige  Wir- 
kung des  GefĂ€ĂŸprĂ€parats  bestĂ€tigten. 

Fall  3:  Herr  Wo.,  50  Jahre  alt,  hereditÀr  mit  Diabetes  be- 
lastet, leidet  seit  einiger  Zeit  an  schwersten  Oppressionen,  kann 
kaum  einige  Schritte  gehen,  ohne  heftigen  Druck  auf  der  Brust 
zu  verspĂŒren  und  stehen  bleiben  zu  mĂŒssen.  Sehr  korpulenter, 
plethorischer  Herr,  94,5  kg  Körpergewicht.  Herz  beiderseits  stark 
verbreitert,  hartes  systolisches  GerÀusch  an  Herzspitze  und 
-basis,  deutliche  Sklerose  der  peripheren  Arterien,  Puls  klein,  Iii 
in  der  Minute.  Blutdruck  130  mm  Hg,  im  Urin  Spuren  von 
Zucker.  Böntgenbild  zeigt  neben  der  Verbreiterung  des  Herz- 
schattens eine  ziemliche  Verbreiterung  des  GefĂ€ĂŸschattens.  Ader- 
laß von  350  cem  Blut,  zunĂ€chst  einige  GefĂ€ĂŸprĂ€parateinsprit/.un- 
gen,  dann  vorsichtiger  Beginn  mit  leichtesten  kohlensauren  BĂ€- 
dern. Schon  nach  kurzer  Zeit  trat  eine  augenfÀllige  Besserung 
ein:  Herr  Wo.,  der  anfangs  blaß  und  verfallen  aussah,  bekommt 
ein  frischeres  Aussehen.  Die  subjektiven  Beschwerden  besserĂŒ 
sich  und  Patient  ist  bei  seiner  Entlassung  in  die  Heimat  imstande, 
große  SpaziergĂ€nge  zu  machen,  ohne  Druck  zu  verspĂŒren,  sogsl 
kleine  Steigungen  _ verursachen  keine  Störung.  Objektiv  ist  der 
Befund  am  Herzen  und  im  Urin  noch  ziemlich  unverĂ€ndert,  bloß 
der  Puls  ist  krÀftiger  geworden. 

Fall  4:  Herr  We.,  54  Jahre  alt,  leidet  an  heftigsten  stenokar- 
dischen Beschwerden  und  ist  zu  keiner  körperlichen  BetÀtiguijl 
mehr  imstande.  Er  hat  in  der  letzten  Zeit  stark  an  Gewicht  ver- 
loren, sieht  sehr  gealtert  und  verfallen  aus.  Herz  beiderseits 
mĂ€ĂŸig  vergrĂ¶ĂŸert,  Töne  unrein.  Puls  klein,  72  in  der  Minute.  Blut- 
druck 125  mm  Hg.  TĂ€glich  meist  in  den  Morgenstunden  treten 
anginöse  AnfĂ€lle  auf.  Pat.  kann  ĂŒberhaupt  nicht  ausgehen.  An- 
fangs ist  es  unmöglich,  ohne  Nitroglyzerin  auszukommen.  Unter 
der  Behandlung  mit  kohlensauren  BĂ€dern  und  12  GefĂ€ĂŸprĂ€parat- 
injektionen tritt  eine  ganz  auffÀllige  Besserung  ein.  Die  Angina 
pectoris-AnfÀlle  lassen  nach,  schon  nach  der  zweiten  Woche  ist 
es  möglich,  das  Nitroglyzerin  wieder  abzusetzen.  Nach  Beendi- 
gung der  Kur  hat  Patient  6,8  kg  an  Gewicht  zugenommen,  steno- 
kardische  Beschwerden  sind  in  der  letzten  Zeit  ĂŒberhaupt  nicht 
mehr  aufgetreten.  Patient  ist  in  der  Lage,  beschwerdefrei  grĂ¶ĂŸere 
SpaziergÀnge  zu  unternehmen;  sieht  bedeutend  besser  aus. 


Vom  Stil  der  wissenschaftlichen  Abhandlungen. 

Von  Dr.  Hans  Debrunner,  Berlin. 

„Stil  ist  Ordnung  und  das  Recht  des  Leser» 
I. 

Der  Stil  wissenschaftlicher  Abhandlungen  kann  nicht 
durchwegs  gut  sein;  denn  ihre  Zahl  ist  Legion.  Verschieden 
wie  der  stoffliche  Wert  ist  auch  der  sprachliche.  WĂ€hrend 
aber  jeder  Arzt,  der  mit  einer  Schrift  vor  die  Öffentlichkeit 
tritt,  sich  MĂŒhe  gibt,  die  Bedeutung  des  Inhalts  ins  hellste 
Licht  zu  rĂŒcken,  kĂŒmmert  er  sich  selten  um  die  Form. 
Die  sprachliche  Verwirrung  hat  nicht  nur  die  Handlanger 
des  wissenschaftlichen  Turmbaues  in  Scharen  ergriffen,  sk 
droht  heimtĂŒckischerweise  auch  manchen  Baumeister  zu  be- 
fallen. 

Um  nicht  als  Schwarzseher  oder  gar  Verleumder  » 
brandmarkt  zu  werden,  will  ich  zufÀllig  gefundene  Beispiele 
zusammenstellen.  Auf  meinem  Tische  lagen  kĂŒrzlieh  fĂŒnf 
neu  erschienene  Hefte  verschiedener  medizinischer  Fach- 
blĂ€tter, die  ich  in  einem  Augenblick  der  Muße  nach  stilisti-' 


V 


10.  Jahrg.  -   Nr.  2.  Debrunner:  Vom  Stil  M 


sehen  Schnitzern  durchblÀttert?.    WÀhrend  die  Zeiger  der 
Uhr  von  '.!)  nach  !»  wanderten,  fand  ich  mĂŒhelos,  was  hier 
.  folgt: 

1,  „Die  Feststellung  der  Pulslosigkeit  und  die  Reaktions- 
losigkeit  auf  Ă€ußere  Reize  genĂŒgt  noch  keineswegs,  um  " 

„genĂŒgt"  anstatt  „genĂŒgen";  zudem  beachte  man  die  unschönen 
Wortbildungen  auf  losigkeit,  die  allerdings  sehr  beliebt  zu  sein 
scheinen.) 

2.  „Sollten  derartige,  weitab  von  der  rein  medizinischen  In 
dikation   liegenden  FĂ€lle   nicht   schon   von  Gesetzeswegen  als 
Strikte  Indikation  fĂŒr  den  Abortus  gelten?"     („Liegenden1'  stall 
..liegende';  ein  Fall  kann  nicht  als  Indikation  gelten;  er  kann 
höchstens  eine  Indikation  bieten.) 

‱  >■  sondern  erfordert  genaues  Eingehen  in  den  ein- 

eeinen Fall     ..."    (Eingehen  auf  etwas.) 

I.  ..mehr  weniger"  statt  „mehr  oder  weniger"  findet  man 
sehr  hĂ€ufig.  'UnbegrĂŒndetes,  ja  ganz  fehlerhaftes  Knausern  mit 
Worten.) 

5.  „Man  sollte  deshalb  den  Exartikulationsstumpf  und  den 
vorzĂŒglichen  epiphysĂ€ren  Stumpf,  unseres  Erachtens  nach,  nicht 
ĂŒber  Bord  werfen."  (Nach  regiert  immer  noch  den  Dativ!  Etwas 
abgeschmackt  ist  die  Verwendung  des  Gleichnisses  an  -  dieser 
Stelle,  das  uns  zwingt,  amputierte  Gliedmaßen  durch  die  Luft 
fliegen  zu  sehen;  ein  Zeichen,  daß  der  Ausdruck  seine  bildhafte 
Kraft  infolge  unklaren  SprachgefĂŒhls  fĂŒr  den  Verfasser  einge- 
bĂŒĂŸt  hat.) 

6.  „-Wendet  man  die  vorhandenen  Mittel  richtig  an,  so  ist 
der  Erfolg  bei  der  Plattfußbehandlung  eigentlich  immer  ein  sehr 
guter,  und  diese  Patienten  gehören  zu  den  dankbarsten  unseres 
Faches."  (Worauf  bezieht  sich  „diese  Patienten"?  Doch  nur 
auf  „Plattfußbehandlung",  was  stilistisch  unmöglich  ist.) 

.  7.  „Mit  diesem  Punkte,  die  Herabsetzung  des  Blutverlustes 
nach  Lösung  des  Schlauches  betreffend,  beginnt  oder  schließt 
sich  an  meine  Methode  "  (?) 

8.  „Ist  die  Knickfußstellung  sehr  hochgradig,  so  kann  man 
gleichzeitig  durch  Erhöhung  des  Absatzes  an  der  Innenseite  und 
der  Sohle  ebenfalls  an  der  Innenseite  die  Knickfußstellung  noch 
mehr  korrigieren."  (Der  Satz  hÀtte  deutsch  zu  lauten:  Wo  die 
Knickfußstellung  sehr  hochgradig  ist,  kann  sie  durch  gleichzeitige 
Erhöhung  des  Absatzes  und  der  Schuhsohle  an  ihren  Innenseiten 
noch  mehr  korrigiert  werden.) 

9.  „WĂ€hrend  sich  die  funktionelle  Behandlung  von  Störun- 
gen der  Bewegungen  an  der  unteren  ExtremitĂ€t  in  RĂŒcksicht  auf 
deren  Doppelfunktion  der  Gleichgewichtserhaltung  des  Körpers 
beim  Stehen  und  der  Fortbewegung  desselben  auf  den  mehr  oder 
weniger  stereotypen  Vorgang  des  Gehaktes  beschrÀnken  kann, 
sind  der  Wiedererlangung  der  Fertigkeitsbewegungen  an  der 
Hand  weitaus  kompliziertere  Probleme  erwachsen."  (Gramma- 
tisch richtig,  aber  verwirrende  und  schwerfÀllige  Fassung;  Auf- 
teilung in  zwei  getrennte  SĂ€tze  schafft  Klarheit.) 

10.  „Wir  haben  nicht  den  Boden  der  pathologischen  Anatomie 
verlassen,  aber  der  reine  lokalistische  Standpunkt  in  der  Medizin 
beherrscht  uns  nicht  mehr  allein  und  so  ist  aus  der  rein  symp- 
tomatologischen  Betrachtungsweise  der  Hypokratiker  ĂŒber  den 
nnatomisch-lokalistischen  Standpunkt  hinaus  die  symptomatisch 
funktionelle  Betrachtungsweise  entstanden,  die  man  kurzerhand 
auch  die  Konstitutionselle  oder  Konstitutionalismus  nennen 
kann."  (Ich  wage  nicht,  den  Eindruck  dieser  Zeilen  kurzerhand 
zu  benennen.) 

Die  Beispiele  sind  in  keiner  Hinsicht  kraß.  Sie  lassen 
sich  beliebig  vermehren.  Sie  sollen  nur  helfen,  die  Verbrei- 
tung des  Uebels  nachzuweisen  und  zu  zeigen,  wie  hĂ€ĂŸlich 
eine  Unachtsamkeit  wirken  kann,  wenn  wir  sie  aus  ihrer 
Umgebung  herausheben.  Dadurch,  daß  sie  in  ihrer  Um- 
gebung der  Aufmerksamkeit  des  beschÀftigten  Lesers  ent- 
gleitet, wird  sie  nicht  besser.  Stets  zeugt  sie  von  einer  starken 
GleichgĂŒltigkeit  gegen  die  Schönheit  und  die  Richtigkeit  der 
Sprache. 

Man  hört  den  Einwurf,  Form  sei  Nebensache,  Inhalt 
alles;  Stil  zu  besitzen,  sei  Vorrecht  der  Kunst.  Dieser  Ein- 
wurf entspringt  einem  falschen  Begriff  vom  Wesen  des  Stils. 
Stil  hat,  wer  klar  sehreibt;  klar  schreibt  nur,  wer  klar  denkt. 

Ich  glaube,  daß  es  den  meisten  Menschen  möglich  sein 
sollte,  einfache  Gedanken  klar  zu  fassen.  Ueber  die  Schran- 
ken seines  Denkens  hinaus  kann  keiner;  wer  Unverstandenes 
wiederzugeben  versucht,  redet  Wust  und  Phrase.   Je  schÀrfer 


sein  Verstand  dagegen  ein  Problem  zu  erfassen  trachtet, 
desto  deutlicher  formen  sich  aus  der  anfÀnglich  ungegliedei 
ten  Masse  dumpfen  GefĂŒhls  die  Begriffe  und  SchlĂŒsse,  die 
durch  die  Sprache  zum  Leben  geboren  werden.  Jede  Sprache 
verfĂŒgt  nur  ĂŒber  einen  zahlenmĂ€ĂŸig  beschrĂ€nkten  Wort- 
schatz; die  Schattierungen  der  Gedanken  aber  verlangen 
nach  einer  Unendlichkeit  von  Worten;  daher  bedeutet  diese 
Geburt  ein  Kompromiß.  Je  klarer  eine  Idee  begriffen  wird, 
desto  eifriger  sucht  der  Geist  nach  Wort  und  Satzbildung, 
die  sich  mit  ihr  möglichst  genau  decken.  Eine  gewisse  In- 
kongruenz wird  fast  immer  bestehen  bleiben.  (Goethe  spiel I 
darauf  an,  wenn  er  schreibt:  „Sobald  man  spricht,  beginnt 
man  schon  zu  irren".)  Wir  haben  die  Pflicht,  diese  Inkon- 
gruenz so  geringfĂŒgig  als  möglich  zu  machen.  Die  Sprache 
hat  uns  zu  diesem  Zweck  Regeln  gegeben,  die  wir  nicht  un- 
gestraft vernachlÀssigen.  Unscheinbare  syntaktische  Form- 
verÀnderungen .vermögen  einem  Ausdruck  andere  Wertig- 
keit zu  geben,  wie  durch  Verschiebung  eines  halben  Tones 
der  Durakkord  in  Moll  sich  wandelt. 

Wenn  ich  jetzt  eine  Definition  aufschreibe,  so  wird  man 
mich  verstehen.  Stil  heiße  ich  die  Fassung 
eines  klaren  Gedankens  in  eindeutige 
Form. 

Stil  ist  dem  klaren  Gedanken  angeboren;  nackt  und 
bloß  vermag  er  sein  Dasein  zu  fristen;  manch  einer  schmĂŒckt 
ihn  mit  buntem  MĂ€ntelchen,  doch  darf  er  nicht  vergessen, 
daß  ein  MĂ€ntelchen  verhĂŒllen  oder  verstellen  könnte.  Die 
am  meisten  zu  sagen  hatten,  pflegten  einfach  zu  schreiben. 
Bezeichnend  und  lehrreich  zugleich  ist  die  Tatsache,  daß 
wir  den  medizinischen  Schriften  mit  bleibendem  Inhaltswert 
guten  Stil  nachrĂŒhmen.  Jeder  große  Geist  verstand  und 
liebte  es,  seine  Gedanken  in  gutem  KostĂŒm  spazieren  zu 
fĂŒhren.  Ein  König  lebt  nur  im  MĂ€rchen  in  Lumpen.  Das 
Bewußtsein,  einfacher  BĂŒrger  zu  sein,  entschuldigt  nicht  die 
ungepflegte  Kleidung. 

NachlĂ€ssig  oder  schwĂŒlstig  geschriebene  AufsĂ€tze  wer- 
den ohne  Lust  und  darum  unaufmerksam  gelesen;  inein- 
andergeschachtelte SĂ€tze  ĂŒberhuscht  das  lesende  Auge,  ohne 
sich  des  Zusammenhangs  bewrußt  zu  werden;  ungeschickte 
oder  gesuchte  Vergleiche  und  Bilder  leiten  den  Verstand  auf 
falsche  Wege  oder  erheitern  ihn  bestenfalls  auf  Kosten  des 
Ernstes,  den  der  Schreiber  seinen  Zeilen  gewidmet  wissen 
wollte.  Umgekehrt  fesselt  jede  noch  so  einfache  Arbeit, 
wenn  sie  in  klaren  Worten  die  Gedankenfolge  des  Verfassers 
wiedergibt.  Die  Forderung,  daß  auch  der  Wissenschaftler 
sich  eines  guten  Stiles  befleißige,  wĂ€chst  von  selbst  aus  dem 
Wesen  des  „Stils".  Indem  ich  einige  der  Ursachen  aufdecke, 
die  eine  ErfĂŒllung  dieser  Forderung  erschweren,  hoffe  ich 
Wege  zu  finden,  die  dem  Ziele  entgegenfĂŒhren. 

II. 

Sicher  ist  das  gesteigerte  Tempo  des  modernen  Arbeitens 
ein  Grund  fĂŒr  die  VernachlĂ€ssigung  der  Schreibart;  wenn 
man  die  ungeheure  Arbeitsleistung  fĂŒhrender,  auch  heute 
noch  lebender  Geister  betrachtet,  wird  man  ihn  nicht  als 
stichhaltige  Entschuldigung  anerkennen  können. 

VielfÀltigkeit  und  Zersplitterung  der  einzelnen  Wissens- 
zweige erweitern  mehr  und  mehr  das  Gebiet  Àrztlichen  Stu- 
diums. Der  Student  ist  nicht  mehr  imstande,  gute  BĂŒcher 
durchzulesen  und  sich  mit  Sorgfalt  in  ihre  LektĂŒre  zu  ver- 
tiefen. Er  greift  sich  die  Tatsachen  stĂŒckweise  heraus  odei 
bezieht  seine  Kenntnisse  aus  Kompendien,  deren  Telegramm- 
stil sein  FormgefĂŒhl  nicht  entwickelt.  Eben  so  wenig  sind 
die  ihrem  Zwecke  allerdings  angepaßten  Krankengeschichten 
geeignet,  seine  Schreibart  gĂŒnstig  zu  beeinflussen.  Der  an- 
gehende Arzt  gewöhnt  sich  eine  gewisse  Schablone  an,  die 
er  vielleicht  mit  wissenschaftlichem  Stil  verwechselt,  die 
aber  gute  Dienste  nur  da  leistet,  wo  es  gilt,  in  Form  kurzer 
Xotizen  Erinnerungsbilder  festzuhalten. 

Einen  weiteren  Grund  glaube  ich  in  der  Vervollkomm- 
nung der  Illustrationstechnik  gefunden  zu  haben.  Der  große 
und  erfreuliche  Fortschritt  bringt  den  Nachteil  mit  sich,  daß 


Debrunncr:  Vom  Stil 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


sorgfĂ€ltige  und  ĂŒberzeugende  Beschreibungen  ĂŒberflĂŒssig, 
zum  mindesten  erleichtert  werden.  Mancher  Verfasser  lĂ€ĂŸl 
sich  verleiten,  diese  Beschreibungen  zu  geben,  ohne  sich  die 
MĂŒhe  zu  nehmen,  sie  bildhaft  zu  gestalten. 

Im  Grunde  genommen  sind  diese  Tatsachen  nur  Er- 
scheinungen des  Zeitgeistes,  der  die  OberflÀche  liebt  und 
sich  bemĂŒht,  in  gieriger  Hast  sie  allseitig  zu  durchqueren. 
FĂŒr  die  meisten  der  Schule  entwachsenen  Menschen  wird  die 
Tagespresse  zum  Lehrer  ihrer  Schriftsprache.  Ihre  Elaborate 
sind  selten  geeignet,  als  gute  Beispiele  wirksam  zu  sein.  Es 
liegt  im  Wesen  der  anonymen  Zeitungsschreiberei,  das  Ver- 
antwortlichkeitsgefĂŒhl des  unsichtbaren  Verfassers  zu  zer- 
rĂŒtten. Sobald  es  einmal  gelockert,  wird  auch  die  Form 
zersprengt.  Erzeugnisse  gewissenlosen  Ehrgeizes  und  form- 
blinden Eifers  fĂŒllen  Spalten  und  tragen  schlechte  Schreib- 
sitten in  die  Masse.  Mit  um  so  stĂ€rkerem  Pflichtbewußtsein 
muß  die  auf  die  Schrift  angewiesene  Wissenschaft  fĂŒr  die 
Reinheit  und  die  kristallene  Klarheit  der  Sprache  eintreten. 

III. 

Die  Kritik  ist  der  Diagnosestellung  vergleichbar.  Wir 
wollen  Prophylaxe  und  Therapie  treiben.  Einige  Regeln, 
denen  jeder  Leser  andere  anfĂŒgen  wird,  finden  hier  ihren 
passenden  Platz. 

Der  erste  Grundsatz  klingt  selbstverstÀndlich;  trotzdem 
wird  er  hĂ€ufig  genug  außer  acht  gelassen.  Er  möge  lauten: 
Erst  schreiben,  wenn  das  Thema  bis  ins  Einzelne  ĂŒberdacht 
wurde.  Ich  denke  dabei  an  Folgendes:  Aneinandergereihte 
Notizen  ergeben  keinen  Aufsatz;  die  AusfĂŒhrungen  bedĂŒrfen 
eines  logischen  Zusammenhanges,  dessen  Herstellung  durch 
ein  vorbereitendes  Schema  wesentlich  erleichtert  wird.  Auf 
diese  Weise  lĂ€ĂŸt  sich  das  Thema  nacheinander  von  ver- 
schiedensten Gesichtspunkten  aus  untersuchen  und  betrat  Il- 
ten, bis  es  sich  dem  Auge  als  allseitig  geklÀrtes  Ganzes 
gleichsam  durchsichtig  darstellt.  Dieses  Schema  wird 
sich  oft  an  die  Reihenfolge  der  ursprĂŒnglichen  gedank- 
lichen Entwicklung  halten  können;  oft  werden  wir  es  Àndern 
mĂŒssen,  um  dem  Leser  die  unnötigen  Irrwege  zu  ersparen, 
die  der  wissenschaftliche  Inhalt  bis  zu  seiner  endgĂŒltigen 
Formulierung  durchlaufen  hatte.  Wir  behĂŒten  ihn  vor  der 
EnttÀuschung,  die  den  Wanderer  ergreift,  wenn  er  nach 
mĂŒhseligem  Marsche  durch  GestrĂŒpp  und  Oede  auf  einem 
HĂŒgelchen  anlangt,  das  ihm  kaum  einen  klĂ€glichen  Rund- 
blick gewÀhrt.  Unwichtiges  fasse  man  kurz,  Wichtiges  soll 
selbst  auf  Kosten  der  KĂŒrze  verstĂ€ndlich  und  zwingend 
dargestellt  werden. 

Zeitmangel  ist  eine  weitere  Ursache  stilistischer  Fehler: 
er  verscheucht  die  Lust  an  der  Produktion  und  erzeugt  Un- 
aufmerksamkeit und  Zerstreutheit  beim  Schreibenden.  Wem 
nicht  die  Muße  einiger  Stunden  winkt,  der  sollte  die  Feder 
nicht  zur  Hand  nehmen.  HĂ€ufige  Unterbrechungen  zeigen 
sich  in  der  sprunghaften  Entwicklung  des  Aufsatzes. 

Der  vielbeschÀftigte  Arzt  bedient  sich  des  Diktats.  Das 
Diktat  hat  den  „Stil"  des  Kaufmanns  auf  den  jetzigen  Tief- 
stand gebracht;  es  wird  kaum  imstande  sein,  den  des 
Wissenschaftlers  zu  heben.  Vielleicht  lĂ€ĂŸt  sich  bei  manchem 
durch  Ucbung  der  Grad  der  Konzentration  erreichen,  welcher 
erlaubt,  ein  Bild  des  Diktates  im  Kopfe  zu  erzeugen  und  von 
der  Anschauung  des  geschriebenen  Textes  loszukommen. 
Oh  es  aller  einem  Werke  zum  Vorteil  gereicht,  es  wÀhrend 
der  Erledigung  seiner  Postsachen  von  dritter  Hand  tippen 
zu  hissen,  scheint  mir  mehr  als  fraglich. 

Keine  Arbeit  darf  zum  Druck  gehen,  bevor  sie  nach 
einigen  Wochen  Lagerns  einer  erneuten  PrĂŒfung  unterzogen 
wurde.  Wie  der  Most  in  der  Stille,  vermag  sie  in  der 
Schreibtischlade  sich  zu  klÀren.  Ausgeruht  und  unvorein- 
genommen nimmt  sich  nach  dieser  Frist  das  Gehirn  ihrer 
an.  Sie  wirkt  nicht  mehr  unmittelbar  als  vertrautes  Eigen- 
produkt. MißverstĂ€ndliche  Stellen  werden  erkannt:  wo  zu 
wenig  geboten  wurde,  weil  die  eigene  fris.he  Erinnerimg  im 
Wege  gestanden,  kann  man  zusetzen:  FĂŒllsel  und  Wieder- 


holungen lassen  sich  streichen.  Es  lohnt  sich  meist,  den 
Aufsatz  von  A  bis  Z  neu  zu  schreiben,  da  man  erst  jetzt  — 
vom  Zwange  der  Gedanken  befreit  —  seine  Aufmerksamkeit 
der  Diktion  zuwenden  kann.  Aus  gleichen  GrĂŒnden  ist  das 
Lesen  der  Korrekturen  eine  ernste  Angelegenheit,  bietet  sie 
doch  die  letzte  Möglichkeit,  gewissenhaft  sich  selbst  zu  ver- 
bessern. 

Oft  vermag  ein  glĂŒcklich  gewĂ€hltes  Bild  eine  schwer 
verstÀndliche  Situation  mit  einem  Schlage  zu  beleuchten. 
Wem  die  Phantasie  ihre  FlĂŒgel  nicht  willig  zur  VerfĂŒguni; 
stellt,  der  begnĂŒge  sich  mit  der  trockenen  Beschreibung,  die 
dem  VerstÀndnis  weiter  entgegenkommt,  als  ein  wesens- 
fremdes Gleichnis. 

In  der  Promotionsschrift  lernt  der  Arzt  zum  ersten  Male 
die  Feder  in  den  Dienst  der  Oeffentlichkeit  zu  stellen.  Es 
gibt  wenige  Lehrer,  welche  die  PrĂŒfung  der  Arbeit  auf  In- 
halt und  Form  beziehen;  statt  verdienten  Dank  nehmen  sie 
den  Vorwurf  der  Pedanterie  entgegen.  Gerade  hier  bietet 
sich  unzweifelhaft  eine  Gelegenheit,  gegen  das  Uebel  anzu- 
kĂ€mpfen. SpĂ€ter  verschwindet  der  Einfluß  einer  leitenden 
Persönlichkeit  immer  mehr.  Um  so  angenehmer  fÀllt  es 
dem  aufmerksamen  Leser  auf,  daß  manche  Zeitschriften  die 
sichtende,  formgewandte  Hand  der  Redaktion  erkennen 
lassen. 

Die  hÀufigen  Hinweise  auf  Autoren  stören  manchmal 
ohne  Not  den  Fluß  der  Gedanken.  Man  darf  einen  Aufsatz 
nicht  dermaßen  mit  fremdem  Ballast  beschweren,  daß  der 
Auftrieb  eigener  Gedanken  aufgewogen  wird.  Wenn  eine 
kasuistische  Mitteilung  oder  ein  gelegentlicher  Vorschlag 
durch  historische  Untersuchungen  eingeleitet  werden,  die 
dreimal  mehr  Raum  beanspruchen  als  die  Abhandlung 
selbst,  so  ergibt  sich  daraus  eine  lÀcherliche  Stilwidrigkeit. 
Wo  die  ErwĂ€hnung  frĂŒherer  Forscher  geboten,  da  fĂŒgt  sie 
sich  zwanglos  in  den  Text  ein  oder  findet  in  Fußnoten  Platz. 

Der  Ehrgeiz  zwingt  manchen  Autor,  jede  Nichtigkeit,  die 
ihm  durchs  Gehirn  geht,  einer  weitschweifigen  Veröffent- 
lichung fĂŒr  wert  zu  halten.  Von  vornherein  ist  anzunehmen, 
daß  sich  die  Sprache  dem  Inhalt  anpaßt,  daß  sich  um  eine 
Leere  herum  schwĂŒlstige  Worte,  gruppieren.  Niemand  wird 
die  Kleinarbeit  der  einzelnen  Biene  verachten.  Das  Summen 
der  Drohne  aber  wichtig  zu  nehmen,  kann  uns  nur  die 
Drohne  selbst  zumuten. 

Klarer  Text  muß  sich  im  modernen  medizinischen  Buche 
mit  gutem  Bilde  vereinigen.  Auch  das  wissenschaftliche 
Bild  hat  seinen  Stil:  er  heißt  Anschaulichkeit.  Wie  er- 
schreckend hÀufig  schlechte  Illustrationen  veröffentlicht 
werden,  zeigt  jede  Fachzeitung.  Da  ihnen  stets  etwas  Per 
so  1  liebes  anhaftet,  sollte  man  ihrer  Auswahl  die  gleiche 
Sorgfalt  angedeihen  lassen  wie  dem  Texte. 

Ich  will  die  AusfĂŒhrungen  abschließen  mit  dem  Hinweis 
au!  den  Wert  eines  guten  Titels.  Der  Titel  ist  einem  Firmen- , 
Schild  zu  vergleichen.  Er  wirkt  um  so  besser,  je  knapper 
er  gehalten  ist.  Nicht- immer  gelingt  es  leicht,  den  dargebo 
lenen  Stoff  in  eine  kurze  und  doch  das  Wesentliche  ent- 
haltende Fassung  zu  bringen.  Man  darf  die  Schwierigkeit 
der  Aufgabe  nicht  umgehen,  indem  man  in  vielzeiligen 
Feberschriften  den  ganzen  Untersuchungsgang  vorausnimmt. 
Der  gute  Titel  benennt  das  Problem,  zeigt  gegebenenfalls  das 
Ergebnis  der  Arbeit  an,  ohne  in  schwer  VerstÀndlicher  Klau- 
sulierung  von  VorgÀngen  zu  berichten,  deren  Ablauf  erst  im 
Texte  erörtert  werden  soll. 

Auf  Einzelheiten  oder  gar  auf  Regeln  der  Syntax  und 
der  Grammatik  einzugehen,  liegt  nicht  in  der  Absicht  dieses 
Aufsatzes.  Er  wollte  in  keiner  Weise  bevormunden,  er 
wollte  nur  anregen.  Dem  Leser,  der  nach  Abhandlungen 
ĂŒber  Stil  sucht,  empfehle  ich  die  „Deutsche  Stilkunst'"  von 
Ed.  Engel  als  ein  zwar  etwas  pedantisches,  aber  durch  seine 
unzÀhligen  Musterbeispiele  bester  Prosa  hervorragendes 
Werk.  Köstlich  und  lehrreich  zugleich  ist  Schopcnhauei  s 
Aufsatz  „Ueber  Schriftstellern  und  Stil"  (Parer^a  u.  I'araÜ- 
pomena  Kap.  XXIIIV  1 


10.  Jahrg. —  Nr.  2. 


Referate 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Berlin. 

8.  Dezember  1921,  Nr.  49. 

Virchows  Reutheorie  und  heutige  experimentelle  Gcschwulstforschung. 
F  i  b  i  g  e  r.  1181. 

Zum  Problem  der  Resistenz  der  SyphilisspirochÀten  und  der  Krankheitserreger 
ĂŒberhaupt.    Z  i  e  m  a  n  n.  1183. 

Aufhebung  der  ReaktionsfÀhigkeit  luiischcr  Sera  durch  FormaJdehyd. 
D  O  1  d.  1185. 

Eine  neue  Flockungsreaktion   bei   Syphilis.     Hecht.  1187. 

W  elchen  RĂŒckschluß  gestattet  die  Restetickstoffbestiiiuming  des  Blutes  auf  die 

tatsÀchliche   Stickstoffretontion    im   Körper?     R  o  s  o  n  h  e  r  g.  1188. 
l'ebcir      intrakardiale      Adrenalininjektion      bei      akuter  HerzlÀhmung. 

X  n  e  i  e  r,  1190. 

<(â–ș  Anatomische  und  technische  PrĂ€gen  zur  intrakardialen  Injektion. 
Vogt.  1491. 

Zur  Technik  der  iditralumbalen  Lufteinblasung,  insbesondere  »um  Zwecke 
der  „Enzephalograpbie"'.    Biiigcl.  1192. 

Zur  Frage  des  Ersatzes  von  Blutverlusten  durch  Gummi-Kochsalzlösungen. 
K  ii  1  z.  1193. 

Diagnostische   I/eitungsanÀsthesie.     Scholl.  1494. 

Teilexzision  des  Nagels  bei  Paronychie  .am  Nagelgrund.    H  i  n  t  z  e.  1494, 
Zur    Biologie    der    Haut.     Gans.  1195. 
❖  Kein   Karbol paraffin  statt   Karbolglyzerin.     B  o  e  u  n  i  n  g  b  a  u  s.  H97. 
UnzuverlÀssige   Fieberthermometer.     K  r  i  t  z  1  e  r.  1497. 

Anatomische  und  technische  Fragen  zur  intrakardialen  In- 
jektion: Die  Methode  ist  keinesfalls  technisch  schwierig  oder  un- 
sicher, wie  unrichtigerweise  mehrfach  angenommen  wird.  Auch 
fĂŒr  die  Praxis  sehr  wertvoll.  Desinfektion:  Jod.  Ort  der  In- 
jektion: am  besten  4.  linker  Interkostalraum  unmittelbar  am 
Brustbein,  EinfĂŒhrung  der  6 — 10  cm  langen  dĂŒnnen  Nadel  bis  zum 
hinteren  Brustbeinrand,  dann  geringe  Neigung  der  Nadel  median- 
wĂ€rts  und  dann  in  die  Tiefe  3%—  5  ccm.  Vorher  Blut  ansaugen, 
dann  langsame  Injektion  (1  ccm  Adrenalin).  Bewegung  der  Nadel 
(Herzkontraktion)  prognostisch  gĂŒnstiges  Zeichen.  Auch  beim 
Neugeborenen  (einige  Tropfen  einer  1  °/oo  Adrenalinlösung  auf 
1  ccm  physiologische  Cl  Na-Lösung);  Punktionsstellen  scharf  im 
medialen  Winkel  des  4.  1.  I.-R.  Zeitliche  Indikation  3 — 5  Minuten 
nach  dem  primÀren  oder  sekundÀren  Herzstillstand. 

Kein  Karbolparaffin  statt  Karbolglyzerin,  weil  sich  Karbol 
im  ersteren  nicht  löst,  und  es  wie  ein  Fall  beweist,  zu  schweren 
Verbrennungen  im  Ohr  kommen  kann.  V.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

15.  Dezember  1921,  Nr.  50. 

Zur  Lehre  vom  Aktionstrom.    Kraus    und  Z  o  n  d  e  c  k.  1513. 
‱H  eber  ITerzsehmerzeri.    A.  H  o  f  f  m  a  n  n.  1514. 

Ein  „hĂ€matologischcs  Besteck  fĂŒr  die  Praxis"  mit  einigen  Neuerungen  fĂŒr 

einfache  Blutuntersuchung.    Schilling.  1517. 
HĂ€moklastischc  Krise.    J.  Baue  r.  1519. 

l'ntersuchungen  ĂŒber  das  Wesen  der  Vagus-  und  Sympathionswirkung. 
Zonleck.  1520. 

❖l'eber  die  Wirkung  intravenöser  Traubenzuekerinjektionen  auf  die  Haut  und 
ihre  Erkrankungen.    S  c  h  o  1 1  z  und  Richter.  1512. 

Lieber  die  Erhöbung  der  spirilloziden  Wirkung  des  Salvarsans  in  Verbin 
dung  mit  Traubenzucker.    S  t  e  i  n  b  e  r  g.  1523. 

Camphochol   ein   neue«   KampferprÀpart.    T  a  s  c  h  e  n  b  e  r  g.  1524. 

GesundheitsschÀdliche  Stempelfarben.    B  o  r  i  n  s  k  i.  1526. 

Eine  Aeuderung  des  Perkussioushaminers.     f.  i  s  s  a  u  e  r.  1528. 

Postoperative  Bestrahlung  des  Karzinoms.    S  t  r  a  u  ß.  1529. 

Herzschmerzen:  In  erster  Linie  in  der  Muskulatur  des  Thorax 
hei  Gichtikern  an  den  RippenansÀtzen,  auch  bei  Muskelrheuma- 
tismus in  der  Interkostalmuskulatur,  bei  genauerem  Zusehen  auch 
entfernter  in  der  Muskulatur  der  Gliedmaßen.  Dann  Neuralgien 
der  Zwischenrippennerven,  bei  GĂŒrtelrosen  durch  den  Ausschlag 
leicht  zu  erkennen.  Gewöhnlich,  wenn  kein  Ausschlag,  weiter- 
reichend bis  zu  den  Achselhöhlen  hinein  und  den  Wirbelkörpern. 
ErkĂ€ltungen,  Druck  auf  Nerven  oder  Ganglien  durch  GeschwĂŒlste 
karzinomatöser  tuberkulöser  Natur,  Wirbelerkrankungen.  Dann 
bei  konstitutionellen  Erkrankungen,  Diabetes,  Gicht.  Endlich  u.  U. 
durch  die  GĂŒrtelschmerzen  der  Tabiker  vorgetĂ€uscht.  Ferner  bei 
Erkrankungen  der  Rippen,  ihrer  Knochenhaut  (tbc),  des  Rippen- 
fells (ReibegerÀusche),  bei  Perikarditis  sekundÀr  nach  und  u.  U. 
gleichzeitig  mit  Angina,  akutem  Gelenkrheumatismus,  Tuberkulose 
Charakteristisches  ReibegerĂ€usch.  Endo-Myokarditis  machen  fĂŒr 
gewöhnlich  keine  Schmerzen.  Mediastinalerkrankungen:  DrĂŒsen 
Schwellungen.    Tumoren,   relromediastinale   Abszesse   (Tbc.  der 


Wirbelkörper).  Endlich  von  den  l  nterlcibsorgancn  atisgehend 
infolge  Ilochdrangung  des  Zwerchfells,  vom  Magen  (Luft)  od« 
Dickdarm  ausgehend.  AngstgefĂŒhl. 

Es  gibt  alter  auch  schmerzhafte  Beschwerden  im  Herzen 
selbst,  organischer  oder  funktioneller  Natur;  hierher  gehört  die 
Lues  der  Aorta  und  die  Arteriosklerose  der  Kranzarterien.  Auch 
die  Insuffizienz  der  Aortenklappen.  Genese  der  Schmerzen  nicht 
klar.  Bei  Lues  als  erstes  Symptom  oft  andauernder  schmerz 
harter  Druck  unter  dem  oberen  Teil  des  Brustbeins.  Ott  auch 
Yn  fĂŒlle  nach  Bewegungen,  psychischen  Erregungen,  Ver- 
dauungsstörungen mit  AngstgefĂŒhl.  Prognosen  infaust,  oft  letaler 
\usgang  im  Anfall.  Schließlich  sind  fĂŒr  solche  Herzschmerzen 
auch  ĂŒbermĂ€ĂŸiger  Tabakgenuß,  starke  KĂ€ltereize  und  Psycbo- 
neurosen  verantwortlich.  Behandlung:  intravenös  Traubenzucker 
lösung  nach  BĂŒdingen,  Prophylaxe:  Meiden  von  Alkohol,  Tabak. 
Hochgebirge,  SeebÀder. 

Wirkung  intravenöser  Traubenzuckerinjektionen  auf  die  Haut 
und  ihre  Erkrankungen.  Praktisch  brauchbar  bei  frischen 
Ekzemen,  Dermatitiden  auch  toxischer  Art,  die  sich  unter  lokaler 
Behandlung  nicht  rasch  zurĂŒckbilden,  sowie  bei  zu  weiterer  und 
entfernterer  Ausbreitung  neigenden  Ekzemen,  aber  nie  ohne  lokale 
Behandlung.  Ferner  bei  Strophulus,  Prurigo,  Pruritus.  Erregung 
eines  FlĂŒssigkeitsslroms  von  den  Geweben  nach  den  GefĂ€ĂŸen,  der 
therapeutisch  auszunĂŒtzen.  Es  tritt  auch  eine  Reizwirkung  bakte- 
riellen Krankheitsherden  gegenĂŒber  ein,  die  zu  Provakations-  und 
Heilzwecken  verwandt  werden  kann.  Technik:  einfach  mit  den 
vorrĂ€tigen  25-  und  50  % -Lösungen  „Merck"  in  1 — 2  Wochen  4  bis 
8  Injektionen  von  16 — 30  ccm  der  50  %-Lösung.      v.  Schnitzer 

MĂŒnchener  Medizinische  Wochenschrift. 

9.  Dezember  1921,  Nr.  49. 

Endemischer   Favus   und   BekÀmpfungsmaUnahmen.     S  C  h  ö  n  f  e  I  d.  1575. 
Hormonale      Sterilisierung     des      weiblichen       Tierkörpers.        II  a  b  e  r 
1  a  n  d.  1577. 

Verbreitung  der  Rachitis  1914  bis  1021.    H  i  1  g  e  r  s.  1578. 

Einzeilige  Sachs-Georgi-Meinecke-Keaktion.     Stern.  1680. 

Blutuntersuchungen  bei  Verdacht  auf  Blcierkrankungen.    Seiffert.  15S0. 
❖Therapie    pnstdysenterrseher    Darmsitörungen.     Werl  e.  1581. 

Extnapleuraile  Plombierung  bei  Lungentbc.    B  a  c  r.  1582. 

Gleichzeitig  desinfizierende  und  adstringierende  Mischung.    E  b  1  e  r.  i.':8;>. 

Lokale  Reaktion««  auf  intrakutane  Aolaninjektion.*  G  a  m  n  i  t  z.  1585. 
❖Trypaflavinwirkung   bei    Erkrankungen    der    Mund-    und  Rachenhöhle,  be- 
sonders bei  Soor.    Maie  r.  1580. 

Benutzung  von  Schlingen   und   (.inten     in     der     praktischen  Geburtshilfe. 
L  i  e  p  m  a  n  n.  1586. 

Professionelle   muskulöse  TrapeziuslÀbmuug.     Schmitt.  1588. 

Ergebnisse   der   Schfutzpookenimpfung   in    Bayern   1920.     G  r  o  k.  1588. 

KĂŒnstliche    Virulenz   und   Chemie.     Bach  mann.  1589. 

Beseitigung  dnr  durch   Palpation   des    Abdomens  ausgelösten  Bauehdeckeu- 
kontraktionen.    K  c  1  1  i  n  g.  1590. 
❖  Pfriemenschwanz.     N  o  r  d  h  o  f.  1590. 

Pneumothoraxbehandlung.    X  e  u  m  a  y  e  r.  1590. 

Beitrag  zur  Therapie  postdysenterischer  Darmstörungen. 
Krankengeschichte  eines  schweren  Ruhrfalles,  bei  dem  die  Nach- 
störungen,  die  ĂŒber  4  Monate  der  ĂŒblichen  Behandlung  mit  Tannin- 
Ii  rĂ€paraten  usw.  getrotzt  hatten,  durch  Behandlung  mit  „Mutaflor" 
in  2—3  Wochen  geheilt  wurden.  Ein  RĂŒckfall  ist  seitdem  (2J/. 
Jahre)  nicht  aufgetreten. 

TJcber  Trypaflavinwirkung  bei  Erkrankungen  der  Mund-  und 
Rachenhöhle,  besonders  bei  Soor.  Verf.  berichtet  ĂŒber  ausge- 
zeichnete Erfolge  bei  den  im  Titel  angefĂŒhrten  Erkrankungen.  An- 
wendungsweise: Auspinseln  mit  1%  (SÀuglinge:  lA  %)  Lösung 
oder  Spray.  Gurgeln  mit  40  Tropfen  1%  Lösung  auf  Vi  1  Wasser. 

Der  Pfriemenschwanz.  Verl',  empfiehlt  folgende  Therapie 
gegen  Oxyuris:  Vollbad  und  grĂŒndliches  Abseifen  des  ganzen 
Körpers  und  besonders  des  Afters  und  der  FingernÀgel;  sodann 
graue  Salbe  an  die  At'leröffnung  und  Wattebausch  davor.  Nach 
jeder  DefĂ€kation  grĂŒndliche  Afterreinigung  mit  Wasser  und  Seife 
und  Erneuerung  der  Salbenvorlage.  Da  die  Zeitdauer  vom  Augen- 
blick, wo  das  Ei  in  den  Mund  kommt  bis  zum  Erscheinen  des 
Weibchens  am  After  14  Tage  betrĂ€gt,  muß  die  Kurdauer  etwas 
ĂŒber  14  Tage  betragen  Mit  dieser  einfachen  Kur  sah  Verl  nie 
mals  einen  Versager. 

F.  Loewenhar  dt  (Charloltenburg-Westend 


44  Aus  den   neuesten  Zeitschriften  40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


MĂŒnchener  medizin.  Wochenschrift. 

1(1.  Dezember  1921,  Nr.  50. 

Kpithrlkörpervorpf'anzung  bei  postoperabiver  Titanic.     H  o  c  C  Ii  6  r  s.  1009. 
❖  Intravenöse  KieselsĂ€ureinjektionen  bei  Arteriosklerose    u.  a.    K  ii  Ii  n.  1612. 
Reizbestrahlung  von  Milz  und  Leber.    Partsch.  161.3. 

Sedative  Therapie  btyphösor    Erkrankungen,    insbes.    Flecktyphus.    H  aus- 
mann.  1615. 

Verhalten   des   Blutes    im    Hochgebirge.     F  r  e  n  k  e  1    T  i  s  s  o  t.  1616. 

Röntgenologischer      Beitrag      zur  .    Kenntnis      d.      Tbc,,      der  Lungen. 
Kacstl  te  1617. 

Weichstrahlaufnahmen.     Zacher.  1619. 
Festsitzender  Kopfhaubenverband.     G  o  e  t  z  e.  1621. 
Behandlung  der  HyperaziditÀt  mit  Neutra.lon.     v.   P  r  i  e  d  r  i  c  h.  1621. 
Stalapnometrischer        Quotient        zur        Differentialdiagnose.  Sche- 
rn c  n  s  k  y.  1622. 
Schmerzlose    Enthindung.     F  1  ö  e  1.  1623. 
Mitralinsuffizenz.     Herzog.  1623. 

Blasenverletzung    durch    PfÀhlung.     S  c  h  rode  r.  1624. 
Kombination  von  Variolois  und  Lues  latens.    H  i  1  1  e  n  b  e  r  g.  1624. 
Operative  Behandlung  der  Skoliose,    v.  F  i  n  e  k.  1625. 
Aortenkompressorium.    Hoffmann.  1625. 

TJeber  die  Wirkung  intravenöser  KieselsÀureinjektionen  bei 
Arteriosklerose,  Stenokardie  und  verwandten  ZustÀnden.  Verf. 
behandelt,  ausgehend  von  dem  Gedanken,  daß  im  Alter  der  Kiesel 
SÀuregehalt  des  Körpers  schwindet  (als  wahrscheinlich  erste 
AltersverÀnderung  der  Bindegewebsgrundsubstanz),  die  im  Titel 
angefĂŒhrten  ZustĂ€nde  mit  Injektionskur  von  Nalriumsilikal 
(Merck).  10—12  Spritzen  1  %  alle  3  Tage,  dann  3—4  Wochen 
Pause  und  eventuell  Wiederholung  der  Kur.  Bericht  ĂŒber  sehr 
gute  Erfolge. 

F.  Loewenhardl  (Charl. -Westend  . 


Medicinische  Klinik. 

20.  Nov.  1921,  17,  Nr.  47. 

Die   Ti  aeheotonĂŒe.     I'  e  1  s  -  L  e  u  s  d  e  n.  1405. 

Art  und  IndividualitĂ€t.    R  o  s  e  in  a  n  n  .  R.    1408.    (Schluß  aus  Nr.  46.) 
l'eber  parenterale  Resorption  körperlicher  Elemente  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr 

Physiologie  und  Pathologie.    Ziegler.  Kurt.  1410. 
»❖Ueber    den    sogenannten    Circulus    vitiosus    nach  Gastrocnteioanastomosc. 

Blond.    Kasper.  1412. 
Zur  Kenntnis    der    akuten    Snlvarsaunebemvirkungen.     Glaser.    K.  und 

Langer,    E.  1415. 
❖TMphtheriebazillen   im   Auswurf.     Singer.   Ernst.  1416. 
Klinische    Erfahrungen    mit    Purostrophan    (kristallisiertes    g-Strophantin  i. 

Samolewitz.    Ernst.  1417. 
Bemerkungen  zur  Arbeit  von  R.  S  c  h  m  i  d  t  :  Zur  Kenntnis  der  U-Röhrchen- 

blutprohe  und  ihrer  Verwendbarkeit.    P  o  s  s  e  1  t.  1417. 
Schlußwort.    Schmidt.   R.  1417. 
❖  Hinweise   auf   das   Wesen   von    Brustkrebsen.     M  e  r  k  .    Ludwig.  1418. 
Geburtshilfe  der  Unfallstation.    Runge.  Ernst.  1422. 

Ueber  den  sogenannten  Circulus  vitiosus  nach  Gastroentero- 
anastomose.  Nach  Anlegung  einer  hinteren  Gastroenterostomose 
wegen  eines  perforierten  Ulcus  ventriculi  stellte  sich  unstillbares 
Erbrechen  ein,  derart,  daß  nach  4  Tagen  eine  nochmalige,  dies- 
mal vordere  Gastroenterostomie  erforderlich  wurde.  Bei  der 
Operation  zeigte  sich  nun,  daß  der  zufĂŒhrende  Schenkel  der  Je- 
junumschlinge  stark  erweitert,  der  abfĂŒhrende  vollkommen  kolla- 
biert war.  Eine  etwa  3  Wochen  spÀter  vorgenommene  Röntgen- 
durchleuchtung zeigte  noch  6  Stunden  nach  der  Kontrastmahlzeit 
etwa  noch  %  derselben  im  Magen;  die  Entleerung  erfolgte  nur 
langsam,  vorzugsweise  durch  den  Pylorus,  zum  geringen  Teil 
durch  die  Anastomose.  Nach  weiteren  4  Wochen  konnte  in  noch- 
maliger Röntgendurchleuchtung  eine  erheblich  raschere  Ent- 
leerung durch  zwei  deutlich  sichtbare  Anastomosen  beobachtet 
werden.  Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  und  eingehender 
Ueberlegungen  schließt  Verfasser,  daß  diese  Erscheinungen  Hin- 
durch Incarceration  auf  der  Basis  spastischer  Kontraktionen  zu- 
stande kommen  können.  Weitere  Beobachtungen  und  Unter- 
suchungen mittels  elektrischer  Ströme  wÀhrend  der  Operation 
lassen  Verfasser  zu  dem  Resultat  gelangen:  Der  Circulus  vitiosus 
entsteht  in  vielen,  wenn  nicht  in  allen  FĂ€llen  durch  eine  Ver- 
legung des  zufĂŒhrenden  und  des  abfĂŒhrenden  Schenkels  der  zur 
Gastroenterostomie  verwendeten  Schlinge,  welche  einerseits 
durch  spastische  Verengerung  der  Magendarmöffnung,  anderer- 
seits durch  Einziehung  der  ganzen  Schlinge  gegen  den  Magen 
bedingt  wird. 

Diphtheriebazillcn  im  Auswurf.  Bei  einer  Patientin,  die 
klinisch  das  Bild  der  IliliisdrĂŒsentuberkulose  darbot,  bei  der 
auch    das    Röntgenbild    eine   starke    Verbreiterung   des  Ililus- 


schattens  beiderseits  zeigte,  der  weit  in  das  Lungengewebe  hin- 
einragte, konnten  im  Auswurf  Diphtheriebazillen  nachgewics  n 
werden,  wÀhrend  Abstriche  von  den  Tonsillen,  dem  Nasophai -vn\ 
und  dem  Larynx  negativ  waren.  Tuberkelbazillen  wurden  im 
Sputum  nicht  gefunden.  Nach  Injektion  von  2000  I.  E.  Diphtherie- 
serum wurde  das  vorher  eitrige  Sputum  glasig  mit  wenigen 
Eiterflöckchen,  der  Husten  ließ  nach,  SchwĂ€chegefĂŒhl  und  Nacht- 
schweiße blieben  unverĂ€ndert.  Verfasser  glaubt  entgegen  an- 
deren Autoren  die  Diphtheriebazillen  nicht  als  harmlos  ansehen 
zu  dĂŒrfen,  sondern  hĂ€lt  es  fĂŒr  wahrscheinlich,  daß  sie  in  die 
Bronchial-  und  HilusdrĂŒsen  eingedrungen  sind  und  dort  ent- 
zĂŒndliche VerĂ€nderungen  hervorgerufen  haben. 

Hinweise  auf  das  Wesen  von  Brustkrebsen.  Merk  hat 
unter  besonderen  Kautelen  den  frischen  Saft  kurz  vorher  ope- 
rierter, noch  nicht  exulzerierter  Brustkrebse  und  Lymphknoten 
eingehend  untersucht  und  auf  diese  Weise  deutliche,  geschwulst- 
echte, pflanzliche  Formen  und  Stoffe  gefunden.  Darunter  fanden 
sich  —  in  mindestens  zwei  verschiedenen  FĂ€llen  gefunden  —  in 
erster  Linie  StĂ€rkekörner,  ein  gelber  Farbstoff  ■ —  Carotin  — , 
ein  grĂŒner  Farbstoff,  Bastfasern  und  schwarzbraune  Farbstoff- 
körner. Auf  die  ĂŒberaus  sorgfĂ€llige  Art  der  Identifizierung 
dieser  Befunde  kann  hier  nicht  nÀher  eingegangen  werden.  In 
seinen  an  diese  Befunde  anschließenden  ErwĂ€gungen  spricht 
Verfasser  die  Ansicht  aus,  daß  solche  Pflanzenspuren  nur  von 
Pflanzenzellen  erzeugt  werden  können,  und  daß  der  ĂŒberwiegend 
allergrĂ¶ĂŸte  Teil  des  Brustkrebsgewebes  von  einem  pflanzlichen 
Bildungsgewebe  ausgefĂŒllt  wird,  das  ,,je  nach  ZulĂ€ssigkeit  der 
eigenen  Entwicklungskraft  und  der  menschlichen  GegenkrÀfte 
sich  als  Bildungsgewebe  weiter  entwickelt".  Weitere  Unter- 
suchungen werden  vor  allem  darauf  gerichtet  sein  mĂŒssen,  zu 
erforschen,  wie  die  Freiform  der  Pflanze  aussieht,  die  im 
menschlichen  Körper  eine  derartige  Geschwulst  hervorzurufen 
imstande  ist.  Das  Verhalten  der  StÀrkekörner  wird  hierbei  weg- 
weisend sein  können.  Nach  den  bisherigen  Befunden  glaubt  Ver- 
fasser annehmen  zu  dĂŒrfen,  daß  es  sich  um  eine  Glumiflore.  eine 
windblĂŒtige  Pflanze  handeln  könnte. 

Silberma  n  n  (ChÀrlöttenburg). 

27.  November  1921,  17,  Nr.  48. 

IVe  Stirahlenbi'handlung  der  Tuberkulose.    O.  d  c  1»  G  a  m  p.  1435. 
Üeber  Hodentranspl.-mtation  beim  Menschen.    E  n  d  e  r  1  e  i  n.  1439. 
❖Ueber    scheinbare    zeitliche    VerĂ€nderungen    in    der    HĂ€ufigkeit    und  Er- 
scheinungsweise gewisser  Erkrankungen.     StrĂŒmpell.    Vdnlf.  144a 
Hie  Behandlung  der  Krampfadern  mit  Suhlimateinspritzungen  und  ihre  Er- 
folge.    Einser.  1445. 
❖Keuchhusten    bei    Erwachsenen.     S  c  h  w  e  n  k  e  n  b  e  c  Ii  e  r  .    A.  14(7. 
Mein  Kapillarmikroskop.    M  ii  1  1  e  r  .  Otfried.  1448. 

Umfrage  ĂŒber  die  Behandlung  des  septischen  Abortes.  Antworten  von 
AVinter.  Königserg:  Franz.  Berlin:  Fritz  Kermauner.  Wien;. 
Opitz    Freiburg;  S  t  o  e  e  k  e  1  .  Kiel:  K  ĂŒ  s  t  n  e  r  ,  Breslau.  14:0. 

Geber  Tatren.  Eine  einfache,  direkte  Methode  zum  Nachweis  der  Abdcihal- 
denschen    Reaktion.     Abderhalden.   Emil.  1453. 
❖Ueber  Yatren.   ein   wasserlösliches   Chinolinderivat.     Rietschel.  1452. 

Geburtshilfe  der  Unfallstaltron.    Runge.  Ernst.  14.'4. 

Ueber  scheinbare  zeitliche  VerÀnderungen  in  der  HÀufigkeit 
und  Erscheinungsweise  gewisser  Erkrankungen.  In  einem  ĂŒber- 
aus interessanten  Aufsatz  berichtet  StrĂŒmpell  ĂŒber  HĂ€ufigkeit 
und  Erscheinungsweise  einzelner  Erkrankungen  wÀhrend  seiner 
jetzigen  Leipziger  TĂ€tigkeit  im  Vergleich  zu  seiner  frĂŒheren.  Bei 
den  Infektionskrankheiten  sind  ja  Aenderungen  in  ihrer  Erschei- 
nungsweise bekannt.  Einzelne  sind  durch  Besserung  der  sani- 
tĂ€ren VerhĂ€ltnisse,  andere  durch  spezifische  Maßregeln  zu  ihrer 
BekÀmpfung  ganz  oder  teilweise  verschwunden.  Neue  Infektions- 
krankheiten sind  aufgetreten  und  teils  auf  die  biologischen  Ver- 
hÀltnisse der  Erreger  oder  auf  neue  Ausbreitungsmöglichkeiten 
zurĂŒckzufĂŒhren.  Ob  sich  auch  der  allgemeine  Charakter  der  In- 
fektionskrankheiten geÀndert  habe,  ist  schwer  7.11  beurteilen,  weil 
ja  manche  Infektionen  zu  verschiedenen  Zeiten  in  verschiedener 
Schwere  auftreten  können.  Daß  beim  Abdominaltyphus  von  vielen 
Seiten  behauptet  wird,  er  zeige  sich  heute  nicht  mehr  so  hÀufig 
unter  dem  als  typisch  beschriebenen  Bilde,  fĂŒhrt  St.  z.  T.  auf  die 
heute  feinere  Diagnostik  zurĂŒck,  die  unklare  FĂ€lle  sehr  bald 
klÀrt,  andererseits  die  Differentialdiagnose  zwischen  Typhus  und 
anderen  Krankheiten  ermöglicht.  Auffallend,  ohne  daß  er  selbst 
eine  ErklĂ€rung  dafĂŒr  finden  kann,  ist  ihm  das  seltene  Auftreten 
der  charakteristischen  TyphusstĂŒhle,  ebenso  wie  der  Darm- 
blutungen, wÀhrend  Schwerhörigkeit  und  völlige  Taubheit  hÀufiger 
zur  Beobachtung  kamen.  Die  kroupöse  Pneumonie  hat  ihr  Bild 
nicht  verÀndert;  hinzugekommen  sind  nur  die  schweren  Tn- 
fluenza-Pneumonien.  Die  septischen  Erkrankungen  zeigen  eine 
Zunahme  durch  die  feinere  Diagnostik.    Bei  den  akuten  Exan- 


‱10.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


Aus   den   neuesten   /  e  i  l  s  c  Ii  r  i  I  l  e  n 


Ihemen  ist  der  RĂŒckgang  der  HĂ€ufigkeit  der  schwe  ren  Scharlach 
nephritis  und  der  Scharlachdiphtherie  bemerkenswert,  bei  denen 
St.  eine  augenblickliche  Abnahme  der  ToxizitÀt  annimmt.  Auf 
die  Behandlung  mit  Salizyl  möchte  er  die  Abnahme  der  schwere  n 
Komplikationen  bei  der  Polyarthritis  zurĂŒckfĂŒhren,  wĂ€hrend  die 
gonorrhoischen  Gerenkerkrankungen  neben  einer  allgemeinen  Zu- 
nahme der  Gonorrhoe  auch  durch  die  verfeinerte  Di.-iL'.noslik  jetzt 
hÀufiger  diagnostiziert  werden  und  dadurch  eine  Zunahme  zeigen 
Tuberkulose  und  Syphilis  zeigen  keine  merkbare  VerÀnderung 
Ihre  scheinbare  Zunahme  dĂŒrfte  ebenfalls  nur  darauf  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren sein,  daß  verfeinerte  Untersuchungsmethoden  eine  frĂŒhere 
Diagnosestellung  ermöglichen.  Bei  der  Syphilis  innerer  Organe, 
besonders  der  Aorta,  der  Aortenklappen  und  des  Zentralnerven 
Systems  (meningeale  Syphilis)  zeigt  sieh  gegen  frĂŒher  zweifellos 
eine  Zunahme;  aber  auch  möchte  St.  dieselbe  auf  die  Möglichkeit 
einer  frĂŒheren  Diagnosestellung  zurĂŒckfĂŒhren,  glaubt  aber  nach 
seinen  Beobachtungen,  speziell  bei  der  jetzigen  HĂ€ufigkeit  der 
sogenannten  Neutorezidive,  an  eine  Einwirkung  der  verÀnderten 
Therapie,  des  Salvarsans.  Von  den  metaluetischen  Erkrankungen 
kann  er  bei  der  Tabes  vorlÀufig  noch  keine  Abnahme  konstatieren. 
—  Von  den  nicht  infektiösen  Krankheiten  zeigen  Lungen- 
emphysem, Chlorose,  chronischer  Magenkatarrh  eine  erhebliche 
Abnahme,  aber  wohl  nur  dadurch,  daß  durch  genauere  Diagnose- 
stellung auf  Grund  feinerer  Untersuchungsmethoden  diese  Dia- 
gnosen seltener  gestellt  werden.  Bei  den  hysterischen  AnÀsthesien 
liegt  es  wohl  daran,  daß  heute  nach  diesen  Erscheinungen  gar 
nicht  mehr  gesucht  wird.  St.  schließt  seine  Betrachtungen  mit 
dem  Hinweis,  „daß  das  tempora  mutantur  auf  die  Krankheilen 
nur  eine  beschrÀnkte  Anwendung  findet,  wÀhrend  die  Richtigkeil 
des  Schlusses  dieses  Hexameters  uns  Àlteren  Aerzten  alltÀglich 
zum  Bewußtsein  kommt:  et  nos  mutamur  in  illis!" 

Keuchhusten  bei  Erwachsenen.  Verf.  konnte  in  seiner  eigenen 
Familie  eine  außerordentlich  interessante  Keuchhustenendemie 
beobachten,  die  in  der  Hauptsache  Erwachsene  ergriff  und  ge- 
eignet ist,  die  Anschauung,  daß  Keuchhusten  in  erster  Linie  eine 
Kinderkrankheit  ist,  die  Erwachsene  nur  selten  befalle,  stark  zu 
erschĂŒttern.  Verf.  selbst  hatte  schon  im  Jahre  1912  einen  hart- 
nÀckigen, wenig  charakteristischen  Husten,  dessen  Bedeutung  erst 
dann  festgestellt  wurde,  als  die  beiden  Kinder  des  Verf.  an 
schwerem  Keuchhusten  erkrankten.  Im  letzten  Sommer  erhiell 
Verf.  Besuch  von  seiner  66  jÀhrigen  Mutter,  die  zwar  hÀufig  an 
einem  Katarrh  der  Luftwege  leidet,  der  in  diesem  Falle  aber  hart- 
nÀckiger war  und  in  wiederholten,  lang  anhaltenden  AnfÀllen  auf- 
trat. Die  Diagnose  wurde  auf  Grund  der  bestehenden  diffusen 
Bronchitis  und  des  Lungenemphysems  demgemĂ€ĂŸ  gestellt.  Zehn 
Tage  spĂ€ter  erkrankten  die  drei  jĂŒngsten  Kinder  des  Verf.  an 
pertussis.  Aber  auch  die  erwachsenen  Mitglieder  der  Familie 
erkrankten  an  unklaren  schnell  abklingenden  katarrhalischen  Er- 
scheinungen und  auch  eine  30  jĂ€hrige  Pflegerin  des  jĂŒngsten 
Kindes,  die  mit  19  Jahren  Pertussis  durchgemacht  halte,  bekam 
einen  leichten  Katarrh.  Weitere  Nachforschungen  nach  dem  ur- 
sprĂŒnglichen Herd  des  Keuchhustens  ergaben  nun,  daß  der 
iO jÀhrige  Bruder  des  Verf.  seine  Eitern  infiziert  hatte.  Er  selbsl 
hatte  seine  Infektion  im  BĂŒro  geholt,  in  das  die  Erkrankung  durch 
einen  23  jÀhrigen  Beamten  eingeschleppt  worden  war.  Dieser 
infizierte  nacheinander  seine  Nachbarn  im  BĂŒro,  diese  wiederum 
ihre  GegenĂŒber,  so  daß  sĂ€mtliche  Insassen  des  BĂŒros  erkrankt 
waren.  Im  NebenbĂŒro  blieben  zwei  junge  MĂ€dchen,  die  als 
Kinder  Keuchhusten  gehabt  hatten,  verschont,  wÀhrend  in  den 
anschließenden  BĂŒros  fast  alle  Erwachsenen,  die  noch  keine 
Pertussis  durchgemacht  hatten,  erkrankten,  die  anderen  verschont 
blieben  oder  nur  leichte  Katarrhe  zeigten.  —  Diese  Beobachtung 
und  die  gelegentlichen  Veröffentlichungen  von  Infektionen  Er- 
wachsener veranlassen  Verf.  zu  dem  Schluß,  daß  es  sich  beim 
Keuchhusten  nicht  um  eine  Kinderkrankheit,  sondern  um  eine 
ausgesprochene  Volksseuche  handele.  Die  bei  Erwachsenen 
hÀufig  unter  unklaren  Erscheinungen  auftretende  Krankheit  sollte 
die  Aerzte  in  jedem  Falle  von  hartnÀckigem  Reizhuslen  an  Per- 
tussis denken  lassen. 

Ucber  Yatrcn,  ein  wasserlösliches  Chinolinderivat.  Valien, 
ein  Jodderivat  des  Benzolpyridin,  ist  vom  Verf.  in  5  %  Lösung 
in  Dosen  von  1  bis  .">  cem  intramuskulÀr  bei  Keuchhusten  und 
Pneumonie  der  Kinder  injiziert  worden.  Nach  den  gemachten 
Beobachtungen  gingen  die'  AnfĂ€lle  beim  Keuchhusten  ĂŒber- 
raschend schnell  zurĂŒck,  so  daß  bisweilen  schon  nach  1  5 
6  Injektionen  die  Krankheit  ihre  charakteristischen  Zeichen  ver- 
lor. In  einzelnen,  wo  die  Zahl  der  AnfÀlle  in  einer  Nacht  bis 
zu  30  betrug,  ging  ihre'  Zahl  schon  nach  der  ersten  Injektion  auf 
5—6  zurĂŒck,  um  nach  etwa  8  Tagen  vollkommen  zu  schwinden, 
Die  Injektionen   wurden   in   1-  bis  2  tÀtigen   Intervallen  vorge- 


nommen, bei  eingetretener  Besserung  jeden  1.  Ins  .">.  Tag.  Bei 
Pneumonie  sind  die   Erfahrungen   noch   zu   gering   Im    ein  ah 
schließendes  Urteil,  doch  scheint  auch  hier   eine   Wirkung  vor 
banden  zu  sein.    In  Pulverform      Einblasungen  in  die-  Nase 
bewÀhrte  sich   das    Yatrcn   be'i   Diphthericbazillenti  Àgern.  Die' 
Einblasungen  wurden  tÀglich  3    5  mal  gemacht.     Die'  bisher  er 
zielten  Erfolge  fordern  jedenfalls  zu  weiterer  PrĂŒfung  de  s  Mittels 
auf,  um  so  mehr  als  irgendwelche  SchÀdigungen  nicht  beobachtel 
wurden.  Silbermann  (Charlottenburg  . 

1.  Dez.  1921,  17,  Nr.  49. 


Wundbehandlung.    Bayer,         Prag.  1471. 

N'cucrc  Forschungen  ĂŒber  die  Ursachen  de«    Vborta   und  dei  FrĂŒhgeburt. 

Abernejtty,    C.  147;>. 
♩M'cber  Endocarditis  lenta.    (i  e  ß  1  e  r.  1478. 
Zur  Frage  der  ButteTBiehln&hrung,    Epstein.  1478. 
Der  Unfug  des  AbfĂŒhrmittels.     Alexander.  Alfred.  1481. 
Umfrage    Uber   die   Behandlung   des     .septischen     Aborts,       Antworten  ydli 

Hocbnc,    Greifswald,    M  aytr.    TĂŒbingen,    Edler  von   .T  a  s  c  h  k  c  . 

Gießen,  F  ĂŒ  t  h  ,     Köln,    R  i  ß  m  a  n  n  .     OsnabrĂŒck.     K  it  p  f  e  r  h  e  r  g  . 

Mainz,   B  a  u  m  m  ,    Breslau.  1483. 
♩♩♩Welche  chemischen  Prozesse  können  das  Kalomel  bei  interner  Darreichung 

zu     einem     gefÀhrlichen     Gift     werden     lassen?       Sehn  m  a  c  h  c  r  . 

Josef,  Berlin.  1485. 

♩t*lVbcr  die  Verwendung  des  Hypophysenextraktes  zur  Nierenfiinktioiisprufung. 
B  r  i  e  g  e  r  ,  Heinrich  und  R  a  w  seit,  Kurt.  1485. 
Ueber    die    Anwendung     von      Flavieid      in     der     Dermatologie.      K  a  1  1  - 
man  n.  1487. 

Bemerkungen  zu  detm  Bericht  ĂŒber  „Erysipelbediandlung  mit  lfi%  Argentum 
nirieum  in  Nr.  43.   Theisinger.  Fischbach,  Weierbach.  1487. 
♊»♊F.ine  Verbesserung  des'  mikroskopischen  Nachweises  eler  Tuberkelhazille.i  im 
Sputum  mittels  Leuchtbildmethode  von  E.  Hoffmann.    Duhm,  H.  A.  l  187. 

Ueber  Endocarditis  lenta.  Die  Krankheit  ist  hÀufiger  als 
allgemein  angenommen  wird.  Geßler  konnte  an  der  Heidel- 
berger Klinik  im  Laufe  von  1%  Jahren  33  FĂ€lle  beobachten.  Das 
Krankheitsbild  ist  etwa  folgendes:  Bei  Leuten,  die  frĂŒher  einmal 
eine  Polyarthritis  mit  nachfolgender  Endocarditis  durchgemacht 
haben,  entwickelt  sich  große  Mattigkeit  und  Appetitlosigkeit, 
Schwindel  und  Kopfschmerzen  treten  auf,  Herzklopfen  und  Kurz- 
atmigkeit nach  geringen  körperlichen  Anstrengungen,  zeitweilig 
Gelenkschwellungen  und  Gelenkschmerzen.  In  jedem  Falle  aber 
zeigt  sich  ein  deutlicher  derber  Milztumor.  Die  Kranken  sehen 
blaß  aus,  regelmĂ€ĂŸige.  Temperaturmessungen  zeigen  zeitweise 
auftretende  Temperatursteigerungen.  AllmÀhlich  nimmt  der 
KrÀfteverfall  zu,  die  AnÀmie  wird  stÀrker,  hÀmorrhagische  Ne- 
phritis und  bisweilen  HĂ€maturien  treten  auf,  und  unter  den  Er- 
scheinungen der  Herzinsuffizienz  gehen  die  Kranken  zugrunde 
Dieses  Krankheitsbild  zeigt  aber  hÀufig  noch  Komplikationen 
durch  Embolien  in  die  verschiedensten  Organe:  Apoplexien,  Lun- 
gen-, Nieren-  und  Milzinfarkte,  Embolien  in  die  großen  GefĂ€ĂŸe 
und  in  die  Haut.  Die  Sektion  ergibt  in  diesen  FĂ€llen  als  Haupt- 
erkrankung eine  ulceröse  Endocarditis  vorwiegend  des  linken 
Herzens  mit  Auflagerungen  und  Zerstörungen  an  den  Klappen, 
anÀmische  Infarkte  in  Milz  und  Nieren,  embolisehe  Herdnephritis 
oder  diffuse  Glomerulonephritis. 

GegenĂŒber  den  bisherigen  Angaben,  daß  die  meisten  Kranken 
vorher  eine  Polyarthritis  mit  nachfolgender  Endocarditis  und 
Klappenfehler  durchgemacht  haben,  konnte  G.  nur  in  7  von  33 
FĂ€llen  eine  Polyarthritis  eruieren.  Er  konnte  ferner  durch  den 
Obduktionsbefund  in  14  FĂ€llen  zeigen,  daß  der  ĂŒberwiegende  Teil 
eine  kombinierte  Erkrankung  der  Aorten-  und  Mitralklappe 
hatten,  unter  Ueberwiegen  der  Aortenerkrankung.  Bei  19  nur 
klinisch  beobachteten  FĂ€llen  konnten  6 mal  reine  Aortenfehler, 
12  mal  Kombinationen  von  Aorten-  und  Mitralfehlern  festgestellt 
werden.  Zerebrale  Störungen  in  Form  von  Embolien  konnten 
auch  schon  im  Anfang  der  Krankheit  beobachtet  werden,  und 
Nierenerkrankungen,  die  meist  erst  im  vorgeschrittenen  Stadium 
der  KranKheit  auftreten  sollen,  konnten  bei  genauer  Urinbeobach- 
tung schon  frĂŒhzeitig  entdeckt  werden.  Die  AnĂ€mie  kann  hohe 
Grade  erreichen;  es  wurden  Hb. -Werte  von  30  Prozent  gefunden 
Der  als  Erreger  bisher  angesprochene  Streptokokkus  viridans 
konnte  nur  in  wenigen  FĂ€llen  nachgewiesen  werden:  3  mal  aber 
konnte  aus  dem  Leichenblul  der  Diplostreptokokkus  pleomorphus 
nachgewiesen  werden. 

Welche  chemischen  Prozesse  können  das  Kalomel  bei  intern 
Darreichung  zu  einem  gefÀhrlichen  Gift  werden  lassen?  Die'  An- 
nĂ€hme, daß  Kalomel  im  Magen  unter  der  Einwirkung  der  Salz- 
sÀure in  Sublimat  umgewandelt  wird  und  auf  diese  Weise  das 
Quecksilber  zur  Resorption  gelangt,  hat  sich  nach  den  Unter- 
suchungen S  c  h  u  h  m  a  c  h  e  r  s  nicht  als  richtig  erwiesen.  Unter- 
suchungen mit  einer  SalzsÀurelösung  2  : 100  zeigten  in  der  KÀlte 
keine  Entwicklung  von  Sublimat,  und  selbst  be'i  Erhitzen  auf  Siede- 


46 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


lemperatur  bildeten  sich  nur  gerade  noch  nachweisbare  Mengen. 
Dagegen  trat  bei  Mischung  mit  1  Prozent  Alkalikarbonat  schon  in 
der  KĂ€lte  eine  Umwandlung  eines  großen  Teiles  des  Kalomels 
in  lösliche  Hg- Verbindungen  ein.  Sch.  kommt  daher  zu  dem 
Schluß,  daß  die  Umwandlung  des  Kalomels  weder  im  Magen  er- 
folgen, noch  zu  Sublimat  fĂŒhren  kann,  sondern  daß  seine  che- 
mische VerĂ€nderung  unter  dem  Einfluß  des  alkalikarbonathal- 
tigen  Darmsaftes  erst  im  Darm  erfolgt. 

Ueber  die  Verwendung  des  Hypophysenextraktes  zur  Nieren- 
funktionsprĂŒfung.     Brieger  und  R  a  w  a  c  k  konnten  in  Ver- 
suchen an  nierengesunden  Personen  die  von  anderen  Autoren  be- 
obachteten Wirkungen  der  Injektion  von  Pituitrin  bezw.  Pitu- 
glandol  bestÀtigen.    Auch  bei  ihnen  zeigte  sich  Diuresehemmung 
mit  nachfolgender  Diurese  und  stark  erhöhter  Kochsalzausschei- 
dung.   Die  Verringerung  der  Urinmenge  wurde  'durch  erhöhte 
Konzentration  ausgeglichen.    Zur  besseren  Beobachtung  der  ein- 
zelnen Phasen  wurde  in  jedem  Falle  vor  dem  Versuch  1  Liter 
Wasser   verabfolgt  und   die   zu  untersuchenden  Personen  auf 
Standardkost  gesetzt.    Das  Blutserum  zeigte  sich,  wie  auch  bei 
anderen  Autoren,  ĂŒber  die  retinierte  Wassermenge  hinaus  hy- 
drĂ€misch  und  stark  kochsalzhaltig,  so  daß  eine  Mobilisation  stark 
kochsalzhaltiger  GewebsflĂŒssigkeit  anzunehmen  ist.     Die  Stick- 
stoffausscheidung scheint  auch  gefördert  zu  werden,  ist  jedoch 
nicht  einwandfrei  nachzuweisen.    Bei  Nierenkrankheiten  sind  die 
beiden  Phasen'  der  Diuresehemmung  und  der  Diurese  nicht  so 
deutlich  ausgeprÀgt,  die  Versuchsdauer  ist  verlÀngert.    Auch  die 
Kochsalz-  und  Stickstoffausscheidung  zeigten  Unterschiede,  in- 
dem bald  die  eine,  bald  die  andere  niedriger  war.    Der  Methode 
selbst  haftet  der  Fehler  an,  daß  durch  die  Injektion  auch  eine 
Gewebswirkung  hervorgerufen  wird,  bei  der  außer  einer  Wasser- 
ausschwemmung auch  möglicherweise  eine  solche  von  Schlacken 
stattfindet.     Auch  die  Zufuhr  einer  grĂ¶ĂŸeren  FlĂŒssigkeitsmenge 
in  FĂ€llen  von  Oedem  oder  Oedembereitschaft  dĂŒrfte  fĂŒr  die  Be- 
urteilung der  Resultate  bei  dieser  Methode  nicht  außer  acht  zu 
lassen  sein.    Die  renale  Wirkung  des  Extraktes  dĂŒrfte  auf  eine 
Reizung  der  von  Jost  entdeckten  sympathischen  Nervenfasern 
zurĂŒckzufĂŒhren  sein. 

Eine  Verbesserung  des  mikroskopischen  Nachweises  der 
Tuberkelbazillen  im  Sputum  mittels  Leuchtbildmethode  von  E. 
Hoffmann.  Die  mit  der  angegebenen  Methode  vorgenommenen 
Untersuchungen  an  einem  reichhaltigen  Material  haben  fĂŒr  den 
Nachweis  von  Tuberkelbazillen  im  ĂŒblichen  AusstrichprĂ€parat 
erheblich  bessere  Resultate  ergeben,  als  die  sonst  ĂŒbliche  mikro- 
skopische Untersuchung.  Durch  vergleichende  Untersuchungen 
nach  beiden  Methoden  konnte  festgestellt  werden,  daß  in  der 
Zeiteinheit  im  Dunkelfeld  die  doppelte  Anzahl  von  Bazillen  ge- 
runden wurde  als  im  Hellfeld.  Dabei  waren  die  Bilder  von 
großer  Klarheit,  und  die  Segmentierung  der  Bazillen  kam  mit 
großer  Deutlichkeit  zum  Vorschein.  Zieht  man  in  Betracht,  daß 
nach  den  Untersuchungen  von  Matson  bei  einer  Bazillenzahl 
von  55  000  in  1  ccm  Sputum  diese  der  Untersuchung  noch  voll- 
stĂ€ndig entgehen  können,  und  daß  selbst  bei  einer  10  fach  grĂ¶ĂŸe- 
ren Zahl  nur  vereinzelte  Bazillen  nachweisbar  sind,  so  ist  die 
Bedeutung  der  Hoffmann'schen  Methode  klar,  und  ihre  Anwen- 
dung sollte  Gemeingut  aller  Untersucher  werden,  um  so  mehr, 
als  die  Anreicherung  des  Sputums  mit  ihrem  mehrstĂŒndigen  Zeit- 
vorlust bei  dieser  Methode  in  Wegfall  kommen  kann. 

Silbermann  (Charlottenburg 

Zeitschrift  fĂŒr  ImmunitĂ€tsforschung,  Jena. 

18.  November  1921,  33,  Heft  2. 

Agglutination  der  X-Stiimme.    BĂŒchner.  S.  und  ZĂŒrn.  W.  115. 
VerhaUten  der  Albumine  und  Globuline  beim  sereologischen  JLiuiesn&ehwei». 

S  a  h  1  m  a  n  n  ,  II.  130 
❖Theoretische,  und  praktische  Ergehnisse  mit  den  Flockungsreaktionen  nach 

Meinicke.    .1  a  n  t  z  e  n  .  W.  156. 
Vergleichende     Untersuchungen     ĂŒber     Antikörperbildung'     be1  Gonorrhoe. 

Fey.   H.  178. 

Theoretische  und  praktische  Ergebnisse  mit  den  Flockungs- 
reaktionen nach  Meinicke.  Die  Serienuntersuchungen  des  Verf. 
ergaben  bei  der  Meinicke  Reaktion  (M.  R.)  hÀufig  unspezifische 
Resultate.  Bei  der  dritten  Modifikation  (D.  M.)  erzielte  er  gute 
Erfolge,  besonders,  wenn  er  die  Beobachtungsdauer  auf  48  Stun- 
den ausdehnte.  Der  vom  Verf.  empfohlenen  Verwendung  frischer 
Sera  und  der  Behauptung,  daß  hierbei  keine  un spezifischen 
Reaktionen  auftraten,  steht  eine  sehr  große  Zahl  anderslautender 
Aeußerungen  anderer  Autoren  gegenĂŒber.  Die  theoretischen  Aus- 
lĂŒhrungen des  Verf.  ĂŒber  das  Wesen  der  Reaktionen  entbehren 
experimenteller  UnterlÀgen.  W.  Weisbach  (Halle  a.  S.) 


Zeitschrift  fĂŒr  ImmunitĂ€tsforschung  und  experimentelle 
Therapie,  Jena. 

7.  Dezember  1921,  33,  Heft  3. 

Die  HitzebestÀndigkeit  gebundener  Antikörper.    Gutfeld.  F.  v.  197. 
lieber  die  Bildung  von  X-19-AggkltinÀnen  beim  Kaninchen  nach  Infektion 

mit  Kaninchen-Fleckfiebervirus.    Weil,  E.  und  G  r  u  s  c  h  k  a  .  A.  207. 
Die   Beziehung   des  lipotdartigen   HĂ€molysinogeas    von   Bang   uml  Föorß- 

man   zu   den   heterogenetischen    HammelbiuthÀmolysiuen.    S  c  Ii  m  i  d  t  . 

H.  216. 

Beziehungen     zwischen     Orgaiiabbauprodukten     und     Wa.   K.  Beck- 
mann., W.  233. 

Biologie  der  Kolitisbazillen.  Wirkungsweise  der  Desinfektionsmittel  und  des 
Hungers  auf  Bakterien.    Braun.  H.  und  Gersbach.  A.  217. 
❖Studien  bei   der  Rekurrensinfektion  zwecks   Beeinflussung   von  Psychosen. 
Weichbrodt.  R.  267. 
Die  agglutinationsfördernde  Wirkung  des  Normalsei  ums  in  ihren  Beziehun- 
gen zur  HĂ€raagglutination  und  HĂ€molyse.    Olsen,  O.  283. 

Studien  bei  der  Kekurrensinfektion  zwecks  Beeinflussung  von 

Psychosen.  Im  Verfolg  von  Versuchen,  welche  darauf  hinzielten, 
die  Paralyse  mittels  Rekurrensinfektion  zu  beeinflussen,  konnte 
Verf.  folgende  positive  Befunde  erheben: 

Durch  Ueberimpfung  des  Blutes  von  Rekurrenskranken  auf 
MÀuse  konnten  SpirochÀten  wÀhrend  der  ganzen  Krankheit  im 
Blute  nachgewiesen  werden,  hÀufig  auch  schon  kurz  nach  dem 
Anfall,  auch  in  allen  den  FĂ€llen,  wo  im  Dunkelfeld  der  Nachweis 
nicht  gelang.   Mit  einem  fĂŒr  Menschen  apathogenen  Stamme  wur- 
den Menschen  geimpft.    Mit  dem  Blute  solcher  Personen  konnte 
mitunter  bis  zu  2  Tagen  nach  der  Infektion  eine  Infektion  bei  MĂ€u- 
sen erzielt  werden.    Beinfektionen  bei  Menschen  gelangen  bis  zu 
18  Monaten  nach  der  Erstinfektion  nicht.  Ebenfalls  nur  durch  den 
Tierversuch,  nicht  mittels  Dunkelfeld,  waren  im  Liquor  meist 
2—3  Tage  nach  dem  Anfall  SpirochĂ€ten  nachzuweisen.  Spiro 
chĂ€ten  im  Liquor  schienen  nicht  in  dem  Maße  wie  die  SpirochĂ€ten 
im  Blute  von  den  AnfÀllen  abhÀngig  zu  sein,  denn  bei  Entnahme 
von  Blut  und  Liquor  kurz  nach  dem  Anfall  war  mitunter  die  mit 
dem  Blut  geimpfte  Maus  erst  nach  9  Tagen  positiv,  die  mit  dem 
Liquor  geimpfte  dagegen  schon  nach  2— 3  Tagen.  Blut  und  Liquor 
von  Kranken,  die  eine  Rekurrensinfektion  ĂŒberstanden  hatten, 
vermochten  bei  einer  Maus  eine  Infektion  zu  verhindern,  bezw. 
zu  verzögern.    Das  Serum  gab  meist  einen  stÀrkeren  Schutz  als 
der  Liquor.    Nicht  bei  jeder  Rekurrenserkrankung  wurde  eine 
deutliche  Hyperleukozytose  beobachtet,  trotzdem  wurde  bei  einem 
solchen  Kranken  eine'  starke  gĂŒnstige  Beeinflussung  der  Krank- 
heit beobachtet.  W.  W  e  i  s  b  a  c  h  (Halle  a.  S.) 

Zeitschrift  fĂŒr  Hygiene  und  Infektionskrankheiten,  Berlin. 

12.  Oktober  1921,  94,  Heft  1. 

ParasĂŒologisehe  und  klinische  Beobachtungen  bei  kĂŒnstlichen  Malaria-  und 

RekurrensĂŒhcrtragungcn.    MĂŒhlens,  P.  und  Kirschbaum.  \V.  l| 
Virus  des  Herpes  febrilis  und  seine  Beziehungen  zum  Virus  der  Enzcph.i'  tw 

epidemica.    Docrr,  E.   und  Schnabel.  X.  29. 
Vergleichende  Untersuchungen  ĂŒber  den  Desinfektionswert  von  Kreselseifenr 

lösungen  und  wÀsserigen  Kresollösungen.   Lange,  B.  82. 
ZustandsÀndrungen   der   Streptokokken   im   Tierkörper.     Schnitzer.  R. 

und  Munter     F.  107. 
Bedeutung  des  zur  Nachkultur  verwandten  NĂ€hrbodens  fĂŒr  die  Beurteilung 

des  Desinfektionserfolges.    Lange.  B.  12."i. 

2.  Dezember  1921.  94.  Heft  2-3. 

Untersuchungen  ĂŒber  Superinfektion.    Lange.  B.  13Ă€. 
Vbspaltung  bakteriolvtischer  und  hÀmolytischer  Ambozeptc.ren.  Munter. 
H.      152.  i 

Depressionsi-mmunirÀt  bei  intravenöser    SuperinfcWon     mit  Streptokokken. 

Morgenroth.    J.    und   A  b  r  a  h  a  m  .  L.  163. 
Experimenteller  Beitrag  zur  Frage  der  PathogenitÀt  klinisch  virulenter  und 

klinisch  avirulenter  Diphtheiriebazillon.    Meyer.  S.  172. 
Massenerkrankungen    durch     Ra*inkulturen.    W  i  11  f  ĂŒ  b  r    und     W  c  n  d  t  - 

1  a  n  d.  192. 

Krankheitsbild    der    experimentellen    herpetischen     Allgemeininfektion  de« 

Kaninchens.    Luger.  Lau  da  und  S  i  1  b  e  r  s  t  e  r  n.  200. 
rVbertrngbarkeit  des  Herpes  Zoster  auf  das  Kaninchen.    Luger.  A.  und 

L  a  u  d  a  ,    E.  206. 
Phenolhilduug  durch  Bakterien.    S  i  e  k  c  .  F.    21 1. 
❖Bedeutung  endogener  und  exogener  Faktoren  bei   Kindern  der  Hilfsschule. 

Reiter,  H.  und  O  s  t  h  o  f  f .  H.  224. 
%  Weitere  experimentelle  Studien  zur  Anaphylaxiefragc.    Schmidt.  P.  und 
H  a  p  p  e  .  H.  253. 
Ueber  eiweißfreien  Agar-Agar.    K  1  o  s  t  e  r  in  a  h  n.  262. 

Untersuchungen  ĂŒber  das  Verhalten  von  Trypanosoma  gamblense  im  mensch- 
lichen Körper.    R  e  i  c  h  e  n  o  w  .   E.  266. 
Untersuchungen  ĂŒber  gattungsspezifische  Partialfunktiuuen  des  Typhusimmun- 
körpers und  ihren  Einfluß   auf  die     Biologie    der  Paratyphushazillcn 
BaumgÀrtcl,    T.  386. 
"  Lebensdauer  der  Schildkröten    und   Tompetenbazillcn   im  Meerschweine*« 
und   ihr  kulturelle«     und     biologisches     Verhalten     bei  rierpassag« 
Koike,  M.  «4. 


n 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


I  i 


l>ic  Bedeutung  endogener  und  exogener  l*'nk(oren  bei  Kindern 
der  Hilfsschule.  Untersuchungen  an  der  Rostocker  Hilfsschule 
fĂŒhrten  zu  dem  Ergebnis,  daß  der  Vererbung  der  grĂ¶ĂŸte  Einfluß 
auf  die  Entstehung  jugendlichen  Schwachsinns  zukommt.  Ge 
burtstraumen,  konstitutionelle  und  andere  Erkrankungen  haben 
viel  geringere  Bedeutung.  Tuberkulose  und  Lues  sind  ohne  We 
sentlichen  Einfluß.  Eben  so  wenig  zeigte  sieb  ein  erheblicherer 
Einfluß  des  Milieus.  W,  Weisbach   Halle  a.  S. 

Archiv  fĂŒr  klinische  Chirurgie. 
1921,  117,  Heft  2. 

4»Zur  Operation  des  Cardiospasmus  und  des  Oesophaguskarzinoms.     K  Ii  in 
in  c  1  ,  H.  193. 

Zur  Raxuk&lbeihandlung  des  chronischen  Pleuraempyems.  Kirschner.  205. 

Der  Einfluß  der  AlkoholanĂ€sthesie  des  Ganglion  GĂ€seeri  auf  die  KautĂ€tigkeit. 
Bleichsteiner,  A.  232. 

Totale  Emaskulation  beii  ausgedehntem  Peniskarzinom.    Hadda.  S.  244. 
‱J*Zur  Sternumspaltung,    Wechsler,  J.  261. 
‱t»Zur  Diagnose  der  Fremdkörperperitonitis.    Pick,  P.  268. 

Anatomische  und  klinische  Untersuchungen  ĂŒber  PrimĂ€rgesehwĂŒilste  vor- 
tÀuschende Metastasen,  insonderheit  solcher  des  Adenokarzinoms  der 
SchilddrĂŒse.  Erdheim,  S.  274. 
♩Weitere  Untersuchungen  ĂŒber  experimentell  nach  Einimpfung  von  mensch- 
liehen Karzinomen  und  Sarkomen  entstandene  MĂ€usegeschwĂŒlste. 
Kejrsser,  Fr.  318. 

Beitrag  zur  Aetiologie  der  akuten  MagenlÀhmung.    N  i  e  d  e  u  ,  H.  338. 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  des  Herrn  Professor  Wieling:  Erfahrungen  und 
Kritik  in  Dingen  der  sogenannten  chirurgischen  nichtvisceraleu  Tuber- 
kulose.   W  i  e  s  i  n  g  e  r.  423. 

Zur  Operation  des  Kardiospasmus  und  des  Oesophaguskarzi- 
noms. .  Wiederholte  Rezidive  des  nach  den  ĂŒblichen  Methoden 
Sondierung,  Dilatation  usw.)  behandelten  Kardiospasmus  er- 
fordern neue  Wege  des  operativen  Vorgehens.  Als  solche  er- 
wiesen sich  in  3  FĂ€llen  Operationen,  die  mit  Erfolg  eine  Be- 
seitigung des  Spasmus  durch  blutige  totale  Ausschaltung  des 
Oesophagus,  bezw.  der -Cardia  und  Ersatz  derselben  durch  den 
zum  Oesophagus  umgewandelten  Magen  anstrebten.  In  zwei 
FĂ€llen  trat  Nahtinsuffizienz  und  Peritonitis  ein,  und  zwar  als 
Folge  vermehrten  Druckes  wegen  des  blinden  Verschlusses  der 
ausgeschalteten  Speiseröhre.  —  Aehnliche,  jedoch  noch  erheb- 
lichere Schwierigkeiten  bestehen  bei  der  operativen  Behandlung 
des  Oesophaguskarzinoms.  (Verletzung  der  Nn.  vagi,  Pleura- 
infektion,  Pneumothorax,  lange  Dauer  der  Operation,  Blutungen.) 
Hier  empfiehlt  es  sich,  das  Karzinom  der  Cardia  abdominell  an- 
zugreifen, es  möglichst  hoch  hinauf  aus  dem  Hiatus  mit  dem 
Oesophagus  zu  lösen,  diesen  am  Halsteil  freizulegen  und  dort, 
nach  Resektion  der  Speiseröhre  mit  anhaftendem  Tumor,  den  ent- 
sprechend vorbereiteten  Magen  als  neuen  Oesophagus  zu  fixieren. 

Zur  Sternumspaltung.  Verf.  erlÀutert  an  einer  Reihe  operativ 
behandelter  FĂ€lle  von  endothoraler  Struma,  bezw.  thorakaler 
Tumoren  Indikation  und  Technik  der  Sternumspaltung.  Hiernach 
erweist  sich  der  betr.  Eingriff  als  sehr  zweckmĂ€ĂŸig  nicht  nur  bei 
rein  endothorakalen  Strumen,  sondern  auch  bei  allen  thorakalen 
GeschwĂŒlsten,  wo  es  sich  um  Beseitigung  drohender  Asphyxie 
durch  Tumordruck  handelt.  Tumoren  der  mediastinalen  DrĂŒsen 
sollten  der  Röntgentherapie  vorbehalten  bleiben. 

Zur  Diagnose  der  Fremdkörperperitonitis.  Differential- 
diagnostische  Schwierigkeiten  zwischen  echter  Bauchfelltuber- 
kulose und  Fremdkörpertuberkulose  —  besser  Fremdkörper- 
peritonitis, da  es  sich  hierbei  nicht  um  eine  tuberkulöse  Erkran- 
kung handelt  —  gaben  Anlaß  zur  AusfĂŒhrung  einer  Reihe  von 
Tierexperimenten,  aus  denen  deutlich  hervorgehl,  daß  in  jedem 
Falle  von  Fremdkörperperitonitis  in  den  tuberkelÀhnlichen 
Knöcheln  des  Bauchfells  FremdkörpereinschlĂŒsse  vorhanden 
sind.  Nur  wo  diese  fehlen,  dĂŒrfte  es  sich  um  echte  Tuberkulose 
handeln.  Die  Richtigkeil  der  aus  dem  Tierversuch  gezogenen 
SchlĂŒsse  wurde  durch  einen  operativ  behandelten,  ursprĂŒnglich 
als  Fremdkörperperitonitis  aufgefaßten  Fall  von  Bauchfell- 
tuberkulöse  bestÀtigt. 

Weitere  Untersuchungen  ĂŒber  experimentell  nach  Einimpfung 
von  menschlichen  Karzinomen  und  Sarkomen  entstandene  MĂ€usc- 
geschwĂŒlste.  Aus  den  interessanten,  die  experimentelle  biolo- 
gische Forschung  fördernden  Untersuchungen  ergeben  sich  als 
wesentlichste  folgende  Punkte:  experimentelle  Erfolge  bei  Ueber- 
tragung  bösartiger  Tumoren  von  Mensch  auf  Tier  lassen  sich  nur 
bei  geeigneter  Vorbehandlung  und  Auswahl  des  Ueberpflanzungs- 
materials  (Reizzustand,  Sensibilisierung)  erzielen.  Der  geringe 
Prozentsatz  zu  erzeugender  GeschwĂŒlste  (2  Prozent)  bedingt 
Impfung  von  mindestens  je  100  Tieren.  Die  Entwicklungsdauer 
der  Tumoren  betrÀgt  etwa  10  Monate  und  kann  bei  Weiterimpfung 
in  den  verschiedenen  Generationen  bis  zu  G  Monaten  abgekĂŒrzt 


werden.    Nur  bei  systematisch  ausgefĂŒhrten,  umfangreichen  V« 
suchsreihen  lassen  sich  Zufallaprodukte,  die  fĂŒr  grundlegende 
Forschung  unbrauchbar  sind,  ausschalten. 

L,  !‱'  r  0  s  c  b  Merlin 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

26.  November  1921,  48,  Nr.  47. 

‱HUutstillung    bei    Verletzungen     schwer     zugĂ€ngliche)     GefĂ€lle.      V  ol  k  ■ 
m  a  n  n.  1710. 

‱{«Die  Mjagenausbeberung  vor  Operation  der  IJlcuspcrforatlou.  <j  n  u  dual  o  und 
Pototschnig.  1712. 

Murphyknopf,  der  20  Jahre  im  SalzsÀure  sezernierenden  Magen  Helenen  hat. 
K  e  1  1  i  n  g  ,  (J.  1714. 

Kontrastiniittel  fĂŒr  die  Pyelographie,    v.  Lichtenberg,  nio. 

Zwei  Hilfsmaßnahmen  bei  operativem   Verschluß  ausgedehnter  Blaeenrand- 

defekte.     L  i  II  d  e  ,   F.  1719. 
Die  Extirpaifion  der  Gallenblase  mit  primĂ€ren  Verachluß  der  Bauchhöhle. 

VorschĂŒtz.  1721. 
Zur  Herstellung  der  Novocainlösung.    1*  i  o  p  p  i  n  g.  172:1. 

Blutstillung  bei  Verletzungen  schwer  zugÀnglicher  GefÀlle. 
Bei  einer  Arrosionsblutung  aus  der  Vena  iliaca  externa  spritzte 
Verfasser  in  die  V.  femoralis  oberhalb  der  EinmĂŒndung  der  V. 
saphena  100  cem  Pregl'sche  Lösung  ein  und  unterband  die  Vene 
an  der  Injektionsstelle;  die  Blutung  stand. 

Die  Magenausheberung  vor  Operation  der  Uleusperforation. 
Vor  der  Operation  des  perforierten  Magenulcus  soll  der  Magen 
ausgehebert,  aber  nicht  ausgespĂŒlt  werden. 

3.  Dezember  1921,  48,  Nr.  48. 

♩J'Abwelirmaßnahineii  des  organisierten  Gewebes  gegen  den  Krebs.  Bayer. 
O.  1758. 

|j    Beitrag  zur  Technik  der  Oesophagotomie.    Mertens.  1761. 

Hine  Anomalie  des  Hodens  bei  mangelhaftem  Descensus  und  operative  Aus- 
nutzung derselben.    P  6  1  g  a  ,  E.  1762. 
Zur  Behandlung  penetrierender  Thoraxverletzuugen.    11  a  i  in.  1764. 
Actiologie  der  Osteoarthritis  deformans  juvenilis  des  HĂŒftgelenks.  Hac  k  e  u  - 
b  r  o  c  h.  1766. 

Hagedorn-Nadelhalter  in  Bogenform.    Schmidt,  G.  1768. 

Abwehrmaßnahmen  des  organischen  Gewebes  gegen  den 
Krebs.  Die  an  der  Grenze  besonders  der  rasch  wuchernden  Kar- 
zinome stets  zu  findenden  „kleinzelligen  Infiltrationen"  (Leuko- 
zyten, Lymphozyten,  Rundzellen)  und  ihre  Abbauprodukte  stellen 
eine  Art  Abwehrmaßnahme  des  organischen  lebendigen  Gewebes 
dar,  indem  sie  den  Zerfall  des  Neoplasmas  bewirken  sollen. 
Experimentell  wird  diese  Annahme  gestĂŒtzt  durch  den  Versuch 
mit  anderen  Arten  von  „lebendigem  Gewebssaft":  Wird  auf  ein 
offenes  KrebsgeschwĂŒr  Milzpulpa  oder  entzĂŒndliches  Exsudat  ge- 
bracht, so  entsteht  an  der  Applikationsstelle  eine  Einschmelzung 
des  Krebsgewebes. 

10.  Dezember  1921,  48,  Nr.  49. 

4*  Verlaufen  sensible  Fasern  in  den  vorderen  Wurzeln?    Meyer.  W.  :790. 
Fall  von  doppelter  Hasenscharte.    Mertens,  G.  1794. 

Blutstillung  bei  der  Hydrocelenoperation  nach  Bergmann.  .1  u  n  g  b  1  u  t  h.  1795. 
Heilung    des    Änsaiugena    der    NasenflĂŒgel    durch  Fascieneinpfianzung. 

B  o  e  c  k  e  r.    1796.  ^ 
Hajonettkornzangen.    S  c  h  m  i  d  t .  G.  1797. 

Technik  der  örtlichem  BetĂ€ubung  bei  Halsoperationen,    ĂŒ  r  ĂŒ  n  e  r.  1798. 

Verlaufen  sensible  Fasern  in  den  vorderen  Wurzeln?  Verl. 
hat  Durchschneidungen  der  hinteren  Wurzeln  an  Katzen  vorge- 
nommen um  zu  prĂŒfen,  ob  das  Bell'sche  Gesetz,  wonach  die  Sen- 
sibilitĂ€t nur  ĂŒber  die  hinteren  Wurzeln  geht,  zu  Recht  besteht. 
Im  Gegensatz  zu  der  jĂŒngst  von  Lehmann  geĂ€ußerten  Ansicht, 
daß  auch  nach  Hinterwurzeldurchschneidung  noch  SensibilitĂ€t 
vorhanden  sein  könne,  kommt  Verf.  zu  dem  Schluß,  daß,  wenn 
wirklich  alle  betreffenden,  zu  dem  Körperteil  zugehörigen 
hinteren  Wurzeln  durchtrennt  sind,  jegliche  SensibilitÀt  erloschen 
ist.  Daß  die  Operation  wirklich  gelungen  ist,  d.  h.  also  daß  keine 
Wurzel  stehen  geblieben  ist,  kann  nur  durch  die  Obduktion  be- 
wiesen werden,  da  die  technischen  Schwierigkeiten  oft  groß  sind. 
Mißerfolge  der  Operation  beim  Menschen,  Erhaltenbleiben  der 
SensibilitÀt  oder  selbst  Auftreten  von  HyperÀsthesien,  sind  dem- 
nach stets  auf  unvollstĂ€ndiges  Operieren  zurĂŒckzufĂŒhren. 

K.  W  o  h  1  g  e  m  u  t  h  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  orthopĂ€dische  Chirurgie. 

1921,  42,  Beilageheft. 

Thorakoplastiik  und  Skoliose.    H  u  g  .  O. 

Um  das  VerstÀndnis  des  Zustandekommens  deformierender 
Prozesse  an  Thorax  und  WirbelsÀule  nach  operativen  Eingriffen 
zu  erleichtern,  erfolgt  im  ersten  Teile  der  sehr  ausfĂŒhrlichen 


48 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


Arbeit  eine  Besprechung  des  Standes  der  heutigen  Lungen- 
Chirurgie  unter  AnfĂŒhrung  einschlĂ€giger  Operationen  und  deren 
Resultate.  Der  zweite  Teil  bringt  Untersuchungsergebnisse  des 
Verfassers  an  etwa  2  Dutzend  thorakoplastisch  behandelter 
Lungenkranker,  wobei  in  erster  Linie  das  VerhÀltnis  zwischen 
gradueller  IntensitĂŒtszunahme  des  Eingriffes  und  dadurch  be- 
dingter Steigerung  des  Mißbildungsfaktors  berĂŒcksichtigt  wird. 
Als  wesentlichste  DeformitÀt  ergab  sich  in  allen  Lallen 
eine  sehr  schnell  einsetzende,  die  habituelle  Skoliose  an  Schwere 
weit  ĂŒbertreffende  WirbelsĂ€ulenverbiegung,  und  zwar  eine 
typische  operierlseitig  konvexe  Kyphoskoliose.  Lerner  fand 
sich  stets  ein  bisweilen  hochgradiger  Thoraxwandkollaps  mit 
entsprechender  Atmungsbehinderung.  Das  Sternum  zeigte 
typische  SchrÀgstellung,  und  zwar  von  der  gesunden  Seite  oben 
nach  der  operierten  unten,  ferner  Torsion  um  die  longitudinale 
Achse.  Die  Brustkorbmuskulatur  wies  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  geringe 
Beeinflussung  durch  die  skoliotische  Verbiegung  auf.  Verf.  fĂŒhrt 
dies  auf  genetische  Ursachen  zurĂŒck.  Im  dritten  Teil,  der  ml 
den  beiden  ersten  nur  in  losem  Zusammenhange  steht,  streift  K. 
die  biologischen  Ursachen  der  verschiedenen  Formen  der  Sko- 
liosen (angeborene,  habituelle,  rhachitische  Skoliose  usw.)  und 
daraus  resultierende  Àtiologische  Momente. 

L.  Frosch  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

10.  Dezember  1921,  45,  Nr.  49. 

Die  Benennung  der  Nierenkrankheiten  in  der  Schwangerschaft,  Kau  tzky  , 
K.  17G6. 

Zur   Pathologie'  und    Klinik   der   Xicr.  nerkrankungen    in    der  Schwanger- 
schaft.   Hieß,  V.  und  Beckmann.  M.  1773. 
Die  Ausrottung  des  Harnröhrenkrebses  unter  zeitweiligem)   Aufklappen  der 
Schoßfuge.     Graf,  P.  1777. 
❖  Die  BekĂ€mpfung  der  postopeiativen  Urinverhaltung  durch  intravenöse  Uro- 
tropininjektionen.     Vogt.    E.  1781. 
Beitrag  zur  operativen  Therapie  der  Harninkontinenz.    II  i  s  g  e  n  ,  H.  1783. 
lieber  Zystoskopie  in  der  luftgefĂŒllten  Blase.    L  i  n  z  e  n  m  e  i  e  r  ,  G.  1786. 
Atresia  vaginae  puerperalis:  dilatatio  urethrae  e  coitu.    S  t  a  u  c  a  .  C.  1788. 

Die  BekÀmpfung  der  postoperativen  LTrinverhaltung  durch 
intravenöse  Urotropininjektionen.  Die  seitherigen  Methoden  der 
BekÀmpfung  der  postoperativen  Dysurie  und  Urinverhaltung 
waren  der  Katheterismus  oder  das  Einlegen  eines  Dauerkatheters. 
Beide  Methoden  sind  fĂŒr  den  Kranken  belĂ€stigend,  manchmal 
sogar  gefÀhrlich.  Verf.  empfiehlt  am  Abend  des  Operationstages 
5 — 10  cem  einer  40  %  sterilen  Urotropinlösung  (von  der  chemi- 
schen Fabrik  auf  Aktien,  vorm.  Schering,  Berlin,  in  den  Handel 
gebracht)  intravenös  zu  injizieren.  Es  kam  danach  in  ĂŒber  200 
FĂ€llen  zur  spontanen  Urinentleerung.  Außer  dieser  prophy- 
laktischen Injektion  fĂŒhrte  auch  die  therapeutische  Anwen- 
dung der  Methode  bei  Urinverhaltung,  die  erst  mehrere  Tage 
nach  der  Operation  oder  Entbindung  auftrat,  stets  zum  Ziele.  Die 
Injektion  ist  vollkommen  ungefÀhrlich;  jedoch  ist  bei  Nieren- 
kranken zur  Vorsicht  zu  raten.  Speyer  (Berlin 

17.  Dezember  1921,  45,  Nr.  50. 

Zur  KlÀrung  der  Eklampsiefrage.    Hofbauer.  J.  1797. 
❖Aetiologie  und  Behandlung  der  Eklampsie.    L  i  e  p  m  a  n  n  ,  W.  1810. 
Die  badische  Eklampsie-Statistik  fĂŒr  das  Jahr  1919  im  Lichte  der  DiĂ€tetik. 

G  e  ß  n  e  r  ,    W.  1814. 
Ueber  einen  besonderen  Fall  von  totalem  Dammriß.    W  i  e  g  e  1  s  ,  W.  1818. 

Aetiologie  und  Behandlung  der  Eklampsie.  Auf  Grund  seiner 
frĂŒheren  Forschungen  und  der  in  den  letzten  Jahren  zusammen 
mit  E.  Schulz  gemachten  Untersuchungen  hĂ€lt  L.  es  fĂŒr  einwand- 
frei erwiesen,  daß  die  Plazenta  die  Stelle  ist,  an  der  das  eklamp- 
lische  Gift  gebildet  wird,  und  daß  der  verĂ€nderte  Chemismus  das 
Krankheitsbild  bedingt.  FĂŒr  die  Behandlung  der  Eklampsie  ist 
es  danach  unbedingt  erforderlich,  die  GiftproduktionsstÀtte  auf 
dem  schnellsten  Wege  aus  dem  Körper  zu  beseitigen,  d.  h. 
Schnellentbindung.  Daß  daneben  ein  Aderlaß,  der  die  Giftstoffe 
aus  dem  Blute  beseitigt,  von  Bedeutung  sein  kann,  ist  selbstver- 
stÀndlich, hat  aber  erst  dann  einen  Sinn,  wenn  die  Giftproduk- 
tionsstelle beseitigt  ist.  Speyer  (Berlin). 

'Monatschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Berlin. 

November  1921,  56,  Heft  1/2. 

❖Die  rektale  Untersuchung  unter  der  Geburt:    11  e  y  u  e  in  a  n  n  .  T.  l. 

Bakteriologisches  zur  rektalen  Untersuchung  unter  der  Geburt.    T  h  e  o  d  o  r, 
P.  und  H  a  n  d  t  m  a  n  n    G.  7. 
❖Ueber  Stirnlage.    Eymer,  H.  13. 

Zur  Frage  der  Geburtsleistung  bei  Stirnlagf.    Seitz.  A.  21. 

Vasa  praevia  als  Geburtskomplikation.    G  r  a  f  f  .  E.  28. 


Spontane  Uterusruptur  mit  Austritt  von  Friichl  und   Plazenta  in  die  Bauch* 
höhle.    Kreisch.  E.  34. 

❖Wie    beeinflußt    die    Zange,  die    Kindersterblichkeit    unter    der  Geburt? 
Lonne,  F.  und  S  Unkel,  F.  38. 

.SekundÀre  Bauchhöhlenschwangerschaft  nach  Ruptur  der  Kaisersehnittnarbe. 
I  c  h  e  n  h  À  u  s  e  r  .  M.  47. 

❖  Die  Lichtbehandlung  der  weiblichen  Gonorrhoe.    G  u  t  Ii  m  a  n  n  .  11.  500. 
Verletzung   des    kindlichen    SchÀdels    infolge    RigiditÀt    des  Muttermundes, 
H  e  n  r  tri,   E.  04. 

FamiliÀres  Vorkommen  von  Cyklopie  und  Arrhinencephalre.  Klops tock, 
A.    59.  * 

Die  rektale  Untersuchung  unter  der  Geburt.      Die  rektale 

Untersuchung  ist  zwar  nicht  imstande,  die  vaginale  zu  ersetzen, 
unter  bestimmten  Voraussetzungen  ist  sie  jedoch  wohl  geeignet, 
zur  ErgĂ€nzung  des  Ă€ußeren  Untersuchungsbefundes  herangezogen 
zu  werden  (Weile  des  Muttermundes,  Entfaltung  der  Cervix. 
Fruchtblase).  Wo  sich  Schwierigkeiten  bei  der  Geburt  oder  Yer- 
dachtsgrĂŒnde  komplizierender  ZustĂ€nde  ergeben,  muß  vaginal 
untersucht  werden. 

Ueber  Stirnlage.  Auf  Grund  seiner  Erfahrungen  bei  13  Stirn- 
lagen bespricht  Verfasser  die  Therapie  und  kommt  zu  dem  Er- 
gebnis, daß  womöglich  die  Spontangeburt  anzustreben  ist.  Tritt 
bei  beweglichem  Kopf  die  Indikation  zur  Entbindung  ein,  so 
kommt  die  Wendung  in  Betracht.  Wenn  der  Kopf  nicht  ins 
Becken  eintritt  und  es  zu  akut  bedrohlichen  Erscheinungen  fĂŒr 
Mutter  oder  Kind  kommt,  so  ist  der  Kaiserschnitt,  bei  geringerer 
Dringlichkeit  der  Erscheinungen  die  Symphyseotomie  vorzu- 
nehmen. 

Wie  beeinflußt  die  Zange  die  Kindersterblichkeit  unter  der 
Geburt?  Unter  Zugrundelegung  der  Statistik  von  M  a  y  e  r  (Hei- 
delberg) verglich  Verfasser  an  einem  Material  von  5038  Geburten 
Zangenfrequenz  und  GesamtmortalitÀt.  Er  kommt  zu  dem  Er- 
gebnis, daß  man  in  der  Lage  ist,  durch  die  Anwendung  der  Zange 
die  Kindersterblichkeit  unter  der  Geburt  gĂŒnstig  zu  beeinflussen, 
sofern  nur  die  Vorbedingungen  zum  Forceps  erfĂŒllt  sind. 

Die  Lichtbehandlung  der  weibliehen  Gonorrhoe.  Die  Licht- 
behandlung mit  wassergekĂŒhlten  Leuchtsonden  ist  auch  in  chro- 
nischen FĂ€llen  von  Gonorrhoe  imstande,  Gonokokkenfreiheit  zu 
erzielen.  Die  Lichtwirkung  lĂ€ĂŸt  sich  noch  verstĂ€rken  durch  Ver- 
abreichung bakterizider  Mittel. 

Jonas  (Berlin  . 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 

28,  Nr.  1. 

❖Zur  exakten  Diagnose  des  Ulcus  duodeni.    Lore  n  z.  1. 
v   Ucbcr  Spondylitis  typhosa.    Gallus.  13. 
Ueber  Spondylitis  typhosa.    L  o  r  e  y.  19. 

Ueber  die  Einwirkung  des  Mesothoriums  auf  Einzellige.  M  a  r  e  o  v  i  t  z,  22. 
Zur  Klinik  und  Röntgendiagnose  der  multiplen  Myelome.  Kohl  m  a  0  n.  21. 
Ein  Beitrag  zur  Patella  hipartita.    S  a  u  p  e.  37. 

Zur  röntgenologischen  Darstellung  der  SchÀdelbasis.    S  t  a  u  n  i  g.  42. 
❖Ueber  WirbelsĂ€uleusehĂ€diguug  nach  Lumbalpunktion   bei  Tabikern.        i  e 
a  e  1  e  r.  45.  ‱ 
Röntgenuntersuchungen  des  Neugeborenen.    Vogt.  49. 

Röntgendiagnostik  der  Bronchopneumonie  der  ersten  Lebenszeit.    V  o  g  t.  54 
Ueber  einen  offenen   Ductus   Botalli   mit  Beteiligung   des   linken  Herzens 
G  a  s  s  u  1.  56. 

Verwendung  des  Radioskops  und  Thoraxdurchleuchtung.    J  o  s  s.  58. 
Ueber  die  von  der  RĂŒckseite  der  Antikathode  ausgehende  Röntgenstrahlung 
Halb  er  stÀdter-Tugendreich.  64. 
❖Eigentumsrecht  des  Röntgenologen  an  seineu  Platten.    H  Ă€  n  i  s  c  h.  68. 

Zur  exakten  Diagnose  des  Ulcus  duodeni.  Bei  Ausnutzung 
aller  modernen  Untersuchungsmethoden  ist  es  Lorenz  gelungen, 
die  genĂŒgend  exakte  Diagnose  in  70  %  zu  stellen,  insbesondere 
auf  Grund  des  direkten  Bulbussymptomes. 

Ueber  WirbelsÀulensehÀdigung  nach  Lumbalpunktion  bei 
Tabikern.  G  i  e  s  e  1  e  r  beschreibt  2  FĂ€lle  von  Gibbusbildung  nach 
Lumbalpunktion,  wodurch  jede  Beweglichkeit  der  WirbelsÀule 
und  dementsprechend  auch  das  Spiel  der  RĂŒckenstrecker  fehlte, 
so  daß  der  schon  an  und  fĂŒr  sich  bestehende  ataktische  Gang 
nunmehr  vollstÀndig  unmöglich  wurde. 

Eigentumsrecht  des  Röntgenologen  an  seinen  Platten.  Die 

fĂŒr  die  Praxis  wichtige  Frage,  ob  der  Röntgenologe  gezwungen 
werden  kann,  die  gefertigte  Röntgenplatte  dem  behandelnden 
Arzte  oder  Patienten  zu  ĂŒbergeben,  hat  das  Gericht  im  ver- 
neinenden Sinne  entschieden  auf  Grund  des  hier  wiedergegebenen 
Gutachtens,  dessen  Schlußpassus  lautet:  Der  Röntgenologe  ist  ein 
Facharzt  und  wird  vom  Arzt  oder  Patienten  konsultiert  zur  Stel- 
lung einer  Diagnose.  Die  bei  einer  fachÀrztlichen  Untersuchung 
entstehenden    Platten    und    sonstige  Untersuchungsbefunde  sind 


JO.  Jahrg.     Nr.  2. 


A u  s  don  neuesten  Zeitschriften 


t'.i 


Ingenium  des  Röntgenologen,  Die  UebermiĂŒelung  der  Diagnose 
Wh  den  Arzt  muß  in  einer  das  Interesse  des  Patienten  in  jeder 
Hinsicht  wahrenden  Weise  geschehen  durch  mĂŒndlichen  oder 
schriftlichen  Bericht  oder  Demonstration  der  eventuellen  Platte 
usw.  In  besonders  schwierigen  oder  dringenden  FĂ€llen  ist  eine 
leihweise  Ueberlassung  der  Platte  aus  kollegialen  GrĂŒnden  Ge 
Krauch.  KrankenhÀuser  sind  zur  Abgabe  von  Platten  nicht  ver 
pflichtet.  Die  Abgabe  von  AbzĂŒgen  usw.  isl  freiwillig  oder  riehtel 
sieh  nach  bestehenden  Abmachungen.  I'.  M  Lc  Ii  a  el  i  s. 

28,  Nr.  2. 

♩Beitrag  zur  Klinik  der  umschriebenen  Lungenciterung.  W  ;i  Ii  h  e  n  f  u  Ii  i  n  r. 
P7. 

♩Ueber  eine  besondere  Art  gĂŒnstiger  Kiinvirkung  von  liontgonstrahlen  bei  der 
Sehiidelgeschwulst.     Hlumc  nthal  und  T  ugen  d  r  <■  i  c  b.  130. 

Beitrag  zur  Kenntnis  der  von  A.  Köhler  beschriebenen  Erkrankung  des 
2.  Itetatarso  phalangesJ-GreJenks.   W  e  i  1.  133. 

Ungewöhnlicher  Röntgenbefund  am  kindliehen  Oberschenkelkopf.  W  e  i  l.  I3a. 

Abgekapselte  Pleuritiden  im  Kontgenbild.    U  r  o  e  d  e  1.  137. 

Studien  Uber  J-adungsverteUung  ĂŒber  der  Röntgenröhre.    S  c  h  r  e  u  s.  149. 

Orr  Querschniltt-Zeiiobeinap-par&t  und  Orthodiiagraph.    G  r  u  c  d  e  1.  165. 

lieber  die  traumatische  Entstehung  von  Knochenzysten     Dreifuß.  li6. 

lieber  Duodenojejunaldivertiikel.    F  e  h  b  e.  159. 

Untersuchungen  zur  Diagnose  und  zum  Entstehungsmechanismus  des  idio- 
pathischen Zwerehfellhochstandes.    Wels.  162. 
♩Zum  Verhallten  des  Blutdruckes  nach  Röntgenbestrahlung.  Levy-Dorn 
und  Weinstein.  175. 

Eine  neue  Ventilröhre.    Greineuter.  179. 

Kontrastspeise  im  Bronchialbaum.    Sons.  180. 

Die  Messung  der  prozentualen  Pulpendosis  mit  Kneböckstiruifen  nach  Bau- 
meister,  v.  Kothen.  181. 

Beitrag  zur  Klinik  der  umschriebenen  Lungeneiterungen 
(Abszeß  und  GangrĂ€n).  R  a  h  n  c  n  f  ĂŒ  h  r  e  r  behandelt  dies  fin- 
den praktischen  Arzt  wichtige  Krankheitsbild  m  ausfĂŒhrlicher 
Weise  unter  Darbietung  von  guten  Röntgenbildern.  Die  Einzel- 
heiten mĂŒssen  im  Original  nachgelesen  werden. 

Ucber  eine  besondere  Art  gĂŒnstiger  Einwirkung  von  Röntgen- 
strahlen bei  einer  SchÀdelgeschwulst.  Das  Osteosarkom,  welches 
sich  gegen  Röntgenstrahlen  ganz  refraktÀr  verhÀlt,  wurde  auch  in 
diesem  Falle  Ă€ußerlich  nur  in  geringem  Maße  beeinflußt,  trotz- 
dem konnten  Blumenthal- Tugendreich  eine  außer- 
ordentliche Besserung  des  Allgemeinzustandes  und  ein  fort- 
schreitendes Nachlassen  sÀmtlicher  subjektiver  und  objektiver 
Krankheitssymptome  nachweisen. 

Zum  Verhalten  des  Blutdrucks  nach  Röntgenbestrahlung. 
Levy-Dorn  und  Weinstein  fanden,  daß  Röntgenbestrahlung 
in  kleiner  und  mittlerer  Dosierung  eine  vorĂŒbergehende  geringe 
BlutdruckĂ€nderung  bewirken  kann  und  daß  die  Aenderung  in  ge 
sieigertem  Maße  auftritt,  wenn  die  Gegend  des  11.  Brustwirbels 
beide  Nebennieren  —  bestrahlt  wird.  Ein  Gesetz  ĂŒber  die  Ab- 
hÀngigkeit der  Reaktion  von  der  Höhe  der  Dosis  kann  bisher 
nicht  aufgestellt,  die  Reizdosis  fĂŒr  das  Nebennierenmark  nicht 
angegeben  werden.  Michaelis. 

Archiv  fĂŒr  Augenheilkunde,  MĂŒnchen  und  Wiesbaden. 
Oktober  1921,  90,  Heft  1. 

Kanunerwasseruntersuchung.  I.    Gilbert,  W.  und  Plaut,  F.  1. 
Morphologie  des  K.unmerwassers.    W  o  1  f  ,  H.  29. 
Vererbung  von  Farbensinnstörungen.    D  ö  d  e  r  1  e  i  n  ,  G.  4.1. 
Operation  bei  Narbcn-Ektropion  des  Unterlides.    Schmidt,  P.  «7. 
Experimentelle  und  anatomische  Studien  zur  Frage  der  Aderhautabhebung. 
M  e  e  s  m  a  n  n  ,  A.  69. 

Erkennbarkeit  von  Antiqua-  und  Frakturbuchstaben.    Wiek.  105. 
♩Technik    und    Erfolge    der    Strahlenbehandlung    in    der  Ophthalmologie 
s  t  u  m  p  f  ,  P.  109. 

Photometrie  ultravioletten  Lichts.    Passow,  A.  123 

Technik  und  Erfolge  der  Strahlenbehandlung  in  der  Ophthal- 
mologie.   Wie  auf  vielen  anderen  so  ist  auch  auf  strahlenthera 
peutischem  Gebiet  das  Auge  das  beste  Objekt,  um  Reaktion  und 
Heilverlauf  verfolgen  zu  können.    In  den  zwei  großen  Gruppen 
des  hier  zur  Verwendung  kommenden  Strahlengebietes,  den  ultra- 
violetten und  den   Röntgenstrahlen,    hat    die    Quarzlampe,  die 
„kĂŒnstliche  Höhensonne",   Finsenlichl  und  anderers  ĂŒberflĂŒgelt. 
Ihren  Erfolg  sieht  Verf.  vor  allem  in  einem  erstaunlichen  Nach 
bissen  des  Reizzuslandes  eines  kranken  Auges  nach  3 — 4  Allge 
fneinbestrahlungen,  denen  er  vor  lokaler  Anwendung  den  Vorzug 
|  gibt.   Störende  Hautreize  verhindert  er  durch  BestÀuben  der  Hanl 
h\  mit  einer  fein  vernebelnden  Spritze,  das  auf  ihr  eine  automatisch 
I   sich  regulierende  filterartige  Dunstschicht  erzeugt. 


Die  Anwendung  der  Röntgenstrahlen  auf  ophtbolmolbgisch«  m 
Gebiet  erfordert  vor  allem  eine  exakte  Dosierung.   Ihre  Wirkung 
auf  Zellen  Ivmphoider  Abstammung  und  Epithelzellen  isi  ehu 
rakterisiert  durch  einen  Zerfall  der  er  st  er  en  ohne  Latenzzeit  und 
eine  Wachstumshemmung  der  Epitbelzellen,  deren  Erfolg  erst 

nach  Ablauf  der  natĂŒrlichen  Lebensdauer  dieser  zutage  Will 

Die  SchĂ€digungsdosis  Liegt  beim  Auge  meist  Über  der  ĂŒblichen 
llauteinheilsdosis.  Die  individuell  verschiedene  PrimÀrreaktion 
kann  u.  U.  bis  zum  Einsetzen  der  eigentlichen  Höntgcnreaktion 
anhalten,  die  sich  in  einem  Erythem  der  Eider,  zuweilen  mit 
BindehÀutreizung  vergesellschaftet,  ausprÀgt.  Relativ  seilen  be 
obachtete  Verf.  kurze  Hornhautreizungen  unter  dem  Bilde  dei 
Keratitis  punctata  und  Randulcerationen  bis  zu  einer  Woche 
Dauer,  dagegen  keine  SchÀdigung  der  Linse  (Kataraktbildung 
Den  bei  der  Lidbestrahlung  angewandten  Bleiglasprothesen  ziel 1 1 
er  die  von  ihm  angegebenen  glyzeringefĂŒllten  Hohlprothesen  vor". 

Die  Technik  der  Bestrahlung  ist  ein  wenig  kurz  abgehandelt, 
obwohl  gewiß  manchen  Leser  eine  eingehendere  Schilderung 
interessiert  hÀtte 

Der  Erfolg  isl  gut  bei  Epitheliom,  Lupus,  Ekzem  der  Eider. 
Blepharitis  ulcerosa,  Herpes  corneae,  Macula  corneae,  malignen 
Tumoren  u.  a.  .Massur  (Berlin,. 

Psychiatrisch-Neurologische  Wochenschrift. 

8.  Oktober  1921,  Nr.  27/28. 

Aushildungs-   und   PrĂŒfungsordnung   fĂŒr  das    Pflegepersonal   der  Heil-  und 
Pflegeanstalten  des  Bczirksverbandes  des  Regierungsbezirks  Cassel.  103. 
♩Zur  Prognose   der  schweren   Kohlcuoxydpsychosen.    11  e  i  11  e  n.  160. 
Telepathie.      Schmelzeis.  170. 

Zur  Prognose  der  schweren  Kohlenoxydpsychosen.  Beschrei- 
bung eines  Falles  von  Geisteskrankheil  nach  Kohlenoxydver 
giftung.  Entgegen  der  allgemeinen  Anschauung,  daß  solche 
Psychosen  stets  einer,  ungĂŒnstigen  Verlauf  nehmen,  z.  T.  sogar 
quoad  vitam  infaust  sind,  besserte  sich  diese  24  jÀhrige  Frau 
nach  langer  Zeit  noch  und  scheint  der  Genesung  entgegenzugehen 

Wem  H.  Beck  er. 

22.  Oktober  1921,  Nr.  29/30. 

Derzeitiger     Stand     der     Krankenpflege     in       bayrischen  Irrenanstalten. 
B  1  a  c  h  i  a  n.  175. 

♩Zu?  Behandlung  der  Tabes  und  Paralyse.    Adler.  183. 

♩BeschĂ€ftigung      von      Pfleglingen      im      Haushalt  Anstalts-Angestellter. 
B  r  e  s  1  e  r.  183. 

Zur  Behandlung  der  Tabes  und  Paralyse.  Kurz  und  bĂŒndig 
macht  Verfasser  wie  gewöhnlich  seine  VorschlÀge,  leider  wie 
immer  so  auch  dieses  Mal  ohne  eigene  Versuche.  Chinin  soll 
nunmehr  das  Heilmittel  sein  „mit  RĂŒcksicht  auf  die  vorzĂŒgliche 
prophylaktische  Wirksamkeit  der  Merckschen  Chininsalbe  gegen 
die  Infektion  mit  Syphilis." 

BeschÀftigung  von  Pfleglingen  im  Haushalt  Anstalt*- Ange- 
stellter. W  ie  Referent  schon  am  andern  Orte  betont  hat,  forderl 
dieser  Aufsatz  -lußerordentlich  zum  Widerspruch  heraus  und 
wĂ€re  nicht  nur  im  Interesse  der  Anstaltsbeamten  —  das  wĂ€re  ja 
nebensĂ€chlich  —  sondern  vor  allem  auch  im  Interesse  der  Wissen- 
schaft besser  nicht  geschrieben  worden.        W  e  r  n.  H.  Becker. 

5.  November  1921,  Nr.  31/32. 

Zum  dritten  —   und   nicht  letzten   —  Male:  Sparsamkeit  in  Irrenanstalten. 
B  r  e  s  1  e  r.  187. 

♩Der  derzeitige  Stand  der  Krankenpflege   in  den   bayrischen  Irrenanstalten. 
Ast.  193. 

Der  derzeitige  Stand  der  Krankenpflege  in  den  bayerischen 
Irrenanstalten.  Keine  Polemik  gegen  Blachian,  sondern  Kor- 
referat zu  demselben.                              W  e  r  n.  H.  Beck  e  r. 

Zeitschrift  fĂŒr  soziale  Hygiene,  FĂŒrsorge  und 
Krankenhauswesen. 

Heft  2. 

♩Zur  Reform  der  Medizinalverwaltung.    Hirsch.  33. 

Wohlfahrtspflege,  Arzt  und  Frau.    Bau  m.  38. 

Die  Deutsche  Wohnungsfrage.    P  o  h  l.  42 
♩Die  Vereinheitlichung  der  sozialen  Versicherung;     K  1  e  e  i  s.  49. 

Zur  Reform  der  Medizinalverwaltung.  Staatsminister  a.  D. 
Paul  Hirsch  macht  folgende  VorschlĂ€ge:  Der  Kreisarzt  muß 
hauptamtlich  angestellt  und  von  der  Kreisvertretung  gewÀhlt 
werden.  Er  muß  Mitglied  des  Kreisausschusses  sein.  Kreisarzt 
und  Gerichtsarzt  sind  zwei  vollstÀndig  getrennte  Posten.  Die 


50 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  — 


Personalunion  von  Kreisarzt  und  Kommunalarzt  ist  von  Fall  zu 
Fall  zu  regeln.  Die  Wohlfahrtspflege  einschließlich  der  Gesund- 
heitspflege muß  an  die  Selbstverwaltungskörper  zur  eigenen  Ver- 
waltung ĂŒbertragen  werden.  Endlich  ist  erforderlich  der  Erlaß 
eines  Gesundheitsgesetzes,  das  den  Selbstverwaltungskörper  zur 
Grundlage  der  Organisation  macht. 

Die  Vereinheitlichung  der  sozialen  Versicherung.  Unsere 
soziale  Versicherung  muß  den  verĂ€nderten  politischen  und  wirt- 
schaftlichen VerhÀltnissen  Rechnung  tragen.  Eine  Arbeits- 
gemeinschaft fĂŒr  die  Neuordnung  der  Sozialversicherung  ist  von 
privater  Seite  ins  Leben  getreten;  das  Reichsarbeitsministerium 
gibt -die  GrundzĂŒge  der  deutschen  Sozialversicherung  heraus. 
Kleeis  macht  beherzigenswerte  VorschlĂ€ge  —  wenn  sie  auch  z.  T. 
nicht  neu  sind  —  zur  Zusammenlegung  der  verschiedenen  Ver- 
sicherungszweige. Paul  Michaelis. 

Heft  3. 

Die  neue  Preußische  Desinfektionsordnung  und  die  Zukunft  des  Desinfektoren- 
Standes.    Seligmann.  65. 
Zur  Frage  der  GesundheitsÀmter.    P  o  1 1  i  g  k  e  i  t.  69. 
❖Die  Bedeutung  des   Rohrersehen  Index   fĂŒr   die   Beurteilung   von  Massen- 
untersuchungen.   Harms.  76. 
❖Sollen    wir    die    offene    von     der    gesehlos  euen    Tuberkulose  trennen? 
Pactsch.  80. 

Die  Bedeutung  des  Rohrer  sehen  Index  fĂŒr  die  Beurteilung 
von  Massenuntersuchungen.  Harms  weist  —  ohne  die  Nachteile 
des  Rohrer'schen  Index  zu  verkennen  —  an  seinem  Materiale 
nach,  daß  der  Rohrer'sche  Index  das  geleistet  habe,  was  er  sollte, 
nĂ€mlich  auf  Grund  der  nach  ihm  ausgefĂŒhrten  Untersuchungen 
die  Möglichkeit  zu  geben,  die  Speisen  ĂŒber  ganz  Deutschland  in 
gerechter  Weise  zu  verteilen. 

Sollen  wir  die  „offene"  von  der  „geschlossenen"  Tuberkulose 
trennen?  P  a  e  t  s  c  h  lehnt  die  Forderung  Z  a  d  e  k  s  ab,  die  alte 
Einteilung  ist  fĂŒr  die  Praxis  unbedingt  beizubehalten. 

Paul  Michaelis. 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

1.  Dezember  1921,  Nr.  48. 

Biologie  der  SyphĂŒis.    Dind.  1105. 

Versuche  ĂŒber  die  Wirkung  der  KohlensĂ€urebĂ€der  iu  St.  Moritz.  L>  1 1  j  e  s  - 

Strand.  G.  und  Magnus.  R.  1109. 
Erythema  nodosum  uud  Tuberkulose.   Demieville.  llio. 
❖Pathogenese  der  Syphilis  maligna.   U  m  a  n  s  k  y    M.  1112. 
❖Untersuchungen  der  Magenfuuktionen   ohne   Anwendung  der  Schlund60nde. 
C  u  s  t  e  r  .  J.  1115. 

Die  Patogenese  der  Syphilis  maligna.  Die  EigentĂŒmlichkeiten 
der  Lues  maligna  haben  von  jeher  die  Aufmerksamkeit  der 
Autoren  auf  sich  gelenkt.  Man  fragt  naturgemĂ€ĂŸ  nach  der  Ur- 
sache der  auffallenden  Abweichungen  vom  gewöhnlichen  Typus 
der  Syphilis  und  konstatiert,  daß  die  Auffassungen  hierĂŒber  recht 
geteilt  sind.  Verf.  lĂ€ĂŸt  die  existierenden  ErklĂ€rungsversuche  der 
Reihe  nach  passieren:  1.  die  Mischinfektionstheorie,  die  im  Laufe 
der  Jahre  aus  stichhaltigen  GrĂŒnden  wieder  verlassen  worden  ist, 
2.  begleitende  KonstitutionszustÀnde,  3.  stÀrkere  Virulenz  oder 
quantitative  Differenzen  der  eingedrungenen  Erreger,  4.  das 
Fehlen  von  vererbter  WiderstandsfÀhigkeit,  5.  die  vorherrschende 
Auffassung  ĂŒber  die  Pathogenese  der  Lues  maligna  geht  dahin, 
daß  der  Organismus  der  Befallenen  sich  in  einem  außerordent- 
lichen SchwÀchezustand  befindet,  bei  dem  die  Antikörperproduk- 
tion darnieder  liegt. 

Der  Symptomenkomplex  der  S.  maligna  ist  nach  den  ver- 
schiedenen Autoren  verschieden  zusammengesetzt.  Selten  finden 
sich  alle  Symptome  beieinander.  Sie  manifestiert  sich  durch  Mit- 
ergriffensein  des  Gesamtorganismus,  beschleunigten  Ablauf  der 
Stadien,  Fehlen  der  DrĂŒsenschwellung,  negative  Seroreaktion, 
refraktÀres  Verhalten  gegen  Antisyphilitica  usw.  Eine  Erschei- 
nung wird  am  konstantesten  erwÀhnt:  Das  Auftreten  von  ulce- 
rösen,  disseminiert  angeordneten  Effloreszenzen  zu  einer  Zeit, 
die  noch  dem  SekundÀrstadium  entspricht.  Es  liegt  nahe,  diese 
Erscheinung  mit  der  Pathogenese  des  abweichenden  Typs  der 
Syphilis  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Nach  N  a  e  g  e  1  i  und 
Jadassohn  handelt  es  sich  bei  der  S.  maligna  um  eine  aller- 
gische Reaktion.  Das  besagt,  daß  der  Körper  in  FĂ€llen  von  S. 
maligna  die  Infektion  im  Stadium  der  Ueberempfindlichkeit  be- 
kĂ€mpfte. Die  im  Ueberschuß  gebildeten  Abwehrstoffe  werden 
zum  Kampf  gegen  das  Virus  herangezogen  und  bedingen  den 
eigenartigen  Verlauf  der  Infektion.  Der  Unterschied  zwischen 
der  gewöhnlichen  sekundÀren  und  der  malignen  Syphilis  wird 


also  einzig  durch  den  verschiedenen  Antikörperreichtum  des  Or- 
ganismus oedingt  sein. 

Die  Tatsache,  daß  die  erste  ebenso  wie  die  zweite  Inkubation 
bei  der  S.  maligna  hĂ€ufig  verkĂŒrzt  angetroffen  wird,  steht  nicht 
im  Gegensatz  zu  dieser  Anschauung.  Man  nimmt  jetzt  allgemein 
mit  v.  Pirquet  an,  daß  die  Inkubation  die  Zeit  bedeutet,  die 
von  der  Infektion  bis  zur  Ausbildung  genĂŒgender  Antikörper- 
mengen erforderlich  ist.  Bei  der  S.  maligna,  wo  die  Antikörper- 
proĂŒuktion  ausgiebig  ist,  wird  sie  dementsprechend  auch  kĂŒrzer 
sein  können.  Bei  der  Vernichtung  eines  großen  Teils  der  Spiro 
chaeten  im  PrimĂ€raffekt  ist  es  begreiflich,  daß  bei  der  malignen 
Lues  gelegentlich  die  Entwicklung  einer  charakteristischen  regio- 
nĂ€ren DrĂŒsenschwellung  ausbleibt.  Die  mangelhafte  Wirkung  des 
Hg  und  manchmal  auch  des  Salvarsans  wird  so  zu  erklÀren  sein, 
daß  eine  Produktionssteigerung  der  Antikörper,  die  die  Anti- 
syphilitica bewirken,  nicht  immer  den  Verlauf  der  Krankheit  bei 
schon  bestehendem  Antikörperreichtum  beeinflussen  kann.  Trotz 
dem  der  Körper  bei  dieser  Form  der  Syphilis  besser  und  reich 
lieber  mit  AbwehrkrĂ€ften  ausgerĂŒstet  ist,  kann  man  nicht 
leugnen,  daß  er  einen  hĂ€rteren  Kampf  als  gewöhnlich  auszu- 
stehen hat  und  daher  meist  stÀrker  mitgenommen  wird.  Es  be- 
ruht dies  auf  einer  allgemeinen  Erscheinung  bei  Ueberempfind 
lichkeitsvorgÀngen.  Der  Körper  besitzt  nicht  immer  das  nötig 
Maß  in  seiner  AbwehrtĂ€tigkeit,  er  schießt  manchmal  ĂŒber  das 
Ziel  hinaus,  so  daß  der  Gesamtorganismus  ungĂŒnstig,  wenn  auch 
meist  nur  vorĂŒbergehend  beeinflußt  wird. 

Die  Untersuchung  der  Magenfunktionen  ohne  Anwendung  de) 
Schlundsonde.  Die  mit  der  Sondenuntersuchung  verbundenen 
Schwierigkeiten  stehen  ihrer  ausgiebigen  Anwendung  oft  hin- 
dernd im  Wege.  So  verzichtet  der  praktische  Arzt  zum  Nachten 
seiner  Patienten  auf  diese  komplizierte  Untersuchungsmethodt 
und  stĂŒtzt  seine  Diagnose  nur  auf  die  Ergebnisse  der  Anamnese, 
Inspektion,  Perkussion,  Palpation,  vielleicht  noch  auf  die  Stuhl- 
untersuchung. Verf.  will  deshalb  eine  Lanze  brechen  fĂŒr  eine 
sondenfreie  FunktionsprĂŒfung,  die  er  in  jahrelanger  Anwendung 
zuverlÀssig  gefunden  und  radiologisch  kontrolliert  hat.  Er  be- 
ginnt mit  der  Methylenblaureaktion  (M.-B.),  schließt  an  diese  dit 
Salolreaktion  (S.-R.)  an  und  beendigt  die  Untersuchung  mit  der 
Desmoid-Reaktion  (D.-R.).  Beim  abgekĂŒrzten  Verfahren  werden 
die  Jodoform-  und  die  Desmoid-Reaktion  gleichzeitig  ausgefĂŒhrt 
Die  M.-R.  wird  so  gut  wie  immer  positiv  ausfallen.  Diagnostische 
Bedeutung  hat  nur  der  Zeitpunkt  des  Eintritts,  der  unter  patho 
logischen  VerhÀltnissen  starken  Schwankungen  unterworfen  ist. 
Normalerweise  beginnt  die  M.-R.  eine  Stunde  post  coenam..  Dit 
.M.-R.  reicht  zu  einer  erschöpfenden  Analyse  der  motorischen 
Funktion  nicht  aus,  denn  sie  gibt  nur  Auskunft  ĂŒber  die  initiale 
MagenmotilitĂ€t.  Die  Salolreaktion  dient  zur  PrĂŒfung  der  termi- 
nalen MagenmotilitÀt.  Die  SalizylsÀureausscheidung  nach  Ein- 
nahme von  1  g  Salol  soll  beim  Gesunden  26 — 27  Stunden  nicht 
ĂŒberschreiten.  Die  S.-R.  ist  positiv,  wenn  Liqu.  ferr.  sesquichlor 
nach  27  Stunden  und  spÀter  noch  eine  SalizylsÀurereaktion  aus- 
löst. Ist  nach  den  Konlrollproben  die  Salolspaltung  und  nach 
der  M.-R.  und  der  klinischen  Untersuchung  die  Darmresorption 
und  die  NierenpermeabilitÀt  normal,  so  handelt  es  sich  um  eine 
terminale  motorische  Insuffizienz.  Dieselbe  ist  um  so  schwerer, 
je  lÀnger  die  S.-R.  positiv  bleibt.  Bei  Pylorusstenosen  sind  posi- 
tive Reaktionen  noch  nach  39  Stunden  beobachtet  worden.  Die 
D.-R.  gibt  uns  in  1.  Linie  Auskunft  ĂŒber  den  Chemismus  des 
Magens.  Die  Magenverdauung  ist  suffizient,  wenn  ihr  die  chemische 
Umsetzung  und  Entleerung  eines  ProbefrĂŒhstĂŒcks-  in  3 — 4  uno 
einer  weniger  leicht  verdaulichen  Mittagsmahlzeit  in  spÀtestens 
7  Stunden  gelingt.  Sie  ist  mehr  oder  weniger  insuffizient,  wenn 
der  Magen  diese  LeistungsfĂ€higkeit  nicht  zeigt,  sei  es,  daß  ei 
seiner  Aufgabe  chemisch  nicht  gewachsen  ist,  oder  infolge  einer 
motorischen- Störung  sich  zu  langsam  oder  zu  rasch  entleert.  Die 
Desmoidreaktion  stĂŒtzt  sich  auf  die  von  KĂŒhne  und  Ad. 
Schmidt  festgestellte  Tatsache,  daß  ungekochtes  Bindegewebe 
ausschließlich  im  Magen  und  nur  bei  Anwesenheit  von  Pepsin 
verdaut  wird.  Im  Prinzip  besteht  die  Methode  darin,  daß  man 
eine  im  Urin  nachweisbare  Substanz  als  Indikator  mit  einer 
GummihĂŒlle  umgibt,  welche  man  mit  einem  Catgulfaden  zubindet, 
dieses  Beutelchen  schlucken  lĂ€ĂŸt,  durch  Untersuchung  des  Urins 
bestimmt,  ob  und  wann  der  Indikator  zum  1.  Mal  erscheint  und 
dann  daraus  die  erlaubten  Schlußfolgerungen  zieht.  Der  positive 
Ausfall  der  Reaktion  setzt  selbstverstÀndlich  das  Freiwerden  der 
Indikatorpille  aus  ihrer  GummihĂŒlle  voraus.  Die  Verdauungs- 
zeit entspricht  der  Differenz  aus  der  durch  die  D.-R.  angegebenen 
Zeit  und  der  Ausscheidungszeit  des  Indikators.  Sie  ist  ein  Maß 
fĂŒr  die  Geschwindigkeit,  mit  der  der  Catgutfaden  und  die  Mittags 
mahlzeit  bei  der  D.-R.  im  Magen  verdaut  werden.  Da  diese  Ge- 
schwindigkeit in  1.  Linie  von  der  peptischen  LeistungsfÀhigkeit 


10.  JĂ€hrt 


\i  .  2. 


A  ii  s  (1  o  ii  neuesten  Zeitschrift«  n 


51 


des  Magensaftes  abhĂ€ngig  und  derselben  proportional  ist,  so  muß 
die  Verdauungszeil  von  großer  diagnostischer  Bedeutung  sein. 
Eine  kurze  Verdauungszeil  setzl  ('inen  sein-  guten  Chemismus 
voraus,  Den  lÀngsten  Verdauungszeiten  von  20  und  mein-  Stunden 
begegne!  man  bei  den  schwersten  chemischen  Insuffizienzen,  d,  Ii 
heim  hy.p-  und  anaziden  Magen.  Da  der  Verdauungsakl  bei  hohen 
SalzsĂ€urewerten  sieh  rascher  abwickeil  als  bei  niederen,  so  muß 
die  Verdauungszeil  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  auch  Aufschluß 
ĂŒher  die  AziditĂ€ts-VerhĂ€ltnisse  geben.  Oh  im  Falle  einer  ver- 
spÀteten D.-R.  die  motorische  Schwache  allein  oder  in  Verbindung 
mii  einer  verminderten  chemischen  LeistungsfÀhigkeil  des  Magen- 
saftes fĂŒr  die  VerspĂ€tung  verantwortlich  zu  machen  ist,  ersehen 
wir  aus  der  Verdauungszeit  der  M.-R.  und  der  S-R.  Die  mĂ€ĂŸig 
verspÀtete  D.-R.  findet  man  in  FÀllen,  bei  denen  trotz  Fehlens 
schwerer  Retentionserscheinungen  die  Verdauungszeil  ziemlich 
lang  ist,  weil  der  MĂ€gen  ohne  erkennbare  Ă€ußere  Ursache,  an- 
scheinend nur  zum  Zweck  einer  möglichst  vollstÀndigen  Aus- 
nutzung des  Magenmechanismus  die  schwer  verdaulichen 
Nahrungsbestandteile  lĂ€nger  zurĂŒckhĂ€lt.  Die  D.-R.  ist  negativ, 
wenn  der  Indikator  wĂ€hrend  der  ganzen  UntersĂŒchunaszeil  im 
Urin  nicht  nachgewiesen  werden  kann.  Sie  beweist,  daß  rohes 
Bindegewebe  nicht  verdaut  wurde.  Der  Grund  hierfĂŒr  liest  ent- 
weder in  einer  schweren  Insuffizienz  oder  in  einer  hochgradigen 
1  tvnermol ililÀt  des  Magens.  Die  DifferentialdiaÀnose  gestaltet 
sich  leicht,  wenn  man  die  D.-R.  bei  nĂŒchternem  Magen,  an  dem 
die  HyoermotilitÀt  sieh  selbstverstÀndlich  nicht  geltend  macht, 
wiederhol!.  Ist  auch  die  nĂŒchtern  ausgefĂŒhrte  D.-R.  negativ,  so 
handelt  es  sich  um  eine  schwere  Insuffizienz,  bzw.  Achvlie. 

K.  Held  (Berlin). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 
8.  Dezember  1921,  Nr.  49. 

Beitrag  zur  Kasuistik  Ànr  zentralen  Hnftsrelenkhixation.    Bosch.  E.  llJfl. 
Phorometrischc  ErmĂŒdiuiigsmessungen.    Strohe!  .  J.  1.J3R. 
Kin  neuer  Epiigil  itt'sheber.    Rcynier.  T>.  de.    11  Ii. 

Revue  medicale  de  la  Suissc  romandc,  Lausanne-Genf. 

November  1921,  41,  Nr.  11. 

‱JsErythema  modosum.    O  u  e  i  s  s  a  z  .  E.  G89. 
Distorsioncn  des  Kniegelenks.    V  u  il  Ii  e  t .  II.  7(H). 
♩Aphasie.     Christin.  Hl  717. 
$HĂ€moklaisisehe  Krisen.     G  tuti  <■  r  .   P.  727. 

Das  Erythcma  nodosum.  Nach  sorgfÀltiger  Durchsicht  von 
300  FĂ€llen,  die  im  Verlaufe  der  letzten  20  Jahre  in  der  Univer- 
sitÀtspoliklinik zu  Lausanne  zur  Beobachtung  kamen,  komm! 
Verf.  zu  folgenden  Schlußfolgerungen: 

1.  Es  gibt  ein  primitives,  spezifisches  Erythema  nodosum. 
das  alle  Merkmale  einer  exanlhematischen  Infektionskrankheit 
besitzt.  Beweisend  fĂŒr  seine  Autonomie  sind  folgende  Talsachen: 
a)  die  Erkrankung  befÀllt  weit  hÀufiger  Frauen  als  MÀnner,  man 
findet  sie  in  jedem  Alter,  jedoch  meist  zwischen  5 — 20  Jahren. 
Es  ist  eine  ausgesprochene  Saisonkrankheit,  bevorzugt  ist  das 
FrĂŒhjahr.  Betroffen  werden  alle  Gesellschaftsklassen,  Stadl  und 
Landleute  gleichermaßen,  b)  Das  E.  nodos,  ist  unbestreitbar  eine 
ansteckende  Krankheil,  deren  Erreger,  noch  unbekannt,  seinen 
Eingang  durch  die  Tonsillen  nimmt.  Das  E.  nodos,  kann  epi- 
demisch auftreten;  verleiht  jedoch  ImmunitĂ€t,  so  daß  Rezidive  zu 
den  grĂ¶ĂŸten  Sellenheilen  gehören. 

Das  E.  nodos,  zeigt  sieh  bei  sonst  krankheitsfreien  Personen, 
aher  es  befÀllt  ziemlich  hÀufig  Tuberkulöse  und  nicht  minder 
hÀufig  Rheumatiker. 

2.  Es  scheint,  daß  unter  gewissen  Bedingungen  Tuberkulöse. 
Syphilitiker,  Malariakranke,  Lepröse  Erytheme  erzeugen  können, 
die  dem  E.  nodos,  Àhneln.  Tuberkulöse  insbesondere  scheinen 
zuweilen  rezidivierende  Erytheme  hervorbringen  zu  können,  die 
im  Anfang  die  Merkmale  des  E.  nodos,  aufweisen,  im  Wiedel 
holungsfalle  dagegen  dem  indurierten  Bazinsehen  Erythem 
gleichen. 

Zur  Frage  der  Aphasie.  Es  ist  Monakoffs  großes  Ver- 
dienst, auf  die  Verwechslung  von  Lokalisation  der  Aphasie  mit 
Lokalisalion  der  Sprache  hingewiesen  zu  haben,  ebenso  wie  auf 
den  Fehlschluß,  daß  die  VerĂ€nderung  einer  Reifion  Störungen  in 
der  Funktion  nach  sieh  ziehen  mĂŒsse.  Es  gibt  auch  keine  be- 
rechenbare ProportionalitĂ€t  zwischen  HerdgrĂ¶ĂŸe  und  Funktions- 
störung. Im  Laufe  des  letzten  Jahres  hat  der  englische  Neuro- 
loge M.  Ifead  Studien  ĂŒher  Aphasie  veröffentlicht,    Er  bestĂ€tigl 


die  Auflassung  von  P.  M  a  r  i  e,  daß  die.  Aphasie  im  wesentlichen 
ein  intellektueller  Defekt  ist.  Sie  beruhl  nichl  auf  dem  Verlust 
sogenannter  Wortbilder.  Die  meisten  Aphasischen  erkennen 
einen  Gegenstand,  zeigen  dessen  Gebrauch  durch  Gesten  an,  ohne 

das  entsprechende  Wort  dafĂŒr  zu  finden.  Ilead  schlĂ€gt  eine 
neue  Klassifikation  der  Aphasien  vor,  die  von  der  herkömmlichen 
etwas  abweicht.    In  Betracht  kommen  nur  bleibende  Störungen 

1.  Verbale  Aphasie:  der  Kranke  kann  die  Worte  iso- 
liert wiederholen,  aber  die  FĂ€higkeil,  sie  zu  SĂ€tzen  zu  verbinden 
isl  ihm  abhanden  gekommen.  Das  Sehreiben  nach  Diktal  erfolg! 
langsam  und  unter  vielen  Auslassungen  und  IrrtĂŒmern;  aber  der 
Kranke  erkennt  beim  Wiederlesen  seine  Fehler  das  isl  fĂŒr 
diese  Form  typisch. 

2.  Nominale  Aphasie:  hier  ist  die  WĂŒrdigung  des 
Wortsinns  verloren  gegangen.  Der  Kranke  erkennt  GegenstÀnde 
Orienliert  sich  gut,  liest  wie  ein  Papagei,  ohne  zu  verstehen,  kann 
Gedrucktes  nicht  in  Kursivschrift  ĂŒbertragen.  Auf  dem  Ziffer- 
blatt kann  er  vor-  und  rĂŒckwĂ€rts  nicht  unterscheiden.  Rechnen 
isl  unmöglich. 

P>.  Koordinations- Apha  sie:  Aussprache  und  Syntax 
sind  exakt,  die  Kranken  benennen  vorgehaltene  GegenstÀnde,  aber 
sie  fassen  den  allgemeinen  Sinn  eines  Salzes,  die  Absicht  einer 
Geste  oder  einer  Handlungsweise  nicht.  An  einer  Zeichnung  ver- 
stehen sie  Einzelheiten,  aber  nicht  die  Gesamtheit.  Sie  haben  die 
Orientierung  fĂŒr  rechts  oder  links  verloren,  ebenso  fĂŒr  vor-  und 
rĂŒckwĂ€rts,  können  weder  Karten-  noch  Schachspielen.  Die  Re 
Ziehungen  der  Dinge  untereinander  ist  ihnen  verloren  gegangen. 

Ilead  leugnet  die  FÀlle  rein  motorischer  Sprachstörung, 
Wortblindheit  oder  Taubheit.  Bevor  man  sich  ein  definitives 
.  Urteil  bildet,  mĂŒĂŸte  man  die  anatomische  Verifizierung  der  FĂ€lle 
II  e  a  d  s  abwarten,  denn  es  genĂŒgt  nicht,  jede  Lokalisation  abzu- 
streiten und  die  WidersprĂŒche  der  Anatomokliniker  hervorzu- 
heben. Schließlich  lĂ€ĂŸt  sich  auch  nicht  ableugnen,  daß  zwischen 
den  Erscheinungen  der  motorischen  Aphasie  und  den  Verletzun- 
gen der  vorderen  Zone,  sowie  andererseits  zwischen  der  sensori- 
schen Aphasie  und  den  Verletzungen  der  temporoparielalen  Re- 
gion der  1.  Sylvischen  Furche  eine  bemerkenswert  hÀufige  Be- 
ziehung besteht. 

Eine,  so  hochstehende  nervöse  Funktion  wie  die  Sprache 
nimmt  einen  großen  Teil  der  Rindensubstanz  in  Anspruch.  Die 
Brocasche  und  die  Wernickesche  Zone  sind  nur  Bjfurkafions- 
stellen,  wo  auf  kleinem  Raum  zahllose  NervenbĂŒndel  zusammen- 
treffen. Um  das  Entstehen,  das  Restehenbleiben,  bzw.  den  RĂŒck- 
gang einer  Aphasie  zu  verstehen,  muß  man,  dem  Beispiele 
Monakows  folgend,  nicht  nur  den  Sitz  der  Verletzung,  sondern 
die  Natur  des  pathologischen  Prozesses  studieren:  desal.  den  vor- 
herigen Zustand  des  Gehirns,  toxische  EinflĂŒsse,  individuelle  Dis- 
positionen. Die  Sprache  als  Modus  des  allgemeinen  Ausdrucks 
der  Intelligenz  ist  wie  das  weiße  Licht  des  SonnensoektrĂŒms: 
Resultante  sÀmtlicher  Strahlen  ist  sie  nirgendwo  lokalisierbar. 

Bemerkungen  zur  digestiven  HĂ€moklasie.  W  i  d  a  1,  A  b  r  a  m  i 

und  Jancovesco  haben  vor  einigen  Monaten  die  Anwendung  einer 
neuen  Probe  vorgeschlagen,  die  die  mehr  oder  weniger  voll- 
kommene UnfÀhigkeit  der  Leber,  gewisse  körperfremde  Albumine 
zu  fixieren,  die  auf  dem  Verdauungswege  zu  ihr  gelangt  sind,  zu 
demonstrieren  geeignet  ist.  Sie  nennen  das  die  Probe  der 
digestiven  Ilaemoklasie.  Sie  besteht  darin,  daß  man  das  vĂ€skulo- 
sanguine  Gleichgewicht  an  einer  Versuchsperson  studiert,  die 
seit  mehreren  Stunden  nĂŒchtern  geblieben  ist  und  dann  vor  Ein- 
setzen der  Untersuchung  rasch  200  cem  Milch  getrunken  hat. 
Nun  erfolgt  die  Blutdruckmessung  und  die  ZĂ€hlung  der  weißen 
Blutkörperchen  in  AbslÀnden  von  20  Min.  Reslehl  eine  HÀmo- 
klasie, so  ist  sie  nach  2  Stunden  beendet,  so  daß  die  Messung 
bzw.  ZĂ€hlung  5 — 6  mal  erfolgt.  Leukopenie  und  Hypotension  sind 
Zeichen  einer  positiven  Reaktion.  Der  Gesunde  zeigt  keine  irgend- 
wie bemerkenswerte  Aenderung  des  Blutdrucks,  keine  Leukopenie, 
sondern  viel  eher  eine  leichte  Zunahme  der  weißen  Blutkörper- 
chen. Der  Versuch  isl  dann  auf  Personen  mit  gestörter  Leber- 
funktibn  ausgedehnt  worden.    Dies  die  Ergebnisse: 

Salvarsanikterus  —  keine  Aenderung  des  Blutdrucks,  aber  aus- 
gesprochene Leukopenie. 

LĂ€ehnecsche  Lebercirrhose  —  Abnahme  des  Drucks  und  der 
Leukozyten. 

Im  Verlauf  akuter  Krankheilen  kann  die  Leber  eine  mehr 
oder  weniger  ausgesprochene  Insuffizienz  aufweisen,  ohne  daß 
man  sie  klinisch  feststellen  kann.  Der  Versuch  hei  einem  Pneu- 
moniker  zeigte  Leukopenie,  d.  h.  also  positives  Ergebnis  im  akuten 
Krankheitsstadium,  negatives  in  der  Genesung.  Ein  wunder 
Punkt  des  Versuches  ist  die  relative  Unsicherheit  der  Grenze, 


52 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


jenseits  deren  man  von  einem  positiven  Ausfall  sprechen  kann. 
Um  von  einer  Leberinsuffizienz  sprechen  zu  können,  muß  man 
schon  eine  Verminderung  der  Leukozyten  um  % — %  nachweisen 
können,  ebenso  eine  parallel  gehende  Herabsetzung  des  Blut- 
drucks. K.  Held  (Berlind. 

Revue  Medicale  de  la  Suisse  Romande,  Lausanne-Genf. 

Dezember  1021.  41.  Nr.  12. 

T>h>  Behandlung  der  Xacvi  pfliferi,    D  u    B  o  i-S .  Ob'.  Tfifl. 
Kiu  PaJl  von  multplcn.  primÀren  Karzinomen.   Tf  e  n  a  u  d  .  A.    77 1. 
Die  SpÀtmortalitÀt   der   Enzephalitis   lctharjjica.     R  c  n  o  11  d  .    A.  783. 
Kiu      Kall      von      Stomatitis      gangraenosa      leukÀmisclieli  Ursprungs. 
A  I  i  k  Ii  a  n  .  M.  785. 

Komplettes  Pehlen  der  innere«!  G-cnitalorgane^    Star  o  i>  i  n  s  k  v  .  XI.  A.  790. 

Nedcrlandsch  Tijdschrift  voor  Geneeskunde,  Amsterdam. 

II  Nr.  23*  3.  Dezember  1921. 

Die  versehiodonen  Kassen  unter  Àer  Bevölkerung  Middelbiirgs.  W  a  p  . 
3.  3.    p.  2777. 

Unrichtiges  Urteil  ĂŒbejr  das  Vertikale  und  das  Horizontal«»  heim  Hemmen 
oder  in  Be\vcgun.<rsetzdn  vom  Zu»-  oder  v4n  3er  Straßenbahn.  Uul- 
d  e  r  .  M.  K.    p.  27S. 

40.  Dezember  1921. 

♩J'Coliitiis  nie. -rosa,  cim  Beitrag  zur  Kenntnis  der  pathögenen  Wirkung  der  Coll- 

hazillen.    Leu  sehen.  .T.  Tli.  2n90. 
Kine  einfaeiie  schnelle  Methode  /ur  Bfi«tiirrmun?  der  OberflĂ€ĂŸbeniKnannijiig  vor 

kleinen  QuantitĂ€ten   einer  FlĂŒssigkeit.     Urin  k  m  a  n  n  .  R.   und    v  a  n 

Dam.  Meij.  K.  2905. 
❖Ruhr  in  SeclĂ€ndiseb  Flandern.    TT  .■;  1  -  1 1  .»ff  Pol;  D.  J.  3909. 

«r 

Die  Colitis  ulcerosa  ist  in  Àtiologischer  Hinsicht  oft  die  Folge 
einer  frĂŒheren  Infektion  mit  Ruhrbazillen.  Die  Darmschleimhaut 
ist  nach  Ablauf  dieser  primĂ€ren  EntzĂŒndung  gelöst,  wodurch  die 
Darmwand  fĂŒr  eine  neue  Infektion,  z.  B.  mit  Coli-Bazillen.  sehr 
empfindlich  geworden  ist.  Die  Agglutinationsversuche  mit  dem 
Blute  der  Kranken  fallen  dann  in  vielen  FĂ€llen  positiv  aus.  Aus- 
i ''dirlich  wird  hingewiesen  auf  die  oft  schwierige  bakteriologische 
Tc  -hnik. 

KĂŒhr  in  SeelĂ€ndisch  Flandern.  In  den  letzten  Monaten  isl 
ĂŒber  einige  FĂ€lle  von  Bazillenruhr  in  dieser  Provinz  berichtet 
w(  i  dei  Von  dieser  wird  hier  eine  epidemiologische  Beschvei- 
bui  g  gegeben.  Bnneking  f Amsterdam). 

Hospitalstitende,  Kopenhagen. 

Nr.  44,  2  Nov.  1921. 

Uebc  ■  Kiek  .1  odiagnostik.    K  Hassen.  Ivar  Brinrk. 

Nr.  45,  9.  November  1921. 

Ueber  Elrktrndiagnostik.   (Schluß.)    K  1  i  a  s  s  e  n  .  Ivar  Brinck. 

Nr.  46,  16.  November  1921. 
R  Kalle  von  intrakraniellen  Aneurysmen.    P  e  d  e  r  s  e  n  .  Thorvald. 

Nr.  47,  23.  November  1921. 

♩♩‱To.  i  ich  \  erlaufende  Vergiftung ' -n  mit  f'aloincliuin.iektionen.  Hacker. 

Tödlich    verlaufende    \  ergiftungen    mit  Calomelinjektionen. 

Bei  einem  48  jÀhrigen  Ma  in  mit  Tabes  dorsalis,  der  positive 
Wasserman  ische  Reaktion  darbot,  wurde  dreimal  mit  Zwischen- 
raum von  11 — 12  Tagen  10  cg  Calomel  injiziert.  Am  Tag  nach 
der  letzten  Injektion  wurde  ein  scharlachÀhnliches  Exanthem 
konstatiert.  SpÀter  traten  unter  Temperatursteigungen  starke 
Unterleibsschmerzen  und  zahlreiche  Diarrhoen  ein;  die  KrÀfte 
des  Patienten  nahmen  mehr  und  mehr  ab,  und  er  starb  3  Wochen 
nach  der  letzten  Injektion.  Die  Autopsie  zeigte  u.  a.  Tabes 
dorsalis.    Aorlilis  syph.  Colitis. 

2.  B<  i  einer  48  jÀhrigen  Frau  mit  Angina  pectoris  wurde 
positive  Wassel  mannsche  Reaktion  gefunden.  Die  Patientin  be- 
kam dreimal  '.\  cg  Calomel  mit  Zwischenraum  einer  Woche  in- 
jiziert. Am  Tage  nach  der  letzten  Injektion  wurde  sie  sehr  er- 
schöpft, unruhig,  kurzatmig  und  bekam  dĂŒnne,  blutige  StĂŒhle,  die 
nicht  zum  Aulhören  gebracht  werden  konnten.  Der  Tod  trat 
0  Tage  nach  der  letzten  Injektion  unter  allgemeiner  SchwÀche 
ein.  Bei  der  Autopsie  wurden  u.  a.  Aortitis  syphilitica  und 
Enteritis  et  Colitis  pseudomembranaca  et  ulcerosa  gefunden.  — 
Verfasser  macht  darauf  aufmerksam,  daß  die  Calomeldosis  nicht 
grĂ¶ĂŸer  war,  als  die,  welche  im  allgemeinen  angewandt  wurde, 
und  daß  ein  Risiko  immer  mit  dieser  Behandlungsmethode  ver- 
bunden ist. 


Nr.  48,  30.  November  1921. 

Ueber  Polyarthritis.    L  o  r  e  n  z  e  n  .  Peter. 

Nr.  49,  7.  Dezember  1921. 

Os  Vcsalianiuni  tarsi  und  Fraktur  von  tubersitas  ossis  metatassi.  V.  II  a  a  s  - 
t  r  u  ]>  ,  Chr. 

Ugeskrift  for  Lager. 

Nr.  44,  3.  Nov.  1921. 

Die  allgemeinen  Prinzipien  fĂŒr  die  Behandlung  der  Gelenk-  und  Knochen- 
tuberkulose, besonders  mit  RĂŒcksicht  auf  die  Organisation  in  der 
Praxis.    Hertz-.  Rolf. 

Nr.  45,  10.  Nov.  1921. 

❖Die  exsudative,  lymphatische  Diathese.     M  o  n  r  a  d  .  S. 

Die  exsudative  lymphatische  Diathese.  Der  Verfasser  hat  in 
den  Jahren  1917—1920  inklusive  von  5706  Kindern  im  Alter  von 
9—14  Jahren  327  mit  exsudativ-lymphatischer  Diathese  behandeil. 
Weilaus  die  meisten  der  Kinder  hatten  dem  mageren  Tvnus  zu- 
gehört, die  lange  Zeit  hindurch  ohne  Erfolg  mit  Rahm,  Eier  und 
viel  Butter  gefĂŒttert  waren.  Nach  zahlreichen  FĂŒtterversuchen 
ist  der  Verfasser  zu  dem  Besultat  gekommen,  daß  die  Materia 
peccans  bei  der  exsud.-lymph.  Diathese  im  tierischen  Fett  der 
Nahrung  gesucht  werden  muß.  Bei  EinschrĂ€nkung  des  tierischen 
Fettes  in  der  Nahrung  auf  ein  Minimum  verschwinden  die  exs- 
lvmph.  Symptome  nach  und  nach,  und  die  mageren,  eretischen 
Kinder  nehmen  an  Gewicht  zu.  Die  DiÀt  bei  Kindern  unter 
1  Jahr  besteht  deswegen  aus  Magermilch.  Buttermilch,  Hafer- 
schleim, Fruchtsuppen,  Zwiebacksbrei,  Kartoffelmus  und  Aenfel- 
mus.  Bei  grĂ¶ĂŸeren  Kindern  verbietet  der  Verfasser  sĂŒĂŸe  Milch, 
Rahm,  Butler,  Fett,  Eidotter  und  Speck,  sowie  fettes  Fleisch  und 
Fisch.  Alle  anderen  Speisen  sind  gestattet,  darunter  auch 
Pflanzenbutter  und  Margarine.  Dagegen  wird  Lebertran  als 
ebenso  schÀdlich  wie  andere  animalische  Fette  angesehen. 

Nr.  46.  17.  Nov.  1921. 

^Vasektomie  bei  einein  Hund  als  Regenerationsexperiment;    Knud  Saud. 

Vasektomie   bei    einem  Hunde  als  Regenerationsexperiment. 

Bei  einem  12 ^  jÀhrigen  Jagdhund  mit  einem  so  ausgesprochen 
senilen  GeprĂ€ge,  daß  man  Tötung  angeraten  hatte,  nahm  der 
Verfasser  eine  Resectio  epedidymid.  vor.  Der  Erfolg  war  sehr 
befriedigend.  Der  Hund  war  3 — 4  Jahre  verjĂŒngert,  zur  Jagd 
wieder  gut  anwendbar  und  das  senile  GeprÀge  war  ganz  ver- 
schwunden. 

Nr.  47,  24.  Nov.  1921. 

Ueber  die  klinische  Untersuchung  bei  Patienten  mit  unregelmĂ€ĂŸigem  Puls, 
besonders  bei  Arytmia  perpetua.    Kundsgaard,  Chr. 
«^Hautkrankheiten   von   mineralischen  Oelen   (Solaröl)  hervorgerufen.  Xau- 
d  e  r  .  Niels. 

Hautkrankheiten  von  mineralischen  Oelen  (Solaröl).  Bei  vier 
Maschinenarbeitern,  die  mit  Solaröl  gearbeitet  hatten,  hat  der 
Verfasser  ein  Exanthem  symmetrisch  an  den  ExtremitÀten  von 
stecknadelgrĂ¶ĂŸen  bis  erbsengroßen,  festen  und  harten,  hellroten 
Pakein  mit  nekrotischem  Zentrum  gefunden.  Die  Effloreszenzen 
waren  den  von  Vereso  (Derm.  Woch.  1917  Nr.  31)  unter  Exan- 
thems folliculare  veneiforme  beschriebenen  FÀllen  sehr  Àhnlich. 

La  Pediatria,  Neapel. 

1.  November  1921,  19,  Nr.  21. 

❖Respiratorische   AffektkrĂ€mpfe.     V  a  g  1  i  o  .  R.  .  969. 

Verdauuugslcukozytosc   beim  Neugeborenen.    Auricchio,   Ii.  977. 
♩J»Banfiische  Krankheit  im  Kindesalter.    C  a  n  e  1  1  i  .  A.  F.  986. 

Respiratorische  AffektkrÀmpfe.  8  FÀlle  von  respiratorischen 
AffektkrÀmpfen  werden  beschrieben;  sie  sind  bei  Knaben  hÀufiger 
als  bei  MĂ€dchen.  Es  handelt  sich  um  eine  frĂŒhzeitige  Manifesta- 
tion der  Neurasthenie,  nach  Ibrahim  um  einen  bedingten  patho- 
logischen Reflex.  Von  der  Tetanie  unterscheidet  sie  das  Fehlen 
des  juchzenden  Inspiriums,  das  Fehlen  der  Ueberregbarkeit.  das 
Auftreten  nach  vollendetem  1.  Lebensjahr.  Die  Epilepsie  tritt  im 
Gegensatz  zum  Affektkrampf  ohne  vorhergehende  Erregung  auf 
und  ist  meist  durch  Stuhl-  und  Urinabgang,  den  postkonvĂŒlsiven 
Sopor  ausgezeichnet.  Bei  Idioten  können  die  WutkrÀmpfe  bis  ins 
7.  Jahr  andauern.  Die  Kinder  bedienen  sich  ihrer  oft,  um  ihre 
Umgebung  zu  terrorisieren.  Die  Behandlung  der  Kinder  kann  nur 
in  einer  strengen  Bestrafung  der  Kinder  nach  jedem  Anfall  be- 
stehen. 


40.  Jahrg.  — Nr.  2. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


Leber  den  Morbus  Hanti  iu  der  Kindheit  und  PubertÀtszeit. 
Verf.  tritt  gegenĂŒber  anderen  Autoren  dafĂŒr  ein,  daß  der  Morbus 
Banti  eine  Krankheit  fĂŒr  sieh  und  die  dabei  gefundenen  MilzverĂ€n- 
derungen typisch  seien.  T  e  /.  n  e  r  I  \\  ien.) 

La  Pediatria,  Neapel. 

15.  November  1921,  19,  Nr.  22. 

‱frLeukuz)  teureaktiou  beim  Neugeborenen.    A  u  r  i  c  c  h  i  u  ,  1..  1)77. 
■frKeuclihustenbehandlung.    Auriccnio,  1..  L009. 

❖Cholesteringehalt   dos   Blutserums    beim    Neugeborenem.     l>e    iS  i  m  u  u  e  , 

B.  1023. 

❖Kaloriengehalt  der  Frauenmilch,    Pestalozzi).,  C.  1027. 

Leukozytenreaktion  beim  Neugeborenen.  Verf.  hat  bei  fĂŒnf 
gesunden,  kĂŒnstlich  genĂ€hrten,  neugeborenen  SĂ€uglingen  das  Ver- 
halten ĂŒer  Leukozyten  nach  ĂŒer  Mahlzeit  (Trockenmilch,  Menge 
niclil  angegeben;  bestimmt.  Die  Leukozyten  sinken  ab,  olt  bis  aul 
die  Hallte  ues  Anlangswertes;  der  Tiefsland  wird  l—l:A  Uhr  posl 
coenam  erreicht,  dann  steigen  sie  wiener  an,  ohne  jedoch  an  ĂŒen 
Ausgangswert  heranzukommen  (dies  gilt  fĂŒr  den  2.  bis  1.  lag, 
am  o.  'lag  wird  der  NĂŒchternwerl  nach  3  Uhr  wieder  erreicht;; 
dieser  NĂŒchternwert  ist  an  jedem  folgenden  Tag  niedriger  als  am 
vorhergehenden;  das  leukozyloly tische  Vermögen  verhall  sich  um- 
gekehrt wie  die  Leukozytenzaliien.  Die  Yerdauungsleukozylose 
beim  Neugeborenen  fehlt  nicht,  sie  wird  lediglich  durch  die  rasche 
Abnahme  der  Leukozyten  in  den  ersten  Lebenslagen  verdeckt. 

Therapie  des  Keuchhustens.  Die  mehrfach  empfohlenen  intra- 
muskulÀren Aetherinjektionen  bei  Keuchhusten  erwiesen  sich  iu 
24  FĂ€llen  als  wirkungslos.  Es  erfolgt  nur  eine  vorĂŒbergehende 
Beruhigung,,  der  ein  hrregungsstaĂŒium  vorausgeht,  das  bei  Spas- 
mopliĂŒen  verhĂ€ngnisvoll  werden  kann.  Dagegen  wurden  mit  einer 
aus  dem  Dordet-Gengou sehen  Bazillus  Hergestellten  Vak- 
zine bei  196  perlussiskranken  Kindern  in  07,8  %  Heilung,  in  20  % 
Besserung  erzielt;  in  0,2  %  blieb  der  Erfolg  aus.  (Die  Dosis  be- 
trÀgt 2  cm3  jeden  2.  Tag.)  Es  lieb  jedoch  die  Heilung  bisweilen 
20  lÀge,  die  Besserung  gar  30  Tage  auf  sich  warten,  daher  sind 
die  Resultate  wohl  etwas  zu  gĂŒnstig  beurteilt. 

Cholesteringehalt  des  Blutserums  beim  Neugeborenen.  Der 
Cholesteringehalt  im  Serum  von  27  SĂ€uglingen  (2 — 17  Tage  alt) 
wurde  untersucht;  er  geht  scheinbar  parallel  mit  dem  Alter,  lai- 
sÀchlich mit  dem  Gewicht;  bei  neugeborenen,  wassermannpositive;i 
Kindern  war  der  Cholesteringehalt  niedrig;  ebenso  bei  einer  lue- 
tischen FrĂŒhgeburt;  dagegen  bei  2  gesunuen  FrĂŒhgeburten  ziem- 
lich hoch.  Vielleicht  Stent  die  grone  "Widerstandskraft  des  ge- 
sunden, krÀftigen  SÀugtings,  die  HinfÀfligkeit  des  Luelikers  damit 
in  Zusammenhang. 

Der  Kalorienwert  der  Frauenmilch.  Verf.  hat  die  Milch  seiner 
Frau  in  der  Stillperiode  untersucht.  Es  wurden  tÀglich  zu  ver- 
schiedenen Tageszeilen  und  in  verschiedenen  Phasen  des  Still- 
geschÀftes Fronen  entnommen  und  in  der  Mischmiich  tÀglich  der 
Trockengehalt  und  dessen  Kalorienwert  durch  Verbrennung  in  der 
Berthelotschen  Bombe  bestimmt,  ierner  in  der  Fischmilch  dreier 
Tage  2  mal  wöchentlich  Eiweiß-,  Zucker-  und  Fellgehalt  festge- 
stellt und  daraus  der  Kalorienwert  errechnet.  Es  izeigle  sich,  daß 
der  errechnete  oft  um  100  Kalorien  hinler  dem  direkt  festgestellten 
Wert  zurĂŒckblieb;  dies  dĂŒrfte  weniger  auf  methodischen  Fehlern 
als  darauf  beruhen,  daß  außer  Eiweiß,  Zucker  und  Fell  noch 
andere  Energiespender  in  der  Milch  vorhanden  sind  und  daß  die 
fĂŒr  diese  Substanzen  in  Rechnung  gesteiften  9,  resp.  4  Kalorien 
nur  annÀherungsweise  richtig  sind.  Ferner  war  der  Kalorien- 
gehalt der  Milch  zweier  aufeinanderfolgender  Tage  ofl  um  160 
Kalorien  verschieden.  WĂ€hrend  3  er  Fieberattacken  war  die  Milch 
arm  an  Fett  und  Kalorien.  Auch  will  Autor  nach  reichlichen  Fell 
und  Zuckerzulagen,  in  geringerem  Maße  auch  nach  Eiweißgaben 
eine  Mehrausscheidung  dieser  Stoffe  in  der  Milch  beobachtet 
haben;  doch  erscheinen  seine  Kurven  nicht  sehr  beweisend,  ins- 
besondere fÀllt  es  schwer,  den  hohen  Milchzuckergehalt  einer 
Probe  auf  ein  zwei  Tage  vorher  genossenes  Gericht  aus  Kastanien 
und  Schokolade  zurĂŒckzufĂŒhren,  wie  es  Verf.  tut. 

Tezner  (Wien). 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

1921,  n,  Nr.  5. 

❖HĂ€ufige  Ursache  der  Dyspepsie     bei    kĂŒustlicher    ErnĂ€hrung.      V  e  r  o  - 
n  e  s  e  ,  D.  257. 

❖Gegen  den  Gebrauch  gewĂ€sserter  Milch  iu  der  SiiuglingsernĂ€hriiug.    S  i  1  - 

v  e  s  t  r  i ,  F.  268. 
❖Die  Indikanurie  hei  Kinderkrankheiten.   Nigro,  T.  278. 
❖Blenorrhagic  beton  Kinde,  Chirurgie  und  Vakzinotherapic.    F  nasal,  L.  290. 


lieber  eine  hÀufige  Ursache  der  Dyspepsie  bei  Machen 
kindern.  Die  VerdĂŒnnung  der  Milch  (der  Gebrauch  von  >/,  und 
selbst  Yi  Milch  scheint  in  Italien  noch  mehr  verbreitet  zu  sein 
als  bei  uns)  ist  schÀdlich,  da  sie  namentlich  infolge  der  Verrin- 
gerung des  Fettgehaltes  zu  UnterernÀhrung  und  im  weiteren  Ver- 
laufe zu  Atrophie  und  Dyspepsie  fĂŒhrt-  Vcilasscr  hat  Kinder, 
die  nicht  schwer  ernahrungsgcslort  waren,  bis  zum  2.  Monat  mil 
%  Milch  plus  5  Prozent  Zucker,  von  da  ab  mit  Vollmilch  plus 
7  Prozent  Zucker  ernÀhrt  und  dabei  sehr  gute  Erfolge  gehabt. 
Da  es  sich  um  gesunde  und  unlerernÀhrte  Kinder  handelte,  mag 
dies  vielleicht  zutreffen.  Schwerer  schon  fÀllt  es,  mit  dem 
Verfasser  anzunehmen,  daß  die  geringe  Zahl  der  in  dem  Spital 
wÀhrend  des  Sommers  beobachteten  Enleriliden  auf  das  Obige 
ErnĂ€hrungsregime  zurĂŒckzufĂŒhren  sei,  auch  ist  es  fraglich,  ob 
es  sich  um  wahre  Dyspepsie  gehandelt  hat  und  nicht  um  Hunger 
stĂŒhle  (in  einem  als  dyspeplisch  bezeichneten  Falle  werden  2  bis; 
3  StĂŒhle  tĂ€glich  angegeben). 

Gegen  den  Gebrauch  gewÀsserter  Milch  in  der  SÀuglings- 
ernĂ€hrung. Die  VerdĂŒnnung  der  Milch  ist  schĂ€dlich.  Werden 
von  der  verdĂŒnnten  Milch  gleiche  QuantitĂ€ten  wie  von  Vollmilch 
zugefĂŒhrt,  so  kommt  es  zu  UnterernĂ€hrung.  Soll  diese  vermieden 
werden,  so  mĂŒssen  sehr  große  Mengen  gegeben  werden,  die 
entweder  zu  Erbrechen  oder  zu  Meteorismus  und  MotilitÀts- 
störungen des  Darmes  fĂŒhren.  Oder  man  muß  zur  Erhöhung  des 
Kaloriengehalts  soviel  Milchzucker  zulegen,  daß  er  schĂ€dlich 
wirkt.  (Andere  Kohlehydrale  werden  nicht  erwĂ€hnt.;  Schließ- 
lich wird  durch  den  Wasserzusatz  die  molekulare  Salzkonzen- 
tration und  besonders  der  Kalkgehalt  verringert,  was  wieder  die 
Wirkung  des  Labferments  erschwert;  es  ist  auch  nicht  richtig, 
daß  der  hohe  Kaseingehalt  der  Kuhmilch  schĂ€dlich  sei.  Ver- 
fasser ernĂ€hrt,  wie  es  schon  frĂŒher  B  u  d  i  n  und  P  a  not  ge- 
tan haben,  gesunde  und  atrophische  SĂ€ugiinge  vom  1.  Tage  an 
mit  Vollmilch  und  erzielt  damit  sehr  gute  Resultate. 

Die  indikanurie  bei  den  Kinderkrankheiten.  Verfasser  hat 
eine  neue  Methode  zur  Indikanbestimmung  (eine  modifizierte 
Obermeyersche  Methode)  ausgearbeitet.  Er  stellt  sich  drei 
Stammlosungen  (1  mg  Indican  auf  100,  250  und  500  cm3  Chloro- 
form) her  und  fĂŒgt  zu  jeder  2  Tropfen  Amylalkohol  hinzu,  um 
sie  haltbar  zu  machen.  Hierauf  wird  der  Harn  nach  Obermeyer 
extrahiert,  einige  Tropfen  90  prozenligen  Alkohol  hinzugefĂŒgt, 
was  die  AusschĂŒUeiung  des  Chloroforms  erleichtert,  und  ge- 
schĂŒttelt. Da  der  Chloroi'ormextrakl  oft  trĂŒbe  isl,  wird  filtriert. 
Die  geringe  Menge,  die  dabei  durch  Verdunsten  verloren  geht,  isl 
ohne  Bedeutung.  Dann  wird  1  cm3  des  Extraktes  mit  Amyl- 
alkohol solange  verdĂŒnnt,  bis  seine  Farbe  der  einer  der  drei 
Stammlösungen  gleichkommt;  der  Indikangehalt  lĂ€ĂŸt  sich  dann 
leicht  berechnen.  Bei  11  MasernfÀllen  hat  sich  die  Methode  als 
brauchbar  erwiesen. 

Beobachtungen  ĂŒber  die  kindliche  Gonorrhoe,  ihre  chirurgi- 
schen Komplikationen  und  die  Resultate  der  Vakzinetherapie. 
Die  Komplikationen  der  kindlichen  Gonorrhoe  sind  nicht  so 
extrem  selten,  als  allgemein  angenommen  wird.  Die  amerika- 
nische Gesellschaft  fĂŒr  PĂ€diatrie  berichtet  ĂŒber  13,3  Prozent 
Komplikationen  unter  188  FĂ€llen.  Verfasser  hat  bei  9  gonorrhoi- 
schen Kindern  (darunter  2  mit  Gelenksaifektionen)  mit  Gono- 
kokken-Vaccine sehr  gute  Erfolge  erzielt;  es  wird  mit  5  000  000 
begonnen  und  bis  200  000  000  gestiegen.  Schon  nach  der  ersten 
Injektion  lĂ€ĂŸt  der  Ausfluß  wesentlich  nach,  was  wegen  Herab- 
minderung  der  Ansteckungsgefahr  von  Bedeutung  ist.  Bei  un- 
klaren FĂ€llen  mit  fehlender  Sekretion  kann  die  Vaccine  provo- 
katorisch wirken  und  so  die  Diagnose  ermöglichen. 

Tezner  (Wien). 

El  Siglo  Medico,  Madrid. 

20.  November  1921,  68,,  Nr.  3540. 

Chirurgische  Eingriffe  bei  GefĂ€ĂŸverletzungen.    Murales.  A.  U4J. 
Schwierigkeiten  des  Eingriffs  bei  totem  FĂŒtus.    Villi  ;i  n  u  c  v  a  .  F.  1143. 
❖Beitrag  zur  Kenntnis  und  zum  Gebrauch  von  l'araguaytee.  Corte*«? 
F.    J.  1H5. 

■    Malaria  im  Heere  und  ihre  allgemeine  Bedeutung.    Bares,  F.  B.  U.47. 

Beitrag  zur  Kenntnis  und  zum  Gebrauch  des  Paraguay-Tee  s 
im  Anschluß  an  den  Artikel  in  Nr.  3543  berichtet  hier  Verfasser, 
wie  der  Paraguay-Tee  zuerst  auf  der  Weltausstellung  in  Paris 
1807  nach  Europa  kam,  aber  zuerst  nur  sehr  geringe  Verbreitung 
fand;  wÀhrend  noch  1880  in  Frankreich  im  Jahre  nur  1000  kg 
konsumiert  wurde,  war  der  Verbrauch  um  1900  in  Paris  allein 
auf  10  000  kg  gestiegen.  Heutzutage  ist  in  Europa  Spanien  das 
Land,  das  am  meisten  Paraguay-Tee  verbraucht.    Verfasser  sieht 


54 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.—  Nr.  2. 


in  seiner  Anwendung  die  stÀrkste  Walle  gegen  alle  bisherigen 
schĂ€dlichen  Genußmittel  (Alkohol,  Tee,  Kailee)  und  wĂŒnscht  ihm 
eine  grĂ¶ĂŸere  Verbreitung,  als  er  bisher  erlangt  hat 

L  u  r  j  e. 

La  Pediatria  espanola,  Madrid. 

31,  Oktober  1921,  10,  Nr.  109. 

.Molluscum    contagiosum   der   Augenlider.     Ppyales,    F.  189. 
Scharlach  und  Diphtherie.    C  a  ve  n  g  t,  S.  297. 
❖Postoperativer  Hydroeephalus.     Gairido-Lcslaclie,  J,  301. 
Physiologisches  ĂŒber  das  Scheu.     Palacios.  F.  G.  305. 

Postoperativer  Hydroeephalus.  W  erden  neugeborene  Kinder 
mit  Spina  bifida  operiert,  so  tritt  hÀufig  als  Folgeerscheinung 
Hydroeephalus  auf.  Verlasser  ist  der  Ansicht,  daß  Hypersecre- 
tien  der  Chorioidea  und  des  Ependyms  die  Ursache  hiervon  sei; 
solange  die  Spina  bifida  bestehe,  wirke  diese  wie  ein  Sicher- 
heitsventil, die  W  Ă€nde  sind  dehnbar,  der  Druck  steigt  im  RĂŒcken- 
markskanal. Ist  die  Spina  bifida  beseitigt,  so  hat  die  Hyper- 
sekretion  zur  Folge,  daß  der  SchĂ€del,  dessen  NĂ€hte  noch  nicht 
verwachsen  sind,  gedehnt  wird.  Als  Ursache  der  Hypersekretion 
sieht  Verfasser  eine  EntzĂŒndung  der  Chorioidea  und  des  Epen- 
endyms  an,  auf  hereditÀr-luetischer  Basis  oder  aus  unbekannten 
Ursachen.    Auf  jeden  Fall  hilft  Quecksilber-Behandlung. 

Archivos  espanoles  de  Pediatria,  Madrid. 

Oktober  1921,  5,  Nr.  10. 

❖Diagnostik  der  .Syphilis  hereditaria  praecox.    S  i  s  t  o  ,  G.  577. 
Eröffnung    der    appendikularcu    Abszesse    vom    Rektum    aus.      ‱!  u  a  - 

risti,   V.  092. 
As tragalektomie  durch  Hemisektion.    Juaristi.    V.  593. 

Diagnostik  der  Syphilis  hereditaria  praecox.  Verfasser  be- 
richtet ĂŒber  einige  weitere  FĂ€lle,  die  als  einziges  Zeichen  der 
hereditÀren  Syphilis  das  von  ihm  zuerst  1905  beschrie- 
bene Weinen  und  Schreien  (Sisto'sches  Zeichen)  darboten  und 
macht  auf  die  Wichtigkeit  dieses  Zeichens  aufmerksam,  da  es 
frĂŒher  als  alle  anderen  hereditĂ€r  luetischen  Erscheinungen  auf- 
tritt. L  u  r  j  e. 

The  Lancet,  London. 

10.  Dezember  1921,  201,  Nr.  5128. 

»♊♊Die  Funktion  der  Lymphozyten  und  des  lymphoideu  Gewebes  bei  der  Er- 
nÀhrung und  die  Beziehungen  zm  Vitaminenlrage.  Gramer,  W., 
Die  w  ,  A.  H.  und  M  o  1 1  r  a  m  ,  J.  C.  1202. 

❖  Der  EinfluU  von  Vitamin  B  auf  den  Appetit.    VV  r  i  g  h  t ,  S.  1208. 
Insufficientia  aortae.     Langley,  ß.  J.  li'ua. 

ĂŒeber  die  Laktose  nicht  vergĂ€hreude  Bazillen  im  Stuhl  gesunder  und  kranker 
Eingeborenen  von  Uganda.  1212. 

Die  Funktion  der  Lymphozyten  und  des  lymphoideu  Gewebes 
bei  der  ErnÀhrung  und  die  Beziehungen  zur  Vitaminenfrage. 
Wenn  man  Ratten  oder  MÀusen  eine  DiÀt  verabreicht,  die  kein 
Vitamin  B  enthÀlt,  wird  das  lymphoide  Gewebe  atrophisch  und 
im  Blute  beobachtet  man  eine  Lymphopenie  ohne  Leukopenie. 
Avilaminose  A  hat  keinen  Einfluß  auf  das  lymphoide  Gewebe 
oder  auf  die  Zahl  der  Leukozyten.  Avilaminose  B  gibt  Gewichts- 
verlust, Abmagerung,  subnormale  Temperaturen,  also  Symptome 
von  Marasmus;  bei  Avitaminose  A  findet  man  nie  etwas  Àhn- 
liches. Die  Atrophie  des  lymphoiden  Gewebes  und  die  Lympho- 
penie verschwindet,  wenn  wieder  Vitamin  B  verabreicht  wird, 
die  Lymphozyten  haben  wahrscheinlich  eine  wichtige  Funktion  bei 
der  ErnÀhrung,  und  vielleicht  sind  manche  ErnÀhrungsstörungen 
bei  Kindern  mit  VerÀnderungen  im  lymphoiden  Gewebe  auf 
Vitamin  B-Mangel  zurĂŒckzufĂŒhren.  Vitamin  B  ist  nicht  nötig  fĂŒr 
das  Leben  der  Zellen;  es  ist  nötig,  um  die  normale  Funktion  des 
lymphoiden  Gewebes  möglich  zu  machen. 

Der  Einfluß  von  Vitamin  B  auf  den  Appetit.  Wenn  man 
Tieren  eine  Vitamin  B-freie  DiÀt  gibt,  wird  der  Appetit  sofort 
kleiner;  wenn  man  bei  diesen  Tieren  nach  dem  Tode  den  Magen 
untersucht,  findet  man  ihn  ganz  gefĂŒllt  mit  Nahrung  in  energi- 
scher GĂ€rung.  Die  marantischen  Erscheinungen  bei  Avita- 
minose B  sind  also  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  einer  Stauung 
im  Magendarmkanal  mit  Absorption  von  Toxinen  zuzuschreiben. 

Koopman  (Haag). 

The  British  medical  Journal,  London. 

10.  Dezember  1921,  Nr.  3180. 

❖Chirurg  und  Pathologe.    Bond.  C.  J.  973. 
Die  Sauerstoffinflation.   Kost.  E.  978. 


Persistierende  Kloake  mit  nicht  perforiertem  Anus  als  Ursache  fetaler  Aszitc.s 
C  r  u  i  c  k  s  h  a  n  k  ,  J.  K.  980. 

Curetfcage    und    die    Behandlung    der    GetÀrmutterblutungen.  White- 
h  o  u  s  e  ,   B.  981. 

Wie  hat  sich  der  Arzt  zum  Abortus    criiniualis    zu     verhalten.     C  a  in  p  - 
bell.   J.  98Ă€. 

Kaiserschnitt  bei  Nabelschuurvorfall.    P  a  t  0  n  ,  J.  987. 

Eine  Methode  der  Hauttransplantation.    N  e  v  e  .  E.  F.  987. 

Geschwulst     des      Oesophagus      aus      Schilddriiscngewebe.       L  a  w  soll, 
W  h  a  1  e  ,    HC.  987. 

Hypertrophische  Pylorusstenose,    ilolt,  A.  987. 

Therapeutische  Verwendung  von  Parathyreoidea.    Dukes,  C.  987. 

Chirurg  und  Pathologe.     Es  ist  Verfasser  aufgefallen,  dal! 

viele  Blutelemente  sich  mit  Jod  fÀrben.  Die  Leukozyten,  Myelo- 
zyten und  gewisse  Epitheliumzellen  haben  die  FĂ€higkeit,  eine 
glykogenartige  Substanz  zu  bilden.  Der  polynukleÀre  Leukozyt 
bilĂŒet  diese  Substanz  nur,  wenn  sie  den  Blutstrom  verlĂ€ĂŸt.  Die 
Substanz  wird  aber  bald  von  der  Zelle  ausgestoßen.  Ebenso 
findet  man  eine  glykogenartige  Substanz  in  den  Myelozyten  des 
roten  Knochenmarks  und  in  den  Zellen  von  Myelomen,  wÀhrend 
man  sie  in  den  SchleimhÀuten,  die  die  Oeffnungen  vom  Ver- 
dauungs-,  Atmungs-  und  Urogenitalapparat  begrenzen,  auch  in 
Form  von  Körnchen  antrifft.  In  Krebszellen  kann  man  eben- 
falls die  jodophile  Substanz  finden,  sowohl  im  primÀren  Tumor 
als  in  den  geschwollenen  regionĂ€ren  DrĂŒsen.  Die  Menge  gly- 
kogenartiger  Substanz  ist  kein  Maß  fĂŒr  die  MalignitĂ€t.  Viel- 
leicht besteht  eine  Beziehung  zwischen  der  IntensitÀt  der  Bil- 
dung dieser  Substanz  und  dem  Widerstand  gegen  Infektion. 

Koopman  (Haag). 

17.  Dezember  1921,  Nr.  3181. 

Atmungser.*  cheiuungcu  bei  Nervenkrankheiten.   Stewart.  J.  P.  1017. 
Einige  Ursachen  körperlicher  Minderwertigkeit.  K  n  o  wies  8  lanstie  1  d, 
T.  E.  1020. 

❖Bakterizide  Wirkung  des  Magensaftes  auf  die  Tubcrkelbazillen.    1  akuter, 
J.  und  Koodhouse  Gloyne.    S.  1024. 
Op  jratiou  des  Leistenbruches.    L  e  n  t  a  1   C  h  e  a  1 1  c,  G.  102j. 
„Derangcment  interne"  des  Kniegelenkes.    P  c  n  e  1  1  .  V.  102U. 
Moderne  Behandlung  der  Zuckerkrankheit.     B  a  11  m  a  n  n  .  E.  P.  1027. 

Bakterizide  Wirkung  des  Magensaftes  auf  Tuberkelbazillen. 

Der  normale  Magensaft  hat  nur  eine  ganz  geringe  bakterizide 
Wirkung  auf  Tuberkelbazillen.  Der  natĂŒrliche  Widerstand  des 
Wagens  gegen  Tuberkulose  kann  also  nicht  in  dieser  Weise  er- 
klĂ€rt werden.  Es  ist  möglich,  daß  die  MotilitĂ€t  des  Magens  hier- 
bei eine  Rolle  spielt.  Es  gelang  nie,  auch  nicht  mit  dem  Tier- 
versuch, Tuberkelbazillen  im  Mageninhalt  zu  finden. 

Koopman  (Haag). 

Paris  medical,  Paris. 

19.  November  1921,  11,  Nr.  47. 

Neuere  Arbeiten  Uber  Chirurgie  und 'OrthopÀdie  im  Kindesaltcr.    Mouche  t 
und  K  o  e  d  e  r  e  r.  393. 
❖Tuberkulose  des  Metatarsus  I.  beim  Kinde.    S  u  r  r  c  1  und  Bouquier.  399. 

Tuberkulose  des  ersten  Metatarsus  beim  Kinde.  Bei  der  dia- 
physÀren  Spina  ventosa,  wenn  beide  Enden  völlig  frei  sind,  kann 
und  muß  man  den  Knochen  zu  erhalten  suchen  und  den  Meta- 
tarsus nach  den  bekannten  allgemeinen  Regeln  zu  erhalten  suchen. 
Man  muß  sich  aber  dabei  klar  sein,  daß  damit  noch  keineswegs 
die  Heilung  garantiert  ist.  Sitzt  die  Spina  am  vorderen  Ende  des 
Metatarsus:  Amputation  in  der  KontinuitÀt  entfernt  vom  Sitze, 
aber  immer  ohne  den  diaphyso-epiphysÀren  Knorpel,  weil  er  eine 
schĂŒtzende  Rolle  spielt  und  mit  ihm  der  Fuß  einen  besseren  Halt 
bekommt.  Sitzt  die  Spina  hinten:  Desarlikulation  des  Melastarsus 
mit  der  großen  Zehe  wie  beim  Erwachsenen  und  zwar  möglichst 
bald.  Funktionelle  Resultate:  Sowohl  bei  Entfernung  des  Se- 
questers recht  befriedigende,  weil  sich  der  Knochen  rekonstruiert, 
wie  bei  der  Desartikulation,  wo  sich  der  Fuß  akkommodiert  und 
an  Stelle  des  ersten  der  zweite  Metatarsus  tritt,  leichte  Varus- 
stellung.    Allerdings  dauert  dies  lange.  v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

12.  November  1921,  77,  Nr.  20. 

EiweiĂŸĂŒberenipfindlicbkcit  und  ihre  Bolle  in  der  Aotiologie  von  Erkrankun- 
gen.     L  o  n  g  c  o  p  c  .   W.   T.  1535. 
Das  Pirquetsche  System  der  ErnÀhrung,    b  a  r  t  c  r  .  W.  E.  1511. 
Multiple  Myelome.    Oftedal.  S.  1517. 
❖Bronchoskopie  bei  LuugenabszclJ.    L  y  n  a  b  ,  H.  L.  1548. 
Pankreastunioren.     Lockwood,  C.  D.  1554. 

Xantoma   tuberosum  multiplex    im    Kindesalter.     K  n  o  w  1  e  s  .   F.    C.  und 

Fisher,   H.  N.  1557. 
Die  Strahlentherapie  in  der  Dermatologie.     S  o  i  1  a  n  d  .  A.  1560. 
Karzinom   der  Nase.     Sutton.   1!.   Ii.  1561. 


10.  Ja  lug.     Nr.  2. 


A  u  s  (I  e  n  neuesten  Z  e  i  1 3  <‱  h  r  i  f  t  e  n 


55 


PrimÀres  Sarkom  der  Oberlippe,    s  «  i."  l  t  sc  o  r  .  s.  E,  und  VI  i  v  Ii  o  1  s  o  n  , 

II.    E,  1508. 

Itio  Mißerfolge  der  Uastro-KiitcrositionUo.    Koeder,  ('.  \.  L66S, 
Operation  des  Pes  vnlgus.    II  o  h  e  r  t  s  ,  P.  W.  1671. 

Am  hÀufigsten  ent stehen  Lungenabszesse  infolge  von  Aspi 
pation  von  Fremdkörpern  oder  infiziertem  Sekret  des  Nasen' 
rachenraumes.  Die  klinische  Diagnose  ist  nicht  immer  leicht,  da 
Äfer  physikalische  Befund  erheblich  zu  wechseln  pflegt.  Pro 
duzierl  der  Pat.  periodisch  eitriges  Sekret,  das  Lungengewebs 
Zilien  enthĂ€lt,  so  sollte  stets  an  Lungenabszeß  gedacht  werden. 
Entscheidend  ist  in  der  Hegel  das  Itöntgenbild,  das  aber  keinen 
Aufschluß  ĂŒber  genaue  GrĂ¶ĂŸe  und  Lage  des  Abszesses  gibt.  Die 
Bronchoskopie  vermag  in  solchen  Fallen  Gnies  zu  leisten,  sie  ist 
nur  bei  schweren  Lungenblutungen  kontraindiziert  Auf  Grund 
zahlreicher  FĂ€lle  rĂ€t  Verf.  zu  möglichst  frĂŒhzeitiger  Broncho- 
skopie, namentlich  wo  es  sich  um  Fremdkörperaspirationen  han- 
delt. Der  Eingriff  wird  immer  gut  vertragen  und  ist  bei  einiger 
Uebung  leicht  auszufĂŒhren.  Verf.  aspiriert  möglichst  viel  Eiter 
und  injiziert  anschließend  eine  Bismutholivenölmischung,  wo- 
durch die  Abszehhöhlen  in  der  Röntgenaufnahme  sehr  schön  zur 
Darstellung  gebracht  werden.  Er  gelangte  mit  einer  selbst  ker 
Struierten  gebogenen  SpiralkanĂŒle  selbst  in  Höhlen  der  Ober- 
lappen. Die  Kranken  vertragen  bis  zu  viermal  wiederholte  Injek- 
tionen ausgezeichnet  und  fĂŒhlten  sich  danach  sehr  wohl.  Auf- 
fallend war  die  recht  rasche  Besserung  des  Krankheitsbildes,  die 
Verl  aber  mehr  der  Eiteraspiration  zuschreibt,  da  der  Injektion 
ein  therapeutischer  Effekt  nicht  wohl  zugesprochen  werden 
kann.  K  À  c  kell  (Hamburg). 

19.  November  1921,  77,  Nr.  21. 

Öarcaid  und  Syphilid.    Stil  Ii  ans.  A.  \V.  1610 
❖Abwehrreaktionen  von  mit  Spirochaeta  pallida  infizierten  Tieren.    B  r  o  w  u  . 
W.  H.  und  P  o  a  reo,  L.  1619. 

215  FĂ€lle  von  Syphilis  nach  5  .Innren.     Irvi  n  e  .  H.  G.  1620. 
❖Viscerale  VerĂ€nderungen  hei  kongenitaler  Syphilis.    FrĂ€ser,  J.  P.  1623 

Korrektur  des  Narbtnektropioii.  W  h  e  e  1  e  r  ,  .(.  M.  1628. 
❖Die  Phenoltetraehlorphtaleinprobe  zur  PrĂŒfung  der  Lcberfuntotion.    \  a  r  o  n, 
A.  II.;  Beck.  E.  C.  und  Schnei  d  e  r  .  Ii.  C.  1631. 

Schwangerschaft  nach  Nephrektomie.    M  a  1 1  h  e  w  s  .  II.  B.  1634. 

Oeffentliclie  Gesundheitspflege  in  Ohio.    F  r  e  e  in  m  n  .  A.  Vf.  16.39. 

Pseudotumoren  des  Gehirns.    Rows.  E.  G.  1643. 

Wirkung  der  UnterernĂ€hrung'  auf  BrustdrĂŒse  und  sexuale  Organe.    L  o  e  1»  . 
L.  1646. 

❖Das  sogenannte  prĂ€systolische  GerĂ€usch     R  e  i  d  ,  W.  1).  1648. 
Feststellung  des  Todes  durch  Ertrinken.    Gottler.  A.  O.  1650. 

Abwehrreaktionen  von  mit  Spirochaeta  pallida  infizierten 
Tieren.  Allgemeinbetrachtungen  auf  Grund  einer  frĂŒher  erschie- 
nenen Arbeit  ĂŒber  experimentell  erzeugte  luische  Infektion  bei 
Kaninchen.  Eine  luische  Infektion  kann  lange  Zeit  bestehen, 
ohne  daß  irgend  welche  Manifestationen  bestellen.  Es  scheint 
‱diese  Tatsache  fĂŒr  zwei,  untereinander  in  keiner  Beziehung 
stehende  Abwehrreaktionen  zu  sprechen,  deren  eine  sich  gegen 
die  Spirochaeta  selbst  richtet,  wÀhrend  die  anderen  zur  Neu- 
tralisation von  Licht  zu  dienen  scheint.  Bei  den  Versuchstieren 
scheint  die  letzte  Beaktion  ausgeprÀgter  zu  sein  als  beim  Men- 
schen. Als  weilerer  Maßstab  fĂŒr  Abwehrreaklionen  dient  das  so 
hÀufig  beobachtete  Wiederauftreten  luischer  Krankheitserschei- 
nungen nach  gewissen,  verschieden  langen  Pausen.  Die  Abwehr- 
reaktionen scheinen  gewissen  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  zu  unterliegen. 

Die  visceralen  VerÀnderungen  bei  kongenitaler  Lues.  Kurze 
Studie,  die  die  pathologisch-anatomischen  VerÀnderungen  von 
Leber;  Herz,  Lungen,  Pankreas,  Milz,  Gehirn  und  BĂŒckenmark, 
Magendarmkanal,  Thymus  und  Nieren  bei  kongenitaler  Lues  be- 
handelt. Luische  VerĂ€nderungen  des  Herzens  und  der  großen 
GefĂ€ĂŸe  sind  durchaus  nicht  so  selten,  als  man  bisher  glaubte: 
man  findet  sie  nahezu  ebenso  hÀufig  bei  der  kongenitalen 
wie  bei  der  akquirierten  Lues.  Dagegen  sind  Lungen-  und 
Pankreaserkrankungen  bei  kongenitaler  Lues  Ă€ußerst  selten, 
ebenso  wie  solche  des  Gehirns  und  BĂŒckenmarks.  BĂŒckenmarks- 
verÀnderungen  fand  Verfasser  im  Gegensatz  zu  der  von  N  o  n  n  e 
Vertretenen  Anschauung  in  keinem  seiner  zahlreichen  systema- 
tisch untersuchten  FĂ€lle.  Zusammenfassend  kann  gesagt  werden, 
Baß  sich  die  luischen  VerĂ€nderungen  in  dem  weitaus  grĂ¶ĂŸten  Teil 
der  FĂ€lle  in  Leber,  Milz,  Nieren  und  Knochen  dokumentierten, 
alle  anderen  Organerkrankungen  dagegen  bei  der  kongenitalen 
Lues  zu  den  Seltenheiten  gehören. 

LeberiiinktionsprĂŒfiing  mit  Pbcnoltetrachlorphtalein.  Leber 
tunktionsprĂŒfungen  mit  Phenoltetrachlorphtalein  gestalteten  sich 
bisher  deshalb  besonders  schwierig,  weil  die  Lösung  jedesmal 
frisch  hergestellt  weiden  mußte.     Verfasser  geben  eine  Konser- 
yierungsmethode    m.  nach  deren  Anwendung  sich  die   l  henol- 


tetraehlorphtaleinlösung  monatelang  hÀll   und   benutz)  werden 

kann.     Die   FunktionsprĂŒfung  wurde   nach   der   von   Mc  Neil  an 
gegebenen   Methode  vorgenommen,  die  darin   besteht,  daß  nach 
grĂŒndlicher  MagenspĂŒlung  eine  Duodenalsonde  eingefĂŒhrt  wird, 
hierauf  1,0  cem  l'hcnolletrachlorphlaleinlösung       50  mg  Phenol- 
tetrachlorphtalein) intravenös  eingcsprilzi  wird  und  nun  wahrend 
2  Stunden  der  Duodenalsaft  auf  Phenoltetrachlorphtalein  unter- 
sucht  wird.      Um   einen    regelmĂ€ĂŸigen    DuodenalsalUluß   zu  er 
hallen,  gaben  Verfasser  den  Patienten  nach  EinfĂŒhrung  der  Sonde 
etwa  500  cem  kaltes  Wasser  tropfenweise  per  os.    Erst  nach  Ein 
setzen  einer  reichlichen,  gallig  gefÀrbten,  ziemlich  dicken  Saft- 
sekretion  erfolgte  die   intravenöse    Injektion.     In   den    Iii  nicht 
pathologischen  FĂ€llen  trat  Phenoltetrachlorphtalein  zwischen  I  I 
und  20  Minuten,  im  Durchschnitt  nach  17  Minuten  im  Duodenal- 
saft auf,  im  Gegensalz  zu  7  anderen  FĂ€llen,  wo  der  Durchschnitt 
32  Minuten  betrug.     Verfasser  glauben  in  FĂ€llen,  bei  denen  das 
erste  Auftreten  von  Phenoltetrachlorphtalein  erst  nach  20  Mi 
nuten    nachweisbar    wird,    eine  Lebererkrankung  annehmen  zu 
mĂŒssen. 

Das  sogenannte  praesystolische  GerÀusch.  Das  Crescendo 
gerÀusch  an  der  Herzspitze,  das  in  einen  scharfen  ersten  Ton 
oder  ein  systolisches  GerÀusch  auslÀuft,  wird  fÀlschlich  prae- 
systolisch  genannt.  In  Wirklichkeit  ist  es  ein  frĂŒhsystolisches. 
Das  „sogenannte"  praesystolische  GerĂ€usch  entsteht  durch  den 
RĂŒckstrom  von  Blut  durch  die  Mitralis  bei  der  Ventrikelsystole. 
Gegen  die  Annahme,  daß  es  durch  die  Vorhofkontraktion  entsteht, 
spricht  die  Art  des  GerÀusches,  die  Zeit  und  das  Fehlen  einer 
Pause  zwischen  GerÀusch  und  2.  Ton.  Ueber  die  wahre  Natur 
des  „sogenannten"  praesystolischen  GerĂ€usches  muß  man  sich 
klar  sein,  um  falsche  Diagnosen  zu  vermeiden.  Es  gibt  zwei  ver- 
schiedene GerĂ€usche,  das  „sogenannte"  und  das  echte  praesysto- 
lische. Letzteres  ist  relativ  selten  und  recht  schwer  zu  dia- 
gnostizieren. Kack  eil  (Hamburg). 

26.  November  1921.  77,  Nr.  22. 

Die  Kontrolle  ĂŒbertragbarer  Krankheiten.    Mc.  Laughlin.  A.  ,T.  1693. 
❖Laboratoriumsbefundo  bei  FrĂŒh-  und  SpĂ€tsyphilis.    Fordyce,  J.  A.  und 
Rosen.  I.  1696. 

❖Neurosyphilis   mit.  negativer  Spinalfliissigke'it.     Solomon      H.  C.  und 

K  1  a  u  d  e  r  ,  J.  V.  1701. 
❖Die   Behandlung  der   Syphilis   mit   Silberarsphenamin.     P  a  r  o  u  n  a  g  i  a  n  , 

M.   B.  1706. 

Ausbruch  von  Diphtherie  in  einer  Pri  vatschulo.    F  1  e  i  s  e  h  n  e  r  .  E.  C.  und 

S  h  a  w  .  E.  B.  1714. 
Typhusepideinie.     O  1  i  n  ,   Ii.   M.  1717. 
❖Toxische    Eiwcißproduktc   als    Ursache    des    sogenannten  Inanitionsfiebers. 

I)  e     W  i  t  t  ,    H..    S  h  e  r  m  a  n    und    I.  o  h  nee,    II.    R.  1720. 
❖  Punktion    des  Sinus   longitudinal is    superior   heim     Neugeborenen.  Gor- 
iloii,   .1.   W.  1721. 
I'honolplitaloiu-Dermatitis.     Ayres,   S.  1722. 

Partielles  oder  komplettes  Staphylonia  anetrior.     T  e  n  n  e  r  .  A.  S.  1724. 
Staatliches  Hospital  fĂŒr  Sprachstörungen.    U  re  e  n  e  ,  J.  S.  1726. 

Laboratoriumsbeluiule  bei  FrĂŒh-  und  SpĂ€tsyphilis.  Der  Ar- 
beit liegen  10(15  FĂ€lle  zugrunde.  Verff.  erinnern  an  die  Bedeutung 
einer  möglichst  frĂŒhzeitigen  Diagnose,  besonders  raten  sie,  die 
Dunkelfelduntersuchung  bei  PrimÀraffekten  mehr  als  bisher  her- 
anzuziehen. In  38  %  der  FÀlle  im  sekundÀren  Stadium  fanden 
Verff.  Liquorbefunde,  sie  halten  diesen  hohen  Prozentsatz  aber 
fĂŒr  außerordentlich  selten  und  nehmen  syphilitische  Erkrankungen 
des  Zentralnervensystems  im  allgemeinen  nur  in  25 — 30  %  an. 
Auf  jeden  Fall  muß  die  Lumbalpunktion  regelmĂ€ĂŸig  und  mög- 
lichst frĂŒhzeitig  ausgefĂŒhrt  werden.  Die  Beteiligung  des  Zen- 
tralnervensystems fand  sich  ĂŒberwiegend  bei  MĂ€nnern,  wurde  da- 
gegen bei  Frauen  relativ  selten  nachgewiesen.  Von  vielen 
Autoren  wird  die  moderne  antiluische  Behandlung  fĂŒr  das  ge- 
hÀufte Auftreten  von  Neurosyphilis  verantwortlich  gemacht,  eine 
Anschauung,  der  sich  Verff.  nicht  anschließen  können.  Sie  halten 
vielmehr  die  Zunahme  von  Neurosyphilis  fĂŒr  eine  nur  scheinbare, 
die  auf  die  in  letzter  Zeit  systematisch  vorgenommenen  Unter- 
suchungen und  auf  die  erweiterten  Kenntnisse  der  Erkrankung 
ĂŒberhaupt  zurĂŒckzufĂŒhren  ist.  Ein  exakter  Beweis  fĂŒr  die 
SchÀdlichkeit  des  Salvarsans  auf  Seh-,  Gehör-  oder  andere  Hirn- 
nerven  ist  bisher  nicht  erbracht,  Verff.  konnten  bei  ihrem  Mate- 
rial bei  richtiger  Salvarsanbehandlung  sogar  Stillstand  von 
Optikusatrophie  beobachten.  Bei  Beurteilung  des  Problems  der 
Neurosyphilis  soll  man  sich  stets  an  die  Allgemeininfektion,  be- 
sonders auch  an  die  Erkrankung  des  Herzens  und  GefĂ€ĂŸsystems 
erinnern.  Die  Wichtigkeit  einer  sehr  genauen  Augenunlersuchung 
ist  hinreichend  bekannt.  Man  findet  gar  nicht  so  selten  bei  nega- 
tivem Blutwassermann  typische  LiquorverÀnderungen.  Verff. 
haben  mit  der  Koloidal-Gold-Beaktion  recht  gute  Erfahrungen  ge- 
macht. 


56 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


4U.  .Jahrg.  — 


Nr.  2. 


Neurosyphilis  mit  negativem  Liquorbel'und.  in  Fachkreisen 
ist  es  allgemein  bekannt,  daß  bei  Neurosyphilis  hĂ€ufig  keine  Ver- 
Ă€nderungen der  ZerebrospinalflĂŒssigkeit  nachweisbar  sind.  Be- 
sonders hÀufig  ist  dies  bei  Tabes,  Hirngumma,  bei  luischer  spasti- 
scher Paraplegie.  erbsyphilitischer  Epilepsie  und  Paranoia. 
In  solchen  FĂ€len  muß  eine  genaue  klinische  Untersuchung 
die  Diagnose  sichern.  Besonders  wertvoll  erscheint  hier- 
bei Verf.  die  Argyll  Robertsonsche  Pupillenreaktion.  Die  Arbeit 
bringt  fĂŒr  die  oben  erwĂ€hnten  Typen  Krankengeschichten  von 
Patienten,  die  negativen  Liquorbefund  aufwiesen.  Im  allgemeinen 
decken  sich  die  Anschauungen  des  Verf.  in  dieser  Frage  mit  den 
von  Nonne  in  seinem  Lehrbuch  niedergelegten  Ansichten. 

Erfahrungen  mit  Silberarsphenamin  bei  der  Luesbehandlung. 

Statistische  Angaben  ĂŒber  Ergebnisse  bei  Silbersalvarsan  ame- 
rikanischen Ursprungs.  Verf.  hat  im  ganzen  7f>t;  Kranke  mit 
4290  Injektionen  behandelt.  Die  FÀlle  gehörten  allen  drei  Stadien 
der  Lues  an,  dazu  kommen  noch  10  FĂ€lle  von  kongenitaler 
Syphilis.  Die  Endresultate  sind  nicht  ĂŒbermĂ€ĂŸig  hoch  zu  be 
werten.  Ein  großer  Teil  der  FĂ€lle  ist  nicht  bis  zum  Schluß  be- 
handelt, da  das  Material  vornehmlich  aus  Seeleuten  und  anderen 
unstÀndigen  Personen  bestand.  Irgendwelche  unangenehmen 
Komplikationen  sah  Verf.  in  keinem  Fall  auftreten.  Eine  Kur 
bestand  aus  8  Injektionen.  Eine  Kontraindikation  fĂŒr  kombinierte 
Behandlung  (Silbersalvarsan  und  Quecksilber)  scheint  nicht  zu 
bestehen.  Die  klinischen  Manifestationen  schwanden  in  allen 
Krankheitsstadien  relativ  rasch,  Verf.  hat  sogar  den  Eindruck 
gewonnen,  daß  sie  bei  Silbersalvarsan  schneller  als  bei  anderen 
ArsenikprÀparaten  schwanden,  was  sich  mit  den  Angaben  von 
Kolle.  Ritz.  Galewsky.  Hauk  und  Emmerich  decken 
wĂŒrde. 

Toxische  Eiweißendprodukte,  die  Ursache  des  sogenannten 
Inanitionsfiebers.  Die  meisten  Autoren  fĂŒhren  das  wohl  am  3.  bis 

5.  Tage  nach  der  Geburl  auftretende  Fieber  auf  Wasserverluste, 
Umstellung  des  Stoffwechsels,  Empfindlichkeil  des  WĂ€rme- 
zentrums, SeptikĂ€mie  oder  Darmtoxine  zurĂŒck.  Alle  diese 
GrĂŒnde  scheinen  nicht  bewiesen  zu  sein  und  auch  nicht  zu- 
zutreffen. Zweifellos  spielt  eine  unzureichende  Nahrungszufuhr 
eine  sehr  wichtige  Rolle  und  zwar  besonders  deshalb,  weil  dann 
zu  geringe  Kohlehydratmengen  (Dextrin  und  Laklose  zugefĂŒhrt 
werden.  Auf  dem  Boden  dieser  „UnterernĂ€hrung'  entwickeln 
sich  Darmtoxine.  Verff.  glauben  diese  Annahme  mit  den  Ergeb- 
nissen ihren  bakteriologischen  Stuhluntersuchungen  beweisen  zu 
können,  ferner  gelang  es  ihnen,  das  Fieber  durch  Zufuhr  von 
Zuckerlösungen  sofort  zum  Verschwinden  zu  bringen.  Die  Be- 
zeichnung „Inanilionsfieber"  sollte  besser  durch  ..Proteolytische 
DarmtoxÀmie  des  Neugeborenen"  ersetzt  werden. 

Punktion  des  Sinus  longitudinalis  superior  bei  Neugeborenen. 
Kurzer  Bericht  ĂŒber  231  Sinuspunktionen  bei  Neugeborenen  bis 
zum  7.  Lebenstage.  Verf.  rasiert  den  Kopf  nicht,  auch  verwendet 
er  kein  Jod,  sondern  desinfiziert  lediglich  die  Gegend  der  großen 
Fontanelle  mit  70  %  Alkohol.  Er  geht  mit  kurzangeschliffener, 
nicht  zu  enger  KanĂŒle  in  schrĂ€g  nach  hinten  gehender  Richtung 
im  hinteren  Winkel  der  Fontanelle  ein.  Die  Durchschnittstiefe 
des  Einsliches  betrug  6,35  mm.  Nur  in  3  FĂ€llen  erhielt  Verl.  kein 
Blut.  Drei  zur  Sektion  gekommene  FĂ€lle  zeigten  keine  patho- 
logischen Befunde.  In  mehreren  FĂ€llen  wurden  Kochsalzinfusionen 
(60 — 180  cem)  mit  gutem  Erfolg  in  den  Sinus  gemacht.  Salvarsan 
hat  Verf.  nie  injiziert.  Alle  anderen  Punktionen  dienten  der  Blut- 
gewinnung zum  Wassermann.  Fischer  hat  in  50  FĂ€llen  ohne 
SchĂ€digung  Salvarsan  gegeben,  Löwen  bĂŒrg  machte  13  mal 
Bluttransfusionen  in  den  Sinus.  Auf  Grund  der  guten  Erfolge 
hĂ€lt  Verf.  die  Methode  fĂŒr  die  beste  zur  Blutgewinnung  oder 
intravenösen  Injektion  irgendwelcher  Medikamente. 

K Àck eil  (Hamburg). 

American  Journal  of  Ophthahnology,  Chicago. 

Oktober  1921,  4,  Nr.  10. 

Papillom  der  Kornea.    (J  a.r  r  n  g  Ii  ;i  ii.  ~\~>- 
Atypische  kreisförmige  Retiniti*.    Y  a.  11.0 .  F.  718. 
❖Chronische  Ohorniditi«.    A  1 1  p  o  r  t .  F.  722. 

❖  Keratitis  infolge  ZuckerĂŒberernĂ€hrung.    M  A  c  1  «1  s  b  ,  724. 
Wiederholte  Operationen  von  Glaukom.    Bodd,  O.  727. 
Wortblindheit.      AI  per,    E.    M.  731. 

❖  A  Ilgen  VerĂ€nderungen  bei  infantilem  Skorbut.    B  1  :i  k  e  .  E.  M.  736. 

Chronische  Aderhauterkrankung  mit  Glaskörperverfliissigung 
und  doppelseitiger  Katarakt.  In  dem  beschriebenen  Falle  be- 
stunden die  grĂ¶ĂŸten  Schwierigkeiten  fĂŒr  die  Entfernung  der  ge- 


trĂŒbten Linsen.  Die  erste,  von  anderer  Seile  ausgefĂŒhrte  Ope- 
ration mißlang.  Die  Linse  versank  im  Glaskörper,  der  zum  Teil 
auslief.  Durch  besondere  Vorsichtsmaßnahmen  gelangen  die 
weiteren  Eingriffe.  (Operation  im  Bett,  besondere  Lidhalter, 
Schlinge,  Kochsalzeingießung.  ĂŒ  Tage  lang  kein  Verbandwechsel., 

HornhautentzĂŒndung,  verursacht  durch  unmĂ€ĂŸigen  Genuß  von 
Zucker  in  der  Nahrung.     Es  wird  die  Kenntnis  vorausgesetzt, 

daß  Ausschalten  von  Zuckergenuß  Lei  Personen  mit  Keratitis 
phlyktenularis  gĂŒnstig  wirkt.  Ein  Fall  wird  berichtet,  in  dem 
EntzĂŒndung  des  Hornhautparenchyms  vorlag  (doch  keine 
PhlyktÀnen).  Es  handelte  sich  um  ein  schlecht  ernÀhrtes  Kind, 
dem  /.ucker  in  unverstÀndiger  Weise  gewÀhrt  wurde  keine 
Glykosurie!).  Heilung  nach  Aenderung  der  Nahrung.  RĂŒckfall 
bei  VernachlÀssigung  der  vorgeschriebenen  ErnÀhrungsweise. 

AugenverÀnderungen  bei  Skorbut  in  der  Kindheit.  Das  all- 
gemeine Vorkommen  und  die  Kennzeichen  der  Krankheit  werden 
besprochen.  Ueber  einen  Fall  wird  berichtet,  der  die  Schwierig- 
keiten der  Diagnose,  aber  auch  der  schnellen  Besserung  bei  Inne- 
haltung der  in  Betracht  kommenden  ErnÀhrungsweise  illustriert. 
Die  Augenerscheinungen  bestehen  vor  allem  in  plötzlich  und 
als  FrĂŒherscheinung  auftretendem  Exophthalmus  (meist 
leichten  Grades),  bedingt  durch  Blutung  in  das  lockere  Gewebe 
der  Orbita  oder  unter  ihr  Periost.  Das  Symptom  sichert  die 
FrĂŒhdiagnose.  .(  u  n  i  u  s  Bonn' 

November  1921,  41,  Nr. .41. 

❖Keratitis  diseii'ormis.    U  a  n  c  ,  William  <;.  und  M.  soi. 
❖SpĂ€te  traumatische  Ablösung  der  Netzhaut.    G  i  f  f  o  r  d  .  II.  -so.l. 
Tenotoinie  und  Sehncnlochung  zwecks  Schieloperation.    8  o  M  w  art  z  .  J're- 
deriek  O.  806. 
❖Augiosklerosis  der  Bettina.    C  o  p  p  s  ,  L.  A.  810. 
❖Augenliefunde  bei  Gehirnkraukheiten.    Black.  Nelson.  819. 
Ursachen  und  VerhĂŒtung  der  Blindheit.     II  a  r  m  a  n  .  Bi&hop.  ^2-1. 
Erscheinungen   in   der  Nachbarschaft   hei   Hypopbysis-Tunjdr.  Elugan, 
.1.  J.  835. 

Transplantation    von   Augenmuskeln.     O'Coiinor,   K.  S38. 
Extraktion   des    Altersstars.     V  e  a  s  e  y  .    Ol,    A.  846. 

Keratitis  disciformis.  Klinischer  Bericht  ĂŒber  einen-Fall  der 
seltenen  Krankheil.  27jÀhrige  Patientin.  Verletzung  oder  In- 
fektion Lues,  Tuberkulose,  Pocken  oder  Vakzine-BerĂŒhrung  war 
nicht  vorausgegangen.  Die  Ursache  blieb  unklar.  Subkonjunkti- 
vale  Injektionen  von  ZimmtsÀure-PrÀparalen  schienen  heilsam  zu 
wirken. 

SpĂ€te  Ablösung  der  Netzhaut  nach  Trauma.    VerhĂŒtung  und 

Wichtigkeit  fĂŒr  die  EntschĂ€digungsfrage.  Bifford  vertritt  den 
Standpunkt,  daß  die  jugendlichen,  zur  Netzhautablösung  an  sich 
nicht  disponierten  Augen  ein  oft  lange  zurĂŒckliegendes  Trauina 
fĂŒr  die  SpĂ€tfolge  verantwortlich  zu  machen  ist.  In  Betracht 
kommen  perforierende  Wunden  des  Augapfels  mit  und  ohne  Ver- 
bleiben von  Fremdkörpern  im  Auge,  auch  UnfÀlle,  bei  denen  der 
Kopf  oder  der  ganze  Körper  stark  erschĂŒttert  wurde.  Bei  recht- 
zeitiger Fahndung  nach  feineren  intraokularen  LĂ€sionen  findet 
man  oft  unerwartete  Blulungs-  oder  andere  Erkrankungsherde  in 
der  Netzhaut,  die  keine  Symptome  machen,  aber  die  Grundlage 
fĂŒi  Netzhautablösung  nach  Jahren  geben  können.  Verf.  fordert 
grundsÀtzliche  Beachtung  dieser  Möglichkeit,  Behandlung  der- 
artig gefĂ€hrdeter  Augen  mit  Verwand  fĂŒr  etwa  1  Woche,  Schwitz- 
bĂ€dern usw.  unmittelbar  nach  der  Verletzung,  kurz,  sachgemĂ€ĂŸe 
prophylaktische  Behandlung  und  Bewertung  im  Gutachten. 

Angiosklerose  der  Retina.  Die  Ursachen  sind:  Intoxikationen 
hoher  Blutdruck,  Alter.  Klinischer  Bericht  ĂŒber  sechs  FĂ€lle  — 
mit  Illustrationen.  Zusammenfassung  der  bekannten  Erfahrungen 
in  pathologischer  und  klinischer  Hinsicht.  .Mitteilung  eigener 
Iii  fahrungen  ĂŒber  das  interessante,  in  der  deutschen  Literatur 
bisher  selten  gewĂŒrdigte  Krankheitsbild. 

Augenbefunde  bei  Gehirnerkrankungen.  Eine  Zusammen- 
fassung der  bekannten  klinischen  Symptome  mit  Stellungnahme 
zu  ihrer  Bedeutung  und  Bewertung  auf  Grund  eigener  Erfahrun- 
gen des  Verfassers.  Der  Befund  von  Stauungspapille  im  Verein 
mit  weiteren  Hirndrucksymptomen  ist  dem  Verf.  eine  unbedingte 
Indikation  zur  Vornahme  druckentlastender  Operationen. 

Stauungspapille  allein  rechtfertigt  einen  Eingriff  nicht.  Das 
Fehlen  von  Stauungspapille  sollte  aber  andererseits  keine 
Gegenanzeige  fĂŒr  einen  operativen  Eingriff  sein,  wenn  andere 
Hirndruckerscheinungen  ihn  wĂŒnschenswert  erscheinen  lassen. 

J  11  n  i  u  s    Bonn  . 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  öeriin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Sira&e  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Strafe  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 


Nr.  3 


Berlin,  den  lö.  Januar  1922 


40.  Jahrgang 


Oer  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  UniversitÀts-Kinderklinik  in  Berlin. 

Mißerfolge  in  der  Röntgentiefentherapie  der 
tuberkulösen  Halslymphome  und  ihre 
Vermeidung. 

Von  P.  Karger. 

Trotz  aller  gĂŒnstigen  Erfahrungen,  die  man  mit  der 
Röntgenbestrahlung  der  tuberkulösen  HalslymphdrĂŒsen  bei 
Kindern  gemacht  hat,  finden  sich  in  den  Statistiken  wohl 
jedes  Institutes,  das  sich  mit  dieser  Behandlung  befaßt,  eine 
kleinere  oder  grĂ¶ĂŸere  Anzahl  von  FĂ€llen,  die  trotz  der  Be- 
handlung keine  Aenderung  in  der  GrĂ¶ĂŸe  der  sichtbaren  und 
tastbaren  Tumoren  aufweist. 

Wo  es  in  solchen  FÀllen  nachtrÀglich  zur  Operation  kam, 
fand  man  stark  verkĂ€ste  oder  verkalkte  DrĂŒsen,  die  in  ein 
außerordentlich  reichliches  Narbengewebe  eingebettet  und 
lest  mit  ihrer  Umgebung  verwachsen  war.  Es  ist  klar, 
daß  eine  Operation  in  diesem  Gebiete  um  so  gefĂ€hrlicher  sein 
muß,  je  mehr  Verwachsungen  die  zur  Exstirpation  be- 
stimmten Organe  an  die  großen  GefĂ€ĂŸstĂ€mme  des  Halses 
verlöten.  Andererseits  wissen  wir,  daß  diese  Verwachsungen 
durch  die  Röntgenbestrahlung  hervorgerufen  bezw.  ver- 
stÀrkt werden.  Aus  diesem  Grunde  kann  man  fast  sagen, 
daß  die  Indikation  zur  Bestrahlung  am  besten  den  Verzicht 
auf  einen  nachfolgenden  operativen  Eingriff  ein- 
schließen sollte. 

Wenn  es  sich  um  Kalk  oder  KĂ€se  enthaltende  DrĂŒsen 
handelt,  so  ist  ihre  Strahlenempfindlichkeit  so  gering,  daß 
von  einer  Röntgentherapie  ein  Erfolg  nicht  zu  erwarten  ist. 
Es  muß  also  unser  Bestreben  sein,  solche  FĂ€lle  von  vorn- 
herein von  der  Bestrahlung  auszuschließen. 

Der  Tastbefund  gibt  uns  keinen  hinreichenden  Anhalt 
dafĂŒr,  was  die  DrĂŒse  an  solchen  Einlagerungen  enthĂ€lt. 
Wenn  auch  bei  weichen  DrĂŒsen  die  Wahrscheinlichkeit  einer 
Verkalkung  sehr  gering  ist,  so  ist  es  doch  bei  harten  Tumoren 
nicht  gesagt,  daß  sie  Kalk  enthalten,  da  auch  markig  ge- 
schwollene DrĂŒsen  eine  so  starke  fibröse  Kapsel  haben 
können,  daß  sie  durch  ihre  HĂ€rte  Kalk  vortĂ€uschen.  Da- 
durch werden  manche  lohnenden  FĂ€lle  von  der  Bestrahlung 
ausgeschlossen,  die  auch  ohne  den  sonst  unvermeidlichen 
operativen  Eingriff  geheilt  wÀren. 

Wir  haben  versucht,  uns  in  den  FĂ€llen,  die  nach  lang- 
dauernder Bestrahlung  unverÀndert  blieben,  mittelst  der 
Röntgenaufnahme  ein  Bild  von  dem  Umfange  der  Kalkein- 
lagerungen zu  machen.  Man  erkennt  diese  stark  schatten- 
gebenden Kalkflecken  schon  bei  der  Schirmdurchleuchtung, 
wenn  auch  nicht  in  dem  Umfange  wie  auf  der  Platte. 

Die  Aufnahmetechnik  ist  nicht  schwierig.  Man  kann 
sich  vor  dem  Schirm  ĂŒberzeugen,  wie  stark  man  den  Kopf 
xurĂŒckbiegen  muß,  um  die  DrĂŒse  unter  den  sie  deckenden 
Kieferknochen  hervortreten  zu  lassen.  Die  Aufnahmen  wer- 
den dann  möglichst  weich  gemacht,  wie  wir  es  von  Lungen- 
aufnahmen gewöhnt  sind,  nur  empfiehlt  es  sich,  die  Röhre 
schwach  zu  belasten  und  lĂ€nger  zu  belichten.  Die  DrĂŒse  muß 
der  Platte  eng  anliegen. 

Unsere  Abbildungen  zeigen  solche  Aufnahmen  von  ver- 
kalkenden oder  verkĂ€senden  DrĂŒsen  in  drei  verschiedenen 
Stadien. 


Abbildung  1  stammt  von  einem  unbehandelten  Kinde, 
dessen  DrĂŒsenschwellungen  von  der  Mutter  bereits  mehrere 
.lahre  in  gleicher  GrĂ¶ĂŸe  und  HĂ€rte  beobachtet  wurden.  Man 
sieht  punktförmige  Einlagerungen,  von  denen  ich  nicht  etil 
scheiden  möchte,  ob  es  sich  um  Kalk  oder  KÀse  handelt. 


Kiefei 


"V—   Dnw  inil 
Kasel?)- 
Einlagerangen. 


Abb  1. 

In  solchen  FĂ€llen  ist  die  Indikationsstellung  am  schwierig- 
sten. Wenn  wir  solche  FÀlle  bestrahlen,  können  wir  viel- 
leicht damit  rechnen,  daß  die  DrĂŒsen  kleiner  werden,  doch 
mĂŒssen  wir  darauf  aufmerksam  machen,  daß  ein  Ver- 
schwinden nicht  zu  erwarten  ist.  Vielleicht  wÀre  die  ratio- 
nellste Therapie  dieser  FĂ€lle  eine  kombinierte,  d.  h.  man  lĂ€ĂŸt 
diese  voraussichtlich  noch  nicht  oder  nur  wenig  verwachsene 
DrĂŒse  durch  einen  chirurgischen  Eingriff  entfernen,  ohne 
bei  der  Operation  RĂŒcksicht  darauf  zu  nehmen,  was  sich  in 
der  Umgebung  noch  an  DrĂŒsen  findet,  um  den  Eingriff  nicht 


^  -  Kiefei . 


Abb  ?. 


Zachariae:  Tuberkulose 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


unnötig  zu  verlĂ€ngern  und  zu  erschweren.  Dann  lĂ€ĂŸt  man 
die  Gegend  bestrahlen,  um  die  dem  Messer  des  Chirurgen  ent- 
gehenden nichtverkĂ€sten  DrĂŒsen  unschĂ€dlich  zu  machen  und 
eine  eventuelle  Fistelbildung  aus  der  Operationswunde  zu 
vermeiden. 

Abbildung  II  stammt  von  einem  Kinde,  das  auswÀrts 
ausgiebig  bestrahlt  wurde,  bei  dem  aber  die  Tumoren  nicht 
nur  nicht  kleiner  wurden,  sondern  sogar  bei  jedem  Infekt 
der  oberen  Luftwege  wieder  anschwollen.  Ein  Blick  auf  die 
Photographie  erklĂ€rt  beides.  Wir  sehen  vorn  DrĂŒsen  mit 
sehr  reichlichen  Kalkeinlagerungen,  nach  hinten  zu  Pakete 
mit  geringeren  Schatten  und  ganz  hinten  diffuse  Ver- 
schleierungen. 

Die  vordersten  verkalkten  DrĂŒsen  sind  natĂŒrlich  nicht 
mehr  strahlenempfindlich,  sie  hindern  aber  die  Strahlen  er- 
heblich am  Durchtritt  und  an  der  Beeinflussung  der  direkt 
dahinter  liegenden  DrĂŒsen.  Die  ganz  hinten  liegenden  nicht 
verkalkten  DrĂŒsen  werden  von  den  Strahlen  kaum  mehr 
getroffen.  Diese  hintersten  sind  es,  die  bei  Infekten  an- 
schwellen und  so  die  vorderen  Pakete  vordrÀngen,  dadurch 
die  VergrĂ¶ĂŸerung  des  Tumors  bewirkend.  Die  verkalkten 
DrĂŒsen  sprechen  selbstverstĂ€ndlich  auf  Infekte  nicht  mehr  an. 

Dieser  Fall  eignet  sich  in  diesem  Stadium  also  weder 
zur  Bestrahlung  noch  zur  Operation;  denn  die  Verwach- 
sungen mĂŒssen  bereits  infolge  der  Bestrahlung  sehr  reich- 
lich sein  und  die  DrĂŒsenpakete  reichen  so  weit  in  die  Tiefe, 
daß  der  chirurgische  Eingriff  ein  ganz  besonders  schwerer 
sein  muß,  wenn  er  auch  nur  annĂ€hernd  die  im  Röntgenbilde 
sichtbaren  Pakete  entfernen  soll. 


seheint  es  mir  zweckmĂ€ĂŸig,  durch  ein  so  einfaches  Mittel  die 
Zahl  der  Mißerfolge  zu  verringern,  die  geeignet  sind,  das 
Röntgenverfahren  zu  diskreditieren. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  eine  Frage  kurz 
besprechen,  nĂ€mlich  die  GefĂ€hrlichkeit  verkĂ€ster  DrĂŒsen  in 
bezug  auf  die  Weiterverschleppung  der  Tuberkulose.  KĂ€se 
kann  noch  Tb-Bazillen  enthalten.  Eine  ausgiebig  bestrahlte 
DrĂŒse  hat  aber  eine  so  starke  fibröse  Kapsel,  daß  diese  einen 
gewissen  Abschluß  bieten  kann.  Histologische  Untersuchun- 
gen haben  ergeben,  daß  in  solchen  DrĂŒsen,  die  nicht  ausgiebu 
bestrahlt  wurden,  noch  spezifisch  tuberkulöses  Gewebe  er- 
halten war.  Die  Frage,  inwieweit  noch  virulentes  Materia! 
in  solchen  DrĂŒsen  vorhanden  ist,  veranlaßte  uns,  eine  solche 
exstirpierte  DrĂŒse  gleich  nach  der  Operation  zu  zerreiben  und 
von  dem  Brei  je  25  ccxn  zwei  Meerschweinchen  in  die  Bauch 
höhle  zu  spritzen.  Beide  Tiere  blieben  gesund  und  zeigten 
nach  drei  Monaten  bei  der  Sektion  keinerlei  tuberkulöse  Ver- 
Ă€nderungen. Da  man  heute  nur  selten  Gelegenheit  hat,  solch 
DrĂŒsen  operieren  zu  lassen,  so  soll  diese  vereinzelte  Beob- 
achtung dazu  auffordern,  in  geeigneten  FĂ€llen  gleiche  Ver- 
suche zu  machen,  um  so  die  Frage  zu  klÀren,  ob  man  durch 
ausgiebige  Bestrahlung  (bei  uns  10  Sitzungen  zu  je  135  F. 
bei  3  mm  AI-Filter)  den  NĂ€hrboden  der  Bazillen  so  ver- 
Ă€ndern kann,  daß  sie  zugrunde  gehen. 

Ganz  allgemein  ergibt  sich  auch  aus  diesen  Beobachtun- 
gen die  Forderung,  Lymphome  zu  bestrahlen,  wenn  sie  noch 
frisch  sind,  da  die  Aussichten  au!'  Erfolg  mit  der  Zeit  sich 
rasch  vermindern. 


Sdiadel 


Drusen 


Clavicula. 


Abb.  i. 

Abbildung  III  stellt  einen  Zufallsbefuhd  dar  und  zeigt 
nicht  mehr  Einlagerungen  von  Schatten,  sondern  die  ganzen 
DrĂŒsen  als  kompakte  Schatten.  Hier  scheint  es  sich  wohl 
um  eine  vollkommene  Verkalkung  zu  handeln;  auch  hier 
kommt  wegen  der  großen  Zahl  der  DrĂŒsen  kein  chirurgischer 
Eingriff  in  Frage,  obwohl  ein  großer  Teil  der  DrĂŒsen  als 
kleine  Tumoren  sichtbar  und  tastbar  war. 

Auf  Grund  unserer  Erfahrungen  möchte  ich  empfehlen, 
vor  der  Bestrahlung  eines  harten  HalsdrĂŒsentumors  eine 
Röntgenplatte  anzufertigen,  um  sich  vor  unangenehmen  Miß- 
erfolgen zu  schĂŒtzen.  Ob  wir  damit  alle  Mißerfolge  aus  der 
Welt  schaffen,  erscheint  zweifelhaft,  da  wir  nicht  im  Voraus 
wissen  können,  ob  die  RĂŒckbildung  der  DrĂŒsen  auf  dem 
Wege  der  Resorption,  der  Fibrose,  der  VerkÀsung,  Verkal- 
kung oder  Abscedierung  vor  sich  gehen  wird.   Immerhin  er- 


Aus  der  Poliklinik  fĂŒr  innere  Krankheiten. 
Weiland  Prof.  A  1  b  u,  Berlin 

Ueber  Behandlung  der  Tuberkulose 
mit  KT B »Vaccine. 

Von  Dr.  med.  Georg  Zachariae.  ehem.  Assistenten.  Facharzt 
fĂŒr  innere  Krankheilen  in  Berlin-Lichtenber«. 

In  der  wissenschaftlichen  Welt  steht  in  letzter  Zeit  die 
Behandlung  der  Tuberkulose  mit  KTB-Vaccine  im  Mittel 
punkt  des  Interesses.  Gegner  und  Freunde  der  neuen  Be- 
handlungsmethode sind  in  gleicher  Weise  zu  Wort  gekom- 
men, ohne  daß  es  bisher  zu  einer  Entscheidung  ĂŒber  den  Wert 
lies  Mittels  gekommen  wÀr\  So  wenig  ich  beabsichtige,  in 
den  Streit  der  Kliniker  und  Bakteriologen  einzugreifen,  sc 
glaube  ich  doch  berechtigt  zu  sein,  ĂŒber  meine  eigenen  in 
Poliklinik  und  Praxis  gesammelten  Erfahrungen  kurz  zu  be- 
richten. Ich  glaube,  daß  gerade  der  Praktiker,  der  ĂŒber  ein 
nn  allgemeinen  gleichartiges  Material  verfĂŒgt,  insofern  als 
seine  Patienten  in  der  Regel  sich  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  aus  der 
arbeitenden  Bevölkerung  rekrutieren  und  somit  unter  wenig 
verschiedenen  Ă€ußeren,  wie  ErnĂ€hrungs-  und  WohnverhĂ€lt- 
nissen leben,  zur  KlÀrung  der  Frage  nach  dem  Heilwert  der 
KTB-Vaccine  mancherlei  Wertvolles  beitragen  kann.  Gerade 
wenn  heutigen  Tages  mit  voller  Berechtigung  auf  die  Pro- 
phylaxe der  Krankheiten  so  großer  Wert  gelegt  wird,  ist  der 
Praktiker  derjenige,  der  in  der  ersten  Reihe  der  KĂ€mpfer 
gegen  die  Volksseuchen  steht,  und  es  soll  der  Zweck  dieser 
Zeilen  sein,  die  Kollegen  zu  eigenen  Versuchen  anzuregen. 
Ich  erinnere  daran,  daß  die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit 
Kochs  Tuberkulin  erst  nach  jahrelangen,  mĂŒhsamen  Erfah- 
rungen inbetreff  der  Indikationsstellung  zum  Allgemeingut 
der  Aerzte  geworden  ist,  und  so  muß  es  auch  durch  unvorein- 
genommenes Arbeiten  gelingen,  der  KTB-Vaccine  den  ihr  ge- 
bĂŒhrenden Platz  in  der  Behandlung  der  Tuberkulose  anzu- 
weisen. 

Wie  schon  gesagt,  will  ich  in  die  Streitfragen  der  Bak- 
teriologen ĂŒber  die  der  Vaccine  zugrunde  liegenden  KTB 
nicht  eingreifen.  Mir  erscheint  als  wichtig  allein  ihre  SĂ€ure- 
festigkeit, und  ich  glaube  Grund  zu  haben,  mich  dahin  zu 
Ă€ußern,  daß  wir  ĂŒber  die  biologischen  und  biochemischen 
VerhÀltnisse  kleinster  Lebewesen  noch  bei  weitem  nicht  hin- 
reichend unterrichtet  sind,  um  ein  abschließendes  Urteil  hin- 


10.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Zachariae:   I  ubcrkulose 


sichtlich  ihrer  Verwandtschaft  abgeben  zu  können.  Zu 
meinen  Versuchen  habe  ich  nur  die  KTB-Vaccine  von  Dr. 
F.  Baum  benutzt,  die  von  Dr.  BĂŒrger  auf  ihre  Reinheit  ge- 
prĂŒft und  von  der  Friedricb-WilhelmstĂ€dtischen  Apotheke, 
Berlin  NW 6,  Luisenstr.  l'.».  in  sterilen  Ampullen  in  den  Han- 
del gebracht  wird.  Die  Ampullen  enthalten  etwa  0,3—0,4  ccm. 
Auf  die  Dosierung  ist  nur  geringer  Werl  zu  legen,  da  sieh  das 
PrÀparat  bisher  in  meinen  FÀllen  stets  als  absolut  unschÀd- 
lich erwiesen  hat.  In  der  Regel  genĂŒgen  0,25  bis  0,3  ccm. 
Nur  bei  tuberkulösen  Fisteln  erscheint  eine  höhere  Dosierung 
angezeigt  zu  sein.  Das  Mittel  wird  unter  streng  aseptischen 
Kautelen  am  besten  intraglutaeal  eingespritzt.  Wesentliche 
Schmerzen  hereitel  die  Injektion  nicht.  Empfindliche  Per- 
sonen haben  manchmal  mehrere  Tage  das  GefĂŒhl,  als  ob  sie 
an  der  Impfstelle  einen  harten  Schlag  erhalten  hÀtten.  Es 
entsteht  nun  an  der  Impfstelle  ein  hartes,  etwa  erbsengroßes 
Infiltrat,  das  in  der  Zeil  von  4  Wochen  bis  zu  einigen  Mo- 
naten allmÀhlich  resorbiert  wird.  Manchmal  kommt  es  vor, 
daß  das  Infiltrat  besonders  bei  Personen  mit  stĂ€rker  ent- 
wickelten Fettpolstern  unter  Abszeßbildung  abgestoßen  wird, 
doch  habe  ich  nicht  den  Eindruck  gewonnen,  daß  dadurch 
der  Heilwert  der  gesetzten  Infektion  herabgesetzt  wĂŒrde. 

Der  Zweck  der  Behandlung  ist,  durch  eine  fĂŒr  den  Men- 
schen unschÀdliche  Infektion  mit  KTB.  die  AbwehrkrÀfte  des 
Organismus  so  mobil  zu  machen,  daß  ihnen  die  UnschĂ€d- 
lichmachung der  menschlichen  Tuberkelbazillen  und  ihrer 
Toxine  gelingt.  Hier  setzt  nur  die  Schwierigkeit  der  Be- 
urteilung der  fĂŒr  die  KTB. -Behandlung  geeigneten  FĂ€lle  ein, 
und  da  uns  andere  spezifische  Methoden  der  Beurteilung  der 
Durchseuchung  des  an  Tuberkulose  erkrankten  Organismus 
fehlen,  so  kann  uns  nur  die  praktische  Erfahrung  darin  vor- 
wÀrts bringen.  So  wenig  auch  die  KTB. -Vaccine  imstande 
ist,  schwere  progrediente  FĂ€lle  zu  heilen,  so  wenig  darf  uns 
andererseits  ihre  meines  Erachtens  absolute  UnschÀdlichkeit 
abhalten,  in  noch  der  therapeutischen  Beeinflussung  irgend- 
wie zugÀnglichen  FÀllen  einen  Versuch  mit  ihr  zu  machen. 
In  der  letzten  Zeit  habe  ich  durch  systematische  Blutbild- 
untersuchungen den  Eindruck  gewonnen,  daß  es  vielleicht 
durch  ihre  Anstellung  gelingen  könnte,  einen  Gradmesser  fĂŒr 
die  therapeutische  Beeinflussung  der  Tuberkulose  durch  KTB 
Vaccine  zu  finden,  doch  sind  in  diesem  Punkte  meine  Er- 
fahrungen noch  lange  nicht  ausreichend  in  anbetracht  der 
ungemein  komplizierten  VerhÀltnisse. 

Ich  lasse  eine  Uebersicht  der  von  mir  mit  KTB-Vaccine 
behandelten  FĂ€lle  folgen.  Es  sind  im  ganzen  59,  deren  Impf- 
tag mindestens  3  Monate  bis  zu  einem  Jahr  zurĂŒckliegt.  Erb- 
liche Belastung  lag  in  43  FÀllen  vor.  Bereits  in  HeilstÀtten 
ohne  oder  mit  vorĂŒbergehendem  Erfolg  behandelt  wurden 
14  der  von  mir  geimpften  Personen.  Komplikationen,  die 
.ich  unten  nĂ€her  schildern  werde,  lagen  fĂŒnfmal  vor.  Der 
Erfolg  war  bisher  in  37  FĂ€llen  klinische  Heilung,  gebessert 
wurden  11,  unverÀndert  blieben  11  FÀlle.  Eine  Verschlim- 
merung trat  niemals  ein.  Stets  habe  ich  als  diagnostisches 
Hilfsmittel  das  Röntgenverfahren  hinzugezogen.  Damit  ent- 
lallt wohl  der  von  Gegnern  der  KTB. -Behandlung  mit  Vor- 
liebe gemachte  Einwurf,  daß  die  sogen,  geheilten  Spitzen- 
katarrhe keine  tuberkulösen  gewesen  seien.  Es  ist  das  ein 
m.  E.  ungemein  billiger  Einwand,  es  mĂŒĂŸte  aber  eigentlich 
um  unser  diagnostisches  Können  traurig  bestellt  sein,  wenn 
wir  nicht  auch  ohne  den  Röntgenschirm  und  die  Röntgen - 
platte  tuberkulöse  und  nicht  tuberkulöse  VerÀnderungen  im 
( Jrganismus  feststellen  .könnten. 

Ich  gebe  nunmehr  zunÀchst  eine  Schilderung  einiger  ty- 
pischer FĂ€lle  und  des  Ergebnisses  ihrer  Behandlung. 

1.  K.  M.,  Arbeiter,  21  Jahre  alt.  Vater  an  Lungenschwind- 
sucht im  42.  Lebensjahr  gestorben,  Mutter  gesund,  keine  Ge- 
schwister. FrĂŒher  stets  schwĂ€chlich  gewesen,  vor  einem  Jahre 
an  Grippe  mehrere  Wochen  krank.  Seitdem  Mattigkeit,  SchwÀche- 
gefĂŒhl, Appetitlosigkeit,  Gewichtsabnahme.  Seil  3  Monaten  Nacht 
schweiße,  Hustenreiz,  etwas  schleimiger  Auswurf. 

Befund:  Kleiner  Mensch,  ErnÀhrungszustand  schlecht,  feuchte 
Hanl,   schmaler  langer   Brustkorb,   SchlĂŒsselbeingruben  einge 
Blinken.    DĂ€mpfung  ĂŒber  beiden  Spitzen,  rechts  oben  feiner  Ka- 


tarrh, links  oben  leises  Atmen  mil  verlÀngerten  Kxpiriuui.  Im 
Auswurf  keine   l  uhcr  kclbazillcn. 

Röntgenologisch;  lliius  bds.  verbreitert,  beide  Spitzen  stark 
verschleiert,  hellen  sich  bei  Husten  nicht  auf,  Zwerchfell  fnw  be- 
weglich.   Tbc.  pulmonum. 

il.  VIII.  20.:  Intraglutaeal  0,8  KTB-Vaccine. 

22.  VIII.  20.:  IniplUnoten  harl  erbsengroß,  reizlos. 

7.  IX.  20:  Allgemeinbeiinden  bedeutend  gebessert,  guter  Ap- 
petit, ruhiger  Schlaf,  keine  Nachtschweiße.  Zeitweise  etwas 
Hustenreiz,  beim  Aulstehen  morgens  etwas  wÀsseriger  Auswurf. 
Ueber  beiden  Spitzen  kein  Katariii  mehr,  sondern  etwas  ver- 
schÀrftes rauhes  Almen. 

29.  IX.  20:  Gewichtszunahme  von  5  Pfund,  subjektiv  keine  Be- 
schwerden, kein  Husten,  kein  Auswurf.  Schall  ĂŒber  beiden 
Spitzen  etwas  verkĂŒrzt,  deutliches  Narbenalmen. 

9.  IV.  21:  Bisher  gÀnzlich  beschwerdefrei.  M.  hal  ununter- 
brochen als  Metallarbeiter  gearbeitet  klinische  Heilung  dauert  an. 

2.  A.  L.,  Kaufmann,  37  Jahre  , all.  Valer  im  hohen  Aller  an 
Nierenkrankheit  gestorben,  Mutter  bei  der  Geburt  eines  Kindes 
gestorben.  Ein  Bruder  ist  lungenkrank  und  deswegen  mehrfach 
in  HeilstĂ€tten  behandelt  worden,  frĂŒher  stets  gesund,  wenn  auch 
Neigung  zu  Katarrhen  der  Luflwege  immer  bestand,  erkrankte  er 
im  Felde  schwer  an  Grippe,  wurde  entlassen  im  Jahre  1918  und 
nahm  sein  GeschÀft  wieder  auf.  Seit  5  Monaten  stÀndig  Husten, 
Auswurf,  Mattigkeit,  Appetitlosigkeit,  Gewichtsabnahme,  Nacht- 
schweiße. 

Befund:  Mittelgroßer  Mann,  im  schlechten  ErnĂ€hrungs-  und 
KrĂ€ftezustand.  Brustkorb  breit,  aber  sehr  flach,  SchlĂŒsselbein- 
gruben  eingesunken,  DĂ€mpfung  ĂŒber  dem  rechten  Oberlappen  und 
der  linken  Spitze.  Rechts  oben  verschÀrftes  Atmen  mit  zahl- 
reichen feuchten  RasselgerÀuschen,  links  leises  Atmen  mit  ver- 
einzelten feinen  katarrhalischen  GerÀuschen.  Im  Auswurf  spÀr- 
liche Tuberkelbazillen. 

Röntgenologisch:  Hilus  bds.  vergrĂ¶ĂŸert,  rechts  einige  Kalk- 
herde, beide  Spitzen  besonders  rechts  stark  verschleiert,  hellen 
sich  bei  Husten  nicht  auf.  Zwerchfell  rechts  weniger  beweglich 
als  links. 

10.  I.  21:  Intraglutaeal  0,3  KTB-Vaccine. 

21.  I.  21:  Impfknoten  hart,  mandelkerngroß,  reizlos. 

10.  II.  21:  Das  Allgemeinbefinden  ist  besser.  Es  hat  sich 
ruhiger  Schlaf  ohne  Nachtschweiße  und  guter  Appetit  eingestellt. 
Dagegen  hat  die  Menge  des  Auswurfes  zunÀchst  etwas  zugenom- 
men, ist  aber  wÀsseriger  geworden.  Ueber  beiden  Spitzen  ver- 
schÀrftes Atmen,  rechts  zahlreiche  feuchte  RasselgerÀusche,  links 
kein  Katarrh. 

23.  II.  21:  Bei  gutem  Appetit  hat  das  Körpergewicht  um  1  Pfd. 
zugenommen.  Nachtschweiße  sind  nicht  wieder  aufgetreten.  Der 
Husten  hat  sehr  abgenommen,  nur  morgens  noch  etwas  wÀsseriger 
Auswurf.  Ueber  beiden  Spitzen  verschÀrftes  rauhes  Atmen,  ohne 
Katarrh. 

16.  III.  21.  Gewichtszunahme  um  weitere  2  Pfund,  morgens 
immer  noch  elwas  wÀsseriger  Auswurf.  Im  Auswurf  finden  sich 
keine  Tuberkelbazillen  mehr.  Physikalischer  Befund  bds.  un- 
verÀndert. 

2.  V.  21:  Patient  fĂŒhlt  sich  subjektiv  wohl,  geht  seiner  TĂ€tig- 
keit wieder  nach.  Gewicht  hal  weiter  2  Pfund  zugenommen.  In 
dem  mehrfach  untersuchten  Auswurf  fanden  sich  keine  Tuberkel- 
bazillen mehr. 

Der  Verlauf  beider  FĂ€lle,  wie  ich  ihn  im  Vorhergehen- 
den ausfĂŒhrlich  geschildert  habe,  ist  typisch  fĂŒr  die  mit 
KTB-Vaccine  behandelten  FÀlle.  In  Àhnlicher  Weise  trat  der 
Erfolg  bei  35  weiteren  Patienten  ein.  ' 

1.  Frau  P.  N.,  23  Jahre,  Mann  Arbeiter,  Eltern  gesund,  zwei 
Geschwister  im  Alter  von  16  und  18  Jahren  an  Schwindsucht  ge- 
storben. Seit  6  Monaten  zunehmende  Mattigkeit,  MuskelschwÀche, 
Gewichtsabnahme,  kein  Husten,  kein  Auswurf. 

Befund:  Kleine  schwÀchliche  Frau,  ErnÀhrungszustand  sehr 
mĂ€ĂŸig,  blasse  schlaffe  Haut  und  Muskulatur,  auffallende  Pigmen- 
tation  an  den  Druckstellen  der  Haut,  schwacher,  schlecht  ge- 
fĂŒllter Puls,  Leber  und  Milz  nicht  vergrĂ¶ĂŸert,  Herz  o.  B.,  Lun- 
gen o.  B. 

Röntgenologisch:  Cor  pendulum,  Verbreiterung  des  Hilus, 
links  einige  Kalkherde,  linke  Spitze  getrĂŒbt. 

Blutbild:  38  Prozent  kleine  Lymphosyten,  HĂ€moglobin  64 
Prozent. 

Diagnose:  Beginnender  Morbus  Adisson? 
28.  III.  21:  0,4  KTB-Vaccine  intraglutaeal. 
6.  IV.  21:  Harter  mandclkerngroßer  Impfknoten. 
20.  IV.  21:    Allgemeinbefinden   gebessert,   wieder   Lust  zur 
TĂ€tigkeit.  Appetit  besser,  noch  keine  Gewichtszunahme. 


I 


60 


Zachariae:  Tuberkulose 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Objektiver  Bei'und:  unverÀndert. 

1    \.  21:  Gewichtszunahme  um  2  Pfund.     Arbeitet  wieder 
etwas  im  Haushalt,  Appetit  und  Schlaf  gut. 
HĂ€moglobin  71  Prozent. 

25.  \.  21:  Patientin  fĂŒhlt  sieb  subjektiv  wohl,  bat  weitere 
1  Plund  zugenommen.  Implknolen  voiislÀndig  resorbiert.  Puls 
gut  gelullt,  gleichmÀbig,  regelmÀbig.    l  igmeiuation  unverÀndert. 

1.  Vlll.  21:  Patientin  ist  8  \\oenen  bei  Verwandten  auf  dem 
Laiute  gewesen,  kommt  frisch  zurĂŒck,  Gewicht  hat  um  weitere 
5  Llunu  zugenommen.    HĂ€moglobin  76  Prozent. 

2.  Kl.,  19  Jahre,  Schneiaergeselle.  Bruder  zu  1.  Seil  1  .Mo- 
naten stanĂŒig  Hustenreiz,  geringer  zĂ€hflĂŒssiger  Auswurf,  Ge- 
wichtsabnahme, Nachtschweibe. 

beiund:  Grober  schlanker  Mensch  in  recht  schlechtem  Er- 
nÀhrungszustand. Blasse  Gesichtsfarbe,  leuchte  Haut,  schlaffe 
.Uuskuiatur,  brustkoro  lang,  schmal,  wenig  gewölbt,  Schlussel- 
beingruben  eingesunken.  L  eber  beiuen  Spitzen  Scliailverkurzung, 
reems  mehr  als  links.  Untere  Lungengrenzen  frei  verschieblicli. 
Ueber  beiden  Spitzen  VerschÀrftes  Atmen  mit  leinen  katarrhali- 
schen GerÀuschen.    Im  Auswurf  keine  Tuberkelbazillen. 

Köntgenoiogisch:  Hilus  bĂŒs.  vergröbert,  beide  Spitzen  ver- 
schleiert, bellen  sich  bei  Husten  nicht  auf.  Zwerchfell  frei  ver- 
schieblich. 

27.  IV.  21:  0,3  KTB  Vaccine  Inlraglulaeal. 

15.  V.  21:  impfknoten  hart,  erbsengrob,  nicht  empfindlich. 
Keine  Nachtschweine  mehr,  Husten  wenig,  Auswurf  wÀsserig,  hat 
an  .\ienge  etwas  zugenommen. 

1.  Vi.  21:  Keine  Machtschweilie,  kein  Husten,  kein  Auswurf. 
Schlaf  ruhig.  Ueber  beiden  Spitzen  SchallverkĂŒrzung  und  ver- 
schÀrftes Atmen  ohne  katarrhalische  GerÀusche. 

17.  VI.  21:  Subjektiv  keine  Beschwerden,  objektiver  Befund 
ĂŒber  den  Lungen  unverĂ€ndert.    Gewichtszunahme  von  5>->  Pfund. 

In  beiden  FĂ€llen  ist  also  auf  die  Injektion  prompt  eine 
subjektive  und  objektive  Besserung  gefolgt.  Ich  habe  im 
Mai  noch  2  Schwestern  der  eben  Genannten,  die  im  Alter 
von  16  und  17  Jahren  standen,  prophylaktisch  mit  KTB- 
Vaccine  behandelt.  Beide  litten  an  ausgesprochener  Chlo- 
rose, ĂŒber  den  Lungen  war  bei  beiden  aulier  einer  vermehr- 
ten Hiluszeichnung  im  Röntgenbild  nichts  nachweisbar.  Die 
Patienten  einölten  sich  ebenialis  nach  der  Injektion  in  auf- 
fallender Weise.  Leider  ist  die  Familie  nach  Polen  ver- 
zogen, so  daß  ich  ĂŒber  einen  Dauererfolg  der  eingeleiteten 
Benandlung  nicht  berichten  kann. 

Ich  fĂŒge  hieran  die  bemerkenswerte  Krankengeschichte 
eines  lljĂ€nrigen  Jungen  als  Beispiel  fĂŒr  die  Wirkung  der 
KTB-Vaccine  auf  skrofulöse  Kinder. 

H.  F.,  11  Jahre  alt,  Vater  Kaufmann,  in  der  Familie  sind  bis- 
her FĂ€lle  von  Tuberkulose  nicht  vorgekommen.  Als  kleines  Kind 
war  der  Junge  stets  gesund,  leidet  aber  seit  der  Schulzeit  hÀufig 
an  Kopfschmerzen,  Appetitlosigkeit  und  will  trotz  guter  Pflege 
nicht  zunehmen.  Er  war  auf  Àrztlichem  Rat  vor  einem  Jahre 
lÀngere  Zeit  auf  dem  Lande  in  Pflege,  da  eine  Röntgenaufnahme 
das  Vorhandensein  einer  ausgesprochenen  Hilus-Tuberkulose  er- 
wiesen hatte.  Die  Beschwerden  sind  aber  nur  vorĂŒbergehend, 
besser  geworden  und  haben  sich  im  Laufe  der  letzten  4  Monate 
in  verstĂ€rktem  Maße  wieder  eingestellt. 

Befund:  11  Jahre  aller  kleiner,  schlechternÀhrter  Junge  mit 
blasser  Hautfarbe,  schlaffer  Haut  und  Muskulatur.  Am  Hals 
zahlreiche  erbsengroße  harte  DrĂŒsen,  ebenso  in  der  Leisten- 
gegend. Ueber  beiden  Lungen  keine  SchallverkĂŒrzung,  nur  ĂŒber 
der  rechten  Spitze  verschÀrftes  rauhes  Atmen. 

Röntgenologisch:  Hilus  bds.  vermehrt,  rechts  einige  Kalk- 
herde und  zur  Spitze  ziehende  StrÀnge. 

3.  V.  21:  0,2  KTB- Vaccine  Intraglutaeal. 

10.  V.  21:  Impfknoten  hart,  erbsengroß,  nicht  empfindlich. 

7.  VI.  21:  Gewichtszunahme  von  5  Pfund.  Haut  gespannt, 
Gesichtsfarbe  gerötet,  Bewegung  rasch.  Die  Mutter  erzĂ€hlt,  daß 
der  Junge  etwa  14  Tage  nach  der  Injektion  angefangen  habe,  un- 
gestört zu  schlafen  und  gut  zu  essen.  Er  klage  jetzt  zeitweise 
direkt  ĂŒber  Heißhunger. 

28.  VII.  21:  Weitere  Gewichtszunahme  von  3  Pfund,  keine  Be- 
schwerden, objektiv  keine  Besonderheiten. 

In  diesem  Falle  hat  die  Injektion  eine  sofortige  Umstim- 
mung  im  Organismus  bewirkt.  Der  Erfolg  war  direkt  in  die 
Augen  springend.  In  gleicher  Weise  habe  ich  noch  bei  fĂŒnf 
anderen  Kindern  eine  Besserung  und  Heilung  eintreten  sehen. 

leb  berichte  jetzt  noch  ĂŒber  einige  FĂ€lle,  in  denen  be- 
merkenswerte Komplikationen  der  Tuberkulose  vorlagen. 


Frau  E.  E.,  27  Jahre  alt,  Mann  Arbeiter.  In  der  Familie  bis- 
her keine  FĂ€lle  von  Tuberkulose.  Erkrankte  vor  etwa  4  Wochen 
an  RippenfellentzĂŒndung  und  wurde  mir  von  dem  behandelnden 
Arzt  zur  weiteren  Behandlung  ĂŒberwiesen. 

Befund:  Kleine  Frau  in  leidlichem  ErnÀhrungs-  und  KrÀfte- 
zustand.  Sitzt  im  Bett,  klagt  ĂŒber  heftige  Schmerzen  in  der 
rechten  Brustseite,  Kurzatmigkeit,  etwas  Auswurf.  Temperatur 
38,6.  Ueber  der  ganzen  rechten  Lunge  hinten  bis  zur  Höhe  d. 
spina  scap.  absolute  DĂ€mpfung,  Stimmfremitus  aufgehoben, 
AtmungsgerÀusch  bronchial  fast  unhörbar.  Ueber  beiden  Spitzen 
SchallverkĂŒrzung,  rechts  bronchiales  Atmen,  links  vereinzelte 
knackende  GerÀusche,  Herz  nach  links  verdrÀngt. 

Röntgenologisch:  Im  rechten  Brustfellraum  bis  zur  Höhe  der 
dritten  Kippe,  vorn  Exsudatschalten.  Linke  Spitze  etwas  ver- 
schleiert. 

Exsudat:  serös,  enthĂ€lt  ĂŒberwiegend  Lymphozyten. 

28.  III.  21:  0,4  KTB  Vaccine  Intraglutaeal. 

15.  IV.  21:  Die  Atemnot  ist  verschwunden.  Patientin  bat  jclzl 
elwas  Auswurf.  Kein  Fieber  mehr.  Objektiv  nur  noch  etwas 
verkĂŒrzter  Schall  ĂŒber  der  rechten  Lunge.  Exsudat  nicht  mein 
nachweisbar.    Ueber  beiden  Spitzen  Befund  unverÀndert. 

27.  IV.  21:  Kein  Auswurf  mehr,  außer  allgemeiner  SchwĂ€che 
keinerlei  subjektive  Beschwerden.  Nur  noch  SchailverkĂŒrzung 
ĂŒber  den  Spitzen  mit  verlĂ€ngertem  und  elwas  verschĂ€rftem  At- 
mungsgerÀusch. Exsudat  nicht  nachweisbar.  Rechte  untere  Lun- 
gengrenzen schlechter  verschieblich  als  links. 

IG.  V.  21:  Subjektiv  keine  Beschwerden.  Patientin  hat  sich 
inzwischen  gut  erholt,  kein  Husten,  kein  Auswurf,  keine  Nacht- 
schweiße.   Objektiver  Befund:  unverĂ€ndert. 

Hier  hat  die  Injektion  der  KTB-Vaccine  eine  ĂŒberaus 
schnelle  Resorption  eines  Exsudates  zur  Folge  gehabt.  Ich 
war  selbst  höenstiieh  ĂŒberrascht,  als  bereits  nach  14  Tagen 
das  Exsudat  verschwunden  war.  Eine  röntgenologische  Nach- 
prĂŒfung hat  aber  dieses  Ereignis  bestĂ€tigt.  In  zwei  anderen 
Fallen  von  RippenfellentzĂŒndung  habe  ich  dann  wiederum 
die  KTB-Vaccine  injiziert  mit  dem  Erfolge,  daß  in  dem  einen 
Fall  nach  4,  im  anderen  nach  -i'A  Wochen  das  Exsudat  voll- 
stĂ€ndig verschwunden  war,  ohne  daß  andere  Mittel  als  Mor- 
phium usw.  zur  Behebung  subjektiver  Beschwerden  in  An- 
wendung gekommen  wÀren.  Auch  hat  sich  in  allen  FÀllen 
bis  heute  irgend  eine  Folgekrankheit  der  RippenfellentzĂŒn- 
dung nicht  eingestellt. 

Besonders  erwÀhnenswert  erscheint  mir  der  Erfolg  der 
KTB -Behandlung  in  einem  von  mir  behandelten  Fall  von 
tuberkulösen  Fisteln.  Es  handelte  sich  um  einen  36  Jahre 
alten  Maurer,  der  seit  10  Jahren  etwa  wegen  tuberkulöser 
Fisteln  in  Àrztlicher  Behandlung  stand  und  an  dem  bisher 
chirurgische  und  Strahlenbehandlung  ohne  Erfolg  angewen- 
det waren. 

11.  Z.,  Maurer,  36  Jahre  alt.  Iii  der  Familie  keine  Tuber- 
kulose. Erkrankte  vor  etwa  10  Jahren  zunÀchst  an  Lungen- 
spitzenkatarrh, dann  an  DrĂŒsenschwellung  am  Hals.  Steht  seit- 
dem dauernd  in  Behandlung. 

Befund:  Großer,  sehr  blasser  Mann,  in  schlechtem  ErnĂ€h- 
rungs- und  KrĂ€flezustand,  SchlĂŒsselbeingruben  eingesunken,  an 
der  rechten  Halsseite  in  der  oberen  SchlĂŒsselbeingrube  drei  nadel- 
öhrgroße Fistelöffnungen  mit  stark  geröteter  Umgebung.'  Aus 
den  Oeffnungen  quillt  auf  leichten  Druck  dicker  rahmiger  Eiter 
hervor.  Brustkorb  lang,  schmal,  wenig  gewölbt,  ĂŒber  beiden 
Spitzen  DÀmpfung  und  rauhes  verschÀrftes  Atmen  mit  vereinzel- 
ten feuchten  RasselgerÀuschen,  besonders  rechts. 

Röntgenologisch:  bedeutend  vermehrte  Hiluszeichnung,  Ver- 
stattung beider  Spitzen,  rechtes  Zwerchfell  weniger  beweglich 
als  links.  ‱ 

3.  III.:  0,4  KTB-Vaccine  Intraglutaeal.  In  jede  Fistelöffnung 
werden  2 — 3  Tropfen  KTB-Vaccine  injiziert. 

15.  III.:  Stark  vermehrte  Eitersekrelion  aus  den  Fistelöff- 
nungen. Ueber  den  Spitzen  keine  katarrhalischen  GerÀusche 
mehr. 

24.  III.:  Die  Sekretion  aus  den  Fistelöffnungen  ist  wÀsseriger 
geworden,  hat  aber  an  Menge  noch  zugenommen. 

1.  IV.:  Die  Sekretion  hat  an  Menge  abgenommen,  doch  schlie- 
ßen sich  die  Fisteln  nicht,  der  allgemeine  KrĂ€ftezustand  ist  besser 
geworden. 

28.  IV.:  Sekretion  unverÀndert.  Ueber  beiden  Spitzen  kein 
Katarrh  mehr.    Kein  Husten,  kein  Auswurf. 

15.  V.:  Befund  unverÀndert 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Drexel:  Tuberkulose  im  Kindcsallcr 


2.  VI.:  Da  die  Sekretion  unverÀndert  Fortbesteht,  werden  in 
die  Fistelöffnungen  nochmals  je  3  Tropfen  KTB-Vacine  injiziert. 

8.  VI.:  Sehr  starke  dickeitrige  Sekretion  .ins  den  Fisteln. 

16,  IV.:  Die  Sekretion  isi  fas1  rein  serös  geworden  und  ha1 
an  Menge  bedeutend  nachgelassen. 

11.  VIT.:  Die  beiden  unteren  Fistelöffnungen  haben  sich  ge- 
schlossen, wÀhrend  aus  der  oberen  auf  Druck  noch  einige  Tropfen 
seröser  FlĂŒssigkeil  entleert  werden.  Das  subjektive  Befinden 
des  Patienten  hat  sieh  bedeutend  gebessert.  Das  Gewicht  hat  um 
3  Pfund  zugenommen.-    Ueber  den  Lungen  Befund  unverÀndert. 

2.  VIII.:  Aueh  die  letzte  Fistel  hat  sieh  geschlossen.  Son: 
Befund  unverÀndert. 

Im  Anschluß  an  die  EinzelĂŒbersicht  gebe  ich  noch  einige 
Bemerkungen,  die  mir  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Erfolge  wich- 
tig erseheinen.  Auffallend  ist  zunĂ€chst,  daß  meistens  die 
Nachtschweiße  als  ausgesprochen  toxisches  Symptom  zuerst 
schwinden  und  Gewichtsstillstand  eintritt.  Dann  macht  sich 
ein  gesteigertes  NahrungsbedĂŒrfnis  geltend,  das  sich  beson- 
ders bei  Kindern  zu  Heißhunger  steigert.  Ganz  allmĂ€hlich 
Irilt  eine  Abnahme  des  Auswurfs  quantitativ  ein,  der  qua- 
litativ einen  mehr  serösen  Charakter  annimmt,  oft  nach  vor- 
heriger Zunahme  der  Menge.  Mit  dem  Schwinden  der  Symp- 
tome der  aktiven  Tuberkulose  steigert  sich  das  Lebens-  und 
GesundungsgefĂŒhl  oft  in  ĂŒberraschender  Weise.  Ich  habe 
wenigstens  in  den  ersten  2 — 3  Wochen  nach  Möglichkeit  jede 
andere  symptomatische  Behandlung  vermieden,  um  die  Ein- 
sicht in  den  Erfolg  der  KTB-Vaccine  nicht  zu  trĂŒben,  ins- 
besondere habe  ich  von  der  Verordnung  von  StÀrkungs- 
mitteln abgesehen.  Die  behandelten  Personen  entstammen 
zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  der  arbeitenden  Bevölkerung.  Ihre  soziale 
Lage  schließt  eine  das  BedĂŒrfnis  des  Organismus  ĂŒberschrei- 
tende ErnĂ€hrung  aus,  so  daß  die  reichliche  ErnĂ€hrung  als 
Heilfaktor  der  Tuberkulose  in  meinen  FĂ€llen  nicht  gelten 
kann.  Ja,  den  meisten  verbot  die  Sorge  um  Auskommen  und 
Erhaltung  der  Stellung  ein  Aussetzen  der  Arbeit.  ErwÀh- 
nenswert ist  aber,  daß  von  einzelnen,  durch  die  Wohnungsnot 
herbeigefĂŒhrten  krassen  FĂ€llen  abgesehen,  im  allgemeinen 
die  Wohnungsve'rhÀltnisse  im  Berliner  Osten  keine  schlechten 
sind,  jedenfalls  besser  als  die,  die  ich  wÀhrend  meiner 
Assistentenzeit  in  Göttingen  und  in  seiner  reichen  Umgebung 
gefunden  habe. 

Ich  bin  mir  in  strenger  Selbstkritik  bewußt,  daß  die  seit 
der  Impfung  der  meisten  hier  aufgefĂŒhrten  FĂ€lle  verflossene 
Zeit  zu  einem  abschließenden  Urteil  nicht  ausreicht.  Sehen 
wir  doch  tÀglich  auch  ohne  spezifische  Behandlung  spontane 
Remissionen  im  Verlaufe  einer  tuberkulösen  Erkrankimg. 
Somit  kann  ich  nur  ĂŒber  Anfangserfolge  berichten.  Diese 
aber  sind  oft  so  in  die  Augen  fallend,  daß  ich  im  Interesse 
meiner  Kranken  die  Behandlung  mit  KTB-Vaccine  fortsetzen 
zu  mĂŒssen  glaube.  Ich  habe  jetzt  die  Erfahrung  gemacht, 
daß  wohl  die  KTB-Vaccine  keine  Panacee  ist,  wie  sie  es  ja 
auch  entsprechend  ihren  Eigenschaften  nicht  sein  kann,  und 
daß  sich  diejenigen  Personen  am  besten  zur  Behandlung 
eignen,  bei  denen  die  toxischen  Symptome  vor  der  Behand- 
lung trotz  relativ  ausgedehnterem  Befund  am  wenigsten  aus- 
geprÀgt waren.  In  dieser  Richtung  wird  am  ehesten  eine 
Umgrenzung  der  fĂŒr  die  Behandlung  geeigneten  FĂ€lle  mög- 
lich sein.  Mit  allem  Vorbehalt  möchte  ich  mein  Urteil  ĂŒber 
die  KTB-Vaccine  dahin  zusammenfassen,  daß  ich  ihre  Ver- 
wendung in  der  Behandlung  der  Tuberkulose  fĂŒr  angezeigt 
halte. 


Aus  der  KinderheilstÀtle  Hohenlychen. 

Ueber  die  Behandlung  der  Tuberkulose 
im  Kindesalter  nach  „Deycke-Much". 

Von  Eipmi  Drexel,  med.  prakt. 

Deycke-Much  fĂŒhren  den  Kampf  gegen  die  Tuberkulose 
vom  fein  biologischen  Standpunkt  aus.  Ihr  ganzes  Be- 
st leben  geht  dabei  darauf  hinaus,  durch  die  Summe  der 
im  Tuberkelbazillus  enthaltenen  Antigene  die  Summe  der 
Antikörper  zu  erzeugen.    Anzustreben   ist  grĂ¶ĂŸtmöglichste 


Anlikörpercnlw  ieklung;  geeignet  zu  diesem  Zweck  ist  abge 
sehen  von  der  Liegekur,  ErnÀhrung,  Röntgeil  und  Sonne  eine 
spezifische  Km-  mit  den  Partigenen 

Es  wurden  deshalb  zur  Behandlung  der  Kinder  tuber- 
kulöse die  Partigene  gewÀhlt,  und  zwar  (las  einfachere  Vei 
fahren  mit  M.  Tb.  R.  Falsch  wĂ€re  es  anzunehmen,  daß  dies 
auf  nichts  anderes  als  auf  eine  Tuberkulin-Behandlung  etwa 
mit  T.  R.  Koch  hinauslaufe.  Denn  abgesehen  von  der  viel 
weiter  gehenden  Aufschließung  in  M.  Tb.  R.,  die  in  der  alles 
ĂŒbertreffenden  biologischen  AklivitĂ€t  ihren  Ausdruck  findet, 
—  diese  erweist  sich  bei.  Vergleichen  100 — 10  000  mal  stĂ€rker 
als  T.  R.  Koch  —  besteht  auch  prinzipiell  ein  großer  Unter 
schied.  WĂ€hrend  nĂ€mlich  T.  R.  fĂŒr  den  Körper  nicht  ohne 
weiteres  im  antigenen  Sinne  verwendbar  ist,  liegen  im  M.  Tb. 
R.  die  gebrauchsfertigen  Antigenen  A,  F  und  N  isoliert,  in 
einem,  dem  Bazillenleib  entsprechenden  GewichtsverhÀllnis 
nebeneinander.  Bei  der  Behandlung  mit  den  getrennten 
Partigenen  stehen  sich  A,  F  und  N  nur  in  etwas  verÀnderten 
GewichtsverhĂ€ltnissen  gegenĂŒber,  so  daß  also  zwischen  der 
M.  Tb.  R.  und  T.  R. -Behandlung  ein  prinzipieller,  zwischen 
der  M.  Tb.  R.  und  A,  F  und  N. -Behandlung  hingegen  nur 
ein  Dosierungsunterschied  besteht. 

Den  weiteren  AusfĂŒhrungen  liegen  die  bei  mehr  als 
100  Intrakutanreaktionen  und  an  39  behandelten  FĂ€llen  ge- 
sammelten Erfahrungen  zu  Grunde. 

Die  Technik  weist  gegenĂŒber  der  bei  Erwachsenen  zu 
beobachtenden  kaum  Abweichungen  auf.  Die  Spritzkur 
richtet  sich  nach  dem  Ausfall  des  Intrakutantiters,  der  ent- 
scheidet, mit  welcher  Konzentration  begonnen  werden  muß, 
und  ob  ĂŒberhaupt  begonnen  werden  darf.  Die  Injektionen 
werden  tĂ€glich  vorgenommen  und  zwar  in  der  Art,  daß  man 
einschleichend  von  den  schwÀchsten  Konzentrationen  all- 
mÀhlich bis  zur  stÀrksten  ansteigt.  Besonders  zu  betonen 
ist  die  Einfachheit  der  Handhabung;  es  ist  möglich,  die 
Technik  in  kĂŒrzester  Zeit  so  zu  beherrschen,  daß  von  einem 
komplizierten  Arbeiten  nicht  die  Rede  sein  kann.  Der  Ein- 
wand einer  gewissen  Schmerzhaftigkeit  —  besonders  bei 
Kindern  eine  QuĂ€lerei  —  wird  durch  die  Erfahrung  voll- 
kommen widerlegt.  Bei  mehr  als  100  Inlrakutanreaktionen 
kam  es  vielleicht  2 — 3  mal  vor,  daß  die  Kleinsten  (5  jĂ€hrige) 
sich  anfangs  ein  wenig  ungeneigt  zeigten,  bald  aber  dem 
kleinen  Eingriff  sich  willig  unterzogen.  Voraussetzung  ist 
natĂŒrlich,  daß  der  behandelnde  Arzt  sich  in  ein  gutes  Ver- 
hĂ€ltnis zu  den  Kindern  zu  setzen  weiß,  und  daß  er  es  ver- 
steht, durch  wenige  Scherzworte  eine  gewisse  Ablenkung 
herbeizufĂŒhren.  Die  Spritzkur  selbst  ist  mit  ihren  tĂ€glich 
einmaligen  Injektionen  so  harmlos,  daß  Schwierigkeiten  von 
seiten  der  kleinen  Patienten  nicht  zu  erwarten  sind. 

Verschiedene  Beobachtungen  ließen  eine  Modifikation 
der  Intrakutanreaktion  in  folgendem  Sinne  angebracht  er- 
scheinen: WĂ€hrend  bei  Kindern  ĂŒber  13  Jahre  wie  bei  Er- 
wachsenen verfahren,  d.  h.  je  0.1  cem  der  verschiedenen 
Konzentrationen  eingespritzt  wurde,  kamen  unterhalb  dieser 
Altersgrenze  nur  0,075,  bei  besonders  schwÀchlichen  Kindern 
fĂŒr  die  beiden  letzten  (stĂ€rksten)  Konzentralionen  sogar  nur 
0,05  cem  zur  Anwendung.  Der  Gewinn  war  dadurch  ein 
zweifacher:  einerseits  wurden  lokale  Störungen  in  Form 
entzĂŒndlicher  Stichreaktion  vermieden,  andererseits  zeigten 
die  schwĂ€cheren  VerdĂŒnnungen  mit  0,1  cem  unvermindert 
ihren  feinen  Ausschlag.  Die  beiden  stÀrksten  Konzentra- 
tionen einfach  wegzulassen  empfahl  sich  schon  aus  dem 
Grunde  nicht,  weil  ja  gerade  sie  oft  den  einzigen  Ausschlag 
geben  und  dadurch  das  Bild  bestimmen.  Beim  Ablesen  des 
Intrakutantiters  konnte  oft  ein  voneinander  sehr  abweichen- 
der Verlauf  der  einzelnen  Reaktionen  beobachtet  werden, 
d.  h.  individuelle  Reaktion  sowohl  in  bezug  auf  Konzentra- 
tion als  auch  auf  IntensitÀt.  Auch  war  z.  B.  am  4.  Tage 
nicht  immer  die  höchste  ReaktivitÀt  schon  erreicht,  ferner 
ergeben  bei  ein  und  demselben  Individuum  wiederholt  ange- 
stellte Intrakutanreaktionen  Schwankungen  des  Ausschlages 
im  Sinne  der  AltstÀdtschen  ImmunitÀtskurve. 

Bei  der  Spritzkur  wurde  von  der  VerdĂŒnnung  1  :  100 
Millionen  ab  die  Dosis  der  tÀglichen  Injektionen  insofern 


Petenyi:  Diagnostik  des  Kindesalters 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


geÀndert,  als  je  nach  Fall  Einschiebungen  gemacht  wurden, 
so  daß  sich  folgendes  Schema  ergab: 

0,1  ccm  0,15  0,2  0,3  0,4  0,5  0,6  0,7 
oder  etwa:    0,1  ccm  0,15  0,2  0,3  0,5  0,6  0,75 

WĂ€hrend  der  Injektionsperiode  eintretende  Temperatur- 
steigerungen lassen  sich  dadurch  unterdrĂŒcken,  daß  man  auf 
die  vor  dem  Temperaturanstieg  gegebene  Dosis  zurĂŒckgeht 
und  solange  auf  dieser  stehen  bleibt,  bis  die  Temperatur 
wieder  abgefallen  ist,  worauf  man  dann  allmÀhlich  von 
neuem  ansteigt. 

Allgemein-  und  Herdreaktionen  wurden  nicht  bemerkt, 
dagegen  unterliegen  bei  den  beiden  letzten  Injektionen  mit 
0,1  ccm  bei  Hochreaktiven  leicht  entzĂŒndliche  Reaktionen, 
die  unter  feuchtem  Verband  jedoch  schnell  zurĂŒckgingen. 
WĂ€hrend  der  Injektionsperiode  war  das  Allgemeinbefinden 
niemals  verÀndert  und  irgendwelche  klinische  Nebenerschei- 
nungen, im  besonderen  die  gefĂŒrchteten  Herdreaktionen 
kamen  niemals  zur  Beobachtung. 

Von  den  39  behandelten  FÀllen  gehörten  20  der  offenen 
Lungen-Tbc.  an  —  15  mit  gĂŒnstiger,  5  mit  ungĂŒnstiger  Prog- 
nose —  bei  den  19  ĂŒbrigen  handelte  es  sich  11  mal  um  be- 
ginnende Katarrhe  der  Lungenspitze  und  des  Unterlappens, 
4  mal  um  tuberkulöse  HalsdrĂŒsen,  4  mal  um  aktive  Bron  - 
chial-DrĂŒsen-Tuberkulose.  Die  beginnenden  Katarrhe  win  - 
den mit  einer  einzigen  Ausnahme  z.  T.  außerordentlich 
gĂŒnstig,  z.  T.  recht  betrĂ€chtlich  beeinflußt,  die  DrĂŒsen  blieben 
so  gut  wie  unbeeinflußt,  wĂ€hrend  die  aktive  Bronchial- 
drĂŒsen-Tuberkulose in  allen  4  FĂ€llen  ausgesprochene  Nei- 
gung zum  Ausheilen  zeigte. 

Von  völliger  Heilung  kann  bei  strenger  Kritik  bis 
jetzt  deswegen  nicht  gesprochen  werden,  weil  die  Zeit  der 
Beobachtung  noch  zu  kurz  ist;  jedoch  wurde  in  den  meisten 
FĂ€llen  das  erreicht,  was  Sahli  als  Kompensation  der  Tuber- 
kulose bezeichnet;  in  anderen  FĂ€llen  wenigstens  eine  sicht- 
bare Verlangsamung  des  an  und  fĂŒr  sich  fortschreitenden 
Prozesses.  Unbeeinflußte  FĂ€lle  zeigten  schon  seit  der  Auf- 
nahme eine  so  ausgesprochene  Neigung  zum  Fortschreiten, 
daß  ein  Versagen  der  angewandten  Therapie  schon  im  vor- 
aus als  wahrscheinlich  angenommen  werden  mußte. 

Zusammenfassend  kann  gestĂŒtzt  auf  klinisch  streng  kon- 
trollierte FĂ€lle  gesagt  werden,  daß  außer  der  Besserung  des 
lokalen  Befundes  eine  Beeinflussung  der  Temperaturkurven 
und  des  Auswurfs  sowie  des  Allgemeinbefindens  oft  sinn- 
fÀllig zu  Tage  traten. 

Als  erstes  Zeichen  einer  Einwirkung  des  Antigens  konnte 
meist  nach  vorĂŒbergehender  geringer  Erhöhung  des  schon 
bestehenden  Fiebers  eine  Herabsetzung  desselben  beobachtet 
werden.  Gelang  es  auch  nicht  immer,  das  Fieber  sofort  zu 
beseitigen,  so  zeigte  die  Fieberkurve  der  erfolgreich  behan- 
delten FĂ€lle  teils  einen  milderen  Verlauf,  teils  eine  baldige 
Entfieberung. 

Einen  weiteren  charakteristischen  Befund  bot  die  Ver- 
Ă€nderung des  Sputums  sowohl  inbezug  auf  Verminderung 
der  Menge,  als  auch  auf  das  Schwinden  der  Bazillen,  wobei 
besonders  interessant  das  langsame  Abnehmen  der  letzteren 
war.  Das  Allgemeinbefinden  hob  sich  oft  nach  kurzer  Zeit, 
Körpergewicht  und  Appetit  nahmen  zu,  Nachtschweiße  ver- 
schwanden ohne  weiteres. 

Durch  die  wiederholt  ausgefĂŒhrte  Intrakutanreaktion 
drĂŒckte  sich  eine  wesentliche  Besserung  oft  schon  nach  der 
ersten  In  jektionsperiode  durch  den  gesteigerten  Intrakutan- 
ster aus.  VorĂŒbergehende  Temperatursteigerung  ist  kein 
Grund  zur  Einstellung  der  Injektionen.  Sogar  betrÀchtlich 
hohes  Fieber  braucht  von  der  aktiven  Immunisierung  nicht 
abzuschrecken,  da  durch  die  Methode  der  tÀglichen  Spritzen 
ein  langsames  Einschleichen  gewÀhrleistet  ist. 

Besonders  zu  betonen  ist  das  Fehlen  jeglicher  SchÀ- 
digungen und  schon  aus  diesem  Grunde  dĂŒrfte  dem  Ver- 
fahren eine  weitgehende  Verbreitung  beschieden  sein  und 
einer  EinfĂŒhrung  sowohl  in  Kinderkliniken  als  auch  in  die 
Praxis  nichts  im  Wege  stehen. 


Als  kĂŒnstliche  aktive  Immunisierung  will  die  spezifische 
Therapie  nach  Deycke-Much  niemals  die  allgemein  hygie- 
nisch-diÀtetische verdrÀngen,  als  solche  kann  sie  immer  nur 
eine  energische  UnterstĂŒtzung  des  Organismus  gegen  den 
eingedrungenen  Krankheitserreger  sein. 


(Aus   der   Kinderklinik   der   ungarischen  Elisabeth-UniversitÀt 
derzeit  in  Budapest  im  Weißen  Kreuz-Kinderspital.  [Direktor: 
Prof.  Dr.  P.  Heim.]) 

BeitrÀge  zu  einer  systematischen  Diagnostik 
des  Kindesalters. 

Von  Dr.  Geza  Petenyi. 
II.  Mitteilung. 

Ueber  das  Zustandekommen  der  Herzverkleinerung 
bei  der  Intoxikation. 

Im  Jahre  1914  hat  C  z  e  r  n  y  die  Symptomatologie  der 
Intoxikation  mit  einem  interessanten  Beitrag  bereichert.  Er 
hat  beobachtet,  daß  das  Herz  sich  in  jenen  schweren  FĂ€llen, 
wo  die  Herztöne  immer  dumpfer  werden,  bis  zuletzt  nur 
mehr  ein  Ton  hörbar  ist,  auffallend  verkleinert.  Die  Ver- 
kleinerung ist  so  hochgradig,  daß  es  zu  ihrer  Feststellung 
keiner  weiteren  genaueren  Meßmethode  bedarf,  sie  ist  bei  der 
Durchleuchtung  sofort  zweifellos  konstatierbar.  Die  Ursache 
dieser  Herzverkleinerung  suchte  C  z  e  r  n  y  zuerst  in  einer 
besonderen  Erregbarkeit  des  Blutzirkulationssystems  ein- 
zelner Kinder.  Es  ließe  sich  denken,  daß  das  Blut  infolge 
des  großen  Wasserverlustes  eindickt  und  seine  Gesamtmenge 
sich  vermindert,  so  daß  die  FĂŒllung  des  Herzens  mangelhaft 
wird.  Die  Bluteindickung  ist  in  diesen  FĂ€llen  wohl  vor- 
handen, aber  nicht  erwiesen,  daß  sie  einen  solchen  Grad  er- 
reichen könnte,  um  eine  mangelhafte  FĂŒllung  des  Herzens 
zu  verursachen.  C  z  e  r  n  y  schließt  ferner  als  mögliche  Ur- 
sachen die  Funktionsstörung  des  Diaphragma  (weil  die  Er- 
scheinung ohne  Atemstörung  zustande  kommt),  die  patho- 
logische Verteilung  des  Blutes  und  den  abnormen  Kontrak- 
tionszustand der  Herzmuskulatur  infolge  toxischen  Ein- 
flusses aus.  SpÀter  kommt  er  auf  diese  Frage  nochmals  zu- 
rĂŒck, um  nach  neuen  Beobachtungen  zu  einer  anderen  Stel- 
lungsnahme  zu  gelangen.  Mit  Kleinschmidt  zusammen 
beschreiben  sie  zwei  FĂ€lle,  in  welchen  Herzverkleinerung 
aufgetreten  war,  bei  denen  es  gelang,  die  Kinder  am  Leben 
zu  erhalten.  Bei  diesen  wurde  die  HerzverÀnderung  wÀh- 
rend und  nach  der  Krankheit  mit  Röntgenaufnahmen  ver- 
folgt. Auf  diese  Art  wurde  beobachtet,  daß  das  Zwerchfell 
in  beiden  FÀllen  wÀhrend  der  Zeit  der  Herzverkleinerung  zu 
tief,  in  der  Höhe  der  9.  und  10.  Rippe  stand.  Bei  der  Ge- 
nesung erreichte  das  Herz  wieder  seine  normale  GrĂ¶ĂŸe,  und 
dies  ging  parallel  dem  Höhertreten  des  Zwerchfells  bis  zur 
7.  und  8.  Rippe.  Das  Zwerchfell  spielt  in  der  Aufrecht- 
erhaltung der  normalen  Zirkulation  eine  wichtige  Rolle 
(Duchenne,  Keith,  Wenckebach).  Zwei  wichtige 
Punkte  sind  hierbei  zu  beobachten:  erstens,  beim  Einatmen 
geht  das  Zwerchfell  herunter,  vergrĂ¶ĂŸert  den  Brustraum,  be- 
wirkt eine  Saugwirkung  auf  das  in  den  großen  Venen 
befindliche  Blut.  Das  hat  das  inspiratorische  Zusammen- 
fallen der  Venen  zur  Folge.  Zweitens,  beim  Heruntergehen 
des  Zwerchfells  wird  der  Bauchraum  zusammengedrĂŒckt, 
der  Intraabdominaldruck  steigt,  und  so  wird  das  Blut  aus 
den  Bauchorganen  und  in  erster  Linie  aus  der  Leber  her- 
ausgepreßt. Czerny  und  Kleinschmidt  sagen  auch: 
„Fassen  wir  das  Zwerchfell  als  einen  Muskel  auf,  der  fĂŒr 
die  Zirkulation  eine  wichtige  Saugarbeit  zu  leisten  und 
ĂŒberdies  fĂŒr  die  Entleerung  des  Blutes  aus  der  Leber  in  die 
Vena  cava  zu  sorgen  hat,  so  erscheint  es  schließlich  sehr 
plausibel,  daß  die  geringe  FĂŒllung  des  Herzens  ihre  Ursache 
in  einer  Behinderung  der  genannten  Funktionen  des  Zwerch- 
fells hat."  Der«  abnorm  hohe  oder  tiefe  Stand  des  Zwerch- 
fells kann  auch  der  Ausgangspunkt  von  Zirkulationsstörun- 
gen sein.    Wenckebach  hat  zuerst  darauf  hingewiesen. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Sternberg:  Muskel-Meehanik 


68 


daß  der  Tiefstand  des  Zwerchfells  zu  Zirkulationsstörungen 
fĂŒhren  kann.  Bei  Enteroptosis  hat  er  sie  beobachtet,  wobei 
außerdem  allgemeine  körperliche  SchwĂ€che  und  nervöse  Be- 
schwerden vorhanden  waren.  Die  Symptome  der  Zirkula- 
tionsstörung waren:  arterielle  AnÀmie,  kleiner  leerer  Puls, 
BlÀsse,  Schwindel;  Flimmern,  akute  zerebrale  AnÀmie  mit 
OhnmachtsanfĂ€llen,  kĂŒhle  ExtremitĂ€ten.  Bei  der  Röntgen- 
durchleuchtung konnte  er  beobachten,  daß  „das  Herz  in  nor- 
malen Verhaltnissen  mit  breitem  Schatten  dem  Diaphragma 
aufliegt,  hier  als  langes  schmales  Organ  tief  herunterhÀngt, 
hat  es  seine  Unterlage  verloren".  Wenckebach  hat  aus 
dem  Tiefstand  des  Zwerchfells  einfach  mechanisch  die  Ver- 
lÀngerung und  scheinbare  Verkleinerung  des  Herzens  er- 
klÀ it.  Die  von  Czerny  und  Kleinschmidt  gegebene 
ErklÀrung  bei  Toxikosen  ist  nicht  so  einfach.  Nach  ihnen 
kommt  infolge  des  Funktionsausfalles  des  Zwerchfelles  eine 
Zirkulationsstörung  mit  konsekutiver  abnormer  Blutvertei- 
lung, schlechter  FĂŒllung  imd  Verkleinerung  des  Herzens  zu- 
stande. 

Der  Tiefstand  des  Zwerchfells  erschwert  die  Zirkulation 
jedenfalls.  Nach  unseren  Beobachtungen  bei  Toxikosen  kon- 
trahiert sich  aber  das  Zwerchfell  auch  bei  betrÀchtlichem 
Tiefstand  noch  genĂŒgend.  Wir  haben  toxische  SĂ€uglinge 
von  diesem  Standpmikte  aus  untersucht  und  gefunden,  daß 
das  Zwerchfell  beim  Einatmen  in  einzelnen  FĂ€llen  mehr,  in 
einzelnen  weniger,  aber  bestimmt  herunterging. 

Die  Bewegungen  des  Zwerchfells  weisen  auch  bei  ge- 
sunden SĂ€uglingen  manche  Abweichungen  gegenĂŒber  den 
Erwachsenen  auf,  und  die  Bewegungen  sind  an  sich  kleiner, 
so  daß  die  Beurteilung  derselben  oft  nicht  leicht  ist;  im  all- 
gemeinen aber  haben  wir  keine  wesentliche  VerÀnderung  in 
der  Kontraktion  des  Zwerchfells  im  VerhÀltnis  zu  gesunden 
SĂ€uglingen  gefunden.  Wir  haben  viele  FĂ€lle  untersucht  und 
das  Tiefergehen  des  Zwerchfells  immer  bestimmt  konstatiert. 
(Den  Körper  des  Kindes  haben  wir  fixiert  —  am  sichersten 
geschieht  es  bei  sitzender  Stellung  — ,  um  einer  Bewegung 
des  Körpers  nach  auf-  oder  abwÀrts  vorbeugen  zu  können; 
wÀhrend  der  Durchleuchtung  haben  wir  den  Bogen  des 
Zwerchfells  mit  einem  Dermograph  auf  den  Schirm  aufge- 
zeichnet, um  das  Heruntergehen  des  Zwerchfells  sicher  be- 
obachten zu  können;  letzteres  ist  notwendig,  weil  beim  Ein- 
atmen auch  ein  sich  nicht  bewegendes  Zwerchfell  infolge 
der  SeitwÀrts-  und  AufwÀrtsbewegungen  der  Rippen  her- 
unterzugehen scheinen  kann.)  Der  Befund,  daß  selbst  bei 
schweren  FĂ€llen  die  Kontraktion  des  Zwerchfells  immer 
feststellbar  ist,  spricht  dafĂŒr,  daß  die  Funktionsstörung  des 
Zwerchfells  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht  kommt;  das 
Zwerchfell  kontrahiert  sich,  nur  der  Effekt  kann  infolge  des 
Tiefstandes  nicht  ausreichend  sein.  Die  Frage  ist,  wie  der 
Tiefstand  des  Zwerchfells  zustande  kommt.  Die  Verminde- 
rung des  Intraabdominaldruckes,  an  die  man  zuerst  denken 
könnte,  ist  auch  nach  Czerny  kein  konstantes  Begleit- 
symptom. 

Der  entscheidende  Faktor  ist  hier,  nach  unserer  Mei- 
nung, die  VerÀnderung  des  Atemtypus.  In  unseren  FÀllen 
war  entweder  die  von  Czerny  beschriebene  „große 
Atmung"  oder  die  weniger  ausgeprÀgten  Formen  derselben 
zu  sehen,  jedenfalls  war  die  Atmung  immer  forciert 
„toxisch". 

Seit  den  Untersuchungen  D  u  r  i  g  und  Hof  hauer's 
ist  es  bekannt,  daß  die  forcierte  Atmung,  auch  wenn  sie  nur 
kĂŒrzere  Zeit  dauert,  immer  zu  einem  akuten  Volumen  pul- 
monum auetum  fĂŒhrt,  in  Verbindung  mit  einem  Tiefergehen 
des  Zwerchfells.  Dementsprechend  muß  bei  Toxikosen,  bei 
denen  lĂ€ngere  Zeit  eine  forcierte  oder  typische  große  Atmung 
vorhanden  ist,  eine  akute  LungenblÀhung  und  Tiefstand  des 
Zwerchfells  erfolgen.  Darauf  weisen  die  klinischen  Unter- 
suchungen F.  Bauers  hin,  der  bei  alimentÀrer  Intoxikation 
eine  hochgradige  mit  Perkussion  feststellbare  LungenblÀhung 
nachweisen  konnte.  Beweisend  sind  in  dieser  Hinsicht  die 
Untersuchungen  A.  E  ckstein's  und  E.  Romingers, 
die  bei  spirometrischen  Versuchen  bei  der  alimentÀren  In- 
toxikation   eine    außerordentliche    Steigerung    des  Atem- 


volumens  gefunden  haben,  das  in  einzelnen  FĂ€llen  das  Dop 
pelle  des  Ateinvoluinens  gesunder  gleichaltriger  Kinder  er- 
reichte. Der  primÀre  Vorgang  ist  nie  akute  LungenblÀhung 
infolge  der  forcierten  (toxischen)  Atmung,  dies  fĂŒhrt  zum 
Tiefstand  des  Zwerchfells,  welcher  extreme  Grade  erreichen 
kann,  wenn  die  Verminderung  des  Intraabdominaldruckes 
hinzukommt.  Folge  des  Tiefstandes  des  Zwerchfells  ist,  daß 
das  Herz,  weil  der  Boden  tiefer  steht,  sich  verlÀngert,  ver- 
schmÀlert, scheinbar  verkleinert.  In  der  ersten  Zeit  handelt 
es  sich  sicher  nur  um  eine  scheinbare  Verkleinerung,  spÀter, 
venn  sich  bedeutende  Zirkulationsstörung  und  pathologi- 
sche Blutverteilung  entwickelt,  ist  es  wahrscheinlich,  daß  in- 
folge der  mangelhaften  FĂŒllung  auch  eine  wirkliche  Ver- 
kleinerung zustande  kommt. 

Zusammenfassung. 

Bei  der  Intoxikation  bildet  die  verÀnderte  forcierte 
(toxische)  Atmung  den  Ausgangspunkt  zur  Herzverkleine- 
rung. Infolge  der  forcierten  Atmung  entwickelt  sich  ein  Vo- 
lumen pulmonum  auetum  mit  Tiefertreten  des  Zwerchfells. 
Letzteres  kann  extreme  Grade  erreichen,  wenn  die  Verminde- 
rung des  Intraabdominaldruckes  dazu  kommt.  Die  mecha- 
nische Folge  des  Tiefstandes  des  Zwerchfells  ist  die  Ver- 
lÀngerung, das  SchmÀlerwerden  und  die  scheinbare  Ver- 
kleinerung des  Herzens.  Diese  scheinbare  Verkleinerung 
kann  in  eine  echte  ĂŒbergehen,  wenn  sich  infolge  des  Tief- 
standes des  Zwerchfells  schwerere  Zirkulationsstörung  ent- 
wickelt mit  pathologischer  Blutverteilung  und  mangelhafter 
FĂŒllung  des  Herzens. 

Literatur. 

1.  A.  Czerny:  Jahrb.  f.  Kinderh.,  Bd.  80,  S.  601. 

2.  A.  Czerny  und  H.  Kleinschmidt:  Jahrb.  f.  Kinderh., 
Bd.  84,  S.  441. 

3.  I.  B  a  u  e  r  :  Monatsschr.  f.  Kinderh.,  Bd.  12,  S.  510. 

4.  A.  Eckstein  und  E.  Rominger:  Zeitschr.  f.  Kinderh., 
Bd.  28,  S.  1. 

5.  L.  Hofbauer:  Ergebn.  der  inneren  Med.  u.  Kinderh.,  Bd. 
IV,  S.  1. 

6.  K.  F.   Wenckebach:   Ueber  pathologische  Beziehungen 
zwischen  Atmung  und  Kreislauf  beim  Menschen.  1907. 


Neue  Gesichtspunkte  aus  der  physiologischen 
Muskelmechanik  fĂŒr  die  Graphologie  und 
internationale  phonetische  Lautschrift. 

Von  Wilhelm  Sternberg,  Berlin. 

Die  Bewegungsart*)  ist  ein  der  Physiologie  bisher 
fremder  Begriff.  Seine  EinfĂŒhrung  in  manche  Gebiete  und 
seine  Anwendung  in  der  Praxis  dĂŒrften  sich  dankbar  er- 
weisen. 

Betrachtet  man  die  Bewegungsart  der  Koordinationen, 
dann  muß  man  die  geordneten  Bewegungen  in  zwei  Klassen 
einteilen.    Diese  sind: 

1.  die  Bewegungen  der  FĂŒhrung,  des  Zuges,  des  Strichs 
oder  Streichens, 

2.  die   Bewegungen   des   Wurfes,   Stoßes,  Schlages,  der 
Zuckung,  wozu 

3.  der  wiederholte  Wurf  gehört.    Und  das  ist  das  Zittern. 

1.  Die  gefĂŒhrte  Bewegung  kennzeichnet  sich  durch  drei 
Faktoren,  die  der  anderen  Bewegungsart  entgegengesetzt  sind. 
Sie  erfolgt  durch 

a)  gleichmĂ€ĂŸig  mehr  oder  weniger  starke  Akti- 
vierung der  Impuls  gebenden  Muskelgruppen,  mit 
UnterstĂŒtzung  der  bremsenden  Antagonisten; 

b)  die  dauernd  von  Anfang  bis  zu  Ende  nach  Art 
einer  arretierenden  Feder  hemmend  und  abstufend 
mitwirken; 

*)  „Die  Bewegungsart.  Analyse  der  Mechanik  der  Koordi- 
nation."   (Fortschr.  d.  Med.  1922,  Nr.  2.) 


Sternberg:  Muskel -Mechanik 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


i  )  die  Muskelkraft  der  Einstellung  und  der  AusfĂŒhrung 
ist  eine  sanftere  gegenĂŒber  der  Muskelkraft  der 
anderen  Bewegungsart; 

2.  Die  geworfene  Bewegung  erfolgt  durch 

a)  weit  stÀrkere,  energischere, 

b)  dafĂŒr  aber  kĂŒrzer  dauernde  Aktivierung  der  Im- 
puls gebenden  Muskelgruppen, 

c)  mit  Ausschaltung,  also  I  n  a  k  t  i  v  i  e  r  u  n  g  der  An- 
tagonisten. 

Die  Bewegung  des  Wurfs  wird  mechanisch  begĂŒnstigt 
durch  das  sogen.  Ausholen.  Physiologisch  ist  dies  die 
Dehnung  des  Agonisten.  Mechanisch  wird  dadurch  die 
GrĂ¶ĂŸe  der  aktiven  Kontraktion  des  Agonisten  vermehr t. 
Denn  es  summiert  sich  dadurch  mit  dieser  GrĂ¶ĂŸe  die  GrĂ¶ĂŸe 
der  physiologischen  elastischen  Spannkraft  des  gedehnten 
Agonisten  und  außerdem  die  physikalische  elastische 
Federkraft  oder  Schnellkraft.  Es  wird  dadurch  die  Be- 
wegung des  Werfens  und  Schnellens  erleichtert,  wie  die 
Sprache  richtig  sagt,  und  die  Zeitbeschleunigung.  Mit  Recht 
benutzt  die  musikalische  Technik  diese  Art  von  Bewegung 
und  nennt  den  hörbaren  Effekt  einen  „Schneller".  Daher 
eignen  sich  gerade  elastische  Instrumente,  wie  der  Bogen 
der  Streich-Instrumente,  oder  die  Stahlfeder,  die  Schieib- 
feder, der  Federkiel  fĂŒr  diese  Bewegungsart. 

Die  Wurfbewegung  ist  also  dadurch  ausgezeichnet,  daß 
ihr  Zustandekommen  gebunden  ist  an  einen  grĂ¶ĂŸeren  Auf- 
wand von  Energie,  von  psychischer  Spannkraft  des 
Willens,  und  von  Muskelkraft,  physiologischer  Spannkraft. 
Diese  physiologische  und  psychologische  Eigenart  drĂŒckt 
die  Sprache  bereits  aus.  Denn  das  Wort  „zucken"  ist  die 
Intensivbildung  zu  ziehen  und  bedeutet  kurz  und  heftig 
ziehen,  „Zuck",  „Zuckung"  ist  das  Zeitmaß  einer  kurzen 
Bewegung.  Dagegen  spricht  die  Sprache  von  „Schriftzug", 
„SchriftfĂŒhrer". 

Somit  ist  der  Wurf  ein  Zeichen  von  charakteristischer 
Bewegungsart,  die  FĂŒhrung  ein  Zeichen  von  weniger  cha- 
rakteristischer, mehr  sanfter  Bewegungsart. 

Diese  Verschiedenheit  der  Muskel-Mechanik  lĂ€ĂŸt  sich 
graphisch  leicht  erlĂ€utern.  Die  gefĂŒhrte  Bewegung  wĂŒrde 
graphisch  durch  einen  Stab,  einen  Strich,  „Schriftzug"  /, 
Gedankenstrich  — ,  „Federstrich",  Aufstrich  oder  „H"-Strich 
oder  Grundstrich  der  Schreibbewegung  darzustellen  sein,  der 
die  beiden  bezeichnenden  Charaktere  der  FĂŒhrung  deutlich 
erlÀutert: 

1.  der  Strich  ist  wie  ein  Stab  von  Anfang  bis  zu  Ende 
gleichmĂ€ĂŸig, 

2.  der  Druck  des  Striches  ist  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  zart. 
Hingegen  der  Wurf  wÀre  graphisch  darzustellen  durch 

ein  Zeichen,  das  allgemein  schon  Verwendung  findet  fĂŒr 
gewisse  Zwecke,  nÀmlich  durch  ein  Komma:  , 

Dieselben  beiden  gegensĂ€tzlichen  EigentĂŒmlichkeiten 
kennzeichnen  schon  graphisch  das  Komma,  das  Schrift- 
zeichen: 

1.  Der  Druck  des  Anfangs  ist  stÀrker  als  der  Druck 
der  FĂŒhrung. 

2.  Der  Druck  ist  ungleichmĂ€ĂŸig. 

Der  graphische  Gegensatz  ist  sogar  zur  Unterscheidung 
von  Formelementen  in  den  Wissenschaften  festgehalten. 
Die  Mikrobiologie  unterscheidet  geradezu  „Komma"-  und 
,.StĂ€bchen"-Bazillus,  „Bacilli"  -  „StĂ€bchen"  sind  auch  tech- 
nische AusdrĂŒcke  in  der  Kunstsprache  der  Pharmacie  fĂŒr 
die  Form  von  arzneilichen  StÀbchen. 

Dieser  Unterschied,  der  sich  nicht  bloß  graphisch,  son- 
dern allgemein  graphologisch  festhalten  lĂ€ĂŸt,  fĂŒr  alle 
„SchriftzĂŒge"  und  „Federstriche",  zeigt  sich  sogar  in  der 
sprachlichen  Benennung  der  Interpunktionszeichen,  und 
zwar  in  nahezu  allen  Kultursprachen.  Lateinisch  heißt 
Komma  „virgula";  das  ist  das  Deminutivum  von  virga 
(vireo  =  grĂŒnen)  der  Zweig,  das  Reis,  die  Gerte,  die  Rute. 
Sie  ist  seit  jeher  das  Instrument  zum  Schlagen.  Das  ist  aber 
die  Bewegungsart  des  Wurfs.   Virgae  sind  die  schwanken 


Teile  in  den  Fasces  der  Liktoren,  mit  denen  die  Verbrecher 
gepeitscht  wurden,  oder  die  Gerte  des  Reiters  zum  ZĂŒch- 
tigen. Die  Bezeichnung  hat  sich  noch  heute  im  Französi- 
schen erhalten:  „virgule",  die  auch  den  Noten-„Sehwanz" 
bedeutet. 

Gerade  hier  zeigt  sich  der  Unterschied  in  dem  mehr 
zarten  Druck  des  Striches,  der  hier  „Hals"  der  Note  genannt 
wird,  und  in  dem  stÀrkeren  Druck  des  Notenschwanzes,  der 
aber  nur  auf  den  Anfang  beschrÀnkt  bleibt.  Mit  Recht  sagt 
die  Sprache  „Schwanz",  mit  Recht  schreibt  man  den 
Schwanz  mittels  der  Bewegungsart  des  Wurfs.  TatsÀchlich 
eignet  sich  ja  zum  Peitschen,  Schlagen  der  Schwanz  und  die 
Rute,  und  weniger  der  Stab.  Den  Hammer  martellus  wÀhll 
die  Technik  der  Streichinstrumente,  um  die  Wurfbewegung 
und  die  Strichart  des  „martele"  zu  kennzeichnen. 

Schon  die  Sprachen  drĂŒcken  Ă€ußerst  treffend  die  Ver- 
schiedenheit des  Charakters  aus,  der  sich  in  diesen  beiden 
Bewegungsarten  verrĂ€t.  Denn  setzt  man  nur  fĂŒr  das  Wort 
„fĂŒhren"  das  Wort  „streichen",  fĂŒr  das  Wort  „werfen"  das 
Wort  „schlagen"  ein,  dann  tritt  der  symptomatische  Cha- 
rakter, der  diesen  beiden  Bewegungsarten  zugrunde  liegt, 
recht  deutlich  hervor. 

Physiologisch  ist  „streichen"  natĂŒrlich  dasselbe  wie 
„fĂŒhren"  und  bedeutet:  sanft  berĂŒhren,  sanft  streifen,  ĂŒber 
etwas  hinfahren.  Effleurer  sagt  die  französische  Sprache, 
leicht  oberflĂ€chlich  berĂŒhren,  ĂŒber  etwas  hingleiten,  im  Ge- 
gensatz zu  approfondir.  Streicheln  —  „1"  ist  das  Zeichen  dei 
Sprache  fĂŒr  die  HĂ€ufigkeitsbildung  —  bedeutet:  wiederholt 
sanft  streichen.  Physiologisch  ist  „schlagen"  dasselbe  wie 
„werfen".  Mit  Recht  unterscheidet  man  „Streich"-Instrumente 
und  „Schlag"-Instrumente. 

„Streicheln"  ist  die  Bewegung  der  Liebkosung,  des 
„Schöntuns"  zur  Erregung  eines  WohlgefĂŒhls,  „Stoßen". 
„Schlagen"  ist  hingegen  die  Bewegung  zur  Erregung  von 
Schmerz. 

Diese  einfache  Betrachtung  scheint  bisher  noch  niemals 
gemacht  zu  sein.  Und  doch  dĂŒrfte  sie  sich  als  recht  frucht  - 
bar  erweisen.  Denn  diese  neuen  Gesichtspunkte  des  Cha- 
rakters der  Bewegungsart  sind  geeignet,  mancherlei  dunkle 
Wissensgebiete  zu  erhellen  und  in  einem  anderen  Licht 
durchsichtiger  und  klarer  erscheinen  zu  lassen. 

Der  Unterschied  der  beiden  Bewegungsarten,  der  schrift- 
lich leicht  darstellbar  und  graphisch  so  sinnfÀllig  ist,  kehrt 
in  der  alltÀglichen  Handschrift  eines  jeden  Individuums 
fortwĂ€hrend  bei  jedem  „Federstrich"  wieder.  Daher  muß  die 
Graphologie  dieses  graphische  Merkmal  des  Charakters 
leicht  verwerten  können. 

Wie  merkwĂŒrdig!  Die  moderne  Wissenschaft,  die  in 
ihrem  Streben  nach  Exaktheit  alles  gern  graphisch  fixiert, 
ist  noch  nie  an  die  wissenschaftliche  BegrĂŒndung  der 
Graphologie  herangetreten.  Der  Grund  dafĂŒr  liegt  in  dem 
Uebersehen  des  Wesens  der  Bewegungsart. 

Wenn  diese  meine  neue  Betrachtungsweise  der  Be- 
wegungsart richtig  ist,  und  die  graphische  Darstellung  ihrer 
Muskel-Mechanik,  dann  muß  sich  ihre  Anwendung  nicht 
bloß  in  der  Graphologie  als  nĂŒtzlich  erweisen.  Vielmehr 
muß  sogar  die  internationale  Druckschrift  hiervon  seil 
jeher  schon  Gebrauch  gemacht  haben,  wenn  auch  die  phy- 
siologische BegrĂŒndung  dafĂŒr  noch  ausstand.  Das  ist  aber 
deshalb  so  besonders  bemerkenswert,  weil  die  Druckschrift 
stets  nur  ĂŒber  gleichmĂ€ĂŸige  StĂ€be  verfĂŒgt,  die  in  die  Tafel 
eingeritzt  wurden:  „Buchstabe"  —  dieser  Ausdruck  hat  sich 
erhalten  im  Worte  „Stabreim"  =  Anfangsreim  — .  Dies 
ermöglicht  kaum  die  graphische  Darstellung  des  Wurfs. 
Mit  Recht  heißt  daher  die  deutsche  Uebersetzung  von 
Komma  „Beistrich". 

Dennoch  verfĂŒgt  die  internationale  Notenschrift 
—  das  ist  nicht  die  Handschrift,  sondern  die  Druckschrift, 
der  Notendruck  —  seit  jeher  ĂŒber  die  diakritischen 
Zeichen  des  Kommas  und  des  wirklichen  Beistrichs. 
Denn  seit  langtm  setzt  sie  ein  Komma  ĂŒber  die  Noten, 
wenn  sie  damit  eine  Wurfbewegung,  ein  martele,  ein  stac- 


10.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Möller:    Medizin  und  Handschrift 


cato  des  ausfĂŒhrenden  Spielers  vorschreiben  will.  Ebenso 
hat   die  internationale  Notenschrift   seil    jeher  einen  Ge 
dankenstrich    -  ĂŒber  oder  unter  die  Note  gesetzt,  wenn  sie 

r      j  j 

damit  eine  fĂŒhrende  Bewegung,  ein  legato  des  ausfĂŒhrenden 
Spielers  anzeigen  wollte. 

Wie  merkwĂŒrdig  ist  dann  aber  die  Tatsache,  daß  von 
dieser  internationalen  Graphologie  der  Noten,  von  dieser 
Tonschrift,  die  doch  gewiß  als  Schriftsprache  der  Töne  eine 
Lautschrift  ist,  eine  weitere  Disziplin  der  Graphologie  noch 
nicht  Kenntnis  nimmt.  Das  ist  die  phonetische  Lautschrift. 
Denn  von  der  Notenschrift,  die  doch  schon,  wenn  auch  nur 
unbewußt,  die  Bewegungsart  mit  ihrer  unterschiedlichen 
Muskel-Mechanik  in  Rechnung  zieht,  hat  die  Association 
Phonetique  Internationale  mit  ihrer  internationalen  phone- 
tischen Lautschrift  noch  nicht  Kenntnis  genommen.  Das 
konnte  deshalb  nur  möglich  sein,  weil  die  Phonetik  selber 
mit  der  Physiologie  die  Analyse  der  Mechanik  der  Koordi- 
nationsbewegungen bisher  ĂŒbersehen  hat.  TatsĂ€chlich  muß 
aber  die  konsequente  DurchfĂŒhrung  des  prinzipiellen  Ge- 
gensatzes der  beiden  Bewegungsarten  und  dieser  ange- 
wandten Muskel -Mechanik  auch  den  Sprachwissenschaften 
und  der  Phonetik  ganz  neue  Gesichtspunkte  liefern. 

Der  Charakter  der  Bewegungsart  gibt  ebenso  wie  der 
Schrift,  auch  der  Sprache  den  Charakter.  Das  Charak- 
teristische der  Bewegungsart  zeigt  sich  naturgemĂ€ĂŸ  in  den 
Elementar-Bewegungen  des  Schreibens  und  auch  des 
Sprechens.  Sind  die  Elemente  der  Schrift  die  SchriftzĂŒge, 
die  Elemente  der  Schriftsprache  die  Buchstaben,  so  sind  die 
Elemente  der  Sprache  die  Laute,  der  Lautsprache  die  Sprach- 
laute. Und  das  physiologische  Prinzip  der  Einteilung  aller 
Laute  ist  der  Faktor,  den  ich  einfĂŒge:  die  Bewegungsart.  Zu- 
mal fĂŒr  den  Unterschied  der  verschiedenen  Charaktere  bei 
der  Aussprache  eines  und  desselben  Lautes  ist  die  Bewe- 
gungsart maßgeblich.  Besonders  dankbar  erweist  sich  dies 
fĂŒr  die  Lautschrift. 

Die  internationale  Lautschrift  hat  folgende,  ganz  kon- 
ventionelle Zeichen  eingefĂŒhrt: 


1. 

h 

stimmhaftes 

scb 

2. 

/ 

stimmloses 

sch 

3. 

z 

stimmhaftes 

s 

4 

& 

stimmloses 

s 

5. 

8 

stimmhaftes 

engl. 

th. 

6. 

b 

stimmloses 

engl. 

th. 

Also  nicht  weniger  als  schon  sechs  vollkommen  willkĂŒr- 
liche und  zwar  internationale  Fremdkörper  sind  der  inter- 
nationalen Graphologie  zum  Zwecke  der  Artikulation,  und 
zwar  im  Sinne  der  pÀdagogischen  Erleichterung  einverleibt, 
und  zwar  bloß  fĂŒr  die  hauptsĂ€chlichsten  Kultursprachen. 
Dabei  kommen  fĂŒr  die  Aussprache  eines  Lautes,  fĂŒr  den  die 
internationale  Graphologie  der  Hand-  und  der  Druckschrift 
meist  ein  und  dasselbe  Zeichen  besitzt,  nicht  weniger  als 
zwei  —  von  diesen  gebrĂ€uchlichen  Schriftzeichen  abwei- 
chende —  und  unter  sich  auch  wieder  ganz  verschiedene, 
fremde  Kunstprodukte,  kĂŒnstliche  Zeichen  in  Betracht. 

Im  Gegensatz  dazu  hat  die  internationale  Graphologie 
der  Tonsprache,  die  internationale  Notenschrift,  die  ich  je- 
denfalls mit  mehr  Recht  als  ein  natĂŒrliches  Kunstwerk  an- 
sehen darf,  ĂŒberhaupt  keine  einzige  Aenderung  nötig  fĂŒr  ihre 
„Charakteristik",  fĂŒr  ihre  „musikalische  Aussprache",  fĂŒr 
ihre  „Artikulation",  wie  ihre  KunstausdrĂŒcke  gleichfalls 
lauten,  mit  gutem  Recht.  Vielmehr  fĂŒgt  die  Schrift  der  Ton- 
sprache die  ĂŒberall  verstĂ€ndlichen  eindeutigen  Zeichen  hin- 
zu, diakritische  Zeichen,  die  nach  meinen  AusfĂŒhrungen 
noch  dazu  den  unschÀtzbaren  Vorzug  in  sich  bergen,  physio- 
logisch durchaus  begrĂŒndet  zu  sein.    Somit  stellt  sich  die 


von  mir  der  internationalen  Association  vorgeschlagene 
Heiße  folgendermaßen  dar: 

1.  stimmhaftes  seh  seh. 

2.  stimmloses  seil  sfh. 

3.  stimmhaftes  s  s. 

4.  stimmloses  s  — 

5.  stimmhaftes  ih  —  th. 

r 

6.  stimmloses  th  —  th. 

Das  Zeichen  —  fihdet  freilich  in  der  Phonetik  bereits 
Verwendung:  Denn  —  ist  das  diakritische  Zeichen  dafĂŒr, 
daß  der  Vokal  geschlossen  auszusprechen  sei,  wĂ€hrend  der 
offene  Vokal  nicht  besonders  bezeichnet  wird.  Doch  be- 
zieht sich  dies  immer  bloß  auf  Vokale.  Daher  ist  diese  dop- 
pelte Bezeichnung  des  einen  Zeichens  nicht  irrefĂŒhrend. 

Die  bisherige,  vermeintlich  rationelle  Lautschrift  hat, 
trotz  aller  VorzĂŒge,  den  Nachteil,  daß  sie  leicht  gekĂŒnstelt 
und  daher  fremdartig  dem  ungeĂŒbten  Auge  des  Lesers  er- 
scheint, weshalb  sie  oft  als  unbequem  abgelehnt  wird.  Tat- 
sÀchlich werden  selbst  die  bekanntesten  Lieder,  in  Laut- 
schrift dargestellt,  dem  Auge  unsagbar  unleserlich.  Die  An- 
wendung der  Lautschrift  will  erst  erlernt  und  eingeĂŒbt  sein, 
die  Beherrschung  der  Lautschrift  ebenso  wie  der  Kurzschrift, 
der  Stenographie,  will  in  dauernder  Uebung  erhalten  bleiben. 
Sie  stellt  daher  fĂŒr  manchen  einen  pĂ€dagogischen  Um- 
weg dar. 

Ueberdies  darf  nicht  vergessen  werden,  daß  sie  auch  zu 
einem  physiologischen  Umweg,  ja  zu  einem  physiologischen 
Fehler  fĂŒhren  kann.  Denn  wir  lesen  ja  gemeinhin  gar  nicht 
Buchstaben  fĂŒr  Buchstaben.  Wir  buchstabieren  nicht  beim 
Lesen.  Vielmehr  ĂŒbersehen  wir  eine  höhere  Einheit  und 
fassen  sie  auch  zusammen  zur  Einheit.  Zum  „fließenden" 
Lesen  gehört  das  Zusammenfassen  dieser  grĂ¶ĂŸeren  Einheiten 
mittels  der  Muskelbewegung  der  Augen,  ebenso  wie  das 
fließende  Sprechen  das  Zusammenfassen  grĂ¶ĂŸerer  Einheiten 
mittels  der  Muskelbewegung  der  Ausatmung  erheischt.  Nicht 
einmal  im  langsamen  Tempo  ist  dem,  der  nicht  stets  in 
Lautschrift  zu  lesen  gewohnt  ist  und  bleibt,  ein  fließendes 
Lesen  möglich.  Mit  Recht  heißt  „epeler"  soviel  wie  mit 
MĂŒhe  lesen.  Alles  aber,  was  nicht  „spielend"  leicht,  sondern 
„wie  ein  KunststĂŒck"  mit  MĂŒhe  und  Anstrengung  getan 
wird,  ermĂŒdet  schnell.  Demnach  ist  das  Lesen  in  Laut- 
schrift fĂŒr  viele  physiologisch  dasselbe  wie  Stottern.  Die 
Sprache  sagt  „Stottern",  weil  das  Sprechen  des  Stotterers 
tatsĂ€chlich  stoßweise  erfolgt. 

Den  gerade  entgegengesetzten  Weg  wĂ€hle  ich  fĂŒr  die 
Beseitigung  der  Sprachgebrechen.  Denn  als  UnterstĂŒtzungs- 
mittel meiner  Methode  verwende  ich  geradezu  Mitbewegun- 
gen der  jeweiligen  charakteristischen  Bewegungsart  bei  der 
betreffenden  Artikulation. 

So  wird  ein  und  dasselbe  Prinzip  ein  Hilfsmittel  fĂŒr 
meine  pĂ€dagogisch-didaktische  Therapie,  fĂŒr  meine  syste- 
matische, rationelle  Einteilung  der  Elemente  der  Lautschrift 
und  der  Lautsprache:  der  Charakter  der  Bewegungsart. 


Medizin  und  Handschrift. 

Von  Walter  Möller,  Oranienburg. 

FĂŒr  die  Erkenntnis  des  Innenlebens  eines  Menschen 
bieten  dem  Beobachter  in  erster  Linie  die  Ausdrucksbewe- 
gungen des  Körpers  wichtige  Anhaltspunkte.  Der  Gang  ist 
charakteristisch  fĂŒr  eine  bestimmte  Person,  das  Kind,  ja  das 
Haustier  erkennt  den  Einzelnen  am  Tritt.  An  einem  nebligen 
Novemberabend  können  wir,  ohne  Gestalt  und  GesichtszĂŒge 
vorerst  wahrzunehmen,  bereits  an  den  Bewegungen  des  uns 
entgegenschreitenden  Menschen  irgendeinen  Bekannten  ziem- 
lich sicher  feststellen.  Die  gesunde,  zielbewußte  Person  hat 
sichere  Bewegungen  zu  eigen,  der  Nervöse  ĂŒberhastende  oder 


66 


Möller:  Medizin  und  Handschrift 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


fahrige,  der  von  Krankheit  GeschwÀchte  hÀufig  zitternde 
langsame  und  unsichere. 

Alle  diese  Ausdrucksmerkmale  sind  jedoch  nur  sehr 
flĂŒchtiger  Natur.  Im  Gesicht  werden  sie  allmĂ€hlich  durch 
die  sich  schließlich  eingrabenden  charakteristischen  ZĂŒge 
konstanter.  Daher  legt  ja  der  Arzt  schon  seit  Jahrhunderten 
ein  besonderes  Gewicht  auf  die  Physiognomie. 

Aber  auch  andere  wichtige  Ausdruckmomente  werden 
festgehalten  und  so  der  eingehenderen  Betrachtung  zugÀng- 
lich: durch  die  Handschrift  nÀmlich.  Man  könnte  einwen- 
den, die  heutige  Schrift  stamme  eigentlich  von  der  Bilder- 
schrift her  und  kĂ€me  daher  im  gĂŒnstigsten  Falle  fĂŒr  die. 
Charaktererkennung  in  großen  und  den  hauptsĂ€chlichsten 
ZĂŒgen  in  Betracht.  Dies  sei  jedoch  fĂŒr  die  Feststellung  der 
feinsten  inneren  Regungen  und  Stimmungen  bedeutungslos 
und  daher  auch  fĂŒr  den  Juristen  und  Psychiater  ohne  Wert. 
DemgegenĂŒber  betont  jedoch  schon  der  Maler  immer  wieder, 
daß  es  ihm  nur  die  notwendige  Stimmung  möglich  mache, 
diese  oder  jene  Linie  seinem  Wunsch  entsprechend  zu  brin- 
gen, und  Ludwig  Richter  bestÀtigt  die  Erfahrung  in  den  Er- 
innerungen an  die  italienische  Studienreise.  Er  schildert,  wie 
jeder  der  jungen  Zeichner  bemĂŒht  war,  die  Umrisse  des 
gleichen  Landschaftsausschnittes  bis  ins  feinste  Detail  fest 
und  bestimmt  zu  umziehen.  „Wir  verliebten  uns  in  jeden 
Grashalm,  in  jeden  zierlichen  Zweig  und  wollten  uns  keinen 
ansprechenden  Zug  entgehen  lassen.  Luft-  und  Lichteffekte 
wurden  eher  gemieden  als  gesucht;  kurz,  ein  jeder  war  be- 
mĂŒht, den  Gegenstand  möglichst  objektiv,  treu  wie  im  Spie- 
gel wiederzugeben.  Ich  war  nicht  wenig  ĂŒberrascht,  als  ich 
am  Schluß  der  Arbeit  aufgestanden,  die  vier  vor  mir  liegen- 
den Bilder  ĂŒberblicken  konnte  und  sie  so  abweichend  von- 
einander fand.  In  der  Stimmung,  in  Farbe,  im  Charakter  der 
Kontur  war  bei  jedem  etwas  anderes  hineingekommen,  eine 
leise  Umwandlung  zu  spĂŒren."  Der  berĂŒhmte  Maler  kommt 
dann  zu  dem  Schluß,  daß  diese  am  stĂ€rksten  bei  einem  Me- 
lancholiker hervorgetreten  sei.  „Alle  Linien  waren  ruhiger,  ge 
rader,  die  goldig -brĂ€unlichen  Felsen  trĂŒber,  die  nĂ€chtliche 
Schattenfarbe  aber  schÀrfer.  Kurz,  des  Menschen  Art  offen- 
bart sich  entschieden  in  seiner  Malerei,  und  so  war  es  bei 
einem  Jeden." 

Wenn  also  hier,  wo  nach  der  ausdrĂŒcklichen  Versiche- 
rung Richters  jeder  Zeichner  versuchte,  alle  persönliche 
Eigenart  nach  Möglichkeit  bewußt  auszuschalten,  doch  jedes 
Bild  bestimmte  charakteristische  ZĂŒge  verriet,  welch'  ein 
feines  Reagenz  muß  dann  die  Handschrift  sein.  Man  schenkt 
doch  gewöhnlich  der  SchreibtÀtigkeit  als  solcher  keine  be- 
sondere Aufmerksamkeit,  bedient  sich  auch  keiner  Vorbil- 
der, ist  also  dabei  ungleich  weniger  beeinflußt  als  der  Maler. 
Gewiß  lassen  sich  nicht  alle  charakteristischen  Zeichen  in 
ihrer  Entstehung  ohne  weiteres  psychologisch  restlos  er- 
klĂ€ren. Aber  dessen  ungeachtet  wird  selbst  der  grĂ¶ĂŸte  Skep- 
tiker immer  da  von  dem  Wert  der  Graphologie  ĂŒberzeugt 
werden,  wo  sie  nicht,  wie  das  leider  noch  vielfach  geschieht, 
von  dazu  gĂ€nzlich  unbefĂ€higten  Personen  ausgeĂŒbt  oder  als 
bloße  Spielerei  betrachtet  wird. 

Die  Medizin  hat  bisher  allerdings  nur  geringen  Nutzen 
davon  gehabt.  Dies  dĂŒrfte  m.  E.  durch  folgende  UmstĂ€nde 
begrĂŒndet  sein.  Wenige  Psychiater  konnten  sich  bis  jetzt 
neben  der  sonstigen  umfangreichen  TĂ€tigkeit  dem  grapholo- 
gischen Studium  widmen.  Aber  gerade  ihnen  steht  das  in 
Frage  kommende  Handschriftenmaterial  in  erster  Linie  zur 
VerfĂŒgung.  An  den  Schriftbildern  der  Patienten  aus  ge- 
sunden Tagen  und  bei  weiterem  Fortschreiten  der  Krankheit 
lassen  sich  VerĂ€nderungen  am  besten  feststellen  und  schließ- 
lich durch  Vergleichen  mit  anderen  Krankenschriften  typi- 
sieren. Nur  auf  diesem  Wege  ist  es  möglich,  einen  gewissen 
Fundus  zu  schaffen,  von  dem  ausgehend  weitere  Forschungen 
zu  neuen  Resultaten  fĂŒhren  werden. 

Hier  seien  nur  die  bis  jetzt  einwandfrei  als  charakte- 
ristisch fĂŒr  einzelne  Leiden  erkannten  Handschriftformen  in 
den  Bereich  der  Betrachtung  gezogen.  Diese  Anzeichen 
stellen  sich  zumeist  bedeutend  frĂŒhzeitiger  ein,  als  die  Krank- 
heitserscheinungen selbst  von  der  nÀchsten  Umgebung  des 


Patienten  wahrgenommen  werden.  Darin  liegt  ja  eben  der 
große  Wert  in  bezug  auf  Diagnosestellung  und  rechtzeitige 
Prophylaxe.  EinschrÀnkend  sei  jedoch  von  vornherein  be- 
merkt, daß  nicht  jede  der  nachbenannten  EigentĂŒmlichkeiten 
notwendigerweise  die  betreffende  Krankheit  als  Ursache 
haben  muß.  Finden  aber  in  der  Schrift  des  Beobachteten 
nach  der  angegebenen  Richtung  hin  auffallende  VerÀnderun- 
gen statt,  so  sollte  sie  der  Arzt  als  Wegweiser  betrachten,  die 
ihn  auf  die  gesuchte  FÀhrte  bringen  können. 

GedrĂŒckte  GemĂŒtsstimmung  geht  fast  allen  Leiden  vor- 
aus. Sie  ist  an  abwÀrts  gerichteten  Zeilen  erkennbar,  vor- 
ausgesetzt, daß  kein  Linienblatt  oder  liniiertes  Papier  benutzt 
wird.  Dazu  treten  oft  noch  Undeutlichkeit  der  Schrift,  die 
Formen  lassen  die  gewohnte  Festigkeit  vermissen,  I-Punkte, 
Ae-Striche  usw.  werden  tiefer  als  bisher  gesetzt.  Bei  ner- 
vösen Leiden,  Hysterie  stellt  sich  bei  dĂŒnner  Schrift  oft 
krampfhafter,  also  plötzlich  auftretender  Druck  ein. 

Wie  fein  die  Handschrift  selbst  auf  kaum  bewußte  und 
rasch  vorĂŒbergehende  GemĂŒtsbewegungen  reagiert,  habe  ich 
an  fremder  und  der  eigenen  Handschrift  wiederholt  feststellen, 
können.  Der  Leser  wird  beim  NachprĂŒfen  Ă€lterer  Briefe  es 
selbst  bestĂ€tigen,  daß  in  verschiedenen  Abschnitten  eines 
Briefes,  die  freudige  Mitteilungen,  optimistische  Gedanken- 
gÀnge enthalten,  die  Schriftrichtung  Neigung  zum  Steigen, 
bei  entgegengesetzten  GedankengÀngen  zum  Abfallen  zeigt. 
Diese  EigentĂŒmlichkeiten  dĂŒrften  dem  Arzt  manchen  An- 
haltspunkt fĂŒr  den  jeweiligen  Stand  eines  Leidens  geben. 

Ueberschwengliche  Naturen,  die  leicht  zu  Hysterie 
neigen,  schreiben  hÀufig  auch  oft  in  wellenförmigen  Linien, 
bilden  viele,  oft  unschöne  Schleifen;  die  Schrift  ist  meist 
stark  nach  rechts  geneigt,  die  Grundstriche  zeigen  Rundun- 
gen, Buchstaben  lassen  Klarheit  vermissen,  oft  werden  sie 
auch  gegen  Schluß  des  Wortes  grĂ¶ĂŸer.  I-Punkte  erscheinen 
in  der  Regel  sehr  weit  nach  rechts  gesetzt,  die  U-Haken  weit 
ĂŒber  dem  Buchstaben  hinausgezogen. 

Sehr  stark  tritt  der  geistige  und  körperliche  Verfall  in 
der  Unterschrift  des  Dichters  Lenau  auf.  WĂ€hrend  sie  ur- 
sprĂŒnglich eine  gewisse  Festigkeit  und  kĂŒnstlerisches  Emp- 
finden namentlich  durch  das  schön  gebildete  L  verrÀt,  er- 
scheint sie  bei  beginnender  geistiger  Umnachtung  haltloser. 


Unterschrift  des  Dichters  Lenau. 


Namenszug  nachdem  Lenau  geisteskrank  geworden. 


Linzeine  Buchstaben  werden  nur  angedeutet.  Aehnliches 
lĂ€ĂŸt  sich  bei  aller  Verschiedenheit  des  Charakters  von  Napo- 
leons Handschriftenbild  sagen.  Der  Namenszug  Buonaparte 
des  vor  der  Kaiserkrönung  stehenden  Generalissimus  der  von 
ihm  gefĂŒhrten  siegreichen  Armee  erscheint  eindrucksvoll, 
kraftstrotzend  und  selbstbewußt.   Der  sieche,  körperlich  und 


Buonaparte  als  Generalissimus  der  franz.  Armee  in  Italien. 


Abdankungsunterschrift  Napoleons. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Luda:  Bartflechtenbehandlung 


schließlich  auch  geistig  zusammengebrochene  abgedankte 
Herrscher  deutet  seinen  Namen  nur  mehr  an  und  beendet  die 
Unterschrift  mit  dem  stark  abfallenden  Resignationsstrich."  i 

Geistig  zurĂŒckgebliebene  Menschen,  Idioten,  soweit  sie 
Überhaupt  schreiben  können,  zeigen  meist  unbeholfene,  kind- 
lieb anmutende  Handschriften.  Mine  solche  im  Mannesalter 
stellende  Person  kann  eine  Schrift  zu  eigen  haben,  wie  wir 
sie  von  A-B-G-SchĂŒtzen  gewohnt  sind.  Oft  lassen  unschöne 
und  plumpe  Schnörkel  die  geistige  Unbeholfenheit  noch 
deutlieber  dabei  zutage  treten. 

Zitterschrift  kommt  nach  starken  körperlichen  und  see- 
liseben  Anstrengungen  bezw.  Erregungen,  manchmal  auch 
im  hohen  Alter,  vor  allem  jedoch  bei  Vergiftungen  vor. 
Starke  Raucher,  Morphinisten,  Alkoholiker  und  Kokain- 
schnupfer weisen  sie  nicht  selten  auf. 

Groß  schreiben  gewöhnlich  Leute,  die  es  gewohnt  sind 
zu  disponieren,  also  der  Kaufmann,  der  Feldherr  usw.  Ihre 
Handschrift  verrÀt  ebenso  wie  die  des  Geistesaristokraten 
dabei  auch  dem  ungeĂŒbten  Betrachtenden  WillensstĂ€rke,  In- 
telligenz, GroßzĂŒgigkeit.  ■  Aendert  sich  aber  die  einfache 
Schrift  eines  Menschen  mit  allen  vorher  skizzierten  Kenn- 
zeichen geistiger  ZurĂŒckgebliebenheit,  indem  sie  ĂŒbertriebene 
große  und.  plumpe  Formen  annimmt,  so  ist  der  Verdacht  auf 
beginnenden  GrĂ¶ĂŸenwahn  nicht  von  der  Hand  zu  weisen. 
Der  Inhalt  der  Briefe  wird  ja  in  den  meisten  FĂ€llen  auch 
weiteren  Aufschluß  darĂŒber  geben. 

Paralyse  soll  ,sich  nach  Preyer  und  Lombroso  hÀufig 
durch  das  Fehlen  einzelner  oder  mehrerer  Buchstaben  in 
einem  oder  dem  anderen  Wort,  aber  auch  durch  Verdoppe- 
lungen oder  auffallend  falsche  Buchstaben  verraten,  z.  B. 
Natlager  statt  Nachtlager  oder  Gartensaus  statt  Gartenhaus. 
Das  Fehlen  von  Buchstaben  habe  ich  wiederholt  an  Hand- 
schriften von  Paralytikern,  die  mir  von  AnstaltsÀrzten  zur 
Einsicht  ĂŒberlassen  wurden,  feststellen  können.  Beginnende 
sogen.  Gehirnerweichung  kĂŒndet  sich  aber  auch  nach  an- 
deren Beobachtungen  durch  engere,  stÀrker  geneigte  und 
klecksige  Schrift  an,  ohne  daß  man  hieraus  allein  auf 
Geistesstörungen  schließen  darf.  Gerade  feine  und  kritisch 
veranlagte  Geister  schreiben  oft  eng  und  klein.  Eine  gewisse 
NervositĂ€t  spricht  selbst  fĂŒr  den  ungeĂŒbten  Graphologen,  er- 
kenntlich aus  dem  etwas  „kribbeligen"  allgemeinen  Schrift- 
bild. Ausschlaggebend  fĂŒr  die  Vermutung  von  VerĂ€nderun- 
gen im  geistigen  oder  körperlichen  Zustand  des  Beobach- 
teten sind  also  alle  diese  Zeichen  erst  dann,  wenn  sich  auch 
die  Schrift  in  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  kurzer  Zeit  nach  dieser  Rich- 
tung hin  Ànderte. 

Charakteristisch  fĂŒr  den  Verfolgungswahnsinn  ist 
manchmal  eine  plötzlich  eintretende  ĂŒberĂ€ngstliche  Aus- 
nutzung des  Schreibpapiers.  Der  Betreffende  schreibt  nicht 
nur,  wie  das  wohl  jeder  einmal  tut,  gelegentlich  am  rechten 
Rand  herunter  und  am  vorderen  oder  oberen  Rand  quer,  son- 
dern vielfach  noch  von  oben  nach  unten  durch  die  erst  zu 
Papier  gebrachte  Schrift.  Dabei  gehen  noch  Ober-  und 
UnterlÀngen  durch-  und  ineinander. 

Erregungen,  Herzkrankheiten,  sofern  sie  einen  beschleu- 
nigenden Einfluß  auf  den  Puls  haben,  teilen  sich  der  Schrift 
mit,  die  dadurch  plötzliche  und  nur  stellenweise  auftretende 
Druckstellen  zeigt.  Wie  schon  erwÀhnt,  kommt  dies  bei 
Hysterie  vor,  aber  erklÀrlicherweise  auch  bei  Asthma.  Die 
GemĂŒtsstimmung  solcher  Leute  steht  ja  dauernd  unter  einem 
gewissen  Angstdruck  vor  neuen  AnfÀllen. 

Einen  kraftlosen  Charakter  aber  mit  allen  Zeichen  der 
NervositĂ€t  weist  die  Schrift  BleichsĂŒchtiger  auf.  Nur  selten 
finden  wir  in  ihr  WillensstÀrke  durch  feste  und  mit  regel- 
mĂ€ĂŸigem Druck  gebildete  Formen  ausgeprĂ€gt.  Hingegen  er- 
scheint die  Schrift  meist  stark  nach  rechts  geneigt  und  der 
Zeilenabstand  unregelmĂ€ĂŸig.  Von  den  Schriften  Herzleiden- 
der behaupten  mehrere  französische  und  schweizer  Autoren, 
darunter  auch  der  Pariser  Arzt  Dr.  Tardieu,  daß  in  ihnen 


Die  beigegebenen  Schriftbilder  sind  dem  Buch  des  Ver- 
fassers „Angewandte  Menschenkenntnis"  21.— 30.  Tausend.  15  M., 
geh.  18  M.  mit  ausdrĂŒcklicher  Genehmigung  des  Verlags  „MĂ€r- 
kische Rundschau",  Berlin-Oranienburg  entnommen. 


ein  lief  und  sein  stark  gesetzter  [-Punkt  charakteristiscli  sei. 
FĂŒr  Mitteilung  Ă€hnlicher  Wahrnehmungen  wĂ€re  der  Ver- 
fasser sein-  dankbar. 

im  allgemeinen  lassen  sich  ja  rein  organische  Leiden 
noch  schwieriger  aus  dem  verÀnderten  Schriftbild  erkennen, 
als  Geisteskrankheiten,  da  sie  ja  sehr  mittelbar,  nÀmlich 
immer  erst  wieder  durch  die  GemĂŒlsbeeinflussung,  die  jedes 
Leiden  mehr  oder  weniger  mit  sich  bringt,  auf  die  Hand- 
schrlft  einwirken. 

Der  Ohrenleidende  und  namentlich  der  geistig  rege,  be- 
findet sich  mit  zunehmender  Taubheit  meist  in  dauernder 
Mißstimmung  darĂŒber,  daß  er  immer  mehr  von  der  Mitwelt 
dadurch  abgeschlossen  wird.  Seine  Schrift  zeigt  daher  sein 
bald  alle  Ausdruckszeichen  des  Pessimismus,  stark  ge- 
schlossene a  und  o,  kantige  und  schwertartige  ZĂŒge  bei  sin 
kender  Zeilenrichtung.  Beethovens  Handschrift  wies  mit 
zunehmendem  Gehörleiden  auffallende  VerÀnderungen  nach 
dieser  Richtung  hin  auf,  wie  aus  den  Faksimiles  deutlieb  zu 
ersehen.  Aehnliche  ZĂŒge  finden  sich  auch  in  der  Schrift  Miß- 
gestalteter, die  unter  der  Gedankenlosigkeit  und  dem  zur 
Schau  getragenen  Mitleid  ihrer  Umgebung  leiden,  des  öfteren. 
Da  hier  aber  die  Ursache  der  SchriftverÀnderung  offenbar  zu- 
tage tritt,  hat  das  graphologische  Bild  in  diesem  Falle  keinen 
besonderen  Wert  fĂŒr  den  Arzt. 

Die  fĂŒr  die  Krankheitserkennung  wichtigen  und  bisher 
als  einwandfrei  erkannten  Feststellungen  auf  dem  Gebiete 
der  Graphologie  sind  also  noch  nicht  allzu  zahlreich.  Man 
wird  aber  namentlich  in  bezug  auf  die  Psychiatrie  sehr  bald 
zu  weiteren  greifbaren  und  wertvollen  Resultaten  kommen, 
wenn  die  dazu  berufenen  MĂ€nner  auf  dem  Vorhandenen  auf- 
bauen, indem  sie  sich  mit  der  Handschriftbetrachtung  ein- 
gehend beschÀftigen  und  ihre  Erfahrungen  bekanntgeben. 
Das  Studium  wird  erleichtert  durch  die  im  Àrztlichen  Beruf 
immerwÀhrend  gepflegte  Menschenbeobachtung.  Und  wenn 
man  von  einer  natĂŒrlichen  Begabung  fĂŒr  die  Graphologie 
spricht,  so  habe  ich  sie  unter  Geistlichen  und  Aerzten  bisher 
am  auffallendsten  ausgeprÀgt  gefunden. 


Ueber  Bartflechtenbehandlung. 

Von  Dr.  med.  Georg  Luda,  Arzt  in  Berlin-Schöneberg. 

Die  Behandlung  der  Bartflechte  bildete  von  jeher  die 
Crux  medicorum.  Das  kommt  daher,  daß  immer  noch  Mittel 
angewandt  werden,  welche  eigentlich  von  nur  geringem  oder 
gar  keinem  Wert  sind.  Dies  gilt  besonders  von  den  viel 
empfohlenen  SublimatumschlÀgen  wÀsseriger  oder  spiri- 
tuöser  Art,  den  Pinselungen  mit  Jodtinktur  und  der 
Pasten-  und  Salbenbehandlung.  Alle  diese  Prozeduren  haben 
keinerlei  abtötenden  Einfluß  auf  die  sehr  widerstandsfĂ€higen 
Pilzsporen,  bewirken  aber  tiefgreifende  HautverÀtzungen  und 
-entzĂŒndimgen,  welch  letztere  wiederum  einem  Eindringen 
der  Pilze  in  die  Tiefe  Vorschub  leisten.  Man  muß  sich,  wie 
ich  dies  immer  wieder  betont  habe,  bei  der  Behandlung 
dieses  lÀstigen  Leidens  von  zwei  Gesichtspunkten  leiten 
lassen,  nÀmlich  die  Pilze  in  ihrer  Entwicklung  zu  hemmen 
und  ferner  die  Pilzrasen  samt  der  obersten  Epidermisschicht 
möglichst  schonend  zur  Abstoßung  zu  bringen;  eine  Abtötimg 
der  Pilze  gelingt,  wie  gesagt,  mit  keinem  der  bisher  be- 
kannten Mittel.  Im  Gegenteil,  sie  machen  erst  das  akute 
Leiden  zu  einem  chronischen.  Die  obengenannte  Forderung 
erfĂŒllt  einzig  und  allein  die  frĂŒher  viel  angewandte,  neuer- 
dings anscheinend  ziemlich  in  Vergessenheit  geratene  Chry- 
serobin-Traumaticinlösung  (1  :  10).  Unangenehm  ist  es  nur 
fĂŒr  den  Patienten,  mit  den  braunen  Flecken  am  Halse  her- 
umzulaufen, wÀhrend  diese  Behandlung  im  Gesicht  aus  kos- 
metischen GrĂŒnden  nicht  anwendbar  ist.  Das  Traumaticin 
bewirkt  einen  guten  Luftabschluß,  so  daß  die  Pilze  vom 
Sauerstoff,  dessen  sie  benöligen,  abgeschlossen  sind;  außer- 
dem werden  die  Pilze  mechanisch  festgeklebt  und  dadurch  in 
ihrer  Entwicklung  gehemmt.  Das  Chryserobin  wirkt  eben- 
falls schÀdigend  auf  dieselben  ein  und  bringt  die  Oberhaut 


Pflug:  Zur  HĂ€mophiliefrage 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


samt  den  Pilzrasen  schonend  zur  Abstoßung.  Die  maku- 
löse  Form  der  Bartflechte  —  um  diese  handelt  es 
sich  meist  im  Anfangsstadium,  wÀhrend  die  papulösen  und 
nÀssenden  Ekzemformen  erst  bei  lÀngerem  Bestehen  des 
Leidens  in  die  Erscheinung  zu  treten  pflegen  —  wird  durch 
diese  Behandlung  mit  Sicherheit  geheilt. 
Störend  wirken,  wie  gesagt,  in  kosmetischer  Hinsicht  die 
braunen  Flecke  am  Halse,  so  daß  ich  es  mit  Freuden  be- 
grĂŒĂŸt habe,  als  die  chemische  Fabrik  von  Haidle  &  Maier 
in  Stuttgart  unter  dem  Namen  Antisykon  ein  Mittel  auf  den 
Markt  brachte,  welches  der  oben  genannten  Chrysarobin- 
Traumaticinlösung  nicht  nur  völlig  ebenbĂŒrtig  war,  sondern 
auch  in  kosmetischer  Hinsicht  nichts  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig 
ließ;  es  besteht  in  einer  Spirituosen  Lösung,  welche  in  der 
Hauptsache  Zibosal,  ein  sehr  krÀftiges,  in  die  Tiefe  dringen- 
des Antiseptikum  enthÀlt.  Man  pinselt  das  Mittel  zwei  bis 
drei  Tage  lang  auf,  es  schlĂ€gt  sich  ein  feiner  weißer  Puder  auf 
den  gepinselten  Hautstellen  nieder,  welcher  kosmetisch  nicht 
störend  wirkt  und  nach  kurzer  Zeit  ĂŒberhaupt  nicht  mehr 
auffÀllt.  Nach  zwei  bis  vier  Wochen  heilt  unter  dieser  Be- 
handlung jede  Bartflechte  mit  Sicherheit  ab,  vorausgesetzt, 
daß  keine  andere  der  frĂŒher  genannten,  nur  schĂ€dlich 
wirkenden  Behandlungsarten  mit  Sublimat,  Jod,  Schwefel - 
teer  usw.  vorausgegangen  war.  Dies  kann  ich  nach  drei- 
jÀhriger Erfahrung  mit  aller  Sicherheit  behaupten.  Des- 
infektion des  Rasierapparates  durch  Auskochen  und  Ab- 
reiben des  Gesichts  nach  dem  Rasieren  mit  ßprozentigem 
SalizylsĂ€urespiritus  ist  natĂŒrlich  erforderlich. 

Wenn  man  trotzdem  manchmal  noch  andere  Mittel 
gegen  die  chronischen  Formen  der  Bartflechte  an- 
wenden muß,  so  hat  das  seinen  Grund  darin,  daß  der  Patient 
die  Krankheit  entweder  verschleppt  und  vernachlÀssigt  hat, 
oder  daß  unzureichende  oder  direkt  fehlerhafte  Behandlungs- 
methoden vorausgegangen  sind.  In  diesen  FĂ€llen  hat  sich 
die  Behandlung  mit  polyvalenter  Extraklvaccine  aus  Tricho- 
phytonstÀmmen  sehr  bewÀhrt.  Es  existieren  mehrere  brauch- 
bare PrÀparate.  Bei  frischer  Bartflechte,  welche  in  Gestalt 
roter  Flecke  mit  etwas  erhabenem  Ringe  in  der  Peripherie 
auftritt,  ist  diese  Behandlung  jedoch  nicht  am  Platze,  viel- 
mehr direkt  fehlerhaft. 


Zur  HĂ€mophiliefrage  in  der  Praxis. 

Von  Dr.  med.  Wilhelm  Pflug  -  Steinhorst  i.  Lauenburg. 

In  Nr.  15  der  M.  m.  W.,  1919,  S.  413  gibt  Walt  her 
einen  interessanten  Beitrag  zur  Stillung  hÀmophiler  Blutun- 
gen. Er  hat  dabei  nach  der  Erfolglosigkeit  anderer  Methoden 
schließlich  auf  defibriniertes  Menschenblutserum  (vermutlich 
rasseeigenes)  zurĂŒckgegriffen  und  damit  einen  vollen  Erfolg 
erzielt.  Leider  wird  sich  aber  diese  Methode  nicht  in  allen 
FĂ€llen  durchfĂŒhren  lassen.  Wenn  man  wohl  auch  einen 
geeigneten  Spender  immer  —  unter  UmstĂ€nden  natĂŒrlich  in 
erster  Linie  in  der  eigenen  Person  wegen  der  bei  gesund- 
heitlich unbekannten  ja  immer  vorhandenen  Gefahr  der 
Lues  und  Tuberkulose  —  finden  wird,  so  wird  man  oft  nicht 
in  der  Lage  sein,  rasch  und  unter  allen  aseptischen  Kautelen 
die  Serumierung  des  Blutes  durchzufĂŒhren.  Besonders  als 
praktischer  Landarzt  denke  ich  an  diesen  Fall,  da  selbst  die 
kleinen  LandkrankenhÀuser  nur  selten  diese  Prozedur  tech- 
nisch werden  ausfĂŒhren  lassen  können  und  die  grĂ¶ĂŸeren  bei 
der  drohenden  Gefahr  der  Verblutung  nicht  rasch  genug 
wegen  der  schlechten  LandverkehrsverhÀltnisse  erreicht  wer- 
den können.  Da  heißt  es  andere  Wege  gehen.  Diese  auszu- 
probieren, hatte  ich  in  folgendem  Fall  Gelegenheit: 

Nachdem  ich  schon  zwei  weibliche  Blutsverwandte  einer 
Patientin  wegen  zunÀchst  unstillbarer  Blutungen  nach  Zahn- 
extraktion mit  Erfolg  behandelt  hatte,  kam  am  28.  4.  1919  diese 
selbst,  ein  FrÀulein  S.,  zu  mir  in  die  Sprechstunde  wegen  Blutung 
nach  Zahnextraktion.  Der  2.  und  3.  rechte  untere  Molar  waren 
am  27.  4.  extrahiert.  Die  Wunde  war  mit  dunkel-rötlichem 
schmierigen  Gerinnsel  bedeckt.  Der  Atem  roch  nach  Verwesung. 
Es  bestand  starker  Speichelfluß.  Ein  Tupfer  mit  etwa  1  ccm 
Suprareninlösung  (1  : 1000)  rief  binnen  etwa  2  Minuten  leichtes 


Uebelsein  hervor.  Die  Blutung  stand  einige  Minuten  und  fing 
wieder  an.  Erneuter  Suprarenintupfer  bewirkte  dasselbe.  Ein 
Tupfer  mit  Liquor  ferri  sesquichlorati  wurde  auf  die  Wunde  ge- 
legt. Patientin  meinte  nach  einigen  Minuten  des  festen  Auf- 
beißens auf  denselben,  die  Blutung  wĂŒrde  geringer.  Mit  einem 
erneuten  Tupfer  mit  ferri  sesquichlorati  wurde  sie  entlassen.  Am 
Nachmittag  kam  sie  von  neuem.  Ferri  sesquichlorati-Tupfer 
mehrmals  brachten  wieder  nach  Meinung  der  Patientin  beim 
letzten  Tupfer  eine  Verringerung  der  Blutung  hervor.  Vorher 
konnte  ich  dies  nicht  bemerken,  das  Blut  floß  ruhig  weiter,  und 
nach  dem  letzten  Tupfer  wollte  ich  den  Mund  nicht  aufmachen 
lassen,  um  etwa  eingetretene  Gerinnungsbildung  nicht  zu  zer- 
stören. 

Am  30.  4.  erschien  Patientin  von  neuem.  Da  ich  erfuhr,  daß 
Patientin  am  29.  4.  mittags  zu  menstruieren  begonnen  hatte, 
dachte  ich  an  die  gynÀkologische  Wirkung  von  secale  cornutum. 
Erst  auf  wiederholtes  Auflegen  von  damit  getrÀnkten  Tupfern  das 
subjektive  Empfinden  einer  Blutstillung.  Ich  bemerke  noch,  daß 
ich  Patientin  angewiesen  hatte,  ja  nicht  etwa  mit  der  Zunge  und 
dem  Munde  Saugbewegungen  auszufĂŒhren,  die  ja  auch  immer  wie- 
der hÀtten  neue  Blutungen  auslösen  können. 

Leider  war  alles  erfolglos.  Denn  in  der  Nacht  vom  30.  4. 
zum  1.  5.  wurde  ich  wegen  fortgesetzten  Blutens  der  Patientin 
geweckt.  Sie  lag  erschöpft  zu  Bett,  inzwischen  fast  ausgeblutet 
anÀmische  BlÀsse,  anÀmische  GerÀusche  am  Herzen,  kaum  fÀhig 
die  Hand  zu  heben.  Ich  griff  jetzt  zur  heroischen  Therapie.  Nach 
dem  Grundsatz  „viel  hilft  viel".  Ich  injizierte  der  Patientin  in 
etwa  5  Minuten  nach  den  gehörigen  Vorbereitungen  intravenös 
10  ccm  Mercksche  Gelatine,  1  ccm  Hydrastinin  und-l  ccm  Ergotin 
Jungclaussen  intramuskulÀr,  1  ccm  Suprarenin  '1:1000)  wegen 
der  Kollapsgefahr]  subkutan.  Einen  Tampon  mit  Mischungen 
von  einigen  Tropfen  sesquichlorati,  Hydrastinin  und  Gelatine  tat 
ich  gleichzeitig  auf  die  Wunde.    Nach  5  Minuten  etwa  hörte  die 

Blutung  auf.   Patientin  blieb  die  Nacht  ohne  Schlaf  und  ohne 

Blutung.    Die  Menses  zessierten  nicht. 

Ich  war  mir  wohl  bewußt,  daß  ich  ganz  unwissenschaft- 
lich arbeitete,  daß  ich  mir  jede  Möglichkeit  einer  genauen  Be- 
stimmung der  wirklichen  Causa  der  Blutstillung  nahm.  Aber 
das  Wohl  und  das  Leben  der  Patientin  ging  mir  doch  noch 
darĂŒber.  Ob  nun  die  eigentĂŒmlichen  ZustĂ€nde  des  Blutes 
bei  den  Menses  —  Hormone?  —  vielleicht  die  Neigung  zur 
HĂ€mophilie  gesteigert  hatten  oder  ob  die  Patientin  in 
höherem  Grade  als  ihre  Blutsverwandten  damit  „beerbt" 
war,  vermag  ich  ja  jetzt  nicht  mehr  zu  entscheiden.  Jeden- 
falls war  der  Erfolg  meiner  Therapie  eklatant.  Und  diese 
Zusammenstellung  kann  ja  jederzeit  gegeben  werden. 

Bemerken  will  ich  noch,  daß  die  Blutung  an  der  In- 
jektionsstelle  in  die  Vene  nur  schwer,  etwa  nach  lÄ,  Stunde 
stand,  diejenige  an  der  Injektionsstelle  in  den  Muskel 
(GlutÀus)  nach  kaum  3  Minuten.  WÀhrend  ich  die  10  ccm- 
Spritze  von  der  KanĂŒle  absetzte,  um  neue  Gelatine  aufzu- 
saugen, floß  das  Blut  in  dĂŒnnen  Tropfen  heraus. 

Auf  die  eigentĂŒmlichen  Verwandtschafts-  und  Ver- 
erbimgsverhÀltnisse  und  auf  die  Manifestationen  mÀnnlicher 
HĂ€mophilie  im  Gegensatz  zu  der  bisher  herrschenden,  wenn 
auch  schon  anders  vorhandenen  Auffassung  von  deren 
Latenz  behalte  ich  mir  vor  in  einer  spĂ€teren  Arbeit  zurĂŒck- 
zukommen. 

*  » 
* 

Vorstehende  Arbeit  war  damals  von  mehreren  klinischen 
Zeitschriften  abgelehnt  worden.  Zweifellos  hÀtte  in  der 
Zwischenzeit  so  manches  Menschenleben  durch  die  intra- 
venöse Gelatineinjektion  gerettet  werden  können.  Ein  neuer 
Fall  mit  reinen  Versuchsbedingungen  mag  das  beleuchten. 

Am  28.  11.  21  Extraktion  eines  unteren  rechten  1.  Molaren. 
Blutung  stand,  allerdings  ohne  jede  weitere  Behandlung  erst  am 
Abend,  also  nach  etwa  12  Stunden.  Am  2.  11.  von  anderer  Seite 
in  LeitungsanÀsthesie  weitere  Extraktion  einer  Wurzel.  Dabei 
auffallend  starke  Blutung.  Etwa  1  Stunde  spÀter  erschien  Patient 
W.  bei  mir.  Auflegen  von  Suprarenin,  Hydrastinin  keinerlei  Er- 
folg. Erst  mehrfaches  Auflegen  von  Liq.  Ferri  sesquichlorati 
brachte  nach  ĂŒber  einstĂŒndiger  Behandlung  geringes  Nachlassen. 
Patient  ging  nach  Hause.  6  Stunden  spÀter  wurde  ich  zu  dem 
inzwischen  in  höchstem  Maße  ausgebluteten  Patienten  gerufen, 
bleiches  eingefallenes  Aussehen,  hochgradiger  Lufthunger,  rings 
um  seinen  Kopf  Blutgerinnsel  und  aus  der  Wunde  fortwahrendes 
schwaches  Hervorströmen  des  Blutes.  Sofortige  intravenöse  In- 
jektion von  20  ccm  10  %  Merckscher  Gelatina  sterilisata  pro  In- 


lĂŒ.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Walte:  Muskeln  und  Nerven 


iektionc,  unter  Weglassung  aller  anderen  Therapie.  Auftreten 
von  Leichtem  Sausen  im  Kopf  und  im  Ohr,  sousl  keine  weiteren 
subjektiven  Empfindungen.  Unmittelbar  nach  der  etwa 
5  Minuten  wÀhrenden  langsamen  Injektion  subjektive  Meldung 
des  Patienten:  „Herr  Doktor,  es  blutet  nicht  mehr".  Objektive 
BestÀtigung.  Weiterhin  keinerlei  Nachblutung.  AllmÀhliche  Er 
holung  des  Patienten. 

Vater  toi  an  plötzlichem  Lungenschlag.  Sonst  nichts  an 
etwaigen  Erbeigenschaften  zu  erfragen, 

Injektionstechnik  sehr  einfach  ErwÀrmung  der  Gelatine  in 
der  fertigen  geöffneten  Ampulle  in  reichlich  heißem  Wasser. 
ErwĂ€rmung  der  Spritze  in  abgekochtem  beißen  Wasser.  Auf 
ziehen  und  langsames  Injizieren. 


Die  VorgÀnge  in  den  Muskeln  und  Nerven. 

Von  Prof.  Dr.  Walte  (Hamburg). 

Die  in  den  vorhergegangenen  Heften  dargelegte  Ansieht 
ĂŒber  das  Wesen  der  galvanischen  Energie  betrachtet  sie  als 
die  freie,  in  Form  von  Schrauben wucht  auftretende  Energie, 
die  bei  der  Bildung  von  Großmolekeln  entsteht.  Nun  wer- 
den die  VorgÀnge  in  Muskeln  und  Nerven  als  elektrisch  an- 
gesehen: es  drÀngt  sich  daher  die  Frage  auf,  ob  nicht  auch 
sie  in  der  Bildung  von  Großmolekeln  ihre  ausreichende  Er- 
klÀrung finden  können. 

Der  Sitz  der  MuskeltÀtigkeit  sind  die  Zellen  der  Muskel- 
fasern. Eine  jede  Faser  besteht  aus  einer  Reihe  gleichlic- 
gender,  hintereinander  geordneter  Zellen,  deren  jede  von 
einer  Zellhaut  eingeschlossen  ist.  Damit  diese  Arbeit 
leisten,  muß  vorher  in  ihnen  Energie  aufgespeichert  wer- 
den, die  aus  den  ReservebehÀltern  des  Körpers  in  Form  lös- 
licher Nahrung  vermittelst  des  Blutes  zugefĂŒhrt  wird.  Das 
Protoplasma  bringt  sie  vorerst  wieder  in  eine  unlösliche 
Form,  wozu  es  durch  die  leichte  Verschiebbarkeit  seiner  Teile 
und  der  damit  verknĂŒpften  leichten  Aufnahme  und  Abgabe 
von  Stoffen  besonders  geeignet  ist.  Die  so  in  den  einzelnen 
Zellen  wÀhrend  der  Ruhezeit  des  Muskels  angesammelte 
Nahrung  wird  durch  einen  Nervenreiz  auf  das  Proto 
plasma  wieder  löslich  gemacht.  Sie  bildet  nach  der  vor- 
liegenden Auffassung  mit  der  ZeilflĂŒssigkeit  Großmolekeln 
und  macht  dadurch  Energie  in  Form  von  Schraubenwucht 
frei,  die  sich  aus  LĂ€ngswucht  und  Drehwucht  zusammen- 
setzt. Welches  die  Kerne  dieser  Großmolekeln  sind,  ob  sie 
sauren  bezw.  basischen  Charakter  haben  oder  aus  anderen 
Gebilden  organischer  Natur  bestehen,  das  zu  ermitteln,  wird 
Aufgabe  der  Zellphysiologie  sein.  Diese  freie  Energie  leistet 
die  Muskelarbeit. 

Wenn  die  aufeinander  folgenden  Zellen  einer  Muskel- 
faser alle  gleich  geordnet  sind,  so  ist  zu  erwarten,  daß  auch 
die  entstehenden  Großmolekeln  gleich  gerichtet  sind  und  die 
LĂ€ngswuchten  der  freien  Schraubenbewegungen  parallel  der 
Muskelfaser  geordnet  sind  und  die  Drehwuchten  der  freien 
Strombewegungen  parallel  der  Muskulatur  geordnet  sind 
ind  die  Drehwuchten  in  untereinander  parallelen  Ebenen 
senkrecht  zur  Nervenfaser  alle  in  demselben  Sinne  kreisen. 
Die  LĂ€ngswuchten  suchen  die  eigene  Zelle  zu  strecken,  (Sic 
Drehwucht,  sie  senkrecht  zur  Zellaxe  auszubauchen.  Beide 
Wuchten  wirken  daher  einander  entgegen.  Da  aber  nach  der 
Entstehung  der  Großmolekel  ihre  Drehwucht  die  LĂ€ngswucht 
ĂŒberwiegt,  so  wird  die  Ausbauchung  und  die  dadurch  be- 
dingte VerkĂŒrzung  der  Zellaxe  die  LĂ€ngsstreckung  ĂŒber- 
winden: und  die  Folge  wird  eine  VerkĂŒrzung  der  Muskel- 
zelle sein;  die  aber  passiv  eine  Folge  der  Ausbauchung  ist. 
Die  ganze  LĂ€ngswucht  und  ein  ihr  entsprechender  Teil  der 
Drehwucht  wird  dadurch  in  WĂ€rme  umgesetzt  und  bildet 
die  verlorene  Arbeit  der  MuskelzellentÀtigkeit.  Dali  die 
Muskelzelle  ebenso  wenig  eine  ideale- Maschine  ist  wie  etwa 
die  Dampfmaschine,  ist  hingst  festgestellt  worden.  Aber 
wĂ€hrend  man  bei  der  letzteren  die  GrĂŒnde  fĂŒr  die  MĂ€ngel 
bald  eingesehen  hat,  steht  man  bis  jetzt  vor  der  ersteren  wie 
vor  einem  RĂ€tsel.    Die  neue  Auffassung  ist  geeignet,  dies 


BÀtsei  zu  lösen  und  auch  Wege  aufzusuchen,  um  aus  dein 
angegebenen  Mechanismus  die  verlorene  Arbeit  zu  berechnen 

und  mit  der  beobachteten  zu  vergleichen. 

Wenn  nun  in  den  sÀmtlichen  Zellen  einer  Muskclfasei 
durch  Nervenreize  gleichzeitig  Groliinolekeln  gebildet  Wer 
den,  so  werden  auch  sĂ€mtliche  Zellen  in  der  LĂ€nge  verkĂŒrzt 
und  in  der  Breite  ausgebaucht;  und  wenn  das  (deiche  in 
allen  Fasern  eines  MuskelbĂŒndels  vor  sich  geht,  so  wird  der 
ganze  Muskel  in  der  LĂ€nge  verkĂŒrzt  und  schwillt  in  der 
Breite  an,  wie  auch  jede  Beobachtung  zeigt.  Die  VerkĂŒrzung 
ĂŒbertrĂ€gt  die  freie  Energie  der  sĂ€mtlichen  Großmolekeln  auf 
den  mit  dem  Muskel  verbundenen  einarmigen  Hebel  und 
bewirkt  die  Verlagerung  der  am  Ende  des  Hebelarmes  befind- 
lichen Masse. 

Diese  Vorstellung  wird  manchem  befremdend  erscheinen. 
Wie  sollen  die  zarten  Zellgebilde  den  starken  Druck  aus- 
halten, dem  ein  krÀftiger  Arm  beim  Stemmen  schwerer  Ge- 
wichte Widerstand  leistet?  MĂŒĂŸten  nicht  die  ZellhĂ€ute,  die 
den  Druck  zunÀchst  aufnehmen,  dabei  zerrissen  und  der 
ganze  Muskel  zerstört  werden?  Aber  der  Druck  verteilt  sich 
auf  die  Millionen  der  Zellen  eines  Muskels,  so  daß  auf  jede 
einzelne  nur  ein  kleiner  Teildruck  fÀllt.  Dann  mag  man 
fragen,  wie  denn  die  Schrauhenenergie  der  Großmolekeln  in 
die  beiden  Komponenten  LĂ€ngswucht  und  Drehwucht  sich 
zerlegt,  da  es  doch  eine  einzige  Energie  ist?  Aber  jede 
Kanonenkugel,  die  auf  ihrer  Bahn  um  ihre  Axe  rotiert,  ĂŒbt 
unabhÀngig  voneinander  zwei  Wirkungen  aus,  das  Durch- 
schlagen etwa  durch  eine  Mauer  und  gleichzeitig  das  seit- 
liche Auseinandertreiben  der  MauerstĂŒcke.  So  können  auch 
beide  Energien  der  Muskelzelle  voneinander  unabhÀngige 
Wirkungen  ausĂŒben,  die  sich  teilweise  aufheben.  Ermög- 
licht wird  dies  durch  die  Festigkeit  der  Zellhaut,  die  aus- 
reichend groß  sein  muß,  um  ohne  SchĂ€digung  die  verlorene 
Arbeit  als  WĂ€rme  aufzunehmen.  Das  Blut  fĂŒhrt  dann  diese 
WĂ€rme  schnell  fort  und  gibt  dadurch  der  Zelhaut  die  alte 
Festigkeit  wieder.  Es  darf  hier  an  einen  anderen  Vorgang 
erinnert  werden,  den  wir  bei  aer  Bewegung  der  Anneliden 
finden.  Diese  weisen  LĂ€ngsmuskeln  auf,  die  sich  vom  Kopf 
bis  zum  After  erstrecken  und  durch  VerkĂŒrzung  infolge  eines 
Nervenreizes  den  Wurmleib  verkĂŒrzen  und  dadurch  passiv 
verdicken,  und  daneben  Ringmuskeln,  deren  VerkĂŒrzung  den 
Wurmleib  wieder  streckt.  Mit  Hilfe  von  Borsten,  die  ab- 
wechselnd am  Vorder-  und  Hinterleib  einen  Halt  am  Boden 
gewinnen,  bewegt  sich  der  Wurm  vorwÀrts.  Beide  Muskel- 
systeme veranlassen  nacheinander  abwechselnd  gerade  ent- 
gegengesetzte Bewegungen-  des  Körpers.  In  der  einzelnen 
Zelle  sind  beide  Wirkungen  auf  die  Zellhaut  gleichzeitig 
nebeneinander  vorhanden;  und  die  verkĂŒrzende  Wirkung 
ĂŒberwiegt  jedesmal.  Bildlich  gesprochen,  benutzt  die  Natur 
die  voneinander  unabhÀngigen  Wirkungen  der  LÀngs-  und 
Drehwucht  der  Großmolekel,  um  auf  einem,  allerdings  nicht 
gerade  wirtschaftlichen,  aber  vielleicht  einzig  möglichen 
Wege  den  Effekt  der  ZellverkĂŒrzung  zu  erzielen. 

Ist  die  dargelegte  Auffassung  richtig,  so  muß  ein  Muskel 
Einrichtungen  haben,  die  verhindern,  daß  die  Schrauben- 
energie, ohne  Arbeit  zu  leisten,  die  Zelle  verlĂ€ĂŸt.  Diese  Auf- 
gabe dorf  wohl  zunĂ€chst  der  umschließenden  Zellhaut  zuge- 
schrieben werden:  und  es  ist  zu  prĂŒfen,  durch  welche  Ein- 
richtungen sie  dieselbe  erfĂŒllen  kann.  Sollten  die  ZellhĂ€ute 
einer  Muskelfaser  nicht  ĂŒberall  dicht  abschließen,  was  als 
eine  Krankheitserscheinung  aufzufassen  wĂ€re,  so  wĂŒrde  die 
Energie  die  Faser  verlassen  und  auf  die  Sehne  ĂŒbertreten. 
Vielleicht  ist  ein  derartiger  Zustand'  die  Ursache  von  Sehnen- 
entzĂŒndungen, so  daß  deren  Ursache  nicht  unmittelbar  in 
der  Sehne,  sondern  in  dem  entsprechenden  Muskel  zu  suchen 
wÀre. 

Nun  hat  Dubois-Keymond  berĂŒhmte  Untersuchungen 
ĂŒber  die  MuskelelektrizilĂ€t  angestellt,  die  als  klassisch  an- 
gesehen werden.  Ihm  ist  es  gelungen,  durch  Einsetzen  von 
Sonden  in  die  Muskelfasern  elektrische  Spannungen  am  » 
Elektroskop  nachzuweisen.  Damit  scheint  aber  im  Wider- 
spruch zu  stehen,  daß  der  gesunde  Muskel   die  elektrische 


70 


Walte:  Muskeln  und  Nerven 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Energie  nicht  abgeben  soll,  es  sei  denn,  daß  der  berĂŒhmte 
Forscher  entweder  mit  nicht  gesunden  Muskeln  gearbeitet 
hĂ€tte  oder  daß  die  beiden  voneinander  getrennten  Spitzen  der 
Sonde  in  dieselbe  Muskelzelle  getaucht  wÀren  und  dadurch 
natĂŒrlich  die  elektrische  Spannung,  d.  i.  die  kinetische 
Energie  der  Großmolekel  zum  Galvanoskop  geleitet  hĂ€tten. 
Doch  ist  noch  mit  einer  weiteren  Möglichkeit'  zu  rechnen,  daß 
nÀmlich  die  beiden  Spitzen  der  Sonde  in  zwei  nahe  zu- 
sammenliegende, nur  durch  wenige  andere  Zellen  getrennte 
Zellen  eingetaucht  sind  und  daß  die  ganze  Zellenreihe  durch 
den  mechanischen  Eingriff  verletzt  wurde  und  infolgedessen 
die  Schraubenenergie  entweichen  ließ.  Es  dĂŒrfte  daher  wohl 
der  MĂŒhe  wert  sein,  Dubois-Reymond's  Versuche  unter 
diesem  Gesichtspunkte  zu  wiederholen  und  zweckent- 
sprechend zu  erweitern. 

Nun  kann  es  auch  fĂŒr  bestimmte  Tiere  ganz  zweckmĂ€ĂŸig 
sein,  daß  die  Zellhaut  der  Aufgabe,  zu  isolieren,  ganz  ent- 
hoben wird  und  daß  die  gesamte  Energie  aller  Zellen  eines 
Muskels  als  Schraubenwucht  auf  einmal  abgegeben  wird.  In 
der  Tat  ist  diese  Einrichtung  in  den  elektrischen  Organen 
bestimmter  Fische  anzutreffen.  Morphologisch  ist  dieses 
Organ  ein  umgebildeter  Muskel.  Wenn  frĂŒher  diese  Um- 
wandlung als  etwas  AuffÀlliges  erschien,  so  ist  sie  etwas 
NatĂŒrliches  auf  grund  der  entwickelten  Vorstellung.  Die 
Abweichung  in  dem  Bau  der  Zellen  von  denen  eines  normalen 
Muskels  ist  jetzt  daraufhin  zu  prĂŒfen,  ob  sie  die  allmĂ€hliche 
Aufspeicherung  der  Energie  wie  auch  die  plötzliche  Ent- 
ladung derselben  besonders  gut  zu  bewirken  imstande  ist. 
Daß  dieses  Organ  bei  den  Fischen  ganz  verschiedener  Ord- 
nungen ausgebildet  worden  ist,  ist  nun  nicht  mehr  ver- 
wunderlich, da  die  Anlage  zu  der  Umwandlung  bei  den 
meisten  Fischen  vorausgesetzt  werden  darf.  Viel  eher  muß 
es  befremden,  daß  sie  nur  bei  so  wenigen  Fischen  anzutreffen 
ist.  Aber  sie  wird  nur  dort  zu  erwarten  sein,  wo  die  Tiere 
einen  besonderen  Nutzen  davon  haben.  Nun  wird  das  elek- 
trische Organ  auf  Kosten  eines  Muskels  gewonnen,  so  daß 
die  freie  Bewegung  des  Tieres  beschrÀnkt  wird.  Daher  wird 
man  dasselbe  nur  bei  Fischen  finden,  die  durch  ihre  Lebens- 
art in  irgendeiner  Weise  an  der  schnellen  Bewegung  be- 
hindert sind.  Wer  sich  im  freien  Wasser  bewegen  muß,  wird 
keinen  Grund  haben,  sich  um  einen  Muskel  zu  schwÀchen, 
der  ihn  vor  seinen  Feinden  ebenso  sicher  zu  schĂŒtzen  ver- 
mag wie  er  ihm  erleichtert,  seine  Beute  zu  erhaschen.  Nun 
leben  die  Zitteraale,  -weise  und  -rochen  im  Schlamme,  von 
welchem  Versteck  aus  sie  ihre  Beute  erspÀhen.  Naht  sich 
ein  Opfer  in  dem  klaren  Wasser  ĂŒber  dem  Schlamme,  so 
wĂŒrden  sie  zu  viel  Zeit  verlieren,  um  ins  klare  Wasser  zu 
kommen  und  die  Verfolgung  aufzunehmen.  Dagegen  wirkt 
die  im  elektrischen  Organ  aufgespeicherte  Energie,  plötzlich 
auf  einmal  entladen  und  auf  einer  kurzen  Wasserstrecke 
ĂŒbertragen,  auf  die  Muskeln  des  Beutetieres  lĂ€hmend;  so  kann 
der  Zitterfisch  sich  der  Beute  leicht  bemÀchtigen. 

Die  Nervenzellen  gelten  als  umgewandelte  Muskelzellen 
und  gleichen  besonders  den  Zellen  des  elektrischen  Organs. 
Bei  den  niederen  Tieren  trifft  man  Neuromuskelzellen  an,  die 
also  noch  nicht  differenziert  sind  und  als  der  gemeinsame 
Ursprung  der  Nerven-  und  Muskelzellen  anzusehen  sind.  Mit 
der  Bildung  des  Muskels  mußten  gleichzeitig  Nervenzellen 
und  NervenfÀden  entstehen,  die  den  Reiz  zu  den  Muskeln 
ĂŒbertragen  und  dort  den  chemisch-mechanischen  Effekt  aus- 
lösen konnten.  Diese  Uebertragung  mußte  ohne  Hebel - 
mechanismus  und  dabei  schnell  bewirkt  werden.  In  der  Form 
von  WÀrme  wÀre  sie  zu  langsam  erfolgt;  dagegen  ist  eine 
solche  durch  Schraubenwucht  mit  großer  LĂ€ngswucht  als  be- 
sonders geeignet  anzusehen;  man  darf  daher  vermuten,  daß 
sie,  wie  in  den  Muskeln,  auch  in  den  Nerven  das  treibende 
Agens  ist.  Die  in  den  Ganglien  freigemachte  Nervenenergie 
hat  eine  grĂ¶ĂŸere  LĂ€ngsnaht  und  durchjagt  damit  den  Nerven- 
faden, um  die  kleine  Drehwucht  zur  Muskelzelle  zu  tragen, 
wo  sie  die  Großmolekelenergie  frei  macht.  Solange  die 
Nervenzellen  neue  Reize  zu  dem  Muskel  senden,  wird  dieser 
Arbeit  leisten,  vorausgesetzt,  daß  der  Nahrungsvorrat,  aus 
dem  Großmolekeln  gebildet  werden,  dazu  ausreicht.  Nach 


Aufhören  dieser  Reize  geht  der  Muskel  in  die  Ruhelage  zu- 
rĂŒck und  speichert  von  neuem  aus  dem  Nahrung  zufĂŒhren- 
den Blute  Reservestoffe  auf.  Hierzu  bedarf  es  keines  beson- 
deren Reizes;  oder  man  kann  auch  sagen:  das  Aufhören  des 
Nervenreizes  wirkt  als  Reiz,  um  die  frĂŒhere,  rein  der  Selbst- 
erhaltung dienende  TĂ€tigkeit  wieder  aufzunehmen. 

Zu  dem  Falle,  daß  der  Reiz  einer  Nervenzelle  zu  einer 
Muskelzelle  ĂŒbertragen  wird,  gesellt  sich  der  Verlauf  des 
Reizes  von  Nervenzelle  zu  Nervenzelle.  Schon  bei  der  Aus- 
lösung einer  Muskelbewegung  geht  der  Reiz  von  vielen  Ge- 
hirnzellen zu  allen  Nervenzellen,  die  den  Muskel  regieren, 
und  wird  von  diesem  erst  an  alle  Muskelzellen  ĂŒbermittelt. 
Ferner  sind  alle  Nervenzellen  der  Sinnesorgane  mit  bestimm- 
ten Nervenzellen  des  Gehirns  verknĂŒpft,  so  daß  die  Ganglien 
der  Sinnesorgane  im  Gehirn  lokalisiert  sind.  Dort  sind  be- 
stimmte Ganglien  mit  bestimmten  anderen  durch  Nerven- 
fĂ€den verknĂŒpft.  An  jedes  Ganglion  ist  eine  Vorstellung 
gebunden,  die  dem  Menschen  bewußt  wird,  wenn  ein  Reiz 
das  Ganglion  durchströmt.  Fließt  ein  Reiz  von  einem  Gang- 
lion zum  anderen,  so  werden  die  Vorstellungen  beider  mit- 
einander verknĂŒpft;  es  entsteht  ein  Gedanke.  Zwischen  den 
GanglienverknĂŒpfungen,  die  zu  Gedanken  fĂŒhren,  die  mit 
keine  Verbindung  durch  NervenfĂ€den.  Sollte  sie  frĂŒher  ein- 
mal bei  unseren  Vorfahren  bestanden  haben,  so  ist  sie  durch 
Nichtbenutzung  des  Urverbindungsweges  unwegsam  ge- 
worden und  dann  ganz  verschwunden.  So  werden  die 
GanglienverknĂŒpfungen,  die  zu  Gedanken  fĂŒhren,  die  mit 
der  Wirklichkeit  in  Widerspruch  stehen,  auf  Grund  der  Ei- 
fahrung  mit  der  Zeit  von  selbst  aufgehoben.  Das  Gehirn  des 
Einzelnen  ist  im  allgemeinen  konform  mit  seiner  Erkenntnis 
der  Welt. 

Geht  der  Reiz  von  einem  Ganglion  ĂŒber  eine  Reihe  an- 
derer zu  einem  zweiten,  so  werden  dadurch  die  zu  einem  Ge- 
danken verknĂŒpften  Vorstellungen  spezialisiert:  der  Gedanke 
ist  kein  allgemeiner:  Diese  besonderen  Vorstellungen  und  Ge- 
danken sind  die  ursprĂŒnglichen  gewesen.  Wird  das  Anfangs- 
und Endganglion  auf  verschiedenen  Bahnen  ĂŒber  andere 
Ganglien  miteinander  verbunden,  so  wird  der  durch  Reize 
hervorgerufene  Gedanke  schon  ein  allgemeinerer.  Werden 
aber  aus  der  Balm  mehr  imd  mehr  Ganglien  ausgeschaltet, 
so  wird  der  entsprechende  Gedanke  immer  allgemeiner  und 
am  allgemeinsten,  wenn  zwischen  den  beiden  Ganglien  eine 
unmittelbare  Verbindung  hergestellt  wird,  die  gangbarer  als 
alle  mittelbaren  ist. 

Zwingen  die  Beobachtungen  der  Welt  zur  Bildung  eines 
neuen  Gedankens,  so  ist  ein  Nervenfaden  zu  bilden,  der  ĂŒber 
alle  Ganglien  lÀuft,  deren  Vorstellungsinhalt  mit  dem  neuen 
Gedanken  in  Verbindung  steht.  Zwischen  vielen  dieser 
Ganglien  bestehen  schon  VerbindungsfÀden;  nur  an  einigen 
Stellen,  schließlich  nur  an  einer  einzigen  fehlt  die  Verbin- 
dung noch.  Infolge,  der  Reize  senden  die  noch  nnverbundenen 
Ganglien  FĂ€den  aus.  Falls  diese  sich  berĂŒhren  und  inein- 
ander mĂŒnden,  so  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  den  Reiz  durch 
die  ganze  Kette  zu  ĂŒbertragen,  wenn  er  hinreichend  stark  ist, 
um  den  neugebildeten  schwachen  Verbindungsfaden  zu 
passieren:  dann  ist  der  neue  Gedanke  geschaffen,  aber  noch 
nicht  konserviert.  Die  geschlossene  Verbindung  kann  wieder 
zerreißen,  besonders  wenn  sich  die  Gedanken  jagen  und  neue 
Gedankenverbindungen  eintreten.  Kommt  spÀter  derselbe 
Gedankenfluß  erneut  zustande,  dann  kann  das  GlĂŒck  es 
bringen,  daß  die  BrĂŒcke  zwischen  den  beiden  Ganglien  noch 
einmal  hergestellt  wird  und  der  neue  Gedanke  wieder  im  Be- 
wußtsein erscheint.  Jetzt  ist  schon  im  voraus  die  Aufmerk- 
samkeit auf  ihn  gerichtet,  so  daß  er  aufgeschrieben  wird  und 
dadurch  immer  neu  produziert  werden  kann;  zugleich  wird 
der  Verbindungsfaden  immer  gangbarer.  Aber  der  neue  Ge- 
danke ist  noch  an  viele  besondere  Vorstellungen  geknĂŒpft,  so 
daß  er  als  allgemeiner  noch  nicht  in  Anspruch  genommen 
werden  kann.  Die  PrĂŒfung  der  Wirklichkeit,  ob  die  Ver- 
allgemeinerung ĂŒberhaupt  statthaft  ist,  spricht  oft  das  Todes- 
urteil ĂŒber  den  Gedanken  selbst  aus. 

Aber  ebenso  schwierig  wie  es  ist,  einen  neuen  allgemeinen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


R  <;  f  e  r  a  I  6 


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Gedanken  zn  fassen,  wie  es  etwa  Newtons  Gravitationsgesetz 
oder  das  Gesetz  von  der  Erhaltung  der  Energie  gewesen  ist, 
ist  es  auch,  sich  von  einem  Gedanken,  der  auf  einer  falschen 
VerknĂŒpfung  von  Vorstellungen  beruht,  frei  zu  machen, 
selbst  wenn  man  die  Unrichtigkeit  des  Gedankens  genau 
Kennt.  Die  Wenigsten  werden  beim  Sonnenaufgang  den  un- 
mittelbaren Gedanken  habin,  dajß  die  Erscheinung  der  Um- 
drehung der  Erde  um  ihre  Axe  zu  danken  ist.  Nur  auf  einem 
Umwege  wird  dieser  Gedanke  geweckt.  Der  falsche  Gedanke 
Stimmt  aber  so  sehr  mit  der  Beobachtung  uberein,  daß  die 
falsche  VerknĂŒpfung  der  Ganglien  (Sonne  und  Bewegung) 


dauernd  erhalten  bleibt  und  auch  auf  das  Gehirn  der  Nach- 
kommen vererbt  wird. 

Falsche  Gedanken  abzuschĂŒtteln,  ist  dabei  ebenso  mĂŒh- 
sam, wie  neue  zu  bilden.  Daher  kommt  es,  daß  gerade  die 
Gelehrten,  die  sieh  am  intensivsten  mit  der  Wissenschaft  be- 
schÀftigt hallen,  sich  neuen  Gedanken  auf  ihrem  Gebiete  am 
stÀrksten  widersetzen,  da  die  VerbindungsfÀden  ihrer  Ge 
dankenbahnen  fĂŒr  sie  zu  wegsam  sind,  als  daß  sie  dieselben 
verlassen  könnten.  Erst  das  neue  Geschlecht  nimmt  die 
neue  Wahrheit  ohne  Schwierigkeit  auf  und  versteht  nicht, 
was  das  alte  am  Begreifen  derselben  behindert  hat. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Berliner  klinische  Wochenschrift. 

15).  Dezember  1921,  58,  Nr.  51. 

Die  Kultur  des  l-"h  ekfiehervirus     außerhalb     des     Körpers     (1.  Teil). 
Kuczyn.ski.   M.   H.  1489. 

(Jeher  einen  Fall  von  jugendlicher  Olaudicatio  intei'.nittcuÀ  non  arterioscle- 

rotica  mit  Raynaudschen  Erscheinungen.    '1  ablas.  E.  1493. 
Ein  Fall  von  Polyneuritis  mit  erhaltenen  Knie-Seluien-Reflcx.en.  Tetzner, 

II.  Zt,  1494. 

1 'eher  operative   Behandlung   des   Schulter-Schlottergeleinks     nach  Sehuß- 
lÀhmungen.     M  a  n  a  s  s  e  .  P.  1494. 

♩Ueber  Abortbehandlung.     II  a  m  m  e  r  s  Chi  a  g.  1497. 

Ueber  den  heutigen  Stand   des  Kasedowprnhlems  in     Theorie     und  Praxis. 

Melchior,  E.  1500. 
Gciniiis  epidemieus  (in  Berlin).    M  a  g  e  1  s  s  e  n  ,  A.  1504. 
Der   serologische    Luesuachweis    mittels    der     Flockungsreaktionen  naeii 

Sachs-Georgi  und  Meinickc     und     der     Wasserrflannschcn  Reaktion. 

Sehneider,  M.  1508. 

Ueber  Abortbehandlung.  H  a  m  m  erschlag  kommt  in  der 
Frage  der  zweckmĂ€ĂŸigsten  Abortbehandlung  im  scharfen  Gegen- 
salz zu  den  Auffassungen  Siefarts  zu  folgenden  GrundsÀtzen: 

1.  In  geeigneten  FĂ€llen  von  Blutungen  ist  der  Versuch  zu 
machen,  die  Schwangerschaft  zu  erhalten. 

2.  In  allen  anderen  FĂ€llen  ist  in  erster  Linie  die  Spontanaus- 
stoßung  des  Abortes  anzustreben. 

3.  Inkomplette  aseptische  Aborte  sind  aktiv  zu  beenden. 

4.  Septische  Aborte  sind  zunÀchst  exspeklativ  zu  behandeln. 

5.  Die  digitale  AusrĂ€umung  mit  gelegentlicher  UnterstĂŒtzung 
durch  geeignete  Instrumente  ist  das  fĂŒr  den  Praktiker  beste 
Verfahren. 

Medicinische  Klinik. 

11.  Dezember  1912,  17,  Nr.  50. 

I.  lieber  einen  klinisch  und  anatomiiisch  untersuchten  Fall  i-r>n  Meningitis 
cerebrospinalis  acuta  syphilitica  (mit  positivem  SpdroehÀtenbefund)  im 
FrĂŒhstadium  der  Lucs.  Nonne,  Hamburg-Eppendorf.  1501. 
Zur  chemotherapeutischen  Aktivierung  der  Salvarsanpraparate  mit  besonderer 
BerĂŒcksichtigung  der  Metallsalvarsanc  und  der  einzeiligen  intravenösen 
Salvarsnu-Quccksilhrrthcrapic.    Hole.  \Y,  i:>04. 

Zur  Klinik  und  Therapie  des  intermittierenden  Hinkcus.     Schlesinge  r. 
II.  1507. 

I    ♩Ueber  die  unspeziifische  Theripie  und  Prophylaxe  der  progressiven  Paralyse. 
F  l  s  c  o  e  r.  Oskar,  Prag  1509. 

♩Ueber    Behandlung    der    exsudativen    Form    der    Peritonealtuberkulose  mit 

Pneumoperitoneum.   S  o  r  g  o  und  F  r  i  t  z.  1513. 
[   Umfrage    ĂŒbar    die    Behandlung    des    septischen  Ahortcs.     Antworten  von: 

P  e  h  a  m,  Wien,  von  F  r  a  n  q  u  e.  Bonn.   Z  a  n  g  e  meiste  r  Marburg. 

151S. 

Methodenwahl    in    der  Röntgendiagnostik,     Die    unzweckmĂ€ĂŸigen    und  die 
zweckdienlichen  Wege.    Fordes.  Fritz.  1516. 
❖Zur  Cymanintherapie.    B  o  n  s  m  a  n  n.  1518. 

"rFeher    das    Vorkommen    von    Diphtheriehazillen     im     Auswurf.      M  C  V  0  r, 
Kurt.  1520. 

Geburtshilfe  der  Unfallstation.    Runge,  Emst.  1521. 

Leber  die  unspezifische  Therapie  und  Prophylaxe  der  pro- 
gressiven Paralyse.  Fischer  hat  seine  bereits  im  Jahre  1912 
Begonnenen  Versuche  der  Behandlung  der  Paralyse  mit  Natrium 
pĂŒcleinicum  fortgesetzt  und  berichtet  ĂŒber  eine  grĂ¶ĂŸere  Anzahl 
von  FÀllen,  von  denen  ein  Teil  SanatoriumsfÀlle,  also  bereits 
vorgeschrittene  FĂ€lle  waren,  ein  Teil  aus  der  Sprechstunden- 
Praxis  stammte,  also  sich  im  Initialstadium  befanden.  Es  zeigte 
sich  nun.  daß  Letztere  FĂ€lle  einen  wesentlich  höheren  Heilungs- 


prozentsatz gaben,  als  erstere,  daß  ferner  die  Menge  des  ver- 
wendeten Nucleins  eine  Rolle  spielt  und  daß  auch  das  Alter  der 
Patienten  von  nicht  unwesentlichem  Einfluß  auf  das  Resultat 
blieb,  insofern  als  die  Erfolge  bei  Patienten  unter  40  Jahren 
bessere  waren  als  bei  Ă€lteren.  Unter  BerĂŒcksichtigung  dieser 
Faktoren  bei  der  Aufstellung  der  Statistik  konnten  in  55  Prozent 
der  FĂ€lle  Heilungen  konstatiert  werden,  und  nur  27  Prozent 
blieben  ungeheilt.  Unter  den  Geheilten  befinden  sich  2  FĂ€lle, 
die  jetzt  bereits  seit  9  Jahren  voll  arbeitsfÀhig  sind.  Aus  seinen 
bisherigen  Erfahrungen  heraus  gewinnt  Verfasser  den  Eindruck, 
daß  die  besten  Resultate  dann  zu  erzielen  sind,  wenn  die  Nuclein- 
therapie  in  AbstÀnden  wiederholt  wird.  Die  Behandlung  wurde 
in  der  Weise  durchgefĂŒhrt,  daß  von  einer  10  prozentigen  Lösung 
von  Natrium  nucleinicum  in  Wasser  in  AbstĂ€nden  von  3 — 4  Tagen 
von  2,5 — 3  cem  an  steigend  ĂŒber  5,7  bis  zu  10  cem  injiziert  wird. 
Nach  einer  Pause  von  14  Tagen  wird  das  Verfahren  wiederholt. 
Worauf  es  ankommt,  ist,  daß  bei  den  Patienten  lĂ€ngere  Zeit  hin- 
durch  eine  Leukozytose  erhalten  bleibt. 

Ueber  Behandlung  der  exsudativen  Form  von  Peritoneal- 
tuberkulose mit  Pneumoperitoneum.  S  o  r  g  e  und  Fritz  haben 
in  einem  Fall  von  Bauchfelltuberkulose  mit  Ascites  durch  Ein- 
blasen  von  Luft  in  den  Peritonealraum  nach  Ablassen  des  Ex- 
sudats Heilung  erzielt.  Die  Wirkung  ist  wahrscheinlich  auf  eine 
Besistenzerhöhung  des  Peritoneums  unter  der  Druckwirkung  der 
eingeblasenen  Luft  zurĂŒckzufĂŒhren.  Kontraindiziert  ist  der  Ein- 
griff bei  gleichzeitig  bestehender  Darmtuberkulose  oder  bei  peri- 
tonealen Verwachsungen,  sowie  bei  Fehlen  von  Exsudat  wegen 
der  dann  bestehenden  Gefahr  einer  Darmverletzung  bei  EinfĂŒh- 
rung des  Salomon'schen  Katheters.  Eine  NachfĂŒllung  von  Luft 
ist  erforderlich  bei  Wiederansteigen  des  Exsudats.  Der  Eingriff 
selbst  wurde  von  den  Verfassern  in  der  Weise  vorgenommen, 
daß  nach  Jodierung  der  bei  Ascitespunktion  ĂŒblichen  Einstich- 
stelle und  AnÀsthesierung  mit  Novokain  der  Salomon'sche 
Katheter  eingestochen  und  zunÀchst  das  Exsudat  abgelassen 
wurde.  Durch  dieselbe  Hohlnadel  wurde  dann  mittels  des 
Sorgo  sehen  Pneumothoraxapparates  1 — 1 Liter  Luft  einge- 
blasen,  etwa  die  HĂ€lfte  des  abgelassenen  Exsudates.  Zu  ver- 
meiden ist  jede  stÀrkere  Spannung  des  Abdomens  und  dem  sub- 
jektiven Befinden  des  Patienten  Rechnung  zu  tragen. 

Zur  Cymarintherapie.  Verfasser  hat  seine  bereits  vor  meh- 
reren Jahren  begonnene  DurchprĂŒfung  des  Mittels  fortgesetzt  und 
verfĂŒgt  jetzt  ĂŒber  200  FĂ€lle  verschiedenster  Art  von  Kreislauf- 
störungen. Nach  diesen  Untersuchungen  scheint  das  Mittel  ganz 
besonders  bei  Störungen  im  kleinen  Kreislauf  zu  wirken.  So 
wurden  sehr  gute  Besultate  in  40  FĂ€llen  schwerer  Pneumonie 
mit  ausgedehnten  Lungenprozessen  und  oft  hochgradiger  Cyanose 
erzielt.  In  diesen  FĂ€llen  wurde  das  Cymarin  in  einer  Dosis  von 
0,001  dreimal  tÀglich  intravenös  gegeben,  wodurch  gleichzeitig 
eine  sedative  Wirkung  eintrat.  Durch  diese  sedative  Kompo- 
nente ist  das  Mittel  in  den  FĂ€llen  von  Pneumonie  kontraindiziert, 
wo  schon  von  vornherein  große  HinfĂ€lligkeit  und  SchlĂ€frigkeit 
bestehen.  Auch  in  FĂ€llen  von  Arteriosklerose  wurde  das  Mittel 
mil  vertragen,  soll  jedoch  bei  schwerer  Sklerose  nicht  intra- 
venös gegeben  werden.  Bei  schwerer  SchÀdigung  des  Herz- 
muskels soll  es  nur  intramuskulÀr  angewandt  werden;  wo  aber 
diese  Art  der  Applikation  nicht  ausreicht,  sind  intravenös  nicht 
mehr  als  höchstens  0,5-  0,7  mg  zu  geben.  Vereinzelte  Extra- 
systolen  bilden  keine  Kontraindikation,  gehÀufte  dagegen  ver- 


72 


Ans  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  — Nr.  3. 


hingen  Aussetzung  des  Mittels.  Kumulationen  des  Mittels  und 
Gewöhnung  wurden  nicht  heobachtet.  Als  ĂŒbliche  Dosis  hat 
Verfasser  —  mit  Ausnahme  der  obengenannten  FĂ€lle  —  0,001 
innerhalb  24  Stunden  gegeben,  und  diese  Dosis  besonders  bei 
organischen  Herzleiden  nicht  ĂŒberschritten.  Als  Grenzdosen 
haben  nach  ihm  0,o  und  3.0  mg  pro  die  zu  gelten. 

lieber  das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  im  Auswurf. 

Meyer  konnte  aus  hundert  hintereinander  eingesandten  Sputis 
in  15  FĂ€llen  ■  Diphtheriebazillen  rein  zĂŒchten,  obwohl  aus  Ă€ußeren 
GrĂŒnden  auf  die  ReinzĂŒchtung  nicht  viel  Zeit  verwandt  werden 
konnte.  Drei  von  diesen  Kulturen  erwiesen  sich  als  virulent.  In 
einem  zur  Sektion  gelangten  Fall  von  Lungentuberkulose  konnte 
auch  aus  dem  Lungenparenchym  Diphtheriebazillen  gezĂŒchtet 
werden.  Dieser  Befund  stimmt  mit  anderen  schon  frĂŒher  von 
anderer  Seite  gemachten  Beobachtungen  ĂŒberein.  Die  Ansied- 
lung  von  Diphtheriebazillen  in  pathologisch  verÀnderten 
Atmungsorganen  veranlaßt  Verfasser,  besonders  auf  die  Gefahr 
der  Weiterverbreitung  bei  hustenden  Kranken  hinzuweisen. 

Silbermann  (Charlottenburg  . 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

23.  Dezember  1921.  Nr.  51. 

Lymphozytose.    W  e  i  <‱  k  s  e  1  .  1643. 

Moroscher  Umklamincaningsreflcx   u.  fj.   Mi'n(l/,iiiskisrln>n   Nfackenzeichen  ul> 

Reflexe  dos  NĂ€uglingsalters.    V  r  e  u  d  e  n  Ii  e  r  g.  I64fi. 
Thorakoskopie.    K  o  f  Ii  s  e  I).  1647. 
❖Kalorische  Erregung  des  Ohi-lnliyrintlis.    Ii  r  i  e  M  in  u  n  n.  1648. 
d'Herellesches  PhÀnomen.    R  i  m  p  a  u.  Kits. 
Oesophagusatresie.     G  ö  p  p  eil.  1649. 
SpÀttetanus.    Reh  m.  1649. 

Traumatische  Ruptur  am  Ductus  ßhoIeUochu«.     B  u  'I  11  e  r  g  Ifi.vi. 
❖Klarheit.   T  o  e  p  1  i  t  z.  1651. 
Zahnpflege.    K  ii  h  n.  1652. 

Vntropomcltrie  und  Medizin.     S  6  Ii  G  i  d  t.  16BS. 
Schmerzlose  Gehurt,    v.  Octting  e  n.  1654. 
Tetanus  nach  Starkstruniverbreniiiuug.  1655. 

Zur  kalorischen  Erregung  des  Ohrlabyrinths.  VorlÀufige 
kurze  Mitteilung.  Zur  kalorischen  PrĂŒfung  ist  SpĂŒlung  des  Ge- 
hörganges gar  nicht  notwendig;  Einlegen  eines  Wattebausch 
chens,  das  mit  kaltem  oder  heißem  Wasser  angefeuchtet  ist,  oder 
Auflegen  eines  feuchten  Lappens  auf  die  Halsmuskulatur  unter- 
halb des  Ohres  ruft  dieselben  Reaktionen  hervor.  Danach  be- 
stehen enge  ZusammenhÀnge  zwischen  Haut  und  Vestibularappa- 
rat  und  das  Ohrlabyrinth  ist  als  feiner  temperaturempfindender 
Nervenapparat  aufzufassen. 

Klarheit  (BeitrÀge  zur  Tuberkulosefrage).  Verf.  behandell 
die  auf  dem  Tuberkulosegebiet  herrschende  Unklarheit  der  Be- 
griffe, besonders  bezĂŒglich  der  beginnenden  Erkrankung.  Zum 
Referat  nichl  geeignet.  Lesen  des  Originalartikels  dringend  zu 
empfehlen.         F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

1  7.  Dezember  1921,  48.  Nr.  50. 

❖f  irupuenreaktion    mit    Blutkörperchen    zum  Nachweis    aktiver  Tuberkulose. 

K  ii  in  m  e  1  1  jr.  1822. 

❖Methode  zum   Auffinden  von  Hirntumoren.  M  e  y  e  r  ,  W,  1824. 
❖Apparat  zur  Bestirnrnung  des  elektrischen  Widerstandes  im  Gehirn.   8  c  h  I  ĂŒ  - 

ter.  1827. 

Beitrag  zur   Technik  der  Magenoperatinnen.  Orth,  1828; 

AchscIliiihlenfurunUiilij-e.     II  e  i  d  e  n  Ii  a  i  n.  1891. 

Gr  Uppenreaktion  mit  Blutkörperchen  zum  Nachweis  aktiver 
Tuberkulose.  Bei  der  Eigenharn-  und  Eigenserumreaktion  von 
Wildbolz  tritt  hin  und  wieder  an  der  Injektionsstelle  eine  Haut- 
nekrosc  auf.  Auf  W. 's  Erfahrungen  fußend,  hat  Verf.  versucht,  ein 
anderes  Reagens  zu  finden,  dem  diese  nekrotisierenden  Eigen- 
schaften des  Urins  fehlten.  Ein  solches  fand  er  in  den  Blut- 
körperchen. 10  cem  Blut  werden  mit  der  gleichen  Menge  Pepton- 
bouillon  gemischt  und  bis  zum  Absetzen  stehen  gelassen;  der 
Bodensatz  besteht  aus  Blutkörperchen  und  ist  ohne  weiteres 
impfferlig.  Die  Impfung  geschieht  intrakutan;  die  Reaktion  ver- 
lÀuft wie  bei  den  anderen  intrakutanen  Proben. 

Methode  zum  Auffinden  von  Hirntumoren  bei  der  Trepanation 
durch  elektrische  Widerstandsmessung.  —  Apparat  zur  Bestim- 
mung des  elektrischen  Widerstandes  im  Gehirn.  Die  Lokalisation 
von  Hirntumoren  ist  selbst  nach  eröffneter  Dura  —  hĂ€ufig 
nicht  möglich.  Verf.  fand  nun  einen  großen  Unterschied  in  der 
elektrischen  LeitfÀhigkeit  des  Gehirns  und  des  Gehirntumors. 
Durch  Tier-  und  Leichenversuche  wurde  festgestellt,  daß  das 
normale  Gehirn  etwa  550  bis  050  Ohm  Widerstand  leistete,  der 


Tumor  dagegen  nur  etwa  200.  In  einem  Operationsfall  wurde  ein 
Kleinhirntumor  auf  diese  Weise  lokalisiert.  Genaue  Beschrei- 
bung des  Apparates. 

24.  Dezember  1921.  48,  Nr.  51. 

\l  1 1 rci  i  In- mi sehe    Chiru rgen  verein!  srung.     i B53, 

K.  Wohlgemut  h  Berlin 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

24.  Dezember  1921,  45,  Nr.  51. 

❖  Anatomisch-pathologische  BeitrĂ€ge  zur  weiblichen  Gonitaltuberkulose.  Ber- 

told n  i  ,  G.  1830. 

Beitrag  zur  Frage:  Herzfehler  und  Schwangerschaft.  Bemerkungen  zu  der 
gJeichnamiiigiein  Arbeil  von  Paul  Werner  und  Kud.  Stiglbauer  im  Aich.  F. 
Gyn/,  Bd.  CXV,  lieft  1.   v.  Jiaschke,  R.  Tb.  1837. 

Geburt,  kompliziert  durch  einen  Ovarialtumor.  B  j  ö  r  k  e  n  h  e  i  m  .  ICd.  A. 
1838. 

❖  l'elier  die  Art  der  Weiheuanrcgung  durch  Hy  pophysenextraktc  and  ĂŒber  das 

neue  Mittel  Physormon.    C  a  1  m  a  n  .  A.  1841. 
Zur  Collifixatio  uteri.    G  r  a  f  .  E,  1843. 

Anatomisch-pathologische  BeitrÀge  zur  weiblichen  Genital- 
tuberkulose. Verfasser  untersuchte  das  Material  der  Univ- 
Frauenklinik  Berlin,  im  ganzen  55  FĂ€lle  von  Genitaltuberkulose. 
Am  meisten  war  das  Peritoneum  betroffen,  43  mal;  die  Tube 
wurde  in  19  FĂ€llen  als  krank  befunden,  je  7  mal  mit  Corpus  uteri 
und  Ovarium  4  mal  Cervix  und  je  1  mal  Portio  und  Vulva.  Auch 
an  diesem  Material  zeigte  sich  die  schon  öfters  betonte  Schwie- 
rigkeit der  makroskopischen  Diagnose,  da  das  Vorkommen  von 
grauweißen  Knötchen  auf  dem  SerosaĂŒberzug  der  Genitalien,  be- 
sonders der  Tuben,  die  sofort  den  Verdacht  auf  Tuberkulose  er- 
wecken, doch  nicht  allzu  hÀufig  ist.  Sehr  hÀufig  werden  vor- 
handene Knötchen  deshalb  ĂŒbersehen,  weil  sie  von  AdhĂ€sionen 
bedeckt  sind,  oder  sie  werden  fĂŒr  Serosa zysten  gehalten,  die  je- 
doch zum  Unterschied  von  Tuberkulose  fast  ausschließlich  auf 
der  dorsalen  Seite  der  Adnexe  und  Ligamente  vorkommen.  Unter 
dem  Material  war  kein  Fall  von  primÀrer  Infektion  der  Geni- 
lalien  und  Aufsteigen  des  Krankheitsprozesses.  Die  hÀmalogene 
Infektion  scheint  recht  selten  zu  sein,  viel  hÀufiger  die  sekundÀre 
Infektion  der  Eileiter  durch  Eintauchen  des  Fimbrienendes  in  die 
peritoneale  FlĂŒssigkeit  oder  durch  Einschwemmen  derselben  in 
den  Tubentrichter.  Die  Peritonealtuberkulose,  von  der  die  In- 
lektion  der  Genitalien  in  den  meisten  FĂ€llen  herrĂŒhrt,  entstamml 
ĂŒberwiegend  bereits  dem  Kindesalter.  Was  das  Alter  der  Pa- 
tienten betrifft,  so  kamen  die  meisten  Erkrankungen  zwischen 
dem  20.  und  40.  Lebensjahre  vor;  relativ  hÀufig  (5  mal)  wurden 
Erkrankungen  im  7.  Jahrzehnt.  2  mal  sogar  im  8.  Jahrzehnt  kon- 
statiert. Es  stimmt  dies  mit  der  Anschauung  von  Lubarscli 
iiberein,  daß  die  Tuberkulose  im  hohen  Alter  hĂ€ufig  vorkommt. 

Ueber "die" Art'der  Wehenanregung  durch  Hypophysenextrakte 
und  ĂŒber  das  neue  Mittel  Physormon.  Das  wesentliche  Anwen- 
dungsgebiet der  Hypophysenextrakte  war  seither  das  Endstadium 
der  Eröffnungsperiode,  die  Austreibungs-  und  Nachgeburts- 
periode. Auf  die  jĂŒngst  veröffentlichte  Empfehlung  von  Arthur 
St  ein -New  York  hin  hat  Verfasser  versucht,  das  Mittel  in 
kleinen  Mengen  auch  zur  Einleitung  der  Geburt  am  Ende  der 
Schwangerschaft  zu  benutzen,  hatte  jedoch  keinen  Erfolg.  Da- 
gegen hat  sich  das  Mittel  in  kleinen  Dosen  —  2  Tropfen  Pituitrin 
intramuskulĂ€r  mehrmals  in  AbstĂ€nden  von  je  1  Stunde  —  bei 
Wehenmangel  in  jedem  Stadium  der  Geburt  bewÀhrt.  Bei  nicht 
genĂŒgendem  Resuilat  kann  die  Wirkung  durch  Chinin  in  kleinen 
Dosen  verstÀrkt  werden.  Als  bestes  deutsches  Hypophysen 
prÀparat  empfiehlt  C.  das  Physormon,  mit  dem  auch  in  der  Ham- 
burger UniversitĂ€ts-FrauenkÜnik  sehr  gute  Erfolge  erzielt  wur- 
den. Unangenehm  ist  jedoch  auch  bei  diesem  PrÀparat  die  leicht 
zu  Angiospasmen  fĂŒhrende  blutdrucksteigernde  Kraft,  die  sich 
in  plötzlich  eintretender  hochgradiger  BlÀsse,  Schwindel-  und 
OhnmachtsgefĂŒhl  und  starkem  Kopfdruck  Ă€ußern. 

Speyer  'Berlin 

Dermatologische  Wochenschrift. 

3.  Dezember  1921.  Nr.  48. 

❖Saivansanerythein  und  Herxheiimersche  Reaktion.    Hess  e,  Max. 
Stoffwechselpathologie  und  Hautkrankheiten.    Pfllay,  F.rwin. 

Salvarsanerythem  und  Herseheimersehe  Reaktion.  Im  An- 
schluß an  einen  artifiziellen  Fingerschnaker  eines  Zahnarztes 
entwickelte  sich  eine  Lymphangitis:  ein  zufÀllig  auftretendes 
Salvarsanexanthem  zeigte  sich  besonders  stark  an  dieser  H. 
glaub!  daher,  die  Lymphangitis  habe  eine  SchÀdigung  der  Wams 


10.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


73 


dĂŒngen  der  entsprechenden  Blut-  und  LymphgefĂ€ĂŸe  hervor 
gerufen,  hierdurch  sei  ein  locus  minoris  resistentiae  geschaffen 
worden,  auf  dem  sich  das  auftretende  Krylhem  hesonders  gul 
entwickeln  konnte.  Analog  dieser  Beobachtung  halt  II  auch  hei 
der  Herxheimerschen  Reaktion  eine  GefĂ€ĂŸwandschĂ€digung  fĂŒr 
die  Hauptursache  ihres  Zustandekommens.  Bab 

10.  Dezember  1921,  Nr.  1!). 

Kin  unter  dem  BiJil  einer  Miliaria  rubra  verlaufener  Fall  von  ausgedehnter 
Oidiomykosc  (Miliaria  rubra  oidiotnyeetica).    Miescher.  O. 

Kiu  in  Deutschland  beobachteter  Kall  von  Creeping  Disease.  A  p  pel,  ‱) 
❖Kin  Weg  zur  VerhĂŒtung  und  Behandlung  des  Stomatitis  mercurialis. 
Sohrens,  Hans  Th. 

Felix  Lewandowsky  v.    A  i  m  i  n  g.  E. 

Ein  Weg  zur  VerhĂŒtung  und  Behandlung  der  Stomatitis 
mereurialis.  Sch.  empfiehlt  zur  VerhĂŒtung  und  Behandlung  der 
Stomatitis  mercurialis:  3 mal  tĂ€glich  1  Eßlöffel  Sol.  Natrii  jodal 
innerlich  mit  gleichzeitigen  MundspĂŒlungen  von  1  Prozent  H2  Os 
bzw.  Touchierungen  mit  Ortizonstiften.  B  a  b. 

17.  Dezember  1921.  Nr.  50. 

❖Ueber  neuere  Mittel  zur  Förderung  des  Haarwuchses  auf  der  Grundlage  der 
physiologischen  Betrachtung  des  Wachtums.    Friedentha  1  .  Hans, 

❖Ueber  die  Erfolge  mit  der  einzeitig  kombinierten  Xeosalvarsan-Cyarsalbeband- 
lung.   Labaud,  Paul. 

l'eber  Entwicklung  und  Forschung  wege  der  neueren  Dermatologie.  [Rek- 
toratsrede.]    Rieh  I,  Gustav. 

Ueber  neuere  Mittel  zur  Förderung  des  Haarwuchses.  F. 
wendet  sich  gegen  die  von  Zuntz  empfohlene  interne  Verab- 
reichung von  Stoffen,  die  zur  Haarbildung  notwendig  sind,  um 
Glatzehbildung  zu  bekÀmpfen,  da  diese  Stoffe  zystinreich  zu  sein 
pflegen  und  daher  möglicherweise  Nieren-  und  Kreislaufstörun- 
gen hervorrufen  können.  Außerdem  ist  nicht  einzusehen,  warum 
gerade  die  geschwÀchten  und  absterbenden  Haarpapillen  eine 
besondere  Anziehungskraft  auf  die  im  Blute  kreisenden  Horn- 
stoffe ausĂŒben  sollen;  vielmehr  ist  anzunehmen,  daß  die  Haar- 
wĂŒchsförderung gerade  an  unerwĂŒnschten  Stellen  eintreten  wird. 
Er  hĂ€lt  daher  die  Weidner'sche  Empfehlung  fĂŒr  wTeit  zweck- 
mĂ€ĂŸiger, durch  lokale  Einreibungen  von  Heratin  Spaltungspro- 
dukten unter  gleichzeitiger  Massage  das  Haarwachstum  anzu- 
regen. 

Ueber  die  Erfolge  mit  der  einzeitig  kombinierten  Neosalvar- 
san-Cyarsalbehandlung  der  "Syphilis.  Bei  der  Neosalvarsan 
Cyarsalmischung  bilden  sich  trotz  Klarbleibens  der  Lösung  un- 
lösliche, metallische  Hg-Verbindungen,  die  jedoch  nur  selten  eine 
Stomatitis  herbeifĂŒhren.  Auch  sonst  ist  die  VertrĂ€glichkeil  der 
Mischung  ausgezeichnet,  selbst  Gravide  vertragen  sie  anslands 
los.  Die  Wirkung  auf  sichtbare  luetische  Erscheinungen  ist  gut 
und  steht  nur  wenig  hinter  der  einzeitigen  Neosalvarsan-Nova- 
surolmischung  zurĂŒck.  Auch  die  Serumreaktion  wird  etwas 
langsamer  und  nicht  ganz  so  hĂ€ufig  negativ  als  bei  dieser;  ĂŒber 
Dauererfolge  kann  man  bei  der  KĂŒrze  der  Beobachtungszcit 
nichts  aussagen.  B  a  b. 

Dermatologische  Wochenschrift. 

24.  Dezember  1921,  Nr.  M 

Ueber  drtisenartiige  Bilder  bei  Basalzellenkrebsen.    K  ra  i  n  /.  Wilfried. 
❖Beobachtungen  ĂŒber  Cyarsal.    N  e  g  e  n  d  a  n  k.  Johanna. 

Beobachtungen  ĂŒber  Cyarsal.  Cyarsal  wurde  sowohl  intra- 
muskulÀr wie  intravenös  gut  vertragen,  doch  steht  seine  Wir- 
kung hinter  der  des  Sublimats  oder  der  des  Novasurol  weit  zu- 
rĂŒck. Auch  die  Wirkung  des  Cy.  in  der  Mischspritze  mit  SĂ€l- 
varsan  kombinierl  ist  nicht  sehr  erheblich,  da  bereits  von 
einigen  Beobachtern  Rezidive  gesehen  worden  sind.  B  a  b, 

Nr.  52.  1921,  31.  Dezember. 

❖Ueber  syphilitischen  I'rimĂ€rai'fekt  an  den  Zehen.    Hill  e.  B. 

Zur  ImmunitÀtsbehandlung  der  Geschlechtskrankheiten.    Dr.  N  o  u  r  a  e  y. 

Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von  Dr.  Xegendank:  Beobachtungen  ĂŒber  Cyarsal. 
O  e  1  z  e,  F.  W. 

❖Bemerkungen  zur  Arbeil  von  Fr.  Bering:  Zur  Abortiv  beliandlung  der  Syphilis. 
P  e  r  u  t  z.  Alfred. 

Ueber  syphilitischen  PrimÀrafiekt  an  den  Zehen.  Da  es  eine 
Literatur  ĂŒber  primĂ€re  Syphilis  der  Zehen  so  gut  wie  nicht 
gibt,  so  veröffentlicht  R.  einen  Fall  von  PrimÀraffekt  der  rechten 
großen  Zehe,  der  im  ĂŒbrigen  keine  Besonderheit  bietet.  Die 
Infektion  kommt  wohl  dadurch  zustande,  daß  die  barfuß  herum- 
laufenden Patienten  an  weggeworfenem  infektiösen  Material  sich 
anstecken,  doch  können  durch  syphilitische  Paronychie  oder 
Zwischenzehenpapeln  infizierte  Fußbekleidungen  als  Zwischen 
trÀger  in  Frage  kommen. 


Zur  A.bortivbehandlung  der  Syphilis.  FĂŒr  die  Prognose  del 
Abortlvkur  der  Syphilis  hÀlt  I'.  die  von  ihm  im  Verein  jiill 
Herr  mann  angegebene  Ausflorkungsrcnklion  TĂŒr  wertvoller 
als  die.  Wassermannsche  Reaktion,  da  sie  im  PrimÀrstadium  der 
Lues  frĂŒher  als  die  Komplementsbindungsreaktion  positiv  wird 
und  so  schon  zeitiger  die  Generali$ation  der  Syphilis  zu  efe 
kennen  gibt.  B  :| 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 

28,  Hell  3. 

❖  Heinrich  Ernst    \ I hers-Sehönbcrg  t- 

❖  Encephalographic.   eine    Methode    zur   röntg  igwtpuisehen    Darstellung  iled 

Gehirns.    B  i  u  g  c  1.  205. 
Beiltrag  zur  Osteomyelitis  der  Dornlm  tsatzo.     R-0  8  O  n  b  °u  r  g.    21  x. 
Eine  neue  Darstellung  der  Nebenhöhlen.    Ts  che  bull.  222: 
❖Die  KĂŒntgcndaktyloskopie.    R  o  t  h  b  a  r  t.  226. 
Zur  Aetiologiie  des  sog.  Kaskad'emm&geus.    S tu  p  6  l.  229. 
Die  VerÀnderungen  de.s  Röntgenbildes  der  Hrustnrgniic  bog  Kyphoskoliosen 

und  Skoliosen.    A  m  e  1  u  n  g.  230. 
Ueber  Fehler  bei  der  Messung  de-  Höhrcuputeurials.    Mies  c  h  e  r. 
Beitrag  zur  Röntgentherapie  der  Ostitis  deformans.    Caan.  239. 
❖Fortschritte    in    der    röntgenologischen    DarsteMbarkeilt    der  Gallensteine 
SchĂŒtze.  247. 
Die  Osmoregulierung.    R  z  e  w  u  s  k  i.  2.">3. 

Die   physikalische   BegrĂŒndung   der   Wirkung   der  Uebeffdeekoinggschicbtcn. 
Bachem.  255. 

Erwiderung  zu  den  AusfĂŒhrungen  des  Herrn  Baelienn.    G  r  ö  d  e  1.  278. 
❖Röntgentherapie:     Heilmethode     oder     iirztliche     Behandlung.  Gutachten. 
H  À  n  i  s  c  h.  260. 

Heinrich  Ernst  Albers-Schönberg  |.  Grashey  widmel  einen 
warmen  Nachruf  auf  den  fĂŒr  die  Wissenschall  allzufrĂŒh  verstor- 
benen grĂ¶ĂŸten  Röntgenologen  Deutschlands.  Als  Opfer  seines 
Berufes  erlag  er  einer  Röntgenkarzinomatose. 

Encephalographie,  eine  Methode  zur  röntgenographischen 
Darstellung  des  Gehirns.  Ohne  Kenntnis  der  amerikanischen 
Autoren  gelang  es  B  i  n  g  e  1  durch  intralumbale  Lufteinblasung 
—  nach  Lumbalpunktion  —  die  Gehirnkonturen  intra  vitam  zur 
Darstellung  zu  bringen.  Die  Abbildungen  sind  höchst  instruktiv 
und  versprechen  ganz  neue  Wege  fĂŒr  die  Diagnostik  zerebraler 
Erkrankungen. 

Die  Röntgendaktyloskopie.  Ein  neues  Verfahren  zur  Iden- 
titÀtsfeststellung. Rothbarl  reibt  den  zu  untersuchenden 
Finger  mit  einer  Mischung  aus  Plumbum  carbonicum,  Stearin, 
creme  aĂ€  ein,  drĂŒckt  ihn  auf  eine  photographische  Platte  und 
stellt  wie  gewöhnlich  eine  Röntgenaufnahme  her.  Wir  erhalten 
ein  exaktes  Bild  der  Fingerfurchen  selbsl  zusammen  mit  dem 
Knochensystem.  Sodann  hat  Verf.  die  LĂ€nge  der  Endphalanx  be- 
stimmt und  sie  in  verschiedene  Gruppen  eingeteilt,  so  daß  diese 
Methode  fĂŒr  den  gerichtlichen  Erkennungsdienst  sehr  gut  ver- 
wendbar ist. 

Fortschritte  in  der  röntgenologischen  Darstellbarkeit  der 
Gallensteine.  Sollte  sich  die  von  Schulze  angegebene  Auf- 
nahmetechnik bewahren,  so  wÀre  sie  tatsÀchlich  ein  erfreulicher 
Fortschritt,  denn  er  konnte  in  50  %  seiner  GallensteinfÀlle  die 
Gallensteine  auf  der  Platte  zur  Darstellung  bringen 

Röntgentherapie:  Heilmittel  oder  Àrztliche  Behandlung.  Dies« 
Frage  beantwortet  DĂ€nisch  in  seinem  Gutachten  dahin,  daß 
die  Anwendung  eines  derartig  differenten  Mittels  wie  die  Rönt- 
genstrahlen, welches  nur  durch  einen  in  diesem  Fach  besonders 
ausgebildeten  Arzt  erfolgreich  benutzt  werden  kann,  als  rein 
iirztliche  TĂ€tigkeit  angesehen  werden  muß. 

M  i  c  Ii  a  e  1-1  s. 

4.  Hell. 

Zur  Röntgendiagnostik  des  Magen-Darmkatvals  der  Neugebdrenerf.    V  <>  g  I 

287.  ;v*   '  .  ■ 

❖VerĂ€nderungen  den-  mĂ€nnlichen  Harun  ihn-  im   Röntgenbild  nach  KontrasJ 

fĂŒlliung.    Kurt  zahn.  294. 
Röntgenbild  eines   peruanischen  .UuniienteiK    s  a  I  u  m  o  n.  .309. 
❖Ueber  den  Vorfußschnicrz.    Engelmann.    31 1 . 
Ueber  den  röntgenologischen  Nachweis  nicht  .schnttengehender  Puein  I körnet 

in  Kmpycmhöhlcn.    S  g  a  1  i  t  z  e  r.  332. 
Die  physikalischen  Grundlagen  der  Tie  icntiherapic.    \l  .i  r  c  h.  339. 
Die  Röntgenuntersuchung  der  l>arminingina-ti>.ii.    K  I  ■>  i  b  <‱  r.  851. 
Ueber   eine   neue    .Methode   der    Eichung   der    Höntgcnapparatc.     S  t  u  u  u  i  gl 

363. 

Die   Tiefenlage    der    im    ĂŒrthodiiagramrn    rapdbildenden  Hetrz-GafĂ€ĂŸpatfieu. 
Hcraheis  e  r.  372. 

KarzinomatĂŒscis  Pseudodivertikel  der     Paore     doce.iidcus  dnuileni.     II  er  tu 
Heise  r.  884. 

VerÀnderung  der  mÀnnlichen  ilaruröhro  im  Röntgenbild  nach 
KontrastfĂŒllung.    Kurt  zahn  fĂŒllte  die  Harnröhre  mit  Baryinu- 


74 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


sulfataufschwemmung.  Hierdurch  erhielt  er  —  wie  aus  den  bei- 
gegebenen Bildern  ersichtlich  —  instruktive  Bilder  der  Harn- 
röhre, welche  pathologisch-anatomische  VerÀnderung  sehr  gut 
erkennen  lassen. 

Ueber  den  Vorfußschmerz.  Engelmann  untersuchte  rönt- 
genologisch eine  große  Reihe  Leute  mit  Vorfußbeschwerden  und 
fand  gewöhnlich  Platt-  und  Spreizfuß;  dabei  meist  hochgradige 
VerÀnderungen  der  Metatarsophalangealgelenke.  Therapie: 
Genau  passende  Schuhe,  vorne  breit  und  genĂŒgend  hoch.  Schuh- 
sohle möglichst  stark.  Der  Schuhabsatz  darf  nicht  zu  hoch  und 
nicht  zu  klein  sein,  man  muß  das  lokale  Belastungsoptimum  her- 
auszufinden trachten.  Die  schmerzende  Stelle  des  Fußes  ist  mög- 
lichst zu  entlasten  (Plattfußeinlage,  keilförmige  halbe  Sohle  an 
Medial-  bezw.  Lateralseite).  Filzpolster  unter  Metarsophalangeal- 
gelenk.   Bei  Hallux  valgus  RedressionszĂŒge. 

Michaelis. 

Monatsschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Leipzig. 

Dezember  1921,  22,  Heft  3. 

♩Fettpolster  und  ErnĂ€hrungszustand.    Kunhc.  O.  HS. 

♩Bedeutung  der  Milz  hei  Injektionen  von  Adrenalin  und  Natrium  nuclemi- 

cum  n  WechseHbezÀehiuingen  zu  einander.    TS  e  u  m  c.  r  .  IT..  H  c  1 1  w  i  g  , 

H.  157. 

♩Atypischer  Keuchhusten   und   bakteriologische   Diagnostik:     T  Ii  i  c  m  a  n  n  . 
C.  471. 

Encephalitis  epidemica.    B  a  r  d  a.  c  h  .  M.  17."). 
♩Die     Bedeutung     des/-   Faeialisphaennmens      im      schulpflichtigen  Alter. 
Schnitze.  A.  484. 

Antikörper  der  Muttermilch.    P  e  t  c  n  y  i  .  (i.  186. 

Fettpolster  und  ErnÀhrungszustand  bei  Kindern.  Um  sich 
ĂŒber  den  ErnĂ€hrungszustand  bei  Kindern  ein  möglichst  objek- 
tives Bild  zu  schaffen,  werden  neben  den  Norm  zahlen  eine  Reihe 
von  Indizes  herangezogen,  die  naturgemĂ€ĂŸ  noch  eine  Reihe  von 
Fehlerquellen  in  sich  tragen.  U.  a.  hat  man  auch  Fettpolster- 
messungen benutzt.  Verfasser  hat  diese  Messungen  an  einer 
großen  Zahl  Leipziger  VolksschĂŒler  vorgenommen  und  erhielt 
im  Durchschnitt  Werte,  die  um  die  HĂ€lfte  hinter  denen  von  Neu- 
mann im  Frieden  erhobenen  zurĂŒckbleiben.  Er  fand  ferner, 
daß  bei  Knaben  in  den  Sommermonaten  eine  Abnahme,  bei  MĂ€d- 
chen dagegen  eine  Zunahme  des  Fettpolsters  zu  verzeichnen  ist 
und  daß  die  in  der  Begabtenklasse  sitzenden  MĂ€dchen  grĂ¶ĂŸere 
Fettpolster-  und  Gewichtszahlen  aufweisen,  als  gleichaltrige 
MĂ€dchen  anderer  Klassen.  Mastkuren  unterzogenen  SchĂŒlern 
höherer  Anstalten  schwand  schon  nach  kurzer  Zeit  das  ange- 
setzte Fettpolster  fast  völlig.  Im  allgemeinen  ist  auch  die  Fett- 
polstermessung zur  Beurteilung  des  ErnÀhrungszustandes  nicht 
zu  unterschÀtzenden  Fehlern  unterworfen: 

Ueber  die  Bedeutung  der  Milz  bei  Injektionen  von  Adrenalin 
und  Natrium  nucleinicum  in  Wechselbeziehungen  zu  einander. 
Bericht  ĂŒber  Versuche  an  Kaninchen  zur  NachprĂŒfung  der  von 
Frey  erhobenen  Befunde.  Danach  tritt  nach  Adrenalininiek- 
tionen  in  den  ersten  15 — 45  Minuten  eine  relative  und  absolute 
Lvmphozvtose  auf,  die  dann  einer  Polynukleose  Platz  macht. 
Unter  UmstÀnden  tritt  die  Lymphozvtose  aber  auch  beim  völlig 
gesunden  Versuchstiere  nicht  in  Erscheinung.  Die  Adrenalin- 
wirkung im  Sinne  einer  Lymphozvtose  wird  durch  vorherige 
Einsnritzung  von  Natrium  nucleinicum,  die  bekanntlich  eine  Po- 
lvnukleose  zur  Folee  hat,  nicht  beeinflußt,  desgleichen  is'  die 
Milzexstirpation  völlig  einflußlos.  Diese  Ergebnisse  stehen  im 
direkten  Gegensatz  zu  den  Frev'scben  Befunden,  dessen  Theorien 
ĂŒber  die  Bedeutung  der  Milz  daher  nicht  haltbar  zu  sein  scheinen. 

Atvnimcher  Keuchhusten  und  bakteriologische  Diagnostik.  Tn 
der  Praxis  kommen  nicht  seilen  FĂ€lle  zur  Beobachtung,  bei 
denen  die  Diagnose  Keuchhusten  ungemein  schwierig  zu  stellen 
ist.  Die  von  Chievitz  und  A.  Meyer  angesehene  „Trönf- 
chensÀuunsrsmethode"  zur  Untersuchung  auf  den  Bordet-Gengou- 
schen  Bazillus  schien  ein  differenzialdiagnostisches,  bei  schwieri- 
gen FĂ€llen  wertvolles  Hilfsmittel  zu  sein.  Verfasser  prĂŒfte  in 
entsprechenden  FĂ€llen  diese  Methode  zuweilen  mit  gutem,  zu- 
weilen ohne  Erfolg  nach.  Die  bakteriologische  Untersuchung 
wird  nach  der  Ansicht  des  Verfassers  zu.  diagnostischen  Zwecken 
fĂŒr  die  Praxis  erst  dann  wertvoll  werden,  wenn  zu  den  bakterio- 
logischen nicht  ganz  einfachen  Untersuchungen  besondere,  auf 
diese  eingestellte  Laboratorien  zur  VerfĂŒgung  stehen. 

Ueber  die  Bedeutung  des  FacialisphÀnomens  im  schuloflich- 
ti«en  Alter.  Auf  Grund  seiner  svstematischen  Untersuchungen 
von  1648  Kindern  beiderlei  Geschlechts  hÀlt  Verfasser  das  Fa- 
cialisphĂ€nomen,  unter  BerĂŒcksichtigung  d«s  gleichzeitigen  Nach- 


weises elektrischer  Uebererregbarkeit  oder  von  spasmophilen 
KrÀmpfen  in  der  Anamnese  bei  mehr  als  Zweidrittel  der  FÀlle 
als  ein  fĂŒr  Spasmophilie  pathognomonisches  Zeichen.  Ein  po- 
sitives FacialisphĂ€nomen  im  spĂ€teren  Kindesalter  muß  daher 
mindestens  als  hochverdĂ€chtig  fĂŒr  das  Vorhandensein  einer  la- 
tenten Spasmophilie  angesehen  werden. 

KĂ€ckell  (Hamburg'. 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Nervenheilkunde,  Leipzig. 

September  1921,  72,  Heft  3/4. 

♩Pathogenese  und  Lokalisation  der  Puly neuritis.    S  t  a  h  1.  R.  I2ĂŒ. 
❖Vererbung  bei  Muskeldystrophie.    W  e  i  t  /.  .  W.  14:5. 
Einige  seltene  Hirntumoren.  H  u  e  b  s  c  Ii  m  a  u  n.  205. 

BeitrĂ€ge  zur  Geschichte  der  Schlafsucht,  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 

Enzephalitis  epidemica.    Ebstein,  E.  225. 
Vakzineurintherapie    peripherer   Nervenerkrankungen.     Reim.  236. 

Zur  Pathogenese  und  Lokalisation  der  Polyneuritis.  Ge- 
legentlich eines  zur  Autopsie  gelangten  Falles  von  schwerer 
nkuter  Polyneuritis  mit  LĂ€hmungen  beider  Beine  sowie  des 
linken  Armes  bei  vollkommener  Arreflexie  ergab  sich  folgender 
Befund:  Im  RĂŒckenmark  nur  eine  akute  Erkrankung  der  Vorder- 
harnzellen, nĂ€mlich  BlĂ€hung  und  Chromatolyse,  ohne  EntzĂŒn- 
dungserscheinungen, in  den  peripheren  Nerven  vereinzelt 
EntzĂŒndung  und  Degeneration;  dagegen  um  die  GefĂ€ĂŸe  der  aus- 
tretenden RĂŒckenmarkswurzeln  ausgesprochene  EntzĂŒndungs- 
erscheinungen, besonders  in  den  ExtremitÀtenplexus.  Die  Patho- 
genese ist  also  wohl  so  zu  erklĂ€ren,  daß  das  krankmachende 
Agens  auf  dem  Blutwege  zu  den  spinalen  Wurzeln  gelangte  und 
hier  EntzĂŒndungen  hervorrief,  die  sich  allmĂ€hlich  auf  das  peri- 
phere Nervensystem  ausdehnten.  Es  ist  damit  zum  ersten  Male 
der  Beweis  erbracht,  daß  der  von  klinischer  Seite  geforderte 
primÀre  Sitz  der  Erkrankung  tatsÀchlich  die  spinalen  Wurzeln 
betrifft.  Weitere  pathologisch-anatomische  Untersuchungen  sind 
abzuwarten. 

Leber  die  Vererbung  von  Muskcldystrophie.  Bei  genauer 
generalogischer  Durchforschung  von  15  erkrankten  Familien,  bei 
denen  Muskeldystrophie  einwandsfrei  festgestellt  ist,  zeigt  sich, 
daß  das  Mendelsche  Vererbunasgesetz  nicht  ausreicht,  um  das 
starke  Ueberwicgen  des  mÀnnlichen  Geschlechts  und  die  sicher 
beobachtete  Vererbung  der  Krankheitsanlage  durch  gesunde 
Frauen  auf  weibliche  Personen  zu  erklÀren.  Es  wird  die  nur 
wenig  befriedigende  Hypothese  aufgestellt,  daß  die  Geschlechts- 
anlage durch  Mutation  fAenderung  der  Erbmasse)  entstehe,  daß 
sie  dem  dominanten  Erbgange  folge  und  im  mÀnnlichen  Ge- 
schlecht in  einem  gewissen  Alter  stets  die  Krankheit  bewirke,  im 
weiblichen  nur  in  einem  Teil,  und  daß  die  EigentĂŒmlichkeit  des 
Weibes,  trotz  bestehender  Anlage  nicht  zu  erkranken,  in  man- 
chen Familien  stÀrker  ist  als  in  anderen.  Die  gesunden  Frauen 
mit  Krankheitsanlage  vererben  die  Anlage  durchschnittlich  auf 
die  HĂ€lfte  ihrer  Kinder.  Haber. 

Psychiatrisch-Neurologische  Wochenschrift. 

19.  November  1921,  Nr.  33/34. 

Der  derzeitige  Stand  der  Krankenpflege   in  den  bayrischen  Irrenanstalten. 
(Schluß.)    A  s  t.  199. 
<5>BadcrhchandIung  in  den  Irrenanstalten. 

BĂ€derbehandlung  in  den  Irrenanstalten.  Umfrage  mit  den 
Antworten  aus  der  Psychiatrischen  Klinik  zu  Jena  (Schulz\  zu 
ZĂŒrich  (Bleuler),  zu  Frankfurt  a.  M.  (Kleist),  zu  Bonn 
(HĂŒbner),  zu  Hamburg  (Wey  g  an  dt),  zu  Berlin  (Bon- 
hoeffer),  dazu  aus  den  öffentlichen  Anstalten  zu  Sorau 
(Ahrensi,  zu  Ellen  (DelbrĂŒck),  zu  Herborn  (Snell),  zu 
Wien  (Scherrer),  zu  Dösen  (N  i  t  s  c  h  e)  und  zu  Altscherbitz 
(Bauer).  Wem.  H.  Becke  r. 

3.  Dezember  1921,  Nr.  35/36. 

ISezuglclue.    B  r  e  s  1  e  r.  211. 
♩Stuporlösung   durch   Kokain.     Becker.  219. 

KozialÀrztliehe  und   sozialpsychatrische  TÀtigkeit  an   der  Heil-   und  Pflege- 
anstalt Wiesloch  (Baden).     M  ö  c  k  c  1.  220. 

Stuporlösung  durch  Kokain.  NachprĂŒfung  der  Bergersehen  Ent- 
deckung, daß  katatonischer  Stupor  fĂŒr  kurze  Zeit  durch  Kokain- 
lösunginjektion zu  heben  sei.  an  6  FÀllen  der  Herbörner  Anstalt. 
In  5  FĂ€llen  negativer,  in  einem  aber  schwach  positiver  Erfolg, 
der  aber  doch  zu  Nachuntersuchungen  bei  frischen  Haftpsychosen, 
bei  als  Unbekannte  Aufgegriffenen  u.  dergl.  FĂ€llen  ermuntert. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


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17.  Dezember  1921,  Nr.  37/38. 

Beiuglebre.    (Schluß.)    Brösle  r.  223. 

♩Zu   dem   Aufsatz:   Telepathie     von     Dr.    l\.    S  c  Ii  111  o  1  ■/.  e  i  s.,  Fried- 
1  À  n  d  e  r.  228. 

Zur  Streitfrage*  der  „okkultistischen  Forschung".    II  o  1  u  I).  230. 

Zu  dem  Aufsatz:  Telepathie  von  Dr.  K.  Schmelzeis.  Polemik 
gegen  Schmelzeis,  die  in  dem  Satze  gipfelt:  „Ich  werde 
öffentlich  erklÀren,  von  dem  bestehen  okkultistischer  Erscheinun- 
gen ĂŒberzeugt  zu  sein,  wenn  mir  solche  ein  einziges  Mal  auf 
Cirund  einer  von  mir  getroffenen  Versuchsanordnung  nachge- 
wiesen wurden.  Es  ist  Sache  der  Okkultisten,  dieser  Aufforde- 
rung nachzukommen.  Nicht  unsere,  zu  beweisen,  daß  es  okkul- 
tistische FĂ€higkeiten  oder  Erscheinungen  nicht  gibt." 

Wem.  H.  Becker. 

Zeitschrift  fĂŒr 
soziale  Hygiene,  FĂŒrsorge  und  Krankenhauswesen. 

3,  Heft  4. 

♩Der  heutige  Stand  der  Siedelungsfrage  und  deren  sozialhygieniscbe  Bedeu- 
tung.   W  e  i  s  b  a  c  h.  97. 

Die       wissenschaftliche       Bedeutung       der  TuberkulosefĂŒrsorgestelle. 
E  f  f  1  e  r.  104. 

Der  Friedensvertrag  und  die  internationale  Sozialpolitik.    F  1  a  t  o  w.  108. 
♩Gesundheitszeugnisse  vor  der  Ehe.    Feilchenfeld.  111. 

Der  heutige  Stand  der  Siedelungslrage  und  deren  sozial- 
hygienische Bedeutung.  W  ei  Ubach  zeigt,  wie  eng  Wirtschaft 
liene  und  sozialhygienische  Gesichtspunkte  gerade  in  der  Siede- 
lungsfrage  miteinander  verknĂŒpft  sind.  Reich  und  LĂ€nder  haben 
durch  die  Gesetzgebung  in  weitestem  Ausmaße  jedem  die  Wege 
geebnet,  der  den  Wunsch  hat,  sich  anzusiedeln.  ‱  Die  Kenntnis 
dieser  vielen  Siedlungsmöglichkeiten  der  Allgemeinheit  zu  ver- 
mitteln, erscheinen  bei  der  außerordentlich  großen  sozialhygieni- 
schen Bedeutung  der  Frage  in  erster  Linie  die  Aerzte  berufen. 
Bei  der  Beratung  ĂŒber  einen  aus  GesundheitsrĂŒcksichten  er- 
forderlichen Berufswechsel  dĂŒrfte  es  sich  wohl  empfehlen,  in 
allen  gesundheitlich  geeigneten  FĂ€llen  nachdrĂŒcklichst  auf  die  An- 
siedelungsmöglichkeit auf  Grund  des  Reichssiedelungsgesetzes 
hinzuweisen. 

Gesundheitszeugnisse  vor  der  Ehe.  Um  die  Gefahr  der 
QualitÀtsverminderung  unseres  Nachwuchses  zu  bekÀmpfen,  sind 
von  den  verschiedensten  Seiten  Gesundheitszeugnisse  vor  der 
Eheschließung  gefordert  worden.  Feilchen  fei  d  berichtet 
ĂŒber  den  jetzigen  Stand  dieser  Angelegenheit.  Die  Ansichten 
gehen  weit  auseinander,  vor  einer  gesetzlichen  Regelung  scheinen 
wir  noch  lange  nicht  zu  stehen.  Daß  dies  keineswegs  eine 
moderne  Forderung  ist,  beweist  die  Angabe  des  Maimonides,  nach 
welcher  schon  im  Mittelalter  eine  Untersuchung  der  jĂŒdischen 
Ehekandidaten  stattfand.  Michaelis  (Bitterfeld). 

5.  Heft. 

lieber  Zeugcgebote.    Poll.  129. 

Die  deutsche  Wohnungsfrage.    Pohl.  137. 

♩Der   Kampf   gegen   die    Kindertubi  ikulose  in    Sowjet-Rußland.     M  a  r  k  vi  - 
s  o  n.  143. 

Bleifarbcnverwertung   zu  Anstreicher-Arbeiten.     Tele  ky.  147. 

Der  Kampf  gegen  die  Kindertuberkulose  in  Sowjet-Rußland. 
Der  Vertreter  des  russischen  Volkskommissariats  fĂŒr  das  Ge- 
sundheitswesen liefert  aus  der  Feder  von  Dr.  Markuson- 
Moskau  einen  lesenswerten  Bericht  ĂŒber  die  FĂŒrsorgebestre- 
bungen der  russischen  Regierung,  welche  sich  natĂŒrlich  bei  der 
hermetischen  Abgeschlossenheit  Rußlands  nicht  nachkontrollieren 
lassen.  Michaelis  (Bitterfeld). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

15.  Dezember  1921,  Nr.  50. 
Zur  Kropffrage.    H  o  t  z  .  G.  1153. 

Die    Geißelbildung     der     Euphorbiazeen     in     dar     Schweiz.      G  a  1 1  i  - 
V  a  1  e  r  i  o.  1154. 
♩lieber  Myocarditis  tuberculosa.    Ma  s  s  i  n  i ,  R.  1156. 
♩Lieber  Myocarditis  tuberculosa.     LĂŒ  scher,   W.  1158. 

Ueber  tuberkulöse  Myocarditis.  Es  liegt  die  Möglichkeit,  ja 
sogar  die  Wahrscheinlichkeit  vor,  daß  viel  mehr  Prozesse  tuber- 
kulöser Natur  sind,  als  man  gewöhnlich  annimmt.  Sie  wurden  bis 
jetzt  darum  ĂŒbersehen,  weil  sie  keine  spezifischen  tuberkulösen 
VerĂ€nderungen  setzen.  Dazu  kommt,  daß  die  Bazillen  nur  aus- 
nahmsweise direkt  nachgewiesen  werden  können,  weil  die  Zahl 
derselben  meist  gering  ist.  Speziell  ĂŒber  die  Aetiologie  der  Myo- 
carditis chronica  ist  wenig  bekannt.  Sehr  oft  finden  wir  nicht 


einmal  mehr  die  Reste  einer  EntzĂŒndung,  sondern  nur  noch  die 
Folgen. 

Verf.  hat  in  einem  Falle,  der  klinisch  und  pathologsich  als 
Myocarditis  angesehen  werden  muß,  Tuberkelbazillen  nachge- 
wiesen, dadurch,  daß  er  ein  StĂŒck  Herzmuskel  auf  Meerschwein- 
chen verimpfte.  Die  Versuchstiere  halten  bei  der  Sektion  die 
Zeichen  einer  ausgedehnten  Tuberkulose.  Die  Bazillen  schienen 
vom  Typus  humanus  zu  sein.  Durch  diesen  Versuch  glaubt  er 
gezeigt  zu  haben,  daß  die  Myocarditis  auf  Tuberkulose  beruhen 
kann,  daß  also  eine  nicht  spezifische  EntzĂŒndung  des  Myocards 
durch  den  Tuberkelbazillus  entstehen  kann.  Verf.  möchte  aus  dem 
einen  Fall  noch  keine  verallgemeinernden  SchlĂŒsse  ziehen;  es  ist 
schon  wichtig  genug,  wenn  fĂŒr  die  Myocarditis,  fĂŒr  die  wir 
kaum  sichere  Àtiologische  Momente  kennen,  wenigstens  in  ein- 
zelnen FĂ€llen  die  Möglichkeit  zugegeben  werden  muß,  daß  sie 
eine  tuberkulöse  Erkrankung  ist.  Es  wird  die  Aufgabe  weiterer 
Forschungen  sein,  zu  zeigen,  wieviel  FĂ€lle  von  Myocarditis  auf 
Tuberkulose  beruhen,  und  welche  andern  chronischen  oder  akuten 
Infektionen  auch  noch  ein  solches  Bild  hervorrufen  können. 

Ueber  Myocarditis  tuberculosa.  Verf.  veröffentlicht  2  im 
Basler  pathologisch-anatomischen  Institut  beobachtete  FĂ€lle  von 
spezifischer  Myocarderkrankung,  die  deshalb  ein  besonderes  In- 
teresse beanspruchen,  weil  es  gelang,  die  spezifisch  tuberkulöse 
Aetiologie  einmal  durch  positiven  Bazillenbefund,  das  zweite  Mal 
durch  den  positiv  ausgefallenen  Tierversuch  sicherzustellen.  Im 
1.  Fall  bestand  klinisch  kein  Anzeichen  einer  Tuberkulose;  die 
Vermutung,  daß  die  vorhandene  Myocarditis  tuberkulöser  Natur 
sei,  wurde  durch  den  sicheren  Nachweis  von  Tuberkeln  im  Epi- 
card  des  L  Vorhofs  wachgerufen  und  bestÀtigt  durch  das  Auf- 
finden vereinzelter  Tuberkelbazillen  in  den  aus  dem  Herzbrei 
angefertigten  AbstrichprÀparaten. 

Der  2.  Fall  betraf  eine  Pat,  die  schon  lÀngere  Zeit  das  Bild 
eines  chronischen  Herzfehlers  dargeboten  hatte  und  mit  der 
klinischen  Diagnose  „Myodegeneratio  cordis,  Pneumonie"  zur 
Autopsie  kam.  Da  der  makroskopische  Befund  am  Herzen  in 
keiner  Weise  dem  einer  gewöhnlichen  Myocarditis  chronica 
fibrosa  entsprach,  und  in  andern  Organen  z.  T.  noch  bestehende, 
z.  T.  auf  vernarbte  tuberkulöse  Prozesse  zurĂŒckzufĂŒhrende  Ver- 
Ă€nderungen nachgewiesen  werden  konnten,  so  dachte  man  bei 
der  Autopsie  gleich  an  die  Möglichkeit  einer  spezifischen  Aetio- 
logie der  ganzen  Erkrankung,  die  dann  durch  den  Tierversuch 
bestÀtigt  wurde. 

Verf.  spricht  die  Vermutung  aus,  daß  im  Myocard  wahr- 
scheinlich oft  durch  Tuberkelbazillen  anatomische  VerÀnderungen 
im  Sinne  einer  parenchymatösen  oder  interstitiellen  Myocarditis 
gesetzt  werden,  die  nur  deshalb  nicht  als  tuberkulös  erkannt 
werden,  weil  den  LĂ€sionen  die  spezifische  histologische  Struktur 
der  Tuberkulose  abgeht. 

Wenn  es  möglich  wÀre,  einmal  sÀmtliche  VerÀnderungen  am 
Myocard  systematisch  mit  Hilfe  des  Tierversuchs  auf  ihre  tuber- 
kulöse Aetiologie  hin  durchzuprĂŒfen,  so  wĂŒrden  sich  wahrschein- 
lich die  Ansichten  ĂŒber  die  HĂ€ufigkeit  der  Lokalisation  der  Tu- 
berkulose im  Myocard  wesentlich  zu  Àndern  haben. 

K.  Held  (Berlin). 

Hygiea. 

IG.  Okt.  1921,  83,  Heft  19. 

Pcistbazillenagglutination.     Kling,  C.  625. 

Ueber  Pestbazillenagglutination.  (Aus  dem  staatlichen  bak- 
teriol.  Laboratorium.) 

1.  Die  im  Handel  befindlichen  flĂŒssigen  und  getrockneten,  zu 
prophylaktischer  und  therapeutischer  Verwendung  bestimm- 
ten Pest-Antisera  sind  zur  Identifizierung  zweifel- 
hafter Bazillen  ungeeignet. 

2.  Die  Verfasser  haben  durch  Immunisierung  von  Kaninchen 
mit  hilzegetöteten  Pestbazillen  ein  krÀftig  agglutinierendes 
zur  Diagnostik  verwendbares  Serum  dargestellt. 

3.  Da  aber  sichere  Pestbazillen  mitunter  auch  von  diesem 
Serum  zeitweise  oder  dauernd  nicht  applutiniert  werden,  so 
sind  nur  positive  Ergebnisse  als  eindeutig  zu  be- 
trachten. Schnabel. 

31.  Oktober  1921,  83,  Heft  20. 

Angina  mercurialis.    Almkvist,    J.  657. 

Ueber  angina  mercurialis.  Einem  erschöpfenden  RĂŒckblicke 
auf  den  Wandel  in  der  Auffassung  des  seit  1694  beschriebenen 
Krankheitsbildes  folgt  die  ausfĂŒhrliche  Wiedergabe  von  26 
Krankenberichten  ĂŒber  FĂ€lle  von  Angina  mercurialis,  als  deren 
besondere  Kennzeichen  hervorgehoben  werden: 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahrg.  —  Nr. ;}. 


1.  die  UnabhÀngigkeit  ihres  Auftretens  von  der  Menge  der 
auslösenden  Ilg-Gabcn  und  von  der  Dauer  ihrer  Verab- 
reichung; 

2.  das  vorwiegend  einseitige  Auftreten: 

.">.  die  hÀufige  Gruppierung  vorhandener  BelÀge  um  tiefe 
Krypten  und  Buchten: 

1  das  Fehlen  weiterer  VerÀnderungen  der  Mund-  und  Bachen- 
schleimhaut  in  %  der  FĂ€lle; 

.">.  die  Anwesenheit  zahlloser  Mikroorganismen  auf  den  Ton- 
sillen bezw.  in  dem  Belag,  besonders  von  spindelförmigen 
Bazillen  und  Spirochaele-Arten,  auf  deren  eiweißzer- 
setzende Wirkung  der  Verfasser  die  örtlichen  Krankheits 
erscheinungen  grĂ¶ĂŸtenteils  zurĂŒckfĂŒhrt.  Das  Fehlen  von 
Di-Bazillen; 

ti.  der  nahezu  immer  f  i  eb.erl  ose  Verlauf  in  FĂ€llen  mit 
typischem  Bazillenbefund; 

7.  die  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  seltene  Ausbreitung  der  VerĂ€nde- 
rungen ĂŒber  die  Tonsillen  hinaus. 

8.  der  sichere  Erfolg  sachgemĂ€ĂŸer  Behandlung. 

Die  letztere  gleich  der  der  Stomatitis  mercurialis, 
von  der  die  Angina  mercurialis  nur  als  ein  Sonderfall  zu  be 
trachten  ist.  und  hat  zu  bestehen  in; 

1.  grĂŒndlicher  Desinfektion  besonders  der  Krypten  und  Buch- 
ten mittels  Argentum  nitricum-Lösungen  (50%)  bezw. 
Lapistouchierung,  IL  02  -  Lösungen  (3—21%),  Tinct.  Jodi, 
Ha  SO«  conc.  +  Aether  sulf.  aa,  u.  U.  mit  Hilfe  der  Miller- 
schen  Nadel. 

Auch  Kombinationen  der  genannten  Stoffe  zu  empfehlen!) 

2.  Fortsetzung  der  Salvarsan-Behandlung. 

'!.  Die    Hg-Behandlung    braucht    bei    gewissenhafter  Durch- 
fĂŒhrung der  genannten  Maßnahmen  (1  u.  2.)  nicht  unter- 
brochen zu  werden! 
BeigefĂŒgt:  1  schöne  farbige  Abbildung.    AusfĂŒhrliches  Literatur- 
Verzeichnis.  Schnabel. 

16.  November  1921,  83,  Heft  21. 

Dil'  experimentelle  epidemische  Enzephalitis  des  Kaninchens.    Kling.  C, 
Davide.    H.,    Liljenquist.    F.  705. 

Die  experimentelle  epidemische  Enzephalitis  des  Kaninchens. 

WĂ€hrend  Levaditi  und  Mar  vi  er  bei  experimenteller  Ueber- 
tragung  menschlicher  Enzephalitis  -  Giftes  auf  Kaninchen  nach 
einem  kurzen  (3— 10  tĂ€gigen)  Inkulationsstadium  einen  rasch  töt- 
lichen  Krankheitsverlauf  als  Regel  beobachteten,  sehen  die  Ver- 
fasser bei  ihren  Versuchen  einen  zwar  ebenfalls  tötlichen,  aber 
ĂŒberwiegend  chronischen  Verlauf,  wie  er  ja  auch  beim  Men- 
schen die  Regel  bildet.  Nur  bei  Verwendung  von  Passage-Virus 
und  bei  Verunreinigung  des  eigentlichen  Giftes  mit  Staphylo-, 
Strepto-  und  Pneumokokken  kam  akuter  Ablauf  vor. 

Die  Uebertragung  auf  Kaninchen  gelang:  1.  mit  H  im  Sub- 
stanz eines  an  Enzephalitis  gestorbenen  Menschen.  7  Tage  nach 
der  (intracerebralen?)  Ueberimpfung  zeigte  das  Kaninchen  Temp  - 
Anstieg.  Schlaffheit,  sonst  keinerlei  cerebrale  Symptome.  Sektion 
des  am  17.  Tage  getöteten  Tieres  ergab  neben  unbedeutender 
mononukleÀrer  Infiltration  der  weichen  Hirnhaut  perivuskulÀre 
und  herdförmige  Rundzelleninfiltration  bes-.  im  Metencephalon. 
Bei  anderen  Versuchstieren  fehlten  klinische  Symptome  zwar 
vollkommen,  die  Sektion  ergab  jedoch  bereits  ausgeprÀgte  Ver- 
Ă€nderungen gleicher  Art  im  Hirn,  mit  dessen  Substanz  sich  bei 
neuen  Tieren  wieder  die  gleichen  HirnverÀnderungen  erzeugen 
ließen. 

2.  Mit  M  u  n  d  s  p  ĂŒ  1  w  a  s  s  e  r  Encephalitis-kranker  Menschen, 
das  nach  Faust-Heim  eingedickt  und  durch  Heims  Filter  ge- 
deiht war:  es  erwies  sich  bei  intracerebraler  (spÀter  auch  zu- 
gleich intra  p  e  r  i  t  o  n  e  a  1  e  r  bezw.  intra  n  e  r  v  ö  s  e  r)  Einver- 
leibung als  spezifisch  infektiös  und  nach  Monaten  als  tötlich,  wo- 
bei  Krankheitserscheinungen  z.  T.  gÀnzlich  fehlten  (oder  nur 
nicht  erwÀhnt  sind?),  z.  T.  nur  in  einem  kurzen  SpÀtstadium  mit 
motorischen  Reiz-  und  LĂ€hmungserscheinungen  an  den  Extremi 
tÀten  und  nachfolgendem  mehrtÀgigen  Schlafzustand  bestanden. 
Aus  dem  typisch  verÀnderten  bakterienfreien  Mes-  und 
Metencephalon  ließ  sich  ein  unsichtbares,  kulturell  nicht  zĂŒcht- 
bares, gegen  Glyzerin  widerstandsfÀhiges,  Berkefeld-Filter  pas- 
sierendes Virus  gewinnen,  welches  bei  weilerer  Verimpfung  auf 
Kaninchen,  meist  erst  nach  Monaten,  tötlich  wirkte,  ohne  merk- 
liche klinische  Symptome  ausgelöst  zu  haben.  Die  Sektion  ergab 
vvieder  als  einzigen  Befund  die  typischen  HirnverÀnderungen 
bes.  im  Mes-  und  Metcnzephalon,  daneben  mitunter  Zellinfiltration 
der  Meningen. 

3.  Die  gleichen  Krankheitserscheinungen  ließen  sich  beim 
Kaninchen  durch  intracerebrale  und  intranervöse  Injektion  kul- 
turell steriler  D  a  r  m  a  u  s  s  c  h  e  i  d  u  n  g  e  n  hervorrufen,  die  von 
einem  mit  Durchfall  einhergehenden  und  durch  gleichzeitige 


schwere  Erkrankung  beider  Eltern  als  solchen  sichergestellten 
Fall  von  Enzephalitis  eines  Kindes  herstammten.  Auch  hier 
gelang  WeilerĂŒberlragung  von  Tier  zu  Tier  (intracerebral  und 
intraperitoneal)  und  der  Nachweis  typischer  Infiitrate  im  hin- 
leren  Mitteln  irn,  z.  T.  mit  deutlicher  Neuronophagie 
Die  Krankheit  verlief  bei  den  Tieren  mit  Temp.-Steigerung,  Ab- 
magerung, Mattigkeit,  teilweise  auch  mit  Stumpfheil,  katatonie 
artiger  Steifheit,  Paralysis  -  agitans  -  artigem  Zittern,  mÀchtigem 
Speichelfluß.  Wiederholt  Tierpassage  unterworfenes  Virus  er- 
zeugte einen  rascheren  Krankheitsablauf. 

Daß  es  sich  bei  sĂ€mtlichen  Tierversuchen  immer  nur  um  die 
Einwirkung  eines  einheitlichen,  die  epidemische  Encephalitis  des 
Menschen  hervorrufenden  Giftes  gehandelt  habe,  schließen  die 
Verfasser  aus  der  gleichen  Art  und  gleichen  konstanten  Lokali 
sation  der  entstandenen  HirnverÀnderungen,  sowie  aus  der  Uebei  - 
einstimmung  der  aufgetretenen  Krankheitsbilder  mit  den  beim 
Menschen  beobachteten. 

Versuche,  eine  neutralisierende  Wirkung  des  Blutes  von  En- 
zephalitis Genesener  auf  das  fragliche  Virus  nachzuweisen,  sind 
geplant. 

(N.  B.  Histologische  Hirnbefunde  mehrfach  mikrophotn 
graphisch  abgebildet.)  Schnabel. 

El  siglo  med  i co,  Madrid. 

3.  Dezember  1921,  68,  Heft  3547. 

■^Betrachtungen  ĂŒber  die  Genese  der  paranoischen  Psychosen.     I.  a  f  o  r  a  , 
Gr.  R.  1169. 

‱^Studien   ĂŒber  Transplantation    von   Organen.     V  e  r  o  n  o  f  f  ,    S.  1172. 
Verbesserung  der  Hygiene     und     des     Gesundheitszustandes    iin  Spauien. 

A  u  t  u  u  a  n  o  ,  I..  M.  1176. 
Das  Sumpffieber  im  Heer  und  seine  soziale  Bedeutung.    Beres,  F.  B.  1179. 

Betrachtungen  ĂŒber  die  Genese  der  paranoischen  Psychosen. 

Verf asser  teilt  einige  von  ihm  selbst  beobachtete  FĂ€lle  paranoi- 
scher Psychosen  mit  (nach  der  Kraepelinschen  Einteilung  zu  den 
Paraphrenien  gehörig),  die  er  analysiert  hat;  er  kommt  nun  im 
Gegensatz  zu  Freud,  dessen  Theorien  er  im  allgemeinen  akzep- 
tiert, zur  Ansicht,  daß  die  paranoischen  Erkrankungen  nicht 
bedingt  sind  durch  verdrĂ€ngte  homosexuelle  W'ĂŒnsche,  sondern 
seiner  Ansicht  nach  handelt  es  sich  um  eine  individuelle 
Anlage  (vielleicht  toxische  Ursachen),  die  die  paranoische  Er- 
krankung bedingt,  und  die  verdrÀngten  sexuellen  Konflikte,  die 
in  der  Tat  fast  immer  vorhanden  sind,  bedingen  nur  die  Symp- 
tome, in  denen  sich  die  Erkrankung  Ă€ußert. 

Studien  ĂŒber  Transplantation  von  Organen.  Verfasser  be- 
richtet ĂŒber  einige  FĂ€lle  von  Myxoedem,  bei  denen  er  durch 
Ueberpflanzung  von  SchilddrĂŒsen,  die  von  Schimpansen  stammen, 
ausgezeichnete  Erfolge  hatte;  die  eine  Ueberpflanzung  erfolgte 
bei  einem  14  jÀhrigen  Knaben,  der  alle  Zeichen  schweren  Myxoe- 
dems  zeigte;  die  Gesundung  war  so  vollkommen,  daß  er  mit 
19  Jahren  als  MilitĂ€rtauglich  befunden  wurde.  —  Verf.  hĂ€lt  die 
Ueberpflanzung  von  Organen  der  höheren  Affen  fĂŒr  gĂŒnstiger, 
als  wĂŒrden  diese  DrĂŒsen  von  anderen  Menschen  stammen;  denn 
einerseits  bei  der  Thyreoidea  kann  man  nur  Teile  von  Organen 
ĂŒberpflanzen,  andererseits  stammen  sie  meist  von  Ă€lteren  Men- 
schen (in  einigen  von  ihm  operierten  FĂ€llen  von  den  Eltern  der 
myxoedematösen  Kinder),  bei  denen  die  DrĂŒsen  nicht  mehr  voll 
funktionsfĂ€hig  sind.  Als  Hauptanwendungsmittel  der  OrganĂŒber- 
pflanzung von  Affen  auf  Menschen  fĂŒr  die  Zukunft  sieht  Ver- 
fasser die  Ueberpflanzung  von  Testikeln  zur  VerjĂŒngung  an  und 
berichtet  auch  schon  ĂŒber  einen  von  ihm  operierten  Fall,  einen 
Mann  im  Alter  von  73  Jahren,  der  mehr  als  30  Jahre  in  Indien 
gelebt  hat.  Neun  Monate  nach  der  Operation  war  der  Patient 
rĂŒstig  wie  ein  Mann  in  den  fĂŒnfziger  Jahren.  L  u  r  j  e. 

Heft  3548. 

VerÀnderungen  der  Lunge  und  des  Herzens  bei  beginnender  Lungentuber- 
kulos'e.  mittels  Durchleuchtung  beobachtet.    C  a  '  n  o  v  a  s  .  B.  H.  119R. 
Ein  interessanter  Fall  von  Diphtherie.    B  a  i  b  o  s  a  .    A.  1199. 
Betrachtung   ĂŒber    die    Genese    der    paranoischen    Psychosen  Lafor», 
G.  R.  1201. 

Verbesserung  der  Hygiene  und  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien.    A  n  t  fe- 
il an  Ol,  L.  M.  120f>. 
Das  Sumpffieber  im  Heer  und  seine  soziale  Bedeutung.  Beres.  F.  S;  120R. 

Heft  3549. 

Betrachtungen  ĂŒber  den  gegenwĂ€rtigen   Stand     der  Röntgentiefentbeiapio. 

Rutcra,  S.  T.  S.  1226. 
Kurs  zur  VerhĂŒtung  des  Sumpffiebers  in  Vettuno  (Rom).  Mac  ia  .  S.  G.  1228. 
Verbesserung   der  Hygiene   und     de«     Gesundheitszustandes     in  Spmien. 

Antiinano.  Ii.  M.  1?31. 

Ugeskrift  for  Lager. 

Nr.  48,  1.  Dezember  1921. 

SandbÀder.    F  a  b  e  r  .  Erik  und  P  1  ti  m  .  Tage. 


Aus   den   ueucsten  Zeitschriften 


MO.  Jahrg.     Nr-  3. 

Nr.  Ii»,  s.  Dezember  1921. 

♩  IVher  nualltaUvcn  und  mmiititativon  Nachweis  von  Mint  im  1  im.     I  .  Ii  n  » 

o  o  a  e  n  ,  Arne. 

4  FĂŒlle  von  Amooboiulysenterie  mit  Kmetin  behandelt.    II  :i  n  sen.  II 
ITgoplex  „Roche"  in  der  Uonorrhocithcrapiie.    Ki>  -  m  e  V  e  r  .  A. 

Ueber  qualitativen  und  quantitativen  Nachweis  von  Blut  im 
l'rin.  Der  Verf.  hat  vergleichende  Versuche  mit  Benzidin-, 
Phenolthalein-  und  Fluoreszin-Reagenzen,  wozu  blutge/nischter 
Harn  und  blutgemischtes  destilliertes  Wasser  in  verschiedenen 
konzentration  hinzugesetzt  sind,  ausgefĂŒhrt.  Die  Reaktion 
wird  bei  allen  Reagenlien,  aber  am  stÀrksten  bei  Benzidin.  viel 
starker  bei  den  gleichen  Blutungen  im  Wasser  als  im  Harn  aus- 
gelöst, da  die  Salze  des  letzteren  hemmend  auf  die  Reaktion 
wirken.  Der  Verf.  kommt  zu  dem  Resultat,  daß  Phenolthalein 
vorzuziehen  ist,  weil  die  Benzidinprobe  unbrauchbar  zu  Nach- 
weisen von  HĂ€maturie  bei  Anwendung  von  gleichen  Teilen  Harn 
und  Reagenz  ist  und  weil  die  Ablesung  der  Fluoreszinprobe  ver- 
schieden bei  Tageslicht  und  hÀuslichem  Licht  ist. 

Po  vi  Hertz  (Kopenhagen 

Rivista  Ospedaliera,  Rom. 

15.  September  1921.  11.  Nr.  17. 

♩Subkutane  Sauerstoffinsuftlationen  zur  Behandlung  clor  Neuralgie.  B.olog- 
n  i  n  i  ,  L.  381. 
Hockenepidemie  in  Caserta.    Tasciotti.  E.  390. 

Subkutane  Sauerstolfinsufflat  bei  der  Behandlung  der  Neu- 
ralgien. Bei  hartnÀckigen  Neuralgien  jeder  Art,  soweit  sie  nicht 
.auf  mechanischen,  nur  durch  chirurgischen  Eingriff  beeinfluß- 
baren VerhÀltnissen  beruhen,  insbesondere  bei  der  Ischias,  er- 
wies sich  dem  Verfasser  die  EinfĂŒhrung  von  50—100  ccm  Sauer- 
stoffgas unter  die  Haut  der  betroffenen  Körperregion  als  außer- 
ordentlich schmerzlindernd.  Das  Gas  verteilt  sich,  langsam  in- 
jiziert, gleichmĂ€ĂŸig  in  den  Geweben.  Nach  Beendigung  der  In- 
sufflation  muß  die  Einstichöffnung  mit  einem  in  Kollodium  ge- 
tauchten WattebÀuschchen  geschlossen  werden,  damit  der  Sauer- 
stoff nicht  wieder  entweiche.  In  10  geschilderten  FĂ€llen  genĂŒgten 
drei  bis  sechs  Injektionen  zur  Erzielung  einer  völligen  Heilung. 

L.  K  a  n  n  e  r. 

30.  September  1921,  11,  Nr.  18. 

BlutuiiteiĂ€uchiung  bei  Skorbut.    Mont.anari,  ĂŒ.  107. 
Beckentumor  infolge  Trauma.    Most  i.  411. 
Verschluß  von  Gallenfisiteln.    Venturi     A.  417. 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

1921,  19,  Nr.  <>. 

t   ♩ TurmisohĂ€ueJ.     Savelli.   G.   B.  321. 

\  ♩  Möglichkeiten,  experimentell  Diphtherictoxin  im  Serum  von  Diphtheriekian- 
ken  nachzuweisen.    Bus«  c  cbi,  P.  331. 

♩  Tobcr  einen  Fall  von  Rattenbißkrnnkheiit.    Zamorani,  V.  352. 

TurmschÀdel.     Ein  Fall  von  angeborenem  TurmschÀdel  bei 
'einem  Knaben  von  5  Jahren;  die  NÀhte  waren  völlig  verwachsen, 
der  Liquordruck  nicht  vermehrt;  es  bestand  Strabismus  conver- 
I  gens  und  Neuritis  optica,  doch  war  die  Macula  nicht  betroffen, 
daher  der  Visus  nicht  gestört.     Bemerkenswert  war,  daß  auch 
die  Mutter  einen  geringgradigen  TurmschÀdel  hatte. 

Ueber  einen  Fall  von  Rattenbißerkrankung,    Sodoku.  Bei 
kranker  Toxin  nachzuweisen.    Uff  enheimer  hat  angegeben, 
daß  diphtherietoxinhaltiges  Serum  beim  Meerschweinchen  sub- 
kutane Infiltrate  erzeuge,  normales  Menschenserum  nicht.  Um 
.den  Wert  dieser  Reaktion  zu  prĂŒfen,  hat  Verfasser  bei  14  Diph- 
theriekranken  zugleich  mit  ihr  die  Römer  sc  he  Probe  an- 
gestellt, die  darin  besteht,  daß  eine  bestimmte  Toxinmenge  von 
bekannter    StĂ€rke    mit    fortlaufenden    Serum  VerdĂŒnnungen  ge- 
mischt, zuerst  im  Brutschrank  und  dann  im  Eisschrank  stehen 
*  gelassen  werden,  wrorauf  jene  SerumverdĂŒnnung  festgestellt  wird, 
L  welche  die  durch  das  unvermischte  Toxin  beim  Meerschweinchen 
,  entstehende  Hautnekrose  eben  verhindert;  so  lĂ€ĂŸt  sich  der  Anti- 
»toxingehalt  des  Serums  bestimmen.    WÀhrend  nun  bei  den  Se- 
l- rumbehandelten  mit  der  Rom  er  sehen  Probe  stets  Antitoxin 
nachgewiesen    wurde,    bei  den  Unbehandelten  nicht,    fiel  die 
BU  f  f  e  n  h  e  i  m  e  r  sehe  Reaktion  bei  beiden  Gruppen  bald  positiv, 
fcbald  negativ  aus;  besonders  starke  Reaktion  zeigten  (bazillen- 
[  freie)    Personen,    die  die  Diphtherie  schon  lange  ĂŒberstanden 
hatten.     Auch  Diphtherieserum  selbst  setzte  allerdings  etwas 
&  anders  geartete  Infiltrate.    Die  Reaktion  ist  also  fĂŒr  die  Praxis 
unbrauchbar. 


Heber  einen  Fall  von  MĂ€usebißerkraiikunjj;,  Sodoku.  Bei 
einem  Knaben  trat  \  Wochen  nach  einem  Rai  Imbiß  plötzliche 
Fiebersteigerung  au!  40  Grad  mit  SchĂŒttelfrost  und  zugleich  am 
rechten  Fuß,  wo  der  Biß  in  Form  zweier  roter  Punkte  noch  zu 
sehen  war,  Schwellung,  Rötung,  blÀuliche  VerfÀrbung  und 
rseudofluktation  auf;  nach  12  Uhr  fiel  das  l  ieber  unter  Schweiß 
Ausbruch  ab,  die  entzĂŒndlichen  Erscheinungen  schwanden  bald 
darauf.  Es  traten  in  unregelmĂ€ĂŸigen  Intervallen  noch  wicdei 
holt  Fieberattacken  von  gleicher  Dauer  und  IntensitÀt  auf,  je- 
doch ohne  die  Begleitung  der  lokalen  Erscheinungen;  allmÀhlich 

1  niwickelte  sich  ein  mÀbiger  Milztumor,  im  Blute  trat  Lympho 
zytose  und  Mononukleose  auf.  2  Monate  nach  dem  Beginn  er 
schien  wÀhrend  eines  Fieberanfalles  ein  Exanthem  in  Form  von 
blassen,  unregelmĂ€ĂŸigen  Flecken  von  weinroter  Farbe,  das  nach 

2  Tagen  allmÀhlich  wieder  verschwand.  Die  geschilderten  Symp- 
tome sind  charakteristisch  fĂŒr  Sodoku,  eine  nach  Ratlenbiß  auf- 
tretende Krankheit,  die  in  Japan  und  China  hÀufig  ist  und  von 
F  r  u  p  o  n  i  in  Europa  zuerst  beschrieben  wurde.  Der  Erreget 
ist  nicht  bekannt.  Die  asiatische  Form  weist  eine  MortalitÀt  von 
10  Prozent  auf,  die  europÀische  ist  gutartig,  zeigt  aber  einen 
sehr  protrahierten  Verlauf  von  5  Monaten  bis  2  Jahren.  Gute 
Erfolge  wurden  mit  kolloidalem  Silber,  ausgezeichnete  mil  Neu 
salvarsan  erzielt.  Im  vorliegenden  Falle  wirkte  Heklin  sehr 
gut.  T  e  z  n  e  r  (Wien). 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

Juli  1921,  19,  Nr.  7. 

♩Zerebrospinaimeningitis  beim  SĂ€ugling.    Pestalozza,  C.  3tJl>. 

♩Das  XackenphĂ€nomen  an  den  Gelenken  der  unteren  ExtremitĂ€ten;  sein  Ver- 
halten im  Veirlauf  der  meniugealen  En/teĂŒndiunge,n.    Segagui.  S.  409. 

♩Somatische  Struktur  des  kongenitalen  sporadischen,  infantilen  Myxödems. 
Wirkung  der  Thyreoideakur.    R  o  s  s  o  .  M.  422. 

♩Sclerodermia  neonatorum.     Pollitzer,   K.  435. 

Die  zerebrospinale  Meningitis  beim  SĂ€ugling.  Die  Zerebro- 
spinal-Meningitis  des  SÀuglings  verlÀuft  oft  unter  atypischen 
Symptomen,  oft  ganz  okkult.  Verf.  berichtet  ĂŒber  10  FĂ€lle;  drei 
zeigten  das  Bild  einer  Pneumonie  mit  Meningismus,  bei  einem 
von  diesen,  der  ĂŒber  ein  hydrozephales  Stadium  zum  Tode  fĂŒhrte, 
lag  eine  Mischinfektion  mit  Pneumokokken  vor,  bei  einem  weite- 
ren waren  Darmstörungen,  Fieber  und  Nackenstarre,  die  nach 
der  Anamnese  seit  einem  Monat  bestanden,  die  einzigen  Symp- 
tome. Besonders  schwer  verlĂ€uft  die  „blockierte  Meningitis  mit 
Ependymitis  im  geschlossenen  Hohlraum",  bei  der  es  infolge  von 
Verwachsungen  der  Kommunikationen  zwischen  den  Ventrikeln 
und  Subarachnoidalraum,  zu  einer  Ependymverdickung  und  An- 
sammlung der  FlĂŒssigkeit  in  der  ersteren  kommt;  auch  die  vom 
Verfasser  beobachteten  FÀlle  verliefen  tödlich.  Die  Meningitis 
eines  19  Tage  alten  Kindes,  bei  dem  die  Infektion  in  die  ersten 
Lebenstage  fallen  muß,  fĂŒhrte  unter  geringen  Erscheinungen 
rasch  zum  Tode  (der  jĂŒngste,  bisher  beschriebene  Fall).  Schließ- 
lich wird  noch  ĂŒber  ein  Kind  berichtet,  bei  dem  blutige  StĂŒhle 
und  septische  Hautblutungen  das  erste  Symptom  darstellten,  die 
Annahme  erscheint  berechtigt,  daß  die  Meningitis  der  allgemeinen 
Meningokokkensepsis  vorausging,  doch  ist  auch  das  Gegenteil 
beschrieben.  Trotz  Serumtherapie  starben  von  10  SĂ€uglingen  7: 
doch  ist  in  Betracht  zu  ziehen,  daß  dreimal  Komplikationen  zum 
Tode  fĂŒhrten,  viermal  besonders  schwere  Verlaufsarten  v 
lagen  blockierte  Meningitis,  SeptikÀmie,  geringes  Alter);  auch 
wurde  einmal  festgestellt,"  daß  die  Kokken  von  dem  injizierten 
Serum  nicht  agglutiniert  worden  waren,  so  daß  es  sich  wahr- 
scheinlich um  Parameningokokken  gehandelt  hat. 

Das  NackenphÀnomen  in  den  unteren  ExtremitÀten;  sein  Ver- 
halten im  Verlauf  der  EntzĂŒndungen  der  Meningen.  Verfasser 
hat  das  Brudzinski-PhĂ€nomen  (Beugung  der  Beine  im  HĂŒft-  und 
Kniegelenk  bei  passiver  Beugung  des  Kopfes  auf  das  Sternum)  in 
81  FÀllen  von  tuberkulöser  Meningitis  in  30  FÀllen  von  epidemi- 
scher Meningitis,  in  4  FÀllen  von  eitriger,  in  ">  Fallen  von  seröser 
Meningitis  geprĂŒft  und  es  stets  positiv  gefunden  (Kernig  und 
Babinski  waren  in  einem  viel  geringeren  Prozentsatz  positiv); 
es  ist  also  diagnostisch  Ă€ußerst  verwertbar.  Er  hat  ferner  fest- 
gestellt, daß  es  in  je  einem  Fall  von  Epilepsie,  von  zerebro- 
spinaler  Lues,  von  akuter  Poliomyelitis  und  von  schwerer  Chorea 
nach  einer  Lumbalpunktion  auftrat  und  4 — 5  Tage  spĂ€ter  wieder 
verschwand  und  nimmt  daher  an,  daß  bei  diesen  Krankheiten  eine 
grĂ¶ĂŸere  Empfindlichkeit  der  Meningen  vorliege,  die  infolgedessen 
auf  die  Spinalpunktion  mit  leichten  EntzĂŒndungserscheinungen 
reagieren. 

Die  Körperstruktur  beim  kindliehen,  angeborenen,  spora- 
dischen Myxödem  und  ihre  durch  Thyreoideakur  hervorgerufenen 
VerÀnderungen,    Der  Körperbau  des  Myxödems  ist  oft  beschrie 


78 


Ans  den  aeaesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —  Nr.  3. 


ben,  genaue  Messungen  jedoch  liegen  nur  in  geringer  Menge  vor. 
\  eriasser  hat  nun  ein  myxodematoses  mit  einem  normalen 
gleicnaiterigen  Kind  verguenen  und  folgenaes  festgestellt:  Der 
Genaue!  des  myxouematoscn  ĂŒbertrifft  den  des  normalen  in  allen 
Durcbniessern  um  1 — 2  cm,  ebenso  der  L  mlang  des  ilaises;  der 
Glieder  und  des  Rumpfes:  die  LĂ€ngsmabe  aes  Rumpfes  beim 
ersteren  bleiben  um  1 — 2  cm  zurĂŒck,  nie  LĂ€nge  der  ExtremitĂ€ten 
um  ö — 11  cm,  die  LĂ€ngenoillerenz  zwischen  neiden  Kindern  be- 
tragt 18,5  cm.  W  enn  man  nie  Matte  des  normalen  Kindes  auf  die 
eines  mit  dem  niyxooematosen  gieiebgronen  reouziert  tritt  die 
\  ergronerung  der  transversalen  Durcnmesser  noch  deutlicher 
hervor,  insbesonders  die  \  ergrĂ¶ĂŸerimg  des  Abdomens.  Aach 
Tnyreoiueameoikation  bleiben  die  Transversaldurchmesser  un- 
veranaert,  dagegen  nimmt  Kump!  und  ExtremitÀten  an  LÀnge 
wesentlicĂŒ  zu,  so  dali  der  Körper  sein  plumpes  Aussehen  ver- 
liert. Wahrscheinlich  wirkt  die  Thyreoidea  nicht  nur  im  allge- 
meinen stimulierend  auf  das  Wachstum,  sondern  sie  stellt  aen 
normalen  Gang  der  morpholigischen  Entwicklung  her,  der  in- 
folge ihres  Mangels  unterbrochen  war. 

Ein  Fall  von  Sklerodermie  bei  einem  Neugeborenen.  Ein 

SĂ€ugling  zeigte  am  6.  Lebenstage  am  oberen  Drittel  des  linken 
Onerarms  eine  lĂ€ngliche,  unregelmĂ€ĂŸig  begrenzte  Zone  verdick- 
ter, verhĂ€rteter,  weinroter  Haut,  die  ĂŒber  aer  Unterlage  frei  ver- 
schieblich war;  am  9.  Tage  trat  genau  symmetrisch  am  rechten 
Oberarm  eine  gleichartige  Hautaifektion  auf,  am  10.  Tage  zwei 
weitere  am  Sakrum  und  am  Giutaeus:  die  erste  heilte  mit  Ver- 
uarbung  ab,  die  anderen  ohne  solche;  es  handelt  sich  um  Sklero- 
dermie. Der  vorliegende  Fall  ist  ausgezeichnet  durch  das  sym- 
metrische Auftreten  zweier  Herde,  durch  die  Ausheilung  des 
einen  in  Vernarbung  ^bisher  beim  SĂ€ugling  ein  einziges  Mal  be- 
schrieben" und  dadurch,  daß  die  Erkrankung  wahrscheinlich  an- 
geboren w  ar.  T  e  z  b  e  r  (Wien). 

La  Presse  Medicale.  Paris. 

23.  November  1921,  Nr.  94. 

*LeukÀniie  und  Tuberkulose.    Emile-ffeill  und  Cosie.  9-9. 
Xeuer  spygmographiseher  OsciUograph.    S  o  1  e  r,  F.  L.  9-30. 
Die  modernen  ErnÀhrungssystcnie.   II  e  r  r  i  1 L  T..  und  V  i  o  1 1  e.  H.  931. 

LeukÀmie  und  Tuberkulose.  Gelegentlich  eines  Falles  von 
akuter  lymphatischer  LeukÀmie  erörtert  Verfasser  die  Frage  des 
Zusammenbanges  beider  Erkrankungen.  Er  stĂŒtzt  sich  dabei  auf 
die  Beobachtungen  von  N  a  n  t  a,  der  30  FĂ€lle  von  myeloischer 
LeukÀmie  eingenend  studiert  hat  und  dabei  zwei  Gruppen  unter- 
scheidet, die  eine  mit  meist  chronischer  LeukÀmie,  wo  im  End- 
stadium ein  rascher  Abfall  der  weißen  Blutkörperchen  und 
RĂŒckgang  des  leukĂ€mischen  Prozesses  stattfindet  und  bei  der 
die  Autopsie  eine  kombinierte  Tuberkulose  und  LeukÀmie  des 
hĂ€matopoeĂŒschen  Systems  ergab.  Die  zweite  Gruppe  zeigt  eine 
klinisch  und  anatomisch  erwiesene  LeukÀmie  zugleich  mit  alten 
Spitzen-  oder  DrĂŒsenaffektionen.  Diese  sind  die  interessanteren: 
bei  ihnen  entsteht  die  LeukÀmie  durch  hyperplastische  Reaktion 
der  hĂ€matopoeĂŒschen  Organe  auf  eine  tuberkulöse  Intoxikation 
dieser  Herde.  Bleibt  die  Tuberkulose  latent,  so  handelt  es  sich 
um  eine  anscheinend  idiopathische  LeukÀmie,  wird  sie  dagegen 
manifest  so  erklÀrt  man  die  Erscheinungen  aus  dem  kÀsigen 
Zerfall,  der  sich  in  den  hÀmatopoetischen  Organen  vollzieht.  Es 
wĂ€re  wĂŒnschenswert,  den  Zusammenhang  zwischen  LeukĂ€mie 
und  Tuberkulose  in  jedem  Falle  mittels  aller  zur  VerfĂŒgung 
stehender  Methoden,  besonders  auch  durch  Ueberimpfung  auf 
Meerschweinchen  zu  ergrĂŒnden.  Haber. 

26.  November  1921,  Nr.  95. 

Ophthalmophegia  externa  chronica  progressiva.   lernen.  F.  JoT. 
Prolongierte  Mag-nsaitsekrerion.   Leon-lleunier.  93T. 
‱frDie  ErnĂ€hrui  g  der  Tuberkulösen.   Cawadias.  A.  93$. 
BikondjiÀre  transTerso-horizonrale  Fernurfraktur.    Juuri,  E.  S39. 

Das  Regime  der  Tuberkulösen.  Nach  den  letzten  elimentÀren 
Beobachtungen  bedarf  der  Tuberkulöse  zur  Gewichtszunahme 
Fette}  und  zur  Kraftvermehrung  Eiweiß  einer  Ration,  die  den 
hohen  Werten  der  normalen  entspricht,  also  50  Kalorien  pro 
Kilogramm  Körpergewicht  tĂ€glich,  die  folgendermaßen  verteilt 
sein  sollen:  Albumine  90—100  g,  Fette  80  g.  Kohlehydrate  500  g. 
Verfasser  hĂ€lt  den  Ausdruck  ..l  eberernĂ€hrung"  fĂŒr  falsch  und 
spricht  statt  dessen  von  einer  reparatorischen  Alimentation.  In 
dieser  sind  selbstverstÀndlich  die  notwendigen  AminosÀuren. 
Mineralien,  Vitamine  und  Stoffe  der  frischen  Nahrung  in- 
begriffen. Jeder  ErnÀhrungstherapie  hat  aber  eine  Allgemein- 
behandlung der  Tuberkulose  voranzugehen,  damit  die  formative 


Assimilation  ĂŒber  der  destruktiven  Desassimilation  das  Ueber- 
gewicht  gewinnen  kann.  Haber. 

Paris  Medical,  Paris. 

3.  Dezember  1921,  11,  Nr.  49. 

Die-  Therapie  im  Jahre  1921.    Raiherr.  F.  426. 
❖Die  Wirkung  des     Chinidins    auf    das     Vorhofflimmern.      C 1  e  r  c  und 

P  e  z  z  i.  440. 

❖  Prophylaxe  und  Therapie  des  koUoidalen  Schocks.    Lumiere.  A.  445. 
Diathennotberapie  bei  Magenerkr&nkungen.    Bordier.  450. 
Das  Bserin  in  der  modernen  Therapie.    Montier.  F. 

Wirkung  des  Chinidins  auf  die  aurikulÀre  Fibrillation  ebenso 
wie  die  des  Chinins  durch  Verminderung  der  Erregbarkeit  des 
Myokards  bis  zur  LĂ€hmung.  Ersleres  das  handlichere  und  wirk- 
samere, weil  leichter  löslich.  Die  Medikation  versagt  in  der 
HĂ€lfte  der  FĂ€lle:  bestimmte  Regeln  hierfĂŒr  ließen  sich  noch  nicht 
linden.  Manchmal  geringe  Intoleranzerscheinungen.  Also  kleine 
Dosen.  Manchmal  verscblimmert  auch  das  Chinidin  die  Insuffi- 
zienz des  Myokards.  Dann  ,bei  Asystolikernj  erst  als  Versuch 
und  Vorbereitung  eine  Digitaliskur. 

Betrachtungen  ĂŒber  Prophylaxe  und  Therapie  des  kolloidalen 

Schocks.  Folge  eines  Niederschlags,  der  eingefĂŒhrt  oder  brĂŒsk 
in  der  Zirkulation  gebildet,  der.  wenn  er  die  nervösen  Zentren 
erreicht  hat,  durch  Reiz  des  Endothels  der  Gehirnkapillaren  zu- 
nĂ€chst einer  Dilatation  dieser  GefĂ€ĂŸe  veranlaßt.  Dann  auf  dem 
Reflexwege  eine  zentrale  Dilatation,  die  sich  plötzlich  auf  die 
viszeralen  Kapillaren  ausbreitet  und  so  das  Volum  des  gesamten 
GefĂ€ĂŸsystems  in  wenigen  Augenblicken  außerordentlich  vermehrt. 
Blutmasse  bleibt  aber  konstant;  also  Drucksenkung.  Das  Herz 
schlĂ€gt  gewissermaßen  leer;  also  Synkope.  Dies  zu  verhindern, 
folgende  W  ege:  1.  Vermeidung  der  Bildung  oder  brĂŒsken  Ein- 
fĂŒhrung eines  PrĂ€zipitats  in  das  Blut:  durch  vorherige  Injektion 
sehr  kleiner  Dosen  nach  der  Methode  Besredka.  Weniger  sicher 
ist  die  rektale  Desensibilisation.  Geringeres  Risiko  scheint  aber 
die  subkutane  Injektion  zu  geben.  Gegen  die  Nahrungsanaphy- 
laxie  0,5  Pepton  vor  jeder  Mahlzeit.  2.  Auflösung  des  Nieder- 
schlags in  geeigneten  Mitteln:  Nahyposulfit  10  Prozent  10 — 20  cem 
Subkutan  oder  4.0  innerlich:  Natriumkarbonat  0,5 — 2,0  in  40  bis 
60  H20  unmittelbar  vor  der  intravenösen  Injektion.  Aehnlich 
wirken  Natriumazetat.  Natrium -Taurocholat  oder  Glykocholat. 
3.  Verhinderung  der  brĂŒsken  W  irkung  des  Niederschlags  auf  die 
GehirngefĂ€ĂŸe  durch  die  oben  genannte  Methode  Besredka's.  Nicht 
immer  sicher.  Topophylaxie:  Unterbindung  der  Wurzel  des 
Gliedes,  an  dem  die  Injektion  vorgenommen  wird,  und  allmÀhliche 
Lösung.  4.  Verminderung  der  Erregbarkeit  der  GefĂ€ĂŸe  durch 
geringe  Mengen  von  Anaestheticis  Aether-Chloroform\  ohne  daß 
eine  Anaesthesie  stattfindet  Kopaczewski  .  5.  LĂ€hmung  des 
vasodilatorischen  Reflexes;  also  Anwendung  von  vasokonstrik- 
torischen  Mitteln:  Adrenalin.  Auch  noch  nach  Ausbruch  des 
Krieges  sicher.  6.  Ausgleich  des  MißverhĂ€ltnisses  zwischen  dem 
Volum  des  dilatierten  GefĂ€ĂŸsystems  und  der  Blutmenge  durch  In- 
jektion massiver  FlĂŒssigkeitsdosen.  Man  muß  sich  aber  oft  da- 
mit beeilen,  daß  man  einem  Herzstillstand  zuvorkommt 

v.  Schnizer. 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

3.  Dezember  1921.  77,  Nr.  23. 

Diagnose  des  latenten  oder  besinnenden  Diabetes.    Sherill.  J.  W.  1779. 
+Eruprionsfieber  mit  ungewöhnlichen  Erscheinungen  beim  Kinde.    Le  v  j  . 

D.  J.  17S5. 

■s-Ein  febriles  Esa.-u.ez_  :-   der  K_-ĂŒe::.      Exanthem  SubitumJ  Veeder, 

B.  S.  und  Hempelmanc.  T.  C.  1787. 
Behandlung  der  gonorrhoischen  Arthritis.    Collings.  C.  W.  178t. 
Chinidin- Behandlung  des  Vorhofflimmerns.   Hewlett.  A.  W.  nl  Swee- 

n  e  j  .  J.  P.  1793. 

ChinidiBsalfat  bei  Vorhofflimmern.  Hamburger.  W.  W.  1747  Chini- 
din bei  Vorhoffiirnmeii-.  Opper-heimer.  B.  S.  und  Wann. 
H_  1SÂŁ*. 

Trigeminus-Xeuralgie.    Silvermann.  S.  L.  1502. 

Histopaihologie  der  Spitzenregion  der  ZĂ€hne  mit  teilweise  gefĂŒllten  Warzet- 

kanÀlen.    H  a  1 1  o  n  .  E.  H.  1505. 

Abdukaonsbehandlung  der  Fraktur  des  Schenkelhalses.  W  h  i  t  m  a  n  . 
B.  1SOS. 

Fraktur  des  Schenkelhalses  und  der  Troehanteren.    Ruth.  C.  E_  lgll. 
Endresultate  der  Behandlung  der  Schenkelhal«frakturen.  Btdlon.  J.  1?15- 

Eigenartiges  eruptives  Fieber  bei  SĂ€uglingen  und  Klein- 
kindern. Verfasser  beschreibt  eine  eigenartige  Erkrankung,  die 
er  in  den  letzten  Jahren  des  öfteren  zu  beobachten  Gelegenheit 
hatte.  Die  30  FĂ€lle  waren  8—30  Monate  alt  die  Krankheit  trat 
zu  allen  Jahreszeiten  auf.    Ohne  irgendwelche  Prodromalsymp- ' 


40.  Jahr«?.  —  Nr.  3. 


Ans  d 


e  n    ne nfslf n  Zeit 


I  c  h  r  I  f  t  e 


tome  crkninken  die  Kinder  plötzlich  mit  hohem  Fieber  «I  is  sieh 
t   bis  zum  1.  Tage  nahezu  als  Kontinua  hÀlt.    WÀhrend  oder  am 
I  Ende  des  4.  Tages  erfolgt  kritischer  Abfall  und  zugleich  tritt 
■  ein  eigenartiges,  morbilliformes  Exanthem  auf.    Dies  beginnt  in 
der  Regel  am  Rumpf  und  geht  dann  rasch  innerhalb  weniger 
I  Stunden  auf  die  ExtremitĂ€ten  ĂŒber,  wo  es  allerdings  nicht  so 
|  massig  auftritt.    Das  Gesicht  ist  weniger  stark  befallen   der  bc 
haarte  Kopf  pflegt  frei  zu  bleiben.     Das  Exanthem  hat  maku- 
losen  Charakter,  die  Flecken  sind  1-3  mm  im  Durchmesser  "roß 
'  unregelmĂ€ĂŸig  rund,  blaßrosarot,  zuweilen  fleischfarben,  nicht  er- 
;  haben.    Das  Exanthem  konfluiert  ziemlich  rasch,  zuweilen  blei 
ben  einzelne  besonders  große  Flecken  isoliert,  die  dann  einen 
kleinen  weißlichen  Hof  zeigen.    Nach  etwa  48  Stunden  ist  das 
Exanthem   völlig  geschwunden,   eine  Schuppung   im  Anschluß 
'  daran  wurde  nie  beobachtet.     Die  Kinder  sind  im  Allgemein- 
befinden wÀhrend  der  ganzen  Krankheit  kaum  wesentlich  *e- 
:  stört.    Das  Blutbild  zeigte  mit  Ausnahme  einer  geringen  Leuko- 
;  penie  keine  VerÀnderungen.     Ansteckend  scheint  die  Krankheit 
nicht  zu  sein.    Differenzialdiagnostisch  kÀmen  Scharlach  Masern 
oder  Röteln  in  Frage,  die  aber  alle  auf  Grund  des  klinischen  Be- 
.  fundes,  des  Verlaufs  und  des  Blutbefundes  ausgeschlossen  wer- 
den können 

Fieberhaftes  Exanthem  bei  Kleinkindern.    Verfasser  berich- 
ten ĂŒber  KrankheitsfĂ€lle,  die  sich  der  Beschreibung  nach  mit  den 
von  Levy  decken.     Die  Krankheit  setzt  plötzlich  mit  hohem 
rieber  ein,  ohne  daß  daneben  irgendein  Organbefund  zu  erheben 
wÀre.    Der  Verlauf  ist  stets  völlig  gleichartig,  die  Kontinua  hÀlt 
I  steh  zwischen  39  und  40  Grad  Celsius  bis  zum  4.  Krankheitsta«e 
|und  sinkt  mit  dem  Auftreten  eines  eigenartigen  morbilliformen 
Exanthems  kritisch  ab.    Es  besteht  dabei  immer  eine  ziemlich 
I  erhebliche  Leukopenie,  fast  regelmĂ€ĂŸig  auch  relative  Lvmpho- 
zytose  (80-90  Prozent).    Es  werden  fast  ausschließlich  Kinder 
in  den  ersten  2  Lebensiahren  befallen.    Irgendein  Anhaltspunkt 
lur  KontagiositÀt  ist  nicht  vorhanden.    Das  Charakteristische  der 
Erkrankung  besteht  in  einem  typischen  Exanthem,  das  immer 
erst  im  Augenblick  des  Temperaturabfalles  auftritt  und  nur  bis 
zu  48  Stunden  besteht.     Dieses  Exanthem  besteht  aus  kleinen 
blaßroten,  nur  selten  etwas  erhabenen  Flecken  von  15—5  mm 
Durchmesser,  ist  in  der  Regel  profus  und  erstreckt 'sich  auf 
Rumpf,  untere  GesichtshÀlfte,  Nacken  und  ExtremitÀten  Nie- 
mals gelang  es  den  Verff.,  aus  den  Blutkulturen  irgendwelche 
Erreger  zu  zĂŒchten.   Scharlach.  Masern  und  Bötein  konnten  stets 
ausgeschlossen  werden.    Die  Krankheit  gleicht  nach  allem  den 
von  Zahorsky  1910  und  1913  beschriebenen,  die  er  mit  dem 
Namen  „Roseola  infantum"  belegte.     Verff.  schlagen  fĂŒr  diese 
noch  in  keinem  Lehrbuch  beschriebene  Erkrankung  den  Namen 
.Exanthem  subitum"  vor.  K  À  c  k  e  1 1  (Hamburg). 

New  York  Medical  Journal,  New  York. 


19.  Oktober  1921,  114,  Nr.  8. 

❖Behandlung  des   vorzeitigen   Haarausfalls.    Mac.    Kec     G    M    und    V  n 
d  re  w  s  ,  G.  C.   437.  '  .  ui.u 

Dentale  Infektion.    Osborne,  O.  T.  442. 

T>ie  Bewegungen  des  Zwerchfells  im  Röntgenbilde.    Tousey,  S.  441. 

Die  Ausscheidung  sekundÀrer  Strahlung  in  der  BaiWographie  Vbrams 
AI.  V.  447. 

❖Röntgentherapie  hei  chronischen  Erkrankungen  der  Knochen.  Gelenke  und 
‱Sehnen.    Philips,  H.  B.  und  Finkeist  ein.  H.    J 18. 
Operation  der  Femoralhernie.    Bavini,  C.  451. 
❖Biologie  der  Knochenentwicklung  in  Beziehung  zur  Knochentransplantatiön. 

Fi  a  I  n  <1  f|  ,    lr.        .  4o4. 

Das  rektovaginale  Septum.    Mc.  Kenne  y .  I).  c.  löli. 

Statischer  Einfluß  der  VerkĂŒrzung  von  Beckenmuskeln.    X  n  t  t     .1    .[  4;,n 

tinreifer  Staar.    S  m  I  th.  H.  E.  462. 

Die  VortÀuschunc  epidemischer  Enzephalitis  durch  Arznei  Vergiftung  Wil- 
son. G.  467. 

Anscheinend  tuberkulöse  anorektalc  Fistel.    Landsmann,  A.  A.  468. 
❖  LokalanĂ€sthesie  in  der  Zahn-.  Mund-.  Nasen-  und  RachenclĂŒrurgie.  Tomp- 
k  l  n  s  ,  H.  E.  469. 

Hepatisches  Fieber  infolge  Gumma,    Fried  mann.  G.  A.  475. 

Behandlung  des  frĂŒhzeitigen  Haarausfalls.  Besprechung  der 
Symptomatologie,  Prognose  und  Behandlung:  1.  der  Alopecia 
praematura  mit  ihren  3  Unterabteilungen  der  A.  symptomalica, 
A.  idiopatica  oder  hereditaria  und  der  A.  seborrhoica;  2.  der  A. 
senilis  und  3.  der  A.  areata.  Die  ausfĂŒhrlichen  Angaben  ĂŒber  «die 
Behandlung  mit  zahlreich  beigefĂŒgten  Rezepten  -eignen  sich  nicht 
zum  Referat  und  mĂŒssen  im  Original  nachgelesen  werden. 

Die  Behandlung  chronischer  Knochen-,  Gelenk-  und  Schnen- 
orkrankungen  mit  Röntgenstrahlen.   Verff.  berichten  ĂŒber  gute 
Resultate  der  Röntgentherapie  bei  tbc.  Arthritis  und  Osteomye 
litis,  bei  chronischer  (pyogener)  Osteomyelitis  und  chronischer 


AUhniis,  bei  Ganghen-  und  Sehnenscheidenhygromeo.  Mißerfolge 

beruh,,,  n.eisl  auf  einer  zu  intensiven  Bestrahlung,  die  ZU  elnei 
Gcwcbs.schadigung  fĂŒhrt,  wahrend  nur  ein  Anreiz  auf  den  /eil 

^'^fchsel  ausgeĂŒbt  werden  darf.  Die  BestrahlungsintensiW 
bei  einen.  6 jĂ€hrigen  Jungen  mit  IlĂŒflgelcnslbe.  betrug  eine  halbe 
'-rvihemdosis  mit  4  mm  Aluminturafflter.  Nach  wengien  Bestrah 
hingen  verschwanden  Schmerzen.  Muskclsp.mnung  und  Temp, 
ratursle.gening.  GĂŒnstig  ist  der  Einfluß  auf  die  Semiestrierunfl 
und  den  Schluß  von  Fistelöffnungen;  der  chronische  Verlauf  der 
Osteomyelitis  wird  deutlich  abgekĂŒrzt.  Die  chirurgischen  und 
orthopĂ€dischen  Maßnahmen  können  durch  die  Röntgentherapie 
zwar  nicht  ersetzt,  aber  wirksam  unterstĂŒtzt  werden. 

Die  Biologie  der  Knochcnentwiekluns;  in  ihrer  Beziehung  zur 
Knochentransplantatiön.  Der  Ossificationsprozeß  setzt  ein  mit 
dem  Auftreten  von  Osteoblasten  nach  vorausgegangener  Vaseula 
nsierung  der  Grundsubstanz.  Die  Osteoblasten  sind  weder  ver- 
Ànderte Knorpelzellen,  noch  verÀnderte  Bindegewebszellen-  sie 
entstehen  selbstÀndig  und  haben  keinerlei  Beziehung  zu  dem 
Penchondrium.  Sie  sind  beschrÀnkt  auf  die  Cambiumschicht  des 
Periostes  oder  Endostes.  Da  streng  genommen  nicht  dem  Periost 
sondern  nur  den  Osteoblasten  in  der  Cambiumschicht  knochen- 
mldende  FÀhigkeit  zukommt,  hat  man  bei  Knochentransplantatiön 
nen  darauf  zu  achten,. daß  noch  eine  dĂŒnne  Knochenschicht  mit 
dem  Periost  in  Zusammenhang  bleibt.  Die  Transplantation  von 
Periost-  und  Endostfreiem  Knochen  ist  nur  dann  möglich  wenn 
von  dem  gesunden  Knochen  aus  Osteoblasten  in  genĂŒgender 
Menge  in  die  Interstitien  des  implantierten  Materials  eindringen 
Ein  dauernder  Erfolg  wird  aber  meist  nur  dann  erzielt,  wenn  der 
transplantierte  Knochen  bereits  Osteoblasten  enthÀlt. 

LokalanÀsthesie  in  der  Zahn-,  Mund-.  Nasen-  und  Rachen 
Chirurgie.  Weitschweifige  Darstellung  der  Vorbereitung  und  Aus 
iuhrung  der  LokalanÀsthesie  bei  chirurgischen  Erkrankungen  des 
Mundes  und  benachbarter  Organe.  Die  Arbeit  bringt  nicht  neues; 
sie  will  den  Praktiker  unterrichten,  wo  er  im  gegebenen  Fall  zu 
injizieren  hat,  in  welcher  StÀrke  und  Menge  das  AnÀsthetikum 
(Procaine)  anzuwenden  ist,  und  nach  welcher  Zeit  er  den  Eintritt 
der  AnĂ€sthesie  erwarten  kann.  2  beigefĂŒgte  Tabellen  ermöglichen 
eine  schnelle  Orientierung  ĂŒber  diese  Einzelheiten. 

Stadelmann  (Frankfurt  a.  M.  . 

New  York  Medical  Journal,  New  York. 


2.  November  1921,  114,  Nr.  9. 

❖Pathologie  der  Syphilis  des  Zentralnervensystems.     K  e  i  1  t  y     R.    A.  497. 

Methode  zur  Erhaltung  der  Antigeneigenschaften  von  Oonokokkcuproteinen 
in    f.lyzerol.     flock.  R.   O.   und   Beard.   S.  D.  499. 
❖  Eine  Reaktion  im  Blutseirum  bei  Syphilis.    Kilduffe.  R.  A.  502. 

Antikörper  und  Komplement  in  Beziehung  zur  ImmunitÀt.    H  e  r  b  .  F.  50X 

Syphilis.     Stevens.    .T.    H.  508. 

Wic_i.M-.nftr.'te.t  s-ehtbarer  luetischer    Manifestationen    wÀhrend  antispezi- 
rischer  Behandlung.    S  a  y  e  r  .  A  513. 
❖l'nilateraie  Nephritis.     Rath  b  u  n  .   N.   I>.  515. 

❖Was    muß    der     Praktiker     von     Nierenerkrankungen     wissen?  Hai- 
p  e  r  t  .  H.  520. 

Ureterstein.    Mc.  K  e  n  n  a  .  W.  F.  522. 

❖Chronische  Nephritis  mit  beiderseitiger  Operation   nach  Eilebohl   .  V  a  u  \ 
N.  W.  524. 

Diagnose   und  Behandlung  chronischer  Gonorrhoe  beim  Mann  Rosen- 
thal, B.  525. 

❖Defekte  ZĂ€hne  als  Ursache  von  Tnfektion  des  TVogenĂŒtaltrakts  (2  FĂ€lle)  und 

von  Asthma  (2  FĂ€lle).    R  u  e  c  k  .  G.  A.  527. 
❖Syphilis  in  bezug  auf  Psychosen  und  Psychoneurosen.    B  a  r  n  e  s  .  F.  H.  529. 
Quecksilherbehamllung  der  Synhilis.    Hadjopoulos,  L.  G.  Burlmi  k 

R.   und  Kyrides.  L.  P.  529. 

❖Praktische   Kontrolle   der  venerischen  Erkrankungen   in   England.   R  o  u  t  , 
E.  A.  536. 

Die  Pathologie  der  Syphilis  des  Zentralnervensystems  mit 
serologischen  Reaktionen  im  Auszug.  Bereits  im  SekundÀr- 
stadium der  Syphilis  können  Gehirn  und  BĂŒckenmark  durch  das 
Eindringen  der  SpirochÀte  pallida  spezifische  VerÀnderungen  er- 
leiden. Infolge  der  ungĂŒnstigen  Wachstumsbedingungen,  die  die 
Sp.  p.  im  Zentralnervensystem  findet,  sind  die  VerÀnderungen 
jedoch  geringfĂŒgiger  als  an  anderen  Stellen  des  Organismus, 
dementsprechend  die  Krankheitserscheinungen  weniger  ausge- 
prÀgt. Die  syphilitischen  VerÀnderungen  sind  ausgesprochen 
produktiver  Natur  und  fĂŒhren  im  C.  N.  S.,  wenn  nicht  bereits  im 
FrĂŒhstadium  grĂŒndliche  Behandlung  einsetzt,  zu  irreparablen 
SchÀdigungen.  Nicht  selten  ist  bei  einwandfrei  pos.  Wa.  im 
Liquor  die  Wa.  R.  im  Blute  negativ.  Negative  Blutreaktion 
schließt  nicht  unbedingt  eine  Syphilis  des  Zentralnervensystems 
aus.  Daher  die  Mahnung,  hÀufigere  Liquoruntersuchungen  vor- 
zunehmen. 

Eine  die  Ausflockung  hemmende  Reaktion  im  Blutserum 
Syphilitischer.    Die    von    Gordon    angegebene   Methode  ver 


80 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


wendet  als  prÀzipitierendes  Agens  eine  wÀsserige  1  %  Hg  Cl2- 
Lösung,  von  der  5 — 10  Tropfen  einigen  ccm  klaren  Blutserums 
zugesetzt  werden.  Das  nicht  syphilitische  Serum  zeigt  innerhalb 
weniger  Minuten  Ausflockung,  wÀhrend  das  syphilitische  Serum 
vollkommen  klar  bleibt.  Die  Methode  erwies  sich  bei  Nach- 
prĂŒfung als  ganz  unzuverlĂ€ssig. 

Einseitige  Nephritis.  Gewisse  pathologische  VerÀnderungen 
der  Nieren  bieten  ein  ziemlich  scharf  umschriebenes  Krankheits- 
bild und  werden  daher  schlechtweg  als  Nephritis  bezeichnet, 
wÀhrend  sie  hÀufig  nur  die  Narbe  eines  vorausgegangenen,  auf 
einen  Teil  des  Nierengewebes  lokalisierten  EntzĂŒndungszustandes 
darstellen,  der  durch  einen  entfernt  liegenden  Infektionsherd  her- 
vorgerufen ist.  Verf.  teilt  diese  FĂ€lle  in  zwei  sich  teilweise 
deckende  Gruppen  ein  1.  FĂ€lle  von  sog.  idiopathischer  renaler 
HĂ€maturie  und  2.  die  chronische,  schmerzhafte  Niere.  Nach 
seinen  Erfahrungen  gehen  alle  Nierenblutungen  mit  Schmerzen 
einher,  andererseits  zeigen  alle  schmerzhaften  Nieren,  wenn  nur 
genĂŒgend  lange  beobachtet  wird,  das  Symptom  der  HĂ€maturie. 
Als  Grundlage  seiner  theoretischen  Ueberlegungen  dienen  Verf. 
die  Operationsergebnisse  von  11  FĂ€llen  (6  Nephrotomien,  2  De- 
kapsulationen  und  3  Nephrektomien).  Als  Ursache  der  Be- 
schwerden fand  sich  einmal  ein  Abszeß,  einmal  ein  aus  Lympho- 
zyten bestehender  EntzĂŒndungsherd,  der  anfangs  fĂ€lschlich  als 
Sarkom  angesprochen  wurde,  einmal  eine  etwa  zollgroße  Narbe. 
Einmal  zeigte  sich  die  Niere  durchsetzt  von  Stecknadelkopf-  bis 
erbsengroßen  Höhlen.  Einmal  fanden  sich  neben  einer  mĂ€ĂŸig 
fortgeschrittenen  vaskulÀren  und  Glomerulonephritis  mehrere 
kleine.  Zysten,  von  denen  2  mit  Blut  gefĂŒllt  waren.  Alle  bis  auf 
2  FĂ€lle  wurden  durch  die  Operation  dauernd  von  ihren  Be- 
schwerden befreit. 

Was  muß  der  praktische  Arzt  ĂŒber  Nierenerkrankungen 
wissen.  Zur  Beurteilung  einer  Nierenerkrankung  ist  die  Auf- 
nahme einer  genauen  Anamnese  von  besonderer  Wichtigkeit.  Die 
Höhe  des  Blutdrucks  ist  kein  zuverlĂ€ssiger  Maßstab  fĂŒr  die 
Schwere  der  Erkrankung;  besser  zeigen  HerzvergrĂ¶ĂŸerung,  Ex- 
sudationen und  HĂ€morrhagien  im  Augenhintergrund  die  Aus- 
dehnung der  NierenschÀdigung  an.  Um  sich  ein  vollstÀndiges 
Bild  von  der  FunktionsfÀhigkeit  der  Nieren  machen  zu  können, 
ist  der  Reststickstoff  im  Blut  zu  bestimmen.  Die  Ursache  der 
NierenschÀdigung  kann  toxischer  oder  bakterieller  Natur  sein. 
Auch  chemische  Agentien  und  Giftstoffe,  wie  sie  wÀhrend  der 
Schwangerschaft  gebildet  werden  und  in  Verbindung  stehen  mit 
den  Erscheinungen  des  an aphylakti sehen  Shoks,  können  dieselbe 
Wirkung  ausĂŒben.  Therapeutisch  werden  zur  Erleichterung  der 
Nierenarbeit  Schwitzpackungen  und  Ableitung  auf  den  Darm 
empfohlen.  Die  Brightsche  Krankheit  ist  eine  chronisch-toxische 
Nephritis,  die  sich  entweder  aus  einer  akuten  Nephritis,  oder  in- 
folge einer  seit  lÀngerer  Zeit  einwirkenden  GiftschÀdigung  ent- 
wickelt hat.  Nicht  selten  findet  sich  eine  akute  Nephritis  neben 
der  chronischen  Form.  Am  hÀufigsten  erlebt  der  praktische  Arzt 
Xierenkomplikationen  bei  Schwangeren.  Bei  chronischer  Ne- 
nhritis  sollte  die  Schwangerschaft  sofort  unterbrochen  werden. 
Unbedingte  Indikation  hierzu  liegt  vor  bei  bestehender  Retinitis 
albuminurica 

Die  Edcbohlsehe  Operation  bei  chronischer  Nephritis.  Bei 

einem  6  jÀhrigen  luetischen  Knaben  mit  chronischer  Nephritis,  die 
trotz  ausgiebigster  Behandlung  mit  allen  nur  denkbaren  Mitteln 
der  internen  Medizin  zu  allgemein  fortschreitendem  Oedem  mit 
Ascites  gefĂŒhrt  hat,  wurde  nach  7  Wochen  in  Stickoxydulnarkosp 
nach  E  debohl  die  Dekasulation.  zunÀchst  der  rechten  und 
nach  Erholung  des  Patienten  von  der  ersten  Operation  auch  der 
linken  Niere  ausgefĂŒhrt.  Der  Erfolg  war  ausgezeichnet.  Nach 
15  Wochen  fanden  sich  nur  noch  Spuren  von  Eiweiß  und  einige 
wenige  hyaline  Zylinder  im  Urin,  und  die  Ausscheidung  betrug 
fast  das  doppelte  der  Aufnahme. 

Kariöse  ZÀhne  als  Ursache  einer  Infektion  des  Urogenital- 
traktus  und  von  Asthma  in  je  2  FĂ€llen.  Unter  Hinweis  auf  den 
zweifellos  großen  Einfluß  septischer  Erkrankungen  der  Mund- 
höhle auf  die  Entstehung  von  Rheumatismus,  verschiedener  Er- 
krankungen des  Blutes,  des  Darmes,  der  Nieren  usw.  zeigt  Verf. 
an  4,  allerdings  nicht  recht  ĂŒberzeugenden  FĂ€llen,  die  gĂŒnstigen 
Resultate,  die  er  bei  der  Behandlung  von  Rheumatismus,  Pyelitis 
und  eitriger  SehnenscheidenentzĂŒndung,  bei  Asthma  und  Heu- 
fieber dadurch  erzielt  haben  will,  daß  er  alle  erkrankten  ZĂ€hne, 
in  einem  Fall  13  StĂŒck,  extrahieren  ließ. 

Einige  Gesichtspunkte   ĂŒber    die   Beziehung   von   Lues  zu 

Psychosen  und  Psychoneurosen.  Verf.  betont  die  Notwendigkeit, 
bei  allen  Kranken  mit  neurasthenischen  Symptomen,  bei  Psycho- 
neurosen  und   leiclil   depressiven  Formen  von  Geisteskrankheit 


auf  Lues  zu  fahnden,  die  in  vielen  FĂ€llen  die  Ursache  der  Er- 
scheinungen ist,  wie  er  an  7  FĂ€llen  zu  zeigen  imstande  ist. 

Praktische  Kontrolle  der  Geschlechtskrankheiten  in  England. 

Kritische  Besprechung  der  von  dem  obersten  Beamten  des  eng- 
lischen Gesundheitsministeriums  im  Jahresbericht  fĂŒr  1921 
niedergelegten  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  die  Prophylaxe  und  Behand- 
lung der  Geschlechtskrankheiten  und  Darlegung  eigener  An- 
schauungen ĂŒber  die  BekĂ€mpfung  der  Geschlechtskrankheiten, 
die  im  einzelnen  nicht  besprochen  werden  können.  Betonung  det 
Wichtigkeit  der  Prophylaxe  durch  persönliche  Reinlichkeit  und 
Selbstdesinfektion.  Stadelmann  (Frankfurt  a.  M.). 

New  York  Medical  Journal,  New  York. 

16.  November  1921,  114,  Nr.  10. 

Galen  und  seine  Zeit.    W  r  i  g  h  t  .   T.  557. 

Diagnostische  Bedeutung  der  Pupillensymptomc.    Koster.  M.  L.  r>6r,. 
Die  Bedeutung  der  Augen  hei  Kopfschmerzen.     K  o  a  r  n  e  y  .  .T.  A.  565. 
Mobilisierung  der  Kniogelonksankyloso:  Arthvoplastik.    Ogilvy.  C.  366. 
Behandlung  der  Femurfraktur.    H  a  (1  d  e  n  .  W.  568i 
Das   Radium    in    der   Chirurgie.     S  c  h  1  e  y  .    W.   S.  573. 
‱fcAetiiologie  und  Behandlung  der  Handinfoktionen.  Hill.  ('.  D.  575. 
Knoehenchirurgic.     Walsh.    J.    W.  576 

Verwechslung  des  Thoraxtumors  mit  Aneurysma.  G  o  1  d  s  t  e  i  n  .  H.  I.  57S. 
Psychotherapie.     Ball.    C.  R.  580. 

Organische   Erkrankungen   in   Begleitung   von   Psychonouros:  n.     G  o  v  e  y  . 

C.  B.  583. 

Akute  diffuse  suppuratlve  Labyrinthitis.  G  r  e  e  n  f  i  e  1  d  .  B.  D.  585. 
Aetiologie  und  Behandlung  von  Handinfektionen.  Die  schlimm- 
sten Handinfektionen  entstehen  meist  im  Anschluß  an  kleinere 
Verletzungen,  zu  deren  Behandlung  Àrztliche  Hilfe  nicht  in  An- 
spruch genommen  wurde.  Um  einer  Infektion  vorzubeugen,  emp- 
fiehlt Verf.  sofortige  Jodierung;  nach  eingetretener  Infektion  ab- 
solute Ruhigsteilling,  heiße  BĂ€der  in  Sublimat.  Carrel-Dakin-  oder 
Wrightscher  Lösung  und  feuchte  heiße  VerbĂ€nde  wĂ€hrend  der 
Nacht.  Am  besten  werden  die  Kranken  zur  Incision  und  Nach- 
behandlung einem  Krankenhause  ĂŒberwiesen. 

Stadelmann  (Frankfurt  a.  M.) 

Archives  of  internal  Medicine,  Chicago. 

15.  November  1921,  28,  Nr.  5. 

Einfluß  allgemeiniW  SchwĂ€ch«  und  ErmĂŒdune  auf  die  vitale  KapazitĂ€t  der 
Lunge.    P  e  a  liodv.  F.  W.  und  Stursis.  0.  f.  501. 

Studien  ĂŒber  Erythrozytℱ  mit  besondrer  RĂŒcksicht  atff  Betieulum.  Poly- 
chromatophil ie  und  Mitochnndrie.    Key.  .T.  A.  511. 

Vephiitis  durch  Ankvlostr.ma  duodenalis.  P.  o  j  a  s  .  F.  und  M  o  r  e  n  «t  o  . 
J.  T.  550. 

Chemie  des  Blutes  und  der  Corel.ronpinalfliissigkeit.  K  g  e  r  e  r  -  S  e  h  a  m  . 
G.  und  Nixon.  C.  E.  501. 

Funktionelle  Krankhrvt  bei  Soldaten.    Sw.an.  J.  IL  586. 

Pl]enol.sulphoncphtha!cin-.\usschoidun<r  hei  chronischer  interstitieller  Ne- 
phritis.    S  n  o  iv  den.   Tl.   R.  G03. 

Beziehungen  des  Mageninhalten  zu  der  sekrotorisch-u  und  motorischen 
Funktion  des  Organs.    W  h  e  e  1  o  n  .  IT.  613. 

\lkaptonurie:  Stoffwechsel.  Gibson.  R.  B.  und  Howard.  C.  P.  632. 
❖Per  Einfluß  des  anorganischen  Eisens  auf  die  Blurrrgeneration  nach 
hÀmorrhagischer  AnÀmie.    M  u  s  s  o  r  .  .1.  H.  638. 

RrĂŒfeing  der  Nierenfunktion.    Sharlit.  Tl.  und  Lylc.  W.t  G.  R49. 

Terminale  Herzarrhythmie.  Dienaide.  F.  E.  und  Davidson, 
E.  C.  6G3. 

Zerebrale  und  neuromuskulÀre  Wirkung  des  Digitalis.  Macht.  D.  J. 
und  Bloom    W.    i  78.  , 

Der  Einfluß  anorganischen  Eisens  auf  die  Blutregeneration 
bei  hĂ€morrhagischer  Anaemie.  Um  den  Einfluß  des  anorgani- 
schen Eisens  auf  die  Blutregeneration  zu  studieren,  bekamen 
Hunde,  die  durch  wiederholte  Blutverluste  anaemisch  gemacht 
waren'  Eisensulfat  zusammen  mit  Natriumbiearbonat  in  tÀglichen 
Mengen  die  den  therapeutischen  Gaben  beim  Menschen  ent- 
sprechen. Anaemisierte  Kontrolltiere  erhielten  kein  Eisen.  Es 
zeigte  sich  im  Begenerationstvp  bei  den  Versuchsreihen  kein 
wesentlicher  Unterschied.  Die  Tiere  -  es  waren  sonst  gesunde 
Hunde,  die  normal  ernĂ€hrt  wurden  —  erholten  sich  mit  und  ohne 
Eisenmedikaiion  in  etwa  der  gleichen  Zeitdauer. 

L.  Farmer  Loeb  'Berlin  . 

The  Japan  Medieal  World,  Tokio. 

15.  Oktober  1921,  1.  Nr.  6. 

ImmunhÀmagglutiinin.     T  a  n  e  m  o  t  o  F  u  r  u  h  ata.  1. 
^Prophylaktische  Maseruimpfung.    Hiraislii.  S.  und  O  k  a  m  o  t  o  .  K  10. 
Transplantation       von       Batten-Sarkom       auf       ausgewachsene  Yöge^ 
Sliirai,  %  15. 

Ueber  Masernschutzimpfung.  Im  Anschluß  an  Untersuchunucn 
von  Kusama,   dem  es  gelang,  durch  Injektion    sehr  kleiner 


40.  Jahn 


Nr.  3. 


Buchbesprechungen 


M 


Mengen  von  unabgeschwĂ€chtem  FlecktyphusvirĂŒs  Affen  gegen  die 
5  fache  krankmachende  Dosis  zu  schĂŒtzen,  wurde  der  \  ersuch 
unternommen,  durch  Injektionen  von  stark  verdĂŒnntem  Masern1 
blut  Kinder  aktiv  zu  immunisieren.  Die  immunisierten  Kinder 
wurden  teils  der  natĂŒrlichen  Infektion  ausgesetzt,  teils  durch  In- 
jektionen grĂ¶ĂŸerer  Mengen  von  Masernblut  oder  durch  Bepinseln 
der  Rachenschleimhaut  mit  dem  Rachensekret  masernkranker 
Personen  zu  infizieren  versucht.  Hierbei  zeigte  sieh,  daß  es 
uichl  immer  gelingt,  durch  den  Rachenschleim  die  Krankheit  zu 
ĂŒbertragen,  wahrend  die  UebertrĂ€gung  durch  Blutinjektionen 
sicherer  erreicht  wird.  Ferner  zeigte  sich,  daii  einige  nicht- 
schutzgeimpfte  Kinder,  die  nach  Injektionen  von  sonst  krank- 
machenden Dosen  von  Masernblut  gesund  blieben,  nach  Zu- 
sammensein mit  masernkranken  Personen  die  Krankheit  er- 
warben. Als  kleinste  Dosis  von  .Masernblut,  die  im  Injeklions- 
versueh  krankmachend  wirkte,  wurde  die  Menge  von  0,001  bis 
0,002  cem  festgestellt.  Eine  Schutzimpfung  mit  0,0001  cem  in- 
fizierten Blutes  erwies  sich  als  ganz  harmlos  und  konnte  bei  dem 
Kinde  einen  gewissen  Grad  von  ImmunitÀt  gegen  die  eben  ge- 
nannten krankmachenden  Dosen  bewirken.  Ein  sicherer  Schutz 
gegen  Infektion  auf  natĂŒrlichem  Wege  wird  allerdings  nicht  er- 
reicht. In  den  FĂ€llen,  in  denen  es  trotz  der  Impfung  zur  Er- 
krankung kam,  verlief  dieselbe  besonders  leicht.  Die  erfolgreichen 
v ersuche  von  Degkwitz  mit  Masernrekonvaleszentenserum 
werden  von  den  Verff.  nicht  erwÀhnt.        Wolf  f  (Hamburg). 


Buchbesprechungen. 

Kratter,  Julius  (Graz):  Lehrbuch  der  gerichtlichen 
Medizin,  in  2  BĂ€nden.  I.  Band  Theoretischer  Teil.  Zweite, 
wesentlich  verbesserte  Auflage.  Stuttgart,  Ferd.  Enke.  1921. 
724  S. 

Je  komplizierter  das  Leben  in  seinen  Beziehungen  zur  Um- 
gebung wird,  um  so  hÀufiger  kommt  es  zu  Reibungen,  und  wenn 
der  Arzt  von  altersher  als  Therapeut,  mithin  als  Akteur  in  die 
Zukunft,  aufgefaßt  wurde,  so  schiebt  sich  immer  deutlicher  neben 
ihn  der  Arzt  als  Diagnostiker  und  Aetiologe,  mit  einem  in  die 
Vergangenheit  gerichteten  Blick. 

Solch  eine  TĂ€tigkeit  ist  naturgemĂ€ĂŸ  von  Wichtigkeit  fĂŒr  die 
Rechts-  und  Wohlfahrtspflege,  damit  Störungen  im  physiologi- 
schen Verlauf  entweder  geahndet  oder  abgestellt  werden. 

Die  Pathologie  tritt  hier  also  eben  so  auf,  nur  gewissermaßen 
in  umgekehrter  Orientierung.  Das  kann  man  nicht  lernen;  das 
muß  man  erlebt  haben.  Und  so  ist  es  dankenswert,  daß  ein  Mann 
mit  den  Erfahrungen  eines  Vierteljahrhunderts  hier  seinen 
SchĂŒlern  einen  Niederschlag  seines  Erlebens  gibt.  Erfahrungen 
sind  immer  subjektiv;  drum  leuchtet  auch  aus  diesem  Lehrbuch 
allenthalben  eine  wohlumrissene  Persönlichkeit  mit  ihrer  beson- 
deren Stellung  zur  Welt  hervor.  Wenn  er  z.  B.  an  einer  Stelle 
halbgebildeten  Laien  zuverlÀssige  Beobachtungsgabe  zuerkennt, 
so  ist  das  gewiß  höchst  subjektiv;  oder  er  hat  vorwiegend  Ro- 
manen im  Auge,  welche  in  der  Tat  in  ihren  Krankenbeschrei- 
bungen unvergleichlich  viel  prÀziser  sind  als  die  Germanen. 

Umfang  und  Inhalt  der  „gerichtlichen  Medizin"  sind  bekannt 
genug;  sie  braucht  man  also  nicht  im  einzelnen  aufzuzÀhlen.  Die 
Hauptsache  ist  die  Kunst  der  Darstellung,  und  diese  ist  in  allen 
Teilen,  sogar  in  den  ausgeschriebenen  Verletzungen,  fesselnd  und 
verschafft  auch  einem  Juristen  einen  Einblick  in  das  biologische 
Getriebe. 

Daß  ein  Werk  aus  dem  Verlag  Ferd.  E  n  k  e  an  sich  schon  ein 
sthetischer  Genuß  ist,  bedarf  keiner  ErwĂ€hnung. 

Buttersack. 

F.  A.  Hoffmann,  Professor  P.  O.  em.  an  der  UniversitÀt  Leipzig, 
Kais.  Russ.  Wirkl.  Staatsrat,  Kgl.  Sachs.  Geheimer  Rat:  Die 
Reichsversicherungsordnung.  Nach  der  Vorlesung 
ĂŒber  Soziale  Medizin  fĂŒr  Juristen  und  Aerzte.  Verl.  F.  C.  Vogel, 
Leipzig  1921.  Preis  20  M. 

Wenn  einer  der  Großen  unserer  Wissenschaft,  welcher  jahr- 
zehntelang einen  Lehrstuhl  an  einer  unserer  grĂ¶ĂŸten  Universi- 
tÀten bekleidete,  nun  nach  fast  50  jÀhriger  Àrztlichen  TÀtigkeit 
procul  negotiis  die  Feder  ergreift,  um  aus  dem  Borne  seiner  reichen 
Erfahrung  uns  JĂŒngere  zu  belehren,  so  dĂŒrfen  wTir  mit  Recht 
etwas  Besonderes  erwarten.  Dies  ist  auch  in  dem  neuesten  Werke 
unseres  Albin  Hoffmann  der  Fall.  Gewiß  an  Bearbeitungen 
der  Reichsversicherungsordnung  sowohl  aus  der  Feder  von  Me- 
dizinern und  -Juristen  besteht  kein  Mangel.  Aber  das  vorliegende 
Werk  zeigt  eine  höchst  persönliche  Note  und  ganz  individuelles 


GeprÀge.  An  Umfang  zÀhlt  diese  Bearbeitung  nur  65  Seiten  abej 

welche  FĂŒlle  sozial-medizinischer  Erfahrung  auf  («rund  der  aus- 
gedehnten GutachtertÀtigkeil  finden  Wir  hier  zusammengedrÀngt, 
welche  abgeklĂ€rte  Gediegenheit  des  Urteils  und  welche  grĂŒnd- 
liche Kenntnis  der  Psyche  unserer  Kranken,  unserer  Unfallver- 
letzten und  unseres  Invalidenrentners.  Welch  treffende  Worte 
spricht  er  ĂŒber  Arzt,  Krankenkassen,  Patienten  sowie  ĂŒber  Kur- 
pfuscher. 

Im  Kapitel  Krankenversicherung  bietet  uns  U.  in  prÀgnanter 
KĂŒrze  alles  Wissenswerte;  insbesondere  verweise  ich  auf  die 
Feststellung  der  ArbeitsfĂ€higkeit  sowie  auf  seine  AusfĂŒhrungen 
ĂŒber  Mittel,  die  Grenze  zwischen  Gesundheit  und  Krankheit 
praktisch  festzusetzen.  Was  II.  ĂŒber  das  III.  Buch  (Unfallver- 
sicherung) bietet,  dĂŒrfte  nicht  so  leicht  ĂŒbertroffen  werden 
können;  der  praktische  Arzt  findet  hier  alles  Wissenswerte  und 
fĂŒr  die  Begutachtung  Notwendige  in  interessantester  Weise  mil 
ganz  persönlicher  Note.  Gesund  und  treffend  sind  seine  Kritik, 
seine  VorschlĂ€ge,  wert  bei  einer  Revision  in  weitestem  Maße  be- 
rĂŒcksichtigt zu  werden,  ebenso  wie  sein  Schluß-Kapitel  ĂŒber  Ar- 
beitslosenversicherung. 

Zusammenfassend  möchte  ich  sagen,  daß  II  o  f  f  m  a  n  n  '  s 
Reichsversicherungsordnung  wie  wohl  keine  zweite  Bearbeitung 
dieses  Themas  geeignet  ist,  den  Juristen  in  die  medizinische  Seite 
dieses  Gebietes  einzufĂŒhren,  und  dem  Ă€lteren  erfahrenen  Medi- 
ziner sowie  dem  jungen  PraxisanfÀnger  und  Assistenten  auf 
diesem  nicht  immer  leichten  sozialmedizinischen  Gebiete  ein 
FĂŒhrer  zu  sein,  ihm  in  ĂŒbersichtlicher  eingehender  Weise  auf- 
klÀren und  Belehrung  bietend.  Dr.  Paul  Michaelis. 

G.  Schmorl :  Die  Pathologisch  -  Histologischen 
Untersuchungsmethoden.  10.  u.  11.  Auflage,  1921, 
Verlag  F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig* 

Das  ausgezeichnete  Buch  Schmorls  liegt  in  neuer  Auflage 
vor,  die  wiederum  etwas  vermehrt  und  verbessert  ist.  FĂŒr  den 
AnfÀnger  besteht  der  besondere  Wert  des  Werkes  in  der  klaren 
Darstellung  der  GrundzĂŒge  der  Technik,  fĂŒr  den  Fortgeschrittenen 
in  der  lĂŒckenlosen  VollstĂ€ndigkeit  und  Uebersichtlichkeit  des 
Inhalts,  wodurch  es  schlechthin  zu  „dem''  Buch  in  der  Fachlite- 
ratur gestempelt  wird.  H  a  b  e  r. 

Dr.  Pospischill:  Ueber  Klinik  und  Epidemiologie  der 
Pertussis.    S.  Karger.    Berlin  1921.    Preis  33  M. 

Das  Studium  dieser  Monographie  lehrt  uns  den  Keuchhusten 
als  ein  neues,  Ă€ußerst  chronisches  und  ungeahnt  bösartiges  Lei- 
den erkennen.  In  seiner  eigenartigen  metaphernreichen  und  sub- 
jektiven Diktion  schildert  Pospischill  die  klinischen  Erfahrungen, 
die  er  im  Laufe  von  fast  20  Jahren  an  ĂŒber  25  000  Keuchhusten- 
kranken  Kindern  gewonnen  hat.  Aus  der  ĂŒberreichen  FĂŒlle  von 
klinischen  und  epidemiologischen  Tatsachen  ergibt  sich  die  Er- 
kenntnis, daß  das  klassische  Bild,  der  zeitlich  in  ihrem  Ablauf 
begrenzten  Infektionskrankheit  „Pertussis"  zu  den  seltenen  Aus- 
nahmefÀllen gehört.  Meist  ist  der  Beginn  schleichend  und  durch 
lange  Zeit  fehlt  das  Hustensymplom.  Die  Krankheit  besteht  nur 
in  einer  auch  klinisch  besonders  charakterisierten  Bronchitis. 
Gelegentlich  einer  sekundÀren  Infektion  (Masern,  Influenza, 
grippöse  Erkrankungen  aller  Art,  Diphtherie  usw.)  kommt  es  zur 
Entwicklung  des  vollen  Bildes  der  Keuchhustenkrankheit,  die 
dann  eigentlich  als  Rezidiv  aufzufassen  ist.  Sie  dauert  wahr- 
scheinlich jahrelang,  durch  die  ganze  Zeit  der  Kindheit,  und  jede 
neue  Infektion  kann  zu  mehr  oder  weniger  manifestem  Pertussls- 
rezidive  fĂŒhren.  In  der  ChronizitĂ€t  und  enormen  Verbreitung 
liegt  die  ernste  Bedeutung  des  Keuchhustens.  Pospischill 
glaubt,  daß  es  in  Wien  nur  wenige  Bronchitiden  und  LobulĂ€r- 
pneumonien (auch  sonstige  Erkrankungen  des  Respirations- 
fraktes)  geben  dĂŒrfte,  hinter  denen  keine  Pertussis  steckt.  Ja 
sogar  „ein  sehr  großer  Teil  des  Krankheitsleidens  der  Kinder 
ĂŒberhaupt  hat  in  der  Pertussis  seine  tief  verborgene  Wurzel". 
„Die  Pertussis  besitzt  die  Lungen  der  Kinder  Wiens."  Der 
Keuchhusten  setzt  sich  in  der  Lunge  fest,  und  die  dort  erzeugten 
VerÀnderungen  einer  Bronchitis  und  Peribronchitis  bedingen  die 
„Pertussislung  e ',  in  der  leichtesten  Form  charakterisiert 
durch  ein  eigenartig  klingendes,  kleinblasiges,  hartnÀckig  an  eine 
Stelle  lokalisiert  bleibendes,  meist  basales  Rasseln.  Bei  dieser 
und  den  anderen  SchÀdigungen  des  Respirationstraktes  durch  die 
Lungenpertussis  ist  der  Husten  noch  nicht  in  seiner 
klassischen  Form  vorhanden.  Es  muß  erst  zu  einer  Affektion 
des  Zentralnervensystems  (P  e  r  t  u  s  s  i  s  g  e  h  i  r  n)  durch  die 
spezifischen  Keuchhustenformen  kommen,  damit  die  typischen 
paroxysmalen  Hustanfalle  zustande  kommen. 

Von  grĂ¶ĂŸtem  Interesse  ist  es,  was  Verf.  aus  seiner  reichen 
Erfahrung    ĂŒber    die    GefĂ€ĂŸschĂ€digungen  und  ĂŒber  Pertussis- 


82 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


pyĂ€mie,  ĂŒber  Haut-  und  Schieimhautkomplikationen  noch  zu  be- 
uchten weiß;  wie  jede  einzelne  Mischinfektion  ihr  besonderes 
Kolorit  dadurch  erhalt,  daß  sie  in  einem  keuchhustenkranken  Or- 
ganismus ablÀuft. 

Pospischills  Ansichten,  die  so  grĂŒndlich  das  scheinbar 
festgefĂŒgte  Bild  des  Keuchhustens  umstĂŒrzen,  werden  sicher  nicht 
unwidersprociien  bleiben.  Lauten  doch  die  Erfahrungen,  die  man 
in  der  Praxis  —  außerhalb  der  Mauern  eines  Epidemiespitales  — 
gemacht  werden,  in  jeder  Hinsicht,  was  Verlauf,  Prognose,  Re- 
zidive, Heilbarkeit,  Beziehungen  zur  Tuberkulose  und  anderen 
Infektionen  betrifft,  ganz  anders,  und  die  Divergenz  der  Auf- 
lassungen lĂ€ĂŸt  sich  auch  nicht  uurctir  die  Annahme  besonderer 
VerhÀltnisse  des  Krankenmaterials  in  einem  Ini'ektionsspilale 
gĂ€nzlich  ĂŒberbrĂŒcken.  Derzeit  stehen  sich  zwei  Formen  der 
j/ertussis:  die  klassische,  typisch  verlaufende,  zeitlich  begrenzte 
Infektionskrankheit,  die  wir  bisher  gekannt  haben,  und  das  chro- 
nische, immer  wieder  rezidivierende  Leiden,  das  Pospischill 
beschreibt,  recht  schroff  gegenĂŒber.  \\  eitere  Untersuchungen 
und  Beobachtungen  werden  zeigen,  ob  und  in  welchem  Ausmaß 
die  alte  oder  die  neue  Lehre  modifiziert  werden  mĂŒssen;  An- 
regungen zu  Forschungen  gibt  die  Monographie  Pospischills 
in  mindestens  gleichem  Marie,  als  sie  zu  Widerspruch  reizt. 

Lehndorff  (Wien). 

Ernest  Jones  (London;:  Therapie  der  Neurosen.  Inter- 
nationaler Psychoanalytischer  Verlag,  Leipzig-Wien-ZĂŒrich, 
1921. 

Das  Buch  erlĂ€utert  in  flĂŒssiger  Darstellung  die  heutigen  Be- 
handlungsmethoden der  Neurosen  bezw.  Psycnoneurosen.  Neue 
Gesichtspunkte  werden  nicht  beigebracht.  Verf.  ist  ĂŒberzeugter 
Freudianer  und  rĂ€umt  demgemĂ€ĂŸ  der  Psychoanalyse  die  hervor- 
ragendste Stellung  in  der  Therapie  der  neurotischen  Erkrankungen 
ein.  Mit  ihm  ĂŒber  diese  Auflassung  rechten,  heißt  das  ganze 
Problem  von  neuem  aufrollen.  Und  das  hat  in  einer  kurzen  kriti- 
schen Besprechung  keinen  Zweck.  Man  sieht  immer  wieder,  daß 
zwischen  AnhÀngern  und  Gegnern  der  Freudschen  Lehre  eine 
Kluft  gĂ€hnt,  die  Kaum  zu  ĂŒberbrĂŒcken  ist.  Wenn  ĂŒbrigens  —  um 
Einzelneiten  zu  erwĂ€hnen  —  die  Kriegsneurosen  auf  verdrĂ€ngte 
Eigenliebe  oder  Narzißmus  zurĂŒckgefĂŒhrt  werden,  so  ist  das,  ge- 
linde gesagt,  eine  Einseitigkeit  in  der  Beurteilung,  vor  der  nicht 
genug  gewarnt  werden  kann.  Und  wenn  von  gĂŒnstiger  Beein- 
llussung  durch  Psychoanalyse  in  den  Anfangsstadien  der  De- 
mentia praecox,  in  den  freien  ZwischenrÀumen  des  manisch- 
depressiven Irreseins  und  bei  bestimmten  Formen  der  Epilepsie 
gesprochen  wird,  so  muß  der  unbefangene  Leser  diesen  Angaben 
mit  der  grĂ¶ĂŸten  Skepsis  begegnen.  Hier  mĂŒssen  sowohl  hinsicht- 
lich der  Diagnosestellung  wie  auch  der  wesentlichen  Besserung 
der  Symptome  bindende  Beweise  verlangt  werden.  Wohl  ist  es 
möglich,  daß  hysterische  Begleiterscheinungen  unter  dem  Einfluß 
der  Behandlung  schwinden,  das  Gesamtbild  der  Psychose  aber 
wird  hierdurch  nicht  beeinflußt  und  kann  ĂŒberhaupt  durch  psycho- 
analytische Bestrebungen  nicht  von  Grund  auf  geÀndert  werden. 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

P.  Orlowski:  Die  Impotenz  des  Mannes.  Kabitzsch, 
Leipzig.  3.  Aufl.,  IV,  150. 
Verf.  nimmt  als  eine  der  hÀufigsten  Ursachen  der  Impotenz 
eine  Kollikulus-Hypertrophie  an,  die  die  Folge  von  jahrelanger 
Onanie,  Coitus  interruptus,  hÀufiger  frustaner  Erregung  sein  soll. 
Die  theoretische  BegrĂŒndung  der  Entstehung  dieser  Kollikulus- 
Hypertrophie  ist  allerdings  sehr  anfechtbar.  —  Als  souverĂ€nes 
Mittel  hat  sich  Kauterisierung  des  Kollikulus  fĂŒr  den  Verfasser 
erwiesen. 

Was  Verf.  ĂŒber  die  rein  psychische  Impotenz  schreibt,  das 
Verwerfen  jeder  psychischen  Behandlung  usw.,  zeugt  von  großer 
Einseitigkeit  und  geringer  Kenntnis  der  menschlichen  Psyche. 

L  u  r  j  e. 

Louis  Satow:  Hypnotismus  und  Suggestion.  Oldenburg 
&  Co.,  Berlin  1921.   192  Seiten. 

Aus  der  Masse  der  populÀren  Schriften  dieses  Gebietes  hebt 
sich  dieses  Buch  angenehm  dadurch  heraus,  daß  es  rein  sachlich, 
ohne  Schwulst  —  allerdings  auch  ohne  Verliefung  —  das  Wesent- 
liche ĂŒber  Hypnose  und  Suggestion  bietet  und  gute  Beispiele  aus 
dem  Gebiet  der  Massensuggestion,  der  Kriegspsychose  und 
frĂŒheren  psychischen  Epidemien  bringt.  L  u  r  j  e. 

Ed.  Aigner:  Okkultismus  und  Wissenschaft.  Verlag 
Otto  Uhlmann,  Siegmar-Chemnitz.    63  Seiten. 
In  der  heutigen  Zeit,  wo  ein  Hang  zur  Mystik,  zu  ĂŒbernatĂŒr- 
lichen Dingen  durch  alle  Völker  geht,  ist  es  sehr  wĂŒnschenswert, 


daß  auch  die  gebildeten  Kreise  sich  mit  diesen  Dingen  sine  ira 
et  studio  beschÀftigen,  um  so  an  einer  wissenschaftlichen,  sich  von 
jeder  ĂŒbersinnlichen  Spekulation  fernhaltenden  Durchdringung 
dieser  Probleme  mitarbeiten  zu  können.  —  Das  kleine  Buch  von 
Aigner  ist  zur  EinfĂŒhrung  sehr  geeignet,  wenn  es  auch  fast  zu 
wenig  bringt.  Es  zeichnet  sich  durch  strenge  ObjektivitÀt  aus, 
berichtet  nur  einfache  Tatsachen  und  sucht  nicht,  vorlÀufig  noch 
unerklĂ€rliche  Dinge  auf  ĂŒbernatĂŒrliche  Weise  zu  erklĂ€ren. 

L  u  r  j  e. 

»Sexus.  Monographien  aus  dem  Institut  fĂŒr  .Sexual- 
wissenschaft in  B  e  r  1  i  n.    Band  1 :  A.  Kronfeld :  l  e  b  e  i 
p  s  y  c  h  o  s  e  x  u  e  1 1  e  n  infantil  ismus,  eine  K  ö  n  s  t  i  t  u 
i  i  o  n  s  a  n  o  m  a  1  i  e. 

Das  Konstitutionsproblem  hat  in  der  modernen  Zeit  eine  un- 
geahnte Bedeutung  gewonnen.  Emsigen  Forschungen  ist  es  nicht 
nur  gelungen,  die  somatischen  Merkmale  fĂŒr  bestimmte  Kon- 
stitutionen bezw.  Konstitutionsanomalien  zu  fixieren,  sondern  man 
hat  auch  die  psychischen  EigentĂŒmlichkeiten  fĂŒr  gewisse  Typen 
zusammenzĂŒordhen  und  scharf  umrissene  Bilder  zu  zeichnen  ver- 
mocht. 

Magnus  II  i  r  s  c  h  f  e  1  d  hat  zuerst  den  Begriff  des  psycho- 
sexuellen  Infantilismus  aufgestellt,  er  ist  als  bestimmte  Form 
einer  Sexualkonstitulion  aufzufassen,  welche  das  Stehenbleiben  der 
psychischen  Sexualentwicklung  auf  infantiler  Stufe  anzeigt. 
i\  r  o  n  f  e  1  d  hat  die  mannigfachen  Fragen,  in  die  bisher  eine  tiefer 
schĂŒrfende  Beobachtung  noch  nicht  eingedrungen  war,  zusammen- 
hangend bearbeitet  und  hat  unter  Beibringung  eines  interessanten 
kasuistischen  Materials  der  geschilderten  Konstitutionsanomalie 
eine  leste  Grundlage  geschaffen.  —  NaturgemĂ€ĂŸ  muß  die  Behand- 
lung  des  psychosexuellen  Infantilismus  das  Problem  der  kind- 
lichen SexualitÀt  wiederum  aufrollen.  Kronfeld  betont,  es 
gebe  beim  Kind  tatsÀchlich  nichts  im  Triebleben,  was  der  aus- 
gereiften SexualitÀt  des  Erwachsenen  vergleichbar  wÀre;  aber 
es  gebe  alle  Keime  und  Entwicklungsstadien  einer  Triebmatrix, 
aus  der  die  ausgereifte  SexualitÀt  hervorgehe.  Das  ist  lediglich 
eine  Hypothese.  Es  fehlt  jeder  Beweis  fĂŒr  einen  kontinuierlichen 
U ebergang  der  kindlichen  in  die  ausgereifte  SexualitÀt.  Die  vom 
Verfasser  angezogenen  Kindheitserinnerungen  Erwachsener  sind 
nicht  verwertbar,  weil  sie  nachtrÀglich  umgedeutet  werden 
können.  Man  kann  mit  dem  gleichen  Recht  behaupten,  daß  die 
SexualitÀt  des  Kindes  und  des  Erwachsenen  psychologisch  völlig 
verschiedene  Dinge  sind.  Zudem  bildet  die  in  der  PubertÀt  ein- 
setzende innere  Sekretion  der  KeimdrĂŒsen  ein  Moment,  dessen 
Tragweite  wir  noch  nicht  ĂŒbersehen  können. 

Sehen  wir  von  dieser  prinzipiellen  Streitfrage  ab,  so  können 
wir  uns  im  ĂŒbrigen  der  FĂŒhrung  des  Verfassers  getrost  anver- 
trauen. Die  Herausarbeitung  des  psychosexuellen  Infantilismus 
bedeutet  einen  zweifellosen  Fortschritt.  Dabei  tritt  —  vom  Ver- 
fasser gar  nicht  so  sehr  betont  —  der  enge  Zusammenhang  zwi- 
schen Sorna  und  Psyche  mit  einer  seltenen  Klarheit  zutage. 
Freilich  ergeht  es  uns  bei  dem  Studium  des  vorliegenden  Pro- 
blems genau  wie  mit  vielen  anderen  Errungenschaften  in  der 
Medizin:  kaum  haben  wir  eine  höhere  Stufe  erklommen,  so  öffnet 
sich  die  Sicht  auf  ein  weites  unbebautes  Feld,  dem  wir  nur  wie- 
der nach  heißer  Arbeit  neue  BodenschĂ€tze  entreißen  können. 

‱  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Hofrat  Dr.  Julius   Parreidt-Leipzig:   Zahnheilkunde.  Ein 
kurzes  Lehrbuch  fĂŒr  studierende  Aerzte  und  ZahnĂ€rzte.  Leip- 
zig.   Verlag  von  J.  A.  Barth  1922.   M.  45. 
Das  bekannte  Kompendium  in  neuer  Auflage,  verbessert, 
mehr  auf  den  Zahnarzt  zugeschnitten,  das  keiner  weiteren  Emp- 
fehlung bedarf.  v.  Schnizer. 

Alfred  Beyer  »  (Regierungsrat  im  preußischen  Ministerium  fĂŒr 
Volkswohlfahrt):  Gesundheit  und  gewerbliche  Ar- 
beit. Ein  Beitrag  zur  Erweiterung  und  Organisation  des  Ge- 
sundheitsschutzes der  Arbeitnehmer.  Veröffentlichungen  aus 
dem  Gebiete  der  Medizinalverwaltung.  XIII.  Band,  5.  Heft,' 
Berlin  1921.  Verlag  Richard  Schötz.  174  Seiten.  Preis  brosch. 
24  Mark. 

An  der  Neuregelung  des  Àrztlichen  Dienstes  in  der  Gewerbe- 
aufsicht hat  Verf.  einen  hervorragenden  Anteil;  ist  doch  auf  seinem 
Antrage  hin  endlich  die  hauptamtliche  Einstellung  von  5  Ge- 
werbeĂ€rzten in  Preußen  erfolgt,  nachdem  kleinere  Staaten  schon 
lÀngst  hervorragende,  wissenschaftlich  anerkannte  KrÀfte  mit 
diesem  Posten  betraut  hatten.  In  dem  vorliegenden  Werke  gibt 
Beyer  einen  Ueberblick  ĂŒber  die  Organisation  der  Gewerbeauf- 
sicht, welche  Aufgaben  die  GewerbeĂ€rzte  zu  erfĂŒllen  haben  und 
welche  Erfolge  fĂŒr  den  Gesundheitszustand  der  gewerblichen  Ar- 


lu.  Jahrg.     Nr.  3.  Soziale  Medizin   und  Standes  fragen  s.; 


heiter  und  damit  auch  fĂŒr  die  Wiederaufrichtung  unseres  Volkes 
infolge  dieser  Maßnahmen  zu  erwarten  sind.     Einen  Ueberblicl< 
aber  den  reichen  Inhalt,  welchen  Verfasser  in  geistreicher  und 
umfassender  Weise  meistert,  mögen  die  einzelnen  Ueberschriften 
Mben:  Organismus  und  Umwelt,  GefĂŒhlsleben  und  ErnĂ€hrung 
Die  ., Arbeit"  als  begriff  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  den  Einzelnen 
And  FĂŒr  die  Allgemeinheit.       Die  AnfĂ€nge  des  gewerblichen  de 
Bundheitsschutzes  und  dessen  Ausbau.  —  Die  technische  und  Ă€rzt- 
liche Organisation  der  gewerblichen  Gesundheitspflege.  Dia- 
gnose und  Begriff  der  Gewerbekrankheit.  —  Anzeigepflicht. 
Aufgaben  der  Gewerbehygiene.  —  Konstitution  und  Arbeitszeil  in 
differentieller  Wertung.       Die  angewandte  Psychologie  und  ihre 
Bedeutung  fĂŒr  die  gewerbliche  Gesundheitspflege.  —  Aufklarung. 

Wie  ersichtlich,  sind  es  fĂŒr  den  Arzt  der  Praxis,  dessen  Haupt- 
.. Kundschaft"  ja  die  Arbeiterschaft  bildet,  höchst  wichtige  Fragen, 
die  hier  restlos  aufgeklÀrt  und,  soweit  möglich,  einer  Lösung 
entgegengefĂŒhrl  werden.  Wir  mĂŒssen  dem  Verfasser  Dank 
wissen,  daß  er  endlich  die  juristisch-technische  Bevormundung 
iles  Arztes  zerreist  und  uns  Aerzten  auch  ein  PlÀtzchen  an  der 
Sonne  gesichert  hat.  Die  Erkennung  der  Gewerbekrankheiten, 
ihre  Anzeige-,  ihre  EntschÀdigungspflicht  stellen  auch  den  prak- 
tischen Arzt  vor  neue  Aufgaben  und  Pflichten.  HierĂŒber  sich 
zu  orientieren,  bietet  das  vorliegende  Werk,  zu  dessen  Abfassung 
Beyer  wie  wohl  kein  Zweiter  geeignet  ist,  die  beste  Gelegenheil, 
und  ich  möchte  nur  jedem  Allgemeinpraktiker  empfehlen,  sich 
wĂ€hrend  seiner  winterlichen  Mußestunden  in  dieses  Buch  zu  ver- 
liefen, zumal  da  es  auch  infolge  seiner  flĂŒssigen  Schreibweise 
sich  interessant  und  glatt  liest.  Michaelis  (Bitterfeld ;. 

Sanders,  Hans  Theodor:  Hypnose  und  Suggestion.  Kos- 
mosbeiheft, November  1921.  75  Seiten  lange  Schrift  mit  14  Ab- 
bildungen. 

Die  Schrift  bringt  in  gedrĂ€ngter  KĂŒrze  alles  Wissenswerte 
und  auf  diesem  Gebiet  Bekannte.  Streng  wissenschaftlich  gehal- 
ten wie  alle  Kosmosheftchen,  ist  das  Thema  populÀr  geschrieben, 
hĂ€lt  sich  aber  so  sehr  an  die  Forschungen  der  Wissenschaft,  daß 
selbst  ein  mit  der  Hypnose  weniger  vertrauter  Arzt  aus  ihr 
noch  zu  lernen  vermag.  Wer  sich  kurz  orientieren  will  oder  wer 
die  Ausgaben  eines  jetzt  so  teuren  Werkes,  wie  das  von  Bern- 
heim, von  Dessoir,  von  Forel,  von  v.  Krafft-Ebing  oder  von  Moll, 
sich  nicht  machen  will,  dem  empfehle  ich  den  Kauf  dieses  kleinen 
fk'ftchens.  Werner  H.  Becker. 


Soziale  Medizin  und  Standesfragen. 

R.  V.  G.  (Reichsversorgungsgesetz). 
Von  Dr.  P  n  i  o  w  e  r. 

Das  Gesetz  ist  in  mehrfacher  Beziehung  fĂŒr  uns  Aerzlc 
wichtig  und  interessant.  Erstens  ist  hier  zum  ersten  Male 
in  der  gesetzlich  bestimmten  Heilbehand- 
lung die  organisierte  freie  Arztwahl  durch 
ein  reichszentrales  Tarifabkommen  fest- 
gelegt worden. 

Dies  gilt  natĂŒrlich  nur  fĂŒr  die  Behandlung  der  ,,Z  u  - 
Geteilte  n",  von  welchen  jetzt  die  Rede  sein  soll.  FĂŒr  die 
Behandlung  dieser  Zugeteilten  sind  alle  Aerzte  zuzulassen, 
die  sich  verpflichten,  zu  den  vereinbarten  Bedingungen  tÀtig 
zu  sein  —  nicht  nur  die  KassenĂ€rzte  als  solche.  Als  eine 
Errungenschaft,  vielmehr  als  SelbstverstÀndlichkeit  kann 
man  die  Bestimmung  auffassen,  daß  eine  Karenzzeit  ausge- 
schlossen ist.  -  Andererseits  sind  aber  auch  natĂŒrlich  alle 
Kautelen  vorgesehen,  welche  die  organisierte  freie  Arztwahl 
zu  ihrer  DurchfĂŒhrung  braucht,  denn  die  Zulassung  kann 
—  nur  —  aus  einem  Grunde  verweigert  werden,  der  auch 
eine  Zulassung  als  Kassenarzt  behindern  wĂŒrde.  (Aerztlichei 
Reichstarif  fĂŒr  das  Versorgungswesen  I  6  b.)  SinngemĂ€ĂŸ  tritt 
,aber  auch  eine  „UcberprĂŒfung  der  Ă€rztlichen  TĂ€tigkeit" 
(I  7  D  X)  in  Erscheinung:  daß  die  Ă€rztlichen  Leistungen  und 
Verordnungen  sich  im  Rahmen  des  nach  Lage  des  Falles  Er- 
forderlichen halten.  Diese  Stellen  haben  das  Recht,  Ver- 
warnungen und  Verweise  auszusprechen,  die  GebĂŒhren  zu 
kĂŒrzen,  die  Ersatzpflicht  auszusprechen,  auf  Ordnungs- 
strafen und  auf  zeitweise  oder  dauernde  Ausschließung  von 
der  Zulassung  zu  erkennen. 

Es  treten  also  mit  der  Krankenkasse  auch  Aerzte  in 
Verbindung,  welche  außer  den  eben  angefĂŒhrten  Gesichts- 


punkten nichts  mit  derselben  zu  tun  hÀtten.  Allerdings 
dient  auch  die  Krankenkasse  nur  zur  Vermittlung  zwischen 
den  behandlungsbereilen  Aerzten  und  dem  Reiche,  weil  di< 
BetrĂ€ge  fĂŒr  die  Behandlung  nur  von  der  Kasse  ausgelegt  und 
vom  Reiche  zurĂŒckerstattet  werden. 

Wichtig  ist,  daß  in  dem  neuen  Tarifabkommen  die  Ă€rzt- 
liche. Organisation  auf  diese  Weise  auch  fĂŒr  die  Niehl 
kassenĂ€rzte  als  Grundlage  fĂŒr  den  Vertragsab- 
schluß anerkannt  ist,  denn  nach  I  7  A  isl  ĂŒber  die 
Behandlung  der  Zugeteilten  .  .  .  mit  der  Organisation  dei 
Aerzte  ein  Vertrag  zu  schließen.  Nach  I  7  B  enthĂ€lt  die 
Verpflichtung  des  einzelnen  Arztes  nur  die  Wiedergabe  eines 
Kollektiv-Vertrages,  Satzung,  Instruktion  und  BeschlĂŒsse  dei 
kassenÀrztlichen  Organisation  ....  zu  befolgen.  Namentlich 
die  Unterwerfung  unter  die  Entscheidungen  der  Mitglieder 
Versammlung  und  des  vertraglichen  Schiedsgerichts  i  -t 
wichtig. 

Noch  in  einer  anderen  Beziehimg  isl  dei  Ae.R.  T.  inter- 
essant. Es  ist  die  sog.  Allgemeinverbindlichkei.t 
der  TarifvertrÀge  von  Arbeitern  und  Angestellten  auch  auf 
die  Aerzte  angewandt.  Nach  dem  Wortlaut  des  Gesetzes 
(Verordnung)  ĂŒber  TarifvertrĂ€ge  usw.  vom  23.  12.  1918  rech- 
nen die  Aerzte  nicht  zu  den  Angestellten.  Nach  §  2  der  „Ver- 
ordnung" kann  das  Reichs-Arbeitsamt  TarifvertrÀge  

fĂŒr  allgemein  verbindlich  erklĂ€ren,  und  gilt  dieser  dann  auch 

fĂŒr  alle,  die  an  dem  Tarifvertrage  nicht  beteiligt  sind. 

So  heißt  es  im  Ae.  R.  T.  Einleitung  im  letzten  Satz,  daß 
dieselbe  —  auch  fĂŒr  nicht  durch  Vertrag  verpflichtete  Aerzte 
gilt,  wenn  sie  von  Versorgungsbehörden  mit  ....  Behand- 
lung beauftragt  werden.  Ein  Vergleich  mit  der  gesetzlichen 
GebĂŒhren -Ordnung  ist  nicht  angĂ€ngig,  da  ja  der  im  R.V.G. 
vorgesehene  Arbeitsminister  nur  als  neutraler  Vorsitzender 
zu  gelten  hat.  Wir  sehen  hier  also  schon  den  VorlÀufer  des 
von  uns  geforderten  gesetzlichen  Zentralschieds- 
amts, wobei  die  AllgemeinverbindlichkeitserklÀrung  noch 
weiter  als  dort  geht,  weil  sie  ja  auch  am  Tarifvertrage  nicht 
beteiligte  Aerzte  einbezieht. 

Aber  eine  „soziale"  Großtat  kann  ich  selbst  in  der  „un- 
beschrÀnkten" Behandlung  nicht  erblicken.  §  8,  4  RVG  be- 
sagt: die  Heilbehandlung  wird  solange  fortgesetzt,  bis  durch 
sie  eine  Besserung  des  Gesundheitszustandes  oder  eine  Stei- 
gerung der  ErwerbsfÀhigkeit  nicht  mehr  zu  erwarten  ist.  Es 
muß  sinngemĂ€ĂŸ  heißen:  wird  n  u  r  solange  fortgesetzt  .  .  .  . 
und  der  Ae.  R.  T.  I  1  a  und  b  gibt  genaue  ErlÀuterungen 
dazu.  Nur  wenn  Verbesserung  des  Zustandes  erwartet  oder 
eine  Verschlimmerung  verhĂŒtet  wird,  kommt  Heilbehand- 
lung in  Betracht  —  andernfalls  kann  der  Kranke  ruhig  ohne 
Ă€rztliche  Hilfe  bleiben.  Allerdings  tritt  bei  besonderer  Be- 
dĂŒrftigkeit nach  §  13,  3  RVG.  eine  UnterstĂŒtzung  des  Be- 
schÀdigten und  seiner  Angehörigen  in  Kraft.  Mit  der  Er- 
fĂŒllung der  These  9  des  Erfurter  Programms,  der  unentgelt- 
lichen Àrztlichen  Hilfe,  ist  es  also  auch  im  Gebiete  des  RVG. 
nichts,  obwohl  dieses  doch  ein  soziales  Gesetz  und  keine 
sozialpolitische  Versicherung  darstellen  will. 
Die  Heilbehandlung  im  RVG.  kommt  also  im  Großen  und 
Ganzen  nur  auf  das  vorbeugende  Heilverfahren 
der  Invaliden-  und  Unfallgesetzgebung  hinaus,  wenn  sie 
auch  im  Gegensatz  zu  diesem  vorgeschrieben  und  nicht  frei- 
gestellt ist.  Dieses  Anrecht  stellt  immerhin  einen  sozialen 
Fortschritt  vor. 

Wohl  aber  ist  durch  das  RVG.  der  Staats- 
sozialismus noch  weiter  in  die  Kranken- 
kasse n  ge  s  et  z  g  eb  u  n  g  eingedrungen.  Ich  habe 
schon  in  der  Hamburger  Wochenschrift  darauf  hingewiesen, 
daß  mit  dem  WochenfĂŒrsorgegesetz  vom  26.  9.  1919  der  erste 
Schritt  dazu  getan  war,  denn  hier  werden  Pflichtleistungen 
nach  §  205  d  zur  HĂ€lfte  vom  Reiche  zurĂŒckerstattet. 
Allerdings  hatte  schon  der  sog.  M  u  n  i  z  i  p  a  1  s  o  z  i  a  1  i  s  - 
mus  direkt  mit  dem  KVG.  zu  tun,  indem  z.  B.  Gemein- 
den zu  manchen  Leistungen  ZuschĂŒsse  geben  mĂŒssen,  und 
indirekt  standen  dem  KVG.  auch  die  staatlichen  Ii/ 
stanzen  und  Behörden  zur  VerfĂŒgung. 


Soziale  Medizin   und  Standesfragen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1 


Es  handelt  sich  aber  im  Gebiete  des  RVG.  nur  um  die 
sog.  Krankenkassenmitglieder,  weil  hier  vom 
Reiche  zu  den  Kosten  zugeschossen  wird,  und  nicht 
um  die  „Ausgesteuerte n",  die  „nicht  vollberech- 
tigten Versicherten"  oder  die  „Zugeteilten", 
weil  bei  allen  diesen  die  Kosten  ersetzt  werden.  Nur  die 
bis  zum  1.  April  1923  vorgesehenen  ZuschĂŒsse  bei 
Pflichtleistungen  können  im  Sinne  des  Staatssozialismus  an- 
gesehen werden. 

Es  ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  in  §  15  RVG. 
vorgesehenen  PauschbetrĂ€ge  fĂŒr  alle  anderen  als  die  Kran- 
kenkassenmitglieder auch  in  diesem  Sinne  aufgefaßt  wer- 
den können;  denn  es  ist  damit  doch  sicherlich  die  Absicht 
vorhanden,  nicht  alle  Leistungen  voll  zu  ersetzen,  wie  ja 
auch  der  Zuschuß  fĂŒr  die  Krankenkassenmitglieder  nach 
§  14  bis  zum  1.  April  1923  auch  nur  mit  einer  gewissen 
Pauschbegrenzung  gehandhabt  wird. 


Der  25.  Ortskrankenkassentag. 

Der  25.  Ortskrankenkassentag  in  Hannover  hat  eine  Reihe 
von  Entschließungen  angenommen,  die  die  soziale  Hygiene  und 
die  soziale  Medizin  stark  berĂŒhren.  Von  diesen  mögen  einige, 
insoweit  sie  Àrztliche  Fragen  betreffen,  hier  Platz  finden. 

Die  GewÀhrung  des  Krankengeldes  vom  ersten  Tage  der  Er- 
werbsunfĂ€higkeit ab  sollte  erst  dann  eingefĂŒhrt  werden,  wenn 
die  Kassen  andere  dringendere  Leistungen  eingefĂŒhrt  haben  und 
ausreichende  Reserven  ansammeln  konnten.  Die  Heilung  Schwer- 
kranker sollte  vor  allem  in  höherem  Maße  von  den  Kranken- 
kassen betrieben  und  die  dazu  nötigen  Mittel  bereitgestellt  wer- 
den. Hierbei  werden  die  Arbeitsgemeinschaften  der  Versiche- 
rungstrÀger segensreich  mitzuwirken  haben.  Krankenhauspflege 
soll  ĂŒberall  da,  wo  sie  sachlich  geboten  ist,  gewĂ€hrt  werden. 
I  achĂ€rztliche  Behandlung  muß  in  ausreichendem  Maße  zur  Ver- 
lĂŒgung  gestellt  werden.  NĂ€hr-  und  StĂ€rkungsmittel  sind  in  den 
Grenzen  des  sachlich  Gebotenen  zu  gewÀhren.  Die  GewÀhrung 
Ireier  Àrztlicher  Behandlung  der  nicht  versicherten  Familien- 
mitglieder dĂŒrfte  bei  nĂ€chster  GesetzesĂ€nderung  als  Pflicht- 
leistung vorgeschrieben  werden,  sobald  die  gesetzliche  Regelung 
der  Arztfrage  erfolgt  ist;  es  ist  geboten,  sie  schon  jetzt  einzu- 
fĂŒhren, wo  das  VerhĂ€ltnis  zu  den  Aerzten  dies  gestattet.  An  den 
allgemeinen  Maßnahmen  zur  VerhĂŒtung  und  BekĂ€mpfung  von 
Krankheiten  und  Seuchen  haben  sich  die  Krankenkassen  unbe- 
dingt zu  beteiligen  und  dazu  entsprechende  BetrÀge  in  den  Vor- 
anschlÀgen einzustellen. 

In  der  Arztfrage  wurde  folgende  Entschließung  angenom- 
men: Die  Arztfrage  kann  nur  durch  Eingliederung  des  Àrztlichen 
Dienstes  in  die  Sozialversicherung  befriedigend  gelöst  werden. 
Der  Krankenkassentag  betont  aufs  neue  die  unabweisbare  Not- 
wendigkeit einer  beschleunigten  gesetzĂŒchen  Regelung  der  Arzt- 
frage. Ein  Tarifvertrag  zwischen  Krankenkassen  und  Aerzten 
kann  die  gesetzlichen  Vorschriften  nur  ergÀnzen,  nicht  ersetzen. 
Obwohl  das  bisherige  Verhalten  vieler  Aerzte  die  Fortsetzung 
der  Tarifpolitik  nicht  erleichtert,  ist  der  Ortskrankenkassentag 
doch  gewiUt,  den  mit  dem  Tarifabkommen  von  1919  betretenen 
Weg  weiter  zu  verfolgen.  Das  bisherige  Tarifabkommen  ist  in 
folgenden  Punkten  auszugestalten  und  zu  verbessern:  1.  durch 
Schaffung  einer  Ă€rztlichen  ReichsgebĂŒhrenordnung  fĂŒr  Kranken- 
kassen, 2.  durch  zentrale  Vereinbarung  von  Pauschalhonoraren, 
3.  durch  Staffelung  der  Honorare  nach  Ortsklassen,  4.  durch 
Schaffung  von  Vertragsmustern.  FĂŒr  die  Fortsetzung  des  jetzigen 
Tarifabkommens  mit  den  Aerzten  gelten  jedoch  folgende  Voraus- 
setzungen: Zulassung  aller  Arztsysteme  und  Honorierungsarten, 
wirksame  DurchfĂŒhrung  der  versprochenen  Kontroimaßnahmen 
bei  freier  Arztwahl,  bezirkliche  Kontrole  der  WegegebĂŒhren- 
berechnungen,  Anerkennung  der  zentralen  Vereinbarungen  in 
allen  Bezirken.  Aufgabe  der  Kassen  muß  es  sein,  den  Ă€rztlichen 
Dienst  durch  Ambulatorien  zu  zentralisieren  und  dadurch  nutz- 
bringender zu  gestalten. 

Die  Entschließungen  des  Ortskrankenkassentages  enthalten 
manches  Empfehlenswerte,  einiges  Unklare  und  vieles  fĂŒr  den 
Aerztestand  Unannehmbare.  Empfehlenswert  sind  die  BeschlĂŒsse 
ĂŒber  die  BerĂŒcksichtigung  Schwerkranker,  die  Vorbeugungsmaß- 
nahmen, die  Arbeitsgemeinschaft  mit  den  Aerzten.  Unklar  ist  die 
Stellungnahme  zur  Familienversicherung,  denn  man  versteht 
nicht,  warum  es  hierzu  der  gesetzlichen  Regelung  der  Arztfrage 


bedarf.  Diese  darf  doch  nicht  soweit  gehen,  die  Familienbehand- 
lung nach  den  WĂŒnschen  der  Kassen  zu  erzwingen,  wenn  dadurch 
die  Interessen  der  Aerzte  geschÀdigt  werden.  Unklar  ist  auch 
die  Forderung  der  Staffelung  der  Àrztlichen  Honorare  nach  Orts- 
klassen. Wie  die  Ortsklasseneinteilung  jetzt  besteht,  wirkt  sie 
selbst  bei  den  GehÀltern  der  Beamten  keineswegs  ausgleichend 
Auch  die  ReichsgebĂŒhrenordnung  fĂŒr  Krankenkassen  erregt  Be- 
denken. Es  dĂŒrfte  sich  kaum  empfehlen,  GebĂŒhrenordnungen  zu 
schaffen,  die  noch  unter  die  MindestsĂ€tze  der  jetzigen  GebĂŒhren 
Ordnungen  heruntergehen,  denn  das  ist  doch  des  Pudels  Kern. 
Unklar  ist  auch  die  Forderung  der  Ambulatorien  Eine  Zentrali- 
sierung des  Àrztlichen  Dienstes  ist  im  Interesse  der  Kranken 
nichts  weniger  als  erwĂŒnscht;  in  ihrem  Interesse  liegt  es  viel- 
mehr, die  Àrztliche  Hilfe  möglichst  zu  dezentralisieren  GÀnzlich 
abwegig  ist  die  Auffassung,  daß  die  Arztfrage  nur  durch  Ein- 
gliederung des  Àrztlichen  Dienstes  in  die  Sozialversicherung  be- 
friedigend gelöst  werden  kann.  Wenn  diese  Auffassung  keine 
tönende  Phrase  bedeuten  soll,  sondern  wenn  etwa  gefordert  wird, 
die  Heilkunde  zugunsten  der  Kassen  auf  gesetzlichem  Wege  zu 
sozialisieren,  so  wird  sie  auf  den  schÀrfsten  Widerstand  der 
Aerzte  stoßen  und  damit  dĂŒrfte  die  „gesetzliche  Regelung"  aus- 
sichtslos sein.  Alexander. 

Haftpflichtversicherung. 

Der  Leipziger  Verband  hat  mit  dem  Allgemeinen  deutschen 
Versicherungsverein  in  Stuttgart  ein  Abkommen  ĂŒber  die  Zahlung 
von  TeuerungszuschlÀgen  auf  noch  laufende  Haftpflichtver- 
sicherungen geschlossen.  Zu  diesem  Zwecke  empfiehlt  er, 
sich  auf  das  Abkommen  zu  berufen  und  dem  Leipziger  Ver- 
bĂ€nde das  Inkasso  zu  ĂŒbertragen.  Die  diesbezĂŒgliche  ErklĂ€rung 
des  versicherten  Arztes  soll  lauten:  „Hierdurch  erklĂ€re  ich  mich 
bereit,  fĂŒr  meine  Haftpflichtversicherung  Nr  ...  den  zwischen! 
dem  Aerzteverband  und  Allgemeinen  deutschen  Versicherungs- 
verein A.-G.  in  Stuttgart  vereinbarten  Teuerungszuschlag  fĂŒr  das 
Jahr  1921  anzuerkennen  unter  der  Bedingung,  daß  meine  Polize 
der  Versicherungsabteilung  des  Leipziger  Verbandes  zum 
weiteren  Inkasso  ĂŒbertragen  wird."  So  sehr  wir  dem  Leipziger 
VerbÀnde  die  Inkassoprovision  gönnen,  so  wenig  können  wir  uns 
fĂŒr  einen  ad  hoc  konstruierten  Teuerungszuschlag  erwĂ€rmen,  der 
rechtlich  anfechtbar  ist-  Zudem  sind  von  anderen  Seiten  gĂŒnsti- 
gere Angebote  eingelaufen,  so  von  der  Gesellschaft  Providentia, 
mit  der  der  WĂŒrttembergische  Aerzteverband  ein  Abkommen  ge- 
troffen hat,  und  von  der  Versicherungskasse  fĂŒr  die  Aerzte 
Deutschlands,  welche  sich  zur  Vermittelung  unter  gĂŒnstigen  Be- 
dingungen anbietet.  Alexander 

Die  Verleihung  des  Umlagerechts  an  die  ZahnÀrztekammer. 

Entgegen  dem  preußischen  Gesetze  betr.  das  Umlagerecht  der 
Aerztekammer  besitzt  bis  jetzt  die  ZahnÀrztekammer 
kein  Umlagerecht,  ist  also  fĂŒr  die  Deckung  ihres  Kassen- 
bedarfs, insbesondere  auch  fĂŒr  UnterstĂŒtzungszwecke  auf  frei- 
willige BeitrÀge  angewiesen.  Auf  einen  Antrag  der  ZahnÀrzte- 
kammer an  den  Minister  behufs  Verleihung  des  Umlagerechts  hat 
dieser  die  Aerztekammern  zu  einer  Aeußerung  aufgefordert.  Der 
Vorstand  der  Rheinischen  Kammer  ist  der  Auffassung,  daß  es 
nicht  angÀngig  ist,  Aerzte  mit  allgemeiner  Approbation,  die  aus- 
schließlich oder  in  der  Hauptsache  eine  TĂ€tigkeit  als  Zahnarzt 
ausĂŒben,  ohne  weiteres  der  ZahnĂ€rztekammer  zu  unterstellen. 
Eine  Befreiung  vom  Kammerbeitrag  soll  solchen  Aerzten  auf 
eigenen  Antrag  zugebilligt  werden,  wenn  sie  sich  der  ZahnÀrzte- 
kammer anschließen  und  nur  rein  zahnĂ€rztlich  tĂ€tig  sind.  Sie 
sollen  aber  in  jedem  Falle  dem  Ehrengericht  der  Aerztekammer 
unterstellt  bleiben.  Einen  diesem  gleichen  Standpunkt  hat  bereits 
seit  lÀngerer  Zeit  die  Aufsichtsbehörde  der  Berlin-Brandenburgi- 
schen Aerztekammer  eingenommen,  der  Kammervorstand  steht 
jedoch  grundsÀtzlich  auf  einem  noch  strengeren  Standpunkt.  Er 
hÀlt  aUe  ZahnÀrzte,  welche  die  Approbation  als  Arzt  besitzen, 
auch  wenn  sie  nur  zahnĂ€rztliche  Praxis  ausĂŒben,  fĂŒr  beitrags- 
pflichtig, weil  die  Zahnheilkunde  eine  auf  der  Àrztlichen  Wissen- 
schaft beruhende  Wissenschaft  darstellt.  Der  OberprÀsident  von 
Brandenburg  vertritt  dagegen  den  Standpunkt,  daß  die  Zahnheil- 
kunde eine  von  der  Àrztlichen  Wissenschaft  losgelöste,  eigene 
Wissenschaft  darstellt,  welche  zur  Bildung  einer  eigenen  Fakul- 
tÀt, der  Verleihung  eines  eigenen  Doktortitels  und  der  Einrich- 
tung einer  eigenen  Standesvertretung  gefĂŒhrt  hat.  Wie  schwierig 
aber  die  Trennung  in  Wirklichkeit  ist,  ergibt  sich  daraus,  daß  eine 
Anzahl  ZahnÀrzte,  die  die  Approbation  als  Arzt  besitzen,  ihre 
TĂ€tigkeit  nicht  als  ZahnĂ€rzte,  sondern  als  FachĂ€rzte  fĂŒr  Mun" 
und  Kieferkrankheiten  ausĂŒben.  Alexander. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafe  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Strafe  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 


Nr.  4 


Berlin,  den  25.  Januar  1922 


40.  Jahrgang 


Der  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  dem  UniversitĂ€tsinstitĂŒt  fĂŒr  OrthopĂ€die,  Berlin. 
Direktor:  Prof.  Dr.  H.  Gocht.) 

Die  Behandlung  der  tuberkulösen  Spondylitis. 

Von  Dr.  Hans  Debrunner,  1.  Assistenten. 

Die  Prognose  der  tuberkulösen  WirbelentzĂŒnduug  ist  un  - 
gĂŒnstig.  Daß  die  Therapie  besonders  in  der  letzten  Zeit  neue 
Wege  sucht,  um  der  Krankheit  Herr  zu  werden,  ist  ein  Beweis 
dafĂŒr,  daß  sie  bis  heute  nichts  Vollkommenes,  wenn  auch  viel 
Erfreuliches  zu  leisten  vermochte.  Zwei  Dinge  sind  im  Auge 
zu  behalten:  Erstens  stehen  wir  vor  der  Aufgabe,  eine  Tuber- 
kulose zu  bekÀmpfen;  zweitens  haben  wir  die  Entwicklung 
oder  die  Verschlimmerung  einer  DeformitÀt  hintanzuhalten, 
die  nicht  nur  zum  Schönheitsfehler,  sondern  zur  Grundlage 
schwerer  innerer  OrganverÀnderungen  werden  kann.  Da  wir 
die  vollendete  RĂŒckgratverbiegung  nur  in  AusnahmefĂ€llen 
und  nur  sehr  schwer  heilen  können,  werden  wir  gezwungen, 
die  Maßnahmen  der  Behandlung  so  zu  wĂ€hlen,  daß  sie  so- 
wohl das  ursÀchliche  Leiden  als  auch  seine  mechanischen 
Folgen  treffen. 

Weiterhin  wird  die  Therapie  erschwert  durch  den  Um- 
stand, daß  das  erkrankte  Organ,  das  RĂŒckgrat  unseren  thera- 
peutischen Hauptforderungen,  infolge  seiner  Bauart  und 
seiner  Funktion  allerhand  Schwierigkeiten  entgegenstellt. 
Diese  Hauptforderungen  der  Therapie  verlangen  a)  eine  Ent- 
lastung, b)  eine  Ruhigstellung.  Ihre  DurchfĂŒhrung  muß  bei 
einem  aus  beweglichen  Segmenten  aufgebauten  StĂŒtzapparat 
auf  Hindernisse  stoßen.  Wir  mĂŒssen  sie  zu  ĂŒberwinden 
suchen;  denn  wir  sehen  darin  zurzeit  den  einzigen  Weg,  um 
das  Grundleiden  gleichzeitig  mit  seiner  formzerstörenden 
Nebenwirkung  zu  treffen. 

Wir  wissen,  daß  die  Tuberkulose  irgend  eines  Körper- 
abschnittes als  sichtbar  gewordener  Ausdruck  einer  Allge 
meininfektion  anzusehen  ist.  Wrir  wissen,  daß  nicht  der  Herd 
allein,  sondern  auch  der  ganze  Körper  einer  Behandlung  zu 
unterziehen  ist.  So  zerfÀllt  die  Therapie  wiederum  in  eine 
allgemeine  gegen  die  Tuberkulose  und  in  eine  spezielle 
gegen  die  Spondylitis. 

Aus  diesen  GrĂŒnden  gestaltet  sich  die  Behandlung  eigen- 
artig; wir  sind  gezwungen,  vielgestaltiges  Wollen  zu  einheit- 
lichem Handeln  zusammenzufassen. 

Was  in  der  Praxis  nebeneinander  und  gleichzeitig  be- 
trieben, wird  durch  die  Beschreibung  in  getrennte  Abschnitte 
zerrissen.  Der  kritischen  Beurteilung  des  Einzelfalles  und  der 
persönlichen  Erfahrung  muß  es  ĂŒberlassen  werden,  das  rich- 
tige Maß  und  die  richtige  Verteilung  zu  finden. 

A.  Allgemeinbehandlung. 

Licht,  Luft,  Nahrung,  die  drei  Quellen  des  Lebens,  sind 
auch  die  Quellen,  aus  denen  der  kranke  Körper  seine  StÀr 
kung  schöpft.  Die  Krankheit  ist  ein  Teil  des  Lebens  selbst. 

Die  Wirkung  des  Sonnenlichts  ist  sicher  nicht 
spezifisch.  Bevor  wir  genaueres  ĂŒber  sie  wissen,  dĂŒrfen  wir 
in  ihr  eine  Belebung,  eine  Anregung  der  allgemeinen  Zell- 
tĂ€tigkeit sehen,  kurz  gesagt,  einen  Reiz.  Die  NatĂŒrlichkeit 
des  Reizmittels  bĂŒrgt  fĂŒr  seine  relative  Harmlosigkeit.  Wir 
haben  es  mit  einem  dem  menschlichen  Körper  vertrauten 
Reiz  zu  tun,  an  den  eine  gewisse  Anpassung  von  vornherein 


gegeben  ist.  Darin  liegt  ein  Vorzug,  verbirgt  sich  ein 
Nachteil. 

Der  Vorzug  beruht  auf  der  GrĂ¶ĂŸe  des  Anwendungs- 
gebietes, auf  der  vorzĂŒglichen  Dosierbarkeit  und  auf  der  ver 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸigen,  Sicherheit  und  UnschĂ€dlichkeit  der  Wir- 
kung. Als  Nachteile  verzeichnen  wir  die  Bindung  an  klima- 
tische ZustÀnde,  sowie  die  Langsamkeit,  mit  der  ein  verhÀlt- 
nismĂ€ĂŸig schwerer  Reiz  die  Umstellungen  im  Körpergewebe 
erzielt. 

Im  ĂŒbrigen  fassen  wir  die  EinflĂŒsse  der  Irischen  Luft 
in  ganz  Àhnlicher  WTeise  auf.  Heliotherapie  ist  immer  Frei- 
lufttherapie.  Die  schönen  Erfolge,  welche  die  Sonnenbehand- 
lung in  den  Niederungen  zu  verzeichnen  hat,  sind  nicht  zum 
geringsten  Teile  diesem  UmstÀnde  zuzuschreiben. 

Was  wir  weiterhin  logisch  schließen,  hat  sich  in  der 
Praxis  bewÀhrt:  Durch  sorgfÀltig  gewÀhlte  und  reichlich  be- 
messene Nahrung  mĂŒssen  dem  Körper  die  Stoffe  geboten 
werden,  deren  er  zum  erhöhten  An-  und  Umbau  bedarf. 
(Unter  An-  und  Umbau  verstehe  ich  nicht  nur  die  rÀum- 
lichen VorgÀnge  an  den  Geweben,  wie  etwa  die  verschiedenen 
Formen  des  Wachstums,  sondern  auch  ihre  gesamte  inkre 
torische  und  sekretorische  TĂ€tigkeit.)  Als  WTegleitung  fĂŒhren 
wir  an,  daß  die  Fette  gegenĂŒber  den  Kohlehydraten  in  den 
Vordergrund  treten,  ferner  die  FlĂŒssigkeitsmengen  auf  ein 
geringes  Maß  herabgesetzt  werden  sollen. 

Die  DurchfĂŒhrung  einer  wirksamen  Sonnen-Luftbehand- 
lung stellt  man  sich  meist  zu  leicht  vor.  Soll  sie  ihren  Zweck 
erreichen,  so  mĂŒssen  gewisse  Regeln  eingehalten  werden; 
R  o  1 1  i  e  r  hat  sie  ausgearbeitet,  Bier  den  hiesigen  VerhÀlt- 
nissen angepaßt  (M.  m.  W.  1921,  Heft  8).  Die  Grundlinien, 
auf  denen  sich  die  Vorschriften  bewegen,  seien  kurz  aufge- 
zeichnet: Vorsichtige,  langsame  Steigerung  der  Reizdosen, 
die  am  Anfang  der  Behandlung  sehr  schwach  wirken  sollen. 
Die  Möglichkeit  bietet  sich  von  selbst;  Umfang  der  Bestrah- 
lungsflÀche, Zeitdauer  und  IntensitÀt  der  Bestrahlung  lassen 
sich  beliebig  wÀhlen;  die  IntensitÀt  ist  z.  B.  abhÀngig  vom 
Stand  der  Sonne.  Wir  haben  also  gewissermaßen  drei  Hebel, 
mit  denen  wir  die  therapeutische  Wirkung  regulieren  und 
meistern  können.  Bei  einiger  Vorsicht  und  gutem  WTillen  des 
Pflegepersonals  kann  der  Arzt  eine  solche  Kur  im  Privat- 
hause einleiten,  sofern  ein  Garten,  ein  Balkon  oder  wenigstens 
ein  recht  sonniges  Zimmer  vorhanden  ist.  Er  muß  allerdings 
den  Kranken  genau  ĂŒberwachen  und  zĂ€h  an  seinen  Forde- 
rungen festhalten.  Die  wenigsten  Menschen  sind  imstande, 
einen  monate-  und  jahrelangen  Aufenthalt  im  Sanatorium 
zu  bezahlen.  Deshalb  ganz  auf  die  segensreichen  Wirkungen 
der  Sonne  verzichten,  hieße  einer  unnötigen  Resignation 
Raum  geben.  Allerdings  wird  es  bei  jeder  Spondylitis  Zeiten 
geben,  in  denen  sich  eine  Aufnahme  in  eine  Klinik  wenig 
stens  fĂŒr  einige  Wochen  schwer  umgehen  lĂ€ĂŸt,  da  die  Eigen 
art  der  lokalen  Behandlungsweisen  dies  verlangt.  Daraus  zu 
schließen,  daß  eine  Spondylitis  nur  in  der  heliotherapeuti- 
schen  Kuranstalt  zur  Ausheilung  gelangen  kann,  wÀre  voll- 
kommen falsch. 

Die  Sonnenbehandlung  ließe  sich  von  jedem  praktischen 
Arzte  leicht  erlernen  und  ĂŒberall  durchfĂŒhren.  Darin  liegt 
aber  eine  Gefahr,  die  nach  meinem  GefĂŒhl  augenblicklich 
weit  unterschĂ€tzt  wird,  die  Gefahr  einer  nicht  sachgemĂ€ĂŸen 
und  unkundigen  lokalen  Behandlung.   Wer  die  Allgemein- 


Debrunner:  Tuberkulöse  Spondylitis 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


behandlung,  verbunden  mit  einer  fragwĂŒrdigen  Liegekur 
oder  mit  unvollkommenen  Maßnahmen  zur  Fixierung  des 
RĂŒckgrates  fĂŒr  ausreichend  hĂ€lt,  um  eine  Spondylitis  zu 
heilen,  der  wird  sehr  trĂŒbe  Erfahrungen  machen.  Der  Kranke 
kann  zufrieden  sein,  wenn  er  mit  dem  Leben  und  einem 
Buckel  davonkommt.  Ich  habe  weit  Traurigeres  gesehen  und 
warne  wirklich  nicht  ohne  Grund. 

Die  Behandlung  mit  kĂŒnstlichen  Lichtquellen 
darf  nur  als  Notbehelf  angesehen  werden.  Dagegen  scheint 
eine  Tuberkulinkur  die  Krankheit  manchmal  gĂŒnstig 
beeinflussen  zu  können.  Die  Beherrschung  der  Technik  und 
der  schwierigen  Dosierung  ist  Grundbedingung  des  Erfolges. 
Wir  geben  unseren  Kranken  gerne  Kreosotlebertran 
(1 — 3  Teelöfel  einer  %  prozentigen  Emulsion  tĂ€glich). 

B.   Lokale  Behandlung. 

Die  Sonne  allein  hilft  nicht.  Wir  mĂŒssen  das  erkrankte 
Gewebe  von  seiner  Funktion,  so  gut  es  geht,  entlasten,  um 
ihm  Muße  und  Kraft  zu  geben,  sich  ganz  den  Aufgaben  der 
Reparation  zu  widmen.  Verschiedene  Methoden  stehen  uns 
zur  VerfĂŒgung;  sie  ergĂ€nzen  sich,  lösen  sich  manchmal  ab 
und  haben  ihren  eigenen  Indikationsbereich. 

a)  Die  WirbelsÀule  wird  dadurch  von  der  Rumpflast 
befreit,  daß  der  Kranke  gezwungen  wird,  in  Bauch-  oder 
RĂŒckenlage  zu  verharren.  Die  Ruhigstellung  erreichen 
wir  durch  Gipsbetten  oder  durch  eine  sehr  sorgfÀltige 
Wartung. 

b)  Die  WirbelsÀule  wird  durch  leichten  Zug  entlastet 
und  durch  das  entlastende  Mittel  gleichzeitig  ruhiggestellt. 
(Gipskorsett;  Hessingkorsett  mit  ArmstĂŒtzen  oder  Zugmast. 
Die  Extension  mit  der  Glissonschen  Schlinge  stellt  eine  Kom- 
bination von  a  und  b  dar.) 

c)  Die  WirbelsĂ€ule  wird  durch  operative  Maßnahmen 
fixiert  und  entlastet.    (Albeesche  Operation.) 

Alle  Methoden  gleichen  sich  in  einem  Punkte,  nÀmlich 
im  Versuch,  die  WirbelsÀule  möglichst  zu  lordosieren.  Wir 
glauben  durch  RĂŒckwĂ€rtsspannung  des  RĂŒckgratbogens  die 
vorderen  Abschnitte  besonders  gut  von  allseitigem,  ungĂŒnsti- 
gem Druck  zu  befreien. 

Zu  a):  Eine  Lagerung  in  Bauchlage  ohne  irgendwelche 
anderweitige  Fixationsvorrichtung  halten  wir  nur  in  den 
Zeiten  der  Ausheilung  oder  bei  schweren,  fistelnden  FĂ€llen 
fĂŒr  erlaubt.  Die  Matratze  sei  vollkommen  flach  und  derb. 
Weiche  Kissen  sind  zu  verbieten;  dagegen  lassen  sich  feste 
Keilkissen  z.  B.  mit  SpreufĂŒllung  zwecks  besserer  Lordosie- 
rung  der  WirbelsÀule  unter  Brust  und  Kinngegend  schieben. 
Geschulte  Pflege  hat  darauf  zu  achten,  daß  die  Kranken  von 
der  ihnen  verbliebenen  Bewegungsmöglichkeit  keinen  fal- 
schen Gebrauch  machen.  WĂ€hrend  der  Genesungsmonate  ist 
sicher  die  Befreiung  der  WirbelsÀule  aus  vollkommener 
Starre  von  Nutzen.  Im  akuten  Stadium  dagegen  wĂŒrde  sie 
nur  Schaden  stiften.  Frische  FĂ€lle  eignen  sich  eher  zur 
Gipsbettbehandlung.  Besonders  kleine  Kinder  und  sehr 
elende  Kranke  erholen  sich  oft  ĂŒberraschend  schnell  in  einer 
Polsterlade,  die  ein  angenehmes  Liegen  gestattet.  Bei  der 
Herstellung  muß  auf  gute  Reklination  des  RĂŒckgrates  Ge 
wicht  gelegt  werden. 

Im  allgemeinen  stehen  wir  auf  dem  Standpunkt,  daß 
sich    die   Lorenzsche   Gipsbettbehandlung   erfolgreich  nur 
durchfĂŒhren  lĂ€ĂŸt,  wenn  die  Umgebung  sich  einer  sehr  sorg 
samen,  dem  Arzte  gehorsamen  Pflege  gewachsen  zeigt. 

Zu  b):  Auch  die  Extensionsbehandlung  im  Liegen,  die 
sehr  viele  AnhÀnger  zeigt,  da  sie  scheinbar  bequem  und  ein- 
fach ist,  steht  und  fÀllt  mit  der  LeistungsfÀhigkeit  des 
Pflegepersonals.  Lagerung,  GleichmĂ€ĂŸigkeit  und  StĂ€rke  des 
Extensionszuges  bedĂŒrfen  einer  stĂ€ndigen  Aufsicht,  sodaß 
diese  Methode  sich  noch  weniger  als  die  Gipsbettmethode  fĂŒr 
die  Hauspflege  eignet.  Sie  leistet  ihr  Bestes  in  gut  geleiteten 
Kliniken.  Unter  gewissen  UmstÀnden  ist  allerdings  die  Ex- 
tension im  Liegen  nicht  zu  umgehen;  ich  denke  vor  allem 
an  das  Auftreten  der  Kompressionserscheinungen  von  Seiten 
des  RĂŒckenmarks.  Im  ĂŒbrigen  erkennen  wir  in 
der  Anlegung  eines  technisch  geschickt  her- 


gestellten, leichtlordosierenden  und  exten- 
dierenden  G  i  p  s  k  o  r  s  e  1 1  e  s  die  eigentliche 
Lokaltherapie  der  Spondylitis.  Es  reicht  in  den 
meisten  FĂ€llen  vom  Kinn  und  Hinterhaupt  bis  zu  den  Darm- 
beinkĂ€mmen; zwischen  diesen  knöchernen  StĂŒtzpunkten 
spannt  es  die  WirbelsĂ€ule  aus.  Durch  Ausschneiden  großer 
Fenster  werden  Bauch  und  Brust  fĂŒr  die  ungestörte  Atmung 
freigelegt.  Im  guten  Korsett  kann  der  Kranke  nach  Abklin- 
gen der  Fieber  und  Schmerzen  aufstehen.  SpÀter  tritt  ein 
Hessingsches  Stoff-Stahlkorsett  mit  ArmstĂŒtzen  an  seine 
Stelle  und  hilft,  die  WirbelsÀule  in  ihrer  Arbeit  zu  unter- 
stĂŒtzen. Monate-  und  jahrelang  verlangen  wir  von  unseren 
Kranken,  daß  sie  sich  tĂ€glich  fĂŒr  einige  Stunden  zur  Ruhe 
legen  (SonnenbÀder,  Bauchlage). 

Zu  c):  Die  Albeesche  Operation  besteht  in  der  Einbettung 
eines  Tibiaspans  in  die  gespaltenen  DornfortsÀtze  der  er- 
krankten und  diesen  benachbarten  Wirbel.  Noch  sind  wir 
nicht  zu  einem  abschließenden  Urteil  ĂŒber  die  Operation  ge- 
kommen. Eingehende  Untersuchungen  haben  mich  indessen 
vom  Wert  der  Operation  in  bestimmten  FĂ€llen  ĂŒberzeugt. 
(Archiv  f.  orthop.  u.  UnfÀllchirurg.  XIX,  1921,  und  Schweiz, 
med.  Wochenschr.  Heft  19,  1921.)  Zwar  mußte  sich  der  an- 
fÀngliche Enthusiasmus  vieler  Operateure  manche  Ein- 
schrÀnkung gefallen  lassen;  denn  der  Eingriff  ist  nur  unter 
besonderen,  immerhin  hÀufig  zutreffenden  UmstÀnden  be  - 
rechtigt.  Er  hat  ein  streng  abgegrenztes  Indikationsgebiet,  an 
das  man  sich  vorlÀufig  zu  halten  hat.  Die  besten  Erfolge  er- 
geben FrĂŒhfĂ€lle.  Abzulehnen  ist  die  Operation  in  FĂ€llen,  bei 
denen  sich  Fisteln  oder  Abszesse  im  Schnittgebiet  befinden, 
oder  bei  denen  septische  Allgemeininfektion  sich  eingestellt 
hat.  Ebenso  bei  Kranken,  deren  Spondylitis  sich  als  Begleit  - 
erscheinung einer  anderen,  schweren  Organtuberkulose  ent 
puppt  (Lunge,  Niere).  Der  Sitz  des  Herdes  beeinflußt  die 
Indikationsstellung  nicht,  seitdem  T  u  f  f  i  e  r  gelehrt  hat,  die 
hochsitzenden  Gervikalspondylitiden  durch  SpanbrĂŒcken  von 
Dornfortsatz  zu  Hinterhaupt  zu  fixieren.  (Daß  durch  Osteo- 
phytenbildung  in  der  Gegend  der  seitlichen  Wirbelgelenke 
Versteifungen  außerhalb  des  Spanbereiches  auftreten,  haben 
mir  einige  Röntgenbilder  bewiesen,  die  ich  kĂŒrzlich  zu  sehen 
Gelegenheit  hatte.)  Das  Alter  spielt  insofern  eine  Rolle,  als 
Kinder  in  den  3 — 4  ersten  Lebensjahren  ĂŒberhaupt  von  der 
Operation  auszuschließen  sind.  Ebenso  bildet  das  Vorhan- 
densein eines  ĂŒbermĂ€ĂŸig  großen  Gibbus  eine  Gegenindikation. 
In  allen  anderen  FÀllen  gewÀhrt  die  Operation  eine  Reihe 
von  Vorteilen,  die  man  freudig  in  Anspruch  nehmen  darf. 
Sie  zeigen  sich  besonders  in  der  AbkĂŒrzung  der  Behandlungs- 
dauer, in  der  Vermeidung  schlimmer  Buckelbildungen  und 
in  der  Möglichkeit  frĂŒhzeitigen  Auf  Stehens  (3  Monate  post- 
op.),  was  bei  der  Spondylitis  Erwachsener  von  unschÀtz- 
barem Wert  sein  kann.  (Gefahr  der  Cystitis  und  Pyelo  - 
nephritis.) 

C.  Komplikationen. 

1.  Zuerst  gedenken  wir  der  Eiterbildungen,  die  am  Ort 
der  Erkrankung  entstanden,  als  Senkungsabszesse 
in  abgelegenen  Gegenden  zutage  treten.  Im  interstitiellen 
Bindegewebe  sucht  sich  der  Eiter  einen  Weg  unter  die  Kör- 
perhaut; bald  erscheint  eine  dadurch  entstehende  Geschwulst 
in  der  Inguinalgegend,  bald  taucht  sie  neben  den  Darmbein 
schaufeln  aus  der  Tiefe  des  Bauchraumes  auf.  Im  RĂŒcken 
oder  am  Bein,  in  der  Rachengegend  oder  am  Hals  entdecken 
wir  die  verdÀchtigen  kugeligen  Vorwölbungen  der  Haut.  So- 
bald wir  den  Abszeß  erkannt  haben,  dĂŒrfen  wir  daran 
denken,  den  Inhalt  zu  entleeren,  um  ihm  die  Möglichkeit  zu 
nehmen,  auf  eigene  Faust  von  innen  nach  außen  durchzu- 
brechen. Jede  dauernde  Verbindung  mit  der  Außenwelt,  z.  B. 
jede  Fistel,  bildet  die  Eintrittspforte  fĂŒr  sekundĂ€re  Infek- 
tionen, welche  die  Prognose  der  Krankheit  wesentlich  ver- 
schlimmern. Aus  diesem  Grunde  suchen  wir  durch  zeitige 
Punktion  den  Durchbruch  zu  verhindern,  ohne  unsererseits 
durch  den  Eingriff  eine  Bakterieninvasion  zu  fördern.  Auf 
keinen  Fall  dĂŒrfen  wir  daher  einen  Senkungsabszeß  auf- 
schlitzen, sondern  mĂŒssen  den  Eiter  auf  sterilem  Wege  durch 
eine  derbe  Hohlnadel  oder  einen  dĂŒnnen  Trokart  absaugen. 


0.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Heim:  Mutter  und  SĂ€ugling 


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wenn  wir  möglichst  schrÀg  durch  die  stark  auf  der  Unter  - 
age  verschobene  Haut  einstechen,  verhindern  wir  die  Ent- 
tehung  einer  Fistel  am  ehesten.  Punktionen  mĂŒssen  hĂ€ufig 
vieaeniolt  werden,  bis  die  Quelle  versiegt. 

Hat  sich  unglĂŒcklicherweise  eine  natĂŒrliche  oder  kĂŒnsl- 
iclie  Fistel  gebiluet,  so  sorgen  wir  durch  sterile  VerbĂ€nde  fĂŒr 
luv  Reinhaltung.  Nach  dein  Vorschlage  Ca  lots  beschicken 
vir  die  FistelgÀnge  mit  einem  Gemisch  von  Napthol  - 
vampher  in  Glyzerin,  das  ĂŒie  \\  anuungen  reizt  und  zum 
Verschluß  bringen  kann.  (Naphthol-Kampfer  aa  1,0  auf  Gly  - 
:erin  1U — 12,0;  umschĂŒtteln;  tgl.  1 — 2  cem  10 — 12  Tage  lang 
nit  nachfolgendem  Kompressionsverband.  Ich  habe  dei 
'lĂŒssigkeit  meist  noch  10  iropfen  Joutinktur  zugesetzt.) 

2.  Die  Erscheinungen  der  Kompressions  - 
nyelitis,  die  sich  in  Form  von  Reflexsleigerungen, 
ipasmen  ouer  Lahmungen  Ă€ußern,  versuchen  wir  durch  ver- 
neinte Extension  und  Reklination  der  WS.  zu  beeinflussen. 
Leider  verlĂ€ĂŸt  uns  gerade  hier  senr  hĂ€ufig  der  Erfolg,  da  die 
neisten  Formen  aieser  Begleiterkrankung  auf  ein  direktes 
per  indirektes  Uebergreifen  der  Infektion  auf  die  Medulia 
zurĂŒckzufĂŒhren  sind.  Das  stark  loraosierende  Gipsbett,  kom  - 
liniert  mit  einer  Glissonschlinge,  scheint  manemnai  gĂŒnstig 
tu  wirken.  Zur  Laminektomie  nimmt  man  nur  in  den  hart- 
lÀckigsten,  sonst  aussichtslosen  FÀllen  seine  Zuflucht. 

'6.  Die  Behandlung  des  Gibbus.  Einen  fest  ge- 
wordenen Gibbus  zu  beseitigen,  sind  wir  leider  auch  heute 
licht  imstande.  Das  Schwergewicht  unserer  B  e- 
:influssung  ist  auf  die  Prophylaxe  zu  ver- 
egen;  darum  dringen  wir  auf  die  sorgfÀltige  Losdosierung 
m  Gipskorsett.  Nachdem  der  Siegeszug  der  Calotschen 
»ewaltsamen  Redressements  sich  in  eine  jÀhe  Flucht  ins 
Vergessen  verwandelt  hatte,  schreckten  die  Aerzte  vor  der 
Behandlung  des  manifesten  Buckels  zurĂŒck.  'Mein  Lehrer, 
err  Prof.  G  o  c  h  t ,  sieht  den  Kernpunkt  des  Problems  in 
ier  Indikationsstellung,  weniger  in  sder  Ausgestaltung  der 
rechnik.  Daß  ein  konsolidierter  Gibbus  sich  nur  mit  Gewalt 
md  unter  schweren  Zerstörungen  strecken  lĂ€ĂŸt,  leuchtet  ein. 
2s  gibt  aber  frische  Buckelbiidungen,  die  durch  Muskel- 
spasiuen  und  Schmerzkontrakturen  am  Ausgleich  gehemmt 
werden.  Diese  FĂ€lle  —  sie  kommen  dem  Arzte  leider  nicht 
(lĂ€ufig  zu  Gesicht , —  lassen  sich  in  tiefer  Narkose  unter  sehr 
lorsichtiger  und  leichter  Extension  oft  ĂŒberraschend  gut  aus- 
gleichen. Ein  Gipskorsett  sichert  das  erreichte  Resultat.  Der 
Eingriff  eignet  sich  keineswegs  fĂŒr  die  allgemeine  Praxis. 
Nur  wenn  sich  exakte  Voruntersuchung  und  vorsichtige  Aus- 
fĂŒhrung vereinigen,  entstehen  erfreuliche  Ergebnisse. 

D.  Schluß. 

Um  die  verschiedenen  BehandlungsvorschlÀge  noch  ein- 
mal zu  ĂŒberblicken,  wollen  wir  versuchen,  an  Hand  eines 
praktischen  Beispieles  den  Gedankengang  zu  verfolgen,  der 
zu  einer  bestimmten  Therapie  hinleiten  muß. 

Vor  uns  steht  eins  vierjÀhriges,  mageres,  blasses  Ge- 
schöpfchen, dessen  RĂŒckgrat  die  beginnende  Gibbusbildung 
in  Form  eines  vorspringenden  Dornlorlsatzes  aufweist.  Ein 
Psoasabzeß,  der  die  gerötete  und  gespannte  Haut  kugelig 
vortreibt,  stellt  die  Diagnose  außer  Zweifel.  Das  Röntgenbild 
zeigt  uns  eine  Zerstörung  des  10.,  11.  und  12.  BW.  Was 
sollen  wir  tun?  Das  Kind  einfach  ins  Bett  zu  legen  und  zu 
sonnen,  halten  wir  stets,  selbst  bei  vorzĂŒglicher  Wartung  fĂŒr 
fehlerhaft.  Eine  Lagerung  unter  Anwendung  der  Extension 
am  Kopfe  halten  wir  fĂŒr  unnötig,  da  gar  keine  myelitischen 
Symptome  nachzuweisen  sind.  Das  Gipskorsett,  das  wir  am 
iebsten  verordnen  wĂŒrden,  kann  wegen  der  Abszeßbild  ung 
vorderhand  keine  Anwendung  finden.  Eine  Operation  ist  bei 
lern  schwÀchlichen,  zu  jungen  Kinde  nicht  angezeigt.  Es 
bleibt  das  Reklinationsgipsbett.  Wir  fertigen  dem  Kinde  also 
iin  gut  losdosierendes  Gipsbett  an,  beginnen  sofort  mit  den 
Mlgemeinbehandlungen,  punktieren  den  Abszeß.  Erst  wenn 
?r  endgĂŒltig  verschwunden  ist  und  das  Allgemeinbefinden 
|  »ich  nicht  verschlechtert  hat,  legen  wir  einen  Gipsverband 
im,  der  den  Rumpf  vom  Becken  bis  zum  Kinn  einschließt. 
SpÀter  können  wir  daran  denken,  den  Fall  operativ  anzu- 


greifen, oder  wir  bleiben  bei  unserem  konservativen  Vor- 
gehen, das  bei  dem  schwachen  Kinde  seine  VorzĂŒge  hat. 
Diesem  Beispiele  andere  anzufĂŒgen,  dĂŒrfte  dem  Lesei 
ĂŒberlassen  bleiben. 

Die  Behandlung  der  Spondylitis  ist  nicht  einfach  und 
erfordert  eine  Reihe  spezianstisener  Kenntnisse  und  Fertig- 
keiten, die  nicht  jedem  Praktiker  zu  Gebote  stehen.  Er  ziehe 
darum  den  Spezialisten  zu  Rate,  den  er  im  Verlaufe  des  Lei- 
dens nur  zu  bestimmten  Augenblicken  braucht,  wÀhrend  er 
in  langen  Wochen  und  Monaten  die  Behandlung  nach  den 
hier  skizzierten  Gesichtspunkten  selbstÀndig  zu  leiten  vermag. 

Ueber  die  biologischen  Beziehungen  von 
Mutter  und  SĂ€ugling  nach  der  Geburl*). 

Von  Prof.  Dr.  Paul  Heim. 

Mit  Schmerzen  und  unter  Gefahren  gebiert  die  Mutter 
ihr  Kind  und  damit  sproßt  neues  Leben,  beginnt  ein  neues 
Wesen.  Dieser  allgemein  bekannte  Satz  ist  aber  biologisch 
nicht  völlig  richtig,  denn  das  neue  Leben,  das  neue  Wesen 
ist  schon  IrĂŒner  entstanden:  im  Moment  der  Konzeption  und 
nur  in  der  Entwicklung  ist  die  Frucht  jetzt  soweit  fortge- 
schritten, daß  sie  bereits  das  selbstĂ€ndige  Leben  beginnen 
kann,  d.  h.  den  Kampf  um  die  Sicherung  des  eigenen  Lebens 
und  das  Ringen  nach  dem  Fortieben  auch  ĂŒber  die  Grenzen 
des  Individuums  hinaus.  Doch  ist  die  eigene  Kraft  des  selb- 
stĂ€ndig ins  Leben  tretenden  SĂ€uglings  fĂŒr  diesen  Kampf  noch 
zu  schwach,  er  bleibt  noch  weiter  an  die  Mutter  gekettet, 
denn  der  Verband  von  Mutter  und  Kind  wird  durch  die 
Geburt  nicht  zerrissen,  sondern  nur  erweitert. 

Man  bort  oft,  daß  der  SĂ€ugling  ein  unvollkommenes 
Wesen  und  es  deshalb  nicht  zu  verwundern  sei,  daß  sein 
Leben  so  gebrechlich  ist.  Auch  dieser  Satz  ist  nicht  nur 
unrichtig,  sondern  sogar  gefahrlich.  Das  Leben  des  SĂ€ug- 
lings ist  —  wie  M  o  r  o  sagt  —  gesichert,  wenn  man  ihm  alles 
ziiKommen  lĂ€ĂŸt,  was  ihm  die  Natur  zudenkt  und  im  Moment 
der  Geburt  als  Wegzehrung  aui  diese  Weit  auch  mitgegeben 
hat.  Von  aer  Natur  bekommt  er  als  Mitgift  die  Muttermilch 
und  die  fĂŒrsorgliche  und  stets  besorgte  Mutterliebe.  Mutter- 
milch und  Mutterherz  sind  die  RĂŒstung,  in  deren  Besitz  das 
neue  Wesen  den  Kampf  ums  Leben  mit  Erfolg  aufnehmen 
kann.  Werden  aber  dem  SĂ€ugling  diese  beiden  Waffen  ent- 
zogen, so  ist  er  gezwungen,  Aulgahen  allein  zu  lösen,  fĂŒr  die 
ihn  die  Natur  nicht  ausgerĂŒstet  hat  und  denen  gegenĂŒber  er 
sich  als  unvollkommen  erweisen  muß. 

Die  moderne  SĂ€uglingsheilkunde  beginnt  mit  dem  Zeit- 
punkt, da  Gzerny  und  seine  Schule  es  mit -völliger  Be- 
stimmtheit und  Klarheit  zum  Motto  dieser  Wissenschaft 
machten,  was  vor  ihnen  viele  zwar  schon  gefĂŒhlt,  aber  nicht 
so  prĂ€zis  formuliert  und  nicht  befolgt  hahen,  nĂ€mlich  daß 
der  SÀuglingskörper  ein  spezieller  Organismus  sei,  dessen 
EigentĂŒmlichkeiten  auf  dem  Wege  der  Forschung  erkannt 
und  durch  besondere  Untersuchungen  erforscht  sein  wollen. 
Der  SĂ€ugling  ist  nicht  ein  erwachsener  Mensch  in  kleinerer 
Ausgabe,  auch  kein  Miniatur-Kind  und  deshalb  dĂŒrfen  aie 
Erfahrungen  der  spateren  Altersstufen  nicht  einfach  per  ana- 
logiam auf  das  SĂ€uglingsalter  ĂŒbertragen  werden.  Am  Himmel 
dieses  Zweiges  der  Wissenschaft  leuchtet  als  glÀnzender  Stern 
Gzerny,  der  Leiter  der  deutschen  PĂ€diatrie.  Auf  den  von 
ihm  gewiesenen  Pfaden  fortfahrend  entwickelte  sich  auf 
soliden  Grundlagen  ruhend  ein  neuer  Zweig  der  Wissen- 
schaften, die  SĂ€ĂŒglingsheilkunde,  an  deren  Ausbau  sich  auch 
die  ungarischen  KinderÀrzte  beteiligt  haben,  in  engem  An- 
schluß, an  die  deutsche  PĂ€diatrie. 

Im  Mutterleibe,  unter  dem  Mutterherz  hat  die  Frucht 
nichts  anderes  zu  tun,  als  zu  wachsen  und  sich  zu  ent- 
wickeln. Die  Nahrung  erhÀlt  sie  fertig  verarbeitet  aus  dem 
Blut  der  Mutter,  von  wo  sÀmtliche  nötigen  NÀhrstoffe  direkt 

*)  Rektorat-Antrittsrede,  gehalten  im  Wintersemester  1921  an 
der  Königl.  ung.  Elisabeth-UniversitÀt,  derzeit  in  Budapest. 


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Heim:  Mutter  und  SĂ€ugling 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4 


ins  Blut  der  Embryos  gelangen.  Die  Erhaltung  der  kon- 
stanten Temperatur  macht  ihm  keine  Sorge,  dies  besorgt  an- 
statt seiner  der  mĂŒtterliche  Organismus,  der  sich  wirksam 
gegen  ErwĂ€rmung  und  AbkĂŒinung  schĂŒtzt.  Dies  ist  aber 
nicht  alles;  aucn  iĂŒr  andere  BedĂŒrfnisse  des  SĂ€uglingskörpers 
sorgt  der  mĂŒtterliche  Organismus,  auch  in  anderen  biologi- 
schen Funktionen  hilft  er  ihm  aus. 

Eine  charakteristische  EigentĂŒmlichkeit  der  Embryonal- 
und  bĂ€ugiings-Periooe  ist  die  große  Neigung  zum  Wachsen. 
Aus  der  betruchteten  Eizelle  werden  zwei  Zellen,  aus  den 
zweien  vier  und  so  geht  es  weiter;  inzwischen  erfolgt  die 
Ausbiluung  der  einzelnen  Embryonalgewebe,  sodann  werden 
die  Urorgane  gebildet  und  daraus  formt  sich  langsam  stufen- 
weise der  menschliche  Organismus.  Wenn  wir  hier  einen 
Augenblick  nachdenkend  stehen  bleiben,  erscheint  es  nicht 
wunderbar,  welch  strengen  Regein  das  Wachstum  und  die 
Entwicklung  folgt?  Um  nur  ein  Beispiel  unter  so  vielen  an- 
zufĂŒhren, ist  es  nicnt  erstaunlich,  daß  im  menschlichen 
Au^e  die  Entfernung  der  Kornea  von  der  Retina  bei  jedem 
Menschen  unabliĂ€ngig  von  der  KörpergrĂ¶ĂŸe  und  der  Kopf- 
form, sozusagen  aui  Millimeter  genau  oie  gleiche  ist  und  eine 
Differenz  von  Millimetern  schon  starke  Kurz-  oder  Weit- 
sichtigkeit verursacht?  Ist  es  nicht  erstaunlich,  daß  unsere 
Giieumaßen  gleich  lang  sind,  daß  im  Antlitz  keine  verzerren- 
den Asymmetrien  aultreten?  Welcnes  ist  die  Einrichtung,  die 
den  Grad,  das  Wesen  und  die  Form  des  Vvachstums  reguliert 
und  bestimmt?  Heute  wissen  wir  bereits,  daß  im  Organismus 
ein  ganzes  großes,  aus  mehreren  Organen  bestehendes,  in 
seinen  Funktionen  zahnradartig  ineinandergreifendes  Organ- 
system existiert:  das  DrĂŒsensystem  mit  innerer  Sekretion 
(das  sogenannte  Endokrinsystem),  dessen  Aufgabe  die  Wah- 
rung der  biologischen  und  chemischen  IntegritÀt  des  Organis- 
mus ist;  dieses  System  bewirkt,  regulieit,  erhÀlt  oder  bringt 
auch  das  Wachstum  zum  Stillstande. 

Im  foetalen  Organismus,  im  Embryo  bildet  sich  dieses 
System  erst  in  den  spÀteren  Monaten  aus  und  man  vermutet 
mit  gutem  Grunde,  daß  anstatt  seiner  lange  Zeit  hindurch 
das  Endokrinsystem  des  mĂŒtterlichen  Organismus  funktio- 
niert. Es  unterliegt  ja  im  Mutterleibe  wÀhrend  der  Entwick- 
lung des  Embryos  beinahe  jedes  Glied  dieses  Systems  einer 
Aenderung  in  GrĂ¶ĂŸe  und  Struktur.  Es  vergrĂ¶ĂŸert  sich  die 
SchilddrĂŒse,  die  Hypophyse,  die  Nebennieren.  In  der  Hypo- 
physe, dieser  das  Wachstum  regulierenden  DrĂŒse,  treten  ganz 
neuartige  Zellen  auf,  die  sogenannten  GraviditÀtszellen;  die 
VerĂ€nderungen  in  der  Nebenniere  sind  so  große,  daß  man 
auf  Grund  der  histologischen  Struktur  der  Nebennieren  fest- 
stellen kann,  ob  sie  von  einer  Schwangeren  stammen.  Im 
Ovar  kommt  eine  gewisse  Funktion  zum  Stillstande  und  im 
mĂŒtterlichen  Organismus  bildet  sich  ein  neues  Organ  mit 
innerer  Sekretion,  der  Mutterkuchen  (Placenta).  Diese  Ver- 
Ă€nderung des  ganzen  Endokrin-DrĂŒsensystems,  die  unter 
anderen  ÜmstĂ€nuen  nie  beobachtet  wird,  verrĂ€t  sich  auch  in 
ihrer  Wirkung  auf  den  mĂŒtterlichen  Organismus.  Das 
Aeußere  der  Mutter  verĂ€ndert  sich,  die  Lippen  werden  dicker, 
die  GesichtszĂŒge  gröber,  die  HĂ€nde  und  FĂŒĂŸe  plumper  und 
grĂ¶ĂŸer,  man  könnte  beinahe  sagen,  es  treten  der  durch  ge- 
steigerte Funktion  der  Hypophyse  bewirkten  Akromegalie 
Ă€hnliche  akromegaloide  Erscheinungen  auf.  In  der  Haut 
wird  Farbstoff  in  abnormal  großer  Menge  abgelagert,  eine  Er- 
scheinung, die  an  die  durch  verminderte  innere  Sekretion  der 
Nebennieren  verursachte  Addison-Krankheit,  die  sogenannte 
Bronzesucht  erinnert,  wÀhrend  die  Neigung  zu  reichlicher 
Schweißbildung  und  das  hĂ€ufige  Herzklopfen  an  die  auf  ge- 
steigerte Funktion  der  SchilddrĂŒse  sich  ausbildende  Base- 
dow'sche  Krankheit  gemahnt.  Die  ineinandergreifenden 
ZahnrĂ€der  des  Endokrin-DrĂŒsensystems  drehen  sich,  irgend- 
einem neuen  Ziel  angepaßt,  in  anderer  Weise  als  gewöhnlich. 
Im  mĂŒtterlichen  Organismus  ist  ein  neuer  Lebenskeim  ent- 
standen, dessen  charakteristische  EigentĂŒmlichkeit  das 
Wachstum  und  die  Differenzierung  von  Geweben  und  Or- 
ganen ist  und  um  die  strenge  GesetzmĂ€ĂŸigkeit  dieses  Wachs- 
tums und  dieser  Differenzierung  zu  wahren,  regulieren  ihn 
nicht  hur  die  den  eigenen  Zellen  anhaftenden  Eigenschaften 


und  FĂ€higkeiten,  wenigstens  nicht  in  den  ersten  Zeiten  de:| 
Schwangerschaft,  sondern  das  mit  dem  Mutterkuchen  er 
gĂ€nzte  Endokrin-DrĂŒsensystem  des  mĂŒtterlichen  Organismu: 
durch  gesteigerte  Funktion. 

Doch  auch  in  anderen  Beziehungen  schĂŒtzt  und  förder 
der  mĂŒtterliche  den  embryonalen  Organismus.  Der  Embryi, 
ist  im  Lterus  von  der  Außenweit  völlig  abgeschlossen  und  s< 
Infektionen  nicht  ausgesetzt  und  gegen  die  Angriffe  von 
Bakterien  schĂŒtzt  ihn  uer  mĂŒtterliche  Organismus. 

Man  pflegt  zu  sagen,  mit  der  Geburt  beginne  das  selb 
stÀndige  Leben.   Ist  das  richtig?   Erlischt  mit  der  Geburt  di 
Funktion  der  vielen  Schutzeinrichtungen,   mit   denen  de 
mĂŒllerliche  Organismus  die  Entwicklung  des  neuen  Leben] 
sichert?    Ist  das  Leben  des  SÀuglings  tatsÀchlich  ein  selb! 
stÀndiges  Leben  zu  nennen? 

Laßt  uns  der  Reihe  nach  die  Lebensfunktionen  bei 
trachten,  die  der  Neugeborene  anscheinend  selbstÀndig  verl 
richtet  und  inwiefern  er  bei  diesen  Verrichtungen  auf  di 
Mutter  angewiesen  ist. 

im  Mutterleibe  erhÀlt  der  Embryo  seine  Nahrung  fertil 
durch  Vermittelung  des  Mutterkuchens  direkt  in  das  Blu  | 
Im  Moment  der  Geburt  zerreißt  dieses  Band,  von  da  an  erhĂ€ll 
er  unverarbeitete  Nahrung  durch  den  Darmkanal,  die  er  nu| 
selbstÀndig  zersetzen,  selbstÀndig  durch  die  Darmwand  abj 
sorbieren  und  aus  deren  absorbierten  Bestandteilen  er  selb! 
stÀndig  die  zum  Leben  notwendigen  Stoffe  aufbauen  mulj 
Sein  Darmkanal,  bisher  völlig  rein  von  Bakterien,  wird  jet; 
plötzlich  von  den  Darmbakterien  bevölkert,  so  daß  er  genötiti 
ist,  die  QuantitÀt,  QualitÀt  und  Verteilung  der  Bakterien! 
llora  des  Darmes  in  den  verschiedenen  Partien  desselben  z\ 
regulieren  und  zwar  so,  daß  sie  ihm  nicht  schĂ€dlich,  sonderl 
gerade  im  Gegenteil  nĂŒtzlich  seien.  Vom  Moment  der  Gebuij 
an  gelangt  der  SĂ€uglingsorganismus  in  steten  Kontakt  ml 
der  Weit  der  Bakterien,  mit  denen  er  dann  bald  im  Kampf»! 
bald  sich  mit  ihnen  abfindend,  in  friedlicher  Eintracht  unfi 
Symbiose  zu  leben  gezwungen  ist. 

Die  erste  Nahrung  des  Neugeborenen  ist  die  Erstmilci 
(Colostrum).  Es  ist  dies  eine  Nahrung,  welche  die  Muthj 
des  Neugeborenen  nur  einige  Tage  sezerniert  und  die  infolgi 
ihrer  eigenartigen  Zusammensetzung  geeignet  ist,  die  wegel 
der  verÀnderten  VerhÀltnisse  zum  erstenmal  in  Funktioi 
tretende  Verdauung  vor  die  möglichst  einfachste  Aufgabe  z 
stellen.  Die  Erstmilch  enthĂ€lt  Wasser,  Salze,  Eiweißstoff  ^ 
Fett  und  Zucker,  somit  sÀmtliche  NÀhrstoffe,  die  der  Mensel 
benötigt.  Doch  sind  die  Eiweißstoffe  der  Erstmilch  nicht  nr.1 
menschliche,  arteigene,  sondern  auch  zugleich  neutrale,  dei 
Blut  nicht  fremde  Eiweißstoffe,  die  mit  denen  des  Blutes  voll  ■ 
kommen  ĂŒbereinstimmen  und  eben  deshalb  eines  Abbaut  1 
durch  den  Organismus  nicht  bedĂŒrfen;  diese  Eiweißstoffe  dii } 
fundieren  einfach  durch  die  Darmwand  des  Neugeborenen,  d: 
noch  ein  grĂ¶ĂŸeres  Durchlassungs vermögen  besitzt.  Wie  stau» 
nenswert  ist  diese  Einrichtung!  Der  Magen  und  Darm  wirf 
vor  eine  neue  Funktion  gestellt,  hat  aber  in  den  ersten  Tage  j 
nur  einen  Teil  dieser  Funktion  zu  verrichten:  mit  der  Eiweif  > 
Verdauung  braucht  er  sich  nicht  abzugeben,  denn  in  d(| 
Muttermilch  erhĂ€lt  er  ein  spezielles  Eiweiß,  das  unzerset:| 
absorbierbar  ist.  In  den  folgenden  Tagen  verÀndert  sich  d 
Zusammensetzung  der  Erstmilch.  Die  Menge  des  charakĂŒ  \ 
ristischen  Eiweisses  der  Erstmilch  nimmt  ab,  in  der  sog(4 
nannten  Uebergangsmilch  tritt  das  spezifische  Milcheiwei  ß 
das  Kasein  auf,  dessen  Menge  von  Tag  zu  Tag  zunimmt.  DeI 
mit  wird  die  Aufgabe,  die  der  Darm  zu  lösen  hat,  von  Tag  z|l 
Tag  senwieriger,  doch  nicht  plötzlich,  sondern  allmÀhlicljli 
stufenweise  mehren  sich  die  Erfordernisse  und  der  OrgÂŁ  Ii 
nismus  hat  Zeit  und  Gelegenheit,  die  Verrichtung  der  schwiti« 
rigeren  Aufgaben  einzuĂŒben.  Sodann  erhĂ€lt  die  Muttermilc-i 
allmĂ€hlich  ihre  normale  Zusammensetzung  und  die  mĂŒtteiJ 
liehen  BrĂŒste  liefern  Tag  fĂŒr  Tag  die  Stoffe,  deren  die  VeiB 
richtung  der  Lebensfunktionen  und  die  Entwicklung  bedaiiJ 
Der  SĂ€uglingsorganismus  baut  ununterbrochen,  ohne  Rull 
und  Rast  seinen  Körper  und  erhĂ€lt  Tag  fĂŒr  Tag  die  da2 « 
nötigen  Stoffe  und  zwar  sozusagen  genau  die  Menge,  derel 
er  bedarf,  nicht  mehr  und  nicht  weniger.    Doch  muß  di'l 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Heim:  Mutter  und  SĂ€ugling 


auch  so  sein,  denn  dem  SĂ€uglingsorganismus  mangeln  noch 
die  Einrichtungen,  mittels  deren  er  den  Ucberschuß  auf- 
stapeln könnte,  um  im  Notfall  den  Bedarf  aus  den  aufge- 
stapelten VorrĂ€ten  zu  decken.  Die  großen  bestĂ€ndigen  Lager- 
rĂ€ume fĂŒr  Fett  und  Glykogen  bseitzt  auch  er  bereits,  aber 
jene  kleinen,  ich  möchte  sagen,  HandlagerrÀume,  in  denen 
die  ĂŒberschĂŒssigen  Salze  rasch  unterzubringen  sind,  kann  er 
noch  nicht  recht  benĂŒtzen.  Der  Regulator  des  Stoffwechsels: 
der  ineinander  greifende  Zahnradapparat  des  Endokrin- 
DrĂŒsensystems  ist  den  Aufgaben  noch  nicht  gewachsen,  die 
i  r  im  spÀteren  Alter  spielend  löst,  namentlich  ist  er  noch 
nicht  imstande,  die  chemische  IntegritÀt  des  Organismus 
unter  den  verschiedensten  VerhÀltnissen  zu  wahren.  Wird 
einem  erwachsenen  Menschen  oder  einem  kleinen  Kinde  viel 
mehr  Kochsalz  gegeben,  als  sein  Bedarf  ist,  so  wird  man  die 
Erfahrung  machen,  daß  der  Organismus  den  Ueberschvß 
alsbald  aus  dem  Flutstrom  ausscheidet  und  bis  ihn  die 
Nieren  nicht  entfernen  können,  im  Salzlager,  in  der  Haut 
aufstapelt.  Gibt  man  hingegen  dem  SĂ€ugling  100  g  einer 
3prozentigen  Kochsalzlösung,  also  insgesamt  3  g  Kochsalz, 
so  wird  dasselbe  lange  im  Blut  zurĂŒckgehalten,  dann  das 
Blut  verdĂŒnnt  und  hohes  Fieber,  allenfalls  Oedeme  treten 
auf.  Unter  normalen  VerhÀltnissen  ist  es  gar  nicht  nötig, 
daß  im  SĂ€uglingsorganismus  eine  besondere  Einrichtung  dar- 
ĂŒber wache,  daß  in  seiner  Nahrung  weder  Ueberfluß  noch 
Mangel  auf  die  Lebensfunktionen  und  den  Körperaufbau 
störend  einwirke,  denn  jede  Störung  wird  verhindert  durch 
die  Muttermilch,  die  ihm  zuliebe  geschaffen  ist,  deren  Bildung 
und  Abscheidung  durch  seine  EmpfÀngnis  und  Geburt  ver- 
anlaßt wurde,  die  nicht  zubereilet,  nicht  gemischt,  nicht  ge- 
kocht werden  braucht,  nicht  des  nĂŒtzlichsten  Dieners  der 
Menschheit,  des  Feuers  bedarf,  sein  rechtliches  Eigentum 
bildet  und  ihm  nicht  entzogen,  sondern  nur  geraubt  wer- 
den kann.  Wird  der  SĂ€ugling  kĂŒnstlich  genĂ€hrt,- wenn  auch 
in  entsprechendster  und  zweckmĂ€ĂŸigster  Weise,  so  wird  sein 
Körper  vor  eine  Aufgabe  gestellt,  die  die  Natur  nicht  ihm 
zugedacht  hat,  und  dadurch  geschÀdigt;  die  deutsche  Paedia- 
trie  ist  daher  im  Recht,  wenn  sie  mit  Schloßmann  die  kĂŒnst- 
liche ErnĂ€hrung  als  unnatĂŒrlich  bezeichnet. 

Die  Erstmilch  (Colostrum)  und  die  Muttermilch  enthÀlt 
aber  nicht  nur  NĂ€hrstoffe,  sondern  auch  sogenannte  Schutz- 
stoffe, die  den  Organismus  vor  den  Angriffen  der  Bakterien 
schĂŒtzen.  Dies  ist  auch  sehr  vonnöten,  da  der  SĂ€uglings- 
organismus nur  in  sehr  geringem  Maße  Schutzstoffe  (soge- 
'  nannte  Immun-Stoffe)  produzieren  kann.  Aus  eigener  Kraft 
fÀllt  es  ihm  sehr  schwer,  den  Angriffen  der  Bakterien  stand- 
I  zuhalten,  doch  hilft  ihm  im  Kamnf  ge^en  dieselben  der 
(mĂŒtterliche  Organismus,  indem  er  ihm  mit  der  Milch  auch 
die  nötigen  Waffen  liefert.  Ich  fĂŒhre  diesbezĂŒglich  zwei 
Beispiele  an.  Die  Mutter  ist  arm  und  lebt  in  schlechten  Ver- 
hĂ€ltnissen. Sie  hat  kein  Geld  fĂŒr  SĂ€uglingssachen,  ist  nicht 
imstande  Seife  zu  kaufen,  stillt  aber  wenigstens  ihr  Kleines 
selbst.  Die  paar  Windeln  werden  kaum  gewaschen:  sind  sie 
naß  geworden,  so  lĂ€ĂŸt  die  Mutter  sie  einfach  trocknen  und 
nimmt  sie  wieder  in  Gebrauch,  und  nur  wenn  es  schon  un- 
vermeidlich ist,  werden  sie  oberflÀchlich  gewaschen.  Die 
Haut  des  Kindes  könnte  reiner  sein,  doch  ist  nicht  ein  roter 
Fleck,  nicht  eine  eitrige  Pustel  darauf  zu  finden.  Die  andere 
Mutt°r  ist  gut  situiert,  gebildet;  ihr  Kind  stillt  sie  nicht 
selbst,  hÀlt  aber  eine  gelernte,  sorgsame,  gewissenhafte  Nurse. 
L)ie  Windeln  werden  schneeweiß  gewaschen,  sterilisiert,  stets 
gewechselt,  und  doch  entsteht  ein  Abszeß  nach  dem  anderen; 
‱bösartig,  daß  sie  geschnitten  werden  mĂŒssen.  Alle  Reinlich- 
keit ist  vergebens,  die  Muttermilch  besitzt  eine  mÀchtigere 
Schutzkraft.  Es  ist  eine  alte  Erfahrung,  daß  ein  selbstge- 
Jstillter  SĂ€ugling  die  Masern  nicht  bekommt,  auch  wenn  er 
Ider  Infektion  ausgesetzt  war,  wĂ€hrend  der  kĂŒnstlich  ge- 
nÀhrte SÀugling  bestimmt  erkrankt,  sobald  Infektion  eintritt. 
Man  erklĂ€rte  dies  so,  daß  die  Mutler  einmal  die  Masern  durch- 
gemacht und  dieser  Krankheit  gegenĂŒber  immun  geworden 
sei  und  derart  die  Immunstoffe  mit  ihrer  Milch  in  den  Or- 
ganismus des  SĂ€uglings  ĂŒbergehen.  Paul  Ehrlich  hat 
durch  seine  berĂŒhmten  Experimente  an  Meerschweinchen 


mit  dem  Antitoxin  der  Dipbtheritis  nachgewiesen,  daß  die 
Gegenstoffe  mit  der  Milch  eines  Tieres  der  gleichen  Art  in 
das  Blut  des  Neugeborenen  ĂŒbergehen.  Wir  können  aber 
noch  weitergehen.  Meinem  Assistenten  Dr.  G  c  z  a  Pcten \  i 
ist  es  gelungen,  mit  den  Masern  infizierte,  kĂŒnstlich  genĂ€hrte 
SĂ€uglinge  vor  der  Erkrankung  zu  schĂŒtzen,  indem  er  ihnen 
Milch  einer  Mutter  unter  die  Haut  spritzte,  die  in  ihrer 
Kindheit  die  Masern  durchgemacht  hatte.  Die  Injektion  mit 
dem  Blut  einer  erwachsenen  Frau,  die  in  ihrer  Kindheit  die 
Masern  durchgemacht  hat,  schĂŒtzt  den  SĂ€ugling  nicht  vor 
dieser  Krankheit;  wird  aber  eine  solche  Frau  schwanger 
und  gebÀrt,  so  mehrt  sich  in  ihrem  Blut  der  Schutzstoff 
gegen  Masern.  Hat  jemand  Typhus  ĂŒberstanden  und  sind 
seit  dem  Verlauf  der  Krankheit  Jahre  vergangen,  so  besitzt 
sein  Blut  die  FĂ€higkeit,  die  Typhusbazillen  zu  agglĂŒtinieren. 
GebÀrt  aber  eine  solche  Frau,  so  nimmt  nach  der  Geburt  die 
AgglutinationsfÀhigkeit  des  Blutes  plötzlich  stark  zu.  Diese 
Beispiele  beweisen  ĂŒberzeugend,  daß  die  Geburt  als  Anreiz 
eine  mĂ€chtig  gesteigerte  Bildung  der  Immunstoffe  veranlaßt. 

Damit  ist  aber  die  schĂŒtzende  Wirkung  der  Muttermilch 
nicht  erschöpft.  Es  ist  noch  eine  sehr  wichtige  Aufgabe 
derselben  zu  betrachten,  die  Regulation  der  Bakterienflora 
des  Darmes. 

Von  außerordentlichem  Interesse  sind  die  Experimente, 
die  sich  mit  dem  Problem  befassen,  ob  die  den  Darmkanal 
bewohnende  Bakterienflora  zur  Erhaltung  des  Lebens  nötig 
sei,  ob  sich  der  tierische  Körper,  von  Bakterien  völlig  rein 
gehalten,  weiterentwickelt  und  am  Leben  bleibt?  Ohne 
weiter  auf  die  Ergebnisse  dieser  Experimente  einzugehen,  ist 
die  Tatsache  festzustellen,  daß  im  Darm  stets  Bakterien  vor- 
handen sind,  mit  deren  TĂ€tigkeit  und  Wirksamkeit  man 
rechnen  muß.  Das  große  Handbuch  von  C  z  e  r  n  y  und 
Keller,  die  Bibel  der  SĂ€uglingsernĂ€hrung,  fĂŒhrt  als  Er- 
fordernis einer  zweckmĂ€ĂŸigen  SĂ€uglingsnahrung  an,  daß  sie 
die  Entwicklung  einer  geeigneten  Bakterienflora  und  deren 
dem  Organismus  nutzbringende  Mitwirkung  sichere.  In 
dem  Buch  von  C  z  e  r  n  y  und  Keller  ist  eine  Beobachtung 
Jensens  zu  lesen,  die  sehr  interessant  und  von  großer 
Tragweite  ist.  Im  Kampf  gegen  die  Perlsucht  der  KĂŒhe 
wurde  seinerzeit  in  einzelnen  Meiereien  versucht,  die  KĂ€lber 
von  der  perlsĂŒchtigen  Mutter  getrennt,  mit  abgekochter  Kuh- 
milch zu  ernĂ€hren,  also  nicht  mit  unnatĂŒrlicher  Nahrung, 
sondern  mit  der  Milch  der  gleichen  Tierart.  Wurde  diese 
Nahrung  den  neugeborenen  Tieren  als  erste  Nahrung  ge- 
geben, so  gingen  80 — 90  Prozent  der  KĂ€lber  an  akutem, 
blutig-eiterigem  Durchfall  zugrunde,  und  dieser  Durchfall 
stimmte  anatomisch-pathologisch  völlig  mit  der  Kalbsdysen- 
terie ĂŒberein;  bakteriologisch  erwies  er  sich  als  enzootische 
Coli-Infektion.  Wurden  hingegen  die  neugeborenen  KĂ€lber 
am  ersten  Tage  mit  Erstmilch  (Colostrum)  genÀhrt  und  erst 
am  zweiten  Tage  mit  abgekochter  Kuhmilch,  so  ĂŒberstanden 
sie  dieses  ohne  jede  schÀdliche  Nachwirkung.  Es  ist  somit 
die  Erstmilch  (Colostrum),  welche  die  Bakterienflora  des 
Neugeborenen  so  reguliert  oder  aber  die  Darmwand  in  einen 
derartigen  Zustand  versetzt,  daß  der  Organismus  den  im 
Darm  normalerweise  lebenden  Bakterien  gegenĂŒber  un- 
empfindlich wird.  SpÀter  besitzt  die  ErnÀhrung  mit  Mutter- 
milch ihre  spezielle  Bakterienflora,  und  auch  diese  Flora 
bildet  ein  Schutzmittel  fremden,  schÀdlichen  Eindringlingen 
gegenĂŒber.  Vogt  machte  die  Erfahrung,  als  auf  der  SĂ€ug- 
lingsabteilung eine  Dysenterieepidemie  ausbrach,  daß  die 
bloß  mit  Muttermilch  gestillten  SĂ€uglinge  von  dem  Uebel 
verschont  blieben,  jene  hingegen  erkrankten,  die,  wenn  auch 
gestillt,  außerdem  kĂŒnstliche  Nahrung  in  beliebig  geringer 
Menge  erhielten. 

Außer  dem  Gesagten  gibt  es  noch  eine  wichtige  Lebens- 
funktion, die  der  SĂ€uglingsorganismus  erlernen  und  vom 
ersten  Tage  nach  der  Geburt  verrichten  muß.  Diese  Lebens - 
funktion  ist  die  WĂ€rmeregulierung,  deren  AusĂŒbung  wĂ€h- 
rend des  Lebens  im  Mutterleibe  völlig  dem  mĂŒtterlichen  Or- 
ganismus zufiel. 

Der  Mensch  ist  nicht  nur  ein  warmblĂŒtiges,  sondern  ein 
die  Körpertemperatur  auf  einem  gewissen  bestÀndigen  Grade 


90  Siebert:  UnterstĂŒtzungstherapie 


erhaltendes  Wesen,  mit  einem  wissenschaftlichen  Kunstaus- 
druck,  ein  homoiothermer  Organismus.  Sowohl  in  großer 
WĂ€rme  als  auch  in  großer  KĂ€lte  erhĂ€lt  sich  seine  Körper- 
temperatur mit,  man  könnte  sagen  1/w  Grad  Genauigkeit,  auf 
steter  Höhe.  Ist  seine  Temperatur  im  Steigen  begriffen,  so 
beginnt  eine  Reihe  von  Funktionen:  die  Oxydationsprozesse 
nehmen  ab,  die  BlutgefĂ€ĂŸe  der  Haut  erweitern  sich,  die 
normale  Spannung  (Tonus)  der  Muskeln  wird  verringert, 
die  SchweißdrĂŒsen  treten  in  Funktion;  ist  hingegen  die 
Temperatur  im  Sinken,  so  steigern  sich  die  Oxydations- 
prozesse, feine  Muskelzuckungen  beginnen,  die  HautgefĂ€ĂŸe 
ziehen  sich  zusammen,  die  normale  Spannung  der  Muskeln 
erhöht  sich.  Und  dies  alles  geschieht  derart,  daß  diese 
vielerlei  Verrichtungen  miteinander  in  Harmonie  bleiben, 
denn  nur  so  lĂ€ĂŸt  sich  genau  die  normale  Temperatur  und 
dabei  die  innere  IntregritÀt  des  Organismus  sichern.  Um 
aber  dies  möglich  zu  machen,  muß  irgend  ein  höherer  Or- 
gaisator  existieren,  der  stetig  Berichte  erhÀlt  und  Weisungen 
austeilt.  Und  tatsÀchlich  gibt  es  im  Corpus  striatum  des  Ge- 
hirnes ein  Zentrum,  das  Zentrum  der  WĂ€rmeregulierurig,  von 
dessen  IntegritÀt  und  Wirksamkeit  die  FÀhigkeit  der 
WÀrmeregulation  im  Organismus  abhÀngig  ist. 

Mein  Kollege,  UniversitÀtsprofessor  Geza  Mans- 
f  e  1  d ,  hat  mit  seinen  neuesten  sehr  schönen  Unter- 
suchungen nachgewiesen,  daß  dieses  Zentrum  der  WĂ€rme- 
regulierung anders  funktioniert,  als  wir  bisher  meinten. 
M  a  n  s  f  e  1  d  warf  das  Problem  auf,  wie  dieses  Zentrum 
seine  Vorkehrungen  treffe,  um  seine  Weisungen  den  an 
der  WĂ€rmeregulierung  teilnehmenden  zahlreichen  Organen 
zukommen  zu  lassen.  Zwei  Wege  stehen  ihm  zu  diesem 
Zweck  zur  VerfĂŒgung:  die  langsamere  Post,  der  Blutstrom 
und  die  raschere  Telegraphie,  das  Nervensystem.  Man  be- 
denke aber,  zu  wievielerlei  Organen  das  Zentrum  der  WĂ€rme- 
regulierung seine  Weisungen  direkt  den  einzelnen  Or- 
ganen zusendet,  oder  aber  den  einfacheren  Weg  wÀhlt  und 
nur  einer  einzigen  DrĂŒse  mit  innerer  Sekretion  den  Be- 
fehl gibt,  die  dann  in  den  Blutstrom  ein  Hormon  entsendet, 
welches  im  Blutkreislauf  ĂŒberall  hin,  zu  jeder  einzelnen 
Zelle  gelangend,  auf  einzelne  anreizend,  auf  andere  hemmend 
einwirkt  und  einigen  gegenĂŒber  neutral  ist.  Die  Versuche 
Mansfelds  haben  das  Letztere  erwiesen.  Das  Zentrum 
der  WĂ€rmeregulierung  gibt  der  SchilddrĂŒse  eine  Weisung, 
die  dann  entweder  ein  abkĂŒhlendes  oder  ein  erwĂ€rmendes 
Hormon  auscheidet,  welches  in  den  Blutstrom  gelangend  die 
entsprechenden  Organe  zu  entsprechender  BetÀtigung  an- 
reizt. 

Die  FĂ€higkeit  der  WĂ€rmeregulierung  ist  bei  den  jungen 
SĂ€uglingen  sehr  mangelhaft  ausgebildet,  sie  werden  leicht 
warm  und  auch  sehr  leicht  kalt.  Das  Zentrum  der  WĂ€rme- 
regulierung ist  bereits  vorhanden,  auch  die  SchilddrĂŒse  fehlt 
nicht  und  doch  ist  die  WĂ€rmeregulation  nicht  vollkommen, 
da  charakteristischerweise  im  SĂ€uglingsalter  der  harmonisch 
ineinandergreifende  Zahnradapparat  des  ganzen  Endokrin- 
drĂŒsensystems  noch  nicht  zusammengepaßt  ist.  Die  Aufgabe 
dieses  DrĂŒsensvstems  ist,  die  IntegritĂ€t  des  Organismus  auf 
chemischem  Wege  zu  wahren  und  die  Organe  dieses 
DrĂŒsensystems  produzieren  spezifische  Stoffe  mit  dem 
Beruf,  die  verschiedene:«  Organe  untereinander  zu  verbinden 
und  als  Reize  wirkend  jene  Organfunktionen  hervorzu- 
rufen, zu  steigern,  oder  zu  hemmen,  die  im  Interesse  der 
chemischen  oder  biologischen  IntegritÀt  des  Organismus  ab- 
laufen. Den  stÀrksten  Angriff  gegen  diese  IntegritÀt  unter- 
nimmt die  ErnĂ€hrung  und  deshalb  regulieren  diese  DrĂŒsen 
in  erster  Linie  den  Stoffwechsel.  Es  ist  bekannt  und  er- 
wÀhnt, wie  speziell  die  ErnÀhrung  des  SÀuglings  ist, 
namentlich,  daß  dabei  weder  UeberschĂŒsse  noch  MĂ€ngel  auf- 
treten. Tag  fĂŒr  Tag  hat  er  dieselbe  und  einzige  Aufgabe  zu 
lösen. 

Wird  der  SĂ€ugling  kĂŒnstlich  genĂ€hrt  und  dies  mit 
unrichtig  zusammengesetzter  Nahrung,  so  wird,  wie  wir  aus 
der  Pathologie  wissen,  das  EndokrindrĂŒsensvstem  vor  eine 
Aufgabe  gestellt,  die  ihm  von  der  Natur  nicht  zugedacht  ist; 
derselben  kann  es  natĂŒrlich  nicht  entsprechen,  es  treten 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


ErnÀhrungsstörungen  auf,  durch  die  der  Chemismus  des  Or- 
ganismus verÀndert  wird;  die  Folgen  sind  derartige,  durch 
die  ErnÀhrung  verursachte  klinische  Erscheinungen,  wie  sie 
im  spÀteren  Alter  nie  beobachtet  werden.  Das  durch 
Nahrung  verursachte  Fieber,  verlangsamte  HerztÀtigkeit 
(Bradykardie),  Ueberspannung  (Hypertonie)  usw.  sind  alles 
Erscheinungen,  die  nur  im  SĂ€uglingsaiter  auftreten  als 
Folgen  dessen,  daß  der  SĂ€uglingsorganismus  vor  natur- 
widrige Aufgaben  gestellt  wurde. 

Der  SĂ€uglingsorganismus  kann  sich  nur  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  gegen  ErwĂ€rmung  oder  AbkĂŒhlung  schĂŒtzen, 
da  er  außer  der  Muttermilch  auch  noch  auf  die  fĂŒrsorgliche 
Mutterliebe  angewiesen  ist.  Auch  diese  bringt  er  mit  sich 
zur  Welt  und  wenn  ihm  die  Mutter  in  großer  Hitze  den 
kĂŒhlsten  Platz  aussucht,  in  der  KĂ€lte  hingegen,  wenn  nötig, 
auch  die  eigene  Decke  entbehrt  und  lieber  friert  und  vor 
KĂ€lte  zittert,  um  nur  ihr  Kleines  schĂŒtzen  zu  können,  so  er- 
gÀnzt sie  damit  nur  die  Funktionen,  die  der  SÀugling  aus 
eigener  Kraft  noch  nicht  vollkommen  verrichten  kann. 

Ich  könnte  die  AufzÀhlung  der  VerbÀnde  noch  lange 
fortsetzen,  die  den  SĂ€ugling  an  die  Mutter  knĂŒpfen;  ich 
könnte  darĂŒber  sprechen,  wie  wichtig  fĂŒr  die  geistige  Ent- 
wicklung des  SĂ€uglings  der  erziehende  bildende  Einfluß 
ist,  der  sich  geltend  macht,  wenn  die  Mutter  nicht  aus 
PflichtgefĂŒhl,  nicht  fĂŒr  Bezahlung,  wie  die  Nursen,  sondern 
zum  eigenen  Ergötzen  mit  ihrem  Kleinen  spielt  —  doch  war 
es  genug.  Meine  Rektoratsrede  möchte  ich  am  treffendsten 
mit  den  Worten  beschließen,  die  Langstein  und  Rott; 
ihrem  schönen  Atlas  zum  Motto  setzten:  Die  Muttermilch 
und  das  Mutterherz  kann  durch  nichts  ersetzt  werden. 


(Aus  der  dermatologischen  Abteilung  des  Krankenhauses  Berlin- 
Lankwitz.   Dirigierender  Arzt:  Dr.  C.  Siebert.) 

Ueber  die  interne  UnterstĂŒtzungstherapie  der 
Gonorrhoe,  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung 
des  „Cystosan". 

Von  C.  Siebert. 

AVĂ€hrend  des  Krieges  machte  sich  der  Mangel  an  bal- 
samischen Mitteln  zur  internen  UnterstĂŒtzung  der  lokalen 
Gonorrhoetherapie  in  unliebsamer  Weise  bemerkbar.  San- 
talöl,  Copaivabalsam,  Kawa-Kawa  und  die  daraus  herge- 
stellten PrĂ€parate  waren  kaum  oder  nur  zu  außerordent- 
lich hohen  Preisen  zu  haben.  Nach  dem  Kriege  kamen 
diese  Erzeugnisse  wohl  wieder  auf  den  Markt,  der  Preis 
aber  stieg  und  steigt  noch  immer  infolge  unserer  Valuta- 
schwierigkeiten dermaßen  in  die  Höhe,  daß  der  Gebrauch 
sich  in  einer  sehr  großen  Zahl  von  FĂ€llen  verbietet. 

ZunÀchst  ist  es  wohl  angebracht  den  Standpunkt,  den 
man  diesen  UnterstĂŒtzungsmitteln  der  Gonorrhoebehand- 
lung  gegenĂŒber  einzunehmen  hat,  festzulegen,  um  keine 
Zweifel  ĂŒber  ihre  therapeutische  Begrenzung  aufkommen  zu 
lassen.  Wie  ich  mit  der  Bezeichnung  sage,  unterstĂŒtzen  sie 
nur  unsere  lokale  Gonorrhoebehandlung,  einmal  in  der  Mil- 
derung der  subjektiven  und  objektiven  Symptome,  ohne  in 
der  Regel  unter  Ausschluß  der  lokalen  Behandlung  zur  Hei- 
lung zu  fĂŒhren,  andererseits  aber,  worauf  ich  noch  grĂ¶ĂŸeren 
Wert  legen  möchte,  scheinen  die  Komplikationen  bei  ihrem 
Gebrauch  weniger  hÀufig  aufzutreten.  Nach  meiner  Ueher- 
zeugung  ist  auf  die  VerhĂŒtung  von  Komplikationen  bei  einer 
bestehenden  einfachen  Gonorrhoe  die  allergrĂ¶ĂŸte  Aufmerk- 
samkeit zu  richten.  Einer  einfachen  Schleimhautinfektion 
der  vorderen  Harnröhre  können  wir  noch  relativ  leicht 
durch  unsere  antiseptischen  Behandlungsmethoden  Herr 
werden.  Treten  Infektionen  der  SchleimhautdrĂŒsen,  des 
submukösen  Bindegewebes,  der  hinteren  Harnröhre,  Prosta- 
titis usw.  auf,  so  stehen  wir  einer  unendlich  schwereren 


10.  Jahrg..—  Nr.  4. 


Sieberti  UnterstĂŒtzungstherapie 


therapeutischen  Aufgabe  gegenĂŒber.  Das  erste  Prin- 
zip jeder  ĂŒonorrhoetherapie  muß  daher 
dahin  gehen,  Komplikationen  zu  vermei- 
den, und  nach  dieser  Richtung  hin  darf  nichts  unversucht 
bleiben.  Hierin  liegt  nach  meiner  Ueberzeugung  der  Grund 
und  der  Hauptzweck  der  Anwendung  von  internen  Mitteln, 
ohne  daß  ich  noch  andere,  spĂ€ter  zu  erörternde,  augenschein- 
liche Vorteile  leugnen  will. 

WĂ€hrend  des  letzten  Kriegsjahres  machte  sich  mir  als 
Leiter  einer  sehr,  großen  Korpsstation  fĂŒr  Geschlechtskrank- 
heiten der  oben  erwÀhnte  Mangel  an  balsamischen  Mitteln 
besonders  empfindlich  fĂŒhlbar.  Ich  war  genötigt,  auf  alte, 
frĂŒher  empfohlene  Mittel  zurĂŒckzugreifen.  Versuche  mit 
Urotropin  und  Solol  befriedigten  in  keiner  Weise.  Ich 
wanate  dann  das  salicylsaure  Natron  an.  Bei  komplizierten 
Gonorrhoen  war  ich  zunÀchst  mit  den  Erfolgen,  was  die 
Milderung  der  subjektiven  Symptome,  Schmerzen,  Herab- 
setzung lÀstiger  Tenesmen  usw.  betraf,  leidlich  zufrieden. 
HÀufiger  konnte  ich  auch  die  KlÀrung  des  zweiten  schleimig- 
trĂŒben Urins  ohne  jede  lokale  Blasentherapie  beobachten. 
Es  lohnt  sich  vielleicht,  hier  kurz  auf  die  mögliche  Wirkung 
der  SalicylprÀparate  einzugehen.  Die  fraglose  Wirkung  in 
Gestalt  der  Herabsetzung  der  subjektiven  Beschwerden  lĂ€ĂŸt 
sich  vielleicht  aus  seiner  zentralen  Wirkung  heraus  erklÀren. 
Es  liegt  auch  nahe,  an  eine  Desinfektionswirkung  den  Gono- 
kokken gegenĂŒber  zu  denken.  Bekanntlich  haben  aber  die 
salicylsauren  Salze  nur  eine  Ă€ußerst  geringe  Desinfektions- 
kraft  im  Gegensatz  zur  freien  Salicylsaure.  Im  Blute  und  in 
GewebsflĂŒssigkeiten  können  aber  wegen  der  dort  vorhan- 
denen Alkaleszenz  nur  salicylsaure  Salze  vorhanden  sein.  A 
priori  wÀre  die  Annahme  einer  direkten  Desinfektionswir- 
kung abzulehnen.  Untersuchungen  von  Binz  machen  es 
aber  wahrscheinlich,  daß  gerade  im  entzĂŒndeten  Gewebe  ein 
Freiwerden  von  SalicylsĂ€ure  möglich  ist,  da  dort  eine  außer- 
ordentlich hohe  KohlensÀurespannung  herrscht,  und  ver- 
mehrter KohlensÀuregehalt  des  Blutes  ist  nach  Binz  im- 
stande, SalicylsÀure  aus  seinen  Salzen  frei  zu  machen.  Die 
klinische  Erfahrung  lehrt, .  daß  wir  mit  den  SalicylprĂ€pa- 
raten  keine  vollstÀndige  Desinfektion  des  Uro-Genitaltraktus 
erzielen  können,  wohl  ist  aber  eine  Linderung  der  Symp- 
tome vorhanden,  die  wir  berechtigt  sind,  auf  gewisse  Ent- 
wicklungshemmungen der  Bakterien  in  den  entzĂŒndeten 
Geweben  zurĂŒckzufĂŒhren. 

Einem  AnsprĂŒche  aber  genĂŒgte  die  Darreichung  der 
SalicylprÀparate  nicht,  und  das  war  die  Herabsetzung  der 
Reizbarkeit,  die  sich  bei  den  Gonorrhoekranken  besonders 
in  den  nĂ€chtlichen,  schmerzhaften  Erektionen  Ă€ußert. 
Diese,  wohl  immer  ein  Zeichen  einer  schon  vorhandenen 
oder  beginnenden  Periurethritis  fĂŒhren  leicht  zu  weiteren 
Komplikationen,  einerseits  durch  den  mechanischen  Mo- 
ment, der  Gonokokken  in  die  DrĂŒsenausfĂŒhrungsgĂ€nge  hin- 
eindrÀngen kann,  andererseits  durch  die  Anschoppung,  die 
mit  ihrer  sie  begleitenden  Exsudation  die  Entwicklung  der 
Gonokokken  fördert.  Ich  kombinierte  daher  das  salicyl- 
saure Natron  mit  Bromsalzen,  die  sich  mir  schon  frĂŒher 
bei  durch  hartnÀckige,  nÀchtliche  Erektionen  gequÀlten 
Patienten  gut  bewÀhrt  hatten.  Die  Erfolge  waren  jetzt  be- 
deutend bessere.  Die  Zahl  der  auf  der  Station  selbst  ein- 
tretenden Komplikationen  nahm  ohne  Zweifel  ab.  ErklÀr- 
lich ist  die  Wirkung  des  Broms  durch  die  bekannte  Herab- 
setzung der  Reflexerregbarkeit  des  zentralen  Nervensystems 
und  die  nachweisbare  Aufhebung  resp.  starke  Verminderung 
der  SensibilitÀt  der  SchleimhÀute.  Wir  erreichen  mit  den 
Bromgaben  eine  Ruhigstellung  der  Genitalorgane.  Die 
Krampfreaktion  der  glatten  Muskulatur  auf  die  entzĂŒnd- 
lichen und  auf  unsere  therapeutischen  Reize,  die  sich  mit- 
unter nicht  vermeiden  lĂ€ĂŸt,  die  aber  nur  zu  hĂ€ufig  durch 
Weiterverschleppung  der  Gonokokken  in  die  DrĂŒsenappa- 
rate und  Samenleiter  zu  unliebsamen  Komplikationen  fĂŒhrt, 
wird  stark  herabgesetzt.  Nach  meinen  Erfahrungen  er- 
reichen wir  damit  sogar  einen  besseren  Effekt,  als  mit  dem 
auch  anÀsthesierenden,  sehr  kostspieligen  Kawa-Kawaharz. 
Die   beobachtete    gĂŒnstige   Einwirkung    der  Kombination 


Salicyl-Brom  lĂ€ĂŸt  nach  neueren  Forschungen  auch  noch 
eine  andere  Deutung  zu.  Nach  Luithlen')  beeinflussen 
Mittel,  die  zcntralanalgetisch  einwirken  oder  die  Erregbar- 
keil  der  Nerven  herabsetzen,  alle  EntzĂŒndungsvorgĂ€nge  im 
OrganismĂŒs  in  gĂŒnstigem  Sinne.  Diese  Beobachtung  ist  von 
verschiedenen  Autoren  auch  experimentell  erforscht  worden 
und  wird  durch  Ruhigstellung  der  sensiblen  Elemente  des 
EntzĂŒndungsreflexbogens  erklĂ€rt. 

Nach  Erprobung  dieser  Kombination  an  einem  sein 
großen  Krankenmaterial  war  der  Fricdenszustand  einge- 
treten, und  ich  wandte  meine  Erfahrungen  auch  bei  meinem 
Privatklientel  an.  Die  Erfolge  befriedigten  mieb  auch 
weiter.  Es  stellte  sich  aber  jetzt  heraus,  daß  in  einem 
Punkte  die  Kombination  von  Salicyl-  und  BromprÀparaten 
den  frĂŒheren  SandelölprĂ€paraten  unterlegen  war,  nĂ€mlich 
in  Bezug  auf  die  Verminderung  des  Ausflusses.  Gerade  die 
bekannte  Sekretverminderung  bei  den  balsamischen  Mitteln 
war  mir  immer  eine  willkommene  Erscheinung  gewesen. 
Da  ich  die  Therapie  der  Gonorrhoe  prinzipiell  mit  sehr 
schwachen  Silberlösungen  beginne,  um  auf  jeden  Fall  eine 
medikamentöse  Irritation  der  entzĂŒndeten  SchleimhĂ€ute  zu 
vermeiden,  und  da  dabei  die  Eiterung  erst  langsam  zurĂŒck- 
geht, so  brauchte  ich  diese  Wirkung,  die  immer  einen  sehr 
wohltĂ€tigen  Einfluß  auf  den  so  hĂ€ufig  psychisch  stark 
deprimierten  Kranken  hat.  Er  empfindet  eben  das  tröst- 
liche subjektive  GefĂŒhl  der  beginnenden  Heilung.  Abge- 
sehen aber  davon,  wird  jede  Herabsetzung  der  Sekretion, 
die  nur  auf  Kosten  der  serösen  DurchtrÀnkung  erfolgen 
kann,  auch  die  Wachstumbedingungen  der  Gonokokken  ein- 
schrÀnken. Die  sekretionseinschrÀnkende  Wirkung  scheint 
von  den  internen  Mitteln  in  der  Tat  nur  den  Balsamicis  inne 
zu  wohnen.  Da,  wie  Eingangs  erwÀhnt,  das  Santalöl  und 
Ă€hnliche  PrĂ€parate  nur  noch  den  oberen  „Tausend"  vor- 
behalten bleiben,  stieß  ich  bei  der  Sache  nach  einem  wohl- 
feileren Mittel  von  Àhnlicher  Wirkung  auf  die  Kubeben, 
die  FrĂŒchte  von  Piper-Cubeba,  einer  Droge,  die  noch  zu 
einem  einigermaßen  erschwinglichen  Preise  erhĂ€ltlich  ist. 

Die  Kubeben,  die  in  Indien,  schon  seit  alten  Zeiten,  ein 
Volksmittel  gegen  Gonorrhoe  darstellen,  hat  man  wohl  in 
den  letzten  Jahrzehnten  in  Europa  fast  völlig  vergessen, 
wĂ€hrend  dieselben  sich  in  Amerika  noch  großer  Beliebtheit 
als  antikatarrhalisches  Mittel  erfreuen.  Das  Verlassen  der 
Kubeben  erklĂ€rt  sich  daraus,  daß  die  Dosen,  die1  man  frĂŒher 
anwendete,  maßlos  große  waren.  Ließ  man  doch  die  ge- 
pulverte Droge  mit  10  g  pro  Tag  beginnend  nehmen  und 
tÀglich  um  10  g  steigen  bis  zum  Verschwinden  des  Aus- 
flusses. Man  wollte  anscheinend  die  Heilung  der  Gonorrhoe 
ohne  lokale  Behandlung  durch  diese  massiven  Dosen  er- 
zwingen. Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  bei  der  Verabreichung 
solch  großer  Mengen  der  stark  gewĂŒrzigen  Droge  auch  un- 
angenehme Nebenerscheinungen  nicht  ausblieben.  Auch 
L  e  w  i  n  fĂŒhrt  die  Nebenerscheinungen  der  Kubeben  auf  die 
IndividualitĂ€t  und  unzweckmĂ€ĂŸige  Dosierung  zurĂŒck.  Dieser 
Autor  nennt  als  Nebenwirkungen,  die  bei  einem  ĂŒbermĂ€ĂŸigen 
Gebrauch  vorkommen  können:  Brennen  im  SchlĂŒnde, 
Magenbeschwerden,  selten  Erbrechen,  Katarrhalische  Er- 
scheinungen der  'NasenschleimhÀute  und  der  Konjunktiven, 
in  ganz  exzessiven  FÀlle  nauch  Störungen  des  Zentralnerven- 
systems. 

Ein  sehr  wichtiges  Moment  muß  aber  bei  der  Verwen- 
dung der  Kubeben  beobachtet  werden.  Es  kommt  nach 
Deussen**)  massenhaft  gefÀlschtes  Kubebenmaterial  in 
den  Handel,  und  dieser  Autor  wirft  die  Frage  auf,  ob  bei 
Mißerfolgen  und  bei  Nebenerscheinungen  nicht  VerfĂ€l- 
schungen schuld  sind,  zumal  man  diese  Beobachtungen  auch 
in  den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  bei  Be- 
ginn einer  ausgedehnteren  Verwendung  der  SantalprÀpa- 
rate  machte.  Bei  der  Ordination  von  Kubeben  muß  man 
daher  die  Garantie  haben,  daß  nur  unverfĂ€lschtes  Material 
zur  Verwendung  kommt. 

I      *)  Vorlesungen  ĂŒber  Pharmakologie  der  Haut.  Berlin  1921. 
**)  Dermatol.  Wochenschr.  1921.  Nr.  37,  S.  966. 


92 


Pniower:  Kecht  auf  Gesundheit 


40.  Jalirg.  —  Nr.  4. 


Ich  stellte  nun  ausgedehntere  Versuchsreihen  an  mit 
einer  Pulvermischung  aus  Kubeben,  salicyisaurem  Natron 
Und  Bromnatrium.  Jetzt  konnte  ich  auch  eine  sekrelions- 
einschrÀnkende  U  irkung  dieser  Kombination  feststellen, 
und  sogar  bei  einem  reiatic  geringen  Kubebengehalt.  Her- 
Yorzuneuen  wĂ€re  noch,  daß  bei  den  Patienten  eine  leichte 
Diurese  eintritt,  ein  bei  der  Gonorrhoetherapie  nur  zu  be- 
grĂŒĂŸendes Moment.  Ich  verordnete  die  Mischung  so,  daß 
der  i/aĂŒent  tĂ€glich  0,6  —  1,2  —  1,5  Kubebenpuiver  erhielt. 
An  einem  Uebel  jedoch  stießen  sich  öfter  die  Patienten,  an 
dem  schlechten  Geschmack.  Nach  einer  Reihe  von  zunÀchst 
fruchtlosen  Versuchen  ist  es  der  chemischen  Fabrik  „Ar- 
c  u  i  a "  Rostock  gelungen,  diese  mit  Pulvermischung  in  Tab- 
lettenform  unter  dem  Namen  „Cysto  San"  in  den  Handel 
zu  bringen.  Die  Tabletten  machen  auch  geschmacksemp - 
fihdlichen  Patienten  das  PrÀparat  annehmbar. 

Auf  unserer  venerologischen  Abteilung  werden  die 
C  y  s  t  o  s  a  n  -  1  a  b  1  e  1 1  e  n  ,  bei  denen  noch  ein  Teil  des 
ursprĂŒnglichen  Gehaltes  des  salicylsauren  Natrons  durch 
Salol  ersetzt  wurde,  um  die  SaĂŒeyrwirkung  zu  protahieren, 
wÀhrend  eines  dreiviertel  Jahres  bei  allen  GonorrhoefÀllen 
angewendet.  Die  Zusammensetzung  der  Tabletten  ist: 
20  Proz.  Puv.  Cubeb.,  30  Proz.  Natr.  salicyl.,  40  Proz.  Natr. 
bromat.,  10  Proz.  Salol.  In  Uebereinstimmung  mit  meinen 
frĂŒheren  Erfahrungen  waren  die  Erfolge  durchaus  gĂŒnstige 
in  Gestalt  von:  Herabsetzung  der  Sekretion,  Milderung  der 
Schm'erzhaftigkeit  beim  Wasserlassen  und  Blasentenesmus, 
Nachlassen  der  Schmerzhaftigkeit  bei  Prostatitiden  und 
Epididymitiden.  in  vielen  FĂ€llen  trat  auch  bei  bestehender 
Posterior  eine  KlÀrung  des  zweiten  Urins  ein  ohne  Lokal- 
behandlung der  Blase.  Außerdem  habe  ich  auch  hier  den 
Eindruck  gewonnen,  daß  die  Zahl  der  Komplikationen 
ohne  Frage  geringer  wird.  Als  wir  eine  Zeitlang,  infolge 
eines  vorĂŒbergehenden  Materialmangels  an  Gystosantab- 
letten  an  ihrer  Verabreichung  gehindert  waren,  hÀuften  sich 
die  im  Krankenhaus  selbst  entstehenden  Komplikationen. 
Nebenerscheinungen  haben  wir  bei  Gaben  von:  3  mal  tÀglich 
2 — 4  Tabletten  nach  den  Mahlzeiten  4 — 6  wochenlang  und 
in  einzelnen  FÀllen  auch  noch  lÀnger  nicht  beobachtet.  Die 
Tabletten  enthalten  als  Bindemittel  einen  Schleimstoff,  der 
wohl  auch  dazu  beitrĂ€gt,  MagenbelĂ€stigungen  zu  verhĂŒten. 
Nach  diesen  Beobachtungen  ist  es  sicher,  daß  Kubebenpuiver 
in  diesen  Dosierungen  auch  bei  lÀngerem  Gebrauch  ver- 
tragen wird  und  den  von  den  balsamischen  Mitteln  zu  er- 
wartenden Effekt  hat. 

Zusammenfassend  haben  wir  im  Cystosan  ein  PrÀ- 
parat, das  den  Zweck  der  sehr  teuren  Balsamica  inbezug  auf 
UnterstĂŒtzung  der  lokalen  Gonorrhoetherapie  erfĂŒllt,  in 
vielen  FĂ€llen,  was  Herabsetzung  der  subjektiven  Beschwer- 
den, Milderung  der  EntzĂŒndungserscheinungen,  der  Reiz- 
barkeit betrifft  und  VerhĂŒtung  von  Komplikationen  diesen 
sogar  ĂŒberlegen  ist,  ohne  das  besondere  Nebenerscheinungen 
beobachtet  wurden.  Auch -bei  einigen  FĂ€llen  von  Cystitis 
rein  bakterieller  Natur  und  bei  Prostatahyperthrophie  hat 
sich  das  PrĂ€parat  mir  gut  bewĂ€hrt,  so  daß  auch  weitere 
Versuche  nach  dieser  Richtung  hin  Erfolg  verheißend  sind. 


„Recht  auf  Gesundheit"  und  „Pflicht  zur  Gesundheit" 
als  Bestandteile  des  Bewußtseins  eines 
sozialen  Pflichtmenschen. 

Von  Dr.  Pniower. 

Wenn  wir  „Recht  auf  Gesundheit"  und  „Pflicht  zur  Ge- 
sundheit" als  Bestandteile  des  Bewußtseins  eines  sozialen 
Pflichtmenschen  ansehen,  so  dĂŒrfen  wir  aber  nicht 
annehmen,  daß  diese  Begriffe  von  „Recht"  und  „Pflicht" 
moderne  sind,  wenn  sie  auch  unbedingt  als  notwendige 
Bestandteile  eines  modernen  Pflichtmenschen 
gefordert  werden  mĂŒssen. 


In  der  Menschheitsgeschichte  begegnen  wir  zwei  durch- 
aus verschiedene  Auffassungen.  Als  Individualismus 
bezeichnet  man  die  weitgehendste  UnabhÀngigkeit  des 
Individuums,  Universal  ismus  nennt  man  die 
Anschauung  welche  die  Wohlfahrt  des  Gemeinschafts- 
wesens im  Auge  hat.  NatĂŒrlich  ist  Individuum  und  Ge- 
meinschaftswesen ebenfalls  Gegenstand  der  Beachtung,  aber 
in  beiden  FĂ€llen  nur  auf  dem  Umwege  des  gegen- 
sÀtzlichen Begriffs.  Gesellschaftswissenschaltlich 
ist  dabei  folgende  Betrachtung  grundlegend:  es  fragt  sich, 
was  als  das  ursprĂŒngliche  Element  angesehen  wird.  Ist 
dies  das  Gemeinscnaftswesen,  in  welches  sich  die  Individuen 
einzugliedern  haben  oder  das  Individuum  selbst,  das  seine 
absolute  SelbstÀndigkeit  nicht  aufgibt,  wenn  es  sich  mit 
anderen  Individuen  vereinigt? 

Nun  mĂŒssen  wir  das  „Recht  auf  Gesundheit"  doppelt 
fassen,  einmal  in  der  subjektiven  Anschauung,  daß  uns 
dieses  Recht  zugestanden  werden  muß  und  in  der  objek- 
tiven, daß  wir  dieses  Recht  auch  zu  gewĂ€hren  haben. 
Wohl  kann  die  subjektive  Auffassung  aus  beiden 
Theorien  hergeleitet  werden,  die  objektive  aber  und  die 
„Pflicht  zur  Gesundheit"  im  Grunde  nur  aus  der  universa- 
listischen. Wir  wollen  nun  kurz  zusehen,  inwieweit  der 
Individualismus  beim  „Recht  auf  Gesundheit"  eine 
Rolle  spielt. 

Der  Egoismus,  der  Selbsterhaltungstrieb,  ist  jedem 
Menschen  naturbedingt  angeboren  und  will  im  „Kampfe  ums 
Dasein"  jeden  „seines  GlĂŒckes  Schmied"  werten  lassen.  Wenn 
die  Gesellschaft  aber  tatsĂ€chlich  nur  ein  zusammengewĂŒr- 
felter „ZweckmĂ€ĂŸigkeitsverein"  ist,  wo  keine  national -wirt- 
schaftliche Vereinigung  in  einem  Gemeinschaftskörper  be- 
steilt, sondern  nur  jeder  fĂŒr  sich  selbstherrlich,  mit  eigenem 
Rechtsbewußtsein,  existiert,  dann  werden  wir  Nietzsches 
Wort  verstehen:  „  .  .  .  die  Schwachen  und  Mißratenen  sollen 
zu  Grunde  gehen".  Wohl  kann,  wie  gesagt,  bei  dem  Indivi- 
dualismus auch  ein  „Recht  auf  Gesundheit"  als  Forderung 
zwar  erhoben  werden,  nicht  aber  sich  zum  objektiven 
„Recht  auf  Gesundheit"  und  zur  „Pflicht  zur  Gesundheit" 
auswachsen.  Diese  Bedenken  hinsichtlich  unserer  LehrsÀtze 
stoßen  uns  schon  im  grauen  Altertum  bei  der  Lehre  der 
Sophisten  auf,  welche  „den  Menschen",  d.  h.  nur  den 
Einzelmenschen,  „als  das  Maß  aller  Dinge"  beschreiben.  Nach 
2000  Jahren  etwa  spricht  man  nach  einer  langen  Periode  des 
Universalismus  wieder  vom  „Individuum"  im  Zeitalter  der 
„Naturrechtslehre";  man  konstruiert  die  „unverĂ€nderlichen, 
unzerstörbaren  Naturrechte",  die  „Vernunft"  als  Maßstab 
aller  Dinge,  aber  nur  die  Einzelvernunft.  Dies  wird  dann 
auf  das  Gemeinschaf tswesen  ausgedehnt  und  dieses  z.  B. 
von  Spinoza  als  eine  Art  „Vernunftsanstalt"  aufgefaßt,  da- 
neben geht  die  Anschauung  des  Staates  in  absoluter  (H  o  b- 
b  e  s)  und  in  konstitutioneller  Richtung  (Locke)  einher. 
Nach  O  n  k  e  n  s  Vorgang  könnte  man  wohl  anstatt  seiner 
„landesfĂŒrstlichen  Wohlstandspolizei"  von  „landesfĂŒrst- 
licher Wohl  f  a  h  r  t  s  polizei"  sprechen,  wenn  wir  die  An- 
forderungen an  die  Gesundheit  zu  damaliger  Zeit  betrachten, 
denn  sie  wurden  „erlassen",  nicht  von  einer  Volksvertretung 
beschlossen.  —  Mit  dem  Zeitalter  der  französischen  Revo- 
lution beginnen  die  VorstĂ¶ĂŸe  gegen  die  absolute  Gewalt  mit 
Schaffung  der  „Menschenrechte";  Rousseaus  Schlacht  - 
mf:  „der  Mensch  ist  frei  geboren  und  liegt  doch  in  Banden" 
gab  den  Auftakt  dazu.  Hatte  bis  dahin  der  Merkantilis- 
m  u  s  das  Individuum  und  seine  Gesundheit  nĂŒtzlich  nur 
angesehen,  soweit  eine  Vermehrung  des  Menschenreichtums 
dabei  in  Betracht  kam,  so  tritt  jetzt  der  entgegengesetzte 
Standpunkt  ein:  wenn  auch  die  Individuen  zur  Sicherung 
des  „Rechts  auf  Gesundheit"  einen  Vertrag  abschließen,  so 
braucht  dies  aber  nicht  zur  Pflicht  „auszuarten".  Das 
Schlagwort  laissez  faire,  laissez  passer  lĂ€ĂŸt  auf  diesen  Ge- 
dankengang schließen. 

Der  Individualismus  oder,  wie  man  auch  sagt  Libe- 
ralismus, fĂŒhrt  in  seiner  letzten  Folgerung  zum 
Anarchismus,  der  kein  Recht  außer  dem  zwischen  Ein- 


10.  Jahrg.     Nr.  4. 


Pniower:  licdu  auf  Gesundheit 


93 


/einen  kennt.  NNO  konunl  in  dieser  Auffassung  das  objek- 
tive „Recht  auf  Gesundheit"  und  die  „Pflicht  zur  Gesund- 
heit" zur  Geltung?  Tolstois  VorgÀnger  S  l  i  r  u  e  r  sprich I 
in  seinem  „Der  Einzige  und  sein  Eigentum"  klar  den  „un- 
begrenzten Egoismus"  aus,  der  nur  sein  I  <‱  Ii  anerkennt  und 
fĂŒr  den  es  kein  Gemeinwohl  gibt. 

Immerhin  können  wir  sagen,  daß  dei  Individualismus 
cloch  einen  gewissen  Fortschritt  in  der  Menschheitsgeschichte 
uarsteltt,  denn  das  Individuum  wurde  doch  wenigstens  auf 
cn  inm  gebĂŒhrenden  Platz  geruckt,  das  „Recht  aui  Uesund- 
eit"   nicnt    mehr   auf   lanĂŒesfĂŒrstliches   Wohlwollen  be- 
schrĂ€nkt  und   der  „beschrĂ€nkte  Uhtertanenverstand' 
ausgeschaltet.    Aber  der  Individualismus  fĂŒhrt  und  verfĂŒhrt 
zu  uferlosen   Folgerungen   und  Folgen,     welche  allenfalls 
wohl  ein  „Recht"  aber  keine  „Pflicht"  in  bezug  auf  Gcsund- 
eit  aufstellen.    Damit  wird  aber  nicht  der  Endzweck  eines 
iemeinschaftswesens  erzielt:  die  Vereinigung  aller 
n  d  i  v  i  d  u  e  n  mit  RĂŒcksicht  a  u  f  einander  und 
u  f  d  a  s  G  e  m  e  i  n  w  o  h  1  ! 

\\  ir  können  ganz  im  Gegensatz  dazu  sogar  die  Ge- 
chichte  als  Lehrmeisterin  anrufen,  welche  ein  Staatswesen 
uf  der  Grundlage  des  kollektiven  Universalismus  auf- 
ebaut  beschreibt  und  nicht  als  eine  nur  mechanische  Verb- 
indung ansieht.  Der  Staat  ist  keine  „NĂŒtzlichkeitsanstalt", 
ein  „zweckmĂ€ĂŸiges",  sondern  „sittliches"  Gebilde,  welches 
icht  nur  das  „Recht  auf  Gesundheit"  in  subjektiver,  son- 
'ern  auch  in  objektiver  Auffassung  und  die  „Pflicht  zur 
esundheit"  zum  Wahlspruch  erhebt.  Auch  der  zweite  Be- 
riff  fĂ€llt  unter  die  Pflicht  und  sogar  das  subjektive  „Recht 
uf  Gesundheit"  soll  den  sozialen  Pflichtmenschen  nötigen, 
ieses  Recht  auch  zur  „Pflicht  gegen  sich  selbst" 
u  mache  n.  Dieser  Pflichtcharakter  kann  aber  nur  in 
iner  „organischen"  Vereinigung  voll  und  ganz  erfaßt  wer- 
en  und  zur  Geltung  kommen,  in  einem  Gemeinschafts- 
esen,  welches  die  Individuen  als  aufeinander  angewiesen, 
ie  „Organe"  eines  Körpers  miteinander  verbunden  ansieht. 

Schon  im  Altertum  finden  w  ir  von  P  1  a  t  o,  dem  großen 
riechischen  Denker,  eine  soziale  „Pflicht  zur  Gesundheit" 
efordert.     In  seinem  „Staate"  schildert  er  ein  universales 
iemeinwesen,  welches  die  Menschen  körperlich  und  geistig 
erbessern  solle.    Die  Forderung  der  griechischen  Philoso- 
henschule  der  Stoiker  „lebe  in  Uebereinstimmung  mit 
er  Natur"  weist  auf  eine  „Pflicht  zur  Gesundheit"  hin.  Und 
das  Wort  der  Apostelgeschichte   „Geben    ist   seliger  denn 
nehmen"  mit  seinem  Pi'lichtbegriff  gegen  Andere,  finden  wir 
schon  bei  Epikur  vor:  „Es  gewĂ€hrt  einen  höheren  Genuß 
Wohltaten  zu  empfangen  als  zu  erweisen". 

Auch  die  antiken  Religionsphilosophien  zur  Zeit  des 
erstarkenden  Christentums  tragen  dem  PflichtgefĂŒhl  hin- 
sichtlich der  Gesundheit  Rechnung,  wie  ebenfalls  die  christ- 
liche Religionsphilosophie,  als  sie  den  „Adel  der  Arbeit"  und 
die  „Pflicht  zur  Arbeit"  lehrten.  Nicht  minder  wollte  das- 
selbe die  Forderung  der  KirchenvÀter,  die  Pflicht  zur 
MĂ€ĂŸigkeit. 

In  der  Neuzeit  drÀngt  sich  das  alte  Platonische  So- 
zialprinzip wieder  machtvoll  in  den  Vordergrund.  Selbst 
der  Verfechter  der  Naturrechtslehre,  G  r  o  t  i  u  s,  will  die 
„Menschenrechte"  aus  der  ursprĂŒnglich  geselligen  Natur  des 
Menschen  ableiten.  Mit  einigen  UebergÀngen  wird  die  so- 
ziale Pflicht  dann  von  dem  Franzosen  Hellet  ins  be- 
schrieben: „Alles  wird  gesetzlich,  wenn  es  nur  fĂŒr  das  Ge- 
meinwohl geschieht".  Soziales  Pflichtbewußtsein  lehrt  der 
|ekrönte  Philosoph  von  Sanssouci:  „Der  Herrscher  soll 
der  erste  Diener  des  Staates  sein".  Kants  „kategorischer 
Imperativ"  lehrt  Pflichtbewußtsein,  Goethe  sagt:  „Immer 
strebe  zum  Ganzen!  Und  kannst  du  selber  kein  Ganzes  wer- 
den, als  dienendes  Glied  schließ'  an  ein  Ganzes  dich  an", 
„.  i  c  Ii  l  e  spricht  in  seinem  „geschlossenen  Handelsslaat"  so- 
zialen Pflichtcharakter  aus.  Und  die  ganze  deutsche  Philo- 
sophie von  Hegel  bis  Schleiermacher  („schlecht- 
hinnige  AbhĂ€ngigkeit")  sieht  in  der  „Pflicht  zur  Gesundheit" 


eine  SelbstverstÀndlichkeit  im  sozialen  Gemeinschaftsleben, 
d.  h.  eine  sitliieiie  l'llicht;  auch  die  Romantik  will  das 
selbe,  der  Staat  wird  Adam  MĂŒller  zu  einer  ethischen  Ge- 
meinscliaft,  der  man  nur  Hingabe  widmen  dĂŒrfe,  die  damit 
also  auch  unbedingt  die  „Pilicht  zur  Gesundheit"  bean- 
spruchen kann.  Herbarls  Erziehungskunsl  will  auch  Iii 
erster  Linie  Pflichtbewußtsein  erwecken,  Lotze  schreib! 
dem  sozialen  Bewußtsein  „unbedingt  verpflichtende  Ideale" 
vor,  W  unĂŒt  will  den  allgemeinen  Förtscnritt  und  die  „all 
gemeine  VVohlfahrt"  in  sozialem  Sinne  als  erste  Hiicnt  an- 
erkannt wissen  und  begreitt  damit  die  „Pflicht  zur  Gesund- 
heit" unbedingt  ein. 

Wir  haben  es  also  nicht  nötig,  uns  einem  sozialen 
Pessimismus  zu  unterwerfen,  wie  es  Schopenhauer 
lehrt:  „Die  Well  isl  die  schlechteste,  die  gedacht  werden 
kann,  nicht  wert,  daß  sie  besteht  und  aus  welcher  nur  die 
Flucht  in  das  Nichts  einen  Ausweg  gibt".  Nicht  der  Willen 
zum  Leben  zu  loten  ist  ein  soziales  Prinzip,  sondern  das 
Gegenteil:  das  Leben  in  PflichterfĂŒllung  zu  verbringen.  Auch 
nicnt  der  materialistischen  Auffassung  Feuerbachs 
werden  wir  uns  anschließen:  „Was  der  Mensch  ißt,  das  ist 
i  r  .  wir  kennen  höhere  Ideale. 

Auch  die  sozialistischen  Theorien  lassen  deutlich 
einen  Hinweis  auf  die  „Pflicht  zur  Gesundheit"  erkennen, 
Oven  wollte  durch  körperliche  Maßnahmen  in  dieser  Be- 
ziehung vorbildlich  wirken,  die  St.  Simonisten  wollen 
wie  Fourie  r  („Die  Arbeit  mĂŒsse  zum  Genuß  erhoben 
werden")  die  „Pflicht  zur  Gesundheit"  bei  der  Arbeit  vor- 
ausgesetzt wissen.  Und  im  Erfurter  Programm  von 
1891  verlangt  Forderung  3:  „Erziehung  zur  allgemeinen 
Wehrhaftigkeit",  womit  sicherlich  auch  eine  „Pflicht  zur 
Gesundheit*  außer  dem  „Recht  auf  Gesundheit"  verbunden 
gedacht  wird;  Bernstein  sagt:  „ohne  Verantwortlichkeit 
gebe  es  keine  Freiheit".  Zum  Schluß  ein  W7ort  H.  MĂŒllers: 
„Große  Gedanken  werden  nur  in  reinen  Herzen  geboren,  von 
Menschen,  die  ihr  Leben  nicht  fĂŒr  sich,  sondern  fĂŒr  eine 
ganz  außerhalb  ihrer  persönlichen  InteressensphĂ€re  liegen- 
den Sache  leben"  —  soweit  gebt  nicht  einmal  die  „Pflicht 
zur  Gesundheit",  weil  diese  doch  in  erster  Linie  u  n  s  zugute 
kommt. 

Wenn  in  der  Entwicklungsgeschichte  der  Lebewesen  der 
Mensch  das  Höchste  reprÀsentiert,  so  soll  auch  er  seinerseits 
in  der  Menschenwelt  die  Stufenleiter  vom  Niederen  zum 
Höheren  emporsteigen.  Galt  in  der  vorsittlichen  Zeit  das 
Recht  des  Starkeren,  so  soll  das  Pflichtbewußtsein  im  „Recht 
auf  Gesundheit"  und  in  der  „Pflicht  zur  Gesundheit"  in  Hin- 
sicht auf  uns  selbst  und  andere  in  uns  erweckt  werden." 

Und  trotz  aller  RĂŒckschlĂ€ge,  aller  Zuckungen  des  in 
seinem  Innersten  aufgewĂŒhlten  Volkskörpers  wollen  wir 
nicht  den  Glauben  an  eine  vorwÀrtsgehende  Entwicklung 
und  Vervollkommnung  verlieren.  Nein,  im  Bewußtsein,  ein 
Glied  einer  großen  Allgemeinheit  zu  sein,  wollen  wir  das  so- 
ziale Pflichtbewußtsein  in  bezug  auf  Gesundheit  und  Ge- 
sundung nicht  nur  als  „kategorischen  Imperativ"  ansehen, 
sondern  als  „vernunftgemĂ€ĂŸen"  Teil  des  sozialen  Bewußt- 
seins ansprechen. 

Dieser  Gesichtspunkt  hilft  uns  auch  gern  und  willig  den 
angeborenen  Egoismus  in  uns  ĂŒberwinden  und  fĂŒhrt  uns  zu 
den  lichten  Höhen,  wo  wir  nicht  als  Feind  unserer  Mit- 
menschen, sondern  als  ihr  Bruder,  als  ein  Glied  einer  alle 
mit  gemeinschaftlicher  Liebe  umfassenden  Familie,  alle 
unsere  Pflichten  hinsichtlich  unserer  und  anderer  Gesund- 
heit  erfĂŒllen  können. 

In  der  Zugehörigkeil  zu  beiden  Reichen,  dem  Reiche  der 
Natu  i*  lind  dem  Reiche  der  V  e  r  n  u  n  f  t  liegt  die  Wesens- 
art des  Menschen.  Welchem  von  beiden  Reichen  der  Sieg 
beschieden  ist,  wird  dem  sozialen  Pl'l  ic  h  t  m  e  n  sehe  n 
zu  erkennen  nicht  schwer  fallen. 


Dreuw:  GesetzentwĂŒrfe 


40.  Jahrg.  r-  Nr.  4. 


Die  beiden  GesetzentwĂŒrfe  zur  BekĂ€mpiung 
der  Geschlechtskrankheiten. 

Von  Dr.  med.  Dreuw-  Berlin. 

Bekanntlich  unterliegen  nach  geltendem  Recht 
alle  ansteckenden  Erkrankungen  durch  das  Seuchengesetz 
der  Anzeigepflicht.  Es  sind  jedoch  nicht  anzeigepflichtig  die 
Erkrankten  an  Syphilis,  Schanker  und  Tripper.  Diese  dĂŒrfen 
auch  nicht  einer  Beobachtung,  Absonderung  oder  Zwangs- 
behandlung unterzogen  werden,  es  sei  denn,  daß  es  sich  um 
Personen  handelt,  die  gewerbsmĂ€ĂŸig  Unzucht  treiben 
(§  361,6).  Der  Staat  stellt  es  also  jedem  an  einer  solchen 
Krankheit  leidenden  Menschen  anheim,  ob  und  wie  lange  er 
sich  behandeln  lassen  will.  Da  es  sich  nun  aber  heraus- 
gestellt hat,  daß  nach  Philip  etwa  90  Prozent  aller  zum 
Beispiel  an  Syphilis  Leidenden  die  Behandlung  vorzeitig 
unterbrechen,  so  ergibt  sich  angesichts  der  bevölkerungs- 
politischen Probleme  fĂŒr  unseren  Nachwuchs  die  Frage:  Soll 
der  Staat  auch  noch  weiterhin  sich  der  Lösung  dieses 
Problems  gegenĂŒber  passiv  verhalten?  Wie  will  er  diese 
90  Prozent,  die  zur  Vermehrung  der  Geschlechtskrankheiten 
auf  Millionen  beigetragen,  zwingen,  ihre  Pflicht  zu  tun?  Die 
Antwort  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  WĂŒrde  der  Staat  an- 
gesichts der  zahlreichen,  auch  auf  dem  Lande  auftretenden 
Erkrankungen  wie  bisher  handeln,  dann  wÀre  in  Staats - 
erhaltender  und  rassenhygienischer  Beziehung  das 
Schlimmste  zu  befĂŒrchten. 

Die  „Deutsche  Gesellschaft  zur  BekĂ€mpfung  der  Ge- 
schlechtskrankheiten" hat  nun  dem  Reichsversicherungsamt 
empfohlen,  sogenannte  „Beratungsstellen"  zu  errichten,  die 
bei  allen  denjenigen  Kranken,  die  sich  freiwillig  melden  oder 
durch  Vermittlung  oder  durch  eigenmÀchtige  Mitteilung  des 
behandelnden  Arztes  (selbst  unter  Brechung  seiner  bisherigen 
Schweigepflicht)  gemeldet  werden,  schriftlich  und  mĂŒndlich 
von  Zeit  zu  Zeit  daran  erinnern  sollen,  daß  sie  noch  behand- 
lungsbedĂŒrftig sind.  Diese  Idee  kann  eine  praktische  Wir- 
kung nicht  erzielen,  da  naturgemĂ€ĂŸ  sich  nur  solche  melden 
oder  melden  lassen,  die  schon  an  und  fĂŒr  sich  gewissenhaft 
genug  sind,  die  Behandlung  durchzusetzen,  wÀhrend  die 
ĂŒbrigen,  die  Indolenten,  Böswilligen  und  Imbezillen  —  und 
diese  bilden  die  Mehrzahl  —  ohne  Zwang  sich  nicht  melden 
lassen.  Praktisch  also  kann  nicht  viel  erzielt  werden.  Daher 
die  vielen  Versuche,  einen  ungesetzlichen  Zwang  auszuĂŒben. 
Und  die  Aerzte  haben  kein  Interesse  daran,  zwischen  sich 
und  den  Patienten  noch  eine  beratende  Zwischeninstanz  zu 
setzen,  die  auch  nicht  mehr  kann,  vielleicht  noch  mit  weniger 
Nachdruck,  als  es  der  Arzt  Auge  in  Auge  im  Sprechzimmer 
tut,  nĂ€mlich  den  Patienten  daran  zu  erinnern,  daß  es  nach 
einem  viertel  oder  halben  Jahre  wieder  an  der  Zeit  ist,  sich 
behandeln  zu  lassen,  da  eben  die  Behandlung  hÀufig,  ja  in 
der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  von  Syphilis  immer  jahrelang  dauert. 
Ein  solches  schriftliches  Erinnern  seitens  der  Beratungs- 
stellen bei  einer  solchen  heiklen  Angelegenheit,  ohne  grund- 
legende GesetzesÀnderung,  kann  aber  die  unangenehmsten 
Folgen  fĂŒr  den  Betreffenden  haben.  Jeder  Tag  zeitigt  solche 
Beispiele.  In  der  Tat  erheben  sich  namentlich  in  Aerzte- 
kreisen  die  schwersten  Bedenken  gegen  die  Neueinrichtung, 
aus  Standesinteressen  und  aus  GrĂŒnden  des  Versagens  in  der 
Praxis.  Die  Aerzte  wollen  tatsÀchlich  von  den  Beratungs- 
stellen sehr  wenig  wissen.  Denn  nach  der  Statistik  der 
Deutschen  Gesellschaft  zur  BekÀmpfung  der  Geschlechts- 
krankheiten auf  ihrer  Ausstellung  kamen  in  den  Jahren 
1916,  1917  und  1918  im  ganzen  Königreich  Sachsen  nur  4580 
Personen  zur  Beratung,  von  diesen  waren  nur  99  von  den 
Aerzten  ihnen  ĂŒberwiesen,  dagegen  1164  von  Kranken- 
hÀusern, 1304  von  Krankenkassen  und  526  von  MilitÀrbehör- 
den, 746  von  anderen  Stellen  und  nur  741  Selbstmeldungen. 
Man  sieht  also,  die  Behörden  haben  das  an  und  fĂŒr  sich 
schon  kĂŒmmerliche  Resultat  noch  halbwegs  verbessert. 
(Ueber  die  entsprechend  der  Steigerung  der  Kranken  höheren 
Zahlen  fĂŒr  1920  siehe  spĂ€ter.)  Diese  völlig  unnĂŒtzen  In- 
stitute will  die  obige  Gesellschaft  nun  verankern  und  um 


diesen  Torso  herum  ihre  GesetzesvorschlÀge  ankristallisieren, 
inuem  sie  in  ihrer  „SachverstĂ€ndigen-Kommission"  folgen- 
den Beschluß  fĂŒr  das  zukĂŒnftige  Gesetz  gefaßt  hat,  der  in 
dem  Gesetzentwurf  der  Regierung  vom  10.  3.  20  in  der  Tat 
verankert  ist: 

„Die  allgemeine  Anzeigepflicht*)  ist  nicht  einzufĂŒhren, 
hingegen  ist  eine  beschrĂ€nkte  Anzeigepflicht  (d.  h.  „Anzeige- 
recht", Dr.  Dreuw)  erwĂŒnscht,  und  zwar  derart,  daß  die  Mel- 
dung erfolgen  soll  (zunÀchst  an  die  Beratungsstellen,  die  die 
Kranken  vorladen,  und  erst  wenn  sie  der  Aufforderung  nicht 
nachkommen,  an  die  Gesundheitsbehörden  —  welche  und  auf 
Grund  weicher  GesetzesÀnderung,  wird  nicht  gesagt), 

a)  wenn  der  Kranke  die  Kur  unterbricht,  ohne  den  Nach- 
weis zu  erbringen,  daß  er  sich  in  andere  Ă€rztliche  Be- 
handlung begeben  hat; 

b)  wenn  der  Arzt  in  Erfahrung  bringt,  daß  der  Patient  im 
ansteckenden  Stadium  verkehrt. 

Vom  Arbeitsausschuß  zur  BekĂ€mpfung  der  Geschlechts- 
krankheiten im  preußischen  Wohlfahrtsministerium  wurde 
hierzu  noch  vorgeschlagen: 

c)  wenn  der  Arzt  erfĂ€hrt,  daß  der  Kranke  durch  seine  be- 
rufliche TÀtigkeit  oder  seine  persönlichen  VerhÀltnisse 
eine  erhebliche  Gefahr  fĂŒr  seine  Umgebung  bildet. 

Als  ob  nicht  jeder  Geschlechtskranke  eine  erhebliche  Ge- 
fahr fĂŒr  seine  Umgebung  bildet!  Sowohl  die  Aerzte  wĂŒrden 
sich  fĂŒr  diese  unangenehmen  BĂŒtteldienste,  als  auch  die  Pa- 
tienten fĂŒr  diese  Knechtschaft  durch  viele  gewissenlose  und 
gewinnsĂŒchtige  Aerzte  bedanken.  Schon  1835—1905  hat 
dieses  „Regulativ"  der  beschrĂ€nkten  Anzeigepflicht  zum  Miß- 
erfolg gefĂŒhrt.  1910  wurden  in  allen  deutschen  Kranken- 
hÀusern zusammen  etwa  60  000  mÀnnliche  Syphilitiker  amt- 
lich registriert,  wĂ€hrend  1910 — 1914  (also  noch  vor  dem 
Kriege)  die  Zahl  die  erschreckende  Höhe  von  120  000,  also 
eine  Steigerung  von  100  Prozent  erreicht  hatte.  Wundert 
man  sich,  wenn  in  einer  sĂŒddeutschen  UniversitĂ€tsstadt  die 
Poliklinik  der  UniversitĂ€t,  die  frĂŒher  nur  von  einigen  Per- 
sonen besucht  war,  schon  1919  etwa  200  Geschlechtskranke 
tĂ€glich  behandeln  muß?    In  einem  kleinen  LandstĂ€dtchen! 

Der  Entwurf  eines  Gesetzes  zur  wirksamen  BekÀmpfung 
der  Geschlechtskrankheiten  muß  sich  immer  mehr  zu  der 
Frage  zuspitzen:  „Allgemeine  diskrete  Anzeige-  und  Behand- 
lungspflicht" oder  nicht?  Die  Zahl  der  AnhĂ€nger  fĂŒr  dieses 
System  aus  den  Reihen  der  Aerzte,  Soziologen,  Juristen, 
Frauenrechtlerinnen  usw.  wÀchst  immer  mehr.  Nur  die 
BĂŒrokratie  und  die  D.  G.  B.  G.  verhĂ€lt  sich  ablehnend.  Sie 
verleidigen  das  Prinzip:  „Was  ist,  ist  vernĂŒnftig".  Trotz 
alledem  verlangt  die  moderne  Zeit  ihr  Recht.  Denn  Ge- 
schlechtskrankheiten sind  Kinder-  und  Staatenmörder. 
Ihnen  gilt  der  Kampf. 

Auch  von  hervorragender  juristischer  Seite  (Oberlandes- 
gerichtsrat Dr.  jur.  et  phil.  Bodensiepen)  wird  die  Anzejge- 
pflicht  in  letzter  Zeit  gefordert.  Geh.  Justizrat  Dr.  M  i  1 1  e  r- 
maier  -  Gießen  sagt  (Deutschlands  Erneuerung,  1917,  Heft 
Nr.  6)  mit  Recht,  daß  sie  mindestens  so  viele  ethische  Ideale 
wie  die  bisherigen  Systeme  in  sich  berge.  Auch  er  kÀmpft 
gegen  die  Halbheiten  an,  die  die  Regierungsvertreter  in  dieser 
wichtigen  Frage  begehen  im  Vertrauen  m.  E.  auf  eine  ein- 
seitige „autoritative"  Information  der  D.  G.  B.  G.;  AutoritĂ€ten-^ 
und  SachverstÀndigenkommissionen  sind  aber  sehr  hÀufig 
schlechte  Berater. 


*)  S.  meine  Arbeiten:  1.  Entwurf  eines  Planes  zur  staatlichen 
Ueberwachung  von  Syphilis  und  Gonorrhoe.  „Archiv  fĂŒr  Rassen- 
biologie", 1916-17,  1.  Heft.  2.  Abolitionismus  und  Statistisches 
Gesundheitsamt.  „Der  AboliĂŒonist",  1917,  Nr.  1  und  2.  3.  An- 
zeige-, Behandlungs-  und  Schweigepflicht,  Beratungsstellung  und 
Sittenpolizei.  „Dermatologische  Wochenschrift",  1917,  Heft  11 
und  12.  4.  Berufsgeheimnis,  Anzeigerecht  und  Anzeigepflicht. 
„Acrzlliche  Rundschau"  1917,  Nr.  20.  5.  Allgemeine,  gleiche  dis- 
krete Anzeigepflicht.  Gesetzentwurf  zur  BekÀmpfung  der  Ge- 
schlechtskrankheiten, Fischers  medic.  Buchhandlung,  Berlin  W  62, 
usw.  usw.  6.  Die  „SexualrevoluĂŒon".  Verlag  Ernst  Bircher, 
Leipzig. 


40.  Jahrg. —  Nr.  4. 


Drcuw:  GesetzentwĂŒrfe 


Nachdem  ich  1015  zuerst  in  meinem  Buche  „Haut-  und 
Geschlechtskrankheiten  im  Kriege  und  im  Frieden"  einen  be- 
stimmt  abgegrenzten  Gedanken,  die  diskrete  Beaufsichtigung 
Uttels  einer  Zentral-Zettelregistratur  zur  Kontrolle  aller  ge- 
chlechtskranken  Manner  und  Frauen  unter  voller  Wahrung 
er  fĂŒr  diese  so  wichtigen  Diskretion,  veröffentlicht  hatte, 
ei  dem  es  sich  nicht  mehr,  wie  bisher,  um  ein  vages  Umher- 
sten,  sondern  um  die  Ebnung  des  Weges  zur  EinfĂŒhrung 
ins  bisher  noch  nicht  erörterten  Systems  des  „Diskretionis- 
us"  handelte,  hat  die  Diskussion  ĂŒber  dieses  Thema  einen 
oßen  Umfang  angenommen. 
Die  Hygiene  muß  in  allen  Zweigen  alle,  arm  und  reich, 
ung  und  alt,  MĂ€nner  und  Frauen  umfassen.  Sie  darf  nicht 
ur  Klassenhygiene  werden,  wie  bei  der  sog.  beschrÀnkten 
nzeigepflicht  und  den  sog.  Beratungsstellen  fĂŒr  Geschlechts- 
ranke. In  der  Impffrage,  bei  der  BekÀmpfung  der  Diph- 
erie,  der  Cholera,  der  Ruhr  usw.  mittelst  der  modernen 
ygiene  (Beobachtung,  Anzeigepflicht,  Isolierung,  Desinfek- 
'on)  ĂŒberall  herrscht  der  Grundsatz,  daß  sich  die  hygieni- 
chen  Maßnahmen  auf  jeden  Erkrankten  mĂ€nnlichen  und 
eiblichen  Geschlechts  erstrecken  mĂŒssen.  Nur  bei  den  Ge- 
chlechtskrankheiten  macht  man  bisher  zum  Schaden  der 
llgemeinheit  eine  Ausnahme;  man  beobachtet  und  behan- 
elt  zwangsweise  nur  eine  dekadente  Menschenklasse,  nÀm- 
ch  die  Prostituierten;  in  Berlin  vor  dem  Kriege  von  etwa 
000  nur  4000,  d.  h.  etwa  ein  FĂŒnfzehntel  der  wirklich  vor- 
andenen.  Was  wĂŒrden  wir  sagen,  wenn  wir  nur  die  w  e  i  b- 
i  c  h  e  n  an  Diphtherie  Erkrankten  und  von  diesen  nur  ein 
ĂŒnfzehntel  hygienisch  erfassen  wĂŒrden  und  alle  MĂ€nner 
n  dem  Behandlungszwang  und  der  Anzeigepflicht  ver- 
honen  wĂŒrden.  Man  wĂŒrde  ĂŒber  die  Logik  derartiger  „Hy- 
eniker"  den  Kopf  schĂŒtteln. 

FĂŒr  den  praktischen  Arzt  ist  es  wichtig,  ĂŒber  die  legis- 
torischen  Vorlagen  zur  BekÀmpfung  der  Geschlechtskrank- 
iten  orientiert  zu  sein. 
Nachdem  die  EinfĂŒhrung  des  „Diskretionismu  s", 
h.  der  „allgemeinen,  gleichen,  diskreten 
nzeige-  und  Behandlungspflicht"  bei  Ge- 
schlechtskrankheiten durch  Beschluß  der  preußischen  Lan- 
desversammlung am  25.  Februar  1920  beschlossen  und  ein 
auf  diesem  System  beruhender  Gesetzentwurf  von  32  Para- 
graphen^  vorgelegt  ist,  nachdem  am  10.  MĂ€rz  das  Reichs- 
ministerium des  Innern  als  Drucksache  Nr.  71  auch  seinen 
Entwurf  (gez.  Koch)  fertiggestellt  hat,  dĂŒrfte  eine  GegenĂŒber- 
stellung der  Hauptprinzipien  der  beiden  EntwĂŒrfe  a)  des  dis- 
kretionistischen  Entwurfs,  b)  des  Entwurfs  des  Reichs- 
ministeriums des  Innern,  der  auf  dem  Boden  der  „be- 
schrĂ€nkten Anzeigepflicht",  d.  h.  der  AnzeigewillkĂŒr  des 
Arztes,  steht,  die  nötige  AufklÀrung  bringen: 

a)  Der  diskretionistische  Entwurf. 

Angenommen,  Herr  Albert  MĂŒller,  geboren  17.  MĂ€rz  1883 
zu  Breslau,  befĂŒrchtet  geschlechtskrank  zu  sein,  so  ist  er  ver- 
pflichtet, auf  Kosten  des  Staates  sich  von  einem  fĂŒr  Ge- 
schlechtskrankheiten attestierfÀhigen,  d.  h.  vom  Staate  zu- 
gelassenen Arzt  untersuchen  zu  lassen.  Er  teilt  dem  Arzt 
seine  richtige  Adresse  mit,  und  der  Arzt  klÀrt  ihn,  wenn  er- 
krank ist,  ĂŒber  das  Gesetz  und  seine  Krankheit  auf,  gibt  ihm 
ein  Merkblatt  und  meldet  dem  zur  strengsten  Diskretion  ver- 
pflichteten Gesundheitsamte,  nicht  etwa  den  Namen,  sondern 
die  Anfangsbuchstaben  des  Namens  und  Geburtsortes,  sowie 
die  drei  Geburtszahlen,  in  diesem  Falle  also  A.  M.  17.  3.  83, 
B.  Auf  diese  Weise  ist  jede  Verwechslung  ausgeschlossen, 
die  Diskretion  bleibt  gewahrt,  und  der  Patient  kann  diese 
Zahlen  nie  vergessen.  Nur  der  Arzt  weiß  von  seiner  Krank- 
heit. Von  diesem  Momente  an  ist  Herr  MĂŒller  verpflichtet, 
jede  Woche  einmal  dem  diskreten  Gesundheitsamt  in  der 
Stadt,  wo  die  erste  Meldung  gemacht  wurde,  auch  wenn  er 
sich  auf  Reisen  befand  oder  befindet,  unter  dem  Zeichen 
A.  M.  17.  3. '83,  B.  ein  von  einem  attestierfÀhigen  deutschen 
Arzte  ausgefĂŒlltes  Einschreibeformular  zu  senden.  Bei 
Kassenpatienten  kann  dies  eventuell  durch  Vermittlung  der 


Kasse  geschehen.  Die  Untersuchung,  Behandlung  und  das 
Attest  sind  auf  Kosten  des  Staates  zu  machen,  wenn  der  Pa 
tient  nachweist,  daß  er  unter  10  000  M.  Einkommen  ver- 
steuert. (In  Schweden  wird  jeder  geschlechtski anke  Patient 
auf  Staatskosten  behandelt  und  ihm  freie  Arznei  gewÀhrt) 
LĂ€uft  unter  dem  obigen  Zeichen  kein  Einschreibebrief  ein, 
dann  hat  das  Gesundheitsamt  das  Recht,  nach  weiterem  acht- 
tÀgigen Zuwarten  bei  dem  ersten  Arzt  sich  nach  dem  Namen 
zu  erkundigen  und  den  Patienten  unter  Berechnung  einer 
sofort  vollstreckbaren  GebĂŒhr  von  10  M.  um  die  Einsendung 
zu  ersuchen.  Kommt  er  der  Aufforderung  auch  dann  nicht 
nach,  dann  kann  er  zwangsweise  in  Àrztliche  Behandlung 
oder  in  ein  Krankenhaus  gebracht  werden.  Kommt  er  dann 
immer  noch  nicht  seiner  Pflicht  nach,  wird  er  in  Strafe  ge- 
nommen. SelbstverstÀndlich  kann  er  den  Arzt  nach  Be- 
lieben wechseln,  muß  aber  den  Einschreibebrief  immer  an 
das  erste  Amt  senden,  damit  keine  DoppelzÀhlung  stattfindet. 
Das  Gesundheitsamt  darf  weder  an  das  Gericht,  noch  an  die 
Polizei,  noch  an  sonst  jemand,  an  Behörden  oder  Private 
Mitteilungen  machen.  Alle  Akten  und  Aufzeichnungen  sind 
so  zu  verwahren,  daß  sie  Unbefugten  unzugĂ€nglich  sind.  Ist 
der  Patient  von  einem  attestierfĂ€higen  Arzt  fĂŒr  gesund  er- 
klĂ€rt, der  sich  bezĂŒglich  seiner  Handlungen  der  Kontrolle 
des  Gesundheitsamtes  unterwirft,  dann  schickt  er  ein  Schluß- 
attest ein,  eingeschrieben  auf  Staatskosten,  und  die  Sache  ist 
erledigt.  Es  bleibt  also  alles  wie  bisher,  nur  muß  der  Er- 
krankte einmal  in  der  Woche  sich  seiner  Pflicht  der  Allge- 
meinheit und  sich  selbst  gegenĂŒber  erinnern.  Ist  dies  zu 
viel  verlangt?  Wenn  die  Kurierfreiheit,  d.  h.  das  1869  ein- 
gefĂŒhrte Gesetz,  daß  auch  Nichtapprobierte  als  Kranken- 
behandler  fungieren  können,  durch  Parlamentsbeschluß  auch 
fĂŒr  Geschlechtskranke  wie  bisher  erhalten  bleibt,  sollen  die 
nichtapprobierten  Krankenbehandler  ein  Examen  machen, 
um  die  Meldungen  an  das  Gesundheitsamt  richtig  machen  zu 
können.  Hierdurch  wĂŒrde  auch  eine  Kontrolle  stattfinden, 
da  die  Geschlechtskrankheiten  langdauernd  sind  und  der  Pa- 
tient erfahrungsgemĂ€ĂŸ  von  einem  Arzt  zum  andern,  von 
diesem  dann  zum  Nichtapprobierten  und  umgekehrt  geht, 
und  das  Nichtmelden  zu  gefahrvoll  sowohl  fĂŒr  den  Arzt  als 
auch  den  Nichtapprobierten  wÀre.  (Automatische  Melde- 
kontrolle.) 

Durch  das  System  des  Diskretionismus  wird  nun  auch 
die  Prostitutionsfrage  gelöst.  Die  Sittenpolizei  und  die  Regle- 
mentierung (der  berĂŒchtigte  §  361>  6  StGB)  wird  abgeschafft. 
Die  KontrollmĂ€dchen  werden  BĂŒrgerinnen  wie  alle  anderen, 
mit  allen  Rechten  solcher,  sie  werden  nicht  mehr  gehetzt 
und  gejagt.  Sic  haben,  wie  jeder  andere  geschlechtskranke 
BĂŒrger,  auf  Kosten  des  Staates  wöchentlich  den  Nachweis 
(durch  Einschreibebrief)  der  Gesundheit  an  das  Gesundheits- 
amt zu  erbringen.  Da  sie  aber  —  wie  die  Praxis  ergibt  — 
dauernd  krank  oder  krankheitsverdÀchtig  und  besonders  ge- 
fĂ€hrlich sind,  mĂŒssen  sie  den  Nachweis  nicht  einmal 
wöchentlich,  sondern  dreimal  wöchentlich  erbringen. 

Jeder  deutsche  attestierfÀhige,  sich  der  Kontrolle  des  Ge- 
sundheitsamtes unterwerfende  Arzt  darf  sie  auf  Staatskosten 
untersuchen  und  attestieren.  Höhere  als  die  staatlich  fest- 
gesetzten Taxpreise  darf  der  Arzt  nicht  nehmen,  insbesondere 
nicht  direkte  Bezahlung  von  der  GewerbsmĂ€ĂŸigen  selbst.  Bei 
einer  Erkrankung  mĂŒssen  sie  unter  strenger  Strafandrohung 
sofort  vom  Arzte  aus  das  Krankenhaus  aufsuchen. 

Ein  Pflegeamt,  dem  ein  Arzt  und  eine  sozial  ausgebildete 
FĂŒrsorgerin  vorsteht,  kĂŒmmert  sich  um  ihre  sozialen  und 
wirtschaftlichen  und  ethisch-moralischen  VerhÀltnisse,  so- 
weit sie  dem  Gesundheitsamt  die  Nennung  ihres  Namens  ge- 
statten oder  selbst  dem  Pflegeamt  ihren  Namen  und  ihr  Ge- 
werbe mitteilen.  Man  erkennt  also  die  strenge  und  reinliche 
Scheidung  zwischen  der  Polizei  (die  ganz  ausgeschaltet  ist, 
und  sich,  wie  bei  jedem  anderen  BĂŒrger,  nur  um  die  Auf- 
rechterhaltung der  Ordnung,  des  Anstandes  und  der  Sitte 
kĂŒmmert  und  die  Befolgung  der  Gesetze,  selbstverstĂ€ndlich 
auch  dieses  neuen  Gesetzes,  eventuell  erzwingt),  zwischen  dem 
rein  medizinisch-sanitÀren  Gesundheitsamt  und  dem  Pflege- 
amt, das  in  Verbindung  mit  dem  Gesundheitsamt  in  sozialer. 


Dreuw:  GesetzentwĂŒrfe  10.  Jahrg.  — Nr.  4. 


96 


ethischer  und  wirtschaftlicher  Beziehung  wirkt.  Suum 
cuique.  (Jedem  das  Seine.) 

Da  die  Sittenpolizei  (§  361,  6)  beseitigt  wird,  ohne  daß, 
wie  fÀlschlich  geglaubt  wird,  die  gesundheitliche  Beaufsich- 
tigung der  Prostituierten  abgeschafft  ist  (der  Beichsratsent- 
wurf  Nr.  71  beseitigt  leider  diese  sanitÀre  Beaufsichtigung!), 
da  ferner  die  Wohnungsfrage  durch  Verbesserung  des  Kup- 
peleiparagraphen (§  180)  gesetzlich  neu  geregelt  wird,  so 
wird,  wie  es  bisher  war,  das  AusĂŒben  der  Prostitution  als 
solches  nicht  mehr  bestraft.  Hierdurch  ist  nun  die  Gelegen- 
heit gegeben,  auch  die  Geheimprostitution  gesundheitlich 
mehi ‱'zu  kontrollieren.  Bisher  wurde  jede  GewerbsmĂ€ĂŸige  be- 
straft, es  sei  denn,  daß  sie  sich  durch  die  schmachvolle  Regle- 
mentierung  ihrer  BĂŒrger-  und  Frauenrechte  entkleidete  und 
unter  Polizeiaufsicht  stellte  und  einen  Freischein  fĂŒr  ihr  Ge- 
weihe dadurch  erkaufte,  daß  sie  sich  in  die  Polizeisklaverei 
besah.  Dann,  aber  auch  nur  dann  drĂŒckte  der  Staat  ein 
Auge  zu.  Die  Selbstmeldung  von  Prostitutierten  an  das  neue, 
auch  fĂŒr  sie  wie  fĂŒr  jeden  BĂŒrger  zur  Diskretion  verpflichtete 
Gesundheitsamt,  kann  nach  dem  neuen  Gesetz  daher  auch 
keinen  Schaden  oder  Strafe  mehr  fĂŒr  sie  nach  sich  ziehen, 
im  Gegenteil.  Unter  diesen  UmstÀnden  kann  also  wegen  der 
nunmehrigen  völligen  Trennung  zwischen  Polizei  und  Ge- 
sundheitsamt von  jeder  Person,  die  gewohnheitsmĂ€ĂŸig  gegen 
Entgelt,  d.  h.  gewohnheitsmĂ€ĂŸig  und  gewerbsmĂ€ĂŸig,  wie  ich 
es  nennen  möchte,  Geschlechtsverkehr  ausĂŒbt,  unter  Straf- 
androhung gefordert  werden,  daß  sie  ebenso  wie  jeder  andere 
oder  jede  andere  Geschlechtskranke  (die  GewerbsmĂ€ĂŸige  ist, 
praktisch  ausgesprochen,  immerzu  geschlechtskrank,  solange 
sie  ihr  Gewerbe  ausĂŒbt),  sich  dem  rein  sanitĂ€ren  Gesund- 
heitsamt meldet.  Das  Wort  „Unzucht"  ist  durch  Geschlechts- 
verkehr in  dem  Entwurf  absichtlich  ersetzt,  da  das  Amt  nur 
sanitÀre;  keine  moralischen  oder  ethischen  Ziele,  die  dem 
Pflegeamt  ĂŒberlassen  bleiben,  verfolgt.  Ist  der  Sinn  dieser 
gewaltigen  kulturpolitischen  Neuerung  den  Prostituierten  und 
der  Öffentlichkeit,  den  Aerzten  und  Juristen  und  Soziologen 
durch  staatliche  und  private  Belehrung,  VertrÀge  usw.  ein- 
mal völlig  klar  geworden,  insbesondere,  daß  ihre  Meldung 
nur  zu  rein  gesundheitlichen,  nicht  mehr  zu  polizeilichen 
Zwecken,  also  nur  in  ihrem  eigenen  Interesse  erfolgt,  daß 
sie  die  bisher  berechtigte  Furcht  vor  der  Polizei  und  der  mo- 
dernen Aechtung  und  Sklaverei  abstreifen  können,  daß  ihnen, 
wie  iedem  anderen  BĂŒrger,  die  strengste  Diskretion  auch 
■  dem  Gericht,  der  Polizei  und  Behörden  und  ihren  Bekannten 
und  Verwandten  gegenĂŒber  gewĂ€hrleistet  wird,  dann  werden 
sie  im  eigenen  gesundheitlichen  Interesse  sich  gern  dem  Amt 
anvertrauen.  Es  ist  Sache  der  Behörden,  diese  AufklÀrung 
mit  allen  Mitteln  zu  verbreiten.  Denn- dieses  Amt  will  ja 
weiter  nichts  als  die  Gesundheit  der  GewerbsmĂ€ĂŸigen  und 
dadurch  die  Gesundheit  der  Allgemeinheit  durch  die  einzige 
Forderung,  zwei-  bis  dreimal  wöchentlich  zwangsweise  einen 
Arzt  aufzusuchen,  sicherstellen. 

Der  diskretionistische  Entwurf  wurde  im  Prinzip  ange 
nommen  vom  Kölner  bevölkerungspolitischen  Kongreß,  von 
fast  der  gesamten  Frauenbewegung,  von  der  deutschnationa- 
len Partei  und  der  S.  P.  D.,  der  U.  S.  P.  D.  und  der  K.  P.  D., 
von  vielen  Mitgliedern  der  anderen  Parteien  befĂŒrwortet,  von 
fast  .der  gesamten  Frauenbewegung,  von  den  Rassehygieni- 
kern.  zahlreichen  Aerzten,  Juristen,  Soziologen  usw.  Be- 
kanntlich existiert  in  Schweden  das  ausfĂŒhrlichste  SĂŒezial- 
gesetz  von  31  Paragraphen.  Es  ist  nun  wichtig,  zu  erfahren, 
welchen  Eindruck  der  diskretionistische  Entwurf  dort,  wo 
die  Erfahrung  mit  einenr  Spezialgesetz  vorliegt,  gemacht  hat, 
zumal  das  Ausland  obiektiver  urteilt  wie  das  Inland,  da  be- 
kanntlich der  Prophet  in  seinem  Vaterlande  wenig  gilt. 

Der  Direktor  des  hvgienischen  UniversitÀts-Instituts  in 
Stockholm,  Prof.  Dr.  Pattersen,  schreibt  (ĂŒbersetzt  aus 
dem  Schwedischen)  in  Nr.  22  der  „Hygiea": 

..Die  nrcufiischen  VorschlÀge  stimmen  im  wesentlichen  mij 
den  in  Schweden  geltenden  gesetzlichen  Bestimmungen  ĂŒberein. 
Der  hnuntsĂ€chlichste  Unterschied  dĂŒrfte  darin  lieaen,  daß  Drpuw 
die  Behandlung  durch  eine  Gesundheitsbehörde  ĂŒberwachen  lĂ€ĂŸt, 
wĂ€hrend  unsere  Gesetze  dem  Arzt  diese  Arbeit  ĂŒbertragen.  Es 
ist    nicht    ausgeschlossen,    daß    die  Erfahrun- 


gen ergeben  werden,  d  a  15  den  D  r  e  u  w  s  c  h  e  n 
VorschlÀgen  der  Vorzug  vor  dem  sewedischen 
Gesetz  zu  geben  ist.  Sie  enthalten  keine  Bestimmungen, 
welche  Schritte  zu  tun  sind,  um  den  Quellen  der  Infektion  nach- 
zustöbern.  FĂŒr  den  Arzt  können  diese  Bestimmungen  sehr  un- 
angenehm sein.  Seine  unbedingte  Pflicht,  das  anzumelden,  was 
er  erfahren  hat,  bringt  ihn  in  die  grĂ¶ĂŸten  Gewissenskonflikte 
Um  diese  zu  vermeiden,  wird  er  hÀufig  von  vornherein  den  Pa- 
tienten darĂŒber  aufklĂ€ren,  daß  er  nur  das  mitteilt,  was  er 
wĂŒnscht,  das  mitgeteilt  wird.  FĂŒr  alle,  die  an  der  BekĂ€mpfung 
der  Geschlechtskrankheiten  (eine  der  wichtigsten  sozialen  Fragen 
unserer  Zeit)  Interesse  zeigen,  sind  die  Dreuw'  sehen  Vor- 
schlĂ€ge von  grĂ¶ĂŸter  Bedeutung." 

Bekanntlich  existiert  in  Schweden  die  Anzeigepflicht  der 
Aerzte,  und  das  schwedische  Gesetz  hat  gewaltig  zur  Ver- 
minderung der  Krankheiten  beigetragen. 

B.  Der  Gesetzentwurf  des  Reichsministeriums  des  Innern  auf 
dem    Boden    der    Blaschko'schen    „beschrĂ€nkten  Anzeige- 
pflicht" des  Arztes  beruhend. 

Statt  des  ,, Diskretionismus"  empfehlen  dessen  Gegner 
das  System  der  beschrÀnkten  Anzeigepflicht,  d.  h.  Anzeige - 
willkĂŒr  des  Arztes,  das  sie  dem  Jahre  1835  entnommen 
haben  (Regulativ  des  Jahres  1835)  und  dem  deutschen  Volke, 
nachdem  das  Regulativ  damals  zur  Korruption  der  Aerzte 
und  der  Patienten  gefĂŒhrt,  wieder  auftischen  wollen,  aller- 
dings in  moderner  VerbrĂ€mung  mit  der  völlig  unnĂŒtzlichen 
Beratungsstellenidee.  Hiernach  soll  der  Arzt  sich  die  ihm 
gefÀhrlich  erscheinenden  (jeder  ist  doch  gefÀhrlich!)  Pa- 
tienten aussuchen,  die  er  dann  den  Beratungsstellen  meldet, 
d.  h.  die  Reichen  bleiben  in  der  Regel  ungemeldet,  und  die 
Armen  (18  Millionen  Kassenmitglieder)  werden  gemeldet. 
Ja,  Prof.  Blaschko  sprach  dies  als  Sozial-  und  Sexualhygie- 
niker  offen  aus  mit  den  klassischen  Worten:  „FĂŒrs  Volk 
sorgen  die  Beratungsstellen  und  fĂŒr  die  Privatpatienten  sor- 
gen die  SpezialÀrzte". 

Die  hauptsÀchlichsten  Paragraphen  des  Regierungsent- 
wurfs vom  10.  3.  20  lauten: 

§  2.  Wer  geschlechtskrank  ist,  hat  die  Pflicht,  sich  von 
einem  fĂŒr  das  Deutsche  Reich  approbierten  Arzt  behandeln  zu 

lassen. 

§  3.  Die  zustÀndige  Gesundheitsbehörde  kann  Personen,  die 
dringend  verdÀchtig  sind,  geschlechtskrank  zu  sein  und  die  Ge- 
schlechtskrankheit weiter  zu  verbreiten,  anhalten,  ein  von  einem 
behördlich  dazu  ermĂ€chtigten  Arzt  ausgestelltes  Zeugnis  ĂŒber 
ihren  Gesundheitszustand  vorzulegen  oder  sich  der  Untersuchung 
durch  einen  solchen  Arzt  zu  unterziehen.  Auf  Antrag  des  unter 
suchenden  Arztes  können  solche  Personen  angehalten  werden, 
■wiederholt  derartige  Gesundheitsbezeugnisse  beizubringen. 

Personen,  die  geschlechtskrank  und  verdÀchtig  sind,  die  Ge- 
schlechtskrankheit weiterzuverhreiten,  können  zwangsweise 
einem  Heilverfahren  unterworfen,  auch  in  ein  Krankenhaus  ver- 
bracht werden,  wenn  dies  zur  VerhĂŒtung  der  Ausbreitung  der 
Krankheit  erforderlich  erscheint.  Aerztliche  Eingriffe,  die  mit 
einer  ernsten  Gefahr  fĂŒr  Leben  oder  Gesundheit  verbunden  sind 
ĂŒĂŒrfen  nur  mit  Einwilligung  des  Kranken  vorgenommen  werden 

§  5.  Die  Behandlung  von  Geschlechtskrankheiten  ist  nur  den 
fĂŒr  das  Deutsche  Reich  anprobierten  Aerzten  gestattet 

§  7.  Wer  eine  Person,  die  an  einer  mit  Ansteckun**scefahi 
verbundenen  Geschlechtskrankheit  leidet,  Àrztlich  behandelt,  hat 
der  im  §  IS  bezeichneten  Beratungsstelle  Anzeige  zu  erstatten, 
wenn  der  Kranke  sich  der  Àrztlichen  Behandlung  entzieht  oder 
wenn  er  andere  infolge  seines  Berufs  oder  seiner  persönlichen 
VerhÀltnisse  gefÀhrdet.  Kommt  der  Kranke  den  Anweisungen 
der  Beratungsstelle  nicht  nach,  so  hat  diese  der  im  §  3  bezeich- 
neten Gesundheitsbehörde  Kenntnis  zu  geben. 

§  12.     Die  Sittennolizei  wird  aufgehoben,  der  Sittenpolizei 
naraeranh  361,  6  erhÀlt  folgende  Fassuno  .  Mit  Haft  bestraft  wird 
wer  öffentlich  in  einer  Sitte  und  Anstand  verletzenden  Weise  zur 
Unzucht  auffordert  oder  sich  dazu  anbietet. 

§  13.  Im  ganzen  Reichssebiel  mĂŒssen  öffentliche  Beratungs- 
stellen fĂŒr  Geschlechtskranke  in  ausreichende!:  Wahl  vorhan- 
den sein. 

Wie  gestaltet  sich  die  Anzeigepflicht  nach  dem  Regie- 
rungsentwurf an  einem  praktischen  Beispiele  demonstriert? 


40.  Jahrg.  -  Nr.  4. 


Dreuw:  GesetzentwĂŒrfe 


«7 


Angenommen.  Herr  Albert  MĂŒller,  geb.  17.  3.  83  zu  Bres- 
lau,  ist  geschlechtskrank  oder  befĂŒrchtet  es  zu  sein,  so  ist 
er  „verpflichtet  (ob  er  Geld  dazu  hat  oder  nicht,  dar 
ĂŒber  sagt  der  Entwurf  nichts),  sich  v  o  n  e  i  u  e  m  :i  p  p  r  o- 
bierten  Arzt  behandeln  zu  lassen.    Daß  er  ver- 
pflichtet ist  dem  Arzt  ev.  unter  Vorzeigen  eines  Ausweises 
seinen  richtigen  Namen  unter  Strafandrohung  zu  sagen,  er- 
wĂ€hnt der  Entwurf  nicht.     Der  Arzt  „klĂ€rt  ihn  nun 
aut    §    6   ĂŒber    die    A  r  l    der   Krankheit  und 
die    Ansteckungsgefahr    auf    und  hÀndigt 
hm    ein    amtlich     genehmigtes  Merkblatt 
us".     Nunmehr   fĂ€ngt    der   Arzt,   der   doch   auch  bloß 
ensch  ist  und  allen  möglichen  Versuchungen  unterworfen, 
n  zu  ĂŒberlegen  laut  §  7,  ob  nicht  gerade  dieser  „Patient 
nfolge    seines    Berufes    oder    seiner  per- 
önlichen    VerhÀltnisse    Andere  besonders 
efĂ€hrdet".    Kommt  er  zu  diesem  Resultat,  was  natĂŒr- 
ich,  da  jeder  Geschlechtskranke  eine  große  Gefahr  darstellt, 
enn  er  unparteiisch  denkt,  in  100  Prozent  der  Fall  ist,  denn 
t  er,  ebenso  „wenn  der  Patient  sich  dier  Ă€rzt- 
ichen    Behandlung    entzieht"    (was    der  Arzt 
icht,  wohl  aber  ein  Gericht  auf  Grund  von  Zeugenaussagen 
eststellen  kann)  verpflichtet  (aber  auch  nur  in  diesen 
Ă€llen)   den   Patienten   der   sogenannten  Be- 
ratungsstelle  zu   melde  n".    Also  der  reine  SchnĂŒf- 
fel-  und  BĂŒtteldienst! 

Nunmehr  ist  der  Patient  dieser  auf  Gnade  und  Ungnade 
ausgeliefert,  und  ohne  daß  er  das  Recht  der  Berufung  hat 
verpflichtet,  „den  Anweisungen  desselben  Folge 
zu  leiste n",  ganz  gleich,  was  sie  auch  von  ihm  verlangt. 
Folgt  er  nicht,  so  „hat  diese  der  in  §  3  bezeichne- 
ten Gesundheitsbehörde  Kenntnis  zu  gebe n". 
Wer  diese  Gesundheitsbehörde  ist,  ob  die  Polizei  oder  das 
Wohlfahrtsministerium  oder  das  Ministerium  des  Innern, 
wird  nicht  gesagt.  Aber  diese  völlig  in  der  Luft  schwebende 
Gesundheitsbehörde  hat  laut  §  3  folgende  Rechte:  „Sie 
kann,  nach  Belieben,  Personen,  die  dringend 
verdÀchtig  sind,  geschlechtskrank  zu  sein, 
und  diese  Krankheit  weiter  zu  verbreiten, 
anhalten,  ein  von  einem  behördlich  dazu 
ermÀchtigten  Arzt  ausgestelltes  Zeugnis 
ĂŒber  ihren  Gesundheitszustand  vorzulegen 
oder  sich  der  Untersuchung  durch  einen 
solchen  zu  unterziehen.  Sie  kann  (!)  alle 
Patienten,  die  geschlechtskrank  oder  auch 
nur  verdÀchtig  sind,  die  Krankheiten  zu 
verbreiten,  zwangsweise  einem  Heilver- 
fahren unterziehen,  sie  zwangsweise 
in  ein  Krankenhaus  verbringen,  wenn 
dies  zur  VerhĂŒtung  der  Krankheit  erfor- 
derlich erscheint. 

Also  der  WillkĂŒr  der  Beratungsstellen  und  dieser  sagen- 
haften Behörde  ist  ieder  Deutsche,  der  auch  nur  verdÀchtigt 
wird  (sei  es  aus  Haß  oder  Mißgunst,  aus  Neid  oder  Rach- 
sucht, evtl.  auf  Grund  einer  anonymen  Anzeige)  geschlechts- 
krank  zu  sein,  einfach  auf  Gnade  und  Ungnade  ausgeliefert, 
d.  h.  die  Sittenpolizei  wird  unter  dem  Namen  einer  Gesund- 
heitsbehörde auf  60  Millionen  Menschen  ausgedehnt. 

Zur  wirksamen  BekÀmpfung  hat  das  Reichsversiehe- 
rungs-Amt  den  Krankenkassen  empfohlen,  folgende  Bestim- 
mung (  die  M.  E.  gegen  die  Gesetze  verstĂ¶ĂŸt)  in  die  Kranken  - 
Ordnung  aufzunehmen: 

„Geschlechtskranke  Mitglieder  haben,  sobald  sie  ihre  Krank- 
heit wahrnehmen,  es  sofort  bei  der  Kasse  schriftlich  oder  mĂŒnd- 
lich  zu  melden.  Die  gleiche  Verpflichtung  liegt  den  Mitgliedern 
ob.  sobald  sie  von  einer  Geschlechtskrankheit  ihrer  mitver- 
sicherten Familienangehörigen  Kenntnis  erhalten.  Die  Meldung 
ist  auch  dann  zu  erstatten,  wenn  die  Àrztliche  Behandlung  durch 
einen  Nichtkassenarzt  oder  sonst  auf  eigene  Kosten  erfolst.  Ge- 
schlechtskranke Mitglieder  sind  verpflichtet,  auf  Vorladung  bei 
flcr  Beratungsstelle  fĂŒr  Geschlechtskranke  zu  erscheinen  und 
deren  Anordnungen  zu  befolgen.  Dazu  haben  die  Mitglieder  auch 
geschlechtskranke  nichtVersicherte  Familienangehörige  anzu- 
halten." 


Man  will  also  hier  fĂŒr  eine  Kategorie  von  Kranken,  die 
Kassenmitglieder,  eine  Anzeigepflicht  einrichten.  Heißt  dai 
nicht  halbe  Arbeit  und  sozusagen  „Klassenhygiene"  treiben? 
Das,  was  Versicherungsnutglieder  betrifft,  muß  fĂŒr  jeden 
Geschlechtskranken  ohne  Ausnahme  unter  gesetzlichen  Kau 
tclen,  nicht  unter  dieser  WillkĂŒr  zustande  kommen,  nĂ€mlich 
der  gesetzlich  verankerte  „Diskretionismus".  Diese  Klassen 
hygiene  ist  ein  Verstoß  gegen  die  bestehenden  Gesetze  und 
kein  Kassenangehöriger  ist  verpflichtet,  sieh  darum  zu 
kĂŒmmern. 

,  Ja.  eine  Krankenkasse  betrat  einen  neuen  Weg,  der  noch 
willkĂŒrlicher  ist,  indem  sie  in  ihre  Krankenordnung  eine 
Bestimmung  aufnahm,  daß  alle  Mitglieder,  sobald  sie  bei 
sich  und  ihren  mitversicherten  Familienangehörigen  eine 
Geschlechtskrankheit  wahrnehmen,  dies  unter  Strafan- 
drohung der  Kasse  sofort  zu  melden  haben,  und  zwar  auch 
in  dem  Falle,  wenn  die  Behandlung  nicht  auf  Kosten  der 
Kasse  geschieht.  Auch  sollen  die  Mitglieder  und  ihre  Fami- 
lienangehörigen verpflichtet  sein,  sich  auf  Vorladung  der 
Beratungsstellen  fĂŒr  Geschlechtskrankheiten  zu  melden  und 
die  Anordnungen  derselben  zu  befolgen.  Nachdem  das  zu- 
stÀndige Versicherungsamt  und  das  Landesversicherunssamt 
die  Genehmigung  dieser  Bestimmung  verweigert  hatten, 
wurde  sie  schließlich  vom  Reichsversicherungsamt  genehmigt, 
und  zwar  mit  der  BegrĂŒndung:  es  sei  der  Zweck  der  Kran- 
kenversicherung, eingetretene  Krankheiten  der  Versicherten 
möglichst  rasch  und  möglichst  grĂŒndlich  zu  beseitigen  und 
auch  zu  verhindern,  daß  durch  ungeeignete  Behandlung 
der  Heilnrozeß  verzögert  werde.  Diese  Entscheidung  unter- 
zieht Privatdozent  Dr.  Hanauer  in  der  „Aerztl.  Sachver- 
stÀnd.-Ztg."  1921,  Nr.  21,  einer  eingehenden  Kritik.  Formell, 
meint  er,  könne  man  gegen  die  Einbeziehung  aller  Mit- 
glieder, auch  derjenigen,  die  in  privater  Behandlung 
stehen,  nichts  einwenden,  weil  hier  bei  der  BekÀmpfung  der 
Geschlechtskrankheiten  gemeinnĂŒtziges  Interesse  vorlĂ€se 
(was  m.  E.  nicht  richtig  ist,  da  ein  privates  Institut  wie  die 
Beratungsstellen  die  Kassenmitslieder  garnicht  tangiert).  Hin- 
gegen widersprÀche  es  den  bestehenden  Gesetzen,  wenn  man 
auch  auf  die  nichtVersicherten  Familienangehörigen  (m.  E. 
auf  alle  Mitglieder.  Dr.  Dr.)  denselben  Zwang  ausdehnen 
wolle,  weil  auf  dieselben  keinerlei  Zwang  von  seiten  der 
Kasse  ausgeĂŒbt  werden  könne.  Ebenso  ungesetzlich  sei  die 
Vernflichtung,  sich  auf  Vorladung  der  Beratungsstellen  zu 
melden,  weil  diese  rein  privater  Natur  sind.  Die 
ganze  Vorschrift  sei  auch  praktisch  deshalb  undurchfĂŒhr- 
bar, weil  selbst  den  Kassenmitgliedern  viele  Möglichkeiten 
offen  bleiben,  sich  ihr  zu  entziehen.  Durch  derartige  Be- 
stimmungen werde  in  der  BekÀmpfung  der  Geschlechts- 
krankheiten kein  Fortschritt  möglich  sein.  Hier  mĂŒsse 
schon  ein  Reichsgesetz,  das  den  diskreten  Meldezwang  und 
die  Behandlungspflicht  bei  Geschlechtskrankheiten  regelte, 
geschaffen  werden. 

Derartige  WillkĂŒrakte  verbittern  m.  E.  die  Patienten  und 
die  Aerzte  und  schaden  nur  wegen  ihres  klassenhygienischen 
Charakters  in  unserer  heutigen  Zeit. 

Ein  Vergleich  der  beiden  GesetzentwĂŒrfe  wird  ĂŒber  die 
falschen  Auffassungen  aufklĂ€ren,  die  vielfach  ĂŒber  die 
beiden  Systeme  verbreitet  werden. 

Inbezug  auf  die  Beratungsstellen  sei  das  Folgende  mit- 
geteilt: „Das  Reichsversicherungsamt  gibt  bekannt,  daß  Ende 
1920  164  Beratungsstellen  fĂŒr  Geschlechtskranke  vorhanden 
waren,  die  107  995  Personen  berieten.  40  526  Kranke  hatten 
die  Beratungsstellen  selbst  aufgesucht,  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigen 
von  Aerzten  C20  992V  Krankenkassen  C18  699),  Kranken- 
hÀusern 05 105).  MilitÀrverwaltungen  (3  831)  und  anderen 
Stellen  ĂŒberwiesen  wurden.  Doch  ist  in  all  diesen  letztge- 
nannten FÀllen  die  Beratung  nahezu  hinfÀllig,  da  die  Krank- 
heit ja  schon  bekannt  war.  Von  den  107  995  Personen  waren 
9710  örtlich  nicht  zustĂ€ndig  und  11  619  waren  ĂŒberhaupt 
nicht  geschlechtskrank.  Von  den  86  456  Geschlechtskranken 
waren  1  653  Kinder  unter  14  Jahren,  ein  Zeichen  der  Zeit! 
Im  Jahre  1920  waren  die  Selbstmeldungen  auf  40  526  ge- 
stiegen gegenĂŒber  38  050  im  Jahre  1919.    In  Nr.  38  der  „So- 


98 


Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


zialen  Praxis"  erklÀrt  Privatdozent  Dr.  Christian 
aus  dem  Reichsarbeitsministerium,  daß  die 
„Beratungsstellen"  ihren  Zweck  nicht  erfĂŒllen.  ..Wenn  sich 
allerdings  nur  40  000  Patienten,  worunter  10  Prozent  ĂŒber- 
haupt nicht  krank  sind  (in  Berlin  werden  schÀtzungs- 
weise jÀhrlich  300  000  Personen  behandelt,  in  ganz 
Deutschland  haben  wir,  ebenfalls  schÀtzungsweise,  rund 
6  Millionen  Kranke)  von  selbst  melden,  die  ĂŒbrigen  aller,  von 
Behörden  und  Instituten  den  Beratungsstellen  zugefĂŒhrt 
werden,  dann  bedeutet  dies,  trotz  aller  Reklame  fĂŒr  diese 
Stellen,  ein  ziemlich  starkes  Fiasko.  Melden  tun  sich  nach 
Dr.  Christian  die  „Schlauen",  die  herausbekommen 
haben,  daß  man  in  den  Beratungsstellen  eine  Blutunter- 
suchung umsonst  haben  kann.  Die  GefÀhrlichen  aber  werden 
nicht  erfaßt."  Nach  Mitteilungen  von  Dr.  Hodann  in  dem 
von  dem  Reichsgesundheitsamtmitglied  Dr.  R  ö  s  s  1  e  her- 
ausgegebenen „Archiv  fĂŒr  soziale  Hygiene"  (Nr.  1,  1920)  „hat 
von  40  Kranken,  die  der  leitende  Arzt  einer 
Beratungsstelle  fĂŒr  behandlungsfĂ€hig  er- 
klÀrte, nur  ein  Einziger  nach  der  ersten 
Behandlung  den  Arzt  wieder  aufgesucht". 
Auch  diese  Tatsache  bedeutet  den  Bankerott  der  Be- 
ratungsstellen, Millionen  staatlicher  Gelder  werden 
nahezu  nutzlos  verschwendet.  Denn  mit  Recht  schreibt 
Privatdozent  Dr.  Christian,  er  mĂŒsse  feststellen, 
daß  die  Beratungsstellen  keine  starke  Handhabe  zur  Ein- 
dÀmmung der  Seuche  darstellen.  Dazu  bietet  allein  die 
allgemeine,  gleiche,  direkte  Anzeige  und 
Behandlungspflicht  eine  Handhabe. 


Wieviel  Geschlechtskranke  gibt  es  nun? 

Etwa  25  Prozent,  d.  h.  jeder  vierte  Mensch  ist  geschlechts- 
krank.  Leider  versuchen  die  deutschen  maßgebenden  Kreise 
mit  unrichtigen  Angaben,  wie  es  auch  wÀhrend  des  Krieges 
geschah,  diese  Tatsache,  die  das  völlige  Versagen  der  bis 
herigen  Maßnahmen,  die  auch  das  Versagen  der  rein  pri- 
vaten, aber  staatlich  subventionierten  deutschen  Gesellschaft 
zur  „BekĂ€mpfung"  der  Geschlechtskrankheiten  illustriert,  zu 
beschönigen  und  zu  verdecken.  So  rechnete  das  von  dieser  1 
Gesellschaft  beratene  Reichsgesundheitsamt  allen  Ernstes  und 
zur  „Beruhigung"  des  Publikums  heraus,  daß  1913  in 
den  10  grĂ¶ĂŸten  StĂ€dten  Deutschlands  von  den  Aerzten  33  266 
Geschlechtskranke,  d.  h.  64  auf  100  000  gemeldet  wurden  und 
1919  nur  31  631,  d.  h.  61  auf  100  000.  Es  könne,  so  schrieb 
es  zur  „Beruhigung"  in  der  gesamten  Presse,  „also  von  einer 
gewaltigen  Zunahme  nicht  gesprochen  werden".  Ein  einziger 
Frankfurter  Arzt  hatte  nach  Prof.  Flesch  (Mitt.  d.  DGBH.) 
jeden  Tag  4  neue  Geschlechtskranke  und  Dr.  Albert  Markus 
in  MĂŒnchen  gibt  in  der  MĂŒnch,  med.  Wochenschrift  an, 
allein  70  000  Salvarsaneinspritzungen  in  seiner  Privatpraxis 
gemacht  zu  haben.  — 

Das  Ausland  geht  bei  der  Wichtigkeit  dieser  Frage 
offener  vor.  Eine  königliche  Kommission  in  England  gibt 
bekannt,  daß  10  Prozent  von  45  Millionen  Einwohner  an 
Syphilis  und  noch  mehr  Prozent  an  Tripper  leiden,  also  ins- 
gesamt etwa  25  Prozent.  Das  französische  Kriegsministerium 
veröffentlicht  Ă€hnliche  Zahlen,  daß  jeder  dritte  Franzose 
und  jeder  zweite  Erwachsene  geschlechtskrank  seien.  Also 
auch  etwa  25  Prozent. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Berliner  klinische  Wochenschrift. 

26.  Dezember  1921,  58,  Nr.  52. 

V\  eseu  und  Formen  der  chronischen  Arthritiden.    H  i  s  .  W.  1525. 
❖Zur  Frage  der  Gegenanzeige  des  kĂŒnstlichen  Pneumothorax  heim  Lungen- 
emphysem.    Wulff.  E.    1529.  , 
Sugillationen  hei  Tabes.    Pineas,  H.  1530. 
Ueher  Zirkumzisionstuberkulose.    Wolf  f.  E.  1531. 

Ueber  „Salvarsanexantheme".  Kuznitzky,  K.  und  Laiijncr.  W.  1534. 
Ueher  ein  Verfahren  zur  Herstellung;  von  Lösungen  in    beliebigem  Zeit- 
punkte.   S  À  g  i ,  E.  und  S  À  g  i .  A.  1536. 

Zur  Frage  der  Gegenanzeige  des  kĂŒnstlichen  Pneumothorax 
heim  Lungenemphysem.  (Aus  der  Lungenheilanstalt  des  Vereins 
zur  BekÀmpfung  der  Tuberkulose  in  Estland.)  Analog  zwei  von 
Rautenberg  beschriebenen  FĂ€llen  wird  ein  Fall  von  Lungen- 
tuberkulose mit  Volumen  pulmonum  auetum  mitgeteilt,  bei  dem 
nach  einmaliger  Insufflation  von  200  cem  N  nach  einiger  Zeit 
unter  Herzinsuffizienzerscheinungen  exitus  letalis  eintrat. 
Lungenemphysem  und  Pneumothorax  wirken  gleichsinnig  auf  die 
Zirkulation  ein  im  Sinne  einer  erheblichen  Erschwerung  des 
Kreislaufs.  Nach  Ansicht  des  Verfassers  ist  das  Lungen- 
emphysem als  eine  absolute  Kontraindikation  gegen  die  arte- 
fizielle  Pneumothoraxtherapie  anzusehen. 

O.  S.  T  a  r  n  o  w  (Charlottenburg-Westend). 

Medicinische  Klinik. 

18.  Dezember  1921,  17,  Nr.  51. 

Prognostische    Richtlinien    bei    isolierten    syphilogenen  Pupillen.störungen. 
D  r  e  y  f  u  s,  G.  L.  1539. 
❖l'ebcr  da«  AuslbschphĂ€nomcn  hei  Scharlach.    D  o  r  n  e  r,  G.  1543. 
❖Ueber  e;nige  praktische  Methoden  in  der  Mngendiagnosiiik.     von  Fried- 
rich, Ladislaus.  1545. 
Umfrage    ĂŒber    die    Behandlung    des    septischen    Abortes.     Antworten  von 

Henkel.  Jena.  K  o  b  1  a  n  c  k.  Berlin,  gcllheim,  Halle. 
Nfethodenwah]  in  der  Röntgendiagnostik.  Die  unz\veckmaß;gen  und  die  zweck- 
dienlichen Wege.    (Fortsetzung  aus  Nr.  50.)    P  p  r  d  e  s,  Fritz.  1550. 
OriinfĂ€rbung  eines  S-inplings  nach  Spin.itgcnuß.  . D.o  1  l  i  n  g  e  r.  A.  1953. 
‱J'! "flirr  ein  neues  Sichnnpfi'iiirrittol.    f  s  n  c  S  n  n.    1553.  - 


Erfahrungen  mit  einigen  neueren  zur  Luesdiagnose  angegebenen  Methoden 

und  Modifikationen.    Winkler,  W.  F.  1554. 
Ueber  OefĂ€ĂŸgymnastik.     (Selbstmassage  der  GefĂ€ĂŸe.)    Fleisch.  Alfred, 

*    1555.  ..‱‱„ 
Geburtshilfe  der  Unfallstation.    Runge.  Ernst.  1556. 

Ucber  das  AuslöschphÀnomen  bei  Scharlach.    D  o  r  n  e  r  hat 

das  von  Schulze  und  Carlton  angegebene  sog.  Auslösch- 
phĂ€nomen beim  Scharlach  einer  eingehenden  NachprĂŒfung  unter- 
zogen und  dabei  die  Angaben  der  genannten  Autoren  voll  be- 
stÀtigt gefunden.  Scharlach-Rekonvaleszentenserum  und  ge- 
wöhnliches Menschenserum,  Scharlachkranken  intrakutan  inji- 
ziert, ließ  nach  einigen  Stunden  das  Exanthem  in  mehr  oder 
weniger  großem  Umfang  an  der  Injektionsstelle  schwinden;  Se- 
rum von  frischen  ScharlachfĂ€llen  ließ  das  Exanthem  unbeein- 
flußt. Auf  Grund  seiner  Beobachtungen  kommt  Verfasser  zu 
dem  Resultat,  daß  das  PhĂ€nomen  ein  sehr  wertvolles  diagnosti- 
sches Hilfsmittel  darstellt.  Er  empfiehlt  zur  Verwendung  das 
Serum  auf  einen  0,5  prozentigen  Karbolgehalt  zu  bringen  und 
Normalsera,  Rekonvaleszentensera,  die  nicht  vor  5—6  Wochen 
nach  dem  Beginn  der  Erkrankung  entnommen  sein  dĂŒrfen,  und 
frische  Sera  vom  3.  bis  5.  Erkrankungstage  zu  verwenden,  die 
aber  nicht  mehr  als  4 — 6  Wochen  aufbewahrt  sein  dĂŒrfen. 

Ueber  einige  praktische  Methoden  in  der  Magehdiagnostik. 

v.  Friedrich  berichtet  ĂŒber  seine  Erfahrungen  mit  dem  Al- 
kohol-ProbefrĂŒhstĂŒck, das  er  in  Form  von  300  cem  einer  5  pro- 
zentigen alkoholischen  Lösung  morgens  nĂŒchtern  gegeben  hat: 
Ausheberung  Vt  Stunde  nach  Einnahme.  Die  Methode  hat  nach 
Verfasser  so  große  Vorteile  gegenĂŒber  dem  Boas-Ewald'schen 
ProbefrĂŒhstĂŒck,  daß  sie  „in  vielen  FĂ€llen  das  ĂŒbliche.  Probe- 
frĂŒhstĂŒck verdrĂ€ngen"  wird,  was  aber  Referent  nicht  glaubt, 
da  bei  dieser  Methode  die  auch  vom  "Verfasser  als  Nachteil  an- 
gefĂŒhrte, aber  zweifellos  zu  wenig  hervorgehobene  Beurteilung 
der  Chymifikation  und  des  Schichtungsquotienten  wegfÀllt.  Auch 
die  angefĂŒhrten  Krankengeschichten  beweisen  weder  etwas  fĂŒr 
noch  gegen  die  Methode;  denn  wenn  bei  einem  Patienten,  bei 
dem  schon  die  Anamnese  auf  eine  maligne  Pylorusstenose  hin- 
weist, bei  dfT  Palpation  ein  strangförmiger,  höckeriger,  ver^ 
schieblicher  Tumor  oberhalb  des  Nabels  nachgewiesen  wird,  und 
die   Röntgendurchleuchtung   trÀge   Peristaltik   in    der  Antrum- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


09 


gegend,  zeitweise  Antiperistaltik  und  Elfstundenrest  ergibt,  so 
bedarf  es  «weder  des  Nachweises  von  Cnrmin  nach  11  Stunden 
im  Magen,  noch  ĂŒberhaupt  einer  Magenaushcberung,  um  die 
Diagnose  eines  malignen  Tumors  zu  stellen.  Und  daß  auch  bei 
djeser  Methode  Fehldiagnosen  trotz  Carminrcsten  vorkommen 
können,  zeigt  Fall  4.  Zur  Feststellung  von  Retentionen  hat 
Verfasser  abends  dem  Patienten  2  g  Carmin  in  Oblaten  ver- 
abfolgt, nachher  nichts  mehr  essen  lassen  und  morgens  nach 
Alkohol-ProbefrĂŒhstĂŒck  ausgehebert.  Seine  damit  gemachten  Er- 
fahrungen faßt  Verfasser  dahin  zusammen,  daß  grĂ¶ĂŸere  makro- 
skopisch sichtbare  Carminmengen  fĂŒr  eine  Störung  der  MotilitĂ€t 
Sprechen;  kleinere  Mengen,  flöckchenartig  schwimmend,  außer- 
halb des  Schleimes  sollen  fĂŒr  Magenwanddefekte  sprechen 
(Ulcus,  ulceriertes  Ca).  Anstelle  des  Abendessens  empfiehlt 
Verfasser  im  Notfalle  dem  Patienten  abends  Kartoffeln  in  der 
Schale  zu  geben,  da  die  Schalen  den  Pylorus  schwer  passieren, 
aber  beim  normalen  Magen  nach  12  Stunden  denselben  verlassen 
haben. 

Ueber  ein  neues  Schnupfcnmittel.  I  s  a  c  s  o  n  hat  bei  Ka- 
tarrhen der  Nasenschleimhaut  mit  starker  Sekretion  das  Leni- 
gallol  mit  gutem  Erfolge  angewandt;  die  Erscheinungen  schwan- 
den gewöhnlich  schon  nach  24  Stunden.  Die  Anwendung  erfolgte 
in  Form  einer  5— 6  prozentigen  Lenigallol-Zinkpaste,  die  auf 
einem  Wattetampon  in  die  Nase  eingefĂŒhrt  ĂŒber  Nacht  liegen 
blieb,  oder  in  Form  eines  2%  prozentigen  Pulvers  (Lenigallol- 
Knoll  1.0.  Zinc.  oxvd.  9.0,  Amvl.  trit.,  Sacch.  lactis  aa  15.0). 

Silbermann  (Charlottenburg). 

Medicinische  Klinik. 

25.  Dezember  1921,  17,  Nr.  52. 

Die  Mobilisierung  in  der  Extremjtats  Chirurgie.   Tin  m.  Anton.  Wien.  1571. 
♩Zur  Behandlung  des  Keuchhustens  nach  Violi.    Kr  «'h  e.  F.  1573. 
Seltener  Schwangerschaft«-  und  Geburtsverlauf  beim  kleinen  Bechen  fest- 

gewaciisenen  Uterus  myomatosus.    Nacke,  Berlin.  1574. 
Methodenwahl  in  der  Röntgendiagnostik.  Die  unzweckmĂ€ĂŸigen  und  die  zweck- 
-     dienlichen  Wege.    (Schluß  aus  Nr.  51.)    Bordes.  1575. 
‱.lieber  vergleichende  quantitative  Fermentuntersuchunsen  im  Duodenalsaft  und 

den  Faeces.  zugleich  eine.  Kritik  der  Permentinitersuchungsmcthoden  rm 

Stuhl.    Strsuss,  Leo.  1577. 
Geburtshilfe  der  Unfallstation.   (Schluß  aus  Nr.  51.)    Ru  n  g  e.  Ernst.  1579. 

Zur  Behandlung  des  Keuchhustens  nach  Violi.  Reiche  hat 
die  Resultate  Sterns  bei  der  Behandlung  des  Keuchhustens  mit 
dem  Serum  vaccinierter  Rinder  nachgeprĂŒft  und  kommt  bei  19 
geimpften  FĂ€llen  zu  dem  Resultat,  daß  diese  Behandlungsart  auf 
die  Zahl  und  Schwere  der  AnfÀlle,  sowie  auf  den  Ablauf  der 
Krankheit  keinen  Einfluß  hat.  Selbst  das  Absinken  der  charak- 
teristischen Leukozytose  konnte  nur  in  einem  Teile  der  FĂ€lle 
beobachtet  werden.  Untersuchungen  ĂŒber  den  spezifischen  Ein- 
fluß der  Seruminjektion  zeigten  an  fĂŒnf,  37—59  Tage  nach  der 
Seruminjektion  vaccinierlen  Kindern,  daß  dieselben  im  besten 
Falle  nur  einen  sehr  beschrÀnkten  Impfschutz  auslöst. 

Silbermann  (Charlotten bĂŒrg I 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

22.  Dezember  1921,  Nr.  51. 

♩Ueber    die    Beeinflussung    der    oostenzephnilitischen    Schlafstörung  durch 
temperatursteigernde  Mittel.     Lust.  1545. 

♩Ueber   F.ncepbalomyeli+is    npidemiea.   ihre    Fonries    frustes    und    ihre  Be- 
handlung.    A  I  e  x  a  n  d  e  r.  1547. 
Geher  Iwlhseitige    Uemstörung  hei  pontiner  HomipHgie.     D  a  et  k  a  u.  1549. 

♩  Ober  die  postoperative  Leukozytose.    Stahl.  1550. 
♩Erfahrungen  mit  Vahren  in  der  Chirurgie.    Kaiser.  1551. 

♩Ueber   DuodenalsnĂŒlungen    bei    der    perniziösen    AnĂ€mie.      R  ö  1 1  n  e  r  und 
'  W  e  r  n  e  r.  1552. 

Ueber   die   Behandlung    hÀmolytischer    AnÀmie    mit     Kollargol.  Stein 
Ii  r  i  n  e  k.    1553,  .  .'  ‱ 

♩  Der   lymphanrr.'Fscho    Oanmcna.bszeß    der     oberen     Front/.Ă€hnc     und  seine 

Folgen.     K  i  e  s  t  a  d  t.  1554. 
.lejunostomic  bei  Magenleiden.     Alka  n.  1555. 
Zur  FrĂŒhdiagnose  des  Typhus.     R  e  h  b  e  r  g.  1556. 

Tuberkuloscnnchweis  durch  verkĂŒrzten  Tierversuch.    O  p  p  <:  n  Ii  e  i  m  c  i  .  R. 

Ergebnisse  von  TrĂŒncnsnckoperationcn  nach  Toti.     I.  a  n  g  e.  1557. 
Ein  neues  Aestlies  ometer.     Griesbach.  1559. 
♩Ueber  den  Stand  der  Anschauungen  vom  Wesen  der  pnptischen  Ma^en-  und 
DuodenalgeschwĂŒre.     G  r  »  Ii  e  r  und  K  r  Ă€  t  z  e  i  s  c  n.  1550. 

Ueber  die  Beeinflussung  der  postenzephalitischen  Schlaf- 
störung durch  temneratursteigernde  Mittel.  Im  Anschluß  an 
Enzephalitis  epidemica  kann  sich  im  SÀuglings-  und  snÀteren 
Alter  eine  chronische  Schlafstörung  einstellen,  gegen  welche  die 
ĂŒblichen  Schlafmittel  nicht  wirken.  Wohl  aber  prompt,  wenn  auch 


nur  rein  symptomatisch  intramuskulÀre  Milchinjektionen,  wohl 
zurĂŒckzufĂŒhren  auf  die  Erhöhung  der  Körpertemperatur,  wĂ€h- 
rend deren  Dauer  eine  narkotische  oder  sedative  Wirkung  bei 
einem  nicht  ganz  zweijÀhrigen  Kinde  anhielt.  Dies  isl  aber 
keine  spezifische  Wirkung  der  Milchinjektionen.  Sie  kommt  viel 
mehr  allen  tcmperalurcrhöhcnden  Mitteln  zu  Cperoral,  subkutan«! 
Cl  Na-Zufuhr,  heiße  RĂ€der  und  Packungen).  Deshalb  Vermutung 
berechtigt,  daß  das  hypothetische  Schlafzentrum  in  nĂ€chster  NĂ€he 
des  WĂ€rmezentrums  sitzt. 

Ueber  Enzephalitis  epidemica,  ihre  Formen  frustes  und  Ihre 

Behandlung.  Beobachtungen  ausgesprochener  Störungen  im  Re- 
reiche des  Zentralnervensystems  als  Folge  der  Grippeinfektion 
Hier  nur  Erfolg  bei  möglichst  frĂŒhzeitiger  Behandlung  und  zwar 
am  besten  mit  Eucupinum  basicum  bei  leichteren  FĂ€llen  und 
Formes  frustes  0,25  5  stĂŒndlich.  Meist  abortive  Wirkung.  In 
einigen  FĂ€llen  in  folgenden  Tagen  noch  3 — 4  mal  Wiederholung 
dieser  Dosis.  Bei  schweren  FĂ€llen  noch  Heilung  mit  Vucin  ''je 
100  cem  einer  2°/00  Lösung  in  beide  Oberschenkel  eingespritzt), 
aber  nur  wenn  so  frĂŒhzeitig  wie  möglich.  Nebenher  prophylak- 
tische Behandlung  von  Herz-  und  Vagus-Störungen. 

Ueber  die  postoperative  Leukozytose.  Ursache:  die  paren- 
terale Resorption  von  Eiweiß  und  die  trotz  aller  aseptischen 
Kautelen  eintretende  Infektion  der  Operationswunde. 

Erfahrungen  mit  Yatren  in  der  Chirurgie.  Oertlich  nicht 
reizend,  allgemein  ungiftig,  wÀrmebestÀndig,  geruchlos,  desodo- 
rierend, gewebsanregend  auch  bei  tuberkulösen  Wunden,  den 
grĂŒnen  Eiter  beseitigend.  Seine  vielfach  erwĂŒnschte  Wasser- 
löslichkeit erfordert  hÀufige  Erneuerung.  , 

Ueber  DuodenalspĂŒlungen  bei  der  perniziösen  AnĂ€mie.  Emp- 
fehlung an 'der  Hand  von.  6  FĂ€llen  zur  Beseitigung  der  hypothe- 
tisch giftigen  Produkte  (nicht  aber  der  UrsprungsstÀtte  der  Gift- 
bildung). 

Der  lymnhangitische  Gaumenabszefi  der  oberen  FrontzÀhne. 
Durch  Infektion  mit  Vorliebe  vom  seitlichen  Schneidezahn  aus 
entstehend,  ohne  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  dem  Krank- 
heitsherd. Durchbruch  infolge  der  bekannten  Derbheit  der 
Gaumenschleimhaut  durch  Einschmelzung  des  Knochens  in  die 
Nase,  bei  Bestehen  eines  recessus  palatinus  in  die  Kieferhöhle. 

Ueber  den  Stand  der  Anschauungen  vom  Wesen  der  pep- 
tischen  Magen-  und  DuodenalgeschwĂŒre.  Hauptbedingung  fĂŒr  die 
Entstehung:  fokale  Blutkreislaufstörung.  Voraussetzung:  Abson- 
derung zur  Verdauung  geeigneten  Magensaftes.  SchÀdigende 
Bedingungen:  vasomotorische,  hÀmodvnamische  Zirkulations- 
störungen, physikalische,  chemische  infektiöse  Momente,  die  die 
LebensfÀhigkeit  der  Schleimhaut  in  kleinen  und  kleinsten  Be- 
zirken beeintrÀchtigen.  Modus:  durch  lokale  Reizung  oder  zen- 
trale oder  perioherisch  reflektorische  Reizung  des  Nerven- 
systems, allgemeine  GefĂ€ĂŸ-  und  HerzkrankheitszustĂ€nde.  Die 
Eigenart  der  sekretorischen  Funktion  des  Magens,  seine  moto- 
rische Unruhe,  die  Eigenart  seiner  Form,  ungĂŒnstige  ErnĂ€hrungs- 
bedingungen im  Gewebsbereich  der  GeschwĂŒre  genĂŒgen  allein 
schon  als  Bedingungskomplex  fĂŒr  die  ChronizitĂ€t  eines  Ulcus. 
Dazu  als  steigerndes  Moment  die  Reizung  durch  das  Ulcus  selbst. 
In  manchen  beschrĂ€nkten  FĂ€llen  wird  die  Möglichkeit  fĂŒr  die 
Heilung  eines  primÀren  Magendefektes  verschlechtert  durch 
allgemeine  vielleicht  konstitutionell  bedingte  anscheinend  familiÀr 
auftretende,  also  eingeborene  FunktionseigentĂŒmlichkeiten  des 
GefĂ€ĂŸnervenapnarates  bezw.  des  viszeralen  Nervensystems.  Man 
ist  aber  deshalb  nicht  berechtigt  vom  chronischen  Magen-  und 
DuodenalgeschwĂŒr  allgemein  als  von  einer  konstitutionellen 
Krankheitserscheinung  zu  sprechen. 

Abgesehen  von  den  durch  GefĂ€ĂŸarrosion,  Wanddurchbruch 
und  Narbenenge  bedingten  Erscheinungen  ist  die  allgemeine  pro 
gnostische  Beurteilung  des  Duodenalulcus  gĂŒnstiger  wie  frĂŒher. 
Ferner  stimmt  die  hĂ€ufige  Angabe,  daß  Ulcera  duodeni  besonders 
gerne  perforierten,  zumal  sie  an  der  Vorderwand  sĂ€ĂŸen,  schon 
deshalb  nicht,  weil  sie  nicht  in  sicherer  Gegend  an  der  RĂŒck- 
wand sitzen.  Der  frĂŒher  aufgestellte  Unterschied  in  der  Prognose 
des  ulens  duodeni  gegenĂŒber  dem  harmloseren  ulcĂŒs  ventriculi  ist 
lediglich  Folge  einseitigen  Urteils  an  klinischem  Material.  Auch 
hinsichtlich  der  Krebsbildung  auf  dem  Boden  eines  peptischen 
Ulcus  bestehen  falsche  Ansichten:  die  krebsige  Entartung  von 
ulcera  ventriculi  ist  wahrscheinlich  selten  —  die  Uebergangs- 
mögliehkcit  von  GeschwĂŒr  in  Krebs  erscheint  mit  3 — 5  Prozent 
schon  hoch  die  des  Duodenalulcus  ganz  zweifellos  extrem 
selten  v.  S  c  h  n  i  z  e  r 


100 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

‱2!).  Dezember  1921,  Nr.  52. 

❖Zum  d  llerelleseheu  PhĂ€iiomui.     Otto  und  Munter.  1079. 
Die  Tuhorkulinreaktion.     R  0  s  e  n  b  a  c  h.  1581. 

Herzmuskeltonus  und   tnetadiipnthcrische   HerzlĂ€bmĂŒttk     F  r  i  e  d  e  m  a  na 

1581. 

❖l)  ■  Regelung;  der   DaimtĂ€tiigkeit  unter   M itbeimtziing  kleiner  Mengen  von 
Atropin.     A  r  n  o  1  d  i.  1583. 

Das    Blutbild     :ils     prinzipielle*     I  utevsuclumgsmittel     am  Krankenbett. 
S  c  a  i  l  1 1  Ii  g.  ir>84. 

Terpiehinbohandlung  chronisch  cnfzĂŒndUclicr  gynĂ€kologischer  Erkrankuwren 
Seh  w  a  r  z.  1584. 

Zur  Frage  der  entziin Hieben  GesßhwĂŒistc  der  Mamma.     G  1  Ă€  ß.  1585. 

I  elier  ein  neues  Antiiieuralgikuin  „Veranion".     Martin.  158C 

Die  Auswahl  der  AugenschutsglÀser.     B  1  o  c  h.  1586. 

Einige  Lehren  der  QuÀkerspeisung.     T  u  g  e  n  drei  C  h  .  (i.  i.">h7. 

Zur  Technik  der  Uroehromogeiireaktion.     H  a  ĂŒ  g.  1589. 

Spielen   die  BlutplÀttchen    hei   den   TodesfÀllen    naeh    der   indirekten  Blut- 
ĂŒbertragung eine  Rolle?     Zelle  r.  1590. 
HautschÀdigung  heim  Neugeborenen  durch  Gonokokken.     L  i  e  b  e.  1590. 
l'ebcr  Hutchinsonsehc  ZÀhne.     M  »  y  <e  r.  1590. 

Wie lassen  sieh  starke  Temperatursehwankungen  in  den  BrutschrÀnken  mit 
Gasheizung   vermelden?      M  e 


17.  Dezember  1921,  42,  Nr.  50. 


❖  Per  Kolloidgehalt  des  menschlichen  Harnes 
b  c  r  ĂŒ  c  r  .  F.  961. 


I'  r  i  Ii  r  a  ni  .  H,  und  E  i  g  c  n 


^iim    d'Herellc'schen  PhÀnomen 


r  s  c  b  m  i  d  t.  1591. 

Die   grundlegenden  Be- 


v   „  V  ^1  INIUl^g^ilU^JI  ut" 

i unde  d'Herelles  werden  bestÀtigt.  Es  gelang  auch  im  Tier- 
versuch die  \urkung  des  „Bakteriophagen"  nachzuweisen,  doch 
Konnten  bei  Darmerkrankungen  des  Menschen  (Ruhr,  Typhus) 
sichere  und  einwandfreie  therapeutische  Erfolge  bisher  nicht  er- 
zielt werden.  Auf  Grund  der  Tatsache,  daß  die  Gewinnung  des 
wirksamen  Agens  mehrfach  auch  aus  Kulturen  allein  gelang,  und 
auf  andere  Befunde  hin  wird  angenommen,  daß  es  sich  bei 
diesem  PhÀnomen  um  die  Wirkung  eines  an  allei  kleinste  Bak- 
terienteilchen gebundenen   Fermentes  handelt. 

Die  Regelung  der  DarmtÀtigkeit  unter  Mitbenutzung  kleiner 
Mengen  von  Atropin.  Sowohl  bei  Obstipation  wie  bei  Diarrhoe 
ist  das  Darmnervensystem  irgendwie  mitbeteiligt.  Atropin  wirkt 
vom  Auerbach'schen  Plexus  aus  erregend,  bei  LĂ€hmung  der 
Vagusendigungen  beruhigend.  Also  kleine  Mengen  von  Atropin 
(K  mg  und  weniger,  im  allgemeinen  möglichst  kurz  gegeben, 
entweder  mit  fol.  Senna  und  Natr.  bicarb.  oder  mil  Opium.  Fer- 
tige PrÀparate:  Kaiser  Friedrich-Apotheke,  Berlin:  Sennatropin 
und  Opatropin.  v  Schnizcr. 

Zeitschrift  fĂŒr  Ă€rztliche  Fortbildung,  Jena. 

15.  Dezember  1921,  18,  Nr.  24. 

Die  biologische  Syphilisdiiiagiiostik.     Lange.   C.    689.  6 
❖KopNcbmerz.    MigrĂ€ne    und    ihre    Behandlung    durch  lvoehsaUin.jekti.men. 

Experimentelle  und  praktische  Versuche  ĂŒber  die  Steirlisierlurkeit   von  In- 
.iekt.ionssprit7.cn.    G  u  t  f  e  1  d     Fr.  v.  703. 

Kopfsehmerz,  MigrÀne  und  ihre  Behandlung  durch  Koch- 
salzinjcktionen.  Peritz  stehl  auf  dem  Standpunkt,  daß  der  Kopf- 
schmerz nicht  nur  stets  von  Muskelkontraktionen  begleitet  ist, 
sondern  sogar  am  hÀufigsten  als  Folge  einer  autochthonen 
Muskelerkrankung  entsteht.  Neben  den  meist  herdförmigen 
Myalgien,  die  vornehmlich  im  Trapezius,  dem  Sternokleidomasto- 
ideus,  m  den  Unterliegenden,  kleinen  Halsmuskeln  und  im  Tempo- 
ralis  ihren  Sitz  haben,  finden  sich  —  besonders  bei  FettsĂŒchtigen 
auch  ausgedehnte  Dermalgien  der  Schulter-  und  Nackenhaut 
Die  von  Peritz  seit  15  Jahren  mit  Erfolg  angewandte  Behand- 
lung besteht  in  intramuskulĂ€ren  Injektionen  "von  je  2—4  cem 
steriler  physiologischer  Kochsalzlösung  (mit  Zusatz  von  0,5 
Novokain  auf  100  cem  der  Lösung)  in  die  myalgiscb  erkrankten 
Partien.  Der  hierbei  empfundene  Schmer/,  gehl  bald  vorĂŒber, 
gegen  den  2—3  Stunden  spĂ€ter  auftretenden'  Nachschmerz  gibt 
man  nötigenfalls  0,3  Pyramidon.  Durchschnittlich  genĂŒgen 
20—25  Einspritzungen  in  zweitĂ€gigen  Intervallen,  um  die  Kopf 
schmerzen  zum  Schwinden  zu  bringen.  Die  gĂŒnstigsten  Resultate 
<  rzielt  man  bei  Kopfschmerzen  nach  einer  schweren  Grippe  oder 
anderen  Infektionskrankheiten,  bei  den  ErmĂŒdungskopfschmerzen 
der  Neurastheniker  und  der  AnÀmischen.  Die  spasmophilen  Kopf- 
schmerzen erfordern  neben  der  Kochsalztherapie  eine  Behand- 
lung durch  intravenöse  Kalkinjektionen  und  Phosphorlebertran 

L.  Kanne  r. 

Zentralnlatt  fĂŒr  innere  Medizin. 

3.  Dezember  1921,  42,  Nr.  LS 

Sainrnelreferat  ans  dein   Gebiete  der  Pharmakologie   ( Juli-September  19213 
Bach  e  m  .  C.  929. 

10.  Dezember  1921,  42,  Nr.  19. 


Der  Kolloidgehalt  des  menschlichen  Harnes.  Im  Harn  sind 
eine  Menge  verschiedener,  schwer  von  einander  zu  trennender 
Substanzen  vorhanden,  die  kolloidalen  Charakter  haben  und  die 
trotz  ihrer  geringen  Menge  eine  hohe  biologische  Potenz  be- 
sitzen. Den  Verfassern  ist  es  gelungen,  nachzuweisen,  daß  das 
Kolloid  des  Menschenharns  im  Tierversuch  hypnotisch  und 
miotisch  wirkt,  daß  seine  Injektion  zur  Bildung  von  Antikörpern 
fĂŒhren  kann  und  da ß  es  bei  wiederholten  Injektionen  zum  Tode 
der  Versuchstiere  Veranlassung  geben  kann.  Die  wirksamen 
Substanzen  zu  charakterisieren  ist  schwierig;  es  dĂŒrfte  sich  zum 
großen  Teil  um  höhere  Eiweißabbauprodukte  handeln,  die  weder 
zu  den  Peptonen  noch  zii  den  Albumosen  gehören. 

Beschreibung  der  von  Schemensky  angegebenen,  von 
Verfassern  modifizierten  Methode  der  quantitativen  Bestimmung 
der  Harnkolloide.  Aus  einer  Reihe  von  Untersuchungen  geht 
hervor,  daß  erhöhte  Kolloidwerte  bei  fieberhaften  Erkrankungen, 
Diabetes  und  bei  Neoplasmen  gefunden  werden.  Da  bei  diesen 
Erkrankungen  erhöhter  Eiweißabbau  stattfindet,  so  kann  man 
in  der  Kolloidvermehrung  einen  Indikator  fĂŒr  die  Aenderung 
des  Eiweißabbaus  erblicken.  In  frĂŒheren  Arbeiten  haben  die 
Verfasser  die  Ansicht  ausgesprochen,  die  Kolloide  könnten  die 
FĂ€higkeil  haben,  einerseits  Zucker  zu  binden  beim  Diabetes, 
andererseits  mit  der  Entstehung  des  Komas  in  enger  Beziehung 
stehen.  Nun  hat  Schmiedeberg  nachgewiesen,  daß  bei 
Diabetes  der  Zucker  an  Eiweißabbauprodukte  gebunden  ist  und 
sich 'daher  der  Verbrennung  entzieht.  Verf.  halten  die  Kolloide 
fĂŒr  die  von  Schmiedeberg  als  „diabelogen"  bezeichnete 
Substanz.  O.  S.  Tarnow     Charlottenburg- Westend  . 

24.  Dezember  1921,  42,  Nr.  51. 

❖Zu  der  Abhandlung:  ..Zur  physiognomischeu  Erkenntnis  der  kongenialen 
Syphilis  in  der  zweiten  und  dritten  Generalien,  nbst  ,il'_:emei  ieii  Sebluli- 
folgerungen  hieraus,  von  Dr.  Trust  und  Mal  ta  Kraupa.    K  r  a  0  z.  'S.  077. 

Kongenitale  Syphilis  in  der  zweiten  und  dritten  Generation. 

Kraupa  will  bei  der  Sicherung  der  Diagnose  kongenitale 
.Syphilis  in  der  2.  und  3.  Generation  mehr  als  bisher  physio- 
gnomische  Merkmale,  insbesondere  die  Zahnanomalien,  herange- 
zogen wissen.  Zu  dem  Merkmal  „Zahnanomalien"  nimmt  Kranz 
in  seiner  Arbeit  Stellung.  Wenn  ĂŒberhaupt  von  fĂŒr  Syphilis 
pathognomonischen  Zahnformen  gesprochen  werden  soll,  so 
mĂŒsse  man  sich  genau  an  die  PrĂ€zision  Hutchinsons  halten, 
wonach  ĂŒberhaupt  nur  die  oberen,  inneren  SchneidezĂ€hne  mit 
den  bekannten  VerĂ€nderungen  fĂŒr  die  Diagnose  kongenitale 
Syphilis  in  Betracht  zu  ziehen  seien.  So  ist  z.  B.  Hypoplasie  der 
unteren  SchneidezĂ€hne  nur  dann  fĂŒr  die  Diagnose  zu  ver- 
werten, wenn  auch  die  oberen  verÀndert  sind.  Entgegen 
Kraupa 's  Ansicht  hÀll  Verf.  nicht  jeden  TrÀger  eines  Hutchin- 
sonzahnes  fĂŒr  kongenital  syphilitisch.  Er  bat  solche  ZĂ€hne 
auch  bei  luesfreien  Patienten  gefunden.  Auch  von  typisch 
syphilitischen  Stellungsanomalien  könne  nicht  die  Rede  sein. 
Verf.  bestreitet  auch,  daß  die  VerkĂŒmmerung  sĂ€mtlicher  ZĂ€hne 
ein  charakteristisches  Merkmal  kongenitaler  Syphilis  sei:  er  hat 
sie  auch  bei  Rachitikern  und  tetaniekranken  Patienten  gesehen. 
Hutchinson  selbst  sieht  verÀnderte  ZÀhne  nur  dann  als 
sicheres  Zeichen  einer  kongenitalen  Syphilis  an,  wenn  sie  mit 
:'ls  Teil  der  Trias  auftreten.  Verf.  glaubt,  daß  alle  Wachstums- 
störungen in  der  Entwicklungsperiode,  zu  denen  auch  die  Zahn- 
und  KieferverÀnderungen  gehören,  durch  Bilanzstörungen  im 
Kalkstoffwechsel,  die  ihre  Ursache  wiederum  in  inneren  DrĂŒsen 
Störungen  haben,  bedingt  sind.  Nur  dann  wurden  bei  syphilitischen 
Foeten-  und  Kinderleichen  Störungen  in  der  Zahnentwicklung 
festgestellt,  wenn  zugleich  auch  innere  DrĂŒsen  erkrankt  waren. 

Von   fĂŒr   kongenitale   Lues   pathognomonischen   Zahn-  und 
Stellungsanomalien  kann  deshalb  keine  Rede  sein. 

O.  S.  Tarnow  (ChajTottenburg-Westend). 


31.  Dezember  1921,  42,  Nr.  52. 


Anreicherung  in  SĂŒss 
Waehstnnisenergie 


;en  Medien  zum  Nachweis  von  Wenigst  oder 
rehemmten   Keimen.     H  u  n  k  in  b  1  I  e  r  ,  O. 


ihrer 


Stottern  iiml    Whma.    S  t  e  r  n  b  t'  r  g  .   W.  946. 


Zeitschrift  fĂŒr 
die  gesamte  Neurologie  und  Psychiatrie,  Berlin. 

21.  Dezember  1921.  73.  Heil  1—3. 

Zur    Analyse    und    Pathopsx  chologie    der    BtvtÀfeii  Bewegungsstörungen. 
Foerster.O.  1 

Zur  pathologisch-anatomischen  Differentiallingnuse  der  Parjlysis  agitans  und 
der  Huntingtnnseheii  Chorea,     t  e  v  y  .  F.  H.  170. 


10.  Jahrg.     Nr.  1. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


101 


♩  Weitere   Beitrage   /tu   Kenntnis  dci    Krlcdruieh-ilhnileheii  lirunltheltsbllder. 

S  c  Ii  ci  Ii  .   P,  188'. 

♩Zur  Frage  der  Iintersiuhung  dei  körperlichen  LeistungsfĂ€higkeit  bei  Hirn- 
verletzten.    B  n  ]i  p  e  r  t.  289. 

Enzephalitis    lethargicn    in    dei    Selbstbeobachtung.     M  ;i  >  e  r-      tu  U  .  \V, 
und  S  t  6i  n  6  r  ,  (1.  388. 

Die  Spli'oclmoton  im  Zentralnenensysteii]  bei  der  Paralyse.  -I  a  Ii  u  c  1  ,  F.  310. 
Histologisches  iur  Frage  der  d'ffusen  Hirnsklerose.    X  o  u  i>  Ii  r  g  e  r  .  K.  3Sfl. 

Weitere  BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  Friedreich-Àhnlichen 
Krankheitsbilder.  Beschreibung  zweier  Interessanter  FĂ€lle.  In 
dem  ersten  handelt  es  sieh  um  ein  der  Friedreich'schen  Ataxie 
Àhnliches  Krankheitsbild  kombinierl  mit  AugenmuskellÀhmung 
und  Chorioiditis.  Hierbei  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  bei  Fried 
reichscher  Krankheit  Augensymptome  -  abgesehen  vom  Nystag 
mus  außerordentlich  selten  sind.  Der  zvveile  Fall,  der  auch 
ein  Friedreich-Ă€hnliches  Bild  hol,  konnte  anatomisch  genau 
untersuch!  werden  und  wird  als  olivocercbellare  Degeneration 
kombiniert  mit  Degeneration  der  HinterstrÀnge  gekennzeichnet: 
Àtiologisch  kommt  hier  mit  Wahrscheinlichkeit  hereditÀre  Lues 
in  Betracht. 

Zur  Frage  der  Untersuchung  der  körperliehen  Leistungs- 
fĂ€higkeit bei  Hirnveiietzten.  Die  experimentelle  PrĂŒfung  der 
körperlichen  LeistungsfÀhigkeit  Hirnverletzter  am  Ergographen 
fĂŒhrte  zu  folgenden  Ergebnissen:  die  gewonnenen  Kurven  der 
Hirnverletzten  bieten  im  Prinzip  dasselbe  Bild  wie  die  Kurven 
ermĂŒdeter  Normaler.  Es  kann  aber  nicht  behauptet  werden, 
daß  die  Hirnverlelzten  von  vornherein  als  ErmĂŒdete  an  die 
Leistung  herangehen;  sondern  man  muß  sagen,  daß  sowohl  die 
betreffenden  Hirnverletzten  als  auch  die  ermĂŒdeten  Normalen 
leistungsgeschĂ€digt  sind  und  daß  die  LeistungsschĂ€digung  sich 
stets  auf  Ă€hnliche  Weise  Ă€ußert.  Durch  die  vorliegenden  Unter- 
suchungen wird  erwiesen,  daß  ein  jeder  sein  persönliches 
L ei  s t u  n  g s  sy  s  t.em  hat.  Das  zeigt  sich,  wie  aus  den  mit- 
geteilten Kurvenbilderu  hervorgeht,  sowohl  in  der  Eigenart  der 
Leistungen  wie  der  ErmĂŒdung.  Jeder  ermĂŒdet  auf  seine  be- 
sondere Weise.  A.  MĂŒnzer. 

Zeitschrift  fĂŒr  ImmunitĂ€tsforschung  und  experimentelle 
Therapie,  Jena. 

30.  Dezember  1921.  33,  Heft  4/5. 

Antikörpeirbi'lduiig  durch  Transplantate.    Oehikawa,  K.  297. 

Beziehungen  zwischen  Antigen  und  Antikörperbildung.  Os  bi  ka  w  a  .  K.  SOGi 

Xeue  Beobachtungen  ĂŒber  die  Schutzwirkung  des  Liquors  bei  der  MDastK- 
roaktion.    Preiser',   K.   und   W  eint  r  a  u  b  .   \.    317. , 

Zur  Theorie  und  klinischen  Verwendnarkeii  der  M<  inicke-Reaktintt. 
Bauer.   R.    und    N  y  i  r  i  .    W.  325. 

Untersuchungen  ĂŒber  unspezifische  Reaktionen  bei  prĂ€zipitierenden  Anti- 
seren.     M  a  n  t  e  u  f  c  I  ,   P.   und   B  <■  r  g  e  r  .    H.  348. 

Ungleichartige  ErnÀhrung  als  Ursache  wechselnder  Empfindlichkeit  un  I  ver- 
götterter antigener  Eigensehaffen  der  Bakterien.  ('  n  h  n  -  B  r  o  n  n  e  r  . 
C.  E.  375. 

Differenzierung  sÀurefester  Bakterien  imeii  Untersuchungen  am  Augv. 
S  e  i  t  z  .  A.  431. 

Archiv  fĂŒr  Dermatologie  und  Syphilis,  Berlin. 

2.  Dezember  1921.  136,  Heft  3. 

Ein  Fall  von  essentiellen  Teleangiektasien.     F  u  c  h  a  .  Dura. 
♩Ueber  eine  Impfnekrose.    Voll  m  e  r  ,  E. 
lieber   mykotische    Allgenieininfekl,  unen   bei    Trichophytie    und  Mikrosporie 

(Trichophytosen    und    Mikrospirose'n).     Arst.    Uieopold    und   V  tt  c  h  s  , 

Herbert. 

Der  Chilblainlupus  (Hutchinson),  seine  Pathogenese,  Histologie  und  The- 
rapie.   F  i  s  e  h  1  .  Friedrich. 

Zur  Pathogenese  der  netzförmigen  Livedo  bei  Tuberkulose.  F  i  s  e  h  I  ( 
Friedrich. 

Ueber  einen  Kall  von  einseitiger,  /.osteriformer  Leukopathia    K  :‱■  d  a  k  .  A. 

Atypische  Formen  der  collinuierenden  Hauttuberkuiose.  \  i ■  ■  :  ,  I..  u  in 
K  u  n  i  e  r  ,  L. 

Ueber  Partialantigcue  nach  Deyke-Much  bei  Hauttuberkuiose     Fried',  A. 

Diffuse  Hautinfiltrate   im   sekundÀren   Stadium   der  Lu  .  s.    S  a  \  ni'k  i'anl. 

Die  Pigmentierung  der  Haut  von  Glrampus  grises  Cuv.    KrĂŒge:-.  Paul. 
♩Zur   Pathogenese    der   Trichophytide.     J  e  ß  n  e  r  .  Max. 

Beitrag  zur  Klinik  der  Urticaria.    Hahn.  L.  und  K  r  ii  u  p  a  ,  M. 
♩Untersuchungen  ĂŒber  die  Aetliologie  der  Krankheiten  der  Herpesgrapp«  IHer- 
pes  /.oster:  Herpes  genitalis:   Herpes  febrilis.)     h  i  p  s  e  U  li  t  z  B. 

Ueber  eine  Impfnekrose.  Wahrend  im  Jahre  1920  kein  ein 
|iger  Todesfall  in  Folge  von  ImpfschÀdigung  eingetreten  ist.  sind 
pchtere  ImpfschÀdigungen  nicht  allzuselten.  So  konnte  /  B 
V.  eine  totale  Nekrose  der  Impfstelle  beobachten.  Die  Impl 
stelle  hatte  zunÀchst  keine  Besonderheil  gezeigt,  erst  14  Tage 
nach  der  Impfung  verfÀrbte  sich  die  Haut  zwischen  den  Impf- 
slrichen  livide,  sie  wurde  dunkler  im  Ton  und  eine  zirkulÀre 
Absloßung  mit  deutlicher  Demarkationslinie  begann.  Nach  Ab- 
|tf>ßung  der  Kruste  lag  die  Muskulatur  des  Oberarmes  Trei.  FĂŒr 
'las  Zustandekommen  der  Nekrose  gib!  V,  2  Möglichkeiteil  an; 


entweder  wurden  die  Lyniphspaltcn  der  Haut  und  die  (.apillaien 
zwischen  den  I  Schnitten  ganz  durch  die  Lymphe  ausgefĂŒllt;  und 
es  kam  so  eine  Absperrung  der  normalen  ErnÀhrung  der  Ix 
[reffenden  Hautpartie  zustande,  oder  es  trat  analog  der  Yei 
Ödung  von  Angiomen  durch  Impfung  eine  Gerinnung  der 
arteriellen  GefĂ€ĂŸe  ein.  die  zu  deren  vollkommenen  Verschluß 
gefĂŒhrt  hat, 

Zur  Pathogenese  der  Trichophytide.    J.  gelang  es.  2  mal  bei 
Trichophytiekranken  mit  Hilfe  des  Kulturverfahrens  den  Nach- 
weis von  Pilzen   im  Blute  zu  erbringen:  damit  isl  die  vielfach 
bereits   angenommene   hÀmatogene    Verschleppung   von  Pilz 
elementen  erwiesen. 

Untersitchungen  ĂŒber  die  Aetiologie  der  Krankheiten  der 
lleipesgruppe.  L.  gelang  es  sowohl  mit  Material  von  herpes 
zoster,  wie  auch  von  herpes  febrilis  wie  auch  von  herp.  genit.  bei 
Kaninchen  Impfkeratitidcn  zu  erzeugen.  Bei  jeder  dieser  Kera- 
titiden  können  KerneinschlĂŒsse  festgestellt  werden,  die  einander 
zwar  Ă€hnlich  aber  fĂŒr  jede  Zosterart  doch  streng  charakterisier! 
sind;  Impfungen  mit  dem  Virus  des  herp.  febrilis  ergibt  keine 
ImmunitÀt  gegen  Impfung  mit  Genitalherpes.  L.  bezeichnet 
danach  die  Krankheiten  der  Herpesgruppe  als  „Einschlußkrank- 
heiten", Chlamydozoonosen,  die  durch  neuro-dermotrope  Erreger 
verursacht  werden.  Bab  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  Sexualwissenschaft,  Bonn. 

Dezember  1921,  8.  Heft  9. 

Die  sogenannte  Geschlcchtskr  inkhoitenbokÀnipfung.  S  c  Ii  «  o  i  s  Ii  e  i  in  e  r  . 
W.  276. 

Frank   Wedekinds  Anschauungen   ober  SexualitÀt.     D  o  Ii  n  u  w  .   I'.  379. 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 

5.  Heft. 

♩  Dir  Begutachtung  der  Lungentuberkulose  auf  Grand  der  Röntgenunter- 
suchung.   S  c  h  i  n  z.  413. 

Ein  fĂŒr  die  Zwecke  der  praktischen  Röntgenologie  konstruiertes  Snektro- 
meter.     M  a  r  c  h  .    St  a  u  n  i  g   u.    F  r  i  t  i.  420. 

Spaltbildungen  am  Schenkelhals  und  Knorpelfuge.    M  a  >  e  r.  127, 

Lympbogene   I.ungeneareonose.     L  0  r  c  n  z.  430. 

Zur  klinischen  und   röntgenologischen  Differentialdiiaguose   des  interlihÀren 

Empyems.    S  i  n  g  e  r.  431. 
l'cber  Duodeuo-.Te.iunaldivertikel   (Fortsetzung».     .1  e  b  1  e.  43(>. 
FĂŒr  Echinococcus  gehaltene  Nierensteine.    K  e  v  e  s  ■/..  tin. 
Der  Xahelschnurkreuzhruch  im  Röntgenbilde.    V  o  g  t.  443. 
❖Die  Röntgendiagnose  der  kindlichen  BronchialdrĂŒsentuberkilnse.  K  r  e  t  s  e  h- 

m  e  r.  452. 

Zur  Frage  der  IrrtĂŒmer  in  der  N ieretliteindiagliilĂŒtik .     I.  e  Ii  in  a  n  n.  HiO. 
Die  von  A.  Köliler  beschriebene  BrkranbuiiR  des  2,  Xletotarsus-Köpfehch»: 

eine   traannatische  DeformitÀt.     F  r  i  e  h  e  r.  462. 
Die   Dustellung  der  Hand   in  der  Intbersinelerstelung.     Stau  Ii  ig.  464. 
❖Zum  Verhalten  des  Blutdrucks  nach  Röntgenbestrahlung.     S  t  t  a  U  Ii.  tiiT. 
Ein  Diveiitlikel  an  der  Flexura  duodeno.je.junalis  durch  Rönigen  diagnostiziert 

und    operativ    verifiziert.     S  a  u  1  a  d  e  r.  472. 

Begutachtung  der  Lungentuberkulose  auf  Grund  der  Röntgen- 
untersuchung. Schinz  gibt  uns  unter  BerĂŒcksichtigung  aller 
differentialdiagnostischer  Punkte  eine  gute  Uebersicht  ĂŒber  das 
Röntgenbild  der  Lungentuberkulose.  Er  warnt  eindringlich,  aus 
einseitigen  Symptomen  eine  Lungentuberkulose  zu  diagnostizieren. 

Die  Röntgendiagnose  der  kindlichen  BronehialdrĂŒsentuber- 
kulose.  Kretschmer  liefert  im  allgemeinen  eine  BestÀtigung 
der  unveralteten  Untersuchungen  Engels,  Köhlers  und  von 
Aßmann.  WĂ€hrend  die  klinischen  Untersuchungsweisen  bei 
der  kindlichen  BronchialdrĂŒsentuberkulose  in  vielen  FĂ€llen  im 
Stich  lassen,  haben  wir  in  der  Röntgendurchleuchtung  und 
Plattenanfnahihe  ein  sicheres  Beweismittel,  um  auch  im  frĂŒhesten 
Stadium  die  Krankheil  zu  erkennen. 

Zum  Verhalten  des  Blutdrucks  nach  Röntgenbestrahlung. 
Strauß  kommt  auf  Grund  seiner  Versuche  zu  folgendem 
Ergebnisse:  Die  klinischen  Betrachtungen  haben  bis  jetzt  keine 
Unterlage  dafĂŒr  abgegeben,  dafi  eine  Nebennierenbestrahlung 
einen  krankhaft  erhöhten  Blutdruck  herabsetzt  und  die  hierĂŒber 
angestellten  Tierversuche  sind  teilweise  unrichtig  gedeutet,  teil- 
weise direkt  zu  Schlußfolgerungen  nicht  ausreichend. 

Michaelis. 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

3t.  Dezember  1921.  48,  Nr.  ö2. 

»S»E.\»t  rpation  der   Magenstrulic.     Bauer.  H.  1889. 
Operation   der   eingeklemmten   Hernia    ohturatoria.     Franke.  1893. 


102 


Ans  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Ueber  die  Exstirpation  der  Magenstraße.  Alle  typischen 
Ulcera  rotunda  haben  ihren  Sitz  in  der  sogen.  „Magenstraße", 
entlang  der  kleinen  Curvatur.  Daher  liegt  die  schon  mehrfach 
geĂ€ußerte  Forderung  sehr  nahe,  beim  MagengeschwĂŒr  die  ganze 
Magenstraße  und  damit  die  ganze  GeschwĂŒrsregion  zu  exstir- 
pieren.  Von  dem  Gedanken  ausgehend,  daß  der  Organismus  aber 
eine  ausgesprochene  Tendenz  hat,  kĂŒnstlich  ungangbar  gemachte 
physiologische  Wege  —  wie  also  auch  die  Magenstraße  —  wieder 
nachzubilden  und  gangbar  zu  machen,  prĂŒfte  Verf.  die  Folge 
der  Magenstraßenexstirpation  an  Hunden.  Die  Resultate  waren 
folgende:  1.  die  Exstirpation  der  Magenstraße  ist  ohne  nennens- 
werten Belang  fĂŒr  Bau  und  Funktion  des  Magens.  2.  in  3  nach 
3 — 1  Monaten  autoptisch  gewonnenen  MĂ€gen  hat  sich  wieder  ein 
LĂ€ngsfaltenweg  entlang  der  kleinen  Curvatur  von  der  Cardia 
bis  zum  Pylorus  in  Form  einer  neuen  Magenstraße  gebildet. 
3.  bei  EinfĂŒhrung  kleiner  Mengen  Salz-  bezw.  SchwefelsĂ€ure  in 
den  Magen  treten  die  HauptverÀtzungen  entlang  der  neugebildeten 
Magenstraße  auf.  —  Aus  Punkt  2  und  3  ist  also  zu  schließen,  daß 
die  mechanisch-dispositionellen  Momente  zur  Ulcusbildung  einige 
Monate  nach  der  Exstirpation  der  Magenstraße  wieder  gegeben 
sind.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie. 

November  1921.  167,  Heft  1—2. 

BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  retrograden  Inkarzeration.    Polya.  E.  1. 
‱i»Dic  Ursachen  der  angeborenen  Schief  haisei  krankung.    Schubert,  A.  32. 

Kongenitale  mediale  und  laterale  Halsfisteln.    Bliesen.  C.  61. 
❖Ueber  die  Hypertrophie  der  VorsteherdrĂŒse.    Niemeyer.  R.  65. 
Ueber  die  diffuse  Fibromatose  der  Mamma  und  ihren  Ucbergang  in  Karzinom. 

S  u  k  o  w  s  k  y  ,  A.  81. 
Zur  Operation  des  perforierten  MagengeschwĂŒres.    N  ö  t  z  e  1.  116. 
Zur   Kasuistik   des   Darmverschlusses,   inf.    innerer  Einklemmung  in  einer 

MesenteriallĂŒcke     vind     ĂŒber     den     Volvulus     des  Sanduhrmagens. 

Sohn,  A.  124. 

❖Verfahren  zur  Erzielung  der  Kontinenz  bei  Anus  praeternaturalis.  Kurl- 
zahn.  129. 

Die  Ursache  der  angeborenen  Schiefhalserkrankung.  Inwie- 
weit die  Ansicht  des  Verf.,  der  muskulÀre  Schiefhals  beruhe  auf 
einer  primÀren  SchÀdigung  des  zentralen  Nervensystems,  zu  Recht 
besteht,  soll  hier  nicht  kritisch  untersucht  werden,  zumal  ein 
direkter  anatomischer  Nachweis  nicht  erbracht  wird,  vielmehr 
die  aufgestellten  Theorien  sich  grĂ¶ĂŸtenteils  aus  vergleichender 
Literaturbetrachtung  oder  den  Nachuntersuchungen  an  20  FĂ€llen 
operierter  SchiefhĂ€lse  herleiten.  ErwĂ€hnt  sei  nur,  daß  die 
vom  Verfasser  abgelehnte  Tatsache  postoperativer  Korrek- 
tur der  stets  vorhandenen  SchÀdelskoliose  jedem  OrthopÀden 
durch  praktische  Erfahrung  bekannt  ist,  wie  sie  sich  auch  seit 
langem  in  den  LehrbĂŒchern  der  OrthopĂ€die  bestĂ€tigt  findet.  Hier 
sei  vielmehr  der  Forderung  des  Verf.,  jeden  muskulÀren  Schief- 
hals so  frĂŒh  wie  möglich  zu  behandeln,  d.  h.,  in  den  allermeisten 
FĂ€llen  operativ  und  zwar  mittels  einfacher  offener  Tenotomie 
oder  teilweiser  Resektion  des  verkĂŒrzten  Muskels,  aufs  nach- 
drĂŒcklichste zugestimmt. 

Ueber  die  Hypertrophie  der  VorsteherdrĂŒse.  Verf.  nimmt 
auf  Grund  pathologischer  Untersuchungsbefunde  an  35  hyper- 
trophischen VorsteherdrĂŒsen  Stellung  zur  umstrittenen  Frage 
nach  dem  Wesen  derartiger  Erkrankungen.  Makro-  und  mikro- 
skopische Untersuchungen  ergaben  ungefÀhr  folgendes  Bild:  bei 
geringgradigen  VerÀnderungen  handelt  es  sich  um  kompensato- 
rische Hyperplasie  infolge  seniler  Involution;  hochgradigen  Ver- 
Ă€nderungen liegen  Tumoren  zu  Grunde  und  zwar  meistens  Fibro- 
myoadenome.  Die  Prostatahypertrophie  ist  hÀufig  durch  ent- 
zĂŒndliche VorgĂ€nge  kompliziert.  Diese  sind  aber,  ebenso  wie 
die  Atherosklerose,  nie  die  Ursache  der  Erkrankung.  Die  Auf- 
fassung des  Verf.  nÀhert  sich  demnach  der  Virchow'schen  Lehre 
vom  Geschwulstcharakter  der  Prostatahypertrophie  und  die  mit- 
sei eilten  Tatsachen  mögen  daher  als  BeitrÀge  und  Fingerzeige 
hinsichtlich  der  Aetiologie  der  Tumoren  gelten. 

Verfahren  zur  Erzielung  der  Eontinenz  bei  Anus  praeter- 
naturalis. Die  erheblichen  Beschwerden  infolge  fehlender  Kon- 
tinenz bei  operativem  Sphinkterverlust  lassen  Methoden  not- 
wendig erscheinen,  letzteren  durch  Schaffung  eines  Ersatzes  aus- 
zugleichen. ZunÀchst  empfiehlt  es  sich,  den  Anus  praeternaturalis 
als  Anus  iliacus  anzulegen  zwecks  besserer  Erreichbarkeit  zur 
SĂ€uberung  usw.  fĂŒr  den  Patienten  als  es  beim  Anus  sacralis  oder 
perinealis  der  Fall  ist.  Es  werden  sodann  einige  Verfahren 
mitgeteilt,  die  in  vorteilhafter  Weise  einen  guten  Verschluß  des 
kĂŒnstlichen  Afters  gewĂ€hrleisten.  Einmal  wird  der  Darm 
zwischen  einer  Ă€ußeren  Pelotte  und  einem  im  operativ  herge- 
stellten Hautschlauch  befindlichen  Gummistab  zusammengedrĂŒckt 


In  einem  weiteren  Falle  wurde  die  starre  Kompression  durch 
Einschaltung  eines  Bruchbandes,  an  dem  sich  die  genannte  Pe- 
lotte befand,  vermieden.  Schließlich  gelang  es  bei  einem  weiteren 
Patienten  mittels  Hautplastik  ein  5  cm  langes,  penisartiges  Ge- 
bilde herzustellen,  das  allseitig  von  Haut  bedeckt  in  seinem 
Innern  das  ausfĂŒhrende  DarmendstĂŒck  beherbergte  und  leicht 
durch  eine  Klemme  verschlossen  werden  konnte. 

L.  Frosch  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  orthopĂ€dische  Chirurgie. 

1921.  42,  2.  Heft. 

❖Ein  Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  und  Klinik  der  Spina  bifida  occulta 
auf      Grund      von      Sektionsbefunden      an     Leichen  Neugeborener, 
v.  F  i  n  c  k.  65. 
Das  Skoliosebecken.    R  e  i  j  s.  87. 

Eine  sonderbare  Knochenbildung  am  Femuramputationsstumpf.  Sorge. 

Ein  Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  und  Klinik  der  Spina 
bifida  occulta  auf  Grund  von  Sektionsbefunden  an  Leichen  Neu- 
geborener. Die  Ergebnisse  der  genauen  Untersuchungen  an  zahl- 
reichen Leichen  sind  hinsichtlich  der  pathologisch-anatomischen 
VerhÀltnisse  im  Original  nachzulesen.  Praktisch  wichtig  sind 
die  Schlußfolgerungen  fĂŒr  die  klinische  Anwendung:  man  unter- 
suche vor  allem  den  Zustand  der  DornfortsÀtze,  ob  rudimentÀr 
oder  fehlend,  bezw.  ob  sich  in  letzterem  Fall  ein  knöchener  oder 
weicher  Widerstand  ergibt.  Auch  die  Unterscheidung  von  Haupl- 
oder  Endwirbeln  bei  der  Untersuchung  ist  wichtig,  ebenso  das 
Alter  des  Kranken.  Die  so  gewonnenen  Ergebnisse  ermöglichen 
die  PrÀzisierung  der  Prognose.  Diese  ist  zweifelhaft,  wenn  sich 
der  Defekt  am  Hauptwirbel  findet,  ebenso  Narbenbildung  in- 
mitten eines  hypertrichotischen  Feldes.     L.  Frosch  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  urologische  Chirurgie,  Berlin. 

15.  Dezember  1921.  8,  H.  3—4. 

Pathologie  der  colliculus  seminalis.    Brack  67. 
Blutbestimmung  im  Harn  bei  HĂ€maturie.    Schiller.  76. 
Ischiorektale  Prostatektomie.    Orth  .  Oskar.  83. 
Einfluß   der  Epidydektomie  auf  die  Prostata.    W  a  1  t  h  a  r  d.  87. 
«{‱Unterbrechung  der  Samenwege.    W  e  h  n  e  r  ,  E.  113. 

Altes  und  Neues  ĂŒber  die  Folgen  der  Unterbrechung  der 
Samenwege  fĂŒr  Hoden  und  Prostata.  Verf.  hat  an  Kaninchen 
die  Steinach'sche  Operation  (Unterbindung  der  Samenwege  zwi- 
schen Hoden  und  Nebenhoden)  vorgenommen,  um  die  morpho- 
logischen VerÀnderungen  am  Hoden  und  die  Fernwirkung  auf  die 
Prostata  zu  untersuchen.  Steinach  fand  nach  der  Unterbindung 
eine  weitgehende  RĂŒckbildung  der  „SamendrĂŒse'1  (wie  er  den 
generativen  Anteil  des  Hodens  nennt)  und  lebhafte  Wucherung 
der  „PubertĂ€tsdrĂŒse"  (der  Zwischenzellen);  selbst  in  dem  nicht 
ligierten  Hoden  fand  St.  eine  Wucherung  der  PubertĂ€tsdrĂŒse  auf 
Kosten  der  SamendrĂŒse.  Die  bisher  vorliegenden  experimentellen 
Nachuntersuchungen  haben  diese  Befunde  nur  teilweise  bestÀtigen 
können.  Verf.  fand,  wenn  er  die  Ligatur  beim  infantilen  Tier, 
das  noch  keine  Spermatogenee  zeigte,  vornahm,  eine  schwere 
SchÀdigung  des  generativen  Hodenanteils;  eine  auffallende  Ver- 
mehrung des  Zwischengewebes  war  nicht  festzustellen.  Wurde 
die  gleiche  Operation  beim  geschlechtsreifen  Tier  vorgenommen, 
so  war  der  Befund  aber  ein  ganz  anderer;  makroskopisch  war 
der  Hoden  betrÀchtlich  verkleinert;  mikroskopisch  zeigte  sich 
eine  noch  stÀrkere  SchÀdigung  des  KanÀlchenepithels  als  bei 
den  unreifen  Tieren  ohne  jede  Regenerationszeichen;  das  inter- 
stitielle Gewebe  ließ  eine  geradezu  geschwulstarlige  Wucherung 
erkennen.  —  Aus  diesen  Befunden  zieht  Verf.  den  Schluß,  daß  es 
sich  nicht  —  wie  Steinach  meint  —  um  eine  „Neubelebung"  der 
PubertĂ€tsdrĂŒse  handelt,  sondern  daß  diese  enorme  Wucherung 
des  Zwischengewebes  lediglich  auf  eine  MĂ€stung  mit  den  abge- 
bauten Substanzen  des  generativen  Hodenanleils  zurĂŒckzufĂŒhren 
ist.  —  In  der  Ă€ußeren  Entwicklung  der  Tiere  konnte  keine  be- 
sondere VerÀnderung  festgestellt  werden. 

Wenige  Wochen  nach  Unterbindung  der  Samenwege  fand 
Steinach  ein  neues  starkes  Wachstum  der  Prostata.  Diese 
so  war  der  Befund  aber  ein  ganz  anderer;  makroskopisch  war 
worden.  Verf.  fand  bei  seinen  Versuchen  mit  infantilen  Tieren, 
daß  die  Prostata  nach  der  Operation  makroskopisch  und  mikro- 
skopisch auf  dem  infantilen  Zustand  verharrte;  bei  den  ge- 
schlechtsreifen Tieren  war  makroskopisch  gar  keine  VerÀnde- 
rung wahrnehmbar,  mikroskopisch  konnte  nur  eine  geringe  Se- 
kretionsverminderung der  ProstatadrĂŒsen  festgestellt  werden. 
Von  irgend  einer  ..Hypertrophie",  einer  Bindegewebswucherung. 


10.  Jahrg. —  Nr.  4. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


einer  Vermehrung  der  glatten  Muskulatur  oder  sonstigen  progres- 
siven VerÀnderungen  war  nichts  zu  hcmerken. 

K.  \V  o  h  1  g  e  in  u  l  h  (Berlin). 

Zentralhlatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

31.  Dezember  1921,  45,  Nr.  52. 

Ein  Fall  von  Netzlymphangiectasicn  als  Begleiterscheinung  ciucs  erweichten 
Utcrusfibroms.    Tranen -Keiner.   M.  1861. 

«t»Zur  Behandlung  entzĂŒndlicher  Adncxerkraukungen  mit  Terpcutineinspritzun- 
gen.    Uollendall.  H.  1864. 

Zur  Behandlung  entzĂŒndlicher  Adnexcrkrankungcn  mit 
Terpentineinspritzungen.  Entgegen  den  zahlreich  veröffentlichten 
guten  Erfolgen  mit  Terpichin  bei  entzĂŒndlichen  Adnexerkrankun- 
gen  teilt  H.  mehrere  FĂ€lle  von  akuter  Adnexerkrankung  mit, 
bei  denen  die  Terpichintherapie  völlig  versagt  hat.  In  4  FÀllen 
konnte  die  Wirkungslosigkeit  des  Terpichins  durch  die  Laparo 
tomie  festgestellt  werden.  Auch  akute  NachschĂŒbe  bei  chroni- 
schen Prozessen  konnten  durch  Terpichin  nicht  verhindert  wer- 
den, und  besonders  die  entzĂŒndlichen  Adnex blutungen  waren 
durch  das  Mittel,  das  jeden  2.  Tag  bis  zu  10  mal  eingespritzt  wurde, 
nicht  immer  zum  Stehen  zu  bringen.  Speyer  (Berlin). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

28.  Dezember  1921,  Nr.  51. 

<i»Endokranielle  Operationen  gegen  die  Fazialis-Neuralgie.  Jentzer,  A.  1177 
Zur  Frage  der  geographischen  Verbreitung  und  poliklinischen  Behandlung 

der  Epilepsie.    W  y  r  s  c  h  ,  J.  1182. 
Beitrag  zum  Morbus  Banti.    Opp  recht.  ÂŁ.  1189. 

Wirkung      von      Oraugen-Schalea-Destillat      auf  Gallensteinaffektionen. 
Seiler.  1191. 

Endokranielle  Operationen  bei  hartnÀckigen  Gesichts- 
Neuralgien.  Rose  und  Krause  waren  die  ersten,  die  den  Mut 
hatten,  den  Trigeminus  im  SchÀdelinnern  selbst  anzugreifen.  Sie 
ĂŒbten  die  Exstirpation  des  Ganglion  Gasseri  und  zeitigten  in 
20  jÀhriger  Praxis  manchen  unbestrittenen  Erfolg.  Jetzt  taucht 
eine  von  dem  amerikanische  Neurologen  Spiller  angeregte,  neue 
Methode  auf;  sie  besteht  in  der  einfachen  DurchschneiĂŒung  der 
Wurzel  des  Trigeminus  zwischen  Ganglion  und  Protuberanz. 
Man  könnte  sie  retroganglionÀre  Neurotomie  nennen.  Diese 
Methode  bietet  in  Bezug  auf  Radikalheilung  ebensoviel  GewÀhr 
wie  die  Gasserektomie,  ist  technisch  einfacher  und  fĂŒr  den  Pat. 
gefahrloser,  d.  h.  nur  in  der  Hand  eines  Chirurgen,  der  n 
operativen  Eingriffen  am  SchÀdel  vertraut  ist.  Technische  Vor- 
ĂŒbungen an  der  Leiche  sind  unerlĂ€ĂŸlich.  Nach  ausfĂŒhrliche*- 
Wiedergabe  der  Technik  teilt  Verf.  2  FĂ€lle  aus  seiner  eigenen 
Beobachtung  mit.  Der  1.  Fall  interessiert  aus  verschiedenen 
GrĂŒnden.  1.  die  Grundlage  der  Neuralgie  bildete  eine  Kompres- 
sion der  Nerven  durch  zahlreiche  HĂ€mosiderinablagerungen, 
Dieser  Befund  wurde  vom  Pathologen  an  dem  resezierten  Nerven 
erhoben.  2.  Die  Heilung  des  Pat.  beweist,  daß  nicht  nur  die 
peripheren,  sondern  auch  bisweilen  die  zentralen  Neuralgien 
einer  chirurgischen  Behandlung  zugÀnglich  sind.  3.  Die  Tat- 
sache, daß  der  durch  zwei  anderweitige  Operationen  erschöpfte, 
unterernĂ€hrte  Pat.  den  Eingriff  gut  ĂŒberstanden  hat,  zeigt  zur 
Evidenz,  daß  diese  Operation  keinen  bemerkenswerten  Schock 
erzeugt.  An  dem  2.  Fall  ist  zu  konstatieren,  daß  die  anlilue- 
tische  Behandlung  mißglĂŒckte,  obwohl  nach  anamnestischen 
Daten  vieles  an  eine  Neuritis  luetica  denken  ließ.  Der  Pat.,  der 
seit  mehr  als  einem  Jahr  Insasse  des  Siechenhauses  war,  konnte, 
dank  der  beschriebenen  Operation,  geheilt  der  menschlichen  Ge- 
sellschaft zurĂŒckgegeben  werden. 

Periphere  chirurgische  Eingriffe,  wie  Durchschneidung,  Re- 
sektion, Ruptur  und  Herausreißen  der  erkrankten  Aesle,  sollten 
aus  der  modernen  Behandlungsweise  verschwinden.  Abgesehen 
von  entstellenden  Narben,  die  sie  im  Gefolge  haben,  ist  man 
vor  RĂŒckfĂ€llen  oder  Mißerfolgen  nie  sicher.  Wir  besitzen  in 
der  Alkohol-Injeklionsmelhode  eine  elegante  Behandlungsart,  die 
gute  Resultate  liefert.  Hat  die  Neuralgie  das  ganze  Trigeminus- 
gebiet  erfaßt,  so  wird  der  Alkohol  an  der  SchĂ€delbasis  injiziert, 
besser  noch  in  das  Ganglion  selbst.  Diese  Injektionen  erfordern 
eine  besondere  Meisterschaft  und  sind  daher  Spezialisten  Àuf 
diesem  Gebiet  zu  ĂŒberlassen.  Bei  denjenigen  Neuralgien,  die 
auch  der  Alkoholbehandlung  trotzen,  ist  man  auf  endokra- 
nielle chirurgische  Eingriffe  angewiesen.  Da  nun  erweist  sich 
die  retroganglionÀre  Neurotomie  als  eine  der  sichersten  Ope- 
rationen bezĂŒglich  des  unmittelbaren  Resultats,  als  eine  der  er- 
freulichsten Aquisitionen  der  Nervenchirurgie  in  den  letzten 
15  Jahren.  K.  Held  (Berlin). 


Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

29.  Dezember  1921,  Nr.  52. 

GhUlensteinlelden.    Michaud,  L.  1201. 
Chirurgie  der  ÜaHenweKc.   Hotz,  O.  1214. 
Chirurgie  der  Üalleuwege.    11  c  n  s  c  h  e  n  .  K.  1228. 

Courvoisiers  Anteil  au  der  Entwicklung  der  Chirurgie  der  (iiillcmvege. 
V  e  i  1  1  o  11  ,    E.  1240. 

‱HJe/ber  Starkatromverletzungen.   J  ae  gc  r,  II.  1200. 
Antethorakale  Oesophagusplastik.    F  o  n  i  o.  1261. 
l'artiellc  liumerusrcscktiou.   Jentzer,  A.  1261. 
Zwei-  und  Mehrte. Jung  der  l'atella.    O  d  e  r  111  a  1 1 ,  W.  126a. 
Ueber  ein  doppelseitiges,  latentes  chronisches  I'leuraempycin.  Schwei- 
zer, B.  1264. 

Apparat  zur  Behandlung  der  Humerusfrakturen.    I'a'schoud.  H.  1260. 
Kystoinata  ovarii  permagua.    B  a  u  in  a  n  n  .  E.  1272. 

Ueber  Starkstromverletzungen.  Mit  der  wachsenden  technischen 
Bedeutung  der  ElektrizitÀt  wachst  auch  ,  die  medizinische;  denn 
aus  der  UbiquilÀt  der  elektrischen  Anlagen  ergibt  sich  die 
UbiquitÀt  der  elektrischen  GelÀhrdung.  In  der  technischen 
ElektrizitÀt  wird  unterschieden  zwischen  Schwach-  und  Stark- 
stromanlagen, wobei  man  erstere  als  Anlagen  definiert,  Bei 
denen  normalerweise  keine  Ströme  auftreten,  die  fĂŒr  Personen 
oder  Sachen  gefÀhrlich  sind.  Die  GefÀhrdung  durch  den  Strom 
wird  also  zum  Einteilungsprinzip  erhoben.  Die  ElektrizitÀt  wird 
fĂŒr  den  menschlichen  Körper  gefĂ€hrlich,  wenn  sie  denselben 
durchströmt.  Die  dynamische  ElektrizitÀt  also  ist  allein  gefÀhr- 
lich, die  statischs  ist  harmlos.  Neben  grĂ¶ĂŸerer  Spannung,  Wider- 
stand und  StromstÀrke  hÀngt  der  animalische  Effekt  eines 
Stromes  auf  den  Organismus  noch  von  folgenden  Faktoren  ab: 
1.  Wechselstrom  ist  gefÀhrlicher  als  Gleichstrom.  (*h  der  Praxis 
kommen  meist  nur  noch  Wechselstromanlagen  vor);  2.  Geringe 
Periodenzahl  des  Wechselstroms  ist  gefÀhrlicher  als  hohe.  (In 
der  Praxis  zeigen  unsere  technischen  Ströme  meist  50  Perioden.) 
3.  Langer  Kontakt  ist  gefĂ€hrlicher  als  kurzer,  große  Kontakt- 
flÀchen gefÀhrlicher  als  kleine.  4.  Der  Ort  des  Stromeintritts  und 
damit  die  relative  Dichtigkeit  des  Stromes  in  den  einzelnen 
Organen  (Medulla  oblongata,  Herz)  ist  wesentlich  fĂŒr  die  Ge- 
fÀhrdung. Die  Hemmung  der  nervösen  Zentren  geschieht  bei 
großer  Stromdichte,  diejenige  des  Herzens  jedoch  bei  geringer 
Dichtigkeit.  5.  Somatische  EinflĂŒsse  im  einzelnen  Individuum 
erhöhen  die  GefÀhrdung,  so  vor  allem  nach  den  bisherigen  Er- 
fahrungen der  Status  thymo-lymphaticus.  6.  Psychische  Momente 
spielen  eine  große  Rolle.  Die  Ueberraschung  durch  den  Strom 
verstÀrkt  den  animalischen  Effekt,  die  psychische  Bereitschaft, 
die  Erwartung  des  Stroms  schwÀcht  denselben  ab. 

Das  klinische  Bild  der  Starkstromverletzung  ist  charakteri- 
siert durch  eine  außerordentliche  Vielgestaltigkeit,  die  sowohl  die 
primÀren  Symptome,  wie  den  Verlauf  und  die  SpÀtbilder  betrifft. 
Sie  ist  in  erster  Linie  bedingt  durch  die  Mannigfaltigkeit  der 
Unfallsituation,  in  zweiter  Linie  durch  das  Zusammenwirken  der 
verschiedenen  Energieformen,  indem  sich  elektrolytische,  ther- 
mische und  mechanische  Wirkungen  des  Stroms  kombinieren  und 
durch  Vorherrschen  der  einen  Komponente  das  Bild  variieren 
können.  Bei  der  Starkstromverletzung  zeigt  sich  aber  anderer- 
seits soviel  Typisches  und  GesetzmĂ€ĂŸiges,  daß  es  beim  elek- 
trischen Traum  »  wie  bei  kaum  einem  anderen  möglich  wird,  die 
Unfallsituation  zu  rekonstruieren.  Das  wichtigste  Allgemein- 
symptom ist  der  „elektrische  Schock",  d.  i.  der  meist  mit  dem 
Durchtritt  des  Stroms  einsetzende  Bewußtseinsverlust.  Er  ist 
dem  Bild  der  Commotio  cerebri  analog,  besonders  auch  durch 
die  beiden  gemeinsame  retrograde  Amnesie  und  die  folgenden 
psychotischen  ZustÀnde.  Zu  den  Lokalsymptomen  gehören 
a)  die  Strommarke,  die  elektrische  Verbrennung,  b)  das  elek 
trogene  Emphysem,  c)  die  Epidermolyse,  d)  das  elektrogene 
Oedcm,  e)  die  PrimÀrnekrose  ganzer  ExtremitÀtenabschnitte. 
Zu  den  Fernsymptomen  gehört  die  SchÀdigung  der  inneren  Or- 
gane; sie  sind  wohl  vorwiegend  als  Toxinwirkung  aufzufassen, 
sind  Produkte  des  starken  Eiweißzerfalls  im  Körper.  Von  den 
typischen  Komplikationen  im  Verlauf  der  Starkstromverletzung 
seien  folgende  hervorgehoben:  die  fortschreitende  Nekrose,  die 
Gefahr  der  Nachblutung,  der  Verlauf  mit  Infektion,  die  SchÀdel- 
verlttzung  mit  nachfolgender  eitriger  Meningitis.  Unter  den 
SpÀtbildern  verdienen  besondere  Beobachtung  die  Störungen  des 
Nervensystems.  Seit  Jellineks  pathologisch-anatomischen  Be- 
funden gelten  die  nervösen  Symptome  der  elektrischen  Ver- 
letzung nicht  mehr  als  rein  funktionell.  Auf  die  SpÀtschÀdi- 
gung der  Augen  z.  B.  Cataract,  sei  nur  hingewiesen. 

Die  GefÀhrdung  durch  elektrischen  Strom  hat  mit  zunehmen- 
der Kenntnis  und  Erfahrung  von  ihrer  RÀtselhaftigkeit  verlören. 
Wir  kennen  seine  Gesetze,  wenn  auch  noch  nicht  die  letzten  Ur- 
saenen  seiner  biologischen  Wirkungen,  haben  aber  damit  bereits 
die  Handhabe,  uns  vor  ihm  zu  schĂŒtzen.      K.  Held  (Berlin). 


104 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


Kl.  Jahrg.      Nr.  I. 


Acta  Chirurgien  Scandinavica,  Stockholm. 

21).  Dezember  1921,  54.  Nr.  :;. 

<$>Uebci  das  eerebellare  Uokaiisatdonspröblein.   Experimentelle  Untersuchungen 
Tr  o  e  1 1  ,  A.  und  Hesser.  U.  411. 
Fistulae  jejuno-colieac  pept.cae.     Hellst  rö  tu  ,   N.  2s?. 
Fahrbares   Bett.     0  r  <■  I  I  .   S.  302. 

I  ober  das  cerebellarc  Lokalisationsproblem.  Experimentelle 
Untersuchungen.  Die  Verlasser  prĂŒfen  in  der  Arbeil  Bolks 
interessante  Theorie  ĂŒber  die  cerebellare  Lokalisa lion  nach,  die 
dieser  auf  der  Basis  seiner  vergleichenden  Untersuchungen  ĂŒber 
die  .Morphologie  des  Kleinhirns  aufgestellt  hat. 

Die  durch  Operationen  an  vorwiegend  Katzen,  aber  auch 
Hunden  gewonnenen  Ergebnisse  sind:  fĂŒr  den  Lobulus  ausifor- 
mis  Grus  I  Lokalisation  der  Muskeln  der  gleichseitigen  vor- 
deren ExtremitĂ€t,  Grus  II  Gentra  fĂŒr  Synergien  der  gleichseitigen 
vorderen  wie  hinteren  ExtremitĂ€t.  FĂŒr  den  Lobulus  parame- 
dianus  funktionelle  Relation  zur  ExtremilÀtenmuskulatur.  be- 
sonders zu  bestimmten  Muskelgruppen  des  gleichseitigen  Vorder- 
beins, aber  auch  zu  bestimmten  Muskelgruppen  des  Halses  und 
Rum  pfes. 

LĂ€sionen  des  vorderen  Teiles  des  Lobulus  medianus  ergaben 
keine  Gentren  von  integrierender  Bedeutung  fĂŒr  die  Regulierun:; 
und  (Koordination  der  bilateralen'  synergischen  Bewegung  der 
ExtremitĂ€ten,  wohl   aber   Schwierigkeil   fĂŒr  das  Gleichgewicht. 

Die  Formatio  vermicularis  hat  funktionelle  Korrelation  zur 
Rumpfmuskulatur,  auch  wahrscheinlich  Einfluß  auf  Hals-. 
RĂŒcken-,  ExtremitĂ€ten-  und  Augenmuskulatur. 

Die  Verletzungen  des  Lobulus  simplex  ergaben  mehrdeutige 
Symptome,  die  wohl  nicht  ausschließlieh  auf  das  Gebiet  zu  be- 
ziehen waren. 

Die  Verletzungen  des  Lobulus  posterior  stellen  neben  den 
Störungen  in  der  grauen  Rinde  auch  Verletzungen  der  weißen 
Substanz  dar  und  egraben  somit  auch  Assoziationsstörungen. 

Der  Lobulus  anterior  ergab  durch  die  entstandenen  Symp- 
tome einen  direkten  Einfluß  auf  die  Rumpf-  und  ExtremitĂ€ten- 
muskulatur und  keinen  ausschließlichen  fĂŒr  die  Muskelgruppen 
des  Kopfes  und  der  Halsmuskeln. 

Die  Erfahrungen  widersprechen  also  in  vielen  und  wesent- 
lichen Punkten  der  Lehre  Bolks.  Ja,  fĂŒr  Katze  und  Hund  ist  sie 
prinzipiell  unrichtig.  Cordes  (Berlin). 

II  Polielinico,  Rom. 

5.  Dezember  1921,  28,  Nr.  Ii). 

‱JtArsentherapie;  liuhe  Dosierung  bei  Nerven-  und  Geisteskrankheiten.    B  i 
C  n  0  Ii  i  .  Gr.  1640. 

Hochdosige  Arsenkuren  bei  einigen  Nerven-  und  Geistes- 
krankheiten. Verfasser  verwandte  in  2  FĂ€llen  von  Tarkinson- 
scher  Erkrankung  und  in  einem  Fall  von  progressiver  Paralyse 
hohe  Arsengaben  von  Natrium  Caleodylicum,  die  in  beiden  ersten 
FĂ€llen  innerhalb  14  Tagen  von  25  Gentigramm  bis  2.00  bezw. 
3.00  g  stiegen  und  im  Falle  der  progressiven  Paralyse  im 
ganzen  22  g  betrugen.  WĂ€hrend  bei  der  progressiven  Paralyse 
keinerlei  Fortschritte  und  Besserung  erzielt  wurden,  zeigte  die 
Therapie  sich  gĂŒnstig  in  den  anderen  FĂ€llen,  in  Form  einer 
Besserung  des  Allgemeinbefindens.  Nephritiden,  Herabsetzung 
des  Blutdrucks  wurde  in  keinem  Falle  beobachtet.  Mit  der  Ver- 
wendung und  Empfehlung  der  Arsenkur  bei  Nervenkrankheiten 
bringt  der  Verfasser  mit  Ausnahmebeobachtungen  bei  hohen  Do- 
sen nichts  Neues.  Ger  des  (Berlin). 

12.  Dezember  1921,  28,  Nr.  50. 

(iastroenterostomie   mit  Ausschluß   des    I'ylorus   bei   Karzinom   des  Magen- 

darmkunals  nach  Parlavecchio.    C  a  m  i  n  i  t  i  -  V  i  n  c  i  ,  G.  1684. 
Chronische  Pankreatitis  nach  Magenulcus.      M  a  3  c  i  .  B.  1685. 
Muskeiatonie  der.  Kehlkopfs  ei  Malaria.    Pa  nsdni,  G.  1688. 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Neapel. 

1921,  19,  Nr.  S. 

❖  Klinischer    Wert    der    Üriippen.-igglutinntion    bei    der    Tvohusiiifektiou  der 

Kinder.    C  a  f  f  a  r  e  n  a  .  D.  449. 
‱J'Laktotherapic  beim  Typhus  und  Paratyphus.     ('  a  n  e  1  I  i  ,  A.  F.  to.'i. 

Ueber  den  klinischen  Wert  der  Gruppenagglutination  bei  dem 
Typhus  der  Kinder.  Verfasser  hat  Untersuchungen  ĂŒber  das 
Verhalten  der  Agglutination  auf  Paratyphus  A  und  B  bei  Kinder- 
typhus angestellt;  die  angewandte  SerumverdĂŒnnung  war  1  :  50; 
die  Agglutination  wurde  dem  Grade  nach  in  minimale,  mittlere 
usw.  geschieden:  nur  in  einzelnen  FĂ€llen  wurde  bis  1:250  aus 


geWertet;  die  Agglutination  wurde  slets  mikroskopisch  geprĂŒft. 
\'on  152  Kranken  zeigten  83  %  eile  Gruppenreaktion,  und  zwar 
42%  fĂŒr  A  und  B,  21%  lĂŒr  A  allein  und  18%  fĂŒr  B  allein.  Die 
Typhen  mit  doppelter  Gruppenagglutination  dauerten  im  Mittel 
oo  Tage,  die  mit  einlacher  S5  Tage,  die.  ohne  solche  22  Tage  je 
lÀnger  die  Dauer,  desto  stÀrk  er  war  die  Reaktion.  Stellt  man 
das  Stadium  incrementi  und  die  Akme  als  erste  Periode  dein 
Stadium  decrementi  als  zweite  gegenĂŒber,  so  ergibt  sich,  daß  bei 
den  Kranken  mit  Gruppenreaktion  die  zweite  wesentlich  ver- 
lĂ€ngert ist.  Es  zeigt  sich  ferner  daß  sich  unter  den  hochfiebern 
den  Kranken  in  ĂŒnerwiegendem  Prozentsatz  starke  Gruppen- 
agglutinationen linden  und  zwar  hauptsĂ€chlich' fĂŒr  B,  die  mit  nie- 
drigem Fieber  zeigen  umgekehrte  VerhÀltnisse.  Die  Typhen  mit 
Gruppenreaktion  zeigten  weit  öfter  Rekrudeszenzen  als  die  ohne 
solche,  die  profanierten,  aber  milden  Formen  mit  niedrigem  Fiebe. 
wiesen  meist  geringe  Gruppenreaktionen  auf,  die  öfters  erst  nach 
der  2.  Woche  auftritt.  Die  Reaktion  trat  meist  schon  geraume 
Zeit  vor  den  RĂŒckfĂ€llen  auf  und  zwar  wurde  in  7  %  ParatypĂŒus  !  >. 
in  29,1  %  Paratyphus  Ä  agglutinierl.  Von  6  FĂ€llen  mit  Darm- 
blutung zeigten  alle  Gruppenagglulination,  und  zwar  meisl  hoch- 
gradige; ebenso  die  letalen  FĂ€lle,  in  denen  die  Agglutination  fĂŒr  B 
vorherrschte,  die  mit  dem  Fortschreiten  des  Prozesses  intensiver 
wurde.  Kurz,  je  lÀnger  die  Krankheit  dauert,  desto  öfter  tritt  die 
Gruppenagglutination  auf  und  desto  stÀrker  wird  sie:  man  find< ! 
sie  viel  öfter  bei  schweren  als  bei  leichten  FÀllen. 

Ueber  die  Milehtherapie  bei  Typhus  und  Paratyphus.  Milch- 
injektionen  bei  Kindertyphus  und  -paratyphus  wurden  mit  gutem 
Erfolg  angewendet:  nach  der  Injektion  tritt  zuerst  Temperatur 
Steigerung  auf  40°  bis  41  °.  SchĂŒttelfrost  und  Kopfschmerz,  dann 
Temperaturabfall,  Polyurie,  oller-,  auch  Albuminurie  und  Besse- 
rung  des  Allgemeinzuslandes  auf.  Die  Leukopenie  wird  durch  eim 
neutrophile  Leukozytose  verdrÀngt;  auch  bei  Bronchopneumonien 
und  Darmblutungen  wirkt  die  Milehtherapie  gĂŒnstig  Wenn  nacii 
der  I.  Injektion  noch  kein  Erfolg  eingetreten  ist.  hat  ein  weiteres 
Fortsetzen  derselben  keinen  Zweck.  Tezner  (W'-ienY. 

La  Pediatria.  Neapel. 

1.  Dezember  1921,  29.  Nr.  23: 

■»»Cholesterin  in  der  ZerebrospinalKuvsigkert.     F  a  b  i  i  e  .  s.  hjoJ. 

♩Scliwankungeu  der   Hau tte m pe*a tur   bei    gesunden    und    kranken  Kindern. 
V  o  n  /.  o  ,  F.  1065. 

‱frOppenneitaselie  Krankheit   bei    einem    hereditĂ€r-luetischen  Neiigeboiencn. 

K  I  a  in  i  n  i  .  \I.  1081. 

Der  Cholesteringehalt  im  Liquor  cerebrospinalis.  Verf.  hat 
den  Cholesteringehalt  bei  25,  .">  Monate  bis  8  Jahre  alten  Kindern 
untersucht  und  gefunden,  daß  er  normalerweise  zwischen  Spuren 
und  0.01  u/00  schwankt,  bei  sekundÀrem  und  primÀrem  Ilydrocepha- 
lus  meist  ĂŒberhaupt  nicht  nachweisbar  ist  und  bei  Meningit.  tbc. 
meist  vermehrt  (bis  0,24%),  jedenfalls  nie  vermindert  ist. 

Schwankungen  der  Temperatur  der  Haut  bei  gesunden  und 
kranken  Kindern.  Es  wurden  insgesamt  22  Kinder  untersucht; 
es  ergab  sich,  daß  die  Hauttemperatur  ĂŒber  oberflĂ€chlichen  Ent- 
zĂŒndungsherden erhöht,  ĂŒber  tiefliegenden  nicht  verĂ€ndert  ist. 
daß  bei  normalen  Kindern  die  Temperatur  der  rechten  Körper- 
hÀlfte, gemessen  in  den  Supraclavicular-  und  Suprascapular 
gruben,  den  Axillen,  dem  Abdomen,  der  Leistengegend  und  den 
Kniekehlen,  bis  1 0  höher  ist  als  die  der  linken;  nur  selten  findet 
sich  das  umgekehrte  Verhalten;  die  Differenzen  sind  am  grĂ¶ĂŸten 
vormittag,  nehmen  nachmittag  mit  steigender  Körpertemperalu 
ab;  bei  Fiebernden  verschwinden  sie  völlig:  auch  ist  meist  die 
axillare  Temperatur  höher  als  die  inguinale.  Man  muß  daher 
Kranke,  deren  Temperatur  stÀndig  kontrolliert  wird,  stets  an  der- 
selben Körperstelle  und  auf  derselben  Seite  messen. 

Oppenheimseher  Symptomenkomplex  bei  einem  heredolueti- 
schen  Neugeborenen.  Krankengeschichte  eines  13  Tage  alten 
Kindes,  mit  positivem  Wassermann,  das  die  typischen  Symptome 
der  Myatonie  mit  Beteiligung  der  Atemmuskulatur  bot  und  nach 
10  Tagen  an  Pneumonie  starb.  Die  Sektion  ergab  Verringerung 
der  Zahl  und  GrĂ¶ĂŸe  der  Ganglienzellen  der  Vorderhörner.  der 
Hirnrinde  und  der  Purkinjeschen  Zellen  des  Kleinhirns.  Glia 
Wucherung  in  Klein-  und  Großhirn,  weniger  im  Mark;  das  Klein- 
hirn erschien  makroskopisch  kleiner  als  normal.  Diese  Befunde 
zeigen,  daß  die  Ansicht  von  de  Viller.  der  die  Myatonie  auf 
Entwicklungshemmung  der  Ganglienzellen,  die  Werdnig-Hoff- 
mannsche  Erkrankung  auf  ihre  entzĂŒndliche  VerĂ€nderung  zu- 
rĂŒckfĂŒhren wollte,  nicht  richtig  ist,  daß  vielmehr  bei  beiden  Ei 
krankungen  die  gleichen  anatomischen  VerÀnderungen  gefunden 
werden,  daß  eine  gewisse  pathogenetische  und  aetiologische  Ver- 
wandtschaft zwischen  ihnen  besteht,  und  daß  die  Verschiedenheit 
des  Verlaufs  nur  durch   den  verschiedenen   Zeitpunkt  des  Ein- 


10.  Jahrg.  —  Nr.  I 


Aus  den  neuesten  Z  e  i  t  s  c  h  r  i  f  t  e  u 


105 


ii'fUiis  der  SchÀdigungen  und  durch  Ihre  verschiedene  IntensitÀt 
beding!  ist.  auch  wurden  bei  beiden  Erkrankungen  die  gleichen 
MuskelverÀnderungen  beschrieben.  Die  LÀsionen  im  Kleinhirn 
könnten  fĂŒr  das  Zustandekommen  der  Atönie  von  Bedeutung  sein 
Die  VerĂ€nderungen  im  Großhirn,  die  auch  Concetti  schon  in 
einem  Fall  beobachtet  hat,  ferner  die  bisweilen  beobachtete 
[pteHigenzstörung,  Athetose,  leichten  Kontrakturen  lassen  es  als 
wahrscheinlich  erscheinen,  daß  auch  aetiologische  Beziehungen 
zum  Morbus  Little  bestehen;  es  wĂŒrde  sieh  bei  Myatonie,  Werd 
nig-Hofmann  und  Little  um  3  Symptomenkomplexe  handeln,  von 
denen  jeder  durch  Ganglienzellenatrophie  und  Gliawucherung 
hervorgerufen  und  durch  den  verschiedenen  Sitz  dieser  VerÀnde- 
rungen bestimmt  wird.  Die  Ursachen  können  innersekreto- 
rische sein,  Verwandtschaft  oder  hohes  Aller  der  Eltern,  toxische 
und  zwar  Alkoholismus.  Tuberkulose  der  Eltern,  Lues  wie  in 
diisem  Falle,  schließlich  Traumen  in  utero  oder  bei  der  Geburt, 
Asphyxie  hei  der  Geburt.  Die  Behauptung  des  Autors,  daß  diese 
hauptsÀchlich  bei  Morbus  Little  in  Betracht  kommenden  actio 
logischen  Faktoren  auch  fĂŒr  die  anderen  zwei  Erkrankungen  ver- 
antwortlich seien,  ist  wohl  nicht  genĂŒgend  gestĂŒtzt. 

T  e  z  n  e  r   Wien  r. 

La  Pediatria,  Neapel. 

15.  Dezember  1921,  29.  Nr.  21. 

Aettoiogie  und  Pathogenese  des  Scharlachs.    Di.  Oristi/a,  6.  1105, 
Die  Ausbreitung;  der  Leishmaniose  in  Messina  und  der  Pmgegenrt.    M  i  o, 
G.  1109. 

Archivio  di  Ortopedia,  Milano. 

1921,  37,  Nr.  1. 

Neue  Behandlung  des  kongenitalen  Pes  equiu-us-varus.  A  n  /.  u  I  ß  t  t  i  .  A.  a. 
Operationsmaske.    L>a  vermicocca,  A.  15. 

Mobilisation  des  Ellbogens    nach  Resektion    wegen    Tuberkulose.      S  c  .-i  ‱ 
1  o  n  e  .  J.  20. 

♩Verstellbare    horizontale   Leiter    fĂŒr    die  Wiederherstellung    des  Gehens, 
L  a  v  e  r  m  i  c  o  c  c  a  .  A.  81. 

❖  Apparat  zum  Schreiben  mit  dem  Mumie.     L  a  \  V  r  in  i  c  0  (‱  ('  a.  'ZT. 
Behandlung  der  spastischen  Paralyse.    Pieri;  G.  15. 

❖  Die  Tenodese.    V  a  c  e  hell  i.  55. 

Verstellbare  wagerechte  Leiter  zur  Vornahme  von  Geh- 
ĂŒbungen.  Eine  in  ihrer  Höhe  verstellbare,  wagerecht  auf  einem 
Brett  montierte  Leiter  wird  vom  Verfasser  beschrieben  und  ab 
gebildet.  Sie  dient  zu  Uebungen,  die  Patienten  mit  Gehstörungen 
aller  Art  an  ihr  vornehmen  mĂŒssen.  Sie  lĂ€ĂŸt  sich  mit  einem 
einfachen  Luifstuhl  kombinieren.  Der  Kranke  ist  gezwungen, 
jeden  Sehritt  abzumessen  und  die  Beine  ĂŒber  die  Sprossen  zu 
heben. 

Mundschreibapparat  fĂŒr  Armlose.  Mit  Hilfe  eines  Gebißab- 
gusses stellte  der  Verfasser  einen  SchreibapparĂ€l  fĂŒr  Armlose 
her.  Der  hufeisenförmige,  dem  Zahnkranz  angepaßte  Griff  trĂ€gt 
auf  seinem  rechten  Schenkel  einen  leicht  nach  iinks  gerichteten 
Federhalter.  Die  abgebildeten  Schriftproben  zeigen,  wie  hĂŒbsch 
sich  auf  diese  Weise  schreiben  lernen  lĂ€ĂŸt. 

Die  Tenodese.  Die  operative  Versteifung  schlotternder  Ge- 
lenke durch  Tenodese  wird  immer  noch  zu  wenig  gewĂŒrdigt. 
Die  vielen  Mißerfolge  sind  auf  indikatorische  oder  technische 
Fehler  zurĂŒckzufĂŒhren.  Auch  die  Art  der  Nachbehandlung  spielt 
eine  wichtige  Rolle.  Nach  des  Autors  und  seines  Lehrers  Patti 
Ansicht  ist  die  Tenodese  gerechtfertigt  in  allen  FĂ€llen,  in  denen 
man  einem  schlotternden  oder  durch  LĂ€hmungen  deformierten 
Fuße  Halt  geben  muß,  insofern  nicht  durch  MuskelĂŒberpflan- 
zungen bessere  Erfolge  zu  erzielen  wÀren.  Kurz  und  gut: 
Vacchelli  hĂ€lt  die  Tenodese  (Versteifung  durch  kĂŒnstliche  BĂ€n- 
der aus  Sehnen)  meistens  fĂŒr  einen  vollwertigen  Ersatz  der 
Arthrodese  (Versteifung  durch  Verödung  der  GelenkflÀchen). 
Allerdings  hat  auch  die  letztere  im  spÀten  Kindesalter  und  heim 
Erwachsenen  ihre  großen  VorzĂŒge.  Die  von  Codivilla  ange- 
gebene Technik  besteht  darin,  daß  nach  Beseitigung  der  Defor- 
mitĂ€t durch  Redression,  die  vorderen  und  Ă€ußeren  Sehnen  am 
Uebergang  in  die  MuskelbÀuche  abgeschnitten  und  unter  der 
nötigen  Spannung  im  Knochen  subperiostal  verankert  werden. 
Eine  3  monatige  Feststellung  im  Gipsverband  sicherte  die  Ver- 
wachsung der  Gewebe.  Die  lange  Dauer  der  postoperativen 
Versteifung  verursachte  durch  trophische  Beeinflussung  der 
Sehnen  manches  Rezidiv.  Patti  verÀnderte  aus  diesem  Grunde 
die  Codivillasche  Technik.  Er  durchbohrt  die  Tibia  von  einer 
Seite  zur  anderen  und  feilt  den  Tunnel  aus  ,so  daß  er  weit  ge- 
nug wird,  um  die  Sehnen  durchtreten  zu  lassen.  Das  durch- 
geschobene Ende  wird  auf  der  Gegenseite  herabgezogen  und  mit 


dem  aufsteigenden  vernĂ€ht,  so  daß  die  Sehne  in  Form  einei 

Schlinge  im  Knochen  befestigt  bleibt  Die  Gipsbchaiicllimg  dauert 
nur  II  Wochen.  Die  Erfolge  an  ĂŒber  100  Kranken  waren  sein 
ermutigend,  so  dal!  der  Verfasser  die  Operation  warm  empfiehl! 

I)  e  b  r  u  n  n  c  r    Berlin  . 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

30.  November  1021.  Nr.  96. 

❖  Die  syphilitische  Natur  der  pssenth  Hcn  Epilepsie.    |, ,.  ,. ,,  ,|  ,i  ,.  \.- 
'rumor  der  SpeicheldrĂŒse.    Ii  e  r  g  e  y,  J.,  und  Magrn.u.  3.  931. 

Die  syphilitische  Natur  der  genuinen  Epilepsie.  Verfasser 
grĂŒnde!  seine  Behauptungen  auf  die  Beobachtung  von  11  FĂ€llen 
von  Epilepsie,  von  denen  6  sieher  syphilitischer  Natur  waren. 
Er  rechnet  die  Epilepsie  zu  jenen  chronischen  Affektionen,  bei 
denen  die  Serunireaktion  in  der  Hegel  negativ  bleibt;  trotzdem 
nimmt  er  auf  Grund  anamnestischer  Erhebungen,  klinischer 
ĂŒntersuchungsmethoden  und  vor  allem  der  Resultate  einer  spe- 
zifischen Behandlung  eine  erworbene  und  noch  hÀufiger  eine 
hereditĂ€re  Lues  als  Ursache  an,  gibt  indessen  zu,  daß  die  An 
zahl  der  beobachteten  FĂ€lle  nicht  groß  genug  ist.  um  seine 
Theorie  genĂŒgend  zu  stĂŒtzen.  ||  a  Der 

:i.  Dezember  J921-  Nr.  97. 

Seroreaktion  der  Syphilis,    Vernes  A.  957. 

Autiaivaphy taktischer  und  kolloidoklasischer  Schock.    Li!  ra  i  e  r  e.  A. 
❖Osteochondritis  de.-  Rippe  i.ach  Typhus.    D  o  Ii  r  o  v  o  |'Vk  »  i  ‱''    V  961. 

Jodtherapie  bei  kostaler  Osteochondritis  infolge  von  Typhus. 
Langdauernde  Osteochondritiden  der  Rippen  infolge  von  Typhus 
mit  Abszeß-  und  Fistelbildungen,  die  infolge  großer  Ausdehnung 
hÀufig  nicht  chirurgisch  angreifbar  sind,  lassen  sich  durch  .Tod- 
behandlung außerordentlich  gĂŒnstig,  meist  bis  zur  völligen  Aus- 
heilung beeinflussen.  Angewendet  wurde  eine  Mischung  von 
10  Prozent  Jodtinktur  und  10  Prozent  liquider  Jodvaseline,  die 
jedesmal  vor  der  Anwendung  frisch  im  VerhÀltnis  von  1  : 10  zu- 
bereitet wird.  Man  injiziert  einmal  wöchentlich  intraglutaeal 
anfangs  3  cem  und  steigt  nach  und  nach  bis  10  ccm.  Unter- 
stĂŒtzen kann  man  die  Therapie  noch  durch  Jodpinselungen  der 
großen  KörperoberflĂ€chen,  Arm,  Bein,  halber  RĂŒcken  oder  Brust 
alle  3—4  Tage.  Der  sich  hĂ€ufig  zeigende  Zusammenhang  mit 
Tuberkulose,  seltener  mit  Syphilis,  erfordert  natĂŒrlich  spezifische 
Behandlung,  wie  auch  die  chirurgische  Behandlung  geeigneter 
FĂ€lle  nicht  außer  acht  gelassen  werden  darf.  Haber. 

7.  Dezember  1921,  Nr.  9,8. 

❖innere  Kinderklinik  als  medicu-soziale  Schule     X  0  Ii  e  e  o  n  i  t.  969. 
Syrinsomyelie  und  Spina  bifida,    Klippel.  Ii'.;  und  Fe  i  1.  A.  971. 

Medieo-soziale  Kinderklinik.  Um  den  verschiedenen  akuten 
und  chronischen  SchÀdigungen  des  Kindesalters  dauernd  abzu- 
helfen, schlÀgt  Verfasser  eine  Neuorientierung  der  Kinderklinik 
vor,  wie  sie  der  Amerikaner  Richard  Cabot  in  seinen  Essays 
ĂŒber  soziale  Medizin  1919  dargelegt  hat  und  wie  sie  in  Deutsch- 
land schon  lĂ€ngere  Zeit  eingefĂŒhrt  ist,  nĂ€mlich  eine  Verbindung 
von  klinischer  und  sozialer  FĂŒrsorge,  da  es  sich  zur  GenĂŒge  ge- 
zeigt hat,  daß  jede  medizinische  Beratung  wirkungslos  bleibt, 
wenn  die  sozialen  VerhÀltnisse,  Wohnung,  Umgebung,  Ver- 
mögenslage usw.,  deren  DurchfĂŒhrung  unmöglich  machen.  Er 
schlÀgt  eine  Poliklinik  mit  drei  Konsultationsgruppen  vor: 
1.  Diagnostik,  2.  Behandlung,  :>.  Unterbringung.  Die  letzte 
Gruppe  umfaßt  jede  Art  von  JugendfĂŒrsorge,  wie  sie  bei  uns 
durch  die  Mutter-  und  SĂ€uglingsfĂŒrsorge,  die  LungenfĂŒrsorge, 
den  Psychopathenverein  und  die  deutsche  Zentrale  fĂŒr  Jugend- 
fĂŒrsorge schon  lange  besteht  und  sich  bestens  bewĂ€hrt. 

Habe  r. 

Paris  Medical,  Paris. 

Kl.  Dezember  1021.  11.  Nr.  ;>(». 

❖  ri/.cralioncu  mit  eyaiiotischcn  RĂ€ndern.    Gougerot,    4r> 7 . 
❖Nitrit-Krisen.    G  i  r  b  a  I.  464. 

[.«ungenggingrÀn.  Arsentherapie,  Seröthewtpie.    P  e  r  r  i  n.  166. 

Uleerationen  mit  cyanotisclu  n  und  purpurfarbenen  RĂ€ndern 
erfordern  oft  eine  sorgfÀltige,  langdauernde,  schwierige  Behand- 
lung, namentlich  auch  prophylaktisch  nach  der  Vernarbung,  und 
fĂŒhren  leicht  zu  der  irrtĂŒmlichen  Diagnose  Tuberkulose  oder 
Lues.  Hierher  gehört  das  eyanotische  und  nekrotische  Ekthyma 
Beginn  meist  mit  kleinen  Blasen,  traumatisch  durch  Schuhdruck 
oder  aus  einer  banalen  Pyodermatitis.  die  sich  nach  einem  Fu- 


106 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.,4. 


runkel  hier  entwickelt,  bald  von  vornherein  nach  Abkratzen  der 
Blasen  nekrotisch.  Meist  an  den  unteren  Gliedmaßen  mit  oder 
ohne  Oedem  und  Sklerose,  aber  auch  an  den  oberen,  selbst  auf 
Bauch  und  Thorax.  Im  Gegensatz  zu  den  diphtheritischen  und 
gangrĂ€nösen  GeschwĂŒren  reproduzieren  sich  die  eliminierten 
nekrotischen  TrĂŒmmer  nicht.  Langsame  Entwicklung,  hĂ€ufige 
Rezidive.  Die  Nekrose  ist  sekundÀr,  beherrscht  das  bild  nicht, 
und  Folgen  des  Bodens,  nicht  der  Infektion  (Staphylo-,  Strepto- 
kokken). 

Dann  beobachtet  man  bei  Leuten  ĂŒber  40  Jahren,  die  an 
Varizen  oder  varikösem  Ekzem  gelitten,  GeschwĂŒrbildungen  in- 
folge einer  nekrotisierenden  Capiliaritis  obliterans  oft  nach  einem 
leicnten  Trauma.  Hier  ist  die  brĂŒchigkeit  der  Kapillaren  die  Ur- 
sache, wie  man  ja  bei  Gichtikern,  Diabetikern,  Hepatikern  und 
Neuroarthritikern  finden  kann,  oft  auch  als  Folge  Ă€ußerer  In- 
toxikationen (Alkohol,  ĂŒbermĂ€ĂŸiger  Fleischgenuß,  Blei).  Sehr 
hÀufige  Rezidive,  mit  dem  Alter  zunehmend.  Behandlung:  Des- 
infektion (1,5  Prozent  Permanganat),  Entfernung  der  nekrotischen 
TrĂŒmmer,  ev.  mit  dem  Löffel,  Anregung  der  Narbenbildung.  Be- 
seitigung der  lokalen,  vaskulösen  Störungen  durch  Herzlagerung.  ■ 
Radiotherapie.  Innerlich  Hamamelis.  Behandlung  des  Allgemein- 
leidens (Diabetes  usw.).  Dann  Prophylaxe  der  Narben  nach 
Heilung,  Hautwaschungen,  Pudern,  Vermeiden  von  KĂ€lte  und 
Ă€ußeren  SchĂ€digungen. 

Nitritoide  Krisen  und  anaphylaktische  AnfÀlle.  An  der  Hand 
eines  Falles  fĂŒhrt  G  i  r  b  a  1  aus,  daß  die  Erscheinungen  der  nitri- 
toiden  Krisen  nach  Salvarsaninjektionen  zu  trennen  sind  von 
anaphylaktischen  Erscheinungen,  daß  sie  gleichzustellen  sind  den 
VerÀnderungen  im  Serum,  die  durch  Seruminjektionen  hervor- 
gerufen werden.  v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

17.  Dezember  1921,  11,  Nr.  51. 

Endokrine  Störungen.    Mussio-Fournier.  477. 
Skoliose.    J  o  1  a  n  d.  481. 
Tetanie  bei  Typhus.     D  e  1  a  t  e  r.  484. 

The  Lancet,  London. 

17.  Dezember  1921,  201,  Nr.  5129. 

Atmungserscheinungen  bei  Nervenkrankheiten.    Stewart,  J.  P.  1261. 

Welche  Forderungen  sind  an  Nase.  Ohren  und  Kehle  des  Fliegers  zu  stellen. 
Banken,  D.  1263. 

❖Intestinalinfektioneo  bei  chronischer  Arthritis.    M  u  t  c  h  ,  N.  1266. 

❖Chronische  Mittelohreiterung.    Wells,  A.  G.  1268. 

❖Die  normale  Grenze  der  Agglutination  des  B.  Dysenteriae  Flexner.  Gatd- 
net,  A.  D.  1269. 

Behandlung  von  Kniegelenkinfektionen  mittel  Einschnitt.  Drainage  und  Be- 
wegung.   W  e  a  t  h  e  r  b  e  ,  P.  1271. 
Pyocele  des  Sinus  frontalis.    G  u  b  b  .  J.  A.  1272. 
Ein  Fall  von  Syringomyelie.    Sibbald  Eobertson.  VVr.  1272. 
Paraurethrale  Gonorrhoe.    Chambcrlain.  T.  1273. 

TödĂŒcher  Fall  von  SpĂ€tvergiftung  mit  Neosalvarsan.    Shepherd,  D.  1273. 

Intestinalinfektion  bei  chronischer  Arthritis.  Verfasser  be- 
hauptet, daß  in  vielen  FĂ€llen  von  chronischen  Arthritiden  die  In- 
fektion vom  Darme  ausgeht.  Namentlich  Streptokokken,  aber 
auch  Staphylokokken  spielen  eine  Rolle.  Stuhlverstopfung  wird 
sehr  oft  gefunden,  wÀhrend  sehr  oft  Ptosis  der  Eingeweide  be- 
steht. Die  Fermentwirkungen  sind  nicht  selten  .ungenĂŒgend  und 
die  DÀrme  enthalten  viel  Gas.  Kurzdauernde  DurchfÀlle  können 
mit  Verstopfung  abwechseln.  Auch  andere  Komplikationen  (Ma- 
gengeschwĂŒre, Gallensteine)  können  bestehen.  Man  muß  auch 
bedenken,  daß  es  eine  lavierte  Stuhlverstopfung  gibt,  bei  der  der 
Kranke  jeden  Tag  Stuhl  hat,  aber  dennoch  die  MotilitÀt  des  Dar- 
mes ungenĂŒgend  ist.  Bei  solchen  FĂ€llen  von  Gelenkaffektionen 
behandelt  man  am  besten  zuerst  die  Darmerscheinungen.  Vak- 
zinebehandlung kann  nĂŒtzlich  sein,  und  auch  die  Verwendung  von 
SchilddrĂŒsenextrakt  wird  empfohlen. 

Chronische  Mittelohreiterung.  Die  Behandlung'  dieser  Er- 
krankung ist  Ă€ußerst  undankbar.  Verfasser  berichtet  schöne  Er- 
folge mit  Ionisation.  Ins  Ohr  wird  ein  wenig  von  folgender 
Lösung  gegossen:  Zinc.  sulf.  5  Proz.,  Glyzerin  5  Proz.  cm3. 
Wasser  bis  1  Liter.  Dann  wird  ein  positiver  Pol  ins  Ohr  ge- 
bracht und  der  negative  auf  Arm  oder  Bein  des  Kranken  gesetzt. 
Wenn  diese  Behandlung  nicht  hilft,  ist  das  eine  Indikation  zur 
Mastoidoperation. 

Normale  Grenze  der  Agglutination  des  B.  dysentcriae  Flexner. 
FĂŒr  jeden  neuen  Stamm,  mit  dem  man  arbeiten  will,  muß  zuerst 
die  Agglutinationsgrenze  in  normalen  Seren  bestimmt  werden. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag).  - 


The  American  Journal  of  the  Medical  Sciences,  New  York- 

Philadelphia. 

November  1921,  162,  Nr.  :>. 

Wege  der  Infektion  des  Nervensystems.    Kennedy.  F.  625. 

Die  Wirkung  antisyphilitischer  Behandlung  auf  schwere  AnÀmien.    F  o  u  - 
car,  H.  633. 
❖LeiukĂ€inie  im  Kindesalter.    Baß.  M.  H.  647. 
❖Perikarditis.    MacLachlan.  W.  W.  C.  654. 

Balanlidum  coli  und  pemieiöse  AnÀmie.    L  o  g  a  n  ,  A.  H.  668. 

Zur  Eröffnung  der  Gallenwege.    Luckett,  W.  H.  und  L  u  t  z  .  J.  R.  674. 

Akute  Pankreasnekrose.    Douglas,  J.  687. 

Immunkörper  bei   louÀrer  Pneumonie.     Steiufield.   E.   und  Dar  m- 

s  t  a  d  t  e  r  ,  H.  696. 
Stoffwechsel  bei  Hautkrankheiten.    Levin,  0.  L.  und  Kahn.  M.  698. 
Akute  Appendizitis,  experimentell  hervorgerufen.    Behau,  R.  J.  7051 
❖Ein  AuskultatiousphĂ€nomen  bei  akuten  Abdomiualerkrankungen.  A  s  c  h  u  e  r, 
P.  W.  712. 

❖Enzephalitis  lethargica  und  Poliomyelitis.    NeustĂ€dter,  M..  Larkin. 
J.  H.  und  Banzhaf,  E.  J.  715. 
Mcralgia  paresthetica.    Goldstein,  H.  I.  720. 
Chronische  Nierentuberkulose.    Beer,  E.  736. 

LeukÀmie  mit  Störungen  des  Nervensystems  bei  Kindern. 

Verfasser  berichtet  ĂŒber  6  FĂ€lle  mit  hervortretenden  Nerven- 
symptomen. 4  FĂ€lle  boten  das  Bild  der  zerebralen  Blutung;  einer 
wurde  klinisch  mit  Meningitis  cerebrospinalis  verwechselt;  einer 
mit  zerebralen  Symptomen  wies  makroskopisch  Herde  mit  leu- 
kÀmischer Infiltration  auf. 

Perikarditis.  10  Prozent  des  Autopsiematerials  hatten  Peri- 
karditis (5  Proz.  akute,  4  Proz.  chron.,  1  Proz.  tuberkulöse); 
Aetiologie  fĂŒr  akute  und  chronische  Formen  der  Erreger  des 
Rheumatismus  (d.  h.  der  Arthritis  infectiosa  acuta,  Ref.).  Bei 
lobÀrer  Pneumonie  fand  sich  in  7  Prozent  akute  Perikarditis, 
meist  kurz  vor  dem  Tode. 

In  54  TuberkulosefÀllen  keinerlei  Perikarditis.  Tuberkulose 
ist  fast  stets  vorhanden,  wenn  die  Zeichen  akuter  Perikarditis  un- 
gewöhnlich lange  bestehen  bleiben,  das  Herz  dabei  betrÀchtlich 
vergrĂ¶ĂŸert  ist  und  der  klinische  Verlauf  abwĂ€rts  geht.  Das 
wertvollste  Zeichen  fĂŒr  die  Diagnose  ist  das  ReibegerĂ€usch.  Chro- 
nische Perikarditis  kann  nur  in  einem  geringen  Prozentsatz  kli- 
nisch diagnostiziert  werden,  es  gibt  keine  sicheren  Symptome. 
Wertvoll  ist  die  Kenntnis  einer  vorhergegangenen  akuten  fibri- 
nösen Perikarditis  fĂŒr  die  Möglichkeit  der  allgemeinen  Peri- 
carditis  adhaesiva. 

Ein  auskultatorisches  Symptom  bei  akuten  abdominalen  Er- 
krankungen. Verf.  fand  bei  akuten  abdominalen  Erkrankungen 
—  es  wurden  hauptsĂ€chlich  Appendicitiden  untersucht  — ,  die 
bei  der  Operation  eitriges  oder  eitrigseröses  Exsudat  aufwiesen, 
in  18  oder  20  FĂ€llen  bei  Untersuchung  des  Leibes  mit  dem 
Stethoskop  ĂŒber  3  oder  allen  4  Quadranten  ein  inspiratorisches 
GerÀusch  und  hörbare  Herztöne  vom  Charakter  der  fötalen  Herz- 
töne. In  12  negativen  FÀllen  fehlte  das  Zeichen.  Bei  8  der  po- 
sitiven FĂ€lle  ließen  die  sonstigen  ĂŒblichen  Untersuchungsmetho- 
den und  Symptome  eine  Peritonitis  nicht  vermuten.  Bei  2  FĂ€llen 
mit  starker  BlÀhung  der  DÀrme  fand  sich  trotz  positivem  aus- 
kultatorischem Befund  keine  Peritonitis  bei  der  Operation. 

Beitrag  zum  Studium  der  Beziehungen  zwischen  Enzephalitis 
lethargica  und  Poliomyelitis.  Verff.  konnten  im  Experiment 
5  Affen  durch  Rekonvaleszentenserum  von  4  sicheren  und  einem 
zweifelhaften  Enzephalitisfall  gegen  Poliomyelitisinfektion  völlig 
schĂŒtzen.  Ferner  bestĂ€tigten  Verff.  die  Versuche  anderer  Auto- 
ren ĂŒber  Neutralisation  des  Poliomyelitisvirus  durch  mensch- 
liches Poliorcryelitis-Rekonvaleszentenserum. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

Endocrinology,  Los  Angeles. 

September  1921,  5,  Nr.  5. 

❖Die  Bedeutung  der  inneren  Sekretion  bei  den  Störungen  des  Stoffwechsels  5 

und  der  Verdauung.    Biedl.  A.  523. 
❖Endocrine  Probleme  in  der  Beckenchirurgie  mit  besonderer   BcrĂŒcbsichti-  V 
gung  des  Menstruationsausf alles.    Eosser,  C.  537. 
Die  neuen  Anschauungen  ĂŒber  die  Morphologie  der  Thymus  und  ihre  Be- 
ziehung zu  dem  Problem  der  Thymusfunktion.    H  a  m  m  a  r  ,  J.  A.    543.  « 
Eine    klinische   Studie    ĂŒber   ungewöhnliche    Störungen   der   iukretorischen  I 
DrĂŒsen.    Osborne.  O.  T.  574. 
❖Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von  Hypophysentumor.    N  e  f  f .  M.  L.  377. 
❖Das  Herz  bei  dem  experimentellen  Hyperthyreoidismus  mit  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung seiner  Histologie.    Hashimoto.   H.  579. 
VerÀnderungen   des   Blutdruckes   in  einem  Falle   von  Hypervagotonie,  die 
durch   die   intravenöse   Injektion   von  Adrenalin   hervorgerufen  wurde. 
Izqulerdo,  J.  J.  607. 

Die  Bedeutung  der  inneren  Sekretion  bei  den  Störungen  de* 
Stoffwechsels  und  der  Verdauung.    Die  Wirkungen  der  DrĂŒsen 


10.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


107 


mit  innerer  Sekretion  auf  den  Gesamtstoffwechsel  können  an 
Folgenden  Ă€ußeren  Faktoren  verfolgl  werden:  dein  Körpergewicht, 
der  KörperlÀnge  als  Ausdruck  des  Wachstums  der  Röhren- 
knochen, der  Brustweite  als  Maßstab  fĂŒr  die  Entwickelung  des 
EtumpfskelettS,  Maße  und  Spannung  der  Muskulatur,  die  Be- 
schaffenheit der  Fettdepots  und  der  Haut  mil  ihren  AnhÀngseln, 

Ilaaren  und  NĂ€geln.     Aus    den   Abweichungen    dieser  Faktoren 

vom  großen  Durchschnitt  kann  man  RĂŒckschlĂŒsse  auf  die  Funk- 
lion  der  einzelnen  endokrinen  DrĂŒsen  ziehen  und  damit  eine  Er- 
klĂ€rung fĂŒr  den  Begriff  der  Konstitution  geben  als  Ausdruck  der 
endokrinen  Formel,  die  nichts  unabÀnderlich  Gegebenes  ist,  son- 
dern nach  dieser  Auffassung  durch  entsprechende  Organotherapie 
verÀndert  werden  kann.  An  verschiedenen  Beispielen  von  Adipo- 
silas,  die  teils  auf  Funktionsausfall  der  SchilddrĂŒse,  teils  der 
Hypophyse  oder  der  Testes  zurĂŒckzufĂŒhren  waren,  wird  diese 
Beeinflussung  des  gesamten  Stoffwechsels  dargelegt. 

Endokrine  Probleme  in  der  Beckenchirurgie  mit  besonderer 
BerĂŒcksichtigung  des  Menstruationsausfalles.  Beschreibung  von 
drei  FÀllen  mit  Menstruationsstörungen:  1.  verbunden  mit  Myx- 
ödem und  Fettsucht;  Verschwinden  der  Symptome  mit  glpicbz^i- 
tiger  Gewichtsabnahme  um  58  Pfund  in  10  Tagen  nach  Schild- 
drĂŒsenextrakt. 2.  MĂ€nnlich  aussehende  Person  mit  dunkler  Haut 
und  starkem  Haarwuchs,  abnorm  kurzen,  plumpen  Gliedern, 
periodischen  Unterleibsbeschwerden  ohne  Menstruation.  Nach 
operativer  Entfernung  einer  mittelgroßen  Ovarialzvsle  und  Ver- 
abreichung von  HypophysenprĂ€paraten  mit  SchilddrĂŒsen-  und 
Ovarialextrakten  nach  zwei  Monaten  wieder  Einsetzen  regel- 
mĂ€ĂŸiger Menses.  3.  UnregelmĂ€ĂŸige  Menstruation  mit  Schmerzen 
blutigem  Erbrechen  und  Blutungen  aus  dem  linken  Ohr.  die  nach 
operativer  Behandlung  einer  angeblichen  Appendizitis  und  Re- 
troversio  uteri  nicht  schwanden.  Injektion  von  Lutein  ver- 
stĂ€rkten die  Symptome,  so  daß  die  Diagnose  auf  Hyperfunktion 
der  Ovarien  gestellt  wurde.  Ovariotomie:  ein  Ovar  verkleinert 
mit  kleinen  corpus  luteumzvsten,  diffusen  HĂ€morrhaeien.  Nach 
der  Operation  noch  drei  Mal  menses  mit  den  frĂŒheren  Symptomen, 
dann  plötzliches  Verschwinden  aller  Erscheinungen. 

Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von  Hypophysentumor.  Seit  drei 
Monaten  nicht  gut  lokalisierte  Kopfschmerzen,  MuskelschwÀche, 
BrechanfÀlle,  Schwindel,  Abnahme  der  SehschÀrfe,  Obstipationen, 
leichtes  Frösteln,  Tremor  der  rechten  Hand,  Gesichtszucken.  Im 
Röntgenbilde  VergrĂ¶ĂŸerung  der  sella  turcica.  —  Augenbefund 
ergab  HĂ€morrhagica  im  Opticus  und  weiße  streifige  Exsudate: 
unregelmĂ€ĂŸiges  Gesichtsfeld  mit  EinschrĂ€nkung  fĂŒr  farbige 
Bilder.  Geruchsvermögen  vermindert.  Diagnose:  Hypophysen- 
tumor. 

Das  Herz  beim  experimentellen  Hyperthyreoidismus  mit  be- 
sonderer BcrĂŒcksichtiĂŒung  seiner  Histologie.  Orale  Verab- 
reichung toxischer  SchilddrĂŒsendosen  fĂŒhrte  zu  einer  Myode- 
generatio  cordis,  die  sich  im  histologischen  Bilde  durch  Zerfall 
von  Muskelfasern  und  Ansammlung  großer  „histiozvtĂ€rer" 
Zellen  Ă€ußerte,  in  Ă€hnlichen  Bildern,  wie  sie  nach  FĂ€llen  von 
Rheumatismus  beschrieben  worden  sind,  und  wie  sie  auch  bei 
Kropfherzen  gefunden  wurden.  A.  Weil  (Berlin). 

American  Journal  of  Ophthalmology,  Chicago. 

Dezember  1921.  4,  Nr.  12. 

Phlegmone    der    Konjunktiva    nach    Operation    ÂŁPte<rygium!).  Kteble, 
Fredr.  A.  881. 

Schußwunden  des  Gehirns  mit  Gesichtsfelddefekten.  Bell  ovvs,  G.  E.  884. 
Periphere  Iriidektomie  (Curran)  in  der  Glaukombebandlung.    Gif  ÂŁ  or  d  ,  H. 
889. 

❖Der  gegenwĂ€rtige  Stand  de*  Keratoplastik.  G  radle,  Bf.  8.  895. 

Heile  und  unre'fe  senile  Katarakte.     Smith.  Henry.  900. 
❖  AdcrhautentzĂŒndung  mit  dichten  GlaskörpertrĂŒbungen.    B  u  c  k  ,  Robert  H. 
908. 

Die  spezifische  PrÀcipitin-Reaktion  der  Linse'.    II  e  k  t  o  e  p  .   I.udw.  909. 
8taroperat;onen  im  Alter.    H  i  g  g  i  u  s  ,  Samuel  Gr.  911. 
*<‱  \  ugenkomplkationeu  bei  den  Krankheiten  der  Kinder.    Peabody,  II.  C. 
914. 

Der  gegenwÀrtige  Stand  der  Keratoplastik.  Die  hauptsÀch- 
lich geĂŒbten  Verfahren  werden  besprochen  und  in  vier  Gruppen 
eingeteilt:  Die  Àltere  Methode  v.  Hippels:  Trepanation  eines 
Teiles  aus  der  ganzen  Dicke  der  Cornea  und  Ersatz  des  De- 
tektes  durch  klare  Tier-HornhÀut.  Ferner  die  spÀtere  Methode 
v.  Hippels:  Trepanation  der  Hornhaut  in  ganzer  Dicke  und 
entsprechender  Ersatz  nebst  der  verbessernden  ErgÀnzung  durch 
Elsen  n  ig.  Drillens  die  partielle  Keratoplastik  nach  Löh- 
lein    (1909-)      Vieriens    die   Operation    nach    Wiener  (deren 


Einzelheiten  hier  nicht  wiedergegeben  werden  sollen).  Von 
Kraupa  ist  dann  noch  (1914)  der  Vorschlag  gemacht,  bei  ge- 
eigneten FĂ€llen  ein  besonders  großes  StĂŒck  der  Hornhaut  par- 
tiell zu  trepanieren,  dann  diese  Scheibe  in  situ  um  ihre  Achse 
zu  drehen,  so  daß  damit  das  TrĂŒbungsstĂŒck  aus  der  zen- 
tralen Lage  infolge  der  Drehung  ah  eine  mehr  periphere  Stelle 
kommt  und  andererseits  klare  Hornhaut  ins  Sehlochgcbict.  Dieser 
bisher  theoretische  Vorschlag  ist  von  G  r  n  d  1  e  in  die  Praxis 
umgesetzt.  Es  handelte  sich  um  eine  .r>0 jÀhrige  Patientin  mit 
positivem  Wassermann,  die  beiderseits  eine  oberflÀchlich  er- 
seheinende sehstprende  zentrale  HornhauttrĂŒbung  aufwies,  die 
eine  derartige  Operation  geeignet  und  gerechtfertigt  erscheinen 
ließ.  Es  erfolgte  Anheilung  und  eine  nachweisbare  Schver- 
besserung.  Das  Besultat  wÀre  wohl  noch  besser  geworden, 
wenn  tiefer  trepaniert  worden  wÀre.  Die  ganze  Methode  er- 
scheint Gr  adle  aber  jedenfalls  als  gelegentlich  brauchbar  und 
noch  bessere  Ergebnisse  versprechend.  Im  Berich  t  stalle  ging 
im  ĂŒbrigen  das  Sehvermögen  spĂ€ter  durch  Sehnervenschwund 
aus  anderer  Ursache  verloren  (Lues).  Der  Fall  kann  aber 
immerhin  als  Probefall  gelten. 

* 

ÄderhautentzĂŒndung  mit  dichten  GlaskörpertrĂŒbungen.  Teil- 
weise Wiederherstellung.  Es  handelte  sich  um  Erkrankung  eines 
23  jĂ€hrigen  Mannes,  der  frĂŒher  gesund  zum  Heeresdienst  heran- 
gezogen wurde  und  im  Lager  im  MĂ€rz  1918  an  Mumps,  komp- 
liziert durch  HodenentzĂŒndung  erkrankte.  Drei  Monate  spĂ€ter 
entzĂŒndete  sich  das  rechte  Auge.  Dichte  GlaskörpertrĂŒbungen, 
traten  auf.  Das  Sehvermögen  ging  bis  auf  Wahrnehmung  von 
Handbewegungen  verloren.  Im  Februar  1919  trat  der  gleiche 
Zustand  am  linken  Auge  auf.  Außer  dem  vorausgegangenen 
Mumps  war  keine  Entstehungsursache  anderer  Art  zu  ermitteln. 
Behandlung  erfolgte  mit  aller  möglichen  Sorefalt  und  den  ĂŒb- 
lichen aufsaugenden  Methoden.  Aber  erst  im  Januar  1920  stellte 
sich  etwas  Sehen  wieder  ein,  das  schließlich  beiderseits  auf 
acht  Zehntel,  der  Norm  stieg  und  den  Pat.  wieder  berufsfÀhig 
machte.  Der  Fall  ist  unter  die  metastatischen  nicht 
eitr-ig.eh  Uveitiden  zu  rechnen  und  zeigt,  daß  die  Prognose 
bei  genĂŒgender  Ausdauer  nicht  immer  ungĂŒnstig  ist.  Erhebliche 
Glaskörper  flocken  blieben  im  ĂŒbrigen  zurĂŒck. 

Augenkomplikationen     bei     infektiösen  Kinderkrankheiten. 

Scharlach,  Masern,  Diphtherie,  Mumps  werden  besprochen, 
außerdem  ĂŒber  einen  Fall  von  doppelseitiger  Erblin- 
dung im  Verlauf  von  Keuchhusten  berichtet,  der  aber 
in  seiner  tieferen  Ursache  ungeklÀrt  blieb.  Es  kam  Broncho- 
pneumonie hinzu,  kurz  darauf  Lidschwellung  und  Vortreibung 
der  AugĂ€pfel.  Weite,  lichtstarre  Pupillen.  Augapfel  nach  außen 
und  oben  gerollt.  Blindheit.  Reizsymptome  von  seiten  der 
Meningen  waren  nicht  nachweisbar.  Nach  einer  Woche  war  die 
Beweglichkeit  des  linken  Auges  wieder  normal.  Es  erfolgte 
Wiederkehr  der  Pupillenreaktion  links  und  geringen  Sehens.  Am 
Augenhintergrund  eine  kleine  Blutung  oberhalb  der  Sehnerven- 
scheibe. Das  rechte  Auge  blieb  blind,  zeigte  keine  Fundusyer- 
Ànderungen.  Drei  Monate  spÀter  war  bei  fortbestehender  Blind- 
heil rechten  Auges  Abblassung  der  rechten  Sehnervenscheibe 
festzustellen.  Das  Auge  stand  noch  nach  außen  und  oben  gerollt 
Am  linken  Auge  war  die  Netzhautblutung  aufgesaugt.  Ge- 
ringes Sehvermögen.  Ohr,  Nase,  Hals,  Kopf  ließen  objektiv 
keine  Abweichungen  von  der  Regel  erkennen 

Junius  (Bonn). 


The  Urologie  and  Cutaneous  Review,  St.  Louis. 

20.  Dezember  1921,  25,  Nr.  12. 

Vogelmilbe-HautentzĂŒndung.    (Dermanyssus  Galinae).    N  o  x  i  n  T  o  o  m  e  y. 

Die  unbewußte  Macht  alter  Symbolik.    S  t  o  n  e  ,  Alexander. 
❖  Indikation  und  Technik  des  retrograden  Kathcterismus.     Bonn,  Rudolph. 

l're'tirocoele  oder  Cyste  des  unteren  Ureterendes  —  Sammelbcricht  mit  Berieht 
Uber  einen   speziellen  Fall.    Michel,  Leo  L. 

Wichtige  Punkte  der  Syphilisdiagnose.    Walters  tone,  Charles. 

II,  ‹öhrena.usftiuß,  hervorgerufen  durch  Symbiose  von  Spirillen  und  Vibrio- 
nen.   L  a  t  a  n  c  C  r  i  s  c  o  1 1. 

Verschluß  des  Vas  deferens  nebst  einer  Metbode  zur.  Behandlung  des  Samens. 
W  c  i  d  c  ,  King. 

Indikation  und  Technik  des  retrograden  Katheterismus.  Sind 
bei  einer  Harnröhrenzerreißung  die  Rißstellen  sehr  gezerrt,  oder 
erscheinen  sie  infiziert,  so  daß  bei  einer  Naht  eine  prima  intentio 
n ich I  verwendet  werden  kann,  so  empfiehlt  es  sich  einen  Dauer- 
katheter  einzulegen,  indem  man  von  der  Wunde  aus  das  eine 
Ende  des  Nclaton-Kalhclers  nach  hinten  in  die  Blase,  das  andere 


108 


Kinderheilkunde 


40.  Jahrg.  —  Nr.  L 


nach  vorn  zum  meat.  eit.  schiebt.  Dieser  Katheter  muß  6 — 7 
Wochen  liegen  bleiben,  falls  man  bei  grĂ¶ĂŸeren  Defekten  eine 
gute  Vereinigung  der  StĂŒmpfe  erreichen  will.  Kann  man  von 
der  Wunde  aus  das  zur  Blase  fĂŒhrende  Ende  der  Urethra  nicht 
entrieren  oder  vermutet  man  gleichzeitig  SchÀdigung  der  Blase, 
so  empfiehlt  sich  die  sectio  suprapubica  mit  nachfolgendem 
retrograden  Katheterismus.  Der  weiche  Katheter  wird  dabei 
nach  Eröffnung  der  Blase  in  das  stets  leicht  zu  findende  orificium 
int  der  Urethra  eingefĂŒhrt  und  nach  vorne  geschoben,  bis  er 
zunĂ€chst  in  der  Wunde  sichtbar  wird,  dann  wiid  er  weitergefĂŒhrt, 
bis  er  aus  dem  meat.  ext.  herausragt.  Stets  wird  vorher  der 
Katheter  mit  2  Augen  versehen,  damit  er  sich  nicht  so  leicht 
verstopft.  Außerdem  wird  durch  ihn  ein  starker,  gut  50  cm 
langer  Seidenfaden  gezogen  und  an  ihm  befestigt.  Die  Enden 
dieses  Fadens  schauen  oben  durch  die  suprapubische  W'unde, 
unten  zum  meat.  ext.  des  Penis  heraus  und  werden  hier  ver- 
knotet. Mit  Hilfe  dieses  Fadens  kann  man  den  Katheter  ohne 
jede  Schwierigkeit  in  die  Blase  hineinziehen,  falls  er  unabsicht- 
lich herausgeglitten  ist  oder  falls  man  ihn,  um  Blasenkatarrhe 
zu  vermeiden,  auswechseln  will.  Dies  ist  sonst  nur  sehr  schwer 
ausfĂŒhrbar  und  mit  der  Gefahr  verknĂŒpft,  daß  sich  der  neu  ein- 
zufĂŒhrende Katheter  in  der  Wunde  verfĂ€ngt  und  diese  dabei 
schÀdigt.  Bab  (Berlin). 


Aus  den  verschiedenen  Sondergebieten 

Kinderheilkunde. 

M.  von  Pfaundler:  Ueber  die  Indizes  der  KörperfĂŒlle 
und  ĂŒber  „UnlerernĂ€hrun  g".  (Nach  einem  am  20.  MĂ€rz 
1921  in  der  MĂŒnchner  Gesellschaft  fĂŒr  Kinderheilkunde  ge- 
haltenen Vortrag.)  Zeitschr.  f.  Kinderheilk.  Bd.  29,  S.  217—244. 
1921. 

In  eingehender  Weise  werden  die  stereometrischen  Körper- 
indizes, die  zur  Beurteilung  der  Eignung  zur  QuÀkerspeisung  her- 
angezogen werden,  auf  ihre  Brauchbarkeit  untersucht.  P.  kommt 
dabei  zu  dem  Resultat,  daß  die  mathematisch  einwandfreien 
Indizes,  spez.  der  Rohrer 'sehe  wegen  Außerachtlassen  zeit- 
licher Entwicklungsvarianten  und  Pronortionsstörungen  zur  Aus- 
wahl des  Materials  keine  sichere  Handhabe  bieten.  AbÀnderungen 
der  bis  jetzt  gebrÀuchlichen  Zahlen,  z.  B.  im  Sinne  einer  Ein- 
schrĂ€nkung des  ĂŒberwiegenden  Einflusses  der  LĂ€nge  durch  die 

P  P 

Verminderung  des  Exponenten  (  ~  2y2  statt  —  3)  ergeben  ebenso 

JLi  I  i 

wenig  eine  vollkommen  befriedigende  Lösung  wie  der  herange- 
zogene Vergleich  des  Istgewichtes  mit  dem  LĂ€ngensollgewicht. 

In  einem  Abschnitt  ĂŒber  die  Beziehungen  zwischen  Körner- 
fĂŒlle,  ErnĂ€hrungszustand  und  Nahrungszufuhr  werden  die  „unter- 
vollen" Kinder  in  klar  umschriebene  Tynrn  eingeteilt.  Bei  cin°r 
großen  Zahl  scheidet  das  mangelhafte  Nahrungsangebot  als  Ur- 
sache der  UnterfĂŒlle  aus.  Das  schwierige  Problem  scheint  Verf. 
durch  eine  Art  funktioneller  PrĂŒfung,  die  Feststellung  der 
Reaktion  auf  die  Speisung  u.  U.  gelöst  werden  zu  können. 

Schall  (TĂŒbingen). 

A.  Huth:  ErnĂ€hrungszustand  und  Körpermaße. 
(MĂŒnchen,  pĂ€dagogisch-psvehologisches  Institut.)  Zeitschr.  f. 
Kinderheilk.,  Bd.  30,  S.  39--13.  1921. 

II.  weist  auf  die  Unbrauchbarkeit  der  verschiedenen  Indices 
und  Körpermaße  als  Ausdruck  des  ErnĂ€hrungszustandes  hin.  Der 
von  ihm  angegebene  Gewichtsquotient,  d.  h.  das  VerhÀltnis  des 
wirklichen  Gewichts  zu  dem  der  KörperlÀnge  entsprechenden 
Normalgewicht,  teilt  die  MĂ€ngel  der  ĂŒbrigen,  wenn  er  auch  mit 
dem  klinischen  Untersuchungsbefund  etwas  mehr  ĂŒbereinzu- 
stimmen scheint.  Mit  Hilfe  der  Korrelationsrechnung  werden 
die  verschiedenen  Indices  mit  der  klinischen  Untersuchung  ver- 
glichen. Das  Resultat  ist  ein  vernichtendes.  Der  klinisch  an 
erster  Stelle  bedĂŒrftig  bezeichnete  SchĂŒler  rangiert  z.  B.  nach 
der  Indicesberechnung  an  letzter  Stelle.  Ob  sich  ein  idealer  Er- 
nÀhrungsindex noch  finden  wird,  erscheint  sehr  fraglich,  zurzeit 
ist  auf  jeden  Fall  die  Beurteilung  nach  den  ĂŒblichen  Körper- 
maßen als  irrefĂŒhrend  abzulehnen. 

Schall  (TĂŒbingen\ 

K.  Kassowitz:  Zur  Frage  der  Beeinflussung  der 
KörperlĂ€nge  und  KörperfĂŒlle  durch  die  Er- 
nÀhrung. (Wien,  Univ. -Kinderklinik.1)  Zeitschr.  f.  Kinder- 
heilkunde. Bd.  30,  S.  275—280.  1921. 


Daß  auch  die  ErnĂ€hrung  und  nicht  allein  die  „EigentĂŒmlich 
keit  dei  Erbmasse"  (Friedenthal)  die  KörperlĂ€nge  und  -fĂŒlle  be 
einllußt,  konnte  an  in  einem  Heim  aufgenommenen  Proletarier 
kindern  nachgewiesen  werden.  Sie  wurden  quantitativ  unter  Be 
rĂŒcksichtigung  des  gesteigerten  LĂ€ngenwachstums  genĂŒgend  er 
nÀhrt  und  haben,  trotzdem  die  Nahrung  qualitativ  sehr  viel  zu 
wĂŒnschen  ĂŒbrig  ließ,  die  Camererschen  Zahlen  des  LĂ€ngenwachs 
tums  und  Gewichts  ĂŒberschritten.  Schall  (TĂŒbingen) 

O.  Huber:  Ein  nunmehr  8  Jahre  altes  mit  einem 
Geburtsgewicht  von  790  g  frĂŒhgeborenes  MĂ€d- 
chen. (Wien,  Lniv.-Kinderklinik.)  Zeitschr.  f.  Kinderheilk. 
Bd.  30,  S.  281—290.  1921. 

Eine  FrĂŒhgeburt  von  790  g  Geburtsgewicht  konnte  im  8.  Le- 
bensjahre wieder  untersucht  werden.  Lie  Entwicklung  war  ver- 
langsamt. Außer  einer  Untergewichtigkeit  ist  das  Kind  jedoch 
normal.  Nach  dem  Pirquetschen  System  berechnet  v.  ar  der  Nah- 
rungsbedarf pro  Kilogramm  bedeutend  höher,  ‱  als  beim  recht 
zeitig  geborenen  Kinde.  Die  EinfĂŒhrung  der  nötigen  Nahrungs- 
menge stellt  an  die  Pflege  große  AnsprĂŒche.  Im  ĂŒbrigen  scheint 
das  Kind  eine  besonders  gut  ausgebildete  Widerstandskraft  gegen 
Infektionen  zu  haben.  Schall  (TĂŒbingen;. 

H.  MĂŒller:    Zur    Frage   der    Melaena  neonatorum. 

(DĂŒsseldorf,  Institut  f.  Pathol.  u.  pathol.  Anatomie  d.  Akad. 

f.  prakt.  Med.)  Zeitschr.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  30,  S.  234—262.  1921. 
Die  Melaena  gehört  noch  zu  den  wenigen  Krankheitsbildern, 
bei  denen  ein  Symptom  und  nicht  die  Krankheitsursache  namen- 
gebend war.  \\  ie  verwirrend  diese  VernachlÀssigung  der  ur- 
sÀchlichen Faktoren  wirkt,  wird  an  Hand  einer  Zusammen- 
stellung von  dem,  was  die  einzelnen  Autoren  unter  Melaena  ver- 
stehen, nachgewiesen.  Die  vielen  Theorien,  die  in  der  Mclacna- 
frage  aufgestellt  wurden,  geben  sich  meist  nur  damit  ab,  wie  die 
Blutung  hÀtte  erfolgen  können,  ohne  in  dem  einzelnen  Fall  nacli 
zuweisen,  wie  sie  wirklich  erfolgt  ist.  Meistens  kommt  man 
allerdings  mit  einem  ursÀchlichen  Moment  bei  der  ErklÀrung 
des  einzelnen  Melaenafalles  nicht  aus. 

Es  werden  5  selbstbeobachtete  FĂ€lle  mitgeteilt.  Beim  ersten 
fand  sich  ein  GeschwĂŒr  im  Oesophagus  oberhalb  der  Cardia.  Das 
in  dasselbe  mit  offenem  Lumen  einmĂŒndende  grĂ¶ĂŸere  GefĂ€ĂŸ 
wurde  mikroskopisch  nachgewiesen.  Eine  mechanische  Ent- 
stehungsursache (PrÀdilektionsstelle  am  Zwerchf  lldurchtrit t) 
wird  angenommen.  Beim  zweiten  Fall  ist  das  Mittelohr  der  Sitz 
der  Blutungsquelle.  Eine  Blutung  in  HirnhÀute  und  Seiten- 
ventrikel mit  Stauung  des  venösen  Abflusses,  sowie  die  Eigen- 
tĂŒmlichkeit der  kindlichen  Tube  kommen  als  unterstĂŒtzende  Mo- 
mente hinzu.  In  den  3  anderen  FĂ€llen  handelt  es  sich  um  Blu- 
tungen aus  der  Nasenschleimhaut,  deren  Bedeutung  als  Ursache 
der  Melaena  ganz  besonders  betont  wird.  Auch  hier  finden  sich 
verschiedene  ursĂ€chliche  Momente,  teils  lokal  entzĂŒndliche,  teils 
lokale  oder  allgemeine  Stauung.  Dazu  ist  die  besondere  Blu- 
tungsbereitschaft der  FrĂŒhgeburten  —  in  2  FĂ€llen  handelt  es  sich 
um  solche  —  in  Betracht  zu  ziehen. 

Die  Unsumme  der  Möglichkeiten,  die  zu  dem  Krankheitsbilde 
fĂŒhren  können,  machen  es  notwendig,  den  Ausdruck  Melaena 
nicht  anders  als  in  der  Bedeutung  eines  Krankhcitssvmptoms  zu 
gebrauchen.  Schall  (TĂŒbingen). 

E.  Nobel  und  R.  Wagner:  Trocken  milch  in  der  Kinder 
ernÀhrung.  (Wien,  Univ.  -  Kinderklinik.)  Zeitschr.  f. 
Kinderheilk.,  Bd.  30,  S.  291—301.  1921. 

Die  Verf.  untersuchen  die  Brauchbarkeit  von  Trockenmilch 
auslÀndischer  Herkunft  zur  SÀuglingsernÀhrung.  Sie  kommt  le 
diglich  in  Betracht,  wenn  einwandfreie  Frischmilch  nicht  zur 
VerfĂŒgung  steht.  Eine  Bedeutung  als  Ileilnahrung  kommt  ihr 
nicht  zu.  Die  antiskorbutische  Wertigkeit  kann,  wie  an  7  Bar 
lowfÀllen  gezeigt  werden  konnte,  trotz  der  Trocknung  erhalten 
hleibcn.  Auf  die  Vorteile  ihrer  Verwendung  zu  konzentrierter 
ErnÀhrung  wird  in  dieser  Arbeit  nicht  eingegangen. 

Schall  (TĂŒbingen). 

M.   Pfaundler  und  L.  v.   Seht:    Ueber    Syntropie  von 
Krankheitsz-u  stĂ€nden.    (MĂŒnchen,  Univ.-Kinderklinik.N 
Zeitschr.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  30,  S.  100—120.  1921. 
Unter    Syntropie   von    KrankheitszustÀnden    verstehen  die 
Verf.  die  entweder  gleichzeitige  oder  sukzessive  Kombination 
zweier  Krankheiten.    FĂŒr  diese  klinisch  lĂ€ngst  gelĂ€ufigen  Tat- 
sachen wird  eine  objektive  Maßzahl  als  Ausdruck  gesucht.  Als 
solche  dient  der  „  syntropische  Index",  der  nach  einer  einfachen 
Formel  sich  berechnen  lĂ€ĂŸt.   Die  Untersuchungen  haben  dadurch 
Wert,  daß  sie  an  einem  großen  Material  von  beinah  30000  FĂ€llen 


4U.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


I  n  f  e  k  I  i  o  n  s  k  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n 


10.» 


angestellt  wurden,  wobei  die  Beobachtung  des  Einzelfalles  sich 
ĂŒber  Jahre  erstreckte.  (J  oliklinisches  Material.)  Die  Berechnung 
stimmte  mit  den  aus  der  klinischen  Erfahrung  zu  erwartenden 
Resultaten  gut  ĂŒberein. 

Durch  hohen  syntropischen  Index  wird  jedoch  nicht  immer 
ein  innerer  Zusammenhang  zum  Ausdruck  gebracht,  oft  handelt 
es  sich  um  eine  Scheinsyntropie,  bedingt  durch  eine  Altersdispo- 
sition. Auch  die  indirekten  Syntropien,  die  ĂŒber  ein  Zwischen- 
glied miteinander  in  Zusammenhang  stehen  (z.  B.  Angina  und 
Vitium  cordis  ĂŒber  Gelenkrheumatismus)  sind  zu  berĂŒcksichtigen. 
Die  MehrzÀh]  der  Falle  stellt  jedoch  eine  echte  Syntrophie  dar, 
bei  der  eine  Subordination  —  der  eine  Zustand  eine  Folge  des 
anderen  oder  durch  einen  Zustand  Schaffen  einer  Disposition  fin- 
den andern  —  und  eine  Koordination  —  Reaktionen  in  verschie- 
denen Organen  auf  den  gleichen  Infekt  usw.  —  unterschieden 
wird. 

Den  Syntropien  werden  Dystropien  gegenĂŒbergestellt,  das 
sind  KrankheitszustÀnde,  die  seltener  als  es  der  Wahrschein- 
lichkeitsrechnung entspricht  miteinander  gekuppelt  sind.  Auch 
hier  sind  Scheindystropien  zu  berĂŒcksichtigen. 

Die  Berechnungen  ergeben  nicht  nur  rein  quantitative  Be- 
ziehungen, sondern  gewÀhren  auch  qualitativ  neue  Einsicht.  So 
werden  fĂŒr  bestimmte  Altersstufen  klare  Gruppen  systematisch 
zusammengefaßt,  auch  fĂŒr  mehr  als  zweigliedrige  Gruppen 
werden  Syntropien  berechnet.  .     Schall  (TĂŒbingen). 

M.  Victor:  Ueber  plötzliche  TodesfÀlle  im  SÀug- 
lingsalter als  Folge  von  akuter  Nebenniere  n- 
Insuffizienz.  (Charlotlenburg,  Kaiserin  Augusta- Viktoria- 
Haus.)  Zeitschr.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  30,  S.  44—54.  1921. 
Verfasser  berichtet  2  FĂ€lle,  in  denen  es  einmal  infolge  von 
alten  durch  das  Geburtsirauma  bedingten  Blutungen,  das  andere 
Mal  durch  eine  akute  toxisch  infektiöse  Blutung  in  die  Neben- 
nieren zu  deren  Insuffizienz  und  zu  plötzlichem  Tod  kommt.  Ob- 
wohl bei  dem  Kind  der  Adrenalinbedarf  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  gering 
ist,  kam  es  im  ersten  Falle  durch  den  mit  zunehmendem  Alter 
wachsenden  Bedarf,  im  zweiten  durch  die  plötzliche,  vollstÀndige 
Ausschaltung  zu  Ausfallserscheinungen.  Der  zweite  Fall  ging 
mit  purpuraartigen  Hautblutungen  einher,  ob  durch  infektiöse 
EinflĂŒsse  hervorgerufen  oder  als  Folge  der  HypadrenalinĂ€mie 
aufzufassen,  wird  nicht  entschieden.  Auffallend  ist  ein  gleich- 
zeitiger Blutreichtum  des  Gehirns.  In  beiden  FĂ€llen  findet  sich 
eine  große  Thymus.  Auf  die  Beziehungen  zwischen  Status 
thymo-lymphalicus  und  Hypoplasie  des  chromaffinen  Systems 
wurde  schon  öfters  hingewiesen.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß 
mancher  „Thymustod'"  bei  nĂ€herer  Untersuchung  als  ein  durch 
akute.  Nebennisrenir.suffizienz  bedingter  Tod  sich  erklÀren 
wĂŒrde.  Schall  (TĂŒbingen). 

Pinel,  Xavier:  La  maladie  pylorique  du  nourrisson. 
Paris-Lyon  1921.    A.  Maloine. 

Die  Arbeit  des  Verfassers  stĂŒtzt  sich  auf  sieben  eigene  Beob- 
achtungen von  „Pyloruskrankheit",  wie  er  statt  Pylorusstenose 
oder  Pylorospasmus  zu  sagen  vorschlĂ€gt,  um  dem  Urteil  ĂŒber 
das  Wesen  der  Krankheit  nicht  vorzugreifen.  Das  Hauptverdienst 
liegt  in  der  sorgfÀlligen  und  klaren  Verarbeitung  einer  ausge- 
dehnten Literatur,  die  etwa  150  Arbeiten  berĂŒcksichtigt.  Be- 
merkenswert ist,  daß  Fred  et,  der  zuerst  die  nach  ihm  benannte 
Pyloroplastik  angewendet  hat,  diesen  Eingriff  nur  fĂŒr  die  gut- 
artigeren Formen  des  Leidens  empfiehlt;  bei  sehr  großem  Tumor 
der  Pylorusgcgend  hĂ€lt  er  den  Eingriff  fĂŒr  bedenklich,  weil  er 
zum  Einreißen  der  Schleimhaut  fĂŒhren  könnte.  In  einem  nach 
dem  Fredet  Rammstedtschen  Verfahren  operierten  Fall  des  Ver- 
fassers erlag  das  Kind  einer  Blutung  aus  der  Pyloruswunde,  die 
sich  nach  dem  Eingriff  eingestellt  hatte  und  unbemerkt  geblieben 
war.  H.  Vogt. 

M.  R.  Jones:   Der  Kalziumgehalt  des  Blutplasmas 
und  der  Blutkörperchen  beim  Neugeborenen. 
Journal  of  Biolog.  Chemistry,  49,  H.  i,  187. 
Untersuchungen  an  Kindern  im  Alter   von    4  Stunden  bis 
12  Tagen.    Im  Gcsamfblut  fanden  sich  im  Durchschnitt  8.8  mg  Ca 
pro  103  cm»;  in  den  Blutkörperchen  5  mg;  im  Plasma  12,3  mg. 

Loeb  (Berlin). 

Blund,  Nelson,  Oleson:  Der  Stoffwechsel  bei  Kindern 
mit  unternormalem  Körpergewicht.  Journal  of 
Biolog.  Chem.,  49,  H.  1,  247. 

SĂ€uglinge  mit  unternormalem  Gewicht  haben  einen  hohen 
Stoffwechsel,  unterernÀhrle  Erwachsene  einen  niedrigen.  In  der 
vorliegenden  Arbeit  sind  die  VerhÀltnisse  bei  jenen  Kindern  nnter- 
&ucht  worden,  die  gewöhnlich  als  unterernÀhrt  betrachtet  werden: 


diejenigen  Kinder,  die  bis  auf  ihr  ausgesprochenes  Untergewicht 
scheinbar  normal  sind.  Die  Untersuchungen  .wirden  an  25  Kindern 
im  Aller  von  8  -12  Jahren  ausgefĂŒhrt.  L.s  ergab  sich  hierbei, 
daß  der  Stoffwechsel  bei  Kindern  mit  untei normalem  Gewicht  im 
VerhÀltnis  zu  normalen  Kindern  erhöht  ist.  Der  extremste  I 
ein  MĂ€dchen  von  9  Jahren  7  Monaten,  deren  Gewicht  nur  13% 
unter  der.  Norm  war  (21,7  kg),  die  aber  sehr  zart  und  psychisch 
labil  war,  produzierte  1188  Kalorien  pro  die;  wogegen  das  nor- 
male Kind  vom  selben  Körpergewicht  nur  860  Kalorien  produziert. 
Im  Durchschnitt  ergaben  sich  Kalorienzahlen,  die  14—22  %  höher 
waren,  als  die  von  Benedict  und  Talbot  bei  normalen  Kin- 
dern vom  selben  Gewicht  gefundenen. 

L.  Farmer  Loeb  (Berlin;. 

H.  Beumer:  Ueber  den  Verl  auf  intravenöser 
Zuckerinjektionen  bei  SĂ€uglingen.  (Univ. -Kinder- 
klinik Königsberg.)  Zeitschr.  f.  Kinderheilk.  Bd.  29,  S.  352  bis 
367.  1921. 

Durch  die  als  „Osmotherapie"  bezeichnete  entwĂ€ssernde  Wir- 
kung hypertonischer  Zuckeilösung^n  hat  die  Anwendung  der 
intravenösen  Zuckerinlusion  eine  erhebliche  Erweiterung  er- 
fahren. In  der  vorliegenden  Arbeit  wurden  Dextroselösungen  in 
Konzentrationen  bis  zu  70  Prozent  und  bis  zu  2,8  g  pro  Kilo 
Körpergewicht  bei  gesunden  und  ernÀhrungsgestörten  SÀuglingen 
in  Anwendung  gebracht.  Irgendwelche  schÀdlichen,  z.  B.  py- 
rogene  Wirkungen  wurden  nicht  beobachtet. 

Die  Kontrolle  des  Blutzuckers  (Untersuchungsmethode  Mc 
Leans)  ergibt  bei  kleineren  Zuckermeng^n  (bis  zu  i,2  g  pro  Kilo 
Körpergewicht)  schon  nach  12  Minuten  eine  RĂŒckkehr  zur  Norm, 
bei  gröberen  (ĂŒber  2  g)  erst  nach  40  Minuten.  Bei  einer  schwe- 
ren alimentÀren  Toxikose  mit  Sklerem  und  einer  asphyktischen 
FrĂŒhgeburt  wurde  eine  Verzögerung  festgestellt.  Die  Glykosurie, 
bei  der  Unmöglichkeit  allzu  hÀufigen  Katheterisierens  beim  SÀug- 
ling in  ihren  zeitlichen  VerhĂ€ltnissen  schwer  zu  ĂŒbersehen,  ist 
abhÀngig  vom  Konzentrationsgrad  und  dem  Injektionstempo  der 
Zuckerlösung.  Sie  ist  beim  SÀugling  stÀrker  ausgesprochen  als 
beim  Erwachsenen.  Die  auftretende  HydrÀmie,  an  der  HÀmo- 
globinkurve verfolgt,  wird  ihrem  Umfang  nach  durch  den  Reich- 
tum an  Gewebsmaße  bestimmt.  Das  therapeutisch  Wesentliche 
bei  hydropischen  ZustÀnden  ist  nicht  die  temporÀre  Gleich- 
gewichtsstörung, sondern  die  folgende  Nachwirkung.  Im  ĂŒbrigen 
wurdj  bei  Bronchopneumonien  mit  Stauungserscheinungen,  bei 
nÀssenden  Ekzemen  usw.  nur  geringe  (eventl.  durch  Herzmuskel- 
krÀftigung bewirkte),  bezw.  gar  keine  Erfolge  erzielt.  Dagegen 
erscheinen  elende  Athrophiker  und  alimentÀre  Toxikosen  gut  an- 
zusprechen. Zusatz  retardierender  und  gefĂ€ĂŸdichtender  Mittel 
ergaben  keinen  Erfolg,  ebenso  bietet  die  Anwendung  von  LĂ€vu- 
lose,  die  im  stĂ€rkeren  Maße  als  die  Dextrose  wieder  ausgeschie- 
den wird,  keine  Vorteile.  Ein  Coma  diabeticum,  dessen  B.  Z.- 
Kurve einon  besonderen  Verlauf  nahm,  wurde  durch  LĂ€vulose- 
infusion  nicht  beeinflußt.  Schall  (TĂŒbingen). 


Infektionskrankheiten. 

P.  Kutter:  Masernschutz  durch  Rekonvaleszenten- 
se r  u  m.  (Berlin,  Kaiser  und  Kaiserin  Friedrich-Kinder- 
krankenhaus.)   Zeitschr.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  30,  S.  90—99.  1921. 

Von  145  nach  Degkwitz  behandelten  FĂ€llen  weisen  107  einen 
vollen  Erfolg  auf.  Speziell  gelang  es,  in  Heimen  und  auf  Sta- 
tionen ausgebrochene  Masern  vollkommen  zu  unterdrĂŒcken. 
Scheinbare  Mißerfolge  traten  auf,  wenn  die  Bestimmung  des  Zeit- 
punktes der  Ansteckung  schwierig  war.  So  erkrankten  Kinder 
schon  3 — 6  Tage  nach  der  Einspritzung,  dieselbe  wurde  also  an 
einem  zu  spĂ€ten  Termin  ausgefĂŒhrt. 

Ein  abgeschwÀchter  Verlauf  wurde  in  einem  Fall  beobachtet, 
der  mit  Serum  vom  6.  Rekonvaleszententage  geimpft  wurde. 

Dieser  Fall  war  ungeschwÀcht  kontagiös.  In  zwei  FÀllen 
war  ein  Schutz  durch  Serum  nicht  erkrankter,  sondern  nur  vor- 
behandelter Kinder  möglich.  Im  ganzen  wurden  nur  4  wirk- 
liche Versager  beobachtet.  Die  Rehandlung  mit  Erwachsenen- 
serum war  nur  teilweise  von  Erfolg  begleitet.  Die  Degkwitzschen 
Ergebnisse  können  voll  bestÀtigt  werden. 

Schall  (TĂŒbingen). 

O.  Jacob) :  Beitrag  zur  Frage  des  Àtiologischen  Zu- 
sammenhanges zwischen  Varizellen  und  ein- 
zelnen FĂ€llen  von  Herpes  zoster.  (Univers.  Kinder- 
klinik Greifswald.)  Zeitschr.  f.  Kinderheilk.  Bd.  29,  S.  368  bis 
372.  1921. 


m 


Tu  b  e  r  k  u  1  o  s  e 


40.  Jalirg.  —  Nr.  4. 


Ein  am  Ende  einer  Varizellenendemie  beobachteter  Fall  von 
Herpes  zoster  wird  benutzt,  um  den  von  v.  Bokay  zwischen 
diesen  beiden  Erkrankungen  konstruierten  Zusammenhang  zu 
stĂŒtzen.  Irgend  ein  zwingender  Beweis  eines  solchen  Zusammen- 
hanges besteht  in  diesem  Falle  nicht.  In  den  sich  anknĂŒpfenden 
Theorien  wird  unter  anderem  die  Ansicht  ausgesprochen,  der 
Herpes  zoster  könnte  ein  Aequivalent  der  Varizellen  fĂŒr  das 
höhere  Lebensalter  darstellen.  Schall  (TĂŒbingen). 

Vargas  Martinez:   HautverÀnderungen   als  Folgezu- 
stand und  Anzeichen  fĂŒr  Typhus  abd.    La  Medi- 
cina  de  los  Nifios,  22,  Nr.  262,  Oktober  1921. 
An  der  Hand  einer   einschlÀgigen   Krankheitsgeschichte  be- 
schreibt   Verf.   HautverĂ€nderungen,    welche   fĂŒr  ĂŒberstandenen 
Typhus  abd.  charakteristisch  sein  sollen.    Dieselben  bestehen  in 
schmutzig  verfĂ€rbten,  unregelmĂ€ĂŸig  kreisförmigen,  unscharf  be- 
grenzten Plaques,  welche  ĂŒber  die  Haut  des  Abdomen,  der  Wangem 
des  Thorax,  des  Kopfes,  der  Hand-  und  Fußteller  verbreitet  sind. 
Ihre.  Bildung  wird  auf  partielle  Desquamation  zurĂŒckgefĂŒhrt,  wo- 
bei durch  die  Sekrete  der  TalgdrĂŒsen  die  unvollkommen  abge- 
stoßenen Epithelien  miteinander  verkleben.    Als  Ursache  dieses 
Prozesses  werden  neurotrophische  Störungen  betrachtet. 

Mona  Adolf  (Wien). 

F.  Hofstadt:   lieber  SpÀt-   und  Dauer  SchÀden  nach 
Encephalitis  epidemica  im   Kindesalter.  (Der 
Encephalitis  epidemica  IL  Teil.     Aus  der  Univ.-Kinderklinik. 
MĂŒnchen.)    Zeitschr.  f.  Kinderheilk.   Bd.  29,  S.  272—305.  1921. 
'  Den  2.  Teil  seiner  Arbeit  ĂŒber  Encephalitis  epidemica  widmet 
H.  den  SpÀt-  und  DauerschÀden.    Das  Auftreten  derselben  ist  so 
konstant,  daß  beim  Fehlen  die  Diagnose  Enceph.  epid.  zweifelhaft 
wird.   Die  mannigfaltigen  Symptome  werden  in  5  Gruppen  einge- 
-teiltr  die  auch  zusammen  oder  nacheinander  vorkommen  können. 

Die  wichtigste  ist  die  Schlafstörung,  die  post  encep  h  ali- 
tisch e  A  g  r  y  p  n  ie  (Pfaundler)  die  in  fast  allen  beob- 
achteten FÀllen  auftrat.  Sie  stellt  sich  dar  als  eine  Verzögerung 
des  Einschlafens,  verbunden  mit  schwerer  motorischer  Unruhe 
und  Verminderung  der  24  stĂŒndigen  Gesamtschlafdauer.  Es  wird 
der  Zustand  mit  der  Aufhebung  eines  im  Schlafzentrum  (Thala- 
mus, s.  I.Teil)  liegenden  Hemmungsmechanismus  (T  r  ö  m  m  e  r) 
zu  erklÀren  versucht.  Der  zweithÀufigste  Befund  ist  der 
amyostatische  Symptomenkomplex  (StrĂŒmpell), 
eine  eigenartige  Steifigkeit  der  gesamten  Muskulatur,  die  allerlei 
typische  Symptome  bedingt  und  von  ataktischen  oder  spastischen 
Symptomkomplexen  durchaus  verschieden  ist.  Anscheinend  ist 
ein  extra-pyramidales  motorisches  System  erkrankt,  das  nach 
Wilson  seinen  Sitz  im  Linsenkern  hat.  Jedoch  zeigen  einzelne 
FĂ€lle  auch  Pyramidensymptome.  Eine  3.  als  chronische 
Chorea  oder  Chorea-Athetose  bezeichnete  Form  scheint  seltener. 
Tn  einer  4.  Gruppe  werden  psychische  Störungen  zusam- 
mengefaßt, von  leichten  WesensverĂ€nderungen  bis  zu  schweren 
hypomanischen  ZustÀnden,  von  geringer  Demenz  bis  zu  ausge- 
sprochener Verblödung. 

Die  5.  Gruppe,  2  FĂ€lle,  die  einen  adiposogenitalen 
Komplex  aufweisen,  werden  vom  Verf.  selbst  nur  mit  Beserve 
als  zu  den  SpĂ€tschĂ€den  gehörig  angefĂŒhrt. 

Die  Prognose  der  verschiedenen  Bilder  ist  bei  der  kurzen 
Beobachtungsdauer  noch  unklar,  fĂŒr  Gruppe  2  besonders  wohl 
recht  ungĂŒnstig  zu  stellen.  Schall  (TĂŒbingen). 


Tuberkulose. 

Corvetto,  Anibal:  Abortiv  e  F  ormen  der  Lungentuber- 
kulose. Revista  de  Tuberculosis.  Jahrg.  IX,  Nr.  407,  No- 
vember 1921. 

Unter  abortiven  Formen  der  Lungentuberkulose  versieht 
Verf.  diejenigen,  deren  pathologisch-anatomisches  Substrat  durch 
eine  geringe,  wohlumschriebene  VerÀnderung  gegeben  ist,  welche 
meist  aus  wenig  zahlreichen  Tuberkeln  besteht.  Die  Entwicklung 
der  letzteren  beeinflußt  das  Allgemeinbefinden  nur  wenig  und 
fĂŒhrt  zur  Narbenbildung,  womit  der  pathologische  Prozeß  beendet 
erscheint.  Je  nach  den  verschiedenen  Lokalisationen  der  tuber- 
kulösen VerÀnderungen  zeigt  das  klinische  Bild  charakteristische 
Besonderheiten  derart,  daß  Verf.  die  abortiven  Formen  der 
Lungentuberkulose  in  parenchymatöse,  interstitielle,  bronchiale 
und  pleurale  einteilt.  Die  Tuberculosis  pulmon.  parenchymat. 
abort.  zeigt  neben  dem  nicht  charakteristischen  Befunde  einer  un- 
spezifischen Tracheobronchitis  als  wichtigstes  Symptom  ein-  oder 
mehrmaliges  Auftreten  von  Haemoptoe,  keine  oder  geringe  Tem- 
peraturerhöhung, negativen  Bazillenbefund. 


Die  Tuberkulosis  bronchialis  abort.  weist  das  Bild  einer 
Bronchitis,  mit  rauherem  Atmen  meist  ĂŒber  einer  Lungenspitze. 
Der  Verlauf  ist  fast  afebril,  Bazillenbefund  ist  fast  stets  positiv. 

Die  Tuberculosis  pleuralis  abort.  verlÀuft  unter  dem  Symp- 
tomenkomplex einer  Meuritis  sicca  und  weist  demgemĂ€ĂŸ  Seittn- 
scnmerzen,  Fieber,  Husten  und  auskultatorisch  ReibegerÀusche 
auf. 

Die  Tuberculosis  inlerstitialis  abort.,  die  disseminierte  Gra 
nulartuberkulose,  bietet  dilferenitaldiagnostisch  gegen  Typhus, 
Paratyphus  und  Maltafieber  Schwierigkeiten,  da  sie  meist  ohne 
Husten,  stets  mit  negativem  Kochschen  Bazillenbefund  unter  an- 
dauerndem Fieber  von  verschiedener  IntensitÀt  und  Verlauf  sich 
entwickelt,  Das  Allgemeinbefinden  erscheint  gestört.  Schwel- 
lung von  Leber  und  Milz  kommt  vor.  Diese  Form  neigt  zu  Re- 
zidiven; Lokalisation  der  einzelnen  Tuberkel  in  den  Meningen, 
im  Peritoneum,  im  Darm,  in  Nieren  oder  Nebennieren  rufen  ent- 
sprechende Symptome  hervor. 

Allen  abortiven  Formen  kommt  naturgemĂ€ĂŸ  ein  benigner  Ver- 
lauf zu.  Bei  der  Diagnosestellung  mĂŒssen  auf  Grund  der  klini- 
schen und  bakteriologischen  Befunde  die  anderen  progredienten 
Formen  der  Tuberkulose  ausgeschlossen  werden.  Die  Therapie 
soll  nach  BerĂŒcksichtigung  anfĂ€lliger  Lokalsymptome  eine  allge- 
mein roborierende  sein,  Verbesserung  der  hygienischen  VerhÀlt- 
nisse der  Patienten  anstreben,  die  auch  nach  Abklingen  der  Er- 
scheinungen als  TrÀger-  tuberkulöser  Herde,  deren  Wiederauf- 
flammen niemals  als  ausgeschlossen  betrachtet  werden  darf,  als 
schonungsbedĂŒrftig  erseneinen.  Periodische  Tuberkulinkuren 
können  vorgenommen  werden.  Mona  Adolf  (Wien). 

Garcera  Jose:  Ueber  den  Einfluß  der  Kontaktthera- 
pie bei  der  chronischen  Lungentuberkulose. 
Bevista  de  Tuberculoses.  Jahrg.  IX.,  Nr.  108.  Dezember  1921 
Von  der  Beobachtung  ausgehend,  daß  oberflĂ€chliche  tuber- 
kulöse Prozesse  durch  Lokalbehandlung  gĂŒnstig  beeinflußt  wer- 
den, lĂ€ĂŸt  Verf.  durch  einen  von  ihm  konstruierten  Apparat  die 
Patienten  vorgewÀrmten  Sauerstoff  einatmen,  der  durch  Euka 
lyptus-,  Kreosot-  und  ThymoldĂ€mpfe  gesĂ€ttigt  ist  und  ĂŒberdies 
Tanin,  Kalziumphosphat,  Jodoform  und  benzoesaures  Natrium 
in  feinster  Verteilung  enthĂ€lt.  Unter  dem  Einfluß  dieser  Therapie 
deren  Dauer  bei  im  ersten  Stadium  der  Tuberkulose  befind- 
lichen FĂ€llen  von  15—60  Tagen,  bei  denjenigen  im  3.  Stadium 
von  2—4  Monaten  schwankte,  sah  Verf.  bei  den  ersteren  Pa- 
tienten vollstÀndiges  Schwinden  der  Bazillen  im  Sputum  und 
gleichzeitige  Genesung.  Bei  den  .letzteren  Besserung  der  subjek- 
tiven Beschwerden  ohne  objektiv  feststellbare  Heilung  des  Lun- 
genprozesses. Hingegen  vermochten  die  von  diesen  FĂ€llen  stam- 
menden Tuberkelbazillen,  Wenn  inokuliert,  die  Versuchstiere 
nicht  zu  töten  und  verliehen  ihnen  ImmunitÀt  gegen  nachtrÀg- 
liche Impfung  mit  virulenten  StÀmmen.  Verfasser  gibt  an,  auf 
diese  Weise  114  Patienten  behandelt  zu  haben,  von  welchen  70 
geheilt  wurden,  wobei  die  leichteren  FĂ€lle  naturgemĂ€ĂŸ  der  Be- 
einflussung zugÀnglich  waren.  Mona  Adolf  (Wien). 

Rollestön  Humphry:  Die  Rolle  der  Aerzte  im  PrÀven- 
tiokampf  gegen  die  Tuberkulose.  Revista  de 
Tuberculosis,  Jahrg.  IX,  Nr.  108.  Dezember  1921. 
Da  es  nicht  möglich  ist,  die  Tuberkelbazillen  durch  Isolh3- 
luig  aller  Krankheitsherde  radikal  zu  beseitigen,  so  muß  vor 
illem  die  ResistenzfÀhigkeit  des  Organismus  gehoben  werden. 
Dieses  geschieht  durch  Verbesserung  der  sanitÀren  VerhÀltnisse, 
duidi  gesunde  Wohnungen,  gute  ErnÀhrung,  normale  Arbeit  urd 
erfolgreiche  BekÀmpfung  des  Alkoholismus  und  der  Geschlechts- 
krankheiten. Die  Aerzte  vermögen  die  Krankheit  abzu- 
schwÀchen und  ihr  zuvorzukommen,  die  WiderstandsfÀhigkeit 
de;  Bevölkerung  zu  heben  und  durch  AufklÀrung  der  breiten 
,.  eiksmasse  sich  deren  Mitwirkung  im  Kampfe  gegen  die  Tu- 
berkulose sichern.  GemĂ€ĂŸ  ihrem  verschiedenen  Wirkungskreise 
obliegt  den  praktischen  Aerzten  die  prophylaktische  und  thera- 
peutische Behandlung  seiner  Patienten  und  die  Anzeigepflicht, 
1 1 ii  Falle  dieselbe  gesetzlich  vorgeschrieben  ist;  die  Bedeutung 
der  letzteren  wird  hervorgehoben.  FĂŒr  den  UniversitĂ€tsunter- 
richt wird  der  obligate  Besuch  eigener  Tuberkuloseabteilungen 
und  -Ambulanzen  empfohlen,  welcher  die  Studierenden  auch  in 
die  Diagnostik  der  wenig  vorgeschrittenen  FĂ€lle  einfĂŒhren  soll. 
Die  Hygieniker  werden  auf  den  Einfluß  der  Lues  auf  die  Tu- 
bei  kulose  hingewiesen  und  von  brauchbaren  Statistiken  eine  Be- 
rĂŒcksichtigung des  Stadiums  der  komplizierenden  Syphilis  ge- 
fordert. Der  Einfluß  des  Alkohols  lind  der  UnterernĂ€hrung  wer- 
den durch  im  Kriege  gemachte  Erfahrungen  belegt. 

Mona  Adolf  (Wien).  - 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4.  -Schule  —  Neurologie  —  Vcrsi  c  h  e  r  u  ng  am  ed  i  /  i  n  IM 


Sdiule. 

Levinsohn  (Berlin):  B  er  uf  sber  a  tung  bei  Augenleiden. 
Z.  f.  Schulgesundheitspflege,  34,  1921,  Heft  5  u.  6, 
Die  Kinder  sind  von  Berufen  fernzuhalten,  fĂŒr  die  die  Seh- 
funktion nicht  ausreicht,  jedoch  ist  bei  sonstiger  Eignung  fĂŒr 
.  einen  bestimmten  Beruf  die  Anforderung  an  die  zentrale  Seh- 
schĂ€rfe herabzusetzen.    Zu  berĂŒcksichtigen  sind  auch  Gesichts 
fehl,  Farben-,  Baum-  und  Lichtsinn.     Individuen   mit  hÀufigen 
Bindehautkatarrhen  mĂŒssen  vor  Berufen,  die  mit  Staubentwick 
hing  einhergehen,  einÀugige  vor  Berufen,  in  denen  das  Auge  stark 
gefĂ€hrdet  ist,  gewarnt  werden.     StĂ€rker    Kurzsichtige  dĂŒrfen 
keinen  Beruf  ergreifen,  der  stÀrkere  Rumpf-  und  Kopfbeugung 
verlangt,  da  nach  einer  durch  Tierversuche  gestĂŒtzten  Theorie 
des  Verf.  bei  Rumpf-  und  Kopfbeugung  das  Auge  nach  vorn  fÀllt 
und  dadurch  die  zur  Myopie  fĂŒhrende  Dehnung  des  Auges  ver- 
ursacht wird.  Samelson  (Breslau). 

Ilse  Szagunn  (Charlottenburg) :  Ueber  die  schulÀrztlicht 
TĂ€tigkeit  an  Fortbildungsschulen.     Z.  f.  Schul- 
gesundheitspflege, 34,  1921,  H.  5  u.  6. 
Bei  1153  SchĂŒlerinnen  der  Fortbildungsschule  stellte  Ver- 
fasserin in  432  FĂ€llen  eine  behandlungsbedĂŒrftige  Erkrankung 
fest.    Sie  leitet  davon  die  Forderung  der  Einstellung  von  Schul- 
Ă€rzten an  den  Fortbildungsschulen  her,  die  von  Schulpflegerinnen 
zu  unterstĂŒtzen  wĂ€ren.    Zu  erstreben  ist  halbamtliche  TĂ€tigkeit 
des  Schularztes  mit  tĂ€glichem  Dienst  von  2 — 3  Stunden. 

Samelson  (Breslau). 

Bachauer  (Augsburg):    Körpermaße   von  Augsburger 
Volksschulkindern  vor  und  nach  dem  Kriege. 
Schul-  und  FĂŒrsorgearzt,  19,  1921,  Nr.  2. 
Die  Zahl  der  Kinder,  deren  Körpermaße  sich  in  der  Vor- 
kriegszeit ĂŒber  den  Durchschnitt    erhoben,    hat    wĂ€hrend  des 
Krieges  abgenommen,  eine  weitere  Anzahl  erfuhr  dagegen  eine 
Förderung  ihrer  Leibesbeschaffenheit.    Die  Summe  der  Kinder 
mit  mittleren  Werten  hat  sich  betrÀchtlich  erhöht.    Die  nivel- 
lierende Tendenz  der  Beeinflussung  der  Kinder  durch  den  Krieg 
ist  in  allen  StĂ€nden  gleichmĂ€ĂŸig,  wĂ€hrend  sie  nach  Pfaundler 
bei  den  MĂŒnchener  Kindern  mehr  in  den  besser  siluierten  Kreisen 
in  Erscheinung  trat  Samelson  (Breslau). 


Neurologie. 

0.  Bossert:  Das  Problem  der  Uebererregbarkeit  im 
frĂŒhen  Kindesalter.  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Neurologie  und 
Psych.,  1921,  67,  S.  311. 

Unter  Uebererregbarkeit  ist  ein  Zustand  zu  verstehen,  der 
dadurch  gekennzeichnet  ist,  daß  ein  Individuum  auf  einen  Reiz 
stÀrker  als  normal  reagiert.  In  der  PÀdiatrie  ist  dieser  Begriff 
fĂŒr  einen  bestimmten  Symptomenkomplex  vorbehalten,  fĂŒr  die 
Tetanie  oder  Spasmophilie.  Eine  Analyse  zahlreicher  Krankheits- 
bilder zeigt  aber,  daß  eine  gewisse  Scheidung  möglich  ist,  da  in 
bestimmten  FĂ€llen  nur  ein  isolierter  Symptomenkomplex  nach- 
weisbar ist,  entweder  Karpopedalspasmen  oder  Laryngospasmen 
oder  eklamptische  AnfÀlle.  Bossert  ordnet  daher  diese  Er- 
scheinungen alle  nach,  hĂ€lt  sie  nicht  fĂŒr  einheitlich,  sondern 
schafft  als  ĂŒbergeordneten  Begriff  die  Uebererregbarkeit  als 
solche.  Diese  wieder  gliedert  er  in  verschiedene  Gruppen. 
„1.  Uebererregbarkeit  auf  dem  Boden  einer  Konstitutionsanomalie, 
bei  der  die  ErnĂ€hrung,  der  Salzstoffwechsel,  die  DrĂŒsen  mit 
innerer  Sekretion  und  die  klimatischen  VerhÀltnisse  ev.  Milieu- 
schĂ€den noch  BerĂŒcksichtigung  verdienen.  2.  Die  Uebererregbar- 
keit bei  Infektionen,  die  ihrerseits  wieder  zum  Salzstoffwechsel 
oder  zu  den  Organen  der  inneren  Sekretion  in  Beziehung  stehen 
können.  3.  Die  Uebererregbarkeit  infolge  Ueberladung  des  Or- 
ganismus mit  Produkten  des  intermediÀren  Stoffwechsels  (Amino- 
basen,  Biedt)  Einen  Einblick  in  die  Mannigfaltigkeit  der  Erschei- 
nungen versucht  Bossert  mit  Hilfe  myographischer  Unter- 
suchungen zu  gewinnen.  Es  zeigte  sich  ein  auffÀlliger  Gegensatz 
zwischen  der  Kurve  bei  Laryngospastikern  (hohe  und  spitzwinklige 
Kuppe)  und  der  bei  Tetanikern  im  engeren  Sinn  (runde  und  breite 
Kuppe).  Die  Ursache  der  Erscheinungen  wird  gesucht  in  einer 
Korrelationsstörung  der  Minerale,  vielleicht  unter  Beteiligung  der 
Parathyreoideae,  in  einer  Kalkarmut  der  Gewebe.  Jeder  Form 
der  Tetanie  entsprÀche  eine  isolierte  Kalkarmut  des  entsprechen- 
den Organsystems,  der  Muskulatur  bei  Karpopedalspasmen,  des 
Nervengewebes  bei  Laryngospasmus,  des  Gehirnes  bei  Eklampsie. 
Wenn  auch  die  ganze  Frage  der  Trennung  des  Symptomenkom- 
plexes der  Tetanie  noch  hypothetisch  ist,  so  eröffnet  die  ver- 


schiedene Reaktion  der  Muskulatur  auf  den  elektrischen  Reiz 
neue  Ausblicke.  Weinberg  Halle; 

O.  JlÀuptli:  Zur  Histologie  der  Poliomyelitis  acuta 
(II  ei  n  e-  M  ed  i  n)  und  der  Enzephalitis  epi- 
demica (1  e  t  h  a  r  g  i  c  a).  D.  Zeitschr.  f.  Ncrvenheilk.,  1921, 
71,  H.  1—3,  S.  1. 

Die  vorliegende  Arbeit  will  die  Beteiligung  der  neutrophiien 
Leukozyten  an  EntzĂŒndungsprozessen  im  Zentralnervensystem 
feststellen.  Nach  neueren  Anschauungen  sollen  bei  EntzĂŒndungen 
im  Gehirn  und  RĂŒckenmark,  auch  bei  akuten  Prozessen,  die 
hÀmatogenen  Elemente  keine  Rolle  spielen,  vor  allem  nicht  die 
polymorphkernigen  Leukozyten,  vielmehr  sollen  histogene  Zellen 
ihre  Rolle  spielen.  Ausgenommen  sind  natĂŒrlich  die  rein  eitrigen 
Prozesse.  Durch  eine  einwandfreie  Methode,  vermittels  der 
Oxydase-Reaktion,  soll  durch  Studien  bei  zwei  akut  entzĂŒndlichen 
Erkrankungen,  der  Poliomyelitis  acuta  (Heine-Medin)  und  der 
Enzephalitis  epidemica  lethargica  (Economo)  die  Rolle  der 
Leukozyten  klargestellt  werden.  Im  akuten,  frĂŒhen  Stadium  der 
Poliomyelitis  konnte  festgestellt  werden:  HĂ€matogene  Zellen  be- 
teiligen sich  am  EntzĂŒndungsprozeß,  und  zwar  finden  sich  sowohl 
im  perivaskulÀren  wie  auch  im  intravenösen  Infiltrate  Leukozyten 
und  Lymphozyten  neben  Plasmazellen  und  Polyblasten.  Auf  Grund 
der  Oxydasereaktion  ist  die  Zahl  der  polymorphkernigen  Leuko- 
zyten als  sehr  groß  anzusehen  im  Gegensatz  zu  frĂŒheren  Autoren. 
Auch  die  Polyblasten  von  Wickmann  und  Wallgren  sind 
als  Leukozyten  anzusehen.  Je  Àlter  der  Krankheitsfall  ist,  desto 
geringer  wird  die  Zahl  der  Leukozyten  mit  positiver  Oxydase- 
reaktion. Vom  3.  bis  4.  Krankheitstage  ab  findet  kein  Nachschub 
von  Leukozyten  mehr  statt,  sondern  ein  Ersatz  durch  gliogene 
Elemente,  deren  Kern  dem  Leukozytenkern  Àhnlich  ist.  Die  nach 
etwa  10  Tagen  auftretenden  Festkörnchenzellen  sind  keine  umge- 
wandelten Leukozyten,  sondern  advenditielle  Zellen.  In  akuten 
FÀllen  von  Enzephalitis  wurde  festgestellt:  PerivaskulÀr  und 
intravenös  finden  sich  in  den  ersten  9  Tagen  vor  allem  Leuko- 
zyten, die  allmÀhlich  von  Lymphozyten  ersetzt  werden.  Der 
Hauptsitz  der  Leukozyten  ist  die  Gegend  der  VierhĂŒgeL  Auch 
hier  im  Anfang  eine  zahlenmĂ€ĂŸig  recht  starke  Beteiligung  der 
Leukozyten,  die  mit  zunehmendem  Alter  der  Erkrankung  abnimmt. 
Die  Befunde  bestÀtigen  also  durchaus  die  Auffassung  Àlterer 
Autoren  betreffs  der  Beteiligung  der  Leukozyten  als  wichtigen 
Bestandteilen  des  entzĂŒndlichen  Exsudates  bei  Poliomyelitis  und 
Enzephalitis.  Als  extravaskulÀre  Zellen  beweisen  sie  die  Zuge- 
hörigkeit der  Krankheitsprozesse  zur  EntzĂŒndung,  um  so  wich- 
tiger, als  die  Entscheidung  ob  degenerativer  oder  entzĂŒndlicher 
Prozeß  im  Zentralnervensystem,  oft  schwierig  ist.  Nach  5  bis 
6  Tagen  sind  die  Leukozyten,  die  sehr  schnell  der  Degeneration 
verfallen,  aus  den  Infiltraten  verschwunden.  Ein  Nachschub  aus 
der  Blutbahn  findet  nicht  statt.  Ersetzt  werden  sie  im  peri- 
vaskulÀren Gewebe  durch  Lymphozyten,  Plasmazellen  und 
lymphzytogene  Polyblasten,  im  nervösen  Gewebe  durch  proli- 
ferierende Gliazellen,  Lymphozyten  und  Plasmazellen.  Ein  Ver- 
gleich der  Befunde  bei  beiden  Erkrankungen  zeigt  weitgehende 
Uebereinstimmung  sowohl  im  Bau  der  Infiltrate  wie  in  der  Be- 
teiligung der  Leukozyten.  Die  Reaktion  auf  das  Virus  ist  also 
in  beiden  Prozessen  gleich.  Im  Anfange  stehen  die  VerÀnderungen 
der  GefĂ€ĂŸapparate  und  die  Auswanderung  von  Blutzellen  im 
Vordergrunde,  die  der  Abwehr  dienen,  in  den  spÀteren  Tagen 
finden  wir  die  starke  Beteiligung  der  Glia,  die  der  Reparation 
dient.  Die  Auswanderung  der  hÀmatogenen  Zellen  ist  wahr- 
scheinlich bedingt  durch  eine  LĂ€sion  der  Membrana  perivascularis 
gliae,  womit  ĂŒbereinstimmt,  daß  die  Auswanderung  um  so  stĂ€rker 
ist,  je  stĂŒrmischer  die  EntzĂŒndung  verlĂ€uft. 

Weinberg  (HalleV 


Versicherungsmedizin. 

V.  Horn  (Bonn) :  Wann  kann  ein  U  n  f  a  1 1  v  e  r  1  e  t  z  I  e  i 
Schmerzensgeld  verlangen?  Aerztl.  Sachv.-Ztg., 
1921,  Nr.  20. 

Mit  RĂŒcksicht  darauf,  daß  sowohl  bei  den  Unfallverletzten 
als  auch  bei  den  Ă€rztlichen  Gutachten  ĂŒber  die  Berechtigung  eines 
Anspruchs  auf  „Schmerzensgeld'  vielfach  Unklarheit  bestellt, 
skizziert  H.  in  kurzen  ZĂŒgen  die  in  Frage  kommenden  Rechts- 
grundlagen. FĂŒr  gewerbliche  BetriebsunfĂ€lle  kann  nach  der 
R.  V.  O.  Schmerzensgeld  nicht  gefordert  werden.  Auch  das  fĂŒr 
die  Voll-,  Neben-  und  Straßenbahnen  gĂŒltige  Reichshaftpflichl- 
gesetz  vom  7.  6.  1871  sieht  keinen  Anspruch  auf  Schmerzensgeld 
vor.  Nur  beim  Vorliegen  einer  „unerlaubten  Handlung"  (Vorsatz 
oder  FahrlÀssigkeit)  kann  nach  dem  B.  G.  B.  ein  derartiger  An- 
spruch in  Frage  kommen.  A. 


112 


Buchbespreeungen 


—    Kleine  Mitteilungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


H.  Reichel  Hamburg  :  Zum  1'  n  f  a  1  1  s  b  e  g  r  i  f  f.  Aerztl. 
Sachv.-Ztg.,  1921,  Nr.  20. 

Unfreiwilliges  Ertrinken  gilt  als  entschÀdigungspflichtiger 
Unfall,  sofern  es  nicht  durch  eine  bereits  besiehende  Erkrankung 
bedingt  ist.  Schreckereignis  wird  als  Unfall  aufgefaßt,  wenn  das 
Ereignis  ein  ungewöhnliches  ist  und  Krankheitserscheinungen 
unmittelbar  im  Gefolge  hatte.  P.  Horn  (Bonn). 

Hanauer  (Frankfurt  a.  M.) :    Die   Krankenordnung  der 
R.  V.O.   und   die    BekÀmpfung   der  Geschlechts- 
krankheiten.   Aerztl.  Sachv.-Ztg.,  1921,  Nr.  21. 
Das  R.  V.  A.  hat  die  RechtsgĂŒltigkeit  einer  Betriebskranken- 
kassenordnung anerkannt,   wodurch    die   Kassenmitglieder  ver- 
pflichtet werden,  sowohl  zum  Meldezwang  als  auch  zur  Auf- 
suchung der  Beratungsstelle  fĂŒr  Geschlechtskranke.    In  lĂ€ngeren 
AusfĂŒhrungen  medizinischer  und  rechtlicher  Art  sucht  H.  darzu- 
legen, daß  diese  Entscheidung  des  R.  V.  A.  weder  rechtlich  be- 
grĂŒndet noch  materiell  durchfĂŒhrbar  und  erfolgversprechend  sei, 
da  nur  auf  reichsgesetzlichem  Wege  diese  schwierigen 
Fragen  endgĂŒltig  gelöst  werden  könnten.       P.  Horn  (Bonn). 

Fr.  Zimmermann  (Bingen):  Die  Einteilung  der  Unfall- 
neurosen. Aerztl.  Sachv.-Ztg.,  1921,  Nr.  22. 
Fr.  Zimmermann,  frĂŒher  langjĂ€hriger  juristischer  Beirat 
der  oberrheinischen  und  sĂŒddeutschen  Eisenlbahngesellschaften,  der 
sich  durch  zahlreiche.  Arbeiten  ĂŒber  Unfallneurosen  auch  in  der 
medizinischen  Literatur  vorteilhaft  bekannt  gemacht,  versucht  im 
Anschluß  an  die  EinteilungsvorschlĂ€ge  von  Horn,  NĂ€geli  und 
Reichardt  mehr  vom  rechtlichen  Standpunkte  aus  die 
Unfallkrankheiten    zu    klassifizieren,    indem    er  unterscheidet: 

I.  entschÀdigungsberechtigte  Krankheiten  (unmittelbare  Unfall- 
folgen), 2.  teilweise  entschÀdigungsberechligte  Krankheiten  (meist 
mittelbare  Unfallfolgen),  3.  nicht  entschÀdigungsberechtigte  Er- 
scheinungen (simulierte  Krankheiten,  Àltere  Leiden,  krankhafte 
Veranlagungen,  Begehrungs-  und  Rentenkampfneurosen  usw.". 
Wertvoll  sind  ferner  seine  Darlegungen  ĂŒber  die  geschichtliche 
Entwicklung  des  Eisenbahnhaftpflichtrechts  und  die  .Wandlungen 
der  Rechtsprechung  bei  Haftpflichtf allen,  insbesondere  die  Stel- 
lungnahme zur  EntschÀdigung  von  Unfallneuiosen.  Auch  Z.  be- 
tont den  schĂ€dlichen  Einfluß  von  Dauerrenten. 

P.  Horn  (Bonn). 

Buchbesprechungen. 

Schwalbe,  J.:  Diagnostische  und  therapeutische 
IrrtĂŒmer  und  deren  VerhĂŒtung.  (Abteilung  GynĂ€- 
kologie. 

Henkel:  Krankheiten  der  Ă€ußeren  Geschlechts- 
teile, der  Vagina,  der  weiblichen  Blase,  des 
Harnleiters  und  der  Harnröhre,  Gonorrhoe, 
Syphilis  und  Tuberkulose  der  weiblichen  G  e  - 
schlechsorgane.    (Heft  1.) 

Reifferscheid^  Karl:  Krankheiten  des  Uterus.    (Heil  2. 

von  Jaschke,  R.  Th.:  Krankheiten  der  Ovarien,  Tuben, 
Ligamente  des  Uterus  und  Beckenbindege- 
webe, Bauchfell.    (Heft  3.) 

Die  Abteilung  „Frauenheilkunde"  reiht  sich  wĂŒrdig  den  bis- 
her erschienen  BĂ€nden  von  Schwalbes  „IrrtĂŒmern"'  an.  Alle  drei 
Hefte  stellen  in  knapper,  aber  sehr  instruktiver  Form  die  hÀufig- 
sten diagnostischen  IrrtĂŒmer  dar  und  zeigen  die  Wege  zu  ihrer 
Vermeidung.  Ganz  besonders  gut  gelungen  und  beherzigenswert 
fĂŒr  die  Praxis  ist  das  Kapitel  ĂŒber  „Erkrankungen  der  Harnwege' 
von  Henkel.  Die  3  Hefte  verdienen  weiteste  Verbreitung  unter 
den  Praktikern,  die  sich  mit  GynÀkologie  beschÀftigen. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Richard  Weiß  —  Paul  Engelen:  Die  schnellsten  und  ein- 
fachsten    U  n  t  e  r  s  u  c  h  u  n  g  s  m  e  t  h  o  d  e  n     zur  kli- 
nischen Diagnostik.    Berlin,  Fischers  Med.  Buchhdlg., 
H.  Kornfeld,  1921. 
Das   ausgezeichnete   Buch  von  Weiß,   das  in   zweiter  ver- 
grĂ¶ĂŸerter Auflage  unter  Mitarbeit  von  Paul  Engelen  vorliegt,  ist 
in  erster  Linie  fĂŒr  den  praktischen  Arzt  bestimmt,  der  ohne  be- 
sondere Hilfsmittel,  evtl.  am   Krankenbett  selbst  sofort  unter- 
suchen  will.     Außerordentlich  ĂŒbersichtliche  Einteilung,  klare 
und  einfache  Darstellung  und  lĂŒckenlose  VollstĂ€ndigkeit  unter 
Weglassung  allzu  spezialistischer  Details  machen  es  zu  einem 
fast  unentbehrlichen  Ratgeber  fĂŒr  den  Praktiker.  Haber. 

Ebstein:  Der  Geruch  in  der  klinischen  Diagnostik." 
WĂŒrzb.  Abhandl.,  20,  10—12.    Pr.  brosch.  4,50  M. 
Aufbauend  auf  eigenen  Erfahrungen   und   den  Ergebnissen 


eines  eingehenden  Literalursludiums  zeigt  Verf.  die  große  dia- 
gnostische Bedeutung,  die  dem  Geruchssinn  sowohl  in  der  inneren 
Medizin,  insbesondere  bei  den  Infektionskrankheiten,  als  auch  in 
ihren  Grenzgebieten  Chirurgie,  GynÀkologie  und  Geburtshilfe  zu- 
kommt. Die  modernen  Untersuchungsmethoden  haben  uns  zwar 
im  allgemeinen  von  der  Ausbildung  unseres  Geruchsorgans  un- 
abhÀngig gemacht,  aber  wer  zu  riechen  gelernt  hat,  wird  nur. 
ungern  auf  dieses  Hilfsmittel  in  der  Diagnostik  verzichten.  Wer 
sich  ĂŒber  die  diagnostische  Verwertung  der  verschiedenen  unter 
pathologischen  VerhĂ€ltnissen  auftretenden  GerĂŒche  des  Schweißes, 
der  "Atemluft,  des  Urins,  des  Kotes  usw.  AufklÀrung  zu  ver- 
schaffen wĂŒnscht,  wird  in  der  vorliegenden  Abhandlung  finden, 
was  er  braucht.  Stadelmann  (Frankfurt  a.  M.). 


Kleine  Mitteilungen. 

Anstellung  von  GewerbeÀrzten  zur  Mitarbeit  und  zum  Aus- 
bau der  Hygiene  in  gewerblichen  Betrieben.  Nach  einem  Be- 
schluß des  Preußischen  Staatsministeriums  werden  zur  Unter- 
stĂŒtzung der  technischen  Gewerbeaufsichtsbeamten  in  gewerbe- 
hygienischen Fragen,  sowie  zur  Vertiefung  der  Kenntnisse  der 
durch  die  gewerbliche  Berufsarbeit  bedingten  krankhaften  Ver- 
Ă€nderungen und  deren  Vorbeugung  und  Beseitigung,  sowie  zum 
Ausbau  allgemein  gewerbehygienischer  Aufgaben  und  Arbeits- 
gebiete fĂŒr  das  Gebiet  des  Freistaales  Preußen  fĂŒnf  Gewerbe- 
Àrzte angestellt.  Die  GewerbeÀrzte  sind  unmittelbare  Staats- 
beamte und  unterstehen  der  Aufsicht  des  fĂŒr  ihren  Amtssitz  zu- 
stÀndigen RegierungsprÀsidenten.  Sie  haben  die  im  §  139  b  der 
Reichsgewerbeordnung  den  staatlichen  Aufsichtsbeamten  gegebe- 
nen Befugnisse,  insbesondere  die  der  jederzeitigen  unangemelde- 
ten Besichtigung  der  ihrer  Aufsicht  unterstellten  Betriebe. 

Berlin.  Prof.  Dr.  Franz  Keibel  in  Königsberg  hat  den 
Ruf  als  Nachfolger  Oskar  Hertwigs  auf  den  Lehrstuhl  der  allge- 
meinen Anatomie  und  Entwicklungslehre  angenommen. 

Die  Dienstbezeichnung  „außerordentlicher  Professor"  den 
Privatdozenten  Ludw.  F.  Meyer  (Kinderheilk.),  R.  Weißen- 
berg  (Anat.),  Franz  HĂŒbötter  (Chir.,  Geschichte  der  Medizin), 
A.  G  ĂŒ  1 1  i  c  h  (Ohren-,  Nasen-,  Halsheilk.),  M.  W  e  i  n  g  Ă€  r  t  n  e  r 
(Nasen-  u.  Kehlkopfheilk.),  P.  J  u  n  g  m  a  n  n,  MĂŒnk,  H.  Z  o  n  - 
d  e  k,  G.  W  alter  hoefer  und  J.  Guggenheimer  (Innere 
Medizin),  A.  Kohlrausch  und  E.  A  t  z  1  e  r  (Physiologie),  G. 
Joachimoglu  (Arzneimittellehre),  B.  Marlin,  E.  Kisch, 
F.  BrĂŒning  und  A.  von  Lichtenberg  (Chirurgie),  H. 
Se eiert  (Phychiatrie  und  Neurologie),  F.  Blumenthal  (Der- 
matologie), O.  Kuff  ler  (Soziale  Medizin). 

Habilitiert  fĂŒr  allgem.  Pathologie  und  pathol.  Anatomie 
Dr.  M.  H.  Kuczyhsk  i. 

Bonn.  Dienstbezeichnung  „außerordentl.  Prof."'  dem  Privat- 
dozenten Dr.  fit.  FrĂŒnd  (Chir.). 

Breslau.  Verstorben  Privatdozent  Prof.  Dr.  Jean  Schaffe  r. 

DĂŒsseldorf.  Verslorben  der  Ă€rztl.  Direktor  der  stĂ€dt.  Kran- 
kenanstalten Generalarzt  a.  D.  W.  Classen. 

Frankfurt.    Dienstbezeichnung  „außerordentl.  Prof."  den  Pri- 

valdozenten  E.  Reiß  (Innere  Med.)  und  O.  Götze  (Chir.;. 

Freiburg.  Dienstbez.  „außerordentl.  Prof."  den  Dozenten  K.. 
Amersbach  (Laryngo-,  Rhino-  u.  Otologie),  H.  Böker  (Ana- 
tomie) und  P.  Lindig  (Geburtsh.  u.  GynÀkol). 

Heidelberg.  Dienstbez.  ..außerordentl.  Prof.  den  Dozenten 
Ii.  Frh.  v  Redwitz  und  A.  Meyer  (Chir.),  H.  Freund  (Inn 
Med.  u.  Pharmakol.),  H.  E  y  m  e  r  (Geburtsh.  u.  GynÀkol.),  V.  Frh. 
v  WeizsÀcker  (Inn.  Med.),  E.  Freudenberg  (Kinderhlk  N. 

Kiel.  Der  Privatdozent  und  Assistent  am  hygienischen  In- 
stitut der  UniversitÀt  Kiel,  Dr.  Wolfgang  GÀrtner,  ist  als 
Mitglied  der  Hills expedition  des  Roten  Kreuzes  nach  Rußland  am 
13.  Dezember  d.  J.  in  Kasan  an  Fleckfieber  gestorben. 

Marburg.  Prof.  Dr.  M.  L  ö  h  1  e  i  n,  Direktor  des  pathologi- 
schen Instituts,  ist  am  27.  12.  21  gestorben. 

WĂŒrzburg.  Die  WĂŒrzburger  medizinische  FakultĂ€t  hat  den 
Rineckerpreis  dem  frĂŒheren  ord.  Professor  an  der  Straßbur- 
ger UniversitÀt  Dr.  Franz  Hofmeister,  jetzt  Honorar- 
professor fĂŒr  physiologische  Chemie  in  WĂŒrzburg,  zuerkannt. 

Privatdozent  Dr.  D.  Ackermann  wurde  zum  außerordentl. 
Prof.  der  physiol.  Chemie  ernannt. 

Titel  und  Rang  eines  außerord.  Prof.  wurde  verliehen  den 
Dozenten  Dr.  E.  Leupold  (Allg.  Pathol.),  Dr.  WT.  Vogt  (Ana- 
tomie), Dr.  W.  Nonnenbruch  und  Dr.  G.  Ganter  (Innere 
Medizin). 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  E.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafte  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH.  Berlin  SW  4ö,  Wilhelm-Stra&e  20  /  Fernsprecher  LĂŒtzow  9057 

Nr.  5  Berlin,  den  1.  Februar  1922  40.  JfjlirqaiKj 

Oer  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


RĂŒckblick  auf  die  Frage  der  Herkunft 
und  der  experimentellen  Grundlagen  des 
Friedmannschen  Tuberkulosemittels. 

Von  W.  P  f  a  ri  h  e  n  s  t  i  e  l;  Frankfurt  a.  M. 

Nach  der  Entdeckung  des  Tuberkelbazillus  durch  Ro- 
bert Koch  ist  es  zahlreichen  Forschern  gelungen,  eine 
grolie  Reihe  saprophytischer  StÀbchen  aus  den  Organen  und 
den  Sekreten  und  Exkrementen  von  Menschen  und  Tieren, 
Warm-  und  KaltblĂŒtern,  aus  Pflanzen,  GrĂ€sern  und  Mist,  aus 
Milch  und  Butter,  aus  Wasserleitungsrohren  und  Trompeten- 
mundstĂŒcken, aus  Schlamm  und  Erde  zu  isolieren,  deren 
fĂ€rberisches  Verhalten  dem  der  Tuberkelbazillen  außer- 
ordentlich Àhnelte.  Wegen  dieses  gemeinsamen  fÀrberischen 
Verhaltens,  welches  in  der  hohen  Resistenz  dieser  Bakterien 
gegen  entfÀrbende  Agentien,  wie  SÀuren,  Alkali,  Alkohol,  Na- 
triumsulfil  usw.  seinen  Ausdruck  findet,  glaubte  man  sie 
zusammen  mit  den  echten  Tuberkelbazillen  in  eine  geson- 
derte Bakteriengruppe  zusammenfassen  zu  können,  welche 
kurz  mit  der  „Gruppe  der  sĂ€urefesten  Bakterien"  bezeichnet 
wurde.  Im  Tierversuch  unterscheiden  sich  diese  tuberkel- 
bazillenÀlmlichen  sÀurefesten  StÀbchen  von  den  echten  Tu- 
berkelbazillen des  Typus  humanus  und  bovinus,  welche  be- 
kanntlich schon  in  minimalster  Dosis  an  Meerschweinchen, 
bzw.  Kaninchen  verimpft,  den  Tod  an  generalisierter  Tuber- 
kulose bei  diesen  Versuchstieren  innerhalb  einiger  Wochen 
bis  Monate  mit  Sicherheit  herbeifĂŒhren,  dadurch,  daß  sie 
nach  Verimpfung  selbst  großer  Mengen  bei  Meerschweinchen 
meist  nur  örtliche  LÀsionen,  welche  in  der  Mehrzahl  der 
Fidle  wieder  glatt  abheilen,  verursachen. 

Kulturell  unterscheiden  sich  die  sogenannten  sÀurefesten 
Saprophyten,  zu  denen  wohl  auch  die  sogenannten  Kalt- 
blĂŒtertuberkelbazillen zu  rechnen  sind  (Weber  und  Taute) 
von  den  typischen  W'armblĂŒterluberkelbazillen  durch  ihr 
sehr  rasches  und  ĂŒppiges  Wachstum,  ihre  Anspruchslosig- 
keit in  bezug  auf  kĂŒnstliche  NĂ€hrböden  und  untereinander 
hauptsÀchlich  durch  die  Temperaturgrenzen  und  -Optima 
ihres  Wachstums.  WĂ€hrend  echte  WarmblĂŒtertuberkelbazil- 
len (Typus  humanus,  bovinus  und  gallinaceus)  sich  nur  bei 
Temperaturen  von  etwa  30 — 43  Grad  gut  entwickeln,  ge- 
deihen z.  B.  aus  KaltblĂŒtern  gezĂŒchtete  sĂ€urefeste  StĂ€bchen 
nur  bis  zu  27  Grad,  Grasbazillen  dagegen  bis  zu  58  Grad 
Höchsttemperatur.  (Schloßberger  und  Pfannenstiel.)  (1) 
Allerdings  ist  es  neuerdings  manchen  Autoren,  z.  B.  St. 
Lichtenstein,  sowie  B.  Lange  (2)  gelungen,  durch  allmÀh- 
liche Steigerung  der  Temperatur  solche  BakterienstÀmme,  die 
ursprĂŒnglich  nur  bei  niedrigen  Temperaturen  (Zimmer- 
temperatur) ein  Wachstum  auf  gĂŒnstigen  NĂ€hrböden  auf- 
wiesen, auch  an  höhere  Temperaturen  zu  gewöhnen.  Eine 
sonstige  scharfe  Differenzierung  dieser  Bakterien  unterein- 
ander mit  den  ĂŒblichen  bakteriologischen  Methoden  gelingt 
außerordentlich  schwer,  da  das  biologische  Verhalten  der 
einzelnen  StĂ€mme  großen  Schwankungen  unterworfen  ist. 
Besonders  bemerkenswert  ist  die  erstmals  von  Robert  Koch 
festgestellte,  hernach  von  vielen  Autoren  bestÀtigte  Erschei- 
nung, dal)  sich  die  verschiedenen  Arten  sÀurefester  Bakterien 
einschließlich  der  echten  Tuberkulose  mittels  serologischer 
Verfahren  (Agglutination,  Komplementbindung  usw.)  nicht 


unterscheiden  lassen,  daß  also  eine  weilgehende  Rezeptören- 
gemeinschaft  bei  den  verschiedenen  Angehörigen  der  sÀure- 
festen Gruppe  (GruppenspezifitĂ€t)  vorhanden  ist  —  s.  auch 
Schloßberger  und  Pfannenstiel  (2). 

Einer  der  Vertreter  der  großen  Gruppe  der  sogen,  sĂ€urefesten 
Saprophyten  ist  anscheinend  auch  der  von  F.  F.  F  r  i  c  d  - 
mann  in  der  Lunge  einer  Wasserschildkröte  (Ghelone  cor- 
tica)  im  Jahre  1902  gefundene  und  von  ihm  als  „Schild 
krötentuberkelbazillus"  bezeichnete  Stamm.  Auf  Veran- 
lassung Friedmann's  gelang  es  P  i  o  r  k  o  w  s  k  i,  die  im  Ge- 
webe massenhaft  vorhandenen  sÀurefesten  StÀbchen  auf 
kĂŒnstliche  NĂ€hrböden  zu  ĂŒberimpfen  und  in  Reinkultur 
weiterzuzĂŒchten.  Diese  Bazillen  gedeihen  im  Gegensatz  zu 
den  ĂŒbrigen  KaltblĂŒtertuberkelbazillen  noch  bei  Tempera- 
turen bis  zu  40  Grad.  Auf  Meerschweinchen  verimpft  zeigen 
sie  eine  ebenso  geringe  PathogenitĂ€t  wie  die  ĂŒbrigen  sĂ€ure- 
festen Saprophyten. 

F  riedmann  beschreibt  den  pathologisch-anatomi- 
schen Befund  der  bei  der  verendeten  Schildkröte  allein  er- 
krankten Lunge  als  sehr  Àhnlich  dem  Bilde,  das  eine  tuber- 
kulöse menschliche  Lunge  mit  Kavernenbildung  darbietet. 
Dieser  Vergleich  ist  kaum  zulÀssig,  da  der  normale  Bau  der 
Schildkrötenlunge  an  sich  schon  einen  gefalteten  Luftsack 
darstellt,  der  sich  zu  einer  großen  Kaverne  aufblĂ€hen  lĂ€ĂŸt, 
wÀhrend  die  Kavernenbildung  einer  menschlichen  Lunge  be- 
kanntlich durch  kÀsigen  Zerfall  des  Lungengewebes  ent- 
steht. 

Ueber  die  Herkunft  dieser  von  Friedmann  in  der 
Schildkrötenlunge  gefundenen  sÀurefesten  StÀbchen  ist  nichts 
Sicheres  bekannt.  Friedmann  (2)  nahm  anfangs  selbst 
an,  daß  es  sich  um  einen  durch  Schildkrötenpassage  „wun- 
dersam mitigierten"  menschlichen  Tuberkelbazillus  handeln 
könne.  TatsÀchlich  litt  der  WÀrtei  des  Berliner  Aquariums, 
aus  dem  die  betreffende  Schildkröte  stammte,  an  doppel- 
seitiger offener  Lungentuberkulose,  so  daß  die  Vermutung 
einer  Infektion  der  Schildkröte  durch  das  nachgewiesen  stark 
bazillenhaltige  Sputum  des  Dieners  einige  Wahrscheinlich- 
keit hatte.  DafĂŒr  wĂŒrden  insbesondere  auch  die  Versuche 
von  Bataillon,  Dubard  und  Terre,  A.  Dieudonne,  E.  Klebs, 
M.  Klimmer,  E.  Bertarelli  und  vieler  anderer  Autoren 
sprechen,  denen  es  durch  Verimpfen  von  WarmblĂŒtertuber- 
kelbazillen gelungen  zu  sein  scheint,  eine  AbschwÀchung  der 
MeerschweinchenpathogenitÀl  zu  erzielen.  Dagegen  ist  es 
allerdings  experimentell  noch  nicht  geglĂŒckt,  auf  digestivem 
Wege  KaltblĂŒter  tuberkulös  zu  infizieren  (Hormann  und 
Morgenroth,  Nicolas  und  Lesieur  u.  a.). 

SpĂ€ter  hat  Friedmann  seine  ursprĂŒnglich  geĂ€ußerte 
Ansicht  stark  revidiert.  Wohl  um  die  öffentliche  Meinung 
ĂŒber  die  verdĂ€chtige  Provenienz  seines  Mittels  nicht  ungĂŒn- 
stig zu  beeinflussen,  bezeichnete  er  den  von  Piorkowski  unter 
seiner  Leitung  isolierten  Bazillus  als  den  „echten  Schild - 
krötentuberkelbazillus",  womit  er  scheinbar  seine  genuine 
Herkunft  aus  spontan  an  Tuberkulose  erkrankten  Schild- 
kröten zum  Ausdruck  bringen  wollte.  Wie  er  angibt  (2  u.  221 
gelang  es  ihm  noch  zweimal,  aus  Schildkrötenlungen  den 
„echten  Schildkrötentuberkelbazillus"  zu  isolieren.  Aus  dem 
aus  der  dritten  Schildkröte  gewonnenen  Stamm  wird 
nach  Angaben  Friedmanns  (22)  sein  Tuberkuloseheilmittel 
hergestellt. 


114 


Pfannenstiel:  Friedmanns  Tuberkulosemittel 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5> 


Die  Tierversuche  mit  diesem  sog.  Schildkrötentuberkel- 
bazillus ergaben  Ă€ußerst  widersprechende  Resultate.  WĂ€h- 
rend Friedman  n  seine  hohe  Virulenz  fĂŒr  KaltblĂŒter  be- 
tonte (4),  gelang  es  spĂ€ter  nicht  mehr,  mit  den  auf  kĂŒnst- 
lichen NĂ€hrböden  weiter  gezĂŒchteten  Bazillen  Schildkröten 
zu  infizieren.  (L.  Rabinowitsch  (1),  Andersen  und  Stimson, 
\Y.  Kruse  u.  a.)  Andererseits  zeigte  sich  bei  Verimpf ung  auf 
WarmblĂŒter  bei  Mengen  von  ĂŒber  50  mg  Kultur,  ebenso  wie 
bei  anderen  Vertretern  der  sogen,  sÀurefesten  Saprophyten, 
eine  gewisse  Giftwirkung  durch  die  Ueberschwemmung  des 
Organismus  mit  lebenden  Bazillen,  in  einzelnen  FĂ€llen  wur- 
den sogar  tuberkuloseÀhnliche,  bazillenhaltige  LÀsionen 
Knötchenbildung  —  auch  in  von  der  Impfstelle  entfernten 
Organen  in  mehr  oder  weniger  großer  Ausdehnung  gefunden. 

Die  im  Staatl.  Institut  fĂŒr  experimentelle  Therapie  zu 
Frankfurt  a.  M.  unter  Leitung  von  Herrn  Geheimrat  W. 
Kol  le  bei  Verwendung  sehr  großen  Tiermaterials  angestell- 
ten Versuche  ergaben,  ebenso  wie  die  spÀteren  Untersuchun- 
gen von  U  h  1  e  n  h  u  t  h  und  Lange,  daß  der  Fried- 
mannsche  sogen.  Schildkrötentuberkelbazillus  fĂŒr  Kanin- 
chen völlig  harmlos  ist,  wie  auch  L.  Lange  und  alle  an- 
deren Autoren  ĂŒbereinstimmend  bestĂ€tigen  konnten.  Bei 
MĂ€usen  und  den  fĂŒr  Tuberkulose  besonders  empfindlichen 
Meerschweinchen  jedoch  verursachte  er  bei  interperitonealer 
Verimpfung  grĂ¶ĂŸerer  Mengen  (50 — 100  mg)  lokale  Impf- 
ahszesse,  die  mit  DrĂŒsen-,  Netz-  und  Milzschwellungen  und 
positivem  Bazillenbefund  in  diesen  Organen  einhergingen. 
In  einzelnen  FĂ€llen  gelang  es  sogar,  in  allen  Organen  aus- 
gedehnte tuberkuloseÀhnliche  Erkrankungen  (disseminierte 
Knötchenbildung)  zu  erzeugen  (W.  K  o  1 1  e  und  H.  Schloß- 
berger) (1).  Aehnliche  Befunden  hatten  bereits  auch  an- 
dere Autoren  beobachtet  (O  r  t  h  und  Rabinowitsch, 
A  n  d  e  r  s  o  n  und  Stimson,  K.  Kaufmann,  G.  Sehr  ö- 
d  e  r  u.  a.).  Eine  „völlige  Harmlosigkeit"  fĂŒr  WarmblĂŒter 
ließ  sich  also  nicht  nachweisen.  Aus  den  tuberkuloseĂ€hn- 
lichen LĂ€sionen  gelang  es  wiederum,  die  im  mikroskopischen 
PrÀparat  nachgewiesenen  Bazillen  erneut  zu  isolieren  und 
auf  normale  Meerschweinchen,  die  durch  vorherige  Tuber- 
kulinprĂŒfung  als  nicht  tuberkulös  befunden  worden  waren, 
zu  ĂŒbertragen.  (K  o  1 1  e,  Schloßberger,  Pfannen - 
stiel.)  Dabei  zeigte  sich,  daß  sich  der  sogenannte  Schild- 
krötentuberkelbazillus durch  mehrfache  Tierpassage  in  seiner 
Virulenz  fĂŒr  WarmblĂŒter  derart  steigern  ließ,  daß  er  schließ- 
lieh die  gleichen  pathologisch-anatomischen  VerÀnderungen 
hervorrief,  wie  der  echte  Tuberkelbazillus  (R.  Jaffe).  Die 
infizierten  Meerschweinchen  starben  bereits  nach  Infektion 
mit  nur  kleinen  Mengen  des  Passagestammes  zum  großen 
Teil  an  den  Erscheinungen  einer  generalisierten  Tuberkulose. 
Aehnliche  Versuchsergebnisse  hatten  bereits  K.  Kauf  m  a  n  n 
und  G.  Schröder  verzeichnen  können.  Da  sich  aber  die 
gleichen  pathologisch-anatomischen  VerÀnderungen  und  Vi- 
rulenzsteigerungen durch  Tierpassagen  in  ganz  analoger 
Weise  mit  anderen,  an  sich  schwach  pathogenen  sogen, 
sÀurefesten  Saprophyten,  z.  B.  mit  Butter-  und  Grasbazillen, 
sowie  mit  ursprĂŒnglich  typischen,  durch  langjĂ€hrige  ZĂŒch- 
tung auf  kĂŒnstlichen  NĂ€hrböden,  aber  in  ihrer  PathogenitĂ€t 
fĂŒr  Meerschweinchen  stark  abgeschwĂ€chten  menschlichen 
Tuberkelbazillen  erzeugen  ließen  (K  o  1 1  e,  Schloßberger 
und  Pfannenstiel,  Igersheimer  und  Schloß- 
berge  r),  ist  die  Frage  der  Stellung  des  Friedmann'schen 
Bazillus  innerhalb  der  Gruppe  der  sÀurefesten  Bakterien  noch 
nicht  endgĂŒltig  entschieden. 

Was  nun  die  Anwendung  des  sogen.  Schildkrötentuber- 
kelbazillus als  Schutz-  und  Heilmittel  bei  Tuberkulose  an- 
langt, so  muß  darauf  hingewiesen  werden,  daß  mit  dem  Ver- 
such nach  Art  der  J  e  n  n  e  r  sehen  Pockenimpfung  eine  Im- 
munitÀt gegen  Tuberkulose  mit  lebendem  abgeschwÀchten 
Virus  zu  erzeugen,  in  der  Tuberkuloseforschung  schon  frĂŒh 
begonnen  worden  ist.  Als  Grundprinzip  dieser  Immunisie- 
rung ist  die  Beobachtung  Robert  Kochs,  die  spÀter  durch  P. 
H.  Römer  bestĂ€tigt  und  erweitert  wurde,  anzusehen,  daß 
ein  lokal  bleibender  tuberkulöser  Herd  einen  gewissen  Schutz 
fĂŒr  den  Gesamtorganismus  bildet,  allerdings  nur  solange,  als 
der  lokalisierte  Herd  lebende  Bazillen  enthÀlt.    E.  v.  Beh- 


ring verzeichnete  auf  diese  Weise  gewisse  Immunisierungs- 
erfolge bei  Rindern  mit  den  fĂŒr  die  Boviden  weniger  viru- 
lenten menschlichen  Tuberkelbazillen  (Bovovaccination).  R. 
Koch,  W.  SchĂŒtz,  F.  Neufeld  und  H.  Mießn  ei- 
nnachten Àhnliche  Versuche  mit  saprophy tischen  Mist-,  Gras- 
und  Pseudoperlsuchtbazillen,  sowie  mit  Blindschleichen- 
Tuberkelbazillen,  P.  H.  Römer  mit  GeflĂŒgel-Tuberkelbazil- 
len an  Rindern.  Eine  große  Reihe  von  Autoren  (Batail- 
lon, Dubard  und  T  e  r  r  e,  E.  K  1  e  b  s,  F.  Klemperer,. 
H.Klimraer,  A.  Dieudonne,  A.  M  o  e  1 1  e  r,  E.  K  ĂŒ  s  t  e  r, 
Klops  tock  und  Seligmann,  B.  Lange  (1)  u.  a.) 
suchten  durch  verschiedene  wenig  virulente  sÀurefeste  Sapro- 
phyten oder  durch  echte  WarmblĂŒtertuberkelbazillen  verschie- 
dener Provenienz,  die  durch  NĂ€hrboden-  —  vor  allem  aber 
durch  KaltblĂŒterpassage  —  verĂ€ndert,  bzw.  in  ihrer  Virulenz 
fĂŒr  WarmblĂŒter  abgeschwĂ€cht  waren,  Laboratoriumstiere 
gegen  eine  nachfolgende  Infektion  mit  virulenten  Tuberkel - 
bazillen  zu  immunisieren.  Alle  diese  Versuche  wurden  aber 
wegen  ihres  sehr  zweifelhaften  Erfolges  wieder  aufgegeben. 
Wenn  auch  manchmal  eine  gewisse  LebensverlÀngerung  ge- 
genĂŒber den  nur  mit  virulenten  Tuberkelbazillen  infizierten 
Kontrolltieren  zu  verzeichnen  war,  so  gelang  es  doch  niemals 
einwandfrei  den  tödlichen  Verlauf  der  Tuberkulose  bei  den 
Versuchstieren  zu  verhindern.  Der  einzige,  dem  dieser  Ver- 
such angeblich  glĂŒckte,  war  Friedmann  mit  seinem  sog. 
Schildkrötentuberkelbazillus. 

Leider  hat  Friedmann  nur  mit  ganz  wenigen  Ver- 
suchstieren experimentiert.  Die  Versuchsprotokolle  hat  er 
niemals  in  extenso  veröffentlicht.  Er  gibt  nur  an,  daß  die 
mit  Schildkrötentuberkelbazillen  vorbehandelten  Versuchs- 
tiere, hauptsÀchlich  Meerschweinchen,  zu  einer  Zeit,  da  die 
nur  mit  Tuberkelbazillen  infizierten  Kontrolltiere  an  Tuber- 
kulose starben,  bei  der  Obduktion  nach  diagnostischer  Tö- 
tung noch  frei  von  tuberkulösen  VerÀnderungen  gewesen 
seien,  die  am  Leben  gelassenen  3  mal  so  lange  als  die  Kon- 
trolltiere lebten  oder  ĂŒberhaupt  nicht  an  Tuberkulose  ein- 
gingen. Keiner  der  zahlreichen  Autoren,  welche  diese  Ver- 
suche einer  NachprĂŒfung  unterzogen  (Libbertz  und  RuppeL 
Orth  und  L.  Rabinowitsch,  P.  Ehrlich,  H.  Seiter,  E.  Bau- 
mann, G.  Schröder,  F.  Klopstock,  W.  Kolle  und  H.  Schloß- 
berger, P.  Uhlenhuth  und  L.  Lange,  M.  Kirchner,  A.  Moeller, 
G.  Töppich,  S.  Meyer  u.  a.)  konnte  die  Angaben  Friedmann's 
irgendwie  bestÀtigen. 

Durch  die  im  staatlichen  Institut  fĂŒr  experimentelle  The- 
rapie in  Frankfurt  a.  M.  hauptsÀchlich  an  Meerschweinchen, 
aber  auch  an  Kaninchen  und  MĂ€usen  ausgefĂŒhrten  Arbeiten 
wurden  sowohl  die  Wirkung,  als  auch  die  angebliche  Schutz- 
kraft des  Friedmann'schen  Stammes  einer  eingehenden  PrĂŒ- 
fung unterzogen.  Zur  Infektion  der  Versuchstiere  wurde  ein 
alter,  durch  vieljÀhrige  NÀhrbodenpassage  in  seiner  Virulenz 
abgeschwÀchter  menschlicher  Tuberkelbazillenstamm  ver- 
wendet, welcher  subkutan  in  einer  Dosis  von  M  mg  ver- 
impft,  Meerschweinchen  meist  erst  nach  mehr  als  1  Jahr 
tötete.  Unter  anderem  wurden  auch  Aufschwemmungen 
dieses  schwach  virulenten  Stammes,  um  den  fĂŒr  den  Men- 
schen hauptsÀchlich  in  Betracht  kommenden  Infektions- 
modus nachzuahmen,  im  Martini'schen  Inhalationsapparat 
versprayt  und  von  den  Meerschweinchen  inhaliert;  in  weite- 
ren Versuchsreihen  wurden  die  Bazillen  den  Tieren  in  die 
rasierte  Bauchhaut  mit  dem  Glasstab  eingerieben.  Trotz 
dieses  außerordentlich  schonenden  Infektionsmodus  und  des 
ganz  langsamen  Krankheitsverlaufes  konnte  durch  prophy- 
laktische oder  therapeutisch!  Anwendung  der  sogen.  Schild- 
krötentuberkelbazillen Friedmann's  in  keinem  Falle  eine  Be- 
einflussung des  tuberkulösen  Prozesses  festgestellt  werden. 
SĂ€mtliche  Tiere  gingen  schließlich,  ohne  daß  sich  ein  deut- 
licher Unterschied  gegenĂŒber  den  Kontrolltieren  zeigte,  an 
typischer  Tuberkulose  zugrunde.   (Kolle  u.  Schloßberger  (2).) 

Alle  diese  Versuche  beweisen,  daß  sich  der  sogen.  Fried- 
mann'sche  Schildkrötentuberkelbazillus  entgegen  den  An- 
gaben seines  Entdeckers  in  bezug  auf  seine  Verwendung  als 
Heil-  oder  Schutzmittel  im  Tierversuch  ebenso  unwirksam 
verhÀlt,  wie  die  anderen  sogen,  sÀurefesten  Saprophyten,  mit 
denen  die  oben  erwÀhnten  anderen  Autoren  experimentierten. 


‱10.  Jahrg.  —  Nr. ö 


Pfannenstiel:  Friedmanns  Tuberkufosemittef 


ff.> 


Ls  erscheint  daher  durchaus  ungerechtfertigt,  das  Mittel  als 
Heil-  und  Schutzmittel  Iii r  Tuberkulose  unter  Aufwand  von 
marktschreierischer  Reklame,  wie  dies  von  Seiten  Fried 
bann 's  geschehen  isi,  fĂŒr  den  Menschen  in  Anwendung  zu 
bringen. 

Friedmann  selbst  gibt  dem  Tierversuch  keine  Be- 
weiskraft, inuem  er  sagt,  daß  der  spontan  erkrankte  mensc  h - 
Bpnc  Organismus  anuers  reagieren  könne,  als  der  des  experi- 
mentell infizierten  Versuchstieres.     Es  ist  dieser  Einwand 
[§aglos  richtig,  er  lĂ€ĂŸt  sich  sogar  noch  dahin  erweitern,  daß 
pcnt  nur  L  nterschiede  in  der  ReaktionsfÀhigkeit  auf  die 
kĂŒnstliche  Impfung  mit  lebenden  sĂ€urefesten  StĂ€bchen  zwi- 
schen Mensch  und  Tier,  sondern  auch  zwischen  den  ein- 
zelnen menschlichen  Individuen  bestehen  mĂŒssen.     Es  sei 
nur  auf  die  bekannte  Tatsache  hingewiesen,  daß  die  bei  den 
„durchseuchten"  EuropĂ€ern  im  allgemeinen  chronisch  ver- 
laufende Tuberkulose,  bei  manchen  anderen  VölkerstÀmmen, 
Jenen  eine  derartige  „Durchseuchungsresistenz"  fehlt,  unter 
DastÀnden  als  akute  Infektionskrankheit  verlaufen  kann. 
Einen  Àhnlichen  Unterschied,  wie  er  hier  zwischen  verschie- 
lenen  Menschenrassen  in  Erscheinung  tritt,  mĂŒssen  wir  aber 
uich  innerhalb  eines  und  desselben  Volksstammes  bei  ver- 
schieden alten  und  verschieden  disponierten  Individuen  an- 
lehmen.    Der  klinische  Verlauf  und  die  pathologisch  anato- 
nischen Befunde  bei  tuberkulösen  SÀuglingen,  verglichen  mit 
in  Erscheinungen  der  Tuberkulose  beim  Erwachsenen,  be- 
tÀtigen eine  solche  Anschauung.    Denn  es  ist  ja  eine  be- 
tannte  Tatsache,  daß  der  SĂ€ugling  oder  das  Kind  in  den 
‱rsten  Lebensjahren  dem  tuberkulösen  Virus  gegenĂŒber  viel 
veniger  Widerstand  entgegenzusetzen  imstande  ist  als  der 
Erwachsene,  der,  wie  wir  durch  zahlreiche  statistische  Un- 
ersuchungen  wissen,  meist  im  Laufe  der  ersten  20  Jahre 
eines  Lebens  durch  geringe,  meist  ohne  Erscheinungen  ver- 
SĂŒfende  tuberkulöse  Infekte  einen  mehr  oder  weniger  star- 
ten Schutz  gegen  Neuinfektionen  mit  Tuberkelbazillen  er- 
virbt.     Die  Erscheinung,  daß  das  Friedmann 'sehe  Tuber- 
culoseheilmittel  vom  Erwachsenen  meist  vollstÀndig  reak- 
ionslos  vertragen  wird,  kann  daher  wohl  mit  Recht  auf 
inen  solchen  erworbenen  Schutz  zurĂŒckgefĂŒhrt  werden.  An- 
lers  aber  liegen  die  VerhĂ€ltnisse  beim  SĂ€ugling,  der  ĂŒber 
lerartige  Schutzstoffe  noch  nicht  verfĂŒgt.     Bei  der  nahen 
iferwandtschaft,  die  in  biologischer  und  phylogenetischer 
linsicht  zwischen  den  echten  Tuberkuloseerregern  und  den 
ibrigen  sÀurefesten  StÀmmen,  vor  allem  gerade  dem  Fried - 
nann'schen  Stamm  besteht,  ist  es  daher  a  priori  nicht  voll- 
tĂ€ndig    ausgeschlossen,    daß    unter    UmstĂ€nden    der  nur 
chwach  pathogene  Friedmann'sche  Stamm  auf  Grund  seiner 
UipassungsfÀhigkeit,  anstatt  am  Orte  der  Injektion  liegen 
u  bleiben  und  dadurch  eventl.  einen  Schutz  zu  bewirken, 
ine   progrediente   Tuberkelbazillenerkrankung  hervorrufen 
ann.    FĂŒr  diese  Möglichkeit  einer  Virulenzsteigerung  im 
ingeschĂŒtzten  Organismus  des  Kindes  sprechen,  abgesehen 
on  den  oben  mitgeteilten  Tierversuchen,  vor  allem  auch  die 
rĂŒheren  Angaben  Friedmann's,  nach  welchen  der  von  ihm 
ntdeckte  Bazillus  ein  durch  KaltblĂŒterpassage  abgeschwĂ€cht- 
er menschlicher  Tuberkelbazillus  sei.    Es  ist  daher  die  von 
'riedmann  empfohlene  prophylaktische  Massenimpfung  von 
andern  und  SĂ€uglingen  durchaus  nicht  unbedenklich  und 
ie  Möglichkeit  der  Entstehung  einer  Tuberkulose  bei  ein- 
elnen  dazu  disponierten  Individuen  niemals  ganz  von  der 
Band  zu  weisen. 

Wie  bereits  oben  erwÀhnt,  kann  das  Friedmann'sche 
littel  keineswegs  als  eine  originelle  Entdeckung  bezeichnet 
Verden;  denn  die  ihr  zugrunde  liegende  Tatsache,  daß  lokale 
Libcrkulöse  Herde  einen  Schulz  des  Körpers  gegen  die  All- 
emeininfektion mit  Tuberkelbazillen  bedingen,  ist  bereits 
urch  Robert  Koch  u.  a.  festgestellt  und  erhÀrtet  worden. 
)ie  Hauptschwierigkeit  einer  jeden  solchen  Impfung  gegen 
bberkulose  mit  lebenden  Erregern  liegt  jedoch  insbesondere 
a  den  individuellen  Resistenzunterschieden  der  verschiede- 
nen Patienten.  Es  wÀre  daher  notwendig,  das  Mitlei  indi- 
iduell  dosieren  zu  können.  Dieser  Versuch  wurde  von 
'riedmann  in  der  Weise  gemacht,  daß  er  nach  Art  der  Vac- 
ine  verschiedene  VerdĂŒnnungen   der  Kultur   —  gemessen 


nach  der  Dichtigkeit  der  Aufschwemmung  herstellt  und 
in  den  Handel  bringt.    Bei  einem  solchen  Verfahren  kann 

von  einer  wirklichen  Dosierung  natĂŒrlich  gar  keine  Rede  sein. 
1/ie  Keimzahl  dieser  Verdiinnungen  des  Impfstoffs  erwies  sich, 
wie  bereits  vielfach  festgestellt  wurde  (L.  Rabinowitsch  (2), 
F.  Klemperei  (I),  B.  Heymann  u.  Koike  u.  a.),  als  durchaus 
inkonstant;  oft  enthielten  die  Ampullen,  welche  mit 
,, schwach"  bezeichnet  waren,  mein-  Keime,  als  die  mit  „stark" 
bezeichneten.  Vor  allem  hat  aber  Friedmann  die  Schwierig- 
keit der  individuellen  Dosierung  entsprechend  den  Resistenz- 
Unterschieden  bei  verschiedenen  Patienten  nicht  erkannt  und 
noch  viel  weniger  ĂŒberwunden;  denn  sein  Mittel  kann  im 
Gegensatz  zu  sonstigen  Impfstoffen  (Lyssa,  Pockenimpfstoff 
usw.),  welche  vor  ihrer  Anwendung  beim  Menschen  experi- 
mentell genauestens  austitriert  werden,  keinen  Anspruch  auf 
eine  Konstanz  seiner  Wirkung  machen.  Wir  wissen,  daß 
sich  sÀurefeste  StÀbchen  unter  verÀnderten  Lebensbedingun  - 
gen in  ihren  biologischen  und  chemisch  -  physikalischen 
Eigenschaften  wesentlich,  verÀndern  können.  Das  trifft  auch 
fĂŒr  den  Friedmann'schen  Stamm  zu;  denn  der  nach  den  An- 
gaben Friedmann's  aus  einer  der  3  Schildkröten  seinerzeit 
gewonnene  und  zu  Schutz-  und  Heilzwecken  fĂŒr  den  Men- 
schen unter  Kontrolle  von  W.  Kruse  Jahre  hindurch  auf 
kĂŒnstlichen  NĂ€hrböden  fortgezĂŒchtete  Bazillus  hat  z.  B.,  wie 
Kruse  selbst  zugibt,  seine  PathogenitĂ€t  fĂŒr  Schildkröten 
völlig  verloren.  Da  aber  speziell  bei  den  Tuberkelbazillen 
immunisierende  Wirkung  und  PathogenitÀt  in  einem  engen 
Zusammenhang  miteinander  stehen,  so  ist  wohl  die  An- 
nahme berechtigt,  daß  auch  die  immunisierenden  Eigen- 
schaften des  Friedmann'schen  Stammes,  wenn  solche  ĂŒber- 
haupt vorhanden  waren,  unter  dem  Einfluß  der  NĂ€hrboden- 
passagen Aenderungen  erfahren  haben.  Ganz  das  Gleiche 
gilt  auch  fĂŒr  die  dem  Friedmannmittel  nachgebildeten  aus 
Schildkrötentuberkelbazillen  hergestellten  Tuberkuloseheil- 
mittel: das  „Chelonin,  Schildkröten-TB-Vakzint  Dr.  Pi- 
orkowski",  und  die  „KaltblĂŒter-KTB-Vakzine  Dr.  F.  Baum" 
(B.  Heymann  und  M.  Koike.) 

Die  klinischen  Erfolge  des  Mittels  sind  dem  Gesagten 
entsprechend  recht  zweideutig.  WÀhrend  die  AnhÀnger 
Friedmann's  glÀnzende  Heilerfolge  beim  tuberkulösen  Men- 
sclien  gesehen  haben  wollen,  werden  die  Angaben  ob- 
jektiver Beobachter  immer  zahlreicher,  welche  in  der  Mehr- 
zahl der  FĂ€lle  keine  Beeinflussung  des  Krankheitsverlaufes 
durch  das  Friedmann -Mittel,  teilweise  sogar  akute  Ver- 
schlimmerungen feststellen  mußten.  Eine  Reihe  von  Todes- 
fĂ€llen im  Anschluß  an  die  Friedmann-Impfung  (Westenhöfer, 
Vulpius  und  Laubenheinier.  Tillmanns,  Specht  u.  a.  m.) 
warnen  vor  dem  Gebrauch  des  Mittels  beim  Menschen. 

In  der  ĂŒberaus  umfangreichen  ĂŒber  das  Mittel  veröffent- 
lichten Literatur  hielten  sich  bis  vor  kurzem  das  FĂŒr  und 
Wider  ungefÀhr  die  Wage.  Durch  die  in  den  letzten  Jahren 
vorgenommenen  biologischen  NachprĂŒfungen  des  Mittels  im 
Tierversuch  und  die  sich  immer  mehr  hÀufenden  warnenden 
Stimmen  der  Kliniker  dĂŒrfte  sich  die  Wage  jedoch  heute 
schon  dahin  geneigt  haben,  daß  die  medizinische  Welt  das 
Mittel  in  Zukunft  wegen  seiner  GefÀhrlichkeit  einerseits  und 
wegen  seiner  sehr  zweifelhaften  Wirksamkeit  beim  Menschen 
andererseits  ablehnen  wird. 

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116 


Graul:  Cholelithiasis. 


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Weber,  und  Taute:  D.  m.  W.  1904,  Nr.  28,  S.  1019 

Wostenhöfer  :  Berl.  kl.  W.  1913,  Nr.  27,  S.  1247. 


(Aus  dem  Sanatorium  Dr.  G  r  a  u  1  -  Neuenahr.) 

Ueber  Genese,  Diagnostik  und  interne  Therapie 
der  Cholelithiasis. 

Von  Dr.  G.  Grau  1,  Neuenahr. 

Hinsichtlich  der  Genese  der  Gallensteine  sei  daran  er- 
innert, daß  wir  —  fußend  auf  den  experimentellen  Unter- 
suchungen, auf  Sektionsbefunden  von  Aschoff  und  Bac- 
meister  —  heute  neben  der  Entstehung  der  Gallensteine 
auf  Grund  einer  entzĂŒndlichen  Affektion  der  Gallenblase, 
die  durch  Bakterieninvasion  entsteht,  solche  durch  bloße 
Gallenstauung  bei  steriler  FlĂŒssigkeit  kennen.  Die  in  steriler 
Gaile,  einfach  infolge  Stauung  derselben,  sich  bildenden 
Gallensteine  sind  r  ad  iÀrstr  ahlige  Cholestea  r  in- 
st e  i  n  e,  die  in  der  Regel  in  der  Einzahl  vorkommen,  des-: 
halb  SolitĂ€rsteine  genannt  werden.  Der  Bildungsprozeß 
dieser  Cholestearinsteine,  ist  ein  physikalisch-chemischer 
Vorgang.  Das  Cholestearin,  das  in  der  Galle  durch  die  Gallen- 
sÀuren in  Lösung  gehalten  wird,  kommt  bei  einer  durch  Cho- 
i!  stearin  ĂŒbersĂ€ttigten  Galle  zuerst  als  Tropfen  und  Tröpf- 
chen zum  Ausfall  —  tropfige  Entmischung  — ,  die  dann  sich 
zu  grĂ¶ĂŸeren  Gebilden  zusammenballen,  sich  aneinander  la-'; 
gern  und  nun  das  Cholestearin  auskristallisieren. 

Ist  die  Gallenstauung  entzĂŒndlicher  Natur,  so  bilden  sich 
infolge  der  kalkhaltigen  Exsudation  der  Schleimhaut  B  i  1  i -j 
nibin -  Kalksteine;  in  ihnen  kann  man  stets  organi- 
sche Bestandteile,  "die  Eiweiße  der  entzĂŒndlichen  Exsudation 
nachweisen  (Fibrinnetzgewebe).  Sie  haben  im  Durchschnitt 
nicht  ein  radiĂ€eres  GefĂŒge,  sondern  weisen  eine  mehr  oder 
minder  deutliche  Schichtenbildung  auf.  Nach  Schade  ist 
diese  Schichtenbildung  das  Formcharakteristikum  der  Aus- 
fĂ€llung von  Kolloiden  (geschichtete  Eiweiß-Bilirubin-Kalk- 
steine).  Wirkt  auf  den  steril  entstandenen  Cholestearinstein 
nun  weiterhin  eine  auf  entzĂŒndlicher  Basis  beruhende  Stein- 
Jildung  ein,  kommt  es  also  zu  Exsudation  von  Bilirubin- 
kalk,  von  Eiweißelementen,  so  wandelt  sich  der  Cholestearin- 
stein in  einen  Kombinationsstein  um.  Um  den  Cho- 
lestearinkern  schichtet  sich  ein  Bilirubinkalkmantel  (ge- 
schichteter Cholestea  rin-Bilirubinkalkstein 
oder  Cholestearin -  Pigmentkalkstein).  Die 
Steine  sind  Zeugen  fĂŒr  den  Entwicklungsgang  ihrer  Bildung. 
Wir  unterscheiden  somit  zweckmĂ€ĂŸig:  1.  den  durch  asepti- 
sche Stauung  entstandenen  SolitÀr-  oder  Chole- 
stearinstein, 2.  den  durch  EntzĂŒndung  entstandenen 
Bilirubinkalk stein,  3.  die  verschiedenen  Kombi- 
n  ati ons steine. 

Es  muß  also  stets  irgendwie  die  Galle  gestaut,  ein 
freier  Abfluß  aus  der  Gallenblase,  die  ja  als  Reservoir  dient, 
behindert  sein,  daß  Steine  sich  ĂŒberhaupt  bilden  können. 
Beim  weiblichen  Geschlecht  spielt  nun  die  GraviditÀt  hierbei 
eine  hervorragende  Rolle;  es  ist  bekannt,  daß  meist  infolge  von 
GraviditÀt  die  ersten  GalleristeinanfÀlle  auftreten.  Aber  die 
GraviditÀt  kann  unmöglich  ein  absolutes  genetisches  Moment 
sein,  denn  doch  nur  ein  Bruchteil  gravider  Frauen  bekommt 
Gallensteine.  Und  auch  sonst  alle  anderen  Faktoren,  die  als 
raumbeengend  geeignet  sind,  einen  Druck  auf  die  Gallen- 
blase, die  GallengĂ€nge  auszuĂŒben  —  ich  denke  an  SchnĂŒr- 
leberlappen, Tumoren  der  rechten  Niere,  Tumoren  der  Pan- 
kreas, der  Leber,  des  Magens  —  oder  die  durch  Zugwirkung 
Knickungen,  Verengerungen  des  Gallenkanalsystems  er- 
zeugen —  ich  denke  an  Enteroptose  (Magenptose,  Nieren - 
ptose)  —  bedingen  nicht  immer  Gallensteine.  Da  hat  sich 
nun  ein  konstitutionelles  Element  zur  Disposition  fĂŒr  Gallen- 
steine in  der  Cholestearinaemie  herausgestellt  Man  konnte 
bei  Gallensteinkranken  ĂŒberaus  hĂ€ufig  eine  Cholestearin- 
vermehrung  im  Blute  nachweisen  (Flandin,  Pathogenie  de 
la  lithiase  biiaire,  These  de  Paris  1912,  Defaye,  Contr.  À 
l'etude  clinique  de  la  cholesterinaemie,  These  de  Bordeaux 
1912),  wie  auch  Cholestearinvermehrung  in  der  Galle 
(Aschoff).  Und  dann  fand  sich  auch  in  der  GraviditÀt, 
dann  bei  Adipositas,  Diabetes  usw.  Hypereholestearinaemie-j 
Experimentell  konnte   Aoyama    (Deutsche   Zeitschrift  fĂŒr 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  5 


Graul:  Cholelithiasis. 


11; 


Chirurgie  1915,  Nr.  i;*2)  den  Beweis  erbringen,  daß 
Stauungen  der  Galle  bei  vermehrter  Cholestearinzufuhr  bei 
Kaninchen  Lithiasis  hervorrufen.  Eine  solche  Choleslearin- 
diathese  kann  als  Konstitulionsanomalie  gegeben  sein,  kann 
sicherlich  auch  durch  eine  cholestearinĂŒberreiche  ErnĂ€hrung 
(Feit.  Eiweiß)  erworben  werden.  Es  ist  bekannt,  daß  ge- 
wisse BlutdrĂŒsen  (Nebennieren,  KeimdrĂŒsen)  von  Bedeutung 
fĂŒr  den  Lipoidstoffwechsel  sind.  NatĂŒrlich  ist  es  auch 
denkbar,  daß  Anomalien  in  der  Funktion  der  Leberzelle  lin- 
den Ausfall  oder  die  Ausscheidung  des  Cholestearins  von 
maßgebender  Bedeutung  sind.  Es  wurde  ja  schon  eingangs 
jjjrwĂ€hnt,  daß  die  gallensauren  Salze  das  Cholestearin  in  Lö- 
sung halten,  und  eine  MischungsÀnderung  in  der  notwen- 
digen gegenseitigen  Menge  der  chemischen  Körper  die  Stein - 
bildung  hervorruft. 

Neben  einer  großen  Anzahl  von  fettleibigen  Gallenstein  - 
krankin  beobachtet  man  hÀufig  solche  von  astheni- 
schem Habitus.  Ich  halte  diesen  Habitus  fĂŒr  einen  kon- 
stitutionell disponierenden  Krankheitsfaktor.  Erstlich,  weil 
er  meist  mit  Lockerung  der  Ligamente,  mit  den  verschiede- 
nen Formen  der  Enteroptose  einhergeht,  worauf  oben  schon 
hingewiesen  wurde;  dann  aber,  und  darauf  möchte  ich  ganz 
besonders  hinweisen,  weil  fast  alle  asthenischen  Individuen 
abnorme  Innervierung  des  vegetativen  Systems  zeigen.  Die 
Harmonie  im-  Vagus -Sympathicussystem  ist  gestört,  Hyper- 
tonie ĂŒberaus  hĂ€ufig.  Nun  wissen  wir,  daß  im  Vagus  er- 
regende Fasern  fĂŒr  die  Gallensekretion  und  Gallengangsmus 
kulatur  verlaufen  (Eiger).  Die  Vagusreizung  zeigt  sich  in 
funktionellen  KrÀmpfen  bestimmter  Muskeln.  Ebenso  wie  es 
einen  neurogenen  Pyloruskrampf  gibt,  so  darf  auch  ange- 
nommen werden,  daß  bei  Vagotonikern  der  Choledochus - 
schließmuskel  abnorm  stark  innerviert  wird,  zumal  wenn 
durch  ein  Plus  an  Galle  ein  Reiz  ausgeĂŒbt  wird;  und  wie  es 
eine  asthenische  Alonie  der  Magenmuskulatur  gibt,  so  darf 
man  auch  muskulÀre,  konstitutionell  bedingte  SchwÀche- 
iu-stÀnde  der  Gallenblasenmuskulatur  annehmen,  wenn 
Symptome  einer  asthenischen  Konstitution  vorliegen.  Auf 
alle  FĂ€lle  ist  mir  stets  die  relative  HĂ€ufigkeit  des  Zusam- 
mentreffens von  Cholelithiasis  und  Asthenie,  bezw.  mit  Ano- 
malien des  vegetativen  Systems  aufgefallen.  Ich  sehe,  dal! 
auch  E  p  p  i  n  g  e  r  und  Heß  schon  auf  die  Möglichkeit  vago - 
Ionisch  bedingter  KrÀmpfe  der  Gallenwege  hinweisen;  ich 
möchte  aber  die  Ansicht  vertreten,  ob  nicht  etwa  solche  va- 
golonisehe  KrÀmpfe  durch  Erzeugung  von  Stauung,  durch 
Beeinflussung  des  Gallenflusses  als  steinbildende  Momente 
direkt  anzusprechen  sind. 

Durchaus  ins  Symptomenbild  der  Vagotonie  paßt  die 
gleichzeitig  meist  zu  beobachtende  chronische  Obstipation, 
die  meist  spastischen  Charakters  ist,  die  HyperaziditÀt  des 
Marens,  seine  Neigung  zu  Spasmen,  alle  Erscheinungen  eines 
Krankhaft  gesteigerten,  ĂŒberreizbaren  Tonus  im  autonomen 
System.  Auch  Stiller  lenkt  in  seinem  Buche  (Die  asthe- 
nische Konstitutionskrankheit)  die  Aufmerksamkeit  auf  das 
Zusammentreffen  von  Cholelithiasis,  Spbanchnoptose  und 
Aslbenie. 

Die  bakterielle  Invasion  in  die  GallengÀnge,  bzw.  in  die 
Gallen wege  erfolgt  sowohl  auf  dem  Blutwege,  als  sicher  auch 
fezendierend  durch  Bakterieneinwanderung  in  den  Chole- 
doehus,  im  Anschluß  an  Magen -Darmkatarrhe. 

Die  vornehmste  BildungsstÀtte  der  Steine  ist  die  Gallen- 
blase. PrimÀre  Steinbildung  in  den  GallengÀngen  ist  eine 
Seltenheit. 

Die  wichtigsten  diagnostischen  Symptome 
sind:  der  Schmerz,  Nachweis  einer  vergrĂ¶ĂŸerten 
pa  1 1  e  n  b  1  a  s  e,  dann  der  [  k  t  e  r  u  s,  die  L  e  b  e  r  s  c  h  w  e  1- 
1  u  n  g.  Dem  S  c  h  m  e  r  z  kommt  die  erste  Bedeutung  zu, 
denn  Ikterus,  Leberschwellung  und  Gallenblasenlumor  kön  - 
nen fehlen.  Ein  m  e  c  h  a  n  i  s  c  her  I  k  t  e  r  u  s  durch  Stein- 
\ei  schluß  kann  nur  resultieren .  aus  dem  Festliegen  eines 
Steines  im  duclus  hepalicus  oder  im  ductUS  choledochus, 
wÀhrend  Steine  in  der  Gallenblase  oder  im  duetus  cysticus 
keinen  Ikterus  durch  Gallenstauung  an  und  fĂŒr  sieb  bedingen. 
Nur  dann,  wenn  ein  großer  Stein  im  Cysticus  sich  befindet, 


der  Cysticus  anstatt  spitzwinklig  in  den  Hepalicus  einzu 
mĂŒnden,  parallel  zum  Hepatictis  verlĂ€uft  oder  sich  etwa 
spiralig  um  ihn  windet,  kann  durch  den  Druck  des  im 
Cysticus  steckenden  Steines  auch  der  Hepaticus  mehr  oder 
weniger  verlegt  werden.  Freilich  gibt  es  auch  bei  der  Chole- 
lithiasis einen  nicht  mechanisch,  sondern  entzĂŒndlich 
bedingten  Ikterus.  Im  Anschluß  an  eine  Cholecystitis 
kann  es  auf  dem  Wege  der  Lympfbahnen  zu  einer  Pankrea- 
titis kommen.  Da  nun  in  den  allermeisten  FĂ€llen  der  Chole- 
dochus durch  den  Pankrcaskopf  hindurchlÀuft,  so  wird  eine 
entzĂŒndliche  Anschwellung  des  Pankreaskopfes  zu  einer 
Cholcdochuskompression  und  dadurch  zu  einem  Ikterus 
fĂŒhren.  Ikterus  wird  ferner  auftreten,  wenn  es  zu  einer  Cho- 
langitis hepatica  infolge  Infektion  der  feinsten  intrÀhepati 
sehen  GĂ€nge  kommt.  Sitzt  ein  Stein  oberhalb  der  MĂŒndungs- 
stelle des  Choledochus  in  das  Duodenum,  also  oberhalb  der 
Papilla  Vateri,  so  ist  der  Ikterus  meist  wechselnd  in  seiner 
IntensitĂ€t,  da  der  Stein  meist  sich  verschieben  kann,  so  daß 
zeitweise  Galle  vorbeifließt,  zeitweise  zurĂŒckgehalten  wird. 
Dieser  IntensitÀtswechsel  im  Ikterus  ist  stets  dann  vorhan- 
den, wenn  der  Choledochus  sich  gedehnt  hat  und  der  Stein 
sein  Lumen  nicht  vollkommen  ausfĂŒllt. 

Wir  unterscheiden  also  den  mechanischen  und  den  ent- 
zĂŒndlichen Ikterus  bei  der  Cholelithiasis;  den  intrahepatisch 
bedingten  Ikterus  hat  man  auch  funktionellen  genannt,  er 
beruht  auf  der  sogen.  Paracholie  des  Gallen flusses  innerhalb 
der  Leberzellen. 

Wie  schon  erwÀhnt  ist  der  Seh  m  e  r  z  unstreitig  das 
wichtigste  diagnostische  Merkmal.  Am 
charakteristischen  ist  er  als  Kolikschraerz  (Gallenstein  - 
kolik).  Er  wird  bedingt  durch  die  akute  entzĂŒndliche 
Schwellung  der  Gallenblase,  durch  Dehnung  der  Ligamente; 
bekannt  sind  die  Ausstrahlungen  des  Schmerzes  in  den 
RĂŒcken,  in  die  SchulterblĂ€tter.  GegenĂŒber  dem  akuten 
typischen  Schmerzanfall  stehen  die  mehr  chronischen 
Schmerzarten,  die  im  Bereich  der  Gallenblase,  im  Eni^a- 
strium,  unter  dem  Sternum,  ja  im  linken  Hyooehondrium 
lokalisiert  sein  können.  Charakteristisch  fĂŒr  den  Chole- 
dochusstein,  d.  h.  Cholangitis  ist  der  Schmerzounkt  in  der 
Mittellinie  oberhalb  des  Nabels.  Nicht  selten  ist  rechts  vom 
10.  bis  12.  Brustwirbel  ein  lokalisierter  Sehmerzpunkt 
nachzuweisen  (Boasscher  Druckpunkt).  Ist  keine  Ent- 
zĂŒndung vorhanden,  handelt  es  sich  also  um  Steine  in 
steriler  Blase,  so  fehlt  naturgemĂ€ĂŸ  der  Schmerz. 

Bei  der  akuten  Cholecystitis  ist  im  Anfall  die 
Gallenblase  fast  immer  als  prall-elastischer,  meist  kleiner 
Tumor  unter  dem  Leberrand  zu  palpieren,  vorausgesetzt,  daß 
die  Bauchdecken  nicht  zu  stark  gespannt  sind.  Denn  ebenso 
wie  bei  der  Appendieitis  besteht  bei  der  akuten  Gallen- 
blasenentzĂŒndung eine  reaktive  Muskelspannung  im  Bereich 
der  Gallenblasenschwellung  infolge  der  EntzĂŒndung  der 
Serosa  der  Gallenblase  (Pericholecyslitis).  Ist  die  Ent- 
zĂŒndung abgelaufen,  so  verschwindet  schnell  der  Tumor;  er 
bleibt  dagegen  bestehen,  vergrĂ¶ĂŸert  sieh,  wenn  nicht  eine 
seröse,  sondern  eitrige  Cholecystitis  vorhanden  ist.  Wir 
sprechen  von  einem  Empyem  derGallenbl  a  s  e.  Dieser 
Tumor  ist  schmerzhaft,  im  Gegensatz  zum  Hydrops  der 
Gallenblase.  Der  Hydrops  der  G  a  1 1  e  n  b  1  a 's  e  ist  eine 
Ausheilungsform  der  serösen  Cholecystitis.  Dieser  hy- 
dropische  Tumor  der  Gallenblase  kann  bis  ins  kleine  Becken 
reichen,  ist  beweglich  und  bei  der  Palpation  pendelnd.  Der 
Hydrops  der  Gallenblase  entsteht  dadurch,  daß  die  Ent- 
zĂŒndung wohl  zurĂŒckgeht,  der  Stein  jedoch  im  Gallenblasen - 
hals  oder  im  Cysticus  verbleibt,  so  daß  das  ursprĂŒnglich 
entzĂŒndliche  Exsudat  nicht  abfließen  kann.  Dieser  Gallen- 
blasentumor  ist  nach  Ablauf  der  EntzĂŒndung  nicht  druck- 
empfindlich bei  der  Palpation,  wĂ€hrend  der  entzĂŒndliche 
Tumor,  also  z.  B.  die  Empyemform  der  Cholecystitis  druck- 
empfindlich ist. 

Bei  der  chronischen  EntzĂŒndung  des  Choledochus  ist 
die  Gallenblase  meist  klein  und  in  80  Prozent  der  FĂ€lle 
geschrumpft.  (Kehr.) 


118 


Graul:  Cholelithiasis. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Leberschwellung  treffen  wir  an  bei  der  akut- 
eitrigen Cholecystitis,  bei  allen  EntzĂŒndungsformen,  die  mit 
Cholangitis  einhergehen,  also  sowohl  bei  einer  infektiösen 
Cholecystitis  wie  bei  der  akuten  oder  chronischen  Ent- 
zĂŒndung des  Choledochus.  Als  Riedeischen  Lappen 
bezeichnet  man  die  ĂŒber  der  Gallenblase  lokalisierte  Leber- 
schwellung, die  sich  durch  ihre  Schwellung  lappenf örmig 
von  der  ĂŒbrigen  Lebermasse  abpalpieren  lĂ€ĂŸt,  die  aber  nicht 
mit  einer  sog,  SchnĂŒrleber  oder  mit  einer  rechten  Wander- 
niere verwechselt  werden  darf. 

Von  den  Komplikation  enbeiCholelithiasis 
seien  in  Erinnerung  zurĂŒckgerufen:  a)  die  adhĂ€siven 
Prozesse,  die  durch  eine  Pericholecystitis  erfolgen  und  zu 
Verklebungen  der  Gallenblase  mit  dem  Duodenum,  dem 
Pylorus,  der  Leber,  dem  Colon  usw.  fĂŒhren  und  funktionelle 
Störungen  der  Verdauungsorgane,  vorwiegend  in  Form  von 
Stenosen  bedingen.  Man  denke  also  bei  nachgewiesener 
Pylorusstenose  an  adhÀsive  Cholecystitis.  Im  Röntgenbild 
lĂ€ĂŸt  sich  hĂ€ufig  die  Verwachsung  durch  Verzerrung  der 
Konturen-Schatten  nachweisen.  Infolge  vorhergegangener 
Verklebung  kann  es  zu  Fistelbildungen  der  Gal- 
lenwege, speziell  der  Blase  mit  Duodenum,  der  Bauch  - 
wand  usw.  kommen,  wenn  ein  Stein  perforiert  ist.  Perfo- 
ration ohne  vorherige  Verklebung  kann  zur  Peritonitis 
fĂŒhren,  zu  tötlichen  Blutungen,  wenn  der  Stein  in  ein  be- 
nachbartes GefĂ€ĂŸ  einbricht  (Vena  cava).  EntzĂŒndungsvor- 
gÀnge können  sich  von  den  Gallenwegen  auf  die  Leber  fort- 
setzen und  Leberabszesse  erzeugen  oder  retroperi- 
toneale,  peritoneale  oder  subphrenische  Eiterungen.  Findet 
man  einen  subphrenischen  Abszeß,  so  denke  man 
außer  an  Appendicitis  stets  auch  an  Cholelithiasis  suppu- 
rativa. 

Wichtig  ist  die  —  allerdings  nach  meiner  Beobachtung 
—  seltene  Komplikation  der  Cholelithiasis  mit  der  Pan- 
kreatitis. Die  subjektiven  Beschwerden  sind  hÀufig  die 
gleichen;  bei  der  Untersuchung  des  Leibes  wird  es  oft  gelin- 
gen, eine  wenig  druckempfindliche  Resistenz  im  linken  Teil 
des  Epigastrium  durchzutasten.  Ausschlaggebend  fĂŒr  die 
Diagnose  der  Pankreasaffektion  ist  die  Stuhlbeschaffenheit, 
die  bei  Verdacht  darauf  niemals  unterbleiben  darf.  Die 
StĂŒhle  sind  voluminös,  von  aßhaftem  Geruch  und  zeigen 
hÀufig  schon  makroskopisch  eine  aufliegende,  schillernde 
Fettschicht.  Mikroskopisch  konstatiert  man  die  mangelhafte 
Fettverdauung  durch  den  Nachweis  massenhafter  Feitropfen, 
Fettnadeln,  die  mangelhafte.  Fleischverdauung  durch  die  un- 
verdauten Muskelfasern  (Querstreifung,  scharfe  Ecken). 

WÀhrend  in  den  AnfÀngen  einer  Cholelithiasis  hÀufig 
HyperaciditÀt  gefunden  wird,  ist  S  u  b-  und  Anazi- 
d  i  t  À  t  bei  lÀnger  dauernder  Cholezystitis  nicht  selten.  Ich 
habe  relativ  hÀufig  AnaziditÀt  bei  chronischer  Cholezvstitis 
nachweisen  können.  Hohlweg  hat  zuerst  darauf  hinge- 
wiesen und  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  nach  Chole- 
zystektomie  AnaziditÀt  sich  ausbildet.  Nicht  selten  fand  ich 
Achylien  des  Magens  mit  spastischen  Pyloruserscheinungen. 
Ich  glaube,  daß  da  hĂ€ufig  eine  chronische  Cholezystitis  ur- 
sÀchlich zugrunde  lag. 

Noch  auf  eine  Komplikation  möchte  ich  hinweisen,  die 
ich  zufÀllig  zweimal  in  kurzer  Zeit  beobachten  konnte.  Der 
sogen.  Gallensteinanfall  wurde  eingeleitet  durch  eine 
trockene  Pleuritis,  die  einmal  rechts  hinten  unten, 
das  andere  Mal  links  hinten  unten  saß.  Erst  nach  3 — 4  Ta- 
gen trat  der  Kolikanfall  ein.  Ich  glaube,  daß  nicht  eine 
primĂ€re  Pleuritis  die  Cholezystitis  bedingte,  sondern  daß  eine 
klinisch  latente  Cholezystitis  bestand,  die  aber  auf  dem  Wege 
der  Lymphbahnen  zu  einer  prÀmonitorischen  trockenen 
Pleuritis  fĂŒhrte.  Auf  die  Komplikation  der  Cholelithiasis 
mit  Pleuropneumonien  hat  Bahr  dt  zuerst  hinge- 
wiesen (M.  m.  W.  1912,  59),  Nur  erwÀhnt  sei  der  Ileus, 
der  sich  an  in  den  Darm  eingetretene  Gallensteine  anschließen 
kann,  an  das  Karzinom  der  Gallenblase,  das  von  vielen 
Autoren  als  eine  Folgeerscheinung  der  Gallensteine  angesehen 
wird,  doch  wird  dem  auch  widersprochen.  BezĂŒglich  der 
Diagnose   des   Gallenblasenkarzinoms   weise  ich 


darauf  hin,  daß  der  Tumor  hart,  uneben  ist,  daß  sich  heftiger 
Ikterus  einstellt,  wenn  der  Choledochus  bezw.  der  portale 
DrĂŒsenplexus  affiziert  wird  und  daß  durch  eine  Kompression 
der  vena  portae  Ascites  sich  einstellen  kann. 

Die  Differentialdiagnose  der  Cholelithia- 
s  i  s  gegenĂŒber  symptomĂ€hnlichen  Erkrankungen  der  be- 
nachbarten Organe  kann  bekanntlich  eine  recht  schwere  sein. 
Der  beste  Rat  Fehler  zu  vermeiden  ist  die  genaue  Palpa- 
tion des  Leberrandes,  der  Nachweis  einer 
zirkumskripten  Schmerzhaftigkeit  in  der 
Gallenblasengegend,  der  Nachweis  eines  Riedel- 
schen  Leberlappens.  Verwechslungen  können  eintreten  mit. 
der  Annahme  eines  ulcus  pylori,  duodenale,  mit  einer  akuten 
Appendizitis.  Ist  der  Appendix  nach  oben  umgeschlagen, 
so  spielt  sich  naturgemĂ€ĂŸ  der  EntzĂŒndungsprozeß  in  der 
NĂ€he  der  Gallenblase  ab  und  kann  die  Diagnose  in  falsche 
Bahnen  lenken.  Das  Hauptgewicht  wÀre  auch  hier  festzu- 
stellen, ob  die  Palpation  des  Leberrandes  zirkumskript 
schmerzhaft  ist,  ob  sich  der  fragliche  Tumor  in  Beziehung 
zur  Leber  befindet,  respiratorisch  beweglich  ist,  und  ob  sich 
zwischen  ihm  und  dem  unteren  Leberrand  eine  Zone  tym- 
panitischen  Schalles  deutlich  nachweisen  lĂ€ĂŸt.  Eventl.  Indi- 
kanurie  snricht  fĂŒr  Appendizitis  und  gegen  Cholezvstitis. 
Ikterus  wird  fĂŒr  Cholezystitis  snrechen,  obwohl  bei  schwerer 
Anpendizitis  Ikterus  als  Begleiterscheinung  auftreten  kann 
(Cholangitis).  Bei  der  akuten  Appendizitis  besteht  meist  Aus- 
strahlung der  Schmerzen  in  den  rechten  Oberschenkel, 
Schmerzen  beim  Urinlassen.  Verwechslunsen  können  vor- 
kommen, wenn  eine  akute  Perityphlitis  mit  Thrombo- 
phlebitis der  Pfortader  verlÀuft:  hier  treten  eben- 
falls Leberschmerzen,  Ikterus  auf.  Das  Fieber  ist  intermit- 
tierend, mit  SchĂŒttelfrösten  verlaufend,  meist  kommt  es  zur 
Milzschwellung. 

FĂŒr  Ulcus  duodenale  bzw.  pylori  wird  ein  po- 
sitiver Nachweis  okkulten  Blutes  sprechen,  die  zeitliche  Ab- 
hÀngigkeit der  Schmerzen  von  der  Nahrungsaufnahme,  und] 
worauf  ich  immer  wieder  hinweise,  der  Palnationshefund  des 
freien  Leberrandes.  Der  von  einigen  Autoren  als  fĂŒr  Ulcus 
duodenale  charakteristisch  bezeichnete  Hungerschmerz 
kommt  auch  bei  Cholezystitis  vor,  durch  Ansammlung  der 
Galle  in  der  Gallenblase  und  dadurch  bedingte  Zerrung,  Deh- 
nung ihrer  Wand.  Denn  bekanntlich  fließt  die  Galle  nicht 
kontinuierlich  in  das  Duodenum,  sondern  der  Schließmuskel 
des  Choledoctus  öffnet  sich  erst  auf  den  Reiz  der  in  das  Duo- 
denum eintretenden  Ingesta.  Daß  in  unklaren  FĂ€llen  eine 
Röntgenuntersuchung  unbedingt  notwendig  ist,  soll  nur  er- 
wÀhnt werden. 

Unter  dem  Schmerzbild  der  Cholezvstitis  kann  ferner  die 
Nierenkolik  auftreten.  Bei  der  Nierenkolik  geht  aber 
doch  meist  der  Schmerz  von  der  Lendengegend  aus.  verlÀuft 
lÀngs  der  Uretheren  und  strahl  in  Blase,  in  die  Genitalien 
aus.  was  bei  der  Cholezystitis  nicht  der  Fall  ist. 

Bekloofen  der  Nierengegend  ist  schmerzhaft.  Im  Urin 
snricht  der  Nachweis,  wenn  auch  nur  vereinzelter,  roter 
Blutkörperchen  fĂŒr  Nierenkolik. 

In  seltenen  FĂ€llen  kann  eine  rechtsseitige  Wan- 
derniere eine  vergrĂ¶ĂŸerte  Gallenblase  vortĂ€uschen.  Hier 
entscheidet  die  Gestalt  der  Geschwulst,  ihre  freie  Beweglich- 
keit, ihre  Abgrenzbarkeit  gegen  die  Umgehung.  Der  Gullen  - 
blasentumor  ist  naturgemĂ€ĂŸ  nach  oben  nicht  umgreifbar  wie 
eine  Wanderniere,  da  er  ja  mit  der  Leber  zusammenhÀngt, 
Die  Wanderniere  zeigt  in  der  Reöel  eine  viel  ffroßpre  freie 
Beweglichkeit  als  die  vergrĂ¶ĂŸerte  Gallenblase.  Die  Wander- 
niere ist  dann  resniratorisch  beweglich,  wenn  sie  der  unteren 
LeberflÀche  anliegt  und  ihr  somit  durch  die  T  eher  die  resp- 
iratorischen Verschiebungen  des  Zwerchfelles  ĂŒbertragen 
werden. 

Ob  ein  TumorderNiere  (z.  B.  Hvdronenhrose^  oder 
der  Leber  bzw.  der  Gallenblase  angehört,  lĂ€ĂŸt  sieh  in  det 
Regel  durch  die  AufblÀhung  des  Kolon  nachweisen.  Das 
Colon  ascendens  zieht  von  rechts  unten  nach  links  oben 
ĂŒber  den  Nierentumor  hinweg.  Bei  Luftanfblasune  des 
Kolon  wird  sich  ĂŒber  den  Tumor  der  luftgefĂŒllte  Darm  per- 


10.  .Jahrg.  -  Nr.  "> 


Graul:  Cholelithiasis 


Icuiorisch  aachweisen   hissen,  wahrem  1  ein  Gallenblasen 
tumor  durch  die  LuftfĂŒllung  des  Kolon  gegen  die  Bauchdecke 
gehoben  wird.  Bei  der  Hydronephrose  isi  die  intermittierende 

FĂŒllung  des  Sackes,  wenn  der  Urether  nicht  infolge  Torsion 
unwegsam  ist,  ein  diagnostisches  Charakteristikum. 

Ueber  die  differeutialdiaguöstischen  Hauptmomente,  die 
eine  P  a  n  k  r  e at  i  t  i  s  von  einer  Cholezystitis  scheiden 
lassen,  wurde  schon  oben  kurz  gesprochen. 

D  u  r  c  h  d  e  n  E  i  n  t  r  i  1 1  d  c  r  E  n  t  z  ĂŒ  n  d  u  n  g 
w  i  r  d  d  a-s  Gallenstein  leiden,  d  a  s  i  m  „s  t  e  - 
r  i  1  e  n"  S  i  ;i  d  i  ii  m  n  u  r  als  p  h  y  s  i  o  l  o  g  i  s  c  h  e 
A  n  o  m  a  1  i  e  zu  b  e  z  e  i  c  h  n  e  n  w  À  r  e ,  erst  z  u  r 
manifesten  K  r  a  n  k  h  e  i  t.  Aufgabe  der  Ther  a  p  i  e 
ist  es  in  erster  Linie,  das  Einsetzen  der  EntzĂŒndung  zu  ver- 
hindern, bei  ausgebrochener  EntzĂŒndung  dieselbe  zu  be- 
kÀmpfen, ihr  Weiterschreiten  zu  verhindern;  die  Prognose 
des  Leidens  wird  in  erster  Linie  vom  Grad,  der  Ausdehnung, 
der  Art  der  EntzĂŒndung  —  ob  serös,  ob  purulent  —  bestimmt;, 
dann  natĂŒrlich  von  der  Art  eines  eventuell  auftretenden 
Ikterus;  denn  ein  diÀtetisch  oder  medikamentös  nicht  beein- 
flußbarer mechanischer  Ikterus  durch  Obstruktion  des  duc- 
lus  hepaticus  oder  choledochus,  ist  anders  zu  bewerten  als 
eventuell  ein  inflammatorischer  oder  funktioneller,  der  in 
einer  Paracholie  der  Leberzellen  beruht;  Bei  der  ausge- 
brochenen Krankheit  erstreckt  sich  die  Therapie  mithin  auf 
die  Erscheinungen  der  Inflammation  und  des  Ikterus  in 
erster  Linie,  und  zwar  nach  den  verschiedensten  Richtun- 
gen hin. 

Die  Maßnahmen  bei  der  akuten  Cholezystitis  sind  durch 
die  Sachlage  gegeben;  hier  handelt  es  sich  in  erster  Linie 
darum,  den  Schmerz  zu  bekĂ€mpfen.  Ich  halte  es  fĂŒr  ver- 
kehrt, mit  dem  Morphium  allzu  lange  zuzusehen.  Eine  in- 
tensive Kolik,  deren  Dauer  ja  von  vornherein  gar  nicht  ab- 
zuschĂ€tzen ist,  wird  durch  heiße  UmschlĂ€ge,  Trinken  heißen 
Tees,  durch  Baldriantropfen,  Hof f mann stropfen  nicht  unter- 
drĂŒckt. Man  gebe  bald  die  erlösende  Morphiumspritze: 
zweckmĂ€ĂŸig  wird  jedoch  bei  dieser  Indikation  dem  Mor- 
phium das  Atropin  als  Antispasmodium  zugefĂŒgt,  also  Mor- 
phini  mur.  0,2,  Atropini  sulf.  0,02,  Aq.  dest.  10,0,  MDS.  % 
bis  1  Spritze. 

In  leichteren  AnfÀllen  hilft  Pantopon  subkutan,  auch 
Papaverin. 

Man  denke  daran,  daß  eine  heftige  Kolik  zum  Kollaps 
fĂŒhren  kann  (Wein,  Kaffee,  Kampfer,  Digalen).  In  der 
Regel  stehen  die  Kranken  zu  bald  nach  einer  Kolik  auf;  so- 
lange noch  Bauchdeckenspannung  vorhanden,  leichte  Pal- 
pation  schmerzhaft  ist,  ist  bis  zum  vollkommenen  Nachlaß 
absolute  Bettruhe,  die  Applikation  heißer  UmschlĂ€ge  nötig; 
das  kann  fĂŒr  mehrere  Wochen  nötig  sein.  Dabei  versĂ€ume 
man  nicht,  fĂŒr  grĂŒndliche  Stuhlentleerungen  durch  Klys- 
cnata,  Rhabarber,  Cascara,  Purgen  und  Karlsbader  Salz  zu 
sorgen.  Sicherlich  wirkt  Obstipation  ungĂŒnstig.  WĂ€hrend 
des  Anfalles,  und  zwar  bis  zum  RĂŒckgang  der  entzĂŒndlichen 
Erscheinungen  muß  die  DiĂ€t  unter  allen  UmstĂ€nden  eine 
blande  sein.  Quantitative  Ueberlastung  des  Magens  ist 
schÀdlich,  desgl.  jede  AufblÀhung  des  Organes;  man  bedenke, 
daß  jede  FormverĂ€nderung  des  Magens  reizend  auf  die  meist 
vorhandene  Serositis  der  Gallenblase  durch  eventl.  Zerrung 
des  Organes  wirken  muß. 

Sind  die  akuten  Erscheinungen  zurĂŒckgetreten,  so  fĂ€llt 
der  Therapie  die  wichtige,  oft  recht  segensreiche  Nach- 
behandlung zu.  Man  hat  von  jeher  schematische  DiÀt- 
formen  fĂŒr  Gallensteinleidende  aufgestellt;  dieselben  sind 
zu  verwerfen,  und  zwar  deshalb,  weil  wir  wissen,  daß  der 
Magenchemismus,  die  MagenmotilitÀt,  Darmchemismus  und 
DarmmotilitÀt  beim  Kranken  Anomalien  aufweisen  können, 
die  erstens  ursÀchlich  in  Beziehung  zum  Kolikausbruch 
stehen  können,  zweitens  aber  von  derartiger  DignitÀt  sein 
können,  daß  sie  an  und  fĂŒr  sich  einer  Behandlung  bedĂŒrfen. 
Ich  untersuche  prinzipiell  bei  j  e d  e  m  G  a  1  - 
leustein  kranken  den  Magen;  denn  es  liegt  ja 
auf  der  Hand,  daß  die  DiĂ€t  bei  der  AnaziditĂ€t  eine,  andere 
sein  muß  als  bei  HyperaziditĂ€t,  bei  MotilitĂ€tsstörungen  im 


Sinne  der  Mageninsuffizienz  wie  sie  durch  parapylörische 
AdhÀsionen  erfolgen  kann  .  anders  als  bei  ungestörter  In 
haltsentleerung  des  Magens,  anders  bei  chronischer  Obstipa 
lion,  bei  spastischer  Kolitis,  bei  allerdings  sehr  seltener 
gleichzeitiger  Pankreasinsuffizienz,  Es  winde  den  Rahmen 
des  Aufsatzes  ĂŒbers»  breiten,  die  DiĂ€t  nun  im  Hinblick  auf 
die  einzelnen,  eben  angefĂŒhrten  diagnostizierten  Verdauungs- 
anomalien  nĂ€her  auszufĂŒhren.  Der  Grundgedanke  muß  ebeö 
der  sein,  daß  die  Gallenblase,  das  Gallengangssystem  ge- 
schont wird,  eine  EntzĂŒndung,  Heizung  vermieden  wird. 
Daß  aber  unzweckmĂ€ĂŸige  DiĂ€t  einen  krankmachenden 
Reiz  abgeben  kann,  ist  bekannt.  HĂ€utige  kleine  Mahlzeiten 
sind  deshalb  besser  als  seltene  voluminösere,  weil  durch  die 
hĂ€ufigeren  Mahlzeiten  der  Gallenfluß  rege  gehalten  wird.  Es 
scheint  doch  durchaus  angebracht,  daß  die  Ansammlung  der 
Galle  in  der  Gallenblase,  in  der  sie  sich  eindickt,  nicht  allzu 
lange  wĂ€hrt.  Manche  Aerzte  halten  es  fĂŒr  richtig,  daß  aus 
diesem  Grunde  der  Kranke  noch  in  den  spÀten  Abendstunden 
eine  Kleinigkeit  genießt.  Diese  muß  aber  leicht  verdaulich 
sein,  daß  sie  nicht  etwa  in  einem  atonischen  Magen  lange 
liegt  und  ihrerseits  nun  ungĂŒnstig  wirkt.  Ich  habe  doch 
sehr  hĂ€ufig  gesehen,  daß  der  Reizzustand  im  Gebiet  der 
Gallenwege  ein  derartig  gesteigerter  ist,  daß  —  bei  sonst 
gutem  Wohlbefinden  —  unmittelbar,  oft  noch  wĂ€hrend  des 
Essens  der  Kolikanfall  einsetzt.  Ich  erklÀre  mir  dieses  da- 
mit, daß  die  Uebererregung  im  autonomen  System  den  Chole- 
dochus krampfhaft  sich  schließen,  statt  sich  öffnen  lĂ€ĂŸt  und 
dadurch  eine  plötzliche  Spannung  der  Gallenblase  durch  die 
retinierte  GallenflĂŒssigkeit  entsteht.  Aus  diesem  Gesichts- 
punkte empfehle  ich  vor  dem  Essen  Belladonna  (0,025)  oder 
Papaverin  (0,03 — 0,05)  zu  geben  und  nur  wenig  essen  zu 
lassen.  Zwischen  den  einzelnen  Speisen  mögen  die  Kranken 
ruhen  und  heiße  UmschlĂ€ge  machen. 

BlĂ€hende  GemĂŒse  besonders,  kalte  GetrĂ€nke,  Eis,  rohes 
Obst,  fette  Saucen  (Majonnaisen-,  Remouladensauce),  viel 
Eier,  harten  KĂ€se,  fette  Fische,  RĂ€ucherfische,  Speck,  Hefe- 
kuchen,  BlÀtterteig  u.  dergl.  verbiete  ich  allen  Gallenstein- 
kranken; auch  starker  Kaffee,  viel  Wein  erscheint  deshalb 
unzweckmĂ€ĂŸig,  weil  sie  eine  SchleimhauthyperĂ€mie  der  Gal- 
lenwege, des  Duodenums  machen  können.  Im  ĂŒbrigen  soll 
aber  der  Gallensteinkranke  sich  diÀtetisch  soweit  beobachten, 
daß  er  selbst  weiß,  welche  Speisen  ihm  bekömmlich  sind  und 
welche  nicht;  denn  ich  weiß  wohl,  daß  manche  Gallenblasen- 
kranke alle  die  Speisen,  die  als  schwerer  verdaulich  ver- 
boten werden,  unbedenklich  genießen  dĂŒrfen.  Deshalb  wĂ€re 
es  aber  verkehrt,  sie  als  unschÀdlich  zu  bezeichnen.  Also, 
um  es  nochmals  zu  prÀzisieren:  der  je- 
weilige Befund  der  Funktion  der  Verdau- 
ungsorgane, die  Erfahrung  des  Kranken 
und  der  EntzĂŒndungszustand  der  Gallen- 
blase schreibt  die  jeweils  individuelle 
DiÀt  vor.  Eine  schematische  DiÀt  gibt  es  hier  eben  so 
wenig,  wie  etwa  beim  Diabetes.  Hinsichtlich  der  Butter 
möchte  ich  bemerken,  daß  ich  dieselbe,  falls  nicht  stĂ€rkerer 
Ikterus  besteht,  stets  erlaube. 

Um  gegen  die  Stauung  der  Galle  anzukÀmpfen, 
gebraucht  man  Mineralwasserkuren.  Unter  dem  Ein- 
fluß des  Karlsbader  oder  Neuenahrer  Wassers  wird 
die  Galle  dĂŒnnflĂŒssiger  und  wird  reichlicher  abgesondert. 
WĂ€hrend  des  Kolikanfalles  sei  man  zurĂŒckhaltend;  es  ist  eine 
bekannte  Tatsache,  daß  die  MineralwĂ€sser  durch  ihre  Ein- 
wirkung auf  den  Gallenfluß  KolikanfĂ€lle  hervorrufen  kön- 
nen, sei  es,  daß  Steine  fortgeschoben  werden  oder  daß  eine 
bestehende  Schleimhautschwellung  der  abfĂŒhrenden  KanĂ€le 
die  reichlicher  fließende.  Galle  nicht  genĂŒgend  abfĂŒhrt,  wo- 
durch der  Druck  in  der  Gallenblase  steigen  wird  und  reflek- 
torisch unter  UmstÀnden  der  Choledochussphinkter  kontrÀr 
arbeitet,  sich  spastisch  schließt.  Wie  viel  man  trinken  lĂ€ĂŸt, 
welche  MineralwÀsser,  ist  abhÀngig  vom  Magenbefund.  Einem 
atonisch-ptotischen  Magen  eine  grĂ¶ĂŸere  Menge  Wassers  zu- 
zufĂŒhren, wĂ€re  direkt  schĂ€dlich.  Hier  haben  BadeĂ€rzte  oft  mit 
dem  Unverstand  der  Kranken  zu  kÀmpfen.  Manche  Mineral- 
wĂ€sser, es  sind  dies  die  hypotonischen,  fĂŒhren  nicht  ab.  Da 


120 


Fertig:  Brille 


40.  Jahrg.  —  Nr.i % 


aber  neben  der  Cholagogen  hÀufig  auch  die  laxierende  Wir- 
kung der  Mineralsalze  erwĂŒnscht  ist,  so  wird  man  solchen 
hyp<  tonischen  WĂ€ssern  ein  Bittersalz  oder  Glauhersalz  zu- 
setzen. Die  MineralwĂ€sser  sollen,  speziell  nĂŒchtern,  recht 
wann  getrunken  werden.  Xaunyn  lĂ€ĂŸt  das  Wasser  45 
Grad  Celsius  trinken.  Ich  verordne  unseren  Cholagogen 
Neuennahrer  Sprudel  meist  dreimal  tĂ€glich,  nĂŒchtern  1  Glas 
zu  200  cem,  vor  dem  Essen  und  in  den  Nachmittagsstunden 
in  gleicher  Menge. 

Noch  ein  Wort  ĂŒber  die  heißen  Packuuge  n.  WĂ€h- 
rend der  Bettruhe,  also  nach  einem  Anfall,  sind  wohl  die 
alten  LeinsamenumschlĂ€ge  die  besten.  Recht  gĂŒnstige  Er- 
folge habe  ich  bei  der  Cholezystitis  von  der  Anwendung  der 
Diathermie  gesehen,  doch  warte  ich  damit,  bis  die  akutesten 
Erscheinungen  vorbei  sind.  Am  erfolgreichsten  ist  die  Mine- 
ralwasserkur bei  der  serösen  Cholezystitis,  Cholangitis.  Be- 
steht ein  Empyem  der  Gallenblase,  so  wird  man  ihren  mut- 
maßlichen Erfolg  sehr  skeptisch  beurteilen,  ebenso,  wenn  bei 
einem  Choledochusverschluß  nicht  in  4 — 6  Wochen  Heilung 
eintritt.     Man  zögere  dann  nicht,  den  Chirurgen  zu  rufen. 

Von  den  vielfachen  Spezialmitteln  gegen  Gal- 
lensteine ist  hinsichtlich  ihres  möglichen  Nutzens  nur 
soviel  zu  sagen,  daß  derselbe  in  ihrer  abfĂŒhrenden  Wirkung 
beruht.  Mittel,  die  Steine  im  Organismus  aufzulösen,  gibt  es 
nicht.  Eine  eingehendere  persönliche  Kenntnis  hinsichtlich 
der  Wirkungsweise  der  SpezialitÀten  fehlt  mir,  da  ich  fast 
nie  solche  verordne.  Ruhe,  DiÀt,  Hitzeapplikation,  Mineral- 
wasser sind  die  wirksamsten  therapeutischen  Mittel.  Daß  die 
ĂŒelkuren  ,als  Oeltrinkkuren  oder  Oeleinlaufkuren,  daß  das 
Chologen  sich  in  Patienten-  und  manchen  Aerztekreisen  be- 
sonderer Anerkennung  erfreuen,  soll  jedoch  nicht  unerwÀhnt 
bleiben.  Schließen  möchte  ich  mit  dem  nochmaligen  Hin- 
weis, daß  im  Reizzustand  die  Ruhe  das  Rich- 
tige ist,  die  diĂ€tetische  Schonung,  und  daß  es 
fĂŒr  den  Gallensteinkranken  nur  eine  ihm  angepaßte  DiĂ€t 
gibt.  Besteht  durch  Anamnese  und  Beobachtung  begrĂŒndet, 
Verdacht  auf  ein  latentes  Gallensteinleiden,  so  wird  die 
therapeutische  Prophylaxe  sich  in  erster  Linie 
wieder  auf  die  individuell  begrĂŒndete  DiĂ€t  beziehen  und  wird 
die  eben  besprochenen  cholagogenen  Maßnahmen  (Trink- 
kuren) in  ErwÀgung  zu  ziehen.  Feitleibige  wird  man  zweck- 
mĂ€ĂŸig zu  entfetten  suchen,  da  die  Adipositas  sicherlich  zur 
Cholelithiasis  disponiert,  Astheniker,  Magere  wird  man  an- 
fetten. Bei  nachgewiesenen  Gallensteinen  sind  alle  körper- 
lichen ErschĂŒtterungen,  alle  traumatischen  Einwirkungen 
auf  die  Leber  (Quetschungen,  StĂ¶ĂŸe)  durchaus  ungĂŒnstig  und 
wirken  provozierend  auf  einen  Gallensteinanfall. 


Wer  soll  eine  Brille  tragen, 
und  wann  soll  man  eine  Brille  tragen? 

Von  Dr.  A.  Fertig,  Augenarzt  in  Berlin,  1.  Assistent  an  der 
Klinik  des  Herrn  Geh.  Rat  Silex. 

Die  BrillenglÀser  dienen  zur  Korrektion  von  Refraktions- 
und Akkomodationsanomalien  des  Auges.  Durch  die  klassi- 
schen Arbeiten  von  Donders  gehört  die  Lehre  von  den 
Brillenbestimmungen  zu  den  exaktesten  Untersuchungs- 
methoden der  Ophthalmologie,  ja  der  gesamten  Medizin. 
Trotzdem  begegnet  man  in  der  Praxis  sehr  hÀufig  ganz  fal- 
schen Anschauungen  ĂŒber  das  Wesen  des  Brillentragens  und 
den  Wert  der  Brillenbestimmung,  hauptsÀchlich  wohl  des- 
halb, weil  die  großen  optischen  GeschĂ€fte  fast  allein  die 
„AufklĂ€rungsarbeit"  ĂŒbernommen  haben  und  mit  ihrer  viel- 
fach Sinn  verwirrenden  Reklame  die  große  Masse  des  Publi- 
kums an  sich  zu  ziehen  versuchen.  Bei  der  großen  Bedeu- 
tung der  Angelegenheit  —  fast  jeder  Mensch  wird  in  seinem 
Leben  BrillentrĂ€ger  —  dĂŒrften  die  nachstehenden  AusfĂŒh- 
rungen auch  fĂŒr  den  Allgemeinpraktiker  von  Interesse  sein. 

Das  „normalsichtige"  menschliche  Auge  ist  so  eingerich- 


tet, daß  es  ohne  optische  Hilfsmittel  sowohl  in  die  Ferne  als 
auch  in  der  NĂ€he  deutlich  sehen  kann.  Das  Sehen  in  die 
Ferne  ist  gegeben  durch  den  Bau  des  Auges,  seine  Refrak- 
tion —  beim  normalsichtigen  Auge  werden  die  aus  der  Ferne 
einfallenden  parallelen  Strahlen  durch  die  „brechenden  Me- 
dien" (Hornhaut,  Linse,  Glaskörper)  so  gebrochen,  daß  sie 
sich  auf  der  Netzhaut  schneiden,  so  daß  von  den  Gegen- 
stĂ€nden der  Außenwelt  auf  der  Netzhaut  ein  scharfes  (um- 
gekehrtes, reelles,  verkleinertes)  Bild  entsteht  — ,  wĂ€hrend 
beim  Nahesehen  die  Akkomodation,  die  FĂ€higkeit,  durch 
stÀrkere  Linsenwölbung  die  Brechkraft  zu  Àndern,  in  Kraft 
tritt.  Etwa  60 — 70  Prozent  aller  Menschen  sind  normal- 
sichtig. Die  Refraktion  bleibt  wÀhrend  des  ganzen  Lebens 
unverÀndert  (auf  die  VerÀnderungen,  die  eintreten  können, 
werden  wir  spÀter  eingehen),  wÀhrend  die  Akkomodation, 
wir  sagen  Akkomodationsbreite,  vom  Alter  abhÀngig  ist. 
Jugendliche  Individuen  haben  eine  große  Akkomodations- 
breite,  sie  können  GegenstÀnde  bis  etwa  7  cm  vor  dem  Auge 
deutlich  erkennen  —  ihr  Nahepunkt  liegt  7  cm  vor  dem 
Auge — ;  mit  den  Jahren  wird  die  Akkomodationsbreite 
geringer,  der  Nahepunkt  rĂŒckt  immer  weiter  vom 
Auge  ab,  bis  mit  70  Jahren  die  Akkomodation  völlig 
erloschen  ist.  Praktisch  bemerkbar  macht  sich  die  Ab- 
nahme der  Akkomodation  mit  etwa  40  bis  45  Jahren,  wo 
der  Nahpunkt  sich  in  ungefÀhr  25  cm  vor  dem  Auge  befindet, 
man  nennt  diesen  Zustand  Weit-  oder  Alterssichtigkeit  (= 
Presbyopie).  Diese  Alterssichtigkeit  muß  man 
durch  B  rillen  (Konvex -)glÀser  korrigieren, 
um  ein  Arbeiten  in  der  NÀhe  zu  ermög- 
lichen. Die  StÀrke  des  Glases  richtet  sich  nach  der  dem 
Alter  entsprechenden  Abnahme  der  Akkomodationsbreite  und 
der  Entfernung,  in  der  der  Betreffende  zu  arbeiten  gewohnt 
oder  genötigt  ist.  Man  soll  die  GlÀser  tragen, 
sobald  sich  Störungen  bei  der  Naharbeit 
bemerkbar  machen;  das  Tragen  der  GlÀser 
hinauszuschieben,  hat  keinen  Sinn,  weil 
man  den  Ablauf  der  Akkomodationsbreite 
doch  nicht  beeinflussen  kann.  Die  Meinung, 
daß  man  durch  frĂŒhzeitiges  Tragen  der  GlĂ€ser  die  Augen 
„verwöhne"  und  deshalb  spĂ€ter  „immer  stĂ€rkere  GlĂ€ser  nehmen 
mĂŒsse",  ist  ganz  irrig;  das  ist  ein  ganz  natĂŒrlicher  Vorgang 
und  lĂ€ĂŸt  sich  nicht  verhĂŒten,  wĂ€hrend  man,  wenn  man  nicht 
rechtzeitig  die  Alterssichtigkeit  korrigiert,  sich  unnĂŒtz  die 
Arbeit  erschwert,  ganz  abgesehen  davon,  daß  viele  Menschen 
dadurch  Kopfschmerzen,  Arbeitsunlust  imd  andere  nervöse 
Störungen  bekommen.  Vielfach  wird  einem  auch  von  Pa- 
tienten, denen  man  ein  Altersglas  verordnen  will,  entgegen- 
gehalten, daß  sie  eine  alte  Dame  oder  Herrn  kennen,  der 
80  Jahre  alt  geworden  sei  und  nie  ein  Glas  gebraucht  habe, 
warum  sollten  sie  da  schon  ein  Glas  tragen?  Darauf  ist  zu 
erwidern,  daß  dies  gar  nichts  Wunderbares  ist,  sondern  sich 
ganz  natĂŒrlich  erklĂ€ren  lĂ€ĂŸt;  der  Betreffende  war  entweder 
von  Jugend  an  kurzsichtig  (s.  u.)  oder  ist  es  spÀter  durch 
die  AltersverÀnderung  der  Linse  geworden;  jeder  Normal  - 
sichtige  wird  im  Alter  aber  weit(alters)sichtig  und  muß  fĂŒr 
die  NĂ€he  eine  Brille  tragen.  Die  Alterssichtigkeit  ist  also  eine 
Anomalie  der  Akkomodation,  der  jeder  Mensch  unterworfen 
ist;  natĂŒrlich  muß  aber  immer  festgestellt  werden,  ob  es  sich 
bei  den  Sehstörungen  auch  wirklich  um  Alterssichtigkeit 
handelt  und  ob  nicht  andere  krankhafte  VerÀnderungen  vor- 
liegen. Zu  jeder  Brillenbestimmung  gehört 
die  Untersuchung  des  ganzen  Auges,  be- 
sonders die  Untersuchung  des  Augenhinter- 
grundes mit  dem  Augenspiegel,  will  man 
nicht  manchmal  unabsehbaren  Schaden 
stiften. 

Von  diesem  „normalen"  Bau  des  Auges  gibt  es  aber  Ab  - 
weichungen, man  faßt  sie  unter  dem  Namen  Refraktions- 
anomalien zusammen;  es  sind  dies  die  Kurzsichtigkeit 
(Myopie),  die  Ueber(nicht  Weitsichtigkeit  (Hypermetropie) 
und  der  Astigmatismus.  Mit  dem  Sehen  bei  diesen  Refrak- 
tionsanomalien wollen  wir  uns  im  Folgenden  beschÀftigen. 

Das  Wesen  der  Kurzsichtigkeit  besteht  darin,  daß  die 


10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Fertig:  Brill« 


121 


parallel  in  das  Auge  einfallenden  Strahlen  sich  schon  vor 
der  Netzhaut  schneiden,  weil  entweder  das  optische  System 
ku  stark  brechend  ist,  oder  was  das  HĂ€ufigste  ist,  der  Sa- 
gittaldurchmesser  des  Auges  zu  lang  ist  (Achsenmyopie  oder 
typische  Myopie);  auf  der  Net/haut  entsteht  kein  scharfes 
Bild,  sondern  sogenannte  Zerstreuungskreise.  Deshalb  wei- 
den in  der  Ferne  befindliche  GegenstÀnde  nicht  deutlich  ge- 
sehen; der  Kurzsichtige  versucht,  sein  Sellen  zu  verbessern, 
indem  er  die  Augen  zukneift,  wodurch  die  Pupille  verengert 
und  die  Zerstreuungskreise  verkleinert  weiden. 

Korrigiert  wird  die  K  u  r  zs  i  c  h  t  i  g  k  e  i  t 
d  u  r  e  h  Z  e  r  s  t  r  e  u  ungs  (Konkav-)  linsen,  d  e  r  e  n 
S  t  Ă€  r  k  e  so  beschaffen  sein  muß,  daß  sie 
die  parallelen  Strahlen  so  zerstreuen,  als 
oh  sie  vom  Fernpunkt  des  kurzsichtigen 
Auges  herkĂ€men;  bei  der  SehprĂŒfung  ist 
dies  das  schwÀchste  Konkavglas,  mit  dem 
am  besten  gesehen  wird.  Die  Entfernung  des 
Fernpunktes  von  dem  Auge  gibt,  in  Dioptrien  (Meterlinsen) 
i ungerechnet,  den  Grad  der  Myopie  an,  d.  h.  je  dichter  der 
Kernpunkt  am  Auge  liegt,  um  so  stÀrker  ist  die  Kurzsichtig- 
keit. 

Jugendliche  Kurzsichtige  sollen  voll 
korrigiert  werden,  d.  h.  man  soll  ihnen  ein  Glas  ver- 
erdnen,  das  ihre  ganze  Kurzsichtigkeit  ausgleicht;  m  i  l 
diesem  Glas  können  sie  gut  in  die  Ferne  und 
(mit  Hilfe  der  Akkomodation)  auchin  der  NĂ€he  sehen. 
Dieses  Glas  sollen  sie  —  im  Prinzip  —  dauernd  fĂŒr  die 
Ferne  und  fĂŒr  die  NĂ€he  tragen;  fĂŒr  die  NĂ€he  ein  zweites, 
schwÀcheres  Glas  zu  verordnen,  oder  sie  ohne  Glas 
lesen  zu  lassen,  ist  prinzipiell  nicht  richtig,  da  da- 
durch die  Akkomodation,  ein  physiologischer  Vorgang, -aus- 
geschaltet wird.  In  der  Praxis  muß  man  sich  hĂ€ufig  nach 
der  Gewohnheit  des  Patienten  richten  und  besonders  bei 
hochgradig  kurzsichtigen  Leuten,  die  meistens  auch  schwach- 
sichtig sind,  und  bei  anÀmischen  und  nervösen  Individuen 
schon  fĂŒr  die  Ferne  ein  schwĂ€cheres  Glas  und  eine  noch 
schwÀchere  Arbeitsbrille  geben,  da  ihnen  schon  die  normale 
Akkomodation  Beschwerden  bereitet.  Daß  durch  die  Voll- 
korrektion  ein  Fortschreiten  der  Kurzsichtigkeit  aufgehallen 
oder  verhindert  wird,  und  ob  man  ĂŒberhaupt  dieselbe  be- 
einflussen kann,  darĂŒber  sind  die  Ansichten  noch  geteilt,  da 
die  eigentlichen  Ursachen  der  Kurzsichtigkeit,  hei  denen  die 
Vererbung  sicherlich  die  Hauptrolle  spielt,  noch  nicht  klar 
erkannt  sind.  Man  nimmt  heutzutage  an,  daß  durch  an- 
haltende Naharbeit  die  Kurzsichtigkeit,  deren  Anlage  vererbt 
ist,  verschlimmert  wird.  NatĂŒrlich  tritt  auch  heim  Kurz- 
sichtigen die  Abnahme  der  Akkomodationsbreite,  die  Alters- 
sichtigkeit,  ein,  doch  macht  sich  diese  praktisch  etwas  an- 
ders bemerkbar  als  beim  Normalsichtigen.  Myopen  von  4 
Dioptr.  und  darĂŒber  können  ihr  ganzes  Leben  ohne  Glas  in 
der  NÀhe  sehen,  weil  sie  in  ihrem  Feinpunkt  lesen  können; 
fĂŒr  andere  Entfernungen  brauchen  sie  aber  ein  Glas,  das 
ihrer  Kurzsichtigkeit  und  ihrem  Alter  entspricht,  immer  ist 
aber  das  Glas  fĂŒr  die  NĂ€he  schwĂ€cher  als  das  fĂŒr  die  Ferne. 
Bei  der  Brillenbestimmung  sind  noch  die  Muskelgleichge- 
wichtsverhÀltnisse,  die  bei  Myopie  hÀutig  gestört  sind,  zu 
berĂŒcksichtigen,  und  nur  ein  richtig  ausgesuchtes  Glas  wird 
seinen  Zweck  voll  erfĂŒllen  und  seinen  TrĂ€ger  befriedigen. 
Durch  zu  starke  GlĂ€ser  wird  die  Akkomodation  ĂŒbermĂ€ĂŸig 
angespannt  und  dadurch  werden  Beschwerden,  die  das 
Tragen  der  GlÀser  zur  Unmöglichkeit  machen  können,  her- 
vorgerufen. 

Bei  der  Uebersichtigkeit  (Hypermetropie)  ist  das  Auge 
so  gebaut,  daß  die  parallel  einfallenden  Strahlen  sich  erst 
Ii  i  n  t  e  r  der  Netzhaut  vereinigen,  weil  entweder  das  optische 
System  zu  schwach  brechend  oder  die  Augenachse  zu  kurz 
ist.  Der  Uebersichtige  bekommt  also  weder  von  fernen  noch 
von  nahen  GegenstĂ€nden  scharfe  Netzhautbilder,  so  daß  er 
eigentlich  weder  weit  noch  nah  gut  sehen  mĂŒĂŸte.  Daß  dies 
bei  jugendlichen  Hypermetropen  nicht  immer  der  Fall  ist, 
liegt  daran,  daß  er  ja  ĂŒber  eine  große  Akkommodationsbreite 
verfĂŒgt  und  seine  Brechkrafl  durch  Akkommodation,  schon 
fĂŒr  die  kerne,  vermehren  kann.   In  geringerem  Grade  ist  dies 


noch  physiologisch,  so  daß  bei  der  Sehpriifung  nicht  die 
„totale"  Hypermetropie  gefunden  („manifest")  wird,  sondern 

ein  Teil  durch  die  Akkommodation  „latent"  bleibt,  erst  in 
spĂ€teren  Jahren  wird  die  „totale"  Hypermetropie  „manifest". 
Bei  höheren  Graden  der  II.  wird  aber  auch  in  die  keine 
schlecht  gesehen,  besonders  machen  sich  aber  die  Beschwer- 
den beim  Nahesehen  bemerkbar,  wo  ja  noch  die  Akkomo 
dation  fĂŒr  die  NĂ€he  hinzukommt.  Hochgradige  Uebersichtige 
hallen,  wenn  sie  nicht  korrigiert  sind,  die  Schrift  ganz  dicht 
vor  das  Auge,  um  die  Netzhautbilder  zu  vergrĂ¶ĂŸern,  so  daß 
sie  den  Anschein  von  hochgradig  Kurzsichtigen  erwecken. 
Die  Klagen,  mit  denen  die  Patienten  gewöhnlich  kommen, 
sind  ganz  charakteristisch.  Das  Weitsehen  gehe  noch,  und 
sie  könnten  eine  Zeitlang  ganz  gut  lesen,  bald  verschwimme 
aber  alles  vor  den  Augen,  so  daß  sie  keine  Ausdauer  bei  der 
Arbeit  hĂ€tten.  Man  muß  deshalb  die  Ueber- 
sichtigkeit korrigieren,  und  zwar  muß  man 
das  stÀrkste  Konvexglas  geben,  mit  dem  am 
besten  in  die  Ferne  gesehen  wird,  um  die 
Akkommodation  fĂŒr  die  Ferne,  die  doch  nicht  physiologisch 
ist,  nach  Möglichkeit  auszuschalten;  da  aber  bei  Kindern  zu- 
nĂ€chst immer  ein  Teil  der  H.  „latent"  bleibt,  wird  man  die 
Eltern  aufmerksam  machen,  daß  die  GlĂ€ser  spĂ€ter  verstĂ€rkt 
werden  mĂŒssen,  und  sie  belehren,  daß  das  nicht  damit  zu- 
sammenhĂ€ngt, daß  die  Kinder  durch  die  Brillen  ihre  Augen 
„verwöhnen"  oder  „verderben",  sondern  daß  das  durch  den 
Bau  des  Auges  bedingt  ist  (vgl.  die  Bemerkungen  bei  der 
Alterssichtigkeit).  Bei  Kindern,  die  schielen,  wird  man 
zweckmĂ€ĂŸig  von  Anfang  an  die  totale  H.  korrigieren,  nach- 
dem man  die  Akkomodation  durch  Atropin  gelÀhmt  hat. 
Der  Hypermetrop  kann,  so  lange  er  jung  ist, 
m  i  t  demselben  Glas  sowohl  in  die  Ferne  als  auch 
in  der  NĂ€he  sehen,  wird  er  Presbyop,  so 
braucht  er  fĂŒr  die  NĂ€he  ein  zweites  Glas,  das 
entsprechend  der  Abnahme  der  Akkomoda- 
tion stĂ€rker  ist,  fĂŒr  die  Ferne  behĂ€lt  er  sein 
die  bestehende  Hypermetropie  korrigieren- 
des Glas. 

Die  dritte  Refraktionsanomalie,  der  Astigmatismus,  be- 
steht darin,  daß  die  Hornhaut  nicht  in  allen  Meridianen 
gleichmĂ€ĂŸig  gekrĂŒmmt  ist,  sondern  daß  zwei  aufeinander 
senkrecht  stehende  Meridiane  eine  ungleiche  KrĂŒmmung  be- 
sitzen (=  regulÀrer  Astigmatismus;  der  irregulÀre  Astig.,  bei 
dem  die  Hornhaut  schon  in  ein  und  demselben  Meridian  un- 
gleichmĂ€ĂŸig gekrĂŒmmt  ist,  z.  B.  durch  Narben,  Keratokonus, 
usw.  interessiert  uns  hier  nicht,  da  er  nicht  korrigiert  wer- 
den kann).  Es  ergeben  sich  dabei  folgende  Möglichkeiten: 
der  eine  Meridian  ist  emmetrop  und  der  andere  myop 
(=  1.  einfacher  myopischer  A.)  oder  hypermetrop  (=  2.  ein- 
facher hypermetropischer  A.)  oder  beide  sind  myop,  aber  in 
verschieden  starkem  Grade  (=  3.  zusammengestzt  myopischer 
A.)  oder  beide  sind  hypermetrop,  aber  in  verschiedenem 
Grade  (=  4.  zusammengesetzt  hypermetropischer  A.)  oder 
der  eine  Meridian  ist  myop  und  der  andere  hypermetrop 
( -  ö.  gemischter  A,).  Die  Korrektion  des  Astig- 
matismus geschieht  durch  Zylinderg  lÀser, 
d.  s.  Linsen,  die  so  geschliffen- sind,  daß  nur  Strahlen,  die 
in  einer  Ebene  senkrecht  zur  Achse  einfallen,  gebrochen 
werden,  die  in  der  Achsenebene  einfallenden  Strahlen  unge- 
brochen hindurchgehen.  Es  gibt  Konvexzylinder-  und  Kon- 
kavzylinderglÀser. Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  bei  der 
Verordnung  der  ZylinderglÀser  die  Stellung'  der  Achse;  da 
beim  Astigmatismus  „nach  der  Regel"  der  vertikale  Meridian 
der  stÀrker  brechende  ist,  so  steht  gewöhnlich  die  Achse  des 
Konvexzylinders  vertikal  und  die  Achse  des  Konkavzylinders 
horizontal.  Es  gibt  aber  auch  Astigmatismus  „gegen  die 
Regel",  besonders  nach  (Star-)Operationen.  Höhere  Grade 
von  Astigmatismus  lassen  sich  nicht  immer  voll  korrigieren 
und  sind  hÀufig,  wenn  sie  angeboren  sind,  mit  Schwach- 
sichtigkeit verbunden.  Der  Astigmatismus  soll 
immer  korrigiert  werden,  besonders  der 
hypermetropische,  da  er  sehr  hÀufig  mit 
stÀrkeren  Beschwerden  ein  hergeht. 

Im  allgemeinen  haben  beide  Augen  denselben  Brechungs- 


122 


Neter:  Aus  der  Kinderpraxis 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


zustand,  ist  er  verschieden  (Anisometropie),  so  soll  man  rein 
prinzipiell  jedes  Auge  fĂŒr  sich  korrigieren,  da  erst  dann 
beide  Augen  gleichmĂ€ĂŸig  funktionieren  und  der  „binokulare 
Sehakt"  hergestellt  wird.  In  der  Praxis  wird  man  aber  da- 
bei, namentlich  bei  Àlteren  Individuen,  hÀufig  auf  Schwierig- 
keiten stoßen,  weil  die  GlĂ€ser  nicht  „vertragen"  werden,  die 
Betreffenden  bekommen  Kopfschmerzen,  Schwindelerschei- 
nungen, Flimmern  vor  den  Augen  usw.;  man  muß  dann  das 
Glas  weglassen,  oder  wenn  man  Wert  darauf  legt,  daß  ein 
Glas  getragen  wird,  mit  schwÀcheren  Nummern  beginnen 
und  so  weiter. 

Zusammenfassend  können  wir  sagen,  daß  die  Augen 
erst  dann  ihre  volle  LeistungsfÀhigkeit  darbieten,  gewisser- 
maßen  zu  „normalsichtigen"  gemacht  werden,  wenn  etwa 
vorhandene  Fehler  der  Brechkraft  oder  der  Akkommodation 
korrigiert  werden,  und  daß  deshalb  jeder,  dessen 
Augen  diese  Fehler  zeigen,  eine  Brille  tragen 
soll.  Geschadet  wird  den  Augen  mit  einem  richtig  ausge- 
wÀhlten Glase  nicht,  andererseits  werden  aber  durch  das 
Nichltragen  von  GlÀsern  keine  organischen  Ver- 
Ă€nderungen hervorgerufen.  Man  kann  deshalb  in  der 
Praxis,  besonders  bei  kurzsichtigen  Damen,  die  auf  der 
Straße  kein  Glas  tragen  wollen,  davon  Abstand  nehmen,  ich 
mache  sie  aber  immer  darauf  aufmerksam,  daß  sie  dadurch 
nur  die  halbe  Welt  sehen  und  sich  viele  Schönheiten  ent- 
gehen lassen;  aber  da  die  AnsprĂŒche  der  Menschen  ver- 
schieden sind,  lĂ€ĂŸt  sich  nicht  darĂŒber  streiten. 

Die  Brillenverordnung  ist  ein  schwieriges  Kapitel,  es  ge- 
hört dazu  viel  Uebung  und  Erfahrung,  um  in  jedem  Fall 
das  richtige  zu  finden.  Man  sollte  deshalb  das  Publikum 
warnen,  gedankenlos  zu  den  optischen  GeschÀften  zu  laufen, 
weil  diese  ihnen  eine  „kostenlose  Augenuntersuchung"  ver- 
sprechen, die  sie  sachgemĂ€ĂŸ  und  nach  wissenschaftlichen 
GrundsĂ€tzen  doch  nicht  ausfĂŒhren  können.  Die  Kosten  zahlt 
doch  nur  das  Publikum,  da  diese  GeschÀfte  gewöhnlich 
höhere  Preise  fĂŒr  ihre  Ware  verlangen,  und  die  KĂ€ufer  Ge- 
fahr laufen,  daß  bei  ihnen  Krankheitserscheinungen  ĂŒber- 
sehen werden,  die,  im  Anfangssladium  entdeckt,  hÀtten  ge- 
heilt werden  können,  wÀhrend  spÀter  der  einmal  entstandene 
Schaden  nicht  wieder  gut  gemacht  werden  kann. 


Aus  der  Kinderpraxis. 

Von  Kinderarzt  Dr.  Eugen  N  e  t  e  r  (Mannheim). 
IV. 

Die  Auswahl  der  Kinder  fĂŒr  die  QuĂ€kerspeisung  (und 
fĂŒr  andere  FĂŒrsorgemaßnahmen)  hat  eine  breite  Diskussion 
ausgelöst  ĂŒber  die  Frage,  mit  welchen  Hilfsmitteln  der  Unter- 
suchung die  körperliche  BedĂŒrftigkeit  der  Kinder  am 
Sichersten  festgestellt  (und  gleichmĂ€ĂŸig  erfaßt)  werden 
könne.  In  einer  neuesten  Arbeit  (Kuntze)*)  wird  wieder  auf 
den  Wert  einer  Messung  des  Fettpolsters  hingewiesen,  die 
u.  a.  bei  einer  Reihenuntersuchung  Leipziger  Volksschul- 
kinder Maße  ergab,  die  um  die  HĂ€lfte  hinter  Friedenszahlen 
zurĂŒckblieben.  Es  will  mir  scheinen,  als  ob  man  bei  den 
Schlußfolgerungen  aus  den  gewonnenen  Zahlen  und  bei  der 
Beurteilung  der  Körperbeschaffenheit  des  einzelnen  Kindes 
zwei  Begriffe  miteinander  identifiziert,  die  ganz  verschie- 
denen Inhalt  haben:  UnterernÀhrung  und  schlechter  Er- 
nĂ€hrungszustand. —  Das  Wort  „UnterernĂ€hrung"  gibt  —  in 
seiner  ĂŒblichen  Anwendung  —  die  Ursache  eines  Zu- 
standes  an,  wird  aber  trotzdem  zumeist  fĂŒr  die  Charakteri- 
sierung eines  Zustandes  angewendet.  Diese  unrichtige  An- 
wendung des  Wortes  „UnterernĂ€hrung"  hat  zu  weitgehenden 
falschen  praktischen  Maßnahmen  gefĂŒhrt. 

Ein  mageres  Kind,  ein  Kind  mit  sehr  spÀrlichem  Fett- 
polster und  auch  sonst  elendem  Aussehen  kann  unterernÀhrt 
sein,  braucht  es  aber  nicht  zu  sein.  Die  Magerkeit  kann 
bedingt  sein:  1.  durch  mangelhafte  ErnÀhrung;  2.  durch 
Krankheit  oder  3.  durch  Vererbung.    Die  erstere  Möglich- 

‱    Monatsschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde  1921.  Bd.  22. 


keit  liegt  vor,  wenn  nachzuweisen  ist,  daß  entweder  aus 
wirtschaftlichen  GrĂŒnden  nicht  genĂŒgend  Nahrungsmittel 
dem  Kinde  geboten  werden  können,  oder  wenn  eine  ein- 
seitige, fehlerhafte  Kost,  schlechte  Gewöhnung  und  Erziehung 
usw.  —  trotz  guter  ökonomischer  VerhĂ€ltnisse  —  die  Er- 
nĂ€hrung nur  in  ungenĂŒgendem  Umfang  zuließ  —  mithin 
zwei  Möglichkeiten  der  UnterernÀhrung  aus  ganz  entgegen- 
gesetzten GrĂŒnden.  (Die  Zulassung  auch  gutsituierter  Kin- 
der zur  QuĂ€kerspeisung  wird  oft  damit  begrĂŒndet,  daß  die 
betr.  Kinder  zu  Hause  wegen  Appetitlosigkeit  nur  sehr 
wenig  essen,  bei  der  QuĂ€ckerspeisung  aber  —  im  Kreise 
gut  essender  Alterskameraden  —  einen  ungekannten  Appetit 
zeigen).  —  Als  zweite  Ursache  fĂŒr  einen  schlechten  Er- 
nĂ€hrungszustand kommen  Krankheiten  in  Betracht.  —  Am 
wenigsten  Beachtung  findet  die  dritte  Ursache  der  Magerkeit 
eines  Kindes:  die  Konstitution,  d.  h.  die  durch  Vererbung 
ausschlaggebend  bedingte  Statur  des  Kindes.  Bei  diesen 
letzteren  Kindern  handelt  es  sich  um  die  jedem  Arzt  zur  Ge- 
nĂŒge bekannten  StammgĂ€ste  der  Sprechstunde:  gesunde 
Kinder,  unsympathisch  mager  und  durch  keinerlei  Àrztliche 
Maßnahmen  zu  einem  Fettansatz  zu  bringen;  dabei  oft  recht 
leistungsfÀhig  und  abgehÀrtet.  Bei  diesen  Kindern  den 
schlechten  ErnĂ€hrungszustand  mit  „UnterernĂ€hrung"  cha- 
rakterisieren, bedeutet  einen  unverstÀndlichen  wissenschaft- 
lichen Irrtum. 

Bei  Gelegenheit  einer  Reihenuntersuchung  in  der  hie- 
sigen Volksschule  wurde  auch  mein  7  jÀhriger  Junge  mit 
der  schlechtesten  Note  heimgeschickt  und  mit  dem  dringen- 
den Rat,  wegen  „UnterernĂ€hrung"  an  der  QuĂ€kerspeisung 
teilzunehmen.  Trotzdem  auch  ich  das  Wort:  „Dat  Galenus 
opes"  fĂŒr  das  verlogendste  aller  Sprichwörter  halte,  kann  ich 
aber  doch  behaupten,  daß  dem  Jungen  noch  jederzeit  — 
selbst  wÀhrend  des  Krieges,  den  er  auf  dem  Lande  zubrachte 
—  genĂŒgend  Nahrungsmittel  zur  VerfĂŒgung  standen,  um  den 
stets  sehr  krÀftigen,  nicht  wÀhlerischen  Appetit  zu  befriedi- 
gen. Der  Junge  „schlĂ€gt"  in  die  vĂ€terliche  Familie,  deren 
Mitglieder  —  heute  nicht  mehr  grazil  —  in  der  Kindheit  fast 
sÀmtlich  sehr  mager  waren.  Bei  genauer  Anamnese  wird 
man  ausnahmslos  bei  diesen  mageren  Kindern  feststellen 
können,  daß  die  Mitglieder  derjenigen  Familie,  die  dem 
Kinde  die  Aehnlichkeit  vererbte,  frĂŒher  dieselbe  Statur 
hatten,  wie  das  zu  untersuchende  Kind  sie  jetzt  zeigt.  Sieht 
man  in  einem  Windhund  ein  „unterernĂ€hrtes"  Geschöpf,  so 
mißachtet  man  in  einseitiger  Weise  das  bedeutungsvolle  Mo- 
ment der  Vererb  mag  und  ĂŒberschĂ€tzt  den  Einfluß  der  Er- 
nÀhrung auf  den  Körperbau. 

Es  soll  und  kann  nicht  bestritten  werden,  daß  die 
Nahrung  —  nach  QuantitĂ€t  und  QualitĂ€t  —  den  ErnĂ€hrungs- 
zustand des  Kindes  innerhalb  gewisser  Grenzen  zu  beein- 
flussen imstande  ist.  Man  wird  aber  fast  ĂŒberall  die  Beob- 
achtung machen,  daß  der  kindliche  Körper  ein  gewisses 
Körpergewicht,  einen  bestimmten  Bau  zÀh  festhÀlt  und  z.  B. 
rasch  eine  Gewichtszunahme  wieder  verliert,  die  er  unter 
sehr  gĂŒnstigen  ErnĂ€hrungs(MĂ€stungs-)bedingungen  vor- 
ĂŒbergehend aufweist.  So  konnte  der  Verfasser  des  erwĂ€hnten 
Aufsatzes  mit  Hilfe  sehr  kohlehydratreicher  Ferienkost  bei 
16  Kindern  eine  Zunahme  des  Gewichtes  und  des  Fettpolsters 
erzielen,  ein  Resultat,  das  aber  nicht  lange  anhielt;  bereits 
nach  sechs  Wochen  zeigten  die  Kinder  wieder  die  frĂŒheren 
Maße.  Welchen  ErnĂ€hrungszustand  mĂŒssen  wir  nun  als  den 
fĂŒr  diese  Kinder  physiologischen  bezeichnen?  Den  Zustand 
der  „UnterernĂ€hrung"  vor  dem  Ferienaufenthalt  und  wieder 
bei  der  Nachuntersuchung  oder  den  gĂŒnstigen  am  SchlĂŒsse 
der  Ferien? 

Standardzahlen  fĂŒr  GrĂ¶ĂŸe  und  Gewicht  der  Kinder 
zu  gewinnen,  ist  ein  schwieriges  Unternehmen;  soweit 
solche  Normalwerte  bereits  vorliegen,  erfordert  ihre  Anwen- 
dung große  Vorsicht.  Welche  Vergleichszahlen  mögen  wohl 
folgendem  Schularztbericht  zugrunde  liegen,  den  ich  dieser 
Tage  wieder  unter  die  HĂ€nde  bekam?  „Wir  dĂŒrfen  uns  nicht 
verhehlen,  daß  der  durchschnittliche  KrĂ€fte-  und  ErnĂ€h- 
rungszustand miserer  Volksschulkinder  weit  unter  dem  Nor- 
malzustand zurĂŒckbleibt,  daß  das  Idealbild  eines  strammen 


10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Aebly:  Geschlechtsprognostik 


Kindt  s  in  den  Volksschulen  der  StÀdte  kaum  mehr  zu  linden 
ist.  Wir  haben  uns  schon  lange  an  ein  krÀnkliches,  körper- 
lich minderwertiges  Geschlecht  gewöhnt,  so  daß  wir  den 
Mangel  kaum  mehr  wahrnehmen."     (Sic!  im  Jahre  1908!) 

Das  Verhalten  des  Körpergewichts  als  Maßstab  zu  wĂ€hlen 
fĂŒr  die  Notwendigkeit  oder  fĂŒr  den  Erfolg  einer  FĂŒrsorge 
rischen  Maßnahme  heim  Kinde,  bedeutet  eine  nicht  gleich- 
gĂŒltige Einseitigkeit.  Es  ist  verstĂ€ndlich,  wenn  man  he 
sonders  in  Statistiken  —  Schlußfolgerungen  gern  auf  Fak- 
toren stĂŒtzt,  die  faßlich  sind,  und  die  man  so  hĂŒbsch  schwarz 
auf  weiß  nach  Hause  tragen  kann,  im  Gegensatz  zu  den 
mancherlei  anderen  Kennzeichen  von  Gesundheit,  die  aber 
weniger  prÀzis  sind  und  deshalb,  von  verschiedenen  Beob- 
achtern festgestellt,  nur  schwer  vergleichbare  Resultate  er- 
geben. Aber  es  wĂ€re  dringend  zu  wĂŒnschen,  daß  man  den 
Blick  nicht  einseitig  auf  das  Verhalten  des  Körpergewichtes 
und  des  allgemeinen  ErnĂ€hrungszustandes  einstellt,  und  daß 
man  in  diesen  beiden  Eigenschaften  nur  einen  Teil  jener 
Symptome  erblickt,  die  ein  Urteil  ĂŒber  die  Gesundheit  des 
Kindes  ermöglichen.  „BewĂ€hrt  den  Forscher  der  Natur  ein 
frei  und  ruhig  Schauen,  so  folge  Meßkunst  seiner  Spur  mit 
Vorsicht  und  Vertrauen"  (Goethe). 

In  seinem  Vortrag  „Hungernde  Brustkinder"  bespricht 
Lust*)  jene  an  Zahl  sich  mehrenden  FĂ€lle,  die  eine 
UnterernÀhrung  an  der  Mutterbrust  aufweisen,  und  deren 
schlechtes  Gedeihen  nicht  —  wie  es  oft  zutrifft  — 
durch  die  Annahme  einer  exsudativen  Diathese,  einer 
Neuropathie  oder  anderer  bekannter  Ursachen  erklÀrt 
werden  kann,  sondern  ausschließlich  auf  eine  quan- 
titative UnzulĂ€nglichkeit  der  gebotenen  Muttermilch  zurĂŒck- 
gefĂŒhrt werden  muß.  Die  hierbei  manchmal  auftretenden 
Darmerscheinungen  tÀuschen  gelegentlich  auch  Aerzte  und 
FĂŒrsorgerinnen  und  geben  Anlaß  zu  unzweckmĂ€ĂŸigen,  ge- 
radezu gegensĂ€tzlich  wirkenden  Maßnahmen.  Eine  gewisse 
Uebertreibung  der  Stillpropaganda  trÀgt  etwas  Schuld  an 
dieser  nicht  so  seltenen  UnterernÀhrung  von  Brustkindern. 
Lust  warnt  deshalb  —  ohne  andererseits  einer  zu  frĂŒhen 
BeifĂŒtterung  das  Wort  zu  reden  —  vor  allzu  langem  Zu- 
warten, das  man  heute  gerade  in  denjenigen  Kreisen  nicht 
allzu  selten  treffe,  welche  die  Lehren  mancher  pÀdiatrischer 
Kompendien  und  die  Gebote  stillpropasandistischer  Merk- 
blÀtter allzu  starr  und  allzu  getreulich  befolgen,  so  in  den 
Kreisen  mancher  Aerzte,  ganz  besonders  aber  in  denen  der 
SĂ€uglingspflegerinnen  und  FĂŒrsorgerinnen. 

Hungernde  Brustkinder  hat  es  schon  immer  gegeben,  bereits 
vor  der  modernen  Stillpropaganda  und  auch  in  Gegenden,  wo- 
hin noch  keine  Spur  pÀdiatrischer  Weisheit  gedrungen  ist.  Im- 
merhin muß  Lust  vollauf  beigestimmt  werden,  wenn  er  die 
zunehmende  HĂ€ufigkeit  der  diesbezĂŒglichen  FĂ€lle  auf  Aus- 
wĂŒchse der  populĂ€ren  Belehrung  zurĂŒckfĂŒhrt.  Oft  schon 
wurde  das  Dogmenhafte  getadelt,  mit  dem  gerade  von  kli- 
nischer Seite  her  die  4  stĂŒndliche  Nahrungspause,  die  lange 
Nachtpause  und  die  Höchstzahl  von  5  Mahlzeiten  unbedingt 
verlangt  wurden.  In  der  Praxis  und  im  Unterricht  bekÀmpfte 
ich  stets  —  und  besonders  hinsichtlich  der  Brustkinder  — 
die  AllgemeingĂŒltigkeit  dieser  Forderungen.  Zeigte  mir  das 
Leben  doch  zu  oft,  mit  welcher  souverĂ€nen  NatĂŒrlichkeit  die 
MĂŒtter,  die  Kinder  sich  ĂŒber  jene  Vorschriften  hinwegsetzten 
und  —  nicht  trotzdem,  wie  ich  als  AnfĂ€nger  meinte, 
sondern  nur  deshalb  —  gut  gediehen  sind.  Im  Unterricht 
geht  mein  hauptsÀchliches  Streben  dahin,  an  zahlreichen 
Beispielen  aus  dem  praktischen  Lehen  den  auswendig  ge- 
lernten Leitfaden  zu  kommentieren,  d.  h.  den  SchĂŒlerinnen 
zu  zeigen,  daß  das  Buch  nur  Richtlinien  gehen  darf,  und  daß 
draußen  im  Leben  sich  die  Dinge  anders  gestalten  als  im 
Buch  und  auch  anders  als  in  der  Anstalt,  die  oft  recht  ein- 
seitige Erfahrungen  gibt.  „Viele  Wege  fĂŒhren  nach  Rom", 
dieses  Wort  den  SchĂŒlerinnen  einhĂ€mmern,  auf  daß  sie 
spÀter  einmal  den  mannigfaltigen  Forderungen  des  Lebens 
und  auch  den  verschiedenen  Ansichten  der  Aerzte,  mit  denen 
sie  zu  arbeiten  haben,  gerecht  werden  können,  sei  ein  wich- 
tiges Ziel  des  Unterrichtes. 

'    Monalschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde  1921/22 


Kaupe  will  bei  dem  mangelhaften  Gedeihen  mancher 
Brustkinder  weder   an   eine  VerÀnderung   der  Zusammen 
setzung  noch  an  eine  ungenĂŒgende  Gesamtmenge  der  Mutter 
milch  glauben,  sondern  möchte  fĂŒr  die  zögernde  Entwic] 

hing  jener  SÀuglinge  uns  noch  unbekannte  und   'iklÀrliche 

VerÀnderungen  der  Muttermilch  verantwortlich  machen,  die 
ihre  Entstehung  den  vielen  seelischen  Erregungen  verdanken 
sollen,  denen  heute  jede  Mutter  mehr  oder  weniger  unter 
worfen  ist.  Lust  hĂ€lt  diese  mystischen  Vorstellungen  fĂŒr 
unhaltbar.  Mit  der  Bezeichnung  „mystisch"  sind  solche  Vor- 
stellungen noch  nicht  erledigt.  Der  Wissenschaft  kann  nicht 
zugemutet  werden,  daß  sie  Dinge  annimmt,  die  sie  nicht 
nachweisen  kann.  Aber  andererseits  ĂŒberschreitet  sie  die 
Grenzen  sachlichen  Urteils,  wenn  sie  Dinge  nur  deshalb  fĂŒr 
unmöglich  hÀlt,  weil  sie  sich  nicht  feststellen  lassen.  Gerade 
auf  unserem  pÀdiatrischen  Gebiete  tÀte  die  Forschung  gul 
daran,  bevor  sie  eine  Auffassung  bestreitet,  deren  Unrichtig- 
keit nachzuweisen  oder  es  bei  einem  Non  liquet  zu  belassen. 
Ich  erinnere  z.  B.  an  die  mancherlei  Ansichten,  die  ĂŒber  die 
Auswirkungen  der  Menstruation  bestehen  und  die  mit  der 
Bezeichnung  „mystisch"  nicht  als  Aberglaube  beiseite  ge- 
schoben werden  können.  Die  Annahme,  daß  seelische  Vor- 
gĂ€nge bei  der  werdenden  und  stillenden  Mutter  Einfluß  ge- 
winnen können  —  nicht  in  grob-chemischer  Art  —  auf  das 
sich  entwickelnde  Kind,  ist  eine  Vorstellung,  die  zu  sehr 
Allgemeingut  der  mĂŒndlichen  und  schriftlichen  Tradition 
frĂŒherer  Aerztegenerationen  war,  als  daß  ihr  Tatsachen  nicht 
zugrunde  liegen  sollten.  Pfaundler  hat  Recht,  wenn  er 
unsere  chemischen  (Milch-)  Analysen  gleichsetzt  einem  Axt- 
hieb zum  Studium  des  Mechanismus  einer  Taschenuhr.  Ich 
habe  die  feste  Ueberzeugung,  daß  die  pĂ€diatrische  Forschung 
rascher  zu  manchem  Ziele  kÀme,  wenn  sie  anstatt  auf  sehr 
weitem  Umwege  schließlich  doch  zur  Anerkennung  einer 
anfÀnglich  entschieden  bestrittenen  populÀren  Anschauung 
zu  gelangen  —  natĂŒrlich  stets  dann  in  moderner  Nomen- 
klatur — ,  direkt  an  die  PrĂŒfung  der  traditionellen  Ansicht 
ginge,  mag  das  Gewand  dieser  Ansicht  auch  noch  so  ein- 
fÀltig erscheinen. 


Zur  Geschichte  der  Geschlechtsprognostik. 

Von  J.  Aebly,  ZĂŒrich. 

Der  Artikel  von  H.  E.  Sigerist  in  Nr.  28, 1921  der  Fort- 
schritte der  Medizin,  veranlaßt  mich,  einige,  wie  ich  glaube 
weniger  bekannte  Anschauungen  auf  diesem  Gebiete  zu 
publizieren.  Da  Sigerist  die  Frage  aufwirft,  ob  die  letzte 
von  ihm  erwĂ€hnte  Regel  vielleicht  nicht  richtig  ĂŒberliefert 
sei,  will  ich  zuerst  kurz  das  betr.  Beispiel  betrachten,  das 
zwar  an  und  fĂŒr  sich  ganz  uninteressant  ist,  aber  entschie- 
den an  Interesse  gewinnt,  wenn  es  in  den  zugehörigen  theo- 
retischen Rahmen  eingefĂŒgt  wird. 

Es  handelt  sich  im  Grunde  um  eine  Anwendung  der 
Zahlenmystik,  wie  sie  sowohl  Pythagoras,  als  auch  der  jĂŒdi- 
schen Kabbala  zugeschrieben  wird.  Wo  diese  Vorstellungen 
ihren  eigentlichen  Ursprung  nehmen,  ist  ganz  unbekannt. 
Selbst  Bouche-Leclercq,  einer  der  besten  Kenner 
dieses  Gebietes  meint:  „La  superstition  des  nombres  pairs  et 

impairs  remonte  certainement  plus  haut  que  Pytha- 

gore".   (1)  pag.  6,  1. 

Die  Grundvorstellung  der  pythagorÀisehen  Lehre  ist  die 
Annahme  einer  Harmonie  des  Weltganzen,  der  SolidaritÀt 
aller  Teile  bis  ins  Kleinste.  Diese  Harmonie  enthĂŒllt  sich 
dem  erkennenden  Verstand  als  Zahl,  der  SensibilitÀt  als  Mu- 
sik, Rhythmus.  Dem  Gegensatz  gerade  —  ungerade 
im  Gebiet  der  Zahlen  entspricht  weiblich  —  mĂ€nn- 
lich, links  —  rechts,  kalt  —  warm  usw.,  also  die 
GegensÀtze,  die  in  fast  allen  Geschlechtsprognostiken 
in  der  einen  oder  anderen  Form  vorkommen  und 
daher  offenbar  mehr  oder  weniger  direkt  mit  der  Pytha- 
gorĂ€isehen Lehre,  resp.  vielleicht  noch  ursprĂŒnglicheren  An- 
schauungen zusammenhÀngen.    Es  ist  daher  im  Sinne  obigei 


124 


Aebly:  Geschlechtsprognostik 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Darstellungen  ganz  konsequent,  wenn  man  aus  dem  Namen 
einer  Person,  eventl.  in  Verbindung  mit  anderen  auf  sie  be- 
zĂŒglichen Dingen  alles  mögliche  prognostizierte.  Bouche- 
Leclercq  bemerkt  ganz  richtig:  „La  conversion  des  lettres  en 
nombres,  au  temps  oii  les  lettres  etaient  en  meine  temps  des 
chiffres,  est  une  idee  toute  simple.  Si  les  juifs  en  ont  use 
plus  que  personne  dans  leur  Kabbale,  c'est  qu'ils  avaient  un 
Livre  revele  sur  qui  operer.  Iis  croyaient  faire  ce  que  font 
nos  mathematiciens  modernes,  qui  decouvrent  des  verites 
nouvelles  en  traitant  meeaniquement  des  foimules."  (1)  537,3. 

Unter  diesem  Gesichtswinkel  betrachtet,  scheint  aller- 
dings das  von  Sigerist  gegebene  Rezept  sehr  verstĂŒmmelt. 
Vor  allem  ist  auffĂ€llig,  daß  dem  mĂ€nnlichen  Geschlecht  eine 
gerade  Zahl  entsprechen  soll,  wĂ€hrend  es  sonst  ĂŒberall  eine 
ungerade  Zahl  ist.  Faßt  man  3  (=  1+2)  als  Vereinigung 
von  mÀnnlich  und  weiblich  auf,  welche  Interpretation  wohl 
nicht  so  weit  abliegen  dĂŒrfte,  so  hĂ€tte  man  fĂŒr  das  erste 
Kind  eine  Formel,  die  eine  konsequente  Anwendung  der 
theoretischen  Anschauungen  ist.  Dann  aber  hört  es  auch 
auf.  Schon  daß  anstelle  des  Vaters  der  letztgeborene  Sohn 
tritt,  bedeutet  eine  gewisse  Durchlöcherung  des  Prinzips, 
noch  mehr  aber  die  Unmöglichkeit  der  Aenderung  des  Ge- 
schlechts fĂŒr  den  Fall,  daß  das  Resultat  der  Berechnung  ein 
MĂ€dchen  ergibt.  Es  handelt  sich  also  um  eine  Ă€ußerst  pri- 
mitive Formel,  die  nicht  einmal  im  Sinne  der  Theorie  konse- 
quent ist  und  insofern. wenigstens  den  Tatsachen  entsprÀche, 
daß  fĂŒr  jeden  Fall  die  Wahrscheinlichkeit  einer  Knaben- 
resp.  MĂ€dchengeburt  gleich  ist,  eine  Forderung,  die  sonst 
auch  die  primitivsten  Rezepte  erfĂŒllen  und  der  sie  zweifellos 
auch  ihr  zÀhes  Leben  verdanken,  da  eben  jede  solche  Formel 
in  etwa  der  HĂ€lfte  der  FĂ€lle  zutrifft,  soÂŁ*ar  wenn  man 
„GlĂŒck"  hat,  noch  hĂ€ufiger,  was  immerhin  auf  das  GemĂŒl 
von  Leuten,  die  mit  den  VerhÀltnissen  nicht  vertraut  sind, 
einen  gewissen  Eindruck  machen  muß. 

Bei  der  Division  durch  9  handelt  es  sich  nicht,  wie 
Sigerist  irrtĂŒmlich  annimmt,  um  eine  DurchfĂŒhrung  im 
heutigen  Sinne,  d.  h.  also  um  eine  Verwandlung  des  Restes 
in  einen  Dezimalbruch,  sondern  es  muß  der  Rest  auf  seinen 
Charakter  (gerade -ungerade)  untersucht  werden,  wobei  ein 
Rest  0  als  9  betrachtet  wird.  Die  DezimalbrĂŒche  sind  erst 
gegen  Ende  des  16.  Jahrhunderts  in  Aufnahme  gekommen 
und  sind  wahrscheinlich  erst  ziemlich  viel  spÀter  all^e 
meiner  gebraucht  worden. 

Was  die  in  dem  Beispiel  gebrauchten  Zahlemverte  der 
Buchstaben  betrifft,  so  stimmen  sie,  soweit  ich  beurteile.] 
kann,  weder  mit  dem  „pythagorĂ€ischen noch  mit  dem 
..kabbalistischen"  System  ĂŒberein,  so  daß  sich  auch  nicht 
vermuten  lĂ€ĂŸt,  woher  das  betr.  Rezept  stammt.  Unter  Be- 
rĂŒcksichtigung aller  UmstĂ€nde  scheint  es  mir  gar  nicht  un  - 
wahrscheinlich,  daß  es  sich  ĂŒberhaupt  nicht  um  ein  ..Origi- 
nalrezept" handelt,  sondern  um  irgend  eine  Nachbildung, 
wenn  nicht  gar  um  eine  bewußte  FĂ€lschung  zum  Zwecke  des 
Geldverdienens  oder  auch  um  gutglÀubige  Leute  zu  narren. 

Sehen  wir  von  den  erwÀhnten  Unvollkommenheiten 
dieses  Rezeptes  ab  und  halten  uns  mehr  an  das  Prinzipielle, 
so  scheint  mir,  daß  Sigerist  die  „physiologischen"  Vor- 
schriften selbst  im  Sinne  der  damaligen  Zeit  zu  hoch  wertet. 
Die  physiologische  VerbrĂ€mung  ist  doch  Ă€ußerst  dĂŒrftig  und 
das  mystische  Element  herrscht  durchaus  vor.  Das  zeigt 
sich  vor  allem  dann,  wenn  die  physiologischen  Ueberlegun- 
gen  mit  den  prinzipiellen  in  Widerspruch  treten,  wie  z.  15. 
Ix'i  der  Unwahrscheinlichkeit,  daß  die  Gravida  mit  dem 
rechten  Fuß  ausschreitet,  wenn  das  Vorhandensein  eines 
Knaben  den  Schwerpunkt  des  Körpers  mehr  nach  der  rechten 
Seite  verschieben  soll,  wie  es  die  Theorie  verlangt. 

Ein  Analogieschluß  lag  der  Vorschrift  zugrunde,  nach 
der  die  Schwangere  ein  Vogelei  ausbrĂŒten  sollte,  wobei  das 
Geschlecht  des  ausschlĂŒpfenden  Vögelchens  das  Geschlecht 
des  Kindes  anzeigen  sollte,  wofĂŒr  als  historisches  Beispiel 
Livia  zitiert  wird:  „Praegnans  enim  Livia,  cum  an  marem 
editura  esset,  variis  captaret  omnibus,  ovum  ineubanti 
gallinae  subduetum  nunc  sua,  nunc  ministrarum  manu  per 


vices  usque  fovit,  quoad  pullus  insigniter  cristatus  exclusus 
est."    [Suet.,  Tiber.,  14,  zitiert  nach  (1).] 

Neben  den  bis  jetzt  erwÀhnten  populÀren  Vorschriften, 
die  von  jedermann  ohne  große  Schwierigkeit  angewandt  wei  - 
den konnten,  gab  es  noch  eine  eigentlich  mathematisch  - 
wissenschaftliche  Methode,  die  sich  auf  astrologische  Vor- 
stellungen, speziell  auf  das  „Horoskop  der  Konzeption"  grĂŒn- 
dete und  die  daher  nur  einem  kleinen  Kreise  zugÀnglich  war. 
Aus  der  Stellung  der  Planeten  relativ  zur  Sonne,  zum  Mond 
und  zum  Horizont  zur  Zeit  der  Konzeption  ergab  sich  nach 
gewissen  Regeln  nicht  nur  das  Geschlecht  des  Kindes,  son- 
(lern  auch  der  Zeitpunkt  der  Geburt,  dessen  Bestimmung  da  - 
her  vor  allem  von  der  Genauigkeit  der  Ephemeriden  abhing, 
womit  es  allerdings  nicht  zum  besten  bestellt  war.  Auch  die 
mehrfachen  Geburten  und  die  Verteilung  der  Geschlechter 
bei  denselben  wurden  von  PtolemÀus  in  ein  System  ge- 
bracht. Auch  hier  scheint  es  noch  nicht  gelungen  zu  sein, 
den  Ursprung  dieser  Vorschriften  festzulegen,  die  sich,  wie 
die  Astrologie  ĂŒberhaupt  nicht  weiter  als  bis  zu  den  Aegyp- 
ten^ resp.  ChaldĂ€ern  zurĂŒckverfolgen  lĂ€ĂŸt. 

Es  wĂŒrde  viel  zu  weit  fĂŒhren,  die  Regeln  hier  auch  nur 
auszugsweise  wiederzugeben.  Der  Leser,  der  sich  dafĂŒr 
interessiert,  findet  das  Nötige  nebst  Quellenangabe  in  (1). 
Ich  will  hier  nur  noch  zwei  Beispiele  anfĂŒhren,  die  aus  einer 
viel  spÀteren  Periode  stammen. 

Das  erste  betrifft  den  bekannten  Astronomen  Johannes 
Kepler,  der  das  Horoskop  seiner  Konzeption  folgendermaßen 
kommentiert  [(2)  pag.  6721: 

Ad  nativitatem  Joannis  Kepler  i  :  Conceptio 
mea  investigata:  anno  1571.  Maji  d.  16.  h.  16.  37.  Cum 
abortus  matris  foetusque  editi  imbecillitas  tollat  suspicionem 
antieipatae  impregnationis,  recte  diem  nuptiis  postpono,  quae 
liiere  die  15.  Maji.  Cum  Sol  in  Geminis,  Lima  in  Geminis 
esset,  5  planetae  Orientalen  signabant  masculum,  Mercurius 
(  ombustus,  ut  in  meteoris  vehementes  ventos,  ita  hic  debilem 
et  properatam  foetum  habeat.  Sic  natus  sum  extericineus 
32  septimanis,  post  224.  diem  horis  10.  (1571.  27.  Dec.  h. 
1.30.  " 

Ferner  berichtet  Troels-Lund  (3)  pag.  223  von 
Friedrich  I  und  Christian  III  von  DĂ€nemark  .  .  .:  „Zugleich 
gab  er  (Ditlev  Reventlow)  hinsichtlich  ihrer  Kinder  sofort 
nach  ihrer  EmpfÀngnis  richtig  an,  welches  Geschlecht  sie 
sein  wĂŒrden,  als  auch,  an  welchem  Tage  sie  geboren  werden 
wĂŒrden." 

Das  wĂ€re  allerdings  eine  kĂŒhne  Prognose,  um  die  die 
moderne  GynÀkologie  die  alter  Astrologen  beneiden  könnte! 
Leider  erfahren  wir  gsr  nichts  weiter.  Troels-Lund 
gibt  gar  keinen  Kommentar  dazu,  auch  nicht  einmal  die 
Quelle,  aus  der  er  schöpfte,  so  daß  man  mit  der  Möglichkeit 
rechnen  mĂŒĂŸte,  daß  es  sich  um  eine  unkontrollierbare  Heber - 
lieferung  handeln  könnte,  wenn  andererseits  Troels-Lund 
nicht  ein  sehr  vorsichtiger  Historiker  wÀre,  der  nichts  we- 
niger als  ein  AnhÀnger  der  Astrologie  ist  und  wo  immer 
möglich,  auf  die  Quellen  zurĂŒckgeht.  Die  Prognose  des  Ge- 
schlechts an  sich  könnte  ja  bei  einigen  wenigen  FÀllen 
schließlich  auch  ganz  gut  ein  Zufallstreffer  sein.  Anders  die 
Bestimmung  des  Zeitpunktes  der  Geburt,  falls  nicht  etwa  die 
Geburten  gerade  an  dem  Tage  stattgefunden  hÀtten,  der  sich 
durch  die  bekannte  Regel  ergibt,  die  aber  ja  in  den  seltensten 
FĂ€llen  auf  den  Tag  zutrifft. 

Vielleicht  fÀnde  ein  Historiker  da  noch  interessante 
Dinge,  falls  er  mit  Bouche-Leclercq  der  Meinung  ist  „ —  — 
qu'on  ne  perd  pas  son  temps  en  iveherchant  À  quoi  d'autres 
ont  perdu  le  leur". 

Literaturverzeichnis : 

1.  Bouche-Leclercq:  L'Astrologie  Grecque,    Paris.  Leroux,  1899. 

2.  Kepleri  Opera  omnia.    Band  8. 

3.  Troels-Lund:  Himmelshild  und  Weltanschauung  im  Wandel  der 

Zeiten. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


S  i  :i  ii  (I  e  s  i  r  ii  ^  c  ii    u  u  (I    sozial  e    M  r  (1  i  /.  i  ii 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Schiedsspruch  fĂŒr  cl i «»  kassenĂ€rztlichen  GebĂŒhren  in  WĂŒrttemberg. 

Der  Schiedsspruch  vom  1.  Oktober  1921  lautet:  Die  Kranken- 
kassen haben  vom  1.  August  1921  :ib  den  KassenÀrzten  zu  den  in 
der  KassengebĂŒhrenordnung  Festgesetzten  GebĂŒhren  und  zu  den 
Wegegeldern  bis  auf  weiteres  einen  Zuschlag  von  20  Prozent  zu 
gewĂ€hren.  Dabei  ist  davon  ausgegangen,  daß  die  TeuerungszUr 
lagen  der  Beamten  zwar  als  Maßslab  dienen  können,  daß  aber  in 
dem  Durchschnitt  dieser  Zulagen  von  etwa  13  Prozent  die  Er- 
höhung  der  Kinderzulagen  nicht  enthalten  und  daß  der  Dienst- 
aufwand der  Aerzte  noch  mehr  gestiegen  ist  als  die  Kosten  der 
Lebenshaltung.  Auch  ist  berĂŒcksichtigt,  daß  die  Aerzte  nicht, 
wie  die  Beamten,  Anspruch  auf  Pension  haben.  Ob  vom  1.  Ok- 
iober 1921  ab  eine  weitere  Teuerungszulage  nach  den  Geldwerts- 
verhĂ€ltnissen begrĂŒndet  erscheint,  wird  zunĂ€chst  dem  Ermessen 
der  Parteien  ĂŒberlassen. 

Die  BegrĂŒndung  der  Erhöhung  ist  so  treffend,  daß  sie  pro- 
grammatisch auch  bei  Ilonorarforderungen  anderer  Aerzte- 
gruppen  Verwendung  finden  kann. 

A  1  e  x  a  n  d  e  r. 

Die  Wohlfahrtseinrichtungen  des  WĂŒrttembergischen  Aerzte- 

verbandes. 

In  der  Hauptversammlung  des  WĂŒrttembergischen  Aerzte- 
verbandes  wurden  folgende  BeschlĂŒsse  gefaßt:  1.  Es  besteht  An- 
spruch auf  Beule  fĂŒr  Hinterbliebene,  auf  Pente  im  Falle  der  In- 
validitÀt und  auf  ein  Sterbegeld.  2.  Die  Höhe  des  Sterbegeldes 
wird  vom  A er ztever bÀnde  festgesetzt  und  soll  zurzeit  20  000  M. 
betragen.  3,  Die  gesamte  Wohlfahrtseinrichtung  tritt  am  1.  Ok- 
tober 1021  in  Wirksamkeit.  4.  Zur  Deckung  der  RentenansprĂŒche 
wei  den  bei  der  zentralen  Verrechnungsstelle  10  v.  H.  des  kassen- 
Ă€rzllichen  Roheinkommens  abgezogen.  Die  großen  kassenĂ€rzt- 
lichen Einkommen  sollen  einer  gesteigerten  Veranlagung  unter- 
liegen. 

Es  ist  anzuerkennen,  daß  diese  BeschlĂŒsse  zunĂ€chst  pro- 
grammatisch sind,  daß  die  Ausarbeitung  der  Satzungen  noch  aus- 
steht und  daß  diese  zunĂ€chst  den  Vereinen  zur  Besprechung  zu- 
gehen sollen.  Es  isl  anerkennenswert,  denn  die  vorlÀufigen  Be- 
schlĂŒsse sind  nichts  weniger  als  einwandfrei.  Unklar  ist  in 
1.  der  Anspruch  auf  Rente  und  Sterbegeld.  Was  soll  damit  ge- 
sagt sein?  Ist  ein  Rechtsanspruch  in  bestimmter  Höhe  gemeint 
©der  richtet  sich  der  Anspruch  nach  den  Bestimmungen  Dritter 
etwa  nach  der  finanziellen  Lage?  Fast  sollte  man  das  letztere 
annehmen,  denn  Punkt  2  bestimmt,  daß  die  Höhe  des  Sterbegeldes 
vom  VerbĂ€nde  festgesetzt  wird  und  „soll  zurzeit"  20000  M.  be- 
tragen. Das  beißl  doch,  daß  die  Höhe  auch  weniger  oder  mehr 
betragen  kann.  Gilt  dies  auch  fĂŒr  die  Rente,  so  schwebt  der  An- 
spruch völlig  in  der  Luft  und  isl  kein  Rechtsanspruch.  Man  be- 
denke aber,  welche  Folgen  diese  Ungewißheit  nach  sich  ziehen 
muß.  Der  tiefliegende  Zweck  der  Versicherung  bestellt  doch 
darin,  daß  der  Arzt  fĂŒr  den  Todesfall,  fĂŒr  Alter  oder  InvaliditĂ€t 
soweit  vorsorgt,  daß  beim  Eintritt  dieser  EventualitĂ€ten  auf 
eine  bestimmte  Summe  gerechnet  weiden  kann.  Niehl  eine 
einzige  Versicherung,  wenn  sie  nicht  ĂŒberschwengliche  PrĂ€mien 
fordern  soll,  reicht  aus,  um  den  erstrebten  Zweck  vollauf  zu  er- 
reichen. Immer  wird  es  sich  nur  um  einen  mehr  oder  weniger 
ergiebigen  Zuschuß  zum  Lebensunterhalt  handeln.  Dieser  Zu 
Schuß  muß  aber  vorher,  d.  h.  vor  der  ErfĂŒllung,  errechnet 
werden  können,  weil  sich  danach  das  Lebensstandard  des  zu 
Versorgenden  zu  richten  hat.  Hat  ein  Arzt  fĂŒr  sein  Aller  eine 
Rente  von  5000  M.  zu  erwarten,  wird  aber  sein  Lebensunterhall 
Voraussichtlich  10  000  M,  betragen,  so  muß  er  sieh  bemĂŒhen,  bei 
Lebzeilen  noch  so  viel  zu  ersparen,  daß  ihm  hernach  noch 
5000  M.  jĂ€hrlich  zur  VerfĂŒgung  stehen.  Das  wird  ihm  zwar 
nicht  immer  gelingen,  aber  er  kennt  doch  das  Ziel,  das  er  er- 
reichen mĂŒĂŸte  und  wird  entsprechend  vorbauen.  Ist  aber  seine 
Altersrente  von  zukĂŒnftigen,  von  ihm  nicht  errechenbaren  Um- 
stÀnden abhÀngig,  so  hat  er  ein  uferloses  Ziel,  der  beabsichtigte 
Zweck  der  ..Versorgung"  wird  nicht  erreicht.  Exempla  docent. 
Die  Pension  des  Beamten  besitzt  nur  dadurch  Wert,  daß  sie  bis 
aufs  Einzelne  vorher  errechnet  werden  kann.  Kaum  ein  Be- 
amter kommt  mit  seiner  zukĂŒnftigen  Pension  aus.  fast  alle 
mĂŒssen  sie  von  ihrem  Gehalt  noch  soviel  zurĂŒcklegen,  um  im 
Falle  des  Alters  ein  Existenzminimum  zu  erreichen.  Da  er  das 
vorher  weiß,  kann  er  sich  rechtzeitig  darauf  einrichten.  WĂŒĂŸte 
er  es  nicht,  so  könnte  er  fĂŒr  sein  Alter  unliebsamen  Ueber- 
raschungen  ausgesetzt  sein.  Man  denke  an  die  unerquickliche 
Situation  eines  unbestimmten  Sterbegeldes,  welche  peinliche  Ver- 
legenheiten können  dadurch  entstehen,  daß  im  Falle   des  Ab- 


lebens die  Hinterbliebenen  sin 1 1  der  erwarteten  und  erforder- 
lichen Summe  eine  geringere,  nicht  ausreichende  erhalten!  Mao 
hĂŒte  sich  also  vor  Ungewißheiten,  und  man  kann  sie  nur  da 
durch  verhĂŒten,  daß  man  auf  (irund  unanfechtbarer  mathematl 
scher  Berechnungen  einen  bestimmten  Rechtsanspruch  vorsieh! 
Ist  dieses  bei  dem  gewĂ€hlten  System  nicht  durchfĂŒhrbar,  so  ist 
es  fĂŒr  den  vorliegenden  Fall  nicht  anwendbar 

Nachtrag:  Wie  berechtigt  die  obigen  EinwÀnde  sind,  er- 
gibt sich  aus  dem  Entwurf  der  Satzungen  der  Wohlfahrtseinriofi 
lungen,  der  in  Nr.  49/50  1921  des  Medizinischen  Korrespondenz 
blattes  fĂŒr  WĂŒrttemberg  von  Dr.  Langbein  veröffentlicht 
wird.  Wir  entnehmen  ihm  die  die  Frage  klÀrenden  Bestimmuli 
gen.  Nr.  III  C  2  lautet:  Die  Höhe  des  Sterbegeldes  und  der  dafĂŒr 
zu  erhebenen  BeitrÀge  (nach  G  1  Umlageverfahren)  isl  verÀndei 
lieb  und  wird  dem  jeweiligen  Geldwerte  entsprechend  durch  Be- 
schluß der  WAV.  festgesetzt.  Nr.  V  3  lautet:  Die  Höhe  der  In- 
validen- und  Hinterbliebenen-Renten  ist  keine  feste,  sie  wird  nach 
dem  —  durch  die  in  dem  §  V  .'5  b,  c,  d,  e,  f,  g  festgelegten  Aus- 
nahme- und  Uebergangsbestimmungen  ergÀnzten  System 
Köbner  festgesetzt.  (Die  Grundlage  fĂŒr  die  Berechnung  bildet 
hiernach  das  durchschnittliche  Jahreseinkommen  des  Beniners, 
jedoch  nur  bis  zu  einer  gewissen  Grenze,  deren  ĂŒbersteigender 
Betrag  den  unter  dem  Durchschnitt  bleibenden  Rentnern  nach 
umgekehrtem  VerhĂ€ltnis  ihrer  BezĂŒge  zugeteilt  wird.) 

Wir  haben  hiernach  unseren  obigen  Bemerkungen  nichts  hin- 
zuzufĂŒgen, machen  jedoch  noch  besonders  darauf  aufmerksam, 
daß  nach  obigem  SchlĂŒssel  gerade  dem  kleinen  Rentner,  der  die 
grĂ¶ĂŸte  Sorge  um  seinen  Unterhalt  im  Alter  haben  wird,  die  Mög- 
lichkeit völlig  genommen  ist,  zu  wissen,  auf  welche  Rente  er  im 
Alter  zu  rechnen  hat.  A  I  ex  a  n  d  e  r. 

Verein  Aerztliches  Standesgericht  im  Regierungsbezirk  Breslau. 

Nach  Auflösung  des  Vereins  der  Aerzte  des  Reg.-Bez.  Bres- 
lau, mit  dem  ein  Standesgericht  verbunden  war,  haben  die  be- 
teiligten Vereine  beschlossen,  einen  eigenen  einzutragenden  Ver- 
ein „Aerztliches  Slandesgericht"  zu  grĂŒnden.  Die  GrĂŒnde  fĂŒr 
dieses  unter  heutigen  VerhÀltnissen  etwas  ungewöhnliche  Vor- 
gehen setzt  der  spiritus  rector,  H.  Sachs,  in  der  Scblesischen 
Aerztekorrespondenz  Nr.  26,  1921,  auseinander.  Er  stellt  selbst 
die  Frage,  ob  bei  dem  Vorhandensein  des  staatlichen  Ehren- 
gerichts ein  besonderes  Standesgerichl  ĂŒberhaupt  erforderlich  ist, 
und  bejaht  die  Frage.  Nach  seiner  Ansicht  arbeitet  das  Ehren- 
gericht zu  langsam,  die  Entscheidungen  des  Ehrengerichtshofes 
stehen  nicht  immer  mit  den  Anschauungen  der  Provinz  in  Ein- 
klang, die  beamteten  Aerzte  und  UniversitÀtslehrer  werden  von 
den  staatlichen  Ehrengerichten  nicht  umfaßt,  besonders  wertvoll 
ist  das  Vermittlungsverfahren  beim  Standesgericht. 

Wir  können  diese  GrĂŒnde  nicht  fĂŒr  stichhaltig  ansehen  und 
ihnen  außerdem  noch  UmstĂ€nde  anfĂŒgen,  welche  gegen  die  Stau 
desgerichte  sprechen.  Daß  das  Ehrengericht  langsamer  arbeilet 
als  das  Standesgerichl,  ist  zuzugeben,  hat  aber  seinen  guten 
Grund  in  der  GrĂŒndlichkeit  des  Verfahrens,  das  auf  rechtlichen 
Grundlagen  aufgebaut  ist.  Daß  die  Entscheidungen  des  Ehren 
gerichtshofes  nicht  immer  dem  Geschmack  der  Provinz  ent- 
sprechen, mag  wohl  vorkommen,  ist  aber  ein  segensreiches  Vor- 
beugungsmittel gegen  zĂŒnftlerische  Anschauungen  kleiner  ge- 
schlossener Kreise.  Daß  die  beamteten  Aerzte  ebenso  wie  die 
SanitÀtsoffiziere  nicht  dem  Àrztlichen  Ehrengericht  unterstehen, 
ist,  wenigstens  hinsichtlich  der  Vergehen  im  Privatberuf,  be- 
dauerlich, aber  durch  private  Standesgerichte  auch  nicht  zu  Àn- 
dern, da  die  Beteiliglen  sich  auch  nicht  dieser  Jurisdiktion  unter- 
werfen wĂŒrden.  Der  Mißsland  kann  nur  durch  Aenderung  der 
Gesetzgebung  beseiligl  wrerden.  Das  V ermittelungsverfahren  isl 
gewiß  recht  wertvoll,  liegt  aber  gesetzlich  auch  den  staatlichen 
Ehrengerichten  ob  und  zeitigt  verdienstvolle  Resultate. 

Erweisen  sich  dann  noch  die  GrĂŒnde  fĂŒr  die  Errichtung. 
Aufbau  und  Standesgerichte  als  nicht  stichhaltig,  so  sprechen 
auch  andere  GrĂŒnde  direkt  dagegen.  Dadurch,  daß  den  Standes- 
gerichten das  Becht  der  Zeugenvernehmung,  der  Vereidigung 
und  des  Stellungszwanges  abgeht,  fehlen  die  Unterlagen  fĂŒr 
eine  lĂŒckenlose  Rechtsprechung.  Das  Verfahren  kann  ferner  nur 
eingeleitet  werden  gegen  Mitglieder  derjenigen  Vereine,  die  zum 
Standesgericht  gehören.  Dadurch  bleiben  gerade  die  schlechteren 
Elemente  des  Standes  unbehelligt,  denn  diese  pflegen  sich  Ge-J 
meinsebaften  nicht  anzuschließen.  Endlich  wirkt  die  Konkurrenz 
zwischen  privaten  und  staatlichen  Einrichtungen  gĂŒnstig  weder 
nach  innen  noch  nach  außen.  In  Berlin  hatten  die  Standesver- 
eine alle  ihre  EhrenrÀte,  die  vor  der  Zeit  des  staatlichen  Ehren- 
gerichts von  großem  Nutzen  waren.  Die  Einrichtung  besteht 
heule  noch,  aber  sie  wird  fast  gar  nicht  mehr  benutzt,  ein  Be- 


i«»6 


Standesfragen    und    soziale  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


weis,  wie  die  Achtung  des  staatlichen  Ehrengerichts  gestiegen 
ist.  Alexander. 

Verordnung  betr.  die  Ausdehnung  der  Bestimmungen  der  Bun- 
desratsverordnungen vom  2.  8.  1917  auf  das  Unterrichtstach  der 

Heilkunde. 

Auf  Grund  des  ÂŁ  1  Abs.  ;!  der  Bundesratsbekanntmachung 
ĂŒber  den  privaten  gewerblichen  und  kaufmĂ€nnischen  Fachunter- 
richt vom  2.  8.  1917  wird  folgendes  bestimmt: 

Art.  1.  Die  Vorschriften  der  Bundesratsbekanntmachung 
ĂŒber  den  privaten  gewerblichen  und  kaufmĂ€nnischen  Fachunter- 
richt vom  2.  August  1917  finden  auch  auf  das  Unterrichtsfach  der 
Heilkunde  entsprechende  Anwendung. 

Art.  2.  Die  Erlaubnis  ist  vom  BegierungsprÀsidenten,  in 
Berlin  von  dem  PolizeiprÀsidenten  zu  erteilen.  Der  Bescheid, 
durch  den  die  Erlaubnis  versagt  oder  unter  Bedingungen  erteilt 
oder  zurĂŒckgenommen  wird,  ist  nur  im  Aufsichtswege  anfechtbar. 

Art.  4.  Die  Vorschriften  dieser  Verordnung  treten  am  1.  Ok- 
tober 1921  in  Kraft. 

Zugleich  im  Namen  des  Ministers  fĂŒr  Volkswohlfahrt 

Der  Preußische  Minister  fĂŒr  Wissenschaft.  Kunst  und 
Volksbildung. 

Diese  preußische  Verordnung  hat  ihre  Geschichte.  Die  Na- 
turheilkundigen haben,  dem  Zuge  der  Zeit  folgend  und  die  ihnen 
gĂŒnstige  politische  Konstellation  ausnĂŒtzend,  systematisch  daran 
gearbeitet,  das  letzte  Bollwerk  fĂŒr  die  privilegierte  Stellung  der 
Aerzte,  die  Vorbedingung  einer  PrĂŒfung  und  Approbation  fĂŒr 
gewisse  öffentlich-rechtliche  Funktionen  dadurch  zu  beseitigen, 
daß  sie  Schulen  fĂŒr  Heilkunde  errichteten,  Unterricht  in  FĂ€chern 
der  Heilkunde  erteilten  und  PrĂŒfungen  vornahmen,  auf  Grund 
deren  sie  Zeugnisse  und  Diplome  verliehen.  Vom  Auslande 
kennt  man  diese  Schulen  oder,  wie  sie  sich  dort  nennen,  Akade- 
mien oder  FakultÀten,  und  sie  sind  es,  die  den  bekannten  Kur- 
pfuschern wie  dem  bekannten  Prof.  Mistelsky  in  Berlin,  bisher 
ungestraft  als  AushÀngeschild  dienen.  Die  materiellen  Erfolge 
dieser  auswÀrtigen  Anstalten  wirkten  belebend  auch  auf  unter- 
nehmende Köpfe  des  Inlandes,  und  besonders  in  Berlin  war  es 
ein  bekannter  Naturheilkundiger  Cavitz,  der  eine  solche  Schule 
errichtete,  in  der  die  schwierigsten  wissenschaftlichen  FĂ€cher 
der  Heilkunde,  wie  Anatomie,  Mikrologie,  Chemie  Gegenstand  des 
Unterrichts  waren.  NatĂŒrlich  wurde  dieser  von  Laien  und  an 
Jedermann,  mit  und  ohne  entsprechender  Vorbildung  erteilt. 
Diesen  Schulen,  die  geradezu  unheilvoll  wirken  mußten,  beizu- 
kommen, war  bisher  unmöglich.  Sie  unterstanden  nicht,  wie  die 
gewerblichen  und  kaufmÀnnischen  Privatunterrichtsanstalten 
der  Aufsicht  der  Behörde  und  jeder  Versuch  der  Behörde,  der 
medizinischen  FakultĂ€ten,  der  preußischen  Aerztekammer,  hierin 
Wandel  zu  schaffen,  mußte  scheitern.  Hier  greift  nun  die  neue 
preußische  Verordnung  ein.  Durch  sie  wird  es  ermöglicht,  den 
Betrieb  zu  versagen  und  die  Ausstellung  von  Zeugnissen  oder 
Diplomen  zu  verhindern.  Hoffentlich  wird  hiervon  nicht  nur  in 
Preußen,  sondern  auch  in  anderen  deutschen  LĂ€ndern,  wo  das 
Unkraut  ebenfalls  wuchert,  ergiebiger  Gebrauch  gemacht  werden. 

Alexander. 

Preußischer  Ministerialerlah"  betr.  Zulassung  der  Zahntechniker 
zu  den  Krankenkassen. 
Der  Erlaß  an  die  OberversicherungsĂ€mter  vom  26.  9.  21  be- 
sagt: Durch  Rundfrage  hat  sich  ergeben,  daß  verschiedene  Ver- 
sicherungsĂ€mter Ausweise  ĂŒber  die  ZulassungsfĂ€higkeit  zur 
Krankenkassenpraxis  erteilt  haben,  die  in  den  in  Betracht  kom- 
menden Vorschriften  nicht  vorgesehen  sind.  In  Zukunft  ersuche 
ich,  in  folgender  Weise  zu  verfahren.  Die  AntrÀge  auf  Zulassung 
als  Zahntechniker  zur  Krankenkassenpraxis  sind  seitens  der 
Krankenkassen  zu  stellen.  Von  ihnen  sind  che  Unterlagen  zu 
fordern,  daß  die  verlangten  Voraussetzungen  fĂŒr  die  Zulassung 
als  Zahntechniker  gegeben  sind.  Nach  Anhörung  des  zustÀndigen 
Kreisarztes  wird  der  antragstellenden  Krankenkasse  von  dem 
Versicherungsamt  Bescheid  erteilt.  Die  Kassen  sind  anzuhalten, 
den  Zahntechnikern  eine  schriftliche  Nachricht  ĂŒber  ihre  Zu- 
lassung zur  KrankenkassentÀtigkeil  zukommen  zu  lassen.  Die 
Zahntechniker  selbst  erhalten  von  der  Behörde  eine  solche  Mit- 
teilung nicht  Alexander. 

Anspruch  eines  Versicherten  auf  Erstattung  eines  dem  Kassen- 
arzte gezahlten  Honorars. 

Entscheidung  des  Oberversicherungsamtes  vom  22.  9.  21. 

Die  „Ortskrankenkasse"  berichtet:  ,,Das  Versicherungsami 
hat  die  Klage  abgewiesen,  die  Berufung  ist  zurĂŒckgewiesen.  Da 
die  KlĂ€gerin  einen  Kassenarzt  zu  Rate  gezogen  hat,  isl  es  fĂŒr  die 
!  n's;!röidnTii!  des   Rechtsstreits  unerheblich,  ob  ein  dringender 


Fall  Àrztlicher  Hilfe  vorgelegen  hat.  Bei  der  Inanspruchnahme 
Ă€rztlicher  Hilfe  hat  das  Kassenniitglied  nach  den  statutarischen 
Bestimmungen  der  Kasse  die  Verpflichtung,  dem  Arzt  gegenĂŒber 
als  Kassenmitglied  sich  auszuweisen.  Hat  die  KlÀgerin  dieser 
Verpflichtung  genĂŒgt,  so  ist  der  Anspruch  des  Arztes  auf  Be- 
zahlung seiner  Ă€rztlichen  Hilfeleistung  unbegrĂŒndet.  Daher  steht 
der  KlÀgerin  auch  ein  Anspruch  auf  Ersatz  des  von  dem  behau 
delnden  Kassenarzt  von  ihr  geforderten  Honorars  nicht  zu.  Hai 
die  KlĂ€gerin  sich  dem  Arzte  gegenĂŒber  nicht  als  Kasscnmitglied 
zu  erkennen  gegeben,  so  hat  sie  gegen  die  Bestimmungen  der 
Kassenstatuten  verstoßen  und  kann  infolge  eigenen  Verschuldens 
die  Ersatzleistung  von  der  Kusse  gleichfalls  nicht  verlangen." 

Die  angefĂŒhrten  EventualitĂ€ten  erschöpfen  die  Möglichkeiten 
nicht.  Hat  z.  B.  die  Hilfesuchende  den  Ausweis  als  Kassenniit 
glied  in  dringenden  FĂ€llen  versucht,  ihn  aber  nicht  erbringen 
können  (Unfall  auf  der  Straße  .  so  ist  der  Kassenarzt  berechtigt 
Bezahlung  zu  verlangen  und  das  Kassenmitglied,  wohl  ohne 
Zweifel  ebenfalls  berechtigt,  den  Ersatz  von  der  Kasse  zu  fordern. 

Alexander 

Alkoholische  Geistesstörungen  vor,  in  und  nach  dem  Kriege. 
In  Nr.  20/1921  der  „Volkswohlfahrt'"  veröffentlicht  Herr  Re 
gierungs-  und  Medizinalrat  Glaubilt  eine  Statistik  ĂŒber  die  Auf- 
nahme alkoholischer  Geistesstörungen  in  Krankenanstalten,  der 
wir  folgende  interessante  Zahlen  entnehmen:    Der  Tiefstand  der 
Aufnahmen  ist  im  Jahre  1918,  dem  letzten  Kriegsjahre,  erreicht 
sie  betragen  13,4  Prozent  des  lel  Am  Friedensjahres.    Mit  dem 
Jahre  1919  steigt  die  Aufnnhmezalil,  sie  ĂŒbertrifft  die  des  Jahres 
1918  um  32,1  Prozent  und  ist  im  J  ihre  1920  um  91,4  Prozent  ver- 
grĂ¶ĂŸert.    GegenĂŒber   1919   betrĂ€gt   die   Zunahme  44,9  Prozent. 
Allerdings  ist  diese  Zahl  noch  immer  so  klein,  daß  sie  nur  25,7 
Prozent  des  letzten  Friedensjahrcs  betrÀgt. 

Alex  a  n  d  e  r. 


Zuchthausstrafe  fĂŒr  Uehe stragung  von  Syphilis. 

Wir  entnehmen  der  „Ortskrankenkasse"  einen  Bericht, 
der  auch  fĂŒr  die  Leser  unserer  Zeitschrift  von  Interesse  sein 
dĂŒrfte: 

Zu  einer  außerordentlich  hohen  Strafe  wurde  ein 
25  Jahr  alter,  verheirateter  M(  chaniker  verurteilt,  weil  der- 
selbe ein  achtjÀhriges  Kind  infiziert  hatte.  Die  Strafkammer 
des  Landgerichts  Frankfurt  a.  M.  stellte  folgendes  fest: 

Die  Eltern  des  Angeklagten  hatten  einen  achtjÀhrigen 
Jungen  vom  Jugendamt  seit  1915  in  Pflege.  Seit  FrĂŒhjahr 
1920  wohnte  der  damals  noch  ledige  Angeklagte  nicht  mehr 
bei  seinen  Eltein,  kam  aber  noch  hÀufig  zu  ihnen,  um  dort 
zu  ĂŒbernachten.  Bei  dieser  Gelegenheit  schlief  auch  das 
Pflegekind  öfters  bei  dem  Angeklagten.  Dieser  hatte  sich  1915 
als  Soldat  mit  Syphilis  infiziert  und  mußte  eine  achtwöehent- 
liehe  Kur  durchmachen.  1917  und  1918  wurde  er  wiederum 
wochenlang  vom  Spezialarzt  behandelt.  August  1920  mußte 
er  eine  Salvarsan-Kur  im  Krankenhaus  durchmachen,  um 
dieselbe  Zeit  wurde  auch  das  Pflegekind  mit  einer  Lues- 
Infektion  in  das  Krankenhaus  aufgenommen,  wo  es  gleich- 
falls eine  Salvarsan-Kur  durchmachen  mußte.  Obwohl  der 
Angeklagte  bestritt,  mit  dem  Jungen  unsittliche  Handlungen 
vorgenommen  zu  haben,  konnte  er  nicht  leugnen,  trotz  seines 
Leidens  mit  dem  Kind  in  einem  Bett  zusammen  geschlafen 
zu  haben. 

Das  Gericht  hielt  ihn  deshalb  des  Verbrechens  gegen 
§§  223,  224  des  Str.  G.  B.  fĂŒr  schuldig,  da  feststeht,  daß  das 
sonst  gesunde  Kind  von  dem  Angeklagten  mit  Syphilis  infi- 
ziert worden  ist.  Der  Angeklagte  gab  dies  selbst  zu,  be- 
streitet aber,  gewußt  zu  haben,  daß  seine  Krankheit  an- 
steckend gewesen  sei.  Das  Uiteil  hĂ€lt  ihm  aber  vor,  daß  er 
sehr  wohl  die  AnsteckungsfĂ€higkeit  seiner  Krankheit  gewußt 
habe,  da  er  sich  diese  wÀhrend  seiner  MilitÀrzeit  geholt  habe, 
und  bekanntermaßen  beim  MilitĂ€r  die  Mannschaft,  vor  allem 
die  geschlecbtskranke,  wiederholt  ĂŒber  die  InfektiositĂ€t  be- 
lehrt wurde.  Auch  kannte  er  die  Krankheit  von  den  ver- 
schiedenen Àrztlichen  Behandlungen  und  Kuren,  die  er  in 
den  letzten  Jahren  durchgemacht  hatte.  Er  mußte  also 
wissen,  daß  er  an  der  ansteckenden  Krankheit  leide  und  die 
Ansteckung  auch  durch  Eindringen  des  Giftes  in  eine 
Ivörperschnnide  erfolgt. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Heferate 


127 


Der  Grund  des  Zusammenschlafens  sei  auch  nicht 
Wohnungsmangel  oder  das  Fehlen  einei  sonstigen  Lager 
stÀlte,  sondern  sicher  nur  geschlechtlicher  Art  gewesen,  zu 
mal  das  Zusammensein  sich  auch  nur  auf  einige  Stunden 
beschrĂ€nkte.  Er  mußte  deshalb  mit  der  Ansteckung  rechnen. 
Kr  wollte  auch  den  Erfolg  der  Ansteckung  fĂŒr  den  Fall,  daß 
er  eintrete.  Er  hahe  also  vorsÀtzlich  gehandelt,  da  er  das 
Bewußtsein  hatte,  daß  das  Zusammenschlafen  den  Erfolg 
einer  GesundheilsschÀdigung  hahe. 

Das  Kind  selbst  sei  durch  die  Syphilis -Infektion  in 
Siechtum  verfallen,  nach  Àrztlicher  Aussage  in  seiner  Lei- 
stungsfÀhigkeit schwer  beeintrÀchtigt,  wobei  dahingestellt 
bleiben  könne,  ob  die  Krankheit  heilbar  sei.  Sonach  sei  tat- 
sĂ€chlich festgestellt,  daß  der  Angeklagte  im  Mai  1920  das 


Kind  vorsĂ€tzlich  an  der  Gesundheil  beschĂ€digte,  daß  es  in 

Siechtum  verfallen  sei. 

Der  Angeklagte  sei  noch  unbestraft,  seine  Handlung*; 

weise,  durch  die  er  ein  ahnungsloses  Kind  in  solcher  Weise 
fĂŒr  sein  ganzes  Kelten  unglĂŒcklich  gemacht  hat,  zeuge  aber 
von  einer  derartigen  Hoheit,  daß  eine  exemplarische  Strafe 
angezeigt  erscheine.  Daß  er  sich  trotz  des  Bewußtseins,  daß 
er  an  einer  so  schweren  Krankheit  litt,  nicht  davon  abhalten 
ließ,  mit  dem  Kinde  zusammenzuschlafen,  sei  auch  ehrlos. 
Deshalb  wurde  eine  Zuchthausstrafe  von  einem 
Jahre  sechs  Monaten  als  angemessen  erachtet,  auch 
auf  Verlust  der  bĂŒrgert.  Ehrenrechte  wurde  gemĂ€ĂŸ  §  32 
Str.  G.B.  mit  3  Jahren  erkannt.  Der  Schwerkranke  hat  aber 
trotz  seines  Leidens  eine  Ehe  eingegangen! 

Werner  W  o  1  f  f ,  Dresden. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift.  Leipzig. 

5.  Januar  1922,  Nr.  1 . 

Zur  Charakteristik  der  gegenwĂ€rtigen  Therapie.     v.  StrĂŒmpell.  i 
Kons<riturionsther«,pie.    Krau  s.  5. 

Der  jetzige  Stand  der  Lehre  von  den  Chromosomen.    Kettwig.  8. 

Die  Behandlung  der  chronischen  KreislaufsehwÀche  (unter  vorwiegender  Be- 
rĂŒcksichtigung     der      physikalisch-diĂ€tetischen      Methoden).       Gr  o  1  d - 
scheidet-.    10.  » 
❖Ueber  den  gegenwĂ€rtige«  Stand  der  Tuberkulinbehandlung.    Klein  p  c  r  e  v. 
F.  13. 

I'eber  den  gegenwÀrtigen  stand  der    operativen   Behandlung    des  Kropfes. 

H  i  1  d  e  b  r  a  n  d.  16. 
I'eber   Nc.isilbersalvarsan    und    die     chemotherapeutische    Aktivierung  der 

Nah  arsanprÀparatc  durch  Metlalle.    K  o  1  1  e.  17. 
Syphilisbehandlung  durch  den  praktischen  Arzt.    J  a  d  n  s  *  u  h  n.  iy. 
Ceber  die  Behandlung  des  Puerperalfiebers.    D  öd  er  lein.  22. 
Erfahrungen  eine«  alten  Augenarztes.     H  irsc  h  b  e  r  g.  25. 
(Jeher  MasefnsehutĂŒ-Serum.    Degkwitz.  26. 
Uguer  Olliulli  und  seine  PrÀparate.     .1  o  a  c  h  i  m  0  g  I  u.  27. 

Ueber  den  gegenwÀrtigen  Stand  der  Tuberkulinbehandlung. 
Nach  dem  Stande  der  bakteriologisch  experimentellen  Forschung 
wie  nach  den  klinischen  Erfahrungen  liegt  kein  Grund  vor,  von 
den  bisherigen  GrundsÀtzen  der  Tuberkulinbehandlung  abzugehen. 
Auswahl  der  FĂ€lle:  nur  behandlungsbedĂŒrftige.  Solche  die 
fluter  hygienisch-diÀtetischer  Allgemeinbehandlung  'bessern,  brau 
eben  keine  The. -Behandlung.  Auch  dĂŒrfen  klinisch  Gesunde  le- 
diglich wegen  eines  positiven  Pirquet  nicht  mit  Tuberkulin  be- 
handelt werden.  Da  alle  Tuberkuline  wahrscheinlich  wesens- 
gleich sind,  ist  die  Dosierung  wichtiger  als  das  Mittel.  Alttuber 
kulin  macht  stÀrkere  Herder  scheinungen,  als  die  milder  wirkenden 
Heutuberkuline.  Art  der  Einverleibung:  Der  perkutane  intra- 
oder  subkutane  Weg  ist  gleicherweise  zulÀssig.  Der  kutane  Weg 
verÀndert  oder  verbessert  die  Tuberkulinwirkung  nicht.  Am 
zuverlÀssigsten:  Subkutane,  wegen  der  Möglichkeit  einer  wirk- 
lichen Dosierung.  Dosen:  Anfangs  vorsichtig  und  recht  klein,  der 
verschiedenen  individuellen  ReaktionsfÀhigkeit  wegen.  Gewisser 
aber  nicht  sicherer  Anhalt  durch  vorherige  PrĂŒfung  der  Haul- 
FeaktionsfÀhigkeif  mit  Pirquet  oder  Intrakutanprobe.  Langsame 
Steigerung,  strenge  Individualisierung.  Vermeidung  stÀrkerer 
Reaktionen,  maßgebend  lediglich  der  klinische  Erfolg.  Ziel  oder 
Behandlung:  nicht  biologische  Heilung,  ZufĂŒhrung  grober  und 
grĂ¶ĂŸter  Dosen,  absolute  UnempfĂ€nglichkeil  gegen  Tuberkulin, 
sondern  klinische  Heilung.  v.  Schnizer 

Klinische  Wochenschrift. 

i.  Januar  1922.  1.  Nr.  1. 

lieber  UerzgrĂ¶ĂŸc   und   Blulgol'Ă€ĂŸfĂŒllung.     M  e.'.j  C  r  .    E.  I 

Oege» wart  und  Zukunft  fle.j'  MageugcsehwĂŒichirnrgic.    Schmied  n.  V.  S 

CnhcT  d'm   Wrs'Ci   der  lonervatiuti   und   ihre  Beziehungen   zur  Inkretbildung. 

A  b  d  e  I  h  a  I  d  e  r.  .  E.  7. 
l.elK'rbefunde    bei    tieekfioberkranken    Meerschweinchen.      K  u  r  z  v  n  s  k  l  . 

M.  H.  8. 

Steigerung  di  r  Knoclueiunurksfunhtioii  durch  Röutgenveizdose.n     Burk  \.  0 
und  O  n  g  g  e  n  h  c  i  m  e  V  .  "H  II 


EntzĂŒndung  und  Nervensystem.    Kauf  f  mann,  V.  und  Wiakel»  M.  12. 

❖  Zur  Koinzidenz  von  Syphilis  und  Tuberkulose.      Frei,   W.  u.  Spitzer. 

R.  15. 

❖  L'eber  Zuckertage  in  der  Behandlung  der  kindliehen  Nephritis.  C  z  a  p  s  k  t  . 

E.  18. 

Unsere  Ergebnisse  mit  dem  neuen  Verfahren  zur  PrĂŒfung  der  Gefaßfunktion 
von  Morawitz  und  Denecke  in  der  Geburtshilfe.    Hellmuth,  K.  Hl. 

Die  Bedingungen  der  GrĂŒnfĂ€rbung  von  SĂ€uglingsstĂŒhlen.  Frenden- 
berg, E.  21. 

Weitere  Untersuchungen  ĂŒber  humorale  IVhertiragbarkeit  der  Herzhexveh- 
wirkungen.     1.  o  e  w  i    O.  22. 

I'eber   die    Bildung   anorganischer   PhosphorsÀure    bei    der   Kontraktion  des 

Froschmuskeis.    E  m  b  d  e  n  .  G.  und  L  a  w  a  c  z  e  k  ,  H.  23. 
Untersuchungen  ĂŒber  Xarkosc.    Lange,  H.  und  MĂŒller.  B.  \\'..  23. 

Bro\vu-S(.(|uanlsche   UalbseitenlÀsion  des  Halsmarkes.     K  a  h  n  e  n  f  ii  h  r  e  r. 

23. 

Sarkom  des  Caleaneus.    Valentin,   B.  24. 

Erkennung  und  Beurteilung  der  Herzarythmien  ohne   graphische  Methoden. 

M  «,  g  n  u  s  -  A  1  s  1  e  b  e  n  ,  E.  25. 
Die  Behandlung  der  Enuresis.    Z  a  p  p  e  r  t  ,  J.  27. 

Der  Einfluß  des  Krieges  auf  die  Milcherzeugung  und  Milchversorgung.. 
.1  u  c  k  e  n  a  c  k  .  A.  30. 

standesangelegenheiten.  f i  o  t  t  s  t  e  i  n  ,  A.  32. 

Eorachungsprohlcme  und  -ergebnisse  auf  dem  Gebiet  der  icllatmung  und  der 
biologischen  Oxydationen.    L  i  p  s  c  h  i  t  z ,  W.  33. 

Zur  Koinzidenz  von  Syphilis  und  Tuberkulose.  (Aus  der 
UniversitĂ€tsklinik  fĂŒr  Hautkrankheiten  in  Breslau.)  1.  Bei  zwei 
FĂ€llen  von  ausgedehnter  fistelnder  HalsdrĂŒsentuberkulose  wur- 
den nach  einer  luetischen  Infektion  in  den  tuberkulösen  DrĂŒsen 
Spiroch.  pallid.  gefunden.  2.  Bei  einem  Fleischer  wurde  unter 
einer  frischen  Lues  eine  Bovinusinfektion  der  beiderseitigen 
KubitaldrĂŒsen  manifest,  ohne  daß  an  den  HĂ€nden  Zeichen  einer 
bestehenden  oder  ĂŒberstandenen  Hauttuberkulose  nachzuweisen 
gewesen  wĂ€ren  oder  sich  ein  Anhaltspunkt  dafĂŒr  in  der  An- 
amnese ergeben  hÀtte.  3.  In  2  von  diesen  F"Àllen  wurden  Tu- 
berkelbazillen und  SpirochĂ€ten  nebeneinander  in  derselben  DrĂŒse 
n  iebgewiesen.  4.  Bei  allen  8  LuesfĂ€llen  mit  stark  vergrĂ¶ĂŸerten, 
teils  regionÀren,  teils  nichtregionÀren,  klinisch  nicht  tuberkulose- 
verdĂ€chtigen LymphdrĂŒsen  konnten  zwar  SpirochĂ€ten,  aber  nicht 
Tuberkelbazillen  (Tierversuch)  im  DrĂŒsenpunktat  festgestellt 
werden. 

Ueber  Zuckertage  in  der  Behandlung  der  kindlichen  Ne- 
uhritis.  (Aus  der  UniversitÀts-Kinderklinik  Jena.)  Als  ein  gutes 
Hilfsmittel,  um  bei  akuter  diffuser  hÀmorrhagischer  Glomerulo- 
nephritis ĂŒber  die  initialen  bedrohlichen  Symptome  der  Anurie 
und  der  UrĂ€mie  hinwegzukommen,  hat  sich  die  EinfĂŒhrung  von 
..Zuckertagen"  bewÀhrt.  Bei  dieser  DiÀtform,  die  von  Noor- 
d  e  n  eingefĂŒhrt  hat,  wurde  durch  2 — 4  Tage  lediglich  eine  nach 
dem  Gewicht  des  Patienten  zu  bemessende  Lösung  von  Bohr- 
zucker in  dĂŒnnem  Malzkaffee  gereicht.  Mitteilung  zweier  Kran- 
kengeschichten, aus  denen  hervorgeht,  daß  nach  den  ersten 
Zuckerfagen  Diurese  und  urÀmische  Symptome  sich  rasch 
besserten  O.  S.  Tarnow  fT.harlottenburg-WestendV 

Medicinische  Klinik. 

1.  Januar  1922,  18,  Nr.  1. 

Die  chirurgische  Behandlung  der  Kriegsverletzungen  der  peripheren  Nerven 
und  ihre  Hcilnngsniiigliebkeit  durch  r.prr.-ilivc  Eingriffe.  K  i  r  S  <■  b  Her. 
M.  I. 


128 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


iO.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Zur  Kenntnis  der  Aortalgieu  (Angin«  pectoris)  uud  ĂŒber  das  Symptom  des 
auginösen  linksseitigen   Plexusdrucksckiiierzes.     Schmidt.   R.  6. 
❖Leber  KieselsĂ€ureinjektionen.    K  ĂŒ  h  n  .  A.  9. 

BeitrÀge  zur  Klinik  der  Lues  congenita.    Stra  u  s  k  y  .  K.  und  Schiller. 
E.  11. 

4»Die  Behandlung  der  gonorrhoischen  Gelenks-  und  SehnenscheidenentzĂŒndung. 
Langer.  E.  13. 

❖  Die  Blutbehandluug  der  AnĂ€mien,    ßroff,  A.  15. 
Kin  neues  FlÀschchen  nach  Hinz-Thini  zur  sterilen  Aufin WÀhrung  von  Medi- 
kamenten   und    direkten    Entnahme    derselben    mit    der  Kekordspritzc. 
T  h  i  m  ,  J.  R.  17. 

Bakteriologische  Untersuchungsbefunde   bei  Encephalitis  lethargica   (3.  Mit- 

teiiuug).    H  i  1  g  e  r  m  a  n  n  .  L.  a  u  x  e  n  und  S  h  a  w  .  Charlotte.  17. 
Die  akuten  Magen-Darmerkrankungen.    B  1  ĂŒ  b  d  o  r  n  .  K.  18. 

l'eber  KieselsĂ€ureinjektionen.  KĂŒhn  hat  in  einer  grĂ¶ĂŸeren 
Reihe  von  TuberkulosefÀllen  nach  zahlreichen  Tierversuchen 
KieselsÀureinjektionen  vorgenommen.  WÀhrend  intramuskulÀre 
Injektionen  von  einem  Teil  der  Patienten  gut  verlragen  wurde, 
reagierte  ein  anderer  mit  Infiltrationen,  Fieber  und  Störungen 
des  Allgemeinbefindens;  intravenöse  Injektionen  (1  prozentige  Lö- 
sung von  Natr.  silic.  Merck)  wurden  dagegen  sÀmtlich  gut  ver- 
tragen. Die  augenfÀlligste  Folge  der  Injektionen  war  die  auch 
bei  oraler  Zufuhr  schon  beobachtete  Leukozylenvermehrung,  die 
Iiier  2 — 3  Tage  anhielt,  um  dann  zum  normalen  Wert  abzustĂŒrzen, 
und  Höhen  bis  zum  3  fachen  des  Normalen  erreichte.  Die  Ver- 
mehrung betraf  in  der  Hauptsache  die  neutrophilen  polynukle- 
Ă€ren  auf  Kosten  der  Lymphozyten.  Diese  Leukozytenvermehrung 
im  Blute  betrachtet  Verfasser  als  spezifische  KieselsÀurewir- 
kung. Eine  gĂŒnstige  Beeinflussung  der  Tuberkulose  durch  reich- 
liche KieselsĂ€urezufuhr  hĂ€lt  Verfasser  fĂŒr  möglich,  die  intra- 
venöse Behandlung  aber  wegen  der  langdauernden  erforderlichen 
Zufuhr  von  KieselsĂ€ure  fĂŒr  nicht  angebracht. 

Die  Behandlung  der  gonorrhoischen  Gelenk«-  und  Sehnen- 
scheidenentzĂŒndung. Individuelle  Behandlung  jedes  einzelnen 
Falles  ist  hier  ganz  besonders  erforderlich.  Chirurgische  Be- 
handlung einschließlich  Gelenkspunktion  lehnt  Langer  ab.  FĂŒr 
ihn  kommt  in  erster  Linie  physikalische  Therapie  in  Frage, 
unterstĂŒtzt  durch  Vakzine-  und  Proteinkörpertherapie,  sowie 
durch  innere  Medikation  von  Natr.  salicyl.,  Aspirin,  Jodkali, 
Pyramidon,  Atophan  usw.  und  Ă€ußere  Anwendung  von  25  pro- 
zentiger  Ichthyolvaseline  und  Jodvasogen.  In  allen  leichten  und 
subakuten  FĂ€llen  wird  von  Anfang  an  Bewegungsbehandlung 
eingeleitet,  aktiv  und  passiv  im  heißen  Bade,  in  den  akuten  hoch- 
fieberhaften  FĂ€llen  wird  mit  Ruhebehandlung  —  Schienenverband 
—  begonnen  und  erst  nach  dem  Abklingen  der  akuten  Erschei- 
nungen ebenso  wie  bei  den  obengenannten  FĂ€llen  mit  der  Be- 
wegungsbehandlung eingesetzt.  Auch  Heißluft-  und  Stauungs- 
therapie werden  angewandt,  um  die  Exsudate  möglichst  schnell 
zu  beseitigen,  und  in  der  Nachbehandlung  Elektrisation  und 
Massage  der  Muskeln  zur  Vermeidung  von  Atrophie  vorge- 
nommen. Die  Resultate,  was  Funktion  der  Gelenke  und  Sehnen; 
anlangt,  sind  bei  dieser  Behandlung  gut,  wĂ€hrend  bei  ausschließ- 
licher Vakzine-  oder  Proteinkörpertherapie  gleichwertige  Resul- 
tate nicht  erzielt  werden  konnten. 

Die  Blutbehandlung  der  AnÀmien.  Die  schon  seit  langem 
bekannte  Behandlung  der  schweren  AnÀmien  mit  Bluttransfusion 
wurde  nach  den  von  Itami  angestellten  Tierversuchen  von 
Groß  beim  Menschen  ausgefĂŒhrt.  300  cem  Blut  eines  Wa-nega- 
tiven  Patienten  wurden  defibriniert,  zentrifugiert,  die  Erythro 
zyten  mehrmals  gewaschen  und  mit  einem  Drittel  ihres  Volumens 
Aqu.  dest.  versetzt  und  so  die  HĂ€molyse  herbeigefĂŒhrt.  Von 
dieser  Lösung  wurden  dann  10  cem  intraglutÀal  injiziert  und  in 
4  FĂ€llen,  die  auf  defibrinierles  Blut  und  Arsen  gar  nicht  mehr 
reagierten,  ein  sehr  guter  Erfolg  erzielt.  Die  Wirkung  fĂŒhrt 
Verfasser  auf  den  Fe-Gehalt  des  HĂ€moglobins  zurĂŒck.  Versuche 
mit  HĂ€matin,  das  Verfasser  selbst  hergestellt  hatte,  ergaben 
gleichfalls  gute  Resultate.  Ueber  che  Indikation  fĂŒr  die  eine  oder 
andere  Form  der  Blutzufuhr  bei  schweren  AnĂ€mien  Ă€ußert  sich 
Verfasser  dahin,  daß  bei  bedrohlichen  Erscheinungen  eine  große 
Transfusion  erforderlich  erscheint,  wÀhrend  bei  den  mittleren 
und  leichteren  FÀllen  intraglutÀaie  Injektion  von  kleinen  Mengen 
defibrinierten  Blutes  oder  Zitratblut  ausreichen.  In  den  FĂ€llen, 
wo  besonders  bei  perniziöser  AnÀmie  oder  Chlorose  nach  dieser 
Behandlung  ein  weiterer  Fortschritt  in  der  Besserung  nicht  mehr 
erzielt  werden  kann,  soll  die  parenterale  Zufuhr  von  HĂ€min  oder 
HĂ€matin  versucht  werden,  die  dann  noch  Besserung  zu  bringen 
imstande  ist.  Silber  spann  fCharlottenburg). 

MĂŒnchener  medizin.  Wochenschrift. 

30.  Dezember  1921,  Nr.  52. 

‱{♩VorĂŒbergehende  schwere  Mischungscyanose  beim  Neugeborenen,  d  8  u  p  .‱  i  i 
1673. 


Vikariierende   oder  komplementierende    .Menstruation?     S  i  p  p  e  1.  1674, 
♩{♩„Puppenauge".     W  i  d  o  w  i  t  z.  1074. 

Haut-  und  Scbleimhautblutungen  mit  Knocheninarksschadigung  bei  sekun- 
dÀrer Syphilis.    V  i  1 1.  1675. 
Jodisinus  bei  Potatoren.    Bons  m  a  n  u.  1676. 
Klinik  der  Quecksilberexantheme.    W  o  1  f.  1678. 
Wundscharlaeh  durch  Daumenlutschen.     Bloch.  Itj'/f». 
Osteomyelitis  typhoso  ulnae.     Michaelis.  1679. 
Therapie  des  epidemischen  Singultus.    R  e  h.  1680. 

VorĂŒbergehende,  schwere  Mischungscyanose  beim  Neuge- 
borenen, ein  typisches  Krankheitsbild.  Es  gibt  drei  Formen  bald 
nach  der  Geburt  oder  innerhalb  der  ersten  5  Lebenstage  ent- 
standener Mischungscyanose.  1.  Herzfehler  von  derartigem  Um- 
fang, daß  eine  Mischung  von  arteriellem  und  venösem  Blut  statt- 
finden muß.  Dauernde  Blausuchl.  2.  Herzfehler,  meist  Tricus- 
pidalis-  oder  Pulmonalisstenose.  Infolge  Ueberdruck  im  rechten 
Herzen  nur  kurze  Zeil  Ueberströmen  des  venösen  Blutes,  bis 
durch  Zunahme  der  Kraft  der  linken  HerzhÀlfle  und  fortschreitende 
Verengerung  des  Foramens  ovale  das  Herz  kompensiert  wird. 
Danach  Verschwinden  der  Blausucht.  3.  Ohne  Herzfehler.  Durch 
Druckdifferenz  zwischen  rechtem  und  linkem  Vorhof  Ueber- 
strömen des  venösen  Blutes  in  den  linken  Vorhof.  HerzgerÀusche 
sind  dabei  denkbar,  aber  bisher  nicht  gefunden  worden,  bei 
1  u.  2  meist  vorhanden.  Gruppe  1  ist  meist  röntgenologisch  gut 
erkennbar.  1  u.  2  lassen  sich  anfangs  nicht  immer  trennen.  Die 
Diagnose  der  Gruppe  3  ist  oft  erst  durch  den  klinischen  Verlauf 
zu  stellen.  Therapie  muß  stets  davon  ausgehen,  daß  das  Herz 
des  blausĂŒchtigen  Neugeborenen  nur  einen  leichten  Fehler  haben 
oder  gar  gesund  sein  kann. 

„Das  Puppenauge",  ein  Symptom  der  postdiphtherischen 
LĂ€hmung.  Verf.  weist  auf  „das  Puppenauge"  als  Begleitsymptom 
hin.  Es  kommt  zustande  durch  leichte  Protrusio  bulbi,  seltenen 
und  monoton  schachleldeckelÀhnlichen  Lidschlag.  Pathologisch- 
anatomisch kommt  es  zustande  durch  die  Parese  der  Muskeln  und 
die  Verringerung  des  Muskeltonus. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-WTestend). 

Zeitschrift  fĂŒr  Ă€rztliche  Fortbildung,  Jena. 

1.  Januar  1921,  19,  Nr.  1. 

♩{♩(iallenstcincrkrankung;.    Körte.  I. 

Pathologie,  Pathogenese  und  Therapie  des  Lungenemphysems.    G  e  r  h  a  r  d  t 
D.  7. 

♩{‹»Psychotherapie  und  Ă€rztliche  Praxis.  Oberendcr.  W.  10. 

♩{♩Der  gegenwĂ€rtige  Stand  der  Steinaehsehen  Regenerationslehre".  Schmidt, 

P.  14. 

Gallensteinerkrankung.  ^Erster  Teil.)  Das  Anstauen  der 
Galle  in  der  Vesica  fellea  ĂŒber  das  physiologische  Maß  hinaus 
bildet  eine  Vorbedingung  fĂŒr  die  Steinbildung.  FĂŒr  das  Aus- 
fallen der  Steinbildner  von  Bedeutung  sind  konstitutionelle  Er- 
krankungen und  besonders  die  Nahrungsart:  der  Cholesterin- 
gehalt in  Blut' und  Galle  ist  höher  bei  Eiweiß-  und  Fettnahrung 
als  bei  pflanzlicher  ErnÀhrung.  Aetiologisch  kommen  in  Betracht: 
einengende  Kleider,  sitzende  Lebensweise,  Erblichkeit,  Schwan- 
gerschaft, Infektionskrankheiten,  Wanderniere  und  Traumen.  In 
Japan  hat  man  auch  Wurmeier  als  Zentrum  von  Gallensteinen 
gefunden. 

Reine  Cholesterinsteine  sind  selten,  ebenso  Bilirubinkalk- 
sleine;  am  hÀufigsten  sind  (he  schalig  angeordneten  Cholesterin- 
kalksteine.  Ihre  GrĂ¶ĂŸe  und  Zahl  ist  sehr  verschieden.  Die 
Sektionsstatistik  ergibt  einen  Durchschnitt  von  7  Prozent  Gallen- 
steinen. Ihr  Vorkommen  ist  in  der  Jugend  sehr  selten  und  steigt 
mit  dem  Alter  erheblich  an.  Es  ist  bei  Frauen  fĂŒnf  mal  grĂ¶ĂŸer 
als  bei  MĂ€nnern.  Die  Zeitdauer  der  Steinentwicklung  ist  nicht 
genau  bekannt.  Die  Steine  können  lange  Zeit  völlig  symptomlos 
getragen  werden,  oder  es  bestehen  nur  Magenbeschwerden. 

Die  Gallensteinerkrankung  wird  mit  Sicherheit  erkannt  durch 
Koliken,  Ikterus  oder  Anschwellung  der  Gallenblase.  Es  gibt 
rein  mechanische  und  entzĂŒndliche  Koliken.  Doch  existieren  auch 
solche  ohne  Steine  bei  akuter  Cholecystitis  und  bei  AdhÀsion 
der  Gallenblase.  Der  Ikterus  tritt  ein  bei  Verengung  oder  Ver- 
stopfung des  Choledochus,  daneben  gibt  es  auch  einen  weniger 
intensiven  entzĂŒndlichen  Ikterus.  Von  den  Erkrankungen  der 
Gallenblase  infolge  von  Steinen  entsteht  der  Hydrops,  wenn  ein 
Stein  den  Ausfluß  des  Cystikus  aus  der  Gallenblase  verstopft. 
Die  akute  Cholecystitis  kommt  durch  Infektion  vom  Darm  aus. 
seltener  auf  dem  Blut-  oder  Lymphwege  zustande.  Man  hat  hier 
Colibakterien,  Eiterkokken.  Typhusbazillen  und  Pneumokokken 
gefunden. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


12*.» 


Psychotherapie  und  Àrztliche  Praxis.  Einleitend  betont  Verf. 
die  Wichtigkeit  der  universellen  gegenĂŒber  der  „Ein- 
methoden-Psychotherapie"  und  bespricht  dann  unter  Hinweis  auf 
die  einschlÀgige  Literatur  die  verschiedenen  Formen  der  Hyp- 
aosebehandlung,  die  Wachsuggestion  und  die  Psychoanalyse.  Die 
Arbeit  Freuds  finden  volle  Anerkennung,  doch  wird  dessen 
einseitige,  „fanalische"  Verallgemeinerung  der  Sexualpsycho- 
analyse zurĂŒckgewiesen.  Zum  Schluß  wird  auf  die  große  Rolle 
hingewiesen,  die  die  Psychotherapie  in  der  PĂ€dagogik  zu  spielen 
berufen  ist. 

Der  gegenwÀrtige  Staad  der  Steinach'schcn  Kegenerations- 
lehre.  Besprochen  werden  nur  die  mĂ€nnliche  KeimdrĂŒse  und 
die  an  sie  geknĂŒpften  Regeneralionsmöglichkeilen  am  mĂ€nnlichen 
Organismus.  Die  Ueberpflanzung  von  Teslikeln  beim  Menschen 
(AusnĂŒtzung  fremder  KrĂ€fte)  konnte  bisher  wegen  der  Selten- 
heit des  Ueberpflanzungsmalerials  nur  vereinzeil  ausgefĂŒhrt 
werden.  Ihre  Wirkungen  sind  eindeutig  und  dauernd.  Die 
Vasoligatur  (Unterbindung  des  Samenleiters;  AusnĂŒtzung  eige- 
n  e  r  KrĂ€fte")  ĂŒbt  bei  richtiger  Indikation  —  vorzeitiges  oder 
rechtzeitiges  Teil-  oder  Gesamtaltern  mit  zunehmender  Arbeits- 
unfĂ€higkeit, beginnende  Arteriosklerose  —  und  bei  richtiger 
Technik  auf  den  Organismus  eine  fördernde  Wirkung  aus,  die 
sich  in  Aufbesserung  der  Stoffwechselbilanz  und  Steigerung  der 
Organfunktionen  Ă€ußert;  daneben  wurde  eine  Zunahme  der 
geistigen  ArbeitsfÀhigkeit  und  des  psychischen  Befindens  kon- 
statiert. Ueber  die  Wirkungsdauer  lĂ€ĂŸt  sich  Abschließendes 
noch  nicht  aussagen.  L.  K  an  n  er. 

Therapie  der  Gegenwart. 

Dezember  1921,  82,  Heft  12. 

Ifi'Ppokratieehc  Medizin.    K  1  e  m  p  e  f  er,  G.  449. 
❖  Zur  Diagnose  und  Therapie  der  Periearrtitis.    D  ĂŒ  n  n  e  r  ,  Ii.  15S. 

Zur  Therapie  des  Puerperalfiebers.    W  est  m  a  n  n  ,  St.  155. 
❖Zur  Phlaridzindiagnostik  der  FrĂŒhgravidifĂ€t.    K  a  m  uitzei  und  Joseph 
459. 

Ccber  die  soziale,  eugenetische  und  Xotzuehtindikation  zur   Einleitung  des 

kĂŒnstlichen  Abortus.    Wiegels,  W.  461. 
Die  Behandlung  der  Varizen  und  ihrer  Folgezustitude.    B  o  r  e  h  a  r  d  t  und 

Ostrowski.  467. 

Zar  Diagnose  und  Therapie  der  Periearditis.  Zu  jeder  In- 
fektionskrankheit kann  eine  Endokarditis  hinzutreten.  Diese  ver- 
lĂ€uft aber  schmerzlos.  Darum  mĂŒssen  Stiche  in  der  Herzgegend 
immer  den  Verdacht  auf  Perikaderkrankung  lenken.  Der 
Schmerz  der  beginnenden  Perikarditis  ist  mitunter  unertrÀglich. 
Der  Patient  wagt  kaum  zu  atmen,  das  Gesicht  bekommt  allmÀh- 
lich einen  typischen  „marmornen"  Ausdruck.  Auffallend  oft  wer- 
den Jugendliche  bis  18  Jahren  von  Perikarditis  befallen.  Ein 
wichtiges  FrĂŒhsymptom  ist  Nasenbluten.  Das  berĂŒhmte  peri- 
karditische Reiben  ist  inkonstant,  ebenso  die  „typische"  Ilerz- 
figur.  Ueberhaupt  differieren  die  physikalischen  Symptome  stark 
je  nach  der  Lage  des  Ergusses.  Selten  ist  die  Heiserkeit  infolge 
RekurrenslĂ€hmung  —  Uebergreifen  der  EntzĂŒndung  auf  das  Me- 
diastinum — ,  nicht  allzu  hĂ€ufig  auch  das  Heiserwerden  der  Herz- 
töne. —  Bei  akuten  Prozessen  gebe  man  Narkotika,  sorge  vor 
allem  fĂŒr  Erhallung  der  Herzkraft.  Die  Herzbeutelpunktion  nur 
ausfĂŒhren,  wenn  die  Beschwerden  wirklich  eine  Folge  des 
großen  Exsudates  sind  (sehr  große  DĂ€mpfung,  Pseudo-Pleurilis. 
Dyspnoe,  Zyanose,  kleiner  Puls).  Wenn  Morphium  Erleichterung 
schafft,  hat  sicher  nicht  der  Erguß,  sondern  die  EntzĂŒndung  die 
Beschwerden  verursacht.  Nur  punktieren,  wenn  das  Exsudat  so 
groß  ist,  daß  man  bequem  entfernt  vom  Herzen  einstechen  kann. 
Damit  erĂŒbrigt  sich  die  Angabe  bestimmter  Einslichstellen.  Ver- 
fasser nimmt  der  Perikarditis  gegenĂŒber  einen  meist  abwarten- 
den Standpunkt  ein,  ĂŒberlĂ€ĂŸt  es  der  Natur,  ob  AdhĂ€sionen  ent- 
stehen. Er  verspricht  sich  auch  von  Fibrolysin  und  physikali- 
schen Maßnahmen  wenig 

Zur  Phloridzindiagnostik  der  FrĂŒhgraviditĂ€t.  Verfasser  er- 
gÀnzen ihre  Mitteilungen  aus  dem  Septemberheft  der  Zeitschrift. 
Sie  hatten  angegeben,  daß  die  Schwangere  vom  ersten  bis  dritten 
Monat  bei  Injektion  von  2,5  mg  Phloridzin  Zucker  ausscheidet, 
und  bauten  darauf  eine  Diagnostik  der  Schwangerschaft  auf.  Sie 
haben  jetzt  in  weiteren  Versuchen  die  Methode  prÀziser  gemacht, 
indem  sie  die  Dosis  verringerten,  und  berichten  ĂŒber  190  FĂ€lle. 
Man  spritzt  der  zu  untersuchenden  Person,  die  nĂŒchtern  sein 
muß,  2  mg  Phloridzin  subkutan  ein.  Die  Injektion  ist  schmerz- 
los bei  Zusatz  von  Novokain  zur  Lösung  (Phloridzin  0,03,  Aqua 
des).  30,0,  Novokain  0,15).  Vor  der  Injektion  muß  die  Ve  rsuchs- 
person  urinieren,  dann  200  ccm  FlĂŒssigkeit  (ohne  Zucker!  Irin 
ken.    Nach  %  Sfd.  noch  einmal  200  ccm  FlĂŒssigkeit,  dann  PrĂŒfen 


des  Urins  auf  Zucker  (Nylander),  -%A  —  \  Std.  und  ['/‱  Sld.  nach 
der  Einspritzung.  Die  Clycosuria  gravidarum  beginnt  Vi  Stunde 
nach  der  Einspritzung  und  dauert  etwa  2  Stunden.  Nach  An 
gĂ€be  des  Verfassers  lĂ€ĂŸt  der  negative  Ausfall  der  Probe 
Schwangerschaft  sicher  ausschließen,  der  positive  die  Diagnose 
mit  Wahrscheinlichkeit  stellen.  —  Die  Verfasser  machen  darauf 
aufmerksam,  daß  das  Mittel  unter  dem  Namen  Malurin  ("Schering 
in  den  Handel  kommt.  So  isl  der  Weg  zu  einer  NachprĂŒfung 
dieser  wohl  allgemein  interessierenden  Angaben  frei. 

G  lÀse  r. 

Zeitschrift  fĂŒr  klinische  Medizin,  IJerlin. 

15.  November  1921,  92,  Heft  1-3. 

Untersuchungen  ĂŒber  die   diagnostische   Bedeutung  des   Katalascindcx  der 
roten  Blutkörperchen  bei  menschlichen  und  experimentellen  Blutkrank 
heiten.     Nissen,  R.  1. 

❖Ueber  paroxysmale  HĂ€moglobinurie  und  Syphilis:  zugleich  ein  Beitrag  zum 
Problem  der  ErkÀltungskrankheiten.     B  u  r  m  e  i  s  t  e  r  ,  J.  19. 

Pathognese  der  Kohleinoxydvergiftung.    GĂŒnther,  H.  41. 

Spirochaetenbefunde  im  Magensaft  und  deren  diagnostische  Bedeutung  tut 
das   Carcinoma  ventriculi.     Luger,   A.  und   Neuherger.   H.  54. 

Ueber  die  Dauer  der  letal  verlaufenden  DiabctesfÀlle.  Helberg  K.  A. 
76. 

Einige  besondere  Befunde  am  Ruhrdarm.     Lewin,  A.  78. 

‱HCriegsenteritis  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Dickdarmentzlindurig 
und  ĂŒber  deren  Behandlung.     O  e  t  v  ö  s  ,  E.  94. 

Klinik  und  Pathologie  der  Sublimatnephrosp.  G  o  r  k  c  H.  und 
Töppieh,  G.  113. 

Hypeirtonie  und  Blutzucker.     H  ii  r  1  e  .  F.  124. 

Zur  Beeinflussung  der  KÀltehÀmoglobinuric  durch  unspezifisch  wirkende 
Salzlösungen.    B  u  r  m  e  i  s  t  e  r  .  ,T.  134. 

❖Ueber  septischen  Ikterus.     B  i  n  g  o  1  d  .  K.  HO. 
Enthalten  die  Lymphozyten  ein  ltpolyto'sches  Ferment?    Zugleich  ein  Beitrag 
ĂŒber  den  Lipasegehalt  des  Liquor  cerebrospinalis.     Res  c  h  .   A.  160. 
Morbus  maculosus  Werlhofii.    Foerster.  A.  170. 

Nachwirkung  geringfĂŒgiger  EinflĂŒsse  auf  den  Stoffwechsel  in  den  nĂ€chsten 

Tagen.     A  r  n  o  1  d  i  .  W.  187. 
Ueber  das  Verhalten  des  Reststickstoffs  im  Blute  bei  Grippe.    C  olin,  E.  A. 

201. 

Einfluß  des  Durstens  auf  den  Stickstoff-  und  Chlorstoffwechsel.  Franken- 
t  h  a  1  .  K.  208. 

❖Bakterienbefunde  im  Duodenalsaft  von  Gesunden  und  Kranken.  II  o  e  f  n  r  t. 
B.  221. 

Ueber  einen  Fall  von  Pneumoperikard  und  ausgedehnter  schwieliger  Me- 
diastino-Perikarditis  bei  gleichzeitigem  Pneumothorax.    Mayer.  A.  236. 

Wirbt  die  pharmakologische  Beeinflussung  des  vegetativen  Nervensystems 
auf  das  weiße  Blutbild?     W  o  1  1  e  n  b  e  r  g  .  H.  249. 

Zur  quantitativen  Bestimmung  der  Fermente  im  Duodenalsaft.  Isaac- 
Krieger,  K.  259. 

Ein  zweiter  Fall  von  akardialem  Thoraxwandschaukeln.    II  0  1  1  e  r  .  G.  269. 

1'ebcr  paroxysmale  HĂ€moglobinurie  und  Syphilis;  zugleich 
ein  Beitrag  zum  Problem  der  ErkÀltungskrankheiten.  Verf.  er- 
örtert an  der  Hand  von  einigen  eigenen  FÀllen  und  den  in  der 
Literatur  angegebenen  Notizen  die  Beziehungen  zwischen  p.  H. 
und  Syphilis;  die  Wa.  R.  ist  ungleich  hÀufiger  positiv  wie  die 
anamnestischen  und  klinischen  Merkmale  fĂŒr  Lues  (95  :  30  %). 
Wahrscheinlich  rufen  die  KÀltehÀmolysine,  analog  ihrem  Ver- 
halten In  vitro  gegenĂŒber  Lipoiden,  auch  ohne  Anwesenluit  nor- 
maler Syphilisreagine  bei  der  Wa.  R.  einen  positiven  Ausfall 
hervor.  Durch  Entfernung  der  KÀlteambozeptören  aus  dem  vor- 
her Wa.  R.  positiven  Serum  (Moro-Nodascher  Versuch)  wird  die 
Reaktion  negativ.  Die  durch  Bindung  an  corpusculÀre  Lipoide 
und  nachherige  Dissoziation  bei  37"  in  Na  Gl  0,85%  isolierten 
KÀlteambozeptören  geben  positive  Wa.  R.  mit  und  ohne  Zusatz 
von  normalem  Serum  oder  Liquor.  Der  KĂ€lteambozeptor  kann 
an  Lipoide  auch  in  der  WĂ€rme,  an  Erythrozyten,  wahrscheinlich 
wegen  der  besonderen  Lipoiden  Beschaffenheit,  in  der  KĂ€lte  ge- 
bunden werden.  Dieser  KĂ€lteeinfluß  auf  die  Erythrozyten,  der 
nur  fĂŒr  menschliche  Erythrozyten  Gellimg  hat,  spielt  möglicher- 
weise bei  den  ErkÀltungskrankheiten  eine  Rolle. 

Ueber  die  Kriegsenteritis  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung 
der  DickdarmentzĂŒndung  und  ĂŒber  deren  Behandlung.  Aetiologie 
unklar  und  nicht  einheitlich.  3  Formen:  1.  akute  mit  Magen- 
katarrh verbundene  Enteritis.  2.  subakute  oder  chronische  Ente- 
ritis, diese  beiden  entsprachen  etwa  dem  bekannten  Bild  der 
Cholera  nostras.  3.  Colitis,  diese  Àhnlich  der  bazillÀren  Dysen 
terie  oder  der  Colitis  chronica  purulenta,  jedoch  kein  charakte- 
ristischer Dysenteriestuhl,  Tenesmen  nie  so  hochgradig,  nie  Kom- 
plikationen, keine  Agglutination  des  Dysentcriebazillus  in  stÀr- 
kerer VerdĂŒnnung.  Seklionsbild:  schwerste  VerĂ€nderungen  der 
Dickdarmsehleimhaut,  die  öfters  zum  großen  Teil  durch  Narben- 
gewebe ersetzt  war.  Therapie:  am  besten  systematische  Darm- 
spĂŒlungen mit  großen  Mengen  warmen  Wassers  als  rein  mecha- 
nische Therapie,  zugesetzte  Arzneien  verstĂ€rkten  die  gĂŒnstige 
Wirkung  nicht. 


130 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Ueber  septischen  Ikterus.  Der  Ikterus  bei  der  anaeroben 
Streptokokkensepsis,  der  im  Gegensatz  zur  aeroben  Sepsis  auf- 
fallend oft  auftritt,  unterscheidet  sich  bei  beiden  Formen  nicht. 
Die  HautfÀrbung  wird  durch  Bilirubin  bedingt.  Kein  ver- 
mehrter Blutkörperzerfall  und  in  der  Leber  makroskopisch  kein 
Abflußhindernis  fĂŒr  die  Galle.  Im  Gegensatz  hierzu  beruht  der 
Ikterus  beim  FrÀnkel'schen  Gasbrand  im  wesentlichen  auf  einer 
oft  großen  Blutdissolution,  die.  auf  die  BakteriĂ€mie  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren ist. 

Bakterienbefunde  im  Duodenalsaft  von  Gesunden  und 
Kranken.  64  einwandfrei  untersuchte  FĂ€lle.  Duodenalsaft  normal 
steril.  Bei  Hyp-  und  AnaciditÀt  des  Magens  reichliche  Baklerien- 
flora  von  in  der  Hauptsache  gleicher  Art  der  Keime  wie  im 
Magen.  Auch  Erkrankungen  des  Magendarmkanals  scheinen  das 
Bakterienwachstum  im  Duodenum  zu  begĂŒnstigen.  Bei  Erkran- 
kungen der  Gallenwege,  besonders  bei  Entleerungsbehinderung 
der  Gallenblase  in  zwei  Drittel  der  FĂ€lle  zahlreiche  Bakterien. 
Aus  dem  mikroskopischen  Bild  lassen  sich  keine  SchlĂŒsse  auf 
vorhandene  Keime  machen. 

F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Charldtt  enburg- Westend) . 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  Neurologie  und  Psychiatrie. 

Berlin. 

30.  Dezember  1921.  73,  Heft  4  u.  5. 

Em  Fall  \iiii  seniler  Paralyse.    Salomon.  S.  353 
❖Encephalitis    congenita.    Cerebrale    Destiruktionsprozesse    bei  Neugeborenen 

und  kleinen  Kindern.     Wohl  IV  i  1  1  ,  F.  360. 
SpirochÀtenbefunde  bei  atypischen  Paralysen.    Her  m  e  1  ,  H.  419. 
Ein  Fall  von  multipler  Sklerose  milt  positiven  SpirochÀtenbefund.     S  c  h  u  - 

s  t  e  r  ,  J.  433. 

Reitrag  zur  Differentialdiagnose  zwischen  Nervcnlepra   und  Syrinsjoinyelie. 

Jordan,   A.   und   Kroll.   M.  437. 
Seborrhoea  faciei  als  ein  Symptom  der  Encephalitis  lethargioa.    S  t  i  e  f  - 

ler.  G.  455. 

❖Zur  Klinik  der  Ostitis  deformans  (Paget)  des  SchĂ€dels.  Grosz,  K.  464. 
❖Ueber  statischen  Infantllismus  bei  cerebraler  Diplegie.  T  h  o  m  a  s  ,  E.  175 
❖Multiple  Sklerose  und  Beruf.    D  r  e  y  f  u  s  s  ,  H.  479. 

Diagnostische  Bedeutung  des  GlutÀalklouus.    P  fister.  H.  009. 

Nachweis  eines  Stirnhirntumors  :i  it  Röntgenstrahlen.  Holthusen,  H.  523. 

Kritik  des  Begriffs  ..unbewußtes  psychisches  Geschehen.    J  o  s  s  m  a  u  n.  530. 

Einteilung  und  Bezeichnung  der  Psychopathien.  Hof  f  mann,  R.  A.  E.  538. 

Huntingtonsehe  Chorea.    E  n  t  r  e  s  ,  J.  L.  541. 
❖Pseudopsychosen.    M  oerchen.  F.  552. 

Frage  der  allgemeinen  Proteinkörpertherapie  und  aktiven  Immunisierung  der 
progessiven  Paralyse.    J  a  c  o  b  i  ,  W.  575. 

Zwei  FĂ€lle  von  Eigentumsdelikten  infolge  krankhaften   Triebes   zum  A'er- 
schenken.    H  er  s  c  h  m  a  n  n  ,  H.  585. 
❖PersönlicbkeitsverĂ€nderungen  bei  Kindern   infolge    von    epidemischer  Ence- 
phalitis.   Kirschbaum.  M.  599. 

Erweiterung  des  Foramen  occiptale  magnum.    Kluge,  A.  606. 

Tierexperimentelle  Krampfstudien.    Fischer,  H.  614. 

Ein  Fall  von  isolierter  reflektorischer  PĂŒpiJlehstarre.     G  r  a  g  e  ,   H.  627. 

Experimentelle  Untersuchungen  zur  Frage  des  Verlaufes  der  oculo-pupillÀren 
Fasern  in  den  hinteren  Wurzeln.  P  o  1  1  a  e  k  .  E.  und  Stern- 
schein,  E.  631. 

Encephalitis  congenita  Cerebrale  Destruktionsprozessc 
bei  Neugeborenen  und  kleinen  Kindern.  AusfĂŒhrliche  Besprechung 
einer  Reihe  von  FĂ€llen,  in  denen  es  teils  intrauterin,  teils  im 
frĂŒhesten  SĂ€uglingsalter  zu  ausgedehnten  rein  degenerativen 
VerĂ€nderungen  im  Gehirn  gekommen  war  —  einerseits  in  Gestalt 
von  Erweichungen,  andererseits  in -Form  sklerotischer  Prozesse; 
diese  spielten  sich  entweder  nur  im  Mark  oder  in  Mark  und 
Binde  ab.  —  Eine  einheitliche  Aetiologie  dieser  Affektionen  be 
steht  kaum;  in  drei  FĂ€llen  konnte  einem  Geburtstrauma  eine  ur- 
sĂ€chliche Bedeutung  zugesprochen  werden.  —  Die  beschriebenen 
FĂ€lle  stellen  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  frische  Stadien  derjenigen  Pro- 
zesse dar,  die  als  „lobĂ€re"  oder  „atrophische  Sklerose"  bezw. 
„sklerotische  HemisphĂ€renatrophie''  bekannt  sind.  Eine  „Ence- 
phalitis" kommt  als  InitiallÀsion  nicht  in  Betracht.  Echte  kon- 
genitale Encephalitis  ist  —  abgesehen  von  den  entzĂŒndlichen 
Gehirnaffektionen  bei  kongenitaler  Syphilis  — -  sehr  selten.  Was 
von  Virchow  als  ..Encephalitis  interstitialis  congenita'"  beschrie- 
ben wurde,  darf  eigentlich  nicht  als  Encephalitis  bezeichnet 
werden.    Der  Begriff  ist  am  besten  fallen  zu  lassen. 

Zur  Klinik  der  Ostitis  deformans  (Paget)  des  SchÀdels. 
Es  handelt  sich  um  zwei  Beobachtungen  mit  isolierter 
Paget'scher  Ostitis  des  SchÀdels.  Die  Diagnose  wurde  mit 
Hilfe  des  Röntgenverfahrens  gestellt.  Die  ĂŒbrigen  Skleletteile  er- 
w  lesen  sich  röntgenologisch  frei  von  krankhaften  tferÀnde'-  ji-gen 
ein  sicher  seltenes  Vorkommnis.  In  beiden  FĂ€llen  waren 
leichtere  endokrine  Störungen  nachweishar.  Von  seilen  des 
Nervensystems  wurden  im  ersten  Falle  Sphwindelersthemungen 
verbunden    mit    hochgradiger    Gangstörnng    von  cerebellarem 


Typus  beobachtet;  in  Fall  2  waren  diese  Erscheinnugen  nur  an- 
gedeutet. 

Ueber  statischen  Infantilismus  bei  cerebraler  Diplegie.  Bei 

infantiler  cerebraler  Diplegie  sind  Nacken-  und  RĂŒckenmuskeln 
fast  nie  spastisch:  der  Kopf  fĂ€llt  widerstandslos  zurĂŒck.  Diese 
Muskelatonie  wird  hervorgerufen  durch  Nichtgebrauch,  welcher 
durch  Hemmung  der  geistigen  Entwicklung  bedingt  wird.  FĂŒr 
das  PhĂ€nomen  wird  die  Bezeichnung  „statischer  Infantilismus'' 
vorgeschlagen. 

Multiple  Sklerose  und  Beruf.  Eine  berufsstatistische  Unter- 
suchung bei  multipler  Sklerose  ließ  ein  Hervortreten  landwirt- 
schaftlicher Berufe  deutlich  erkennen.  Aus  den  feiner  differen- 
zierbaren  Handwerkerberufen  ergab  sich  durch  rechnerischen 
Vergleich  ein  konstantes  Mehr  bei  Holzberufen,  wie  z.  B.  Tisch- 
lern usw.  Zwischen  mÀnnlichem  und  weiblichem  Geschlecht  wies 
die  Vergleichsbetrachtung  keine  grundlegenden  Unterschiede 
nach.  —  Die  vorliegenden  Untersuchungen  sind  deshalb  wichtig, 
weil  Steiner  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  zu  dem  Schluß  ge- 
langt war,  daß  es  sich  bei  Sklerosekranken  oft  um  Leute  handle 
deren  Beruf  sie  viel  zum  Aufenthalt  im  Freien  zwinge  und  in 
deren  Anamnese  hĂ€ufig  der  Biß  einer  Zecke  zu  verzeichnen  sei: 
die  Zecke  wurde  daher  möglicherweise  als  UebertrÀger  des 
Krankheitserregers  der  multiplen  Sklerose  angesprochen. 

Ueber  Pseudopsychosen.  Die  Pseudopsychosen  sind  uns 
z.  T.  schon  lange  als  hysterische  Psychosen  bekannt.  "WĂ€hrend 
diese  Syndrome  aber  bisher  nur  nach  den  ĂŒblichen  psychia- 
trischen Gesichtspunkten  beurteilt  wurden,  versucht  die  vor- 
liegende Arbeit  sie  in  ihrer  biologischen  Bedeutung  zu  erfassen. 
Die  Pseudopsychosen  sind  hiernach  gar  keine  eigentlichen  Er- 
krankungen, sondern  sind  nur  abnorme  Einstellungen  eines 
biologisch  unterwertigen  Organismus  gegenĂŒber  einer  Situation, 
die  seine  körperliche  und  seelische  WiderstandsfĂ€higkeit  ĂŒber- 
steigt. Das  Studium  dieser  ZustÀnde  erfordert  verstÀndnisvolle 
und  miterlebende  EinfĂŒhlung  in  die  Persönlichkeitsanlage  — 
Individualpsychologie.  Die  Symptomalogie  der  Pseudopsychosen 
wird  nicht  nur  von  hysterischen  Krankheitserscheinungen  be- 
herrscht, sondern  es  finden  sich  bei  einer  Reihe  von  Patienten 
auch  Symptome,  die  in  das  Bild  der  Dementia  praecox  hinein- 
gehören. 

Ueber  PersönlichkeitsverÀnderungen  bei  Kindern  infolge  von 

epidemischer  Encephalitis.  Bei  drei  Kindern  kam  es  nach  einer 
epidemischen  Encephalitis  zu  einer  VerÀnderung  der  Persön- 
lichkeit, die  sich  besonders  durch  die  Neigung  zu  asozialem  Ver- 
hallen auszeichnete:  ein  Intelligenzdefekt  war  nicht  nachweisbar. 
Ein  viertes  Kind  wies  eine  deutliche  Hypomanie  auf.  —  Ueber  die 
Prognose  dieser  ZustĂ€nde  lĂ€ĂŸt  sich  noch  nichts  Bestimmtes 
sagen.  AuffĂ€llig  ist.  daß  sich  die  geschilderten  VerĂ€nderungen 
bisher  noch  nicht  bei  Erwachsenen  gefunden  haben. 

A.  M  ĂŒ  nze  r. 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

7.  Januar  1022.  49.  Nr.  1 

❖Pepsinlösung  zur  Mairbenerw.ediob.uDg.    P  a  y  r.  2. 

Schnitti'iilirung    bei    dir    K.-irdiolysc.     MeLcHior.  12. 
RcgeneratoiisfÀhigkeit  des  Colon.    H  o  f  m  a  u  n.  13. 
TrommlerlÀhmung  iturch  typischen  Radiusbrueb.    T.  e  v  y.  i.\ 

Ueber  eine  keimfreie,  kolloidale  Pepsinlösung  zur  Narben- 
erweichung, VerhĂŒtung    und  Lösung  .von    Verklebungen.  Um 

eine  völlig  klare  Lösung,  sichere  Keimfreiheit  und  dabei  volle 
oder  doch  möglichst  weitgehende  Erhaltung  der  verdauenden 
Kraft  des  Pepsins  zu  erzielen,  hat  Payr  eine  Lösung  von  Pepsin 
in  Pregl'scher  .Todlösung  hergestellt,  die  diesen  Anforderungen 
völlig  gerecht  wird.  Tierversuche  haben  gezeigt,  daß  diese 
Lösung  normales  Gewebe  im  allgemeinen  nicht  angreift  (mit 
Ausnahme  von  Nervensubstanz,  die  völlig  aufgelöst  wird);  alle 
genÀhten  Muskel-  oder  Hautwunden  werden  aber  durch  die 
Lösung  zum  Aufgehen  gebracht.  Infolge  ihrer  stark  desinfizie- 
renden Eigenschaften  kann  man  die  Pepsin-Pregl-Lösung  auch 
bei  noch  vorhandenen  entzĂŒndlichen  Erscheinungen  (z.  B.  an 
Gelenken  anwenden,  ohne  ein  Aufflackern  der  Infektion  be- 
fĂŒrchten zu  mĂŒssen.  Das  Hauptanwendungsgebiet  wird  sein: 
Lösung  von  fibrös  versteiften  Gelenken:  Erweichung  von  Narben 
aller  Art:  Prophylaxe  und  Therapie  der  Keloide:  Auflösung 
fibrinöser  Exsudate:  VerhĂŒtung  der  Wiederkehr  gelöster  perito- 
nealer Verwachsungen,  Behandlung  der  Neuralgien:  Behandlung 
von  Strikfuren    Harnröhre.   Rektum.  Oesophagus  Die  Injek 


10.  Jahrg.  —  Nr.  :> 


tioncn  sind  meist  schmerzlos;  Lokal-  oder  Allgemeinrcnktioncn 
sind  nicht  beobachtet  worden.  Praktisch  angewandt  isl  das 
Verfahren  bisher  in  35  FĂŒllen;  ganz  wirkungslos  ist  es  in  keinem 
Fall  gewesen;  genaue  Angaben  ĂŒber  den  klinischen  Verlauf  der 
FĂŒlle  werden  nicht  gemacht.         K.  Wohlgemuth  (Berlin) 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie. 

November  1921.  167,  ::.  bis  1  Hell. 

❖  Pathologisch-anatomische  und  experimentelle  Studien  Uber  die  Pathogenese 

des  chronischen  MagengeschwĂŒres.    N  i  e.  o  l  a  y  s  e  n  ,  K.  143. 
l'eber  diffuse  Flbromato.se  der  BrustdrĂŒse  heim  Mann.    Conston,  <Y.  261. 
I'ankreasverlotzung  beim  Kinde   mit  wanderndem  Kiguß  in  der  primitiven 

Bursa  omcntalis.    B  o  e  S  o  h  .  F.  282. 

Pathologisch-anatomische  und  experimentelle  Studien  ĂŒber 
die  Pathogenese  des  chronischen  MagengeschwĂŒres.  Die  wich- 
tigsten Schlußfolgerungen  der  zahlreichen,  in  einer  eingehenden 
Arbeil  beschriebenen  tierexperimentellen  Versuche  sind  etwa 
folgende:  der  mechanisch-chemische  Reiz  der  aufgenommenen 
Nahrung  verhindert  die  Heilung  zufÀlliger  kleiner  Ulzerationen 
der  Magenschleimhaut,  zumal  wenn  sich  diese  typisch  lokalisiert 
vorfinden.  Es  kommt  dann  zur  chronischen  EntzĂŒndung,  die 
entweder  in  Vernarbung  oder  aber  zur  sekundĂ€ren  GefĂ€ĂŸ-  und 
Nervenneubildung  fĂŒhrt.  Letztere  bedingen  als  Circulus  vitiosus 
die  ChronizitÀt  der  bestehenden  Prozesse,  indem  sie  die  Vitali- 
tÀt der  betroffenen  Gewebe  herabsetzen.  Ein  Wegfall  des  mecha- 
nisch-chemischen Reizes  wĂŒrde  demnach  Heilung  bedingen  und 
dies  wird  ja  in  der  Tat  durch  diĂ€tetische  oder  chirurgische  Maß- 
nahmen grĂ¶ĂŸtenteils  erreicht.  L.  Frosch  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  orthopĂ€dische  Chirurgie,  Stuttgart. 

1921,  42,  Heft  3. 

4»L'eher  die  Arbeitsleistung  des  transplantierten  Muskels.    S  a  x  1.  129. 
Tenodese  der  Quadriecpssehne.    S  a  x  1.  138. 

Ein  neues  Kyphosen-  und  Skoliosenkorsett.    C  Ii  r  y  s  o  s  p  u  t  Ii  e  s.  145. 

❖  l'eber  die  Aetiologie  des  kongenitalen  Klumpfußes.     Hahn.  151. 

Die  Fehlergrenzen  der  Lange'sehen  Messung  von  Schenkjedhalsverbiegungen, 

Xußbau  m.  156. 
Das  hĂŒpfende  Knie  und  das  schnappende  Knie.    <;  a  n  g  e  1  e.  160. 

❖  Neui'j  Plattfußopenationsmethode.    WĂ€chter.  168. 

l'eber  Krsatz  des  M.  opponens  pollieis.    K  r  u  k  e  n  b  e  r  g.  178. 

lieber  die  Arbeitsleistung  des  transplantierten  Muskels.  Die 
ErwÀgungen  des  Verf.  ergeben  im  wesentlichen  folgendes:  die 
Wirkung  eines  transplantierten  Muskels  ist  abhÀngig  von  seiner 
physiologischen  Beschaffenheit  und  zwar  in  Hinsicht  auf  die 
Forderungen  des  Kraftnehmers;  weiterhin  von  der  Lage  des 
Kraftspenders  zum  Kraftnehmer,  der  unter  entsprechender  Span- 
nung in  möglichst  gerader  Richtung  zu  letzterem  verlaufen  soll. 
Von  Wichtigkeit  ist  ferner  bezgl.  der  Arbeitsleistung  des  trans- 
plantierten Muskels  die  sogen.  Lagedifferenz,  d.  h.  die  etwaige 
Verminderung  der  erwarteten  Arbeitsleistung  durch  eine  mehr 
oder  minder  ungĂŒnstige  Lage  von  Kraftspender  zu  Kraftnehmer, 
da  diese  das  „Drehmoment"  ihrerseits  wieder  unvorteilhaft  zu 
beeinflussen  vermag.  Bei  Transplantation  gefiederter  Muskeln 
ist  ferner  noch  mit  einem  gewissen  Arbeitsausfall  zu  rechnen, 
der  mit  dem  Verluste  der  Arbeitsbasis  der  dem  ursprĂŒnglichen 
AnsÀtze  entsprechenden  Teile  des  betreffenden  transplantierten 
Muskels  zusammenhÀngt. 

Ueber  die  Aetiologie  des  kongenitalen  Klumpfußes.  Er- 
mittelungen an  677  Klumpfußpatienten  der  letzten  10  Jahre  ließen 
folgende  Momente  fĂŒr  di#  Aetiologie  des  Leidens  als  verwertbar, 
erkennen:  1.  die  durch  Krieg  und  Teuerung  bedingten  körper- 
lichen SchÀdigungen  der  Eltern  erhöhen  die  Disposition.  2.  die 
HĂ€ufigkeit  des  Klumpfußes  bei  der  Landbevölkerung  erklĂ€rt  sich 
aus  den  bei  dieser  hÀufigen  Verwandtenehen  (Mendelsches  Ge- 
setz, Vererbbarkeit).  3.  neben  den  Theorien,  die  im  Klumpfuß 
eine  BelaslungsdeformitÀt  sehen,  gewinnen  neuerdings  jene 
andere  an  Bedeutung,  die  als  Ursache  der  DeformitÀt  kongenitale 
vererbbare  WirbelsÀulen-  und  Zentralnervensyslemanomalien 
hinstellen.  '  Letztere  sind  vielleicht  die  einzige  Ursache  der 
paralytischen  Form  der  Erkrankung. 

Neue  Plattfußopcrationsmethode.  Verf.  gibt  ein  neues  Vor- 
gehen zur  blutigen  Beseitigung  solcher  hochgradiger  PlattfĂŒĂŸe 
an,  die  durch  funktionelle  und  mechanische  Therapie  nicht  mehr 
zu  heilen  sind  (nach  dem  20.  Lebensjahr).  Es  handelt  sich  im 
wesentlichen  um  eine  operative  Zerlegung  des  knöcheren  Fuß- 
gerĂŒstes in  einen  medialen  und  lateralen  Anteil  und  zwar  so,  daß 
die  Trennungslinie,  vom  lat.  Drittel  des  Kahnbeines  beginnend 
sich  in  sichrÀger  Bichtung  medialwÀrts    zur    Basis    d*s  MetH 


131 


tnrsnle  1  zieht,  das  sie.  teilweise  noch  durchlrennl.  Iis  hangen 
beide  Teile  nunmehr  nur  noch  im  C.alcanco-Cuboidgelcnk  zu 
summen.  Ihn  diese  (ielenkflache  herum  vollzieht  sich  die  weitere 
Kcdrcssion  des  Vorderfußes,  die  bei  genĂŒgender  AusprĂ€gung 
durch  NĂ€hte,  bezw.  den  Gipsverband  festgehalten  wird.  Nach- 
behandlung wie  ĂŒblich.  Der  Vorteil  der  Operation  besieht  dem- 
nach in  der  Erhaltung  eines  tragfÀhigen  Gewölbes  durch  Her- 
stellung einer  soliden  KnochenbrĂŒcke  vom  Taluskopfe  zum  Groß 
zehengrundgelenk  L.  Frosch  'Berlin 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

7.  Januar  1922,  46,  Nr.  1. 
❖Das  Korpusadenom  der  Matrone.    Menge,  C.  l. 

❖Zehn  Jahre  geburtshilflich  all  wartender  F.klanipsiehehamllung.     J.  i  c-  Ii  1  e  I) 
stein,  F. 

>t*Ein  Vorschlag  zur  Verminderung  der  Abortgefahr  bei  Operationen  an  dei 

schwiangeren  G-eibĂ€rmuMier.     KĂŒster,  H.  35. 
❖  Kiiie  Verbesserung  der  intrauterinen  Radiumanw  endung.     Fiat  au,  W.  s 

36. 

Ein  einfacher  Beckenmesser  fĂŒr  alle  erreichbaren  Distanzen  des  weibliehen 
Beckens.    VorlÀufige  Mitteilung.    FÀrber,  Erich.  37. 

Das  Korpusadenom  der  Matrone.  In  der  Literatur  ist  ĂŒber 
das  Korpusadenom  der  Matrone  so  gut  wie  nichts  zu  finden. 
Die  Erkrankung  kommt  hauptsÀchlich  im  vorgeschrittenen  Ma- 
tronenalter vor.  Sie  stellt  ein  nach  seiner  anatomischen  Struk- 
tur vollkommen  gutartiges  Neoplasma  dar,  das  sich  oft  lange 
Zeit  nach  eingetretener  Atrophie  des  Genitale  durch  eine  plani- 
metrisch  angelegte  Epithelproliferation  aus  einem  schon  mehr 
oder  weniger  atrophisch  gewordenen  Schleimhautmutterboden  ge- 
schwulstartig heraushebt.  Mit  den  gewöhnlichen  Polypen  der 
Uteruskörperschleimhaut  hat  das  Korpusadenom  der  Matrone 
nichts  zu  tun.  Die  Erscheinungen,  die  die  Erkrankung  macht, 
sind  atypische  Blutungen,  die  nach  mehrjÀhriger  Amenorrhoe 
auftreten,  und  deshalb  immer  an  das  Vorhandensein  eines  Kor- 
puskarzinoms denken  lassen.  Die  diagnostische  Curettage  ergibt 
jedoch  ein  Material,  bei  dem  keinerlei  Anzeichen  maligner  De- 
generation zu  finden  sind. 

Zehn  Jahre  geburtshilflich  abwartender  Eklampsiebehand- 
lung. Eingehende  kritische  Behandlung  der  Frage  der  Eklampsie- 
therapie. Lichtenstein  tritt  erneut  fĂŒr  die  von  ihm  schon  1911 
empfohlene  abwartende  Behandlung  der  Eklampsie  ein,  die 
gegenĂŒber  der  Schnellentbindung  wesentliche  VorzĂŒge  hat.  Vor 
allem  können  viele  Eklampsien  intercurrent  heilen.  Schwere 
Nebenverletzungen,  wie  sie  bei  der  aktiven  Therapie  hÀufig  vor- 
kommen und  den  Ueberlebenden  oft  ein  langes  Krankenlager 
bereiten,  sind  bei  der  abwartenden  Behandlung  ausgeschlossen. 
Die  MortalitĂ€t  der  MĂŒtter  und  Kinder  ist  fast  um  die  HĂ€lfte  ge- 
ringer. Und  schließlich  ist  die  Behandlung  fĂŒr  den  auf  sich 
selbst  gestellten  praktischen  Arzt  zweckmĂ€ĂŸiger  und  leichter  als 
mit  großen  Operationen.  Die  Therapie  selbst  hat  sich  nicht 
wesentlich  verÀndert,  Morphium  und  Chloral  in  schemalischen 
ZeilabstÀnden.  Bei  noch  nicht  entbundenen  Frauen  mit  lebendem 
Kind,  wird  anstatt  des  Morphiums,  das  fĂŒr  das  Kind  schĂ€dlicher 
ist,  Pantopon  oder  Laudanon  gegeben.  Hauptwert  wird  auf  den 
Aderlaß  gelegt.  Vor  der  Entbindung  werden,  falls  diese  noch 
lange  nicht  bevorsteht,  große  AderlĂ€sse  (500 — 600  cem)  gemacht, 
resp.  kleinere  (250 — 300  cem),  wenn  die  Geburt  bald  zu  erwarten 
ist.  Ist  der  Muttermund  völlig  geöffnet,  wird  erst  entbunden 
und  dann  sofort  nach  der  Entbindung  der  Aderlaß  gemacht,  bei 
dem  soviel  Blut  entnommen  wird,  daß  der  Gesamtblutverlust  (mit 
Geburt)  500 — 600  cem  betrĂ€gt.  Große  sekundĂ€re  AderlĂ€sse  be- 
kommen die  Wochenbettseklampsien.  Nötigenfalls  kann  der 
Aderlaß  1—2  mal  wiederholt  werden.  Vor  großen  Infusionen 
von  Kochsalz-  oder  Bingerlösung  (1000  cem  und  mehr)  wird  ge- 
warnt, da  mehrfach  rapide  Verschlechterungen  beobachtet 
wurden. 

Ein  Vorschlag  zur  Verminderung  der  Abortgefahr  bei  Opera- 
tionen an  der  schwangeren  GebÀrmutter.  K.  schlÀgt  vor,  den 
Beiz,  der  durch  die  Vornahme  von  Operationen  an  der  schwan- 
geren GebĂ€rmutter  auf  diese  ausgeĂŒbt  wird,  durch  LokalanĂ€sthe- 
sie auszuschalten  und  dadurch  die  Weiterleitung  auf  die  Uterus 
muskulatur  fĂŒr  einige  Zeit  nach  dem  Eingriff  unmöglich  zu 
raachen.  V.  operierte  2  gravide  Frauen  mit  großem  Cervixspall. 
den  er  als  Ursache  fĂŒr  die  vorhergegangenen  Aborte  ansah.  In 
beiden  FĂ€llen  wurden  die  BĂ€nder  des  Cervixspaltes  mit  etwa 
10  cem  1  prozentiger  Novokain-Suprareninlösung  infiltriert.  Es 
hat  in  beiden  FĂ€llen  keine  Spur  von  Wehen  auf  und  beide  Male 
wurde  am  berechneten  Termin  ein  reifes  Kind  geboren. 

FĂŒr  abdominale  Enucleationen  oder  Ovariolomien  wĂŒrde  das 
(losdrwulstbett  resp.  der  Stiel  infiltriert  werden. 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


182 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  -  Nr.  5 


Einr    Verbesserung    der    intrauterinen  Radiunihehandliing. 

Durch  das  Einlegen  des  RadiumtrÀgers  in  das  Cavum  uteri 
kommt  eine  Zustöpselung  desselben  zustande;  das  Sekret  staut 
sich,  solange  der  RadiumtrĂ€ger  im  Uterus  liegt,  also  etwa  24 — 48 
Stunden.  Dadurch  kommt  es  hÀufig  zu  Fiebererscheinungen, 
peritonealen  Reizerscheinungen,  Exsudatbildungen,  ja  selbst 
TodesfÀlle  wurden  beobachtet.  Zur  Vermeidung  dieser  unange- 
nehmen Begleiterscheinungen  empfiehlt  F.  die  Anwendung  einer 
RadiumkanĂŒle,  die  den  Sekreten  der  GebĂ€rmutter  ungehindert 
Abfluß  erlaubt.  Es  handelt  sich  um  einen  aus  Neusilber  gefer- 
tigten, breit  gefensterten  Hohlzylinder,  in  dessen  inneren  hohlen 
Teil  das  Radiumröhrchen  zu  liegen  kommt.  (Verfertiger  Paul 
V\  alb,  chir.  Instrumenten-Fabrik,  NĂŒrnberg.) 

Speyer  (Berlin). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

5.  Januar  1922,  Nr.  1. 

Die  Physiologie  der  Atmung.    Asher,  L.  I. 
Die  Pathologie  der  Atmung.    S  t  <a  e  h  e  1  i  n  ,  K.  8. 
❖Subkutane      Fetttgewebsnekrnsen      beim      Neugeborenen.  Uernheim- 
K  a  r  i"  e  r.  12. 

❖Darstellung  eines  salzarmen  Lsotonischen  AutigenprĂ€parates  fĂŒr  die  Eigen- 
urinreiaktion  nach  Wildbolz.    La. nz.  W.  15. 
Zur  Wirkung  des  „(Synergen".    Frey,  T.  18. 

Feher  subkutane  Fettgewebsnekrosen  beim  Neugeborenen 
(sogen.  Sklerodermie  des  Neugeborenen).  Die  Sklerodermie  der 
Neugeborenen  hat  bis  jetzt  wenig  Beachtung  gefunden;  man  kann 
daraus  schließen,  daß  sie  jedenfalls  eine  seltene  Krankheit  sein 
muß.  Verf.  meint'  jedoch,  daß  die  Zahl  der  Beobachtungen  zu- 
nehmen wird,  sobald  einmal  das  Interesse  der  Aerzte  auf  sie 
gelenkt  worden.  Er  selbst  hat  im  Verlauf  von  13  Monaten  5  FĂ€lle 
gesehen,  die  er  im  Einzelnen  mitteilt.  Allen  gemeinsam  ist  die 
Bildung  von  Infiltraten,  die  in  den  tieferen  Hautschichten  zu 
liegen  scheinen.  Nur  die  Ausdehnung  und  die  Lokalisation 
wechselt.  PrĂ€dilektionsstellen  sind  der  RĂŒcken,  die  Außenseite 
der  Oberarme  und  die  Wangen.  Narbenbildung  ist  bei  keinem 
der  Erkrankten  eingetreten;  die  Resorption  der  Infiltrate  er- 
folgte ziemlich  rasch.  Da,  wo  die  Knoten  isoliert  auftreten,  er- 
innern sie  an  diejenigen  des  Erythema  nodosum,  doch  fehlt  den 
beider^  Krankheitsbildern  jede  weitere  Analogie.  Mikroskopisch 
charakterisiert  sich  die  sogen.  Neugeborenensklerodermie  als 
eine  Fettgewebsnekrose  des  subcutanen  Fettgewebes,  die  von 
einer  recht  betrĂ€chtlichen  entzĂŒndlichen  Reaktion  begleitet  ist. 
Bei  der  echten  Sklerodermie  findet  man  eine  homogenisierende 
Degeneration  oder  eine  Verdichtung  und  teilweisen  Schwund  des 
Bindegewebes  und  subakute  EntzĂŒndung  der  Cutis.  Daß  Traumen 
bei  der  Entstehung  der  Sklerodermie  der  Neugeborenen  eine 
Rolle  spielen,  ist  schon  wiederholt  vermutet  worden.  Infolge 
des  Traumas  kommt  es  zu  Blutungen  in  die  Haut  und  nament- 
lich in  die  Subcutis.  Dieselben  sind  wahrscheinlich  an  der  Aus 
lösung  der  FettgewebsschÀdigung  mitbeteiligt. 

Von  Bedeutung  scheint  die  Dicke  des  Fettpolsters  zu  sein 
und  vielleicht  auch  die  durch  den  relativ  geringeren  Oel SĂ€ure- 
gehalt bedingte  HĂ€rte  des  Neugeborenenfetts. 

Die  Darstellung  eines  salzarmen,  isotonischen  AnĂŒgen- 
prĂ€parates  fĂŒr  die  Eigenurinreaktion  nach  Prof.  Wildbolz.  Aul 
Grund  zweijÀhriger  Erfahrungen  erachtet  Verf.  die  Eigenurin- 
reaktion als  eine  spezifische  Reaktion,  verursacht  durch  ein 
tuberkulöses  Antigen,  das  durch  die  Nieren  bei  aktiven  Tuber- 
kulosen in  mehr  oder  weniger  großer  Menge  ausgeschieden  wird. 
Infolge  des  Gehaltes  des  PrÀparates  an  Urinsalzen  entstehen  oft 
Reaktionen  in  der  Haut,  die  nicht  spezifisch  sind,  und  es  kann 
nur  eine  sehr  geringe  Menge  des  UrinprÀparates  injiziert  wer- 
den, weil  sonst  sofort  Hautnekrosen  entstehen.  Es  ist  daher 
auch  die  Menge  des  Antigens  gering,  die  Hautreaktion  dem  enl 
sprechend  auch  unbedeutend.  Es  erschien  dem  Verf.  daher 
wichtig,  die  Technik  der  PrÀparation  des  Urins  zu  verbessern, 
so  daß  man  eine  konzentrierte  Anligenlösung  ohne  die  Bu 
mischung  von  toxisch  wirkenden  Salzen  vor  sich  hat,  die  sich 
auch  zur  GewebsflĂŒssigkeit  isotonisch  verhĂ€lt.  Er  gibt  ein  Ver- 
fahren an,  den  Urin  durch  Dialyse  salzfrei  und  durch  weiteres 
Dialysieren  in  physiologischer  Kochsalzlösung  isotonisch  zu 
machen.  Diese  Lösung  macht  dann  bei  intrakutaner  Injektion- 
wenn kein  spezifisches  Antigen  vorhanden  ist,  keine  Reaktion 
und  die  Injektion  ist  schmerzlos.  Die  Reaktion  in  den  positiven 
FÀllen  fÀllt  deutlicher  aus,  weil  mehr  Antigen  injiziert  werden 
kann.  Das  negative  Resultat  hat  auch  mehr  Wert,  weil  wir 
sicherer  sind,  daß  eine  genĂŒgende  Menge  Antigen  in  der  Injek- 
tionsmenge vorhanden  gewesen  wÀre,  wenn  wirklich  der  Urin 
solches  enthalten  hÀtte.  K.  Held  (Berlin ). 


Acta  Medica  Scandinavica. 

Vol.  LV.    Fase.  2.    7/11  1921. 

Die    Messung   des    Blutdrucks     am   Schlafenden     als     klinische  Methode 
M  ii  11er,  C. 

❖Totale  Aphasie  bei  Herd  im  Xemporatlapipen.    M  a  r  du  »  ,  Stockholm. 
Ein  Fall   von   (iiabetischem    Koma,    mit    renaler    Insuffizienz.  Mördre. 
K.,  C'bristiania. 

Fall    von     tuberkulöser    Meningitis     mit    atypischem  Symptomenkomplex. 
.1  o  h  a  n  s  s  e  n  ,  Nie. 

Ueter  einige   charakteristische   Falle    zur    Illustration    des   Verhalten,,  des 
arteriellen  Drucks  im  prÀnephri  tischen  .Stadium.     K  y  1  i  n. 

"Totale  Aphasie  bei  Herd  im  SchlÀfelappen.  Oft  sind  Kom- 
binationen von  motorischen  und  sensorischen  Symptomen  kli- 
nisch zu  beobachten,  ohne  daß  sich  dann  bei  der  Sektion  VerĂ€n- 
derungen in  jedem  der  beiden  Zentren  nachweisen  lassen.  Fs 
findet  sich  totale  oder  nahezu  totale  Aphasie  bei  grĂ¶ĂŸeren  Her- 
den im  Temporallappen,  ohne  daß  der  Frontallappen  sichtlich 
affiziert  ist. 

Verf.  erwÀhnt  die  hierhergehörige  Literatur  und  beschreibt 
dann  drei  eigene  klinisch  beobachtete  und  anatomisch  unter- 
suchte FĂ€lle  mit  Herden  im  Temporallappen.  Es  ergibt  sich, 
daß  recht  ausgiebige  Zerstörungen  in  den  sensorischen  Sprach 
Zentren,  wenn  sie  hauptsÀchlich  nur  die  Bindensubstanz  der- 
selben betreffen,  nicht  ausreichen,  um  eine  schwere  oder  totale 
Sprachstörung  hervorzurufen.  Sobald  dagegen  die  darunterlie- 
gende Marksubstanz  und  dadurch  die  Bahnen  in  derselben  zer- 
stört sind,  die  das  sensorische  Gebiet  mit  dem  motorischen  ver- 
binden, dann  kann  eine  schwere,  ja  totale  Sprachstörung  ein- 
treten, auch  ohne  VerÀnderung  im  Broca'schen  Zentrum.  Doch 
mĂŒsse  auch  die  schwere  psychische  Wirkung  des  Verlustes  des 
ganzen  Wortschatzes  in  solchen  FÀllen  zur  ErklÀrung  des  a pha- 
sischen Symptomenkomplexes  mit  in  Betracht  gezogen  werden. 

Popper,  Stockholm. 

El  siglo  medico,  Madrid. 

24.  Dezember,  1921.    68.    Heft  3550. 

❖Die   GemĂŒtsbewegung   in   der  Genese  der  Paralvsis   agitans.  Guarros 
C.  1253. 

Leber  gonorrhoische  Septikaemio.    G  il    y    O  r  t  e  g  a  .  B.  1254. 

Heber   den     gegenwĂ€rtigen    Stand     der    RĂŒntgentiefenthcrapie.  Rahsa. 

S.  Y.  S.  1258. 

Verbesserung  des  Gesundheitswesens  in  Spanien.    Munoz  A  n  t  u  fi  a  n  o 
L.  1260. 

Die  GemĂŒtsbewegung  in  der  Genese  der  Paralysis  agitan«. 

WĂ€hrend  frĂŒher  GemĂŒtserregungen  als  ursĂ€chliches  Moment  fĂŒr 
die  P.  a.  angenommen  wurden,  ist  in  neuerer  Zeit  hiervon  immer 
mehr  abgesehen  worden.  Verfasser  hat  nun  die  Soldaten,  die 
im  letzten  Jahre  an  den  KĂ€mpfen  in  Marokko  teilnahmen,  sehr 
große  Anstrengungen  und  Erregungen  durchzumachen  hatten,  un- 
tersucht und  keinen  einzigen  Fall  von  P.  a.  gefunden,  er  ist  da- 
her der  Ueberzeugung,  daß  fĂŒr  die  Genese  der  P.  a.  GemĂŒtser- 
regungen  nicht  in  Frage  kommen.  Lurje. 

81.  Dezember,  1921.    68.   Heft  3551. 

❖Einseitige  akustische  Halluzinationen,  deren  Krankhaftigkeit  dem  Patienten 
bewußt  waren.    S  a  m  ,  E.  F.  1271. 

Behandlung   der    Lungentuberkulose     durch     natĂŒrliche    Mittel.     V  r  1 1  e  - 

gas.  R.  12S4. 

Verbessrung  des   Gesundheitswesens   in   Spanien:   Munoz   A  n  t  u  n  a  n  o  . 
L.  1287. 

Einseitige  akustische  Hallucinationen,  deren  Krankhaftigkeit 
dem  Patienten  bewußt  waren.  Eine  Frau  vom  Lande,  erblich 
nicht  belastet,  bisher  immer  gesund,  außer  einer  seit  mehreren 
Jahren  zunehmenden  Schwerhörigkeit,  die  zur  völligen  Ertaubung 
auf  dem  rechten  Ohre  gefĂŒhrt  hat,  erleidet  mit  64  Jahren  einen 
S-hlaganfall.  Sie  erholt  sich  bald  vollstÀndig  von  diesem,  je- 
doch besteht  jetzt  seit  fĂŒnf  Monaten  unverĂ€ndert  folgendes  PhĂ€- 
nomen- ununterbrochen  hört  Pat.  auf  dem  rechten  —  tauben  — 
Ohre  Stimmen,  ganz  deutlich,  die  sie  in  der  Àrgsten  Art  be- 
schimpfen; manchmal  kĂŒndigen  diese  Stimmen  ihr  an,  daß  sie 
Musik  hören  werde,  und  dann  hört  Pat.  Melodien,  die  sie  angeb- 
lich frĂŒher  nie  gehört  hatte.  Das  Eigenartige  an  diesem  Fall 
nun  ist,  daß  Pat.  sich  voll  bewußt  ist,  daß  sie  halluciniert,  daß 
dies  krankhaft  ist,  und  daß  sich  daher  kein  paranoisches  Wahn- 
system bei  ihr  ausgebildet  hat.  L  ii  r  j  e. 

La  Pediatria  Espanola,  Madrid. 

30.  November  1921,  10,  Nr.  110. 

❖Die    LebensfĂ€higkeit    des    kongenital    syphilitischen    Kindes.     V  e  1  a  9  c  0 
Pajares.J.  322. 
Fall  von  Sterkoraemie  beim  Kinde.     Ca  v  engt,  S.  352. 


)(>.  Jahrg.  -  Nr.  6 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


Die  LebensfÀhigkeit  des  congenita]  syphilitischen  Kindes. 
Verfasser  macht  darauf  aufmerksam,  daß  Kinder  von  syphiliti 
seilen  Eltern  wenn  sie  selbst  auch  bei  der  Geburl  und  spÀter 
keine  manifesten  Zeichen  der  Erkrankung  tragen  weniger 
widerstandsfÀhig  bei  intercurrenten  Erkrankungen  Masern, 
Scharlach      als  Kinder  gesunder  Eltern  sind.    Ks  isi  daher  zu 

lordern,  daß  Kinder  syphilitischer  Eltern   —  auch  wenn  bei  den 

Eltern  der  Wassermann  negativ  ist  —  antiluetisch  behandi 
werden,  genau  wie  die  Kinder,  die  mit   manifesten  Zeichen  der 
Erkrankung  geboren  werden.  Lurje. 

Archivos  Espanoles  de  Pediatria.  Madrid. 

November  1921,  5,  Nr.  IL 

Diphtherie  und  Serotherapie.     F  e  (  r  C  r  .  B.  G.  641. 
‱{‱Proteinkörpertherapie.   Coronas,  E.  N.  651. 

Praxis  der  Proteinkörpertherapie.  Verfasser  gibt  eine  kurze 
Uebersicht  ĂŒber  die  Entwicklung  und  den  augenblicklichen  Stand 
der  Proteinkörpertherapie,  ohne  Neues  zu  bringen. 

L  u  r  j  e. 

The  Lancet,  London. 

7.  Januar  1922.  202,  Nr.  5132. 

Behandlung-  der  Tuberkulose.     S  p  a  h  1  i  n  g  e  r  .  H. 
chorionepithelioma.    Munro  Korr,  .T.  M.  9. 

Angioma  venosuu  der  Hirnrinde.    ('  a  m  p  b  e  1  1  ,  II.  und  Ball  a  n  c  c  .  C.  lĂŒ. 

Bilaterale  interstitielle  rupturierte  cktopische  Schwangerschaft.     W  o  oll'. 
A.  E.  M.  U. 
^Fixatioosabszeß.    T  o  d  d  ,  A.  T  12. 

Bedeutung  der  Verdauungsleukozytose     X  o  e  1  P  a  t  o  n  ,  D  i:>. 

Obstruktion  des  Kolons  durch  den  Stiel  einer  Ovarialgesehwulst.  Wood- 
m  an,  G.  C.  16. 

Anastomosierendes  GeschwĂŒr.    Adams,  J.  W.  16. 

Kolloidales  Mangan  bei  Hodgkinscher  Krankheil,    S  a  in  u  t  ,  R.  17. 
‱{‱Kongenitaler  Tumor  hei  einem  Neugeborenen.    Handfield,  Jones  17. 

Eigenschaften  der  Kolloiden.    Baylios,  W.  M.  38. 

Fixationsabzeß.  Der  Fixationsabszeß  ist  ein  mĂ€chtiger 
Reiz  zur  Bildung  von  Leukozyten  und  zur  Steigerung  der  Phago- 
zytose. Er  ist  indiziert  bei  allen  schweren  Erkrankungen,  nament- 
lich bei  septischen  Erkrankungen,  wobei  der  Widerstand  des  Orga- 
nismus erheblich  herabgesetzt  ist.  Man  muß  nicht  warten,  bis  der 
Kranke  sterbend  ist,  sondern  so  frĂŒh  wie  möglich  injizieren.  Am 
besten  spritzt  man  1  cc  Ol  terebinth  subkutan  ein,  wobei  man  da- 
fĂŒr sorgt,  nicht  die  Faszie  zu  berĂŒhren.  Verf.  behandelte  9  ver- 
zweifelte FÀlle  und  hÀtte  in  C>  einen  glÀnzenden  Erfolg. 

Kongenitaler  Tumor  bei  einem  Neugeborenen.  Es  betraf  ein 
Kind  von  14  Monaten  mit  einer  starken  Schwellung  in  der  linken 
Achsel.  Bei  der  Operation  fand  man  eine  multilokulare  Zyste,  von 
einem  Schleimbeutel  unter  der  Klavikel  ausgehend  und  teilweise 
mit  dem  Pektoralis  major  verwachsen. 

Koopraan,  Haag. 
14.  Januar  1922,  202,  Nr.  5133 

‱H'lcus  dilodeni  bei  SĂ€uglingen.     Paterson.  I).  6.1. 

❖Erscheinungen    und    HĂ€ufigkeit    der    GeschwĂŒre    der     kleinen  Kurvatur. 

F  a  her.  K.  65. 
Perkussion  und  Herzbreite.    G  o  r  d  o  n    W.  68. 
Der  psychische  Faktor  hei   Kntcroptnsc.     8  t  0  d  d  a  r  t  .   VV.   I).  69. 
Die  Untersuchung  des  Herzens  fĂŒr  die  1  ehensversicherung.    P  r  i  e  e  .  F.  VV. 

71. 

Haemosalpinx  und  Pvosalpinx  mit  Torsion  der  rechten  Eileiter.  G  i  t  f  o  r  d,  X. 
78. 

Ulcus  duodeni  bei  SĂ€uglingen.  Das  Ulcus  duodeni  ist  nei 
SĂ€uglingen  zwar  selten,  aber  wenn  man  bei  Sektionen  genau 
untersucht,  findet  man  es  doch  öfter,  als  man  bisher  annahm.  So 
findet  man  es  z.  B.  bei  Melaena  neonatorum,  wÀhrend  es  auch  bei 
Darmdyspepsien  vorkommen  kann.  Die  Ursache  ist  sehr  oft 
Tuberkulose.  Bei  septischen  Wunden  oder  bei  Septicaemie,  bei 
Verbrennungen  wird  das  GeschwĂŒr  ebenfalls  gefunden.  Die  Diag- 
nose ist  sehr  schwer.  Die  chirurgische  Behandlung  ist  oft  erfolg- 
reich. 

Erscheinungen  und  HĂ€ufigkeit  der  GeschwĂŒre  der  kleinen 
Kurvatur.  Bei  Frauen  findet  man  viel  mehr  GeschwĂŒre  der  kleinen 
Kurvatur  wie  bei  MĂ€nnern.  Das  Ulcus  juxtapyloricum  dagegen 
findet  man  mehr  bei  MĂ€nnern.  Im  allgemeinen  findet  man  mein 
GeschwĂŒre  bei  Frauen.  Da  aber  viel  mehr  PylorusgeschwĂŒre 
Gegenstand  einer  Operation  werden,  gehl  aus  vielen  chirurgischen 
Statistiken  mit  Unrecht  hervor,  daß  MĂ€nner  öfter  UlcuslrĂ€ger  sind 
als  Frauen.  Das  GeschwĂŒr  der  kleinen  Kurvatur  hat  eine  aus- 
gesprochene Tendenz  zur  Spontanheilung.   Da  die  typischen  Ulcus- 


schmerzen  und  die  Hyperazidilai  lebten  können,  ist.  die  Diagnos« 
«oft  schwierig  K  0  0  p  m  a  n  n  ('Haag). 

The  British  medical  Journal,  London. 

7.  Januar  1922,  Nr.  3104. 
Ktnvas  ĂŒber  Schmerz.    II  e  a  tl  ,  H. 

Gesohlechtsfragen  beim  Menschen.    'I  h  o  m  t  q  n  .  A.  6. 
‱{‱Die  Sekretion  des  Magens  und  Duodenums,  speziell  bei  der  Zuckerkrankheit. 
Bennet,  T.  J.  und  l>  o  d  «i  s .  j.  c.  u. 

Hemiplegie  bei  einem  Kinde  mit  nachfolgender  Ataxie.    Calwell,  \V.  LI. 
«{»Asthma  und  Badiummenopausß,    If  o  s  s  ,  J,  x.  m.  und  K  o  I  1  e  s  t  o  n  .  II.  l> 

12. 

Die  Behandlung  des  Strabismus.     8  e  h  in  Ith,  H.  18. 
Pulsatilla  bei  Dysmenorrhoe'.    C  o  1  e  y  .  F.  C.  18. 

Die  Sekretion  des  Magens  und  Duodenums,  speziell  bei  der 
Zuckerkrankheit.  Die  Aenderungen  der  CGvSpannung  in  den 
Alveolen  nach  einer  Mahlzeit  haben  Beziehungen  zum  Quantum 
SĂ€ure  und  Alkali  ausgeschieden  im  Magen  resp.  Duodenum.  Wenn 
man  mit  einer  Sonde  Atropin  auf  die  Schleimhaut  des  Magens  oder 
Duodenums  bringt,  so  hört  die  Sekretion  der  betreffenden  DrĂŒsen 
auf.  Verf.  glauben,  daß  die  BauchspeicheldrĂŒse  permanent  Sekret 
absondert.  Nur  wenn  Nahrung  den  Pylorus  passiert,  wird  die  Ab- 
sonderung viel  stÀrker.-  Wenn  man  die  CGvSpannung  bestimmt 
wĂ€hrend  einer  Fastperiode,  stellt  sich  heraus,  daß  diese  eine 
Art  Gleichgewicht  zwischen  dem  SĂ€ureverlust  des  Blutes  via 
Magen  und  dem  Alkaliverluste  via  Duodenum  und  Pankreas  dar- 
stellt. Bei  schwerem  Diabetes  ist  wÀhrend  Nahrungsentziehung  die 
C02-Spannung  niedrig,  auch  wenn  keine  Kelonurie  bestellt.  Bei 
Diabetes  ist  nach  einer  Mahlzeit  die  CGvSpannung  sehr  viel  nie- 
driger als  bei  einer  anderen  Erkrankung. 

Asthma  und  Radiummenopause.  Eine  intrauterine  Applikation 
von  Radium  genĂŒgt,  um  Amenorrhoe  zu  erhalten.  Komplikationen 
sind  aber  nicht  selten.  Namentlich  beschreiben  Verf.  ein  sehr 
heftiges  Asthma,  das  nach  dieser  Behandlung  entsteht  und  das  nur 
durch  OvarialprÀparate  geheilt  werden  kann. 

Asthma  kann  die  Folge  sein  einer  endokrinen  Insuffizienz,  und 
auch  die  Ovarialinsuffizienz  spielt  also  eine  Rolle. 

Koopmann  (HaagV 

II  Policlinico,  Rom. 

19.  Dezember  1921,  28,  Nr.  51; 

‹»♊Appendizitis  und  Pseudoappendizitis  amöboiden  Ursprungs..    8  a  B  f  i  I  i  p  p  o  , 
E.  1715. 

Kryptogenetisches  Fieber  mit  periodisch  wiederkehrenden  Attacken.    M  a  s  c  i  . 
'  B.  1719. 

Knochenappendizitis  und  Pseudoappendizitis.  Im  Verlaule 
einer  akuten  oder  chronischen  Dysenterie  kommt  es  außer 
EntzĂŒndungen  des  Sigmoids  in  seltenen  FĂ€llen  zu  EntzĂŒndungen 
des  Blinddarms,  die  unter  dem  Bilde  einer  Appendizitis  oder 
Pseudoappendizitis  verlÀuft.  Die  Behandlung  ist  gleich  der  ge- 
wöhnlichen Appendicitis  expectativ  oder  bei  Indikation  operativ. 

Cordes  (Berlin). 

2.  Januar  1922,  29,  Nr.  1. 

Bedeutung     verschiedener    Vitamine     fĂŒr     die     ImmunitĂ€t         D  ' Asaco 
B  i  o  n  d  o  .  M.  3. 

❖  Kin  Fall  von  flottierender  Schulter  infolge  von  KinderlĂ€hmung.  Bosen.   f>.  ft. 
Kongenitale   Luxation  des  Radiuskbpfcheins.     K  r  a  U  9  .   .V.  8. 

Ucber  einen  Fall  von  Sehlottergelenk  im  Schultergelenk  bei 
RĂŒckenlĂ€hmung.  Verfasser  berichtet  ĂŒber  einen  Fall  von 
Schlottergelenksbildurtg  im  Schullergelenk  im  Anschluß  an  eine 
kongenitale  starke  WirbelsÀulendeformitÀt.  Es  handelt  sich  um 
einen  4  jÀhrigen  Jungen,  welcher  mit  Poliomyelitis  anterior  er- 
krankt war  und  wÀhrend  die  anderen  Glieder  nach  und  nach  sich 
erholten,  im  Schultergelenk  schwere  VerÀnderungen  zeigte.  Die- 
Röritgenuntersuchung  der  WirbelsÀule  zeigte  auf  der  Seite  des 
Schlottergelenks  VerÀnderungen.  Die  Elektrotherapie  hatte  keine 
Erfolge  und  das  Kind  wurde  der  chirurgischen  resp.  orthopÀdi- 
schen Behandlung  unterworfen.  Cordes  ('Berlind. 

9  Januar  1922,  29,  Nr.  2. 

❖GefĂ€ĂŸdiaskopie.    s  e  n  i  g  a  g  1  i  a  .  A.  41. 

Abnormes  GerÀusch  infolge  \nn  Thorax-Kontusion.     Fasana.  M.  it. 
Die    desinfizierende    Wirkung    der    Alkohnllösungnn    in    der  chirurgischen 
Praxis.    C  i  g  n  o  7.  z  i  .  0.  46. 

GefĂ€ĂŸdiaskopie.  Verfasser  versteht  unter  GefĂ€ĂŸdiaskopie  die 
Transparenz  der  HautgefĂ€ĂŸe,  die  mit  Hilfe  der  elektrischen 
Lampe,  der  Sonne  oder  anderer  Beleuchtungsquellen  dem  Be- 
schauer offenbar  wird,  wenn  er  mit  Hilfe  eines  vor  das  Auge 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


auf  die  Gefaßstelle  gerichteten  Zylinders  Pappe)  andere  Licht  . 
quellen  ausschließt.  HauptsĂ€chlich  handelt  es  sich  um  die  Be^ 
obachtung  der  FingergefĂ€ĂŸe.  Auf  Grund  dieser  Beobachtung 
zieht  Verfasser  SchlĂŒsse  ĂŒber  die  DurchgĂ€ngigkeit  der  GefĂ€ĂŸe  bei 
Endarteritis,  Thrombosen,  Verletzungen  usw.  Er  sieht  in  dieser 
Methode  eine  wichtige  UnterstĂŒtzung  der  Sphigmanometrie. 

Cordes  (Berlin 

Ki.  Januar  1922,  Nr.  3. 

❖  Die    Reaktion    des    kolloidalen   Benzöes    auf    die  XerohrnspinaJflussigkcit. 
F  e  r  r  a  r  o  .  A.  77. 
Formen  von  TracheohronchialdrĂŒscnerkr.'inkung.   dir    einen  diphtherischen 
Krupp  vortÀuscht.    Tron.  G.  80. 

Die  Einwirkung  des  kolloidalen  Benzoins  auf  den  liquor  cere- 
brospinalis. Die  gemachten  Untersuchungen  im  normalen  Liquor 
cerebrospinales,  positiv  in  allen  FĂ€llen  progressiver  Paralyse, 
negativ  dagegen  in  einigen  sicher  luetischen  Erkrankungen, 
positiv  dagegen  bei  einigen,  bei  denen  Lues  fast  auszuschließen 
war.  Cordes  (Berlin). 

vv'i  vv.^JSC'Sfc»^  >U  \\  »  .  „    .....„>.     .  '  ,  : 

Paris  Medical,  Paris. 

24.  Dezember  1921,  2,  Nr.  52. 

❖Die  Kraniotabes  der  SĂ€uglinge   und    ihre    Beziehungen    zur  syphilitischen 
Rachitis.    Marfan,  A.  B.  493. 
Die  AzotÀmie  beim  Fleckfieber.    B  ei  n  h  a  m  n  n  .  .1  a  hier  und  Barth  e  - 
1  e  m  y.  501. 

Mediastino-interlobÀrer      Hydropneumothorax      bei      einem  Tuberkulösen. 

Bloch,  S.  und  Hallet,  L.  503. 
Tonsillektomie.     Fredeseu-Rion.  505. 

Die  Kraniotabes  der  SĂ€uglinge  und  ihre  Beziehungen  zur 
syphilitischen  Rachitis.  Sie  entwickelt  sich  in  den  ersten  Mo- 
naten, im  allgemeinen  vor  dem  dritten,  nie  nach  dem  sechsten. 
Gewöhnlich  bilateral  und  symmetrisch,  pflegt  sie  auf  einer  Seite 
vorzuherr  sehen.  Meist  die  erste  Manifestation  der  Rachitis. 
Congenital:  zahlreiche  ausgebreitete  Lakunen  und  Erweichungs- 
herde ĂŒber  dem  Großhirn.  Erworben:  in  der  Gegend  der  Lambda- 
naht  und  der  Warzenfontanelle.  Ursache:  Der  Druck  des  exzen- 
trisch sich  entwickelnden  Gehirns  u.  a.  auch  der  Druck  auf  die 
Ilinterhauplsknochen  bei  der  ĂŒblichen  Lage  des  SĂ€uglings.  Durch 
die  intrauterine  Lage  erklÀrt  sich  auch  der  Sitz  der  Erweichungs- 
herde bei  der  kongenitalen  Kraniotabes  ĂŒber  dem  Großhirn. 
Letztere  ist  sehr  selten,  wÀhrend  die  erworbene  hÀufig  ist. 
I  ‱  ferentialdiagnose:  Lakunen,  die  auf  einer  Entwicklungshem- 
mung der  SchÀdelhaut  (Meningocele,  Encephalocele)  beruhen,  oder 
auf  eine  Ossifikationsanomalie  (einseitig  oben  auf  dem  Parietal- 
bein)  dann  die  Osteogenesis  imperfecta  cranii  Hochsingers  (meist 
mit  Spina  bifida  verbunden),  die  Osteopsathyrosis  Lobstein's, 
ferner  die  Erweichung  der  RĂ€nder  der  Sagittal-  und  Lambdanaht. 
Die  Kraniotabes  ist  also  eine  Manifestation  der  Rachitis  praecox, 
die  intrauterin  oder  in  den  ersten  3  extrauterinen  Monaten  ein- 
setzt. Rachitis  entsteht  aber  durch  chronische  Infektionen 
oder  Intoxikationen  in  der  Ossifikationsperiode,  die  gegen  das 
18.  Jahr  beendet  ist.  In  allen  Perioden  der  Kindheit  ist  immer 
die  hÀufigste  Ursache  die  Syphilis.  Dann  die  Tuberkulose  und 
die  chronischen  Intoxikationen  digestiver  Form  namentlich  bei 
kĂŒnstlich  ErnĂ€hrten.  Jedoch  treten  diese  meist  zu  einer  Zeit 
auf,  wo  die  Knochen  schon  ziemlich  entwickelt  sind.  Als  seltenere 
Ursachen  kommen  in  Betracht:  Bronchopneumonien  mit  hÀufigen 
BĂŒckfĂ€llen  wie  beim  Keuchhusten,  Pyodermien.  FĂŒr  den  syphi- 
litischen Ursprung  spricht  der  frĂŒhzeitige,  kongenital  oder  in  den 
ersten  3—4  Monaten  einsetzende  Beginn,  dann  Lokalisation  der 
Bachiiis  auf  das  SchÀdeldach,  die  Ausbuchtungen  der  Frontal- 
und  Parietalbeine  (was  bei  der  Tuberkulose  nicht  der  Fall  ist  . 
ferner  die  AnÀmie,  endlich  Hypertrophie  der  Milz.  Die  Mehr- 
zahl der  FĂ€lle,  die  nach  einem  Jahr  beobachtet  werden  und 
große  Mißbildungen  aufweisen,  sind  syphilitischen  Ursprungs: 
die  Tuberkulose  schont  den  SchÀdel  und  trifft  mehr  die  Rippen, 
die  langen  Knochen.  v   S  c  h  n  i  z  e  r. 


31.  Dezember  1921,  11.  Nr.  :>:;. 

.luxia-ai  tikuliiiv  N'odositafen  und  Syphilis,   (i  a  n  g  e 
509. 


A.  und    V  i  n  a  n  d  .  It, 


❖Trachealc  Injektionen  und  Lungentuberkulose.     Buh  a  y.  SM. 
. Kindheitsckzcme  und  Metastasen.   Veyrieres  und  J.iTmou,.  .">!». 

Tracheale  Injektionen  und  Lungentuberkulose.  Lediglich  He 
haudlung  eines  Symptoms,  der  Dyspnoe,  nicht  aber  der  Lungen- 
tuberkulosen GĂŒnstige  Wirkung  auf  die  Expektoration,  die  se- 
kundÀren Infektionen,  auf  das  Fieber  in  den  FÀllen  mit  Misch 
infektion,  auf  die  Nachtschweiße,  die.  Kehlkopftuberkulöse  auf 
(fe*n  Angemeinzustand.  v.  S  c  h  n  i  z  e  r 


7.  Januar  1922,  12.  Nr  1 

❖  Die  Tuberkulose  im  Jahre  td'28.     L  e  r  e  h  null  e  r.  und  Petit     f..  l. 
Uebej     die     Diagnostik     der     Tuberkulose     durch     direkte     Aussaat  dir 

Expektorationsprodukte.      Calmettc,   A.  13. 
Die  tuberkulöse  Pneumonie.    Rist  und  Ameuille.  M. 

Die    Unterbringung    von    SÀuglingen    tuberkulöser    Altern    in  Familien 
Bcraard,  L.  21. 

SpÀtresultate  der  SÀnaitoriumsbehandJung.     Burnand,  t;. 
Behandlung    der    HĂ€moptyse    mit    Extrakt    des  HypophysenhinterlAiMHins 
P  i  s  s  a  v  y.  28. 
❖Trauma  und  chirurgische  Tuberkulös 


M  a  d  i  e  r. 


■  10. 


Die  tuberkulöse  Pneumonie.  Der  PrimÀraffekt  ist  eine  pneu- 
monische LĂ€sion  von  einer  gewissen  Ausdehnung,  der  zurĂŒck- 
gehen oder  sich  umbilden  kann,  man  darf  aber  nicht  jedesmal  bei 
einer  solchen  LÀsion  von  einer  kÀsigen  Pneumonie  sprechen.  Es 
braucht  auch  keineswegs  immer  eine  schwere  LĂ€sion  zu  sein. 
Dies  gilt  auch  von  den  NachschĂŒben.  Man  darf  ĂŒberhaupt  die 
Prognose  nicht  auf  die  QualitÀt  der  LÀsionen  basieren  und  z.  B. 
den  TrÀger  einer  Caverne  deshalb  aufgeben.  Lediglich  die  Aus- 
dehnung der  LĂ€sion,  das  noch  verbleibende  intakte  Lungen- 
parenchym regelt  die  Prognose. 

Trauma  und  chirurgische  Tuberkulose.  Abgesehen  von 
Wunden  mit  direkter  Inokulation  ist  das  Trauma  so  gut  wie  nie 
der  Erzeuger,  in  sehr  seltenen  FĂ€llen  bestimmt  es  die  Lokali- 
sation. Viel  hĂ€ufiger  lĂ€ĂŸt  .es  eine  schon  bestehende  latente 
LĂ€sion  zu  Tage  treten,  die  es  dann  immer  verschlimmert.  Unter 
UmstÀnden  von  dort  aus  Autoinokulation 

v.  S  c  h  n  i  z  e  r 

Archives  de  Medicine  des  enfants,  Paris. 

November  1921,  24,  Nr.  11. 

❖Zwölf  neue  FĂ€lle  vou  infantilem  Skorbut.     Uomby.  J.  649. 
❖  Partielle  Lungensklcrosen  und  Verlagerung  des  Herzens  bei  ausgebreiteten 
Dungcnsklerosen.    Duhem,  P.  663. 

Zwölf  neue  FÀlle  von  SÀuglingsskorbut.  WÀhrend  der  Ver- 
fasser in  frĂŒheren  Zeiten  durchschnittlich  3  FĂ€lle  von  SĂ€uglings- 
skorbut  im  Jahre  zu  sehen  bekam,  waren  es  deren  in  den  Jahren 
1919  und  1920  je  6.  Die  Diagnose  wird  meist  nicht  gestellt.  Die 
hÀufigste  Erscheinung  ist  die  durch  Schmerzhaftigkeit  vorge- 
tÀuschte BeinlÀhmung,  wÀhrend  die  Zahnfleischblutungen  an 
zweiter  Stelle  stehen.  Die  Schleimhautblutungen  betreffen  angeb- 
lich mit  Vorliebe  den  Oberkiefer.  H.  Vogt. 

Umschriebene  Lungenverdichtung  und  Verlagerung  des 
Herzens  bei  umfangreichen  Lungenverdichtungen  im  Kindesalt  »r. 

Umschriebene  Verdichtung  des  Lungengewebes  infolge  binde- 
gewebiger Induration  (sclerose)  kann  in  der  Hilusgegend  vor- 
kommen, ausgehend  von  verkĂ€sten  DrĂŒsen.  In  anderen  FĂ€llen  sind 
Lungenverdichtungen  so  angeordnet,  daß  sie  von  beiden  Seiten  des 
Herzens  her  dem  Zwerchfell  entlang  verlaufen  (sclerose  diaphrag- 
matique).  Dabei  sieht  man,  daß  die  verdichteten  Lungenabschnitte 
der  Bewegung  des  Zwerchfells  bei  der  Atmung  folgen,  wÀhrend 
bei  Verwachsungen  zwischen  Zwerchfell  und  LungenunterflÀche 
die  Beweglichkeit  des  Zwerchfells  aufgehoben  ist.       H.  Vogt 

Lyon  Medical,  Lyon. 

10.  November  1921,  130,  Nr.  21 

Tuberkulose  der  Prostata.    G  a  y  e  t.  933. 

25.  November  1921,  130.  Nr.  22. 

Enzephalitis  epidemica.    B  6  r  i  e  I  .  L.  981. 

10.  Dezember  1921,  130.  Nr.  23. 

❖Enzephalitis  epidemica.    B  e  r  i  c  1  ,  L.  1032. 

Die  Bilanz  der  Encephalitis  epidemica.     1.  Die  p  a  t  h  o  1  <> 

gische  Bilanz:  Die  Epidemie  des  Winters  1919/20  hat  zahl- 
reiche Opfer  gefordert;  man  schÀtzt  die  MortalitÀt  auf  30  Prozent. 
Aber  hier  sind  es  mehr  die  Residuen  der  Erkrankung,  die  uns 
beschÀftigen.  Wenige  Epidemien  hinterlassen  bei  den  Ueber 
lebenden  so  deutliche  Spuren,  wobei  es  gleichgĂŒltig  bleibt,  ob  die 
Krankheil  leicht  oder  schwer  verlief.  Uebereinstimmend  wird 
allseitig  anerkannt,  daß  die  postenzephalitischen  Parkinsonschen 
ZustÀnde  die  wichtigsten  und  hÀufigsten  Folgeerscheinungen  der 
Epidemie  darstellen.  Sie  sind  vor  allem  gekennzeichnet  durch 
die  RigiditĂ€t  der  Gesichts-  und  auch  eines  großen  Teiles  der 
ĂŒbrigen  Muskulatur  bei  ungestörtem  Ablauf  der  intellektuellen 
Funktionen.  Dabei  gibt  es  Abstufungen  der  IntensitÀt:  von  ein- 
lacher Bewegungsverlangsamung  ohne  objektive  Steifigkeit  bis 


■10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


185 


zur  RigiditÀt  mii  Ausbildung  von  Kontrakturen.  Bevorzugl  ist 
das  Gesicht,  ĂŒberhaupl  der  Kopf  Zu  diesem  Bild  der  Unbeweg- 
lichkeil gesellt  sich  bisweilen  Somnolenz,  Asthenie,  vasomotori 
sehe  Störungen,  auch  respiratorische  Störungen,  Schmerzen,  Myo- 
klonien  können  sich  einstellen.  Die  Somnolenz  bei  Tage  kann 
von  einer  sehr  hartnÀckigen  Schlaflosigkeit  bei  Nachl  begleitet 
sein.  Die  Erschöpfung  isi  vorwiegend  körperlich,  kann  aber 
auch  psychisch  sein.  Echte  enzephalitiscbe  Psychosen  existieren 
dagegen  nicht.  Das  schließt  nicht  ans,  daß  die  Encephalitis  ge 
legentlich  das  auslösende  Moment  fĂŒr  eine  Psychose  sein  kann. 
Nicht  ganz  selten  sind  Augenstörungen,  die  die  akute  Phase  der 
Encephalitis  ĂŒberdauern  können,  aber  eben  so  gut  sicli  erst  Mo 
nate  lang  spĂ€ter  einstellen  können.  Üeberblickt  man  die  Ge- 
samtheit der  klinischen  Beobachtungen  aus  den  letzten  beiden 
Jahren,  so  ist  man  ĂŒberrascht  ĂŒber  das  Fehlen  jeglicher  Banali- 
tÀt. Statt  Narben  zw  hinterlassen,  die  ihrerseits  zu  Folgekrank- 
heiten  fĂŒhren,  nimmt  die  Encephalitis  einen  kontinuierlichen  Ver- 
lauf, immer  den  gleichen  Charakter,  nÀmlich  den  einer  diffusen, 
wenig  destruktiven  Erkrankung  bewahrend. 

Pathologisch-anatomisch  zeigt  sich  die  Krankheit  als 
entzĂŒndlicher  Prozeß  ohne  SpezifitĂ€t,  ohne  absolute  Lokalisation, 
aber  mit  Bevorzugung  gewisser  Bezirke,  z.  B.  der  grauen  Sub- 
stanz der  Hirnbasis  und  des  Hirnstamms.  Die  Rinde  kann  im 
allgemeinen  als  unverletzlich  gelten;  das  deckt  sich  mit  der  kli- 
nischen Beobachtung.  Die  Bestimmung  des  Ausgangspunktes  ist 
ein  noch  ungelöstes  Problem.  Desgleichen  liegt  die  pathologi- 
sche Anatomie  der  chronischen  ZustÀnde  noch  ganz  im  Dunklen 
und  die  bakteriologischen  Ergebnisse  sind  noch  völlig  ungewiß. 
Wir  kennen  weder  die  Natur,  noch  den  Invasionsmodus,  noch  die 
Entwicklung  des  Virus,  noch  wissen  wir  etwas  ĂŒber  seine  Spe- 
zifitÀt bzw.  seine  KontagiositÀt. 

2.  Die  therapeutische  Bilanz:  Was  die  akuten 
FĂ€lle  anlangt,  so  ist  die  Immunisierung  oder  die  Behandlung  mit 
Kekonvaleszentenserum  heute  wieder  aufgegeben.  Die  Dar- 
reichung von  Urotropin  oder  die  Erzeugung  von  Fixations- 
abszessen  ist  in  ihrer  Wirkung  nicht  bewiesen  und  grĂŒndet  sich 
auf  persönliche  EindrĂŒcke.  Trotzdem  wird  man  diese  Medikation 
mangels  einer  besseren  beibehalten  und  im  ĂŒbrigen  die  ĂŒbliche 
B  eh'andluntrsweise  infektiöser  Erkrankungen  zur  Anwendung 
bringen.  FĂŒr  die  chronischen  Formen  hat  man  eine  ganze  Reihe 
therapeutischer  Hilfsmittel  herangezogen;  Verfasser  resĂŒmiert 
dieselben  auf  Grund  persönlicher  Versuche.  Gegen  Sera  scheinen 
sich  die  Kranken  völlig  refraktÀr  zu  verhalten.  Zweifelhaft  in 
ihrem  Erfolg  ist  die  intravenöse  Anwendung  von  Calcium  chlora- 
tum. Das  Urotronin  in  Dosen  von  0.5 — 1  g  intravenös  oder  per 
os  erfreut  sich  allgemeiner  WertschÀtzung,  doch  wird  erst  die 
Zukunft  lehren,  ob  das  nicht  nur  eine  Modesache  ist.  Störungen 
von  Seiten  der  Blase  sind  nicht  ausgeschlossen.  Das  Novarseno- 
l  enzol  ist  ziemlich  einstimmig  als  wertlos  abgelehnt  worden. 
Von  der  Anwendung  des  Jods  sah  Verfasser  keinerlei  Erfolg: 
Auch  auf  den  Gebrauch  von  DrĂŒsenextrakten  grĂŒndet  er  wenig 
Hoffnung.  Nur  in  den  ganz  speziellen  mit  Fettleibigkeit  verbun- 
denen FĂ€llen  hatte  Hvpophvsenextrakt  eine  deichte  Wirkung. 
Strvchnin  erscheint  absolut  kontraindiziert  wegen  der  Hyper- 
tonie und  der  gesteigerten  Reflexe.  Rei  asthenischen  Patienten 
mit  normalen  Sehnenreflexen  und  fehlender  Muskeln  »idilÀl 
spiftlt  Strvchnin  in  Dosen  von  1 — 3  mg  eine  kleine  palliative 
Bolle.  Chi  oral  und  Onium  sind  wegen  der  Gefahr  der  Gewöhnung 
zu  vermeiden.  Verona],  Snlfonal  usw.  scheinen  in  unerwĂŒnschter 
Weise  auf  das  Allgemeinbefinden  einzuwirken.  Extr.  BeHa- 
donnae  und  Atronin  erweisen  sich  als  nĂŒtzlich  infolge  ihrer  Se- 
krelionsbeschrÀnknng,  versagen  aber  in  schweren  FÀllen,  weil 

sie  durch  ihre  austrocknende  Wirkung  der  ErnÀhrung  des  V-  

ken  hinderlich  sind.  Die  Alkaloide  des  Bilsenkrauts  und  der 
NachtschattengewÀchse  sind  zur  palliativen  Behandlung  wohl  am 
(geeignetsten,  aber  es  handelt  sich  nur  um  vorĂŒbergehende  un- 
snezifische  Wirkungen.  Das  Sconolamin  ist  viell^rM  das  nwi 
wenigsten  GefÀhrliche;  der  oft  bemerkenswerte  Effekt  dauert 
etwa  6—12  Stunden.  Der  Gebrauch  von  Curare  und  Cieulin  ist 
noch  nicht  genĂŒgend  erprobt,  um  die  Vorteile  gegen  die  Nach- 
teile abschÀtzen  zu  können. 

Die  Hvdrotheranie  stiftet  bei  chronischen  FĂ€llen  wenig 
Nutzen;  dagegen  ist  die  Heliotherapie  ein  wichtiger  Faktor  mehr 
wegen  d°r  BegleitumstÀnde,  als  um  einer  spezifischen  Heilwir- 
I  ung  willen. 

So  sehen  wir,  daß  trotz  der  FĂŒlle  der  zu  Gebote  siehenden 
Littel  kein  ausgesprochen  wirksames  Heilmittel  existiert.  Wir 
werden  daher  unser  tlmra  neutisch  es  Mandeln  immer  nur  nach 
dem  individuellen  KrankheitsbiTde,  nach  der  Beschaffenheil  der 
Symptomen  komplexe  einrichten  können 

K.  Held  (Berlin). 


Archives  des  Maladies  de  l'Appareil  digestif,  Paris. 

Band  XI,  Nr.  <>. 

‱{♩Idiopathische    Erweiterung    rtet    Speiseröhre.      0  c  1 1 1  n  ge  r  ,    W,  und 

c  a  ii  a  llero,  i(.  V.  .-»in. 
I>ir  GHykĂ€mle  beim  MaunniteschwUr  und  beim  Magenkrebs.     Lenoir.  P„ 

de  F  o  s  scy,  M.  und  R  I  c  h  o  t .  0.  89S. 
Abdominale     Arterioekler  nd     Weaenft  rlalthrombo»c,      M  h  rt I  nci, 

F.  F.  400. 

Idiopathische  Erweiterung  der  Speiseröhre.  Diese  Erkrankung 
ist  nicht  selten,  man  denkt  aber  zu  wenig  an  sie.  Man  findet  keine 
Hypertrophie  der  Kardia.  Die  Speiseröhre  ist  nicht  nur  erweitert, 
sie  ist  auch  verlÀngert.  Die  Mukosa  derselben  kann  hyper- 
trophisch sein;  diese  Erscheinung  kann  aber  auch  fehlen.  Verf. 
glauben,  daß  es  sich  um  eine  kongenitale  Mißbildung  Ă€hnlich  der 
Hirschprung'schcn  Krankheit  handelt.  Es  gibt  keine  Therapie. 
Vielleicht  wÀre  eine  Anastomose  zwischen  Magen  und  unterem  Ab- 
schnitt der  Speiseröhre  zu  versuchen.        K  o  b  p  m  a  n  n  (Haag  . 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

10.  Dezember  1921,  77,  Nr.  24. 

Behandlung  von  Hirntumoren.     T>  a  n  il  y  ,   YV.  E.  l*."">:f. 
♩Anwendung  von  Chlorhatriiuns  bei  Kopfschmerz.    II  u  ix  Ii  B  <i  n  .  W.  ls.'jfl. 

Arthroplastisehe  Operat'onen.    B  s  I  ihv  i  n  .  W.  J.  k860. 
‱Jj-Serumtherapie  d  r  bazillĂ€ren   Dysenterie   heim   Kinde.    Josephs,   H.  W 

und  D  a  v  i  s  ii  n  .  W.  C.  1863. 
-^Arzneimittel  aus  der  Digitalis-Reihe.    .\[  a  r  v  i  n  .  H.  M.  und  W  Ii  i  t  e  .  P.  1). 
1865. 

Arthrodese  mitt  ls  Knoclienspau  in  der  Behandlung  des  Plattfußes.    Soul  e  , 
R.  E.  1871. 

Lunge  ngangrÀn  durch  SpirochÀten.    K  I  i  n  e  .  B.  s.  mit. 
FollikulÀre  Cyste.    W  e.  n  k  e  r    R.  .7.  im77. 
Kiefertumoren.    P  e  t  t  i  t  ,  J.  A.  18.81. 

Aetiologio.  Pathologie   und  Behandlung  der   Kiefercystfce».  Dorranee, 

G.  M.  1883. 

Fall  von  SchÀilellcankvnid  und  Fall  von  Enzephalitis  nach  Extraktion  cives 
Zahnes  mit  Infektion  an  d;>r  Wurzel.     Potts.  H.  A.  I88.r). 

Verabreichung  von  Kochsalz  gegen  Kopfsehmerzen.  Gewisse 
Arten  von  Kopfschmerzen  hÀngen  wohl  zweifellos  mit  einer  Zu- 
nahme des  intrakraniellen  Druckes  zusammen,  deren  Ursache 
bisher  noch  ungeklĂ€rt  ist.  Nachdem  andere  Autoren  fanden,  daß 
durch  intravenöse  Kochsalzinfusionen  der  intrakranielle  Druck 
sinkt,  wiesen  Cushing  und  Foley  das  gleiche  bei  innerlicher 
Verabreichung  nach.  Hand  in  Hand  mit  der  Abnahme  des  Druckes 
wurde  hÀufig  eine  solche  der  Kopfschmerzen  beobachtet.  Natur- 
gemĂ€ĂŸ war  die  Zufuhr  grĂ¶ĂŸerer  Kochsalzmengen  in  gelöster 
Form  per  os  mit  gewissen  Unannehmlichkeiten  verbunden,  wes- 
halb Verf.  Versuche  mit  Tabletten  machte,  die  1  g  Kochsalz  ent- 
halten und  erst  im  DĂŒnndarm  zur  Lösung  kommen.  In  leichten 
FĂ€llen  wurden  8 — 10  Tabletten  in  ZwischenrĂ€umen  von  5  Minuten 
gegeben,  in  schwereren  gab  Verf.  15  und  mehr.  Er  glaubt,  daß 
in  einer  Reihe  von  FĂ€llen  diese  Medikation  sehr  gĂŒnstig  wirkt 
und  daß  sie  auch  differential-diagnostisch  insofern  von  Wert  ist, 
daß  man  die  durch  Steigerung  des  intrakraniellen  Drucks  be- 
dingten Kopfschmerzen  .  von  denen  anderer  Aetiologie  differen- 
zieren kann. 

Serumtherapic  bei  Bazillenruhr  bei  Kindern.  Verff.  berichten 
ĂŒber  ihre  Erfahrungen  mit  Antidysenterieserum  bei  einer  Reihe 
von  FĂ€llen  von  Shiga-  und  Flexner-Ruhr.  Die  Kinder  wurden 
mit  tÀglichen,  teils  intramuskulÀren,  teils  intravenösen  Injektionen 
von  20—50  cem  Serum  behandelt,  die  immer  gut  vertragen  wur- 
den. Einen  Einfluß  auf  den  Krankheilsverlauf  oder  die  MortalitĂ€t 
sahen  Verff.  nicht. 

Klinische  Stadien  ĂŒber  Drogen  der  Digitalisgruppc.  Verff. 
prĂŒften  in  FĂ€llen  von  Herzfehlern  mit  Vorhofflimmern  die  Wir- 
kung von  Apocynum  cannabium  und  von  Konvallaria.  Apocynum- 
liuidextrakt  wurde  in  Dosen  von  0,1  cem  je  13,6  kg  Körper- 
gewicht 3  mal  tÀglich  gegeben.  Die  Verabreichung  löste  bei  fast 
allen  Patienten  erhebliches  Erbrechen  aus.  Die  diuretische  Wir- 
kung war  recht  gut/ zuweilen  traten  nicht  unbetrÀchtliche  Durch- 
fĂ€lle auf.  Einen  wesentlichen  Einfluß  auf  den  Blutdruck  konnten 
Verff.  nicht  beobachten,  dagegen  eine  gewisse  Zunahme  der  Vital- 
kapazitÀt. Fluidextrakt  von  Konvallaria  wurde  in  Dosen  von 
5,0  cem,  zuweilen  auch  von  10,0  cem  3  mal  tÀglich  verabreicht. 
Die  emetische  Wirkung  war  nicht  so  krÀftig  wie  bei  Apocynum. 
Die  Wirkung  auf  das  Herz  war  bereits  24  Stunden  nach  Aus- 
setzen des  Medikamentes  aufgehoben.  Unangenehm  war  auch 
hier  wieder  das  Auftreten  von  DurchfÀllen.  Zusammenfassend 
kann  gesagt  werden,  daß  beide  Drogen  Digitalis  in  keiner  Weise 
ersetzen  können.  KÀckell  (Hamburg). 


136 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


17.  Dezember  1921,  77,  Nr.  25. 

ImmunitÀt.    Hektoeti,  L.  1935. 

Osteomyelitis  der  Beckenknochen,    G  e  i  s  t    E.  S.  1939. 
❖  KinderlĂ€hmung.     Lovett.  R.  W.  194t. 
Lokale  und  allgemeine  Serumbehandlung  des  Haut- Anthrax.    K  e  g  ;i  n  .  3.  G. 
1944. 

Speise-Infektionen.    Rosenau.  M.  J.  und  Weiß.  H.  1948. 
♩J»Konektion    von    angeborenem    Wolfsrachen    und    Hasenscharte.  Moore- 

h  e  a  d  ,  F.  B.  1951. 
Hasenscharten-Operation  in  Beziehuug  zur  Nase.    B  r  o  w  n  .  G.  V.  J.  1951. 
Plastische  Chirurgie  der  Lippe.    K  a  z  a  h  j  i  a  n  .  H.  1959. 
Erwachsener  mit  totaler  Phoeomelie.    O'Biicu,  H.  R.  und  M  u  s  t  a  r  d  . 

H.  X.  1964. 

❖Kultivierung  von   Rickettsia-Ă€hnlichen   Körpern  bei   Typhus.     I,  0  c  w  e  .  1... 
Ritter.  S.  und  Baehr.  G.  1967. 

Poliomyelitis  im  3.  Jahre.  Bericht  ĂŒber  den  Verlauf  der 
poliomyelitischen  LĂ€hmungen  in  180  FĂ€llen,  die  Verf.  3  Jahre 
lang  behandeln  und  regelmĂ€ĂŸig  nachprĂŒfen  konnte.  Danach  ist 
Grundbedingung  fĂŒr  möglichst  weitgehende  Besserung  die  jetzt 
ja  ĂŒberall  gehandhabte  intensive  Bewegungstherapie,  Massage  und 
Elektrisierung.  In  der  Begel  wird  in  den  ersten  Wochen  nach 
der  Erkrankung  bedeutende  Besserung  beobachtet,  die  bis  gegen 
Ende  des  2.  Jahres  andauert,  wenn  auch  die  Fortschritte  in  der 
spÀteren  Zeit  nicht  mehr  so  augenfÀllige  sind.  Prognostisch  am 
gĂŒnstigsten  waren  in  dem  Material  des  Verf.  LĂ€hmungen  der 
RĂŒcken-  und  Nackenmuskulatur,  dann  folgten  die  der  Arme, 
wÀhrend  die  LÀhmungen  der  Abdominalmuskeln  sich  wesentlich 
schwerer  zurĂŒckbildeten.  Am  ungĂŒnstigsten  verliefen  die  LĂ€h- 
munsen der  Beinmuskeln  und  zwar  immer  schlechter  in  Richtung 
auf  die  FĂŒĂŸe.  Am  Ende  des  2.  Jahres  kommt  der  Heilungsprozeß 
in  ein  stationÀres  Stadium.  Noch  nicht  wesentlich  gebesserte 
Muskelgruppen  geben  dann  Veranlassung  zu  schweren  Kontrak- 
tionsstellungen und  damit  zu  DeformitÀten,  die  ohne  operativen 
Eingriff  kaum  noch  gebessert  werden  können. 

Behandlung  von  angeborener  Hasenscharte  und  Wolfsrachen. 

Die  Hasenschartenoperationen  sollten  nicht  vor  der  0 — 10.  Lebens- 
woche ausgefĂŒhrt  werden,  Grundbedingung  -ist  auch  dann  ein 
ladelloser  Allgemeinzustand.  Der  Chirurg  sollte  lediglich  die 
Operation  ausfĂŒhren,  die  Nachbehandlung  aber,  die  ja  in  erster 
Linie  in  sachgemĂ€ĂŸer  ErnĂ€hrung  besteht,  dem  Kinderarzt  ĂŒber- 
lassen. Die  ErnÀhrung  erfolgt  tunlichst  nicht  mit  dem  Sauger, 
um  ein  Aufreißen  der  NĂ€hte  durch  den  Saugakt  zu  verhindern. 
Die  WundflÀchen  beluofl  Verf.  in  den  ersten  Tagen  nach  der 
Operation  1 — 2  mal  tĂ€glich  mit  .r>0  Prozent  Alkohol  und  beginnt 
schon  am  Ii.  Tage  mit  dem  Entfernen  einzelner  FĂ€den,  so  daß 
diese  am  7. — 8.  Tage  alle  entfernt  sind.  Die  Schließung  des 
Wolfrachens  erfolgt  in  spĂ€terer  Zeit.  Verf.  fĂŒhrt  sie  am  liebsten 
im  12. — 15.  Monat  aus 

ZĂŒchtung  von  Rickettsia-Ă€hnlichen  Gebilden  bei  Typhus.  In 

einer  frĂŒheren  Arbeit  haben  die  Verff.  ĂŒber  anaerobe,  gramDO- 
sitive  Bazillen  berichtet,  die  sie  aus  dem  Blute  Typhuskranker 
hatten  zĂŒchten  können.  Sie  haben  nun  bei  einer  Reihe  von 
Typhuskranken  Gebilde  gezĂŒchtet,  die  sich  wesentlich  von  dem 
von  Plötz  gefundenen  Bazillus  unterscheiden,  so  daß  zwischen 
diesen  beiden  keine  Beziehungen  bestehen  dĂŒrften,  wie  Verff.  ur- 
snrĂŒnulich  angenommen  hatten.  Nach  Giemsa  gefĂ€rbt,  zeieten 
die  Gebilde  rote  FÀrbung,  sie  sind  gramnegaliv  und  mit  gewöhn- 
lichen Anilinfarben  nur  sehr  schwer  fÀrbbar.  Im  Glukoseascites 
bilden  sie  keine  SĂ€ure  im  Gegensatz  zum  Plolz' sehen  Organismus. 
Ob  Beziehungen  /.wischen  den  von  den  Verff.  gefundenen  Orga- 
nismen und  den  Prowazek'schen  Rickettsien  bestehen  ist  noch 
nicht  erwiesen.  Desgl.  kann  ĂŒber  die  Art  der  Gebilde,  ob  Bnkte 
i  ten  oder  Protozoen,  noch  nichts  gesagt  werden.  Die  ZĂŒchtung 
wurde  in  AszitesflĂŒssigkeit  (10  cem),  in  der  ein  StĂŒckchen  Mer- 
sch weinchenleber  Liegt,  vorgenommen.  Nach  Beimpfuna  mit  einigen 
Tropfen  Patientenblul  wurde  2  Prozent  Dextrosebouillon  zuge- 
fĂŒgt und  das  ganze  mit  Petroleum  ĂŒberschichtet  und  so  eine 
Aiiaerobiose  hergestellt.  Nach  dieser  Methode  gelang  es,  die  Or 
canismen  auch  aus  dem  Gehirn  und  der  Leber  von  vorher  mit 
Tvnhusba zillen  infizierten  Meerschweinchen  zu  gewinnen.  Bis  zu 
7  Generationen  wurden  sie  ohne  Tierpassaar  durch  einfache 
Ueberimpfung  gezĂŒchtet.  Die  Organismen  sind  nicht  filtrierbar 
und  waren  noch  in  der  4.  Generalion  tiernathogen.  Wurden  ein 
oder  mehrere  Kubikzentimeter  der  KultĂŒrflĂŒssigkeit  Meer- 
schweinchen intraperitoneal  iniiziert,  so  entwickelt^  sich  nach 
ß — 8  Tagen  Fieber,  das  "> — 10  Tage  anhielt.  Inkubationszeit  und 
Fieberkurve  erinnern  sehr  an  Befunde,  die  man  nach  Injektion 
von  Blul  Typhuskranker  bei  Meerschweinchen  erheben  konnte. 
Bei  der  Tiersektion  fand  sich  neben  einer  Milzschwellung  noch 
eine  solche  der  Malpighi'schen  Körperchen  und  GehirnlÀsionen 


die  wiederum  denen  bei  Typhuskranken  gefundenen  sehr  Àhnelten. 
Typhusimmune  Tiere  reagierten  nicht  auf  die  Injektionen. 

K  Àck  eil  ''Hamburg). 

New  York  Medical  Journal,  New  York. 

7.  Dezember  1921,  114,  Nr.  11. 

Ext.riktiou  von  Fremdkörpern  mit  Hilfe  der  Bronchoskopie  kompliziert  durch 

Pyopneumothorax.    Lyn.  all,  II.  L.  017. 
Mukozele  der  Nasennebenhöhlen.    Dabney.  V.  ki9. 

Behandlung    rezidivierender    Pleuritis     mit    Sauerstoff-Injekt.-onen.       M  R  e 
F  a  rhinc,  A.  623. 

❖  Atmungsgymnastik.    K  o  u  i  n  d  ,j  y  .  P.  627. 

Aspergillosis  und  Pseudotuberkulose  der  Lunge.    1.  a  p  e  n  t  ;.  .  V.  A.  629. 
❖■Udhandlung  der  l.ungcnhĂ€morrhagien.     S  e  h  w  a  t  t  .  H.  631. 
♊««‹Symptomatologie     und     Diagnose     der  TracheobronchialdrUsentuberkulose. 
Frisch  m  a  n  .  L.  634. 

Larynx-Tuberkulose.    Cohen.  S.  636. 
Enukleation  der  Tonsillen.    AI  e  d  i  n  g  .  638. 

PeritonsillĂ€rer  Abszeß  und  seine  RadikalbehĂ€ndlung.     Hell  e  r  .  I.  M.  612. 
❖TonsillĂ€res  und  adenoides  Gewebe  unter  Riintginlieliaiullung.    Herrin  a  KU. 
W.  G.  646. 

Tonsilleii-ScliilddrĂŒsen-Syndrom.    B  Ă€  r  a  c  h  ,  .1.  II.  61s. 
❖Die  erkrankten  Tonsillen.     I  t  t  e  1  s  o  n  .  M.  S.  619. 

❖  Influenza  als  primĂ€res  Ocldcm  der  respiratorischen  SchleimhĂ€ute    B  r  e  n  u  e  r. 

J.  M.  651. 

Symptomatologie   der   Influenza.      1!  e  g  a  n  .   .1.   ('.  0.'>6. 

Atemgymnastik  und  körperliehe  Ausbildung.  Verfasser  be- 
tont die  grundlegende  Bedeutung  exakter  AtemĂŒbungen  bei  jeder 
Art  körperlicher  Ausbildung  zur  Erzielung  einer  Erweiterung 
des  Brustkorbes,  VergrĂ¶ĂŸerung  der  AtemflĂ€che  und  besseren 
Saucrsto  ^Versorgung  des  Blutes.  Die  Atemgymnastik  hat  in 
erster  Linie  die  Ausbildung  der  aktiv  tĂ€tigen  tnspirationsmĂŒskeln 
zu  berĂŒcksichtigen.  Die  Anwendung  von  Spirometern  empfiehlt 
sich  nicht.  Sie  können  nur  der  Kontrolle  des  erzielten  Erfolges 
dienern,  aber  nicht  als  Hilfsmittel  der  Atemgymnastik.  Grundsatz 
jeder  Alemtechnik  muß  sein,  daß  die  AtemĂŒbungen  mit  Aufbietung 
der  Willenskraft  ausgefĂŒhrt  werden,  daß  sie  tiefe  Inspirationen 
hervorrufen  und  rein  nasal  sind. 

Praktische  Gesichtspunkte  Ihm  der  Behandlung  der  Lungen- 
blutung. Die  Behandlung  einer  Lungenblutung  muß  aufgebaut 
sein  auf  der  Erfahrung,  daß  nur  ganz  selten  eine  HĂ€moptoe  un- 
mittelbar tödlich  verlĂ€uft,  da  Ii  in  der  ĂŒberwiegenden  Mehrzahl 
der  FĂ€lle  Selbstheilung  eintritl  du  i  ch  Verminderung  des  Blut- 
drucks, Steigerung  der  GerinnungsfÀhigkeit  des  Blutes.  Kontrak- 
tion der  GefĂ€ĂŸe  und  Thrombosierung.  Die  ungestörten  KrĂ€fte  der 
Natur  sind  wirksamer  und  schaden  weniger  als  irgend  eine 
medikamentöse  Therapie.  Die  klassische  Behandlungsmethode 
mit  absoluter  Ruhigstellung  des  Patienten  in  streng  horizontaler 
Lage  und  die  Verordnung  von  Morphium  werden  abgelehnt,  emp- 
fohlen dagegen  halbsitzende  Lagerung  und  Kodein.  Heroin  oder 
I »ionin  Das  wirksamste  Mittel,  eine  schwere  HÀmoptoe  zum 
Stehen  zu  bringen,  besteht  in  dem  kĂŒnstlichen  Kollaps  der  bluten- 
den Lunge  durch  Anlegung  eines  Pneumothorax. 

Die  Bedeutung  der  trackeobrönchialen  LymphdrĂŒsentuber- 
kulose  und  ihre  Diagnose.  Bei  SĂ€uglingen  und  Kindern  geht  die 
Lungentuberkulose  mit  einer  VergrĂ¶ĂŸerung  und  VerkĂ€sung  der 
IracheĂ€len  und  bronchialen  LymphdrĂŒsen  einher.  Im  Gegensatz 
zum  Erwachsenen  ist  eine  Lokalisierung  des  Prozesses  auf  die 
Lungenspitzen  selten;  es  besteht  wenig  Neigung  zur  fibrösen  Ein- 
kapselĂŒng  und  Kavernenbildung.  In  frĂŒher  Kindheil  verlĂ€uft  eine 
Herdluberkulose  meist  tödlich,  wÀhrend  nach  dem  18.  Lebens- 
jahre kaum  ein  Individuum  von  einer  solchen  verschont  ist.  Nach 
dem  10.  Lebensjahre  ist  eine  tödliche  Tuberkulose  mit  wenigen 
Ausnahmen  apikalen  Ursprungs.  Eine  Spilzenluberkulose  nach 
bereits  durchgemachter  Herderkrankung  verlÀuft  meist  chronisch, 
wird  latent  oder  heilt  aus.  Zur  Feststellung  tracheobronchialer 
LymphdrĂŒsen  wird  die  PrĂŒfung  der  Zeichen  von  de  la  Camp,  Pe- 
Iruschky.  d'Espine  und  Eustace  Smith  (VenengerĂ€usch  ĂŒber  dem 
oberen  Teil  des  Brustbeins  bei  ĂŒberstreckler  Kopfhaltung'  emp- 
fohlen. 

Röntgenbestrahlung  von  Tonsillen  und  adenoidem  Gewebe. 

GĂŒnstige  Erfolge  bei  der  Behandlung  erkrankter  Tonsillen  und 
adenoider  Gewebsschwellungen  mittels  Röntgenstrahlen,  be- 
stehend objektiv  in  einer  Almahme  der  Schleimhautschwellung 
und  des  fibroiden  Gewebes,  im  Verschwinden  des  Kryptehinhaltes 
und  in  Körpergewichtszunahme,  subjektiv  in  einer  Besserung  des 
Appetits  und  geringerer  AnfÀlligkeit  gegen  ErkÀltung.  Es  wurde 
in  zweiwöchentlichen  Pausen  die  (legend  zwischen  außerein  Ge- 
hörgang und  Zungenbein  in  einer  Ausdehnung  von  5—7  cm  im 
Durchmesser  durch  3  mm  Aluminiumfilter  mit  etwa  ein  Drittel 


‱10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Aus  den  n  e  u  e  s  l  e  n  Zeitschriften 


U7 


Erythemdosis  in  2f>  cm  Hautabstand  bestrahlt.  Die  Bestrahlungs 
datier  wechselte  je  mich  dem  Alter  des  Kindes  und  dem  Silz  der 
Tonsillen,   Im  Durchschnitt  genĂŒgten  (>  8  Bestrahlungen. 

Die  erkrankte  Tonsille.  Verfasser  warnt  vor .  Ueberlreibun- 
gen  in  der  heute  weitverbreiteten  Neigung,  pathologisch  verÀn 
rterte  Tonsillen  als  Ursache  der  verschiedensten  Organ-  und 
Systemerkrankungen  anzusehen,  da  im  Gegenteil  die  Tonsillen 
hÀulig  sekundÀr  infolge  von  Alkoholismus,  Verstopfung,  l'roleiu- 
verghtung,  Gicht,  Rheumatismus  und  Àhnlichen  Affektionen  er- 
krankt sein  können.  Entschließt  man  sich  zur  Operation,  so  sind 
neben  den  Tonsillen  auch  die  infizierten  Lymphknoten  der  Um- 
gebung radikal  mit  der  Kapsel  zu  entfernen. 

[nfluenza  als  primÀres  Gedern  der  Respirationsschleimhaui 
und  ihrer  Adnexe.  Verfasser  vertritt  die  Anschauung,  daß  die 
Infektionserreger  der  Influenza  wie  an  der  Uvula  und  der 
Rachenschleimhaut,  so  auch  im  Respirationstraktus,  im  Darm  und 
Genirn  ein  primÀres  Oedem  des  Zellprotoplasmas  hervorrufen, 
das  in  der  Lunge  zu  einer  hochgradigen  Flussigkeitsansammlung 
und  zu  einer  Form  von  Pneumonie  fĂŒhrt,  die  vom  Verlasser  als 
,,gelntinös"  bezeichnet  wird  und  ein  ganz  anderes  Bild  darbietet 
als  die  Bronchopneumonie.  Das  Ziel  der  Therapie  muß  daher 
die  Beseitigung  dieses  Oedems  mittels  diaphoretischer,  diureti- 
scher  und  purgierender  Äiittel  und  eine  Steigerung  der  Blutkon- 
zentration sein.  Verfasser  empfiehlt  absolute  Bettruhe,  Salizyl- 
prĂ€parate,  Koffein,  Kodein  und  Hautreize  auf  die  Brust  fĂŒr  die 
Dauer  von  15 — 20  .Minuten  alle  1  Stunden. 

S  l  a  d  e  1  m  a  n  n  (F rankfurt  a.  M. ). 

Bulletin  of  the  Johns-  Hopkins  Hospital,  Baltimore. 

Dezember  1921,  32,  Nr.  370. 

"^Experimentelle  Impfling  mit  virulenten  IWphthei'ieliazillen.  fr  u  t  h  r  i  e  .  C  G.. 
Mar  sli  all,  fi.  C.  und  Hots,  W.  L.  369. 
HĂ€molytische  Influenzabazillen.    Bloom  ficld   A.  I..  378. 
❖  Experimentelle  Studien  Uber  Hydrozephalie.    Nanagas,  J.  (.'.  381. 
Sulphbaemoglobinaemie.    Masou,  V.  R  und  Oonroy,  F.  1).  391. 
Studien    ĂŒber    die    Muskulatur    der    reifen    Graafschen    Follikel.      G  u  1 1  - 
m  r  c  h  e  r  ,  M.  ,S.    und  Guttm  acher,  A.  F.  394. 

Experimentelle  Uebertragung  virulenter  Diphtheriebazillen 
auf  die  menschliche  Rachenscnleimhaut.  Durch  frĂŒhere  Arbeiten 
war  von  den  Verfassern  nachgewiesen  worden,  daß  es  gelingt, 
durch  Verreiben  einer  Aufschwemmung  von  fĂŒr  Meerschweinchen 
avirulenten  Diphtheriebazillen  auf  die  menschliche  Bachen- 
schleimhaut die  betreffenden  Personen  zu  BazillentrÀgern  zu 
machen;  von  diesen  Versuchspersonen  erkrankte  keine  an  kli- 
nischer Diphtherie,  noch  traten  Erkrankungen  bei  ihren  Haus 
genossen  auf.  Auf  Grund  dieser  Ergebnisse  schlössen  die  Verff., 
tiaß  die  im  Meerschweinchenversuch  nachgewiesene  Avirulcnz 
auch  fĂŒr  den  mens«  Wichen  Organismus  fehlende  Virulenz  be- 
deutet. In  Fortsetzung  dieser  Versuche  unterwarfen  die  Verff, 
S  sich  freiwillig  zur  VerfĂŒgung  stellende  Personen  (Mitglieder 
des  Instituts)  der  Uebertragung  virulenter  Bazillen  auf  die 
Rachenschleimhaut,  michdem  durch  wiederholte.  Untersuchungen 
festgestellt  war,  daß  die  beireffenden  Individuen,  die  bereits  fĂŒr 
die  frĂŒheren  Versuche  mit  avirulenten  Bazillen  verwendet  wor- 
den waren,  nicht  mehr  BazillentrÀger  waren.  Bei  den  Versuchs- 
personen wurde  zur  Feststellung  des  ImmunitÀtszustandes  die 
Schick'sche  Reaktion  angestellt,  zwei  Versuchspersonen  erhielten 
vor  .  der  kĂŒnstlichen  Infektion  je  1000  Einheiten  Diphtherieanti- 
toxin.  Es  wrurden  nun  infolge  einer  einmaligen  Uebertragung  7 
von  den  8  Personen  zu  BazillentrÀgern,  und  zwar  konnten  die 
Bazillen  in  einem  Falle  bis  zu  72  Tagen  nachgewiesen  werden: 
auch  nach  dieser  Zeit  zeigten  die  durch  Rachenabstrich  gewonne- 
nen Bazillen  keinerlei  VerÀnderungen  in  bezug  auf  FÀrbbarkeil, 
kulturelles  Verhalten  und  Virulenz  im  Tierversuch.  Aus  den 
Versuchen  geht  ferner  hervor,  daß  die  nach  Schick  feststellbar« 
natĂŒrliche  ImmunitĂ€t  gegen  Diphtherie  keinen  Schutz  gegen  die 
Ansiedlung  von  Diphtheriebazillen  im  Hachen  bietet.  Die  einzige 
Versuchsperson,  bei  der  es  nicht  zur  Bazillenansiedlung  kam, 
halle  eine  prophylaktische  Seruminjektipn  erhalten;  jedoch  lassen 
sich  auf  Grund  dieses  einen  Falles  keinerlei  SchlĂŒsse  auf  die 
Bazillenansiedlung  hintanhaltende  Wirkung  des  Serums  ziehen. 
Vier  Versuchspersonen  zeigten  nach  Schick  natĂŒrliche  ImmunitĂ€t; 
diese  blieben  nach  der  kĂŒnstlichen  Infektion  von  klinischer  Diph- 
therie verschont,  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigen  4,  die  eine  positive  Schick - 
sche  Reaktion  ergaben,  sÀmtlich  an  typischer  Diphtherie  er- 
krankten. Eben  so  wehig  wie  bei  der  frĂŒheren  Versuchsreihe  mit 
avirulenten  Bazillen,  kam  es  bei  diesen  Versuchen  zu  Erkrankun- 
gen an  Diphtherie  bei  den  Hausgenossen  der  Versuchspersonen. 


Auf  Grund  dieser  Tatsache  sind  die  Verfasser  der  Ansicht  daß 
BazillentrÀger  nur  in  einer  recht  geringen  Zahl  von  l  allen  die 
Ursache  von  Erkrankungen  an  Diphtherie  sind  im  ĂŒbrigen  be- 
rechtigen die  Versuche  zu  der  Annahme,  daß  die  VirulenzprĂŒfung 
im  MeerscKweinchenversuch  bindende  RĂŒckschlĂŒsse  au!  die  Viru 
lenz  fĂŒr  den  menschlichen  Organismus  gestattet. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  Hydrocephalus.  Durch 
Injektion  einer  Aufschwemmung  von  Kohlenruß  in  physiologi- 
scher Kochsalzlösung  in  die  Seitenventrikel  oder  in  den  Sub- 
arachnoidealraum  durch  das  ligamentum  atlanto-occipitale  rjach 
oiher  von  vyeed  angegebenen  Methode)  wurde  bei  jungen  Katzen 
(in  typischer  Hydrocephalus  internus  hervorgerufen.  Der  Druck 
des  Liquors  innerhalb  des  erweiterten  Seitenventrikels  wurde 
durch  Punktion  dieses  Hohlraumes  an  der  sutura  Ironto-parie- 
talis  bestimmt;  er  ĂŒbertraf  den  entsprechenden  Druck  bei  nor- 
malen Tieren  um  etwa  50  mm.  Nach  intravenöser  Injektion  einer 
stark  hypertonischen  Kochsalzlösung  erfolgt  nach  kurzer  an 
lÀnglicher  Drucksteigerung  eine  schnelle  Senkung  des  Liquor 
druckes,  wobei  es  sogar  zu  negativen  Werten  kommen  kann, 
dieser  Erscheinung  dĂŒrfte  eine  vermehrte  Resorption  von  Liquor 
zugrunde  liegen.  Umgekehrt  bewirkt  intravenöse  Injektion  hypo- 
tonischer FlĂŒssigkeit  (destilliertes  Wasser)  prompt  eine  be- 
trĂ€chtliche Drucksteigerung  als  Folge  vermehrter  FlĂŒssigkeil  s- 
ahscheidung  in  dem  erweiterten  Hohlraum.  Es  wurde  ferner  die 
Frage  studiert,  auf  welchem  Wege  die  Resorption  stattfindet:  zu 
diesem  Zwecke  wurde  nach  Ablassen  des  Liquors  Ferrocyankali 
und  Eisenammoniumzitrat  in  isoionischer  Lösung  in  den  Seiten- 
ventrikel injiziert,  einige  Stunden  spÀter  wurde  das  Tier  getötet, 
worauf  in  die  Aorta  eine  10  prozenlige  Formalinlösung  mit  Zu 
satz  von  1  Prozent  HCl  eingespritzt  wurde.  Auf  diese  Weise 
werden  die  Resorptionswege  des  Liquors  im  histologischen  Bilde 
an  den  NiederschlÀgen  von  Berlinerblau  kenntlich.  Es  zeigte 
sich,  daß  die  Resorption  durch  das  Ependym  hindurch  in  das 
darunter  liegende  Kapillarnetz  erfolgt,  wÀhrend  eine  Resorption 
durch  die  Plexus  chorioidoi  nicht  nachweisbar  ist.  FĂŒr  das 
normale  Tier  scheint  die  Resorption  aus  dem  Ventrikelsystem 
keine  nennenswerte  Rolle  zu  spielen.  Wolff  (Hamburg). 

The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston. 

1.  Dezember  1921,  185,  Nr.  22. 


W  h  i  t  e  ,  V.  n.. 


C.  J..  Davidoff 


De    Wirkung    des    Chinin-Sulfats    hei  Herzkrankheiten. 

M  o  r  v  i  n  ,  H.  M.  und  BarweĂŒ,  C.  S.  647. 
Selbstmord,  Ursachen.    Ring.  A.  II.  650. 
Steinbildung  in  der  Appendix.    P  a  c  k  a  r  d  ,  H.  656. 
ZellzÀhlung  in  der  .SpinalfliKsigkeit.    ('  a  m  p  Ii  e 

I,.  M.  und  ©rabfield;  c.  l\  657. 
Bronchialasthma.    Stau  a  f  i  e  t  d  ,  H.  659. 

Wiederkehrender  spontaner  Pneumothorax.    M  o  r  r  i  s  o  n  .  II  «59. 

8   Dezember  1921,  185,  Nr.  23 

Osteitis  Eibrosa.    1*  a  i  n  t  e  r  ,  0.  F.  677. 
♩MlĂŒftfrakturen.    Moore.  <i.  A.  683. 

Infektion  des  Latevalsinus.    Tobey     Ii.  L.  68K. 

Ifospitalisation  der  syphilitischen  Patienten.  G-'oodman,  II.  694. 

HĂŒtt-Frakturen.  Es  wird  von  den  meisten  Chirurgen  zuge- 
geben, daß  die  Frakturen,  die  den  Troch.  ma  betreffen,  unter  alten 
UmstÀnden  mit  knöcherner  Vereinigung  heilen;  es  hÀngt  damit 
zusammen,  daß  bei  diesem  Typ  die  Blutversorgung  des  proxi- 
malen Fragments  wenig  gestört  ist.  Bei  jugendlichen  Individuen 
heilen  auch  die  intracapsulĂ€ren  BrĂŒche  gut  aus;  schwierig  ge- 
staltet sich  dagegen  die  Behandlung  der  HĂŒftfrakturen  bei  Per- 
sonen in  vorgerĂŒckten  Lebensjahren. 

Nach  Einrichtung  des  Bruches  ist  die  Erhaltung  der  Stellung 
der  BruchslĂŒcke  dasjenige,  was  jegliche  Behandlungsweise  anzu- 
streben hat.  Unter  der  Voraussetzung,  daß  Immobilisierung  der 
Fragmente  nach  erfolgler  anatomischer  Beposilion  die  ideale 
Vorbedingung  fĂŒr  die  knöcherne  Vereinigung  bietet,  ist  jede  Be- 
handlung, die  diese  Anforderungen  nicht  erfĂŒllt,  abzutun.  Die 
bisher  geĂŒbten  Methoden,  die  das  Bein  in  eine  Ebene  mit  dem 
Becken  bringen,  zwingen  den  Pal.  in  eine  liegende  Stellung,  die 
bei  alten  Leuten  auf  die  Dauer  zu  unangenehmen  Komplikationen 
fĂŒhren  kann.  Verf.  hat  daher  den  Versuch  gemacht,  das  Bein 
in  sitzender  Stellung  im  Gipsverband  zu  fixieren.  Der  Ober- 
schenkel steht  im  rechten  Winkel  zum  Rumpf,  der  Unterschenkel 
im  rechten  Winkel  zum  Oberschenkel,  beide  Beine  werden  so  weit 
wie  m'öglich  abduziert;  in  dieser  Stellung  wird  ein  Gipsverband 
vom  Rippenrand  bis  zur  Wade  angelegt.  Auf  diese  Wreise  ist  es 
dem  Pat.  möglich,  seine  Rekonvaleszenz  im  Rollstuhl  zu  ver- 
bringen, was  bei  Pat.  jenseits  der  sechzig  ungemein  wichtig  ist 


138 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


und  die  Sterblichkeit  herabsetzt.  Nachdem  sich  öfters  Oedeme  an 
Fuß  und  Unterschenkel  zeigten,  ist  Verf.  dazu  ĂŒbergegangen,  den 
Gipsverband  auf  das  gesunde  Bein  auszudehnen.  Gelenkverstei- 
fung und  Kontrakturen  sah  Verf.  unter  42  so  behandelten  FĂ€llen 
nur  einmal.  K.  Held  (Berlin). 

1.").  Dezember  1921,  185,  Nr.  24. 

Chirurgische   Behandlung   des   chronischen  Magenulkus.     Cheever,  D 

707. 

Gastro- je/un&I-Ulcus.    Lampson,  E.  K.  112. 
■^HĂ€morrhagische  Osteomyelitis.    Arnold,  E.  H.  717. 

Haemorrhagisehe  Osteomyelitis.  Die  Erkrankung  ist  nicht 
besonders  hĂ€ufig,  was  aber  vielleicht  damit  zusammenhĂ€ngt,  daß 
sie  subjektiv  symptomlos  verlÀuft  und  daher  undiagnostiziert 
bleibt.  Die  Bevorzugung  des  spongiösen  Knochens  erklÀrt  ihr 
\  orkommen  in  der  Kindheit  und  jugendlichem  Alter;  ihr  Ur 
sprung  ist  traumatisch.  Diese  Tatsachen  sowie  das  Fehlen  eines 
ausgesprochenen  Schmerzes,  einer  BewegungsbeschrÀnkung  oder 
eines  Muskelspasmus,  die  lange  Dauer  ohne  Verschlimmerungen 
oder  Metastasen  fĂŒhren  zur  Diagnosenstellung.  Der  Röntgen- 
befund ist  charakteristisch  genug,  um  die  tastende  klinische 
Diagnose  zu  stĂŒtzen.  Verf.  gibt  ausfĂŒhrlich  den  pathologisch 
anatomischen  Befund  und  grenzt  das  Krankheitsbild  differenlial- 
diagnoslisch  gegen  Sarkom  und  Knochentuberkulose  ab.  Die 
Behandlung  besteht  in  einer  grĂŒndlichen  Ausschabung  der  Höhle 
nach  Eröffnung  derselben  durch  die  Corticalis  hindurch.  Naht 
des  Periosts  und  der  Haut,  fixierender  Verbard  bis  das  Röntgen- 
bild eine  völlige  Consolidierung  aufweist.  Die  Prognose  ist 
durchweg  gĂŒnstig.  Mitteilung  einschlĂ€giger  FĂ€lle  unter  Bei- 
gabe der  jeweiligen  Röntgenbefunde.  K.  Held  (Berlin1. 

Archives  of  Pediatrics,  New  York-London. 

November  4921,  38,  Nr.  11. 

‹«♊Pneumokokken-Peritonitis.     II  e  i  m  a  n  n  .  11.  G77. 
Jaksche  AuÀmie.    H  0  r  w  i  t  t  ,  S.  G85. 
SÀuglingsspitÀler.    S  h  a  w  ,  H.  L.  K.  697. 
Unterricht  in  der  PĂ€diatrie.    Abt.  J.  A.  7iu. 

Unterricht  in  der  Deutung  von  Laboratoriumsproben.  L  e  v  i  n  s  0  n  ,  A.  724. 
Die  Kinderklinik  der  Zukunft.     W  i  1  e  .  J.  S.  727. 

Paroxysmale  Leibschmerzen  und  Anorexie.    Kerl  e  y  .  C.  G.  und  Lorenz, 
E.  J.  734. 

Fricdreichsche  Ataxie.    Graves,  (i.  W.  737. 
Lipodystrophie.    1  r  0  ing,  <i.  K.  743. 

Pneumokokkenperitonitis  im  SĂ€uglings-  und  Kleinkindesalter. 
In  den  letzten  5  Jahren  sah  Verfasser  unter  125  FĂ€llen  von  allge- 
meiner Peritonitis  15,  in  denen  der  Pneumokokkus  nachgewiesen 
werden  konnte.  7  Patienten  waren  jĂŒnger  als  5  Jahre,  7  standen 
im  Alter  von  5—10  Jahren,  einer  war  14  Jahre  alt.  Das  weib- 
liche Geschlecht  ĂŒberwog  mit  13  FĂ€llen  das  mĂ€nnliche,  eine  Be- 
obachtung, die  auch  von  anderen  Autoren  gemacht  wurde.  Ueber 
den  Infektionsmodus  besteht  noch  keine  völlige  Klarheit.  Man 
kann  wohl  sicher  annehmen,  daß  die  sekundĂ€ren,  im  Anschluß  an 
Pneumokokkeninfektionen  anderer  Organe  auftretenden  Peritoni- 
Siden,  hÀmatogen  entstehen.  Das  pathologisch-anatomische  Bild 
ist  durch  fibrinöse  Auflagerungen  des  Peritoneums  und  der  Darm- 
schleimhaut charakterisiert.  Der  Eiter  ist  gelb-grĂŒnlich,  geruch- 
los und  enthÀlt  Fibrinflocken.  Einzelne  FÀlle  neigen  zur  Bildung 
von  abgekapselten  Abszessen.  Verfasser  legte  in  8  FĂ€llen  Blut- 
kunuren  an  und  konnte  5  mal  Pneumokokken  zĂŒchten.  Das  Blut- 
bild war  uncharakteristisch.  4  mal  bestand  keine  Leukozytose, 
die  anderen  FĂ€lle  zeigten  teilweise  erhebliche  Vermehrung  der 
weißen  Blutkörperchen.  Die  klinische  Diagnose  ist  nicht  immer 
ganz  einfach.  In  4  FĂ€llen  punktierte  Verfasser  mit  gutem  Er- 
folg. Die  Sterblichkeitsquote  ist  eine  recht  große,  im  vorliegen- 
den Material  betrug  sie  8ö  Prozent.  Von  der  therapeutischen  An- 
wendung des  Antipneumokokkenserums  sah  Verfasser  nichts,  er 
rÀt,  abzuwarten,  ob  sich  Abkapselungen  bilden  und  dann  operativ 
vorzugehen.  KĂ€ckell  (Hamburg). 

Endocrinology,  Los  Angeles. 

November  1921,  5,  Nr.  6. 

♊«■♊Klinische  Untersuchung  ĂŒber  einen  Fall  von  Basedowscher  Krankheit  mit 
schneller   Besserung   nach    oraler    Verabreichung   von   frischen  Neben- 
nierenrindf n  von  Rindern.     Shapiro,  S.  und  Marine.  D.  699. 
tftTestesĂŒberpflanzungen.     8  t  a  n  1  e  y  ,  L.  L.  708. 
Die   Wichtigkeit  einer   plastischen  Darstellung  einwandfreier  wissenschaft- 
licher   Daten    und    ihre   Anwendung    auf    die    KĂŒrperzellen    uud  deren 
chemischen  Aufbau  aus  dem  strömenden  Blute.    Luden,  G.  715. 
Einige  neue  Reflexe  nach  der  Heizung  der  Lebernerven.    C  a  n  n  0  n  ,  SV.  B, 
U  r  i  d  i  1  ,  J.  E.,  und  Griftith,  F.  E.  72». 


❖Die  neueren  Ausehauuugeu  ĂŒber  die  Morphologie  der  Thymus  uud  ihr  Ein- 
fluß auf  das  Problem  der  Thymusfunktion.    H  a  m  ni  a  r  .  J.  A.  731. 
Experimenteller  Diabetes  insipidus  und  Genitahitrophie.    B  a  ily     P  uud 
Bremer,  F.  761. 

Exstirpatiou  und  Transplantation  von  ThymusdrĂŒsen  bei  Larven  von  raua 

sylvatica.    H  0  s  k  i  n  s  ,  M.  M.  763. 
Organotherapie  in  FĂ€llen  von  niedrigem  Blutdruck.    II  0  x  i  e  .  G.  H.  773. 

Klinische  Untersuchung  eines  Falles  von  Basedowscher 
Krankheit.  Der  untersuchte  Fall  weicht  von  dem  klassischen 
Krankheitsbilde  durch  periodisch  auftretende  Temperaturer- 
höhungen, einen  sehr  niedrigen  Blutdruck,  HauthÀmorrhagien 
(.Purpura)  mit  verlÀngerter  Blutgerinnungszeit,  Zahnileisch- 
Ulutungen  und  unregelmĂ€ĂŸigen  Menses  ab.  —  Die  krankhaften  Er- 
scheinungen gingen  nach  Verabreichung  von  tÀglich  5  g  frischer 
X;  bennierenrinde  (nicht  so  schnell  nach  getrockneten  PrÀparaten) 
zurĂŒck;  große  Dosen  riefen  Uebelkeit  und  Erbrechen  hervor. 
Aus  der  therapeutischen  Wirkung  schließt  Verf.,  daß  die  Neben- 
nierenrinde in  der  Aetiologie  der  Basedowschen  Krankheit  neben 
der  SchilddrĂŒse  eine  wichtige  Rolle  spielt. 

Testes-Ueberpflanzungen.  Seit  1918  hat  Verf.  21  Implan- 
tationen von  testes  frisch  hingerichteter  Gefangener  an  senile  Pa- 
tienten ausgefĂŒhrt.  Ueberpflanzungen  tierischer  Hoden  miß- 
langen zuerst,  da  zu  große  StĂŒcke  genommen  wurden.  SpĂ€ter 
gelang  es  etwa  dollargroße  TestesslĂŒcke  von  Schafwiddern  bei 
Menschen  auf  dem  rectus  abdominis  zum  Anheilen  zu  bringen. 
Zur  Vereinfachung  der  Operation  ging  Verf.  schließlich  dazu 
aber,  frische  Hodensubstanz  von  jungen  Widdern  und  Ebern  mit 
einer  Paraffinspritze  in  Mengen  von  4  cem  zu  injizieren,  die  von 
der  Einstichstelle  aus  auf  vier  verschiedene  Stellen  verteilt 
wurden.  Voraussetzung  fĂŒr  ein  Gelingen  ist  strengste  Asepsis; 
will  man  die  Hoden  lÀngere  Zeit  aufbewahren,  so  werden  sie  in 
liussig  gemachter  Vaseline  versenkt  und  in  den  Eisschrank  ge- 
stellt. —  Aehnlich  wie  Brown-SequĂ€rd  berichteten  auch  die 
behandelten  Patienten  (die  verschiedensten  Krankheiten,  außer 
Neurasthenie,  Asthma,  Epilepsie,  Dementia  praecox  auch  die  ver- 
schiedenen Formen  der  Impotenz)  allgemein  ĂŒber  ein  gesteigertes 
körperliches  Wohlbehagen,  Zunahme  des  Appetits,  der  Körper- 
krÀfte und  der  sexuellen  LeistungsfÀhigkeit.  Versuche  an  Tieren 
sollen  diese  subjektiven  Angaben  durch  das  Experiment  nach- 
prĂŒfen. 

Die  neueren  Anschauungen  ĂŒber  die  Morphologie  der  Thymus 
und  ihr  Einfluß  auf  das  Problem  der  Thymusfunktion.  „Thymus- 

Asthma"  und  „mors  thymica"  mĂŒssen  streng  auseinander  ge- 
halten werden.  Das  erstere  entsteht  durch  den  Druck  des  krani- 
alen Abschnittes  der  vergrĂ¶ĂŸerten  Thymus  auf  die  Luftröhre  und 
Ă€ußert  sich  in  AnfĂ€llen  von  inspiratorischer  Dyspnoe,  Stridor. 
Im  Gegensatz  zu  diesem  Erstickungstode  erfolgt  der  von  Pott 
w  iederholt  beschriebene  plötzlich  Exitus  durch  einen  Herzstill- 
sland. Histologisch  fand  Verf.  hierbei  in  vielen  FĂ€llen  eine  Ver- 
minderung der  Hassalschen  Körperchen.  Er  nimmt  an,  daß 
diese  epithelialen  Gebilde  unter  dem  „forma tiveh"  Einfluß  der 
Lymphozyten  auf  das  Markretikulum  entstehen.  Eine  innere 
Sekretion  der  Thymus  lehnt  Verf.  ab;  ihre  Aufgabe  sieht  er  in 
einer  entgiftenden  TĂ€tigkeit  fĂŒr  bestimmte  Stoffwechselprodukte. 

A.  Weil  (Berlin). 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

Juli  1921.  6,  Nr.  1. 

❖Plattencpithelcarciuom  der  Blase.     Eine  Studie   ĂŒber  heterotope  Epidermi- 
sation  mit  Bericht  ĂŒber  die  Literatur  uud  einige  eigenen  Falle.    II  i  n  - 
m  a  u  .  Frank  und  G  i  b  s  0  n  .  Thomas  E. 
Geber  den  Wert  einer  guten  Vorbereitung  bei   Nieren-Operationen.  Bug- 
b  e  e,  H.  G. 

Blasen-Scheidcm-  und  Blasen-Uterus-Fisteln.     Hackende  .  David  W. 
♩HCin    Vorschlag   bei   der   Nachbehandlung    von    operierten  Blasen-Scheideu- 

Fisteln.    C  h  u  t  e  ,  A.  L. 
A an  de  rang    im    Blutbild    bei    experimenteller    Nephritis.  UnderhiH, 

Frank  und  G  r  e  c  n  h  0  u  s  e  ,  Barnett. 
Fortschritt  in  der  Silber-Therapie.     C  o  b  b  ,  Ralph  B. 

Plattenepithelkarzinom  der  Blase.  Bericht  ĂŒber  3  von  H. 
und  G.  operierte  FĂ€lle  von  -Plattenephitelkarzinom-Neubildungen, 
die  ziemlich  selten  sind.  Die  Aetiologie  dieser  Neoplasmen  ist 
noch  ziemlich  ungeklĂ€rt,  wahrscheinlich  ĂŒberhaupt  nicht  einheit- 
lich; auf  jeden  Fall  entstehen  sie  nicht  immer  in  Folge  einer 
Leukoplakie.  —  WĂ€hrend  die  Ca. -Diagnose  mit  Hilfe  des  Cysto - 
skopes  leicht  gestellt  werden  kann,  ist  die  der  speziellen  Tumor- 
art nicht  immer  mit  Sicherheit  zu  stellen.  Die  Plattenepithel 
karzinome  sind  infolge  ihres  rasch  infiltrierenden  Wachstums 
eine  ganz  besonders  bösartige  Ca.-art.  Auch  Metastasen  sind 
nicht  selten,  doch  wurden  sie  bisher  meist  erst  bei  der  Sektion 


<JU.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


gefunden.  In  den  :<8  bisher  beschriebenen  FÀllen  waren  2!»  mal 
MĂ€nner  und  Sinai  Frauen  ergriffen,  das  Alter  der  Patienten 
war  gewöhnlich  zwischen  10  50  Jahren.  FĂŒr  die  Krankheit 
charakteristische  Beschwerden  bestehen  nicht,  am  ehesten  sind 
es  Blutungen,  die  den  Verdacht  einer  bösartigen  Neubildung  her- 
vorrufen. Die  Therapie  ist  in  der  Hauptsache  palliativ,  da  die 
operativen  Resultate  bisher  wenig  ermutigend  sind. 

Ein  Vorschlag  bei  der  Nachbehandlung  von  operierten 
Blasenscheidenfisteln.  Ch.  empfiehlt,  die  an  Blasenscheideri 
fisteln  operierten  Patientinnen  auf  den  Hauch  zu  lagern  und  ihnen 
einen  Dauerkatheter  gleich  nach  der  Operation  einzufĂŒhren. 
Dadurch,  daß  auf  diese  Weise  der  Urin  von  der  Naht  lern  ge- 
halten wird,  ist  stets  prima  intentio  ohne  jedes  Rezidiv  erreicht 
worden.  B  a  b  (Berlin  . 

The  Canadian  Medical  Association  Journal,  Montreal. 

September  1921,  li,  Nr.  9. 
♩  Disposition;    ein    vernachlĂ€ssigter    Faktor    bei    chirurgischen  Infektionen. 

('  il  1)  O  t  .  H.  610. 

Mangel  der  SchwangerenfĂŒrsorge  und  Bevölkerungsabnahme.    Hill.  II.  W. 
615. 

Prognose  und   Differentialdiagnose    bei    Krankheiten   des  Verdauungstr.tkts. 
liewis,  J.  W.  019. 

Rationelle  Empirie.    Rudolf.  K.  1).  622. 

LobÀre  Pneumonie  in  Frankreich.    Malloch',  A.  025. 

s.irkomatöser  abdominaler  Testiket  bei  Hermaphrodismus.    11  ;i  I  p  e  ti  n  v  J. 
032. 

Moderne  Medizin  in  ihrem  VerhÀltnis  zum  praktischen  Arzte.  Billings, 
F.  634. 

( !i  undstoffwechsel  als  Hilfe  in  der  chirurgischen  Behandlung  des  Kropfes  mit 

Hyperthyroidismus.    Ellerts,  E.  M.  641. 
Betrieb  eines  Hospitals  fĂŒr  Infektionskrankheiten.  Rieh  a  r  d  s  o  n  .  I).  L.  652. 

Feststellung  von  Lamblia  (Giardia)  Intestinalis  vermittels  des  Duodenalkibus. 
B  o  y  d  .  W.  658. 

W  esen  der  X-Strahlen  und  ihre  Anwendung,     (i  i  1  e  h  r  i  s  t.  1..  660. 

♩Syphilis  des  Xervensystems.    M  a  i  t  1  ;i  n  d  ,  11.  B.  601. 

♩Klinik  der  subakuten  bakteriellen  Endokarditis.  Murray,    L.  W.  und 
Lougheed,  G.  W.  666. 

Behandlung  des  Anns-  und  Rektumkarzinoms.    Mo  orb  e  ad,  A.  S,  673. 

Chronische  Sehmerzen  in  der  rechten  Fossa  iliaca.  Graham.  R.  K.  676. 

Behandlung  von  Psychoneurosen.    B  o  y  e  r  ,  G.  F.  678. 

Die  Lehre  von  der  Vorbereitung  des  Bodens;  ein  vernach- 
lÀssigter Faktor  bei  chirurgischen  Infektionen.  Auf  der  Suche  nach 
den  Ursachen  der  Wundinfektionen  hat  man  bisher  den  Bakterien 
selbst  eine  zu  große  Bedeutung  beigemessen,  andererseits  die 
mannigfaltigen  Bedingungen,  die  begĂŒnstigend  auf  das  "Wachstum 
der  Bakterien  einwirken,  zu  wenig  beachtet.  Verf.  faßt  diese  Be- 
dingungen unter  der  Bezeichnung  „Vorbereitung  des  Bodens"  zu- 
sammen und  teilt  sie  ein  in  allgemeine  und  lokale.  Zu  den  ersten 
rechnet  er  Furcht,  Hunger,  \Vasserverarmung,  unzweckmĂ€ĂŸige 
oder  zu  lang  ausgedehnte  Narkose  und  die  LĂ€nge  der  Operation 
selbst,  zu  den  lelzleren  die  ĂŒbertriebene  Vorbereitung  der  Haut, 
rohe  Behandlung  der  Gewebe,  mangelhafte  Blutstillung  und 
Massenligatur,  die  zu  Blutgerinnseln  und  Nekrose  fĂŒhren  und  so 
einen  gĂŒnstigen  NĂ€hrboden  fĂŒr  da.s  Baklerienwachstum  schaffen. 

UnverdÀchtige  Syphilis  des  Nervensystems  und  ihre  Labora- 
toriumsdiagnose.  Durch  die  Untersuchungen  zahlreicher  Autoren 
ist  festgestellt,  daß  in  allen  Stadien  der  Syphilis  die  Cerebrospinal- 
l'lĂŒssigkeit  bereits  krankhaft  verĂ€ndert  sein  kann,  ohne  daß 
klinische  Zeichen  einer  Nervenerkrankung  bestehen.  Unter  Ab- 
lebnung  der  bisher  ĂŒblichen  Einteilung  der  Syphilis  in  3  Stadien, 
ein  primÀres,  sekundÀres  und  tertiÀres,  teilt  Verf.  seine  FÀlle  in 
4  Gruppen  ein,  a)  solche  mit  PrimÀraffekt  und  neg.  Wa.R., 
b)  solche  mit  PrimÀraffekt  oder  entsprechender  Anamnese,  pos. 
Wa.  R.  und  DrĂŒsenschwellung  ohne  sonstige  Zeichen  einer  All 
gemeininfektion  bis  einschließlich  18  Monate  nach  erfolgter  In- 
fektion, c)  solche  mit  Allgemeinerscheinungen  und  pos.  Wa.  R.  bis 
einschließlich  18  Monate  nach  erfolgter  Infektion,  d)  solche  mil 
oder  ohne  Symptome  jenseits  18  Monate  nach  der  Infektion. 
Gruppe  a  und  b  umfassen  alle  FĂ€lle  der  „primĂ€ren"  Syphilis, 
Gruppe  c  akute  oder  Irische  Falle  „sekundĂ€rer"  Syphilis,  Gruppe  d 
spÀtsekundÀre,  tertiÀre  und  besonders  latente  Infektionen.  Bei 
1314  wahllos  untersuchten  FĂ€llen  konnte  mehrmals  eine  einwand- 
freie Zellvermehrung  im  Liquor  festgestellt  werden  zu  einer  Zeil, 
in  der  die  Wa.  R.  noch  neg.  war.  Die  latenten  FĂ€lle  der  Gruppe  d 
Zeigten  hÀufiger  eine  Vermehrung  der  Zellzahl  als  die  mit  aktiven 
VerĂ€nderungen.  In  FrĂŒhfĂ€llen  von  Syphilis  war  eine  pos.  Wa.R. 
im  Liquor  immer'  mil  einer  pos.  Wa.  K.  im  Hinte  verbunden.  Zu- 
verlĂ€ssiger als  die  Wa.R.  lĂ€ĂŸt  die  Zellvermehrung  im  Liquor  eine 
stattgehabte  Infektion  erkennen. 

Das  klinische  Bild  der  subakuten  bakteriellen  Endokarditis. 
Dem  eigentlichen  Auftreten  der  subakuten  Endokarditis  geht  ein 


mehr  oder  weniger  langes  Stadium  einer  BakteriÀmie  mit  unbe- 
stimmten Beschwerden,  wie  allgemeine  SchwÀche,  Gelenkschnn  l 
zen,  Dyspnoe  usw.    voraus.     Die   objektiven    Feststellungen  in 
diesem  Stadium  sind  gering.  Der  weitere  Verlauf  der  Erkrankung 

isl  gekennzeichnet  durch  das  Hallen  der  im  Blute  kreisenden  Bai: 
terien  an  den  Heizklappen;  begĂŒnstigt  wird  dieser  Vorgang,  wenn 

die  Klappen  durch  eine  vorausgegangene  rheumatische  ddei 
syphilitische  EntzĂŒndung  verdickt  sind  und  so  dem  Eindringen  der 
Frreger  nur  geringen  \\  idersland  enlgegenslellen  können.  Mit  der 
Vermehrung  der  Bakterien  kommt  es  zu  ausgedehnten  Wuche- 
rungen an  den  Klappen,  die  zum  Auftreten  von  Schwirren  und  Ge- 
rÀuschen Veranlassung  geben.  Der  Temperaturverlauf  ist  sehr 
wechselnd  bei  den  verschiedenen  FĂ€llen.  Das  Fieber  kann  gering 
sein  und  nur  gelegentlich  einer  Frnbolie  in  die  Erscheinung  treten, 
oder  es  kann  sich  unbeeinflußbar  durch  irgendeine  Medizin 
Wochen-  und  monatelang  in  betrÀchtlicher  Höhe  halten.  Wichtige 
Symptome  sind  BlĂ€sse,  bei  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  hoher  Er\ Ihrozylcn- 
zahl,  TrommelschlĂ€gerfinger,  Petechien  als  Ă€ußeres  Zeichen  em- 
bolischer Vorgange  und  Oslersche  Knoten.  Blutkulturen  sind 
hÀufig  zu  wiederholen,  da  sie  hÀufig  erst  nach  lÀngerer  Zeit  pos. 
Resultate  geben.  Therapeutisch  wurden  Transfusionen  angewandt 
mit  Normalserum  und  mit  Blutserum,  das  spez.  Antikörper  ent- 
hielt, ferner  Vakzine,  Silber-  und  Quecksilbersalze  ohne  jeden  Er- 
folg. Stadel  m  a  n  n.  Frankfurt  a.  M. 

Oktober  1921,  XI.  Nr.  10. 

‱^Therapie  der  Pneumonie,  SePumhehandlunK.    Howard.  ‱'.  p.  709. 

Aetiologie  der  Xiereninfektionen.     Mac  K  e  n  z  i  e  ,  1).  W.  711. 

Spinale    DeformitÀt    als    Ursache    'foia    Herzhyp"ertrophie    und  -Dilatation. 
F  i  n  1  e  y  .  F.  G.  719. 

Ganglion  der  Kandgelenksregion.    (Stall  o  w  a  y  .  II.  I'.  It.  723. 

\moniakalisehe  Windeln.     Hart.  A.  P  72fi. 

Tuberkulöse  Peritonitis.    Wils  o  n  ,  Gr.  V..  734. 
♩frDarmtuherktilose  heim  Kind.     Pitts,  II.  II.  7411. 

Thyroiditis.      X  i  e.  h  o  l  s  o  n  .  D.  742. 

^Bluttransfusionen  bei  schweren  Verbrennungen  im  Kindesalter.  Robert- 
son, B.  744. 
BĂŒrUmusfusiorr.    T  h  o  m  p  s  o  n  .  .1.  M.  750. 

l'ngöabute  Syphilis  des  Nervensystems;  Diagnose  im  Laboratorium.    M  a  i  t  - 

1  a  n  d  ,  H.  B.  752. 
DigitalisprÀparatc.     Lewis,   I).  S.  und  ,M  offatt.  ('.  F.  755. 
Die  Forschung  und  ihr  Einfluß  auf  die  medizinische  Pr.-tvi*.    White,  W.  C. 
.  758. 

Enzephalitis  leWiargiea.    Robertson.  A.  A.  7(i2. 

Behandlung  der  Pneumonie  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung 
der  Anwendung  von  Serum.  Dochez  und  Gillespie  erkann- 
ten, daß  Pneumokokken  sich  in  biologischer  Beziehung  nicht 
gleichmĂ€ĂŸig  verhallen;  sie  stellten  wenigstens  drei  verschiedene 
Gruppen  fest,  von  denen  jede  ihre  speziellen  Agglutinine  und  PrÀ- 
zipitine hat.  Cole  ist  es  gelungen,  fĂŒr  die  erste  dieser  Gruppen 
ein  hochwertiges  Serum  herzustellen,  mit  dem  er,  wenn  seine  An- 
wendung beschrÀnkt  wurde  auf  FÀlle  dieser  Gruppe,  eine  Ab- 
kĂŒrzung der  Krankheitsdauer  und  Herabsetzung  der  MortalitĂ€t 
von  durchschnittlich  25-  30  Prozent  auf  7  -10  Prozent  erzielen 
konnte.  Nach  Cole  werden  100  cem  hochwertiges  Serum  mit 
t(i(i  150  cem  Normalsalzlösung  verdĂŒnnt,  innerhalb  von  20 — 'M) 
Minuten  alle  8  Stunden  infundiert,  bis  die  Temperatur  normal 
bleibt.  3  Dosen  sollen  meist  ausreichend  sein.  Verfasser  und 
zahlreiche  andere  Untersucher  haben  die  Methode  nachgeprĂŒft 
und  sich  von  der  Wirksamkeil  des  Serums  bei  Infektionen  der 
Gruppe  1  ĂŒberzeugt.  FĂŒr  FĂ€lle  aus  den  anderen  Gruppen  emp- 
fiehlt Stengel  die  Anwendung  von  30 — 70  cem  Rekonvaleszen- 
tenserum. Als  Prophylaktikum  wird  Pneumokokkenvakzine 
em  pfohlen. 

Intestinale  Tuberkuloseinfektion  bei  Kindern.     2  FĂ€lle  von 
generalisierter  Tuberkulose   (Miliartuberkulose  und   tbc.  Menin- 
gitis) bei  2  Kindern  im  Alter  von  11  bzw.  2  Jahren  mit  einwand 
freiem  Nachweis  des  primÀren   Infektionsherdes  im  Darm,  und 
zwar  im  unteren  Abschnitt  des  Jejunums. 

Bluttransfusion  bei  schweren  Verbrennungen  von  SĂ€uglingen 
und  hingen  Kindern;  vorlÀufiger  Beriebt  der  Behandlung  des  toxi- 
schen Shoeks  mittels  Bluttransfusion  mit  oder  ohne  voraus- 
gegangenen Aderlaß.  Die  Hauptprobleme  bei  schweren  Verbren- 
nungen bilden  a)  der  primÀre  Shock  und  b)  der  toxische  Shock. 
HÀufiger  als  infolge  des  primÀren  tritt  der  Tod  infolge  des  se- 
kundÀren, toxischen  Shocks  ein.  Charakteristische  VerÀnderun- 
gen an  den  Nebennieren,  dem  lymphatischen  Gewebe  und  am 
Herzmuskel  lassen  auf  ein  im-  Blute  kreisendes  mehr  oder  we- 
niger spezifisches  Gift  schließen,  dessen  frĂŒhzeitige  Neulralisie- 
rung  und  Eliminierung  eine  Hauptaufgabe  der  Behandlung  sein 
muß.    Subkutane  und  intravenöse  Infusionen  von  Salz-  und  Trau- 


140 


()  r  t  h  o  j)  À  d  i  e 


Augenheilkunde 


40.  Jahrg. —  Nr. 


benzuckerlösungen  haben  bisher  in  dieser  Hinsicht  versagt.  Ver- 
fasser empfiehlt  nach  vorausgegangenem  Aderlaß  intravenöse 
Bluttransfusionen,  die  eventl.  mehrmals  wiederholt  werden 
mĂŒssen.  Je  nach  dem  Alter  der  Kinder  w  urden  100—300  ccm  Blut 
aus  dem  Sinus  longitudinalis.  der  Jugular-  oder  Femoralvene 
oder  der  Radialarterie  entnommen  und  durch  eine  etwa  gleiche 
Menge  normalen  Zitratblules  ersetzt.  Bei  Konvulsionen  erhielten 
die  Kinder  20  ccm  einer  5 — 8  %  Mg  So«  Lösung  subkutan.  Von 
sieben  so  behandelten  FĂ€llen  wurden  fĂŒnf  trotz  schwerster  Er- 
scheinungen geheilt,  zwei  starben  an  Pneumonie. 

Stadelmann  (Frankfurt  a.  M.). 


Aus  den  verschiedenen  Sondergebieten. 

OrthopÀdie- 

Gaudier  et  Swinghedauw:  Traitement  sanglant  de  la  gibbosite 
« ostale  eomme  adjuvant  du  traitement  orthopedique.  Revue 
d'orthopedie  28,  265,  1921. 
Trotz  der  Ausgestaltung  '  der  orthopÀdischen  Skoliosen- 
therapie  bleibt  eine  lange  Reihe  von  FĂ€llen  unbeeinflußbar.  Vor 
allem  sind  es  die  großen  und  scharfkantigen  Rippenbuckel,  die 
der  Behandlung  Widerstand  entgegensetzen,  die  auch  die  direkte 
Beeinflussung  der  Wirbelkörperreihe  verhindern,  und  die  zu- 
guterletzt  die  VerkrĂŒppelung  besonders  hĂ€ĂŸlich  erscheinen 
lassen.  In  Deutschland  haben  Volkraa  nn  (1889)  und  Hoffa 
(1896)  den  Rippenbuckel  operativ  zu  beseitigen  versucht,  indem 
sie  die  am  stÀrksten  vorspringenden  konvexseitigen  Rippen  rese- 
zierten. Die  beiden  Verfasser  haben  —  in  Frankreich  zum  ersten 
Male  —  dieses  Verfahren  zweimal  bei  jungen  MĂ€dchen  ange- 
wandt und  sind  mit  dem  Erfolge  sehr  zufrieden.  Vom  großen 
U-Schnitt  aus,  der  gestattet,  die  Haut  ĂŒber  der  GibbositĂ€t  lappen- 
förmig  hochzuschlagen,  haben  sie  auf  8—12  cm  lange  Strecken 
5_6  Rippen  subperiostal  reseziert,  die  Wunde  tamponiert  und 
vernÀht.  Eine  kurze  Zeit  nach  der  Operation  eingeleitete'Nach- 
behandlung  hat  das  Ergebnis  durch  Massage  und  Gymnastik,  vor 
allem  durch  Extension  zu  befestigen.  Beim  zweiten  Falle  folgten 
sie  dem  Vorschlage  Volkmanns,  der  spÀter  von  A  b  b  o  t  h 
bekanntlich  praktisch  verwertet  wurde,  die  WirbelsÀule  in  starker 
Vorbeugehaltung  einzugipsen,  um  auf  diese  Weise  die  Detorsion 
besser  in  die  Wege  zu  leiten.  —  Die  blutige  Behandlung  soll  nur 
den  schwersten,  hartnÀckigen  FÀllen  vorbehalten  sein.  (Die 
Operation  wurde  bei  uns  als  unzweckmĂ€ĂŸig  verlassen,  da  ihre 
Dauererfolge  den  Erwartungen  nicht  entsprachen.  D.) 

Debrunner  (Berlin). 

Waton    et    Aimes:   23    FĂ€lle   von    Osteomyelitis  der 
Kiefer  beim  Kinde.    Revue  d'orthopedie  '28,  283,  1921 . 

Die  Osteomyelitis  der  Kiefer  nimmt  ihren  Ursprung  immer 
in  Erkrankungen  im  Bereich  der  ZĂ€hne.  Das  Alter  der  erkrank- 
ten Kinder  schwankte  zwischen  2  und  13  Jahren.  Meist  beginnt 
das  Leiden  mit  Zahnschmerzen,  hÀufig  finden  sich  auch  von  An- 
fang an  Schmerzen  im  Knochen.  Es  gesellt  sich  eine  EntzĂŒndung 
der  Zahnalveolen  dazu,  der  fast  sofort  die  Abszeßbildung  auf 
dem  Fuße  folgt.  Sehr  bald  bricht  der  Eiter  nach  innen  oder  — 
in  selteneren  FĂ€llen  —  nach  außen  durch.  Die  entstehende  Fistel 
hat  wenig  Neigung,  sich  zu  schließen.  Dreimal,  und  zwar  bei 
ganz  kleinen  Kindern,  war  der  Oberkiefer  befallen,  alle  anderen 
Erkrankungen  bezogen  sich  auf  den  Unterkiefer;  hier  war  es 
wiederum  der  untere  Ast,  der  bevorzugt  war.  Die  regionÀren 
DrĂŒsen  sind  auffallend  selten  in  Mitleidenschaft  gezogen.  11  mal 
fanden  sich  intrabukkale  Fisteln,  in  denen  man  hÀufig  den 
schwÀrzlich  verfÀrbten  Knochensequester  erkennen  konnte.  Die 
zahlreichen  extrabukkalen  Fisteln  geben  wegen  ihres  Sitzes  oft  . 
genug  Anlaß  zu  diagnostischen  IrrtĂŒmern,  da  die  subkutanen 
GĂ€nge  oft  erst  im  Brustgebiet  oder  in  der  Umgebung  des  Auges 
mĂŒnden.  „Die  Kieferknochenvereiterung  bedarf  einer  vollstĂ€ndi- 
gen AusrÀumung  mit  Sequesterextraktion."  16  mal  wurde  die 
Operation  durchgefĂŒhrt;  einmal  wurde  die  Oberkieferhöhle  durch 
die  NasengĂ€nge  drainiert.  20  Kranke  verließen  die  Klinik  ohne 
Fistel  vollkommen  geheilt;  die  Heilung  beanspruchte  wenige 
Tage  bis  4  Monate.  —  Die  Verfasser  glauben,  da  sich  die  Osteo- 
myelitis am  hÀufigsten  aus  einer  Alveolarpyorrhoe  der  PrÀmo- 
laren des  ersten  Gebisses  entwickelt,  daß  sie  nur  dann  entsteht, 
wenn  die  Streptokokken  in  geschlossener  Höhle  die  Möglichkeit 
einer  Virulenzsteigerung  haben;  diese  Höhle  ist  im  SÀckchen  des 
durchbrechenden  achten  Pramolaren  zu  finden.  Die  Prognose  ist 
nur  beim  SĂ€ugling  ungĂŒnstig  und  hĂ€ngt  wesentlich  ab  von  der 
raschen  Diagnosestellung  und  dem  sofort  folgenden  therapeuti- 


schen Eingreifen,  das  in  Eröffnung  des  Abszesses  vom  Mund  ms 
besteht,  vor  der  Entwicklung  einer  Fistel.  Krankengeschichten. 

Debrunner  (Berlin 

Fcutelais:    O  s  t  e  o  -  c  h  o  n  d  r  i  t  e    deform  ante  infantile 
de  1 '  e  p  i  p  h  y  s  e  s  u  p  e  r  i  e  u  r  du  feraur.    Revue  d'ortho- 
pedie  38,  315,  1921. 
Ein  typischer  Fall  von  Osteochondritis  deformans  juvenilis, 
der  mit  leichtem  Hinken,  Adduktionsbehinderung  und  Schmerzen 
nach  lĂ€ngerer  Ruhe  einherging,  wird  kurz  beschrieben.  Außer 
einer  allgemeinen  krÀftigenden  Behandlung  an  der  See  wurde 
das  Leiden  nicht  weiter  beeinflußt;  der  Erfolg  war  gut.  Die 
Krankheil   heilte   unter   ZurĂŒcklassung  leichter  Bewegungsein- 
schrÀnkung aus.    Es  wird  die  Köhler'sche  Krankheit  mit  der  O. 
d.  juv.  in  Zusammenhang  gebracht.        Debrunner  (Berlin). 

Abrahamsen :  Scapkoidite  larsienne  des  jeunes 
enfants.  (Ein  Fall  von  Köhler'scher  Krankheit.  Revue 
d'orthopedie  38,  313,  1921. 
Ein  7  Jahre  alter  Knabe  fiel  den  Eltern  auf  wegen  einer 
leichten  Atrophie  der  Wadenmuskulatur.  Die  Untersuchung  er- 
gab einen  Unterschied  des  Wadenumfanges  von  2  cm  gegenĂŒber 
der  gesunden  Seite.  Das  Röntgenbild  ließ  eine  VerĂ€nderung  im 
Naviculare  erkennen,  das  nur  als  schmaler  Knochenkern  zu  sehen 
war.  Der  Verfasser  behandelte  den  Knaben  mit  Thyreoidin- 
pulver  (tÀglich  15  Gentigramm).  Fortlaufende  Röntgenbilder  be- 
stĂ€tigten die  Vermutung,  daß  es  sich  um  eine  auf  Ausfall  der 
inkretorischen  SchilddrĂŒsenwirkung  beruhende  Entwicklungs- 
hemmung des  Kahnbeines  handelte;  denn  unter  dem  Einfluß  der 
Therapie  bildete  sich  ein  dichter,  stÀndig  wachsender  Kern,  v  ;- 
er  aus  den  Bildern  anderer  Veröffentlichungen  bekannt  ist. 
Theorie  Köhlers,  daß  es  sich  bei  der  Köhler'schen  Krankheit  um 
eine  Entwicklungshemmung  handelt,  wird  durch  diesen  Fall  be- 
fest i gl.  Debrunner  (Berlin" 

Jouon :  Hypertrophie  c  o  n  genitale  monstruense 
de  la  main  droite.  Revue  d'orthopaedie  38,  304,  1921. 
Verfasser  beschreibt  ganz  kurz  einen  angeborenen  Riesen- 
wuchs der  rechten  Hand,  die  nach  der  Geburt  noch  erheblich 
grĂ¶ĂŸer  wurde  und  mit  Syndaktylie  und  besonders  hochgradiger 
VergrĂ¶ĂŸerung  des  Daumens  und  Zeigefingers  einherging.  Das 
Wachstum  machte  so  schnelle  Fortschritte,  daß  der  ĂŒbrige  Kör- 
per infolge  UnterernÀhrung  buchstÀblich  abzumagern  begann. 
Aus  diesem  Grunde  und  wreil  die  Hand  zu  Bewegungen  untaug- 
lich war,  exartikulierte  sie  der  Verfasser  im  Radio-Carpalgehnk. 

D  e  b  r  u  n  n  e  r  (Berlin  . 


Augenheilkunde. 

Wessely  und  Horowitz:  Das  Verhalten  des  Augen- 
drucks im  Fieber.  Archiv  fĂŒr  Augenheilkunde  1921, 
89,  S.  113. 

Systematisch  -  vergleichende  Messungen  des  Augendrucks, 
Blutdrucks  und  der  Temperatur  hochfiebernder  Kranker  fĂŒhrten 
die  Verff.  zu  dem  interessanten  Ergebnis,  daß  im  Fieber  der 
Einfluß  des  allgemeinen  Blutdrucks  am  Auge  vasomotorische 
KaliberĂ€nderungen  der  intraokularen  GefĂ€ĂŸe  ĂŒberwiegt  und  „der 
Augendruck  die  Kurve  des  Blutdrucks  in  voller  Treue"  mit- 
macht. Um  diese  Erscheinung  recht  deutlich  hervortreten  zu 
lassen,  wÀhlte  man  Patienten  mit  rasch  ansteigenden  und  ab- 
fallenden Temperaturen,  wie  Malariakranke  und  mit  intramus- 
kulÀrer Milchinjektion  behandelte. 

Fr.  W.  Mass  u  r  (Berlin  . 

Köllner,  H.:  Zu  m  G  1  au  k  o  m  a  simples  m  i  t  nor  m  a  1  e  n 
Tonometerwerten.  Archiv  fĂŒr  Augenheilkunde  1921, 
89,  S.  80. 

Als  Ursache  des  Glaucoma  simplex  und  der  dabei  zu  finden- 
den Exkavation  des  Sehnerven  nimmt  man  teils  vorĂŒbergehende, 
der  Beobachtung  entgehende  Drucksteigerungen  an,  teils  erachtet 
man  die  dabei  gefundenen  Tonometerwerte  von  etwa  20  bereits 
als  pathologische  Druckerhöhung  fĂŒr  ein  disponiertes  Auge. 
K.  stĂŒtzt  seine  neue  Theorie,  nach  der  beim  Glaucoma  simplex 
eine  ausgesprochene  pathologische  Drucksteigerung,  die  zu  glau- 
comatöser  Sehnervenatrophie  gefĂŒhrt  hat,  spĂ€ter  zur  Norm  herab 1 
gesunken  ist,  durch  einen  in  der  WĂŒrzburger  Univ.-Augenklinik 
beobachteten  Fall,  bei  dem  zufÀllig  2  Jahre  vorher  eine  betrÀcht- 
liche Drucksteigerung  festgestellt  wurde,  nimmt  aber  nur  ver- 
einzelte FĂ€lle  von  Gl.  s.  fĂŒr  sie  in  Anspruch. 

Fr.  W.  Ma  SS u r  ( Berlin  . 


Fortschritte  der  Medizin 

Dte  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafte  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH.  Berlin  SW  40.  Wilhelm-Strafce  20  /  Fernsprecher  LĂŒtzow  9057 

Nr.  6/7  Berlin,  den  15.  Februar  1922  40.  jahrgang 

Der  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  chirurgischen  UniversitÀtsklinik  der  Charite,  Berlin 
(Direktor  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Iii  ldebrand). 

,  Die  luetische  Erkrankung  der  Gelenke. 

Von  Prof.  Dr.  A  x  h  a  u  sen. 

Noch  nicht  gar  lange  ist  die  Zeit  her,  in  der  die  luetische 
Erkrankung  der  Gelenke  als  selten  angesehen  wurde,  als  ver- 
schwindend selten  gegenĂŒber  der  enormen  HĂ€ufigkeit  der 
Gelenktuberkulose.  Die  modernen  diagnostischen  Hilfs- 
mittel, insbesondere  das  Röntgenverfahren  und  die  serologi- 
schen Untersuchungsmethoden  haben  mit  diesem  Irrtum 
grĂŒndlich  aufgerĂ€umt.  Sehen  wir  selbst  ab  von  den  hĂ€ufigen 
einfachen  Gelenkerkrankungen  im  sekundÀren  Stadium  der 
Lues,  die  als  Begleiterscheinungen  der  Haupterkrankung  fĂŒr 
sich  selber  kaum  ein  praktisches  Interesse  beanspruchen, 
legen  wir  der  in  diesen  Zeilen  zu  besprechenden  Gelenklues 
nur  die  spezifischen  Gelenkerkrankungen  bei  heriditÀrer  Lues 
und  im  SpÀtstadium  der  aquirierten  Lues  zugrunde,  so 
mĂŒssen  wir  nach  unseren  jetzigen  Kenntnissen  als  fest- 
stehend betrachten,  daß  die  Gelenklues  eine  ziemlich  hĂ€ufige 
Erkrankung  ist.  Dies  gilt  mit  Sicherheit  fĂŒr  die  mehr  mit 
Syphilis  durchseuchten  GroßstĂ€dte.  In  der  chirurgischen 
Poliklinik  der  Charite,  in  der  seit  langem  auf  Vorkommen 
und  HĂ€ufigkeit  der  Gelenklues  mit  besonderer  Sorgfalt  ge- 
achtet wird,  konnten  wir  z.  B.  feststellen,  daß  von  121  Pa- 
tienten (Kinder  und  Erwachsene),  die  innerhalb  eines  be- 
stimmten Zeitraumes  erstmalig  wegen  Verdachtes  auf  Knie- 
gelenktuberkulose zur  Untersuchung  gelangten,  nicht  we- 
niger als  33  sich  als  sicher  nachweisbare  Gelenklues  heraus- 
stellten (G  1  Ă€  ß  n  e  r).  Das  VerhĂ€ltnis  zwischen  Tuberkulose 
und  Lues  an  dem  allerdings  von  Lues  am  hÀufigsten  be- 
troffenen Kniegelenk  war  also  an  unserer  Poliklinik  etwa 
1:2^.  Und  hatte  noch  die  Anschauung  von  der  Seltenheit 
der  Gelenklues  frĂŒher  fĂŒr  die  kleinstĂ€dtische  und  lĂ€ndliche 
Bevölkerung  eine  gewisse  Berechtigung,  so  wird  sich  dieser 
Unterschied  leider  sehr  bald  verwischen,  ist  doch  die  Aus- 
breitung der  Lues  bis  in  die  entfernten  lÀndlichen  Bezirke 
eine  der  traurigsten  Folgeerscheinungen  der  lang  dauernden 
Kriegszeit. 

Die  angenommene  Seltenheit  ist  wohl  der  Grund  dafĂŒr,  daß 
die  Gelenklues  die  am  hÀufigsten  Àrztlich  verkannte  Gelenk- 
erkrankung darstellt.  Die  Folgen  der  Verkennung  sind  aber 
fĂŒr  den  Patienten  recht  folgenschwer:  sich  selbst  ĂŒberlassen 
oder  unter  der  Annahme  einer  Tuberkulose  mit  Immobilisa - 
tion  behandelt,  nehmen  die  schwereren  Erkrankungsformen 
nicht  selten  den  Ausgang  in  knöcherne  Ankylose,  wÀhrend 
die  spezifische  Behandlung  der  frischen  Gelenklues  fast  stets 
zu  einer  weitgehenden,  insbesondere  funktionellen  Restitutio 
ad  integrum  fĂŒhrt.  Wir  haben  mehrfach  FĂ€lle  von  multipler 
Gelenklues  in  Behandlung  genommen,  in  denen  das  eine  der 
erkrankten  Gelenke  schon  knöchern  versteift  war.  Und 
selbst  bei  minder  schweren  Formen,  wenn  sie  lÀngere  Zeit 
unbehandelt  fortbestanden  haben,  vermag  die  spÀter  einge- 
leitete spezifische  Behandlung  nicht  immer  die  erwĂŒnschte 
Wiederherstellung  der  Gelenke  herbeizufĂŒhren.  Zwar  ist  der 
unmittelbar  erreichte  Erfolg  zufriedenstellend,  aber  die  be- 
reits erfolgte  KnorpelschĂ€digung  fĂŒhrt  im  Laufe  der  weiteren 
Jahre  zur  Ausbildung  einer  sekundÀren  Arthritis  deformans, 
die  wiederum  die  GebrauchsfÀhigkeit  des  Gelenkes  stark  be- 


eintrÀchtigt. Die  Wichtigkeit  der  rechtzeitigen  Erkennung 
dieses  Gelenkleidens  lĂ€ĂŸt  es  berechtigt  erscheinen,  immer 
wieder  auf  die  Gelenklues  hinzuweisen.  Man  mache  es  sich 
zur  Àrztlichen  Pflicht,  bei  jedem  Gelenkleiden  die  Lues  in 
den  Kreis  der  differentialdiagnostischen  ErwÀgung  zu  ziehen 
und  bei  leisester  diagnostischer  Unsicherheit  die  modernen 
Hilfsmittel  der  Syphiliserkennung  heranzuziehen! 

Die  Gelenklues  tritt  uns  wie  die  Gelenktuberkulose  in 
zweifacher  Form  entgegen,  als  synoviale  und  als 
o  s  s  a  1  e  Gelenklues.  Die  synoviale  Form  ist  die  weitaus 
hĂ€ufigere;  sie  ist  die  nahezu  ausschließliche  Form  der  here- 
ditÀren Lues.  Wir  haben  wenigstens  die  ossale  Form  fast 
nur  bei  aquirierter  Lues  beobachten  können  (vergl.  S.  144); 
hier  hÀlt  sie  nach  unseren  Beobachtungen  etwa  der  syno- 
vialen Form  an  HĂ€ufigkeit  die  Wage. 

Die  Kennzeichen  der  synovialen  Gelenklues  sind  wie  die 
der  synovialen  Gelenktuberkulose:  die  Verdickung  der  Syno- 
vialmembran  durch  Umwandlung  in  Granulationsgewebe 
und  der  Erguß.  Beide  Symptome  sind  der  Feststellung  am 
besten  an  dem  am  hÀufigsten  befallenen  Kniegelenk  zugÀng- 
lich. Die  Verdickung  der  Synovialmembran  ist  hier  nach 
unseren  Beobachtungen  stets  diffus,  wenn  auch  gewiß  zu- 
weilen an  manchen  Stellen  stÀrker  als  an  anderen.  Die  in 
der  Literatur  beschriebene  knotige,  gummöse  Form  der  Sy- 
novialverdickung haben  wir  nicht  zu  sehen  bekommen,  auch 
nicht  jene,  gewiß  sehr  seltene  Form,  bei  der  die  Synovial- 
gummen mit  Gummen  der  deckenden  Haut  verschmelzen 
und  nach  außen  geschwĂŒrig  zerfallen.  Die  diffuse  Synovial- 
verdickung ist  im  allgemeinen  bei  der  Gelenklues  nur  mĂ€ĂŸig 
stark,  manchmal  nur  gering;  so  außerordentlich  massige  Ver- 
dickungen, wie  wir  sie  beim  richtigen  tuberkulösen  Fungus 
sehen,  gelangen  bei  der  Gelenklues  kaum  je  zur  Beobachtung. 
Die  Erkennung  geringer  Synovialverdickungen  am  Knie- 
gelenk erfordert  eine  gewisse  Technik.  Am  besten  setzt  man 
die  geschlossenen  4  Finger  der  in  der  LĂ€ngsachse  des  zu 
untersuchenden  Beines  gehaltenen  rechten  Hand  mit  den 
Fingerspitzen  oberhalb  der  Patella  auf  und  schiebt  sie 
in  der  LĂ€ngsrichtung  nach  oben;  gelangt  man  hierbei  an  die 
Umschlagstelle  der  Synovialmembran  am  oberen  Rand  des 
oberen  Rezessus,  so  fĂŒhlt  man  an  der  Niveaudifferenz  dieser 
Umschlagstelle  gegen  die  oberhalb  liegenden  Weichteile  die 
vorhandene  Synovialverdickung  am  besten.  Gewinnt  man  in 
dieser  Untersuchung  Uebung,  so  wird  man  leicht  feststellen 
können,  daß  reine  ErgĂŒsse,  d.  h.  ErgĂŒsse  ohne  tastbare  Syno- 
vialverdickung ebenso  wie  bei  der  Gelenktuberkulose,  recht 
selten  sind.  Allerdings  ist  zur  PrĂŒfung  der  Synovialver- 
dickung bei  vorhandenem  stĂ€rkeren  Erguß  die  Entleerung 
des  Gelenkes  durch  Punktion  eine  unerlĂ€ĂŸliche  Vorbedin- 
gung. Der  Erguß  ist  fast  nie  rein  wĂ€ssrig,  meist  leicht  ge- 
trĂŒbt, von  gelblicher  oder  grĂŒnlich  gelber  Farbe,  zuweilen 
kleine  Fibrinflocken  einschließend;  stĂ€rkere  TrĂŒbungen  sind 
selten.   Der  angesaugte  Erguß  gerinnt  nicht  spontan. 

An  den  anderen  Gelenken  ist  die  Trennung  von  Erguß 
und  Synovialverdickung  fast  nie  möglich.  Hier  ist  nur  die 
diffuse  Schwellung  des  Gelenkes  festzustellen;  nur  am  Ellen- 
bogengelenk kann  man  zuweilen  durch  die  Fluktuation  er- 
kennen, daß  ein  Teil  der  Schwellung  sicher  auf  FlĂŒssigkeits- 
erguß beruht. 

Weitaus  am  hÀufigsten  ist,  wie  bereits  erwÀhnt,  das 
Kniegelenk  betroffen;  hier  ist  als  besonders  charakteristisches 


142 


Axhausen:  Luetische  Erkrankung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Symptom  die  auffallend  hÀufige  Doppelseitigkeit  der  Er- 
krankung festzustellen,  die  doch  hei  der  Kniegelenkstuber- 
kulose  im  allgemeinen  selten  ist.  Nur  vergesse  man  nicht, 
daraufhin  zu  untersuchen!  In  der  Mehrzahl  unserer  FĂ€lle 
doppelseitiger  kindlicher  Kniegelenkslues  brachten  die  Eltern 
das  Kind  wegen  Schwellung  eines  Knies  in  die  Poliklinik; 
erst  durch  die  genaue  Untersuchung  konnte  dann  festge- 
stellt werden,  daß  das  gemeinte  Knie  zwar  das  stĂ€rker  be- 
troffene war,  daß  aber  auch  das  andere  einen  Erguß  mit  ge- 
ringer Kapselschwellung  aufwies.  Der  doppelseitige  schlaffe 
Kniegelenkserguß  mit  geringer  Kapselschwellung  und  mĂ€ĂŸi- 
gen oder  auch  fehlenden  Beschwerden  ist  nahezu  patho- 
gnomonisch  fĂŒr  die  hereditĂ€re  Lues  des  Kniegelenkes.  Aber 
auch  bei  Erwachsenen  konnten  wir  nicht  selten  eine  Er- 
krankung beider  Kniegelenke  feststellen;  auch  hier  war  die 
Erkrankung  des  zweiten  Knies  den  Patienten  oft  nicht  be- 
wußt geworden.  In  einigen  FĂ€llen  konnten  wir  die  Erkran- 
kung des  zweiten  Kniegelenkes  wahrnehmen,  nachdem  schon 
vorher  das  erste  unter  Annahme  einer  Tuberkulose  durch 
Resektion  oder  Arthrektomie  versteift  worden  war. 

An  zweiter  Stelle  der  HĂ€ufigkeilsskala  steht  das  Ellen- 
bogengelenk; auch  dieses  ist  nicht  selten  doppelseitig  be- 
troffen. Dann  folgt  in  weitem  Abstand  das  Fußgelenk, 
Schultergelenk,  Handgelenk.  Ein  ziemlich  hÀufiger  Sitz  der 
luetischen  Erkrankung  ist  das  Sternoklavikulargelenk;  doch 
handelt  es  sich  hier  nach  unseren  Beobachtungen  stets  um 
die  ossale  Form  der  Erkrankung.  An  den  Fingergelenken 
haben  wir  bisher  eine  sichere  Gelenklues  nicht  zu  sehen  be- 
kommen. Die  frĂŒhere  Annahme,  daß  das  HĂŒftgelenk  von 
der  luetischen  Erkrankung  verschont  bleibe,  ganz  im  Gegen- 
satz zu  der  HÀufigkeit  der  tuberkulösen  Koxitis,  wurde  uns 
durch  die  folgenden  Beobachtungen  erschĂŒttert. 

Beobachtung  1.  Bei  einem  5 jÀhrigen  Kinde  wurde  1918 
eine  sicher  luetische  doppelseitige  KniegelenksentzĂŒndung  fest- 
gestellt (Wa  Re  vierfach  positiv).  WĂ€hrend  der  Behandlung  gab 
die  Mutter,  die  ĂŒbrigens  die  luetische  Infektion  zugab,  an,  daß 
auch  ihre  anderen  beiden  Kinder  frĂŒher  in  der  Poliklinik  be- 
handelt worden  wĂ€ren.  Die  Nachforschungen  ergaben,  daß  in 
der  Tat  fĂŒnf  Jahre  zuvor  eine  Schwester  an  linksseitiger  „Knie- 
gelenks t  u  b  e  r  k  u  1  o  s  e"  und  elf  Jahre  zuvor  ein  Bruder  —  da- 
mals 3  jĂ€hrig  —  an  rechtsseitiger  „HĂŒftgelenks  tuberkulöse" 
behandelt  worden  war.  Bei  beiden  war  trotz  langdauernder  Im- 
mobilisierung die  Ausheilung  mit  fast  völlig  freier  Gelenkbeweg- 
lichkeit erfolgt,  was  damals  als  auffÀllig  vermerkt  wurde.  Die 
bei  beiden  jetzt  noch  vorgenommene  Wa  Re  ergab  ebenso  wie  bei 
der  Mutter  einen  vierfach  positiven  Ausfall.  Danach 
dĂŒrfte  es  sich  wohl  auch  bei  den  beiden  Ă€lteren  Geschwistern 
nicht  um  die  damals  angenommene  Tuberkulose,  sondern  um  eine 
luetische  Erkrankung,  bei  dem  Bruder  also  um  eine  luetische 
Koxitis  gehandelt  haben. 

Beobachtung  2.  12 jÀhriges  MÀdchen;  nach  leichtem  Fall 
Schmerzen  in  der  rechten  H  ĂŒ  f  t  e,  die  seit  3  Monaten  anhalten. 
Patientin  hinkt  stark,  es  besteht  erhebliche  BeeintrÀchtigung  der 
Abduktion,  geringere  der  Flexion  und  Rotation.  Aufnahme  in 
ein  Krankenhaus.  Hier  als  tuberkulöse  Koxitis  lange  im  Streck- 
verband; spÀter  mit  Gips  behandelt.  Nach  Entlassung  wieder  in 
unsere  Beobachtung.  Schmerzen  bestehen  fort,  Bewegungsbe- 
schrÀnkung  hat  etwas  zugenommen.  Jetzt  wird  ein  schlaffer 
Erguß  des  rechten  Kniegelenkes  mit  deutlicher 
Kapselverdickung  festgesteflt.  Der  Verdacht  auf  Gelenklues  be- 
stÀtigt sich:  Wassermann  aus  Blut  und  Kniepunklat  vierfach 
positiv.  Nach  antiluetischer  Behandlung  baldige  Wiederherstel- 
lung, auch  des  HĂŒftgelenkes. 

Wieviel  frei  beweglich  ausgeheilte  „tuberkulöse"'  KoxiT 
tiden  mögen  auch  sonst  in  Wahrheit  luetische  Erkrankungen 
gewesen  sein!  Leider  sind  frische  Koxitis-FĂ€lle  neuerdings 
unter  unseren  ZugĂ€ngen  so  selten  geworden,  daß  unsere  Fest- 
stellungen ĂŒber  das  HĂ€ufigkeitsverhĂ€ltnis  zwischen  tuber- 
kulöser und  luetischer  Erkrankung  des  HĂŒftgelenkes  noch 
keinen  Schluß  zulassen.  Immerhin  glauben  wir  sagen  zu 
können,  daß  die  Proportionszahl  der  luetischen  Erkrankung 
am  HĂŒftgelenk  wesentlich  geringer  ist,  als  am  Kniegelenk. 
Jedenfalls  ist  die  Vornahme  der  Wa  Re  bei  allen  vermeint- 
lichen  frischen  „tuberkulösen"  Koxitiden   eine  notwendige 


Forderung,  wenn  man  nicht  Gefahr  laufen  will,  eine  lue- 
tische Koxitis  zu  ĂŒbersehen. 

Von  den  seltenen  Lokalisationen  der  Gelenklues  erwÀhne 
ich  einen  Fall  von  luetischer  Erkrankung  des  oberen  Tibio- 
Fibulargelenkes  bei  völlig  intaktem  Kniegelenk.  Selbst  die 
Wirbelgelenke  können  von  der  Erkrankung  ergriffen  wer- 
den, wie  die  folgende  Beobachtung  zeigt: 

Beobachtung  3.  6 jÀhriges  Kind.  Vor  einem  Jahr  in 
unserer  Behandlung  wegen  multipler  Gelenklues,  die  mit  gutem 
Erfolge  spezifisch  behandelt  wurde.  Jetzt  bringt  die  Mutter  das 
Kind  wieder,  da  es  seit  etwa  14  Tagen  den  Kopf  nicht  bewegen 
könne  und  heftige  Schmerzen  verspĂŒre.  Das  Kind  hĂ€lt  die  Hals- 
wirbelsÀule, wie  bei  einer  tuberkulösen  Spondylitis,  völlig  steif 
und  vermeidet  Àngstlich  jede  Bewegung;  dabei  steht  der  Kopf  in 
leichter  SchiefhattesteUung.  Da  Wa  Re  wieder  stark  positiv,  wird 
wegen  der  Möglichkeit  einer  Wirbelgelenklues  energisch  anti- 
luetisch behandelt  mit  dem  Erfolg,  daß  bald  Besserung  einsetzt 
und  nach  weiteren  14  Tagen  der  Kopf  wieder  votlkommen  frei 
beweglich  ist. 

Man  sollte  nach  einer  solchen  Erfahrung  nicht  ver- 
sÀumen, bei  Symptomen  von  Spondylitis  ohne  vorhandene 
Gibbusbildung  auch  an  die  Möglichkeit  einer  luetischen  Wir- 
belgelenksaffektion  zu  denken. 

Das  klinische  Gesamtbild,  unter  dem  uns  die 
synoviale  Gelenklues  entgegentritt,  ist  von  einer  ĂŒberraschen- 
den Verschiedenartigkeit.  Man  hat  mit  Recht  die  Gelenklues 
den  Proteus  unter  den  Gelenkerkrankungen  genannt.  Eben 
deshalb  ist  die  Gelenklues  differentialsiagnistisch  bei 
allen  Gelenkerkankungen  zu  berĂŒcksichtigen.  Das 
Axiom  von  der  ChronizitÀt  und  Schmerzlosigkeit  der  Ge- 
lenklues muß  fallen  gelassen  werden;  diese  Angaben  anderer 
Autoren  (Schuchardt  u.  a.)  mĂŒssen  wir  bestĂ€tigen. 

Die  Gelenklues  kann  unter  dem  Bilde  einer  akuten  mon- 
artikulÀren oder  polyartikulÀren  Arthritis  verlaufen.  Sie 
kann  einer  gonorrhoischen  Arthritis  zum  Verwechseln  Àhn- 
lieh sein.  HierfĂŒr  zeugen  die  folgenden  Beobachtungen. 

Beobachtung  4.  30 jÀhriger  Mann.  Luetische  Infektion 
vor  10  Jahren.  Erkrankte  vor  mehreren  Monaten  plötzlich  mit 
heftigen  Schmerzen  im  linken  Schultergelenk.  Lang  andauernde 
antirheumatische  und  antigonorrhoische  Behandlung  brachten 
keine  Besserung.  Es  bildete  sich  vielmehr  eine  Ă€ußerst  schmerz 
hafte  Kontraktur  des  geschwollenen  Gelenkes  mit  starker  Del- 
toideus-Atrophie  heraus.  Jetzt  Wa  Re  vierfach  positiv:  sofort 
eingeleitete  antiluetische  Behandlung  hatte  einen  eklatanten  Er- 
folg. Schmerzhaftigkeit  ging  bafd  zurĂŒck;  unter  orthopĂ€discher 
Nachbehandlung  wurde  eine  volle  Funktion  des  Schultergelenkes 
ohne  eine  Spur  von  Schmerzhaftigkeit  erreicht. 

B  e  o  b  a  c  h  t  u  n  g  5.  33  jÀhrige  Frau.  Etwa  14  Tage  vor  Auf- 
suchen unserer  Klinik  plötzlich  heftige  Schmerzen  und  starke 
Schwellung  des  rechten  Elfenbogengelenkes,  die  trotz  aller 
Therapie  zu  einer  Versteifung  fĂŒhrte.  Wir  fanden  das  rechte 
Ellenbogengelenk  in  stumpfwinkliger  Beugung  versteift,  bei  pas- 
siven Bewegungen  minimale  AusschlĂ€ge.  Bewegungen  Ă€ußerst 
schmerzhaft.  Gelenkgegend  spindlig  verdickt,  sehr  druckempfind- 
lich. Wa  Re  vierfach,  positiv.  Antiluetische  Behandlung  fĂŒhrte 
rasch  den  RĂŒckgang  der  Erscheinungen  herbei.  Unter  ortho- 
pÀdischer Nachbehandlung  Heilung  mit  volkommener  Funktion. 

Die  Gelenklues  kann  auch  unter  dem  Bilde  der  primÀr 
chronischen  Polyarthritis  rheumatica  verlaufen. 

Beobachtung  6.  35 jÀhriger  Mann.  Lues  vor  5  Jahren. 
Innerhalb  der  letzten  4  Wochen  nacheinander  beginnend  Entwick- 
lung einer  mĂ€ĂŸig  schmerzhaften  Schwellung  beider  Kniegelenke 
und  beider  Ellenbogengelenke  WaRe  vierfach  positiv.  Die  anti- 
luetische Therapie  fĂŒhrte  restlose  Heilung  herbei. 

Die  Gelenklues  kann  auch  die  so  traurige  primÀre  chro- 
nische Polyarthritis  des  kindlichen  Alters  (von  den  Kinder- 
Àrzten hÀufig  als  kindliche  Arthritis  deformans  bezeichnet) 
vortĂ€uschen.  Hier  gibt  die  frĂŒhzeitige  richtige  Erkennung  im 
Gegensatz  zu  der  therapeutisch  unzugÀnglichen  chronischen 
Polyarthritis  die  erfreuliche  Möglichkeit  einer  wirksamen 
Therapie. 

Beobachtung  7.  5'A  jÀhriges  Kind.  Im  Verlauf  von  zwei 
Jahren  entwickelte  sich  nacheinander  eine  mĂ€ĂŸig  schmerzhafte 
Verdickung  und  BewegungsbeschrÀnkung  des  linken  Kniegelenkes, 
des  rechten  Fußgelenkes,  des  linken  Ellenbogengelenkes,  des 
rechten   Ellenbogengelenkes  und   des   linken  Fußgelenkes.  Bei 


40.  Jahrg. —  Nr.  6/7. 


Axhausen:  Luetische  Erkrankung 


148 


Bebernahme  der  Behandlung  waren  beide  Kniegelenke  in  Beuge- 
Kontraktur  versteift,  die  Ellenbogengelcnke  und  FuHgclcnke 
zeigten  erhebliche  Verdickung  und  stinke  Kapselschwellung. 
Hfa  He  viel  fach  positiv.  Die  antiluetische  Behandlung  fĂŒhrte 
zum  Verschwinden  der  Kapselschwellung  und  zu  weitgehender 
Besserung  der  Funktion.  Das  rechte  Kniegelenk  blieb  knöchern 
versteift. 

HĂ€ufiger  aber  gewiß  sind  die  Formen,  in  denen  nur  ein 
oder  einzelne  Gelenke,  ganz  besonders  das  Kniegelenk,  den 
beschriebenen  Krankheitszustand  zeigen.  Hier  erhebt  sich 
die  Frage  nach  der  Möglichkeit  der  Abgrenzung  dieser  FÀlle 
gegenĂŒber  der  Synovialtuberkulose.  Die  Frage  ist  praktisch 
so  wichtig,  weil  die  Behandlungswege  in  beiden  FĂ€llen  weit 
auseinander  fĂŒhren  und  weil  die  Wahl  des  richtigen  Weges 
fĂŒr  das  Schickal  des  Gelenkes  ausschlaggebend  ist. 

Ich  stehe  nicht  an  auszusprechen,  daß  nach  dem  klini- 
schen und  röntgenologischen  Bilde  des  Gelenkes  in  vielen 
FĂ€llen  eine  sichere  diferentialdiagrjpstische  Entscheidung 
vollstĂ€ndig  unmöglich  ist.  Gewiß  kennen  wir  klinische  ZĂŒge, 
die  uns  mehr  oder  weniger  deutlich  nach  der  einen 
oder  der  anderen  Richtung  weisen.  Daß  die  doppel- 
seitigen schlaffen  ErgĂŒsse  des  Kniegelenkes  mit  geringer 
Kapselschwellung  und  geringen  Beschwerden  fast  mit 
völliger  Sicherheit  den  Schluß  auf  Lues  zulassen,  er- 
wÀhnte ich  schon.  Eine  besonders  starke  fungöse 
Kapselschwellung  berechtigt  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit 
auf  Tuberkulose  zu  schließen.  Aber  diese  Bilder  stellen  nur 
einen  Teil  der  zu  beurteilenden  KrankheitsfĂ€lle  dar.  Gewiß 
spricht  Doppelseitigkeit  der  Erkrankung  auch  sonst  fĂŒr  Lues, 
wir  beobachteten  sie  aber  auch  gelegentlich  bei  der  Tuber- 
kulose. Mit  Recht  kann  man  sagen,  daß  die  Schmerzhaftig- 
keit,  ebenso  wie  die  Neigung  zur  Kontrakturbildung  im  all- 
gemeinen bei  der  Tuberkulose  grĂ¶ĂŸer  ist  als  bei  der  Lues; 
ebenso  lassen  auch  die  FĂ€lle  von  Gelenklues  meist  die  starke 
Muskelatrophie  vermissen,  die  fĂŒr  die  Tuberkulose  charakte- 
ristisch ist.  Allein  ein  sicherer  Schluß  im  Einzelfalle  lĂ€ĂŸt 
sich  darauf  nicht  aufbauen.  Auch  das  Röntgenbild  gibt  uns 
in  diesen  FĂ€llen  keine  Entscheidung;  entweder  es  ist  ĂŒber- 
haupt negativ,  oder  es  zeigt  in  beiden  FĂ€llen  in  gleicher 
Weise  neben  den  Symptomen  des  Ergusses  die  Bilder 
leichter  Arrosion  an  der  Stelle  des  Knorpel-Knochenrandes, 
ausgehend  von  der  wuchernden,  hier  ansetzenden  Synovial- 
membran.  Und  daß  die  Anamnese  hĂ€ufig  im  Stich  lĂ€ĂŸt,  ist 
bekannt,  wenn  auch  hier  viel  von  der  Art  der  Befragung  ab- 
hÀngig ist.  Wir  sind  in  diesen  FÀllen,  in  denen  die  klinische 
Diagnostik  nicht  zum  Ziele  fĂŒhrt,  auf  die  Feststellung  ander- 
weitiger Luessymptome  angewiesen:  im  kindlichen  Alter  be- 
sonders die  Keratitis  parenehymatosa  mit  ihren  Folgezu- 
stÀnden, Zahn-  und  GaumenverÀnderungen,  bei  Erwachsenen 
besonders  die  Periostitis  der  vorderen  TibiaflÀche,  strahlen- 
förmige Hautnarben,  LymphdrĂŒsen  und  Lues  des  Knochen - 
Systems.  In  unseren  FĂ€llen  ist  bei  Erwachsenen  eine  gleich- 
zeitige diffuse  Knochenlues  relativ  hÀufig  ein  guter  Weg- 
weiser gewesen. 

Beobachtung  8.  28 jÀhriges  FrÀulein.  Seit  3  Monaten 
Schwellung  des  rechten  Kniegelenkes  mit  mĂ€ĂŸigen  Schmerzen; 
Erguß  und  Kapselschwellung,  geringe  Hemmung  der  Funktion. 
An  der  Fibularseite  des  anderen  Beines  etwa  in  der  Mitte  des 
Unterschenkels  deutliche  teigige,  druckemp- 
findliche Schwellung;  man  fĂŒhlt  die  allmĂ€hlich  dicker 
werdende  Fibula  in  das  Schwellungsgebiet  ĂŒbergehen.  Im  Rönt- 
genbild spindlige  Verdickung  der  Fibula  etwa  in  der  Mitte  mit 
aufgehobener  Struktur  und  vielfach  arrodierter  Kontur:  Lues  der 
linken  Fibula,  Lues  des  rechten  Kniegelenkes. 

Beobachtung  9.  Die  45jÀhrige  Patientin  kommt  zur  Be- 
handlung wegen  einer  seit  5  Monaten  bestehenden  allmÀhlich  zu 
nehmenden  schmerzhaften  Schwellung  des  rechten  Handgelenkes, 
die  die  rechte  Hand  fast  gebrauchsunfÀhig  macht.  Starke  und 
druckempfindliche  Verdickung  des  rechten  Handgelenkes  mit 
dem  Zentrum  im  Carpus.  Dorsalflexion  aufgehoben.  Beugung 
nur  etwa  20°  möglich.  Es  besteht  also  klinisch  durchaus  das 
Bild  der  Handgelenkstuberkulose.  Bei  der  Untersuchung  fÀllt 
alter  eine  leichte  teigige  Schwellung  auf  der  Ulnar- 
*  e  i  t  e  des  Vorderarmes  entlang  der  U 1  n  a  auf;  die 
Dlna  selber  ist  etwas  verdickt  und  druckempfindlich  Im  Röntgen 


bild  beginnende  diffuse  Knochenlues  der  Dlna     Die  spezifische 
Therapie  bringt  mit  der  Erkrankung  der  Ulna  auch  die  Erkraii 
kung  des  Handgelenkes  zum  Seilwinden. 

Der  wichtigste  differentialdiagnostische  FĂŒhrer,  namenl 
lieh  in  FĂ€llen,  in  denen  eine  positive  Anamnese  und  alle  son- 
stigen Luessymptome  fehlen,  ist  unzweifelhaft  die  Wasser 
mannsche  Reaktion.  Ihr  stark  positiver  Ausfall  ist  bewei 
send  fĂŒr  die  luetische  Natur  der  Gelenkaffektion.  Der  theo 
retisch  gewiß  denkbare  Zufall  einer  Kombination  von  Gelenk- 
tuberkulose mit  Lues  ist  uns  praktisch  noch  nicht  begegnet. 
So  wird  die  Anstellung  der  serologischen  Reaktion  bei  allen 
diagnostisch  nicht  absolut  sichergestellten  Gelenkerkrankun- 
gen zur  zwingenden  Notwendigkeit.  Leider  aber  ist  der  Aus- 
fall der  ĂŒblichen  Wassermannschen  Reaktion  aus  dem  Blut 
nicht  in  allen  FĂ€llen  von  Gelenklues  positiv;  dies  gilt  beson- 
ders fĂŒr  die  heriditĂ€re  Lues  Erwachsener.  Aus  dem  nega- 
tiven Ausfall  der  Reaktion  ist  also  noch  kein  Schluß  auf  die 
nicht  luetische  Natur  der  Gelenkerkrankung  zu  ziehen.  Hier 
hat  die  letzte  Zeit  eine  weitere  Vervollkommnung  der  Dia  - 
gnostik  ergeben  durch  die  Anstellung  der  Wa  Re  aus  dem 
Gelenkpunktat  bei  vorhandenem  Hydrops.  Genau  wie  die 
Wa  Re  aus  dem  Lumbalpunktat  bei  der  Cerebrospinallues 
das  feinere  diagnostische  Reagens  gegenĂŒber  der  Reaktion  aus 
dem  Blut  darstellt,  ist  nach  unseren  Feststellungen  die 
WaRe  aus  dem  Gelenkpunktat  der  Wa  Re  aus  dem  Blut 
an  diagnostischem  Wert  durchaus  ĂŒberlegen.  Wir  besitzen 
nunmehr  eine  ganze  Reihe  von  Beobachtungen  von  Gelenk - 
lues,  in  denen  die  Wa  Re  aus  dem  Blut  negativ,  die  Re- 
aktion aus  dem  Punktat  stark  positiv  ausfiel.  Man  gehe  also 
in  solchen  unentschiedenen  FĂ€llen  stets  zur  Gelenkpunktion 
und  zur  serologischen  PrĂŒfung  des  Punktats  ĂŒber. 

Auf  diesem  Wege  wird  die  Diagnostik  der  Gelenklues  bis 
auf  einzelne  wenige  RestfÀlle  eingeengt.  Und  doch  gibt  es 
noch  solche  RestfÀlle.  Es  gibt  FÀlle,  in  denen  man  z.  B.  aus 
einer  doppelseitigen,  lange  behandelten,  nicht  fortschreiten- 
den, aber  auch  nicht  heilenden  Verdickung  beider  Ellen- 
bogengelenke bei  Freisein  aller  ĂŒbrigen  Gelenke  auf  eine 
luetische  Erkrankung  schließen  möchte;  aber  die  Luessymp- 
tome fehlen,  die  Wa  Re  aus  dem  Blut  ist  negativ  und  ein 
Punktat  ist  nicht  zu  erzielen.  Und  es  gibt  FĂ€lle  von  chro- 
nischer doppelseitiger  KniegelenkentzĂŒndung  (Erguß  und 
Kapselverdickung)  jugendlicher  Erwachsener  bei  Freisein 
aller  ĂŒbrigen  Gelenke,  die  sich  gegen  antirheumatische  Be- 
handlung refraktÀr  erweisen  und  bei  denen  die  Tuberkulose 
mit  allen  modernen  Mitteln  der  Untersuchung  (einschl.  Tier- 
versuch) ausschließbar  erscheint;  und  doch  ist  die  Wa  Re 
selbst  aus  dem  Punktat  zum  mindesten  zweifelhaft.  In  diesen 
FĂ€llen  scheue  man  nicht  vor  einer  energischen  probatori- 
schen  antiluetischen  Behandlung  zurĂŒck,  die  uns  in  einigen 
FĂ€llen  vollen  Erfolg  brachte. 

Beobachtung  10.  28jÀhrige  Lehrerin.  Eltern  beide  ver- 
storben. Seit  7  Jahren  rechts  seitige  Kniebeschwerden,  beson- 
ders hĂ€ufig  wiederkehrende  ErgĂŒsse.  Bisher  therapeutisch  un- 
beeinflußbar. Es  besteht  leichte  Beugekontraktur,  praller  Erguß; 
nach  Punktion  deutliche  Kapselschwellung  wahrnehmbar.  Unter- 
suchung des  linken  Kniegelenkes  ergibt  einen  kleinen  Erguß 
und  geringe  Kapselschwellung  (von  Patientin  bisher  nicht  be- 
merkt). Verdacht  auf  spÀte  hereditÀre  Gelenklues.  Keine  son- 
stigen luetischen  Symptome.  Wa  Re  aus  Blut  negativ,  aus 
Punktat  beiderseits  einmal  zweifelhaft,  einmal  schwach  positiv. 

Antiluetische  Therapie  vereint  mit  Nachkur  in  Oeynhausen 
fĂŒhrt  —  allerdings  erst  nach  %  Jahren  —  Heilung  herbei,  die 
noch  jetzt,  3  Jahre  spÀter,  anhÀlt. 

*      ,  * 

Wenn  die  klinische  Erkennung  der  synovialen  Ge- 
lenklues in  manchen  FĂ€llen  auf  erhebliche  Schwierigkeiten 
stĂ¶ĂŸt,  so  liegen  die  VerhĂ€ltnisse  bei  der  ossalen  Gelenk  - 
lues  ungleich  gĂŒnstiger.  Das  Röntgenbild  liefert  hier  so 
charakteristische  Bilder,  daß  die  Erkennung  und  die  Abgren- 
zung gegen  die  ossale  Form  der  Gelenktuberkulose  wohl  nie 
Schwierigkeiten  machen  wird.  Bei  der  ossalen  Gelenk- 
tuberkulose finden  wir  im  Röntgenbild  neben  der  Arrosion 
der   GelenkflÀche   selber   die   abgegrenzten  subchondralen 


Ashausen;  Luetische  Erkrankung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Herde,  die  oft  kleinere  oder  grĂ¶ĂŸere  Keilsequester  ein- 
sehließen; die  Spongiosa  der  ĂŒbrigen  Epiphyse  ist  atrophisch, 
zeigt  aber  erhaltene  Struktur;  die  extraartikulÀren  Seiten- 
flÀchen der  Gelenkenden  weisen  eine  glatte  OberflÀche  auf. 
Bei  der  ossalen  Gelenklues  finden  wir  nicht  herdförmige, 
sondern  diffuse  KnochenverÀnderungen;  die  gesamte  Epi- 
physe oder  doch  ein  grĂ¶ĂŸerer  Teil  von  ihr  zeigt  einen  voll- 
stÀndigen Verlust  normaler  Struktur:  Das  Knochengewebe 
ist  teils  strukturlos,  teils  wolkig  getrĂŒbt  mit  helleren 
und  dichteren  Partien.  Die  stark  durchlÀssigen  und  dabei 
strukturlosen  Bezirke  nehmen  oft  einen  ganzen  Condylus  ein, 
so  daß  die  Grenze  gegen  die  umgebenden  Weichteile  unscharf 
wird.  Neben  den  Arrosionsbildem  der  GelenkflÀche  selber 
sieht  man  Arrosion  besonders  hÀufig  an  den  seitlichen  Ge- 
lenkabschnitten, bis  tief  in  das  extraartikulÀre  Gebiet  hinein; 
daneben  sind  hier  oft  periostale  Knochenbildungen  wahr- 
nehmbar. Die  KnochenverÀnderungen  erstrecken  sich  in 
manchen  FĂ€llen  weit  in  den  angrenzenden  Schaft  herein. 

Sind  die  KnochenverÀnderungen  auf  die  Epiphyse  be- 
schrÀnkt, so  sind  sie  der  klinischen  Feststellung  meist  nicht 
zugĂ€nglich.  Hier  ist  allein  das  Röntgenbild  maßgebend. 
Doch  gelingt  in  AusnahmefÀllen  auch  die  klinische  Er- 
kennung. 

Beobachtung  11.  35jÀhrige  Patientin.  Seit  2  Monaten 
Schwellung  des  rechten  Kniegelenkes  mit  geringen  Beschwerden. 
Kleiner  Erguß,  mĂ€ĂŸige  Kapselschwellung.  Man  bemerkt,  daß  die 
sichtbare  und  tastbare  Schwellung  vom  inneren  Gelenkspalt  aus 
sich  noch  etwa  handbreit  auf  die  anstoßende  vor- 
dere innere  TibiaflÀche  fortsetzt.  Hier  teigige  Kon 
sistenz  und  Druckempfindlichkeit.  Daraufhin  Diagnose  auf  ossale 
Kniegelenklues,  die  durch  den  Röntgenbefund  an  dem  inneren 
Tibiacondylus  bestÀtigt  wird. 

In  der  Regel  aber  ist  die  Erkennung  nur  durch  das  Rönt- 
genbild möglich.  Ein  Beispiel  der  bezeichnenden  Röntgen- 
befunde bei  ossaler  Gelenklues  geben  die  beigegebenen  Fi- 
guren 1  und  2,  die  den  folgenden  Beobachtungen  entnom- 
men sind. 

Beobachtung  12.  30  jÀhrige  Arbeiterin.  1914  wegen 
rechtsseiliger  Kniegelenkluberkulose  lÀngere  Zeit  im  Kranken- 


Fig.  1. 


haus  behandelt.  Gebessert  entlassen,  doch  bleibt  Verdickung  des 
Knies  bestehen.  Jetzt  (1919)  seit  8  Tagen  wieder  stÀrkere  Be- 
schwerden. 

Praller  Erguß;  deutliche  Kapselverdickung  (nach  Punktionj, 
leichte  Beugekontraktur.  Aktive  Bewegungen  nur  bis  zu  einem 
Hechten  möglich.  Das  Röntgenbild  (Fig.  1)  ergibt,  besonders  an 
dem  Ă€ußeren  Femurcondylus  verwaschene  Knochenstruktur  mit 
wolkigen  Aufhellungen  und  Verdichtungen.  Arrosion  und 
Knochenauflagerung  an  der  SeitenflĂ€che.  UnregelmĂ€ĂŸige  Außen- 
kontur des  anstoßenden  Femurschaftes.  Am  Knorpelknochen- 
rande des  inneren  Femurcondylus  ausgesprochene  Randwulst- 
bildung als  Zeichen  der  sekundÀren  Arthritis  deformans.  Die 
vierfach  positive  Wa  Re  bestÀtigt  die  Annahme  einer  ossalen 
Gelenklues. 

Noch  ausgesprochener  sind  die  röntgenologischen  Ver- 
Ă€nderungen am  folgenden  Fall. 


Fig.  2. 


Beobachtung  lĂŒ.  41  jĂ€hriger  Mann.  Seit  13  Jahren  leidet 
der  Patient  an  Schmerzen  und  Schwellung  des  rechten  Knie- 
gelenkes. Die  Schwellung  wechselte  mehrfach  an  StÀrke.  Im 
Laufe  der  letzten  Jahre  zunehmende  EinschrÀnkung  der  Beweg- 
lichkeit. Vielfache  Àrztliche  Behandlung  ohne  wesentlichen  Er- 
folg. In  den  letzten  Jahren  erfolgte  die  Behandlung  wegen  Ar- 
thritis deformans. 

Spindlige  Schwellung  des  rechten  Kniegelenkes  mit  ziemlich 
starker  Kapselverdickung,  ein  Erguß  ist  zur  Zeit  nicht  nachweis- 
bar. Leichte  Beugekontraktur;  Flexion  nicht  ganz  bis  zu  einem 
Rechten.  Das  Röntgenbild  (Fig.  2)  zeigt  die  gleichen  VerÀnde- 
rungen wie  im  vorigen  Falle,  nur  in  viel  stÀrkerem  Grade,  ins- 
besondere sind  beide  Condylen  befallen.  Gleichzeitig  sind  auch 
hier  (am  inneren  Femurcondylus)  die  charakteristischen  Rand- 
zacken als  Zeichen  der  sekundÀren  Arthritis  deformans  wahr- 
nehmbar. Wa  Re  aus  dem  Blute  negativ.  Ein  Punktat  ist  nicht 
zu  gewinnen.  An  der  Diagnose  einer  schweren  ossalen  Gelenk- 
lues ist  nach  dem  Röntgenbefunde  kein  Zweifel  möglich.  Leidei 
hat  sich  der  Patient  der  Behandlung  entzogen. 

Ich  erwĂ€hnte  bereits,  daß  in  unseren  Beobachtungen  die 
hereditĂ€re  Gelenklues  fast  ausschließlich  in  der  Form 
der  synovialen  Gelenklues  auftrat:  doch  konnten  wii 
auch  einige  AusnahmefÀlle  beobachten. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Axhauscn:  Luctische  Erkrankung 


145 


Beobachtung  14.  LI  jĂ€hriges  MĂ€dchen.  Vor  '/■.  Jahr  an- 
geblich nach  Fall  Schwellung  und  Schmerzen  im  rechten  Ellen 
bogcngelcnk,  vielfach  Àrztliche  Behandlung.  Keine  Besserung 
.lei/.t  Ellenbogengelenk  stark  verdickt,  Streckdefekl  von  30°, 
Beugedefekt  von  20°.  Mafiige  Schmerzhaftigkeit.  Das  Röntgen- 
bild zeigt  am  Olecranon  und  im  anstoßenden  Teil  der  Ulna  die 
charakteristischen  /eichen  der  Knochenlues:  Verdickung  des 
Knochens,  rauhe  Aulleukontmen,  Aufhebung  der  Knochenstruktur 
mit  wolkigen  TrĂŒbungen.  Wa  Re  vier  f  a  c  h  p  o  si  t  i  v.  Anii 
luetische  Behandlung  fĂŒhrt  Heilung  herbei. 


Röntgenbild  ergibl  eine,  nach  innen  keilförmig  zunehmende  Ver- 
dickung der  Clavlcula  mit  diffuser  VerÀnderung  der  Struktur  bis 
ans  Sternale  Gelenkende.    Patient  ist  noch  in  Behandlung. 

Manchmal  geht  in  diesen  FĂ€llen  die  luetische  Erkran- 
kung auch  auf  die  deckende  Muskulatur  ĂŒber;  dann  entstehen 
Bilder,  die  einein  Sarkoni  des  Gelenkendes  tÀuschend  iiiin 
lieh  sehen.  Ich  gehe  die  Photographie  eines  solchen  Falles 
nebst  dazugehörigen  Röntgenbildern  in  den  Figuren  4  und  5 
wieder;  sie  gehören  zu  der  folgenden  Beobachtung. 

Beobachtung  IC.  28  jahriges  MĂ€dchen,  vor  10  Jahren 
Lues.  In  den  letzten  Monaten  zunehmende  Anschwellung  des 
unteren  Endes  des  rechten  Überarms,  zuletzt  zu  erheblichen 
Ausmafien;    gleichzeitig    Versteifung    des  Ellenbogengelenkes. 


Fig.  3. 

Auch  ohne  Röntgenbefund  ist  dagegen  die  Diagnose  der 
ossalen  Gelenklues  leicht,  wenn  die  Erkrankung  auf  die  be- 
nachbarte Metaphyse  und  den  Knochenschaft  ĂŒbergegangen 
ist.  Man  bemerkt  dann  neben  der  Gelenkerkrankung  selber 
eine  teigige  Schwellung  in  der  Gegend  der  anstoßenden  Meta- 
physe und  des  benachbarten  Knochenschaftes.  Die  tastende 
Hand  stellt  die  Verdickung  des  Knochens  und  seine  Druck- 
empfindlichkeit fest.  Solche  Befunde  dĂŒrften  wohl  immer 
beweisend  fĂŒr  die  ossale  Gelenklues  sein.  Die  Mitbeteiligung 
des  anstoßenden  Knochenschaftes  ist  auch  der  entscheidende 
Befund  bei  der  ossalen  Lues  des  Sternoeleidoclavicular- 
gelenkes,  die  wir  recht  hÀufig  zu  Gesicht  bekamen.  In  allen 
FĂ€llen  war  hier  von  dem  vorbehandelnden  Arzt  eine  Tuber- 
kulose des  Sternoclaviculargelenkes  angenommen  worden. 
Liegt,  wie  in  der  nachfolgenden  Beobachtung  15,  das  Zen- 
trum der  sichtbaren  Schwellung  nicht  im  Gelenkspalt  selber, 
sondern  neben  ihm  in  der  Clavicula,  nahe  dem  sternalen 
Ende,  so  ist  schon  klinisch  die  Unterscheidung  möglich.  In 
anderen  FÀllen  ist  das  Röntgenbild  ausschlaggebend,  das  bei 
der  Lues  die  flaschenförmige  Auftreibung  des  sternalen  Cla- 
vicularendes  mit  den  diffusen  schweren  StrukturverÀnde- 
rungen deutlich  erkennen  lĂ€ĂŸt. 

Beobachtung  15.  28 jÀhriger  junger  Mann.  Seit  zwei 
Monaten  langsam  zunehmende  Schwellung  in  der  Gegend  des 
linken  Sternoclaviculargelenkes.  Geringe  Beschwerden.  Die 
Untersuchung  ergibt,  daß  das  Zentrum  der  recht  erheblichen 
Schwellung  nicht  im  Gelenkspalt,  sondern  etwa  2  Querfinger  breit 
nach  außen  davon  in  der  Clavicula  gelegen  ist;  der  Gelenkspall 
liegt  schon  nahe  des   inneren   Randes   der   Schwellung.  Das 


Fig.  4. 

Bei  der  Untersuchung  (Fig.  4)  fand  sich  in  der  unteren  HĂ€lfte 
des  rechten  numerus  eine  mÀchtige  spindliche  Tumorbildung,  die 
der  Betastung  nach  zum  Teil  aus  Knochen,  zum  Teil  aus  decken- 
den derben  Weichteilmassen  bestand.    Die  Umfangsdifferenz  an 


Fig.  5. 


146 


Axhausen:  Luetische  Erkrankung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


der  dicksten  Stelle  betrug  8  cm  gegenĂŒber  der  anderen  Seite! 
Die  Haut  ist  in  dem  Tumorbezirk  gespannt,  eine  Spur  gerötet, 
luhit  sich  etwas  heiß  an.  Der  ganze  Tumor  ist  mĂ€hig  schmerz- 
haft. 

Das  Röntgenbild  (Fig.  5)  lĂ€ĂŸt  deutlich  erkennen,  daß  der  ge- 
tastete Tumor  zum  gröberen  Teil  aus  Weichteilen,  zum  kleineren 
aus  Knochen  besteht.  Der  Weichteiltumor  hat  eine  ziemlich  be- 
trĂ€chtliche GrĂ¶ĂŸe.  Der  Knochen  erscheint  in  ganzer  Ausdehnung 
des  Humerus  schwer  verĂ€nĂŒert.  Die  Teilung  in  Kompakta  und 
Markhöhle  ist  völlig  aulgehoben.  Der  Knochen  ist  in  ein  diffus 
schwammiges  Knochengewebe  verwandelt,  an  manchen  Stellen 
Verdichtungen  aulweisend,  an  anderen  (nahe  dem  Ellenbogen- 
gelenk) wie  arrodiert  aussehend.  Die  VerÀnderungen  betreifen 
den  ganzen  Knochen  ziemlich  gleichmĂ€ĂŸig.  Eine  Euter  suchung 
des  obersten  Llnaendes  zeigt  auch  hier  die  gleichen  VerÀnde- 
rungen der  Knochenarchitektur.  Das  Gelenk  selbst  erscheint 
nahezu  zerstört. 

Auch  hier  fĂŒhrte  die  antiluetische  Behandlung  zu  einem  voll- 
stĂ€ndigen RĂŒckgang  der  Knochen- und  Muskellues,  nachdem  aller- 
dings noch  wÀlirend  der  Behandlung  eine  Spontanfraktur  des 
Humerus  entstanden  war;  und  selbst  die  Funktion  des  Ellenbogen- 
gelenkes kehrte  in  erheblichem  Umfang  wieder. 

Die  alte  Regel,  beim  vermeintlichen  Knochensarkom  die 
ciit'ferentialdiagnostische  Abgrenzung  gegen  die  diffuse 
Knochenlues  mit  allen  Mitteln  (ev.  durch  Probeexcision  und 
mikroskopische  Beurteilung,  die  aber  nur  von  sachkundigster 
Hand  vorgenommen  werden  darf)  zu  erzwingen,  gilt  auch 
durchaus  fĂŒr  diese  FĂ€lle  kombinierter  Gelenkknochenlues. 
Manche  ExtremitĂ€t  ist  in  frĂŒherer  Zeit  der  Amputation  ver- 
fallen, die  durch  antiluetische  Behandlung  hÀtte  erhalten  und 
funktionstĂŒchtig  erhalten  werden  können. 

Welch  ungeheuren  Umfang  die  Erkrankung  annehmen 
kann,  bewies  uns  die  folgende  Betrachtung: 

Beobachtung  17.  47  jÀhriger  Mann.  Seit  1916  erkrankte 
langsam  nacheinander  das  linke  Kniegelenk,  das  linke  Ellen- 
bogeiigelenk,  das  linke  Schultergelenk.  Behandlung  ohne  Erfolg. 
1919  erkrankte  auch  das  rechte  Kniegelenk.  Alle  vier 
großen  Körpergelenke  boten  klinisch  und 
röntgenologisch  das  Bild  schwerster  ossaler 
Gelenklues.  Wa  Re  einfach  positiv.  (Patient  des  Herrn 
Regierungsarztes  Dr.  H  e  i  n  e  m  a  n  n.) 

BezĂŒglich  der  Therapie  möchte  ich  mich  kurz  fassen: 
Die  verschiedenen  Möglichkeiten  der  modernen  antiluetischen 
Behandlung  vergleichend  zu  beurteilen,  ist  nicht  Sache  des 
Chirurgen. 

Bei  kleinen  Kindern  leiten  wir  die  Behandlung  mit  der 
Imerwol  sehen  Kur  ein,  d.  h.  wir  geben  3 — 5  mal  in  acht- 
tÀgigen AbstÀnden  eine  intramuskulÀre  Injektion  von  1lw  bis 
"jio  cem  einer  1  %  Sublimatlösung.  k 

Bei  Erwachsenen  beginnen  wir  die  Behandlung  mit 
reichlichen  Jodkaligaben.  Wir  fangen  mit  3  g  pro  die  an 
und  steigen  allmÀhlich  bis  5,  6,  ja  in  manchen  FÀllen  sogar 
8  g  pro  die.  Wir  haben  den  Eindruck,  daß  gerade  die  großen 
Joukali-Gaben  besonders  wirksam  sind.  Nach  einer  3-  bis 
4  wöchentlichen  Jodkalikur  ĂŒbergeben  wir  die  Patienten  dem 
Facharzt  zu  einer  kombinierten  Quecksilber-Salvarsan- 
behandlung. 

Auf  das  Salvarsan  möchte  ich  unter  keinen  UmstÀnden 
verzichten.  Seine  Wirksamkeit  hat  sich  uns  in  einem  recht 
bemerkenswerten  Fall  schwerster  Gelenksyphilis  in  ekla- 
tanter Weise  gezeigt. 

Beobachtung  18.  30 jÀhriger  Kaufmann.  Vor  7  Jahren 
luetische  Infektion  in  den  Tropen.  Etwa  1  Jahr  G  Monate  vor 
Aufnahme  in  die  Klinik  langsam  einsetzende  und  allmÀhlich  zu- 
nehmende Schmerzen  in  beiden  Fußgelenken;  deutliche  Schwel- 
lung der  Gelenke  und  Verdickung  der  beiden  unteren  Tibiaenden. 
Nach  einiger  Zeil  auch  zunehmende  Schmerzen  in  beiden  Knie- 
gelenken. Die  Erkrankung  wurde  als  luetische  Arthritis  und 
Ostitis  diagnostiziert.  16  Monate  lang  war  der  Patient  in  Be- 
handlung der  Syphilisabteilung  verschiedener  KrankenhÀuser  und 
in  verschiedenen  dermatologischen  Kliniken.  Alles,  was  die  alte 
und  neue  Syphilogie  an  Kuren  gegen  die  Syphilis  kennt,  ist  an 
diesem  Patienten  von  berufenster  Seite  zur  Anwendung  gebracht 
worden.  Gleichwohl  waren  die  schmerzhaften  Schwellungen  nicht 
nur  nicht  zu  beseitigen,  sondern  sie  nahmen  noch  zu  und  die 
Schmerzen  wurden  unertrÀglich.    In  einem  Krankenhause  wurde 


eine  Inzision  am  rechten  unteren  Tibiaende  vorgenommen:  die 
Operationswunde  verheilte  nicht,  sondern  wandelte  sich  in  ein 
GeschwĂŒr  um,  in  dessen  Grunde  schwarzer  brandiger  Knochen 
lag.  Der  Zustand  wurde  so  unertrĂ€glich,  daß  Patient  sich  in 
unsere  Klinik  aufnehmen  ließ  mit  der  Bitte,  ihm  beide 
Beine  zu  amputieren. 

Er  hatte  das  GlĂŒck,  gerade  zu  der  Zeit  zu  kommen,  in  der  die 
ersten  Versuche  mit  der  Salvarsantherapie  gemacht  wurden.  Wir 
hielten  uns  daher  fĂŒr  verpflichtet,  der  Amputation  diese  Sal- 
varsantherapie vorangehen  zu  lassen.  Der  Erfolg  war  geradezu 
verblĂŒffend.  Die  GelenkschweUungen  gingen  zurĂŒck,  die  Schmer- 
zen nahmen  ab  und  verschwanden  bald  ganz,  das  GeschwĂŒr  heilte 
zu.  6  Wochen  nach  dem  Eintritt  in  die  Klinik  konnte  der  Patient 
mit  seinen  eigenen  Beinen  zu  Fuß  und  beschwerdefrei  die 
Charite  verlassen  und  seine  Arbeit  wieder  aufnehmen. 

Daß  die  Ausheilung  der  schweren,  lange  bestehenden 
Gelenklues  nicht  selten  in  Ankylose  erfolgt,  habe  ich  schon 
erwÀhnt.  Aber  auch  in  den  FÀllen,  in  denen  das  Gelenk  mit 
guter  Funktion  erhalten  bleibt,  ist  das  definitive  Schicksal 
desselben  noch  nicht  gesichert.  Ein  feines,  fĂŒhlbares  Knorpel  - 
reiben  bei  den  Bewegungen  mahnt  uns,  mit  der  Prognose  vor- 
sichtig zu  sein;  denn  es  zeigt  uns,  daß  hier  durch  die  Er- 
krankung SchÀdigungen  der  Knorpeldecke  erfolgt  sind.  Nach 
der  Natur  der  luetischen  Erkrankung,  nach  der  uns  be- 
kannten umfangreich  nekrotisierenden  Wirkung  der  lueti- 
schen Erkrankung  auf  den  Knochen  (auch  bei  der  diffusen, 
nicht  erweichenden  Knochenlues),  ist  es  durchaus  verstÀnd- 
lich, daß  auch  bei  lĂ€nger  bestehender  synovialer  und  insbe- 
sondere bei  der  ossalen  Gelenklues  nutritive  SchÀdigungen 
an  der  Knorpeldecke  des  Gelenkes  auftreten.  Die  Folge- 
erscheinungen solcher  KnorpelschÀdigungen  sind  uns  gegen- 
wĂ€rtig durch  experimentelle  Untersuchungen  enthĂŒllt.  Der 
geschÀdigte  Knorpel  ist  weniger  resistent  als  der  normale 
lebende  Knorpel;  er  unterliegt  unter  der  Funktion  der  Auf- 
faserung  und  Abschleißung,  in  schwereren  FĂ€llen  bis  zur  Ent- 
stehung der  charakteristischen  Schleifstellen.  Jede  Unregel- 
mĂ€ĂŸigkeit einer  GelenkflĂ€che  fĂŒhrt  aber  unter  der  weiter- 
gehenden Funktion  auf  der  normalen  GegenflÀche  zu  weiteren 
Folgeerscheinungen.  Der  normale  Knorpel  ist  dazu  gemacht, 
sich  gegen  die  glatte  OberflĂ€che  des  GegenĂŒber  zu  bewegen. 
Weist  die  Gegenseite  UnregelmĂ€ĂŸigkeiten  auf,  so  treten  an 
*ihm  ebenfalls  oberflÀchliche,  allmÀhlich  tiefer  gehende  Ne- 
krosen auf,  die  auch  hier  zur  Zerfaserung  und  Abschleißung 
fĂŒhren:  es  entsteht  die  sekundĂ€re  Schleifstelle  der  Gegenseite. 
Wie  jedes  andere  tote  Gewebe  innerhalb  lebender  Umgebung, 
lösen  auch  die  Knorpelnekrosen  gleichzeitig  reaktive  Vor- 
gÀnge im  umgebenden  lebenden  Knorpel  (Knorpelzellwuche- 
rung, Bildung  von  Faserknorpel  und  faserigem  Bindegewebe) 
und  im  unterliegenden  Mark  (Umwandlung  in  gefĂ€ĂŸreiches 
exquisit  resorbierend  wirkendes  Bindegewebe)  aus.  Die 
intensiven  LebensvorgÀnge  in  dem  sonst  so  trÀgen  Knorpel 
und  subchondralen  Mark  stellen  erhöhte  Anforderungen  an 
die  Zufuhr  ernÀhrenden  Blutes;  so  kommt  es  zur  Hyperaemie 
und  Hyperplasie  des  gefĂ€ĂŸfĂŒhrenden  Synovialmembran  und, 
in  Zusamenhang  hiermit,  zu  lebhaften  ZellbildungsvorgÀngen 
in  der  Proliferationszone  des  Knorpels  am  Knorpel-Knochen  - 
rande.  Hier  miterliegt  das  wuchernde  Knorpel -Bindegewebe 
der  Ossifikation  vom  subchondralen  Mark  aus:  dies  sind  die 
charakteristischen  knöchernen  Randwulstbildungen.  Mit  an- 
deren Worten:  Die  nutritive  SchĂ€digimg  des  Knorpels  fĂŒhrt 
gesetzmĂ€ĂŸig  zur  Arthritis  deformans.  Jenes  oft  beobachtete 
Knorpelreiben  ausgeheilter  luetischer  Gelenke  ist  das  erste 
Kennzeichen  der  VerÀnderungen  im  Sinne  der  Arthritis  de- 
formans. Sehr  schön  konnten  wir  die  Entwicklung  der 
sekundÀren  Arthritis  deformans  bis  zum  schwersten  Grade 
an  dem  rechten  Ellenbogengelenk  des  in  Beobachtung  7 
wiedergegebenen  Falles  verfolgen.  Hier  war  nach  Ausheilung 
der  luetischen  Erkrankung  das  Knorpelreiben  deutlich  wahr- 
nehmbar. Im  Verlauf  der  folgenden  8  Jahre  konnten  wir 
nun  die  Entwicklung  der  Arthritis  deformans  durch  alle 
Stadien  verfolgen.  Zur  Zeit  besteht  eine  erhebliche  Be- 
schrÀnkung der  Funktion,  Schmerzhaftigkeit  bei  Bewegun- 
gen, das  Gelenk  ist  leicht  verdickt.  Bei  Bewegungen  Knacken 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Kocppc:  Perkussion  des  SchÀdels 


und  Reiben.  Im  Röntgenbild  ist  der  Gelenkspalt  stark  ver 
engt,  ausgesprochene  Randzacken  an  dem  Gelenkraride  des 
Humerus  und  der  Ulna.  Und  auch  in  dem  Röntgenbilde 
ifFig.  l)  der  Beobachtung  13  ist  als  Zeichen  der  sekundÀren 
Arthritis  deformans  eine  deutliche  Randwulstbildung  am 
inneren  Kenarcondylus  wahrnehmbar. 

Es  muß  nach  diesen  und  Ă€hnlichen  Beobachtungen  als 
sii  her  angenommen  werden,  daß  manche  FĂ€lle  von  jugend 
Iii  her  Arthritis  deformans  auf  dem  Boden  einer  luetischen 
Gelenkerkrankung  entstanden  sind.  Es  ist  dabei  durchaus 
nicht  nötig,  daß  die  primĂ€re  Erkrankung  von  den  Patienten 
oder  von  den  Eltern  der  Kinder  bemerkt  worden  ist,  sehen 
wir  doch  so  hĂ€ufig,  daß  die  Eltern  eine  vorhandene  luetische 
Atfektion  des  Kniegelenkes  gar  nicht  bemerkt  haben.  Und 
auch  in  der  Beobachtung  10  ist  die  sehr  intelligente  Patientin 
sich  der  Erkrankung  des  linken  Kniegelenkes  gar  nicht 
bewußt  gewesen.  Wie  hĂ€ufig  mögen  auch  sonst  leichte 
luetische  Gelenkerkrankungen,  insbesondere  am  Kniegelenk 
unbemerkt  fortbestehen!  Erst  die  Entwicklung  der  spÀteren 
sekundÀren  Arthritis  deformans  macht  die  Patienten 
in  diesen  FĂ€llen  auf  das  erkrankte  Gelenk  aufmerk- 
sam. Gerade  die  gar  nicht  so  sehr  seltene  juvenile  doppel- 
seitige Arthritis  deformans  des  Kniegelenkes  erscheint  mir 
in  dieser  Beziehung  recht  verdÀchtig.  Die  luetische  Aetiologie 
der  Erkrankung  lĂ€ĂŸt  sich  in  diesen  FĂ€llen,  da  die  Wasser- 
mannsche  Reaktion  aus  dem  Blut  bei  der  hereditÀren  Gelenk- 
lues der  Erwachsenen  sehr  hÀufig  negativ,  und  ein 
Punktat  aus  dem  Gelenk  nicht  zu  gewinnen  ist,  fast  nie  mehr 
feststellen.  Auch  lĂ€ĂŸt  es  sich  nicht  mehr  sagen,  ob  in  diesen 
FÀllen  die  luetische  Vorerkrankung  schon  völlig  ausgeheilt 
ist,  oder  ob  sie  noch  einen  gewissen  Anteil  an  der  vorhan- 
denen Erkrankung  hat;  ich  halte  das  erstere  allerdings  fĂŒr 
das  wahrscheinliche.  Gleichwohl  halte  ich  es  fĂŒr  ratsam, 
in  solchen  FĂ€llen  doppelseitiger  Arthritis  deformans  der 
Jugendlichen,  in  denen  die  Möglichkeit  der  luetischen  Aetio- 
logie besteht,  der  ĂŒblichen  Therapie  der  Arthritis  deformans 
eine  spezifische  Behandlung  hinzuzufĂŒgen. 


Weitere  Erfahrungen  mit  der  Perkussion 
des  kindlichen  SchÀdels, 

Von  Prof.  K  o  e  p  p  e  -  Gießen. 

Die  Perkussion  des  SchÀdels  hat,  wie  ich  mich  seit 
meiner  ersten  Veröffentlichung  (D.  m.  W.  1919)  ĂŒber  diesen 
Gegenstand  dank  der  Zuschriften  verschiedener  Kollegen 
ĂŒberzeugen  konnte,  doch  schon  ihre  Geschichte.  Ich  will 
heute  daraus  nur  mitteilen,  daß  W  e  p  f  e  r  1658  von 
Schweizer  TierÀrzten  erzÀhlt,  die  durch  Beklopfen  des 
SchÀdeldachs  von  Rindern  und  Schafen  aus  der  Art  des 
Schalles  auf  das  Vorhandensein  von  Cysticerken  schlössen. 
1828  berichtet  P  i  o  r  r  y  ĂŒber  Perkussion  des  SchĂ€dels  und 
1855  B  e  t  z,  ein  Heilbronner  praktizierender  Arzt,  der  sich 
nach  schöner  Beschreibung  der  verschiedenen  beobachteten 
Schallverschiedenheiten  in  theoretische  Erörterungen  ĂŒber 
ihre  Ursachen,  Entstehung  und  physikalische  Deutung  ver- 
liert, ohne  zu  einem  praktischen  Resultat  zu  kommen.  1895 
und  ausfĂŒhrlicher  1897  hebt  Bruns  die  Bedeutung  des  Per- 
kussionsschalles des  SchÀdels  hervor,  besonders  in  diagnosti- 
scher Beziehung.  Die  VerÀnderungen  des  Perkussionstones, 
sowohl  das  „Schleppern"  wie  die  Tympanie,  sind  fĂŒr  Bruns 
Zeichen  einer  erheblichen  VerdĂŒnnung  des  SchĂ€deldaches. 
Das  Symptom  des  Schepperns  findet  sich  besonders  bei 
HirngeschwĂŒlsten,  ohne  jedoch  fĂŒr  diese  pathognomonisch  zu 
sein,  da  es  ebenso  wie  die  Tympanie  auch  bei  anderen 
Krankheiten  vorkommt,  so  bei  Hydrocephalus,  Meningitis 
|  tuberculosa,  seniler  Osteoporose,  ja  bei  gesunden  SĂ€uglingen 
sei  die  allgemeine  Tympanie  fast  regelmĂ€ĂŸig  nachzuweisen. 

Die  Arbeiten  nach  Bruns  bringen  nichts  wesentlich 
Neues. 

Im  Verlaufe  meiner  eigenen  Beobachtungen  und  Unter- 
suchungen kam  ich  nun  bald  ganz  davon  ab,  fĂŒr  das  abson- 


derliche PhĂ€nomen,  daß  beim  Beklopfen  der  festen  SchĂ€del  - 
kapsei  mit  ihrem  massiven  Inhalt  ein  tympanitischer  Schal] 
gehört  wird,  eine  physikalische  Deutung  zu  suchen.  Meine 
Beobachtungen  an  SĂ€uglingen  brachten  mich  vielmehr  dar- 
auf, zwischen  den  Ergebnissen  des  Perkussionsschalls  und 
dem  Grade  der  Spannung  der  großen  Fontanelle,  also  der 
Spannung  des  SchÀdeldachs,  infolge  des  intrakraniellen 
Druckes  einen  Zusammenhang  zu  suchen.  Ich  glaube  nun 
folgenden  Zusammenhang  gefunden  zu  haben: 

Das  Auftreten  von  Schettern  oder  tympanitischen  Schall 
bei  der  Perkussion  des  kindlichen  SchÀdels  ist  bedingt  durch 
einen  erhöhten  intrakraniellen  Druck. 

Damit  ist  die  rein  physikalische  Frage  nach  der  Ent- 
stehung tympanitischen  SchÀdelschalls  zunÀchst  ausge- 
schaltet, ebenso  die  Frage,  ob  und  inwieweit  die  Spannung 
des  SchÀdeldachs  physikalisch  bei  der  Entstehung  desselben 
beteiligt  ist.  Es  handelt  sich  jetzt  darum,  ob  klinisch 
tympanitischer  SchĂ€delschall  ein  Symptom  fĂŒr  erhöhten 
intrakranellen  Druck  ist.  Wir  haben  zu  prĂŒfen,  was  die 
Methode  der  SchÀdelperkussion  im  Vergleich  zu  den  anderen 
Zeichen  fĂŒr  erhöhten  Hirndruck  leistet. 

Den  höchsten  Grad  von  Tympanie  sowie  Schettern  lĂ€ĂŸt 
auf  den  höchsten  Grad  von  intrakraniellem  Druck  schließen, 
andererseits  hat  hohe  Drucksteigerung  Im  SchÀdelinnern 
Stauungspapille  zur  Folge.  Bei  10  FĂ€llen,  bei  denen 
die  SchÀdelperkussion  Schettern  und  hohe  Tympanie  und 
damit  Anlaß  zur  Untersuchung  des  Aug.mhintergrundes 
ergab,  wurde  Stauungspapille  festgestellt.  In  12  anderen 
FĂ€llen,  bei  denen  der  Augenhintergrund  aus  anderem  Anlaß 
untersucht  wurde,  wurde  der  Augenhintergrund  normal  ge- 
funden, bei  keinem  dieser  FĂ€lle  war  Schettern  vorhanden, 
nur  bei  5  FĂ€llen  ist  Tympanie  teilweise  als  voiĂŒbergehend 
verzeichnet.  Ein  Fall,  welcher  mit  fraglicher  Stauungspapille 
eingeliefert  wurde,  hatte  absolut  leeren  SchÀdelschall,  darauf- 
hin erschien  eine  Stauungspapille  unwahrscheinlich  und 
wiederholte  Untersuchung  in  der  Augenklinik  brachte  den 
Beseneid,  daß  die  VerĂ€nderungen  der  Papille  innerhalb 
physiologischer  Grenzen  liege. 

Besser  als  durch  die  immerhin  seltenen  FĂ€lle  mit 
Stauungspapille  können  wir  den  durch  die  SchÀdelperkussion 
diagnostizierten  Grad  des  Hirndrucks  durch  darauf  folgende 
Lumbalpunktion  kontrollieren. 

Bei  69  FÀllen  mit  erhöhter  SchÀdeltympanie,  einzelnen 
auch  mit  Schallern,  fand  sich  61  mal  bei  der  Lumbalpunktion 
erhöhter  Druck.  Die  8  FÀlle,  bei  denen  die  Lumbalpunktion 
keinen  erhöhten  Druck  ergab,  erklĂ€ren  sich  dadurch,  daß  bei 
der  Lumbalpunktion  eben  nur  der  Lumbaidruck  gemessen 
wird,  nicht  aber  der  Hirndruck. 

Perkutieren  wir  vor  der  Lumbalpunktion  und  nach  dem 
Ablassen  von  Liquor,  so  ist  in  der  Regel  der  Schall  dann  oft 
leer  oder  weniger  tympanitisch,  je  nach  der  Menge  des  abge- 
lassenen Liquors.  In  FĂ€llen,  wo  vor  wie  nach  Ablassen  von 
Liquor,  der  Perkussionsschall  der  gleiche  war,  handelte  es 
sich  um  tumor  cerebri  oder  die  Sektion  ergab  Oedem  der 
HirnhÀute,  salzige  DurchtrÀnkung  der  Hirnhaut. 

Auch  feinere  Druckschwankungen,  die  bei  Messungen 
des  Lumbaidruckes  beboachtet  wurden,  können  durch  die 
Perkussion  des  SchÀdels  ermittelt  werden,  so  ist  bei  inten- 
sivem Schreien  der  Kinder  höhere  Tympanie  festzustellen, 
ebenso  beim  sog.  Atemhalten,  auch  bei  KeuchhustenanfÀllen. 
Alle  solche  Tympanie  ist  vorĂŒbergehend.  Wir  sehen  aber, 
daß  die  Methode  viel  leistet  und  noch  feine  Unterschiede  zur 
Kenntnis  bringt.  Da  also  durch  die  SchÀdelperkussion  noch 
vorĂŒbergehende  und  geringe  Drucksteigerungen  ermittelt 
werden,  ist  es  nicht  absolut  nötig,  sofort  in  jedem  Fall  von 
erhöhter  SchÀdeltympanie  eine  Lumbalpunktion  anzu- 
schließen. Erhöhte  SchĂ€deltympanie  gibt  nicht  schematisch 
die  Indikation  fĂŒr  eine  Lumbalpunktion,  die  zwar  den  an- 
geregten erhöhten  Hirndruck  bestÀtigen  wird,  aber  in  man- 
chen FĂ€llen  sich  als  ĂŒberflĂŒssig  oder  bedeutungslos  erweisen 
dĂŒrfte.  Immerhin  sind  hierĂŒber  noch  Erfahrungen  zu  sam- 
meln. Ein  Fehler  dĂŒrfte  es  wohl  keinesfalls  sein,  wenn  man 
bei  erhöhter  SchÀdeltympanie  eine  Lumbalpunktion  vor- 
nimmt. 


148 


Jacobsohn:  SpÀtikterus 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Um  die  Perkussion  des  SchÀdels  hei  Kindern  richtig 
werten  zu  können,  mĂŒssen  wir  scnarf  daran  festnĂ€hen,  daß 
durch  die  Perkussion  nur  ein  gewisser  physikalischer  Zu- 
stand, der  intrakranielle  Druck,  ermittelt  wird,  nicht  eine 
bestimmte  Krankheit  diagnostiziert  werden  kann. 

Nicht  Krankheiten  sind  die  Ursache  des  Symptoms  der 
SchÀdeltympanie  und  des  Schetterns,  sondern  die  Ursache 
dieses  Symptoms  ist  der  erhöhte  intrakranielle  Druck, 
weicher  naturlich  bei  ganz  verschiedenen  Krankheiten  und 
Krankheitszustanden  und  bei  den  einzelnen  wieder  verschie- 
den auftreten  kann.  Da  sich  nun  die  SchÀdelperkussion  beim 
Kind  als  sehr  zuverlÀssige  und  empfindliche  Methode  zur 
Ermittelung  des  intrakraniellen  Druckes  bisher  durchaus  be- 
wĂ€hrt hat,  erscheint  sie  vorzĂŒglich  geeignet,  nun  umgekehrt 
festzustellen,  bei  welchen  Krankheiten,  KrankheitszustÀnden 
usw.  Druckerhöhungen  vorkommen,  welche  etwaigen  anderen 
klinischen  Erscheinungen  damit  in  Zusammenhang  zu  brin- 
gen sind,  in  welchen  ballen  alsdann  eine  Liunbalpunktion  zu 
therapeutischen  oder  diagnostischen  Zwecken  angezeigt  ist. 

"Von  den  in  dieser  Ricntung  gemachten  Erfahrungen  er- 
scheinen mir  folgende  beachtenswert.  Die  FÀlle  von  SchÀdel- 
tympanie  und  auch  Schettern  bei  Otitis,  auf  welche  ich 
schon  in  meinem  ersten  Bericht  hinwies,  haben  mir  anfangs 
viel  Schwierigkeiten  bereitet  zur  Zeit,  als  ich  noch  die 
SchÀdeltympanie  eben  als  Symptom  bestimmter  Krankheiten 
ansah.  Die  inzwischen  durch  Beobachtung  vermehrter  FĂ€lle 
gewonnenen  Erfahrungen  lehrten,  daß  bei  dem  Einsetzen 
akuter  entzĂŒndlicher  Ohraffektionen  in  vielen  FĂ€llen  (nicht 
in  allen)  hohe  SchÀdeltympanie  und  sogar  Schettern  ge- 
funden werden  kann,  hohes  Fieber  und  leichte  Rötung  des 
Trommelfells  sind  die  einzigen  sonstigen  Befunde,  wÀhrend 
der  Allgemeinzustand  des  Kindes  den  Verdacht  auf  eine  be- 
ginnende Meningitis  erweckte.  Das  Verschwinden  der 
SchĂ€deltympanie  in  einigen  Tagen  brachte  die  Sicherheit,  daß 
keine  Meningitis  vorlag.  Wir  erkennen  aber,  daß  bei  ein- 
facher Otitis  der  Gehirndruck  erhöht  sein  kann.  In  anderen 
FĂ€llen  von  Otitis  purulenta,  welche  als  geheilt  noch  von  fach- 
Ă€rztlicher Seite  angesehen  wurden,  zeigte  uns  das  weitere  Be- 
stehen und  Zunehmen  der  SchĂ€deltympanie  an,  daß  Heilung 
doch  noch  nicht  da  sei;  erneutes  Fieber,  erneute  Eiterung  der 
alten  Affektion  oder  auf  dem  andern  bisher  gesunden  Ohr 
bestÀtigte  diese  Auffassung.  Besonders  bei  SÀuglingen  hat 
sich  uns  die  SchÀdelperkussion  zur  schnellen  imd  bequemen 
Ermittelung  von  Ohraffektionen  recht  oft  bewÀhrt.  Auch  bei 
FĂ€llen  von  Meningismus  z.  B.  bei  Retropharyngitis  fand  sich 
SchÀdeltympanie,  deren  baldiges  Abklingen  den  Verdacht  auf 
Meningitis  erledigte.  Aus  diesen  und  Àhnlichen  FÀllen  ist 
ersichtlich,  daß  entzĂŒndliche  Prozesse  in  der 
NĂ€he  van  Blut-  und  Lymphbahnen,  welche 
mit  dem  SchÀdelinnern  in  Verbindung 
stehen,  im  SchÀdelinnern  krankhaften  er- 
höhten Druck  erzeugen  können. 

Wie  bei  der  Otitis  werden  wir  durch  die  SchÀdelper- 
kussion auch  bei  andern  Krankheiten  nicht  unwichtige  Auf- 
schlĂŒsse ĂŒber  bei  diesen  auftretende  VerĂ€nderungen  des  nor- 
malen Hirndrucks  erlangen.  Infolgedessen  werden  wir  uns 
immer  bewußt  sein  mĂŒssen,  daß  die  SchĂ€delperkussion  fĂŒr 
sich  allein  keine  bestimmte  Krankheitsdiagnose  zu  stellen 
erlaubt,  sondern  eben  nur  Aufschluß  ĂŒber  den  jeweiligen 
intrakraniellen  Druck  gibt,  gerade  so  wie  bei  der  Thorax- 
perkussion eine  DĂ€mpfung  nur  ĂŒber  den  jeweiligen  physika- 
lischen Zustand  des  dahinter  liegenden  Raumes  schließen 
lĂ€ĂŸt.  Deswegen  sind  die  Vorteile,  welche  die  SchĂ€delper- 
kussion bringt,  nicht  geringer  zu  veranschlagen. 

Bedenken  wir,  wie  bei  SĂ€uglingen  und  auch  bei  grĂ¶ĂŸeren 
Kindern  der  Arzt  durch  den  Patienten  keine  oder  nur  höchst 
mangelhafte  Auskunft  erhÀlt  und  ebenso  die  Angaben  der 
Umgebung  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig  lassen,  wie  der  Arzt  also  fast 
allein  auf  das  Ergebnis  seiner  Untersuchung  angewiesen  ist, 
so  ergibt  sich  hieraus  ohne  weiteres,  wie  wertvoll  jede  Er- 
weiterung unserer  Untersuchungsmethoden  ist.  FĂŒr  mich 
persönlich  gehört  jetzt  die  SchÀdelperkussion  zu  einem  voll- 
stÀndigen Status  genau  so  gut  wie  die  Thoraxperkussion.  In 


einer  großen  Zahl  von  FĂ€llen  hat  mir  das  Ergebnis  der 
SchÀdelperkussion  sowohl  nach  der  positiven  wie  nach  der 
negativen  Seite  hin  wertvolle,  z.  T.  ausschlaggebende  An- 
haltspunkte fĂŒr  Diagnose  wie  fĂŒr  Therapie  gegeben.  Wenn 
mir  dabei  jetzt  noch  die  langjÀhrige  Uebung,  die  gesammelten 
Erfahrungen  und  mein  fĂŒr  den  Gegenstand  natĂŒrlich  beson- 
ders starkes  Interesse  zugute  kommen,  so  ist  andererseits  doch 
noch  jetzt  nach  Festlegung  dieser  Erfahrungen  die  Erlernung  I 
der  Technik  und  die  Verwertung  der  Untersuchungsresultate  J 
um  so  leichter  als  bisher.   Weiter  möchte  ich  noch  hervor- 1 
heben,  daß  die  SchĂ€delperkussion  eben  doch  nur  ein  Teil  der  ! 
Gesamtuntersuchung  ist,  die  ĂŒbrigen  Methoden  nur  ergĂ€nzt,! 
also  nicht  ĂŒberflĂŒssig  macht.  Bei  der  Einfachheit  der  Hand-  I 
habung,  der  GeringfĂŒgigkeit  des  Eingriffes  —  jederzeit  und! 
unter  allen  UmstĂ€nden  ist  ihre  Anwendung  möglich  —  noch! 
kein  Kind  hat  sich  mir  ernstlich  gegen  das  Beklopfen  des! 
SchÀdels  gestrÀubt,  wenn   auch   zuweilen   die  Perkussion! 
schmerzhaft  ist  — ,  gibt  das  Resultat  hingegen  in  jedem  Fallel 
ein  eindeutiges  Ergebnis  ĂŒber  einen  höchst  wichtigen  Zu-1 
stand  des  Kranken.    Oft  fĂŒhrt  das  Ergebnis  zur  weiteren  I 
Untersuchung  des  Augenhintergrundes,  zur  Lumbalpunktion! 
usw.,  die  ohne  dem  vielleicht  unterblieben  wÀren;  in  anderem! 
Falle  erlaubt  es  das  Unterlassen  dieser  Untersuchungen. 

Nach  alledem,  was  die  SchÀdelperkussion  mir  bis  jetzt! 
geleistet  hat,  zweifle  ich  nicht,  daß  mit  den  weiteren  Erfah- 
rungen ihre  Bedeutung  noch  weiter  wachsen  wird. 


Ueber  den  SpÀtikterus  nach  Salvarsan. 

Von  Dr.  Julius  Jacobsohn,  Berlin. 

Die  Aerzte  sind  dem  Salvarsan  gegenĂŒber  auch  heute1 
noch  in  einer  eigenartigen,  vielleicht  beispiellosen  Lage:  das. 
in  seiner  Wirkung  gegen  Syphilis  allgemein  anerkannte 
Heilmittel  wird  in  tausenden  von  FĂ€llen  ohne  den  geringsten 
Schaden  angewendet,  und  eben  dasselbe  Mittel  fĂŒhrt  in  einer 
kleinen  Zahl  von  FÀllen  zu  schweren,  ja  tödlichen  Erkran- 
kungen. Die  ĂŒberwiegende  Mehrzahl  der  Aerzte  lernt  schĂ€d- 
liche Wirkungen  des  Salvarsans  an  eigenen  FĂ€llen  nicht, 
keimen  und  viele  wissenschaftliche  Bearbeiter  dieses  Ge-, 
bietes  bestreiten  die  Beziehung  von  Gesundheitsstörungen  zu 
dem  Heilmittel  und  fassen  sie  als  Aeußerungen  der  Syphi- 
lis auf. 

Ganz  besonders  schwierig  ist  die  KlÀrung  der  Frage  des 
Zusammenhangs  mit  dem  Heilmittel  oder  mit  der  Grund- 
krankheit bei  der  zuletzt,  eigentlich  erst  seit  der  Veröffent- 
lichung von  Rehder  und  Beckmann  (1)  1917  bekannt- 
gewordenen Nachkrankheit,  der  Gelbsucht,  dem  SpÀtikterus 
nach  Salvarsan,  wie  ihn  diese  Autoren  bezeichnet  haben  im 
Gegensatz  zu  der  seit  Beginn  der  SalvarsanÀra  im  unmittel- 
baren Anschluß  an  die  Injektion  in  seltenen  FĂ€llen  beob- 
achteten Gelbsucht,  dem  FrĂŒhikterus.  Auf  Rehder  und 
Beckmann,  welche  20  wÀhrend  eines  halben  Jahres  in 
Kiel  beobachtete  FĂ€lle  mitteilen,  folgen  dann  schnell  hinter- 
einander eine  Reihe  von  Mitteilungen  ĂŒber  die  Erkrankung. 
Aus  fachĂ€rztlichen  Lazaretten  berichtet  Fabry  (2)  ĂŒber  12 
FĂ€lle,  Friedmann  (3)  ĂŒber  22,  Silbergleit  (i)  ĂŒber 
21,  aus  UniversitÀtspolikliniken  und  Kliniken  Pulver- 
macher  -  Berlin  (5  u.  6)  in  zwei  umfangreichen  Arbeiten 
1917  ĂŒber  7,  1918  ĂŒber  16  eigene  FĂ€lle,  Spiethoff  -  Jena 
(7)  ĂŒber  eine  nicht  nĂ€her  angegebene  erhebliche  Anzahl  und 
Oltramare-Genf  (8)  ĂŒber  200  FĂ€lle,  darunter  189  nach 
Neosalvarsan  wÀhrend  4  Jahren.  Zimmern  (9)  hat  in 
einer  sehr  wichtigen  Studie  aus  dem  gesamten  Material  der 
deutschen  Marine  wÀhrend  des  Krieges  bis  1917  360  FÀlle  ge- 
sammelt. Die  Zahl  der  ĂŒberhaupt  vorgekommenen  Erkran- 
kungen ist  aber  sicher  viel  grĂ¶ĂŸer,  als  die  Zahl  der  ver- 
öffentlichten, wie  sich  aus  Diskussionsbemerkungen  in  fach- 
Ă€rztlichen -Vereinen  und  aus  mĂŒndlichen  Mitteilungen  von 
Kollegen  entnehmen  lĂ€ĂŸt. 

Das  ziemlich  gleichmĂ€ĂŸig  sich  darstellende  Krankheits- 
bild  ist  das  eines  katarrhalischen  Ikterus  mit  den  dafĂŒr  cha- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7.  Jacobsohn:  Sp&tikterus  140 


rakteristischen  Symptomen,  oft  mit  deutlicher  Schwellung 
und  Druckschmerzhaftiekeit  der  Leber.  Der  Krankheits- 
verlauf ist  meist  oin  leichter,  der  die  TĂ€tigkeit  nicht  beein- 
trĂ€chtigt, von  3—9  Wochen  Dauer,  selten  ein  schwerer,  der 
ĂŒber  mehrere  Monate  sich  erstreckt  und  mit  lange  zurĂŒck- 
bleibender VergrĂ¶ĂŸerung  und  VerhĂ€rtung  der  Leber  die  Ge- 
sundheit lange  und  vielleicht  dauernd  beeintrÀchtigt.  Tu  ein- 
zelnen wenigen  FĂ€llen  hat  die  Erkrankung  aber  unter  dem 
RĂŒde  der  akuten  gelben  Leberatrophie  unter  Delirien  und 
Koma,  der  fĂŒr  diese  Erkrankung  typischen  Psychose,  zum 
Tode  gefĂŒhrt,  und  zwar  berichtet  Zimmern  ĂŒber  6  Todes- 
fÀlle, Silber  gleit  aus  der  in  ihrer  Schwere  einzig  da- 
stehenden IngolstĂ€dter  Ikterusendemie  ĂŒber  13  TodesfĂ€lle 
unter  21  Erkrankungen. 

Charakteristisch  fĂŒr  den  SnĂ€tikterus  nach  Salvarsan  ist 
das  lange  Intervall  zwischen  der  letzten  Salvarsaniniektiön 
und  dem  Auftreten  der  Gelbsucht,  das  mindestens  14  Tage, 
meist  3  Monate,  in  einzelnen  noch  hierher  gerechneten  FĂ€l- 
len bis  7  Monate  betrÀgt,  nicht  selten  vollstÀndig  beschwerde- 
frei  verlÀuft,  oft  aber  Zeichen  einer  beginnenden  Magen- 
Darmstörung:  Appetitlosigkeit,  Druck-  und  SchmerzgefĂŒhl  in 
der  Oberbauchgegend  und  Àhnliche  Symptome  aufweist.  Die 
Dauer  dieser  „Inkubationszeit"  ist  dabei  ganz  unabhĂ€ngig 
von  der  Anzahl  der  Salvarsaninjektionen  und  der  Dosierung 
und  von  der  Kombination  mit  einer  Ouecksilberkur.  Ein 
zweites  Kennzeichen,  das  bei  anderen  Arten  der  Gelbsucht 
vermißt  wird,  ist  die  von  Rehder  und  Beckmann, 
Friedmann,  Gennerich  u.  a.  konstatierte  Giftfestig- 
keit oder ,, ImmunitÀt"  gegen  die  ikterogene  Kraft  des  Salvar- 
sans.  Friedmann  hat  bei  GelbsĂŒchtigen  Salvarsan  ohne 
Verschlimmerung  der  Krankheit  weitergegeben  und  hat  seine 
von  der  Gelbsucht  genesenen  Luetiker  mit  vollen  Salvarsan- 
dosen  weiter  behandelt  und  andere  nach  den  ĂŒblichen  Pau- 
sen einer  erneuten  Kur  mit  Neosalvarsan  unterworfen,  ohne 
die  Gelbsucht  wieder  auftreten  zu  sehen. 

Der  pathologisch-anatomische  Befund  der  Leber  bei  den 
an  Leheratronhie  nach  Salvarsan  Verstorbenen  bietet  nichts 
fĂŒr  die  Krankheit  Spezifisches  und  gleicht  dem  Befunde  der 
beiden  wahrscheinlich  zu  Unrecht  zum  FrĂŒhikterus  gerech- 
neten FĂ€lle  von  Severin  und  Heinrichsdorf  CIO). 
Es  findet  sich  eine  im  Zentrum  der  LeberlÀnpehen  begin- 
nende, peripher  fortschreitende  Nekrose  der  Leberzellen  ohne 
Verfettung  der  Zellen  mit  Ersatz  der  ausgefallenen  Zell- 
partien durch  erweiterte  Kapillaren  und  HĂ€morrhagien.  Es 
ist  dies  das  Bild  der  genuinen  Leheratronhie  P  a  1 1  a  u  f  '  s  , 
die  auch  bei  anderen  Infektionen  und  Intoxikationen  der 
verschiedensten  Art  beobachtet  worden  ist.  Auf  hyner- 
plastische  und  regenerative  Prozesse,  die  von  erhaltenen  Le- 
berzellen ausgehen  und  eine  Restitutionsmöglichkeit  auch  hei 
weitgehender  Zerstörung  des  Lebergewebes  einschließen, 
haben  Severin  und  Heinrichsdorf  und  zuletzt 
Herxheimer  und  G  e  r  1  a  c  h  (11)  hingewiesen. 

FĂŒr  die  Aetiologie  der  Erkrankung  lassen  sich  weder  aus 
dem  klinischen  noch  aus  dem  nathologisch-anatomisehen 
Refnnd  irgend  welche  bindenden  SchlĂŒsse  ziehen.  Die  Son- 
derstellung der  Krankheit  wird  ĂŒberhaunt  zweifelhaft,  wenn 
wir  die  Leberaffektionen,  welche  im  Laufe  der  Svnhilis  als 
endotoxische  Wirkung  des  Syphilisgiftes  (Buschke)  auf- 
treten, zum  Vergleich  heranziehen,  den  FrĂŒhikterus  der 
Eruntions-  und  Rezidivperiode  (Icterus  svphiliticus  praecox) 
und  die  svnhilitische  akute  gelbe  Leheratronhie.  Man  kommt 
dann  leicht  zu  der  Annahme  —  und  Tachau  (12)  hat  das 
heulich  als  uanz  gesichert  hinbestellt  — .  fast  ieder  nach 
Salvarsan  beobachtete  Ikterus  sei  ein  svnhilitisehcr.  Nun  ist 
aber  SnÀtikterus  nach  Salvarsan  aueh  bei  Nicbtluetikeni  in 
einer  sehr  beringen  Anzahl  von  FĂ€llen,  wie  bei  der  Spezi- 
fitÀt des  Mittels  nicht  anders  zu  erwarten  ist,  beobaebtet 
worden.  Pulvermacher  erwÀhnt  einen  Fall  von  Lieben 
ruber  planus,  der  von  Linser  in  einem  Lazarett  mit  Alt- 
salvarsan  in  den  ĂŒblichen  Dosen  behandelt  worden  war  und 
6  Wochen  spÀter  in  einem  Rerliner  Krankenhaus  mit  einem 
leichten  Ikterus  zur  Beobachtung  kam,  und  Zimmern  hat 
5  solche  FĂ€lle  aufgefunden,  von  denen  zwei  nach  Malaria 


und  einer  naeb  Herpes  zoster  gangrae.nosus  vielleicht  nicht 
beweisend  sind,  weil  eine  Beziehung  der  Gelbsucht  zur 
Grundkrankheit  nicht  ganz  unmöglich  ist  oder  die  Anamnese 
vielleicht  eine  vorausgegangene  Lues  verschweigt.  Zwei 
andere  bei  Ulcus  molle  nach  provokatorischer  Neo-Salvar- 
saninjektion  beobachtete  FÀlle  scheinen  aber  beweiskrÀftig 
zu  sein,  weil  hier  die  auf  die  Lues-Diagnose  gerichtete  Beob- 
achtung und  wiederholte  Serumreaktionen  eine  rezente  oder 
frĂŒher  erworbene  Syphilis  ausschließen. 

Die  Deutung  des  SpÀtikterus  wird  ganz  besonders  er- 
schwert durch  die  Zunahme  der  FĂ€lle  von  Gelbsucht  und 
akuter  Leberatrophie  in  Deutschland  und  einigen  Nachbar- 
lÀndern wÀhrend  der  letzten  Kriegsjahre  und  der  Nach- 
kriegszeit. Zimmern  bezieht  die  erhebliche  Steigerung 
der  Zahlen  fĂŒr  den  gewöhnlichen  und  den  Salvarsaniktems 
auf  die  allmÀhliche  Verschlechterung  der  EmÀhrungsver- 
hÀltnisse  und  die  dadurch  bedingte  BeeintrÀchtigung  der 
WiderstandsfĂ€higkeit  der  Leber  gegenĂŒber  einwirkenden 
SchĂ€dlichkeiten.  Es  besteht  sicher  die  Möglichkeit,  daß  die- 
selben Faktoren,  welche  besonders  unter  der  Bevölkerung 
der  GroßstĂ€dte  Lebererkrankungen  veranlassen:  UnterernĂ€h- 
rung, Mangel  an  leichtverdaulichen  Fetten  und  Ersatz  der- 
selben durch  Konserven  und  verdorbene  Lebensmittel  des 
Schleichhandels,  auch  bei  mit  Salvarsan  behandelten  Lueti- 
kern  wirksam  waren,  und  daß  es  sich  in  einer  grĂ¶ĂŸeren  Zahl 
von  FÀllen  um  ein  zufÀlliges  Auftreten  des  katarrhalischen 
Ikterus  bei  Luetikern  handelt.  Das  wĂŒrde  aber  nicht  die 
HĂ€ufung  der  FĂ€lle  in  einzelnen  Lazaretten  und  innerhalb 
kurzer  Zeit  erklÀren,  wie  sie  von  Friedmann,  Fabrv, 
S  i  1  b  e  r  g  1  e  i  t  u.  a.  beobachtet  worden  ist.  In  der  Statistik 
von  Zimmern  fehlen  leider  Angaben  ĂŒber  die  Verteilung 
der  Salvarsan-IkterusfÀlle  auf  die  einzelnen  Marinelazarette. 

Die  Annahme  einer  besonderen,  bisher  unbekannt  ge- 
bliebenen örtlichen  SchÀdlichkeit  toxischer  oder  infektiöser 
Art,  welche  zu  einer  Ikterusendemie  fĂŒhre,  wie  sie  Tachau 
fĂŒr  diese  Lazarettendemien  gelten  lassen  will,  erklĂ€rt  wie- 
derum nicht  die  BeschrÀnkung  des  Ikterus  auf  den  Kreis  der 
mit  Salvarsan  behandelten  Syphilitiker,  trotz  Fehlens  jeder 
Absperrung  von  anderen  nichtluetischen  Lazarettinsassen, 
wie  es  in  allen  FĂ€llen  beobachtet  und  von  S  i  1  b  e  r  g  I  e  i  t 
fĂŒr  die  IngolstĂ€dter  Endemie  nĂ€her  ausgefĂŒhrt  worden  ist. 

Diesen  mannigfachen  Schwierigkeiten  gegenĂŒber  be- 
gnĂŒgen sich  die  meisten  Autoren  und  auch  Pul  ver- 
mach er,  der  das  hier  in  großen  Umrissen  wiedergebehene 
Material  einbehend  und  erschöpfend  behandelt  hat,  schließ- 
lich damit,  die  verschiedenen  ursÀchlichen  Momente  in  ihrem 
Zusammenwirken  fĂŒr  die  Entstehung  des  Ikterus  verant- 
wortlich zu  machen  und  das  Salvarsan  entweder  als  prÀ- 
disnonierenden  oder  die  Endwirkung  auslösenden  Faktor  zu 
bewerten. 

Vielleicht  fĂŒhrt  auch  hier  das  Auffinden  eines  analogen, 
dem  fraglichen,  auffallend  Àhnlichen  ursÀchlichen  Zusam- 
menhanges zur  KlÀrung  der  Frabe.  Wir  kennen  seit  kurzer 
Zeit  eine  Ikteruserkrankung,  welche  mit  dem  SalvarsanspÀt- 
ikferus  die  beiden  oben  hervorbehobenen  Kennzeiehen  ge- 
meinsam hat:  das  Intervall  zwischen  Arzneibehandlung  und 
Auftreten  der  GelbfÀrbung  und  die  Giftfestigkeit  gegen  den 
toxischen  Stoff  wÀhrend  und  nach  Ablauf  der  Gelbsucht.  Es 
ist  dies  der  Ikterus  nach  dem  frĂŒher  beliebten  Antimrrotikum 
Laktonhenin,  welchen  zuerst  H.  Strauß  03)  1K94  beob- 
achtete und  den  Olav  Hanssen  C14)  an  der  Klinik  von 
Laache-Ghristiania  an  48  FĂ€llen  genauer  studiert  und  in 
einer  Monographie  1914  beschrieben  hat.  Nach  innerlichem 
Laktonheninbebrauch  von  1,5 — 3.0  g  tĂ€glich  tritt  in  ungefĂ€hr 
50  Prozent  aller  FĂ€lle  unter  1 — 2t3pn'bem  Teirmeraturan stieg 
Gelbsucht  auf.  Von  Beginn  der  Medikation  bis  zum  Auf- 
treten der  HautfÀrbunb  und  der  Chohirie  verbehen  min- 
destens 0,  lÀngstens  12  Tabe.  und  diese  Latenzneriode  ist  un- 
abhÀngig von  der  verabreichten  Dosis  und  bleibt  auch  un- 
verÀndert, wenn  man  das  Laktonhenin  nach  dem  2.  Tage 
schon  aussetzt.  Die  Erkrankung  dauert  einibe  Tage  bis 
einige  Wochen,  verlÀuft  gutartig  mit  den  gewöhnliehen  Be- 
schwerden und  Symptomen  des  katarrhalischen  Ikterus.  Sie 


150 


Jacobsohn:  SpÀtikterus 


10.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


hinterlĂ€ĂŸt  eine  dauernde  VerĂ€nderung  der  ReaktionsfĂ€higkeit 
des  Organismus  gegen  das  Medikament,  welche  in  einem 
Falle  Hanssens  noch  10  Jahre  nach  der  erstmaligen  Lak- 
tophenindarreichung  festgestellt  werden  konnte.  Auch  die 
grĂ¶ĂŸten  Gaben  des  Medikaments  fĂŒhren  nicht  mehr  zu  einer 
erneuten  Gelbsucht  oder  zu  Temperaturerhöhung.  Das 
Laktophenin  (Laktyl-paraamidophenyl-ÀthylÀther  C,H30 
C6  H4  NH  COCHOH  CH3)  ist  ebenso  wie  das  Phenetidin  und 
das  Phenazitin  ein  Abkömmling  des  Paraamidophenols 
(G6  H4  OH  NH2).  Gleich  diesem  wird  es  nach  Hanssen  im 
Organismus  in  der  Weise  zerlegt,  daß  die  Seitenkette  abge- 
spalten wird  und  der  Kern,  das  para-Aminophenol  mit 
SchwefelsÀure  und  mit  GlucuronsÀure  gepaart  im  Harn  und 
in  der  Galle  ausgeschieden  wird.  Der  nach  Laktophenin  - 
gebrauch  entleerte  Harn  gibt  nach  H  e  f  f  t  e  r  (15)  die  Para- 
amidophenolreaktion  mit  a  Naphtol.  Die  antipyretische 
Wirkung  der  Phenetidinderivate  beruht  nach  Wenzel  (16) 
auf  ihrem  Kern,  dem  Para-Amidophenol,  der  auch  zugleich 
den  toxisch  wirkenden  Bestandteil  darstellt.  Im  Salvarsan 
sind  2  Metamidoparaoxyphenyl-Kerne  durch  2  Arsenaiome 
verbunden.  Das  Salvarsan  enthÀlt  also  ein  Metamidophenol, 
einen  dem  Paraamidophenolkern  des  Laktophenins  isomeren 
Körper.  Es  drÀngt  sich  damit  der  Gedanke  auf,  ob  nicht 
auch  die  gleiche  toxische  Wirkung  auf  die  Leberzelle  auf 
die  gleiche  Amidophenolgruppe  zu  beziehen  ist,  so  verschie- 
den sich  auch  sonst  isomere  Körper  chemisch  und  physiolo- 
gisch manchmal  verhalten  mögen.  Untersuchungen  ĂŒber  die 
toxische  Wirkung  der  Ortho-  und  Metamidophenole  fehlen 
bisher.  Hinsberg  und  Treupel  (17)  haben  in  ihrer 
ausgedehnten  Arbeit  ĂŒber  die  physiologische  Wirkung  der 
Paraamidophenole  nur  das  Azetylorthophenetidin  unter- 
sucht und  es  ebenso  antipyretisch  wirksam,  aber  erheblich 
toxischer  gefunden  wie  die  entsprechende  ParaVerbindung, 
das  Phenazetin. 

Die  Rolle  des  Arsens  als  Ikterus  auslösender  Faktor  ist 
schon  von  Bernh.  Fischer  (18)  bezweifelt  worden  trotz  des 
Nachweises  von  wechselnden  Arsenmengen  in  der  Leber  von 
nach  Salvarsan  Verstorbenen.  Herxheimer  erinnert 
daran,  daß  bei  Vergiftungen  mit  Phosphor  und  mit  Arsen 
im  Tierexperiment  und  beim  Menschen  der  Beginn  der 
fettigen  Degeneration  und  Nekrose  der  Leberzellen  stets  an 
der  Peripherie  der  LeberlÀppchen  vorkommt  im  Gegensatz 
zu  der  zentroazinÀren  Nekrose  der  Leberatrophie  nach  Sal- 
varsan. Können  wir  nun  in  dem  nitrierten  Benzolkern  des 
Salvarsans,  der  65  Prozent  des  MolekĂŒls  ausmacht,  den 
toxischen  Faktor  suchen,  und  wie  wollen  wir  diese  Hypo- 
these in  Einklang  bringen  mit  der  von  Frenkel-Heiden 
imd  Navassart  (19)  gefundenen  Tatsache,  daß  Salvarsan 
nach  intravenöser  Injektion  in  wenigen  Tagen  mit  Harn  und 
Faeces  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  unverĂ€ndert  ausgeschieden  wird? 
Danach  könnte  eine  Abspaltung  des  Benzolkerns  in  wirk- 
samer Menge  im  Körper  nicht  erfolgt  sein  und  man  mĂŒĂŸte 
zunÀchst  an  einen  Fabrikationsfehler  denken,  welcher  zer- 
setzte PrĂ€parate  in  grĂ¶ĂŸerer  Menge  in  die  HĂ€nde  der  Aerzte 
hÀtte  gelangen  lassen.  In  der  französischen  Literatur  sind 
solche  Vermutungen  gegenĂŒber  den  in  Frankreich  viel  ge- 
brauchten Arsenobenzenen,  welche  wohl  landeseigene  Ersatz  - 
Produkte  fĂŒr  deutsche  OriginalprĂ€parate  darstellen,  sehr 
hĂ€ufig  geĂ€ußert  worden,  und  auch  in  Deutschland  hat  sich 
in  letzter  Zeit  dieser  Verdacht  geregt.  Ganz  abgesehen  da- 
von, daß  die  therapeutische  Wirksamkeit  des  PrĂ€parats  un- 
verÀndert geblieben  ist  und  die  bestimmte  Versicherung 
K  o  1 1  e  s  gegenĂŒber  von  Zimmern  vorliegt,  daß  von  einer 
Aenderung  des  PrÀparates  keine  Rede  sein  kann,  ist  zur  Auf- 
klÀrung der  IngolstÀdter  Endemie,  welche  22  Erkrankungen 
an  schwerem  Ikterus  mit  13  TodesfĂ€llen  umfaßt,  auf  Veran- 
lassung der  bayerischen  SanitÀtsbehörde  eine  toxicologische 
NachprĂŒfung  des  Vorrats  von  Salvarsan,  dem  die  dort  ver- 
wendeten Ampullen  entstammten,  durch  Robert  und  F  r  i- 
b  o  e  s  erfolgt  und  hat  ein  vollstÀndig  negatives  Resultat  er- 
geben. S  i  1  b  e  r  g  1  e  i  t,  der  seinen  Bericht  ĂŒber  die  Ingol- 
stÀdter FÀlle  an  das  SanitÀtsamt  im  wesentlichen  unver- 
Àndert veröffentlicht,  hatte  das  betreffende  erst  im  Herbst 


1918  in  Ingolstadt  bekannt  gegebene  Gutachten  von  Robert 
nicht  mehr  berĂŒcksichtigt. 

FĂŒr  die  Erforschung  der  SalvarsanschĂ€digungen  hat 
E  h  r  1  i  c  h  den  von  Pulvermacher  zitierten  Leitsatz  aufge- 
stellt: 

„Ist  ein  bestimmter  Schaden  mit  dem  Mittel  direkt  ver- 
bunden, so  muß  die  Verteilung  dieses  Schadens  eine  gleich- 
mĂ€ĂŸige sein.  Stellt  sich  aber  heraus,  daß  bestimmte  SchĂ€den 
an  einer  einzigen  Stelle  oder  an  einigen  wenigen  Stellen  be- 
sonders gehÀuft  vorkommen,  an  anderen  dagegen  vollkom- 
men fehlen,  so  beweist  dies  wohl,  daß  nicht  das  Mittel,  son-' 
dem  die  Technik,  der  besondere  Fehler  der  Technik,  Schuld 
am  Resultat  tragen." 

In  der  Literatur  ĂŒber  SpĂ€tikterus  findet  sich  nur  an  einer 
Stelle  eine  Aussage  ĂŒber  einen  technischen  Fehler  und  zwar 
in  dem  oben  erwĂ€hnten  Bericht  Silbergleit's  ĂŒber  die  Ikterus - 
endemie  in  der  Syphilisabteilung  des  Lazaretts  Ingolstadt. 
Diese  traurigen  FĂ€lle  haben  auch  fĂŒr  mich  den  ersten  Anlaß 
zu  der  BeschÀftigung  mit  diesem  Problem  gegeben.  Als  be- 
handelnder Arzt  der  Lazarettabteilung  fĂŒr  Harnkrankheiten : 
habe  ich  selbst  in  Ingolstadt  Syphilitiker  nicht  behandelt. 
WĂ€hrend  der  Monate  Dezember  1917  bis  Februar  1918,  ded 
Zeit  des  Ausbruchs  der  Endemie,  war  ich  erkrankt  und  be- 
urlaubt, so  daß  ich  nur  die  letzten  Ikteruskranken  einmal 
flĂŒchtig  gesehen  und  nur  der  letzten  Sektion  beigewohnt 
habe.  Immerhin  blieb  der  damalige  Eindruck  lange  haften 
und  bestimmte  mich  zu  ganz  besonderer  Aufmerksamkeit 
gegenĂŒber  etwaigen  Folgen  von  Salvarsaninjektionen.  Von 
den  Angaben  Silbergleits  ĂŒber  die  dort  geĂŒbte  Technik 
interessiert  hier  folgender  Wortlaut:  „Allerdings  hat  Dr.  F. 
(nach  seiner  Angabe  wurde  das  stets  auch  von  seinen  Vor- 
gÀngern so  gehandhabt)  Ampullen  von  1,5  Neosalvarsan  und 
0,9  Neosalvarsan  verwendet  und  mit  dem  Inhalt  derselben 
Ampulle  mehrere  Patienten  gespritzt.  (Die  grĂ¶ĂŸte  Anzahl 
waren  5  Patienten  À  0,3  Neosalvarsan.)  Das  Spritzen  habe 
sich  aber  so  rasch  abgespielt,  daß  5  Spritzen  kĂŒrzeste  Zeit 
beanspruchten.  Jedenfalls  war  in  diesem  Zeitraum  eine  Zer- 
setzung des  Neosalvarsans  unmöglich  .  .  .  Gegen  einen 
Fehler  in  der  Technik  spricht  ferner  folgender  Umstand: 
An  der  Hand  der  KrankenblĂ€tter  lĂ€ĂŸt  sich  feststellen,  daß 
es  keinen  Neosalvarsan-Behandlungstag  gab,  der  allen 
Kranken  gemeinsam  war.  WĂ€re  also  ein  Fehler  in  der 
Technik  vorgekommen,  so  mĂŒĂŸte  er  wiederholt  begangen 
worden  sein,  das  ist  doch  sehr  unwahrscheinlich." 

Wie  die  folgenden  AusfĂŒhrungen  zeigen  sollen,  ist  Silber- 
gleit ĂŒber  die  strittige  Frage,  ob  eine  Zersetzung  von  Neo- 
salvarsanlösungen  innerhalb  einer  nicht  einmal  so  sehr 
kurzen  Zeit  möglich  sei,  vielleicht  zu  schnell  hinweg- 
gegangen. Auch  ich  konnte  damals,  als  ich  von  dieser  Me- 
thode, Sammellösungen  fĂŒr  3 — 5  Patienten  anzusetzen,  er- 
fuhr, an  irgend  welche  bestimmten  dadurch  verursachten 
SalvarsanschÀdigungen  nicht  denken,  hatte  ich  doch  auch 
in  anderen  Lazaretten  recht  viel  Zeit  zwischen  Herstellung 
der  Lösung  und  Vornahme  der  Injektion  verstreichen  sehen, 
ohne  daß  irgend  welche  schlimmen  Folgen  bekannt  geworden 
waren.  Auf  die  Möglichkeit  eines  solchen  Zusammenhangs 
wurde  ich  erst  ein  Jahr  spÀter  aufmerksam,  als  ich  in  eigener 
Praxis  fĂŒr  eine  Neosalvarsaninjektion  bei  einem  Tabetiker 
lÀngere  Zeit  brauchte  als  sonst,  weil  die  Vene  nicht  aufzu- 
finden war.  Der  Patient,  welcher  frĂŒher  Altsalvarsan  und 
Neosalvarsan  wiederholt  ohne  Schaden  vertragen  hatte,  be-* 
kam  am  Abend  des  Injektionstages  eine  erhebliche  Tempe- 
ratursteigerung mit  SchĂŒttelfrost  und  allgemeinem  Unbe- 
hagen und  zeigte  am  folgenden  Tage  hochgestellten  Urin  mit 
starkem  Urobilingehalt.  Dieselbe  Erfahrung  machte  ich  kurz 
darauf  in  einem  zweiten  Falle  von  alter  Lues,  wo  das  so- 
genannte Spirochaetenfieber  ebenfalls  ausgeschlossen  war; 
bei  beiden  Patienten  kam  es  ĂŒbrigens  nicht  zu  irgend  einer 
Folgeerkrankung.  Ich  bestimmte  nun  die  Zeit,  welche  ich 
brauchte  vom  Moment  der  Eröffnung  der  Ampulle  bis  zur 
Beendigung  der  Injektion,  wenn  der  Patient  vor  Ansetzen 
der  Lösung  vollstĂ€ndig  fĂŒr  die  Injektion  vorbereitet  war,  und 
fand  ziemlich  regelmĂ€ĂŸig  auch  bei  0,6  Neosalvarsan  1  %  bis 


10.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Jai  obsohn:  SpÀtikterus 


ir.i 


i  Minuten  fĂŒr  diese  fĂŒr  die  Zersetzung  des  Neosalvarsari 
an  der  Luft  kritische  Zeit.  Ich  habe  von  da  an  jede  Lösung 
PortgegOSSen,  welche  das  3 — 1  fache  dieses  Zeitraums,  also 
ĂŒber  5  Minuten  lang,  im  Lösungsglase  und  in  der  Spritze 
hatte  bleiben  mĂŒssen,  wegen  irgend  welcher  ZwischenfĂ€lle 
oder  Hindernisse  fĂŒr  die  schnelle  AusfĂŒhrung  der  Injektion, 
und  habe  dafĂŒr  eine  neue  angesetzt.  Ich  glaube  mit  dieser 
Maßnahme  den  Erfolg  gehabt  zu  haben,  daß  Fiebersteige- 
rungen nach  diesen  Injektionen  sehr  selten  geworden  sind, 
wenn  man  von  den  Injektionen  wÀhrend  der  Eruptions- 
periode und  bei  sonstigen  zu  Fiebersteigerungen  neigenden 
ErkrankungszustÀnden  absieht.  Auf  Grund  der  gleichen  Be- 
sorgnis vor  der  schnellen  Zersetzlichkeit  des  Neosalvarsans 
verlangt  Pinkus  (20)  in  seiner  lehrbuchartigen  Darstellung 
der  Salvafsanbehandlung,  daß  zuerst  die  KanĂŒle  in  die  Vene 
eingefĂŒhrt  wird,  bevor  man  die  Lösung  ansetzt.  Das  wĂŒrde 
Assistenz  erfordern  und  die  Arbeit  nicht  wesentlich  ab- 
kĂŒrzen. 

Es  bedarf  hier  keiner  nĂ€heren  AusfĂŒhrungen  darĂŒber, 
daß  bei  den  Gruppenerkrankungen  an  SpĂ€tikterus  in  einer 
Krankenabteilung  manches  fĂŒr  einen  technischen  Fehler  der 
eben  geschilderten  Art  spricht.  Die  Methode  der  Herstellung 
von  Sammellösungen  ist  ganz  ohne  RĂŒcksicht  auf  das  be- 
stimmte Verbot  der  Gebrauchsanweisung  im  Großbetrieb 
sehr  verbreitet,  wie  aus  Mitteilungen  von  Kollegen  und  Pa- 
tienten sich  entnehmen  lĂ€ĂŸt.  Wir  finden  aber  auch  in  der 
Literatur  darĂŒber  einige  Angaben.  Unter  den  von  Ehrlich 
gesammelten  Abhandlungen  ĂŒber  Salvarsan  findet  sich  aus 
der  Zeit  der  EinfĂŒhrung  der  intravenösen  Neosalvarsan- 
injektionen  ein  Bericht  von  FrĂŒhwald  (21)  aus  der  Kli- 
nik von  Rille-  Leipzig  mit  folgendem  Wortlaut:  „Da  ich 
stets  mehrere,  oft  6—8  Patienten  tĂ€glich  zu  spritzen  hatte, 
mußte  ich  darauf  verzichten,  das  Medikament  in  der  Spritze 
zu  lösen,  da  die  jedesmalige  Herstellung  der  einzelnen  Dosis 
zu  zeitraubend  gewesen  wÀre.  Deshalb  habe  ich  die  ge- 
samten Dosen  auf  einmal  gelöst;  da  alle  Manipulationen  sehr 
rasch  vorgenommen  wurden,  so  konnte,  wenn  die  letzten 
Patienten  an  der  Reihe  waren,  von  einer  chemischen  Ver- 
Ă€nderung des  Neosalvarsans  noch  nicht  die  Rede  sein.  Ich 
habe  auch  nie  bei  den  zuletzt  gespritzten  Kranken  irgend- 
welche Folgeerscheinungen  gesehen,  die  auf  derartige  Zer- 
setzungsprozesse zurĂŒckzufĂŒhren  gewesen  wĂ€ren."  Viel- 
leicht sind  doch  die  Temperatursteigerungen,  welche  FrĂŒh- 
wald in  etwa  ein  Drittel  seiner  FĂ€lle  gesehen  hat,  und  zwar 
nicht  allein  nach  der  ersten  Spritze,  sondern  noch  hÀufiger 
nach  der  dritten,  auf  die  Zersetzung  eines  Bruchteiles  der 
verwendeten  Sammellösung  zu  beziehen.  Heller  (22)  er- 
wÀhnt gelegentlich  einer  Demonstration  von  Streptokokken - 
embolien  in  der  Niere  nach  schwerer  Salvarsandermatitis, 
daß  die  betreffende  Salvarsandosis  einem  GefĂ€ĂŸ  entnommen 
wurde,  in  dem  fĂŒr  eine  ganze  Anzahl  Erkrankter  die 
Mischung  vorrÀtig  gehalten  wurde,  und  sagt  dazu  in  einer 
Anmerkung:  „Der  Kranke  wurde  nicht  von  mir  behandelt. 
Ich  selbst  ziehe  nach  wie  vor  Einzeldosierung  fĂŒr  jeden  Pa- 
tienten vor." 

Ueber  die  Schnelligkeit  und  den  Ablauf  der  Autooxyda- 
tion  der  Salvarsanlösungen  existieren  leider  keine  fest- 
begrĂŒndeten  Vorstellungen.  Auf  Veranlassung  von  Ehr- 
lich hat  Castelli  (23)  im  Tierversuch  die  ToxizitÀt  der 
Neosalvarsanlösungen  und  die  Zunahme  der  Giftigkeit  inner- 
halb einer  kurzen  Zeitspanne  genau  festgestellt.  Er  knĂŒpft 
ah  seine  Untersuchungen  folgende  praktischen  Bemerkungen, 
welche  ĂŒber  "das,  was  hier  vorgeschlagen  wird,  hinausgehen: 
„Es  wĂ€re  beispielsweise  ein  großer  Fehler,  die  Lösung  her- 
zustellen, bevor  der  Patient  vollstĂ€ndig  fĂŒr  die  Einspritzung 
bereit  ist,  oder  fĂŒr  mehrere  Patienten  nacheinander  ein  und 
dieselbe  Lösung  zu  verwenden.  Man  darf  auch  nicht  Teile 
der  Lösung  einspritzen,  welche  oben  sitzen  und  deshalb  mit 
der  Luft  in  BerĂŒhrung  gestanden  haben.  Man  muß  bei  der 
klinischen  Praxis  stets  bedenken,  daß  eine  Verzögerung  von 
10  Minuten  hinreicht,  um  die  ToxizitÀt  dieses  Mittels  beim 
Kaninchen  von  <  0,3  auf  >  0,15  pro  Kilo  zu  steigern." 

WÀhrend  ich  nun  durch  möglichste  Beschleunigung  der 


Injektionsarbeil  und  Verzicht  auf  die  Verwendung  von  Lö- 
sungen, welche  lÀnger  als  5  Minuten  im  Lösungsglas  und  in 
der  Spritze  gestanden  halten,  den  vermuteten  Arbeitsfehler 

ausgeschlossen  zu  haben  glaubte,  winde  ich  durch  zwei  FĂ€lle 
von  SpÀtikterus,  welche  meine  eigenen  so  behandelten  Pa- 
tienten betrafen,  in  meinen  Ansichten  zunÀchst  wankend  ge- 
macht und  dann  darĂŒber  belehrt,  daß  die  ZeitbeschrĂ€nkung 
allein  nicht  genĂŒgt,  um  die  Gefahr  des  SpĂ€tikterus  abzuwen- 
den. Im  letzten  Vierteljahr  1919  erkrankte  ein  36 jÀhriger 
Postbeamter  mit  seit  W*  Jahren  bestehender  Lues  an  mittel- 
schwerem  Ikterus.  2  Monate  nach  einer  Neosalvarsankur, 
der  zweiten,  von  5  Spritzen  in  den  ĂŒblichen  Dosen  und  in 
der  Gesamtmenge  von  2,1  g  trat  nach  Magenbeschwerden 
und  unter  Gewichtsabnahme  eine  Gelbsucht  auf,  den  n  Ah- 
lauf ich  nicht  verfolgen  konnte,  weil  der  Patient  bald  ab- 
reiste. Gegen  Ende  des  ersten  Vierteljahres  1920  erkrankte 
eine  23  jÀhrige  Wirtschafterin  mit  einer  seit  VA  Jahren  be- 
stehenden Syphilis  nach  der  zweiten  Kur,  einer  Sublimat- 
und  Neosalvarsankur  von  1,55  g  Gesamtmenge  nach  einer 
Latenzzeit  von  ungefÀhr  3  Monaten  an  einem  ungefÀhr  acht 
Wochen  dauernden  Ikterus,  der  von  einem  Facharzt  fĂŒr 
Magenkrankheiten  als  katarrhalischer  Ikterus  behandelt 
wurde.  Ich  habe  die  Patientin  erst  ein  halbes  Jahr  spÀter 
gelegentlich  der  Einleitung  einer  neuen  Inunktions-  und 
Neosalvarsankur  wiedergesehen  und  zweifle  nicht  an  der  Be- 
ziehung des  Ikterus  zu  der  vorausgegangenen  Kur.  Bei 
nĂ€herer  PrĂŒfung  entdeckte  ich  bei  den  beiden  zeitlich  nicht 
zusammenfallenden  BehandlungsfÀllen  ein  gemeinsames 
Moment.  Beide  Patienten  waren  nie  zu  der  fĂŒr  die  Injek- 
tionen festgesetzten  Stunde  erschienen,  sondern  2 — 3  Stun- 
den spÀter.  Zu  ihrer  Behandlung  diente  dieselbe  Rekord- 
spritze, welche  einige  Stunden  vorher  fĂŒr  die  Injektionen 
mehrerer  Patienten  verwendet  worden  war.  Die  Spritze  war 
unmittelbar  nach  jeder  Injektion  mit  abgekochtem  Wasser 
mehrere  Male  durchgespritzt  worden.  Sie  wurde  dann  in 
einer  Glasschale  bedeckt  aufbewahrt  und  fĂŒr  die  spĂ€ter  ge- 
kommenen Patienten  verwendet,  ohne  noch  einmal  ausge- 
kocht zu  werden.  Es  ist  denkbar,  daß  die  Reinigung  durch 
FĂŒllen  mit  Wasser  und  Ausspritzen  nicht  genĂŒgt  hat,  um 
kleinste,  dem  Spritzeninnern  anhaftende  Salvarsanmengen 
zu  entfernen.  Besonders  dachte  ich  da  an  die  Rinne  des 
Stempels  fĂŒr  den  Haftring,  welche  sich  schwer  genĂŒgend 
reinigen  lĂ€ĂŸt. 

Hart  (24)  hat  vor  wenigen  Wochen  in  einer  Arbeit 
ĂŒber  die  „Sterilisierbarkeit  der  Injektionsspritzen"  auf  Risse 
und  Spalten  in  der  Lötmasse  zwischen  Spritzenzylinder  und 
Metallfassung  aufmerksam  gemacht,  welche  sich  unter  Druck 
leicht  mit  FlĂŒssigkeit  anfĂŒllen  lassen  und  durch  Auskochen 
schwer  sterilisierbar  sind.  Hart  denkt  selbst  an  eine  Ver- 
unreinigung des  Salvarsans  durch  solche  bei  gelöteten 
Spritzen  unvermeidlichen  Fehler  der  Lötstelle.  Ich  habe, 
spÀter  die  Spritze  nach  jedesmaligem  Gebrauch  vollstÀndig 
auseinandergenommen  und  mit  abgekochtem  Wasser  durch 
Uebergießen  und  DurchspĂŒlen  gereinigt.  Das  sicherste  wĂ€re 
wohl  die  Verwendung  einer  besonderen  Spritze  fĂŒr  jede  ein- 
zelne Injektion.  Auf  einer  Àhnlichen  Fehlerquelle  scheinen 
die  von  Spiethoff  (7)  1921  veröffentlichten  FÀlle  von  ge- 
hÀuft auftretendem  Ikterus  wÀhrend  der  Jahre  1913  und  1914 
zu  beruhen.  Er  hat  50  Prozent  der  mit  Eigenserumlösungen 
behandelten  und  auch  einige  der  mit  wÀsseriger  Neosalvar- 
sanlösung  behandelten  Patienten  an  Ikterus  erkranken  sehen 
und  hat  die  Erkrankungen  dadurch  zum  Aufhören  gebracht, 
daß  er  sein  gesamtes  Spritzenmaterial  wechselte.  Welche 
Momente  hier  wirksam  gewesen  sind,  ob  es  sich  um  eine 
durch  Alkali  abgebendes  Glas  der  Spritzen  bedingte  SchÀd- 
lichkeit gehandelt  hat  oder  ob  wirklich  ein  unbekanntes 
toxisches  oder  infektiöses  Agens,  welches  sich  mit  der  Zeit 
vermehrte,  angeschuldigt  wird,  bleibt  unklar,  und  Spiet- 
hoff selbst  spricht  sich  darĂŒber  nicht  deutlich  aus.  An 
eine  VerstÀrkung  und  Beschleunigung  der  Oxydation  der 
Neosalvarsanlösungen  durch  irgendwelche  an  seinem 
Spritzenmaterial  haftenden  oder  wÀhrend  des  Gebrauchs  ent 
standenen  SchÀdlichkeiten  denkt  er  offenbar  nicht. 


152 


v.  Schnizer:  Galls  SchÀdellehre 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Eine  Entscheidung  der  fĂŒr  die  Salvarsantherapie  recht 
wichtigen  Frage,  ob  zersetztes  Salvarsan  den  SpÀtikterus  ver- 
ursacht, kann  nur  vom  Tierversuch  erwartet  werden.  Auch 
die  sorgfÀltigste  klinische  Beobachtung  solcher  FÀlle  und  die 
ausgedehnteste  Statistik  wird  hier,  wo  ungelöste  Fragen  der 
Leberpathologie  mitspielen,  immer  nur  zu  einem  mehr  oder 
weniger  großen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  fĂŒhren.  Solche 
Tierversuche  liegen  nun  schon  vor  und  scheinen  die  Frage 
in  unserem  Sinne  beantwortet  zu  haben.  Allerdings  sind  sie 
von  einer  ganz  anderen  Fragestellung  aus  unternommen 
worden,  nÀmlich  zur  Feststellung  einer  Verwandtschaft  der 
Salvarsandermatitis  mit  den  Serumexanthemen.  StĂŒhmer 
(25)  hat  die  Annahme  Schreibers,  daß  unter  Mitwirkung 
des  injizierten  Neosalvarsans  sich  Eiweißkörper  oder  Fer- 
mente im  Körper  bilden,  welche  die  Salvarsandermatitis 
Ă€hnlich  wie  bei  Serumxanthemen  verursachen  zu  beweisen 
versucht.  Er  hat  Kaninchen  mit  toxischen  Dosen  von  Neo- 
salvarsan  injiziert  und  fand  bei  den  subakut  eingegangenen 
Tieren  neben  Leukozyteninfiltraten  im  Herzmuskel  und  Zell- 
nekrosen  in  der  Niere  „in  der  Leber  Nekrosenbezirke  von 
wechselnder  Ausdehnung,  in  denen  die  Zellen  kernlos  und 
bis  zur  Unkenntlichkeit  zerfallen  sind.  Diese  Bezirke  sind 
hÀufig  keilförmig.  Zuweilen  waren  an  ihrer  Stelle  Zerfalls- 
höhlen mit  roten  Blutkörperchen.  Er  hat  diese  VerÀnderun- 
gen bei  relativ  kleiner  einmaliger  Dosis  unter  UmstÀnden 
viel  schwerer  auftreten  sehen,  als  bei  den  Tieren,  welche  mit 
.  höheren  Dosen  und  wiederholt  gespritzt  worden  waren.  Viel- 
leicht stellen  diese  wechselnden  und  unerwarteten  Befunde 
—  das  ist  unsere  Vermutung  —  die  Wirkung  mehr  oder 
weniger  stark  zersetzter  Neosalvarsanlösung  dar.  Nach 
dieser  Richtung  wĂŒrde  der  Versuch  an  grĂ¶ĂŸeren  und  fĂŒr  das 
Studium  der  Gelbsucht  mehr  geeigneten  Tieren  mit  einer  auf 
dieses  Ziel  gerichteten  Versuchsanordnung  eine  Entscheidung 
bringen. 

Die  praktischen  Folgerungen  aus  meinen  Betrachtungen 
ergeben  sich  von  selbst.  Zusammenfassend  lĂ€ĂŸt  sich  aus 
meinen  Darlegungen  wohl  entnehmen: 

1.  Der  nach  Salvarsan  auftretende  SpÀtikterus  ist  wahr- 
scheinlich in  vielen  FĂ€llen  eine  besondere,  von  der  Syphilis 
und  anderen  Faktoren  unabhÀngige  Erkrankung,  welche 
durch  Salvarsan,  und  zwar  durch  zersetztes  Salvarsan  ver- 
ursacht wird. 

2.  Die  Aehnlichkeit  des  SpÀtikterus  mit  dem  Lakto- 
pheninikterus  legt  es  nahe,  den  Benzolkern  des  Salvarsans 
und  nicht  die  Arsenkomponente  als  fĂŒr  das  Leberparenchym 
toxisch  zu  betrachten. 

Literatur. 

1.  Zeitschrift  fĂŒr  klinische  Medizin  84,  1917,  S.  234. 

2.  Medizinische  Klinik  1918,  S.  260. 

3.  Dermatologische  Zeitschrift  26,  1918,  S.  317. 

4.  Zeitschrift  fĂŒr  klinische  Medizin  88,  1920,  Heft  5  und  6. 

5.  Dermatologische  Zeitschrift  24,  1917,  S.  577  und  648. 

6.  Dermatologische  Zeitschrift  27,  1919,  S.  191. 

7.  Berliner  klinische  Wochenschrift  1921,  S.  8. 

8.  Schweizerische  medizinische  Wochenschrift  1921,  Nr.  5. 

9.  Dermatologische  Zeitschrift  27,  1919,  S.  138. 

10.  Zeitschrift  fĂŒr  klinische  Medizin  76,  1912,  S.  138. 

11.  Zieglers  Beitr.  68,  1921,  S.  93. 

12.  Deutsche  Medizinische  Wochenschrift  1921,  S.  677  und  711. 

13.  Therapeutische  Monatshefte  1895. 

14.  Der  Laktophenin-Ikterus,  Kristiania  1914. 

15.  Ergebnisse  der  Physiologie  IV,  S.  244. 

16.  Zentralblatt  fĂŒr  innere  Medizin  1896,  S.  149. 

17.  Archiv  fĂŒr  exp.  Path.  u.  Ther.  33,  1894,  S.  216. 

18.  Deutsche  medizinische  Wochenschrift,  S.  939  u.  976. 

19.  Zeitschrift  fĂŒr  exp.  Path.  u.  Thor.  1913,  Bd.  13,  S.  531. 

20.  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Salvarsan,  Berlin  1920. 

21.  MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift  1913,  Nr.  45. 

22.  Zeitschrift  fĂŒr  Urologie  14,  1920,  S.  85. 

23.  Zeitschrift  fĂŒr  Chemotherapie  I,  1912,  S.  321. 

24.  Medizinische  Klinik  1921.  S.  652. 

25.  MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift,  Nr.  45. 


Ueber  Galls  SchÀdellehre. 

Von  Reg.-Med.-Rat  Dr.  v.  Schnizer. 

Gal  1  wurde  1758  in  Tiefenbrunn  bei  Pforzheim  geboren. 
Schon  als  SchĂŒler  legte  er  den  Grund  fĂŒr  seine  spĂ€tere 
SchĂ€dellehre:  er  suchte  bei  seinen  MitschĂŒlern  Zusammen- 
hÀnge zwischen  SchÀdelbildung  und  geistigen  Anlagen.  Dar- 
aus hat  sich  dann  wohl  spÀter  der  Kern  seiner  Lehre  aus- 
kristallisiert:  Bau  des  Gehirns  und  SeelentÀtigkeit  stehen  in 
engem  ursÀchlichen  Zusammenhang.  Aus  der  Wiener  Schule 
hervorgehend  hat  er  entschieden  große  Verdienste  um  die 
Anatomie  des  Gehirns.  Leider  wich  er  von  diesem  sicheren 
Pfade  ab  und  baute  sein  System  auf  zwei  keineswegs  be- 
grĂŒndbare Hypothesen:  die  Annahme  bestimmter  die  ver- 
schiedenen geistigen  FĂ€higkeiten  bedingender  Organe,  deren 
Projektion  auf  die  OberflÀche  des  Gehirns:  vielleicht  Reste 
schon  in  der  Jugend  vorgefaßter  Meinungen,  welche,  wie  so 
hÀufig  im  Leben,  spÀter  dann  nie  mehr  ganz  auszujÀten  sind. 
1804  verband  er  sich  zur  weiteren  Ausbildung  seines  Systems 
mit  dem  ebenso  bedeutenden  Spurzheim,  nachdem  er 
1796  in  Wien  seine  Vorlesungen  von  Amts  wegen  einstellen 
mußte.  Er  bereiste  dann  einige  Zeit  Deutschland  und  Hol- 
land, um  VortrÀge  zu  halten.  Von  1808  ab  bis  zu  seinem 
Tode  1828  lebte  er  in  Paris,  stets  in  seiner  Lehre  und  Wissen- 
schaft tÀtig.  Die  Popularisierung  seiner  Lehre  hat  ihm  viel 
geschadet  und  entzog  ihm  auch  den  wissenschaftlichen 
Kredit. 

Recht  interessant  ist  es  nun  in  mehrfacher  Hinsicht  seine 
GedankengÀnge  zu  verfolgen,  wenn  seine  Lehre  auch  lÀngst 
ĂŒberholt  ist. 

G  a  1 1  geht  davon  aus,  daß  Mensch  und  Tier  angeborene 
Anlagen  und  Neigungen  besitzen,  die  sich  beim  Menschen 
wenigstens  durch  Erziehung  zur  Festigkeit  weiter  entwickeln 
lassen.  Sie  sind  bei  den  Menschen  im  allgemeinen  wohl 
gleich,  aber  bei  den  einzelnen  ihrer  inneren  Kraft  nach  höchst 
verschieden,  auch  sind  die  Nebendinge,  die  auf  die  Ausbildung 
Einfluß  haben,  sehr  mannigfaltig,  so  daß  schließlich  jeder 
seinen  eigenen  Weg  gehen  muß  und  keiner  dem  anderen  voll- 
kommen gleichen  kann. 

Jede  Kraft  hat  nun,  um  sich  nach  außen  in  eine  Wirkung 
umzusetzen,  ein  Organ  notwendig.  Dies  gilt  auch  von  den 
SeelenkrÀften.  Da  nun  jede  geistige  Kraft  eine  angeborene 
Anlage  voraussetzt,  muß  es  so  viele  Organe  geben  als  ange- 
borene Anlagen.  Und  diese  haben  wie  alle  SeelenkrÀfte  ihren 
Sitz  im  Gehirn,  das  nur  Organ  nicht  selbst  Kraft  ist,  und 
zwar  des  animalischen  Lebens,  das  die  Verrichtungen  des 
Geistes  und  des  GemĂŒtes  umfaßt.  Das  organische  Leben  hin- 
gegen —  auf  Erhaltung  und  Fortdauer  des  Organismus  ge- 
richtet —  umfaßt  die  Vitalfunktionen. 

Der  Mensch  hat  als  höchststehender  in  der  Stufenleiter 
der  tierischen  Schöpfung  das  grĂ¶ĂŸte  Gehirn,  d.  h.  nur  in 
bezug  auf  das  Gehirngrau.  Das  Gehirn  ist  also  der  Sammel- 
platz all  dieser  einzelnen  Organe,  nicht  etwa  allgemeines 
Organ  aller  GeisteskrÀfte.  Beweis:  Der  Mensch  kann  mit  den 
GegenstĂ€nden  des  Denkens  und  der  Aufmerksamkeit  ĂŒber- 
haupt abwechseln,  also  verschiedene  Organe  einspannen;  die 
einzelnen  Anlagen  der  meisten  dem  Menschen  angeborenen 
SeelenkrÀfte  finden  sich  bei  den  verschiedenen  Tierarten  ein- 
zeln und  getrennt  wieder.  Die  Anlagen  des  Menschen  ent- 
wickeln sich  nicht  gleichzeitig,  sondern  in  verschiedenen 
Lebensaltern  usw. 

Nur  auf  diesem  Wege  lassen  sich  auch  gewisse  psychische 
VorgÀnge  erklÀren:  so  entstehen  TrÀume,  wenn  ein  oder 
mehrere  dieser  Organe  etwa  durch  Blutandrang  zum  Gehirn 
gereizt  werden,  was  Vorstellung  mit  einem  schwachen  Be- 
wußtsein dieser  partiellen  TĂ€tigkeit  auslöst.  Auch  das  Nacht- 
wandeln ist  Ă€hnlich  aufzufassen,  nur  daß  hier  der  Reiz  auf 
benachbarte  Organe  ĂŒbergeht  und  die  Idee  des  vorgestellten 
GeschĂ€ftes  wird  so  lebhaft  und  rege,  daß  auch  die  körper- 
lichen Werkzeuge  mit  einbezogen  werden,  nur  daß  dabei  die 
ĂŒbrigen  Organe  des  animalischen  Lebens  ruhen  und  deshalb 
das  Bewußtsein  nicht  rege  wird.  Anders  bei  Visionen.  Hier 
findet  wahrscheinlich  durch  physische  Veranlassung  eine  er- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


v.  Schnizer:  Gulls  SchÀdcllchrr 


153 


höhte  TÀtigkeit  eines  oder  mehrerer  dieser  Gehirnörgane  statt, 
damit  lebhaftere  Vorstellungen,  die  nun  der  VisionĂ€r  irrtĂŒm- 
lich bei  allgemeinem  Bewußtsein  als  von  außen  empfangen 
und  demnach  fĂŒr  wirklieh  hĂ€lt.  FĂŒr  den  tierischen  Magne- 
tismus nahm  Gall  noch  außer  der  ElektrizitĂ€t  und  dem 
Galvanismus  noch  eine  dritte  unbekannte,  stÀrker  als  die 
ersteren  auf  die  Nerven  einwirkende  Kraft  an. 

Diese  einzelnen  Organe  nun  drĂŒcken  sich  auf  der  Ober- 
flÀche des  Gehirns  in  den  wurmförmigen  Windungen  aus, 
diese  letzteren  sind  aber  nicht  die  Organe  selbst,  die  reichen 
mit  ihren  Nervenvorrichtungen  von  dort  bis  ins  RĂŒckenmark. 
Je  grĂ¶ĂŸer  die  Erhabenheiten,  um  so  grĂ¶ĂŸer  beim  Gesunden  die 
Anlagen. 

Der  SchĂ€del  wird  nun  im  Mutterleib  aus  der  Ă€ußeren 
harten  Hirnhaut  an  8  Verknöcherungspunkten  (strahlen- 
förmiges Anschießen  nach  den  Gesetzen  der  Kristallisation) 
gebildet.  Dies  hatte  den  Einwurf  zur  Folge:  dann  stÀnde  es 
ja  lediglich  im  Belieben  der  Hebammen,  die  Organe  der  Neu- 
geborenen willkĂŒrlich  und  so  schon  bei  der  Geburt  die  Kinder 
zu  Dummköpfen  oder  Genies  zu  formen.  Aber  auch  im 
spĂ€teren  Alter  hat  das  Gehirn  noch  Einfluß  auf  die  Bildung 
des  SchĂ€dels:  die  LymphgefĂ€ĂŸe  saugen  unausgesetzt  die 
Knochenmasse  des  SchÀdels  ein,  aus  den  harten  HirnhÀuten 
wird  dafĂŒr  dauernd  neue  Knochenmasse  abgesondert.  Die 
innere  SchÀdelplatte  formt  sich  nun  nach  dem  Gehirn  und 
da  die  Ă€ußere  dieser  parallel  ist,  teilt  sich  diese  innere  Um- 
formung auch  der  Ă€ußeren  mit.  Der  Einwurf,  daß  die 
Ă€ußeren  Erhabenheiten  des  SchĂ€dels  Ansatzpunkte  der 
Muskel  seien,  wird  damit  entkrĂ€ftet,  daß  gerade  an  den 
stÀrksten  Erhebungen,  denen  der  Organe,  gar  keine  Muskel 
ansetzen. 

G  a  1 1  s  Untersuchungen  lagen  zunÀchst  Vergleiche  von 
Menschen-  und  TierschÀdeln,  dann  Abbildungen  ausgezeich- 
neter Personen  zugrunde,  aber  auch  an  Spekulation  fehlte 
es  nicht. 

Allgemeine  GrundsÀtze:  die  zur  Erhaltung  des  Lebens, 
also  der  Natur  nach  wichtigen  Organe,  die  des  organischen 
Lebens,  liegen  dem  RĂŒckenmark  am  nĂ€chsten,  die  der 
Geistesverrichtungen,  also  des  animalischen  Lebens,  ent- 
fernter davon,  hauptsÀchlich  im  Stirnhirn,  das  beim  Men- 
schen am  höchsten  entwickelt  ist.  Analoge  Organe  liegen 
nachbarlich  beisammen.  Bei  den  Tieren  liegen  alle  Organe 
da,  wo  sie  sich  auch  beim  Menschen  ausdrĂŒcken. 


Eines  der  fĂŒr  die  Natur  wichtigsten  Organe  ist  1.  der 
Fortpflanzungstrieb  (s.  Abb.  Nr.  1),  der  im  kleinen  Gehirn 
seinen  Sitz  in  doppelter  Ausfertigung  hat.  Beweise:  bei  allen 
Tieren  mit  starkem  Begattungstrieb  ist  auch  das  kleine  Ge- 
hirn am  grĂ¶ĂŸten.  Beim  mĂ€nnlichen  Geschlechte  ist  es  stĂ€rker 
als  beim  weiblichen.  Deshalb  haben  auch  die  Weiber  einen 
dĂŒnneren  Hals  als  die  MĂ€nner,  weil  sich  die  StĂ€rke  der 
Muskel  nach  der  GrĂ¶ĂŸe  dieses  Organs  richtet.  Dasselbe  gilt 
von  dem  Hals  der  Kastraten.  Bei  weiblichen  Tieren  ist  der 
Begattungsti  ich  nur  periodenweise,  also  auch  hier  geringere 


Ausbildung  als  bei  mÀnnlichen  Tieren.  Die  Mauser  der  Vögel 
ist  bedingt  durch  die  SchwÀchung  und  Hinwelkung  des 
kleinen  Gehirns  nach  dein  ZeugungsgeschÀft  usw.  2.  Organ: 
das  der  Kinder-,  Jungen-  und  Elternliebe,  das  naturgemĂ€ĂŸ 
dem  Zeugungstrieb  am  nĂ€chsten  liegen  muß.    Gall  hal  es 


zuerst  an  weiblichen  SchÀdeln  des  Menschen  und  am  stÀrk- 
sten der  Affen  gefunden  und  es  erst  fĂŒr  das  Organ  der  Eitel- 
keit gehalten.  Es  folgen  die  Organe,  die  den  Menschen  mit 
der  Außenwelt  in  Verbindung  setzen:  3.  das  Organ  des  Sach- 
sinns,  memoria  realis,  der  Bildungs-  und  ErziehungsfÀhig- 
keit," eine  Erhöhung  der  Stirn  ĂŒber  der  Nasenwurzel.  Vor- 


handen bei  allen  zahmen  Tieren  oder  solchen,  die  sich 
zÀhmen  lassen.  Fehlt  es,  so  ist  das  betreffende  Tier  nicht  zu 
zÀhmen.  4.  Ortsinn,  zu  beiden  Seiten  von  3  in  Form  einer 
Erhöhung  am  inneren  Augenbrauenbogen,  memoria  localis. 
Dieses  Organ  umfaßt  aber  wesentlich  mehr  als  sein  Name 
besagt:  es  bedeutet  die  Neigung  zu  allen  Wissenschaften  und 
KĂŒnsten,  bei  denen  es  auf  Beobachtung,  Ausmessung  und 
Darstellung  der  VerhÀltnisse  des  Raumes  ankommt,  also  bei 
Geographen,  Astronomen,  Landschaftsmalern.  U.  a.  auch  an 
den  SchÀdeln  von  Newton,  Columbus,  Cook.  Ebenso  bedeutet 
es  den  guten  Blick  fĂŒr  das  Wesentliche  eines  GelĂ€ndes,  also 
bei  Feldherren:  Mack,  Laudon.  Ferner  drĂŒckt  es  bei  Mensch 
und  Tier  den  Wandertrieb  aus.  Endlich:  Orientierungssinn, 
sich  rasch  zurechtzufinden.  5.  Personensinn:  Unterschei- 
dung, scharfe  Erkennung  von  Personen.  6.  Farbensinn,  der 
keineswegs  bloß  im  Auge  liegt,  bei  Malern.  Außerdem  be- 
deutet dieses  Organ  Blumenliebhaberei,  Freude  an  Farben. 
5  und  6  findet  man  bei  Landschaftsmalern,  bei  Tieren  gar 
nicht.  7.  Tonsinn  hat  mit  dem  Gehör,  bzw.  seiner  SchÀrfe 
gar  nichts  zu  tun.  DemgemĂ€ĂŸ  bei  Pfauen,  Hunden,  Men- 
schen, denen  der  Sinn  fĂŒr  Musik  fehlt,  nicht  vorhanden.  Bei 


154 


Pniower:  Numerus  clausus 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7| 


allen  großen  Musikern,  auch  bei  Taubstummen.  Harthörigen. 
Auch  Sinn  fĂŒr  Takt  und  Rhythmus.    Beim  Kinde,  wenn 
schon  sehr  frĂŒh  entwickelt.    8.  Zahlensinn.    Auffallend  ent- 
wickelt bei  Newton  und  allen  großen  Mathematikern.  Fehlt 
bei  Tieren  ganz,  beim  Affen  ist  die  Stelle  dort  eiförmig  ge- 
rundet, beim  Menschen  mehr  eckig.    Deshalb  bei  Menschen, 
die  an  Neujahr  viele  Rechnungen  schreiben  mĂŒssen,  wie  der 
GewÀhrsmann   von   einem  Apotheker   in  Wien  launig  be- 
richtet, Kopfschmerzen  an  dieser  Stelle  danach.   9.  Wortsinn 
bei  Schauspielern  (Iffland)  auch  bei  Sammlern.    10.  Sprach- 
sinn, sowohl  Fertigkeit  beim  Gebrauch  der  Muttersprache, 
wie  bei   der  Erlernung  fremder   Sprachen,    bei  Lavater, 
Philologen.     11.   Kunstsinn,    das  Organ  fĂŒr  mechanische 
Fertigkeiten,  bei  Raphael,  ferner  bei  allen  Tieren,  die  kĂŒnst- 
liche Bauten  auffĂŒhren,  beim  Biber,  Hamster  usw.    12.  In 
der  NÀhe  von  2.  das  Organ  der  Treue  und  AnhÀnglichkeit, 
auch    bei    Hunden,    nicht    mit    Bestimmtheit  festgestellt. 
13.  Raufsinn,  auch  Mut  anzeigend,  an  Wurmser's  SchÀdel 
deutlich.    Bei  Furchtsamen,  auch  Tieren,  z.  B.  beim  Hasen, 
fehlend.    14.  WĂŒrgsinn,    ursprĂŒnglich  bloß  beim  fleisch- 
fressenden Tier,  seinem  ErnÀhrungstrieb  entsprechend,  nicht 
bei  Pflanzenfressern,  bei  Raubtieren,  Mördern,  Epileptikern. 
15.  Schlauheit,  Gewandtheit  des  Benehmens,  bald  im  guten 
Sinne  als  Klugheit,  bald  im  schlechten  Sinne  als  Falschheit, 
Hang  zur  Unwahrheit.  Schleicherei  und  Bosheit.  Empirisch 
bei  Tieren  gefunden:  Fuchs,  Iltis,  Katzen  u.  a.    Bei  Leuten, 
die  im  Dunkeln  fischen,  den  Mantel  nach  dem  Winde  hÀngen, 
bei  Ministern,  Schauspiel-  und  Romandichtern,  aber  auch  bei 
klugen  Feldherren.    16.  Diebssinn.   Einwurf:  das  Laster  des 
Stehlens  grĂŒndet  sich  auf  den  Begriff  des  Eigentums  und 
dies  ist  erst  durch  die  gesellschaftliche  Ordnung  entstanden. 
Gall:  Nein,  angeboren.  Beweis:  Kampf  der  Tiere  um  Weide- 
plÀtze, bestimmte  NistplÀtze,  Standorte  des  Wildes  im  Walde. 
Wenn  also  das  Streben  nach  Eigentum  angeboren  ist,  muß 
es  auch  der  Hang  zum  Stehlen  sein.   Die  Entwicklung  einer 
angeborenen  Kleptomanie,  einer  solchen  wÀhrend  der  Gravi- 
ditÀt und  nach  einer  Transplantation  erwÀhnt  Gall.  17.  Das 
Organ  des  Höhesinns.    Bei  Tieren  und  Menschen,  die  sich 
gerne  in  der  Höhe  aufhalten,  auch  Hochmut  anzeigend  und 
so  bei  Geisteskranken.    18.  Ruhmsucht,  Eitelkeit.    Mehr  bei 
Frauen  als  bei  MĂ€nnern,  oft  auch  bei  Geisteskranken  als 
GrĂ¶ĂŸenwahn.    19.    Organ  der  BedĂ€chtlichkeit,  Umhe  rsicht, 
der  genauen  Ueberlegung  und  ErwÀgung,  auch  der  Unent- 
schlossenheit  und  Langsamkeit.    Beim  Reh,  bei  der  Gemse, 
bei  der  Fischotter,  beim  Uhu,  nicht  aber  beim  Fuchs  und 
beim  Adler,  also  bei  Nachttieren.  Fehlt  es  beim  Menschen,  ist 
also  diese  Stelle  ganz  flach:  Anzeichen  von  Leichtsinn,  Un- 
ĂŒberlegtheit.  Bei  starker  Ausbildung:  Kleinmut. 

Die  bisherigen  Organe  sind  meistenteils  Mensch  und 
Tier  gemein.  Die  folgenden  —  im  Vorderteile  des  Gehirns 
liegend  (s.  oben)  —  kommen  nur  dem  Menschen  zu,  sind 
demnach  meist  empirisch  (seu  per  speculationem)  gefunden, 
ohne  daß  sich  hierfĂŒr  Belege  durch  die  vergleichende  Ana- 
tomie geben  lassen,  sind  also  weniger  sicher  als  die  frĂŒheren. 

20.  Vergleichender  Scharfsinn  bei  Predigern.  21.  Tief- 
sinn,  metaphysischer  Scharfsinn,  transszendenteller  Speku- 
lationsgeist, bei  Sokrates,  Kant,  Mendelsohn,  Fichte,  an  den 
antiken  besseren  Jupiterköpfen.  22.  Witz,  bei  Voltaire, 
Wieland,  Jean  Paul.  23.  Das  Organ  des  Induktionsver- 
mogens,  20—22  zusammenfassend,  auch  bei  Kindern,  aber 
spĂ€ter  wieder  abnehmend.  20—23  sind  sehr  unbestimmt, 
weil  nur  beim  Menschen.  24.  GutmĂŒtigkeit,  eine  Wulst  lĂ€ngs 
der  Stirnnaht,  auch  bei  Tieren:  Reh,  Hund,  Schaf.  Fehlt  es: 
Grausamkeit:  bei  Raubtieren,  bei  der  Katze,  besonders  aus- 
gebildet bei  den  SchÀdeln  der  Karaiben.  Gall  hat  auf  Grund 
dieses  Zeichens  in  einem  Kuhstale  bös-  und  gutartige  KĂŒhe 
mit  Leichtigkeit  richtig  herausgefunden.  25.  fheosophie,  Re- 
ligiositÀt. An  Àgyptischen  SchÀdeln  stets  zu  finden,  ebenso 
an  allen  guten  Jesusköpfen.  Nach  Gall  ist  dem  Menschen 
der  Trieb,  einen  Schöpfer  des  All  anzunehmen,  angeboren. 
Ohne  dieses  Organ  sei  ja  auch  die  EmpfĂ€nglichkeit  fĂŒr  gött- 
liche Offenbarungen  hinfÀllig.  26.  Beharrlichkeit,  Festigkeit, 
Trotz.    27.  Darstellungsvermögen,  eine  von  der  Kreuznaht 


bis  zur  vordersten  Abdachung  der  Stirne  sich  erstreckend.] 
Rundung.    Bei  allen  großen  Schauspielern. 

Hinsichtlich  der  National-SchÀdellehre,  um  die  siel 
BlumenbÀch  in  Göttingen  verdient  gemacht  hat  isi 
Gall  der  Meinung,  daß  diese  nie  zu  sicheren  Resultate! 
fuhren  wĂŒrde,  weil  der  Charakter  eines  Volkes  nicht  nur  vor 
der  natĂŒrlichen  SchĂ€delbildung,  sondern  auch  vom  Klima 
Erziehung,  geistiger  Ausbildung,  Verfassung,  Staatswesen 
abhangig  sei.  Deshalb  sei  eine  allgemeine  Regel  daraus  nich 
abzuleiten.  Immerhin  seien  Beobachtungen  wertvoll  bei  un- 
kultivierten Sklavenvölkern,  isolierten  Völkern  oder  solchen 
die  einem  ungĂŒnstigen  Klima  unterworfen  seien 


Numerus  clausus. 

Von  Dr.  Pniower. 

Der  Zunftcharakter  wird  durch  irgendein  Gemein-i 
schaftswesen  zugebilligt,  sei  es  die  Allgemeinheit  oder  eint 
testgefugte  staatliche  oder  kommunale  Körnerschaft.  Dei 
Zunftcharakter  prĂ€gt  sich  dann  in  der  sog.  „Geschlossenheit' 
der  Zunft  aus,  indem  die  gewisse  Zunftvorrechte  gewÀhrende 
Melle  die  Àlteren  Zunftmitglieder  vor  Zulassung  neuer  Stan- 
desangehöriger schĂŒtzt.  Sie  verlangt  dafĂŒr  als  'Gegenleistung 
Sicherheiten  fĂŒr  „reelle  Bedienung".  -  Diesen  Zunftcharak- 
ter der  ..Geschlossenheit"  finden  wir  in  der  Àrztlichen  Stan- 
desgeschichte, angefangen  von  den  Zunftfamilien  der  primi- 
tiven Heilstufe  bis  zu  den  modernen  DistriktsÀrzten  vor  Bei 
den  letzteren  ist  ersichtlich,  daß  es  nicht  immer  eine  behörd- 
liche Stelle  zu  sein  braucht,  welche  die  „Geschlossenheit"  der 
Zunft  zubilligt.  Aber  wenn  uns  gerade  FrÀsdorf  eine 
Zunft  schilt,  soll  er  nicht  vergessen,  daß  er  mit  seinem 
Distnktsarztsvstem  den  Geschlossenheitscharakter  in  reinster 
Form  betĂ€tigen  will  und  er  damit  sich  in  der  „BeschrĂ€n- 
kung" als  wahrer  (Zunft-)  Meister  erweist. 

Was  uns  noch  an  sog.  Zunftvorrechten  erhalten  ist,  er- 
innert nur  an  die  Rechte  der  heutigen  Innungen  und 
Zwangsinnungen,  denn  die  angeblichen  „Vorrechte"  sind  im 
Zeitalter  der  Gewerbefreiheit  nur  bedingt  als  solche  anzu- 
sehen. Und  der  Staat  als  HĂŒter  der  allgemeinen  Volkswohl- 
fahrt fĂŒhlt  ja  auch  die  volkswirtschaftliche  Mission  in  sich, 
möglichst  viel  Aerzte  dem  „Konsum"  des  leidenden  Publi- 
kums bereit  zu  stellen,  wird  also  wenig  fĂŒr  einen  numerus 
clausus  zu  haben  sein. 

Die  Gewerkschaft  kommt  durch  einen  sozialpolitischen 
Vorgang  der  Selbsthilfe  zustande.  Im  Vordergrund,  und  fĂŒr 
unser  Thema  wichtig,  steht  natĂŒrlich  die  Lohnpolitik. 
So  interessant  auch  die  Lohntheorien  sind  und  vielfach  auch 
auf  uns  Aerzte  passen,  so  will  ich  doch  nur  eine  heraus- 
greifen: die  Lohnfondstheorie.  Es  ist  ein  bestimmter 
Fonds  vorhanden,  aus  welchem  die  Löhne  gezahlt  werden 
können,  der  Lohn  fĂŒr  den  einzelnen  Arbeiter  ist  also  ein 
einfacher  Quotient  aus  der  Zahl  der  Arbeiter  und  der  Summe 
des  Lohnfonds  und  wird  sich  je  nach  der  Vermehrung  und. 
Verminderung  der  Arbeiterzahl  Àndern  (W  y  g  o  d  z  i  n  s  k  i). 
FĂŒr  die  handarbeitenden  Klassen  stimmte  das  nicht  mehr,' 
weil  die  Löhne  nicht  nur  absolut,  sondern  auch  relativ  ge- 
stiegen waren  —  auch  schon  vor  dem  Kriege. 

Auf  uns  Aerzte  paßt  aber  diese  Lohnfondstheorie  (Se- 
nior) genau:  die  Kassen  werfen  tatsÀchlich  nur  einen  be- 
stimmten Satz  aus,  in  den  sich  dann  alle  Aerzte  zu  teilen 
haben. 

Die  Lohnpolitik  hat  nun  ihrerseits  aber  auch  in  die  Ge- 
werkschaft VerhÀltnisse  hineingebracht,  welche  mit  der 
Zunft  sehr  viel  Aehnlichkeit  haben.  Auch  der  numerus 
clausus  ist  als  eine  Erscheinung  anzusehen,  welche  mit  der 
Lohnpolitik  zusammenhÀngt,  weshalb  man  auch  beirtf 
numerus  clausus  sehr  wohl  von  einer  ..indirekten  Lohn- 
politik" sorechen  kann.  Dazu  gehört  in  erster  Linie  die  ziel- 
bewußte Bearbeitung  des  Nachwuchses  und  bei  uns  auch 
die  Warnung  vor  dem  Studium,  welche  bald  zĂŒnftleriseh, 
bald  gewerkschaftlich  aufgefaßt  worden  ist,  je  nach  dem 
Standpunkte,  von  welchem  aus  man  sie  betrachtete.  Hin- 


10.  Jahrg.  —  Nr.  0/7. 


Referate 


155 


sichtlich  gewerkschaftlicher  Anschauung  lĂ€ĂŸt  sich  sagen, 
daß  namentlich  die  englischen  Gewerkschaften  die  Regu- 
lierung des  Nachwuchses  in  einer  Art  numerus  clausus 
sich  am  Herzen  liegen  ließen.  In  England  waren  tatsĂ€chlich 
fĂŒr  die  Zulassung  von  Lehrlingen  Bestimmungen  gellend, 
welche  deutlich  an  die  alten  zunftpolizeilichen  erinnern:  die 
Zahl  der  Lehrlinge  wird  —  von  der  organisierten  Arbeiter- 
schaft —  vorgeschrieben,  die  LehrlingszĂŒchterei  wird  hinten- 
angehalten, weil  sie  das  Angebot  steigern  kann.  So  war  es 
auch  bei  uns  Aerzten,  als  die  Kassen  vor  Jahren  durch 
Empfehlung  des  Àrztlichen  Studiums  das  Angebot  zu  heben 
suchten.  Nur  ist  hier  ein  grundlegender  Unterschied  zwi- 
schen unserem  Berufe  und  den  Arbeitern  zu  beobachten. 
Warnung  wie  Empfehlung  des  Studiums  sind  nÀmlich  nur 
Mittel,  welche  ohne  absoluten  Zwang  angewandt  werden 
können;  denn  das  Studium  wird  durch  eine  staatliche  Ab- 
schlußprĂŒfung zu  Ende  gefĂŒhrt  und  damit  erst  die  Unterlage 
fĂŒr  die  Ă€rztliche  BerufstĂ€tigkeit  gewonnen  —  Ă€hnlich  der 
Lehrlingsausbildung.  Diese  liegt  aber  —  und  das  ist  die 
Hauptsache  —  beim  freien  Willen  des  Ausbildenden  oder  je 
nach  der  Macht  der  Gewerkschaft  bei  dieser,  denn  im  Ge- 


gensatz zu  den  Aerzten  findet  die  Ausbildung  nicht  durch 
freies  Studium,  sondern  hei  „Meistern"  statt.  Wenn  auch 
nicht  zu  ĂŒbersehen  ist,  daß  bei  vielen  Gewerkschaften  dei 
Begriff  der  „Lehrlingsausbildung"  in  Fortfall  gekommen  ist, 
weil  vielfach  „ungelernte  Arbeiter"  in  ihnen  vereinigt  sind, 
so  ist  doch  festzuhalten,  daß  eine  Regulierung,  d.  h.  Hinten- 
anhaltung  des  Àrztlichen  Nachwuchses,  immerhin  geweift 
schaftliche  Anschauungen  wiedergibt. 

Auch  daß  die  Aerzteschaft  durch  weitestgehend«'  Sicher- 
heitsmaßnahmen das  Studium  zu  vertiefen  sucht  und  eine 
möglichst  gute  Ausbildung  verlangt,  ist  nicht  ohne  gewerk- 
schaftlichen Vorgang:  bei  vielen  englischen  Gewerbevereinen 
genĂŒgt  die  AusĂŒbung  des  Berufes  an  sich  noch  nicht  allein, 
um  Aufnahme  zu  finden.  Man  spricht  daher  bezeichnender 
Weise  von  der  ExklusivitÀt  der  englischen  Gewerk- 
vereine. Dies  steigert  sich  anderwÀrts  zu  VerhÀltnissen, 
welche  tatsĂ€chlich  an  die  zĂŒnftigen  erinnern.  Es  kommt  bei 
den  nordamerikanischen  Gewerkschaften  vor,  daß  die  Auf- 
nahme neuer  Mitglieder  suspendiert  wird,  sobald  die  vor- 
handenen genĂŒgen.  Dies  gilt  also  auch  als  „gewerkschaft- 
lich". 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Medicinische  Klinik. 

8.  Januar  1922,  18,  Nr.  2. 

Ueber  Nephritis.    Bömberg,  K.  33. 
«J»Zur  Kenntnis  der  Aortalgien  (Angiua  pectoris)  und  ĂŒber  das  Symptom  des 
anginösen  linksseitigen  Plexusdruekschmerzes.    Schmidt.  R.  3fi. 
Umfrage  ĂŒber  die  neue  Influenzaepidemie.  39. 

Weiterer  Beitrag  zum  Verlauf  und  zur  Prognose  der  Encephalitis  epidemica. 
P  e  1 1  e  .  H.  41. 

Zur  Purpurafrage.    FĂŒll,  H.  43. 
❖Zur  Kohlebehandlung;  der  Ruhr.    Kling.  D.  -Iii. 
❖Novasuro!  als  Dhireticum.    H  a  g  g  e  n  e.y.  48; 

Multipler  Leberechiuococcus.    W  o  ii  I  g  e  m  u  t  h  ,  K.  49. 

Ein  kleiner  Apparat,  fĂŒr  Bqchfrequenzb'elhĂ€ndlufig.    k  x  m  a  n  n.  49. 

Ueber  Diagnose  und  Behandlung  der  Darmbilharziose.    H  ö  p  p  1  i  .  R.  M. 

Die  alimentĂ€re  Intoxikation.    B  1  ĂŒ  h  d  o  r  n  ,  K.  51. 

Zur  Kenntnis  der  Aortalgien  (Angina  pectoris)  und  ĂŒber  das 
Symptom  des  anginösen  linksseitigen  Plexusdruekschmerzes.  Auf 
Grund  von  121  eigenen  Beobachtungen  behandelt  Schmidt  die 
Frage  der  Angina  pectoris  nach  allen  Richtungen.  Das  weib- 
liche Geschlecht  ist  mit  nur  27  FĂ€llen  beteiligt,  was  Verfasser 
zum  Teil  auf  den  hĂ€ufigen  Nikotinismus  bei  MĂ€nnern  zurĂŒck- 
fĂŒhren möchte.  Dem  Alter  nach  waren  nur  13  Patienten  unter 
40  Jahren;  der  Blutdruck  war  bei  G3  FĂ€llen  in  37  ĂŒber  140  mm 
Hg,  in  den  ĂŒbrigen  zwischen  100  und  140  mm  Hg.  In  den  meisten 
FĂ€llen  bestanden  im  Anfall  weder  Todesangst  noch  Kollaps,  son- 
dern nur  retrosternaler  Schmerz  bei  Anstrengungen,  der  in 
kurzer  Ruhezeit  wieder  schwand.  Besondere  Beachtung  verdient 
die  Schmerzfigur,  fĂŒr  die  Verfasser  einige  besondere  Typen  auf- 
stellt, je  nachdem  der  Schmerz  retrosternal,  linksseitig  kardial, 
rechtsseitig  thorakal,  dorsal,  im  Abdomen  oder  Epigastrium  auf- 
tritt. Ein  anderer  Typ,  als  Typus  inversus  bezeichnet,  beginnt  in 
den  oberen  ExtremitÀten  und  endet  am  Brustbein,  noch  ein  an- 
derer, peripherer,  Ă€ußert  sich  nur  in  Sensationen  im  linken  Arm 
oder  Schultergelenk.  Schmerzirradialionen  treten  außer  nach  den 
ExtremitÀten  auch  nach  den  ZÀhnen  des  Unterkiefers,  nach  dem 
linken  Ohr  auf,  wobei  aber  hervorzuheben  ist,  daß  bei  den 
schwersten,  tötlich  endenden  FÀllen  Irradiationen  vollkommen 
fehlen  können.  Die  Schmerzen  selbst  können  sich  in  GefĂŒhl  des 
ZusammenschnĂŒrens  der  Brust,  in  Stichen,  durchgehend  bis  nach 
dem  RĂŒcken,  Hitzeempfinden  in  Brust  und  RĂŒcken,  in  GefĂŒhl  des 
Sodbrennens.  ParĂ€sthesien,  ziehende  Schmerzen,  SchwĂ€chegefĂŒhl 
in  den  oberen  ExtremitÀten  können  diese  Erscheinungen  be- 
gleiten.  Magen-Darmstörungen  —  Empfinden  verzögerter  Ver- 
dauung, Auftreibung  des  Leibes,  Luftaufstoßen  (in  einem  Falle 
wurde  mehrtĂ€giger  Singultus  beobachtet)  —  können  ebenso  wie 


vasomotorische  Störungen  weitere  Begleiterscheinungen  sein. 
Auch  die  HerztÀtigkeit  kann  erhebliche  VerÀnderungen  zeigen, 
hochgradige  Tachysystolie  und  Extra systolie,  gelegentlich  auch 
schwere  KollapszustÀnde.  Auf  ein  Symptom  legt  Verfasser  be- 
sonderen Wert,  weil  es  bisweilen  dem  ersten  Schmerzanfall  noch 
vorausgehen  kann,  die  ausgesprochene  Druckempfindlichkeit  des 
linken  Plexus  brachialis,  die  auch  in  der  anfallsfreien  Zeit  hÀufig 
feststellbar  sein  soll.  Sonstige  objektive  Symptome,  insbesondere 
auch  von  Seiten  des  Herzens  können  vollkommen  fehlen;  in  an- 
deren FÀllen  wiederum  können  ein  klingender  zweiter  Aorten- 
ton, PulszeleritĂ€t,  ein  kurzes  systolisches  GerĂ€usch  ĂŒber  der 
Aorta  oder  der  Herzspitze,  Dilatationen  des  Herzens  oder  der 
Aorta,  in  der  anfallsfreien  Zeit  hÀufig  Bradykardie  auftreten. 
Ausgelöst  werden  die  AnfĂ€lle  durch  grĂ¶ĂŸere  Anstrengungen, 
schnelles  Gehen,  besonders  bei  gefĂŒlltem  Magen,  durch  Tragen 
oder  Heben  einer  Last,  durch  Pressen  beim  Stuhlgang,  starkes 
Husten,  lÀngeres  Sprechen  usw.;  diese  Faktoren  können  die  vaso- 
motorischen Formen  der  Angina  pect,  gerade  so  auslösen,  wie 
die  sklerotischen.  Eine  Reihe  von  AnfÀllen  können  durch  vaso- 
konstriktorische  EinflĂŒsse  (KĂ€lte!)  ausgelöst  werden,  wieder  an- 
dere durch  MoorbÀder,  Trinken  von  Karlsbader  Sprudel.  In 
pathogenetischer  Beziehung  verwirft  Verfasser  die  Anschauung, 
wonach  eine  Erkrankung  der  Koronararterien  als  hÀufigste  Ur- 
sache der  Angina  pectoris  in  Betracht  komme.  Nach  ihm  handelt 
es  sich  um  eine  Aortensklerose,  vorwiegend  des  Arktis  und  der 
Aorta  ascendens  mit  einem  neuralgischen,  vielleicht  auch  bis- 
weilen neuritischen  Reizzustand  des  Plexus  aorticus,  bei  dem  es 
bei  verstÀrkter  Aortennulsation  zum  Anfall  kommt.  Stoff- 
wechselstörungen im  Sinne  einer  uratischen  Dyskrasie  oder 
arthritischen  Diathese,  ferner  Diabetes,  Krebserkrankungen  und 
Steinleiden  zeigten  sich  bei  den  FĂ€llen  von  Angina  pectoris  sehr 
hÀufig  in  der  Ascendenz,  Lues  und  Nikotinismus  spielen  beson- 
ders bei  den  jĂŒngeren  JahrgĂ€ngen  eine  bedeutende  Rolle.  Die 
Prognose  stellt  Verfasser  im  allgemeinen  nicht  so  ungĂŒnstig,  da 
sich  die  AnfĂ€lle  ĂŒber  Jahrzehnte  hin  erstrecken  können;  ganz  be- 
sonders gilt  dies  von  den  rein  vasomotorischen  AnfÀllen.  Medi- 
kamentöse Unbeeinflußbarkeit  der  AnfĂ€lle,  Tachykardie  im  An- 
fall, Komnlikation  mit  Asthma  cardiale  trĂŒben  jedoch  die  Pro- 
gnose. Therapeutisch  kommen  die  Behandlung  etwaiger  Stoff- 
wechselstörungen, ferner  Antirheumatica  und  Antineuralffica  in 
Betracht.  Svmptomatisch  ist  Nitroslvzerin  anzuwenden.  Bei  den 
luetischen  Formen  ist  Jodhehandlung,  Schmierkuren  und  vor- 
sichtige Neosalvarsanbehandlung  angezeigt.  Klimatische  Kuren 
in  mittlerer  Höhenlage,  Enthaltung  von  Alkohol  und  Nikotin, 
diÀtetische  Behandlung  etwaiger  Magen-Darmstörungen  kommen 
weiterhin  in  Frage. 

Zur  Kohlebehandlung  der  Ruhr.  Ein  Fall  von  Perforalions- 
peri tonitis  bei  Ruhr,  den  Verfasser  auf  die  Kohlebehandlung  zu- 


156 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —Nr.  6/7 


ruckfĂŒhrt,  veranlagten  Kling,  diese  Therapie  an  einem  großen 
Material  zu  ĂŒberprĂŒfen.  Er  kommt  hierbei  zu  dem  Schluß,  daß 
die  Tierkohle  nur  imstande  ist,  die  toxischen  Stoffe  des  Darm- 
inhalts zu  binden,  nicht  aber  heilend  auf  den  dysenterischen  Pro- 
zeß im  Darm  zu  wirken.  Als  großen  Nachteil  sieht  er  die  lange 
Relention  der  Kohle  im  Darm  an,  die,  wie  er  feststellen  konnte, 
erst  7  Tage  nach  der  Einnahme  in  Klumpen  ausgeschieden  wurde. 
Er  will  daher  die  Tierkohle  aus  der  Behandlung  der  Ruhr  voll- 
kommen ausgeschaltet  und  sie  nur  fĂŒr  die  FĂ€lle  von  Vergiftun- 
gen, akuten  Gastroenteriden  und  Cholera  aufgespart  wissen.  Da 
grĂ¶ĂŸere  FlĂŒssigkeitsmengen  die  Adsorptionskraft  der  Kohle  her- 
absetzen, schlÀgt  er  vor,  dieselbe  nur  in  Oblaten  mit  geringer 
Anfeuchtung  derselben  zu  geben. 

Novasurol  als  Diureticum.  Haggeney  hat  in  einer  Reihe 
von  FÀllen,  bei  denen  die  anderen  DiureticÀ  versagt  hatten,  das 
Novasurol  in  intramuskulÀrer  oder  intravenöser  Applikation  an- 
gewendet und  in  jedem  Falle  eine  gute  Diurese  erzielt,  die  etwa 
12- -15  Stunden  nach  der  Injektion  ihren  Höhenunkt  erreichte,  um 
dann  allmÀhlich  abzuklingen.  Am  dritten  Tage  nach  der  Injek- 
tion war  die  Wirkung  erschöpft,  konnte  aber  durch  eine  neue 
Injektion  wieder  hervorgerufen  werden.  Die  Anwendung  ge- 
schah im  allgemeinen  zweimal  wöchentlich,  intraglutÀal,  bei 
grĂ¶ĂŸeren  Oedemen  intravenös  oder  in  die  Oberarmmuskulatur. 
Stomatitis  wurde  nur  in  zwei  FĂ€llen  beobachtet,  Schmerzen  und 
Infiltrate  waren  selten.  Als  Indikationsgebiet  kommen  alle  Arten 
von  Herzstörungen  in  Betracht,  die  Stauungserscheinungen  auf- 
weisen, wĂ€hrend  bei  Nierenleiden  zum  mindesten  mit  großer  Vor- 
sieht vorgegangen  werden  muß. 

Silbermann  (Charlottenburg^. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

12.  Januar  1922,  Nr.  2. 

Neue  Forschungsergebnisse  u"ber  Pneumonie.    Neufeld.  51. 
Die  Bedeu'tunn:  der  tuberkulösen  Allergie  fĂŒr  das  Entzundungsproblem  und  die 


Protei  nkrtrperther; 


S  e  1  t  e  r.  54. 


Die  Behandlung;'  der  chronischen  Krei«lautsRhwÀche  (unter  vorwiegender  Be- 
rĂŒcksichtigung der  physikalisch-diĂ€tetischen  Methoden).  G  „  |  d  - 
scheider.  57. 

♩Ueber  Aortitis  syphilitica,    S  e  h-i.i  i  e  n  h  e)  m,  fio. 

Zur  Pathogenese  des  periodischen  Atmeas.    Straub  und  Meier.  61. 

Da.s  Zentralnervensystem  hei  der  G-asbrandinfeklrion  des  Menschen.  F  r  a  e  n  - 
k  e  1  und  Wohlwill.  fi3. 

‱J'WefhPehc  Kriielgs,-  und  Nac'hkriegsepf  er.     W  inte  r.  64. 
Diathermio-Tiefenst'ch    bei    Liry  nxtuherkulose.     Hofvendhhl.  HT. 
Ganglion  der  Nervenschei'de  des  N.  ulnar*«.    Pubs.  fiR. 
Ueber  IsoprorvHlkohol  als  Mittel  zur  HĂ€ndedesinfektion.    Bernhard  t.  68. 
Ein  neuer  NShrboden   zur  DiiagnosHiik   und   ZĂŒchtung   im   Blute  kreisender 
Streptokokken.  Piorkowski.  Hfl. 

Ueber  Aortitis  luica.  FĂŒr  den  Praktiker  wichtig.  Schleichende, 
progrediente,  oft  (bei  intakter  Aortenwurzel)  völlig  svmptomlose 
Erkrankung  mit  zuweilen  plötzlich  auftretenden  Erscheinungen, 
die  unter  UmstÀnden  rasch  letal  verlaufen.  Kurluftigkeit  bei 
körperlichen  BetĂ€tigungen,  rasche  ErmĂŒdbarkeit  und  Verminde- 
rung der  LeistungsfĂ€higkeit.  Herzklopfen,  DruckgefĂŒhl,  retro 
sternales  Brennen,  leichte  Schmerzen,  anginöse  Beschwerden 
lassen  bei  einem  Luiker  genaueste  Untersuchung  angezeigt  er- 
scheinen. Svmotome  abhÀngig  vom  Sitz  der  Erkrankung:  bei  Be- 
teiligung der  KoronargefĂ€ĂŸe  die  entsprechenden  klinischen  Fol- 
gen (ansina  pectoris,  Stenokardie,  HerzmuskelerkrankunffV  So 
u.  a.  Bild  der  Aorteninsuffizienz  bei  Erkrankung  der  Aorten- 
klapnen  (Binnen  bei  sonst  gut  schließenden  Klappen). 

Diaenose:  bei  Koronar-  oder  Klappenerkrankung  leicht, 
schwierig  hei  Erkrankung  der  Aortenwurzel.  Perkutorische  Be- 
grenzung der  großen  GefĂ€ĂŸe  bei  einem  gewissen  Grade  der  Er- 
krankung wichtig:  kleine  Herzfigur,  breite  GefĂ€ĂŸfigur.  Auskulta- 
tion: andere  FĂ€rbung  des  2.  Aortentons,  mehr  weniger  klingend, 
oft  ohne  besondere  Akzentuation,  aber  oft  svstolisches  GerÀusch. 
Blutdruck  zuweilen  erhöht,  meist  normal.  Wichtig  ist  das  frĂŒh- 
zeitige Auftreten  derartiger  Symntome,  meist  zwischen  35.  bis 
50.  Lebensjahr.  Im  Gegensatz  zur  Arteriosklerose,  die  im  höhe- 
ren Alter  langsam  verlÀuft,  ohne  so  hochgradige  Dilatation  der 
Aorta,  mit  akzentuiertem  2.  Aortenton.  ohne  klingenden  Beiklang 
mit  Blutdruckerhöhung,  Pulsation  im  Jugulum,  mit  geringen  sub- 
jektiven Beschwerden. 

Wichtig  Röntgenbefund:  die  große  Verbreiterung  fĂŒhrt  oft  zur 
falschen  Diagnose  Aneurysma.  Oft  ist  aber  hei  Arteriosklerose 
auch  der  Unterschied  zwischen  letzterer  und  der  Aortitis  so  ge- 
ring, daß  nur  das  hohe  Alter  —  ĂŒber  70  —  zugunsten  der  Arterio- 
sklerose snricht.  Ferner  VerlÀngerung  der  Aorta  (hÀufig),  nicht 
aber  Höhertreten.  Endlich  tiefere  Schattenbildnng  der  Aorta  bei 
Lues.  Leute  mit  positiver  W.-R.  ohne  sonstige  Erscheinungen 
sind  immer  auf  eine  Aortitis  zu  beobachten. 

Behandlung:  energische  antiluetische  Kur,  wiederholt. 


Weibliche  Kriegs-  und  Nachkriegsopfer.  Obgleich  die  Unter- 
suchung nur  fĂŒr  Ostpreußen  gilt,  gibt  sie  doch  ein  recht  anschau- 
liches Bild  ĂŒber  die  schweren  Opfer,  die  das  Weib  dem  Vaterlande 
im  und  nach  dem  Kriege  gebracht  hat. 

In  erster  Linie  Abnahme  der  Geburten:  in  den  Jahren  1915  bis 
1920  ein  Verlust  von  ca.  100  000  Kindern.  GrĂŒnde:  Abwesenheit 
und  Kriegsverluste  der  MĂ€nner,  Verminderung  der  Eheschließun- 
gen, Flucht  und  Abwanderung.  Dann  Zunahme  der  Ahorte:  D  <s 
Aufschnellen  von  15  %  wÀhrend  des  Krieges  auf  36  bis  37  %  in 
den  letzten  2  Jahren  mit  einer  MortalitÀt  von  10%  (gegen  2%  bei 
Aborten  ĂŒberhaupt)  und  mit  15%  Frauen,  die  nachher  krank 
blieben,  steril  wurden  oder  wieder  abortierten,  beruht  lediglich 
auf  einer  Zunahme  der  kriminellen  Aborte.  Dieser  Natur  waren 
die  fieberhaften  ausschließlich.  Besondere  Zunahme  der  krimi- 
nellen Aborte  bei  Verheirateten,  und  zwar  meist  durch  die 
Frauen  selbst.  GrĂŒnde:  gesunkene  Moral,  Wohnungsnot,  schlechte 
soziale  VerhÀltnisse,  Bequemlichkeit,  Unlust  an  weiterem  Fami- 
lienzuwachs. Auch  das  Puerneralfieber  hat  zugenommen:  Ver- 
wahrlosung und  FahrlÀssigkeit  des  Personals  in  der  Zeit  nach 
dem  Kriege.  Ebenso  sind  die  Krankheiten  der  Unterleibsorgane 
der  Frauen  (in  erster  Linie  die  Kriegsamenorrhoe) :  ungenĂŒgende 
ErnÀhrung,  seelische  Erregung,  schwere  körperliche  Arbeit,  un- 
genĂŒgende Abwarfung  des  Wochenbettes.  Teilweise  dieselben 
Ursachen  verschulden  die  Zunahme  der  Prolapse.  Das  Traurigste 
ist  die  Zunahme  der  Uteruskrebse  von  13  auf  63  %.  Endlich  ist 
die  Zunahme  der  Geschlechtskrankheiten  zu  erwÀhnen. 

v.  S  c  h  n  i  z  e  r 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

6.  Januar  1922,  Nr.  1. 

Zur    patbolMi.-isch.-u    Anatomie    und     Nomenklatur    der  l.un-cntuherkulose 
Marchanil.  1. 

♩ZiegenmilchanĂ€mie.    S  t    e  I  t  z  n  e  r.  4. 

❖Bedeu+una-   der  renalen    8ehw*nger*eh»ft>sglykosurie    fĂŒr   die    Diagnose  der 
Schwangerschaft.    Seit/,  und  .1  e  13.  fi. 

Einfluß    des    Nahrbodems    auf    die     Agglut'nabilitĂ€H    des     Tvphusl.  izillns 
Hohn.  7. 

❖Diphthosanbehandlun«   hei   DiphtheiiebazillcntrĂ€trern.     Riemann.  I". 
KapillarlÀhmungen  im  Darm  bei  Grippe.    T.  i  m  n  e  r  12 
Chronische  Appendizitis  im  Kindesalmr.    f.  u  u  e  L  e  n  h  e  i  n.  12. 
Dauerheilung   des   onerierten   Brustkrebses    mit    und    ohne  prophylaktische 

Röntgenbestrahlung,    v.  d.  HĂŒtten.  13. 
Kolloidnatur  des  Quecksilbers   bei   der   intravenösen    Injektion  '  von  Nco- 

salvarsan-Quecksilhersalzmisehuns."!.     Toll  e  u  s.  15, 
KĂŒnstliche   Erzeugung  von   akuter,   allgemeiner    Anidrosis   bzw.  Oligidrosis 

durch  Formaldehyd.    Cr  r  i  e  s  1>  a  e  h.  Iii. 
frrundlaee  der  funktionellen  Anpassung  des  Muskels  im  Sport.   De  p  p  e.  Kl. 
Behandlung-  der  Oxyuriasis.    Franke.  1". 

Lymphatische  LeukÀmie  u    .1.  Bild  symmetrischer  Paiutissehwellung.  18: 
Zur  Frage  der  Rachitis.    Sehe  d  e.  18. 

Ueber  ZiegenmilchanÀmie.  ErnÀhrt  man  SÀuglinge  mit  Zie- 
genmilch, so  bekommen  sie,  wahrscheinlich  infolge  der  anÀmi- 
sierenden  Wirkung  der  löslichen  FettsÀuren,  hÀufig  eine  schwere 
hÀmolytische  AnÀmie,  die  jedoch,  falls  keine  sonstige  Komplika- 
tionen bestehen,  bei  Nahrungswechsel  durch  Uebergang  zu  ge- 
mischter Kost  ausheilt;  bei  nichtrachitischen  Kindern  tritt  sie  als 
„einfache"  AnĂ€mie  auf,  bei  rachitischen  als  Anaemia  pseudoleuc 
aemica.  Die  sogenannte  Anaemia  pseudoleucaemica  ist  die  epi- 
rachilische  Form  der  frĂŒhinfantilen  hĂ€molytischen  AnĂ€mien. 

Ueber  die  Bedeutung  der  renalen  Schwangerschaftssrlykosuric 
fĂŒr  die  Diagnose  der  Schwangerschaft.  Verfasser  prĂŒften  an  36 
FĂ€llen  die  Angabe  von  Frank  und  Nothmann  (MĂŒnch,  med. 
Wochschr.  1920,  Nr.  50),  daß  in  den  ersten  drei  Schwanger- 
schaftsmonaten nach  Einnahme  von  100  g  Traubenzucker  per  os 
eine  Glvkosurie  auftritt.  Verfasser  fanden  in  50  Prozent  Glvkos- 
urie  (Schwangere  2.-8.  Monat)  und  snrechen  der  Probe  daher 
nur  den  Wert  eines  wahrscheinlichen  Schwangerschafts- 
zeichens zu. 

Diphthosanbehandlung  bei  DiphtheriebazillentrÀgern.  Diph- 
thosan  (0,1  Flavicid:  0,85  Na  Cl:  0,05  Saccharin  pro  Pastille^ 
wurde  als  NasenspĂŒlung  3^4  mal  tĂ€glich  10  cem  1,0  Diphthosan 
zu  500  Aq.  dest.  oder  in  der  gleichen  VerdĂŒnnung  zum  Gurgeln 
bzw.  in  2—3  mal  tĂ€glich  SpĂŒlungen  bei  Vaginaldiphtherie  in  32 
FĂ€llen  angewandt.  Die  Erfolge  waren  gute;  weitere  Nach- 
prĂŒfung wird  empfohlen. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

13.  Januar  1922,  Nr.  2. 

OrthopÀdischer  Ausgleich  der  Hypotonie  und  TiefenanÀsthesie  hei  Tabikern. 
v.  B  a  e  g  e  r.  37. 

Art  und  Herkunft  der  Zellen  iies  Eiters  bei  Conjunctivitis  und  Urethritis  «mi 
Kraus.  38. 

Behandlung  von  Tumoren  mit  Salviarsan.    Matzdorff.  42. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


15? 


<t>Xuosilborsalvursuu.    Z  1  in  in  vi  r  n.  48. 

‱HOudulunibalo  Snlvursanuohandluug.    Ii  u  u  e  il  c  k.  II. 

‱Htuitermehluahruug.    s  c  U  I  o  i)  m  u  u  n.  48. 

VorbroituiiK  de»  Kropfes  bei  Schulkindern.    Kracntor,  17. 

AeuĂŒoru  und  Innere  Eiuberwauderung.    B  n  u  r. 

„Kamillosan."    Kownlllg,  48. 

KĂŒinien  lpeoaouanha  und    Senega  durcb  einheimische   Arzneipflanzen  voll- 

wertig  ersettt  werden.    U  r  i  in  in  o.  i>0 
Ausllockungsreaktiou  zur  ÖyuhĂŒisdlaguose.    W  e  i  B.  il. 
Schmerzlose  Ucburt.    Zweifel.  .rr.'. 
Arteriotomie.    II  1  u  c  k.  53. 

Erfahrungen  mit  Neosilbersalvarsan.  Bericht  ĂŒber  etwa  560 
Kuren,  uosis  \j,Z — jedesmal  iu  1U  ccm  Aq.  ĂŒest.  gelöst,  t  ro  Kur 
4,u — 4,0  g  iu  rz  Injektionen  (1 — 2  mal  0,2;  l  mal  u,.>,  aann  0,4—0,5), 
in  AuslÀnden  von  etwa  0  lagen,  bei  Lues  1,  solange  Watte 
negativ,  uur  Neosiloer,  bei  laues  auuerĂŒem  Jod.  Lues  111  nur 
ng  und  Jod.  Misciispritzen  mit  allen  rig-PrÀparaten  (Sublimat, 
Novasurol,  Cyarsal,  bmbarin)  möglicn.  ^Nebenerscheinungen  wie 
bei  den  anderen  PrÀparaten:  Angioneurosen,  Dermatitis,  jedoch 
beides  anscheinend  viel  niilder.  veriasser  glauDl  Uessere  Er- 
folge wie  mit  Silbersalvarsah  erzielen  zu  können,  da  man  höhere 
Dosen  geben  kann. 

Zur    Frage   der    endolumbalen    Salvarsanbehandlung.  Be 
sehreiuung  eines  Instrumentariums  zur  Vereiniacliung  der  Tech- 
nik.   Veriasser  berichtet  ĂŒber  gute  Erfolge  bei  Lues  des  Zentral- 
nervensystems. 

Erfahrungen  mit  Buttermehlnahrung.  Verfasser  verwendtt 
seit  \lA  Jahren  die  Gzerny-Kleinschmiut'sche  Buttermehlnahrung 
iu  etwas  anderer  Modifikation,  indem  er  die  Butter-  und  Mehl- 
mengen statt  auf  die  VerdĂŒnnungs-,  auf  die  GesamtliĂŒssigkeit  be- 
recnnet.  Herstellung :  die  gebrÀunte  und  geröstete  Einbrenne  wird 
mit  Halbmilch  und  5  Prozent  Zucker  im  1.  Lebensmonat  mit 
Drittelmilch  und  5  Prozent  Zucker  versetzt.  Pro  Liter  Butter  - 
mehlnahrung  braucht  man  70  g  Butter,  70  g  Mehl  und  50  g  Zucker. 
Kaloriengenalt  1440  pro  Liter.  Die  besten  Resultate  ergab  nicht 
die  reine  buttermehlernÀhrung,  sondern  die  Z  wiemilch  er  nÀhr  ung: 
In  den  ersten  Lebenswochen  zur  Frauenmilch,  spÀter  zur  Halb- 
milch  Buttermehlnahrung,  bei  gröberen  Kindern  außerdem  Brei 
und  GemĂŒse.  Im  allgemeinen  nicht  mehr  als  die  HĂ€lfte  des 
quantitativen  tÀglichen  Bedarfs  als  Buttermehlnahrung. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend) 

Zeitschrift  fĂŒr  Aerztliche  Fortbildung,  Jena. 

15.  Januar  1922,  19,  Nr.  2. 

❖Behandlung-  des  Diabetes.    Richter.  P.  F.  88. 
Galleasteinerkrankung.    Körte.  41. 

Psychotherapie  und  Àrztliche  Praxis.    Oberend'er,  W.  45. 

Behandlung  des  Diabetes.  Mit  erfreulicher  Klarheil  gibt 
Richter  dem  Praktiker  einen  orientierenden  Ueberblick  ĂŒber  die 
gegenwÀrtige  Auffassung  vom  Wesen  und  von  der  Behandlung  der 
Zuckerkrankheit.  Der  Diabetes  wird  heute  nicht  mehr  wie  frĂŒher 
als  eine  durch  mangelhafte  Zuckerzerstörung  bewirkte  Krankheit 
angesehen,  er  beruht  vielmehr  auf  einer  durch  abnormen  Gewebs- 
reiz  herbeigefĂŒhrten  ĂŒbermĂ€ĂŸigen  Zuckerproduktion,  deren  Sitz 
wahrscheinlich  die  Leber  ist.  Es  handelt  sich  dabei  um  eine  all- 
gemeine Störung  des  Stoffwechsels,  nicht  etwa  des  Kohle- 
hydratstoffwechsels allein.  Es  ist  deshalb  nicht  richtig,  wenn 
man  absolute  Zuckerfreiheit  des  Harns  durch  Kohlehydrataus- 
scheidung erzielen  will. 

Als  der  erste  Grundsatz  bei  der  Diabetesbehandlung  muß  nach 
den  Erfahrungen  im  Weltkriege  und  den  schon  vorher  bei  der 
Belagerung  von  Paris  gemachten  Beobachtungen  die  Vermei- 
dung jeder  Ueberer  nÀhrung  gelten.  Doch  ist  auch  das 
andere  Extrem,  die  UnterernĂ€hrung,  vom  Uebel.  Die  Eiweiß- 
menge soll  eingeschrĂ€nkt  werden,  am  zweckmĂ€ĂŸigsten  auf  70  bis 
80  g  pro  die.  Eiweiß  kommt  nicht  als  Quelle  des  Zuckers  in  Be- 
tracht, sondern  wirkt  selbst  zuckersteigernd.  Der  Grad  der  „Ei- 
weißempfindlichkeit" ist  verschieden,  sie  ist  am  grĂ¶ĂŸten  bei  KĂ€se 
und  Fleisch,  am  geringsten  bei  pflanzlichem  Eiweiß  und  Eiern, 
die  deshalb  bei  der  Diabetesbehandlung  zu  bevorzugen  sind.  Die 
Kohlehydrattoierenz  richtet  sich  nicht  nach  der  Menge  der  zuge- 
fĂŒhrten Kohlehydrate,  sondern  nach  der  allgemeinen  Nahrungs- 
zufuhr. Gibt  man  weniger  Eiweiß  und  Fett,  so  darf  man  getrost 
etwas  mehr  Kohlehydrate  verabreichen.  Zur  Vermeidung  und 
Beseitigung  der  Azidosis,  deren  Bildung  aus  Eiweiß  und  Fett 
durch  Kohlehydrate  verhindert  wird,  ist  eine  DiÀt  notwendig,  die 
eine  bessere  AusnĂŒtzung  der  Kohlehydrate  gestattet,  als  es  frĂŒher 
möglich  war.    Darauf  beruhen  die  Kohlehydratkuren,  welche  im 


einzelnen  besprochen  werden    (von   Noordens   Haferkur,  vegr 
tausche  DiĂ€t,  MchllrĂŒchlekur  von  Fallaj. 

GegenĂŒber  dem  ausgebrochenen  Görna  diabeticum  sind  wir 
völlig  machtlos.  Bei  den  prĂ€comalosen  ZustĂ€nden  muß  die  Quelle 
der  Azidosis  verstopft  werden  durch  Reduktion  der  Nahrung, 
Darreichung  von  Alkohol,  der  die  HerztÀtigkeit  erhobt  und  dazu 
anlikelogen  wirkt,  und  Alkali  in  großen  Mengen  (40—00  g  Natr 
bicarb.  pro  die  subkutan,  rektal  oder  am  besten  intravenös).  In 
derselben  Weise  soll  die  Azidosis  vor  Operationen  an  Diabetikern 
bekÀmpft  werden. 

Richter  betont  am  Schluß,  daß  die  vorgetragenen  An- 
schauungen keinen  unbedingten  Anspruch  auf  Ewigkeitswert  er- 
heben. L.  K  a  n  n  e  r. 

Therapeutische  Halbmonatshefte,  Berlin. 

15.  November  1921,  35,  Heft  22. 

DigitalisprÀparate.    W  i  e  c  h  o  w  s  k  i  .  W",  681. 
»♊♊Behandlung  der  meningealen  Syphilis.    U  6  n  u  er  1c  b  ,  W.  Göll. 
■^Beeinflussung  der  HerztĂ€tigkeit  und  der  ĂŒiurese  durch  intravenöse  Trauben- 
zuckeriniusionen.    1  s  a  a  c  ,  S.  698. 

Notwendigkeit  der  Errichtung  von  Volksaanatorien.    I  nner.  VV.  102. 

TnaiisdModenalspiUung.    F  u  n  c  k.  70G. 

Die  Behandlung  der  meningealen  Syphilis.  Die  Syphiliserregei 
sind  genuine  Mesodermschmarolzer,  daher  auch  im  ZNS  am 
bindegewebigen  Teil;  den  Meningen  und  ihren  AuslÀufern.  Durch 
Lebergreilen  auf  das  ZNS  Entstehung  der  rein  syphilitischen  Bil 
dĂŒngen,  Zustandekommen  der  metasyphilitischen  durch  allmĂ€h- 
lichen Einbruch  des  Liquors  in  die  Pia  und  schließlich  in  das 
ZNS  selbst.  Anlage  der  Infektion  abhÀngig  von  der  Reaktions- 
fÀhigkeit des  Individuums  und  der  EinschrÀnkung  der  allgemeinen. 
Syphilose,  die  von  den  restlichen  Infektionserregern  stets  mit 
neuer  Expansionstendenz  beantwortet  wird.  Hauptlokalisation 
1.  Meningen,  2.  grĂ¶ĂŸere  GefĂ€ĂŸe.  Infolge  der  anatomischen  Anlage, 
der  einseitigen  ErnÀhrung  der  miningealen  OberflÀche  und  ihrer 
BerĂŒhrung  mit  dem  wĂ€sserigen  Liquor  muß  der  Salvarsanspiegel 
im  Blut  genĂŒgend  hoch  sein,  damit  genĂŒgend  durch  die  Meningen 
treten  kann.  Nachweislicher  Beginn  der  meningealen  EntzĂŒndung 
stets  bei  den  behandelten  FĂ€llen  im  1.  bis  3.  Infektionsjahr.  Dia- 
gnose durch  Liquoruntersuchung  stets  möglich.  Nur  im  frischen 
Stadium  ist  die  SR.  ein  Behandlungsmaßstab.  SpĂ€ter  auch  bei 
negativer  SR.  genaue  Liquorkontrolle  unerlĂ€ĂŸlich.  Alle  im  Se- 
kundÀrstadium erst  zur  Behandlung  gelangten  FÀlle  sind  134  Jahr 
nach  der  letzten  Behandlung  zu  kontrollpunktieren  (20 — 30  ccm 
Liquor  ablassen,  48  Std.  Bettruhe  horizontal  zur  Vermeidung 
des  Meningismus). 

Behandlungsplan  einer  Lues: 


lein. 

masc. 

1. 

Tag  Dos. 

t 

2     Salv.  Nati 

3—4 

Tage  spĂ€ter  „ 

2 

3 

3—4 

2  Vi 

3^  „ 

3—4 

3 

4 

4—5 

33                   35  3? 

3 

4 

5 

35                   33  33 

3 

4—5  „ 

5—7 

3'                   33  11 

3 

M  „  „ 

5—7 

53                  33  3? 

o 

4-5  „  „ 

Daneben  6 — 8  Wochen  Hg.  als  Schmierkur  (3—1  g  pro  die)  oder 
Injektionsbehandlung  mit  unlöslichen  Oelen,  eventl.  in  Kombi- 
nation (A.  Hydrach.  salis.  Calomel  oder  Ol.  einer.). 

Bei  schwĂ€cheren  Individuen  nicht  mehr  wie  Dos.  3  in  10 — 12 
Injektionen  alle  5  Tage,  Hgkur  eventuell  erst  nach  der  Hauptkur 
in  der  Behandlungspause,  die  mit  4 — 6  Wochen  Karlsbader  Kur 
(2 — 3  1  pro  die)  begonnen  wird.  Alle  2 — 3  Wochen  daneben  Dos.  3 
Neo  Salvarsan.  3—3%  Monate  spĂ€ter  2.  Hauptkur,  insgesamt 
3 — 4  Kuren.  Behandlung  der  Neurorezidive:  In  allen  schwereren 
FĂ€llen  möglichst  frĂŒhzeitige  endolumbale  Behandlung.  Dosis  1,35 
bis  1,8  mg  Neo  oder  Natr.  Sa.  auf  60 — 90  ccm  Liquors;  bei  Krampf- 
anfÀllen und  rezidivierenden  Apoplexien  Kombination  mit  intra- 
venöser Therapie,  y3  des  entzogenen  Liquors  weggießen.  Bei  er- 
neuter Blutung  sofort  1,8 — 2,5  mg  endolumbal,  reichlich  Liquor 
zur  Druckentlastung  ablassen.  Tabes:  versuchsweise  bei  atakti- 
schen FĂ€llen  0,5  mg  auf  60 — 70  ccm  Liquor.  Pseudotabes  und 
Oytikusatrophie:  1,0 — 1,8  mg,  falls  keine  RĂŒckenmarkssymptome 
vorhanden.  Beginnende  Paralyse,  besonders  zweifelhafte  FĂ€lle: 
3 — 4  endolumbale  Behandlungen  (1,8  mg  :  90  Liquor),  stets  vor- 
her lA  —  Vi  des  Liquors  weggießen. 

Das  Hauptanwendungsgebiet  und  die  besten  Erfolge  sah 
Verf.  bei  latenten  Meningorezidiven. 

Ueber  die  Beeinflussung  der  HerztÀtigkeit  und  der  Diurese 
durch  intravenöse  Traubenzuckerinfusionen.  Versuche  mit  intra- 
venöser Dextroseinfusion  (25—50%)  ergaben,  daß  auf  die  Diurese 


158 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  ĂŒ/7. 


bei  kardialen  Oedemen  kein  Einfluß  ausgeĂŒbt  wurde.  FĂŒr  die 
„hypoglykĂ€mische  Kardiodystrophie"  (BĂŒdingen)  ist  kein  experi- 
menteller Beweis  zu  erbringen.  Infolge  der  osmotischen  VerÀn- 
derungen des  Blutes;  die  sie  auslösen,  sind  sie  aber  bei  lokalen 
Oedemen,  z.  B.  Lungenödem,  sehr  empfehlenswert.  Bei  Infek- 
tionskrankheiten kommt  ebenfalls  außer  dem  tonisierenden  Effekt 
die  durch  sie  hervorgerufene  „innere  Transfusion"  als  nĂŒtzlich 
in  Betracht. 

F.  Loewenhardt   (Charlottenburg-Westend).  ' 

Therapeutische  Halbmonatshefte,  Berlin. 

1.  Dezember  1921,  35,  Heft  23. 

❖Zur  Pathogenese  und  Therapie  der  Gicht.    Thannhause  r,  S.  J.  717. 
»»♊Die  Röntgentherapie  der  Neuralgien.    FĂŒrnrohr,  W.  723. 
Was    konneu   wir   aus    der  Kriegsneurosenbehandlung    fĂŒr    die  Friedens- 

ueurose  lernen?    Jolowicz,  F.  728. 
Zur    Frage    der    ergotropeu    Therapie    und    der    ergotropeu  Wirkungen, 
v  G  r  ö  e  r  ,  F.  732. 
❖Zur  Behandlung  der  FazialislĂ€hmung   und   Trigeminusneuralgie.    A  u  e  r  - 
h  a  c  h  ,  S.  737. 

Zur  Pathogenese  und  Therapie  der  Gicht  Die  NukleinsÀuren 
sind  ein  wesentlicher  Bestandteil  des  Zellkerns,  der  aus  Nukleo- 
proteiuen  hestent.  Man  unterscheidet  eintacue  (iuononukleotiue) 
und  komplexe  NukleinsÀuren  (i'olynukleotiuej.  Im  Nuiueinstoli- 
wecnsel  wird  der  Eiw  einaiiteil  uurcn  peptische  und  tryptische 
Veruauung  von  den  JNukleoĂŒuen  losgelost,  aie  NukleinsĂ€uren 
seihst  im  DĂŒnndarmsaft  in  einlache  NukleinsĂ€uren  aulgespallen, 
ohne  daß  letztere  daöei  zerlallen.  Es  werden  also  nicnt  die 
scnwerioslicnen  Purine  abgespalten,  sondern  es  entstehen  ein- 
fache NukleinsÀuren,  die  im  intermediÀren  Kreislauf  weiter  ab- 
gebaut weraen.  Die  HarnsÀure  ist  das  einzige  Stotiwechselend- 
produkt  des  Nukleinstoilwechsels.  Ein  urikolytisches  Ferment 
ist  bisner  niemals  geiunden  worden.  3  Gichltlieorien:  1.  Ferment- 
störung (brugsch  und  Schittenhelm),  2.  Liratolnstechie  (Umher, 
Gudzent),  3.  renale  AussclieiĂŒungsstorung  (Garrod,  Thannhauser). 
Verfasser  deutet  die  Pathogenese  der  Gicht  als  renale  Insuffi- 
zienz der  HarnsĂ€ureausscheiĂŒung;  wobei  er  die  Frage  offenlĂ€ĂŸt, 
ob  die  primÀre  Störung  in  der  Nierenzelle  selbst  oder  in  den 
ĂŒbergeordneten  nervösen  Organen  zu  suchen  ist.  2  Formen: 
1..  primÀr  konstitutionelle,  2.  sekundÀre  Gicht.  Diagnose:  Ge- 
lenkerkrankung, bei  der  trotz  HarnsĂ€urekonzentration  von  ĂŒber 
4  mg  %  im  blutserum  die  gleichzeitige  Urinkonzentration  der 
HarnsĂ€ure  in  mehrstĂŒndig  fraktioniert  aufgefangenen  Urin- 
portionen  50  mg  %  nicht  ĂŒberschreitet.  (Blutzahl  entschieden  zu 
hoch,  3  mg  richtig.  Ref.)  Therapie:  1.  Trinkkuren  15U0  ccm 
pro  Tag  indillerente  WĂ€sser  (Yvildbad,  Wildbad  Gastein,  Schlan- 
genbad, Neuenahr),  harnsÀurelösende  Mittel:  Citarin,  Solurol  und 
auch  die  Radiumtherapie;  ohne  jeglichen  Erfolg.  2.  Auf  die 
harnsÀureausscheidende  Funktion  der  Niere  spezifisch  wirkende 
Substanzen:  Atophan  0,5  3 — 4  mal  (besser  bis  ß,U  pro  die!  Ref.), 
Novatophan,  Acidrin.  Enderfolge  sehr  zweifelhaft.  Therapie  mit 
ChinasÀurederivaten  wirkungslos.  Die  Gichttherapie  der  Wahl 
ist  die  DiÀtetik.  NÀheres  siehe  Nahrungsmitteltabellen.  Alkohol 
ist  zu  verbieten,  die  purinarme  Kost  nicht  zu  streng  schematisch 
zu  gestalten.  Gegen  die  Schmerzen  Colchiron  Merck  1.  Tag  4  bis 
8  Pillen,  2.  Tag  4,  3.  Tag  2  Pillen.  Das  PrÀparat  ist  völlig  gleich- 
wertig dem  französischen  PrÀparat  Colchirin  Houde.  Die  Ge- 
heimmittel, z.  B.  Alberts  Remedy  und  Liqueur  de  Laville  wirken 
nur  durch  den  Colchiringehalt.    Bei  Diarrhoe  sofort  aussetzen. 

Die  Röntgentherapie  der  Neuralgien.    Ziemlich  alle  Formen 
sind  einer  geeigneten  Behandlung  zugÀngig. 

Zur  Behandlung  der  FazialislÀhmung  und  Trigeminus- 
neuralgie.  Nach  den  vom  Verfasser  frĂŒher  aufgestellten  Gesetzen 
der  LĂ€hmungstypen  erholen  sich  die  Muskeln  mit  Arbeitsleistung 
unter  physikalisch  ungĂŒnstigen  Bedingungen  langsamer  und  un- 
vollkommener. Von  den  vom  N.  facialis  innervierten  Muskeln  ' 
sind  am  ungĂŒnstigsten  daran  die  Men.  zygomatici  und  frontales. 
Therapie:  StĂŒtzung  durch  Heftpflasterstreifen,  vom  Mundwinkel 
zum  Jochbein;  beim  M.  frontalis  Hebung  durch  Streifen  vom 
Arcus  superciliaris  zur  hinteren  Grenze  des  Tuber  frontale.  Da- 
neben natĂŒrlich  Galvanisation  und  Massage.  Therapie  der  Quin- 
tusneuralgie:  Alkoiaolinjektion,  aber  erst  wenn  einfache  Methoden 
nicht  zum  Ziele  fĂŒhren  und  nur  bei  essentieller  Neuralgie.  Beste 
Erfolge  geben  Neurexairese  plus  Gefriermethode,  und  zwar,  daß 
man  den  betr.  Ast  aus  seinem  Kanal  soweit  wie  möglich  heraus- 
zieht, durchschneidet  und  den  Querschnitt  des  fixierten  zentralen 
Endes  unter  der  Lupe  mit  ChlorÀlhyl  direkt  total  und  wiederholt 
vereist.  F.  Loewenhardt  (Charlotlenburg-Westend). 


Zeitschrift  fĂŒr  physikalische  und  diĂ€tetische  Therapie. 

Dezember  1921,  25,  Heft  12. 

❖  Beitrag  zur  FruĂ€hrung  der  Xcrvensubstanz.    Bor  uttau,  H.  029—533. 

❖Versuche  ĂŒber  die  W  irkung  oszillierender  .Ströme  auf  Bakterien  und  Proto- 
zoen, iusuesonderei  in  .Losungen  von  Jodsalzen.  Philipp  und  Cart- 
h  a  u  s.  534 — 542. 

❖Beteiligung  der  Bauchdecken  bei  der  Lumbago.     Smitt,  Will.  542—547. 

.Serum-Eiweißuntersuchungeu  im  Hochgebirge.     Peters.   E.  548—551. 
❖Einige      biologische      Wirkungen      des     Badgasteiner  Thermalwassers. 
is  ch  weyer.  J.   551 — 556. 

Die  ErnĂ€hrung  der  Nervensubstanz  lĂ€ĂŸt  sich  durch  Lipoide 
und  Phosphatiue  deutlich  beeinilussen.  bor  uttau  fĂŒtterte 
Kanincnen  mit  P  r  o  m  o  n  t  a  una  konnte  nach  3U  Tagen  ein  er: 
hebliches  Plus  der  Leber  und  des  Zentralnervensystems  an 
Ă€therloslichen  Substanzen  una  Lipoid-lhospnor  naen weisen  im 
Vergleich  mit  gleicherweise,  aber  ohne  ir romonta  gelullerten 
Kontroiitieren.  .Diese  Mitteilung  stimmt  also  mit  den  klinischen 
Beohacntungen  ĂŒberein. 

Versuche  ĂŒber  die  Wirkung  oszillierender  Ströme  auf  Bak- 
terien und  Protozoen,  insĂŒesonuere  in  Lösungen  von  Jodsalzen. 

Mit  Hille  der  osziliierenuen  Strome  von  Kump!  gelang  aie  Tö- 
tung verschiedenartiger  iViikroĂŒien  durch  ganz  uunne  Jodsalz- 
lösungen.  Anscheinend  wandern  dabei  die  h-lektroiyte  nicnt  zu 
den  Polen,  sondern  werden  in  der  Losung  irei  und  uuen  nunmehr 
ihre  spezifischen  \\  irkungen  aut  die  i>aiaerien  usw.  aus.  Od  sich 
diese  luimpl  sehen  Strome  therapeutisch  im  Korperinnern  ver- 
wenden lassen,  steht  noch  dahin. 

Beteiligung  der  Bauchdecken  bei  der  Lumbago.    Bei  L  u  m  - 

b  a  g  o  iand  im  eigenen  Körper  S  m  i  1 1  weniger  die  KĂŒcken- 
muskeln  schmerzhalt,  als  vielmehr  schmerzhafte,  harte 
Stellen  in  oen  bauch  decken  und  in  der  bauchmuskulatur, 
besonders  an  den  Insertionen  an  den  Rippen,  am  Darmhein  und 
am  Lig.  Pouparti.  Auf  Grund  dieser  Seins ibeobachtungen  kommt 
Smitt  zu  den  SchlĂŒssen:  Die  Anlage  zu  Lumbago  ist  erhiieh.  Die 
AnfÀlle  werden  ausgelöst  durch  KÀlte  (kalte  Duschen,  burch- 
schwilztseinj  und  durch  Druck.  Ihr  Sitz  befindet  sich  —  wenn 
nicht  immer,  so  doch  hÀutig  genug  in  den  bauchdecken  und  macht 
sich  durch  Druckemplinunchkeit  und  harte  Stellen  bemerklich. 
Aus  der  Aeliologie  ergibt  sich  die  Therapie:  Vermeidung  aller 
„AbhĂ€rtungsprozeduren'  mit  kaltem  Wasser;  statt  dessen  heiße 
Abwaschungen  und  energische  Massage  (im  Stehen).  Den  An- 
fÀllen geht  hÀufig  eine  gewisse,  kaum  lÀstig  empfundene  Rumpf- 
steifigkeit  voraus;  sie  muß  durch  Massage  sofort  beseitigt  wer- 
den. —  Den  Ref.  als  Verfasser  der  latenten  Erkrankungen  des 
Grund  (-Binde)  Gewebes  1912  freut  diese  Mitteilung  ganz  be- 
sonders. Hoffentlich  rĂŒckt  sie  dieses  noch  immer  stiefmĂŒtterlich 
behandelte'  Gewebe  mehr  in  den  Mittelpunkt  der  pathologischen 
Physiologie. 

Einige  biologische   Wirkungen  des  Badgasteiner  Thermal- 

wassers.  Bad  Gastein  ist  kein  Radiumbad,  wie  viele 
unter  dem  Einfluß  der  Radiumreklame  glauben.  Beobachtungen 
an  Kranken  haben  ergeben,  daß  durch  die  Gasteiner  Kur  weder 
die  Leukozyten  vermehrt  werden,  noch  die  HO-Produktion  des 
Magens  unverÀndert  bleibt,  wie  das  nach  Versuchen  mit  reinen, 
kĂŒnstlichen  RadiumwĂ€ssern  der  Fall  sein  mĂŒĂŸte.  Man  kann  also 
nicht  eine  Gasteiner  Kur  mit  Hilfe  von  so  und  so  viel  Tau- 
send-Mache-Einheiten in  Buxtehude  oder  Posemukel  durchmachen. 
Die  Jagd  nach  dem  „Brunnengeisl"  muß  also  erneut  aufgenommen 
werden.  Buttersack. 


Zeitschrift  fĂŒr  Klinische  Medizin,  Berlin. 

30.  Dezember  1921,  92,  Heft  4—6. 

Untersuchungen    ĂŒber    Mineralstoffwechsel    V  und    VI:     Vierte    und  fĂŒnfte 

Untersuchung  bei  HĂ€mophilie.     Berg,  R.    281,  331. 
Die  Wirkung  der  aus  endokrinen  DrĂŒsen  hergestellten  PrĂ€parate  auf  den 

Gaswechsel.    A  r  n  o  1  d  i ,  W.  und  Leschke,  E.  364. 
❖  Versuche   ĂŒber  Kochsalzausscheidung  von  konstitutionellen  Gesichtspunkten 

aus  betrachtet.    M  o  e  w  e  s  ,  C.  376. 
Untersuchungen  ĂŒber  den  Purinstoffwechsel  bei  nicht  gichtischen  chronischen 

Arthritiden.    Lahmeyer,  F.  381. 

Ueber  das  Verhalten  des  Cholesterins  im  Blute  von  Nierenkranken.    H  a  Ii  n  . 

A.  und  W  o  1  f  f  ,  E.  393. 
❖Akute  gelbe   Leberatrophie  und   ihre  Beziehungen  zur  Phosphorvergiftung 

und  zu  verwandten  Parenchymdegenerationen  der  Lebex.  Meier,  M.  406. 
Xanthomatosis    und    HypercholesterinÀmie.     Ein    Beitrag    zur    Frage  ihrer 

genetischen  Beziehungen.  Rosenthal.F.  und  Brauniech,  R.  429. 
Respiratorische     Untersuchungen     bei     drei     FÀllen     von  PolyzythÀmie. 

Schill,  E.  442. 

Die  Brauchbarkeit  der  Adrenalinlymphozytose  zur  FunktionsprĂŒfung  der 
Milz.  Klinisches  und  experimentelles  Beweismaterial.  Frey,  SV. 
und  Hageman,  E.  450. 

Eine  im  Anschluß  an  Filmaronöl  aufgetretene  akute  gelbe  Lebaratrophie. 
Gutsteiu,  M..  466. 


10.  Jahrg. —Nr.  6/7. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


DU    Bedeutung    ko  nplomentbindender    Antikörper    bei  Lungentuberkulose, 

ff» V*  e  1 ,  E.  473. 
Beitrag    zur    Lehre    vou    don    experimentellen    ctUronlaeheu  AnÀmien. 

Sehnst  r  o  w  ,  N .    490.  , 
Zur  frage  der  FuntetionsprĂŒfutig  der  blutbildenden.  Organe.    s  e  Ii  u  -  i  i  u  v>  . 

N.  und  W  1  ii  d  o  s.  495. 
Experimentelle    Untersuchungen  zur  Frage   ĂŒber   die   Bedeutung   de»  kou- 

stitionoĂŒeu    Moments    bei    der    Entstehung   der    perniziösen  iuĂ€inien. 

S  e  Ii  u  s  t  r  ĂŒ  w  ,  ST.  501. 
Beitrag   zur   Frage   der   diagnostischen    Bedeutung   des    Milchfiebers  von 

Dr.  E.  Wetze!.    S  c  h  i  in  d  t ,  K.  51)5. 
^‱lieber  den  heilenden  Kiufluli  des   Erysipels  auf  Gewebsnoubildungeu,  ins- 
besondere  bösartige  Tumoren.     \Y  o  1  f  f  h  e  i  m  ,   W.  »07. 

Versuche  ĂŒber  Kochsalzausscheidung  von  konstitutionellen 
Gesichtspunkten  aus  betrachtet.  Kochsalzzulage  (15  g)  bei  Iii 
Personen  verschiedener  Konstitutionstypen  ergab  bei  21  Neigung 
su  Ausscheidungsstörungen.  Zwischen  einzelnen  abgrenzbaren 
\nomalien  und  der  Kochsalzausscheidung  bestehen  keine  ge- 
sicherten Beziehungen,  sondern  die  Ausscheidung  ist  abhÀngig 
rom  Allgemein-  und  ErnÀhrungszustand  des  Organismus. 

lieber  akute  gelbe  Leberatrophie  und  ihre  Beziehungen  zur 
Phospnorvergittung  und  zu  verwandten  Parenehymdegencrationen 
|er  Leber.  2  FĂ€lle  von  akuter  gelher  Atrophie  und  Kranken- 
geschichte und  Sektionsbefund.  Dem  Ikterus  katarrhalis,  der  oft 
Andeutung  von  UebergÀngen  in  die  schwere  Form  zeigt,  kommt 
nie  Àtiologische  Hauptrolle  zu.  Ein  Vergleich  mit  der  Phosphor  - 
VergĂŒtung  ergibt  im  wesentlichen  weitgehende  IJebereinstimmung, 
lie  Yerschieuenheiten  sind  oft  nur  quantitativer  Art  und  zum 
großen  Teil  durch  die  Verschiedenheit  der  primĂ€ren  Noxe  be- 
dingt. Die  a.  g.  L.  ist  ebenso  wie  die  P-vergif  tung  und  die  Be- ' 
EunĂŒe  bei  KnollenblĂ€tterschwammvergiftung  im  Prinzip  dasselbe 
wie  die  „zentrale  LĂ€ppchennekrose"  des  Eckschen  Fistelhundes, 
tm  Blutserum  findet  sich  Vermehrung  der  freien  FettsÀuren  und 
starke  Verminderung  der  Lezithine,  im  Urin  starke  Vermehrung 
der  AminosÀuren. 

Ueber  den  heilenden  Einfluß  des  Erysipels  auf  Gewebsumbil- 
iungen,  insbesondere  bösartige  Tumoren.  Beschreibung  eines 
Falles  von  Sarkom  des  Nasenrachenraumes,  das  nach  Gesichts- 
erysipel  fast  verschwunden  war.  AusfĂŒhrliche  Zusammenstellung 
der  in  der  Literatur  bekannten  FĂ€lle.  Nichts  wesentlich  Neues, 
auch  nicht  in  den  theoretischen  Erörterungen. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie,  Jena. 

1921,  34,  Heft  2. 

Röntgensymptomatologie  des  Ulcus  duodeni.    G  r  o  e  d  e  1  145. 
W  ert  der  Ambardschen  Konstante.    R  o  s  e  n  b  e  r  g.  162. 
♩Coloptose  als  Ursache  der  Obstipation.    Heß  T  h  a  y  s  e  n.  170. 
PhrenicuslÀhmung  hei  LÀhmung  des  Plexus  bracchiaiis.     W  i  n  t  e  r stein, 
«f  .  188. 

❖  Polyperiostitis  hypeirifesthetica.    Stephan.  201. 

.Se.ukungsgcschwindigkeit  der  roten  Blutkörperchen.    L  0  h  r.  229,. 
>    VerĂ€nderungen  im  Verhalten  der  Dichte  der  KapillarwanduĂŒgen  und  deren 
Nachweis  durch  das  Endothelsymptom.    S  e  St  a  d  e  r.  2B0. 

Die  Coloptose  als  Ursache  der  Obstipation.  Von  einer  Reihe 
von  Autoren  wird  die  Ptose  des  Transversum  als  Ursache  einer 
habituellen  Obstipation  angesehen.  Verfasser  untersuchte  zu- 
nÀchst an  je  20  gesunden  Frauen  und  MÀnnern  die  normale  LÀge 
des  Transversum  durch  Röntgendurchleuchtung  nach  Kontrast- 
mahlzeit; er  fand,  daß  die  Lage  um  22  cm  variieren  kann,  von 
10  cm  oberhalb  des  Nabels  bis  12  cm  unterhalb.  Bei  50  Prozent 
der  Frauen  und  25  Prozent  der  MĂ€nner  ist  das  Transversum 
10  cm  oder  tiefer  unterhalb  der  Umbilicaltransversale  zu  finden. 
Die  Lage  ist  auch  bei  demselben  Individuum  an  verschiedenen 
Tagen  verschieden.  —  Die  durch  das  Herabsinken  des  Transver- 
sum bedingten  spitzwinkligen  Knickungen  der  Flexura  coli  dextra 
und  sinistra  sollen  die  Obstipation  hervorrufen.  Verfasser  zeigt 
ebenfalls  durch  die  Röntgendurchleuchtung,  daß  bei  FĂ€llen  von 
Obstipation  die  Form  der  Flexuren  nicht  hÀufiger  spitzwinklig 
ist  als  bei  normalen  Individuen.  Demnach  erscheint  es  ĂŒber- 
haupt sehr  zweifelhaft,  ob  die  Koloptose  irgend  eine  Bedeutung 
fĂŒr  das  Zustandekommen  der  Obstipation  hat;  es  handelt  sich  bei 
dieser  Erkrankung  wohl  mehr  um  funktionelle  als  um  mecha- 
nische Störungen. 

Polyperiostitis  hyperaesthetica.  Beobachtungen  ĂŒber  eine 
bisher  noch  nicht  beschriebene  Systemerkrankung  des  Periosts; 
die  Krankheit  verlĂ€uft  Ă€ußerst  chronisch,  in  abgegrenzten  Pe- 
rioden und  ist  von  subfebrilcn  Temperaturen  begleitet.  Der  Ver- 
lauf ist  etwa  folgender:  Ohne  erkennbare  Ursache  tritt  an  einem 
Skelettknochen  eine  Ă€ußerst  schmerzhafte  Schwellung  des  Pe- 


riosts auf.  Im  Laufe  von  Jahren  setzt  dann  eine  ganz  langsame 
Propagierung  des  Krankheitsprozesses  ĂŒber  das  ganze  Skelett 
system  ein,  die  oft  durch  lange  Intervalle  relativen  Wohlbefindens 
unterbrochen  wird.  Die  Krankheit  bleibt  stets  auf  das  Periost 
beschrÀnkt.  Charakteristisch  ist  eine  ganz  ungewöhnlich  starke 
HyperÀsthesie  der  Haut  in  der  Umgebung  des  Krankheitsherdes. 
Die  Aeliologie  ist  völlig  unklar;  fĂŒr  Lues  und  Tuberkulose;  kein 
Anhaltspunkt.  Die  Erkrankung  isl  bisher  (5  FĂ€lle)  nur  beim 
Weiblichen  Geschlecht  beobachtet  worden.  Die  Prognose  ist 
quoad  sanalionem  schlecht.  Therapeutisch  gĂŒnstig  wirkl  Rönt- 
genbestrahlung. Verlasser  schlĂ€gt  fĂŒr  das  Krankheitsbild  den 
Namen  „Polyperiostitis  hyperaesthetica"  vor. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin;. 

ZentraibiaĂŒ  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

11.  Januar  1922,  49,  H.  2. 

Resektion  des  perforierten  Duodenal-  und  MagengeschwĂŒrs.    B  i  r  e  h  e  i\  42. 
‱S'Nierentuberkulose.    S  t  u  t  z  i  n.  42. 
Operation  der  Varicocele.    Franke.  4Ă€. 
Behandlung  des  kontrakten  Plattfußes,     v.  Sali  s.  40. 

Zu  dem  Aufsatz  Kaisers:    Laugsresektion  der  kleinen  Ourv-atur  des  Magens. 
Neugcbaucr.  48. 

Zur  Behandlung  der  Nierentuberkulose.  Verfasser  tritt  im 
Gegensatz  zu  den  konservativen  Bestrebungen  anderer  Autoren 
fĂŒr  die  Nephrektomie  bei  der  Nierentuberkulose  ein.  Wenn  fĂŒr 
die  im  Beginn  befindliche  tuberkulöse  Erkrankung  die  Tuber - 
kulinbehĂ€nĂŒlung  vorgeschlagen  wird,  so  ist  dagegen  einzuwen- 
den, daß  erstens  der  pathologisch-anatomische  beginn  durchaus 
nicht  mit  dem  klinischen  zusammenfĂ€llt;  daß  zweitens  unsere 
heutige  urologische  Technik  uns  noch  nicht  gestattet,  mit  Sicher- 
heit eine  beginnende  Nierentuberkulose  festzustellen,  sondern  daß 
drittens  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  es  sich  nicht  mehr  um 
eine  beginnende  Tuberkulose  handelt,  wrenn  sie  urologisch  dia- 
gnostiziert wird.  Da  che  Erkrankung  außerdem,  wie  Verfasser 
an  6  FĂ€llen  zeigt,  einen  durchaus  unberechenbaren  Verlauf  auf- 
weist und  uns  somit  die  Möglichkeit  einer  Vorhersage  im  Einzel- 
fall nimmt,  ist  an  der  Nephrektomie  festzuhalten,  solange  kein 
anderes  klares,  besseres  Verfahren  gefunden  ist. 

21.  Januar  1922,  49,  H.  3. 

❖Prognose  und  Heilung  der  SehnennĂ€hte.    Sa.  lo.mo  n.  74. 

Chyluscyste  des  Mesenteriums.    C  a  n  d  e  a.  77. 
♊»♊Volvulus  der  Flexura  sigmoidea.    Gusse  w.  761. 

Darmquetsche.    Merten  s.  79: 

Operation  von  Hasenscharten  und  Kieferspalten.    M  i  I  im  r.  SO. 

Prognose  und  Heilung  der  SehnennÀhte.  WÀhrend  die  Exten-» 
sorennÀhte  an  der  Hand  in  etwa  85  Prozent  der  FÀlle  wieder 
mehr  oder  weniger  volle  Funktion  ergeben,  sind  die  Resultate 
der  FiexorennĂ€hte  außerordentlich  schlechte;  nur  in  etwa  20  Pro- 
zent wird  ein  guter  funktioneller  Erfolg  erzielt  (nach  anderen 
Autoren  sogar  nur  in  10  Prozent).  Die  Ursache  hierfĂŒr  ist  nicht 
nur  in  der  Fixation  der  Sehne  durch  Verwachsungen  und  un- 
regelmĂ€ĂŸiger Kalluswucherung  zu  suchen,  sondern  hĂ€ufiger  noch 
in  einer  primÀr  mangelhaften  Verwachsung  der  Sehnenenden  mit- 
einander. Wesentlich  ist,  daß  außerhalb  der  synovialen  Scheiden 
die  Sehnenenden  stets  zusammenwachsen,  innerhalb  derselben 
niemals.  Als  praktische  Schlußfolgerung  wird  vorgeschlagen, 
nicht  eine  sorgfÀltige  Naht  der  Sehnenscheiden  zu  versuchen, 
sondern  im  Gegenteil  in  der  Umgebung  der  Nahtstelle  ein 
grĂ¶ĂŸeres  StĂŒck  der  Scheide  zu  entfernen. 

Endokriner 

Therapie  des  Volvulus  der  Flexura  sigmoidea.  Die  von  dem 
Verfasser  bevorzugte  Methode  besteht  darin,  daß  nach  Detorsion 
des  Volvulus  der  orale  Teil  der  Flexur  in  den  aboralen  inva- 
ginierl  wird,  bis  die  Flexur  vor  dem  Anus  erscheint;  Fixierung 
des  Darmes  in  dieser  Lage  durch  Naht.  Der  invaginierte  Teil 
stirbt  ab  und  wird  ausgestoßen.  —  Krankheitsgeschichte  eines  so 
operierten  Falles.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Zentralblalt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

14.  Januar  1922,  46,  Nr.  2. 

❖Leber  die  Benennung  der  Menstruationsunregelmaßigkerten.    S  e  i  t  z  .  L.  50. 
♩{♩Zur  Fluorbehandlunig   mit  Bazillosan.      v.    J  a  s  c  h  k  c  ,   Th.    und   Sil  o- 
m  o  n  .   R.  53. 

‱{‱Gumma  syphiliticum/  ovarii,  positiver  SpirochĂ€tenbefund.    \.  K'Ubinyi,  P. 
und  J  o  h  a  n  ,  B.  57. 
Beitrag  z-ur  Vaginoplastik.     Steudiug,  O.  61. 
Zum  hohen  Geradstand.    F  o  h  r  .  O.  64. 
Zur  Aetiologie  des  tiefen  Querstandes.    X  e  1  i  u  s  ,  A.  US. 

Ueber  die  Benennung  der  MenstruationsunregelmÀlhgkeiten. 

S  e  i  t  z  schlĂ€gt  folgende  Benennungen  vor:  1.  FĂŒr  die  regelmĂ€ĂŸige 


160 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


normale  Menstruation.  Eumenorrhoe.  2.  FĂŒr  die  Periode,  die  mit 
lokalen  Scnmerzen  und  Krampten  in  der  GebÀrmutter  und  Um- 
gebung einhergehl,  Algomenorrboe.  3.  Der  Ausdruck  Dys- 
menorrhoe soll  nur  fĂŒr  diejenigen  Formen  der  Periode  gebraucht 
werden,  bei  denen  allgemeine  Störungen  (große  Mattigkeit,  Appe- 
titlosigkeit, Erbrechen,  nervöse  Reizbarkeit,  Kopfschmerzen,  Mi- 
grĂ€ne; vorherrschen.  Der  Ausdruck  Algo-Dysmenorrhoe  fĂŒr 
kombinierte  Formen,  bei  denen  sowohl  lokaie  wie  allgemeine  Er- 
scheinungen bestehen.  4.  FĂŒr  zu  schwache  Blutungen  Oligo- 
menorrhoe, zu  starke  Blutungen  Polymenorihoe.  5.  Die  frĂŒh- 
zeitige, in  zu  kurzen  Zwischenzeiten  auftretende  Periode 
Froiomenorrhoe,  die  zu  spĂ€t,  in  zu  großen  ZwischenrĂ€umen  auf- 
tretende Periode  ĂŒpscmenorrhoe.  Der  Ausdruck  Metrorrhagie 
soll  lĂŒr  alle  mit  der  Periode  nicht  zusammenhĂ€ngenden  Blutun- 
gen aus  der  GebÀrmutter  erhalten  bleiben. 

Zur  Fluorbehan  llung  mit  Bazillosan.  Die  Untersuchungen 
an  der  Giebener  Frauenklinik  ergaben,  daiJ  das  Bazillosan,  dessen 
Wirkung  auf  die  Anwesenheit  lebender  iViilchsÀurebazillen  in  der 
Scheide  beruhen  sollte,  ĂŒberhaupt  Reine  lebenden  Aiikroben  ent- 
hielt; daii  also  die  seither  veröffentlichten  guten  Erfahrungen 
mit  dem  Mittel  vielleicht  nur  auf  die  Trockenbehandlung,  oder  auf 
die  Anwendung  des  im  PrÀparat  vorhandenen  Milchzuckers  zu- 
rĂŒckzufĂŒhren sir.'J.  Auf  die  durch  die  Verfasser  veranlaßte  Um- 
stellung in  der  Fabrikation  trat  wohl  eine  Besserung  ein  insofern, 
als  in  manchen  Tabletten  lebende  MilchsÀurebazillen  gefunden 
wurden.  Manche  Packungen  jedoch  enthielten  auch  jetzt  ent- 
weder gar  keine  oder  viel  weniger  Keime  als  nach  den  Angaben 
der  Fabrik  zu  erwarten  waren.  Da  nach  den  bakteriologischen 
Erfahrungen  ein  PrÀparat,  welches  qualitativ  und  quantitativ  be- 
stimmte lebende  Mikroben  enthÀlt,  unter  gewöhnlichen  Lebens- 
bedingungen aufbewahrt,  dauernden  Aenderungen  unterworfen 
sein  muß,  halten  Verfasser  das  Bazillosan  fĂŒr  die  Praxis  fĂŒr  un- 
geeignet; ohne  daß  dadurch  der  Wert  der  biologischen  Grundlage 
derartiger  Fluorbehandlung  herabgesetzt  wird.  Es  mĂŒĂŸte  nur 
auf  anderem  Wege  erreicht  werden,  MilchsÀurekulturen  in  the- 
rapeutisch brauchbarer  Form  lebend  zu  erhalten. 

Gumma    syphiliticum    ovarii,    positiver  SpirochÀtenbefun:!. 

SpirochÀten  konnten  bis  jetzt  in  den  Ovarien  Neugeborener, 
nicht  aber  in  denen  Erwachsener  gefunden  werden.  Verfasser 
operierten  eine  Frau  mit  rechtsseitigem,  anderthalbfaustgroßem 
Adnextumor,  der  aus  einer  mÀchtigen  Hydrosalpinx  und  ver- 
grĂ¶ĂŸertem Eierstock  bestand.  Die  histologische  Untersuchung  des 
Ovariums  ergab  mit  Wahrscheinlichkeit  ein  Gumma  syphiliti- 
cum. Zur  Sicherstellung  der  Diagnose  durch  Nachweis  des  Er- 
regers wurden  einzelne  GewebsslĂŒckchen  nach  Levaditi  imprĂ€g 
‱niert.  In  2  PrĂ€paraten  konnten  zahlreiche  typische  Exemplare 
von  SpirochÀta  pallida  nachgewiesen  werden. 

S  p  e  y  e r ,  Berlin. 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

21.  Januar  1922,  46,  Nr.  3. 

«5».Myonientw  ickelung  nach  Ovarientrausplantatiuu.  F 1  e  i  S  c  h  m  a  u  11  .  C.  H2. 
‱5*Zur  Technik  der  Fibromyombehandlung  mit  Röntgenstrahlen.  Bestrahlung; 

in  zwei  Sitzungen.    Driessen,  L.  F.  t<3 
‱MMe  Suggestivbehandlung  in  der  Frauenheilkunde.    L  i  e  g  n  e  t  .  B.  89. 
♩lieber  das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  in  der  Seheide.    1.  8  n  n  e  .  W 

und  8  c  h  u  g  t ,  P.  93. 
Ueber  die  Indikation  zur  Ventrpf  ixation.    D  6er  f  ler,  11.  95. 

Myomentwicklung  nach  Ovarienfransplantation.  Einer  34  jÀh- 
rigen, seit  16  Jahren  amenorrhoischen  Patientin  wurden  je  eine 
HĂ€lfte  des  rechten  und  linken  Ovariums  implantiert,  die  unmittel- 
bar vorher  einer  44  jÀhrigen  Patientin  bei  einer  supravaginalen 
Amputation  des  myomatösen  Uterus  entnommen  worden  waren. 
Nach  4  Monaten  war  der  Uterus  deutlich  vergrĂ¶ĂŸert,  die  an  der 
AußenflĂ€che  des  Obliquus  externus  implantierten  Ovarien  waren 
nicht  mehr  zu  tasten.  9  Monate  post  operat.  wurde  am  linken 
Uterushorn  ein  wallnußgroßes  Myom  festgestellt.  2  Monate  spĂ€ter 
trat  zum  ersten  Mal  wieder  die  Menstruation  ein.  Es  ist  anzu- 
nehmen, daß  die  quantitativ  oder  qualitativ  verĂ€nderten  Hormone 
der  implantierten  Ovarien  der  Spenderin  in  Àtiologischem  Zu- 
sammenhang mit  den  anatomischen  und  funktionellen  VerÀnde- 
rungen im  Genitale  der  EmpfÀngerin  stehen. 

Zur  Technik  der  Fibromyombehandlung  mit  Röntgenstrahlen. 

D.  bestrahlt  in  zwei  Serien  mit  einer  Zwischenpause  von  3  bis 
4  Wochen.  Jede  der  beiden  Serien,  die  prinzipiell  post  menstrua- 
tionem  stattfinden,  dauert  1 — lYi  Stunden,  auf  1,  2  oder  4  Tage 
verteilt;  im  ganzen  erhĂ€lt  die  Kranke  100  H  oder  200—300  X. 
Wenn  auch  hÀufig  nach  der  zweiten  Sitzung  die  Menstruation  noch 


einmal  wiederkehrt,  so  hĂ€lt  D.  eine  dritte  Bestrahlung  doch  fĂŒr 
unnötig,  da  fast  ausnahmslos  ohne  weitere  Köntgenbestrahlung 
danach  Amenorrhoe  eintritt. 

Die  Suggestivbehandlung  in  der  Frauenheilkunde.  Verf.  gibt 
einen  U eberblick  ĂŒber  die  ZustĂ€nde  der  GynĂ€kologie  und  Geburts- 
hille, bei  denen  mit  Erfolg  von  der  Suggestivbehandlung  Gebrauch 
gemaent  werden  kann.  Lue  Form  der  suggestiven  rseeinilussung, 
ob  \\  achsuggestion  oder  Hypnose,  muß  lur  jeden  einzelnen  Fal 
entschieden  werden.  Lingeliende  BeschÀiligung  mit  dem  Seelen- 
leben der  Kranken  ist  vor  jeder  suggestiven  Behandlung  uner- 
lĂ€ĂŸlich. Da  die  Hypnose  zu  einer  Ausschaltung  oder  starken  Her- 
absetzung der  Sclimerzemplindung  fĂŒhrt,  so  kann  man  sie  bei 
allen  gynÀkologischen  Verrichtungen  anwenden,  in  denen  diel 
Schmerziiailigkeit  störend  ist,  z.  B.  bei  der  Aufrichtung  eines 
retroflektierten  Uterus,  bei  sonst  sehr  schmerzhaften  Unter- 
suchungen wie  bei  Kranken  mit  doppelseilig  entzĂŒndlichen  Pro- 
zessen an  den  Adnexen.  Auch  bei  kleineren  Eingriffen,  wie  Aus-., 
schabungen,  Dehnungen  und  blutige  Erweiterungen  des  Cervical- 
kanals  kommt  die  Hypnose  in  Frage  und  kann  liier  die  Narkose 
ersetzen.  In  allen  den  FĂ€llen,  in  denen  psychische  EinflĂŒsse  in 
Frage  stehen,  hat  die  Suggestivtherapie  gute  Erfolge  (Ovarie,  oft 
auch  bei  Dyspareunie  und  Vaginismusj.  Auch  ßettnĂ€ssen  hat 
Verf.  in  einem  Fall  mit  Erfolg  behandelt.  Daß  auch  einige  FĂ€lle 
von  Hyperremesis  gravidarum  durch  Hypnose  geheilt  wurden, 
spricht  dafĂŒr,  daß  ein  Teil  dieser  FĂ€lle  sich  auf  psychogener  Basis 
aufbaut.  Ueber  die  Anwendung  der  Hypnose  in  der  Geburtshilfe 
hat  Verf.  keine  Erfahrung.  (Zweifellos  besitzt  die  Hypnose  bei 
Entbindungen  nach  Hallauer  große  Annehmlichkeiten.  D.  Ref.) 
Die  AusrÀumung  eines  Abortes,  sowie  die  Versorgung  frischer 
Dammrisse  kann  durch  Suggestion  vollkommen  schmerzlos  ge- 
schehen. 

Ueber  das  Vorkommen  von  Diphtheriebazillen  in  der  Scheide. 
Die  Untersuchungen  von  Lonne  und  S  c  h  u  g  t  an  der  Göttinger 
UniversitĂ€ts-Frauen-Klinik  ergaben,  daß  Diphtheriebazillen  in  der 
Scheide  wohl  vorkommen  können,  dieses  Vorkommen  aber  Ă€ußerst 
selten  ist.  FĂŒr  die  Infektion  der  Neugeborenen  beim  Durchtritt: 
durch  die  Scheide  kommt  ihm  deshalb  wahrscheinlich  nicht  die 
Bedeutung  zu,  wie  sie  von  anderer  Seite,  bes.  von  Broer  geltend' 
gemacht  worden  ist.  Speyer  (Berlin). 

Monatsschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Berlin. 

Dezember  1921,  56,  Heft  3/4. 

‱{‱Zur  perniziösen  und  pemiciosaartigen  Oravidita'teanĂ€mie.    Beckmann,  M. 
119. 

Das  traubige  Ovarialkystom.    H  i  r  s  c  h  e  n  h  a  u  s  e  r  ,  F.  129. 
Zur  Kenntnis  der  desmoiden  Tumoren  des  Ovariums.  M  a  u  t  h  n  c  r  ,  E.  135.] 
❖  Die  bakterizide  Wirkung  der  Hefe  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  ihrer 
praktischen  Verwendung  in  der  gynÀkologischen  Therapie.  Schugt, 
P.  144. 

Heber  einen  Fall  von  Meningocele  oeeipitalis.    Sautner,  A.  151. 

Zur    perniziösen   und    perniziosaartigen  GraviditÀtsanÀmie. 

Verfasser  teilt  6  FÀlle  schwerer  AnÀmie  mit,  die  sich  auf  60  000 
Entbindungen  der  Jahre  1902—1920  verteilen.  Dreimal  gingen 
nach  der  Entbindung  die  schweren  Erscheinungen  zurĂŒck,  der 
Blutbefund  besserte  sich,  wenn  auch  bei  der  KĂŒrze  der  Beobach- 
tungszeiten von  absoluter  Heilung  nicht  gesprochen  werden  kann. 
In  den  ĂŒbrigen  FĂ€Uen  trat  der  Exitus  ein.  Zweimal  fanden  sich 
die  fĂŒr  perniziöse  AnĂ€mie  typischen  VerĂ€nderungen. 

Die  bakterizide  Wirkung  der  Hefe  mit  besonderer  BerĂŒck- 
sichtigung ihrer  praktischen  Verwendung  in  der  gynÀkologischen 
Therapie.  Lebende  Hefe,  der  kein  GĂ€rmaterial  zugesetzt 
wird,  besitzt  keine  bakterizide  Kraft.  GĂ€rende  Hefe  wirkt  zwar! 
bakterizid,  jedoch  —  wie  die  Versuche  beweisen  —  in  sehr  ge- 
ringem Maße,  und  zwar  nur  auf  gewisse  Keime,  die  gegen  die 
durch  die  GÀrung  gesetzte  VerÀnderung  des  NÀhrbodens  (Bildung 
von  Alkohol,  Aldehyden,  SÀuren;  VitalitÀtssteigerung  des  NÀhr- 
bodens) besonders  empfindlich  sind.  Jonas  (Berlin). 

The  British  medical  Journal,  London. 

24.  Dezember  1921.  Nr.  3182. 

❖Der  Einflult  vitaminreicher  ErnĂ€hrung  auf  schwache   Kinder.     O  h  i  e  k  H. 

und  Da  1  y  e  1  1  ,  E.  J.  1051. 
❖Die  Aetiologie  der  Rachitis.    Bruton  Sweet.  0.  1067. 
Erkennung  und  Behandlung  des  perfonierten  DuodenalgeschwĂŒrs.  1068. 
Blaue  Sklerae.  Osteoporosis,  stellenweise  Hautatrophie  und  Cataracta  Zomi- 

lai-is.    Biegrad  V.  and  Haxthassoen.  H.  1071. 
Schwierigkeiten   bei  der  Erkennung  und   Behandlung   von  Leberauszesseu. 

L  a  n  g  1  e  y  ,  G.  J.  1073. 
Plötzlicher  Tod  durch  Anaphylaxie.    Emrys  Boberts.  E.    1074.  KU» 
Fall  von  Pelin«is  rheumatioa.    Jackson.  H.  V.  1074. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


Per  Einfluß  Vitaminreicher  ErnĂ€hrung  au!  schwache  Kinder. 
Verfasser  haben  bei  9  in  der  Entwicklung  stark  zurĂŒckgebliebe- 
ner Kinder  von  12—31  Monaten  antiskorbutische  FruchtsĂ€fte  und 
fettlösliches  Vitamin  verabreicht.  Die  Kinder  hatten  immer  eine 
kalorisch  genĂŒgende  DiĂ€t  erhalten,  die  aber  sein-  wenig  Vitamin 
C  und  Milchfett  enthielt.  In  allen  FĂ€llen  war  der  Erfolg  der  Be- 
handlung geradezu  ĂŒberraschend.  Die  Kinder  entwickelten  sich 
sehr  schnell.  Die  Verfasser  betonen,  daß  9  Falle  zu  wenig  sind, 
um  daraus  einen  Sehlull  zu  ziehen,  daß  es  aber  zu  empfehlen  sei 
bei  in  der  Entwicklung  zurĂŒckgebliebener  Kinder  solche  Ver- 
suche anzustellen 

Die  Aetiologie  der  Rachitis.  Die  namentlich  von  englischen 
Autoren  aufgestellte  Behauptung,  die  Rachitis  sei  eine  Avita- 
minose,  muß  als  völlig  unbegrĂŒndet  zurĂŒckgewiesen  werden.  Die 
Ursache  ist  wahrscheinlich  Mangel  an  frischer  ammaler  Er- 
nÀhrung, namentlich  an  geeigneten  Proteinen  oder  eine  mangel- 
hafte AusnĂŒtzung  dieser  Substanzen.  Die  Stoffwechselanomalien, 
die  man  auch  bei  Rachitis  findet,  sind  vielleicht  einer  endokrinen 
Insuffizienz  (Verfasser  denkt  an  erster  Stelle  an  die  Thymus) 
zuzuschreiben.  Wenn  junge  Tiere  kein  oder  wenig  Sonnenlicht 
erhallen,  eingesperrt  werden  oder  in  einer  schmutzigen  Um- 
gebung aufwachsen,  ist  die  Erkrankung  schlimmer,  als  wenn  sie 
in  einem  lichten,  sauberen  Raum  gehalten  werden. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag 

The  Lancet,  London. 

'    24.  Dezember  1921,  201,  Nr.  5130. 

Serologische   und    nrlörphelORische  Merkmale   de*   Preunjokok'ieii.     I  r  q  u - 
hart.  A.  I,.  1313. 

Thorakale- Atmung-.     A  r  Ii  u  t  h  n  p,t    1.  a  n  e  .    W.  1317. 
Die  Wassermannsehe  Reaktion.    M  e.  I)  o  n  a  gr  h  ,  .1.  E.  R.  1319. 
Die  Sachs-Georgische  Reaktion.    L  a  w  B  r  o  \v  n  l  i  e  .  .1.  1322. 
Geschwulst  lies  rechten  Ospetfosum.     \V  r  a  y  1  -  D  »  \  ies,  V. 
Pest  auf  einem  Schiffe.    Cse  m  e  s  h  a  .   W.   W.  1338. 

31.  Dezember  1921,  201,  Nr.  5131. 

‱KDie  Verwendung  des   f.aevulose  zur  ĂŒntersuehuns  der  Leerin8-il'fi/Jeulii;ii7. 
S  p  e  n  c  e  .7.  f.  und  Brett  P.  C.  1362. 
Oie    Tuberkulinbebaiidliinsr    von    Asthma    und     1  lernt' ieber.      Storni    \  an 
Lc  e  u  w  e  n  ,  W.  und  V  a  r  e  k  a  m  p  ,  H.  1366. 
♩  Eichung-    der    Bl  itzellensnspension     fĂŒr     die     VVasscrmauilsche  Reak'ion. 
Bigger,  .1.  W  1369. 
Seriise  Meningitis.    G  u  r  n  c  y  Y  a  t  e  s  .  A.  L971. 
Studin   ĂŒber  Milch.     8  t  e  n  h  o  «sc,    \V  i  1  I  i  a  m  s  .    Ii.  1388, 

Die  Verwendung  der  Laevulose  zur  Untersuchung  der  Leber- 
insuffizienz. Wenn  man  einem  Gesunden  50  g  LĂ€vulose  gibt,  so 
bleibt  der  Blutzuckergehalt  derselbe.  Bei  Leberinsuffizienz  wird 
er  erhöht,  und  der  Grad  der  Steigerung  ist  ein  Maß  fĂŒr  die  In- 
tensitÀt der  Insuffizienz.  Auf  diese  Weise  kann  man  z.  B.  den 
Einfluß  von  Salvarsan  auf  die  Leber  bestimmen.  Da  die  Aus- 
scheidungsschwelle von  LĂ€vulose  durch  die  Nieren  sehr  wechselt, 
ist  die  Bestimmung  im  Harn  nicht  zu  empfehlen. 

Eichung  der  Blutzellensuspension  fĂŒr  die  WaR.  Verfasser 
weist  darauf  hin,  daß  die  Weise,  in  welcher  man  die  Susnension 
der  Schaferythrozvten  bereitet,  sehr  roh  ist.  Er  beschreibt  eine 
Methode,  in  welcher  er  das  Blu.l  mit  Kohlenoxyd  sÀttigt  und 
dann  kolorimetrisch  den  KohlenoxydhĂ€moglobin,  daß  ein  Maß 
ist  fĂŒr  die  Zahl  der  Erythrozyten,  bestimmt. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag ). 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

10.  Dezember  1921,  Nr.  99. 

♩ErnĂ€hrung  im  Alter   von   2—20  Jahren.     Ii  e  u  a  u  1  t  ,  .1.   und   T  a  n  n  e  n  - 
h  c  r  g  ,  C.  de.  977. 

♩Diathermie  bei  den  entzĂŒndlichen  und   spastischen   Reaktionen  der  Gallen- 
blase.    A  i  m  a  r  d  .  .1.  981. 
Di.'itetik  des  Diabetes.    V  Ii  e  i  n  i  s  s  e  .  I..  Chi. 

Einige  praktische  Indikationen  ĂŒber  die  ErnĂ€hrung  der 
Kinder  und  Jugendlichen.  Verff.  stellen  fĂŒr  die  verschiedenen 
Stufen  des  Kindesalters  ein  Regime  auf,  das  vor  allem  darauf  ge- 
richtet ist,  die  diesem  Alter  hÀufige  AnÀmie  zu  bekÀmpfen  oder 
ihr  vorzubeugen,  als  deren  Hauptursache  Verff.  eine  ungenĂŒgende 
ErnĂ€hrung  ĂŒberhaupt,  vor  allem  aber  eine  allzu  fleischarme  Kost 
ansehen.  Sie  weisen  auf  das  grĂ¶ĂŸere  KalorienbedĂŒrfnis  des 
wachsenden  Organismus  hin,  insbesondere  auf  eine  Beobachtung 
des  Amerikaners  G  e  p  h  a  r  t,  der  bei  355  Schulknaben  einen 
durchschnittlichen  Bedarf  von  5000  Kalorien  festgestellt  hat.  Die 
von  ihnen  angegebenen  Wei  te  betragen  fĂŒr 

2—4  Jahre  52  g  Eiweiß  15,5  g  Fette  171*6  g  Kohleh.  =  1,304  Kai 
4—6  64  g     .,        33.6  g    ..       192   g     ..      =1,926  .. 


6—9 

73  g  „ 

16 

2:»0      g  .. 

:  1,628  .. 

9—12  .. 

90  g  „ 

33 

M  ‱> 

252    g  „ 

=  1,665  „ 

12-15  ,. 

H7g 

17 

380  g  „ 

-2,416  .. 

16—18  ,. 

118g  ., 

55 

g  tt 

110   g  ., 

=  2,728  ,. 

19—20  „ 

117«  „ 

85 

182,5  g  .. 

=  2,983  .. 

Die  systematische  Anwendung  der  Diathermie  hei  Gtallcn- 
blÄBenerkrankungen.  Die  Anwendung  von  WĂ€rme  bei  Erkrankungen 
der  Gallenblase  ist  allgemein  ĂŒblich,  aber  die  meist  angewandten 
Applikationen  in  Form  von  heißen  Kompressen,  WĂ€rmflaschen, 
Kataplasmcn,  heißer  Luft  usw.  dringen  nicht  bis  zu  den  tiefer 
gelegenen  Organen,  zu  denen  die  Gallenblase  gehört:  sie  alle  haben 
eine  exogene  Wirkungsweise  durch  WĂ€rmeleitung,  die  von  der 
Ă€ußeren  Haut  nur  allmĂ€hlich  in  die  tieferen  Schichten  dringt. 
Die  Diathermie  dagegen  wirkt  endogen,  die  Kochfrequenzströme 
entwickeln  die  WĂ€rme  ĂŒberall  da,  wo  sie  auf  Widerstand  stoßen, 
d.  h.  in  der  ganzen  Dicke  der  Gewebe.  Es  handelt  sich  nach  dem 
Ausdruck  von  De  Therm  und  Laquerriere  um  eine  inter- 
stitielle Thermotherapie.  Die  Anwendung  geschah  stets  mit  dem 
Arsonvalapparat,  die  Elektroden  wurden  vor  und  hinter  der 
Gallenblase  direkt  auf  die  Haut  gesetzt,  die  IntensitÀt  betrug 
1,200 — 1,400  Milliamperes  und  die  Dauer  der  tĂ€glichen  Sitzung 
20  Minuten.  Gewöhnlich  genĂŒgen  6  Sitzungen,  um  dauernden  Er- 
folg zu  erzielen.  Habe  r. 

14.  Dezember  1921,  Nr.  100. 

‱Hlanioklasische  Krisen  und  Opotherapie  bei  I-elieierkrankungcn.    ()  d  d  n  .  .1. 
und  B  0  r  i  e  ,  P.  989. 
LĂ€hmungen  der  assozierten  Äugenbeweguhgen.    T  e  r  r  i  e  11  .  F.  990. 

Organotherapie  bei  Lebererkrankungen.  Die  in  Frankreich 
außerordentlich  beliebte  Organotherapie  haben  die  Verfasser  bei 
verschiedenen  Erkrankungen  der  Leber,  besonders  bei  katarrhali- 
schem, luetischem  und  Salvarsanikterus,  sowie  Lebercirrhose  mit 
dem  Erfolge  angewandt,  daß  sich  die  anfangs  bestehende  Ver 
daĂŒungsleukopenie  als  Zeichen  der  Leberinsuffizienz  nach  einer 
Darreichung  von  pulverisierter  Leber  in  die  normale  Leukozytose 
umwandelte,  ein  Zeichen,  daß  die  DrĂŒse  selbst  erkrankt  ist.  Die 
Dosis  bestand  in  allen  FĂ€llen  in  2  g  tĂ€glich,  die  6 — 10  Tage  lang 
gegeben  wurden,  bis  ein  dauernder  Erfolg  eintrat.  Die  anfÀng- 
liche Erhöhung  der  Leukozytenzahl  wurde  bald  auf  das  normale 
Maß  zurĂŒckgefĂŒhrt.  Eine  praktische  Anwendung  dĂŒrfte  haupt- 
sÀchlich bei  Chloroform-  und  SalvarsanschÀdigungen  ange- 
bracht sein.  Haber. 

17.  Dezember  1921,  Nr.  101. 

♩Asthma,  ein  Syndrom  iinpiimo"->str'sclier  Hypertonie:  Behandlung  der  Wahl: 

Belladonna'.    L  La  n  ;  C.  997. 
♩Otitis  des  Neugeborenen  und  SĂ€uglings.    L.  e  r  o  u  x  .  R.  8f9. 
VuslöschphÀnomen  bei  Scharlach.    M  a  r  i  e  ,  P.  1..  1001. 

Asthma  als  ein  Syndrom  der  Hypervagotonie  und  die  Be- 
handlung mit  Belladonna.  Die  Theorie  der  Hypervagotonie  als 
Ursache  des  Asthma  fĂŒhrt  zur  BĂŒckkehr  zur  Belladonnatherapie, 
die,  frĂŒher  allgemein  ĂŒblich,  in  neuerer  Zeit  vor  anderen  Mitteln, 
wie  dem  Adrenalin  oder  der  Vakzinetherapie  allmÀhlich  in  den 
Hintergrund  getreten  war.  Verfasser  gibt  dem  Belladonna  den 
Vorrang  vor  dem  Adrenalin,  weil  dieses  nur  bei  Dringlichkeit 
wÀhrend  der  bereits  ausgebrochenen  Krise  anzuwenden  ist,  jenes 
dagegen  die  Wiederkehr  der  AnfÀlle  verhindert,  also  eine  Dauer- 
wirkung erzeugt.  Die  Dosen  mĂŒssen  genĂŒgend  groß  sein,  bis  zu 
2  mg.  Verfasser  wandte  in  Paris  die  Trousseau'schen  Pillen  an, 
bestehend  aus  Extr.  und  Pulv.  Beilad.  aa  0,01.  3  mal  tgl.  1  Pille, 
die  erste  vor  dem  Abendessen,  die  zweite  gegen  10  Uhr  abends, 
die  dritte  im  Laufe  der  Nacht,  in  einer  Serie  von  20  Pillen. 

Die  Otitis  des  SĂ€uglings  und  Neugeborenen.  Die  Otitis 
existiert  im  latenten  Zustand  fast  bei  allen  Neugeborenen,  was 
aus  den  anatomischen  Bedingungen  hervorgeht,  hypertrophische 
Rachcntonsille,  kurze  und  weite  Tube.  AusfĂŒllung  der  Pauken- 
höhle mit  einer  foetalen  ödematösen  Gallertmasse,  die  allmÀhlich 
verschwindet,  um  einer  wirklichen  lufterfĂŒllten  Höhle  Platz  zu 
machen.  Das  Ohr  kann  sich  von  der  Entbindung  und  vom  ersten 
Atemzug  an  leicht  infizieren;  es  ist.  wie  die  Augen,  von  Geburl 
an  sorgfĂ€ltigst  zu  schĂŒtzen.  Die  Nasenhöhlen  sind  nach  der  Ent- 
bindung und  an  den  folgenden  Tagen  zu  desinfizieren.  Das  Ohr 
ist  in  allen  FÀllen,  besonders  aber  bei  unerklÀrlichen  Symptomen 
und  bei  Infektionen  zu  beobachten.  Die  Parazcntose  ist  bei  jedem 
verdĂ€chtigen  Trommelfell  vorzunehmen.  Durch  diese  Maßnahmen 
ist  den  3  schlimmsten  Folgeerscheinungen  der  Otitis,  der  Blut- 
vergiftung, der  Meningitis  und  der  Taubstummheit  vorzubeugen. 

H  a  b  e  r. 


162 


Ans  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  — Nr.  6/7. 


Rivista  Ospedaliera,  Rom. 

15  —30.  November  1921,  11,  Nr.  21—22. 

❖Die  elektrische  Kraft  in  Form  des  Wechselstroms  von  hoher  Frequenz  in  der 

Behandlung  der  Wunden.    M  a  s  s  i  m  i ,  S.  471. 
❖Behandlung  der  offenen  osteo-artikulĂ€ren  Tuberkulose.    Conti,  L.  486. 

Die  elektrische  Energie  in  Gestalt  des  hochfrequenten 
Wechselstromes  in  der  Wundbehandlung.  Die  Förderung  des 
Wachstums  und  des  Regeneratiönsprozesses  durch  die  Einwirkung 
elektrischer  Energie  ist  bei  Pflanzen  und  niederen  Tieren  schon 
lÀngst  einwandfrei  festgestellt  worden.  Der  Verf.  hat  es  sich  zur 
Aufgabe  gemacht,  ihren  Einfluß  auch  auf  den  Verlauf  der  Wund- 
heilung  und  besonders  auf  die  WiderstandsfÀhigkeit  der  beschÀ- 
digten Gewebe  gegen  infektiöse  Mikroorganismen  an  Hand  klini- 
scher und  bakteriologischer  Beobachtungen  zu  studieren.  Hierbei 
stellte  er  fest,  daß  der  elektrische  Hochfrequenzstrom  eine  des- 
infizierende Wirkung  ausĂŒbt,  die  entweder  den  ultravioletten 
Strahlen  oder  dem  gleichzeitig  sich  entwickelnden  Ozon  zuzu- 
schreiben ist,  daß  er  durch  Anregung  des  Lymphzuflusses  die 
natĂŒrlichen  AbwehrkrĂ€fte  des  Organismus  gegen  eine  Inefktion 
erhöht,  daß  er  weder  Schmerzen  verursacht  noch  eine  gewebs- 
zerstörende  Wirkung  hat  und  daß  er  endlich  bei  Substanzver- 
lusten eine  rapide  Regeneration  bewirkt  und  die  Vernarbung  be- 
schleunigt. Der  weitere,  von  dem  italienischen  Verfasser  betonte 
Umstand,  daß  „die  Industrie  es  jedem  Arzte  gestatte,  die  not- 
wendige Apparatur  iĂŒr  einen  ganz  mĂ€ĂŸigen  Preis  zu  erwerben", 
trifft  fĂŒr  uns  leider  nicht  zu. 

Die  Behandlung  der  offenen  Gelenktuberlose  mit  Kontentiv- 
verbĂ€nden.  Verfasser  berichtet  ĂŒber  die  Erfolge  Solieris  mit  der 
Behandlung  offener,  fistulöser  Gelenkstuberkulose  durch  Immo- 
bilisierung mittels  eines  die  gleichzeitige  Fixation  der  Nachbar- 
gelenke ermöglichenden  Apparates  nach  entsprechender  (anti- 
septischer) lokaler  Vorbehandlung.  Das  Allgemeinbefinden 
besserte  sich  zusehends,  Temperaturstörungen  ließen  nach,  die 
Schwellung  des  Gelenkes  ging  allmĂ€hlich  zurĂŒck  und  die  eitrige 
Sekretion  wurde  immer  geringer,  bis  sie  völlig  verschwand.  Eine 
einzige  Kontraindikation  bildet  das  gleichzeitige  Vorhandensein 
einer  Lungentuberkulose,  weil  dann  der  Körper  die  Abwehr- 
krÀfte zur  siegreichen  BekÀmpfung  der  lokalen  Affektion  nicht 
aufzubringen  vermag.  L.  K  a  n  n  e  r. 

15.  Dezember  1921,  11  Nr.  23. 

❖  Behandlung  der  Nephritis  mit  hohen  Alkoholdosen.    Masel,  B.  511. 
Anaphylaktische  PhÀnomene  bei  Malaria.    D  u  1 1  o  .  TJ.  515. 

Nephritiden  mit  Alkohol  in  hohen  Dosen.  Verfasser  ist  von 
dem  geringen  Erfolge  hygienischer,  diÀtetischer  und  medikamen- 
töser Maßnahmen  bei  der  allgemein  ĂŒblichen  Behandlung  akuter 
NierenentzĂŒndungen  nicht  befriedigt.  Eine  Erfahrung  am  eigenen 
Leibe  sowie  mehrere  Beobachtungen  einer  Heilwirkung  ein- 
maliger toxischer  Alkoholgaben  fĂŒhren  ihn  zur  Empfehlung  ein- 
gehender Untersuchungen  an  einem  grĂ¶ĂŸeren  Krankenmaterial 
nach  dieser  Richtung  hin.  Bemerkenswert  ist  die  Geschichte  eines 
kleinen  MÀdchens  mit  akuter  hÀmorrhagischer  Nephritis,  das  in 
einem  unbewachten  Augenblick  eine  grĂ¶ĂŸere  Menge  Kognak  zu 
sich  nahm,  worauf  unmittelbar  eine  auffallende  Besserung  der 
Krankheit  bis  zur  völligen  Genesung  eintrat.  —  (UnerklĂ€rlich  ist 
es,  weshalb  die  deutschen  Zitate  so  oft  bis  fast  zur  völligen  Un; 
kenntlichkeit  korrumpiert  werden.  Ein  Beispiel:  „Ein  Vorhaben 
fĂŒr  die  Heilung  der  Brightschen  Krankheit  in  dem  spitzig 
Stadium"!).  L.  Kann  er. 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 
24.  Dezember  1921,  77.  Nr.  26 

Sir  William  Osler.    Einney,  J.  M.  T.  2013. 
Telangiektatische  Splenomegalie.    8  y  m  m  e  r  s  .  D.  2019. 
❖Quecksilber-lnunktion  bei  Syphilis.    C  o  1  e  .  H.  X.,  G  e  r  i  c  k  e     A.  J  und 

S  o  1 1  m  a  n  n  ,  T.  2022. 
Magenulkus  und  Tabes  dorsalis.    Crohn,  B.  B.  2023. 
SchÀdelfrakturen;  Diagnose)  und  Prognose.    Stewart,  J.  W,  2030. 
Verhalten  der  Larven  von  Ankylostoma  duodenalis  im  Erdboden.     C  o  r  t  . 

W.  W.,  Augustine.  O.  L.  und  Payne.  G.  C.  2035. 
Xichtchirurgische  Drainage  der  Galleawege.    S  ni  i  I  h  i  c  s.  F..  K  a  r  s  h  n  e  r 

C.  F.  und  O  1  e  s  o  n  .  R.  B.  2036. 
Chronische  ulzerative  Colitis.    Veomaus,  F.  C.  2043. 
Hernie  „En  Bloc"  reduziert.    E  1  i  a  s  o  n  ,  E.  L.  2049. 
❖Perikarditis  mit  Erguß.    Willia'mson.  C.  S.  2050. 

❖Spirochetose  bei  Kaninchen.    Xeue  FĂ€rbungsmethode  des  Treponema  Pal- 
lidum. Kok  u chi ,  h.  2052. 

Ueber  reine  Queeksilbcrinunktionsbehandlung  der  Lues.  Die 
Inunktionskuren  sind  wegen  der  Unsauberkeit,  der  Furcht,  daß 


die  Krankheit  von  Außenstehenden  leicht  entdeckt  wird,  und  der 
in  der  Folge  nicht  selten  auftretenden  Folliculitis  nicht  sehr  ge- 
schÀtzt, obwohl  ihr  therapeutischer  Wert  sicherlich  ein  recht 
großer  ist.  Verfasser  nehmen  an,  daß  nur  das  Quecksilber  von 
der  Haut  absorbiert  wird,  das  in  die  Haarfollikel  und  Schweiß- 
und  TalgdrĂŒsengĂ€nge  eingerieben  wird,  alles  ĂŒbrige  Hg  aber 
nicht  zur  Absorption  gelangt.  Es  wurden  44  Luiker  mit  Inunk- 
tionen  (5 — 23,  im  Durchschnitt  etwa  10)  von  je  4  g  Quecksilber- 
salbe in  der  Art  behandelt,  daß  nach  30  Minuten  langem  Ein- 
reiben alle  noch  auf  der  Haut  befindliche  Salbe  mit  Benzin  und 
Watte  abgewaschen  wurde.  Die  Queck silberwirkung  war  offen- 
sichtlich ebenso  gut  als  bei  Anwendung  der  sonst  ĂŒblichen 
Methode,  so  daß  Verfasser  glauben,  wenigstens  klinisch  ihre  An- 
nahme bestÀtigt  gefunden  zu  haben. 

Perikarditis  mit  Erguß.    Die  Ergebnisse  der  klinischen  Stu 

dien  ĂŒber  23  einschlĂ€gige  FĂ€lle  ergeben,  daß  auch  bei  sehr  kleinen 
ErgĂŒssen  die  FlĂŒssigkeit  sich  zuerst  im  Winkel,  der  von  Rippen 
und  Zwerchfell  gebildet  wird,  ansammelt.  Dies  dokumentiert 
sich  klinisch  durch  HerabdrÀngung  des  linken  Leberia pnens  und 
kann  noch  eher  festgestellt  werden,  als  die  Abrundung  des 
Ebstein'schen  Winkels  (Herz,  Leber).  Der  Leberrand  wird  bei 
ErgĂŒssen  von  500 — 600  cem  bis  zu  2  Querfingerbreite  nach  unten 
verdrÀngt.  In  etwa  zwei  Drittel  der  FÀlle  war  perikarditisches 
Reiben  zu  hören. 

Bemerkungen  zur  SpirochÀtosis  der  Kaninchen.  Verfasser 
fand  bei  einer  Anzahl  Kaninchen  an  Vulva  bzw.  PrÀputium 
papulöse  Effloreszensen,  die  den  luischen  sehr  Àhnelten  und  in 
denen  er  eine  der  Treponema  pallida  sehr  Àhnliche  SpirochÀte 
nachweisen  konnte,  die  er  mit  dem  Namen  Treponema  cuniculi 
belegt.  Sie  ist  etwas  lÀnger  als  die  SpirochÀte  pallida;  0,25  «breit, 
die  Spiralamplitude  betrĂ€gt  1 — 1,2  n.  Die  Spiralen  selbst  sind  regel- 
mĂ€ĂŸig und  gleich  tief,  8 — 12  an  der  Zahl.  Rasche  Rotation  und 
zuweilen  KrĂŒmmungen  in  der  Mitte  konnten  beobachtet  werden, 
dagegen  nie  Geißeloewegungen.  Die  Ueberimpfung  von  Papel- 
exsudat  oder  Vaginalsekret  auf  gesunde  Tiere  gelang  sehr  hÀufig 
die  Inkubationszeit  betrug  im  Durchschnitt  60  Tage.  DrĂŒsen- 
schwellungen wurden  selten  gesehen.  Versuche,  Orchitis,  Kera- 
titis oder  SchankergeschwĂŒre  kĂŒnstlich  zu  erzeugen,  verliefen  er- 
gebnislos, desgl.  mißlang  die  Ueberimpfung  auf  Affen.  Salvar- 
sandosen  von  0,02  g  je  Kilogramm  Körpergewicht  zerstörten  die 
SpirochĂ€ten  innerhalb  von  24  Stunden,  ohne  daß  bisher  (nach 
5  Monaten)  Rezidive  beobachtet  worden  wÀren.  Tiere,  bei  denen 
die  Affektion  monatelang  bestand,  gaben  im  Gegensatz  zu  solchen 
mit  Spirochaeta  pallida  infizierten,  stets  negativen  Wassermann. 
Diese  Tatsache,  sowie  die  Unterschiede  in  dem  Aussehen  der 
LĂ€sionen  und  der  GrĂ¶ĂŸe  der  beiden  SpirochĂ€ten  sind  differen- 
tial  -  diagnostisch  von  Bedeutung.  FĂ€rberische  Unterschiede 
zwischen  Treponema  pallida  und  cuniculi  bestehen  nicht.  Im  An- 
schluß an  diese  Mitteilung  gibt  Verfasser  eine  neue  SpirochĂ€ten 
fÀrbung  an,  die  diagnostisch  bei  Fehlen  des  Dunkelfeldes  wert 
voll  ist.  9  Teile  einer  Lösung  aus  88  Teilen  M/15  Na2  HPO,  4- 
12  Teilen  M/15  KH2  PO,  werden  mit  einem  Teil  Formaldehyd  ge- 
mischt. Dieser  Lösung  wird  Reizserum  bzw.  Gewebsemulsion 
zugefĂŒgt  und  das  ganze  mindestens  5  Minuten  stehen  gelassen 
DĂŒnne  Ausstriche  hiervon  werden  nach  Lufttrocknung  mit  ge- 
sÀttigter alkoholischer  Gentianaviolettlösung  oder  mit  Fuchsin 
gefÀrbt.  K  À  ck  eil  (Hamburg1 

The  Journal  of  Laboratory  and  Clinical  Medicine,  St.  Louis. 

Dezember  1921,  7.  Nr.  3. 

❖  l'eber  den  Chloridgehalt  des  Blutes  bei  SubUmatnephrose.    Killian.  J.  A. 

129.  — 

❖  Klinische  Diagnostik  mit  Hilfe  der  Viskosimetrie  des  Blutes  und  des  Serums 

mit  besonderem  Hinweis  auf  das  Viskosimeter  von  Heß.  B  i  r  e  h  e  r.  M.  E. 
134. 

❖Die  Behandlung  der  akuten  Phosphorvergifrung.    A  t  k  i  n  s  o  n  .  H.  V.  148. 
Die  Syithese  des  Arspheuamius  und  seine  Derivate.    M  y  e  r  s  ,  C.  N.  151. 

Ueber  den  Chloridgehalt  des  Blutes  bei  SubUmatnephrose.  Be 

rieht  ĂŒber  zwei  FĂ€lle  von  Nephrose  nach  Sublimatvergiftung.  In 
Uebereinstimmung  mit  frĂŒheren  in  der  Literatur  niedergelegten 
Beobachtungen  fand  Verf.,  daß  parallel  der  fortschreitenden  Seh? 
digung  der  Nierenfunktion,  wie  sie  im  Ansteigen  der  Reststick- 
stoffwerte zum  Ausdruck  kam,  eine  Verminderung  der  Chlorid- 
werte im  Gesamtblut  eintrat,  mit  zunehmender  Besserung  der 
Nierenfunklion  zeigte  sich  eine  Zunahme  der  Blutchloride.  Beide 
FĂ€lle  waren  frei  von  Oedemen.  Im  Stadium  der  schwersten 
NierenschÀdigung  war  das  KohlensÀurebindungsvermögen  des 
Blutes  deutlich  herabgesetzt. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


Klinische  Diagnostik  mit  Hille  der  Viskosimetrie-  des  Blutes 
und  »los  Serums  mit  besonderem  Hinweit  aul'  das  Viskosimeter 
von  Hell.  Zusammenfassende  Besprechung  der  Methodik  und  des 
klinischen  Anwendungsgebietes  der  Viskosimetrie,  in  Anlehnung 
an  die  Angaben  von  Naegeli.    Bei  Erkrankungen  der  Kreislaufs- 
organe  sollte  der  ViskositÀt  des  Blutes  als  einem  wichtigen  Fak- 
tor fĂŒr  die  .vom  Herzen  zu  Leistende  Arbeit  mehr  Beachtung  ge 
schenkt  weiden.    Ferner  gestallet  die  Viskosimetrie  auf  exakte 
WCise  eine  Analyse  der  Blulziisammensetzung:  die  Viskosital  ist 
bhĂ€ngig  vom  Eiweißgehalt  des  Serums,  vom  VerhĂ€ltnis  des  Glo- 
ulins  zum  Albumin  sowie  vom  Volumen  der  Blutkörperchen.  IIa! 
an  z.  B.  die  ViskositĂ€t  gemessen  und  refraktometrisch  den  ĂŒi- 
weißgehalt  des  Serums  bestimmt,  lĂ€ĂŸt  sich  aus  einer  empirisch 
ewonnenen  Kurve  das  VerhÀltnis  von  Globulin  zu  Albumin  un- 
iltelbar  ablesen.   Die  ViskositÀtsbestimmung  mit  Instrument  von 
eB  ist  eine  Ă€ußerst  bequeme  Methode,  die  nur  einen  Tropfen  Blut 
rforderl  und  innerhalb  von  30  Sekunden  Werte  liefert,  die  fĂŒr 
Ünische  Zwecke  ausreichend  genau  sind. 

Die  Behandlung  der  akuten  Phosphorvergiftung.  Bei  der  Be- 
andlung  der  Phosp'horvergiftung  wird  allgemein  vor  der  Zufuhr 
von  Fetten  gewarnt,  in  der  Annahme,  daß  durch  die  Auflösung 
des  Giftes  in  der  öligen  Substanz,  wenn  letztere  zur  Besorption 
gelangt,  der  Phosphor  in  vermehrter  Menge  von  der  Darmwand 
aufgenommen  wird.  In  Versuchen  an  Hunden  zeigt  Verf.,  daß  es 
gelingt,  durch  Gaben  eines  nicht  resorbierbaren  Mineralöls  die 
Tiere  vor  der  Vergiftung  mit  sonst  tötlichen  Dosen  zu  schĂŒtzen. 
Das  angewandte  flĂŒssige  Paraffin  wirkt  abfĂŒhrend,  so  daß  die  in 
ihm  aufgenommenen  Phosphormengen  schnell  aus  dem  Körper 
hinausgeschafft  werden.  In  Kontrollversuchen  konnte  gezeigt 
werden,  daß  weder  Bizinusöl  noch  Magnesiumsulfat  die  Tiere  vor 
der  Vergiftung  schĂŒtzen  konnten.  Das  Verfahren  wird  fĂŒr  Phos- 
phorvergiftungen des  Menschen  empfohlen. 

Wolf  f  (Hamburg). 


New  York  Medical  Journal,  New  York. 

21.  Dezember  1921,  114,  Nr.  12. 

Halen  nnd  Beine  Zeit.    Wright,  J.  677. 
❖  Mastoiditis.    Smith,  S.  und  M  a  c  C  u  e  n.  683. 
❖Chirurgische  Endothermie.    Wyeth,  G.  A.  685. 
Steinachs  VerjĂŒngungsmethode.    Benjamin,  H.  687. 
Plastische  Chirurgie  bei  Handverletzungen.    F  u  1  d  ,  J.  E.  692. 
*Metastatische  infektiöse  Arthritis  der  WirbelsÀule.    SchwÀrt  z,  K.  M.  f'P9. 
EntzĂŒndliche  Störungen  im  weiblichen  Genitalrrakt     C  h  e  r  r  y  .  T.  FI.  700. 
Enzephalitis  lethargica.    R  e  e  v  e  8  ,  R.  S.  702. 
Rheumatismus  und  verwandte  Affektionen.    O  e  y  s  e  r  .   V.  C.  707. 
Akute  gelbe  Leberatrophie   als   Komplikation   akuter   Appendizitis.  Beb- 
r  e  n  d  ,  51.  709. 

VerhĂŒtung  der  Geschlechtskrankheiten.    Broadmann,  J.  710. 
Vitiligo  und  seine  Beziehungen  zu  Syphilis.    C  u  ro  s  t  o  n  ,  Ch.  G.  71-2. 
Geschlechtskrankheiten,  eine  soziale  Gefahr.    Riddell,  W.  R.  714. 
Lösuug    von    Jodnatrium    zum    Gebrauch    fĂŒr   urologische  Röntgenstudien. 
stern,  M.  und  Ritter,  S.  715. 

Ueber  versteckte  EntzĂŒndung  des  Warzenfortsatze9.  Die  Er- 
krankung des  Warzenfortsatzes  ist  die  Folge  einer  EntzĂŒndung 
oder  Eiterung  im  Mittelohr;  diese  wieder  die  Folge  einer  pri- 
mÀren Erkrankung  des  Nasenrachenraumes.  In  jedem  Fall  von 
akuter  Eiterung  der  Paukenhöhle  sind  Schleimhaut  und  Zellen  des 
Antrum  mastoideum  mehr  oder  weniger  miterkrankt.  Die  FrĂŒh- 
diagnose ist  von  grĂ¶ĂŸter  Bedeutung.  In  keinem  Fall  von  unklarer 
fieberhafter  Erkrankung  im  Kindesalter  darf  die  Ohruntersuchung 
unterlassen  werden.  Wichtig  ist  frĂŒhzeitige  Paracentese  zur 
Vermeidung  von  Mastoiditis  und  intrakraniellen  Komplikationen. 
Plötzliches  Aufhören  einer  akuten  Mittelohreiterung  muß  Ver- 
dacht auf  Beteiligung  des  Warzenfortsatzes  erregen.  Der  Eiter 
des  Warzenfortsatzes  kann  sich  einen  Weg  bahnen  durch  die  San- 
torinischen  Fissuren  nach  der  Parotis  und  dem  sie  umgebenden 
Gewebe,  oder  er  kann  durch  die  Spitze  nach  dem  Nacken  durch- 
brechen und  unter  dem  Warzenfortsatz  eine  Schwellung  verur- 
sachen, die  unter  dem  Namen  Bezoldsche  Mastoiditis  bekannt  ist. 
In  diagnostischer  und  prognostischer  Hinsicht  ist  die  Leukozyten- 
zahl von  großer  Bedeutung.  Hohe  Leukozytenzahl  gibt  einen  Maß- 
stab ab  fĂŒr  die  Widerstandskraft  des  Kranken  gegenĂŒber  der  Er- 
krankung, wÀhrend  ein  hohes  ProzentverhÀltnis  an  polymorph- 
kernigen Zellen  die  Schwere  der  Erkrankung  anzeigt.  Verf.  warnt 
vor  der  Anwendung  von  Pflaster  und  BreiumschlÀgen  auf  den 
Warzenfortsatz,  weil  sie  lokale  Erscheinungen  verdecken  und  eine 
hyperÀmische  Mastoiditis  in  eine  eitrige  umwandeln  können. 

Chirurgische  Endothermie  bei  zugÀnglichen  malignen  Ge- 
schwĂŒlsten. Hinweis  auf  die  Bedeutung  und  die  Erfolge  der 
Endothermie  bei  der   Behandlung  leicht  zugÀnglicher  maligner 


GeschwĂŒlste.  Heilung  eines  Falls  von  Plattenepithelkarzinom  d<M 
aulleren  Haut  der  linken  Hand. 

Metastatisehe  infektiöse  WirbelsÀulcnurthritiw  ausgehend  von 
Herden  in  dun  Tonsillen  und  der  linken  Highmoreshöhle.  Heilung 
eines  Falles  von  \\  irbelsÀulenarlhritis  nach  mehr  als  dreimonate 
langem  Bestehen  durch  operative  Entfernung  der  Tonsillen,  SpĂŒ- 
lung der  erkrankten  1.  Highmoreshöhle  und  Behandlung  mit  Auto 
Vaccine.  S  t  a  d  e  1  m  a  n  n  (Frankfurt  a.  M.). 

Fhe  Journal  of  infections  Diseases,  Chicago. 

Dezember  1921,  29,  Nr.  6. 

Studie  ĂŒber  den  Gonokokkus  und  die  Oonokokken-Infektionen     Cook.  AI. 
W.  und  Stafford.D.  D.  561. 
❖DiphthcriebazillontrĂ€ger  unter  den  Schulkindern  in  Massachusetts.  Beck- 

ler.  E.,  Gillette,  II.  und  Parker,  M.  vn. 
‱{â–șDysentcrieĂ€hnlicbe  Erkrankung  bei  Kindern.    M  i  t  a  ,  K.  580. 

Morphologische  Variation  des  Bazillus  coli.    Scale  1',  F.  M.  591. 

Quantitative  Beziehungen  zwischen  Ambozeptor  und  Serum  bei  Mecrschw  em- 
otion, denen  das  Komplement;  fehlt.    Ecker,  E.  E.  611. 

Charakteristika,  des  B.  chanvoei.    G  6  s  s  ,  L.  W.,  Barbarin.  R.  E.  und 
II  a  i  n  e  s  ,  A.  W.  615. 

Komplementbildung  bei  der  A\a. -Probe.    Kuhn,  R.  L.  und  Ol  in.  R.  M 
630. 

Wirkung  der  Hitze  auf  die  komplementbindenden  Antikörper.    Kahn,  R.  I... 

Johnson,  S.  R.  und  B  o  y  e  1 ,  A.  G.  639. 
Studien  ĂŒber  Komplementfixation.  IV.    Kahn,  R.  L.  und  Lyon,  D.  S.  651. 
Die  PathogenitĂ€t  des  B.  abortus  und  des  B.  melitensis  fĂŒr  Affen.   F  1  e  i  s  e  h- 

n  e  r  .  E.  C,  Yecki,  M.,  Shaw,  E.  B.  und  Meyer;  K,  P.  663. 

DiphtheriebazillentrÀger  unter  den  Schulkindern  von  Massa- 
chusetts. Infolge  einer  grĂ¶ĂŸeren  Anzahl  von  DiphtheriefĂ€llen 
wurde  bei  mehr  als  8000  Kindern  im  Alter  zwischen  5 — 15  Jahren 
eine  Untersuchung  von  Nasen-  und  Bachenkulturen  durchgefĂŒhrt. 
Nur  41  (0,49  Prozent)  erwiesen  sich  als  positiv;  hiervon  wurden 
etwa  95  Prozent  als  virulent  befunden.  Die  sonst  so  hÀufigen 
avirulenten  Diphtheriebazillen  fanden  sich  hier  seltsamerweise 
nur  ganz' vereinzelt.  Sehr  verbreitet  waren  diphtheroide,  von  den 
echten  Diphtherieerregern  in  ihrem  morphologischen  und  kul- 
turellen Verhalten  deutlich  verschiedene,  nicht  pathogene  Ba- 
ziUen. 

DysenterieÀhnliche  Erkrankungen  (Paradysenterie,  Para- 
typhus) bei  Kindern  und  ihre  Ursachen.  Dysenterische  Affek- 
lionen  bei  Kindern  werden  nicht  allein  durch  den  echten  Buhr- 
bazillus  (Typus  1 — 5)  hervorgerufen,  sondern  in  etwa  einem  Vier- 
tel der  FĂ€lle  durch  einen  von  M  i  t  a  entdeckten  und  beschriebenen 
Paradysenteriebazillus.  '  Es  handelt  sich  um  kleine,  pathogene 
StÀbchen  ohne  Eigenbewegung.  M  i  t  a  unterscheidet  zwei  Grup- 
pen: Bazillus  paradysenteriae  A  gleicht  in  seinem  Verhalten 
gegenĂŒber  KohlehydratnĂ€hrböden  dem  Flexnertypus,  B  dem  Y- 
Typus  der  echten  Buhrbazillen.  Beide  bilden  teils  runde,  teils 
unregelmĂ€ĂŸig  begrenzte  Kolonien.  Zuweilen  findet  man  bei  den 
i  uhrartigen  Erkrankungen  der  Kinder  auch  einen  in  seinen  kul- 
turellen Eigenschaften  typhusÀhnlichen  BaziUus,  den  M  i  t  a  als 
,,Paratyphus-x-Bazillus"  bezeichnet.  Die  durch  die  genannten 
Organismen  bedingten  klinischen  Erscheinungen  sind  von  mil 
derer  Natur  als  die  echte  Dysenterie.  L.  K  a  n  n  e  r. 


The  American  Review  of  Tuberculosis,  Baltimore. 

November  1921,  5,  Nr.  9. 

❖Die   Muskulatur  der  feineren  Bronchialverzweigungerl.     S  n  o  \v  Miller. 
W.  689. 

Chemische  Probleme  in  der  Bakteriologie  des  Tb.-Bazillus.  Long,  E.  R.  705. 
Methode   zur  Beobachtung   von   ReaktionsverÀnderungen   bei    Kulturen  von 

sÀure  Bakterien.    Long,  E.  R.  und  Major,  A.  L.  715. 
❖Die  ringförmigen  Pleura-schatten  im  Röntgenbilde  bei  der  Lungentuberkulose. 

B  u  r  n  s  ,  J.  und  Amberson,  J.  723. 

Die  Muskulatur  der  feineren  BronchialverÀstelungen  und  ihre 
Beziehung  zu  gewissen  pathologischen  Bedingungen.  Miller 
bespricht  in  seinem,  mit  anschaulichen  Mikrophotogrammen  und 
schematischen  Zeichnungen  illustrierten  Aufsatz  die  glatte  Mus- 
kulatur der  knorpelfreien  Bronchiolen  und  AlveolengÀnge  sowie 
ihr  VerhÀltnis  zum  Lungenparenchym.  Die  Arbeit  ist  das  Er- 
gebnis eingehender  Untersuchungen  an  Meerschweinchen,  Katzen. 
Hunden  und  am  Menschen.  Die  Bronchialmuskulatur  ist  nicht  in 
Form  abgegrenzter  Streifen  oder  einer  kontinuierlichen  Schicht 
angeordnet,  sondern  als  „geodĂ€tisches"  Netzwerk,  das  den  Bron 
chiolen  eine  große  WiderstandsfĂ€higkeit  verleiht  und  ihre  maxi 
male  Erweiterung  und  Zusammenziehung  ermöglicht.  Die  Muskel 
fasern  bilden  einen  Sphinkter  um  die  Uebergangsstellen  der 
Bronchiolen  und  AlveolengÀnge  in  die  Alveolen  sowie  um  die  Ein- 
gÀnge in  die  AlveolensÀckchen,  jenseits  deren  Muskelfasern  ganz 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


■10.  Jahrg.  —  Nr.  6/7 


fehlen.  Die  TÀtigkeit  der  Bronchialmuskulatur  hÀlt  Miller  bei 
der  Exspiration  nicht  fĂŒr  passiv,  sondern  fĂŒr  aktiv. 

Die  ringförmigen  Pleuraschatten  im  Röntgenbilde  bei  der 
LungentuberKulose.  Eine  Untersuchung  ihrer  klinischen  Bedeu- 
tung und  eine  mutmaßliche  ErklĂ€rung  ihrer  Entstehungsweise. 

Verf.  hat  50  „ringförmige"  Pleuraschatten,  die  ĂŒbrigens  auch 
oval,  dreieckig  oder  unregelmĂ€ĂŸig  gestaltet  sein  können  und  deren 
InnenflÀche  entweder  von  gleicher  Dichtigkeit  oder  etwas  dunkler 
ist  als  die  umgebenden  Partien,  genau  beobachtet  und  kommt  zu 
dem  SchlĂŒsse,  daß  diese  eigentĂŒmlichen  Bildungen  in  einem  kon- 
stanten proportionalen  VerhÀltnis  zur  aktiven  Lungentuberkulose 
stehen  und  nur  dann  zurĂŒckgehen  oder  ganz  verschwinden,  wenn 
die  Prozesse  im  Innern  der  Lunge  zur  Ruhe  kommen;  ein  umge- 
kehrtes Verhalten  ist  niemals  beobachtet  worden.  Es  kÀme  also 
dem  Schatten  eine  gewisse  prognostische  Bedeutung  zu.  Die  Be- 
hauptung mancher  Autoren,  daß  es  sich  um  einen  umschriebenen 
Pneumothorax  infolge  von  Lungenruptur  handelt,  hÀlt  Amber- 
s  o  n  nicht  fĂŒr  zutreffend.  Er  versucht  vielmehr,  die  Mehrzahl 
dieser  Schattenbildungen  als  den  Ausdruck  einer  einfachen  chroni- 
schen oder  subakuten  lokalisierten  Pleuritis  mit  oder  ohne  zir- 
kumskripte Schwartenbildung  zu  erklÀren.  L.  K  a  n  n  e  r. 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

August  1921.  6,  Nr.  2. 

<J*Xierentuberliulose.    Caulk,  John  R. 

PrimÀres  Karzinom  des  Ureters.  Liiteraturbericht  und  Mitteilung  eines 
Falles.     .1  u  d  d  .   Edward  S.  und   Struthers.  Johu  E. 

Stiulie  des  normalen  menschlichem  Ureters  durch  Reihenaufnahmen  des- 
selben und  des  Nierenbeckens.    G  o  1  d  s  t  e  i  n  ,  Albert  E. 

Indikationen    und    Grenzen    der    peritonealen    Nierenoperation.     Q  u  i  n  b  v  . 

Wm.  c. 

SakralanÀsthesie  in  der  Urologie.    »Schott,  Albert  J. 
Radikalbehandhmg  des  Blasenkrebses.     Smith,  Georg  Gilbert. 

Nierentuberkulose.  Etwa  30  Prozent  aller  Nierenoperationen 
werden  wegen  Tbc.  dieses  Organes  ausgefĂŒhrt;  nur  der  chirur- 
gische Weg  fĂŒhrt  zum  Dauererfolg,  eine  Spontanheilung  ist  bis- 
her noch  nie  beobachtet  worden.  Die  Nierentbc.  entwickelt  sich 
meistens  auf  dem  Lymphwege  von  der  Lunge  her,  seltener  durch 
Vermittlung  des  Blutstromes;  eine  sogenannte  ascendierende 
Ntbc.  gibt  es  wohl  kaum.  Der  PrimÀrherd  in  der  Niere  ent- 
wickelt sich  sehr  hÀufig  an  der  Pyramidenbasis,  also  im  Nieren- 
innern.  Gewöhnlich  werden  junge  Leute  im  Alter  von  20 — 40 
Jahren  ergriffen  —  in  der  Mehrzahl  Frauen.  Die  ersten  Be- 
schwerden sind  gewöhnlich  Blasenstörungen,  die  in  hÀufigem 
Urindrang,  Blasenschmerzen,  terminalen  Blutungen  bestehen, 
doch  sind  diese  Symptome  keineswegs  stets  sÀmtlich  vorhanden, 
auch  schwinden  sie  hĂ€ufig  fĂŒr  lĂ€ngere  oder  kĂŒrzere  Zeit.  Cha- 
rakteristisch ist  es,  daß  diese  Beschwerden  durch  interne  Medi- 
kation nicht  beeinflußt  werden.  Die  Diagnose  stĂŒtzt  sich  auf  den 
Bazillenfund  im  ‱  zentrifugierten  Urin  und  auf  die  zystoskopische 
Untersuchung,  wĂ€hrend  das  Röntgenbild  nur  in  einem  FĂŒnftel 
aller  FĂ€lle  einen  positiven  Aufschluß  gibt.  Die  Erkrankung  ist 
gar  nicht  selten  bilateral.  Von  einigen  Autoren  ist  empfohlen  wor- 
den, in  diesem  Falle  die  stÀrker  erkrankte  Niere  zu  entfernen, 
doch  hiervon  rÀt  Ch.  ab;  er  erwartet  bei  diesem  Zustand  weit 
mehr  von  Nierendrainage.  —  FĂŒr  die  Operation  soll  man  ein 
BetÀubungsmittel  wÀhlen,  das  die  Lungen  nicht  angreift,  da  diese 
meist  auch  tbc.  affiziert  sind,  auch  soll  man  die  Operation  mög- 
lichst nicht  allzulang  ausdehnen.  Es  empfiehlt  sich,  wÀhrend 
der  Operation  die  zu  operierende  Seite  an  Arm  und  Bein  mög- 
lichst auszurecken  und  die  SchnittfĂŒhrung  recht  groß  zu  wĂ€hlen 
bis  an  die  zu  mobilisierenden  Rippen  heran,  damit  man  ordent- 
lich an  die  Niere  heran  kann.  Nach  der  Operation  ist  eine 
Drainage  gewöhnlich  nicht  notwendig,  dagegen  sind  Tuberkulin- 
einspritzungen  und  Sonnenlichtbestrahlungen  hinterher  sehr  vor- 
teilhaft. Bab  (Berlin). 

Journal  of  Urology,  Baltimore. 

September  1921,  6,  Nr.  3. 

Kndbcricht  ĂŒber  die  Beziehungen  von  RĂŒckgratsfrakturen  zu  Nieren-  und 
Blasenfunktionsstörungen.     P  1  a  g  g  e  m  e  i  e  r  ,  H.  W. 
❖Trabekelblasen  bei  peraieiöser  AnĂ€mie.    Kreta  e  fa  m  e  r  ,  H.  L. 

.Vierensenkung  als  Ursache  einer  enronischen   durch  Coli   Bazillus  hervor- 
gerufenen Pyelitis.    G  r  a  b  t  r  e  e  .  E.  G.  und  Sehe  cl  den.  W.  M. 
‱^Entfernung  von  Urctirensteinen   durch   zvstokopische  Manipulation.     C  r  o  - 
well.  A.  .7. 

Trabekelblasen  bei  perniziöser  AnÀmie.  Seit  N  i  t  z  e  sind 
Blasenbeschwerden,  die  zum  Teil  mit  Trabekelbildung  in  der 
Blasenschleimhaut  cinhergehen,  bei  den  verschiedensten  Erkran- 
kungen des  zentralen  Nervensystems  gekannt,  ohne  daß  ein  mecha- 
nischer Verschluß  der  Blase  vorliegt.  Das  Bild  dieser  Balkenbtosc 


ist  so  charakteristisch,  daß  es  gar  nicht  selten  als  erstes  Symptom 
einer  Erkrankung  des  Zentralnervensystems  gesehen  wird,  und  K. 
nennt  daher  diese  Blase  direkt  RĂŒckenmarksbalkenblase.  Weniger 
gekannt  aber  ist  es,  daß  dieses  Bild  auch  bei  perniziöser  AnĂ€mie 
vorkommt.  Untersucht  man  jedoch  systematisch  alle  FĂ€lle  von 
perniziöser  AnÀmie  auf  Störungen  der  Blase,  so  werden  diese  gar 
nicht  selten  gefunden.  Allerdings  sind  sie  außerordentlich  variabel. 
Mehr  oder  minder  heftiger  Harndrang  kann  auftreten,  Harnreten- 
tionen  werden  beobachtet,  die  dauernde  Katheterisierung  notwen- 
dig machen,  wÀhrend  in  anderen  FÀllen  Inkontinenz  besteht,  die 
bisweilen  mit  Inkontinenz  des  Darmes  vergesellschaftet  ist.  K. 
konnte  4  FÀlle  von  solchen  Harnbeschwerden  bei  perniziöser 
AnÀmie  zystoskopisch  untersuchen  und  fand  dabei  2  mal  eine  aus- 
gesprochene Trabekelblase  und  1  mal  ein  stark  prominentes  Liga- 
ment, interuretericum. 

Entfernung  von  Uretersteineu  durch  zystoskopische  Mani- 
pulation. C.  hÀlt  die  Entfernung  von  Uretersteinen  mit  Hilfe  von 
Ureterkatheter  fĂŒr  die  Methode  der  Wahl.  88  mal  bei  95  FĂ€llen  hat 
er  auf  diese  Weise  den  Stein  entfernt.  Vorbedingung  ist  tadellose 
AnÀsthesierung  des  Ureters  und  der  Blase,  die  durch  2  %  Novo- 
cainlösung  erreicht  wird.  —  Nach  der  AnĂ€sthesierung  wird  mit 
Hilfe  des  Zystoskopes  ein  feiner  Katheter  in  den  Ureter  geschoben, 
bis  er  an  dem  Stein  Widerstand  findet;  jetzt  lĂ€ĂŸt  man  ihn  gut 
10  Minuten  liegen  und  injiziert  wÀhrend  dieser  Zeit  etwas  Oel 
durch  ihn,  worauf  er  in  den  allermeisten  FĂ€llen  nunmehr  den  Stein 
glatt  passiert.  Alle  24  Stunde  wird  jetzt  der  Katheter  gewechselt 
und  jedesmal  ein  dickerer  eingefĂŒhrt,  soweit  es  ĂŒberhaupt  das 
Ureterenzystoskop  zulĂ€ĂŸt,  eventl.  werden  2 — 3  dĂŒnnere  Katheter 
nebeneinander  eingefĂŒhrt.  Auf  diese  Weise  wird  der  Ureter  all- 
mÀhlich dilatiert,  eventl.  wird  dies  durch  metallische  Dilatatoren 
unterstĂŒtzt,  bei  denen  allerdings  besondere  Vorsicht  geboten  ist, 
damit  man  nicht  den  Stein  durch  sie  in  das  Nierenbecken  zurĂŒck- 
schiebt, bis  der  Stein  aus  dem  Ureter  herausgleitet.  Ueble  ZufÀlle 
hat  C.  bei  dieser  Methode  kaum  gesehen,  wÀhrend  bei  der  Uretro- 
tomie  TodesfÀlle,  Niereninfektion  und  gar  nicht  selten  Fistel- 
bildung vorkommen.  Bei  Kindern  ist  diese  Methode  allerdings  nicht 
anwendbar  Infolge  des  engen  Ureters,  ebenso  nicht,  wenn  gleich- 
zeitig Blasenerkrankungen  vorliegen,  die  die  Anwendung  des 
Zystoskopes  unmöglich  machen,  und  ferner  nicht  bei  solchen  Ver- 
schlĂŒssen, die  bereits  dauernde  Anurie  oder  gar  Nierenatrophie 
hervorgerufen  haben.  Bab  (Berlin"). 

The  Canadian  Medical  Association  Journal,  Montreal. 

November  1921,  11,  Nr.  11. 

Varizellen  in  Edmonton.    Whitelaw,  T.  H.  805. 
BekÀmpfung  der  Geschlechtskrankheiten.    Melvin.  G.  O.  80«. 
Augensymptome.    Bycrs,  W.  G.  M.  811. 
‱{♩Wirt  richtig  angewendeter  AnĂ€sthesia  fĂŒr  alle  Beteiligten.  Johnston. 
»S.  813. 

Ambulatorische     Behandlung     der     chronischen  UnterschenkelgeschwUre. 

G  u  r  d  ,  F.  B.  815. 
Stickoxydul- Analgesie  und  -Anaesthesie  in  der  Geburtshilfe.    Bnurne.  W. 

und  Dune  an.  .1.  W.  818. 
Prophylaxe  der  Geisteskrankheiten  in  Canada.    H  i  n  c  k  s  ,  C.  M.  823. 
Latente  Syphilis  des  Nervensystems.    Laboratoriums-Diagnose.  Maitland. 

H.  826. 

Ein  Fall  von  Giardiasis  (Lambliasis)  intestinalis.    P  e  d  1  c  y  .  F.  G.  829. 
Chirurgische  Behandlung  der  Utcrusverlagerungen.  Gilmour.  C.  H.  831. 
^Behandlung  irreparabler  Xervenverletzungen.    Harris,  R.  J.  833. 

Chirurgische  Behandlung  der  Magen-  und  Quodenalulcera.    T>  e  a  v  e  r  .  ,T.  B. 
842. 

Pathologie  der  Osteomyelitis.    G  i  b  s  o  n  .  A.  844. 

0:e   Beziehungen  der  Syphilis  zur  SĂ€uglingsmortaltĂ€t   und  KindertĂŒrsorge. 
Morgan,  E.  A.  849. 

Ueber  den  Wert  einer  in  jeder  Beziehung  sachkundigen  An- 
Ă€sthesie. Verf.  lehnt  jede  durch  Laien  ausgefĂŒhrte  Narkose  ab 
und  fordert  spez.  ausgebildete  und  geschulte  Fachnarkotiseure. 

Behandlung  irreparabler  Nervenverletzungen.  Die  irre- 
parablen Nervenverletzungen  werden  in  zwei  Gruppen  eingeteilt, 
erstens  in  solche,  bei  denen  trotz  Nervennahtvereinigung  keine 
Heilung  eintritt  und  zweitens  in  solche,  bei  denen  eine  Nahtver- 
einigung der  Nervenenden  infolge  zu  ausgedehnter  Verletzung 
nicht  ausfĂŒhrbar  ist.  Die  Mißerfolge  der  ersten  Gruppe  beruhen 
auf  mangelhafter  Naht,  die,  wenn  möglich,  von  neuem  auszufĂŒhren 
ist.  Die  ĂŒbrigen  FĂ€lle  sind  durch  Sehnentransplantationen  und 
Sehnenfixationen  zu  behandeln.  Die  besten  Resultate  werden  er- 
zielt bei  Verletzungen  des  fast  rein  motorischen  N»  radialis,  wÀh- 
rend bei  Verletzungen  des  N.  medianus  neben  einer  Wiederher- 
stellung der  motorischen  Funktion  auch  eine  Beseitigung  der 
SensibilitÀtsstörung  durch  Nervenanastomose  angestrebt  werden 
muß.  Irreparable  Ischiadicusverletzungen  werden  besser  durch 
stabilisierende  Operationen  (Sehnenfixation)  als  durch  Sehnen- 
transplantationen behandelt.      Stadelmann  (Frankfurt  a.  M. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafe  3  «  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Strafe  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  8  Berlin,  den  22.  Februar  1922  40.  Jahrgang 

Der  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  UniversitĂ€tsklinik  fĂŒr  orthopĂ€dische  Chirurgie,  Berlin. 
Direktor:  Prof.  Dr.  G  o  c  h  l. 

Lieber  orthopĂ€dische  Maßnahmen  bei  Rhachitis. 

Von  Dr.  L.  Frosch,  Assistent. 

Die  erhebliche  Zunahme  der  Rhachitis  nach  dem  Kriege 
und  das  gehÀufte  Auftreten  besonders  schwerer  Formen  der 
Erkrankung  verleihen  mehr  denn  je  der  Frage  nach  einer 
erfolgreichen  Therapie  grĂ¶ĂŸte  Bedeutung.  Eltern  und  Pfleger, 
Schul-  und  HausÀrzte  wetteifern  im  Kampf  gegen  die  eng- 
lische Krankheit  und  werden  wirksam  unterstĂŒtzt  durch 
pÀdiatrische  und  orthopÀdische  Bestrebungen.  Letztere  sind 
nun  vielfach  nicht  in  ihrem  vollen  Umfange  bekannt  und 
finden  daher  auch  oft  genug  nicht  die  weitgehende  Anwen- 
dung, die  sie  ihrem  Werte  nach  verdienen.  Das  lehrt  uns  die 
tÀgliche  Erfahrung  am  Rhachitikermaterial  der  Poliklinik, 
in  der  wir  immer  wieder  FĂ€lle  hochgradigster  VerkrĂŒppelung 
zu  sehen  bekommen,  die  als  Folge  unsachgemĂ€ĂŸer,  zumeist 
zu  spÀt  eingeleiteter  Behandlung  aufzufassen  sind.  Die 
OrthopĂ€die  soll  aber  nicht  nur  entkrĂŒppeln,  sie  ist  ebenso 
dazu  berufen,  drohende  DeformitĂ€tenbildung  zu  verhĂŒten 
oder  sie  in  ihrem  ersten  Entstehen  erfolgreich  zu  bekÀmpfen. 
In  welcher  Weise  dies  zu  geschehen  hat  und  inwieweit  gerade 
der  Praktiker  imstande  ist,  hier  nutzbringend  mitzuwirken, 
sei  im  folgenden  dargetan.  Die  mitgeteilten  Tatsachen 
stĂŒtzen  sich  hierbei  auf  die  Resultate  einer  Behandlung,  die 
von  G  o  c  h  t  seit  Jahren  als  bewÀhrt  erkannt  und  an  vielen 
Tausenden  von  Rhachitikern  der  Klinik  angewandt  wor- 
den ist. 

Zuvor  sei  noch  kurz  betont,  daß  auch  die  OrthopĂ€die  als 
wundlĂ€ge  jeglicher  zweckmĂ€ĂŸigen  Therapie  der  Rhachitis 
die  von  der  PĂ€diatrie  ausgebauten  und  zu  großer  Vollendung 
erhobenen  hygienisch-diÀtetischen  Verordnungen  ansieht  und 
zur  Verwendung  gelangen  lĂ€ĂŸt,  wie  denn  ĂŒberhaupt  nur  im 
innigen  Zusammenarbeiten  beider  Disziplinen  ein  wirklicher 
Erfolg  zu  erhoffen  ist.  NaturgemĂ€ĂŸ  wĂŒrde  eine  nĂ€here  An- 
gabe entsprechender  -Vorschriften  hier  zu  weit  fĂŒhren,  wes- 
halb auf  die  LehrbĂŒcher  der  Kinderheilkunde  verwiesen  sei. 

Zwecks  besserer  Uebersicht  unserer  orthopĂ€dischen  Maß- 
nahmen und  ihrer  Anwendungsgebiete  unterscheiden  wir 
zwei  Epochen  der  Erkrankung:  die  eigentliche  und  die  SpÀt- 
rhachitis.  Die  erstere  wieder  gliedert  sich  entsprechend  dem 
Verlauf  des  Prozesses  im  Knochen  in  drei  Stadien.  Natur- 
gemĂ€ĂŸ kann  solche  Einteilung  nur  systematisch  sein  und  nie 
das  Bild  der  allmÀhlichen  UebergÀnge  der  Krankheit  und 
ihres  Ă€ußerst  ungleichartigen,  chronischen  Verlaufes  voll  und 
ganz  schildern. 

I..  Epoche  (vom  Y* — 4.  Jahr). 

1 .  Das  f  1  o  r  i  d  e  Stadium. 

Beginnend  im  eisten  Lebensjahr  und  sich  bis  ins  zweite 
hinziehend,  bisweilen  auch  spÀter  noch  einsetzend,  ist  es,  ab- 
gesehen von  den  bekannten  klinischen  Symptomen  (Granio- 
tabes,  Rosenkranz,  Epiphysenverdickungen  an  HĂ€nden  und 
FĂŒĂŸen,  Kopfsehweißen  usw.)  gekennzeichnet  durch  die  in 
seiriem  Verlaufe  bald  einsetzende  und  daher  hier  vor  allem 
interessierende  Neigung  zur  DeformitÀtenbildung.  Gerade 
deshalb  aber,  weil  wir  es  noch  mit  beginnender  De- 


formierung  zu  tun  haben,  verspricht  die  sofortige  ortho- 
pÀdische Behandlung  Erfolg! 

Das  Röntgenbild  des  Handgelenkes  zeigt  in  allen  erheb- 
licheren FÀllen  die  typischen  VerÀnderungen,  von  denen  die 
becherförmige  Ausbuchtung  der  Epiphysen,  die  zackige,  un- 
regelmĂ€ĂŸige Epiphysenlinie,  die  breite  Knorpelwucherungszone 
und  Fehlen  oder  minimale  Andeutung  der  Verkalkung  hier 
anzufĂŒhren  genĂŒgt.  Bei  allen  Patienten  mit  derartigem 
Röntgenbefund  ist  orthopÀdische  Behandlung  unbedingt  ge- 
boten! Wir  raten  deshalb  in  jedem  Falle  von  Belang  zur 
Röntgenkontrolle  des  rhachitischen  Prozesses  im  Knochen, 
zumal  hierdurch  die  Indikationsstellung  sehr  erleichtert  wird. 

Die  zunÀchst,  gewöhnlich  mit  Beginn  der  Aufrichtungs- 
periode, aber  auch  frĂŒher  schon  auftretende  Mißbildung,  die 
Sitzkyphose,  korrigieren  wir  durch  möglichst  konstante 
Lagerung  des  Kranken  auf  glatter,  ebener  UnterlĂ€ge  (Roß- 
haarmatratze) und  zwar  in  Bauchlage,  eventl.  durch  seitliche 
Polster  unterstĂŒtzt.  Dies  sollte  selbst  bei  Rhachitisverdacht 
die  erste  Verordnung  des  Arztes  sein!  Vorgeschrittene  FĂ€lle 
lassen  durch  passive  Lordosierung  der  WirbelsÀule  die 
Kyphose  nicht  mehr  ausgleichen.  Bei  ihnen  zeigt  sich  auch 
hÀufig  schon  die  verhÀngnisvolle  seitliche  Verbiegung  der 
WirbelsÀule,  kompliziert  durch  die  Torsion  derselben  (der 
Anfang  des  Buckel  s!).  Hier  lassen  wir  das  Kind  stÀndig 
in  dem  von  fachkundiger  Hand  hergestellten  Gipsbett 
ruhen,  in  dem  es  auch  bequem  herumgetragen  und  trans- 
portiert werden  kann.  Der  bisweilen  gehörte  Vorwurf  der 
Unmöglichkeit  dauernden  Liegens  in  solcher  Gipslade  ist 
nach  unseren  Erfahrungen  in  vielen  Hunderten  von  FĂ€llen, 
selbst  unruhigster  und  verwöhntester  Rhachitiker,  unge- 
rechtfertigt. Auch  die  hÀufigen  Atemstörungen  der  Rhachi- 
tiker lassen  sich  durch  Herumtragen  der  Kinder  im  Gipsbett, 
und  zwar  in  aufrechter  Stellung,  gĂŒnstig  beeinflussen.  Da- 
neben erweist  sich  Massage  des  RĂŒckens  und  vorsichtige 
aktive  und  passive  Gymnastik  der  WirbelsÀule  unter  Aus- 
schaltung der  Belastung  als  unumgÀnglich. 

Wichtig  ist  ferner  das  strenge  Verbot  des  Tragens  rhachi- 
tischer  Kinder  stets  auf  ein-  und  demselben  Arm  in  sitzender 
Stellung:  die  Folge  ist  hÀufig  Ausbildung  des  einen  Beines 
als  O-Bein,  des  anderen  als  X-Bein.  Ist  es  doch  dahin  ge- 
kommen, so  verordnen  wir  baldigst  energische  Massage  der 
Beine  und  sogenannte  RedressionsĂŒbungen,  passiv  manuell 
ausgefĂŒhrte  Biegungen  der  betr.  ExtremitĂ€t  in  redressieren- 
dem  Sinne.  Gerade  mit  den  letztgenannten  Mitteln  lassen  sich 
sehr  schöne  Erfolge  erzielen. 

Die  in  hochgradigen  FĂ€llen  bekanntlich  sehr  leicht  und 
oft  zahlreich  auftretenden  Spontan!' rakturen  werden 
wie  andere  BrĂŒche  mit  GipsverbĂ€nden  behandelt. 

Die  Periode  des  Kriechens,  Stehens  und  Laufens  ergibt 
weiterhin  die  erhöhte  Möglichkeit  der  Ausbildung  der  eigent- 
lichen DeformitÀten  an  den  Gliedern.  An  den  Armen 
treten  bisweilen  VerkrĂŒmmungen  besonders  im  un- 
teren Abschnitt  auf,  die  wir  mit  den  genannten  Redressions- 
ĂŒbungen behandeln.  Die  HĂŒfte  zeigt,  oft  schon  sehr  frĂŒh, 
C  o  x  a  v  a  r  a  -  B  i  1  d  u  n  g,  ein  in  der  Allgemeinheit  ver- 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸig selten  erkanntes  Leiden,  das  sich  vor  allem 
durch  watschelnden  Gang  mit  Lordose  der  WirbelsÀule,  posi- 
tives Trendelenburg  sches  PhÀnomen,  sowie  durch  mehr 
«nler  minder  erhebliche  Spreizbehinderung  der  Beine  Ă€ußert. 
Wollen  wir  eine  spĂ€ter  Ă€ußerst  schwere,  oft  nur  durch  Ope- 


Frosch:  Rhachitis 


40.  Jahrg.  -  Nr.  8 


ration  zu  beseitigende  MißbiLdung  vermeiden,  so  beginnen 
wir  frĂŒhestens  mit  passiven  und,  falls  schon  möglich,  aktiven 
SpreizĂŒbungen,  ergĂ€nzt  durch  eine  nachts  angelegte  Gipslade, 
die  die  Spreizstellung  der  Beine  festhalten  soll. 

Die  Behandlung  der  jetzt  auch  sehr  hÀufig  auftretenden 
0  -  B  e  i  n  e  und  etwas  weniger  oft  vorkommenden  X  - 
Beine  ist  bereits  angegeben.  Je  frĂŒhzeitiger  wir 
beginnen,  um  so  sicherer  der  Erfolg.  Bedenklich  ist 
die  winklige  Abknickung  oberhalb  der  Knöchel:  hier 
muß  Stehen  und  Gehen  möglichst  eingeschrĂ€nkt 
werden.  Alle  DeformitÀten  der  unteren  Extremi- 
tÀt, besonders  aber  X-Beine  und  das  Vorhandensein  einer 
Adipositas,  disponieren  ferner  zur  Plattknickfuß- 
bildung, die  in  dieser  Zeit  bereits  mit  kleinen,  nach 
SohlenabdrĂŒcken  hergestellten  Holzeinlagen  sowie  mamellen 
Redressionen  behandelt  werden  sollte,  um  den  Kranken  von 
einer  spĂ€ter  sehr  unangenehmen  Fußanomalie  möglichst 
sicher  zu  befreien. 

Wir  ersehen  schon  aus  den  vorstehenden  Zeilen  die 
Wichtigkeit  der  Anwendung  von  Massage  und  redressieren- 
den Maßnahmen  bei  DeformitĂ€tenbildung  in  diesem  ersten 
Stadium  der  Rhachitis.  Obwohl  ein  nÀheres  Eingehen  auf 
die  Allgemeinbehandlung  der  Erkrankung,  die  besonders  im 
floriden  Abschnitt  im  Vordergrunde  steht  und  durch  ortho- 
pĂ€dische Maßnahmen  nur  gleichsam  ergĂ€nzt  wird,  hier  nicht 
stattfinden  kann  und  deshalb  auf  die  pÀdiatrischen  Lehr- 
bĂŒcher hingewiesen  sei,  möchte  ich  doch  wenigstens  auf  die 
Massage  aufmerksam  machen.  Sie  erweist  sich  nicht  nur 
Innsichtlich  spezieller  Einwirkung  auf  im  Entstehen  be- 
griffene Verbiegungen  des  Skelettes  als  geradezu  unerlĂ€ĂŸlich, 
sondern  vermag  auch  einen  gĂŒnstigen  Einfluß  auf  die  bei 
Rhachitis  oft  erkrankte,  zum  mindesten  geschwÀchte  Mus- 
kulatur auszuĂŒben.  Außerdem  aber  lĂ€ĂŸt  sich  ein  vorteil- 
hafter Einfluß  der  Massage  auf  den  geschĂ€digten  Stoffwechsel 
und  damit  das  Allgemeinbefinden  keineswegs  von  der  Hand 
weisen,  ein  Faktor,  dem  doch  eine  gewisse  Wichtigkeit  nicht 
abgesprochen  werden  kann.*)  Im  ĂŒbrigen  kommt  es  gerade 
im  floriden  Stadium  der  Rhachitis  sehr  darauf  an,  die  rich- 
tige Mitte  zwischen  erlaubter  und  schĂ€dlicher  AusfĂŒhrung  der 
statischen  Funktionen  (Sitzen,  Kriechen,  Stehen,  Gehen  usw.) 
einzuhalten.  Dauerndes  Stilliegen  der  Kranken,  womög- 
lich im  dumpfigen,  lichtlosen  Zimmer  ist  ebenso  bedenk- 
lich als  zu  vieles  Stehen  und  Gehen.  Alle  diesbezĂŒglichen 
Anordnungen  ergeben  sich,  worauf  noch  einmal  hingewiesen 
sei,  abgesehen  vom  allgemeinen  klinischen  Befund,  aus  der 
stÀndigen  Röntgenkontrolle  des  Kalkansatzes  der  Knochen 
sowie  aus  der  genauen  Beobachtung  der  FormverÀnderungen 
der  Glieder,  die  am  besten  mittels  Umrißzeichnungen  in  zeit- 
lichen AbstĂ€nden  nachgeprĂŒft  werden. 

2.  Das  Stadium  der  Abheilung. 
Es  fĂ€llt  ungefĂ€hr  ins  2. — 4.  Jahr  und  bildet  gleichsam 
den  Uebergang  der  floriden  zur  eburnisierten  Rhachitis. 
Neben  der  Besserung  des-  Allgemeinzustandes  steht  die  zu- 
nehmende Verkalkung  der  vorher  kalkarmen  Knochen  im 
Vordergrund.  Das  Röntgenbild  des  Handgelenkes  zeigt  da- 
her die  bekannten  VerÀnderungen:  die  mehr  oder  minder 
breite  Verkalkungszone  (KalkbÀnder),  die  GlÀttung  der  Epi- 
physenlinie,  den  Ausgleich  der  kolbigen  Epiphysen  und  die 
deutlich  sichtbar  werdende  Architektur  der  Spongiosa.  Die 
vorhandenen  DeformitĂ€ten  können  sich  in  gĂŒnstigen  FĂ€llen 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  zurĂŒckbilden,  falls  sie  nicht 
\on  vornherein  zu  ausgeprÀgt  waren.  Indessen  sollen  wir 
uns  nie  darauf  verlassen,  sondern  vor  allem  bei  Kindern,  die 
offenbar  im  Wachstum  zurĂŒckbleiben  (vergleichende  Mes- 
sungen ausfĂŒhren!),  unbedingt  die  folgenden  orthopĂ€dischen 
Maßregeln  zu  Hilfe  nehmen.  Hier,  wo  zur  erhöhten  Belastung 
infolge  vermehrter  statischer  Funktionen  noch  die  zu- 
nehmende VerhÀrtung  der  Knochen  kommt,  sind  Behand- 
lungsfehler  wesentlich  verhÀngnisvoller  als  im  vorher  be- 
schriebenen Abschnitt  der  Erkrankung.   Leider  kommen  wir 

A  ii  m  e  r  k  u  n  g  :  NĂ€heres  ĂŒber  diese  Fragen  ersieht  man 
aus  einer-  demnĂ€chst  in  der  „Klinischen  Wochenschrift"  erschei- 
nenden Abhandlung  des  Verfassers. 


nicht  mehr  mit  den  vorigen  relativ  einfachen  Mitteln  aus. 
Bei  der  Skoliose  der  WirbelsÀule,  die  jetzt  eine 
viel  augenfÀlligere  Torsion,  oft  schon  einen  kleinen  Buckel 
zeigt,  verordnen  wir  zunÀchst  noch  das  Gipsbett,  vermehren 
jedoch  die  Massage  und  RedressionsĂŒbungen;  Kinder  ĂŒber 
3  Jahre  beginnen  orthopÀdisch  zu  turnen.  Verbiegun  - 
gen  der  Arme  erfordern  in  schwereren  FĂ€llen  die  un- 
blutige manuelle  oder  maschinelle  Infraktion  (Osteoklase). 
Bei  Coxa  vara  raten  wir  zu  einem  nach  vorheriger  Sprei- 
zung in  Narkose  angelegten  Spreizgips,  dessen  Resultat  durch 
nachfolgende  aktive  und  passive  SpreizĂŒbungen  gesichert 
wird.  Die  Dauer  der  Gipsbehandlung  dĂŒrfte  hierbei  mit 
4 — 8  Wochen  nicht  zu  kurz  berechnet  sein.  X-Beine 
brauchen  ebenfalls  Redression  im  Gips,  jedoch  gewöhnlich 
etappenweise,  daher  schmerzlos  und  ohne  Narkose  auszu- 
fĂŒhren. Die  Nachbehandlung  mit  sogen.  X-Beinschienen  ist 
in  allen  schwereren  FĂ€llen  unerlĂ€ĂŸlich  und  betrĂ€gt  etwa  ein 
Jahr.  Bei  leichteren  Formen  genĂŒgt  Schienenbehandlung. 
Ü-Beine  behandeln  wir  mit  Osteoklasie,  wie  bei  den  Arm- 
verkrĂŒmmungen beschrieben,  falls  kosmetische  GrĂŒnde  oder 
die  Gefahr  unrichtiger  Fußstellung  in  Frage  kommen.  Auch 
stark  deformierte  Oberschenkel  erfordern  eine  solche  Thera- 
pie. Stets  bildet  ein  sechswöchentlicher  Gipsverband  den  Ab- 
schluß des  Eingriffes,  wĂ€hrend  die  Nachbehandlung  in 
Massage,  seltener  in  Schienenanlegung  besteht.  Den  Eltern 
zur  Osteoklasie  zu  raten,  sollte  man  sich  nie  scheuen,  da  die 
Resultate  des  relativ  kleinen  Eingriffs  mit  seltenen  Aus- 
nahmen ĂŒberraschend  gĂŒnstig  sind.  PlattknickfĂŒĂŸe  stĂ€rkerer 
Grade  werden  fĂŒr  2  mal  4  Wochen  in  redressierter  Stellung 
eingegipst  und  spÀter  mit  Einlagen,  öfter  auch  Schienchen 
behandelt.  Die  Therapie  difform  geheilter  Spontan- 
fraktur e  n  gleicht  der  bei  den  BeindeformitÀten  ange- 
gebenen. Wir  erkennen  also,  daß  die  orthopĂ€dischen  Maß- 
nahmen des  Verkalkungsstadiums  der  Rhachitis  nicht  nur 
grĂ¶ĂŸere  Eingriffe  darstellen  (Narkosen,  Klinikaufenthalt, 
langes  Liegen  im  Gipsverband  usw.),  sondern  mĂŒssen  auch 
mit  lÀngerer  Nachbehandlung  und  vermehrten  Kosten  (Ver- 
bÀnde, Schienen,  Einlagen  usw.)  rechnen,  alles  UmstÀnde, 
die  doch  schon  ganz  erheblich  ins  Gewicht  fallen.  Die  In-  i 
dikationsstellung  ist  hier  schwieriger,  Unterlassungen  ver-  j 
hÀngnisvoller,  namentlich  bei  raschem  Kalkansatz  oder  bei 
sehr  elenden  Kindern.  In  allen  ZweifelsfÀllen  sollte  daher 
der  Facharzt  zugezogen  werden.  Leider  mĂŒssen  wir  immer 
wieder  wahrnehmen,  wie  gerade  bei  der  ausheilenden  Rha- 
chitis gegen  die  Forderung  rechtzeitiger  orthopÀdischer  Be- 
handlung verstoßen  wird,  vielleicht  wegen  der  augenschein- 
lichen Besserung  des  Allgemeinbefindens  des  Kranken  zu 
dieser  Zeit.  Besonders  hier  scheint  das  verhÀngnisvolle 
Wort:  „Es  wird  sich  schon  verwachsen"  seine  Hauptgeltung 
zu  haben.  Den  unsÀglichen  Schaden,  den  diese  Auffassung 
aĂŒch  heute  noch  stiftet,  mĂŒssen  wir  in  der  orthopĂ€dischen 
Sprechstunde  tĂ€glich  wieder  feststellen.  Daß  außer  den  spe- 
ziellen orthopÀdischen  Verordnungen  als  Grundlage  erfolg- 
reicher Behandlung  der  gesamte  Apparat  der  Allgemein - 
therapie  zu  verwenden  ist,  braucht  nicht  betont  zu  werden. 
Auch  hier  hĂ€ngt  ein  gĂŒnstiges  Resultat  in  erster  Linie  vom 
Zusammenarbeiten  aller  in  Betracht  kommenden  Zweige  dei 
Medizin,  sowohl  der  inneren  als  Ă€ußeren,  ab. 

;i  Die  difform  ausgeheilte  Rhachitis 
(nach  dem  4. — 5.  Lebensjahr). 

Sie  bildet  den  Abschluß  mangelhaft  behandelter  oder 
sic  h  selbst  ĂŒberlassener  Rhachitis,  sofern  diese  nicht  so  leicht 
war,  daß  eine  „Spontanheilung"  etwaiger  DeformitĂ€ten  ein- 
trat. Mehr  oder  weniger  erhebliche,  oft  schwerste  Mißbildun- 
gen, besonders  der  WirbelsÀule  und  der  unteren  ExtremitÀt 
sind  die  Kennzeichen.  Am  Röntgenbilde  des  Handgelenkes 
erinnern  hÀufig  noch  die  etwas  verdickten  Epiphysen  an  die 
frĂŒheren  VerĂ€nderungen:  im  ĂŒbrigen  erkennen  wir  eine  sehr 
kompakte  Architektur.  Namentlich  die  Corticalis  ist  ge- 
wöhnlich stark  verdickt;  eine  Verengerung  der  Markhöhle 
ist  die  unausbleibliche  Folge.  Dies  und  die  außerordentliche 
HĂ€rte  der  Knochen  (Eburnisation)  bestimmen  die  Art  un- 


10.  Jahrg.  —  Nr. 8  Dreuw:  Syphilistherapie  I«i7 


seres  Vorgehens,  das  naturgemĂ€ĂŸ  ein  rein  chirurgisch-ortho- 
pÀdisches sein  inuli.  Wenn  hier  trotzdem  auf  eine  kurze 
Besprechung  der  notwendigen  Maßnahmen  eingegangen 
wird,  so  geschiehl  es,  um  einerseits  den  Hausarzt  zur  rich- 
tigen Beratung  der  Angehörigen  in  Stand  zu  setzen,  und 
dann  zur  ErklÀrung  der  Wichtigkeit  unbedingter  Behand- 
lungsnotwendigkeit. Denn  nicht  nur  kosmetische  GrĂŒnde 
bestimmen  uns,  wie  man  glauben  könnte,  zur  oft  mĂŒhevoll- 
sten Therapie  der  difform  geheilten  Rhachitis,  sondern  vor 
allem  die  stets  aus  der  FormverÀnderung  des  Skelettes  resul- 
l inenden  Funktionsstörungen,  die  progressiv  mit  den  Jah- 
ren zunehmen.  (Folge  vermehrter  Inanspruchnahme  bei  er- 
höhter Belastung.)  So  bedingt  die  Kyphoskoliose  VerdrÀn- 
gungserscheinungen usw.  innerer  lebenswichtiger  Organe. 
Coxa  vara  und  PlattfĂŒĂŸe  erschweren  das  Gehen  außerordent- 
lich, letztere  haben  ferner  Krampfadern,  Gehschwielen  usw. 
zur  Folge.  Im  Vordergrund  aber  stehen  die  zahlreichen 
arthritischen  VerÀnderungen  aller  betroffenen  Gelenke  in- 
folge falscher  Belastung.  Ferner  ist  zu  bedenken,  daß  jede 
DeformitÀt  eine  andere  nach  sich  zieht:  die  Skoliose  ver- 
krĂŒppelt den  Brustkorb,  die  Coxa  vara  bedingt  WirbelsĂ€ulen- 
lordose,  X-Beine  und  O-Beine  verursachen  PlattknickfĂŒĂŸe. 
Letztere  wie*der  geben  zur  Hallux-valgus-Bildung  Anlaß. 
Alle  einseitig  mehr  ausgeprĂ€gten  Mißbildungen  der  unteren 
ExtremitÀt  ziehen  die  statische  Skoliose  nach  sich. 

Unsere  Behandlung  stellt  sich  kurz  folgendermaßen  dar: 
die  Kyphoskoliose  erfordert  jahrelanges  orthopÀdisches  Tur- 
nen, Massage,  aktive  und  passive  Redressionen,  dazu  Exten - 
sionsgipskorsetts,  ferner  hĂ€ufig  das  bewĂ€hrte,  oft  unerlĂ€ĂŸ- 
liche Hessingkorsett.  Alles  Maßnahmen,  deren  Kosten  heute 
mit  Tausenden  von  Mark  nicht  zu  niedrig  veranschlagt  wer- 
den, deren  Erfolg  jedoch  in  den  schwereren  FĂ€llen  kaum 
eine  Beseitigung,  bestenfalls  ein  Aufhalten  des  Weiterschrei - 
U  ns  des  Leidens  darstellt.  Auch  die  Coxa  vara  stellt  uns 
vor  ernste  Probleme  hinsichtlich  gĂŒnstiger  Behandlungs- 
resultate. Mehrfache  gewaltsame  unblutige  Redressionen, 
subtrochantere  blutige  Infraktionen,  ja  die  Resektion  des 
HĂŒftkopfes  können  nötig  werden;  unerlĂ€ĂŸlich  ist  dabei  stets 
die  monatelange  Gipsbehandlung.  X-  und  O-Beine  lassen 
sich  jetzt  nur  noch  auf  operativem  Wege  beseitigen  (Keil- 
osteotomien),  wobei  namentlich  die  Korrekturen  der  Unter- 
schenkeldeformitĂ€ten recht  große  Eingriffe  darstellen.  Ebenso 
erweist  sich  bei  PlattfĂŒĂŸen,  falls  Einlagen  nicht  zum  Ziele 
fĂŒhren,  die  gewaltsame  Redression  oder  gar  die  operative 
Wiederherstellung  des  Gewölbes  hÀufig  als  nötig. 

So  ist  die  Therapie  der  difform  geheilten  Rhachitis  cha- 
rakterisiert durch  die  GrĂ¶ĂŸe  der  Eingriffe,  die  Dauer  der  not- 
wendigen Behandlungszeit  und  schließlich  als  heute  ganz  er- 
heblich ins  Gewicht  fallend  die  Höhe  der  Kosten.  Letztere 
schrÀnken  aber  in  mindestens  40  Prozent  der  FÀlle  die  kon- 
sequente DurchfĂŒhrung  der  erforderlichen  Maßnahmen  ein, 
wenn  sie  diese  nicht  sogar  ganz  vereiteln!  Bedenken  wir 
dann  noch  den  oft  nur  beschrÀnkten  Erfolg  unserer  Be- 
mĂŒhungen bei  allen  schweren  Formen  der  Mißbildungen,  so 
sollten  dies  weitere  GrĂŒnde  sein,  es  nicht  bis  dahin 
kommen  zu  lassen,  sondern  unter  allen  UmstÀnden  einen 
gĂŒnstigen  Abschluß  der  vorher  genannten  Stadien  der  Rha- 
chitis zu  erzwingen. 

Die  zweite  Epoche  (sog.  SpÀtrhachitis). 

Sie  fÀllt  gewöhnlich  in  die  PubertÀtszeit,  bisweilen  auch 
in  frĂŒhere  Jahre,  und  gibt,  wie  man  vielfach  annimmt,  An- 
laß zu  den  DeformitĂ€ten  Adolescenler.  Unter  diesen  sind  be- 
sonders Coxa  vara,  X-Beine  und  PlattfĂŒĂŸe  zu  nennen,  aber 
auch  Skoliosen  und  O-Beine  werden  beobachtet.  Die  Be- 
handlung gestaltet  sich  rein  orthopÀdisch  und  ist  aus  dem 
vorher  Gesagten  ohne  weiteres  zu  ersehen;  sie  wird  hÀufig 
selbst  bei  frĂŒh  behandelten  FĂ€llen  recht  eingreifend. 

Eine  kurze  Zusammenfassung  unserer  AusfĂŒhrungen  er- 
gibt hauptsÀchlich  folgende  Resultate  hinsichtlich  einer 
zweckmĂ€ĂŸigen  Rhachitistherapie: 

Unter  der  Voraussetzung  einer  als  Grundlage  unbedingt 
notwendigen   pÀdiatrisch-internen  Allgemeinbehandlung  ist 


die  Forderung  orthopĂ€discher  Maßnahmen  im  ganzen  Ver 
laufe  der  Erkrankung  dringend  zu  stellen.   Solche  setzen  be 
reits  im  floriden  Stadium  prophylaktisch  ein,  sobald  die  ge 
ringste  Neigung  zur  DeformitÀtcnbildung  zutage  tritt.  Sic 
sind  bei  vorgeschrittener  und  voll  ausgeprĂ€gter  VerkrĂŒppc 
hing  unerlĂ€ĂŸlich.     Ein  absoluter  Erfolg  lĂ€ĂŸl  sich  nur  bei 
rechtzeitiger  und  exakter  Vornahme  genannten  orthopÀdi 
sehen  Vorgehens  voraussagen.    Jeder  Aufschub,  jedes  Ver 
zögern  bedeutet  lÀngere  Dauer,  erhöhte  Schwierigkeil  und 
Kostspieligkeit  der  Behandlung. 

Eine  bedeutsame  Vertiefung  erfahren  alle  diese  Forde 
rungen,  wenn  man  unsere  heutige  soziale  Lage  bedenkt:  nur 
die  wenigsten  Eltern  sind  imstande,  die  ganze  kostspielige 
Therapie  durchzufĂŒhren,  wie  sie  bei  vollendeter  rhachiti- 
scher  Mißbildung  notwendig  wird.  Die  ungĂŒnstigen  Folgen 
hinsichtlich  der  ArbeitsfÀhigkeit  unseres  Volkes  liegen  auf 
der  Hand.  Um  so  mehr  sollte  der  Praktiker,  der  als  erster 
zur  Behandlung  gerufen  wird,  die  aufgestellten,  orthopÀdi- 
schen Forderungen  zu  erfĂŒllen  bestrebt  sein;  so  vermag  auch 
er  sich  weitgehend  am  Kampfe  gegen  die  englische  Krank- 
heit beteiligen  und  zum  endgĂŒltigen  Erfolge  beizutragen. 


Theoretisches  und  Praktisches  zur 
Syphilistherapie. 

Von  Dr.  med.  Dreuw,  Berlin. 

In  Nr.  5,  1922,  der  „Klinischen  Wochenschrift"  vom 
28.  1.  22  trĂ€gt  Dr.  S.  B  e  r  g  e  1  Theorien  ĂŒber  „Die  natĂŒrlichen 
Abwehrmittel  des  Körpers  gegen  die  syphilitische  Infektion 
und  ihre  Beeinflussung,  besonders  durch  Quecksilber"  vor, 
die  ich  durch  folgenden  Aufsatz  ergÀnzen  möchte,  der  in 
wesentlichen  Punkten  zu  anderen  Ergebnissen  als  Bergel 
kommt. 

Ich  glaube  in  meinen  BĂŒchern  und  Schriften1)  nachge 
wiesen  zu  haben,  daß  die  ĂŒblichen  Salvarsan-Heilmittel  nicht 
imstande  sind,  beim  Menschen  auf  einmal  oder  in 
kurzer  Zeit  die  Spirochaeten  fĂŒr  die  Dauer  abzutöten.  Wenn 
eine  Dauer-Heilung  eintritt,  so  geschieht  dies  indirekt  durch 
die  KrÀfte  des  Organismus,  die  durch  die  Heilmittel  mobil 
gemacht  werden.  Auf  meiner,  im  Auftrag  des  preußischen 
Kultusministeriums  gemachten  Studienreise  an  das  Ehrlich - 
sehe  Institut  in  Frankfurt  a.  Main  im  Juli  1919  suchte  der 
Nachfolger  E  h  r  1  i  c  h  '  s,  K  o  1 1  e,  mir  an  der  Hand  einer 
Anzahl  von  Tierversuchen  zu  beweisen,  um  meine  Salvarsan  - 
gegnerschaft  ins  Unrecht  zu  setzen,  daß  das  Salvarsan  die 
Spirochaeten,  zum  Beispiel  die  Rekurrens-Spirochaeten,  bei 
der  Maus  prompt  abtöte,  und  daß  z.  B.  die  im  Hodenschanker 
eines  Kaninchens  anzutreffenden  lebenden,  beweglichen 
Spirochaeten  nach  der  Einspritzung  von  Salvarsan  ver- 
schwunden  seien.  In  der  Tat  kann  man  bei  Tierversuchen 
beobachten,  daß  nach  der  Einspritzung  des  Salvarsans  im 
Mikroskop  tatsÀchlich  die  Spirochaeten,  die  vorher  im  Blute 
oder  im  Schanker  vorhanden  waren,  nicht  mehr  zu  sehen, 
was  aber  nicht  bedeutet,  nicht  mehr  vorhanden  sind.  Ich 
habe  Herrn  Geheimrat  Kolle  erwidert,  1.  daß  diese  Tier- 
versuche, die  in  der  Tat  auf  den  ersten  Blick  verblĂŒffend 
wirken,  nicht  ohne  weiteres  auf  die  chronischen  Erkran- 
kungsformen des  Menschen  zutreffen,  2.  daß  die  Spirochaete 
Sporen  und  Knospen  bildet,  die  der  Abtötung  nicht  zugÀng- 
lich seien,  daß  nicht  alle  Spirochaeten  abgetötet  wĂŒrden,  da 
man  sie  ja  nach  der  Abheilung  der  Schanker  beim  Menschen 
in  der  Tiefe  der  vernarbten  und  dann  ausgeschnittenen  und 
mikroskopisch  untersuchten  Schanker-Hautstellen  noch  vor- 

l)  Die  Sexualrevolution.  Der  Kampf  um  die  Be- 
kÀmpfung der  Geschlechtskrankheiten.  Verlag  Ernst  Bircher- 
Leipzig.  528  S.  Die  Salvarsangefahr.  Selbstverlag 
Haut  -  und  Geschlechtskrankheiten.  Fischers  medic. 
Buchhdlg.,  Berlin,  Keithstraße.  Im  Kampf  fĂŒr  Wissen- 
schaft und  Wahrheit.  Flugschrift  der  biologisch - 
medizin.  Gesellschaft.  Der  Heilwert  des  Sal- 
varsan. Archiv  fĂŒr  physik.-diĂ€t.  Therapie  Nr.  8/9,  1916  und 
1917.     Ueber   Ehrlich-Hata.     Dermatol.   Zeitschrift.  1911. 


1<)S 


Dreuw:  Syphilislherapie 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


gefunden  und  mit  Erfolg  ĂŒberimpft  hĂ€tte,  daß  also  die  Ab  - 
iölung nur  eine  oberflÀchliche  scheinbare  sei,  was  auch  dar- 
aus hervorgehe,  daß  sich  in  den  geheilten  Schankerstellen 
hÀufig  Rezidive  aus  den  nicht  abgetöteten  Erregern  bilden, 
o.  daß  man  die  Spirochaeten,  die  sich  natĂŒrlich  gegenĂŒber 
den  abtötenden  Mitteln  energisch  zur  Wehr  setzen,  mög- 
licherweise von  der  Haut  weg  in  das  Innere  des  Körpers,  ja 
sogar  in  das  Nervengewebe  hinein  treibe. 

Als  ich  Herrn  Geheimrat  K  o  1 1  e  dann  bat  (siehe  meine 
BĂŒcher  „Sexualrevolution",  „Im  Kampf  fĂŒr  Wissenschaft  und 
Wahrheit",  „Die  Salvarsangefahr"  sowie  „Haut-  und  Ge- 
schlechtskrankheiten"), nachdem  er  mir  im  Tierversuch,  bei 
dem  man  die  SchĂ€digungen  nicht  feststellen  kann,  die  gĂŒn- 
stige Seite  der  Salvarsan-Wirkung  demonstriert  und  mich 
ebenfalls  auf  die  gĂŒnstige  Beeinflussung  beim  Menschen  hin- 
gewiesen hatte,  mir  einmal  eine  Registrierung  der  in  der  Lite- 
ratur beschriebenen  TodesfÀlle  und  der  sonstigen  SchÀdi- 
gungen zu  zeigen,  erklÀrte  er  mir,  eine  solche  Aufstellung  sei 
in  dem  Ehrlich'schen  Institut  nicht  gemacht  worden.  Da 
man  von  einem  Institut,  in  dem  das  Salvarsan  entdeckt  wor- 
den ist,  verlangen  muß,  daß  es  nicht  nur  die  Aktiva,  sondern 
auch  die  Passiva  registriert,  zumal  die  zahlreichen  Ange- 
stellten des  Institutes  dies  bequem  machen  konnten,  so  habe 
ich  als  Fazit  dieser  Reise  den  in  meinem  Buch  „Die  Sexual - 
revolution"  Seite  356  abgedruckten  Bericht  an  das  Ministe- 
rium geschickt,  aus  dem  hervorgeht,  daß  eine  derartige 
„Lösung  dieser  Frage"  nicht  angĂ€ngig  ist.  Wie  wichtig  wĂ€re 
es  gewesen,  wenn  das  Institut,  von  dem  die  m.  E.  unrichtige 
Behauptung  ĂŒber  die  etwa  100  %-  Heilwirkung  des  Salvar- 
sans  nach  einer  m.  E.  ungenĂŒgenden,  weil  zu  kurzfristigen 
PrĂŒfung2)  verbreitet  wurde,  die  TodesfĂ€lle  und  die  Nerven- 
errkankungen  regelmĂ€ĂŸig  registriert  hĂ€tte,  so  wie  es  spĂ€ter 
Professor  Nonne  und  Professor  K  y  r  1  e  gemacht  haben, 
dann  wĂ€re  schon  lange  der  Menschheit  klar  geworden,  daß 
das  Salvarsan  die  Spirochaeten  revera  nicht  abtötet,  sondern 
sie  im  Gegenteil  in  das  Innere  des  Körpers,  in  das  subtile 
Nervengewebe,  ins  Gehini  und  RĂŒckenmark  hineintreibt. 
Man  sollte  meinen,  diese  auf  dem  HautÀrztetage  1921  an  der 
Hand  von  tausenden  von  Versuchen  festgestellte  Tatsache, 
ĂŒber  die  Professor  Nonne  und  Professor  K  y  r  1  e  berichte- 
ten, hÀtten,  abgesehen  von  den  TodesfÀllen  À  tempo  allen 
SalvarsananhÀngern  ein  Verbot  der  Salvarsaneinspritzung 
auferlegt,  da  es  — «doch  selbstverstĂ€ndlich  sein  muß,  daß  der 
Arzt  zum  Heilen  da  ist,  und  nicht,  um  die  Nerven  seiner 
Patienten  kĂŒnstlich  zu  syphilidisieren.  Vielleicht  ist  die  ganze 
Abtötung  durch  Salvarsan  nur  ein  Verkriechen  drr  Spiro- 
chaeten beim  Menschen. 

A  mdt  gibt  zu,  in  5  Monaten  8  Patienten  durch  das 
Salvarsan  verloren  zu  haben  (im  ganzen  12!),  Rille  verlor  7, 
Hahn  G  in  einem  Jahr,  Hoffmann  5,  S  c  h  o  1 1  z  4, 
v.  Zumbusch  3,  H  e  n  n  e  b  e  r  g  3,  um  nur  einige  Beispiele 
anzufĂŒhren.  Nach  meinen  Berechnungen  stirbt  jeder  500. 
Patient  an  Salvarsan.  Nach  einer  amtlichen  Statistik  kom- 
men auf  Konto  des  Salvarsans  auf  100  000  Patienten  620 
Hautzerstörungen  (Nekrosen),  1,3  Erblindungen,  2,6  Ertau- 
bungen, 4  Schwerhörigkeit,  61,2  Gehirnaffektionen,  224  LÀh- 
mungen (Neurorezidive),  16,2  sichere,  14  wahrscheinliche 
TodesfÀlle,  d.  h.  im  ganzen  etwa  1000  UnfÀlle,  d.  h.  beinahe 
jeder  hundertste  Patient  bekommt  einen  Unfall.  Da  erscheint 
am  zehnjĂ€hrigen  Jahrestage  der  SalvarsaneinfĂŒhrung  ein 
Buch  des  Kieler  Professors  Gennerich,  des  Leiters  des 
dortigen  Marinelazaretts  fĂŒr  Geschlechtskranke,  der  ĂŒber  die 
SchÀden  des  Salvarsans  am  Zentralnervensystem  mittels  der 
bisher  geĂŒbten  Methode  der  Einspritzung  in  die  Blutadern 
seine  Beobachtungen  an  8000  Soldaten  veröffentlicht. 
84,7  v.  H.  der  Soldaten  wiesen  trotz  ausgiebiger  Behandlung 
mit  Salvarsan  noch  eine  syphilitische  Erkrankung  der 
RĂŒckenmarksflĂŒssigkeit,  einen  sogenannten  pathologischen 
Liquor  auf,  bei  Quecksilberanwendung  nur  30  v.  H.  Nach 
Professor  HĂŒbner  waren  75  v.  H.  nach  ein  bis  zwei  Jahren 


2)  Etwa  %  Jahr  beim  Menschen  in  nur  etwa  500  FĂ€llen  bis 
zum  22.  5.  10.     SalvarsaneinfĂŒhrung  in  der  Berl.  medizin.  Gesell- 

schaft.  J 


noch  ungeheilt.  Seite  2  dieses  umfangreichen  Werkes  heißt 
es,  es  könne  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  die  HĂ€ufigkeit 
der  Gehirnerkrankungen  zugenommen  habe,  Seite  6,  daß 
nach  der  Allgemeinbehandlung  mit  Salvarsan  sich  eine  Be- 
schleunigung der  Hirnerweichung  und  der  RĂŒckenmarks  - 
schwindsucht  zeige,  Seite  11,  daß  die  bisher  ĂŒbliche  Salvai 
sanbehandlung  trotz  ausgiebigster  DurchfĂŒhrung  nicht  zum 
Ziele,  im  Gegenteil,  zur  Hirnerweichung  und  RĂŒckenmarks- 
darre gefĂŒhrt,  Seite  137,  daß  sie  nur  zum  Scheinerfolg  ge- 
fĂŒhrt, daß  nach  zwei  bis  drei  Jahren  mit  Sicherheit  auf  ernste 
Gehirnerscheinungen  geschlossen  werden  könne,  Seite  128. 
daß  in  etwa  40  v.  H.  der  FĂ€lle  mit  EntzĂŒndungsvorgĂ€ngen  an 
den  GehirnhĂ€uten  zu  rechnen  sei,  Seite  146,  daß  auch  im 
FrĂŒhstadium  der  Syphilis  trotz  allerbester  Salvarsanbehand- 
lung  gar  nicht  selten  schwere  EntzĂŒndungsvorgĂ€nge  an  den 
GehirnhĂ€uten  zustande  kĂ€men,  bei  der  bisher  ĂŒblichen  Sal- 
varsanbehandlung  sei  entweder  eine  LĂ€hmung  (Neurorezidiv) 
oder  nach  lĂ€ngerem  Verlaufe  eine  Gehirn-  oder  RĂŒcken- 
markssyphilis oder  RĂŒckenmarksschwindsucht  beziehungs- 
weise Hirnerweichung  mit  Sicherheit  zu  erwarten. 

Ich  habe  geglaubt,  diese  Tatsachen3)  vorausschicken  zu 
sollen,  ehe  ich  mich  mit  der  Frage  beschÀftige,  wie  wirken 
die  Syphilisheilmittel,  insbesondere  das  Salvarsan,  Jod  und 
Quecksilber  und  die  physikalischen  Heilmethoden. 

Ich  habe  wÀhrend  meiner  vierjÀhrigen  TÀtigkeit  als 
Assistent  Dr.  Unna 's  (1902—1906)  viele  Schanker  mit 
Unna 'sehen  FÀrbemethoden  gefÀrbt  und  mikroskopisch  unter- 
sucht und  habe  ebenso  wie  Bergel  angesichts  des  Plas- 
moms  und  der  Lympho-LeukozytenanhÀufung  mich  der  Auf- 
fassung nicht  verschließen  können,  daß  wir  es  hier  mit  einer 
lokalen  Abwehrreaktion  des  Körpers  zu  tun  haben.  Die 
Wassermann'sche  Reaktion,  die  erst  in  der  Regel  in  der  6.  bis 
7.  Woche  nach  der  Infektion,  wenn  also  die  Syphilis  bereits 
konstitutionell,  nicht  mehr  rein  lokal  ist  was  sie  m.  E.  sensu 
strictiori  ĂŒberhaupt  nie  ist,  da  schon  im  ersten  Latenzstadium 
die  Spirochaeten,  wenn  auch  in  geringer  Zahl  und  Vermeh- 
rung, den  Weg  in  die  DrĂŒsen  finden]  auftritt,  ist  m.  E.  als 
der  chemisch-biologische  Ausdruck  einer  allgemein  einsetzen- 
den Plasmo-Leuko-Lymphozytose,  als  eine  Abwehraktion  des 
Körpers  aufzufassen,  wobei  es  m.  E.  noch  unbewiesen  ist,  ob 
hier  das  Aggregat  oder  lipolytische  Lymphozyten  in  Frage 
kommen.  Jedenfalls  gelingt  mit  Hilfe  der  W'assermannschen 
Reaktion  der  Nachweis  von  unbekannten  Körpern,  angeblich 
Lipoide,  die  auch  bei  Malaria,  Framboesie  usw.  gebildet  wer- 
den, also  nicht  spezifisch  fĂŒr  Lues  sind.  Ich  habe  in  der 
„Deutschen  medizinischen  Wochenschrift"  1910  Nr.  4  die 
Wassermann -Frage  schon  kritisch  beleuchtet.  Der  oben  an- 
gedeutete Gedanke  einer  plasmo-lymphozytÀren  Abwehrvor- 
richtimg des  Organismus  in  Verbindung  mit  der  serösen 
DurchtrĂ€nkimg  gegenĂŒber  den  Eindringlingen  liegt  so  nahe, 
daß  es  zu  verwundern  ist,  daß  man  den  Ausdruck  dieser  Ab- 
wehr, eben  die  im  Blute  zirkulierenden  Substanzen,  die  sich 
mittels  „Wassermann"  nachweisen  lassen,  unbedingt  ver- 
nichten will.  Ich  stehe  auf  dem  Standpunkte,  daß  man  einen 
positiven  Wassermann  nicht  zu  fĂŒrchten  brauche,  daß  dann, 
wenn  er  negativ  ist,  dies  kein  Beweis  fĂŒr  das  Wohlergehen 
des  Patienten,  ja  möglicherweise  das  Gegenteil  bedeuten 
kann.  Darum  ist  es  auch  falsch,  im  Anfangsstadium  bei 
negativem  Wassermann  zu  behandeln,  da  die  Abwehrreaktion 
dadurch  beeintrÀchtigt  und  Paralyse  und  Tabes  die  Folge 
sein  wird,  wie  die  bekanntesten  Forscher  (F  ournie  r, 
Ricord,  Kaposi,  Hebra  u.  a.)  auf  Grund  jahrzehnte- 
langer Forschungen  immer  gelehrt  haben,  was  aber  durch  die 
SalvarsanĂ€ra  aprioristisch  umgestoßen  wurde,  zum  Schaden 

3)  21  Soldaten  erkrankten  in  Ingolstadt  1918  innerhalb 
einiger  Wochen  an  Salvarsanikterus.  wovon  allein  13  starben. 
Das  verwendete  Salvarsan  war  nach  Prof.  Kobert  (Rostock 
einwandfrei.  Zimmern  berichtet  ĂŒber  3(50  solcher  FĂ€lle,  von 
denen  6  starben.  O  1 1  r  a  m  a  r  e  ĂŒber  200.  Arndt  sah  innerhall) 
eines  Jahres  neben  12  TodesfÀllen  noch  230  FÀlle  von  Salvarsan- 
ikterus, wie  er  in  der  Ministerialsitzung  des  Landesgesund- 
heitsrats  vom  14.  1.  22  berichtete.  Leider  enthÀlt  "der  halb- 
amtliche Bericht  ĂŒber  diese  Sitzung  siehe  Klin.  Wochenschrift. 
1922,  S.  304)  absolut  nichts  ĂŒber  diese  bisher  unbekannten  Tat- 
sachen     Anmerk.  wahrend  der  Korrektur.' 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


DreĂŒw:  Syphilistherapie 


der  Patienten  und  der  Wissenschaft  Es  sei  daran  erinnert, 
daß  /  B.  bei  Syphilis  maligna  der  Wassermann  meist  negativ 
ist,  trotz  der  furchtbaren  Erscheinungsformen,  weil  eben  diese 
Form  sieh  dadurch  auszeichnet,  daß  der  Korper  keine  oder 
nic  ht  genĂŒgend  Abwehrstoffe  produziert,  um  der  pathologi- 
schen Erscheinungsformen  Herr  zu  werden,  die  in  circulo 
vitioso  daher  immer  schlimmer  werden.  Es  sei  ferner  daran 
erinnert,  daß  ein  stark  positiver  Wassermann  alte  Leute,  die 
7(1  und  80  Jahre  alt  sind  und  vor  40—50  Jahren  Lues  acqui- 
riert  haben,  bis  zum  80.  Lebensjahr  begleitet  hat,  also  das 
Zeichen  dafĂŒr  ist,  daß  diese  Patienten,  wie  ihr  Alter  beweist, 
in  der  Tat  10 — 50  Jahre  lang  geheilt  waren.  Dementsprechend 
sollte  man  es  fĂŒr  logisch  halten  —  und  ich  bin  immer  dieser 
Meinung  gewesen  —  die  AbwehrkrĂ€fte  nicht,  koste  es  was  es 
wolle,  durch  50 — 60  Salvarsanspritzen,  usw.,  usw.  zu  ver- 
nichten, was  notabene  bei  der  völligen  Unsicherheit  der  nega- 
tiven WaRe  auch  dann  meist  nicht  oder  nur  scheinbar  oder 
vorĂŒbergehend  gelingt.  Naturam  expellas  furca,  tarnen  usque 
recurret.  Die  AbwehrkrĂ€fte  des  Körpers  mĂŒssen  zur  Aus- 
reifung kommen,  ehe  man  behandelt.  Ich  stehe  auf  dem 
Standpunkte,  daß  alle  die  Experimente,  die  beweisen  sollen, 
daß  der  positive  Wassermann  durch  Kuren  dauernd  negativ 
wĂŒrde,  bei  der  völligen  Bedeutungslosigkeit 
einer  negativen  Reaktion4)  jeder  Logik  und  jeder  Beweis- 
kraft entbehrt.  „Der  Geist  der  Medizin  ist  leicht  zu  fassen, 
Ihr  studiert  die  große  und  kleine  Welt,  um  es  am  Ende 
gehen  zu  lassen,  wie  es  Gott  gefÀllt".  Ich  verlasse  mich 
daher  nur  auf  ErfahrungsgrundsÀtze,  nicht  auf  eine  so  labile 
Reaktion  wie  es  die  WaRe  ist.  Ist  die  Auffassung  richtig, 
den  Körper  in  der  Bildung  der  AbwehrvorgÀnge  zu  unter- 
stĂŒtzen, anstatt  diese  zu  hemmen  (Untermaximaldosierung  in 
hÀufiger  Anwendung  anstatt  Uebermaximaldosierung!),  dann 
stÀnden  wir  nicht  nur  hinsichtlich  der  Salvarsanfrage,  son- 
dern auch  hinsichtlich  unserer  therapeutischen  Maßnahmen 
ĂŒberhaupt  vor  einer  Revolution,  ja  vor  einer  Katastrophe. 

Auch  insofern,  als  diese  Lehre  vielen  UnglĂŒcklichen  einen 
Trost  brÀchte,  die  heute  mit  ihrer  (vielleicht  ihnen  wohl- 
tuenden) positiven  Reaktion  von  Pontius  zu  Pilatus  laufen, 
von  einem  Badeort  zum  andern,  und  diese  nicht  negativ  be- 
kommen. Als  ich  einen  dieser  UnglĂŒcklichen,  der  seit  6  Jahren 
positiv  trotz  aller  Kuren  ist,  diese  neue  Auffassung  mitteilte, 
da  teilte  er  mir  mit,  daß  er  von  Stunde  an  seine  Selbstmord- 
anfÀlle verloren  habe.  Man  sieht,  zu  welchen  praktischen 
Konsequenzen  diese  Theorie  fuhrt. 

Wie  wirken  ĂŒberhaupt  unsere  antisyphililischen  Mittel, 
sei  es,  daß  es  sich  um  Quecksilber,  um  Jod,  um  Arsen  oder 
um  die  physikalisch-diÀtetische  Behandlung,  um  chemische 
oder  um  homöopathische  Heilmittel  handelt? 

Ich  habe  in  meinen  Arbeiten  auseinandergesetzt,  daß  Sal- 
varsan,  Quecksilber  und  auch  Jod  in  der  Hauptsache  robo- 
rierende,  resorbierende,  die  AbwehrkrÀfte  des  Organismus 
stÀrkende,  Leuko-  und  Lymphozyten  vermehrende  Eigen- 
schaften hĂ€tten,  daß  sie  den  NĂ€hrboden  fĂŒr  die  Spirochaeten 
verschlechterten  und  den  Körper  zur  Bildung  von  Abwehr- 
stoffen befÀhigten.  Um  diese  AbwehrkrÀfte,  insbesondere  die 
Lymphozytenbildung  anzuregen,  verbinde  ich  mit  der  bisher 
ĂŒblichen  Behandlung  noch  die  Kalkbehandlung,  auf  Grund 
der  folgenden  in  meiner  Arbeit  (Die  Behandlung  der  Syphilis 
mit  Hg,  As  und  Ca.  „Wiener  medizinische  Wochenschrift", 
1914,  Nr.  19)  erwÀhnten  Tatsachen. 

Die  Vereinigung  von  einem  löslichen  KalziumprÀparat 
mit  Hg  und  As  ist  deswegen  von  besonderer  Bedeutung,  weil 


4)  Ein  nichtsyphilitisches  positiv  reagierendes  Kaninchen  wird 
durch  Salvarsan  negativ  (Emanuel).  Was  soll  also  eine  der- 
artige Wirkung  fĂŒr  oder  gegen  die  Diagnose  „noch  Syphilis  vor- 
handen" beweisen?  Und  durch  Quecksilber  und  durch  andere  Er- 
nÀhrung auch.  Wo  bleibt  hier  die  Einwirkung  auf  die  [gar  nicht 
vorhandenen]  Spirochaeten  durch  das  Salvarsan?  „Grau,  Freund, 
ist  alle  Theorie  und  grĂŒn  des  Lebens  goldener  Baum".  Und  ob- 
schon  Salvarsan  die  W.  R.  ebenso  wie  Quecksilber  negativ  macht, 
sagt  v.  Wassermann,  es  bestĂŒnde  eine  prinzipielle  Verschie- 
denheit, wie  sein  Quecksilberversuch  zeige,  der  Quecksilber-  und 
Salvarsanwirkung.  „Es  will  mich  fast  bedĂŒnken,  als  ob  die  Ver- 
suche beide  nichts  beweisen". 


die  Ca-Therapie5)  bei  Infektionskrankheiten  an  und  fĂŒr  sich 
schon  Resultate  zeitigt.  Dem  Ca-Stoffwcchscl  wird  in  letzter 
Zeil  ganz  besondere  Beachtung  geschenkt.  In  physiologischer 
und  therapeutischer  Hinsicht  mögen  folgende  Angaben  ge 
nĂŒgen,  die  die  Bedeutung  der  Ca-Zufuhr  bei  Infektions- 
krankheiten demonstrieren. 

Hamburger,  der  sich  um  die  in  der  letzten  Zeit  außer- 
ordentlich in  Aufnahme  gekommene  Ca-Therapie  besonders 
verdient  gemacht  hat,  erwĂ€hnt  ĂŒber  den  Einfluß  der  Ca-Ione 
folgende  Beobachtungen:  „Die  einzige  Substanz,  von  der  bis 
jetzt  das  phagozytÀre  Vermögen  der  Leukozyten  gesteigert 
wurde,  ist  das  Ga-Ion.  Aber  auch  die  auffallende  Eigenschaft 
des  Ca,  in  minimalen  Mengen  die  HerztÀtigkeit  selbst  nach 
völligem  Erlöschen  neu  anzuregen  und  dadurch  die  Funktion 
des  Herzens,  den  Blutdruck  zu  erhöhen,  wird  in  neuerer  Zeit 
immer  mehr  beobachtet,  wenn  auch  noch  keineswegs  ge- 
nĂŒgend praktisch  verwertet.  1.  Legt  man  in  eine  reine  Chlor- 
natriumlösung das  herausgeschnittene,  zunÀchst  in  feuchtem 
Medium  lange  Zeit  weiterarbeitende  Herz  einer  Schildkröte, 
so  hört  es  sofort  auf  zu  schlagen.  Die  reine  Natriumlösung 
wirkt  demnach  offensichtlich  schÀdlich,  giftig  auf  das  Herz. 
FĂŒgt  man  nur  eine  minimale  Spur  Ca  hinzu,  so  beginnt  das 
Herz  sofort  wieder  zu  schlagen.  2.  Legt  man  junge  schwim- 
mende Funduluslarven  in  eine  reine  Chlornatriumlösung,  so 
ruht  die  Bewegung  wie  gelĂ€hmt.  FĂŒgt  man  eine  Spur  Ca 
hinzu,  so  schwimmen  sie  wieder  lebhaft.  3.  Die  krÀftige 
Peristaltik  eines  ausgeschnittenen  WarmblĂŒterdarms  im 
warmen  Serum  hört  sofort  auf,  sobald  man  die  Darmschlinge 
in  reine  Kochsalzlösung  legt.  Eine  Spur  Ca  belebt  den  Darm 
aufs  neue.  4.  FĂŒgt  man  einer  Kochsalzinfusion  eine  Spur  Ca 
bei,  so  beginnt  das  kollabierende  menschliche  Herz  fast  stets 
momentan  lebhafter  zu  arbeiten  und  der  Blutdruck  steigt 
stÀrker  als  dies  bei  einer  einfachen  Kochsalzinfusion  zu  er- 
möglichen ist. 

Hamburger  weist  darauf  hin,  daß  Langendorf 
und  Hueck  gezeigt  haben,  daß  auch  fĂŒr  das  isolierte  SĂ€uge- 
tierherz die  Anwesenheit  einer  genĂŒgenden  Ca -Menge  in  der 
NahrungsflĂŒssigkeit  notwendig  ist  und  daß  man  durch  Hin- 
zufĂŒgung von  nur  0,05  proz.  Ca  Cl„  zum  normalen  Blut  die 
TĂ€tigkeit  des  isolierten  Herzens  erheblich  steigern  konnte. 
Doch  nicht  nur  beim  isolierten  Herzen  war  dieser  Einfluß  des 
Ca  sichtbar,  auch  beim  lebenden  Individuum.  Wenn  sie  bei 
einem  chloroformierten  und  kurÀrisierten  Kater  nur  0,1  g 
CaCl2  in  die  Blutbahn  einfĂŒhrten,  wurde  die  HerztĂ€tigkeit 
krÀftiger  und  der  Blutdruck  steigerte  sich  bedeutend.  Der 
Zustand  hielt  mehrere  Stunden  an. 

Bekanntlich  enthÀlt  das  Blut  das  Ca  in  kleinen  Mengen. 
Ein  starker  Blutverlust  verringert  diese  Ca-Menge  oft  wesent- 
lich. Nimmt  man  absolute  Entblutung  an,  was  ja  aus  physi- 
kalischen GrĂŒnden  nicht  möglich  ist,  so  wĂŒrde  eine  sofortige 
entsprechende  Kochsalzinfusion  —  giftig  auf  das  Herz  wirken 
und  keinen  Herzschlag  hervorrufen.  FĂŒgt  man  aber  Ca-Ionen 
hinzu,  so  sind  die  Bedingungen  erfĂŒllt,  den  giftigen  Einfluß 
reiner  Kochsalzlösung  gleichsam  zu  paralysieren  und  die 
HerztÀtigkeit  anzuregen.  In  der  Tat  liegen  viele  einzelne  Ver- 
suche vor,  welche  auch  beim  menschlichen  Herzen  die  Mög- 
lichkeit einer  kĂŒnstlichen  Wiederbelebung  nach  SchwĂ€chung 
durch  großen  Blutverlust  durch  Ca-Zusatz  zur  Durch- 
spĂŒlungsflĂŒssigkeit erweisen. 

Aus  diesen  Beobachtungen  ergibt  sich  die  dringende  Auf- 
forderung, bei  jeder  Infusion  Ca  hinzuzufĂŒgen  (Ham- 
burger, Langendorff,  Hueck). 

Bei  den  Phagozyten  vermag  zwar  eine  reine  Kochsalz- 
aufschwemmung nicht  so  offensichtlich  stark  giftig  zu  wirken 
wie  auf  das  Herz  und  den  Darm,  wohl  aber  ist  eine  schwach 
giftige,  schÀdigende  Wirkung  nachzuweisen,  indem  das 
phagozytÀre  Vermögen  der  Leukozyten  in  reiner  Kochsalz- 
lösung sinkt. 

Es  kommen  also  neben  den  OH-Ionen  namentlich  den 
CaCa-Ionen  Eigenschaften  zu,  die  das  phagozytÀre  Vermögen 


5)  Prof.  Dr.  M.  Kochmann  (Greifswald),  Kalk  und 
Magnesia  auf  Grund  experimenteller  Ergebnisse.  Deutsche  med. 
Wochenschr.  1913,  Nr.  45,  S.  2190. 


170 


Dreuw:  Syphilistherapie 


lĂŒ.  Jahrg.     Nr.  8 


der  Leukozyten  in  gĂŒnstigem  Sinne  beeinflussen.  Bei  allen 
Infektionskrankheiten  ist  daher  der  Ca-Zufuhr  eine  große  Be- 
deutung beizumessen. 

Nach  Tigerstedt  haben  Gurgelungen  mit  Ga-Chlorat 
bei  Diphtherie  zweifellosen  Nutzen. 

Bei  Pneumonie  haben  Brun  ton,  James  Bare,  I. 
S  t  a  r  k,  A.  N  e  1 1  e  r  u.  a.  lediglich  mit  der  Ga-Therapie  gute 
Resultate  erzielt,  namentlich  wurde  die  HerztÀtigkeit  durch 
Ca-Zufuhr  gesteigert. 

Bekannt  ist  die  Tatsache,  daß  Arbeiter  an  Kalköfen,  die 
bestÀndig  Ca  einatmen,  wenig  an  Tuberkulose  erkranken. 

In  Lippspringe  wird  dem  Ca-Gehalt  der  Quellen  ein  be- 
sonderer Einfluß  auf  die  Tuberkulose  beigemessen. 

Es  ist  ferner  bekannt,  daß  Ca-Hypochlorit  auf  die  Toxine 
des  Schlangenbisses  gĂŒnstig  einwirkt.  Calmette, 
P  a  1 1  a  u  f,  G.  Riehl  u.  a.  empfehlen  daher  die  sofortige  In- 
jektion dieses  Ca-Salzes,  um  die  Toxine  zu  neutralisieren. 

C.  A.  Stephan  und  I.  Ruter  Williamson  haben 
bei  entzĂŒndlichen  Prozessen  und  Eiterungen,  die  mit  Fieber 
einhergingen,  mit  Erfolg  Ca-Salze  angewandt. 

Bei  Fieber  beobachtet  man  eine  Verminderung  der  Al- 
kaleszenz  des  Blutes.  Eine  Zufuhr  von  Ca  wirkt  also  in 
physiologischer  Weise  im  Gegensatz  zu  den  Antipyretika 
diesen  VerhÀltnissen  entgegen.  Nach  Senator  sehen  wir 
bei  der  mit  Fieber  einhergehenden  Tuberkulose  eine  Er- 
höhung der  Ca-Ausscheidung. 

Alle  diese  in  der  Literatur  festgelegten  Beobachtungen, 
daß  Ca  namentlich  das  phagozytĂ€re  Vermögen  der  Leuko- 
zyten steigert  und  infolgedessen  bei  chronischen  Erkrankun- 
gen, wie  es  die  Tuberkulose  ist,  gĂŒnstig  wirkt,  gaben  mir  Ver- 
anlassung, diese  Therapie  in  Verbindung  mit  den  bisherigen 
erprobten  Methoden  der  Hg-  und  As-Zufuhr  zu  vereinigen 
bei  einer  Krankheit,  die  mehr  wie  viele  andere  zu  den  eigent- 
lichen chronischen  Infektionskrankheiten  gerechnet  werden 
muß,  der  Syphilis. 

Nach  meiner  Ueberzeugung  sind  die  syphilitischen  Er- 
scheinungen an  der  Haut  einerseits  durch  die  Ansiedlung  der 
Spirochaeten  hervorgerufene  pathologische  GewebeverÀnde- 
rungen und  andererseits  AbwehrvorgÀnge  des  Körpers  gegen- 
ĂŒber den  Spirochaeten  selbst  und  dem  Gifte,  das  die  Spiro- 
chaeten erzeugen.  Jedes  die  Resorption  befördernde  Mittel, 
wie  z.  B.  Jod  oder  Quecksilber,  wird  also  hier  in  sympto- 
matischer Beziehung  eine  lokale  Wirkung  verursachen,  indem 
es  das  pathologische  Gewebe,  die  Papeln  oder  das  Gumma, 
zur  Resorption  bringt  und  dadurch  den  NĂ€hrboden  fĂŒr  die 
im  Gewebe  sich  befindlichen  Mikroorganismen  verschlech- 
tert und  sie  so  zum  Absterben  bringt.  Es  wird  zunÀchst  eine 
Vermehrung  der  Leuko -Lymphozyten  und  der  Plasmazellen 
(Plasmom  des  PrimÀraffektes  und  der  (harten)  Papeln  (Se- 
kundÀraffekt) erzeugen,  was  sich  in  Form  einer  sichtbaren 
Reaktion  (Cuti -Reaktion)  Ă€ußert  und  erst  dann,  wenn  der 
NĂ€hrboden  verschlechtert  ist  und  die  Spirochaeten  schwin- 
den, wird  allmÀhlich  erst  eine  Resorption  der  Infiltrate,  d.  h. 
eine  Ausheilung  der  PrimÀr-  und  SekundÀraffekte  eintreten. 
Auch  die  allgemein  einsetzende  Leukozytose  wirkt  in  diesem 
Sinne.  Daher  muß  nicht  kurz  und  stark,  sondern  lange  und 
weniger  intensiv  ausreichend  behandelt  werden,  um  irgendwo 
verborgene  Spirochaeten  indirekt  durch  Hebung  der  Abwehr- 
krÀfte  zu  vernichten.  Im  primÀren,  sekundÀren  und  tertiÀren 
Stadium  haben  wir  ein  Plus  an  Gewebsbildung,  wÀhrend  wir 
im  quaternÀren  Stadium  (Paralyse  und  Tabes)  ein  Minus  an 
Gewebsbildung  haben.  Die  Antisyphilitika  wirken  nun  noch 
so,  daß  neben  den  Abwehrstoffen,  die  der  Körper  selbst  schon 
zur  VerfĂŒgung  hat  (Alexine  nach  Prof.  Buchner)  noch 
neue  gebildet  werden,  so  daß  wir  3  Arten  von  Abwehrstoffen 
haben,  Alexine,  Antitoxine  und  die  durch  die  kurative  Wir- 
kung des  Heilmittels  erzeugten  Stoffe  (Kurine).  Selbstver- 
stÀndlich findet  bei  der  Bildung  dieser  Stoffe  eine  Wechsel- 
wirkung zwischen  den  KrÀften  des  Körpers  (Natura  sanat) 
und  der  Giftbildung  des  in  den  Papeln  und  in  den  Gummata 
anzutreffenden  Erregers  und  den  Kurinen  statt. 

Wenn  die  Annahme  zutrifft,  daß  der  Erreger  an  der  Bil- 
dung von  Abwehrstoffen  beteiligt  ist,  dann  wÀre  es  verfehlt, 


ein  Mittel  anzuwenden,  das  sofort  und  direkt  abtötet  und  so 
wÀre  in  diesem  Falle  in  der  Tat  die  abtötende  Wirkung  des 
Salvarsans  auf  die  Spirochaeten  (nicht  aber  auf  die  Sporen 
derselben),  die  im  Tierversuch  festgestellt  wurde,  im  Gegen- 
satz zu  der  Jod-,  As-  und  Quecksilberwirkung  ein  Teil  von 
jener  Kraft,  die  das  Gute  bewirken  sollte  und  das  Böse  schuf. 
M.  E.  mĂŒssen  alle  Antisyphilitika  indirekt,  nicht  direkt  auf 
die  Spirochaeten  wirken. 

Diese  Erkenntnis  ist  den  SalvarsananhÀngern  so  unbe- 
quem, daß,  nachdem  das  Abtöten  der  Spirochaeten  im  sekun 
dÀren  Stadium  schon  1910  versagt  hat,  dieselben  (m.  E.  fÀlsch- 
licherweise) behaupten,  die  Erreger  im  Beginne  der  Krank- 
heit auf  einmal  abtöten  zu  können  [daher  desinfizieren  sie 
das  Haus  so,  daß  sie  es  anzĂŒnden].  Auch  hier  ist,  wie  hei 
dem  verfehlten  Abtöten  der  Spirochaeten  in  der  SekundÀr - 
periode  der  Wunsch  der  Vater  des  Gedankens.  Denn,  so 
sagen  sie,  wenn  die  Spirochaeten  alle  abgetötet  sind,  können 
sie  keinen  Schaden  mehr  anrichten,  und  sie  sind  dann  natĂŒr- 
lich auch  nicht  mehr  nötig,  um  bei  der  Heilung  mitzuwirken. 
Cessante  causa,  cessat  effectus!  Aber  dieses  angebliche  Ab- 
töten der  Spirochaeten  im  Anfange  ist  erstens  ein  geschicktes 
Manöver  der  Akteure,  die  so  handeln,  wie  in  einem  verlorenen 
Prozeßverfahren.  Auch  hier  sucht  man  durch  Hinaus- 
schieben der  Hauptverhandlung  das  Endurteil  möglichst 
lange  hinauszuschieben,  indem  man  immer  neue  unbewiesene 
Behauptungen  aufstellt.  Zweitens  ergeben  die  Untersuchungen 
von  Boas,  Freymann,  Meirowski,  mir  u.  a.,  daß 
auch  nicht  die  Spur  eines  wirklichen  Beweises  fĂŒr  das 
Abortiv-Töten  im  PrimÀrstadium  erbracht  ist.  Der  Tierver- 
such hat  diese  Verwirrung  gestiftet.  Die  Reinfektionen  sind 
unbewiesen  und  sehr  gering  an  Zahl. 

Das  Salvarsan  bewirkt  also  nach  meiner  Auffassung  das 
Gegenteil  von  dem,  was  es  bewirken  soll,  es  stört  durch  die 
beim  Tierversuch  konstatierte  Abtötung  oder  Abwanderung 
der  lebenden  Spirochaeten  (nicht  aber  der  Sporen,  aus  denen 
die  Rezidive  entstehen)  die  AbwehrvorgÀnge  des  infizierten 
Organismus.  Anders  dagegen  bei  denjenigen  in  kleinen 
Dosen  gegebenen  Mitteln,  die  die  Spirochaeten,  wie  die  Praxis 
und  der  Tierversuch  ergibt,  beim  Einspritzen  nicht  abtöten 
oder  vertreiben  (Quecksilber,  As  und  Jod)  sondern  resor- 
bierend, Ferment-  und  Schutzstoff  bildend  und  eine  Plasmo- 
Lymp ho -Leukozytose,  eine  Phagozytose  und  Seröse  bewirken. 
Ich  bin  wohl  der  erste  gewesen,  der  aus  allen  diesen  GrĂŒnden 
die  Anwendung  von  Kalzium  empfohlen  hat,  und  zwar  in 
Kombination  mit  leichten  Dosen  von  Quecksilber  und  Arsen, 
die  alle  bedeutend  unter  der  Maximaldose  blieben.  Durch 
diese  Kombination  der  verschiedensten  Heilmittel,  von  denen 
das  Hauptmittel,  Quecksilber,  allein  Jahrzehnte  erprobt 
ist,  wird  eine  Summierung  der  Wirkung  erzielt.  Die  Ver- 
suche, die  ich  damals  mit  hohen  Dosen  Quecksilber  gemacht 
habe  und  auf  die  ich  in  der  obigen  Arbeit  hinwies,  haben 
mir  bald  gezeigt,  daß  SchĂ€digungen  des  Körpers  eintraten, 
die  sich  durch  die  erwÀhnte  Unterdosierung  vollstÀndig  ver- 
meiden ließen.  In  diesem  Sinne  wirken  m.  E.  auch  die 
homöopathischen  Dosen,  die,  wenn  auch  m.  E.  nicht  nach 
dem  Prinzip  „Similia  similibus",  so  doch  durch  ihre  Affini- 
tÀt zu  den  Zellen  des  Organismus  und  zu  dem  erkrankten 
Gewebe  die  Resorption  beeinflussen  und  entzĂŒndungswidrig 
wirken  und  so  allmÀhlich  indirekt  auch  die  Abtötung  der 
Spirochaeten  erzielen.  Nicht  schnelle  Abtötung  oder  Ab- 
wanderung, sondern  allmÀhliche  SchÀdigung  der  Erreger, 
d.  h.  indirekte  Einwirkung  auf  dieselben  durch  die  Hebung 
der  KrÀfte  der  Natur!  (Medicus  curat,  natura  sanat.)  Ebenso 
wie  wir  einen  NĂ€hrboden,  der  z.  B.  das  bei  100  0  gerinnende 
Serum  ziun  Zwecke  der  ZĂŒchtung  von  Bazillen  enthĂ€lt,  nicht 
durch  Kochen  sterilisieren  können,  wie  z.  B.  einen  das 
Kochen  vertragenden  Agar-NĂ€hrboden,  da  eben  bei  100  0  das 
Serum  gerinnt,  ebenso  wie  wir  hier  die  sogenannte  fraktio- 
nierte Sterilisation  anwenden,  d.  h.  in  bestimmten  AbstÀnden 
den  NĂ€hrboden  auf  etwa  60 — 70  0  Grad  erhitzen,  um  auf  diese 
Weise  nicht  bloß  allmĂ€hlich  die  lebenden  Erreger  zu  töten, 
sondern  auch  die  Sporen  derselben  am  Auskeimen  zu  ver- 
hindern, ebenso  mĂŒssen  wir  sukzessive  durch  kleinere,  aber 


4u.  Jahrg 


Ni  8 


Diruw :  Syphilistherapie 


171 


[lÀufigere  Dosen,  nicht  wie  Ehrlich  es  wollte,  am  einmal, 
sondern  ganz  allmÀhlich  den  Organismus  von  den  Erregern 
und  von  den  durch  denselben  bewirkten  pathologischen  Pro- 
dukten zu  befreien  suchen.  Daher  wird  die  Syphilisheilung 
durch  die  hier  anzuwendende  Kombinationsgabe  des  Arztes 
nicht,  wie  beim  Salvarsan,  zu  einem  Handwerk,  sondern  zu 
einer  Kunst. 

In  Àhnlichem  Sinne  wirken  m.  E.  auch  die  Methoden  der 
sogenannten  Naturheilkunde,  die  die  ResorptionsvorgÀnge 
durch  Schwitzprozeduren,  Packungen,  BÀder,  UmschlÀge  usw. 
unterstĂŒtzen  und  die  AbwehrkrĂ€fte  des  Körpers  stĂ€rken.  Die 
Theorie,  daß  es  sieh  hierbei  in  der  Hauptsache  um  ein  Aus- 
scheiden oder  Ausschwitzen  des  Giftstoffes  handeln  könne, 
wie  man  dieses  bei  akuten  Infektionskrankheiten  vermutet, 
ist  m.  E.  nicht  zutreffend,  denn  da  das  mikroskopische  Bild 
z.B.  der  Papeln,  die  in  der  Haut  liegen,  und  ebenfalls  der 
Roseolen  ergibt,  daß  hier  zahlreiche  sich  lebhaft  bewegende 
Spirochaeten  ihr  Wesen  treiben,  so  ist  es  zweifellos  ein  etwas 
einfacher  und  zu  wenig  den  VerhÀltnissen  gerecht  werden- 
der Gedankengang,  wenn  man  glaubt,  diese  hier  und  im  Ge- 
samtkörper anzutreffenden  Spirochaeten  wĂŒrden  sozusagen 
ausgeschwitzt  oder  ausgeschieden  werden.  Es  kann  sich 
m.  E.  nur  darum  handeln,  daß  sie  entweder  durch  die  Ver- 
schlechterung des  NÀhrbodens  zum  allmÀhlichen  Absterben 
oder  zur  Auflösung  gebracht  werden,  oder  aber,  daß  sie 
durch  im  Körper  gebildete  Abwehrstoffe  so  geschÀdigt  wer- 
den, daß  sie  ebenfalls  absterben. 

Mit  einem  Wort,  chronische  Erkrankungen  können  und 
dĂŒrfen  nur  chronisch  behandelt  werden.  Und  daher  hat  das 
Salvarsan,  da  die  Ehrlich'sche  Uebermaximaldosierungs- 
theorie  sich  als  völlig  falsch  in  wissenschaftlich-bakterio- 
logisch-mikroskopischer und  serologischer  Beziehung  und 
als  menschengefÀhrlich  erwiesen  hat,  abgewirtschaftet.  An 
seine  Stelle  kann  daher  nur  eine  chronische  Behandlung 
treten,  die  nicht  handwerksmĂ€ĂŸig  in  dem  Einspritzen  einer 
nicht  heilenden,  aber  hÀufig  tötenden  Salvarsanlösung  be- 
steht, sondern  die  in  der  Tat  das  Beherrschen  einer  Àrzt- 
lichen Kunst  zur  Voraussetzung  hat.  An  seine  Stelle  kann 
nur  treten  eine  Kombination  [die  von  Fall  zu  Fall  durch  die 
Kunst  des  Arztes  geschaffen  werden  muß]  aller  der  Faktoren 
chemischer,  biologischer  und  physikalischer  Natur,  die  den 
Krankheitsprozeß  beseitigen,  d.  h.  Schutzstoff  bildend  und 
den  NÀhrboden  umÀndernd  und  resorbierend  wirken  und  so 
indirekt  mit  den  Spirochaeten  „fertig"  werden.  Man  soll  das 
Gute  nehmen,  woher  es  auch  kommen  mag.  M.  E.  mĂŒssen 
die  im  Körper  zirkulierenden  Spirochaeten  so  beeinflußt  wer- 
den, wie  Kulturen  von  Bakterien,  die  auch,  wenn  man  keine 
desinfizierenden  Mittel  diesen  Kulturen  zufĂŒgt,  schließlich 
doch  entweder  durch  Verschlechterung  des  NĂ€hrbodens  oder 
mit  Hilfe  ihrer  eigenen  Reaktionsprodukte  und  der  von  ihnen 
gebildeten  Gifte  zugrunde  gehen,  wenn  sozusagen  durch  eine 
zu  starke  Vermehrung  der  NĂ€hrboden  oder  durch  andere 
UmstĂ€nde  so  verschlechtert  ist,  daß  sie  selbst  absterben.  Um 
im  Vergleiche  zu  bleiben,  der  NÀhrboden,  d.  h.  der  Körper 
wird  durch  die  Reaktionsprodukte  und  durch  die  Therapie 
so  erschöpft  und  verĂ€ndert,  daß  die  Erreger  allmĂ€hlich  ab- 
sterben, wenn  sie  sich  nicht,  wie  z.  B.  die  Typhusbakterien 
bei  BazillentrÀgern,  einnisten,  einkapseln  und  akklimatisieren 
und  dann  Rezidive  oder  chronische  Symptome  verursachen. 
Eine  Therapia  magna  sterilisans  gibt  es  nicht. 

Wir  beobachten  auch  bei  akuten  Infektionskrankheiten, 
z.  B.  bei  Masern,  Scharlach,  LungenentzĂŒndung  usw.  eben- 
falls solche  AbwehrvorgÀnge.  Wenn  die  letzteren  den  Sieg 
ĂŒber  die  Bakterien  davon  tragen,  was  bei  akuten  Infektions- 
krankheiten meistens  plötzlich  (Schweißausbruch)  geschieht, 
so  tritt  eine  plötzliche  Heilung  ein  oder  aber  die  Erreger  oder 
ihre  Gifte  siegen  ĂŒber  die  seitens  des  Körpers  zu  leistenden 
AbwehrvorgÀnge,  dann  tritt  entweder  unter  hÀufig  sich 
wiederholenden  SchweißausbrĂŒchen  kachektischer  Natur,  die 
durch  die  fortwÀhrenden  Reaktionsbestrebungen  des  Körpers 
gegen  die  Parasiten  bewirkt  werden,  Siechtum  und  chronische 
Erkrankung  oder  aber  plötzlich  oder  langsam  der  Tod  ein. 

Wie  ich  bereits  erwÀhnt  habe,  beobachten  wir  neben  den 


bereits  im  Körper  zirkulierenden  Schutzstolfen  (Alexinc),  die 
in  jedem  auch  nicht  infizierten  Körper  vorhanden  sind,  die 
Schutzstoffe,  die  der  Körper  in  spezifischer  Weise  mit  den 
in  ihn  eindringenden  Erregern  bildet,  ferner  die  sogenannte 
Piasmose,  die  Leukozytose  (Phagozytose)  und  Lymphozytose. 
Diese  sogenannte  Plasmo-Lympho-Leukozytose  tritt  schon 
bei  der  Bildung  des  PrimÀraffektes  in  krasser  Weise  zutage. 
Hier  sehen  wir,  wie  ich  an  zahlreichen  exstirpierten  und 
mikroskopierten  PrimĂ€raffekten  feststellen  konnte,  daß  die 
BlutgefĂ€ĂŸe  von  Plasmazellen  ringartig  völlig  umgeben  sind 
und  daß  Millionen  von  Plasmazellen,  Leukozyten  und 
Lymphozyten  und  hier  und  da  sogar  Riesenzellen  in  dem 
serösen  pathologischen  Gewebe  anzutreffen  sind.  Durch  die 
enorme  Ansammlung  dieser  vorher  nicht  vorhandenen  Zellen 
entsteht  eine  pralle  und  straffe  Beschaffenheit  des  Gewehes, 
die  nach  außen  hin  sich  in  der  sogenannten  HĂ€rte  des  Schan- 
kers (daher  der  Name  harter  Schanker)  dokumentiert.  Wii 
haben  hierin  ebenfalls  lokale  AbwehrvorgĂ€nge  gegenĂŒber  der 
rein  lokalen  Infektion,  d.  h.  gegenĂŒber  dem  Eindringen  der 
Spirochaeten  bei  der  Ansteckung  zu  erblicken.  Es  bildet  sich 
sozusagen  ein  Wall  von  Zellen,  der  versucht  in  biologischer 
Weise  die  Giftbildung  und  die  Vermehrung  der  Spirochaeten 
zu  inhibieren.  Ist  dieser  WTall  stark  genug  und  ist  der  Spiro  - 
chaetenstamm  möglicherweise  nicht  besonders  stark  virulent, 
so  ist  es  möglich,  daß  wir  einen  leichten  Fall  einer  spĂ€ter 
folgenden  konstitutionellen  Syphilis  bekommen,  da  dann  die 
AbwehrkrÀfte  des  gesamten  Organismus  mit  der  geringen 
Giftbildung  von  selbst  fertig  werden  (Selbstheilung).  Haben 
wir  dagegen  den  Fall  vor  uns,  daß  stark  virulente  Spiro- 
chaeten eingedrungen  sind,  die  in  ihrer  Virulenz  und  Gif t- 
bildung  durch  den  Abwehrwall  des  PrimÀraffektes  nicht 
stark  beeinflußt  werden,  so  mĂŒssen  durch  die  Kunst  des 
Arztes,  sei  es  chemisch,  sei  es  physikalisch,  diese  Abwehr- 
krĂ€fte unterstĂŒtzt  werden  (medicus  curat),  namentlich  bei 
schlechter  Körperkonstitution.  Dies  bewirkt  Hg-As-Jod  in 
Verbindung  mit  physikalischen  Maßnahmen. 

Schon  von  vornherein  hat  der  Körper  also  durch  einen 
lokalen  pathologischen  Vorgang  die  Tendenz,  durch  eine  Art 
lokaler  Selbstheilung  mit  dem  Erreger  abortiv  fertig  zu  wer- 
den. Wer  aber  einmal  bloß  einen  Blick  in  das  Mikroskop 
getan  hat,  indem  er  die  Millionen  von  lebhaft  sich  bewegen- 
den schlangenartigen  Spirochaeten  sieht,  dem  ist  es  klar,  daß 
dieser  lokale  Abwehrvorgang  in  der  Regel  nicht  genĂŒgt,  um 
den  Spirochaeten  den  Eintritt  in  das  Innere  des  Körpers  zu 
verwehren,  dem  ist  es  auch  klar,  daß  die  Versuche,  nachdem 
die  Spirochaeten  sich  bereits  drei  Wochen  lang  entwickeln 
konnten,  mittels  einer  Exstirpation  des  Schankers  diese  am 
Eindringen  in  den  Körper  (konstitutionelle  Syphilis)  zu  hin- 
dern, versagen  muß.  Dem  ist  aber  auch  klar,  daß  ein  Labo- 
ratoriumsforscher, wie  es  Ehrlich  war,  am  besten  den 
Vorrang  spezialistisch  klinisch  ausgebildeten  Praktikern  hÀtte 
geben  mĂŒssen,  ehe  er  bei  dem  Fehlen  eines  Kriteriums  zur 
Feststellung  einer  Heilung  die  Behauptung  einer  Therapie 
magna  sterilisans,  und  als  diese  schon  bald  versagt  hatte, 
ehe  er  die  Behauptung  einer  Abortivwirkung  oder  sogar 
einer  PrÀventivwirkung  mit  Hilfe  von  spezialÀrztlichen 
Assistenten  in  die  Welt  setzte,  welche  bei  der  Demonstration 
im  Jahre  1910  die  Aerzte  der  ganzen  Welt,  die  sich  von  dem 
Nutzen  und  dem  Schaden  des  Mittels  ĂŒberzeugen  wollten,  um 
das  Zimmer  herumfĂŒhrten,  in  das  man  drei  durch  Salvarsan 
bereits  im  Juni  1910  gelÀhmte  Patienten  damals  einge- 
schlossen und  den  Blicken  dieser  Aerzte  verborgen  hatte. 
Diese  sogenannte  Abortivtheorie  haben  wir  auch  bereits  beim 
Quecksilber  erlebt,  nur  daß,  da  das  letztere  nicht  patentiert 
war  und  infolgedessen  der  Erfinder  und  seine  Mitarbeiter 
nicht  durch  finanzielle  Beteiligung  an  dem  Patentmonopol 
interessiert  war,  der  sexual-kapitalistische  Hintergrund  nicht 
so  kraß  in  die  Erscheinung  trat.  Prof.  Kaposi 's  Schilde- 
rung ĂŒber  „Abortivheilung"  in  seinem  Lehrbuch  ist  noch 
heute  lesenswert.   „Alles  schon  dagewesen!" 

Wie  schon  hervorgehoben,  tritt  etwa  drei  Wochen  nach 
dem  Eindringen  der  Spirochaeten  in  einen  kleinen  HaĂŒtriß 
eine  starke  Abwehrreaktion   lokaler   Natur  ein.    Da  diese 


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ĂŒreuw:  Syphilistherapie 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


meist  nicht  in  der  Lage  ist,  die  Erreger  am  weiteren  Ein- 
dringen zu  verhindern,  so  dringen  diese  schon  kurze  Zeit 
nachher  durch  die  LymphgefĂ€ĂŸe  in  die  LymphdrĂŒsen  ein,  wo 
der  Körper  einen  zweiten,  aber  ebenfalls  vergeblichen  Versuch 
macht,  sie  durch  die  schon  beschriebenen  AbwehrvorgÀnge 
unschÀdlich  zu  machen.  Daher  das  Anschwellen  der  Leisten- 
drĂŒsen (syphilitischer  Bubo).  Daß  dieses  Durchbrechen  des 
Schutzwalls  außerordentlich  schnell  geschieht,  beweist  ein 
Fall  aus  der  Literatur,  bei  dem  kurz  nach  dem  ansteckenden 
Coitus  durch  einen  UnglĂŒcksfall  der  Penis  an  der  Wurzel 
amputiert  wurde  und  trotzdem  entwickelte  sich  eine  kon- 
stitutionelle Syphilis.  Es  ist  daher  auch  verlorene  Liebes- 
mĂŒhe, in  diesem  Falle  durch  eine  Abortivkur  sozusagen  mit 
einem  Schlage  bei  100  %  in  kurzer  Zeit  die  Spirochaeten  zu 
vernichten.  Ich  fĂŒr  meine  Person  kann  auf  Grund  eines 
10  jÀhrigen  intensiven  Studiums  der  Salvarsangeschichte 
nicht  an  eine  Harmlosigkeit  oder  an  einen  Irrtum  der  Ent- 
decker dieses  Dogmas  glauben,  sondern  ich  habe  die  Ueber- 
zeugung  gewonnen,  daß  das  MĂ€rchen  der  Abortivheilung 
systematisch  aus  sexual-kapitalistischen  GrĂŒnden,  um  den 
Millionenabsatz  und  die  Millioneneinnahmen  durch  das  PrÀ- 
parat nicht  verloren  gehen  zu  lassen,  in  die  Welt  gesetzt 
worden  ist,  nachdem  die  therapia  magna  bereits  bankerott 
war.  Beweise  fĂŒr  diese  Abortivmethode  gibt  es  nicht,  wohl 
Behauptungen. 

Sind  die  Erreger  nunmehr  durch  die  LymphdrĂŒsen  hin- 
durch in  das  Innere  des  Körpers  gelangt,  so  erzeugen  sie  etwa 
10  bis  12  Wochen  nach  der  Infektion  die  sogenannten  Se- 
kundÀrerscheinungen, d.  h.  die  Spirochaeten  sammeln  sich 
in  den  feinen  Verzweigungen  der  Blut-  und  LymphgefĂ€ĂŸe  in 
der  Haut  (und  im  Körper,  z.  B.  im  Gehirn,  Leber  usw.)  an 
und  erzeugen  in  der  Haut  sozusagen  hunderte  und  tausende 
von  kleinen  PrimÀraffekten.  Denn  m.  E.  zeigt,  wie  zahlreiche 
mikroskopische  Untersuchungen,  die  ich  an  exstirpierten 
Papeln  gemacht  habe,  ergeben,  jede  Papel  in  histologischer 
Beziehung  dasselbe  Bild,  wie  ein  PrimÀraffekt,  d.  h.  wir 
sehen  um  die  GefĂ€ĂŸe  herum  zahlreiche  Plasmazellen  und  in 
dem  Gewebe  der  Umgebung  neben  solchen  auch  viele  Lym- 
phozyten und  Leukozyten,  so  daß  auch  beim  AnfĂŒhlen  jede 
Papel  im  Vergleich  zu  andern  pathologischen  Erhebungen 
der  Haut,  z.  B.  einer  Akne,  in  typischer  Weise  sich  hart  an- 
fĂŒhlt. Bricht  dieser  sekundĂ€r,  d.  h.  von  innen  heraus,  ent- 
standene PrimĂ€raffekt  (Papel)  durch,  d.  h.  zerfĂ€llt  die  ĂŒber 
dem  entzĂŒndlichen  Gewebe  liegende  Haut,  so  haben  wir  eine 
ulcerierte  Papel,  d.  h.  ein  Analogon  des  ulcerierten  PrimÀr- 
affekls,  der  sogenannten  Erosion  chancreuse,  vor  uns.  Wie 
man  sieht,  besteht  sowohl  in  histologischer  als  in  bakterio- 
logischer Hinsicht  eigentlich  kein  prinzipieller  Unterschied 
zwischen  einem  PrimÀraffekt  und  einem  SekundÀraffekt,  wie 
ich  die  Papel  nennen  möchte,  nur  daß  beim  PrimĂ€raffekt  die 
Spirochaeten  durch  den  Einriß  der  Haut,  beim  SekundĂ€r- 
affekt sie  via  Lymph-  und  Blutweg  in  die  Haut  gelangt  sind, 
wo  sie  den  Affekt  erzeugen. 

Was  nun  den  Alexinen,  und  den  spezifischen  Schutz- 
stoffen, den  Lymphozyten,  der  Seröse,  den  Leukozyten  und 
den  Plasmazellen  nicht  gelang,  nÀmlich  die  eingedrungenen 
Spirochaeten,  sei  es  direkt  oder  indirekt  kampfunfÀhig  zu 
machen,  das  mĂŒssen,  nachdem  sie  nun  einmal  in  den  Körper 
eingedrungen  sind  und  sich  dort  schrankenlos  vermehrt 
haben,  die  vom  Arzte,  sei  es  intern  oder  extern,  anzuwenden- 
den Heilmittel  in  Verbindung  mit  den  ebengenannten  Fak- 
toren zu  erreichen  suchen.  Jod-Quecksilber  und  Arsen  er- 
zeugen besondere  therapeutische  Schutzstoffe,  die  man  viel- 
leicht als  Kurine  bezeichnen  kann  (curare  =  heilen).  Jedes 
Mittel,  das  man  in  den  Körper  hineinbringt,  und  das  auf  der 
einen  Seite  bei  entsprechender  Dosierung  nicht  schadet  und 
auf  der  andern  Seite  die  Heilwirkung  direkt  oder  indirekt 
unterstĂŒtzt  [was  wir  daran  erkennen,  daß  die  pathologischen 
Substrate  zum  Verschwinden  gebracht  werden,  daß  z.  B.  bei 
ulcerierten  Stellen  der  primÀren  und  sekundÀren  Periode  eine 
schnelle  UeberhĂ€utung  des  an  und  fĂŒr  sich  schwer  hierzu 
tendierenden  Gewebes  eintritt],  kann  und  darf  auch  von  den 
Gegnern  dieses  Mittels  nicht  abgelehnt  werden,  die  m.  E.  zu 


Unrecht  glauben,  daß  nur  externe  Maßnahmen  (Naturheil- 
kunde), dieses  Ziel  erreichen  wĂŒrde.  Sanatur  intra  et  extra 
muros. 

Es  ist  schade,  daß  der  Kampf  um  die  Heilmethoden  der 
Syphilis  zu  sehr  beeinflußt  wird  durch  die  sogenannten 
Schulen,  sei  es  durch  die  der  sogenannten  „Schul- 
m  e  d  i  z  i  n",  sei  es  durch  die  der  sogenannten  „Volks- 
m  e  d  i  z  i  n".  Da  nun  noch  bestimmte  Vereinsbildungen  ein 
großes  Interesse  daran  haben,  nicht  bloß  ein  ideelles,  sondern 
meist  auch  ein  materielles,  daß  allein  ihre  Auffassung  nach 
außen  hin  durch  die  Beeinflussung  des  Publikums,  die  durch 
Versammlungen  und  TraktÀtchen  bewirkt  wird,  den  Sieg 
davontrÀgt,  um  den  Vereinen  und  ihren  Aerzten  den  nötigen 
Anhang  zu  verschaffen,  so  resultiert  leider  hieraus  die  Tat- 
sache, daß  die  eine  Auffassung  intolerant  gegenĂŒber  der  an- 
deren wird,  und  daß  aus  Ă€ußeren  GrĂŒnden,  nicht  von  dem 
StÀndpunkte  des  Wohls  des  Kranken  aus  hier  versucht  wird, 
in  einseitiger  Weise  immer  nur  die  eine  Richtung  als  die 
alleinseligmachende  zu  betrachten.  M.  E.  fĂŒhren  verschie- 
dene Wege  nach  Rom  und  man  soll  daher,  da  eben  nicht 
jeder  Weg  gangbar  ist,  denjenigen  wÀhlen,  der  das  Ziel  auf 
alle  FÀlle  erreicht,  ohne  zu  töten.  Primum  ne  noceas! 

Die  starke  Plasmo  -  Lympho  -  Leukozytenbildung  im 
PrimÀraffekt,  in  den  sekundÀren  Efloreszenzen,  in  der  Milz, 
im  Blute  und  in  den  LymphdrĂŒsen,  die  wir  bei  der  Syphilis 
beobachten,  dĂŒrfte  auch  die  Ursache  sein,  daß  sich  bei  der 
Syphilis  Körper  im  Blute  bilden,  die  wir  imstande  sind  durch 
die  sogenannte  Wassermann'sche  Reaktion  nachzuweisen. 
Hierbei  sei  ausdrĂŒcklich  bemerkt,  daß  diese  keine  fĂŒr 
Syphilis  spezifische  Reaktion  ist,  wie  es  m.  E.  auch  kein  fĂŒr 
Syphilis  spezifisches  Medikament,  ein  sog.  „S  p  e  z  i  f  i  k  u  m" 
gibt,  sondern  daß  sie  nur  Körper  (von  Bergel  lipolytische 
Lymphozyten,  von  Wassermann  als  „Wassermannsub- 
stanzen6) bezeichnet),  die  im  Blute  und  in  der  Lymphe 
kreisen,  nachweist,  die  bei  bestimmten  Krankheiten  (Syphilis, 
Malaria,  Scharlach  u.  a.)  sich  bilden.  Ob  diese  nun  zu  den 
Lipoiden  gehören,  oder  ob  der  Syphiliserreger  lipoidhaltig 
ist  und  ein  lipoides  Toxin  abspaltet,  ob  dieses  letztere  im 
Körper  ein  lipatisches  (fettspaltendes)  Ferment  abspaltet,  ob 
dieses  Ferment,  wie  Bergel,  möglicherweise  weil  dieser 
Autor  sich  hauptsĂ€chlich  und  in  letzter  Zeit  fast  ausschließ- 
lich mit  der  Lymphozytenforschung  beschÀftigt,  in  den 
Lymphozyten  liegt,  und  ob  diese  gegen  die  im  Blute  kreisen- 
den spezifischen  Lipoide  mit  Hilfe  der  Lymphozyten  spe- 
zifische Abwehrstoffe  (Lipoidantikörper)  bilden,  ist  letzten 
Endes  ein  Streit  um  Worte,  der  durch  die  in  letzter  Zeit  ĂŒber 
Wassermann  nicht  bloß  in  die  Fach-  sondern  auch  in 
die  Tagespresse  hineingebrachten  Behauptungen  angeregt 
worden  ist.  Ob  man  die  unbekannten  Körper  Lipoidanti- 
körper oder  bloß  Körper  nennt,  ist  letzten  Endes  gleichgĂŒltig, 
solange  diese  unkontrollierbaren  (und  wie  die  Selenversuche 
Wassermann 's  ergeben)  möglicherweise  nach  einigen 
Jahren  bereits  ad  acta  gelegten  Mitteilungen  nicht  in  der 
Oeffentlichkeit  zu  Schlußfolgerungen  fĂŒhren,  als  ob  hier 
eine  große  praktische  Entdeckung  gemacht  worden  wĂ€re,  was 
in  Wirklichkeit  nicht  der  Fall  ist.7)  Auch  hier  handelt  es 
sich,  wenn  man  die  gewaltigen  Notizen  in  der  gesamten  deut- 

8)  Nach  Wassermann  verbindet  sich  die  im  syphilitischen 
Serum  befindliche  Wassermannsubstanz  mit  den  L  i  p  o  i- 
den,.  so  daß  ein  neues  Aggregat  aus  diesen  Komponenten  entsteht, 
das  Wassermann'sche  Aggregat,  das  das  Grund- 
phĂ€nomen fĂŒr  die  Serodiagnostik  sein  soll,  eine  Hypothese,  die 
in  der  gesamten  Tagespresse  als  eine  gesicherte  Tatsache  durch 
die  „Àrztlichen  Mitarbeiter"  beschrieben  wurde.  Diese 
„Àrztlichen  Mitarbeiter"  wachsen  durch  ihre  Autokratie 
allmÀhlich  zu  einer  Gefahr  heran. 

7)  Siehe  Weil  und  Bruck:  Kontroversen  mit  v.  Wasser- 
mann in  der  Berl.  klin.  Wochesnchrift.  1921,  Nr.  9;  Nr.  18: 
Nr.  22;  Nr.  33;  Nr.  40  und  Dr.  med.  Lilienthal:  „Die  Ent- 
schleierung (!)  des  Geheimnisses  der  W.  R."  (Voss.  Ztg..  17.  12. -20). 
Prof.  Dr.  med.  C.  Hart:  „Auf  den  Spuren  des  Syphiliserregers", 
Berliner  Börsen-Courier,  23.  12.  20.  Inwieweit  durch  die  absolut 
noch  unanerkannte  Wassermannsubstanz  oder  das  Wassermann- 
Aggregat  das  Geheimnis  der  W.  R.  entschleiert  oder  die  „Spur 
des  Syphiliserregers"  entdeckt  ist,  dĂŒrfte  das  Geheimnis  der 
obigen  Autoren  Hart  und  Lilienthal  sein. 


10.  Jahrg.  -  Nr.  8 


Dreuw:  Syphilistherapie 


sehen  und  auslÀndischen  Tagespresse  liest,  um  eine  Art 
wissenschaftlicher  Reklame,  wie  wir  sie  aus  der  Schule  der 
SalvarsananhĂ€nger  zur  GenĂŒge  kennengelernt  haben. 

„Ks  gibt  eine  Anzahl  deutscher  Aerzte,  die  in  rastloser 
stiller  Arbeit  Wertvolles  entdeckt",  so  sehrieb  1913  ein  Arzt, 
„und  große  Krfolge  erzielt  haben,  ohne  daß  eine  Spektakel  - 
presse  alle  Welt  damit  in  marktschreierischer  Weise  belÀstigt 
hÀtte.  Aber  die  Posaunen  Jerichos  blasen  heule  noch  ebenso 
durchdringlich  wie  ehedem.  Wenn  Ehrlich  meinte,  daß 
es  in  Zukunft  gelingen  werde,  mit  der  Mehrzahl  der  an- 
steckenden Krankheiten  fertig  zu  werden,  so  tÀuscht  er  sich 
gewaltig.  Weder  auf  dem  Wege  der  Chemo -Therapie  noch 
auf  dem  der  Serum-Therapie  ist  dies  möglich.  Die  Natur 
kennt  einfachere  Gesetze  der  Heilung.  Der  Arzt,  der  nach 
diesen  Gesetzen  heilt,  hat  andere  Krfolge  aufzuweisen  und 
braucht  nicht  ĂŒber  stöhnende  oder  sterbende  Tier-  und  Men- 
schenleiber hinwegzuschreiten.  FĂŒr  ihn  ist  die  ganze 
„wissenschaftliche"  Literatur  der  Neuzeit  nur  ein  Sammel- 
surium von  Bezeichnungen  fĂŒr  Theorien  ohne  sichere  Basis. 
Ihre  trĂŒgerischen  Behauptungen  haben  die  moderne  Medizin 
bis  zu  einem  Grade  verwirrt,  daß  man  bis  ins  Mittelalter  zu- 
rĂŒckgehen muß,  um  nochmals  ein  solches  Bild  wissenschaft- 
licher Anarchie  und  TĂ€uschung  zu  finden.  Die  modernen 
Schriften,  in  denen  der  Arzt  und  der  Student  die  Wahrheil 
suchen,  sind  voll  dieser  trĂŒgerischen  Wissenschaft,  genannt 
Bakterio-  oder  Toxinotherapie.  Sie  bringen  Bakteriotropine, 
unzÀhlige  Tuberkuline  einschl.  der  Tuberkulozidine  und 
-plasmine,  Tulasen  und  Tulone,  ferner  Leproline,  Kndo-  und 
Kxotoxine,  Toxoide  und  Toxone,  Aggressine,  Alexine,  Auto- 
und  Bakteriolysine,  Opsonine,  Zyto-  und  Antizytotoxine, 
Kndolysine,  Renotoxine,  Leukozidine  und  -toxine,  Para- 
lvsine,  PrÀcipitine  und  PrÀeipitoide,  Pyocyanasen,  Stimuline 

 ,  Katherine,  Laterine,  Simpeline,  Gimpeline,  -sine,  sine 

usw.    Und  sowas  nennt  sich  „Wissenschaft"! 

Auch  anlĂ€ĂŸlich  der  Selenversuche  Wasser  mann 's 
las  man  in  allen  Zeitungen,  daß  es  gelungen  wĂ€re,  den  Krebs 
zu  heilen.  Nach  dem  Fiasko,  das  Wassermann  mit 
seinen  etwa  100  %  Abortivheilungen,  die  ebenfalls  in  alle 
Zeitungen  hineinlanziert  wurden,  erlebt  hat,  sollte  man,  bei 
aller  Achtung  vor  dem  nur  diagnostischen  Wert  der 
Zufallsreaktion  die  Öffentlichkeit  mit  ungeklĂ€rten  wissen- 
schaftlichen Theorien,  fĂŒr  die  auch  nicht  die  Spur  eines  Be- 
weises erbracht  ist,  als  „bereits  fertige  Wissenschaft"  ver- 
schonen. Sonst  könnte  allzu  leicht  das  Vertrauen  des  Volkes, 
das  an  und  fĂŒr  sich  schon  schwer  erschĂŒttert  ist,  zur  soge- 
nannten autoritativen  Medizin  immer  mehr  verloren  gehen, 
wenn,  wie  Klemperer  erklÀrte,  die  Medizin  ihre  Funda- 
mente immer  umĂ€ndern  muß.  Der  Gegner  sind  zu  viele! 
KigentĂŒmlicherweise  ergibt  die  Geschichte  der  wissenschaft- 
lichen Reklame,  daß  diese  hauptsachlich  fĂŒr  solche  Er- 
findungen  erfolgt,  die  sich  zunĂ€chst  kaum  nachprĂŒfen  lassen 
und  deren  Richtigkeit  oder  Unrichtigkeit  erst  nach  Jahren 
entschieden  werden  kann.   Beati  possidentes! 

M.  K.  ist  die  Wassermann'sche  Reaktion,  wie  allgemein 
angenommen  wird,  eine  Abwehrreaktion  gegenĂŒber  dem  ein- 
gedrungenen Gift,  ein  Abwehrvorgang  Àhnlich  dem  der 
PrimĂ€r-  und  SekundĂ€raffektbildung,  der  erst  ausreifen  muß, 
ein  Abwehrvorgang  durch  Bildung  bestimmter,  aber  fĂŒr 
Syphilis  nicht  spezifischer  im  Blute  kreisender  Körper,  die 
sich  sogar  in  der  Schwangerschaft  bilden  und  bei  den  ver- 
schiedensten anderen  Erkrankungen  vorkommen.8)  Schon  sind 
die  SalvarsananhÀnger  dabei,  diese  Abwehrreaktion  des 
Körpers  zu  vernichten.  Ist  es  nicht  geradezu  widersinnig 
(trotz  aller  Warnungen  von  Forschern  allerersten  Ranges,  die 
weder  direkt  oder  indirekt  an  einer  Patentmedizin  beteiligt 
waren,  wie  Fournicr,  Engel-Reimers,  Kaposi, 
Hebra  u.  a.)  diese  schon  vor  der  W.  R.  bekannte  Abwehr- 
reaktion des  Körpers  schon  im  Anfange  der  Krankheit  mit 

\  Das  gesunde  Kaninchen  hat  vielfach  positive  YY.  R.  und 
ilicsc  wird  durch  Aenderung  der  ErnÀhrung  des  Tieres  negativ. 
Was  soll  also  eine  derartig  labile  Reaktion  fĂŒr  die  Heilung  eines 
chronischen  Leidens  sagen,  was  soll  hier  bei  dieser  HeĂŒungs- 
f*age  ĂŒberhaupt  der  Tierversuch  '  Nur  die  Erfahrung  hat  hier 
das  letzte  Wort  zu  sprechen. 


allen  Mitteln,  mit  50  und  00  „abortiven"  Salvarsanspritzen 
in  Verbindung  mit  50  bis  100  Quecksilberspritzen  auszu- 
schalten, d.  h.  diese  Abwehrreaktion,  genannt  Wassermann- 
sehe  Reaktion,  negativ  zu  machen? 

Auf  der  einen  Seile  also  gibt  man  zu,  mit  Hilfe  der  W.- 
Reaktion einen  Abwehrvorgang  zu  konstatieren  und  auf  der 
anderen  Seite  bemĂŒht  man  sich,  denselben  mit  tödlichen  Sal- 
varsandosen  und  mit  immer  höheren  und  höheren,  ge- 
gebenenfalls ebenfalls  5 — 6 fach  ĂŒbermaximal  dosierten  töd- 
lichen Quecksilberdosen  zu  vernichten.  „ErklĂ€ret  mir,  Graf 
Oerindur. . ." 

In  meiner  Behandlung  befindet  sich  momentan  ein 
Patient,  der  schwere  luetische  SekundÀrerscheinungen  pustu- 
löser  und  papulöser  Natur  und  wiederholt  einen  negativen 
Wassermann  hat,  d.  h.  keine  Abwehrstoffe  im  Blute  gebildet 
hat.  Wenn  die  Logik  von  Ehrlich-Wassermann- 
Neiße  r-Blaschko  usw.,  jede  positive  Reaktion  in  eine 
negative  umzuwandeln,  koste  es,  was  es  wolle,  richtig  wÀre 
(alle  diese  Theorien  und  alle  „Untersuchungsresultate"  sind 
dank  der  UnbestÀndigkeit,  der  Wassermann'schen  Reaktion 
absolut  ohne  Beweiskraft),  dann  mĂŒĂŸte  man  umgekehrt 
diesen  Patienten  ĂŒberhaupt  nicht  behandeln.  Denn  er  hat 
ja  schon  einen  negativen  Wassermann.  Man  sieht,  zu  welchen 
unglaublichen  logischen  Konsequenzen  eine  jeder  wissen- 
schaftlichen Grundlage  entbehrende,  m.  E.  von  denjenigen 
Sexual-Kapitalisten  besonders  protegierte  Erfindung  fĂŒhrt, 
die  bei  jedem  Fall  von  Syphilis  alle  14  Tage  zwei  Jahre  lang 
eine  kostspielige  Blutuntersuchung  machen  zu  mĂŒssen 
glauben. 

Wenn  man  aber  annimmt,  daß  die  Behandlungsmethode, 
welche  es  auch  sei,  Abwehrstoffe  dem  Körper  zufĂŒhrt,  also 
sozusagen  die  von  der  Syphilis  indirekt  und  von  dem  Körper 
direkt  gebildeten  Abwehrstoffe  noch  vermehrt,  dann  muß 
man  in  Zukunft  jede  RĂŒcksicht  auf  einen  positiven  oder 
negativen  Wassermann,  wie  ich  es  seit  Jahren  handhabe, 
ausschalten.  Dann  handelt  es  sich,  wie  frĂŒher,  wo  keine 
Laboratoriumsforscher  und  interessierten  Chemiker  der 
Syphilidologie  ihre  Wege  wiesen,  nur  darum:  Was  hat,  da 
wir  zugestandenermaßen  kein  Kriterium  zur  Feststellung  der 
Heilung  einer  Syphilis  haben,  im  Laufe  von  Jahrzehnten  und 
Jahrhunderten  in  praktischer  Beziehung  sowohl  symptoma- 
tisch als  dauerwirkend  eine  Methode  geleistet?  80  %  bis  90  % 
Heilung  nach  Engel-Reimers  nur  durch  Quecksilber! 
Dann  handelt  es  sich  nicht  darum,  was  leistet  sie  in  bezug 
auf  die  nur  Verwirrung  in  den  Köpfen  der  Gelehrten  und  der 
Praktiker  anstiftende  heute,  solange  die  AutoritÀt  ihren  Ein- 
fluß ausĂŒbt,  richtige,  morgen  schon  falsche  Theorie  unserer 
zĂŒnftigen  AutoritĂ€ten.  Ist  es  nicht  geradezu  verwirrend,  wenn 
ein  Mann  wie  B  1  a  s  c  h  k  o,  der  bei  jedem  Patienten  viele 
Wassermann  -  Untersuchungen  macht,  obschon  es  kein 
Kriterium,  als  die  jahrzehnte-  oder  jahrhundertelange 
Beobachtung  gibt,  um  eine  Heilung  festzustellen,  in  seinen 
„Mitteilungen",  Band  19,  S.  38,  schreiben  lĂ€ĂŸt:  „Die  Aerzte 
haben  wirksame  Mittel  (hiermit  meint  er  Salvarsan),  die  q 
ermöglichen,  jeden  Patienten,  der  mit  einer  frischen  Erkran- 
kung in  Behandlung  kommt,  sicher  und  ohne  Scha- 
de n  zu  heilen".  Sicher  und  ohne  Schaden!  (Siehe  Arndt, 
Gennerich,  Hahn  usw.)  Die  Wassermann-Reaktion 
hat,  abgesehen  von  der  hÀufig  nur  durch  die  W.  R.  festzu- 
stellenden Sicherung  der  Diagnose,  die  in  den  meisten  FĂ€llen 
durch  die  Anamnese  schon  feststeht,  fĂŒr  die  Beurteilung  der 
Syphilisdauerheilung  den  Instituten  Nutzen  gebracht,  nicht 
aber  den  Patienten.  Diese  Institute  sexual-kapitalistischer 
Natur  haben  sich  sogar  Monopole  auf  Grund  der  Beziehungen 
der  Inhaber  bei  den  von  öffentlichen  Geldern  unterhaltenen 
Kassen  verschafft,  anstatt  daß  diese  jeden  Arzt  oder  jedes 
Institut  mit  der  Untersuchung  beauftragen  sollten,  der  die 
GewĂ€hr  fĂŒr  gute  AusfĂŒhrung  gibt.  Der  Wassermann  ismus 
ist,  was  die  Heilwirkung  (nicht  die  Diagnose)  betrifft,  eine 
Scheinwissenschaft,  dazu  angetan,  den  guten  Namen  der 
wirklichen  Wissenschaft  zu  diskreditieren.  UnterstĂŒtzt  wird 
diese  Scheinwissenschaft  von  Organisationen,  die  angeben, 
mit  großen  Geldmitteln,  durch  öffentliche  VortrĂ€ge,  Films 


174 


v.  d.  HĂŒtten:  KniescheibenbrĂŒche 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


usw.  die  Geschlechtskrankheiten  zu  bekÀmpfen.  Diese  Be- 
kÀmpfung aber  hat  nicht  zu  einer  Verminderung,  sondern 
eher  zu  einer  Vermehrung  der  Geschlechtskrankheiten  ge- 
fĂŒhrt. Und  Warnungen  werden  in  den  Wind  geschlagen  und 
die  Warner  selbst  geketzert  und  verbrannt,  von  Amts-  und 
Rechtswegen. 

„Auszeichnung  hier  erwarte  nie. 
Denn  das  System  verbeut's. 
Man  hÀngt  das  Kreuz  nicht  an  s  Genie 
Nein,  das  Genie  ans  Kreuz." 


Aus  der  chirurgischen  UniversitĂ€tsklinik  Gießen 
(Direktor:  Geh.-Rat  Prof.  Dr.  Poppert). 

Zur  Behandlung  der  KniescheibenbrĂŒche. 

Von  Dr.  med.  F.  von  der  HĂŒtten,  Assistent  der  Klinik. 

GegenĂŒber  der  von  v.  Bergmann  und  seiner  Schule 
vertretenen  Forderung,  einen  jeden  Patellarbruch  operativ 
anzugeben,   wird  neuerdings   schÀrfere  Indikationsstellung 
zur  Operation  und  konservative  Behandlung  betont.  Beson- 
ders KĂŒttner  wendet  sich  gegen  das  schematische  Ope- 
rieren eines  jeden  Bruches  und  will   auseinander  halten 
direkte  und  indirekte  Fraktur,  wobei  er  fĂŒr  erstere  eine  Ope- 
ration fĂŒr  ĂŒberflĂŒssig  hĂ€lt  und  ablehnt.    Ich  glaube  nicht, 
daß  die  Aetiologie  ein  so  prĂ€gnantes  Hilfsmittel  ist  in  der 
Entscheidung,  ob  operieren  oder  nicht;  denn  hÀufig  sind  die 
Angaben  der  Patienten  unsicher  und  in  vielen  FĂ€llen  beide 
Ă€tiologische  Momente  kombiniert.     Viel   sicherer  gibt  die 
Anatomie,  bzw.  pathologische  Anatomie   die  Entscheidung 
weiteren  Handelns:  Wenn  wir  bedenken,  daß  die  ĂŒber  die 
Patella  hinwegziehenden  Sehnenfasern  des  Quadriceps  nur 
einen  Teil  der  Streckmuskulatur  darstellen,  und  daß  ihr  Aus- 
fall durch  den  seitlichen  Bandapparat  vollersetzt  werden 
kann,  ferner,  daß  das  Fehlen  der  Patella  allein,  operativ  oder 
angeboren,  einen  Funktionsausfall  nicht  bedingt,  so  wer- 
den wir  den  Hauptwert  nicht  mehr  auf  den  Kniescheiben  - 
bruch  legen,  als  vielmehr  auf  die  Mitverletzung  des  Band- 
apparates,  des  sog.  Reservestreckapparates.     Ist  die  Patella 
allein  frakturiert  —  eine  solche  Fraktur  haben  wir  an 
unserer  Klinik  in  den  letzten  Jahren  nicht  gesehen  — ,  so  ist 
eine  Verschiebung  der  BruchstĂŒcke  niemals  vorhanden:  eben 
so  wenig  wird  eine  Behinderung  der  Streckung  des  Beines 
bestehen:  Der  Patient  kann,  wenn  auch  mit  Schmerzen,  das 
gestreckte  Bein  von  der  Unterlage  heben.    Oft  lĂ€ĂŸt  nur  das 
Röntgenbild,  das  nach  S  c  h  u  1 1  z  e  immer  in  Beugestellung 
gemacht  werden  muß,  den  Spalt  in  der  Partella  erkennen. 
Schultze  bezeiclmet  diese  Bruchform  als  Fraktura  patellae 
vera;  fĂŒr  diese  ist  eine  Operation  ĂŒberflĂŒssig;  konservative 
Behandlung  —  Lagerung  auf  der  Volkmann-Schiene  und 
rationelle,  noch  unten  zu  erwĂ€hnende  Nachbehandlung  — 
werden  ein  gutes  Resultat  erzielen.    Ist  hingegen  eine,  wenn 
auch  nur  geringe  Dislokation  der  BruchstĂŒcke  vorhanden,  so 
mĂŒssen  wir  eine  Mitverletzung  des  Kapsellagers  der  Patella 
und  der  seitlichen  BĂ€nder  annehmen;  in  solchem  Falle  ist 
stets  die  Funktionsstörung  vorhanden  derart,  daß  das  Bein 
nicht  gestreckt  gehoben  werden  kann.   Die  Fraktura  patellae 
mit  Zerreißung  des  Reservestreekapparates  (Schultze)  muß  in 
jedem  Fall  operiert  werden,  soll  nicht  durch  Nichtvereini- 
gung  des  Kapsel-  und  Bandrisses  SchwÀchimg  des  Beines 
und  bindegewebige  Heilung  der  Patella  die  Folge  sein.  Was 
wdr  mit  der  Operation  erreichen  wollen,  ist  die  Restitutio  ad 
integrum  sowohl  die  anatomischen  VerhÀltnisse,  wie  die 
Funktion  betreffend.    Wir  werden  also  den  Hauptwert  auf 
genaueste  Naht  des  eingerissenen  seitlichen  Bandapparates 
legen,  wozu  wrir  an  unserer  Klinik  Jodkatgut  benutzen,  und 
werden  dadurch  Adaption  und  Fixierung  der  beiden  Frag- 
mente und  die  besten  Bedingungen  fĂŒr  knöcherne  Verheilung 
der  Patella  schaffen.  Wenn  auch  in  einer  Reihe  von  FĂ€llen 
die  bindegewebige  Heilung  der  Patella  ein  gutes  funktionelles 
Resultat  gezeitigt  hat,  so  ist  das  nach  meiner  Meinung  nur 
möglich,  wenn  sorgfÀltige  Naht  der  verletzten  BÀnder  ein 


Auseinandervveichen  der  BruchstĂŒcke  verhindert.  Daß  bei 
einem  mit  dicht  aneinanderstehenden  BruchstĂŒcken,  binde- 
gewebig verheilten  Patellarbruch  die  spÀtere  Untersuchung 
eine  Diastase  von  11  cm  ergab  (v.  Bergmann),  ist  nur  durch 
Unterlassung  dieser  Naht  zu  erklÀren.  Zudem  sind  Knie- 
gelenke mit  bindegewebig  verheilter  Patella  Wackelgelenke 
im  Siime  der  Ueberstreckung  (Thiem),  abgesehen  von  der 
Gefahr  der  Refraktur,  die  bei  bindegewebiger  Verheilmag  eine 
unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  grĂ¶ĂŸere  ist.  Konservative  Maßnahmen 
werden  also  bei  Mitverletzung  des  Reservestreckapparates 
eben  so  wenig  am  Platze  sein,  wie  die  vielen  Subkutan-  und 
Perkutanverfahren.  Neben  der  Naht  des  Bandapparates  — 
wir  bevorzugen  fĂŒr  den  Hautschnitt  dabei  den  nach  oben 
konvexen  Bogenschnitt  —  wurden  nun  bisher  von  den 
ineisten  Autoren  die  Patellarfragmente  mit  Draht  (Silber- 
Aluminium-  oder  Bronzedraht)  vereinigt.  Eine  Reihe  von 
Autoren  (v.  Brunn,  Kocher,  Thiem,  Lauenstein 
u.  a.)  hat  in  Weiterverfolgung  des  Schicksales  des  Drahtes 
gefunden,  daß  dieser  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  in  StĂŒcke  ge- 
brochen war,  die  zum  Teil  wanderten  und  erhebliche  Be- 
schwerden verursachten;  nicht  selten  wurden  solche  Draht  - 
fragmente  sogar  im  Kniegelenk  beobachtet.  Auch  wir  haben 
in  6  von  9  mit  Draht  genÀhten  FÀllen  Bruch  des  Drahtes 
gesehen;  dreimal  mußte  dieser  wegen  Eiterung,  Schmerzen 
und  chronischen  Hydrops  nachtrÀglich  entfernt  werden.  Wir 
haben  daher  in  letzter  Zeit  die  Drahtnaht  nicht  mehr  aus- 
gefĂŒhrt, sondern  uns  auf  die  p  e  r  i  -  und  praepatellare 
Naht  mit  Catgut  beschrÀnkt.  Um  ihre  Verbreitung  haben  sich 
in  Deuschland  besonders  Thiem,  BĂ€rlocher,  BĂŒdin- 
ger  u.  a.  verdient  gemacht  und  entsprechend  den  anatomi- 
schen Voraussetzungen  an  Hand  ihrer  guten  Resultate  bewie- 
sen, daß  mit  der  exakten  Vereinigung  der  seitlichen  und  vorn 
ĂŒber  die  Patella  ziehenden  BĂ€nder  fast  immer  auch  knöcherne 
Verheilung  der  Patellarfragmenle  durch  Rekonstruktion  des 
Kniescheibenbettes  und  Aneinanderhalten  der  BruchstĂŒcke 
erreicht  wird.  Schultze  vernÀht  den  seitlichen  Band- 
apparat in  Ueberkorrektion,  indem  er  zu  beiden  Seiten  der 
Patella  je  eine,  die  BĂ€nder  weitfassende  Muzeuxzange  anlegt: 
dadurch  werden  die  BruchstĂŒcke  festaneinander  gepreßt. 
Auch  unsere  Resultate  sind  mit  dieser  Operationsmethode 
sehr  gute;  sowohl  knöcherne  Heilung  wie  gute  Funktion  wur- 
den erzielt,  so  daß  wir  die  peri-  und  prĂ€patellare  Naht  als 
das  beste  Operationsverfahren  beim  Kniescheibenbruch  emp- 
fehlen können.  Neben  dem  Vorteil  bester  Heilungsmöglicli- 
keit  ist  sie  einfach  auszufĂŒhren  und  vermeidet  die  Störungen 
durch  den  Draht. 

Nach  der  Operation  lagern  wir  das  Bein  fĂŒr  14  Tage  aui 
eine  Schiene,  lassen  von  da  ab  passive  und  aktive  Bewegun- 
gen ausfĂŒhren:  die  Patienten  verlassen  nach  3  Wochen  in 
der  Regel  das  Bett  und  kommen  in  der  3.  bis  4.  Woche  zur 
mediko-mechanischen  Behandlung.  Zugleich  heizen  wir  das 
Knie  im  Heißluftkasten,  wobei  war  frĂŒhzeitig  seitliche  Be- 
wegungen der  Patella  machen,  um  Verwachs ungen  mit  den 
Femurkondylen  zu  verhindern.  Ebenso  suchen  wir  frĂŒh- 
zeitig der  Quadricepsatrophie  durch  Massage  vorzubeugen. 
Bei  diesem  Vorgehen  sind  unsere  Resultate  ausgezeichnete. 

Diese  AusfĂŒhrungen  gelten  nur  fĂŒr  den  frischen,  sub- 
kutanen Kniescheibenbruch,  ohne  RĂŒcksicht  auf  die  Bruch- 
form. Beim  komplizierten  Bruch  liegt  die  Hauptgefahr  in  der 
drohenden  Infektion.  Ob  man  bei  einer  frischen,  gut  aus- 
sehenden Wimde  die  offene  Naht  noch  machen  soll,  wird 
der  Erfahrung  des  einzelnen  Operateurs  ĂŒberlassen  bleiben 
mĂŒssen.  Entschließen  wir  uns  sekundĂ€r  zu  nĂ€hen,  so  werden 
Verwachsungen  der  BruchstĂŒcke  mit  den  Femurkondylen 
und  Retraktion  des  Quadriceps  uns  oft  schwierige  VerhÀlt- 
nisse schaffen.  Meist  werden  dann  plastische  Operationen 
notwendig,  deren  WĂŒrdigung  außerhalb  des  Rahmens  dieser 
Arbeit  liegt. 

Zum  SchlĂŒsse  will  ich  noch  kurz  die  Rentenfrage  strei- 
fen. Wir  haben  bei  Unfallversicherten,  ebenso  wie  Thieml 
und  Schultze  die  Erfahrung  machen  mĂŒssen,  daß  das 
funktionelle  Resultat  trotz  glatter  und  knöcherner  Heilung 
nicht  so  gut  war,  wie  bei  unseren  anderen,  nicht  versicherten 
Kranken:  ich  kann  daher  bei  solchen  Patienten  nur  rnten: 


40.  Jahrg.  -  Nr.  8 


Sticker:  Medizingeschichte 


17f, 


l;  eine  besonders  sorgfÀltige  Nachbehandlung  und  Ueber- 

wachung  vorzunehmen ; 
%   keinen  Patienten  zu  entlassen,  bevor  nicht  wenigstens 
bei  kraftvoller  Streckung  eine  aktive  Beugung  von  90 
Grad  vorhanden  ist; 

;    die  anfÀnglich  berechtigt  hohe  Rente  bald  stark  her- 
abzusetzen. 

Die  Berechtigung  dazu  gibt  uns  die  Erfahrung,  daß  bei 
nicht  versicherten  Patienten  volle  ErwerbsfÀhigkeit  nach 
etwa  1  Jahr  wieder  eingetreten  ist  (T  h  i  e  m,  Schnitze). 


Wert  und  Aufgaben  der  Medizingeschichte 
im  Studium  und  Berufsleben  des  Arztes. 

Von  G  e  o  r  n  S  t  i  c  k  er ,  WĂŒrzburg. 

Wie  die  Ueberschrift  so  lautet  der  erste  Aufsatz  in  einem 
eben  erschienenen  Buch:  Skizzen  von  Karl  Sudhoff 
(Verlag  von  F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig  1921,  326  Seiten,  120  M.). 
Der  Verfasser  ist  ein  Mann,  der  seinen  Weg  aus  fast  dreißig- 
jĂ€hriger Ă€rztlicher  TĂ€tigkeit  zu  Fuß  und  zu  Pferd  in  Land- 
praxis und  Kassenpraxis  zum  Lehrstuhl  fĂŒr  Medizingeschichte 
an  der  UniversitÀt  Leipzig  gefunden,  der  dem  Gebiet  seiner 
Forschung  neues  Ansehen  und  wachsende  Wirkungskraft 
eingeflĂ¶ĂŸt  hat,  der  als  beinahe  SiebzigjĂ€hriger  in  voller 
RĂŒstigkeit  weiter  forscht,  weiter  lehrt,  weiter  anregt.  Das 
Buch,  mit  dem  ausdruckvollen  Bilde  des  Verfassers  ge- 
schmĂŒckt, enthĂ€lt  eine  Auslese  zerstreuter  Gelegenheitsschrif- 
ten von  schriftstellerischer  TÀtigkeit  wÀhrend  eines  Viertel - 
jahrhunderts;  es  ist  den  leiblichen  Kindern  und  geistigen 
Zöglingen  und  Freunden  gewidmet  mit  dem  Wunsche,  daß 
auch  Aerzte,  Naturforscher  und  andere  denkende  Kreise  sich 
daran  erfreuen  möchten. 

Das  Verzeichnis  der  48  jungen  und  alten  AufsÀtze,  die 
zum  Teil  verbessert  und  erweitert  sind,  zeigt  schon  die  FĂŒlle 
des  Gebotenen.  Der  Einleitung  ĂŒber  Wert  und  Aufgaben  der 
Medizingeschichte  folgt  ein  lebendiger  Ueberblick  ĂŒber  den 
Entwicklungsgang  der  Heilwissenschaft;  es  schließen  sich  an 
Bilder  von  Heilbestrebungen  des  Steinzeitmenschen,  von 
Krankheitsvorstellungen  und  HeilbrÀuchen  bei  den  alten  Ger- 
manen, von  Heilwundern  des  Kosmos  und  Damian,  des  Kyros 
und  Johannes,  von  den  Erstlingen  wissenschaftlicher  For- 
schung bis  zur  Ausbildung  der  Aerzteschulen;  weiterhin 
LesefrĂŒchte  ĂŒber  die  AnfĂ€nge  der  Volksgesundheitslehre,  ĂŒber 
Seuchenschutzmaßregeln  in  der  Vergangenheit;  ferner  Be 
Ziehungen  der  Medizin  zu  den  schönen  KĂŒnsten,  GedenkblĂ€tter 
an  Goethe,  an  Johannes  MĂŒller;  Erinnerungen  an 
Hermann  Baas,  an  Georg  Kahlbaum.  Den  Schluß 
bilden  Mitteilungen  ĂŒber  die  Rheinische  Goethe-Ausstellung, 
zu  DĂŒsseldorf  im  Jahre  1899.  Diese  Ausstellung,  von  Sud  - 
hoff  angeregt  und  ausgefĂŒhrt,  war  das  erste  Werk  seiner 
leitenden  und  ordnenden  TĂ€tigkeit,  die  in  der  Folge  auch  den 
Vorbereitungen  zur  Einrichtung  der  medico-historischen  Ab- 
teilung des  germanischen  Museums  in  NĂŒrnberg,  der  Grund 
steinlegung  des  Deutschen  Museums  in  MĂŒnchen,  vor  allem 
auch  der  Dresdener  Hygieneausstellung  vom  Jahre  1911  zu 
Gute  gekommen  ist  und  die  in  der  Leitung  des  Leipziger  In- 
stituts fĂŒr  Geschichte  der  Medizin  und  der  Deutschen  Gesell- 
schaft fĂŒr  Geschichte  der  Medizin  und  der  Naturwissenschaft 
fortwirkt. 

{  Wir  zweifein  nicht,  daß  Sudhoffs  BĂŒchlein  dem  ge- 
reiften Arzt  großen  Genuß  und  erwĂŒnschte  Belehrung  geben 
wird.  Wem  Billroths  Briefe,  Kussmauls  Erinnerun- 
gen, S  c  h  1  e  i  c  h  s  besonnte  Vergangenheil  lieb  sind,  der  wird 
auch  an  S  u  d  h  o  f  f  s  Skizzen  seine  Freude  haben.  Vielleicht 
tragen  diese  sogar  dazu  bei,  daß  in  unseren  so  einst  streben- 
den und  in  der  BewÀltigung  gewaltiger  Stoffmassen  so  uner- 
mĂŒdlichen jungen  Medizinern  das  schlummernde  BedĂŒrfnis 
nach  geschichtlicher  Belehrung,  nach  einer  geschichtlichen 
Vertiefung  der  breiten  anspruchsvollen  Gegenwart  erweckl 
wiid. 


VorlÀufig  besteht  unter  den  Medizinstudierenden  auf  Uni 
versitÀten  noch  wenig  Neigung  und  Möglichke  it,  sich  in  die 
Geschichte  der  Heilkunst,  der  Àrztlichen  Wissenschalt,  des 
Ă€rztlichen  Standes  einfĂŒhren  zu  lassen.  An  Dozenten  dafĂŒi 
fehlt  es  nicht.  Aber  der  Stundenplan  fies  Studenten  nach 
dem  Physikum  ist  so  dicht  und  stark  besetzt,  dafl  ei 
zwischen  der  Eröffnung  der  HörsĂ€le,  im  Sommer  frĂŒh  um 
sieben,  im  Winter  um  acht  Uhr,  und  dem  Ende  des  strengen 
Tages,  im  Sommer  um  sieben  oder  acht,  im  Winter  um  achl 
oder  neun  Uhr,  keine  LĂŒcke  zeigt  außer  der  schmalen  bisher 
unbeschriebenen  Linie  wÀhrend  der  Mittagszeit  von  ein  Iii1 
zwei  Uhr;  dabei  sind  manche  Stunden  doppelt  besetzt.  Da 
nun  die  Geschichte  der  Medizin  nach  fĂŒnfzigjĂ€hriger  Aech- 
tung  erst  kĂŒrzlich  wieder  in  den  Lehrplan  aufgenommen  ist, 
so  wird  einige  Zeit  vergehen,  bis  sie  ihren  alten  Ruf  und  Wert 
eines  Erziehungsmittels,  eines  unentbehrlichen  Fortbildungs 
mittels  zurĂŒckgewonnen  hat.  Diese  Zeit  wird  um  so  lĂ€nger 
dauern,  je  mehr  der  Lehrkörper  dem  Zuge  der  Gegenwart 
nachgibt,  welche  aus  den  Unterrichtsjahren  auf  der  Universi- 
tÀt anstatt  einer  Zeit  der  Vorbereitung  und  Anleitung  eine 
Zeit  der  Ausbildung  zu  machen  verspricht  und  trotz  der 
GrĂŒndung  von  großen  Fortbildungsschulen  schon  eine  Voll- 
endung in  der  Vorschule  fordert.  Bei  so  gerichtetem  Stunden- 
plan fehlt  dem  Studierenden  nicht  nur  die  Zeit,  das  Wort 
der  Geschichte  zu  vernehmen,  sondern  er  wird  in  der 
Meinung  von  ihrer  Entbehrlichkeit  um  so  mehr  befestigt,  je 
mehr  er  sich  von  dem  Leitsatz  „die  Schulung  vollendet  den 
Arzt"  tĂ€uschen  lĂ€ĂŸt  und  der  Schule  das  Unmögliche,  ja  Un- 
gehörige zumutet. 

Der  Arzt,  der  im  lebendigen  Wirken  steht,  weiß  die  Ge- 
schichte seiner  Kunst  zu  schÀtzen.  Je  Àlter,  je  erfahrener  er 
ist,  um  so  grĂ¶ĂŸer  sein  BedĂŒrfnis  nach  historischer  Be- 
lehrung. Ob  er  sie  gewinnen,  ob  er  sie  nutzen  kann,  ist 
freilich  eine  Frage  der  Anlage  und  der  Vorbildung,  oder  sonst 
die  Sache  eines  glĂŒcklichen  Zufalles,  der  ihm  zur  guten 
Stunde  einen  Bericht  in  die  HĂ€nde  spielt  vom  Werden  und 
Können  eines  großen  Arztes  oder  vom  natĂŒrlichen  Werde- 
gang einer  gewaltigen  Seuche  oder  von  den  AnfÀngen  einer 
weittragenden  Entdeckung  oder  vom  Zusammenbruch  eines 
als  untrĂŒglich  verkĂŒndeten  Systems,  einer  jahrhundertelang 
geschĂ€tzten  Maßnahme,  eines  unter  Triumpfgeschrei  ge- 
borenen neuesten  Heilmittels.  Der  Arzt,  der  mit  einigem 
freien  Urteil  auch  nur  sieben  Jahre  in  der  Praxis  steht,  weiß, 
was  an  den  neuen  und  neuesten  Entdeckungen,  an  den  zu- 
kĂŒnftigen Siegen  der  modernsten  HeilplĂ€ne  und  Abwehrmaß- 
regeln ist.  Er  fÀngt  an  den  traurigen  Satz  zu  begreifen,  den 
der  BegrĂŒnder  der  europĂ€ischen  Klinik,  Hermann  Boer- 
haave,  an  die  Spitze  seiner  Therapie  stellt:  nihil  arti 
exitiale  magis  novi!  Aber  die  GrĂŒnde  dieses  Satzes  findet  er 
doch  erst,  wenn  er  von  der  Geschichte  in  die  klugen  Erfah- 
rungen kluger  VĂ€ter  und  VorvĂ€ter  eingefĂŒhrt  worden  ist. 

Was  uns  zur  Geschichte  zieht,  ist  kein  leeres  Unter- 
haltungsbedĂŒrfnis, kein  mĂŒder  Zeitvertreib.  Es  ist  die  mehr 
oder  minder  klare  Einsicht,  die  gerade  bei  den  TĂŒchtigsten 
mit  den  Jahren  unabweislich  sich  einstellt,  denen  unsere 
Kunst  ein  Besitz  ist,  der  nicht  von  gestern  auf  heute  ent- 
stand und  nicht  von  heute  auf  morgen  in  ungeahnter  Weise 
sich  mehrt,  sondern  als  alte  Erbschaft  weniger  großer 
Geister  und  vieler  kleiner  Schwarmgeister  sich  angesammelt 
hat;  es  ist  die  Einsicht,  daß  der  Gebrauch  dieser  gemischten 
Erbschaft  eine  stetige  und  wachsame  Sichtung  des  Wahren 
vom  Falschen  voraussetzt  unter  der  FĂŒhrung  des  prĂŒfenden 
Versuches  und  der  richtenden  Zeit,  und  daß  die  grĂ¶ĂŸten 
Feinde  der  wahren  Kunst  jene  wimmelnden  Eintagsfliegen 
sind,  die  alles  vom  Tage  erwarten  und  von  ihrem  tanzenden 
Uebermut.  Der  Nachdenkliche  erfÀhrt  in  seiner  Praxis,  wie 
richtig  der  Pariser  Professor  Louis  Du  rat  im  sechzehnten 
Jahrhundert  urteilte,  als  er  seinen  SchĂŒlern  zurief:  fremant 
licet  omnes,  dicam  tarnen  quod  sentio,  majorem  scientiae  et 
praxeos  ubertatem  comparari  a  studioso  Hippocratis  uno 
die,  quam  ab  istis  pragmaticis  uno  saeculo!  Darum  tritt  er 
dann  und  wann  eine  Stunde  aus  dem  GedrÀnge  der  Gegen- 
wart hinaus,  um  sich  mit  einem  der  großen  FĂŒhrer  zu  unter- 


176 


S  t  a  n  d  e  s  f  r  a  g  e  n    und    soziale  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


halten,  die  uns  durch  die  Jahrhunderte  als  LehrerÀrzte  vor- 
angegangen ist,  oder  um  eines  der  großen  Geschehnisse  zu 
ĂŒberschauen,  in  denen  unbekannte  oder  unbekannt  ge- 
wordene Krankheiten  und  Plagen  das  Wissen  und  das 
Können  und  die  Bereitschaft  der  Aerzte  auf  die  offene 
Probe  gestellt  haben.  Es  muß  nicht  gerade  Hippokrates 
sein,  an  den  er  sich  wendet;  und  es  braucht  nicht  immer 
die  Zeit  des  schwarzen  Todes  oder  der  ersten  Cholera- 
wanderung heraufbeschworen  zu  werden,  um  uns  aus  dem 
Banne  des  Tages  zu  heben  und  jenen  freien  Standpunkt  ge- 
winnen zu  lassen,  auf  dem  wir  ĂŒber  uns  imd  unsere  Zeit  ins 
Klare  kommen.  Jeder  Tag  der  Geschichte  ist  lehrreich  fĂŒr 
den  Arzt;  das  vergangene  Jahrhundert,  das  vergangene 
Menschenalter  so  gut  wie  die  Vorgeschichte  und  Urgeschichte 
seiner  Kunst  geben  unschÀtzbare  Belehrung,  und  wenn  es 
keine  andere  wĂ€re  als  das  Sapere  aude!  — 

Sudhoffs  Skizzen  sind  dazu  angetan,  dem,  der  im 
weiten  Gebiet  der  Medizingeschichte  sein  FerienplÀtzchen 
zu  ungestörtem  Schauen  und  zu  innerem  Wachstum  sucht, 
den  Weg  zu  weisen.  Den  anderen  hat  Goethe  im  Buch 
des  Unmuts  ein  Stammbuchverslein  geschrieben: 

Wer  nicht  von  dreitausend  Jahren 
Sich  weiß  Rechenschaft  zu  geben, 
Bleib  im  Dunkeln  unerfahren, 
Mag  von  Tag  zu  Tage  leben. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Der  Konflikt  des  Aerzleverbandes  mit  den  Krankenkassen. 

» 

Die  Beziehungen  der  Àrztlichen  Spitzenorganisation  zu  den 
HauptverbÀnden  der  Krankenkassen  sind  in  letzter  Zeit  recht  un- 
erquicklich geworden.  Um  ĂŒber  die  Bedeutung  des  Konfliktes  ein 
Urteil  zu  gewinnen,  wird  es  deshalb  geboten  sein,  die  Tatsachen 
chronologisch  aneinanderzureihen.  Durch  das  sog.  Berliner  Ab- 
kommen vom  Dezember  1913  war  eine  Vereinbarung  zwischen  den 
SpitzenverbÀnden  getroffen  worden,  welche  sich  auf  Herstellung 
von  Einrichtungen  und  Instanzen  fĂŒr  die  Anstellung  der  Aerzte, 
ihre  GebĂŒhren  fĂŒr  Ă€rztliche  Leistungen  und  die  Austragung  von 
Streitigkeiten  auf  schiedlichem  Wege  bezogen.  Die  Vereinbarung 
stellte  einen  Rahmen  dar,  der  durch  Verhandlungen  der  beider- 
seitigen örtlichen  Organisationen  die  nötige  FĂŒllung  erhalten 
sollte.  Dies  ist  auch  im  großen  und  ganzen  geschehen,  nicht 
ĂŒberall  zur  Zufriedenheit  der  Aerzte,  besonders  hinsichtlich  der 
GebĂŒhren,  aber  doch  so,  daß  von  der  Zukunft  ein  modus  vivendi 
erhofft  werden  kann.  Da  man  von  beiden  Seiten  der  Ueber- 
zeugung  war,  daß  ein,  wenn  auch  nicht  ideales  Uebereinkommen 
immer  noch  besser  ist,  als  ein  vertragloser  Zustand  oder  eine 
uferlose  Zersplitterung  der  vertraglichen  Zugehörigkeiten,  so 
zögerte  man  nicht,  als  der  5  jÀhrige  Vertrag  abgelaufen  war,  ihn 
auf  weitere  5  Jahre  zu  verlÀngern.  Man  konnte  Àrztlicherseits 
nicht  ahnen,  welche  UmwÀlzungen  politischer  und  sozialer  Natur 
dem  deutschen  Volkskörper  bevorstanden.  Als  aber  die  UmwÀl- 
zungen einsetzten  und  auch  zu  einer  Ausdehnung  der  Versiche- 
rungspflicht und  der  Versicherungsberechtigung  fĂŒr  die  in  die 
Versicherungsordnung  hineingehörigen  Personen  fĂŒhrten,  mußten 
auch  die  Aerzte  auf  VerÀnderung  der  Vereinbarungen  dringen 
und  sie,  wenn  nötig,  durch  Rechtsprechung  erkĂ€mpfen.  Daß  das 
nicht  ganz  ohne  ZerwĂŒrfnisse  mit  den  KassenvorstĂ€nden  erfolgte, 
war  nicht  Schuld  der  Aerzte,  jedenfalls  durfte  das  Vorgehen  nicht 
Veranlassung  fĂŒr  die  KassenvorstĂ€nde  sein,  das  Kriegsbeil  aus- 
zugraben und  auf  der  ganzen  Linie  den  Kampf  anzufangen.  Im 
Dezember  1920  erfolgte  auf  dem  Krankenkassentage  zu  Berlin 
der  Ruf  nach  gesetzlicher  Regelung  des  VerhÀlt- 
nisses der  Aerzte  zu  den  Krankenkassen  trotz  Be- 
stehens des  Berliner  Abkommens.  Es  ist  bekannt,  daß  dieser  Ruf 
zu  einer  demnÀchst  dem  Reichstage  zugehenden  Gesetzesvorlage 
gefĂŒhrt  hat,  die  so  ziemlich  alle  WĂŒnsche  der  Kassen  befriedigt, 
die  der  Aerzte  aber  unerfĂŒllt  lĂ€ĂŸt.  Das  unerfreuliche  VerhĂ€ltnis 
zwischen  Aerzte-  und  Kassenverband  ĂŒbertrug  sich  dann  auf  die 
Verhandlungen  innerhalb  des  Berliner  Abkommens.  Ein  Schieds- 
spruch ĂŒber  die  Erhöhung  der  Honorare,  der  von  dem 
im  Abkommen  vorgesehenen  Einigungsamte  Ende  Oktober  1921 
gefÀllt  worden  war,  wurde  auch  in  einer  vom  Einigungsamt  am 
1.  Dezember  1921  geÀnderten  Fassung  vom  Leipziger  VerbÀnde 
abgelehnt.    Im  Gegensatz  zu  der  Auffassung  der  KassenverbÀnde 


stand  dieser  auf  dem  Standpunkt,  daß  mit  der  Scheiterung  des 
Tarifabkommens  auch  die  Vereinbarung  ĂŒber  die  Errichtung  eines 
Reichsschiedsamts  vom  3.  November  1921  hinfÀllig  ge- 
worden ist,  wÀhrend  die  KassenverbÀnde  nach  wie  vor  das  Ber- 
liner Abkommen  mit  seinen  sonstigen  Bestimmungen  als  zu  recht 
bestehend  halten.  Neuerdings  scheint  der  Leipziger  Verband  sich 
der  Auffassung  der  Krankenkassen  zu  nÀhern,  indem  er  sich 
bereit  erklĂ€rt,  falls  Wahlen  fĂŒr  das  Beichsschiedsamt  ausge- 
schrieben werden,  sich  an  ihnen  zu  beteiligen.  Das  Ersuchen  der 
KassenverbÀnde  um  neue  zentrale  Vereinbarungen,  das  auch  vom 
Reichsarbeitsminister  befĂŒrwortet  wurde,  hat  der  Leipziger  Ver- 
band abgelehnt,  ebenso  eine  ErklÀrung,  seine  Mitglieder  von  dem 
Eintritt  eines  vertragslosen  Zustandes  abzuhalten.  Nach  dem 
Scheitern  der  zentralen  Tarifverhandlungen  stellt  sich  nun  die 
Bechtslage  fĂŒr  die  Aerzte  folgendermaßen:  Das  Berliner  Ab- 
kommen, insoweit  es  die  Tarife  nicht  betrifft,  besteht  unverÀndert 
weiter  und  bindet  die  lokalen  Organisationen.  Laufen  die  VertrÀge, 
die  zwischen  diesen  und  den  lokalen  KassenverbÀnden  geschlossen 
sind,  weiter,  so  können  sie  nur  auf  Grund  §  626  BGB.  vorzeitig  ge- 
kĂŒndigt werden.  Die  rechtliche  BegrĂŒndung  ist  angesichts  der  Er- 
höhung der  Grundlöhne  und  der  Versicherungsgrenze  der  Reichs- 
versicherungsordnung  kaum  anzuzweifeln.  Laufen  die  VertrÀge 
ab  oder  finden  sich  die  lokalen  Kassenorganisationen  zu  Ver- 
handlungen bereit,  so  steht  dem  Abschluß  neuer  VertrĂ€ge  nichts 
im  Wege,  es  darf  dann  aber  erwartet  werden,  daß  seitens  der 
Aerzte  nur  solche  TarifsÀtze  angenommen  werden,  welche  die 
des  Schiedsspruches  ĂŒbersteigen.  Solche  Vereinbarungen  sind 
fĂŒr  mehrere  Bezirke,  wie  Baden  und  Berlin,  bereits  zustande  ge- 
kommen, in  andern  LĂ€ndern,  wie  Bayern,  sind  sie  angebahnt. 
LĂ€uft  aber  der  Vertrag  unerneuert  ab,  tritt  also  ein  vertragloser 
Zustand  ein,  so  ist  damit  noch  kein  Zustand  der  Verweigerung 
oder  „ernstlicher  GefĂ€hrdung"  Ă€rztlicher  Behandlung  im  Sinne  §370 
der  Reichsversicherungsordnung  geschaffen.  Denn  da  kein 
Grund  zur  Verweigerung  Àrztlicher  Hilfe  dem  Kranken  gegen- 
ĂŒber vorliegt,  wird  der  Kassenarzt  nach  wie  vor  den  Kranken 
behandeln  und  ihm  die  erforderliche  Bescheinigung  ausstellen 
können,  allerdings  nicht  auf  Kosten  der  Kasse,  es  mĂŒĂŸte  sich 
denn  um  dringliche  FĂ€lle  handeln,  in  denen  die  Kasse  auch  dem 
Arzte  gegenĂŒber  ohne  weiteres  haftet.  Es  ist  den  KassenĂ€rzten 
dringend  zu  raten,  im  Falle  des  vertraglosen  Zustandes  ihre 
Hilfe  dem  Kassenmitglied  nicht  zu  entziehen,  immer  jedoch  mit 
dem  aukdrĂŒcklichen  Hinweis  auf  die  Zahlungspflicht  des  Mil 
gliedes.  Die  Unannehmlichkeiten  fĂŒr  die  Kasse  werden  dann 
schließlich  so  groß  werden,  daß  sie  sich  zeitgemĂ€ĂŸen  Verhand- 
lungen mit  den  Àrztlichen  Organisationen  nicht  werden  entziehen 
können.  Vor  Einzelverhandlungen  von  Aerzten  mit  Kassen  muß 
jedoch  dringend  gewarnt  werden,  denn  in  allen  diesen  Fallen 
spielt  fĂŒr  die  Kassen  das  divide  et  impera  eine  Rolle  und  die 
Stoßkraft  der  Ă€rztlichen  Organisation  wird  lahmgelegt. 

Das  bei  einigem  gutem  Willen  der  Krankenkassen  und  des 
zustÀndigen  Reichsarbeitsministeriums  eine  Vereinbarung  mit 
dem  Aerzteverbande  zu  erreichen  ist,  ergibt  sich  aus  dem  Ab- 
kommen, das  am  13.  Dezember  1921  ĂŒber  Aenderungen  des  Ă€rzt- 
lichen Reichstarifs  fĂŒr  das  V  e  r  s  o  r  g  u  n  g  s  \\  e  s  e  n 
vom  9.  April  1921  geschlossen  worden  ist.  Hiernach  wei  den  die 
KriegsbeschÀdigten,  die  sich  als  solche  ausweisen,  im  Falte  eines 
vertraglosen  Zustandes  zwischen  Krankenkassen  und  Aerzte- 
schal't  Àrztliche  Behandlung  von  ihren  bisherigen  Aerzten  er- 
halten, ohne  daß  diese  von  den  KriegsbeschĂ€digten  selbst  Be- 
zahlung von  Honorar  verlangen.  Die  Aerzte  reichen  die  Honorar- 
rechnung bei  den  Krankenkassen  ein.  Diese  bezahlen  vorlaufig 
die  bisher  geltenden  VergĂŒtungen.  Kommt  eine  Vereinbarung 
mit  den  Aerzten  auch  weiter  nicht  zustande,  so  sind  die  Ver- 
gĂŒtungen nach  dem  Ă€rztlichen  Beichstarif  fĂŒr  das  Versorgungs- 
wesen zu  bezahlen.  Die  VergĂŒtungen  sind  mit  BĂŒckwirkung  auf 
den  Betrag  festzusetzen,  der  in  den  spÀteren  Vereinbarungen  oder 
durch  Schiedsspruch  festgesetzt  wird.  Teil  II  des  Reichstarifs 
erfĂ€hrt  Erhöhungen  fĂŒr  Einzelpositionen,  im  ĂŒbrigen  werden  die 
GebĂŒhrensĂ€tze  um  40  %  erhöht.  FĂŒr  die  Zeit  vom  1.  Oktober 
1921  bis  31.  Dezember  1921  wird  auf  die  Gesamtrechnung  ein  Zu- 
schlag von  40  %  nachtrÀglich  gewÀhrt. 

Schon  aus  diesem  Beispiele  ergibt  sich,  daß  grundsĂ€tzlich, 
d.  h.  wenn  die  Mitel  dazu  vorhanden  sind,  auch  die  Kassen  an 
der  angemessenen  Erhöhung  der  Àrztlichen  Honorare 
keinen  Anstoß  nehmen  können.  Angemessen  aber  ist  die  Er- 
höhung nicht  im  SteigerungsverhÀltnis  zu  dem  Friedenshonorare, 
sondern  zu  dem  absoluten  Lebenshaltungsindex  der  Gegenwart. 
Der  Fehler,  der  in  Friedenszeit  von  den  Aerzten  gemacht  worden 
ist,  die  Ă€rztlichen  Honorare  aus  HumanilĂ€tsrĂŒcksichten  und  aus 
Angst  vor  unlauterem  Wettbewerb  unsinnig  niedrig  zu  bemessen, 
darf  sich  nicht  wie  eine  Plage  dauernd  forterben.   Heute  muß  der 


10.  Jahr«.     Nr.  8 


Referate 


177 


Wert  der  Àrztlichen    Leistung   nach    Àhnlichen  gleichwertigen 
Leistungen,  mindestens  aber  nach  Maßgabe    des  Wertes  quali- 
tativer Arbeitsleistung  ĂŒberhaupt,  nach  Abzug  der  Betriebs-  oder 
Werbungskosten  und  unter  BerĂŒcksichtigung  der  durch  Ausbil- 
dung entstandenen  Unkosten  geschÀtzt  werden.  Zu  dieser  heule 
SelbstverstÀndlichen  Anerkennung    haben    sich    die  Kassenver- 
bÀnde im  allgemeinen    bisher    nicht  durchgerungen.    Wo  aber 
wirklich  ein  VerstĂ€ndnis  dafĂŒr  obwaltet,  strĂ€ubte  man  sich  gegen 
jede  Honorar erhöhung  mit   dem  Einwand  des  non  possumus: 
die  Kasseneinnahmen  reichten  angeblich  nicht  aus,  um  höhere 
Honorare  zu  zahlen.    Wie  ungerecht  dieser  Einwand  ist,  ergibt 
sich  ja  schon  aus  der  Tatsache,    daß   Mittel   vorhanden  sein 
mĂŒĂŸten,  um  die  anderen  Kassenleistungen  zu  erfĂŒllen:  Kranken- 
geld, Krankenhauskosten,  Arzneimitel  und  die  gesamten  Betriebs- 
kosten, fĂŒr  all  das  waren  die  Mittel  vorhanden  und  nur  zu  den 
Arztkosten  reichten  sie  nicht?    Nun  ist  aber  auch  dieser  Ein- 
wand  hinfÀllig   geworden   angesichts   des   neuen  Gesetzes 
ĂŒber    Versicherungspflicht,  Versicherungsbe- 
rechtigung und   Grundlöhne  in  der  Krankenversiche- 
rung.   Die  Grenze  der  Versicherungspflicht  ist  von  dem  Entgelt 
von  15  000  M.  auf  ein  solches  von  40  000  M.  erhöht  worden.  Diese 
liinaufsetzung  bedeutet  nicht  bloß  ein  automatisches  Hinabgleiten 
auf  die  Stufe  der  Geldentwertung.   Trotz  dieser  ist  mit  der  40  000- 
Mark-Grenze  eine  neue  Gesellschaftsschicht  getroffen,  die  nicht 
mehr  zu  den  VersicherungsbedĂŒrftigen  zu  zĂ€hlen  ist  und  die 
Segnungen  der  Versicherungspflicht  nie  beansprucht  hat.  Sie 
wird  sie  auch  in  Zukunft  nicht  voll  in  Anspruch  nehmen,  sich 
nach  wie  vor  ihren  Familienarzt  halten  und  auf  das  Krankengeld 
in  Ansehung  ihrer  auch  im  Falle  der  Krankheit  fortlaufenden 
BezĂŒge  verzichten.    Außerdem  erfreut  sich  diese  Gesellschafts- 
schicht   an    sich    durchschnittlich    besserer    Gesundheit  infolge 
uesserer  ErnÀhrung,  Wohnung  und  Hygiene.   Die  Kassen  werden 
demnach  an  ihren  Leistungen  betrÀchtlich  sparen.    Eine  noch 
betrĂ€chtlich  gĂŒnstigere  Einwirkung  auf  die  Kassenfinanzen  ist 
die  im  Gesetze  vorgesehene  Erhöhung  der  Grundlöhne,  nach 
denen  die  BeitrÀge  bemessen  werden.    Der  gesetzliche  Höchst- 
betrag ist  von  24  auf  40  M.  und  der  satzungsmĂ€ĂŸig  zugelassene 
Höchstbetrag  von  30  auf  80  M.  hinaufgesetzt  worden.   Den  Kassen 
wird  demnach  die  Möglichkeit  erhöhter  Leistungen  eröffnet  sein. 
Worauf  es  aber  ankommen  wird,  ist,  daß  die  Kassen  nicht  wieder 
in  den  verhÀngnisvollen  Fehler  verfallen,  als  Hauptleistung  das 
Krankengeld  anzusehen  und  die  anderen  Leistungen,  insbesondere 
die  Àrztliche  Behandlung,  als  minderwertig  zu  betrachten.  Und 
falls  die  Kassen  von  sich  heraus  die  nötige  Einsicht  vermissen 
lassen,  mĂŒĂŸten  die  Aufsichtsbehörden  dahin  wirken,  daß  ein  an- 
gemessenes VerhÀltnis  der  Kassenleistungen  untereinander  her- 
gestellt wifd.   Letzten  Endes  aber  werden  sich  die  Aerzte  selbst 
helfen  mĂŒssen.   Nur  wenn  der  Wert  der  Leistungen  in  ein  gegen- 
seitiges richtiges  VerhÀltnis  gebracht  wird,    wird    das  ewige 
Feilschen  um  die  paar  Groschen  Arzthonorar  aufhören.  Ergibt 
sich  der  Beitrag  fĂŒr  die  Versicherten  bei  Innehaltung  dieses  Ver- 
hĂ€ltnisses zeitgemĂ€ĂŸ  als  zu  gering,  so  wird  von  Gesetzes-  oder 
Aufsichtswegen  eine  Erhöhung  des  Beitrages  festzusetzen  sein. 
Eine  solche  Begelung  erscheint  aussichtsvoller  und  dem  Frieden 
mit  dem  Aerztestande  zutrÀglicher  als  die  famose  Regelung  des 
VerhÀltnisses  zu  den  Aerzten,  wie  sie  jetzt  gesetzlich  geplant  ist.' 
Diese  kann  den  Frieden  nicht  bringen,  weil  sie  versucht,  einen 
freien  Stand  zwangsweise  öffentlich-rechtlichen  Körperschaften 
unterzuordnen.    Alle   strittigen  Fragen,   selbst   die   der  freien 
Arztwahl,  werden  sich  unschwer  regeln  lassen,  wenn  die  Frage 
des  WertverhÀltnisses  Àrztlicher  Leistung  gelöst  ist,  denn  auch 
die   lreie  Arztwahl  ist  fĂŒr  die  Kassen  im  wesentlichen  eine 
pekuniĂ€re  Angelegenheit.    Es  soll  nicht  verkannt  werden,  daß 
(he  Wertleistung  der  Àrztlichen  Behandlung  durch  die  Reichs- 


versicherungsordnung  erschwert  wird  insofern,  als  nach  §  180 
und  182  RVO.  das  Krankengeld  die  HĂ€lfte  des  Grundlohnes  be- 
iragen muß.  Hierdurch  sind  die  Kassen  genötigt,  die  andern 
Kosten  der  Krankenhilfe  und  die  Betriebskosten  mit  dem  ĂŒbrig- 
bleibenden Reste  der  BeitrÀge  zu  decken.  Diese  Bestimmung  ist 
abwegig  und  hervorgerufen  durch  die  Verkennung  des  Wei  tes 
der  nichl  in  Barleistung  gewÀhrten  Krankenhilfen.  Aerztliche 
Behandlung,  Arznei,  Krankenhaus  sind  als  Krankenhilfe  dem 
Krankengelde  völlig  ebenbĂŒrtig,  deshalb  dĂŒrfte  nicht  fĂŒr  letzteres 
allein  ein  Fixum  festgeselzl  werden  oder  aber  es  mĂŒĂŸten  alle  ein- 
engenden Bestimmungen  ĂŒber  die  Beitragsgrenzen  zum  Fortfall 
kommen.  Alex  a  n  d  c  r. 

Der  preußische  .Minister  fĂŒr  Volkswuhlfahrt  zur 
Kurpfuscherei. 

Auf  eine  Anregung  der  Kurpfuschereikommission  der  Ber- 
liner Aerztekammer  in  Sachen  Verbotes  des  Annonzenunwesens 
antwortet  der  Minister  in  einer  lĂ€ngeren  AusfĂŒhrung,  der  wir 
einige  inhaltliche  Gesichtspunkte  entnehmen. 

Die  Reichsgewerbeordnung  gewĂ€hrleistet  die  KĂŒrierfreiheit 
und  verbietet  nur,  daß  sich  Personen,  welche  die  Heilkunde  ohne 
Approbation  gewerbsmĂ€ĂŸig  ausĂŒben,  als  Aerzte  oder  mit  einem 
gleichlautenden  Titel  bezeichnen  und  ferner,  daß  solche  Personen 
vom  Staate  oder  von  einer  Gemeinde  als  Arzt  anerkannt  oder  mit 
amtlichen  Funktionen  betraut  werden,  sowie  endlich,  daß  ein 
Nichlapprobierter  die  Heilkunde  gewerbsmĂ€ĂŸig  im  Umherziehen 
betreibt.  Das  Reich  könnte  nun  ohne  weiteres  die  sich  auf  die 
Beichsgewerbeordnung  stĂŒtzende  Kurierfreiheit  zuungunsten  der 
Kurpfuscher  durch  ein  Spezialgesetz  einschrÀnken.  Der  Reichs- 
minister des  Innern  hat  aber  auf  eine  Anregung  des  preußischen 
Ministers  im  Jahre  1920  erklĂ€rt,  daß  er  wegen  des  Widerstandes, 
den  bereits  der  im  Jahre  1910  dem  Reichstag  vorgelegte  Entwurf 
eines  Reichsgesetzes  gegen  MißstĂ€nde  des  Heilgewerbes  gefunden 
habe,  den  gegenwĂ€rtigen  Zeitpunkt  fĂŒr  ein  reichsgesetzliches  Vor- 
gehen gegen  Kurpfuscherei  fĂŒr  wenig  geeignet  halte.  FĂŒr  ein 
landesrechtliches  Vorgehen  sind  enge  Grenzen  gezogen.  Polizei- 
verordnungen gegen  Zeitungsreklame  sind  als  rechtsgĂŒltig  an- 
erkannt worden.  Nach  der  Rechtsprechung  des  Kammergerichts 
macht  sich  neben  dem  Kurpfuscher  auch  der  Redakteur  als  Mit- 
tĂ€ter strafbar,  sofern  die  Aufnahme  von  ihm  bewußt  in  Kenntnis 
und  VerstÀndnis  des  Inhalts  erfolgt.  Nach  einem  Urteil  des 
Kammergerichts  wĂŒrden  auch  Polizeiverordnungen  gĂŒltig  sein, 
in  denen  Anzeigen  von  Heilmitteln  gegen  bestimmte  besonders 
gefĂ€hrliche  Krankheiten  verboten  werden.  Ein  preußisches 
Landesgesetz  wĂŒrde  wenig  wirksam  sein.  Eine  Erweiterung  der 
gekennzeichneten  Erlasse  sowie  eine  gesetzgeberische  Maßnahme 
mĂŒĂŸte  abgelehnt  werden.  Die  zustĂ€ndigen  Organe  sind  jedoch 
darauf  hingewiesen  worden,  auf  das  Kurpfuschereiwesen  und  die 
von  ihm  betriebene  öffentliche  Reklame  zu  achten  und  fĂŒr  Ver- 
folgung etwaiger  VerstĂ¶ĂŸe  gegen  die  Polizeiverordnungen  Sorge 
zu  tragen. 

Es  bleibt  also  alles  beim  Alten.  Man  muß  zugeben,  daß  in 
Preußen  keine  Möglichkeit  besteht,  die  Kurpfuscherei  auf  behörd- 
lichem Wege  wirksam  zu  bekÀmpfen,  so  lange  das  Reich  an  der 
Kurierfreiheil  festhÀlt.  Sie  unter  der  jetzigen  politischen  Kon- 
stellation aufzuheben,  ist  nahezu  unmöglich.  Es  ist  auch  fraglich, 
ob  die  Aufhebung  im  Interesse  des  Aerztestandes  lÀge,  denn 
jedenfalls  wĂŒrden  wir  fĂŒr  das  Privileg  der  Ă€rztlichen  Heilbe- 
rechtigung schwerwiegende  BeschrÀnkungen,  z.  B.  den  Behand- 
lungszwang eintauschen.  Wir  mĂŒssen  uns  also  damit  begnĂŒgen, 
die  Behörden  immer  wieder  auf  die  ĂŒblen  Folgen  der  Kur- 
pfuscherei fĂŒr  die  Volkswohlfahrt  hinzuweisen  und  im  ĂŒbrigen 
ihnen  anheimgeben,  selbst  das  zu  tun,  was  im  Interesse  der 
Volksgesundheit  geboten  ist.  Alexander. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Medizinische  Klinik. 

15.  Januar  1922,  18,  Nr.  :;. 
Die  ^Gcmorrho,.  aJ»  chronische   Erkrankung.     Busch ke   und  Lange,, 
reber  Nephritis  (Schluß).  E.  Ro  raber  g.    S.  67. 

AufklÀrung.  Suggestion  und  Abfindung  hei  UnfaJlneurosen.  P.  Hon.,  s.  ;o. 


Resultate    <lcr    einzeilig    kombinierten    Salvarsan-Suiblimat-BehandluiiB  der 
Syphilis.    E.  S  c  h  rn  id  t.    S.  71. 

*Ueber  einen  Fall  von  linksseitiger  RecurrenslÀhmung  bei  einem  MitraM- 
tnum.    Frida  Klein.    S.  76. 

Ueber  Bcwcgungs-   und  RefleseigentĂŒmlichteeiten  bei   amyostatoscher  En- 
cephalitis.   Vollme  r.    S.  78. 
❖Die  Vasogcne   in  der  Dermatologie.     S  t  o  e  b  e  r.     S.  78. 

Vagotonische  Manifestationen  an  der  Haut  als  Ausdruck  uratischer  Diathese. 
r  u  l  a  y.    ö.  79. 

Herzkrankheiten   und    physikalische    Therapie    (Hydrotherapie,  Thermotbe- 
rapao,  Balneotherapie).    Tobias.    S.  80, 


178 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  -Jahrg.  — Nr.  8 


Ueber  einen  Fall  von  linksseitiger  RekurrenslÀhmung  bei 
einem  Mitralvitium.  Die  bisherigen  Beobachtungen  ĂŒber  Re- 
kuirenslĂ€hinung  bei  .Mitralfehlern  haben  eine  KlĂ€rung  ĂŒber  den 
Kntslehungsmechanismus  der  LĂ€hmung  nicht  gebracht.  WĂ€hrend 
von  einer  Reihe  von  Autoren  die  LĂ€hmung  als  Folge  des  Druckes 
lies  vergrĂ¶ĂŸerten  linken  Vorhofs  angesehen  wird,  von  andern 
wiederum  ein  Druck  der  Pulmonalis,  also  nur  indirekt  des  Vor- 
höfs angenommen  wird,  wird  von  dritter  Seite  wieder  neben  dem 
DrĂŒck  des  Vorhofs  eine  gewisse  Bewegungsfreiheit  des  Herzens 
verlangt,  um  diesen  Druck  zur  Geltung  kommen  zu  lassen. 
Krida  Klein  kommt  auf  Grund  eines  Sektionsbefundes,  bei 
dem  sich  neben  dem  vergrĂ¶ĂŸerten  Vorhof  und  Ventrikel  eine  ad- 
hĂ€sive Perikarditis  an  der  Herzbasis  fand,  zu  dem  Schluß,  daß 
zur  Entstehung  der  DrucklÀhmung  eine  gewisse  Fixation  des 
Herzens  notwendig  sei. 

Die  Vasogene  in  der  Dermatologie.  Stoeber  hat  mit  den 
verschiedenen  Vasogenen  (Jod-,  Ichthyol-.  Jodoform-,  Menthol-. 
Kg.-Vasogen)  in  der  dermatologischen  Praxis  sehr  gute  Er- 
fahrungen gemacht.  Besonders  erwies  sich  das  6  %  Jodvasogen 
i  Is  sehr  wirksam  in  FĂ€llen  von  Epididymitis,  bei  Bubonen,  wo 
es  z.  T.  zur  spontanen  Einschmelzung  fĂŒhrte,  z.  T.  die  Bubonen 
inzisionsreif  machte,  bei  Ulcus  molle,  gonorrhoischer  Leisten- 
drĂŒsenentzĂŒndung. Nach  Inzisionen  zeigte  sich  das  3  %  Jodo- 
Tormvasogen  bei  der  Tamponade  von  gut  heilender  Wirkung.  Bei 
Pernionen  wurde  sowohl  mit  Jodvasogen  als  mit  Ichthyolvasogen 
ein  guter  Heilerfolg  erzielt.  Letzteres  bewÀhrte  sich  auch  bei 
para-  und  perimetritischen  Exsudaten  besser  als  Ichthyolglyzerin. 
Bei  Hg.-Stomatitis  zeigte  Jodoformvasogen  guten  Erfolg;  Menthol- 
vasogen  wurde  bei  Urticaria  versucht  und  linderte  den  Juckreiz 
ganz  wesentlich.  33%  %  Hg.-Vasogen  brachte  FilzlÀuse  nach 
einmaliger  Einreibung  zum  Schwinden  und  wurde  auch  zu 
Schmierkuren  verwendet;  Follikulitiden  wurden  hierbei  nicht  be- 
obachtet. Das  Vasogen  als  Vehikel  fĂŒr  andere  Medikamente  hat 
sich  in  allen  FÀllen  als  gutes  Mittel  bewÀhrt,  ohne  störende 
Nebenerscheinungen  zu  verursachen. 

Silbermann  -  Charlottenburg. 

Klinische  Wochenschrift. 

8  Januar  1922,  1,  Nr.  2. 

Einige  Bemerkung!-!!  ĂŒber  die  Grundlagen  des  Ă€rztlichen  Denkeiis  von  heule 
Martins,  Fr.  49. 

Halsmuskelkrampf  und  Torsionsspasmus.    Cissirer,  R.  53. 
❖  Leber   rektale   Digitalistherapie.     Meyer.   E.  57. 
Das  Verhalten  des  Antitrypsins  hei  Bestrahlungen   mit   kĂŒnstlicher  Hohen- 
sonne.   K  o  e  n  i  g  s  f  c  1  d  ,  H.  58 
Die      LeistungsfÀhigkeit      der      LumbalanÀsthesie      in      der  GynÀkologie, 
v.  J  a  s  c  h  k  e  .  R.  G0. 

/.in    Kenntnis  der   malignen    Lj  niplidrĂŒsenerkrankiingen.     G  r  a  f  e  .    K.  62. 

Beteiligung  der  HirnhÀute  hei  den  fieberhaften  Infektionen  der  oberen  Luft- 
wege.   Gö  ppert,  F.  64. 

Heber  quantitative   Bilirubinbes+imniungsmethĂŒden  im   Hinte.     Holzer.  IV 
und  M  ebner.  H. 

VI amnuasekr etion  und  -krisen  hei  'Lahes.     Biberstein.   11.  68. 

Erfolgreich^    Behandlung    einer  schweren   akuten   Benzolvergiftung  durch 
Lecithinemulsion.    N  i  c.k.  68. 

I  eher  die  Einwirkung  des  Adrenalins  auf  die  PermeabilitÀt  von  Muskelfaser- 
grenzschicMen.    Lange.  H.  70. 

Leber  PfiosphorsÀureausscheidung  der  Netzhaut  hei  Belichtung.  Lange. 

IL  und  Simon.  M.  70. 
Seife  und  Serum,    .(arisch.   \.  71. 

Rindenepilepsie  hei  multipler  Sklerose.    ('  u  r  s  c  h  m  a  du,   II  II. 
Das    Anwendungsgebiet  der  Diathermie.     K  o  W  ;i  r  s  e  b  i  c  k  .  .1.  72. 
hie  Behandlung  der  Knuresis.    Zappe  rl,  .1.  75. 
hie  Tuberkulose  nach  dem  Kriege.    P  r  i  n  z  i  n  g.  77. 

I  eher  den  gegenwÀrtigen  Stand  der  Frage  nach  der  Entstehung  der  Arten 
v.  V  o  ß  .  H.  81. 

Neue  Tl  rien  ĂŒber  Flimmern   und   Flattern.     Kothberger.  C.  .1.  82. 

Ueber  die  rektale  Digitalistherapie.  Verfasser  empfiehlt 
unter  bestimmten  Bedingungen  die  rektale  Anordnung  der  Digi- 
talis in  Form  von  flĂŒssigem  Digipurat:  er  laßt  pro  Dosi  1  cem  in 
10  cem  Wasser  mit  einer  kleinen  Glyzerinspritze  2—3  mal  tĂ€g- 
lich injizieren.  Im  wesentlichen  sind  es  dieselben  FĂ€lle  fĂŒr 
rektale  Applikation,  bei  denen  man  sonst  statt  der  peroralcn 
die  intravenöse  Zufuhr  anwenden  wĂŒrde.  Der  Vorteil  der 
rektalen  Anwendung  vor  der  peroralen  besteht  in  der  Umgehung 
des  IM'ortaderkreislaufs,  indem  das  Medikament  durch  die  Vena 
haemorrhoidalis  inferior  direkt  in  die  Vena  cava  gelangt.  Die 
rektale  Verabfolgung  ist  der  intravenösen  vorzuziehen.  I.  bei 
ungĂŒnstigen  VenenverhĂ€llnissen,  II.  bei  Thromben-  und  Embolie- 
gefahr,  III.  bei  sehr  langdauernder  hepatischer  Stauung,  in  FĂ€llen, 
in  denen  man  aus  Ă€ußeren  GrĂŒnden  nicht  dauernd  intravenös 
injizieren  kann         O   S  Tarnow  'Charlottenbnrg-Westend"1 


15.  Januar  1922,  1,  Nr.  3. 

Prinzipielle  Fragen  zur  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.    Aster,  L.  io:,. 

Die  pathologische  Physiologie  der  cbiunischen  Obstipation.    Reiß.  E.  108. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  den  Einfluß  der  Vitamine  auf  Ver- 
dauung und  Stoffwechsel,  und  die  Theorie  der  Vitaminwirkuii" 
B  i  e  k  e  1  .  A.  110. 

Bauchspeiehelfluß  auf  Aetherreiz.  (Ein  Verfahren.  Zugleich  ein  Beitrag 
ĂŒber  Pankreasfunktion  bei  gastrischer  Achvlie.)  Ratsch  »i  und 
v.  Friedrich.  L.  112. 

❖Zur  Förderung  der  Röntgendiagnose  des  subkardialen  Ulcus  an  der  klein«! 
Kurvatur  durch  die  linke  Seitenlage.    W  o  1  f  f  ,  E.  115. 

❖Der  Blutzuckerspiegel  nach  intravenösen  Infusionen  hochprozentiger  Trau- 
benzuckerlösuugen  beim  Kinde.    Opitz.  H.  117. 

❖Zur  Kasuistik  von  Ovarialtumoren  als   Komplikation   von  Schwangerschaft 
und  Geburt.    V  e  y  .  E.  119. 

Erfahiungen  mit)  dein  Friedmannscheu  Tuberkulosemittel  in  der  Behandlung 
der  Lungentuberkulose.    Deutsch,  G.  120. 

❖Ueber    die    Wirkungsweise    und    das    Altern    der    Vaecins    (speziell  bei 
Gonorrhoe).   Buschke,  A.  und  Langer.  E.  122. 
Physikalisch-chemische  Untersuchungen  ĂŒber  die  Bildung  von  Gallensteinen 
B  o  1  t  .  N.  A.  und  Heeres.  P.  A.  124. 

Tierexperim »ntelle  Untersuchungen  an  Recurrensspii oebaeteii.    H  e  n  n  i  n  ‱ 
G.  124. 

Die  Chromatophoren  in  der  Haut  des  Menschen:  ihr  Wesen  und  dir  Herkui 

ihres  Pigments.    M  i  e  s  c  h  e  r  .  G.  125. 
Ein  Fall  von  renalem  Diabetes.    U  e  d  i  n  g  h  o  f  f  .  B.  126. 
Die  funktionellen  Ergebnisse  der  Sebnenoperation  bei  irreparabler  Radial 

lÀhmung.    Perthes.  127. 

Zur  Behandlung  der  FrĂŒhsyphilis.    Rost.  G.    V.  129. 
Zum  Mutterschutzproblem.    Eckstein.  A.  131. 

Konstitntiouslebre-  und  Lebensversicherungsmedizin.    F  I  o  r  e  i  h  ĂŒ  t  /..  ia 
China  und  die  deutsche  Medizin.     Du    Bois-Reymonrt.  C.  134 
Leber  Gewebsverkalkung.     v.  Pfaundler.  M.  136. 

Zur  Förderung  der  Röntgendiagnose  des  subkardialen  Ulc 
an  der  kleinen  Kurvatur  durch  die  linke  Seitenlage.  In  eine 
Reihe  von  FĂ€llen  ist  fĂŒr  die  Sicherheit  der  Diagnose  eines  hoch 
sitzenden  Ulcus  die  linke  Seitenlage  allen  anderen  Versuchs- 
anordnungen ĂŒberlegen.  Da  bei  pylorusfernen  GeschwĂŒren  die 
Reflexwirkungen  auf  die  PförtnertÀtigkeit  nur  abgeschwÀcht^ 
sichtbar  sind  oder  ganz  ausfallen,  so  ist  eine  besonders  voll-] 
kommene  Ausnutzung  aller  Röntgensymptome  erstrebenswert. 
An  vier  FĂ€llen  wird  der  Wert  der  Linkslagerung  gezeigt. 

Der  Blutzuckerspiegel  nach  intravenösen  Infusionen  hoch- 
prozentiger Traubenzuckerlösungen  beim  Kinde.  (Aus  der  l'niv 
Kinderklinik  Breslau.)  FĂŒr  intravenöse  Traubenzuckerin  fusionen 
stellt  eine  75  proz.  Lösung  (Gewichtsprozente!)  die  höchste  Kon| 
zentration  dar,  die  man  ohne  Gefahr  anwenden  kann.  Im  allgeJ 
meinen  steigt  nach  der  Infusion  der  Blutzuckerspiegel  sehr  stea 
an,  um  sehr  rasch  wieder  abzufallen.  Verf.  stellte  bei  einem  an 
Herzinsuffizienz  leidenden  Knaben  gegenĂŒber  anderen  gleichfalls 
mit  Zuckerinfusionen  behandelten  herzgesunden  Kindern  ein  ab- 
weichendes Verhalten  der  Blutzuckerkurve  fest:  der  Abtransport 
des  injizierten  Zuckers  war  auffÀllig  verzögert.  Möglicherweise 
ist  dafĂŒr  die  bestehende  Stauungsleber  verantwortlich  zu  machen! 
In  den  meisten  FÀllen  war  ein  auffÀlliger  diuretischer  Effekt  zw 
beobachten,  ferner  eine  VerkĂŒrzung  der  Blutungszeit.  Von  klmi 
sehen  Erscheinungen  waren  bemerkenswert  Gesichtsrötungea 
HitzegefĂŒhl,  erhebliche  Temperatursteigerungen  mit  Kopfschmew 
zen.  ja  sogar  SchĂŒttelfröste.  Die  Temperatursteigerungen  sind 
dem  Zucker  zuzuschreiben,  da  der  sog.  Wasserfehler  bei  Anwen- 
dung von  doppelt  destilliertem  Wasser  nicht  —  wenigstens  nicM 
allein  —  verantwortlich  zu  machen  ist.  Ein  Einfluß  auf  die  Er- 
krankung konnte  nicht  festgestellt  werden. 

Zur  Kasuistik    der  Ovarialtumoren    als    Komplikation  von 

Schwangerschaft  und  Geburt.  (Aus  der  UniversitÀts-Frauenklinik 
Gießen.)  Bei  einem  in  der  Schwangerschaft  festgestellten  Ovarial- 
lumor  wird ,  abgewartet,  bis  etwa  eine  Indikation  zu  aktivem 
Handeln  vorliegt.  Unter  der  Geburt  gilt  dasselbe.  Bei  eintreten- 
der Indikation  I Slieldrehung,  VerdrÀngungserscheinungen, 
wachsender  Ascites  usw.)  sofortige  Operation  ohne  BĂŒcksicht 
auf  Schwangerschaftsmonat,  Laparotomie  bevorzugt.  Doppel 
seil  ige  Ovarialtumoren  werden  stets  sofort,  wenn  sie  dia 
gnostiziert  sind,  entfernt,  da  die  Doppelseitigkeit  fĂŒr  seröse  oder 
papillÀre  Zystadenome  oder  MalignitÀt  spricht  Die  Richtigkeit 
dieser  GrundsÀtze  wird  an  5  FÀllen  gezeigt 

Ueber  die  Wirkungsweise  und  das  Altern  der  Vaccine  (-pc 
zielt  bei  Gonorrhoe).  (Aus  der  dermat.  Abteilung  des  Rudol 
Virchow-Krankenhauses  Berlin.  Die  Autovaccine  zeigt  keinei 
Unterschied  in  der  Wirkungsweise  gegenĂŒber  der  frischen  hetero 
genen  und  polyvalenten  Vaccine,  zudem  bedeutet  ihre  Hörstel 
lungsdauer  fĂŒr  den  Patienten  ein  Hinausschieben  des  Behand 
lungsbeginns  auf  mindestens  5  Tage.  Die  guten  Ergebnisse,  di 
Schmidt-La  Baume  mit  der  intrakutanen  Verwendung  vo> 
extrastarker  Vaccine  analog  der  P  o  n  n  d  o  r  f  sehen  Applikation« 


40.  Jahrg.  -  Nr.  8 


Aus   den   neuesten  Zeitschrifte 


17'.» 


Weise  hatte,  konnten  nicht  bestÀtigt  werden     Hingegen  war  der 
Bindruck  bei  intramuskulÀrer  Anwendung  von  frischer  hetero- 
gener und  polyvalenter  Vaccine  im  allgemeinen  gĂŒnstig.  Frische 
Vaccine  wirkte  besser  als  alte.    Vergleichsuntersuchungen  er 
gaben,  dafl  die  Vaccine  im  Lauf  der  Zeil  durch  das  Lagern  alterl 
indem  sich  die  Bakterien  auflösen  und  zerfallen.    Ks  scheint  bei 
den  bakteriellen  Vaccinen  /.wischen  Formerhaltung  und  Wirkung 
eine  gewisse  Beziehung  zu  bestehen.    Kontroll-  und  PrĂŒfungs 
maßnahmen  'bei  der  fabrikmĂ€ĂŸigen  Herstellung  sind  angezeigt 
O.  S.  Tarnow  (Charlottenburg-Westend] 

MĂŒnchener  inedizin.  Wochenschrift. 

2().  Januar  1022.  Nr.  3. 

‱Hvhuische  Diagnose  der  Knt\vii'klungsform«n  der  menachiiehen  Tuberkulose 
Ksnkc.  69. 

UHiandlung  der  Lungentuberkulose  durch  Anregung  des  Kreislaufs.     \  t  ■ 
n  o  1  d  i.  72. 

Nabelschnurvorfall  und  «eine  Behandlung.    Schweitzer  73. 
Zerreißungen  des  Teutoriums  u.  d.  Falx  eerebri  unter  der  (Icluirt.     Z  i  m 

ni  e  r  m  a  n  n.  75. 
Akute  Perforation  des  Ulcus   ventriculi.     II  r  u  u  n  e  r.  77. 
Rruuehotoinie.    R  À  t  h  i.  81. 
■frAzetonurie    und   experimentelle   AdrenaliuglykĂ€mie    bei    Ruin.  Butte,!- 
wieser.  83. 
HraurhharkeH  von  Meiueekes  D.M.    R  u  n  t  e.  83. 

Flockungsreaktionen  nach  Sachs  -Georgi  u.  Meinecke  (D.  XI. l  und  TrĂŒbungs- 

reaktion  nach  Dold.    Slrempel  35. 
Zwischenfall  bei  Anlegung  eines  Pneumoperitoneum-.     Lo.rey.  86. 
■*       ^Röntgenbehandlung  der  Perniones.    I.  c  n  k.  87. 
Traumatische  Nicrencyste.     B  a  u  m  a  u  u.  87. 
Ballbehandlung  der  Prolapse.    Samson.  88. 
N'atur  und  Entstehung  diastatischer  Fermente.    R  o  t  b  I  i  n.  ■«< 
(iasvergiftung  im  RĂŒntgenzimmer.    Guthmann.  89. 

Bemerkungen    zur    klinischen    Diagnose    der  Entwicklungs- 
formen der  menschlichen  Tuberkulose.     Zusammenfassung  der 
wichtigsten  Gesichtspunkte.  Die  GrundzĂŒge  der  klinischen  Bilder 
kommen  durch  die  Kombination  von  vier  verschiedenen  Ausbrei- 
lungsWeisen  der  tuberkulösen  Herderkrankungen  im  Körper  unter 
sich   und   in   Kombination   mit   drei  deutlich  unterscheidbaren 
Reaktionsweisen  des  befallenen  Organismus  zustande.  Ausbrei- 
lungsweisen:  1.  Kontaktwachstum  des  Herdes,  d.  h.  das  unmittel- 
bare Fortschreiten  der  Erkrankung  innerhalb  der  Randzonen  der 
Herderkrankung;    2.  Metastasierung    a)   auf  dem  Lymphwege, 
I)    innerhalb  der  BlutgefĂ€ĂŸe,  c)   im  Lumen  aller  sonstigen  im 
Körper  vorgebildeten  HohlrÀume  und  Röhrensysteme.  Reaktions- 
weisen: 1.  primĂ€re,  2.  sekundĂ€re  mit  anaphylaktischen  ZĂŒgen. 
3.  Hervortreten  einer  eigenartigen  TeilimmunitÀt,    Die  isolierte 
primĂ€re  Tuberkulose  weist  Ă€hnliche.  EigentĂŒmlichkeiten  wie  der 
luische  nicht  luetisch!    Ref.)  PrimÀraffekt  auf:  PrimÀrherd 
und  regionĂ€re  DrĂŒsenverĂ€nderungen,  ersterer  stets  sehr  klein 
und  außer  bei  Haut-  oder  SchleimhautverĂ€nderungen   nicht  zu 
‱  geringfĂŒgigen   Grades   und   an   gĂŒnstigem   Orte   zunĂ€chst  nicht 
selbst    sondern    nur    durch    die    DrĂŒsenerkrankung  erkennbar. 
I'ypische  Heilungsform:  Verkalkung.    Von  grĂ¶ĂŸerer  praktischer 
Bedeutung  isl  die  Erkennung  der  FrĂŒhformen  der  generalisieren 
den  Tbc,  bei  der  es  sich  um  keine  lokale,  sondern  um  eine  aus 
gesprochene  Allgemeinerkrankung  handelt.    Wichtigstes  Zeichen 
sind   Spuren  hÀmatogener  Dissemination,  die  ausnahmslos  mit 
toxischen  Wirkungen  verknĂŒpft  sind.    Leichteste  Formen:  Nach- 
weisbarer PrimÀrkomplex  nebst  Allgemeinerkrankung  Gewichts- 
abnahme, Störungen  des  Wohlbefindens,  Gewebsturgors  und  der 
Körpertemperatur).    Direkte  Spuren  hÀmatogener  Aussaat:  z.  B. 
Tuberkulide  und  PhlyktÀnen.    Verf.  gibt  ein  Beispiel  der  klini 
sehen   Entwicklung   des   Bildes   an    einer    erdachten  Kranken 
geschichte.    Im  weiteren  Verlauf  immer  mehr  ZurĂŒcktreten  der 
histologischen  Ueberempfindlichkeit.    Prototyp:  isolierte  Lungen- 
tuberkulose ohne  humorale  Metastasen.    Das  Auftreten  eritzĂŒnd 
licher  Erscheinungen  isl  jetzt  nicht  mehr  einfache  Randreaktion 
‱  des  Herdes,  sondern  Zeichen  des  Fortschreitens  der  Erkrankung. 
Heilungsform:  Nicht  mehr   Verkalkung,  sondern  bindegewebige, 
Vernarbung  und  Abkapselung.    Echt  tertiÀre  Erkrankungen  fasl 
nur  in  der  Lunge.    Außer  Lungen-.  Haut-  und  Darmtuberkulose 
entstehen  alle  ĂŒbrigen  Organtuberkulosen  hĂ€matogen  oder  doch 
auf  dem   Zirkulationsweg.    Es  gibt  jedoch   auch  hÀmatogene 
Lungentuberkulosen.    Prototyp:  Miliartuberkulose    nicht  nur  die 
ganz  akute  allgemeine  Miliartuberkulose).  Typus  der  Inhalations- 
tuberkulose: PrimÀrkomplex.    Rei  der  Kehlkopftuberkulosc  zwei 
Hauptformen     1     typische   Kehlkopfphthise   als  Teilerscheinung 
einer  isolierten  tertiÀren  Lungenerkrankung.  2.  primÀre .  Kchlkopf- 
nnd  Trachealtuberkulose.    Rei    ersterer    fehl!    Erkrankung  der 
regionĂ€ren  DrĂŒsen  oder  ist  auf  das  eben  noch  erkennbare  Mini- 
mum der  typischen  abortiven  Metastasen  beschrÀnkt,  bei  letzterei 
oft  ungeheure  Drfisenpakete   in  beider  Halsseiteu  und  eventuell 


Bild  der  schwersten  infektiösen  Gesamterkrankung  Reaktion« 
weisen  gegenĂŒber  Tuberkulin:  FrĂŒhsekundĂ€re  Tbc   starke  Stieb 
reaktion.  TertiÀre  Form:  deutliche  Fieberreaktion  ohne  oder  fast 
ohne  Stichreaktion.    Das  Lesen  des  Originalartikels  ist  dringend 
zu  empfehlen. 

Azetonurie  und  experimentelle  AdrenalinglykÀmie  bei  Ruhr 
Nach  Adrenalininjektion  bei  7  Ruhrpatienten  mit  Azeton  im  Harn 
in  2  FÀllen  keine,  in  5  geringe  HyperglykÀmic,  die  bei  gleich 
zeitig  vorhergehender  Darreichung  von  PK)  g  Dextrose  bei  rÀcht 
lieh  anstieg 

Röntgenbehandlung  der  Perniones.  Technik:  Harle  Therapie 
röhre,  0,5  mm  AI- Filter,  MI —  'A  Erythemdosis.  Behandlungsdauer 
eine,  selten  nach  11  Tagen  zweite  Bestrahlung.  Erfolg  gut.  Re- 
zidive kommen  vor,  reagieren  stets  wieder  gut  Rei  stÀrkerei 
FrĂŒhreaktion  daneben  wechselwarme  RĂ€der 

F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Charlottenburg- Westend 

Therapeutische  Halbmonatshefte,  Berlin. 

15.  Dezember  1921,  35,  Heft  24 

‱{»Das  Kalzium  in  der  Herztherapie.    Singer,  G.  758. 

Die  Reizlosigkeit  der  Kriegskost  als  Krankheitsursache.    K  e  i  U  .   E.  165 
❖Die  Therapie  und  Prophylaxe  des_  Kindbettfiebers.    Dietrich.  II.  A.  772 

Zur  Behandlung  der  PolyzythÀmie.     S  t  r  a  s  b  u  r  g  e  r  .  J.  777. 

Das  Kalzium  in  der  Herztherapie.  Nach  Pick  kann  man  ex 
perimentell  durch  Zufuhr  löslicher  Kalksalze  die  sympathischen 
Nervenzentren  der  Herzkammer  erregen  und  durch  Entziehung 
hemmen.  Verf.  gibt  bei  schweren  Dekompensationen  mit  Stauung 
und  Oedembildung  Ca  Cl2  1,0  der  10%  Lösung  mit  20  Digipuratum 
combiniert  intravenös,  wenn  eine  sofortige  Wirkung  erzielt  wer 
den  soll,  sonst  allein  intravenös  mehrere  Tage  hintereinander  mit 
Inf.  Digitalis  per  os.  Zahlreiche  Kurven  zeigen  den  guten  Erfolg 
und  die  Ueberlegenheit  auch  ĂŒber  Novasurol  zur  EntwĂ€sserung 
des  Organismus.  Der  Kalk  erscheint  als  Stimulans  fĂŒr  die  Digi 
talistherapie,  vermindert  aber  gleichzeitig  die  unangenehmen 
Nebenerscheinungen  wie  Vagusreizung  und  Dyspepsie,  wie  sie 
nach  lÀngerer  Digitalisdarreichung  auftreten. 

Die  Therapie  und  Prophylaxe  des  Kindbettfiebers.  Infektions 
möglichkeiten:  1.  Exogene  Keime,  die  bei  der  Untersuchung  ein 
geschleppt  werden.  2.  Endogene  Keime:  a)  Sponlaninfektion. 
b)  artefizielle  endogene  Infektion.  3.  HĂ€matogene,  metastatische 
Infektion,  z.  R.  von  gleichzeitig  bestehender  Angina  aus.  4.  Auto 
infektion  durch  die  GebÀrende  selbst,  die  sich  selbst  untersuch I 
Therapie:    1.    Chirurgisch    mit    fasl    völlig   negativem  Erfolg 

2.  Lokalbehandlung:  zu  verwerfen,  abgesehen  bei  Verdacht  auf 
Plazentareste,  die  sofort  und  zwar   digital    auszurÀumen  sind 

3.  Medikamente:  5,0  Elektrocollargol  intravenös  tÀglich  bis  zur 
Entfieberung.  Alle  ĂŒbrige  Therapie  mit  den  verschiedenen  zahl 
reichen  PrÀparaten  ist  von  zweifelhaftem  Erfolg,  jedoch  stets  zu 
versuchen.  Prophylaxe:  Möglichste  EinschrÀnkung  der  inneren 
Untersuchung,  wenn  möglich,  nur  rektale  Untersuchung,  sterile 
Gummihandschuhe  auf  desinfizierter  Hand. 

F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  .' Charlottenburg- \\  eslend 

Zentralblatl  fĂŒr  innere  Medizin. 

7  Januar  1022.  4!{.  Nr.  1 


‱M  ntersuchungen 
HĂŒlse.  W 


ĂŒber 
1. 


gefaßreirengernde   Stoffe   im    Blute   hei  Hypertonien 


Untersuchungen  ĂŒber  gefĂ€ĂŸverengernde  Stoffe  im  Blute  bei 
Hypertonien.    Zur  Frage,  ob  eine  Ueberfunktion  der  Nebennieren 
im  Sinne  einer  HyperadrenalinÀmie  als  unmittelbare  Ursache  tiii 
die  Hypertonie  in  Frage  kommt,  hat  Verfasser  mit  der  Frosch 
durChspĂŒlungsmethode  nach  LĂ€  wen-Tr endelenbur g  Fol 
gendes  festgestellt:  Venöses  Rlut  verursacht  keine  Abnahme  dei 
Tropfenzahl  am  LÀwen'schen  PrÀparat.     Zum  Venenblut  zuge 
selztes  Suprareninum  bas.  verursacht  einen  entsprechenden  Aus 
schlag,  der  durch  Atropin  zu  beseitigen  ist.     Auch  am  frischen 
arteriellen   Blut   von  Menschen  mit   normalem   Blutdruck  ließen 
sich  selbst   an   PrÀparaten   mit  einer  deutlichen  Empfindlichkeit 
gegen  Adrenalinkonzentration  1  :  1  Milliarde  keine  vasokonstrik 
lorischen  Eigenschaften  nachweisen.    Das  Gleiche  fand  sich  bei 
arteriellem  Blut  von  Kranken  mit  Blutdrucksteigerung.  Auch 
bei  den  stĂ€rksten  Graden  von  Hypertonie  lĂ€ĂŸt  sieh  keine  Adre 
nalinwirkung  des  arteriellen  Blutes  feststellen,  wÀhrend  bei  ganz 
geringfĂŒgigen,    durch    Adrenalininjektion    erzeugten  kĂŒnstlichen 
Blutdrucksteigerungen  ein  solcher  Nachweis  leicht  geling!  Eine 
HyperadrenalinÀmie  kommt   demnach  als   Ursache  der  krank 


180 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


haften  Hypertonie  nicht  in  Frage.  Verfasser  schließt  aus  seinen 
Versuchen,  daß  auch  keine  anderen  gefĂ€ĂŸverengernd  wirkenden 
Substanzen  im  Hypertonikerblut  ‱  vermehrt  vorhanden  sind,  daß 
vielmehr  andere  Ursachen  dem  allgemeinen  GefĂ€ĂŸkram  pf  zu- 
grunde liegen  mĂŒssen.  In  4  FĂ€llen  von  akuter  Nephritis  wurden 
zur  Zeit  der  Hypertonie  im  Blut  kaum  Stoffe  nachgewiesen,  die 
die  GefĂ€ĂŸe  fĂŒr  Adrenalin  sensibilisieren.  Die  Art  dieser  Sub- 
stanzen kann  vorlÀufig  nicht  nÀher  bezeichnet  werden;  es  scheint 
jedoch  sicher,  daß  sie  —  ganz  allgemein  —  mit  der  Infektion 
^Streptokokken)  im  Zusammenhang  stehen. 

14.  Januar  1922,  43,  Nr.  2. 

❖Aiuiuoniakbcstiininungeu  im  Blutserum.    Strauß,  H.  26. 

Aminoniakbcstimmungen  im  Blutserum.  FĂŒr  die  Ammoniak- 
bestimmung im  Blutserum  wird  die  Methode  von  H  ah  n  und 
Kootz  empfohlen.  Die  Normalwerte  fĂŒr  Ammoniak  im  Blut- 
serum liegen  zwischen  1  und  2  mg  %,  mit  einer  Höchstgrenze 
von  2,5  %. 

21.  Januar  1922,  43,  Nr.  3. 

❖Ist  die  .sogenannte  akute  diffuse  fUomerulenophritis  eine    primĂ€re  diffuse 
OefĂ€ĂŸaffektionV    Kylin,  E.  41. 

Ist  die  sogenannte  akute  diffuse  Glomerulonephritis  eine  pri- 
mĂ€re diffuse  GefĂ€ĂŸaffektion?  Alle  Versuche,  die  Entstehung  der 
Blutdrucksteigerung  als  eine  Folge  von  Nierenschaden  zu  er- 
klĂ€ren, sind  mißglĂŒckt.  Notwendig  ist  es,  das  Studium  der 
Hypertoniefrage  als  einer  GefĂ€ĂŸaffektion  ohne  vorherige  An- 
nahmen in  irgendeiner  Richtung  anzufangen.  Um  liier  vorwÀrts 
zu  kommen,  mĂŒssen  nicht  nur  die  arteriellen,  sondern  auch  die 
kapillarischen  DruckverhÀltnisse  studiert  werden.  Beck- 
mann'  s  und  Krogh's  Untersuchungen  ergeben,  daß  bei  der 
sogen,  akuten  Glomerulonephritis  pathologische  VerÀnderungen 
im  Kapillarsystem  vorhanden  sind.  Die  diffusen  GefĂ€ĂŸfĂ€den 
treten  bei  der  Glomerulonephritis  am  frĂŒhesten  auf.  Verfasser 
glaubt  die  Schlußfolgerung  ziehen  zu  mĂŒssen,  daß  eine  diffuse 
GefĂ€ĂŸaffektion  das  PrimĂ€re  bei  der  akuten  diffusen  Glomerulo- 
nephritis ist.  O.  S.  Tarnow  (Charlottenburg-Westend). 

Zeitschrift  fĂŒr  Klinische  Medizin,  Berlin. 

25.  Januar  1922,  93,  Heft  1—3. 

Die  physikochemischen  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  des  HarrisĂ€urekolloids   uu  i  der 
ĂŒbersĂ€ttigten  HarnsĂ€urelösungen.    Schade,,  H.  1. 
❖Das   Vorkommen  des  Beucc-Jonesseheai  Eiweißkörpers.   K  i  m  m  e  r  1  c  ,  A. 
66. 

Untersuchungen  ĂŒber  den  Zuckerstoffwechsel  des  Menschen.    Staub.  H.  1)9. 
SpirochĂ€ten  und  Blutbild  beim  RĂŒckfallfieber.    Mayer.  A.  111. 
Der  Spechtschlagrliythinus  bei  schweren  Grippekranken.   MĂŒller.  H.  ini. 
❖Ueber  die  Aetiologie  und  Pathogenese  der  Ischias  und  Lumbago  nebst  einer 

neuen  Anschauungsweise  dieser  Neuralgien.    Lindste  dt,  F.  179. 
‱H  eber  Xitrogen-Reteintion  und  Kest-N-Verteilung  in  den  Geweben  bei  Xieren- 
insuffizienz.   (Ein  Beitrag  zur  kehre  von  der  UrÀmie.)    Rohonyi,  II. 
und  Lax,  H.  217. 

Das  Vorkommen  des  Benee-Jonesschen  Eiweißkörpers.  Aus- 
fĂŒhrliche Zusammenstellung  der  in  der  Literatur  bekannten  FĂ€lle 
von  Bence-Jonesscher  Albuminurie  mit  Besprechung  der  Sektions- 
befunde. Das  Auftreten  des  B.-J.  im  Urin  zeigt  eine  VerÀnderung 
im  Knochenmark  an,  zunÀchst  ist  in  erster  Linie  an  multiple 
Myelome  zu  denken.  Bericht  ĂŒber  einen  Fall,  der  bei  der  Sektion 
keine  Knochenmarkserkrankung  zeigte.  Es  ist  wĂŒnschenswert, 
hĂ€ufiger  bei  unklaren  „rheumatischen"  Erkrankungen  darauf  zu 
fahnden,  um  mehr  einwandfreies  Beobachtungsmaterial  zu  be- 
kommen, da  das  bisherige  nicht  ausreicht,  um  definitive  SchlĂŒsse 
zu  ziehen. 

Ueber  die  Aetiologie  und  Pathogenese  der  Ischias  und  Lum- 
bago nebst  einer  neuen  Anschauungsweise  dieser  Neuralgien. 
Verf.  untersuchte  zunÀchst  die  Àtiologische  Bedeutung  gewisser 
VerĂ€nderungen  fĂŒr  das  Entstehen  der  Ischias  und  fand  unter 
etwa  100  mit  der  Diagnose  Ischias  behandelten  FĂ€llen  nur  in 
9  keine  wesentlichen  VerĂ€nderungen.  Alle  ĂŒbrigen  hatten  Krank- 
heitszustĂ€nde  im  Bereich  des  RĂŒckens,  Beckens  oder  der  unteren 
ExtremitÀten.  Lokalisation  der  VerÀnderungen  war  auffÀllig 
ĂŒbereinstimmend  mit  der  Lokalisalion  der  Ischiassymptome.  Die 
vorhandenen  VerĂ€nderungen  lassen  den  Schluß  zu,  daß  die 
Ischias  auf  der  Basis  statischer  oder  dynamischer  Störungen 
entsteht.  Mit  der  Lumbago  ist  ein  Zusammenhang  vorhanden. 
Aus  Untersuchungen  an  1578  Wehrpflichtigen  ergab  sich,  daß 
unter  318  mit  VerÀnderungen  24,5  %,  864  ohne  VerÀnderungen 
nur  1,7  %  Lumbago  hatten.  Die  Ischias  ist  als  eine  auf  Irradia- 
tion^- oder  Reflexwege  entstandene  Neuralgie  anzusehen, 
deren  Pathogenese  analog  der  anderer  Irradiationsneuralgien 
ist   und  die  von  peripheren  ReizzuslÀnden  ausgelöst  wird.  Sie 


könnte  daher  auf  Grund  jeder  VerÀnderung  entstehen,  die  Reiz- 
zustĂ€nde derartiger  Natur  und  Lokalisation  hervorruft,  daß  eine 
Irradiation  im  Ischiasgebiet  möglich  ist.  Bei  der  Lumbago 
handelt  es  sich  um  die  gleiche  Irradiationsneuralgie,  bei  der  nur 
die  Lokalisation  auf  die  langen  RĂŒckenmuskeln  beschrĂ€nkt  ist. 
(Ueberfunktion  der  Lumbalmuskeln).  Die  sog.  Aequivalent- 
symptome  (d.  h.  alle  ZustÀnde  ischias-  und  lumbagoÀhnlicher  Art: 
Muskelrheumatismus,  ParÀsthesien,  Myalgien  usw.)  sind  ebenfalls 
als  sensilbe  Irradiationserscheinungen,  wenn  auch  geringen 
Grades,  anzusehen.  Auch  im  ĂŒbrigen  sind  die  sensiblen  und 
motorischen  Reizerscheinungen  bei  statischen  Anomalien  (z.  B. 
Genu  valgum,  Coxa  vara)  analog  reflektorischer  Art.  —  Die 
interessante  Studie  ist  sehr  zum  Nachlesen  zu  empfehlen. 

Ueber  Nitrogen-Reteution  und  Rcst-N-Vertcilung  in  den  Ge- 
weben bei  Niereninsuffizienz.  (Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  der 
UrÀmie.)  Stoffwechselversuche  mit  N-Belastung  bei  Nieren- 
kranken und  Gewerbsuntersuchungen  an  Leichenorganen  von  Ge- 
sunden und  Nierenkranken.  Verff.  ziehen  daraus  folgende 
SchlĂŒsse:  Der  Organismus  vermag  im  Zustande  relativer  Nieren- 
insuffizienz die  Urin-N-Ausscheidung  bedeutend  zu  erhöhen,  wenn 
er  vorher  N-ĂŒberlastet  wurde  (Anpassung!).  Der  Kranke  bleibt 
nachher  im  N-Gieichgewicht  bei  einer  Kost,  die  frĂŒher  zu  erheb- 
licher Retention  fĂŒhrte.  Der  wĂ€hrend  der  N-Ueberlastung  er- 
höhte Blut-R  N  kann  wieder  die  normale  Höhe  erreichen  und  be- 
halten. Die  N-Ausscheidung  des  Urin  richtet  sich  nach  dem 
R  N-Gehalt  des  Gewebes.  WĂ€hrend  der  N-Ueberlastung  ist  die 
N-Konzentration  grĂ¶ĂŸer  im  Gewebe  als  im  Blut.  Die  Gewebe 
enthalten  das  retinierte  N  wahrscheinlich  in  nicht  diffusibler 
Form,  d.  h.  als  Eiweiß.  Normale  Gewebe  enthalten  etwa  10  mal 
soviel  diffusibles  N  als  das  Blut,  die  Gewebe  von  an  echter 
chronischer  UrÀmie  verstorbenen  Niereninsuffizienzkranken  ent- 
halten ungefÀhr  dieselben  Mengen  von  Gesamt-N  und  dieselben 
oder  nicht  viel  grĂ¶ĂŸere  Mengen  R  N  als  die  normalen  Gewebe. 
Der  Tod  an  UrÀmie  kann  demnach  ohne  unmittelbar  vorher- 
gehende N-Retention  erfolgen. 

(Sowohl  die  SchlĂŒsse  aus  den  Stoffwechseluntersuchungen 
wie  die  behaupteten  durch  Zahlen  nicht  belegten  Gewebsunter 
suchungen  an  Nierenkranken  werden  sicher  nicht  unwider- 
sprochen bleiben.  Ref.) 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  Neurologie  und  Psychiatrie, 

Berlin. 

in.  Januar  1922,  74,  Heft  1/3. 

❖Bemerkungen  ĂŒber  die  Psychologie  des  paralytischen  GrĂ¶ĂŸenwahns.  Schil- 
der,?. 1. 

Schizophrene  VerĂ€nderungen  des  Bewußtseins  der  AktivitĂ€t.  Kronfeld, 
,    ‱     A.    IS/"  '  \  , 

❖  Die  Bedeutung  der  Krbkonstitution  fĂŒr  die  Entstehung,  den  Aufbau  und  die 
Systematik  der  Erscheinungsformen  des  Irreseins.    Kahn,  E.  69. 
(irundgedanken   zur  klinischen   Systematik.     Birnbaum.  K.  103. 
❖Studie   zum   psychiatrischen   Konstitutionsproblcin.     (Ein   Beitrag   zum  erb- 
biologisch-klinischen  Arbeitsprogramm . )     Ho  ff  mann,   H.  122. 
Der  Fall  Arnold.    (Studie  zur  neueren  Paranoialehre.)    Kehrer.  F.  15ö. 
I.erisches  Handvorderarnizeicben.     M  e  y  e  r  .  A.  218. 

Zentrales  Fieber  nach  Gehini-  und  RĂŒckenniarksoperatiouen.  Auerbach. 
S.  229. 

Einwirkung  der  Malaria  tertiana  auf  die  progressive  Paralyse.  Gerst- 
m  a  n  n  ,  J.  242. 

Kolloidreaktionen  des  Liquor  cerebrospinalis.    Kafka,  V.  259. 
❖Histologie  und  Physiologie  der  menschlichen  ZirbeldrĂŒse.    Walter.  F.  K. 
314. 

Vergleichende  Untersuchungen  ĂŒber  Phagozytose  in  Serum.  Kochsalzlösung 

und  Liquor.    Plaut,  F.  331. 
Beitrag  zur,  Frage  der  kindlichen  SexualitÀt.    K  1  À  s  i  .  J.  362. 

Bemerkungen  ĂŒber  die  Psychologie  des  paralytischen  GrĂ¶ĂŸen- 
wahns. Die  Pathogenese  der  GrĂ¶ĂŸenideen  ist  noch  durchaus  un- 
klar. An  den  Krankheitsgeschichten  dreier  FĂ€lle  wird  gezeigt, 
daß  unangenehme  Erlebnisse,  seien  sie  realer  oder  wahnhafter. 
Natur,  GrĂ¶ĂŸenideen  und  manische  Erregung  wecken  können:  der 
Kranke  löst  sich  dergestalt  aus  der  ihn  bedrĂŒckenden  Situation. 

Ueber  die  Bedeutung  der  Erbkonstitution  fĂŒr  die  Entstehung, 
den  Aufbau  und  die  Systematik  der  Erscheinungsformen  des  Irre- 
seins. FĂŒr  den  menschlichen  Organismus  ist  im  wesentlichen 
bestimmend  seine  Erbanlage,  die  Erbkonstitution.  Neben  den 
erbkonslitutionellen  enthÀlt  der  Organismus  Eigenschaften,  die 
ihm  zuwachsen,  ohne  in  der  Anlage  gegeben  zu  sein.  Das  sind 
erworbene  Eigenschaften,  die  als  konstellative  bezeichnet  wer- 
den. Schließlich  kommen  noch  die  EinflĂŒsse  des  Milieus,  die 
Milieufaktoren,  in  Betracht.  Der  Verfasser  unternimmt  den  Ver- 
such, einige  Erscheinungen  des  Irreseins  in  der  dreifachen  Be- 
ziehung   zu   Erbkonstitution.    Konstellation  und  Milieu  zu  be- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


A  u  s  d  e  n   n  «  ii  v  s  i  e  ii  Zeil  s  <‱  Ii  r  i  f  1  e  n 


nachten,  wobei  der  Hauptwerl  auf  erstere  gelegl  wird  Gerade 
diese  Forschungsweise  wird  nach  des  Verfassers  Ansicht  zu 
grundlegenden  Ergebnissen  fĂŒhren.  Die  Hin/.ellieiten  mĂŒssen  im 
Original  nachgelesen  w  erden. 

Studium  zum  psychiatrischen  Konstitutionsproblem.  Unter 
psychischer  Konstitution  verstellt  man  die  Zusammenfassung  von 
Intelligenz,  Charakter  und  Temperament.  Allerdings  ist  diese 
Definition  etwas  weit,  insofern  sie  eine  Reihe  von  konstellatrv 
bedingten  Faktoren  (Milieufaktoren)  einbezieht.  Man  hat  bei  der 
Konstitution  auf  zweierlei  Dinge  zu  achten,  auf  ihre  Art  (Quali- 
tÀt) und  ihre  Valenz  (StÀrke,  QuantitÀt).  Die  letztere  kann  nie- 
mals in  exakten  GrĂ¶ĂŸen  dargestellt  werden,  sie  lĂ€ĂŸt  sieh  aber 
abschĂ€tzen.  Ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  Konstitutions-  und  Erblich- 
keitsforschung ist  sehr  groß.  Zum  Beispiel  haben  pathologische 
Konstitutionen  mit  hoher  Valenz  große  Durchschlagskralt  hin- 
sichtlich der  Uebertragung  auf  die  Nachkommenschaft.  Hinsicht- 
lich der  Konstitutionsart  kommt  vorerst  die  zyklothyme  und  die 
schizothyme  Konstitution  in  Betracht.  Sehr  wichtig  sind  die 
Konstitutionslegierungen,  d.  h.  die  Verbindung  mehrerer  Kon- 
stitutionsarten. HierfĂŒr  werden  interessante  Beispiele  aufge- 
fĂŒhrt. Neben  den  schizothymen  und  zyklothymen  Konstitutions- 
gruppen gibt  es  vermutlich  noch  eine  Reihe  von  kleineren  Grup- 
pen, zu  denen  auch  die  epileptische  Konstitution  zu  rechnen  ist. 
Das  Konstitutionsproblem  ist  von  grĂ¶ĂŸter  Bedeutung  fĂŒr  die 
erbbiologisch-klinische  Forschung  in  der  Psychiatrie,  und  die 
heutigen  Errungenschaften  lassen  schon  die  Wege,  denen  nach- 
gegangen werden  muß,  klar  erkennen. 

Zur  Histologie  und  Physiologie  der  menschlichen  Zirbel- 
drĂŒse. Verfasser  hĂ€lt  an  dem  Ergebnis  seiner  frĂŒheren  Unter- 
suchungen fest,  wonach  in  der  ZirbeldrĂŒse  Zellen  mit  Fort- 
sÀtzen und  Endkolben  vorkommen,  die  die  sogenannten  Rand- 
geflechte bilden.  —  Morphologisch  kann  man  bei  den  Pineal- 
zellen  erstens  einen  rundlichen  Typ  und  weiterhin,  wenn  auch 
weniger  zahlreich,  Zellformen  mit  sehr  polymorphen  Zelleibern, 
die  ihren  Konturen  nach  direkt  an  Nervenzellen  erinnern,  unter- 
scheiden. Die  letzteren  liegen  meist  im  Innern  der  Parenchym- 
lÀppchen  und  geben  nach  allen  Seiten  plasmatische  FortsÀtze 
mit  Endkolben  ab.  Auf  Grund  mehrerer  Beobachtungen  wird 
die  Anschauung  geĂ€ußert,  daß  der  ZirbeldrĂŒse  physiologisch  eine 
regulatorische  Funktion  bezĂŒglich  des  Hirndrucks  zukommt. 

A.  MĂŒnzer. 

Monatsschrift  fĂŒr  Psychiatrie  und  Neurologie,  Berlin. 

November  1921,  50,  Heft  5. 

❖Ergebnisse  der  Balkenstichoperation.    P  o  Ii  1  i  s  c  b  ,  K.  251. 

Schußverletzungen  peripherer  Nerven.     0.  Plexus  braehi.vlis.     K  r  ;i  in  e  r  , 
F.  279. 

Beitrag  zur  Kenntnis   der  LĂ€sionen   der  subthalamischen   Region.     B  r  e  - 
s  o  w  s  k  y  ,  M.  302. 

Ergebnisse  der  Balkenstichoperationen.  Auf  Grund  von  10 
eigenen  FĂ€llen  und  einer  kritischen  Zusammenfassung  der  bisher 
bekannt  gewordenen  550  LiteraturfÀlle  von  Balkenslich  kommt 
Verfasser  zu  folgenden  Resultaten:  Der  Balkenstich  ist  ein 
kleiner,  aber  doch  nicht  immer  harmloser  Eingriff,  bei  dessen 
AusfĂŒhrung  man  mit  unvorhergesehenen  ZwischenfĂ€llen  und 
ĂŒblen  Folgeerscheinungen  rechnen  muß;  er  hat  in  seiner  Aus- 
fĂŒhrung Vorteile  vor  der  Trepanation,  nicht  aber  vor  der  Hirn- 
punktion.  Diagnostisch  kann  der  Balkenstich  bei  Hirndruck- 
erscheinungen als  Hilfsmittel  verwendet  werden,  steht  jedoch 
auch  in  dieser  Hinsicht  der  Hirnpunktion  nach,  weil  diese  fĂŒr 
die  Feststellung  der  Oertlichkeit  und  Beschaffenheit  eines  Tumors 
mehr  leistet.  Therapeutisch  hat  sich  der  Balkenstich  beim  Hy- 
drozephalus  als  Palliativmaßnahme  in  einer-  Anzahl  von  FĂ€llen 
bewÀhrt,  aber  nur  selten  Dauererfolge  gezeitigt;  nach  den  vor- 
liegenden Erfahrungen  lassen  sich  durch,  einmalige  oder  wieder- 
holte Ventrikelpunktion  die  gleichen  Ergebnisse  erzielen.  Auch 
bei  Tumoren  ist  dem  Balkenstich  die  Ventrikelpunktion  wegen 
ihrer  guten  druckentlastenden  und  ihrer  nicht  selten  zum  Ziele 
fĂŒhrenden  diagnostischen  "Wirkung  als  Voroperation  vorzuziehen; 
entlastet  bei  nicht  exstirpierbaren  Tumoren  die  Ventrikelpunk- 
tion, auch  wenn  sie  wiederholt  wird,  nicht  genĂŒgend,  so  ist  die 
Dekompressions-Trepanation  auszufĂŒhren.  Bei  Epilepsie  wur- 
den keine  Erfolge  mit  dem  Balkenstich  beobachtet. 

W.  Misch  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

28.  Januar  1922,  46,  Nr.  4. 

"â–șlieber  intrakranielle  Blutungen  Neugeborener.    Henkel,  M.  L29< 
Schwangerschaft  nach  schwerer  beiderseitiger  AdnexeutzĂŒndung.  Arnold. 
I.  189. 


‱M\liui.si  lic    Beobachtungen    iibi'i    Traubenzucker   :iN    welicnfordci  mir..  Mittel 
MĂŒller,  M.  140. 

Krwidcrting  auf  den  Artikel  von  K.  Sachs:  Zur  Entwicklung  de«  nachfol- 
genden Kopfes  bei  totem  Kinde.  (Zentralblatf  1921.  Nr.  48.)  8  lg  Wart, 
W.  144. 

/um  IV,  Handgriff.    Bau  mm,  H.  145. 

niutige  VerfÀrbung  des  Nabel«  als  diagnostische«  Zeichen  von  Extrauterin- 
graviditÀt.   Hell  e  n  d  all ,  II.  147. 

Ueber  intrakranielle  Blutungen  Neugeborener.  Intrakranielle 
Blutungen  sind  nicht  zu  selten  die  Todesursache  Neugeborener. 
Traumatische  Entstehung  derselben,  z.  B.  nach  schwierigen 
Zangenextraktionen,  oder  wenn  die  Entwicklung  des  nachfolgen- 
den Kopfes,  besonders  bei  engem  Becken,  grĂ¶ĂŸere  Kraftanwen- 
dung notwendig  macht,  ist  seit  langem  bekannt.  Aber  auch  bei 
ganz  normalen  Geburten,  wo  von  einem  Trauma  weder  seitens 
der  Geburtsleitung  noch  durch  den  Geburtsvorgang  selbst  die 
Rede  sein  kann,  können  ebenfalls  und  sogar  ausgedehnte  intra- 
kranielle Blutungen  auftreten.  Henkel  sucht  die  Ursache  dieser 
Blutungen  durch  eingehende  WĂŒrdigung  seines  Materials  festzu- 
stellen. In  den  Jahren  1920/21  wurden  12  mal  TodesfÀlle  mit  intra- 
kraniellen  Blutungen  beobachtet,  davon  waren  3  keineswegs 
schwere  Zangengeburten.  Schon  bei  diesen  3  FĂ€llen  (Beckenaus- 
gangszangen ohne  jede  Gewaltanwendung)  erscheint  es  gezwun- 
gen, die  intrakraniellen  Blutungen  mit  der  Zangenoperation  in 
Verbindung  zu  bringen.  Noch  viel  weniger  aber  kann  von  einem 
Trauma  bei  den  ĂŒbrigen  FĂ€llen  gesprochen  werden,  bei  denen  es 
sich  ĂŒberwiegend  um  normale  Geburten  handelte.  In  diesen 
FĂ€llen  bleibt  fĂŒr  die  Entstehung  der  intrakraniellen  Blutungen 
nichts  ĂŒbrig  als  die  Asphyxie  in  Anspruch  zu  nehmen,  die  in  allen 
FĂ€llen  mehr  oder  weniger  unmittelbar  vor  dem  Durchschneiden 
des  Kopfes  beobachtet  worden  war.  Durch  die  Asphyxie  wird 
eine  venöse  Stauung  und  damit  die  Enstehung  der  Blutung  ver- 
anlaßt. Diese  Anschauung  wird  noch  dadurch  unterstĂŒtzt,  daß 
bei  den  Sektionen  außer  den  Blutungen  im  SchĂ€del  hĂ€ufig  auch, 
wenn  auch  nur  kleine  Blutungen  an  anderen  Stellen,  z.  B.  am 
Herzmuskel,  Endocard  usw.  festgestellt  werden  konnten.  „Ist  nun 
die  Asphyxie  die  Ursache  der  Blutung,  so  kann  unter  UmstÀnden 
diese  je  nach  Sitz  und  Menge  den  vielleicht  reparablen  Zustand  der 
Asphyxie  zu  einem  irreparablen  machen,  d.  h.  den  Tod  des  Kindes 
zur  Folge  haben." 

Klinische  Beobachtungen  ĂŒber  Traubenzucker  als  wehen- 
förderndes Mittel.  Verf.  spritzte  bei  sekundÀrer  WehenschwÀche 
Traubenzucker  in  10  %  iger,  spĂ€ter  in  40 — 50  %  iger  Lösung  in 
einer  Dosis  von  10  cem  intravenös  ein.  Die  Wehen  setzten  schon 
nach  wenigen  Minuten  ein  und  in  den  meisten  FĂ€llen  war  nach 
ganz  kurzer  Zeit  die  Geburt  beendet.  Es  wurden  jedesmal  lebens- 
frische Kinder  geboren.  Die  Injektion  wurde  immer  gut  ver- 
lragen, nur  einmal  trat  1  Stunde  post  inj.  ein  leichter  SchĂŒttel- 
frost mit  Temperatursteigerung  bis  38,5  Grad  ein,  jedoch  war 
auch  in  diesem*  Falle  1  Stunde  danach  wieder  Fieberfreiheit  und 
Wohlbefinden.  Die  Versuchsreihe  ist  zwar  noch  sehr  klein,  je- 
doch hÀlt  Verfasser  auf  Grund  der  rein  klinischen  Beobachtungen 
den  Traubenzucker  in  40—50  prozentiger  Konzentration  in  Menge 
von  je  10  cem  intravenös,  steril  appliziert  fĂŒr  ein  gutes  wehen- 
förderndes Mittel  vornehmlich  bei  ErmĂŒdungswehenschwĂ€che. 
(Zu  beziehen  in  Ampullen  durch  die  Chem.  Fabrik  Kalle  u.  Co. 
in  Biebrich  a.  Rh.).  Speyer  (Berlin). 

Archiv  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Berlin. 


November  1921,  115,  Heft  2. 

♩lieber  die  Funktionen  des  weiblichen  Genitale  bei  SĂ€ugetier  und  Mnsch. 
Vergleichendes  ĂŒber  die  zyklischen  Prozesse  der  Brunst  und  Menstru- 
ation.   Zietzschmann.  O.  201. 

Ueber  Radiumdosiemng.    Zander,  Rud.  253. 

Zur  Klinik  und  Therapie  der  Eklampsie.    Zacherl,  Hans.  264. 
❖Ueber  den   plötzlichen  natĂŒrlichen   Tod   in   Schwangerschaft.    Geburt  und 
Wochembe'tit.    K  a  t  z  ,  Heinrich.  283. 

Ueber  die  prognostische  Bedeutung  der  KeimhÀmolyse  bei  Kreisenden  und 
Wöchnerinnen.    Kirstein.  F.  313. 
❖  Ueber  die   passive   Immunisierung  der  Neugeborenen   mit  Dipbtherievace.ii 
„TA."    Kirstein,  F.  326. 

Ueber  einen  eigenartigen  Ovaraltumor  aus  der  Gruppe  der  Follikulome. 
Nebst  auffallenden  Mensrruationsstörungeu  und  einem  bisheT  noch  nicht 
beschriebenen  anatomischen  Befund  in  Form  einer  gĂ€nseeigroßen,  massi- 
ven corpus  luteumÀhnlichen  Bildung.    A  s  c  h  n  e  r  .  350. 

Beitrag  zur  ScheidenverĂ€tzung  mit  Chlorzink.    F  ĂŒ  t  b.  383. 
❖Osteogenesis  imperfecta.    Baum  m.  385. 

Plattenepithelknötchen  in  hyperplastischen  DrĂŒsen  der  Korpusschlei mh  ut 
des  Uterus  und  bei  Karzinom.    Meyer,  R.  394. 

Beitrag  zur  Lehre  von  den  Akardiern:  Ueber  einen  Holoakardius  eumorphu.s. 
Strakosch.  W.  und  Anders,  H.  E.  408. 

lieber  die  Funktionen  des  weiblichen  Genitale  bei  SĂ€ugetier 
und  Mensch.  Unter  Heranziehung  einer  großen  Literatur  und  an 
der  Hand  zahlreicher  eigener  PrĂ€parate  legt  Verfasser  dar,  daß 


Aus    den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg      Nr.,  8 


die  zyklische  l'aligkeil  von  Ovar  und  Uterus  bei  Saugetier  und 
Mensch  im  allgemeinen  die  gleiche  ist,  insofern  bei  beiden  das 
innere  Sekret  des  Follikelepithels  und  des  aus  diesem  hervor- 
gehenden gelben  Körpers  zusammen  die  Umwandlung  der  Uterus- 
mucosa  bewirken,  wobei  das  lebende  Ei  die  Oberleitung  hat. 
Stirbt  es  unbefruchtet,  so  bildet  sich  das  Corpus  luteum  zurĂŒck. 
Verfasser  konnte  bei  Tieren  zu  der  beim  Menschen  so  lange 
strittig  gewesenen  Frage,  ob  der  gelbe  Körper  sich  bindegewebig 
aus  der  Thcca  interna  oder  epithelial  aus  den  Granulosazellen 
entwickelt,  im  Sinne  der  letzteren,  jetzt  fĂŒr  den  Menschen  allge- 
mein anerkannten  Anschauung  Stellung  nehmen  und  die  epithe- 
liale Genese  beim  Rinde  nachweisen.  —  W  esentlich  ist  nun,  dati 
Brunst  und  Menstruation  nichts  miteinander  zu  tun  haben.  Die 
Brunst  tritt  einige  Tage  vor  der  Reifung  des  Eies  auf,  sie  gehört 
zum  ovarielien  Zyklus  und  ist  dessen  auffallendstes  Symptom. 
Die  Menstruation  vollzieht  sich  bei  den  Tieren  nicht  stĂŒrmisch, 
wie  beim  Menschen  unter  Ausstoßung  einer  von  Blutungen  durch- 
setzten Mucosa,  sondern  es  gibt  Tiere  mit  einer,  zwei,  oder,  wie 
Pferd,  Rind,  Schaf,  mehreren  Sexualperioden  im  Jahre,  stets 
aber  hat  die  Mucosa  Zeit  zu  langsamem,  nach  außen  unmerk- 
lichem Abbau.  So  wird  also  bei  Tieren  der  Höhepunkt  ovarielien 
Geschehens  durch  die  Brunst  nach  außen  projiziert,  wĂ€hrend 
beim  Menschen  der  Höhepunkt  ovarieĂŒen  Geschehens  nach  außen 
zurĂŒcktritt  und  die  Brunst  nahezu  völlig  entfĂ€llt,  wĂ€hrend  sich 
fĂŒr  die  klinische  Betrachtung  der  Höhepunkt  uterinen  Geschehens 
in  der  Menstruationsblutung  anzeigt. 

Ueber  den  plötzliehen  natĂŒrlichen  Tod  in  Schwangerschaft, 
(ieburt  und  Wochenbett.  Unter  der  ziemlich  großen  Zahl  von 
FĂ€llen,  die  in  den  zwei  letzten  Dezennien  im  gerichtlich-medizini- 
schen Institut  in  Wien  zur  Sektion  kamen  und  in  denen  Frauen 
plötzlich  in  oder  nach  der  Geburt  ohne  Àrztliche  Hilfe 
starben,  sind  14  infolge  Erkrankung  des  Herzens  oder  der  Aorta. 
Der  Tod  trat  infolge  Stauung  oder  fettiger  Entartung  des  gegen 
die  Schwangerschaftstoxine  besonders  wehrlosen,  weil  schon 
vorher  erkrankten  Herzens  ein.  Rekurrierende  Endokarditis 
scheint  besonders  rasch  die  Waffen  zu  strecken.  Auch  Sklerose 
der  Aorta  oder  A.  Renalis  spielten  eine  Rolle.  Patientinnen  mit 
ambulanter  LungenentzĂŒndung,  d.  h.  mit  dauernder,  ihnen  nicht 
zum  Bewußtsein  kommender  Infiltration  der  Lunge  gingen  beim 
Pressen  intra  partum  au  Herztod  zugrunde.  Glomerulonephritis 
bewirkte  zweimal  akutes  Hirnödem.  Kropftod  erfolgte  zweimal 
durch  Stenose  der  Trachea,  wozu  einmal  noch  Herzdilatatiön  mit- 
verursachend trat.  30  mal  bewirkte  Eklampsie  plötzlichen  Tod, 
oft  ohne  prÀmonitorische  Symptome  vorausgeschickt  zu  haben, 
sei  es  mittels  atonischer  Nachblutung,  sei  es  mittels  Apoplexie, 
durch  die  Blutdrucksteigerung  hervorgerufen.  Verblutungstod 
fand  sich,  abgesehen  von  einigen  FĂ€Uen  ganz  oder  nicht  ganz 
manuell  gelöster  Plazenta  mehrmals  infolge  Spontanruptur  des 
Uterus,  die  auf  Beckenanomalie  zurĂŒckzufĂŒhren  war,  ferner 
durch  Zervixrisse  infolge  zu  raschen  Durchtretens  des  Kindes. 
Das  venöse  System  verursachte  einmal  durch  geplatzten  Varix- 
knoten,  13  mal  durch  Herzembolie  aus  der  unteren  ExtremitÀt 
oder  dem  Plexus  uterovaginalis  den  Tod.  Die  Arbeit  enthÀlt 
wertvolles  Material  in  forensischer  Beziehung,  denn  es  kann 
Verzten  die  Schuld  an  TodesfÀllen  zugemessen  werden,  wo  in 
Wirklichkeit  eine  der  oben  genannten  Todesursachen  zugrunde 
L'-g 

Ueber  die  passive  Immunisierung  der  Neugeborenen  mit 
Diphtherievakzine  „TA".  K.  machte  zahlreiche  Schutzimpfungen 
bei  Neugeborenen,  indem  er  entweder  neues  Behring' sches  Diph- 
Iherievakzin  TA  VI  bei  den  Neugeborenen  direkt  oder  den  etwas 
schwĂ€cheren  Stoff  TA  VII  bei  den  MĂŒttern  anwandte.  Eine  Er- 
höhung der  Antitoxineinheiten  konnte  im  Blute  fast  stets  fest- 
gestellt werden,  und  zwar  noch  mehr,  wenn  die  Impfung  auf  dem 
Weg  ĂŒber  Mutter  und  Plazenta  erfolgt  war.  Praktisch  aber  ver- 
sagt diese  Prophylaxe,  denn  es  zeigte  sich,  daß  HĂ€ufigkeit  der 
Erkrankung  und  MortalitÀt  bei  immunisierten  und  nicht  immuni- 
sierten Kindern  gleich  waren.  Verfasser  erklÀrt  dies  unter 
Heranziehung  der  Sahlischen  Anschauungen  von  den  sogenann- 
ten nichtspezifischen  Antikörpern  dahin,  daß  der  Körper  den 
Kampt  gegen  aie  Infektion  nicht  nur  im  Blut,  sondern  insbe- 
sondere mittels  lokaler  EntzĂŒndung,  Phago-  und  Leukozytose, 
sowie  durch  die  sogenannten  Antikörper  ausficht.  Ergebnis:  Die 
Neugeborenendiphtherie  ist  trotz  ausgedehnten  BazillentrÀger- 
tums  als  klinische  Krankheit  selten,  ihr  Verlauf  meist  harmlos 
und  die  passive  Immunisierung  zwecklos,  allerdings  nur  fĂŒr  die 
allererste  Lebensperiode.  Soweit  bei  Neugeborenen  gĂŒnstige  Er- 
folge mit  Serum  erreicht  sind,  dĂŒrften  sie  eher  denjenigen  Wir- 
kungen, weiche  C  z  e  r  n  y  dem  Pferdeserum  hinsichtlich  all- 
gemeiner  KrÀftigung  zuschreibt,  oder  die  im  Sinne  Weich- 


hardl   s   auf   Protoplasmaaktivierung   beruhen,  /.uzuschreiben 

sein. 

Osteogenesis   imperfecta.      Bei   einer   etwa  9  Monate  allen 
FrĂŒhgeburt  traf  die  seltene  Diagnose  Osteogenesis  imperfecta  zu 
Der  SchĂ€del  war  weich,  Arme  und  Beine  gekrĂŒmmt,  mit  mein 
fachen  Frakturen.    Es  konnte  keine  Osteomalacie  sein,  da  diese 
nur  bei  Erwachsenen  vorkommt,  keine  Rachitis,  da  bei  dieser 
die  Knochen  weich  und  biegsam  und  die  Epiphysenknorpel  ver 
dickt  sind,  wĂ€hrend  hier  HĂ€rte  und  BrĂŒchigkeit  der  Knochen  im- 
poniert, auch  keine  Chondrodystrophia   foetalis.  da   bei  diese: 
Störung  des   Knorpelwachstums  vorliegt  und   keine  Frakturen 
auftreten.     Es  handelte  sich  also  um  kongenitale  Osteogenesis 
imperfecta,  die  meist  unter  dem  falschen  Namen  fötaler  Rachitis 
lĂ€uft.     Die  langen  Röhrenknochen  sind  schlank,  brĂŒchig,  hart 
Es  gibt  schmerzlose  Spontanfrakturen,  die  im  vorliegenden  Falb 
rasch  wieder  heilten.    Pathologisch-anatomisch  ist  die  periostale 
Knochenbildung  gestört,  nach  v.  Recklinghause  n  besteht 
Markhyperplasie.    Die  Aetiologie  ist  unklar,  so  daß  auch  keim 
zielbewußte  Therapie  bekannt  ist.     Verfasser  behandelte  mit 
gutem  Erfolge  mit  Phosphorlebertran.    Das  Kind  ist  zurzeit  15 
Monate  alt  und  gedeiht  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  gut. 

Kuhn  (MĂŒnchen 

Dermatoiogische  Wochenschrift,  Leipzig. 

7.  Januar  1922,  Nr.  1. 

Eiu  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Ichthyosis  hystrix.    B  I  <■  i  <■  \  d  ^  r  I  .  Wilhelm. 
Liehen  planus  und  lichenoide  Arsendermatitis.    Keller,  l'hilipp. 
❖Erfahrungen  mit  Mirion.    GĂ€rtner  H, 

❖Leber  Spontanheilung  von  Vulvovaginitis  gonorrhoica  infantum      D  r  f  8  c  t  , 
Irmgard. 

Erfahrungen  mit  Mirion.  WÀhrend  Fröhlich  und  Kyrie 
in  dem  von  B  e  n  k  ö  erfundenen  Mirion  ein  Spezifikum  gegen 
Lues  sehen  wollen,  das  dem  Salvarsan  mindestens  gleichkommt, 
lehnt  es  G.  auf  Grund  eigener  Beobachtungen  als  Therapeutikum 
vollkommen  ab,  da  es  sowohl  dem  Hg.  wie  auch  dem  Salvarsan 
an  Wirksamkeit  weit  unterlegen  ist,  dagegen  hat  es  als  Prpvo- 
kationsmittel  erheblichen  Wert 

Ueber   Spontanheilung   von   Vulvovaginitis  gonorrhoica  in- 
fantum.    D.  konnte  bei  einem  SĂ€ugling  das  Verschwinden  der 
Gonokokken  aus  dem  Sekrete  beobachten,  ohne  daß  irgend  eine 
Behandlung  stattgefunden  hatte.    Trotz  Provokationen  mit  Lugol. 
Gonargin   usw.   waren    monatelang   die   tÀglichen  Konlrollab 
striche  aus  dem  geringen  Sekret  der  Urethra,  Vagina,  wie  auch 
des  Rektum  stets  Go.  negativ.    Aus  dieser  vereinzelten  Beobach 
tung  folgert  D.  —  wohl  etwas  weitgehend  — ,  man  soll  die  ganze 
Behandlung  der  gonorrhoisch  infizierten  Kinder  faUen  lassen, 
diese  nur  isolieren  und  sie  gesondert  von  anderen  Kindern  auf 
ziehen.  Bab  (Berlin 

14.  Januar  1922,  Nr.  2. 

❖  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Leukoderma  syphilitikuni   iSubatute  und  univer- 
selle Leukoderme).    Freymann,  W. 
Ein    Beitrag    zur  Kenntnis    der    Ichthyosis    bystrix.     "Schluß).  Blote- 
v  o  g  e  1  .  Wilhelm. 

Beitrag  zur  Kenntnis  des  Leukoderma  syphiliticum.  Das 

Leukoderm  ist  nicht  als  selbstÀndige  Erkrankung  der  Haut  oder 
des  Pigmentapparates  anzusehen,  sondern  als  Folge  der  Erkran 
kung  eines  nervösen,  den  Pigmentapparat  regulierenden  Zentral 
organs.    Das  Leukoderm  entsteht  besonders  an  den  Stellen,  an 
denen  die  Roseola  selten  beobachtet  wird;  es  trotzt  im  allge- 
meinen der  Therapie,  ist  aber  in  ganz  frischen  FĂ€llen  vieUeicht 
doch  durch  diese  zu  beeinflussen,  wenigstens  konnte  Fr.  viermal 
beobachten,  daß  es  unter  kombinierter  Kur  in  8  Wochen  zurĂŒck 
ging,  wĂ€hrend  es  gewöhnlich  VA— 2  Jahre  zu  bestehen  pflegt 
Wie  andere  Autoren  auch,  kann  F.  eine  erhebliche  Zunahme  der 
universellen  Leukoderme  feststellen.  Bab  Berlin 

21.  Januar  1922.  Nr.  3. 

lieber  die  Verwendung  der  Partialantigene  nach  Deyke-Muiii  in  prognosti- 
scher Hinsicht  bei  Hauttuberkulose.    Bergmann.  Ernst. 
❖Untersuchungen  ĂŒber   die    Aetiologie    der   Krankheiten    der    Herpesgrui  i" 
(Herpes  zoster;  H.  genitalis;  H.  febrilis.)    LipschĂŒtz.  B. 
l'eber  die  Therapie  der  Folliculitis  barbae.    Th  im  ,  Joseph  R. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Aetiologie  der  Krankhetien  der 
Herpe9gruppe.  Kurzer  Eigenbericht  seines  Vortrages  auf  dem 
Hamburger  Dermatologen-Kongreß.  Die  Herpeserkrankungen 
sind  Infektionskrankheiten,  die  durch  „KerneinschlĂŒsse'  Chlamy- 
dozoen  hervorgerufen  werden;  die  Chlamydozoen  sind  fĂŒr  jede 
Herpesgruppe  spezifisch.  Bab  (Berlin). 


io.  Jahrg. 


\i  8 


Aus   de  ii   neuesten  Zeitschriften 


Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel 

12.  Januar  192%  Nr.  2. 

‱J»l>ic  totale  Indikation  Mir  operativen   Beendigung  der  Uelmrl     i;  u  «  n  i  - 
b  e  r  g  ,  H.  J;>. 

her  Osoillotunogru.pl]  zur  graphischen  Registrierung  dei  oscillatoriseheu  Puls- 

dnickschwonkungcn.    J  a  q  u  e  t ,  .V.  29. 
Die  Pathologie  der  Atmung.    S  t  a  e  Ii  e  1  i  n  .  Ii.  30. 

Kritische  Bemerkungen  zur  FunktiousprĂŒfung  des  Magens.  F  i  i  c,  U  r  r  ,  K.  :w 
Zur  Kasuistik  der  Zwillingslagen.    9  c-  Ii  n  y  il  e  c  .  R.  in. 

Die  fpetale  Indikation  zur  operativen  Beendigung  der  («eburt. 
Im  Laufe  der  Geburl  können  Störungen  auftreten  von  seiten  der 
Mutter  oder  von  seiten  des  Kindes.  Sind  dieselben  gefahr- 
drohend und  ist  ihre  Beseitigung  nur  durch  Beendigung  der  Ge- 
burt zu  erwarten,  so  ist  die  Indikation  zur  AusfĂŒhrung  der 
pperation  gegeben  Wir  mĂŒssen  mĂŒtterliche  und  kindliche  In- 
dikation auseinander  halten.  Hecht  umstritten  ist  die  kindliche 
Indikation  zum  Eingreifen.  Es  gehört  zu  den  wichtigsten  Auf- 
gaben des  Geburtshelfers,  den  Gesundheitszustand  des  Kindes 
heim  (.eburtsvorgang  zu  beobachten.  Das  kann  einzig  und  allein 
durch  die  Auskultation  geschehen.  Alle  GeburtsschÀdigungen  der 
Frucht,  mögen  sie  in  mĂŒtterlichen  Störungen  liegen  oder  seien 
sie  bedingt  durch  die  Frucht  selbst,  kommen  dem  Arzt  nur  durch 
genaue  Beobachtung  der  foetalen  Herztöne  zur  Kenntnis.  Finden 
wir  bei  einer  Geburt  bei  regelmĂ€ĂŸiger  Auskultation  eine  Zahl 
von  Herztönen  von  120—140  in  der  Wehenpause  bis  zum  Schluß 
der  Geburt,  so  ist  gewöhnlich  eine  Gefahr  fĂŒr  das  kindliche  Le- 
ben nicht  vorhanden.  Die  ganz  seltenen  FĂ€lle,  in  denen  das  Kind 
asphyktisch  oder  tot  zur  Welt  kommt,  beruhen,  abgesehen  von 
Fehlern  der  Beobachtung,  auf  SchÀdigungen  durch  einen  opera- 
tiven Eingriff  oder  das  Kind  ist  erkrankt.  Eine  Möglichkeit, 
solche  FĂ€lle  zu  erkennen  oder  zu  retten,  liegt  nicht  vor.  Die 
Beschleunigung,  mag  sie  noch  so  hoch  sein,  zeigt  uns  ein  leichtes 
Unbehagen  der  Frucht  an,  hat  aber  keine  praktische  Bedeutung 
und  ist  gefahrlos.  Tritt  wÀhrend  des  Geburtsvorganges  in  der 
Wehenpause  eine  Verlangsamung  der  Herztöne  ein,  die  nach  ein 
nen  Wehen  anhÀlt,  so  hat  der  Arzt  alle  Vorbereitungen  zu 
treffen,  damit  er,  wenn  nötig,  sofort  zur  Entbindung  schreiten 
kann.  Diese  ist  auszufĂŒhren,  sobald  in  der  Wehenpause  mehrere 
Male  die  Herztöne  unter  100  sinken.  Zum  Schluß  sei  noch  das 
NabelschnurgerÀusch  erwÀhnt,  das  als  alleiniges  Symptom  nie- 
mals Ursache  eines  operativen  Eingriffs  werden  soll.  Auch  der 
Meconiumabgang  allein  soll  den  Arzt  nicht  veranlassen,  sein 
konservatives  Verhalten  aufzugeben.  Die  foetale  Indikation  zur 
operativen  Entbindung  lĂ€ĂŸt  sich  durch  diese  Regeln  auf  eine 
exakle  und  scharfe  Grundlage  stellen.  Held  (Berlin). 

19.  Januar  1921,  Nr.  3. 

■Hieben  systematische  Kropftherapie  und  -Prophylaxe.    H  u  n  z  i  k  e  r  ,  H.  und 
W  y  s  s  ,  M.  v.  19. 

*lTeber  die  Beziehungen  der  Tiertuberkulose  zur  Tuberkulose  des  Menschen. 
Pfenninge  r,  W.  54. 

Die  biologische  Bedeutung  der  Vitamine  fĂŒr  die  Kinderheilkunde.  Glanz- 
mann.  E.  57. 

❖  Klinischer     Beitrag     zur     Schwangerschaftshyperrrophic     der  Hypipbyse 
Jung,  P.  61. 

lieber  die  Wirkung  der  Treupelschen  Tabletten  bei  mit  Schmerzen  verbun- 
denen Krankheitserscheinungen.    Eoeraisch,  W.  62. 

Ueber  systematische  Kropf-Therapie  und  Prophylaxe.  Um 
fĂŒr  eine  zweckmĂ€ĂŸige  Kropfprophylaxe  Unterlagen  zu  gewinnen, 
haben  die  Verfasser  an  einer  großen  Zahl  von  Schulkindern 
systematische  Untersuchungen  angestellt,  deren  Resultate  sie  in 
Folgendem  wiedergeben.  Aus  einer  GegenĂŒberstellung  Behan- 
delter und  Unbehandelter  geht  hervor,  daß  die  Einnahme  kleiner 
‱Jodsalzmengen  (0,001  K  J  pro  dosi)  auf  die  Entwicklung  asym- 
metrischer SchilddrĂŒsen  und  auf  die  Knotenbildung  hemmend  ge 
wirkt  hat  und  daß  sie  da,  wo  solche  schon  aufgetreten  war,  zur 
KĂŒckbildung  erheblich  beitrug.  Bei  einer  Prophylaxis  der  Struma 
ist  regelmĂ€ĂŸigen,  genau  ĂŒberwachten  Dosen  unbedingt  der  Vor- 
zug vor  unkontrollierten  gelegentlichen  Dosen  zu  geben.  Dabei 
ist  die  Verwendung  organischer  Verbindungen,  die  in  wechseln- 
der Menge  und  mehr  oder  weniger  langsam  zur  Resorption  kom 
men,  wegen  dieser  Ungenauigkeit  des  AbwÀgens  nicht  indiziert. 
Nur  systematisches  Vorgehen  garantiert  die  Vermeidung  von  un- 
erwĂŒnschten Erscheinungen. 

Ueber  die  Beziehungen  der  Tiertuberkulose  zur  Tuberkulose 
'les  Menschen.   Heut  nimmt  die  Mehrzahl  der  Forscher  auf  Grund 
ausgedehnter  Untersuchungen  an,  daß  es  nur  eine  Art  SĂ€uge- 
:  tiertuberkelbazillen  gebe  und  daß  durch  Anpassung  dieser  einen 
,  Art  an  die  beiden  empfÀnglichsten  Vertreter  der  SÀugetierreihe, 
an  den  Organismus  des  Menschen  und  den  des  Rindes,  die  zwei 
[  als  Typen  bezeichneten  VarietÀten  des  SÀugerbazillus  entstanden 


seien.     Der  Tierversuch  isi  das  zuverlÀssigste  Mittel  im  ihre 
Unterscheidung 

FĂŒr    die    Infektion    mit    dem    Kiiulcrbayjllus  kommen  beim 
Menschen  theoretisch  '■>  Wege  in  Betracht:  der  erste,  der  Atmuugs 
weg,  hat  praktisch  gar  keine  Bedeutung.     Die  Infektionsgefahl 
durch    die    Haut    beschrÀnkt    sich    auf    die    Beritfsgruppe  dei 
SchlÀchter  und  Abdecker.    Die  wichtigste  Infektionspforle  Im  den 
typ.  bovinus  beim  Menschen  ist  der  Verdauungskanal.     Die  ge 
ringe  Virulenz  des  Fleisches  tuberkulöser  Tiere  ist  durch  neuere 
Untersuchungen  bestÀtigt  worden;  ebenso  scheint  die  Infektiosi 
lÀt  des  Blutes  tuberkulöser  Schlachtliere  eine  Seltenheit  zu  sein 
Anders  verhÀlt  es  sich  mit   der  Milch      Die  Gelegenheit,  sieb 
durch  die  Milch  mit  Rindertuberkelbazillen  zu  infizieren,  ist  groll, 
indem  die  Euterluberkulose  unter  den  KĂŒhen  ziemlich  verbreitet 
ist.    Die  Tuberkelbazillen  in  der  Milch  scheinen  den  FellkĂŒgel 
chen  anzuhaften;  in  Milchprodukten  können  sie  ziemlich  lange 
lebend  und. virulent  bleiben.     GlĂŒcklicherweise  zeigt  sich  dei 
Organismus   der    Infektion   gegenĂŒber  sehr    resistent,   wenn  als 
Infektionspforte  der  Darmkanal  in  Betracht  kommt.  WĂ€hrend 
bereits  wenige  Tuberkelbazillen  genĂŒgen,  um  eine  Kinalmungs 
tuberkulöse  hervorzurufen,  sind  zur  Erzeugung  einer  FĂŒtterungs 
tuberkulöse  etwa  140  Millionen  nötig,  eine  Bedingung,  die  fĂŒr  die 
Marktmilch,  die  ein  Gemisch  von  Sekret  vieler  Tiere  ist,  nur 
sehr  selten  zutreffen  dĂŒrfte.     Stellen  wir  der  relativ  geringen 
Gesamtfrequenz  des  bovinen  Ursprungs  der  Menschentuberkulose 
die  reichliche  Infektionsgelegenheit  durch  infizierte  Milch  und 
deren  Produkte  gegenĂŒber,  so  ergibt  sich,  daß  die  Gefahr  der 
bovinen  Infektion  fĂŒr  den  Menschen  allgemein  genommen  eine 
geringe  Bedeutung  hat,  daß  sie  aber  fĂŒr  die  Tuberkulose  des 
Kindesalters  ein  durchaus  nicht  zu  unterschÀtzender  Faktor  ist 

Was  nun  die  BekÀmpfung  anbetrifft,  so  ist  man  trotz  der 
intensiven  Forscherarbeit  der  4  Dezennien,  die  seit  der  Ent- 
deckung des  Tuberkelbazillus  verstrichen  sind,  zu  einem  Ziele 
noch  nicht  gekommen.  Weder  die  Serum-,  noch  die  Vakzine-, 
noch  die  Chemotherapie  haben  auf  dem  Gebiet  der  Tuberkulose 
bis  heute  praktisch  greifbare  Resultate  gezeitigt.  Die  aussichts 
reichste  Methode,  den  Kampf  gegen  die  Rindertuberkulose  wirk 
sam  zu  gestalten,  scheint  heute  eine  möglichst  frĂŒhzeitige  Schutz- 
impfung der  Jungtiere  mit  Tuberkelbazillen.  Dieselbe  ist  ex- 
perimentell begrĂŒndet  und  theoretisch  der  einzige  Weg,  um  eine 
der  natĂŒrlichen  ImmunitĂ€t  Ă€hnliche  Resistenz  der  Infektion 
gegenĂŒber  zu  erzielen. 

Ganz  allgemein  gesprochen  kann  die  Tuberkulosel'orschun.u 
eine  wirkliche  Förderung  nur  erfahren,  wenn  wir  noch  mehr  als 
bisher  die  Rindertuberkulose  heranziehen,  weil  bei  ihr  Àhnliche 
VerhÀltnisse  vorliegen  wie  bei  der  Menschentuberkulose. 

Klinischer  Beitrag  zur  Schwangerschaftshypertrophie  der 
Hypophyse.  Mitteilung  eines  Falles  einer  45  jÀhrigen  X.-Para, 
die  die  voraufgegangenen  Schwangerschaften  glatt  ĂŒberstanden 
hat  und  seit  dem  Einsetzen  der  letzten  ĂŒber  schwindende  Seh 
kraft  klagt.  Die  Annahme,  daß  es  sich  um  eine  Schwanger 
schaftshypertrophie  der  Hypophyse  handelt,  wird  durch  das 
Böntgenbild  und  durch  die  Restitution  des  Sehvermögens  nach 
erfolgter  Schwangerschaftsunterbrechung  bestÀtigt.  Versuche 
mit  Verabreichung  von  Ovarialsubstanz  verboten  sich  durch  den 
rapiden  Fortschritt  der  Sehstörung.  Zur  KlÀrung  des  Falles 
glaubt  Verfasser  eine  primÀre  Erkrankung  der  Hypophyse  an- 
nehmen zu  mĂŒssen,  vielleicht  im  Sinne  eines  Adenoms,  das  durch 
die  Schwangerschaft  eine  besondere  Wachstumsförderung  erfÀhrt 
und  nach  deren  Aufhören  so  weit  sich  zurĂŒckbildet,  daß  ein 
nennenswerter  Druck  auf  das  Chiasma  wegfÀllt  und  damit  die 
Sehstörung  sich  z.  T.  ausgleicht.  Held  (Berlin 

Hospitalstidende. 

14.  Dezember  1921,  Nr.  50. 

t)s   VesaĂŒnum  torsi  und  Fraktur  von  tuberositas  ossis   rae^artasi  (Schluß) 
B  a  a  s  t  r  u  p  ,  Chr. 

21.  Dezember  1921,  Nr.  51. 

'.t   FĂ€lle   von  Pulsionsdivertikel   (Zenker).     Sc  Ii  in  i  d  t  .  Viggo 

28.  Dezember  1921,  Nr.  52. 

!)  FĂ€lle  von  Pulsionsdivertikel  (Zenker)  (Schluß).    Schmidt.  Vlggo. 
♩Ein  Fall  von  Ruptura  vesicae  felleae  mit  mĂ€chtiger  intraperitonealer  Bin 
hing.    G  y  1  1  e  u  p  ,  Ole. 

Ein  Fall  von  Ruptura  vesic.  felleae  mit  mÀchtiger  intra- 
ncritonealcr  Blutung.  Bei  einer  72  jÀhrigen  Frau,  die  unter  der 
Diagnose  Ileus  aufgenommen  war,  wurden  bei  Operation  eine 
kinderfaustgroße  Perforation  in  einer  großen  schlaffen  Gallen 


184 


Ans  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


blase  und  eine  zerrissene  Arteria  eystiea,  welche  große  Blutung 
im  Peritoneum  bewirkt  hatte,  konstatiert.  Heilung  )'ola;l  nach 
Cholezystektomie. 

Ugeskrift  for  Laeger. 

15.  Dezember  1921,  Nr.  50. 

Die   Behandlung  der  chronischen   Polyarthritis  im   Heim.     F  a  i>  e  r  .  Arne. 
22.  Dezember  1921,  Nr.  51. 

♩lieber  den  Ausfall  der  Strauß'sehen  Wa-s  «erprobe  bei  orthostatischer  Albumi- 
nurie.   Gram.  H.  C. 

‱5»(Yber  Bronchialasthma  in  Reflation  zur  chronischen  Obstipation.  Kra  m  er 
Petersen. 

Ueber  den  Ausfall  der  Strauß'schen  Wasserprobe  bei  orthost. 
Albuminurie.  Bei  Patienten  mit  genuiner  ort.  Albuminurie  fand 
der  Verfasser  mit  der  Wasserprobe  im  Gegensatz  zu  Patienten 
mit  Nephritis  von  orth.  Typus  bedeutend  grĂ¶ĂŸere  Wasseraus- 
scheidung, wenn  diese  im  Bett  lagen,  als  wenn  sie  außer  dem 
Bett  waren. 

Ueber  Bronchialasthma  in  Relation  zur  chronischen  Obsti- 
pation. Bei  zwei  Patienten,  die  jahrelang  an  Asthma  und  chroni- 
scher Obstipation  gelitten  hatten,  verschwand  die  Atem- 
beschwerde gleichzeitig,  sobald  die  Darmfunktion  normal  wurde 

29.  Dezember  1921,  Nr.  52. 

♩Ueber  Veronal  bei  Hyperemesis  gravidarum.    .1  .1  c  o  l>  a  e  ti-s  ,  H. 
Die  DiÀtverordnung  an  der  Kuranstalt  Monrtebello.    F  a  i>  e  t  .  Erik. 

Ueber  Veronal  bei  Hyperemesis  gravid.  Verfasser  hat  gute 
Erfolge  von  Veronal  0,40—0,60  bei  Hyperem.  gravid,  konstatiert. 

P  o  v  1  Hertz  (Kopenhagen  . 

El  siglo  medico,  Madrid. 

69,  Nr.  3552. 
Die  Weiterverbreitung  der  Keime.  1. 

Behandlung   der    Lungentuberkulose    durch    natĂŒrliche    Mittel.      R  a  m  o  n 
V  i  1  1  e  g  a  s.  3. 

Die  Niere  und  die  Glukosurien.    C  À  ball  e  r  o  y  F  e  i  n  À  n  d  e  t  .  3.  S. 
Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien.  A  n  l  u  h  ;i  n  o  .  T..  M.  u. 

69,  Nr.  3553. 

♩Behandlung  frischer  Malariafalle.    B  u  e  n  .  s.  2i>. 

Behandlung  der  Lungentuberkulose   mit   natĂŒrlichen    Mitteln      Villen  a  s  . 
R.  31. 

Bericht  ĂŒber  die  9.  Versammlung  der  italienischen  Gesellschaft  fĂŒr  Fortschritt 

der  Wissenschaften  zu  Triest.  8.— Sept.  1921.  34. 
Die  Niere  und  die  Glukosurien.    C  a  b  a  l  1  e  r  o  y  F  e  r  n  a  n  d  e  %  ,  .1.  30. 
Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien.    A  n  t  u  n  ;i  n  o  .  L.  .\t.  38. 

Behandlung  frischer  MalariafÀlle.  Im  allgemeinen  herrscht 
in  Spanien  —  nicht  nur  unter  der  Bevölkerung,  sondern  auch 
unter  den  Aerzten  —  eine  gewisse  Laxheit  in  der  Behandlung  der 
.Malariakranken,  so  daß  die  FĂ€lle  wohl  anbehandelt  werden,  die 
Behandlung  jedoch  nicht  streng  durchgefĂŒhrt  wird.  Verfasser, 
der  einer  Kommission,  die  zur  BekÀmpfung  der  Malaria  ge- 
bildet wurde,  angehört,  hat  nun  nach  seinen  langjÀhrigen  Erfah- 
rungen ein  Behandlungsschema  aufgestellt,  das  er  ein  fĂŒr  alle 
mal  bei  den  Malariakranken  zur  Anwendung  gebracht  wissen 
will:  bei  Erwachsenen  2  Wochen  lang  pro  die  1,0  g  Chinin,  darauf 
2  Wochen  lang  pro  die  0,5  g  Chinin;  bei  Kindern  entsprechend 
weniger  (Kinder  unter  einem  Jahre  0,3  g,  bei  Àlteren  Kindern 
dann  steigend);  die  Form  der  Verabreichung  ist  am  geeignetsten 
in  Pillenform,  und  zwar  zusammen  mit  Eisen  und  Arsen. 

L  u  r  j  c. 

The  Lancet,  London. 

21.  Januar  1922,  202,  Nr.  5134. 

'«♊Influenza;  Behandlung  durch  direkte  Reizung  der  Leukozytenbildung,    fi  r  a  - 

h  a  m  Willmore,  J.  und  G  a  r  d  n  e  r  ,  F.  W.  lifi. 
❖Die  Sigm  ireaktion  fĂŒr  Syphilis.    Rook.  A.  F.  118. 

GastritisanfÀlle  und  Epilepsie.    V  i  n  i  n  g  .  C.  W.  122. 
♩Untersuchungen  ĂŒber  Cinchonaalkaloide.     A  C  ton,   H.    W.  121. 

Ein  Fall  von  lateraler  Sinusthrombose.    T  r  o  t  t  e  r  .  L.  B.  (\  128. 

Influenza;  Behandlung  durch  direkte  Reizung  der  Leuko- 
zytenbildung.  Verff.  spritzten  bei  Grippekranken  Narr,  nuclein.  ein, 
zur  Reizung  der  Leukozytenbildung  und  Nalr.  bicarb.  zur  Neu- 
tralisation des  Toxins  (!  !  !).  In  schweren  FĂ€llen  wurde  auch 
Glykose  und  Natr.  bicarb.  intravenös  oder  subkutan  eingespritzt. 
Weiter  verschrieben  Verff.  Laxantien,  Cardiotonica  und  eine  DiÀt 
aus  Milch,  Glukose,  Zitronen  bestehend.  GlÀnzende  Erfolge  wer- 
den mitgeteilt. 


Die  Sigmareaktion  fĂŒr  Syphilis.  Diese  Reaktion  ist  eine  Aus 
llockungsreaktion.  Das  Antigen  besteht  aus  einem  Gemisch  von 
azetonfreiem  Alkohol-Herzextrakt  und  Cholestearin.  Das  in- 
aktivierte Serum  wird  in  steigenden  Dosen  zugesetzt.  FĂŒr  Blut- 
untersuchungen ist  die  Beaktion  ebenso  gut  wie  die  Wa.R.;  fĂŒr 
die  LumbaiflĂŒssigkeit  scheint  sie  weniger  zuverlĂ€ssig  zu  sein. 

Untersuchungen  ĂŒber  Cinchonaalkaloide.  Die  rechtsdrehen- 
den  Alkaloide  dieser  Gruppe  wirken  im  allgemeinen  intensiver 
auf  die  GebÀrmutter,  den  Blutdruck,  den  Darm  usw.  als  die  links- 
drehenden. Die  Hydroalkaloide  sind  konstanter  und  wirksamer 
als  die  natĂŒrlichen  Alkaloide. 

Die  komplizierten  Alkaloide  der  Gruppe  sind  viel  toxischer 
fĂŒr  SĂ€ugetiere,  Protozoen  und  Bakterien  wie  die  einfachen. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag 

28.  Januar  1922,  202,  Nr.  5135. 

Ein  Fall   akuter   anaerobischer  Infektion    von    Fibromen    dei  GebÀrmutter] 

Gabriel.  W.  B.  und  King  s  b  u  r  y  ,  A.  N.    1 72. 
Chronische  KieferentzĂŒndung.     (Uly  er.  S.  175. 
Zwei  FĂ€lle  von  Fieber.    8  o  1 1  y  ,  R.  V.  177. 
John  Hunter  und  Portugal.    B  I  a  n  d  Su  l  i  o  n  .  J.  ihi. 

Konpman  (Hang  i. 

The  British  medical  Journal,  London. 

31.  Dezember  1921,  Nr.  3183. 

Die  Behandlung  des  Krebses  der  Cervix  uteri    Fiel  c  h  e  r  S  h  a  «‹  .  Vi.  UM.' 
Radikale  abdominale  Behandlung  des   Carcinoma  cervix   uteri.  Bonney, 
V.  1103. 

Carcinoma  maminae  und   seine   Operation.     Coombs,   R.  1100. 
Diiselcktrolonytiscbe  Behandlung  der  Gonorrhoe.    Ruß.  C.  110*. 
Behandlung  des  Pes  equino  varus.     I'  a  y  n  t  e  r  N  o  a  I  1  .   W.     I I0D. 
♩Pigmentation   des   Wurmfortsatzes.     Co  well,    F..    M.  11U. 
Thrombose,  der  Venaoara  inf.   Russell,    Kort,   R.  112. 
VerÀnderungen  in  den  roten  Blutkörperchen.    Ciaik,  R.  nw. 
Anemysma  des  Arcus  palmaics  superficialis.    K  i  f  n  a  n  .  E.  1113. 
Varikozele  beim  Weibe.    R  o  w  s  e  .  F..  L.  1114. 

Pigmentation  des  Wurmfortsatzes.  Man  hat  diese  Pigmen- 
tation bis  jetzt  als  eine  große  Seltenheit  betrachtet.  Wenn  man 
aber  genau  darauf  achtet,  so  stellt  es  sich  heraus,  daß  man  inj 
vielen  FĂ€llen  von  chronischer  Obstipation  die  Pigmentation 
findet.  Die  Pigmentzellen  enthalten  Metanin  und  eine  FettsÀure, 
deren  Struktur  dem  Adrenalin  nahesteht.  In  diesen  FĂ€llen  findet 
man  fast  immer  Entartung  im  Auerbaclvschen  Plexus.  Vielleicht 
sind  diese  Degeneration,  die  Pigmentation  und  die  Obstipation 
einer  Avitaminose  zuzuschreiben,  und  Verfasser  will  dann  auch 
in  FĂ€llen  chronischer  Obstipation  oder  Appendizitis  Vitamin  BJ 
versuchen.  K  o  o  p  m  a  n  Haag 

14.  Januar  1922,  Nr.  3185. 

Spezifische  Empfindlichkeit  und  Anaphylaxie.    D  a  1  e  .   H.  EL  45. 
Diagnose  und  Behandlung  der  intrathecalen  GeschwĂŒlste  des  RĂŒckenmarkes.»' 

T  h  o  r  b  u  r  n  .  W.  49. 
Der  Wert  von  l'ebung  nach  Operationen.    Rowlands.  R.  P.  52. 
❖Die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  kolloidalem  Kalzium.  Brest.  E.  E.  53>j 

Postoperative  Blutung.    F  e  r  g  u  s  .  F.  54. 
❖  Antimon  hei  Lepra.    W  i  1  d  i  c  h  ,  G.  H.  55. 
Antenatale  Behandlung  der  kongenitalen  Syphilis  mit  Salvarsan  und  Queck- 
silber.   Adams.  J.  56. 

Die  Behandlung  der  Tuberkulose  mit  kolloidalem  Kalzium. 

Verfasser  hat  schon  frĂŒher  bei  der  Tuberkulosebehandlung  Calc. 
lact.  versucht,  aber  mit  sehr  wechselndem  Erfolg.  Er  hat  sich 
jetzt  mit  GlutaminsÀure  ein  kolloidales  KalziumprÀparat  her- 
stellen lassen,  das  1  : 2000  Kalzium  enthÀlt.  Es  wird  subkutan  in- 
jiziert. Man  gebe  nie  mehr  als  1  cem  tÀglich.  Dann  und  wann 
tritt  Erbrechen  auf.  Sehr  oft  wird  der  Schlaf  besser  und  ver- 
schwindet der  Nachtschweiß.  Es  gibt  FĂ€lle,  in  welchen  nach 
der  Einspritzung  Tuberkelbazillen  im  Sputum  auftreten.  Einige 
schöne  Resultate  werden  beschrieben. 

Antimon  bei  Lepra.  Verfasser  empfiehlt  die  intramuskulÀre 
Injektion  einer  kolloidalen  Antimonlösung.  Zuerst  werden  wÀh- 
ren drei  Tagen  2,5 — 3  resp.  6  cem  eingespritzt.  Dann  nach  einer 
dreiwöchentlichen  Ruhepause  wieder  drei  Injektionen  von  4 — 5 
und  G  cem.  Ermunternde  Erfolge  auf  den  allgemeinen  Zustand, 
die  neurologischen  Symptome  und  die  GeschwĂŒre.  Es  gibt  aber 
auch  Versager.  K  o  o  p  m  a  n  Hans; 

La  Clinica  Pediatrica,  Modena. 

1921,  3,  Nr.  11. 

♩l'cber  einige   Lage-  und  Formamonalien    le*   kindlichen  Intestinums.  Si- 
j         m  o  u  i  n  i  ,  A.  377. 


A  ii  s   (I  c  n    ii  c  iic  s  i  v  ii   Zeitschrift  e 


Ik." 


40.  Jahrg.     Nr.  8 


Leber  einige  Lage-  und  Formauomalien  des  kindlichen  Inte- 
stinums. Bei  loo  Autopsien  fand  Verf.  69  Falle  von  Form- 
Lageanomalien  des  Intestinums.  Das  Duodenum  isi  dabei  weniger 
berĂŒcksichtigt,  da  es  mir  seilen  von  der  Nonn  abwich.  Auch  beim 
DĂŒnndarm  waren  die  Enlwicklungsanomalien  nicht  gerade  hĂ€ufig, 
abgesehen  von  den  FĂ€llen,  in  denen  der  DĂŒnndarm  nur  einen  Teil 
mangelhafter  Entwicklung  des  gesamten  Intestinums  darstellt. 
Viel  hÀufiger  linden  sieh  Abweichungen  von  der  Norm  heim  Coc- 
cum;  wahrscheinlich  hÀngt  das  mit  den  LageverÀnderungen  zu- 
sammen, die  das  Coecum  normalerweise  wahrend  des  Foetal- 
lebens  durchmacht.  Das  Vorkommen  solcher  Verschiebungen  zu 
kennen,  ist  w  ichtig  zur  Vermeidung  diagnostischer  IrrtĂŒmer.  Die 
Verlagerungen  des  Colon  sind  hÀufig  und  bekannt.  Die  Verlage- 
rung des  Colon  deseendens  nach  rechts  wurde  verschiedentlich 
angetroffen:  ist  auch  in  der  Literatur  beschrieben.  Ziemlieh 
selten  erscheint  dagegen  eine  Stenose  des  Colon  transversum.  Li 
wĂŒhnenswert  isl  die  nicht  seltene  Ptose  des  Colon  transversum 
ein  Sinken  unter  das  Nabelniveau,  von  dem  es  in  spitzem  Winkel 
aufsteigt,  um  die  Flexura  lienalis  zu  bilden.  Das  S  romanum 
schließt  sich  den  Verlagerungen  des  ĂŒbrigen  Colon  an;  es  ist  der 
an  Lage-  und  Formanomalien  reichste  Darmabschnitt.  In  vielen 
Fallen  von  angeborener  Dilatation  des  Colon  begegnet  man  ab- 
normen Flexuren,  Atresien,  excessiver  KĂŒrze  des.<S  romanum. 

Zwerchfellhernien  sind  zumeist  angeboren,  aber  es  sind  auch 
FĂ€lle  von  erworbenem  Ursprung  bekannt.  Die  angeborene  Form 
fĂŒhrt  gewöhnlich  zu  vorzeitigem  tötlichem  Ausgang;  vereinzelt 
sind  diejenigen  Falle,  wo  es  gelang,  das  Leben  fĂŒr  Monate  oder 
Jahre,  zu  erhalten. 

Verf.  gibt  zum  Schluß  die  Sektionsberichte  der  oben  erwĂ€hn- 
ten 69  FÀlle,  wobei  er  noch  kurz  auf  die  Funktionsstörungen  des 
Darms  hinweist,  so  weit  sie  sich  anamnestisch  eruieren  ließen. 

K.  Held  (BerlinV 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

21.  Dezember  1921,  Nr.  102. 

Die  Sekundar-I  nfektionen  beim  Typhus.    R  ĂŒ  der.  A.  und  Vi  o  n  n  ;i  ra  o  u  r  . 
S.  1009. 

24.  Dezember  1921,  Nr.  103. 

vHĂ€moklasisehe  Krise  und  paroxysmale  HĂ€moglobinurie.     M  o  n  t  a  g  a  a  n  j  , 
M.  1017. 

liesiehtsautoplastik.    Möure,  P.  1021. 

Doppel-Separator  zur  osci'llometrisehen    Bestimmung   des    Blutdruckes  nach 
Pachon   und   Kiva-Rocci.  1022. 

HĂ€moklastische    Krise    und    paroxystische  HĂ€moglobinurie. 

Verfasser  verweist  auf  die  Untersuchungen  W  i  d  a  1  s  ĂŒber  die 
hĂ€moklastische  Krise,  die  in  den  großen  Rahmen  der  Kolloi- 
doklasie  gehört  und  durch  die  Behandlung  mit  Eigenserum  thera- 
peutisch gĂŒnstig  zu  beeinflussen  sei.  Montagnani  hat  nun  einen 
Fall  von  paroxysmaler  HĂ€moglobinurie  im  selben  Sinne  behan- 
delt und  erhielt  nicht  nur  keine  Besserung,  sondern  sogar  eine 
Verschlimmerung  der  Empfindlichkeit.  Wie  in  den  meisten 
FĂ€llen  ist  auch  der  Patient  Montagnani's  syphilitisch;  eine  spe- 
zifische Kur  bringt  fast  völlige  Heilung.  M.  empfiehlt  daher,  die 
luetische  Aetiologie  stets  in  Betracht  zu  ziehen,  gibt  indessen  zu. 
daß  die  Beobachtungen  sich  erst  auf  ein  grĂ¶ĂŸeres  Material  er- 
strecken mĂŒĂŸten.  Haber. 

28.  Dezember  1921,  Nr.  101 

Mystische    lirkrunkunu;    der    Rartbolinisehen     DrĂŒse.     B  c  r  a  r  d  .     \>.  und 
T>  u  u  e  t  .  C.  1029. 

"^Febrile    Syphilis:    s>  philitisehe    Fieber    und    sypliilo-theraneutisehe  Fieber 
Chiray.  M.  und   f  mir)',  A.  1031. 

Febrile  Syphilis,  syphilitisches  und  syphilo-therapeutisehes 
l  ieber.  Fieber  bei  Syphilis  ist  keine  so  seltene  Erscheinung,  wie 
meist  angenommen  wird,  und  kann  in  allen  drei  Stadien  auf- 
treten, am  hÀufigsten  im  sekundÀren.  Zu  diesen  drei  Formen, 
die  allgemein  auf  die  Aktion  der  Treponema s  selbst  zurĂŒckge- 
fĂŒhrt werden,  gesellt  sich  die  syphilo-therapeutische,  bei  der  die 
Pathogenese  verschiedene  Deutungen  erfahren  hat.  WĂ€hrend 
Bisher  die  Herxheimer'sche  Reaktion  als  Wirkung  der  freiwei  - 
denden Endotoxine  aufgefaßt  wurde,  gelangen  Verfasser  dazu, 
besonders  bei  Auftreten  des  Fiebers  nach  Reinjektio»,  die  Theo- 
rie der  Intoxikation  zu  verwerfen  und  eine  Herdreaktion  anzu- 
nehmen', da  1  nur  Syphilitiker  die  Erscheinungen  aufweisen,  nicht 
aber  andere  der  Salvarsanbehandlung  unterworfene  Kranke,  2.  es 
sich  stets  dabei  um  eine  Syphilis  des  Zentralnervensystem«  han- 
delt, dessen  besondere  FragilitÀl  auch  empfindlichere  Reaktionen 
verstÀndlich  machen.  Ha  b  e  i 

31.  Dezember  1921.  Nr  105 
Vutureu    und  Sachregister. 


\U  \  uc  d'orthopedie,  Paris. 

November  1921.  28,  Nr.  ti. 

i>as  Heii  enthalt  den  Sitzungsbericht  der  III.  OrtbopĂ€demveri»amnUuuK  FrftĂŒll 
reiche  in  Stoaflburg  (ö.  Oktober  1921)  mit  folgenden  VortrÀgen  und  dei 
ieweiK  da/u  gebÀrenden  Diskussion: 
â–șMbe   Fernrewultate  der  unblutigen   Einrenkung  angeborener  BUftluxationen 

P  r  o  e  1  i  c  h.  451. 
»Melier  die   Arthrodese   lies    Fulics.     O  tri  b.  t  8 d  u  B.  H  i.  516. 

❖opi  r.itive  Behandlung  der  Kniegeleiiksankyilosen.    ĂŒf&vernier.  ‱TT. 
Angeborene  SchulteTverreukung.    Wilmoth.  ßi". 

Die  Fernresultate  der  unblutigen  Einrenkung  angeborener 
HĂŒftluxationen.  Zuerst  beschreibt  Verfasser  die  Art.  wie  ei 
bei  Feststellung  einer  angeborenen  Luxation  der  HĂŒfte  die  Be 
handlung  durchfĂŒhrt.  1.  Möglichst  frĂŒhzeitiges  Einrenken. 
2.  Keine  vorbereitende  Extension  (Steinmann  Codi  vi  IIa  . 
veraltete  FĂ€lle  werden  in  zwei  Etappen  eingerenkt.  3.  Vier  Mo 
nate  Gipsverband  in  Lorenz'scher  PrimÀrstellung,  ein  .Monat 
Liegen  ohne  Gips,  spÀter  Gehversuche.  Von  160  Kranken,  die 
vor  1910  operiert  wurden,  stellten  sich  nur  17  zur  Nachunter 
suchung.-  Diese  17  FĂ€lle  (26  behandelte  HĂŒftgelenke;  werden  ein- 
gehend beschrieben  und  im  Röntgenbild  vorgefĂŒhrt.  Nur  bei 
vier  Kranken  entwickelten  sich  funktionelle  Störungen,  die  einer 
spÀteren  Behandlung  bedurften.  Froelich  konnte  seine  Beob- 
achtungen in  ein  dreigliedriges  Schema  aufteilen:  a  HĂŒftgelenke, 
die  weder  funktionell  noch  objektiv  (Ă€ußere  Untersuchung  und 
Röntgenbild)  von  normalen  Gelenken  zu  unterscheiden  waren 
11  HĂŒften),  b)  HĂŒftgelenke  mit  normaler  Funktion;  das  Rönt- 
genbild ergab  aber  starke  VerÀnderungen  des  Schenkelkopfes, 
z.  B.  Coxa  vara-Bildungen,  Pilz-  und  Pufferformen,  unregel- 
mĂ€ĂŸige Verdickungen,  HalsverkĂŒrzungen  (12  HĂŒften),  c)  Schwere 
Gehstörungen,  die  sich  mit  der  Zeit  ausbildeten  und  verschlim- 
merten; Abduktionsbehinderung.  Der  normal  gebaute  Kopf  glitt 
am  obern  Pfannenrand  in  die  Höhe  und  nĂŒtzte  das  Pfannendach 
dadurch  ab.  Bei  einer  Kranken  war  auch  der  Schenkelkopf 
pufferförmig  verunstaltet.  (3  HĂŒften.)  Vier  Geburten  bei  frĂŒher 
operierten  Frauen  verliefen  in  physiologischen  Bahnen;  die 
Kinder  waren  gesund.  Nimmt  der  Autor  auch  die  schriftlichen 
Antworten  auf  seine  Umfrage  zu  Hilfe,  so  errechnet  er  eine 
Ileilungsziffer  von  75  Prozent.  Diese  75  Prozent  zeigen  noch 
nach  mindestens  10  Jahren  ein  ausgezeichnetes  funktionelles  Er- 
gebnis. Schlußfolgerungen:  Die  Ausbildung  der  Pfanne 
einer  eingerenkten  HĂŒfte  lĂ€ĂŸt  fast  ausnahmslos  eine 
(wenigstens  im  Röntgenbild!)  normal  geformte  Vertiefung  er- 
kennen; der  Schenkelkopf  dagegen  verÀndert  seine  Forin  in  mehr 
als  zwei  Dritteln  aller  FĂ€lle.  Manchmal  ist  die  AbdĂŒktion  ein 
wenig  behindert,  oder  erscheint  der  Oberschenkelumfang  ver- 
kleinert. Wiederum  nur  in  einem  Bruchteil  der  FÀlle  vermögen 
diese  nachweisbaren  VerÀnderungen  zu  wahrnehmbaren 
Funktionsstörungen  zu  fĂŒhren.  Ab  und  zu  traten  wĂ€hrend  der 
Menstruation  Beschwerden  im  kranken  Bein  auf.  die  nach  Ab- 
lauf der  PubertÀtsperiode  wieder  verschwinden.  Die  anatomi- 
schen VerÀnderungen  des  Schenkelkopfes,  die  viele  Aerzte  z.  Zt. 
auf  eine  begleitende  Osteochondritis  deformans  juvenilis  be 
ziehen,  will  Froelich  nicht  alle  auf  die  gleiche  Ursache  zu- 
rĂŒckgefĂŒhrt wissen.  Sehr  richtig  bemerkt  er,  daß  eine  Er- 
örterung Àtiologischer  oder  pathogenetischer  Momente  an  Hand 
von  Radiogrammen  unsinnig  sei.  (Das  Röntgenbild  vermag  uns 
ĂŒber  die  Form  und  die  relative  StrahlendurchlĂ€ssigkeit  gewisser 
Gewebe  einen  nicht  immer  leicht  zu  deutenden  Aufschluß  zu 
geben;  niemals  sind  wir  imstande,  direkte  RĂŒckschlĂŒsse  auf  die 
Ursachen  des  verÀnderten  physikalischen  Verhaltens  zu  ziehen". 

Diskussion:  Estor  fand  40  Prozent  vollkommene 
Heilungen;  30  Prozent  annÀhernde  Heilungen:  10  Prozent 
Besserungen:  20  Prozent  ohne  Erfolg.  N  o  v  e  -  J  o  s  s  er  a,n  d '  s 
Ergebnisse  interessieren  wegen  der  großen  Zahl  der  Beob- 
achtungen (212):  61  Prozent  Heilungen:  23.5  Prozent  leichte 
Dinker;  6.5  Prozent  Reluxationen:  9  Prozent  mit  andauernden 
Beschwerden.  Er  glaubt,  daß  die  Entwicklungsstörung  in  Utero. 
:'ls  welche  er  das  Leiden  auffaßt,  dem  Knochen  auch  eine  erhöhte 
Empfindlichkeil  gegen  Traumen  hinterlĂ€ĂŸt,  daß  sogar  der  ver- 
mehrte Wachstumsreiz  imstande  ist,  die  Kopfform  ungĂŒnstig  zu 
beeinflussen.  Die  ĂŒbrigen  Redner  (R  o  e  d  e  r  e  r  .  G  o  u  r  d  o  n  . 
Ducroqfuet)  kommen  zu  Àhnlichen  Ergebnissen. 

Ueber  die  Arthrodese  des  Fußes.  Unter  Arthrodese  ver- 
steht Ombredanne  die  Blockierung  eines  Gelenks  in  guter 
Stellung  durch  kĂŒnstliche  Abtragung  ihrer  knorpeligen  Gelenk- 
flÀchen. Die  wichtigste  Indikation  ergibt  sich  aus  der  Gleich- 
gewichtsstörung der  fußbewegenden  Muskeln,  deren  Ursprung 
wiederum  in  einer  KinderlÀhmung,  einer  Heniiplegse.  einer 
Friedreieh'sehen  Krankheit,  einer  progressiven  Muskelatrophie 
iisw   zu  suchen  ist.    Die  Folge  einer  Störung  im  Muskelgleich 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


gewicht  ist  die  Ausbildung  einer  FußdeformitĂ€t.  AnfĂ€nglich  ohne 
Schmerz  oder  Zwang  ausgleichbar,  wird  sie  mit  der  Zeit 
kontrakt.  Theoretisch  ist  eine  Arthrodese  nur  gerechtfertigt 
mr  Versteifung  einer  leicht  korrigierbaren  DeformitÀt;  sind  wir 
imstande,  die  Kontraktur  durch  einfache  SehnenverlÀngerung  zu 
beseitigen,  so  haben  wir  uns  die  Bedingungen  fĂŒr  eine  Arthrodese 
selbst  geschaffen.  Eine  knöchern  versteifte  DeformitÀt  ist  da- 
gegen  nur  durch  Tarsektomie  oder  Keilresektion  zu  beseitigen. 

Die  Arthrodese  bleibt  so  lange  eine  unlogische  Operation, 
zulange  wir  in  der  Sehnentransplantalion  einen  Eingriff  besitzen, 
der  dem  Fuße  Beweglichkeit  und  gute  Form  wiedergibt.  Wie 
stellt  es  mit  deren  Dauererfolgen?  SehnenverkĂŒrzung  und 
Sehnenanastomose  verwirft  Ombredanne  als  vollkommen  un- 
I  i  auchbar.  Dagegen  hÀlt  er  die  Sehnenverpflanzung  nach 
Lange  in  vielen  FĂ€llen  fĂŒr  geeignet,  z.  B.  beim  Pes  calcaneus. 
Schlechte  Ergebnisse  zeitigten  die  Sehnentransplantationen  beim 
paralytischen  Spitz-,  Knick-  und  Klumpfuß.  (Wir  stimmen  ihm  zu, 
sobald  es  sich  um  einigermaßen  schwere  FĂ€lle  handelt.  Leichte 
FĂ€lle  lassen  sich  sehr  wohl  durch  geschickte  Sehnenverpflanzun- 
gen ausgleichen.     D.).  . 

Zur  einseitigen  Bewegungshemmung  im  Fuß  stehen  heute 
dem  Arzte  verschiedene  Verfahren  zu  Gebote,  nÀmlich  die 
Tenodese  (Codivilla)  und  die  EinnĂ€hung  kĂŒnstlicher  Liga- 
mente aus  Seide  (Lange),  sodann  die  Verpflanzungen  von 
Fascienstreifen  usw.  Die  einseitigen,  außerhalb  des  Gelenkes  an- 
greifenden Hemmungsverfahren  haben  ungleichen,  nicht  be- 
sonders großen  Wert:  die  Tenodese  ist  unbedingt  allen  andern 
ĂŒberlegen.  Aber  selbst  die  Tenodese  erweist  sich  nur  als  nutz- 
bringend, wenn  sie  als  Begleitoperation  einer  richtigen  Arthro- 
dese ausgefĂŒhrt  wird.  Aehnlich  bewertet  der  Redner  die 
I  ;i  lusexstirpation. 

Als  beste  Methode  zur  Blockierung  der  Gelenkbewegung  im 
Fuß  gilt  die  eigentliche  Arthrodese.  Zwei  Formen  werden  als 
NollgĂŒltig  anerkannt  a)  die  dreifache  Arthrodese  (unteres  und 
oberes  Sprunggelenk,  Chopartsches  Gelenk),  b)  die  Arthrodese 
des  unteren  Sprunggelenkes  und  des  Chopart-Gelenks.  Das  Alter 
der  Kranken  muß  mindestens  8  Jahre  betragen.  Zwei  Jahre 
mĂŒssen  seil  Beginn  der  LĂ€hmung  verstrichen  sein.  Nach  einer 
eingehenden,  Schilderung  der  Operationstechnik  kommt  Ombre- 
danne auf  die  Indikationsstellung  zu  sprechen. 

Die  zwiefache  Arthrodese  (im  Choparl-  und  unleren 
Sprunggelenk)  ist  imstande,  die  VarĂŒs-Valgusbewegung  voll- 
stÀndig zu  blockieren,  wÀhrend  die  Dorsal-  und  Plantar- 
llexion  erhalten  bleibt.  Sie  verÀndert  weder  die  Form  noch  die 
gröbere  Funktion  des  Fußes.  Bei  paralytischem  Spitzfuß  ist  sie 
mit  einer  Tenodese  zu  kombinieren.  Die  dreifache  Arthrodese  ist 
vorzuziehen  in  allen  FĂ€llen  vor  schlotterndem  Fuß.  Sonst  hat 
sie  verschiedene  Nachteile:  1.  Sie  verwandelt  den  Fuß  in  eine 
unnachgiebige  Stelze,  was  den  Gang  im  bergigen  Terrain  er- 
sehwert. 2.  Sie  mißlingt  hie  und  da.  so  daß  die  Bewegungen  im 
oberen  Sprunggelenk  erhalten  bleiben.  Der  Spitzklumpfuß  wird 
der  doppelten  Arthrodese  mit  Tenodese  des  peron.  brevis  vor- 
behalten. 

Die  Diskussion  ergibt,  daß  im  großen  Ganzen  die  Fuß- 
arthrodese  besonders  in  ihrer  doppelten  Form  (unteres  Sprung- 
gelenk und  Chopart)  in  Frankreich  weit  hĂ€ufiger  ausgefĂŒhrt  wird 
als  bei  uns;  die  Erfolge  scheinen  gut  zu  sein.  Nove- 
J  os  s  er  and  arlhrodcsiert  das  obere  Sprunggelenk  zusammen 
mit  dem  Chopartschen,  um  eine  gewisse  AnpassungsfÀhigkeit  des 
Fußes  an  unebenen  Boden  zu  erhalten.  Er  glaubt  mit  Bar- 
barin, daß  bei  paralytischem  Spitzfuß  eine  Verödung  des 
oberen  Sprunggelenkes  nötig  sei.  Froelich  tritt  warm  fĂŒr  die 
.Sehnenplastiken  ein,  gegen  die  0  m  b  r  e  d  a  n  n  e  scharf  vorge- 
gangen war. 

Operative     Behandlung     der     Kniegelenksankylosen.  Die 

slellungsverbessernden  Operationen  sind  seit  langen  Zeiten  genau 
bekannt:  ebenso  bekannt  ihre  Ergebnisse.  Hier  interessieren 
eher  die  Operationen,  die  darauf  ausgehen,  dem  Gelenk  seine  Be- 
weglichkeit wiederzugeben.  Nachdem  die  Erfolge  Payr  s'. 
Lex  eis.  Pattis  besprochen,  wird  eingehend  die  sehr  klare 
Technik  Murphys  geschildert.  Leider  eignet  sich  ihre  Dar- 
stellung nicht  fĂŒr  das  Referat,  umsomehr  als  man  auf  die 
Illustrationen  verzichten  mĂŒĂŸte.  Je  schlechter  die  Stellung  der 
Ankylose,  desto  eher  ist  der  Eingriff  gerechtfertigt.  Als  gĂŒnstig 
lassen  sich  folgende  Bedingungen  bezeichnen:  Fibröse  Ver- 
wachsungen, bewegliche  Patella,  krÀftig  wirksamer  Quadrieeps. 
V  ollkommen  knöcherne  Versteifung.  Fehlen  der  Patella.  In- 
fektionsherde bedeuten  gewissermaßen  Gegenindikationen. 

Diskussion:   Mauclaire.    Roch  er,  Kirmisson 
Kasuistik:  ein  Fall  von  Verknöchernng  im  Kapselgewebe  nach 
der  Operation).  Dehrn  nner  ('Berlin  V 


Le  Nourisson,  Paris. 

Januar  1922.  10,  Nr.  1 

❖  Haufigken  der  Syphilis  bei  SĂ€uglingen  mit  habituellem  lirbrecben  Mai 

<f  a  n  .  A.  B.  und  L  e  in  a  i  r  e  .  H.  1. 
❖Desquamative    Dermatosen   beim    SĂ€ugling.     Halle!.   G.   L.  5. 
❖Beobachtungen   an   kĂŒnstlich   genĂ€hrten   SĂ€uglingen.     Savetti.   G  und 

S  e  g  a  g  n  i  .  S.  28. 
❖Zwei  FĂ€lle  von  Paratyphus  B.  beim  SĂ€ugling.    B  1  e  e  b  in  a  n  n  .  G.  SS 
Diphtetritische  Angina   heim   Neugeborenen  in  den  ersten  Lebensmonaten 

Blech  mann,  G.  und  C  h  e  v  a  1 1  e  y  .  M.  44. 
❖Typhus    und   Paratyphus    heim    SĂ€ugling.     Sales,    G.    und  Vallery- 

Radot.  P.  51. 

HĂ€ufigkeit  der  Syphilis  bei  SĂ€uglingen,  die  an  habituellem  Er- 
brechen leiden.  Marfan  und  L  e  m  a  i  r  e  haben  SĂ€uglinge  mit 
habituellem  Erbrechen,  fĂŒr  das  sie  keine  Ursache  fanden  (wie 
Fehler  in  der  ErnĂ€hrung,  anaphylaktische  Intoleranz  fĂŒr  Milch, 
eine  Pylorusstenose)  auf  Syphilis  untersucht.  Sie  haben  eine 
Anzahl  von  SĂ€uglingen  daraufhin  untersucht;  in  33  Prozent  der 
FĂ€lle  haben  sie  eine  sichere  Syphilis  festgestellt  (syphilitischer 
Ausschlag,  typisch  syphilitischer  Schnupfen,  große  Milz,  Parrot 
sehe  LĂ€hmung,  positiver  Wassermann);  22,8  Prozent  der  FĂ€lle 
waren  auf  Syphilis  sehr  verdÀchtig  (sichere  Syphilis  bei  Vater 
oder  Mutter,  mehrere  FrĂŒh-  oder  Totgeburten  der  Mutter,  Hy- 
dramnion  der  Mutter);  in  12,28  Prozent  der  FĂ€lle  war  die  Dia- 
gnose Syphilis  wahrscheinlich.  Beide  Autoren  heben  hervor,  daß 
die  Syphilis  beim  habituellen  Erbrechen  viel  hÀufiger  vorkomme 
als  bei  den  anderen  SÀuglingen.  Dies  bestÀtige  sich  auch  in  der 
Anwendung  der  Therapie:  wÀhrend  die  gewöhnlich  bei  habi- 
tuellem Erbrechen  angewendeten  Mittel  (Atropin,  Brom,  Kalk. 
MagenspĂŒlungen)  nichts  geholfen  hĂ€tten,  hĂ€tten  sie  mit  Ein- 
leitung einer  spezifischen  Kur  gute  Erfolge  gehabt. 

Kritische  Abhandlung  ĂŒber  gewisse  desquamarierendc  Haut- 
erkrankungen  des  SĂ€uglings.  H  a  1 1  e  r  beschreibt  in  seiner  Ab- 
handlung 3  fĂŒr  das  erste  SĂ€uglingsalter  sehr  wichtige  Haut 
erkrankungen,  die  das  Symptom  der  Hautabschilferung  gemein 
sam  haben,  sich  aber  in  ihrer  Natur,  ihrem  Beginn  und  Entwick- 
lung und  in  der  HĂ€ufigkeit,  mit  der  man  sie  beobachtet,  unter 
scheiden.  Es  handelt  sich  um  die  physiologische  Desquamation 
des  Neugeborenen,  um  die  Dermatitis  exfoliativa  (Ritter)  und  um 
die  Erythrodermia  desquamativa  (Leiner).  Die  physiologische 
Desquamation  findet  man  bei  fast  allen  Neugeborenen.  Die  fĂŒr 
sie  so  charakteristische  rote  Haut  mit  einem  Stich  ins  Violette 
an  den  ExtremitÀten  beginnt  meistens  am  Ende  des  2.  Tages  ab- 
zublassen und  rissig  zu  werden,  besonders  am  Brustkorb  und 
Abdomen.  Am  3. — 5.  Tag  fĂ€ngt  dann  die  Haut  an,  in  feinen, 
dĂŒnnen  Schuppen  sich  abzustoßen.  Der  ganze  Vorgang  spielt 
sich  in  wenigen,  etwa  8 — 14  Tagen  ab,  ohne  mit  irgend  welchen 
Komplikationen,  wie  ErnÀhrungsstörungen  oder  Zeichen  von  Tn- 
Tektion  oder  Intoxikation  verbunden  zu  sein.  Die  Dermatitis  ex 
foliativa,  zuerst  beschrieben  1878  von  Ritter  von  Rittersheim 
in  Prag,  ist  eine  Hauterkrankung,  deren  selbstÀndiges  Krank- 
heitsbild nicht  bestÀtigt  zu  sein  scheint  und  die  nach  Ansicht  der 
tlermatologischen  AutoritÀten  in  Frankreich.  England,  Italien 
kaum  bekannt  ist.  Sie  tritt  epidemisch  auf  und  scheint  mit  Vor- 
liebe Brustkinder  in  Anstalten  in  ihren  ersten  Lebenstagen  zu 
befallen.  Die  Erkrankung  beginnt  am  hÀufigsten  im  Gesicht,  in 
der  Umgebung  des  Mundes,  und  ergreift  nach  und  nach  den 
ganzen  Körper.  Auf  unverĂ€nderter  Haut  schießen  Blasen  auf,  die 
die  Neigung  haben,  sich  zu  vergrĂ¶ĂŸern  und  zusammenzufließen. 
Auch  auf  der  Schleimhaut  entstehen  solche  Blasen.  Schließlich 
fallen  sie  zusammen,  trocknen  ein  und  werden  als  Schuppen  ab- 
gestoßen. Die  ganze  Entwicklung  geht  rasch  vor  sich,  oft  mit 
Fieber,  das  sekundÀr  infolge  einer  Infektion  von  der  Haut  aus 
entsteht.  Die  MortalitÀt  betrÀgt  etwa  50  Prozent.  Histologisch 
findet  man  eine  Lockerung  des  Zusammenhangs  zwischen  der 
Deckschicht  und  den  tieferen  Schichten  der  Epidermis,  verursacht 
durch  Zwischenlagerung  einer  entzĂŒndlichen  FlĂŒssigkeit.  Bak- 
teriologisch hat  man  in  diesem  Exsudat,  manchmal  auch  im  Blut. 
Staphylokokken  gefunden.  Das  R  i  1 1  e  r  sehe  Krankheitsbild  er- 
innert sehr  an  den  Pemphigus  und  an  die  Impetigo  bullosa  der 
Neugeborenen,  so  daß  man  die  Dermatitis  exfoliativa  in  die 
Gruppe  der*  schwereren  bullösen  Hauterkrankungen  einreihen 
kann.  Die  Erythrodermia  desquamativa,  1908  von  Lein  er  be- 
schrieben, befÀllt  ebenfalls  am  hÀufigsten  Brustkinder  im 
frĂŒhesten  Alter.  Sie  ist  niemals  ansteckend.  Sie  scheint  eine 
schwerere  Form  des  universellen  seborrhoischen  Ekzems  zu  sein, 
man  sieht  sie  jedenfalls  am  hĂ€ufigsten  im  Anschluß  an  einen 
Intertrigo  oder  an  ein  seborrhoisches  Ekzem  auftreten.  Die 
SchleimhÀute  sind  bei  ihr  stets  intakt  Blasen  entstehen  nie. 
Dagegen  zeigt  die  gerötete-  seidig  fettigglÀnzende,  leicht  infil- 
trierte Haut  eine  mĂ€chtige  Exfoliation  großer,  entweder  dicker 


10.  I  ihr 


\i  8 


A  u  s    (|  c  n    ii  c  ii  e  s  I  e  ii    ZeilS  C  Ii  r  i  f  I  < 


is; 


und  gelblicher  oder  dĂŒnner  und  weißlicher  Schuppen,  die  nach 
der  Absloflung  sich  immer  wieder  erneuern.  ErnÀhrungsstorun 
gen  sind  hier  im  Gegensatz  zu  der  Dermatitis  exfoliativa  ziem- 
lich hÀufig.  Die  Heilung  tritt  gewöhnlich  in  3  1  Wochen  ein 
die  MortalitĂ€t  ist  nicht  so  groß  wie  bei  der  Dermatitis  exfolia- 
tiva. --  Die  Behandlung  dieser  .">  Hauterkrankungen  erstreckt  sich 
weniger  auf  medikamentöse  Behandlung,  als  besonders  auf  gute 
hygienische  Pflege  der  erkrankten  Kinder 

Einige  Bemerkungen  ĂŒber  mit  der  Flasche  aufgezogene 
Kinder.  Beide  Autoren  weisen  in  ihrer  kleinen  Abhandlung  hin 
auf  die  absolute  Ueb  erlegenheil  der  BrustmilchernĂ€hrung  ĂŒber 
jede  andere  ErnĂ€hrungsweise,  wie  Z wiemilch-  oder  kĂŒnstliche 
ErnĂ€hrung;  sie  stĂŒtzen  sich  hierin  besonders  auf  Marfan,  der 
jede  kĂŒnstliehe  ErnĂ€hrung  als  Kunstfehler  betrachtet  und  die 
Brustmilch  durch  keine  andere  Milch  ersetzen  zu  können  glaubt. 
Salvetti  und  Segagni  haben  mehrere  Jahre  lang  in  einer 
SĂ€uglingsfĂŒrsorge  mit  anschließender  MilchkĂŒche  etwa  12  000 
SÀuglinge,  die  verschieden  ernÀhrt  wurden,  genau  beobachtet. 
Durch  tÀgliche,  um  dieselbe  Zeit  vorgenommene  WÀgungen  haben 
sie  festgestellt,  daß  die  tĂ€gliche  und  wöchentliche  Zunahme  bei 
den  mit  Zwiemilch  oder  ganz  mit  Kuhmilch  aufgezogenen  SĂ€ug- 
lingen bedeutend  zurĂŒckbleibt  gegenĂŒber  der  Zunahme  der  Brust- 
kinder; nicht  nur  im  Gewicht,  auch  im  ganzen  Allgemeinbefin- 
den, in  der  Ausbildung  der  geistigen  und  statischen  Funktionen 
macht  sich  dieser  Unterschied  geltend.  —  Zum  Schluß  weisen  sie 
nochmals  auf  die  Wichtigkeil  hin,  ĂŒberall  Lehrkurse  einzu- 
richten, in  denen  MĂ€dchen  und  MĂŒtter  ĂŒber  die  Vorteile  des 
Selbststillens  aufgeklÀrt  und  in  einer  guten  Pflege  des  SÀuglings 
unterrichtet  werden  sollen. 

Zwei  FĂ€lle  von  Paratyphus  B  beim  SĂ€ugling.  Blechmann 
beschreibt  2  SĂ€uglinge,  die  dasselbe  Krankheitsbild  zeigen:  an- 
haltende DurchfÀlle  vom  ersten  Krankheitstage  an;  meningitische 
Symptome,  die  eine  Lumbalpunktion  erforderten;  kontinuierliches 
Fieber  zwischen  39  und  40  Grad.  Meningitis,  Miliartuberkulose, 
Otitis  media,  Pyelozystitis  konnten  ausgeschlossen  werden.  Die 
sero-diagnostische  Probe  ergab  einen  auf  Paratyphus  B  posi- 
tiven Befund.  Blechmann  rÀt,  in  unklaren  FÀllen,  die  mit 
Fieber,  DurchfÀllen,  meningitischen  Zeichen  einhergehen,  stets 
eine  Blutprobe  anzustellen. 

Diphtherische  Angiaa  bei  Neugeborenen  und  SĂ€uglingen  in 
den  ersten  Lebensmonaten.  WĂ€hrend  die  Nasendiphtherie  bei 
SÀuglingen  sehr  hÀufig  vorkommt,  findet  man  die  diphtherische 
Angina  mit  ihren  charakteristischen  BelÀgen  kaum  bei  einem 
SĂ€ugling  vor  dem  7.  Monat.  Daß  sie  aber  doch  beim  jĂŒngsten 
SĂ€ugling  vorkommen  kann  und  man  an  sie  denken  muß,  beweist 
der  Fall  von  Blechmann  und  Chevally.  Sie  haben  ein  4  Wochen 
altes  Kind  mit  einer  diphtherischen  Angina  beobachtet,  das  daran 
2ugrunde  gegangen  ist. 

Typhöses  und  paratyphöses  Fieber  beim  SÀugling.  Den  Ty- 
phus abdominalis  erklĂ€ren  viele  Autoren  im  SĂ€uglingsalter  fĂŒr 
seilen.  Beide  Autoren  weisen  aber  darauf  hin,  daß  er  doch 
hÀufiger  vorkommt,  als  man  glaubt.  Bei  jeder  fieberhaften  Er- 
krankung des  SĂ€uglings  soll  man,  wenn  man  die  anderen  Krank- 
heiten ausschließen  kann,  an  Typhus  denken  und  ihn  dement- 
sprechend behandeln.  Das  klinische  Bild  ist  oft  nicht  fĂŒr  Typhus 
charakteristisch,  da  beim  SÀugling  nur  höchst  seilen  alle  Symp- 
tome, wie  Roseolen,  Typhuszunge,  große  Milz,  Somnolenz,  zu- 
sammen ausgebildet  sind.  —  Die  Blutkultur  und  die  sero-dia- 
gnostische Probe  mĂŒssen  in  allen  zweifelhaften  fieberhaften  Er- 
krankungen des  SĂ€uglings  angestellt  werden.  Eine  Scheidung 
von  Typhus  und  Paratyphus  haben  die  Autoren  nicht  vorge- 
nommen, weil  klinisch  oft*  kein  Unterschied  zwischen  beiden 
besteht.  St  andvo  ß  (Berlin-Halensee). 


1  he  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

31.  Dezember  1921,  77,  Nr.  27. 

Scrumbehandlung  der  Pneumonie.    Thomas,  W.  s.  2101. 
Die  Entstehung  des  sogenannten  vesiculsiren   AtmungsgerÀusehes.     B  u  s  h  - 
n  e  1  1  .  (i.  E.  2104. 

❖  Der  dclctĂ€rc  Kffekl;  des  Natriunizitrats  liei  der  Verwendung  zur  Bluttrans- 
fusion.   Inger,  L.  J.  2107. 

Die  Beziehungen  zwischen  den  TodesfÀllen  infolge  traumatischer  SchÀdel- 
fraktur aind  Alkohol.    Katton,  E.  H.  2109, 

Spontaner  Verschluß  dei  Darmperforation.  Raudolpb,  B.  \l.  und 
Hunter.  0.  B.   211 U 

I  rsachen  und  Diagnose  dei  vcirsehiedenen  Formen  von  Koma.  Holsomn, 
B.  2112. 

Aortenaneurysmen.    C  r  o  w  e  1  I    P   Li  2114 


\f  agenanal  y«e  IV   F  o  »  i  c  r .  C  f' .  s  (,  r  n  o 

und  II  a  w  k  .  P    M      »i  |s 


W   II    If  >‱  b  f  >i  l  s  .  M  K 


Moohanlk  der  fclandgoleiiksfrak* 


s  c  ii  ii  i  im  e  j  e  r ,  II  L. 


\  iruiente  Antrhaxbazlllen  in  billigen  Ranteiplntolo     s  y  m  m  <‱  r  *    I»  nun 
C  8  d  y  .  [).  W  2120. 

‱  Heber  die  schĂ€dliche  Wirkung  von  Natrium  citricum  lud 
Bluttransfusionen.  Verfasser  berichtel  ĂŒber  experimentelle  I  n 
tersuchungen,  die  feststellen  sollten,  ob  es  raisamer  ist,  bei  Blut 
Iransfusionen  Zitratblui  oder  gewöhnliches  Blut  zu  verwenden 
Zusammenfassend  kann  gesagt  werden,  da  Ii  Xalr.  citric.  auch  m 
der  schon  notwendigerweise  geringen  Konzentration  die  roten 
Blutkörperchen  erheblich  schĂ€digt,  so  daß  Zitratblui  bei  Blul 
krankheiten,  z.  B.  perniziöser  AnÀmie,  therapeutisch  fast  nutz- 
los ist.  Ferner  aber  vermindert  Nalr.  eilrie.  zur  VerfĂŒgung 
stehendes  Komplement  in  zwei  Richtungen;  einmal  durch  direkte 
Einwirkung  auf  das  Komplement,  das  andere  Mal  dadurch,  daß 
es  antikomplementartige  Substanzen  dem  Plasma  zufĂŒhrt,  die 
Komplement  inaktivieren.  Weilerhin  schÀdigt  Natr.  cilric.  die 
Opsonine  und  setzt  die  phagozytĂ€re  Wirkung  der  weißen  Blut- 
körperchen ganz  wesentlich  herab.  Verfasser  fand  ferner,  daß 
Blutproben  verschiedener  Spender  verschiedene  phagozytÀre  In- 
dizes aufweisen.  Phagozytose  und  Komplement  sind  von  grĂ¶ĂŸter 
Bedeutung  bei  Infektionen  mit  pathogenen  Organismen.  Kommen 
also  in  solchen  FĂ€llen  therapeutisch  Bluttransfusionen  in  Frage, 
so  sollte  dazu  n  i  c  h  t  mit  Nalr.  citric.  behandeltes  Blut  von  mög- 
lichst hohem  phagozytÀren  Index  verwandt  werden. 

KĂ€ckell  (Hamburg 

The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston. 

Vol.  185,  Nr.  22; 


Die.  Wirkung  des  Cliinidinsultats  bei  Herscerkrankuns 
und  B  u  r  w  e  1  1  (Boston). 


\V  Ii  i  t  e  ,  MarSm 


Die  Wirkung  des  Chinidinsulfats  bei  Herzerkrankungen.  Die 

Arbeit  ist  ein  vorlĂ€ufiger  Bericht  ĂŒber  eine  Reihe  von  FĂ€llen 
mit  gestörter  Herzaktion,  die  mit  Chinidinsulfat  behandelt  wur- 
den. Von  33  FĂ€llen  mit  Herzohrflimmern  wurden  24  wenigstens 
zeitweilig  auf  einen  normalen  Rhythmus  gebracht.  Die  Wirkung 
des  Chinidins  besteht  in  der  Aufhebung  der  Zirkusbewegung  des 
1  lerzohrflatterns  bzw.  -Flimmerns,  sie  ist  eine  der  sinnfÀlligsten 
der  funktionellen  Pharmakotherapie.  Die  Droge  verspricht  eine 
wertvolle  Bereicherung  unseres  RĂŒstzeugs  in  der  Herztherapic 
zu  werden.  Gewisse,  nicht  abzuleugnende  Gefahren  sowie  unsere 
gegenwÀrtig  noch  recht  unvollkommene  Kenntnis  der  Indikationen 
und  der  Anwendungstechnik  erfordern  weitere  Beobachtungen 
und  Berichterstattung,  bevor  das  Mittel  zu  weitgehendem  Ge 
brauch  empfohlen  werden  kann.  Held  (Berlin 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

Oktober  1921,  6,  Nr.  4. 

❖  Dir    Beziehungen    zwischen    Urologie    und   den    andern    SonderfĂ€chern  dei 
.Medizin.    B  rasch,  Wffl.jJam  F. 
Wundinfektion  als  Ausgangsquelle  fĂŒr  BlasengeschwĂŒre  und  Blasenkatarrhe. 
M  e  i  ß  e  r  ,  John  6.  und  Bru  m  p  e  rs  ,  Herrnon  C. 
‱J*S:i  im- nb  l,i  sc  iic  ntzĂŒ  ndung:    Ihre    Symptome.    Diffcrentialdiagno.se.  Behandlung 
und  bakteriologische   Untersuchung   in   1000  FĂ€llen.     W  hi  t  e  ,  Edward 
William  und  G  r  a  d  w  o  h  1  ,  R.  B.  H. 
Die  Koagulationsneikro.se  nach  D'Arsonval  zur  Beseitigung  großer  g-ut-  und 

bösartiger  BlasenvorsprĂŒnge  der  Prostata.  G  0  W  a  n  ,  Granvilie  Mac. 
t'reterpapilloni.    ('  u  I  v  e  r  ,  Harry. 

Die  Beziehungen  zwischen  Urologie  und  den  andern  Sonder- 
lichem der  Medizin.  Da  kein  Arzt  mehr  das  ganze  Gebiet  der 
.Medizin  ĂŒbersehen  kann,  hĂ€lt  B.  die  Vereinigung  mehrerer 
Spezialisten  zu  einer  Arbeitsgemeinschaft,  wie  es  z.  B.  in 
Majo's  Klinik  der  Fall  ist,  fĂŒr  Ă€ußerst  zweckmĂ€ĂŸig.  Bei  einer 
solchen  Arbeitsgemeinschaft  zeigt  sich  bald,  daß  die  innigste 
Verbindung  zwischen  Internisten  und  Urologen  besieht,  aller- 
dings darf  er  nicht  nur  in  den  FĂ€llen  hinzugezogen  werden,  bei 
denen  direkte  Symptome  einer  Erkrankung  des  Urogenitaltraktus 
bestehen,  sondern  bei  jedem  Tumor  der  seitlichen  Abdomina  l- 
und  der  Blasengegend,  ferner  bei  dauerndem  Fieber  aus  unbe- 
kannter Ursache,  ebensolchem  Erbrechen,  nicht  zu  deutenden 
Magenbeschwerden,  da  diese  Beschwerden  gar  nicht  selten  auf 
einer  ruhenden  Pyelonephritis,  einer  beginnenden  Nierenlbc, 
einer  heimlichen  Samenblaseninfektion  beruhen.  —  Zwischen 
Neurologie  und  Urologie  sind  gerade  in  den  letzten  Jahren  die 
Beziehungen  immer  inniger  geworden,  da  sehr  hÀufig  durch 
einen  zystoskopischen  Blasenbefund  eine  Erkrankung  des 
Zentralnervensystems  aufgedeckt  wird,  wÀhrend  andererseits  die 
Diagnose  mancher  Harnbeschwerden  erst  nach  Ausschluß  einei 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahrg. —  Xr.  8 


nervösen  Ursache  gestellt  werden  kann  Psoasabszesse. 
Schmerzen  und  Beschwerden  in  der  Sakral  und  Lumbaigegend 
machen  ein  Zusammenarbeiten  mit  dem  OrthopÀden  erforderlich. 
Eiterausscheidungen  bei  Kindern  besonders  nach  fieberhaften  Er- 
krankungen ein  solches  mit  dem  Kinderarzt.  Mund  und  Nase 
werden  immer  hĂ€ufiger  als  Eingangspforte  fĂŒr  Infektionen  des 
L'rogenilaltraklus  erkrankt,  wÀhlend  die  Beziehungen  zwischen 
Röntgenologen,  Frauenarzt  und  Urologen  so  intim  und  all- 
bekannt sind,  daß  auf  sie  nicht  nĂ€her  eingegangen  zu  werden 
braucht.  Wird  in  solcher  Zusammenarbeit  stets  auf  den  Uro- 
genitaltraktus  geachtet  -  wie  bei  Majo  -  so  wird  die  Zahl  der 
an  diesen  Organen  erkrankten  Patienten  ĂŒber  alle  Erwartung 
noch  gefunden  werden.  So  wurden  in  Majo's  Klinik  von  00Ü0O 
Patienten  5860  zysloskopiert  mit  dem  Erfolg,  daß  von  im  ganzen 
20  000  Operierten  ĂŒber  1000  also  mehr  als  5  Prozent  wegen  einer 
urologischen  Erkrankung  operiert  wurden.  Von  diesen  war  bei 
mehr  als  die  HÀlfte  auswÀrts  eine  Diagnose  gestellt  worden,  die 
garnicht  auf  den  Urogenitalapparat  hingewiesen  hatte. 

SamenblasenentzĂŒndung.  Ihre  Symptome,  Dift'erential- 
diagnose  usw.  In  ĂŒber  90  Prozent  sĂ€mtlicher  FĂ€lle  von 
SamenblasenentzĂŒndung  treten  nervöse  Beschwerden  auf,  die  sich 
bis  zur  höchsten  IntensitÀt  steigern  können:  weiterhin  sihd 
perineale,  testikulÀre  und  anale  Beschwerden  recht  hÀufig,  die 
als  zerrende,  ziehende,  drĂŒckende  Sensationen  der  betreffende^ 
Gegend  geschildert  werden.  In  der  HĂ€lfte  dieser  FĂ€lle  wird 
ĂŒber  Jucken  und  Brennen  am  After  geklagt,  das  durch  Massage 
der  Samenblasen  fast  stets  gemildert  werden  kann.  Bei  lÀngerer 
Dauer  der  EntzĂŒndung  entwickelt  sich  hĂ€ufig  eine  EntzĂŒndung 
des  trigonum  vesicae,  dem  bisweilen  '  eine  Reizung  der  Blase 
folgt.  Garnicht  selten  gehen  allgemeine  rheumatische  Beschwer- 
den von  der  Samenblase  aus,  auffallenderweise  ohne  daß  etwa 
stets  dabei  eine  Go-Infektion  vorliegt.  Von  Sexualstörungen  sind 
ejakulatio  praecox  und  die  leichteren  Formen  der  Impotenz 
durch  die  atonisch  gewordene  Samenblase  hervorgerufen,  wÀhrend 
man  bei  den  schwereren  Formen  der  Impotenz  die  Samenblasen 
meist  hart  und  fibrös  verÀndert  findet.  Mit  der  Samenblasen- 
entzĂŒndung ist  fast  stets  eine  solche  der  VorsteherdrĂŒse  und  der 
hinleren  Harnröhre  kombiniert;  eine  genaue  Abtrennung  der  ein- 
zelnen Erkrankungen  voneinander  ist  zum  Zwecke  der  Behand- 
lung nicht  erforderlich,  wohl  aber  gegen  die  gelegentlich  vor- 
kommende EntzĂŒndung  des  Ureters,  die  event.  nur  durch  das 
Zystoskop  entschieden  werden  kann.  Der  Erreger  der  Ent- 
zĂŒndung ist  in  80  Prozent  der  Gonokokkus.  War  er  sicherge- 
stellt, so  konnten  W.  und  G.  stets  eine  Komplementbindung  im 
Blut  durch  eine  von  ihnen  angegebene  Methode  feststellen.  Von 
anderen  Bakterien  werden  gefunden,  ein  heller  Staphylo- 
kokkus, sehr  selten  der  mikrokokkus  catarrhalis,  das  Bakterium 
coli  comunis,  der  sogenannte  pseudodiphtherie  bacillus  und 
der  Mikrok.  telragenes.  Der  Gonokokkus  war  in  40  Prozent  mit 
anderen  Organismen  vermischt.  Nur  durch  die  kulturelle  Fest- 
stellung kann  die  Frage  der  InfektiositÀt  des  Patienten  restlos 
gelöst  werden.  Die  Behandlung  der  EntzĂŒndung  ist  entweder 
konservativ  (Massage,  SpĂŒlung,  Vakzine)  oder  chirurgische  Ent- 
fernung der  Samenblasen.  Diese  ist  indiziert  1.  bei  akuten 
Katarrhen  mit  schweren  allgemeinen  und  Blasensymptomen, 
'2.  bei  den  fibrösen  FÀllen,  die  jeder  Behandlung  trotzen,  3.  wenn 
nach  jeder  Massage  oder  bei  jeder  Zirkulation  Blut  und  Eiter 
auftritt  und  4.  falls  durch  die  entzĂŒndete  Samenblase  ein  Ver- 
schluß des  höher  gelegenen  Harntraktus  hervorgerufen  wird. 

Bab  (Berlin). 

Phe  Urologie  and  Cutaneous  Review,  Saint  Louis. 

Januar  1922.  26,  Nr.  1. 

‱{»Röntgen  und  Radium  in  der  Medizin.    X  e  w  e  o  tri  e  t  .  William  S. 
Chirurgie,  Radium  und  Röntgen  in  der  Krebstherapie.    I.ean,  Isaac. 
Sehutzsehirm    gegen    Hochspannungsdr&hte    bei    der  Röntgenbehandlung. 

Tnus  c  y  ,  Sinclair. 
Die   Dosierung  von  Radium   und  seine   Anwcndung.swci.se.     Chase,  Carol. 
Die  Wirkung  des  Radiums  beim  Lippenkrebs.  Mohtgomery,  Dougl.  W. 

❖  Uerieht  ĂŒber  .r>00  oberflĂ€chliche  Epitheliome,  die  mit  Radium  behandelt  wur- 

den.   D  u  n  c  a  n  ,  Rex. 
Uerieht  «her  2  FÀlle  von  Blastomykosd.s.    Reith,  David  Y. 
Dje  Röntgenbehandlung  der  Blasromykosis.    McCoy,  James  X. 

❖  War/.enbehandlung  mit  Radium.    Y  o  u  n  g  ,.  William  J. 

❖Zur  Methodik  de  r  Röntgenbehandlung  bei  einigen  der  Therapie  schwer  zu- 
gÀnglichen   Hautkrankheiten,    Lawrence,  Wolter  S. 
Heilung  eines  durch  Trauma  hervorgerufenen   Sarkoms   vermittelst  Radium. 

\  i  k  i  n  s  .  W.  H.  B. 
I.'niitgcnhchandlung   bei    Obcrf  lacbenkrebs.     Ste\cns.    Rellin  H. 
Radiumtherapie  bei  Greisen.    T  h  e  w  1  L  s  .  Mnlford  W. 

Die  Comblnatdon  von  Kystoskop  und  Röntgen  bei  der  Diagnose  urologisehei 
Krankbeilen.    Marchil  don.,  John  W. 


‱>Die  Radiumtberapie  de-   Lippenkrebses      W  i  I  k  '  n  -     Henry    }'.   und  i 
\v  i  n  n,  William  C. 
Zur  Röntgentherapie  der  Hautkrankheit«  n.    Goiu,  Lir  v  e  11  6, 
Itadiotherapeuthjches   beim]   Hautkrebs.    T  alt.  Robert. 
I'adiologische  Betrachtungen,    s  u  i  n  n  e  r  .  Edward  H. 

Röntgen  und  Radium  in  der  Medizin.  In  den  FÀllen,  wo  eine 
intensive  Bestrahlung  einer  kleineren,  zirkumskripten  Stelle  ge- 
wĂŒnscht wird,  an  die  man  leicht  herankann,  ist  Radium  anzu- 
wenden, wÀhrend  Röntgen  vorzuziehen  ist,  sobald  es  sich  um 
grĂ¶ĂŸere  und  in  der  Fiele  gelegene  FlĂ€chen  handeil 

Bericht  ĂŒber  500  oberflĂ€chliche  Epitheliome,  die  mit  Radium 
behandelt  wurden.  '  Die  Epitheliome  sind  histologisch  entweder 
Plattenepithelkarzinome  vom  Typ  des  Xeroderm  pigmentosum, 
des  Rönlgenulcus  usw.  —  gewöhnlich  das  Resultat  direkter  oder 
indirekter  chronischer  Heizungen  —  oder  Basalzellenkarzinome 
vom  Typ  des  ulc.  rodens.  Letztere  erscheinen  zuerst  als  flache 
Papeln  mit  ausgesprochener  Tendenz  oberflÀchlich  zu  bleiben  und 
sich  nur  langsam  zu  chronischen  Ulcera  umzuwandeln;  ihre 
Weiterverbreitung  geschieht  durch  die  oberflÀchlichen  Lymph- 
wege. UebergÀnge  zwischen  beiden  Arten  sind  sehr  hÀufig; 
MÀnner  werden  hÀufiger  als  Frauen  von  ihnen  ergriffen.  Ihr 
Lieblingssilz  ist  Lippe,  Augenlid,  Nase,  seltener  die  Hand,  doch 
bleibt  keine  Stelle  der  KörperoberflÀche  ganz  verschont.  Der 
jĂŒngste  Patient  war  12,  der  Ă€lteste  95  Jahre  alt.  68  Prozent 
waren  vorher  bereits  erfolglos  behandelt  worden,  davon  20  Pro- 
zent mit  Röntgen.  Durch  Radium  wurden  84  Prozent  sÀmtlicher 
Patienten  vollkommen  geheilt;  dieser  Prozentsatz  könnte  auf  100 
Prozent  gesteigert  werden,  wenn  nicht  viele  Patienten  zu  spÀt 
zur  Radiumbehandlung  geschickt  wĂŒrden.  Eine  Kombination 
von  Röntgen  und  Radium  hÀlt  D.  wegen  Verbrennungsgefahr 
nicht  fĂŒr  zweckmĂ€ĂŸig. 

Warzenbehandlung  mit  Radium.  Bei  einer  Patientin,  die  auf 
beiden  HĂ€nden  zahlreiche  Warzen  hatte,  wurde  auf  jeder  Hand 
je  eine  Warze  nach  guter  Abdeckung  der  anderen  mit  Radium 
bestrahlt.  Trotzdem  verschwanden  sÀmtliche  Warzen,  wie  dies 
bereits  bei  der  Röntgenbestrahlung  der  Warzen  mehrfach  beob- 
achtet wurde. 

Zur  Methodik  der  Röntgenbehandlung  bei  einigen  der  The- 
rapie schwer  zugÀnglichen  Hautkrankheiten.  In  kleinen  Dosen 
wirkt  Röntgen  als  Stimulans  auf  die  Zellen,  in  großen  zerstört 
es  diese.  Dazwischen  gibt  es  UebergÀnge  aller  Art.  Diese  wer- 
den noch  dadurch  variiert,  daß  verschiedene  Organe  auf  dieselbe 
Strahlenmenge  verschieden  reagieren.  Eine  vergrĂ¶ĂŸerte  Thymus 
verkleinert  sich  erheblich  unter  einer  Dosis,  die  die  Haut  gar 
nicht  rötet.  Bei  LeukĂ€mie  werden  die  weißen  Blutkörperchen 
bereits  durch  sehr  kleine  Strahlenmengen  zerstört,  und  Mikro- 
organismen, die  in  Reinkultur  der  stÀrksten  Bestrahlung  wider- 
stehen, sterben  im  menschlichen  Gewebe  bereits  nach  kurzem  ab 
so  reagieren  die  Blastomykosen,  die  bisher  kaum  zu  heilen 
waren,  außerordentlich  gut  auf  Röntgen.  .Gute  Erfolge  gibt  diese 
Behandlung  ferner  bei  Epitheliomen,  Keloiden,  Hautkörnern. 
Feigwarzen.  Akne  vulgaris  kann  bei  richtiger  Dosierung  in  je- 
dem Fall  zum  Verschwinden  gebracht  werden,  meist  auch  chro- 
nische Ekzeme,  bei  denen  kleine  Dosen  besonders  gĂŒnstig  wirken. 

Die  Radiumtherapie  des  Lippenkrebses.  Der  Lippenkrebs 
ist  ziemlich  hÀufig;  3  Prozent  aller  KrebstodesfÀlle  sind  auf  ihn 
zurĂŒckzufĂŒhren.  Man  unterscheidet  3  Gruppen  von  Lippenkrebs. 
Bei  der  ersten  beginnt  das  Epitheliom  als  seborrhoische  Kruste, 
die  zunÀchst  oberflÀchlich  bleibt,  dann  langsam  infiltriert  und 
immer  hÀrter  wird.  Es  sitzt  meist  an  der  Unterlippe,  wÀchst 
langsam,  Metastasen  treten  erst  spÀt  auf;  gewöhnlich  werden  die 
oberflĂ€chlichen  submenlalen  oder  vorderen  submaxillaren  DrĂŒ- 
sengruppen ergriffen.  Die  Epitheliome  —  wie  die  DrĂŒsen  - 
sind  leicht  jeder  Behandlung  zugÀnglich.  Die  zweite  Gruppe  er- 
greift ein  Drittel  und  mehr  der  Oberlippe  am  Uebergang  zwischen 
Lippe  und  Lippenrot.  Diese  Gruppe  tÀuscht  Chirurg  und  Ra- 
diumtherapeut, da  sich  bereits  wenige  Wochen  nach  dem  Aufl 
treten  des  Ep.  Metastasen  bilden.  GĂŒnstige  Resultate  sind  hier 
nur  bei  ganz  frĂŒhzeitiger  und  Ă€ußerst  energischer  Behandlung 
zu  erwarten.  Bei  der  3.  Gruppe  liegt  mehr  als  die  HĂ€lfte  des 
GewÀchses  auf  der  Lippenschleimhaut.  Es  besteht  hÀufig  mo- 
natelang, ehe  der  Arzt  gerufen  wird.  Gewöhnlich  -sind  dann  be- 
reits die  submental-,  submaxillar-  und  hÀufig  auch  die  liefen 
CervicaldrĂŒsen  geschwollen,  wodurch  die  Prognose  sehr  getrĂŒbt 
ist.  Da  das  Messer  des  Chirurgen  an  all  diese  DrĂŒsen  nicht 
herankann,  ist  die  Radiumbehandlung  hier  die  Methode  der 
Wahl,  zum  mindesten  sollte  sie  vor  und  nach  dem  chirurgischen 
Kingriff  unterstĂŒtzend  zugezogen  werden.  Bab  Berlin). 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrifl  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafte  3  *  berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH.  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Strafe  20  /  Fernsprecher  LĂŒtzow  9057 


Nr.  9 


berlin,  den  1.  Marz  1922 


40.  Jahrgang 


Der  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Einfluß 

der  BerufstÀtigkeit  auf  die  Lebensdauer. 

Von  Prof.  Dr.  Axel  \V  in  ekle  r, 
dirigierendem  Brunnenarzt  in  Bad  Nenndorf. 

Die  Arbeit,  die  der  Urmensch  leistete  und  die  de  Wilde 
heute  noch  leistet,  indem  er  fĂŒr  sich  und  die  Seinigen  mĂŒh- 
sam Nahrung  sucht  oder  erjagt,  und  die  Arbeit,  die  der  Kul- 
turmensch in  irgendeinem  Beruf  vollbringt,  bezwecken  ein 
und  dasselbe:  die  Fristung  der  persönlichen  Existenz  und 
die  der  Familie.  Die  Natur  hat  es  so  eingerichtet,  aber  sie 
t ist  „mit  wenigem  zufrieden";  sie  heischt  kein  Uebermaß  von 
Arbeit,  keine  Anstrengung,  die  ĂŒber '  den  unmittelbaren 
Zweck,  ĂŒber  die  Erhaltung  des  Individuums  und  seiner 
nÀchsten  Angehörigen  hinausgeht.  Wir  werden  aus  Sta- 
tistiken ersehen,  daß  BerufstĂ€tige  im  allgemeinen  lĂ€nger 
leben  als  Berufslose.  Ausnahmen  bilden  die  in  sehr  gesund- 
heitsschÀdlichen Berufen  BeschÀftigten  und  diejenigen,  die 
sich  keine  genĂŒgenden  Ruhepausen  gönnen. 

Der  konservierende  Einfluß  regelmĂ€ĂŸiger  BerufstĂ€tigkeit 
erhellt  schon  aus  der  bekannten  Tatsache,  daß  pensionierte 
Beamte  und  Offiziere  ihre  Versetzung  in  den  Ruhestand  in 
der  Regel  nicht  sehr  lange  ĂŒberleben.  Auch  Kaufleute,  die 
ihr  GeschÀft  aufgeben,  und  Bauern,  die  sich  aufs  Altenteil 
zurĂŒckziehen,  pflegen  auffallend  rasch  zu  verfallen.  „Mor- 
borum  ferax  est  otium."  (Symmachus,  lib.  X.  ep.  5.)  Das 
große  Werk  „Saluli  senectutis"  des  Wiener  Statistikers  A.  v. 
Lindheim  (2.  Aufl.,  Leipzig  und  Wien  1909)  bringt  eine 
FĂŒlle  ziffermĂ€ĂŸiger  Belege  dafĂŒr,  daß  Ruhesland  und  Ar- 
beitslosigkeit den  Tod  vorzeitig  herbeifĂŒhren.  Allerdings 
kann  man  dagegen  einwenden,  daß  die  Pensionierung  eines 
Beamten  bisweilen  durch  eine  Krankheit  veranlaßt  wird, 
welche  das  Leben  mehr  verkĂŒrzt  als  die  UntĂ€tigkeil  allein 
es  vermöchte. 

Ueber  den  Einfluß  der  einzelnen  Berufe  auf  die  Sterb- 
lichkeit hat  Ogle,  der  frĂŒhere  Leiter  der  amtlichen  engli- 
schen Statistik,  lehrreiche  Angaben  gemacht.  Er  studierte 
die  Sterblichkeit  der  25  bis  65  Jahre  alten  MĂ€nner,  weil 
innerhalb  dieser  40  Lebensjahre  der  Einfluß  des  Berufs  auf 
die  Sterblichkeit  am  deutlichsten  zum  Ausdruck  kommt. 

Von  1000  Lebenden  starben: 


Gesamte  mÀnnliche  Bevölkerung  .... 

.MÀnnliche  ErwerbstÀtige  

Nicht  ErwerbstÀtige  (BeschÀftigungsh ise 
MÀnnliche   Bevölkerung   ausgewÀhlt  ge- 
sunder Bezirke  

geistliche,  Priester,  Beligionsdiener 

Landwirte  

Schullehrer,  Lehrer   

Fischer   832 

Zimmerleulc,    Tischler   7J9 

Juristen    7^54 

Bergleute  in  Kohlengruben  

Schuhmacher   

pandlungsreisende   

MĂŒller   

BĂ€cker,  Konditoren 

Bauarbeiter,  Maurer  

Grobschmiede   

Handlungsgehilfen,  Versicherungsbeamte 
I  abakarbeiter   


im  Alt« 

r  von 

VerhÀ'tn.- 

25  bis  45 

45bis6S  Zahl,  25 

Jahre 

Jahre 

b.65Jah. 

t0,lG 

25,27 

1000 

9,71 

24,6:; 

967 

32,43 

36,20 

2182 

8,47 

19,74 
15,93 

804 

4,64 

556 

6,09 

16,53 

631 

6,41 

19,98 

719 

8,32 

19,74 

797 

7.79 

21,74 

820 

7,54 

23,13 

842 

7,64 

25,11 

891 

23,36 

921 

9,04 

2.r>,03 

948 

8,40 

26,62 

957 

8,70 

26,12 

958 

9,25 

25,59 

969 

9,29 

25,67 

973 

10,48 

24,49 

996 

11.11 

23,46 

1000 

Schneider  ....   

Buchdrucker   

Aerzte  ,  

Metzger  .    .   .  ,  

Glasmacher  

Bleiarbeiter,  Maler,  Lackierer,  Glaser  .  . 

Messerschmiede,  Scherenschmiede,  Nadel- 
macher  

Musiker  

Bierbrauer   

Kutscher  und  Kondukteure    .    . -      .    .  . 

Schornsteinfeger  .......... 

Gastwirte,  Schankwirte  

Feilenmacher  

Töpfer  

Bergleute  in  Cornwallis  

EßwarenhĂ€ndler,  Hausierer.  Straßenver- 
kÀufer  

Arbeiter  im  allgemeinen,  in  London  .    .  . 

Kellner,  Wirts-  und  Gaslhausbedienstele  . 


10,7:i 
11,12 
11,57 
12,16 
11,21 
11.07 

11,71 

13,78 
13.90 
15,39 
13,73 
18,02 
15,29 
13,70 
11,77 

20,26 
20,62 
22,63 


26,47 
26,60 
28,03 
29,08 
31,71 
32,49 

34,42 
32,39 
34,25 
36,83 
41,54 
33,68 
45,14 
51,39 
53,69 

45,33 
50,85 
55,30 


1051 
1071 
1122 
1170 
1190 
1202 

127", 
1314 
130! 
1482 
1519 
1521 
1667 
1712 
1839 

1879 
2020 
2205 


Die  „VerhĂ€ltniszahlen"  der  letzten  Spalte  geben  die 
Sterbeziffer  an,  die  auf  den  betreffenden  Beruf  fallen  wĂŒrde, 
wenn  die  GesamtsterbeziiTer  des  mÀnnlichen  Geschlechts  vom 
25.  bis  65.  Lebensjahr  gleich  1000  gesetzt  wĂŒrde.  Je  höher 
die  Zahl  dieser  Spalle,  desto  ungĂŒnstiger  sind  die  Sterblich- 
keitsverhĂ€ltnisse des  Berufs.  Die  Differenzen  sind  so  groß, 
daß  man  von  lebenverkĂŒrzenden  und  von  lebenverlĂ€ngern- 
den Berufen  sprechen  darf.  Nach  obiger  Tabelle  erscheinen 
als  lebenverkĂŒrzend  hauptsĂ€chlich: 

a)  die  Berufe,  welche  zum  Alkoholgenuß  verleiten,  nĂ€m- 
lich die  der  Wirte,  Kellner,  Kutscher,  Bierbrauer; 

b)  schwere  Arbeit  in  schlechter  Luft,  z.  B.  die  der  Lon- 
doner Arbeiter  und  der  Bergleute  in  Cornwallis; 

c)  Staubgeweibe,  wie  die  der  Feilenmacher,  Glasschleifer, 
Scherenschleifer,  Tabakarbeiter,  Schneider; 

hingegen  scheinen  folgende  Berufe  das  Leben  zu  verlÀngern: 

a)  der  geistliche  Beruf; 

b)  die  Landwirtschaft; 

c)  das  Lehrfach; 

d)  das  juristische  Fach. 

IrrefĂŒhrend  ist  die  enorm  hohe  Sterbeziffer  der  „nicht 
ErwerbstÀtigen,  BeschÀftigungslosen",  denn  hierunter  sind 
mĂŒĂŸiggehende  reiche  Rentner  mit  stellenlosen  Kommis,  mit 
Bettlern,  KrĂŒppeln  und  unheilbar  Siechen  zusammen- 
geworfen; die  Ziffer  hat  also  wenig  Wert  und  berechtigt 
nicht  ohne  weiteres  zu  einem  Schluß  auf  den  Segen  regel- 
mĂ€ĂŸiger Berufsarbeit.  Auch  andere  Zahlen  der  Ogleschen 
Tabelle  sind  mit  Vorsicht  aufzunehmen.  Die  hohen  Sterbe- 
ziffern der  Arbeiter,  Bergleute  und  Handwerker  gelten  nur 
fĂŒr  England,  wo  die  Arbeiterschutzgesetzgebung  noch 
mangelhaft  ist.  In  Deutschland  haben  diese  Klassen  gĂŒnsti- 
gere Lebenschancen. 

Ueberhaupt  krankt  jede  derartige  Statistik  an  unvermeid- 
lichen Fehlerquellen.  Erstens  spricht  die  körperliche  Kon- 
stitution eines  Individuums  bei  seiner  Berufswahl  mit,  ist 
sogar  hĂ€ufig  entscheidend,  so  daß  z.  B.  Brustkranke  mit  Vor- 
liebe das  leichte  Schneiderhandwerk  ergreifen,  worauf  sie 
frĂŒhzeitig  an  Tuberkulose  sterbend  die  Sterbeziffer  dieses  an 
sich  nicht  sonderlich  schÀdlichen  Berufs  in  die  Höhe  treiben. 
Zweitens  erfolgt  der  Eintritt  in  die  verschiedenen  Berufe  in 
sehr  verschiedenem  Alter,  in  ein  Handwerk  oder  in  eine 
Fabrikarbeit  etwa  im  14.  Lebensjahr,  in  den  Àrztlichen  Beruf 


im) 


Winkler:  BerufstÀtigkeit  und  Lebensdauer 


10.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


im  24  sten,  so  daß  die  Sterbeziffern  eigentlich  nicht  ver- 
gleichbar sind.  Drittens  kommen  die  EinflĂŒsse  der  sehr  ver- 
schiedenen wirtschaftlichen  und  sozialen  Lage  mit  ins  Spiel, 
so  daß  die  Wirkung  des  Berufs  auf  die  Lebensdauer  nicht 
rein  herausgeschÀlt  werden  kann. 

Deshalb  legt  man  in  Deutschland  weniger  Wert  auf 
ziffernmĂ€ĂŸige  Angaben  ĂŒber  die  Lebensdauer  in  den  ein- 
zelnen Berufen  und  zieht  es  vor,  in  großen  Umrissen  ein  Bild 
der  ZustÀnde  zu  haben.  Am  geringsten  erscheint  hier  die 
Sterblichkeit  bei  den  Landwirten  und  bei  den  Angehörigen 
der  sogenannten  liberalen  Berufe,  Juristen,  Theologen  usw. 
Die  einzigen  Studierten,  die  eine  Ausnahme  bilden,  sind  die 
Aerzte,  die  durch  ansteckende  Krankheiten,  gestörte  Nacht- 
ruhe, hohe  Verantwortlichkeit  und  schrankenlose  Arbeitszeit 
gefÀhrdet  sind.  Escherich  fand  i.  J.  1852  unter  1168 
bayerischen  Aerzten  nur  vier  AchtzigjĂ€hrige!  —  Unter  den 
Gewerben  ist  das  Tischlerhandwerk  eins  der  gĂŒnstigsten;  die 
BĂ€cker,  Metzger,  Maurer,  Schneider  und  Schuhmacher  halten 
ungefÀhr  die  Mitte;  schlechter  steht  es  um  die  Lebensdauer 
der  Steinhauer,  Bergleute,  Feilenmacher,  FĂ€rber,  Maler  und 
Lackierer,  und  am  schlimmsten  um  die  der  Bierbrauer,  Fuhr- 
leute, Wirts-  und  Gasthausbediensteten,  die  hÀufig  dem 
Mörder  Alkohol  erliegen. 

Der  Einzelne  braucht  sich  jedoch  vor  Berufsgefahren 
nicht  allzusehr  zu  fĂŒrchten,  denn  mit  Vorsicht  kann  man 
das  Lebensschiff  zwischen  schrecklichen  Klippen  hindurch - 
steuern,  und  wo  alle  Klugheit  nichts  hilft,  kann  doch  ein 
gĂŒnstiger  Stern  walten.  Ein  Arbeiter,  der  achtzig  Jahre  lang 
in  einem  Kohlenbergwerk  gearbeitet  hatte,  starb  i.  J.  17(58 
einhundertunddreißig  Jahre  alt!  (PflĂŒger). 

Auffallend  ist  die  Langlebigkeit  der  Geistesarbeiter. 
Philosophen,  Mathematiker,  Diplomaten,  Redner  und  KĂŒnst- 
ler werden  in  der  Regel  bedeutend  Àlter  als  geistig  untÀtige 
Menschen,  die  ein  vorwiegend  materielles  Leben  fĂŒhren. 
G a e t a n o  Delaunay  behauptete  unumwunden,  daß  in- 
lel Ii gente  Menschen  lĂ€nger  leben  als  beschrĂ€nkte,  und  daß 
Gelehrte  am  Ă€ltesten  werden.  Daß  man  hei  einseitig-körper- 
licher Arbeit  frĂŒhzeitig  altert,  ist  sicher.  Wenn  viele  Neu- 
ronenkomplexe  unausgebildet  und  untÀtig  bleiben,  wird  das 
Gehirn  zehn  bis  zwanzig  Jahre  frĂŒher  senil-Ă€trophisch  als 
ein  Denkergehirn,  und  infolgedessen  muß  der  ganze  Leib 
frĂŒher  altern.  Denn  das  Gehirn  beherrscht  ja  in  letzter  In- 
stanz alle  Organe,  indem  es  mittelbar  auch  die  vegetativen 
Funktionen  beeinflußt,  obgleich  diese  unmittelbar  vom  sym- 
pathischen Nervengeflecht  geleitet  werden.  Die  Geistes- 
arbeiter sind  auch  dadurch  bevorzugt,  daß  ihr  geschĂ€rfter 
Verstand  sie  befÀhigt,  viele  Lebensgefahren  im  voraus  zu  er- 
kennen und  zu  vermeiden,  und  daß  ihre  Bildung  sie  an 
Trunk,  Völlerei  und  andern  Exzessen  wenig  Geschmack 
linden  lĂ€ĂŸt. 

Obenan  stehen  die  Philosophen;  an  ihnen  bewahrheitet 
sich  der  alte  Spruch:  „Ein  Lohn  der  Philosophie  ist  langes 
Leben".  Einige  sehr  alt  gewordene  Weltweise  seien  hier  auf- 
gezÀhlt: Thaies  wurde  90  Jahre  alt,  Pythagoras  99,  Xeno- 
phanes  91,  Anaxagoras  72,  Gorgias  108,  Plato  81,  Diogenes  90, 
Xenokrates  92,  Zeno  von  Kittion  98,  Ghrysipp  81,  Epikur  71, 
Pyrrho  90,  Karneades  85,  Averroes  72,  Albertus  Magnus  87, 
Roger  Bacon  80,  Hobbes  91,  Le  Vayer  84,  Locke  73,  Leibniz 
70,  Fonney  86,  Kant  80,  Sendling  79,  Schopenhauer  72, 
Miehelet  92,  Wrundt  89  Jahre.  (Spinoza,  durch  Brillen- 
schleifen schwindsĂŒchtig  geworden,  machte  eine  Ausnahme; 
ei  wurde  nur  44  Jahre  alt.) 

Von  altgewordenen  Naturforschern  erwÀhne  ich  Koper- 
nikus,  der  70  Jahre  alt  wurde,  Galilei,  78  Jahre  alt,  Newton 
85,  Buffon  80,  Linne  71,  Euler  76,  Herschel  84,  Lamarck  85, 
Laplace  78,  Gauss  78,  Alexander  von  Humboldt  90,  Liebig  70, 
Jean-Baptiste  Dumas  84.  Bimsen  88,  PflĂŒger  81  und  Chevreul 
nahezu  103  Jahre! 

Geschichtsehreiber:  Thukydides  ist  70  Jahre  alt  ge- 
worden, Xenophon  73,  Plutarch  70,  Mabillon  75,  Mommsen 
86  Jahre.  Der  Nestor  der  neueren  Historiker,  Leopold 
von  Ranke,  starb  in  seinem  91.  Jahre. 


StaatsmÀnner.  Diplomaten:  Kaunitz,  83  Jahre  alt, 
Chesterfield  79,  Talleyrand  84,  Metternich  86,  Nesselrode  81, 
Guizot  87,  Gortschakoff  85,  Schmerling  88,  Beust  77.  Glad- 
stone  88,  Bismarck  83,  Crispi  82,  Hohenlohe  82  Jahre. 

Dichter,  Schöngeister  und  Literaten:  Simonides  wurde 
ĂŒber  90  Jahre  alt,  Anakreon  85  Jahre,  Pindar  79,  Sophokles 
90,  Euripides  74,  Juvenal  80,  Petrarca  70,  Erasmus  von 
Rotterdam  71,  Hans  Sachs  82,  Lope  de  Vega  73,  Calderon  81, 
Lesage  79,  Lafontaine  74,  Corneille  78,  Fontenelle  fast  100 
Jahre,  Voltaire  84,  Diderot  71,  Bodmer  84,  Gleim  84,  Wieland 
79,  Goethe  82,  Manzoni  88,  Chateaubriand  80,  Lamartine  78. 
v.  Bauernfeld  88,  Longfeliow  75,  Tennyson  83,  Andersen  70, 
Augier  69,  Legouve  96,  Carlyle  85.  Tolstoi  82,  Simrock  74, 
Paul  Heyse  83  Jahre. 

Auch  KĂŒnstlertum  fĂŒhrt  oft  zur  Langlebigkeit.  Vieh- 
große  Maler  haben  eine  hohe  Altersstufe  erreicht:  Perugino 
77  Jahre,  Albani  82,  Michelangelo  89;  Tizian  wurde  ĂŒber 
99  Jahre  alt,  Lukas  Kranach  81  Jahre,  Franz  Hals  86,  Peter 
Cornelius  84,  Le  Brun  87,  Greuze  79,  Horace  Vernet  73,  Corot 
78,  Meissonier  76,  Anton  von  W'erner  72,  Adolf  Menzel  89, 
Gabriel  Max  75,  Defregger  86  Jahre.  —  Von  Komponisten 
nenne  ich:  HĂ€ndel,  der  im  75.  Jahre  starb,  Gluck,  73  Jahre 
alt,  Haydn  77,  Cherubini  81,  Spontini  76,  Auber  89,  Meyer- 
beer 72,  Rossini  76,  Gounod  75.  Wagner  69,  Verdi  87,  Gold- 
mark  81,  Eduard  Strauß  81  Jahre.  Die  ausĂŒbenden  Musiker 
haben  zwar  geringere  Lebenschancen  als  die  Komponisten, 
es  gibt  aber  bemerkenswerte  Ausnahmen:  Die  im  Jahre  1881 
verstorbene  SĂ€ngerin  Elise  Farnese  ist  105  Jahre  alt  ge- 
worden, der  SĂ€nger  und  Gesanglehrer  Manuel  Garcia  fast 
102  Jahre,  der  Kapellmeister  der  Kurkapelle  des  Bades  Elster, 
Johann  Christian  Hilf,  103  Jahre,  und  der  Turiner  Musiker 
Benedetlo  Bazetti  100  Jahr  alt.  —  Plinius  berichtet,  daß  ein 
TonkĂŒnstler  namens  Xenophilus  ohne  irgendein  körperliches 
Leiden  105  Jahre  alt  geworden  sei.  —  Ernst  Challier  hat  ein 
Material  von  3737  TodesfÀllen  bekannter  Musiker  aus  den 
Jahren  1870  bis  1913  zusammengetragen  und  bearbeitet;  nach 
dieser  im  BuchhÀndler-Börsenblatt  1914  veröffentlichten 
Statistik  ergab  sich  das  ansehnliche  Durchschnittsalter  von 
61  Jahren  und  1  Monat.  (Weshalb  die  O  g  1  e  sehen  Ziffern 
fĂŒr  die  englischen  Musiker  ungĂŒnstig  lauten,  vermag  ich 
.  nicht  zu  erklÀren.) 

Endlich  sei  erwĂ€hnt,  daß  auch  der  militĂ€rische  Beruf 
nach  Ausweis  einiger  Statistiken,  vornehmlich  nach  den  Auf- 
stellungen von  A.  Legrand,  Anwartschaft  auf  langes  Leben 
gibt.  Das  gilt  speziell  fĂŒr  den  hohen  Offizier,  der  im  Kriegs- 
fÀlle persönlichen  Gefahren  weniger  ausgesetzt  ist  als  der 
Gemeine.  GlÀnzendes  Gehalt  enthebt  ihn  der  Nahrungs- 
sorgen, auch  von  Sorgen  fĂŒr  die  Zukunft  der  Gattin  und  der 
Kinder  wird  er  durch  Aussicht  auf  deren  Pensionen  mög- 
lichst befreit;  seine  ehrenvolle  TĂ€tigkeit  wechselt  zwischen 
gesunder  geistiger  Arbeit  und  Bewegung  im  Freien;  das  Zu- 
sammenwirken dieser  Faktoren  ist  offenbar  gĂŒnstig.  Am 
Ende  der  Napoleonischen  Epoche  waren  von  36  GenerÀlen 
der  Revolutionszeit  noch  26  am  Leben;  diejenigen,  die  vor 
dem  50.  Lebensjahr  gestorben  waren,  hatten  keinen  natĂŒr- 
lichen Tod  gefunden;  von  den  ĂŒbrigen  wurden  4  ĂŒber 
70  Jahre  alt  und  10  starben  als  AchtzigjÀhrige.  Ihr  mittleres 
Lebensalter  belief  sich  auf  72  Jahre  und  3  Monate!  Von  alt- 
gewordenen berĂŒhmten  Feldherren  erwĂ€hne  ich  den  Prinzen 
Eugen,  72  Jahre  alt,  BlĂŒcher  77,  Wellington  83,  Radetzky  91. 
Moltke,  90  Jahre  alt.  Auch  viele  ehemalige  gemeine  Sol- 
daten sind  auffallend  alt  geworden:  Hufeland  behauptet 
außer  bei  Landleuten,  GĂ€rtnern  und  JĂ€gern  finde  man  nur 
unter  Soldaten  und  Matrosen  (?)*)  die  außerordentlichsten 
Beispiele  von  langem  Leben.  Als  ein  solches  nennt  er  den 
Soldaten  Mittelstedt,  der  unter  drei  preußischen  Königen 
76  Jahre  lang  diente.  17  Schlachten  mitmachte,  viele  W  unden 

*)  Dem  widerspricht  der  Hygieniker  F  o  n  s  s  ;i  g  r  i  v  e  s.  dei 
als  ehemaliger  Chefarzt  der  französischen  Marine  hesondere  Auto- 
ritĂ€t hat.  „Ein  Matrose  zeigt  mit  50  Jahren  alle  ZĂŒge  eines  vor- 
zeitigen Greisenalters  und  sogar  die  Marine-Offiziere  altern  vor 
der  Zeit,  trotz  des  Wohlstands  und  der  Pflege,  womit  sie  sich 
umgeben  können.'"  ^Prof.  Fonssagrives.  ..Therapeutique  de 
In  phthisie  pulmonaire  ".  2.  ed..  Paris  1880.  p.  61 


40.  Jahrg.  -  Nr.  9. 


Dkum  S5  philis 


davontrug  und  im  Jahre  1792  starb,  L 12  Jahre  alt.  Bei  der 
Zentenarfeier  von  1813  sah  man  fĂŒnf  Veteranen,  die  120  bis 
125  Jahre  alt  waren.  Es  kommt  freilich  in  Betracht,  daß  nur 
auserlesene,  vollstÀndig  gesunde  Menschen  Aufnahme  in  den 
Soldatenstand  finden,  wohingegen  alle  andern  Berufe  einen 
[hehr  oder  minder  großen  Prozentsatz  kranker  Individuen 
aufnehmen. 

C  ;i  s  \)  e  r,  R  0  s  c  0  e  T  a  y  I  e  r  und  andere  haben  Durch- 
schnittszahlen der  Sterblichkeit  verschiedener  Klassen  von 
Geistesarbeitern  berechnet  und  verglichen,  aber  die  Ergeb- 
nisse dieser  Rechner  stimmen  so  wenig  ĂŒberein,  daß  ich  auf 
die  Wiedergabe  verzichte.  Nur  soviel  sei  erwĂ€hnt,  daß 
M  a  d  d  e  n.  der  das  grĂ¶ĂŸte  Material  prĂŒfte,  gefunden  hat,  daß 
die  Philosophen  die  langlebigsten  Kopfarbeiter  sind,  indem 
sie  durchschnittlich  75  Jahre  alt  werden,  die  Dichter  mit  57 
Jahren  die  kurzlebigsten. 

Da  diejenigen  Berufsarten,  welche  das  Gehirn  beschÀf- 
tigen und  ĂŒben,  lebenverlĂ€ngernd  wirken,  ist  es  nicht  rat- 
sam, solchen  Beruf  aufzugeben  und  sich  „zur  Ruhe  zu 
setzen'",  was  hĂ€ufig  darauf  hinauslĂ€uft,  daß  die  Ausruhen- 
den in  Klublokalen,  Weinstuben,  Bierkneipen  oder  Cafes 
hocken,  von  frĂŒh  bis  spĂ€t  rauchen  und  sich  „tödlich"  lang- 
weilen. Die  menschliche  Maschine  versagt  dann  gar  bald 
den  Dienst,  wie  ein  Uhrwerk,  dessen  treibende  Feder  ge- 
schwÀcht worden  ist.  Dr.  P.  Rehm  schreibt  in  seiner  Ab- 
handlung „Schlaf  und  Schlaflosigkeit",  Halle  a.  S.  1905, 
S.  8  f.:  „Ich  war  einige  Zeit  in  einer  Gegend  tĂ€tig,  in  der  in- 
folge plötzlicher  enormer  Steigerung  der  Bodenrente  fast  alle 
jungen  Herren  sich  das  Arbeiten  abgewöhnten.  Die  meisten 
starben  anfangs  der  Vierziger!"  Nicht  einmal  SchwÀchlinge 
und  KrĂ€nkliche  profitieren  vom  Nichtstun.  „Wenn  ein 
schwÀchliches  und  hinfÀlliges  Wesen  anhaltend  arbeitet,  so 
hat  es  gar  nicht  die  Zeit  zum  Kranksein;  ĂŒberlĂ€ĂŸt  es  sich 
aber  der  Liebe  zum  VergnĂŒgen,  so  wird  der  MĂŒĂŸiggang  es 
töten."  (Dr.  Padioleau,  „Von  der  moralischen  Heil- 
kunde". Uebers.  v.  Eisenmann,  WĂŒrzburg  1865,  S.  125.) 
Wer  Jahrzehntelang  geistig  tÀtig  gewesen  ist,  sollte  bedenken, 
daß  ihm  die  Kopfarbeit  zum  Leben  notwendig  geworden  ist 
und  sich  lieber  einem  neuen  Arbeitsgebiet  zuwenden  als 
gĂ€nzlich  feiern.  Steckenpferde,  LiebhaberkĂŒnste  und  Ver- 
einswesen ersetzen  die  Berufsarbeit  nicht!  Am  besten  ist  es, 
die  gewohnte  TĂ€tigkeit  in  verringertem  Umfang  beizube- 
halten, indem  man  einen  Teil  der  Last  auf  jĂŒngere  Schultern 
abwÀlzt.  So  kann  der  Kaufmann  einem  Prokuristen  oder 
GeschÀftsteilhaber,  der  Arzt  einem  Assistenten,  der  Gelehrte 
einem  SekretĂ€r  einen  Teil  der  Arbeit  ĂŒbertragen,  ebensogut 
wie  der  Handwerker  einem  Altgesellen;  nur  guter  Wille  ge- 
hört dazu  und  ein  Verzicht  auf  die  Eitelkeit,  die  alles  selbst 
machen  möchte  und  mit  keiner  fremden  Leistung  zu- 
frieden ist. 

Leider  ist  dieser  Weg  fĂŒr  die  zwangsweise  Pensionierten 
nicht  gangbar.  Andere  Kopfarbeiter  könnten  sich  wohl  bei 
herannahendem  Alter  allmÀhlich  entlasten,  so  namentlich  die 
großen  Unternehmer,  Industriellen  und  Börsenleute,  aber 
gerade  diese  ziehen  es  meistens  vor,  unablÀssig  weiterzu- 
arbeiten, bis  sie  zusammenbrechen.  Sie  stehen  unter  einem 
Zwange,  der  es  ihnen  erschwert,  rechtzeitig  auszuspannen. 
Richtig  bemerkte  Prof.  C.  E.  Bock,  daß  GeschĂ€ftsleute  ihr 
Gehirn  mehr  ĂŒberanstrengen  als  Gelehrte,  weil  sie  Tag  und 
Nacht  an  ihre  GeschĂ€fte  denken;  ihr  ĂŒberreiztes  Gehirn  ar- 
beitet noch  im  Schlafe  weiter.  Schließlich  können  sie  den 
fehlerhaften  Zirkel  nicht  mehr  durchbrechen;  nur  wenige 
waren  dazu  imstande,  wie  jener  königliche  Kaufmann 
Jakob  Fugger,  der  sich  rĂŒhmte,  daß  er  jeden  Abend  mit 
den  Kleidern  alle  GeschÀftsgedanken  und  GeschÀftssorgen 
abgelegl  habe.  Die  modernen  Streber  können  das  nicht;  sie 
kommen  ans  der  TretmĂŒhle  nicht  heraus.  Sogar  wenn  sie 
Erfolg  gehabt  haben,  in  gĂŒnstige  Lage  und  glĂ€nzende  Stel- 
lungen gelangt  sind,  bleiben  sie  seufzende  Knechte.  Im  Alter- 
tum und  im  Mittelalter  mußten  sich  die  meisten  Menschen 
abrackern,  weil  sie  Sklaven  oder  Leibeigene  waren;  in  der 
Neuzeit  mĂŒssen  sie  es,  wenn  sie  Sklaven  ihrer  kĂŒnstlichen 
BedĂŒrfnisse,  ihres  Wohllebens  und  ihrer  Habgier  sind.  Wenn 


Arbeitstiere     UbermĂ€ĂŸig    angestrengt     werden,     wird  ihre 

Lebeinsdauer  abgekĂŒrzt;  nichl  anders  ergebt  es  ĂŒberanstreng- 
ten GeschÀftsleuten;  selten  erreicht  ein  solcher  das  höhere 
Greisenalter.  Die  Fanatiker  der  Arbeil  kennen  Epikurs  Lusl 
der  Ruhe  nicht,  oder  wenn  sie  sie  endlich  kennen  lernen,  ist 
es  zu  spÀt. 

Wir  kommen  zu  dem  Schluß:  BerufstĂ€tigkeit,  innerhalb 
angemessener  Grenzen  betrieben,  konserviert,  muß  alter  in 
spÀtem  Jahren  eingeschrÀnkt  und  im  höchsten  Alter  auf- 
gegeben werden.  Dem  Greisenalter  ist  Ruhe  notwendig,  als 
Einleitung  und  natĂŒrlicher  Uebergang  in  die  ewige  Ruhe. 
Ein  steinalter  PrÀfekt  der  PrÀtorianer  unter  Hadrian,  der 
freiwillig  von  seinem  hohen  Posten  zurĂŒckgetreten  war,  lebte 
noch  sieben  Jahre  auf  dem  Lande  so  glĂŒcklich  und  zufrieden, 
daß  er  sterbend  sich  die  Grabschrift  bestimmte:  „Hier  ruht 
Similis,  der  sehr  alt  geworden  ist,  aber  nur  sieben  Jahre  ge- 
lebt hat."    (Jo.  Xiphilinus  in  vita  Hadriani,  2bT>.) 

BezĂŒglich  der  WertschĂ€tzung  beruflicher  Arbeil  besteht 
zwischen  antiker  und  moderner  Denkweise  ein  fundamentaler 
Unterschied:  Die  Allen  schĂ€tzten  Arbeit  gering,  ĂŒberließen 
Handwerk,  Musik,  Arzneikunst  usw.  den  Sklaven;  Arbeil  als 
Selbstzweck  wÀre  ihnen  unbegreiflich  gewesen,  uns  aber  er- 
scheint sie  als  ehrenvoll,  ja  als  Pflicht.  „Arbeit  ist  des  BĂŒr- 
gers Zierde".  Anders  dachte  der  Grieche:  „Tue  nicht  viel, 
wenn  du  gutes  Mutes  sein  willst!"  (Demokrit,  zitiert  von 
Mark  Aurel  IV,  c.  24);  und  der  Römer  pries  die  MĂŒĂŸigen, 
„denn  sie  allein  leben!"  (Seneca,  „Von  der  KĂŒrze  des  Le- 
bens", c.  14),  wobei  er  allerdings  eine  gedankenreiche  philo- 
sophische Muße  im  Auge  hatte.  Einen  Nachklang  dieses 
heidnischen  Ausspruchs  finden  wir  beim  Skeptiker  Mon- 
taigne: „Er  hat  sein  Leben  im  MĂŒĂŸiggang  zugebracht,"  sagst 
du,  und  „ich  habe  heute  nichts  getan."  „Wie?  Hast  du  denn 
nicht  gelebt?.  Das  ist  nicht  nur  deine  ursprĂŒngliche,  sondern 
auch  deine  vornehmste  BeschÀftigung."  (Essais  III.  13.)  In 
wohltuendem  Gegensatz  hierzu  steht  der  Spruch  desPsalmislen, 
wenn  das  Leben  köstlich  gewesen,  sei  es  MĂŒhe  und  Arbeit 
gewesen.  Hierin  liegt  Wahrheit.  Sicherlich  ist  Arbeit  ein 
wirksames  Mittel  gegen  allerhand  Ungemach  und  fĂŒr  man- 
chen UnglĂŒcklichen  ist  sie  sogar  eine  Art  von  Narkotikum. 
Daß  berufliche  TĂ€tigkeit  in  enger  Beziehung  zur  Makrobiotik 
steht,  hat  auch  der  alle  Hufeland  eingesehen;  im  praktischen 
‱Teil  seiner  „Kunst,  das  menschliche  Leben  zu  verlĂ€ngern", 
hat  er  gegen  lebenverkĂŒrzenden  Nichtgebrauch  unserer  KrĂ€fte 
„als  einziges,  aber  freilich  nicht  beliebtes  Mittel  bestimmte 
Berufsarbeit"  dringend  empfohlen. 


Salvarsanlose  Behandlung  der  Syphilis. 

(Die  erfolgreichste  und  ungefÀhrlichste  Methodik. 
80  %  bis  90  %  Heilungsresultate). 

Von  Dr.  med.  D  r  e  u  w  -  Berlin. 

Die  bisher  ĂŒbliche  Syphilisbehandlung  mit  Salvarsan 
hat,  wie  im  folgenden  bewiesen  wird,  versagt,  da  dieses  Mit- 
tel nicht  dauernd  heilt,  im  Gegenteil  in  75 — 84  Prozent  der 
FÀlle  versagt  und  schwere  KörperschÀdigungen  verursacht. 
Die  Salvarsanfrage  ist  die  wichtigste  .sozialhygienische  Frage, 
die  es  gibt.  Dies  wird  m.  E.  in  seiner  vollen  Tragweite  aber 
weder  von  den  Medizinalverwaltungen  und  Krankenkassen, 
noch  von  den  breiten  Volksschichten,  noch  von  der  m.  E. 
einseitig  orientierten  Aerzteschaft  erkannt.  Wenn  Salvarsan 
nicht  heilt,  sondern  in  vielen  FÀllen  tötet,  lÀhmt  und  er- 
blindet, ja  sogar  verblödet,  dann  wird,  da  z.  B.  in  Frankreich 
und  England  jede  vierte  Person  nac  h  amtlichen  Berichten 
geschlechtskrank  ist,  angesichts  der  gewaltigen  Zunahme 
der  Syphilis  in  allen  LĂ€ndern  der  Welt  der  grĂ¶ĂŸte  Schaden 
fĂŒr  die  gesamte  Menschheit  angerichtet.  Die  Salvarsanfrage 
bat  daher  bei  Millionen  von  Syphilitikern  internationales 
Kulturinteresse.  Die  Zunahme  der  Geschlechtskrankheiten 
ist  zum  großen  Teil  durch  die  verfehlte  Behandlung  mittels 
des  m.  E.  menschentötenden,  nervenzerrĂŒttenden  und 
nicht  heilenden  Mittels  bedingt,  das  zu  alledem  durch 


192 


ĂŒreuw:  Syphilis 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


den  verbreiteten  Optimismus  noch  die  Moral  vergiftet  und 
den  Leichtsinn  großgezogen  hat.  Autoren  wie  Ehrlich, 
Wochselmann,  P  i  n  k  u  s,  Wassermann,  L  e  s  s  e  r, 
Isaak,  Z  e  i  ß  1,  Kirchner,  Lentz  u.  a.  haben  daher 
eine  schwere  Verantwortung  gegenĂŒber  der  Volkswohlt'ahrt 
aller  LĂ€nder  auf  sich  geladen,  als  sie  1910  die  unbewiesene 
Behauptung  mit  verbreiten  halfen,  die  Syphilis  habe  ihre 
Schrecken  verloren.  Wie  die  gewaltige  Millionenzunahme 
derselben  ergibt,  entspricht  diese  Behauptung  nicht  den  Tat- 
sachen. In  der  Tat  wurde  auf  dem  HautĂ€rztekongreß  1921 
ein  Teil  der  Aerzteschaft  sich  der  schweren  Verantwortung 
bewußt,  daß  man  jahrelang  diese  ungeprĂŒfte  Behauptung 
verbreitet  hat.  Denn  auf  diesem  Kongreß  wurde  von  autori- 
tativer Seite  (Nonne-Kyrl  e)  bewiesen,  daß  das  Salvarsan 
die  Syphilis  zwar  von  der  Haut  weg,  aber  wahrscheinlich  in 
das  Nervensystem  hineinbefördert.  Damit  ist  m.  E.  der 
Bankerott  des  Mittels  festgestellt.  Zieht  man  nicht  die  Kon- 
sequenz daraus,  so  wird  er  zum  betrĂŒgerischen  Bankrott. 
Mit  den  schĂ€rfsten  Mitteln  muß  daher  gegen  den  Optimismus 
angekÀmpft  werden,  um  der  Welt  zu  zeigen,  welches  Ver- 
gehen es  bisher  war  und  weiterhin  ist,  ein  m.  E.  nicht 
heilendes,  dafĂŒr  aber  die  Nerven  zerrĂŒttendes  Produkt  12 
Jahre  lang  ohne  genĂŒgende  PrĂŒfung  und  ohne  BeschrĂ€nkung 
durch  eine  Höchstdosis  fĂŒr  die  gesamte  Menschheit  autori- 
tativ zu  empfehlen.  Die  PrĂŒfung  bei  Millionen  geschah  so, 
daß  man  es  kombiniert  mit  dem  seit  4  Jahrhunderten  er- 
probten Quecksilber  anwandte,  eine  Methodik,  mit  der  man 
beweisen  kann,  daß  destilliertes  Wasser  stark  desinfiziert, 
wenn  man  —  KarbolsĂ€ure  zusetzt.  Die  UnregelmĂ€ĂŸigkeiten, 
die  von  Àrztlicher,  behördlicher  und  nichtÀrztlicher  Seite  ver- 
ĂŒbt, haben  den  Verfasser  veranlaßt,  bei  der  preußischen  Re- 
gierung den  Antrag  zu  stellen,  daß  endlich  die  auf  seinen  An- 
trag in,  dieser  Frage  vom  Parlament  bereits  vor  4  .Jahren 
beschlossene  paritĂ€tische  PrĂŒfungskommission  einberufen 
wird,  um  AufklĂ€rung  ĂŒber  Tatsachen  und  ĂŒber  die  stattge- 
fundenen  UnregelmĂ€ĂŸigkeiten  zu  schaffen.  Denn  die  Salvar- 
sanfrage  ist,  wie  die  Entwicklung  derselben  ergeben  hat, 
eine  soziale  Wissenschaft. 

BĂŒcher  und  Schriften,  die  sich  das  große  Ziel  setzen, 
hier  aufklĂ€rend  zu  wirken,  können  und  dĂŒrfen  gegenĂŒber 
der  gegnerischerseits  beliebten  Kampfmethode  nicht  in  der 
bisher  ĂŒblichen  Weise  verfaßt  sein.  Daher  muß  deren 
Sprache  eine  andere  sein,  als  bei  anderen  wissenschaftlichen 
Fragen,  die  nur  in  der  Fachpresse  erörtert  werden.  Es  kann 
npi  eine  Sprache  sein,  Ă€hnlich  der,  die  Semmelweiß  den 
ZustÀnden  der  damaligen  Zeit  widmete  und  die  Victor  Hugo 
in  seinen  „Les  miserables"  und  andere  Kritiker1)  gefĂŒhrt 

Ich  zitiere,  was  in  Band  7,  Heft  10,  192'2  der  „Zeit- 
schrift fĂŒr  Sexualwissenschaft"  Dr.  med.  W. 
Schweißhei  m  e  r  u.  a.  ĂŒber  mein  Buch :  „Die  Sexual- 
revolution"  schreibt:  „Nun  ist  noch  auf  einen  sehr  wesent- 
lichen Punkt  der  Dreuw?schen  AusfĂŒhrung  (in  seiner  „SexuĂ€l- 
revolution")  einzugehen:  das  ist  die  persönliche  Kampfesweise 
Dreuw's.  Er  geht  in  einer  persönlichen  Art. gegen  verdiente 
VorkÀmpfer  in  der  GeschlechtskrankenbekÀmpfung'  vor,  die  auf 
den  Vertreter  einer  rein  sachlichen  wissenschaftlichen  Kampfes- 
weise recht  unangenehm  wirkt.  Dieser  anfangliche  Eindruck 
verstĂ€rkt  sich  bei  wiederholter  LektĂŒre  des  Buches.  Anderer- 
seits —  und  das  muß  der  gerecht  Urteilende  auch  zugeben  —  er- 
scheint diese  persönliche  Kampfesweise  nicht  unverstÀndlich,  ja 
fast  nicht  anders  möglich,  wenn  man  aus  den  Schilderungen 
Dreuw's,  nicht  ohne  innerliche  ErschĂŒtterung,  vernimmt,  wie 
persönlich  im  schlimmsten  Sinn  der  Kampf  gegen  ihn  seit  der 
Zeil  seiner  SalvarsanbekĂ€mpfung  gefĂŒhrt  wurde.  Der  Eindruck 
verstÀrkt  sich  noch  ganz  bedeutend,  wenn  man  jetzt  nach  dem 
Erscheinen  des  DreuW'schen  Buches  das  sogenannte  „Beferat" 
in  den  „Mitteilungen  der  Deutschen  Gesellschaft  zur  BekĂ€mpfung 
der  Geschlechtskrankheiten"  (Band  19,  S.  124)  liest,  das  im  höch- 
sten Grad  unsachlich,  im  ĂŒbelsten  Sinn  persönlich  abgefaßt  ist. 
Wer  in  solcher  Weise  eine  gerade  fĂŒr  diese  „Mitteilungen"  be- 
deutungsvolles Buch  referiert,  der  hat  das  Bechl  verwirkt,  sich 
ĂŒber  persönliche  Angriffe  zu  verwundern  oder  zu  entrĂŒsten. 
Paß  das  kein  Einzelfall,  sondern  ein  System  in  den  „Mitteilungen" 
der  D.  G.  B.  G.  ist,  das  geht  aus  dem  in  der  gleichen  Nummer  be- 
ll ndlichen  Prolest  der  „Berliner  Gesellschaf i  fĂŒr  Bassenhygiene" 
hervor,  die  sich  energisch  dagegen  wendet,  daß  die  Schriftleitung 
der  „Mitteilungen"  sich  das  Becht  anmaßt,  Andersdenkenden  die 
Sachkunde  abzusprechen,  nur  weil  sie  zu  anderen  Ergebnissen 
der  Ueberlcgung  gekommen  sind. 


haben,  um  die  ZustÀnde  ihrer  ZeitlÀufte  zu  schildern  und  zu 

bessern. 

Die  Salvarsanfrage  ist  durch  die  Tagespressentaktik  von 
vornherein  zu  einer  politischen,  einer  wirtschaftlichen,  einer 
kapitalistischen  Frage  gestempelt  worden.  Das  Mittel  wurde 
daher  zuerst  hauptsÀchlich  auch  durch  die  Tagespresse,  nicht 
durch  die  Fachpresse  populÀr,  was  schon  dadurch  bewiesen 
wird,  daß  fĂŒr  dieses  Patentprodukt  1910  bis  1911  Annoncen, 
wie  sie  sonst  bei  neuen  PrĂ€paraten  ĂŒblich  sind,  in  der  Fach- 
presse sich  erĂŒbrigten. 

In  den  folgenden  Zeilen  soll  auf  die  wichtige  Kultur- 
frage der  Syphilisbehandlung  ohne  Salvarsan  ausfĂŒhrlich 
eingegangen  werden. 

Der  breitesten  Oeffentlichkeit  dĂŒrfen  nur  solche  Metho- 
den als  heilend  empfohlen  werden,  die  genĂŒgend  erprobt 
sind  und  nicht  wie  beim  Salvarsan  (und  bei  der  momentan 
einsetzenden  französischen  Wismutreklame,  die  bei  sage  und 
schreibe  100  (!)  Personen  „erprobt"  sein  soll],  bei  etwas  500 
Menschen  inkorrekt  und  beim  Menschen  nur  ein  halbes  Jahr 
lang  erprobt  war,  als  im  Juni  1910  plötzlich  aus  tausend  Ka- 
nĂ€len verbreitet  wurde,  die  Syphilis  sei  ĂŒberwunden,  es  sei 
ihr  der  „Giftzahn"  ausgebrochen  (E  h  r  1  i  c  h),  ein  Blatt  und 
Fangschuß  genĂŒge  (Prof.  Alt),  eine  Spritze  heile  die  Sy- 
philis (Ehrlich),  in  etwa  100  Prozent  der  FĂ€lle  beob- 
achte man  ein  Umschlagen  der  Wassermann'schen  Reaktion 
(Prof.  Wechselmann,  Prof.  Z  e  i  ß  1  u.  a.)  usw.  usw.  Ob- 
schon  diese  Nachrichten  den  Stempel  der  Unwahrhaftigkeit 
auf  der  Stirn  trugen,  wurden  sie  damals  von  einer  gutglÀu- 
bigen Aerzteschaft  und  von  dem  Publikum  als  Wahrheil 
sogar  bis  heute  von  letzterem  angenommen. 

Bei  der  Syphilisheilung  muß  letzten  Endes  die  Erfah- 
rung vieler  Jahrzehnte,  nicht  der  in  Bezug  auf  die  Heilung 
völlig  versagende  Wassermann ismus  die  Entscheidung  geben, 
der  bei  dieser  Frage  leider  eine  allzu  verhÀngnisvolle  Rolle 
gespielt  hat.  Was  daher  ein  Mann  wie  Dr.  Engel-Rei- 
mers (Hamburg),  der  verschiedene  Menschenalter  hindurch 
das  grĂ¶ĂŸte  Syphilismaterial  beobachten  konnte,  und  was 
andere  Gelehrte  auf  Grund  von  in  vielen  Jahrzehnten  gewonne- 
nen Erfahrungen  konstatiert  haben,  gilt,  da  diese  Erfahrun- 
gen sich  auf  nicht  patentierte  Methodik  bezogen,  mehr  als 
die  heute  12  jÀhrige  Patent-Salvarean- Wissenschaft. 

Prof.  G  e  n  n  e  r  i  c  h  konstatierte,  daß  bei  Anwendung 
des  Salvarsans  84  Prozent  der  untersuchten  RĂŒckenmarks- 
flĂŒssigkeilen mit  Salvarsan  behandelter  Patienten  noch 
pathologisch  waren,  bei  der  Quecksilberanwendung  dagegen 
nur  30  %.  Damit  ist  die  Ueberlegenheit  der  von  mir  seit 
20  Jahren  konsequent  angewandten  salvarsanlosen 
Syphilisheilung  erwiesen,  lieber  das  Salvarsan  aber 
gilt  letzten  Endes  das,  was  der  Berliner  UniversitÀtsphar- 

Auch  die  EinwÀnde  gegen  die  persönliche  Kampfesweise 
Dreuw's  können  dem  Wesen  seines  neuen  Buches  nichts  anhaben. 
Es  verdient  auf  jeden  Fall  die  weiteste  Verbreitung,  namentlich 
in  allen  jenen  Kreisen,  die  direkte  oder  indirekte  Mitarbeiter  an 
der  Ausrottung  eines  ausrottbaren  Krankheilsherdes  sind  oder 
sein  wollen." 

Die  Mitteilungen  der  D.  G.  B.  G.  schrieben: 

..Das  seit  Monaten  mit  großer  Beklame  angekĂŒndigte  Buch 
ist  jetzt  erschienen.  Dem  eigentlichen  polemischen  Hauptteil  ist 
ein  wissenschaftlicher  Teil,  im  wesentlichen  kompilatorischen 
Charakters,  vorausgeschickt.  Der  Best  ist, ein  umfangreiches, 
vorwiegend  gegen  die  1).  G.  B.  G.  und  ihre  FĂŒhrer  gerichtetes 
Pamphlet,  dessen  Niveau  sich  auf  der  Höhe  frĂŒherer  Dreuw- 
scher  Publikationen  bewegt.  Schade,  daß  der  Preis  dieses  Pamph- 
lets ein  so  hoher  ist  —  80  M.  —  und  daß  infolgedessen  nicht 
weitere  Kreise  sich  von  der  vornehmen  Kampfesweise  dieses 
„Sexualrevoltionars"',  ĂŒberzeugen  können.  Aber  vielleicht  dĂ€m- 
mert nun  doch  den  FĂŒhrerinnen  der  Frauenbewegung,  sowie  den 
Abgeordnetender  verschiedenen  Parteien,  in  welcher  Gefolgschaft 
sie  sich  da  bewegen  und  legen  sich  die  Frage  vor,  ob  nicht  der 
„Diskretionismus",  den  der  Autor  verficht,  ebenso  einzuschĂ€tzen 
ist,  wie  seine  Kampfesweise." 

Diese  „Kritik"  steht  im  Gegensalz  zu  der  last  gesamten 
großen  deutschen  Presse. 

Nach  Heyse,  Fremdwörterbuch.  S.  (V7'2.  bedeutet  ĂŒbrigens 
Pamphlet  (Palme:  die  Hand.  Feuillet:  das  Blatt;  eine  Flugschrift, 
ein  Flugblatt,  eine  kleine  Schrift,  auch  mit  dem  besonderen  Sinn 
eines  beleidigenden  Inhalts:  SehmÀhschrift. 

Die  „SexualrevolĂŒtion"  umfaßt  528  Seiten,  sie  .schmĂ€ht  nirhl. 
aber  sie  sagt  die  Wahrheit,  die  lange  warten  kann. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Dreuw:  Syphilis 


.makologe  Prof.  L.  Lew  i  n  sein  ich:  „Noch  nie  isl  ein  fĂŒr  den 
gerĂŒhmten  Zweck  so  bedeutungsloses  und  so  gefĂ€hrliches 
Produkt  mit  einem  solchen  Aufwand  marktschreierisch  auf- 
dringlicher Phraseologie  an  den  dummen  Mann  zu  bringen 
versucht  worden." 

Im  ĂŒbrigen  verweise  ich  auf  meine  BĂŒcher:  „Die  Salvar- 
sangefahr",  „Haut-  und  Geschlechtskrankhelten",  „Die 
Sexualrevolution",  „Im  Kampf  fĂŒr  Wissenschaft  und  Wahr- 
heit" u.  a. 

WĂ€hrend  der  ministeriellen  Salvarsan  -  Konferenz  am 
1.  2.  19  trat  v.  W  as  se  rm  a  n  n  an  den  Verfasser  heran  und 
fragte  ihn,  wie  er  denn  ohne  Salvarsan  die  Syphilis  in  der 
Poliklinik  und  Privatpraxis  behandele.  Antwort:  „Mit  einer 
seit  400  Jahren  erprobten  Methode,  Herr  Geheimrat,  wÀhrend 
die  Ihrige  noch  erprobt  werden  muß,  bei  der  auch  heule  noch 
jeder  Privatpatient  ein  Versuc  hsobjekt  ist."  Wir  sehen  vor 
lauter  neuen  Methoden  und  Methödchen  und  Modifikationen 
des  kombinierten-)  Salvarsansystems  (etwa  500  Kombinations- 
möglichkeiten bei  7  Salvarsan-  und  noch  mehr  Quecksilber- 
prĂ€paraten!) .„die"  Methode  nicht  mehr,  d.  h.  eine  allgemeine 
Verwilderung  an  Stelle  eines  festgefĂŒgten,  aber  je  nachdem 
modifizierbaren  Programms  ist  eingetreten.  FrĂŒher  hatte  der 
Arzt  eine  Richtlinie.  Ja,  wenn  man  Salvarsan  nur  fĂŒr  be- 
stimmte FÀlle  empfohlen  und  es  mit  einer  Höchstdosis  ver- 
sehen hÀtte  und  die  gute  alte  Kur  in  ungefÀhrlichen  Dosen 
hÀtte  bestehen  lassen! 

Der  Verfasser  steht  seit  20  Jahren  im  Kampfe  gegen  die 
Geschlechtskrankheiten  und  ĂŒbt  eine  seit  400  Jahren  er- 
probte Methodik  in  völlig  ungefÀhrlicher  Weise  aus. 

Der  Verfasser  hat  als  Polizeiarzt  bei  den  Prostituierten 
die  Heilaussichten  der  von  ihm  empfohlenen  Methodik  fest- 
stellen können.  Wie  gĂŒnstig  diese  Heilungsresultate  sind 
und  daß  der  grĂ¶ĂŸte  Prozentsatz  aller  Syphilitiker  zur  Heilung 
gebracht  ist,  geht  aus  einer  Statistik  hervor,  die  er  auf  dem 
Berliner  PolizeiprÀsidium  angestellt  und  in  den  Monats- 
heften fĂŒr  praktische  Dermatologie,  Band  52,  1911,  Seite  455, 
in  der  Arbeit:  „Intermittierende  oder  symptomatische  Be- 
handlung der  Syphilis?"  veröffentlicht  hat.  500  an  Syphilis 
Erkrankte,  deren  Syphilis  1 — 25  Jahre  zurĂŒcklag,  wurden 
vom  Verfasser  befragt,  wann  sie  die  erste  Kur  gemacht  und 
wieviel  Kuren  sie  gemacht  hÀtten.  Da  in  Berlin  die  Prostitu- 
ierten rein  symptomatisch  behandelt  werden,  d.  h.  nur  dann 
eine  zweite  Kur  machen,  wenn  sie  neue  syphilitische  Symp- 
tome haben,  so  lĂ€ĂŸt  sich  aus  dieser  Statistik  eine  Beurteilung 
des  Auftretens  neuer  Symptome  der  alten  Syphilis  erkennen. 
Hatte  aber  eine  der  500  von  mir  Befragten  seit  20  Jahren 
keine  Kur  mehr  gemacht,  obschon  sie  wöchentlich  unter- 
sucht wurde,  so  hatte  sie  eben  in  den  20  Jahren  keine  neuen 
Erscheinungen  mehr  gehabt,  war  also  praktisch  gesprochen 
geheilt.  Es  stellte  sich  nun  heraus,  daß  nach  1—2  Kuren 
mindestens  60  Prozent  viele  Jahre  lang  von  3  bis  zu  25  Jahren 
keine  Erscheinungen  der  Syphilis  mehr  gezeigt  hatten,  wie 
die  KontrollbĂŒcher  ergaben. 

Und  der  erwÀhnte  Hamburger  Syphilidologe  Engel- 
Reimers,  der  durch  verschiedene  Menschenalter  mehr  als 
je  ein  Arzt  beobachtet,  hat  konstatiert,  daß  nach  der  bewĂ€hr- 
ten Hg-Methode  etwa  90  Prozent  aller  Syphi- 
litiker geheilt  wenden,  wenn  die  Kuren  sorgfÀltig  und 
einige  Jahre  lang  durchgefĂŒhrt  werden.  Aber  mit  einer  oder 
mehreren  Spritzen,  wie  Ehrlich  und  seine  SchĂŒler  be- 
haupteten, mit  100  Prozent  Sicherheit  mit  einer  Kur  im  An- 
fange der  Krankheit,  ist  eine  Behauptung  von  „Tatsachen", 
die  sich  auf  nicht  genĂŒgende  Beobachtungszeit  stĂŒtzten,  da 
eben  nach  15—20  Jahren  die  Paralyse  und  Tabes  erst  auf- 
treten. 

Einem  jeden  Patienten,  der  in  meine  Privatpraxis  mit 
frischer  primÀrer  oder  sekundÀrer  Syphilis  kommt  und  mit 
Salvarsan  behandelt  zu   werden   wĂŒnscht   oder  fordert, 


*)  Der  Vater  der  „Kombination"  war,  als  Salvarsan  ,.allein 
schon  Ende  1910  versagt  hatte,  Erich  Hoffmann.    Wie  n'm  den 
Geburlsort  Homers,  so  streiten  sicli  auch  ĂŒber  diese  wichtige, 
m.  E.  aber  Verlegenheits-Entdeckung  viele  andere  Autoren. 


mache  ich,  schon  seil  fO  Jahren  auf  die  TodesfÀlle  (H  a  Ii  n  6 
in  einem  Jahr,  Arndt  12,  Hille  7,  Ho  ff  mann  ö, 
S  cholt  z  4,  X  U  m  b  u  s  c  h  usw.)  und  die  in  der  Literatur 
festgelegten  furchtbaren  Tatsachen'')  aufmerksam,  ich  erklÀre, 
ihm,  daß  eine  Dauerwirkung  des  Salvarsans  bis  heute  nicht 
nur  nicht  bewiesen,  sondern  sogar  unwahrscheinlich  sei,  daß 
schwere  NervenschĂ€digungen  vorkommen,  daß  TodesfĂ€lle  be- 
obachtet worden  sind  und  daß  ich  gar  keine  Garantie  ĂŒber- 
nehme gegen  eventuelle  NervenschÀdigungen  und  keine  Ga- 
rantie fĂŒr  eine  eventuelle  Heilung,  daß  aber  zweifellos  das 
Salvarsan  in  sehr  vielen,  aber  nicht  in  allen  FĂ€llen  die  Symp- 
tome beseitige,  daß  sie  aber  in  den  meisten  FĂ€llen  wieder- 
kĂ€men und  ferner,  daß  Salvarsan,  wie  dies  meist  geglaubt 
wird,  kein  spezifisch  wirkendes  Serum,  sondern  ein  Arsen - 
prÀparat  ist.  Dann  erklÀre  ich  dem  Patienten  auch  die  Kehr- 
seite der  Medaille,  daß  wir  Ă€hnliche  Wirkungen  sowohl  im 
positiven  als  im  negativen  Sinne  auch  bei  in  4  Jahrhunderten 
bei  Millionen  von  FĂ€llen  erprobten  Methoden  sehen  und  habe 
es  bis  heute  kaum  erlebt,  daß  jemand  unbedingt  mit  einer 
Salvarsaneinspritzung  behandelt  sein  wollte,  mit  der  ein 
einziger  Arzt  als  bester  Techniker  in  einem  Jahre  6  Leute 
verloren  hat,  die  heute  ohne  ihn  und  das  Salvarsan  noch 
leben  wĂŒrden.  Wenn  ich  ihm  dann  noch  erklĂ€re,  daß  ich  als 
Polizeiarzt  in  fast  jedem  Falle  eine  Nichtheilung  durch  Sal- 
varsan konstatieren  konnte  und  daß  der  Vetter  E  h  r  1  i  c  h  s 
durch  eine  Anzeige  beim  PolizeiprĂ€sidium  dafĂŒr  gesorgt,  daß 
ich  diese  FÀlle  nicht  mehr  in  der  Fachpresse  veröffentlichen 
konnte,  und  daß  man  mich  spĂ€ter  entließ,  um  die  Beobach- 
tungen nicht  mehr  machen  zu  können,  wenn  ich  dann  ihm 
noch  weitere  UnregelmĂ€ĂŸigkeiten  mitteile,  dann  hat  jeder 
Patient  mit  EntrĂŒstung  eine  derartige  Methode  von  sich  ge- 
wiesen. 

Schon  1910  bis  1914,  also  4  Jahre  nach  der  EinfĂŒhrung 
des  Salvarsans,  konstatierte  die  amtliche  Statistik  25  Proz. 
mehr  FĂ€lle  von  Syphilis  im  LIeere.  Es  wurden  ferner  fest- 
gestellt von  1910  bis  1914:  100  Prozent  mehr  in  den 
KrankenhÀusern,  75  Proz.  Nichtheilungen  nach  Prof. 
HĂŒbne  r,  84,7  Proz.  nach  Prof.  G  e  n  n  e  r  i  c  h4),  50  Proz. 
mehr  rĂŒckfĂ€llige  Erkrankungen  der  Prostituierten  nach  der 
EinfĂŒhrung  des  Salvarsan  schon  1911,  5  Prozent  Erkrankun- 
gen an  Salvarsan-Gelhsucht,  2°/oo  TodesfÀlle,  kaum  Abortiv  - 
Heilung  nach  Prof.  Meirowsk  i.  Wo  hat  man  in  der 
„Kölner  Statistik"  etwas  davon  gehört,  daß  damals  Prof. 
Henneberg  ĂŒber  drei,  Prof.  Hahn  ĂŒber  6  TodesfĂ€lle 
berichteten.  Ist  das  Vorsetzen  einer  derartigen  „Statistik", 
die  allein  9  TodesfĂ€lle  von  2  Aerzten  „vergessen"  hat,  nicht 
irrefĂŒhrend?     Und    wie   viele    „Vergeßlichkeiten"  könnte 


3)  Ich  zÀhle  wahllos  nur  folgende  FÀlle  von  zugegebenen 
TodesfĂ€llen  auf:  Kromayer  2,  Minkowski  2,  BrĂŒnns  1,  Dr.  Herzo  4, 
Ilofmann,  Riecke,  Bering  je  1,  Henneberg  3,  Zimmern  6,  Fischer  2, 
Kindfleisch  2,  Hammer  2,  Jacoby  2,  Ingolsadt  innerhalb  einiger 
Wochen  13,  Nolten  1,  Klieneberger  2,  Zion  2,  Ceelen  1  usw.  usw. 
Wie  viele  werden  nicht  veröffentlicht?  Nach  meiner  Berechnung 
stirbt  jeder  500  ste  Salvarsanpatient  durch  Salvarsan.  Die  Be- 
ziehung der  Kölner  Statistik,  Idie  auf  225  780  Einspritzungen  durch 
182  Aerzte  nur  12  TodesfÀlle  ergab,  wÀhrend  in  dieser  Zeit  der 
statistischen  Befragung  1918/1919  viele  Aerzte  (Hahn)  mit  vielen 
TodesfÀllen  gar  nicht  befragt  wurden]  auf  Einspritzungen  ist  un- 
richtig. Denn  da  durchschnittlich  jeder  Patient  fĂŒr  die  Gesamt- 
kur 30  Einspritzungen  bekommt,  starben  von  etwa  8000  Patienten 
12,  d.  h.  jeder  700  ste.  Wie  viel  bei  richtiger  Befragung?  Hahn 
hatte  allein  6  im  Jahre  1919.    183  Aerzte  also  18! 

Wo  hat  jemals  vor  der  SalvarsanÀra  ein  Mittel  in  einem 
Lazarett  innerhalb  kurzer  Zeit  13  TodesfÀlle,  in  einer  Klinik 
8  bezgl.  12  innerhalb  eines  Jahres  (Arndt)  und  bei  einem  anderen 
Arzt  innerhalb  eines  Jahres  sechs  (Hahn)  erzeugt?  Schon  1914 
starben  in  Amerika  im  Country  Hospital  an  Neosalvarsanver- 
giftung  7  Patienten.  Der  Bericht  lautete:  „Four  men  died  at 
various  hoursup  to  midnight  Saturday.  Three  more  passed  away 
between  an  early  hour  yesterday  morning  and  3  o'clock  in  tlie 
afternoon."  Wo  hat  je  ein  Mittel  281  FĂ€lle  von  Jkterus  insge- 
samt bei  1913  Patienten  in  einem  Jahr  (1921)  (Arndt  Medic.  Klinik 
1922,  Nr.  8)  erzeugt?  Dabei  waren  die  behandelnden  Aerzte  die 
besten  Techniker.    (Siehe  Kichtlinicn  des  Reichsgesundheitsrats). 

4)  Im  Sinne  der  heute  geltenden  Auffassung,  daß  ein  positiver 
Wassermann  oder  ein  pathologischer  Liquor,  das  Noch-Vor- 
handensein  eines  Symptoms  der  Syphilis,  im  neuen  Sinne,  eines 
Abwehrsymptoms  bedeuten. 


19+ 


Dreuw:  Syphilis 


10.  Jahrg. 


Nr.  9. 


ich  außerdem  noch  der  „Kölner  Statistik"")  nachweisen? 
Jedes  25.  in  Deutschland  gehorene  Kind  ist  nach  Loeser 
syphilitisch!  (Wo  bleibt  hier  die  versprochene  Sterilisierung 
und  Heilung?)  Wir  hatten  1900  etwa  200  000,  1921  Millionen 
Geschlechtskranke.  Amtlich  wurden  in  Preußen  auf  100  000 
salvarsanbehandelte  FÀlle  festgestellt:  620  Hautzerstörungen 
an  der  Einspritzstelle,  1,3  Erblindungen,  2,6  Ertaubungen,  4 
Schwerhörigkeit,  61,3  Gehirnvergiftungen,  224  LÀhmungen, 
16  sichere  und  14  wahrscheinliche  TodesfÀlle,  also  beinahe 
jeder  100.  Patient  erlitt  einen  Unfall.  Und  die  Kölner  Statistik 
rechnet  auf  163  000  Injektionen  einen  Unfall!  Durch  das 
neueste  Silbersalvarsan  wurden  in  letzter  Zeit  drei  Leute  ge- 
tötet (FÀlle  von  Prof.  R  i  e  c  k  e,  Dr.  Ho  ff  mann,  Prof, 
Bering);  ein  21  jÀhriges  MÀdchen  wurde  durch  in  der  Haut 
sich  niederschlagendes  Silber  (Lochte)  und  zahlreiche  Men- 
schen durch  ArsenniederschlÀge  schwarzgefÀrbt.6) 

Da  nun  Prof.  Gennerich  noch  in  seinem  Buche  „Die 
Syphilis  des  Zentralnervensystems,  nachgewiesen  hat,  daß  bei 
8000  Soldaten  das  Salvarsan  trotz  allerbester  Behandlung  die 
Hirnerweichung,  Gehirnsyphilis  und  RĂŒckenmarksschwind- 
sucht mit  Sicherheit  erwarten  lĂ€ĂŸt  (Seite  146  des  Buches),  so 
muß  m.  E.  ein  Verbot  erfolgen,  da  sonst  die  Gefahr  der  Ver- 
blödung des  glÀubigen  Volkes  bei  vielen  Millionen  Ge- 
schlechtskranken besteht.  Seite  2  dieses  umfangreichen 
Werkes  heißt  es,  es  könne  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß 
die  HĂ€ufigkeit  der  Gehirnerkrankungen  zugenommen  habe, 
Seite  6,  daß  nach  der  Allgemeinbehandlung  mit  Salvarsan 
sich  eine  Beschleunigung  der  Hirnerweichung  und  der 
RĂŒckenmarksschwindsucht  zeige,  Seite  11,  daß  die  bisher 
ĂŒbliche  Salvarsanbehandlung  trotz  ausgiebigster  Durch- 
fĂŒhrung nicht  zum  Ziele,  im  Gegenteil,  zur  Hirnerweichung 
und  RĂŒckenmarksdarre  gefĂŒhrt,  Seite  137,  daß  sie  nur  zum 
Scheinerfolg  gefĂŒhrt,  daß  nach  zwei  bis  drei  Jahren  mit 
Sicherheit  auf  ernste  Gehirnerscheinungen  geschlossen  wer- 
den könne,  Seite  128,  daß  in  etwa  40  v.  H.  der  FĂ€lle  mit  Ent- 
zĂŒndungsvorgĂ€ngen an  den  GehirnhĂ€uten  zu  rechnen  sei, 
Seite  146,  daß  auch  im  FrĂŒhstadium  der  Syphilis  trotz  aller- 
bester Salvarsanbehandlung  gar  nicht  selten  schwere  Ent- 
zĂŒndungsvorgĂ€nge  an  den  GehirnhĂ€uten  zustande  kĂ€men,  bei 
der  bisher  ĂŒblichen  Salvarsanbehandlung  sei  entweder  eine 
LÀhmung  (Neurorezidiv)  oder  nach  lÀngerem  Verlaufe  eine 
Gehirn-  oder  RĂŒckenmarkssyphilis  oder  RĂŒckenmarks- 
schwindsucht  (beziehungsweise  Hirnerweichung  mit  Sicher- 
heil zu  erwarten. 

Der  Kranke  hat  also  demnach  die  Chance,  entweder  an 
Arsenvergiftung  zugrunde  zu  gehen  oder  zu  verblöden,  weil 
die  Gaben  zu  groß  sind,  oder  ungeheilt  zu  bleiben,  weil  sie 
bei  einer  Maximaldosis  zu  klein  sind.  In  diesem  Dilemma 
befand  und  befindet  sich  der  Staat,  der  glaubt  mit  Vogel  - 
straußpolitik  die  Frage  zu  lösen.  Schon  fragt  Prof.  Finger, 
ob  man  angesichts  der  Gennerich  sehen  Feststellungen 
u  >ch  Salvarsan  anwenden  darf. 

Einen  Vortrag,  den  der  Verfasser  den  Aerzten  der  physi- 
kalisch-diÀtetischen Richtung  hielt,  begann  er  mit  'den 
Worten:  „Ich  bin  kein  Salvarsangegner"  (Unruhe.  Lassen 
Sie  mich  doch  ausreden!)  —  „wenn  man  es  in  einer  Dosis 
gibt,  die  nicht  schadet,  d.  h.  wenn  der  Staat  diese  festsetzt  in 
einer  Höhe,  die  fast  sicher  keinen  Todesfall  oder  einen  son- 
stigen schweren  Unfall  herbeifĂŒhrt.  Aber  der  Staat  —  der 
möglicherweise  fĂŒrchte,  eine  Maximaldosis  verschlechtere  die 
Valuta        ĂŒberlasse   die   Auswahl   der   Maximaldosis  den 

B)  Der  Àrztl.  Mitarbeiter  des  Berl.  Tageblatts  Dr.  Mamlock 

^-vön'V1"  Nr;  87  "die.  Kölner  Kommission  verzeichnet  auf 
225  780  Einspritzungen  12  TodesfĂ€lle,  d.  h.  also  1  ‱  18  815"  Mit 
derartigen  Behauptungen  wird  die  Öffentlichkeit  falsch  orien- 
v  ,Vdl^  solche  Zahlen  als  Tatsache  auffaßt,  wĂ€hrend  sie  in 
Wirklichkeit,  wie  Dr.  Mamlock  in  meiner  „Sexualrevolution" 
lesen  konnte,  konstruiert  sind. 

l'eber  das  Zustandekommen  und  die  Fehler  dieser  Statistik" 
siehe  mein  Buch  „Sexnalrevolution",  S.  287. 

«i  Ein  ganzes  Buch  der  „Salvarsanpathologie"  könnte  man 
schreiben  die  Gennench'schen  und  amtlichen  Resultate  sind  der 
l  enersicht  und  des  Zusammenhanges  wegen  aus  dem  Aufsnt? 
T hÀretisches >  und  Praktisches  zu?  SvphilTslherÀpie  WFor  cn 
der  Medizin  1922.  Nr.  8)  entnommen. 


Aerzten,  weil  er  eben  keine  Verantwortung  ĂŒbernehmen  wolle. 
Und  diese  wĂŒrden  vor  Gericht  von  SachverstĂ€ndigen7)  freige  - 
sprechen,  wenn  sie  jemand  kĂŒnstlich  getötet,  geblendet,  taub, 
siech  und  krank  gemacht  hÀtten.  Gibt  man  Salvarsan  in 
einer  Dosis,  die  ungefÀhrlich  ist,  dann  hört  es  eben  auf,  etwas 
Besonderes  zu  sein,  dann  hat  es  keine  Wirkung  mehr  im 
Sinne  der  SalvarsananhÀnger. 

Ich  verwende  aus  allen  den  erwĂ€hnten  GrĂŒnden  die  Medi- 
kamente nur  in  Dosen,  die  unter  der  Maximaldosis  bleiben. 
Das  ist  mein  prinzipieller  Grundsatz  bei  jeder  Behandlung. 
Ich  mache  innerhal/  von  2  Jahren,  unbekĂŒmmert  darum,  ob 
neue  Symptome  kommen  oder  nicht,  jedes  halbe  Jahr  eine 
Kur  mit  einem  kaum  schmerzenden  PrÀparat,  das  nicht 
schadet.  Nur  wenn  bei  allen  diesen  Prozeduren  bei  einer 
frischen  Syphilis  die  Symptome  nicht  weichen  wollen,  was 
aber  nur  ausnahmsweise  vorkommt,  verwende  ich  die  ver- 
schiedensten Behandlungs-Kombinationen.  Aus  den  zahl- 
losen Krankengeschichten  einer  nunmehr  20  jÀhrigen  Er- 
fahrung gebe  ich  bloß  die  folgende:  Ein  Direktor  einer  großen 
Fabrik  holt  sich  1909  einen  PrimÀraffekt.  Der  Patient  wollte 
eine  bestehende  Verlobung  mit  einer  Dame  aus  allerersten 
Kreisen  auflösen.  Ich  riet  ihm  ab.  Er  möge  die  Heirat  zwei 
Jahre  hinausschieben.  Er  machte  innerhalb  von  1  K>  Jahren 
3  Kuren  durch.  Heiratete  gegen  meinen  Willen  schon  nach 
\lA  Jahr,  ĂŒbte  aber  den  Geschlechtsverkehr  zunĂ€chst  mittels 
PrÀservativ  aus.  2  Jahre  nach  dem  Entstehen  des  PrimÀr- 
affektes  teilte  er  mir  mit,  daß  seine  Frau  in  Hoffnung  wĂ€re. 
Die  Geburt  verlief  normal.  Das  Kind  und  ein  noch  folgendes 
waren  gesund  und  sind  gesund  geblieben,  ebenso  wie  die 
Eltern. 

SelbstverstÀndlich  habe  ich  auch  manche  FÀlle  erlebt, 
wo  nach  2,  ja  nach  3  und  mehr  Jahren  noch  Rezidive  kamen. 
Denn  die  Einwirkung  auf  die  Syphilis  ist  nicht  nur  abhÀngig 
von  der  Art  und  der  Virulenz  des  Erregers,  sondern  auch 
von  dem  Körperzustande  des  Patienten.  Diese  3  Faktoren 
spielen  eine  große  Rolle  derart,  daß  m.  E.  die  Therapie  die 
Hauptaufgabe  hat,  den  Körperzustand  physikalisch-diÀtetisch 
und  medikamentös  derartig  zu  heben,  daß  der  Erreger  und 
seine  Sporen  durch  die  KrÀfte  der  Natur  (natura  sanat)  und 
die  UnterstĂŒtzung  des  Arztes  (medicus  curat)  immer  mehr 
abgeschwÀcht  und  abgetötet  werden,  bis  letzten  Endes  der 
Körper  frei  davon  ist.8)  Daß  Quecksilber  in  leichten  und  un- 
gefÀhrlichen Dosen  anregend,  stimulierend  auf  das  Körper- 
wachstum wirkt,  wissen  wir  aus  dem  Pflanzenreiche,  wo  das 
Wachstum  durch  leichte  Sublimatdosen  angeregt  und  be- 
schleunigt wird. 

Ich  erinnere  mich  folgenden  Falles  aus  meiner  Praxis: 
Ein  Herr,  der  eine  große  Rolle  wĂ€hrend  der  November- 
tage 1918  gespielt,  holte  sich  damals  einen  PrimÀraffekt,  den 
er  nicht  weiter  beachtete.  Er  sollte  4  Monate  spÀter  einen 
hohen  Posten  ĂŒbernehmen,  konnte  es  aber  nicht,  da  er  in- 
folge der  Syphilis  zusehends  abmagerte  und  allmÀhlich  zum 
Skelett  wurde.  Verschiedene  Aerzte  hatten  das  charakte- 
ristische Bild  der  Syphilis-Kachexie  nicht  erkannt,  obschon 
deutliche  syphilitische  Papeln  vorhanden  waren.  Eine  leichte 
Behandlung  in  der  geschilderten  Weise  besserten  das  Gewicht 
des  Patienten  und  das  Ă€ußere  Aussehen  derartig,  daß  er  bald 
wie  neugeboren  war  und  seinem  Berufe   vorstehen  konnte. 


7)  Z.  B.  erklÀrte  ein  SachverstÀndiger,  0,6  g,  die  eine  Er- 
taubung  hervorgerufen  halte,  sei  nicht  zu  viel.  M.  E.  sollten  in 
allen  medizinischen  Fragen,  wie  ich  es  in  meinem  diskretionisti- 
schen  Gesetzentwurf  formuliert  habe,  in  lege  ferenda  nur  Sach- 
verstÀndigenkommissionen, zu  denen  der  KlÀger  und  der  Be- 
klagte, jedenfalls  aber  der  letztere,  einen  Vertreter  ernennen 
dĂŒrfte,  fĂŒr  das  Gericht  maßgebende  Gutachten  abgeben,  da  die 
Medizin  eben  keine  exakte,  sondern  eine  subjektive  Wissen- 
schaft ist. 

8)  Ehrlich  betrachtete  als  Laboratoriumsforscher  „thera- 
pia  magna  sterilisans")  den  Menschen  sozusagen  als  ein  lebendes. 
SpirochÀten  beherbergendes  Reagenzglas,  in  das  man  bloli 
Arsenobenzol  zu  spritzen  brauche.  Der  Körper  ist  dagegen  eine 
aus  Millionen  von  Zellen  und  vielen  Geweben  und  Organen  be 
stehende,  Ă€ußerst  subtil  reagierende  Schöpfung,  von  der  das 
Wort  gilt,  daß  es  mehr  Dinge  zwischen  Himmel  und  Erde  gibt, 
als  unsere  Weisheit  sich  trĂ€umen  lĂ€ĂŸt,  die  nach  anderen  Ge- 
setzen, wenn  sie  pathologisch  alteriert  ist.  als  eine  Recurrens 
Maus,  sich  reguliert. 


mi  Jahrg.     Nr.  9  Dreuw:  Syphilis  P.»5 


Nach  '-  Jahr  kam  ein  Rezidiv,  das  m  derselben  Weise  wiedei 
beseitigt  wurde,  er  machte  dann  noch  zwei  Kuren  bei  mir 
hirch  und  heule  ist  der  Patient  gesund  und  geht  seinem  Be- 
rufe nach.  Ich  weide  mich  hĂŒten,  zu  behaupten,  er  wĂ€re 
völlig  gesund  und  außer  Gefahr,  da  eben  sowohl  die  Virulenz 
der  Erreger  als  die  Körperkraft  inkommensurable  GrĂ¶ĂŸen 
sind-  Es  ist  geradezu  vermessen  und  grĂ¶ĂŸenwahnsinnig, 
einer  Reaktion,  die  —  was  die  Heilung  betrifft  —  so  unbe- 
stimmt, unspezifisch,  ungenau  und  bei  negativem  Ausfall 
nichtssagend,  bei  positivem  Ausfall  ebenfalls  nichtssagend 
ist  (Beweis  80  jÀhrige  Greise,  die  vor  60  Jahren  Lues  hatten, 
liaben  positiven  Wassermann,  Leute,  die  vor  5  Jahren  Lues 
hatten  Und  den  Körper  voller  Papeln,  haben  negativen 
W  assermann)  eine  Bedeutung  fĂŒr  die  Frage:  Heilung  oder 
Sicht,  zuzuschreiben. 

Und  wieviel  Syphilodophoben  werden  gezĂŒchtet?  Eine 
ElitÀrperson,  die  seit  etwa  20  Jahren  frei  von  Symptomen 
ist,  wird  zufÀllig  gewassermannt.  Positiv!  Salvarsanzwang, 
Rotz  allen  StrÀubens.  Salvarsantod  in  einigen  Tagen.  Die 
Flau  mit  ihren  gesunden  Kindern  verdankt  den  Verlust  ihres 
Bannes  dem  Wassermanndogma  und  ist  der  Verzweiflung 
iahe.  Und  wie  viele  solcher  und  Àhnlicher  FÀlle  erlebt  man 
1  der  Praxis.  Wie  viele  Selbstmorde  verschuldet  der 
\Vassermannismus.  d.  h.  die  Uebertreibung  der  Grenzen 
fieser  Reaktion. 

Ich  war  wohl  einer  der  ersten,  der  eine  rein  objektiv - 
■chliche  Kritik  in  Nr.  4  der  Deutschen  medizinischen 
Wochenschrift  1910  ausĂŒbte,  als  der  Wassermannismus  mit 
meinen  Uebertreibungen  À  la  Steinach,  Fried  mann, 
I  h  r  1  i  c  h  usw.  sich  der  Tages-  und  Fachpresse  bemÀchtigt 
liatte.  Es  war  damals  ein  Wagnis,  gegen  den  Strom  zu 
schwimmen.  Aber  auch  heute  ist  meine  damalige  Kritik 
per  den  Wassermannismus  —  wenn  auch  vielleicht  noch 
■was  zu  zaghaft  —  doch  im  allgemeinen  zu  recht  bestehend. 

Dr.  D  rey  er  (Köln)  sprach  damals  im  Reichsmedizinal  - 
»zeiger  von  einer  befreienden  Kritik  durch  diesen  meinen 
\ufsatz. 

Wenn  die  AnhÀnger  der  physikalisch  -  diÀtetischen 
1  lierapie")  behaupten,  ohne  Medikamente  der  Syphilis  Herr 
»erden  zu  können,  so  mag  dies  in  solchen  FÀllen,  die  leichter 
Natur  sind,  möglich  sein.  Der  Verfasser  bekam  z.  Zt.  Ge- 
legenheit in  Hamburg  u..  a.  1  Fall  zu  sehen.  Es  handelte  sich 
im  den  Sohn  eines  nicht  approbierten  Krankenbehandlers, 
ler  trotz  2  jÀhriger  Behandlung  mit  allen  Mitteln  der  Natur- 
pilkunde,  am  Körper,  auf  dem  Kopf,  im  Munde  und  im  Ge- 
richt so  viel  eiternde  und  papulöse  Erscheinungen  hatte,  daß 
'i  eine  öffentliche  Gefahr  darstellte.  Nach  einigen  Ein- 
spritzungen in  Verbindung  mit  physikalisch-diÀtetischen 
Vorschriften  waren  innerhalb  4  Wochen  alle  Stellen  abge- 
teilt. Ich  frage  jeden  einsichtigen  Menschen  und  Arzt,  ob  es 
ii  diesem  Falle  nicht  verkehrt  gewesen  wÀre,  von  einer  in 
^ringen  Dosen  ungefĂ€hrlichen  —  so  auch  in  diesem  Falle  — 
Methode  Gebrauch  zu  machen? 

Die  Frage  der  Maximaldosierung  ist  bei  jeder  Behand- 
lung die  Hauptsache.  Mit  zu  viel  oder  zu  wenig  Wasser  oder 
acht  kann  ein  Patient  getötet  werden.  Namentlich  bei  phar- 
nazeutisch-differenten  Mitteln  aber  ist  die  Maximaldosis- 
'estsetzung  unbedingt  nötig.  Die  Frage,  ob  man  Quecksilber 
»der  Arsen  oder  beides  geben  soll,  ist  daher  eine  Frage  der 
■M  aximaldosierun  g".10)  Es  ist  ein  Zeichen  der  groß- 

1  Prof.  Klei  n,  ein  physikal-diÀtel.  Arzt,  stellte  im  Berliner 
verein  fĂŒr  physikal-diĂ€tet.  Therapie  3  FĂ€lle  vor,  die  monatelang 
»'nie  Quecksilber  behandelt  worden  waren.  In  der  Diskussion 
sonnte  ich  bei  allen  3  noch  deutliche  syphilitische  Papeln  nach 
veisen.  M.  E  muß  eine  Syphilistherapie  —  Ausnahmen  bestĂ€tigen 
he  Regel  —  entweder  allein  oder  mit  physikal.  Methoden  zu- 
lammen  innerhalb  einer  gewissen  Zeit  die  sichtbaren  Symptome 
»eseitigen.  lieber  die  Dauerwirkung  wissen  wir  a  priori  bei 
;emer  Methode  etwas  Genaues,  wohl  a  posteriori. 

10 )  Prof.  Heffter  IMedic.  Klinik  1922,  Nr.  71  hÀlt  Maximal- 
losen zwar  fĂŒr  erforderlich,  nur  beim  30  %!  Arsen  enthaltenden 
»alyarsan  nicht!  Leider  nahm  die  „Medizin.  Klinik1'  meine 
Entgegnung  und  ihre  GrĂŒnde  nicht  auf,  so  da»  es  mir  nicht 
nogiich  war,  Prof.  Heffter  in  extenso  zu  widerlesen 
-in  bono'' 


kapitalistisclien  Verwirrung  und  YYriiTung  in  dei  Medizin, 
daß  seit  10  Jahren  bei  Millionen  von  Anwendungen  eine 
solche  beim  Salvarsan  noch  nicht  gegeben  ist,  da  sie  dann  so 
klein  sein  muß,  daß  Salvarsan  als  solches  erledigt  ist.  Hinc 
illae  lacrimae!  Fs  ist  daher  interessant,  einmal  zu  verfolgen, 
was  der  Staat  (d.  b.  Personen)  bisher  getan  hat,  um  das  Volk 
(6  TodesfÀlle  durch  einen  Arzt  in  einem  Jahre!  12u)  durch 
einen  anderen,  davon  8  in  5  Monaten!  13  TodesfÀlle  1918  in 
Ingolstadt!!  usw.)  vor  dem  kĂŒnstlichen  Arzneitod  zu  bewah- 
ren. Die  Antwort  lautet:  Seit  10  Jahren  strÀubt  er  sieh  mit 
HĂ€nden  und  FĂŒĂŸen  gegen  die  ErfĂŒllung  dieser  selbstver- 
stÀndlichen Forderung. 

Das  Kapitel  „Maximaldosis"  gewann  ein  gewisses  Inter- 
esse auf  der  sogenannten  „Salvarsankonferenz"  im  Ministe- 
rium des  Innern  am  1.  2.  1919,  zu  welcher  ich  als  einziger 
Salvarsangegner  geladen  war.  Ein  allgemeines  Staunen  er- 
regte die  Mitteilung  des  wohl  besten  Arsenkenners  in 
Deutschland,  des  Geh.  Med. -Rat  Prof.  Dr.  L.  L  e  w  i  n,  des 
Pharmakologen  der  Berliner  UniversitÀt,  als  er  hier  die 
Maximal  dosis  von  Salvarsan  sehr  gering 
angab  und  bemerkte,  daß  eine  Erhöhung  aus  pharmako- 
logisch-toxikologischen  GrĂŒnden  kaum  angĂ€ngig  wĂ€re.  Da 
aber  mir  als  einzigen  geladenen-  Salvarsangegner  bei  der 
Spezialerörterung  dieser  Frage  um  5^  Uhr  nachmittags,  von 
Ministerialdirektor  Kirchner  das  Wort  nicht  gestattet 
wurde,  so  sehe  ich  mich  veranlaßt,  meine  Meinung  ĂŒber 
dieses  so  wichtige  Kapitel  kurz12)  zu  erwÀhnen. 

Es  existiert  vom  Salvarsan  bisher  rioch  keine  Maximal  - 
dosis,  obschon  die  Regierung  schon  seit  dem  Jahre  1914  auf 
meine  Anregung  hin  in  den  Parlamenten  fast  jedes  Jahr 
interpelliert  wird,  wie  es  mit  der  Feststellung  derselben  be- 
stellt ist. 

Die  sogenannten  Richtlinien  des  Gesundheitsamts  sind 
eine  IrrefĂŒhrung  insofern,  als  sie  eine  Maximaldosis  vor- 
tÀuschen, die  von  Gottstein  gefordert,  von  Gruberu.  a. 
und  der  gesamten  Kommission,  zu  der  spezialÀrztlich  aus- 
gebildete Gegner  nicht  hinzugezogen  waren,  abgelehnt  wurde. 
Es  ist  m.  E.  verhĂ€ngnisvoll,  daß  die  letzteren  systematisch 
von  der  Mitarbeit  in  diesen  Fragen  seit  Jahren  ferngehalten 
wurden.  Der  Staat  muß  diesen  Fragen  gegenĂŒber  volle  Neu- 
tralitÀt walten  lassen. 

Entweder  ist  die  Regierung  nach  nunmehr  12  jÀhriger 
„PrĂŒfung"  imstande,  anstatt  die  Verantwortlichkeit  fĂŒr  die 
Dosierung  dem  behandelnden  Arzt  zu  ĂŒberlassen,  endlich 
eine  Maximaldosis  festzustellen,  oder  aber  sie  handelt  wie 
schon  bisher  gegen  die  Interessen  der  Bevölkerung,  wenn  sie 
weiterhin  jeden  beliebigen  Arzt,  ob  er  Erfahrung  hat  oder 
nicht,  mit  jeder  beliebigen  Dosis  Einspritzungen  machen  lĂ€ĂŸt. 
Der  Aufsatz  „Maximaldosen  nicht  offizieller  Arzneimittel" 
von  L.  Lewin  in  Nr.  37,  1916,  der  „Med.-Klinik"  gibt  die 
Salvarsanmaximaldosis  auf  0,03,  die  von  Neosalvarsan  und 
Salvarsannatrium  auf  0,04  g  an.  Auch  sonst  enthÀlt  dieser 
Aufsatz  wichtige  Fingerzeige. 

Das  Einhalten  der  Maximaldosis  ist  aber  nicht  bloß  beim 
Salvarsan,  sondern  auch  bei  anderen  differenten  Medikamen- 
ten erforderlich.  Ausnahmen  bestÀtigen  die  Regel.  Wenn 
z.  B.,  weil  autoritativ  von  Prof.  Neider  u.  a.  empfohlen, 
statt  der  Quecksilber-Maximaldosis,  die  0,02  g  betrÀgt,  tag- 
aus, tagein  nicht  aus  medizinischen,  sondern  aus  Bequem - 


u)  Der  Vergleich  mit  der  Chloroformnarkose  ist  unrichtig, 
denn  1.  wirkt  diese  absolut  sicher  schlafbringend;  2.  ist  sie  völlig 
unentbehrlich;  3.  hat  sie  bloß  1  :  3000  TodesfĂ€lle.  Salvarsan 
aber  heilt  nicht  sicher,  es  ist  entbehrlich  und  tötet  im  Ver- 
hÀltnis 1  :  500. 

12)  Zumal  die  „Medizinische  Klinik"  ebenso  wie  die  ĂŒbrige 
fĂŒhrende  Fachpresse  seit  8  Jahren  keinen  Salvarsanaufsatz,  so 
auch  meine  ausfĂŒhrliche  Abhandlung  ĂŒber  „Maximaldosen"  leider 
nicht  aufnehmen  wollte.  (Siehe  „Sexualrevolution"  S.  291).  So 
ist  auch  mein  Buch  ,Die  S  a  1  v  a  r  s  a  n  g  e  f  a  h  r"  (1914)  den 
Aerzten  nicht  bekannt,  da  sich  1914  alle  fĂŒhrenden  medizinischen 
FachblÀtter  weigerten,  selbst  eine  Annonce  zu  veröffentlichen 
und  die  Zensur  wĂ€hrend  des  Krieges  eine  Kritik  des  „aner- 
kannten Heilverfahrens"  mit  einem  Jahr  GefÀngnis  bedrohte. 
Das  Gericht  in  MĂŒnchen  hat  am  9.  3.  21  konstatiert,  daß  das  Ver- 
halten der  Fachpresse  vielleicht  zum  Sehaden  der  Entwdckelung 
der  Wissenschaft  war 


196 


Dreuw:  Syphilis 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


lichkeitsrĂŒcksichten,  damit  der  Patient  nicht  so  hĂ€ufig  zum 
Arzt  gehen  soll,  0,1  g  Mercinol  oder  Salizylquecksilber  ge- 
geben wird,  soll  man  sich  dann  wundern,  wenn  TodesfÀlle 
passieren?  Wer  ein  GlÀschen  Alkohol  auf  einmal  vertrÀgt, 
fÀllt  vielleicht  bei  5  auf  einmal  um.  Gegen  diese  zum  Gesetz 
durch  „AutoritĂ€ten"  wie  Lesser,  N  e  i  ß  e  r  u.  a.  erhobene 
schrankenlose  Verwilderung  in  der  Medizin  gilt  es  Protest  zu 
erheben.  Nur  ausnahmsweise,  nicht  als  Regel  soll  die  Dosis 
von  0,02  g  ĂŒberschritten  werden.  Wer  gibt  den  Aerzten  das 
Recht,  umgekehrt  zu  handeln? 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  ist  mein  prinzipieller 
Standpunkt  heute  zur  Salvarsan-  und  zur  Quecksilberfrage 
gegeben. 

Salvarsan  wende  ich  nicht  an  und  habe  ich  aus  GrĂŒn- 
den des  Gewissens  nicht  angewandt,  weil  die  Medizinalper- 
sonen, anstatt  selbst  die  Verantwortung  zu  tragen,  sie  mir 
(d.  h.  dem  Arzt)  zuschieben  wollen.  Die  Maximaldosis  gab 
nicht  der  Staat,  sondern  der  interessierte  Erfinder  an.  Kein 
Arzt,  sicherlich  aber  nicht  der  vielbeschÀftigte  praktische 
oder  Kassenarzt  kann  die  Verantwortung  tragen. 

Quecksilber  wende  ich  nur  in  Dosen  an,  die  unter  die 
Maximaldosis  bleiben.  Nur  in  AusnahmefĂ€llen  ĂŒberschreite 
ich  dieselbe  mit  einem  (!)  auf  dem  Rezept.  Ebenfalls  Jod. 
Da  Arsen,  wie  die  Geschichte  ergibt,  zweifellos  syphilitische 
Symptome  beseitigt,  Arsen  aber  ein  schweres  Gift  ist,  so 
gebe  ich  es  als  stÀrkendes  Mittel  in  Dosen,  die  unter  der 
staatlich  erlaubten  Maximaldosis  liegen,  namentlich  wenn 
Quecksilber  versagt.  Diese  Methodik,  die  ich  nunmehr  seit 
etwa  20  Jahren  anwende,  hat  nie  eine  SchÀdigung  und  in  fast 
80—90  %  Heilung  (gebracht.  Der  durch  Ehrl  ich 's 
falsche  und  journalistisch  inszenierte  Theorie  kĂŒnstlich  auf- 
gebaute intravenöse  Weltarsenizismus  (Salvarsanismus)  muß 
auf  das  Maß  zurĂŒckgefĂŒhrt  werden,  das  Hippokrates  schon 
angab  mit  den  Worten:  „Nil  nocere!"  Da  sich  immer  mehr 
herausstellt,  daß  Salvarsan,  Arsen  und  Quecksilber  nicht 
spirochÀtentötend,  sondern  nÀhrbodenverschlechternd  und 
auf  das  Allgemeinbefinden  roborierend  und  Leukozytose 
fördernd  wirken,  so  haben  die  menschenmordenden  hohen 
Dosen  keinen  Zweck.  Dazu  kommt  noch,  daß  die  Sporen 
der  SpirochÀten,  die  durch  Salvarsan  nicht  abgetötet  werden, 
Rezidive  machen.  Exstirpierte  salvarsangeheilte  Schanker 
enthielten  noch  lebende  SpirochÀten. 

Mit  diesen  paar  Worten  habe  ich  mein  therapeutisches 
Glaubensbekenntnis  abgelegt,  daß  auch  eine  Verbindungs- 
brĂŒcke zwischen  der  sogenannten  Naturheilkunde  und  der 
sogenannten  Schulmedizin  zu  schlagen  imstande  ist.  Denn 
mit  Wasser  können  wir  auch  Menschen  töten,  wenn  man  zu 
viel  gibt  oder  es  zu  kalt  oder  zu  warm  anwendet.  Die  The- 
rapie ist  letzten  Endes  nur  eine  Frage  der  Maximaldosierung, 
ob  beim  Wasser,  Luft  und  Licht  oder  Medikamenten,  nicht 
eine  Frage  der  einzelnen  Richtungen,  arzneilos  oder  mit 
Arzneien,  sie  muß  die  Mitte  halten  in  dieser  unvollkommenen 
Welt  zwischen  dem  „Primum  ut  profiteas"  (was  viele  Salvar- 
sanisten  in  „Primum  ut  tibi  profiteas"  verwandeln)  und  dem 
„Primum  ne  noceas".  Der  therapeutische  großkapitalistische 
Irrwahn  eines  Nichtklinikers  und  Laboratoriumsforschers 
muß  der  Logik  der  Tatsachen  weichen,  sonst  „Finis  mundi 
syphilitici",  sonst  „finis  autoritatis  medicinae." 

SelbstverstĂ€ndlich  soll  man  —  das  gilt  fĂŒr  die  extremen 
physikalisch-diĂ€tetischen  Therapeuten  wie  fĂŒr  die  extremen 
„Allopathen"  —  das  Gute  daher  nehmen,  woher  es  kommt, 
wenn  nur  die  Maximaldosierung  beobachtet  wird,  wobei  Aus- 
nahmen die  Regel  bestÀtigen. 

Die  einzelnen  Schulen  und  Dogmen  sollen  der  Kianken 
wegen,  nicht  die  Kranken  der  Schulen  und  Dogmen  wegen 
da  sein. 

Es  gibt  keine  absolut  ungefÀhrliche  Therapie.  Auch  die 
physikalisch-diÀtetische  ist  nicht  absolut  ungefÀhrlich.  Aber 
die  Anzahl  der  UnfĂ€lle  muß  zu  dem  garantierten  Nutzen,  der 
bei  allen  Mitteln  nur  was  das  Verschwinden  der  Symptome, 
nicht  aber,  was  die  Dauerheilung  anbetrifft,  in  die  Augen 
fÀllt,  in  einem  gewissen  VerhÀltnis  stehen.  Beim  Salvarsan 
ĂŒberwiegen  die  UnfĂ€lle  im  Vergleich  zum  effektiven  Erfolg, 


der  nach  S  c  h  o  1 1  z  hier  nicht  schneller  w  ie  bei  der  Queck- 
silberanwendung eintritt.  Wie  die  Literatur  ergibt,  sind  auch 
beim  Quecksilber  FÀlle  von  Vergiftungen  mit  tödlichem  Aus- 
gang zu  verzeichnen,  allerdings  in  verschwindender  Anzahl, 
aber  fast  immer  dann,  wenn  die  staatliche  Quecksilber- 
Maximaldosis  von  0,02  g  3 — 5  mal  und  noch  mehr  ĂŒber- 
schritten wurde  oder  die  Indikationen  nicht  berĂŒcksichtigt 
wurden.  (Oder  wenn  die  neuen  kaum  geprĂŒften  und  mit 
großer  Reklame  propagierten  Hg-PrĂ€parate  im  Vertrauen  auf 
die  autoritative  Empfehlung  angewandt  wurden.  So  passierte 
eben  wieder  ein  Novasuroltodesfall.)  In  solchen  FĂ€llen  sind 
durch  (z.  B.  bei  Nierenleiden  oder  Herzfehlern)  applizierte 
kalte  GĂŒsse  oder  durch  kalte  BĂ€der  oder  durch  zu  warme 
BĂ€der  auch  viele  Leute  schon  gestorben.  Daher  immer  wie- 
der und  wieder  die  Mahnung:  Richtige  Dosierung! 
Richtige  Indikationsstellun  g!13)  „U  n  t  e  r  d  o  - 
s  i  e  r  u  n  g"  nicht  „Ueberdosie  r  u  n  g"  muß  die  Parole 
sein. 

Der  schlimmste  Vorwurf,  der  dem  Quecksilber  gemacht 
wurde,  war  der,  daß  es  hier  und  da  NierenentzĂŒndungen 
mache.  In  der  Tat,  wenn  man  in  unverantwortlicher  Weise 
die  Dosierung  ĂŒberschreitet!  Ich  habe  bei  meiner  kleinen 
Dosierung  und  bei  der  Auswahl  einer  entsprechenden  Tech- 
nik in  20  jĂ€hriger  Praxis  dies  kaum  erlebt,  habe  ĂŒberhaupt 
nie  SchÀdigungen  ernster  Natur  bei  vorsichtiger  Unterdosie- 
rung gesehen. 

Ich  bemerke  ferner,  daß  die  von  mir  seit  20  Jahren 
angewandte  Methodik,  von  geringen  Ausnahmen  abge- 
sehen, nie  eine  SchÀdigung,  nie  eine  LÀhmung,  nie  eine  Er- 
blindung, nie  eine  Ertaubung  oder  sonst  einen  nennenswerten 
Unfall  hervorgerufen  hat,  daß  sie,  von  ganz  wenigen  FĂ€llen 
abgesehen,  fast  schmerzlos  sich  gestaltet,  was  allein  daraus 
hervorgeht,  d  ß  zahlreiche  Damen  wegen  der  Schmerzlosig- 
keit  ambulant  von  mir  behandelt  wurden.  In  fast  allen 
FĂ€llen  sah  ich  ein  promptes  und  ebenso  schnelles  Schwinden 
der  syphilitischen  Symptome,  wie  man  es  beim  Salvarsan  be- 
obachten kann. 

SelbstverstĂ€ndlich  fĂŒhren  verschiedene  Wege  nach  Rom. 
Aber  diese  mĂŒssen  ungefĂ€hrlich  sein. 

Ich  erinnere  mich  eines  Falles  aus  meiner  konsultativen 
Praxis.  Ein  Fabrikant  war  viele  Monate  nach  verschiedenen 
Salvarsanbehandlungen  talsÀchlich  zum  Skelett  abgemagert. 
Das  mÀnnliche  Glied  und  der  Hodensack  waren  in  ihrem 
ganzen  Umfange  bis  in  die  Tiefe  des  Unterhautzellgewebes 
völlig  gangrĂ€nös  und  von  der  Haut  entblĂ¶ĂŸt.  Eine  offene 
geschwĂŒrige  und  mit  eitrigem  Belag  bedeckte  FlĂ€che  bot  sich 
dem  Auge  dar.  Der  Patient  hatte  sich  an  einen  bekannten 
Arzt  fĂŒr  physikalisch-diĂ€tetische  Therapie  (Wasserheilver- 
fahren) gewandt,  der  mich  als  Konsiliarius  hinzuzog.  Jeden 
Tag  glaubte  man,  der  Patient  wĂŒrde  vor  Erschöpfung  ster- 
ben. Unter  reizloser,  lokaler  Behandlung  und  gleichzeitiger, 
ganz  vorsichtiger,  in  Unterdosierungen  gegebener  Jod-  und 
kleinster  Quecksilberzufuhr  ĂŒberhĂ€utete  sich  der  Hautdefekt, 
der  Patient  genas  vollkommen  und  wurde  sogar  wieder 
kohabitationsfĂ€hig,  ein  Erfolg,  den  auch  der  Kollege  fĂŒr  phy- 
sikalisch-diÀtetische  Therapie  voll   und  ganz  anerkannte. 


13)  Anstatt,  daß  der  Reichsgesundheitsrat  Salvarsan  wie 
Optochin  beim  MilitĂ€r  einfach  verbietet,  gibt  er  „Richtlinien" 
an.  Wenn  man  bei  allen  den  in  den  „Richtlinien"  des  Ge- 
sundheitsrats angegebenen  FĂ€llen,  in  denen  Salvarsan  kontrain- 
diziert ist,  es  wirklich  nicht  gibt,  dann  bleibt  beinahe  kaum  ein 
Mensch  ĂŒbrig,  der  keine  Kontraindikation  hat.  Und  schließlich 
wird  wegen  der  technischen  Forderungen  praktisch  der  prak- 
tische Arzt  ausgeschaltet.  Und  gerade  dieser  ist  fĂŒr  die  Syphi- 
lisbekÀmpfung so  nötig.  Und  trotz  der  technischen  Ausbildung: 
12  TodesfÀlle  bei  dem  bekanntesten  Techniker,  von  denen  aller- 
dings 4  FĂ€lle  ihm  zugewiesen  wurden,  ein  Zeichen,  wie  viele 
Menschen  außerhalb  der  Sprechstunde  sterben,  da  der  Salvar- 
sanikterus  noch  nach  Monaten  eintritt.  M.  E.  ist  auch  die  im 
Frankfurter  Salvarsanprozeß  erwĂ€hnte  Lucie  Pöllmann  an  SaH 
varsanikterus  gestorben,  der  damals  von  Prof.  B.  Fischer  (Frank- 
furt) eidlich  geleugnet  wurde.  Summum  jus,  summa  injuria!  Und 
v.  Zumbusch  gab  als  SachverstÀndiger  am  9.  3.  21  an,  der  m.  E. 
durch  Salvarsan  hervorgerufene  Ikterus  sei  durch  die  Svphilis 
bedingt.  (S.  Nr.  34,  1921  der  Berk  klin.  Wochenschr.)  "Heute 
steht  jedenfalls  das  Gegenteil  [Arndt,  Ingolstadt  usw.l  fest. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Dreuw:  Syphilis 


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Wenn  in  diesem  Falle  mit  Hilfe  kleiner  Quecksilberdosen 
dein  außerordentlich  leidenden  Patienten  nicht  bloß  das  Le- 
ben, sondern  auch  die  Lebensfreude  wiedergegeben  wurde, 
wenn  er  ein  gesunder  Mensch  geworden  ist,  so  mĂŒssen  auch 
die  Gegner  der  Quecksilberbehandlung  m.  E.  anerkennen, 
daß  es  ein  groller  Felder  gewesen  wĂ€re,  bei  dieser  schweren 
lokalen  Syphilis  nicht  die  Mittel  anzuwenden,  die  diesen  Er- 
folg gezeitigt  haben. 

Noch  ein  Wort  ĂŒIxm-  die  sogenannte  Wassermannsche 
Plutuntersuchung,  auf  die  seit  10  Jahren  auch  in  bezug  auf 
die  Heilung  soviel  Gewicht  gelegt  wird,  daß  z.  B.  ein  bekann- 
ter Berliner  Spezialarzt  hÀufig  alle  11  Tage  das  Blut  einem 
Untersuchungsinstitut  ĂŒberweist.  Mir  ist  es  völlig  unklar, 
was  man  hiermit  beweisen  will,  da  doch  Wassermann  selbst 
mir  gegenĂŒber  im  Ministerium  zugeben  mußte,  daß  man  mit 
Hilfe  seiner  Reaktion  nicht  einen  Anhaltspunkt  hat,  um  fest- 
zustellen, ob  eine  Syphilis  geheilt  sei.  Jedenfalls  gilt  mehr 
als  die  unspezifische,  fĂŒr  die  Attestierung  der  Heilung  völlig 
versagende  Wassermannsche  Reaktion14)  das,  was  ein  Mann 
Ion  der  grĂ¶ĂŸten  Erfahrung  verschiedene  Menschenalter  hin- 
durch selbst  und  auf  Grund  der  Kenntnisse  der  Geschichte 
der  Syphilisheilung  (vier  Jahrhunderte!)  ausdrĂŒcklich 
konstatieren  konnte,  nÀmlich  der  bereits  erwÀhnte  Dr.  En- 
gel-Reimers (Hamburg),  der  folgendes  schrieb: 

„Die  Heilbarkeit  der  Syphilis  (mittels  des  Quecksilbers) 
ist  eine  mathematisch  sichere  Tatsache  und  man  kann  sagen, 
daß  die  Heilung  in  etwa  80,  vielleicht  selbst  in  90  Prozent 
aller  FĂ€lle  in  einem  Jahre  nach  der  Infektion  erfolgt.  Sie 
heilt  oft  genug  spontan  oder  bei  rein  symptomatischer  Be- 
handlung. Ein  milder  Verlauf  im  Anfange  gibt  aber  abso- 
lut keine  prognostische  GewĂ€hr  fĂŒr  die  Zukunft,  und  darum 
ist,  weil  diese  Zukunft,  wie  wir  jetzt  wissen,  eine  Unsumme 
von  Gefahren  aller  Art  bringen  kann,  in  allen  FĂ€llen,  auch 
den  mildesten,  eine  spezifische  Behandlung  geradezu 
Pflicht." 

Daß  aber  Quecksilber15)  ebenso  schnell  die  Symptome  be- 
seitigt wie  Salvarsan,  beweist  Prof.  S  c  h  o  1 1  z,  einer  der  be- 
kanntesten SalvarsananhÀnger,  der  am  26.  Jan.  1920  im  Ver- 
ein fĂŒr  wissenschaftliche  Heilkunde  in  Königsberg  wörtlich 
folgendes  sagte: 

„Der  Indikationen  zur  Anwendung  der  Salvarsanthcra- 
pie  werden  vielfach  viel  zu  weitgehend  gestellt.  Zur  rein 
symptomatischen  Behandlung  der  Syphilis  werden  wir  das 
Salvarsan  kaum  nötig  haben,  da  auch  Quecksilber  die  Er- 
scheinungen aller  Stadien,  vielleicht  mit  Ausnahmen  der  be- 
ginnenden Aortitis  (Wie  lange  noch?)  fast  ebenso  prompt 
beseitigt.  ...  Die  Erfahrungen  mit  Silbersalvarsan  sind  im 
ganzen  nicht  besonders  gĂŒnstig.  Eine  erheblich  stĂ€rkere  bak- 
terizide Wirkung  des  Silbersalvarsans  gegenĂŒber  dem  Alt- 
salvarsan  konnte  beim  Menschen  nicht  festgestellt  werden, 
und  die  WaR  wurde  nicht  annĂ€hernd  so  stark  beeinflußt, 
wie  durch  eine  krĂ€ftige  SalvarsanquecksilberkĂŒr.  Neuro- 
rezidive  (LÀhmungen)  und  Enzephalitis  (Hirnödem  durch 
Salvarsan)  und  schwere  Dermatitiden  kamen  vor,  so  daß  wir 
bis  jetzt  (!!!)  im  Silbersalvarsan  keinen  erheblichen  Fort- 
schritt gegenĂŒber  Altsalvarsan  sehen  können."  (Beil.  Klin. 
Wochenschrift  1920,  Nr.  28.) 


n)  Die  Wassermannsche  Reaktion  besieht  bekanntlich  darin, 
8aß  bei  einer  Mischung  von  ,r>  Reagentien  (1.  Syphilil.  Leberexlrakl, 
-  inaktiviertem  Syphilitikerserum,  3.  Komplement,  d.  h.  frisches 
Serum,  4.  inaktiviertem  hÀmolytischem  Ambozeptor  und  5.  roten 
Hammelblutkörperchen),  die  letzteren  dann  u  n  au f  gel  ö  s  t 
bleiben,  wenn  das  Serum  Nr.  2  syphilitisch  ist.  sich  aber  lösen, 
d.  h.  lackfarben  werden,  wenn  es  nicht  syphilitisch  oder  Malaria- 
Frambösie  -  Scharlach  -  Typhus  -  Lyssa  -  Pneumonie  -  Tuberkulose- 
Karzinom-Serum  ist.  Die  Talsache  der  Lösung  oder  Nicht- 
lösnng  ist  durch  Zufall  und  unter  unrichtigen  Voraussetzungen 
von  Wassermann  gefunden  worden,  was  sein  Verdienst  nichl 
schmÀlert,  sie  entdeckt  zu  haben,  wenn  nur  die  Beurteilung  im 
Rahmen  des  ZulÀssigen  geblieben  wÀre. 

15)  In  der  Salvarsandebattc  der  Berliner  medizinischen  Gesell- 
schaft am  'iÀ.  Januar  1922  erklÀrte  der  Nachfolger  Ehrlichs, 
Kolle,  er  arbeile  momentan  an  einem  verbesserten  Quecksilber  - 
PrĂ€parat.  12  Jahre  nach  der  „Therapia  magnaslerilisans"!  Ein 
Zeichen  der  Zeil!  (Siehe  „Sexualrevolulion",  S.  3.r>(>).  O  (in  w 
mutatio  rerum!  In  2—3  Jahren  lauf!  das  Salvarsanpatent  ab. 


Wie  aber  beweist  Prof.  Scho  1 1 z  seine  Dauerbeilung  des 
Salvarsans  in  ca.  100  %,  da  es  kein  Kriterium  fĂŒr  diesen 
Beweis  gibt,  wie  mir  Wassermann  selbst  zugeben  mußte  in 
der  Salvarsan-Konferenz  des  Ministeriums?  Wie  aber  soll 
die  grĂ¶ĂŸere  Schnelligkeit  exakt  festgestellt  werden?  Ange- 
nommen, 3  Patienten  stecken  sich  bei  demselben  Weihe  an. 
Sie  werden  alle  gleichmĂ€ĂŸig  mit  derselben  Metbode  beban- 
delt. Bei  dem  einen  schwindet  der  PrimÀraffekt  in  8  Tagen, 
heim  anderen  in  14  Tagen,  beim  dritten  in  3  Wochen.  '  Dies 
hĂ€ngt  eben  von  individuellen,  nicht  bloß  von  therapeutischen 
VerhĂ€ltnissen  ab.  Die  Entscheidung,  „schnell"  oder 
„1  a  n  g  s  a  m",  ist  daher  r  e  i  n  s  u  b  j  e  k  t  i  v.1*)  Ich  sehe  bei 
reiner  Quecksilberbehandlung  das  Schwinden  der  Symptome 
ebenso  schnell  vor  sich  gehen  —  Ausnahmen  bestĂ€tigen  die 
Regel  —  wie  beim  Salvarsan  angegeben.  Hier  war  ange- 
sichts der  Geschichte  des  Salvarsanismus  wohl  der  Wunsch 
der  Vater  des  Gedankens.  Und  mit  dieser  unbewiesenen, 
weil  unbeweisbaren  Massensuggestion  wurde  das  Salvarsan 
in  der  Tagespresse  populÀr,  da  die  ersten  Autoren 
(W  e  c  h  s  e  1  m  a  n  n,  v.  Z  e  i  ß  1  u.  a.)  verbreiteten,  die  Symp- 
tome schwÀnden  wie  Butter  in  der  Sonne  und  in  100  Prozent 
schlĂŒge  der  positive  Wassermann  um. 

Fasse  ich  zusammen,  so  hat  das  Salvai  sanexperiment 
zur  „Heilung"  der  Syphilis  den  Patienten,  die  an  frischer 
Syphilis  erkrankt  waren,  keinen  Nutzen  gebracht.  Die  Re- 
gierungen aller  LĂ€nder  mĂŒssen,  ob  sie  wollen  oder  nicht,  ein 
Verbot  des  die  Nerven  des  Volkes  ruinierenden  (Nonne, 
Gennerich,  Kyrie)  Produktes  bewirken,  da  es  noch 
nebenbei  die  Menschen  siech,  gehirn-  und  leberkrank,  blind 
lahm,  blöd,  schwarz  (Melanose)  und  tot  macht.  An  Stelle 
der  von  Ehrlich  ausgefĂŒhrten  Uebermaximaldosierung 
muß  die  hĂ€ufiger  anzuwendende  und  gefahrlose  Unter- 
maximaldosierung treten,  wobei  es  der  Arzt  in  der  Hand  hat, 
je  nach  der  Lage  des  Falles  auf  eigene  Verantwortung  höhere 
Dosen  anzuwenden.  Aber  die  Regel  muß  sein:  Unter  der 
Maximaldosierung  bleiben!  Bei  der  Syphilis,  einer  chroni- 
schen Erkrankung,  muß  mindestens  2 — 3  Jahre  lang  behan- 
delt werden.  Dies  muß  gesetzlich  festgesetzt  werden,  da 
zahllose  BlÀtter,  Aerzte  und  Krankenbehandler  den 
Patienten  mitgeteilt  haben,  nach  einer  einzigen  Kur  sich  mit 
99  Prozent  Sicherheit  als  geheilt  anzusehen.  Die  Syphilis  ist 
als  Volksseuche  nicht  Sache  der  Aerzte  allein,  sondern  Sache 
des  Volkes  und  des  Gemeinwohls.  Die  seit  Jahrhunderten 
erprobten  Methoden  dĂŒrfen  bei  so  wichtigen  Volksseuchen 
nicht  durch  sexualkapitalistische  neue  im  Handumdrehen  auf 
Grund  autoritativer  (Neißer,  Wechselmann,  Ehr- 
lich, Blaschko,  Salomon,  Herxheimer,  Baer, 
M  arkus  usw.  usw.)  Empfehlungen  und  einer  großen  Re- 
klame verdrÀngt  werden.  Die  neue  Methodik  (Salvarsan, 
Neosalvarsan,  Silbersalvarsan,  Neosilbersalvarsan,  Sulfoxy- 
lat,  Salvarsannatrium,  Salvarsan  Nr.  1882,  diese  verschiede- 
nen PrÀparate  allein  oder  kombiniert  angewandt,  vor  oder 
nach  der  seit  Jahren  erprobten  Therapie  in  hohen  oder 
kleinen  Dosen  intravenös,  subkutan,  intramuskulÀr,  in  Ver- 
bindung mit  etwa  20  verschiedenen  QuecksilberprÀparaten, 
sogar  in  der  „Mischspritze"  (L  i  ns  e  r),  mit  und  ohne  WaR- 
Beurteilung  usw.  usw.)  hat  namentlich  bei  immer  neuen 
SalvarsÀnprÀparaten  in  die  bisher  klare  Methodik  der  Sy- 
philisbehandlung (da  kein  Arzt  mehr  weiß,  wie  er  behan- 
deln soll,  und  jede  AutoritÀt  ihre  allein  seligmachende  Kom- 
hination  und  Technik  hat,  bei  der  etwa  500  verschiedene 
Kombinationsmethoden  in  Frage  kommen)  eine  v  e  r  w  i  1  - 

,B)  Noch  subjektiver  ist  die  Auffassung  „gut"  oder  „schlecht". 
Da  kein  Mensch  weiß,  was  „gute"  oder  „schlechte"  kombinierte 
Salvarsan-Bchandlung  ist,  so  ist  es  auch  unrichtig,  darauf  hin- 
zuweisen, wie  die  angegriffenen  Salvarsanisten  dies  tun;  wenn 
man  „gut"  mit  Salvarsan  (d.  h.  reichlich)  behandele,  dann  er- 
gĂ€ben sich  bessere  Resultate.  Ich  habe  die  Auffassung,  daß 
jeder  Salvarsanist  die  „beste"  Methode  vor  dem  anderen  Salvar- 
sanisten hat.  Wenn  aber  z.  B.  Gen  n  er  ich  und  Meirowsky 
behaupten,  wenn  Gen  n  er  ich  „gut"  behandelt  hĂ€tte,  dann  hĂ€tte 
er  bessere  Resultate  erzielt:  ja,  wer  hinderte  ihn  denn  daran, 
„gut"  zu  behandeln  bei  etwa  !S00  verschiedenen  Kombinations- 
möglichkeiten? „Wer  vieles  bringt,  wird  jedem  etwas  bringen." 
Aber  auch:  „Man  sieht  vor  lauter  BĂ€umen  den  Wald  nicht". 


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Tscherning:  Hypnose 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


d  c  r  n  de  Vo  r  w  i  r  r  u  ri  g  gebracht,  von  der  der  praktische 
Arzt  mit  seinen  allgemein  geschÀtzten  ethischen 
Erfahrungen  sich  mit  Schaudern  fernhÀlt,  da  er  als 
ethisch-Ă€rztlich  fĂŒhlender,  nicht  ĂŒber  Leichen  gehender 
>Icnsch  sein  Gewissen  rein  halten  will. 

Als  Semmel  w  e  i  ß,  der  gegen  die  wissenschaftlich 
sanktionierte  Tötung  von  Menschen  und  die  gemeingefÀhr- 
lichen Bestrebungen  in  der  Geburtshilfe  seine  Stimme  im 
.fahre  1850  erhol)  und  schließlich  die  Sterblichkeit  durch 
Puerperalfieber  von  12,24  Prozent  auf  1,27  Prozent  herab- 
drĂŒckte, den  Kampf  gegen  Hofrat  Scanzoni  fĂŒhrte,  der 
durch  die  Auffassungen  von  Semmelweiß  schwer  kom- 
promittiert wÀnde,  Àhnlich  wie  die  SalvarsananhÀnger  durch 
den  Salvarsankampf,  da  schwieg  man  ihn  tot  und  beleidigte 
ihn.  Hatte  er  doch  den  Mut  gehabt,  seinem  grĂ¶ĂŸten  Gegner, 
dem  Prof.  der  GynĂ€kologie  Scanzoni  die  ewig  denkwĂŒr- 
digen Worte  zu  schreiben:  „Was  Sie,  Herr  Hofrat,  als  prak- 
tischer Arzt  an  der  Menschheit  gefrevelt,  das  schweigt  in  der 
Stille  des  Grabes.  Das  Morden  muß  aufhören,  und  damit  das 
Morden  aufhöre,  werde  ich  Wache  halten.  FĂŒr  mich  gibt  es 
kein  anderes  Mittel,  dem  Morden  Einhalt  zu  tun,  als  die 
schonungslose  Entlarvung  meiner  Gegner,  und  niemand,  der 
das  Herz  auf  dem  rechten  Fleck  hat,  wird  mich  tadeln,  wenn 
ich  dieses  Mittel  ergreife."  (Vergl.  SchĂŒrer  v.  Waldheim, 
Ignatz  Philipp  Semmelweiß,  S.  172,  173.) 

Auch  der  Kampf  der  Salvarsangegner,  der  ein  Welt- 
anschauungskampf ist;  richtet  sich  gegen  die  „wissenschaft- 
lich" sanktionierte  Tötung  von  Menschen.  „Niemand,  der  das 
Herz  auf  dem  rechten  Fleck  hat,  wird  uns  Salvarsangegner 
tadeln."  Die  Wahrheit  ist  auf  dem  Marsche,  niemand  wird 
sie  auf  die  Dauer  aufhalten  können. 

Salus,  non  mors  aegroti  suprema  lex  medici  esto! 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  Augusta-Hospitals.  Berlin. 
(Chefarzt  Professor  Dr.  Schlayer.) 

Heilung  eines  schweren  lebensbedrohenden 
Inanitionszustandes  durch  Hypnose.*) 

Von  Dr.  Tscherning,  Assistenzarzt. 

Je  mehr  sich  die  Hypnose  in  weiteren  Kreisen  der 
Aerztewelt,  entgegen  der  bisher  von  dieser  Seite  aus  beob- 
achteten ZurĂŒckhaltung  durchzusetzen  vermag,  desto  mehr 
tritt  mit  den  wachsenden  Erfolgen  auch  die  alte  Forderung 
in  den  Hintergund,  nur  psychogene  Krankheitsbilder  hypno- 
therapeutisch  in  Angriff  zu  nehmen.  Sehen  wrir  doch  tag- 
tĂ€glich, in  wie  weitgehendem  Maße  sich  gerade  auch  die 
organisch  bedingten  Beschwerden  vieler  innerlich  Kranker 
flurch  eine  richtig  dosierte  Hypnosetherapie  erfolgreich  be- 
einflussen lassen. 

Der  nachstehende  Fall  aus  dem  internistisch-psycho- 
pathologischen  Grenzgebiet  möge  zur  Illustration  dienen,  daß 
wir  selbst  in  ZustÀnden  akuter  Lebensgefahr  keine  Kontra- 
indikation erblicken,  ja  daß  sich  sogar  in  unserem  Falle  die 
Existenz  des  Individuums  nur  auf  diese  Weise  erhalten  ließ. 

Der  46jÀhrige  Offizier  K.B.  war  vor  dem  Kriege  immer  ge- 
sund, krÀftig  und  allen  Anforderungen  des  Dienstes  gewachsen. 
Aus  dem  Felde  brachte  er  ein  Magenleiden  zurĂŒck,  das  in  einem 
anderen  hiesigen  Krankenhause  wegen  der  bestehenden  Super- 
aziditÀt  und  der  Druckempfindlichkeit  unter  dem  Processus  xiphoi- 
deus  als  Ulcus  ventriculi  diagnostiziert  und  weswegen  ihm  im 
vergangenen  Jahre  eine  Operation  nahegelegl  wurde,  der  sich 
Patient  aber  nichl  unterzog.  Der  frĂŒher  volle  und  Lebensfrohe 
.Mann  nahm  seit  seiner  plötzlichen  Entlassung  im  Mai  1919  stÀndig 
ab,  fĂŒhlte  sich  mĂŒde,  nervös  und  abgespannt  und  verlor  mit  der 
RegelmĂ€ĂŸigkeit  des  Schlafes  immer  mehr  den  Appetit,  vertrug 
keine  gewĂŒrzten  und  voluminösen  Speisen  mehr  und  zeigte 
allerlei  hypochondrische  Ansichten  und  Beschwerden.  In  engem 
Zusammenhang  mit  diesen  steht  ein  Prozeß,  den  er  seit  der  Ent- 
lassung mit  der  MilitĂ€rbehörde  ĂŒber  seine  PensionsgebĂŒhren 
fĂŒhrt,  und  der  heute  noch  schwebt. 

;;  Aus  einem  am  :'>1  Januar  1922  gehaltenen  Demonstrations- 
Vortrag. 


Im  Verlaufe  dieser  Streitigkeit  mußte  sich  Patient  zur  Begut- 
achtung seiner  nervösen  Klagen  einer  psychiatrischen  Beobach- 
tung unterziehen  und  zwar  den  modernen  Bestimmungen (  ent- 
sprechend als  Patient  dritter  Klasse,  merkwĂŒrdigerweise  auf 
einer  geschlossenen  Abteilung.  Unter  dieser  1 1  tÀgigen  Beob- 
achtung litt  er  unsĂ€glich,  er  fĂŒhrte  mehrfach  sehr  energisch 
Klage  gegen  die  ihm  zugemutete  Freiheitsberaubung,  wie  er  ei 
nannte,  und  verlor  unter  ..dem  Zusammenleben  mit  Geistes- 
kranken und  Verbrechern"  allen  Appetit.  Dazu  gesellte  sich  im 
Anschluß  an  eine  Lumbalpunktion  ein  von  Tag  zu  Tag  stĂ€rker 
werdendes  Erbrechen  nach  den  Mahlzeiten,  so  daß  Patient,  um 
wenigstens  einen  einigermaßen  ertrĂ€glichen  Zustand  zu  haben, 
sich  nur  noch  flĂŒssig  ernĂ€hrte.  10  Tage  nach  seiner  Entlassung 
aus  der  Beobachtung  Patient  war  inzwischen  nach  Berlin 
ĂŒbergesiedelt  —  wurde  aber  das  Erbrechen  nach  jedem  Schluck- 
akt derart  heftig,  daß  er  auf  jegliche  Nahrungsaufnahme  ver- 
zichten mußte.  Zwei  Tage  spĂ€ter  wurde  er  auf  unserer  Privat! 
abteihing  aufgenommen. 

Bei  der  Aufnahme  bot  er  das  Bild  einer  schwersten  Macies. 
Er  roch  dermaßen  nach  Aceton,  daß  sich  dieser  typische  Geruch 
selbst  auf  dem  Korridor  verbreitete.  Eine  Unterhaltung  mit  dem 
schwer  kachetischen  Manne  war  wegen  der  völlig  ausgetrock- 
neten, mit  Rhagaden  durchzogenen  und  mit  braunschwarzen 
Borken  belegten  Mundschleimhaut  Ă€ußerst  erschwert.  Der  ganze 
Körper  war  derart  wasserarm,  daß  eine  aufgehobene  Falte  der 
dĂŒnnen  Bauchhaut  noch  nach  Minuten  zu  sehen  war.  Der  Atem 
ging  rasch  und  oberflÀchlich,  das  Herz  schnell  mit  anÀmischem 
I'auken,  der  Radialispuls  war  eben  fĂŒhlbar  Auf  beiden  Lungen 
bestand  eine  trockene  Bronchitis  mit  quÀlendem  Husten,  der 
jedesmal  neue  SpeikrÀmpfe  auslöste. 

Trotz  reichlichster  Darreichung  von  Atropin  und  Belladonna 
und  dauernder  RektalernÀhrung  verschlimmerte  sich  der  Zustand 
rapide.    Trotz  mehrfacher  eingehender  Untersuchungen  war  ein-, 
der  Schwere  des  Bildes  entsprechender  innerlicher  Befund  nichl 
zu  erheben.    Als  am  dritten  Tage  des  Aufenthaltes    im  Kranken] 
hause  noch  kein  Erfolg  interner  Medikation  zu  konstatieren  war 
und  Patient  zusehends  zerfiel,  beauftragte  mich  Herr  Professor 
Schlayer,  den  Patienten  mit  Hypnose  anzugehen,  nachdem  eine 
kurze  Röntgendurchleuchtung  weder  am  Pylorus  noch  an  derj 
Kardia  stÀrkere  spastische  Erscheinungen  hatte  erkennen  lassen, j 
dagegen  einen  kleinen  lebhaft  hyperperistaltischen  Urlagen,  der 
nach  etwa  5  Minuten  seinen  ganzen  Inhalt  ruminierte.  solange 
aber  gut  ins  Duodenum  entleerte. 

Wider  alles  Erwarten  sprach  dieser  trotz  der  den  ganzen 
Tag  gezeigten  subsomnolenten  Indifferenz  sehr  gut  an.  Nach 
einer  einstĂŒndigen  Sitzung  konnte  er  teelöffelweise  Eiskaffee  zu 
sich  nehmen,  ohne  daß  sich  Erbrechen  eingestellt  hĂ€tte,  das  am 
nÀchsten  Tage  nur  noch  nach  stÀrkeren  Hustenattacken  auftrat. 
Nach  der  2.  Hypnose  nahm  er  kĂŒhle  FlĂŒssigkeiten,  nach  der 
3  Breie,  nach  der  7.  endlich  volle  erste  Form  zu  sich.  Unter  den 
weiteren  Sitzungen  versuchte  ich  dem  Patienten,  wie  ĂŒblich,  das 
völlig  geschwundene  Lebensvertrauen  wiederherzustellen,  was 
auch  in  der  Weise  gelungen  ist.  daß  Patient  heute  auf  dem  Gut 
seiner  Eltern  sich  wohlbefindet,  und  demnÀchst  wieder  seinen 
Zivilberuf  mit  frischen  KrĂ€ften  antreten  wird.  Er  hat  tĂŒchtig 
zugenommen  und  ist  auch  frei  von  seinen  SuperaziditÀtsU- 
schwerden. 

Fassen  wir  das  Gesamtbild  ins  Auge,  so  sehen  wir,  wie 
ein  von  Hause  aus  wohl  etwas  weicher  auch  vielleicht  etwas 
zu  ĂŒbermĂ€ĂŸiger  Selbstbeobachtung  neigender,  geistig  und 
körperlich  aber  vollkommen  auf  der  Höhe  der  an  ihn  ge- 
stellten Anforderungen  stehender  Soldat  unter  den  Einwir- 
kungen des  Krieges  an  innerer  Spannkraft  verlor,  eine  im 
Felde  erworbene  Magen indisposition  mehr  und  mehr  ins 
Zentrum  seines  Gesichtsfeldes  stellte,  und  um  diese  herum 
allmÀhlich  eine  mit  SuperaziditÀt  einhergehende  Magenneu - 
rose  bildete.  Unter  den  Schwierigkeiten  des  Pensionskampfes, 
vor  allem  aber  unter  der  kumulativ  wirkenden  Bcobach- 
lungszeit  in  der  geschlossenen  Anstalt  mit  dem  letzten 
Trauma  der  Lumbalpunktion  aber  verdichtete  sich  die  ur- 
sprĂŒnglich harmlose  Magenneurose  zu  einem  Zustand 
schwerster  Organinsuffizienz,  durch  die  der  ganze  Körper 
derart  in  Mitleidenschaft  gezogen  wurde,  daß  das  Leben  des 
Patienten  nur  noch  an  einem  Faden  hing. 

Hier  setzte  nun.  nach  Versagen  der  inneren  Medikationen 
die  Hvpnotherapie  ein  und  fĂŒhrte  zu  vollem  Erfolge,  vor 
allem  auch  hinsichtlich  der  organischen  Beschwerden. 

Wir  haben  auf  Grund  dieser  Erfahrungen  unsere  In- 
dikationsstellung fĂŒr   Hypnosen    wesentlich    erweitert  und 


10.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Stintzing:  Eiweißkörper 


gehen  auch  in  den  FĂ€llen,  WO  ĂŒberhaupt  keine  psychogene 
Komponente  vorhanden  ist,  wie  bei  Schlaflosigkeit  infolge 
schmerzhafter  Erkrankungen  mit  dieser  Hilfstherapie  vor, 
natĂŒrlich  neben  den  jeweiligen  internen  Applikationen. 
Seihst  zur  Erleichterung  der  oft  so  qualvollen  Todesstunden 
haben  wir  dieselbe  mit  dem  Erfolge  angewandt,  daß  aus  dem 
wilden  Toben  des  Patienten  ein  friedliches  Einschlummern 
wurde,  Wichtig  ist  bei  allen  diesen  innerlich  Kranken  aber, 
daß  man  ihnen  nicht  als  der  befehlende  Suggestor  erscheint, 
sondern  unter  enger  Anlehnung  an  die  Psyche  des  Patienten 
sich  geradezu  einschleicht  in  den  feinen  Mechanismus  einer 
sich  gegen  jede  „Beeinflussung"  energisch  strĂ€ubenden,  wohl 
körperlich  kranken,  geistig  aber  nicht  weiter  affizierten  Per- 
sönlichkeit. 


Ueber  parenterale  Behandlung  mit 
unspezifischen  Eiweißkörpern.*) 


Von  R.  Stintzing. 

Sieht  man  ab  von  der  seit  Jahrhunderten  geĂŒbten  Bluttrans- 
fusion, so  hat  man  schon  seit  Beginn  der  bakteriologisch-sero- 
logischen Forschung  mit  den  zur  aktiven  und  passiven  Immuni- 
sierung dienenden  Stoffen  (Vakzinen  und  Sera)  Proteinkörper 
parenteral  in  Anwendung  gezogen.  Hierbei  ging  man  aber  in 
der  Regel  von  der  Vorstellung  aus,  daß  die  Eiweißkörper  nur  als 
TrÀger  oder  Begleiter  der  spezifisch  wirkenden  Antigene  bzw. 
Antitoxine  dienten.  Erst  in  neuester  Zeit  (R.  Schmidt,  Bier, 
\\  e  i  c  h  a  r  d  t,  S  c  h  i  1 1  e  n  h  e  1  m,  Döllkens,  R  o  1 1  y,  L  i  n  d  i  g 
u.  a.)  hat  man  erkannt,  daß  den  Eiweißkörpern  als  solchen  be- 
sondere, zum  Teile  heilende  Wirkungen  am  kranken  Menschen 
eigen  sind.  Diese  Erkenntnis  begrĂŒndete  die  „Proteinkörper  - 
Ihcrapie". 

Inwieweit  von  den  zahlreichen,  eiweißhaltigen  Miltein  spe- 
zifische oder  unspezifische  Wirkungen  ausgeĂŒbt  werden,  lĂ€ĂŸt  sich 
nach  unseren  heutigen  Kenntnissen  nicht  immer  mit  Sicherheil 
entscheiden.  Vielfach  sind  beide  Arten  von  Wirkungen  einander 
gleich,  oder  Àhnlich,  oder  sie  gehen  nebeneinander  her.  Wir 
mĂŒssen  aber,  wenigstens  fĂŒr  einen  Teil,  an  der  mĂŒhsam  errunge- 
nen Erkenntnis  einer  sicher  vorhandenen  SpezifitÀt  einzelner 
Heilmittel,  wie  des  Tetanus-  und  des  Diphtherieserums,  in  ge 
wissem  Sinne  auch  des  Tuberkulins  nach  unseren  heutigen  Kennt- 
nissen festhalten.  Je  strenger  man  aber  den  Begriff  der  spezifi- 
schen Mittel  faßt,  desto  grĂ¶ĂŸer  ist  die  Zahl  der  unspezifischen 
Mittel. 

Es  wĂŒrde  zu  weit  fĂŒhren,  wollten  wir  in  der  folgenden  kurzen 
Uebcrsicht  alle  eiweißhaltigen  Heilmittel  berĂŒcksichtigen,  wie 
Baklerienprodukte,  defibriniertes  Blut,  Vakzine  usw.  Derartige 
Mittel  können  doch,  wenn  ihre  spezifische  Wirkung  auch  nicht 
verbrieft  ist,  nach  ihrer  Herkunft  aus  spezifischem  Ausgangs- 
malerial  und  nach  der  wenigstens  angestrebten  spezifischen  Wir- 
kung nicht  mit  Sicherheit  zu  den  unspezifischen  gerechnet  wer 
den.  Das  gilt  beispielsweise  von  dem  Vakzineurin,  einem  Bak- 
terienautolysat  (Prodigiosus),  das  bei  Neuritis  oft  Àhnliche  un- 
mittelbare und  Nachwirkungen  haben  soll  (Döllken),  wie  die 
gleich  zu  besprechenden  Wirkungen  reiner  Proteinkörper. 

Das  gilt  auch  von  dem  menschlichen  und  tierischen  Normal- 
serum, in  dem  wohl  die  Eiweißkörper  das  wesentlich  Wirksame 
sein  mögen,  aber  spezifische  (arteigene  oder  individuelle)  Eigen- 
schaften nicht  ausgeschlossen  sind.  Normalserum  (Pferdeserum 
u.  a.)  hat  man  daher  auch  als  spezifisches  Mittel  z.B.  gegen  Diph- 
therie (B  i  n  g  e  1)  anzuwenden  versucht.  Wir  wĂŒrden  diese  theo- 
retisch interessanten  Versuche,  wenn  sie  in  die  Praxis  eingefĂŒhrt 
werden  sollten,  fĂŒr  einen  bedenklichen  RĂŒckschritt  halten.  Die 
arztliche  Praxis  soll  sich  an  die  tausendfach  erprobten  spezifisch 
wirkenden  Vakzinen  und  Sera  halten. 

Im  Gegensatz  zu  den  erwÀhnten  Mitteln  mit  fraglichen  spe- 
zifischen Eigenschaften  ist  die  parenterale  Proteinkörperbehand- 
lung bestrebt,  ausschließlich  Eiweißkörper  als  solche  anzu 
wenden.  Ihr  Vorzug  besteht  darin,  daß  die  verwendeten  Mittel 
nach  ihrer  Herkunft  und  chemischen  Zusammensetzung  bekannt, 
und  mit  Ausnahme  der  Milch,  konstant  und  genau  dosierbar  sind. 
Nur  von  diesen  und  einigen  MischprÀparaten,  bei  denen  das  Ei- 
weiß eine  wesentliche  Rolle  spielt,  soll  hier  die  Rede  sein.  Wir 
sehen  hier  auch   ab  von  den    vorwiegend    experimentell  ange- 

Verfaßl  im  Auftrag  der  Arzneimiltelkommission  der  Deut- 
schen (.eselschaft  fĂŒr  innere  Medizin,  unterstĂŒtzt  vom  Deutsehen 
Aerztevereinsbund. 


wandten  Abbaustoffen  der  Eiweißkörper  (Albumosen.  Nuklein 
sauren  usw.). 

Als  nichtspezifische  Eiweißkörper  sind  heule  in  Gebrauch: 
t,  Milch   (R.  Schmidt)  als  reine  sterilisierte  Kuhmilch, 
oder  in  Ampullen  als  Ophthalmosan  'Sachs.  Serumwerl« 
intramuskulÀr  injiziert.    Die  Milch  bildel  das  Ausgangsmaterial 
fĂŒr  die  folgenden  Produkte: 

2.  Kasein   (nach   Lind  ig)   unter  der   Bezeichnung  „Ca 

s  eo  san"  (Heyden,  Radebeul)  als  sterile  5 proz.  Kaseinlösung  in 
Ampullen  zu  je  1  oder  5  ccm,  subkutan,  intramuskulÀr  oder  Ultra 
venös  anwendbar  (1  ccm  —  0,05  Kasein). 

Um  die  Gefahr  der  Feltembolie  zu  vermeiden,  wird  die  Milch 
entfettet  und  kommt  in  Handel  unter  der  Bezeichnung: 

3.  Aolan  (Beiersdorf  &  Co.,  Hamburg).    Es  soll  eine  keim 
und   toxinfreie  Milcheiweißlösung   sein,  die  intramuskulĂ€r  und 
intravenös  angewendet  werden  kann.    (Ampullen  zu  10  ccm). 

i.  X  i  f  a  1  m  i  1  c  h  (Serumwerke  Dresden).  Sie  soll  aus  steriler 
Milch  von  tuberkulosefreien  Tieren,  der  ein  aus  Saprophyten  her- 
gestelltes (Bakterien-)  Eiweiß  zugesetzt  ist,  bestehen.  Sie  gehört 
nicht  eigentlich  in  den  Rahmen  unserer  Erörterung  und  soll  nur 
der  VollstÀndigkeit  halber  als  Milchprodukt  erwÀhnt  werden.  Sie 
kommt  in  den  Handel  in  Ampullen  zu  2  ccm. 

Von  den  angefĂŒhrten  PrĂ€paraten  sind  nach  der  Literatur  und 
eigener  Erfahrung  besonders  die  beiden  ersten  erprobt.  Auf  sie 
beziehen  sich  daher  vorzugsweise  unsere  AusfĂŒhrungen. 

Vorausgeschickt  sei,  daß  die  Wirkungen  parenterat  ein- 
gefĂŒhrter Eiweißkörper  in  ihren  Einzelheiten  diesen  nicht  aus- 
schließlich zukommen.  Ihre  Eigenart  beruht  vielfach  nur  in  der 
Gruppierung  der  Einzelerscheinungen  sowie  in  der  IntensitÀt  und 
Promptheit  ihres  Eintritts  schon  bei  kleinen  Gaben. 

Die  Wirkungen  zerfallen  in  1.  vorĂŒbergehende  allgemeine, 
2.  vorĂŒbergehende  örtliche,  3.  bleibende.  Im  allgemeinen  haben 
sie  große  Aehnlichkeit  mit  den  Reaktionen  des  Körpers  auf  Alt- 
luberkulinimpfungen. 

1 .  Die  allgemeinen  Symptome  entsprechen  demgemĂ€ĂŸ 
denjenigen  eines  akuten  Infektes  und  bestehen  (bei  fieberfreien 
Patienten)  in  einer  Temperatursteigerung  verschiedenen  Grades 
gewöhnlich  nach  einigen  Stunden,  Pulsbeschleunigung  und  den 
bekannten  Begleiterscheinungen  des  Fiebers,  zu  denen  bisweilen 
Frösteln  (selten  SchĂŒttelfrost),  SchwindelgefĂŒhl,  Mattigkeit  und 
.SchlÀfrigkeit  gehört.  Diese  Allgemeinreaktion  klingt  in  der  Regel 
wie  die  gleich  zu  erwĂ€hnende  örtliche  Reaktion  („negative  Phase" 
nach  R.  Schmidt)  in  %  bis  höchstens  2  Tagen  ab  und  hinter- 
lĂ€ĂŸt in  einem  —  nicht  vorauszubestimmenden  —  Teile  der  FĂ€lle 
die  unter  3  anzufĂŒhrenden  gĂŒnstigen  Nachwirkungen  („positive 
Phase"). 

2.  In  einem  Teil  der  FĂ€lle  tritt,  in  der  Regel  gleichzeitig  mit 
den  Allgeminerscheinungen,  auch  eine  örtliche  Reaktion 
(II  e  r  d  r  e  a  k  t  i  o  n)  entzĂŒndlicher  Natur  in  den  erkrankten  Or- 
ganen auf,  insbesondere  in  akut  oder  chronisch  entzĂŒndeten  Ge- 
lenken in  Gestalt  von  Schmerzen,  selten  verbunden  mit  Rötung 
und  Schwellung.  Diese  Herdreaktion  ist  erwĂŒnscht  als  Zeichen, 
daß  zwischen  dem  Proteinkörper  und  dem  entzĂŒndeten  Organe  eine 
AffinitÀt  besteht,  die  in  geeigneten  FÀllen  die  Heilung  bzw. 
Besserung  einleitet.  Voraussetzung  fĂŒr  den  Heilungsvorgang  ist 
baldiges  Abklingen  der  akuten  Erscheinungen,  insbesondere  der 
Schmerzen. 

Bei  Wiederholung  der  Injektion  können  sich  dieselben  allge- 
meinen und  örtlichen  Erscheinungen  in  geringerer  oder  grĂ¶ĂŸerer 
StĂ€rke  —  bei  gleichbleibender  oder  gesteigerter  Dosis  —  erneut 
einstellen,  um  dann  nach  3  bis  4  oder  mehrfacher  Wiederholung 
abzuklingen.  Die  erste  Reaktion  ist  keineswegs  immer  die 
stÀrkste.    Erhöhung  der  Dosis  hat  oft  keine  steigernde  Wirkung. 

3.  GĂŒnstige  Nachwirkungen  stellen  sich,  wo  sie  ĂŒber- 
haupt eintreten,  in  der  Regel  schon  nach  der  ersten  Injektion  ein 
und  können  sich  nach  den  folgenden  Einspritzungen  noch  vervoll- 
kommnen. Sie  bestehen  in  Linderung  oder  Beseitigung  der 
Schmerzen,  Besserung  der  Beweglichkeit  und  allgemeinen  Lei- 
stungsfÀhigkeit, des  Appetits,  der  ErnÀhrung  und  des  Schlafes. 
Selten  stellt  sich  diese  euphorische  Nachwirkung  ohne  vorauf- 
gehende „negative  Phase"  ein. 

In  ungeeigneten  FĂ€llen  bleibt  als  Zeichen  eines  torpiden  oder 
abgeschlossenen  Krankheitsprozesses,  vielleicht  auch  einer  indi- 
viduellen (konstitutionellen)  ImmunitÀt,  auch  bei  steigender  und 
wiederholter  Dosierung,  jegliche  Reaktion  und  damit  auch  die 
erwĂŒnschte  Nachwirkung  aus.  Auch  mit  Verschlimmerungen  des 
Krankheitszustandes  (HerzschwĂ€che)  bei  Ă€lteren  Leuten  muß  ge- 
rechnet werden.  In  einzelnen  FĂ€llen  verzeichnet  die  Literatur 
auch  anaphylaktische  Erscheinungen  (Gildemeister  und 
Seifert). 


Gaul:  Tumoren 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Vorsichtige  Dosierung  ist  daher  unter  allen  Um- 
stĂ€nden geboten  und  wird  in  der  großen  Mehrzahl  SchĂ€digungen 
vermeiden  lassen.  Sie  muß  sich  auf  Grund  genauer  klinischer  Be- 
obachtung vor  und  nach  den  Injektionen  der  Eigenart  des  Falles 
anpassen.  Es  kommt  darauf  an,  besonders  im  Beginn  der  Kur, 
eine  Dosis  zu  finden,  die  groß  genug  ist,  um  eine  eben  erkenn- 
bare Reizwirkung  zu  erzielen,  und  klein  genug,  um  SchÀdigungen 
zu  vermeiden.  Ein  bindendes  Schema  lĂ€ĂŸt  sich  nicht  geben.  Die 
Bemessung  der  Einzclgabe,  ihre  Steigerung  oder  Herabminderung 
und  die  Dauer  des  Intervalles  mĂŒssen  sich  Ă€hnlich  wie  bei  Tuber- 
kulinkuren  nach  der  StÀrke  und  der  Dauer  der  Reaktionen  richten. 
Vorhandenes  Fieber  bildet  in  der  Regel  eine  Gegenanzeige.  HĂ€lt 
nach  einer  Injektion  das  Fieber  lĂ€nger  als  1 — 2  Tage  an,  so  ist  die 
Behandlung  abzubrechen.  Als  maßgebend  fĂŒr  das  Behandlungs- 
intervall wird  von  einigen  Autoren  (R  o  1 1  y,  W  e  i  c  k  s  e  1)  das 
Verhalten  der  Leukozyten  angesehen.  Die  als  Reaktion  nicht 
unerwĂŒnschte  Vermehrung  der  neutrophilen  Leukozyten  soll  vor 
einer  Erneuerung  der  Injektion  erst  ausgeglichen  sein.  Auch 
Eosinophilie  soll  eine  Anzeige  sein,  die  Behandlung  zu  unter- 
brechen (Kleeblatt).  So  wertvoll  wie  diese  Beobachtungen 
auch  sind,  in  der  Àrztlichen  Praxis  kann  man  sich  auch  ohne  sie 
behelfen. 

Man  beginnt  die  Behandlung  bei  Verwendung  steriler  Milch 
(Ophthalmosan)  nach  Rr.  Schmidt  mit  Vi  ccm  und  steigt  auf 
1 — 5,  höchstens  10  ccm  (intramuskulĂ€r).  Aehnliches  gilt  von 
Aolan,  das  auch  intravenös  gegeben  werden  kann.  Vom  Ca- 
seosa n  gibt  man  subkutan,  intramuskulĂ€r  oder  intravenös  — 
wir  bevorzugen  letztere  Methode  —  K — /■£ — 1  ccm,  steigend  bis 
5  ccm.  Die  Einspritzungen  werden  jeweils  nach  Abklingen  der 
Reaktionen,  gewöhnlich  2  mal  wöchentlich,  selten  noch  hÀufiger, 
manchmal  auch  in  grĂ¶ĂŸeren  ZeitabstĂ€nden  (1  Woche  und  mehr) 
wiederholt. 

Die  geschilderten  Wirkungen  sind,  soweit  unsere  bisherigen 
Kenntnisse  reichen,  in  ihrem  Wesen  gleich  fĂŒr  verschiedene  Arten 
von  Eiweißkörpern,  nur  quantitativ  verschieden.  So  scheint  Milch 
stÀrker  zu  wirken  als  Caseosan  in  entsprechender  Menge. 

Es  lassen  sich  aber  Àhnliche  Wirkungen  auch  mit  Mitteln, 
die  gar  kein  oder  wenig  Eiweiß  enthalten,  erzielen,  wie  mit 
Sanarthrit,  das  nach  Heilner  eiweißfrei  sein  soll,  Kollargol, 
OrganprÀparaten  usw.  sowie  mit  Strahlen-  und  anderen  physi- 
kalischen Behandlungen.  Ja,  vielfach  sind  diese  den  Proteinen  in 
ihrer  Heilwirkung  sogar  ĂŒberlegen.  Es  ist  daher  heute  noch  nicht 
möglich,  die  Gebiete  fĂŒr  das  eine  oder  andere  Mittel  voneinander 
scharf  abzugrenzen. 

Kurz  erwĂ€hnt  seien  hier  noch  einige  werlvolle  Eiweiß-Misch- 
prÀparate: das  Kollargol  und  verwandte  PrÀparate  (Elektro- 
kollargol  und  Dispargen)  und  das  Yatrenkasein. 

Das  Kollargol  (Heyden)  besteht  aus  70  Proz.  Silber 
und  30  Proz.  Eiweiß  als  Schutzkolloid.  Es  wird  seit  vielen  Jahren 
bei  manchen  GelenkentzĂŒndungen  mit  guten  Erfolgen  angewandt. 
Man  bezog  diese  und  andere  Erfolge  bisher  lediglich  auf  den  Ge- 
halt des  Mittels  an  kolloidalem  Silber.  Neuerdings  hat  aber  A. 
Böttner  gezeigt  —  und  deshalb  durften' wir  hier  das  Mittel 
nicht  unerwĂ€hnt  lassen  — ,  daß  bei  Kollargolinjektionen  die  Wir- 
kung des  Eiweißbestandteiles  ĂŒberwiegt,  wenn  auch  dem  Silber 
als  solchem  seine  Bedeutung  als  Gewebsreiz  nicht  aberkannt  wer- 
den kann. 

Yatren,  ein  organisches  JodprÀparat  mit  30  Proz.  Jod,  das 
sich  in  der  Wundbehandlung  bewÀhrt  hat,  wird  neuerdings  auf 
der  Bier  sehen  Klinik  in  Verbindung  mit  Kasein  als 
„Schwellenreizmittel"  angewandt  (Z  i  m  m  e  r).  Diese  Kombination 
hat  auch  nach  unseren  Erfahrungen  die  gleichen,  vielleicht  noch 
gĂŒnstigere  Wirkungen  als  die  obenerwĂ€hnten  reinen  Protein- 
körper. Das  Yatrenkasein  kommt  in  schwacher  Lösung  zu 
IVi  Proz.  Yatren  mit  2/4  Proz.  Kasein  und  in  starker  Lösung  mit 
5  Proz.  Kasein  in  Ampullen  zu  1,  5,  10  und  20  ccm  subkutan, 
intramuskulÀr  und  intravenös  zur  Anwendung.  Interessant  ist 
die  Beobachtung  von  Prinz,  daß  man  durch  orale  Gaben  von 
Yatren  typische  Herd-  und  Allgemeinreaktionen  auslösen  kann, 
die  denjenigen  nach  parenteraler  Zufuhr  von  Proteinkörpern 
prinzipiell  gleich  sein  sollen.  Diese  Beobachtung  deckt  sich  mit 
der  schon  bekannten  Tatsache,  daß  Jod,  per  os  eingefĂŒhrt,  bei 
Tuberkulose  eine  Herdreaktion  (HĂ€moptoe)  bewirken  kann. 

In  bezug  auf  die  Deutung  der  Proteinwirkungen  bewegen 
wir  uns  noch  auf  unsicherem  Boden.  Von  den  derzeitigen  Theorien 
seien  nur  kurz  erwÀhnt:  die  von  Weichardt  verfochtene  Hypo- 
these der  „Protoplasmaaktivierung"  und  die  Bier  sehe  Reiz- 
theorie. Weichardt  erblickt  die  Ursache  der  Leistungssteige- 
rung" in  einer  allgemeinen  Anregung  der  TĂ€tigkeit  des  Zell- 
protoplasmas. Solange  jedoch  noch  nicht  feststeht,  ob  die  Ab- 
bauprodukte  der  Proleinkörper  als  solche,  oder  ob  Abbauprodukte, 


die  durch  sie  in  den  Geweben  erzeugt  werden,  das  Wirksame  sind, 
erscheint  es  verfrĂŒht,  ihre  Angriffspunkte  im  Organismus  be- 
stimmen zu  wollen.  Einleuchtender  ist  die  Reiztheorie,  mit 
der  Bier  auf  seine  bekannten  Anschauungen  von  der  „Heilent- 
zĂŒndung'' und  dem  „Heilfieber"  zurĂŒckgreift,  die  durch  Reize  ver- 
schiedener (chemischer  und  physikalischer)  Art  erzeugt  werden. 
Zu  den  chemischen  Reizen  gehören  u.  a.  auch  die  Proteinkörper. 

Die  Krankheiten,  gegen  welche  die  Proteinkörpertherapie 
versucht 'wurde,  sind  sehr  zahlreich  und  wesensverschieden.  Zu 
nennen  sind:  akute  und  chronische  Infektionskrankheiten,  wie 
Typhus,  Cholera,  akuter  und  chronischer  Gelenkrheumatismus, 
Ruhr,  Diphtherie,  Grippepneumonie,  Erysipel,  Gonorrhöe,  Tuber- 
kulose der  Lungen,  der  Gelenke  und  LymphdrĂŒsen,  ferner  sekun- 
dÀre und  perniziöse  AnÀmie,  Asthma,  Ekzeme,  Trichophytie. 
Ischias  und  andere  Neuralgien,  entzĂŒndliche  Augen-  und  Ohren- 
erkrankungen, Krebs  usw.  Die  Buntheit  dieser  Liste  ist  wenig 
geeignet,  zur  KlÀrung  und  Empfehlung  des  Verfahrens  zu  dienen. 

Nur  einige  Gruppen  von  Erkrankungen  verdienen  aus  den 
ĂŒbrigen  herausgehoben  zu  werden,  weil  bei  ihnen  schon  reich- 
lichere Erfahrungen  gesammelt  und  Heilerfolge  erzielt  wurden: 
in  erster  Linie  die  chronischen  Arthritiden  verschie- 
dener Form  vom  einfachen  subakuten  und  chronischen  Gelenk- 
rheumatismus bis  zur  Arthritis  deformans.  Ihre  Behandlung  mit 
unspezifischen  Eiweißkörpern  hat  eine  Anzahl  FĂŒrsprecher  ge- 
funden, denen  wir  uns  fĂŒr  einen  kleinen  Teil  der  FĂ€lle  anschließen 
können.  Bei  der  ungĂŒnstigen  Prognose  vieler  chronischer  Gelenk- 
entzĂŒndungen ist  es  durchaus  berechtigt,  neben  anderen  bewĂ€hrten 
Arzneimitteln  (Sanarthrit,  Kollargol  usw.)  und  physikalischen 
Heilmitteln,  insbesondere  wenn  diese  versagen,  die  Behandlung 
mit  Eiweißkörpern  zu  versuchen. 

Gute  Erfolge  werden  mit  der  Proteinbehandlung"  auch  erzielt 
bei  Komplikationen  der  Gonorrhöe  (Blennorrhoe; 
Epididymitis,  Arthritis)  sowie  bei  Ulcus  molle  und  Bubonen. 
Schwer  verstÀndlich  erscheint  die  von  Döllken  behauptete 
gĂŒnstige  Wirkung  der  Milch  (Xifalmilch)  bei  Epilepsie  (3  mal 
wöchentlich  2 — 5  cem  intramuskulĂ€r  monatelang).  Das  gleich- 
zeitig verabreichte  Luminal  (tĂ€glich  0,15 — 0,2)  ist  allein  wohl 
ebenso  wirksam. 

Auffallend  ist  nach  vielen  Berichten  die  AffinitÀt  der  Milch 
zu  entzĂŒndeten  Geweben  des  Auges.  GĂŒnstige,  z.  T.  glĂ€nzende 
Wirkungen  werden  berichtet  von  Milchinjektoinen  bei  Blen- 
norrhoe, Keratitis  parenehymatosa  sowie  tuberkulösen  Prozessen. 

Von  zweifelhaftem  Werte  ist  die  Behandlung  der  Tuberkulose 
mit  Milchinjektionen.  Keinesfalls  können  Eiweißkörper  das 
Tuberkulin  ersetzen. 

Zusammenfassung. 

Die  bisherigen  Erfahrungen  berechtigen  noch  keineswegs  zu 
einem  abschließenden  Urteil.  Wir  wissen  einstweilen  nur,  daß 
parenteral  gegebene  Proteinkörper  auf  gewisse  entzĂŒndliche  Er- 
krankungen einen  die  EntzĂŒndung  neu  anfachenden  Reiz  und 
hÀufig  einen  allgemeinen  Reiz  auf  den  Gesamtorganismus  aus- 
ĂŒben, und  daß  diese  Reizwirkung  bisweilen  heilsam  sein  kann. 
Ob  aber,  in  welchen  FĂ€llen  und  durch  welche  Eiweißkörper  diese 
Heilwirkung  zu  erreichen  ist,  das  genauer  festzustellen,  muß  die 
Aufgabe  weiterer  Versuche  sein.  Diese  sind  nur  unter  der  Vor- 
aussetzung 1.  einer  vorherigen  und  nachfolgenden  genauen  Beob- 
achtung (Temperaturmessung  usw.),  2.  der  Anwendung  kleiner 
Dosen  im  Beginn,  die  je  nach  Lage  des  Falles  stufenweise  ge- 
steigert oder  herabgemindert  werden,  3.  rechtzeitiger  Unter- 
brechung der  Behandlung  bei  lÀnger  anhaltender  Reaktion  (siehe 
oben)  zulÀssig.  Die  unspezifische  Proteinkörpertherapie  bildet 
neben  anderen  physikalischen  und  chemischen  Heilmitteln  (Sanar- 
thrit, Kollargol  usw.)  eine  willkommene  und  jedenfalls  noch  aus- 
baufÀhige Bereicherung  unseres  Heilschatzes. 


Zur  Frage  der  experimentellen  Erzeugung  der 

Tumoren. 

Von  Dr.  E.  G  a  u  1,  Berlin. 

Fibiger  hat  in  der  „Deutschen  medizinischen  Wochen- 
schrift" (1921,  Nr.  48  u.  49")  unter  anderem  ĂŒber  die  experi- 
mentelle Erzeugung  von  Tumoren  berichtet.  Ich  möchte  aus 
diesem  Anlaß  an  meine  Untersuchungen  aus  dem  Jahre  1908 
erinnern  (vgl.  BerL  klin.  Wochenschr.  1908  Nr.  49  und  Cen- 
tralbl.  f.  Bakteriologie  1909,  Bd.  49).  Bei  diesen  Untersuchun- 
gen wurde  zum  ersten  Male  der  Cysticercus  fasciolaris  fĂŒr  die 


10.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Standesvereine  —  Rcforutc 


'.MM 


experimentelle  Tumorforschung  verwertet.  Ich  konnte  Fesl 
stellen,  daß  die  tumorerregenden  Eigenschaften  der  Hel- 
minthen auf  Giftwirknngen  beruhen.  Nach  subkutaner  Im- 
plantation des  Cysticercus  fasciolaris  entstand  bei  der  Maus 
ein  Tumor,  der  von  einigen  Autoren  als  Sarkom,  von  anderen 
als  Granulom  bezeichnet  winde. 

In  ErgÀnzung  meiner  Experimente  infizierten  die  ame- 
rikanischen Forscher  B U  1 1  O c k  und  C  U r t  is  s  (zitiert  nach 
Fibiger)  Ratten  ]x>r  <>s  mit  Eiern  des  Cysticercus  fascio- 
laris. Im  Gefolge  der  Infektion  beobachteten  die  genannten 
Autoren  bei  52  Hatten  metastasierende  Sarkome,  die  in  -11 
FĂ€llen  durch  Transplantation  ĂŒbertragbar  waren.  Die  trans- 
plantierten  Sarkome  erreichten  oft  eine  so  kolossale  GrĂ¶ĂŸe, 
daß  ihr  Gewicht  dasjenige  des  ganzen  Tieres  ĂŒbertraf. 

Durch  die  Experimente  von  Bullock  und  Curtiss 
haben  meine  Untersuchungen  ĂŒber  die  geschwulsterregenden 
Eigenschaften  des  Cysticercus  fasciolaris  erfreuliche  Be- 
stÀtigung erfahren. 


Aus  Àrztlichen  Standesvereinen. 

Arzneimittelgesellschaft  der  Deutschen  Gesellschaft  fĂŒr  innere 
Medizin,  unterstĂŒtzt  vom  deutschen  Aerztevereinsbund. 

Bericht  ĂŒ  her  die  Sitz  u  n  g  v  o  m  3.  J  a  n  u  a  r  1922 

in  WĂŒrzburg 
(Anwesend:  G  o  1 1 1  i  e  b,  H  e  f  f  t  e  r,  Holste,  P  e  n  z  o  1  d  L 
v.  Romberg,  Spatz,  S t i n t z i n g.) 

Der  Vorsitzende  (Penzoldt)  gab  eine  Uebersicht  ĂŒber  die 
frĂŒhere  TĂ€tigkeit  der  A.-K.  Zur  BekĂ€mpfung  der  ĂŒberhand- 
nehmenden SchÀden  des  Arzneimittelwesens  wurde  die  A.-K.  1911 
vom  Kongreß  fĂŒr  innere  Medizin  gegrĂŒndet.  Als  Ideal  schwebte 
ihr  der  Council  on  Pharmacy  and  Chimistry  of  the  american 
Medical  Association  vor.  FĂŒr  deutsche  VerhĂ€ltnisse  fehlten  ihr 
jedoch  Vorbilder  und  vor  allem  grĂ¶ĂŸere  Geldmittel.  Mit  dem 
Mangel  eines  Vorbildes  sind  wohl  auch  manche  Fehler,  die  un- 
leugbar im  Anfang  gemacht  wurden,  zu  entschuldigen.  Mit  dem 
Fehlen  genĂŒgender  Mittel  hĂ€ngt  es  zusammen,  daß  sich  die  A.-K. 
zunĂ€chst  auf  die  BekĂ€mpfung  der  reklamehaften  und  irrefĂŒhren- 
den Anpreisungen  u.  À.  beschrÀnkte.  Diese  mit  viel  Arbeit  in 
zahlreichen  schriftlichen  und  mĂŒndlichen  Beratungen  durchge- 
fĂŒhrten Bestrebungen,  die  in  Gestalt  von  Arzneimittfellisten  in  die 
Öffentlichkeit  traten,  stießen  in  den  beteiligten  Kreisen  vielfach 


auf  GleichgĂŒltigkeit,  noch  mehr  aber  auf  ausgesprochene  Feind 

fehlte  aber  auch  nicht  an  Zustimmung  Insbesondere  seitens  der 
Àrztlichen  VerbÀnde.  Es  gelang  der  A.-K.  hervorragende  kon- 
sultierende Mitglieder  zu  gewinnen.  Vor  allem  wurde  eine  Ver- 
stÀndigung mit  den  besonders  interessierten  Vereinigungen  dem 
Verband  der  chemischen  Großindustrie,  den  pharmazeutischen 
Seligkeit,  welch  letztere  sieh  zu  heftigen  Angriffen  in  der  Presse 
und  sogar  zu  gerichtlichen  Klageandrohungen  steigerten.  Ks 
Fabriken,  den  Verlegern  der  medizinischen  Fachpresse)  teils  er- 
reicht, teils  angebahnt.  Der  Erfolg  war  eine  wesent- 
liche Verbesserung  des  A  n  z  e  i  g  e  w  e  s  e  n  s. 

Nur  die  Regierungen  verhielten  sich  gegen  den  Gedanken 
einer  PrĂŒfungsstelle  fĂŒr  Arzneimittel  vollstĂ€ndig  ablehnend. 

WĂ€hrend  des  Krieges  haben  verschiedene  Generalkommandos 
erfreulicherweise  VerfĂŒgungen  nach  den  GrundsĂ€tzen  der  A.-K. 
zum -Schutze  der  Kranken  getroffen.  Die  TĂ€tigkeit  der  A.-K. 
ruhte  wÀhrend  des  Krieges.  Herbst  1919  nahm  infolge  der  er- 
neut und  erhöht  hervortretenden  SchÀden  des  Arzneimittelwesens 
die  A.-K.  ihre  Arbeil  wieder  auf.  Damals  wurde  beschlossen, 
im  Auftrage  der  A.-K.  verfaßte  aufklĂ€rende  Veröffent- 
lichungen ĂŒber  neuere  Arzneimittel  der  Fachpresse  zur  Ver- 
fĂŒgung zu  stellen.  Um  eine  A  u  s  k  u  n  f  t  s  s  l  e  1 1  e  und  womög- 
lich eine  P  r  ĂŒ  f  u  n  g  s  s  t  e  1 1  e  fĂŒr  Arzneimittel  einzurichten, 
wandte  sich  die  A.-K.  an  die  deutschen  Aerzte  um  BeitrÀge.  Die 
Sammlung  ergab  leider  nur  eine  Summe,  mit  der  die  Einrichtung 
und  der  Betrieb  der  Auskunftsstelle  nicht  lÀnger  als  ein  Jahr 
möglich  ist. 

Deshalb  wurde  am  3.  Januar  1922  entsprechend  dem  Antrage 
des  GeschĂ€ftsfĂŒhrers  (H  o  1  s  t  e  -  Jena)  der  Beschluß  gefaßt:  Die 
A.-K.,  deren  Benennung  in  dem  oben  stehenden  Sinne  ergÀnzt 
wird,  soll  sich  an  die  deutsche  Aerzteschaft  mit  der  Bitte  wenden. 
(>0  000  M.  im  Jahre  ihr  zur  VerfĂŒgung  zu  stellen.  Nur  so  sei 
es  möglich,  die  A  u  s  k  u  n  f  t  S  s  t  eil  e  im  Betrieb  zu  erhalten. 
Wenn  jeder  Arzt  jÀhrlich  den  geringen  Beitrag  von  2  M.  geben 
wĂŒrde,  so  wĂ€re  die  Auskunftsstelle  gesichert.  Bei  dieser  "kann 
sich  jeder  Arzt  Belehrung  ĂŒber  die  ihm  unbekannten  Arzneimittel 
u.  À.  kostenlos  holen.  Diese  Auskunftsstelle,  wie  die  Arbeiten 
der  A.-K.  ĂŒberhaupt,  sind  von  großem  Werte  fĂŒr  den  Ă€rztlichen 
Stand,  den  auf  der  wissenschaftlichen  Höhe  auch  in  der  Arznei- 
mittelbehandlung zu  erhalten  eine  hohe  Aufgabe  ist,  sowie  auch 
fĂŒr  das  Wohl  der  Kranken,  die  vor  schĂ€dlichen  und  wertlosen 
Mitteln  zu  schĂŒtzen  jedem  Arzte  am  Herzen  liegen  muß.  Eine 
grĂ¶ĂŸere  Zahl  von  aufklĂ€renden  Veröffentlichungen  in  den  med. 
Zweitschriften  ist  fĂŒr  die  nĂ€chste  Zeit  in  Aussicht  genommen  wor- 
den. Die  GrĂŒndung  einer  chemischen,  pharmakologischen  und 
therapeutischen  PrĂŒfungsstelle  soll,  wenn  auch  dafĂŒr  die  Ali ttel 
zu  bekommen  sein  sollten,  im  Auge  behalten  werden. 


REFERATENTEIL 


ii  i  (i  f  h. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

21.  Januar  1922,  1,  Nr.  4. 

*K'"l53S  "ber  ',i0  Bl'zioh""!{en  der  Haut  zum  Gesaurtorganismus 

Die  pathologische  Physiologie  der  chronischen  Obstipation.    R  e  i  Ii.  ti-6. 
Neuere  Untersuchungen  ĂŒber  das  Wesen  und  die  Bedeutung  der  Nutraraine 
ibderhalde  n.  160. 

GrundsÀtzliche  FrÀsen  in  der  Chirurgie  der  Nebennieren.    P«iper.  161. 
Wirkungen  des  Hochgebirges  auf  das  Blut   und   den  FlĂŒssigkettsaustausch 
zwischen  Blut  und  Geweben.    L  a  q  u  e  r.  163. 

♩Zur  Frage  der  Wirkungsunterschiede  von  Tuberkulinen  verschiedener 
kunft.  sowie    der   Tuberkulinschaden    nach    diagnostischen  Tuben 
Injektionen.     X  e  u  s  t  a  d  t  und   Stadel  m  a  n  n.  166. 
I  eher   die   Dosis   letalis    des    Arseniks.     .1  o  a  c  h  i  in  o  g  1  u.  LÖ9. 

♩Die  Eigenharnreaktion  nach  Wildbolz  im  SĂ€uglingsalter.    Aide  r.  170. 

♩Behandlung  der  ErythrĂ€mie  mittels  Röntgenstrahlen,    s  c  h  ii  n  i  n  g.  17:'. 

Zur  Frage  der  Wirkungsunterschiede  von  Tuberkulinen  ver- 
schiedener Herkuntt  sowie  der  Tuberkulinschaden  nach  diag- 
nostischen Tuberkulininjektionen.  In  der  subkutanen  Diagnostik 
ist  das  Höchster  Alttuberkulin,  ebenso  wie  nach  anderen 
Autoren  auch  bei  der  Cutanimpfung,  anderen  Tuberkulinen  wegen 
seiner  relativ  grĂ¶ĂŸten  ZuverlĂ€ssigkeil.  d.  h.  Giftigkeit,  ĂŒberlegen. 
Es  isl  erforderlich,  bei  Publikationen  die  PrÀparate  nÀher  zu  be- 


Her- 
,n]in- 


zeiebnen.  Was  die  TuberkulinschÀden  anbelangt,  so  sind  in  der 
Literatur  eine  Reihe  von  FĂ€llen  vorhanden,  wo  nach  diagnosti- 
schen Tuberkulininjektionen  schwere  SchÀdigungen,  ja  tödlicher 
Ausgang  beobachtet  worden  sind.  Auch  in  der  neueren  Literatur 
wird  bei  Anwendung  der  probatorischen  K  o  c  h  '  sehen  Impfung 
zu  grĂ¶ĂŸter  Vorsicht  gemahnt,  z.  T.  wird  die  Impfung  ĂŒberhaupt 
abgelehnt. 

Bericht  ĂŒber  6  FĂ€lle,  bei  denen  durch  probatorische 
Subkutanimpfling  erhebliche  SchÀden  gesetzt  wurden.  Abge- 
sehen von  dieser  GefÀhrlichkeit  erwiesen  sich  die  Injektionen 
bei  wirklich  vorhandenen  tuberkulösen  Herden  als  launenhaft, 
unberechenbar  und  unzuverlÀssig.  Sie  werden  deshalb  absolut 
abgelehnt. 

Die  Eigenharnreaktion  nach  Wildbolz  im  SĂ€uglingsalter. 
Verschiedene  Autoren  haben  bei  Kindern,  wohl  zumeist  grĂ¶ĂŸeren, 
die  W  i  1  d  b  o  1  z  '  sehe  Reaktion  nachgeprĂŒft  und  die  Ergebnisse 
von  Wildbolz  bestÀtigen  können.  Angeregt  durch  den  stark 
positiven  Ausfall  der  Reaktion  bei  einem  10  Monate  alten  Kind, 
das  wegen  lÀngeren  Fiebers  luberkuloseverdÀchlig  war  und  sich 
spÀter  als  grippekrank  erwies,  untersuchte  A.  eine  Reihe  von 
SĂ€uglingen,  besonders  auch  gesunden,  auf  ihr  Verhalten  gegen- 
ĂŒber der  Eigenharnreaktion.  80  Prozent  nicht  tuberkulöser 
Kinder  zeigten  positive  Reaktion,  was  auf  die  grĂ¶ĂŸere  Empfind- 
lichkeil der  kindliehen  Haut  gegenĂŒber  der  der  Erwachsenen 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


50.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


zurĂŒckgefĂŒhrt  wird.    Die  Salzwirkung  des  konzentrierlen  Urins 
scheint  die  Reaktion  auszulösen.     Die  Eigenharnreaktion  nach 
W  i  1  d  b  o  1  &' scher  Methodik  ist  fĂŒr  das  SĂ€uglingsalter  als  im 
brauchbar  abzulehnen. 

Behandlung  der  ErythrÀmie  mittels  Röntgenstrahlen.  Mit- 
teilung von  drei  Krankengeschichten,  die  ĂŒber  Heilung  der 
ErythrÀmie  durch  Röntgenstrahlen  berichten.  Genaue  Angabe 
der  Bestrahlungstechnik. 

O.  S.  Tarnow  (Charlottenburg-Westend). 

MĂŒnchener  Medizinische  Wochenschrift. 

27.  Januar  1922.  Nr.  1 

<  holĂ€mischc  LipĂ€mie.    B  ĂŒ  i  j  t  t.  103. 

Gehalt    der    Hypophysenhinterlappen-Extrakie    an    uteruserregenden  ■  Suh- 

stanzen.    Trendtlenburs.  106. 
Proteinkörpertherapic.    W  c  i  e  h  a  r  d  t.  107. 

Kinfluß  gewisser  Lichtai-ten  auf  den  gesteigerten  Blutdruck.  K  i  m  in  e  r  1  e. 
108. 

Konstitution  und  Vererbung  erworbener  Eigenschaften.    M  a  t  h  e  s.  109. 

Subjektiv«  und  objektive  Beeinflussung  der  Laktation.  Seil  0  edel.  III'. 
❖Provokation  latenter  Gonorrhoe  bei  der  Frau.    X  e  v  e  r  m  a .  n  n.  119. 

.Mittel  und  Wege,  die  Wirksamkeit  des  Salvarsans  auf  das  erkrankte  Ver- 
vensystem zu  verstÀrken.     Kalb  er  1  o  c  h.  114. 

A  uslöschphÀnomen  bei  der  Differentialdiagnose  des  Scharlachs.  II  i  Sel- 
horst. 116. 

Darstellung  der  HĂ€mochromogenkristalle.    Straß  mann.  116. 
Chrön.  ankylosierende  Wirbelversteifuhg.    Brennsphn.  117. 
Kixationssehiene  bei  Verletzungen  der  Fingerstreeksebne.    Staub.  Mi). 
Glyzerinreaktiqn  nach  Gabbe.    Engelmann  120. 
SpirochÀtendarstellung  im  Gefriersehnitt.    Steiner.  I2i. 
Anthropologie  und  ihre  Anwendung  auf  die  Àrztliche  Praxis.    K  c  e  i  /.  s  c  Ii  - 
m  e  r.  121. 
Tiefendosimetrie.    Lehmann.  121. 
Komplementkonservferung.    Ha  m  morse  h  m  i  d  t.  121. 
/.ervixerkrankungcn.      P  u  s  t.  122. 

Lehrer  und  SchĂŒler.    Lehren  und  Leinen.    Schott.  122. 

Provokation  latenter  Gonorrhoe  bei  der  Frau.  Untersuchun- 
gen ĂŒber  die  Brauchbarkeit  verschiedener  PrĂ€parate  (Aolan, 
Caseosan,  Pferdeserum,  Arthigon,  Gonargin)  mittels  intrakutaner 
Injektion.  Aus  der  Hautreaktion,  die  dabei  auftritt,  dĂŒrfen  keine 
SchlĂŒsse,  gezogen  werden.  Am  besten  erschien  das  Aolan,  bei 
dem  in  25  %,  und  Arthigon,  bei  dem  in  18  %  die  Provokation  ge- 
lang. F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

Zeilschrift  fĂŒr  Hygiene  und  Infektionskrankheiten,  Berlin. 

17.  Januar  1922,  95.  Heft  1. 

❖Einfluß    des    Trypaflavins    auf   die    Diphtherieinfektion    und  Diphtheriever- 
giftung.   Reinhardt,   A.  1. 

Experimentelle  Wundinfektion  und  Wundinfektion  nach  Versuchen  an  Meer- 
schweinchen und  MĂ€usen  mit  HĂŒhnercholerabazĂŒlen,  Pneumokokken  un  1 
Streptokokken.    Reinhardt.  A.  27. 

Weitere  BeitrÀge  zur  experimentellen  Wundinfektion.    Schi  e  m  a  n  n,  O.  69. 

Versuche  zur  Differenzierung  der  sogenannten  sÀurefesten  Bakterien  mittels 
Knmplenientbildung.  S  c  h  1  o  ß  h  e  r  g  e  r  ,  H.  und  Pfannenstiel, 
W.  77. 

Vergleichende  Untersuchungen  ĂŒber  die  Extrahierbarkeit  verschiedene! 
sÀurefester  Bakterien  mit  Aether- Acetongemischen.  P  f  a  n  n  e  n  s  t  i  e  1  . 
W.  87. 

Untersuchungen    ĂŒber    den    Agglutinationsvorgang    unter    Verwertung  des 
Agglutinatioiisoptimum.s.    Der  Einfluß   der  KochsalzverdĂŒnnung  auf  die 
Antikörper  der  Sera.    Heuer.  G.  100. 
Sind  die  Crithidien  der  Schaflaus  fĂŒr  MĂ€use  pathogen.     B  u  c  h  n  c  r.  115. 
❖  Leber  die  PrĂŒfung  und  Begutachtung  von  Desinfektionsmitteln.  Ritter. 
L.  119. 

❖Ein   weiterer   Beitrag   zur   MensehenpathogenitĂ€t   des  Bacillus  pyocyaneus. 
P  r  a  enkel,  E.  125. 

Ueber  den  Einfluß  des  Trypaflavins  auf  die  Diphtherie- 
infektion und  Diphtherievergiftung.  Trypaflavin  war  imstande 
bei  Meerschweinchen  in  VerdĂŒnnungen  1  :  100  und  1  :  1000  die  auf 
Giftresorption  zurĂŒckgefĂŒhrte  tötliche  Wirkung  lebender 
Diphtheriebazillen  y, — %  Stunden  nach  der  Infektion  aufzu- 
heben. In  der  VerdĂŒnnung  1  :  100  verhinderte  es  auch  die  töt- 
liche Wirkung  vorher  durch  Toluol  abgetöteter  Diphtherie- 
bazillen und  ĂŒble  einen  neutralisierenden  Einfluß  auf  das  in 
Wunden  eingeriebene  Diphtherie(bouillon)gift  aus.  Wurde  das 
Mittel  'A — "A  Stunden  nach  entsprechender  Infektion  mit  einer 
WundflĂ€che  in  BerĂŒhrung  gebracht,  so  vermochte  es  in  Ver- 
dĂŒnnung t  :  100  und  1  :  1000  die  lebenden  Diphtheriebazillen  in  der 
Wunde  abzutöten.  Verfasser  rechnet  also  mit  einer  bakteriziden 
u  a.  Gift  neutralisierenden  Wirkung  des  Trypaflavins. 

Ueber  die  PrĂŒfung  und  Begutachtung  von  Desinfektions- 
mitteln. Die.  Gesichtspunkte,  nach  denen  die  Desinfektionskraft 
(  ines  Mittels  zu  begutachten  ist,  sind:  1  Hohe  Desinfektions- 
krafl   FĂŒr  Spallpilze  in  feuchtem  und  trockenem  Zustande  gc- 


gebenenfalls  Sporen),  2.  Ungiftigkeit,  3.  Geruchlosigkeit,  4.  Wohl- 
feUheit,  5.  UnschĂ€dlichkeit  fĂŒr  die  zu  desinfizierenden  Gegen- 
stÀnde, Unter  Beachtung  aller  dieser  Gesichtspunkte  stellte 
Verfasser  fest,  daß  sich  fĂŒr  ein  als  wohlfeil  angepriesenes  Des 
infektionsmittel  kein  gĂŒnstigeres  Ergebnis,  als  fĂŒr  Kresolseife 
ergab. 

Ein  weiterer  Beitrag  zur  MensehenpathogenitÀt  des  Bazillus 

pyoeyaneus.  „AlimentĂ€re  Intoxikation,  Bronchopneumonie'' 
2  Monate  altes  MĂ€dchen,  aufgenommen  29.  6.  21.  Exitus  7.  8.  21. 
Anatomische  Diagnose:  Necrosis  haemorrhagica  et  ulcera  ventri- 
culi  p.  bac.  pyoeyan.  Phlebitis  rami  unius  ven.  portar.  subsequ 
abscess.  hepatis.  Soor.  KlappenhÀmatome  d.  mitral,  und  tricus- 
pidal.  Annahme  der  Aufnahme  der  Bazillen  per  os.  Magenwand- 
schÀdigung. SekundÀre  Invasion  in  die  Blutbahn,  Infektion  eines 
PfortaderÀstchens,  von  hier  aus  Infektion  der  ganzen  Leber.  Der 
Schwerpunkt  bei  der  Beurteilung  des  Falles  wird  auf  die  durch 
den  Bazillus  pyoeyaneus  herbeigefĂŒhrte  nekrotisierende  Magen  - 
wanderkrankung  gelegt.  Klinisch  diagnostisch  glaubt  Verfasser 
ev.  die  Erkrankung  durch  bakteriologische  Untersuchung  des  Er- 
brochenen und  des  Stuhles  feststellen  zu  können.  Prognostisch 
isl  eine  solche  Erkrankung  als  sehr  ungĂŒnstig  anzusehen. 

Weißbach  (Halle  a.  S. 

Wiener  klinische  Wochenschrift,  Wien. 

(i.  Januar  1922,  Nr.  1. 

❖  Leber  die   Behandlung  der  Tetania  parathyreopriva.     Eiseisberg.  1. 
Ist  die   VerjĂŒngung  nach  der  Prostatektomie  als  „Steinach-Effekt"  aafzu 

fassen?    Blum.  2. 
Untersuchungen  ĂŒber  die  Schalleitung  in  der  Nase  und  ĂŒber  den  Einfluß  der 
Nasenweite  namentlich  auf  die  Singstimme.    R  c  t  h  i.  4. 
»M'eber  das  Xovatropin.     Hoffmann.  R.  6. 

Leber  VerĂ€nderungen  des  Zuckergehalts  in  der  ZerebrospinalflĂŒssigkeit  bei 
inneren  und  Xerven-Erkrankungen.    Kahler,  H.  8. 
❖Ueber    die    Behandlung    der    Krampfadern    mit    Sublimatinjektionen  nach 
tĂ€nserr  und  ĂŒber  die  Behandlung  der  BeingeschwĂŒre.    F  i  s  c  h  e  r  .  C.  II. 
Leber  Schwankungen  des  Komplementgehalts  bei  Meerschweinchen.    L  o  e  w. 
W.  12. 

❖  Leber  einen  atypisch  verlaufenden  Fall  von  Typhus  abdominalis.  Zweie. 

H.  13. 

‱{» Jodinjektionen  (Mirion)  bei  Keratitis  parenchymatös«  und  Lues  hereditari«. 

Rosenstein.  14. 
❖TuberkulosefĂŒrsorge  und  extrafamiliĂ€re  Expositionsprophylaxe.    B  u  r  k  a  r  d. 

14. 

Ueber   die  Behandlung   der   Tetania   parathyreopriva.  Xui 

wenn  die  medikamentöse  Therapie  (Parathyreoidintabletten.  Cal- 
cium lacticum,  Afenil,  jChloralhydratklysma)  und  mehlfreie  Kosl 
versagen,  kommt  die  Transplantation  von  Epithelkörperchen  in 
Betracht.  Die  Verpflanzung  vom  Lebenden  ist  in  Anbetracht  der 
zuweilen  eintretenden  SpÀtfolgen  der  Tetanie  nicht  unbedenklich, 
am  empfehlenswertesten  ist  die  Verpflanzung  vom  frisch  Ver- 
storbenen. Von  7  Transplantationen  hatten  3  Besserung  zur 
Folge,  einmal  dauerte  der  Erfolg  ein  Jahr  an.  dreimal  blieb  er 
trotz  Einheilung  aus. 

Ueber  das  Novatropin.  Novatropin  hat  die  gleich  starke 
Wirkung  wie  Ätropinsulfat  und  dabei  eine  30— 50  fach  geringere 
ToxizitÀt.  Es  erlaubt  deshalb  eine  protrahierte  Anwendung,  wo 
die  Atropinkur  wegen  zentraler  Beizerscheinungen  aufgegeben 
werden  muß.  bei  Hyperidrosis  der  Phthisiker,  Asthma  bron- 
chiale, chron.  KrampfzustÀnden  des  Magendarmtrakts,  in  der 
Herztherapie  als  Zugabe  bei  der  Behandlung  der  Arrhythmia 
perpetua  mit  Digitalis.  Bei  dringenden  Indikationen  (Schmerz- 
anfÀllen)  kann  Novatropin  intravenös  gegeben  werden.  Einzel 
dosis  2Ü—  5  mg.  Tagesdosen  bis  12^  mg. 

Ueber  die  Behandlung  der  Krampfadern  mit  Sublimatinjek- 
tionen  nach  Linscr   und    ĂŒber  Behandlung   der  BeingeschwĂŒre. 

Empfehlung  der  von  Lins  er  eingefĂŒhrten  intravenösen  Subli- 
matinjektionen  (1—2  cem  einer  1  prozentigen  Lösung  zwecks 
Thrombosierung  der  Krampfadern.  Zur  Behandlung  des  ulcus 
cruris  wird  Applikation  einer  10  prozentigen  Terpentinölemulsion 
zur  Anregung  der  Granulationsbildung  empfohlen. 

Ueber  einen  atypisch  verlaufenden  Fall  von  Typhus  abdomi- 
nalis. Bakteriologisch  sichergestellter  Typhus,  bei  welchem  die 
Obduktion  am  Beginn  der  dritten  Woche  einen  negativen  Darm- 
befĂŒnd  ergab. 

Jodinjektionen  (Mirion)  bei  Keratitis   parenehymatosa  und 
Lues  hereditaria.     GĂŒnstige  Beeinflussung  der  HornhauttrĂŒbun- 
gen   durch    intramuskulÀre     2-  5    cm"     und  subkonjunktivalfi 
0,5  cm3  Mirionjnjektionen. 


Ii).  Jahre.  -  Nr.  9. 


Referate 


TuberkulosefĂŒrsorge  und  extrafamiliĂ€re  Bxpositionsproph) 
laxe.    Es  isi  Sache  der  externen  FĂŒrsorge,  «Ii«.'  nicht  in  der  Fa 
nulle  lebenden  Offentuberkulösen  (Bettgeber,  Dienstleute,  Pflege 
personen,  Lehrpersonen   ausfindig  zu  machen  und  in  Evidenz  zu 
fĂŒhren,  um  gegebenen  Kalles  vorbeugend  einzugreifen. 

R  eu  D  Wien 

12;  Januar  1922,  Nr.  2. 

■t*  AnĂ€sthesie  bei  Zahuextraktiionon.    K  n  e  u  c  k  e  r.  36. 
[Jober  die  fĂŒr  die  RiintKenempfinilliiMiUo.il  pflanzlicher  « *b.i»" k i maUeebemlen 

Bedingungen.    P  c  t  r  jr.  27. 
Heber  Ozaena.    II  o  f  c  r  .  Ci.  27. 

Die   Enrnginatio  ileocoecalis  im   Röntgenbild.    Cup  a,  :io. 
1'eber  den  Mastdannkrebs.     Mandl.  31. 

Eh)  Kall  ^"ii  primÀrem  Sarkom  des  Omentum  majus.    S  m  i  i  a  I.  33. 
‱M'cbcr  die  Beziehungen  zwischen  Typhus  und  SchilddrĂŒse.    !‱'  I  r  c  k  s  c  dt  r, 
84. 

Ein  seltener  mikroskopischer  Befund  im  ausgeheberten  Mageninhalt.    R  o 

b  i  t  s  c  b  e  k.  35. 
Die  Prophylaxe  des  endemischen  Kropfes.    K  I  i  n  g  e  r.  -'>.r>. 

AnÀsthesie  bei  Zahnextraktionen.  Empfehlung  der  1  prozen- 
iigen  Novokain-Adrenalinlösung  „Algolysin"  (Wiener  chemische 
Fabrik  „Sanabo"),  zur  sofortigen  Erkennung  bei  Zersetzung  ein- 
tretender VerfÀrbung  in  durchsichtigen  Phiolen.  Körperwarm 
zu  injizieren. 

Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Typhus  und  SchilddrĂŒse. 
Bei  Vorhandensein  einer  parenchymatösen  Struma  nimmt  der 
Abdominaltyphus  meist  einen  gĂŒnstigen  Verlauf  und  Ausgang. 
Im  Typhus  kommt  eine  langdauernde  SauerstoffverarmĂŒng  der 
SchilddrĂŒse  zustande.  Sauerstoffmangel  fĂŒhrt  in  einer  ĂŒber- 
tĂ€tigen  SchilddrĂŒse  zu  Eiweißansatz.  Die  Sauerstoffverarmung 
der  SchilddrĂŒse  im  Typhus  hat  eine  eiweißsparende  Wirkung, 
welche  beim  Hyperthyrcotischen,  der  vor  der  Infektion  auf  einen 
erhöhten  Eiweißzerfall  eingestellt  war,  besonders  groß  ausfallen 
muß.  Der  Eiweißzerfall  bei  den  Typhen  mit  Hyperthyreose 
scheint  tatsÀchlich  geringer  zu  sein  als  bei  jenen  mit  normaler 
SchilddrĂŒse.  Verabreichung  von  SchilddrĂŒsenprĂ€paraten  halle 
keinen  sicheren  Einfluß  auf  den  Krankheitsverlauf. 

Die  Prophylaxe  des  endemischen  Kropfes.  Es  wird  empfoh- 
len, in  Kropfgegenden  durch  allgemeine  EinfĂŒhrung  der  Verab- 
reichung jodhaltiger  Tabletten  (Jodostarin)  in  den  Schulen  die 
heranwachsende  Generation  kropffrei  zu  machen,  worauf  dann  in 
15 — 20  Jahren  mit  der  EinfĂŒhrung  von  jodhaltigem  Speisesalz 
(2  mg  Na  J  pro  kg  Na  Gl)  begonnen  werden  könnte,  um  die  ganze 
Bewohnerschaft  dauernd  und  automatisch  kropffrei  zu  erhalten 

R  eu  ß  Wien 

10.  Januar  1922,  Nr.  Ii. 

ĂŒeiber  innere   Antisepsis.     He  U  und   R  e  i  1 1  e  r.  10. 

Kin  Kall  von  direkter  Herzmassage.    A.m  reich,  00. 

❖Zur  Diagnostik  der  Darmtuherkulose.    I<  0  1  l.  51. 

l'eber  die  Natur  des  hakteriuphagen  Virus.    Wa,  tan  ab  e.  58. 

»Heber  eine  neue  Injektionsroethode  des  Tuberkulins  bei  ausgebreiteter  Hant- 
tuberkulo.se.    Straß  bĂŒrg.  54. 

Einige  Beobachtungen  ĂŒber  die  Leukozytenzahl  bei  der  Encephalitis  epide- 
mica.   H  u  ß.  55. 

Beobachtungen  bei  einer  Epidemie  von  Tertianafieber  in  russischer  Kriegs- 
gefangenschaft.    B  e  1  a  i.  07. 

DarmlÀnge    und    Sitzhöhe.     Bemerkungen    zur    Publikation    von    Dr.  Karl 

Jellenigg  in  dieser  Wochenschrift  1921,  Nr.  50.    Schick.  B.  58. 
Zur  Behandlung  dcT  Bilharziakrankheil  mit  EmeUn.    Bemerkungen  zu  de. 
Arbeit  von  Dr.  Tsykalas  in  dieser  Wochenschrift  1921    Nr    18     M  11  v  c  r 
^        M.  59. 

Erwiderungen    an)    obige    Bemerkungen  des    Prof.    Martin    Mayer.     T  s  y 
k  a  1  a  s.  HO. 

Zur  Theorie  der  Dampfdesinfektion.    L  0  d  e.  60. 

Zur  Diagnostik  der  Darmtuberkulosc.  In  allen  FĂ€llen  von 
tuberkulösen  t'lzerationen  lĂ€ĂŸt  sich  im  Stuhl  okkultes  Blut  mittels 
der  Benzidinreaktion  nachweisen.  Die  G'uajakolreaktion  fÀllt 
wesentlich  schwÀcher  oder  negativ  aus.  Stark  positive  Guajak- 
reaktion  spricht  fĂŒr  Ulcus  oder  Karzinom,  gegen  Darmtuber- 
kulose. Dem  Bazillenbefund  in  den  Faeces  kommt  keinerlei  dia- 
gnostische Bedeutung  zu. 

Ueber  eine  neue  Injektionsmethode  des  Tuberkulins  bei  aus- 
gebreiteter Hauttuberkulose,  '/iooooo  bis  ",000000  mg  Alltuberkulin 
in  10  cm3  Hingerlösung  verdĂŒnnt,  werden  in  Abstanden  von  je 
'1.7)  cm  an  50— 60  Stellen  etwa  0,2  cm3  InjektionsflĂŒssigkeit)  in 
der  Umgebung  des  Krankheitsherdes  intrakutan  injiziert.  Diese 
Injektionsserien  werden  je  nach  der  Reaktion,  die  sie  ergeben 
haben,  in  r  7  tÀgigen  Intervallen  mit  allmÀhlich  steigenden  I  n 
berkulinmengen  wiederholt  und  bis  zur  Heilung  des  Krankheils 
llerdes  fortgesetzt  Gute  Resultate  bei  Lupus  vulgaris  und  aknei- 
l'ormem  Tuberkulid,  auch  bei  tuberkulösen  Hornhauterkran- 
kungen. 11  euß  Wien 


26.  Januar  1922,  Nr  1 

Die  praktische  Bedeutung  der  Lehre  vom  Haimos   i  die  Remiiwance 

Humoralparhologle  als  therapeutische  Konsequenz  dei  Konstttutlonslehrc 
(gesetlgt  am  Beispiel  der  Frauenheilkunde).    Aschner.  B 

❖  1  eber  therapeutische  Versuche  mit  dem  Bcnköscben  .lodpr&paral  bei  Para 

l\sis  progressiva.    .1  a  c  obi  ,  W.  7". 

❖  Beitrag  zur  Klinik  der  asthenischen  Pneumonie  der  Uttugling«.  N  0  b  «  1.  n, 
BeitrĂŒge  zur  Methodik  der  Suehs-Oeorglschen  Reaktion,  Krank.  .V  Hl, 
l  'eber  den  Pylorusrhythmus.    B  a  r  s  a  n  y,  w. 

Zur  klinischen  Verwendbarkeit  und  Handhabung  de«  1  c  nelerx  von  \m 

bard-llailion.    X  y  i  r  i.  8!). 

Zur  Technik  der  perineuralen  Injektionen  bei   Ischlil".    0  i  Ii  n  h  a  "  in.  M; 

her  Streik  der  KassenÀrzte.    Fr«)  .  L.  85. 

Ueber  Wolkenkratzer.    H  in  I  e  r  b  e  r  g  e  r.  8fi. 

l'eber  therapeutische  Versuche  mit  dem  Benkö'schcn  Jod- 
prÀparat  bei  Paralysis  progressiva.  Von  1<>  hallen,  welche  mit 
Mirioninjeklionen  behandelt  wurden,  zeigten  zwei  gute,  einer 
leichte  Remissionen,  vier  blieben  psychisch  unbeeinflußt,  zwei 
zeigten  fortschreitenden  psychischen  Verfall,  ein  Patient  starb 
wÀhrend  der  Behandlung.  Ein  Fall  von  Lues  cerebri.  mit  Snl 
varsan  erfolgreich  vorbehandelt,  zeigte  eine  ausgesprochene 
Besserung,  ein  Fall  von  Lues  congenita  blieb  unbeeinflußt  Die 
Injektionen  wurden  reaktionslos  und  ohne  Beschwerden  ver- 
tragen und  hatten  meist  eine  gĂŒnstige  Wirkung  auf  den  Allge- 
meinzustand zur  Folge. 

Beitrag  zur  Klinik  der  asthenischen  Pneumonie  der  SĂ€uij- 
linge.  FrĂŒhgeborene,  neugeborene  und  asthenische  SĂ€uglinge 
/eigen  oft  einen  atypischen  Verlauf  und  Befund  der  Pneumonie: 
negativen  Röntgenbefund  bei  positivem  klinischem  Befund  und 
umgekehrt,  hĂ€ufig  ausschließlich  indirekte  Merkmale  der  Pneu- 
monie, wie  Gewichtsabnahme,  graue  VerfÀrbung.  Erbrechen 
meningeale  Erscheinungen.  Dyspnoe.  Zyanose.  Bei  der  Obduk- 
tion von  Neugeborenen  mit  ..Debilitas  vitae"  findet  man  hÀufig 
Pneumonien.  Notwendigkeit  einer  Isolierung  der  Neugeborenen 
von  ansteekungsverdĂ€chtigen  Erwachsenen:  stall  großer  gemein 
samer  Wochenzimmer  Einzelzimmer  fĂŒr  Mutter  und  Kind. 

R  e  u  ß  Wien 

Deutsches  Archiv  fĂŒr  klinische  Medizin,  Leipzig. 

20.  'Dezember  1921,  138.  Heft  1-2. 

❖  k riiUtcbe  Studie  ĂŒber  die  Infektionswege  bei  Pyelitis  acuta  auf  Grund  klini- 

scher Beob&cMlungein.    Levy,  l. 

Zur  Frage  der  diagnostischen  Verwertbarkeit  der  (irnber-W idaischen  Reak- 
tion.    Hcrf  t.    1H.  â–ș 

l'eber  die  MuskelaktinnsstrĂŒmc  bei  Myasthenia  gravis.  SchĂ€ffCr  iinsd 
Brie  g.e  r.    28.  t 

Beobachtungen  ĂŒber  Ulcus  ventrieuli.    Clan  B.  u. 

Beobachtungen    Uber    paroxysmale    KÀltehamoglobimirie    und  Kalteikteru«. 

K  az  n  e  1  s  o  n.  U>. 
Experimentelle  Stmlien  zur  Volumbolometrie.     11  e  d  i  g  e  r.  "iS. 
Ein  Volumbolograph.    II  e  d  i  g  e  r.  71. 
Oer  Stiekstoffhaushalt  im  Greisen&lter.    II  e  y  c  r.  7ß. 

1  eber  den  Keststickstoffgehajlt  des  Hinte*  bei  arteriosklerotischen  Hyper 
tonien.  ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Xierenfunktion  bei  der  benignen 
N'ierertsklerof e.    Klei  n.  82. 

l'eber  das  Verhalten  der  Typhusbazillen  gegenĂŒber  den  bakterizidem  KrĂ€ften 
des  Blutes.    R  0  g  C  n  d  ö  r  f  e  r.  120. 

Kritische  Studie  ĂŒber  die  Infektionswege  bei  Pyelitis  acuta 
auf  Grund  klinischer  Beobachtungen.  1  Von  den  verschiedenen 
Wegen,  auf  denen  das  Bakterium  coli  in  das  Nierenbecken  ge- 
langen und  dort  eine' Pyelitis  hervorrufen  kann,  kommt  der  hÀma- 
logene  deszendierende  Modus,  wie  experimentell  am  Menschen 
nachgewiesen  wurde,  nicht  in  Betracht. 

2.  Wenn  auch  die  von  F  r  a  n  k  e  gefundenen  Lymphbahnen 
/.wischen  Colon  ascendens  und  rechter  Niere  bestehen  mögen, 
so  sprechen  doch  gegen  eine  Infektion  auf  diesem  Wege  die 
seltene  Erkrankung  des  Nierenbeckens  beim  Manne  im  Vergleich 
/.ur  Frau  sowie  sÀmtliche  FÀlle  linksseitiger  Pyelitis.  Zudem 
ist  die  Benutzung  dieses  Infektionsweges  nur  eine  Hypothese 
und  niemals  erwiesen,  er  muß  abgelehnt  werden. 

:>.   Vus  Ă€hnlichen  GrĂŒnden  kommt  eine  Infektion  des  Nieren- 
beckens auf  dem  Wege  der  im  Ureter  verlaufenden  Lymphbahnen 
nicht  in  Betracht:  das  Einschlagen  dieses  Weges  durch  tlie  Coli 
bakterien  ist  eine  unbewiesene  Behauptuni;  und  der  Nachweis  von 
Bakterien  in  ihnen  noch  niemals  erbracht  worden. 

I.  Die  aszendierende.  urogene  Infektion  des  Nierenbeckens 
in  der  Bahn  des  Sekretstroms,  im  Lumen  von  Harnröhre.  Harn- 
blase. Freier,  darf  auch  fĂŒr  die  primĂ€re"  Pyelitis  als  der  bei 
weitem  vorherrschende,  wenn  nicht  alleinige  fnfektionsmodus 
gelten'.  Diese  Auffassung  ist  an  sich  schon  die  nÀchstliegende 
und  den  natĂŒrlichen  VerhĂ€ltnissen  entsprechende 

Diese  ganze  Auffassung  bezieht  sich  zunÀchst  nach  dem  Be 
weisniateria]  nur  auf  Bakterium  coli.  Wie  sich  andere  Bakterien 
/    B   Staphylokokken  verhallen,  soll  noch  untersucht  weiden. 

o  S  Tarnow  Charlottenburg-Westend 


201 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Archiv  fĂŒr  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten,  Berlin. 

24.  Oktober  1921,  64,  Heft  1/2. 

♊♊«Asoziales  Verhalten  jugendlicher  geistig  abnormer  'ndivid.ien  in  und  noch 
dem  Kriege.    Kaltau,  M.  l. 

‱f'Ueber  die  inneren  und  Ă€ußeren  Ursachen  des  Jugendirresoins  unter  beson- 
derer   BerĂŒcksichtigung    der    KriegsschĂ€digungen.  Sonnenberg, 

A.  13. 

Die  Beziehung  des  dichterischen  Schaffens  zu  hysterischen  DĂ€mmerzu- 
stÀnden, erlÀutert  an  der  Art  Goethescher  ProduktivitÀt.  J  a  c  ob  i  ,  W.  48. 
❖Störungen  der  Funktionen  von  Hypophyse  und  Zwischenhirn  bei  Eues  ce- 
rebri.    BĂŒscher,  J.  81. 

Zur  Symptomatologie  und  DiffeirentialdiÀgnose  der  Kleinhh  nliriickenwinkel- 
rnmoren.    Pctte,  H.  98. 

Paul  Morphv.  seine  einseitige  Begabung  und  Krankheit.  Becker.  H. 
W.  133. 

Struktur  und  Seele.    Eine  histologische  Betrachtung.    L  o  e  1  e  ,  W.  140. 
Kasuistischer  Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  der  symmetrischen  Lin- 

senkernenveichungeu  hei  CO-Vergiftung.    R  u  g  e  ,  H.  150. 
Ein  Fall  von  Stirnhirnverletzung.    M  ii  1  1  e  t  .  B.  206. 
Zur  Stellung  der  Dystrophia  myotonica.    R  ii  1  f  ,  J.  225. 

Asoziales  Verhalten  jugendlicher  geistig  abnormer  Indivi- 
duen in  und  nach  dem  Kriege.  Verfasser  beschreibt  eine  Reihe 
von  jugendlichen  Individuen  mit  degenerativer  Anlage,  die  wÀh- 
rend und  nach  dem  Kriege  in  die  Verbrecherlaufbahn  hinein- 
gedrÀngt wurden.  Fast  alle  Kranken  entstammten  den  besseren 
StĂ€nden,  nie  hatten  sie  BerĂŒhrung  mit  dem  Verbrechertum  ge- 
habt. Aber  das  Degenerative  in  ihrer  Anlage  ist  die  treibende 
Kraft  und  unterbindet  eine  geordnete  LebensfĂŒhrung.  Insbeson- 
dere ist  die  WillenstĂ€tigkeit  geschwĂ€cht,  haltlos  ĂŒberlĂ€ĂŸt  sich 
der  Jugendliche  seinen  Trieben  und  kommt  auf  diese  Weise  zu 
Handlungen,  die  dem  Wohl  der  Allgemeinheit  zuwider  sind. 

Ueber  die  inneren  und  Ă€ußeren  Ursachen  des  Jugendirreseins 
unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  KriegsschĂ€digungen.  In 

Ă€ußeren  Momenten  —  Traumen,  seelischen  ErschĂŒtterungen,  er- 
schöpfenden EinflĂŒssen,  Infektionskrankheiten  —  kann  eine  U  r- 
sache  fĂŒr  das  Jugendirresein  nicht  gefunden  werden;  ihnen 
kann  höchstens  als  auslösenden  Faktoren  einige  Be- 
deutung beigemessen  werden,  d.  h.  ohne  die  zahlreichen  exogenen 
SchÀdigungen  wÀre  die  Psychose  vielleicht  nicht  so  schnell  und 
in  nicht  so  ausgeprÀgter  Form  manifest  geworden.  Als  alleinige 
Ursache  der  Schizophrenie  bleibt  die  EndogenitÀt  bestehen: 
hier  stehen  an  erster  Stelle  die  hereditÀre  Belastung  und  die  eng 
mit  ihr  zusammenhÀngenden  Störungen  der  inneren  Sekretion. 
Man  muß  eine  schizophrene  Anlage  auch  in  denjenigen  FĂ€llen 
von  Jugendirresein  annehmen,  in  denen  keine  anamnestischen 
Anhaltspunkte  fĂŒr  eine  solche  vorliegen. 

Störungen  der  Funktionen  von  Hypophyse  und  Zwischenhirn 
bei  Lues  cerebri.  Eine  luetisch  infizierte  Patientin  erkrankte  20 
Jahre  nach  der  Ansteckung  mit  Temperatursteigerung,  Polyurie 
und  myxödemartiger  Hautschwellung  am  ganzen  Körper.  Hierzu 
traten  Fettablagerung,  Amenorrhoe  und  Verschiebung  der  se- 
kundÀren Geschlechtscharaktere  nach  dem  mÀnnlichen  Typ. 
Dieses  Syndrom  entspricht  der  von  Fröhlich  beschriebenen 
Dystrophia  adiposo-genitalis.  Eigenartig  war  in  psychischer 
Hinsicht  eine  ausgesprochene  manische  Erregung  der  Kranken. 
Pathologisch-anatomisch  wird  mit  Wahrscheinlichkeit  ein  lueti- 
scher Prozeß  an  der  Basis  des  Gehirns  mit  vornehmlicher  Lo- 
kalisation im  Bezirk  der  Hypophyse  und  des  Zwischenhirns  an- 
genommen, der  sich  vermutlich  in  Form  einer  umschriebenen 
Meningoenzephalitis  abgespielt  hat.  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Jahrbuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

Dezember  1921,  46,  Heft  6. 

♩M)ic   Mageninsuffizienz  im  SĂ€uglingsalter  als  selbstĂ€ndiges  Krankheitsbild. 

B  1  ĂŒ  h  d  o  r  n  .  K.  und  Eoebcnstein.  F.  303. 
‱M\onstitutionspathologische      Betrachtungen      zur      exsudativen  Diathese. 

Slransky,  E.  und  Weber.  O.  317. 
❖Zur  Frage  der  Pathogenese  der  Polioeneephalitis  epidemica.   Q  u  e  s  t  ,  R.  324. 
‱J*Ueber  die  Aetiologie  des  sogenannten  Megacolon  congenitum  (tlirschspr.ing- 

BChe   Krankheit).     .1  o  s  s  e  I  i  n  de  .long.  K.  de  und  P  1  a  n  t  e  n  g  a  , 

B.  P.  B.  332. 

Die  Mageninsuffizienz  im  SÀuglingsalter  als  selbstÀndiges 
Krankheitsbild.  Als  Kennzeichen  der  Mageninsuffizienz  werden 
hervorgehoben:  Nichtgedeihen,  Mattwerden,  Gewichtsstillstand 
oder  -abnÀhme,  Verschlechterung  von  Turgar  und  Hautfarbe, 
schwere  Appetitlosigkeit,  in  vielen,  aber  nicht  allen  FĂ€llen  un- 
regelmĂ€ĂŸiges und  meist  nicht  sehr  reichliches  Erbrechen,  zu- 
weilen auch  verlangsamte  HerztÀtigkeit  und  stÀrkerer  Verfall. 
Die  Mageninsuffizienz  wird  durch  eine  MagenspĂŒlung  3—4  Stun- 
den nach  der  Nahrungsaufnahme  festgestellt.  HauptsÀchlich  wer- 
den Kinder  von  Y<—VA  Jahren  befallen.  Es  handelt  sich  meist 
um   zurĂŒckgebliebene   Kinder,  die  durch  ErnĂ€hrungsstörungen 


oder  Infekts  in  einen  schlechten  Zustand  geraten  sind.  Die  Stau- 
ung des  Mageninhalts  tritt  auf:  1.  primĂ€r,  d.  h.  nicht  vom  DĂŒnn- 
darm aus  aufsteigend,  2.  im  Anschluß  an  anakute  ErnĂ€hrungs- 
störungen, besonders  Ruhr,  3.  bei  Infektionen  aller  Art.  Zur  Be- 
handlung ist  der  Magen  zunĂ€chst  leer  zu  spĂŒlen,  dann  werden 
langsam  steigende  Nahrungsmengen  gegeben. 

Konstitutionspathologische  Betrachtungen  zur  exsudativen 
Diathese.  Nachuntersuchungen  von  Kindern,  die  in  der  SĂ€ug- 
lingszeit exsudative  Erscheinungen  gehabt  hĂ€tten,  ergaben,  daß 
in  den  meisten  FĂ€llen  alle  pathologischen  Erscheinungen  schwan- 
den. Doch  blieb  ein  gewisser  Teil  ĂŒbrig,  bei  denen  auch  spĂ€ter 
Krankheitszeichen  auftraten.  11  Kinder,  die  eine  Erythrodermie 
durchgemacht  hatten,  wiesen  spÀter  keine  auffallenden  Haut- 
erscheinungen auf. 

Zur  Frage  der  Pathogenese  der  Polioeneephalitis  epidemic  a. 

Drei  Kinder,  die  an  Polioeneephalitis  epidemica  litten,  werden  mit 
ihrer  eigenen  LumbaiflĂŒssigkeit  intrakutan  geimpft.  Auf  diese 
Weise  war  ein  Antigenkörpcr  im  Liquor  nachzuweisen.  Er  ver- 
schwand bei  Besserung  des  Zustandes.  Bei  den  sich  lange  hin- 
ziehenden FĂ€llen  blieb  die  Reaktion  negativ. 

Ueber  die  Aetiologie  des  sogenannten  Megacolon  congenitum 
(Hirschsprung'sche  Krankheit).  Bei  einem  4  Wochen  alten  Kinde, 
das  an  Hirschsprung'scher  Krankheit  gelitten  hatte,  wurde  bei 
der  Sektion  der  Darm  vor  der  Herausnahme  mit  Formalin  ge- 
hÀrtet. An  dem  Uebergang  von  der  Flexur  in  das  Rektum  war 
die  ganze  Darmwand  derart  gefaltet,  daß  eine  sporenĂ€hnlich  in 
das  Lumen  vorspringende  Klappe  gebildet  wurde.  Sie  hatte  den 
Durchtritt  des  Darminhalts  gestört.  Es  bestand  also  kein  an- 
geborener großer,  dicker  Darm,  kein  Megacolon  congenitum,  son- 
dern ein  angeborenes  Durchgangshindernis.  A.  P  e  i  p  e  r. 

Archiv  fĂŒr  Verdauungskrankheiten,  Berlin. 

Oktober  1921,  28,  Heft  5-6. 

Zur  Magcnnomenkla'iir.    Groedel.  Franz.  245. 

Uelier  hochsitzende  Duodenalsklerose.    Nick.  H.  2GĂ€. 

BeitrĂ€ge  zur  Radiologie  des  Ulcus  Duodeni.    B  Ă€  r  s  o  n  y  .  Th.  27Ö. 

Vergleichende  Untersuchungen  auf  tryptisches  Ferment  in  den  Faecvs  und 

Duodenalsaft  mit  d.  Casein-Methode.     S  c  h  o  p  p  e  .  W.  2S9. 
Ulcus   peplicum   jejuni   und   Pylorusausschaltung.     K  e  1  1  i  n  g.  316. 
Pylorospasmus  und  Pylorusstenose  i.  Röntgenbild.    Bauermeistcr.  32.'. 
❖Pleuritis  und  Magenschmerzen.    Rennen.  K.  328. 

»»»Zur  Indikationsstellung  bei  akuten  Magen-  und  Duodenalblutungen.  Finste- 
rer, H.    337.  . 

Pleuritis  und  Magenschmerzen.  Die  innere  Therapie  des 
blutenden  Ulcus  hat  gute  Erfolge,  bei  nicht  blutendem  Ulcus  da- 
gegen sind  nur  10  Prozent  Dauererfolge.  Also  ist  die  richtige 
Diagnosestellung  des  nicht  blutenden  Ulcus  zu  bezweifeln.  Mit 
diesem  recht  anfechtbaren  Gedankengang  beginnt  Verfasser  seine 
Arbeit;  er  vergißt  die  Kleinigkeit,  daß  ja  der  gute  Erfolg 
bei  der  Behandlung  der  Ulcusblutung  auch  meist  kein  Dauer- 
erfolg ist,  sondern  die  Ulcusbeschwerden  rezidivieren.  Verfasser 
untersucht,  welche  Krankheiten  ein  Ulcus  ventriculi  vortÀuschen 
können  und  weist  auf  die  SchÀdigungen  hin,  die  die  Magennerven 
auf  ihrem  Wege  durch  die  Brusthöhle,  besonders  durch  Pleuri- 
tiden,  erleiden  können.  Fr  beschreibt  eine  Anzahl  seiner  FÀlle, 
die  unter  der  Diagnose:  Ulcusverdacht,  nervöses  Magenleiden 
usw.  gingen,  ohne  objektiven  Befund,  bei  denen  nach  0,1  mg  Alt- 
tuberkulin  eine  Druekempfindlichkeit  in  der  Pylorusgegend  und 
Magenschmerzen  auftraten.  In  den  meisten  dieser  FĂ€lle  war 
irgendeine  Lungenaffektion  nachweisbar,  besonders  oft  rönt- 
genologisch eine  Pleuritis  diaphragmatica.  Als  pathognomonisch 
fĂŒr  diese  Erkrankung  nennt  Verfasser  eine  Druckempfindlichkeit 
im  Schnittpunkt  zwischen  verlÀngerter  10.  Rippe  und  Parasternal- 
linie,  ferner  eine  Druckempfindlichkeit  des  N.  phrenicus  zwischen 
den  Schenkeln  des  Sternocleidomastoid,  im  Röntgenbild  eine 
„Buckelung"  des  Zwerchfells,  TrĂŒbung  der  unteren  Lungenteilc. 
geringe  oder  ungleichmĂ€ĂŸige  Zwerchfellbewegung.  Diese  tuber- 
kulöse Pleuritis  kann  —  so  meint  Verfasser  —  Magenschmerzen 
hervorrufen.  Die  Ursache  sieht  er  in  einem  Uebergreifen  des 
EntzĂŒndungsprozesses  auf  den  N.  phrenicus.  Man  soll  also  — 
so  schließt  R  enne  r  — ,  ehe  man  sich  zur  Diagnose  Ulcus 
ventriculi  entschließt,  immer  erst  an  Tuberkulose  denken,  vor 
allem  diagnostische  Tuberkulineinspritzungen  machen.  Oft  wird 
man  bei  spezifischer  Therapie  sehr  gute  Erfolge  erzielen.  Leider 
bleibt  uns  Verfasser  hier,  nÀmlich  in  der  Hauptsache  den  Beweis 
schuldig.  Und  ehe  der  nicht  geliefert  ist,  mögen,  so  interessant 
seine  Hinweise  auch  sind,  an  der  Richtigkeit  einige  Zweifel  ge* 
stattet  sein. 


40.  Jahrg.  — Nr.  9. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


305 


Zur  [ndikationsstellung  bei  akuten  Magen-  und  Puodenal- 
blutungen.  Wohl  die  Mehrzahl  aller  Chirurgen  und  ziemlich  alle 
Internisten  stehen  heule  auf  dem  Standpunkt,  daß  die  akuten 
Magen-  oder  Duodenalblutungen  konservativ,  d.  h.  mit  Ruhe,  DiÀt 

und  Medikamenten  ZU  behandeln  sind.  So  interessiert  es,  von 
Finster  er- Wien  eine  ganz  abweichende  Meinung  zu  hören. 
Er  hÀlt  bei  der  akuten  Blutung  aus  einem  chronischen  (kailösen) 
I  leus  eine  sofortige  Operation,  und  /.war  die  Resektion  fĂŒr  an- 
gebracht. Wie  minier  in  solchen  Streitfragen,  muß  das  schwere 
BeschĂŒtz  anfahren,  die  Statistik,  mit  der  ja  bekanntlich  alles  zu 
beweisen  ist.  Finsterer  berechnet  bei  der  akuten  Magen- 
blutung 47  Prozent  Mißerfolge  bei  interner  Behandlung,  dagegen 
nur  25  Prozent  Mißerfolge  bei  chirurgischer  Behandlung.  Die 
Bichtigkeit  der  letzten  Zahl  mag  stimmen,  die  erste  widerspricht 
jedem  sonst  angegebenem  Resultat.  (Die  Zahlen  schwanken 
sonst  zwischen  2  und  6  Prozent  MortalitĂ€t.)  Richtig  ist  natĂŒr- 
lich, daß  die  Chirurgen  meist  erst  zu  ausgebluteten  Patienten  zu- 
gezogen werden,  wenn  die  innere  Therapie  versagt  hat.  Fin- 
sterer stellt  daher  als  Wichtigstes  die  sofortige  Operation  am 
ersten  Blutungstage  hin.  Die  GefÀhrlichkeit  der  Resektion  wird, 
wie  er  angibt,  geringer,  wenn  er  statt  Allgemeinnarkose  die  Lei- 
lungsanĂ€sthesie  mit  K  Prozent  Novokain  ausfĂŒhrt.  Operation 
bei  Blutungen  aus  akutem  Ulcus  lehnt  auch  er  ab. 

Glaser  (Charlottenburg). 

Zeitschrift  fĂŒr  Sexualwissenschaft,  Bonn. 

Januar  1922,  8,  Heft  10. 

♩^Konstitution    und   Erlebnis    in   der   Sexnalpsychologie    und    -pathologie  des 
Kindesalters.    Moses,  J.  305. 

Konstitution  und  Erlebnis  in  der  Sexualpsychologie  und 
-pathologie  des  Kindesalters.  Eine  der  Grundfragen,  um  deren 
Beantwortung  sich  die  moderne  Sexualforschung  bemĂŒhen  muß, 
ist  die,  ob  es  möglich  ist,  die  wissenschaftliche  Grundlage  fĂŒr 
den  Begriff  einer  Sexualkonstitution  zu  finden,  die  von 
den  Leistungen  der  endokrinen  Organe  in  AbhÀngigkeit  zu 
bringen  wĂ€re.  Ist  man  —  insbesondere  bei  allen  verfrĂŒhten 
sexuellen  Aeußerungen,  Handlungen  und  Abarlungen  —  genötigt, 
eine  besondere  Sexualkonstitution  vorauszusetzen  oder  an  der 
bisherigen  Annahme  der  neuro-psychopathischen  Anlage  festzu- 
halten? An  einer  Reihe  von  FĂ€llen  wird  gezeigt,  daß  zweifellos 
die  neuropathische  Konstitution  bei  der  Entstehung  infantiler 
Triebanpmalien  eine  bedeutsame  Rolle  spielt.  Andere  Beobach- 
tungen wiederum  drĂ€ngen  zu  der  Auffassung,  daß  eine  Hyper- 
erotisierung  vorliegt,  die  durch  eine  neuropathische  Veranlagung 
nicht  genĂŒgend  erklĂ€rt  wird,  sondern  auf  eine  spezielle  konsti- 
tutionelle Anlage  der  Hormongewebe  zurĂŒckgefĂŒhrt  werden  muß. 
FĂŒr  die  sexualpsychologische  Entwicklung  eines  Menschen  kann 
es  von  ausschlaggebender  Bedeutung  werden,  in  welcher 
Form,  unter  welchen  Ă€ußeren  Begleiterscheinungen 
und  bei  welcher  seelischen  Konstellation  die  ersten 
sexuellen  Regungen  ins  Bewußtsein  gelangen.  Auch  bei 
der  HomosexualitĂ€t,  fĂŒr  die  die  angeborene  Konstitution  von 
ĂŒberragender  Bedeutung  ist,  kann  in  der  Zeit  des  undifferenzierten 
Geschlechtstriebs  die  Sexualpsyche  durch  ein  bestimmtes  Erlebnis 
nach  der  einen  oder  anderen  Seite  gelenkt  werden. 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie,  Jena. 

1921,  34,  Heft  3. 

Wasser-  und  Konzentrationsvefsuehe  an  Nierenkranken.    Lehmann  und 
E  1  f  e  1  d  t.  291. 

Dura-  und  SchÀdelplastik.    Hanta  eh.  328. 

Leiherechinokokkus.    A  m  r  e  i  c  h.  334. 
❖  Bedeutung  der  Magenstraße.    Katsch  und  v.  Friedrich,  343. 

Mechanik    des   Liquor   cerebro    spinalis.     V  r  0  p  p  i  n  g.  3G2. 
^Nierendekapsulation    bei    SublimatvergiJtung.     Rollwage.  374. 

Muskelspasrnen  beim  kontrakten  Plattfuß.    S  c  h  ii  f  f  e  r  und  W  e  i  1.  303. 

Tetanie.    Melchior.  400. 

Die  funktionelle  Bedeutung  der  Magenstraße.  Waldeyer 
benannte  als  „Magenstraße"  die  lĂ€ngsgerichteten  Schleimhaut- 
falten entlang  der  kleinen  Kurvatur.  Diesen  Faltenweg  entlang 
soll  der  Hauptiransport  der  Speisen  (besonders  der  flĂŒssigen) 
stattfinden.  Die  vorwiegend  vertikale  Richtung  dieses  Weges 
(beim  stehenden  Menschen)  soll  die  Erscheinung  erklÀren  helfen, 
daß  bei  vollem  Magen  getrunkenes  Wasser  sehr  schnell  darm- 
wÀrls  ablÀuft,  ohne  sich  wesentlich  mit  dem  Mageninhalt  ver- 
mischt zu  haben.  Diesen  Anschauungen  treten  die  Verfasser  — 
neben  theoretischen  Bedenken  —  auf  Grund  folgender  Versuche 
entgegen:  1.  Sie  ließen  magengesunde  Menschen  zunĂ€chst  eine 


volle  Mittagsmahlzeil  einnehmen  und  gaben  ihnen  danach  eine 
KontrastflĂŒssigkeit  (Bismon)  zu  trinken,  Vor  dem  Röntgen- 
schirm konnten  sie  dann  beobachten,  daß  bei  keiner  Versuchs 
person  sich  der  Schattenstrom  an  der  kleinen  Kurvatur,  der 
Magenstraße,  hielt,  sondern  sich  stets  mehrere  Wege  -  oll 
fÀcher-  und  strahlenförmig  durch  den  Mageninhalt  bahnte. 
2.  Nach  Hinnahme  einer  Kontrastmahlzeit  wurde  den  Versuchs- 
personen schnell  gewöhnliches  Wasser  zu  trinken  gegeben.  Da- 
bei zeigte  sich,  daß  das  nachgetrunkene  Wasser  zunĂ€chst  ober- 
halb der  B  a  r  y  u  m  -  Mahlzeil  stehen  bleibt;  mehr  oder  weniger 
langsam  entleert  sich  dann  die  FlĂŒssigkeit  in  den  Darm;  sie  ge 
langt  schneller  dorthin  als  die  festen  Speisen,  aber  durchaus 
nicht  nur  an  der  kleinen  Kurvatur  entlang,  sondern  auf  vielen 
Wegen.  Die  Verfasser  nehmen  an,  daß  die  Kontraktionen  des 
Pylorus  die  FlĂŒssigkeit  nach  Art  einer  Saug-  und  Druckpumpe 
auf  den  Wegen  des  kleinsten  Widerslandes  durch  den  kompakten 
Mageninhalt  ansaugen.  —  Diese  Beobachtungen  mĂŒssen  auch 
gegen  die  Lehre  Äschoffs  sprechen,  nach  der  das  Magen- 
geschwĂŒr eine  lokale  Erkrankung  der  kleinen  Kurvatur  ist,  vor- 
wiegend verursacht  durch  die  mechanische  SchÀdigung  des 
Speisetransportes. 

Nierendekapsulation  bei  Sublimatvergiftung.  Verfasser  be- 
schreibt zunÀchst  zwei  selbst  beobachtete  FÀlle  von  Nieren- 
dekapsulation bei  Sublimatvergiftung,  bei  denen  die  Operation 
keinen  Erfolg  hatte.  Unter  BerĂŒcksichtigung  der  ĂŒbrigen  neun 
bisher  in  der  Literatur  niedergelegten  FĂ€lle  kommt  er  zu  folgen- 
den SchlußsĂ€tzen:  Die  Operation  ist  an  sich  ein  relativ  leichtei 
Eingriff,  der  stets  gut  vertragen  wird.  Ein  wertvoller  Erfolg  ist 
bisher  mit  der  Operation  nicht  erzielt  worden;  denn  wenn  auch 
ein  Fall  von  den  neun  beschriebenen  am  Leben  geblieben  ist,  so 
muß  demgegenĂŒber  betont  werden,  daß  auch  nicht  operierte  FĂ€lle 
gesund  werden  und  selbst  nach  8  Tagen  völliger  Anurie  spontan 
die  Harnflut  wieder  einsetzen  kann.  Trotzdem  kann  bei  der 
völligen  Aussichtslosigkeit  der  inneren  Therapie  die  Entkapse- 
lung  versucht  werden,  besonders  da  in  fast  aUen  bekannten 
FÀllen  eine  LebensverlÀngerung  um  einige  Tage  eingetreten  ist. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

28.  Januar  1922,  49,  Nr.  4. 

Gastropexie.    K  reut  e  r.  106. 
^‱Resektion  oder  Gastroenterostomie   hei   Ulcus   ventriculiV     D  u  b  s.  108. 
Fibrom  der  Bauehdecken.    C  a  h  n.  110. 
Nachweis  von  Seukungsabseessen.    Eisner.  III. 
StirnlappenspÀtabseess.     M  ii  c  k.  112. 

NebennierenexstĂŒrpation   bei    Epilepsie.     Fischer.  113. 
Eigenartige  Mitteifußerkrankung.    .)  a  c  ulise  n.  116. 
❖Tetanus.    S  c  h  u  1 1  z  e  ,  E.  118. 
Stumpf  Versorgung  bei  Kropfoperation.    Flor  c  k  e  n.  120. 

Resektion  oder  Gastroenterostomie  bei  pylorusfernem  Ulcus 
ventriculi?  Wegen  eines  ĂŒber  zweifrankstĂŒckgroßen,  derben 
kallösen  Geschwmrs  mit  starken,  schwartigen  perigastritischen 
AdhÀsionen  wurde  bei  einem  Patienten  die  vordere  Gastroenter- 
ostomie ausgefĂŒhrt.  Infolge  erneuter  Beschwerden  Belaparo- 
tomie  nach  etwa  einem  halben  Jahre.  Von  dem  großen  Ulcus 
war  trotz  genauesten  Absuchens  und  Abtastens  (auch  vom  Ma- 
geninnern  aus)  nichts  mehr  zu  finden.  Es  gibt  demnach  also 
FĂ€lle  von  großen  kallösen  GeschwĂŒren,  die  allein  nach  Gastro- 
enterostomie anatomisch  vollkommen  ausheilen. 

Ueber  Tetanus.  Ein  junger  Mann,  der  1918  im  Felde  einen 
Durchschuß  durch  den  linken  Unterschenkel  erhalten  hatte,  wurde 
1921  wegen  einer  noch  bestehenden  Fistel  operiert;  2  Sequester 
wurden  entfernt,  die  Höhle  mit  KarbolsÀure  ausgegossen  und  die 
Wunde  geschlossen.  Nach  8  Tagen  trat  schwerer  Tetanus  auf, 
nach  10  Tagen  Exitus.  Verfasser  hatte  bewußt  die  Tetanus- 
impfung unterlassen  in  der  Ueberlegung,  daß  1.  ein  Durchschuß 
vorlag,  daß  2.  der  Mann  nach  der  Verwundung  keinen  Tetanus 
gehabt  hatte,  daß  3.  kein  GeschoßstĂŒck  zu  entfernen  war,  und 
daß  schließlich  der  Mann  in  der  Zwischenzeit  4  mal  an  der  Fistel 
ohne  Störung  des  Wundverlaufs  operiert  war.  Dringende  Mah- 
nung, nie  die  prophylaktische  Tetanusschutzimpfung  zu  unter- 
lassen! K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Archiv  fĂŒr  klinische  Chirurgie. 
1921,  Bd.  118. 

❖  Ueber  die  kausale  Behandlung  des  MagengeschwĂŒrs.   S  c  h  m  i  e  d  e  n,  O.  1. 
Die  Stauungsgallenblase  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Aetiologic  de: 
Gallenstauungeu.    Schmieden,  O.  und  R  o  h  d  e  ,  Carl.  14. 


206 


Aus    den    neuesten  Teilschritten 


40.  Jahre.  —  Nr.  9. 


Di«  gallige  Pi'i i t-owi 1 1 s  ihn«-  Perforation.    I!  i  i  i  c  r  ,  Carl.  Si. 
V.in  Kall  von  sog.  idiopathischer  CholedochiuBcyste.    gchĂŒrbol  r.  91. 
Beitrag    zur    Chirurgie    des    l'leus    eallosum    ventridili      Hol  s  <‱  I»  e  r  ■ 
Richard,  96". 

Die  Lokalisierung  des  Ulcus  ventriculi  und  Ulcus  duodeni  mit  Hilfe  der 
Blutatmylasebestirnraung.    Block,  Werner.  114. 

Die  Vuheftung  des  gastroptotischem  Magens  an  die  Hippen  K  1  h  p  p  und 
Rieß.  125. 

❖  leber  entzĂŒndliche  GeschwĂŒlste  am  Darm.    Körte.  \v.  13g. 

Kin  Beitrag  zur  chirurgischen  Behandlung  des  Ascites,  spez.  de*  tuberkulösen 
mit  Peritoncalfcnsterung  zwecks  subkutaner  Daiuerdraimagc.  E  rltes, 
Kritz.  lfil. 

1  eher  angeborene  einseitige   NierenatrophieC    Rumjel,   <>.  173. 
Der    Ureterverschlitß    durch     Mesentorialdriiscntuberkulosc.  Valentin, 
Erwin.  189. 

Die  Verlagerung  des  Harnleiters,  seine  VerlĂ€ngerung  und  seine  VerkĂŒrzung, 

und   deren  diagnostische  Bedeutung.     Joseph.   Eugen.  194. 
‱i'SehĂ€  lelknocIun  und  Gehirn.     T  i  1  m  a  n  11.  201. 

Urethra-    und    Blasendefekt    nach    komplizierter    Schußverletzung  plastisch 

durch  Kcktumteile  ersetzt.    Hacker.  V.  209. 
Die   Sicherung   der  Blasenfistelnaht   durch    Interposition   der  Plica  vcsie.i- 

uterina  und  EinnĂ€hung  der  C'ervix  in  den  vorderen  Levatorspalt.    Ii  ĂŒ  b  - 

s  a  m  e  n  ,  W.  220. 

Zur  Entstehung  und  Behandlung  des  angeborenen   muskulÀren  Schreihalses. 
Krankel.  .1.  228. 
‱>stumpfplastik   bei   KinderstĂŒmpfen.     D  e  u  ts  c  U  I  Ă€  11  d  e  1  .    Carl.  253. 

Die  chirurgische  Behandlung  der  Progenie.     K  ru  e  g  e  r  ,   B.  281. 
❖leber  den  augenblicklichen  Stand  der  zahnĂ€rztlichen   Prothetik   und  Ver- 
bandlehre.   Schröder.  H.  27.r>. 

Muskelplastik  in  Verbindung  mit  LĂ€hmungsprothesen  zur  Behandlung  von 
ausgedehnten   schlaffen   LĂ€hmungen.     H  a  g  w  a  r  d  .    E.  298. 

L'eber  seltenere  Mechanismen  der  GefĂ€ĂŸverletzung  KĂŒttn  r.  Hermann.  308. 

Ueber  den  Wert  der  Ersatzniethoden  der  GefĂ€ĂŸuuterbinduug.  M  0  m  b  urg, 
Kritz.  330. 

Ueber  die  Bedeutung  der  Pfortadersklerose.    Hart.  Carl.  337. 
Die  FĂŒUungezustĂ€nde  der  Blutkapillaren  und  die  auf  sie  einwirkenden  Ur- 
sachen.   H  i  11  t  z  e  .  Arthur.  361. 

❖  Beitrag    zur    Indikation    und    Wirkungsweise    von  SclĂŒlddrusenoperationen. 

G  r  autrt,  H.  381. 
❖Zur  Behandlung  der  Tetania  parathyreoprivii.    Eiseisberg,  A.  387. 
Das  Wesen  des  Krankheitsbildes  der  ..Mnrmorknochen  I  Albers-Schöneb  Tg)' . 

Schulze,  Fritz.  111. 
Die    Behandlung    von    Knochenfisteln    und    Knochenhöhlen    nach  SchuB- 
briienen.    B  1  e  e'h  e  r.  439. 
❖Ueber  Knochenerkrankungen  im  JĂŒnglingsalter.    Vogel,  K.  440. 

Fehldiagnosen  hei  Knochen-  und  Gelenktuberkulose.    Kiseh.  Eugen.    4t*  1 . 

Ueber  die  kausale  Behandlung  des  MagengeschwĂŒres.  Verl' 
behandelt  die  Wichtigkeit  des  Zusammengehens  der  einzelnen 
medizinischen  Disziplinen,  vor  allem  der  Chirurgie,  innere  Me- 
dizin und  Pathologie  bei  der  Therapie  des  Magenulcus.  Seiner 
Ansicht  nach  ist  das  vergleichende  Studium  der  verschiedenen 
Behandlungsarten  von  der  Àtiologischen  Forschung  untrennbar. 
Dies  aber  fĂŒhrt  auf  die  kausale  Therapie  des  Leidens.  ZunĂ€chst 
erblickt  Sch.  in  der  A  s  c  h  o  f  1"  sehen  Theorie,  das  Magenulcus 
sei  ein  lokales  Leiden,  die  wichtigste  Grundlage  des  Maßstabes 
der  postoperativ  herzustellenden  Magenmechanik,  deren  Ziel  Er- 
haltung der  motorischen  FĂ€higkeit  und  sonstigen  physiologischen 
Funktionen  bei  Vermeidung  von  Rezidiven  oder  Jejunal- 
geschwĂŒren  ist.  Unter  diesen  Gesichtspunkten  ergibt  die  PrĂŒfung 
der  einzelnen  Operationsmethoden  folgendes:  Die  einfache 
Gastroenterostomie  hat  nur  bei  der  narbigen  Pylorusstenose  un- 
eingeschrÀnkte Berechtigung,  ebenso  wie  die  Pylorusaus- 
schaltung.  Auch  den  meisten  Magenresektionsmethoden  haftet 
der  Fehler  einer  Schaffung  unphysiologischer  VerhÀltnisse 
Sturzentleerung,  Gefahr  des  Jejunalulcus)  an,  weshalb  z.  B. 
v.  St  aber  er  zur  Methode  Billroth  zurĂŒckgekehrt  ist.  Das- 
selbe gilt  in  erhöhtem  Maße  von  der  v.  Finsterer'  sehen 
Biesenresektion.  Als  Beispiel  kausaler  Therapie  fĂŒhrt  Verfasser 
die  von  ihm  ersonnene  treppenförmige  Resektionsmethode  an,  be- 
sonders von  Nutzen  bei  dem  typischen  Ulcus  auf  der  Milte  der 
kleinen  Kurvatur.  Des  weiteren  muß  auch  Vor-  und  Nachbe- 
handlung der  Erkrankung  von  kausalen  Gesichtspunkten  geleitel 
sein.  (Schaffung  eines  „freien  Intervalls"  zur  Erleichterung  der 
Operation,  planvolle  Indikation,  bezw.  nach  erfolgter  Operation 
Erziehung  zum  Langsamessen.  DiÀtschema,  Verbot  des  Zigaret- 
ten rauehens). 

l'eber  entzĂŒndliche  GeschwĂŒlste  am  Darm.  Seit  der  Zunahme 
der  operativen  Behandlung  der  Darmtumoren  mehren  sich  die 
fÀlle,  bei  denen  die  entfernte  Geschwulst,  bis  dahin  als  maligne 
angesehen,  sich  als  entzĂŒndlicher  Art  herausstellte.  Verfasser 
beschreibt  sechs  solcher  FĂ€lle,  bei  deren  fĂŒnf  die  ursprĂŒngliche 
Diagnose:  Karzinom  lautete,  wÀhrend  im  sechsten  Falle  retro- 
cökaler  Abszeß  angenommen  wurde.  Erst  die  mikroskopische 
l'nlersuchung  konnte  die  wahre  Natur  der  exstirpierten  Ge- 
schwĂŒlste aufdecken:  in  allen  Ii  FĂ€llen  fand  sich  dabei  ein 
chronischer  EntzĂŒndungsprozeß  als  Ursache  der  Neubildung,  die 
somit  mit  einem  echten  malignen  Tumor  nichts  zu  tun  hat.  In 
vier  FĂ€llen  ging  hierbei  die  tumorbildende  EntzĂŒndung  vom 
Appendix,  in  zweien  von  der  Schleimhaut  des  Tvphlons  aus  Die 


Wichtigkeit  der  Kenntnis  dieser  Art  von  Tumoren,  besonders 
hinsichtlich  auch  der  Prognose,  liegt  auf  der  Hand,  obwohl 
einschrĂ€nkend  gesagt  werden  muß.  daß  nach  Ansicht  des  Verf. 
die  sichere  Diagnose  vor  der  Operation  kaum  gestellt  werden 
dĂŒrfte,  zumal  bei  der  relativen  HĂ€ufigkeit  des  Karzinoms  in 
erster  Linie  stels  an  ein  solches  zu  denken  ist. 

SehÀdelknoehen  und  Gehirn.  Verfasser  beleuchtet  an  einer 
Leihe  typischer  Beispiele  die  interessanten  WechselverhÀltnisse 
bei  Erkrankungen  oder  Verletzungen  des  SchÀdels  einerseits, 
bezw.  des  Gehirns  andererseits.  Hinsichtlich  der  Verletzungen 
sind  folgende  beide  Extreme  zu  nennen,  die  ihre  AusprÀgung  der 
Art  des  Trauma's  verdanken  und  zwischen  denen  sich  alle 
ĂŒbrigen  pathologischen  Variationen  bewegen:  einmal  die  SchĂ€del- 
fraktur ohne  die  geringste  klinisch  oder  pathologisch  wahrnehm- 
bare VerÀnderung  del  Gehirnes:  andererseits  die  HirnlÀsion  ohne 
SchĂ€deldefekt  (z.  B.  CommoĂŒo  cerebri).  Es  werden  dann  die 
f  Àlle  besprochen,  bei  denen  teils  eine  Hirnaffektion  sich  aus 
einer  SchÀdelverletzung  oder  Erkrankung  entwickelt  und  umge- 
kehrt (Tumoren,  EntzĂŒndungen.  SchĂ€deltraumen  usw.  bezw 
HirnhĂ€utentzĂŒndungen,  Hirntumoren  usw.).  Oft  stellen  sich,  ohne 
daß  Infektion  von  außen  vorliegt,  Knochenprozesse  ein,  die  als 
1  eaktiv  regeneratorische  aufzufassen  sind.  Hier  bringt  die 
Operation  oft  genug  die  Heilung.  Andrerseils  vermag  sie  bei 
sekundÀrer  Hirnerkrankung  nach  .SchÀdelverletzung  oder  ander 
weitiger  pathologischer  VerĂ€nderung  desselben  gĂŒnstigenfalls 
nur  Besserung  erzielen.  Es  werden  schließlich  noch  die  inter- 
essanten Wechselbeziehungen  zwischen  den  VorgÀngen  im 
SchÀdelknochen  (z.  B.  Tumoren)  und  dem  SchÀdelinhalt  bei  Ver- 
Ă€nderungen des  letzleren  (Druckerscheinungen!  >  an  einer  Reihe 
klinischer  FĂ€lle  beleuchtet. 

Stumpfplastik  bei  KinderstĂŒnipi'en.  Das  MißverhĂ€ltnis 
zwischen  gesteigertem  Knochenwachstum  im  Kindesalter  und  der 
Atrophie  der  Stumpfmuskulatur  bedingt  im  Laufe  der  Zeit 
Formen  der  AmpulationsstrĂŒmpfe  bei  Kindern,  die  den  mo- 
dernen Forderungen  hinsichtlich  der  TragfÀhigkeil  nicht  voll 
kommen  entsprechen.  Verf.  glaubt  der  Lösung  des  Problems 
durch  eine  Operationstechnik  nÀher  gekommen  zu  sein,  bei  der 
ein  genĂŒgend  großes  StĂŒck  der  oberen  Fibuladiaphyse  zur 
autoplastischen  Deckung  des  Tibiastumpfes  verwendet  wird.  Der 
Vorteil  des  Verfahrens  liegt  in  der  Vermeidung  der  Entnahme 
des  Transplantates  aus  der  Tibia  selbst,  wobei  jedesmal  eine  er- 
hebliche VerkĂŒrzung  der  letzteren  notwendig  wird. 

Ueber  den  augenblicklichen  Stand  der  zahnÀrztlichen 
Prothetik.  Aus  der  die  heutige  hohe  Vervollkommnung  der  zahn- 
Ă€rztlichen Technik  deutlich  schildernden  Abhandlung  sei  das  all 
gemein  Wissenswerte  kurz  wiedergegeben.  Die  Frakturbehand' 
hing  der  Kiefer  hat  durch  den  Ausbau  der  Verbandtechnik  —  es 
sind  im  wesentlichen  SchienenverbÀnde,  die  volle  Bewegungs- 
freiheit der  Kiefergelenke  ermöglichen  —  eine  erhebliche  Ver- 
besserung erfahren.  Namentlich  FĂ€lle  mit  starker  Dislokation 
der  Fragmente  lassen  sich  durch  die  sog.  kĂŒnstlichen  Gelenke 
der  Schienen,  die  in  der  Gegend  der  natĂŒrlichen  Gelenke  außer- 
halb des  Kiefers  angebracht  werden,  leicht  und  schnell  zur 
funktionell  gĂŒnstigen  Ausheilung  bringen.  Einen  wesentlichen 
Fortschritt  stellt  ferner  der  plastische  Ersatz  fehlender  oder 
degenerierter  Kieferteile,  besonders  der  Gelenke  dar.  eine  Tal- 
sache, die  in  erster  Linie  chirurgischen  Bestrebungen  zu  ver- 
danken ist:  Ersatz  des  Condylus  durch  das  Metalarsale.  Implan- 
tation einer  Phalange  in  einen  defekten  Unterkieferast  usw.  Auch 
die  außerordentlich  schwierige  therapeutische  Beeinflussung  der 
lÀstigen  habituellen  Kieferluxation  ist  zahnÀrztlich  in  befriedi- 
gender Weise  durchgefĂŒhrt  worden,  indem  durch  ein  an  den 
letzten  ZĂ€hnen  des  Oberkiefers  befestigtes  Hindernis  ein  zu 
weites  Oeffnen  des  Mundes  und  damit  die  Auslösung  der 
Luxation  unmöglich  gemacht  wird.  Des  weiteren  wird  der 
plastische  Verschluß  großer  Gaumendefekte  z.  B.  bei  Lues, 
ferner  bei  kongenitaler  Spaltbildung  usw.  mittels  der  von 
Ganzer  modifizierten  L  a  n  genb  eck  '  sehen  Methode  be- 
schrieben. Es  wird  schließlich  noch  auf  die  zahnĂ€rztliche  Ersatz- 
kunsl  hingewiesen,  die  vor  allem  als  abschließender  Teil  spicher 
Operationen  in  Betracht  kommt,  welche  chirurgisch  nicht  mehr 
ausgleichbare  Defekte  schafft.  Kieferresektionen.  Exartiku 
lationen  bei  bösartigen  Tumoren  usw.  .  Hier  spielt  nach  An- 
sicht des  Verf.  die  sog.  Immediatprothese  Marlins  aus  hetero- 
plastischem  Material  eine  große  Rolle,  deren  VorzĂŒge  in  Zukunft 
vielleicht  noch  mehr  gewĂŒrdigt  werden  dĂŒrften 

Beitrag  zur  Indikation  und  Wirkungsweise  von  SchilddrĂŒsen- 
Operationen.  Die  Indikation  zum  Eingriff,  abgesehen  vom  gewöhn- 
lichen  Kropf,  gibt   meistens  ein  vorhandener  oder  einsetzender 


10.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


A  u  s   <i  c  ii   ii  euesten   Z  e i  ts  c  h  rill  e  n 


Basedow.    Man  sollte  also  selbsj  bei  mĂ€ĂŸigei  Schilddrdsenvei 
grĂ¶ĂŸerung  doch  operieren,  wenn  ausgeprĂ€gte  Symptome  gestörter 
DrĂŒsenfunktion    (MigrĂ€ne,  DurchfĂ€lle,  Arythmien)  nachweisbar 
sind     Hinsichtlich  der  Wirkungsweise  der  Operation  zeigl  Vir 
tasser  an  Beispielen,  dall  nicht  nur  eine  gĂŒnstige  Beeinflussung 
der  SchilddrĂŒse  allem,  sondern  auch  anderer  endokriner  DrĂŒsen 
anzunehmen  ist.    Ueberhaupt  spielen  Konstitutions-,  Vererbungs- 
inid   nicht    zuletzt    innersekretorische    Fragen    bei    der  Beur- 
teilung der  Indikation  und  der  Operationsergebnisse  eine  grĂ¶ĂŸere 
Holle,  als  man  gemeinhin  anzunehmen  geneigt  ist,  so  dall  gerade 
die  Behandlung  der  SchilddrĂŒsenleiden  und  hieraus  etwa  ge 
wonnene  Einblicke   in  die  genannten  Tatsachen   neue  Gesichts- 
punkte wissenschaftlicher  Erkenntnis  zu   bieten   imstande  sein 
dĂŒrfte. 

Zur  Behandlung  der  Tetania  parathyreopriva.  Eine  im  An- 
schluß an  eine  letzthin  operierte  Struma  aufgetretene  schwere 
Tetanie  gibt  dem  Verfasser  Anlaß,  auf  diesbezĂŒgliche  Fragen  an 
Hand  eines  großen  klinischen  Materials  einzugehen.  Demnach  ist 
Irotz  sorgfÀltigstem  operativem  Vorgehen  und  weitgehendster  Be- 
rĂŒcksichtigung die  Gefahr  der  postoperativen  Tetanie  durchaus 
nicht  stets  zu  vermeiden.  Von  praktischer  Wichtigkeit  ist  vor 
allem  das  Problem,  diese  bedenkliche  Folge  der  Operation  nach 
Möglichkeit  auszuschließen.  Grundbedingung  und  erste  Forderung 
dĂŒrfte  die  Prophylaxe  bei  der  Operation  sein,'  die  jedoch  in 
exakter  Weise  durchzufĂŒhren  nur  auf  Grund  großer  Erfahrung 
wegen  der  wechselnden  anatomischen  VerhÀltnisse  möglich  ist. 
Bei  ausgebrochener  Tetanie  kommen  therapeutisch  zunÀchst  Medi- 
kamente in  Betracht:  Parathyreoidintabletten,  Calc.  lact.,  Afenil 
intravenös,  Chloralhydrat,  mehlfreie  DiÀt.  Ein  sicherer  Erfolg 
der  internen  Therapie  ist  nicht  stets  zu  erwarten.  In  solchen 
FĂ€llen  besteht  als  ultima  ratio  die  Transplantation  von  Schild- 
drĂŒsengewebe oder  Epithelkörperchen,  jedoch  nach  dem  Vor- 
schlage des  Verf.  möglichst  von  intra  partum  gestorbenen  Neu- 
geborenen oder  infolge  schwerer  Verletzungen  kĂŒrzlich  Ver- 
schiedener, um  die  Möglichkeit  der  SchĂ€digung  des  SchilddrĂŒsen- 
gewebes auszuschließen,  wie  es  bei  Entnahme  des  Transplantates 
vom  Lebenden  der  Fall  sein  könnte.  .  Jedoch  auch  bei  Gewebs- 
ĂŒberpflanzung  sind  sichere  Dauererfolge  bisher  noch  nicht  beob- 
achtet worden,  obwohl  ein  momentaner  Erfolg  recht  hÀufig  bald 
nach  dem  Eingriff  einsetzte.  Verf.  schließt  mit  dem  Hinweise  auf 
'die  noch  grĂ¶ĂŸtenteils  unerforschte  Aetiologie  der  postoperativen 
Tetanie  und  stellt  die  Forderung  eingehender  anatomischer 
l'ntersuchungen  ĂŒber  die  Lage  der  Epithelkörperchen. 

Ueber  Knochenerkrankungen  im  JĂŒnglingsalter.  Die  Aetio- 
logie der  typischen  juvenilen  Erkrankungen  (Coxa  vara  und 
talga,  Osteochondritis  juvenilis,  Genu  valgum,  Köhlersche  Krank- 
heit. Madelungsche  DeformitÀt)  ist  auch  heute  noch,  trotz  einer 
außerordentlich  großen  Literatur,  in  Dunkel  gehĂŒllt.  Nach  An- 
sicht des  Verfassers  lassen  sich  die  genannten  Leiden  als  lokale 
VerÀnderungen  an  den  Epiphysenlinien,  an  denen  sich  in  erster 
Linie  das  Wachstum  abspielt,  auffassen,  die  durch  verschiedene 
ursĂ€chliche  Momente:  Trauma,  EntzĂŒndung,  Zirkulationsstörung 
Bedingt  sein  können.  Auch  Bachitis  (SpÀtformen)  kann  Àtiologisch 
in  Betracht  kommen,  dĂŒrfte  jedoch  nicht  so  hĂ€ufig  sein,  wie 
vielfach  angenommen  wird.  Die  Frage  innersekretorischer  ur- 
sÀchlicher Faktoren  wird  vom  Verfasser  nicht  erörtert. 

L.  Frosch  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  soziale  Hygiene,  FĂŒrsorge  und  Kranken- 
hauswesen,  Berlin. 

3,  Heft  6. 

VenvaHuugsorg'anisation   des   Gesundheitswesens   in   den   StÀdten,  Aeiroteni 
und    Landkreisen   des  Industriegebietes.     Wcndcnbu.rg.  |fi' 

/.in   BekÀmpfung  der  Geschlechtskrankheiten.    A  s  o  Ii  e  r.  108. 
♩Gesundheitliche    Wirkungen    der  EinschrĂ€nkung  der  Herstellung  und  des 
Verkaufs    von    Vlkohol    im    Deutschen   Reiche    wÀhrend    des  Krieges. 
V  o  gel.  174. 

Gesundheitliche  Wirkungen  der  EinschrÀnkung  der  Herstel- 
lung und  des  Verkaufs  von  Alkohol  im  Deutschen  Reiche  wÀhrend 
des  Krieges,  Vogel  meint,  daß  hauptsĂ€chlich  der  erdrĂŒckende 
pfangel  an  Nahrungsmitteln  die  Behörde  zur  EinfĂŒhrung  ein- 
schrĂ€nkender Maßnahmen  des  Alkoholismus  wĂ€hrend  des  Krieges 
gezwungen  habe.  Ein  klarer  Plan  zur  Entalkoholisierung  des 
Volkes  habe  gefehlt.  Vor  dem  Kriege  wurden  43  %  der  Gesamt 
ernte  an  inlÀndischer  (ierstc  zu  Bier  verbraul,  etwa  10%  des 
Gesamtverbrauchs  an  Kartoffeln  und  371  000  Tonnen  Getreide  zu 
Schnaps  verarbeitet;  unberechnel  der  verarbeiteten  Obstmengen 
Zur  Biererzeugung  wurden  1915  nur  noch  tiO  %,  1917  10  %  des 
Friedensverbrauches  freigegeben.  Der  Alkoholgehall  dieses 
DĂŒnnbieres  snnk  schließlich  auf  unter  1%.    Dennoch  kam  immer 


mich  tĂ€glich  :;(>'‱  g  Gerstenverbrauch  ml  den  Kopi  dei  Bevölke- 
rung, wÀhrend  z.  B,  in  Hamburg  nur  75  a  Wöchentlich  («raupen 
ausgegeben  winden 

Der  Branntwein  fiel  last  ganz  weg 

Hierdurch  konnte  eine  erfreuliche  Minderung  der  gesundheil 
liehen  SchÀdigungen  durch  den  Alkohol  festgestellt  werden. 

Die  TrinkerheilstÀtten  waren  last  vollstÀndig  verwaist.  Die 
TrinkfĂŒrsorgestellen  bĂŒĂŸten  92,6  %  MĂ€nner,  81,(5  %  Frauen  ein 
Hie  Aufnahmezahl  fĂŒr  MĂ€nner  ging  in  den  Kliniken  und  Kranken 
hĂ€usern   auf  den   7.  Teil,   fĂŒr   Frauen    auf    den    5.  Teil  zurĂŒck 
Delirium  tremens  schwand  fast  vollstÀndig,  nachdem  es  wÀhrend 
der  Mobilmachung  noch  angestiegen    war,    ebenso  die  Trinker 
halluzinose.  Die  Epilepsie  der  MĂ€nner  hat  ebenfalls  abgenommen 
1917  wurden  bei  der  Invalidenversicherung  nur  I  AntrÀge  wegen 
Trunksucht  gestellt. 

Nach  dem  Kriege  ist  eine  neuerliche  besorgniserregende.  Zu- 
nahme der  Alkoholerkrankungen  in  allen  TrinkerfĂŒrsorgestellen 
und  psychiatrischen  Anstalten  zu  beobachten. 

P  a  u  I  Michaelis  |  Bitterfeld  . 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

26.  Januar  1922.  52,  Nr.  4. 

Geschlechtsgebundene   Vererbung  von  Augenleiden.     Vogt.   A.  77. 
Biologisehe   Bedeutung   der   Vitamine   fĂŒr  die    Kinderheilkunde.  Glanz- 

manu,  E.  84. 
LeukÀmischer  Nierentuimor.    .Steiner,   P.  89. 
*5»Zur  Frage  der  kĂŒnstliehen   Befruchtung.    L  u  d  w  i  g  ,  F.  92. 

Zur  Frage  der  kĂŒnstlichen  Befruchtung.  Verfasser  erhebt 
LinwĂ€nde  gegen  das  von  Nassauer  eingefĂŒhrte  Fructulet. 
Nach  persönlichen  Erfahrungen  ist  er  zu  der  Ueberzeugung  ge 
kommen,  daß  das  Instrument  das  zarte  Endometrium  reizt  und 
entzĂŒndliche  VerĂ€nderungen  im  Myometrium  und  dei  Umgebung 
lies  Uterus  hervorzurufen  imstande  ist.  weshalb  er  vor  seiner 
Anwendung  warnt.  Held  (Berlin 

2.  Februar  1922,  52,  Nr.  5. 

»S» I > i e   Heliotherapie  der  niiclittuberkulosen  Affektionen.     A  m  s  t  a  d  ,   K.  105. 
Studien  ĂŒber  die  Bedeutung  der  ĂŒtingallensĂ€uren  fĂŒr  Klinik  und  Pathologie. 
MĂŒller,  H.  110. 

Sachs-Georgische  Ausflockuugsmethode  und  Luesdiagnostik.    Wolf.  J.  HS. 
❖  Beitrag   zur   BekĂ€mpfung  der   OiphtlieriebazillentrĂ€gerei.     A  m  m  a  n  n  R. 
121. 

Die  Heliotherapie  der  nichttuberkulösen   Affektionen.  Aus 

dem  Vielen,  was  als  Folge  experimenteller  Untersuchungen  oder 
als  Hypothese  ĂŒber  die  BegrĂŒndung  der  Lichtwirkung  gesagt 
worden  ist,  hebt  Verfasser  als  praktisch  wichtig  drei  Haupt- 
gesichtspunkte heraus.  1.  Die  Haut  hat  eine  wichtige  physiolo- 
gische Aufgabe  zu  erfĂŒllen;  nur  die  gesunde,  d.  h.  der  Licht- 
wirkung zugÀngliche  Haut  kann  dieser  Aufgabe  gerecht  wer- 
den. 2.  Die  Sonnenbestrahlung  hat  einen  ausgezeichneten  Ein- 
fluß auf  das  Allgemeinbefinden,  die  VerĂ€nderung  des  Blutbildes 
ist  der  objektive  Beweis  dafĂŒr.  3.  Der  gĂŒnstige  Einfluß  der 
Lichtbehandlung  beschrÀnkt  sich  keinesfalls  auf  tuberkulöse  In- 
dividuen; die  Sonnenbehandlung  verbĂŒrgt  vor  allem  eine  All- 
gemein Wirkung. 

Jeder  Besonnung  hat  eine  sorgfÀltige  Gewöhnung  an  den 
lÀnger  dauernden  Aufenthalt  im  Freien  vorauszugehen.  Im  Ge- 
birge ist  das  selbstverstÀndlich,  aber  auch  in  der  Ebene  uner- 
lĂ€ĂŸlich. Nichts  kann  dem  Bufe  der  Sonnenbehandlung  mehr 
schaden  als  indikationslose  Behandlung.  Daß  die  verschiedenen 
AnÀmien  primÀrer  und  sekundÀrer  Natur  ein  geeignetes  Objekt 
der  Heliotherapie  darstellen,  ist  zur  GenĂŒge  bekannt.  Hier  sind 
auch  diejenigen  Erwachsenen  und  Kinder  anzureihen,  bei  denen 
es  sich  um  eine  allgemein  schwÀchliche  Konstitution  handelt. 
Die  gelÀhmten,  blutleeren  kalten  Glieder  der  Poliomyelitiker  sind 
auch  nach  Ansicht  der  OrthopÀden  ein  dankbares  Feld  der  Be- 
strahlung. In  FĂ€llen  von  Lymphogranulom  erzielte  die  Bollier- 
sehe  Klinik  eine  ausgesprochene,  wenn  auch  nur  vorĂŒbergehende 
Besserung.  Das  Allgemeinbefinden  hob  sich;  das  Leiden  schien 
wie  angehalten.  Ueber  die  eigentlichen  LeukÀmien  besitzt  Verf. 
keine  persönlichen  Erfahrungen,  sondern  zitiert  Naegeli,  dei' 
besonders  im  sonnenreichen  Sommer  1911  ĂŒberraschende  Erfolge 
gesehen  hat.  Ein  ungemein  dankbares  Objekt  der  Sonnenbe- 
strahlung ist  die  Bachitis;  in  erster  Linie  ist  die  Sonne  dazu 
berufen,  die  Bachitis  zu  verhĂŒten.  Die  rachitische  oder  spĂ€t 
rachitische  Coxa  vara  soll,  sobald  sie  entdeckt  wird,  einer  inten- 
siven sonnenbehandlung  zugefĂŒhrt  werden,  um  den  Grundprozeß 
zu  beeinflussen  und  dadurch  weitere  Dcformicrung  zu  vermeiden 
Von  weiteren  Affekti<jnen,  die  aus  einer  Sonnenbehandlung 
Nutzen  ziehen,  ist  der  chronische  Gelenk-  und  Muskelrheumalis 
mus  zu  nennen.    Die  Sonne  kann  zwar  das  Leiden  nicht  heilen. 


208 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


aber  die  Besonnung  wird  subjektiv  Ă€ußerst  angenehm  empfunden, 
und  dann  ist  die  physiologische,  pigmentierte  Haut  eine  Schutz- 
vorrichtung gegen  ErkĂ€ltungen  und  daher  auch  fĂŒr  den  chroni- 
schen Rheumatiker  erstrebenswert.  Auf  degenerative  Prozesse 
in  der  Niere  ist  die  durch  Besonnung  hervorgerufene  arterielle 
HyperĂ€mie  von  gĂŒnstigem  Einfluß.  Vorausgesetzt,  daß  eine  ge- 
naue klinische  Ueberwachung  des  Patienten  möglich  ist,  ist  die 
Sonnenbehandlung  der  Nephrosen  gefahrlos  und  im  Interesse  der 
Patienten.  Auch  in  der  Luestherapie  ist  das  Licht  berufen,  eine 
Rolle  zu  spielen.  Auch  hier  handelt  es  sich  immer  wieder  um 
die  gleichen  Bestrebungen:  Die  Behandlung  des  Gesamtorganis- 
mus ĂŒber  örtlicher  und  spezifischer  Behandlung  nicht  zu  ver- 
nachlÀssigen und  dem  Hautorgan  seine  wichtige  Aufgabe  zu  er- 
möglichen. 

Die  Sonnenbehandlung  der  Wunden  hat  sich  als  ein  mÀchtiger 
Faktor  erwiesen.  Neben  der  epidermisierenden  Kraft  des  Lichts 
und  der  Zellproliferation,  die  die  Granulationsbildung  befördert, 
kommt  auch  die  bakterizide  Wirkung  in  Frage.  Die  aktive 
HyperÀmie  trÀgt  mÀchtig  zur  Reinigung  der  Wunde  bei:  Die 
starke  seröse  Exsudation,  die  unter  Sonnenbehandlung  auftritt, 
spĂŒlt  die  Wunde  ab.  Vor  allem  ist  die  Drainage  unter  dieser 
Form  der  offenen  Wundbehandlung  eine  ideale;  man  vermeidet 
die  sonst  so  hÀufige  Retention  der  Wundsekrete  unter  dem  Ver- 
band und  die  dadurch  bedingte  Maceration.  Zum  Schluß  er- 
wĂ€hnt Verfasser  noch  die  gĂŒnstige  Beeinflussung  der  operierten 
Osteomyelitis.  Bleibt  nach  radikaler  AusrÀumung  die  Wunde 
weit  ofFen,  so  ist  es  ĂŒberraschend  zu  sehen,  wie  schnell  sich 
unter  vorsichtiger  Sonnenbehandlung  die  Wunden  reinigen  und 
gesunde  Granulationen  aufschießen.  Auch  große  Defekte  werden 
auf  diese  Weise  in  10—12  Wochen  geschlossen. 

Beitrag    zur    BekÀmpfung    der  DiphtheriebazillentrÀgerei. 

Voraussetzung  fĂŒr  eine  wirksame  BekĂ€mpfung  der  Seuche  ist 
die  rasche  und  einfache  Befreiung  der  gesunden  BazillentrÀger 
von  ihren  gefÀhrlichen  GÀsten.  Verfasser  glaubt  diese  Voraus- 
setzungen durch  eine  Behandlungsart  erfĂŒllt,  die  er  vor  allem 
an  Anstaltsinsassen  erfolgreich  durchgefĂŒhrt  hat.  Er  verwen- 
det: Tct.  Ratanhiae  15,0,  Tct.  Myrrhae  5,0,  Ol.  Menth,  pip.  gtt.  XII 
und  nimmt  davon  zum  EinstÀuben,  wenn  möglich  mehrmals  tÀg- 
lich 10  Tropfen  auf  3  cm3  Wasser.  Auch  bei  Kranken  lĂ€ĂŸt  er 
5 — 10  Tropfen  auf  ein  Glas  Wasser  nehmen,  zum  Gurgeln  und 
Aufziehen.  Auf  diese  Weise  kommen  die  Bazillen  in  kĂŒrzester 
Zeit  zum  Verschwinden;  doch  tut  man  gut  daran,  die  Behand- 
lung einige  Wochen  fortzusetzen,  damit  diejenigen  Keime,  die 
erst  spÀter  zur  OberflÀche  wandern,  ebenfalls  vernichtet  werden. 

K.  Held  (Berlin). 

Hospitalstidende. 

5.  Januar  1922,  Nr.  1. 
Eparnasol  und  WismuthprÀparate.  Ehlers. 

12.  Januar  1922,  Nr.  2. 

lieber  WachstumsverhÀltnisse  tuberkulöser  Kinder.     K  o  Ii  b  e  k  .  J.  Chr. 
Kiue  neue  Technik  fĂŒr  intramuskulĂ€re  Hg.iniektionen.     P  o  n  t  0  p  p  i  il  a  n  . 

B. 

19.  Januar  1922,  Nr.  3. 

Diagnose   und   Behandlung   von    Appemdicitis.     C  o  1  1  i  n  .  Jonas, 
lieber  Röntgenbehandlung  der  HirngesehwĂŒlste.    Nordentoft.  S. 

26.  Januar  1922,  Nr.  4. 

Eine   begrenzte  kleine  Pockenepidemie.     S  t  r  u  c  k  m  a  n  n. 
❖firoeer   Proe.    post.    tali    als   Hindernis    fĂŒr    die    Bewegungen    des  Fußes. 
Baastrup,  Chr. 

Großer  Proe.  post.  tali  als  Hindernis  fĂŒr  die  Bewegungen 
des  Fußes.  Nach  einer  Distorsio  pedis  vor  10  Jahren  bekam  der 
Patient,  ein  74  jÀhriger  Mann,  Schmerzen  beim  Gehen  besonders 
hinter  Malleolus  int.  und  ĂŒber  Dorsum  pedis.  Die  Bewegungen 
in  den  Fußgelenken  waren  sehr  eingeschrĂ€nkt.  Röntgen  zeigte 
einen  großen  bogenförmigen  Proc.  post.  tali  in  der  Spitze  ge- 
spalten, wahrscheinlich  bei  Kallus-Bildung  und  Periostlrritation 
entstanden,  welche  die  Plantarflexion  in  normaler  Weise  ver- 
hinderte.  Der  Processus  wurde  bei  Operation  entfernt. 

Presse  Medicale,  Paris. 

4.  Januar  1922,  Nr.  1. 

T)ie  „Conseils  de  Revision"  und  die  Volkshygiene.    B  e  i  n  a  r  d  .  L.  1. 
‱{‱Zur  Diagnose  der  akuten  Darniocclusion:   Radiologische   Untersuchung  des 
Ileus,    (lu  ill  au  m  c,  A.  C.  2. 

Zur  Diagnostik  des  akuten  Ileus  mittels  Röntgenstrahlen.  Die 
Durchleuchtung   mit   Röntgenstrahlen   bei   akutem   Ileus  bringt 


Klarheit  in  das  klinisch  hÀufig  unklare  Bild  des  Darniver- 
schlusses.  Sie  gibt  nicht  nur  die  Indikation  zum  operativen  Ein* 
griff,  sondern  erleichtert  diesen,  da  sie  den  Sitz  der  Okklusion 
genau  lokalisiert.  Man  sieht:  1.  eine  FlĂŒssigkeitsmenge  (DĂŒnn- 
darm und  Caeco-Ascendenssegments)  oder  feste  Massen  (Colon 
franso.  n.  desc).  2.  Eine  sehr  große  Gasmenge,  die  das  Intesti- 
num oberhalb  der  FlĂŒssigkeilsmenge  aufblĂ€st.  Die  Darreichung 
von  Kontrastbrei  ist  dabei  nicht  erforderlich.  Besonders  wertvoll 
ist  die  radiologische  Diagnostik  in  zweifelhaften  FĂ€llen,  wo  Ver- 
lasser z.  B.  ein  Carcinoma  ventr.  gefunden  hat,  das  klinisch  bis- 
her nicht  festgestellt  worden  war.  Haber. 

7.  Januar  1922,  Nr.  2. 
‱{‱Generalisierte,  kongenitale  und  hereditĂ€re  Knochendystrophie.  Leri.  A.  13. 

❖  Periodische  Okulomotorius-LĂ€hmung   infolge    Attaekej  von   Febris  recurrens. 

AI  i  r  o  n  e  s  e  o  ,  T.  17. 

❖  Kxtensioiisbehandlung  der  Klavikul.irlraktur.    Buriau,  F.  17. 

Kongenitale    hereditÀre    generalisierte  Knochendystrophie. 

Leri  berichtet  ĂŒber  einen  Fall  von  kongenitaler  hereditĂ€rer 
Knochendystrophie,  die  er  familiÀre  Pleonostose  nennt.  Es  han- 
delt sich  um  einen  34  jÀhrigen  Mann,  dessen  10  jÀhrige  Tochter 
und  ein  Neugeborenes,  die  alle  drei  dieselben  Entwicklungs- 
störungen aufweisen.  ZunÀchst  fÀllt  die  anormale  Haltung  und 
BewegungsbeschrÀnkung  der  oberen  und  unteren  ExtremitÀten 
auf,  die  alle  auffallend  kurz,  dick  und  in  den  meisten  Gelenken 
rechtwinklig  gebeugt  und  ankylosiert  sind.  Die  Arme  werden 
adduziert  und  proniert  gehalten,  eine  Supination  ist  unmöglich. 
Radiologisch  zeigt  «ich  vor  allem  eine  weniger  dichte  und  deut- 
liche Compacla  als  normal  und  mehrfache  Verwachsungen  in  den 
kleinen  Gelenken.  Es  handelt  sich  nach  Ansicht  des  Verf.  um 
eine  prÀmature  und  exzessive  Knochenentwickelung,  vor  allem 
der  knorpelig  vorgebildeten  Knochen,  eine  Anomalie,  die  der 
Londoner  Autor  Crookshark  auch  bei  der  mongolischen 
Rasse  und  bei  den  mongoloiden  Idioten  findet,  so  daß  Leri  sie 
als  eine  Art  atavistischer  RĂŒckkehr  zu  einer  alten  Rasse  auffaßt, 
die  heut  nur  noch  in  wenigen  Völkern  vertreten  ist. 

Periodische  Paralyse  des  Okulomotorius  bei  Rekurrensfieber. 

Bei  einem  Kranken  mit  Rekurrensfieber  bestand  eine  LĂ€hmung  des 
linken  Okulomotorius,  die  beim  Abfall  der  Temperatur  ver- 
schwand und  bei  dem  dreimal  beobachteten  Anstieg  wiederkam, 
um  ebenfalls  prompt  wieder  zu  verschwinden.  In  der  Lumbal- 
llĂŒssigkeit  fanden  sich  Spirillen.  Da  sich  bei  zur  Autopsie  ge- 
langten FĂ€llen  von  Rekurrens  kleine  HĂ€morrhagien  und  Spirillen 
in  den  GefĂ€ĂŸen  der  Meningen  gezeigt  haben,  ist  Verf.  geneigt, 
diese  Ursache  auch  hier  geltend  zu  machen,  um  so  mehr,  da 
Verschwinden  und  Wiederauftauchen  der  Erscheinung  mit  dem 
Auftreten  von  Spirillen  im  Blut  konform  geht.  Daß  eine  lokale 
PrĂ€disposition  besteht,  zeigt  sich  darin,  daß  die  LĂ€hmung  stets 
auf  derselben  Seite  eintritt. 

Behandlung  der  Klavikularfraktur  durch  Dauertraktion.  Verf. 
beschreibt  einen  Verband  in  Achtform,  durch  den  die  Schultern 
nach  hinten  —  außen  gezogen  werden  und  das  laterale  Ende  der 
Klavikula  in  der  richtigen  Stellung  festgehalten  wird.  Die 
Achtertouren  werden  mit  einer  Schlauchbinde  um  die  Schultern 
gefĂŒhrt,  dann  wird  ein  HĂŒftgĂŒrtel  aus  6  Touren  angelegt,  der  mit 
2  Streifen  zwischen  die  Schenkel  durchgefĂŒhrt  wird,  die  vorn 
schrĂ€g  auseinandergehen  und  seitlich  am  HĂŒftverband  befestigt 
werden.  Vom  Schulter-  zum  LendengĂŒrtel  wird  nun  hinten  in  der 
Medianlinie  ein  Kautschukdrain  oder  eine  Spiralfeder  befestigt, 
die  den  erforderlichen  Zug  ausĂŒbt.  Genaue  Kontrolle  etwaiger 
Oedeme,  Zyanose  usw.  Der  Verband  bleibt  3 — 4  Wochen  liegen, 
wonach  eine  Massage-  und  Uebungstherapie  erfolgt.  Haber. 

11.  Januar  1922,  Nr.  3. 

❖Die  Xatur  der  choreatischoai  Bewegungen.     A  n  d  r  e  -  T  h  o  m  a  s.  25. 
Artifizielle  Kollateralen.    K  r  a  m  a  r  e  n  k  o  .  E.  und  Dobrovolskaia. 
N.  27. 

Ueber  die  Natur  ehoreatischer  Bewegungen.  Nachdem  die 
Sydenhamsche  Chorea  jetzt  nicht  mehr  zum  Gebiet  der  funktio- 
nellen, sondern  der  organischen  Pathologie  gerechnet  wird  auf 
Grund  klinischer  Zeichen  pyramidaler  und  cerebellarer  Herkunft, 
wirft  Verf.  die  Frage  auf,  ob  die  choreatischen  Bewegungen  nicht 
als  Reflexbewegungen  aufzufassen  sind.  Bei  einer  60jÀhrigen 
Patientin  mit  Symptomen,  die  auf  einen  Herd  im  Gebiet  des  Hypo- 
thalamus deuteten,  traten  spontan  choreiforme  Bewegungen  auch 
mit  reflexartigem  Charakter  auf,  d.h.  alle  willkĂŒrlichen  Bewegun- 
gen der  rechtsseitigen  ExtremitÀten  waren  von  Bewegungen  der 
linksseitigen  (und  umgekehrt)  begleitet,  die  hauptsÀchlich  in  Ab- 
duktion  und  Innenrotation  bestanden;  auch  bei  passiver  Beugung 
des  Kopfes  bestanden  die  linksseitigen  Reflexbewegungen.  In 


40.  Jahrg.  — 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


der  Ruhe  bei  Bettlage  hörten  diese  vollkommen  auf,  auch  wenn 
Pat.  lebhaft  sprach.  Die  verschiedenen  Stellungen,  besonders  der 
oberen  ExtremitÀt,  erinnerten  an  die  Kontrakturhaltung  derselben 
beim  entbinden  Affen  oder  bei  Kranken,  deren  Lasion  der  ex- 
perimentellen Enthirnung  vergleichbar  ist.  Ein  Àhnliches  Bild 
bot  eine  Kranke,  die  eine  Encephalitis  lethargica  durchgemacht 
hatte,  nur  mit  dein  Unterschied,  daß  die  Bewegungen  einsetzten, 
sobald  die  Pat.  zu  sprechen  anfing  und  sich  aufregte.  Verf. 
schließt  aus  seinen  Beobachtungen,  daß  das  Gebiet  der  Reflexe 
erweitert  werden  mĂŒsse,  denn  so  gul  eine  LĂ€sion  des  Markes 
oder  eines  Systems  wie  die  Pvranidenbahn  pathologische  Reflexe 
auslösen  kann,  mĂŒsse  man  dies  auch  von  anderen  Zentren  oder 
S\  steinen  erwarten.  H  a  b  e  r. 

1  I.  Januar  1022.  Nr.  I. 

Tubenschwangcrschai't.    .1  u  j  I  e  ,  V    und  H  a  1  p  e  r  i  n  e  .   I.  33. 
$‱  ^Diagnostik  bei  Affektionen  der  behaarten  Kopfhaut.    L  a  Ii  u  u  r  a  n  <1  .  R.  'ĂŒ. 
«^Osteochondritis  der  HĂŒfte  (coxa  plana)  ist  eine  unerkannte  kongenitale  Sub- 
luxation,   C  al  o  t ,  F.  und  Coli  e  i)  ,  HL  3ö. 
Kann  man  gegenwĂ€rtig;  fĂŒr  die  Bordet-Wa.-Reaktion  Standard  aufstellen? 
B  o  r  y  .  L.  38. 

UnvollstÀndige  Diagnostik  bei  den  Affektionen  der  Kopfhaut. 
Die  RatschlĂ€ge  des  Verf.  sind  wohl  in  erster  Linie  fĂŒr  den  un- 
erfahrenen AnfÀnger  bestimmt,  dem  er  rÀt,  bei  allen  Erkran- 
kungen der  Kopfhaut  stets  den  ganzen  Kopf  zu  untersuchen  und 
nicht  nur  die  vom  Patienten  angegebene  Stelle.  Ferner  soll  er, 
wenn  nur  der  geringste  Verdacht  einer  luetischen  Infektion  be- 
steht, unauffĂ€llig  suchen,  auch  die  DrĂŒsen  zu  tasten,  z.  B.  unter 
dem  Vorwand,  auch  die  Körperbehaarung  prĂŒfen  zu  wollen.  Nur 
so  durch  grĂŒndliches  Vorgehen  kann  er  sich  vor  unliebsamen 
Ueber raschungen  schĂŒtzen. 

Die  Osteochondritis  der  HĂŒfte  ist  eine  verkannte  kongenitale 
Subluxation.  Auf  Grund  eingehender  klinischer  und  vor  allem 
radiologischer  Studien  kommen  Verff.  zu  dem  Ergebnis,  daß  die 
Erkrankungen  des  HĂŒftgelenks,  die  als  Koxalgie,  Osteochondritis, 
coxa  plana  bezeichnet  werden,  nichts  anderes  sind  als  verschie- 
dene Stadien  ein  und  desselben  Krankheitsbildes,  nÀmlich  der 
kongenitalen  Subluxation,  besonders  wenn  es  sich  um  eine  Sub- 
luxatio  anterior  handelt.  Der  sicherste  FĂŒhrer  zur  Diagnostik 
ist  dabei  eine  erhebliche  AbduktionsbeschrÀnkung  bei  sonst 
völliger  Bewegungsfreiheit  des  HĂŒftgelenkes.  Röntgenologisch 
neigt  sieb  deutlich  eine  VerÀnderung  der  Form,  besonders  an  der 
Pfanne  und  der  inneren  Struktur  im  Sinne  eines  gestörten  Kalk- 
stoffwechsels. H  a  h  e  r. 

The  British  medical  Journal,  London. 

21.  Januar  1922.  Nr.  3186. 

I  Die  Stellung  der  SchilddrĂŒse  im  endokrinen  System.  L  a  u  ii  'I  o  n  B  r  n  'v  n 
W.  B6. 

'    Rheumatische    Arthritis   durch    Infektion    dci    Xasenuelieiihöhle.     U  ;i  i   

Williams,  P.  88. 

Ein  Fall  von  Hernia  diaphragmatica.    I.  a  u  g  I  e  j  .  U.  .1.  an. 

HereditÀre  Polydaktylie.    Youug.  K.  81. 

Die  Carellische  Methode  der  perirenalen  Inflation.     II  e  r  n  a  m  a  n  John- 
son, P.    !)1 . 

‱t'Röutgeutiefenthcra.pic  bei  inaligiien  GeschwĂŒlsten.  C  u  r  t  i  s  Wells,   I»  fli'. 
Ein  scheinbar  geheilter  Fall  von  Orvpanosomiusis.    Low     ('‱    <'    und  New  - 
h  a  m  ,  H.  B.  G.  95. 

♩Die  Bedeutung  und  Behandlung  einiger  pathologischer  Bestandteile  im 
Harne   hei   Kindern.     D  i  n  g  w  *  11   T  ö  r  d  J  a  .    A.  97. 

❖Blutdruck  hei  funktionellen  GerĂ€uschen  lici  Kindern  und  tu  Ilgen  Er- 
wachsenen.    M  artin,  A.  F.  99. 

♩Eine  klinische  Reaktion  auf  die  Anwesenheit  \  on  Zellen  im  Harn  Be- 
nlan*.  F.  H.  C. 

Röntgentiefentherapie  bei  malignen  GeschwĂŒlsten.  Verfasser, 
der  diese  Therapie  in  Erlangen  studierl  hat,  betrachtet  sie  als 
eine  außerordentlich  wertvolle  .Methode,  wenn  man  die  Technik 
beherrscht.  Sie  ist  die  Behandlung  der  Wahl  bei  .Menorrhagie 
und  Metrorrhagie  bei  Personen,  die  Àlter  als  30  Jahre,  voraus- 
gesetzt, daß  keine  eitrigen  Adnexerkrankungen  vorliegen.  Bei 
malignen  GeschwĂŒlsten  sind  schöne  Erfolge  zu  verzeichnen,  na- 
mentlich wenn  man  die  Bestrahlung  vor  oder  nach  der  Operation 
anwendet.  Auch  bei  Tuberkulose  von  DrĂŒsen,  Knochen,  Ge- 
lenken. Blase  und  Bauchfell  ist  die  Behandlung,  zusammen  mit 
den  anderen  Methoden  angezeigt 

Die  Bedeutung  und  Behandlung  einiger  pathologischer  Be- 
standteile im  Harn  bei  Kindern.  Auch  bei  gesunden  Knaben  kann 
man  bisweilen  einige  Zellen  und  Bakterien  im  Katheterharn 
finden.  Bei  90  Prozent  der  MĂ€dchen,  die  jĂŒnger  als  2  Jahre, 
findet  man  vereinzelte  Eiterzellen  und  Mikroorganismen  im  Harn. 
Es  gibt  aber  auch  anscheinend  ganz  gesunde  MĂ€dchen  mit  Eiter 


und  vielen  Bakterien  im  Urin,  die  meistens  auch  an  Stuhlver 

Stopfung  und  Zahnkaries  leiden 

Nicht  selten  Findel  man  im  Harn  bei  Kindern  eine  positive 
Reaktion  mit  Fehlingscher  Lösung;   Verfasser  warn)  davor,  eine 
alimentÀre  LÀvulosurie  oder  eine  Lakiosurie  mit  Glukosurie  zu 
verwechseln.      Zur   Diagnose  „Diabetes"  sind  Blutzuckerbestini 
mungen  unumgÀnglich. 

Blutdruck  hei  funktionellen  GerÀuschen  bei  Kindern  und 
jungen  Erwachsenen.  In  allen  l  allen.  WO  nach  Fieber  die  Herz- 
töne unrein  sind,  sollte  man  systematisch  den  Blutdruck  messen 
Eine  Steigerung  des  Blutdrucks  wahrend  oder  nach  dem  akuten 
Stadium  einer  fieberhaften  Erkrankung  beweist,  daß  eine  Insuffi- 
zienz des  arteriellen  Kreislaufs  droht.  Nur  wenn  es  gelingt,  den 
Blutdruck  zu  erniedrigen  und  wenn  man  annehmen  dar!',  daß  das 
Herz  keine  Symptome  der  Krankheil  mehr  zeigt,  kann  man  dem 
Kranken  wieder  Bewegungen  gestatten. 

Eine  klinische  Reaktion  auf  die  Anwesenheil  von  Zellen  im 

Harn.  Wenn  man  zum  neutralisierten  Harn  V,  Volumen  20% 
H2  Ös  zusetzt  und  das  Böhrchen  im  Schatten  aufstellt,  beweist 
eine  Gasentwicklung,  daß  der  Harn  Zellen  enthĂ€lt.  Die  Art  der 
Zellen  kann  man  dann  mikroskopisch  untersuchen. 

K  o  o  p  m  a  n    Haag  . 

The  American  Journal  of  the  Medical  Sciences, 
Philadelphia — New  York. 

Dezember  1921,  162.  Nr.  6. 

Akute  cciebellare  Enzephalitis.    ('  r  o  /  e  r .  (■  r  i  f  f  i  t  h  ,  3.  V.  J81. 
Klinische  Studien  ĂŒber  funktionell. ■  Störungen.    1.  PrĂŒfung  der  Schilddriisrn- 
funktion  als  Hilfsmittel  in  der  Differentialdiaguosc.     Russell  X. 
M  i  1  1  e  t  .  .1.  A.  P.  und   B  0  W  e  r  .  B.  D.  WO. 
■{»Klinische  Klassifikation  des  Asthmo    B  a  c  k  e  in  S  u  u  .  I'.  M.  802. 
❖Behandlung  des  Vorhofflimmerns  mit  Chinidin.    W.olferth,  C.  C.  »12; 

Nicht-spezifische  Wa-R.  bei  Diabetes  mellitus.    Mason,  E.  H.  828. 
❖Bleivergiftung.     B  a  r  r  u  n  .   M.  und   11  a.  u  ein  ,   II.  C.  833. 
Magonkaizinom.     T  a  \  1  o  r  .  S.   P.   und    M  i  I  I  e  r  .  T.   f».  862. 
I>ie  Beziehungen  zwischen  Poliomyelitis  und  Encephalitis  epidemica.     (  a  - 

*  a  1  a  d  e  r  .  W.  B.  872. 
Vleningokokkensepsis.    Bl  oe  d  o  r  u  .  W.  A.  881. 

Die  Sforphologie  des  Kexzens  in  Bezieib'ung  /um  Habitus:    Hirsch,  ‱'.  Ü5. 

Klinische  Einteilung  des.  Asthmas  auf  Grund  von  648  FĂ€llen. 

Verfasser  erörterl  die  Beziehungen  der  verschiedenen  Asthma- 
formen zum  Problem  der  Anaphylaxie,  fast  alle  FĂ€lle  zeigten 
Ueberempfindlichkeil  gegen  irgend  ein  artfremdes  Eiweiß  (Heu- 
Fieber,  Nahrungseiweiß,  Tiereiweiß  usw.).  Die  Einzelheiten 
werden  an  Hand  einer  Tabelle  ausfĂŒhrlich  erörtert.  Der  The- 
rapie sind  unter  BerĂŒcksichtigung  der  Ueberempfindlichkeil  die 
Bichtlinien  damit  gegeben. 

Die    Behandlung   des    Vorhofflimmerns    mit  Chinidinsulfat. 

Krankengeschichten  und  Elektrokardiagramme  von  12  behandei- 
len FĂ€llen.  In  7  unter  Erfolg  und  Wiederherstellung  des  nor- 
malen Herzrhythmus,  Geeignet  sind  alle  FĂ€lle  mit  relativ  gutem 
Herzmuskel  und  leidlicher  Kompensation,  ferner  solche,  wo  das 
Flimmern  erst  kurze  Zeil  besteht.    Dosierung:  ZunĂ€chst  1—2 mal 

0.  2  g.  dann  falls  keine  Ueberempfindlichkeitszeichen  auftreten; 
‱  I  steigend  bis  1,0  pro  die.  im  ganzen  nicht  lĂ€nger  wie  10  Tage. 

Bleivergiftung  unter  BerĂŒcksichtigung  von  Vergiftungen 
durch  bleihaltige  Schönheitsmittel.  An  Hand  von  1  FÀllen  be- 
sprechen Verfasser  die  Klinik  der  Bleivergiftung.  Warnung  vor 
einem  Puder  ..Flake  White",  der  stark  bleihaltig  ist  und  zur  Er- 
krankung der  FĂ€lle  fĂŒhrte.    Im  ĂŒbrigen  nichts  neues. 

F.  Lo Owenhardt  (Charlöttenhurg-Westend  . 

The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston. 

29.  Dezember  1921.  185.  Nr.  26. 

('hirui'gische  Behandlung  d-eir  akuten  und  chronischen  Pankreatitis     L  u  n  d  . 

F.  B.  771. 

^  i.  ist  von  der  Behandlung  Im  Sanatorium  zu  erwarten?-    B  q  w  di'tc  h  , 
V.  Y.  776. 

❖  Zwei  verschieden'-  Auffassungen  des  Stotterns.    Tom  pk  ins.  E.  7.so. 
(irundsioffw erhsoi  bei  myelogener  LeukÀmie  und  seine  Beziehungen  tv  den 
Bluthefunden.    G  u  n  d  r  t  s  o  u  .   A.   IT.  785. 

Zwei  verschiedene  Ansichten  ĂŒber  das  Stottern.  Die  Theorie 
von   BlĂŒmel   besagt,   in   wenig  Worten   ausgedrĂŒckt,  folgendes: 

1.  Der  Stotterer  hat  einen  geistigen    Defekt.     2.  Er  empfindet 
Furcht.    3.  Die  Furchl  verursachl  Blutandrang  nach  dem  Kopf, 
t.     Die  Kongestion,  die  auf  den  Defekt  einwirkt,  lost  das  Stol 
lern  aus 


210 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahr* 


Nr.  9. 


Die  Sprach-Interferenztheorie  besagt.  1.  Der  Stotterer  fĂŒrchte! 
die  Sprachschwierigkeit.  2.  Er  macht  panische,  bewußte  An- 
strengungen zu  sprechen.  .'!.  Die  bewußten  Anstrengungen  be- 
hindern das  normale  Sprechen. 

Beide  Theorien  stimmen  bezĂŒglich  des  Moments  der  Furcht 
ĂŒberein,  nur  schiebt  die  erste  Theorie  als  Zwischenglied  zwischen 
Furcht  und  Stottern  geistigen  Defekt  und  Kongestion  ein.  wo- 
gegen die  zweite  Theorie  keinerlei  Zwischenglied  kennt.  Ver- 
fasser bezeichnet  die  B  1  ĂŒ  ni  e  1  sehe  Theorie  als  einen  totalen 
Fehlschlag  und  reiht  sie  nach  Widerlegung  der  einzelnen  Punkte 
einer  Anzahl  anderer,  nach  seiner  Meinung  ebenfalls  unbrauch- 
baren Theorien  an.  Die  Theörie  von  der  Thymus-Hyperplasie, 
die  Neurosen-,  die  Psychosen-,  die  F  r  e  u  d  sehe  Theorie,  sie  alle 
sprechen  von  einem  vorhandenen  Mangel.  Zu  Unrecht,  meint 
Verfasser,  denn  des  Stotterers  Schwierigkeil  liegt  nicht  an  einem 
Mangel  an  irgendetwas  —  an  gesunden  Hirnzellen,  an  der  FĂ€hig- 
keit zu  koordinieren,  an  Intelligenz  — ,  es  ist  ein  Ueberfluß  da, 
nĂ€mlich  die  irrige  Vorstellung,  daß  sein  Sprachvermögen  defekt 
ist.  Diese  Idee  ist  nicht  unlogisch,  sie  resultiert  aus  der  Erfah- 
rung. Das  Stottern  ist  keine  Krankheit,  sondern  eine  Gewohn- 
heit —  eine  Gewohnheit,  die  an  die  Basse  geheftet  bleibt  durch 
die  UnterdrĂŒckung  ihrer  wahren  Natur  und  durch  das  Aus- 
streuen trĂŒgerischer  Krankheitslheorien. 

H  e  i  d  Berlin 


.). 


Januar  1922.  18ti.  Nr.  1 


‱$*Accessorius-LĂ€h.niung  nach  U  also  i>e  rat  ionen. 
H.  M.  l. 

‱^Wiederholte  Nierensteine.  D  e  Ii  i  h  x  e  t  l! ; 
^Radiumanweudung;.    Witt  i  ns  .  G.  C.  14. 


Akzessorische  LĂ€hmungen  nach  Halsoperationen.     Bei  der 

Vornahme  von  Halsoperationen  wird  nach  Ansicht  der  Verfasser 
nicht  genug  an  die  Möglichkeit  einer  Akzessörius-Verletzung  ge- 
dacht, die  infolge  der  eintretenden  BewegĂŒngsbeschrĂ€nkung 
immer  eine  unerwĂŒnschte  Folgeerscheinung  darstellt.  Wahrend 
die  anatomische  VerÀnderung  sich  durch  eine  VerlÀngerung,  ein 
HĂ€ngenlassen  der  Schulter  der  betroffenen  Seite  Ă€ußert,  gibt  sich 
der  Funktionsverlust  dadurch  zu  erkennen,  daß  der  Arm  un- 
möglich ĂŒber  den  rechten  Winkel  hinaus  erhoben  werden  kann, 
auch  das  Heben  des  Schulterblatts  ist  erschwert.  Man  darf  sich 
nicht  darauf  verlassen,  daß  der  III.  und  IV.  Cexvicalnerv  den 
Funktionsausfall  decken  w-erden,  denn  diese  beiden  innervieren 
durchaus  nicht  regelmĂ€ĂŸig  .  den  Trapezius,  vor  allem  aber  hat 
man  vor  der  vorzunehmenden  Operation  keine  Möglichkeil,  sich 
dessen  zu  vergewissern.  Jedenfalls  muß  der  Akzessorius  als  ein 
Ă€ußerst  leicht  verletzliches  Organ  angesehen  werden,  dessen 
regenerative  FĂ€higkeilen  post  fraumata  recht  gering  sind,  um 
so  mehr,  als  diese  Begeneration  auf  ein  Gebiet  lokalisiert  ist. 
das  in  solchem  Falle  Sitz  einer  betrÀchtlichen  Narbengewebs- 
bildung  ist.  Auch  im  Verlaufe  einer  Operation  ist  der  Akzesso- 
rius auf  das  schonendste  zu  behandeln,  da  seine  LeitfÀhigkeit  bei 
unsanfter  Hantierung  leicht  gestört  wird. 

Rekurrierende  Nierensteine.  139  Falle  werden  vom  Neri 
einer  Durchsicht  unterzogen  und  gewisse  allgemeine  SchlĂŒsse 
daraus  hergeleitet.  Z.  B.  die  PrÀdisposition  des  mÀnnlichen  Ge- 
schlechts fĂŒr  die  Erkrankung,  ferner  die  außerordentlich  geringe 
MortalitÀt,  die  augenscheinlich  mit  dem  lebenskrÀftigen  Alter,  in 
welchem  die  meisten  Patienten  zur  Operation  kamen,  zusammen- 
hĂ€ngt. Daß  Nierensteine  diagnostisch  oft  verkannt  werden,  be- 
weist die  Tatsache,  daß  ein  nicht  geringer  Prozentsatz  der  Ope- 
rierten schon  einmal  unter  dem  Verdacht  einer  anderweitigen 
Bauchorganerkrankung  operiert  worden  war.  was  im  akut- 
lehensbedrohlichen  Stadium  auch  begreiflich  erscheint.  Je  kleiner 
der  Stein,  desto  hÀufiger  und  ernster  sind  die  Symptome,  unter 
denen  er  sich  Ă€ußert;  die  fĂŒhrenden  darunter  sind:  HĂ€maturie, 
Dysurie,  SchĂŒttelfröste,  Fieber,  Pyurie,  hĂ€ufiges  Urinieren.  Be- 
tention  des  Urins.  Bei  der  Betrachtung  des  Böntgenbildes  muß 
man  sich  gegenwĂ€rtig  halten,  daß  Steine,  die  ĂŒbereinander  liegen 
und  das  tun  sie  hÀufig),  nur  einen  einzigen  Schatten  werfen,  so 
daß  man  die  Zahl  der  vorhandenen  Steine  vorher  nie  genau  ab- 
schÀtzen kann.  Ueberhaupt  ist  die  Deutung  des  Böntgenbildes 
mindestens  so  schwer  wie  die  Aufuahmetechnik  und  gewinnt  nur 
in  der  Hand  des  geĂŒbten  Röntgenologen  an  Wert.  Nicht  ganz 
selten  ist  die  BilateralitÀt  der  FÀlle.  Zur  operativen  Entfernung 
kleiner,  wenn  auch  multipler  Steine  ist  die  Pyelolomie  aus- 
reichend, doch  muß  man  damit  rechnen,  daß  Steine  zurĂŒckbleiben, 
ebenso  damit,  daß  die  Bedingungen  fĂŒr  das  Zustandekommen  von 
Steinen  ja  durch  die  Operation  nicht  verÀndert  werden.  Diese 
anscheinend  nicht  zu  vermeidende  Wiederkehr  von  Steinen  stellt 
ein   ernstes  Problem   dar',  ernst   besonders   wegen   der  zweiten 


Operation,  die  sich  als  notwendig  herausstellen  und  den  Patien- 
ten  in  noch  höherem  Maße  als  die  erste  gefĂ€hrden  kann. 

Was  kann  der  Operateur  tun,  um  ein  Uebersehen  von  Steinen 
zu  vermeiden'.'  Erstens  den  Fall  vor  der  Operation  auf  das 
SorgfĂ€ltigste  prĂŒfen.  Die  zweite  Forderung  ist  peinlichste  Blut- 
leere wÀhrend  der  Operation;  Drittens  ist  ein  kleiner  Kunst- 
griff angebracht:  man  beklopft  die  freiliegende  Niere  und  be- 
fördert auf  diese  Weise  Steine  aus  den  Calyces  in  das  Nieren- 
becken. Bei  der  Entfernung  eines  Steines  walte  grĂ¶ĂŸte  Vorsicht, 
damit  er  nicht  zerbrich I  und  BruchslĂŒcke  hinterlĂ€ĂŸt,  die  zu  Be- 
zidiven Anlaß  geben.  Zerbricht  er  doch,  so  ist  es  möglich,  die 
BruchstĂŒcke  durch  heiße  KochsalzspĂŒlung  zu  entfernen.  An  die 
EinfĂŒhrung  des  Fluoroskops  knĂŒpft  Verfasser  große  Hoffnungen, 
wiewohl  mit  der  EinschrĂ€nkung,  daß  seine  erfolgreiche  Anwen- 
dung ganz  allein  abhÀngt  von  der  Geschicklichkeit  des  Beob- 
achters. 

Erfahrungen  beim  Gebrauch  von  Radium.  Der  grĂ¶ĂŸte  Teil" 
der  vom  Verfasser  selbst  beobachteten  FĂ€lle  umfaßt  Epitheliome 
der  Gesichts-  und  Kopfhaut,  und  diese  haben  auf  Badiumbehand- 
lung  gut  angesprochen.  Chirurgische  Behandlung  hÀtte  eine 
VerstĂŒmmelung  zur  Folge  gehabt,  deren  Vermeidung  die  Patien- 
ten dankbar  empfanden.  <S  FĂ€lle  von  Menorrhagie  gelangten  zur 
Behandlung.  7  davon  mit  vollem  Erfolg  nach  einer  einzigen 
Sitzung.  Die  Applikation  des  Radiums  erfolgte  von  2 M?  — 8  Std. 
Bei  intrauteriner  Anwendung  ist  immer  zu  bedenken,  daß  bei 
gleichzeitig  bestehender  EntzĂŒndung  des  Beckens  —  sei  sie  chro- 
nisch oder  akut  das  Radium  kontraindiziert  ist.  Ausge- 
sprochene Besserung  brachte  das  Radium  bei  tuberkulösen  DrĂŒ- 
sen; nur  wenn  bereits  VerkÀsung  eingetreten  ist.  darf  man  von 
der  Behandlung  keinen  Nutzen  erwarten.  Ein  einziger  Fall  von 
Basedow,  der  zur  Behandlung  gelangte,  zeigte  auf  Badiumanwen- 
dung  weilgehende  Besserun.!;:  Verfasser  teilt  das  zur  Anregung 
mit.  Ein  paar  FĂ€lle  von  rezidivierendem  Mamma-Karzinom  nach^ 
Brustamputation  sind  zur  Behandlung  gekommen:  ein  grĂ¶ĂŸerer 
Teil  wurde  abgelehnt  wegen  der  Ausdehnung  der  Rezidive.  Der, 
Erfolg  bestand  in  wenigstens  temporÀrer  Verkleinerung  der  Gel 
schwulstmassen.  besonders  wenn  dieselben  in  der  Haut  lagen 
und  der  Brustwand  nicht  zu  fest  adhÀrierten.  Ging  die  Entwick- 
lung  der  Geschwulstmassen  von  den  IntercostalrÀumen  aus.  so 
blieb  der  Effekt  aus.  Die  palpablen  LymphdrĂŒsen  beginnen  ge- 
wöhnlich :i  Wochen  nach  extensiver  Bestrahlung  an  GrĂ¶ĂŸe  ab- 
zunehmen. 

Weniger  befriedigend  sind  die  Besultate  bei  Karzinomen  der 
Mundhöhle.  Patienten  mit  Bezidiven  nach  Panhystereklomic 
reagierten  in  verschiedene!'  Weise  auf  Badium.  In  Ueberein- 
stimmung  mit  vielen  anderen  Radiologen  meint  Verfasser,  daß' 
nur  der  im  FrĂŒhstadium  radikal  operierte  Cervixkrebs  bessere 
LebensmöglicHkeiten  bietet  als  die  Badiumbehandlung,  wogegen 
bei  letzterer  die  hohe  MortalitÀtsrate  eingeschrÀnkt  wird.  Be-i 
freiung  von  Schmerz,  stinkendem  Ausfluß.  Hebung  des  Allge- 
meinzuslandes das  sind  die  Vorteile,  die  bei  inoperablem 
Uteruskrebs  einen  ausgedehnten  Gebrauch  von  Badium  recht- 
fertigen K.  Held  (BerlinV 


12.  Januar  1921  IS«.  Nr  2 


38. 
O  i  i 


«^Diagnose  djer  He-rzerkraukungen:  Prophylaxe,    w  n  i  t  e  .  P./D.  34. 
â–șH'rnlilenie  der  KardiovaskulĂ€ren   Untersuchung.     I.  e  v  i  u  e  .   S.  A. 
Verwechselung    hÀufiger    Luugcnerkrankungen    mit  Tuberkulose. 
E.  O.  41. 

PosWdAphtngriscbe  disseminierte  Myelitis.    Po  weis.  H.  -lö. 
Kall  von  aluminier  Menstruation:  spÀtere  Schwangerschaft.     Kick  Ii  a  in  , 
C.  J.  47. 

Probleme  der  kardiovaskulÀren  Forschung.  Die  Prophylaxe 
der  syphilitischen  Herzerkrankung  ist  vor  allem  ein  Problem  der 
venerischen  Erkrankung.  Man  hat  im  allgemeinen  den  Ein- 
druck, daß  körperliche  Anstrengung  dabei  eine  Bolle  spielt: 
sonst  wĂŒrden  nicht  schwerarbeitende  Personen  leichter  von 
Aortenaneurysma  erkranken  als  schwÀchliche  Individuen  mil 
sitzender  Lebensweise.  Wichtig  wÀre  es.  zu  erforschen,  inwie- 
weit die  moderne  intensive  Behandlung  der  frischen  Syphilitis 
einen  Einfluß  auf  das  Vorkommen  von  Aortenaneurysmen  hat. 
Eine  Frage,  die  noch  der  Lösung  bedarf,  ist  die  nach  dem  Zu- 
sammenhang zwischen  Myocarditis  und  Hyperthyreoidismusj 
Der  Punkt,  der  noch  besonders  geklĂ€rt  werden  muß.  ist.  ob  mit 
einer  kontinuierlichen  Intoxcikation  des  Herzens  im  Verlaufe 
einer  prolabierten  konservativen  Behandlung  gerechnet  werden 
muß  und  ob.  falls  das  so  ist.  chirurgisches  Vorgehen  so  viele 
Vorteile  gewĂ€hrleistet,  daß  die  Operationsgefahr  dadurch  auf- 
gewogen wird.  Bevor  man  von  der  Prophylaxe  der  Klappeflj 
erkrankuim  viel  erhoffen  darf,  muß  man  sich  bemĂŒhen,  die 
spezifische  Ursache  des  rheumatischen  Fiebers  herauszufinden 


10.  Jahrg. 


Kleine  Mitteilungen 


.'II 


Zwei  Momente  mĂŒssen  dabei  mit  in  Betrachl  gezogen  Werden  die 
Bevorzugung  bestimmter  Jahreszeiten  und  das  familiÀre  Vor 
kommen.  Das  ZurĂŒckgehen  rheumatischer  Erkrankungen  in  den 
letzten  lo  Jahren  wird  in  Zusammenhang  gebracht  mil  der  hau 
l'iger  ausgefĂŒhrten  Tonsillektomie  und  der  besseren  Zahnpflege 
der  Kinder.  Zur  BestÀtigung  dieser  Ahnahme  bedarf  es  der 
genauen  NachprĂŒfung  an  einem  großen  Material.  Bei  der  Be- 
handlung der  Herzkranken  wird  nach  Ueberzeugung  des  Ver- 
fassers dem  Moment  der  Ruhe  zu  wenig  Beachtung  geschenkt. 

Die  Diagnose  der  Herzkrankheiten,  insbesondere  ihre  Be- 
Ifeutung  fĂŒr  die  prĂ€ventive  Heilkunde.  Sobald  es  uns  gelingen 
wird.  Rheuma  und  Chorea,  wiederholte  Tonsillitis  und  Syphilis 
einzuschrÀnken,  sobald  wir  Basedowpatienten  einer  möglichst 
frĂŒhen  Behandlung  unierziehen  werden,  sobald  wird  die  Zahl 
jugendlicher  und  mittelalterlicher  HerzkrĂŒppel  um  ein  Be- 
deutendes zurĂŒckgehen.  Dann  bleiben  noch  die  Probleme  der 
Arteriosklerose  und  der  Hypertonie,  die  hoffentlich  auch  einmal 
|n  ihrer  Ausdehnung  eingedÀmmt  werden  können.  In  unserm 
Kampf  gegen  Herzkrankheiten  mĂŒssen  wir  genau  aufmerken, 
welche  Herzsymptome  auf  andere  Erkrankungen  zurĂŒckgehen. 
ZustÀnde,  die  eine  Herzaffektion  vortÀuschen  können,  sind: 
NervositÀt,  Hyperthyreoidismus,  paroxysmale  Tachykardie, 
funktionelle  GerÀusche  usw.  Zur  Beurteilung  eines  Falles  dienen 
die  hinlÀnglich  bekannten  Untersuchungsmethoden:  Auskultation, 
Perkussion,  Blutdruck,  Wassermann.  Urinanalyse,  Durch- 
leuchtung, Elektrokardiogramm.  K.  Held  (Berlin),  , 


Kleine  Mitteilungen. 

Die  Deutsehe  Gesellschaft  fĂŒr  Meeresheilkunde  schreibt  eine 
P  r  e  i  s  a  r  b  e  i  t  aus  mit  dem  Thema :  „Die  Ausnutzung  de  r 
deutschen  SeekĂŒsten  fĂŒr  die  ErtĂŒchtigung  de  r 
Jugend"'.  Der  Preis  betrÀgt  2000  M.  Die  Arbeiten  sind  in 
druckfÀhiger  Reinschrift  bis  zum  31.  Dezember  1922  an  den 
1.  Vorsitzenden  der  Gesellschaft,  Herrn  Prof.  Dr.  Franz  M  ĂŒ  H  e  r, 
Charloltenburg-Westend,  KastanienaH.ee  39,  der  auch  zu  nÀherer 
Auskunftserteilung  bereit  ist,  einzureichen.  Sie  sind  mit  einem 
Kennwort  zu  versehen;  beizufĂŒgen  ist  ein  dasselbe  Kennwort 
tragender,  verschlossener,  Name  und  Adresse  des  Verfassers  ent- 
haltender Briefumschlag.  —  Preisrichter  sind  die  Herren:  Wirkl. 
Geh.  Obermedizinalrat  Prof.  Dr.  Dietrich-Berlin,  Prof.  Dr.  BrĂŒ- 
ning-Rostock, Prof.  Dr.  Kißkalt-Kiel,  Prof.  Dr.  Franz  MĂŒller 
Charlottenburg-Westend  und  Geh.  San. -Rat  Dr.  Röchling-Misdroy. 

Ueber  die  Veröffentlichung  der  preisgekrönten  Arbeil  verfĂŒgt 
der  Vorstand  der  Gesellschaft. 

An  der  sozialhygienischeii  Akademie  Gharlottenburg  wird  im 
Sommer  1922  vom  24.  April  bis  29.  Juli  ein  sozialhygienischer 
Vollkursus  zur  Vorbildung  von  Kreis-,  Kommunal-,  Schul-  und 
lĂŒrsorgeĂ€rzten  stattfinden.  Der  Lehrgang  entspricht  den  PrĂŒ- 
liuiij.sbestimmungen  der  KreisÀrzte;  ebenso  die  nebenbei  fakul- 
tativ abgehaltenen  dreimonatigen  Sonderkurse  in  pathologischer 
Anatomie,  Bakteriologie  und  Hygiene,  sowie  gerichtlicher  Me- 
dizin. Aerzte  können  auch  Einzelvorlesungen  als  Gasthörer  be- 
suchen. Anfragen  und  Meldungen  sind  möglichst  bald  an  das 
Sekretariat  im  Krankenhaus  Charlottenburg-Westend,  Spandauer 
Berg  15-16,  zu  richten,  das  auch  mit  Hilfe  des  Wohnungsamtes 
AuswÀrtige  geeignete  Wohnungen  vermittelt. 

BekÀmpfung  der  Tuberkulose.  In  der  Zeil  vom  19.  Februar 
bis  8.  MĂ€rz  d.  J.  wird  in  Bielefeld  die  große.  W  a  n  d  e  r  a  u  s  - 
Stellung  d  es  deutschen  Hygiene-Museums  in 
Dresden  zur  BekÀmpfung  der  Tuberkulose  gezeigt. 

Lehrgang  fĂŒr  Aerzte  ĂŒber  Schulgesuiulheitspflege.  In  der 
Zeil  vom  6.  bis  11.  MĂ€rz  1922  wird  ein  Lehrgang  fĂŒr  Aerzte  ĂŒber 
Schulgesundheitspflege  in  Chemnitz  ( Vorlragsraum  des  Pa- 
thologisch-hygienischen Instituts,  Feldstr.  19)  abgehalten.  Der 
Lehrgang  ist  in  erster  Linie  fĂŒr  diejenigen  Aerzte  Sachsens  be- 
stimmt, die  als  SchulÀrzte  angestellt  sind  oder  spÀter  als  solche 
praktisch  tĂ€tig  werden  wollen,  ferner  fĂŒr  BezirksĂ€rzte.  Der 
Lehrplan  umfaßt:  1.  Bau-  und  Einrichtung  des  Schulhauses:  Dr. 
Ha  uflc;  2a)  TĂ€tigkeit  des  Schularztes  in  der  Volks-  und  Hilfs- 
schule (Unterrichtshygiene):  Dr.  Schmidt;  2b)  Mitwirkung  des 
Lehrers  in  .Schulgesundheitspflege:  Oberlehrer  Schwarz;  :>.  Be- 
kÀmpfung der  ansteckenden  Krankheilen  in  der  Schule:  Dr. 
Rothfeld ;  I  LeibesĂŒbungen:  Orthop.  Turnen:  Dr.  Roth 
leid;  5.  Schulspeisungen  (MilchfrĂŒhstĂŒck,  QuĂ€kerspeisung  : 
Drl  Rot  hfeld;  0.  Berufsberatung  a)  vom  Àrztlichen 
Standpunkte,   b     vom    psychologischen   Standpunkte;    Dr.   H  a  n 


di  ick.     7    Psychopathische  Jugendliche:  Pro!    Dr.  w  cber 

S    Schwachsinnigen  !  ĂŒrsoifj,c     Hilfsschule    und    Anstalten  Di 

II  ei  n  icke.  9.  Schulzahnpflege:  Dr  Raupt j  10.  Sprachstörun 
gen,  Schwerbörigenunter  rieht   Lehrer  l  hl  mann.  IIa  Jugend 
pflege  und   ErholungsfĂŒrsorge:   Wob  habe     IIb;  Aerztliche 
Forderungen  zur  ErholungsfĂŒrsorge;  Dr.  M  a  a  D  ;     12.  Schul 
schwesler — Schulpflegerin:   Dr.   Peters;   13-  Der   Arzl   in  der 
Fach-,   Fortbildungs-    und    Berufsschule:    Prof.   Dr.  Thiele. 
I  1  Schularzt  an  höheren  Schulen:  San. -Rai  Dr.  A  licke;  1.">.  Kin- 
dertuberkulose   und  Licht-Luftbad;  Hofrai  Prof.  Dr.  Clemens;' 
10.  Demonstration  ĂŒber  die  pathologische  Anatomie  der  Kinder- 
tuberkulose: Dr.  Panofsky. 

Herlin.  Als  Nachfolger  des  Prof.  Stumpf  auf  dem  Lehrstuhle 
der  Psychologie  ist  der  o.  Prof.  Dr.  Wolfgang  Köhler  berufen 

Bonn.  'Dozent  Prof.  Dr.  August  PĂŒtter  ist  als  Abteilungs- 
vorsteher an  das  Kieler  physiologische  Institut,  berufen. 

Breslau.  Dem  Assistenten  am  botanischen  Garten  und  Mu- 
seum Dr.  Alexander  Lingelsheim  wurde  ein  Lehrauftrag 
zur  Vertretung  der  Arzneidrogenkunde  erteilt. 

Erlangen..    FĂŒr  Chirurgie  habilitiert  Dr.  Willy  II  a  a  s. 

Freiburg.  Im  Aller  von  ,~>7  Jahren  verschied  der  a.  0.  Prof. 
der  Chirurgie  Dr.  Hendrik  Reerink. 

Gießen.  Prof.  Dr.  Carl  von  Eicken,  Ordinarius  fĂŒr  Ohren-. 
Nasen-  und  Halskrankheiten,  hat  den  Ruf  als  Nachfolger  G.  K i  1 
lian's  nach  Berlin  angenommen.  —  Habilitiert  fĂŒr  Geburtshilfe 
und  GynÀkologie  Dr.  Adolf  Seitz. 

Göttingen.  Der  a.  o.  Prof.  und  Direktor  der  Poliklinik  fĂŒr 
Ohren-,  Nasen-  und  Halskrankheiten  in  Marburg  Dr.  Oskar 
Wagen  er  ist  als  Nachfolger  W.  Lange's  berufen. 

Dem  Dozenten  fĂŒr  Psychiatrie  und  Neurologie  Dr.  Felix 
S  l  e  r  n  ist  die  Dienstbezeichnung  „außerord.  Prof."  verliehen. 

Greiiswald.  Der  Ordinarius  der  inneren  Medizin  Prof.  Dr. 
Hermann  Straub  in  Halle  ist  als  Nachfolger  von  Prof.  Morawitz 
nach  Greifswald  versetzt. 

Greifswald.  Dem  Dozenten  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie 
Dr.  Siegfried  Stephan  ist  die  Dienstbezeichnung  „außerord. 
Prof."  verliehen. 

Hamburg.    Die  Dozenten  Dr.  Johannes  Brodersen  Ana 
lomie)   und   Dr.  Wilhelm   Kotzenberg   sind   zu  außerplan- 
mĂ€ĂŸigen a.  o.  Professoren  ernannt. 

Kiel.  Dem  Dozenten  Dr.  Franz  SchĂŒtz  (Hygiene'  ist  ein 
Lehrauftrag  zur  Vertretung  der  sozialen  Hygiene  erteilt.  Dem 
Dozenten,  a.  o.  Prof.  fĂŒr  innere  Medizin  Dr.  Heinrich  Schade 
isl  ein  Lehrauftrag  zur  Vertretung  der  angewandten  physikali- 
schen Chemie  erteilt. 

Leipzig.  Der  Dozent  fĂŒr  Augenheilkunde  Dr.  Max  Gold- 
sc  h  m  i  d  1  isl  zum  a.  o.  Prof.  ernannt, 

Marburg.  Als  Nachfolger  L.  Bessau's  auf  dem  pÀdiatrischen 
Lehrstuhl  isl  a.  o.  Prof.  Dr.  Ernst  Fi  eudenberg  (Heidelberg) 
berufen. 

Prag.  Verstorben  der  a.  o.  Prof.  fĂŒr  Haut-  und  Geschlechts- 
krankheiten Dr.  Ferdinand  P  ecirka. 

Rostock.  Als  ,ord.  Prof.  fĂŒr  Pathologie  in  Nachfolge  von 
Prof.  Hueck  ist  Dozent  Dr.  Fischer  (Bonn)  berufen. 

Wien.  Der  a.  o.  Professor  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie 
Dr.  Konstantin  I.  Bucura  ist  zum  Vorstande  der  gynÀkologi- 
schen Abteilung  der  Allgemeinen  Poliklinik  ernannt.  Den  a.  o. 
Professoren  in  der  Wiener  medizin.  FakultÀt  Dr.  Ludwig 
Piskacek,  Professor  an  der  Hebammenlehranstalt  und  Vor- 
stand der  dritten  geburtshilflichen  Klinik  und  Dr.  Leopold  Moll, 
Leiter-  der  Beichsanstalt  fĂŒr  Mutter-  und  SĂ€uglingsfĂŒrsorge,  ist 
der  Titel  eines  Regierungsrates  verliehen. 

Wien.  Als  Privatdozenten  in  der  medizinischen  FakultÀt  sind 
zugelassen.  Dr.  Alfred  Luger  (inn.  Med.),  Dr.  Ernst  Freund 
(inn.  Med.J,  Dr.  Josef  Gerslmann  (Psychiat.  u.  Neurol.),  Dr. 
Hugo  Stern  (Laryngo-Rhinol.),  Dr.  Bernhard  Gottlieb 
( Zahnheilkunde). 

ZĂŒrich.  Im  Alter  von  ö.r>  Jahren  verschied  der  ord.  Prof.  u. 
Direktor  des  path.-anatom.  Instituts  Dr.  Otto  Busse. 


212 


B  u  c  Ii  I)  e  s  p  r  e  e  u  n  g  e  n 


10.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Buchbesprechungen. 

\.  Zunibusch,  L.:  Atlas  der  Syphilis.  Leipzig  22.  V erlag 
vciii  I".  C.  W.  Vogel. 

Der  Atlas  ist  fĂŒr  den  Studierenden  und  den  Allgemeinprak- 
tiker bestimmt  daher  bringt  er  in  der  Hauptsache  die  Krankheits- 
bilder,  die  tÀglich  in  der  Praxis  vorkommen,  unter  Vermeidung 
ailer  RaritÀten.  Die  Abbildungen  sollen  in  dem  Studenten  das 
was  er  in  der  Klinik  gesehen  hat,  vertiefen  und  dauernd  ein- 
prÀgen, dem  Praktiker  Vergleichsobjekte  zu  den  FÀllen  seiner 
i Taxis  darbieten.  Mit  Recht  ist  daher  groller  Wert  auf  die  Dar- 
stellung der  verschiedensten  Formen  (11)  des  PrimÀraffektes  ge- 
legt,  hĂ€ngt  doch  von  dem  frĂŒhzeitigen  Erkennen  desselben  das 
Schicksal  des  Patienten  im  allerhöchsten  Maße  ab.  Gern  hĂ€tte 
ich  hier  noch  eine  Abbildung  eines  Schankers  der  Portio  gesehen, 
da  dieser  hĂ€ufig  von  dem  Praktiker  ĂŒbersehen  wird.  Auch  eine 
Abbildung  der  Hutchinsonschen  ZĂ€hne  wĂŒrde  vielleicht  den  Stu- 
denten willkommen  sein,  da  er  viel  von  diesen  zu  hören  und  zu 
lesen,  sie  aber  nur  selten  deutlich  vorgestellt  bekommt.  Im  ganzen 
jedoch  sind  die  Rilder  fĂŒr  den  angedeuteten  Zweck  mit  sehr 
großem  Geschick  ausgewĂ€hlt,  geben  eine  deutliche  Uebersiclii 
ĂŒber  den  Ablauf  der  Lues  und  sind  von  großer  Naturtreue,  so  daß 
sie  wirklich  eine  Vorstellung  des  Krankheitsprozesses  hervorzu- 
bringen imstande  sind.  Die  Ausstattung  des  Allasses  ist  sehr  gut. 
friedensmĂ€ĂŸig;  er  verdient  daher  die  weitgehendste  Verbreitung 
bei  Studenten  und  Allgemeinpraklikern  zu  finden.  R  a  b. 

MĂŒnk,  Fritz:  G  r  u  n  d  r  i  ß  d  e  r  g  e  s  a  m  I  e  n  Röntge  n  d  i  a- 
g  n  o  s  t  i  k  i  n  n  e  r  e  r  K  rankhei.te  n.  2.  Aufl.  297  Seiten  8°. 
Georg  Thieme,  Leipzig,  1922.    Geb.  60  M. 

M.'s  Grundriß  ist  nach  3  jĂ€hrigem  F'ehlen  in  2.  Auflage  er- 
schienen. NaturgemĂ€ĂŸ  nehmen  die  Grundlagen  und  die  Einzel- 
heiten des  Verfahrens  bei  ihm  einen  geringeren  Raum  ein,  als 
in  dem  großen  Gochtschen  Handbuche,  sind  aber  so  klar  ge- 
schlichen, daß  sie  dem  auf  diesem  Gebiete  nicht  Unterrichteten 
eine  gute  EinfĂŒhrung  bieten.  Die  vorzĂŒglichen  Aufnahmen  der 
Kraussehen  Klinik,  deren  Röntgenabteilung  Herrn  MĂŒnk  unter- 
stand, sind  sehr  gut  wiedergegeben  und  trotz  der  notwendigen 
starken  Verkleinerung  zeigt  nur  ein  kleiner  Rruchteil  eine  Ein- 
buße an  Klarheit.  Der  Verf.  nennt  sein  Ruch  zwar  einen  Leit- 
faden der  R.-D.  innerer  Krankheilen,  aber  nach  der  Natur  der 
Sache,  die  heute  eine  scharfe  Trennung  zwischen  Chirurgie  und 
innerer  Medizin  nicht  mehr  ermöglichte,  bringt  er  eine  Anzahl 
wichtiger  Rilder  und  AusfĂŒhrungen,  die  auch  fĂŒr  den  Chirurgen 
von  Bedeutung  sind,  wie  Gelenkzerstörungen  bei  RĂŒckenmarks- 
leiden, GelenkentzĂŒndung  mit  und  ohne  anschließende  Verrenkung 
u.  a.  m.  Auch  wird  dem  darin  nicht  Erfahrenen  auseinander- 
gesetzt, wie  die  Zusammenarbeit  zwischen  innerem  und  Röntgen- 
Ă€rzte zu  erfolgen  hat,  eine  Auseinandersetzung,  in  der  zum  Aus- 
druck kommt,  daß  Herr  MĂŒnk  eben  innerer  Arzt  und  nicht 
Rönlgensonderfachmann  ist.  Leber  die  Unerfreulichkeiten  der 
sogenannten  reinen  RöntgenfachÀrzte  wird  einmal  in  anderem  Zu- 
sammenhange zu  reden  sein;  vielleicht  bringen  solche  RĂŒcher  und 
LeitfÀden,  w  ie  das  Gochtsche  und  M  u  n  k  sehe,  die  Erkenntnis 
in  weitere  Kreise,  daß  nur  durch  den  Röntgenfachmann,  der  auch 
Kliniker  ist,  die  Anwendung  des  Verfahrens  ersprießlich  ge- 
fördert wifd.  Zieht  man  noch  die  klare  Sprache  des  BĂŒchleins  in 
ErwĂ€gung,  so  scheint  es  fast  zuviel,  daß  doch  noch  ein  Wunsch 
nach  Verbesserung  laut  werden  kann,  nÀmlich  der,  der  Verfasser 
möge  in  kĂŒnftigen  Auflagen  die  Zahl  der  auch  in  der  Heilkunde 
entbehrlichen  Fremdwörter  noch  einer  grĂ¶ĂŸeren  ReschrĂ€nkung 
unterwerfen.  O  s  k,a  r  R  o  s  e  n  t  h  a  1. 

Oocht,  Hermann:    Handbuch    der    R  ö  n  t  g  e  n  1  e  h  r  e.  Zum 
Gebrauch  fĂŒr  Mediziner.    6.   und  7.  umgearbeitete  und  ver- 
mehrte Auflage.    Mit  einem  Rildnis  Röntgens  und  311  Text- 
abbildungen   601  Seiten,  Groß  8".    Stuttgart.  Ferdinand  Enke. 
1921.    Ungebunden  RH)  M. 
Die  rasche  Aufeinanderfolge  der  Auflagen  zeigt  die  SchÀtzung, 
deren  sich  das  G.'sche  Handbuch  erfreut.    In  sehr  ausfĂŒhrlicher 
Weise    bespricht     der     Verf.     die    physikalischen  Grundlagen, 
die  Einzelheiten  und  Handgriffe  der  GerÀte  und  des  Verfahrens. 
Aber  der  Verf.  als  Kliniker  beschrÀnkt  sich  nicht  darauf.  Eine 
Reihe  vorzĂŒglicher  Rilder  und  die  sie  begleitenden  AusfĂŒhrungen 
belehren  uns  ĂŒber  Erfahrungen  seines  eigenen  Arbeitsgebietes; 
ĂŒber  das  hinausgehend  werden  wir  dann  in  die  ZusammenhĂ€nge 
der  Röntgenverfahren  und  der  ĂŒbrigen  Krankheitserscheinungen 
eingefĂŒhrt,  sowohl  auf  den  Gebieten  der  Krankheitserkenntnis 
wie  der  -behandlung  und  der  durch  Röntgenstrahlen  entstehenden 
SchĂ€digungen.    Die  in  einer  Zusammenstellung  beigefĂŒgten  Min- 


destpreise der  Deutschen  Röntgengesellschaft  von  1920  werden 
ja  wahrscheinlich  selbst  den  kurzen  zwischen  den  einzelnen  Auf- 
lagen  des  G.  sehen  Buches  verstreichenden  Zeitraum  an  Lebens- 
dauer nicht  erreichen.  O  s  k  a  r  R  o  seilt  h  a  I 

Wossidlo:    K  y  s  t  o  s  k  op  i  s  c  h  er   A  1 1  a  s.     |  Leipzig,  Wilhel 
Engelmann,  1921.    2.  Aufl.    160  bzw.  195  M.) 
Daß  der  W.'sche  Atlas    bereits   nach    einigen    Monaten  i 
zweiler  Auflage  erscheint,  spricht  bereits  fĂŒr  seine  GĂŒte.  Di 
neue  Auflage  isl  um  einige  Abbildungen  vermehrt,  der  Text  —  ins 
besondere  der  Teil  ĂŒber  die  physikalischen  Grundlagen  der  Kysto- 
skopie  —  neu  bearbeitet.    Es  kann  an  dieser  Stelle  nur  wieder 
dasselbe  hervorgehoben  werden,  was  schon  bei  der  Besprechun 
der  ersten  Auflage  gerĂŒhmt  wurde:  Der  Text  bringt  in  kurzer 
klarer,  ĂŒbersichtlicher   Weise  alles,  was  zum   VerstĂ€ndnis  des 
Werkes  notwendig  ist;  die  Abbildungen  sind  geradezu  als  meister- 
haft zu  bezeichnen.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Milchner,  R.:  Grundriß  der  inneren  Medizin  ein- 
schließlich d  e  r  N  e  rvenkrankheite n.  Berlin  1922. 
Siegfried  Seemann  Verlag.  3.  und  4.  Auflage. 
Milchner  gibt  in  knapper  Darstellung  das  Wesentlichste 
ĂŒber  Aetiologie,  Symptome,  Verlauf,  Prognose  und  Therapie  der 
inneren  Krankheilen,  wie  es  der  Medizinstudierende  als  Grund- 
lage fĂŒr  den  klinischen  Unterriehl  braucht.  Der  Stoff  ist  ĂŒber- 
sichtlich angeordnet  und  den  Erkrankungen  des  einzelnen  Organs 
eine  allgemeine  Diagnostik  vorangesetzt.  Vielleicht  wĂŒrde  es 
sich  empfehlen,  an  dieser  Stelle  etwas  mehr  auf  die  Differential- 
diagnostik einzugehen;  auch  die  funktionelle  Nierendiagnostik  in 
ihren  verschiedenen  Formen  könnte  wohl  etwas  eingehender  be- 
handelt werden.  Neu  aufgenommen  sind  die  Nervenkrankheilen, 
die  in  gleicher  Form  wie  der  andere  Teil  des  Buches  bearbeite! 
sind  und  deren  Darstellung  dem  Studierenden  eine  willkommene 
UnterstĂŒtzung  sein  wird.  Dem  Buch  geht  ein  Vorwort  Gold 
s  c  h  e  i  d  eis  voraus.  S  i  1  b  e  r  m  a  n  n    Charlotlenburg  . 

Mötfckeberg,  J.  <;.:  Ribborts  Lehrbuch  der  allge- 
m  eine  n  P  a  t  h  o  1  o  g  i  e  u  n  d  d  e  i  p  a  th  o  1  o  gi  s  c  Ii  e  n 
A  n  a  l  o  m  i  e.  Mit  N<>()  Figuren.  .8.  Aufl.  Leipzig.  F.  C.  ,W. 
Vogel.  1921. 

Das  Ribbertsche  Lehrbuch  ist  von  Mönckeberg  neu  her- 
ausgegeben. Der  Herausgeber  schildert  selbst  im  Vorwort  die 
Schwierigkeiten,  die  sich  ihm  entgegenstellten,  um  dem  Werke 
das  persönliche  GeprÀge  eines  Ribberlschen  Werkes  zu  erhalten, 
ohne  seiner  abweichenden  Meinung  etwas  zu  vergeben.  Da  mir 
keine  frĂŒhere  Auflage  zum  Vergleiche  zur  VerfĂŒgung  stand,  kann 
ich  nicht  angeben,  wie  weit  die  vom  Herausgeber  vorgenommenen 
VerÀnderungen  der  Einteilung  nicht  mehr  Ribbertisch  sind: 
Aenderungen  der  Einteilung  können  ja  gerade  grundsÀtzlich 
wichtig  sein.  Auf  keinen  Fall  gewinnt  man  beim  Lesen  des 
Ruches  den  Eindruck  einer  Verletzung  der  AnhÀnglichkeit  oder 
eines  zwiespÀltigen  Werkes,  selbst  bei  den  Stellen,  bei  denen  die 
Abweichung  vom  R. "sehen  Standpunkte  deutlich  isl.  Es  ist  R.'s 
Verdienst  gewesen,  schon  oft  behandelte  und  scheinbar  fest- 
stehende Regriffe  noch  einmal  neu  und  eigenartig  behandelt  zu 
haben  und  in  dem  ganzen  Ruche  kommt  das  Persönliche  des 
Verf.  zum  erfrischenden  Ausdruck.  Es  kann  ja  nicht  ausbleiben, 
daß  ein  pathologisch  geschulter  Kliniker  einmal  Redenken  gegen 
eine  Auffassung  empfindet,  aber  das  bildet  nur  eine  Anregung, 
kein  Redenken  gegen  das  Ruch,  das  in  außerordentlich  klarer 
Weise  mit  stark  persönlichem  GeprÀge  den  Lernenden  in  das 
Gebiet  der  Krankheitslehre  einfĂŒhrt  und  dem  Ausgebildeten  einen 
wirklichen  Genuß  bietet.  Die  zahlreichen  Abbildungen,  die  nach 
Mitteilung  des  Herausgebers  fast  ausnahmslos  von  R.'s  eigener 
Hand  sind,  sind  in  Zeichnung  und  Wiedergabe  vorzĂŒglich  und 
halten  sich,  wo  sie  nicht  ausdrĂŒcklich  schematische  Aufgaben 
haben,  von  schematischer  AusfĂŒhrung  möglichst  frei 

Oskar  Roscrthal. 

Schmidt.  H.   E.:    Kompendium   der  Lichtbehandlung. 

19-1  Abb.  3.  Aufl.  Herausgegeben  von  Otto  St  r  a  u  ß.  Thieme. 

Leipzig  1921.    Steif  broschiert  21  M. 
EnthÀlt  physikalische  Vorbemerkungen,  Handhabung  und  Anwen- 
dung der  Verfahren.    Die  Abb.  sind  schön,  aber  z.  T.,  da  vor  und 
nach  Behandlung  in  verschiedenen  Stellungen  aufgenommen,  nicht 
beweisend.  O.  R. 

Thedering,  F.:  D  a  s  Q  u  a  r  zl  ich  t  u  n  d  sei  n  e  A  n  w  e  n  d  u  n  u 
i  n  d  er  M  edizi  n.  4.  Aufl.  Gerhard  Stalling,  Oldenburg  1921. 
131  Seiten  Zusammenstellung  der  Ergebnisse  bisheriger  Arbeiten 
—  auch  der  eigenen  des  Verf.  —  und  32  Seiten  Verzeichnis  der 
bell    Arbeiten.  O.  R. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  WochenschrMi  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Stra&e  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH.  Berlin  SW  46,  Wilhelm-Stra&e  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  10  Berlin,  den  8.  MĂ€rz  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Verlag  behĂ€lt  sich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  Kinderklinik  der  ungarischen  Elisabeth-UniversitÀt 
'  derzeit  in  Budapest  im  Weißen-Kreuz-Kinderspital  (Direktor: 
Prof.  Dr.  P.  Heim). 

Ueber  die  Wachstumfunktionen  der  Hypophyse. 
Die  Pathogenese  der  Akromegalie  und  des 
Gigantismus. 

Von  Dr.  Geza  Pelenyi 

Das  Wachstum  des  menschlichen  Körpers  ist  von  vielen 
Faktoren,  im  extrauterinen  Leben  in  erster  Linie  von  der 
TÀtigkeit  des  endokrinen  Apparates  abhÀngig.  Am  ausge 
sprochensten  ist  diese  Wirkimg  von  Seiten  der  GenitaldrĂŒsen 
(Ovarium,  Testis),  der  Nebennieren,  der  Glandula  pinealis, 
der  SchilddrĂŒse  und  der  Hypophyse.  Es  ist  allgemein  be- 
kannt, daß  im  PubertĂ€tsalter  unter  Einwirkung  der  Genital- 
drĂŒsen  („PubertĂ€tsdrĂŒse")  vermehrtes  LĂ€ngenwachstum  ein- 
tritt. Ein  Àhnliches,  eine  bestimmte  Zeit  dauerndes  LÀngen- 
wachstum lĂ€ĂŸt  sich  bei  gewissen  Tumoren  der  Glandula 
pinealis  und  der  Nebennieren  mit  sexueller  FrĂŒhreife  beob- 
achten. Die  mangelhafte  SchilddrĂŒsentĂ€tigkeit  fĂŒhrt  zu  ver- 
mindertem oder  ganz  fehlendem  LĂ€ngenwachstum;  mit 
SchilddrĂŒsendarreichung  ist  das  zu  beheben.  Auch  von  der 
Hypophyse  ist  bekannt,  daß  gewisse  Erkrankungen  derselben 
zum  Zwergwuchs  fĂŒhren,  wobei  die  Hypophysendarreichung 
unwirksam  ist;  daß  sich  hingegen  bei  bestimmten  Tumoren 
der  Hypophyse  Riesenwuchs  oder  Akromegalie  entwickelt. 

Im  Folgenden  wollen  wir  den  Einfluß  der  Hypophyse  auf 
die  Wachstumsprozesse  einer  nÀheren  Analyse  unterziehen 
und  demonstrieren,  daß  es  auf  Grund  der  klinischen  Beob- 
achtungen möglich  ist,  die  Wirkung  der  Hypophyse  auf  das 
Knochenwachstum  in  mehrere  Komponenten  zu  teilen  und 
mit  Hilfe  dieser  Erkenntnis  der  Pathogenese  des  Gigantismus 
und  der  Akromegalie  eine  neue  Beleuchtung  zu  geben. 

Unsere  Kenntnisse  von  der  Physiologie  der  Hypophyse 
nehmen  von  den  klinischen  Beobachtungen  Pierre  Ma- 
ri e '  s  ihren  Ausgangspunkt.  Er  beobachtete  zwei  FĂ€lle  mit 
eigentĂŒmlichen  KnochenverĂ€nderungen.  Man  hat  auch 
frĂŒher  schon  Aehnliches  bemerkt,  aber  die  frĂŒheren  Beob- 
achter erblickten  nicht  das  Charakteristische,  fanden  nicht 
den  zusammenfassenden  Gedanken,  wonach  sich  die  ver- 
schiedenen KnochenverÀnderungen  einheitlich  beurteilen 
lassen.  Die  KnochenverÀnderungen  haben  an  erwachsenen 
Leuten  begonnen,  die  bis  dahin  normale  Körperproportione 
zeigten.  Hand,  Fuß  und  die  Finger  vergrĂ¶ĂŸerten  sich,  wur- 
den dicker,  unförmlich;  die  Augenbrauenbogen  wurden  vor- 
wölbend, das  Jochbein  vorspringend,  die  Nase  dicker,  der 
Kiefer  breiter  und  lÀnger.  Pierre  Marie  hat  diese  Ver- 
Ă€nderungen unter  dem  Namen  Akromegalie  zusammen- 
gefaßt und  sagte,  das  Gemeinsame,  das  Charakteristische  der 
Erscheinung  sei,  daß  es  die  gipfelnden  Teile  des  Kopfes  und 
der  ExtremitĂ€ten  sind,  welche  die  Verdickung,  die  VergrĂ¶ĂŸe- 
rung aufweisen.  SpÀter  nach  genauer  klinischer  Analyse 
und  Sektion  vieler  FĂ€lle  stellte  es  sich  heraus,  daß  Ă€hnliche 
hyperplastische  Knochenprozesse  ĂŒberall  nachweisbar  sind, 
sowohl  an  den  Rippen,  wie  auch  an  der  WirbelsÀule  und 
dem  SchÀdel.  Am  ausgesprochensten  sind  aber  doch  die 
VerĂ€nderungen  an  den  gipfelnden  Teilen,  so  daß  der  ur- 
sprĂŒnglich gewĂ€hlte  Name  „Akromegalie"  als  zutreffend  bis 
jetzt  in   allgemeinem  Gebrauch   geblieben   ist.  Pierre 


Marie  hat  nicht  nur  die  wichtigsten  Symptome  in  eine 
klinische  Einheit  zusammengefaßt,  sondern  zugleich  auf  die 
Aetiologie,  auf  die  Hypophysenerkrankung  hingewiesen.  In 
einer  ganzen  Reihe  von  FÀllen  konnte  man  spÀter  den  siche- 
ren Beweis  erbringen,  daß  die  erste  Annahme  richtig  war, 
daß  die  erwĂ€hnten  Erscheinungen  stets  mit  Erkrankung, 
meistens  mit  Tumorbildung  der  Hypophyse  in  Verbindung 
auftraten. 

Die  erste  Frage  war,  auf  welche  Weise  die  Hypophysen- 
erkrankung dieses  Krankheitsbild  hervorruft.  Wie  bei  allen 
innersekretorischen  Erkrankungen  kamen  auch  hier  folgende 
Möglichkeiten  in  Betracht:  Hyper-,  Hypo-  und  Dysfunktion, 
oder  die  Erkrankimg  mehrerer  DrĂŒsen,  also  eine  polyglandu- 
lÀre Aetiologie.  Letztere  Möglichkeit  konnte  man  mit 
Sicherheit  ausschließen.  Symptome  seitens  der  anderen 
endokrinen  Organe  sind  fast  in  allen  AkromegaliefÀllen 
nachweisbar.  Dieselbe  weisen  eine  große  Mannigfaltigkeit 
auf.  Struma,  Myxödem,  Diabetes  insipidus,  Diabetes  melli- 
tus, Dystrophia  adiposogenitalis,  Eunuchoidismus  usw.  kön- 
nen vor  der  Akromegalie,  gleichzeitig  oder  im  weiteren  Ver- 
laufe auftreten.  Alle  diese  sind  aber  inkonstant  und  können 
in  den  verschiedensten  Stadien  der  Akromegalie  einsetzen. 
Das  schließt  von  vornherein  die  primĂ€re  Ă€tiologische  Be- 
deutung derjenigen  DrĂŒsen  aus,  deren  Erkrankung  diese  Be- 
gleitsymptome hervorruft.  Pierre  Marie  selbst  dachte 
zuerst  an  eine  Hypofunktion,  Tamburini,  Benda  und 
Massalongo  an  eine  Hyperfunktion  der  Hypophyse.  Die 
Entscheidung  dieser  Frage  haben  die  chirurgischen  Ergeb- 
nisse gebracht.  Hochenegg  war  der  erste,  welcher  bei 
Akromegalie  die  Hypophysengeschwulst  exstirpierte,  worauf 
die  akromegalen  Symptome  sich  schnell  zurĂŒckbildeten.  Das 
haben  ihm  mehrere  mit  gleichem  Erfolg  nachgemacht,  so 
daß  es  heute  zweifellos  ist,  daß  die  Akromegalie  immer  auf 
eine  Hyperfunktion  der  Hypophyse  bzw.  des  Vorderlappens 
der  Hypophyse  zurĂŒckzufĂŒhren  ist  (weil  die  Geschwulstbil- 
dung immer  von  dort  ihren  Ausgangspunkt  nimmt).  Anders 
ausgedrĂŒckt:  Bei  der  Akromegalie  ist  ein  „Hyperpituitaris- 
mus"  vorhanden. 

Außer  den  oben  erwĂ€hnten  Symptomen  sind  weiter  fast 
als  konstant  zu  bezeichnen  die  Erweiterung  der  pneumati- 
schen RĂ€ume  (sinus  frontalis,  maxillaris,  sphenoidalis)  und 
der  Sella  turcica,  eventuell  mit  Destruktion  derselben;  sowie 
Tumorsymptome  (Kopfweh,  Sehstörungen,  bitemporale  He- 
mianopsie, Atrophia  N.  optici).  Bei  Sektionen  hat  man  den 
KnochenverĂ€nderungen  große  Aufmerksamkeit  gewidmet, 
Überall  war  eine  diffuse  Verdickung  als 
Folge  der  erhöhten  periostalen  Knochenbil- 
dung nachweisbar.  Histologisch  konnte  man  nicht 
nur  eine  erhöhte  periostale  Knochenneubildung  nachweisen, 
sondern  auch  einen  gesteigerten  zentralen  Resorptionsprozeß, 
durch  welchen  sich  die  pneumatischen  RĂ€ume  vergrĂ¶ĂŸern. 

Der  von  Pierre  Marie  hervorgehobene  Symptomen- 
komplex bildet  ein  prÀgnantes  Krankheitsbild,  das  seine  kli- 
nische SelbstÀndigkeit  behalten  wird.  Daran  Àndert  auch 
das  nichts,  daß  sich  die  verschiedensten  innersekretorischen 
Krankheiten  dazu  gesellen  können,  noch  daß  sich  abhĂ€ngig 
von  der  Natur  der  Geschwulst,  in  Beginn,  Verlauf  und  Pro- 
gnose, große  Unterschiede  zeigen.  Bei  benignen  Adenomen 
kann  der  Kranke  noch  20 — 30  Jahre  leben,  bei  malignen 
Sarkomen  kann  die  Krankheit  in  2 — 3  Jahren  tödlich  enden. 


214 


Petenyi:  Wachstumsfunktionen  der  Hypophyse 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Es  gibt  einen  Symptomenkomplex,  welcher  hÀufig  mit 
der  Akromegalie  zusammen  erscheint  und  bisher  absichtlich 
nicht  erwÀhnt  wurde;  Das  ist  der  Riesenwuchs,  der  bei 
Hypophysentumoren  in  Verbindung  mit  Offenbleiben  der 
Epiphysenlinien  hÀufig  zu  sehen  ist.  Die  von  Pierre 
Marie  zuerst  beschriebenen  Kranken  waren  von  normaler 
KörpergrĂ¶ĂŸe.  In  den  spĂ€teren  Publikationen  findet  man 
aber  hĂ€ufig  die  Angabe,  daß  die  Kranken  hochwĂŒchsig 
waren,  und  manche  zeigten  echten  Riesenwuchs.  Auf  Grund 
unserer  jetzigen  Kenntnisse  ist  es  schwer,  eine  genaue  De- 
finition zu  geben,  was  unter  Riesenwuchs  (Gigantismus)  zu 
verstehen  ist.  In  den  einzelnen  Arbeiten  finden  wir  ver- 
schiedene Definitionen  und  verschiedene  Krankheitsbilder 
unter  diesem  Titel,  mit  dem  gemeinsamen  Element  der  auf- 
fallenden KörpergrĂ¶ĂŸe.  Letztere  ist  aber  an  sich  eine  sehr 
variable  GrĂ¶ĂŸe.  Nach  B  o  1 1  i  n  g  e  r  rechnet  man  zu  den 
Riesen  die  Leute  mit  mehr  als  205  cm  KörpergrĂ¶ĂŸe.  Andere 
bezeichnen  200  cm  als  Grenze;  180  cm  wÀre  die  obere  Grenze 
des  Normalen,  und  die  Leute  zwischen  180 — 200  cm  bezeich- 
nen sie  als  „hochwĂŒchsig".  Einzelne  Autoren  rechnen  auch 
Leute  mit  190  cm  zu  den  Riesen. 

Nach  einer  anderen  Àlteren  Einteilung  (Lange  r)  gibt 
es  „normale"  und  „pathologische"  Riesen.  Unter  normalen 
Riesen  versteht  man  die  sehr  hohen  gesunden  Menschen  mit 
proportionalem  Körperbau.  Diese  Beobachtungen  stammen 
aus  Àlterer  Zeit.  Langer  beschreibt  drei  solche  Skelette 
(zitiert  bei  F  a  1 1  a).  Nach  den  Aufzeichnungen  erreichten 
diese  ein  hohes  Alter.  Die  Skelette  wiesen  normale  Körper- 
proportionen auf,  mit  entsprechend  großem  Rumpf.  Selbst 
Langer  stellt  aber  fest,  daß  bei  den  meisten  Riesen  patho- 
logische VerÀnderungen  vorkommen,  teilweise  Dysproportion 
im  Bau,  teilweise  VerÀnderungen  an  der  Sella  turcica.  Die 
aus  neuerer  Zeit  stammenden  Arbeiten  bringen  alle  nur  Be- 
obachtungen' ĂŒber  solche  pathologische  Riesen. 

Wie  verschiedene  Krankheitsbilder  zum  Gigantismus  ge- 
rechnet werden,  und  inwieweit  es  an  einer  einheitlichen  Auf- 
fassung in  der  Pathogenese  fehlt,  daß  zeigt  am  deutlichsten 
das  folgende  Zitat:  aus  der  entsprechenden  Stelle  in  F  a  1 1  a  s 
Buch: 

Seite  374:  „Wenn  auch  proportionierte,  nicht  akromegale 
Riesen  anscheinend  zu  den  grĂ¶ĂŸten  Seltenheiten  gehören,  so  kann 
man  deren  Existenz  nach  den  bestimmten  Angaben  von  L  ange  r 
und  Virchow  nicht  bezweifeln.  Es  scheint  mir  daher  zweck- 
mĂ€ĂŸig, bei  der  alten  Einteilung  von  Langer  zu  bleiben  und 
zwischen  normalen  und  pathologischen  Riesen  zu  unter- 
scheiden. In  der  Literatur  findet  sich  ferner  eine  Anzahl  FĂ€lle 
beschrieben,  deren  KörpergrĂ¶ĂŸe  zwischen  190  und  200  cm  lag: 
FĂ€lle,  die  keine  akromegalen  ZĂŒge  an  sich  trugen,  hingegen  alle 
Zeichen  des  typischen  Eunuchoidismus  aufweisen.  Es  liegt  hier 
also  eine  potenzierte  Form  des  eunochoiden  Hoch- 
wuchses vor,  und  fĂŒr  diese  scheint  mir  die  Bezeichnung 
eunochoider  Gigantismus  nicht  unbegrĂŒndet.  Sie  decken 
sich  zum  Teil  mit  jenen  FĂ€llen,  die  Launois  und  Roy  als 
infantilen  Gigantismus  bezeichneten.  Nachdem  ich  den  Eunochoi- 
dismus  scharf  vom  Infantilismus  trenne,  so  muß  ich  die  Bezeich- 
nung eunuchoid  an  Stelle  von  infantil  fĂŒr  prĂ€ziser  halten.  Ich 
möchte  hier  gleich  darauf  hinweisen,  daß  aber  ein  Teil  der  von 
Launois  und  Roy  als  infantil  beschriebenen  Riesen  nicht 
reine  Eunuchoide  sind,  sondern  bereits  akromegale  ZĂŒge  an  sich 
tragen.  Was  nun  endlich  die  akromegalen  Riesen  anbe- 
langt, so  werde  ich  mich  bemĂŒhen,  zu  zeigen,  daß  hier  die  ver- 
schiedensten Typen  vorkommen,  solche,  bei  denen  von  vornherein 
akromegale  Erscheinungen  deutlich  hervortreten,  solche,  die  sich 
—  um  den  Ausdruck  von  Launois  und  Roy  zu  gebrauchen  — 
erst  spĂ€ter  akromegalisierten,  solche,  bei  denen  eunuchoide  ZĂŒge 
oder  sogar  ausgeprÀgter  Eunuchoidismus  von  Jugend  auf  be- 
stehen, solche,  bei  denen  es  erst  spÀter  zu  einer  Art  SpÀt- 
Eunuchoidismus  kommt,  und  endlich  solche,  bei  denen  eunuchoide 
ZĂŒge  ganz  fehlen,  bei  denen  vielmehr  die  Funktion  der  Keim- 
drĂŒsen und  der  Genitalien  normal,  ja  sogar  vielleicht  vorĂŒber- 
gehend abnorm  gesteigert  ist. 

Bei  der  großen  Mannigfaltigkeit  der  Erscheinungen  des 
Riesenwuchses  ist  eine  einheitliche  Darstellung  der  Symptomato- 
logie kaum  möglich;  es  scheint  mir  am  zweckmĂ€ĂŸigsten,  Beispiele 
aus  der  Literatur  fĂŒr  die  einzelnen  Typen  anzufĂŒhren,  wobei 
ich  hier  schon  betonen  möchte,  daß  zwischen  diesen  Typen  alle 
möglichen  UebergÀnge  vorkommen." 


I.  Bauer  nimmt  einen  Àhnlichen  Standpunkt  ein  und 
fĂŒhrt  die  zahlreichen  klinischen  Formen  auf  zwei  Haupt- 
typen zurĂŒck,  auf  den  eunuchoiden  und  auf  den  hy- 
pophysÀren Hochwuchs.    Beim  letzten  ist  die  Erkran- 
kung des  Vorderlappens  der  Hypophyse  von  primÀrer  Be 
deutung,  bei  ersterem  der  Hypogenitalismus.  In 
lolgedessen  bleiben  die  Epiphysenlinien  offen  und  wird  de 
abnorme    Hochwuchs    möglich.      B  i  e  d  1  und  I.  Baue 
nÀhern  sich  schon  dem  Standpunkt  der  französischen  KU 
niker,  demzufolge  der  Gigantismus  immer  auf  eine  gesteigert 
Hypophysenfunktion  zurĂŒckzufĂŒhren  ist,  denn  sie  weise 
darauf  hin,  beim  Eunuchoidismus  entwickele  sich  regel- 
mĂ€ĂŸig eine  VergrĂ¶ĂŸerung  der  Hypophyse  und  dem  entspreche 
auch  das  histologische  Bild.    Nach  dieser  Auffassung  er- 
möglicht der  Hypogenitalismus  das  weitere  Wachstum,  weil 
die  Epiphysenlinien  offen  bleiben,  aber  das  eigentliche  pa- 
thologische Wachstum  wird  auch  hier  durch  die  sekundÀr 
verÀnderte  Hypophyse  hervorgerufen.    Es  gibt  auch  experi- 
mentelle Daten  und  andere  Beobachtungen,  die  fĂŒr  die  Rich- 
tigkeit dieser  Anschauung  zu  sprechen  scheinen.   T  a  n  d  1  e  r 
und  Groß  haben  an  kastrierten  MĂ€nnern  mit  Röntgenauf- 
nahmen nachgewiesen,  daß  die  Sella  turcica  vergrĂ¶ĂŸert  ist. 
R  ö  ß  1  e  und  Jutaka  Kon  haben  bei  Sektionen  bei  frĂŒher 
kastrierten  Frauen  VergrĂ¶ĂŸerung   der  Hypophyse   und  im 
histologischen  Bilde  starke  HyperĂ€mie  und  VergrĂ¶ĂŸerung 
und  Vermehrung  der  eosinophilen  Zellen  gefunden.  WĂ€h- 
rend der  GraviditĂ€t  konnte  man  auch  die  VergrĂ¶ĂŸerung  und 
strukturelle  VerÀnderung  der  Hypophyse  (massenhaft  treten 
sogen.  „Schwangerschaftszellen"  auf)  nachweisen.   Auch  kli- 
nische Begleitsymptome  sind  vorhanden.    HĂ€ufig  und  all- 
bekannt sind  bei  Schwangeren  die  an  Akromegalie  erinnern- 
den VerÀnderungen.   Das  Gesicht  wird  breiter,  plump,  Nase, 
Kiefer  und  Finger  verdicken  sich.    Nach  der  GraviditÀt  bil- 
den sich  diese  Erscheinungen  grĂ¶ĂŸtenteils  zurĂŒck.   Die  beim 
primÀren  Eunuchoidismus,  bei  kastrierten  und  bei  der  Gra- 
viditĂ€t gewonnenen  Erfahrungen  weisen  ĂŒbereinstimmend 
darauf  hin,  daß  sich  bei  fehlender  oder  verminderter  Funk- 
tion der  GenitaldrĂŒsen  der  vordere  Lappen  der  Hypophyse 
vergrĂ¶ĂŸert  und  eine  gesteigerte  TĂ€tigkeit  ausĂŒbt,  so  daß  die 
Hypophyse  auch  bei  jenen  Formen  des  Gigantismus,  die  man 
als  „eunuchoid"  bezeichnet,  als  Ă€tiologischer  Faktor  anzu- 
nehmen ist. 

Am  nachdrĂŒcklichsten  wird  der  hypophysĂ€re  Ursprung 
des  Gigantismus  durch  französische  Kliniker  vertreten.  Sie 
unterscheiden  einen  „gigantisme  infantil"  und  einen 
„gigantisme  acromegaliqu  e".  Sie  entsprechen  dem 
eunuchoiden  und  hypophysÀren  Hochwuchs.  B  r  i  s  s  a  u  d, 
Meige,  Launois  und  Roy  beschÀftigten  sich  eingehend 
mit  diesen  Fragen  und  teilten  eine  ganze  Reihe  ausgezeich- 
neter klinischer  Analysen  mit.  Auf  Grund  ihrer  klinischen 
Beobachtungen  vertreten  sie  den  Standpunkt,  daß  auch  der 
gigantisme  infantil  hypophysÀren  Ursprunges  sei.  Nach 
Launois  und  Roy  sind  diese  zwei  Typen  in  dem  Raum, 
aber  nicht  in  der  Zeit  gegeben.  Denn  die  FĂ€lle  von  gigan- 
tisme infantil  akromegalisieren  sich  spÀter,  d.  h.  allmÀhlich 
entwickeln  sich  Symptome  der  Akromegalie. 

Die  strittigste  Frage  war,  was  fĂŒr  ein  Zusammenhang 
zwischen  Akromegalie  und  Gigantismus  besteht.  Gehören 
die  zwei  Symptomenkomplexe  organisch  zusammen  (uni- 
taristischer  Standpunkt),  oder  handelt  es  sich  um  zwei  ver- 
schiedene Krankheiten.  Pierre  Marie  betonte  immer  die 
letztere  Möglichkeit.  Die  unitaristische  Auffassung  verdankt 
ihren  Ursprung  einer  außerordentlich  interessanten  Hypo- 
these. B  r  i  s  s  a  u  d  und  Neige  behaupteten,  daß  Akro- 
megalie und  Gigantismus  einen  einheitlichen  pathologischen 
Prozeß  bilden;  das  Entstehen  der  verschiedenen  klinischen 
Bilder  hĂ€nge  ausschließlich  davon  ab,  in  welchem  Alter  die 
Krankheit  beginnt.  Beginnt  die  gesteigerte  HypophysentÀtig- 
keit im  Wachstumsalter,  wo  die  Epiphysenlinien  noch  nicht 
geschlossen  sind,  also  im  Alter  der  unbegrenzten  Wachstums! 
möglichkeit,  so  resultiert  daraus  Riesenwuchs.  FÀllt  der  Be- 
ginn in  die  Zeit,  wo  die  Epiphysenlinien  schon  geschlossen 
sind,  ist  kern  weiteres  LÀngenwachstum  möglich;  in  der 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Petenyi:  Wachstumsfunktioiieii  der  Hypophyse 


316 


Dick«  aber  können  die  Knochen  wachsen,  das  Periost  bildet, 
so  lange  die  krankhaft  verÀnderte  HypophysentÀtigkeit  an- 
dauert, und  die  Epiphysenfugen  sich  nicht  schließen,  be- 
stÀndig weitere  Knochenverdickung  und  so  kommt  die  Akro- 
tnegalie  zustande.  Anders  ausgedrĂŒckt  ist  der  Gigantismus 
die  Akromegalie  des  Wachstumsalters,  und  die  Akromegalie 
ist  der  Gigantismus  des  erwachsenen  Alters.  Eine  Kombi- 
nation von  Gigantismus  und  Akromegalie  kommt  zustande, 
wenn  die  Hypophysenerkrankung  bei  offenen  Epiphysen- 
linien  beginnt,  da  entwickelt  sich  Riesenwuchs,  schließen 
sich  spÀter  die  Epiphysenfugen  und  die  gesteigerte  Hypo- 
physentÀtigkeit dauert  fort,  so  reizt  sie  nur  das  Periost  zur 
weiteren  Knochenbildung  und  zum  Riesenwuchs  gesellen  sich 
nun  die  akromegalen  Symptome. 

Zuerst  entwickelten  diese  Ansicht  Brissaud  und 
M  e  i  g  e;  dann  sammelten  L  a  u  n  o  i  s  und  Roy  zahlreiche 
Beobachtungen,  imi  dieser  Hypothese  eine  gesicherte  Basis 
zu  geben.  Sie  wiesen  nach,  daß  man  bei  den  meisten  Riesen 
Hypophysen-  oder  darauf  hinweisende  Sella- VerÀnderungen 
finden  kann;  diese  HypophysenverÀnderungen  beginnen  beim 
Riesenwuchs  immer  im  Wachstumsalter  und  erst  viel  spÀter 
nach  Schluß  der  Epiphysenfugen  entwickeln  sich  die  akro- 
megalen Erscheinungen.  Von  verschiedenen  Seiten  wurden 
EinwÀnde  erhoben.  In  erster  Linie  betonte  Pierre  Marie 
immer  die  klinischen  Unterschiede  und  daß  es  Riesen  ohne 
akromegale  Symptome  gibt.  Neulich  hat  F  a  1 1  a  die  im 
Kindesalter  beobachteten  AkromegaliefÀlle  zusammengestellt. 
Trotzdem  wird  die  Ansicht  Brissaud-Meige  von  den 
meisten  Autoren  angenommen.  (L  e  r  i,  B  e  r  i  t  z,  J.  Bauer, 
Biedl.) 

Die  klinischen  Beobachtungen  ermöglichen  jedoch  eine 
weitere  Analyse  des  Einflusses  der  Hypophyse  auf  das 
Wachstum,  auf  Grund  welcher  sich  fĂŒr  die  Pathogenese  der 
Akromegalie  und  des  Gigantismus  neue  Gesichtspunkte  er- 
geben. 

Die  zwei  klinischen  Tatsachen,  die  von  entscheidender 
Wichtigkeit  sind  und  die  den  Grund  fĂŒr  die  weiteren  Schluß- 
folgerungen bilden,  sind: 

1.  Man  kann  Akromegalie  im  Wachstums- 
alter vor  der  Verknöcherung  des  Epiphysen 
knorpels    bei  normalem 
beobachten. 

2.  Man  kann  Gigantismus,  pathologisches 
LÀngenwachstum    hypophysÀren  Ursprun- 
ges, im  Wachstumsalter  vor  Verknöcherung 
ijdes    Epiphysenknorpels     ohne  akromegale 

Symptome  beobachten. 

Zur  Illustrierung  dienen  folgende  Beobachtungen: 
1.  10 'A  jÀhriges  Kind,  LÀnge  136  cm.  Mit  Herzbeschwerden 
auf  die  Abteilung  aufgenommen.  Klinischer  Befund:  die  Kon- 
figuration des  Gesichts  erinnert  an  akromegalen  Typ,  Augen- 
brauenbogen  und  Jochbogen  hervorstehend;  die  Nase  kurz,  aber 
breit  und  plump;  das  Gesicht  breit;  Ober-  und  Unterlippe  wulstig; 
der  Unterkiefer  verschmĂ€lert  sich  regelmĂ€ĂŸig  nach  unten,  dabei 
ist  das  Kinn  aber  doch  noch  etwas  breiter  als  normal.  Brustkorb 
und  WirbelsĂ€ule  normal;  SellavergrĂ¶ĂŸerung  nicht  mit  Sicherheit 
nachzuweisen;  Hand  und  Finger  dem  Ansehen  nach  ganz  wohl- 
proportioniert und  scheinen  weder  lÀnger  noch  dicker.  Auf  der 
Röntgenplatte  der  Hand  aber  sind  der  Metakarpus  I.  und  sÀmt- 
liche Phalangen  viel  dicker  als  bei  gleichalterigen  Kindern;  sÀmt- 
liche Epiphysenlinien  offen.  WĂ€hrend  des  Spitalsaufenthaltes  ent- 
wickelte sich  eine  Meningitis  tuberculosa  und  das  Kind  starb.  Das 
Ergebnis  der  Sektion  (Privatdozent  Jarikovich):  VergrĂ¶ĂŸe- 
rung der  Hypophyse  (9:10:6  mm),  im  vorderen  Lappen  starke 
Vaskularisation,  HyperÀmie,  starke  Vermehrung  der  eosino- 
philen Zellen,  kolloidartige  strumöse  Umwandlung  des  mittleren 
Lappens  und  AnhÀufung  von  etwa  1%  cem  Kolloids  in  Zysten. 

Nach  diesem  Befunde  ist  es  zweifellos,  daß  bei  dem  Kinde 
eine  wahre  Akromegalie  vorhanden  war  und  zwar  im 
Stadium  des  allerersten  Beginnens  der  Krankheit.  Die  Haupt*'' 
Forderungen  der  Akromegaliediagnose:  die  VergrĂ¶ĂŸerung  der 
Akra  mit  einer  nachweisbaren  Hyperfunktion  des  vorderen 
Lappens  der  Hypophyse  sind  vorhanden;  was  die  VergrĂ¶ĂŸe- 
rung der  Akra  betrifft,  war  sie  im  Gesicht  zu  sehen  und  an 


LĂ€ngenwachstum 


der  Hand  die  peroistale  Verdickung  mit  Röntgen  nachzu- 
weisen. Dabei  ist  die  LĂ€nge  des  Kindes  normal.  (AusfĂŒhr- 
lich mitgeteilt  ist  dieser  Fall  in  der  Monatsschrift  fĂŒr  Kinder- 
heilkunde, Bd.  21,  1921,  S.  14). 

2.  S.  L.,  12  Jahre  !)  Monate  alter  Knabe.  Im  8.  Monat  geboren 
Im  Aller  von  2'A  Jahren  hatte  das  Kind  wÀhrend  einer  Tonsillitis 
einmal  Eklampsie.  Damals  in  unserer  Ambulanz  untersucht 
keine  tetanischen  Symptome,  normale  elektrische  Erregbarkeit. 
Im  !).  Jahre  Tonsillo-Adenotomie.  Etwas  spÀter  I  Jahr  lang 
dauernde,  mĂ€ĂŸige  Struma.  Hat  viel  Jod  genommen.  Seit  einem 
halben  Jahr  Husten.  St.  pr.  am  9.  X.  1920:  Auffallend  großes  Kind 
in  etwas  reduziertem  ErnÀhrungszustand.  Gewicht  55  kg.  Die 
Maße  sind: 

Höhe  .  165  cm 

Kopfumfang  56  „ 

Halsumfang  33  „ 

Brustumpfang  79  „ 

Bauchumfang  72  „ 

Spannweite   176  „ 

Akromion  —  III.  Fingerkuppe  ....  72  „ 
Spina  iliaca  a.  s.  —  Sohle  101  „ 

Hand  19,5  „ 

Fuß.  26   „  /‱ 

Brachycephaler  Schaedel  Augenbrauenbogen  und  Jochbogen 
nicht  vorspringend.  Keine  Prognathie,  breiter  flacher  Brustkorb, 
WirbelsÀule  gerade,  ExtremitÀten  lang,  von  normaler  Dicke. 
Phalangen  lang,  aber  nicht  dicker,  auch  an  der  Hand  und  dem 
Fuß  keine  DysproportionalitĂ€t  im  Sinne  einer  Akromegalie. 
Haut  von  normaler  Konsistenz.  An  den  Armen  und  am  Bumpf 
mĂ€ĂŸige  Hypertrichose.  Keine  abnorme  Pigmentation.  Musku- 
latur schlecht  entwickelt.  DrĂŒsen  kaum  tastbar.  Herz  und  Lunge 
o.  B.   Keflexe  normal. 

Psychisch  ist  das  Kind  nicht  als  vollkommen  normal  zu  be- 
zeichnen. Auffassung  gut  aber  vergeßlich  und  außerordentlich 
zerstreut.  Spaziert  tagelang  ohne  zu  essen.  In  der  Schule  immer 
an  der  Grenze  der  Ausschließung.  Sein  Interessenkreis  ent- 
spricht ungefĂ€hr  dem  eines  7 — 8  jĂ€hrigen  Kindes.  Auf  der  Röntgen- 
platte  der  Hand  sind  sÀmtliche  Epiphysenlinien  offen,  die  Pha- 
langen sind  lang  und  keinesfalls  verdickt.  Wenn  die  Epiphysen- 
linien geschlossen  wĂ€ren,  wĂŒrde  man  die  Hand  fĂŒr  die  eines 
Erwachsenen  halten.  Auf  der  Böntgenaufnahme  des  SchÀdels 
zeigt  die  Sella  turcica  betrÀchtliche  VerÀnde- 
rung. Der  Eingang  ist  stark  erweitert,  die  Sella 
wesentlich  vergrĂ¶ĂŸert  und  vertieft.  Die  pneuma- 
tischen BĂ€ume  nicht  vergrĂ¶ĂŸert.   Sinus  frontalis  sehr  klein. 

Das  Kind  wurde  frĂŒher  öfters  in  unserer  Ambulanz  wegen 
Tonsillitis,  Bronchitis,  Pertussis  und  einmal  wegen  Eklamsie 
gezeigt.  Aus  der  Krankengeschichte  der  Ambulanz  erfahren  wir 
weitere  Daten  ĂŒber  die  Entwiekelung  des  Kindes. 

Das  Kind  WOg   am  Normalzahlen 

29.  IX.     1909  22  Monate  alt,  12,3  kg         12,2  kg 

29.  VIII.  1913  5  Jahre  und  8  Monate  .  32,6  kg  19,5  kg 
11.  III.  1916  8  Jahre  u.  3  Monate  45,0  kg  25,5  kg 
15.  X.      1920  12  Jahre  u.  10  Monate       54,0  kg         37,—  kg 

Das  gesteigerte  Wachstum  beginnt  also  zwischen  dem  2.  und 
Ii.  Jahre.  Im  6.  Jahre  hat  das  Kind  schon  ein  abnorm  großes 
Gewicht.  LĂ€ngenmaße  fehlen  leider  in  den  frĂŒheren  Aufzeich- 
nungen und  man  könnte  daran  denken,  daß  das  Kind  vielleicht 
zu  dick  war.  Es  sind  aber  mehrere  Photographien  aus  diesem 
Alter  aus  dem  5.,  6.,  8.  und  9.  Jahre  vorhanden  und  auf  diesen 
sieht  das  Kind  mĂ€ĂŸig  ernĂ€hrt,  auf  einigen  sogar  etwas  mager 
aus,  so  daß  die  vermehrte  Gewichtszunahme  auch  in  den  frĂŒhe- 
ren Jahren  sicher  auf  das  abnorme  LĂ€ngenwachstum  fiel. 

Es  ist  zweifellos,  daß  es  sich  hier  um  Riesenwuchs  han- 
delt. Von  PubertÀtsentwickelung  keine  Spur,  also  kann  man 
die  Funktionsstörung  der  Glandula  pinealis,  Nebennieren 
und  Testis,  als  Ă€tiologischen  Faktor  ausschließen.  Auch  per 
exclusionem  muß  man  in  der  Hypophyse  die  Ursache  des  ge- 
steigerten Wachstums  suchen.  Letzteres  beweist  die  Sella- 
aufnahme,  auf  der  die  betrĂ€chtliche  VergrĂ¶ĂŸerung  und  Er- 
weiterung des  Einganges  zu  sehen  ist,  w'as  gleichbedeutend 
ist  mit  VergrĂ¶ĂŸerung  der  Hypophyse.  Wir  haben  also 
einen  hypophysÀren  Riesenwuchs  vor  uns 
ohne  akromegale  Symptome.  Man  kann  die  Akro- 
megalie ausschließen,  denn  es  fehlt  die  VergrĂ¶ĂŸerung  der 
gipfelnden  Teile  —  nicht  einmal  mit  Röntgen  ist  Knochen- 
verdickung nachweisbar,  —  und  die  pneumatischen  RĂ€ume 
verhalten  sich  normal. 


Petenyi:  Wachstumsfunktionen  der  Hypophyse 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Die  zwei  FĂ€lle  zeigen  klar,  daß  noch  vor  Schluß  der 
Epiphysenfugen  folgende  zwei  Krankheitsformen  vor- 
kommen: 

1.  Akromegalie  ohne  vermehrtes  LĂ€ngewachstum  und 

2.  HypophysÀr  bedingter  Riesenwuchs  ohne  akromegale 
Symptome. 

Das  sind  keine  isoliert  dastehenden  FĂ€lle.  In  der  Lite- 
ratur liegen  mehrere  Ă€hnliche  Beobachtungen  vor.  (BezĂŒg- 
lich der  Akromegalie  im  Kindesalter  siehe  die  Zusammen- 
stellung bei  der  Besprechung  des  Falles  1  in  der  Monats- 
schrift fĂŒr  Kinderheilkunde,  21.  Bd.)  FĂŒr  den  zweiten  Typ 
(im  Kindesalter  beginnender  Gigantismus,  lange  Zeit  ohne 
akromegale  Symptome)  genĂŒgt  es  auf  die  schönen  yFĂ€lle 
L  a  u  n  o  i  s  und  Roy  hinzuweisen. 

Aus  den  oben  erwÀhnten  zwei  Feststellungen  lassen  sich 
weitere  SchlĂŒsse  ĂŒber  die  Funktion  der  Hypophyse  ziehen. 
Bei  der  Akromegalie  und  dem  Gigantismus  ist  die  TĂ€tigkeit 
der  Hypophyse  verĂ€ndert,  wie  man  sagt,  ist  ein  „Hyper- 
pituitarismus"  vorhanden.  Was  verstehen  wir  unter 
Hyperpituitarismus?  Nach  der  allgemeinen  Auffassung  die 
gesteigerte  TĂ€tigkeit  des  vorderen  Lappens.  Sie  ist  als  die 
Ursache  der  Akromegalie  und  des  Gigantismus  zu  betrachten. 
Eine  weitere  Frage  ist,  ob  die  klinischen  Symptome  sÀmtlich 
unmittelbare  Folgeerscheinungen  der  gesteigerten  TĂ€tigkeit 
des  vorderen  Lappens  sind  oder  nicht.  Von  einzelnen  hÀu- 
figeren Symptomen  —  abnorme  Pigmentationen,  Hyper- 
trichosis,  —  ist  es  sicher,  daß  sie  in  anderer  Weise  bedingt 
sind.  Bei  der  Erkrankung  einer  endokrinen  DrĂŒse  erfolgen, 
infolge  der  Korrelation  zwischen  den  einzelnen  DrĂŒsen,  regel- 
mĂ€ĂŸig gewisse  Störungen  auch  in  der  TĂ€tigkeit  der  letzteren. 
So  finden  wir  bei  vielen  edokrinen  Erkrankungen  auf  poly- 
glandulÀre  LÀsion  hinweisende  Symptome,  die  zum  Teil  von 
sekundÀrer  Bedeutung  sind.  Die  hier  erwÀhnten  Symptome 
sind  wahrscheinlich  auf  Funktionsstörung  der  Nebennieren, 
vielleicht  der  GenitaldrĂŒsen  zurĂŒckzufĂŒhren.  Betreff  Glyko- 
surie  und  verminderter  Dextrosetoleranz  ist  fraglich,  ob  sie 
gerade  Folgen  des  Hyperpituitarismus  sind.  Das  mĂŒssen 
erst  weitere  Untersuchen  entscheiden.  Eigentlich  ist  es  nur 
von  den  KochenverĂ€nderungen  sicher,  daß  sie  unmittelbare 
Folgeerscheinungen  der  gesteigerten  TĂ€tigkeit  des  vorderen 
Lappens  sind.  Man  versteht  also  unter  Hyperpituitarismus 
in  erster  Linie  den  wachstumssteigernden  Einfluß  auf  die 
Knochen,  welche  sowohl  die  LĂ€ngen-  wie  die  Dickenzunahme 
betrifft.  Dieser  Hyperpituitarisums  wÀre  also  die  Ursache, 
welche  nach  der  Ansicht  von  Brissaud-Meige  vor  Ver- 
knöcherung der  Epiphysenknorpel  Gigantismus,  spÀter  Akro- 
megalie hervorruft.  J.  B  a  u  e  r  versucht  in  seinem  Buche 
diese  Ansicht  gegen  jene,  die  die  Richtigkeit  derselben  wegen 
der  im  Kindesalter  vorkommenden  Akromegalie  bezweifelten, 
zu  verteidigen  resp.  zu  modifizieren.   Er  sagt: 

„Es  kann  auch  bei  noch  nicht  abgeschlossenem  Wachstum  zu 
dem  allerdings  seltenen  Bild  der  „FrĂŒhakromegalie"  kommen. 
Allein  diese  Tatsache  ist'm.  E.  nichl  geeignet,  die  Bedeutung  der 
Hypophyse  fĂŒr  die  Genese  des  Riesenwuchses  zu  diskreditieren. 
Warum  sollte  die  hypophysÀre  HyperOssifikation  aus  irgend  einem 
Grunde  einmal  nicht  auch  bei  offenen  Epiphysenfugen  periostal 
erfolgen?  FĂŒhrt  doch  der  Hypogenitalismus  auch  nicht  immer 
zum  Hochwuchs,  sondern  ebenso  oft  zu  einem  ganz  differenten 
Bilde,  zum  „Fettwuchs".  Was  daraus  hervorgeht,  ist,  daß  Hypo- 
genitalismus ebenso  wenig  wie  Hyperpituitarismus  die  Ursache 
sondern  daß  sie  bloß  eine  allerdings  sehr  hochwertige  Bedingung 
des  Gigantismus  darstellen.  Nach  anderen  Bedingungen  muß 
gesucht  werden,  die  im  Verein  mit  diesen  Funktionsanomalien 
der  KeimdrĂŒsen  und  Hypophyse  den  Riesenwuchs  zur  Folge 
haben." 

J.  Bauer  nimmt  also  an,  daß  neben  der  hypophysĂ€ren 
Erkrankung  auch  noch  irgend  eine  andere  endokrine  Ver- 
Ă€nderung vorhanden  ist,  die  es  verursacht,  daß  sich  in  ein- 
zelnen FĂ€llen  bei  offenen  Epiphysenlinien  Akromegalie  ohne 
Gigantismus  entwickelt.  Als  ErklÀrung  sagt  die  Annahme 
eines  neuen  unbekannten  Faktors,  lediglich  um  eine  Hypo- 
these zu  retten,  nicht  viel.  Abgesehen  davon,  daß  sie  in  die 
Pathologie  der  Akromegalie  eine  neue  Komplikation  bringt, 
gibt  es  nach  dieser  Auffassung  zwei  Arten  von  Akromegalie, 


erstens  wo  die  Erkrankung  nach  Schluß  der  Epiphysenfugen 
infolge  der  gesteigerten  TĂ€tigkeit  des  vorderen  Lappens  zu- 
stande kommt,  zweitens,  wo  bei  offenen  Epiphysenlinien 
neben  dem  Hyperpituitarismus  noch  ein  unbekannter  Faktor 
mitspielt. 

Auf  Grund  der  obigen  zwei  Feststellungen  jedoch  kann 
man  diese  Erscheinungen  einfach  erklÀren. 

Sicher  ist,  daß  die  gesteigerte  TĂ€tigkeit  des  vorderen 
Lappens  der  Hypophyse,  des  Hyperpituitarismus,  zu  einer 
HyperOssifikation  fĂŒhrt,  welche  sowohl  durch  die  LĂ€ngen  - 
zunÀhme,  wie  durch  das  periostale  Knochenwachstum  ver- 
ursacht sein  kann.  Aus  der  Tatsache,  daß  in  einzelnen  FĂ€l- 
len nur  das  periostale  Knochenwachstum,  in  anderen  nur 
das  LĂ€ngenwachstum  pathologisch  gesteigert  ist,  folgt  bloß, 
wenn  wir  einfach  die  Tatsachen  registrieren,  daß  der  Ein- 
fluß der  Hypophyse  auf  das  Knochen Wachs- 
tum aus  mehreren  einzelnen  voneinander 
unabhÀngigen  Funktionen  besteht,  die  isoliert 
eine  pathologische  Steigerung  aufweisen  können.  Man  kann 
ĂŒberhaupt  nicht  von  „Hyperpituitarismus'"  sprechen,  wenn 
man  diesen  Begriff  aufrechterhalten  will,  sondern  nur  von 
mehreren  Hyperpituitarismen.  Die  eine  Funktion  der  Hypo- 
physe wirkt  auf  das  LĂ€ngen-,  die  andere  auf  das  periostale 
Wachstum.  Diese  sind  voneinander  unabhÀngig  und  können 
separat  erkranken.  Ob  sich  Riesenwuchs  oder  Akromegalie 
entwickelt,  hÀngt  davon  ab,  ob  die  Funktion  des  enchon- 
dralen  oder  periostalen  Knochenwachstums  pathologisch  ge- 
steigert ist.  Das  Zusammenschweißen  dieser  zwei  Funk- 
tionen in  eine  einzige,  deren  Steigerung  man  als  Hyper- 
pituitarismus bezeichnete,  ist  willkĂŒrlich  und  entbehrt  jeder 
Grundlage.  Die  Folge  hiervon  ist,  daß  der  Zusammenhang 
zwischen  Akromegalie  und  Gigantismus  bis  jetzt  nicht  ge- 
klĂ€rt ist.  Die  Pathologie  liefert  manche  Beweise,  daß 
enchondrales  und  periostales  Knochenwachstum  voneinander 
unabhÀngig  sind.  Oft  kann  man  periostale  Verdickung  ohne 
gesteigerte  LĂ€ngenzunahme  sehen.  Bei  der  Chondrodytrophie 
ist  das  LÀngenwachstum  höchstgradig  geschÀdigt,  wÀhrend 
die  periostale  Knochenbildung  normal  oder  manchmal  schon 
im  frĂŒhesten  SĂ€uglingsalter  gesteigert  ist.  Von  der  Ent- 
wickelung  der  Knochenkerne,  von  der  Differenzierung  sprach 
ich  bisher  nicht,  denn  grĂ¶ĂŸeres  Material  bei  Hypophysen - 
erkrankungen  fehlt.  Die  Erhebungen  Stettners  bei  an- 
deren Erkrankungen  sind  aber  auch  fĂŒr  unsere  Frage  von 
Bedeutung.  Nach  ihm  gehen  Alter-LĂ€ngenwachstum  und 
Differenzierung  parallel.  Bei  verschiedenen  Erkrankungen 
kann  diese  Korrelation  gestört  sein,  und  es  kommt  zu  einem 
MißverhĂ€ltnis  zwischen  LĂ€ngenwachstum  und  Differenzie- 
rung. Das  zeigt  auch,  daß  man  bei  der  Knochenentwicklung 
mehrere  Partialfunktionen  unterscheiden  muß. 

Es  kommt  hĂ€ufig  vor,  daß  sich  zum  Gigantismus  spĂ€ter 
akromegale  Symptome  gesellen.  Diese  Erscheinung  stimmt 
sehr  gut  zu  dem  oben  Gesagten.  Bei  fortschreitender  Er- 
krankung erleidet  auch  die  Funktion  des  periostalen" 
Knochenwachstums  eine  LĂ€sion  im  Sinne  einer  Steigerung. 
Wenn  das  LĂ€ngenwachstum  ĂŒberhaupt  beteiligt  ist,  beginnt 
die  Krankheit  in  der  Regel  mit  dessen  Steigerung.  In  der 
Literatur  fand  ich  keinen  Fall,  wo  sich  nach  Beginn  der 
Akromegalie  spÀter  Riesenwuchs  entwickelte.  Ob  die  ver- 
schiedenen Funktionen  an  dieselben  anatomischen  Elemente 
gebunden  sind  oder  nicht,  ist  eine  weitere  Frage,  die  man 
erst  nach  entsprechenden  Untersuchungen  entscheiden  kann. 
Bei  dem  hypophysÀren  Zwergwuchs  fÀllt  sowohl  die  enchon- 
drale,  wie  die  periostale  Wachstumsfunktion  aus.  Man  muß 
beide  annehmen,  denn  die  Knochen  sind  richtig  proportioniert 
und  haben  normale  Struktur.  Wenn  nur  die  Funktion  des 
LĂ€ngenwachstums  ausfallen  wĂŒrde,  mĂŒĂŸte  eine  abnorme 
Verdickung  der  Knochen  zustande  kommen.  Klinische  Be- 
obachtungen machen  es  wahrscheinlich,  daß  die  Hypophyse 
auch  noch  andersartige  EinflĂŒsse  auf  das  Knochensystem 
ausĂŒbt.  SchĂŒller  hat  zwei  FĂ€lle  einer  eigenartigen  Er- 
krankung beobachtet  an  16-  und  4-jÀhrigen  Kindern,  bei 
denen  runde  umschriebene  Knochenpartien  am  SchÀdel  Er- 
weichung zeigten. 


tu.  Jahn 


Nr.  Id. 


VVinkler:  Pleuritis 


an 


Daneben  waren  Seilaerweiterung,  Protrusio  bulbi,  adi- 
])osogenitale  Symptome  und  Polyurie  vorhanden,  so  daß 
wahrscheinlich  ist,  daß  auch  die  KnoehenverĂ€nderungen 
hypophysÀren  Ursprunges  waren,  Finen  dritten,  ganz  ana- 
logen Fall  beschrieb  in  Amerika  Christian.  Experimen- 
tell hat  man  nachgewiesen,  daß  nac  h  Exstirpation  eines 
grĂ¶ĂŸeren  Teiles  des  Hypophysenvorderlappens  eine  Hem- 
mung im  Knochen  wachs  tum,  vermindertes  LĂ€ngenwachs- 
tum, Verzögerung  der  Ossifikation  und  Dentition  und  Er- 
haltensein der  EpiphysenfĂŒgen  eriolgt.  Die  Untersuchung 
der  erhöhten  Funktion  der  Hypophyse  ist  aber  experimentell 
nicht  durchfĂŒhrbar.  Es  ist  möglieh,  daß  die  Hypophyse  noch 
andere  Wirkungen  auf  Wachstum  und  Stoffwechsel  der 
Knochen  ausĂŒbt,  die  bei  einigen  pathologischen  Knochen- 
prozessen eine  Rolle  spielen,  vorlĂ€ufig  jedoch  fehlen  hierfĂŒr 
annehmbare  Beweise.  VorlÀufig  ist  es  nur  betreffs  des  en- 
ehondralen  und  periostalen  Knochenwachstums  feststellbar. 

Z  u  s  a  m  m  e  n  f  a  s  s  u  n  g.  1 

Die  klinische  Beobachtung  zeigt,  daß  sich  noch  vor 
Schlnl!  der  EpiphysenfĂŒgen  einerseits  Akromegalie  ohne 
Steigerung  des  LÀngenwachstums,  andererseits  hypophysÀr 
bedingter  Riesenwuchs  ohne  akromegale  Symptome  ent- 
wickeln kann.  Daraus  folgt,  daß  die  Einwirkung 
des  H  y  p  o  p  h  y  s  e  n  v  o  r d  e  r 1 a  p  p  e  n  s  auf  das 
K  n  o  c  h  e  n  w  a  c  h  s  t  u  m  in  mehrere  Kompone  n- 
ten  aufzulösen  ist,  man  muß  zwischen 
d  e  m  Einfluß  auf  das  enchondrale  und  a  u  f 
das  periostale  K  n  o  c  h  e  n  w  a  c  h  s  t  u  m  unter- 
scheiden und  man  muß  annehmen,  dali 
diese  Funktionen  voneinander  unabhÀngig 
sind  und  isoliert  erkranken  können.  Bei 
jenen  Erkrankungen  der  Hypophyse,  die  mit  Steigerung  der 
periostalen  Wachstumsfunktion  einhergehen,  entwickelt  sich 
die  Akromegalie,  bei  den  Erkrankungen  mit  Steigerung  der 
enchondralen  Wachstumsfimktion  erfolgt  Gigantismus;  wo 
beide  Funktionen  gesteigert  sind,  sehen  wir  die  Symptome 
von  Akromegalie  und  Gigantismus  zusammen;  aus  Vermin- 
derung der  beiden  Funktionen  resultiert  der  hypophysÀre 
Zwergwuchs.  Die  Annahme  von  Brissaud  und  M  e  r  g  e, 
welcher  die  klinischen  Tatsachen  widersprechen,  ist  auch 
noch  in  der  von  1.  Bauer  modifizierten  Form  nicht  an- 
nehmbar. Ob  sich  Akromegalie  oder  Gigantismus  entwickelt, 
hÀngt  nicht  davon  ab,  in  welchem  Alter  der  pathologische 
SProzeß  beginnt,  sondern  ausschließlich  davon,  welche  Par- 
tialftmktion  der  Hypophyse  erkrankt  ist. 

Lite  r  a  t  u  r. 

1.  L  c  r  i  :  Lewandowsky:  Hdb.  d.  Neurologie ‱  Bd.  IV.  3  Lite- 
ratur . 

2.  Pcritz:  Kraus-Brugsch :  Spez.  Path.  u.  Ther.  Bd.  I  (Lite- 
ratur). 

%  .1.  Ba  uer:  Die  konslitut ionelle  Disposition  zur  inneren  Krank- 
heiten, 1921,  2.  Aufl. 
4.  Falta:  Die  Erkrankungen  der  BluldrĂŒsen,  1913 


In  frĂŒheren  Jahren  war  Patient  sehr  neuraslhenisch  und  seit 
IIa  Jahren  leidet  er  an  Arytlunie;  spÀterhin  wurde  er  magen- 
krank, so  daß  der  Magen  tĂ€glich  ausgewaschen  werden  mußte. 
Seines  Herzleidens  wegen  hat  er  1914  eine  Badekur  durchgemacht. 
Im  Verlaul  des  letzten  Winters  war  Patient  mehrere  Woehen 
krank.  Die  Aerzte  deuteten  die  Krankheit  als  Paratyphus  und 
Malaria  mit  anschließender  Grippe. 

Die  augenblicklichen  Beschwerden  des  Patienten  waren: 
Schwindel,  Schmerzen  in  den  Beinen,  Kurzatmigkeit. 

Der  Untersuchungsbefund  war  folgender: 

Herz:  Systolisches  GerĂ€usch,  bes.  ĂŒber  Aorta,  zweiter 
Aortenton  akzentuiert  und  klingend.  Blutdruck  stark  erhöht: 
nach  Recklinghausen ;  diastolisch  110  mm  Hg,  systolisch 
240  mm  Hg.  Die  HerzgrĂ¶ĂŸe,  orthodiagraphisch  festgestellt,  17,.r> 
cm  im  Transversaldurchmesser  bei  25,3  cm  basaler  Lungenbreite, 
also  stark  vergrĂ¶ĂŸert,  die  Form  walzenförmig.  Die  Aorta 
ascendenz  im  Transversaldurchmesser  8,1  zu  10,4  cm  Höhe,  also 
diffus  dilatierl.  Der  Elektrokardiogrammverlauf  zeigt  eine 
perpetuelle  IrregularitÀt,  resp.  Vorhoftachysystolie.  Untersuchung 
der  ĂŒbrigen  Organen  außer  der  Lunge  ergab  eine  etwas  ver- 
grĂ¶ĂŸerte Leber.    Im  Urin  Spuren  von  Eiweiß. 


Fig. 


Aus  dem  Sanatorium  GfoetfeL  Bad  Nauheim. 

Ein  Fall  von  Pleuritis  mediastinalis  exsudativa 

posterior. 

Von  Dr.  med.  Carl  W  i  n  k  I  e  r,  Hausarzt  des  Sanatorium. 

Fel)er  das  klinische  Bild  der  Pleuritis  mediastinalis  ex- 
sudativa posterior  finden  wir  in  der  deutschen  Literatur  nur 
Ă€ußerst  spĂ€rliche  Mitteilungen.  Zwischen  der  Mitteilung  von 
P  e  y  1  aus  dem  Jahre  1884  und  der  Publikation  von  Franz 
Groedel  liegt  ein  Zwischenraum  von  3ß  Jahren.  Es  er- 
scheint daher  wohl  berechtigt,  vorerst  interessante  Àhnliche 
FĂ€lle  noch  gesondert  zu  schildern. 

Im  Juli  dieses  Jahres  kam  der  64  jÀhrige  Herr  A.  aus  Bu- 
karest in  unsere  Behandlung.  Er  gab  an,  stets  mĂ€ĂŸig  gelebt  und 
keine  syphilitische  Infektion  gehabt  zu  haben.  Die  Wassermann- 
Reaktion  war  negativ. 


Lunge:  Die  Untersuchung  der  Lunge  zeigte  zunÀchst  nichts 
Besonderes.  Bechts  hinten  unten  hörte  man  etwas  Rasseln.  Bei 
genauer  Perkussion  ließ  sich  jedoch  rechts  entlang  der  Wirbel- 
sÀule eine  etwa  drei  fingerbreite  DÀmpfung  nachweisen,  deren 
klinische  Ursache  nicht  festgestellt  werden  konnte.  Patient  hielt 
sich  etwas  schief,  so  daß  durch  diese  Haltung  eine  leichte  Rechts- 
Skoliose  vorgetÀuscht  wurde.  Die  Röntgenuntersuchung  klÀrte 
das  klinische  Bild.  Wir  fanden  im  Orthodiagramm  parallel  zum 
rechten  HerzgefĂ€ĂŸschattenrand  einen  Schatten,  der  den  Mittel- 
schatten 2 — 3  cm  ĂŒberragend  vom  Zwerchfell  bis  zur  Lungen- 
spitze hin  verlaufend,  oberhalb  der  Umlegungsstelle  der  Aorta 
ascendens  einen  deutlich  pulsierenden  FlĂŒssigkeitsspiegel  auf- 
wies. Die  seitliche  Begrenzung  lief,  wie  schon  oben  gesagt,  bis 
zur  Spitze  wreiter. 

Auf  Grund  dieses  Röntgenbefundes  nahmen  wir  an,  daß 
es  sich  bei  dem  Patienten  neben  der  schweren  Myokarditis 
um  eine  exsudative  Pleuritis  mediastinalis  posterior  handelt, 
ganz  Ă€hnlich  dem  von  Franz  Groedel  in  den  „Fort- 


218  Mittenzwey:  Reiztherapie  40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


schritten  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen",  Band  28, 
Heft  I,  Seite  142,  geschilderten  Fall. 

Wir  nahmen  weiter  an,  daß  diese  Pleuritis  eine  sekundĂ€re 
Erkrankung  des  ĂŒberstandenen  Paratyphus  darstelle,  daß  die 
angebliche  Grippe,  die  diesem  gefolgt  war,  das  akute  Stadium 
dieser  Pleuritis  gewesen,  und  daß  es  sich  um  einen  relativ 
gutartigen  Prozeß  handle,  der  wahrscheinlich  ohne  operati- 
ven Eingriff  zum  Abheilen  zu  bringen  sei. 

Unsere  Erwartung  wurde  durch  den  Erfolg  bestÀtigt. 
Patient  machte  eine  intensive  Kur  mit  Nauheimer  BĂ€dern  durch, 
wobei  gleichzeitig  die  "WirbelsÀulengegend  jeden  Tag  in  vier  ver- 
schiedenen Feldern  mit  Quecksilbersalbe  behandelt  wurde.  Um 
das  Experiment  nicht  zu  stören,  wurde  von  der  Verabi'olgung 
jeglicher  Herzmittel  Abstand  genommen.  Nach  vierwöchentlicher 
Kur  fĂŒhlte  sich  Patient  subjektiv  vollkommen  geheilt,  er  konnte 
ohne  Beschwerden  gehen  und  empfand  keineriei  Kurzatmigkeit 
mehr:  Objektiv  war  abgesehen  von  dem  glÀnzenden  Aussehen 
des  Patienten  eine  leichte  Erniedrigung  des  Blutdrucks  und  ge- 
ringe Beduktion  der  Herzmasse  nachweisbar.  Das  systolische 
GerĂ€usch  ĂŒber  der  Aorta  verschwand,  der  zweite  Aortenton  war 
noch  etwas  akzentuiert. 

Die  neuerdings  vorgenommene  Röntgenuntersuchung 
zeigte,  daß  das  Exsudat  restlos  verschwunden  war.  Es  war 
nur  noch  die  Ă€ußere  Begrenzung  des  flĂ€chenförmigen  Schat- 
tens als  eine  feine  parallel  zum  Herz-  und  GefĂ€ĂŸschatten  ver- 
laufende Linie  zu  erkennen.  Die  photographischen  Auf- 
nahmen, die  nach  der  von  Franz  Groedel  in  der  oben 
zitierten  Arbeit  geschilderten  lokalisatorischen  Methode  auf- 
genommen wurden,  zeigten,  daß  der  Schattenbildner  rechts 
dicht  vor  und  neben  der  WirbelsÀule  gelagert  war. 

Die  oben  gegebene  Deutung  des  Falles  und  ErklÀrung 
seiner  Entstehung  bedarf  keiner  weiteren  Diskussion.  Ohne 
Hilfe  der  Röntgenstrahlen  wÀre  die  Diagnose  wohl  nicht  zu 
stellen  gewesen.  Andererseits  wÀre  dem  Patienten  durch 
frĂŒhzeitige  Anwendung  der  Röntgenuntersuchung  das  lange 
Krankenlager  und  die  noch  lÀngere  Rekonvaleszenz  erspart 
geblieben,  denn  bei  richtiger  frĂŒhzeitiger  Erkenntnis  der 
Diagnose  hÀtte  man  wohl  eine  Punktion  des  Exsudats  vor- 
genommen. 

Schließlich  lehrt  aber  auch  der  Fall,  daß  wir  durch  eine 
die  Resorption  beschleunigende  Behandlung  auch  ohne  ope- 
rative Eingriffe  gelegentlich  eine  mediastinale  exsudative 
Pleuritis  restlos  zur  Ausheilung  bringen  können. 


Reiztherapie. 

Von  Dr.  med.  Mittenz  wey. 
Radiumbad  Oberschlema  i.  Erzgeb. 

Die  Behandlung  chronischer  KrankheitszustÀnde  hat  in 
den  letzten  Jahren  eine  wesentliche  Bereicherung  erfahren; 
von  der  frĂŒher  mehr  passiven  Rolle,  die  man  dem  Orga- 
nismus im  Kampfe  gegen  Erkrankungen  zuwies,  ist  man  in 
letzter  Zeit  mehr  zu  einer  aktiven  ĂŒbergegangen;  nicht  auf 
Schonung  der  Zelle  und  Ruhigstellung  der  Organe  kommt  es 
an,  sondern  auf  vermehrte  Arbeit  und  Leistungssteigerung  der 
einzelnen  sowie  der  GesamtzelltÀtigkeit.  Nicht  in  der  Zufuhr 
unsinniger  sogen.  KrÀftigungsmittel  liegt  das  Heil,  sondern  in 
dem  Anreiz  der  Verdauungszellen,  der  zur  intensiveren  Auf- 
nahme und  besseren  Verarbeitung  der  eingefĂŒhrten  NĂ€hrstoffe 
fĂŒhrt,  und  in  dem  Anreiz  der  nahrungsbedĂŒrftigen  Gewebe 
selbst.  Chronische  KrankheitszustÀnde  in  ein  akuteres  Sta- 
dium ĂŒberzufĂŒhren,  ist  die  Vorbedingung  der  Besserung;  das 
erreicht  man  durch  Steigerung  der  ReaktionsfÀhigkeit  der 
einzelnen  Zelle,  die  zu  vermehrter  allgemeiner  Leistungs- 
fĂ€higkeit fĂŒhrt;  aus  dieser  Steigerung  folgt  zugleich  eine 
Hebung  der  spezifischen  Abwehrmaßnahmen  seitens  des  Kör- 
pers und  die  Möglichkeit,  die  ZelltÀtigkeit  in  normalen  Zu- 
stand zu  bringen.  Daß  die  Reizbarkeit  eine  allgemeine 
Eigenschaft  des  Lebendigen,  die  Ursache  von  Leben  und  Tod 
ist,  war  schon  im  18.  Jahrhundert  bekannt  (H  a  1 1  e  r, 
Brown)  ebenso,  daß  Gesundheit  und  Krankheit  eins  sind, 
nur  dem  Grade,  nicht  dem  Wesen  nach  verschieden;  denn  die 
Krankheit  z.  B.  Fieber  und  EntzĂŒndung  ist  sicherlich  eine 


z  w  eck  m  Ă€  ß  i  g  e  Reaktionserscheinung  des  Organismus  auf 
irgendeinen  Reiz.  Auch  war  bekannt,  daß  mit  der  Höhe  des 
Reizes  die  Lebenserscheinungen  und  die  LebenstÀtigkeit  zu- 
nehmen. 

Ausgebaut  und  vertieft  hat  diese  Lehre  V  i  r  c  h  o  w;  der 
vor'  allem  den  Nachweis  der  Reizbarkeit  der  einzelnen  Zelle 
gewissermaßen  als  einer  selbstĂ€ndig  handelnden  Person,  ohne 
den  Zusammenhang  mit  dem  Ganzen  zu  verlieren,  erbrachte. 
Nach  ihm  ist  der  Reiz  das  oberste  biologische  Gesetz,  der 
eine  bestimmte  spezifische,  d.  h.  die  der  Zelle  zukommende 
TÀtigkeit  auslöst,  die  die  Funktion  derselben  gleichzeitig 
auch  ihren  Ă€ußeren  und  inneren  Bau  bedingt.  Die  moderne 
Reiztherapie  besteht  in  der  parenteralen  Einverleibung  art- 
eigenen oder  artfremden  Eiweißes;  d.  h.  die  Zufuhr  erfolgt 
nicht  durch  den  Magendarmkanal,  sondern  entweder  durch 
Einspritzung  in  das  unter  der  Haut  oder  im  Muskel  liegende 
Lymphgewebe  oder  direkt  in  die  Venen -Blutbahn. 

Am  besten  dazu  eignen  sich  Milch-  oder  SerumprÀparate. 
Es  sollen  hier  nicht  die  strittigen  Fragen  der  spezifischen 
oder  nicht  spezifischen  Wirkungsweise  berĂŒhrt  werden.  Auf 
Grund  der  klinischen  Erfabrungen  sind  die  gĂŒnstigen  Erfolge 
der  Vaeeinetherapie  bei  NervenentzĂŒndungen,  der  Milchein- 
spritzung  bei  entzĂŒndlichen  Augenerkrankungen,  der  Knorpel  - 
und  MilcheiweißprĂ€parate  bei  chronischen  GelenkentzĂŒn- 
dungen; diese  Mittel  bestehen  aus  organischen  Körperbe- 
standteilen: dem  Blut,  Milch,  Eiweiß,  abgeschwĂ€chten  Bak- 
terien oder  deren  Stoff  Wechselprodukten;  sie  haben  im 
großen  ganzen  Ă€hnliche  Wirkungen,  indem  sie  zunĂ€chst  ein 
Gift  fĂŒr  den  Körper  darstellen,  auf  das  er  mit  Abwehrmaß- 
regeln antwortet,  was  man  im  allgemeinen  als  Reaktion  be- 
zeichnet: vom  leichten  Unbehagen,  Kopfschmerz,  Unruhe  bis 
zum  heftigsten  SchĂŒttelfrost,  Fieber,  Schweißausbruch  usw.; 
diese  Reaktion  stellt  eine  Kraftleistung  des  Körpers  dar,  die 
letzten  Endes  auf  eine  in  jeder  Beziehung  zweckmĂ€ĂŸige  Um- 
stimmung  der  gesamten  ZelltĂ€tigkeit  fĂŒhrt,  dasselbe  was  dem 
mĂŒden  Gaul  die  Peitsche  ist.  In  typischen  FĂ€llen  tritt  dann 
schon  wenige  Stunden  nach  Ablauf  der  Reaktion  großes 
Wohlbehagen,  auffallende  Besserung  des  Zustandes, 
Schmerzfreiheit  vor  allem  bei  chronischen  EntzĂŒndungszu- 
slÀnden der  Gelenke,  der  Nerven  und  Haut  ein.  Neben  der 
Allgemeinreaktion  beobachtet  man  fast  immer  eine  Herd- 
reaktion,  d.  h.  es  treten  schmerzhafte  Empfindungen  nicht 
nur  an  den  z.  Z.  kranken,  sondern  auch  an  alten  frĂŒher  er- 
krankten, lÀngst  vergessenen  und  anscheinend  geheilten 
Stellen  wieder  auf;  alte  Narben  schmerzen  wieder,  und  alte 
Fisteln  fangen  wieder  an  zu  fließen,  um  den  Fremdkörper 
abzustoßen. 

Neben  diesen  hochdosierten  Mitteln  mit  ihren  drastischen 
Wirkungen  gelingt  es  auch,  schwÀchere  Reaktionen  durch 
geringere,  individuell  angepaßte  Dosen  zu  erzeugen;  nicht  die 
Höhe  der  Reaktion  ist  maßgebend  fĂŒr  den  Erfolg,  es  genĂŒgt 
oft  der  sog.  Schwellenreizwert,  d.  h.  diejenige  Menge,  die 
gerade  noch  imstande  ist,  eine  Reaktion  zu  erzeugen  und 
durch  fortgesetzte  Steigerung  zum  Optimum  der  Wirkung 
fĂŒhrt.  Neben  diesen  in  der  Hauptsache  durch  Sera  bewirkten 
Reizen  gibt  es  noch  eine  große  Menge  anderer,  wie  sie  mehr 
unbewußt  in  der  gesamten  physikalischen  Therapie  ange- 
wendet werden,  z.  B.  alle  klimatischen  Reize,  Licht,  Luft  und 
Sonne,  auch  Massage,  Gymnastik  und  die  Anwendungen  des 
Wassers  in  jeder  Form;  auch  hier  liegt  die  Kunst  ihrer  An- 
wendung in  der  individuell  angepaßten  Erhöhung  und 
Leistungssteigerung  der  gesamten  ZelltÀtigkeit. 

Eine  große  Rolle  spielt  in  der  jĂŒngsten  Therapie  der 
Strahlenreiz,  wie  er  in  der  Röntgen-  und  Radiumtherapie  uns 
entgegentritt:  der  Erfolg  bezw.  der  Mißerfolg  hĂ€ngt  hier  ganz 
und  gar  von  der  "Kunst  der  Anwendung  ab.  Man  kann  mit 
demselben  Mittel  je  nach  Art,  Dauer  und  StÀrke  der 
Dosierung  eine  bösartige  Geschwulst  erzeugen,  eine  bereits 
vorhandene  zu  rascherem  Wachstum  anregen  oder  auch 
zum  Stillstand  bringen,  und  unter  Schonung  des  gesunden 
umgebenden  Gewebes  abtöten.  Alle  diese  Erscheinungen 
haben  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  den  seit  alters  bekannten 
Beobachtungen,  wie  sie  der  Kurgebrauch  vor  allem  in  den 


tO.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Gralka:  Putride  Bronchitis 


Thermal-  und  WildhÀdcrn  hedingt.  Es  isi  die  sogen.  BÀder 
reaktion,  die  sich  nach  den  ersten  BĂ€dern  in  einer  unange- 
nehmen BeeintrÀchtigung  des  Allgemeinbefindens,  einei  Ver- 
schlimmerung sÀmtlicher  Beschwerden,  vor  allem  der  Gelenk- 
und  Nervenschmerzen  Ă€ußert,  oft  auch  zu  nervösen  Er- 
regungszustĂ€nden fĂŒhrt,  und  als  ein  gutes  Zeichen  fĂŒr  den 
oft  erst  Monate  nach  Beendigung  der  Kur  eintretenden  guten 
Erfolg  angesehen  wird. 

Abgesehen  von  der  Wirkung  des  Wassers  an  sich 
konnte  man  die  im  Wasser  enthaltenen  Gase,  Salze, 
Moor  usw.  zur  ErklÀrung  heranziehen,  nur  bei  den 
WildbÀdern  stand  man  vor  einem  RÀtsel,  das  erst  auf 
Grund  der  RadioaktivitÀtsforschung  in  den  letzten  Jahren 
seiner  Lösung  nÀher  gekommen  ist.  Im  Gegensatz  zu  dem 
der  philosophischen  Mystik  geneigten  Zeitgeist  fordern  die 
exakten  chemisch-physikalischen  Forschungen  auf  dem  Ge- 
biet der  RadioaktivitĂ€t  dazu  auf,  die  hier  gefundenen  SchlĂŒsse 
zu  ĂŒbertragen  auf  die  durch  radioaktive  Substanzen  auf  den 
Organismus  bedingten  biologischen  Wirkungen;  grundlegend 
fĂŒr  diese  Ueberlegungen  sind  die  jĂŒngsten  Forschungen  ĂŒber 
das  Atom.  Das  Atom  ist  nicht  mehr  das  kleinste  nicht  weiter 
teilbare  Teilchen  der  Elemente,  sondern  ein  sehr  kompliziertes 
Gebilde,  bestehend  aus  'einem  zentralen,  positiv  geladenen 
Kern,  den  mit  großer  Geschwindigkeit  die  sogen.  Elektronen 
umkreisen;  das  sind  die  kleinsten  Einheiten  der  negativen 
ElektrizitÀt.  Wir  stellen  sie  uns  nicht  als  Masse  im  gewöhn- 
lichen Sinne  des  Wortes  vor,  sondern  als  Zentren,  in  denen 
elektrische  KrĂ€fte  zusammenfließen.  Die  Anzahl  der  Elek- 
tronen bestimmt  das  Atomgewicht;  z.  B.  beim  Wasserstoff  1, 
bei  Uran  238.  Die  beiderseitigen  positiven  und  negativen 
LadungsgrĂ¶ĂŸen  sind  selbstverstĂ€ndlich  gleich,  wodurch  die 
StabilitĂ€t  des  Atoms  gewahrt  ist;  daß  die  beiden  elektrischen 
Ladungen  sich  nicht  innerhalb  des  Aotms  ausgleichen,  daß 
die  Elektronen  nicht  in  den  Kern  stĂŒrzen,  liegt  an  der  Flieh- 
kraft der  Bewegungsgeschwindigkeit  der  Elektronen;  das 
Newton'sche  Gesetz  fĂŒr  Sonne  und  Planeten  im  Mokro- 
kosmos  gut  auch  fĂŒr  Zentralkern  und  Elektronen  im  Mikro- 
kosmos. 

Radioaktive  Stoffe  sind  in  Umwandlung  begriffene  Stoffe, 
sie  befinden  sich  in  dauerndem,  durch  nichts  beeinflußbaren 
Zerfall;  darin  liegt  die  Quelle  ihrer  Energie,  bei  der  Umwand- 
lung eines  radioaktiven  Elementes  entsteht  ein  solches,  dessen 
Atome  einen  geringeren  Energiegehalt  haben.  Darin  erkennen 
wir  das  Bestreben  der  Natur,  die  großen  GegensĂ€tze  auszu- 
gleichen. Vor  Urzeiten  sind  ganz  andere,  viel  gewaltigere 
NaturkrÀfte  am  Werke  gewesen,  als  die  Materie  sich  bildete 
und  ganze  Weltkörper  untergingen  oder  sich  formten.  Die 
radioaktiven  Stoffe  mögen  aus  jener  Zeit  stammen,  als  die 
Erde  in  feuerflĂŒssigem  Zustande  sich  befand,  und  die  Materie 
ganz  allgemein  eine  höhere  Spannung  und  Dichte  besaß; 
unter  den  jetzigen  physikalischen  VerhÀltnissen  können 
Atome  ĂŒber  ein  bestimmtes  Atomgewicht  hinaus  nicht  be- 
stehen, sondern  sind  dem  dauernden  Zerfall  und  Untergang 
ĂŒberliefert. 

Nicht  nur  das  Radium,  sondern  auch  seine  Ahnen  und 
Abkömmlinge. vom  Uran  bis  wahrscheinlich  zum  Blei  bauen 
dauernd  ab.  Die  Lebensdauer  der  einzelnen  .Elemente  ist 
sehr  verschieden,  von  Jahrmilliarden  bis  zu  Sekunden.  Die 
GrĂ¶ĂŸe  der  beim  Atomzerfall  freiwerdenden  Energie  steht  im 
Umgekehrten  VerhÀltnisse  zu  seiner  Lebensdauer.  Sind  die 
beiden  AtomgrĂ¶ĂŸen  positive  Kernladung  und  negative  Elek- 
tronen ausgeglichen,  so  wird  das  Atom  im  Dauerzustand  ver- 
harren; sind  sie  es  nicht,  z.  B.  bezgl.  der  Anzahl  der  EJek- 
tronen  oder  ihrer  Geschwindigkeit,  so  wird  eine  Explosion 
des  Atoms  die  Folge  sein,  die  Elektronen  werden  frei,  der 
Kern  zerfÀllt  unter  Aussendung  einer  charakteristischen 
Strahlung,  und  der  zurĂŒckbleibende  Restkern  wird  zum  Kern 
eines  neuen  leichteren  Elementes. 

Bei  diesem  Vorgange  werden  die  an  sich  neutralen,  den 
elektrischen  Strom  nicht  leitenden  LuftmolekĂŒle  getroffen 
und  geladen,  wodurch  sie  zu  Ionen,  d.  h.  Wanderern  werden, 
und  dadurch  fÀhig  werden,  einen  in  ihren  Bereich  (Ioni- 
sationsfeld) gebrachten  elektrisch  geladenen  Körper  (Elcktro- 


skop)  zu  entladen,  worauf  das  Prinzip  der  Strahlenmessung 
beruht.  Diese  atomistischen  VorgÀnge  in  der  Luft  lassen  sich 
vergleichen  mit  den  molekularen  VorgÀngen  in  Salzlösungen, 
wobei  die  SalzmolekĂŒle  in  ihren  SĂ€ure-  und  Basisteil  aus- 
einanderfallen und  nicht  mehr  als  Atome,  sondern  :ds  Ionen 
weiter  existieren;  oder  mit  elektrolytischen  VorgÀngen,  wobei 
gleiche  ElektrizitÀtsmengen  mit  gleichen  Mengen  der  ausge- 
schiedenen Materie  wandern. 

Letzten  Endes  sind  auch  die  biologischen  Wirkungen  der 
RadioaktivitĂ€t  auf  elektrolylische  VorgĂ€nge  zurĂŒckzufĂŒhren, 
wobei  der  Körper  den  flĂŒssigen  Leiter,  den  Elektrolyt,  ver- 
tritt; sie  werden  ausgelöst  durch  den  Heiz  der  beim  Atom- 
zerfall freiwerdenden  Energie;  ganz  gleich,  ob  sie  in  Form 
der  Bade-,  Trink-  oder  Inhalierkur  dem  Körper  zugefĂŒhrt 
wird. 

Die  Beobachtungen  im  hiesigen  Radiuinbad  beweisen 
auch  die  proportionale  AbhÀngigkeit  des  Zellenreizes,  d.  b. 
die  BÀderreaktion  und  die  damit  zusammenhÀngende  Beein- 
flussung des  Organismus  von  der  Höhe  der  einverleibten 
Emanationsmenge.  Zwei  von  vornherein  durchaus  gegen- 
sÀtzliche Richtungen  in  der  Heilbestrebung,  die  rein  wissen- 
schaftliche Serologie  einerseits,  die  uralte  praktische  Balneo- 
logie andererseits  laufen  auf  dasselbe  Prinzip  hinaus,  nÀm- 
lich den  Körperzelleh"'  einen  Reiz  zuzufĂŒhren,  der  durch 
Leistungssteigerung  der  einzelnen  Zelle  eine  Umstimmung  des 
Gesamtorganismus  zur  Folge  hat. 


Aus  der  UniversitÀts-Kinderklinik  zu  Breslau. 
(Direktor:  Professor  Dr.  S  t  o  1 1  e.) 

Ueber  die  Heilung  eines  Falles  von  putrider 
Bronchitis  mit  Neosalvarsan. 

Mit  3  Röntgenbildern. 

Von  Dr.  R  i  c  h  a  r  d  G  r  a  1  k  a,  Assistenten  der  Klinik. 

Schon  mehrfach  wurde  in  der  Literatur  ĂŒber  die  Heilung 
von  LungengangrÀn,  Bronchiektasen  und  fötiden  Bronchi- 
tiden durch  Neosalvarsan  berichtet.  Wenn  dieses  Mittel  auch, 
wie  u.  a.  Alsberg1)  schreibt,  nicht  mit  absoluter  Gewiß- 
heit den  Erfolg  verbĂŒrgt  und  mitunter  sogar  dort  versagt,  wo 
man  als  Krankheitserreger  in  der  Hauptsache  Spirillen 
findet,  so  ist  seine  Anwendung  doch  in  den  FĂ€llen,  in  denen 
die  sonst  ĂŒblichen  Behandlungsmethoden  nicht  zum  Ziele 
fĂŒhren,  zu  empfehlen,  wie  auch  wieder  nachstehender  von 
uns  beobachteter  Krankheitsfall  beweist: 

M.  D.,  8  Jahre  alt,  stammt  aus  gesunder  Familie,  hatte  mit 
3  Jahren  Masern,  mit  5  Jahren  Keuchhusten.  November-Dezember 
1920  Lungen-  und  RippenfellentzĂŒndung.  Seitdem  dauernd  matt, 
verdrießlich.  Nimmt  stĂ€ndig  an  Gewicht  ab.  Vom  11.  II.  bis 
11.  V.  21  in  einer  LungenheilstÀtte,  wo  aber  nie  Tuberkel- 
bazillen im  Sputum  gefunden  wurden.  Seit  Juni  1921  wieder  stÀr- 
kerer Husten.  Gelegentlich  einer  spezialÀrztlichen  Untersuchung 
damals  „ziemlich  ausgedehnte  Erkrankung  der  rechten  Lunge" 
festgestellt.  Da  hydrotherapeutische  Maßnahmen,  Schmierseifen- 
kur, Codein,  Expektorantien  und  Lebertran  ohne  Erfolg  waren, 
am  18.  VII.  21.  intraglutÀale  Injektion  von  0,5  cem  Pferdeserum. 
2  Tage  darauf  Fieberanstieg  auf  39°.  Kind  ist  seitdem  dauernd 
fieberhaft,  hustet  viel  und  hat  reichlichen,  ĂŒbelriechenden  Aus- 
wurf, in  dem  aber  keine  Tuberkelbazillen  gefunden  wurden. 
Wegen  Verdachts  auf  Abszedierung  der  Lunge  Ueberweisung  in 
die  Klinik. 

Aufnahme  am  4.  VIII.  21.  Gewicht  18,5  kg.  Blasses,  sehr 
abgemagertes  Kind,  halonierte  Augen.  WĂ€hrend  der  Unter- 
suchung dauernder  Hustenreiz.  Atemluft  aashaft  stinkend. 
Trockene  welke  Haut.  Kleine  harte  DrĂŒschen  am  Halse  und  in 
den  Inguinalgegenden.  Schmaler  Thorax  mit  spitzem  epigastri- 
schen Winkel.  HerzdÀmpfung'  in  normalen  Grenzen.  Lautes 
systolisches  GerĂ€usch  ĂŒber  allen  Ostien,  in  unverminderter 
StÀrke  bis  zur  linken  Clavicula  hinauf  hörbar.  Akzentuation  des 
2.  Pulmonaltones. 


')  Alsberg:  D.  m.  Ws,  46,  717.  1920. 


220 


Gralka:  Putride  Bronchitis 


40.  Jahrg. —  Nr.  lu. 


Klopfschall  ĂŒber  den  seitlichen  und  hinteren  Partien  der 
rechten  Lunge  gedÀmpft.  AtemgerÀusch  dort  bronchial,  wechselt 
dauernd  in  der  StÀrke,  daneben  grobe  bronchitische  GerÀusche, 
Knacken,  feuchtes  mittelblasiges,  zeitweise  auch  etwas  groß- 
blasiges Rasseln.    Keine  Kavernensymptome.    Linke  Lunge  frei. 

Den  Röntgenbefund  zeigt  nachstehendes  Rild. 


Röntgenbild  1 

Abdomen  normal  konfiguriert.  Keine  erhebliche  Milz-  und 
Leberschwellung. 

Urin:  o.  B.  Sinnesorgane,  Nervensystem  o.  B.  Probepunktion 
der  rechten  Pleurahöhle  ergibt  kein  Exsudat.  Man  hat  das  Ge- 
fĂŒhl, mit  der  Nadel  in  derbem  Gewebe  zu  stecken. 

Temperatur  steigt  in  der  Folgezeit  abends  bis  40 ". 

Der  Auswurf  in  den  nÀchsten  Tagen  ist  ziemlich  reichlich 
('A—%  Wasserglas  in  24  Stunden),  sehr  ĂŒbelriechend,  besteht 
mikroskopisch  fast  nur  aus  Bakterien  verschie- 
denster Art,  unter  denen  sich  influenzaverdÀchtige 
StÀbchen,  massenhaft  Spirillen  und  fusiforme  Ba- 
zillen, aber  auch  bei  wiederholter  Untersuchung 
nie  Tuberkelbazillen  finden.  In  den  angelegten 
Kulturen  wachsen  keine  Influenzabazillen. 

Verabfolgung  von  Jodkali,  Inhalationen  mit 
Kiefernadelöl,  Ipecacuanhainfus,  Oleum  santali  be- 
einflussen weder  Menge  noch  Geruch  des  Aus- 
wurfs. _____ 

Das  Bronchialatmen  ĂŒber  der  rechten  Lunge 
bleibt  konstant,  die  RasselgerÀusche  wechseln  an 
Zahl,  IntensitÀt  und  Charakter. 

Körpergewicht  sinkt  bis  auf  17,8  kg. 

Bei  unseren  differentialdiagnostischen  Er- 
wÀgungen schalteten  wir  einen  tuberkulösen 
Lungenprozeß  aus,  weil  in  diesem  Falle  der 
ĂŒble  Geruch  des  Auswurfs  auf  eine  ausge- 
dehnte Zerstörung  des  Lungengewebes  hÀtte 
bezogen  werden  mĂŒssen,  die  ihrerseits  wieder 
zu  einem  positiven  Tuberkelbazillenbefund  im 
Sputum  gefĂŒhrt  hĂ€tte.  Wir  nahmen  an,  daß 
es  sich  um  ausgedehnte  Bronehiektasenbildung 
mit  Beteiligung  des  benachbarten  Lungenge- 
webes handele.  PrimÀr  mag  wohl  eine  In-, 
fluenzainfektion  vorgelegen  haben,  zu  der  spÀ- 
ter eine  Mischinfektion  mit  Spirillen  hinzu- 
getreten ist. 

Nachdem  alle  Behandlungsmethoden  keinen  Erfolg  ge- 
zeitigt hatten,  erhielt  das  Kind  am  17.  VIII.  21.  0,15  g  Neo- 
salvarsan intravenös. 

In  unmittelbarem  Anschluß  an  diese  Injektion  sinkt  die 
Temperatur.  Die  abendlichen  Fieberanstiege  erreichen  nur 
die  Höhe  von  38  °.    Der  Appetit  bessert  sich,  das  Körper- 


gewicht steigt  in  der  folgenden  Woche  auf  19  kg  (=:  1.2  kg 
Gewichtszunahme). 

Drei  Tage  nach  der  Injektion  wird  nur  noch  auf  ein- 
dringliches Ermahnen  etwas  eitrig-schleimiges  Sputum  her- 
vorgebracht, in  welchem  sich  nur  wenige  Bakterien  und 
unter  diesen  erst  bei  lÀngerem  Suchen  verein - 
zeit  Spirillen  finden.    Der  Hustenreiz  hat  we- 
sentlich nachgelassen. 

8  Tage  nach  der  Verabfolgung  des  Salvar- 
sans  hat  sich  der  fötide  Geruch  der  Atemluft 
wesentlich  gebessert,  ist  bei  normaler  Atmung 
kaum  noch  wahrzunehmen,  bei  kĂŒnstlich  pro- 
vozierten! Husten  macht  er  sich  noch,  aber  be- 
deutend weniger  als  frĂŒher,  geltend.  Der  per- 
kutorische Befund  ĂŒber  der  rechten  Lunge  hat 
sich  nicht  verÀndert,  auskultatorisch  sind  die 
RasselgerÀusche  verschwunden,  das  Bronchial - 
atmen  besteht  noch.  Auch  der  röntgenolo- 
gische Lungenbefund  ist  unverÀndert. 

12  Tage  nach  der  Salvarsan-Injeklion 
machte  sich  wieder  etwas  stÀrkerer  Foetor  ex 
ore  geltend,  auch  hustete  das  Kind  etwa  10  cciti 
eitriges  Sputum  aus,  das  bei  der  mikroskopi- 
schen Untersuchung  wieder  mehr  Bakterien, 
namentlich  auch  Spirillen  in  grĂ¶ĂŸerer  Zahl 
enthielt.  Das  Allgemeinbefinden  war  dabei 
aber  gut,  das  Körpergewicht  stieg  weiter  an. 

Da  der  ĂŒble  Geruch  der  Atemluft  in  den 
nÀchsten  Tagen  anhielt,  wurde  am  1.  IX.  1921 
nochmals  0,15  g  Neosalvarsan  intravenös  ge- 
geben und  dann  das  Kind  auf  DrÀngen  der 
Eltern  in  poliklinische  Behandlung  entlassen. 
Die  Gewichtszunahme  in  den  letzten  14  Tagen  betrug  1,5  kg. 
Hautturgor  und  Hautfarbe  hatten  sich  wesentlich  gebessert, 
die  Stimmung  des  Kindes  war  gut. 

Am  10.  IX.  21  wird  das  Kind  in  der  Poliklinik  vorge- 
stellt. Husten  und  Auswurf  haben  sich  fast  völlig  verloren, 
es  besteht  kein  ĂŒbler  Geruch  der  Atemluft  mehr,  auch  nicht 
nach   kĂŒnstlich  provozierten!   Husten.     Das  AtemgerĂ€usch 


Röntgenbild  2 

ĂŒber  der  rechten  Lunge  ist  nicht  mehr  so  scharf  als  frĂŒher. 
RasselgerÀusche  sind  nicht  zu  hören. 

Um  einen  RĂŒckfall,  wie  er  nach  der  ersten  Salvarsaninjek- 
tion  nach  anfĂ€nglicher  Besserung  aufgetreten  ist,  zu  verhĂŒten, 
wird  trotz  des  guten  Befindens  nochmals  Neosalvarsan,  und 
/.war  diesmal  in  Menge  von  0,3  g  intravenös  verabfolgt. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Blank:  Gallensteine 


221 


Ein  am  15.  IX.  21  unter  den  gleichen  technischen  Br 
dingungen  wie  das  frĂŒhere  angefertigte  Röntgenbild  /«'igt 
eine  Aufhellung  ĂŒber  dem  grĂ¶ĂŸten  Teil  der  vorher  verschat- 
teten Partien  der  rechten  Lunge  (Röntgenbild  2). 

Bei  den  in  den  nÀchsten  3  Monaten  wöchentlich  einmal 
erfolgenden  poliklinischen  Vorstellungen  zeigt  sieb  eine 
dauernd  fortschreitende  Besserung.  Fieber  besteht  nicht 
mehr.  Husten  und  Auswurf  sind  seit  dem  17.  IX.  21  völlig 
verschwunden  und  nicht  wieder  aufgetreten.  Die  Atemluft 
ist  geruchlos.  Die  DĂ€mpfung  ĂŒber  der  rechten  Lunge  ist 
allmĂ€hlich  fast  völlig  zurĂŒckgegangen,  das  AtemgerĂ€usch  nur 
noch  ĂŒber  einem  ungefĂ€hr  5  MarkstĂŒck  großen  paravertebi  al 
gelegenen  Bezirk  ĂŒber  dem  rechten  Unterlappen  verschĂ€rft 
und  etwas  abgeschwÀcht.  An  derselben  Stelle  hört  man  auch 
vom  1.  X.  21  ab  wieder  konstant  bald  mehr,  bald  weniger 
ausgesprochenes  feinblasiges  Rasseln 

Ein    am    12.  XII.  21 
Röntgenbild    zeigt    eine    weitere    Aufhellung    des  rechten 
Lungenfeldes. 

Das  Körpergewicht  des  Kindes  ist  inzwischen  auf  22  kg 
gestiegen.  Die  Gesichtsfarbe  ist  frisch.  Das  Kind  besucht 
bereits  seit  2  Monaten  die  Schule  wieder  und  fĂŒhlt  sich  durch 
den  klinisch  zu  erhebenden  Lungenbefund  in  keiner  "Weise 
beeintrÀchtigt. 


zur    Kontrolle  aufgenommenes 


Röntgenbild  3 

Fassen  wir  die  an  Hand  dieses  Falles  gemachten  Er- 
fahrungen noch  einmal  kurz  zusammen,  so  ergibt  sich,  daß 
wir  durch  die  Salvarsanbehandlung  eine  auf  der  Basis  von 
Bronchiektasen  entstandene  putride  Bronchitis,  die  allen 
sonstigen  Behandlungsmethoden  trotzte,  zur  Ausheilung  ge- 
bracht haben.  Die  einmalige  intravenöse  Verabfolgung  von 
0,15  g  Neosalvarsan  reichte  nur  zu  einer  vorĂŒbergehenden 
Besserung  aus,  zur  völligen  Ausheilung  waren  noch  zwei 
weitere  intravenöse  Salvarsanin jektionen  erforderlich.  Die 
nach  der  Salvarsanbehandlung  einsetzende,  rasch  fort- 
schreitende Genesung  beruht  zum  Teil  sicher  darauf,  daß 
das  Salvarsan  die  Spirillen,  die  hier  nicht  als  harmlose 
Sapprophyten  angesehen  werden  können,  sondern  als  patho- 
gene  Keime,  die  einen  Teil  der  AbwehrkrÀfte  des  Organismus 
auf  sich  lenkten,  abtötete,  und  so  indirekt  die  Resistenz- 
fÀhigkeit des  Organismus  erhöhte,  der  nun  auch  die  pri- 
mÀre, wahrscheinlich  auf  Influenzabazillen  beruhende  In- 
fektion leichter  ĂŒberwinden  konnte.  Die  an  zirkumskripte] 
Stelle  hörbaren  feinblasigen  RasselgerÀusche  sind  wohl  auf 
Bronchiolektasien  zu  beziehen,  jedoch  gibt  das  gute  Allge- 
meinbefinden des  Kindes  keinen  Anlaß  zu  weiteren  thera- 
peutischen Maßnahmen. 


Die  medikamentöse  Behandlung  der 
Gallensteine. 

Von  Dr.  med.  Walter  Blank,  Berlin. 

Die  medikamentöse  Behandlung  der  Cholelithiasis  bat 
neben  der  physikalischen  und  diÀtischen  Therapie  stets  eine 
etwas  stiefmĂŒtterliche  Bolle  gespielt.  Vielleicht  mit  Recht, 
denn  das  Ziel  einer  jeden  Therapie,  so  aucli  in  unserem 
Falle,  das  Ziel  einer  medikamentösen  Therapie  der  Gallen- 
steine, eine  Heilung  der  Krankheit  zu  erzielen,  ist  bisher  nur 
unvollkommen  erreicht  worden.  Macben  wir  uns  einmal 
klar,  was  wir  ĂŒberhaupt,  d.  h.  im  gĂŒnstigsten  Falle  mit  der 
medikamentösen  Behandlung  erreichen  können.  Das  Medi- 
kament allein  wĂŒrde  allen  Anforderungen  genĂŒgen,  das  im- 
stande wÀre,  die  Cholelithiasis  in  das  Stadium  dauernder 
Latenz  zu  fĂŒhren.  Eine  völlige  Beseitigung  der  Steine  ist  auf 
internem  Wege  nicht  erreichbar.  Nach  welcher  Richtung  hin 
mĂŒĂŸte  nun  ein  Medikament  wirksam  sein,  um  diesen  An- 
forderungen zu  entsprechen.  FĂŒr  die ,  Beantwortung  dieser 
Frage  ist  es  zunÀchst  wdchtig,  sich  die  Ursachen,  -durch  die 
die  Cholelithiasis  (bezw.  Cholezystitis)  entsteht  oder  ent- 
stehen kann,  kurz  klar  zu  machen.  Die  alte  N  a  u  n  y  n  sehe 
Ansicht  besteht  auch  heute  noch  zu  Recht,  daß  es  zur  Bil- 
dung von  Gallensteinen  sowohl  der  Gallenstau- 
ung als  auch  der  bakteriellen  Infektion  bedarf. 
Etwas  weiter  gehen  A  s  c  h  o  f  f  und  Bak- 
meister,  die  die  Infektion  nicht  fĂŒr  unum- 
gÀnglich notwendig  zur  Steinbildung  halten, 
sondern  auch  eine  Ausscheidung  des  Choleste- 
rins durch  autochtone  Zersetzung  der  Galle 
und  der  in  ihr  enthaltenen  protoplasmatischen 
Elemente  fĂŒr  möglich  erachten.  Zahlreiche 
Untersuchungen  haben  aber  gezeigt,  daß  durch 
die  Anwesenheit  von  Bakterien  in  den  Gallen - 
wegen  die  AusfÀllung  des  Cholesterins  aus  der 
Galle  befördert  und  beschleunigt  wird.  So  ge- 
lang es  u.  a.  Kramer,  der  sich  eingehend  mit 
der  Rolle  der  Bakterien  fĂŒr  die  Entstehung  der 
Cholelithiasis  befaßte,  durch  Einimpfung  von 
Typhus-  und  Kolibazillen  in  Gallebouillon- 
röhrchen  das  Cholesterin  zum  Ausfall  zu  brin- 
gen. Hiermit  in  Uebereinstimmung  steht  auch, 
daß  in  aufgeschnittenen  Gallensteinen  oft  Ba- 
zillen (besonders  Typhusbazillen)  nachgewie- 
sen sind.  Aus  alledem  geht  hervor,  daß  die 
Bildung  von  Gallensteinen  durch  die  Anwesen- 
heit von  Bakterien  zum  mindesten  gefördert  wird. 

Die  medikamentöse  Behandlung  wĂŒrde 
also  imstande  sein,  die  Cholelithiasis  in 
das  Stadium  dauernder  Latenz  zu  fĂŒhren, 
wenn  sie  die  Gallenstauung  beseitigen  und  die  In- 
fektion zum  Erlöschen  bringen  könnte.  Die  in  reichlicher 
Anzahl  auf  den  Markt  gebrachten  Mittel  wollen  dieses  Ziel 
auf  verschiedene  Weise  erreichen.  Wir  können  sie  in  ihrer 
Wirkungsweise  am  besten  beurteilen,  wenn  wir  uns  klar- 
machen, welche  Wirkung  wir  mit  dem  Mittel  jeweils  er- 
zielen wollen. 

1.  Cholaloge  Wirkung. 

2.  Purgierende  Wirkung. 

3.  Sterilisierende  Wirkung. 

4.  Steinauflösende  Wirkung. 

5.  Oel. 

0.  Mischwirkung. 

1)  Sogenannte  Cholagoga,  d.  h.  Mittel,  die  im  Tierexperi- 
ment die  Gallensekretion  erhöhen  und  durch  Beseitigung  der 
Stauung  die  Cholelithiasis  zur  Latenz  bringen  sollen,  gibt  es 
genug,  doch  ihre  Wirkung  muß  versagen,  denn  die  verstĂ€rkte 
Sekretion  der  Leberzellen  allein  ist  ohne  großen  Nutzen,  wenn 
der  Abfluß  der  Galle  in  den  Darm  nicht  gleichzeitig  gewĂ€hl 
leistet  ist.  Im  Gegenteil,  es  muß  bei  vermehrter  Gallen- 
sekretion in  den  Gallenwegen  die  Stauung  eine  grĂ¶ĂŸere  wer- 


282  Blank:  Gallensteine  40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


den,  wenn  der  Gallenabfluß  nicht  erfolgt.  TatsĂ€chlich  be- 
obachtet man  im  Tierexperiment,  wo  eine  Choledochus-  oder 
Blasenfistel  angelegt  ist,  eine  vermehrte  Sekretion.  Im  nor- 
malen Zustande  aber  verhindert  den  Gallenabfluß  der 
sphincter  ductus  cholodochi  und  ein  Cholagogum  mĂŒĂŸte  also 
die  Kraft  haben,  diesen  Muskel  zur  Erschlaffung  zu  bringen, 
um  die  sezernierte  Galle  in  den  Darm  gelangen  zu  lassen. 
Der  sphincter  ductus  cholodochi  stellt  nun,  wie  wir  durch 
Henri  ckso  n  wissen,  einen  krÀftigen  Muskelapparat  dar, 
dessen  Kraft  von  O  g  g  i  auf  700  mm  Wasser  bestimmt  ist. 
Dieser  Muskel  ist  also  bedeutend  krĂ€ftiger,  als  daß  er  durch 
Steigerung  der  Sekretion  zur  Erschlaffung  gebracht  werden 
könnte,  denn  der  normale  Sekretionsdruck  geht  nicht  ĂŒber 
300  mm  Wasser  hinaus.  Wird  er  grĂ¶ĂŸer,  so  sezernieren  die 
Leberzellen  nicht  mehr  in  die  GallengÀnge,  sondern  die  Galle 
wird  durch  die  LymphgefĂ€ĂŸe,  die  die  Leberzellen  um- 
schließen, aufgesogen  und  dem  ductus  thoracicus  zugefĂŒhrt. 
Aus  diesem  Grunde  sind  die  Untersuchungen  von  Heinz, 
der  nach  Gaben  von  Pfefferminzöl  Steigerung  der  Leber- 
zellensekretion, VergrĂ¶ĂŸerung  der  Gallenblase  und  dĂŒnn- 
flĂŒssigen Inhalt  derselben  bei  freien  Gallenwegen  fand,  ohne 
praktischen  Wert  fĂŒr  die  Behandlung  der  Cholelithiasis,  da 
er  seine  Versuche  an  Tieren  mit  Gallenblasenfisteln  machte 
und  dem  Abfluß  der  mehr  sezernierten  Galle  keine  Bedeutung 
beilegte.  Demnach  ist  also  ein  Cholagogum  allein  nicht  im- 
stande, eine  Latenz  der  Cholelithiasis  herbeizufĂŒhren,  da  es 
nicht  gelingt,  den  Abfluß  der  Galle  in  den  Darm  zu  be- 
fördern, also  die  Stauung  nicht  beseitigt  wird,  die  wichtige 
Aetiologie  der  Infektion  in  der  Behandlung  ganz  außeracht 
lĂ€ĂŸt.  Jedoch  ist  der  Wert  der  Cholagoga  als  Hilfsmittel  bei 
der  diÀtetischen  Behandlung  als  nicht  gering  zu  erachten,  denn 
wie  bekannt,  fließt  die  in  der  Gallenblase  angesammelte 
Galle  nur  wÀhrend  der  Verdauung  reichlicher  gemischter 
Nahrung  in  den  Darm.  Auf  dieser  Grundlage  baut  sich  die 
ĂŒberlegene  Wirkungsweise  der  diĂ€tetischen  Behandlung  der 
Gallensteine  gegenĂŒber  der  medikamentösen  auf. 

2)  In  der  zweiten  Gruppe  ist  das  wirksame  Prinzip  in  Form 
von  AbfĂŒhrmitteln  enthalten.  Die  Regelung  der  StuhltĂ€tig- 
keit  gehört  zu  den  Hauptaufgaben  bei  der  Behandlung  der 
Gallensteine.  Wenn  der  Unterleib  von  Kotansammlungen 
befreit  ist,  ĂŒberhaupt  die  Peristaltik  eine  regere  wird,  so  wird 
schon  rein  mechanisch  der  Gallenabfluß  erleichtert.  Sicher 
ist  die  in  der  GraviditÀt,  besonders  in  den  ersten  Monaten 
bestehende  Obstipation  eine  Hauptursache,  warum  besonders 
Frauen,  die  hÀufig  geboren  hallen,  an  Cholelithiasis  er- 
kranken, worauf  auch  Ruth  P  1  ö  g  e  r  hingewiesen  hat.  Sie 
nimmt  sogar  die  Möglichkeit  einer  mit  der  mangelhaften 
Peristaltik  Hand  in  Hand  gehenden  MotilitÀtsstörung  der 
Gallenblasenmuskulatur  an,  was  bisher  allerdings  nicht  er- 
wiesen ist.  Jedenfalls  ist  aber  die  Obstipation  eine  der 
Hauptursachen  fĂŒr  die  Entstehung  einer  Stauung  in  dem 
Gallensystem,  und  diese  Feststellung  allein  schon  recht- 
fertigt das  Geben  von  AbfĂŒhrmitteln  bei  Cholelithiasis. 

Auf  diese  Wirkungsweise  beruht  das  Glas  ersehe 
Chologen,  in  welchem  Podophyllin  und  Kalomel  enthalten 
ist.  Auch  das  Karlsbader  Salz  besitzt  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  ab- 
fĂŒhrende Wirkung  und  die  Erfolge  dieses  Mittels  beruhen 
nicht  zum  wenigsten  auf  dieser  Tatsache.  Wie  wir  also  ge- 
sehen haben,  ist  das  Geben  von  AbfĂŒhrmitteln  berechtigt, 
jedoch  auch  diese  vermögen  nicht  allein  die  Cholelithiasis  in 
das  Stadium  dauernder  Latenz  zu  fĂŒhren,  denn  die  AbfĂŒhr- 
mittel gewĂ€hrleisten  den  Gallenabfluß  in  den  Darm  nicht 
und  haben  keinerlei  Einfluß  auf  eine  Infektion  im  Gallen- 
system. 

3)  Als  zweites  Moment  fĂŒr  das  Entstehen  von  Gallen- 
steinen haben  wir  das  Hinzutreten  von  Bakterien  genannt  und 
bei  der  Behandlung  der  Cholelithiasis  ist  es  wichtig  zu 
wissen,  ob  wir  die  Mittel  in  der  Hand  haben,  eine  Sterilisation 
der  Gallenwege  zu  erzielen  und  ob  eine  Sterilisation  eine  ein- 
mal entstandene  Cholelithiasis  heilen  könnte.  Es  ist  schon 
anerkanntermaßen  schwer,  eine  Sterilisation  einer  Haupt- 
partie,  die  wir  örtlich  angreifen    können.   e\akt  durchzu- 


fĂŒhren. Wieviel  schwerer  aber  muß  es  sein,  die  Gallenwege 
durch  per  os  gegebene  Medikamente  zu  sterilisieren.  Nach 
meiner  Ansicht  ist  dieses  eine  Unmöglichkeit  und  die  anti- 
phlogistischen Mittel,  die  dieses  Ziel  erreichen  wollen,  be- 
werkstelligen im  besten  Falle  eine  Abnahme  der  Virulenz  der 
Bakterien,  indem  sie  deren  Lebensbedingungen  verschlech- 
tern. Eine  Sterilisation  aber  erreichen  sie  nie.  Aber  selbst 
wenn  eine  solche  Sterilisation  möglich  wĂ€re,  so  wĂŒrde  der 
erreichte  Erfolg  noch  nicht  eine  dauernde  Latenz  der  Chole- 
lithiasis herbeifĂŒhren,  denn  das  Hauptmoment  fĂŒr  die  Ent- 
stehung der  Gallensteine,  die  Stauung,  wird  durch  eine  evtl. 
Wirkung  dieses  Mittels  nicht  berĂŒhrt.  Der  SalizylsĂ€ure  wird 
eine  antiphlogistische  Wirkung  nachgesagt,  ebenso  dem  Jod 
und  Quecksilber.  Als  UnterstĂŒtzungsmittel  bei  andern  Medi- 
kamenten können  Antiphlogistica  vielleicht  in  Betracht 
kommen,  allein  sind  sie  jedenfalls  nicht  imstande,  eine 
Latenz  zu  bewirken. 

4)  Ganz  versagt  haben  bisher  die  Versuche,  ein  Medikament 
zu  finden,  das  imstande  wÀre,  die  Gallensteine  zu  verkleinern 
oder  sogar  aufzulösen.  FĂŒr  die  Frage  der  Auflösung  der 
Steine  in  den  Gallenwegen  ist  die  Alkaleszenz  der  Galle  von 
großer  Bedeutung.  Wie  wir  wissen,  bedingt  eine  gesteigerte 
Alkaleszenz  eine  Erhöhung  des  Lösungsvermögens  fĂŒr 
Gallensteine.  Leider  sind  bisher  alle  Versuche,  eine  solche 
gesteigerte  Alkaleszenz  zu  erzielen,  fehlgeschlagen.  Ein 
Nachweis  fĂŒr  steinauflösende  Wirkung  ist  auch  bei  keinem 
Mittel  erbracht.  Selbst  das  Olivenöl,  auf  das  man  in  frĂŒherer 
Zeit  große  Hoffnungen  in  dieser  Beziehung  gesetzt  hat,  kann 
natĂŒrlich  nicht  als  steinauflösend  betrachtet  werden.  Gleich- 
wohl ist  aber  dem  Olivenöl  ein  gewisser  Einfluß  auf  die 
Cholelithiasis  nicht  abzusprechen,  jedoch  ist  die  Wirkungs- 
weise bisher  unklar  geblieben.  —  5)  Nach  unserer  heutigen 
Auffassung  hat  die  cholagoge  Wirkung  des  Oels  in  bezug  auf 
die  Anregung  der  Lymphzellen  zur  erhöhten  Sekretion  heute 
kaum  noch  AnhÀnger,  jedoch  ist  die  purgierende  Wirkung, 
wie  wir  auch  aus  der  Behandlung  der  Obstipation  als  solcher 
wissen,  unbestritten.  Nach  meiner  Ansicht  ist  das  Olivenöl 
weiter  nichts  als  ein  gutes  stuhlregulierendes  Mittel,  und 
seine  Erfolge  bei  der  Behandlung  der  Cholelithiasis  sind  in 
dieser  Hinsicht  zu  l>e\verten.  Aus  dem  bei  den  AbfĂŒhr- 
mitteln Gesagten  geht  aber  hervor,  daß  ein  AbfĂŒhrmittel 
allein  wohl  ein  wertvolles  UnterstĂŒtzungsmittel  sonstiger 
therapeutischer  Maßnahmen  sein  kann,  nie  aber  eine 
dauernde  Latenz  der  Cholelithiasis  bewirken  kann.  Aus 
diesem  Grunde  ist  sowohl  das  Olivenöl,  wie  dessen  Ersatz- 
mittel,, die  wegen  des  schlechter  Geschmackes  in  den  Handel 
gebracht  sind  (Lipanin,  Eunatrol  und  Cholelysin)  als  alleini- 
ges Medikament  fĂŒr  die  Behandlung  der  Gallensteine  ab- 
zulehnen. 

6)  Wir  haben  oben  zu  erklĂ€ren  versucht,  daß  die  Einzel- 
wirkungen,  die  die  Medikamente  zu  erzielen  suchen,  in  allen 
Gruppen  gesondert  betrachtet,  nicht  imstande  sind,  die 
Cholelithiasis  zur  Heilung  zu  bringen  und  das  Entstehen 
neuer  Steinbildung  zu  verhindern.  Es  gibt  nun  eine  reich- 
liche Anzahl  Medikamente,  die  eine  Mischwirkung  erstreben, 
d.  h.  die  sowohl  cholagoge,  purgierende  als  auch  anti- 
phlogistische Wirkung  erstreben  und  damit  ursÀchlich  die 
SchÀdigungen  im  Gallensystem,  rein  theoretisch  betrachtet, 
beseitigen  mĂŒĂŸten.  Sie  re^en  die  Leberzellen  zu  vergrĂ¶ĂŸerter 
Sekretion  an,  sie  verhindern  durch  abfĂŒhrende  Wirkung  die- 
Stauung  und  wollen  die  EntzĂŒndung  beseitigen.  Die  Erfolge 
solcher  Medikamente  mĂŒssen  ÂŁes?enĂŒber  den  in  den  bisherigen 
Gruppen  behandelten  Mitteln  grĂ¶ĂŸer  sein,  ja.  wenn  alle  er- 
wĂŒnschten Wirkungen  uneingeschrĂ€nkt  zur  Wirkung  kom- 
men, sogar  ideal.  NatĂŒrlich  darf  die  diĂ€tetische  Therapie, 
als  deren  UnterstĂŒtzungsmittel  wir  die  medikamentöse  Be- 
handlung immer  nur  ansehen  möchten,  nicht  außeracht  ge- 
lassen werden.  Unter  Beobachtung  der  diĂ€tetischen  Maß- 
nahmen  habe  ich  nun  ein  solches  Medikament  mit  Misch- 
wirkung an  einer  Anzahl  von  Patienten  ausprobiert.  Es  ist 
das  von  der  Firma  Fauth  &  Co..  Mannheim,  in  den  Handel 
gebrachte  L  i  o  p  h  l  a  1.  das  als  Cholagogum  die  CholsÀure  an 
Natrium  gebunden,  als  Laxans  Phenolphtalein,  als  Antiphlo 


10.  Jahrg.  — Nr.  10. 


Blank:  Gallensteine 


gisticum  SalizylsÀure  an  Lithium  gebunden  und  das  Oel  in 
Form  von  OelsÀure  an  Natrium  gebunden  enthÀlt. 

Ich  lasse  im  folgenden  einige  stark  gekĂŒrzte  Kranken- 
geschichten folgen. 

Fall  I.  Ernst  W.,  42  Jahre,  Straßenbahnschaffner.  FrĂŒher 
nie  krank  gewesen,  seil  1t  Tagen  tÀglich  auftretende  KrÀmpfe 
in  der  rechten  Seile,  Vi  Stunde  anhaltend,  Stuhl  hart,  Appetit 
schlecht,  seil  10  Tagen  gelbes  Aussehen. 

I.  7.  Ikterisch  aussehender  Mann,  Herz  und  Lunge  frei,  Ab- 
domen  zeigt  stark  vergrĂ¶ĂŸerte  Gallenblase,  auf  Druck  sehr 
schmerzhaft,  Dorsaler  Druckpunkt  negativ,  Zentralnervensystem 
frei.  Zweimal  tĂ€glich  3  Liophlaldragees,  zweistĂŒndlich  reich- 
liche Nahrungsaufnahme,  F'ellzufuhr  beschrÀnkt. 

II.  7.  Seit  8  Tagen  anfallsfrei,  Stuhl  regelmĂ€ĂŸig.  Ikterus 
besteht  noch. 

17.  7.  Ikterus  verschwunden,  keine  Schmerzen  mehr,  Gallen- 
blase nicht  mehr  fĂŒhlbar,  Gallenblasengegend  nicht  druck- 
empfindlich.   Karlsbader  Salz. 

12.  9.    Keinen  Schmerzanfall  mehr  gehabt. 

Fall  II.  Fritz  Th.,  30  Jahre,  Buchhalter.  Seil  1  Jahr  in  Ab- 
stĂ€nden von  1 — 2  Monaten  GallensteinanfĂ€lle,  stets  3 — 4  Tage  an- 
haltend, letzter  Anfall  vor  0  Wochen. 

1.  8.  Geringer  Ikterus,  Herz,  Lunge  frei.  Abdomen:  Gallen- 
blase druckempfindlich  und  vergrĂ¶ĂŸert.  Dorsaler  Druckpunkt 
nicht  prĂŒfbar  wegen  Operationsnarbe.   Liophtal,  DiĂ€t. 

12.  8.  Gestern  ganz  geringe  Beschwerden.  Der  Anfall  ,ist 
angeblich  dieses  Mal  nicht  so  zum  Ausbruch  gekommen. 

15.  8.  Gestern  starken  Anfall  gehabt,  Gallenblase  druck- 
empfindlich.   Karlsbader  Salz. 

21.  8.    Vollkommenes  Wohlbefinden.    Gallenblase  frei. 
10.  10.    Keinen  Anfall  mehr  gehabt.    Gallengegend  frei. 
Fall  III.    Emil  J.,  42  Jahre,  Beamter.    Seit  G  Jahren  jedes 

Jahr  3—4  mal  Gallensteinkoliken,  14  Tage  anhaltend.  Seit  acht 
Tagen  erneute  AnfĂ€lle,  von  der  rechten  Bauchseite  zum  BĂŒcken 
anstrebend. 

5.  8.  Geringer  Ikterus  beider  Skleren,  Herz,  Lunge  frei, 
Leber  bis  2  Querfinger  breit  unter  den  Bippenbogen  vergrĂ¶ĂŸert. 
Gallenblase  palpabel,  prall-elastisch  und  stark  druckempfindlich. 
Dorsaler  Druckpunkt  rechts  stark  positiv. 

18.  8.    Keine  Beschwerden. 

24.  8.    WĂŒhlen  im  Leib,  jedoch  keinen  Anfall. 
29.  8.    Befinden  gut.  Karlsbader  Salz. 

25.  9.  Starker  Anfall,  jedoch  nicht  so  schneidend  wie  sonst. 
Leber  immer  noch  stark  vergrĂ¶ĂŸert.  Gallenblase  druck- 
empfindlich. 

27.  10.  Fat.  klagt  ĂŒber  geblĂ€hten  Leib,  jedoch  ist  seit  vorigem 
Monat  kein  Anfall  mehr  aufgetreten. 

10.  11.  Immer  noch  stark  dumpfer  Druck  in  der  Lebergegend. 
Karlsbader  Salz. 

1.  12.   Der  Druck  ist  dauernd  noch  vorhanden. 

15.  12.  Pat.  hat  keinen  Anfall  mehr  gehabt,  jedoch  klagt  er 
noch  ĂŒber  dauernden  Druck  in  der  Lebergegend.  Die  Leber  ist 
immer  noch  palpabel,  einen  Querfinger  breit  ĂŒber  den  Rippen- 
bogen vergrĂ¶ĂŸert.    Gallenblase  druckempfindlich. 

Fall  IV.  Frau  Emilie  Th.,  35  Jahre,  HĂ€ndlerin.  Seit  drei 
Wochen  Magenschmerzen,  unabhÀngig  vom  Essen,  bitteres  Auf 
stoßen.    1914  Magenblutung  gehabt. 

22.  4.  Blasse  Frau  in  schlechtem  ErnÀhrungszustand.  Herz. 
Lunge  frei.  Abdomen  gespannt,  Gallenblase  vergrĂ¶ĂŸert,  druck- 
empfindlich, Leber  palpabel,  bis  2  Querfinger  breit  unterhalb  des 
Bippenbogens.   Druckpunkt  des  Pexus  cöliacus.  Liophtal. 

28.  4.    Befinden  gut,  keine  Schmerzen. 

1.  5.  Plötzliche  Magenblutung,  Aussetzen  der  Liophtalkur. 
Operation.   Gastroenterostomie  wegen  Ulcus  ventriculi. 

Fall  V.  Frau  Alwine  S.,  36  Jahre.  .FrĂŒher  nie  krank,  2  Ge- 
burten. Seit  2  Jahren  in  AbstĂ€nden  von  4—6  Wochen  krampf- 
artige Schmerzen  in  der  rechten  Seite.  Der  Stuhl  sieht  wÀhrend 
des  Anfalls  hell,  der  Urin  dunkel  aus.  Die  AnfÀlle  treten  be- 
sonders nachts  auf. 

2.  5.  Etwas  ikterische  Frau.  Druckpunkt  in  der  Gallen- 
blasengegend, Leberrand  palpabel,  Magen  schlaff  aionisch. 
Liophtal,  DiÀl. 

14.  5.    Keine  Beschwerden  mein-. 
1.  6.    Karlsbader  Salz. 

18.  7.  Keinen  Anfall  mehr  gehabt.  Gallenblase  nicht  mehr 
druckempfindlich. 

Fall  VI.  Frau  Felicia  P.,  51  Jahre.  Strickerin.  Seil 
mehreren  Jahren  GallensteinanfÀlle.  In  letzter  Zeit  fast  alle 
8  Tage. 


3.  5.  Leber  slark  vergrĂ¶ĂŸert,  .'!  Querfinger  breit  unterhalb 
des  Rippenbogens,  Band  glatt,  Gallenblase  druckempfindlich. 
Dorsaler  Druckpunkt  slark  positiv;  UrilJ  dunkel,  Ikterus  beider 
Skleren.    Liophtal,  DiÀt. 

12.  5.    Keinen  Anfall  mehr  gehabt. 

19.  5.  Vor  2  Tagen  WĂŒhlen  im  Leib,  als  ob  ein  Anlall  kenn 
men  wĂŒrde,  jedoch  ist  der  Krampf  nicht  erfolgt.  Leber  imnu  i 
noch  palpabel  und  druckempfindlich. 

24.  5.  Ein  kleiner  Unfall  gestern  abend,  aber  nicht  so  stark 
wie  frĂŒher. 

28.  5.    Gestern   ein   starker   Anfall  mit  SchĂŒttelfrost.  Pal. 
ist  wieder  ikterisch.    Objektiver  Befund  wie  am  3.  5. 
30.  5.    Befinden  gut. 

28.  7.  Seit  Ende  Mai  ist  kein  Anfall  mehr  erfolgt.  Karls- 
bader Salz. 

5.  8.  Befinden  gut.  Leber  und  (lallenblase  nicht  mein 
fĂŒhlbar. 

27.  8.  Heute  starker  Anfall,  genau  so  wie  frĂŒher.  Leber, 
Gallenblase  wieder  palpabel,  druckempfindlich.  Erneute 
Liophtalkur. 

6.  9.    Keinen  Anfall. 

0.  10.  Heute  geringfĂŒgiger  Anfall,  der  „nach  10  Minuten  wieder 
vorĂŒberging. 

14.  11.  Da  heute  wieder  starker  Anfall  erfolgt  ist  in  dem- 
selben Maße  wie  frĂŒher,  geht  Patienlin  ins  Krankenhaus  zwecks 
Operation. 

Fall  VII.  Alfred  K.,  32  Jahre,  Schaffner.  Pat.  klagt  seil 
1  Jahr  ĂŒber  Schmerzen  in  der  rechten  Seile,  krampfartig  alle 
8  Wochen  auftretend,  1—2  Tage  anhaltend. 

17.  5.  Leber  palpabel,  Gallenblase  druckempfindlich,  leichler 
Ikterus,  dorsaler  Druckpunkt  rechts  positiv.   Liophtal,  DiÀt. 

20.  5.    Geringe  Besserung  der  Beschwerden. 

27.  5.    Befinden  gut. 

11.  6.  UnverÀndert.  Karlsbader  Salz.  Leber  nicht  mehr 
palpabel. 

22.  11.  Seit  einigen  Tagen  dieselben  Beschwerden  wie  frĂŒher, 
erneute  Liophtalkur. 

15.  12.    Keine  Beschwerden  mehr  gehabt. 
2.  1.   Pat.  fĂŒhlt  sich  vollkommen  geheilt. 

Fall  VIII.  Frau  Luise  B.,  46  Jahre.  Seit  2  Jahren  aUe 
4  Wochen  3  Tage  lang  krampfartige  Schmerzen  in  der  Gallen- 
gegend, stets  gelbes  Aussehen  dabei,  3  Geburten  gehabt. 

20.  5.  Leber  reicht  2  Querfinger  breit  ĂŒber  den  Bippenrand 
hinaus,  Gallenblase  palpabel,  druckempfindlich.    Liophtal,  DiÀt. 

28.  5.    Starke  DurchfÀlle,  Beschwerden  unverÀndert. 

13.  6.    Keine  Beschwerden  mehr.  , 

30.  0.  ‱  Heute  geringer  Anfall,  Gallenblase  nicht  druck- 
empfindlich, aber  immer  noch  etwas  vergrĂ¶ĂŸerte  Leber. 

1.  11.    Keinen  Anfall  mehr  gehabt. 

Fall  IX.  Frau  Ida  L.,  27  Jahre.  Seit  einem  Jahr  in  Ab- 
slÀnden von  14  Tagen  Magenkoliken  und  Kreuzschmerzen  mit 
Gelbsucht.  Appetit  wÀhrend  der  Zeit  schlecht.  Der  Zustand  hÀlt 
jedesmal  ĂŒber  24  Stunden  an.  Letzter  Anfall  13.  6.  Einmal  ge- 
boren. 

14.  6.  Außer  druckempfindlicher  vergrĂ¶ĂŸerter  Gallenblase 
kein  objektiver  Befund.    Liophtal,  DiÀt. 

29.  6.  Keine  Beschwerden  mehr.  Gallenblase  nicht  mehr 
druckempfindlich. 

1.  8.    Pat.  fĂŒhlt  sich  wohl. 

1.  9.  Erneuter  Anfall  zum  ersten  Mal  gestern  nacht.  Erneute 
Liophtalkur  wird  abgelehnt. 

Fall  X.  Frau  Elise  E.,  18  Jahre.  Seit  der  Entbindung  MĂ€rz 
1921  krampfartige  Schmerzen  in  der  Oberbauchgegend,  Stuhl  un- 
regelmĂ€ĂŸig, 2  mal  Gelbsucht.  Die  AnfĂ€lle  treten  in  AbstĂ€nden 
von  14  Tagen  5—6  Stunden  auf.    Letzter  Anfall  vor  8  Tagen. 

25.  6.  Geringer  Ikterus,  Leber  nicht  palpabel,  Gallenblase 
etwas  vergrĂ¶ĂŸert  und  druckempfindlich.  Dorsaler  Druckpunkt 
pogitiv.   Liophtal,  DiÀt. 

17.  7.  Keine  Beschwerden.  Pat.  war  bis  Oktober  mehrere 
Male  zur  Untersuchung,  hat  keine  AnfÀlle  mehr  gehabt. 

Fall  XL  Frau  Martha  F.,  48  Jahre.  Pat.  hat  seit  mehreren 
Jahren  in  AbstÀnden  bis  zu  einem  halben  Jahr  KrampfanfÀlle  in 
der  rechten  Bauchseite  gehabt,  ist  nie  gelb  gewesen.  Seit  sechs 
Wochen  hat  sie  dauernd,  Tag  und  Nacht  Schmerzen,  fast  nach 
jedem  Essen  Krampf  und  galliges  Erbrechen. 

1.  6.  Herz  geringe  Verbreitung  nach  rechts,  syst.  GerÀusch 
an  der  Spitze.  Gallenblase  stark  vergrĂ¶ĂŸert  und  sehr  stark 
druckempfindlich.  Leber  nicht  palpabel,  Magen  schlaff  atonisch. 
ProbefrĂŒhstĂŒck  gibt  normale  AziditĂ€tswerte.  Liophtal,  Morphium. 


224 


S t a n des f r a ge n    und    soziale  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


30.  6.  Keine  Besserung.  Pat.  hat  fast  alle  Dragees  ausge- 
brochen. 

15.  7.  Die  Schmerzen  sind  nicht  ganz  so  heftig,  aber  Pat. 
bricht  noch  gelegentlich  die  Dragees  aus. 

29.  7.    Befinden  gut.   Pat.  fĂŒhlt  sich  wie  „neu  geboren". 
4.  9.    Befinden  anhaltend  gut.    Gallenblase  frei. 

Fall  XII.  Frau  Alma  K.,  34  Jahre.  Seit  3  Jahren  alle  vier 
Wochen  ungefÀhr  3  Tage  anhaltende  LeibkrÀmpfe,  unabhÀngig 
vom  Essen,  stets  gelbes  Aussehen  dabei,  Stuhl  regelmĂ€ĂŸig. 
Letzter  Anfall  vor  3  Tagen. 

13.  7.  Geringer  Ikterus  beider  Skleren,  Leber  palpabel. 
Gallenblase  vergrĂ¶ĂŸert  (?),  stark  druckempfindlich.  Liophtal, 
DiÀt. 

6.  8.    Keinen  Anfall  mehr  gehabt,  Leber  nicht  mehr  palpabel. 

16.  9.  Vollkommen  beschwerdefrei.  Leber  nicht  mehr  pal- 
pabel, Gallenblasengegend  nicht  druckempfindlich. 

Trotzdem  ich  wegen  Raummangel  die  Kranken- 
geschichten nur  stark  gekĂŒrzt  und  in  nicht  vollstĂ€ndiger  An- 
zahl wiedergeben  konnte,  wird  es  dennoch  genĂŒgen,  um  sich 
ein  ungefĂ€hres  Bild  ĂŒber  die  Wirksamkeit  der  Liophtalkur 
bilden  zu  können.  Ich  habe  die  Indikation  zur  Liophtalkur 
nicht  nur  auf  sichere  Cholelithiasis  beschrÀnkt,  sondern  auch 
FĂ€lle  mit  Liophtal  behandelt,  wo  das  Vorhandensein  von 
Steinen  nicht  sicher  gegeben  war  und  nur  ein  Cholezystitis 
als  Ursache  der  Beschwerde  in  Betracht  kam. 

Von  den  12  angegebenen  FÀllen  sind  7  als  vorlÀufig  in  das 
Stadium  der  Latenz  gebracht  zu  betrachten.  (Die  kurze 
Dauer  (6  Monate)  verbietet  natĂŒrlich  von  einer  Heilung  im 
Sinne  der  Restitutio  ad  integrum  zu  sprechen),  das  ist  aber 
auch,  wie  oben  erwÀhnt,  mehr  als  die  medikamentöse 
Therapie  nach  heutiger  Ansicht  zu  leisten  vermag. 

Fall  4  scheidet  aus,  da  eine  Magenblutung  die  Beendi- 
gung der  Kur  verhinderte. 

lieber  Fall  7  ist  noch  kein  Urteil  abzugeben,  da  der  letzte 
Anfall  und  die  erneute  Liophtalkur  noch  zu  kurze  Zeil 
(22.  11.)  zurĂŒckliegt.  Pat.  hat  von  Beginn  der  Kur  (Mai  21) 
stets  nur  ĂŒber  KrampfanfĂ€lle  geklagt,  die  in  AbstĂ€nden  von 
2  Monaten  auftraten. 

Fall  11  wÀre  vielleicht  durch  wiederholte  Kur  in  das 
Stadium  dauernder  Latenz  zu  bringen  gewesen,  doch  lehnte 
die  Pat.  eine  Wiederholungskur  ab,  obgleich  der  RĂŒckfall 
erst  nach  2  Monaten  eingetreten  war,  wÀhrend  sie  vor  der  Kur 
alle  14  Tage  Koliken  hatte. 

Fall  3  ist  vielleicht  als  subjektiv  gebessert  zu  betrachten, 
da  die  KrampfanfÀlle  in  der  letzten  Zeit  nicht  aufgetreten 
sind,  jedoch  ist  objektiv  keine  Besserung  zu  konstatieren  ge- 
wesen. 

Fall  6  ist  völlig  unbeeinflußt  durch  die  Liophtalkur  und 
zwecks  Operation  einem  Krankenhaus  ĂŒberwiesen. 

Zusammenfassend  möchte  ich  sagen,  daß  das  Liophtal 
infolge  seiner  Mischwirkung  besser  als  die  Medikamente,  die 
nur  Einzelwirkungen  erreichen  wollen,  also  wohl  imstande 
ist,  ein  Cholelithiasis  in  das  Stadium  der  Latenz  zu  bringen. 
Liophtal  ist  deshalb  als  brauchbares  UnterstĂŒtzungsmittel 
der  diÀtetischen  Behandlung  anzusehen. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Das  Reichs-Schieds-Amt. 

Von  Dr.  P  n  i  o  w  e  r,  Berge  (Hannover). 

In  der  Hauptversammlung  des  L.  V.  vom  Dezember  1920 
wird  von  der  Aerzteschaft  auch  ein  Reichs-Schieds- 
Gericht  gefordert  —  man  beachte  aber,  daß 
diese  Forderung  unter  den  AbÀnderungsvor- 
schlÀgen zur  R.  V.  O.  steht,  also  eine  gesetzliche 
Festlegung  der  obersten  Schiedsinstanz  will.  Zwar  sind 
die  anderen  auch  gesetzlich  gewĂŒnschten  Einigungs-  und 
Schiedsinstanzen  schon  oft  verlangt  und  ihre  VorlÀufer  von 
mir  an  anderer  Stelle  beschrieben  worden  —  einer  zen- 
tralen Schiedsstelle  gegenĂŒber  haben  wir 
uns    aber    slets     ablehnend    verhalten,  ge- 


schweige denn,  daß  wir  sie  noch  gesetzlich 
eingefĂŒhrt  wissen  wollten. 

Zum  ersten  Male  hört  man  von  einer  reichszentralen 
Spruchstelle  in  der  Sitzung  des  Zentralausschusses  im  Fe- 
bruar 1916,  wo  die  fĂŒnf  großen  KassenverbĂ€nde  ihre  Vor- 
schlÀge zur  Schaffung  eines  Zentralschiedsamtes 
unterbreiten,  welches  als  Revisionsinstanz  gegen  BeschlĂŒsse 
des  Schieds amtes  dienen  soll.  In  der  Sitzung  kam  man 
nicht  zur  Beschlußfassung,  und  da  dies  ĂŒberhaupt  die  letzt  : 
Sitzung  des  Zentral-Ausschusses  war,  so  hörte  man  von  der 
Angelegenheit  nichts  mehr  bis  zum  Jahre  1917,  wo  der  Ge- 
schĂ€fts-Ausschuß des  Aerzte-Vereinsbundes  ĂŒber  das  Zen- 
tralschiedsamt sich  in  ablehnendem  Sinne  Ă€ußert,  desgleichen 
die  erste  Kriegs-Hauptversammlung  des  L.  V.  desselben 
Jahres;  viel  hatte  dazu  wohl  die  Forderung  der  Kassen  bei- 
getragen, daß  Hartmann  und  D  i  p  p  e  bei  reichszentralen 
Abmachungen  ausgeschaltet  werden  sollten.  —  Erst  im  Jahre 
1919  taucht  eine  reichszentrale  Schiedsinstanz  bei  den  Vor- 
verhandlungen des  L.  V.  mit  den  großen  KassenverbĂ€nden 
wieder  auf,  jetzt  Zentraltarifamt  benannt,  aber  bei 
den  Abmachungen  im  Dezember  des  Jahres  ist  von  ihm  nicht 
mehr  die  Rede.  Von  einer  derartigen  Instanz  spricht  zum 
ersten  Male  wieder  erst  der  Reichs-Arbeitsminister  in  dem 
be-rĂŒchtig-ten  Verördnungsentwurfe  „zur  Sicherung  der 
Ă€rztlichen  Versorgung  bei  den  Krankenkassen"  vom  13.  Mai 
1920,  allwo  sie  jetzt  Reichs-Schieds-Amt  benamset 
wird,  wohl  in  Anlehnung  an  ein  stets  fĂŒr  die  der  Gewerbe- 
ordnung unterstehenden  Arbeite]-  gefordertes  Reichs - 
Einigung s-Amt.  Es  ist  hier  das  erste  Mal. 
daß  in  Deutschland  ĂŒberhaupt  eine  Reichs- 
Schiedsstelle  fĂŒr  Arbeitsstreitigkeiten  ge- 
setzlich geschaffen  weiden  soll,  denn  die  zen  - 
tralen  Schlichtungs-AusschĂŒsse  nach  der  „Verordnung"  vom 
23.  12.  1918,  welche  von  bestimmten  Verkehrsanstalten  ein 
gerichtet  werden,  sind  dies  nicht.  Ebenso  kann  nicht  aus 
§  22,  2  dieser  „Verordnung",  nach  welchem  in  wichtigen 
FĂ€llen  das  Reichs-Arbeitsamt  die  DurchfĂŒhrung  der  Eini- 
gungs- und  Schiedsverhandlungen  selbst  ĂŒbernehmen  kann, 
eine  Analogie  auf  eine  reichszentrale  Schiedsstelle  abgeleitet 
werden.  Denn  das  Reichs-Arbeitsamt  ist  wie  die  zentralen 
Schlichtungsausschiis.se  ja  keine  Berufungsinstanz,  welche 
endgĂŒltig  entscheiden  soll,  sondern  ĂŒbernimmt  nur  die  Ob- 
liegenheiten des  neutralen  Vorsitzenden.  Etwas  Anderes  ist 
es  allerdings  mit  dem  „Demobilmachungskommissar", 
welcher  nach  den  Verordnungen  vom  4.  1.  und  24.  1.  1919 
auch  einen  Schiedsspruch  trotz  Nichtannahme  durch  die 
Parteien  fĂŒr  „verbindlich"  erklĂ€ren  konnte  —  er  wird  aber 
dabei  nur  als  teilnehmende  Partei  angesehen.  Auch  der 
Zentralausschuß  des  Berliner  Abkommens  von  1913  ist 
natĂŒrlich  nicht  dafĂŒr  einzusetzen,  schon  weil  er  nur  zur 
DurchfĂŒhrung  des  Abkommens  dienen  sollte  und  auf  frei- 
williger Vereinbarung  beruht.  Reichszentral  sind  auch  nicht 
die  Gewerbe-Berggewerbe-Kaufmannsgerichte  und  die  In- 
nungs-EinigungsÀmter,  welche  einmal  nur  örtlich,  dann  aber 
auch  nur  fakultativ  wirken.  Wohl  waren  die  Schieds- 
instanzen des  Vorentwurfs  und  Entwurfs  zur  R.V.  O.  ge- 
setzlich mit  bindender  Kraft  (Kurierzwang!)  vorgesehen, 
aber  auch  sie  waren  nur  örtlich  und  nicht  fĂŒr  das  Reich  als 
Revisionsinstanz  gedacht.  —  Nun  weiter  geschichtlich:  einige 
Tage  nach  Erscheinen  des  Gesetzentwurfes  spricht  dann  der 
Reichs-Arbeitsminister  am  15.  Mai  von  dieser  seiner  zen- 
tralen Stelle  verschÀmt  als  von  einem  Einigungsamt, 
und  in  der  Antwort  des  L.V.  vom  20.  Mai  heißt  sie  auch 
nur  Schiedsamt.  Aber  getreu  den  gewerkschaftlichen 
Anschauungen,  die  sich  die  großen  KassenverbĂ€nde,  an  der 
Spitze  der  „namens  und  im  Auftrage"  der  anderen  han- 
delnde Hauptverband  der  Orts-Krankenkassen  zu  Eigen  ge- 
macht haben,  tritt  das  Zentral  schied  samt  in  den 
Protokollen  ĂŒber  die  Einigungsverhandlungen  vom  31.  Mai 
und  1.  Juni  wieder  in  den  Vordergrund.  Von  diesen  spricht 
auch  derselbige  Hauptverband  wieder  „namens  und  im  Auf- 
trage" der  anderen  VerbÀnde  am  14.  Juni,  und  zwar  von  zu 
treffenden  Vereinbarungen  ĂŒber  die  Frage  seiner  Errichtung: 


10.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Referate 


225 


aber  in  den  Protokollen  ĂŒber  die  Einigungsverhandlungen 
vom  21.  Juni  ist  von  ibm  nicht  mehr,  nur  noch  vom  Schieds- 
amt, die  Rede,  und  erst  in  der  Entschließung  der  Leipziger 
Hauptversammlung  vom  19.  12.  1920  erscheint  die  Reichs- 
Schiedsstelle  wieder,  jetzt  Reichs-Schieds  -  Gericht 
benannt.  Man  wollte  wohl  außer  den  vielen  Reichs-Aemtern, 
mit  denen  wir  schon  gesegnet  sind,  nicht  noch  ein  neues 
Reichs-Amt  errichten,  dachte  vielleicht  auch  daran,  daß  bei 
einem  „Gerichte"  das  Gerechte  eher  zum  Siege  kĂ€me  und 
unsere  Gerechtsame  besser  gewahrt  werden  wĂŒrden  als  bei 
einem  „Amte",  bei  welchem  ja  die  VerstandestĂ€tigkeit  oft 
nur  als  „Gottesgabe"  hingestellt  wird;  seit  9.  11.  1921  heißt 
die  Stelle  wieder:  R  e  i  c  h  s  -  S  c  h  i  e  d  s  a  m  t. 

Die  Wesensart  eines  Gerichts  bringt  es  aber  auch  mit 
sieh,  daß  man  an  einen  (sog.  neutralen)  Vorsitzenden  und 
gewisse  andere  Unparteiische  denkt.  Hierbei  wiederholt  sich 
dasselbe,  was  ich  mit  berechtigtem  Mißtrauen  gegen  diese 
beim  „kommenden  Schiedsamt"  ausgefĂŒhrt  habe,  was  ich 
heute  an  der  Hand  der  bisherigen  VorschlĂ€ge  ĂŒber  die  Zu- 
sammensetzung der  Reichsschiedsstelle  noch  erweitern  kann. 
Den  Vorsitzenden  will  der  Kassenvorschlag  vom  Staatssekre- 
tÀr des  Innern  ernannt  wissen,  der  Reichsarbeitsminister  aber 
ernennt  in  der  „Verordnung",  wie  ich  sie  kurz  nennen  will, 
einen  Direktor  oder  SenatsprĂ€sidenten,  und  die  „Mitteilung" 
(vom  15.  Mai)  den  PrÀsidenten  des  Reichsversieherungs- 
amtes  selbst.  Die  beiden  „Unparteiischen"  wollen  alle  drei 
aus  Beamten  dieses  Amtes  bestehen  lassen.  Man  lese  dazu 
die  BegrĂŒndung  dieser  VorschlĂ€ge   in   der   Mitteilung  des 

Reichs-Arbeitsministers:  „  ,  unter  Mitarbeit  und  „Leitung 

seitens  einer  völlig  unparteiischen  Stelle.  Mit  RĂŒcksicht  dar- 
auf, daß  das  Arbeitsministerium  gegebenenfalls  zur  Auf- 
stellung der  etwa  nötig  werdenden  gesetzlichen  Schutzmaß 
regeln  berufen  sein  wĂŒrde,  halte  ich  es  fĂŒr  zweckdienlicher, 
wenn  die  erwÀhnte  amtliche  Mitwirkung  einer  anderen 
Reichsstelle  ĂŒbertragen  wĂŒrde,  welche  allseitiges  Vertrauen 


genießt  und  zugleich  die  unentbehrliche  Sachkenntnis  be 
sitzt.  Als  solche  Stelle  kommt  in  erster  Reihe  das  Reichs- 
versicherungsamt  in  Frage"  eine  a  n  d  ere  R  e  i  c  h  s  - 
stelle,  als  ob  die  Aerzte  nicht  wĂŒĂŸten,  daß  seit  Errichtung 
des  Reichsarbeitsamtes  das  Reichsversicherungsamt  diesem 
unterstellt  ist.  Das  Reichsversicherungsamt  ist  eben 
keine  andere  und  dann  auch  nicht  eine  R  e  Ichs  stelle 
das  wÀre  höchstens  das  Reichs-Wirtschaftsa  m  I 
und  dann  auch  keine  u  n  p  a  r  t  e  i  i  s  c  h  e.  Denn  einmal 
gilt  alles  das,  was  ich  frĂŒher  ĂŒber  Staatsbeamte  gesagt  habe, 
auch  heute,  zweitens  hat  die  Stelle  wohl  Sachkenntnis.  Da 
sie  aber  auch  HĂŒterin  der  R.V.  O.  und  somit  des  K.  V.  G.  ist, 
kann  man  ihr  bei  Widerstand  der  widerhaarigen  Aerzte 
nicht  die  notwendige  Unparteilichkeit  gegen  diese  zu- 
sprechen. Aber  auch  die  Sozialpolitiker  im  engeren  Sinne 
möchte  ich  nicht  dabei  wissen,  weil  sie  ja  dem  Wesen  ihrer 
Anschauungen  nach  nur  die  Interessen  einer  grĂ¶ĂŸeren  All- 
gemeinheit, welche  ĂŒber  uns  zur  Tagesordnung  ĂŒbergeht,  im 
Auge  haben;  warum  soll  es  außer  diesen  und  den 
Beamten  keine  Persönlichkeiten  geben, 
welche  zwar  mit  den  Erscheinungen  des  Wirtschaftslebens 
vertraut  sein  können,  aber  doch  nicht  mit  Sachkenntnis,  wie 
die  Beamten  des  Reichsversicherungsamtes,  beschwert  sein 
mĂŒssen?  !  — 

Seit  9.  November  ist  nun  bestimmt,  daß  die  drei  Un- 
parteiischen vom  PrÀsidenten  des  Reichsversicherungs-Amts 
ernannt  werden,  der  auch  den  Vorsitz  fĂŒhren  kann.  Bei 
aller  Hochachtung  vor  dem  Herrn  PrÀsidenten  kann  ich  ihn 
aber  nicht  als  „unparteiisch"  ansehen,  dementsprechend  auch 
unter  UmstÀnden  nicht  die  von  ihm  ernannten  Herren.  Und 
sollten  gar  persönliche  GrĂŒnde  bei  der  Festsetzung  seiner 
Person  mitgewirkt  haben,  so  muß  ich  darauf  bemerken:  wenn 
er  aus  irgendeinem  Grunde  nicht  mehr  PrÀsident  ist,  dann 
ist  man  ĂŒber  die  Person  seines  Nachfolgers  von  vornherein 
im  Ungewissen. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 


Medizinische  Klinik. 

22.  Januar  1022.  18,  Nr.  4. 

Die  Genese  und  Therapie  der  genitalen  Blutungen.     B  c  n  t  h  i  n, 
(‱Grenzen.  Gefahren  und  Mißbrauche  in  der  Psychianailyse.    Stekel.  102. 
Umfrage  ĂŒber  die  nenei  Influenzepidemie.     (Fortsetzung),  105. 
Deher  die  Behandlung  der  Syphilis   mit  Neo-Silbcr-Salvansau  und  andei 
Probleme  der  Salvarsanhchandhing.     F  ary   und   W  o  I  f  f.  100. 

Feststellungen  an   u  liquorkontrollierter.  kliuiseh  beobachteter  STervenlue 
Brock.  .).  107. 

rZur  lokalen  Aniislhesieriing.    Ct  e  r  s  o  n  .  1 
Ueber  vorĂŒbergehenden  Verschluß 
löcher.     A.  Li  n  b  a  r  t.  110. 

Zusammentreffen    von    Poliomyelitis  acuta. 

foriereuder  Appcndicitis.     P.  Hoher, 
'‱lieber  rlerzs'töj-ungen  beim   Scharlach.     11  i  i 
Todesfall  nach  einmaliger  Xovasurolinjectioi 
Schweinerotlauf   beim    Menschen.     Sinn  e  c 
..Sirius",  der  neue  Durcbleuchtungsschirui. 
Scuere  Krfahrungem  mit  der  :;.  Modification 
W  i  n  k  1  e  r  .  W.  F.  tu. 

Die    acuten     infe.ctiösen  Magcn-D.irnierkranku 
H  I  ĂŒ  b  d  o  r  n.  115. 

Kochsalz  als   Mittel  gegen   Kopfschmerzen.     Brandenburg.  K 


L.  109. 

von  Körpcröffnnngcn  mittels  [Taut,.ki 
adultorum  und 


anterio  r 
t  to. 

‱seh.  Stavk 
i.    \l  a  r  I  In  i 
.  O.  113. 
Kili.  I.. 
der  MeinieUe 

des 


[IC  1 


Ii.  ii: 


eraktion  'l> 
SĂ€uglingsaltea 


M.i 


Grenzen,  Gefahren  und  Mißbrauche  in  der  Psychanaljse. 
Kekel  wendet  sich  scharf  gegen  die  analytischen  Ambulatorien 
von  Laien  und  Aerzten,  wie  sie  in  Amerika  und  England  bereits 
angerichtet  .sind,  sowie  gegen  die  analytischen  SpitÀler,  die  er 
Sogar  fĂŒr  schĂ€dlich  hĂ€lt.  Nach  ihm  kann  die  Psychoanalyse 
immer  nur  eine  Individualwissenschafl  sein,  die  fĂŒr  einen  Massen- 
TOtrieb  niemals  geeignet  sein  kann.  Auch  nicht  jeder  Arzt  ist  zum 
Analytiker  tauglich,  und  auch  der  taugliche  mihi  vor  allem  ĂŒbet 
gute  neurologische  und  psychiatrische  Kenntnisse  verfĂŒgen,  um 
gegen  Fehldiagnosen  nach  Möglichkeil  geschĂŒtzt  zu  sein.  Der 


Analytiker  muß  unvoreingenommen  sein,  jeder  Fall  muß  fĂŒr  ihn 
etwas  Neues  bedeuten.  In  der  Therapie  genĂŒgt  es  nicht,  daß  der 
Neurotiker  die  Ursachen  der  Krankheit  einsieht  und  versteht,  er 
muß  auch  den  Willen  zur  Gesundung  haben.  .,Er  muß  die  Wahr- 
heit im  GefĂŒhle,  nicht  allein  im  Intellecte  annehmen.  Sie  muß  das 
Innere  passiert  haben,  sie  muß  ein  Teil  seines  Ichs  werden." 
Vorsicht  sei  auch  in  der  Mitteilung  der  Auflösungen  geboten;  der 
Kranke  muß  entsprechend  vorbereitet  sein.  Der  Analytiker  muß 
sich  bewußt  sein,  und  er  muß  auch  den  Mut  des  EingestĂ€ndnisses 
haben,  daß  nicht  jeder  Fall  zu  heilen  ist;  denn  nicht  allein  vom 
Arzt,  sondern  auch  vom  Patienten  ist  der  Heilerfolg  abhÀngig. 
Verf.  fordert  schließlich  Schulen  fĂŒr  Psychoanalyse  zur  Ausbil- 
dung möglichst  guter  Analytiker  und  zum  Schutz  der  Patienten 
vor  unberufenen  Analytikern. 

Zur  lokalen  AnÀsthesierung.  Die  Herabsetzung  der  Empfind- 
lichkeit der  Haut  durch  Bestreichen  mit  Acid.  carbol.  liquefact. 
benĂŒtzt  Gerson  zur  AnĂ€sthesierung  der  Haut  bei  empfindlichen 
Patienten  vor  einer  Injektion,  bei  Entfernung  kleiner  Hauttumo- 
ren, bei  Inzision  von  Furunkeln,  bei  Anlegung  einer  Naht.  Die 
betreffende  Stelle  wird  mit  einem  dĂŒnn  mit  Watte  umwickelten, 
in  Acid.  carbol.  liquefact.  getauchten  Metall-  oder  HolzstÀbchen 
bestrichen,  bis  sie  weiße  VerfĂ€rbung  zeigt.  Die  AnĂ€sthesie  dauert 
2—3  Stunden,  das  Verschwinden  der  Hautröte  nach  der  Aetzung 
oft  1—2  Monate. 

Ueber  Herzstörungen  beim  Scharlach.  Hirsch  konnte  bei 
60  ScharlachfÀllen  28  mal  Herzstörungen  verschiedenster  Art  be- 
obachten. Ein  Fall  mit  schwerem  septischem  Verlauf  kam  be- 
reits am  8.  Tage  unter  den  Erscheinungen  der  schwersten  Infek- 
tion mit  Herzdilatation,  VasomotorenlÀhmung,  Tonuserschlaffung 
ad  exitum.  In  einer  anderen  Reihe  von  FĂ€llen  wurde  zwischen 
dem  5.  und  21.  Krankheitstage  eine  auffallende  BlÀsse  beobachtet, 
beschleunigter,  irregulÀrer  Puls,  evtl.  Temperaturerhöhung,  he- 
bender Spitzenstoß.    Gleichzeitig  oder  2—3  Tage  spĂ€ter  konnte 


226 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


eine  Verbreiterung  des  Herzens  nach  links,  in  manchen  Fallen 
auch  nach  rechts  festgestellt  werden.  Auch  ein  systolisches  Ge- 
rÀusch, das  sich  allmÀhlich  mehr  und  mehr  ausbildete,  trat  in 
Erscheinung.  Unter  entsprechender  Behandlung  bildeten  sich  alle 
diese  Symptome  in  2 — 3  Wochen  wieder  zurĂŒck:  nur  das  systo- 
lische GerÀusch  blieb  bisweilen  noch  lÀngere  Zeit  bestehen.  In 
einer  dritten  Reihe  von  FĂ€llen  zeigten  sich  ausgesprochene  Herz- 
schÀdigungen, teils  am  Klappenapparat,  teils  am  Herzmuskel  oder 
Reizleitungssyslem.  Temperaturerhöhung,  BlÀsse,  Pulsbeschleu- 
nigung mit  IrregularitÀt,  Dilatation  des  Herzens  nach  rechts  und 
links,  systolisches,  bisweilen  auch  diastolisches  GerĂ€usch  ĂŒber 
allen  Ostien,  starke  Accentuation  des  zweiten  Pulmonaltones, 
manchmal  auch  des  zweiten  Aortentones,  epigastrische  und  Pul- 
sationen im  Jugulum,  hÀufige  Extrasystolen,  in  einzelnen  FÀllen 
auch  Schwellung  der  Fußgelenke  und  Handgelenke,  die  jedoch 
nach  einigen  Tagen  wieder  schwanden.  Auf  Grund  dieser  Be- 
obachtungen kommt  Verf.  zu  dem  Schluß,  daß  dem  Verhalten  des 
Zirkulationsapparates  beim  Scharlach  große  Bedeutung  zukommt, 
und  daß  auch  der  Scharlach  akute  Endo-  bezw.  Myokarditis  ver- 
ursachen kann,  wahrscheinlich  auf  der  Basis  einer  Streptokokken- 
infektion. Silbermann  (Charlottenburg). 

Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

10.  Januar  1922,  Nr.  3. 


Die  Behandlung  der  bösartige]]  GeschwĂŒlste, 
sehe.  83. 


S  a  u  e  r  b  r  u 


il   f.  e  I)  - 


Die  Pharynxsprache  bei  Laryngektomiortcn.    Sudcck.  85. 
♊«♊Die  Bedeutung  der  gruppenweisen  HĂ€magglutination  fĂŒr  die  freie  Trans- 
plantation und  ĂŒber  die  VerĂ€nderung  der  Agslutinationsgruppen  durch 
Medikamente.   Narkose,  Röntgenbestrahlung.     K  d  e  n.  85. 

Leber  nioderhe>  Diphtherieprophylaxe.     Opitz.  87. 

lieber  die  chemische  Zusammensetzung  der  bei  den  serologischen  Luesrteak- 
tionen  gebildeten  Flocken.    Epstein  und  Paul.  89. 

❖,, Novalgin",  ein   neues   Antipyretikum  und  Analgetikum.     (Mit  .">  Kurven.) 
A  u  Q  r.  91. 

♊»♊Ueber    Blutreinfusion    bei    24    FĂŒllen    von    (Jraviditas    extrauterina  rupta. 
Töpler.  92. 

Zur  Frage  des  „allgemein  verbreitet!  n"  Emphysems.     D  u  k  e  n.  P3, 
Cholesteringehalt  der   KiipfVerschcn   Steinzeiten.     Ilistnchcmiscbi"  Reaktion. 
Stöcke  r.  93. 

Fall  von  Myelitis  gripposa  acuta  circumscripta  ndhaesiva.  S  c'm  r  n  mv,  91. 
♊«♊Zur  Behandlung  des  chronischen  MagengeschwĂŒrs.     Kovjanic.  91. 
UnzuverlÀssige  Fieberthermometer.    Scheel.    95.  ' 
Zur  Brandwundenbehandlung.    T  □  n  g  e  r.  B5. 

Eine  abgeÀnderte  Form  des  Saccharometers.    iMit  l  Abbildung.)  Lassar- 
C  o  h  n.  9ö. 

Der  heutige  Stand  der  klinischen  Psychiatrie.    K  r  e  t  8  c  ĂŒ  m  e  r.  9.">. 

Die  Bedeutung  der  gruppenweise!!  HĂ€magglutination  fĂŒr  die 
freie  Transplantation  und  ĂŒber  die  VerĂ€nderung  der  Aggluti- 
nationsgruppen  durch  Medikamente.  Narkose,  Röntgenbestrahlung. 

Die  Agglutination  der  Erythrozyten  durch  bestimmte  Aggluti- 
nine,  damit  eine  Gruppenzusammengehörigkeit  bleibt,  nicht 
immer  bei  demselben  Menschen  konstant.  Medikamente  oder  Vor- 
gÀnge mit  kolloidverÀndernder  Wirkung  beeinflussen  sie  bezw. 
stimmen  sie  um.  Es  ist  unsicher,  ob  die  gleichen  Medikamente 
die  Agglutinationsgruppen  immer  in  derselben  Richtung  ver- 
schieben, ob  sich  aus  der  Wirkungsart  AufschlĂŒsse  ĂŒber  kolloid- 
chemische Fragen,  ĂŒber  die  Wirkungsdauer  von  Medikamenten 
oder  Strahlendosen  gewinnen  lassen.  Bei  gewöhnlicher  Lebens- 
fĂŒhrung behalten  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  die  Patienten 
ihre  Agglutinationsgruppen  bei.  Aenderung  einmal  wÀhrend  der 
Menstruation.  FĂŒr  Bluttransfusion  Forderung,  daß  die  PrĂŒfung 
auf  Agglutination  unmittelbar  vorher  bei  Spender  und  EmpfÀnger 
vorgenommen  wird,  da  Medikamente  und  die  Narkose  eine  Aende- 
run>g  der  Bedingungen  verursachen  können.  Auch  können  Medi- 
kamente nach  der  Transfusion  gegeben  auf  das  Erhaltenbleiben 
der  eingefĂŒhrten  Erythrozyten  Einfluß  gewinnen. 

Novalgin,  ein  neues  Antipyretikum  und  Analgetikum.  Ein 

Pyrazolonderivat,  bewirkt  es  in  Dosen  0,1 — 1,0  g  bei  allen  fieber- 
haften Erkrankungen  eine  schonende  lylische  und  prompte  Ent- 
fieberung. Bei  Kindern  wie  Erwachsenen  jeder  Konstitution. 
Oral:  (i  -10  mal  tĂ€glich  0,1—0,2  oder  3  mal  0,5  g,  parenteral  0;25 
bis  2  g  tÀglich.  Am  sichersten:  intravenös  50  %  ige  Lösung. 
Keine  unangenehmen  Nebenwirkungen.  Spezifikum  gegen  akute 
und  chronische  Polyarthritis  ohne  BerĂŒcksichtigung  etwa  vor- 
handener Herzkomplikationen,  auch  bei  Ischias  und  Muskel 
rheumatismus. 

Ueber  BlutreinfĂŒsion  bei  24  FĂ€llen  von  Graviditas  extra- 
uterina rupta.  Heilung  sÀmtlicher  Patienten  ohne  Komplikationen. 
Ist  der  Na  Cl-Lösung  ĂŒberlegen: 

Zur  Behandlung  des  chronischen  MagengeschwĂŒrs.  Der 
Wismulbelag   schĂŒtzt   das  chronische   peplische  GeschwĂŒr  wohl 


vor  mechanischen  Traumen,  nicht  aber  gegen  die  heilungs- 
hemmende  MagensÀure.  Also  alkalische  Reaktion  durch  Magii: 
peroxydat.,  das  die  MagensĂ€ure  neutralisiert  und  das  GeschwĂŒr 
desinfiziert.  Also:  Bismut.  subgall.  10,0,  Bismut.  subsaecyl.  40,0, 
25%  Magnes.  peroxydat.  50,0,  3  mal  tÀglich  1,0  g  vor  der  Mahl 
zeit,  nachher  etwas  Natron.  v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

Zeitschrift  fĂŒr  ImmunitĂ€tsforschung  und  experimentelle 
Therapie,  Jena. 


19.  Januar  1922,  33,  Heft  6. 


Stoffe  im  Blute  vakzinierter 
443. 


‱^Untersuchungen  ĂŒber  das  Vorkommen  virulizidr 
und  revakziniertcr  Menschen.     F  u  j  i  i,  S 
Die  Löslichkeit  heteropbiler  Rezeptoren,    v.  Gut'feld',  F.  461. 
♊»♊Antigene  Eigenschaften  des  Tuberkulins.    Selig  m  a  n  n  .  S.  und  K  1  o  p 
stock.  F.  lfiT. 

Agg'.utininen  durch  Suspensionen  und  Kol 


die  ReaktionsfÀhigkeit  aktiver  Snra  bei  den 
serologischen  Luesnachweis.  G  e  o  r  g  i  .  F. 
503. 


Rezeptorenapparat 
Zeißschen 


in  der  Parthyphusgruppe., 
FlĂŒssigkeitsiiiterfcrometc: 


Adsorption  von  Bakterien  und 

loide.    B  1  e  y  e  r  .  L.  478. 
Bedeutung  des  Salzgehaltes  fiir 
Ausflockungismethodeu  zum 
und    L  e  Ii  e  n  stein.  II. 
Unti  rsuehnngen     Uber  den 

Schiff.  F.  511. 
Serologische   Studien    mit  Milte 

Bach  in  a  n  n  ,   W.  551. 
Alkalitiit  dir   NÀhrböden,   gemessen    nach   der    Miebaeli.sscben  Indikatorcii- 
methode,  in  ihren  Beziehungen  zum  Baktorionwachstum.    S  t  i  c  k  d  o  r  n. 
576. 

Ueber  das  Vorkommen  virulizider  Stoffe  im  Blute  vakzinier- 
ter und  revakzinierter  Menschen.  Die  Versuche  des  Verfass<  rs 
mit  dem  Serum  wiederholt  geimpfter  Menschen  und  ungeimpfler 
Personen  ergaben,  daß  das  normale  menschliche  Serum  keine 
ablotende  Wirkung  auf  das  Vakzinevirus  ausĂŒbt.  Durch  das 
Serum  geimpfter  Personen  wurde  die  Virulenz  der  Lymphe  etwas 
abgeschwÀcht.  Durch  Neuimpfung  vorbehandelter  Personen 
wurde  trotz  teilweise  starker  Impfreaktion  mit  Pustclbildung 
nur  geringfĂŒgige  Steigerung  der  viruliziden  SerumkrĂ€fte  erzielt.1 

Ueber  antigene  Eigenschaften  des  Tuberkulins.    Durch  viel- 
fach wiederholte  Vorbehandlung  mit   Alttuberkulin   gelang  es, 
Meerschweinchen  bisweilen  gegen'  Tuberkulin  zu  sensibilisieren. 
Als  Zeichen  bestehender  Ueberempfindlichkeit  wurden  festge- 
stellt: 1.  anaphylaktischer  Shock  nach  intravenöser  Reinjektion, 
2.  Aufflammen  alter  Intrakutanstellen  nach  subkutaner  Reiniek-. 
tion,   3.  gelegentliches  Auftreten   des  Arthus'schen  PhÀnomens,; 
welches  sich  in  dem  Auftreten  ausgedehnter  ödematöser  Infiltra-, 
Honen  an  .der  Impfstelle  Ă€ußert. 

W.  Weisbach  (Halle  a.  S.). 

Deutsches  Archiv  fĂŒr  Klinische  Medizin,  Leipzig. 

24.  Januar  1922,  138,  Heft  3—4. 

❖Abgrenzung  und  Entstehungsursachen  des  [nfantilismus.  Borchardt.  u"'. 
❖Was  leistet  das  Röntgenverfahren  fĂŒr  die  FunktionsprĂŒfung  des  Herzens: 
G  r  o  e  d  e  l.  144 

Reststickstoff  im   menschlich!  n   Blut  und   Gewebe    bei   Nierencrkrankuiigeo. . 

B  a  r  a  t  und  H  e  t  e  n  y  i.  154. 
RĂŒckfluß   von   Paukreassaft   in   den   Magen   und   d'e   Bestimmung   der  Salzt 

sĂ€ureresi-.tenz  des  Trypsins.    Denscb  und  RĂŒrup.  ifi:>. 
Die  Serumkonzentration  und  die  ViskositÀt  des  Blutes  bei  der  Basedowschen 

Krankheit.    D  e  u  s  c  h.  17 
Einfluß  der  relativen  Luftfeuchtigkeit  auf  die  unmerkliche  Hautwasserabgabe, 

M  o  o  g.  181. 

❖Untersuchungen  ĂŒber  die  harnstof fbiblende  TĂ€tigkeit  der  Leber  bei  Leber- 
kranken.   H  e  t  e  n  y  i.  193. 
❖Die  Entstehung  des  Cheyne-Stokesscken  Atmens.    Herzog.  200. 

Blutreaktion  und  Dypnoe  bei  Nierenkranken.    Straub  und  Meier. 
❖Tubcrkulosestudien  II.    Fornet.  229. 

Akute,  diffuse,  interstitielle  Myokarditis.    H  a  f  n  e  r.  236. 
Leher  den  Katalasegehalt  des  Blutes  und  seine  diffcrcntlsl-diagnustischc  Be- 
deutung.   S  e  g  a  1  1  und  H  À  n  d  e  1.  243. 

Ueber  Abgrenzung  und  Entstehungsursachen  des  Infan- 
tilismus. Verfasser  teilt  den  universellen  Infantilismus  folgender- 
maßen ein: 

1.  Infantilismus  durch  abnorme  Wachstumsanlage  =  erblicher 
Infantilismus: 

2.  Infantilismus  durch  KeimschÀdigung  (Alkohol,  Blei.  Röntgen- 
strahlen usw.); 

3.  Infantilismus  auf  Grundlage  endokriner  Störungen: 

a)  dysthyreogener  Infantilismus, 

b)  hypophysÀrer  Infantilismus. 

c)  pluriglandulÀrer  Infantilismus: 

4.  Dystrophischer  Infantilismus: 

a)  als  Folge  frĂŒh  (u.  IT.  intrauterin)  erworbener  Infektion 
(Lues,  Tuberkulose.  Lepra,  Malaria,  Pellagra.  Echino- 
kokkus), 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


227 


b)  als  Folge  von  ErnÀhrungsschÀden, 

c)  als  Folge  frĂŒhzeitiger  Intoxikation  (Alkohol), 

d)  bei  angeborenen  und  frĂŒh  erworbenen  Herzfehlern. 

Der  universelle  Infantilismus  ist  ein  gut  abgrenzbarer  He- 
griff, der  mit  dem  Begriff  der  allgemeinen,  gleichmĂ€ĂŸigen  körper- 
lichen und  geistigen  Entwicklungshemmung  gleichgestellt  werden 
darf.  Diese  Entwicklungshemmung  kann  blastogen  oder  soma- 
lisch, ererbt,  durch  KeimschÀdigung  oder  im  intra-  oder  extra- 
uterinen Leben  erworben  sein.  Als  Ursache  des  erworbenen  In- 
fantilismus sind  einerseits  Unterfunktion  endokriner  DrĂŒsen,  an- 
dererseits Infektionen,  Intoxikationen  und  ErnÀhrungsschÀden 
bekannt.  Ein  Teil  dieser  SchÀden  wirkt  allem  Anschein  nach 
durch  Mangel  an  dem  als  wichtiger  und  unentbehrlicher  Wachs- 
tumsreiz bekannten  Lezithin. 

Was  leistet  das  Röntgenverfahren  fĂŒr  die  FunktionsprĂŒfung 
des  Herzens?  Bei  hochgradiger  Muskeldegeneration  sieht  man 
einen  schlappen  Aktionstypus.  Die  Pulsationsbreite  des  Herz- 
rönlgenbildes  lĂ€ĂŸt  keinen  Schluß  auf  TonusvarietĂ€len  zu.  Die 
schlaffe  Silhouettenform  (verstrichene  Randbogen)  finden  wir  bei 
Myodegeneratio.  Feinere  diagnostische  Differenzierungen  lassen 
lieh  auf  Grund  der  Formstudien  nicht  vornehmen.  Speziell  hat 
die  schlaffe  Herzform  nichts  Beweisendes  fĂŒr  Myasthenie,  Neur- 
asthenie, Hypoplasie  usw.  Die  stÀrksten  Grade  der  (beutei- 
förmigen) schlaffen  Herzsilhouetten  sehen  wir  bei  Dilatatio 
cordis,  die  schÀrfste  Randzeichnung  bei  Hypertrophia  cordis.  Als 
frĂŒhzeitig  feststellbares  Röntgensymptom  der  Herzinsuffizienz  ist 
nur  die  Beschattung  der  Hilusgegend  im  Röntgenbild  zu  nennen. 
|  Untersuchungen  ĂŒber  die  harnstoffbildcnde  TĂ€tigkeit  der 
Leber  bei  Leberkranken.  1.  Durch  genaue  Analysen  gelingt  es, 
in  pathologischen  ZustÀnden  der  Leber  die  Störung  ihrer  harn- 
stoffbildenden TĂ€tigkeit  nachzuweisen. 

2.  Diese  Störung  besteht  darin,  daß  die  Synthese  eingefĂŒhrter 
Aminonsalze  zu  Urea  nicht  so  rasch  wie  bei  Lebergesunden  vor 
sich  geht.  Statt  ungefĂ€hr  24  Stunden  nimmt  sie  48 — 72  Stunden  in 
Anspruch. 

3.  Diese  Funktionsstörung  war  bei  der  atrophischen  Cirrhose, 
bei  luetischer  Hepatitis  und  beim  Icterus  catarrhalis  eine  aus- 
gesprochene, wogegen  der  einfache  mechanische  Stauungsikterus 
mit  keiner  Funktionsabnahme  einhergeht. 

4.  Aus  diesem  Grunde  ist  es  ratsam,  in  der  DiÀt  der  Leber- 
kranken jedwede  Eiweißbelastung  zu  vermeiden,  doch  ist  eine 
ĂŒbertriebene  Eiweißreduktion  im  Sinne  obiger  Untersuchungen  im 
gleichen  Maße  unnötig. 

Ueber  die  Entstehung  des  Ch'eyne-Stokesschen  Atmens.  Die 
bisherigen  Hypothesen  ĂŒber  Cheyne-Stokessches  Almen  befriedi- 
gen nicht.  Die  Beobachtungen  des  Verfassers  an  9  FĂ€llen  be- 
weisen, daß  beim  Cheyne-Stokesschen  Atmen  die  Selbststeuerung 
periodisch  schwankt  und  daß  diese  Schwankung  nicht  eine  Folge 
dieses  Atmungstypus  sein  kann,  sondern  primÀr  ist;  nach  seiner 
Annahme  wird  das  Cheyne-Stokessche  Atmen  durch  diese  Zu-  und 
Abnahme  der  Selbststeuerung  verursacht.  Es  lassen  sich  hier- 
durch alle  Eigenschaften  des  PhÀnomens  erklÀren. 

Beim  Entstehen  dieser  periodischen  Atmung  scheint  eine  in- 
dividuelle Eigenschaft  eine  Rolle  zu  spielen,  welche  beim  Kranken 
ebenso  vorhanden  ist  wie  beim  Gesunden.  Unter  gewissen  Um- 
stÀnden beim  Gesunden  und  bei  Krankheiten,  die  auch  auf  das 
Nervensystem  einwirken,  tritt  diese  Eigenschaft  —  die  periodisch 
Schwankende  Selbststeuerung  der  Atmung  —  in  stĂ€rkerem  Grade 
hervor  und  fĂŒhrt  zum  Periodischwerden  der  Atmung. 

Tuberkulosestudien  II.  (Ein  Tuberkulose-Diagnostikum.)  Die 
bisherigen  Agglutinationsversuche  mit  Tuberkelbazillenemul 
sinnen  sind  wieder  fallengelassen  worden.  Ihr  Versagen  kann 
nicht  in  einer  immunbiologischen  Ausnahmestellung  der  Tuber- 
kulose begrĂŒndet  sein,  sondern  muß  an.  der  bisherigen  Unvoll- 
stĂ€ndigkeit  der  Technik  liegen.  Versuche  hatten  gezeigt,  daß  die 
FettwachshĂŒlle  des  Tuberkelbazillus  kein  Artmerkmal,  sondern 
nur  die  Eigenschaft  eines  bestimmten  Zustandes  des  Tuberkel 
Bazillus  ist.  Es  lag  der  Gedanke  nahe,  den  Tuberkelbazillus  unter 
Schonung  seines  spezifischen  Plasmas  nach  Mögliehkeil  von 
dieser  HĂŒlle  zu  befreien  und  ihm  so  die  drei  durch  den  Fett- 
wachsmantel  geraubten  Eigenschaften  wiederzugeben:  Die  Emul- 
Rierbarkeit,  die  Beeinflußbarkeit  durch  Immunserum  und  die 
FÀhigkeil,  zur  Bildung  wirksamer  Antikörper  anzuregen.  Das 
gelang  in  nahezu  idealer  Weise  durch  dampfförmigen  Aelher. 
Die  Fetlsubstanzen  werden  gelöst  und  die  zurĂŒckbleibende  Emul- 
sion bildet  die  Grundlage  fĂŒr  eine  brĂ€uchbare  Agglutinations- 
FlĂŒssigkeit.  Das  so  gewonnene  „Tuberkulösediagnöstikum"  wird 
von  dem  Serum  Tuberkulöser  spezifisch  agglĂŒlinierl  und  zwar  in 
SerumverdĂŒnnungen  bis  zu  1  :  M)  und  mehr.  Die  Handhabung 
isl  Àhnlich  der  des  Ficker  sehen  Diagnostikums  Bei  Typhus. 


Es  ergab  sich  bei  93%  der  Tuberkulösen  eine  positive  und  bei 
95  %  der  Nicht-Tuberkulösen  eine  negative  Agglutination.  Ver 
fasser  empfiehlt  den  Vergleich  mit  der  in  Deutschland  noch 
wenig,  in  Frankreich  an  Zehnlauscnden  von  FĂ€llen  erprobten 
Komplementbindungsmethode  von  B  e  s  r  e  d  k  a. 

ĂŒ.  S.  Tarnow  (Ghnrlollcnburg-YYcsleiid  . 

Archiv  fĂŒr  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten,  Berlin. 

6.  Dezember  1921,  «4.  Hell  3. 

‱{♩/.ui'   Differentialdiagnose  zwischen    Dementia  pr&ocoj    und    Hysterie  ĂŒezv. 

Psychogenie.    VV.  i  e  Ii  m  a  n  n  .  A.  s.vr. 
SterblichkeitsverliÀWnisse     und     Sektionsbefunde     bei     Rpil'eptischcn  und 

Schwachsinnigen.    (!  a  n  t  e  c  .  E.  285. 
Pawinoische  Formen  des  manisch-depressiveii  Irreseins.    M  e  y  e  r .  8.  290, 
AffektÀnderungen.    K.  1  u  g  e  .  A.  ."507. 

Praktische  Intelligenz  und  moralische   ImbezillitÀt.    Galant,  S,  :'.::!>. 

Zur  Differentialdiagnose  zwischen  Dementia  praecox  und 
Hysterie  bzw.  Psyehogenie.  Die  Differentialdiagnose  zwischen 
Dementia  praecox  und  Hysterie  bereitet  oft  die  grĂ¶ĂŸten  Schwie- 
rigkeiten. Die  Symptomatologie  beider  Erkrankungen  Àhnelt  sich 
in  vielen  Beziehungen.  Hingewiesen  sei  nur  darauf,  daß  eine 
Dementia  praecox  nicht  selten  mit  hysleriformen  Symptomen  ein- 
setzt und  daß  katatonische  Erscheinungen  auch  bei  Hysterie  be- 
obachtet werden.  An  einem  eingehend  erörterten  Fall  wird  die 
Schwierigkeit  der  sicheren  Diagnosestellung  gezeigt:  bei  dem 
Kranken  hatte  sich  zunÀchst  ein  rein  psychogenes  Zustandsbild 
entwickelt.  SpÀter  traten  eine  Beihe  von  schizophrenen  Er- 
scheinungen hinzu,  die  aber  bei  psychologischer  Zergliederung 
auch  als  rein  psychogen  aufgefaßt  werden  konnten.  Eine  zwei- 
felsfreie Entscheidung  war  nicht  möglich.  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r, 

Monatsschrift  fĂŒr  Psychiatrie  und  Neurologie,  Berlin. 

Dezember  1921,  50,  Nr.  6. 

Ein  Fall  von  Hypophysem^angzyste.    W  o  1  p  e  r  t ,  J.  8f8. 
♩^Vorkommen  elementarer  KrĂ€mpfe  bei  Katatonie.     B  n  u  s  <■  Ii  .   VV.  319, 
❖Das  Zwerchfellzentrum  in  der  Gehircrinde  und  de*  SingiiWus.    K  n  a  p  i>  . 
A.  333. 

Ueber  einen  unter  denn  Bilde  der  Landrysehen  Paralyse  verlaufenen  Fall 
von  Encephalitis  epidemica.   W  e  i  m  a  n  u  ,   W.  357. 

Zum  Vorkommen  elementarer  KrÀmpfe  bei  Katatonie.  Es 

werden  zwei  FĂ€lle  von  Katatonie  beschrieben,  bei  denen  im  Ver- 
lauf der  Psychose  elementare  KrampfanfÀlle  auftraten.  In  dem 
einen  Falle  bestand  hereditÀre  Belastung  mit  genuiner  Epilepsie, 
beide  FĂ€lle  wiesen  in  der  Kindheil  Erscheinungen  auf,  die  eine 
erhöhte  Kampfbereitschaft  andeuteten.  Charakterologisch  be- 
standen bereits  vor  Einsetzen  der  KrampfanfÀlle  psychische  Ver- 
Ă€nderungen im  Sinne  einer  Epilepsie.  In  dem  zweiten  Falle  be- 
stand ein  merkwĂŒrdiger  Wechsel  in  den  motorischen  Krank- 
heitserscheinungen, indem  Stuporzustand  und  Akinese  von  Er- 
regung und  elementaren  KrÀmpfen  mehrfach  abgelöst  wurden. 
Die  KrÀmpfe  wurden  nur  beim  Einsetzen  und  Abklingen  des 
Stuporzustandes  beobachtet;  niemals  wurde  durch  sie  eine  kata- 
tone  Starre  unterbrochen;  dagegen  leiteten  sie  mehrfach  allge- 
meine motorische  Erregung  mit  impulsiven  Handlungen,  Vcrbi- 
geration  und  lebhafter  Halluzinose  ein.  —  Es  wird  angenommen, 
daß  der  der  Psychose  zugrunde  liegende  endogene  Prozeß  den 
palhogenischen  Boden  abgibt,  auf  dem  eine  konstitutionell  vor- 
handene Neigung  zur  KrampffÀhigkeit,  zur  Krampfbereitschaft 
wird.  Schon  das  Alternieren  von  kataleptischen  Erscheinungen 
und  stuporösen  ZustÀnden  mit  KrÀmpfen  und  motorischer  Er- 
regung weist  auf  eine  gewisse  Verwandtschaft  dieser  verschie- 
denen Erscheinungen  der  MotilitÀt  hin.  Die  KrÀmpfe  erscheinen 
also  als  ein  zur  Psychose  gehöriges  Symptom  auf  motorischem 
Gebiete  und  sind  als  symptomatische  KrÀmpfe  bei  Katatonie  an- 
zusprechen. Es  handelt  sich  hier  um  eine  besondere  konstitutionelle 
FÀrbung  der  Katatonie,  die  sich  auf  dem  Boden  der  MotilitÀt  be- 
merkbar macht,  nicht  aber  um  eine  Kombination  zweier  Krank- 
heitseinheiten :  ,, Epilepsie"  und  „Katatonie".  Entsprechend  an- 
deren endogenen  Erkrankungen  kann  somil  von  symptomatischen 
KrÀmpfen  bei  Katatonie  gesprochen  werden. 

Das  Zwerchfellzentrum  in  der  Gehirnrinde  und  der  Singultus. 

Neben  einem  bulbÀpen  Zwerchfellzentrum  ist  ein  kortikales  Zen- 
trum anzunehmen,  das  der  willkĂŒrlichen  Beeinflussung  der 
Zwerchfellbewegung  und  der  t'eherlragung  der  Psychorcflexc 
auf  den  Zwcrchfellmechanismus  dient.  Entsprechend  gibt  es 
neben  dem  bulhÀren  Singultus,  der  reflektorisch  bei  Druck  auf 
Vagus  oder  Sympathikus  oder  direkt  durch  Reizung  des  Phreni- 
kus bzw.  seiner  Ohlongnlakcrnc  entstehen  kann,  einen  durch 
Heizung  des  Zwerchfcllzenlrums  in  der  Großhirnrinde  bedingten 
Singultus.     Es  werden  8  derartige  FĂ€lle  teils  eigener  Beobach- 


228 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahrg.  — 


Nr.  10. 


tung.  teils  aus  der  Literatur  zusammengestellt.  Aus  einem  Fall 
von  Bergmark  scheint  hervorzugehen,  daß  das  Zwerchfell- 
zentrum in  der  oberen  HĂ€flte  des  Fußes  der  zweiten  Stirnwin- 
nung,  und  zwar  vor  der  Naht  des  Arm-  und  Beinzentrums  in  der 
Nachbarschaft  des  Zentrums  fĂŒr  die  Bauchmuskulatur  und  im 
Zusammenhang  mit  dem  inspiratorischen  Atemzentrum  zu  suchen 
ist.  Auf  Grund  einer  ganzen  Anzahl  von  FĂ€llen  ist  aber  an- 
zunehmen, daß  es  weit  von  dieser  Stelle  entfernt  noch  eine 
zweite  Stelle  gibt,  von  der  aus  Singultus  zustande  kommen  kann, 
und  zwar  in  unmittelbarem  Zusammenhang  mit  den  Zentren  fĂŒr 
die  Phonation,  das  Kauen  und  Schlucken  am  Fuß  der  vorderen 
Zcntralwindung.  Es  ist  aber  zu  vermuten,  daß  die  erste  Stelle 
das  eigentliche  Zwerchfellzentrum  ist  und  daß  der  von  der 
zweiten  Stelle  aus  ausgelöste  Singultus  darauf  zurĂŒckzufĂŒhren 
ist.  daß  von  hier  aus  eine  Reihe  von  Assozinlionsfasern  aus- 
gehen, die  die  im  Fuß  der  Zentralwindungen  sitzenden  Zentren 
mit  dem  weiter  oben  gelegenen  Zwerchfellzentrum  verbinden. 

W.  M  isch  (BerlinV 

BeitrÀge  zur  Klinik  der  Tuherkulose,  Berlin. 

14  Januar  1922,  49,  Heft  3. 

❖(ĂŒlit   es    e'nr    Ausheilung  Tuhrtfcul  ?     Bleibt    «lau  >ch  Tuberkulin? 

empfindlichkeit  und  ImmunitĂ€t  zurĂŒck?    K  r  a  e  m  e  r  .  C.  -'.'ifl. 
❖Influenza  hei  Tuberkulosen.    L  u  n  «1  c  .  N".  27?,. 

♩Untersuchungen  auf  Tuherkulose  in  einem  thĂŒringischen  Dorfe.  Kreiss- 
mann. 288. 

Die  Bedeutung  der  v>,«omntorische.i  Erregbarkeit  der  Haut  fĂŒr  den  \us- 
fall  der  Pirauetschen  Kutanreaktion  aj«  Ausdruck  eines  spezifischen 
und  unspezifischen  „Reizzustandes"  des  Körpers.  Röcke  mann.  TV. 
301. 

Statistische  Mitteilungen   ĂŒber   phthisische   Erkrankungen   bei    versebi«  den 

genauen  Sektionsmethoden.    S  c  hi  r  p .  K.  .10* 
Das  Blutbild  der  Tuberkulose  im  Hochgebirge.    Ell  ol  l  ,  W  320. 
Zur  Klinik  unklarer  ehroniselier  Lunsenprozes^e.    Gerbsrti,  H.  854. 
❖Zur  HĂ€ufigkeit  der  tuberkulösen  Infektion  im  Schillilter.  V  o  n  e  s  s  e  n.  357. 

Gibt  es  eine  Ausheilung  der  Tuberkulose?  Bleibt  danach 
Tuberkulin empfindliehkeit  und  ImmunitĂ€t  zurĂŒck?  (Die  Anergie 
als  Antwort.)  Die  vielfach  unklaren,  sich  teilweise  widersprechen- 
den Anschauungen  ĂŒber  die  Bedeutung  der  Tuberkulinreaktion 
sowie  ĂŒber  die  Möglichkeit  einer  völligen  Ausheilung  der  Tuber- 
kulose lassen  sich  hei  kritischer  Betrachtung  der  Literatur  sowie 
auf  Grund  von  Erfahrungen  des  Verf.  einheitlich  erklÀren.  In 
den  Mittelpunkt  der  ausfĂŒhrlichen  Erörterungen  stellt  K.  die  Tat- 
sache, daß  die  Tuberkulinreaktion  nur  da  nachweisbar  ist,  wo 
das  betreffende  Individuum  Antikörper  produzierende  Tuberkel - 
hazillen  beherbergt;  nach  völliger  Ausheilung  der  Tuberkulose,  sei 
diese  spontan  oder  durch  physikalische  Behandlungsmethoden  oder 
durch  Tuberkulintherapie  erfolgt,  erlischt  die  Anergie:  auch 
grĂ¶ĂŸte  Tuberkulindosen  lösen  ebensowenig  eine  Reaktion  aus.  wie 
sie  dies  bei  einem  gesunden,  völlig  tuberkulosefreien  Individuum 
tun.  Das  Vorkommen  einer  solchen  vollkommenen  anatomisch- 
bakteriologischen Heilung  ist  durch  Sektionsbefunde  bestÀtigt. 
Mit  dem  Eintritt  der  Anergie  schwindet  auch  die  ImmunitÀt: 
diese  ist,  ebenso  wie  die  Anergie  ein  Ausdruck  des  Vorhanden- 
seins von  Antikörpern.  Die  in  neuerer  Zeit  von  verschiedenen 
Autoren  angenommenen  Reinfektionen  im  spÀteren  Lebensalter 
stehen  im  Einklang  mit  der  Annahme  des  Verlustes  der  Im- 
munitĂ€t nach  vollkommener  Heilung  frĂŒherer  Infekte. 

Influenza  bei  Tuberkulösen.  Typisches  und  atypisches  Fieber. 
Bei  einer  Influenzaepidemie  in  einem  Lungensanatorium  wurden 
zwei  verschiedene  Typen  des  Fieberverlaufs  beobachtet:  eine 
sthenischc  und  eine  asthenische  Form  der  Fieberkurve.  Die 
Sterblichkeit  bei  den  FĂ€llen  mit  asthenischem  Fiebertypus  war 
ungleich  grĂ¶ĂŸer  als  bei  den  mit  sthenischem  Fiebertyp  verlaufen- 
den FĂ€llen.  Die  Ă€ußerliche  Aehnlichkeit  der  beiden  Fieber- 
kurven mit  Wachstumskurven  von  Choleravibrionen  bei  optimaler 
und  bei  tieferer  Temperatur  sind  fĂŒr  den  Verf.  die  Veranlassung, 
die  beiden  Typen  von  Fieberverlauf  als  Spiegelbild  verschie- 
denen Wachstums  der  Erreger  und  dadurch  bedingter  verschie- 
dener Reaktion  des  Organismus  aufzufassen.  Zum  ausfĂŒhr 
licheren  Referat  sind  diese  recht  willkĂŒrlich  erscheinenden  hypo- 
thetischen Anschauungen  sowie  die  sich  daran  knĂŒpfenden  epi- 
demiologischen ErwÀgungen  nicht  geeignet.  Die  altbewÀhrte  Be- 
handlung mit  heißen  GetrĂ€nken  und  warmen  Packungen  gewinnt 
fĂŒr  den  Verf.  auf  Grund  seiner  Theorien  besondere  Bedeutung- 
.,sie  erleichtert  dem  Organismus  die  eigene  thermische  Reaktion". 

Untersuchungen  auf  Tuberkulose  in  einem  thĂŒringisches 
Dorfe.  Das  Fehlen  einer  einwandfreien  Statistik  ĂŒber  die  HĂ€ufig- 
keit der  Tuberkulose  macht  es  wĂŒnschenswert,  an  kleineren  Be- 
völkerungskomplexen auf  diesen  Punkt  gerichtete  Untersuchungen 
vorzunehmen.     In  einem    thĂŒringischen    Dorfe    von    1300  Ein- 


wohnern wurden  solche  Untersuchungen  angestellt:  es  handelt 
sich  um  eine  wesentlich  mit  recht  ungesunder  Heimarbeit  be- 
schÀftigte Bevölkerung,  die  in  der  ganzen  Umgegend  als  stark 
tuberkuloseverseucht  verschrien  war.  Auf  Grund  von  Infor 
mationen  durch  Fragebogen  wurden  die  TuberkuloseverdÀchtigen 
festgestellt;  ein  großer  Teil  aller  Kinder  wurde  der  Pirquet - 
impfung  unterzogen:  Von  den  Vorschulpflicliligen  reagierten 
20  %,  von  den  Schulpflichtigen  80  %  positiv.  Die  mit  besonderer 
BerĂŒcksichtigung  der  Tuberkulose  vorgenommene  schulĂ€rztliche 
Untersuchung  ergab  keine  auffallend  hohe  Zahl  von  aktiven  oder 
ausgeheilten  Tuberkulosen  oder  Skrofulösen.  Auch  die  Unter- 
suchung der  Erwachsenen,  soweit  sie  sich  meldeten,  konnte  die 
Meinung  von  der  besonders  starken  Durchseuchung  der  Bevölke- 
rung mit  Tuberkulose  nicht  stĂŒtzen.  Die  Besichtigung  der  Woh- 
nungen ergab  sehr  ungĂŒnstige  hygienische  VerhĂ€ltnisse,  ohne  daß 
allerdings  hier  ein  deutlicher  Zusammenhang  mit  der  HĂ€ufigkeit 
tuberkulöser  Erkrankungen  in  den  betreffenden  Familien  nach- 
weisbar gewesen  wÀre. 

Zur  HÀufigkeit  der  tuberkulösen  Infektion  im  Schulalter.  Es 

wurden  von  650  SchĂŒlern  einer  Volksschule  in  Köln-Lindenthal 
550  der  Pirquetimpfung  unterzogen:  es  ergaben  sich  nositive  Er- 
gebnisse in  57  %  aller  untersuchten  FĂ€lle,  bei  den  Kindern  von 
6  bis  7  Jahren  war  die  Reaktion  in  49%,  bei  den  SchĂŒlern  im 
Alter  von  13  und  14  Jahren  in  76  %  positiv.  Aus  Ă€ußeren  GrĂŒn- 
den wurde  die  Impfung  bei  negativem  Ausfall  nicht  wiederholt. 
In  Anbetracht  der  Tatsache,  daß  die  Mehrzahl  der  Kinder  aus 
hygienisch  recht  gĂŒnstig  gestellten  Kreisen  stammen,  erscheinen 
die  Zahlen  recht  hoch.  Manifeste  Tuberkulose  fand  sich  nur  in 
zwei  FĂ€llen.  Wolff  'Hamburg 

Monatsschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Leipzig. 

Januar  1922.  22.  Nr.  4. 

❖  Laktation  und  Menstruation.    S.  I".  n  g  e  1.  545. 
❖Bronchiekrasie  im  Kindesalter.    Piltz.  .Vit. 

Makrogenitosomia.     G  a  b  s  c  h  u  8  m  .  f..  r>"4. 
Distemum  hepaticum   beim   Kinde.     B  i  Ii  I  m  e  y  c  r  .   G.  567. 
❖Sepsis  Im   SĂ€ug-linKsalter.    S  t  r  a  u  s  k  y  .  E.  und   S  c  Ii  i  I  I  o  r  .  E.  .'iflo. 

❖  Herzmassage  beim  Wegbleiben  d|.r  Kinder.    .T  a  p  b  a  .  A.  ."i97. 
H&utblutungen  bei  UrÀmie.    Kaulen.  G.  ."i99. 

Laktation  und  Menstruation.  Auf  Grund  zahlreicher  Beob- 
achtungen in  Klinik  und  Privatpraxis  nimmt  Verfasser  an.  daß 
der  Wiedereintritt  der  Menstruation  bei  mangelhaft  sezernieren- 
den  BrĂŒsten  die  Folge  des  Nachlassens  der  BrusttĂ€tigkeit  ist. 
In  den  Kurven,  die  den  MilchrĂŒckgang  darstellen,  spiegelt  sieh 
das  Einsetzen  des  Menses  in  keiner  besonderen  Weise  wieder. 
Die  Annahme,  daß  die  Milchsekretion  infolge  der  wiederein- 
tretenden Menstruation  nachlĂ€ĂŸt,  mĂŒĂŸte  demnach  fallen  gelassen 
werden. 

Beitrag  zur  Kenntnis  der  Bronehiektasie  im  Kindesalter.  Die 

kritische  Studie  zahlreicher  einschlÀgiger  FÀlle  und  Beobach- 
tungen bestĂ€tigt  aufs  Neue  die  Anschauung,  daß  zylindrische  wie 
sackförmige  Bronehiektasie  eine  im  Kindesalter  durchaus  nicht 
so  seltene  Erkrankung  ist.  Es  ist  wohl  anzunehmen,  daß  eine 
Reihe  von  erst  in  spÀteren  Jahren  erkannten  FÀllen  schon  im 
Kindesalter  sich  entwickelt  hat.  Klinisch  kann  die  Erkrankung 
so  geringe  Symptome  darbieten,  daß  man  bei  ungewöhnlich  lang 
dauernder  Pneumonie  stets  an  sich  entwickelnde  Bronehiektasie 
denken  sollte.  Aetiologisch  ist  die  SchÀdigung  der  Bronchial- 
wand das  wesentlichste  Moment,  wÀhrend  VerÀnderungen  des 
Lungengewebes  und  der  Pleuren  eine  untergeordnete  Roll«> 
spielen  dĂŒrften. 

BeitrÀge  zur  Kenntnis  des  Sepsis  im  SÀuglingsÀlter.  Bericht 
ĂŒber  3  FĂ€lle  von  Sepsis  bei  SĂ€uglingen.  An  sich  stellt  die  Sepsis 
einen  Sammelbegriff  dar,  unter  dem  verschiedene  Krankheits- 
formen  zusammengefaßt  werden.  Ein  Fall  bot  das  Bild  einer 
MelÀna  mit  schweren,  allgemeinen  HÀmorrhagien  und  unstill- 
baren Blutungen,  das  Kind  war  2  Monate  alt,  also  jenseits  der 
Neugeborenenperiode,  was  besonders  bemerkenswert  ist.  Bei 
dem  zweiten  Fall  gelang  es  den  Verfassern,  die  enlerale  Invasion 
''Proteus)  nachzuweisen.  Der  dritte  Fall  ist  insofern  beachtens- 
wert, als  er  zeigt,  daß  SeptikopyĂ€mie  im  SĂ€uglingsalter  eine 
myeloische  Reaktion  im  Blutbild  verursachen  fcÀnh. 

Herzmassage  beim  Wegbleiben  der  Kinder.  Verfasser  hat 
schon  vor  10  Jahren  ĂŒber  gĂŒnstige  Erfolge  mit  Herzmassage  beim 
Wegbleiben  (Herzstillstand  bei  Spasmophilie  berichtet.  Seitdem 
hat  er  weitere  gute  Resultate  mit  dieser  Methode  erzfeil. 

Kack  eil  (Hamburg). 


Aus   de  ii    neuesten  Zeitschriften 


IM 


tu.  Jahrg.  —  Nr.  10. 

Kurtschritte  aui°  dein  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 

28,  Holt  6. 

❖Zum  Problem  der  Reizwirkung  der  Röntgenstrahlen.  Biologische  Ergebnisse 
aus  Versuchen  au  l'flanzen.  11  a  1  l>  e  r  s  t  a  c  d  t  e  r  .  L.  und  Simons. 
A.  4B8. 

❖Zur  Röntgendiagnostik  der  Gallensteine.    Rieder,  11.  512. 
Zur  Frage  der  doppelten  Konturierung  des  Herzschaiteus  im  Röntgenbilde 

bei  Perikarditis.    A  m  e  1  u  n  g  .  W.  519. 
Köntgenologischer  Befund  in  zwei  FÀllen  von  metastatischem  Karzinom  der 
WirbelsÀule  und  klinisch  sowohl  wie  röntgenologisch  unbekanntem  l'ri- 
mÀrherd.    Scholz,  TU.    625.  1 

Perforation  4er  Speiseröhre  und  Röntgendurchleuchtung.   Ii  c  r  «  c  r  ,  11.,  . 
Der  rndiologisc.be  Befund  bei  Knocheukraukheiten.    Kienböck.  K.  538. 
Zur     Röntgeudiaguose     des     seltene»    tiefsitzenden  Ösophagusdivertikels. 

Freud,  J.  559. 
Zur  Röntgenologie  der  Prostata.    Kraft,  F.  562. 

Die  Bilhnrziosis  des  Harusystems  und  ihre  röntgenologische  Diagnostik. 
L  o  t  s  y.  569. 

Ein  Beitrag  zur  Lungeiueichnung.    S  a  1  o  m  o  n  .  F.  574. 
Die  AbhÀngigkeit  des  Röntgenstrablenspektrujns   von   der  Spannuugskur\ e 

Kckert.  575. 
Eine  seltene  Fraktur  der  WirbelsÀule.    Sorge.  577. 

Zur  röntgenologischen  Symptomatologie  und  zur  Pathologie  des  Pneumo- 
thorax Anhang:  Drei  FÀlle  von  ..UeberblÀhung  des  Mediastinums". 
Fleischner.  F.  578. 

Zum  Problem  der  Reizwirkung  iler  Röntgenstrahlen.  Seit 
900  sind  eine  ganze  Reihe  biologischer  Versuche  angestellt  wor- 
en,  um  an  Pflanzensamen  die  W  irkung  der  Röntgenstrahlen  zu 
ergrĂŒnden.  HalberstĂ€dter  und  Simons  haben  an  Saat- 
bohnen und  Saatweizen  experimentiert  und  kommen  zu  folgenden 
SchlĂŒssen:  1.  Praktisch  kann  auch  die  kleinste  Strahlenmenge 
auf  lebendes  Gewebe  schon  eine  Reizwirkung  ausĂŒben.  2.  Die 
Reizbreite  steht  in  einem  umgekehrten  VerhÀltnis  zur  Strahlen- 
empfindlichkeit der  Zelle.  3.  Innerhalb  der  Reizbreite  stellen  die 
mittleren  Dosen  das  Reizoptimum  dar,  darĂŒber  hinausgehende 
oder  darunter  bleibende  Dosen  lösen  eine  flĂŒchtigere  und  ge- 
ringere Reizwirkung  aus.  4.  Jeder  Reizerscheinung  geht  eine  ge- 
wisse Latenzzeit  voraus.  Dieselbe  steht  in  einem  umgekehrten 
VerhÀltnis  zur  Strahlenempfindlichkeit  und  zur  Strahlenmenge. 
5.  Jedem  schĂ€digenden  Strahleneinfluß  geht  erst  ein  Reizstadium 
voraus,  dessen  Dauer  in  einem  umgekehrten  VerhÀltnis  zur 
Strahlenempfindlichkeit  und  zur  Strahlenmenge  steht. 

Es  kann  also  die  biologische  Wirkung  der  Röntgenstrahlen 
auf  die  lebende  Zelle,  je  nach  der  GrĂ¶ĂŸe  der  Dosis  und  der  vor- 
handenen Strnhlenempfindlichkeit  und  zur  Strahlenempfindlich- 
keit, sich  Ă€ußern: 

L  als  Reiz,  der  zu  einer  schwachen  und  rasch  wieder  abklin- 
genden oder  zu  einer  stÀrkeren  und  nachhaltigen  Funktions- 
steigerung fĂŒhrt; 
2.  als  anfÀnglicher  Reiz,   der    durch    nachfolgende  Hemmung 
wieder  abgeschwÀcht  oder  kompensiert  wird: 
.  als  SchÀdigung,  von  der  sich  die  Zelle  wieder  völlig  erholt 

(eventuell  nach  anfÀnglichem  Reiz); 
I    als  irreparable  SchÀdigung  der  Zellfunktion  (eventuell  nach 

anfÀnglichem  Reiz); 
.  als  Zelllod  (eventuell  nach  anfÀnglichem  Reiz). 

Zur  Röntgendiagnostik  der  Gallensteine.  Professor  Roeder 
ehandelt  eingehend  dieses  bisher  wenig  gepflegte  Gebiet  und 
kommt  zu  dem  Resultate,  daß  die  röntgenographische  Feststellung 
der  Gallensteine  nicht  so  schwierig  sei,  wie  bisher  angenommen 
wurde.  Michaelis  ('Bitter fehl  . 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie,  Jena. 

1922.  :>4,  Heft  1 

♩Folgen  der   Hyperthymisation.     Dem  cl.  437. 

Werl    des    „stalagmomctrischen    Quotienten"    fĂŒr    die  Differcntlaldiagnose 
zwischen  benignem  und  maligneim  Tumor.    Schemen  ski.  451. 
❖Zur  Appcndizitisfrage.    Rheindorf.  463. 

Spei«eröhrencrweiterung   und   C  irdi jspasmus.     Meyer,   H.  484. 

Blutzucker  bei   chirurgischen   Erkrankungen.     S  e  i  t  z.  514. 
❖Duodeinaldivcrtikel.    H  o  1  z  w  e  i  s  s  i  g.  627. 

Körperfremde  Zellgebilde  im  Kropf.     XI  e  r  k.  554. 

Beobachtungen  ĂŒber  die  Folgen  der  Hyperthymisation.  Nach 
Komoioplastischer  Implantation  von  Thymusgewebe  bei  Ratten 
konnten  in  der  Hauptsache  folgende  Wirkungen  festgestellt  wer- 
den: Die  Hyperthymisation  fĂŒhrt  zu  reichlichem  Fettansatz;  die 
Ratten  sind  lebhafter  und  krÀftiger  entwickelt.  Das  LÀngen- 
wachstum der  Knochen  wird  angeregt.  Die  Epiphysenfuge,  bzw. 
die  Knorpelwucherungszone,  ist  breiter  als  bei  den  Kontroll- 
lieren.  Eine  Beeinflussung  der  ĂŒbrigen  innersekretorischen  Or- 
gane konnte  nicht  festgestellt  weiden 


Zur  Appendioitisfrage.  Rheindorf  tritt  wieder  fĂŒr  die 
Anschauungen  ein,  die  er  bereits  ausfĂŒhrlich  in  seiner  Mono- 
graphie „Die.  W unnfortsat/.entzĂŒndung '  (1920;  niedergelegt  hat, 
ohne  wesentlich  neue  Punkte  ZU  berĂŒhren.  Er  behauptet,  daß 
das  Krankheitsbild,  das  wir  als  chronische  Appcndicitis  zu  be- 
zeichnen pflegen  und  das  wir  aus  den  bekannten  Symptomen  der 
dauernden  quÀlenden,  bohrenden  oder  krampfartigen  Schmerzen 
in  der  Blinddarmgegend  mit  oder  ohne  vorausgegangenen  ty- 
pischen Anfall  diagnostizieren,  garnichts  mit  einer  EntzĂŒn- 
dung des  Wurmfortsatzes  zu  tun  habe;  diese  Beschwerden  sollen 
durch  EingeweidewĂŒrmer  —  fast  ausnahmslos  Oxyuren  —  her- 
vorgerufen werden.  Die  differentialdiagnoslische  Abgrenzung 
dieser  Erkrankung  kann  unter  l  instand«,  n  schwierig  sein;  es 
wird  hĂ€ufig  fĂŒr  die  bestehenden  Schmerzen  eine  Bctrollexio  uteri, 
ein  Magenulcus,  eine  ĂŒvarie  usw.  verantwortlich  gemacht  und 
der  Kranke  demgemĂ€ĂŸ  behandelt,  ohne  daß  die  Beschwerden 
schwinden;  eine  sachgemĂ€ĂŸ  durchgefĂŒhrte  W  urmkur  wĂŒrde  dann 
den  Patienten  heilen.  Lie  akute  eitrige  Appendizitis  ist  insofern 
in  ursÀchlichen  Zusammenhang  mit  den  Oxyuren  zu  bringen,  als 
sie  durch  sekundÀre  Infektion  der  von  den  Oxyuren  gesetzten 
Schleimhautdefekte  entsteht;  ein  normaler,  keine  WĂŒrmer  ent- 
haltender Wurmfortsatz  kann  demnach  nicht  an  einer  akuten 
Appendizitis  erkrankem.  Außer  der  akuten  und  chronischen 
Appendizitis  stellt  Rh.  noch  das  Krankheitsbild  der  A.  catarrhalis 
superficialis  auf:  diese  Form  soll  durch  eine  toxische  Wirkung 
der  Oxyuren  hervorgerufen  werden;  den  Beweis  hierfĂŒr  bleibt 
Rh.  schuldig.  Die  Appendektomie  wegen  der  bisher  als  „chro- 
nische Appendizitis"  bezeichneten  Erkrankung  ist  nach  Ansicht 
des  Verfassers  völlig  zu  verwerfen:  die  richtige  Therapie  ist 
eine  anthelminthische  Kur.  Die  Appendizitis  ist  mit  geringen 
Ausnahmen  demnach  als  eine  prophylaktisch  vermeidbare  Krank- 
heit anzusehen:  die  Prophylaxe  hat  sich  gegen  die  Verbreitung 
der  Oxyuren  zu  richten.  Die  Anschauungen  Rheindorf's  sind 
noch  sehr  bestritten.  Ref.; 

Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Duodeualdivertikel.  2C  FĂ€lle 
von  Duodenaldivertikel  werden  eingehend,  zum  Teil  mit  mikro- 
skopischem Befund,  beschrieben.  An  allen  Teilen  des  Duodenum 
können  solche  vorkommen.  PrÀdilektionsstelle  ist  die  Umgebung 
der  Papilla  Vateri.  Die  in  der  NĂ€he  des  Pylorus  sitzenden  Aus- 
stĂŒlpungen, die  hĂ€ufig  mit  einem  I  leus  vergesellschaftet  sind, 
mĂŒssen  fast  stets  als  Traktionsdivertikel  angesehen  werden;  ihre 
Wandung  besteht  aus  allen  drei  Darmschichten.  Die  ĂŒbrigen 
Divertikel  sind  erworbene  Pulsionsdiverlikel:  sie  stellen  eigent- 
lich nur  Schleimhauthernien  dar,  die  entlang  eines  BlutgefĂ€ĂŸes 
oder  des  Ductus  choledochus  durch  die  Muskulatur  der  Darm- 
wand hindurehtreten. 

K.  YY  o  h  1  g  e  m  u  t  h    Berlin  . 

Zeitschrift  fĂŒr  Geburlshilfe  und  GynĂ€kologie,  Stuttgart. 

November  1921.  84,  Heft  2. 

❖  Die    l'nzuverlĂ€ssigkeit  der   Serumuntersuchung   auf   Syphilid  bei  Sehua/s- 

.  geren  und  GebĂ€renden.    BtĂŒhmtr,  A.  und  Dreyer.  K.  289. 

Haben  auch  VerĂ€nderungen   der   kindlichen   EihĂ€ute    Einfluß  auf  die  Zeit 
des  BlasensprungsV     N  a  Ii  j  b  k  s  ,  H.  304. 

lieber  die  Indikationsstellung  zur  Retraasfusion  in  die  Bauchhöhle  ergosse- 
nen  Blutes.    Zimmer  m  a  n  n  ,   Robert.  335. 
♩Beitrag  zur  Behandlung  des  fieberhaften  Aborts  und  einiges  ĂŒber  die  kri- 
minellen Aborte  ĂŒberhaupt.    Offermann.  Walter.  356. 
❖Zur  Uebertragung  pathogener  Keime  zwitschern  der  Kreissenden  und  Wöch- 
nerin und  dem  Neugeborenen.    C  1  a  u  ß  .  E.  385. 
❖Zur  Klinik  der  TubargraviditĂ€t,  insbes.  ĂŒber  das  spĂ€tere  Schicksal  operier 
ter  FĂ€lle  nebst  Bemerkungen  ĂŒber  die  Reinfusion  bei  Rupturen.  Löhn- 
b  e  r  g  ,  Ernst.  404. 

I  i  her  das  Körpergewicht  Schwangerer  und  den  Einfluß  der  bevorstehenden 
tieburt  auf  dasselbe.     Lorenzen.   H.  426. 

Ein    Beitrag   zum    Wesen    der   Saprophyten   des    weiblichen  tJenitalkanals. 
S  te  j  ii  Ii  e  r  g  ,  Adolf.  447. 

Zur   Frage   der   Vakzinediagnostik    und   -therapie   der   aszendierenden  Go- 
norrhoe des  Weibes.    Weinzierl.  Egon  R.  468. 

UnzuverlÀssigkeit  der  Serumuntersuchung  auf  Syphilis  bei 
Sehwangeren  und  GebĂ€renden.  Verff.  stellten  an  grĂ¶ĂŸerem  Mate- 
rial Untersuchungen  ĂŒber  die  Frage  an,  ob  es  sich  empfiehlt, 
Schwangere  und  GebÀrtmde  auf  Lues  zu  untersuchen.  Von  den  in 
Betracht  kommenden  Blutentnahmequellen  erwies  sich  Nabel- 
schnurvenenblut als  nicht  verwertbar,  da  es  auch  bei  sicher  fest- 
stehender Lues  zuweilen  negative  Reaktion  gab,  Retroplazentar- 
venenblut  lieferte  sehr  unsichere  Ergebnisse,  am  ehesten  ist  Arm- 
venenblut der  Mutter  verwertbar. 

Unter  den  serologischen  Methoden  erwies  sich  Sachs-Georgi 
als  am  brauchbarsten,  da  hierbei  am  seltensten  unspezifische  po- 
sitive Reaktion,  d.  h.  positiver  Ausfall  bei  sicher  nicht  luetischer 
Frau  gefunden  wurde,  etwas  hÀufiger  unspezifische  positive  Re- 
aktion gab  die  Originalmethode  Wassermann,  noch  mehr  deren 


230 


Aus 


den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Modifikation  nach  Sinn.  Dieser  positive  unspezifischc  Ausfall 
bei  GebÀrenden  wird  auf  Leber-  oder  Plazentarslollwcchselpro- 
dukte  zurĂŒckgefĂŒhrt. 

Verff  kommen  zum  Schluß:  Die  Serumuntersuclumgen  wah- 
rend der  Schwangerschaft  und  besonders  wÀhrend  des  Gebar- 
aktes sind  nicht  zuverlÀssig  und  rechtfertigen  daher,  obwohl  an 
sich  iede  Möglichkeit,  die  luetische.  Durchseuchung  des  \  o  kes 
einzudĂ€mmen,  ins  Auge  gefaßt  werden  muß,  nicht  die  aus  plan- 
mĂ€ĂŸiger DurchfĂŒhrung  in  den  GebĂ€ranstalten  erwachsende  Be- 
unruhigung. 

Zur  Behandlung  des  fieberhaften  Abortes  und  einiges  ĂŒber 
den  kriminellen  Abort.  Verf.  bekÀmpft  die  aktive  Therapie  beim 
fieberhaften  Abort  und  tritt  fĂŒr  abwartende  Behandlung  ein,  wo- 
bei er  zwischen  völlig  exUpektativem  Verhalten  einerseits  und 
anfÀnglich  abwartender,  aber  nach  Entfieberung  zur  AusrÀumung 
schreitender  Behandlung  des  noch  nicht  erledigten,  d.  h.  noch 
blutenden  Abortes  unterscheidet.  Er  belegt  seine  Auffassung  nnt 
einem  Material  von  74  fieberhaften  Aborten  der  Gießener  Klinik 
aus  den  Jahren  1919  und  1920,  von  denen  jedoch  10  wegen  Sonder- 
stellung nicht  verwertbar  sind.  Bei  den  restlichen  64,  hallen 
waren-  24  exspektativ  behandelte  mit  4  %  Komplikationen  und 
4  %  MortalitÀt,  19  wurden  zuerst  abw  artend,  dann  aktiv  behandelt, 
mit  0  %  Komplikationen  und  0  %  MortalitÀt,  12  wurden  in  der 
Klinik  aktiv  mit  33  %  Komplikationen  und  0  %  MortalitÀt .  be- 
handelt  6  poliklinisch  aktiv  mit  100  %  Komplikationen  und  .33  A 
MortalitĂ€t.  Verf.  folgert  hieraus,  daß  die  aktive  der  völlig  oder 
anfÀnglich  abwartenden  Therapie  unterlegen  ist,  insbesondere  bei 
kriminellen  Aborten,  bei  denen  noch  Uterusperforationen  vor- 
liegen können  Einzelheiten  ĂŒber  die  Bedeutung  der  hĂ€molytischen 
und  anhÀmolytischen  Streptokokken.  ( An  de m  riesig  zu  nennen- 
den Material  der  1.  und  II.  MĂŒnchner  Umv.-h  rauenklmik  wird 
die  aktive  Therapie  auch  beim  fieberhaften  Abort  mit  guten, 
Erfolg  eingehalten.  Ref.) 

Aus  dem  Anhang  ĂŒber  kriminellen  Abort  sei  hervorgehoben, 
daß  nach  den  Feststellungen  des  Verf.  auf  7  Ledige  12  Verhei- 
ratete aus  Arbeiterkreisen  kommen.  .(Dieses  VerhÀltnis  bestÀtigte 
sich  auch  in  den  gerade  abgeschlossenen  MĂŒnchner  Massenpro- 
zessen gegen  81  Frauen  und  MĂ€dchen,  wo  es  sich  um  weitaus 
mehr  Verheiratete  als  Ledige  handelte.  Ref.) 

Zur  Uebertragung  pathogener  Keime  zwischen  der  Kreissen- 
den und  Wöchnerin  und  dem  Neugeborenen.  Verf.  machte  bei 
65  MĂŒttern  und  Neugeborenen  Abimpf ungen  von  Brustwarzen  und 
Vagina  bezw.  kindlichem  Mund  und  Rectum.  Die  hÀmolytischen 
Keime,  meist  Staphylokokken,  fanden  sich  an  der  mĂŒtterlichen 
Brust  fast  stets  bedeutend  frĂŒher  als  im  Mund  des  Neugeborenen, 
so  daß  der  KeimĂŒbergang  von  der  Mutter  auf  das  Kind  als  die 
Regel  in  umgekehrter  Richtung  als  Ausnahme  anzusehen  ist. 
AnhĂ€molytische  Keime  fanden  sich  stets  an  der  mĂŒtterlichen 
Brust  Die  Besiedelung  der  Brustwarzen  mit  hÀmolytischen 
Keimen  nahm  im  Lauf  des  Wochenbettes  zu.  Daß  anhamoly- 
lische  Keime  von  der  Brust  in  die  MilchdrĂŒsen  gelangen  und  so- 
zusagen retrograd  hÀmolytisch  werden,  erscheint  nach  systema- 
tischen Milchuntersuchungen  nicht  wahrscheinlich. 

Verf  versuchte,  durch  anliseptische  UmschlÀge  und  Behand- 
lung mit  pulverisiertem  Zucker  die  Bakterien  zu  bekÀmpfen.  Er- 
gebnis- Es  erscheint  nicht  zweckmĂ€ĂŸig,  durch  energische  Be 
kĂ€mpf ung  der  Keime  grĂ¶ĂŸere  Keimarmut  zu  erstreben,  da  man 
diese  zwar  erreichen  kann,  aber  nur  um  den  Preis  einer  Zu- 
nahme der  Rhagaden  und  damit  einer  BeeintrÀchtigung  der  Still 
fĂŒhigkeit.  Es  empfiehlt  sich  daher  die  Beibehaltung  der  ĂŒblichen 
prophylaktischen  Betupfung  der  Brustwarzen  mit  60  %  Alkohol 
und  Behandlung  etwaiger  Rhagaden  mit  Perubalsam,  Benzoe- 
sÀure-Glyzerinmischung. 

Zur  Klinik  der  TubengraviditĂ€t,  insbesondere  ĂŒber  das  spĂ€tere 
Schicksal  der  operierten  FĂ€lle.  Die  Ursache  der  Tubengraviditat 
liegt  vermutlich  in  katarrhalischen  .  VerÀnderungen  der  lube. 
Trotz  der  naheliegenden  Annahme,  daß  solche  VerĂ€nderungen 
meist  doppelseitig  sind,  ergaben  die  Untersuchungen  der  Verff., 
daß  doch  sechsmal  mehr  Patienten,  nachdem  sie  wegen  Tuben- 
graviditÀt einseitig  operiert,  wieder  normal  intrauterin  gravi'! 
wurden  als  rezidivierend  in  der  anderen  Tube.  Damit  wird  die 
derzeit  herrschende  operative  Praxis,  bei  Tubengraviditat  nur 
die  gravide  Tube  zu  entfernen,  bestÀtigt.  Die  Operation  hinter- 
laßt im  ĂŒbrigen  meist  normalen  Genitalbefund,  nur  ein  Drittel 
der  FĂ€lle  wies  bei  den  Nachuntersuchungen  entweder  Infiltra- 
tionen auf,  die  keine  Beschwerden  machten,  oder  Relroflexio 
Ii  x  ci  t  n 

Von  der  Retransfusion  des  in  die  freie  Bauchhöhle  ergos- 
senen frischen  Blutes  sahen  die  Verff.  in  14  FĂ€llen  nur  Gutes. 
(Auch  Ref.  sah  erst  vor  wenigen  Tagen  wieder  in  der  Doder- 
leinschen  Klinik  die  wunderbar  belebende  Wirkung  der  Auto- 


liansfusion,  zugleich  aber  auch  den  großen  aseptischen,  dazu 
erforderlichen  Apparat  und  die  bei  nicht  auf  gleich  souverÀner 
Höhe  stehenden  Operateuren  vielleicht  peinlich  anmutende  Span- 
nung der  ersten  Minuten,  bis  man  an  dem  großen  blutgefĂŒllten 
Trichter  das  tatsÀchliche  Einlaufen  des  Blutes  in  die  Spermatical- 
vene  wahrnehmen  kann.)  Kuhn  (MĂŒnchen). 

Archiv  fĂŒr  GjnĂ€kologie,  Berlin. 

24.  Oktober  1921,  115,  Heft  1. 

»M'rimat    der   Eizelle,    Corpus   luteum,    Menstruatiohszyklus    und    (ienc-e  der 
Myome.    S  e  i  t  z  .  L.  l. 
❖Der  meĂ€suelle  Zyklus  bei  akut-  und  chronisch-entzĂŒndlichen  Adncxerkran- 
kungen.    S  eh  rĂŒder.  R.  und  Neue  n  d  o  r  f  i  ■  V  i  e  k  .   Frieda.  i.">. 
Beitrag-  zur  Frage:     Herzfehler  und  Schwangerschaft.     Werner.  P.  und 
Stiglbauer,  Rud.  41. 

❖  Weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Nierenfiinktion  hei  gesunden  und  kranken 
.Schwangeren  und  Entbundenen.    W  e  r  11  e  t  .  P.  63. 

❖  Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  ToxizitĂ€t  von  Plazentalipniden.  mit 
Bezug  auf  die  Aetogenese  der  Puerperaleklampsie.    S  c  h  ii  n  f  c  1  d  .  II.  E.  H. 

80. 

BeitrÀge  zur  Frage  der  Osteophytenbildung  in  der  Schwangerschaft.    Die  y- 
f  u  ß  ,  Ed.  126. 

Die  Ulzerationen  der   Vagina.  Zugleich  Mitteilung  ĂŒber  je  einen  Fall  von 
sog.    ule.    rotundum    u.    nie.    varicos.    vaginae.     .Schröder,    B.  nun 
K  u  h  1  m  a  n  n  .  E.  A.  145. 
Zur  Kenntnis  des  Papillom«  portionis  uteri,  ins  bes.  des  Papiiloma  vemico- 

sum.    M  e  y  e  f  .  Robert.  167. 
FebCT  ein  sehr  junges  menschliches  Ei  in  situ.    Temesrary.  Xik.  IM. 
Zur  Bildung  des  Frnierenleistenbandes  und  zur  Adenomyomlehre.    M  e  >  e  r. 
R.  199. 

Primat  der  Eizelle,  Corpus  luteum,  Menstruationszyklus  und 
Genese  der  Myome.    Von  seinen  mit  YVintz  und  Fingerhut  vorge- 
nommenen bekannten  grundlegenden  Corpus  luleum-Untersuchun- 
een  ausgehend  betont  S.,  entgegen  R.  Meyer,  daß  nicht  das  hl. 
sondern  die  Sekretion  des  Corpus  luteum  die  Menstruationsblutung 
bewirke,  insbesondere  spreche  auch  dafĂŒr,  daß  selbst  nach  Emp- 
fÀngnis   also   bei   lebendem    Ei,  Menstruation   vorkommt.  Die 
SelbstÀndigkeit  der  Theca-  und  Luteinzellen  geht  nach  S.  insbes. 
auch  daraus  hervor,  daß  erst  wenn  das  Ei  ausgetreten  und,  sich 
rÀumlich  von  dem  Follikel  trennend,  seine  Wanderung  begonnen, 
die  Theca-  und  Luteinzellen  in  hohem  Maße  zu  wachsen  beginnen, 
die  temporĂ€re,  innersekretorische  DrĂŒse  des  Corpus  luteum  nun- 
mehr bildend.  .-..-,./>     u     i  t 
Die  Wirkung  der  inneren  Sekretion  ist  auch  fĂŒr  die  Geschwulst- 
lehre bedeutsamer,  als  man  z.  Z.  annimmt.    Es  ist  nach  S  irrig, 
zu  glauben,  daß  es  im  Klimakterium  die  verminderte  Blutzufuhr 
zu  den  Genitalien  ist,  welche  die  Myome  nicht  mehr  wachsen  laßt, 
HyperĂ€mie  kann  fĂŒr  die  GeschwĂŒlste  schon  deshalb  nicht  so  be- 
deutsam sein,  weil  ja  gerade  in  den  blutleeren  atrophischen  Uten 
und  BrĂŒsten  der  Greisinnen  die  meisten  Karzinome  entstehen 
So  wie  der  französische  Physiologe  Gley  neuerdings  von  Harmo- 
zonen  spricht,  die  als  normale  Sekrete  der  endokrinen  Druse  Bil- 
dung und  Wachstum  eines  Organs  bewirken,  so  könne  man  analog 
annehmen,  daß  pathologisch  verĂ€nderte  Hormone  auch  blastoma- 
töses  Wachstum  bewirken.    Es  mĂŒsse  daher  das  Gescnwulst- 
nroblem   allgemein   durch   vertiefte   biologisch-chemische  For- 
schung neben  den  Arbeiten  der  rein  morphologisch  orientierten 
Forscher  gefördert  werden. 

Der  menstruelle  Zyklus  bei  akut-  und  chronisch-entzĂŒndlicher 
Adnexerkrankungen.  Zum  Ausbau  und  zur  Vertiefung  der  vor 
Hitschmann  und  Adler  geschaffenen  Lehre,  wonach  die .  glandn 
lÀr-endometriti  sehen  Bilder  nur  verschiedene  Funktionsbilder  da 
normalen  Uterusschleimhaut  sind,  untersuchen  die  Verff.  m  lot 
FĂ€llen  die  vonNoxen  getroffene  Uterusschleimhaut.  Das  duret 
Operation  erhaltene  Material  ergab:  Bei  nur  wenige  Tage  altei 
EntzĂŒndung  war  deren  Bild  (Infiltrate,  ^m*ℱlY  ^'«IZ 
normal  mit  Eiern.  Follikeln  und  Corpora  lutea  erhalten  geblie 
benen  Zyklusbild  aufgepfropft,  wÀhrend  bei  stÀrkerer,  langei 
dauernder  EntzĂŒndung  dieses  Bild  Verwischt  war,  Corpora  Ilde; 
nicht  mehr  auffindbar,  Ovarien  von  Abszessen  durchsetzt.  Da, 
Endometrium  neigt  aber  sehr  zur  Restitution,  so  daß,  wenn  di. 
Vdnexoperalion  wegen  Beschwerden  gemacht  wurde,  das  Endo 
metrium  selbst  sich  hÀufig  als  ausgeheilt  darstellte,  woraus  sie 
ergibt  daß  die  Schleimabsonderung  nur  noch  aus  der  Zern, 
erfolgt  sein  konnte.  Therapie  ist  daher,  wenn  es  sich  nicht  im 
isolierte,  ohne  Einwirkung  der  Adnexe  ablaufende  Endometritg 
z  B.  post  abortum,  infolge  Tumoren,  Polypen  usvv.  handelt. ni 
auf  Ausheilung  des  Zervixkatarrhes  zu  richten,  intrauterine  Spul 
ehandlung  aber  streng  zu  meiden.  Klinisch  wurden  die  bekann 
feT  symitome,  Schmerlen,  peritonitische  Erscheinungen,  unregd 
mĂ€ĂŸige  Blutungen  gefunden. 

Weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Nierenfunktion  bei  ge- 
sunden und  kranken  Schwangeren.  Die  Untersuchungen  des  Ver 
an  der  Wiener  Univ.-Frauenklinik  bestÀtigen  die  schon  mehrtac 


40.  Jahrg.  — Nr.  10. 


A  u  s    (1  e  n    ii  6  u  c  s  1  c  n    /  <‱  i  I  s  <‱  Ii  ritt  e  h 


,  von  anderer  Seile  erhaltenen  Ergebnisse,  daß  bei  leichlen  Albumi 
nui'ien  geringe,  bei  schweren  eine  starke  Störung  der  NaCl-Aus 
Scheidung  sowuhl  hinsichtlich  Menge  als  Konzentralion  eintritt, 

[  ebenso  Störung  der  Wasserausscheidung,  dagegen  nur  in  ganz 
geringem  Grade  der  N-Ausseheidung.  Der  liĂŒckgang  der  Funk- 
tionsstörungen erfolgt  na c'n  der  Geburl  entsprechend  der  Schwere 

V  der  vorangegangenen  Störungen,  aber  im  allgemeinen  VerhÀltnis 
mĂ€ĂŸig  rasch,    hei  dekompensierlen  Vitien  fand  sich  Verzögerung 
der  N-  und  NaCl-Ausscheidung  sowie  BeeintrÀchtigung  der  Kon- 
vent ralionsfÀhigkeit  der  Niere.    Oer  einzige  Fall  von  chronischer 

■  Nephritis  interessiert  weniger,  weil  die  Frucht  abgestorben 
[.monatelang  relinierl  wurde.    W.  kommt  zu  dem  auch  fĂŒr  den 

■  Praktiker,  welcher  leicht  sicli  die  einzelnen  Urinportionen  seiner 
k  Patienten  aufheben  lassen  -und  sie  quantitativ  und  wenigstens 
t  hinsichtlich  des  spezifischen  Gewichtes  bestimmen  kann,  verwert- 
E  baren  Resultat,  daß,  wahrend  bei  Gesunden  außerordentliche 
■Schwankungen  hinsichtlich  Menge  und  Konzentration  der  cinzel- 
■nen  Portionen  vorhanden  sind,  bei  den  Kranken  eine  gewisse 
MSlarrheit  auffallt,  „die  ElastizitĂ€t  der  Niere  ist  verloren  ge- 
■gangen".  (Den  Kennern  des  Volhardschen  Werkes  sowie  der  Ar- 
beiten von  Fetzer,  Eckeil,  Holzbach,  v.  Jaschke  ist  diese  Tal- 

■  sache  gelĂ€ufig.  Die  Arbeit  erweist  jedoch  aufs  Neue  den  Werl 
der  Funktionsproben.  Ref.) 

Experimentelle    Untersuchungen     ĂŒber    die    ToxizitĂ€t  von 
Plazentalipoidcn  mit  bezug  auf  Eklampsie.    Verf.  bereitete  nach 
l  genau  beschriebenem  Verfahren,  dessen  Einzelheiten  im  Original 
i  nachzulesen  sind,  Aelher-  und  Alkoholextrakte  aus  Plazenta,  die 
er  inlrapleural  bei  MĂ€usen  injizierte.    Aelherextrakt  hatte  keine, 
Alkoholextrakt  gute  Wirkung,  Glyzerinzusatz  wirkte  aktivierend. 
Von  gewissen  Dosen  ab  traten  Konvulsionen  ein,  autoptisch  fan- 
den sich  eklamptische  Leber,  Nierendegeneration.    Die  Ursache 
fĂŒr  die  Konvulsionen  in  der  Eklampsie  liegt  in  einem  von  der 
I  Plazenta  in  den  giftfĂŒhrenden  Lipoiden  ausgeschiedenen  Stoff, 
welcher  aber  infolge  der  normalerweise  ausgeschiedenen  Gegen- 
\  gifte  nur  ausnahmsweise  Eklampsie  erzeugen  kann.  Therapeu- 
f  tisch  folgt,  daß  man  den  Giftspiegel  im  Blut  durch  Aderlaß  herab- 
setzen soll  (die  Zweifel'sche  Aderlaßtherapie,  Ref.),  worauf  die 
I  entnommene  FlĂŒssigkeitsmenge  durch  Ringer'sehe  Lösung  zu  er- 
»setzen  ist.   Aus  dem  selteneren  Auftreten  der  Eklampsie  wÀhrend 
I  des  Krieges  in  Deutschland  folgert  Sch.,  daß  Vermeiden  von  Feit 
I.  und  Fleisch  nĂŒtzlich  sei,  und  die  MilchdiĂ€t  nicht  so  notwendig,  als 
■.von  französischer  Seite  angenommen  wird,  da  ja  den  deutschen 
»Frauen  keine  MilchdiĂ€t  zur  VerfĂŒgung  gestanden  habe.    Die  so- 
■forligc  Darmentleerung  nach  Pinard  wird  von  Sch.  fĂŒr  zweck 

■  mĂ€ĂŸig  erachtet,  da  vom  Darm  aus  vielleicht  ein  aktivierender 

■  Stoff  ins  Blut  gelange.   Wissenschaftlich  tritt  Verf.  fĂŒr  vermehrte 
Lipoidenbestimmung  im  Blut  gravider  ein,  da  die  Lipoide  die 

[eigentlichen  GifttrĂ€ger  seien.  Kuhn  (MĂŒnchen). 

Archiv  fĂŒr  Hygiene,  MĂŒnchen  und  Berlin. 

1921,  90,  Heft  6,  7,  S. 

Desinfektionswirkung  wÀsseriger  Formaldshydlösungen.  (S  c  g  ein  Ii  a  u  e  r, 
V.  239. 

❖Kritische  Untersuchungen  Uber  die   Aetiologic  der   Influenza.  Angerer, 
C.  v.  254. 

Einfluß  schlechter  kohlensĂ€urereicher  Luft  sowie  von  Lichtabschluß  auf 
wachsende  Tiere.    C  r  o  p  p  ,  F.  279. 

Abtotung  der  Tuberkelbazillen  im  Sputum  mit  chemischen  Desinfektions- 
mitteln.   Uhlenhutb,  P.  und  Jötten.  \\ .  291. 

Beitrag  zur  Frage,  der  InvasionsfÀhigkeit  der  im  amerikanischen  Speck 
enthaltenen  Trichinen  nebst  Versuchen  Uber  den  Einfluß  der  Tröcken- 
pökehing  auf  die  LebensfĂ€higkeit  der  Muskeltrichinen.    S  ĂŒ  s  k  i  n  d  ,  E. 

33G. 

Kritische  Untersuchungen  ĂŒber  die  Aetiologie  der  Influenza. 
Auswertung  der  Ergebnisse  von  183  veröffentlichten  Arbeiten. 
Aus  diesen  ergibt  sich,  daß  die  positiven  Influenza-Bazillen 
Befunde  bei  Epidemiebeginn  vereinzelt  sind  und  mit  der  Dauer 
'.der  Epidemien  zunehmen.  Von  zahlreichen  Autoren  wurden 
Influenza-Bazillen  nicht  gefunden,  obwohl  sie  in  verschiedenen 
Krankheitsstadien  verschiedene  Teile  des  RespirationstraktĂŒs, 
teilweise  mit  nachgeprĂŒften  NĂ€hrböden,  unter  gĂŒnstigen  Bedin- 
gungen absuchten.  Auch  mikroskopisch  wurden  hier  keine  Be- 
funde von  Influenzabazillen  erhoben.  Verf.  schließt  daraus,  daß 
in  großen  Gebieten  Deutschlands  im  Anfang  der  Grippeepidemien 
Influenzabazillen  nicht  vorhanden  waren.  Zwei  Herde  scheinen  be- 
standen /.ii  haben,  einer  in  der  Gegend  Straßburg,  Heidelberg, 
Germersheim,  Koblenz,  Marburg,  ein  anderer  in  der  Gegend 
Breslau,  Prag,  Tcschen,  Troppau.  Bei  nichl  an  (n  ippe  erkrankten 
Personen  wurden  Influenza-Bazillen  hÀutig  gefunden,  mancher 
|  Orts  sogar  hÀufiger  als  bei  Grippekranken.  Impfung  eines  Affen 
durch  Tröpfchen  von  Influenza-Bazillenkultur  und  Sputum  blieben 
erfolglos.    Andererseits  war  versprĂŒhtes  Sputum  fĂŒr  Menschen 


hochgradig  infektiös,  wenn  es  von  Grippekranken  stammte,  auch 
wenn  keine  Influenza  Bazillen  nachzuweisen  w  aren.  Verf.  schließ! 
daraus,  daß  der  Erreger  der  Grippe  ein  nach  den  gewöhnlichen 
Methoden   nicht  darstellbares  Gebilde  sein   muß,  daß  somit  der 

Influenza-Bazillus  nicht  der  Erreger  sein  kann.  Untersuchungen 

mit  filtriertem  Material  verliefen  teils  ergebnislos,  teils  ergaben 
sie  mikroskopisch,  kulturell  und  durch  Impfvcrsuch  positive  Re- 
sultate. Auf  Grund  der  Aussprache  auf  dem  Mikrobiologentage 
(Jena  1S)'20)  faßt  Verf.  seine  Erhebungen  dahin  zusammen,  daß 
der  Influenza-Bazillus  ein  sieher  fĂŒr  Tiere,  wahrscheinlich  auch 
fĂŒr  Menschen  pathogenes  StĂ€bchen  ist,  das  hĂ€ufig  bei  Grippe, 
aber  auch  bei  anderen  Krankheiten,  wie  Masern  und  Keuchhusten, 
gefunden  werden  kann.  Sein  Zusammenhang  mit  der  seuchen 
halten  Verbreitung  der  Grippe  ist  nicht  ersichtlich.  Er  kommt 
daher  als  P  r  i  m  À.r  erreger  nicht  in  Betracht. 

W.  Weisbach   .Halle,  Saale). 

Zeitschrift  fĂŒr  soziale  Hygiene,  FĂŒrsorge  und  Kranken  - 
hauswesen,  Berlin. 

Heft  7. 

❖Zur  Kritik  der  AntrĂ€ge  betri  Ks  Aufhebung  re&p.  Aenderung  der  Abtreibungs- 
paragrapheoi.    W  y  g  o  d  z  i  □  s  k  i.  193. 
Die  Stellung  des  Gevrerbearzt.es.    T  e  1  e  k  y.  199. 

Wie  wird  durch  die  öffentlichen  VersicherungstrĂ€ger  am  ZweckmĂ€ĂŸigsten 
die  Tuberkulose  bekÀmpft?     Pae  tsch.  207. 
❖Ueber  dici     neuen  SĂ€tze  der  Reifehsivochenhilfe.    Sa'lömon.  210. 

Zur  Kritik  der  AntrÀge  betreffs  Aufhebung  resp.  Aenderung 
der  Abtreibungsparagraphen.  Dr.  Martha  Wygodzinski 
bekÀmpft  in  lebhafter  sachlicher  W  eise  jenen  gemeingefÀhrlichen 
Antrag  der  sozialistischen  Parteien,  nach  welchem  die  Abtreibung 
straflos  sei,  wenn  sie  von  der  Schwangeren  oder  einem  staatlich 
anerkannten  Arzte  innerhalb  der  ersten  3  Monate  der  Schwanger- 
schaft vorgenommen  wird. 

Ueber  die  neuen  SĂ€tze  der  Reichswochenhilfe.  Salomen 
macht  den  beherzigenswerten  Vorschlag,  das  Wochengeld  nicht 
zu  erhöhen,  sondern  in  alter  Höhe  entsprechend  lÀnger  zu  geben, 
da  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  das  Abstillen  mit  dem  Ablauf  der  Stillbei- 
hilfe zusammenfÀllt.  Paul  Michaelis  (Bitterfeld). 

Hygiea,  Stockholm. 

30.  November  1921,  83,  Nr.  22. 

❖  Pathogenese  und   Behandlung  der  Rachitis.    J  u  n  d  e  1  1  .  J.  7i3. 

Pathogenese  und  Behandlung  der  Rachitis.  Der  Verfasser  be- 
trachtet die  Rachitis  als  Folgeerscheinung  einer  Ueberbelastung 
der  allgemeinen  ErnÀhrungsfunktionen  der  Zellen  (Energiebildung 
und  Körperansatz)  durch  absolute  oder  relative  UeberernÀhrung, 
indem  er  sich  vorstellt,  daß  eine  zu  starke  Inanspruchnahme  dieser 
allgemeinen  nutritiven  Punktionen  den  mehr  spezifischen  Leistun- 
gen der  Zellen  Abbruch  tue,  in  Sonderheit  auch  in  gewissen  endo- 
krinen DrĂŒsen  die  Bildung  spezifischer  Stoffe  beeintrĂ€chtige,  deren 
Mangel  dann  das  Krankheitsbild  der  Rachitis  als  Ausfalls-Er- 
scheinung hervorrufe.  Zu  einer  solchen  Ueberbelastung  fĂŒhre 
jedes  MißverhĂ€ltnis  zwischen  Nahrungsmenge  und  „Fu  nktion  s- 
kraft  der  nutritiven  SphÀre  der  Zelle n",  welche  auf 
Grund  hereditÀr-konstitutioneller  Momente  primÀr  verschieden 
stark  entwickelt  und  besonders  auch  sekundÀr  durch  schÀdigende 
Ă€ußere  Einwirkungen  (ungĂŒnstige  hygienische  VerhĂ€ltnisse, 
Domestikation,  Infektionen,  ErnĂ€hrungsstörungen,  unzweckmĂ€ĂŸig 
Zusammengesetze  Nahrung)  derart  geschwĂ€cht  sein  könne,  daß 
auch  noch  bei  Zufuhr  u  n  t  e  r  physiologischer  Nahrungsmengen 
eine  relative  UeberernÀhrung  denkbar  sei. 

Auf  Grund  dieser  Vorstellung  hat  J.  seit  mehreren  Jahren  die 
Itachilis  „zielbewußt  mit  relativer  Inanition"  behandeil 
und  damit  beginnende  und  leichtere  FĂ€lle  ohne  weitere  Maß- 
nahmen, schwerere  und  schwerste  FĂ€lle  unter  gleichzeitiger  Ph.- 
Lebertran-Darreichung  (4  X  tgl.  0,00025:5,0  und  3  X  tgl!  0,0005:5,0) 
heilen  können,  wogegen  sich  diese  letztere  Medikation  allein, 
bei  fori  bestellender  relativer  UeberernÀhrung,  recht  unsicher  in 
ihrer  Wirkung  erwies. 

Beschaffenheit  der  Hungerkost:  Energie-Quotient 
(55— 70. 

a)  u  n  n  a .tĂŒr  liche  E  r  n  Ă€  Ii  r  u  n  g  :  Herabsetzung  des  Milch- 
anteiles auf  60 — 75  %  der  B  u  diu'  sehen  Zahl  (nur  bei  gleich- 
zeitiger Tetanie  völlige  Ausschaltung  der  Milch!)  Beibe- 
haltung des  ĂŒblichen  Mischungs- VerhĂ€ltnisses,  Zubereitung 
der  VerdĂŒnnungssuppe  fĂŒr  die  ersten  3  Monate  aus  Dextrin 
Maltose-PrĂ€paraten,  Zucker,  Mehl,  fĂŒr  die  spĂ€teren  aus 
WeizengrĂŒtze,  HafergrĂŒtze,  Griesmehl.  (Zusatz  der  abge- 
kĂŒhlten Supe  zur  ungekochten  Milch!)  Ausgleich  der  FlĂŒssig- 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


4U.  Jahrg.  —  .Nr. 


keitsunterschreitung  durch  Beigabe  von  Tee  und  Fleisch- 
brĂŒhe (vom  ersten  Monat  an!),  von  echtem  Fruchtsaft  (vom 
3.  Monat  an)  und  Schokolade. 

Vom  6.  Monat  an  BeifĂŒtterung  von  HafergrĂŒtze,  Kartoffel- 
mus, GemĂŒse,  Frischobst  (Aepfel,  Birnen,  Banane),  Eigelb, 
Ganzei,  Fisch,  Fleisch, 
b)  NatĂŒrliche  ErnĂ€hrung:  Verminderung  der  ĂŒblichen 
Tagestrinkmenge  um  etwa  40  %.  Ersatz  der  ungefÀhren 
HĂ€lfte  des  so  entstehenden  Ausfalles  an  Kalorienzufuhr  durch 
BeifĂŒtlerung  im  Sinne  von  a). 
Kontraindikation :  ErnÀhrungsstörung. 

Die  Kost  wurde  mithin  schon  sehr  frĂŒh  abwechslungsreich  ge- 
staltet, so  daß  man  versucht  sein  konnte,  auf  diesen  Umstand 
etwaigen  Erfolg  der  Hungerkost  gegen  Rachitis  zurĂŒckzufĂŒhren. 
Doch  spricht  gegen  diese  Möglichkeit  die  an  68  FÀllen  erfolgte 
Feststellung,  ĂŒab  durch  bloße  abwechslungsreiche  Kost  ohne 
gleichzeitige  BeschrÀnkung  der  Nahrungs  menge  (bezw.  An- 
zahl der  Mahlzeiten)  die  Rachitis  weder  verhindert  noch  mit 
gleichem  Erfolge  zur  RĂŒckbildung  gebracht  werden  kann,  wĂ€h- 
rend sich  umgekehrt  auch  mit  einseitig  zusammengesetzter 
Kost  ein  gĂŒnstiges  Ergebnis  erzielen  ließ,  wenn  sie  in  herabge- 
setzter Menge  gereicht  wurde. 

Besonders  aus  der  nachteiligen  Wirkung  der  (relativen)  Ueber- 
iĂŒtterung  mit  an  sich  zweckmĂ€ĂŸig  zusammengesetzter  Nahrung 
folgert  der  Verfasser,  daß  die  Rachitis  keine  A  vi  ta  rui- 
nöse sein  könne.  Im  gleichen  Sinne  verwertet  er  die  Beob 
achtung,  daß  eine  von  ihm  angewandte,  der  Czerny-Klein- 
s  c  h  m  i  d  t '  sehen  Buttermehlnahrung  entsprechend  zusammen 
gesetzte  Fettmilchmischung,  bei  der  der  Sahne-  und  Magermilch- 
anteil u  n  e  r  h  i  t  z  t  der  abgekĂŒhlten  VerdĂŒnnungssuppe  zugesetzt 
wurde,  noch  öfter  und  dabei  noch  schwerere  Rachitis  hervorrief 
als  die  in  ĂŒblicher  Weise  erhitzte  Buttermehlnahrung. 

Auch  fĂŒr  den  Lebertran  bezweifelt  J.  einen  Zusammen- 
hang seiner  antirachitischen  Wirkung  mit  einem  vermeintlichen 
Gehalt  an  Vitaminen  unter  Hinweis  auf  die  Raubfischnatur  der  ihn 
liefernden  Gadus-Arten,  von  denen  feststehe,  daß  sie  sich  nur  in 
ihrer  allerfrĂŒhesten  Lebensperiode  vom  Vitamine  spendenden 
Plankton  nÀhren. 

In  eigenen  Versucnen  erwiesen  sich  ihm  schließlich  zweier- 
lei Milcharten,  die  in  Anbetracht  der  entgegengesetzten  Behand- 
lung und  FĂŒtterung  der  betr.  Tiere  (GewĂ€hrung  ausgiebigen 
Weideganges  und  fast  ausschließliche  GrĂŒnfĂŒtterung  bei  dem 
einen,  StallfĂŒtterung  mit  Erdnuß-  und  Leinensamenkuchen,  Weizen- 
kleie, gemischtem  Hafer,  Quelscherbsen  und  altem  Heu  bei  dem 
anderen)  einen  ganz  verschiedenen  A. -Vitamin-Ge- 
halt aufweisen  mußten,  hinsichtlich  VerhĂŒtung  oder  Heilung  von 
Rachitis  bei  Ausschaltung  anderer  Heilfaktoren  (Ph. -Lebertran, 
relative  Inanition)  in  gleichem  Maße  völlig  unwirksa  m. 

Schnabel  (Gießen 

El  siglo  medico,  Madrid. 

69,  3554. 

Diagnose  zweier  FĂ€lle  \on  hernia  diaphragiuatiea.    C  a  s  t  e  I  1  u  i  ,  J.  C.  58. 
❖Injektion  von  Ziegenmilch   bei  chronischen  Darmstörungen    in   der  ersten 
Kindheit.    R  o  d  r  i  g  u  e  z  .  .7.  D.  60. 
Behandlung  der   Lungentuberkulose   mit  natĂŒrlichen   Mitteln.    V  i  1  1  e  g  a  s  , 
E.  62. 

Die  Niere  und  die  Giykosurien.  Caballero  y  Fernande/..  .1.  i>4. 
Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien.  An  tu  na  n  o  ,  I..  M.  17 

Injektion  von  Ziegenmilch  bei  chronischen  Darmstörungen  in 
der  ersten  Kindheit.  Ein  Kind  von  45  Monaten  leidet  seit  den 
ersten  Monaten  an  chronischem  Darmkatarrh;  die  ersten  drei 
Monate  wurde  es  genÀhrt,  dann  erhielt  es  Ziegenmilch.  Seitdem 
schlechte  Entwicklung;  alle  angewandten  Mittel  schlugen  fehl: 
nach  4  Injektionen  (subkutan)  von  Ziegenmilch  in  Zwischen- 
rĂ€umen von  3  Tagen  —  0,5  cem,  1  cem,  2  cem,  4  ccin  —  die  ohne 
jede  fieberhafte  Reaktion  vertragen  wurden,  besserte  sich  das 
Kind  zusehends,  die  DurchfÀlle  hörten  auf,  das  Gewicht  stieg 
dauernd.  Verfasser  nimmt  an,  daß  eine  Anaphylaxie  gegen 
Ziegenmilch  bestand,  durch  die  Injektionen  wurde  nun  eine 
.,Antianaphylaxe"  gegen  die  Ziegenmilch  hervorgerufen  und  so 
die  ursprĂŒnglichen  Störungen  behoben.  Lurje. 

Paris  Medical,  Paris. 

14.  Januar  1922,  12,  Nr.  2. 

‱{‱SemiotLschei  Wert  der  Exophthalmie.    Terrieu.  F.  33. 

KarziuombekÀmpfung.    D  i  e  x\  i  a  f  6.  41. 
❖Fall  von  energisch  behandelter  Syphilis.    O  r  p  h  a  n  i  d  e  s.  44. 

Diagnostische  Bedeutung  der  Exophthalmie:  Pseudoexoph- 
thalmie  kann   vorkommen   bei   Myopie    rapider   Zunahme  der- 


selben wÀhrend  der  Rekonvaleszenz  von  einem  Typhus,  der  als 
Ursache  hierfĂŒr  angenommen  wird),  dann  bei  Hydrophthalmie 
(bupnthalmosj;  abnorme  VergrĂ¶ĂŸerung  des  Augapieis  bei  kincl 
lichem  Glaukom  (keine  Hypertension,  keine  Schmerzen,  wie  hu  in 
Erwachsenen),  bei  VergrĂ¶ĂŸerung  der  Lidspalte  bei  Facialis- 
paralyse  oder  bei  Brandwunden  der  Lider.  Ferner  kann  sie 
vorgetÀuscht  werden  durch  lokale  Eigenschaften  der  Orbita 
(Tonus  u.  a.),  z.  B.  bei  FettsĂŒchtigen.  Endlich  gibt  es  eine  physio- 
logische Exophthalmie  beim  Klalfen  der  Augenlider  infolge  man- 
gelnder Kontraktion  des  Orbikularis  oder  des  Levator,  beim 
V  orwÀrlsneigen  des  Kopfes  (Stauung  des  venösen  Abflusses),  in- 
folge von  Kompression  der  Jugularvenen  am  Halse,  endlich  bei 
starker  Inspiration  und  Anhalten  der  Exspiration.  Richtung  der 
Lxophlalmie:  Direkt  nach  vorne  bei  einem  Tumor  der  Seh- 
nerven oder  in  dem  durch  die  recti  begrenzten  Trichter  nach 
der  Seite  bei  einem  Tumor  der  OrbitalwÀnd  oder  der  benach- 
barten Höhlen. 

Begleitsymplome:  Die  Propulsion  kann  irreduktibel  oder 
reduktinel  und  dann  ott  schmerzhaft  sein.  Diplopie  ist  bei  ge- 
ringeren Graden  oft  störender.  Bei  hohen  Graues  progressive 
Akkommodation  bei  der  allmÀhlichen  Entstehung  oder  Ver- 
schwimmen der  Bilder,  weil  sie  sehr  exzentrisch  liegen. 

Die  Untersuchung  ergibt  Myopie  bei  seitlichen  Tumoren, 
seltener  Hypermetropie  bei  Tumoren  dicht  hinter  dem  Globus 
(VerlĂ€ngerung,  VerkĂŒrzung  der  Achse).  Keratitis. 

Die  kausale  Diagnose  ergibt  im  allgemeinen  einmal  eine 
LĂ€hmung  der  Augenmuskel,  ist  dann  allgemeinen  Ursprungs  und 
meist  bilateral,  oder  pathologische  ZustÀnde  in  der  Orbita  und 
dann  einseitig. 

1.  Die  Exophthalmie  allgemeinen  Ursprungs,  fast  immer 
bilateral.  ■ 

a)  Die  nervöse  paralytische  Exophthalmie  infolge  Tonusvci - 
lusL  bei  allen  Ă€ußeren  Augenmuskeln  mit  Ausnahme  des  großen 
obliquus  und  des  rectus  externus  mit  Ptosis  beinahe  völlige  l  n- 
beweglichkeit  und  Abweichung  nach  außen. 

b)  Durch  Erregung  des  Zervikalsympalhikus  infolge  Kom- 
pression des  Nerven  durch  Thyrioideaneubildung  oder  Zervikal! 
drĂŒsen,  mit  Pupillendilatation  und  Erweiterung  der  Lidspalte. 

c)  Bei  Basedow,  hÀufigste  und  interessanteste  Form,  nur 
sehr  selten  bilateral,  immer  direkt,  mit  wechselnder  StÀrke,  so- 
wohl individuell  wie  im  Verlaufe  des  Leidens  reduktibel,  zu- 
nehmend bei  Kompression  der  Venen  und  starker  Beugung  des 
Kopfes.  Erweiterung  der  Lidspalle  .Stellwagj,  Graete  beule 
sind  auch  ohne  Exophthalmie  pathognomonisch)  und  Verminde- 
rung des  Lidschlags. 

Außer  diesen  klassischen  Symptomen:  Pulsationen  der  Re- 
tinalarterien,  ausnahmsweise  Atrophie  und  Neuritis  optica,  Seh- 
störungen  infolge  Mißbrauchs  von  ThvrioideaprĂ€paraten,  TrĂ€nen 
durch  nervösen  Einfluß),  auch  Trockenheit  des  Auges,  LĂ€hmung 
der  Ă€ußeren  Augenmuskel.  Das  Moebius'sche  Zeichen  ist  nicht 
charakteristisch  fĂŒr  Basedow.  In  schweren  Formen  Keratitis, 
GeschwĂŒre  (auch  Perforation  .  Endlich  leichtes  Oedem  di  r 
Augenlider. 

2.  Die  Exophthalmie  durch  KontinuitÀtsstörungen. 

a)  Verminderung  der  OrbitakapazitÀt.  Folge  von  Knochen- 
deformation der  OrĂ¶ĂŒa,  kongenital  oder  durch  Affektionen  der 
Nachbarhöhlen.  Bei  Oxy-  und  Ilydrocephalie  bilateral  mit 
Oplicus-Neuritis  und  Atrophie.  Auch  bei  rachitischen  SchÀdel- 
bildungen. 

b  Vermehrung  des  Orbitalinhaltes. 
A.  Inflammatorische  Exophthalmie. 

1.  Tenonitis.  Meist  rheumatisch  oder  gichlisch.  Mit  Lid- 
ödem, Röte  und  Chemosis  der  Konjunktiva,  brĂŒsk  ohne  wesent- 
lichen Grund  auftretend,  starke  Bewegungsbehinderung  des 
Bulbus,  lebhafte  Schmerzen,  Spannung  und  Druck  dabei.  Paroxvs- 
matischer  Schmerz  namentlich  nachts,  normale  SehschÀrfe.  Die 
eiterige  Form  ist  seltener,  immer  infektiös  (Grippe.  Influenza, 
Röteln,  Erysipel  oder  Wunde). 

2.  Durch  EntzĂŒndung  der  WĂ€nde  und  des  Orbitaperiosts. 
Chronische  Formen  bei  Tuberkulose,  Syphilis.  Aktinomykose, 
Sporotrichose.  Ebenso  hÀufig  die  akuten  bei  Röteln,  Scharlach. 
Angina,  Typhus.  HĂ€ufigste  Ursache:  Sinusempyem.  Man  unter- 
scheidet die  Periostitis  des  vorspringenden  Orbitalrandes  und  der 
Orbitalwandung.  Man  findet  bei  letzterer  alle  Symptome  der 
Exophthalmie  und  die  der  EntzĂŒndung.  Wichtig  Schmerz  bei 
Druck  auf  den  Ă€ußeren  Orbitalrand.  SeitwĂ€rts  verlagerter  Bulbus. 
Neuritis,  Atrophie  der  Sehnerven,  Keatitis.  Wenn  am  Gewölbe 
der  Orbita,  Meningitis,  Gehirnabszeß.  Oft  ist  die  Periostitis  Folge 
eines  benachbarten  Sinusempyems. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


Die  syphilitsche  Perioslitis  ist  nicht  so  selten.  Lieblingssilz: 
der  Ă€ußere  obere  Orbitalrand.  Die  nĂ€chtlichen  Schmerzen  können 
der  Schwellung  lange  vorausgehen  und  u.  U.  eine  Trigeminusneu- 
calgie  vortÀuschen.  Leicht  Verwechselung  mi1  Sinusempyem.  Die 
Schwellung  kann  als  Tumor  imponieren. 

Die  tuberkulöse  Periostitis,  meist  bei  Kindern  und  am  vor- 
bringenden Orbitalrand.  Oft  Trauma  als  Gelegenheitsursache. 
Leicht  Fistelbildung,  spĂ€ter  Ektropion.  Im  allgemeinen  gĂŒnstige 
Prognose.  Oft  von  einer  Tuberkulose  des  TrÀnensacks  aus- 
gehend oder  der  TrĂ€nendrĂŒsen,  seltener  der  Choreoidea  oder  des 
pptikus.  Oder  direkte  Infektion  des  Orbitalgewebes  von  einem 
entfernten  Herd  aus. 

3.  Bei  Sinusaffektionen.  Ferner  nach  Thrombose  des  Sinus 
cavernosus.  Sehr  ernst.  Man  unterscheidet  hier  die  Thrombo- 
phlebitis anterior  als  Komplikation  peripherer  Infektionen  des 
Gesichts  oder  behaarten  SchÀdels,  ,der  Backen,  Bachen-Zahn- 
höhlen, der  Nase,  des  Augapfels.  Die  Thrombophlebitis  posterior: 
nach  Mastoidititen,  Phlegmonen  der  Zervicofacialgegend.  Klini- 
scher Aspekt:  der  der  Orbitalphlegmone  mit  geringeren  lokalen, 
intensiveren  Allgemeinsymptomen  und  ernsten  zerebralen  Er- 
scheinungen. 

B.  Nicht  inflammatorische  Exophthalmie. 

BrĂŒsk  nach  einer  Ansteckung  oder  allmĂ€hlich  schleichend. 
Im  ersten  Falle  Folge  eines  Emphysems  der  Orbita,  im  letzteren 
eines  Tumors. 

Emphysem  der  Orbita:  nach  einer  Fraktur  der  Orbita,  be- 
nötigt fĂŒr  gewöhnlich  keiner  Behandlung. 

Schleichende  Entwickelung  ohne  entzĂŒndliche  PhĂ€nomene:  die 
Protrusion  ist  das  erste  Symptom,  reduktibel  oder  irreduktibel,  je 
nach  der  Art  des  Tumors,  Begrenzung  der  Beweglichkeit  rein 
mechanisch  oder  durch  Beteiligung  der  Muskeln  an  dem  Tumor, 
endlich  Druckerscheinungen  von  Seiten  des  Optikus  mit  Pupillen- 
starre, Netzhautblutungen  und  Sehstörungen  zum  Unterschied  von 
Tumoren  des  Optikus,  wo  letztere  zuerst  auftreten.  U.  U.  Myopie 
oder  Hypermetropie.  Lidödem,  Dilatation  der  Orbitalvenen,  Kera- 
titis. Diagnose  im  Anfang  oft  recht  schwer:  leicht  mit  Syphilis 
zu  verwechseln,  die  aber  von  Anfang  an  Schmerzen  macht. 

Die  zystischen  Tumoren:  Encephalocele  mit  Vorliebe  an  der 
Innenseite  der  Orbita,  KongenitÀt.  Manchmal  Schmerzen, 
KrÀmpfe,  selbst  Koma.  Nicht  immer  Expansionsbewegungen 
unter  dem  Einfluß  der  Atmung  und  von  Anstrengungen.  Die 
serösen  kongenitalen  Zysten:  nicht  reduktibel  wie  das  Angiom, 
meist  mit  Mikrophthalmie  verbunden.  Dermoidzyslen:  orbitale 
am  inneren  und  Ă€ußeren  Winkel  vorn  und  die  paraorbitalen  am 
Ă€ußeren  Augenbrauenbogen.  Charakteristika:  normale,  nicht  ad- 
hĂ€sible  Haut  darĂŒber,  Knocheneindruck,  betrĂ€chtliche  Dicke  der 
Zystenwand. 

Die  pulsative  Exophthalmie,  meist  nach  einer   Ruptur  der 
orta   als   Folge   eines   arteriovenösen   Aneurysmas   im  Sinus 
avernosus.    Nicht  zu  verwechseln    mit   der  intermittierenden 
xophthalmie  infolge  VarikositÀten  der  Orbitalvenen.    Tritt  nur 
ei  Neigung  des  Kopfes  nach  vorne  oder  bei  Anstrengungen  auf. 
eim   aufrechten   Stehen   Enophthalmie.     Bulbusdeviation  nach 
ußen  und  unten.    Pulsationen  isochron  mit  dem  Puls.  Dauern- 
es  blasendes  GerĂ€usch  ĂŒber  dem  Auge  fĂŒhlbar,  vom  Kranken 
ehr  störend  dauernd  vernommen.    Oft    MuskellÀhmungen,  die 
nge  Zeit  das  einzige  Symptom  sein  können.    Progressiv,  meist 
2 — 3  Jahren  fatal.    Traumatische  Form:  nach  einigen  Tagen 
der  Wochen.    Spontane  Form:   rapide  Protrusion  in  einigen 
Stunden. 

Therapie:  Kompression  der  betreffenden  Karotis,  wenn  dies 
von  Erfolg,  Ligatur,  u.  U.  beiderseits. 

Wiederaufflackern  eines  Schankers  in  situ.  Seine  Bedeutung, 
in  25  jÀhriger  wies  25  Tage  nach  einem  Coitus  ein  typisches 
chankergeschwĂŒr  auf,  das  auf  eine  energische  Behandlung  nach 
0  Tagen  vollstÀndig  verschwand.  Kurz  darauf  trat  an  der- 
elben  Stelle  ein  neuer  Schanker  wÀhrend  der  Behandlung  noch 
auf,  der  nach  einigen  Tagen  der  Behandlung  wieder  schwand, 
ach  3  Wochen  Ruhe  W  — ,  1  Monat  spĂ€ter  sekundĂ€re  Syphilide 
n  den  HandflÀchen  W  +  +  +.  Das  Wiederauftreten  des  Schan- 
ers  trotz  energischer  Behandlung  berechtigt  zur  Annahme,  daß 
s  sich  um  As-resistente  TreponÀmen  handelt,    v.  Schnizer. 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

18.  Januar  1922,  Nr.  5. 

â–ŒChronischer  rheumatischer  Lumbago:  Lniminektomie.    S  i  c  ■»  rd.  .1.  A.  und 
Forestler,  J.  45. 
Bilaterale  subalcromialc   Luxation  durch   Muskelwlrtoung.    C  oa  t»  n  i  i  n  i  , 
H.  48. 

♩Radiotherapie.    L  e  Ii  o  u  ,  U.  4». 


Laminectomi«  bei  ohronischer  liumhalrachialftic.  Der  echte 
chronische  Lumbago,  der  gekennzeichnet  ist  durch  Steifheit  der 
LumbaiwirbelsÀule,  Schmerz,  Muskelkontraktur  und  Pehlen  von 
röntgenologisch  nachweisbaren  WirbelvcrÀnderungen.  ist  nach 
den  Beobachtungen  der  Verff.  als  StrangentzĂŒndungen  aufzufassen 
und  zwar  desjenigen  Teiles  der  NervenstrÀnge,  der  zwischen 
Dura  Mater  und  Plexus  liegt.  Nach  Versagen  jeder  inneren 
Therapie  haben  die  Verff.  wiederholt  die  Laminektomie  mit  ĂŒber- 
raschendem Erfolge,  angewandt.  Dabei  zeigte  sich  eine  Segmen- 
tierung des  epiduralen  Fettes  und  eine  daraus  entstehende  Ab- 
plattung der  Dura.  Wahrscheinlich  besteht  eine  transversale 
BrĂŒcke  zwischen  den  gelben  Ligamenten.  Nachdem  die  zylin- 
drische Form  der  Durascheide  wiederhergestellt  ist,  wird  die 
Wunde  ohne  Drainage  geschlossen.  Auch  hartnÀckige,  nicht  zu 
beeinflussende  FĂ€lle  von  Ischias  erscheinen  fĂŒr  diese  Behand- 
lung geeignet. 

Die  Radiumtiefentherapie.  Die  Arbeit  Lebons  bringt  im 
wesentlichen  eine  Uebersicht  ĂŒber  den  heutigen  Stand  der 
Röntgentiefenbestrahlung.  Er  stĂŒtzt  sich  dabei  auf  die  Ergeb- 
nisse der  deutschen  Medizin,  die  er  auf  diesem  Gebiet  als  bahn- 
brechend ansieht  und  die  fast  durchgÀngig  mit  den  französischen 
ĂŒbereinstimmen.  Als  Apparate  empfiehlt  er  am  meisten  3  deutsche 
Fabrikate:  1.  Intensiv-Reform,  2.  Symmetrie,  3.  Radio-Silex,  bei 
denen  aber  zwei  Nachteile  sind,  nÀmlich  ein  mangelhafter  Schutz 
fĂŒr  Arzt,  WĂ€rter  und  Kranken  und  eine  ungenĂŒgende  Fixierung 
der  Ampulle.  Diese  Fehler  vermeidet  ein  Modell  des  Hauses 
Gaiffe,  bei  dem  unter  anderen  Verbesserungen  die  Röhre  in  eine 
mit  Oel  gefĂŒllte  BleihĂŒlse  eingeschlossen  ist.  Das  Anwendungs- 
bereich ist  in  Frankreich  augenscheinlich  dasselbe  wie  in 
Deutschland,  auch  in  bezug  auf  Dosierung,  LĂ€nge  und  Anzahl  der 
Sitzungen  usw.  stimmt  man  in  beiden  LĂ€ndern  ĂŒberein. 

Haber. 

The  British  medical  Journal,  London. 

28.  Januar  1922,  Nr.  3187. 

❖Tuberkulose  des  lymphatischen  Systems.     Ph-Mip;,   R.  129. 
Lokale  Fölsen  dentaler  Infektion.    Spencer.  W.  G.  131. 
Leichtes  Fieber  und  Influenza.    S  i  m  e  y  .  A.  .7.  133. 
.Spastische  Striktur  der  GebÀrmutter.   C  r  a  w  f  o  r  d  ,  I).  M.  M.  135. 
Rektale  Verabreichung  von  Antimontartrai  bei  BĂŒbarziosis.  Wi.lj.on;  H.  K. 

137. 

❖Einige  Funktionen  der  Xebcnniere.     II  e  w  e  r  .  F..  E.  138 

Die  Virulenz  diphthorieÀhnlichei  liakterien.  Eagleton,  A.  .1.  und 
Baxter.  F..  M.  139. 

Tuberkulose  des  lymphatischen  Systems.  Der  Lymphapparat 
spielt  eine  Ă€ußerst  wichtige  Bolle  bei  der  Tuberkulose.  Wenn 
man  einen  Kranken  untersucht,  soll  man  immer  genau  auf  die 
LymphdrĂŒsen  achten.  Bei  jungen  Kindern  sollte  man  prinzipiell 
von  Zeit  zu  Zeit  das  lymphatische  System  einer  genauen  In- 
spektion unterziehen.  Die  Tuberkulose  der  LymphdrĂŒsen  bei 
Kindern  geht  sehr  oft  im  spĂ€teren  Leben  spontan  zurĂŒck.  Die 
Radikaloperation  sollte  nur  dann  ausgefĂŒhrt  werden,  wenn  eine 
DeformitÀt  besteht  oder  wenn  sehr  deutliche  Erweichung  besteht. 
Im  allgemeinen  ist  die  neuere  Behandlung  der  Operation  ĂŒber- 
legen. Man  muß  dabei  bedenken,  daß  die  „Badikaloperation'; 
wohl  nie  radikal  ist.    Tuberkulinbehandlung  wird  empfohlen. 

Einige  Funktionen  der  Nebenniere.  Verfasserin  fĂŒtterte  Ratten 
mit  Nebennierenrinde.  Sie  sah,  daß  die  Tiere  fetter  wurden,  dafi 
die  Haare  zwar  glÀnzend  blieben,  aber  sehr  leicht  ausfielen,  was 
vielleicht  auf  einen  geĂ€nderten  Kalziumstoffwechsel  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren ist,  daß  die  Thymus  schnell  involvierte.  Bei  den  weib- 
lichen GeschlechtsdrĂŒsen  entstand  eine  Vermehrung  der  entersti- 
liellen  Zellen,  bei  den  mÀnnlichen  entstand  meist  eine  verschnellte 
geschlechtliche  Entwicklung,  gefolgt  von  einer  Entartung  der 
SamenkanÀlchen.  Im  enterstitiellen  Gewebe  zeigte  sich  ein 
eosinophiles  Exsudat.  Die  Blutdestruktion  nimmt  nach  VerfĂŒtte- 
rung  der  Rinde  zu,  wie  aus  den  typischen  Pigmentationen  der 
LymphdrĂŒsen  hervorgeht.    Die  SchilddrĂŒse  wird  stimuliert. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag). 

The  Tohoku  Journal  of  .experimental  Medicine,  Tokio. 

10.  September  1921,  2,  Nr.  2  und  3. 

❖Neue  Methode  zur  Dosierung  des  Pepsins.    T  a  k  a  t  a  .   M.  U'T. 

Studien  ĂŒber  die  Beziehung  der  Haupt-  und  Mitagglutinatiun.  VII.  Agglu- 
tin-atorlsche  Beziehung  zwischen  einigen  Unterarten  der  Paratyphusgrupipe. 
A  o  k  i  ,  K.  181. 

Agglutinatorische    Einteilung    von    Ilysenteiiebazillen.     A  oki.  K.  142. 
Beobachtungen  Uber  sogenannte  MiiiHatioaserscueiniung  bei  dem  schleimigen 

Stamme    von    Paratyphus-B. -Bazillen.    K  o  n  n  o  ,   T.  159. 
Aetber-llyperglykiimie  und   Olykosurie  heim  Kaninchen.     Fuji'i,  .).  169. 


234 


Augenheilkunde 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


4»Ueber    Magensaft.     II.    Wirkung    und    Eigenschaften    der  Magen-Lipase. 

Takata    M.  209. 
Untersuchungen    ĂŒber    CeDacea.     M  o  r  i  m  o  t  o  .    Y.,    Takata.    M.  und 

Sudiuki,  M.  258. 
Ueber  den  Farbstoff  des  Seeohr«.    K  o  d  z  u  k  a  .  T.  287. 
VerÀnderungen   in  der  Dissoziationskurve   des   Blutes   bei  experimentellem 

Fieber  und  fieberhafte   Erkrankungen.    Yamakita.   M.  290. 

Neue  praktische  Methode  zur  Dosierung  des  Pepsins.  Um  die 
colometrische  Methode  zur  Dosierung  des  Pepsins  von  den  ihr 
anhaftenden  Fehlern  zu  befreien,  hat  Verf.  in  Fuchsin  S.  ein 
wirksames  FÀrbemittel  gefunden,  da  es  weniger  schÀdigend  ein- 
wirkt als  das  bisher  meist  verwandte  Karmin  und  Kongorot.  Es 
zeigt  sich  dabei,  daß  die  QuantitĂ€t  des  gelösten  Fibrins  propor- 
tional ist  der  Quadratwurzel  der  Konzentration  der  Pepsinlösung. 
Ferner  ist  die  gelöste  Menge  abhÀngig  von  der  Dauer  der  Ein- 
wirkung. 

Eigenschaften  und  Wirkung  der  Lipase  des  Magens.  Die  sehr 
eingehenden  Experimente  am  Hund  ergeben  folgende  Resultate: 
1.  Die  Lipase  wird,  wie  das  Pepsin,  von"  den  MagendrĂŒsen  selbst 
abgesondert  als  einer  der  wesentlichsten  Bestandteile  des  Magen- 
saftes. 2.  Die  Konzentration  der  Lipase  des  Magensaftes  ist  am 
stĂ€rksten  bei  nĂŒchternem  Magen,  in  zweiter  Linie  sofort  nach  der 
Mahlzeit.  Mit  zunehmender  Sekretion  nimmt  die  lipolytische 
Wirkung  ab  und  verschwindet,  um  bei  abnehmender  Sekretion 
einige  Stunden  nach  der  Mahlzeit  wieder  aufzutreten  und  stÀrker 
zu  werden.  3.  Durch  SpĂŒlung  des  Magens  kann  die  Lipase  jeder- 
zeit wÀhrend  der  ganzen  Dauer  der  Sekretion  nach  der  Mahlzeit 
bestimmt  werden.  4.  Die  Lipase  tritt  noch  wirksamer  in  Aktion, 
wenn  eine  Fettmahlzeit  den  SĂ€uregehalt  des  Magensaftes  herab- 
setzt. 5.  Die  Wechselwirkung  der  Lipasen  im  Safte  des  Magens 
und  des  Pankreas  sind  wahrscheinlich  Àhnlich  derjenigen  der 
Amylasen  im  Speichel  und  im  Pankreassaft.  Haber. 


Aus  den  verschiedenen  Sondergebieten. 

Augenheilkunde. 

Ingolf  Schiötz:  Ueber  Retinitis  gravidarum  et  amau- 
rosis  eclamps.  Beilageheft  d.  Klin.  Monatsbl.  f.  Augen- 
heilkunde 1921.  Stuttgart,  Enke. 
Eine  wertvolle  Monographie  auf  Grund  zahlreicher  eigener 
Untersuchungen  und  unter  Benutzung  der  frĂŒheren  Veröffent- 
lichungen ĂŒber  das  gleiche  Thema.  Sch.  hat  von  8400  Schwan- 
geren 640  genauest,  d.  h.  besonders  auf  die  Makulagegend,  oph- 
thalmoskopisch untersucht.  Es  fanden  sich  hierbei  40  FĂ€lle  von 
Retinitis  gravid.,  dann  4  mit  Netzhautablösung  und  20  FÀlle  von 
Amaurose.  Eine  normale  Schwangerschaft  bringt  keine  Augen- 
verÀnderungen mit  sich  (was  von  anderer  Seite  behauptet  war). 
Es  kommt  auf  etwa  240  Wöchnerinnen  1  Fall  von  Retinitis.  Sie 
tritt  am  hÀufigsten  bei  Frauen  mit  Eklampsie  oder  Symptomen 
drohender  Eklampsie  auf;  etwa  bei  jeder  6.  Eklamptica.  Sie 
stellt  sich  gewöhnlich  in  den  letzten  3  Monaten  der  Schwanger- 
schaft ein,  und  zwar  mindestens  bei  ErstgebÀrenden.  Sie  ent- 
wickelt sich,  bald  langsam,  bald  schnell,  bis  zur  Entbindung,  wo- 
nach wenige  Tage  oder  Wochen  die  RĂŒckbildung  einsetzt,  die 
sich  allmÀhlich  im  Laufe  von  Wochen  oder  einigen  Monaten  voll- 
zieht. Selbst  die  ausgeprÀgtesten  VerÀnderungen  verschwinden 
fast  spurlos.  Meistens  werden  Netzhautblutungen  nachgewiesen, 
die  aber  weder  bezĂŒglich  des  Sehens,  noch  des  Lebens  eine 
schlechte  Prognose  zeigen.  IschÀmische  VerÀnderungen  am 
HintergrĂŒnde  sind  selten.  Die,  SehschĂ€rfe  ist  oft  stark  gesunken, 
steigt  aber  post  partum  bis  fast  zur  normalen.  Der  Blutdruck  ist 
fast  stets,  oft  stark  erhöht.  RĂŒckfĂ€lle  bei  spĂ€teren  Schwanger- 
schaften sind  sehr  selten.  Sobald  die  Diagnose  „Schwanger- 
schaftsretinitis" gestellt  ist,  muß  die  kĂŒnstliche  Unterbrechung 
eingeleitet  werden,  gleichgĂŒltig,  ob  es  sich  um  eine  chron.  Ne- 
phritis oder  eine  reine  Schwangerschaftsniere  handelt.  Dieser 
Eingriff  ist  nur  in  besonderen  AusnahmefÀllen  hinauszuschieben 
(alte  Ipara,  einige  Wochen  vor  der  Entbindung  und  bei  geringen 
HintergrundsverĂ€nderungen).  Meistens  muß  schon  vor  Beginn 
der  Schwangerschaft  eine  chron.  Nephritis  vorhanden  gewesen 
sein,  daher  ist  die  Prognose  quoad  vitam  als  zweifelhaft  zu  be- 
zeichnen. Von  den  132  Eklamptischen  und  26  Frauen  mit  drohen- 
der Eklampsie,  die  in  der  Klinik  beobachtet  wurden,  waren  27 
FÀlle  von  Retinitis,  davon  4  zugleich  mit  Netzhautablösung.  ein 
Fall  von  Retin.  haemorrhag.  und  3  FÀlle  von  Netzhautablösung 
ohne  Retinitis,  2  von  PapĂŒlitis,  2  Oedema  retin.;  3  Frauen  hatten 


Farbensehen.  Dazu  kommen  14  mit  eklampt.  Amaurose  (diese 
bietet  keinen  Befund,  wie  die  uraemische  Amaurose;  die  Pro- 
gnose ist  hierbei  gut;  das  frĂŒhere  Sehvermögen  kehrt  nach  Stun- 
den oder  Tagen  wieder).  Im  ganzen  hatten  also  52  Frauen  gleich 
33  Prozent  der  Eklamptischen  Augensymptome!  Alle  diese  Er- 
scheinungen gingen  aber  spÀter  vorbei.  Die  Frauen  waren  nocli 
jahrelang  völlig  gesund  (kein  Eiweiß,  normaler  Blutdruck,  auch 
normale  spÀtere  Schwangerschaften!). 

Enslin  (BerĂŒn-Steglitz 

Jendralski :   Radiotherapeutische  Erfahrungen  bei 
Tumoren    und    Tuberkulose     des    Auges  und 
seiner  Umgebung.     (UniversitÀts-Augenklinik  Breslau.) 
III.  Teil:  Tuberkulose.    Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilkd. 
November/Dezember  1921. 
Im  Anschluß  an  die   frĂŒher   beschriebene   Behandlung  der 
Augentuberkulose  mit  Quarzbestrahlung  gibt  J.  eine  Uebersicht 
ĂŒber  das  Ergebnis  mit  Röntgenbehandlung  an  der  Hand  von  acht 
FĂ€llen     Besser  als  ein  Fall  von  Bindehauttuberkulose,  der  erst 
durch    gleichzeitige    Anwendung    von    Quarzlicht  allmÀhlicher 
Besserung  zugefĂŒhrt  wurde,  reagierten  die  Iritiden  auf  Röntgen- 
behandlung.   Der  Erfolg  hat  auch  trotz  der  in  frĂŒherem  KrĂ€nk- 
heitsv.erlaufe  stark  hervorgetretenen  Neigung  zu  RĂŒckfĂ€llen  Be- 
stand gehabt.    Die  Wirkung  der  Behandlung  beruht   nicht  auf 
einem  direkten  Einfluß  auf  den  Kochschen  Bazillus,  wie  schon 
die  Untersuchungen  von  Fleming  annehmen  ließen,  sondern  in 
einer   VerÀnderung  des  NÀhrbodens.    Die  Strahlung  greift  das 
tuberkulöse  Granulationsgewebe,  besonders  die  saftreichen,  mit 
lebhaftem  Stoffwechsel  begabten  Riesenzellen  an,   die  zerfallen 
und  aufgesogen  werden.    Die  Bazillen  gehen  dann  zugrunde. 

Enslin  (Berlin-Steglitz). 

Block:  Ueber  posttraumatische  Tuberkulose  der 
Augen.    Klin.  Monatsbl.  fĂŒr  Augenheilkunde.   Nov.-Dez.  21. 

Traumen  des  Auges  —  Verletzungen  verschiedener  Art  durch 
Fremdkörper,  Injektion  reizender  Stoffe,  operative  Reize,  Kontu- 
sionen, die  das  Auge  direkt  treffen  —  können  als  Hilfsursache  ins 
Auge  hineingelangenden  Tuberkelbazillen  eine  örtliche  Disposi- 
tion zur  Ansiedlung  schaffen. 

Bei  Ausschluß  ektogener  Infektion  durch  in  die  Wunde  ge- 
langte Tuberkelbazillen  ist  endogene  Infektion  durch  metastatisch 
auf  dem  Blutwege  verbreitete  Bazillen  anzunehmen.  Der  primÀre 
Herd  kann  symptomlos  und  klinisch  abgeheilt  sein  und  besteht 
hĂ€ufig  nur  in  einer  Affektion  der  BronchialdrĂŒsen.  In  alten,  ver- 
kalkten DrĂŒsenherden  finden  sich  oft  noch  infektionstĂŒchtige  Tu- 
berkelbazillen. Sie  können  durch  den  Blutstrom  verbreitet  wer- 
den. Eine  gewisse  erworbene  ImmunitÀt  vernichtet  sie  meistens, 
aber  an  disponierten  Stellen  können  sie  doch  zur  Ansiedlung  ge- 
langen. RĂ€umliche  und  zeitliche  Beziehungen  zwischen  Gewalfs- 
einwirkung und  Lokalisation  mĂŒssen  nachweisbar  sein,  einmal 
eine  gewisse  StĂ€rke  des  Trauma,  dann  Innehaltung  der  10 — 16 
Tage  betragenden  Inkubationszeit.  V.  beschreibt  einen  Fall  einer 
derartigen  posttraumatischen  Tuberkulose,  bei  dem  sich  im  un- 
mittelbaren Anschluß  an  eine  Verletzung  durch  einen  glĂŒhenden 
Eisensplitter  eine  starke  Hypopyon-Keratitis  und  dann  eine  intra- 
okulare Tuberkulose  einstellte,  die  zwar  wegen  Glaukomgefahr 
eine  Iridektomie  und  wegen  KapseltrĂŒbung  die  Entfernung  der 
Linse  bedingte,  im  ĂŒbrigen  aber  klinisch  gut  ausheilte  mit  einer 
SehschÀrfe  von  5/15. 

Enslin  (Berlin-Steglitz 

Ammann:  Das  Sehen  der  Glaukomatösen  und  der 
Amblyopen.  Klin.  Monatsbl.  f.  Augenheilk.  Nov.-Dez.  21 
Die  Klagen  der  Glaukoma  simplex-Kranken  ĂŒber  ihre  Seh- 
störungen stehen  nicht  immer  im  Einklang  mit  dem  Ergebnis 
unserer  SehprĂŒfungen.  Der  Kranke  erklĂ€rt,  daß  er  schlechter 
sehen  könne.  Wenn  wir  ihn  aber  lesen  lassen,  hat  er  dieselbe 
SehschÀrfe  wie  seit  langem.  Das  Ergebnis  Àndert  sich  sofort, 
wenn  wir  dem  PrĂŒfling  eine  graue  Brille  aufsetzen,  die  so  dunkel 
sein  muß,  daß  mindestens  m  e  h  r  e  r  e  Zeilen  der  Sehprobentafel, 
die  ohne  Brille  noch  lesbar  waren,  von  einem  Gesunden  nicht 
mehr  entziffert  werden  können.  So  findet  durch  die  Verminde- 
rung des  Helligkeitskontrastes  zwar  eine  allgemeine  Herabsetzung 
der  SehschÀrfe  statt,  aber  bei  einem  Glaukomkranken  mit  Seh- 
nervenschĂ€digung  sind  die  Differenzen  oft  ganz  ĂŒberraschend. 
Dem  VerhĂ€ltnis  von  1  :  'A  —  %  beim  Gesunden  stehen  VerhĂ€ltnisse 
wie  l:1/« — 1/5o— Vioo  (!)  gegenĂŒber.  Diese  auffallende  Erschei- 
nung, die  auf  einer  Störung  der  Netzhautzapfen  beruht  und  nicht 
mit  dem  StÀbchensehen  der  Gesunden  bei  DÀmmerung  zu  ver- 
wechseln ist,  kann  oft  als  FrĂŒhdiagnose,  als  Differentialdiagnose 
und  als  Hinweis  auf  Heilmaßnahmen  verwertet  werden. 


40.  Jahrg.  — Nr.  10. 


Stoffwechsel 


—  Buchbesprechungen 


m 


DemgegenĂŒber  weisl  A.  darauf  hin,  daß  «las  Sehen  der 
Schwachsichtigen  in  der  DĂ€mmerung  kaum  von  dem  bei  guter 
Beleuchtung  abweicht.  Oft  liest  der  PrĂŒfling  mit  der  Dunkelbrille 
dieselbe  Zeichenzeile  wie  ohne  Brille. 

Enslin  (Berlin-Steglitz). 

Brianger:  Ein  Fall  von  doppelseitiger  SpÀtinfek- 
tion  nach  E  1 1  i  o  t  -  T  r  e  p  a  n  a  t  i  o  n.     Klin.  Monatsbl.  fĂŒr 
Augenheilkd.  Nov.-Dez.  21. 
Der  Streit  um  den  Wert  der  Trepanation  beim  Glaukom  ist 
noch  nicht  abgeschlossen.    Auf  die  Gefahr  der  SpÀtinfektion  wird 
immer  wieder  hingewiesen.    Der  von  E.  beobachtete  Fall  ist  in 
dieser  Beziehung  besonders  tragisch.     Hier  trat  die  Infektion 
nÀmlich  auf  beiden  Augen  auf,  auf  dem  ersten  1%  Jahr  nach  der 
Operation,  der  schon  eine  Iridektomie  vorangegangen  War.  Sie 
fĂŒhrte  zur  Schrumpfung.   SpĂ€ter  mußte  der  Augapfel  wegen  star- 
uter  Schmerzen  entfernt  werden.    7  Jahre  nach  dem  Eingriff  auf 
[dem  zweiten  Auge  trat,  wie  rechts,  ganz  plötzlich  eine  Infektion 
auch  hier  ein.     Es  fand  sich  ein  ödematöses  Kissen  ĂŒber  der 
Trepanstelle,  in  der  eine  Glaskörperperle  lag.  Iris  mit  der  Linse 
verwachsen;    Spannung    schwankend    zwischen  8  und  12  mm 
Schiötz.    Hornhaut  diffus  getrĂŒbt  bis  in  die  Tiefe;  Pupille  durch 
Exsudat  verlagert.    SpĂ€ter  starke  Spannungsvermehrung.  —  Es 
wurde  eine  Milcheinspritzung  (Aolan)  gemacht,  die  unverkennbar 
gĂŒnstig  wirkte;  ferner  eine  Glaskörperabsaugung  nach  Nedden, 
nach  der  eine  geringe,  und  eine  zweite  nach  5  Wochen,  nach  der 
eine    weitere    Besserung  des  Sehvermögens  festzustellen  war. 
Schließlich  mußte  aber  eine  Iridektomie  vorgenommen  werden. 
Es  blieb  dann  S  =  FingerzĂ€hlen  2  m;  LinsentrĂŒbungen. 

Zieht  man  in  ErwĂ€gung,  daß  außer  der  SpĂ€tinfektion  auch 
noch  andere,  sehr  unangenehme  Folgen  der  Elliot-Trepanation  zu 
verzeichnen  sind,  wie  Starbildung,  dauernde,  fast  völlige  Auf- 
hebung der  vorderen  Kammer,  expulsive  Blutung,  Netzhautab- 
lösung, so  ist  jeder  anderen,  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  gefahrloseren 
Operationsmethode  zunÀchst  der  Vorzug  zu  geben.  (Ref.  weist 
hierbei  besonders  auf  die  Cyklodialyse  nach  Heine  hin.) 

Enslin  (Berlin-Steglitz). 

Vogt  und  KnÜBel:   Die   Purtscher'sche  FernschĂ€di- 
gung der  Netzhaut  durch  SchÀdeltrauma.  Klin. 
Monatsbl.  f.  Augenheilkd.,  Nov.-Dez.  21. 
Unter  dem  Namen  Angiopathia  retin.  traumat.  hat  Purt- 
scher  ein  charakteristisches  Hintergrundsbild  beschrieben,  das 
för  unsere  Anschauungen  von  den  Wechselwirkungen  zwischen 
Auge  und  Gehirn  von  grĂ¶ĂŸtem  Interesse  ist.     Nach  schweren 
SchÀdeltraumen,  vielleicht  besonders  oft  nach  solchen,  die  von 
einer  Kompression  der  WirbelsÀule  in  der  LÀngsrichtung  be- 
gleitet sind,  findet  man  am  Augengrunde  weiße,  glĂ€nzende  Flecke, 
die  am  Rande  als  aus  PĂŒnktchen  und  kleinen  Strichen  zusam- 
mengesetzt sich  erweisen,  meist  papillengroß  oder  kleiner  sind, 
[gelegentlich  konfluieren  können  und  die  Netzhautmitte,  nicht  die 
^Peripherie    einnehmen.      Gleichzeitig  sind  manchmal  streifige, 
seltener  große,  prĂ€retinale  Blutungen  vorhanden.    Die  SehschĂ€rfe 
ist  meistens  herabgesetzt.    Mehrfach  sind  zentrale  Skotome  be- 
schrieben.    SĂ€mtliche  Herde  verschwinden  innerhalb  mehrerer 
Wochen.   Vereinzelt  bleiben  dauernde  Sehstörungen  zurĂŒck.  Nie- 
mals zeigt  der  Augapfel  die  Erscheinungen  der  Quetschung.  Bis- 
weilen lĂ€ĂŸt  sich  SchĂ€delbruch  nachweisen;  in  anderen  FĂ€llen 
fehlt  er  sicher. 

V.  und  K.  berichten  von  drei  neuen  FĂ€llen  einer  solchen  Angio- 
pathia retin.  traumat,  die  jedesmal  sofort  nach  einem  Sturz  auf 
den  Kopf  auftraten.  Eine  Basisfraktur  war  nicht  anzunehmen 
(Röntgenbild),  keine  Bewußtseinsstörungen.  Augen  Ă€ußerlich 
ohne  VerĂ€nderungen,  ebenso  brechende  Teile  klar.  Die  weißen 
Netzhautherd-Blutungen  heilten  nach  einigen  Monaten.  Es  zeigte 
sich  leichte  Papillenabblassung.  Lang  anhaltende  Sichelskotome. 
Die  NetzhautyerÀnderungen  sind,  wie  auch  Purtsc  her  schon 
angenommen  hat,  als  GegenstĂŒck  zur  Stauungspapille  aufzu- 
fassen. Sie  s^nd  der  Ausdruck  einer  plötzlichen  heftigen 
Drucksteigerung  im  SchÀdelinnern.  Die  Stauungspapille  ist  die 
Folge  eines  chronisch  vermehrten  Druckes. 

Enslin  (Berlin-Steglitz). 

Stoffwechsel. 

Robert  W.  Kecton:  Ammoniakausscheidung  nach  ex- 
perimenteller Einverleibung  von  SĂ€uren  per 
os  und  intravenös.  Journal  of  Biol.  Chem.  Bd.  49,  Nr.  2, 
S  411,  1921. 

Um  das  Wesen  der  SĂ€ureneutralisation,  die  ihren  Ausdruck 
in  einer  vermehrten  Ammoniakausscheidung  im  Urin  findet,  zu 


studieren,  wurde  0,10  HCl  Hunden  intravenös  und  per  os  bei 
gebracht.     Es  ergab  sich  hierbei,  daß  die  parenterale  Saurecin- 
verleibung  vermehrte  Ausscheidung  von  Ammoniak  und  von  Ge 
Samtstickstoff  bedingt;  das  normale  VerhÀltnis  beider  Komponcn 
ten  zueinander  ist  nicht  wesentlich  verÀndert.  SÀure  per  os  einver- 
leibt, ruft  absolute  Vermehrung  des  Ammoniakslicksloffs  hervor, 
wÀhrend  der   ausgeschiedene  Gesamtstickstoff  konstant  bleibt. 
Aus  diesen  Versuchsergebnissen  folgert  der  Verfasser,  daß  die 
SĂ€ureneutralisation  in  der  Hauptsache  in  der  Leber  stattfindet 
und  daß  in  der  Leber  Ammoniak  hierzu  zur  VerfĂŒgung  steht. 
Treten  unter  pathologischen  VerhĂ€ltnissen  grĂ¶ĂŸere  Mengen  en- 
dogen gebildeler  SĂ€uren  im  Verein  mit  Ammoniak  im  Urin  auf, 
so  deutet  das  nach  K.'s  Auffassung  darauf  hin,  daß  die  SĂ€uren 
zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  in  der  Leber  gebildet  werden.     Er  folgert 
weiter,  daß  beim  Diabetes  mellitus  die  Azetonkörper  vornehm- 
lich in  der  Leber  entstehen;  bei  der  Cholera  asiatica  und  der 
Cholera  der  Kinder  ist  der  Entstehungsort  der  Pfortader-Kreis- 
lauf.   Die  Acidosis  bei  Nephritis  wÀre  hingegen  als  nicht-hepa 
logen  zu  betrachten.  L.  Farmer  Loeb  (Berlin). 

R.  B.  Gibson  und  Frances  T.  Martin:  Beobachtungen  ĂŒber 
die  Bildung  von  Kreatine  bei  einem  Falle  von 
Dystrophia    muscularis    progressiva  pseudo- 
hypertrophica.    Journal  of  Biological  Chemistry  Bd.  49, 
Nr.  2,  S.  319,  1921. 
Bei  VerfĂŒtterung  von  Kreatin  bei  einem  12  jĂ€hrigen  Knaben, 
der  an  progressiver  Muskeldystrophie  litt,  wurde  dasselbe  in  der 
Hauptsache  als  Kreatin,  z.  T.  als  Kreatinin  wieder  ausgeschie- 
den.   Vermehrte  Kreatinausscheidung  wurde  durch  grĂ¶ĂŸere  Ei- 
weißgaben (75  g  pro  die)  hervorgerufen. 

L.  Farmer  Loeb  (Berlinj. 

Koichi  Nijadera  (Tokio):   Einfluß  des  Kalkes  auf  den 
Stickstoff-    und    HarnsÀurewechsel.    Ztschr.  f. 
physik.  und  diĂ€tet.  Therap.  XXV,  1921,  S.  193—200. 
3  Versuche  an  Hunden  mit  weinsaurem  Ca.  Resultat:  der  Ge- 
samtstickstoffwechsel bleibt  unbeeinflußt,  dagegen  sank  der  Harn- 
sÀuregehalt erheblich.  Buttersack. 


Buchbesprechungen. 

Dimmer  (Wien) :  Der  Augenspiegel  und  die  ophthal- 
moskopische Diagnostik.  3.  Auflage.  Verlag  Deu- 
ticke,  Leipzig  und  W7ien  1921. 
Das  1886  in  erster  und  1893  in  zweiter  Auflage  erschienene 
Buch  liegt  jetzt  in  dritter  Auflage  vor,  ist  aber  seinem  Alter  von 
35  Jahren  entsprechend  tĂŒchtig  gewachsen  und  krĂ€ftig  weiter- 
entwickelt. Der  Inhalt  ist  bedeutend  erweitert  und  zwar  in  der 
Hauptsache  dadurch,  daß  D.  sich  ein  anderes  Ziel  als  frĂŒher  ge- 
setzt hat.  WĂ€hrend  das  Buch  frĂŒher  nur  fĂŒr  die  BedĂŒrfnisse  des 
AnfÀngers  berechnet  war  und  in  möglichst  gedrÀngter  Form  das 
enthalten  sollte,  was  der  Praktiker  wissen  muß,  um  den  Augen 
spiegel  mit  Erfolg  zur  Erkennung  der  Brechungsfehler  und  der 
intraokularen  Erkrankungen  anwenden  zu  können,  sollte  die  neue 
Auflage  das  Thema  in  ausfĂŒhrlicher  Weise  behandeln,  so  daß  das 
Buch  auch  dem  Fachmann  nĂŒtzlich  sein  könnte.  Diese  Absicht  ist 
dem  Verf.  durchaus  gelungen.  In  klarer  ĂŒbersichtlicher  und  vor 
allem  erschöpfender  Wreise  unter  regelmĂ€ĂŸiger  AnfĂŒhrung  der 
wichtigsten  Literaturhinweise  sowie  jedesmal  kurzer  geschicht- 
licher Entwicklung  des  einzelnen  Themas  ist  der  Stand  der 
ophthalmoskopischen  Diagnostik  bis  auf  die  neueste  Zeit  behan- 
delt. Das  Buch  ist  eine  besondere  Ehrengabe  fĂŒr  Altmeister 
F  u  c  h  s,  dem  es  zu  seinem  70.  Geburlstag  gewidmet  ist,  und  eine 
wĂŒrdige  Ehrung  fĂŒr  Helmholtz,  dessen  100.  Geburtstags  auch 
durch  eine  bildliche  Wiedergabe  gedacht  ist.  —  In  mustergĂŒltiger 
Klarheit  werden  zunÀchst  der  Augenspiegel  und  seine  Anwen- 
dung, der  normale  Augengrund  und  dann  die  Refraklionsbestim- 
nuingen  behandelt.  Hier  fÀllt  besonders  die  lichtvolle  Darstellung 
der  Schattenprobe  auf,  an  der  Salzmann  mitgearbeitet  hat.  Mit 
den  elementaren  Gesetzen  von  der  Reflexion  und  Refraktion  des 
Lichtes,  den  Wirkungen  einfacher  Spiegel  beginnend,  werden  wir 
systematisch  in  das  brechende  System  des  Auges  und  danach  in 
Theorie  und  Praxis  des  Augenspiegels  von  Helmholtz'  ersten 
planparallelen  Glasplatten  bis  zu  den  neuesten  Apparaten  von 
T  h  o  m  e  r  und  Gullstrand  eingefĂŒhrt.  Auch  die  letzten  For- 
schungsergebnisse ĂŒber  die  Mikroskopie  des  lebenden  Augen- 
grundes nach  K  o  e  p  p  e  sind  behandelt.  Bei  der  Beschreibung 
des  normalen  Hintergrundes  werden  alle  noch  als  physiologisch 
zu  bezeichnenden  Abweichungen  angefĂŒhrt.  Es  schließt  sich  ein 
besonderes  Kapitel  ĂŒber  den  ophthalmoskopischen  Befund  beim 
Neugeborenen,  beim  Greise  und  nach  dem  Tode  an.    Auch  eine 


236 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg. —  Nr.  10. 


Ueber  steht  ĂŒber  den  HintergrundbelĂŒnd  bei  Tieren  fehlt  nicht.  — 
Im  II.  Teil  wird  die  ganze  Diagnostik  der  bei  der  Augenspiegel- 
untersuchung  sichtbaren  Anomalien  besprochen.  Auch  hier  wird 
keine  Kleinigkeit  vergessen  und  alle  neuesten  Forschungsergeb- 
nisse und  Theorien  bis  zum  Jahre  1920  sind  berĂŒcksichtigt.  Eine 
wesentliche  VervollstÀndigung  findet  das  Buch  durch  die  zahl- 
reichen Bilder.  Besonders  wertvoll  sind  150  Mikrophotogramme 
und  Augenspiegelbilder  auf  Einzeltafeln,  die  mit  dem  von  S.  an- 
gegebenen und  im  Buche  genau  beschriebenen  Apparat  zur  Photo- 
graphie des  Hintergrundes  hergestellt  worden  sind.  Sie  sind  in 
der  GrĂ¶ĂŸe  wiedergegeben,  wie  sie  bei  der  Aufnahme  selbst  auf 
der  Platte  erscheinen. 

Der  von  D.  in  dem  Vorwort  ausgesprochene  Dank  an  den 
Verlag  fĂŒr  die  vorzĂŒgliche  Ausstattung  ist  durchaus  berechtigt. 
„Auch  in  der  Zeit,  wo  die  heute  zu  ĂŒberwindenden  Schwierig- 
keiten nicht  vorlagen,  hÀtte  nichts  Besseres  geschaffen  werden 
können'  .  Diese  Worte  D.'s,  die  sich  auf  die  Ausstattung  beziehen, 
können  wir  getrost  auf  den  ganzen  reichen,  wissenschaftlichen 
Inhalt  ausdehnen.  Enslin  (Berlin-Steglitz). 

Joseph,  Max:  Lehrbuch  der  Hautkrankheiten  fĂŒr 
Aerzteund  Studierende.  Leipzig  1922.  Georg  Thieme. 
Die  9.  Auflage  des  bekannten  Joseph  sehen  Lehrbuches  ist 
aus  SparsamkeitsgrĂŒnden  in  gekĂŒrzter  Form  erschienen.  Daß 
diese  KĂŒrzung  nicht  auf  Kosten  der  plastischen  Darstellung  der 
Krankheitsbilder  geschehen  ist,  und  daß  die  Therapie  nicht  zu 
kurz  dabei  gekommen  ist,  ist  bei  dem  Verfasser  selbstverstÀnd- 
lich. Ebenso  sind  auch  die  neuesten  Forschungsergebnisse  im  weit- 
gehendstem Maße  berĂŒcksichtigt;  daß  hierbei  J.  die  Sapalcole  nicht 
erwÀhnt  und  bei  der  Bestrahlungstherapie  nur  die  Kromayer- 
Quarzlampe,  nicht  auch  die  weit  mehr  verwandte  „Höhensonne', 
kann  höchstens  als  Schönheitsfehler  angesehen  werden,  der  den 
Wert  des  Buches  nicht  mindert.  Dieser  Wert  besteht  besonders 
darin,  daß  es  bei  aller  Wissenschaftlichkeil  besonders  den  BedĂŒrf- 
nissen des  Praktikers  entgegenkommt.  Das  Lehrbuch  wird  sich 
daher  auch  in  seiner  jĂŒngsten  Fassung  der  alten  Beliebtheit 
weiter  erfreuen.  B  a  b. 

Dr.  Waldemar  v.  Wasielewski:  Telepathie  und  Hell- 
sehen. Versuche  und  Betrachtungen  nebst  ungewöhnliche 
‱   seelische  FĂ€higkeiten.  Marhold,  Halle  1922.  224  S.   Preis  25  M. 

Verfasser  berichtet  ĂŒber  Versuche,  die  er  mit  einer  Dame 
mehrere  Jahre  hindurch  angestellt  hat,  und  zwar  handelt  es  sich 
um  telepathische  kryptoskopische  Versuche  und  um  Fernvei - 
suche.  Bei  diesen  Versuchen  sind  die  objektiven  Fehlerquellen 
—  wenigstens  in  der  weitaus  grĂ¶ĂŸten  Zahl  —  ausgeschlossen. 

Zur  ErklÀrung  der  PhÀnomene  stellt  Verfasser  folgende 
SĂ€tze  auf:  Wir  charakterisieren  nach  allem  bisherigen  Telepathie 
und  Hellsehen  als  psychische  Leistungen,  denen  keine  bekannte, 
vielleicht  ĂŒberhaupt  keine  physische  Vermittlung  oder  materielle 
Gegenseite  entspricht.  Die  menschliche  Seele  besitzt  die  FĂ€hig- 
keit, GegenstĂ€nde  und  Ereignisse  der  Außenwelt,  sowie  ZustĂ€nde 
anderer  Seelen  unmittelbar  ohne  Zuhilfenahme  des  körperlichen 
Apparates  zu  empfinden.  Bei  dem  direkten  Empfinden  dieser  Art 
spielen  Raum  und  Zeit  wahrscheinlich  ĂŒberhaupt  keine  wesent- 
liche, jedenfalls  aber  nicht  dieselbe  bedingende  und  bestimmende 
Rolle  wie  bei  den  entsprechenden  normalen,  auf  Gebrauch  der 
Sinnesorgane  beruhenden  psychischen  Leistungen.  Hellsehen  und 
Telepathie  vollziehen  sich  in  einer  Region,  die  fĂŒr  gewöhnlich 
dem  Bewußtsein  unzugĂ€nglich  ist  und  bleibt.  Die  meisten  Men- 
schen erfahren  somit  nie  oder  nur  in  AusnahmefÀllen  etwas  von 
dem,  was  auch  sie  in  dieser  Beziehung  erleben.  Bei  einigen  da- 
gegen kommt  es  entweder  unwillkĂŒrlich  oder  auch  willkĂŒrlich 
zu  einer  Erhebung  der  hellseherischen  bzw.  telepathischen  Ein- 
wirkungen ĂŒber  die  Schwelle  des  Bewußtseins.  Das  sind  dann 
diejenigen  Menschen,  an  denen  diese  seelischen  FĂ€higkeiten  der 
Beobachtung,  der  Kontrolle,  dem  wissenschaftlichen  Versuche 
zugĂ€nglich  werden.  Das  Hellsehen  ist  an  sich  ein  unterbewußter 
Vorgang  und  muß,  um  uns  ĂŒberhaupt  bekannt  zu  werden,  erst 
ĂŒber  die  Schwelle  des  Bewußtseins  gehoben  werden.  Dieser  Akt 
geht  nun  Hand  in  Hand  mit  einer  Umwandlung.  Das  absolut, 
außerhalb  der  Fermen  der  phĂ€nomenalen  Welt  (Raum  und  Zeit) 
Erfahrene  ist  eben  damit  in  der  Seele  vorerst  auch  nicht  als 
rÀumlich-zeitliches  Bild  vorhanden;  es  verwandelt  sich,  wohl 
durch  Dazutreten  und  Eingreifen  der  GehirntÀtigkeit,  erst  sekun- 
dÀr in  ein  solches  und  tritt  durch  eben  diesen  Vorgang  und  ge- 
mĂ€ĂŸ dessen  IntensitĂ€t  ins  Bewußtsein  ein. 

Das  Buch  berĂŒhrt  sympathisch  durch  die  ObjektivitĂ€t,  mit  der 
den  Erscheinungen  gegenĂŒber  getreten  wird.  Sehr  bedauerlich 
ist  es,  daß  die  Versuchsperson  plötzlich  ihre  FĂ€higkeiten  verloren 
hat      und  dies  scheint  mir  ein  Punkt  zu  sein,  der  durch  die  Aus- 


lĂŒhrungen des  Verfassers  nicht  ĂŒberzeugend  geklĂ€rt  wird  -.  sn 
daß  eine  weitere  NachprĂŒfung  ausgeschlossen  erscheint.  Jeden, 
der  sich  fĂŒr  diese  Probleme  interessiert,  wird  dies  Buch  zum 
Nachdenken  anregen.  L  u  r  j  e. 

Friedrich  Moerchen:    Geheimwissenschaften,  Aerzt- 
liches  ĂŒber  Okkultismus  und  Spiritismus.    ?A  S 
Lichtweg-Verlag,  Essen.  1922. 
Verfasser  faßt  die  augenblickliche  Neigung  breiter  Bevölke- 
rungsschichten  zum  Okkultismus  als  eine  Reaktion  gegen  den 
Materialismus    auf;     im    allgemeinen    bringt    Verfasser  nichts 
ii  gendwie  Neues.  L  u  r  j  e. 

l'osner,  Carl:  Rudolf  Virchow.  Aus  Meister  der  Heil- 
kunde. Rikolo-Verlag,  Wien,  Berlin,  Leipzig,  MĂŒnchen. 
Herausgegeben    von    Max    Neuburger.     Bd.   1.  1921. 

91  Seiten,  8°. 

In  einer  neuen  Sammlung  von  Lebensbeschreibungen  hat  P. 
die  Darstellung  des  Virchow  sehen  Lebens  und  Werkes  ĂŒber- 
nommen. Nach  der  Natur  der  Sache  konnte  der  Verfasser  in  dem 
vorgesteckten  engen  Rahmen  nicht  das  zu  bieten  versuchen,  was 
selbst  das  Virchowsche  Archiv  zur  Erinnerungsfeier  jetzt  in 
EinzelausfĂŒhrungen  von  Vertretern  der  verschiedeenn  von  Virchow 
befruchteten  Sondergebiete  gebracht  hat.  Er  sagt  selbst:  „Die 
eigentliche  Virchowbiographie  ist  noch  zu  schreiben".  Aber  es 
ist  ihm  geglĂŒckt,  mit  wohltuender  WĂ€rme  in  das  persönliche  Leben 
und  fachliche  Wirken  Virchows  hineinzuleuchten  und  den 
Boden  fĂŒr  empfĂ€ngliche  Leser  fĂŒr  die  zu  erwartende  große 
Virchowbiographie  vorzubereiten.  Oskar  Rosenthal. 

DornblĂŒth:  Arzneimittel  der  heutigen  Medizin.  Be- 
arbeitet von  Prof.  Dr.  med  C.  Bachem.    13.  Auflage,  Leipzig 
1922,  Verlag  Curt  Kabitzsch. 
Wenn  ein  Buch  50  Jahre  existiert  und  in  dieser  Zeit  eine  Reibe 
von  Auflagen  erlebt  hat,  so  erĂŒbrigt  es  sich  eigentlich,  noch  ĂŒber 
den  Wert  desselben  zu  sprechen.    Auch  die  neue  Auflage  bietet 
wieder  eine  Reihe  von  Verbesserungen;  die  Aufnahme  der  Spe- 
zialitĂ€ten unter  die  Arzneimittel  und  die  genauen  Angaben  ĂŒber 
ihre  Zusammensetzung  und  Anwendungsweise  wird  jeder  Prak- 
tiker freudig  begrĂŒĂŸen.   Die  therapeutischen  Notizen  lassen  in  der 
FĂŒlle  des  Gebotenen  kaum  etwas  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig.   Das  Buch 
kann  auch  in  seiner  jetzigen  Gestalt  jedem  Praktiker  wÀrmstens 
empfohlen  werden.  Silbermann  (Charlottenburg). 

E.  Merek's  Jahresberichte  ĂŒber  Neuerungen  auf 
den  Gebieten  der  Pharmakotherapie  und  Phar- 
mazie, 1919-1920.  XXXIII.  und  XXXIV.  Jahrgang,  Darm- 
stadt 1921. 

Die  verwirrend  große  Anzahl  der  neuerdings  auf  den  Markt 
geworfenen  pharmazeutischen  PrÀparate  macht  dem  Arzte  oft 
eine  sichere  Orientierung  auf  diesem  Gebiete  geradezu  unmöglich. 
Die  seit  1887  erscheinenden  Jahresberichte  haben  es  sich  nun  zur 
Aufgabe  gestellt,  Aerzte  und  Apotheker  unter  Zugrundelegung  der 
in-  und  auslĂ€ndischen  Veröffentlichungen  ĂŒber  das  Wissenswer- 
teste aus  der  Fachliteratur  des  betreffenden  Jahres  zu  unter- 
richten. Die  ĂŒblichen  Literaturzusendungen  durch  die  inserieren- 
den Fabriken  und  Laboratorien  sind  nur  zu  oft  einseitig  ausge- 
wÀhlt und  lassen  deshalb  ein  objektives  Urteil  nicht  zu.  Nur  eine 
sachliche  —  sine  ira  et  studio  zusammengestellte  Wiedergabe  des 
Pro  und  Contra,  wie  sie  in  den  Jahresberichten  angestrebt  wird, 
ist  dazu  angetan,  dem  ĂŒbertriebenen  Skeptizismus  auf  der  einen 
und  der  gefÀhrlichen  Polypragmasie  auf  der  anderen  Seite  wirk- 
sam entgegenzutreten.  Hervorzuheben  sind  besonders  das 
Sammelreferat  ĂŒber  Benzylverbindungen  und  das  Verzeichnis  der 
Indikationen,  welches  eine  rasche  Orientierung  im  Buche  ge- 
stattet. L  K  a  n  n  e  r. 

Prof.  Dr.  B.  Chajes,  Arzt  und  Dozent  an  der  Technischen  Hoch- 
schule in  Charlottenburg:  Kompendium  der  sozialen 
Hygiene. 

Das  handliche  Buch  ist  vor  allem  fĂŒr  den  Gebrauch  des  prak- 
tischen Arztes  sowie  all  derer  bestimmt,  die  sich  mit  sozialer 
Hygiene  zu  beschÀftigen  haben.  Es  enthÀlt  in  gedrÀngter  aber 
lĂŒckenloser  Form  das  Material,  daß  sich  durch  besonders  mit  den 
in  der  Kriegs-  und  Nachkriegszeit  gemachten  Beobachtungen  be- 
schÀftigt, welche  vielfach  ganz  neue  Probleme  ergeben  haben. 
Auch  fĂŒr  den  Studenten  dĂŒrfte  das  Werkchen  von  großem  Nutzen 
sein.  Haber. 

Druckfehlerberichtigung. 

Der  Autor  des  Artikels  „Zur  Frage  der  experimentellen  Er- 
zeugung der  Tumoren"  heißt  nicht  E.  Gaul  sondern  E.  S  a  u  1. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  prakĂŒschen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  E.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafe  3  ‱  Berliner  GeschĂ€ftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Stra&e  26  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Ni.  11  Berlin,  den  15.  MĂ€rz  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Verlag  behĂ€lt  aioh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Ueber  die  Einwirkung  kohlensaurer  StahibÀder 
auf  das  .Elektrokardiogramm. 

Von  Prof.  Dr.  W  eiß  b  ei n,  Berlin  und  Dr.  W  i  1 1  k.u  g  e  I, 
Blankenburg  i.  ThĂŒr. 

In  seinen  Beobachtungen  und  Erfahrungen  ĂŒber  Bad 
Elster  gab  Bechler  (1)  schon  im  Jahre  1867  an,  daß  es  ein 
weitverbreiteter  Irrtum  sei,  die  Anwendung  kohlensÀure- 
reicher StahlbÀder  bei  Herzkranken  als  kontraindiziert  zu 
betrachten.  Zu  dieser  lTeberzeugung  gelangte  er  auf  Grund 
seiner  Beobachtungen,  die  er  im  Verlauf  von  5  Jahren  an 
Kranken  mit  Mitralklappen-Insuffizienzen  in  Begleitung  von 
AnĂ€mie  „als  Folgen  von  Rheumatismus  oder  Masern"  ange- 
stellt hatte.  In  sÀmtlichen  FÀllen  wurden  die  BÀder,  wie  er 
besonders  betonte,  nicht  nur  in  verdĂŒnntem,  sondern  auch 
in  unverdĂŒnntem  Zustand  ganz  vortrefflich  vertragen  und 
erziehen  eine  auffallende  Besserung  des  Allgemeinbefindens. 
Dabei  hob  er  ausdrĂŒcklich  hervor,  daß  er  durch  den  BĂ€der  - 
gebrauch  nicht  etwa  eine  Beseitigung  von  Bindege  websneu - 
bildungen,  Verschrumpfungen  usw.  an  den  Herzklappen  er- 
wartete, vielmehr  von  der  Ansicht  ausging,  daß  eine  Elsterer 
Badekur  Rezidiven  von  Endokarditiden  sowie  der  weiteren 
Disposition  zu  rheumatischen  Erkrankungen  vorbeugen 
könne.  Besonders  gĂŒnstige  Resultate  erreichte  er  bei  ner- 
vösen Palpitationen  des  Herzens,  wenn  ihnen  gewisse 
SchwÀchezustÀnde  zugrunde  lagen  und  sie  als  Folgen  von 
Chlorose  und  AnÀmie  entstanden  waren.  Diese  Erfahrungen 
wurden  durch  die  Untersuchungen  von  Jacob  (2)  im  Jahre 
1870  bestÀtigt,  der  auf  Grund  sorgfÀltiger  Beobachtungen 
nachwies,  daß  kohlensaure  StahlbĂ€der  auf  das  Herz  gĂŒnstig 
einwirken,  indem  sie  ĂŒberall  da,  wo  eine  Herzaffektion  „mit 
vermehrter  Pulsfrequenz  bei  gleichzeitig  verminderter  Ener- 
gie der  HerztÀtigkeit"  vorliegt,  im  Sinne  der  Digitalis  krÀf- 
tigend und  pulsregulierend  wirken.  Wandte  man  frĂŒher  die 
Digitalis  als  das  souverÀne  Herzmittel  bei  allen  FÀllen  von 
HerzschwĂ€che  an,  gleichgĂŒltig  welcher  Natur  sie  waren,  so 
vertritt  man  heute  allgemein  den  Standpunkt,  daß  es  zahl- 
reiche Herzaffektionen  gibt,  in  denen  das  kohlensaure  Bad 
der  Digitalis  weit  vorzuziehen  ist,  schon  weil  deren  Neben- 
wirkungen, die  sich  mitunter  doch  als  unerwĂŒnschte  Er- 
scheinungen zeigen,  dem  KohlensÀurebad  nicht  anhaften. 
Deshalb  bezeichnet  man  im  balneologischen  Heilschatz  die 
kohlensÀurehaltigen  BÀder  ihrer  geradezu  spezifischen  Wir- 
kung wegen  auch  als  „HerzbĂ€der".  In  den  kohlensauren 
StahlwÀssern  sind  es  besonders  zwei  Komponenten,  welche 
eine  therapeutische  Wirksamkeit  entfalten,  die  Eisensalze 
nd  die  freie,  bzw.  freiwerdende  KohlensÀure.  Bei  den  Trink- 
kuren stellen  die  Eisensalze  den  wichtigeren  Teil  der  Stahl- 
quellen dar,  wĂ€hrend  die  KohlensĂ€ure  nur  ein  unterstĂŒtzen- 
des Moment  bedeutet.  Die  Eisensalze  werden  im  Verdau- 
ungskanal zerlegt,  das  Eisen  gelangt  dann  auf  dem  Wege  der 
Resorption  in  die  blutbereitenden  Organe,  auf  die  es  eine  an- 
regende Wirkung  ausĂŒbt,  es  wird  weiterhin  als  Material  zum 
Aufbau  des  HĂ€moglobins  und  zur  Bildung  von  eisenreichen 
Reservestoffen  in  der  Leber,  Milz  und  anderen  Organen  ver- 
wendet. Die  KohlensĂ€ure  erfĂŒllt  bei  den  Trinkkuren  vor 
allem  die  Funktion,  die  Resorption  der  Eisensalze  zu  fördern. 

Anders  liegen  die  VerhÀltnisse  bei  den  Badekuren.  Hier 
ist  die  KohlensÀure  der  entscheidende  Faktor.    Eine  Resorp- 


tion des  Eisens  durch  die  unversehrte  Haul  kommt  nach 
den  vorliegenden  wissenschaftlichen  Untersuchungen  nicht  in 
Betracht.  Schon  im  Jahre  1855  Ă€ußerte  sich  Lehmann  (3) 
folgendermaßen  zu  dieser  Frage:  „Wenn  BadeĂ€rzte  behaup- 
ten, physiologische  Versuche  hĂ€tten  gelehrt,  daß  Lösungen 
von  Eisensalzen  im  Bade  vermöge  der  Aufsaugungskraft  in 
das  Innere  des  Körpers  ĂŒbergehen,  so  mĂŒsse'n  wir  uns  auf 
das  bestimmteste  dagegen  erklÀren,  da  die  heutige  Physiolo- 
gie kein  einziges  Beispiel  eines  exakten  Versuches  kennt, 
durch  welchen  ein  solcher  Uebergang  nachgewiesen  wÀre,  da 
fremde  und  unsere  eigenen  Versuche  das  direkte  Gegenteil 
erwiesen  haben".  Auch  Schwartze  (4)  erscheint  es  zwei- 
felhaft, ob  die  unverletzte  Menschenhaut  im  Wasserbade 
Wasser  und  Stoffe,  die  in  ihm  aufgelöst  sind,  zu  absorbieren 
vermag.  Bechler  (1),  der  sich  den  Angaben  von  Leh- 
mann anschließt,  hebt  besonders  hervor,  daß  eine  Resorp- 
tion von  Eisensalzen,  die  im  Badewasser  gelöst  sind,  bis  zu 
seiner  Zeit  nicht  nachgewiesen  wurde.  Jacob  (2)  hielt 
den  LTebergang  des  Eisens  und  der  sonst  im  Wasser  gelösten 
festen  Bestandteile  in  den  Organismus  nicht  fĂŒr  erwiesen 
und  ĂŒberhaupt  fĂŒr  unwahrscheinlich.  L  e  r  s  c  h  (5)  gelangte 
zu  der  Ueberzeugung,  daß  die  Aufsaugung  von  Eisen  durch 
die  Haut  nicht  nur  nicht  erwiesen  ist,  sondern  daß  vielmehr 
seine  Nichtaufsaugung  durch  Versuche  wahrscheinlich  ge- 
macht ist.  Auch  Helmkampf  f  (6),  Flechsig  (7)  und 
viele  andere  Autoren  Ă€ußern  sich  in  gleichem  Sinne.  Diese 
Anschauung  hat  auch  in  neuester  Zeit  keine  Aenderung  er- 
fahren. So  weist  K  i  o  n  k  a  (8)  im  deutschen  BĂ€derbuch  aus- 
drĂŒcklich darauf  hin,  daß  bei  der  Badekur  natĂŒrlich  von 
einer  Resorption  des  Eisens  durch  die  Haut  keine  Rede  sein 
kann. 

Die  Wirkung  des  Eisens  in  den  kohlensauren  Stahl - 
bĂ€dern  fĂŒhrt  Kersch  (5)  auf  Ă€hnliche  VorgĂ€nge  zurĂŒck, 
wie  sie  sich  nach  F  r  ankenhÀuse  r  (9)  bei  den  kohlen- 
sauren SolbÀdern  abspielen,  bei  denen  nach  Abdunstung  des 
Wassers  die  Sole  auf  der  Haut  haften  bleibt  und  wie  ein 
dĂŒnner  Mantel  den  Körper  bedeckt.  Auf  diese  Weise  bleibe 
nach  Aufhören  des  KohlensÀureeinflusses  noch  die  Einwir- 
kung der  Sole  fortbestehen. 

An  der  Hand  von  vergleichenden  Studien  ĂŒber  die  Ein- 
wirkung von  SolbÀdern  und  kohlensÀurehaltigen  SolbÀdern 
auf  das  Elektrokardiogramm  konnte  Weißbein  (10)  tat- 
sĂ€chlich den  Nachweis  erbringen,  daß  wĂ€hrend  des  kohlen- 
sauren Solbades  gleichzeitig  die  Reize  der  KohlensÀure  und 
Sole  auf  die  Herzfunktion  einwirken.  Kersch  (1)  war  nun 
der  Ansicht,  daß  Ă€hnlich  wie  bei  den  kohlensauren  Sol- 
bĂ€dern, auch  bei  den  kohlensauren  StahlbĂ€dern  —  abgesehen 
von  der  KohlensĂ€ure  —  dem  Eisen  selbst  eine  besondere 
Wirkung  zuzuschreiben  sei.  Infolge  ihrer  leichten  Zersetz- 
barkeit  legten  sich  nach  seiner  Auffassung  die  Eisenverbin- 
dungen als  feiner  Niederschlag  innig  in  die  FĂ€ltchen  und 
GrĂŒbchen  der  Haut,  so  daß  ein  Teil  des  Eisens  beim  Ab- 
trocknen des  Badewassers  auf  der  Haut  haften  bleibe,  von 
den  SĂ€uren  des  Schweißes  gelöst  werde  und  auf  diese  Weise 
in  die  Haut  einzudringen  vermöge.  Ein  Beweis  fĂŒr  diese 
Auffassung  ist  aber  nicht  erbracht  worden.  Im  Jahre  1864 
wies  schon  L.  Posner  (11)  darauf  hin,  da!5  die  örtliche 
Wirkung  der  Metallsalze  auf  die  Haut  nicht  wissenschaftlich 
prÀzisiert  sei.  Flechsig  (7)  hob  in  erster  Linie  die  Wir- 
kung der  KohlensÀure  bei  den  koblensauren  StahlbÀdem  her- 


238 


Weißbein,  Wittkugel:  Kohlensaure  StahlbĂ€der 


40.  Jahrg.— Nr.  11. 


vor  und  hielt  sowohl  eine  Resorption  von  Eisen  durch  die 
Ă€ußere  Haut,  als  auch  einen  adstringierenden  Einfluß  des 
kohlensauren  Eisenoxj'duls  auf  die  sensiblen  Hautnerveh  fĂŒr 
unwahrscheinlich. 

Ueber  die  Einwirkung,  die  die  KohlensÀure  im 
Bade  auf  die  Haut  ausĂŒbt,  besteht  eine  außerordentlich  große 
Literatur.  Schon  Bechler  (1)  machte  darauf  aufmerksam, 
daß  die  KohlensĂ€ure,  mag  sie'  als  trockenes  Gas  oder  im  Bade 
zur  Anwendung  kommen,  eine  Reizung  der  Muskelfasern  der 
Haut,  des  Gefaßapparates  und  der  peripheren  Nerven- 
endigungen hervorruft.  Bereits  nach  einer  kurzen  Anwesen- 
heit in  einem  kohlensÀurereichen  Bade,  so  schildert  Bech- 
1  e  r  seine  Beobachtungen,  bedeckt  sich  die  gesamte  Körper- 
oberflÀche dicht  mit  BlÀschen  des  kohlensauren  Gases,  welche 
mit  der  Hand  entfernt,  sich  rasch  wieder  ersetzen  und  innner 
wieder  aufs  neue  entwickeln,  da  das  Freiwerden  des  Gases 
sich  selbst  nach  einem  halbstĂŒndigen  Bade  kaum  erheblich 
vermindert.  Zugleich  wird  die  Haut,  auf  der  schon  nach 
kurzem  Verweilen  im  Wasser  ein  leichtes  Brennen  bemerk- 
bar wird,  durchschnittlich  bereits  nach  5 — 6  Minuten  leicht 
gerötet  und  pflegt,  wenn  nicht  ein  hoher  Grad  von  AnÀmie 
besteht,  nach  einem  Bade  von  20 — 30  Minuten  ziemlich  pur- 
purrot zu  erscheinen.  Durch  diese  reizende  Einwirkung  der 
KohlensĂ€ure  auf  die  Ă€ußere  Haut  wird  aber  ein  ganz  wesent- 
licher Einfluß  auf  den  Organismus  geĂŒbt,  insofern  durch 
denselben  zunĂ€chst  die  sensiblen  Nerven  der  Ă€ußeren  Haut 
getroffen  werden,  was  sich  in  lebhaftem  Prickeln  und  Bren- 
nen der  Haut  dokumentiert;  von  den  sensiblen  Fasern  aus 
aber  wird  dieser  Reiz  in  zentripetaler  Richtung  den  Zentral  - 
organen  ĂŒbermittelt,  von  diesen  wieder  an  die  zerebrospinalen 
motorischen  Nerven,  sowie  auch  an  die  Ganglien  des  Sym- 
pathikus und  von  da  auf  sÀmtliche  Bahnen  des  sympathi- 
schen Nervensystems.  Die  Rötung  der  Haut  macht  nach 
einiger  Zeit  einer  sekundÀren  BlÀsse  Platz. 

Im  Bade  erfolgt  also  zunÀchst  eine  Erweiterung  der  Ka- 
pillaren mit  lebhaftem  Zufluß  des  Blutes  aus  den  großen  Ge- 
fĂ€ĂŸen in  sie  hinein.  Hierdurch  tritt  eine  Entlastung,  eine 
Schonung  des  Herzens  ein.  Bei  der  darauf  folgenden 
Kontraktion  der  Muskulatur  der  Hautkapillaren  kommt  es  zu 
einem  stĂ€rkeren  RĂŒckfluß  des  Blutes  in  die  großen  GefĂ€ĂŸe, 
wodurch  eine  Belastung  des  Herzens  eintritt.  Dieser  Vor- 
gang ist  als  herzĂŒbendes  Moment  von  Bedeutung.  Hin- 
zu kommt  nach  E.  Weber  (12)  der  funktions- 
anregende Einfluß  auf  das  Herz,  der  durch  Kohlen- 
sÀurereizung peripherischer  sensibler  Nerven  vermittelt  wird. 

Die  Reizwirkung  der  KohlensÀure  findet  nach  Senator 
und  FrankenhĂ€user  (13)  ihre  ErklĂ€rung  darin,  daß  die 
Verschiedenheit  der  WÀrmekapazitÀt  und  WÀrmeleitung 
des  Wassers  einerseits  und  der  KohlensÀure  andererseits 
wechselnde  EinflĂŒsse  auf  die  Endigungen  der  WĂ€rme-  und 
KĂ€ltenerven  in  der  Haut  ausĂŒbt.  Goldscheider  (14) 
dagegen  ist  der  Ansicht,  daß  die  KohlensĂ€ure  als  solche 
einen  ihr  typischen  chemischen  Reiz  auf  die  Nervenend- 
organe der  Haut  entfaltet  und  vasomotorische,  vielleicht  auch 
Herzreizungen  auslöst,  welche  funktionsanregend  wirken  und 
vom  Organismus  im  Sinne  der  Regulierung  verarbeitet 
werden. 

Die  kohlensauren  StahlbÀder  haben  nun  nach  J  a  c  o  b 
(2)  die  Eigenschaft,  ebenso  wie  die  Digitalis  den 
Herzrhythmus  zu  verlangsamen.  Es  wird  eine 
ausgiebige  Kontraktion  des  Herzmuskels  hervorgerufen  und 
die  Energie  und  Arbeitsleistung  dieses  Organs  gehoben.  Aus 
diesem  Grunde  wurden  schon  von  Jacob  (2)  die  kohlen- 
sauren BĂ€der  bei  all  den  Herzkrankheiten  empfohlen,  bei 
denen  die  HerztÀtigkeit  beschleunigt  und  eine  KrÀftigung  des 
Herzens  angebracht  ist.  Diese  Herabsetzung  der  Pulsge- 
schwindigkeit bei  beschleunigter  Herzaktion  ist  ĂŒbrigens 
schon  frĂŒher  von  Kernig  (15)  festgestellt  worden. 

Bei  dem  Gebrauch  von  kohlensauren  StahlbÀdern  wird 
nach  Jacob  (2)  der  ungewöhnlich  frequente  Puls  der  AnÀ- 
mischen, Chlorotischen,  Emphysematiker  und  Herzkranken 
herabgesetzt  und  kann  durch  eine  grĂ¶ĂŸere  Anzahl  von  BĂ€dern 
dauernd  zur  Norm  zurĂŒckgefĂŒhlt  werden. 


Eine  unnatĂŒrliche  Beschleunigung  der  HerztĂ€tigkeit  hat 
zur  Folge,  daß  das  Herz  sich  bei  der  Systole  nicht  voll- 
stÀndig kontrahiert  und  daher  nicht  seinen  ganzen  Inhalt 
in  die  ßlutbahn  hineinpumpt.  Hieraus  erklĂ€rt  sich  die  ver- 
ringerte LeistungsfÀhigkeit  des  Herzens,  die  sich  in  der 
Herabsetzung  des  Blutdrucks  bei  diesen  Kranken  kenntlich 
macht.  Nacn  den  Feststellungen  von  Jacob  (16),  S  t  i  f  1  e  r 
(17)  u.  a.  wird  unter  der  Einwirkung  des  kohlensauren 
Stahlbades  der  Blutdruck  gesteigert  und  die  Arbeit 
des  Herzens  gĂŒnstig  beeinflußt. 

In  Uebereinstimmung  mit  Àlteren  badeÀrztlichen  Er- 
fahrungen konnte  in  neuerer  Zeit  an  der  Hand  von  Röntgen- 
untersuchungen festgestellt  werden,  daß  unter  dem  Einfluß 
von  kohlensauren  BĂ€dern  eine  mĂ€ĂŸige  Verkleinerung 
des  dilatierten  Herzens  stattfindet.  Diese  Beob- 
achtungen sind  umso  wertvoller,  als  wir  durch  die  ortho- 
diagraphische  Kontrolle  ein  objektives  Bild  ĂŒber  die 
GrĂ¶ĂŸe  und  Form  des  Herzens  bezw.  seiner  VerĂ€nde- 
rungen gewinnen. 

Zur  genaueren  Beurteilung  des  Herzzustandes  ist  aber 
unbedingt  auch  eine  zuverlĂ€ssige  PrĂŒfung  seiner  Funktion 
erforderlich.  In  dieser  Hinsicht  sind  wir  in  den  letzten 
Jahren  mit  Hilfe  des  Elektrokardiographen,  der 
von  Kraus  und  Nicolai  (18)  in  die  Diagnostik  der  Herz- 
krankheiten eingefĂŒhrt  wurde,  wesentlich  vorangekommen. 

WĂ€hrend  man  mit  den  frĂŒher  ĂŒblichen  Untersuchungs- 
methoden nur  den  peripherischen  Teil  des  Zirkulations- 
apparates zu  prĂŒfen  instande  war,  können  wir  mittels  der 
Elektrokardiographie,  wie  Nicolai  (19)  sich  ausdrĂŒckt, 
unterscheiden,  „ob  eine  VerĂ€nderung  auf  einen  Vorgang  in 
den  GefĂ€ĂŸen  oder  im  Heizen  selbst  zurĂŒckzufĂŒhren  ist,  ob 
also  z.  B.  eine  vorĂŒbergehende  Blutdrucksteigerung  auf  einer 
GefĂ€ĂŸkontraktion  oder  auf  einer  stĂ€rkeren  Arbeit  des  Herzens 
selbst  beruht."  Wir  können  also  mit  Hilfe  dieser  Methode 
die  HerztÀtigkeit  unabhÀngig  von  allen  peripherischen  Ein- 
flĂŒssen erforschen.  Die  Aktionsströme  des  Herzens,  die  wir 
hierbei  messen,  sind  der  Ausdruck  der  mechanischen 
TĂ€tigkeit  des  Herzens.  Aus  diesem  elektrischen  Aequivalent, 
das  wir  aufschreiben,  können  wir  die  mechanischen  VorgÀnge 
berechnen. 

Die  ersten  elektrokardiographischen  Untersuchungen 
ĂŒber  die  Beeinflussung  der  HerztĂ€tigkeit  durch  BĂ€der  wurden 
von  Rhein  boldt  und  G  o  1  d  b  a  u  m  (20)  in  der  II.  medi  - 
zinischen  Klinik  der  Charite  ausgefĂŒhrt.  Man  suchte  zu- 
nĂ€chst den  Einfluß  der  Temperatur  allein  zu  ermitteln, 
und  zwar  an  der  Hand  von  sogenannten  indifferenten,  v,  armen 
und  kalten  BĂ€dern.  Hierbei  ergab  sich,  daß  heiße  BĂ€der  die 
J-Zacke  und  in  unbedeutendem  Maße  auch  die  F-Zacke 
vergrĂ¶ĂŸeren,  daß  aber  die  kalten  BĂ€der  die  J-Zacke  ver- 
kleinern und  die  F — Zacke  stark  vergrĂ¶ĂŸern,  d.  h.  kalte 
BĂ€der  wirken  auf  das  Herz  energischer  ein  als  warme. 

Besonders  interessant  ist  das  Ergebnis  der  Untersuchun- 
gen, die  an  sogenannten  indifferenten  BĂ€dem  (34  0  bis  36  0  C) 
angestelt  werden.  Man  fand,  daß  ein  derartiges  Bad  eine 
deutliche  Uebergangsstellung  zwischen  den  heißen  und  kalten 
BĂ€dern  einnimmt  und  in  bezug  auf  seine  Herzwirkung  zu 
den  warmen  BĂ€dern  zu  rechnen  ist. 

Nach  Feststellung  des  Einflusses  der  Temperatur 
galt  es,  der  Frage  nÀher  zu  treten,  welche  Beeinflussung  die 
KohlensĂ€urebĂ€der  auf  die  HerztĂ€tigkeit  ausĂŒben. 

Es  wurden  zunĂ€chst  kĂŒnstliche  KohlensĂ€ure- 
bĂ€der einer  PrĂŒfung  unterzogen.  Hierbei  kamen  Rhein- 
boldt  und  G  o  1  d  b  a  u  m  (20)  zu  dem  Schluß:  „Im  C02-Bad 
besteht  eine  Tendenz  aller  Zacken  zu  steigen.  In  geringem 
und  nicht  charakteristischem  Maße  ist  das  fĂŒr  die  A-Zacke 
der  Fall,  ganz  erheblich  dagegen  fĂŒr  die  F-Zacke.  Bei  der 
J-Zacke  geht  der  Steigerung  mehrfach  eine  Senkung  voraus, 
imd  wo  dies  bei  J  zutrifft,  ist  es  auch  bei  F  der  Fall.  Der 
Fall  mit  gestörter  Kompensation  zeigt  die  Zunahme  noch 
deutlicher  als  die  normalen  FĂ€lle."  Nach  dem  kĂŒnstlichen 
COs-Bad  besteht  fast  durchweg  zunÀchst  Senkung,  dann 
wieder  Hebung  der  Zacken.  Im  Ganzen  ĂŒberwiegt  der 
Zackenabfall  gegen  den  Anstieg. 


40.  Jahrg. —  Nr.  11 


Weißbein,  VVittkugel:  kohlensaure  StahlbĂ€dcr 


An  der  Hand  von  elektrokardiographischen  Versuchen, 
die  Privatdozent  Waledinsky  (21)  auf  Veranlassung  des 
B  i  C  k  el  in  der  experimentell-biologischen  Abteilung  des 
Pathologischen  Instituts  mit  kĂŒnstlichen  KohlensĂ€urebĂ€derrj 
bei  Kaninchen  anstellte,  wurde  gleichfalls  erwiesen,  in  wie 
hohem  Grade  das  Herz  beeinflußt  wird. 

Gaben  diese  Untersuchungen  bei  k  ĂŒ  n  s  t  1  i  c  he  n 
KohlensÀurebÀdern,  schon  interessante  Ergebnisse,  so  lag  es 
nahe,  auch  den  Einfluß  natĂŒrlicher  KohlensĂ€urebĂ€der 
auf  das  Elektrokardiogramm  zu  erforschen. 

Nicolai  (19)  und  Weißhein  (10)  wandten  sich 
dieser  Frage  zu  und  stellten  an  der  Hand  von  elektrokardio- 
graphischen Untersuchungen  die  Einwirkungen  von  einfachen 
SolbĂ€dern  und  natĂŒrlichen  kohlensauren 
SolbÀdern  auf  die  Herzfunktion  fest. 

Die  natĂŒrlichen  kohlensauren  S  t  a  h  1  b  Ă€  d  e  r 
waren  bisher  noch  nicht  in  ihrer  Einwirkung 'auf  das  Elek- 
trokardiogramm untersucht  worden.  Es  war  deshalb  von 
besonderem  Interesse,  nach  dieser  Seite  hin  weitere  Beob- 
achtungen anzustellen. 

Hierzu  bot  sich  im  Jahre  1913  in  Bad  Elster  Gelegenheit, 
wo  wir  auf  Anregung  des  sÀchsischen  Ministeriums  elektro- 
kardiographische  Untersuchungen  ĂŒber  die  Einwirkung  von 
kohlensauren  StahlbÀdern  auf  die  Herz- 
funktion anstellen  konnten. .  Die  beobachteten  FĂ€lle 
wurden  uns  in  entgegenkommender  Weise  von  Geh.  San. -Rat 
Dr.  Köhler  aus  seinem  Sanatorium  zur  VerfĂŒgung  gestellt, 
an  dem  Dr.  Wittkugel  damals  tÀtig  war.  Die  Versuche 
wurden  in  der  Weise  angeordnet,  daß  sowohl  bei  Herz- 
gesunden,  wie  bei  geeigneten  Herzkranken  Elektrokardio- 
gramme in  Abteilung  I  (vom  rechten  und  linken  Arm),  vor 
dem  Bad,  wÀhrend  des  Bades  in  AbstÀnden  von  je  10  Mi- 
nuten, gleich  nach  dem  Bad  sowie  nach  einer  lÀngeren 
Ruhepause  (durchschnittlich  1  Stunde)  aufgenommen  wur- 
den. Die  Badetemperatur  war  in  allen  FĂ€llen  34 9  C.  Zur 
Kontrolle  wurden  bei  jedem  Patienten  Elektrokardiogramme 
in  einfachen  SĂŒĂŸwasserbĂ€dern  von  gleicher  Temperatur  und 
bei  gleicher  Versuchsanordnung  aufgenommen.  Zur  An- 
wendung kam  der  elektrokardiographische  Apparat  der 
Firma  H  u  t  h.  Der  Abstand  des  Registrierapparates  von  der 
Frontlinse  des  Projektions-Okulars  betrug  65  cm,  der  Faden - 
ausschlag  2  cm.  Die  HĂ€nde  der  Patienten  wurden  mit  leich- 
ten Tuchelektroden  umwickelt,  die  wiederum  durch  Gummi- 
binden geschĂŒtzt  waren.  Auf  diese  Weise  wurden  im  gan- 
zen 291  Elektrokardiogramme  aufgenommen,  die  sich  auf 
62  Badeversuche  verteilten. 

Die  Resultate  unserer  Untersuchungen  mit  einfachen 
SĂŒĂŸwasserbĂ€dern,  wie  sie  sich  bei  der  Ausmessung  von 
75  Elektrokardiogrammen  ergaben,  stimmen  mit  den  frĂŒhe- 
ren Beobachtungen,  die  in  dieser  Hinsicht  angestellt  sind, 
ĂŒberein.  Es  hat  sich  wieder  gezeigt,  daß  die  sogenannten 
indifferenten  SĂŒĂŸwasserbĂ€der  nicht  ohne  Einfluß  auf  die 
Herzfunktion  sind  und  ihrer  Wirkung  nach  zu  den  lau 
warmen  BĂ€dern  gezĂ€hlt  werden  mĂŒssen.  Wie  aus  der 
Tabelle  I,  in  der  die  Mittelwerte  unserer  Ausmessungen  zu- 
sammengefaßt sind,  ersichtlich  ist,  werden  im  sogenannten 
indifferenten  Bade  sÀmtliche  Zacken  leicht  erhöht.  Das 
VerhÀltnis  der  J-Zacke  zur  F-Zacke  wird  insofern  beein- 
flußt, als  es  wĂ€hrend  des  Bades  um  10—12  %  sinkt.  Nach 
dem  Bade  geht  das  VerhÀltnis  der  J-Zacke  zur  F-Zacke  fast 
vollstĂ€ndig  wieder  zur  AnfangsgrĂ¶ĂŸe  zurĂŒck. 

I.  Tabelle  der  Zackengröljen. 

SiifjwasserbÀder. 


Mittelwerte 

aus 

16  WasserbÀder  - 
Versuchen. 


I 


Jp  J/F 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
Ruhezeit  \ 
Nach  1  stĂŒndiger  ( 


10,0 
13,1 
13,5 
Ii.:; 

1U 


2,0 
2,9 
3,1 
2,9 


1,3 
1,5 
1,6 
1,0 

1,3 


4,6 
5,2 
5,4 
5,3 

4,9 


5,0 
4,5 
4,4 
4,9 

4,8 


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52  4J 


Weißbein,  Wittkugel:  Kohlensaure  StahlbĂ€der 


40.  Jahrg. —  Nr.  11. 


Die  Einwirkung  der  Elsterer  kohlensauren  StahlbÀder 
auf  die  Herzfunktion  wurde  sowohl  bei  herzgesunden  als 
auch  bei  herzkranken  Personen  untersucht.  Bei  den  erste- 
ren  wurden  19  Badeversuche  angestellt.  Vergleichen  wir 
die  ZackengrĂ¶ĂŸen  der  hierbei  gewonnenen  89  Elektrokardio- 
gramme, so  zeigt  sich  ĂŒbereinstimmend  bei  allen  Aufnahmen 
ein  erhebliches  Ansteigen  der  J-Zacke  und 
eine  geradezu  auf  lallend  starke  VergrĂ¶ĂŸe- 
rung der  F  -Zacke.  Das  VerhÀltnis  der  J-Zacke  zur 
F-Zacke  wird  sowohl  wÀhrend  des  Bades  wie  auch  gleich 
nach  dem  Bade  und  nach  einstĂŒndiger  Ruhezeit  erheblich 
herabgesetzt.  Aus  diesem  Befund  ergibt  sich,  daß  die  kohlen- 
sauren StahlbÀder  auf  die  Funktion  des  gesunden  Herzens 
außerordentlich  gĂŒnstig  einwirken,  da-man  ja  nach  Kraus 
und  Nicolai  (18)  aus  de  m VerhÀltnis  der  J-Zacke  zur 
F-Zacke  einen  RĂŒckschluß  auf  die  GĂŒte  des  Herzens  zu 
ziehen  berechtigt  ist.  Die  Vorhofzacke  (A-Zacke)  und  die 
Jp-Zacke  zeigen  gleichfalls  im  allgemeinen  wÀhrend  des 
Bades  eine  Tendenz  zur  VergrĂ¶ĂŸerung,  die  allerdings  nicht 
fĂŒr  alle  FĂ€lle  zutrifft.  Es  ist  dies  auch  natĂŒrlich,  da  bei  der 
A-Zacke  schon  aus  den  Berechnungen  von  Linetzky  (22) 
hervorgegangen  ist,  daß  auch  diejenigen  Faktoren,  welche 
sich  bestimmt  angeben  lassen,  wie  Alter,  HerzgrĂ¶ĂŸe  und 
Blutdruck,  keinen  eindeutigen  Einfluß  auf  die  Vorhofzacke 
ausĂŒben.  Aus  der  Zusammenstellung  der  Mittelwerte  ist  er- 
sichtlich, daß  wĂ€hrend  des  Bades  die  J-Zacke  um  31  bis 
37  %,  die  F-Zacke  um  78,3  %,  nach  dem  Bad,  die  J-Zacke 
um  37  %,  die  F-Zacke  um  78,3  %  und  nach  einstĂŒndiger 
Ruhezeit  die  J-Zacke  um  5  %  und  die  F-Zacke  um  39,1  % 
ansteigen.  Das  VerhÀltnis  der  J-Zacke  zur  F-Zacke  ist  nach 
10  Minuten  um  20,9  '%,  nach  20  Minuten  um  25,6  %,  nach 
dem  Bade  um  23,3  %  und  nach  einstĂŒndiger  Ruhezeit  um 
23,3  %  gesunken.  Wir  ersehen  hieraus,  daß  die  kohlen- 
sauren StahlbÀder  im  Vergleich  zu  der  Einwirkung  einfacher 
WasserbÀder  auf  das  Elektrokardiogramm  eine  auffallend 
gĂŒnstige  Beeinflussung  der  Herzfunktion  hervorrufen.  WĂ€h- 
rend beim  einfachen  Wasserbad  das  VerhÀltnis  von  J  :  F  im 
Bade  um  10  bis  12  %  sinkt,  um  nach  dem  Bade  wieder  zur 
frĂŒheren  Höhe  zurĂŒckzukehren,  zeigte  sich  unter  dem  Ein- 
fluß der  kohlensauren  StahlbĂ€der  von  Bad  Elster  wĂ€hrend 
des  Bades  ein  Sinken  des  VerhÀltnisses  der  J  :  F-Zacke  um 
20,9  bis  25,6  %,  wobei  bemerkenswert  ist,  daß  die  gĂŒnstige 
Einwirkung  auch,  nach  dem  Bade  auf  ungefÀhr  gleicher  Höhe 
verbleibt. 

Vergleichen  wir  nun  die  hierbei  gewonnenen  Resultate 
mit  den  Ergebnisse  der  Untersuchungen  von  Rheinboldt 
und  G  o  1  d  b  a  u  in  (20),  die  sich  auf  kĂŒnstliche  kohlensaure 
BĂ€der  erstreckten,  so  finden  wir  fĂŒr  die  natĂŒrlichen 
kohlensauren  BĂ€der  viel  konstantere  Werte 
als  fĂŒr  die  kĂŒnstlichen.  Rheinboldt  und 
Goldbaum  fassen  das  Ergebnis  ihrer  Untersuchungen 
an  kohlensauren  BĂ€dern  dahin  zusammen,  daß  zwar  eine 
Tendenz  aller  Zacken  zum  Ansteigen  besteht,  aber  bei  der 
J-Zacke  der  Steigerung  mehrfach  eine  Senkung  vorausgeht, 
und  wo  dies  bei  J  zutreffe,  sei  es  auch  bei  F  der  Fall.  Sic 
erklĂ€ren  sich  die  Einwirkung  der  kĂŒnstlichen  KohlensĂ€ure- 
bĂ€der von  sog.  indifferenter  Temperatur  so,  daß  zuerst  eine 
Senkung,  dann  eine  Erhöhung  der  Zacken  eintritt.  Im  Bade 
seien  die  Kontraste,  wie  sie  hervorheben,  im  allgemeinen 
stĂ€rker,  und  es  ĂŒberwiege  die  Hebung.  Nach  dem  Bade  be- 
stĂ€nde eine  grĂ¶ĂŸere  Tendenz  zur  Senkung.  Bei  den  natĂŒr- 
lichen kohlensauren  StahlbÀdern  von  Bad  Elster  ergab  sich 
eine  viel  einheitlichere  und  gesetzmĂ€ĂŸigere 
Beeinflussung  der  Zackenhöhe.  Wie  aus  unseren 
Durchschnittszahlen  ersichtlich  ist,  steigen  sowohl  im  Bade 
selbst  wie  nach  einstĂŒndiger  Ruhezeit  die  J-Zacke  und  die 
F-Zacke  durchgehend  an.  In  Uebereinstimmung  mit  den 
praktischen  Erfahrungen  ergeben  auch  unsere  Untersuchun- 
gen, daß  die  natĂŒrlichen  kohlensauren  StahlbĂ€der  hi  der 
gĂŒnstigen  Einwirkung  auf  die  Herzfunktion  zuverlĂ€ssiger 
sind,  als  die  kĂŒnstlichen  kohlensauren  BĂ€der,  wie  sie  in  den 
Versuchen  von  Rheinboldt  und  Goldbaum  zur  An- 
wendung kamen. 


III.  Tabelle  der  Zackengröjjen. 


Name  der 
Patienten  Tag  der 
Untersuchung 

Untersuchung  ^zeit 

J      F      A      Jp  j/F 

Nr.  1. 
Patientin  W. 

11.  XI. 

13.  XI. 

22.  XI. 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.nach  d.  Bad 

19,5   1,5     1,0     8.1  13,0 
20,7   2,1     1,7     (5,4  9,8 
21.3   3,0     2.2     5,8  7,1 
21.3   2,3     2,0     6,3  9,3 
28/7   2,5     2,2     6,5  11,5 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Sic!,  nach  d.  Bad 

19,8    1,8     1,5     7,3  11,0 

25.4  2,4     1,7     5,5  10.6 

23.5  2.9     2,0     4,5  8^ 
24.3   2,7     2,2     4,1  9,0 
28,1    2ÂŁ     2,1     5,1  10,1 

Vor  dem  Bnd 
Nach  10  Min 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Sld.  nach  d.  Bad 

10.0  u,y     i.u     /,o  io..> 
18,6   2,0     1,5     7,8  9,3 
15,6   1,4     1,0     6.7  11,1 

19.1  1.7     1,5     6.7  11,2 
11.8    1.1     1.0     7,5  8,4 

Nr.  2. 
Patient  W. 

16.  I, 
23.  I. 

2.").  I. 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 

9.2    0.5     1,0     4.0  18.5 
12.2    1.2     1,0     2,7  9,8 
12,0   1,5     1,2     3.0  8,0 
17,5    1,0     1,1     3il  17,5 

Vor  dem  Bad 
Nach  Ii)  Min. 
Nach  20  Min 
Nach  dem  Bid 

11.2   0.5     0,7     4.3  22,4 
'    12.3    2,0     1,2     3,0  6.1 
13,8   1.7     1,2     3,1  7,9 
17,4   1.0     1,2     2,7  17,4 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 

10,7    1,0     1,0     3,5  10,7 
13,9   2,0     1,2     3,5  6,9 

13.6  1,7     1.2     3,5  7,8 

13.7  1,5     1,7     2,9  9,1 

Nr.  3. 
Patient  M 

21.  XI. 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  B ad 
1  Sld.  nach  d.  Bad 

17.4  1.7     1,5      1.3  9,9 

25.1  3.2     2,0     6,4  7,7 
23,:;    3.0     1.7     6.5  7.8 

23.5  3.0     2,0     6,4  7,8 

13.2  1.5     1,3     6,0  8,8 

Nr.  4. 
Patient  M. 

3.  XI. 
14.  XI. 
10.  XI. 

27.  XI 

28.  XI. 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 

9,1   2,0     1,0     3,0  4,5 
10,3   3.0     1.0     3,0  3,4 
12,5    3.7     1.2     2  2  3,4 
11.1    3.0     1,1     2.1  3,7 
10.0    2,9     1.5     2,0  3,4 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Sld.  nach  d.  Bad 

7.1    1.5     0,5     2,5  4,7 
12.6    3.2     1,5     3,0  3.9 
-,S,2   3,4     1,4     2.6  4.0 
11.0   2,6     1,0     2.7  1.2 
12,6   3,5     1,6     3,0  3,6 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min 
Nach  dem  Bad 
1  Sld.  nach  d.  Bad 

9,7   2,0     0,9     2,8  4,8 
11,4    3.9     1,6     3,4  2,9 
13,2    4,0     1.1     3.1  3,3 

4,6    1,2     0,7     1,9  3.8 

9.1    2,5     1,0     3,2  3,8 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.nach  d.  Bad 

7.6    1,5     0,6     2,7  5,1 
10,6   2,6     0,7     1,7  4,2 
11,2   3,7     0,7     3.0  3,0 
10.6   3.2     1.0     3,0  3,3 
12,2   3,5     1.7     3,0  3,5 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  2C  Min 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 

9,0   2,0     1.0     1.2  1,5 
12.1    3,0     1.5     2.5  4,0 
‱3.7   4,0     2,0     2.8  3.4 
13.0   4.0     1.5     2,0  3,2 
10,0   3.0     1,5     3,0  3,3 

Nr.  5. 
Patient  R. 

25  .  I. 
1.  lt. 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 

5.5  0,8     0,6     4,8  6,9 
7,8    1,5     1,0     5,0  5,2 

6.6  1.5     0.8     4  5.  4.1 
7.1    1,2     0.9     5,0  5,9 
6.8    1.3     0,8     1.7  5.2 

Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 

6,0   0.8     0,5     4,2  9,5 
3,3   1.5     0.8     5.2  5,5 
8.3    1,4     1.1     5  1  5,0 
7.5    1.7     1,0     5.2  4.4 
5.8   1,2     1,0     4,0  4.8 

10.  Jahrg. 


Nr.  II. 


Weißbein,  Wittkugel:  Kohlensaure  StahlbĂ€dei 


M  I 


Name  der 
Pdtienten.  Tag  der 
Untersuchung. 


Untersuchungszeil 


Nr.  C. 
Patient  H.     9.  I. 


11.  I. 


14.  I. 


23.  I. 


Nr.  7. 
Patientin  M. 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 


8,7  1,7 

10,5  2,4 

U,3  2,7 

11,9  2,7 


1,0 
1,0 
0,9 
1,5 


5,0 
5,2 
5,8 
6,1 


Vor  dem  Bad 
Nach  K>  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 


8,4 
10,(1 
10,9 
12,0 
12,5 


1,5 
2,5 
2,7 
3,1 
2,7 


0,9 
0,9 
1,3 
1,3 
1,2 


7,ĂŒ 
11,6 
11,2 
11,9 


1,4 

2,8 
3,3 
2,5 


0,5 
1,0 
0,7 
1,0 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 


10,9 
14,3 
14,6 
14,6 


1,7 

3,5 
3,2 
3,1 


0,6 
0,7 
0,9 
1,2 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


10. 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


10,5 
16,5 
17,0 
16,1 
13,5 


1,3 
3,4 
3,5 
3,2 
2,3 


0,7 
1,6 
1,0 
1,5 
1,2 


10,4 
17,0 
17,2 
15.8 
12*6 


1,2 
8,2 
3,2 
2,9 
2,0 


0,6 
1,2 
1,6 
1,0 
0,7 


15,1 
20,1 
19,6 
18,0 
19,4 


2,2 
4,2 
4,5 
4,6 
3,2 


1,1 
1,6 
1,5 
1,2 
1,4 


Nr.  8. 
tientin  F. 


XI. 


12.  XI. 


13.  XI. 


Nr.  9. 
'atient  A. 


6.  XI. 


12.  XI. 


19.  XI. 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


9,7  .  2,2 
10,1  3,0 
11,7  3,4 
10,9  3,4 
11,0  3,0 


1,2 
2,0 
1,7 
1,7 
1,7 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 
1  Std.  nach  d.  Bad 


Vor  dem  Bad 
Nach  10  Min. 
Nach  20  Min. 
Nach  dem  Bad 


6,7 
9,4 
9,3 
9,1 
9,7 


1,3 
2,0 
2,0 
2,0 
2,2 


1,0 
1.2 
1,7 
1,2 
1,2 


6,8  1,2 

8.6  2,0 
9,0  1,8 
9,8  2,6 

8.7  2,3 


0,6 
1,2 
1,2 
1,4 
1,4 


8,2 
13,6 
14,2 
15,3 
12,4 


1,5 
3,0 
3,5 
4,0 
3,0 


1,0 
1,2 
1,7 
1,5 
1,5 


6,7 
10,9 
12,0 
12,0 
13,0 


1,2 

2,5 
3,0 
3,0 
2,5 


1.0 
1,0 

0,9 
1,0 
1,0 


6,8 
10,3 
11,0 

9,7 


1,0 

2,7 
3,0 
2,4 


0,7 
1,4 
1,0 
1,2 


4,5 
5,4 
6,2 
5,2 
5,6 


3,0 
5,3 
5,6 
5,0 


5,7 
5,6 
5,6 
5,2 


"7,5 
8,2 
8,1 
8,8 
7,8 


7,1 

8,7 
8,9 
8,3 
7,5 


8,1 

8,7 
8,0 
8,0 
8,5 


2,2 
2,5 
2,4 
2,1 
2,0 


2,2 
2,7 
2,0 
1.9 

2:2 


2,8 
2,9 
2,9 
2,6 
2,0 


3,2 
3,5 
4,0 
3,7 
3,2 


2,5 
3,2 
2,5 
2,5 
3,0 


3,5 
2,9 
2,5 
3,5 


5,1 
4,4 
4,2 
4,4 


5,6 
4,2 
4,0 
3,9 
4,6 


5,4 
4,1 
3,4 
4,8 


6,4 
4,1 
4,6 
4.7 


8,1 
4,8 
4,8 
5,1 
5,9 


8.7 
5,3 
5,4 
5,4 
6,2 


6,9 
4,8 
4,3 
3  9 
6A 


4,4 
3,4 
3,4 
3,2 
3,7 


5,2 
4,7 
4,6 
4,5 
4,4 


5,7 
4,3 
5,0 
3,8 
3,8 


5,5 
4,5 
4,0 
3,8 
4,0 


5,6 
4,4 
4,0 
4,0 
5,2 


6,8 
3,8 
3,7 
4,0 


FĂŒr  unsere  Untersuchungen  an  Herzkranken  standen  uns 
alle  zur  VerfĂŒgung,  bei  .denen  die  Herzaffektion  bedingt 
ar  durch  Blutarmut,  durch  mangelhafte  Körperbewegung, 
gelaufene  Infektionskrankheiten  und  leichte  Arterioskle- 
ose.  In  Tabelle  III  bringen  wir  eine  Uebersicht  ĂŒber  die 
'erte  der  ZackengrĂ¶ĂŸen  auf  Grund  unserer  elektrokardio- 
raphischen  Aufnalunen  an  diesen  Patienten. 


Wir  sehen  auch  hier  wÀhrend  des  Bades  ein  Ansteigen 
der  J-Zackc  und  eine  erhebliche  VergrĂ¶ĂŸerung  der  F-Zacke 
auftreten.  Das  VerhÀltnis  der  .I-Zacke  zur  F-Zacke  wird 
wĂ€hrend  des  Bades  in  ĂŒberaus  gĂŒnstigem  Sinne  beeinflußt. 
Diese  vorteilhafte  Einwirkung  der  Elsterer  kohlensauren 
StahlbÀder  auf  die  Herzfunktiön  zeigt  sich  auch  direkt  nach 
dem  Bade  und  selbst  noch  nach  einstĂŒndiger  Ruhezeit 

Es  gebt  aus  diesen  Versuchen  hervor,  daß  die  kohlen- 
sauren StahlbÀder  von  Bad  Elster  sich  durch  ihre  intensive 
und  nachhaltige,  gĂŒnstige  Einwirkung  auf  das  funktions- 
untĂŒchtige  Herz  auszeichnen.  Wir  ersehen  weiterhin  aus 
unseren  elektrokardiographischen  Beobachtungen,  daß  eine 
ausgiebige  Ruhezeit  im  Anschluß  an  die  BĂ€der  erforderlich 
ist,  wenn  man  einen  vollen  Erfolg  der  Badekur  erzielen  will. 

Fassen  wir  die  gesamten  Ergebnisse  unserer  elektro- 
kardiographischen Untersuchungen  ĂŒber  die  kohlensauren 
StahlbÀder  von  Bad  Elster  zusammen,  so  finden  wir  durch 
sie  die  Beobachtungen  bestÀtigt,  nach  denen  die  BadeÀrzte  im 
Laufe  der  Zeit  die  Indikationen  von  Bad  Elster  begrĂŒndet 
haben.  Die  objektive  PrĂŒfung  der  Herzfunktion  mittels  der 
Elektrokardiographie  legt  ein  gutes  Zeugnis  ab  fĂŒr  die  Sorg- 
falt der  badeÀrztlichen  Beobachtungen,  die  in  der  Literatur 
ĂŒber  Bad  Elster  niedergelegt  sind.  Gerade  bei  den  SchwĂ€che- 
zustÀnden des  Herzens,  wie  sie  als  Folge  von  Blutarmut,  im 
Anschluß  an  Frauenleiden  und  an  Infektionskrankheiten,  bei 
mangelhafter  Körperbewegung  und  ĂŒbermĂ€ĂŸigem  Fettansatz 
usw.  auftreten,  werden  die  kohlensauren  StahlbÀder  von  Bad 
Elster  durchaus  geeignet  sein,  die  gestörte  Herzfunktion  zur 
Norm  zurĂŒckzufĂŒhren.  Es  trifft  sich  besonders  glĂŒcklich, 
daß  die  ĂŒbrigen  Kurmittel  von  Bad  Elster,  seine  eisen-  und 
glaubersalzhaltigen  Trinkquellen,  seine  MoorbÀder,  seine 
mittlere  Höhenlage  und  seine  gĂŒnstigen  klimatischen  Ver- 
hÀltnisse sich  gerade  bei  denjenigen  Krankheiten  als  ausge- 
zeichnetes Heilmittel  bewÀhren,  welche  die  genannten  Grup- 
pen von  HerzschwÀche  bedingt  haben.  Man  ist  daher  in 
Elster  in  der  angenehmen  Lage,  durch  die  natĂŒrlichen  Heil- 
mittel des  Kurortes  nicht  nur  auf  die  geschwÀchte 
Herzfunktion  krÀftigend  einzuwirken,  son- 
dern auch  gleichzeitig  gegen  das  Grund- 
leiden   erfolgreich  vorzugehen. 

Literatur. 


10. 


11. 

12. 


13. 


14. 


15. 
16. 


Bechler  :  Bad  Elster,  Beobachtungen  und  Erfahrungen. 
Leipzig,  1867. 

Jacob:  GrundzĂŒge  einer  rationellen  Balneotherapie.  Ber- 
lin, 1870. 

Lehmann:  Schmidt's  JahrbĂŒcher.  1855. 
Schwartze:  Kurort  Elster  usw.    Leipzig,  1854. 
Lersch:  Ueber  die  Aufsaugung  der  Salze  im  Bade.  Bonn. 
1869. 

Helmkampff  :  Bad  Elster  in  Sachsen.    Berlin,  1883. 
Flechsig:  Handbuch  der  Balneotherapie.    Berlin,  1892. 
Kionka:  Eisenquellen.    In:  Deutsches  BĂ€derbuch.  Leipzig, 
1907. 

FrankenhĂ€user:  Ein  neuer  Gesichtspunkt  fĂŒr  die  Be- 
urteilung der  Nachwirkung  von  BĂ€dern.  Berliner  Klinische 
Wochenschrift,  1903.  Nr.  28. 

Weißbein  :  Elektrokardiographische  Untersuchungen  ĂŒber 
die  Einwirkung  von  kohlensauren  SolbÀdern  auf  das  Herz. 
Zentr.-Blatt  f.  Herz-  u.  GefĂ€ĂŸkrankh.  1913,  Nr.  3. 
P  o  s  n  e  r,  L.:  Briefe  aus  Elster.   Berlin,  1863. 
Weber,  E.:  Die  Wirkung  natĂŒrlicher  und  kĂŒnstlicher  Kohlen- 
sÀurebÀder  sowie   der   Hochfrequenzbehandlung   bei  Herz- 
kranken, kontrolliert   durch   die  „plethysmographische  Ar- 
beitskurve", Berlin,  Verlag  Julius  Springer,  1919. 
Senator  und  PrankenhÀuser:  Zur  Kenntnis  der  Wir- 
kung  von   KohlensÀure-   und  anderen  gashaltigen  BÀdern. 
Therapie  der  Gegenwart.   1904,  Nr.  1. 

Goldsc  heider:  Ueber  die  Einwirkung  der  KohlensÀure 
auf  die  sensiblen  Nerven  der  Haut,  Arch.  f.  Anatomie  und 
Physiologie,  1887.  Zur  physiologischen  Wirkung  der  Kohlen- 
sĂ€urebĂ€der. 33.  Baln.-Kongreß  1912  und  Die  Behandlung  der 
chron.  KreislaufschwÀche,  Deutsche  med.  Wochenschrift,  1922, 
Nr.  1  u.  2. 

Kernig:  Experimentelle  BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  WÀrme- 
regulierung  beim  Menschen.    Dorpat.  1864. 
Jacob:  Zur  Steuerung  des  Herzens  durch  sĂŒĂŸwasserkohlen- 
saure StahlbÀder  und  MuskeltÀtigkeit  und  zur  Behandlung  des 
kranken  Herzens.    6.  Baln.-Kongreß  1884. 


'H2 


Gralka:  Chylothorax 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


17.  Stiller:  Ueber  die  Wirkung  des  kohlensauren  Stahlbades. 
11.  Balneologen-Kongreß  1889,  und  Ueber  physiologische  diffe- 
rente  BĂ€derwirkung,  16.  Balneologen-Kongreß  1895. 

18.  Kraus  und  Nicolai:  Das  Elektrokardiogramm  des  ge- 
sunden und  kranken  Menschen.    Leipzig,  1910. 

19.  Nicolai:  Ueber  den  Einfluß  verschiedener  BĂ€der  auf  das 
Herz.    Medizin.  Klinik,  1912,  Nr.  21. 

20.  Rheinboldt  und  Goldbaum:  Die  Beeinflussung  des 
Elektrokardiogramms  durch  indifferente  und  differente  BĂ€der. 
Zeitschrift  fĂŒr  experimentelle  Pathologie  und  Therapie.  1911. 

21  Waledi  nsky:  Einfluß  der  KohlensĂ€urebĂ€der  auf  das 
Elektrokardiogramm.  Zeitschrift  f.  physikalische  und  diÀte- 
tische Therapie.  1913. 

22.  Linetzky:  Die  Beziehungen  der  Form  des  Elektrokardio- 
gramms zu  dem  Lebensalter,  der  HerzgrĂ¶ĂŸe  und  dem  Blut- 
druck.   Inaug.-Dissertat.,  Berlin,  1912. 


'TB 

Aus  der  UniversitÀts-Kinderklinik  zu  Breslau. 
(Direktor:  Professor  Dr.  S  t  o  1 1  e.) 

Ueber  Chylothorax  im  Kindesalter  im  Gefolge 
einer  Hodgkin'schen  Krankheit. 

Von  Dr.  Richard  Gralka,  Assistenten  der  Klinik. 
.  (Mit  2  Röntgenbildern.) 

Seit  der  von  H  ĂŒ  s  s  y1)  im  Jahre  1918  veröffentlichten 
Zusammenstellung  der  bis  zu  diesem  Zeitpunkt  beschriebenen 
FĂ€lle  von  Chylothorax  im  Kindesalter  und  der  gleichzeitigen 
Veröffentlichung  eines  selbst  beobachteten  Falles  ist,  soweit 
wir  aus  der  uns  zur  VerfĂŒgung  stehenden  Literatur  ersehen 
konnten,  kein  weiterer  Krankheitsfall  dieser  Art  beschrieben 
worden.  Bei  der  mithin  großen  Seltenheit  dieser  Erkrankung 
im  Kindesalter  dĂŒrfte  daher  der  Bericht  ĂŒber  einen  von  uns 
im  Sommer  1921  beobachteten  Fall  von  rechtseitigem  Chylo- 
thorax bei  einem  8  jÀhrigen  MÀdchen  von  einigem  Interesse 
sein,  zumal  da  als  ursÀchliches  Moment  eine  Hodgkin'sche 
DrĂŒsenerkrankung  inbetracht  kommt,  eine  Aetiologie,  die 
sich  in  den  von  H  ĂŒ  s  s  y  zusammengestellten  FĂ€llen  nur  ein 
einziges  Mal  erwÀhnt  findet. 

Das  8  jÀhrige  MÀdchen  stammte  aus  einer  gesunden  Familie, 
hatte  in  frĂŒheren  Jahren  einmal  an  Keuchhusten  und  Masern  ge- 
litten, war  aber  im  ĂŒbrigen  bis  zum  FrĂŒhjahr  1921  gesund  und 
hatte  sich  gut  entwickelt.  MĂ€rz  1921  traten  zum  ersten  Male 
Klagen  ĂŒber  Mattigkeit  und  SchwindelanfĂ€lle  auf,  die  vom  Haus- 
arzt auf  eine  ĂŒberstandene  Grippe  bezogen  wurden.  Da  die  Be- 
schwerden trotz  Behandlung  fortbestanden  und  Ende  Juli  1921 
noch  Fieber  hinzutrat,  wurde  ein  zweiter  Arzt  konsultiert,  der 
eine  Adenoiditis  feststellte  und  Gaumen-  und  Rachenmandeln  ent- 
fernte. Mattigkeit  und  Fieber  nahmen,  danach  aber  eher  zu,  es 
traten  Nachtschweiße  auf,  und  daher  wurde  im -September  1921 
ein  drittel*  Arzt  zu  Rate  gezogen,  der  das  Kind  wegen  DrĂŒsen- 
fiebers unserer  Poliklinik  ĂŒberwies.  Hier  wurde  ein  Erguß  in  der 
rechten  Pleurahöhle  festgestellt  und  das  Kind  wegen  der  eigen- 
tĂŒmlichen Beschaffenheit  des  Punktats  am  15.  IX.  1921  in  die 
Klinik  aufgenommen. 

Das  krÀftige,  gut  genÀhrte,  etwas  blasse  MÀdchen  machte 
einen  schwerkranken  Eindruck.  Schon  nach  wenigen  Schritten 
trat  eine  ziemliche  Kurzatmigkeit  auf.  Im  Bereich  der  Brust- 
wirbelsÀule bestand  eine  leichte  Skoliose  nach  links.  Am  Hals 
lÀngs  der  Musculi  sternocleidomastoidei  und  in  beiden  Achsel- 
höhlen fanden  sich  scharf  abgegrenzte,  weder  mit  der  Unterlage 
noch  mit  der  darĂŒber  liegenden  Haut  verwachsene,  bis  kirsch- 
große, derbe  DrĂŒsen. 

Die  rechte  ThoraxhÀlfte  erschien  leicht  vorgewölbt  und  stand 
hei  der  Atmung  fast  still.  Mit  Ausnahme  eines  kleinen  Bezirks 
ĂŒber  den  vorderen  Partien  des  rechten  Oberlappens,  wo  leicht 
lympanitischer  Klopfschall  festgestellt  wurde,  bestand  im  Sitzen 
ĂŒber  der  ganzen  rechten  Lunge  DĂ€mpfung  und  stark  abge- 
schwÀchtes AtemgerÀusch,  im  Liegen  war  der  Klopf  schall  auch 
rechts  vorn  oben  verkĂŒrzt.  Auf  der  linken  RĂŒckenhĂ€lfte  ließ  sich 
paravertebral  ein  Grocco-Rauchfuß'sches  Dreieck  herausperku- 
tieren,  dessen  obere  Spitze  in  Höhe  des  6.  Bruslwirbeldorns  lag 
und  das  lateral  bis  an  die  linke  Skapularlinie  heranreichte. 
Traubescher  Raum  frei.  Links  vorn  neben  dem  Manubrium  sterni 
fand  sich  eine  1  Querfinger  breite  Zone  mit  SchallverkĂŒrzung, 
auch  war  an  dieser  Stelle  das  AtemgerÀusch  verschÀrft,  im 
ĂŒbrigen  bot  die  linke  Lunge  keinen  krankhaften  Befund 


Das  Herz  war  nach  links  verdrÀngt:  linke  Herzgrenze  einen 
Querfinger  außerhalb  der  linken  Brustwarzenlinie.  Obere  Herz- 
grenze am  Oberrand  der  3.  Rippe,  rechte  Herzgrenze  nicht  fest- 
zustellen, da  rechts  Uebergang  der  HerzdÀmpfung  in  die  DÀmpfung 
ĂŒber  der  rechten  Lunge.  Herzspitzenstoß  im  5.  Zwischenrippen- 
raum etwas  außerhalb  der  linken  Mammillarlinie,  leicht  hebend. 
Herzaktion  beschleunigt.  Puls  beiderseits  an  der  Radialis  gleich, 
klein,  beschleunigt. 

Bauch  im  Thoraxniveau,  Leberrand  in  der  VerlÀngerung  der 
rechten  Brustwarzenlinie  2  Querfinger  unterhalb  des  Rippen 
bogens,  Milz  schneidet  mit  diesem  ab.  Keine  Tumoren  im  Ab- 
domen. 

Ziemlich  starke  VasolabilitĂ€t,  im  ĂŒbrigen  Sinnesorgane  und 
Nervensystem  gesund.  Urin  hell,  klar,  sauer,  enthÀlt  weder 
Eiweiß  noch  Zucker,  auch  im  Sediment  kein  pathologischer  Be- 
fund. Temperatur  38°,  steigt  nach  Angabe  des  behandelnden 
Arztes  abends  bis  auf  39,6°. 

Da  es  sich  demnach  um  ein  in  der  rechten  Pleurahöhle  frei 
hewegliches  Exsudat  handelt,  das  ziemlich  starke  VerdrÀngungs- 
erscheinungen verursacht,  wird  sofort  eine  Punktion  vorge- 
nommen, bei  welcher  350  cem  eines  weißlichen,  leicht  gelb  tin- 
gierten, fettglĂ€nzenden,  ziemlich  dĂŒnnflĂŒssigen  Exsudats  entfernt 
werden.  In  der  Poliklinik  waren  vor  wenigen  Tagen  250  cem 
der  gleichen  FlĂŒssigkeit  abgelassen  worden. 

Da  sich  bei  der  röntgenologischen  Untersuchung  zeigte,  daß 
immer  noch  eine  betrÀchtliche  Exsudatmenge  im  rechten  Pleura 
rĂ€um  vorhanden  war  und  der  FlĂŒssigkeitsspiegel  in  den  nĂ€chsten 
Tagen  noch  höher  anstieg,  wurde  am  21.  IX.  21  eine  weitere 
Punktion  vorgenommen,  bei  der  noch  110  cem  des  gleichen  Ex- 
sudats entfernt  wurden. 

Die  rechte  Pleurahöhle  erweist  sich  nunmehr  bei  der  rönt 
genologischen  Untersuchung  praktisch  frei  von  Exsudat,  um  so 
deutlicher  tritt  aber  jetzt  der  sehr  breite,  intensive  Mittelschatten 
hervor,  (siehe  Röntgenbild  1). 

Eine  Wiederansammlung  des  Exsudats  tritt  nicht  mehr  auf. 

Daß  es  sich  um  einen  milchartigen  Pleuraerguß  handle, 
zeigte  das  gewonnene  Punktat  schon  bei  der  bloßen  Besich- 
tigung. Es  kam  nun  zunÀchst  darauf  an  festzustellen,  zu 
welcher  Art  von  milchartigen  ErgĂŒssen  es  gehöre,  ob  es  in 
die  Reihe  der  chylösen  oder  der  adipösen  ErgĂŒsse  nach  der 
von  G  a  n  d  i  n  J)  gegebenen  Definition  einzureihen  wÀre  und 
wodurch  es  zustande  gekommen  sei. 

Zur  Entscheidung  der  ersten  Frage  untersuchten  wir  die 
beiden  Punktate  mikroskopisch,  bakteriologisch  und  che- 
misch. WĂ€hrend  sich  im  mikroskopischen  Bilde  der  bei  der 
ersten  Punktion  gewonnenen  FlĂŒssigkeit  neben  einigen  roten 
und  weißen  Blutkörperchen  nur  zahlreiche,  kleinste,  stark 
lichtbrechende,  lebhafte  Eigenbewegung  zeigende  Körperchen, 
wie  es  Jennings  und  Rieh  treffend  beschreiben,  „einer  Rein- 
kultur von  Bakterien  im  hÀngenden  Tropfen  vergleichbar"3), 
fanden,  sah  man  in  dem  vom  zweiten  Punktat  hergestellten 
PrÀparat  daneben  noch  in  jedem  Gesichtsfelde  einige  mehr 
oder  minder  große  FettkĂŒgelchen,  die  den  unter  das  Deckglas 
gebrachten  fĂŒr  Fette  charakteristischen  Farbstoff,  Sudan 
bezw.  OsmiumsÀure,  an  sich  rissen  und  dann  rötlich  bezw. 
schwÀrzlich  erschienen,  wÀhrend  die  feinen  StÀubchen  farb- 
los blieben.  Bakterien  konnten  im  Originalaustrich  nicht 
festgestellt  werden.  Mehrere  angelegte  Kulturen  blieben  steril, 
und  ein  mit  dem  zweiten  Punktat  geimpftes  Meerschweinchen 
erkrankte  bis  heute  nicht. 

Die  Reaktion  des  geruchlosen  Punktats  war  alkalisch, 
sein  spezifisches  Gewicht  betrug  1018.  Bei  lÀngerem  Stehen 
setzte  sich  an  der  OberflÀche  eine  deutliche  Rahmschicht  ab, 
Fibringerinnsel  zeigten  sich  dagegen  nicht.  Bei  Zusatz  von 
alkoholischer  Sudanlösung  schlug  die  gelblich-weiße  Farbe 
des  Punktats  in  ein  intensives  Rot  um,  HinzufĂŒgen  von  Os- 
miumsĂ€ure bewirkte  SchwarzfĂ€rbung.  Schon  bei  mĂ€ĂŸigem 
ErwÀrmen  trat  starke  Coagulation  auf,  Zusatz  von  Essig- 
sĂ€ure in  der  KĂ€lte  fĂŒhrte  zur  Bildung  einer  gallertartigen 
Masse,  in  der  zahlreiche  feinste,  geronnene,  weißliche  Par- 
tikelchen suspendiert  erschienen.  Die  mit  Fehling'scher 
Lösung  und  Nylanders  Reagens  angestellten  Zuckerproben 
fielen  negativ  aus. 

Die  Bestimmung  des  Gesamtstickstoff gehaltes  mit  der 
Kjeldahl'schen  Methode  ergab  in  5  cem  einen  Mittelwert  von 
0,0345  g  oder  in  Prozenten  ausgedrĂŒckt  von  0,69  %.   Der  Fett- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Grnlka:  Chylothorax 


U'i 


Behalt  des  Punktats  wurde  mit  dem  Acidbulyrometer  nach 
Gerber  bestimmt  und  betrug  beim  eisten  Punktat  1,9%, 
beim  zweiten  2,4  %. 

Auf  Grund  dieser  Untersuchungsergebnisse  halten  wir 
uns  ĂŒbereinstimmend  mit  den  von  G  a  n  d  i  n ')  angegebenen 


Fig  1 


Merkmalen  fĂŒr  den  chylösen  Erguß  fĂŒr  berechtigt,  auch 
nnsern  Fall  dieser  Gruppe  zuzurechnen. 

FĂŒr  den  Entstehungsmodus  des  Chylothorax  bei  unserer 
Patientin  gab  uns  das  Röntgenbild  einen  Fingerzeig.  Ein 
Trauma  konnte  anamnestisch  nicht  sicher  ermittelt  werden. 
Der  sehr  intensive  breite  Miltelschatten  im  Brustraum  sprach 
fĂŒr  eine  intrathorakale  Tumorbildung,  die  anscheinend  zu 
einer  so  starken  Kompression  des  Ductus  thora- 
eicus  gefĂŒhrt  hatte,  daß  zumal  bei  der  gleich- 
zeitigen Behinderung  des  venösen  Blutstroms 
der  Abfluß  des  Chylus  gehemmt  wurde.  Ob  es 
dabei  zu  einer  Stauungsberstung  und  Ruptur 
von  Chylizeren  gekommen  war,  wie  von  ein- 
zelnen Autoren  angenommen  wird,  oder  ob  der 
Durchtritt  des  Chylus  per  diapedsim  erfolgt 
war,  lĂ€ĂŸt  sich  in  vivo  nicht  entscheiden. 

Es  war  wenig  wahrscheinlich,  daß  sich  die 
Behinderung  des  Abflusses  ganz  allmÀhlich 
ausgebildet  hatte;  denn  erstens  wÀre  es  dann 
wÀhrend  des  lÀngeren  Zeitraumes  zur  Ausbil- 
dung von  Collateralen  gekommen,  und  es  hÀtte 
sich  somit  keine  so  große  Ansammlung  von 
Chylus  finden  können,  zweitens  wÀre  aber  auch 
wohl  ein  weniger  großes,  lĂ€nger  bestehendes 
Exsudat  schon  bei  einer  der  frĂŒheren  Unter- 
suchungen von  anderer  Seite  diagnostiziert 
worden.  Wie  RĂŒckfragen  ergeben  haben,  fan- 
den sich  aber  Ende  Juli  1921,  d.  i.  1%  Monate 
vor  der  Feststellung  des  Exsudates  durch  uns, 
noch  keine  krankhaften  VerÀnderungen  an 
den  Brustorganen.  Wir  konnten  daher  mit 
ziemjicher  Sicherheit  anneinnen,  daß  die  Kom- 
pression des  Ductus  therocicus  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig 
schnell  erhebliche  Grade  erreicht  haben  mußte. 

Diese  Tatsachen  schienen  uns  ein  Beweis  fĂŒr  die  Ma- 
lignitÀt  der  im  Röntgenbild  sichtbaren  intrathorakalen  Tu- 
moren zu  sein.  Eine  BestÀtigung  dieser  unserer  Annahme, 
daß  es  sich  bei  dem  den  Ductus  thoracicus  komprimierenden 
Hindernis  um  ein  rasch  wachsendes,  bösartiges  Neoplasma 
und  zwar  um  eine  Systemerkrankung  handle,  ergab  sich 
schon  in  den  ersten  Tagen  des  klinischen  Aufenthaltes.  Die 


bei  der  Aufnahme  kirschgroßen  Drusen  in  der  linken  Achsel 
höhle  wurden  in  kurzer  Zeit  gĂ€nseeigroß,  es  traten  neue 
DrĂŒsenschwellungen  in  beiden  Supraklavikulargruben  auf, 
und  der  Mittelschatten  im  Thoraxraum  verbreiterte  sich 
gleichfalls,  wie  ein  zweites,  etwa  14  Tage  nach  dei  ersten 
Aufnahme  angefertigtes  Röntgenbild  zeigte. 
Die  Breite  des  Mitlelschattens  auf  den  beiden 
technisch  vollkommen  gleich  angefertigten  Bil- 
dern an  derselben  Stelle  gemessen  betrug  6,5  cm 
und  7,4  cm. 

Das  schnelle  Wachstum  der  Tumoren  ließ 
von  vornherein  die  Annahme  einer  tuberku- 
lösen DrĂŒsenverĂ€nderung  wenig,  wahrschein- 
lich erscheinen,  auch  fielen  die  wiederholten 
intrakutanen  Tuberkulinreaktionen  bis  zu 
einer  VerdĂŒnnung  von  1  :  100  bei  dem  Kinde 
negativ  aus.  Die  vorgenommenen  Blutunter- 
suchungen ergaben  weder  im  roten  noch  im 
weißen  Blutbild  pathologische  VerĂ€nderungen, 
die  Wassermann'sche  Reaktion  fiel' negativ  aus. 
Somit  blieben  trotz  des  uncharakteristischen 
Blutbildes  nur  noch  zwei  Möglichkeiten  offen, 
nÀmlich  die  Annahme  eines  Lymphosarkoms 
oder  eines  Lymphogranuloms  (Hodgkin). 
Zur  KlÀrung  der  Diagnose  entschlossen  wir 
uns,  eine  Probeexcision  aus  dem  DrĂŒsenpaket 
in  der  linken  Achselhöhle  vornehmen  zu  lassen. 
Die  pathologisch-anatomische  Untersuchung 
der  DrĂŒse  ergab  einwandfrei,  daß  es  sich  um 
eine  Lymphogranulomatose  (Hodgkin) 
handle 5). 

Damit  war  auch  das  schnelle  Wachs - 
das  Neuauf  treten  von  DrĂŒsentumoren  erklĂ€rt. 
Ist  es  doch  bekannt,  daß  die  Hodgkinsche  Erkrankung 
lange  Zeit  auf  eine  DrĂŒsengruppe  allein,  besonders 
diejenige  im  oberen  Halsdreieck,  beschrÀnkt  bleiben 
kann,  „bis  unter  dem  Einfluß  einer  Ă€ußeren  Ver- 
anlassung (Trauma,  Infektion)  plötzlich  ein  Uebergang 
auf  andere  Regionen  erfolgt  und  nun  eine  rapide  Ausbreitung 


tum  und 


Fig  2 

der  Geschwulstbildung  statthat"6).  Als  das  das  Fortschreiten 
auslösende  Ă€ußere  Moment  mĂŒssen  wir  bei  unserer  Patientin 
die  Ende  Juli  1921  ĂŒberstandene  Adenoiditis  und  die  im 
Anschluß  daran  vorgenommene  Tonsillotomie  ansehen.  Be- 
richtet doch  Heubner9)  von  einem  ganz  analogen  Falle, 
wo  es  bei  einem  pastösen  Knaben,  der  an  adenoiden  Wuche- 
rungen litt,  zur  Ausbildung  einer  einseitigen  HalsdrĂŒsen 


244 


Gralka:  Chylothorax 


40.  Jahrg. —  Nr.  11. 


Schwellung  kam.  Unmittelbar  nach  der  hauptsÀchlich  wegen 
einer  chronischen  eitrigen  Rhinitis  „von  geschicktester  Hand 
vorgenommenen  Exstirpation  der  Nasenwucherungen  begann 
der  Tumor  sich  weiter  zu  vergrĂ¶ĂŸern,  und  in  schneller  Auf- 
einanderfolge entwickelten  sich  nun  die  gleichen  GeschwĂŒlste 
an  der  anderen  Halsseite,  in  den  Achselhöhlen,  Inguinal- 
gegend  und  Mediastinum".  Sechs  Wochen  hatten  bei  unserem 
Kinde  genĂŒgt,  um  das  schwere  Krankheitsbild  hervorzurufen, 
dessentwegen  es  zur  Aufnahme  gelangte. 

Vergleichen  wir  nun  unsern  Fall  mit  dem  einzigen  bis- 
her beschriebenen  gleicher  Aetiologie7)  —  Sorgente  hatte 
allerdings  bei  dem  von  ihm  beobachteten  Kinde  intra  vitam 
trotz  der  negativen  Tuberkulinreaktionen  an  eine  tuberkulöse 
DrĂŒsenschwellung  geglaubt  und  erst  bei  der  Obduktion  die 
Lymphogranulomatose  festgestellt  — ,  so  ergeben  sich  einige 
auffÀllige  Uebereinstimmungen. 

In  beiden  FĂ€llen  finden  sich  anamnestische  Klagen  ĂŒber 
Nachtschweiße,  Angaben,  die  in  der  Vorgeschichte  der 
weiteren  von  H  ĂŒ  s  s  y  zusammengestellten  Erkrankungen 
sonst  nie  erhoben  wurden.  Beiden  gemeinsam  ist  auch  das 
Auftreten  von  höherem  Fieber,  das  allerdings  wohl  auf  die 
Grundkrankheit  zu  beziehen  ist.  Bei  uns  sowohl  wie  bei 
Sorgente  war  der  Erguß  rechts  lokalisiert.  Nun  ist  ja 
nach  Bargebuhr8)  der  rechte  Pleuraraum  ĂŒberhaupt 
hÀufiger  betroffen  als  der  linke,  namentlich  bei  dein  trau- 
matisch bedingten  Chylothorax.  Immerhin  aber  bleibt  es 
auffĂ€llig,  daß  auch  in  den  beiden  FĂ€llen,  in  denen  eine 
Lymphogranulomatose  als  Àtiologisches  Moment  ermittelt 
wurde,  die  linke  Pleurahöhle  frei  von  Erguß  blieb,  obwohl 
sich  doch  die  Mediastinaltumoren,  wie  aus  unserem  Röntgen- 
bild ersichtlich  ist,  gleichmĂ€ĂŸig  nach  rechts  und  links  von 
der  Mittellinie  ausbreiteten.  Die  ErklĂ€rung  fĂŒr  diese  Ueber- 
einstimmung  glauben  wir  im  Verlauf  des  Ductus  thoracicus 
und  in  der  Lokalisation  des  raumbeengenden  Moments  zu 
sehen.  Liegt  doch  der  Hauptstamm  des  LymphgefĂ€ĂŸsystems 
in  der  unteren  HÀlfte  der  Brusthöhle  zwischen  Aorta  und 
der  rechts  von  ihr  verlaufenden  Vena  azygos,  also  etwas  mehr 
nach  der  rechten  BrusthÀlfte  zu,  und  wendet  sich  erst  vom 
3.  Brustwirbel  an  allmÀhlich  nach  links9).  Die  Kompression 
des  Ductus  thoracicus  erfolgt  andererseits,  wenn  man  die 
Lokalisation  der  DrĂŒsentumoren  im  Mediastinum  bei  der 
Hodgkinschen  Erkrankung  sich  vorstellt,  hauptsÀchlich  im 
Bereich  der  oberen  ThoraxhÀlfte.  Die  dadurch  in  den  ab- 
wÀrts etwas  mehr  nach  rechts  verlagerten  Abschnitten  des 
Ductus  thoracicus  auftretende  Stauung  wird  daher  in  den 
meisten  FĂ€llen  zu  einem  Chylusaustritt  in  die  rechte  Pleura- 
höhle fĂŒhren. 

Uebereinstimmend  mit  frĂŒheren  Beobachtungen  sam- 
melte sich  auch  bei  unserer  Patientin  der  Erguß  nach  den 
ersten  beiden  Punktionen  rasch  wieder  an,  ein  Symptom,  das 
von  einzelnen  Autoren,  direkt  als  pathognomisch  fĂŒr  die 
chylösen  im  Gegensatz  zu  der  langsameren  Ansammlung  der 
adipösen  Exsudate  angesehen  wird.  Das  Nichtwiederauf- 
treten  des  chylösen  Ergusses  nach  der  dritten  Punktion  trotz 
des  im  Röntgenbild  deutlich  nachweisbaren  Fortschrittes  im 
Wachstum  der  Mediastinaltumoren  möchten  wir  in  Ueber- 
einstimmung  mit  Lotheisen  und  Shermann  10)  auf  die 
dabei  gelungene  fast  restlose  Entfernung  des  Exsudats  und 
die  Wiederansammlung  nach  den  beiden  ersten  Eingriffen 
auf  das  ZurĂŒckbleiben  grĂ¶ĂŸerer  FlĂŒssigkeitsinengen  im 
PleurarÀume  beziehen,  zumal  da  uns  die  von  Shermann 
vertretene  Ansicht,  daß  die  durch  das  große  Exsudat  bedingte 
VerdrĂ€ngung  der  intrathorakalen  GefĂ€ĂŸe  zu  einer  weiteren 
Verschlechterung  des  ohnehin  schon  erschwerten  Abflusses 
fĂŒhrt,  recht  plausibel  erscheint. 

Neben  der  Entfernung  des  Ergusses  ließen  wir  anfangs 
Bettruhe  innehalten.  Dabei  sank  die  Temperatur  bis  zur 
Norm  ab.  SpĂ€ter  ließen  wir  das  Kind  auch  aufstehen,  ohne 
eine  erneute  FlĂŒssigkeitsansammlung  zu  beobachten.  Wir 
beschrÀnkten  uns  daher  auf  die  BekÀmpfung  des  Grund- 
leidens  mit  Hilfe  der  Röntgentiefentherapie.  Das  Kind  war 
dabei  im  Elternhaus. 

Am  13.  X.  21  applizierten  wir  in  einer  Sitzung  bei  einer 


Fokus -Hautdistanz  von  23  cm  unter  Filtration  von  3  mm 
Aluminium  je  eine  Hauteinheitsdosis  auf  die  Tumoren  in  der 
linken  Achselhöhle  und  linken  oberen  SchlĂŒsselbeingrube. 
Die  Wahl  der  unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  hohen  Dosis  schien  uns  in 
Anbetracht  des  rapiden  Wachstums  der  Tumoren  geboten. 
Wir  benutzten  bei  der  Applikation  der  Röntgenstrahlen  die 
Silexapparatur  von  Koch  und  S  t  e  r  z  e  1  mit  der  gasfreien 
Lilienfeldröhre,  an  die  wir  eine  primÀre  Spannung  von  120 
Kilo-Volt  bei  einer  StromstÀrke  von  4  Milliampere  legten. 

Eine  Woche  spÀter,  am  20.  X.  21  bestrahlten  wir  ein 
8  cm  im  Quadrat  messendes  Feld  ĂŒber  der  oberen  Stemum- 
hÀlfte,  das  nach  oben  von  der  Incisura  jugularis  begrenzt 
wurde.  Da  auf  die  erste  Bestrahlung  hin  die  DrĂŒsentumoren 
in  der  linken  Axilla  und  linken  Supraklavikulargrube  trotz 
der  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  kurzen  Zeit,  die  inzwischen  verflossen 
war,  bereits  erheblich  zurĂŒckgegangen  waren  und  uns  dieser 
rapide  Zerfall  ebensowenig  wie  vorher  das  schnelle  Wachs- 
tum erwĂŒnscht  erschien,  applizierten  wir  diesmal  unter  ge- 
nau den  gleichen  Bedingungen  nur  eine  halbe  Hauteinheits- 
dosis. 

Weitere  Bestrahlungen  fanden  nicht  mehr  statt,  da  das 
Kind  wenige  Tage  nach  der  zweiten  Sitzung  im  Elternhause 
unter  eigentĂŒmlichen  Erscheinungen  erkrankte  und  uns  erst 
im  Januar  1922  von  den  Eltern  wieder  vorgestellt  wurde.  Die 
im  Gefolge  der  Röntgenbestrahlung  aufgetretene  Erkrankung 
erscheint  uns  im  Hinblick  auf  die  Wahl  der  Dosis  bei 
der  Röntgentiefentherapie  der  Lymphogranulomatose  wichtig 
genug,  um  sie  kurz  zu  beschreiben. 

Nach  Angabe  der  Eltern  soll  sich  das  Kind  nach  den 
Bestrahlungen  etwas  matt  gefĂŒhlt  haben.  Die  sichtbaren 
DrĂŒsenschwellungen  sollen  auch  nach  der  zweiten  Be- 
strahlung merklich  zurĂŒckgegangen  sein,  und  zwar  auch  die 
beim  letzten  Male  nicht  bestrahlten.  Am  26.  Oktober  1921 
stieß  das  Kind,  das  eben  noch,  auf  einem  Stuhle  sitzend,  am 
Tische  ruhig  gespielt  hatte,  plötzlich  einen  durchdringenden 
Schrei  aus,  fiel  vom  Stuhle  herunter,  war  besinnungslos, 
hatte  Arme  und  Beine  krampfhaft  gestreckt  und  war  „auch 
am  ĂŒbrigen  Körper  ganz  steif".  Die  Bewußtlosigkeit  und  die 
StreckkrÀmpfe,  die  nur  hin  und  wieder  von  kurzdauernden 
klonischen  Zuckungen,  ĂŒber  deren  Lokalisation  nichts  ange- 
geben werden  kann,  abgelöst  wurden,  hielten  3  Tage  lang  an. 
Nach  RĂŒckfrage  bei  dem  behandelnden  Arzt  bestand  dabei 
auch  Nackensteifigkeit  und  Kernig'sches  PhÀnomen.  In  den 
ersten  Tagen  stöhnte  das  Kind  dauernd  leise  und  griff  sich 
dabei  wiederholt  an  den  Kopf.  Am  Abend  des  3.  Tages  be- 
gann die  Besserung  einzusetzen,  das  Sensorium  kehrte  zu- 
rĂŒck, das  Kind  klagte  aber  noch  lĂ€ngere  Zeit  ĂŒber  Kopf- 
schmerzen und  erholte  sich  nur  langsam. 

Nach  diesem  Bericht  der  Eltern  glauben  wir  nicht  fehl- 
zugehen, wenn  wir  annehmen,  daß  es  sich,  obwohl  keine 
Lumbalpunktion  und  Untersuchung  des  Augenhintergrundes 
stattgefunden  hat,  um  eine  Gehirnembolie  handelte,  die  durch 
den  rapiden  Zerfall  der  DrĂŒsentumoren  nach  der  Röntgen- 
bestrahlung ausgelöst  wurder 

Die  Beeinflussung  des  Grundleidens  bei  unserer  Patientin 
durch  die  applizierten  Strahlenmengen  ist,  wie  die  am  8.  I. 
1922,  also  etwa  2%  Monate  nach  der  letzten  Bestrahlung,  vor- 
genommene klinische  Untersuchung  ergab,  prompt  einge- 
treten. 

Es  finden  sich  nur  noch  haselnußgroße  DrĂŒsenknoten 
in  der  rechten  Supraklavikulargrube  und  kleinbohnengroße 
DrĂŒsen  zu  beiden  Seiten  des  Halses.  Die  DrĂŒsentumoren  in 
der  linken  Achselhöhle  und  linken  oberen  SchlĂŒsselbeingrube 
sind  völlig  verschwunden.  Der  Befund  an  den  Brustorganen 
ist  normal,  eine  parasternale  DĂ€mpfung  besteht  nicht  mehr. 
Der  Mittelschatten,  der  im  Röntgenbild  Nr.  1  7,4  cm  breit 
war,  ist  in  dem  Nr.  2  nur  noch  5,1  cm  breit  und  erheblich 
weniger  intensiv  (siehe  Röntgenbild  2). 

Wir  sind  uns  wohl  darĂŒber  klar,  daß  erst  die  Zukunft 
lehren  muß,  ob  es  sich  bei  dem  erzielten  Erfolg  um  eine 
Dauerheilung  oder  nur  um  eine  vorĂŒbergehende  Besserung 
handelt.  Immerhin  spricht  aber  der  Umstand,  daß  das  Kind 
im  Dezember  1921  eine  Grippe  durchgemacht  hat,  ohne  daß 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Hollz:  Yatren 


24  r, 


die  Hodgkin'sche  Erkrankung  wieder  aufgeflammt  ist.  dafĂŒr, 
daß  durch  die  Behandlung  mit  Röntgehstrahlen  eine  erheh 
liehe  Beeinflussung  des  fĂŒr  die  Entstehung  der  Lympho 
Granulomatose  verantwortlichen,  bisher  hoch  riichl  sicher  be 
kannten  Virus  im  Sinne  einer  SchÀdigung  desselben  statt- 
gefunden haben  muß,  und  wir  werden,  falls  ein  neuer  Krank - 
beitssebnb  auftreten  sollte,  wiederum  Röntgehtiefenbestrah- 
lungen  vornehirien;  allerdings  werden  wir  in  einer  Sitzung 
erheblich  geringere  Strahlenmengen  applizieren,  um  Zwi- 
schenfÀlle, wie  oben  beschrieben,  zu  vermeiden. 

n  A  ]  f  red  HĂŒssy  :  Jb.  f.  Kind.,  87,  3.  Folge.  37,  491.  1918. 

Gandin  :  Erg.  d.  inn.  Med.  u.  Kind.,  12,  218.  1913. 
m  cit.  nach  II  ĂŒssy  1.  c. 

4)  Gandin  1.  c. 

5)  Herr  Professor  II  e  n  k  e  war  so  liebenswĂŒrdig,  die  Unter- 
suchungen selbst  auszufĂŒhren,  und  wir  möchten  daher  nicht  ver- 
fehlen, ihm  auch  an  dieser  Stelle  unsern  verbindlichsten  Dank 
auszusprechen. 

«)  O.  Heubner  :  Lb.  d.  Kinderheilk.,  1911,  II.  Teil. 
")  H  ĂŒ  s  s  y  1.  c. 

8)  cit.  nach  HĂŒssy  1.  c. 

9)  Oskar  Schultz e:  Atl.  u.  Grundr.  der  lopogr.  u.  angew. 
Aanat.,  1909. 

10)  cit.  nach  HĂŒssy  1.  c. 


Yatren-Casein-Lösung  in  der  Praxis. 

Von  Dr.  G.  H  o  1 1  z  -  Senftenbere  i.  L. 

-< 

Sowohl  internes  wie  chirurgisches  Handeln  und  Denken 
haben  durch  die  EinfĂŒhrung  der  Proteinkörpertherapie, 
resp.  Schwellenreiztherapie  im  Laufe  der  letzten  Zeit 
eine  grundsÀtzliche  Neugestaltung  erfahren.  Die  erstere, 
'schon  lange  geĂŒbte  und  bekannte,  hat  kein  Geringerer  als 
Bier  erst  richtig  ausgebaut,  wissenschaftlich  durch 
gearbeitet  und  der  Allgemeinpraxis  zugefĂŒhrt.  FĂŒr  die 
letztere  muß  Zimmer  das  unstrittige  Verdienst  zuerkannt 
werden,  sie  ausgebaut  und  in  der  Praxis  zur  Geltung  gebracht 
zu  haben.  Es  ist  das  Schultz-Arndt'sche  Grundgesetz,  auf 
dem  sie  fußt:  Schwache  Reize  fachen  die  LeistungsfĂ€higkeil 
an,  mittelstarke  fördern  sie,  starke  hemmen  sie,  stÀrkste 
heben  sie  auf.  Ferner  die  von  Schultz  lÀngst  erwiesene 
Tatsache,  daß  in  der  AufnahmefĂ€higkeit  fĂŒr  Heilstoffe  bei 
der  kranken  und  gesunden  Zelle  des  Körpers  ein  grundsÀtz- 
licher Unterschied  ist,  gibt  der  Schwellenreizlehre  die  Basis. 
Heute  kann  man  wohl  behaupten,  daß  die  GrundsĂ€tze  der  Be- 
handlung mit  Proteinkörpern  und  gleichwertigen  chemischen 
Stoffen,  ebenso  wie  die  Theorie  des  Schwellenreizes  Allge- 
meingut fĂŒr  Kliniker  und  Praktiker  geworden  sind. 

Trotzdem  hat  sich  die  Praxis  noch  nicht  in  dem  Maße 
die  Behandlung  mit  den  einschlĂ€gigen  Mitteln  ĂŒberall  so  zu- 
nutze gemacht,  wie  es  zu  erwarten  wĂ€re.  Das  dĂŒrfte  wohl 
zum  Teil  daran  liegen,  daß  eine  große  Zahl  der  betr.  Medi- 
kamente in  den  Handel  geworfen  sind,  die  in  ihrer  Wirkung 
wohl  einwandfrei  sein  dĂŒrften,  aber  deren  Dosierung  noch 
nicht, genĂŒgend  erprobt  und  sichergestellt  ist.  Denn  immer 
ist  es  die  optimale  Reizdosis,  die  erreicht  werden  muß,  und 
die  nicht  ĂŒberschritten  werden  darf,  um  den  Erfolg  zu  ge- 
wÀhrleisten. Es  ist  leichter,  ein  Medikament  zu  verordnen, 
dessen  Erfolg  schon  erreicht  wird,  wenn  man  etwa  die  Mitte 
zwischen  der  durch  die  Pharmakopoe  festgelegten  Minimal - 
und  Maximaldosis  nimmt,  als  ein  hochwertiges  PrÀparat  an- 
zuwenden, welches  schÀdigend  wirkt  beim  Uel>erschreiten 
der  Reizdosis,  keinerlei  Nutzen  hat  beim  Unterschreiten  der- 
selben. Außerdem  sind  die  individuellen  Unterschiede  zu 
berĂŒcksichtigen,  auch  gibt  es  ja  bei  Protein  und  gleich- 
wirkenden Körpern  noch  keine  statistisch  buchmĂ€ĂŸigen 
Grenzen.  Die  persönlich  gemachten  Erfahrungen,  genaue 
Beobachtung  beim  Kranken,  vielleicht  auch  gefĂŒhlsmĂ€ĂŸige 
Werte  sind  ausschlaggebend  bei  der  Anwendung  der  mo- 
dernen Medikamente.  Eine  ganze  Reihe  sind  im  Laufe  der 
letzten  Zeit  durch  anerkannte  chemische  Fabriken  in  den 
Handel  gebracht.  Von  allen  diesen  hat  sich  uns  in  der 
Praxis  die  Yatren-Kaseinlösung  (West-Laboratorium,  Ham- 


burg-Billbrook) lxĂŒ  weitem  am  besten  bewahrt,  und  zwar 
aus  folgenden  GrĂŒnden: 

1.  Sie  ermöglicht  die  Leichteste  Dosierung,  weil  die  opti- 
male Reizwirkurig  eine  gewisse  Breite  zeigt,  so  daß  so- 
wohl Ueber-  wie  Unterschreiten  der  richtigen  Dosis  ver- 
mieden weiden  kann.  4 

2.  Selbst  beim  Uebersehreiten  entstehen  nach  bisher  ge- 
machten Beobachtungen  keine  Gefahren,  so  dajß  de) 
Grundsatz:  suprema  lex,  nihil  oocere  gewahrt  ist. 

3.  Es  handelt  sich  um  einen  absolut  unspezifischen  Reiz- 
körper mit  einer  ausgedehnten  Anwendungsmöglieh- 
keit. 

Das  Yatren  ist  ein  organisches  JodprÀparat  mit  etwa 
30  %  Jodgehalt.  Es  ist  ein  gelbes,  geruchloses,  im  Wasser 
lösliches  Pulver,  das  sich  am  besten  bewÀhrt  in  der  Verbin- 
dung mit  Casein,  als  sogenanntes  Yatren-Kasein.  Die  Wir- 
kung ist  eine  doppelte: 

1.  eine  Bakterien  tötende, 

2.  eine  entsprechend  der  Proteinkörpertherapie  im  Sinne 
der  Weichardt'schen  Protoplasmaaktivierung  und  der 
Zimmer'schen  Schwellenreiztherapie. 

FĂŒr  die  Dosierung  des  Mittels  ist  ein  grundsĂ€tzlicher 
Unterschied  zu  machen  bei  einem  akut  entzĂŒndlichen  Sta- 
dium und  bei  einem  chronisch  erkrankten  Gewebe.  Die  akut 
erkrankte  Zelle  bedarf  einer  hohen  Reizdosis,  wÀhrend  es  bei 
chronisch  krankem  Gewebe  nur  eines  kleinen  Reizes  bedarf. 
Die  Ueberschreitung  der  Reizdosis  fĂŒhrt  nach  den  bisherigen 
Erfahrungen,  bei  Anwendung  im  akuten  Stadium,  nicht 
immer  unbedingt  zu  einer  sichtbaren  SchÀdigung,  wÀhrend 
im  chronischen  Stadium  grĂ¶ĂŸere  Vorsicht  geboten  ist,  um 
nicht  —  entsprechend  dem  Arndt-Schultz 'sehen  Grundgesetz: 
StĂ€rkere  Reize  hemmen  usw.  —  eine  schĂ€digende  Wirkung 
auszuĂŒben. 

In  Folgendem  sollen  nun  nicht  alle  Anwendungsmöglich- 
keiten des  Yatren,  die  ja  sehr  mannigfach  sind,  erörtert  wer- 
den, sondern  einige  Gebiete,  wo  sich  nach  genauen  Beobach- 
tungen das  Yatren  als  absolut  zuverlÀssiges  Mittel  erwies, 
und  wo  sich  die  Dosierung  am  genausten  feststellen  ließ. 
GrundsĂ€tzlich  ist  daran  festzuhalten,  daß  das  Xatren  zwar 
ein  unspezifisches  Mittel  ist,  darum  aber  doch  kein  Aller- 
weltsmittel,  sondern  daß  es  nur  eine  Wirkung  entfaltet,  wenn 
irgendwo  im  Organismus  sich  ein  wirklicher  EntzĂŒndungs- 
herd befindet.  So  z.  B.  kommt  die  Anwendung  nicht  in 
Frage  bei  allgemeinen  Konstitutionskrankheiten,  auch  nicht 
etwa  bei  zerstörenden  Gelenkerkrankungen,  die  ohne  eigent- 
liche EntzĂŒndung  verlaufen. 

Die  Gelenkerkrankungen  und  die  Gicht  bilden  eine 
HauptdomÀne  des  Yatren.  Beim  akuten  Gelenkrheumatismus 
wirkt  das  Yatren  am  besten  in  der  Anwendung  von  Yatren- 
Kasein  stark,  in  der  Höhe  von  2  cem  intramuskulÀr,  je  nach 
der  allgemeinen  Körperbeschaffenheit  des  Individuums,  mit 
3 — 1  maliger  Wiederholung  in  AbstĂ€nden  von  3  Tagen,  evtl. 
herabgesetzte  Dosis.  Eine  kurz  dauernde  Herdreaktion  mit 
geringen  Allgemeinerscheinungen  tritt  dann  meistens  auf. 

Im  subakuten  Stadium  hat  sich  4 — 5  malige  Injektion  in 
3  tÀgigen  AbstÀnden  von  1  cem  Yatren-Kasein  stark  bewÀhrt. 
Im  chronischen  Stadium  von  Rheumatismus  und  Gicht  ist 
die  Wirkung  eine  ganz  besonders  in  die  Augen  fallende.  — 
Anwendung:  Alle  3  Tage  1  cem  Yatren-Kasein  schwach,  bis 
zum  Abklingen  sÀmtlicher  Erscheinungen.  (Bis  10  Injek- 
tionen unter  UmstÀnden  nötig. 

1.  Fall.  Frau  F.  wegen  Gicht  bereits  2  Monate  mit  allen 
möglichen  Medikamenten  (Atophan  usw.)  erfolglos  behandelt. 
Hochgradige  gichtische  Verdickungen  beider  Fußgelenke  und  ver- 
schiedener Fingergelenke,  kann  nicht  gehen,  außerordentlich  be- 
wegungsschmerzhaft. —  Nach  6  Injektionen  Abschwellen  der 
Gelenke,  Schmerzfreiheit,  Wohlbefinden.  Nach  jeder  Injektion 
geringe  Allgemeinerscheinungen,  dagegen  ziemlich  starke  Herd- 
reaktionen in  den  befallenen  Gelenken. 

2.  Fall.  Frau  v.  K.  Seit  Jahren  gichtleidend,  mit  chroni- 
scher Verdickung  der  Fingergelenke,  Gichtknoten  am  Kopf,  aus- 
gesprochenem Gichlherz,  mit  hochgradigen  subjektiven  Beschwer- 
den.   Kur  in  Landeck  ohne  Erfolg.  —  6  Injektionen  wie  oben 


246 


Mentberger:  Cyarsal 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


brachten  Besserung,  die  an  Heilung  grenzt:  Nachlassen  der  Herz- 
beschwerden, ruhige  krÀftige  HerztÀtigkeit,  fast  freie  Beweglich- 
keit der  Finger  und  Nachlassen  der  quÀlenden  gichtischen  Kopf- 
schmerzen. 

3.  Fall.  FrĂ€ulein  W.  Seit  Jahren  Gicht  im  linken  Fuß- 
gelenk. 5  Injektionen  wie  oben  brachten  Abschwellen  des  Ge- 
lenkes, Schmerzlosigkeit,  freien  Gang. 

t.  F  a  1 1.  (Akuter  Gelenkrheumatismus.;  Frau  B.  Typischer 
Rheuma  articul.  mit  hohem  Fieber  (40  Grad),  Rötung  und  Schwel- 
lung der  Gelenke.  Auf  Natr.  salicyl.  8  g,  6  g,  4  g,  2  g)  gingen  die 
stĂŒrmischen  Erscheinungen  zurĂŒck,  nach  8  Tagen  schweres  Re- 
zidiv. Die  Verdickungen  der  Gelenke  wĂ€ren  nicht  zurĂŒck- 
gegangen. Nunmehr  Behandlung  mit  Xatren.  Nach  4  Injektionen 
in  3  Tagen  Abstand  zuerst  2  ccm,  dann  1  ccm  Yatren-Kasein  stark 
gingen  alle  Erscheinungen  restlos  zurĂŒck.  Nachbehandlung  aus 
SicherheitsgrĂŒnden  mit  Melubrin. 

Obige  FĂ€lle  habe  ich  nur  als  Beispiel  herausgegriffen! 
Ein  weiteres  Gebiet,  auf  dem  ich  in  ausgiebiger  und  zuver- 
lÀssiger Weise  die  Wirkung  des  Yatrens  ausprobiert  habe, 
bilden  die  entzĂŒndlichen  Erkrankungen  der  weiblichen  Ad- 
nexe und  der  chronischen  mÀnnlichen  Tripper  mit  ihren 
Komplikationen.  Besonders  sind  es  die  Tuben -Eierstock  - 
erkrankungen,  die  seit  jeher  ein  Krux  fĂŒr  Patient  und  Arzt 
bildeten.  Wie  machtlos  prallt  oft  die  sorgfÀltigste  Behand- 
lung des  GynÀkologen  mit  Hitze,  Diathermie,  Bestrahlung 
usw.,  auch  Terpichineinspritzungen  an  der  HartnÀckigkeit 
des  Leidens  ab!  ! 

Hier  hat  mir  oftmals  das  Yatren  so  eklantanten  Erfolg 
gebracht,  daß  man  die  Wirkung  als  die  eines  Spezifikums 
bezeichnen  möchte. 

Die  Schmerzen  des  akuten  Stadiums,  oft  kolikartig, 
ließen  besser  und  schneller  nach,  als  nach  einer  hohen  Mor- 
phiumgabe! 

Tumorartige  Schwellungen  gingen  bis  auf  geringe  oder 
mĂ€ĂŸige  völlig  unempfindliche  Verdickungen  der  Adnexe  zu- 
rĂŒck. Auch  ließen  die  hochgradigen  Beschwerden,  wie  sie 
ja  jeder  GynÀkologe  oft  bei  Freauen  wÀhrend  der  Menses  be- 
obachten kann,  wenn  auch  nur  geringe  entzĂŒndliche  Ver- 
Ànderungen der  Eierstöcke  bestehen,  nach. 

HierfĂŒr  greife  ich  wieder  einige  typische  FĂ€lle  heraus. 

1.  Fall.  Frl.  H.  aus  M.  wegen  EntzĂŒndung  der  beiden  Eier- 
stöcke einige  Wochen  anderweitig  ohne  Erfolg  behandelt.  Be- 
fund: Zervikalkatarrh,  wo  das  Sekret  dauernd  Go.-frei  war,  nur 
multiple  Bakterienflora  mit  vorwiegend  Staphylokokken.  Linker 
Eierstock  hĂŒhnereigroß,  entzĂŒndlich  geschwollen;  rechter  nicht 
wesentlich  vergrĂ¶ĂŸert.  6  Injektionen  in  AbstĂ€nden  von  4  bis 
5  Tagen  von  je  1  ccm  Yatren-Kasein  schwach.  Nach  der  2.  In- 
jektion sistierten  die  Schmerzen  völlig,  nach  der  5.  war  die 
Schwellung  des  Eierstocks  bis  auf  einen  derben,  etwas  ĂŒber 
taubeneigroßen  Tumor  zurĂŒckgegangen.  *  Die  Sekretion  aus  der 
Zervix  hatte  etwas  nachgelassen  und  konnte  mit  milden  Adstrin- 
gentien  vorsichtig  zum  Schwinden  gebracht  werden. 

2.  F  al  1.  Frl.  W.  aus  A.  Zervikalgonorrhoe  mit  EntzĂŒndung 
beider  Adnexe.  Kolikartige  Schmerzen  derselben,  besonders  vor 
der  Regel,  nur  mĂ€ĂŸige  Verdickungen  (subkutanes  Stadium).  Be- 
handlung: Zuerst  2  mal  Injektionen  mit  3  Tagen  Abstand  von  je 
2.  ccm  Yatren-Kasein  stark  in  die  GlutÀen;  dann  4  weitere  In- 
jektionen mit  meist  4  tÀgigen  ZwischenrÀumen  von  je  1  ccm. 
SĂ€mtliche  Schmerzen  ließen  nach  der  2.  Injektion  nach.  Regel 
ohne  Störungen.  Der  GebÀrmutterhalstripper  konnte  nach  der  Kur 
zur  Ausheilung  gebracht  werden  durch  milde  lokale  Behandlung, 
so  daß  Patientin  dauernd  Go.-frei  blieb. 

3.  Fall.  Frau  K.  aus  S.  Beiderseits  große  entzĂŒndliche 
Adnextumoren  infolge  Go.  Vor  3  Jahren  bereits  Krankenhaus- 
behandlung ohne  Erfolg.  Jetzt  starke  Schmerzen  bei  elendem 
Allgemeinzustand.  9  mal  Yatren-Kasein  schwach  1  ccm,  jeden 
4.  Tag.  Nach  der  1.  Injektion  völlige  Schmerzfreiheit,  nach  fĂŒnf 
weiteren  glĂ€nzendes  Allgemeinbefinden.  Die  GrĂ¶ĂŸe  der  Tumoren 
ging  betrĂ€chtlich  zurĂŒck,  sie  wurden  hart,  unempfindlich  und  gut 
verschieblich,  so  daß  die  Möglichkeit  baldiger  operativer  Ent- 
fernung gegeben  wurde. 

Zusammenfassend  habe  ich  noch  folgendes  zu  bemerken: 
Unter  den  zahlreichen  Anwendungsmöglichkeiten  des 
Yatrens  ist  die  Dosierung  zuverlÀssig  erprobt  bei  akutem 
und  chronischem  Rheuma,  auch  Muskelrheumatismus,  bei 
Gicht,  bei  akuten  und  chronischen  Adnexerkrankungen  des 
Weibes,  bei  der  chronisch  mÀnnlichen  Gonorrhoe. 


In  allen  akuten  Stadien  betrÀgt  die  Dosis  etwa  2  ccm 
Yatren-Kasein  stark,  je  nach  der  Allgemeinbeschaffenheit 
des  Patienten,  wobei  man  getrost  bei  den  nÀchsten  Injek- 
tionen die  Dosis  herabsetzen  soll.  In  allen  chronischen 
Stadien  sind  Injektionen  von  1  ccm  Yatren-Kasein  schwach 
wiederholt  zu  verabfolgen. 

Stets  ist  die  Herdreaktion  im  positiven  oder  negativen 
(Döllken)  Sinne  ausgesprochen  beobachtet.  Die  Allge- 
meinreaktion tritt  nur  bei  akuteren  Stadien  mĂ€ĂŸig  stark  auf. 
Hier  und  da  kommen  auch  geringe  lokale  Reaktionen  bis  zur 
Dauer  eines  halben  Tages  vor. 

Allgemeinbehandlung  und  örtliche  Behandlung  wurden 
unterstĂŒtzend  mit  milden  Mitteln  daneben  angewandt,  sind 
jedoch  auch  entbehrlich. 


Cyarsal  und  Syphilis. 

Von  Dr.  Victor  Mentberger,  Berlin. 

Vor  Jahren  hatte  ich  wÀhrend  meiner  TÀtigkeit  an  der 
Straßburger  Hautklinik  unter  Wolff  Versuche  mit  intra- 
venös verabreichten  Hg-PrÀparaten  (insbesondere  Hg.  succi- 
nimid)  durchgefĂŒhrt.  Wolff  hatte,  gestĂŒtzt  auf  eigene 
40  jÀhrige  Erfahrungen  und  die  Kenntnis  der  damals  in  der 
französischen  Literatur  bereits  angestellten  und  veröffent- 
lichten Versuche  (B  r  o  c  q  u.  a.)  von  einer  Veröffentlichung 
meiner  Arbeit  infolge  Fehlens  von  Dauerresultaten  Abstand 
nehmen  lassen. 

Interessant  war  es  mir,  vor  kurzem  die  Arbeit  von  N  e  - 
gen  dank  (Derm.  1921,  51)  zu  lesen;  N.  weist  darin  nach, 
daß  Cyarsal  in  sehr  hohen  Dosen  intravenös  gegeben 
werden  kann,  ohne  nachteilige  Erscheinungen  hervorzurufen, 
allerdings  auch  ohne  jeden  Heilerfolg.  An  sich  ist  es  meiner 
Ansicht  nach  ein  Fehlschluß,  wenn  N.  aus  den  wenigen  von 
ihr  mit  Cyarsal  allein  intravenös  behandelten  FĂ€llen  ĂŒber 
die  Wirkung  des  Cyarsal  im  allgemeinen  urteilen  zu  können 
glaubt.  Ihre  FÀlle  verstÀrken  aber  die  Behauptungen 
Weises,  der  fast  gleichzeitig  in  Jena  festgestellt  hat  (Derm. 
Zeitschr.  Juli  1921),  daß  Hg  auch  in  hohen  Dosen  intravenös- 
verabreicht, einen  augenfÀlligen  und  nachhaltigen  therapeu- 
tischen Erfolg  nicht  erzielt. 

O  e  1  z  e,  der  die  erste  Publikation  brachte,  hatte  den 
Hauptwert  auf  die  Kombination  mit  Neosalvarsan  gelegt  (von 
ihm  treffend  „Mischspritze"  genannt).  Dem  Berliner  Che- 
miker Boedecker  war  eine  Synthese  einer  Gruppe  von 
chemisch  einheitlichen  Verbindungen  gelungen,  die  das  Hg 
so  fest  gebunden  enthalten,  daß  weder  das  Schwefelammo- 
nium, noch  das  Salvarsan  das  Hg  bei  kurzer  Einwirkung  imd 
gewöhnlicher  Temperatur  herauszureißen  imstande  sind. 
Diese  Hg-Verbindung,  Cyarsal,  ist  ein  lösliches  organisches 
QuecksilberprÀparat  mit  einem  Hg-Gehalt  von  46  Prozent. 
Bei  der  Schaffung  dieses  Cyarsals  war  der  leitende  Gedanke, 
bei  Anwesenheit  von  Neosalvarsan  das  im  Cyarsal  vorhan- 
dene Quecksilber  in  kolloidaler  Form  in  statu  nascendi  ohn<? 
TrĂŒbung  in  die  Blutbahn  zu  bringen.  Veranlassung  gab  die 
von  anderen  chemischen  Reaktionen  her  bekannte  Tatsache, 
daß  Körper  in  statu  nascendi  besonders  stark  wirken,  viele 
sogar  in  diesem  Zustande  allein  wirksam  sind.  Es  entsprach 
somit  der  Absicht  Boedecker s,  ein  PrÀparat  zu  finden, 
welches  hauptsÀchlich  mit  Neosalvarsan  zusammen  anzu- 
wenden sei,  —  die  klinischen  Erfahrungen  haben  bestĂ€tigt, 
daß  diese  Darreichungsart  (Cyarsal  -i-  Neosalvarsan  intra- 
venös in  Mischspritze)  die  Wirkung  der  neuen  Quecksilber- 
verbindung  am  besten  zur  Geltung  kommen  lĂ€ĂŸt. 

Die  bei  der  Mischspritze  vorkommenden  Reduktion s- 
prozesse  machen  sich  bei  den  bisher  angewandten  Queck - 
SilberprÀparaten  in  besonders  auffÀlliger  und  unangenehmer 
Weise  durch  den  Farbenumschlag  und  die  intensive  TrĂŒbung 
bemerkbar.  Die  dabei  zugrunde  liegenden  chemischen  Vor- 
gÀnge, welche  in  ihren  letzten  Einzelheiten  noch  nicht  er- 
grĂŒndet sind,  haben  eine  große  Anzahl  Aerzte  davon  abge- 
halten, Mischspritzen  zu  verwenden,  weil  sie  sich  scheuten, 
ihnen  unbekannte  chemische  Neubildungen  ihren  Patienten 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Drcuw:  Quccksilherbchandluiig 


einzuspritzen.  Diese  Scheu  ĂŒbertrugen  sie  ohne  weiteres  auf 
das  Cyarsal,  obwohl  dieses  den  Vorteil  einer  klaren,  schwach 
öpaleszenten  Mischung  mit  Neosalvarsan  besitzt,  also  sinn- 
fÀllig keine  Anzeichen  von  Umsetzungen  darbietet.  Das  Neo- 
salvarsan wird  wahrscheinlich  bei  dieser  Mischung  kaum 
verÀndert,  selbst  bei  vollstÀndiger  Reduktion  des  Cyarsal  zu 
metallischem  Quecksilber,  also  im  extremsten  Falle,  wird  nur 
etwa  ein  Zwanzigstel  der  angewandten  Neosalvarsanmenge 
verbraucht;  aus  diesen  Neosalvarsanteilen  entstehen  neue 
Arsenderivate,  die  aber  ebenfalls  wirksam  sind  (vcrgl.  Binz 
Zeitschrift  fĂŒr  angewandte  Chemie  1921,  Heft  34). 

Was  die  Technik  der  Cyarsal-Mischspritze  anbetrifft,  so 
ist  sie  genau  die  gleiche  wie  bei  einer  reinen  Neosalvarsan- 
injektion:  man  saugt  mit  einer  Rekordspritze,  in  der  sich  be- 
reits das  Neosalvarsan  in  etwa  5  cem  ILO  gelöst  befindet,  den 
Inhalt  der  Cyarsal-Ampulle  nach,  schĂŒttelt  um  und  kann  so- 
fort injizieren. 

Als  Dosierung  halte  ich  bei  MĂ€nnern  12  Injektionen  (5  g 
Neosalvarsan  +  22  cem  Cyarsal)  und  bei  Frauen  10  Injek- 
tionen (4  g  Neosalvarsan  +  20  cem  Cyarsal)  als  fĂŒr  eine 
normale  Kur  ausreichend;  die  beiden  ersten  Injektionen  wer- 
den in  geringerer  Dosierung  verahfolgt  (0,3  g  Neosalvarsan 
+  1  cem  Cyarsal),  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigen  Injektionen  bei 
Frauen  sich  gleich  bleiben,  bei  MĂ€nnern  insofern  noch  eine 
Aenderung  erfahren,  als  bei  den  beiden  letzten  Injektionen 
0,6  g  Neosalvarsan  +  2  cem  Cyarsol  gegeben  werden.  Die  Do- 
sis wird  naturgemĂ€ĂŸ  je  nach  der  Konstitution  des  Patienten, 
nach  dem  therapeutischen  Effekt  und  der  VertrÀglichkeit 
nach  oben  oder  unten  variieren  mĂŒssen. 

Nach  meiner  Ansicht  könnten  alle  Syphilitiker,  bei  denen 
keine  Kontraindikation  gegen  Salvarsan  allein  besteht,  auch 
it  der  Mischspritze  behandelt  werden.  Stark  anÀmische 
atienten  erlitten  durch  diese  Behandlungs weise  keine  SchÀ- 
igung,  sondern  erfreuten  sich  eines  gewissen  Wohlbefindens 
und  einer  Gewichtszunahme."  Ich  behandelte  zwei  FĂ€lle  la- 
tenter Lues  mit  einer  offenen  Lungentuberkulose;  eine  vor- 
sichtige Mischspritzenbehandlung  hatte  (bei  klinischer  und 
röntgenologischer  NachprĂŒfung)  keine  Verschlimmerung  des 
"  ungenbefundes  zur  Folge. 

Meine  Beobachtungen  erstrecken  sich  auf  insgesamt  115 
Ă€lle,  von  denen  etwa  10  aus  Ă€ußeren  GrĂŒnden  (auswĂ€rtige 
atienten  u.  a.)  die  Kur  nicht  vollstĂ€ndig  durchgefĂŒhrt  haben, 
nter  diesem  Material  befinden  sich  7  seronegative  PrimÀr- 
ffekte  (2  extragenitale)  und  5  seropositive,  35  sekundÀr- 
etische  FĂ€lle  mit  manifesten  Erscheinungen,  6  latente,  4 
rtiÀre  und  2  Taboparalytiker. 

Die  therapeutische  Einwirkung  der  Mischspritze  auf  die 
primÀren  Effloreszenzen  der  Syphilis  ist  eine  gute:  kleinere, 
besonders  oberflÀchliche,  spezifische  Erosionen  sieht  man 
meist  recht  schnell  (nach  2 — 3  Injektionen)  abheilen;  Spiro- 
chÀten waren  nach  3  Injektionen  nicht  mehr  festzustellen. 

Die  regionalen  LymphdrĂŒsenschwellungen  wurden  nur 
schwer  beeinflußt.  Die  Symptome  der  frĂŒhsekundĂ€ren  Af- 
fekte (Schleimhautaffektionen)  zeigten  dagegen  rasche  Bes- 
serung. Roseola,  einfache  makulöse  und  geringfĂŒgigere  pa- 
pulöse  Exantheme  heilen  nach  Wunsch  ab,  wÀhrend  die 
Wirkung  auf  hypertrophische  Papeln,  einzelstehende 
trockene,  derbe  Hautpapeln,  langsamer  ist. 

Als  Besonderheit  sei  ein  Fall  erwÀhnt,  bei  welchem  eine 
Reinfektion  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  anzunehmen  ist: 

30  jÀhrig.  Angestellter  Otto  B.  Ulcus  molle  am  Penisschaft 
und  linksseitigem  Bubo  am  24.  7.  1920.  Streptobazillen  positiv, 
SpirochĂ€ten  negativ,  S.  R.  negativ  —  28.  7.  Inzision  des  Bubo, 
Jodoformglyzerininjektion,  ChlorzinkÀtzung  des  Ulcus.  Langsame 
Heilung.  13.  8.  Wa  R  negativ.  Am  21.  8.  fĂŒhlte  Patient  an  der 
llarnröhrenmĂŒndung  ein  kleines,  hirsekorngroßes  Knötchen.  22.8. 
SpirochÀten  im  Dunkelfeld  positiv.  23.  8.  S.  R.  negativ,  keine 
DrĂŒsenanschwellung,  Ulcus  molle  und  Bubo  fast  abgeheilt.  Er 
erhielt  5,0  Neosalvarsan  +  22  cem  Cyarsal.  22.  11.  S.  R.  negativ. 
Am  10.  November  hatte  er  wieder  Verkehr  mit  derselben  Partne- 
rin, welche  sich  mehrmals  mit  negativem  Resultat  spezialÀrztlich 
hatte  untersuchen  lassen.  24.  Nov.  stellt  er  sich  wieder  vor  und 
zeigte  am  inneren  PrÀputialrand  eine  ganz  oberflÀchliche  linsen- 
große indurierte  Erosion  mit  reichlichem  SpirochĂ€tenbefund  im 
Dunkelfeld;  S.  R.  negativ  —  die  DrĂŒsen  in  der  linken  Inguinal- 


gegend  verhĂ€rtet  fĂŒhlbar,  rechts  keine  DrĂŒscnschwellung;  keine 
weiteren  Erscheinungen.    Allgemeinbefinden  gul. 

Der  Patient  hat  sich  am  selben  Herd  zum  zweiten  Male 
infiziert.  Eine  Reinduration  kommt  nicht  in  PrÀge,  da  die 
erste  Sklerose  sieh  an  der  UrethralmĂŒndung  befand,  die 
einem  anderen  Lymphgebiet  angehört,  da  behauptet  wird, 
daß  Reindurationen  von  im  Ruhezustand  befindlichen,  lieg*  □ 
gebliebenen  Kontagien  desselben  Lymphgebietes  erzeugt  wer 
den  können.  Eine  Erosiv -Papel,  eine  sekundÀre  Erscheinung, 
ist  auszuschließen,  da  die  WaR  wieder  negativ  ausge- 
fallen ist. 

Die  alte  Frage,  kann  ein  Individuum  ein  oder  mehrmals 
im  Leben  sich  luetisch  infizieren,  ist  dauernd  Gegenstand 
Strittiger  Erörterungen.  Zuletzt  hat  MĂŒller  sehr  strenge 
Forderungen  fĂŒr  die  Annahme  einer  echten  Reinfektion  auf- 
gestellt, worunter  er  die  Infektion  mit  einem  zweiten  Spiro- 
chÀtenstamm versteht.  In  meinem  Falle  handelt  es  sieh 
wahrscheinlich  um  denselben  Stamm,  mit  dem  sich  Patient 
zum  zweiten  Male  infizierte.  Arzt  hat  einen  analogen  Fall 
veröffentlicht,  wo  sich  das  gleiche  Individuum  mit  demselben 
SpirochÀtenstamm  zweimal  infiziert  hatte;  er  kommt  in 
seiner  Arbeit  zu  dem  SchlĂŒsse,  daß  es  bei  den  von  MĂŒller 
aufgestellten  Kriterien  fĂŒr  die  ErklĂ€rung  eines  Falles  als 
echte  Reinfektion  nicht  gelingt,  mit  unseren  uns  zu  Gebote 
stehenden  Mitteln  beweiskrÀftig  zu  unterscheiden.  Jedenfalls 
scheint  in  meinem  strittigen  Falle  die  Mischspritze  besonders 
wirksam  gewesen  zu  sein. 

Was  die  Wirkung  der  Mischspritze  Neosalvarsan-Cyar- 
sal  auf  die  WaR  betrifft,  so  ist  sie  eine  durchaus  gute:  von 
meinen  115  FÀllen  waren  anfÀnglich  87  positiv,  28  negativ. 
Unter  den  negativen  befanden  sich  8  PrimÀraffekte,  bei  denen 
die  Abortivbehandlung  den  gewĂŒnschten  Erfolg  aufwies  und 
die  negativ  blieben  (4  davon  beobachtete  ich  etwa  1  Jahr 
lang  bei  negativ  bleibender  WaR).  Die  FĂ€lle  latenter  Lues, 
die  bei  Beginn  der  Behandlung  negativ  waren,  blieben  es 
auch  nach  der  Behandlung;  von  den  latenten  41  positiven 
konnten  9  nicht  zum  Umschlagen  ins  Negative  gebracht  wer- 
den. Die  sekundÀren  seropositiven  FÀlle  mit  Erscheinungen 
wurden  sÀmtlich  negativ,  wobei  ich  die  Blutuntersuchung  bei 
den  mir  noch  erreichbaren  FĂ€llen  14  Tage  nach  Injektion 
der  letzten  Mischspritze  angestellt  habe.  Die  beiden  FĂ€lle  mit 
Tabes,  die  auch  sonst  nicht  beeinflußt  wurden,  behielten  ihre 
positive  WaR. 

Wenn  die  Wirkung  auf  die  Wa  R  zum  Teil  eine  lang- 
samere war,  so  ist  das  an  sich  nichts  AuffÀlliges.  Ich  hatte 
auch  Gelegenheit,  eine  Anzahl  Patienten  nachzuuntersuchen, 
mit  dem  Ergebnis,  daß  der  grĂ¶ĂŸte  Teil  negativ  geblieben  war. 

Im  Einklang  mit  der  guten  Beeinflussung  der  Wa  R  war 
auch  das  Auftreten  von  Rezidiven  im  VerhÀltnis  zu  der 
großen  Zahl  der  Patienten  gering. 

Die  Mischspritze  wirkt  auf  den  Organismus  im  allge- 
meinen gĂŒnstig,  insbesondere  auf  den  Stoffwechsel;  Wohl- 
befinden, Gewichtszunahme  und  andere  Folgen  eines  roborie- 
renden  Einflusses  konnte  ich  beobachten. 

Was  die  Nebenwirkungen  anbetrifft,  so  brauche  ich  auf 
die  lokalen  hier  nicht  weiter  einzugehen,  die  bei  der  fehler- 
freien intravenösen  Applikation  der  Neosalvarsan-Cyaraal- 
Mischung  nicht  vorkommen:  von  den  allgemeinen  Neben- 
wirkungen ist  Fieber  bei  der  Mischspritze  beobachtet  wor- 
den. Ueber  Kopfschmerzen  von  mehr  oder  weniger  langer 
Dauer,  Druck  im  SchÀdel,  Uebelkeit  und  Erbrechen  wurde 
nach  den  Injektionen  hin  und  wieder  geklagt.  Ein  Teil 
dieser  leichten  Nebenwirkungen  ist  besonders  bei  Frauen 
wohl  die  Folge  des  gelegentlichen  Auftretens  eines  BlausÀure - 
geschmackes  oder  -geruchs  wÀhrend  der  Injektion  oder  kurz 
nach  derselben,  der  unangenehm  empfunden  wird.  Eine  De- 
finition von  diesem  Geschmack  kann  ich  eben  so  wenig  an- 
geben, wie  die  anderen  Autoren.  Ich  stimme  aber  Gut  - 
m  a  n  n  bei,  daß  man  durch  intensives  Rauchen  wĂ€hrend  der 
Injektion  diese  unangenehme  Sensation  auf  ein  Minimum 
herabdrĂŒcken  kann.  Als  weiteren  Kunstgriff  empfehle  ich 
ZudrĂŒcken  der  Nase  mit  der  freien  Hand  und  tiefes  Atmen 
durch  den  weitgeöffneten  Mund  oder  Trinken  eines  Glases 
kalten  Wassers  wÀhrend  der  Injektion. 


Dreuw:  Quecksilberbehandlung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Stomatitis  mercurialis  konnte  ich  bei  der  Mischspritze  Neo- 
salvarsan-Cyarsal  eben  so  wenig  feststellen,  wie  eine  Nieren- 
reizung (Albuminurie)  oder  sonstige  Quecksilberintoxika- 
tionen. In  5  FĂ€llen  kam  es  jedoch  zum  Auftreten  eines 
angioneurotischen  Symptomkomplexes  mehr  oder  weniger 
schweren  Grades.  Ändere  Nebenerscheinungen  wie  Exan- 
theme, Dermatitis  und  Ikterus  habe  ich  nicht  beobachtet. 

Was  nun  die  Wirkung  auf  die  klinischen  Erscheinungen 
anbelangt,  so  möchte  ich  nach  meinen  bisherigen  Erfahrun- 
gen, und  zwar  ganz  besonders  auf  Grund  des  von  mir  ge- 
schilderten eigenartigen  „Reinfektion" -Falles  die  Anwendung 
der  Cyarsal-Neosalvarsan -Mischspritze  als  die  bisher  brauch- 
barste und  erfolgreichste  unter  den  Mischspritzen  bezeichnen, 
da  sie  besonders  eine  definitive  Heilung  der  seronegativen  als 
auch  der  seropositiven  FrĂŒhsyphilis  mit  grĂ¶ĂŸter  Wahrschein- 
lichkeit erhoffen  lĂ€ĂŸt. 

Die  Nebenwirkungen  sind  so  gering,  daß  sie  niemand  von 
der  NachprĂŒfung  des  Cyarsals  abhalten  dĂŒrfen. 

Meines  Erachtens  liegt  das  Prinzip  der  Mischspritzen- 
behandlung  darin,  sich  von  der  Massensuggestion  des  Salvar- 
san  loszumachen  und  das  Hg  wieder  in  den  Vordergrund  zu 
stellen.  Es  muß  erreicht  werden,  bei  möglichst  niedriger  Do- 
sierung des  Neosalvarsans  unter  den  Einfluß  seiner  reduzie- 
renden Wirkung  eine  entsprechende  Menge  kolloidalen  me- 
tallischen Quecksilbers  in  feinster  Verteilung  entstehen  zu 
lassen,  welches  lange  Zeit  im  Körper  verbleibt  und  seine  the- 
rapeutische Wirkung  ausĂŒbt,  um  dann  langsam,  ohne  ge- 
schÀdigt zu  haben,  wieder  ausgeschieden  zu  werden. 


Die  Gegner  der  Quecksilberbehandlung. 

Von  Dr.  med.  Dreuw-  Berlin. 

Das  Quecksilber  wurde  gegen  die  Syphilis  seit  vier  Jahr- 
hunderten in  den  verschiedensten  chemischen  Verbindungen 
angewandt  und  hat  seitdem,  allen  StĂŒrmen  zum  Trotz,  seinen 
Platz  behauptet.  Unter  anderen  lief  in  den  50  iger  und  60  iger 
Jahren  der  österreichische  Arzt  Dr.  J.  H  e  r  m  a  n  n*),  Primar- 
arzt am  Wiedener  Krankenhaus  in  Wien,  in  seinen  Aufsehen 
erregenden  BĂŒchern  gegen  das  Quecksilber  Sturm.  Ihm 
schlössen  sich,  nachdem  vorher  schon  einige  Gegner  des 
Quecksilbers  aufgetreten  waren,  so  u.  a.  B  À  r  e  nsprung, 
spÀter  die  AnhÀnger  der  physikal.-diaet.  Therapie,  insbeson- 
dere Dr.  Ziegelroth,  an,  die  glaubten,  ohne  Zufuhr  auch 
geringer  Dosen  von  Quecksilber  die  Syphilis  heilen  zu  kön- 
nen. Sie  meinten  in  Anlehnung  an  weitverbreitete  Volksan- 
schauungen, durch  Schwitz-  und  Wasserkuren  wĂŒrde  das 
Gift,  das  wir  heute  als  einen  lebenden,  schlangenartig  sich 
bewegenden  Erreger  kennen,  sozusagen  aus  dem  Körper  aus- 
geschwitzt oder  ausgeschieden.  Eine  medikamentöse  Be- 
handlung durch  Quecksilber  und  Jod  erĂŒbrige  sich;  jeden- 
falls solle  Quecksilber  nie  angewandt  werden,  wÀhrend  Jod 
schon  eher  zur  Anwendung  kommen  könne. 

Da  das  Quecksilber  in  Ueberdosierung  wie  jedes  andere 
differente  Mittel,  wie  auch  Wasser-  und  Schwitzkuren,  in 
der  Hand  von  Àrztlichen  Handwerkern  SchÀden,  ja  sogar  den 
Tqd  herbeifĂŒhren  kann  und  schon  herbeigefĂŒhrt  hat,  was 
sich  durch  Unterdosierimg  (Ausnahmen  bestÀtigen  die  Re- 
gel) vermeiden  lĂ€ĂŸt,  so  entstand  namentlich  im  Lager  der 
Naturheilkundigen  eine  energische  Gegnerschaft,  da  auch 
hier  die  sexualkapitalistischen  Interessen  der  Kranken- 
behandler  mitsprechen,  nicht  aus  wissenschaftlichen  GrĂŒn- 
den und  aus  der  reinen  Liebe  zur  wissenschaftlichen  Wahr- 
heit.   Schon  Paracelsus  warnte  1538  vor  dieser  Ueber- 

*)  1.  Es  gib'/  kein  konstitutionelle  Syphilis.  Ein  Trostwort 
fĂŒr  die  gesamte  Menschheit  ĂŒber  meine  neue  Lehre  ĂŒber  das 
Wesen  und  die  Heilbarkeit  der  Syphilis. 

2.  Die  Quecksilberkur,  ein  Verbrechen  an  der  gesamten 
Menschheit. 

3.  Die  Geschlechtskrankheiten  und  ihre  Behandlung  ohne 
Quecksilber. 

Außerdem  seien  erwĂ€hnt  als  hauptsĂ€chlichste  antimerkuria- 
listische  BĂŒcher:  „Ziegelroth:  ..Physikalisch-diĂ€tetische  Be- 
handlung der  Syphilis.  Derselbe:  „Neue  Wege  zur  Heilung  der 
Geschlechtskrankheiten",  und  Dr.  med.  Wolfgang  Bohn  :  „Queck- 
silber, Salvarsan  oder  Naturheilverfahren?' 


dosierung  mit  den  Worten:  „Nun  habt  ihr  aber  mit  dem 
Quecksilber    die    Kranken    stÀrker    geschmiert,    denn  ein 
Schuster  das  Leder  mit  Schmiere".    Und  Boerhave  (1668 
bis  1738)  ließ  die  Patienten  36  Tage  so  lange  und  so  intensiv 
behandeln,   bis    sie   die   stÀrksten  Quecksilbervergiftungen 
zeigten.    Schon  1813  bekÀmpfte  Fergusson  das  Queck- 
silber auf  Grund  von  Erfahrungen  in  der  englischen  Armee, 
und  in  Hamburg  sah  F  r  i  c  k  e,  ebenso  wie  Fergusson, 
bei  15  000  SyphilisfÀllen  gute  Resultate  ohne  Quecksilber- 
anwendung.   GegenĂŒber  den  Hermann  sehen  Arbeiten  er- 
klÀrte 1868  der  bekannte  Dermatologe  H  e  b  r  a  ,  Quecksilber 
heile  die  Syphilis  schneller  und  schade  nichts,  aber  die  Ku- 
rierfreiheit, d.  h.  das  Recht  des  Arztes,  auch  ohne  Queck- 
silber zu  behandeln,  dĂŒrfe  nicht  angetastet  werden.  Und 
K  u  ß  m  a  u  1  wies  nach,  daß  Merkurialismus  und  Sy- 
philis nichts  miteinander  zu  tun  hÀtten.    M.  E.  sollten 
die  Medizinalverwaltungen  streng   darauf  sehen,   daß  die  \ 
Maximaldosierung  bei  primÀrer  und  sekundÀrer  Syphilis  be- 
obachtet und  nur  dann  eine  höhere  Dosis  gegeben  werden 
darf,  wenn  der  Arzt  dies  jedesmal  veunerkt,  und  dort,  wo 
diskrete  Anzeigepflicht  besteht,  es  jedesmal  eintrÀgt.  Denn 
statt  0,02  g  Quecksilber  wird  in  fast  jedem  Falle  0,1  g,  d.  h. 
das  5  fache  der  erlaubten  Dosis  gegeben.  Die  Ausnahme  wird 
also  Regel.    Ich  habe  im  Verein  fĂŒr  physikalisch-diĂ€tetische 
Therapie  in  Berlin,  dem  fast  nur  Quecksilbergegner  ange- 
hören, zwei  VortrĂ€ge  ĂŒber  die  relative  Gefahrlosigkeit  bei 
Unterdosierung  des  Quecksilbers  und  ĂŒber  die  von  mir  seit 
20  Jahren  erzielte  Wirkung  meiner  Methodik  gehalten,  in 
denen  ich  die  Uebertreibungen  der  Angriffe  gegen  das  Queck- 
silber und  die  SchÀden  durch  die  hohen  Salvarsandosen 
(keine  Maximaldosis!)  nachwies. 

Der  Platz  verbietet  es,  an  dieser  Stelle  ausfĂŒhrlich  auf 
alles  das  einzugehen,  was  Hermann  und  seine  Nachfolger 
gegen  die  Anwendung  des  Quecksilbers  anfĂŒhrten.  Jeden- 
falls ffber  sehen  die  Quecksilbergegner  in  Hermann  den 
immer  wieder  und  wdeder  zitierten  VorkĂ€mpfer  fĂŒr  die  Idee, 
daß  Quecksilber  unter  allen  UmstĂ€nden  bei  der  Behandlung 
der  Syphilis  ausgeschlossen  werden  sollte. 

Wenn  aber  nachgewiesen  werden  kann,  daß  dieser  Vor- 
kÀmpfer der  Gegnerschaft  gegen  das  Quecksilber  sich  in  den 
hauptsĂ€chlichsten  Thesen,  die  er  aufstellte,  irrte,  daß  er  nicht 
in  der  Lage  war,  trotz  seines  großen  Behandlungsmaterials, 
eine  Quecksilbervergiftung  von  einer  Papel,  der  Grundform 
jeder  syphilitischen  Erkrankung  zu  unterscheiden,  wenn  ihm 
nachgewiesen  werden  kann,  daß  er  auch  hinsichtlich  der  von 
ihm  behaupteten  Tatsache:  „Es  gibt  keine  konstitutionelle 
Syphilis"  („Ein  Trostwort  fĂŒr  die  gesamte  Menschheit")  falsch 
unterrichtet  war,  wenn  ihm  nachgewiesen  werden  kann,  daß 
die  tertiÀre  Syphilis,  die  Gummabildung,  tatsÀchlich  durch 
das  Gift  der  Syphilis  und  nicht,  wie  er  behauptete,  als  Folge 
einer  Quecksilbervergiftung  entsteht,  dann  ist  die  AutoritÀt 
dieses  VorkÀmpfers  der  Antimerkurialisten  bedeutend  er- 
schĂŒttert, und  er  kann  als  SachverstĂ€ndiger  dann  wegen 
dieser  fundamentalen  IrrtĂŒmer  nicht  mehr  angesehen  werden. 
Denn  von  einem  SachverstĂ€ndigen  muß  man  verlangen,  daß 
er  in  der  Lage  ist,  eine  Quecksilbervergiftung  von  den  ty- 
pischsten Bild,  das  es  fĂŒr  denjenigen,  der  spezialistisch  eine 
Syphilis  diagnostizieren  gelernt  hat,  gibt,  nÀmlich  einer  pa- 
pulösen  oder  gummösen  Form  der  Syphilis  zu  unterscheiden. 
In  seinem  Buche  „Gibt  es  eine  konstitutionelle  Syphilis"  er- 
klĂ€rt er  den  Tripper  fĂŒr  eine  besondere  Form  der  Syphilis, 
was  sich  ebenfalls  als  durchaus  falsch  erwiesen  hat,  denn 
der  Tripper  ist  eine,  wde  noch  zu  seinen  Lebzeiten  festgestellt 
wurde,  Krankheit  fĂŒr  sich,  die  durch  den  sogenannten  Gono- 
kokkus hervorgerufen  wird  und  die  mit  Syphilis  auch  nicht 
das  Geringste  zu  tun  hat.  WTenn  Hermann  dann  noch  als 
Folgen  der  Quecksilbervergiftung  die  syphilitischen  Rachen - 
geschwĂŒre,  Lippen-,  Mund-  und  GaumengeschwĂŒre,  die  fin- 
den spezialistisch  ausgebildeten  Arzt  in  ihren  charakteristi- 
schen Formen  (Plaques  muqueuses)  auf  den  ersten  Blick  hin 
im  allgemeinen  als  Syphilisfolgen  diagnostiziert  werden  kön- 
nen, weil  sie  eben  so  charakteristisch  sind,  wie  beispielsweise 
ein  Rembrandt  fĂŒr  einen  Kunstkenner,  wenn  er  sogar  die 
sogenannte  Rupia,  die  ich  ebenso  wie  die  Plaques  muqueuses 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11 


Drcuw:  Quccksilherhehandlung 


hei  nicht  behandelten  aufgegriffenen  Prostituierten,  die  nie 
mit  Quecksilber  behandelt  waren,  gesehen  habe,  als  die  Folge 
einer  Quecksilberwirknng  erklÀrt,  wenn  er  die  sogenannten 
Berpiginösen,  d.  h.  wandernden  syphilitischen  GeschwĂŒre 
ebenfalls  als  durch  Quecksilber  hervorgerufen  erklÀrt  und 
sogar  den  auch  ohne  Quecksilberdarreichung  von  mir  u.  a. 
wiederholt  beobachteten  nÀchtlichen  Knochenschmerz,  ja  so- 
gar —  wie  nicht  oft  genug  erwĂ€hnt  werden  kann,  sogar 
das  Gumma  als  durch  Quecksilberwirkung  hervorgerufen  an- 
sieht, das  sehr  hÀufig  bei  Personen  beobachtet  wurde,  die  nie 
Quecksilber  bekommen  haben,  dann  kann  man  heute  mit  ab- 
soluter Sicherheit  behaupten:  Hermann  war  nicht  in  der 
Lage  und  hatte  zweifellos  nicht  die  nötige  Vorbildung,  um 
die  schon  damals  fĂŒr  jeden  Arzt  gelĂ€ufige  Differenzial- 
diagnose  zu  machen.  Mit  dieser  Feststellung  fÀllt  seine  Lehre 
zusammen.  Er  hat  nicht  voraussetzungslos,  wie  es  sich  ge- 
hört, sondern  mit  vorgefaßter  Meinung  alles  das  als  Queck- 
silberwirkung erklÀrt,  was  in  Wirklichkeit  durch  die  Syphi- 
lis bedingt  war*).  Alle  diese  fĂŒr  Syphilis  charakteristischen 
Symptome  konnte  man  in  den  50  iger  und  60  iger  Jahren,  als 
er  seine  antimerkurial istischen  BĂŒcher  verfaßte,  eben  so  gut 
diagnostizieren  wie  heute,  wenn  man  die  Grundlagen  der 
Syphilislehre  und  -Diagnose!  die  auch  damals  schon  fest- 
lagen, eben  beherrschte.  Es  war  dies  die'  Zeit,  als  Rebra 
in  Wien  lehrte. 

Es  soll  unter  keinen  UmstĂ€nden  geleugnet  werden,  daß 
jemand  in  der  Diagnose  sich  irren  kann.    Ich  bin  jahrelang 
Assistent  bei  bekannten  AutoritÀten  gewesen  und  habe  manche 
Fehldiagnose  gesehen.    Ich  habe  auch  bei  Ueberdosierungen 
mit  Quecksilber  und  in  einigen  FĂ€llen  von  Idiosynkrasie  bei 
geringen  Dosen  Quecksilbervergiftungen  gesehen,  die  aber 
namentlich  bei  Unterdosierungen,  bei  Aussetzen  des  Mittels 
in  allen  von  mir  beobachteten  FĂ€llen  keine  Folgen  fĂŒr  den 
Patienten  hatten.  SelbstverstÀndlich  kann  bei  einer  einzelnen 
Diagnose  jeder  Arzt  sich  irren.     Aber  nicht  darf  es  vor- 
kommen, daß  man  bei  dem  großen  Material,  das  Hermann 
zur  VerfĂŒgung  stand,  systematisch  alles  das  fĂŒr  Quecksilber- 
wirkung erklÀrte,  was  in  Wirklichkeit,  wie  heute  auf  Grund 
der  Entdeckung  des  Erregers  der  Syphilis  noch  weiterhin  er- 
wiesen ist,  die  Folge  der  Syphilis  war.    Denn  heute  wissen 
wir,  daß  alle  von  Hermann  als  durch  Quecksilber  hervor- 
gerufen erklÀrte  Formen,  wie  die  Roseola,  die  Papel,  das 
Gumma   und   sogar"  die   Paralyse,    Spirillosen    sind,  weil 
eben  in  diesen  FolgezustÀnden  lebende  SpirochÀten  nach- 
gewiesen wurden.   Aber  auch  vor  der  Entdeckung  der  Spiro- 
chÀte, die  heute  als  die  Ursache  der  Syphilis  allgemein  an- 
erkannt ist  und  deren  Richtigkeit  ich  ebenfalls  an  der  Hand 
von  Tierversuchen  konstatieren  konnte,  war  es  ein  Kunst  - 
fehler,  diese  damals  in  den  LehrbĂŒchern  der  Dermatologie 
genau  beschriebenen  Symptome  als  eine  Quecksilbervergif- 
tung zu  erklĂ€ren.   Die  Wahrheitsforschung  verlangt,  daß,  da 
namentlich  nichtapprobierte  AnhÀnger  Hermanns  auch 
heute  noch  in  diesen  Fehler  verfallen,  daß  hier  eine  reinliche 
Scheidung  besonders  auf  Grund  der  vorgeschrittenen  Kennt- 
nisse endlich  gemacht  wird.  Quecksilber  hat  direkt  nie  eine 
spirochÀlenhaltige  Papel  oder  ein  Gumma  oder  eine  Paralyse 
erzeugt.  Mit  diesen  Feststellungen  sind  die  H  e  rrm  a  n  n  - 
sehen  so  viel  zitierten  Werke  als  diejenigen  eines  Mannes 
festgestellt,  bei  dem  der  Wunsch  der  Vater  des  Gedankens  w  ar 
(siehe  Bleuler:  Ueber  das  autistische  und  irrefĂŒhrende 
Denken  in  der  Medizin). 

Trotzdem  kann  nicht  geleugnet  werden,  daß  angesichts 

*)  Heute  machen  umgekehrt  dasselbe  die  autoritativen  Sal- 
varsanisten,  die  vielfach  mit  Vorliebe  das  fĂŒr  Syphiliswirkung 
erklÀren,  was  Salvarsanwirkung  ist.  Die  Encephalitis,  der  Sal- 
varsan-SpÀticlerus,  der  fast  10  Jahre  unerkannt  blieb,  die  Derma- 
titis usw.  waren  in  ihren  Augen  entweder  „Syphilisfolge  oder 
Quecksilberfolge,  obschon  Arsen  bei  seinen  lÀngst  bekannten  Be- 
ziehungen zu  diesen  Erkrankungen  so  nahe  lag.  Und  wenn  sie 
ftpgar  eine  Keratitis  arsenicalis,  wie  die  (M.  m.  W.  1915,  Nr.  48) 
Wechselmann  Isiehe  meine  Arbeit  als  Widerlegung  Wechsel- 
manns in  Nr.  7/8  des  Archivs  fĂŒr  physikal.-diatet.  Therapie  191G, 
die  von  der  M.  m.  W.  aber  abgelehnt  wurdel  tat,  als  Quecksilber- 
wirkung erklÀren,  dann  ist  dies  noch  schlimmer,  als  der  Glas- 
und  Wasserfehler  und  das  100%-Abortiv-Dogma. 


der  in  den  50 iger  und  Iii)  iger  Jahren  und  spÀter  angewandten 
enormen  Ucberdosierungcn  des  Quecksilbers,  die  zun>  grĂ¶ĂŸ- 
ten Speichelfluß  fĂŒhrten,  die  H"^  r  m  a  ĂŒ  n  sehen  Warnungen, 

mochten  sie  im  Prinzip  auch  völlig  Unzutreffend  sein,  dieser 
Ueberdosierung  des  Quecksilbers,  die  spÀter  wiederum  von 
Neiße  r  u.  a.  eingefĂŒhrt  wurde,  einen  Damm  entgegensetzte. 
Und  so  war  in  der  Tat  Hermann  ein  Teil  von  jener  Kraft, 
die  unabsichtlich  das  Gute  schuf. 

Wenn  man  bei  der  Quecksilberbehandlung  kleine  und 
unter  der  Ma.ximaldosis  bleibende  Mengen  gibt,  wenn  man 
tĂ€glich  eine  grĂŒndliche  Mundpflege  macht  und  entsprechende 
DiĂ€t  ĂŒbt,  wenn  man  auf  Urin  und  Stuhlentleerungen  sein 
Augenmerk  richtet,  dann  kann  man,  wie  mich  eine  20  jÀhrige 
grĂŒndliche  Beobachtung  lehrt,  mit  an  Sicherheit  grenzender 
Wahrscheinlichkeit  feststellen,  daß  Quecksilber  in  bestimm- 
ter Form  nicht  nur  gut  vertragen  wird,  sondern  die  die  Öf- 
fentlichkeit gefÀhrdenden  pustulösen  und  sezernierenden  pri- 
mÀren und  sekundÀren  und  tertiÀren  Symptome  schnell  zur 
Heilung  bringt.  Ausnahmen  bei  Personen,  die  eine  Idiosyn- 
krasie, die  man  aber  auch  bei  Wasseranwendung  beobachten 
kann,  haben,  bestÀtigen  nur  die  Regel. 

Mitte  Oktober  1921  kam  ein  Mann  in  meine  Behandlung, 
der  durch  das  Rasiermesser  auf  einer  Reise  einen  sogenann- 
ten Rasierschanker,  d.  h.  eine  primÀre  Syphilis,  bekommen 
hatte.  Dieser  Schanker  war  schon  monatelang  physikalisch- 
diÀtetisch mit  Wasser,  Licht  und  sogar  Röntgen  behandelt 
worden,  aber  er  wurde  immer  grĂ¶ĂŸer  und  bedeutete  fĂŒr  die 
Familie  des  verheirateten  Mannes  geradezu  eine  Katastrophe. 
Die  Frau  war  schon  angesteckt,  als  er  zu  mir  in  Behandlung 
kam.  Der  Schanker  war  etwa  dreimarkstĂŒck  groß.  Nach 
14tÀgiger  Behandlung  (Unterdosierung)  war  der  Schanker 
fast  völlig  zugeheilt  und  wenigstens  die  gröbsten  Gefahren 
fĂŒr  die  Familie  beseitigt.  Man  wird  mir  zugeben  mĂŒssen, 
daß  es  ein  Fehler  gewesen  wĂ€re,  in  diesem  Falle  nicht  das 
Mittel  anzuwenden,  das  auf  der  einen  Seite  diesen  Erfolg 
zeitigte  und  auf  der  anderen  Seite  völlig  ungefĂ€hrlich  fĂŒr  den 
Patienten  sich  gestaltete.  Denn  bei  den  kleinen  Dosen  kann 
man  selbst,  wenn  eine  Spur  einer  Vergiftung  sich  zeigen 
wĂŒrde,  immer  wieder  unterbrechen. 

Jedenfalls  steht  eines  absolut  fest:  Es  ist  nicht  richtig, 
daß  das  Quecksilber  dieselben  oder  auch  nur,  was  die  Formo- 
logie  betrifft,  Àhnliche  Erscheinungen  hervorruft  wie  die  Sy- 
philis, die  wohl  an  denselben  Organen,  aber  nicht  in  der- 
selben Form  auftritt.  Die  syphilitischen  Symptome  der  pri- 
mÀren, sekundÀren,  tertiÀren  und  quaternÀren  Periode 
(Schanker,  Papel,  Gumma,  Paralyse)  sind  von  der  Queck- 
silbervergiftung so  verschieden,  daß  schon  eine  ganz  gewal- 
tige Dosis  von  Voreingenommenheit  und  Unkenntnis  dazu 
gehört,  um  diese  Symptome  durcheinander  zu  werfen. 
SelbstverstÀndlich  gibt  es  einzelne  Formen,  bei  denen  man 
differenzial-diagnostisch  im  Zweifel  sein  kann,  namentlich 
bei  den  Erscheinungen  im  Munde,  ob  Syphilis  oder  Queck- 
silbervergiftung vorliegt,  aber  in  99  Prozent  aller  FĂ€lle  sind 
die  beiden  Erscheinungsformen  derartig  voneinander  ver- 
schieden, daß  bei  meiner  großen  Erfahrung  als  Polizeiarzt, 
als  Assistenz-  und  als  Spczialarzt  es  mir  außerordentlich  sel- 
ten vorgekommen  ist,  das  eine  vom  anderen  nicht  unter- 
scheiden zu  können.  Ich  habe  im  Laufe  einer  20  jÀhrigen  Er- 
fahrung viele,  mit  meiner  Exstirpationsfehler  herausge- 
schnittene Papeln  und  Gummata  mikroskopisch-histologisch 
untersucht.  Auch  diese  Bilder  unterscheiden  sich  von  den- 
jenigen einer  Quecksilbervergiftung  derartig,  daß  es  unbe- 
greiflich erscheint,  wie  man  Hermann  eine  derartige  Be- 
deutung beimessen  konnte.  Wenn  auch  Hermann  damals 
die  mikroskopische  Technik  noch  nicht  anwenden  konnte,  so 
sprechen  heute  diese  technisch  vervollkommneten  Unter- 
suchungsmethoden völlig  gegen  seine  Auffassung,  und  man 
kann  ruhig  sagen,  seine  Lehre  „Es  gibt  keine  konstitutionelle 
Syphilis",  sein  „Trostwort  fĂŒr  die  gesamte  Menschheit",  seine 
Auffassung  ĂŒber  das  „Wesen  der  Syphilis"  ist  völlig  zusam- 
mengebrochen. 

Es  wĂŒrde  den  Rahmen  dieser  Abhandlung  bedeutend 
ĂŒbersteigen,  wenn  ich  die  schwierigste  Frage  hier  beantwor- 


250 


Dreuvv:  Quecksilberbehandlung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


ten  wĂŒrde,  ob  Quecksilber  entweder  in  der  PrimĂ€r-  oder  Se- 
kundÀrperiode angewandt  (in  welchen  Perioden  man  Tabes 
und  Paralyse  kaum  beobachtet)  werden  soll,  ob  es  sozusagen 
den  Boden  fĂŒr  diese  Krankheiten,  in  denen  man  noch  15 
Jahre  nach  der  Infektion  lebende  und  sich  bewegende  Spiro  - 
(  bÀten  nachweisen  konnte,  vorbereitet.  Ich  hoffe,  vielleicht 
in  einer  besonderen  Abhandlung  noch  auf  diese  wichtigste 
Frage  zurĂŒckzukommen.  Denn  hierĂŒber  sind  noch  nicht  ge- 
nĂŒgend Arbeiten  von  voraussetzungslos  arbeitenden  Forschern 
erschienen,  als  daß  man  diese  Frage  als  geklĂ€rt  ansehen 
könnte.  Auch  hier  darf  die  Ueberdosierung  des  Quecksilbers 
nicht  außer  acht  gelassen  werden.  Diese  Frage  ist  nur  zu 
beantworten  durch  eine  Sammelforschung,  die  unter  zen- 
tralisierter Leitung  gegebenenfalls  seitens  der  Regierungen 
der  verschiedenen  LĂ€nder  angestellt  werden  mĂŒĂŸte.  In  diesem 
Sinne  möchte  ich  an  dieser  Stelle  nur  das  erwÀhnen,  was 
Fleischmann  in  seiner  Arbeit  („Das  Verhalten  des  Li- 
quor bei  den  verschiedenen  Stadien  und  Formen  nicht  be- 
handelter Syphilis",  D.  Ztschr.  f.  Nervenheilkunde,  Bd.  70) 
sagt: 

„Von  den  meisten  Autoren  wird,  allerdings  ohne  eigene 
persönliche  Kenntnis  der  LÀnder,  der  nur  auf  Grund  einer 
kurzen  Reise,  ohne  eingehender  Land-  und  Leutekenntnis, 
immer  wieder  auf  die  Verschiedenheit  der  Lues  bei  fremden 
Völkerschaften  hingewiesen;  immer  wieder  wird  behauptet, 
Tabes  und  Paralyse  seien  bei  orientalischen  Völkern  unge- 
mein selten.  Ich  selbst  kam  wÀhrend  meiner  2%  jÀhrigen 
Anwesenheit  in  der  TĂŒrkei  dienstlich  und  außerdienstlich  in 
viel  nÀhere  Beziehung  mit  der  Bevölkerung,  als  es  dem  Er- 
holungsreisenden im  Frieden  möglich  ist,  und  da  konnte  ich 
mich  von  der  HĂ€ufigkeit  der  Metalues  unter  Eingeborenen 
vollauf  ĂŒberzeugen.  Einheimische  Aerzte,  die  vor  dem  Kriege 
in  Paris  oder  in  Deutschland  ausgebildet  wurden  und  die  die 
Metalues  auf  Grund  der  Unkenntnis  der  einheimischen  alten 
Aerzte,  die  noch  voll  religiöser  Anschauung  ĂŒber  die  Psyche 
bĂ€renden.  Ein  fernerer  Grund  fĂŒr  die  Fernhaltung  der  Aerzte 
seien  wohl  zu  chirurgischen,  inneren  und  Hauterkrankungen 
zugezogen  worden,  nie  aber  zu  Geisteskranken  und  zu  Ge- 
bĂ€renden. Ein  fernerer  Grund  fĂŒr  die  Frnhaltung  der  Aerzte  " 
von  den  Kranken  war  der  Umstand,  daß  die  meisten  Geistes- 
kranken aus  religiösen  Motiven  und  aus  Angst  vor  den  ge- 
radezu schauderhaften  Irrenanstalten  und  der  ausgenommen 
in  Konstantinopel  und  Beirut  ĂŒberall  sehr  im  Argen  liegen- 
den Irrenpflege  ĂŒberhaupt  nicht  in  die  HĂ€nde  auch  der  ein- 
heimischen Aerzte  kamen." 

Meines  Erachtens  liegen  auf  diesem  Gebiete  noch  zu 
spÀrliche  Untersuchungen  (GÀrtner,  Zillmann,  Rot- 
schuh, Fleischmann,  Rudin,  Jeanseime,  Chu- 
e  n  n  e  c,  Morrcira,  B  a  e  1  z  u.  a.)  vor,  als  daß  man  in  der 
Lage  wĂ€re,  sichere  SchlĂŒsse  nach  der  einen  oder  anderen 
Richtung  hin  zu  ziehen.  Jedenfalls  aber  steht  eins  fest,  daß 
im  Laufe  der  Geschichte  der  Syphilis  in  den  letzten  Jahr- 
hunderten der  Verlauf  seit  der  systematischen  Quecksilber- 
anwendung ein  milderer  geworden  ist,  als  vordem,  wo  sie 
pestartig  auftrat. 

Unzutreffend  aber  ist  die  Unterscheidung,  als  ob  eine 
gute  oder  eine  schlechte  Behandlung  der  Syphilis  hier  von 
entscheidender  Wirkung  wÀre.  In  der  Regel  verstehen  die 
AnhĂ€nger  einer  guten  Behandlung  darunter  eine  unter  großen 
Dosen  lange  durchgefĂŒhrte  Behandlung,  d.  h.  sexualkapita- 
listisch ausgedrĂŒckt  eine  lange  dauernde  Behandlung.  Da 
aber  kein  Mensch  weiß,  was  eine  gute  und  was  eine  schlechte 
Quecksilberbehandlung  ist,  da  jeder  Fall  anders  reagiert,  so 
ist  diese  Unterscheidung,  der  auch  verschiedene  Statistiken 
zugrunde  gelegt  sind,  irrefĂŒhrend.  Namentlich  die  Salvar- 
sanperiode  hat  gezeigt,  daß  sowohl  die  chemische  Industrie, 
als  auch  die  Ă€rztlichen  Sexualkapitalisten  an  einer  „guten" 
Behandlung  leider  ein  zu  großes  Interesse  haben. 

Zur  Herabsetzung  der  Schmerzen  bei  Einspritzungen  unter  . 
die  Haut  kommt  die  von  mir  angegebene  KanĂŒle  in  betracht. 
Die  bisherigen  Bestrebungen,  die  Schmerzhaftigkeit  herab- 
zusetzen, waren  hauptsÀchlich  chemischer  Natur.  So  ent- 
stand eine  Reihe  von  PrÀparaten,  die  letzten  Endes  nicht  das 


hielten,  was  sie  versprachen.  Ich  erinnere  nur  an  das  Asurol, 
das  von  N  e  i  ß  e  r  und  der  Reklame  als  schmerzlos  ange- 
priesen wurde,  aber  so  schmerzhaft  war,  daß  es  nicht  ver- 
tragen wurde.  Ich  habe  nun  versucht,  auf  rein  physikali- 
schem Wege  dem  Ziele  zuzustreben,  von  dem  Gesichtspunkte 
ausgehend,  daß  die  Schmerzen  zum  Teil  durch  die  plötzliche 
Verteilung  der  FlĂŒssigkeit  an  einer  Stelle  im  Gewebe  ent- 
stehen. Denn  wenn  man  mit  einer  gewöhnlichen  Pravaz- 
nadel  injiziert,  so  wird  die  FlĂŒssigkeit  durch  die  Spitzenöff- 
nung der  Nadel  an  einen  einzigen  Punkt  im  Gewebe  suspen- 
diert. Hierdurch  wird  das  Gewebe  gewaltsam  auseinander - 
gedrÀngt,  es  findet  ein  Druck  auf  die  in  der  NÀhe  liegenden 
Nerven  statt,  die  Resorption  wird  beeintrÀchtigt  und  die  In- 
filtratbildung begĂŒnstigt.  WĂŒrde  es  gelingen,  auf  einen  wei- 
teren Raum  das  Medikament  zu  verteilen,  so  wĂŒrde  ein  Teil 
der  erwÀhnten  UmstÀnde  wegfallen.  Diese  weitergehende  Ver- 
teilung wird  nun  erreicht  durch  eine  sehr  scharfe  KanĂŒle, 
deren  Spitze  zugelötet  ist.  Die  InjektionsflĂŒssigkeit  wird  in- 
folgedessen gezwungen,  durch  etwa  5 — 10  feine  Oeffnungen, 
die  seitwĂ€rts  ĂŒber  der  spitzen  Verlötungsstelle  angebracht 
sind,  nach  allen  Richtungen  der  Windrose  ins  Gewebe  ein- 
zudringen und  sich  hier  zu  verteilen. 

In  der  Tat  werden  die  Schmerzen  sowohl  wÀhrend  als 
nach  der  Injektion  herabgesetzt,  wenn  auch  nicht  vollstÀndig 
beseitigt.  Auch  bei  allen  anderen  subkutanen  Injektionen 
(Morphium,  Kampferöl  usw.)  wird  eine  feinere  Verteilung 
und  eine  grĂ¶ĂŸere  ResorptionsflĂ€che  erzielt. 

Die  grĂ¶ĂŸten  Gegner  des  Quecksilbers  aber  wurden  seine 
frĂŒheren  energischsten  Verteidiger,  N  e  i  ß  e  r  usw.,  die  jeden, 
der  das  Quecksilber  vor  der  Erfindung  des  Salvarsans  als 
gefÀhrlich  oder  als  nicht  heilend  schildert,  als  Outsider 
und  Eigenbrötler  kennzeichneten  und  ihm  die  Wissenschaft- 
lichkeit bestritten. 

Wer  es  frĂŒher  wagte,  gegen  das  Quecksilber  aufzutreten, 
galt  entweder  als  Ignorant  oder  als  Kurpfuscher.  Und  siehe 
da!  —  Kaum  war  das  Salvarsan  (y2  Jahr  PrĂŒfung  bei  500 
Menschen)  auf  der  BildflÀche  erschienen,  da  konnten  die 
frĂŒheren  Anbeter  des  Quecksilbers  nicht  Steine  genug  werfen 
-  auf  ihren  frĂŒheren  Gott.  Nachdem  sie  sich  aber  von  den  trĂŒ- 
gerischen Eigenschaften  des  jungen  Götzen  ĂŒberzeugt  hatten, 
wollten  sie  den  alten  Gott  wieder  einsetzen  und  ihm  den 
Götzen  als  Nebengott  attachieren.  Wie  lange  der  alte  er- 
probte Gott  diesen  Götzen  noch  neben  sich  dulden  wird,'  hÀngt 
davon  ab,  ob  und  wie  lange  der  Götze  es  verstehen  wird, 
sich  statt  des  schwarzen  arsenigen,  einen  goldenen  Anstrich 
zu  geben,  wie  lange  es  noch  verborgen  bleibt,  daß  das  Sal- 
varsan ein  UnglĂŒck  fĂŒr  die  Aerzte  und  Patienten  ist  und 
noch  weiter  wird.  Beide,  die  Gegner  aus  dem  Lager  der 
Hermann  sehen  und  der  Neißer  -  Pinkus  sehen 
Schule,  haben  Unrecht.  Bei  zweckentsprechender  Dosierung 
in  Verbindung  mit  anderen  Methoden  ist  das  Quecksilber  in 
_  der  Tat  ungefĂ€hrlich  und  heilt  die  Syphilis  mit  80—90  Pro- 
zent Sicherheit. 

Heute,  nach  10  Jahren,  stehe  ich  auf  demselben  Stand- 
punkte wie  am  10.  Dezember  1910  wÀhrend  meines  Vortrages 
in  der  Dermatologischen  Gesellschaft*):  „Die  SalvarsanĂ€ra 
wird  das  grĂ¶ĂŸte  Werbemittel  fĂŒr  die  Nichtapprobierten  wer- 
den." Diejenigen  Vertreter  der  Wissenschaft,  die  ihren  bis- 
herigen, auch  heute  noch  einzigen  Gott  durch  einen  schlech- 
teren, aber  mehr  geldspendenden  im  Handumdrehen  er- 
setzten, dĂŒrfen  nicht  auf  die  Dauer  erwarten,  daß  ihnen 
Vertrauen  entgegengebracht  wird.  Mögen  diese  Vertreter  der 
Wissenschaft  einen  noch  so  großen  Namen  haben  und  noch 
so  sehr  die  Presse  beherrschen:  es  wird  Zeit,  daß  die  gesamte 
Aerzteschaft  Front  macht  gegen  die  Verteidiger  einer  Wis- 
senschaft, die  nach  einer  verlassenen  Theorie  die  andere 
bringen,  damit  diese  wiederum  durch  eine  neue  ersetzt  werde, 
um  schließlich  die  erstere  wieder  zu  verteidigen,  wie  dies 
Klemperer  so  schön  geschildert  hat,  um  die  Aerzte  zu 
warnen. 


*)  Dreuw:  Ueber  Ehrlich -Hata  606.  Diskussionsvortra^ 
in  der  Dermat.  Gesellschaft.   Dermatolog.  Zeitschrift,  1911. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Referate 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

26.  Januar  1922,  Nr.  4. 

Zur  Aetiologie  und  Behandlung  der  Netzhautablösung!    U  h  t  h  o  f  f.  110. 
❖Die  Vorkupferung  des  Auges.    (  Mit  2  Abbildungen.)    J  c  B.  L18. 
Die  PrĂŒfung  dos  Hömervenapparates  mit  der  cB-8timmgabeh  Uffenorde. 

120. 

Die  Behandlung  der  bösartigen  GeschwĂŒlste.  (Fortsetzung  aus  Nr.  8.) 
Sauerbruch  uud  L  e  b  s  c  h  e.  122. 

Zur  Therapie  des  Ulcus  ventriculi  perforatĂŒm  mit  Bildung  eines  subphreni- 
schen  Gasabszesses  (Pneumothorax  subphrenicus).  (Mit  l  Abbildung.) 
Stahl.  125. 

Der  Iudex  ponderls  des  menschlichen  ErnÀhrungszustandes  und  die  QuÀker- 
speisung,   ĂŒ  e  d  e  r.  126. 

❖  Studien  ĂŒber  Flockfieiber.    (Mit  3  Kurven.)    Finkelstuin.  Ii«. 
Zur  PrĂŒfung  der  Kornea!-  und  Racheinreflexe.    Möller.  129. 
gynĂ€kologische  RatschlĂ€ge  fĂŒr  den  Praktiker.    IV.    Die  entzĂŒndlichen  Er- 
krankungen der  weiblichen  Genitalien.  2.  Vulva,  Vagina..  Uterus.   L.  i  c  p  - 
mann.  ISO. 

Die  Verkupferung  des  Auges.    J  e  ß  fĂŒhrt  3  weitere  FĂ€lle  an, 
ie  fĂŒr  den  Praktiker  von  Bedeutung  sind.    Reines  Kupfer  wird 
ii  hinteren  Augenabschnitt  schlecht  vertragen,  veranlaßt  schnell 
xsudalbildungen    und    bald    den   Verlust    des    Auges  durch 
hronische  Iridozyklitis.    Die  Kupferlegierungen,  also  die  Kriegs- 
pliller  der  FĂŒhrungsringe  und  GranatzĂŒnder,  und  von  Hand- 
ranaten,  deren  Eindringen  ins  Auge  sehr  oft  in  der  Hitze  des 
(iefechts  gar  nicht  bemerkt  wurde,  hĂŒllten  nun  zunĂ€chst  die  Iris, 
Linse,  -Netz-  und  Aderhaut  reaktionslos  ein,  erst  allmÀhlich  kam 
es  zu  aseptischen  Eiterungen,  GlaskörpertrĂŒbungen  und  Durch-  * 
setzung  der  Netzhaut  mit  Derivaten  des  Kupfers:  goldgelbe  und 
elbrötliche  Einlagerungen  am  Augenhintergrund.     Von  diesen 
"erÀnderungen  ist  nun  besonders  wichtig  die  auf  der  schwarzen 
upille  bei  auffallendem  Licht  schon  mit  bloßem  Auge  zu  er- 
ennenden  grĂŒnen  sonnenblumenartigen  Erscheinungen,  die  merk- 
wĂŒrdigerweise im  durchfallenden  Lichte  des  Planspiegels  ver- 
chwanden,  die  Scheinkatarakte  Purtscher's.    Schwere  Irido- 
zyklitis kann  noch  nach  Jahren  zum  Verluste  des  Auges  fĂŒhren, 
lso:  möglichst  rasche  Entfernung  von  Messingsplittern. 

Studium  ĂŒber  Fleckfieber,  gewonnen  aus  einer  noch  nicht  er- 
sehenen, in  den  Jahren  1919— -20  in  der  Ukraine  und  Rußland 
ĂŒtenden  Epidemie:  Als  GefĂ€ĂŸerkrankung  schĂ€digt  das  Fleck- 
eber durch  die  BlutgefĂ€ĂŸe  alle  Organsysteme,  in  erster  Linie 
'erz,  Nervensystem  und  Nieren.  Wertvoll  fĂŒr  FrĂŒhdiagnose:  die 
â€ąĂŒhe  HerzlöneverĂ€nderung  und  die  Temperatursenkungszacke 
m  dritten  Krankheitstage.  Erste  Zeichen  der  nachlassenden 
toxikation:  Am  10. — 12.  Krankheitstage  Herztöneaufhellung, 
erminderung  der  Pulszahl,  Verbesserung  der  PulsqualitÀt,  dann 
er  Diurese  und  Harnbeschaffenheit  und  endlich  langsame  Ent- 
berung.    Therapie:  FrĂŒhzeitig  Digitalis.         v.  Schnizer. 

2.  Februar  1922,  Nr.  5. 

Die  Behandlung  der  bösartigen  GeschwĂŒlste.    (Schluß  aus  Nr.  1.)    S  a  Hor- 
bruch und  L  e  b  s  c  h  e.  149. 
Die  Grenzen  der  örtlichen  BetÀubung  in  der  Chirurgie.    Braun.  161. 
❖Ueiber  NebennicrenexstirpaMon  bei  Epilepsie.    S  u  H  a  n.  153. 

Ucbcr  die  Wirkung  intravenöser  Kampferölinjektlion.    Leo.     15  . 
❖Zur  Behandlung  der  akuten  Anaemie  sub  partu.    Rung  e.  156. 
❖Schmicrseifeneiureibungon  als  Mittel  zur  Verbesserung  dei  Syphilisbehand- 
lung.   (Mit  1  Kurve.)    H  ĂŒ  b  n  e  r.  157. 

❖  Neosilbervalversau  (NSS.)  und  seine  einzeitige  Verwendung  mrt  Novasuroi. 
Krebs.  158. 

Verödung  der  TrĂ€nendrĂŒse  durch  Röntgenstrahlen.  B  r  a  n  d  t  und  F  r  a  o  n  - 
k  C  1.  159. 

Zur  Technik  der  Quarzliehtbebandluug.    Meyer,  Fritz  M.  1U0. 
Zur  Behandlung    des  sehwachen  Haarwuchses  nach  Zuntz  und  Kapp.    A  p  e  i. 
161. 

Das  Erdöl  als  Heilmittel.    Möller.  161. 

Der  gegenwÀrtige  Stand  der  Pankreaserkr-ankungen.    Singe  r.  162. 
GynĂ€kologisch:;  RatschlĂ€ge  fĂŒr  den  Praktiker.    V.    Die  entzĂŒndlichen  Er- 
krankungen der  weiblichen  Getnitalien.    III.  Teil.  (Bockennindegeweb, 
Adnexe.  Beckenbauehfcll.)    I.  i  e  p  m  a  n  n.  164. 

Ueber  Ncbennierenexstirpation  bei  Epilepsie.  Das  bisher  vor- 
ende Maleria)  ist  zu  einem  endgĂŒltigen  Urteil  noch  zu  gering, 
e  Aussichten  zu  wesentlicher  Verringerung  oder  Heilung  der 
ileptischen  AnfÀlle  dadurch  sind  gering. 

Zur  Behandlung  der  akuten  AnÀmie  sub  partu.  Das  sub  partu 
r  vaginam  in  grĂ¶ĂŸeren  Mengen  abgehende  Blut  wird  in  Schalen 
fgefangen  und  bei  schweren  Zeichen  akuter  AnÀmie,  auch  pro- 


phylaktisch —  etwa  600  cem  Blut  mit  400  cem  einer  0,9%  (.1  V, 
Lösung  +  4,0  Natr.  citric.  mit  einem  Irrigator  der  Ausgebluteten 
als  Klisma  einverleibt.    In  besonders  schweren  FÀllen  spÀterhin 
noch  etwa  1000  cem  dieses  Gemisches  als  Tropfklyslier  fĂŒr  2  bis 

1  Stunden.   Letzleres  genĂŒgt  in  weniger  schweren  FĂ€llen  zur  Ei 
zielung  einer  rascheren  Rekonvaleszenz  auch  allein.    Das  Ver 
fahren  ist  einfach,  wirkt  besser  und  sicherer  als  Transfusion  und 
ohne  Nebenwirkungen. 

Schmierseif  eneinreibung  als  Mittel  zur  Verbesserung  der 
Syphilisbchandlung:  Zur  Anregung  der  ImmunisierungskrÀfte  des 
Körpers,  besonders  der  Haut,  wenn  Abortivicrung  nicht  mehr  zu 
erreichen  ist,  wird  wĂ€hrend  der  ĂŒblichen  Silbersalvarsan-Behand- 
lung  (2  Spritzen  wöchentlich)  tÀglich  10,0  Schmierseife  auf  Brust 
und  RĂŒcken  15  Minuten  lang  eingerieben  und  am  nĂ€chsten  Tage 
abgewaschen.    Leichtes  SpannungsgefĂŒhl  der  Haut  nach  1  bis 

2  Wochen.    Effekt:  frĂŒheres  Negativwerden  der  WaR. 

Neosilbersalvarsan  und  seine  einzeitige  Verwendung  mit 
Novasuroi.  In  200  FĂ€llen  mit  etwa  3000  Injektionen  durchweg 
gĂŒnstigere  Erfolge  als  mit  anderen  PrĂ€paraten  und  Kombina- 
tionen von  As  mit  Hg.  v.  Schnizer 

9.  Februar  1922,  Nr.  6. 

❖Ueber  den  angeblichen  Zusammenhang  zwischen  Infektionen  der  ZĂ€hne  und 
Allgemeinerkrankungen.    SehottmĂŒller.  181. 

❖Ueber  Beziehungein  der  Gewebe  zur  Diurese  und  ĂŒber  die  Bedeutung  der  Ge- 
webe als  Depots.   Nonnenbruch.  183. 

❖Erfahrungen  min  VitaltuberkuĂŒn.    T  a  n  c  r  e.  184. 

❖Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  KontagiositĂ€t  des   Eupjs  vulgaris, 

Burchardi.  185. 
Ueber  die  Auslösung  von  Zellvermehrungen  durch  Wundhcrmorie  bei  höheren 

SĂ€ugetieren  und  dem  Menschen.    N  a  s  w  i  t  i  s.  18?. 
Geschlechtstrieb  und  innere  Sekretion.    (Mit  1  Abbildung.)    Weil.  ik.s. 
Die  respiratorische  Exkursonsbreite  des  Brustumfangs  und  ihre  Bedeutung. 

(Mit  1  Abbildung.)    Scheidt.  189. 
Studien  zur  Reiztherapie.   Quecksilber  als  Reizmittel  bei  Stomatitis  ilcerosa. 

K  ö  t  h  c.  191. 

Nochmals  zur  Frage  der  RöntgenschÀdgungen.    L  i  e  k.  19;. 
Die  temporÀre  Ausschaltung  des  N.  phrenicus.    W  e  g  e  1  e.  193. 
Der  gegenwĂ€rtige  Stand  der  Pankreaserkrankuagen.     ( Schluß  aus  Nr.  Vi 
Singer.  193. 

GynĂ€kologische  RatschlĂ€ge  fĂŒr  den  Praktiker.    VI:  Die  ExtrauteringraviditĂ€t, 
die  Störungen  der  Menstruation  und  SterilitÀt.    Litpmaun.  .  195. 

Ueber  den  angeblichen  Zusammenhang  zwischen  Infektionen 
der  ZĂ€hne  und  Allgemeinerkrankungen.  Verfasser  weist  die 
radikalen  Anschauungen  Fischers  als  nicht  bewiesen  zurĂŒck, 
vergleicht  sie  mit  den  auf  derselben  Basis  zu  hĂ€ufig  ausgefĂŒhrten 
Tonsillektomien,  rÀt  zu  konservativer  Behandlung  und  stimmt 
Fischer  in  der  Forderung  der  strengsten  Asepsis  zu. 

Ueber  die  Beziehungen  der  Gewebe  zur  Diurese  und  ĂŒber  die 
Bedeutung  der  Gewebe  als  Depots.  Eine  gestörte  Wasser-  und 
Salzausscheidung  durch  die  Nieren  bei  intakter  Gewebsfunktion 
macht  zunÀchst  keine  hydrÀmische  Plethora,  da  die  Gewebe  einen 
Ueberschluß  von  Wasser  und  CINa  aus  dem  Blute  rasch  enl 
fernen.  Die  Hauptursache  der  Oedembildung  liegt  in  dem  Zu 
stand  der  Gewebe  selbst,  die  Wasser  und  CINa  zurĂŒckhalten,  und 
in  dem  Zustand  der  GefĂ€ĂŸe.  Die  Diuretika  haben  neben  ihrer 
Nierenwirkung  auch  eine  solche  auf  das  Blut.  Die  der  Purin- 
reihe  und  das  Novasuroi  greifen  in  ganz  typischer  Weise  in  den 
Wasser-  und  CINa-Gehalt  des  Körpers  ein:  sie  mobilisieren  es 
in  den  Geweben  und  bringen  es  zur  Ausscheidung.  Hand  in  Hand 
damit  geht  hÀufig  eine  Konzentration  des  Blutes  mit  absoluter 
Vermehrung  des  Bluteiweißes  (Theophyllin,  Euphyllin,  Nova- 
suroi). 

Erfahrungen  mit  VitaltuberkuĂŒn.  Material:  900  therapeu- 
tische Einzelinjektionen  von  abgeschwÀchten  lebenden  humanen 
Tuberkelbazillen.  Kontraindikationen  oder  irgendwelche  Wider 
stÀnde  beim  tuberkulösen  Menschen  bestehen  nicht,  die  VertrÀg- 
lichkeit des  Mittels  war  im  Gegenteil  gut,  so  daß  das  experi- 
mentell und  theoretisch  gut  begrĂŒndete  PrĂ€parat  weitgehende  Be- 
achtung und  Anwendung  verdient. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  KontagiositĂ€t  des 
Lupus  vulgaris.  Die  Impfung  von  Krusten  und  Eiter  von  ulce- 
riertem  Hautlupus  auf  Meerschweinchen  ergab  keine  Tuberkulose 
der  Tiere,  wohl  aber  oberflÀchlich  abgeschabtes  Gewebe  von 
ulceriertem  Lupus  in  90  %.   Die  Resultate  Sterns  ĂŒber  die  Tier 


252 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


InfektiositÀt  des  Lupus  beruhen  also  auf  diesen  Gewebsbestand- 
teilen  und  da  diese  bei  der  TJ ebeft ragung  der  Tuberkulose  auf 
andere  Menschen  vom  Lupus  aus  nicht  in  Frage  kommen,  be- 
steht wohl  die  Erfahrung  zu  Recht,  daß  der  ulcerierte  Lupus  der 
Haut  und  Magenschleimhaut  nur  eine  sehr  geringe  Ansteckungs- 
fÀhigkeit besitzt.  v.  Schnize  r. 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

3.  Februar  1922,  Nr.  5. 

Wirkung  des  Alkohols  auf  die  sppr.Uic.iie  Leistung.  H  e  r  i  B>.  1  in  o  r.  143. 

WillkĂŒrliche  BetĂ€tigung  der  glatten  Muskeln.    II  a  m  p  .irct  r.  llt: 

Ist  das  Korynebaeterium  Abortus  infectiosi  Bang  fĂŒr  Menschen  pathogen. 

Klimme  r  und  H  a  u  p  t.  14G. 
Ursache  de«  juckenden  Wiuterausschlags.    S  c  h  u  1  i  zt.  147. 
Psychogene  Komponente  des  Pruritus  u.  d.  pruriginösen  Dermatosen.    S  a  <‱  k. 

148. 

Cyarsal-Misehspritze.    O  e  1  z  e.  150. 
❖Liuserverfahren.    v.  P  e  z  o  1  d.  151. 

'❖Einzeitige    Behandlung    der    Syphilis    mittels    Soluesin    u.  Neosalvarsaii. 
v.  S  z  i  1  y  und  H  a  1  1  e  r.  152. 
Waehstumshemmung  der  Kinder  in  den  >aehi;i  iog^.iahreu.    s  c  n  1  e  r-1  ~n  - 
g  e  r.  153. 

Wurstvergiftung    durch    Bazillus   Proteus    vrlgaris.     B  a  e  r  t  h  1  t'  i  n.  355. 

KropfhĂ€ufigkeit  hei  Miinchener  Fprtbildnngsehvilci.il.    FĂŒrs  i  ist. 

Syringomyelie  und  peripheres  Trauma.    Fuchs.     1  tl. 

Influenza-Myositis.     V  o  r  m  À  n  n.  158. 

Todesfall  im  Chloraethylrauseh.    Holm  a  ri  n  l.'b. 

Silikatpessare.    Risse.  160. 

Von  den  HÀnden  ausgehende  Wtiu-l'.qfoktiöucn  der  Aer-;tJ     Ii  o  a  t  g  m  a  n  n 
160. 

Schmerzlose  Entbindung.    V  r  i  e  d  i     n  I  e.r.  i'il. 
❖Röntgenologischer    Beitrag    zur    Kenntnis    der    Tuberkulose     1er  Lungen. 
Thomas.  102. 
Zahnpflege.    B  i  u  h  a  c  h  e  r,  lĂŒi. 

Ein  Jahr  Linserverfahren.  Bericht  ĂŒber  an  3700  Linser- 
spritzen (Neo-Salvarsan  +  1,0  1  proz.  Sublimat  intravenös).  Verf. 
empfiehlt  die  Methode  warm,  meint  aber,  daß  unter  BerĂŒcksich- 
tigung der  Wa  R  als  Heilungsmaßstab,  die  Dauerwirkung  keine 
starke  ist.  Eine  VerstÀrkung  der  Hg-Dosis  wÀre,  falls  dies  ohne 
SchÀdigung  möglich,  anzustreben. 

Einzeitige  Behandlung  der  Syphilis  mittels  Soluesin  und  Neo- 
salvarsan.  Soluesin  (v.  Szily)  [=  Hydrag.  bichlorat.  corros.  0,3, 
Natr.  jödat.  14,0,  Aqua  dest.  20,0]  hat  nach  Ansicht  der  Verf.  in 
Kombination  mit  Neosalvarsan  große  VorzĂŒge  vor  dem  Linser- 
schen  Verfahren,  da  die  Mischlösung  noch  Jod  enthÀlt,  keine 
FĂ€llung  weder  in  der  Spitze  noch  sonst  eiweißfĂ€llend  und  daher 
auch  bei  zufÀlliger  paravenöser  Injektion  viel  weniger  schmerz- 
haft ist.  Eine  grĂ¶ĂŸere  Giftwirkung  wie  die  entsprechende  Menge 
Neosalvarsan  allein  ist  nicht  vorhanden.  FĂŒr  ein  endgĂŒltiges 
Urteil  ist  die  Zahl  der  behandelten  FĂ€lle  noch  zu  gering. 

Röntgenologischer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Tuberkulose  in 
den  Lungen.  K  a  e  s  1 1  e  beschrieb  in  Nr.  50,  1921  dieser  Wochen- 
schrift das  ZurĂŒckbleiben  des  medialen  Abschnittes  der  rechten 
ZwerchfellhĂ€lfte  bei  dör  Inspirationsbewegung  als  ein  fĂŒr  Tuber- 
kulose charakteristisches  Zeichen.  Verf.  lehnt  dies  ab,  da  diese 
Art  der  Zwerchfellbewegung  mit  Tuberkulose  nichts  zu  tun  habe, 
sondern  auf  anderen  Ursachen  beruhe,  die  in  der  Zwerchfell- 
architektonik und  in  besonderen  physiologischen  Faktoren  be- 
grĂŒndet sind.    (Ref.  kann  sich  dieser  Ansicht  nur  anschließen!) 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend 

10.  Februar  1922,  Nr.  6. 

Nomenklatur  der  Phthise.    A  s  c  h  o  f  f.  JiÂŁfc 

❖  l'roteinkĂŒrper  und  Reizkörper.    Kolken  und  II  e  r  z  g  e  r.  185.. 
Untersuchungen  ĂŒber  die  Norm.    K  a  u  p.  189. 
NeueVestibularisreaktion.     W  o  d  a  k  im  1    Fische  r.  li'S. 
Vak/.intherapie.     H  i  I  g  e  m  a  n  n   und   Kraut  z.  194. 

I.  Blaseninhalte.  ĂŒber  spezifische  Reaktionen.    ..  H.i    blaseiifiillun/     r  !  ... 

mas  und  Arnold.  19G. 
BlutplÀttchen  Gesunder  und  Kranker.    '/.  c  1  I  e  r. 

❖  Aktive  Abortbeh.mdlung.    S  a  e  '.  !  .  r.  JUS. 

FamiliÀres  Vorkommein  bei  MigrÀne.  E  1  b  s  t  o  i  n.  199. 
SÀugling-    und    Kleinkindertuberkulose.     K  ö  f  f  1  e  r.  200. 

❖  Intraperitonale  Infusion.    Mayer.  201. 

Behandlung  der  Pernionen  und  der  ehron.    Erfrierungen   mit  SehilddrĂŒseh- 

prÀparaten.    Embie  n.  201. 
Xaftlantherapie.     Sauerbrey.  201. 
Novasurol.    Bur  winke  1.  202. 

Sauerbruchoperation   und   -prothese.     B  1  r  n  c  k  e.  202. 
❖Zervixgonorrhoe.     S  a  1  o  m  o  u.  203. 
Jodismusprohlem.    M  u  c  k.  203. 
VerhĂŒtung  der  Serumkrankheit.    Krau  s.  204. 
Rachitische  Muskelerkrankung.    MĂŒller.  204. 


Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkungsweise  von 
l'rottinkörpern  und  Reizkörpern.     (1.   Giftbildung   und  Ueber- 

empfindliehkeit.)  Interessante  Untersuchungen,  zu  kurzem  Re- 
ferat ungeeignet. 

Zur  Frage  der  aktiven  Abortbehandlung.  Jeder  heftig 
blutende  und  jeder  auch  bei  Bettruhe  mehrere  Tage  lang  blutende 
sowie  jeder  manifeste  protrahiert  verlaufende  Abort  soll  aus- 
gerÀumt werden,  letzterer  auch  bei  Fieber.  Die  Behandlung  des 
fieberhaften  Aborts  und  auch  die  des  fieberhaften  komplizierten 
Aborts  (Parametritis,  Adnexitis  und  Sepsis)  soll  eine,  wenn  auch 
schonende,  doch  grĂŒndlich  aktive  sein.  Besondere  Vorsicht  bei 
Erweiterung  des  noch  nicht  entfalteten  Zervixkanals.  Unvoll 
stÀndige  AusrÀumung  ist  schlechter  als  gar  keine.  Nur  bei  Ver- 
dacht auf  perforierende  Verletzungen  und  bei  Peritonitis  mĂŒssen 
AusrĂ€umungsmaßnahmen  unterbleiben. 

Die  intraperitoneale  Infusion  —  eine  letzte  Rettungsmöglich- 
keit fĂŒr  schwer  ernĂ€hrungsgestörte  SĂ€uglinge.  Warme  Emp- 
fehlung der  Methode,  die  seinerzeit  von  Weinberg  angegeben 
wurde.  Ablehnung  der  Backes  sehen  Arbeit  (M.  m.  W.  1921, 
34),  der  durch  Mißerfolge  zur  Warnung  veranlaßt  wurde.  (Re- 
ferent hat  die  Methode  fĂŒr  Erwachsene  eingefĂŒhrt  und  kann  sich 
der  Empfehlung  nur  anschließen,  da  er  niemals  einen  Mißerfolg 
sah.) 

Zur  Behandlung  der  Zervixgonorrhoe  durch  Cholevaltam- 
ponade  des  Uterus.  Strikte  Ablehnung  als  gefÀhrlich  bei  zweifel- 
haftem Heilerfolge. 

F.  Loewenhardt  (Charlotlenburg-Westend  . 

Wiener  klinische  Wochenschrift,  Wien. 

2.  Februar  1922,  Nr.  5. 

Zur  Lehre  von  der  Krebskrankheit.    F  r  a  c  n  k  e  1  ,  A.  97. 
❖Bemerkenswerter  Ablauf  einer  Spondylitis  tuberculosa.    W  i  m  b  c  r  g  c  r  102. 
Ueber  das  Verhalten  des  Leucodenna  syphiliticum  gegenĂŒber  der  Bloch- 
schem  Dopa-Reaktion.    Gold  und  Reiß.  103. 

Ein  Fall  chronischer  Invagination  kompliziert  durch  citrige  Wurmfortsatz- 
entzĂŒndung.    Frommer.  105. 

Zur  Diagnose  der  Durmtuherkulosc.  Bemerkungen  zu  der  Arbeit  von 
Dr.  W.  Loll  in  dieser  AVochcnsehrift,  1922.  Nr.  3.    Kirch.  A.  106. 

UBber  einen  Fall  von  Claudicatio  intermittens  universalis  infolge  von 
Hyperplasie  des  Herzens.    S  e  r  k  o.  106. 

KardiaverÀnderungen  bei  Speiserohrenprozessen.  Erwiderung  auf  die  Be- 
merkungen von  O.  Stricker  in  dieser  Wochenschrift.  1921,  Nr.  47.  Bar- 
s  o  n  y.  106. 

❖  Die  praktische  Bedeutung  der  Lohre  vom  Habitus  usw.  (Schluß  zu  Nr.  4.) 
A  s  c  h  n  e  r.  107. 
Krankenkasse  und  Volkswirtschaft.    T  h  a  u  s  i  n  g.  109. 

Bemerkenswerter    Ablauf    einer    Spondylitis  tuberkulosa. 

14  jÀhriger  Knabe.  Röntgenologisch  nachweisbarer  verkalkender 
Senkungsabszeß  und  schwere  Destruktionen  an  Brust-  und  Len- 
denwirbelsÀule, welche  ohne  Hinterlassung  besonderer  Deformi- 
tÀten ausgeheilt  sind.  Die  Spondylitis  hat  das  Kind  niemals  in 
seiner  Bewegungsfreiheit  behindert. 

Die  praktische  Bedeutung  der  Lehre  vom  Habitus  und  die 
Renaissance  der  Humoralpathologie  als  therapeutische  Kons« 
ouenz  der  Konstitutionslehre  (gezeigt  am  Beispiel  der  Frauen- 
heilkunde). Aus  dem  sehr  lesenswerten  Aufsatz  sei  besonders 
die  praktisch  wichtige  Forderung  nach  WiedereinfĂŒhrung  des 
Aderlasses  „auf  breitester  Basis  nicht  nur  in  der  Frauenheil- 
kunde und  Geburtshilfe,  sondern  in  der  Gesamtmedizin"  hervor- 
gehoben. Verfasser  hatte  mit  dem  Aderlaß  ganz  auffallende  Er- 
folge bei  Schwangerschafts-,  klimakterischen  und  postklimakteri- 
schen Beschwerden,  bei  Dysmenorrhoe  und  menstruellen  Me- 
trorrhagien. R  e  u  ß  (Wien). 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

4.  Februar  1922,  49.  Nr.  5. 

❖Unterbindung' der  A.  hepatiea.    Hofmeister,  v.  154. 
Drainage  nach  Strumektomie.    V  i  d  a  k  o  w  i  t  z.  157. 
Blutdruck  bei  Achsendrehung  des  Mesenteriums.    M  all  U  s  e  h  e  r.  162. 
Querer  bogenförmiger  Bauchschnitt.    V  o  g  e  1  e  r.  lfi3. 

Bemerkungen  zur  Arbeit  von  Makai:  Ulcus  simplex  des  Darms.  Fischer. 
W.  166. 

Unterbindung  der  Arteria  hepatiea  propria  ohne  LeberschÀdi- 
gung. Bei  einer  fast  totalen  Magenresektion  wegen  Ulcus  pene- 
Irans  wurde  die  Art.  hepatiea  propr.  jenseits  der  Abgangsstelle 
der  A.  gastrica  dextra  durchlrennt  und  mußte  ligiert  werden. 
Trotzdem  ungestörter  Heilimgsverlauf  ohne  subjektives  oder  ob- 
jektives Zeichen  einer  LeberschĂ€digung.    Der  Grund  fĂŒr  diesen 


40.  Jahrg.  — Nr.  11. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


258 


glĂŒcklichen  Ausgang  isl  entweder  darin  zu  suchen,  daß  infolge 
Ă€er  bestehenden  ausgedehnten  Verwachsungen  schon  vor  der 
Operation  ein  genĂŒgender  Collateralkreislauf  sich  gebildet  hatte, 
öder  in  einer  sog.  „TriplizitĂ€t"  der  Leberarterie,  einer  Anomalie, 
die  bereits  mehrere  Male  beschrieben  ist. 

K.  W  o  h  1  g  e  in  n  I  h  i  Berlin). 

11.  Februair  1922,  49,  Nr.  6. 

I'otstoperativo  Tetanie,  llaittung.  186, 
DĂŒnadarminvaffination.     Arnspe  r  g  c  >'.  190. 
♩Jodkalilösung  zur  Darstellung  von  FistelgĂ€ugeu    im    EJoutjcenbild.  Len- 
in a  n  n  ,  H.  193. 
Technik  «er  zweiseitigen  Prostatelfltouie.    Wagner.  191. 

Zehnprozcntige  Jodkalilösung  zur  Darstellung  von  Fistel- 
gĂ€ngen,  Abszeß-  und  Empycmhöhlen  im  Röntgenbild.  Die  Methode 
des  Verf.  ist  folgende:  Nach  AnÀsthesierung  der  Haut  wird  um 
die  zu  fĂŒllende  Fistel  eine  Tabaksbeutenaht  gelegt,  eine  stumpfe 
KanĂŒle  eingeschoben  und  die  Oeffnung  um  diese  durch  Zuziehen 
der  Tabaksbeutelnaht  geschlossen.  Nach  EinfĂŒllen  der  Jodkali- 
lösung Entfernung  der  KanĂŒle,  FestknĂŒpfen  der  Naht,  Röntgen- 
aufnahme. Die  Kontraste  sind  sehr  intensiv.  Unangenehme 
Nebenwirkungen  sind  nicht  beobachtet. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Archiv  fĂŒr  klinische  Chirurgie,  Berlin. 

1921,  118. 

♩Fehldiagnose  bei  Knochen-  und  Gelenktuberkulose.    Kescli,  E.  181. 
♩Ueber  experimentelle  freie  Periostverpflanzung.    Baetzner,  W.  501. 

Ueber    neuropathische    Verknöcherungen    in    zentral    gelÀhmton  Gliedern. 
Israel,  A.  507. 

♩Ueber  entzĂŒndliche    Mittelf ußgesehwiilsto.     D  e  ĂŒ  t  s  e  h  1  Ă€  n  d  e  r  ,    C.  530. 
♩Ueberlegungen   zur  operativen  Behandlung   schwerer   Skoliosen.  Sauer- 
bnich,  F.  550. 

♩Zur  Behandlung  frischer  und  alter  Radiu.sbrĂŒcbe.    Klapp,  R.  563. 

Die  Behandlung  der  typischen  Radiusfrakturen  in  der  Zeit  von  1907 — 1921. 

Bange,  F.  578. 
Zur  Behandlung  des  typischen  Radiusbruches.    E  d  e  n  ,  P.  592. 

Die  Braunsche  Beinschiene  in  der  Friedensehirurgk;  und   Ilirc  Anwendung 
zur  Frakturenbehandlung.    B  r  a  u  n.  594. 

♩Zur<Mechanik  und  Behandlung  des  typiscjien  SchlĂŒsselbeiiibruchcs.    H  Ă€  r  - 
t  ei  l  ,  F.  602. 

Zur  funktionellen  Behandlung  der  C'laviculabrĂŒche.    HĂŒls  mann.  620. 
Dorsale  AhbrĂŒche  an  d.  Basis  des  Handnagelgliedknochens.    V  e  r  t  ,  zur.  630. 
Zur  Behandlung  d.  Elleiibogengelenksbruche.    H  e  r  z  b  erg.  E.  645. 
Synovia  und  GelenkmÀuse.    Ziegner,  H.  662. 
♩Die  habituelle  Luxation  der  Kniescheibe.  667. 
Die  Coxa  valga  luxans.    Co  Ii  n,  B.  678. 

Multiple    posttraumatische    Ankylosen    fernab    vom    Herde    der  Verletzung. 
Wille,  F.  696. 

♩Beitrag  zur  traumatischen  HĂŒftgelenksluxation  bei  Kindern.  1)  o  e  1  1  e,  <).  703. 
Beitrag  zur  Entstehung  der  spontanem  Quadricepsruptur  (Corpus  mobile  der 
Patella  in  der  Entwicklung).    Wo  tschack.  726. 

Ueber   Sehnenscheidenbildunge«.    insbesondere    bei    partiellen  Zerreißungen 
der  Achillessehne.    SalomoĂŒ,  A.  733. 

Regeneration  bei  Kuochenpanaritieiu.    Beck,  H.  748. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Milieus  fĂŒr  die  Erhaltung  der  natĂŒrlichen  G-ewebs- 
hĂŒllen.    Zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage  der  Drainage  der  Köperhöhlen. 
P  r  i  b  r  a  m  ,  B.  O.  und  Singer,  j.  768. 
PostoporÀltive  verminderte  Speickc.lsekretiou  und  ihre  BekÀmpfung.  Hot. 
witz,  A.  788. 

Ueber  einen  neuen  Weg  zur  operativen  Behandlung  der  perniziösen  AnÀmie. 

W  a  1  t  e  r  h  ö  f  e  r  und  Sohra  m  in.  794. 
Die  Beteiligung  der  regionĂ€rem  LymphdrĂŒsen   bei  KĂŒhr.     1)  ĂŒ  r  i  g.  812. 
Seltene  angeborene  Mißbildungen.    E  s  a  u  ,  P.  817. 

Die  Verweil« dauer  von  Fremdkörpern  in  der  Appendix.    E  s  a  u  ,  P.  821. 
Der  Absceß  an  der  dystopiseben  Niere.    E  s  a  u  ,  P.  823. 
Entfernung  eines  Fremdkörpers  aus  denn  Bronchus.  K  e  p  p  1  e  r  ,  W.  825. 
Beobachtungen  ĂŒber  RĂŒckbildung  und  Heilung  grĂ¶ĂŸer  Tumoren  im  Anschluß 

an  unvollkommene  diagnostische  Eingriffe.    M  ĂŒ  Her,  W.  830. 
Unsere  Erfahrungen  mit  der  operativen  Nebennierenreduktion  nach  Fiscuer- 
BrĂŒning    zur    Behandlung    von    KrĂ€mpfen.      Schmieden,     V.  uhi« 
P  e  i  p  e  r  ,  H.  845. 

Die  dorsale  Luxation  der  Großzehe.    Klinischer  und  experimenteller  Beitrag. 
Schnitze,  Ernst  O.  P.  865. 

♩Dieposttrauniatische  WirbelerkranktfĂŒg  (KĂŒmmelPache  Krankheit).  Kum- 
me 11  ,  H.  87«. 

BoxunfÀlle   mit  tödlichem   Ausgang.     K  o  h  I  r  a.  u  s  c  h  .    W.  902. 

Fehldiagnosen  bei  Knochen-  und  Gelenktuberkulose.  IrrtĂŒmer 
der    Diagnosenstellung    bei    Gelenkerkrankungen    sind  er 
hrungsgemĂ€ĂŸ  sehr  hĂ€utig.    Namenilich  wird  oft  eine  Tuber- 
ulose  angenommen,  wo  es  sich  in  Wahrheit  um  gonorrhoische, 
©tische  oder  rheumatische  Affekte  handelt.    Verf.  gibt  einige 
inweise  differentialdiagnoslischer  Art,  von  denen  die  wichtig- 
en hier  genannt  seien.    WĂ€hrend  die  Anamnese  bei  den  Ge- 
hlechtskrankheiten   gewöhnlich  keine   sicheren  Anhaltspunkte 
geben  vermag,  isl  fĂŒr  gonorrhoische  GelenkentzĂŒndungen  eine 
arke  Schmerzhaftigkeit  typisch.     Auch  das  Röntgenbild  zeigl 
er  im  Gegensatz  zur  tuberkulösen  Knochenatrophic,  die. aber 
naueste    Stniklurerkennung    zulĂ€ĂŸt,    verwachsene  Knochen- 


bÀlkchen.  Bei  Luesverdacht  isl  auf  sonstige  luetische  Stigmata 
(Keratitis  usw.)  zu  achten  sowie  die  Wassermannsche  Reaktion 
anzustellen,  ./ede  EntzĂŒndung  des  Sternokla vikulargelenkes  isl 
LuesverdÀchtig!  HÀufig  kommen  auch  Verwechslungen  von  tuber- 
kulöser Spina  ventosa  und  Dactylilis  syphilitica  vor;  auch  hier 
ist  nach  sonstigen  Symptomen  der  einen  oder  andern  Erkrankung 
zu  fahnden.  Rheumatische  und  tuberkulöse  Gelenkerkrankungen 
zeigen  anfangs  sehr  Àhnlichen  Verlauf.  Differenlialdiagnostisch 
kommen  vor  allern  Flocken  im  Punktal  eines  eventuell  vorhan- 
denen Ergusses  (Tbc!)  oder  der  Tierversucn  in  Betracht. 
Schwierig  ist  auch  die  Unterscheidung  zwischen  tuberkulöser  und 
anderweitiger  (Eitererreger)  Osteomyelitis.  Letztere  setzt  im 
Gegensalz  zur  Tuberkulose  akut  ein;  das  Röntgenbild  zeigt  hier- 
bei keine  Atrophie  der  Corlicalis.  Schließlich  entscheidet  auch 
hier  der  Tierversuch.  Vor  Verwechselungen  von  Schafttuber- 
kulose mit  Ostitis  fibrosa  schĂŒtzt  das  Röntgenbild  ('Zysten,  keine 
Abszeßschatten)  sowie  das  Fehlen  anderweitiger  tuberkulöser 
Affektionen.  Zwischen  Coxitis  und  Osteochondritis  deformans 
iuvenilis  besteht  der  grundlegende  Unterschied  stets  vorhandener 
FlexionsfaÀigkeit  des  Oberschenkels  bei  letzterer,  wÀhrend  die 
HĂŒftgelenktuberkulose  gewöhnlich  nach  allen  Seiten  gleichmĂ€ĂŸige 
BewegungsbeschrÀnkung  zeigt. 

Ueber  experimentelle  freie  Periostverpflanzung.  Aus  einer 
Reihe  an  jungen  und  ausgewachsenen  Hunden  vorgenommener 
freier  Periosttransplantationen  in  die  Muskulatur  geht  nach  Ansicht 
des  Verf.  die  Tatsache  hervor,  daß  so  verpflanztes  Perlost  nicht 
imstande  sei,  neue  bleibende  Knochen  zu  bilden,  da  scheinbar  eine 
Resorption  etwa  gebildeten  neuen  Knochengewebes  dem  haldigen 
Abbau  durch  Riesenzellen  verfÀllt. 

Ueber  entzĂŒndliche  MittelfufigeschwĂŒlste.  Verf.  beschreibt 
einige  FĂ€lle  spontan,  ohne  vorhergehendes  Trauma  entstandener 
KallusgeschwĂŒlste  im  Bereiche  der  Mittelfußknochen  und  knĂŒpft 
hieran  Àtiologische  und  therapeutische  ErwÀgungen.  Danach  liegt 
solchen  MittelfußgeschwĂŒlsten,  bei  denen  traumatische  Entstehung 
ausgeschlossen  ist,  eine  bakteriell  entzĂŒndliche  Ursache  zugrunde, 
möglicherweise  als  Folge  anderweitiger  Infektion  (Sepsis,  Osteo- 
myelitis usw.).  Differentialdiagnostisch  kommt  praktisch  vor 
allem  die  Abgrenzung  gegen  beginnenden  Plattfuß  in  Betracht. 
Die  Therapie  der  entzĂŒndlichen  Mittelfußgeschwulst  besteht  haupt- 
sÀchlich in  der  StauungshyperÀmie,  die  gute  Erfolge  aufweist. 

Ueberlegungen  zur  operativen  Behandlung  schwerer  Skoliosen. 
Der  Ausbau  der  modernen  Thoraxchirurgie  legte  deren  Verwen- 
dung bei  der  Behandlung  schwerer  Skoliosen,  die  rein  ortho- 
pĂ€disch nur  schwer  gĂŒnstig  zu  beeinflussen  sind,  nahe.  S.  er- 
lÀutert an  einigen  FÀllen  die  heutigen  operativen  Möglichkeiten 
hinsichtlich  der  Behandlung  schwerer,  fixierter  Skoliosen,  die 
hauptsĂ€chlich  fĂŒr  derartige  Eingriffe  in  Betracht  kommen,  und 
gelangt  zu  dem  Resultat,  daß  besonders  durch  zweckmĂ€ĂŸige  Ein- 
griffe an  den  Rippen  (Raffung  derselben  usw.)  Erfolge  erreicht 
werden  können,  die  der  OrthopÀdie  versagt  sind. 

Zur  Behandlung  Irischer  und  alter  RadiusbrĂŒcke.  Das  prak- 
tisch Wichtigste  der  lesenswerten  Abhandlung  lĂ€ĂŸt  sich  etwa 
folgendermaßen  zusammenfassen.  Frische  RadiusbrĂŒche,  nament- 
lich mit  Einkeilung,  sind  möglichst  bei  narkotisierten  Patienten 
unter  sehr  starkem  Zuge  in  der  LĂ€ngsrichtung  zu  reponieren  — 
Daumen  und  ĂŒbrige  Finger  getrennt.  —  Die  seitliche  Dislokation 
soll  allmÀhlich,  nicht  durch  plötzlichen  Ruck,  auf  einem  stabilen 
Eisengestell  beseitigt  werden,  wobei  der  Zug  in  der  LĂ€ngsrichtung 
fortdauert.  KrÀftige  Pronationsbewegung  der  Hand  dreht  die 
Supinationsslellung  des  unteren  Fragmentes  zurecht.  Als  Fixa- 
tionsstellung  bekĂ€mpft  Verf.  die  hĂ€ufig  noch  geĂŒbte  Volarflexion 
und  Ulnarabduktion  und  empfiehlt  dafĂŒr  die  gerade  Mittelstellung 
im  gut  anmodellierten  Gipsverbande,  der  Fingerbewegungen  voll- 
kommen zulĂ€ĂŸt.  Dieser  bleibt  bis  zu  3  Wochen  liegen,  dann  vor- 
sichtige Nachbehandlung  mit  Massage  und  Bewegungen. 

Alte  disloziert  verheilte  BrĂŒche  lassen  sich  durch  subkutane 
Osteotomie  der  Bruchstelle  mit  nachfolgender  Fixation,  wie  oben, 
ofl  noch  gut  einstellen. 

Mechanik  und  Behandlung  des  typischen  SchlĂŒsselbeinbruches. 
Das  Problem  zweckmĂ€ĂŸiger  Behandlung  der  SchlĂŒsselbeinfraktur 
ist  schon  all;  trotzdem  tauchen  immer  noch  wieder  neue  thera- 
peutische VorschlÀge  auf.  Verf.  kommt  auf  Grund  mechanischer 
ErwĂ€gungen,  das  SchlĂŒsselbein  betreffend,  zu  einer  Art  des  Vor 
gehens,  dessen  wichtigste  Punkte  etwa  folgende  sind: 

1.  Reposition  ohne  besondere  Kraftanwendung  durch  stÀrkste 
Supination  der  SchulterblĂ€tter  (man  fĂŒhrt  bei  gebeugten  und 
sagittal  stehenden  Vorderarmen  die  Oberarme  nach  hinten). 


254 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


2.  AufhÀngung  der  Vorderarme  nach  vollendeter  Reposition  in 
der  so  erreichten  Stellung  in  einer  besondern  Nackenschlinge 
und  eine  zwischen  RĂŒcken  und  gebeugte  Ellbogen  eingefĂŒgte 
Versteifung  (gepolsterter  Stock,  C-  oder  S-förmige  Schiene). 

3.  Falls  Knochennaht  erforderlich  wird,  z.  B.  bei  Interposition 
von  Fragmenten,  vor  der  Operation  Anlegung  der  S-Schine 
zur  VerhĂŒtung  der  nachtrĂ€glichen  Dislokation. 

Die  habituelle  Luxation  der  Kniescheibe.  Obwohl  in  der  Lite- 
ratur im  ganzen  nur  296  FĂ€lle  habitueller  Patellarluxation  ange- 
geben sind,  ist  mit  einer  grĂ¶ĂŸeren  HĂ€ufigkeit  des  Leidens  doch 
y.ĂŒ  rechnen.  Nach  K.  kann  man  3  Formen  des  Leidens  unter- 
scheiden:  die  kongenitale,  traumatische  und  pathologische  Luxa- 
liön.  Bei  der  ersten  Form,  die  auch  hÀufig  vererbt  wird,  finden 
sich  meist  andere  Anomalien  sowie  auch  oft  eine  schon  Ă€ußerlich 
sichtbare  KniedeformitÀt.  Bei  der  zweiten  Gruppe  der  Erkran- 
kung wird  durch  grobes  Trauma  sozusagen  der  Boden  fĂŒr  weitere 
Luxationen  geschaffen,  wÀhrend  bei  der  dritten  oft  ganz  gering- 
lĂŒgige  AnlĂ€sse  genĂŒgen,  das  PhĂ€nomen  auszulösen.  Jede  erhöhte 
HĂ€ufigkeit  des  Auftretens  der  Verrenkung  erfordert  unbedingt 
unser  Eingreifen;  wÀhrend  von  Bandagen  nicht  viel  zu  erwarten 
ist,  lĂ€ĂŸt  sich  operativ  das  Uebel  zweckmĂ€ĂŸig  beseitigen.  Verf. 
empfiehlt  die  Operation  nach  Klapp:  Fixation  der  Patella  an 
einem  von  der  Außenseite  des  Oberschenkels  aus  der  Fascia  lata 
entnommenen,  gestielten  Lappen,  dessen  unteres  Ende  am  Epi- 
condylus  medialis  femoris  befestigt  wird. 

Beitrag  zur  traumatischen  HĂŒftgelenkluxation  bei  Kindern. 

Auf  Grund  einiger  neuer  FĂ€lle  wird  das  bei  Kindern  relativ  sel- 
tene Leiden  einer  nÀheren  Besprechung  unterzogen.  Danach  tritt 
die  Erkrankung,  im  Gegensatz  zur  kongenitalen  HĂŒftluxation,  weit 
öfter  bei  Knaben  als  bei  MÀdchen  auf;  sie  kann  in  Jedem  Alter 
vorkommen.  Am  hÀufigsetn  ist  die  Luxation  nach  hinten.  Die 
Veranlassung  bildet  meist  ein  Sturz  von  einer  gewissen  Höhe, 
also  stets  eine  immerhin  erhebliche  Gewalteinwirkung.  Die  klini- 
schen Erscheinungen  gleichen  im  wesentlichen  den  bei  der  trauma- 
tischen HĂŒftluxation  Erwachsener  beobachteten.  (Fixierung  des 
Oberschenkels  in  Adduktion,  Flexion  und  EinwÀrtsrotation,  posi- 
tiver Trendelenburg,  scheinbare  VerkĂŒrzung  usw.)  Die  Dia- 
gnose bereitet  daher  keine  besondere  Schwierigkeit,  höchstens  in 
veralteten  FĂ€llen.  Die  Prognose  ist  nur  bei  frĂŒhzeitiger 
Einrenkung  nicht  ungĂŒnstig;  spĂ€ter  ergeben  sich  bei  der  raschen 
Veraltung  der  FĂ€lle  oft  ernste  Schwierigkeiten,  denen  selbst  die 
blutige  Reposition  oder  die  Resektion  nicht  immer  GenĂŒge  schaffen 
kann.  Hinsichtlich  der  Reposition  hÀlt  Verf.  auf  Grund  der  Er- 
fahrungen Ritters  fĂŒr  das  Beste  den  einfachen  Zug  an  dem  in 
der  HĂŒfte  adduzierten  und  rechtwinklig  flektierten  Bein  (nach 
H  e  1  f  f  e  r  i  c  h).  Nachbehandlung  mit  Schienen  oder  Gipsverband. 
Vom  Streckverband  wird  abgeraten.  Gelingt  die  unblutige  Re- 
position nicht  oder  tritt  Reluxation  ein,  so  ist  die  blutige  Ein- 
renkung am  Platze.  Hierbei  hat  man  auf  grĂŒndliche  Freilegung 
der  Gebiete  in  der  Umgebung  des  Schenkelkopfes  und  der  Pfanne 
zu  achten.  Wird  letztere  ausgehöhlt,  so  ist  stets  ein  Fascien- 
lappen  zu  interponieren,  um  Ankylose  zu  vermeiden.  Die  Ver- 
sorgung der  Wunde  richtet  sich  nach  dem  Verlauf  der  Operation 
Drainage  oder  vollkommener  Verschluß  usw.).  Die  HĂŒftresektion 
schließlich  ist  bei  Kindern  nicht  berechtigt. 

Die  posttraumatische  Wirbelerkrankung.  KĂŒmmell  legt  in 
langern  AusfĂŒhrungen  noch  einmal  seine  Ansicht  ĂŒber  die  nach 
ihm  benannte  postraumatische  Wirbelerkrankung  nieder,  sozu- 
sagen als  Abschlußwort  nach  einer  großen  Zahl  von  verschieden- 
sten Aeußerungen  aller  Seiten.  Danach  ist  die  in  Frage  stehende 
Erkrankung  stets  die  Folge  eines  Trauma,  das  zunÀchst  nur  eine 
allgemeine  Schockwirkung  und  erst  spÀter  eine  lokale  VerÀnde- 
rung der  betroffenen  Wirbel  mit  Gibbusbildung  bedingt.  Dieses 
sekundÀre  Auftreten  pathologischer  lokaler  Prozesse  bei  pri- 
mÀrem Fehlen  irgendwelcher  entsprechenden  Erscheinungen 
bildet  das  Charakteristikum  des  Leidens! 

Therapeutisch  hat  Verf.  von  der  A  1  b  e  e  sehen  Operation,  die 
auch  oft  bei  der  Spondylitis  tuberculosa  ausgefĂŒhrt  wird,  Gutes 
gesehen.  ‱  L.  Frosch  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

11.  Februar  1922,  46,  Nr.  6. 

Ein  Fall  von  primÀrem  Tubenkarzinom.    A  m  r  e  i  c  h  .  .J.  209. 
*>Zur   Behandlung    des   Wocbenbettfiebers.     Hieß.    V.    und  Hirschen- 
hauscr,  F.  214. 

‱Mleransettzung  der  MortalitĂ€t  der  Freund-Wertheimschen  Karzinomoperation 
v.  Eubinyi,  P.  222. 
Trichomonas  vaginalis  und  Glykogengehalt  der  Seheide  in  ihren  Bezlebuagcr) 
zur  Kolpitis  und  zum  Fluor.    L  o  o  s  c  r  .  A  22B 


ViruleuzpiĂŒfung  der  Streptokokken  nach  Siegwarts  Methode.    Neuer.  B. 

229. 

Schwere  SchÀdigung.-  .der  Unterleibsorgane  intra  partum.    Behren  d.  M 

234. 

Zur  Behandlung  des  Wochenbettfiebers.  Es  wird  ĂŒber  die 
Resultate  berichtet,  die  mit  verschiedenen  chemischen  Mitteln  bei 
der  Behandlung  puerperaler  Sepsis  erzielt  wurden. 

1.  Kolloidales  Silber  (Kollargol,  Elektrokollargol,  Dispargen). 
Die  Wirkung  der  Silbersalze  beruht  nicht  auf  einer  direkten  keim 
tötenden  Wirkung  im  Blute,  sondern  ist  vor  allem  dem  Eiweiß- 
schutzkolloid zuzuschreiben,  also  eine  Art  Proteinkörpertherapie. 
Die  SilberprÀparate  können,  in  richtiger  Dosierung  angewandt, 
den  Körper  im  Kampfe  gegen  eingedrungene  Keime  und  deren 
Toxine  unterstĂŒtzen,  das  Fieber  zum  Abklingen  bringen  und  auch 
das  Allgemeinbefinden  gĂŒnstig  beeinflussen.  Bei  schweren  FĂ€llen 
ist  der  Erfolg  der  SilberprÀparate  ein  sehr  fraglicher. 

2.  Kaseosan  (Beginn  mit  0,5  cem  intravenös,  nach  1 — 2  tĂ€gigei 
Pause  1  cem,  bis  zu  3  Injektionen).  Die  Reaktion  des  Organismus 
nach  Kaseosaninjektionen  ist  weit  intensiver  als  nach  Kollargol- 
injektionen.  LĂ€nger  dauernder  SchĂŒttelfrost,  Schweißausbruch. 
Kopfschmerz,  Abgeschlagenheit,  Herpes  labialis  und  SchlÀfrigkeit 
wurden  hÀufig  beobachtet.  Bei  leichten  und  mittelschweren  FÀl- 
len waren  die  Erfolge  mit  Kaseosan  mindestens  ebenso  gut  wie 
mit  Kollargol.  Bei  schweren  septischen  FĂ€llen  dagegen  hat  das 
Kaseosan  versagt. 

3.  P  r  e  g  1  sehe  Jodlösuhg  (enthÀlt  neben  freiem  Jod  noch 
Jodverbindungen,  aus  welchen  bei  Anwesenheit  von  schwach 
organischen  SÀuren,  z.  B.  KohlensÀure  im  Blut,  freies  elementares 
Jod  abgespalten  wird).  Injektion  von  je  200  cem  in  1— 2tĂ€gigen 
Pausen.  Nur  wenige  FĂ€lle  wurden  so  behandelt,  gĂŒnstige  Er- 
folge wurden  nicht  beobachtet. 

4.  Kombinierte  Behandlung.  Bei  einigen  schweren  FĂ€llen 
wurde  mit  mehreren  der  erwÀhnten  Mittel  behandelt.  Mit  Dis- 
pargen-Kaseosan,  sowie  mit  Kollargol-Trypaflavin  waren  gute 
Erfolge  zu  verzeichnen. 

Wir  verfĂŒgen  bis  jetzt  ĂŒber  kein  Mittel,  das  imstande  wĂ€re, 
die  ins  Blut  eingedrungenen  und  hier  sich  vermehrenden  Keime 
abzutöten.  Die  Wirkung  der  uns  zur  VerfĂŒgung  stehenden  PrĂ€- 
parate ist  eine  indirekte  Anfachung  oder  KrÀftigung  der  im  Or- 
ganismus latent  vorhandenen  SchutzkrÀfte. 

Die  Behandlung  muß  so  frĂŒh  als  möglich  einsetzen.  Wo  ein 
Mittel  versagt,  soll  ein  anderes  versucht  werden.  Auch  die  pro 
phylaklische  Anwendung  der  Mittel  in  FĂ€llen,  wo  auf  Grund  des 
Geburtsverlaufs  ein  fieberhaftes  Wochenbett  zu  gewÀrtigen  ist. 
wird  empfohlen. 

Herabsetzung  der  MortalitÀt  der  Freund-Wertheim'schen 
Karzinomoperation.  Die  abdominale  Radikaloperation  in  Kom- 
bination mit  der  Strahlentherapie  hĂ€lt  Verf.  auch  heute  fĂŒr  die 
beste  Methode  der  Behandlung  des  Uteruskrebses.  Um  die  immer 
noch  hohe  MortalitĂ€t  herabzusetzen,  empfiehlt  er  1.  eine  grĂŒnd- 
liche Vorbereitung  des  Krebses  vor  der  Operation  wie  die  Ent- 
fernung der  zerfetzten  Teile  mit  Schere.  Auslöffelung  und  die  Ver 
schorfung  des  Krebskraters  mit  dem  Paquelin,  Reinigung 
mit    Wasserstoffsuperoxyd    und    Bepinselung    mit  Jodtinktur 

2.  Strengste  Asepsis.    Dabei  empfiehlt  er  da«  sogenannte  krei 
sende  Instrumentarium,  d.  h.  ein  jedes  Instrument  wird  nur  ein 
einziges  Mal  verwendet  und  kommt  dann  in  den  Sterilisator 

3.  Eingießen  von  Wasserstoffsuperoxyd  in  die  Bauchhöhle,  wo- 
von bei  jeder   Verunreinigung  Gebrauch  gemacht  werden  soll 

4.  Anwendung  der  kombinierten  vagino-abdominalen  oder  abdo 
mino-vaginalen  Operationsmethode,  die  besonders  durch  Ver- 
kĂŒrzung der  Laparotomie  wesentliche  Vorteile  bietet. 

Speyer  'Berlin 

Virchows  Archiv  fĂŒr  pathologische  Anatomie  und 
Physiologie,  Berlin. 

13.  Oktober  1921,  235. 

Biographische   Einleitung.     L  u  l>  a  r  s  c  Ii  .  O.  1. 

R.  Virchow  vor  einem  halben  Jahrhundert.    Orth;  .1.  81. 

1'0'ber  Virchows  geplante  Berufung  nach  Giessen.    Falk.  G.  4:>. 

Vivchows  Celluhirpathologie  einst  und  jetzt.    Ernst.  P.  52. 

Virchows  Lehre   von   den   Degenerationen    (passiven    VorgÀngen^    und  ihra 

Weiterentwicklung.    A  s  c  h  o  f  f  ,  L.  152. 
Virchows  EntzĂŒndungslehre  und  ihre  Weiterentwicklung  bis  zur  Gegemv.-rt. 

L  u  barsch.  O.  186. 
Die  Entwicklung  der  Lehre  von  der  Thrombose  und  Embolie  seit  Virchow 

Dietrich.  A.  212. 
Rudolf  Virchow  und  die  Entwicklung  der  Àtiologischen  Forschung.  Löh. 

lein,  M.  225. 

Die    Virehowsche    Geschwulstlehre    und    ihre    Weiterentwicklung.      1.  n  - 

■  barsch.  O.  235. 
Entwicklung  der  Lehre  von  der  Arteriosklerose  seit  Virohow  Joree  .  L.  2G2." 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


266 


Virohow»  imthologisohe-nnatomischo  Forschungen  ĂŒber  dio  Erkrankungen  des 

Knocheusysteins.    Schmidt,  M.  B.  273. 
K.  Virchow  uiul  die  beutige  Klinik.    Kraus.  Fr.  298. 
R.  Vircliow  und  die  russische  Medizin.    S  n  c  Ii  n  r  o  f  f  .  (i    P  329 
Virchow  in  Italien,    l'oa,  P.  370. 

Virchow«  Einfluß  Auf  die  japanische  Medizin.    Y  n  m  a  g  i  v  a  .  K.  88.V 
B.  Virchow  und  die  öffentliche  Gesundheitspflege.    Hesse.  E.  ABB 
R.  Vircliow  als  Anthropologe.    L  u  s  c  h  a  n  .  v.  Iis 

Der    Einfluß    Virchows    auf    die    medizinische    Wissenschaft    in  Vmcrik.t 

.   E  w  i  n  g     J.  444. 
Virchow  als  Politiker.    S  c  Ii  I  o  s  s  m  ;i  n  n  .  A. 

Nederl.  Tijdschrift  voor  Geneeskundc. 

17.  Dezember  1921,  2,  Nr.  25. 

A ende  Hingen   von  Bakterien   in   ihren   erblichen   und    individuellen  Eigen- 
schaften.   Eoghem,  van  J.  J.,  Prof.  Dr.  2981. 
<J»0ie  Resultate  der  heutigen  Luesbehandlung.    Henne  1.  van  den  <;.  C.  298S. 
Der  Einfluß  der  geschlechtlichen  Funktion  auf  die  Entstehung  von  Carci- 
noma uteri  und  Carcinoma  mammae.    P  e  n  r  i  s  ,  P.  W.  I>.  2995. 
‱Mst   Röntgen-Epllatiou   die   geignete   Behandlung   bei   TiMehophytia  barbae? 
Pemb,  E.  3002. 

Die  Resultate  der  heutigen  Luesbehandlung.  Die  Behandlung 
[mit  Neosalvarsan  und  Quecksilber  gibt  die  besten  Resultate, 
Besser  als  mit  Quecksilber  allein.  Doch  ist  auch  diese  noch  un- 
genĂŒgend. Die  Behandlung  soll  einige  Jahre  fortgesetzt  werden 
mler  genauer  Kontrollierung  des  Blutes,  und  einige  Male  soll 
mch  der  Liquor  cerebrospinalis  untersucht  werden,  obgleich 
)athologische  Befunde  in  dem  Liquor  nicht  immer  eine  para- 
luctische  Krankheit  zur  Folge  haben.  Man  kann  jetzt  noch  nicht 
behaupten,  ob  die  Zahl  der  Paralues-Patienten  durch  die  heutige 
kombinierte  Behandlung  zugenommen  hat. 

Röntgen-Epilation  bei  Trichophytia  barbae.  Die  Röntgen- 
ipilation  hat  sehr  gefÀhrliche  Nebenwirkungen  und  ist  also 
ibzuraten  bei  dieser  harmlosen  Krankheit.  Man  darf  sie  nur  an- 
wenden in  den  FĂ€llen,  die  bei  einer  anderen  Behandlung  nicht 
teilen  wollen.  Enneking  (Amsterdam) . 

24.  Dezember  1921,  2,  Nr.  26. 

Athetesis.    Valhenburg.  van  C.  S.  3056. 
4»Die  genaue  quantitative  Zuckerbestimmung  im  Harn.  Cohen  T  e  r  v  a  e  r  t  . 

D.  G.  3065. 
‱frAchylia.  gastrici».    W  i  1  1  e  in  s  e  ,  A.  3069. 

Kinder  von  Frauen  mit  Carcinoma  uteri.    D  e  e  1  m  a  n  ,  H.  V.  3073. 

Die    kolorimetrische    quantitative    Zuckerbestimmung  nach 
i  e  m  m  e  r  ergibt  ebenso  gute  Resultate  wie  die  GĂ€rungsprobe. 
)ie  Methode  beruht  auf  eine  Reduktion  von  DinitrilsalizylsÀure. 
wodurch  eine  rote  Farbe  entsteht. 

Achylia  gastrica.  Die  Krankheit  ist  am  hÀufigsten  bei  Frauen 
twischen  35  und  55  Jahren.    Die  MuskeltÀtigkeit  des  Magens  ist 
leist  ganz  normal,  zuweilen  erhöht.    Bei  der  Untersuchung  des 
lageninhaltes  findet  man  ein  völliges  Fehlen  der  SalzsÀure.  Die 
[ranken  klagen  ĂŒber  Magenschmerzen  und  haben  bisweilen  Be- 
schwerden von  .,SuperaziditÀt".    Man  findet  immer  bei  ihnen  ein 
sehr  schlechtes  Gebiß.  Die  Behandlung  ist  eine  spezifische.  Wenn 
uin  eine  passende  DiÀt  vorschreibt  von  im  allgemeinen  leicht 
verdaulichen  Speisen  und  innerlich  SalzsÀure  gibt  (dreimal  tag 
ich  25  Tropfen),  so  sind  die  Patienten  immer  in  einigen  Wochen 
pSohwerdefrei  ohne  Behandlung  der  ZĂ€hne. 

Enneking  i  Amsterdam). 

31.  Dezember  1921,  2,  Nr.  27. 

‱{♩Manuelle    Perforation    von    Tonsillarabszessen.     S  C  h  n  m  m  ans  Stock 
h  e  v  e  n  .  W.  3152. 
Bericht  der  Kommission  aus  dem  NiederlÀndischen  Verein  von  Kuhpocken- 
anstalten.   J  e  n  g  ,  de  I»-  A..  Berg.  Alexander  und  K  o  d  e  n  h  u  i  s  .  J. 

Manuelle  Perforation  von  Tonsillarabszessen.  Wenn  nach 
ler  Tonsillitis  deutliche  Abszeßbildung  vorhanden  ist,  so  ist 
tĂŒrlich  die  Entleerung  des  Eiters  die  geeignete  Behandlung. 

Einschnitt  mit  dem  Messer  kann  aber  gefÀhrlich  sein  und 
le  Blutung  zur  Folge  haben.    Unschuldig,  leichter  und  besser- 
es, stumpf  mit  dem  Finger  in  die  Lakunen  der  Tonsillen  ein- 
bringen, bis  man  die  Abszeßhöhle  erreicht  hat  und  so  den  Ab- 
iß  des  Eiters  ermöglicht.  Enneking  (AmtsterdamV 

Hygiea,  Stockhohn. 

16  Dezember  192L  83.  Nr.  23. 

Heber  unspezifische  ImmunitÀt.     Much,  H.  785. 

M'cbcr  die  Reizleitung  im  periphere:!  Nerven-  und  im  Zentralnervensystem. 
Zottermann.  Y.  800. 

Ueber  unspezifische  ImmunitÀt.  Zuerst  entdeckt  und  daher 
nifte  in  ihrer  Bedeutung  ĂŒberschĂ€tzt,  ist  die  spezifische  ImmunitĂ€t 


(des  Blutes  und  der  Zellen)  nur  ein  Sonderfall  dei  wichtigeren 
allgemeinen,  unspezifischen     Mit  unspezifischen  Maßnahmen  lĂ€ĂŸl 
sich  nicht  nur  unspezifische  ImmunitÀt,  sondern  auch  die  spe 
zifischc  steigern,  ja  auch  erst  erzeugen,  und  zwar  oft  sicherer  und 
deutlicher  als  auf  spezifischem  Wege. 

Die  gesteigerte  allgemeine  Widerstandskralt  braucht  je 
doch  keineswegs  mit  einer  Zunahme  der  spezifischen  ImmunitÀt 
verbunden  zu  sein,  wie  denn  auch  umgekehrt,  z.  B.  Staphylokokken- 
Infektionen,  zahlreiches  Vorhandensein  spezifischer  ImmunkrÀfte 
humeraler  und  zellulÀrer  Art  das  Auftreten  von  Bezidiven  keines 
wegs    ausschließt.     Auch    Typhus-,    Streptokokken-,    Influenz  < 
infektionen   weiden   vorwiegend   durch   unspezifische  Abwehr 
krĂ€lte  (unter  Mithilfe  von  spezifischen;  ĂŒberwunden.    Dabei  isl 
das  Auftreten  spezifischer   Beaktions  -  Körper  vielfach  nur 
als  bloße  Begleiterscheinung,  als  Neben-  oder  Nachwirkung  zu  be- 
werten, die  zwar  zum  Nachweis  und  nach   wiederholten  Unter 
suchungen,  auch  als  ungefĂ€hrer  Gradmesser  fĂŒr  spezifische  und 
unspezifische  aktive  Blut-  und  ZellimmunitĂ€l  dienen  kann,  fĂŒr  sich 
selbst    aber    keine   eigentliche    Abwehrmaßnahme  darzustellen 
braucht.    So  ist  denn  auch   die  Giflmcnge,  die  ein  bakterizides 
Serum  in  vitro  abzutöten  vermag,  auffallend  gering  gegenĂŒbei 
der  ungeheuren  Anzahl  von  Bazillen,  die  der  lebende  Körper 
bei  subkutaner  oder  inlraperilonealer  Injektion  zu  vernichten  im 
Stande  ist. 

Im  allgemeinen  sind  gegen  chronisch  verlaufende  In- 
fektionen wie  Tuberkulose  spezifische  SchutzkrÀfte  wirksam, 
gegen  akut  einsetzende,  mit  hohem  Fieber  verlaufende,  sowie 
gegen  Mischinfeklionen  zunÀchst  im  spezifische.  Doch  soll  auch 
bei  chronischen  Krankheiten  erst  eine  nicht-  spezifische  Behand- 
lung der  spezifischen  vorangehen. 

Die  meisten  spezifisch  eingestellten  Sera  wirken  in  dieser 
u  n  spezifischen  Weise,  also  nicht  unmittelbar  auf  die  Krankheils- 
erreger zerstörend,  sondern  zuvor  auf  den  Körper,  seine  allge- 
meine und  damit  meist  auch  seine  spezifische  Widerstandskraft 
hebend.  Das  Gleiche  gilt  fĂŒr  Blut-Transfusionen,  Einspritzung  von 
Normalserum  und  Milch,  Impfung  mit  Bakterien-Vakzinen,  seien 
sie  vön  pathogenen  oder  nicht  pathogenen  Mikroorganismen  her- 
gestellt. Die  grĂ¶ĂŸte  Wirkung  lĂ€ĂŸt  sich  hierbei  mit  Stoffen  er- 
zielen, in  denen  die  drei  Haupt-Antigene  (Eiwein-Beaktivkörper- 
Gemenge,  Lipoide,  animalische  Fettstoffe)  in  gĂŒnstiger  Mischung 
enthalten  sind  (Innen-Vollvakzine). 

Auf  die  gleiche  Steigerung  der  allgemeinen,  unspezifischen 
ImmunitĂ€t  lĂ€uft  —  nach  Much  —  letzten  Endes  auch  die  gĂŒnstige 
Wirkung  zahlreicher  anderer  vermeintlich  nicht  biologischer  Heil 
verfahren  vielfach  hinaus,  seien  es  nun  chirurgische  Maßnahmen. 
Chemotherapie,  DiÀt-  und  Hungerkuren,  Licht-  Luft-,  BÀder-Be- 
handlung, Massage,  Elektrisieren,  Magnetisieren,  Psychotherapie' 
(Es  gibt  also  auch  keine  unmittelbare  „Sterilisation  magna"!  1  Ueber 
den  Erfolg  all  dieser  verschiedenen  Behandlungsarten  kann  man 
sich  daher  jetzt  einheitlich  objektiv  unterrichten  durch  (vor  Be- 
ginn und  nach  Beendigung  der  Kur  vorzunehmende)  M<  ssung,  be- 
sonders der  u  n  spezifischen  Zell-ImmunitÀt,  was  eindeutig  nur 
durch  (intrakutane)  Injektion  unspezifischer  Partial-Anti- 
gene  geschehen  kann.  Wollte  man  nÀmlich  V  o  1 1  -  Erreger  als 
Antigen  benutzen,  so  wĂŒrde  ein  positiver  Ausfall  der  Proben 
nicht  den  Anteil  der  einzelnen  Partial-Antikörper  an  diesem 
Ergebnis  aufzuklÀren  vermögen,  ein  negativer  Ausfall  auch 
auf  Eigenhemmung  des  verwendeten  Gesamt-Antigens  beruhen 
können. 

Ueber  die  Reizleitung  im  peripheren  Nerven  und  im  Zentral- 
nervensystem. Die  StĂ€rke  des  Beizes  muß  zwar  einen  gewissen 
Schwellenwert  ĂŒberschreiten,  damit  die  von  ihm  im  Nerven  her- 
vorgerufene örtliche  Gleichgewichtsstörung  eine  bestimmte  Höhe 
erreicht,  wie  sie  zur  Auslösung  eines  Impulses  erforderlich  ist. 
DarĂŒber  hinaus  aber  ist  die  Impuls-StĂ€rke  unabhĂ€ngig  von  der 
ReizstÀrke,  wie  die  Tragweite  eines  Gewehres  von  der  auf  das 
AbdrĂŒcken  verwandten  Kraft.  Die  GrĂ¶ĂŸe  des  Impulses  ist  nach 
Adrian  meßbar  an  der  LĂ€nge  der  Strecke,  die  er  in  einem 
durch  Alkohol-DĂ€mpfe  geschĂ€digten  NervenstĂŒcke  noch  weiter  zu 
laufen  vermag.  WĂ€hrend  des  Durchganges  durch  ein  solches 
,.Dekrement"-StĂŒck  immer  schwĂ€cher  werdend,  nimmt  der  Impuls 
im  anschließenden  u  n  geschĂ€digt  gebliebenen  Nerventeil  sogleich 
wieder  die  alte  StĂ€rke  an,  sofern  er  nur  ĂŒberhaupt  bis  dahin 
durchdrang.  Auch  die  Einschaltung  mehrerer  Dekrement-Strecken 
in  die  vom  Impulse  zu  durchlaufende  Nervenbahn  vermag  seine 
StÀrke  nicht  zu  verringern. 

Bei  Reizung  eines  Nerven  an  einem  bestimmten  Querschnitte 
folgt  dort  einer  anfÀnglichen  kurzen  PeriodevölligerReiz 
I  a  u  b  h  e  i  t  eine  solche  mit  stufenweise  wiederkehren 
der  und  zuletzt  mit  gesteigerter  Erregbarkeit,  welche 
bald  wieder  zur  Norm  zurĂŒckkehrt.  Bemißt  man  nun  den  Zeitraum 
zwischen  mehreren  Beizen  so,  daß  die  eine  Reizung  immer  in 
die  von  der  vorausgegangenen  hinterlassene  Uebererregbarkeits 


I 


256 


Aus    den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —  Nr.  11. 


Phase  hineinfÀllt,  so  kommt  eine  Impuls-Steigerung  zustande.  (Von 
dieser  Art  der  „Summation"  ist  noch  eine  durch  rasche  Auf- 
einanderfolge mehrerer  an  sich  unterschwelliger  Reize  bewirkte 
„Summation  der  örtlichen  Gleichgewichtsstörung"  zu  unter- 
scheiden, die  zu  einem  normal  starken  Impuls  fĂŒhrt.) 

LĂ€ĂŸt  man  dagegen  Nervenreizungen  dichter  aufeinander 
folgen,  so  daß  jeder  von  ihnen  immer  in  eine  Phase  herabgesetzter 
Erregbarkeit  fÀllt,  so  entstehen  schwÀchere  Impulse,  erkenntlich 
daran,  daß  sie  ein  fĂŒr  normale  Impulse  eben  noch  wegsames 
Dekrement-StĂŒck  nicht  mehr  zu  ĂŒberwinden  vermögen. 

Nachdem  nun  die  GĂŒltigkeit  des  am  peripheren  motorischen 
Nerven  gewonnenen  „Alles  oder  Nichts"-Gesetzes  auch  fĂŒr  die 
sensible  Nervenfaser  wahrscheinlich  geworden  ist,  hat  Adrian 
es  auch  auf  das  z  e  n  t  r  a  1  e  Nervensystem  anzuwenden  versucht 
und  zur  ErklĂ€rung  der  auffallenden  Talsache  herangezogen,  daß 
ein  auf  nur  wenigen  Nervenfasern  zuströmender  Reiz  sich  ĂŒber 
viele  weit  verzweigte  zentrale  (und  periphere)  Nervengebiete  an- 
scheinend in  unverminderter  StÀrke  auszubreiten  vermag.  Ferner 
hat  er  unter  Hinweis  auf  das  in  maneher  Hinsicht  Dekrement- 
artige Verhalten  der  Synopsen  (Neuronen-Verbindungsstellen),  die 
einzelnen  Reizen  den  Durchgang  verwehren  können,  die  Möglich- 
keit aufgedeckt,  auch  im  Zentral-Nervensystem  Summation  und 
Hemmung  von  Impulsen  auf  einen  Wechsel  zwischen  rascherer 
und  langsamer  Reizfolgc  zurĂŒckzufĂŒhren.      Schnabel  (Gießend 

31.  Dezember  1921,  83,  Nr.  24. 

*J*L:eljer  Nieren-  und  Blasenste.ine  bei  Kindern.    Johansson.  S. 
❖Einiges  ĂŒber  die  Behandlung  der  akuten   HĂ€moptyse  bei  Lungentuberku- 
lose.   Ehrenberg,  L.  814. 
❖reber  den  Weit  der  Blutkultur  beim  Typhus.    Svartz.  X.  852. 

Ueber  Nieren-  und  Blasensteine  bei  Kindern.  Im  Anschluß  an 
die  kasuistische  Schilderung  einiger  FĂ€lle  von  Nieren-,  Harn- 
leiter- und  Blasensteiuerkrankung  bei  Kindern  wird  die  Verlan fs- 
eigenlĂŒmlichkeit,  Verbreitung,  Entstehung  und  Behandlung  des 
Steinleidens  im  Kindesalter  ausfĂŒhrlicher  besprochen. 

Die  nach  He  noch  beim  SÀugling  öfter  vorkommende 
schmerzhafte  Ausscheidung  sandkörniger  HarnsÀure-Konkremente 
hat  Verf.  nicht  beobachtet.  Bei  Nierensteinen  scheint  Blutharnen 
öfter  als  beim  Erwachsenen  ohne  jeden  Schmerz  aufzutreten;  um- 
gekehrt ist  bei  Blasensteinen  Schmerz  ohne  Blutabgang  nicht 
selten.  Des  Weiteren  wird  bei  Kindern  plötzliche  Unterbrechung 
des  Harnen  durch  Verstopfung  der  inneren  Harnröhren-MĂŒndung, 
sekundÀr  auch  prolapsus  ani  und  ein  durch  eigenhÀndiges  Zerren 
wÀhrend  der  SchmerzanfÀlle  zustande  gekommenes  lang  ausge- 
zogenes PrÀputium  hÀufig  beobachtet.  HarnsÀure-  und  Uratsteine, 
bei  ihm  lĂ€ngere  (?  „engere"  D.  Ref.)  Harnröhre  den  spontanen 
Abgang  kleinerer  Konkremente  erschwert. 

In  LĂ€ndern,  die  von  Steinleiden  besonders  heimgesucht  sind 
(Holland,  Oberschlesien,  England,  Rußland,  Griechenland,  TĂŒrkei, 
besonders  Aegypten),  sind  die  Kinder  unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  hĂ€ufig 
befallen,  was  vielleicht  z.  T.  damit  zusammenhĂ€ngt,  daß  diese  von 
den  dortigen  die  Krankheit  befördernden  ungĂŒnstigen  sozialen 
VerhÀltnisse  in  besonderem  Grade  betroffen  werden.  Die  auf- 
fallende Bevorzugung  des  mĂ€nnlichen  Geschlechtes  lĂ€ĂŸt  sich,  aller- 
dings nur  fĂŒr  die  Blasensteine,  u.  a.  darauf  zurĂŒckfĂŒhren,  daß  die 
bei  ihm  lĂ€ngere  (?  „engere"  zu  erwarten!  D.  Ref.)  Harnröhre 
den  spontanen  Abgang  kleinerer  Konkremente  erschwert. 

Daß  erbliche  Belastung  bei  der  Entstehung  des  Leidens  eine 
Rolle  mitspielt,  dafĂŒr  spricht  HĂ€ufung  von  Gicht  und  Steinleiden  in 
der  Verwandtschaft.  Es  ist  denkbar,  daß  sich  bei  derart  Belasteten 
die  physiologischen  HarnsÀure-Infarkte  der  Neugeborenen  allmÀh- 
lich zur  Steinkrankheit  auswachsen,  zumal  sich  die  AnfÀnge  des 
Leidens  bei  genauer  Anamnese  recht  weit  zurĂŒckverfolgen  lassen. 
Auch  auf  etwaigen  Zusammenhang  mit  in  frĂŒhester  Kindheit  ĂŒber- 
standener  Pyelocystitis  sollte  mehr  gefahndet  werden. 

Zur  Entfernung  von  Blasensteinen  hat  fĂŒr  alle  Lebensalter  die 
sectio  alt  vor  dem  lateralen  Perinealschnitt  VorzĂŒge.  Die  Litho- 
trypsie kommt  bei  Kindern  nur  vom  8.  Lebensjahre  an  in  Betracht 
und  erfordert  gerade  bei  ihnen  eine  Geschicklichkeit,  wie  man  sie 
nur  in  besonders  stark  befallenen  LĂ€ndern  zu  erwarten  Gelegen- 
heit haben  wird. 

Einiges  ĂŒber  die  Behandlung  der  akuten  Haemoptyse  bei  Lun- 
gentuberkulose. Der  Verf.  warnt  vor  der  schematischen  An- 
wendung narkotischer  Mittel  in  grĂ¶ĂŸeren  Dosen  bei  Haemoptoe 
als  einer  Scheintherapie,  die  in  Wirklichkeit  durch  UnterdrĂŒckung 
des  Hustenreizes  das  Vollbluten  der  Lunge  begĂŒnstige. 

Er  empfiehlt  zunÀchst  Verabreichung  von  Kochsalz  oder  2  >; 
Na  Br  per  os;  falls  daraufhin  die  Blutung  nicht  zum  Stehen  kommt, 
hohe  Abbindung  sÀmtlicher  Glieder  zur  Erzeugung 
einer  venösen  Stauung  in  ihnen,  die  nach  T  a  b  o  r  '  s  Unter- 
suchungen durch  Drucksenkuhg  im  rechten  Herzen  und  wahr- 
scheinlich auch  im  kleinen  Kreislaufe  eine  vorĂŒbergehende  Ver- 


engerung der  LungengefĂ€ĂŸe  hervorrufe.  Die  mit  GummischlĂ€uchen, 
StrĂŒmpfen,  HandtĂŒchern  leicht  zu  erreichende  Stauung  soll  noch 
20—30  Minuten  ĂŒber  den  Stillstand  der  Blutung  hinaus  aufrecht  er- 
halten und  danach  ganz  allmĂ€hlich  Glied  fĂŒr  Glied  aufgehoben 
werden.  Daneben  oder  danach  sind  bei  stÀrkeren  Blutungen  noch 
7  cem  einer  10  Prozent  Na  Cl-Lösung  intravenös  zu  injizieren. 

Ueber  den  Wert  der  Blutkultur  beim  Typhus.  Besonders  in 
der  1.,  aber  auch  noch  in  der  2.  Woche  des  Typhus  liefert  die  Blut- 
kultur sicherere  Ergebnisse  als  die  Agglutination,  vorausgesetzt, 
daß  eine  genĂŒgende  Menge  (10  cem)  defibrinierten  oder  besser  vor 
der  Gerinnung  sogleich  in  Ochsengalle  gebrachten  Blutes  zur 
Kultur  verwendet  und  u.  a.  2—3  Tage  im  Brutschranke  gehalten 
wird. 

In  einem  Falle  mit  mehrwöchigem  Nachfieber  wurden  noch  am 
letzten  Krankheitslage  Ty-Baz.  im  Blute  gezĂŒchtet,  in  einem 
anderen  besonders  schweren  Fall  noch  in  der  7  .Woche,  desgl. 
bei  einem  in  der  9.  Woche  aufgetretenen  Rezidive. 

Beachtenswert  ist  noch  die  Mitteilung,  daß  .seil  Kriegsende  in 
Frankreich  auffallend  wenig  TyphusfÀlle  in  den  KrankenhÀusern 
zur  Beobachtung  gekommen  sind,  unter  denen  die  Frauen  ĂŒber- 
wogen, was  fĂŒr  einen  langanhaltenden  vorbeugenden  Einfluß  der 
bei  den  HeeresĂ€ngehörigen  streng  durchgefĂŒhrt  gewesenen  Ty- 
Schutzimpfung  zu  sprechen  scheint.  Schnabel  (Gießen  l 

El  siglo  medico,  Madrid. 

28.  Januar  1922,  69,  Nr.  3555. 

‱Mntoxication  des   Labyrinths.     Calderin.  A.  M.  85. 
Diagnose    zweier   FĂ€lle    von    Hernia   diaphragniatica.     Castelleri.    S.  ; 
C.  89. 

Die  Niere  und  die  Glukosurien.  Caballero  y  Fe  r  n  a  n  d  c  i .  T.  93. 
Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien.  Antunano,  L.  M.  95. 
Cellular-Therapie1.    A  r  t  e  a  g  a  ,  D.  A.  97. 

Intoxication  des  Labyrinths.  Die  FÀlle  von  plötzlicher  Er- 
laubung nach  Gebrauch  von  Medikamenten  rĂŒhren,  nach  Ansicht 
des  Verfassers  daher,  daß  diese  Stoffe  die  Lipoide  der  Zelle 
zerstoßen  und  so  die  Zelle  lebensunfĂ€hig  zu  machen.  Auf  Grund 
dieser  Theorie  grĂŒndet  nun  Verfasser  seine  Therapie  bei  Er- 
taubungen nach  Einnahme  von  Medikament:  er  gibt  zuerst 
drastische  AbfĂŒhrmittel,  darauf  wiederholte  Injektionen  von 
Lipoiden,  schließlich  noch  Pilocarpin  subkutan  2  Tropfen  einer 
2  prozentigen  Lösung.  Verfasser  berichtet  dann  ĂŒber  zwei  FĂ€lle; 
bei  Fall  1,  der  nach  Gebrauch  von  Magnesiumeitrat  ertaubt  war, 
war,  wie  von  vornherein  anzunehmen,  der  Erfolg  negativ,  da  die 
Ertaubung  schon  zehn  Jahre  zurĂŒcklag;  bei  Fall  2  handelt  es 
sich  um  ein  zehnjÀhriges  MÀdchen,  das  an  Malaria  erkrankt  war, 
und  nach  Gebrauch  von  Chinin  plötzlich  ertaubte;  es  kam  am 
dritten  Tage  zur  Behandlung  und  hier  war  der  Erfolg  durchaus 
befriedigend:  nach  fĂŒnfmonatlicher  Behandlung  hat  es  sein  Ge- 
hör vollstÀndig  wieder  erlangt,  und  auch  die  anderen  Labyrinth- 
Erscheinungen,  wie  Schwindel  usw.  waren  vollkommen  ver- 
schwunden. Lurje. 

4.  Februar  1922,  C9,  Nr.  3556. 

Luxationen  im  Schultergelenk.    Goyanes.  S.  113. 
❖  Protozoosis  bei  Kindern,  beobachtet  in  SĂŒd-Peru.    E  s  c  o  m  e  1  .  E.  116. 
Behandlung  der  Lungentuberkulose  mit.  natĂŒrlichen  Mitteln.    V  i  1 1  c  g  a  s, 
R.  120. 

Die  Xiere  und  die  Glykosurien.    Caballero  y  Fernander.  J.  122. 

Protozoosis,  bei  Kindern  beobachtet  in  SĂŒd-Peru.    Bei  den 

Protozoen-Erkrankungen  der  Kinder,  die  in  Peru  sehr  hÀufig 
sind,  aber  in  Spanien  auch  nicht  allzu  selten  vorkommen,  ist  es 
von  grĂ¶ĂŸter  Wichtigkeit,  möglichst  bald  den  Erreger  der  Er- 
krankung mikroskopisch  festzustellen,  da  sich  danach  die  Thera- 
pie richten  muß.  Lurje. 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

September  1921,  19,  Nr.  9. 

‱^Radiotherapie  der  Thymushypertrophie.    S  p  o  1  v  e  r  i  n  i  .  L.  M.  513. 
Angio-tropho-neurotische  Erscheinungen  bei  Henochscher  Pirrpura.  F  r  o  n  I  a  1  I. 

G.  525. 

Beitrag  zur  Röntgenbehandlung  der  Thymushypertrophie.  Die 

Thymushyperplasie  der  SÀuglinge  ist  ziemlich  hÀufig  (sie  betrÀgt 
nach  amerikanischen  Autoren  9  °/0o),  sie  ist  entweder  ohne 
weiteres  erkennbar  und  bedingt  einen  bald  nach  der  Geburt  auf- 
tretenden, monatelang  dauernden  Stridor  oder  sie  bleibt  latent 
und  tritt  erst  wenn  Infektionskrankheiten  eine  weitere  Schwellung 
des  Organs  bedingen  hervor.  FĂŒr  jede  dieser  Kategorien  bringt 
Verf.  2  Beispiele.   Bei  einem  Fall  war  sogar  eine  erfolglose  In- 


KK  Jahrg.     Nr.  11. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


857 


tubation  vorgenommen  worden;  stets  ließ  sich  röntgenologisch 
eine  VergrĂ¶ĂŸerung  der  Thymus  erkennen;  nach  '  5  Bestrahlungen 
in  7  tagigen  Pausen  (RöhrenhÀrle  8  Waltor-.  1%  Holzknechtein- 
heiten,  Aluminiumfilter  von  2  mm),  gingen  die  Erscheinungen  und 
die  Hypertrophie  stets  zurĂŒck.  Intensivere  Bestrahlung  ist  schĂ€d 
lieh.  Fortsetzung  derselben  nach  erfolgter  Heilung  ĂŒberflĂŒssig. 

T  e  z  n  e  r  (Wien). 

Hivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

Oktober  1921.  19.  Heft  10. 

Aortitis  dpi  donnelt        parietalen  Aneurysma  des  A.orrnnhogre'is  heim  Kind" 

PI  n  o  Ii  e  r  I  e  .  M.  und  T>  a  I  ]  n  V  o  Ha.   \.  :-tt. 
ifrSchickisehc  Reaktion  beim  SĂ€uKliiiR-.     Fl  a  in  i  n  i  .  AI  (121. 

Die  Schicksche  Reaktion  hei  SĂ€uglingen.  Verf.  hat  an  .r>.r)0 
Kindern  von  3  Mon.  bis  Jahren  die  Sehicksche  Reaktion  ange- 
bellt und  folgende  Ergebnisse  erhallen:  Tm  Alter  von  3—4  Mon. 
17%  positive  Ergebnisse,  von  4—8  Mon.  29%,  von  8—12  Mon. 
36%,  von  1—2  Jahren  46%.  von  2—3  Jahren  50%:  in  den  ersten 
Lebensmonaten  waren  auch  die  positiven  Reaktionen  schwach: 
aucli  kĂŒnstlich  genĂ€hrte  SĂ€uglinge  wiesen  negative  Reaktion 
auf.  Von  130  stillenden  MĂŒttern  wiesen  00  positive.  130  negative 
Reaktion  auf:  von  den  Kindern  der  ersteren  waren  nur  4  nositiv, 
von  denen  der  letzteren  38.  Auch  zwischen  Ammen  und  den  von 
ihnen  gestillten  Kindern  zeigten  sich  Àhnliche  Differenzen;  daraus 
geht  hervor,  daß  das  Kind  weder  vor  der  Geburt  noch  nachher 
mit  der  Milch  Antikörper  zugefĂŒhrt  bekommt.  Menschen,  die 
aktive  ImmunitÀt  besitzen,  produzieren  auf  Injektion  von  Toxin- 
Antitoxingemischen  sehr  reichlich  Antikörper.  SÀuglinge  tun  dies 
nicht;  sie  sind  daher  wahrscheinlich  nicht  aktiv  immun.  Wie  die 
ImmunitÀt  zustande  kommt,  ist  noch  unklar        Tezmer  ("Wien'). 

November  1921.  19,  Nr.  11. 

I   Sr>:'i,«vnin'omf>  einer  hypertrophischen  kongenitalen  Pylorosto'io'jo.     M  e  n  si  . 
E.  (Sit, 

Chronische   Mediastiniiis   beim  K'iele.  Malt  ei  .   V.  li.'ifi. 

Lyon  Medical,  Lyon. 

2:..  Dezember  1921,  130,  Nr.  24. 

MaĂŒirner  Tumor  des  Xaso-Pharynx.    C  o  I  1  e  t  .  V.  .1.  und  C  a  n  d  a  in  i  n  .  I!. 
1077. 

Genitale    Mißbildung     (Uterus    bilocularis    mit    unilateraler  HĂ€matonietrie. 
('  b  a  in  p  e  1.  1082. 

Archives  de  Medecine  des  Enfants.  Paris. 

Dezember  1921,  24,  Nr.  12 

❖(>  FĂŒlle  von  Pa-rrotscher  Krankheit.    R  a  r  bi  er .  II.  7ia. 
♩Chronischer  Rheumatismus  beim  Kind:     Infektion   und  Kt'oehendvstroplii'n 
X  o  b  e  c  o  u  r  t  .  V.  und  N  a  d  a  1  ,  L.  781. 
<le«  i cht  einer  Mahlzeit.    C  a  in  e  s  e  a  s  s  e  .  J.  747. 
I    Schwere  Diphtherie.    Bio  e  Ii  ni  a  n  n  .  0.  und  Stiassnic,  .1.  Till. 

Chronischer  Rheumatismus  im  Kindesalter:  Infektion  und 
Knochendystronhie.  Die  frĂŒher  als  hĂ€ufiger  angesehene  Entwick- 
lung eines  chronischen  Gelenkrheumatismus  aus  einem  akuten 
ist,  wenn  sie  ĂŒberhaupt  vorkommt,  jedenfalls  sehr  selten. 
HĂ€ufiger  entwickelt  sich  die  chronische  Arthritis  nach  andern 
Infektionen,  wie  Gonorrhoe,  EntzĂŒndungen  im  Nasenrachenraum, 
auf  die  besonders  amerikanische  Aerzte  großes  Gewicht  legen, 
ausnahmsweise  nach  Scharlach.  Umstritten  ist.  noch  die  Rolle 
der  Tuberkulose  und  der  Svphilis  fĂŒr  die  Auslösung  einer  chroni- 
schen Arthritis,  und  Magendarmerkrankungen  hat  man  wohl 
mehr  in  dem  Bestreben  nach  Auffinden  einer  ErklÀrung  ange- 
schuldigt bei  FĂ€llen,  wo  eine  andere  Ursache  nicht  zu  erkennen 
war.  Da  alle  die  genannten  Infektionskrankheiten  immer  nur 
in  einem  sehr  kleinen  Bruchteil  der  FĂ€lle  zu  chronischer  Ar- 
thritis fĂŒhren,  gehört  zu  deren  Entwicklung  offenbar  eine  Be- 
reitschaft des  Kranken.  Bei  einem  nÀher  beschriebenen  eigenen 
Fall  von  chronischer  Arthritis  bei  einem  14  jÀhrigen  MÀdchen 
mit  Vaginnlgonorrhoe  bestand  eine  Hypoplasie:  die  KörperlÀnpc 
blieb  um  5  cm,  das  Gewicht  um  13  kg  hinter  dem  Alterschn-ch 
schnitt  zurĂŒck,  und  es  fehlte  jedes  Anzeichen  besinnender  Ent- 
wicklung. Die  Behandlung  der  Gonorrhoe  und  die  Anwendung 
von  OrganorĂ€naraten  (SchilddrĂŒse,  Hvnonhyse,  Nebennieren 
hatten  den  Erfolg,  daß  die  Erkrankung,  wenn  auch  nicht  restlos, 
ausheilte. 

Sechs  FÀlle  Parrotscher  Krankheit.  Röntgenbefund.  Be- 
■andlune  der  hereditĂ€rsyohilitisehen  Atrophie.  Von  (i  FĂ€llen 
Parrotscher  ScheinlÀhmung  waren  3  mal  beide  Arme.  1  mal  ein 


Hein  und  1  mal  beide  Heine  betroffen.  Im  Röntgenbild  erschienen 
die  Knochen  besonders  an  den  Enden  durchscheinend,  mit  Ab 
Lagerungen  unter  dem  Periost.  Im  einen  Fall  bestand  ein  SchrÀg 
bruch  im  unteren  Drittel  der  Diaphvsc  des  Oberschenkels,  in 
einem  anderen  ein  Querbrueh  oberhalb  der  Kondylen  des  Ober 
Schenkels  mit  einem  Bruch  zwischen  den  Kondylen  Von 
10  FĂ€llen  kongenitaler  Lues  winden  durch  die  Behandlung 
22  schnell  hergestellt,  9  wesentlich  gebessert.  Es  starben  9  FĂ€lle 
20,7%).  FĂŒr  die  Behandlung  bevorzugt  Barbier  bei  SĂ€ug- 
lingen mit  ErnÀhrungsstörung  das  Salvarsan  vor  dem  Queck- 
silber. Die  Anwendung  von  Salvarsan  nach  vorausgegangener 
Quecksilberbehandlung  kann  gutes  leisten,  wÀhrend  er  davoi 
warnt,  die  Behandlung  mit  Salvarsan  einzuleiten  und  eine  Be- 
handlung mit  Quecksilber  folgen  zu  lassen.  Er  bevorzugt  sub- 
kutane Injektionen  von  Sulfarsenol  in  Gaben  von  1  (bis  2—2%) 
Zentigramm  in  5tÀgigen  ZwischenrÀumen;  die  einzelne  Kur  be- 
steht aus  10 — 12  Einspritzungen  und  ist  nach  einer  Ruhepause 
von  einigen  Wochen  zu  wiederholen.  Die  Rehandlung  muß  sehr 
lange  forlgesetzt  werden.  H.  Vogt. 

rhe  British  medical  Journal,  London. 

4.  Februar  1922,  Nr.  3188. 

❖  Abdominali. eschworden  bei  Kindern.    Traser.  .1.  17.'). 

❖Fette  in  Beziehung;  zur  Entstehung  des  Kropfes.    M  e.  Garrison,  R.  178. 

Die  Diagnose  der  Aortcninstiffizienz.    B  r  o  e  k  h  a  n  k  .  E.  M.  191. 

"Die  RulKvBehandlund  der  akuten  KniegelenkentzĂŒndung.    O'C  o  n  o  r.  .1.  182. 

Ein   Eall   von    Fistulajejuno-eoliea   nach    Gastroenterostomie.     F  r  a.  n  k  a.  n  . 
C.  104. 

Die   Serologie   der  Hautleishmaniosis.     M  c.   Ki  n  stry,   W.   H.  185. 
Die    Behandlung;    der   Rattonbißkrankheit    mit    Xovarsenobillon.    B  r  i  g  K  s. 
X.  185. 

Abdominalbesehwerden  bei  Kindern.  Bei  Kindern  mit  akuten 
Bauchschmerzen  geht  die  Differentialdiagnose  wohl  fast  immer 
zwischen  Appendizitis,  Pneumokokkenneritonitis.  Intussuszeption. 
akutem  Darmverschluß,  Volvulus  und  Hernia  incarcerata.  Es 
ist  ein  ganz  gewöhnlicher  Fehler,  nicht  an  Appendizitis  zu 
denken,  weil  das  Kind  zu  jung  ist.  Auch  bei  SĂ€uglingen  ist  diese 
Krankheit  nicht  so  selten.  Verf.  glaubt  sogar,  daß,  wenn  ein 
SĂ€ugling  wiederholt  erbricht,  ohne  andere  Erscheinungen  zu 
zeigen,  die  Ursache  öfters  im  Appendix  zu  suchen  sei.  Wenn 
der  Appendix  tief  im  Becken  liegt,  findet  man  oft  Tenesmen  und 
DurchfÀlle.  Der  retrocoekale  Sitz  des  Appendix  kann  die  Dia- 
gnose außerordentlich  erschweren.  Man  sollte  bei  Kindern  immer 
eine  Harnuntersuchung  machen,  um  eine  Verwechselung  mit 
Pvelitis  auszuschließen.  Auch  iliocoekale  Lvmohadenitis  kann 
Ă€hnliche  Erscheinungen  geben;  auch  sind  schon  Verwechslungen 
mit  Pneumonien  und  Pleuritiden  vorgekommen. 

Bei  Pneumokokkenperitonitis  ist  die  Laparotomie  immer  an- 
gezeigt: oft  können  Bluttransfusionen  die  Behandlung  aufs  beste 
unterstĂŒtzen.  -  — 

Die  Intussuszeption  wird  namentlich  bei  den  armen  Leuten 
am  Ende  der  Woche  beobachtet;  dann  bekommt  der  Vater  sein 
Gehalt  und  die  Kinder  erhalten  ganz  ungeeignete  Leckerbissen, 
die  nach  Verf.  oft  die  Ursache  der  Erkrankung  sind.  Sehr  schwer 
kann  die  Differentialdiagnose  mit  Henochscher  Purpura  sein. 

Fette  in  Beziehung  zur  Ursache  des  Kropfes.  Verf.  fĂŒtterte 
Tauben  mit  Korn,  mit  Korn  und  sehr  viel  Butter  und  mit  Korn. 
Butter  und  Zwiebeln.  Die  SchilddrĂŒse  der  Tauben,  die  Korn  und 
Hutler  erhalten  hatten,  war  am  schwersten;  die  DrĂŒse  der  Tiere, 
die  nur  Korn  bekamen,  am  leichtesten.  Die  Tiere,  die  Korn  mit 
Butter  bekamen,  hatten,  wie  sich  bei  der  mik roskonischen  Unter- 
suchung zeigte,  eine  tvnische  BasedowschilddrĂŒse.  Zwiebeln 
scheinen  also  die  Tiere  teilweise  gegen  den  Einfluß  des  Fettes  zu 
schĂŒtzen.  Es  stellte  sich  weiter  heraus,  daß  die  OelsĂ€nre  das 
Entstehen  des  Kronfes  befördert,  dagegen  hat  z.  B.  Lebertran 
sar  keinen  Einfluß.  Man  muß  dabei  bedenken,  daß  Lebertran 
Tod  enthÀlt.  Weiter  hat  Verf.  Versuche  mit  Froschlarven  ange- 
stellt. Er  sah,  daß  Fette  das  Wachstum  verzögerten.  Kleine 
Dosen  Jod  neutralisierten  diesen  Einfluß  bei  Butter  und  bei  Oel- 
sÀnre aber  nicht  bei  Lebertran,  höchstens  konnte  Verf.  einige 
Male  beobachten,  daß  die  Verzögerung  nach  Lebertran  durch  Jod 
noch  gesteigert  wurde.  Auch  die  Entwickelung  der  SchilddrĂŒse 
wurde  durch  Fette  verzögert.  Wenn  die  Tiere  ein  Mehl-Eiweiß- 
gemisch mit  1  %  Jod  bekamen,  Wirde  die  Metamornhose  be- 
schleunigt. Gab  man  dann  noch  Butter,  so  nahm  die  Beschlwini- 
ffuncf  noch  zu.  Nahm  man  aher  Lebertran,  so  vvnrdc  die  Wir- 
kung des  Jods  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  wieder  aufgehoben. 

Koopman  (Haag"). 


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Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1 


The  British  medical  Journal,  London. 

11.  Februar  1922.  Nr.  3189. 

❖Per  Plexus  Choroideus  und  Psammomen.    B 1  a  Ad  -  S  u  t  t  o;n  .  .T.  »13. 
Die  Behandhing  lies  MagengeschwĂŒrs.    Haie  Wh  i  t  e  .  W.  214. 
Magensyphilis.    Galloway,  D.  j.  217. 

Die  Nachbehandlung  bei  akuten  Abdominalerkrankungeu.    Mol  es  w  o  r  tH 
W.  L.  218. 

Ein  Fall  von  primÀrem  Lungenkrebs.    H  a  v  n  e  s     U.  S.  und  G  as  k  c  II  , 
J.  V.  222. 

Erblindung  als  Folge  von  Influenza.    Den  y  er.  S.  E.  223. 
Leberabszeß  durch  Amoebcn.    Rogers.  E.  224. 

Der  Plexus  Choroideus  und  Psammomen.  Wenn  man  das 
histologische  Bild  des  Psammoms  mit  dem  des  Plexus  vergleicht, 
so  findet  man  eine  große  Uebereinstimmung.  Nur  findet  man  bei 
ersterem  eine  Infiltration  mit  Cholesterine.  Verf.  glaubt,  daß  das 
Psammom  aus  einer  lokalen  Hypertrophie  des  Plexus  entsteht, 
um  welchen  die  ZerebrospinalflĂŒssigkeit  ein  plastisches  Exsudat 
bildet.  Koopman  fHaag). 

The  Lancet,  London. 

4.  Februar  1922,  202,  Nr.  5136. 

Verdorbene.  Nahrung  und  Magen-Darmkrankheiten.  Mc.  C  n  r  r  i  *  o  n  .  R.  207. 
❖Versuche   ĂŒber   GeschwulstimmunitĂ€t.     Chambers.   H..   Scott.   O.  M. 
und  R  u  s  s  .  S.  207. 

♩Versuche  um  bei  Menschen  eine  GeschwulstimmunitĂ€t  herbeizufĂŒhren,  217. 

Röntgendiagnose  des  MagengeschwĂŒrs.    Barclay.  A.  E.  219. 

Serologische  Typhusdiagnose.    AN'  L  I  s  o  n  .  .T.  222. 
❖Das  erste  Stadium  des  senilen  Katarakts.    S  m  i  t  Ii  .  II.  22.!. 

Pest,  Cholera  und  Typhus  in  der  TĂŒrkei.    Olemo  w  ,  T.  G.  224. 

Versuche  ĂŒber  GeschwulstimniunitĂ€t.  Verf.  zerteilte  ein 
Rattensarkom  in  ganz  kleine  Teilchen,  die  mit  Röntgenstrahlen 
bestrahlt  wurden.  Dann  wurden  gesunde  Ratten  mit  wechseln- 
der Menge  der  bestrahlten  Geschwulst  geimpft.  Nach  einiger 
Zeit  (1 — 8  Wochen1)  entstand  eine  ImmunitĂ€t  gegen  Wachstum 
von  Sarkomen.  Die  ImmunitÀt  tritt  nicht  auf,  wenn  die  Be- 
zahlung zu  intensiv  gewesen  ist.  Verff.  haben  nun  Versucht, 
die  immunisierende  Substanz  aus  dem  bestrahlten  Gewebe  zu 
isolieren.    Diese  Versuche  sind  leider  nicht  gelungen. 

Versuche  um  bei  Menschen  eine  GeschwulstimmunitÀt  herbei- 
zufĂŒhren. Verff.  haben  bei  Krebskranken  ein  kleines  StĂŒck  des 
Tumors  ausgeschnitten  und  die  Zellen  bestrahlt  und  die  Kranken 
mit  dem  bestrahlten  Material  geimpft.  Die  Krankengeschichten 
sind  nicht  sehr  beweisend,  da  die  meisten  Patienten  zu  krank 
waren,  um  noch  eine  Besserung  zu  erwarten.  In  fĂŒnf  FĂ€llen  von 
Brustkrebs,  wobei  die  primÀre  Geschwulst  entfernt  wurde,  die 
regionĂ€ren  DrĂŒsen  aber  inoperabel  waren,  trat  eine  erhebliche 
Besserung,  vielleicht  eine  vollstÀndige  Heilung  ein. 

Das  erste  Stadium  des  senilen  Katarakts.  Die  erste  Erschei- 
nung ist  ungenĂŒgender  Visus  in  der  Ferne.  Erst  wenn  dieser 
einen  bestimmten  Grad  erreicht  hat,  werden  TrĂŒbungen  in  der 
Linse  beobachtet.  Zur  Behandlung  dieser  ersten  Stadien  emp- 
fiehlt Verf.  HyperÀmie  durch  subkonjunktivale  Einspritzungen 
von  Quecksilbercyanid.  Koopman  (Haag). 

The  Lancet,  London. 

11.  Februar  1922,  202,  Nr.  5137. 

Asthma  bronchiale.    I.  a  t  h  a  m  .  A.  261. 
Hypnose  und  Suggestion.     Bru  w  0  ,  W.  263. 
Behandlung  des  MagengeschwĂŒrs.     M  0  y  n  i  h  o  w  .   Ii.  267. 
Komnletter  Herzblock   mit   Sektionsprotokoll.     W  a  1  d  o     H    und  Hera- 
path.  271. 

Ein  neuer  Weg  zur  Berechnung  der  KörperoberflÀche.    F  e  I  d  m  a  n  .  W.  M. 
und  U  m  a  n  s  k  i     A.  .7.  V.  273. 

❖Eine  Praezipitationsreaktion   fĂŒr  Syphilis.  W  a  n  g  .   C.   Y.  274. 

Perforiertes  MagengeschwĂŒr.    M  i  1  s  0  m  .  E.  G.  D.  und  X  0  r  b  u  r  g    L  R 
C.  276. 

Pest,  Cholera  und  Typhus  in  der  TĂŒrkei.  II.    C  1  ©  m  c  w  ,  T.  G.  291. 

Eine  PrĂ€zipitationsreaktion  fĂŒr  Syphilis.  Verf.  bereitet  einen 
alkoholischen  Menschenherzexlrakt.  Zu  10  Gramm  des  Herzens 
werden  30  cm3  96  %  Alkohol  zugesetzt  und  einige  Male  ge- 
schĂŒttelt. Nach  3  Tagen  wird  filtriert  und  in  der  KĂ€lte  aufbe- 
wahrt. Vor  dem  Gebrauch  werden  1  Teil  Extrakt  mit  9  Teilen 
physiologischer  Salzlösung  gemischt.  Die  VerdĂŒnnung  ist  eine 
Woche  haltbar.  Jetzt  werden  in  ein  Röhrchen  10  Tropfen  Salz- 
löung  gebracht  und  in  eine  zweite  4  Tropfen.  Dann  kommen  in 
das  erste  Röhrchen  zwei  Tropfen  Serum  und  von  diesem  Ge- 
misch 4  Tropfen  in  ein  zweites  Röhrchen.  Zu  beiden  Röhrchen 
werden  jetzt  8  Tropfen  der  AntigenverdĂŒnnung  zugesetzt  und  die 
Röhrchen  werden  16—20  Stunden  bei  37  n  gelassen.   Die  Reaktion 


ist  positiv,  wenn  ein  feiner  makroskopisch  sichtbarer  Nied» 
schlag  entsteht.  Die  Resultate  stimmen  in  96  %'  der  FĂ€lle  r 
der  WaR  ĂŒberein.  Koopman  (Haag 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicag 

7.  Januar  1922,  78,  Nr.  1. 

❖  ErnĂ€hrung  und  Verdauungskrankheiten.    M  e  C  a  r  r  i  s  o  n  .  R.  l. 
❖Riesenwuchs  mit    hĂ€morrhagischer   Osteomvlitis    eines  Mittelhandknoche 

P  a  e  k  a  r  d  ,  M.  und  B  a  r  r  i  e  .  G.  8. 

❖  Radium  zur  Behandlung  des  Oesophaguskrebses.    Hanford.  C.  \\  .  10 
Mongolismus  bei  einem  Zwilling.    McEean.  S.  13. 

❖Transfus'ons-Reaktionff  und  Citration  d;'s  Bluter  n  der  Xadel.    1 1  a  r  t  in  a  u 
F.  W. 

❖Ursprung  und  Gewinnung  des  Salzes  in  Beziehung  zur  Gesundheit:  best 
ders  zum  .Todinnvangel  und  /.um  Kropf.    II  a  y  t  Ii  u  r  s  t  .  E.  It.  I-. 

Vereinfachung  der  Woodyatt-Methode  z'ir  Bestimmung  der  ErnÀhrung  bei  > 
ahetes.    Holmes.  W.  II.  22. 

❖  Behandlung  vor  der  Operation  zur  Erleichterung  der  postoperative'n  Ersch 

Hungen.    Gl  a  ß     S.  J.  und  Wallace.  H.  S.  21. 
Abdominale  MigrÀne.    B  r  a  m  s  .  W.  A.  26. 

Spontangeburt  in  einem  Falle:  von  dezentralisiertem  Uterus.  E  l  ll  i  n  .  1).  Q, 
❖Heliotherapie  bei  kindlicher  Rachitis.    H  e  ß  .  A.       und  G  u  t  m  a  n  ,M.  B. 
Asynchronismus  der  Respiration  bei  liibÀrcr  Pneumonie.  *C  o  1  e  m  a  n.  W. 

Fehlerhafte  ErnÀhrung  in  Beziehung  zu  Magen-Darmstöru 

gen.  Die  Magen-Darmstörungen  nehmen  unter  den  zivilisiert 
Völkern  entschieden  an  HÀufigkeit  zu.  In  England  litten  '2~> 
aller  in  Kliniken  Hilfe  suchenden  an  Magendarmkrankheiten.  D 
Zunahme  des  Krebses  in  Großbritannien  ist  lediglich  auf  ds 
Anwachsen  des  Magendarmkrebses  zurĂŒckzufĂŒhren.  Sehr  eig€ 
artig  ist  es.  daß  unzivilisierte  Rassen  im  wesentlichen  v< 
Magendarmkrankheilen  verschont  bleiben.  Der  Verfasser  fĂŒl 
diesen  Umstand  auf  die  ErnÀhrungsweise  der  unzivilisiert 
Völker  zurĂŒck,  diese  leben  meist  von  Milch.  Eiern,  FrĂŒchten  ui 
blĂ€ttreichen  Vegetabilien,  in  welchen  die  fĂŒr  den  Körper  n<j 
wendigen  Vitamine  vollstÀndig  enthalten  sind.  Diese  letzter 
werden  jedoch  durch  die  Zubereitung  der  Speisen,  wie  sie  bei  d 
zivilisierten  Völkern  ĂŒblich  ist,  geschĂ€digt  oder  zerstört,  in 
hierdurch  entstehen  im  weiteren  Verlaufe  die  mannigfachen  E 
krankungen  des  Magen-Darmkanals,  wie  sie  uns  die  heutij 
Klinik  vor  Augen  fĂŒhrt. 

Riesenwuchs  mit  hÀmorrhagischer  Osteomvlitis  eines  Mitte 
handknochens.  Kasuistische  Mitteilung:  16  jÀhriger  jungt 
Menscb  mit  Riesenwuchs,  Fehlen  von  Bart-  und  Achselhöhle! 
haaren.  Röntgenaufnahme  des  SchÀdels  zeigte  keine  VerÀnd 
rung  am  TĂŒrkensattel,  hingegen  konnte  röntgenologisch  eh 
hÀmorrhagische  Osteomylitis  festgestellt  werden.  Wennglen 
auch  ein  direkter  Beweis  fĂŒr  eine  Erkrankung  der  Hypophy 
nicht  zu  erbringen  war.  liegt  doch  die  Wahrscheinlichkeit  ein 
solchen  vor. 

Technik  der  Radiumanwendung  bei  Behandlung  von  Speis' 
röhrenkrebsen.  Die  Technik  der  Radiumanwendung  bei  Behan 
hing  von  Speiseröhrenkrebsen  wird  genau  erlÀutert.  Es  wurde 
mit  dieser  Behandlungsmethode  recht  gute  Erfolge  erzielt.  E' 
Teil  der  Patienten  wurde  geheilt.  Die  Dysphagie  wurde  g 
lindert.  Bei  der  Mehrzahl  der  Kranken  wurde  das  Leben  v< 
lÀngert.    Die  Gastrostomie  wird  vermieden. 

Transfusions-Reaktionen  und  Citration  des  Blutes  in  d< 
Nadel.  Nicht  hÀmolytische  Transfusions-Reaktionen  sind  meii 
durch  GerinnungsvorgÀnge  im  transfundierten  Blute  beding 
welche  ihrerseits  auf  SchĂ€digungen  der  BlutplĂ€ttchen  zurĂŒck zi 
fĂŒhren  sind.  Um  diesen  SchĂ€digungen  zu  begegnen,  muß  mal 
jeden  Kontakt  des  Blutes  mit  fremden  Substanzen,  jeden  Luftzi 
tritt  und  Verlust  der  KörperwĂ€rme  vermeiden  und  muß  das  g< 
rinnungshemmende  Mittel  hinzufĂŒgen,  sobald  das  Blut  die  Veij 
des  Spenders  verlĂ€ĂŸt.  Verfasser  hat  einen  Apparat  konstruier 
in  welchem  die  Citration  des  Blutes  in  der  Transfusionsnadel  b< 
werkstelligt  wird. 

Die  heutigen  Steinsalzquellen  in  Beziehung  zur  Gesundhei 

Die  Vereinigten  Staaten  beziehen  ihr  Salz  von  den  Inlandquelle 
durch  Ausdampfung  von  Salzwasser,  welches  meist  frei  von  Jo 
ist.  Das  Hauptvorratsmagazin  fĂŒr  Jod  bildet  das  Seewasser.  Ii 
Zusammenhang  hiermit  muß  darauf  aufmerksam  gemacht  wet 
den,  daß  Kropf  bei  Mensch  und  Tier  an  der  See  ungewöhnlic 
selten  vorkommt. 

Voroperative  Behandlung  zum  Zweck  der  Vermeidung  na« 
operativer  SchĂ€dlichkeiten.  Ein  großer  Teil  nachoperativer  un 
glĂŒcklicher  ZufĂ€lle  ist  durch  Acidose  und  traumatischen  Schocl 
bedingt.  Zur  Vermeidung  dieser  SchÀdlichkeiten  behandeln  di< 
Verfasser  den  Patienten  einige  Tage  vor  der  Operation  mit  Dar 


m. Jahn 


Nr.  II. 


A  ii 


n  e  u 


cstiii  Zeitschriften 


2.V.) 


reicbung  von  Alkalien.    Unmittelbar  vor  dem  Eingriff  geben  sie 
eine  Losung  von  Magnesiumsulfal  mit  Morphium.    Als  Narkose 
mittel  wird  Aether  angewandt.  Sic  Haben  mit  dieser  Behandlungs- 
methode sehr  gĂŒnstige  Resultate  erzielt. 

Die  Heilung  der  englischen  Krankheit  durch  Sonnen- 
bestrahlung. Durch  Sonnenbestrahlung  werden  nicht  nur  die 
charakteristischen  SchÀdigungen  bei  englischer  Krankheit  zum 
Schwinden  gebracht,  sondern  es  wird  auch  eine  Zunahme  'der 
anorganischen  Phosphate  im  Blut  erzielt.  Hiermit  ist  eine  che- 
mische Grundlage  fĂŒr  die  Anwendung  der  Heliotherapie  bei  eng- 
lischer Krankheil  geschaffen  und  der  erste  Beweis  fĂŒr  die  Beein- 
flussung des  Stoffwechsels  durch  die  Sonnenbestrahlung  ge- 
liefert. A.  MĂŒnzer. 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

14.  Januar  1922,  78,  Nr.  2. 

❖FrĂŒdiaguose  der  Lungertuberkulose.    Brown,  L,  79. 
JtAuftre>ten  von  DiphyUobothrium  Latum.    Calvin,  J.  K.  H4. 
♩Behandlung  der  KinderlĂ€hmung.    F  e  i  Ii  ,  H.  0.  85. 
♩Neuritis  optica  bei  Serumkrankheit.    Mason,  V.  R.  88. 

g  Forensische  Anwendung  der  Ottenbergschen  Blutgruppenlehre.  B  u  e  h  a  n  a  11, 
J.  A.  89. 

♩Intravenöse  Glukoseinjektioneu  bei  Schwaugersebafts-ToxĂ€mie.    Titus,  P. 

und  U  i  v  e  n  s  .  M.  H.  92. 
♩Anormaler  Geburtsverlauf  infolge  Zusammeuschnurung  eines  Schenkels  bei 

einem  in  Kopflage  geborenen  Kinde  durch  die  Cervix.    G  r  e  e  n  h  i  1 1  , 

J.  P.  98. 

♩Klinische   Anwendung   des   HörverstĂ€rkers.     M  y  r  e  s  ,   M.  J. 
Diagnose  des  Diabetes.    John,  H.  J.  103. 

Einige  GrundsĂ€tze  zur  FrĂŒhdiagnose  der  Lungentuberkulose. 
Der  Verdacht  auf  Lungentuberkulose  ist  immer  gerechtfertigt, 
«venn  Bluthusten,  BrustielientzĂŒndung  mit  Erguß,  auffĂ€llige  Er- 
mĂŒdbarkeit, andauernder  Husten,  Gewichtsverlust  und  Anaiiistein 
vorhanden  sind.  Die  fĂŒnf  Kardinalpunkte  fĂŒr  die  Diagnose  der 
Lungentuberkulose  sind:  Tuberkelbazillen,  mĂ€ĂŸig  grobe  Rassel- 
gerÀusche und  eine  röntgenologisch  festzustellende  VerÀnderung 
des  Lungengewebes  ĂŒber  der  zweiten  Rippe  und  dem  dritten 
Brustwiroel,  Haemoptoe  und  Pleuritis  mit  Erguß.  Wenigstens 
ein  oder  zwei  dieser  diagnostischen  Merkmale  mĂŒssen  fĂŒr  die 
Diagnose  der  Lungentuberkulose  gefordert  werden.  Fehlen  alle 
fĂŒnf,  so  kann  das  Vorhandensein  einer  Lungentuberkulose 
negiert  werden;  jedoch  wird  man  sich  in  ein  bis  zwei  Prozent 
d|r  FÀlle  hierbei  irren.  Die  Röntgendurchleuchtung  kann  eine 
Lungentuberkulose  enthĂŒllen,  wenn  selbst  alle  anderen  Metho- 
den versagen.  Die  Diagnose  der  klinischen  AktivitĂ€t  stĂŒtzt  sich 
in  der  Hauptsache  auf  die  Symptome  und  nicht  auf  die  phy- 
sikalischen Merkmale. 

Die  Behandlung  der  KinderlÀhmung  auf  der  Grundlage  phy- 
siologischer Indikationen.  Wir  haben  dreierlei  Arten  motorischer 
l'Ă€tigkeit  bei  den  quergestreiften  Muskeln  zu  unterscheiden:  1.  die 
bewußte,  durch  eigene  Anstrengung  vermittelte;  2.  die  unter- 
bewußte; 3.  die  reflektorische.  Es  wird  der  Vorschlag  gemacht, 
liese  drei  Arten  der  physiologischen  MuskellĂ€tigkei*  fĂŒr  die  Be- 
landlung  der  KinderlĂ€hmung  heranzuziehen.  GrĂ¶ĂŸere  Kinder 
nĂŒssen  dazu  angehalten  werden,  die  gelĂ€hmten  Gliedmaßen  zu 
gebrauchen.  Es  muß  z.  B.  baldmöglichst  der  Versuch  gemacht 
Verden,  sie  gehen  und  stehen  zu  lassen.  Bei  kleineren  Kindern 
ind  SĂ€uglingen  kommen  naturgemĂ€ĂŸ  nur  unterbewußte  und  re- 
lektorische  Bewegungen  in  Frage.  Man  erreicht  dies  dadurch,  in- 
lem  man  z.  B.  die  Haut  eines  gelÀhmten  Gliedes  mit  einer  Kamel- 
laarbĂŒrste  kitzelt  oder  bestreicht.  Man  kann  auch  andere  Reize 
mwenden.  —  So  wurde  z.  B.  ein  Baby,  das  den  linken  Arm  nicht 
'ewegle,  an  die  Mutterbrust  gelegt,  indem  man  den  rechten  Arm 
urĂŒckhielt;  es  lernte  darauf  bald  mit  dem  linken  Arm  nach  der 
Jrust  zu  greifen.  —  Verfasser  will  mit  dieser  Methode  gĂŒnstige 
tesultate  erzielt  haben. 

Neuritis  optica  bei  Serumkrankheit.  Pneumoniker,  mit  Anti- 
neumokokkenserum  behandelt,  erkrankt  am  neunten  Tage  an 
chwerer  Serumkrankheil,  im  Verlauf  deren  sich  eine  doppel- 
eitige  SehnervenentzĂŒndung  entwickelt.  —  Wesentliche  Seh- 
törungen  wurden  nicht  beobachtet.  Die  Neuritis  heilte  nach  drei 
Ionaten  ab. 

\  Intravenöse  Traubenzuckerinjektionen  bei  Schwangerschafts- 
>xaemie.  Mit  intravenösen  Traubenzuckerinjektionen  werden 
ei  Schwangerschaftstoxaemie,  insbesondere  bei  Eklampsie,  gĂŒn- 
stige Erfolge  erzLlt.  Der  Nutzen  dieser  Therapie  scheint  auf 
>em  Kohlehydratmangel  zu  beruhen,  den  der  mĂŒtterliche  Organis- 
mus in  solchen  FĂ€llen  aufweist.  Auch  bei  Schwangerschafts- 
jrbrechen  und  bei  Chorea  gravidarum  hat  diese  Behandlungs- 
;eise  sichtbaren  Nutzen  gestiftet. 


Erschwerte  Geburt  infolge  AbnchnĂŒrung  eines  Schenkels 
durch  dir  Cervi\  bei  einer  SchĂ€delluge.  .Seltene  GeburtsanomaÜe: 
Das  Kind,  bis  zum  Nabel  geboren,  konnte  nicht  weiter  entwickelt 
werden.  Als  Ursache  der  Geburtshemmung  ergab  sich  ein 
Krampf  der  Cervix,  wodurch  das  i  echte  Bein  fest  umschnĂŒrt 
wurde,  lndeß  nach  ganz  tiefer  Narkose  gelang  es  mit  MĂŒhe  den 
Finger  in  den  Uterus  einzufĂŒhren  und  dann  die  Geburt  zu 
vollenden 

Die    klinische    Anwendung    des    HörverstÀrkers.     Die  Auf 

merksamkeit  der  medizinischen  Wissenschaft  wird  in  der  vor- 
liegenden Arbeil  auf  die  hervorragende  Bedeutung,  welche  die 
Vacuumröhre  in  der  Fernsprechtechnik  erlangt  hat,  hingelenkt. 
Sie  hat  die  FĂ€higkeit,  die  elektrischen  Wellen  eines  Telephon- 
bezirks zu  verstĂ€rken  und  wird  somit  der  Beginn  eines  „Mikro- 
skops" fĂŒr  das  Ohr  werden.  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

American  Journal  of  Diseases  of  Children,  Chicago. 

22,  Nr.  6. 

❖Bltituntersuchungeu  bei  Xeugeboreaen.  Morphologie;  Chemie;  Gerinnuug; 
Urobilin  und  Bilirubin.  Lucas.  W.  P.,  D  e  a  r  i  n  g  ,  B.  F.,  Ho  Oh- 
ler, H.  R.;  Cox,  A.,  Jones,  M.  R.;  Smith,  Scott  F;  525. 

❖Die  klinische  Bedeutung  des  Kalkgehalts  des  Serums  und  die  Fehlerquellen 
bei  seiner  Bestimmung.  Frame  r,  B.,  T  i  s  d  a  1 1,  F.  F.  Howlan  d, 
J.  560. 

♩Geuitaltuberkulose  bei  Knaben.    Delling  er  Barney,  J.  565. 
Traumatische  Zwerchfelilhernie  bei  einem  achtjÀhrigen  Madchen.    G  o  r  d  o  n  , 
AI.  B.  und  Golan,  D.  L.  579. 

♩Msoagglutinine  im  Blut  des  Neugeborenen.    Jones,  B.  B.  598. 
‱Mufektiouswege  bei  Pyelitis.    Helmliolz,  H.  F.  606. 

❖Untersuchungen  ĂŒber  SĂ€uglingsernĂ€hrung.  15.  Beziehung  des  Kalks  der  Kuh- 
milch zur  Verdauung  und  Resorption  des  Kaseins.  Kaseingerinnsel  im 
Stuhl.    B  o  s  w  o  r  t  h  .  A.  F.  613. 

Blutuntersuchungen  an  Neugeborenen.  Morphologische,  chemi- 
sche Untersuchungen;  Gerinnung,  Urobilin  und  Bilirubin. 
Die  an  mehr  als  150  Kindern  in  den  ersten  Lebenstagen  ausgefĂŒhr- 
ten Untersuchungen  fĂŒhrten  zu  folgenden  Ergebnissen:  Der  Haemo- 
globingehalt  des  Blutes  sinkt  von  117  Prozent  am  ersten  Tage  auf 
yl  Prozent  am  zwölften  Lebenstage;  die  Zahl  der  roten  Blut- 
körperchen von  5  511000  auf  4  533  000.  Der  von  Schiff 
bei  spÀter  Abnabelung  beobachtete  Anstieg  der  Blutkörperchen- 
zahl am  2.-^1.  Lebenstage  fiel  nicht  auf.  Am  ersten  Lebenstag 
hatten  52  v.  H.  der  Kinder  kernhaltige  rote  Blutkörperchen  (1  Pro- 
zent bei  DifferentialzÀhlung),  am  2.  Tag  nur  5  v.  H.  (0,5  Prozent 
bei  DifferentialzÀhlung).  In  den  ersten  Lebenstagen  kommen  in 
den  GrĂ¶ĂŸenverhĂ€ltnissen  der  roten  Zellen  stĂ€rkere  Schwankungen 
vor.  Blutschatten  und  basophile  Granulation  sind  bei  Neugeborenen 
hĂ€ufiger  als  sonst.  Die  Zahl  der  weißen  Blutkörperchen 
sinkt  von  19  200  am  1.  Tag  auf  13  200  am  12.  Tag.  Der  Anteil  der 
polymorphkernigen  Zellen  sinkt  von  70  auf  30  v,  H.  und  die  Zahl 
der  kleinen  Lymphozyten  steigt  von  20  auf  48  y,  H.  Das  durch  Si- 
nuspunktion gewonnene  Blut  ist  etwas  reicher  an  roten  Blut- 
körperchen, Farbstoff  und  Leukozyten  als  das  Kapillarblut.  Die 
Zahl  der  BlutplÀttchen  sinkt  von  305  000  am  1.  auf  266  000 
am  12.  Lebenstag. 

Der  Gehalt  an  Reststickstoff  sinkt  von  40,6  mg  auf 
100  cc  Blut  beim  Neugeborenen  bis  zum  12.  Lebenstag  auf  27,6  mg; 
der  Harnstoffgehalt  von  18  auf  13,6  und  der  HarnsÀure- 
stickstoff  von  3,27  auf  1,72  mg.  Eine  geringe  Abnahme  —  von  1,72 
auf  1,11  —  erfĂ€hrt  auch  der  Gehalt  an  Kreatinin  Stickstoff.  Im 
Gegensatz  dazu  steigt  der  Zucker  gehalt  von  0,066  auf  0,083  v.  H. 
und  der  Gehalt  an  KohlensÀure  von  55,7  auf  58,3  Volumprozent.. 
Der  Kalkgehalt  des  Gesamtblutes  bleibt  mit  8,8  mg  auf  100  cc 
nur  .wenig  hinter  dem  Ă€lterer  SĂ€uglinge  (9,5  mg)  zurĂŒck.  Der 
Kalkge'halt  der  Blutkörperchen  betrug  5,  der  des  Plasmas  12,3  mg. 
—  Die  Bestimmung  der  Gerinnungszeit  lieferte  den  bemer- 
kenswerten Befund,  daß  eine  verlĂ€ngerte  Gerinnungszeit  eine 
regelmĂ€ĂŸige  Begleiterscheinung  der  ersten  vier  Lebenstage  bildet: 
die  Gerinnung  trat  erst  nach  15  Minuten^  spĂ€terhin  nach  11 — 12  Mi- 
nuten ein.  Die  B  1  u  t  u  n  g  s  z  e  i  t  betrug \y2 — 3  Minuten.  Die  Ver- 
lÀngerung der  Gerinnungszeit  ist  weder  auf  einen  Kalkmangel 
noch  auf  einen  Mangel  an  BlutplĂ€ttchen  zurĂŒckzufĂŒhren;  sie  er- 
wies sich  auch  als  unabhÀngig  vom  Bilirubingehalt  des  Blutes. 
Sie  findet  ihre  ErklÀrung  in  der  verminderten  Prothrombinmenge. 
Die  RetraktilitÀt  ist  regelrecht;  eine  gesteigerte  Fibrinolyse  ist 
nicht  im  Spiel.  Es  gelang  nicht,  mit  einem  Verfahren,  das  bei 
Ă€lteren  SĂ€uglingen  leicht  zum  Ziele  fĂŒhrt,  Urobilin  im  Stuhl  von 
Kindern  der  ersten  12  Lebenstage  nachzuweisen.  Im  Oxalatplasma 
ließ  sich  auf  kolorimetrischem  Wege  der  Gehalt  an  Gallen- 
farbstoff  bestimmen.  Unter  90  SĂ€uglingen  zeigten  72  Gallen- 
farbstoff im  Blut.  Das  kolorimetrische  Verfahren  erwies  sich  in 
den  ersten  Lebenstagen  als  empfindlicher  im  Vergleich  zur  klini- 
schen Feststellung  eines  Ikterus;  etwa  vom  3.  Lebenstage  ab 
stimmten  aber  die  Befunde  ziemlich  gut  ĂŒberein.   Der  Gehalt  des 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Xr. 


Blutpiasmus  an  Bilirubin  erreicht  im  Durchschnitt  der  FĂ€lle  am 
3.  Leuensiag  aen  iionepuukt  mit  21  mg  aul  lUU  cc  Plasma  unct  sinkt 
bis  zum  14.  'lag  aul  b  mg.  halle  mit  starkem  Ikterus  erreichen 
den  nonepunki  an  biliruningehait  erst  spater  als  der  ljurchschnitt 
und  keinen  langsamtr  zu  regelrechten  Vverten  zurĂŒck.  Im  iNaßel- 
scunurmut  erganeii  2  bestimmungen  mit  4,7  mg  einen  wesentlich 
niedrigeren  \vert  als  im  diu  ues  iNeugeßoreiu-n. 

Bedeutung  der  Kalkkonzentration  im  Serum  und  die  Fehler- 
quellen uer  jbesummung.  Der  Kalkgehalt  des  Serums  erwies  sich 
hei  senr  zahireicnen  ßestimmungen  als  auneroruentiicn  gleich- 
mÀhig.  Dasselbe  Verhalten  fand  sich  bei  Versuchstieren.  So 
wurucn  ermiiieit  ßeim  nunu  11,1;  ßeirn  bcnaf  iu,Ü;  nei  uer  Hatte 
9,5  mg  Kalk  in  100  cc  berum.  r>eim  gesunden  brwachsenen  ent- 
hĂ€lt uas  berum  durclischntttiich  y — lu,o  mg,  beim  gesunden  Kind 
etwas  mehr,  nĂ€mlich  10 — 11  mg.  Die  einzigen  Krankiieiten,  bei 
denen  eine  Verminderung  des  Kalkgehalts  im  Sei  um  geiunden 
wurde,  sind  die  aktive  Tetanie  und  die  Niereninsullizienz,  wie  sie 
bei  JNepnritis,  aber  auch  bei  schweren  akuten  FrnÀnrungssiörungen 
mit  W  asserverarmung  vorkommt.  So  wurden  bei  31  FĂ€llen  von 
Tetanie  Werte  von  3,7 — 7,4  mg,  durchschnittlich  5,8  mg  ermittelt 
und  ßei  12  von  20  FĂ€llen  von  Nierensuttizienz  gleichfalls  deutlich 
herabgesetzte  Werte.  Bei  7  FĂ€llen  von  Skorßut  war  der  Knlk- 
gehait  im  Gegensatz  zu  dem  beiund  von  H  e Ii  und  K i  1  Ii  a  n  nicht 
vermindert,  eDensowenig  konnte  die  von  Denis  und  Tal  bot 
angegeßene  Herabsetzung  bei  Pneumonie  bestĂ€tigt  werden.  Die 
Blutkörperchen  enthalten  entgegen  anderslautenuen  Angaben  kein 
Kalzium.  Durch  Kalkgehalt  uer  zur  Veraschung  benutzten  Sal- 
petersaure, ebenso  durcn  Kalkgehalt  des  Fillrierpapiers  können  zu 
hohe  W  erte  vorgetÀuscht  werden.  Andererseits  ist  zu  beachten, 
daß  oxalsaurer  Kalk  nicht  völlig  unlöslich  in  Wasser  ist,  und 
dali  zur  AusfĂŒllung  des  Kalks  ais  Oxalat  eine  AziditĂ€t  von  I  M 
5,2 — 0,2  die  gĂŒnstigste  ist,  wĂ€hrend  bei  steigender  Alkaleszenz  in 
zunehmendem  Mahe  Kalk  als  Phosphat  ausgefÀllt  wird.  Kalk- 
pnospnat  aßer  gißt  ßei  Titration  mit  Kaliumpermanganat  zu 
niedrige  Werte.  Da  Natriumzitrat  die  Alkaleszenz  erhöht,  muß  es 
vor  dem  Gebrauch  gegen  Lakmtts  mit  ZitronensÀure  neutralisiert 
werden. 

Genitaltuberkulose  bei  Knaben.  Verfasser  berichtet  ĂŒber 
11  FĂ€lle  von  Genilaltuberkulose  bei  Knaben,  die  sich  ziemlich 
gleichmĂ€ĂŸig  auf  das  ganze  Kindesalter  verteilen.  Das  jĂŒngste 
Kind  war  9  Monate,  das  Àlteste  14  Jahre  alt.  WÀhrend  bei  Er- 
wachsenen die  Erkrankung  meist  (30 — 75  v.  H.  der  FĂ€lle)  doppel- 
seitig auftritt,  waren  nur  bei  3  Kindern  beide  Seiten  befallen.  Der 
Hoden  wird  seltener  von  der  Tuberkulose  ergriffen  als  der  Neben- 
hoden. Unter  G  FĂ€llen,  bei  denen  darauf  geachtet  wurde,  waren 
Prostata  und  Samenblasen  5  mal  unverÀndert.  Nierentuberkulose 
bestand  nur  1  mal  gleichzeitig  mit  der  Tuberkulose  des  Nehm 
hodens.  Das  Schicksal  der  Kinder  hĂ€ngt  ĂŒberwiegend  von  Art 
und  Zahl  der  sonstigen  tuberkulösen  Herde  im  Körper  ab.  In 

5  FĂ€llen  war  die  Lunge  nachweislich  befallen,  2  mal  bestand  eine 
Bauchtuberkulose,  2  mal  Knochentuberkulose,  1  mal  Tuberkulose 
der  HalsdrĂŒsen,  2  mal  chronische  wahrscheinlich  tuberkulöse  Mit- 
telohrentzĂŒndung. 

Traumatische  Zwerchfellhernie  bei  einem  8jÀhrigen  MÀdchen. 
Bei  einem  MĂ€dchen  von  8  Jahren,  das  ĂŒberfahren  worden  war,  be- 
stand eine  Zwerchfellhernie  der  linken  Seite,  die  zunÀchst  ver- 
kannt wurde:  man  nahm  eine  Pseudodextrokardie  aus  unbekannter 
Ursache  an.  Erst  das  Röntgenbild  klÀrte  den  Sachverhalt  auf.  Die 

6  Monate  nach  dem  Unfall  ausgefĂŒhrte  Operation  war  erfolgreich. 
In  jedem  Fall  von  anscheinender  Dextrokardie  sollte  die  physi- 
kalische Untersuchung  unter  BerĂŒcksichtigung  der  Möglichkeit 
einer  Zwerchfellhernie  im  Liegen  und  in  aufrechter  Haltung  durch- 
gefĂŒhrt werden.  Die  Röntgenuntersuchung  nach  Aufnahme  einer 
Kontraslmahlzeit  sichert  die  Diagnose. 

Isoagglutinine  im  Blut  des  Neugeborenen.  Von  197  Blutproben 
von  Neugeborenen  konnten  79  v.  H.  in  eine  der  anerkannten  vier 
Isoagglulinalionsgruppen  eingereiht  werden.  Es  hat  den  Anschein, 
daß  die  Zellen  der  Neugeborenen  vollstĂ€ndig  mit  Rezeptoren  aus- 
gerĂŒstet sind.  Das  Serum  von  Neugeborenen,  deren  Zellen  in 
Gruppe  II  gehörten,  agglutinierte  Zellen  der  Gruppen  I  und  III 
in  72,8  v.  H.  der  FĂ€lle.  Das  Blut  mit  Zellen  aus  Gruppe  III  aggluti- 
nierte Zellen  aus  Gruppe  I  und  II  in  81,5  v.  H.  der  FĂ€lle,  und 
solches  aus  Gruppe  IV  die  Zellen  aus  I,  II  und  III  in  81,7  v.  H. 
der  FĂ€lle.  Eine  Untersuchung  der  Isoagglutinine  des  Serums  von 
Gruppe  IV  ergab,  daß  entweder  Isoagglutinin  „a"  oder  „b"  oder 
beide  zugleich  vorhanden  waren.  Isoagglutinine  konnten  im  Blut 
eines  7  monatlichen  Foetus  nachgewiesen  werden.  Eine  schwache 
Form  von  Auto-Agglutination  war  in  14,2  v.  H.  der  geprĂŒften 
Seren  von  SĂ€uglingen  nachweisbar.  Etwa  14  v.  H.  der  SĂ€uglings- 
sera haemolysierten  ausgewaschene  Zellen  in  DeckglasprÀparaten 
bei  ZimmerwÀrme.  Der  Nachweis  von  Isoagglutininen  und  Iso- 
haemolysinen  warnt  zur  Vorsicht  bei  Transfusionen. 


Isohacmolysine  in  menschlichem  Blut  mit  besonderer  BerĂŒ  - 

sichtigung  des  Bluts  der  Meugeborenen.  bei  Untersuchung  \n 
121  Blutproben  von  Neugeborenen  und  144  vom  Erwachsenen  f.  - 
den  sich  lsohaemoiysine  in  27,3  bezw.  88,5  v.  H.  der  Proben  1  s 
Gruppe  11,  111  und  TV.  Die  lsolysine  im  Serum  der  Erwachsex  n 
sind  im  allgemeinen,  aber  keineswegs  immer,  etwas  krÀftiger  s 
die  der  SĂ€uglinge.  Das  in  den  Gruppen  111  und  IV  vorkommei i 
lsohaemolysin  „a"  ist  nach  der  Geburt  viel  hĂ€ufiger  vertreten  s 
lsohaemolysin  „b ".  Beim  Erwachsenen  ist  dies  Verhalten  weniji 
ausgesprochen.  Bei  Verwendung  eines  Ueber Schusses  von  2  r  i 
mit  physiologischer  Kochsalzlosung  gewaschenen  roten  Bl 
korperchen  zeigt  sich  eine  Hemmung  der  Haemolyse,  die  auf  1 
Wesenheit  eines  Antihaemolysins  in  der  Zellaufschwemmung  1 
beruhen  scheint. 

Der  Infektionsweg  bei  Pyelitis.  Ganz  dieselben  klinischen  1 
scheinungen  begegnen  uns  bei  Rindenabszessen  in  der  Niere, 
Infektion  des  Nierenbeckens,  des  Ureters  und  der  Blase,  einer;, 
ob  duse  einzeln  oder  zu  mehreren  ergrilfen  sind.  Der  von  L  a  n  t 
und  S  o  1  d  i  n  erhobene  Befund  des  regelmĂ€ĂŸigen  Vorkommens  et 
Streptococcus  lacticus  konnte  nicht  bestÀtigt  werden.    Bei  Unt 
suchung  von  70  Kindern  wurde  der  Harn  in  30  FĂ€llen  steril 
Funden.   Auf  flĂŒssigen  NĂ€hrböden  blieben  bei  108  Untersuchung: 
die  Kulturen  59  mal  steril,  auf  festen  NÀhrböden  bei  75.  Nur  8  n  ) 
uc  lang  der  Nachweis  des  Streptococcus  lacticus.    Nur  bei  10  v 
108  l  ntersuchungen  fanden  sich  mehr  als  10  Keime  im  Kub 
Zentimeter.    Aus  den  Befunden  von  Thiemich  ist  bemerke] 
wert,  daß  trotz  schwerer  VerĂ€nderungen  in  den  Nieren,  bei  der 
reichlich  Infektionsslolle  in  das  Nierenbecken  kommen  mußt 
sich    in  diesem   keine    VerÀnderungen   eingestellt  haben.  A 
( xperimentellen   Untersuchungen   ĂŒĂŸer  Erzeugung   von  Pyeli 
scheint  hervorzugehen,  daß  bei  hĂ€malogener  Infektion  die  Rind< 
VerĂ€nderungen  ĂŒberwiegen   und  der  entzĂŒndliche  Vorgang 
Nierenbecken  sich  vorzugsweise  an  den  Papillen  abspielt. 
Gegensatz  dazu  zeigt  sich  bei  aufsteigender  Infektion  die  W'ai 
Schleimhaut    des   Nierenbeckens   hauptsÀchlich    betroffen.  I 
experimentelle  haemalogene  Infektion  geht  nicht   selten  eint 
unter  dem  Bild  einer  einfachen  entzĂŒndlichen  Pyelitis,  wenn  I 
auch  meist  zu  Nierenabszessen  fĂŒhrt.    An  Kaninchen  mit  unv< 
schrien  Harnorganen  fanden  II  e  1  m  h  o  1  z  und  B  eeler.  d 
die  aszendierende  Infektion  zuweilen  ĂŒber  die  LymphgĂ€nge  cj 
Urethers  und  des  Nierenbeckens  weitergeht,  in  anderen  FĂ€ll 
auch  sich  in  der  Lichtung  des  Urethers  fortbewegt. 

Untersuchungen  ĂŒber  SĂ€uglingsernĂ€hrung.  15.  Beziehung  d 
Kalkes  in  der  Kuhmilch  zur  Verdauung  und  Resorption  d 
Kaseins,  Kaseingerinnsel  im  Stuhl.  Kaseingerinnsel  im  Stuiil  si 
nicht  der  Ausdruck  gestörter  Verdauung,  sondern  unzweckmĂ€ĂŸig 
Zusammensetzung  der  NÀhrung.  Die  Milch  enthÀlt  in  100  cc  0,05 
saures  unlösliches  Dikalzjumphosphat  und  zwar  in  kolloida: 
Form,  0,058  g  Kalziumkaseinal.  außerdem  0,045  lösliche  Kalksal 
in  der  Molke.  Durch  SĂ€uerung  der  Milch  wird  ein  Teil  des  unlc 
liehen  Kalks  in  lösliche  Verbindungen  ĂŒbergefĂŒhrt.  Dadur 
wird  die  Gerinnselbildung  bei  der  Labung  begĂŒnstigt.  Umgekel 
genĂŒgt  der  Zusatz  von  6,5  cc  einer  10  Prozent  Sodalösung 
100  cc  Milch  dazu,  die  Labung  erfolglos  zu  machen.  Mit  steige 
dem  Gehalt  der  Nahrung  an  Kalk  wachst  die  Ausscheidung  s 
wohl  von  Fett  wie  die  von  Stickstoff  durch  den  Stuhl.  Kasei 
gerinnsei  enthielten  03  v.  II.  Eiweiß,  27  v.  H.  Fett,  3,8  v.  II.  Asel 
2,2  v.  H.  Ca  O  und  1,3  v.  H.  P_>05.  Aus  getrockneten,  mit  Aeth 
extrahierten,  mit  EssigsÀure  aus  schwacher  Sodalösung  ump 
fĂŒllten  Kaseingerinnseln  konnte  nach  dem  Verfahren  v> 
van  Slyke  und  Bosworth  reine.-.  Parakasein  gewonn 
werden.  H.  Vogt. 


Berichtigung. 

Aul  Grund  einer  RĂŒcksprache  mit  Herrn  Dr.  Paul  Hirscl 
Mamrot  h,  welcher  wÀhrend  meiner  Assistentenzeit  an  d 
Albu-Hirsch'schen  Poliklinik  der  Sozius  und  Mitarbeiter  des  ve 
storbenen  Herrn  Professor  Albu  war,  erklÀre  ich  hiermit: 

Der  von  mir  in  Nr.  3  vom  18.  Januar  1922  der  „Fortschrit 
der  Medizin'"  veröffentlichte  Aufsatz  .,Ueber  Behandlung  d 
Tuberkulose  mit  KTB-Vakzine"  ist  ohne  Wissen  und  ohne  G 
nehmigung  des  Herrn  Dr.  Paul  Hirsch-Mamroth,  der  als  mein  d 
maliger  Chef  fĂŒr  die  Genehmigung  der  Veröffentlichung  alle 
in  Betracht  kam,  erfolgt.  Ich  bedaure  diesen  Verstoß  gegen  d: 
in  solchen  Dingen  ĂŒbliche  Herkommen,  umsomehr.  als  ich  in 
einen  der  von  mir  beschriebenen  59  FĂ€lle  dem  Material  d( 
Poliklinik  entnommen  habe  und  trotzdem  die  Arbeit  als  „Aus  d« 
Poliklinik  fĂŒr  innere  Krankheiten  Weiland  Prof.  Albu.  Berlin 
stammend  bezeichnet  habe. 

Berlin,  den  3.  MĂ€rz  1922. 

Dr.  Zacharial 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praltĂŒschen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafje  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH.  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Strafje  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  12  Berlind  den  22.  MĂ€rz  1922  40.  Jahrgang 

Oer  Verlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  Prof.  Vulpiui'schen  orthp.-chirurg.  Klinik  Heidelberg. 
Leit.  Aerzte:  Prof.  Vulpius  und  Dr.  Gör  res. 

Ueber  chronische  WirbelentzĂŒndungen 
und  ihre  Behandlung. 

Von  Dr.  med.  Fritz  Hahn,  1.  Assistenzarzt  der  Klinik. 

Die  WirbelsÀule  gehört  zu  den  wenigen  Körperteilen, 
welche  seihst  von  sonst  recht  gewissenhaften  praktischen 
Aerzten  bei  der  Untersuchung  hÀufig  ganz  vernachlÀssigt 
werden.  Daß  dadurch  manche  ernste  Erkrankung  im  Ini- 
tialstadium ĂŒbersehen  und  mancher  kaum  wieder  gut  zu 
machende  Fehler  begangen  wiM,  kann  wohl  jeder  Ortho- 
pÀde aus  seiner  Sprechstunde  hinreichend  bestÀtigen.  Die 
Anatomie  lehrt  uns  schon,  daß  wir  es  hier  mit  einem  kom- 
plizierten, in  der  Tiefe  der  Muskulatur  versteckt  lugenden 
Knochen-,  Knorpel-,  Gelenk-  und  BĂ€ndersystem  zu  tun 
haben,  das  als  StĂŒtz-,  Schutz-  und  Bewegungsapparat  eine 
gleich  hohe  Bedeutung  hat.  Deshalb  kann  der  Symptomen  - 
Komplex  einer  die  Wirbel  [und  ihre  Gelenke  betroffenen 
EntzĂŒndung  unter  UmstĂ€nden  recht  schwierig  und  irre- 
fĂŒhrend sein.  Schanz  sagt  mit  Recht:  „Man  mache  es  sich 
zur  Regel,  wo  ĂŒber  nervöse  Beschwerden  geklagt  wird, 
und  wo  man  am  Orte  der  Beschwerden  eine  ErklÀrung  nicht 
findet,  die  WirbelsÀule  zu  untersuchen."  Dadurch  wird 
mancher  Arzt  rascher  zu  einer  richtigen  Diagnose  und 
mancher  Patient  rascher  zur  Besserung  und  Heilung  kommen. 

Neben  den  skoliotischen  Verbingungen  der  WirbelsÀule 
.gehören  die  chronischen  EntzĂŒndungen  einzelner  Wirbel - 
körper  und  Wirbelgelenke  mit  zu  den  hÀufigsten  Erkrankun- 
gen derselben.  Sowohl  was  die  HĂ€ufigkeit  als  auch  den 
Ernst  der  Prognose  anlangt,  steht  an  der  Spitze  dieser  Leiden 
die  Spondylitis  tuberculosa,  welche  besonders  in 
der  Kriegs-  und  Nachkriegszeit  in  geradezu  erschreckendem 
Maße  zugenommen  hat;  und  zwar  verschont  sie  kein  Alter, 
wenn  es  auch  anatomisch  erklÀrlich  und  statistisch  festge- 
stellt ist,  daß  die  Kinderjahre  von  ihr  entschieden  bevorzugt 
werden.  Es  fiel  uns  deshalb  auf,  daß  in  den  letzten  beiden 
Jahren  ungleich  mehr  Erwachsene  als  Kinder  wegen  dieser 
Erkrankung  in  der  Prof.  Vulpius  sehen  Klinik  zur  Be- 
handlung und  Operation  kamen. 

Wie  an  anderen  Knochen,  so  befÀllt  auch  hier  die'  Tu- 
berkulose fast  ausschließlich  den  spongiösen,  also  den  blut- 
reicheren Teil,  die  Wirbel  körper,  indem  die  pathogenen 
Keime  oder  infizierten  Gewebsbröckel  meist  auf  dem  Wege 
der  Blutbahn  dorthin  gelangen  und  die  feinsten  arteriellen 
GefĂ€ĂŸe  der  Spongiosa  verstopfen,  und  zwar  entweder  im  vor- 
deren oder  zentralen  oder  epiphysÀren  Teil  der  Wirbelkörper. 
Gewöhnlich  bildet  sich  dann  am  Infektionsherd  durch  den 
Reiz  des  tuberkulösen  Virus  reiche  Vaskularisation  und 
graues  Granulationsgewebe,  welches  durchsetzt  ist  von  mi- 
liaren grauen  Knötchen,  und  die  Tendenz  hat  sich  immer 
weiter  in  der  Spongiosa  vorzuschieben  und  diese  mehr  und 
mehr  zum  Zerfall  und  zum  Verschwinden  zu  bringen.  Er- 
folgt in  diesem  Stadium  eine  RĂŒckbildung  durch  Resorption 
der  Tuberkel  und  Produktion  bindegewebiger  Massen,  welche 
spÀter  vernarben  und  verknöchern,  dann  haben  wir  es  mit 
der  sogen,  trockenen  Form  zu  tun.  Nehmen  jedoch  die 
grauen  Tuberkelknötchen  weichere  Konsistenz  an  und  kon- 
fluieren schließlich,  dann  entsteht  ein  VerkĂ€sungszu- 


stand,  der  nun  seinerseits  wieder  entweder  verkalken  und 
damit  zur  Ruhe  kommen  kann,  oder  aber  —  und  das  ist 
leider  das  Gewöhnlichere  —  fortschreitet,  indem  auch  das 
Granulationsgewebe  erweicht,  so  daß  allmĂ€hlich  der  ganze 
Knochen  durch  tuberkulöse  Massen  ersetzt  wird.  Damit 
braucht  aber  der  tuberkulöse  Prozeß  immer  noch  nicht  er- 
schöpft zu  sein:  Er  kann  auch  noch  die  benachbarten 
Zwischenwirbelscheiben  erweichen  und  zum  Schwund  brin- 
gen und  so  auf  die  nÀchsten  Wirbel  in  kontinuierlichem 
Fortschreiten  ĂŒbergreifen.  Da  nun  aber  die  gesunden  Wir- 
belbögen und  WirbelfortsÀtze  die  Reduktion  des  Höhendurch- 
messers der  vorderen  Wirbelpartien  nicht  mitmachen,  ent- 
steht die  bekannte  Keilform,  die  es  dem  Arzt  oft  leicht  macht 
durch  die  Prominenz  eines  oder  mehrerer  DornfortsÀtze  die 
Lokalisation  der  Erkrankung  festzustellen. 

Wird  nun  eine  grĂ¶ĂŸere  Zahl  von  Wirbelkörpern  destru- 
iert,  dann  entsteht  ein  G  i  b  b  u  s  (Pott'scher  Buckel),  welcher 
je  nach  dem  Grade  der  Einknickung  ein  stumpf-,  recht-  oder 
spitzwinkliger  sein  kann.  Es  ist  klar,  daß  hochgradige 
GibbositÀten  zur  Balanzierung  eine  Verlagerung  der  Körper- 
last nach  vorne  bedingen.  Dadurch  mĂŒssen  sich  der  supra- 
und'  infragibbÀre  Abschnitt  der  W.  S.  in  umgekehrter  Aus- 
biegung  einstellen  (supra-  und  infragibbÀre  Lordose).  Bei 
hochsitzendem  Gibbus  wird  die  Stellung  des  Kopfes,  bei  tief- 
sitzendem  diejenige  des  Beckens  und  des  HĂŒftgelenkes  lor- 
dotisch  beeinflußt.  Die  verĂ€nderte  Verlaufsrichtung  der 
Rippen  bedingt  ferner  charakteristische  DeformitÀten  des 
Thorax,  der  seinerseits  wieder  mithilft  seinen  Inhalt,  Lunge, 
Herz,  Oesophagos,  Aorta,  in  Form  und  Lage  mehr  oder  we- 
niger stark  zu  verÀndern. 

Wie  bereits  oben  erwÀhnt,  können  auch  Gelenke  der 
WirbelsÀule  tuberkulös  erkranken,  und  zwar  beobachtet  man 
dies  fast  ausschließlich  nur  an  den  beiden  obersten,  dem 
Atlanto-Occipital-  und  Atlanto-Epistrophealgelenk  („Malum 
vertebrale  suboccipitale"),  wobei  die  Erkrankung  meist  in 
letzterem  beginnt  und  auf  das  erstere  ĂŒbergreift.  Es  ist  klar, 
daß  dabei  der  Atlas  selbst  ebenfalls  erheblich  in  Mitleiden- 
schaft gezogen  wird:  er  wird  mehr  oder  weniger  einge- 
schmolzen, allerdings  oft  nicht  gleichmĂ€ĂŸig  in  der  Horizon- 
talen, (wodurch  lediglich  eine  ausgesprochene  HalsverkĂŒrzung 
resultieren  wĂŒrde),  sondern  an  bestimmten  Stellen  (Zahn  des 
Epistropheus,  vorderer  Bogen).  Dadurch  entsteht  eine  nach 
vorn  geneigte  schiefe  Ebene,  welche  dem  Kopf  des  Spondyli- 
tikus  jene  Flexionsstellung  gibt,  die  fĂŒr  diese  Erkrankung  oft 
so  charakteristisch  ist. 

Gerade  diese  schweren  VerÀnderungen  in  den  oberen 
Halswirbeln  geben  Veranlassung,  darauf  hinzuweisen,  daß 
durch  alle  diese  Prozesse  das  im  Wirbelkanal  geschĂŒtzt  lie- 
gende RĂŒckenmark  stark  gefĂ€hrdet  werden  kann.  Denn 
eben  das  Mark  der  HalswirbelsÀule  wird  dabei  am  hÀufig- 
sten affiziert;  dann  folgt  der  Brustteil  und  am  seltensten  sind 
LÀsionen  der  LendenwirbelsÀule.  Mechanische  Kompression 
des  R.  M.  oder  hochgradige  Verengerung  des  Wirbelkanals 
durch  winklige  Knickung  der  WirbelsÀule  bedingt,  ferner 
EntzĂŒndung  der  HĂ€ute  und  Exsudatwucherung,  Erweichung 
des  RĂŒckenmarks  durch  anĂ€mische  ZustĂ€nde  infolge  Raum- 
beengung im  Kanal,  endlich  Störungen  der  regulatorischen 
TĂ€tigkeit  des  LymphgefĂ€ĂŸsystems  im  W.  K.  sind  die  Haupt- 
ursachen fĂŒr  die  Auslösung  von  spastischen  und  spĂ€terhin 


2G2 


Hahn:  WirbelentzĂŒndungen 


I 

40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


schlaffen  LĂ€hmungen  an  diesem  ĂŒberaus  empfindlichen 

Organ. 

Daß  in  der  weitaus  ĂŒberwiegenden  Mehrzahl  der 
FÀlle  von  tuberkulöser  Spondylitis  und  Spondylarthritis 
Abszesse  beobachtet  werden,  ist  eine  bekannte  Tatsache. 
Bereits  oben  wurde  angedeutet,  daß  die  eitrige  Einschmelzung 
fast  die  Regel  ist.  Die  intravertebrale  Eiterung  wird  nÀmlich 
hĂ€ufig  zum  paravertebralen  Abszeß,  der  dann  nicht  selten 
seinen  primĂ€ren  Ort  als  sogen.  Senkungsabszeß  ver- 
lĂ€ĂŸt, indem  er  das  Lig.  longitudinale  ant.  perforiert  oder  sich 
seitlich  unter  demselben  hervorpreßt,  um  in  die  nĂ€chste  Mus- 
kel- oder  GefĂ€ĂŸscheide  einzubrechen  und  dieser  zu  folgen, 
bis  er  an  irgendeiner  (natĂŒrlich  tiefer  als  der  paravertebrale 
Abszeß  liegenden)  Stelle  an  die  KörperoberflĂ€che  tritt,  wobei 
man  zuweilen  ĂŒber  die  Mannigfaltigkeit  der  Ausdehnung  und 
des  Weges  geradezu  erstaunt  sein  muß.  So  haben  wir  voriges 
Jahr  bei  einem  18  jĂ€hrigen  MĂ€dchen  einen  solchen  Abszeß 
in  der  rechten  Wade  gefunden.  Offenbar  war  hier  der 
Abszeß  mit  den  GlutĂ€algefĂ€ĂŸen  durch  das  For.  ichiad.  majus 
lÀngs  des  N.  ischiadic.  durch  die  Fossa  poplitea  zur  Bahn  des 
N.  tibial.  gewandert,  um  schließlich  den  Umfang  der  rechten 
Wade  um  das  Doppelte  zu  vergrĂ¶ĂŸern!  Am  hĂ€ufigsten  beob- 
achtet man  bekanntlich  den  Psoasabszeß  (nicht  selten  dop- 
pelseitig) in  der  Leistenbeuge  und  im  Nacken  den  retro- 
pharyngealen  Abszeß. 

Die  Konsistenz  und  das  Aussehen  des  Eiters  eines 
solchen  Abszesses  kann  recht  verschieden  sein:  bald  rahmig, 
schmierig-breiig;  bald  flĂŒssig,  halb  serös  mit  KĂ€sebröckel 
und  Knochengries.  Die  Farbe  ist  manchmal  fast  weiß  und 
gelblich-weiß,  zuweilen  rötlich  bis  brĂ€unlich  (infolge  kleiner 
Blutungen  in  der  Abszeßhöhle). 

Nach  dieser  pathologisch-anatomischen  Uebersicht  sei  es 
gestattet,  ĂŒber  die  subjektiven  Symptome  und  die  ersten  kli- 
nischen Erscheinungen  dieser  ernsten  Erkrankung  hinzu- 
weisen, dehn  fĂŒr  den  praktischen  Arzt  dĂŒrfte  es  von  beson- 
derer Wichtigkeit  sein,  gerade  ĂŒber  den  Beginn  dieses 
Leidens  genauer  orientiert  zu  sein,  da  er  dadurch  unter 
UmstĂ€nden  Unheil  verhĂŒten  und  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  gĂŒnstige 
Heilerfolge  voraussagen  kann. 

Auffallend,  aber  oft  auch  verhÀngnisvoll  ist  die  Tat- 
sache, daß  sich  zuweilen  bereits  schwere  VerĂ€nderungen  in 
den  Wirbeln  abspielen  können,  ohne  daß  objektive  und 
hÀufig  auch  subjektive  Symptome  darauf  hinweisen.  Oft  er- 
staunt man  geradezu  ĂŒber  das  frische  Aussehen  bei  solch 
schwer  Leidenden.  Bei  Kindern  wird  hÀufig  anfÀnglich  nur 
durch  schlechten  Appetit,  unruhigen  Schlaf  und  Unlust  zum 
Spielen  die  Aufmerksamkeit  auf  eine  eventl.  Erkrankung  ge- 
lenkt. Zuweilen  klagen  sie  dann  auch  ĂŒber  Leib-  oder  Brust- 
schmerzen (N.  intercost.!),  ohne  aber  Symptome  einer  inneren 
Erkrankung  zu  zeigen.  Ich  entsinne  mich  an  eine  6  jÀhrige, 
kleine  Patienten  unserer  Klinik,  welche  anderwÀrts  ein  volles 
Jahr  auf  Magen-  und  Darmerkrankung  behandelt  wurde,  bis 
schließlich  nach  vergeblichem  BemĂŒhen  eine  Röntgenauf- 
nahme den  Krankheitsherd  an  der  unteren  BrustwirbelsÀule 
offenbarte.  In  der  Tat  dauert  es  hÀufig  ziemlich  lange,  bis 
das  Kind  selbst  den  Schmerz  genau  lokalisieren  kann.  In 
solchen  FĂ€llen  dĂŒrfte  die  von  Schwank  angegebene  Me- 
thode der  Perkussion  der  W.  S.  zuweilen  wertvolle  Dienste 
tun.  Es  wird  dabei  ĂŒber  den  erkrankten  Wirbeln  eine  deut- 
liche SchallverkĂŒrzung  beobachtet,  welche  Schwank  da- 
durch zu  erklĂ€ren  sucht,  daß  die  infiltrierten  Wirbel  bei  der 
Perkussion  in  solche  schwache  Schwingungen  versetzt 
werden,  daß  die  darunterliegende  Lungen-  oder  Darm- 
luft kaum  noch  in  Mitschwingung  gebracht  werden  kann. 
Bayer  rÀt  zur  schonenden  Steigerung  unbestimmter 
W.  S.-Schmerzen,  die  Arme  des  Patienten  langsam  bis  zur 
Horizontalen  vorwÀrts  und  den  Kopf  dabei  leicht  nach  vorn 
neigen  zu  lassen.  Dadurch  wird  der  Schwerpunkt  des  Kör- 
pers nach  vorn  verlegt  und  so  eine  stÀrkere  Belastung  der 
vorderen  (am  hÀufigsten  erkrankten)  Partien  der  W.  S. 
erzielt. 

Die  myogen  bedingte  Steifigkeit  der  W.  S.  bei  der  PrĂŒ- 
fung auf  ihre  Beweglichkeit,  die  Schmerzhaftigkeit  der  ent- 


sprechenden DornfortsÀtze  bei  Beklopfen,  sowie  der  Schmerz 
durch  Stauchung  der  W.  S.  durch  Druck  mit  beiden  HĂ€nden 
auf  die  Schultern  oder  auf  den  Kopf  sind  bekannte  Symp- 
tome der  bereits  vorgeschritteneren  Erkrankung. 

Charakteristisch  fĂŒr  den  Spondylitiker  ist  bekanntlich 
das  steife,  aufrechte  Sitzen,  das  StĂŒtzen  beim  Aufstehen,  wo- 
bei die  Schultern  fast  immer  sehr  hoch  gezogen  werden, 
ferner  die  Art  und  Weise,  wie  er  sich  beim  Aufheben  von 
GegenstÀnden  benimmt:  mit  senkrecht  steif  gehaltenem 
RĂŒcken  hockt  er  sich  unter  starker  Beugung  der  HĂŒft-  und 
Kniegelenke  hin. 

Ist  es  bereits  zu  ausgesprochenen  objektiven  VerÀnderun- 
gen gekommen  —  Gibbus,  Senkungsabszeß  (immer  darnach 
fahnden!)  und  Paresen  —  dann  dĂŒrfte  die  Diagnosenstellung 
kaum  mehr  Schwierigkeiten  bereiten;  besonders  wenn  auch 
noch  ein  Röntgenbild  angefertigt  wurde,  was  stets  zu  emp- 
fehlen ist.  Das  Röntgenverfahren  hat  nĂ€mlich  fĂŒr 
die  Diagnose  der  Spondylitis  eine  besondere  Bedeutung  er- 
langt. Eine  Atrophie  des  Knochengewebes,  unebene  Be- 
grenzungsflÀchen der  Wirbelkörper,  zu  schmale  Spalten 
zwischen  den  erkrankten  Wirbeln,  die  zusammengedrĂŒckt  er- 
scheinen, weisen  zuweilen  schon  auf  eine  tuberkulöse  Er- 
krankung hin,  wenn  objektiv  sonst  noch  recht  wenig  und 
Unsicheres  festzustellen  ist. 

Wie  bereits  oben  betont  wurde,  muß  es  vom  Praktiker 
unbedingt  angestrebt  werden,« daß  er  möglichst  frĂŒhzeitig  die 
Diagnose  sichert.  Deshalb  darf  ich  vielleicht  in  KĂŒrze  auf 
eventl.  differential-diagnostisch  in  Betracht 
kommende  Krankheiten  zu  sprechen  kommen. 

Vor  allem  mĂŒssen  wir  es  uns  zum  Prinzip  machen,  bei 
Verdacht  auf  Spondylitis  auch  die  Organe  der  Brust- 
und  Bauchhöhle  gewissenhaft  zu  untersuchen,  denn 
auch  von  diesen  können  unter  UmstÀnden  recht  Àhnliche  Be- 
schwerden ausgelöst  werden.  Im  Kindesalter  können  Ver- 
wechslungen mit  der  rachitischen  Kyphose  vorkom- 
men, die  sich  meist  durch  ihre  arkuÀre  Form,  ihre  Schmerz- 
losigkeit  und  freien  Beweglichkeit  der  WirbelsÀule  von  der 
Spondylitis  unterscheidet;  wenn  auch  zugegeben  werden  muß, 
daß  zuweilen  (besonders  wenn  Leibschmerzen,  Temperatur- 
erhöhung und  mĂ€ĂŸige  Fixation  eines  WirbelsĂ€ulenabschnittes 
bei  florider  Rachitis  vorhanden  sind)  die  Unterscheidung  recht 
schwer  sein  kann.  Wenn  bei  Spina  bifida  occulta  im. 
Lendenteil  ein,  Dornfortsatz  prominent  ist,  so  wird  das  Rönt- 
genbild  die  Verwechslung  mit  Spondylitis  ausschließen. 
Lumbagoschmerzen  können  den  Beschwerden  einer 
beginnenden  Spondylitis  unter  UmstÀnden  recht  Àhnlich 
sein,  meist  jedoch  sind  sie  entschieden  diffuser;  ob  ihre  Ur- 
sache Muskelrheumatismus  oder  deformierende  Prozesse  an 
den  Wirbeln  sind,  dĂŒrfte  ebenfalls  die  Röntgenaufnahme  mit- 
entscheiden. Die  Insufficientia  vertebrae- 
Schanz  will  ich  hier  nur  erwÀhnen,  da  sie  weiter  unten 
ausfĂŒhrlicher  behandelt  wird.  Bei  Psoaskontraktur  mĂŒssen 
wir  ferner  an  die  tuberkulöse  Goxitis  denken,  bei  der 
ebenfalls  das  Bein  in  Beugestellung  stehen  kann.  Aber  der 
Reiz  des  Psoas  bedingt  nur  reine  Flexion,  so  daß  das  Bein 
nur  bei  Korrektion  dieser  einen  Bewegung  schmerzt,  also 
alle  ĂŒbrigen  HĂŒftbewegungen  dabei  fast  völlig  schmerz- 
frei sind.  Daß  bei  Erwachsenen  auch  Tumoren  und 
Lues  in  Frage  kommen,  möge  nur  kurz  erwÀhnt  sein.  Da- 
gegen wollen  wir  uns  .noch  etwas  eingehender  ĂŒber  jene 
Krankheit  Ă€ußern,  welche  manchmal  differentialdiagnostisch 
große  Schwierigkeiten  bereitet,  die  KĂŒmmel  Ische  Krank- 
heit oder  traumatische  Spondylitis,  wie  sie  auch 
hÀufig  benannt  wird.  Und  zwar  liegt  die  Schwierigkeit  der 
Unterscheidung  im  Wesen  dieser  Erkrankung.  Es  handelt 
sich  hier  um  eine  geringere  oder  schwerere  SchÀdigung  eines 
Wirbelkörpers  infolge  eines  Traumas  (Kompressionsfraktur). 
WĂ€hrend  K  ĂŒ  m  m  e  1 1  selbst  annimmt,  daß  es  dabei  nur  zu 
einem  entzĂŒndlich  rarefizierenden  Prozeß  kommen  soll,  sind 
nach  neueren  Anschauungen  auch  noch  reparatorische  Vor- 
gÀnge dabei  im  Spiele,  unter  UmstÀnden  auch  eine  Infektion 
(Gocht).  Anamnestisch  ist  oft  zu  erheben,  daß  die  Ver 
letzung  geringfĂŒgig  war,  daß  die  Beschwerden  eine  Zeitlang 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Ilah n:  WirbelentzĂŒndnrtgen 


203 


nachließen  oder  sogar  ganz  verschwanden,  so  daß  der  Be- 
treffende wieder  arbeiten  konnte,  bis  sich  schließlich  nach 
lÀngerer  Zeit. ein  mehr  rundlicher  Gibbus  entwickelt  und 
neuerdings  RĂŒckenschmerzen  auftreten.  Große  Schmerz- 
haft igkeit  auf  Stauchung  und  Druck,  myogene  Fixation  der 
W.  S.,  Neuralgien  und  mehr  oder  weniger  schwere  Mark- 
erscheinungen haben  tuberkulöse  und  traumatische  Spondy- 
litis völlig  gemeinsam.  Nur  der  Abszeß  und  die  eventl.  nach- 
weisbare Tuberkulose  anderer  Organe  können  unter  Um- 
Ă€nden  im  Verein  mit  dem  Röntgenbild  genĂŒgende  Auf- 
lÀrung  geben. 

Was  nun  die  Behandlung  der  tuberkulösen  Spondy- 
itis  anlangt,  so  darf  ich  vielleicht  auf  die  ausgezeichneten 
usfĂŒhrungen  Debrunners  in  Nr.  4  dieser  Wochenschrift 
erweisen.    Wohl  aber  sei  es  mir  gestattet,  ĂŒber  den  Wert 
nd  die  Erfolge  der  A  1  b  e  e  sehen  Operation  bei  dieser  Er- 
rankung  noch  etwas  eingehender  zu  sprechen,  da  in  dieser 
Hinsicht  in  der  V  u  1  p  i  u  s  sehen  Klinik  besondere  Erfahrun- 
en  an  ĂŒberaus  reichem  Material  gesammelt  werden  könn- 
en, ĂŒber  welche  V u  1  p  i u s  und  Görr  es  bereits  an  anderer 
teile  berichteten.    Bekanntlich  handelt  es  sich  bei  diesem 
perationsverfahren   um   die   autoplastische  Verpflanzung 
ines  krÀftigen  Periostknochenspanes  der  Tibia  in  die  ge- 
spaltenen  DornfortsÀtze    des    erkrankten  WirbelsÀulenab- 
chnittes,  wobei  mindestens  1 — 2  DornfortsĂ€tze  gesunder 
irbel  an  jedem  Pole  mitĂŒberbrĂŒckt  werden  mĂŒssen. 
Nach  den  Erfahrungen  der  V  u  1  p  i  u  s  sehen  Klinik  ist 
es  nicht  gleichgĂŒltig,  ob  zur  UeberbrĂŒckung  ein  Fremdkörper 
(z.  B.  Zelluloidstab)  oder  ein  autoplastischer  Knochenspan 
(am  besten  aus  der  Tibia)  genommen  wird.  Vielmehr  weisen 
uns  unsere  Erfolge  unbedingt  den  letzteren  Weg,  und  zwar 
verwenden  wir  eine  möglichst  krÀftige  Knochenspange,  die 
weder  leicht  brechen  noch  rasch  resorbiert  werden  kann.  Da- 
bei muß  noch  betont  werden,  daß  auch  die  Art  der  Technik, 
die  exakte  Fixation  des  Spanes  im  wohlgeformten  Kanal 
innerhalb  der  gespaltenen  DornfortsÀtze  ebenfalls  von  wesent- 
licher Bedeutung  fĂŒr  den  Erfolg  sein  dĂŒrfte. 

Ist  nun  der  eingeheilte  Span  wirklich  imstande,  eine 
dauernde,  feste  StĂŒtze  zu  bilden  und  wie  lange  behĂ€lt  die 
BrĂŒcke  ihre  Festigkeit?  DarĂŒber  liegen  verschiedene  Ver- 
suche und  Mitteilungen  vor,  die  sich  allerdings  z.  T.  wider- 
sprechen. Die  StĂŒtzfĂ€higkeit  einer  Knochenspange,  die  na- 
tĂŒrlich wesentlich  von  ihrer  Dicke  abhĂ€ngig  ist,  setzt  H  ö  ß  1  y 
schon  bei  Tieren  auf  ĂŒber  40  kg  an  und  schĂ€tzt  sie  fĂŒr  die 
krÀftigeren  menschlichen  Knochen  noch  höher.  Die  Festig- 
keit der  BrĂŒcke  wurde  ebenfalls  schon  des  Oefteren  nachge- 
prĂŒft. WĂ€hrend  A  1  b  e  e  selbst  im  Span  keinerlei  Zeichen 
von  Absorption  oder  Nekrosen  gefunden  haben  will,  weist 
H  ö  ß  1  y  und  nach  ihm  Mayer  StrukturverĂ€nderungen  des 
Spanes  nach,  welche  schließlich  zur  Umwandlung  in  ein 
röhrenförmiges  Knochengebilde  mit  Markraum  und  Spon- 
giosa  fĂŒhrten.  Vulpius  und  Görres  berichteten  ĂŒber 
einen  Span,  der  IV*  Jahre  bei  einem  5  jÀhrigen  MÀdchen  so 
fest  gelegen  halte,  daß  weder  bei  Stauchung,  noch  bei  Be- 
wegungsversuchen in  irgendeiner  Richtung  auch  nur  die  ge- 
ingste  StellungsverÀnderung  am  PrÀparat  zu  konstatieren 
war.  Neuerdings  hat  allerdings  MĂŒller  durch  interessante 
experimentelle  Versuche  dargetan,  daß  eine  kontinuierliche 
Verbindung  ĂŒber  Gelenke  hinweg  auf  die  Dauer  sehr  schwie- 
rig zu  erreichen  sei,  da  an  irgendeiner  Stelle  die  knöcherne 
Verbindung  allmÀhlich  unterbrochen  werde.  Wer  aber  ein- 
mal in  praxi,  besonders  bei  Kindern,  beobachtet  hat,  wie 
verblĂŒffend  rasch  die  Schmerzen  bald  nach  der  Operation 
nachließen  und  völlig  verschwanden,  wer  gesehen  hat,  wie 
sich  blasse  und  elende  Patienten  zusehends  erholten,  Appetit 
bekamen  und  an  Gewicht  betrÀchtlich  zunahmen,  der  wird 
sich  von  der  Brauchbarkeit  dieses  Operationsverfahrens  noch 
um  so  leichter  ĂŒberzeugen  lassen,  als  auch  die  Dauer- 
resultate  bei  sorgfÀltiger  Nachbehandlung  (wir  verlegen 
zu  diesem  Zwecke  unsere  Patienten  in  das  Sol-  und  Sonnen- 
bad Sanatorium  Rappenau  bei  Heidelberg,  das  ebenfalls 
unter  der  Àrztlichen  Leitung  des  Herrn  Prof.  Vulpius 
steht)  recht  gĂŒnstige  und  erfreuliche  sind.  Görres  hat 


voriges  Jahr  ĂŒber  seine  ersten  00  FĂ€lle  aus  der  Prof.  Vul- 
pius sehen  Klinik  berichtet,  von  denen  ein  große] 
Teil  bereits  5 — 7  Jahre  vorher  operiert  waren,  und 
kam  nach  gewissenhafter  AbwÀgung  zu  dem  unbe- 
dingten Ergebnis,  daß  dieses  Operationsverfahren  den 
frĂŒheren  bei  weitem  ĂŒberlegen  ist.  Zwar  wurde  in 
letzter  Zeit  selbst  von  namhaften  Chirurgen  dagegen  ein 
gewendet,  daß  diese  Operation  fĂŒr  den  erkrankten  Organismus 
ein  zu  großer  Eingriff  sei  und  daß  die  Ausheilung  auf  kon- 
servativem Wege  ebenso  rasch  erzielt  werden  könne.  Aber 
die  Vulpiusschen  Erfolge  an  nunmehr  fast  150  FĂ€llen, 
einer  Zahl,  die  kaum  von  einer  anderen  Klinik  erreicht  sein 
dĂŒrfte,  widersprechen  dem  durchaus,  und  zahlreiche  Mittei- 
lungen in  der  neuen  Literatur  bestĂ€tigen  mit  uns,  daß  die 
Albere  sehe  Operation  bei  der  Behandlung  der  Spondclitis 
„beinahe  als  die  Methode  der  Wahl"  (MĂŒller)  gilt.  Das 
Eine  steht  wohl  fest:  Die  natĂŒrliche  Schienung  des  erkrank 
ten  WirbelsĂ€ulenabschnittes  bringt  den  Prozeß  am  besten 
und  sichersten  zur  Ruhe,  entlastet  gut  und  ebnet  damit  am 
ehesten  den  Weg  zur  Heilung. 

Es  ist  verstĂ€ndlich,  daß  eine  in  ihren  Symptomen  der 
tuberkulösen  Spondylitis  so  Àhnliche  Erkrankung  wie  die 
K  ĂŒ  m  m  e  1 1  sehe  Krankheit,  die  ja  auch  mit  einer 
SchwĂ€chung  der  StĂŒtzfĂ€higkeit  des  erkrankten  Wirbels  ein- 
hergeht,  ebenfalls  das  Albee,sche  Verfahren  rechtfertigt. 
Görres  berichtete  ĂŒber  einen  von  ihm  auf  diese  Weise  in 
der  Vulpius  sehen  Klinik  behandelten  Fall  mit  einem 
geradezu  glĂ€nzenden  Ergebnis,  so  daß  in  unserer  Klinik  auch 
weiterhin  diese  Operation  bei  traumatischer  Spondylitis  zur 
Anwendung  gelangen  wird. 

Leider  sind  solche  erfreuliche  therapeutische  Erfolge 
nicht  zu  verzeichnen  bei  jenen  Wirbelerkrankungen,  die  zu 
chronischer  Versteifung  der  WirbelsÀule  und  zu  deformie- 
renden Prozessen  in  den  Wirbelkörpern  fĂŒhren:  der  chro- 
nischen ankylosierenden  EntzĂŒndung  der 
WirbelsÀule,  welche  von  Bechterew  als  eine  von  oben 
nach  unten  fortschreitende  Versteifung,  von  Pierre- 
Marie-StrĂŒmpell  als  eine  solche  beschrieben  wurde, 
welche  unten  beginnt  und  nach  oben  zieht,  wobei  in  diesem 
Falle  auch  HĂŒft-  und  Schultergelenke  mitversteifen  können. 
Dieses  Leiden  imponiert  vor  allem  durch  seine  bogenförmige 
KrĂŒmmung  der  WirbelsĂ€ule  nach  hinten,  besonders  im 
Brustteil,  wodurch  der  Kopf  nach  vorne  rĂŒckt.  Die  kypho- 
tische  WirbelsÀule  ist  ganz  oder  teilweise  unbeweglich  und 
unempfindlich.  Dagegen  finden  sich  lokale  Reizerscheinun- 
gen durch  Hautzweige  von  RĂŒcken-  und  Halsnerven  in  Form 
von  ParĂ€sthesien  und  lokalen  HyperĂ€sthesien  im  RĂŒcken, 
besonders  nach  lÀngerem  Sitzen.  Der  hÀufig  beobachtete 
respiratorische  Stillstand  des  Thorax  wird  besonders  bei 
Ă€lteren  Leuten  als  eine  ernste  Komplikation  empfunden. 

Es  handelt  sich  hier  um  eine  chronische  Erkrankung 
aller  Gelenke  der  W.  S.,  auch  der  Rippenwirbelgelenke, 
wÀhrend  der  Bandapparat  unbeteiligt  bleibt.  Im  Gegensatz 
zur  Spondylitis  deformans  soll  die  Deformierung  der  Wirbel 
bei  dieser  Erkrankung  nicht  durch  Exostosenbildung,  son- 
dern durch  inneren  Umbau  erfolgen,  wenngleich  sich  auch 
hier  Knochenspangen  als  seitliche  UeberbrĂŒckungen  nach- 
weisen lassen. 

Das  Leiden  beginnt  meist  in  den  20  er  Jahren,  vorzĂŒg- 
lich bei  MĂ€nnern,  und  schreitet  langsam,  aber  dafĂŒr  um  so 
sicherer  vorwÀrts.  Es  kann  zu  einem  besonders  traurigen 
Zustand  fĂŒhren,  wenn  schließlich  auch  die  HĂŒft-  oder  sogar 
die  Kniegelenke  mitversteifen. 

Ueber  die  A  e  t  i  o  1  o  g  i  e  dieser  Erkrankung  herrscht 
noch  wenig  Klarheit.  HereditÀt,  chronischer  Rheumatismus, 
Gicht,  Lues,  Tabes  mögen  wohl  als  Hauptursachen  beschul- 
digt werden.  Andere  Ansichten  gehen  dahin,  daß  jede  In- 
fektionskrankheit unter  UmstÀnden  diesen  Symptomenkom- 
plex auslösen  kann.  Bei  Soldaten  kommen  neuestens  auch 
VerschĂŒttungen  und  lang  dauernder  Frontdienst  in  feuchten 
SchĂŒtzengrĂ€ben  als  Ursache  in  Frage. 

Die  verschiedenartige  Aetiologie  hat  auch  die  Thera- 
p  i  e  beeinflußt,  indem  neben  Allgemeinprozeduren  (Moor-, 


Karger:  Nachahmungskrankheiten 


Sol-  und  SchwefelbÀder,  ElektrizitÀt,  Massage  und  Gym 
nastik)  alle  möglichen  inneren  Mittel  empfohlen  werden 
Natr.  salicyl.,  Phenacetin,  Antipyrin,  Chinin,  Jodkali  usw.,  je- 
doch ohne  wesentlichen  Erfolg.  Auch  das  forzierte  Redresse- 
ment  ist  wegen  LÀhmungsgefahr  der  unteren  ExtremitÀten  und 
der  Blase  nicht  zu  empfehlen  und  auch  im  Erfolge  fraglich 
Leider  lĂ€ĂŸt  sich  eben  diese  Erkrankung  bis  heute  so  gut  wie 
gar  nicht  beeinflussen,  so  daß  wir  uns  mehr  oder  weniger 
nur  darauf  beschrĂ€nken  mĂŒssen,  die  subjektiven  Symptome 
zu  beseitigen  und  das  kyphotische  Zusammensinken  der 
w.      durch  ein  orthopĂ€disches  StĂŒtzkorsett  zu  verhindern. 

Vielleicht  darf  ich  zum  SchlĂŒsse  noch  auf  ein  Krank- 
heitsbild  verweisen,  das  als  solches  heute  noch  lebhaft  um- 
stritten wird:  die  In  suf  f  i  c  ient  ia  vertebrae- 
J  cn  anz  Wie  an  der  unteren  ExtremitÀt  nicht  selten  durch 
Morung  des  Belastungsgleichgewichtes  ErmĂŒdungsgefĂŒhle, 
bchmerzen  und  schließlich  auch  ausgesprochene  EntzĂŒn- 
dungserscheinungen in  den  Gelenken  auftreten  können 
(Arthritis  deformans),  so  hat  S  c  h  a  n  z  auch  an  der  W  S 
im  Falle  des  Eintrittes  eines  BelastungsmißverhĂ€ltnisses 
einen  krankhaften  Zustand  beschrieben,  den  er  statische  In- 
suffizienz nennt.  Der  Widerspruch,  dem  Schanz  dabei 
naufig  begegnet,  wird  vor  allem  dadurch  hervorgerufen  daß 
er  den  Begriff  „Insuffizienz",  die  schließlich  nur  ein  Symp- 
tom ist,  als  klinische  Diagnose  in  den  Vordergrund  stellt, 

a  Su  S-  aiS  em€n  Teil  eines  Symptomenkomplexes  (z.  B.  bei 
Armritis  deformans,  Pes  planus)  zu  betrachten. 

Neben  der  lokalen  Druckschmerzhaftigkeit  der  Dornfort- 
satz mie  und  der  spastischen  Muskelspannung  in  der 
Ruckenmuskulatur,  besonders  im  Lendenteile,  fĂŒhrt  Schanz 
nervöse  Beschwerden  in  den  fernliegendsten  Körperbezirken 
(von  der  Ischias  bis  zur  nervösen  Dyspepsie)  auf  diese  sta- 
tische Insuffizienz  zurĂŒck,  was  er  durch  die  enge  Verbin- 
dung des  RĂŒckgrates  mit  dem  Nervensystem  zu  erklĂ€ren 
sucht.  Em  anatomischer  Befund  ist  dabei  meist  nicht  zu 
erheben.  Wohl  aber  sollen  sich  nach  lÀngerer  Zeit  typische 
BelastungsdeformitÀten  entwickeln.  Bei  Àlteren  Patienten 
(jenseits  des  50.  Lebensjahres)  soll  es  oftmals  zur  Entwicke- 
lung  von  Spondylitis  deformans  kommen  unter  Bil- 
dung von  Kyphosen  und  Kyphoskoliosen. 

Charakteristisch  fĂŒr  diese  letztere  Erkrankung  sind  be- 
kanntlich die  marginalen  Exostosen  an  den  oberen  und  un- 
teren WirbelkörperflĂ€chen,  so  daß  der  Wirbel  im  Röntgen- 
bilde nicht  vierkantig,  sondern  etwa  wie  eine  projizierte 
F  adenspule  aussieht.  Diese  Exostosen  können  schließlich  zu 
einer  klammerartigen  Vereinigung  benachbarter  Wirbel 
fuhren.  Die  Beschwerden  sind  meist  viel  geringer  als  bei 
der  chronischen  W.  S. -Versteifung  und  treten  luch  mehr 
attackenweise  auf. 

Die  Therapie  der  Spondylitis  deformans  wird  stets 
nur  eine  symptomatische  sein,  dagegen  behauptet  Schanz 
bei  der  Insufficientia  vertebrae  mit  einem  Rumpfgipsverband 
(in  einem  Suspensionsrahmen)  deshalb  so  glÀnzende  Resul- 
tate zu  erzielen,  weil  er  in  schwereren  FĂ€llen  dieser  Art  stets 
ein  StutzbedĂŒrfnis  der  WirbelsĂ€ule  beobachtet  habe  Aus 
der  V  u  1  p  i  u  s  sehen  Klinik  liegen  diesbezĂŒglich  wenig  Er- 
fahrungen vor.  Auch  ist  es  hier  gelungen,  bei  Patienten  mit 
Ă€hnlichen  Beschwerden  durch  Extension  und  RĂŒcken- 
massage, eventl.  Anfertigung  gut  sitzender  Einlagen  (bei  Ver- 
dacht auf  eine  Fußinsuffizienz)  ein  gutes  Resultat  zu  er- 

Sn"  w-  Kn,  ^H,€n  m?  mehr  0der  weni§er  starker  skolio- 
tischer  WirbelsaulenverkrĂŒmmung  wurde  beim  Auftreten 
entzĂŒndlicher  Reizerscheinungen  ein  Rumpfgipsverband  in 
Streckstellung  fĂŒr  einige  Wochen  angelegt,  dann  aber  auch 
meist  mit  recht  gutem  Erfolg. 

Damit  sind  wir  ĂŒber  die  wichtigsten  chronischen  Wir- 
beileiden unterrichtet.  Sowohl  was  ihre  HĂ€ufigkeit  und  die 
Mannigfaltigkeit  ihrer  Symptome,  als  auch  ihre  Behand- 
S,rt,ℱd  -d,auer  anl*ngt.  bilden  sie  einen  interessanten 
Krankheitskomplex,  dessen  Studium  sich  lohnt  zur  Genug- 
tuung und  Befriedigung  manches  Arztes,  zum  Wohle  vieler 
Patienten. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1 


(Aus  der  UniversitÀts-kinderklinik  in  Berlin, 

Ueber  Nachahmungskrankheiten  bei  Schul« 
kindern*). 

Von  P.  Ka  rger. 

bautDsLhrZa!?fhTS  7df  ^Usbildung  ^gen  Schulkind< 
haut  sich  auf  der  Erfahrungstatsache  auf,  daß  Kinder  i 

NfS?'MAlter  Ten  starken  Trieb  zur  Nchinfj 
Nachbildung  aufzuweisen  pflegen.  Erst  spĂ€ter  kanTsichℱ 
Unterricht  darauf  stĂŒtzen,  daß  eigenes  Denken  und Teigen 
Interessen  Wissens-  und  Könnenszuwachs  ĂŒber  dZ Maßde 
durch  Beispiel  und  Vorlage  Dargebotenen  hinaus  bewirke 
Die  Nachahmung  des  Nachahmenswerten  und  vom  Em'ehe 
GewĂŒnschten  zeigt  das  leicht  erziehbare  Kind,  w^bei  aTier 
dings  Abweichungen  von  diesem  Verhalten  erst  jlnsei  s  dÂŁ 
;ttBrate  ^  N°rm  «»  da*  Gebiet  dei  Patho^ogi 

Von  Nachahmung  als  Ursache  eines  Krankheitssvmo 
toms  können  wir  erst  dann  reden,  wenn  das  im  Begriffe  de) 

selZ  tlX-u  4  Kl?d  Sc.hließIich  ℱℱ  willenlosen  Opfe. 
seines  Vorbildes  geworden  ist.  Alle  diese  UebergÀnge  vor 
der  schlechten.  Angewohnheit  ĂŒber  die  patholog'Sn  Be 
STmSsW-  aUS^r-h—  hys^eriÄtmpto6: 
men,  zu  Manifestationen  von  Neuropathie  und  PsychoDathk 
sol  en  Gegenstand  der  Betrachtung  sein.  Dabei  wird  skh  i 

-renztPn  r  Sympt01P  €Iner  der  bezeichneten,  schuht  abge- 
grenzten Gruppen  einzuordnen.  Diese  Schwierigkeit  ist  aber 

R^nTere  Zwf  ke.nkht  Crheblich'  weil  die  tLr%eutische 
Beeinflussung  der  Grenz-  und  MischfÀlle  nicht  so  sehr  von 
der  Möglichkeit  der  theoretischen  Rubrizierung  abhÀngt  Zs 

sch  dekTthtrg  n  Aufde?rg  der  Nacha»-4  als  Àtfologt 
rpM  °ri  Das  Wird  der  schulÀrztlichen  und  pÀdagogi- 

UnÄ'r  "nd+Th,erapie  dk  We§e  weisen  könnet 
wa<  TEL  f ^ ^.hauptsÀchlich  darauf  an,  zu  zeigen, 
was  alles  durch  Imitation  verursacht,  verstÀrkt,  verÀndert 
werden  kann,  ohne  das  Gebiet  im  Rahmen  eine  Vortraget 
auch  nur  annÀhernd  erschöpfen  zu  wollen  8 
hpit.  ef^agC  na,Ch  der  Genese  der  Nachahmungskrank- 
ĂŒhrtnun^n?  3UCh  3  S  vP^chische  Epidemien"  bezeiZeX, 
dern  Zr  ?  T  Pℱ21^1 1  verschiedene  Typen  von  Kin- 

■n  °er  euie  TvP-         ^tive,  kommt  zu  seinen  krank- 

gesehenery3 %T  **?  ^  Wege  der  beWußten  Imitation 
f S  *  w uffa«i«er  imponierender  Erscheinungen,  kommt 
auf  dem  Wege  der  Gewöhnung  und  Uebung  oder  auf  dem 
d?schenmUB^°n  fℱ  SC^Chten  Angew°hnheit,  zum  patholo- 
mhmnL  H  gUngSrefltX  m?d  schließlich  zur  Willens- 
ahmung,  die  wir  gewohnt  sind,  dem  hysterischen  Svmp- 
tomenkomplex  zuzurechnen.  y  P 

Der  andere  mehr  passive  Typ  rekrutiert  sich  aus  Kin- 
"hoh'er  EinfĂŒhlungsfĂ€higkeit,  mit  der  UnfĂ€hig- 
keit naheliegende  Reaktionen  auf  Reize  in  normaler  Weise 

n^heiTen\  DaS  Sind  die  Kinder'  manc*e  Symptome 
werden  **'  ^  V°n  ihnen  ebenfalIs  befallen  zu 


Dieser  Unterschied  zwischen  willensmĂ€ĂŸiger  Imitation 
eines  Symptomes  einerseits,  und  dem  nicht  zu  wehrenden 
gleichsinnigen  Auftreten  eines  nur  beobachteten  Symptoms 
von  deraf eren  Seite,  gibt  uns  eine  Einteilungsmöglichkeit 
von  zentralnervos  bedingten  Reaktionsformen,  die  uns  unab- 
hÀngig macht  von  so  vagen  Bezeichnungen  wie  Neuropathie 
NervositÀt,  Hysterie  und  anderen,  bei  denen  heute  eine  Vei - 
standigungsmöglichkeit  ohne  langatmige  theoretisierende 
Definitionen  nicht  mehr  besteht. 

Wir  werden  sehen,  daß  wir  durch  solche  Abgrenzungen 
das  Symptom  selbst  nicht  mehr  einem  der  genannten  Krank- 
tieitsbilder  unterzuordnen  gezwungen  sind,  sondern  daß  uns 


1922. 


■)  Vortrag  im  Verein  fĂŒr  Schulgesundheitspflege  am  7.  MĂ€rz 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Karger:  NachahmungAkrankheiten 


das  nicht  schwierige  Studium  der  Genese  der  Erscheinungen 
diagnostische  und  damit  therapeutische  Richtlinien  giht,  die 
nicht  vom  System  ausgehen,  sondern  vom  Einzelfalle.  Dali 
es  nicht  Gruppen  von  Krankheiten  gibt,  sondern  nur  zwei 
pathologische  Reaktionsformen.  Diese  verschiedenen  Vorbe- 
dingungen können  zum  gleichen  Symptom  fĂŒhren.  '  Das 
Symptom  kann  dann  aber  nicht  in  die  Begriffe  von  Neuro- 
pathie, Hysterie  u.  À.  eingezwÀngt  werden.  Der  scheinbar 
kausalen  Betrachtungsweise:  „ist  die  Neuropathie  die  Ur- 
sache einer  Erscheinung?"  setzen  wir  die  konditionale  ent- 
gegen: „unter  welchen  Bedingungen  ist  dies  Symptom 
entstanden?"  Bedingungen  können  wir  Àndern,  daher  hat  die 
Frage  nach  ihnen  praktisches  Interesse.  Neuropathie  können 
wir  nicht  Àndern,  könnten  es  wahrscheinlich  auch  dann 
nicht,  wenn  wir  wĂŒĂŸten,  was  das  ist- 

Wir  wollen  nunmehr  an  einigen  wenigen  Beispielen  die 
|Wege  aufzeigen,  auf  denen  wir  der  Analyse  von  psychischen 
.'Epidemien  bei  Kindern  nÀher  kommen  können.  Da  wÀren 
als  einfaches  Beispiel  die  Sprachstörungen  zu  er- 
örtern. Es  ist  bekanntlich  ein  sehr  beliebtes  Kinderspiel,  die 
Lehrer  oder  andere  Personen  karikierend  zu  imitieren. 
Das  kann  das  normale  dafĂŒr  begabte  Kind  machen,  so  oft 
res  will,  und  es  auch  wieder  lassen,  sobald  das  Spiel  be- 
endet ist.  Bei  anderen  kommt  es  auch  außerhalb  des  Spieles 
zu  einer  mehr  oder  minder  permanenten  Imitation,  die  schon 
in  das  Grenzgebiet  der  schlechten  Angewohnheit  gehört.  Es 
fixieren  sich  gewisse  Ausdrucksformen*  und  -EigentĂŒmlich- 
keiten, sodaß  bestimmte  Worte  oder  SĂ€tze  auch  trotz  Er- 
mahnung in  der  durch  die  Imitation  erlernten  Art  ausge- 
sprochen werden.  .Die  ĂŒbrige  Sprache  kann  dabei  vollkom- 
men in  der  gewohnten  Weise  erhalten  sein.  Das  ist  das 
Stadium  des  festeingefahrenen  pathologischen  Bedingungs- 
■  reflexes;  hier  sind  wir  an  der  Grenze  der  aktiven  Willens - 
betÀtigung  angelangt.  Jetzt  zeigt  sich  eine  SchwÀche  in  der 
FĂ€higkeit,  die  erworbenen  falschen  Associationen  zu  hemmen 
und  zugunsten  der  richtigen  zu  unterdrĂŒcken.  Resultat:  der 
Sprachfehler  in  einer  dem  Vorbilde  gleichen  oder  Àhnlichen 
Form. 

‱  Jetzt  soll  ein  Kind  von  dem  zweiten,  passiven  Typ  in  die 
gleiche  Situation  kommen.  Es  liegt  ihm  vollkommen  fern, 
an  Nachahmung  zu  denken,  aber  der  Anblick  z.  B.  eines 
Stotterers  macht  es  ihm  unmöglich,  in  der  gleichen  Weise 
harmlos  zu  sprechen  wie  bisher,  es  bekommt  Schwierig- 
keiten in  der  AtemfĂŒhrung  und  in  der  Aussprache  vielsilbiger 
Worte;  die  auf  die  Artikulation  verwandte  Aufmerksamkeit 
I  stört  die  Innervation.  Resultat:  der  Sprachfehler  in  einer 
dem  Vorbilde  gleichen  oder  Àhnlichen  Form. 

Es  dĂŒrfte  nicht  allzu  schwer  sein,  durch  eingehende 
Anamnese  die  aktiven  Imitatoren  von  den  hemmungs- 
schwachen zu  trennen,  auch  wenn  man  nur  die  gleichen 
EndzustĂ€nde  sieht.  Wer  will  da  sagen,  daß  das  eine  Kind  ein 
Neuropath,  das  andere  ein  Hysteriker  sei,  und  zu  welchem 
Zwecke?  Beide  Kinder  sind  vielleicht  beides  oder  keines  von 
beiden,  je  nachdem,  wie  man  die  Definition  fassen  will. 

Beim  Studium  der  Kinder  mit  Sprachstörung  findet  man 
mitunter  eigenartige  Verschiedenheiten  zwischen  Vorbild  und 
Imitator,  weil  die  Kinder  ja  nicht  das  Wesentliche  des  Symp- 
toms erfassen  können;  so  sah  ich  von  zwei  Geschwistern,  die 
beide  stotterten,  das  jĂŒngere  frei  von  Störungen  in  der  Ar- 
tikulation schwieriger  Worte,  aber  mit  Schwierigkeiten  in 
der  AtemfĂŒhrung.  Geradfe  Sprachstörungen  verlocken  sehr 
zur  Imitation.  Wenn  in  einer  Familie  z.  B.  die  Mutter  in- 
folge einer  akuten  Laryngitis  aphonisch  ist,  so  stellen  sich 
unwillkĂŒrlich  alle  anderen  Mitglieder  und  sogar  fremde  Be- 
sucher auf  FlĂŒstersprache  ein,  die  auch  dann  noch  einige 
Zeit  beibehalten  wird,  wenn  die  Kranke  das  Zimmer  verließ. 
Ich  sagte  absichtlich  „unwillkĂŒrlich",  um  damit  anzudeuten, 
daß  die  Genese  dieser  Imitation  nach  dem  passiven  Typ 
erfolgt.  Das  liegt  natĂŒrlich  durchaus  in  den  Grenzen  des 
Normalen  und  wird  erst  dann  zur  Nachahmungs  -Krank- 
heit, wenn  das  Symptom  in  Permanenz  erklÀrt  wird,  auch 
nach  Aufhören  der  Bedingungen,  die  es  hervorriefen. 


Eine  wenig  bekannte  Nachahmungskrankheit  i.st  der 
pathologische  Durst  und  die  damit  verbundene 
ĂŒbertriebene  FlĂŒssigkcitsaufnahine.  Ich  erinnere  mich  aus 
meiner  eigenen  Schulzeit  einer  Epoche,  in  der  der  Brunnen 
auf  dem  Schulhofe  belagert  wurde  und  sehr  bald  auch  außer- 
halb der  Schulzeit  sich  hÀufiger  Durst  einstellte,  der  so  auf- 
fallend war,  daß  verschiedene  Eltern  wegen  dieses  Symptoms 
den  Arzt  konsultierten.  In  der  Tat  wurde  damals  ein  Dia- 
betiker herausgefunden,  aber  eben  nur  einer. 

Wir  sahen  uns  wiederholt  veranlaßt,  Kinder  in  die 
Klinik  aufzunehmen,  um  die  Differentialdiagnose  zwischen 
schlechter  Angewohnheit  und  Diabetes  insipidus  zu  stellen. 
Diese  —  sit  venia  verbo  —  trinksĂŒchtigen  Kinder,  kommen 
im  Allgemeinzustand  sehr  stark  herunter,  weil  mit  den 
ĂŒbertriebenen  Wassermengen  anscheinend  auch  andere  Stolle 
ausgeschwemmt  werden,  die  der  Organismus  auf  die  Dauer 
nicht  entbehren  kann.  Diese  Ausschwemmung  des  ĂŒber- 
schĂŒssigen Wassers  fĂŒhrt  dann  notwendig  zu  Polyurie, 
Pollakisurie  und  endlich  zur  Enuresis. 

Die  Harnentleerung  ist  bezĂŒglich  ihrer  HĂ€ufigkeit,  von 
wenigen  organischen  Leiden  abgesehen,  ein  Erziehungspro- 
dukt. Sie  kann  sehr  hÀufig  vorgenommen  werden,  wenn  es 
so  gewollt  wird;  das  wissen  wir  von  unseren  Nierenfunk- 
tionsprĂŒfungen, bei  denen  wir  ja  die  Kinder  zu  hĂ€ufigen 
Entleerungen  anhalten,  um  die  einzelnen  Urinportionen  zur 
Untersuchung  zu  bekommen,  und  die  DurchfĂŒhrung  dieser 
Maßnahmen  stĂ¶ĂŸt  fast  nie  auf  Schwierigkeiten. 

Es  wird  nun  jeder  Lehrer  bestĂ€tigen  können,  daß,  wenn 
zwei  Kinder  zusammen  spazieren  gehen  und  das  eine  ver- 
schwindet in  der  BedĂŒrfnisanstalt,  das  andere  fast  nie  drau- 
ßen wartet,  sondern  mitgeht.  Auf  dem  Wrege  dieser  aktiven 
Nachahmung  erfolgt  spÀter  die  Gewöhnung  an  hÀufige  Urin- 
entleerung, und  damit  das  BedĂŒrfnis  danach.  Der  Schließ- 
muskel hÀlt  nur  noch  geringe  Harnmengen  fest,  es  kommt 
zum  BettnÀssen,  weil  die  Nachtzeit  lÀnger  ist,  als  das  Kind 
geĂŒbt  ist,  den  Harn  zu  halten. 

Es  ist  daher  auch  eine  den  Leitern  von  Heimen,  Inter- 
naten, WaisenhĂ€usern  usw.  gelĂ€ufige  Beobachtung,  daß  dort 
das  BettnÀssen  sozusagen  epidemisch  auftritt.  Diese  Tat- 
sache wird  meist  falsch  gedeutet,  indem  man  eine  ErkÀltung 
als  gemeinsame  Ursache  anschuldigt  und  daraufhin  die 
rationelle  Therapie  unterlĂ€ĂŸt. 

Einer  besonderen  Betrachtung  und  Beachtung  bedarf  das 
Symptom  des  Hustens.  Husten  ist  eine  Reaktion  auf  einen 
Reiz,  die  weitgehend  unterdrĂŒckt  werden  kann.  Man  wird 
bemerken,  daß  bei  Schulfeiern  in  der  Aula  weniger  Kinder 
husten  als  in  der  Klasse,  obwohl  ihre  Zahl  dort  grĂ¶ĂŸer  ist. 
Was  durch  Ablenkung  erreicht  werden  kann,  lĂ€ĂŸt  sich  auch 
durch  Erziehung  erreichen,  und  wo  diese  fehlt,  da  kommt  es 
zu  ganz  ungehemmten  AusbrĂŒchen,  die  in  gar  keinem  Ver- 
hÀltnis zu  der  organischen  Störung  stehen. 

Es  ist  schon  wiederholt  aufgefallen,  daß  Kinder,  die  in 
einer  Gemeinschaft  leben,  auch  einen  Àhnlich  klingenden 
Husten  haben.  Man  darf  sich  nicht  damit  zufrieden  geben,  daß 
man  eine  gleichartige  Infektion  annimmt;  abgesehen  davon, 
daß  bei  gleicher  Infektion  verschiedene  Kinder  sehr  verschie- 
den oft  und  sehr  verschieden  laut  husten,  kann  man  solche 
Hustenepidemien  sehen,  wenn  ein  Keuchhustenkind  in  der 
Klasse  ist  und  viele  nicht  infizierte  Kinder  keuchhustenÀhn  - 
liche AnfÀlle  bekommen,  die  aber  doch  manches  Charakte- 
ristische vermissen  lassen.  Noch  ĂŒberzeugender  sehen  wir 
das  beim  Asthma,  das  doch  ganz  gewiß  nicht  ansteckend 
ist,  und  doch  produzieren  Geschwister  und  Klassengenossen 
solcher  Kinder  den  charakteristisch  lauten  Husten,  natĂŒrlich, 
ohne  die  begleitenden  auskultatorischen  Erscheinungen  ĂŒber 
den  Lungen  zu  zeigen.  Es  handelt  sich  hier  wohl  in  den 
meisten  FĂ€llen  um  eine  aktive  Imitation;  eine  Sonderstellung 
nimmt  wohl  das  gewohnheitsmĂ€ĂŸige  HĂŒsteln  oder  RĂ€uspern 
ein,  dessen  Nachahmung  in  manchen  FĂ€llen  nicht  unter- 
drĂŒckt werden  kann.  Diese  Angewohnheit  mĂŒssen  wir  wohl 
in  dem  gleichen  Sinne  zu  den  Sprachfehlern  rechnen,  wie 
den  hÀufigen  Gebrauch  immer  der  gleichen  sinnlosen  Inter- 
jektionen (z.  B.  Ă€h,  hm,  öh).  ‱ 


266 


Debrunner,  Frosch:  SĂŒĂŸstoff 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Aehnliches  wie  fĂŒr  den  Husten  gilt  fĂŒr  den  Brechreiz. 
Es  gibt  Menschen,  die  leicht,  und  solche,  die  schwer  er- 
brechen; solche  mit,  und  solche  ohne  große  Störungen  im  All- 
gemeinbefinden. Auch  beim  Normalen  tritt  aus  EkelgefĂŒhl 
eine  Brechneigung  auf,  die  aber  unterdrĂŒckt  werden  kann. 
Viele  Kinder  können  diese  Hemmungen  aber  nicht  aufbrin- 
gen, wenn  sie  andere  Kinder  erbrechen  sehen,  und  so  treten 
in  manchen  Klassen  kleine  Endemien  auf,  die,  abgesehen  von 
der  Störung  des  Unterrichts,  noch  die  Folge  haben,  daß  das 
Erbrechen  auf  dem  Wege  eines  eingefahrenen  Reflexes  als  ge- 
lĂ€ufige Reaktion  auf  unangenehme  EindrĂŒcke  auch  ohne  An- 
blick des  Vorbildes  auftritt,  damit  manche  Erziehungsmaß- 
nahmen erschwerend.  So  kann  sich  aus  einer  ursprĂŒnglich 
passiven  Reaktion  eine  bewußte  und  beabsichtigte  Abwehr- 
maßnahme entwickeln,  wie  wir  das  einmal  bei  mehreren 
Kindern  auf  der  Klinik  erlebt  haben. 

Mit  Recht  gefĂŒrchtet  ist  die  AnsteckungsfĂ€higkeit  von 
Bewegung  s-  und  Innervationsanomalien 
aller  Art.  Ich  nenne  in  erster  Linie  den  T  i  c.  Sei  es,  daß 
^ein  Kind  mjt  einem  echten  Blinzeltic  in  der  Klasse  ist,  sei  es, 
daß  das  Vorbild  an  einer  organisch  bedingten  Lichtscheu 
leidet,  die  bei  den  anderen  Kindern  auf  aktivem  oder  passi- 
vem Wege  das  gleiche  Symptom  auslöst.  In  die  gleiche  Kate- 
gorie gehören  alle  ohnmachtsÀhnlichen  AnfÀlle,  gehört  auch 
mitunter  der  Kopfschmerz,  der,  ebenso  wie  die  als  Na- 
belkoliken bekannten  Formen  von  Bauchschmerzen,  in 
gehÀuften  FÀllen  in  Schulklassen  beobachtet  und  beschrieben 
wurden.  Ob  der  Veitstanz  wirklich  zu  Epidemien  hÀufiger 
Veranlassung  gibt,  ist  mir  zweifelhaft.  Es  existiert  darĂŒber 
nur  eine  vereinzelte  Mitteilung,  die  sich  durch  die  Literatur- 
angaben schleppt,  ohne  daß  weitere  Beobachtungen  in  neuerer 
Zeit  publiziert  wurden.  Immerhin  ist  ja  aus  der  Geschichte 
bekannt,  daß  die  Chorea  ursprĂŒnglich  fĂŒr  den  Ausdruck  einer 
religiösen  VerzĂŒckung  gehalten,  in  Massen  nachgeahmt  und 
sogar  geĂŒbt  wurde. 

Sehr  hÀufig  spielt  die  Nachahmung  die  Hauptrolle  in  der 
Entstehung  der  Onanie.  Das  ist  eine  aktive  Nachahmung, 
die  sogar  auf  dem  Wege  gegenseitiger  Unterweisung  und, 
Empfehlung  zustande  kommen  kann,  und  das  Endprodukt 
ist  weder  ein  Zeichen  von  Krankheit,  noch  gar  von  morali- 
schem Defekt. 

Wenn  wir  von  Nachahmungskrankheiten  sprechen,  also 
von  Symptomen,  die,  durch  Imitation  entstanden,  organische 
Krankheiten  vortĂ€uschen,  so  mĂŒssen  wir  noch  eine  Form  be- 
rĂŒcksichtigen, die  als  Autoimitation  bezeichnet  wird. 

Wir  fassen  unter  diesem  Namen  eine  Anzahl  von  Er- 
scheinungen zusammen,  die  dadurch  charakterisiert  sind, 
daß  ein  organisch  bedingtes  Symptom,  nach  Abklingen  der 
Krankheit  durch  Angewohnheit  zum  pathologischen  Bedin- 
gungsreflex ausgebildet,  in  Permanenz  erklÀrt  wird.  Diese 
Erscheinung  interessiert  hier  vor  allem  deshalb,  weil  sie 
zeigt,  daß  die  Heilung  mancher  Krankheitssymptome  neben 
dem  medizinischen  ein  pÀdagogisches  Problem  darstellt. 

Ich  will  das,  was  hier  gemeint  ist,  an  dem  Beispiele  der 
Mundatmung  illustrieren.  Ein  Kind  zieht  sich  einen 
akuten  Schnupfen  oder  eine  akute  Mandelschwellung  zu,  wo- 
durch die  Atmung  durch  die  Nase  behindert  wird.  Nach  dem 
Abklingen  der  akuten  Erscheinungen  wird  aber  die  Mund- 
atmung  aus  Gewohnheit  beibehalten,  wenn  nicht  durch  Er- 
ziehung darauf  eingewirkt  wird.  Das  sind  die  gleichen  Kin- 
der, denen  man  die  Rachenmandel  entfernen  lĂ€ĂŸt,  wobei  oft 
auffallend  wenig  bei  der  Operation  gefunden  wird.  Aber 
selbst  wenn  reichlich  vorhandene  adenoide  Vegetationen  aus- 
giebig entfernt  werden,  so  stellt  sich  durchaus  nicht  immer 
wieder  die  Nasenatmung  ein.  Erst  eine  zielbewußte  Uebungs- 
therapie  bringt  das  Symptom  zum  Schwinden,  und  sie  sollte 
vor  der  Operation  erst  versucht  werden,  weil  dadurch 
mancher  Eingriff  ĂŒberflĂŒssig  wird,  sie  sollte  nach  der 
Adenotomie  nie  vergessen  werden,  wodurch  manche  schein- 
baren Mißerfolge  aus  der  Welt  geschafft  werden  wĂŒrden. 
MerkwĂŒrdigerweise  wird  die  unschöne  Mundatmung  ĂŒbrigens 
von  manchen  nasengesunden  Kindern  nachahmenswert  ge- 


funden, so  daß  auch  dieses  Symptom  gehĂ€uft  in  einer  Familie 
oder  Klasse  gefunden  wurde. 

Ein  Àhnliches  Verhalten  wurde  bei  Kindern  nach  Blasen - 
affektionen  und  DurchfÀllen  gesehen.  So  wie  sich  Kin- 
der an  hÀufige  Harnentleerung  gewöhnen  können,  so  auch 
an  die  hÀufige  Entleerung  kleiner  Stuhlmengen. 

Bekannter  ist  die  Permanenz  von  Hustenattacken,  wie 
wir  sie  nach  Keuchhusten  und  Asthma  sehen.  Es  betrifft 
dies  meist  Kinder,  die  auch  auf  anderen  Gebieten  sich  als 
hemmuligssehwach  erweisen,  die  eben  kleine  KitzelgefĂŒhle 
im  Rachen,  statt  sie  zu  unterdrĂŒcken  oder  auf  sie  mit  RĂ€us- 
pern zu  reagieren,  mit  zĂŒgellosem  Husten  von  bellendem  oder 
Keuchendem  Charakter  beantworten. 

Kehren  wir  nunmehr  wieder  zum  Ausgangspunkte  un- 
serer Erörterungen  zurĂŒck,  zu  der  Einteilung  der  Kinder  in 
aktive  Imitatoren  und  primÀr  hemmungsschwache,  zu  denen 
wir  auch  die  Autoimitatoren  rechnen,  so  ergeben  sich  fĂŒr  die 
Behandlung  der  Erscheinungen  wichtige  Gesichtspunkte. 

Wo  ein  pathologischer  Bedingungsreflex  auf  dem  Boden 
einer  schlechten  Angewohnheit  erwachsen  ist,  da  muß  es 
unser  Bestreben  sein,  einen  neuen  Bedingungsreflex  in  der 
Richtung  zu  schaffen,  daß  das  Auftreten  des  zu  bekĂ€mpfen- 
den Symptoms  mit  einem  Unlustaffekt  fest  verkoppelt  wird, 
der  seinerseits  zur  willenmĂ€ĂŸigen  UnterdrĂŒckung  der  Ange- 
wohnheit erzieht.  Als  einfaches  Beispiel  nenne  ich  die 
Behandlung  des  neurogenen  Hustens  oder  der  hÀufigen  Harn- 
entleerung durch  die  Verordnung  bitterer  Medizin  gleich  im 
Anschluß  an  den  Anfall  bzw.  die  Harnentleerung.  Das  ist 
nicht  nur  Suggestion,  das  ist  eine  modifizierte  PrĂŒgelstrafe, 
die  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  in  wirksamerer  Weise  Erziehungs- 
defekte  ausgleicht,  als  es  offenbar  ein  Tadel  zu  tun  pflegt. 

Ist  der  pathologische  Bedingungsreflex  entstanden  bei 
einem  primÀr  hemniungsschwachen  Kinde  mit  erhöhter  Ein- 
fĂŒhlungsfĂ€higkeit, so  gilt  es,  durch  Uebung  die  Hemmungen 
in  der  Weise  auszubilden,  daß  man  das  Kind  langsam  und 
allmÀhlich  an  die  betreffenden  Reize  gewöhnt.  Als  Beispiel 
nenne  ich  die  Behandlung  des  Blinzeltics  mit  Uebungen,  die 
darauf  ausgehen,  gerade  die  Reize  darzubieten,  die  erfah- 
rungsgemĂ€ĂŸ auch  beim  Normalen  mit  Blinzeln  beantwortet 
werden,  wie  grelles  Licht,  BerĂŒhrung  der  Wimpern  usw. 
Wir  dĂŒrfen  nur  niemals  vergessen,  daß  hemmungsschwache 
Imitatoren  auch  sonst  Zeichen  von  HemmungsschwÀche  dar- 
bieten, deren  Behandlung  ĂŒber  der  Behandlung  des  auffĂ€l- 
ligsten Symptomes  nicht  vernachlÀssigt  werden  darf. 

Das  fĂŒhrt  uns  dann  dazu,  alle  Kinder,  die  Nachahmungs- 
krankheiten zeigen,  genauer  anzusehen  und  damit  viele  un- 
erkannte nervöse  Störungen  zu  einem  Zeitpunkte  aufzu- 
decken, in  dem  sie  noch  ein  dankbares  Objekt  der  Behand- 
lung darstellen;  denn  ein  nervös  völlig  gesundes  Kind  wird 
im  allgemeinen  nicht  Zeichen  von  Imitations-  oder  Auto- 
imitationskrankheiten zeigen.  Wo  sich  aber  in  einer  Gemein- 
schaft von  Kindern  die  ersten  Zeichen  solcher  nichtinfektiöser 
Endemien  bemerkbar  machen,  da  muß  rechtzeitig  die  Pro- 
phylaxe einsetzen. 

Diese  Prophylaxe  soll  aber  durchaus  nicht  immer  und 
nicht  allein  in  der  Entfernung  der  mutmaßlichen  oder  nach- 
gewiesenen Vorbilder  bestehen,  sondern  in  Àrztlich  beratener 
pÀdagogischer  Beeinflussung.  So  sind  die  Nachahmungs- 
krankheiten ein  Gebiet,  das  wie  kaum  ein  anderes  die  ver- 
stÀndnisvolle Zusammenarbeit  zwischen  Schularzt  und 
Schullehrer  fordert,  sind  wie  kaum  ein  anderes  Gegenstand 
praktischer  Schulgesundheitspflege. 

Versuche  mit  SĂŒĂŸstoff. 

Von  Dr.  med.  H.  Debrunner  und  Dr.  med.  L.  Frosch,  Berlin. 

Das  Mißtrauen,  das  nicht  nur  in  Laienkreisen  dem 
zuckerersetzenden  SĂŒĂŸstoff  „Saccharin"  entgegengebracht 
wird,  ohne  durch  beweiskrĂ€ftige  Argumente  unterstĂŒtzt  zu 
werden,  veranlaßte  uns,  Versuche  mit  „SĂŒĂŸstoff"  anzustellen, 
um  auf  Grund  experimenteller  Erfahrungen  zu  einem  fest- 
stehenden Urteil  zu  kommen. 


10.  Jahrg. —  Nr.  12. 


Debrunner,  Frosch:  SĂŒĂŸstoff 


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Kurz  nach  seiner  Erfindung  wurde  das  Saccharin  von 
vielen  Chemikern,  Bakteriologen,  Klinikern  und  Physiologen 
am  Tiere  und  am  Menschen  geprĂŒft.  Es  erschienen  Arbei- 
ten von  Salkowski,  v.  Leyden,  Eichhorst, 
DrÀsche,  Jaworski,  Mosso,  Jessen  u.  v.  a.  im  In- 
und  Auslande,  die  ĂŒbereinstimmend  die  UnschĂ€dlichkeit  des 
PrÀparates  nachwiesen.  Allerdings  wurden  vereinzelte  geg- 
nerische Stimmen  laut,  die  aber  gegenĂŒber  dem  Gewicht  der 
Tatsachen  bald  verstummten.  Trotzdem  blieb  (merkwĂŒr- 
digerweise eine  gewisse  Abneigung  gegen  Saccharin  be- 
stehen, die  fĂŒr  die  Masse  des  Volkes  psychologisch  wohl  ver- 
stÀndlieh ist.  Die  Abneigung  der  gebildeten  Kreise  ist  viel- 
leicht dadurch  erklĂ€rlich,  daß  die  genannten  Untersuchungen 
zu  wenig  bekannt  geworden  sind.  Die  frĂŒher  abgegebenen 
Werturteile  auf  ihre  jetzige  GĂŒltigkeit  zu  prĂŒfen,  das  Miß- 
trauen gegebenenfalls  zu  zerstreuen,  ist  der  Zweck  dieser  Ar- 
beit, der  ĂŒin  so  nĂŒtzlicher  erscheint,  je  mehr  man  bedenkt, 
daß  die  immer  noch  bestehenden  ErnĂ€hrungsschwierigkeiten, 
die  auf  die  Produktion,  Verwertung  und  Bewertung  des 
Zuckers  umwĂ€lzenden  Einfluß  gewannen,  uns  heute  aus 
wirtschaftlichen  GrĂŒnden  zwingen,  zum  Ersatz  zu  greifen. 

Aus  solchen  ErwÀgungen  heraus  und  um  das  augen- 
blicklich im  Handel  befindliche  PrÀparat  zu  erproben,  be- 
schlossen wir,  die  Frage  durch  einfache  Experimente  zu  klÀ- 
ren. Spezielle  Untersuchungen  auf  Organwirkungen  sind  von 
berufener  Seite  in  Angriff  genommen  worden.  Unsere  Ergeb- 
nisse dĂŒrften  vorderhand  dem  praktischen  Arzte  von  Wich- 
tigkeit sein. 

Unsere  Versuche  lassen  sich  in  drei  Gruppen  einteilen: 
A.  Bakteriologische  Untersuchungen  *), 
'B.  Tierversuche, 
C.  Me.nschenversuche. 

Die  Deutsche  SĂŒĂŸstoff-Gesellschaft  m.  b.  H.,  Berlin,  die 
an  den  Ergebnissen  unserer  Arbeit  regen  Anteil  nahm,  stellte 
.uns  das  PrÀparat  in  verschiedenen  kÀuflichen  Packungen 
rein  oder  als  Natronsalz  (Tablettensaccharin)  zur  VerfĂŒgung. 

Von  vornherein  sei  als  selbstverstĂ€ndlich  festgestellt,  daß 
das  Saccharin  mit  dem  Zucker  als  Nahrungsmittel  niemals 
in  Konkurrenz  treten  kann:  Saccharin  ist  ein  GewĂŒrz  ohne 
irgendwelchen  NĂ€hrwert.  Seine  Verwendung  ist  nur  da  be- 
rechtigt, wo  es  sich  um  Geschmacksverbesserung  von  Spei- 
sen oder  GetrÀnken  handelt.  Beweisen  die  Versuche  neuer- 
dings die  UnschÀdlichkeit  des  Saccharins,  so  ist  in  dieser 
Hinsicht  seine  EbenbĂŒrtigkeit  dem  Zucker  gegenĂŒber  außer 
Zweifel  gestellt;  der  NĂ€hrwert  der  zur  Geschmackskorrektur 
verwendeten  Zuckermengen  ist  in  den  genossenen  Quanti- 
tĂ€ten so  gering,  daß  er  praktisch  bei  der  Aufstellung  einer 
Kalorientafel  kaum  ins  Gewicht  fÀllt. 

A.  Bakteriologische  PrĂŒfung. 

Die  PrĂŒfung  der  Desinfektion s Wirkung  des 
Saccharins  ergab,  daß  es  in  LösungsverhĂ€ltnissen  wie  sie  zum 
GenĂŒsse  von  GetrĂ€nken,  eingemachten  FrĂŒchten,  Marmeladen 
u.  s.  f.  Verwendung  finden,  nicht  ganz  mit  Zucker  verglichen 
werden  kann.  Erst  die  ĂŒbersĂŒĂŸten  2,5%  igen  Lösungen  ließen 
einen  gewissen,  wenn  auch  nicht  sehr  augenfĂ€lligen  Einfluß 
auf  verschiedene  pathogene  Bakterien  und  auf  Saprophyten 
und  GĂ€rungserreger  erkennen.  Nach  achtstĂŒndiger  Einwir- 
kung einer  2,5% igen  Saccharin-Bouillonlösung  zeigten  so- 
wohl Streptokokken  als  auch  Diphtherie-,  Paratyphus-  und 
Pyocyaneusbazillen  ein  schwÀcheres  Wachstum  auf  ihren 
AgarnĂ€hrböden.  Zu  einer  eigentlichen  Hemmung  —  also  zu 
einer  vollkommenen  Desinfektion  —  kam  es  allerdings  nicht 
und  Staphylokokkus  aureus  reagierte  ĂŒberhaupt  nicht  auf 
den  Saccharinzusatz.  Eine  sterile  2,5%ige  Bouillonlösung 
blieb  dagegen  wochenlang  unverÀndert,  auch  wenn  das  Sac- 
charin in  unsterilem  Zustand  zugesetzt  wurde,  so  daß  mau 
annehmen  darf,  daß  das  Auftreten  gewöhnlicher  Saprophy- 

*)  Sie  wurden  durchgefĂŒhrt  in  den  RĂ€umen  des  hygien.  In- 
stituts der  tierÀrztl.  Hochschule.  Wir  gestatten  uns,  Herrn  Geh. 
Rat  Frosch  an  dieser  Stelle  fĂŒr  Ueberlassung  des  Insrumen- 
tariums  und  der  Kulturen  unsern  herzlichen  Dank  auszusprechen. 


ten,  das  so  hÀufig  die  Giirungs-  und  FÀulniserscheinungen 
in  lagernden  Speisen  hervorruft,  vollkommen  gehemmt  wird 
durch  die  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  starke  Lösung. 

Wir  betonen,  daß  es  sich  um  Lösungen  von  kristallisier- 
tem, reinem  SĂŒĂŸstoff  handelte. 

Wir  ersehen  aus  diesen  Tatsachen,  daß  sich  das  Sac- 
charin zur  Konservierung  ungekochter  oder  nicht  sterili- 
sierter Eßwaren  nur  eignet,  wenn  wir  es  in  ĂŒbersĂŒĂŸten  Lö- 
sungen verwenden.  Die  untere  Grenze  der  konservierenden 
Dosis  liegt  weit  höher  als  die  der  angenehm  sĂŒĂŸenden.  Ge- 
stattet die  Verwendungsart  ĂŒieser  Nahrungsmittel  eine  solche 
hochgradige  UcbcrsĂŒĂŸung  nicht,  so  mĂŒssen  wir  in  diesen  FĂ€l  - 
len zum  Zucker  zurĂŒckkehren.  Dagegen  lassen  sich  sĂŒĂŸe 
Mischungen  haltbar  mit  Saccharin  herstellen,  wenn  wir  die- 
selben als  ZusatzflĂŒssigkeiten  zur  Geschmacksverbesserung 
frisch  zubereiteter  Gerichte  verwenden  wollen.  Der  Lösungs- 
gehalt muß  mindestens  0,5  bis  1  Prozent  erreichen.  (WĂ€sse- 
rige Lösung,  Sirupzusatz  usw.) 

DemgegenĂŒber  ist  der  SĂŒĂŸstoff  sehr  wohl  verwendbar 
als  Beigabe  zu  sterilisierten  FrĂŒchten,-  KonfitĂŒren, 
Konserven,  Marmeladen,  wenn  sie  sofort  nach  dem  Erhitzen 
luftdicht  verschlossen  werden.  (Weckapparate,  Soxhletappa- 
rat).  Der  hermetische,  unter  AtmosphÀrendruck  stehende 
Verschluß  muß  das  Eindringen  von  FĂ€ulniserregern  in  die 
keimfrei  gemachte  Speise  verhindern  können;  ihm  verdankt 
sie  ihre  Haltbarkeit  mit  oder  ohne  Saccharin,  das  nicht  im- 
stande ist,  in  den  verwendeten  Mengen  vorhandene  Keime  ab- 
zutöten. 

Die  leichte  Desinfektionswirkung  des  SĂŒĂŸstoffs  ist  auf 
seine  SĂ€ureeigenschaften  zurĂŒckzufĂŒhren.  Sie  nimmt  in  ihrer 
IntensitÀt  zu  mit  dem  Lösungsgehalt  und  nimmt,  wie  wir  an 
verschiedenen  fĂ€ulnisfĂ€higen  Lösungen  (BĂŒchsenobsi,  Urin) 
gesehen  haben,  schon  bei  ZusÀtzen  von  0,05%  kristallinischen 
SĂŒĂŸstoffs  nachweisbare  Formen  an.  (Um  Tage  verlĂ€ngerte 
Haltbarkeit  gegenĂŒber  Kontroll-Lösungen).  Erst  bei  0,5  und 
mehr  prozentigen  Lösungen  werden  sowohl  FÀulnis  als  auch 
GĂ€rung  vollstĂ€ndig  hintangehalten.  WĂ€hrend  —  wie  wir 
sahen  —  die  Einwirkung  auf  pathogene  Bakterien  erst  bei 
noch  höherer  Konzentration  einsetzt.  Zu  ganz  Àhnlichen  Er- 
gebnissen fĂŒhrten  auch  Versuche,  die  Salkowski  in  Ber- 
lin und  van  Heurck  in  Amsterdam  ausstellten.  Virch. 
Arch.  Bd.  105,  S.  46;  ebenso  P  a  s  c  h  k  i  s  ,  Wien.  Mediz. 
Wochenschr.  1890,  H.  9  u.  10). 

Da  die  gebrĂ€uchlichen  und  wirklich  angenehm  gesĂŒĂŸten 
Trinklösungen  aber  nur  ungefÀhr  0,01  bis  0,02%  Saccharin 
enthalten,  darf  man  sich  von  einer  Desinfektionswirkung  im 
tÀglichen  Gebrauch  nicht  allzuviel  versprechen. 

Wir  haben  Versuche  angestellt,  uns  dieser  Desinfektions- 
wirkung in  der  Wundbehandlung  zu  bedienen.  Da 
das  PrÀparat  von  den  KörpersÀften  nicht  zerlegt  wird  und 
sich  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  indifferent  gegen  sie  verhĂ€lt,  haben 
wir  es  mit  einem  milden,  unverÀnderlichen  Antiseptikum  zu 
tun.  Wir  behandelten  einige  torpide  Ulcera  und  Decubital- 
geschwĂŒre  mit  SaccharinumschlĂ€gen.  Wir  wĂ€hlten  bis  10- 
prozentige  Lösungen  des  kristallisierten  SĂŒĂŸstoffs  und  hatten 
recht  erfreuliche  Erfolge.  Das  Aussehen  der  schmierig  beleg- 
ten Stellen,  die  sich  z.  T.  unter  vorhergehender  Salbentherapie 
nicht  verÀndert  hatten,  wechselte  schon  am  zweiten  Tage. 
Der  Belag  verschwand,  die  Granulationen  wurden  frisch  und 
rot  und  der  Epithelpannus  entwickelte  sich  von  allen  Seiten 
dem  Zentrum  entgegen.  Die  Erfolge  erinnerten  an  die  der 
Kochsalzbehandlung  nicht  heilender  Ulcerationen  und  sind 
wohl  ebenso  wie  bei  diesen  in  erster  Linie  auf  physikalische 
und  weiter  auf  chemische  EinflĂŒsse  zurĂŒckzufĂŒhren. 

B.  Tierversuche. 

Die  fĂŒr  uns  besonders  wichtigen  Fragen  nach  der  Beein- 
flussung des  Gesamtorganismus  durch  Saccharin-Zufuhr 
wurden  zunĂ€chst  im  Tierversuch  geprĂŒft.  Wir  beschrĂ€nkten 
uns  auf  die  Beobachtung  des  Allgemeinzustandes,  auf  die 
Beobachtung  der  wichtigsten  und  einer  PrĂŒfung  am  leich- 
testen zugÀnglichen  körperlichen  Funktionen,  ohne  uns  auf 
zeitraubende  und  nur  mit  exakter  Apparatur  durchfĂŒhrbare 


268 


DuzÀr:  Malaria 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Spezialuntersuchungen  einzulassen.  Sie  wurden  inzwischen 
von  anderer  Seite  eingeleitet.  Die  Ergehnisse  werden  am  Ge- 
samturteil nichts  Wesentliches  mehr  Àndern. 

a)  Acht  ausgewachsene  Kaninchen  wurden  wÀhrend 
dreier  Monate  mit  Saccharin  gefĂŒttert,  das  wir  in  geringen, 
bei  der  Verwendung  im  menschlichen  Haushalt  gebrÀuch- 
lichen Dosen  unter  das  halbbreiige  Futter  mengten.  Berech- 
nen wir  die  Mengen  auf  die  kleinen  VerhÀltnisse  des  Kanin- 
chenkörpers um,  so  sind  sie  erheblich  grĂ¶ĂŸer  als  die,  welche 
zur  WĂŒrzung  menschlicher  Speisen  je  Verwendung  finden. 
Trotz  schwerer  operativ  -  experimenteller  Eingriffe  wÀh- 
rend der  Zeit  der  Saccharin-FĂŒtterung  ließ  sich  ein  ungĂŒn- 
stiger Einfluß  der  letzteren  an  den  Versuchstieren  in  keinem 
Falle  feststellen.  SĂ€mtliche  vegetativen  Funktionen  spielten 
sich  bei  den  Tieren  ungehindert  und  einwandfrei  ab,  weder 
bemerkten  wir  Gewichtsabnahme  noch  UnregelmĂ€ĂŸigkeiten 
in  der  TĂ€tigkeit  der  inneren  Organe,  namentlich  seitens  derer 
der  Verdauung.  Die  nach  8  bis  12  Wochen  stets  vorgenom- 
menen Sektionen  ergaben  keine  nachweisbaren  VerÀnderun- 
gen des  Intestinaltraktus,  so  daß  hier  von  einer  schĂ€dlichen 
oder  ĂŒberhaupt  wahrnehmbaren  ungĂŒnstigen  Wirkung  des 
SĂŒĂŸstoffes  keine  Rede  sein  kann.  Dies  ist  um  so  bemerkens- 
werter, als,  wie  erwÀhnt,  die  in  Frage  stehenden  Versuchs- 
tiere wegen  der  ĂŒberstandenen  blutigen  Eingriffe  jedem 
schĂ€dlichen  Einfluß,  wie  ihn  doch  die  Einverleibung  eines 
verdauungsschĂ€digenden  Stoffes  bedeuten  wĂŒrde,  besonders 
leichte  Angriffspunkte  hĂ€tten  bieten  mĂŒssen. 

b)  Ganz  dieselben  VerhÀltnisse  ergab  die  Saccharin- 
FĂŒtterung  von  4  ebenfalls  zu  operativ-experimentellen 
Zwecken  von  uns  gehaltenen  Hunden.  (0,1  bis  0,5  g  Saccha- 
rin pro  Tag.)  Hier  kam  komplizierend  noch  das  Alter  der 
Tiere  —  es  handelte  sich  um  4  Wochen  alte  Individuen  —  so- 
wie deren  außerordentlich  große  Empfindlichkeit  gegenĂŒber 
Ă€ußeren  EinflĂŒssen  hinzu.  Trotzdem  konnte  auch  in  diesem 
Falle  irgendeine  auch  noch  so  geringe  schÀdigende  Wirkung 
des  Saccharins  niemals  festgestellt  werden.  Im  VerhÀltnis  zu 
Gewicht  und  KörperoberflÀche  ist  die  gewÀhlte  Dose  als  sehr 
hoch  zu  bezeichnen.  Bei  der  Umrechnung  auf  menschliche 
Durchschnittsgewichte  ergeben  sich  Zahlen,  die  praktisch 
wertlos,  im  Hinblick  auf  die  Festsetzung  einer  Maximaldose 
aber  von  einigem  Interesse  sind.  (7  bis  12  g  Kristall-SĂŒĂŸstoff.) 

c)  Um  wenigstens  AnnÀherungswerte  in  dieser  Richtung 
zu  erzielen,  verabfolgten  wir  einem  1700  g  schweren  Kanin- 
chen mit  Hilfe  eines  Gummikatheders,  den  wir  als  Magen - 
sonde  einfĂŒhrten,  eine  Lösung  von  1  Gramm  Saccharin  in 
lauem  Wasser.  Da  sich  gar  keine  Erscheinungen  einstell- 
ten, fĂŒhrten  wir  am  folgenden  Tage  2  Gramm  in  gelöstem 
Zustande  ein.  Mit  Ausnahme  einer  geringen  Störung  des 
Allgemeinbefindens,  die  wohl  grĂ¶ĂŸtenteils  auf  den  Eingriff 
zurĂŒckzufĂŒhren  ist,  konnten  wir  absolut  keine  ungĂŒnstige 
Einwirkung  der  erheblichen  Menge  eingefĂŒhrten  Saccharins 
bemerken;  wie  vorher  beschrieben,  trat  keine  Aenderung  der 
Organ-Funktionen  ein.  Stuhl  und  Urin  ergaben  normale 
Zusammensetzung  bei  ungestörtem  Abgang.  Die  Sektion  am 
4.  Tage  zeigte  nichts  krankhaftes.  Der  Intestinaltraktus  sowie 
die  Nieren,  an  denen  wir  VerÀnderungen  am  ehesten  vermu- 
teten, wiesen  normale  VerhĂ€ltnisse  auf.  Auch  an  den  ĂŒbri- 
gen Organen  fiel  uns  Absonderliches  nicht  auf. 

Berechnung:  Auf  1  Kilo  Körpergewicht  wurde  0,59  g 
Kristall-Saccharin  verabreicht.  Der  70  kg  schwere  Durch- 
schnittsmensch vertrĂ€gt  also  —  wenn  man  eine  biologische 
Gleichsetzung  der  Menschen-  und  Kaninchengewichtseinheit 
annehmen  darf  —  zum  mindesten  41,3  g. 

Jessen  hat  im  Arch.  f.  Hyg.  1890  S.  64  Àhnliche  Ver- 
suche veröffentlicht.  Er  kommt  noch  zu  höheren  Zahlen  (bis 
210  g  Saccharin  auf  den  Menschen  umgerechnet). 

d)  Um  die  ResorptionsfĂ€higkeit  zu  prĂŒfen,  injizierten  wir 
einem  Kaninchen  10  ccm  einer  10%igen  Lösung  unter  die 
RĂŒckenhaut.  Das  Infiltrat  verschwand  rasch,  ohne  irgend- 
einen Einfluß  weder  im  Allgemeinbefinden  noch  an  Ort  und 
Stelle  zu  hinterlassen.  Auch  hier  konnten  wir  bei  der  nach 
zwei  Tagen  erfolgten  Sektion  nichts  Anormales  nachweisen. 


C.  Versuche    am  Menschen. 

Zum  SchlĂŒsse  prĂŒften  wir  den  Kristall-SĂŒĂŸstoff  noch  an 
30  Kindern  zwischen  1  und  10  Jahren.  Der  Zucker  wurde  12 
bis  16  Wochen  lang  durch  SĂŒĂŸstoff  ersetzt.  Um  die  Tages  - 
dosis  im  Rahmen  des  Angenehmen  in  die  Höhe  zu  schrau- 
ben, wurden  alle  Speisen,  bei  denen  es  irgendwie  angÀngig 
war,  z.  B.  auch  Kartoffelbrei  und  Salate,  mit  Saccharin  ge- 
wĂŒrzt. Die  Kinder  kamen  wegen  orthopĂ€discher  Leiden  in 
unsere  Behandlung,  waren  aber  sonst  mit  Ausnahme  einiger 
darunter  befindlicher  Rachitiker  innerlich  gesund.  Die  Ei 
gebnisse  stimmten  mit  unseren  Erwartungen  ĂŒberein.  Nicht 
nur  aßen  die  Kinder  die  gesĂŒĂŸten  Speisen  mit  Appetit;  sie 
gediehen  auch  dabei.  Darmstörungen  waren  nicht  zu  beob- 
achten. Selbst  bei  SĂ€uglingen  blieb  der  Stuhlgang  normal, 
weder  fanden  sich  Eiweiß  noch  Zucker  im  Urin.  Wir  glau- 
ben sogar,  daß  unsere  Kost  gerade  den  Rachitikern,  denen 
wir  die  Kohlehydratzufuhr  in  Form  von  Zucker  öder  StÀrke 
gern  einschrĂ€nken,  von  Vorteil  gewesen  ist.  Jedenfalls  lĂ€ĂŸt 
sich  die  oftmals  ein  wenig  fade  Krankenhauskost  durch  Zu- 
satz von  Saccharin  sehr  bekömmlich  und  schmackhaft  ge- 
stalten. 

Einer  der  Verfasser  hat  wÀhrend  der  ganzen  Versuchs- 
periode den  Zucker  von  seinem  Kostzettel,  so  gut  es  ging,  ver- 
bannt und  durch  Saccharin  ersetzt.    Wiederholt  hat  er  auch 
grĂ¶ĂŸere  Mengen  (bis  zu  1  g)  eingenommen.  Irgendeinen  Ein 
fluß  auf  sein  Befinden  konnte  er  nicht  feststellen. 

Unsere  Versuche  sollten  die  Frage  nach  der  UnschÀd- 
lichkeit des  SĂŒĂŸstoffs  in  groben  ZĂŒgen  beantworten.  Sie  be- 
wegen sich  im  Rahmen  der  tÀglichen  Praxis  und  sind  be- 
stimmt, dem  praktischen  Arzte,  dem  Anstaltsleiter  usw.  einen 
erneuten  Beweis  von  der  UnschÀdlichkeit  des  Mittels  zu  lie- 
fern. Wir  glauben,  daß  ihnen  dies  gelungen  ist. 

Als  Experiment,  dessen  GĂŒltigkeit  wohl  nicht  bezweifelt 
wird,  darf  die  zwangsweise,  jahrelange  Verwendung  des 
SĂŒĂŸstoffs  im  Kriege  gelten.  Auch  damals  sind  keine  Ver- 
giftungserscheinungen oder  sonstige  nachhaltigen  Einwir- 
kungen bekannt  geworden. 

Der  „SĂŒĂŸstoff"  (Saccharin)  stellt  in  allen  im  Handel 
kĂ€ĂŒflichen  Formen  ein  GewĂŒrz  dar,  dessen  Gebrauch  den 
Organismus  in  keiner  Weise  schÀdigt  oder  stört.  Die  Dosen, 
bei  denen  sich  krankhafte  Erscheinungen  im  Körper  ein- 
stellen, liegen  so  hoch,  daß  praktisch  das  Mittel  als  vollkom- 
men unschĂ€dlich  bezeichnet  werden  kann.  Es  lĂ€ĂŸt  sich  in 
dieser  Hinsicht  mit  dem  Kochsalz  vergleichen,  dessen  Giftig- 
keit auch  erst  bei  ungeheuren  Mengen  in  Erscheinung  tritt. 
Die  wasserentziehende  Wirkung  hat  bei  beiden  Mitteln 
diarrhoische  Erscheinungen  im  Gefolge,  die  nach  Absetzen 
sofort  zu  verschwinden  pflegen.  (Dosen  von  25 — 30  Gramm 
reinen  Saccharins.) 


Aus  der  Kinderklinik  der  königl.  ung.  Elisabeth-UniversitÀt, 
derzeit  in  Budapest  im  Weißen-Kreuz-Kinderspital. 
(Direktor:  Dr.  Paul  Heim.  ö.  o.  Professor 

Ueber  die  Malaria  im  SĂ€uglingsalter. 

Von  Assistent  Dr.  Josef  DuzÀr. 

Die  Malaria  gehört  zu  jenen  Infektionskrankheiten,  die 
den  Menschen  in  jedem  Lebensalter  befallen  können.  WÀh- 
rend aber  die  Malaria  der  Erwachsenen  in  den  meisten 
FĂ€llen  ein  gut  definiertes,  einheitliches  Krankheitsbild  zeigt, 
gibt  die  Malaria  des  SĂ€uglingsalters  oft  Grund  zur  falschen 
Diagnose,  deren  Ursache  teils  in  ihrem  vollkommen  atypi- 
schen Verlauf,  teils  in  ihrem  seltenen  Vorkommen  zu 
suchen  ist. 

Die  Malaria  des  SÀuglingsalters  kann  nÀmlich  jede  Art 
der  Erkrankung,  von  der  mildesten  bis  zur  schwersten  auf- 
weisen. Man  fand  einen  35  Tage  alten  SĂ€ugling  mit  Plas- 
modien im  Blute  ohne  irgendwelche  Symptomen  der  Erkran- 
kung. Die  Resistenz,  welche  in  vielen  FÀllen  auch  im  spÀ- 
testen Kindesalter  noch  vorhanden  ist,  gleicht  derjenigen, 


10.  Jahrg. —  Nr.  12. 


DuzÀr:  Miliaria 


209 


welche  die  Eingeborenen  der  TropenlÀnder  gegen  diese 
Krankheit  zeigen.  Moncorvo  fand  bei  den  SĂ€uglingen 
öfter  abortiv  ablaufende  FÀlle,  die  sieh  in  kurz  andauernder 
Schlaflosigkeit  oder  SchlÀfrigkeit,  dyspnoischem  Anfall,  Neu- 
ralgie, Kopfschwindel,  eventuell  in  Hautexanthemen 
Ă€ußerten. 

Schon  frĂŒher  haben  Böhm  und  Nothnagel,  neuer- 
lieh Cardamatis  die  Symptome  der  SĂ€uglingsmalaria 
enger  zusammengefaßt.  Aus  ihren  Beobachtungen  wurde  uns 
bekannt,  daß  die  Malaria  in  grĂ¶ĂŸerer  Zahl  der  FĂ€lle  auch 
im  SĂ€uglingsalter  eine  schwere,  fieberhafte  Erkrankung  be- 
deutet, die  um  so  atypischer  ist,  je  jĂŒnger  der  SĂ€ugling.  Die 
Krankheit  beginnt  neben  den  allgemeinen  Symptomen  öfter 
mit  kontinuierlichem  oder  remittierendem  Fieber,  aus  wel- 
chem sich  nach  einigen  Tagen  ein  dem  der  Erwachsenen 
mehr  weniger  Àhnlicher  Fieberanfall  entwickeln  kann. 
Letzterer  pflegt  in  dem  Zeitraum  von  Mittag  bis  Mitternacht 
aufzutreten.  Nicht  selten  geht  dem  Fieberanfall  eine  aus- 
drĂŒckliche Prodromalphase  voraus,  die  teils  durch  Unruhe 
und  BlÀsse,  teils  durch  Abgeschlagenheit,  Appetitlosigkeit,  öfters 
GĂ€hnen,  eventuell  Nausea  oder  Erbrechen  charakterisiert 
wird.  Die  erste  und  dritte  Phase  des  Anfalles  kann  auch  aus- 
bleiben. Wenn  auch  SchĂŒttelfrost  erscheint,  wird  er  nur 
durch  Frösteln,  Abblassen  und  Cyanose  konstatierbar.  Man 
findet  ein  KĂŒhlwerden  des  Gesichtes,  der  Nase  und  der 
ExtremitÀten.  Di'e  dritte  Phase,  das  Schwitzen  ist  nach 
einem  abgelaufenen  Anfalle  nicht  vorhanden.  Höchstens 
folgt  der  Hitze  das  Feuchtwerden  des  Kopfes  und  der  Arme. 
Die  Acme  selbst  wird  von  zwei  Symptomen  dominiert,  und 
zwar  vom  Erbrechen  und  Konvulsionen.  Manchmal  zittern 
die  Glieder,  zeigen  spastische  Kontraktionen,  oder  sind  an 
den  Augenmuskeln  kleine  Zuckungen  zu  sehen.  Der  SchĂŒt- 
telfrost kann  von  einigen  Augenblicken  bis  zur  Dauer  von 
einer  Stunde  anhalten.  Die  Konvulsionen  zeigen  sich  mehr 
wĂ€hrend  des  Fiebers  als  wĂ€hrend  des  SchĂŒttelfrostes.  Das 
Fieber  selbst  kann  drei  bis  sechs  Stunden  andauern.  Nach 
dem  Anfalle  wird  der  SĂ€ugling  heiter  und  saugt;  sich  wie- 
derholende AnfĂ€lle  ermĂŒden  ihn,  er  wird  anaemisch  und 
die  Anschwellung  der  frĂŒher  nur  »schmerzenden  Milz  ist 
bald  zu  konstatieren.  Der  Milztumor  ist  das  prinzipielle 
Zeichen  der  SĂ€uglingsmalaria.  Die  einzelnen  Typen  der 
Malaria  sind  nur  haematologisch  zu  erkennen,  da  das  Fieber 
meistens  den  kontinuierenden,  respektive  remittierenden 
Typus  erhÀlt. 

Unsere  Diagnose  wird  aber  noch  von  vielen  sekundÀren 
Erscheinungen  erschwert.  Außer  den  ausstrahlenden  Milz- 
schmerzen zeigen  sich  auch  andere  abdominale  Erscheinun- 
gen: Obstipation  oder  profuser  Durchfall.  Steele  beob- 
achtete im  Jahre  1904  bei  einem  an  Malaria  erkranktem 
Kinde  von  19  Monaten  neben  Somnolenz  und  Dyspnoe 
Druckempfindlichkeit  des  Bauches  und  Fieber  von  41  °. 
Freudenthal  fand  wÀhrend  einer  Epidemie  in  der  Um- 
gebung von  Hannover  bei  53  Kindern  verschiedenen  Alters 
neben  remittierendem  Fieber  als  Komplikation  eine  Pneu- 
monie. Andere  ,beobachteten  Nephritis,  Bronchitis.  Böhm 
entdeckte  an  den  ExtremitÀten  erythema-nodosumartige 
AusschlÀge.  Cheadel  sah  bei  SÀuglingsmalariaanfÀllen 
auch  skarlatiniforme  Exantheme  am  Halse,  Brust  und 
Bauche.  Die  erwÀhnten  Komplikationen  können  manchmal 
das  Krankheitsbild  der  Meningitis,  in  anderen  FĂ€llen  das  der 
Peritonitis  oder  der  Grippe  nachahmen. 

In.  allen  diesen  FĂ€llen  ist  es  wichtig  auf  die  Milz,  die 
Anaemie  und  auf  die  Jahreszeit,  in  welcher  wir  den  Kranken 
beobachteten,  aufmerksam  zu  sein.  Die  chronische  Malaria 
wird  auch  im  SÀuglingsalter  öfters  diagnostiziert  als  die 
akute.  Die  Erkrankung  wird  in  allen  jenen  FĂ€llen  chronisch, 
in  denen  der  Arzt  wegen  der  atypischen  Symptome  die  Ma- 
laria nicht  erkannte  oder  die  richtig  diagnostisiertc  Krank- 
heit ncht  radikal  genug  behandelte.  Bei  SÀuglingen  nÀmlich 
fĂŒhrt  die  gewohnte  Malariatherapie  nicht  immer  zu  einem 
befriedigendem  Erfolge.  Am  Beginn  der  chronischen  Malaria 
wird  der  SĂ€ugling  blaß,  erschöpft  und  nimmt  ab.  Das  Ge- 
sicht hat  spÀter  schon   nicht  einen  erd-,  sondern  einen 


wachsfÀrbigen  Ton.  Gleichzeitig  schwillt  die  Milz  immer 
mehr  an,  die  Anaemie  nimmt  zu,  die  Zahl  der  roten  Blut- 
körperchen sinkt  sogar  bis  unter  eine  Million.  Die  Milz 
kann  gigantische  Dimensionen  annehmen,  den  grĂ¶ĂŸten  Teil 
des  Abdomens  besetzend,  bis  zur  Symphyse  heruntersinken. 
Mit  der  Zeit  wird  das  Parenchym  der  Milz  hart  und  ange- 
schwollen. Die  Megalosplenie  kann  bei  den  hydraemisch- 
kachektischen  MalariafÀllen  der  SÀuglinge  auch  ausbleiben. 
Die  schwere  Anaemie  geht  gewöhnlich  in  Kachexie  ĂŒber,  die 
letztere  aber  kann  sich  auch  ohne  wiederkehrende  Fieber- 
an lalle  entwickeln. 

Auch  das  Auftreten  der  SĂ€uglingsmalaria  betreffend 
finden  wir  sehr  interessante  VerhÀltnisse.-  WÀhrend  Kinder 
im  Alter  von  2—7  Jahren  gegen  die  Malaria  sehr  empfindlich 
sind,  kommt  dieselbe  im  SĂ€uglingsalter,  besonders  in  den 
ersten  drei  Monaten  sehr  selten  vor.  Die  VerhÀltnisse  be- 
treffend das  Auftreten  der  Malaria  in  Ungarn  sind  besonders 
interessant.  In  unserem  Lande  wurde  die  Malaria  schon 
lange  beobachtet,  besonders  in  der  Umgebung"  grĂ¶ĂŸerer 
FlĂŒsse,  SĂŒmpfe  und  Teiche.  In  Budapest  und  Umgebung  er- 
schien die  Malaria  jÀhrlich  in  ziemlich  vielen  FÀllen.  Laut 
den  JahrbĂŒchern  der  mit  dem  Stefanie-Kinderspital  ver- 
bundenen Kinderklinik  wechselte  die  Zahl  der  Malaria- 
erkrankungen in  den  Jahren  1865—1871  jĂ€hrlich  zwischen 
2—10.  Vom  Jahre  1872—1881  wurden  jĂ€hrlich  15—28,  vom 
Jahre  1882  2—3,  von  1890  aber  nur  1  Fall  beobachtet.  Im 
Jahre  1899  zeigten  sich  5  FĂ€lle,  im  Jahre  1901  1  Fall.  Von 
dieser  Zeit  wurde  bis  1920  ĂŒberhaupt  kein  SĂ€uglingsmalaria- 
fall beobachtet.  Als  Kuriosum  erwĂ€hnen  wir,  daß  die  Sta- 
tistik der  Ă€lteren  Kinder  im  großen  ganzen  dieselben 
Schwankungen  aufweist. 

Im  Stephanie-Spital  wurde  neuerdings  im  Laufe  des 
Jahres  1920  ein  Fall  bei  einem  drei  Monate  alten  SĂ€ugling 
konstatiert,  mit  einer  schweren  sekundÀren  AnÀmie  und 
einem  den  Rippenbogen  um  zwei  Finger  ĂŒberreichenden 
Milztumor.  Auf  Chinin  folgte  vollkommene  Heilung.  Es  ist 
merkwĂŒrdig,  daß  in  demselben  Spitale  seit  dem  Jahre 
1859  nur  ein  Todesfall  infolge  Malariaerkrankung  erfolgte, 
und  zwar  im  Jahre  1882.  Im  Jahre  1921  ist  es  gelungen,  bei 
einem  acht  Monate  alten  SĂ€uglinge  auf  der  in  dem  Weißen- 
Kreuz-Spitale  untergebrachten  Kinderklinik  der  k.  ung.  Eli- 
sabeth-UniversitÀt noch  in  vivo  Malaria  zu  konstatieren  und 
die  Diagnose  durch  die  Sektion  des  Casus  nach  dem  Ab 
leben  des  Kranken  zu  bestÀtigen.  In  folgendem  werden  wir 
die  MerkwĂŒrdigkeiten  dieses  Falles  aufzĂ€hlen. 

Der  8  monatige  SĂ€ugling  B.  J.  erhielt  5  Monate  Mutterbrust, 
nachher  allaitement-mixte.  Angeblich  leidet  er  seit  5  Wochen  an 
Darmkatarrh,  seit  5  Tagen  an  Husten  und  Schnupfen.  Die  hervor- 
ragenden Punkte  des  Status  praesens  sind:  Die  auffallende  BlÀsse 
der  Haut,  das  wachsartige  Aussehen  derselben,  nadelstich-  bis 
hellergroße  Haemorrhagien  auf  der  Stirn,  an  dem  rechten  Ober- 
schenkel, am  rechten  Oberarm  und  am  rechten  Knie.  Die  Haut 
und  Muskulatur  ist  ad  maximum  atrophisch.  Die  HerzdÀmpfung 
ĂŒherschreitet  ein  wenig  die  Mamillarlinie.  Die  Leber-  und  Milz- 
dĂ€mpfung ĂŒberreicht  den  Rippenbogen  um  2 — 4  Finger.  Die  obere 
Grenze  der  Milz  beginnt  bei  der  7.  Rippe.  Der  SĂ€ugling  ist  im 
allgemeinen  auffallend  wach,  unruhig,  erschrocken.  Sein  Ge- 
wicht betrÀgt  G500  g.  Seine  Temperatur  ist  37  °.  Im  weiteren  be- 
kommen wir  eine  bis  38,5  0  remittierend  steigende  Fieberkurve, 
welche  am  12.  Tage  nach  der  Aufnahme  eine  bis  41,5°  reichende 
Exacerbation  zeigte;  gleichzeitig  trat  Erbrechen  auf.  Am  Höchst- 
punkt  des  Anfalles  zeigte  sich  große  Unruhe,  die  aber  nicht  in 
Konvulsionen  ĂŒberging,  obwohl  krampfartige  Zuckungen  zu  be- 
obachten waren.  Das  Schwitzen  war  nach  dem  Anfall  minimal. 
Die  Gewichtskurve  sinkt  zuerst  steil  herab,  dann  spÀter  aus- 
gedehnter. Die  Milz  wĂ€chst  so  rasch,  daß  sie  bei  dem  am 
14.  Tage  eingetretenen  Exitus  schon  eine  unter  dem  Rippenbogen 
?>%  Finger  tastbare  glatte  Resistenz  gibt.  Gleichzeitig  mit  der 
Milz  wachsen  die  bisher  nur  linsengroßen  Regionallymphknoten 
bis  haselnußgroß  heran.  Ebenso  rasch  wĂ€chst  auch  die  Leber, 
die  an  dem  letzten  Tage  bei  dem  Nabel  tastbar  ist.  Sluhlentlee- 
rung  im  Anfange  tĂ€glich  4 — 5  mal.  Der  Stuhl  ist  breiig,  schleimig, 
dunkel,  grĂŒnlich.  In  den  letzten  2  Tagen  enthĂ€lt  der  viel  hĂ€u- 
figer entleerte  Stuhl  schleimige,  blutige,  membranöse  Zotten.  Bei 
der  Blutun'^ersuchung  findet  man  neben  10  800  weißen  Blutkörper- 
chen nur  1340000  rote.  Es  sind  54%  ncutrophil-polyunkleÀre, 
2  %  eosinophile,  4,5  %  große  Lympozyten,  33  %  kleine 
Lymphzyten,  4,5  %  Uebergangsformert,  1  %  Neutrophil 
myelocyten,  viele  kernhaltige  rote  Blutkörperchen,  und  gekörnte, 
basophile  Erylhrocyten.  Die  roten  Blutkörperchen  zeigen  Poikilo- 


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GrĂŒnthal:  Albertan 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


cytose,  Polychromatophilie  und  Anisocytose.  Es  sind  auch  Nor- 
moblasten  zahlreich  zu  finden.  Man  sieht  in  mehreren  Blut- 
körperchen, deren  Körper  angeschwollener  sind,  und  die  auch 
S  ĂŒ  f  f  n  e  r  sehe  Punktierung  aufweisen,  Malariaplasmodien,  und 
zwar  teils  Chromatin-Körnchen  enthaltende,  lebhaft  gefÀrbte 
Ringe,  teils  24 — 25  Glieder  zĂ€hlende,  rings  um  einen  zentralen 
Pigmenthaufen  liegende,  ebenfalls  gutgefÀrbte  Rosettengestalten. 
Abkömmlinge  von  Entwicklungsformen  sieht  man  nicht. 

Das  oben  schon  erwÀhnte,  durchaus  seltsame  Vorkom- 
men der  SĂ€uglings-Malaria  versuchte  man  schon  lange  zu 
motivieren.  Daß  die  SĂ€uglingsmalaria  eben  in  den  drei 
ersten  Monaten  des  SĂ€uglingsalters  und  besonders  in  den 
‱  ersten  4  Wochen  sehr  selten  auftritt,  ist  in  erster  Reihe  aus 
den  Beobachtungen  von  Cardamatis  bekannt.  Er  und 
nach  ihm  Z  i  e  m  a  n  n  fanden  es  plausibel,  daß  in  den  Ma- 
lariagegenden das  seltene  Auftreten  der  Erkrankung  in  den 
ersten  drei  Monaten  darauf  beruht,  daß  die  Mutter  eine 
durch  Ueberstehen  der  Krankheit  erworbene  ImmunitÀt  dem 
Foetus  im  intrauterinen  Leben  ĂŒbertrĂ€gt,  die  im  SĂ€uglinge 
durch  die,  Muttermilch  vielleicht  auch  weiterhin  aufrecht 
erhalten  wird. 

Nach  der  Meinung  von  B  i  g  n  a  m  i  und  S  e  r  e  n  i  ist 
auch  das  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  Blutdichte  des  Neu- 
geborenen, der  große  Haemoglobingehalt  seines  Blutes,  das 
reichliche  Vorhandensein  der  kernhaltigen  Blutkörperchen, 
eventuell  der  große  Fibringehalt  eine  Rolle  spielt.  Aber  mit 
RĂŒcksicht  darauf,  daß  die  Zahl  der  Erkrankungen  auch  noch 
in  den  spÀteren  Monaten  des  ersten  Lebensjahres  verhÀltnis- 
mĂ€ĂŸig gering  ist,  wenn  auch  grĂ¶ĂŸer  als  in  den  drei  ersten 
Monaten,  wo  doch  die  erworbene  ImmunitÀt  sich  bisher 
nicht  ausdehnen  kann,  lag  der  Gedanke  nahe,  daß  die  ge- 
ringe Malaria-MorbiditÀt  des  SÀuglingsalters  einfach  in  den 
Lebensbeziehungen  des  SĂ€uglings  zu  suchen  ist.  Die  Infek- 
tionsmöglichkeit durch  die  Anopheles  wird  wegen  der  bei- 
nahe vollkommenen  Bedeckung  des  Körpers  und  sorgsamer 
Aufmerksamkeit  der  Mutter  oder  der  Amme  wesentlich  her- 
abgesetzt. 

Die  strenge  EinhĂŒllung  des  SĂ€uglings  gab  der  Meinung 
einen  Anhalt,  daß  die  in  dem  SĂ€uglingsalter  beobachtete  M 
laria  vielleicht  auf  placentarem  Wege  in  das  SĂ€uglingsblut 
gelangt.  Gerne  wiesen  einige  Autoren  auf  Variola  und  Sy- 
philis und  auf  andere  Infektionskrankheiten  hin,  die  die 
Placenta  wirklich  passieren  können.  Man  erwĂ€hnte  nie,  daß 
als  die  Ursache  der  placentaren  Uebertragbarkeit  in  vielen 
Erkrankungen  die  histologische  SchÀdigung  der  Placenta  an- 
zusehen ist.  Es  ist  ja  wahr,  daß  man  sich  bestrebte,  an  der 
Placenta  Verletzungen  zu  entdecken.  Auf  diesem  Gebiete 
teilten  zuerst  im  Jahre  1884  P  a  s  c  u  a  1  i  und  P  o  m  p  i  a  n  i , 
dann  spÀter  L  o  u  r  u  x  und  Petsalis  Erfolge  mit.  Lou- 
r  u  x  fĂŒhrte  die  Aborte  und  FrĂŒhgeburten  auf  placentare 
Blutextravasate,  hÀmorrhagische  und  fibrinöse  Infarkte  zu- 
rĂŒck. Er  fand  aber  im  Blute  der  Placenta  weder  Plasmodien, 
noch  Pigment.  In  den  inneren  Organen  der  abortierten  Foe- 
ten  konnte  er  keine  VerÀnderung  ausweisen;  er  stellte  als 
Todesursache  die  Toxinwirkung  hin.  Die  Untersuchungen 
von  Presopulos  und  Cardamatis  haben  aber  ganz 
neue  Ergebnisse  dargebracht.  Sie  fanden  an  der  Placenta 
niemals  SchÀdigungen.  Sie  halten  die  oben  erwÀhnten  Un- 
tersuchungen, wenn  diese  ĂŒberhaupt  akzeptierbar  sind,  fĂŒr 
Seltsamkeiten.  Es  wurde  aber  von  ihnen  festgestellt,  daß  an 
der  maternalen  Seite  der  Placenta  eine  Menge  der  Plasmo- 
dien aufzufinden  ist,  aber  an  der  foetalen  Seite  Plasmodien 
nicht  oder  nur  in  den  seltensten  FĂ€llen  ausweisbar  sind. 
Z  i  e  m  a  n  n  erhielt  mit  seinen  Untersuchungen,  welche  er 
an  dem  Foetus  vom  Trypanosoma  vivax-infizierten  Mutter- 
tieren machte,  dieselben  Resultate.  Und  so,  obzwar  in  der 
Weltliteratur  ein  einziger  Fall  von  Beim  angefĂŒhrt  ist,  wo 
in  dem  Blute  eines  ganz  jungen  Neugeborenen  und  gleich- 
zeitig im.  Blute  der  Mutter  Malaria  zu  konstatieren  war, 
mĂŒssen  wir  das^  placentare  Durchdringen  der  Plasmodien 
in  das  Foetusblut  auf  physiologischem,  wie  auch  auf  patho- 
logischem Wege  fĂŒr  unmöglich  halten. 

Zum  Schluß  möchten  wir  erwĂ€hnen,  das  wir  unseren 
vorher  gebrachten  Fall  auch  histologisch  aufgearbeitet  haben. 


Aus  dem  makroskopischen  Befund  ist  hervorzuheben,  daß  die 
Leber  14  X 10  X  5  cm  groß  und  ein  Gewicht  von  285,5  hatte, 
mit  einer  sehr  massiven,  verwischte  Konfiguration  zeigenden 
Konsistenz.  Die  Milz  hat  ein  Gewicht  von  73  g.  Konsistenz 
massiv,  Substanz  schokoladenbraun.  An  den  unteren  Teilen  des 
DĂŒnndarmes  sind  an  den  P  e  y  e  r  sehen  Plaques  nadelstichgroße 
Blutungen  zu  sehen.  Die  Schleimhaut  des  Dickdarmes  wird  nach 
unten  immer  dicker,  injicierter,  gegen  den  Enddarm  mit  kleie- 
artigem Niederschlage  bedeckt.  Daselbst  findet  man  feine  Exul- 
cerationen  an  der  OberflÀche  der  Follikel.  In  den  Lungen  zeigt 
die  Schleimhaut  der  gesamten  Bronchien  katarrhalische  Erschei- 
nungen. Von  den  Erfolgen  der  histologischen  Untersuchungen 
möchte  ich  folgendes  erwÀhnen:  es  gelang,  einige  ringförmige 
sich  teilende  Gestalten  der  Plasmodien  aufzufinden,  teils  in  den  in 
der  Pulna  der  Milz  und  in  den  Makrophagen  sitzenden  roten  Blut- 
körperchen, teils  in  den  roten  Blutkörperchen  der  Leberkapilla- 
ren, aber  am  meisten  in  .  den  roten  Blutkörperchen  des 
roten  Markes.  Man  konnte  eine  Pigmentablagerung  ex- 
tremen Grades  nachweisen.  Pigment  war  in  sĂ€mtĂŒchen 
Organen  aufzufinden.  Die  Endothel-  und  die  Kupferzeilen 
der  Leber  waren  von  Pigmentkörnchen  fast  elektiv  gefÀrbt. 
Ebensolche  Pigmentpunktierung  zeigten  die  Pulpa  und  Makro- 
phagzellen,  dann  die  Endothel-  und  Perifollikularzellen  der  Milz. 
Aber  am  stÀrksten  sind  die  Zellen  des  Reticulo-endothelial- 
systems  des  Markes  pigmentiert.  In  Anbetracht  der  großen 
AnÀmie  und  des  Alters  des  SÀuglings  war  es  auffallend  in  den 
histologischen  Schnitten,  daß,  obwohl  in  der  Milz,  in  der  Leber 
und  hauptsÀchlich  im  roten  Marke  keine  kernhaltigen  roten  Blut- 
körperchen vorhanden  waren,  das  Auftreten  und  Vermehren 
ausgeprÀgter  hÀmopoetischer  Herde  trotzdem  nicht  zu  beob- 
achten war.  Anscheinend  ist  in  dem,  durch  die  schwere 
AnÀmie  entstandenen  kachektischen  Stadium  der  Mangel  der  Blut- 
regeneration gegenĂŒber  dem  gesteigerten  Zerfall  der  roten  Blut- 
körperchen in  den  Vordergrund  getreten.  Daß  außer  dem  durch 
die  Malaria  verursachten  Zerfall  der  roten  Blutkörperchen  ein 
haemolytisches  Zerfallen  nicht  vorhanden  war,  ist  erwiesen  da- 
durch, daß  in  den  PrĂ€paraten  weder  mit  Berlinerblau-Reaktion, 
noch  mit  dem  Ammonium  -  sulfuricum  -  Verfahren  eisenhaltiges 
Pigment  nachzuweisen  war.  Um  das  Resultat  der  Untersuchung 
zu  vervollstĂ€ndigen,  erwĂ€hnen  wir,  daß  in  dem  Dickdarm  auf 
der  OberflÀche  der  aufgedunsenen  Follikel  eine  Exulceration  und 
in  deren  Umgebung  in  der  Submucosa  eine  rundzellige  Infiltra- 
tion zu  sehen  war. 


Aus  der  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenabteilung  im  Allerheiligen- 
hospital in  Breslau  (PrimÀrarzt  Dr.  Goerke). 

Albertan  in  der  rhinologischen  und 
otologischen  Therapie. 

Von  Ernst  GrĂŒnthal. 

Seit  etwa  einem  Jahre  habe  ich  mit  Albertan,  einem 
JodoformersatzprÀparat  der  Firma  Albert  und  Lohmann. 
Fahr  im  Rhld.,  therapeutische  Versuche  angestellt.  Albertan, 
ein  Aluminiumpolyphenylat,  ist  ein  feines,  schwer  lösliches 
Pulver  von  hellbrauner  Farbe  und  geruchlos.  Ich  habe  es 
als  Streupulver  nach  Eingriffen  in  der  Nase,  besonders 
Conchotomieen,  Septumresektionen,  Entfernung  von  Nasen- 
polypen und  AusrÀumungen  des  Siebbeinlabyrinths  ver- 
wendet. Bei  diesen  Eingriffen  hat  sich  die  Geruchlosigkeit 
des  PrÀparats  im  Gegensatz  zum  Jodoform  als  besonders 
angenehm  erwiesen.  Auch  habe  ich  die  Beobachtung  ge- 
macht, daß  das  Albertan  eine  recht  betrĂ€chtliche  blutstillende 
Wirkung  besitzt,  was  bei  diesen  Operationen,  bei  und  nach 
denen  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  sehr  hĂ€ufig  starke  Blutungen  er- 
folgen, von  großem  Vorteil  ist.  In  einem  Fall  von  multiplen, 
dem  Siebbein  entstammenden  Nasenpolypen,  dessen  Opera- 
tion vorher  wegen  heftiger  Blutungen  abgebrochen  werden 
mußte,  ist  es  mir  gelungen,  in  einer  Sitzung  die  Polypen  mit 
der  kalten  Schlinge  zu  entfernen  und  im  Anschluß  daran  die 
AusrÀumung  des  Siebbeinlabyrinths  vorzunehmen,  dadurch, 
daß  ich  wĂ€hrend  der  Operation  die  heftigen  auftretenden 
Blutungen  durch  Einblasen  von  Albertanpulver  jedesmal  mit 
Leichtigkeit  zum  Stillstand  brachte.  Die  Reinigung  der 
Schleimhautwunden  erfolgte  in  allen  FĂ€llen  sehr  rasch  und 
ohne  störende  Reizwirkung.  — 

Bei  der  Nachbehandlung  der  Ohroperationen  hat  das 
Albertan  mir  ebenfalls  sehr  gute  Dienste  geleistet.  Ich  habe 
es  anstelle  des  Jodoforms  zur  Anfangsnachbehandlung  nach 
Radikaloperationen  benutzt  und  in  den  meisten  FĂ€llen  sehr 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Stan  des  fragen    und    soziale  Medizin 


271 


schnelle  Reinigung  der  Operationshöhle  beobachtet.  Wegen 
der  starken  granulationsfördernden  Wirkung  des  Albertans 
ist  bei  der  spÀteren  Nachbehandlung  der  Radikaloperation 
allerdings  Vorsicht  am  Platze.  Bei  der  Nachbehandlung  von 
Aufmcißelungen  des  Warzenfortsatzes  habe  ich  in  letzter 
Zeit  ausschließlich  das  Albertan  verwendet  und  muß  be- 
sonders die  hervorragende  austrocknende  Wirkung  und  die 
saubere  Granulationsbildung  hervorheben,  Es  lag  nahe,  die 
starke  austrocknende  und  antiseptische  Wirkung  des  PrÀ- 
parats auch  bei  chronischen  Miltelohreiterungen  zu  ver- 
werten. FĂ€lle  mit  zentraler  Perforation  und  gut  aussehender 
Paukenhöhlenschleimhaut  reagierten  im  allgemeinen  schnell 
mit  Nachlassen  der  Eiterung  und  Aufhören  des  Geruchs.  In 
solchen  FĂ€llen,  bei  denen  die  Paukenschleimhaut  zur  Graun 
lationsbildung  neigte,  habe  ich  lockere  Streifentamponaden 
mit  in  eine  2  prozentige  alkoholische  Albertanemulsion  ge- 
tauchten Gazestreifen  eingelegt  und  mit  dieser  Behandlungs- 
art in  mehreren  sehr  hartnÀckigen  FÀllen  gute  Erfolge  er- 
zielt. SchÀdliche  Nebenwirkungen,  Reizerscheinungen  oder 
Ekzeme  habe  ich  weder  bei  der  Wundbehandlung  noch  bei 
der  konservativen  Behandlung  der  Mittelohrerkrankungen 
mit  Albertan  auftreten  sehen.  — 

In  der  allerletzten  Zeit  habe  ich  das  Albertanpulver  auch 
als  EinstÀubung  bei  katarrhalischen,  follikulÀren  und  laku- 
nÀren  Anginen  verwendet  und  bin  mit  den  hierbei  erzielten 
Resultaten  bisher  sehr  zufrieden.  Allerdings  ist  die  Zahl  der 
bisher  auf  diese  Weise  behandelten  FĂ€lle  noch  zu  gering,  um 
ein  abschließendes  Urteil  abgeben  zu  können. 

Zusammenfassend  möchte  ich  nochmals  die  stark  anti- 
septische und  austrocknende  Wirkung  des  Albertans  be- 
tonen und  auf  die  Geruchlosigkeit  und  Reizlosigkeit  des  PrÀ- 
parats im  Gegensatz  zum  Jodoform  hinweisen.  Außerdem 
hat  es  den  Vorzug  der  Billigkeit  im  Vergleich  zum  Jodoform 
und  seinen  bisherigen  ErsatzprÀparaten. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Arzt  und  Gewerkschaftspolitik, 

Von  Dr.  P  n  i  o  w  e  r,  Berge  (Hannover). 

Wie  in  der  Arbeiterschaft  auch  der  Individualismus  eine 
gewisse  Rolle  spielt,  der  die  Verschiedenheit  der  Ge werke 
bisweilen  kraß  hervortreten  lĂ€ĂŸt,  eins  kann  man  jedenfalls 
bei  ihrer  „geschlossenen"  Gewerkschaft  behaupten,  daß  sie 
innerhalb  dieser  selbst  bei  „gleicher  Leistung  gleiche  Be- 
zahlung" anstrebt.  ,  Bei  uns  tritt  aber  selbst  innerhalb 
unserer  Gewerkschaft  in  bezug  auf  die  Kassenhonorare  eine 
große  Differenzspannung  auf,  die  auch  die  tarifliche  Weihe 
erhalten  hat.  Es  ist  also  von  Wichtigkeit,  wie  es  die  Ar- 
beitergewerkschaften auch  schon  tun,  bei  den  Verhandlungen 
Aerzte  hinzuzuziehen,  die  mit  den  Erscheinungen  des  Wirt- 
schaftslebens vertraut  sind,  damit  vermieden  wird,  daß  die 
Spannung  andere  als  örtliche  BeweggrĂŒnde  hat. 

Wenn  unsere  Korporationen  gut  „organisiert"  sind,  wird 
die  Produktion  als  solche  durch  den  Arzt  nicht  verschlech- 
tert, im  Gegenteil  wird  dadurch  ein  gegenseitiges  sozial- 
politisches Verstehen  und  Hand-in-Hand-Gehen  leichter  ge- 
wÀhrleistet werden  körwnen;  deshalb  stehen  auch  die  meisten 
Volkswirte  auf  Seite  der  Gewerkschaft,  weil  sie  gerade  von 
ihnen  die  ErfĂŒllung  '  der  „Meliorations"bestrebungen  er- 
hoffen, wenngleich  nicht  zu  verkennen  ist,  daß  die  öffentliche 
Meinung  nicht  mehr  wie  anfangs  am  Wohl  und  Wehe  der 
Gewerkschaft  interessiert  ist  Stets  fĂŒrchtet  man  auch  bei 
uns  den  Streik  und  im  §  370  RVO.  ist  diese  BefĂŒrchtung 
„kodifiziert":  „daß  die  Aerzte  den  Vertrag  nicht  einhalten". 
—  Wie  die  freie  Gewerkschaft  sich  nicht  vor  den  Wagen 
der  Partei  spannen  lassen  will,  so  sind  auch  unsere  Korpo- 
rationen parteilos. 

Bisweilen  hört  man  Stimmen,  die, uns  Àhnlich  den  Unter- 


nehmer-Kartellen (Syndikaten)  mit  dem  Zwecke  der  Mono- 
polisierung kennzeichnen.  Wenn  wir  aber  den  Wert  unserer 
Arbeitskraft  durch  Kontingentierung  hochbringen  wollen, 
werden  wir  wohl  zwar  privatwirtschaftliche  Vorteile  er- 
langen, aber  volkswirtschaftliche  Werte  zerstören.  Daß  wir 
ganz  im  Gegenteil  dies  nicht  wollen,  ist  bekannt  und  schon 
oft  von  uns  gefordert  worden,  da  wir  in  der  freien  Arztwahl 
das  strikte  Gegenteil  der  Kontingentierung  erstreben.  —  Wir 
sind  aber  nicht  nur  „InteressentenverbĂ€nlde",  weil  wir  eine 
VergrĂ¶ĂŸerung  des  Anteils  der  Lohnarbeiter  am  Ertrags  d< a 
privatwirtschaftlichen  Produktion  fordern,  wir  wollen  auch 
unter  einem  „ethischen"  Gesichtswinkel  angesehen  werden, 
denn  wir  sind  einem  gewissen  Selbstzwang  unterworfen,  dem 
die  Selbstdisziplin  innewohnt,  wie  z.  B.  in  den  Àrztlicher- 
seits erwÀhlten  Kontrollkommissionen  sich  darstellt,  wir 
suchen  damit  auch  die  gegenteiligen  Interessen  zu  vertreten, 
den  sogen,  „sozialen  Frieden"  durch  UeberbrĂŒckung  der 
GegensÀtze  zu  vertiefen.  Somit  ist  auch  das  Ideal  einer  Or- 
ganisation fixiert,  die  nicht  Selbstzweck  sein  soll,  sondern 
sich  nach  den  Zielen  der  allgemeinen  sittlichen  Bedingungen 
der  „Melioration"  richtet.  Und  es  ist  im  Interesse  der  Volks- 
wirtschaft, wenn  die  Aerzte  selbst  ihre  Interessen  in  die 
Hand  nehmen,  daß  nicht  durch  Sich -Verlassen  auf  den 
Staat,  der  fĂŒr  alle  und  alles  zu  sorgen  habe,  ein  gewaltiger 
Niedergang  des  Selbstbewußtseins  und  durch  den  Mangel  der 
Differenzierung,  der  Reibungslosigkeit,  ein  Tiefstand  der 
Kultur  erreicht  wird.  Im  Gegenteil:  durch  freie  Ver- 
einbarung der  Vertragschließenden  mit 
möglichster  Ausschaltung  des  Staates  soll 
eine  SolidaritĂ€t,  eine  Arbeits „gemeinschaft" 
beider  Vertragskomparenten  Platz  greifen. 
Dies  ist  besser  als  der  „Ruf  nach  Staatshilfe",  denn  es  ver- 
knĂŒpft „sozial",  d.  h.  gesellschaftsfördernd  zwei  entgegen- 
stehende Interessenvertretungen.  —  Wenn  wir  den  Begriff  der 
„Lohnpyramide"  als  gegeben  erachten  wollen,  so  können  wir 
wohl  sagen,  daß  wir  in  der  öffentlichen  Bewertung  und  ihrer 
gesetzlichen  Fixierung  (GebĂŒhren-Ordnung)  so  ziemlich  auf 
der  „Spitze"  plaziert  sind  —  man  halte  nun  dagegen,  was  fĂŒr 
eine  Entlohnung  uns  durch  die  Zwangsversicherung  ange- 
boten wird,  um  die  Differenz  zu  erfassen  und  uns  plötzlich 
bis  an  die  „Basis"  „herabgerutscht"  zu  erblicken. 

Die  Ueberspannung  des  Versicherungsgedankens  zwingt 
diktatorisch  einen  Beruf,  die  AusĂŒbung  bei  einer  vom  Staate 
geschaffenen  Einrichtung  zu  anderem  Lohn  als  zu  dem  staat- 
lich festgelegten  (GebĂŒhren-Ordnung)  vorzunehmen  und  ihn 
zu  den  „Grenzkulis"  zu  rechnen,  die  unter  dem  höchsten 
„sozialen  Drucke"  stehen.  WĂ€hrend  also  bei  den  Arbeitern  die 
Entlohnung  in  einer  sogenannten  „natĂŒrlichen  Distanz"  er- 
folgt, die  „elastisch"  ist,  sehen  wir  bei  uns  den  Schritt  vom 
Privat-  zum  Kassenarzt  als  einen  Sprung  in  die  Tiefe  vor 
sich  gehen.  — 

Wir  Aerzte  haben  durch  die  „Psychophysik  der  Arbeit" 
festgestellt,  daß  fĂŒr  jede  Arbeit  ein  gewisses  Optimum  ge- 
geben ist;  wir  alle  wissen  aus  eigener  Erfahrung,  daß  ge- 
sammelte Ă€rztliche  TĂ€tigkeit  schneller  zum  Ziele  fĂŒhrt,  wenn 
auch  die  Arbeitszeit,  nicht  uferlos  gesenkt  werden  kann,  um 
dadurch  auch  wieder  UnlustgefĂŒhle  auszulösen.  Wir  alle 
wissen,  wie  es  am  besten  ist,  wenn  man  im  „Tritt"  bleibt, 
nicht,  daß  durch  geringe  Arbeit  diese  ĂŒberhaupt  nicht  mehr 
recht  ,schmeckt".  Daß  also  bessere  Arbeitsbedingungen  die 
„ArbeitsintensitĂ€t"  fördern,  braucht  vor  einem  Parterre  von 
Aerzten  nicht  genauer  erklÀrt  zu  werden,  wie  auch  unter  allen 
UmstĂ€nden  die  „Melioration"  der  Produktion  zugute  kommt. 
—  Ob  die  Unternehmer  durch  zu  kleinen  Gewinn  sich  nicht 
subjektiv  abhalten  lassen,  also  „unternehmermĂŒde"  werden, 
kommt  hei  den  Kassen  in  der  heutigen  Auffassung  „großer 
Umsatz,  kleiner  Nutzen"  nicht  in  Betracht,  weil  der  Staat 
durch  die  öffentlich-rechtliche  Stellung  ihnen  gewĂ€hrt,  daß 
sie  durch  erhöhte  BeitrÀge  ihren  Hausha.lt  besser  fundieren 
können;  daß  aber  objektiv  durch  zu  große  BetriebsfĂŒhrung 
noch  ein  grĂ¶ĂŸerer  ökonomischer  Nutzen  herausspringt,  wird 
verneint,  und  man  kann  diese  Begrenzung  auch  bei  unserer 
Kassenpraxis  annehmen. 


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Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12 


Wenn  nun  durch  Erschöpfung  des  Antriebes  zu  funktio- 
neller Anpassung  mancherorts  ein  gewisser  Stillstand  in"  der 
AufwÀrtsbewegung  der  Gewerkschaftsforderungen  eintritt,  so 
darf  dies  aber  nicht  hindern,  daß  namentlich  bei  den  reichs- 
zentralen AbschlĂŒssen,  wo  mit  zentralisierter  Front  gekĂ€mpft 
wird,  eine  Höchstgrenze  der  Honorare  fixiert  wird,  weil  an- 
derenorts die  AufwĂ€rtsbewegung  noch  nicht  zum  Abschluß 
gekommen  zu  sein  braucht.  Daß  dabei  aber  auch  „mate- 
rielle Wohlfahrt"  mit  den  „Zielen  der  Menschheit"  nicht 
kollidiert,  dafĂŒr  sorgt  schon  die  RĂ€son,  die  sich  die  Kassen 
nach  dem  Ausspruch  eines  Ministers  annektiert  haben:  es 
steht  zu  befĂŒrchten,  daß  die  (gesetzlich  fixierte  Höhe,  d.  h. 
eigentlich  Mindestgrenze  der)  Bezahlung  der  Einzelleistung 
zur  Norm  werden  könne.  — 

Der  Arzt,  seitdem  die  Gleichberechtigung  durch 
die  Tarifpolitik  verankert  ist,  will  nicht  mehr  als  „Objekt 
der  Produktion"  gelten,  sondern  auch  subjektiv  bei  ihr  mit- 
wirken, weshalb  aber  auch  logischerweise  eine  genĂŒgende 


und  erfolgreiche  Arbeitskraft  zur  VerfĂŒgung  gestellt  wird- 
wir  haben  Vereinbarungen,  wo  die  Organisation  zu  einer 
ausreichenden  Anzahl  von  Aerzten  sich  verpflichtet  hat,  dem 
andern  Falle  entsprechen  die  bekannten  Kontrollmaßnahmen 
der  Aerzte.  Und  ebenso  wie  beim  Arbeiter  ist  durch  Besser- 
stellung des  Arztes  seine  möglichst  hohe  Konsumtivkraft  zu 
erstreben  —  denn  er  tauscht  ja  seine  Produktion  gegen  Kon- 
sumtivguter ein,  ebenfalls  wie  bei  den  Arbeitern  ruht  die 
Produktionskostensteigerung  auf  den  breiten  Schultern  der 
gesamten  „industriellen  Gemeinschaft",  wird  also  bei  den 
Kassen  den  einzelnen  nicht  belÀstigen,  aber  andere  Berufs- 
zweige sekundÀr  zu  Àhnlichen  Anforderungen  anspornen  und 
somit  eine  „sozialpolitische  Mission"  erfĂŒllen. 

Die  vorliegende  Arbeit  soll  als  VorlĂ€ufer  einer  „Gewerk- 
schaftswissenschaft" figurieren,  soll  zwar  objektiv  gelten, 
will  natĂŒrlich  aber  speziell  den  Standpunkt  des  Arztes  ver- 
treten. Sie  enthÀlt  nur  Gedanken"  zur  Anregung,  auf  diesem 
Gebiete  Mitarbeiter  zu  gewinnen. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

28.  Januar  1922,  1,  Nr.  5. 

❖Die  natĂŒrlichen  Abwehrmittel  des  Körpers  gegen  die  syphilitische  Infektion 

und  ihre  Beeinflussung  besonders  durch  Quecksilber.    Berge!.'  204. 
❖Salvarsan-Hirntod.    Hennebe't  g.  207. 
❖Wirkungswert  von  Bulbus  Scillae.    M  a  r  k  w  a  1  d  e  r.  212. 
❖Klinische  Narkoserersuche  mit  Solaesthin.   H  e  1 1  w  i  g.  215. 

Sero-   und    Chemotherapie     der     otogen&n     und     rhinogeuen  Meningitis 
b  I  e  i  s  c  h  m  a  n  n.  217. 

❖Die  renale    Schwangerschafts-Glykosurie   als   FrĂŒhsymptom    der  GravHitĂ€t. 
Roubitschek.  220. 

Zur  Frage  der  Abortbehancllung.    Sie  fart.  221. 

Die  natĂŒrlichen  Abwehrmittel  des  Körpers  gegen  die  syphi- 
litische Infektion  und  ihre  Beeinflussung  besonders  durch  Queck- 
silber. Nach  den  Forschungen  Bergel's  sind  die  syphilitischen 
Erscheinungen,  die  anatomisch  sich  als  entzĂŒndliche  lymphocy- 
tÀre  Infiltrationen  prÀsentieren,  eine  nach  chemotaktischen  Ge- 
setzen sich  vollziehende  Folge  der  SpirochÀ.teninfektion.  Die 
Lymphozyten  und  ihre  Bildungsorgane,  die  LymphdrĂŒsen,  sind  die 
Antistoff bildner  gegenĂŒber  den  SpirochĂ€ten.  WĂ€hrend  nun  das 
Salyarsan  direkt  die  SpirochÀten  abtötet,  wirkt  das  Quecksilber 
auf  die  lymphoyde  Umwallungszone,  welche  der  Körper  als  Ab- 
wehraktion gegen  die  SpirochÀten  aufgerichtet  hat.  Es  wirkt 
also  nicht  auf  die  Krankheitserreger,  sondern  auf  die  Krankheits- 
produkte. ■ 

Ueber  den  Salvarsan-Hirntod.  Es  werden  drei  FĂ€lle  von  Sal- 
varsan-Hirntod  beschrieben.  Bei  zweien  fand  sich  das  bereits 
bekannte  Bild  der  sogen,  hÀmorrhagischen  Salvarsanenzephalitis, 
beim  dritten  ergab  die  Sektion  den  ungewöhnlichen  Befund  einer 
großen  kompakten  Blutung  in  der  BrĂŒcke.  Irgend  ein  Faktor, 
auf  dessen  Rechnung  der  ungĂŒnstige  Ausgang  der  Salvarsan- 
behandlung  hĂ€tte  gesetzt  werden  können,,  ließ  sich  in  den  mit<- 
geteilten  Beobachtungen  nicht  ausfindig  machen.  Die  bisher  ver- 
öffentlichten Sektionsbefunde  sprechen  keineswegs  fĂŒr  die  An- 
nahme, daß  luetische  VerĂ€nderungen  eine  Rolle  spielen. 

Wirkungswert  von  Bulbus  Scillae.  Die  Meerzwiebel,  Bulbus 
Scillae,  frĂŒher  als  Diureticum  bekannt,  hat  in  unserer  Zeit  jede 
grĂ¶ĂŸere  praktische  Bedeutung  eingebĂŒĂŸt.  Just  vor  einigen  Jahren 
hat  F.  Mendel  wieder  auf  ihre  nicht  zu  unterschÀtzende  Wirksam- 
keit als  Herzmittel  aufmerksam  gemacht.  Verf.  hat  am  Frosch 
den  pharmakologischen  Wirkungswert  der  Droge,  worĂŒber  bisher 
nichts  bekannt  war,  ermittelt.  Mendel  hat  als  wirksame  Dosis 
fĂŒr  den  Menschen  0,3  gr  pro  dosi  und  0,9  gr  pro  die  ausprobiert, 
und  zwar  vom  Pulver  der  Droge. 

Klinische  Narkoseversuche  mit  Solaesthin.  Klinische  Ver- 
suche mit  einem  neuen  Narkotikum  —  Solaestliin  —  erwiesen 
dieses  als  geeignet  und  völlig  gefahrlos  fĂŒr  folgende  Indikationen 

1.  Kurzdauernde  Eingriffe, 

2.  Einleitung  zur  Vollnarkose, 

3.  Halbnarkose  in  Kombination  mit  örtlicher  BetÀubung. 


Die  renale  Sehwangerschaftsglykosurie  als  FrĂŒhsymptom  der 
GraviditÀt.  Durch  Verabreichung  von  10  gr  Traubenzucker  und 
nachfolgender  Injektion  von  14  cem  Adrenalinlösung  1:1000  ist  es 
dem  Verf.  gelungen,  bei  Frauen  in  FrĂŒhstadien  der  Schwanger- 
schaft Zuckerausscheidung  zu  erzeugen.  Die  Untersuchung  des 
Blutzuckers  ergab  nach  AusfĂŒhrung  der  Probe  keine  erhöhten 
Werte.  Demnach  kann  die  Glykosurie  nicht  auf  einer  Hyper- 
glykĂ€mie  beruhen,  sondern  muß  realen  Ursprungs  sein.  (Ab- 
norme DurchlĂ€ssigkeit  des  Nierenfilters).  Die  Probe  ist  fĂŒr  den 
Praktiker  sehr  leicht  auszufĂŒhren  und  bietet  zur  FrĂŒherkennung 
der  Schwangerschaft  —  selbst  ohne  Blutzuckeruntersuchung  - 
eine  wertvolle  Handhabe. 


A .  MĂŒnz  e r 


4.  Februar  1922,  1.  Nr.  6. 


❖Ueber  den  Bauchschmerz  und  seine  differentialdiagnostische  Bewertung  bei 
akuten  abdominellen  Erkrankungein.    K  a  r  e  vr  s  k  i.  253. 
Der  Kalziumspiegel  im  Blute  und  seine  Beeinflussung  durch  verschiedene 
Gifte.    B  i  1  1  i  g  h  e  i  m  e  r.  256. 

❖Die  chronische  Duodenalstenose.  Meye  r.  259. 
Uetier  die  morphologischen  Bestandteile  des  Duodenalinhaltes  und  ihre  diffe- 
reutialdiagnostische  Bedeutung.    Langanke.  260. 
❖Eine  bisher  unbekannte  Form  der  tzoosperrrĂŒe.    P  o  s  n  e  r.  261. 

❖Ueber    einseitige    Salvarsan-Embarin-    und  Salvarsan-Cvarsal-Behaudluue 
Khpsteip.    262.  * 

❖Zur  Behandlung  der  DiphtheriebazillentiĂ€ger    mit    Diphthos.i  i  Schei- 
ch e  r.  264. 

❖Psychische  Anomalien  im  Kleinkindesalter.    G  ö  t  t.  265. 
Paroxysmale  Tachykardie.    De  B  o  e  r.  269. 

Die  PrÀdisposition  der  Vorhöfe  zum  Flimmern.,  De  B  o  e  r.  269. 
Ueber  Heilprinzipien  der  akuten  ErnÀhrungsstörungen  im  SÀuglingsalter  und 
die  Möglichkeit  einer  Koliserumtherapie.  Langer  und  Menser  t.  270. 
ĂŒeiber  den  Infektionsweg  bei  Ascaris.    F  ĂŒ  1 1  e  b  o  r  n.  270. 
Oberschenkel-Osteomyelitis  nach  Zahnbehandlung.    Schultzc.  271. 
❖  Ueber  die  Röntgenbehandlung  der  Basedowschen  Krankheit.    Hsude  k  unl 
K  r  i  s  e  r.  271. 

Ueber  den  Bauchschmerz  und  seine  differentialdiagnosrische 
Bewertung  bei  akuten  abdominellen  Erkrankungen.  Die  von  den 

inneren  Organen  ausgehenden  Reize  werden  durch  Uebertragung 
auf  die  Bahnen  der  in  den  zugehörigen  oder  eng  benachbarten 
Teilen  verlaufenden  Fasern  sowohl  des  sympathischen  als  auch 
des  cerebrospinalen  Nervensystems  dem  Bewußtsein  zugefĂŒhrt. 
Wenn  die  von  den  Organen  ausgehenden  Reize  nicht  den  Grad 
erreicht  haben,  welcher  zur  Sensibilisierung  des  Sympathikus  be- 
nötigt wird,  können  die  Erkrankungen  schmerzlos  verlaufen.  - 
Jede  direkte  Irritation  des  parietalen  Bauchfells  aber,  d.  h.  der 
spinalen  Nervenfasern,  muß  alsbald  Schmerz  erzeugen.  Wir  ken 
nen  4  Arten  sensibler  abdomineller  Erscheinungen:"  die  Kolik,  den 
BlÀhungsschmerz,  den  spontanen,  fixen  und  den  zu  diagnostischen 
Zwecken  vom  Arzt  erzeugten  Druck.  Als  wichtig  ist  hervorzu- 
heben, daß  die  Angaben  ĂŒber  den  Silz  der  Kolik  sehr  oft  nicht  den 
tatsÀchlichen  UrsprungsstÀtten  entsprechen.  Der  fixe  Bauch- 
schmerz ist  im  allgemeinen  der  Ausdruck  des  Ueberspringens  der 
Organerkrankung  auf  das  .  pariclale  Peritoneum.  Eine  vor- 
sichtige und  kritische  Analyse  des  Bauchschmerzes  vermittelt 
wichtige  AufschlĂŒsse  ĂŒber  die  Natur  akuter  abdomineller  Erkran- 
kungen. 


40.  Jahrg. —  Nr.  12. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


27:{ 


Die  chronische  Duodenalstenose,  Kasuistischer  Beitrag:  Bei 
zwei  Patienten  fanden  sieh  klinisch  Erscheinungen  von  Pylorus 
steoose.  Die  Röntgenuntersuchung  ergab  DauerfĂŒllung  des 
Zwölffingerdarms,  peristaltische  Kontraktionen,  Antiperistal- 
lik  ohne  jeden  Effekt  fĂŒr  die  nĂ€chsten  20  Minuten,  alsdann  lang- 
same DĂŒnndarmfĂŒllung.  Nach  ĂŒ  Stunden  deutlicher  Rest  im 
Klagen.  Es  handelt  sich  in  diesen  FĂ€llen  um  die  liefsitzende  chro- 
nische Duodenalstenose,  deren  Ursache  noch  wenig  geklÀrt  ist. 
Vielleicht  handelt  es  sich  wie  beim  arlcriomesenterialen  Duo- 
dcnalverschluß  um  rein  mechanische  Hindernisse. 

Eine  bisher  unbekannte  Form  der  Azoospermie.  Bisher  waren 
zwei  Formen  von  Azoospermie  bekannt.  Die  erste  Form  beruht 
auf  einer  InaktivitÀt  der  Hoden,  wodurch  die  Produktion  der 
SamenfÀden  gehemmt  wird;  sie  kommt  als  angeborener  oder  er- 
;  worbener  Zustand  vor.   Die  zweite  Form  ist  die  sogenannte  Obli- 
^terations-Azoospermie,  bei  der  infolge  von  Abflußhindcrnissen  die 
'Spermatozoen  sich  nicht  dem  Ejaculat  beimischen  können;  als 
leigentliche  Ursache  kommt  hier  vorwiegend  die  gonorrhoische 
iNebenhodenentzĂŒndung  in  Frage.  —  Auf  Grund  eigener  Beobach- 
Itungen  stellt  Verf.  noch  eine  dritte  Gruppe  auf,  die  er  als  ange- 
borene Obliterations-Azoospermie  bezeichnet.   Diese  Form  gleicht 
jvöllig  der  zweiten,  nur  fehlt  bei  allen  hierhergehörigen  FÀllen 
fjeder  Hinweis  auf  eine  voraufgegangene  Erkrankung. 

Ueber  einzeitige  Salvarsan-Embarin-  und  Salvarsan-Cyarsal- 
[Behandlung.  Durch  die  einzeitige  Salvarsan-Embarin-  und  Sal- 
Ivarsan-Cyarsal-Behandlung  werden  die  syphilitischen  Symptome 
■rasch  beseitigt,  die  Wassermannsche  Reaktion  gĂŒnstig  beeinflußt 
[und  ernstere  ZwischenfÀlle  nicht  verursacht.  Ein  Hauptvorteil 
Eier  einzeitigen  Behandlung  liegt  in  ihrer  absoluten  Schmerzlosig- 
Ikeit,  die  besonders  gegenĂŒber  den  schmerzhaften  intramuskulĂ€ren 
:  Hg.-Injektionen  ins  Gewicht  fÀllt. 

Zur  Behandlung  der  DiphthcriebazillentrÀger  mit  Diphthosan. 
[Mit  Diphthosan,  einem  Flavicid-PrĂ€parat,  wurden  gĂŒnstige  Er- 
bfolge bei  der  Behandlung  von  DiphtheriebazillentrÀgern  erzielt. 

Psychische  Anomalien  im  Kleinkindesaltcr.    Zwei  Hauptgrup- 
Ipen  von  psychischen  Anomalien  sind  im  Kleinkindalter  zu  unter- 
scheiden: 1.  die  Defekte  auf  dem  Gebiete  der  Intelligenz,  die 
rSchwachslnnsformen;  2.  die  Störungen  auf  dem  Gebiete  der  Ge- 
mĂŒts- und  Willensbildung,  die  als  Psychopathie  bezeichnet  wer- 
ben.   Unter  den  Schwachsinnsformen  sind  besonders  hervorzu- 
heben die  infantile  Myxidiotie,  die  mongoloide  Idiotie,  die  infan- 
tile amaurotische  Idiotie,  der  Schwachsinn  nach  Gehirnerkran- 
kungen, bei  angeborener  Syphilis,  bei  Rachitis  und  nach  Tetanie. 
Manches,  was  auf  den  ersten  Blick  wie  eine  schwere  psychische 
AbnormitÀt  aussieht,  ist  beim  SÀugling  und  kleinen  Kinde  nichts 
fals  eine  durch  ungĂŒnstige  Ă€ußere  EinflĂŒsse  minleilet^  geistige 
Entwicklung. 

Ueber  die  Röntgenbehandlung  der  Basedowschen  Krankheit. 
Die  Röntgenbestrahlung  bei  Basedowscher  Krankheil  ist  von  her- 
vorragender Wirksamkeit.  Mißerfolge  kommen  natĂŒrlich  vor 
|Die  Verfasser  zitieren  die  Worte,  die  Nagelschmid  ausge- 
sprochen  hat:  „Es  sollte  kein  einziger  Fall  von  Basedow  ope- 
riert werden,  bei  dem  nicht  vorher  energische  Versuche  mit  der 
Röntgenbehandlung  gemacht  wurden."  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Medicinische  Klinik. 

29.  Januar  1922,  18,  Nr.  5. 

❖Therapeutische  Eingriffe  bei  Pleuracrkrankungen.    0  o  b  e  t.  133. 

Zur  Korrelation  der  BlutilrĂŒsen.    Wagner  und  P  a  r  n  a  s.  137. 

Umfrage  ĂŒber  die  neue  Influenzaepidemie.  140. 

Ueiber  die  Behandlung  des  septischen  Aborts.    II  a  1  b  a  n.  140. 

Die  Feststellung  des  Kopfstandes  bei   der  geburtshilflichen  Untersuchung. 
K  r  i  t  z  1  c  r.  141. 

Zur  Frage  der  SexualitÀt  bei  sporadischem  Kretinismus.  Wollenberg. 
144. 

Vier  Jahre  weiterer  Erfahrungen  mit  Testogan  und  Thelygan.    Bloch.  145. 
❖Die  Behandlung  der  chronischen  Obstipation  mit  Paraffin.    Zweig.  147. 
Praktische   Versuche   zur   Liquordiagnostik   mittels   Kongorubin.     v.   G  u  t  - 
f  e  1  d  und  Weigert.  148. 

Die    akuten    infektiösen    Magen-Darmerkrankungen    des  SÀuglingsalters. 
(Schluß.)    BlĂŒhdorn.  149. 

Bin  Verfahren  zur  Auffindung  von  Hirntumoren  nach  der  Trepanation  durch 
Messung  des  elektrischen  Leitungswiderstandes.    Brand  enb  urg.  150. 

Therapeutische  Eingriffe  bei  Plcuraerkrankungen.  Cobet 
gibt  gewisse  Richtlinien  fĂŒr  die  Behandlung  der  PleuraergĂŒsse, 
ohne  hierbei  schematisieren  zu  wollen.  Die  Behandlung  der  Pleu- 
ritis sicca  mit  kĂŒnstlichem  Pneumothorax  ist  noch  zu  wenig  er- 
probt, um  ein  abschließendes  Urteil  fĂ€llen  zu  können;  jedenfalls 
ist  sie  nicht  zu  empfehlen,  wenn  Neigung  zur  Exsudatbildung  be- 
steht    Auch  bei  der  croupösen  Pneumonie  mit  begleitender  Pleuritis 


sind  die  Erfahrungen  mit  der  Pneumothoraxbehandlung  noch  zu 
gering.  Bei  der  exsudativen  serösen  bezw.  sero-fibrinösen  Pleu 
ritis  ist  einmal  der  Zeitpunkt  der  Punktion  und  zweitens  der  Er- 
satz der  FlĂŒssigkeit  durch  Gas  zu  erwĂ€gen.  Sieht  man  von  den 
FĂ€llen  ab,  wo  aus  Indicatio  Vitalis  die  Punktion  vorgenommen 
werden  muß,  so  wird  man  auf  die  Punktion  nur  in  den  FĂ€llen  von 
kleinen  Exsudaten  mit  Neigung  zur  Resorption  verzichten;  in  allen 
anderen  FĂ€llen  wird  man  sie  ausfĂŒhren  und  zwar  tunlichst  frĂŒh 
zeilig,  jedoch  nur  dann,  wenn  acut  entzĂŒndliche  Erscheinungen 
nicht  mehr  vorhanden  sind.  Ersatz  der  PunklionsflĂŒssigkeit  durch 
Gas  kommt  aber  nur  in  den  Àlteren  FÀllen  mit  vollkommener  Ent- 
leerung des  Exsudats  in  Frage;  wo  aus  Indicatio  Vitalis  die  Punk 
tion  vorgenommen  wurde,  wird  man  darauf  verzichten.  Die  Luft- 
einblasung selbst  kann  entweder  mit  dem  Pncumolhoraxapparat 
oder  in  Form  der  offnen  Pleurapunktion  geschehen.  HĂ€morrhagi- 
sche PleuraergĂŒsse  —  durch  Tumor  oder  Tuberkulose  bedingt 
sind  nur  aus  dringender  Indicalion  zu  punktieren  und  nuf  kleine 
Mengen  zu  entfernen.  Bei  progredienter  Lungentuberkulose  wir- 
ken' die  Pleuraexsudate  gĂŒnstig  auf  den,  Lungenprozeß  durch  die 
Comprcssion  der  Lungen;  bei  ihrer  Ablassung  ist  daher  der  Er- 
satz durch  Gas  erforderlich,  um  nicht  durch  die  Ausdehnung  der 
Lungen  eine  Mobilisation  der  Tuberkulose  zu  begĂŒnstigen.  Beim 
Seropneumothorax  ist  ein  Ablassen  von  Gas  oder  Exsudat  nur  so 
weit  vorzunehmen,  als  durch  das  auftretende  Exsudat  eine  Druck- 
slcigerung  erfolgt  ist.  Beim  Empyem  kommt  entweder  die 
BĂŒlau'sche  Heberdrainage  oder  die  Rippenresection  in  Frage;  beide 
Verfahren  haben  ihre  Vor-  und  Nachteile;  Verf.  tritt  jedoch  mehr 
fĂŒr  die  Resection  ein,  da  sie  fĂŒr  die  Erhallung  des  Lebens  siche- 
rer erscheint.  Contraindiciert  ist  die  Rippenresection  beim  para- 
pneumonischen  Empyem,  das  sich  von  selbst  resorbiert,  und  bei 
allen  Empyemen  der  Pleura,  die  durch  frische  virulente  Infektion 
der  Pleura  hervorgerufen  sind  —  Grippeempyem  —  ferner  beim 
infizierten  HĂ€mothorax  nach  Lungenschuß.  Auch  beim  rein  tu- 
berkulösen Pleuraempyem  ist  die  Punktion  mit  dosiertem  Gas- 
ersatz nach  Ablauf  des  acuten  Stadiums  der  Resection  vorzuziehen, 
da  durch  diese  die  Kompression  der  Lunge  nicht  gewÀhrleistet  ist. 
Bei  mischinfiziertem  tuberkulösem  Empyem  ist  die  Thoracotomie 
nur  dann  zu  machen,  wenn  die  Schwere  des  Falles  es  erfordert, 
sonst  ist  die  Punktionsbehandlung  mit  Gasersatz  zu  versuchen 

Die  Behandlung  der  chronischen  Obstipation  mit  Paraffin. 

Zweig  macht  infolge  der  Unmöglichkeit  einer  diÀtetischen  Be- 
handlung der  chronischen  Obstipation  infolge  Mangels  der  meisten 
hierzu  erforderlichen  Nahrungsmittel  auf  die  Paraffintherapie 
aufmerksam  und  insbesondere  auf  ein  neueres  PrÀparat,  Christo- 
lax,  das  aus  50%  Paraffinum  liquidum  purissimum  und  50%  Extr. 
Marli  siccum  besteht  und  sich  in  einer  Dosis  von  dreimal  tÀglich 
einem  EIHöffel  in  Wasser,  Tee  oder  Kaffee  gut  bewÀhrt  hat. 

Silber  mann  (CharloltenburgV 

Wiener  Archiv  fyr  innere  Medizin,  Berlin. 

15.  November  1921,  3,  Heft  1/2. 

Experimentelle    und    anatomische    Untersuchungen    zur    Frage    der  KĂ€lte 

nephritis.    Gaisböck,  F.  1. 
Ueher  die  seitlich  oberflĂ€chliche  Ausbreitung  der  Stoßwirkung  bei  der  Per 

kussion  und  ĂŒber  eine  Methode  der  Perkussion  mit  SeitenschalldĂ€mpfiing. 

Lehn' dorff,  A.  45. 
‱{»Die  kutane  Diagnostik  innerer  Krankheiten.    K  a  h  a  n  e.  M.  67. 
Ueher  die  Ve.rwertbarkeit  des  MĂŒnzenklanges  fĂŒr  die  klinische  Diagnostik. 

Kollort,  V.  III. 
Zur  Pathogenese  der  essentiellen  Hypertonie.    Kahler.  II.  125. 
❖Ueber  die  Novasuroldiurese.    S  a  x  1,  P..  und  Heilig,  R.  141. 
BeitrĂ€ge  zur  Frage  des  Ikterus  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Duo 

denalsaft-  und  Serumuntcrsucluing.    S  t  r  i  s  o  w  e  r.  R.  153. 
Ueber  ein- eigenartiges  Krankheitsbild:    Kachexie   und  poly glandulÀre  In- 
suffizienz der  DrĂŒsen  mit  Ă€ußerer  und  innerer  Sekretion.  Edelmann. 

A..  und  S  ax  1,  P.  227. 

❖  Ueber  parakardiale  DĂ€mpfungsgebiete.    Felsenreich.  G.  235. 

Zur    Theorie    des    arteriellen    Minimaldruckes     und    dessen     Bestimn  mg. 
P  c  1 1  e  r,  S.  249. 

Ueber  das  Asthma  cardiale  und  seine  Beziehungen  zum  Lungenödem.  Hess. 
L.  263. 

BeitrĂ€ge   zur  Kenntnis   ĂŒber   die   Ausscheidung   des   Harneisens.  Kisch. 
F.  283. 

Beobachtungen  ĂŒber  die  Schweißsekratiou  beim   Menschen.    P  e  1  1  e  r  .  S.. 
und  Strisower,  R.  297. 

❖  Zur  Differentialdiagnose  urĂ€mischer  ZustĂ€nde.     Beth.  H.  309. 

❖  Klinische     Beobachtungen     ĂŒber     Nierenfunktion     und  Blutdrucksenkung. 

M  ĂŒ  I  1  c  r  -  D  e  h  a  m,  A.  323. 
❖Chinin   als   Herz-   und   Gefaßmittet.    Singer,    R..   und    W  i  n  t  e  r  b  e  r  g. 
H.  329. 

Bemerkungen  zu  Höglers  Arbeit  ..Ueber  Akropaehie1'.    P  a  s  c  h  k  i  s.  K.  Sfl6. 

Die  kutane  Diagnostik  innerer  Krankheiten.  Das  Wesen  der 
kutanen  Diagnostik  besteht  in  der  Verwendung  von  HautphÀno- 
menen zur  Erkennung  von  Erkrankungen  innerer  Organe.  Es 
werden  diagnostisch  jene  HautphÀnomene  verwertet,  die  sich  aus 
den  physiologischen  und  pathologischen  Beziehungen  zwischen 


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Aas   den    neuesten  Zeilschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Haut-  und  Viszeralnerven  innerhalb  des  RĂŒckenmarks  ableiten 
lassen.  Zu  diesen  HautphÀnomenen  gehören  die  hyperalgetischen 
Hautzonen  von  Head,  die  regionÀre  HyperÀsthesie  der  Haut,  die 
verschiedenen  provozierten  und  stabilen  Erytheme,  Oedeme,  regio- 
nÀrer Herpes  zoster,  sowie  die  kombinierten  Reaktionen  der  sen- 
sorischen und  vasomotorischen  Hautnerven  auf  den  galvanischen 
Strom.  Die  genannten  PhÀnomene  lassen  sich  nach  verschiedenen 
Gesichtspunkten  als  subjektive  und  objektive,  latente  und  mani- 
feste, labile  und  stabile,  spontane  und  provozierte,  regionÀre  und 
distante,  universelle  oder  an  bestimmte  Stellen  gebundene,  kon- 
stante und  okkasionelle  PhÀnomene  unterscheiden.  Eine  allge- 
mein diagnostische  Verwertbarkeit  kommt  nur  den  Headschen 
Zonen  und  der  galvano-palpatorischen  Reaktion  zu,  da  nur  diese 
beiden  an  allen  Stellen  zur  Gellung  kommen  und  in  ihrem  Auf- 
treten an  keine  besonderen  Bedingungen  geknĂŒpft  sind,  sondern 
nur  an  die  initativ-entzĂŒndliche  Natur  der  vorliegenden  Erkran- 
kung. Alle  anderen  PhÀnomene  treten  an  diagnostischer  Verwert- 
barkeit zurĂŒck,  weil  sie  entweder  an  sich  seltene  Vorkommnisse 
darstellen,  wie  der  Herpes  zoster,  an  eine  bestimmte  Stelle  und  eine 
bestimmte  Organerkrankung  geknĂŒpft  sind,  wie  das  stabile 
Erythem  bei  Aortenerkrankungen,  oder  ĂŒberhaupt  keinen  regio- 
nĂ€ren, d.  h.  fĂŒr  die  Lokalisationsdiagnose  verwertbaren  Charakter 
besitzen,  wie  das  Hautödem  bei  Abdominalerkrankungen.  Die  Me- 
thodik wird  nicht  genau  angesehen  und  ist  in  den  frĂŒheren  Ar- 
beiten (Zeitschr.  f.  phvsik.  u.  diÀt.  Ther.  1912,  Bd.  XVI;  W.  Kl.  W. 
1916,  Nr.  49;  W.  m.  W.  1919,  Nr.  38—40;  Med.  Kl.  1920,  47)  be- 
schrieben. Die  speziellen  Einzelheiten  und  Ergebnisse  mĂŒssen  im 
Original  nachgelesen  werden.  Der  Vorzug  der  Methode  gegenĂŒber 
den  Headschen  Zonen  liegt  in  dem  ausgeprÀgt  regionÀren  Charak- 
ter der  Beaktion,  der  einen  unmittelbaren  Schluß  auf  den  Sitz 
des  Krankheitsherdes  gestattet,  wobei  auch  auf  die  Art  der  Er- 
krankung insoweit  geschlossen  werden  kann,  als  positive  Reak- 
tion bisher  nur  bei  entzĂŒndlichen  Erkrankungen  beobachtet 
wurde. 

Ueber  die  Novasurol-Diurese.  Guter  Erfolg  bei  kardialem 
Hydrops,  bei  Nephrose  und  Leberzirrhose.  Kontraindikation; 
Fieber,  Kachexie,  Marasmus,  Glomeruloneohritis.  GĂŒnstig  wirkt 
vorherige  Digitalisierung.  Bei  mehreren  FĂ€llen  chronische  Ver- 
abreichung: alle  2  Tage  4,  im  ganzen  4 — 10  Injektionen,  nach 
einigen  Wochen  Wiederholung.  Das  Kochsalz  stieg  unter  Nova- 
surol  im  Urin  und  in  den  Transsudaten  an  und  fiel  im  Blut  ab. 
Dabei  Hyperchlorurie  lÀnger  als  HyperchlorÀmie.  Regulation  der 
Kochsalzausscheidung  in  den  Geweben.  Ob  man  Hypo-  oder  Hy- 
perchlorÀmie bei  einem  Diuretikum  findet,  hÀngt  von  der  Aus- 
scheidungsgeschwindigkeit der  Niere  fĂŒr  Kochsalz  und  Wasser 
ab,  das  aus  den  Geweben  angeboten  wird.  Bei  Novasurol  ist  diese 
Geschwindigkeit  sehr  groß.  Mit  dem  Wasserstrom  geht  ein  Ei- 
weißstrom aus  den  Geweben.  Die  Wasserdiurese  ist  abhĂ€ngig  von 
der  in  den  Geweben  disnoniblen  Wassermenge,  nicht  vom  Wasser- 
gehalt des  Blutes.  Atronin  und  große  Kochsalzgaben  hemmen 
zeitweise  die  Novasuroldiurese,  wobei  Atropin  in  der  Niere, 
Kochsalz  im  Gewebe  angreift. 

Ueber  parakardiale  DĂ€mpfungsgebiete.  Bei  genauer  Per- 
kussion grenzt  die  relative  HerzdÀmpfung  nicht  direkt  an  vollen 
und  hellen  Lungenschall  an.  sondern  dieselben  sind  nach  2  Zonen 
mehr  weniger  gedÀmnften  Schalles  oft  mit  leicht  hypersonorem 
Beiklang  und  vermindertem  BesistenzgefĂŒhl  vorgelagert,  wodurch 
die  perkutorische  Bestimmung  der  wahren  HerzsröTie  besonders 
unter  pathologischen  VerhÀltnissen  ganz  wesentlich  erschwert 
sein  kann.  Die  der  Herzsilhouette  unmittelbar  sich  anschließende 
Zone  stÀrkerer  Schallverminderung,  ungefÀhr  innerhalb  der  Pa- 
rasternallinie  beiderseits,  bezeichnet  Verf.  als  HilusdÀmofung. 
Eine  ausgesprochene  VerstÀrkung  dieser  DÀmnfun»  findet  sich 
bei  Stauung  im  kleinen  Kreislauf  und  bei  DrĂŒsenschwellungen. 
Die  BegleitdÀmnfung  entspricht  normalerweise  dem  Gebiete  ganz 
leichten  verkĂŒrzten  Schalls  zwischen  HilusdĂ€mpfung  und  vollem 
Lungerschall  und  reicht  ungefÀhr  bis  zur  ParaSternallinie  oder 
einer  Vertikalen  innerhalb  der  Mamillarlinie.  Schwirren  und 
starke  SchallverkĂŒrzung  findet  sich  hier  oft  bei  Stauung  im  Pul- 
monalkreislauf  kardialer  Genese.  , 

Zur  Differentialdia c;nose  urÀmischer  ZustÀnde.  Verf.  beob- 
achtete bei  chron.  Nephritis  und  maligner  Nephrosklerose 
Diagnose  zum  Teil  durch  Obduktion  bestÀtigt)  auffallende  Unter- 
schiede im  Bilirubinsniegel  des  Serums  und  in  der  Urobilinogen- 
ausscheidung  durch  den  Harn.  Bei  malignen  Nephrosklerosen  ist 
der  Bilimbingehalt  des  Serums  und  die  Urobilinosenausscheidung 
im  Wasser  als  das  normal  zu  Erwartende,  bei  der  chronischen 
Nephritis  dagegen  vielleicht  als  pathologisch  zu  bezeichne^. 

Klinische  Beobachtungen  ĂŒber  Nierenfunktion  und  Blutdruck- 
.  Senkung.  Bei  klinischen  FĂ€llen  mit  pathologisch  niederem  Blut- 


druck zeigt  die  NierenfunktionsprĂŒfung  —  in  Uebereinstimmung 
mit  experimentellen  Erfahrungen  —  erhebliche  Störungen  der 
Wasserausscheidung  wie  der  KonzentrationsfÀhigkeit. 

Chinin  al9  Herz-  und  GefĂ€ĂŸmittel.  Eingehende  mit  zahlreiche 
E.  k.  G.  belegte  Arbeit  ĂŒber  die  Chininwirkung. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend. ) 

Archiv  fĂŒr  klinische  Chirurgie. 

1921,  117,  Heft  4. 
(Festschrift  fĂŒr  Erwin  Payr.) 

Ueber  Bauchschuß  und  Schock.    Kleinschmidt.  O.  569. 

Ueber  Induratio  penis  plastica  nebst  einem  Beitrag  zu  ihrer  operativen  Be- 
handlung.    Sonntag.  612. 
❖Erfahrungen  und  Erfolge  nach  blutiger  Mobilisierung  versteifter  statisch  be- 
lasteter Gelenke.    H  o  h  1  b  a  u  m  .  .1.  647. 

Der  operative  Verschluß  des  kĂŒnstlichen  Afters  ohne  Spornquetschung. 
G  o  h  r  e  1  s.  705. 

❖Unsere   Erfahrungen    und    experimentellen   Untersuchungen    bei  Wunddipb- 
therie.    Franke  nthal.  L.  716. 
Die  bewegliche  X-Bippe  als  Stigma  enteroptotieum.    Kastner.  H.  737.1 
❖Pathologische   Luxation  im   ersten   Metatarsophalangealgelenk.  KortieJ 

b  0  r  n.     752.  ‱ 
❖Operative    Behandlung  *  hartnĂ€ckiger    Spitzfußstellungen     der  FußsrĂŒ.npfe. 
Kortzeb  orn.  758. 
Ein  Fall  von  Luxationsfraktur  des  Os  metacarpale  1  mit  Fraktur  de»  Mult.in- 

gulum  reanis.   Halter,  G.  761. 
Beitrag  zur  Kenntnis  des  partiellen  Magen volvulus  bei  einem  Zwerchfell- 
defekt     kompliziert   durch    ein   blutendes    MagengesĂ€bwĂŒr.  Boysen. 
J.  768. 

Zur  Insuffizienz  der  Valvula  Bauhini.    II  r  o  m  a  d  a  .  G.  784. 

Ueber  einen  Fall  von  Blutzyste  des  Mesocolon  transversum  unter  gleichzei- 
tiger BerĂŒcksichtigung  der  Diffcrentiabliagnose  und  Therapie  der  Meseu- 
terialzysten.     Naumann.  II.  819. 

Ein  eingehendes  Verfahren  zur  VerhĂŒtung  der  Trennungsneurome.  Hedri. 
A.  842. 

Erfahrungen  und  Erfolge  nach  blutiger  Mobilisierung  ver- 
steifter, statisch  belasteter  Gelenke.  Eingehender  Bericht  ĂŒber 
Nachuntersuchungsergebnisse  mobilisierter  Kniegelenke  (125), 
HĂŒft-  (20)  und  Sprunggelenke  (4),  teils  Friedens:.,  teils  Kriegs- 
material. Vom  Àtiologischen  Standpunkt  aus  ergaben  hinsicht- 
lich der  Kniegelenke  die  gonorrhoisch  versteiften  die  besten 
Resultate  bei  der  Arthroplastik,  die  ungĂŒnstigsten  dagegen  An- 
kylosen nach  Sepsis  (metastatische  Einerungen!).  Nicht  beson- 
ders gĂŒnstig  sind  auch  die  Aussichten  bei  rheumatisch  versteiften 
Kniegelenken.  Bei  Tuberkulose  liegt  die  Gefahr  des  Mißlingens 
der  Operation  hauptsÀchlich  im  Wiederaufflackern  des  tuber- 
kulösen Prozesses;  sonst  ganz  gute  Prognose.  Nicht  ungĂŒnstig 
erweisen  sich  auch  die  Resultate  bei  Schußverletzungen,  obwohl 
gerade  K^riegstraumen  hÀufig  noch  spÀt  eintretendes  Wiederauf- 
flackern latenter  Infektion  zeigen.  BezĂŒglich  der  LeistungsfĂ€hig- 
keit gelungener  Nearthrosen  wurde  fast  stets  Gutes  festge- 
stellt, ganz  besonders  bei  lĂ€nger  zurĂŒckliegenden  FĂ€llen,  bei 
denen  sich  auch  eine  Neigung  zu  EntzĂŒndung  oder  Schwellung 
fand.  Ver.  weist  ferner  noch  auf  das  Fehlen  ausgeprÀgter  Ar- 
thritis deformans  bei  kĂŒnstlichen  Nearthrosen  hin.  Hinsichtlich 
der  Prognose  und  Indikationsstellung  steht  im  Vordergrunde  die 
Frage  nach  einer  latenten  Infektion;  daher  ist  in  jedem  Falle 
mindestens  ein  Jahr,  bei  Kriegsverletzungen  zwei  Jahre  nach  der 
PrimÀrinfektion  mit  der  Mobilisierung  zu  warten.  Die  oben  er- 
wĂ€hnten Ă€tiologischen  Momente  sind  fĂŒr  die  Prognose  zu  ver- 
werten. Die  Erfahrungen  bei  der  Mobilisierung  des  HĂŒftgelenkes 
entsprechen  durchschnittlich  den  beim  Kniegelenke  gemachten. 
Die  besten  Besultate  ergaben  schließlich  Fußgelenksmobili- 
sierungen. 

Exnerimentelle    Untersuchungen    bei    Wunddiphtherie.  Pas 

wesentlichste  der  umfassenden  Versuche  an  Tieren  und  Ven- 
schen  ist  etwa  folgendes:  der  Streptococcus  haemolyt.  lonsnis  sei 
erysinelatos  bedingt  die  Ansiedlung  des  Diphtheriebazillus  in 
der  Wunde  in  allen.,  schweren  FĂ€llen  und  vermag  auch  erheblich 
zur  Virulenzsteigerung  des  letzteren  beizutragen.  Es  snielt  daher 
die  Mischinfektion  bei  der  Wunddiphtherie  eine  grĂ¶ĂŸere  Rolle, 
als  man  bisher  annahm. 

Pathologische    Luxation    im    I.  Metatarsophalangealgelenk. 

WĂ€hrend  Sublimationen  in  diesem  Bezirk  als  Begleitserscheinunff 
des  Hallux  valgus  typisch  sind,  ist  der  beschriebene  Fall  kom- 
pletter Luxation  der  großen  Zehe  bisher  noch  nicht  veröffent- 
licht worden.  Die  Ursache  des  Leidens  bildete  ein  starker  Hallux 
valgus,  bei  dem  wohl  infolge  Zuges  der  verkĂŒrzten  Muskulatur 
(Est.  hall,  long.)  ein  Abrutschen  der  Großzehenphalanx  vom  Mg 
tatarsale  I  stattfand,  ohne  daß  eine  neue  GelenkflĂ€che  sich  recht- 
zeitig ausbildete. 


40.  Jahrg.  — Nr.  12. 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


27."> 


Operative  Behandlung  hartnĂ€ckiger  Spitzfußstellungen  »I *‱  r 
FuflstĂŒnipfe.  Die  Notwendigkeit  der  Erzielung  guter  Auftrilts- 
tlĂ€chen  hei  AmputationsfußstĂŒmpfen  erforderte  bei  einem  Falle 
residierender  Spitzfuß  Stellung  ein  operatives  Vorgehen.  Hierbei 
zeigte  sich,  daß  in  solchen  FĂ€llen  die  Tenotomie  der  Achilles- 
sehne allein  nicht  genĂŒgt,  sondern  dar)  vor  allein  auf  vorhandene 
Kapselschrumpfungen  RĂŒcksicht  zu  nehmen  isl. 

L.  Frosch  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

4.  Februar  1922,  46,  Nr.  5. 

<J»Intra  partum  spontan  entstandenes  BaucbdeckenhÀmatom.  Lieh  teil- 
st e  i  n  .  F.  162. 

Die  Entstehline:  der  Trophoblast-  und  Sy  iicytiallakurten   des  menschlichen 
Eies.    Hinselmann,  II.  lfi;">. 

Ein  Karzinomsarkom  des  Uterus.     Klee,  F.  166. 
♩Zur  Behandlung:  der  Plaeenta  praevia.    Hein  lein.  F.  170. 
«frDcr  fiinfprozentige  Alkohol  zur  Blutsti Haine;.    Roh.  II.  176. 

Ecbinokokkencyste  im  Douglas  als  Geburtsbindernis.    Louros.  X.  L78. 

Intra  partum  spontan  entstandenes  BauchdcckenhÀmatoni. 
Bei  einer  32  jÀhrigen  ErstgebÀrenden  entstand  kurz  nach  der 
ganz  spontanen  Geburt  eines  großen  Kindes  eine  Geschwulst  ober- 
halb der  Symphyse,  die  sich  bei  genauerer  Untersuchung  als 
BauchdeckenhĂ€matom  herausstellte.  Die  Frau  kitte  außerordent- 
lich stark  mitgepreßt,  so  daß  sie  sogar  BlutergĂŒsse  in  beiden 
Konjunktiven  bekam.  Da  die  Patientin  gleichz-MMg  wegen  eines 
Nasen-Rachenkatarrhs  Fieber  hatte,  wurde  von  einer  operativen 
Behandlung  des  BauchdeckenhÀmatoms  abgesehen.  Da  Pressionen 
(Kristeller,  Crede  usw.)  nicht  stattgefunden  haben» und  kein 
Husten  bestand,  so  ist  die  Entstehung  des  HĂ€matoms  allein  uif 
den  Einfluß  der  Bauchpresse  zurĂŒckzufĂŒhren. 

Zur  Behandlung  der  Plaeenta  praevia.  An  Hand  des  Mate 
rials  der  Bochumer  Frauenklinik  tritt  H.  fĂŒr  die  Metreuryse  als 
Methode  der  Wahl  fĂŒr  die  Behandlung  der  Plaeenta  praevia  ein. 
Insbesondere  hÀlt  er  die  Lehre  von  Krönig  und  Sellheim, 
daß  beim  vorliegenden  Mutterkuchen  die  gefĂ€hrlichsten  Blutungen 
erst  nach  Ausstoßung  der  Plaeenta  durch  Atonia  uteri  auftreten 
und  daß  deshalb  die  Entbindung  durch  Sectio  caesarea  vorzu- 
ziehen sei,  fĂŒr  unhaltbar  und  irrig.  Sodann  tritt  er  den  GrĂŒnden, 
die  von  einer  Beihe  von  Autoren  gegen  die  Metreuryse  ins  Feld 
gefĂŒhrt  werden,  entgegen.  Diese  sind:  1.  Technische  Schwierig- 
keiten: Nur  im  Privathaus  kann  die  Metreuryse  schwierig  sein; 
Plaeenta  praevia-FÀlle  gehören  aber  in  die  Klinik.  2.  Infektions- 
gefahr: Auf  Grund  der  Ergebnisse  an  der  Bochumer  Klinik  ist 
dieselbe  als  gering  einzuschĂ€tzen.  Auch  die  ausgefĂŒhrte  Tampo- 
nade zum  Transport  in  die  Klinik  ist  nicht  so  gefÀhrlich  und  die 
Furcht  mancher  Praktiker  davor  sicher  nicht  gerechtfertigt.  3.  Die 
Unsicherheit  der  Blutstillung:  Bei  fast  allen  MetreurysenfÀllen 
kam  die  Blutung  promnt  zum  Stehen.  4.  Die  ungenĂŒgende  Erwei- 
terung des  Muttermundes:  Bei  der  in  Bochum  geĂŒbten  Technik  — 
weicher  Ballon  mit  etwa  .500  cem  1  nroz.  Lysollösung  gefĂŒllt,  Be- 
lastung mit  höchstens  500  g  und  Abwarfen  des  spontanen  Aus- 
stoßens des  Ballons  —  ist  die  Erweiterung  des  Muttermundes  min- 
destens handtellergroß.  FĂ€lle  mit  rigider  Cervix  sind  auszu- 
schließen. FĂŒr  diese  und  fĂŒr  ErstgebĂ€rende  mit  rigiden  Weich- 
teilen kommt  die  Sectio  caesarea  in  Frage. 

Der  fiinfprozentige  Alkohol  zur  Blutstillung.  Reh  empfiehl! 
zur  sofortigen  Stillung  von  Blutungen  aus  der  GebÀrmutter,  seien 
es  atonische  Nachblutungen,  Blutungen  post  abortum  oder 
endometritische  Blutungen,  eine  AusspĂŒlung  des  Uterus  mit  etwa 
150  cem  50  prozentiger  Alkohollösung  vorzunehmen,  Hie  mittels 
RĂŒcklaufkatheters  innerhalb  1—2  Minuten  nicht  unter  Druck  den 
Uterus  passieren.  Auch  hei  Blutungen  aus  der  Blase  ist  die 
Methode  zu  verwenden.  Die  blutstillende  Wirkung  des  Alkohols 
erklÀrt  Verfasser  einerseits  durch  eine  Aetzwirkuna  auf  die  Ge- 
fĂ€ĂŸstĂŒmofe,  andererseits  durch  den  heftige  Kontraktinnen  an- 
regenden Reiz.  S  peyer  fBerlinV 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

18.  Februar  1922,  46,  Nr.  7. 

*">'!‱  hyi  tische  Geburtsd  mersohlaf.    8  e  h  uĂŒ  t  x  e  -  B  h  o  lvh  o  f  ,  F.  247. 

TDie   Beeinflussung  der  sogenannten   Ausfallserscheinungen  durch  Hypnose. 

W  o  1  f  f  ,  P.  25fi. 

Zur  Klinik  und  Pathologie  der  Adenomvos's,.  Fr  an  kl;  O.  241. 
,  Prinziniellf.     Bemerkungen     zur      Technik      der      GroUtV|dfernbr<tr  ibluu-. 
Uler.  W.  25!). 

â–ŒUeber  den  diagnostischen  therapeutischen  Wert  des  Pnewnoabdomen  bei 
postnperativen  Verwachsungen  nach  Laparotomien.  F  e  1  d  m  a  n  n  ,  W. 
262. 

Siihperitoneales  Dermoid  als  Qe'hHrtsTiiin'lerniW,    K  ■!      n  s  <‱  Ii  u  1  t  ‱     W.  266. 
‱{»PrimĂ€re  und  RnfttresuWiatp  d«r  chirurgisch  behandelten  chronischen  Adnex- 
tumori'n  auf  Grund  0  jÀhrigen  Material«.    Probstner.  A.  267. 


Der  hypnotische  (»eburtsdĂŒmmerfichlnf.  Da  bei  dem  phar- 
makodvnamischcn  (Morphin  Scopolamin  usw.)  DĂ€mmerschlaf 
zweifellos  SchÀdigungen  auftreten  können,  suchte  man  an  der 
Heidelberger  Univ. -Frauenklinik  nach  einem  Mittel,  das  einerseits 
den  Gcburisschmcrz  aufhebt  oder  wenigstens  herabsetzt  und 
andererseits  weder  fĂŒr  die  Mutter  noch  fĂŒr  das  Kind  Gefahren  in 
sich  birgt.  Man  griff  deshalb  auf  die  schon  in  frĂŒheren  Jahren 
in  der  Geburlshilfe  angewandte*Hypnose  zurĂŒck.  Im  ganzen  wird 
ĂŒber  95  FĂ€lle  berichtet,  hei  denen  die  Enthindung  im  hypno- 
tischen DÀmmerschlaf  vor  sich  ging.  Voller  Erfolg,  also  völlige 
Schmerzfreiheit,  wurde  in  88,6  %  der  FĂ€lle  erzielt.  Nach  besserer 
Einarbeitung  in  die  Methode,  und  nachdem  reichlich  Erfahrungen 
gesammelt  waren,  kam  unter  den  letzten  29  FĂ€llen  ĂŒberhaupt 
kein  Versager  mehr  vor.  Die  bei  den  Geburten  entstandenen 
Dammrisse,  und  Episiotomiewunden  konnten  in  der  Hypnose  ge- 
nÀht werden,  ebenso  wurde  gelegentlich  die  Kristellcr'sche 
Expression,  der  Olshausen'sche  und  der  Crede'schc  Handgriff 
schmerzlos  ausgefĂŒhrt.  Gefahren  und  SchĂ€digungen  fĂŒr  Mutter 
und  Kind  bestehen  bei  der  Hypnosegeburt  sicher  nicht.  .  Wehen- 
beeintrÀchtigung und  Geburtsverschleppung  und  die  dadurch  not- 
wendigen Eingriffe  können  der  Methode  nicht  zur  Last  gelegt 
werden.  Im  Gegenteil  könnte  eher  infolge  der  auf 'Befehl  sehr 
exakt  arbeitenden  Bauchpresse  eine  Geburtsbeschleunigung  resul- 
tieren. Vorbedingung  fĂŒr  ein  gutes  Gelingen  des  DĂ€mmerschlafs 
wÀhrend  der  Geburt  ist  die  hypnotische  Vorbereitung  in  der 
Schwangerschaft.  Im  allgemeinen  wurden  vier,  bei  schwer  suage- 
stiblen  Personen  auch  mehr  Vorhvnnosen  ausgefĂŒhrt.  Eine 
Steigerung  der  SuggestibilitÀt,  besonders  durch  die  gegenseitige 
Beeinflussung,  wurde  dadurch  erreicht,  daß  stets  mehrere  Frauen 
gleichzeitig  hypnotisiert  wurden.  Aus  diesen  GrĂŒnden  wird  der 
hypnotische  GeburtsdĂ€mmerschlaft  nur  fĂŒr  klinischen  Betrieb 
von  Interesse  sein,  vom  allgemeinen  Praktiker  aber  nicht  ver- 
wertet werden  können.  Denn  erstens  hat  dieser  nicht  die  er- 
forderliche Zeit  dazu,  und  zweitens  wird  die  Hypnose  im  Privat- 
hause hĂ€ufig  auf  Schwierigkeiten  stoßen  und  schon  deshalb  oft 
undurchfĂŒhrbar  sein.  FĂŒr  geburtshilfliche  Anstalten  jedoch 
scheint  das  Verfahren,  besonders  wegen  seiner  Gefahrlosigkeit 
und  guten  Ergebnisse,  empfehlenswert. 

Die  Beeinflussung  der  sogenannten  Ausfallserscheinungen 
durch  Hypnose.  Bei  einer  34  jÀhrigen  Patientin,  die  wegen  an- 
dauernder Blutungen  und  Schmerzen  durch  Böntgenstrahlen 
kastriert  worden  war,  konnten  die  Ausfallserscheinungen  weder 
durch  Organotherapie,  noch  durch  diĂ€tetisch-hygienische  Maß- 
nahmen, auch  nicht  durch  den  von  Engelmann  angegebenen 
Aderlaß  mit  Erfolg  bekĂ€mpft  werden.  Dagegen  wurde  durch  eine 
im  hypnotischen  Schlaf  gegebene  Suggestion  ein  guter  theraneu- 
tischer  Erfolg  erzielt:  die  Hvpnose  hat  also  hierbei  einen  Ein- 
fluß auf  den  komplizierten  Mechanismus  der  Vasomotoren  aus- 
geĂŒbt. Verf.  sieht  hierdurch  die  Ansicht  bestĂ€tigt,  daß  die  Aus- 
fallserscheinungen in  der  Hauptsache  auf  psychoneurotischer 
Grundlage  beruhen  und  dem  innersekretorischen  Ausfall  nur  eine 
untergeordnete  Bedeutung  zukommt.  — 

Ueber  den  diagnostischen  und  therapeutischen  Wert  des 
Pneiimoabdomen  bei  nostoperariven  Verwachsungen  nach  Lanaro- 
tomien.  Im  Gegensatz  zu  dem  ablehnenden  Urteil  von  Benthin 
ĂŒber  das  Pneumoperitoneum  lobt  Feldmann  das  Verfahren,  be- 
sonders um  Verwachsungen  von  Netz  und  Darm  schlingen 
mit  der  vorderen  oder  seitlichen  Bauchwand,  wie  sie  hauntsÀch'- 
lich  postoperativ  nach  Lanarotomien  vorkommen,  sichtbar  zu 
machen.  Auch  zu  theraoeutischem  Zwecke  wurde  die  Einblasung 
von  Sauerstoff  in  die  Bauchhöhle  benutzt,  und  zwar  um  bei  Re- 
laoarotoöiien  wegen  postonerativer  Verwachsungen  nach  deren 
Durchtrennung  und  sorgfÀltigen  Peritonisierung  durch  Abhebung 
der  vorderen  Rauchwand  erneute  AdhÀsionsbildunsen  zu  ver- 
hĂŒten.  In  2  FĂ€llen  wurde  im  Anschluß  an  die  Operation  durch 
eine  KanĂŒle  2  Liter  Sauerstoff  in  die  Rauchhöhle  eingeblasen  mit 
dem  Erfolge,  daß  die  Patienten  1%  resp.  %'  Jahr  nach  der  Opera- 
tion vollkommen  beschwerdefrei  waren. 

PrimÀre  und  SoÀtrcsultate  der  chirurariseh  behandelten 
chronischen  Adnextumoren  auf  Grund  5  jÀhrigen  Materials. 
Operiert  wurde  nur  in  FÀllen  von  seit  Jahren  bestehenden,  hÀu- 
fig rezidivierenden,  jeder  konservativen  Therapie  trotzenden  Re- 
schwerden,  mehrere  Monate  nach  Abklingen  der  letzten  EntzĂŒn- 
dung. Nur  wo  die  soziale  Lage  lÀngere  konservative  Rehandlung 
nicht  ermöglichte,  wurde  schon  frĂŒher  zur  Operation  geschritten. 
Im  allgemeinen  wurde  radikal  operiert,  nur  bei  einseitigen  Ent- 
zĂŒndungen konservativ.  Mit  der  radikalen  Onerationsmethode 
gelang  es,  in  ÂŁ8,1%  endgĂŒltige  Heilung,  bezw.  95,5  %  vollstĂ€ndige 
ArbeitsfÀhigkeit  zu  erzielen;  die  MortalitÀt  betrug   nicht  ganz 


2?6 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


.">  Prozent.  Bei  der  konservativen  Operation  war  zwar  die  Mor- 
talitĂ€t —  0,  die  Dauerresultate  aber  bedeutend  schlechter  als  bei 
der  radikalen  Operation.  Ausfallserscheinungen  wurden  sehr 
hÀufig  beobachtet,  besonders  bei  Frauen  mit  nervöser  Disposition. 
In  keinem  Falle  jedoch  waren  sie  so  hochgradig,  daß  sie  den 
guten  Erfolg  der  Operation  in  Frage  gestellt  hÀtten. 

#  Speyer)  Berlin). 

Dermatologische  Wochenschrift,  Leipzig. 

28.  Januar  1922,  Nr.  4. 

Zwoi  FĂ€lle  von  Keratodermia  symmetrica.     Wagner.  Richard. 
Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  Lebensdauer  der  Spirochaeta  pallida 

unter  Einwirkung  verschiedener  Bohandluugsweisen.     Rubin.  Eugen 

und  v.  S  s  c  n  I  k  i  r  batyi  ,  Siegmund. 

4.  Februar  1922,  Nr.  5. 

I'rotoplasmaaktivierung    bzw.    Sehwellenreiztherapie    zur    Behandlung  von 
Haut-  und  Haarleiden.     KrĂŒger.   M    und  Pfeiler.  W. 
❖  Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  i|  .  n all  Ida 

unter  Einwirkung  verschiedener  Behandluugsweiseti.  (Schluß).  R  n  b  i  n. 
Eugen  und  v.  Szentkiralyi.  Siegmund. 

Klinische  Erfahrungen  mit  dem  JodprĂ€parat  „Mirion".    Urban.  Franz. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  Lebensdauer  der 
der  Spirochaeta  pallida  usw.  Bei  der  Behandlung  eines  Luetikers 
mit  10  %  Hgsalicyl  geht  die  Lebensdauer  der  SpirochÀten  in  den 
syphilitischen  LĂ€sionen  parallel  der  Behandlung  beziehungsweise 
parallel  der  Heilung  dieser  LĂ€sionen;  nur  in  sehr  wenigen  FĂ€llen 
konnte  die  Fautlsche  Behauptung  bestĂ€tigt  werden,  daß  durch 
die  Hg-Behandlung  eine  VerlÀngerung  der  Lebensdauer  der  Spiro- 
chĂ€te eintritt.  Werden  zunĂ€chst  2  Hg-Injektionen  im  ĂŒblichen  Ab- 
stĂ€nde und  dann  Neosalvarsan  gegeben,  so  können  10 — 12  Stunden 
nach  diesem,  nicht  aber  mehr  nach  24  Stunden  SpirochÀten  im 
Reizserum  gefunden  werden.  Ebenso  sind  bei  reiner  Neosalvarsan- 
hehandlung  genau  wie  beim  Linserschen  Neosalvarsan-Sublimat- 
gemisch  gleichfalls  erst  nach  24  Stunden  die  SpirochÀten  voll- 
kommen verschwunden;  —  danach  wird  durch  Hg  keinesfalls  die 
Widerstandskraft  der  SpirochÀten  vermehrt. 

Bat)  ;  Berlin 

11   Februar1  1922,  Nr.  6. 

♩lieber  Lupus  erythematodes  acutus.    G  ö  r  1..  L.  und  Voigt.  Leonhard. 
BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  in  der  dermato-venereologischeu  Praxis  gebrÀuch- 
lichen Balsamika.     D  e  u  ß  e  n  ,  Ernst. 

Ueber  Lupus  erythematodes  acutus.  Der  Lupus  erythem.  ist 
keine  tuberkulöse  sondern  eine  sepsisartige  Erkrankung;  1.  sind 
vielfach  bei  dieser  Streptokokken  im  strömenden  Blute  gefunden 
worden,  und  2.  spricht  auch  die  Heilung  dafĂŒr,  die  vielfach  durch 
Entfernung  lokaler  Eiterherde  —  wie  kariöser  ZĂ€hne  —  und 
durch  Injektionen  von  Vaccinen  erreicht  wird,  ohne  daß  irgend 
eine  Behandlung  des  Krankheitsherdes  selber  statt  hat. 

Bab  (Berlin). 

Revue  Medieale  de  la  Suisse  Romande,  Lausanne-Genf. 

Januar  1922,  42,  Nr.  1. 

Die  HĂ€ufigkeit  des  Kropfes  in  einem  Bezirk  des  Berner  Jura.    M  e  s  s  e  r  I  i  . 
Fr.  M.  1. 

♩Die  Entwicklung  de.s  Kropfes  bei  Kindern.    Messerl  i.  Fr.  M."  12. 
❖Verwendung  des  Coagulens  in  der  Medizin  und  Chirurgie.    Perret.  Ch.  A. 
15. 

Pathogenese  der  Arsenobenzol-Erythrodermiei.     G  o  1  a  y  .  J.  :I4. 
Vbszcß  und  Phlegmone  des  Larynx.    Frey.  G.  40. 
Fraktur  des  V.  Matatarsus.    G  u  i  1  1  e  r  m  i  n  .  R.  45. 

Die  Kropfentwicklung  bei  Kindern.  Vom  Standpunkt  der 
prophylaktischen  Behandlung  des  endemischen  Kropfes  ist  es 
wichtig,  festzustellen,  in  welchem  Alter  bei  Kindern  die  Hyper- 
Irophie  der  SchilddrĂŒse  einsetzt.  Verf.  hat  deshalb  Untersuchun- 
gen an  Schulkindern  angestellt,  die  in  kropfreichen  StÀdten  lebten!. 
Dabei  zeigte  sich,  daß  diese  Kinder  ihren  Kropf  schon  vor  Ein- 
tritt in  die  Schule  erwerben,  daß  also  eine  erfolgreiche  prophylak- 
tische Behandlung  schon  vor  dem  schulpflichtigen  Alter  einzu- 
setzen hat. 

Ueber  den  Gebrauch  des  Coagulens  in  Medizin  und  Chirurgie. 

Bin  sicher  und  rasch  wirkendes  HÀmostatikum  ohne  störende 
Nebenerscheinungen  fehlte  bisher  den  Chirurgen.  Nach  theoreti- 
schen ErwĂ€gungen  muß  ein  haltbarer,  sterilisierbarer  BlutplĂ€tt- 
chenextrakt den  Bedingungen  eines  gerinnungfördernden  Mittels 
genĂŒgen.  Nach  einer  von  Morawitz  vorgeschlagenen  Methode  ge- 
lag  es  Fonio,  die  BlutplÀttchen  zu  isolieren  und  aus  ihrem  Extrakt 
eine  isotonische  Lösung,  das  Coagulcn,  herzustellen.  BÀsch  wurde 
dasselbe  der  Gegenstand  zahlreicher  Versuche  und  Veröffent- 
lichungen.   Fonio  war  der  erste,  der  im  Jahre  1913  die  Werl- 


hoffsche  Krankheit  damit  behandelte.  Durch  wiederholte  subeu- 
tanJe  und  intravenöse  Injektion  verhinderte  er  die  Bildung  neuer 
Ekchymosen  und  das  Auftreten  von  Zahnfleischblutungen  bei  einem 
25  jÀhrigen  Pat.  Seitdem  ist  die  Wirksamkeit  des  Coagulens  bei 
der  BekÀmpfung  der  Blutverluste  der  haemorrhagischen  Dialhesen 
von  zahlreichen  Autoren  bestÀtigt  worden.  Ebenso  beachtens- 
wert ist  die  haemorrhatische  Wirkung  des  Coagulens  bei  den 
Avitaminosen  (Skorbut,  Barlow)  und  bei  der  Haemophilie.  Hier 
besteht  zwar  kein  Mangel  an  BlutplÀttchen,  die  Verzögerung  der 
Gerinnung  beruht  vielmehr  auf  einer  Insuffizienz  der  Thromboki- 
nase. Diesen  Uebelstand  beseitigt  das  Coagulen,  das  eine  normale 
Thrombokinase  enthÀlt.  Schon  in  seiner  ersten  Veröffentlichung 
sah  Fonio  voraus,  daß  das  C.  wertvoll  fĂŒr  die  BekĂ€mpfung  der 
Haemoptysen  sein  mĂŒsse.  In  der  GynĂ€kologie  hat  es  bedauerlicher- 
weise noch  nicht  genĂŒgend  Eingarlg  gefunden,  obwohl  verschie- 
dene Autoren  es  bei  Metrorrhagien  und  post  partum-Blutungen 
erfolgreich  verwandt  haben.  Ermutigt  durch  diese  Erfahrungen 
ging  Verf.  an  die  prophylaktische  Anwendung  des  C,  in  Form 
von  subkutanen  Injektionen  (20  cem  pro  dösi),  1  Std.  vor  blutreichen 
Operationen  appliziert.  Auch  hier  erfĂŒllte  das  C.  die  daran  ge- 
knĂŒpfter^ Erwartungen.  Es  ist  nicht  im  mindesten  toxisch  und 
kann  nach  Bedarf  auch  mit  Hilfe  von  Tampons  direkt  auf  Wunden 
appliziert  werden.  Intravenöse  Injektionen  soll  man  auf  wirklich 
dringende  FÀlle  beschrÀnken  und  dann  nur  langsam  injizieren. 
Bei  Außerachllassen  dieser  Vorsichtsmaßregel  kann  man  sonst 
ZwischenfÀlle  erleben,  die  zwar  noch  niemals  tötlich  waren,  aber 
doch  unerwĂŒnscht  sind.  Contraindiziert  ist  die  intravenöse  An- 
wendungsweise allemal  bei  Arteriosklerose,  gewissen  Stadien  der 
Syphilis,  bei  Aneurysmen,  entzĂŒndeten  Varizen,  Endocarditis,  de- 
kompensierten Vitien.  Andrerseits  gelten  InanitionszustÀnde,  PyÀ- 
mie  und  septische  Infektionen  nicht  als  absolute  Contraindikatio- 
nen. Die  subcutane  Injektion  der  5%igen  Lösung  kommt  in 
Ampullen  von  1,5  und  20  cem  in  den  Handel.  In  FĂ€llen  von 
haemorrhagischer  Dialhese  rÀt  Fonio  mit  einer  intravenösen  In- 
jektion von  20  cem  zu  beginnen  und  ihr  bald  eine  zweite  folgen 
zu  lassen,  wenn  die  erste  gut  vertragen  wurde.  Dann  innerlich 
5  gr  in  24  Std.  auf  200  gr  Wasser,  eMöffelweise  alle  2  Std.  Diese 
Medikation  soll  man  2—3  Tage  ĂŒber  das  Sistieren  der  Blutung 
hinaus  fortsetzen.  Zur  Kontrolle  dient  eine  ZĂ€hlung  der  Blut- 
plÀttchen, deren  normaler  Wert  234  000  pro  emm  betrÀgt.  Werte- 
unter  130  000  und  ĂŒber  350  000  weisen  auf  pathologische  VerhĂ€lt- 
nisse. 

Die  Dienste,  die  das  C.  dem  Praktiker  erweist,  lassen  weit- 
gehende Verbreitung  erwĂŒnscht  erscheinen 

K.  Held  ^Berlin 

Ugeskrift  for  Laeger. 

4.  Januar  1922,  Nr.  1 

Heina«  dext.  —  Neuralgie  plcx.  braehialis  sin.    C  h  r  i  s  t  i  a  11  s  p  ft«.  \  im» 

11.  Januar  1922,  Nr.  2 

Vererbungsverhalteii  bei  Dementia  praecox.    H  a  n  s  r»  n  .  Rßr<Mi 

18.  Januar  1922,  Nr.  3. 

♩Sartoi  lusmobilisation  als  myoplastische   Methode   bei    llertiioti  nua  ventralis. 
Ramlau-Hansen. 

Sartoriusmobilisation  als,  myoplastische  Methotle  bei  Hernio- 
tomia  ventralis.  Die  Methode  besteht  darin,  die  Insertion  des 
Muse,  sartorius  hinĂŒber  nach  dem  Abdomen  zu  legen,  danach  die 
Insertion  fest  zur  Scheide  des  Muse,  rect.  zu  suturieren  und  den 
proximalen  fleischigen  Teil  des  Sartorius  ĂŒber  die  Bruchpforte 
auszuarbeiten.  Povl  Hertz  Kopenhagen 

Hygiea,  Stockholm. 

16.  Januar  1922,  84.  Nr.  1 

❖Einblasung  von  Gas  in  KĂŒrperhöhlen  und  Organe  zu  diagnostische  ll  Zwecken 
Josefson.A.  l 

Einblasung  von  Gas  in  Körperhöhlen  und  Organe  zu  diagno- 
stischen Zwecken.  Auf  Grund  seiner  an  16  FĂ€llen  gewonnenen 
Erfahrung  und  im  Hinblick  auf  die  von  deutschen,  französischen 
und  englisch-amerikanischen  Autoren  veröffentlichten  Ergebnisse 
gelangt  der  Verfasser  fĂŒr  die  Anlegung  eines  Pneumoperitoneums 
zu  rein  diagnostischen  Zwecken  zu  folgenden  GrundsÀtzen: 

Den  auch  bei  kunstgerechter  AusfĂŒhrung  des  Eingriffes  (La- 
gerung des  Patienten  nach  Entleerung  von  Blase  und  Darm  aul 
die  rechte  Seite  mit  erhöhtem  Becken  und  gestĂŒtzten  Schultern. 
Einslich  in  d.  lin.  alb.  mitten  zwischen  Nabel  und  Symphyse 
oder  seitlich  der  Bectus-Scheide,  Ausspritzung  von  physiol.  NaCl- 
Lösung  wÀhrend  des  Einsliches,  Einblasung  einer  möglichst  ge- 
ringen Gasmenge  usw.'   nicht  sicher  vermeidbaren  nachteiligen 


10.  Jahrg. —  Nr.  12. 


Aus   den   n  e  u  c  s  l  <‱  n   X  e  i  t  s  c  Ii  ritt  e  n 


277 


Nebcnfolgen  wie  Magen-  oder  Darmverletzungen,  Gasembolie, 
Emphysem,  Kollaps,  erheblichen  Schmerzen  Àhnlich  denen  bei 
Peritonitis  steht  bis  jetzt  mir  eine  geringe  diagnosliselie  Ausbeute 
gegenĂŒber.  Es  darf  dabei-  auf  dieses  Verfallren  nur  dann  zurĂŒck- 
gegriffen werden,  wenn 

1.  alle  ĂŒbrigen  harmloseren  Metboden  erschöpft  sind,  ohne  ein 
eindeutiges  Ergebnis  gezeitigt  zu  haben; 

2.  wenn  die  von  der  Anlegung  eines  Pncumabdomen  zu  erwar- 
tende weitere  Klarstellung  des  Saehverhalles  zur  Ermög- 
lichung  einer  wirksameren  Therapie  wesentlich  erscheint; 

3.  wenn  der  Zustand  des  Kranken  den  Eingriff  erlaubt; 

4.  eine  P  r  o  b  e  -  Laparotomie  keinen  besseren  Aufschluß  zu 
geben  verspricht  und  eine  therapeutische  Laparo- 
tomie als  voraussichtliche  therapeutische  Konsequenz  des 
Gas-Röntgenbefundes  von  vornherein  nicht  in  Betracht  zu 
kommen  scheint,  was  der  Begutachtung  seitens  eines  Chirur- 
gen bedarf; 

der  Kranke  oder  dessen  Angehörige  auch  nach  Belehrung 
ĂŒber  die  nicht  völlige  Harmlosigkeit  des  Eingriffes  auf  seiner 
AusfĂŒhrung  bestehen. 

Nachdem  der  Verfasser  mit  dieser  betrÀchtlichen  EinschrÀn- 
kung des  Anwendungsgebietes  der  pneumoperitonealen  Röntgen- 
Diagnostik  jedem  voreiligen  Enthusiasmus  entschieden  entgegen- 
getreten ist,  muß  es  um  so  ĂŒberzeugender  wirken,  wenn  er  des 
weiteren  der  lumbalen  subduralen  Gaseinblasung  nach  Dandy- 
Bingel  zur  Erzielung  guter  Kontrastbilder  des  RĂŒckenmarkes, 
der  Hirnwindungen  und  besonders  der  Hirnhöhlen  große  diagno- 
stische Bedeutung  zuerkennt.  Vor  allem  ĂŒber  den  gehauen  Silz 
operabler  Hirntumoren  und  ĂŒber  die  Lage  von  Absperrungen  des 
spinalen  Dura-Sackes  ließen  sich  bei  seinen  FĂ€llen  mit  diesem 
Verfahren  sichere  AufschlĂŒsse  gewinnen.  Dabei  hat  er  ĂŒbrigens 
die  Beobachtung  gemacht,  daß  sich  bereits  vor  der  Sicherstellung 
des  Befundes  durch  das  Röntgen-Kontrastbild  das  Bestehen  einer 
völligen  oder  teilweisen  Absperrung  im  Spinalkanal  an  der  auf- 
fallend geringen  Menge  des  Liquors,  die  sich  durch  Gas  ersetzen 
Ă€ĂŸt,  und  an  dem  baldigen  Wiederausströmen  von  Gas  kurz  nach 
'  Beginn  der  Einblasung  erkennen  lĂ€ĂŸt. 

Wenn  das  Volumen  des  eingeblasenen  Gases  die  abgelassene 
Menge  des  Liquors  nicht  ĂŒberschritt,  so  hat  J.  außer  harmlosen  und 
,  rasch  vorĂŒbergehenden  unangenehmen  subjektiven  Empfindungen 
besonders  beim  Uebergang  zur  senkrechten  Körperhaltung  (eigen- 
artige GefĂŒhls-  und  GehörseindrĂŒcke,  Kopfschmerz)  und  außer 
hÀufigem  Erbrechen  keinerlei  Nebenwirkungen  oder  Folgen  ern- 
sterer Art  beobachtet.  Insbesondere  machten  sich  auch  bei  Hirn- 
tumor keinerlei  bedrohliche  Anzeichen  von  Hirnverlagerung  be 
merkbar,  so  daß  es  der  Verfasser  im  Gegensatz  zu  Dandy  nicht 
fĂŒr  erforderlich  hĂ€lt,  bei  Verdacht  auf  Hirntumor  der  Lumbal- 
punktion mit  Gaseinblasung  erst  eine  (an  sich  immer  unsichere 
und  mit  Blutungsgefahr  verbundene)  druckentlastende  Ventrikel 
mnktion  vorauszuschicken.  Im  Anschluß  an  eine  solche  Gas 
unmittelbar  in  die  Venlrikal  zu'  leiten,  scheint  ihm  vor 
1er  lumbalen  ZufĂŒhrung  keinen  Vorzug  zu  bieten,  zumal  sich 
dabei  die  Hirnfurchen  nicht  mit  fĂŒllen  lassen.  Trotz  der  ver- 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸigen Unbedenklichkeit  der  cerebrospinalen  Gaseinbla- 
sung möchte  der  Verf.  vorerst  auch  auf  s  i  e  die  oben  fĂŒr  die 
Indikation  zum  kĂŒnstlichen  Pneumoperitoneum  angegebenen  Ein- 
schrÀnkungen angewendet  und  etwaige  unangenehme  ZufÀlle  bei 
AusfĂŒhrung  dieser  diagnostischen  Eingriffe  sofort  rĂŒckhaltlos 
eröffentlicht  sehen.  Schnabel  (Gießen). 

Acta  Chirurgica  Scandinavica. 

54.    No.  3. 

M.'ebcr     das     zerebellare     Lokalisationsproblcm.      Exper.  Untersuchungen 
Troell,  A.  und  H  e  s  s  e  r  ,  C,  Stockhohn. 
Fistulae  jejuno  —  colicae  pepticae.    H  e  1 1  s  t  r  ö  m  .  N..  Norrköping. 
Bedcarriage  combination.    O  r  e  1     S..  Stockholm. 

Uebcr  das  zerebellare  Lokalisationsproblem.  Experimentelle 
Untersuchungen.  Verf.  berichten  auf  Grundlage  von  zahlreichen 
Tierversuchen  ĂŒber  den  Effekt  von  posloperativen  partiellen  Klein- 
hirnlĂ€sionen und  die  daraus  zu  ziehenden  SchlĂŒsse  auf  .  die  Funk- 
tionslokalisation.  Der  Parallelismus,  den  Bolk  in  einer  großen 
Zahl  von  FĂ€llen  zwischen  der  Entwicklung  der  Kleinhirnlobuli 
und  der  Differenzierung  der  Muskelprovinzen  gefunden  hat,  und 
auf  welchem  seine  Lehre  aufgebaut  ist,  trifft  mehrfach  nicht  zu, 
was  natĂŒrlich  das  Fundament  der  Theorie  erschĂŒttert.  —  Aus  den 
Tierversuchen  der  Verf.  ergeben  sich  Anhaltspunkte  fĂŒr  Funk- 
tionslokalisalionen  in  einer  Reihe  von  Kleinhirnlobulis.  Die  Be- 
funde ergeben,  daß  die  Lehre  Bolks  betreffs  der  Funktionslokali- 
sation  im  Cerebellum  —  wenigstens  fĂŒr  Hund  und  Katze  —  un- 
richtig sein  muß.  Am  besten  stimmen  die  Resultate  noch  in  bezug 
auf  den  Lob.  ansiformis  mit  der  Auffassung  Bolks,  insoferne  in 
demselben  ein  Zentrum  fĂŒr  die  gleichseitigen  ExtremitĂ€ten  ange- 


nommen weiden  muß,  wenn  er  auch  wie  die  Verl  betonen 
kaum  ausschließlich  [ÜT  diese  Funktion  allein  dient 

I*  o  p  p  e  r  (Stockholm 

El  siglo  inedieo,  Madrid. 

11.  Februar  1922,  6»,  Nr.  3557. 


»M'nlincuntis    durch    Adrenalin    geheilt.     Del     V  n  I  I  c 
R.  14t. 


A  I  d  a  b  a  I  (I 


Klinische  Notiz  ĂŒber  die  Wichtigkeit  der  Untersuchung  der  Leukozythen 
zahl  bei  akuten  Infektionserkrankungen.    F  ue  f  o  .  D.  142. 
❖Zwillingsgcburt  bei  einer  nephrektomierten  Frau.    De    Santa  Maria  \ 
M  a  r  r  6  n  ,  S.  144. 

Luxationen   im    Sehultergclcnk.     Goyanes     S.     i  »i 
♩  Ein  ernster  Zwischenfall?    G  o  n  z  Ă€  1  e  s  .  S.  148. 
Die  Niere  und  Glykosurien.     Caballero    y   F*ernandez.  14t. 
Verbesserung  des  Oesundheitsstandes   in  Spanien.     M  uBoz  AntuĂŒinu, 
L.  152. 

Polineuritis  durch  Adrenalin  geheilt.  NeunzehnjÀhriger  junger 
Mann  erkrankt  infolge  von  Alkoholabusus  an  Polineuritis.  In- 
jektionen von  Strychnin  bleiben  wirkungslos.  Darauf  erhielt 
Patient  subkutan  Injektionen  von  Adrenalin,  tÀglich  0,5  mg 
steigend  bis  1,0  mg;  schon  nach  acht  Tagen  trat  stetig  fortschrei- 
tende Besserung  ein;  nach  2lA  monatlicher  Behandlung  konnte 
Patient  als  geheilt  entlassen  werden.  W  i  e  in  diesem  Falle  das 
Adrenalin  gewirkt  hat,  weiß  Verf.  nicht  zu  erklĂ€ren. 

Zwillingsgeburt  bei  einer  nephrektomierten  Frau.  Patientin 
wurde  vor  acht  Jahren  die  eine  tuberkulöse  Niere  entfernt.  Drei 
Jahre  darauf  heiratete  sie,  wurde  im  folgenden  Jahre  schwanger; 
bis  zum  sechsten  Monat  normaler  Verlauf  der  Schwangerschaft. 
Darauf  Grippeerkrankung;  wÀhrend  der  Rekonvaleszenz  beginnen- 
des Oedem  beider  Beine;  kein  Eiweiß  im  Harn;  normal  verlaufende 
Geburt  zweier  MĂ€dchen  von  3,2  und  2,7  kg;  nur  wenige  Tage 
wĂ€hrend  des  WTochenbettes  0,5  °/0oJÂŁiweiß  im  Harn;  Kreatinin  und 
Harnstoff  im  Blut  dauernd  normal;  das  Oedem  der  Beine  ist  daher 
rein  mechanisch  zu  erklÀren  durch  Druck  auf  die  Cava  inferior. 

Ein  ernster  Zwischenfall?  FĂŒnfzehnjĂ€hriges  MĂ€dchen,  bisher 
noch  nicht  menstruiert,  erkrankt  an  Diphtherie;  erhÀlt  20  cem 
Serum,  am  folgenden  Tage  nochmals  10  cem;  das  Fieber  fÀllt,  die 
Membranen  stoßen  |  sich  ab;  am  vierten  Tage  nach  der  ersten  In- 
jektion plötzliche  Verschlechterung  des  Zustandes:  starke  Untfer- 
leibsschmerzen,  Blutung  aus  der  Vagina,  unaufhörliches  Er- 
brechen, schwarzer  Stuhl,  Temperatur  35,6°,  Puls  nicht  fĂŒhlbar; 
Exitus  am  folgenden  Tage.  —  Verfasser  kann  sich  die  Todes- 
ursache nicht  erklÀren.  Lurje. 

II  Policlinico,  Rom. 

23.  Januar  1922,  29,  Nr.  4. 

Die  Malaria  in  Istrien  im  Jahre  1920.     Gioseffi.  M.  ua. 
Modenektopie  und  abnorme  Insertion  des  Gubernaculiim  testis.    A  itongio- 

v  a  n  n  i  ,  G.  B.  119. 
Collargol  bei  Variola.    Brancia.  F.  A.  121. 
Purkinsonsche  Krankheit.    Dragotti,  G.  122 

30.  Januar  1922,  29,  Nr.  5  (Sezione  pratica). 

Sachs-Georgi-  und  Meinike-Reaktion.     C  a>c  i  0  p  p  0  .   L.  149. 
‱{â–șBehandlung     der     kalten     Abszesse     mit     hypertonischer  Kochsalzlösung. 
O  1 1  ,  J.  153. 

‱^Seltene  Scharlachkomplikation.  M  e  d  i.  155.  , 
Die  Behandlung  kalter  Abszesse  mit  hypertonischer  Koch- 
salzlösung. Verf.  behandelte  FÀlle  von  kalten  Abszessen  und 
einige  eitrige  DrĂŒsenentzĂŒndungen  mit  Einspritzungen  sterile 
hypertonische  Salzlösungen  und.  mischte  fĂŒr  die  Einspritzungen 
25  cem  eine  Calciumsalzlösung  rttit  .100  cem  einer  Magnesiumsalz- 
lösung. Die  Menge  der  Injektion  bemaß  er  nach  der  GrĂ¶ĂŸe  des  zu 
behandelnden  Abszesses. 

Er  sah  gute  Erfolge  mit  der  Behandlung,  die  hauptsÀchlich 
die  im  Berufe  vorhandenen  Schutzmittel  anregt  und  eine  gute 
Vernarbung  fördert. 

Eine  seltene  Scharlachkomplikation.  Bei  der  Scharlach- 
erkrankung eines  1Yt  jĂ€hrigen  Jungen  trat  eine  HodenentzĂŒndung 
auf,  die  eine  Incision  nötig  machte,  dann  aber  glatt  verheilte. 

Cordes  (Berlin  . 

La  Pediatria,  Neapel. 

1.  Januar  1922,  30,  Heft  1. 

‱{‱I^umbalpunkton  in  der  Behandlung  der  intrakraniellen   HĂ€moi  rhagien  beim 
Neugebornen.    De  Stefano.  S.  12. 
Infantile  Dysenterie  durch  Amöben.    Spolverini.  L.  l. 
Praktische  Methode  zur  Blutdruckbestimmung.    Marchi.  E.  17. 

Neben  andern  Behandlungsmethoden  (Injektion  von  Ca  Cl2. 
Adrenalin,  Serum)  ist  die  Lumbalpunktion  von  großem  Nutzen 


278 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


bei  Behandlung  der  interkraniellen  Blutungen,  als  deren  Ursache 
unter  anderem  Umschiingung  des  Halses  uurch  die  Nabelsennur 
angefĂŒhrt  wird.  Die  Funktion  wirkt  druckentlastend,  sie  muß 
möglichst  zeitig  vorgenommen  und  evetcuell  wiederholt  werden. 

T  e  z  n  e  r  (Wien). 

15.  Januar  1922,  30,  Nr.  2. 

❖Diagnostische  Bedeutung  des  neuen  Tuberkulins  nach  Moro.    C  o  z  z  o  1  i  n  o, 
O.  49. 

Anatomie  und  Pathologie  der  Thymus  in  der  ersten  Kindheit.  Canelli, 
A.  F.  58. 

Bilaterale  Echinokokkenzyste  der  Lunge.   G  e  n  o  e  s  e  ,  G.  6."). 
❖Fall  von  Usteopsathyrose.    M  a  1  1  a  r  d  i  ,  M.  75. 

f.  Februar  1922,  30,  Nr.  3. 

❖Mangel  an  fettlöslichen  Vitaminen  und  Rachitis.    C  o  z  z  o  1  i  n  o  .  O.  97. 

❖Behandlung  der  Syphilis  bei  Kindern  mit  Neoarsenobenzol.   S  p  a  n  o,  K.  115. 

Fall   von   ilischiniektion  von   Typhus   und   Mittelmeeri'ieber.    T  r  i  p  p  u  t  i. 
V.  129. 

Beitrag  zur  diagnostischen  Wertigkeit  des  neuen  Tuberkulins. 

Es  wurde  bei  ĂŒ8  Kinuern  die  Kutanreaktion,  bei  38  die  perkutane 
Einreibung  zugleich  mit  Tuberkulin  Mero,  mit  Alt-Tuberkulin,  mit 
Tuberkulin  aus  dem  sereth.  Institut  bern  und  solchem  aus  Mailand 
angestellt.  bei  beiden  Reaktionen  ergab  Tuberkulin  Mero  am 
hÀutigsten  positive  Ergebnisse,  die  bei  der  letzteren  die  anderen 
aucĂŒ  an  IntensitĂ€t  ĂŒbertralen;  die  Ueberlegenheit  des  Tuberkulins 
JVioro  ist  auf  die  gröbere  Konzentration  und  auf  den  Gehalt  von 
bovinem  Tuberkulin  zurĂŒckzuluhren. 

Ein  Fall  von  Osteopsathyrose.  Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von 
Osteopsathyrose  init  Röntgenbildern.  /Verf.  hĂ€lt  die  Krankheit  fĂŒr 
eine  KonsĂŒtutionsanomalie  manchmal  mit  familiĂ€rem  Charakter, 
deren  auslösende  Ursachen  ögers  luetischer,  bisweilen  unbe- 
kannter Natur  sind. 

Fettfreie  Nahrung  und  Rachitis.  Fettmangel,  resp.  Mangel  an 
Vitamin  A  kann  nicht  die  einzige  brsache  der  Rachitis  sein.  Da- 
gegen spricht,  daß  die  Wirkung  des  Lebertrans  an  Raschheit  und 
Starke  weit  zurĂŒcksteht  hinter  der  Wirksamkeit  der  Vitamine  bei 
Barlow,  daß  im  Gegensatz  zum  Barlow  die  -Rachitis  spontan  ab- 
heilt, daß  keine  bestimmte  DiĂ€t  ihr  Auftreten  verhindern  kann, 
daß  manche  Autoren  mit  bhosphor  Ă€hnliche  Erfolge  erzielt  haben 
wie  mit  Lebertran,  daß  bei  Tieren  durch  Einsperren  in  KĂ€fige 
Rachitis  erzeugt  wurde  und  diese  in  einer  gewissen  Höhe  (2000  bis 
3000  ĂŒber  dem  Meere)  verschwindet,  daß  sie  durch  Sonnentherapie, 
durch  ultraviolette  Strahlen  geheilt  werden  kann,  daß  sie  bei 
Atrophrikren  nicht  hĂ€ufiger  ist  als  bei  andern  Kindern,  daß  von 
2  Kindern,  die  von  derselben  Amme  genÀhrt  werden,  das  eine 
rachitisch  wird,  das  andere  nicht  usw.;  auch  der  FrĂŒhjahrsgipfel 
der  Rachitis  ist  nur  lokal  bedingt,  fehlt  in  SĂŒditalien.  Das  Fehlen 
des  Vitamins  A.  kann  nur  als  ein  begĂŒnstigender  Faktor  fĂŒr  das 
Zustandekommen  der  Rachitis  aufgefaßt  werden. 

Beitrag  zur  Neosalvarsantherapie  der  Syphilis  in  der  Kind- 
heit. 39  Kinder  von  wenigen  Monaten  bis  10  Jahren,  die  a\i 
hereditÀrer  Syphilis  litten  und  4  Kinder  mit  Lues  acquitita  wurden 
teils  mit  Neosalvarsan  allein  (intravenös),  teils  kombiniert  mit 
Hg  behandelt;  Dosis  1  cg  ansteigend  bis  3  cg  pro  kg;  2 — 3  Serien 
von.6 — 8  Injektionen.  Haut-,  Schleimhaut-  und  Knochenaffektionen 
heilten  in  100  Prozent;  Anaemia  splenica  zeigte  hochgradige 
Besserung  bis  zur  völligen  Heilung;  ein  mit  Hg  erfolglos  behan- 
deltes Gumma'heilte  prompt  ab,  auch  trat  Besserung  des  Allge- 
meinbefindens ein  und  damit  schwanden  dyspeptische  Symptome 
und  einmal  eine  hartnÀckige  Bronchitis;  ja  sogar  ein  frischer 
Hydrocephalus  soll  geheilt,  ein  chronischer  gebessert  worden  sein; 
auch  eine  Meningitis  luetica  (diagnostiziert  aus  der  Druckver- 
mehrung und  wenigen  Lymphozyten,  deren  Zahl  nicht  angegeben 
ist),  wurde  geheilt,  ebenso  drei  FĂ€lle  von  Epilepsie,  ferner  eine 
Paraplegia  spastica;  nur  2  Mißerfolge  bei  Morbus  Little  werden 
erwÀhnt.  Tezner  (Wien). 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

Dezember  1921,  19,  Nr.  12. 

❖Beitrag  zur  Klinik  und  pathologischen  Anatomie  der  medullĂ€ren  Heterotopie 
Sironi,  L.  705. 

Januar  1922,  20,  Nr.  1. 

❖Die  Resistenz  der  BlutgefĂ€ĂŸe  unter  normalen  und  pathologischen  Bedingun- 
gen.   Frontali,  G.  1. 

❖Die  Symptomatologie  der  tuberkulösen  Meningitis.    Montanari,  U.  40. 

Klinischer  und  anatomisch  -  pathologischer  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  medullÀren  Heterotopien.  Das  6  Monate  alte  Kind 
zeigte  den  Lrittleschen  Symptomenkomplex,  starb  an  einer  Ente- 
ritis; 2  Geschwister  mit  Àhnlichen  Symptomen  waren  ebenfalls 


gestorben;  keine  Lues.  Bei  der  Autopsie  fanden  sich  3  Poren- 
zephalien rechts,  2  links;  die  Pyramiden  verschmÀlert.  Das  Mark 
zeigte  in  der  Gegend  des  1.  Zervikalsegments  und  des  letzten  Dor- 
salsegments zwei  EinschnĂŒrungen,  unter  dem  Konus  ein  Gliom. 
Die  mikroskopische  Lntersuchung  des  Markes  in  Serienschnitten 
ergab:  Starke  Verminderung,  z.  T.  vollstÀndiges  Verschwinden 
und  Verlagerung  der  grauen  Substanz;  im  Lumbaimark  fehlte  ein 
Vorderhorn  völlig,  das  andere  war  unregelmĂ€ĂŸig;  Ă€hnliche  Ver- 
Ànderungen zeigten  die  Hinterhörner;  die  Zellen  zeigten  keine 
schweren  degenerativen  Alterationen.  Der  Zentralkanal  war  im 
höhern  Dorsalmark  obliteriert,  im  untern  von  verdicktem  Epen- 
dym  bedeckt,  im  3.  Dorsalsegment  in  3  Teile  geteilt.  Die  Fasern 
der  weichen  Substanz  nahmen  mitunter  den  ganzen  Querschnitt 
ein  und  zeigten  z.  T.  transversalen  Verlauf  und  Anordnung  in 
Wirbeln;  dies  besonders  in  den  Vorder-  und  SeitenstrÀngen;  die 
beiden  StrĂ€nge  bestanden  zum  großen  Teil  aus  marklosen  Fasern, 
namentlich  die  PyramidenseitenstrÀnge.  Die  spinalen  Meningen 
waren  bindegewebig  verdickt  und  reich  an  GefĂ€ĂŸen.  Das  Gehirn 
wurde  nicht  histologisch  untersucht.  Verf.  fĂŒhrt  die  klinischen 
Symptome  auf  die  Porenzephalie  und  die  VerÀnderungen  der  Pyra- 
miden zurĂŒck;  ob  die  Symptome  auch  durch  die  VerĂ€nderungen  des 
Markes  mitbestimmt  warenr  ist  nicht  zu  entscheiden;  das  Gliom 
(das  sich  vielleicht  als  eine  Wucherung  der  Glia  ex  vacuo  er- 
klĂ€ren ließe)  blieb  symptomlos.  Man  mĂŒĂŸ  eine  fehlerhafte  Ent- 
wicklung des  Markes  annehmen,  auf  deren  Grundlage  eine  chro- 
nische EntzĂŒndung  der  Meningen  mit  teilweiser  Beteiligung  des 
Markes  aufgetreten  ist. 

Die  Resistenz  der  GefĂ€ĂŸe  unter  normalen  und  pathologischen 
Bedingungen.  Verf.  hat  mittels  eines  Apparates,  der  zuerst  von 
Hecht  angegeben,  dann  von  R  i  v  a  -  R  o  c  c  i  modifiziert  wurde, 
die  GefĂ€ĂŸresistenz  geprĂŒft.  Der  Apparat  besteht  in  einer  Saug- 
glocke von  \y2  cm  Durchmesser,  der  auf  die  Haut  aufgesetzt  wird; 
der  erzeugte  Unterdruck  lĂ€ĂŸt  sich  an  einem  mit  der  Glocke  ver- 
bundenen Manometer  ablesen;  als  abnormal  ist  es  zu  bezeichnen, 
wenn  HĂ€morrhagien  (1 — 2)  bei  geringem  Unterdruck  auftreten, 
wenn  sich  bei  geringer  Steigerung  besonders  zahlreiche  zeigen 
(50 — 60),  wenn  Zyanose  oder  Oedem  der  Ansaugung  folgt.  Die 
Resistenz  im  1.  Lebensjahr  betrÀgt  bei  Gesunden  in  der  Kniekehle 
und  den  oberen  Thoraxparflien  20— 25  cm  Hg  (d.  h.  die  erste  HĂ€mor- 
rhagie  tritt  bei  25  cm  Unterdruck  auf),  an  der  Außenseite  des 
Schenkels  ĂŒber  25  cm;  im  2.  bis  10.  Jahre  15—20  cm,  resp.  ĂŒber 
25  cm,  bei  Erwachsenen  15 — 20  cm  in  der  Kniekehle;  die  Resistenz 
nimmt  also  im  Lauf  des  Lebens  ab.  Atrophie  und  hereditÀre  Lues 
zeigen  in  schweren  FĂ€llen  eine  herabgesetzte  Resistenz.  Bei 
TuLerkulose,  Rachitis,  Typhus,  chronischer  Nephritis  fand  sich 
keine  Aenderung;  selten  bei  Diphtherie;  bei  Morbillen  und  Serum- 
krankheit findet  sich  eine  herdförmige  Herabsetzung  ĂŒber  den 
Effloreszenzen,  die  nach  deren  Abblassen  schwindet;  bei  Schar- 
lach ist  sie  außerordentlich  hochgradig,  diffus  und  dauert  wochen- 
lang; ebenso  bei  hÀmorrhagischer  Nephritis;  bei  Varizellen  tritt 
sie  nach  Abfallen  der  Krusten  ĂŒber  den  Pigmentationen  auf; 
ferner  bisweilen  bei  dekompensierten  Vitien,  bei  Keuchhusten,  bei 
Purpura  rheumatica  uiid  Henoch  (athrombopenisch)  ist  sie  an  den 
abhÀngigen  Partien  und  den.  Stellen  der  Blutungen  stÀrker  herab- 
gesetzt. Die  Tatsache  des  herdförmigen  Auftretens  beweist, 
daß  diese  Methode  tatsĂ€chlich  ein  Indikator  fĂŒr  GefĂ€ĂŸresistenz 
und  nicht  fĂŒr  BlutverĂ€nderungen  ist;  die  herabgesetzte  Resistenz 
allein  genĂŒgt  jedoch 'nicht  zur  Erzeugung  von  Blutungen,  denn  sie 
kann  auch  bei  Individuen  mit  normaler  Haut  vorkommen. 

Die  Symptomatologie  bei  der  tuberkulösen  Meningitis.  Frew 

und  Gar  r  od  haben  zuerst  ĂŒber  das  Auftreten  von  Glykosurie 
bei  Meningitis  tbc.  berichtet;  Verf.  fand  sie  unter  fĂŒnf  FĂ€llen 
zweimal,  sie  trat  8  Tage  vor  dem  Tode  auf  und  verschwand  am 
letzten  Tage.  Verf.  will  das  Auftreten  mit  Vagusreizung,  das 
Verschwinden  mit  VaguslÀhmung  in  Zusammenhang  bringen; 
Kreatinin,  HarnsÀure,  AzetessigsÀure  und  Azeton  sind  stets  ver- 
mehrt, das  letztere  in  der  ersten  Periode  mehr  als  in  der  zweiten 
und  dritten.  Tezner  (Wien  . 

Paris  Medical,  Paris. 

21.  Januar  1922,  12,  Nr.  3. 

Erkrankungen  des  Respirationsapparates  im  Jahre  1922.  LerebouUet 
und  Petit.  49. 

❖Die  spastische  Tracheobronchitis.    Besancon  und  D  e  J  o  n  g.  56. 
❖Chirurgische  Behandlung  der  purulemten  akuten  Pleuritis.    Schwarte,  A. 

58. 

Syphilis  der  Lungen  und  Bronchien.    B  a  1  z  e  r.  62. 

Spasmodische  Tracheobronchitis.  Außer  dem  spasmodischen 
Schnupfen  mit  nasaler  Hydrorrhoe  gibt  es  noch  ein  anderes 
Aequivalent  des  Asthma,  die  spasmodische  Tracheobronchitis. 
Man  unterscheidet  eine  reine  Form:  keuchhustenÀhnliche,  sehr 


■10.  .lahrg.  —  Nr.  12. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


ermĂŒdende  HustenanfĂ€lle  nach  einem  banalen  Schnupfen,  immer 
zur  seihen  Stunde,  meist  nachts,  mit  Kitzel  im  Halse,  ohne  jeden 
Husten  in  den  Intervallen.  Acullerst  trockener  HĂŒsten,  schließ- 
lich etwas  Schleim  mit  Eosinophilen  und  (Kohlen-)  Staubkörnern. 
Auskultation:  völlig  negativ.  Der  Anfall  wird  begĂŒnstigt  durch 
Lage  auf  dem  KĂŒcken,  manchmal  auch  Lachen.  Außer  den  An- 
fÀllen absolut  kein  klinisches  Zeichen.  Eine  zweite  Form  ist  die 
nasmodische:  Am  Ende  des  Hustenanfalls  tritt  eine  richtige 
superfizielle  Bronchitis  auf,  ohne  jede  Atembeschwerden,  u.  U. 
mit  Schmerzen  in  Höhe  des  Sternums,  mit  leichter  Temperatur. 
SDiese  Bronchitis  unterscheidet  sich  wesentlich  von  der  sonst  so- 
genannten Asthmabronchitis:  feucht,  reichlicher  Auswurf,  Em- 
physem, Dyspnoe.  Abgesehen  von  gewissen  anaphylaklischen 
■rsachen  (gewisse  Blumen)  kommen  als  Keizursachen  gewisse 
nasale  LĂ€sionen  in  Betracht.  Lediglich  die  Schmerzen  in  der 
Sternalgegend,  Abmagerung,  u.  U.  ein  richtiger  Asthmaanfall  mit 
Dyspnoe  konnten  den  Gedanken  an  eine  Tuberkulose  oder  an 
eine  tracheobronchiale  Adenopathie  nahelegen.  Beim  Erwach- 
senen ließen  manche  FĂ€lle  auch  die  Diagnose  Keuchhusten  zu. 
S)as  Röntgenbild  kann  gelegentlich  auch  alte  tuberkulöse*  Herde 
«eben,  die  aber  dann  nicht  beirren  dĂŒrfen.  Behandlung:  Bella- 
donna, lokal4  atropinhaltige  Mittel,  eventuell  nasale  Eingriffe, 
Regelung  der  Verdauung  (Aerophagie),  u.  U.  kann  auch  eine 
latente  Appendizitis  die  Ursache  des  Reizes  sein.  Oft  schafft 
nur  ein  Luftwechsel  Heilung. 

Die  chirurgische  Behandlung  der  akuten  eiterigen  Pleuri- 
tiden.  Leitender  Gedanke:  Erhaltung  der  ElastizitÀt  der  Lunge, 
denn  sie  allein  hat  dafĂŒr  zu  sorgen,  daß  die  Eiterhöhlen  wieder 
ausgefĂŒllt  werden.  Dies  ist  zu  erreichen,  indem  man  einmal 
Fistelbilduhg  verhindert,  dann  durch  systematische  AtemĂŒbungen 
kchon  gleich  nach  der  Operation:  tĂ€glich  2  mal  20 — 30  Minuten 
lang  Extension  und  Abduktion  der  Arme  und  dabei  langsame 
liefe  Inspirationen,  ferner  tÀglich  2  mal  %  Stunde  lang  den 
EKranken  Wasser  aus  einer  Flasche  in  eine  andere  blasen  lassen, 
endlich  sobald  die  Temperatur  gesunken  ist,  gehen,  denn  gehen 
â–șheißt  atmen.  4  FĂ€lle,  bei  denen  diese  Therapie  mit  Erfolg  durch- 
gefĂŒhrt wurde.  v.  Schnizer. 

28.  Januar  1922,  Nr.  4. 

[Schmerzhafte    Dilatation    des    Colon     rectum     und     seine  Behandlung. 
G  r  e  g  o  i  r  e.  69. 
Gegen  die  typhoiden  ZustĂ€nde    der    ZivĂŒbevölkeruno:     Die  obligatorische 
Impfung.     D  o  p  t  e  r.  76. 
4.  Februar  1922,  Nr.  5. 
Chirurgische     und    radiotheirapeutische     Indikationen     bei     den  malignen 
operabeln  Tumoren.    D  u  v  a  1 ,  Rubens.  85. 
Physikalische    Grundlagen    und    Technik    der    Tiefenstrahle  nbehandlung. 
Leroux-Lebard.  90' 
Messung  der  Röntgenstrahlen.    S  a  1  o  m  o  n.  96. 
Der   Irrtum    der    ĂŒbertriebenen    Strahlungsbreiten    und    Wiederholung  der 
Dosen  bei  der  Radiotherapie  des  Krebses.   R  e  g  a  u  d.  102. 
Das  Radium  in  der  Dermatologie.    B  a  r  c  a  t.  106. 
Curiotherapie   des  Lippenkrebses.     D  u»b  ois-Roquebert.  110. 
Dosierung   der   Röntgenstrahlen   in    der    Radiographie    und  Radiotherapie 
de  Laroquette.  112. 
11.  Februar  1922,  Nr.  6. 
Autochtoner    Paludismus    mit    Plasmodium    praecox.      Paisse  au  und 
Loubrie  u.  117. 
Die  Modifikationen  des  Liquor  cerebrospinalis    im    Verlauf    der  diphthe- 
ritischen  LĂ€hmungen.     H  a  1  1  e  z.  119. 
♩Prophylaxe  und  Behandlung  der  Zufalle  bei  der  Lumbalpunktion.    M  i  1  i  a  n. 
123. 

Jod-Benzomcthylformin     in     der     Behandlung     der  Lungentuberkulose. 
C  h  a  m  a  n  t  und  S  u  1 1  i  e  n.  126. 

Die  Modifikationen  des  Liquor  cerebrospinalis  im  Verlaute 
der  diphtheritischen  LĂ€hmungen.  Letztere,  sei  es  vom  Typ  der 
Polyneuritis  oder  Radiculitis  oder  einer  Alteration  der  bulbo- 
spinalen  Zentren,  selbst  die  LĂ€hmungen,  die  klinisch  am  Gaumen- 
segel lokalisiert  sind,  sind  in  der  Regel  von  solchen  Modifika- 
tionen begleitet:  Hyperalbuminose  und  -Glykorachie,  und  gelegent- 
jlich  eine  zytologische  Reaktion  in. der  Form  einer  mehr  oder  we- 
niger ausgesprochenen  Lymphozytose.  Eine  eigentliche  Meningitis 
hegt  hier  nicht  vor.  Eine  Lymphozytose  beobachtet  man  nur 
ausnahmsweise  bei  Radiculitiden  und  bei  Pseudotabes  (eine  Me- 
ningo-Radikulitis).  Ebenso  selten  dĂŒrfte  es  sich  um  eine  Me- 
ningenreaktion,  ausgehend  von  der  Bulbospinalaxe,  besonders  der 
motorischen  Kerne,  wie  bei  der  spinalen  KinderlÀhmung  handeln. 
Dagegen  sind  es  Meningen-Reaktionen  durch  Intoxikation  durch 
die  Toxine,  die  von  den  an  der  OberflÀche  bleibenden  Diphtherie- 
bazillen  gebildet,  in  die  Tiefe  dringen,  besonders  ins  Nerven- 
system. Dieses  Toxin  reizt  auch  den  plexus  choroideus,  der  durch 
Modifikationen  der  normalen  Filtration  die  Hyperglycorachie  zu- 
stande bringt. 


Prophylaxe  und  Behandlung  der  ZufÀlle  bei  der  Lumbal- 
punktion. Manchmal,  (dt  erst  am  folgenden  lÀge,  findet  man  nach 
der  Lumbalpunktion  intensive  hoplschiucrzi  n  und  Krhrcchcn 
zerebralen  Ursprungs.  Diese  Zulalle  findet  man  nicht  bei  solchen, 
die  schon  eine  schwere  Gehirnlasion  haben  (z.  B.  SchÀdelbruch), 
dann  bei  Tabikcrn,  die  gerade  hiergegen  oft  sehr  tolerant  sind. 
Auch  solche,  die  eine  HyperUnsion  des  Liquor  aufweisen, 
scheinen  die  Punktion  gut  zu  erlragen,  nicht  aber  die  mit  normaler 
oder  Hypotension.  Die  Entziehung  der  Menge,  ihre  Art  scheint 
keine  Rolle  zu  spielen,  wohl  aber,  wie  Beobachtungen  ergaben. 
Ausfließen  des  Liquor  durch  die  Punktionsöffriung  in  das  um 
gebende  Gewebe,  wodurch  die  nervösen  Zentren  ihrer  schĂŒtzen- 
den Unterlage  beraubt  werden.  Prophylaxe:  Einmal  richtige 
Technik,  d.  h.  feine  Nadel,  keine  unnĂŒtzen  Durchlöcherungen  der 
Dura,  Massage  der  entsprechenden  "Stelle  direkt  nachher  und 
Knieellenbogenlage  mit  niederem  Kopfe  fĂŒr  lOMinulen,  dann  Bauch- 
lage fĂŒr  24  Stunden  mit  erhöhten  Fußenden,  um  die  Oelinung  in 
der  Dura  zum  Schluß  kommen  zu  lassen.  Ein  Verband  ist  zweck- 
los. Die  Behandlung  dieser  ZufÀlle,  der  Kopfschmerzen  und  des 
Erbrechens,  die  höchstens  5  Tage  dauern,  besteht  in  RĂŒckenlage 
und  Morphium  subkutan,  am  besten  3  mal  tÀglich.  Dauern  diese 
ZufĂ€lle,  event.  mit  Schmerzen,  lĂ€nger  wie  10 — 12  Tage,  so  liegt 
Hysterie  vor.  Direkt  schĂ€dlich  ist  ĂŒbrigens  die  Punktion  von 
Melancholikern  mit  Angsterscheinungen.  v.  Schnizer. 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

21.  Januar  1922,  Nr.  6. 

♩  VollstĂ€ndige    Durchtrennung    des    RĂŒckenmarks.     Sbermitte,  J. 
und  P  a  g  n  i  e  z  ,  P.  57. 
Exstirpation  des   prostato-rektalen  Karzinoms.     I  m  b  e  r  t  ,  L.  BO. 
♩J»Antischockwirkung  zuckerkonzentrierten    Serums.     D  u  h  o  t.  61. 

Syndrom  einer  traumatischen  kompletten  QuerschnittslÀsion 
bei  erhaltenem  Wachstum  der  unteren  ExtremitÀten.  Die  Beob- 
achtung eines  13  jÀhrigen  Knaben,  der  im  Alter  von  3  Jahren  eine 
traumatische  QuerschnittslÀsion  des  Dorsalmarks  mit  Zerstörung 
des  unteren  Segments  erlitt  und  bei  dem  nicht  nur  die  auto 
matische  Funktion  von  Blase  und  Mastdarm  sondern  auch  das 
normale  Wachstum  der  Knochen  der  unteren  ExtremitÀten  er- 
halten geblieben  ist,  ist  fĂŒr  die  Verff.  ein  erneuter  Beweis,  daß 
ein  trophischer  Einfluß  des  Zentralnervensystems  fĂŒr  das 
Knochenwachstum  nicht  vorliegen  kann,  ein  Beweis,  der  im  Tier- 
experiment vielfach  seine  StĂŒtze  gefunden  hat.  Daß  aber  eine 
Beteiligung  des  sympathischen  Systems  bei  der  Regulierung  des 
Wachstums  und  der  Regeneration  der  Gewebe  vorliegt,  erscheint 
höchst  wahrscheinlich,  besonders  da  auch  der  vaskulÀre  Tonus 
der  gelÀhmten  Glieder  normal  erhalten  ist;  doch  sind  unsere 
Kenntnisse  darĂŒber  noch  zu  fragmentarisch,  um  mehr  als  eine 
Hypothese  darauf  zu  grĂŒnden. 

VerhĂŒtung  des  Salvarsanschocks  durch  konzentrierte 
Traubenzuckcrlösung.  Von  den  verschiedenen  Mitteln,  die  an- 
gewendet werden,  um  den  Schock  bei  Darreichung  von  Neo-  oder 
Neosilbersalvarsan  zu  verhĂŒten,  hat  sich  dem  Verf.  die  Auflösung 
des  Medikaments  in  50%  Traubenzuckerlösung  am  besten  bewÀhrt. 
Die  Technik  ist  sehr  einfach:  Eine  20  ccm-Spritze  wird  mit. 2  cem 
doppeltdestilliertem  Wasser  gefĂŒllt,  darin  das  Pulver  aufgelöst 
und  hierauf  die  Spritze  mit  der  Traubenzuckerlösung  vollgefĂŒllt. 
Diese  verhindert  die  Ausflockung  des  Arsenobenzols.  im  Orga- 
nismus, wie  es  das  Experiment  bewiesen  hat.  Haber. 

25.  Januar  1922,  Nr.  7. 

«J*Die  Rolle  der  Diffusion  bei  der  Gasresorption  und  die  Erhaltung  des  unter- 
atmosphÀrischen   Druckes    in  der    Pleura.     Rist.    E.    und  Strohl, 
A.   .69.  . 
Ucber   Herzfalten    ajs    mediane'  transsternale    Zeileitungsualin.  Migin- 
t  a  c    G.  H. 

Die  Rolle  der  Diffusion  bei  der  Gasresorption  und  die  Erhal- 
tung des  unteratmosphÀrisehen  Druckes  in  der  Pleura.  Der  Gas- 
austausch in  der  Pleura  vollzieht  sich  nach  den  allgemein  gĂŒltigen 
physikalischen  Gesetzen,  ohne  daß  dabei  unbekannte  NaturkrĂ€fte 
mit  im  Spiel  wÀren.  Der  Auslausch  spielt  sich  in  den  Kapillaren 
ab,  deren  anatomische  Struktur  dieser  Funktion  angepaßt  ist.  Die 
Summe  der  Teildrucke  von  Sauerstoff,  Kohlenstoff  und  Stickstoff 
bleibt  immer  unterhalb  des  atmosphÀrischen  Druckes;  im  Moment, 
wo  das  Gasgemisch  seinen  konstanten  Wert  erreicht  hat,  besitzt 
jedes  einzelne  Gas  innerhalb  des  Pneumothorax  eine  grĂ¶ĂŸere 
Spannung  als  außerhalb;  es  diffundiert  also  nach  außen,  d.  h.  es 
resorbiert  sich.  Es  herrscht  also  nicht,  wie  vielfach  angenommen 
wurde,  ein  Gleichgewichtszustand  zwischen  den  Gasen  des 
Pneumothorax  und  denen  der  Gewebe,  sondern  ein  permanentes 
Regime  der  Diffusion,  in  dem  die  Menge  jedes  austretenden  Gases 
stets  derselbe  Bruchteil  der  gegenwÀrtigen  Menge  ist,  wodurch 
die  Zusammensetzung  nicht  verÀndert  wird.  Haber. 


280 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


28.  Januar  1922,  Nr.  8. 

❖Anginaahuliche  Erscheinungen   bei  Eudocard-Aorten.   und  Mitralerkrankungen. 
G  a  1 1  a  v  a  r  d  i  n.  77. 
Diagnostik  der  Asthenien  endokrinen  UrsT)runÂŁS.    Sezary.  A.  7S. 
Große  Seltenheit  sekundĂ€rer  BakteriĂ€mien  hei   Tvplius.     Bloch.   M.  und 
Hebert,  P.'  81. 

AnginaÀhnliche  Erscheinungen  bei  Endokard  -  Aorten-  und 
Mitralerkrankungen.  Bei  10  FĂ€llen  von  Endokarditiden  der  Aorta 
und  Mitralis  auf  rheumatischer  Basis  traten  ausgesprochen  an- 
ginöse  AnfÀlle  auf,  die  in  allen  Punkten  denen  der  echten  Angina 
pectoris  glichen.  Da  kein  anatomischer  Befund  vorliegt1,  so  lĂ€ĂŸt 
sich  nicht  sagen,  welche  Theorie  den  Erscheinungen  zugrunde 
zu  legen  wÀre;  denn  eine  Koronaraffektion  vertrÀgt  sich  nicht  mit 
einer  mitralen  LĂ€sion;  eine_  Ausdehnung  der  Aortenerkrankung 
bis  zum  Ursprung  der  Koronarien  ist  schwerlich  anzunehmen, 
also  wÀre  die  Hypothese  einer  rheumatischen  Aortitis  in  Betracht 
zu  ziehen,  besonders  da  die  anginösen  Komplikationen  bei  allen 
mit  Diklotanon  verbundenen  dekompensierten  Klappenerkrankun- 
gen eine  große  Seltenheit  sind.  Es  muß  also  unzweifelhaft  ein 
Faktor  vorhanden  sein,  den  wir  noch  nicht  kennen  und  der  nach 
obigen  Beobachtungen  nicht  deutlicher  zu  bestimmen  ist. 

II  a  b  e  r. 

‱Revue  de  la  Tuberculose,  Paris. 

1921,  2,  Serie  3,  Nr.  6. 

»{‱Kritik  der  Methoden  zur  Messung  des  intrapleuralen  Druckes  im  Verlauf  des 

kĂŒnstlichen  Pneumothorax.    Bertier,  J.  431. 
❖Prognose   und  Verlauf   der  verschiedenen   Formen   der  Lungentuberkulose. 

Burnand,  R.    450.  , 

Kritische  Studie  ĂŒber  die  Messungsmethoden  des  intrapleu- 
ralen Drucks  im  Verlauf  eines  kĂŒnstlichen  Pneumothorax.  Vor- 
teile des  Oelmanometers.  Betont  die  Wichtigkeit  der  Druck- 
messungen bei  Pneumothorax  artificialis  und  empfiehlt  an  Stelle 
des  Wassermanometers  zur  Feststellung  des  Druckmaximums  und 
-minimums,  das  der  Aus-  und  Einatmung  entspricht  und  aus  dem 
das  arithmetische  Mittel  genommen  wird,  ein  Oelmanometer. 
Er  wĂ€hlt  zu  dessen  FĂŒllung  das  Oel  mit  dem  höchsten 
spezifischen  Gewicht,  nÀmlich  das  Rizinusöl  und  nÀhert  es  durch 
Zusatz  eines  Vio  Chloroform  dem  spezifischen  Gewicht  des 
Wassers,  fÀrbt  es  zur  leichteren  Ablösung  mit  ein  wenig  Jod. 
Diese  so  gefĂŒllte  Manometerröhre  adaptiert',  er,  indem  er  die 
U-Schenkel  sich  kreuzen  lĂ€ĂŸt  mit  einem  Wassermanometer,  so 
daß  die  gefundenen  Druckwerte  gleichzeitig  gewonnen  und  von 
demselben  Zahlenindex  abgelesen  werden  können. 

Ueber  die  Prognose  und  die  Entwickelung  verschiedener  ana- 
tomisch-klinischer Formen  der  Lungentuberkulose^  Auf  Grund 
seiner  AusfĂŒhrungen  schließt  Verfasser,  daß  nicht  das  Klinisch- 
Anatomische  fĂŒr  die  Prognose  der  Tuberkulose  das  Maßgebende 
ist,  sondern,  daß  die  Prognose  von  dem  Vorhandensein  oder 
Nichtvorhandensein  des  Fiebers  wie  auch  von  der  offenen  oder 
geschlossenen  Form  abhÀngt.  Seine  Erfahrungen  basieren  auf 
der  Beobachtung  von  2049  FĂ€llen,  und  er  zieht  zum  Vergleiche 
seiner  Statistik  die  englische  Statistik  heran.  Die  Zahlen,  hier 
wie  dort,  beweisen  seine  der  Prognose  zu  Grunde  gelegten  Vor- 
aussetzungen. Therapeutisch  lehnt  er  die  TuberkulosebehandlĂŒng 
ab  und  entscheidet  sich  in  der  Hauptsache  fĂŒr  den  Pneumothorax, 
warnt  vor  allem  vor  der  UeberschÀtzung  der  Sanatoriumsbehand- 
lung.  Cordes  (Berlin). 

Archivos  Espaiioles  de  Pediatria,  Madrid. 

Dezember  1921,  5,  Nr.  12. 

Augentuberkulose  beim  Kinde.    Poyales,  F.  705. 
Hysterie  beim  Kinde.    Cave  »et.  jÀ.  725. 

The  British  Journal  of  Childen's  Diseases,  London. 

Oktober-Dezember  1921,  18,  Nr.  214—216 

❖SchĂ€delgerĂ€usche  bei  Kindern.    Still.  G.  F.  173. 

Leukosarkom.  Lymphosarkom.  Lymphadeoiom  und   infektiöse  Mononukleose. 
Parkes  Weber,  F.  179. 
❖Das  nervöse  Kind.    Barr.  C.  W.  182. 

❖Ein  Fall  von  renalem  Zwergwuchs  mit  KnocheuverĂ€nderung.  Patersou. 
D.,  180. 

Fall  von  Morbilli  bullosi.    Morton.  E.  188. 

SchÀdelgcrÀusche  hei  Kindern.  Auf  Grund  systematischer 
Untersuchungen  bei  Kindern  aller  Altersstufen  mit  offener,  bezw. 
geschlossener  Fontanelle  hÀlt  Verf.  im  Gegensatz  zu  Àlteren  Auto- 
ren SchĂ€delgerĂ€usche  fĂŒr  bedeutungslos.  Immerhin  ist  es  fĂŒr  den 
Arzt  von  Wichtigkeit,  diese  GerÀusche,  ihr  Vorkommen  und  ihre 
Harmlosigkeit  zu  kennen. 


Das  nervöse  Kind.  Kurze  Betrachtung  der  verschiedenen  Er 
scheinungen,  die  nervöse  Kinder  darbieten  mit  BerĂŒcksichtigung 

von  Aetiologie  und  Therapie. 

Ein   Fall   von   Nierenhypoplasie   mit  SkelettverÀndcriuigen. 

1  lA jÀhriges  MÀdchen,  ausgetragen,  aus  gesunder  Familie  stammend, 

konnte  mit  2  Jahren  sitzen,  aber  noch  jetzt  nicht  stehen.  Wasser- 
mann negativ.  Bei  der  Geburt  fielen  Verdrehungen  und  Schwel- 
lungen der  Hand-  und  Fußgelenke  auf.  Das  Kind  hat  einen  auf- 
fallend großen  Kopf,  dessen  große  Fontanelle  noch  nicht  geschlos- 
sen ist.  Es  besteht  ein  langer  Thorax  mit  seitlichen  Einziehungen, 
ferner  ein  das  Thoraxniveau  ĂŒberragendes  Abdomen  mit  palpabler 
Leber.  Blutdruck  95  mm  Hg.  Die  Radialis  scheint  erheblich  ver- 
dickt zu  sein,  die  temporalen  GefĂ€ĂŸe  heben  sich  desgleichen  auf- 
fallend ab.  Herzaktion  beschleunigt  und  krÀftig,  keine  Herzver- 
grĂ¶ĂŸerung, Blutharnsloff  108  mgm  %.  Im  Urin  Eiweiß,  einzelne 
Rote  und  Weiße.  Harnstoff  1%.  Es  besteht  Polyurie.  Ferner 
fallen  Dislokationen  der  HĂ€nde,  FĂŒĂŸe  und  Kniescheiben,  sehr 
lange  Fulger  und  Zehen  auf.  Röntgenologisch  wird  dieser  Befund, 
dazu  noch  eine  schwere  Osleoporosis  bestÀtigt.  Der  Zusammen- 
hang der  Knochenerkrankungen  und  Mißbildungen  mit  der  Nieren- 
hypoplasie scheint  außer  Zweifel  zu  sein. 

K  À  c  k  e  1 1  (Hamburg). 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

21.  Januar  1922,  78,  Nr.  3. 

❖  VerhĂŒtung   der   Entwicklung    von    Rachitis    durch    Sonnenlieht.  Powes. 

G.  F..  Park.  E.  A..  S  h  i  p  1  e  y  .  P.  G..  M  c  C  o  1 1  u  m  .  E.  V.  und 
Simmouds   N.  159. 

❖  Purpura  fulminans  in  der  Rekonvaleszenz  von  Scharlach.    M  c  C  o  n  n  e  I  1  . 

‱  G.  und  Welver,  H.  L.  165. 
Thorakopla-stik.    S  h  o  r  1 1  e  .  A.  G.  und  Gcklcr.  W.  A.  108. 
❖Injektion  von  Wismuthpaste  in  die  GallengĂ€nge.    Tenney.  ('.  F.  und 
Patter s on;  S.  H.  m. 
Schwere  BrĂŒste  als  Mitursache  schlechter  Haltung.    L  o  w  m  a  n  .  G.  I..  178] 

❖  KrampfzustĂ€nde  beim  Kinde.     Morse.  J.  L.  175. 
Giardiasis.    M  c  G  i  1  1  .  C.  179. 

Pneumothy phus.    Herrman.  H.  C.  180. 
Ovarium  und  Endokrinologie.    Frank,  R.  T.  181. 
❖Die  Bedeutung  des  Trauma  bei  syphilitischen  LĂ€sioren.     Tumpeer.  .1. 

H.  185. 

Druckpunkte  bei  sogenannten  symptomlosen  Gallensteinen.  Friedman. 

G.  A.  187. 

Die  Verhinderung  und  Entwicklung  von  englischer  Krankheit 
bei  Ratten  durch  Sonnenbestrahlung.  Achtzehn  Ratten  wurden  auf 

eine  DiÀt,  die  sehr  kalkreich,  aber  arm  an  Phosphor  war  und 
ungenĂŒgende  Mengen  des  Faktors  A  enthielt,  gesetzt.  Hiervon 
wurden  zwölf  Raiten  einer  Sonnenlichtbestrahlung  fĂŒr  die  Dauer 
von  242  Stunden  ausgesetzt,  sechs  Tiere  wurden  unter  gewöhn- 
licher Zimmerbeleuchtung  als  Kontrollen  gehalten.  Nach  60  Tagen 
wurden  sÀmtliche  Ratten  getötet.  Die  Kontrolltiere  zeigten  sÀmt 
lieh  die  Symptome  der  englischen  Krankheit,  wÀhrend  die  be- 
strahlten Tiere  ohne  Ausnahme,  frei  von  Krankheitserscheinungen 
waren.  Auch  die  histologische  Untersuchung  erwies  das  Fehlen 
jeglicher  VerÀnderungen. 

"""Purpura  fulminans  wÀhrend  der  Rekonvaleszenz  nach  Schar- 
lach. SechsjÀhriges  Kind  erkrankt  in  der  Rekonvaleszenz  nach 
Scharlach  mit  ausgedehnten  Haut-,  Blasen-  und  Darmblutungen. 
Der  Tod  tritt  innerhalb  dreier  Tage  ein.  Mikroskopisch  fanden 
sich  interstitielle  Blutungen,  die  auf  infektiöser  Thrombose  be- 
ruhten. ! 

Injektion  der  GallengÀnge  mit  Bismuth-Pasta.     Bei  einem 

Patienten,  an  welchem  eine  Cholezystektomie  ausgefĂŒhrt  worden 
war,  wurde  durch  eine  zurĂŒckbleibende  Gallenfistel  eine  Bismuth- 
Pasta  injiziert.  Eine  Röntgenaufnahme,  die  kurz  hernach  ge- 
macht wurde,  zeigte  eine  deutliche  Injektion  der  GallengÀnge  mit 
Bismuth.  —  Die  Beobachtung  des  Kranken  zeigte,  daß  die  grĂ¶ĂŸte 
Menge  der  Galle  3—4  Stunden  nach  der  Mahlzeit  abgesondert 
wird.      ;  ■  i 

Die  KrampfzustÀnde  in  der  Kindheit.  Kurze  Zusammen- 
fassung der  prÀdisponierenden  und  auslösenden  Ursachen,  der 
Pathologie,  Prognose  und  Behandlung  der  kindlichen  Krampf- 
zustÀnde. * 

Die  Rolle  des  Traumas  bei  syphilitischen  Krankheitserschei- 
nungen. Durch  ein  Trauma  können  bei  Individuen  mit  erwor- 
bener Lues,  deren  Infektion  schlummert,  die  syphilitischen  Krank- 
heitserscheinungen manifest  werden.  Das  gleiche  gilt  auch  fĂŒr 
Kranke  mit  hereditĂ€rer  Syphilis.  A.  MĂŒnz  er. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


281 


28.  Januar  1922,  78,  Nr.  i. 

I     ♩Der   therapeutische   Erfolg   der   VcnaeaeWlon.     Petersen,    W.    K.  und 

L  e  v  i  u  h  o  n  ,  S.  A.  2.r>7. 
■    ♩Operation  und  RadiumĂŒierapie  bei  Uterus»FH)ioide'n.   liollboro,  G.  U59. 
■      Myasthenia  t— avis.    Dane,  C.  L.  281. 

I   ♩Spinale  Drainage  ohne   Lumbalpunktion.    C  o  r  b  u  s  .  B.  C,   O  '  C  o  n  o  r  , 

V.  J..  Lincoln,  M.  C  und  Oanlucr    S.  M.  204. 
|    ♩Nephritis  und  Nephrolitbiasis.    R  o  s  e  n  o  w,  E.  C.  und  M  e  i  ß  e  r.  .1.  G.  26<>. 
I-     Dcrmatomyositis.   Steiner.  W.  R.  271. 

I    'Utic  Beziehungen  zwischen   Xeropbthalniie    und     feUlöslichem     Vitamin  A. 

Walker,  S.  273. 
Behandlung  der  tuberkulösen  Laryngitis  mit  AzetylsalizylsÀure  in  Natrium- 

citratlosung.   L  ei  e  c  h  .  P,  N.  275. 
I.     Bazillus  Welehii  in  der  stadtischen  Wasserleitung  ■  als  mögliche  Ursache  von 

Darnierkrankuugen.    L  a  r  n  e  r  .  H.  B.  276. 

Die  therapeutische  Wirkung  des  Aderlasses.  Nach  Aderlaß 
\\  erden  eine  Anzahl  von  VerÀnderungen  im  Blut  beobachtet, 
welche  in  der  Hauptsache  in  einer  Leukozytose,  in  einer  Aende- 
rung  der  Gerinnung,  in  Hyperglykaemie,  in  Mobilisation  von  Anti- 
körpern und  in  einer  VerÀnderung  der  Verteilung  der  Serumcol- 
^loide  bestehen.  Diese  Tatsachen  zeigen,  daß  wir  den  Aderlaß 
[als  eine  Form  der  Proteintherapie  ansehen  mĂŒssen.  —  Die  Wir- 
kung des  Aderlasses  bei  Pneumonie  wird  besonders  erlÀutert. 

Wann  ist  bei  Fibromyomen  des  Uterus  zu  operieren,  und  wann 
i*t  Radium  anzuwenden?  Die  .Radiumtherapie  ist  in  der  Haupt- 
sache fĂŒr  die  Fibromyome  bei  Frauen  von  40  Jahren  oder  darĂŒber 
[anzuwenden,  wenn  die  GeschwĂŒlste  nicht  ĂŒber  den  Nabel  hinaus 
["reichen.  Sodann  kommen  fĂŒr  diese  Behandlungsweise  alle  Pa- 
tientinnen mit  sekundÀrer  AnÀmie,  Nieren-  und  Herzkrankheiten, 
[Tuberkulose  und  hohem  Blutdruck  in  Betracht;  weiterhin  die- 
jenigen, die  eine  chirurgische  Behandlung  ablehnen  und  schließ- 
lich alle  die,  bei  denen  die  GeschwĂŒlste  symptomlos  verlaufen 
IDer  chirurgischen  Behandlung  sind  alle  GeschwĂŒlste  zuzufĂŒhren, 
Idie  ĂŒber  den  Nabel  hinaus  reichen  und  in  gleicher  Weise  die 
[breit  gestielten  subserösen  und  submukösen  Fibromyome. 

Wirbelkanaldrainage  ohne  Lumbalpunktion.  Es  war  beob- 
'  achtet  worden,  daß  nach  einer  intravenösen  Injektion  von  hyper- 
tonischer Kochsalzlösung  der  Druck  in  der  RĂŒckenmarksflĂŒssig- 
fkeit  betrÀchtlich  abnahm,  was  durch  eine  vermehrte  Absortion 
[der  RĂŒckenmarksflĂŒssigkeit  erklĂ€rt  wurde.  Nach  ungefĂ€hr  sechs 
(Stunden  beginnt  die  Neubildung  der  CerebrospinalflĂŒssigkeit  und 
■der  Druck  erreicht  wieder  seine  alte  Höhe.  Es  lag  nun  der  Ge- 
i  danke  nahe,  gerade  diese  Zeit  der  Neubildung  der  FlĂŒssigkeit  zu 
benĂŒtzen,  um  Arzneisloffe  an  das  Zentralnervensystem  heranzu 
BĂŒhren,  indem  man  hoffte,  auf  diesem  Wege  vermehrte  Mengen 
Kes  betreffenden  Mittels  den  erkrankten  Partien  zugÀnglich  zu 
[machen.  Von  dieser  Vorstellung  ausgehend  injizierten  die  Ver- 
passer einer  Anzahl  von  Patienten  mit  Nervensyphilis  eine  hyper- 
tonische Kochsalzlösung,  und  6  Stunden  spÀter  verabreichten  sie 
.intravenös  ein  ArsenprÀparat.  Das  Arsenik  wurde  spÀter  bei 
allen  Patienten,  abgesehen  von  zweien,  in  der  RĂŒckenmarksflĂŒssig- 
keit wiedergefunden. 

Nephritis  und  Steinbildung  in  den  Harnwegen  nach  Erzeugung 
von  chronischen  Infektionsherden.  WĂ€hrend  einer  Reihe  von 
Versuchen  ĂŒber  die  Lokalisation  von  Bakterien  bei  verschiedenen 
Krankheiten  tauchte  der  Gedanke  auf,  daß  gewisse  chronische 
Erkrankungen,  die  man  im  allgemeinen  nicht  als  durch  Infek- 
tion entstanden  ansieht,  erzeugt  werden  können,  wenn  eine  mehr 
öder  minder  kontinuierliche  Zufuhr  von  Bakterien  durch  einen 
chronischen  Infektionsherd  gewÀhrleistet  wird.  Von  diesen  Vor- 
stellungen ausgehend  haben  die  Verfasser  bei  Hunden  die  Zahn- 
pulpen entfernt  und  die  Pulpekammer  mit  frisch  isolierten  Bak- 
terien von  verschiedenen  Krankheiten  infiziert.  Die  Methode  wird 
eingehend  beschrieben  und  es  wird  ĂŒber  die  Resultate,  welche  sie 
mit  zwei  Krankheiten,  nÀmlich  Nephritis  und  Nephrolithiasis  er- 
hielten, kurz  berichtet. 

Der  Zusammenhang  zwischen  Xerophthalmic  und  Vitamin  A. 
Das  Fehlen  des  Vitamins  A  bewirkt  bei  einem  gewissen  Pro- 
zentsatz von  Versuchstieren  das  Auftreten  von  Xerophthalmie 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

4.  Februar  1922,  78,  Nr.  5. 

♩Knochen-   und  GeilenkverĂ€nderungen  bei   kongenitaler   Syphilis.    D  e  m  b  o  . 
L.  H„  L  i  t  e  b  f  i  e  1  d  .  H.  R..  und  Foote,  J.  A.  319. 
Kongenitale  Dislokation  der  HĂŒfte.    Thomas.  H.  B.  323. 
Tuberkulose  des  RĂŒckenmarks.    Harbitz.  F.  330. 
Chronische  sklerosierende  Ostcomyeiitis.     Kurtz.  A.  -D.  :t3l. 
Ein  Fall  von  Charcot'scheT  Spinalerkrankung.    Fun'aton.  R    V.  383. 
♩Apparat  zur  Sauerstoffzufubr.     Bar  ach.  A.  L.  334. 


♩  Fraktur  der  WirbelsĂ€ule  uml  VerĂ€nderungen  in  dei  Punktion  dei   Viere  uni 

Blase.    0  u  m  in  i  n  g  ,   R.   E.  3S.'>. 

♩  RekouvaleNzenitcnseriim  bei  Masern.     Mc.  Ncal.  M.  D.  .MO. 
GruiulstufTwcchsel  In  Beziehung;  zum  Kiirpcii  gewicht  und  Puls.    P  e  tei  -  0  » 

A..  und  W  a  1  t  e  r  .  W.  841, 

♩  Hutyn,  ©in  neue?  synthetisches  Lokal-An/istlietikum.     Bttltotl,    \.  E.  348. 

Knochen-  und  GelenkverÀnderungen  bei  kongenitaler  Lut>. 
Vcrff.  besprechen  die  einzelnen  Knochen-  und  GelenkverÀnderun 
gen  bei  kongenitaler  Lues  und  teilen  Krankengeschichten  als  Be- 
lege fĂŒr  die  verschiedenen  pathologischen  Prozesse  mit.  Die  Pal 
waren  im  Alter  von  6  Wochen  bis  9  Jahre.  Es  werden  die  akute 
Epiphysitis,  die  Osteoperiostitis  und  die  Daktylitis  besprochen 
Die  Diagnose  der  einzelnen  Erkrankungen  wird  am  sichersten 
röntgenologisch  gemacht.  Differential-diagnostisch  mußdie  akute 
Epiphysitis  von  der  Erb'schen  Paralyse,  Skorbut  und  der  akuten 
Poliomyelitis  getrennt  werden.  Röntgenbild,  Wassermann'schc 
Reaktion,  Anamnese,  klinischer  und  physikalischer  Befund  werden 
zusammengenommen  in  ZweifelsfÀllen  Klarheit  schaffen.  Thera- 
peutisch empfehlen  Verff.  Schmierkuren  und  Salvarsaninjektionen. 
eine  Behandlung,  mit  der  sie  sehr  gute  Heilerfolge  erzielen 
konnten. 

Ein  einfacher  Sauerstoffapparat.  Den  gebrÀuchlichen  Sauer 
stoffapparaten  haften  zweifellos  gewisse  Nachteile  an,  die  darin 
liegen,  daß  die  Apparatur-  so  umfangreich  ist,  daß  ihre  ausgiebige 
Anwendung  in  der  Regel  dem  Krankenhause  vorbehalten  bleibt. 
Verf.  gibt  einen  Apparat  an,  der  nicht  nur  leicht  transportabel  und 
somit  auch  in  der  Privatpraxis  gut  zu  gebrauchen  ist,  sondern 
auch  den  Pat.  insofern  angenehmer  ist,  als  bei  ihm  die  lÀstige 
Maske  in  Fortfall  kommt.  Der  Apparat  besteht  aus  einer  kleinen 
Sauerstoffbombe,  einem  mit  kohlensauren  Kalk  angefĂŒllten  Be- 
hÀlter und  einer  Gummiröhre,  an  deren  Ende  ein  Gummimund- 
stĂŒck angebracht  ist,  das  zwischen  Lippen  und  Zahnreihen  ein- 
gelegt wird.  Der  Sauerstoff  passiert  in  dieser  Reihenfolge,  die 
Ausatmungsluft  dagegen  in  umgekehrter  Richtung.  An  den 
Kohlensauren-Kalk-BehÀlter  ist  angeschlossen  eine  kleine  mit 
Bariumhydrat  gefĂŒllte  Flasche,  in  die  bei  Druck  auf  einen  Gummi- 
ball, der  in  diese  Flasche  mĂŒndet,  Luft  aus  dem  BehĂ€lter  auf- 
gesogen wird.  Das  Bariumhydrat  bleibt  klar,  wenn  der  kohlen- 
saure Kalk  gut  funktioniert,  wenn  dagegen  Kohlendioxyl  von  dem 
kohlensauren  Kalk  nicht  absorbiert  wird,  so  wird  sich  das  Ba- 
riumhydrat in  Bariumcarbonat  umwandeln.  Verf.  hat  sowohl  im 
Krankenhause  wie  in  der  Privatpraxis  diesen  Apparat  mit  Erfolg 
benutzt. 

Die  Serumprophylaxe  bei  Masern.  Verf.  berichtet  ĂŒber  Er- 
gebnisse mit  der  nach  Degkwitz  ausgefĂŒhrten  Masernschutz- 
impfung. 16  Kinder,  die  einer  Maserninfektion  ausgesetzt  waren, 
erhielten  am  3. — 7.  Inkubationstag  5  cem  Rekonvaleszentenserum 
intramuskulÀr.  12  Kinder  erkrankten  nicht  an  Masern,  wÀhrend 
1  auffallend  milde  erkrankten.  1  Kind,  das  nach  der  Impfung  keine 
Masern  bekam,  erkrankte  2  Monate  spÀter,  nachdem  es  einer  er- 
neuten Infektion  ausgesetzt  und  nicht  aufs  neue  mit  Rekonvales- 
zentenserum behandelt  war.  Die  durch  die  Injektionen  erreichte 
MasernimmunitÀt  scheint  demnach  nicht  lÀnger  als  60  Tage  anzu- 
halten. Im  allgemeinen  kann  gesagt  werden,  daß  die  Serumpro- 
phylaxe besonders  in  KrankenhÀusern  angewandt,  einen  wesent- 
lichen Fortschritt  bedeutet. 

Butyn,  ein  neues  synthetisches  LokalanÀsthetikum.  Kurzer 
Bericht  des  Pharmazeutisch-Chemischen  Ausschusses  der  x\meri- 
kanischen  Medizinischen  Gesellschaft.  Nach  der  PrĂŒfung  durch 
diesen  Ausschuß  eignet  sich  Butyn  vornehmlich  fĂŒr  Augen-,  Hais- 
und Nasenoperationen.  Bei  ersteren  genĂŒgt  eine  2%  Lösung, 
wÀhrend  bei  den  anderen  eine  5%  zur  Anwendung  kommt.  Probe- 
weise wurden  Staroperationen,  Iridectomien,  Magnetextraktionen 
von  Fremdkörpern,  Tenotomien  und  Lidplastiken,  ferner  eine  An- 
zahl intranasaler  Operationen,  wie  z.  B.  Septumresektionen  und 
Entfernung  von  Adenoiden  ausgefĂŒhrt.  Es  ergab  sich  hierbei,  daß 
trotz  geringerer  Mengen  die  AnÀsthesie  im  Vergleich  zur  Kokain- 
anĂ€sthesie eine  wirkungsvollere  ist,  daß  sie  schneller  eintritt  und 
lÀnger  anhÀlt.  Ferner  scheint  Butyn  weniger  giftig  zu  sein  als 
Kokain.  Die  Pupillenreaktion  bleibt  durch  Butyn  unbeeinflußt 
Das  neue  Mittel  wird  durch  Auskochen  nicht  verÀndert. 

KĂ€ckell  (Hamburg 

The  American  Journal  of  Obstetrics  and  Gynecology,  St.  Louis. 

Januar  1922,  3,  Nr.  1. 

♩Endresultate   der   Zervixampntation    und    der   Traehelorrhapbie.  Eawis, 
R.  M.  1. 

♩Zuckerkrankheit  und  Schwangerschaft.    Bell.  J.  N.  '.'0. 
♩Herzleiden  und  Schwangerschaft.    Dice    W.  G. 
Die  .Brust  In  physiologischer  und   pathologischer  Beziehung   mit  RĂŒcksicht 
auf  Blutung  ans  der  Warze.    D  i  c  k  i  n  s  o  ,i  .  G.  K.  31. 


282 


Ans  den   neuesten  Zeltschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12 


♩Da«  Abschlachten  der  Unschuldigen.    P  i  n  d  1  e  j  ,  P.  86. 

‱^Gesetzliche  Gesichtspunkte  bezĂŒglich  des  Abortes.    Oakley.  E.  F.  3". 
♩Abortbehandlung.    Yates.  H.  W.  42. 

ErgÀnzung  zu  unseren  geburtshilflichen  Apparaten.   Z  i  e  g  1  e  r  .  Ch.  E.  46. 

Geburtshilflicher  Unterricht.    M  e  n  d  e  n  h  a  1 1    A.  M.  53. 

Eine  Entbindungsmethode  in  normalen  FĂ€llen.    T  a  t  e  ,  M.  A.  61. 
❖Wahl  der  Methoden  zur  Erleichterung  der  Geburtsarbeit.    B  i  1 1 .  A.  H.  65. 

Ein    Fall    von    Hemimelie    oder    sogenannter    kongenitaler  Amputation. 
B  a  i  1  e  y  .  H.  72.  \ 

Endresultate  der  Zervixamputation  und  -der  Trachelorraphie. 

Verf.  ĂŒberprĂŒfte  die  6503  gynĂ€kologischen  FĂ€lle  des  Frauenhos- 
pitals New  York  aus  den  Jahren  1916 — 1919  und  fand,  daß  bei 
etwa  11%  derselben  Operationen  an  der  Zervix  vorgenommen 
worden  waren,  und  zwar  Zervixamputation  461  mal,  Trachelo- 
rrhaphie  (Emmetsche  Operation)  232  mal.  211  FĂ€lle  hiervon  sind 
1 — 5  Jahre  beobachtet  worden',  hiervon  132  Amputationen,  79  Em- 
metoperationen. Unter  Verwertung  dieses  von  verschiedenen  Ope- 
rateuren herrĂŒhrenden  Materials  kommt  Verf.  zu  folgenden 
SchlĂŒssen:  Die  Zervixamputation  und  die  Trachelorrhaphie  sind 
gute  und  gleichwertige  Operationen,  die  ihren  Platz  in  der  heu- 
tigen GynÀkologie  haben.  Nachblutungen  und  ausbleibende  prima 
reunio  sind  öfter  bei  Emmet  aufgetreten,  aber  wohl  fehlerhafter 
Technik  zuzuschreiben.  Besserung  des  Allgemeinbefindens  tritt 
fast  stets  ein,  hÀufiger  noch  nach  Amputation  als  nach  Emmet. 
Bei  Leukorrhoe  und  Dysmenorrhoe  ist  Zervixamputation  wirk- 
samer als  Trachelorrhaphie,  ruft  aber  umgekehrt  hÀufiger  diese 
Symptome  in  FĂ€llen  hervor,  die  vorher  davon  frei  waren.  Abort 
und  FrĂŒhgeburt  waren  bei  Amputation,  Dystokie  bei  Emmet  etwas 
hÀufiger.  Bei  richtiger  Indikation  und  Technik  ist  die  niedere  und 
mittlere  Zervixamputation  bei  Frauen  im  kinderbringenden  Alter 
ebensogut  anwendbar  als  die  Trachelorrhaphie. 

Zuckerkrankheit  und  Schwangerschaft.  Die  frĂŒhere  Literatur 
bringt  ĂŒber  die  vormals  als  sehr  schwer  angesehene  Komplika- 
tion wenig.  Ver.  legt  an  zwei  ausfĂŒhrlich  beschriebenen,  mit 
Stoffwechseltabelle  versehenen  FĂ€llen  dar.  daß  bei  moderner  Be- 
handlung die  Vergesellschaftung  von  GraviditÀt  und  Diabetes  we- 
niger zu  fĂŒrchten  sei.  Er  schließt:  Bei  allen  Graviden  ist  sorg- 
fÀltige Anamnese,  besonders  auch  hinsichtlich  Eltern  und  Vor- 
eltern zu  erheben.  Sind  die  Symptome  der  Zuckerkrankheit  vor- 
handen, aber  kein  Zucker  im  Urin,  so  ist  der  Blutzuckergehalt 
festzustellen.  Der  Unterbrechung  der  GraviditÀt  ist  ein  Versuch 
mit  moderner  DiÀtbehandlung  vorauszuschicken. 

Herzleiden  und  Schwangerschaft.  Verf.  kommt  zu  folgenden 
LeitsÀtzen: 

L  WÀhrend  GraviditÀt  sind  HerzgerÀusche  oder  IrregularitÀt 
an  und  fĂŒr  sich  kein  Beweis  fĂŒr  Herzleiden. 

2.  Schwangerschaft  beeintrÀchtigt  die  Lebenschancen  der 
Frauen  mit  chronischen  Klappenfehlern  oder  Herzmuskel- 
erkrankungen. 

3.  Klappenfehler  als  solche  sind  keine  Kontraindikation  gegen 
GraviditÀt,  sondern  die  Art  in  welcher  das  Herz  arbeitet,  ist  allein 
maßgebend. 

4.  Jeder  Herzleidende  ist  als  ein  KrĂŒppel  anzusehen,  deren 
Behandlung  wÀhrend  GraviditÀt  und  Geburt  auf  möglichste  Er- 
sparung jeder  Anstrengung  fĂŒr  das  Herz  gerichtet  sein  muß. 

5.  Die  Sectio  caesarea  gibt  die  besten  Besultate  in  unkom- 
pensierten  sowie  in  den  FÀllen,  wo  das  Herz  wÀhrend  des  Ge- 
burtsaktes zu  unterliegen  droht.  Auch  Hysterotomie  kann  indiziert 
sein.  Bei  Sectio  soll  stets  Sterilisierung  angeschlossen  werden. 
Zur  Schonung  des  Herzens  sind  Morphium  und  Scopolamin  zu 
geben  und  nach  Eröffnung  des  Muttermundes  Zange  oder  Wen- 
dung zwecks  AbkĂŒrzung  der  Geburt  anzuwenden. 

Wenn  Atemnot,  hervorgerufen  durch  ungenĂŒgende  Blutzufuhr 
zu  den  respiratorischen  Zentren,  oder  Schmerzen,  bewirkt  durch 
mangelhafte  ErnÀhrung  des  Herzmuskels,  schon  im  gewöhnlichen 
Leben  auftreten,  sollte  die  GraviditĂ€t  frĂŒh  unterbrochen  werden, 
da  zwar  manche  Frauen  mit  organischen  Klappen-  oder  Muskel 
defekten  eine  GraviditÀt  gut  durchmachen,  aber  im  allgemeinen 
der  Meinung  Websters  zuzustimmen  ist,  wonach  die  GraviditÀt  das 
Leben  dieser  Frauen  verkĂŒrzt  und  gefĂ€hrdet. 

Die  Absehlachtung  der  Unschuldigen.  Es  ist  anzunehmen,  daß 
auf  5 — 6  GraviditĂ€ten  ein  Abort  kommt  und  50%  aller  Aborte  kri- 
minell sind.  In  New  York  zÀhlt  man  80  000  Aborte  jÀhrlich.  Nach 
Lombroso  sei  „Abort  in  den  Vereinigten  Staaten  so  alltĂ€glich  ge- 
worden, daß  er  statt  als  Verbrechen,  als  löbliches  Mittel  zur 
BeschrĂ€nkung  der  Familie  angesehen  wird."  Verf.  empfiehlt,  daß 
bei  der  Schwierigkeit  der  technischen  BeweisfĂŒhrung  durch  die 
Gerichte  diese  durch  die  medizinischen  Körperschaften  unter- 
stĂŒtzt werden  sollen,  und  daß  zur  Einleitung  eines  Abortes  die 
Konsultation  eines  oder  mehrerer  Aerzte  gefordert  werde 


Gesetzliche  Gesichtspunkte  bezĂŒglich  des  Abortes.   Unter  Ein-  I 

gehen  auf  Einzelheiten  der  Gesetze  einiger  Staaten  der  Union  und 
insbesondere  auf  den  Wert  des  Zeugnisses  der  Sterbenden  ver-  I 
langt  Verf.,  der  Staatsanwalt  ist,  grĂ¶ĂŸere  Mitwirkung  der  AerzHe  I 
unter  Minderung  des  Àrztlichen  Berufsgeheimnisses. 

Abortbehandlung.  Bericht  ĂŒber  81  AbortfĂ€lle  des  Kranken- 
hauses Detroit  von  1921.  Krimineller  Abort  wird  auf  25%  ge- 1 
schĂ€tzt.  Völlige  AusrĂ€umung  ist  sehr  wichtig,  da  kleinere  zurĂŒck- 
gelassene Plazentarreste  fast  noch  mehr  als  grĂ¶ĂŸere  zu  PyĂ€mie  | 
Veranlassung  geben.  Finger  und  Abortzange  sollen  mehr  als  die  | 
gefĂ€hrliche  Curette  angewandt  werden,  die  „mehr  Menschen  ge- 1 
tötet  als  gerettet  hat".   Stets  ist  an  Chorionepitheliom  zu  denken,  j 

Wahl   der  3Iethoden  zur  Erleichterung  der  Geburtsarbeit  I 

Verf.  gibt  geringe  und  hÀufige  Dosen  von  Morphium  und  Scopola-j 
min,  jedoch  nur  etwa  bis  3  oder  4  Stunden  vor  der  zu  erwartenden  I 
Geburt,  daher  hauptsÀchlich  nur  bei  ErstgebÀrenden,  bei  Mehr-I 
gebĂ€renden  statt  dessen  Aether.  Die  AbkĂŒrzung  des  Geburtsaktes  I 
selbst  geschieht  durch  Zange  oder  Wendung.  Bei  500  Geburten  I 
machte  Verf.  358  Zangen.  71  Wendungen;  nur  19  Geburten  waren; 
spontan.  Kuhn  (MĂŒnchen). 

Archives  of  Pediatrics,  New  York. 

Januar  1922,  39,  Nr.  1. 

■(â–șEiweißmilch  in  Pulverform  als  prophylaktische  SaugUngsernĂ€hrung.  Sauer 

L.  W.  i. 

Masern.  S  t  i  m  s  o  n  .  P.  M.  11. 

♩Resultate  der  Wa.  R.  in  einem  großen  Kinderheim.  Barenberg.  L  H 

und  R  o  s  e  n  b  e  r  g  .  P.  23. 

♩Daxmflora  beim  SĂ€ugling.    Sherman.  H.  de  Witt  und  Lohnes.  H.  R. 

S7. 

Zwergwuchs  und  kongenitale  Herzerkrankung.    Herrmann.  C.  45. 
Diabetes  mellitus  bei  einem  22  Monate  alten  Kinde.   Colburn.  W.  O.  48. 
Interessanter  diagnostischer  Fall.     M  i  x  s  e  1 1  .  H.  R.  51. 

Pulvrisierte  Eiweißmilch  als  prophylaktisches  Nahrungs- 
mittel fĂŒr  SĂ€uglinge.  Verf.  verabfolgte,  um  die  nicht  ganz  einfache 
Herstellung  frischer  Eiweißmilch  zu  umgehen,  pulvrisierte  Ei- 
weißmilch in  einer  grĂ¶ĂŸeren  Anzahl  von  FĂ€llen  Diese  hat  den 
Vorteil,  daß  man  sie  ganz  nach  Wunsch  konzentrieren  bezw.  ver- 
dĂŒnnen kann  und  daß  man  so  in  ausgiebigster  Weise  individu- 
alisieren kann.  Verf.  verwandte  sie  bei  FrĂŒhgeburten,  sowohl  als 
Allaitement  mixte  mit  Muttermilch,  wie  auch  als  ausschließliche 
Nahrung,  ferner  als  ausschließliche  Nahrung  bei  Neugeborenen 
und  bei  jungen  untergewichtigen  SĂ€uglingen.  In  allen  FĂ€llen 
wurde  die  Eiweißmilch  ziemlich  reichlich,  entsprechend  den 
neuerlichen  Angaben  Finkelsteins  mit  Kohlehydraten  ange- 
reichert. Auffallend  gut  nahmen  die  so  ernÀhrten  Kinder  an  Ge- 
wicht zu.  ErnÀhrungsstörungen  sah  Verf.  sehr  selten  entstehen 
RegelmĂ€ĂŸig  wurde  daneben  Zitronensaft  verabreicht. 

Vergleichende  Wassermann'sehe  Untersuchungen  an  großem 
Kindermaterial.  Die  zur  Untersuchung  herangezogenen  Kinder 
waren  wenige  Tage  bis  6  Jahre  alt  und  wurden  nicht  besonders 
ausgewĂ€hlt.  Eine  große  Anzahl  war  anamnestisch  oder  auf 
Grund  von  Krankheitserscheinungen  luesverdÀchtig.  Die  Blut- 
untersuchungen wurden  von  2  verschiedenen  Instituten  unabhÀn- 
gig voneinander  ausgefĂŒhrt.  In  472  FĂ€llen  fiel  die  Reaktion  beide- 
mal negativ  aus.  Zur  weiteren  Kontrolle  nahmen  Verff.  in  35C 
dieser  FĂ€lle  die  LuetinprĂŒfung  vor  (intrakutane  Injektion  einer 
Emulsion  abgetöteter  SpirochĂ€ten  .  mit  dem  Ergebnis,  daß  321 
Reaktionen  negativ.  3  positiv  und  26  zweifelhaft  ausfielen.  Dei 
Wassermann  war  in  den  FĂ€llen  mit  positiver  bezw.  zweifelhafter 
Luetinreaktion  stets  negativ,  er  war  ferner  auch  bei  den  Eltern 
der  betreffenden  Kinder  negativ  und  klinisch  war  kein  Anhalts- 
punkt einer  Lues  aufzufinden.  Die  Eltern  von  22,4  %  der  unter- 
suchten Kinder  waren  luisch  infiziert,  10.8%  Kinder  waren  un- 
eheliche, 6.5%  geistig  minderwertig,  35,8%  zeigten  allgemeinere 
krankhafte  Erscheinungen.  Auffallend  ist  der  negative  Ausfall 
der  Wassermann'schen  Reaktion  in  allen  diesen  FĂ€llen,  der  den 
Erfahrungen  anderer  Autoren  nicht  entspricht.  Im  Gegensatz  zu 
vielen  anderen  halten  Verff.  die  Luetinreaktion  als  diagnostisches 
Hilfsmittel  fĂŒr  nicht  sicherer  als  die  Wassenmann'sche  Reaktion, 
sie  glauben  vielmehr,  daß  ein  positiver  Ausfall  der  Luetinreak- 
tion durchaus  nicht  unbedingt  fĂŒr  Lues  spricht. 

Ueber  die  praktische  Bedeutung  der  Darmbakterienflora  de? 

SĂ€uglings.  Die  theoretischen  Betrachtungen  der  Verff.  gipfeln  in 
der  Annahme,  daß  die  durch  Bakterienwirkung  im  Darm  ent- 
stehenden Endprodukte  entweder  harmlose  SĂ€uren  oder  Eiweiß- 
abbauprodukte sind,  die  oft  toxisch  wirken.  Der  Unterschied 
zwischen  der  kindlichen  Darmflora  und  der  des  Erwachsenen  liegt 
darin,  daß  sich  die  kindliche  auffallend  rasch  entsprechend  der 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


An»   den    neuesten  Zeitschriften 


2H3 


eingenommenen  Nahrung  verÀndert.  Bei  unrichtiger  ErnÀhrung 
sstarl  sich  die  Darmflora  entweder  aus  ausgesprochen  fermcntativ 
oder  ;ibcr  proteolytisch  wirkenden  Bakterien  zusammen.  Diese 
verschiedenen  Typen  können  kulturell  differenziert  werden.  Die 
gegebenenfalls  zu  einseilige  Einstellung  der  Darmflora  dokumen- 
tiert sich  oftmals  auch  klinisch  in  Darmstörungen. 

KĂ€ckell  (Hamburg) 

The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston. 

19.  Januar  1922.  186,  Nr.  3. 

♩Operative  Behandlung  der  Epilepsie.     Little.  J.  M.  «£>. 

Pyorrhoe.    C  o  b  b  .  C.  M.  78. 
*Das  Problem  der  Neubildung.    Pratt.  F.  H.  80. 

Bemerkungen  zur  operativen  Behandlung  der  Epilepsie.  Be- 
rieht ĂŒber  14  FĂ€lle.  Es  ist  eine  entmutigende  Tatsache,  daß  die 
Aetiologie  der  Epilepsie  in  Dunkel  gehĂŒllt  ist,  und  daß  wir  so 
wenig  ĂŒber  ihre  wahren  Ursachen  und  ihre  Pathologie  wissen. 
Theorien  gibt  es  genug,  aber  sie  sind  nicht  bewiesen.  Verf.  hat 
eine  Beihe  von  Epileptikern  operativ  angegangen;  um  den  Wert 
eines  solchen  Vorgehens  genau  abschÀtzen  zu  können,  fehlt  es 
In  einer  genĂŒgend  langen  postoperativen  Beobachtungszeit.  Da- 
her kann  erst  ein  Zusammenströmen  vieler  solcher  Berichte  ĂŒber 
den  Nutzen  der  operativen  Epilepsie-Behandlnug  Klarheit 
schaffen.  Nach  ausfĂŒhrlicher  "Wiedergabe  der  einzelnen  Kranker- 
geschichten zieht  Verf.  folgendes  BesumS:  Bei  allen  Operierten 
trat  ausnahmslos  eine  temporÀre  Besserung  ein.  Diese  erstreckte 
sich  in  einzelnen  FĂ€llen  ĂŒber  Zeitabschnitte  von  10 — 11  Jahren; 
andere  sind  5 — 9  Jahre  nach  der  Operation  frei  von  epileptischen 
Symptomen.  In  fast  allen  FĂ€llen  ließ  sich  eine  lokale  patho- 
logische VerĂ€nderung  feststellen.  Daß  in  bestimmten  FĂ€llen  die 
'Operation  Nutzen  stiftet,  hĂ€lt  Verf.  fĂŒr  erwiesen;  die  große 
Schwierigkeit  besteht  aber  darin,  1.  diejenigen  FĂ€lle  herauszu- 
finden, fĂŒr  die  die  Operation  als  segenstiftend  in  Betracht  kommt, 
2.  den  geeigneten  Operationsmodus  fĂŒr  den  jeweiligen  Fall  zu 
wÀhlen.  Der  einzige  Weg  zur  Aufstellung  gewisser  Bichtlinien 
ist  das  Studium  der  FÀlle  und  ihre  Veröffentlichung. 

Allgemeine  Physiologie  in  ihrer  Beziehung  zum  Problem  der 
Neubildungen.  KrÀfte  wie  OberflÀchenspannung,  Osmose,  Adsorp- 
tion, elektrische  und  chemische  Wechselwirkungen  mĂŒssen  als 
omnipotent  im  LebensprozeTi  gelten.  Der  Versuch,  die  feinen 
mechanischen,  chemischen  und  elektrischen  KrÀfte  zu  beschreiben, 
zu  messen  und  zueinander  in  Beziehung  zu  setzen,  ihrer  Wirkung 
auf  die  Zellstruktur,  ihrer  Beeinflussung  durch  die  anorganische 
Umwelt  nachzuspĂŒren  —  das  ist  das  Feld  der  allgemeinen  Phy- 
siologie. Aus  dieser  Quelle  mĂŒssen  wir  schöpfen,  wenn  wir  uns 
bemĂŒhen,  das  Geheimnis  der  Krebszellen  zu  lĂŒften.  Jeder  Erfolg 
in  der  Erforschung  vitaler  Prozesse  hĂ€ngt  von  der  glĂŒcklichen 
Wahl  des  Materials  ab.  Gewisse  zellulÀre  KrÀfte  sind  allen 
lebenden  Dingen  eigen;  einige  Zellen  aber  sind  bei  einem  gege- 
benen Problem  erfolgreichen  Versuchen  zugÀnglich,  wogegen 
fendere  dabei  versagen.  Selbst  wenn  wir  in  irgend  einer  glĂŒck- 
lichen Zukunft  den  wahrhaft  infektiösen  Ursprung  des  mensch- 
lichen Krebses  aufdecken,  selbst  dann  ist  die  Tatsache  des  Para- 
sitismus nur  ein  Element  in  der  Lösung  und  das  Zustandekommen 
einer  Wirkung,  an  der  2  Organismen  (Wirt  und  Parasit)  beteiligt 
sind,  kompliziert  die  VorgÀnge  eher  noch,  statt  sie  zu  verein- 
fachen.        *  Held  (BerlinV 

26.  Januar  1922,  186,  Nr.  4. 

Behandlung  des  Prostata-Karzinoms.    C  u  n  n  i  n  g  h  n  m  .  .T.  H.  99. 
Kaiserschnitt.    B  i  r  n  i  e  .  J.  M.  105. 
Jenunostomie.    Walker     I.  ,T.  108. 

Kaiserschnitt.    Tod  am  10.  Tage  infolge  cerebraler  Blutung.    Titus.  R.  8. 
111. 

♩Die  Ă€rztliche  Verantwortlichkeit  bei  Diphtherie.    R  a  r  1  a  n  d  .' .T.  US. 

Die  Verantwortlichkeit  fĂŒr  Diphtherie.  Im  Jahre  1913  bericli 
tete  Behring  zum  ersten  Male  von  der  Möglichkeit,  Kinder  er- 
folgreich zu  immunisieren.  Mit  der  EinfĂŒhrung  der  Schickschen 
Probe,  einer  praktischen  Methode,  EmpfĂ€nglichkeit,  natĂŒrliche  und 
erworbene  ImmunitÀt  gegen  Diphterie  zu  bestimmen,  kam  die 
Möglichkeit  einer  planmĂ€ĂŸigen  Immunisation  auf  eine  reelle  Grund 
lÀge.  Die  Schick-Probe,  die  aus  einer  intracutanen  Injektion  einer 
Vso  tötlichen  Meerschweinchen-Dosis  besteht,  stellt  fest,  ob  ein 
Individuum  genĂŒgend  natĂŒrliches  Antitoxin  als  Schutzkrafl  be- 
sitzt. Bei  positivem  Ausfall  bleibt  die.  Tnjeklionsstelle  reaktionslos: 
ist  die  Antitoxinmenge  nicht  ausreichend,  so  stellt  sich  eine  lokale 
Beaktion  ein,  die  24—  3R  Stunden  nach  der  Injektion  einsetzt  und 
ihren  Höhepunkt  nach  4  Tagen  erreicht,  um  dann  allmÀhlich  zu 
verschwinden.    IrrtĂŒmer  sind  selten  dabei    Tm  Laufe  der  letzten 


4-5  Jahre  hat  die  Schick-Probe  in  New- York  steigende  Verwendung 
gefunden.  Kinder  mit  posilivr  Beaktion  wurden  mit  Toxin-Anti 
(oxin  immunisiert,  unter  50 (XX)  so  behandelten  FĂ€llen  trat  niemals 
eine  unerwĂŒnschte  Wirkung  auf.  Dagegen  zeigte  sich  ein  großer 
Prozentsatz  der  Behandelten  einige  Monate  spÀter  neuen  Injek 
tionen  gegenĂŒber  immun.  Verf.  regt  daher  an,  die  Schickprobe  mit 
ev.  nachfolgender  Immunisierung  auf  ein  möglichst  großes  Ma- 
terial von  Schulkindern  auszudehnen,  da  diese  erfahrungsgemÀh 
das  grĂ¶ĂŸte  Contingent  der  Diphtheriekranken  stellen. 

Auf  diese  Weise  ist  die  Diphtherie  in  die  Beihe  der  vermeid- 
baren Krankheiten  aufgerĂŒckt.  Sache  der  Aerzle  ist  es,  das 
Publikum'  auf  die  Vorteile  aufmerksam  zu  machen,  die  ihm  aus  den 
Fortschritten  der  Medizin  erwachsen.  K.  Held  /"Berlin). 

2.  Februar  1922,  186,  Nr.  5. 

❖Rezidivierende  Inguinalhernien.   French.  R.  W.  138. 
Fraktur  und  Dislokation  der  Orviealwirbel  ohne  Paralyse.  Hartsborn. 
W  .  E.  141. 

Recidivierende  Inguinalhernien.  Die  Ursachen  fĂŒr  Becidive 
bei  Inguinalhernien  kann  man  kurz  folgendermaßen  zusammen- 
fassen: Spannung  der  NÀhte,  BeeintrÀchtigung  der  Innervation. 
Infektion,  Mißlingen  der  AnnĂ€herung  des  Obliquus  internus  an 
das  lig.  Peuparti  an  einer  genĂŒgend  tiefen  Stelle,  ungenĂŒgende 
Verkleinerung  des  inneren  Leistenrings,  Verwechslung  einer  di- 
rekten Hernie  mit  einer  indirekten.  Jeder  Fall  von  Hernienrecidiv 
bietet  sein  besonderes  Problem  dar,  das  nur  dann  restlos  gelöst 
werden  kann,  wenn  der  Operateur  es  versteht,  aus  der  vorhande 
nen>  Situation  den  bestmöglichen  Nutzen  zu  ziehen. 

K.  Held  (BerlinV 

The  American  Review  of  Tuberculosis,  Baltimore. 

Dezember  1921,  5,  Nr.  10. 

❖Das  Tuberkulose-Problem.   Krause,  A.  K.  769. 

BekÀmpfung  der  Tuberkulose  in  Yorkshire.  Mc.  Do  u  salf  .  J.  B.  784. 
❖Anstaltsbehandlung  der  Tuberkulose.   Miller    A.  F.  801. 
❖KĂŒnstlicher  Pneumothorax.    Miller.  A.  F.  809. 
Methvlenblaubehandlung     bei     tuberkulösem     Pyow  eumothorax.  Rosen 
h'latt,  J.  und  Stivelman.  B.  P.  819. 
❖Desikkationsmethode  mit  Hochfrenuenzstrom   zur  Entfernung  der  Tonsillen. 
M  c.  Tain,  P.  P.  824. 
Uterustuberkulose  im  Verein  mit  Uterus-Neoplasmen.    Scott.  .T,  R.  829. 
❖Ultraviolette  Bestrahlung  bei  tuberkulöser  Laryngitis.    Mayer.  E.  835. 
❖Die  Bestimmung  der  klinischen  AktivitĂ€t  bei  der  Lungentuberkulose  durch 
Röntgenogramme.    Orns'tein.  G.  und  Sampson.  .7.  842. 
Tuberkulose  und  Influenza.  Singer.  .1.  .T.  851. 

Das  Tuberkuloseproblem.  Gedanken  ĂŒber  seine  Lösung.  Der 
ganze  Vortrag  wird  von  dem  Gedanken  beherrscht,  daß  die  Tu- 
berkulose nicht  als  ein  isoliertes  PhÀnomen  des  menschlichen 
Lebens  an  und  fĂŒr  sich  betrachtet  werden  darf.  Sie  steht  in 
zahlreichen  innigen  Beziehungen  zu  den  allgemeinen  gesellschaft 
liehen  und  wirtschaftlichen  Problemen,  die  bei  der  Lösung  de" 
Tuberkulosefrage  in  jeder  Weise  berĂŒcksichtigt  werden  mĂŒssen. 
Der  Autor  verlangt  eine  grĂŒndliche  spezielle  Ausbildung  der 
Studierenden  und  der  Aerzte,  ein  leichtes  ZugÀnglichmachen  aller 
Veröffentlichungen  und  statistischen  Feststellungen  sowie,  eine 
systematische,  folgerichtige' Mitarbeit  der  kommunalen  Behörden 
unter  Verwertung  der  Ergebnisse  wissenschaftlicher  Forschung. 
Die  Tatsache  des  allmĂ€hlichen  ZurĂŒckgehens  der  MortalitĂ€tsziffer 
dĂŒrfte  nicht  dazu  verleiten,  die  Lösung  eines  so  ernsthaften  und 
lebenswichtigen  Problems  der  Zeit  zu  ĂŒberlassen.  Eine  allgemeine 
Besserung  der  LebensverhÀltnisse,  ausreichende  ErnÀhrung,  ge- 
nĂŒgend freie  Zeit,  Luft  und  Licht  bilden  wichtige  Hilfsmittel  in* 
Feldzug  gegen  die  Tuberkulose. 

Anstaltsbehandlang  der  Tuberkulose.  Ihre  Grenzen.  Soviel 
Segen  die  Sanatoriumsbehandlung  der  Tuberkulose  auch  unzwei 
felhaft  gebracht  haben  mag,  so  bildet  sie  doch  nur  ein  Glied  in 
der  langen  Kette  der  erforderlichen  Maßnahmen  gegen  die  Tuber 
kulos.e.  Handelt  es  sich  doch  hier  um  eine  Krankheit,  die  eine 
VerÀnderung  der  Lebenshaltung  nicht  innerhalb  einer  beschrÀnk- 
ten Fi  ist  von  einigen  Monaten,  sondern  fĂŒr  das  ganze  fernfre 
Leben  notwendig  macht.  Ein  Wiederaufflackern  zu  verhindern, 
ist  die  erste  Aufgabe  der  TuberkulosenfĂŒrsorge.  Der  Versuch 
die  Patienten  wĂ€hrend  der  Anstaltsbehandlung  „abzuhĂ€rten",  si<> 
ĂŒber  ihr  Verhalten  nach  der  Entlassung  gebĂŒhrend  zu  instru 
ieren,  fĂŒhrte  zu  keinem  befriedigenden  Besultat,  ebensowenig  wie 
die  Zahlung  einer  Pension  fĂŒr  die  Dauer  von  sechs  Monaten  und 
lÀnger  nach  Ablauf  der  Anstaltsbehandlung,  um  ihnen  den  schwe- 
ren wirtschaftlichen  Kampf  mit  allen  seinen  aufreibenden  An- 
forderungen zu  erleichtern.  Der  einzige  gangbare  Weg  ist  die 
Schaffung  einer  „geschĂŒtzten  BeschĂ€ftigung"  fĂŒr  die  Expatienten 
auf  dem  Lande,  wobei  aber  nicht  der  Einzelne  sich  selbst  ĂŒber 


284 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


lassen  werden  darf.  Denn  „ein  leichter  Verdienst  in  freier  Luft' 
hat  leichte  Bezahlung  und  somit  Verarmung,  UnterernÀhrung  und 
Familienelend  zur  Folge.  Es  ist,  sagt  Miller,  eine  patriotische 
Tat  ersten  Ranges,  aus  privaten  und  öffentlichen  Mitteln  die  Mög- 
lichkeit einer  solchen,  Ă€rztlich  ĂŒberwachten  und  organisierten 
BeschÀftigung  der  aus  der  Anstalt  entlassenen  Tuberkuloserekon- 
valeszenten zu  schaffen.  Das  angefĂŒhrte  Beispiel  der  Stadt 
Framingham  (Massachusetts)  zeigt,  daß  ein  solcher  Plan  wohl 
durchfĂŒhrbar  ist. 

SiebenjĂ€hrige    Erfahrung    mit    kĂŒnstlichem  Pneumothorax. 

1.  Die  Einleitung  des  kĂŒnstlichen  Pneumothorax  sollte  bei  beider- 
seitiger Tuberkulose  nicht-  vorgenommen  werden,  wenn  beide 
Lungen  Zeichen  einer  Progression  zeigen. 

2.  In  keinem  Falle  von  vorgeschrittener  Lungentuberkulose 
sollte  bei  unbefriedigendem  Ergebnis  der  gewöhnlichen  Behand- 
lung die  Anwendung  des  kĂŒnstlichen  Pneumothorax  unterbleiben, 
vorausgesetzt,  daß  die  andere  Lunge  gar  nicht  oder  nur  leicht 
erkrankt  ist  und  ernste  Komplikationen  nicht  vorhanden  sind. 

3.  Als  Mittel  zur  UnterdrĂŒckung  der  HĂ€moptoe  ist  der  kĂŒnst- 
liche Pneumothorax  von  ganz  besonderem  Wert,  wenn  man  weiß, 
von  welcher  Seite  die  Blutung  kommt. 

4.  Rein  als  palliative  Maßnahme  ist  der  kĂŒnstliche  Peumo- 
Ihorax  fĂŒr  die  Milderung  der  Symptome  von  Wert. 

5.  Versuche  haben  gezeigt,  daß  ein  partieller  Lungenkollaps 
in  einigen  FÀllen  schÀtzbare  Resultate  haben  kann. 

6.  Da,  wo  kĂŒnstlicher  Pneumothorax  angezeigt  ist,  sollte  er 
nicht  solange  aufgeschoben  werden,  bis  intrapleurale  AdhÀsionen 
eine  therapeutische  Kompression  der  Lungen  unmöglich  machen 

7.  In  den  meisten  FĂ€llen  von  ausgedehnter  Erkrankung  sollte 
zum  Zwecke  dauerhafter  Resultate  die  Kompression  ein  Jahr 
und*lÀnger  fortgesetzt  werden. 

Die  gefahrlose  Entfernung  der  Tonsillen  durch  die  Aus- 
trocknungsmethode mit  dem  Hochfrequenzstrom  bei  schlechten 
Vorbedingungen  fĂŒr  einen  chirurgischen  Eingriff,  unter  beson- 
derer BerĂŒcksichtigung  der  Tuberkulose.  WĂ€hrend  die  instru- 
mentelLe  Tonsillektomie  sonst  ein  durchaus  unschÀdliches  Ver- 
fahren darstellt,  bedeutet  sie  bei  tuberkulösen  Patienten  zuweilen 
eine  ziemlich  ernste  Gefahr.  Sie  ist  bei  aktiver  tuberkulöser  Ul- 
zeration  der  Tonsillen  wegen  der  Möglichkeit  einer  Ausbreitung 
der  Infektion  direkt  kontraindiziert.  In  allen  FĂ€llen  von  Tuber- 
kulose, mag  sie  ihren  Sitz  in  den  Mandeln  haben  oder  anderwÀrts, 
können  die  Tonsillen  ohne  nachteilige  Folgen  durch  die  technisch 
einfache  Anwendung  des  Hochfrequenzstromes  entfernt  werden, 
die  allerdings  mehr  Zeit  erfordert  und  am  besten  in  mehreren 
Sitzungen  auszufĂŒhren  ist. 

Theoretische  Betrachtungen  ĂŒber  die  Anwendung  ultravio- 
letter Strahlen  bei  der  Kehlkopftuberkulose.  Nach  eingehender 
Besprechung  der  Lichtquellen,  ihrer  Eigenschaften  und  besonders 
ihrer  Einwirkung  auf  die  Gewebe  des  menschlichen  Körpers 
kommt  der  Verf.  zu  dem  SchlĂŒsse,  daß  die  ultravioletten  Strahlen, 
allerdings  erst  im  Laufe  von  etwa  6  Monaten,  die  Tuberkulose 
der  SchleimhÀute  zu  heilen  vermögen.  Ihre  Wirkung  besteht  in 
der  Zerstörung  oberflÀchlich  gelegener  Organismen,  in  der  Er- 
zeugung von  HyperÀmie  mit  chemischen  VerÀnderungen  des  Zell- 
protoplasmas und  besonderem  Einfluß  auf  die  Fermente.  Die 
Anwendung  ultravioletter  Strahlen  volti  genĂŒgender  IntensitĂ€t  lĂ€ĂŸt 
auf  Grund  dieser  ErwĂ€gung  einen  gĂŒnstigen  Einfluß  auf  die  Kehl- 
kopftuberkulose erwarten,  und  auch  die  vom  Verf.  bisher  ge- 
machten praktischen  Erfahrungen  ermutigen  zu  weiteren  Ver- 
suchen. 

Die  Bestimmung  der  klinischen  AktivitÀt  bei  der  Lungen- 
tuberkulose durch  Röntgenogramme.  Die  AktivitÀt  ist  im  Rönt- 
genbilde gekennzeichnet  einmal  durch  gesprenkelte,  unscharf  be- 
grenzte Flecke,  die  allmÀhlich  in  das  umgebende,  dunkel  und  ver- 
schleiert erscheinende  Lungengewebe  ĂŒbergehen,  und  zweitens 
durch  das  Vorhandensein  von  spontanen  und  örtlich  begrenzten 
Pneumothoraxbildungen.  Der  Grad  der  AktivitÀt  hÀngt  ab  von 
der  Ausdehnung  des  der  Zirkulation  entzogenen  (gefĂ€ĂŸlosen)  Ge- 
hietes.  Ihre  Abnahme  geht  Hand  in  Hand  mit  dem  Grad  der 
stattgehabten  fibrösen  Umwandlung  und  Verkalkung. 

L.  K  a  n  n  e  r. 

i 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

.    November  1921,  6,  Nr.  5. 

Kontraktur  des  BlasenhaJses  bei  der  Frau.    C  a  u  1  k  .  .lohn  R. 

Eine  ^klinische  Studie  ĂŒber  die  Halle-Hypothese  der  Nicrenthc.  Hamer. 

H.  G.  und  Herz.  H.  O. 
Ein    Fall    von    ungewöhnlicher    SolitÀrtuberkulose    der    Niere.  Smith. 

Emerson  C. 

â–ș{‱Injektion  von  Gummighikoselösiurig  ,bei   Operationen  des  Urofre.nitaltraktu«. 
Lowstey,  C)    S.  Motrisy.  J.   H    und  Ricci.  .T.  V. 


Injektion  von  Gununiglukoselösung  bei  Operationen  des  Urogeni- 

taltraktus.  Der  Operationsschock  ist  charakterisiert  durch  ein 
Fallen  des  Blutdruckes,  begleitet  von  weichem,  dĂŒnnem  Pulse, 
oberflÀchlicher  Atmung  und  subnormaler  Temperatur.  Das 
PrimÀre  ist  das  Fallen  des  Blutdruckes,  das  erst  die  anderen 
Symptome  auslöst.  Gelingt  es,  den  Blutdruck  auf  normaler  Höhe 
zu  erhalten,  tritt  nie  Schock  ein.  Die  Verfasser  glauben  dies 
durch  eine  Gummiglukoselösung  von  folgender  Formel  erreichen 
zu  können.  Gummi  acacia  (Squibbs  grade  granule)  12,0,  Glukose 
(Merk)  40,0,  Calcium  carbonat  12,0,  Natrii  chlorat.  48,0,  Aq.  dest. 
ad  200,0.  Filtriert  und  sterilisiert  nach  bestimmter  Vorschrift. 
Diese  Lösung  wird  am  besten  unmittelbar  nach  Operationsbe- 
ginn etwa  tropfenweise  unter  stÀndiger  Blutdruckkontrolle  in- 
jiziert; fĂŒr  eine  grĂ¶ĂŸere  urologische  Operation  kommt  man  mit 
etwa  30  Gramm  aus.  NatĂŒrlich  kann  die  Einspritzung  auch  nach 
der  Operation  vorgenommen  werden,  falls  bedrohliche  Er- 
csheinungen  ein  Sinken  des  Blutdruckes  befĂŒchten  lassen. 
.......  Bab  (Berlin). 

The  Japan  Medical  World,  Tokio. 

15.  November  1921,  1,  Nr.  7. 

❖Ursachen  rapider  Sedimentierung  der  roten  Blutkörperchen  wĂ€hrend  der 
Schwangerschaft.    Saltae,  T.  und  Tsutsumi.T.  1. 

‱fr-Wirkung  von  Radix  Ginseng  auf  die  experimentelle  .  HyperglykĂ€mic. 
S  a  i  t  o  ,  J.  3. 

FunktioneUe  VerĂ€nderungen  in  der  DrĂŒsenstruktur.  Tsukaguehi.  R.  7 
Struktur  des  opsonischen  Komplements.    K  o  d  a  m  a  .  M.  9. 

Die  Ursachen  der  grĂ¶ĂŸeren  Sedimentierung9geschwindigkeit 
der  Erythrozyten  wÀhrend  der  Schwangerschaft.  Experimentelle 

Untersuchungen  zur  KlÀrung  dieser  Frage  ergaben  folgende  Tat- 
sachen: das  VerhÀltnis  von  Plasma  zu  Blutkörperchen  ist  in  der 
Schwangerschaft  zu  Gunsten  des  Plasmas  verschoben.  Außerdem 
tritt  in  der  GraviditÀt  leichter  Agglutination  der  Erythrozyten 
ein,  wodurch  nach  physikalischen  Gesetzen  die  Senkungsgeschwin 
digkeit  eine  Zunahme  erfahren  muß.  Die  stĂ€rkere  Neigung  zu 
Agglutination  ist  durch  die  Kolloide  des  Plasmas  bedingt;  das 
Fibrinogen  sowie  das  Serumglobulin  ĂŒben  in  dieser  Hinsicht  einen 
fördernden,  das  Serumalbumin  einen  hemmenden  Einfluß  au». 

Die  Wirkung  von  Radix  Ginseng  auf  die  experimentell  er- 
zeugte HyperglykĂ€mie.  Verf.  konnte  frĂŒher  zeigen,  daß  die  im 
Orient  von  der  Volksmedizin  bei  verschiedenen  KrankheitszustÀn- 
den  hochgeschÀtzte  Wurzel  von  Panax  Ginseng  die  FÀhigkeit  be- 
sitzt, die  diabetische  und  die  experimentell  erzeugte  Glykosurie 
zu  unterdrĂŒcken.  In  vorliegender  Arbeit  weist  Verfasser  nach, 
daß  es  sich  hierbei  nicht  um  eine  abdichtende  Wirkung  auf  da.* 
Nierenfilter  handelt:  Im  Versuch  am  Kaninchen  gelingt  es,  durch 
Darreichung  von  Extrakten  der  Ginsengwurzel  die  durch  Adrena- 
lininjektion oder  durch  VerfĂŒtterung  grĂ¶ĂŸerer  Traubenzucker- 
mengen bewirkte  HvperglykĂ€mie  zu  unterdrĂŒcken. 

Wölff  (Hamburg). 

15.  Dezember  1921,  1,  Nr.  8. 

BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  PeriodizitÀt  der  Filaria  Bancrofti.  Suganuma. 

S.  l. 

Experimentelle  Studien  ĂŒber  Metastasen  der  MĂ€usekarzinome.‱  Okonogi.  S.  ,4. 
Die   Menge  der  gebundenen  KohlensĂ€ure   in   der  CerebrospiaalflĂŒssigkeit. 
Tokuoka,  E.  und  Ogasawara.  K.  6. 
❖Nervenendigungen  im  Herzmuskel.   S  a  t  o  .  K.  10. 

Untersuchung  ĂŒber'  die  Nervenendigungen  im  menschlichen 
Herzmuskel.  Auf  Grund  histologischer  Untersuchung  eines  von 
einem  dreißigjĂ€hrigen  an  Magenkrebs  gestorbenen  Mannes  stam- 
menden Herzens  kommt  Verfasser  zu  folgenden  Ergebnissen:  Die 
Zahl  der  Nervenendigungen)  ist  sehr  gering,  so  daß  nicht  jede 
Muskelfaser  eine  solche  enthÀlt.  Die  feinen  als  Endfasern  be- 
zeichneten Neurofibrillen  treten  in  das  Innere  der  Muskelfasern 
ein.  Die  Endfasern  erscheinen  oft  als  zwei  parallel  neben  ein- 
ander verlaufende  ungleich  dicke  Fibrillen,  von  denen  die  feinere 
als  akzessorische  Faser  anzusprechen  ist,  wie  sie  von  Boeke  in 
der  Zunge  der  Fledermaus  nachgewiesen  wurde:  im  Hisschen  BĂŒn- 
del konnte  dieser  Befund  nicht  erhoben  werden.  Die  knoten-  und 
ringförmigen  Endigungen  im  Sarkoplasma  sind  ein  Kunstprodukt 
der  SchnittfĂŒbxung.  In  der  Umgebung  des  Zellkerns  der  Muskel- 
faser findet  sich  die  Endverzweigung  der  Neurofibrillen  in  netz- 
förmiger VerÀstelung.  Am  Ende  der  accessorischen  Faser  wird 
ausnahmsweise  eine  motorische  Endplatte  angetroffen.  In  den 
Muskelfasern  des  Ventrikels  und  des  Hisschen  BĂŒndels  finden  sich 
Ganglienzellen,  die  mit  den  Endfibrillen  in  Verbindung  treten 

Wolff  (Hamburg 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  F.  C.  W.  VOGEL,  Leipzig,  Dresdner  Strafe  3  *  Berliner  GeschÀftsstelle  und  alleinige 
Inseratenannahme:  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm-Stra&e  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

— 

Nr.  13  Berlin,  den  29.  MĂ€rz  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Vorlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  ver. 


Psychologie  und  Medizin. 

Von  UniversitÀtsprofessor  Dr.  Emil  Utitz  (Rostocks). 

Das  Ansehen  der  Psychologie  ist  durch  den  Krieg  ge- 
stiegen. Nicht  theoretische  Interessenahme  hat  diesen  Macht- 
zuwachs hervorgerufen,  sondern  Not  der  Praxis.  Psycholo- 
gisierung des  Schulbetriebes,  Berufspsychologie  und  Wirt- 
schaftspsychologie treten  immer  deutlicher  aus  dem  keim-f 
haften  Stadium  programmatischer  ErklÀrungen  und  Vor- 
schlage heraus  und  verdichten  sich  zu  Einrichtungen,  die 
heute  bereits  eine  gewichtige  Rolle  im  öffentlichen  Leben 
spielen.  Zweifellos  hÀtten  sich  auch  ohne  Krieg  Entwick- 
lung und  Entfaltung  der  Psychologie  in  dieser  Weise  voll- 
zogen, aber  der  Krieg  beschleunigte  das  Tempo.  Es  entstand 
der  Zwang  zur  sparsamen  Verwendung  aller  Materialien, 
und  vor  allem  des  vornehmsten  Materials,  des  Menschen.  Die 
richtige  Person  soll  an  die  richtige  Stelle;  jede  Arbeit  soll  in 
zweckmĂ€ĂŸigster  Weise  geleistet,  keine  Kraft  nutzlos  vergeudet 
werden.  Industrie  und  Handel  bedĂŒrfen  strengster  Rationali- 
sierung ihrer  Betriebe,  um  unter  erschwerten  Bedingungen 
konkurrenzfĂ€hig  zu  bleiben.  ErfĂŒllung  dieser  Forderungen 
kann  nur  die  Psychologie  im  Bunde  mit  anderen  Wissens- 
zweigen bringen. 

Noch  nach  einer  anderen  Seite  hin  errang  die  Psychologie 
erhöhte  Geltung:  es  ist  dies  die  Medizin,  besonders  die  Psychi- 
atrie. Auch  diese  Entwickelung  lag  gleichsam  in  der  Luft, 
wie  z.  B.  die  bereits  1911  erfolgte  BegĂŒndung  der  Zeitschrift 
fĂŒr  Pathopsychologie  beweist.  Aber  Wilhelm  Specht 
konnte  es  noch  beklagen,  daß  der  „allgemein  anerkannte 
Satz,  psychische  Krankheiten  seien  in  jedem  Falle  Hirn- 
krankheiten, und  der  Begriff  der  funktionellen  Krankheit 
habe  nur  Berechtigung  als  Ausdruck  der  Unfertigkeit  gehirn- 
anatomischer Forschung,  den  Blick  auf  die  physischen  Ur- 
sachen der  Krankheit  und  ihre  physische  Beeinflußbarkeit 
einseitig  verengert  hat."  Freilich  ist  alles  seelische  Geschehen 
an  materielle  VorgÀnge  im  Gehirn  gebunden,  und  verschie- 
denen psychischen  VorgÀngen  werden  auch  verschiedene 
physiologische  Ereignisse  im  Zerebrum  entsprechen.  Jedoch 
—  erklĂ€rt  Oswald  Bumke  —  „einen  grundsĂ€tzlich  ver- 
Ă€nderten Hirnmechanismus,  wirklich  neue  materielle  Be- 
dingungen des  seelischen  Lebens  dĂŒrfen  wir  bei  den  funk- 
tionellen Psychosen  nicht  voraussetzen.  Sie  beruhen  sehr 
wahrscheinlich  auf  Anomalien  nicht  sondern  der  Struktur 
als  vielmehr  der  Funktion  des  Nervengewebes,  auf  rein 
quantitativen  Abweichungen,  die  Varianten  des  normalen 
psychischen  Verhaltens  entsprechen."  Das  ist  ein  durch- 
greifender  Unterschied  gegenĂŒber  den  organischen  Psychosen; 
denn  es  ist  etwas  anderes,  ob  die  materiellen  ZustandsÀnde- 
rungen,  die  alle  seelischen  VorgÀnge  begleiten  oder  verur- 
sachen, etwas  zu-  oder  abnehmen,  oder  ob  ein  neuartiger 
|  Krankheitsprozeß  nervöses  Gewebe  zerstört  oder  verĂ€ndert. 
„Psychische  VorgĂ€nge  beeinflussen  die  Menstruation,  diese 
die  Psyche;  in  der  Angst  verÀndert  sieh  der  Adrenalingehalt 
des  Blutes,  und  so  besitzt  möglicherweise  auch  die  (an  sich 
unbestrittene)  Entstehung  funktioneller  Psychosen  aus  see- 
lisehen  AnlÀssen  zuweilen  ein  somatisches,  chemisches 
Avischenglied.  Eine  DrĂŒse  könnte  infolge  einer  Aufregung 
stÀrker  oder  schwacher  sezernieren  und  so  lÀnger  dauernde 
psychische  Störungen  einleiten."   Das  ist  der  Punkt,  an  dem 


die  moderne  Lehre  von  der  inneren  Sekretion  in  die  Psychi- 
atrie eingreift.  Zugleich  sehen  wir  hier  deutlich,  wie  eine 
neue  Einstellung  sich  anbahnt,  die  nicht  nur  vom  Physischen 
her  auf  das  Psychische  blickt,  sondern  ebenso  umgekehrt  vom 
Seelischen  zum  Körperlichen.  Damit  aber  eröffnen  sich  der 
Psychologie  gewaltige  Aufgaben:  denn  sie  muß  das  VerstĂ€nd- 
nis jener  psychischen  „Varianten"  ermöglichen  und  diese  ab- 
heben vom  „Normalen";  und  sie  muß  weiterhin  untersuchen, 
ob  diese  Varianten  in  gerader  Linie  aus  dem  Charakter  her- 
vorwachsen, oder  in  welchem  VerhÀltnis  sie  zu  ihm  stehen, 
wie  sie  fhn  vielleicht  plötzlich  oder  allmÀhlich  umformen. 
Hiermit  ist  schon  das  gesamte,  sehr  schwierige  Problem  der 
Charakterologie  aufgerollt.  So  durfte  schon  O.  KĂŒlpe  be- 
tonen, den  Hauptvertretern  der  modernen  Psychiatrie 
brauchte  es  nicht  mehr  gesagt  zu  werden,  „daß  ihre  Wissen- 
schaft und  Kunst  von  der  Psychologie  abhĂ€ngt,  und  daß  auch 
die  Annahmen  ĂŒber  Art  und  Sitz  der  den  psychischen  Er- 
krankungen entsprechenden  Gehirnstörungen  auf  der  psycho- 
logischen Umsicht  und  Einsicht  beruhen,  mit  der  das  Wesen 
jener  Erkrankungen  erfaßt  und  bestimmt  worden  ist."  Jeden- 
falls hat  diese  Grundauffassung  durch  den  Krieg  wichtige 
StĂŒtzen  erhalten;  und  mancher,  der  vorher  noch  zweifelte, 
ward  bekehrt.  Die  „Psychophobie"  vieler  Aerzte  scheint 
ĂŒberwunden;  und  der  Standpunkt  E.  Bleulers,  der  eine 
Psychiatrie  ohne  Psychologie  auf  eine  Stufe  stellt  mit  einer 
„Krankheitslehre  ohne  Physiologie",  begegnet  wohl  keinem 
allzu  heftigen  Widerspruch. 

Am  ĂŒberzeugendsten  redeten  und  reden  aber  die  Hei- 
lungen, die  durch  psychologische  Methodik  erzielt  wurden. 
Auch  hier  gilt  das  Wort,  daß  nicht  abstrakte  Interessen  der 
Psychologie  den  Weg  geebnet  haben,  sondern  praktische  Not; 
besonders  der  Zwang,  mit  einer  rasch  wachsenden  Menge  von 
seelisch  Erkrankten  fertig  zu  werden.  Gewiß  wĂŒrden  wir  es 
bedauern,  wenn  einer  einseitig  anatomisch  orientierten  Zeit 
nun  eine  ebenso  einseitig  psychologische  folgte.  Wir  stim- 
men R  a  e  c  k  e  voll  bei,  wenn  er  sagt:  „gesicherter  Fortschritt 
ist  vielmehr  nur  von  einer  vorurteilsfreien,  verstÀndnisvollen 
Zusammenarbeit  beider  Richtungen  zu  erwarten."  Aber  die 
Anerkennung  der  Psychologie  als  einer  gleichwertigen  Rich- 
tung hat  in  weiten  Kreisen  erst  der  Krieg  durchgesetzt.  So 
ist  z.  B.  die  viel  erörterte  Kaufmann  -  Methode  zweifellos 
ein  psychologisches  Verfahren.  Und  auf  Suggestion,  Hyp- 
nose, sowie  die  anderen  Mittel  der  Psychotherapie  wird  man 
heute  schwerlich  Verzicht  leisten  wollen;  vielfache  Erfolge 
haben  sie  legitimiert.  Mag  ferner  an  den  Ausschreitungen 
und  Verstiegenheiten  der  Psychoanalyse  noch  so  berechtigte 
Kritik  geĂŒbt  werden;  vieles  von  ihr  ist  Gemeingut  der  For- 
schung geworden;  und  gerade  die  Auseinandersetzung  mit  ihr 
hat  der  Psychologie  und  ihrer  medizinischen  Auswertung 
fruchtbares  Neuland  erobert.  In  dem  bekannten  Sammel- 
werk ĂŒber  die  „KriegsbeschĂ€digungen  des  Nervensystems" 
sagt  H.  Vogt  zusammenfassend,  „daß  die  bisherigen  Er- 
fahrungen des  Krieges  in  viel  höheren?  Maße,  als  dies  erwartet 
werden  konnte,  die  Bedeutung  und  den  Wert  nsychischer  Be- 
handlung der  Kriegsneurosen  in  das  schĂ€rfste  Licht  gerĂŒckt 
haben",  und  daß  „kaum  irgend  jemand  in  Zweifel  ziehen 
wird",  „daß  psychische  Behandlung  bei  den  Neurosen  des 
Krieges  erforderlich  ist".  Und  dies  gilt  sicherlich  auch  von 
den  Friedensneurosen.    JĂŒngst  hat  das  Zentralkomitee  fĂŒr 


286 


Utitz:  Psychologie  und  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18. 


das  Ă€rztliche  Fortbildungswesen  in  Preußen  —  unter  redak- 
tioneller Leitung  von  C.  Adam  —  acht  VortrĂ€ge  ĂŒber  „die 
Psychologie  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  Ă€rztliche  Praxis" 
herausgegeben;  das  Vorwort  leiten  die  bezeichnenden  SĂ€tze 
ein:  „Der  Weltkrieg  hat  die  menschliche  Seele  von  neuem 
entdeckt.  Die  großen  und  mannigfaltigen  EindrĂŒcke  haben 
Erscheinungen  hervorgerufen,  die  wir  mit  unseren  physiolo- 
gischen und  anatomischen  Untersuchungsmethoden  nicht  zu 
erkennen  und  deuten  vermochten,  sondern  die  nur  einer 
psychologischen  Analyse  und  Erforschung  zugÀnglich  waren. 
Die  wunderbaren  Erfolge  der  Psychotherapie  und  die  selt- 
samen Ergebnisse  der  Psychoanalyse  lenkten  die  Aufmerk- 
samkeit zahlreicher  Aerzte  auf  dieses  bis  dahin  wenig  ge- 
kannte und  bearbeitete  Gebiet."  Und  Bumke  erklÀrt 
leidenschaftlich  in  diesem  Buche,  daß  der  Ă€rztliche  Stand 
„ohne  psychologisches  VerstĂ€ndnis  auf  die  Stufe  eines  nie- 
deren Handwerks  herabgedrĂŒckt  werden  mĂŒĂŸte." 

Aber  nicht  jede  Psychologie  zeigt  sich  den  WĂŒnschen 
der  Psychiater  tauglich;  und  daß  hier  vor  allem  die  experi- 
mentelle Psychologie  Ă€lterer  Richtung  —  als  deren  Hauptver- 
treter Wilhelm  W  u  n  d  t  betrachtet  werden  darf  —  ent- 
tÀuscht hat,  ist  heute  ein  öffentliches  Geheimnis;  oder  besser 
gesagt:  kein  Geheimnis  mehr.  Gerade  Bumke,  den  sicher- 
lich nicht  der  Verdacht  einer  Psychologie  feindlichen  Haltung 
treffen  kann,  belĂ€chelt  „die  kĂ€rglichen  Ergebnisse  der  mĂŒh- 
seligen Untersuchungen,  die  in  einem  beinahe  aberglÀu- 
bischen Streben  nach  Genauigkeit  mit  endlosen  Zahlen  und 
Maßen  schließlich  doch  nur  den  Schein  exakter  Forschung 
nachahmten.  Auf  sie  hat  Moebius  das  Wort  von  der 
Hoffnungslosigkeit  aller  Psychologie  geprÀgt.  In  Wirklich- 
keit ist  nur  der  Versuch  hoffnungslos,  seelische  Zusammen- 
hĂ€nge mit  einer  Methode  zu  ergrĂŒnden,  die  allem  Seelischen 
Ă€ngstlich  aus  dem  Wege  geht."  Denn  jeder  Psychologe  wird, 
mag  er  von  der  Philosophie  oder  von  der  Naturwissenschaft 
zu  seinem  Arbeitsgebiet  gelangt  sein,  eine  Hilfe  fĂŒr  seine 
Forschungen  in  Anspruch  nehmen  mĂŒssen,  auf  die  die  phy- 
siologische Psychologie  ursprĂŒnglich  gleichfalls  „in  beinahe 
hochmĂŒtiger  Ablehnung  verzichten  zu  können  geglaubt 
hatte:  die  der  Psychologie  des  tÀglichen  Lebens."  Und  A. 
Pick  —  vielleicht  der  hervorragendste  psychologische  Sach- 
verstĂ€ndige unter  den  Psychiatern  und  Neurologen  —  be- 
stĂ€tigt, es  könne  fĂŒr  jeden,  „der  den  Entwicklungsgang  der 
Psychopathologie  verfolgt,  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß 
die  großen  Erwartungen,  welche  einer  weitgehenden  An- 
knĂŒpfung derselben  an  die  seit  den  sechziger  Jahren  in  leb- 
hafter Entwicklung  begriffene  physiologische  Psychologie 
entgegengebracht  wurden,  bisher  nicht  in  ErfĂŒllung  gegangen 
sind.  Es  entsprach  dem  natĂŒrlichen  Entwicklungsgange,  der, 
als  die  experimentelle  Psychologie,  mit  der  Psychophysik 
Fechners  anhebend,  in  der  zweiten  HĂ€lfte  des  vorigen 
Jahrhunderts  zur  BlĂŒte  gelangte,  die  Psychiatrie  in  ihr  das 
ersehnte  Hilfsmittel  zu  exakter  Erfassung  ihres  Stoffes  sehen 
ließ.  Man  braucht  nicht  erst  bis  auf  S  c  h  ĂŒ  1  e  s  in  den  70  er 
Jahren  erschienene  Psychiatrie  zurĂŒckzugehen,  um  zu  sehen, 
daß  diese  Versuche  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  gescheitert 
sind."  In  einer  ausfĂŒhrlichen  Besprechung  von  Emil 
Kraepelins  Psychiatrie  versuchte  Willy  Hellpach 
den  Nachweis  zu  erbringen,  wie  wenig  bisher  eine  dogma- 
tisch experimentelle  Psychologie  fĂŒr  die  eigentliche  Psy- 
chiatrie geleistet  hat.  „Das  WTesen  einer  Ideenflucht,  die 
UeberwerĂŒgkeit  einer  Vorstellung,  die  Struktur  eines  somato- 
psychischen  Wahnkomplexes,  eine  MerkfÀhigkeitsstörung, 
der  Grad  der  Ablenkbarkeit,  dies  und  Ă€hnliches  lĂ€ĂŸt  sich 
experimentell  aufklĂ€ren,  unmittelbar  sofern  der  Irre  ĂŒber- 
haupt zum  TrÀger  psychologischen  Experimentes  taugt  (was 
ja  immer  nur  sehr  begrenzt  der  Kall  ist),  mittelbar  durch 
Versuche  am  seelisch  Gesunden,  am  ErmĂŒdeten,  am  kĂŒnst- 
lich ins  Abnorme  hinein  VerÀnderten,,  und  durch  die  kritische 
Interpretierung  fĂŒr  den  Fall  der  echten  Psychose.  Nun  jedoch 
kam  K  r  a  e  p  e  1  i  n  und  zeigte:  all  dies  ist  fĂŒr  die  Erkenntnis 
einheitlicher,  zusammengehöriger,  Krankheiten  darstellender 
Formen  des  Irreseins  —  also  fĂŒr  die  wesentliche  patholo- 
gische, auch  psychopathologische  Aufgabe  —  unwesentlich. 


Die  verschiedensten,  sicher  nicht  verwandten  Geisteskrank- 
heiten können  gelegentlich  zeitweilig  gleiche  Querschnitts - 
bilder,  gleiche  Symptomenkomplexe  zeigen,  und  die  an- 
scheinend verschiedenartigsten  ZustÀnde  können  Bestand- 
teile einer  und  derselben  Geisteskrankheit  sein.  Der  LĂ€ngs- 
schnitt entscheidet  —  die  Entwicklung,  die  ja  auch  insbe- 
sondere den  Ausgang  und  damit  die  Grundlage  fĂŒr  eine 
Prognose  umfaßt."  Diese  LĂ€ngsschnitte  entziehen  sich  aber 
rein  experimenteller  Behandlung;  sie  fordern  die  Methoden, 
deren  sich  z.  B.  die  Kinderpsychologie  bedient,  wenn  sie  die 
jugendliche  Entwicklung  und  allmÀhliche  Reifung  verfolgt; 
und  sie  verlangen  eine  verstehende,  möglichst  einfĂŒhlende 
Psychologie,  wie  sie  in  den  Geisteswissenschaften  Dilthey 
programmatisch  verfochten  hat.  Dabei  scheidet  das  Experi- 
ment nicht  aus;  aber  es  wird  nur  zu  einem  Hilfsmittel  und 
seines  Vorzugscharakters  entkleidet.  Der  Psychiater  zumal 
sieht  die  „Experimente"  schon  in  der  „Natur"  vorgemacht  und 
bemĂŒht  sich  um  ihre  Deutung.  Seine  praktischen  Experi- 
mente sind  die  mannigfachen  Wege  der  Therapie.  Dazu 
kommt  noch,  daß  die  Ă€ltere  Psychologie  Immer  zu  grob- 
schlÀchtig war;  sie  bekannte  sich  weder  zu  den  bunten  Ver- 
flechtungen, wie  das  Leben  sie  darbietet,  noch  zu  den  ĂŒber- 
raschenden Feinheiten  und  Isolierungen,  denen  wir  unter 
besonderen  UmstÀnden  am  Krankenbett  begegnen.  So  war 
ein  Zusammenarbeiten  von  Psychologie  und  Medizin  nur 
selten  stellenweise  möglich;  die  BerĂŒhrungsflĂ€chen  waren 
gering  und  die  gegenseitige  Ausbeute  recht  dĂŒrftig.  Doch 
wÀre  es  ungerecht,  wollten  wir  heute  absprechend  jene  An- 
fÀnge gering  schÀtzen,  deren  grundsÀtzliche  Bedeutung  sehr 
schwer  wiegt;  und  Untersuchungen  —  wie  die  Kraepelins 
—  ĂŒber  menschliche  Arbeit,  Alkoholwirkungen  usw.  er- 
scheinen von  bleibendem  Wert. 


Es  klingt  paradox,  aber  es  entspricht  ungefÀhr  den  Tat-, 
sachen:  je  stÀrker  die  Psychologie  durch  Anlehnung  an  die 
Physiologie  ihren  rein  naturwissenschaftlichen  Charakter  zu 
unterstreichen  strebte,  desto  weniger  bot  sie  dem  Psychiater. 
Je  mehr  sie  sich  auf  ihre  rein  psychologische  und  phÀno- 
menologische Problematik  besann,  desto  innigere  AnknĂŒp- 
fungen stellten  sich  zwanglos  ein.  Diese  Entwicklung  der 
Psychologie  gilt  es  in  ganz  kurzen  Strichen  zu  skizzieren,  wo- 
bei ich  mich  eng  an  die  AusfĂŒhrungen  in  meiner  „Kultur 
der  Gegenwart"  anlehne.  Als  Karl  Vogt  1855  den  be-. 
rĂŒhmt  und  berĂŒchtigt  gewordenen  Satz  drucken  ließ:  „die 
Gedanken  stehen  in  demselben  VerhÀltnis  zum  Gehirn,  wie 
die  Galle  zur  Leber  oder  der  Urin  zu  den  Nieren",  war  di& 
naturwissenschaftliche  Einstellung  fĂŒr  die  Psychologie  von' 
selbst  gegeben,  und  Friedrich  Albert  Lange  verkĂŒndete 
das  Programm  einer  „Psychologie  ohne  Seele".  War  vor- 
mals Psychologie  als  Wissenschaft  von  der  Seele  betrieben 
worden,  barg  sich  bereits  in  dieser  Amiahme  eine  stillschwei- 
gende und  ungeprĂŒfte  Voraussetzung:  gibt  es  ĂŒberhaupt  eine 
Seele,  und  was  ist  sie?  Aber  die  Psychologie  muß  ihren 
Arbeitsbeginn  nicht  mit  dieser  schwierigen  Frage  belasten; 
denn  nicht  die  Seele  ist  das  Gegebene,  sondern  seelische  TĂ€- 
tigkeit: Empfinden,  Vorstellen,  Denken,  Urteilen,  FĂŒhlen, 
Wollen.  Diese  Tatsachen  gilt  es  zu  beschreiben  und  ihre  Ab- 
laufsweisen zu  erkennen.  Nur  das  ist  empirische  Aufgabe. 
Die  bisherige  Methode  der  Selbstbeobachtung,  in  die  sÀmt- 
liche Gefahren  subjektiver  WillkĂŒr  sich  einschlichen,  sollte 
möglichst  ergÀnzt  werden,  vor  allem  durch  das  Experiment. 
Zur  Kennzeichnung  der  Lage  gebe  ich  Elsenhans  das 
Wort:  „Die  gewaltigen  Fortschritte,  welche  die  Naturwissen- 
schaft mit  Hilfe  des  experimentellen  Verfahrens  erzielt  hatte, 
mußten  den  Gedanken  nahelegen,  ob  nicht  auch  im  Gebiete 
der  Erforschung  des  Seelenlebens  auf  diesem  Wege  an  die 
Stelle  des  unsicheren  Tastens,  der  Vercmickung  metaphysi- 
scher und  psychologischer  Fragen,  des  Herauslesens  eigener  I 
WĂŒnsche  aus  den  Ergebnissen  der  Selbstwahrnehmung  der 
sichere  Gang  einer  exakten  Wissenschaft  gesetzt  werden 
könnte."  Von  der  Naturwissenschaft  her  kamen  die  ersten 
AnstĂ¶ĂŸe.    Die  Physiologie  konnte  eine  genaue  Erforschung 


10.  Jahrg.  -  Nr.  13. 


Mit/:  Psychologie  und  Medizin 


der  Sinnesapparate  des  Menschen  nicht  vornehmen,  ohne  die 
seelischen  Vorginge,  die  Empfindungen,  in  denen  uns  ihre 
Leistungen  zum  Bewußtsein  kommen,  mit  in  den  Bereich  der 
Untersuchung  zu  ziehen,  und  die  zu  beachtenden  VorgÀnge 
lind  ihre  gesetzmĂ€ĂŸigen  Beziehungen  durch  willkĂŒrliche 
Aenderung  der  Bedingungen  im  Experiment  von  verschiede- 
nen Seiten  zu  beleuchten.  Ernst  Heinrich  Weber, 
Johannes  MĂŒller,  Hermann  H  e  1  m  h  o  1 1  z  und 
I  w  a  1  d  Hering  wiesen  die  Wege,  und  noch  ein  Antrieb 
gesellte  sich  hinzu;  er  kam  von  der  Anatomie  des  Zentral- 
nervensystems, die  AufschlĂŒsse  ĂŒber  die  Lokalisation  psy- 
chischer Leistungen  zu  geben  versuchte  und  infolge  der  Ent- 
deckung des  sogen.  Sprachzentrums  durch  Broca  (1863)  die 
allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  diese  ZusammenhÀnge 
lenkte.  So  unternimmt  die  junge  Wissenschaft  ihre  ersten 
Gehversuche:  als  „medizinische  Psychologie  oder  Physiolo- 
gie der  Seele"  (Hermann  Lötz  e),  als  „Psychophysik"' 
(Gustav  Theodor  Fechner),  als  „physiologische,  Psy- 
( hologie"  (Wilhelm  Wundt).  Treulich  leisten  Paten- 
dienste die  bereits  gereifteren,  naturforschenden  Schwester- 
wissenschaften. Die  Lehre  von  der  „Empfindung"  war  das 
Gebiet,  wo  Physik,  Physiologie  und  Psychologie  sich 
kreuzten,  wo  Experiment  leichtesten  Eingang  fand  und  grĂ¶ĂŸ- 
ten Erfolg  versprach.  So  entstand  hier  ein  Brennpunkt  der 
neuen  Psychologie,  ein  Lieblingsfeld  ihrer  BetÀtigung.  Nur 
schrittweise  —  mit  behutsamer  Vorsicht  —  tastete  die  For- 
schung weiter  vom  Sinnenschein  zur  Vorstellung,  zum  Ge- 
dĂ€chtnis, zum  Denken,  zu  GefĂŒhl  und  Wille,  also  zu  den 
zentralen  Funktionen  seelischen  Lebens.  Da  kamen  aber 
nicht  mehr  die  entscheidenden  Anregungen  von  der  Natur- 
wissenschaft her,  sondern  deutlich  von  der  Philosophie.  Die 
verleugnete  Wesensverwandtschaft  machte  wieder  ihre  Rechte 
geltend.  Ohne  die  PhÀnomenologie  H  u  s  s  e  r  1  s  wÀre  z.  B. 
die  Entwicklung  der  modernen  Denkpsychologie  gar  nicht  zu 
begreifen. 

Damit  stieß  man  auch  an  die  Grenzen  des  rein  psycho- 
phvsischen  Experiments,  das  Wundt  allein  zulassen  wollte. 
Die  Selbstbeobachtung  war  nicht  mehr  zu  entbehren  und 
durch  kein  Hilfsmittel  zu  ersetzen.  Erschien  sie  der  Àlteren 
Richtung  wenig  exakt,  so  war  sie  eben  einer  möglichsten 
Exaktheit  methodisch  anzunĂ€hern.  KĂŒlpe  und  seine  Schule 
bildeten  das  eigentlich  psychologische  Experiment  aus  als 
eine  planmĂ€ĂŸig  geleitete  Selbstbeobachtung.  Denn  in  der  Tat 
sind  die  willkĂŒrlich  herbeigefĂŒhrten  psychischen  Erlebnisse 
—  nach  Pf  a  enders  Formulierung  —  ebenso  wie  die  ohne 
Absicht  eintretenden  direkt  nur  dem  Erlebenden  zugÀnglich. 
Entweder  muß  daher  die  Versuchsperson  die  subjektive  Me- 
thode handhaben,  oder  der  Experimentator  muß  die  subjek- 
tive Methode  mit  der  Deutung  fremder  LebensĂ€ußerungen 
verbinden.  Aber  daraus  folgt  keine  VerdrÀngung  der  experi- 
mentellen Psychologie.  Ein  Blick  auf  die  Erforschung  des 
GedĂ€chtnisses  —  eingeleitet  und  mĂ€chtig  gefördert  durch  die 
grundlegenden  Arbeiten  von  Ebbinghaus  und  G.  E. 
MĂŒller  —  zeigt  am  besten,  wie  gerade  dank  der  experi- 
mentellen Behandlung  ein  ganzes  System  an  gesicherten  Er- 
gebnissen erobert  wurde,  anstatt  der  mageren  und  unbe- 
stimmten Angaben  frĂŒherer  Zeiten.  Kein  halbwegs  Kundiger 
wird  heute  das  vorexperimentelle  Stadium  der  Psychologie 
befĂŒrworten  wollen;  sie  bleibt  fĂŒr  immer  mit  dieser  For- 
schungsweise vermÀhlt.  Aber  nur  wenige  werden  in  unseren 
Tagen  das  A  und  O  der  ganzen  Psychologie  im  Labo- 
ratoriumsexperiment erblicken. 

Die  naturwissenschaftlich  orientierte  Psychologie  war 
anfangs  vorwiegend  genetisch  gerichtet,*  studierte  sie  doch 
mit  besonderem  Eifer  die  AbhÀngigkeit  von  Reiz  und  Emp- 
findung. Ja,  diese  Forschungen  gaben  das  mustergĂŒltige 
Vorbild  ab,  nach  dem  die  anderen  sich  einstellen  sollten. 
Wollen  wir  aber  den  tatsÀchlichen  Inhalt  unserer  Empfin- 
dungen beschreiben  und  ihre  Erscheinungsweisen,  mĂŒssen 
alle  physiologischen  und  physikalischen  Betrachtungen  ĂŒber 
die  Reizursache  ausgeschaltet  werden.  Den  klarsten  Ausdruck 
findet  dieser  Grundsatz  bei  H  e  r  i  n  g,  und  zugleich  verhalf  er 
ihm  durch  eigene  Forschung  zum  Siege.    Damit  wurde  er 


zum  BegrĂŒnder  einer  rein  deskriptiven  Psychologie,  welche 
erst  die  Beschaffenheit  der  seelischen  PhÀnomene  zu  ei 
grĂŒnden  trachtet,  um  dann  nach  ihrer  Genese  zu  fahnden. 
Franz  Brentano  und  seine  ganze  Schule  schlössen  sich 
zunÀchst  diesem  Beispiele  an.  Heute  ist  es  fast  selbstver 
stĂ€ndliche  Binsenwahrheit,  daß  man  nicht  nach  Ursachen 
des  Wollens  fragen  kann,  ohne  zu  wissen,  was  ein  W  illens 
akt  ist.  Die  beschreibende  Psychologie  ist  demnach  die 
Grundlage:  die  Heerschau  ĂŒber  das  gegebene  Material  und 
seine  genaueste  Charakteristik.  Zugleich  ging  damit  Hand 
in  Hand  das  Streben,  die  letzten  Bausteine  dieser  psychischen 
Welt  kennen  zu  lernen,  die  elementaren  Empfindungen  und 
die  nicht  weiter  zurĂŒckfĂŒhrbaren  Klassen  seelischer  TĂ€tig- 
keit. Wuchtig  tritt  uns  dieses  Problem  in  der  Psychologie 
Franz  Brentanos  entgegen.  Nun  zeigte  es  sich  jedoch, 
daß  wie  in  der  Chemie  aus  bestimmten  Konstellationen  neue 
Gebilde  entstehen,  die  mehr  und  anderes  sind  als  die  Summe 
ihrer  Bestandteile,  so  auch  auf  psychischem  Gebiete  die  kom- 
plexeren PhÀnomene  nicht  Summen  der  einfacheren  dar- 
stellen. Schon  eine  schlichte  Melodie  ist  etwas  anderes  als 
das  Erlebnis  der  einzelnen  Töne.  Ja,  ich  kann  eine  Melodie 
transponieren,  daß  kein  Ton  der  gleiche  bleibt,  und  trotzdem 
bleibt  die  gleiche  Melodie.  Entscheidend  scheint  die  Be- 
ziehung der  Töne  zueinander.  Ebenso  ist  das  Quadrat  nicht 
eine  Summe  seiner  Seiten,  sondern  ein  Produkt  ihrer  Lage- 
ordnung.  So  entstand  das  Problem  der  GestaltqualitÀt 
(von  Ehrenfels)  und  das  der  schöpferischen  Resultanten 
(W  u  n  d  t).  Durch  Karl  BĂŒhler,  Max  Wertheimer 
und  manche  andere  Forscher  hat  die  „Lehre  von  der  Gestalt" 
besondere  Förderung  erfahren. 

Nun  zeigt  unser  „wirkliches"  Leben  immer  verschlun- 
genere  Komplexe;  wollen  wir  dieses  Leben  zu  verstehen 
trachten,  muß  der  Elementarpsychologie  eine  Komplex  - 
Psychologie  an  die  Seite  treten.  Vergeblich  wÀre  die  Hoff- 
nung, Wissenschaft  werde  in  organischem  Fortschritt  von 
den  Elementen  zum  Aufbau  der  Komplexe  vordringen.  Man 
begann  umgekehrt  mit  den  Komplexen,  um  von  der  Einsicht 
in  ihre  Gesetzlichkeit  her  zu  den  Elementen  vorzustoßen,  die 
sich  aber  niemals  in  der  Form  einer  bloßen  Entfaltung  des 
Komplexes  ergeben.  Nicht  von  Empfindungen,  Vorstellungen, 
Denkakten  und  GefĂŒhlen  durfte  allein  gesprochen  werden, 
sondern  auch  —  imd  zwar  in  sehr  weitem  Umfange  —  von 
Anlagen  und  Eigenschaften,  FĂ€higkeiten  und  Leistungen. 
Seit  dem  Zusammenbruch  der  Vermögenspsychologie,  welche 
die  einzelnen  Vermögen  gleich  selbstÀndigen  Seelchen  in  der 
Psyche  ihr  Wesen  und  Unwesen  treiben  ließ,  und  die  allent- 
halben Vermögen  annahm,  wo  weitere  Deutung  versagte, 
wurde  schon  das  Wort  „Vermögen"  Ă€ngstlich  gemieden. 
Man  wich  ihm  aus;  aber  die  Sachen  ließen  sich  nicht  auf  die 
Dauer  begraben.  So  feierten  die  Vermögen  ihre  geheime  Auf- 
erstehung in  den  Begriffsbildungen:  Disposition  und  Einstel- 
lung. GrundsÀtzlich  aber  galt  es,  die  alte,  verstaubte  Lehre 
von  ihren  Unvollkommenheiten  und  WillkĂŒrlichkeiten  zu 
reinigen,  ihren  richtigen  Kern  zu  retten  und  nach  den  BedĂŒrf- 
nissen einer  neuen  exakten  Forschung  auszugestalten.  Aber 
dieses  so  aufgefaßte  Psychische  war  nicht  mehr  ein  Strom, 
in  dem  einzelne  Tröpfchen  sich  drÀngen  und  schieben,  son- 
dern eher  einem  Springbrunnen  vergleichbar,  dessen  Wasser 
in  bestimmter  Form  rauschend  spritzen,  und  wo  nur  zu- 
weilen unter  besonderen  UmstÀnden  ein  ordnungsloses  Ge- 
quirle  platzgreift.  Der  Fluß  der  materiellen  Inhalte  ward  ein- 
gebaut in  eine  feste  Struktur,  deren  Lockerungen  zu  verfolgen 
ein  besonders  interessantes  Problem  ward.  Die  Ps3<chologie, 
die  vorerst  das  Ich  —  nach  einem  Ausdrucke  Humes  —  in 
ein  BĂŒndel  von  Vorstellungen  verflĂŒchtigt  hatte,  war  wieder 
nĂ€her  an  das  Ich  herangerĂŒckt.  Es  bedurfte  schließlich  bloß 
einer  „kopernikanisehen  Drehung",  um  sie  wieder  im  Ich  zu 
verankern.  Denn  auch  Anlagen  und  Eigenschaften,  FĂ€hig- 
keiten und  Leistungen  stehen  nicht  isoliert  da,  selbstÀndig 
funktionierend,  sondern  in  mannigfachstem  Zusammenhan g. 
Ihre  Korrelationen  zu  erkunden,  wurde  neuerdings  ein  wich- 
tiges Problem.  Im  Verfolg  dieser  Arbeit  stieß  man  immer 
und  immer  wieder  in  das  Zentrum:  die  Persönlichkeit.  Was 


Utitz:  Psychologie  und  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


ist  sie?  eine  Summierung  ihrer  Elemente,  das  KnĂŒpfungs- 
gesetz  ihrer  Verbindung,  eine  RealitÀt  eigener  Art  usw.?  Hier 
ist  der  Punkt,  wo  eine  auf  LebensnÀhe  zielende  Bewegung  in 
der  Psychologie  in  die  Philosophie  einmĂŒndet  und  einmĂŒnden 
muß.  Und  an  diesem  kritischen  Punkte  treffen  die  Vertrete- 
verschiedenster  Richtungen  zusammen:  der  von  der  experi- 
mentellen Psychologie  herkommende  William  Stern 
und  Georg  Simmel,  den  vornehmlich  philosophische 
Interessen  leiten.  Damit  sind  wir  zugleich  ĂŒber  den  Stand 
einer  bloßen  „Erlebnispsychologie"  hinaus.  Moritz 
Geiger  vergleicht  sie  mit  einer  Naturwissenschaft,  ,  „die 
nicht  das  reale  Geschehen  in  der  objektiven  Natur  beschreibt, 
sondern  nur  die  Aufeinanderfolge  der  zufÀlligen  Wahr- 
nehmungsfelder, die  sich  einem  Menschen  darbieten:  die  er- 
zÀhlt, was  der  Mensch  sieht,  solange  er  im  Garten  ist:  den 
blauen  Himmel  und  den  Zug  der  Wolken  . . ."  Der  Haupt-  , 
unterschied  zwischen  seelischer  und  materieller  Welt  wird 
dahin  erlĂ€utert,  daß  die  seelische  Welt  ein  Zentrum  im  Ich 
besitzt,  von  dem  alle  Strahlen  ausgehen,  wÀhrend  die  mate- 
rielle Welt  aus  dem  Zusammenwirken  lauter  einzelner  un- 
zentrierter  Geschehnisse  besteht.  Dieser  Hauptunterschied 
wird  hĂ€ufig  ĂŒbersehen.  „Kein  Wunder,  daß  die  seelische 
Welt,  die  die  Erlebnispsychologie  aufbaut,  nur  noch  geringe 
Aehnlichkeit  besitzt,  mit  der  seelischen  Welt  der  vorwissen- 
schaftlichen Psychologie,  mit  der  Welt,  in  der  ein  Ich  will 
und  fĂŒrchtet. . .  Das  grandiose  KrĂ€ftespiel  der  Ichwelt  wird 
von  der  Erlebnispsychologie  zerschlagen  zu  einem  seelenlosen 
Getriebe  von  Bewußtseinsinhalten.  Es  wĂ€re  die  Aufgabe 
einer  Psychologie,  die  auf  der  Grundlage  des  immanenten  Rea- 
lismus aufbaut,  an  Stelle  eines  Systems  von  EinzelvorgÀngen 
die  Psychologie  des  ganzen  Menschen  mit  seinen  Funktionen, 
Trieben,  KrÀften  zu  setzen."  Und  es  ist  das  Ich,  das  als 
„A  und  O  aller  psychischen  Geschehenswelt"  erlebt  wird. 

All  die  hier  obwaltenden  Tendenzen  können  wir  auf  den 
verschiedensten  Gebieten  unserer  gegenwÀrtigen  Kultur  ver- 
folgen: das  Streben  nach  zusammenfassender  Einheit,  von 
der  alles  Besondere  belichtet  werden  soll;  die  Anerkennung 
des  Irrationalen  und  die  Ablehnung  psychologisierender 
Atomistik;  die  Hinwendung  zum  Geistigen,  dessen  Naturali- 
sierung als  VerfÀlschung  empfunden  wird.  Es  hat  also  eine 
Interessenverschiebung  und  Interessenumlagerung  stattge- 
funden, die  heute  schon  vielfach  ungerecht  macht  gegen  die 
wahrhaft  großen  Leistungen  experimenteller  Psychologie 
Ă€lterer  Richtung.  Nur  reicht  diese  nicht  mehr  aus  zur  Be- 
handlung der  neu  aufgeworfenen  Probleme;  fremd  und  teil- 
nahmslos, steht  sie  ihnen  gegenĂŒber.  „Gesinnung"  oder  „Ver- 
stellung" existieren  nicht  fĂŒr  sie;  nur  die  VulgĂ€rpsychologie 
beschÀftigt  sich  mit  ihnen.  Charakterologie  und  Tempera-  . 
mentslehre  verblieben  'fast  auf  dem  dĂŒrftigen  Standpunkt, 
auf  dem  sie  die  Antike  hinterlassen  hatte.  Auch  sie  ent- 
wickelten sich  mehr  neben  der  Wissenschaft,  als  in  ihr  und 
durch  sie.  Schon  die  Erörterung  dieser,  doch  nur  grob  ana- 
lysierten Komplexe  schien  verdÀchtig,  als  dilettantische 
Spieleroi,  als  Liebhaberei;  denn  letzthin  wollte  man 
Lebendiges  sauber  sezieren,  nicht  LebensrfÀhe  ge- 
winnen. Darum  bemĂŒhte  man  sich  auch  um  die 
allgemeinsten  Bestimmungen  und  RegelmĂ€ĂŸigkeiten  des 
Seelischen;  denn  das  Ziel  war  „die"  Psychologie. 
Aber  immer  wieder  stieß  .die  Forschung  auf  Typen- 
Vorstellunsstypen,  GedÀchtnistypen  usw.  Indem  nun  das 
Studium  dieser  Typen  und  ihrer  ZusammenhÀnge  einsetzte, 
ward  die  Bahn  frei  fĂŒr  die  differentielle  Psychologie.  Sie 
fragt  nicht  nach  dem,  was  allen  Menschen  oder  Lebewesen 
gemeinsam  ist,  sondern  nach  dem,  was  bestimmte  Gruppen 
auszeichnet,  also  nach  den  Strukturbesonderheiten:  des 
KĂŒnstlers,  des  Verbrechers,  des  Gelehrten,  des  Kaufmanns, 
dann  von  Mann  und  Weib,  von  Kind  und  Erwachsenen  usw. 
So  lauten  die  Aufgaben  dieser  erst  in  den  letzten  zwei  Jahr- 
zehnten erstarkten  Wissenschaft.  Und  die  Ă€ußerste  dieser 
Differenzen  ist  die  IndividualitĂ€t.  UnnĂŒtz  wohl  zu  bemerken, 
daß  diese  ganzen  differentiellcn  Disziplinen  auf  Schritt  und 
Tritt  die  allgemeine  Psychologie  voraussetzen.  Diese  wird 
durch  jene  keineswegs  negiert  oder  in  ihrem  Bestand  be- 


droht. Ihre  Geltungsmöglichkeit  hat  durch  jene  Verwer- 
tungen und  Anwendungen  ungeahntes  Ausmaß  ■  ge- 
wonnen. Wenn  wir  uns  heute  einer  „praktischen" 
Psychologie  erfreuen,  die  schon  sehr  schöne  Resultate 
aufzuweisen  hat,  so  ist  sie  eben  ein  Kind  dieser 
neuen  Bestrebungen.  Und  die  Anforderungen  der  PĂ€- 
dagogen, Juristen  und  besonders  der  Psychiater  vermag  nur 
eine  Psychologie  zu  befriedigen,  die  sich  nicht  mit  dem  reinen 
Laboratoriumsexperiment  begnĂŒgt.  Die  ganze  FĂŒlle  und 
Buntheit  des  Lebens  muß  in  sie  einströmen.  Die  Psychologie 
steht  vor  der  großen  und  auch  methodisch  bedeutsamen  Auf- 
gabe, sich  vor  jenem  Strome  nicht  zu  sperren,  seinen  Fluten 
aber  alle  Sicherungen  entgegenzustellen,  die  wissenschaftliche 
Exaktheit  verheißen. 

*  * 
* 

GrĂ¶ĂŸtmögliche  Exaktheit  verspricht  die  „neurologische 
Forschungsrichtung",  die  A.  P  i  c  k  nicht  nur  programmatisch 
verteidigt,  sondern  deren  Fruchtbarkeit  gerade  er  durch 
wertvolle  Arbeiten  bewiesen  hat.  Obwohl  eine  echt  klinische 
Methode,  unterscheidet  sie  sich  von  den  in  der  Psychopatho- 
logie sonst  gebrÀuchlichen  durch  den  Umfang  ihres  Objektes- 
sie  betrachtet  die  Symptomenkomplexe,  wie  sie  sich  z.  B.  bei 
Gehirntumoren  finden,  nicht  als  ganzes,  sondern  geht  vor 
allem  den  Einzelerscheinungen  nach,  wie  sie  sich  in  diesem 
Falle  aus  der  allmÀhlichen  Ausbreitung  des~  Tumors  ent- 
weder direkt  oder  aus  seinen  Nachbarschafts-  und  Fern- 
wirkungen ergeben.  Dementsprechend  kommt  in  erster  Linie 
auch  vein  großer  Teil  ihrer  Erfolge  der  allgemeinen  Psycho- 
pathologie zugute.  „Durch  diese  Auswahl  ihrer  Objekte  ist 
sie  von  vornherein  auf  eine  mosaikartige  Bearbeitung  des 
Gebietes  hingewiesen  und  entspricht  so  jener  geographischen 
Methode,  die  den  in  großen  Linien  gezogenen  Entwurf  des 
Ganzen  mit  sorgsamem  Detail  ausfĂŒllt,  und  wenn  auch 
dieses  Detail  nur  langsam  anwÀchst,  so  sind  doch  die  so  da 
und  dort  gegebenen  Landmarken  gerade  durch  ihre  Sicher- 
heit fĂŒr  den  Aufbau  des  Ganzen  von  nicht  zu  unterschĂ€tzen- 
der Bedeutung."  Eine  solche  Methode  wird  begreiflicher- 
weise seltener  durch  glĂ€nzende  Erfolge  imponieren  —  auch 
ihre  Nichtbeachtung  geht  auf  diesen  Umstand  zurĂŒck  — 
aber  die  „PrĂ€zision  ihrer  Fragestellungen  wird  reichlich  die 
daran  gewandte  MĂŒhe  der  bescheidenen  Kleinarbeit  lohnen." 
Das  wird  ganz  besonders  dort  der  Fall  sein,  wo  durch  die 
AufklÀrung  eines  kleinen,  scheinbar  nebensÀchlichen  Details 
Licht  auf  große,  bisher  dem  VerstĂ€ndnis  kaum  zugĂ€ngliche 
Gebiete  geworfen  wird.  Pick  erinnert  an  den  Nachweis  von 
HemmungszustÀnden  bei  organischen  Hirnleiden,  an  das 
Vorkommen  von  Enthemmungen  bei  solchen.  Wesentlich 
handelt  es  sich  bei  diesem  Verfahren  um  eine  Neurologie 
sierung  psychischer  Erscheinungen  und  umgekehrt  wiederum 
eine  Psychologisierung  neurologischer  TatbestÀnde.  Beide 
arbeiten,  wie  beim  Bau  eines  Tunnels,  zweckmĂ€ĂŸig  einander 
zu.  Nicht  ohne  eine  gewisse  Berechtigung  wird  im  allge- 
meinen eine  vom  Pathologischen  hergenommene  Beweis- 
fĂŒhrung in  Fragen  der  Psychologie  nicht  sehr  hoch  einge- 
schÀtzt; wird  aber  das  Individualexperiment,  das  die  Natur 
am  kranken  Menschen  gemacht  hat,  nur  mit  der  nötigen  Vor- 
sicht gebraucht,  so  gelangen  —  nach  Picks  berechtigter 
Ueberzeugung  —  auch  fĂŒr  das  Gebiet  der  Psychologie  Tat- 
sachen und  Gesichtspunkte  zur  Darstellung,  die  sonst  ihrer 
Einsicht  verborgen  bleiben,  selbst  wenn  sie  sich  ihrer  sub- 
tilsten Methode  bedient. 

„Daß  das  nicht  ohne  umfassende  BenĂŒtzung  des  von  der 
Psychologie  selbst  Erarbeiteten  und  Heranziehung  desselben 
zur  Kritik  des  von  der  Pathologie  Gewonnenen  geschehen 
darf,  versteht  sich  eigentlich  von  selbst."  „Die  Geschichte  der 
Psychopathologie  als  einer  Wissenschaft  fĂŒhrt  uns  sehr  deut- 
lich vor  Augen,  daß,  wenn  wir  von  der  somatischen  Klinik 
und  dem  Anteil  des  Laboratoriums  absehen,  der  ganze  Fort- 
schritt in  der  Vertiefung  der  Gesichtspunkte  fĂŒr  eine  psy- 
chische Untersuchung  begrĂŒndet  ist." 

Die  Kenntnis  der  Normalpsychologie  wird  dabei  den 
leitenden  Faden  bieten  und  insofern  diese,  auch  dei 
Erfahrung  nach,  „mehr  sich  bei  dem-  Psychiater  als  bei  dem 


10.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Utitz:  Psychologie  und  Medizin 


Neurologen  findet,  wird  die  psychiatrische  Vorbildung  fĂŒr 
"diejenigen  Neurologen  unerlĂ€ĂŸlich  sein,  die  sich  der  Weiter- 
bildung der  hier  prÀkonisierten  Methode  widmen  wollen; 
aber  nicht  erst  solche  Vorbildung  allein,  sondern  vor  allem 
Interesse  an  dieser  Art  von  Studien  können  den  Fortschritt 
von  der  beschreibenden  zur  erklÀrenden  Psychopathologie, 
der  gewiß  gerade  auf  dem  Wege  unserer  Forschungsmethode 
liegt,  in  aer  Zukunft  verbĂŒrgen;  zuletzt  auch  noch  eine 
Neigung  zur  Kleinarbeit,  die  scheinbar  der  großen  Gesichts- 
punkte ermangelnd,  erst  im  Zusammenhange  mit  dem  schon 
Erarbeiteten  die  Umrisse  des  Ganzen  erscheinen  lĂ€ĂŸt."  Im 
AnschlĂŒsse  daran  darf  ich  wohl  auf  die  bekannten  Arbeiten 
von  Goldstein  und  Gelb  hinweisen,  bei  denen  sich  das 
gemeinsame  Schaffen  des  Mediziners  und  Psychologen  treff- 
lich bewÀhrt  hat,  oder  auf  die  Psychologie  des  Amputierten 
und  seiner  Prothese,  wie  sie  David  Katz  geliefert  hat. 
Die  Bedeutung  der  Psychologie  steht  da  ĂŒber  jedem  Zweifel; 
aber  rĂŒckwirkend  auch  die  Bedeutung  solchen  Forschens 
fĂŒr  die  Psychologie  selbst.  Sie  empfĂ€ngt  ebenso  vielmals  sie 
selbst  schenkt. 

*  *  * 

Sicherlich  wird  durch  tiefere  Einsicht  in  somatische  Be- 
dingtheiten und  physische  ZusammenhÀnge  bisweilen  der 
Psychologie  ein  Wirkungskreis  entrissen;  aber  zugleich  er- 
schließen sich  andere.  So  hören  wir  bei  H  e  1 1  p  a  c  h  —  um 
nur  ein  Beispiel  anzufĂŒhren  —  daß  die  Paralysendiagnose 
noch  vor  zwanzig  Jahren  eine  eminent  psychologische  Lei- 
stung war.  Um  sie  halbwegs  zu  sichern,  bedurfte  es  oft 
monatelanger  Beobachtimg  des  erst  leise  krÀnkelnden  Seelen- 
lebens. Heute  setzt  sofort  nach  dem  psychologischen  Para- 
lyseverdacht die  physiopathologische  Arbeit  ein.  Die  W  a  s  - 
sermannsche  Blutreaktion  ist  ihr  erster  Akt.  FĂ€llt  sie 
positiv  aus,  folgt  die  Lumbalpunktion.  Damit  aber  schrumpft 
naturgemĂ€ĂŸ-  das  psychologische  Interesse  an  der  Paralyse  be- 
trĂ€chtlich ein.  „Es  hatte  schon  durch  die  anatomische  Kennt- 
nis des  Leidens  eine  wesentliche  AbkĂŒhlung  erfahren,  diese 
steigerte  sich  noch  mit  der  pathogenetischen  Erhellung  als 
einer  Metasyphilis:  die  seelische  Zerbröckelurig  einer  Indi- 
vidualitÀt durch  eine  exogene  Hirnvergiftung  und  Zerstörung 
fÀllt  so  stark  aus  dem  Bereich  der  seelisch  fesselnden  Zu- 
sammenhĂ€nge heraus,  daß  die-  Psychologie  kein  sonderliches 
Problem  mehr  in  ihr  gestellt  findet.  Nur  die  diagnostische 
Notwendigkeit  hieß  noch  Paralysenpsychologie  treiben.  Ent- 
fÀllt auch  sie,  so  wird  hier  das  Seelische  wirklich  zum 
bloßen  „EpiphĂ€nomen"  eines  pathologischen  Hirnprozesses." 
Und  auch  therapeutische  Versuche  —  wie  z.  B.  kĂŒnstliche 
Malariaerzeugung  —  sind  natĂŒrlich  nicht  psychologische 
Wege.  Trotzdem  bleibt  der  Psychologie  eine  wichtige  Auf- 
gabe. H  e  1 1  p  a  c  h  erblickt  das  Verdienst  der  ZĂŒricher  bei 
nĂŒchterner  WĂ€gung  darin,  daß  sie  eine  Problemstellung  ĂŒber 
Wasser  halten,  die  fĂŒr  die  Paralyse  erst  wieder  einmal  auf- 
tauchen wird:  „die  seelische  Markierungslinie  einer  Hirn- 
rindenvergiftung. Die  physische  Zerstörung  eines  solchen 
Kosmos,  wie  das  menschliche  Gehirn  ihn  darstellt,  ist  nicht 
eine  rein  chaotische  Zerbröckelung;  sie  ist  sicher  mindestens 
streckenweise  ein  Abbau,  von  dessen  Gang  vielleicht  manches 
Licht  auf  die  RĂ€tsel  des  einstigen  phylogenetischen  und  viel- 
leicht auch  des  heutigen  ontogenetischen  Aufbaus  jenes 
Kosmos  fallen  mag."  Und  andererseits  erzielen  wir  viel- 
leicht eine  EinfĂŒhlbarkeit  in  ZustĂ€nde,  die  vormals  als  ganz 
„unverstĂ€ndlich"  galten,  wie  sich  denn  ĂŒberhaupt  eine 
scharfe  Scheidung  von  verstÀndlichen  und  unverstÀndlichen 
ZusammenhĂ€ngen  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  lĂ€ĂŸt.  Weiter- 
hin: Untersuchungen  ĂŒber  das  Lernen  z.  B.  hat  man  auch 
bei  den  schwersten  Krankheiten  gemacht,  selbst  bei  progres- 
siver Paralyse.  Auch  bei  ihr  besteht  oft  eine  MerkfÀhigkeit, 
die  wesentlich  gesteigert  werden  kann  und  die  sich  noch 
nach  Wochen  zeigt.  Gregor  ist  der  Ansicht,  daß  man 
solche  GedĂ€chtnisĂŒbungen  nicht  zu  sehr  beschrĂ€nken  soll, 
sondern  als  einen  integrierenden  Bestandteil  bei  der  Behand- 
lung vieler  Kranken  anzuwenden  hat.  Er  nimmt  nicht  ein- 
mal die  progressive  Paralyse  aus,  da  hÀufig  bei  ihr  erheb- 
liche Remissionen  zu  finden  sind.    A  1  b  e  r  t  Mol  I,  der  ĂŒber 


diese  Fragen  in  seinem  Beitrag  zu  dem  bereits  erwÀhnten 
Sanunclbande  von  G.  Adam  berichtet,  hĂ€lt  natĂŒrlich  fĂŒr 
das  llauplgebiet,  wo  psychische  Uebungen  sich  fruchtbar  er- 
weisen, die  funktionellen  Krankheiten.  Daß  man  aber  or- 
ganische Erkrankungen  nicht  ausschließen  muß,  zeigen  schon 
die  zahlreichen  Erfahrungen  mit  Kopfschußverletzten  im 
Kriege.  Es  ist  sicher,  „daĂŒ  die  alte  schlagwortarlige  Auf- 
fassung, die  Psychotherapie  sei  fĂŒr  die  Hysterie  angezeigt 
und  damit  basta,  eine  vollkommene  Verkennung  des  Men- 
schen und  der  Aufgaben  des  Arztes  bedeutet,  da  es  keine 
Krankheit  gibt,  bei  der  nicht  die  psychische  Beeinflussung 
des  Kranken  eine  wesentliche  Rolle  fĂŒr  den  Arzt  spielen 
sollte."  Und  die  moderne  Psychotherapie  verfĂŒgt  ĂŒber  ein 
ganzes  Arsenal  von  Hilfsmitteln.  Sie  ist  heute  schon  ein 
besonderer  Wissenszweig  geworden,  der  selbstverstÀndlich 
auf  Schritt  und  Tritt  psychologischer  Orientierung  bedarf. 
Mit  vollem  Recht  kann  Hans  Berger  seine  Abhandlung 
„Ueber  praktische  therapeutische  Ergebnisse  der  gegen- 
seitigen Beeinflussung  körperlicher  und  seelischer  VorgÀnge 
und  Psychotherapie"  mit  den  Worten  des  unsterblichen 
Stagiriten  beschließen: 

(fccfTuöia  xai  vorßiq  rir[V  xdv  nqaYfiĂ€tuiV  6%ovGiv  dvvafiiv. 
„Einbildung  und  Gedanken  haben  dieselbe  Wirkung  wie 
wirkliche  Dinge!  Dieses  Wort  hat  auch  heute  noch  und 
nicht  bloß  fĂŒr'die  Medizin,  die  es  nur  zeitweise  vergaß,  die- 
selbe große  Bedeutung  wie  vor  fast  zweieinhalb  Jahrtausen- 
den, als  es  Aristoteles  niederschrieb." 


Dann  aber  hilft  uns  nur  eine  Psychologie  weiter,  die  in 
dem  Psychischen  in  Wahrheit  eine  Welt  von  realen  Ge- 
schehnissen, ZusammenhÀngen,  Taten  und  Leiden  des  Ichs 
erblickt,  die  sich  nicht  vor  dem  „grandiosen  KrĂ€ftespiel"  des 
Ichreiches  verschließt,  von  dem  wir  bereits  sprachen.  Ein 
gut  Teil  des  Erfolges  der  Psychoanalyse  geht  eben  darauf 
zurĂŒck,  daß  sich  in  ihr  und  durch  sie  jene  Auffassung  des 
Seelischen  anbahnt.  Gewiß;  das  ungeheuere  Interesse,  das 
ihr  weiteste  Kreise  spenden,  dankt  sie  dem  Zauber  des  Ge- 
heimnisvollen, Mystischen  und  fast  Sektenhaften.  Und  fĂŒr 
den  Reiz  dieses  Zaubers  ist  man  heute  besonders  empfind- 
sam. Kein  Wunder,  daß  ein  suggestiver  Strom  schon  diesem 
—  wenn  ich  so  sagen  darf  —  Kultus  entspringt,  und  die  Sug- 
gestion ĂŒberall  dort  heilt  oder  Symptome  wegrĂ€umt,  wo  die 
Möglichkeit  zu  solcher  Wirkung  sich  ergibt.  Und  innerhalb 
dieses  SchulgebÀudes  taucht  das  Sexuelle  in  ganz  neuartiger 
Beleuchtung  auf.  VerdrÀngt  und  versteckt  blickt  es  da  und 
dort  hervor,  durchtrÀnkt  unser  ganzes  Leben.  Seine  Wurzeln, 
welche  die  weitere  Entwicklung  bestimmen,  reichen  bis  in 
die  frĂŒhesten  Tage  der  Kindheit.  Der  Erotismus  erobert  un- 
absehbares Neuland;  und  wie  von  fremden  Gegenden  seltsame 
Berichte  Kunde  geben,  so  mĂŒht  sich  nun  Deutung  all  den 
verzwickten  Pfaden  der  SexualitĂ€t  nachzuspĂŒren  und  ihren 
dunklen  Sinn  zu  erhellen.  Was  sich  im  wachen  Bewußtsein 
abspielt,  ist  nur  verspritzender  OberflÀchenschaum;  nur 
Zeichen  iĂŒr  aufgewĂŒhlte  1  iefen,  die  zu  loten  Aufgabe  des 
Psychoanalytikers  wird.  Im  Unbewußten  ringen  die  KrĂ€fte" 
miteinander;  aus  dem  Zwielicht  an  den  Tag  sie  zu  fördern, 
schafft  erst  Klarheit  ĂŒber  die  Persönlichkeit.  Sublimierungen 
des  Sexuellen  gipfeln  empor  bis  in  die  höchsten  Leistungen 
der  Kultur;  Abirrungen  fĂŒhren  in  Neurose  und  Psychose. 
Hier  ist  nicht  mehr  am  Aeußeren  tastende  Erlebnispsycho- 
logie; die  „eigentlichen  RealitĂ€ten"  sollen  ergriffen  werden. 
Das  manifeste  Symptom  ist  bloß  WTegweiser,  die  latenten 
Inhalte  zu  entziffern,  die  dem  Ich  nahestehen,  das  Bild  der 
Gesamtpersönlichkeit  formen.  Aus  Vergessen,  Versprechen, 
Verlegen,  den  wirren  Gestaltungen  der  TrĂ€ume  —  all  den 
Gegebenheiten,  die  der  wachsamen  Zensur  des  Willens  ent- 
schlĂŒpfen und  sich  hindurchstehlen  durch  die  enge,  behĂŒtete 
Pforte  der  erlebenswachen  SphĂ€re  —  zieht  der  Psychoanaly- 
tiker seine  SchlĂŒsse,  bis  endlich  —  unterstĂŒtzt  durch  lange 
Behandlung  —  der  Komplex  freigelegt  ist,  der  Wirrungen 
und  Störungen  bedingt.  Ist  aber  der  Knoten  geschĂŒrzt,  dann 
stĂŒrzen  all  die  aus  seiner  Bindung  herfließenden  Folgerun- 


wo 


Utitz:  Psychologie  und  Medizin 


40.  Jahyg.  —  Nr.  13. 


gen  in  sich  zusammen.  Sie  sind  weggespĂŒlt  und  weggefegt; 
der  reinigende  Prozeß  ist  abgeschlossen.  Hier  sind  lebens- 
nahe Psychologie  und  Intuition,  die  vor  nichts  moralisie- 
rend zurĂŒckschrecken,  welche  die  ganze  DĂ€monie  unseres 
Seins  durchdringen;  und  hier  soll  eine  Technik  sein,  die 
diesem  Unternelnnen  wissenschaftliche  Exaktheit  leiht  und 
vvucliernde  Spekulation  abwehrt. 

Die  Anregungskraft  und  GenialitÀt  der  Freudschen 
Konzeptionen  sei  unbestritten;  sie  kann  gar  nicht  ĂŒberschĂ€tzt 
weiden.  Aber  sie  schleppen  noc^  viel  materialistisches  Erb- 
gut mit  sich,  und  als  Gegenballast  ein  ĂŒppiges  Geranke  einer 
ĂŒberhitzten  Phantasie,  die  hĂ€ufig  jeder  wissenschaftlichen 
Sicherheit  spottet,  weil  eben  eine  wahre  Ausgleichung  nicht 
erzielt  ist,  wie  ja  auch  oft  angeblich  strenge  Naturphiloso- 
phie in  viele  Metaphysik  umschlÀgt.  Materialistisch  ist  z.  B. 
die  fast  ausschließliche  sexuelle  Note,  deren  Subliniierung 
den  vergeblichen  Versuch  darstellt,  alles  Geistige  begreiflich 
zu  machen.  Da  dies  nicht  ohne  weiteres  geht,  scheut  man 
nicht  vor  waghalsigsten  Annahmen.  Die  Auswirkung  der 
sexuellen  Anlage  hÀngt  doch  von  der  Beschaffenheit  und 
Konstellation  aller  ĂŒbrigen  ab;  so  wie  diese  durch  jene 
determiniert  werden,  verhÀlt  es  sich  auch  umgekehrt.  Die 
wissenschaftliche  oder  kĂŒnstlerische  Begabung  muß  da  sein, 
urn  auch  erotische  Triebe  in  ihren  Dienst  zu  stellen;  aber 
sie  selbst  erklĂ€ren  mir  nicht  wissenschaftliche  oder  kĂŒnst- 
lerische Leistung.  Mit  dieser  VernachlÀssigung  der  ganzen 
FĂŒlle  und  \\  eite  einer  Persönlichkeit  hĂ€ngt  auch  die  Ueber- 
akzentuierung  des  traumatischen  Erlebnisses  zusammen,  ein 
Nachklang  Ă€ußerlicher  Milieutheorie.  Das  Erlebnis  wird  nur 
bedeutsam,  wenn  es  von  einem  bestimmten  Charakter  aufge- 
nommen und  geprĂ€gt  wird.  Dahin  mußte  sich  der  Schwer- 
punkt allmĂ€hlich  verschieben.  Alfred  A  d  1  e  r  —  ein  abtrĂŒn- 
niger Freud-  SchĂŒler  —  hat  deswegen  seine  Theorie  der 
Organminderwertigkeit  geschaffen.  Das  minderwertige  Organ 
braucht  lÀnger,  um  zur  normalen  Funktion  zu  gelangen,  und 
es  macht  dabei  eine  Anzahl  von  Störungen  durch,  deren 
Ueberwindung  nur  auf  dem  Wege  gesteigerter  „Hirnleistung' 
gelingt.  Diese  Kompensationsbestrebungen  können  zur  Ueber- 
kompensation  sich  steigern.  Durch  diesen  Vorgang  bilden 
sich  psychische  Achsen  aus,  nach  welchen  das  Individuum 
gerichtet  ist,  immer  in  AbhÀngigkeit  von  einem  oder  mehre- 
ren minderwertigen  Organen.  Auch  im  Traume  und  in  der 
Fantasie,  in  der  Berufswahl  und  in  der  Neigung  wird  dieses 
Streben  nach  Lustgewinn  fĂŒr  jenes  Organ  bemerkbar.  Eine 
Ueberkompensation  kann  sich  in  kultureller  Weise  geltend 
machen,  indem  sie  neue,  wenn  auch  schwierige  und  oft  ge- 
hemmte Wege  einschlĂ€gt.  So  soll  es  zu  den  ganz  großen 
Aeußerungen  der  Psyche  kommen,  wĂ€hrend  die  entgegenge- 
setzte Bahn  in  Neurose  und  Psychose  hineinsteuert. 

Die  blendende  Einfachheit  und  Geschlossenheit  der 
Freudschen  Theorie  —  und  der  anderen  von  ihr  aus- 
strahlenden Lehren  —  wird  teuer  bezahlt  mit  einer  Ein- 
seitigkeit und  eigentlich  Grobheit  der-  Grundanschauungen. 
Sie  zeigt  sich  in  dem  methodisch  wenig  geklÀrten  Begriff  des 
UnbewuTlen,  das  wie  ein  deus  ex  machĂŒia  behandelt  wird; 
in  dem  den  recht  fraglichen  Assoziationismus;  in  dem  etwas 
mystischen  Mechanismus  des  KrĂ€ftespiels;  in,  der  WillkĂŒr- 
lichkeit, mit  der  sexuellen  Lust  und  Lust  ĂŒberhaupt  durch- 
einandergeworfen werden.  Aber  wozu  diese  Anreihung  ver- 
lÀngern? Es  gibt  kaum  einen  Punkt  in  dem  weit  verzweigten 
System  Freud  scher  Behauptungen,  der  nicht  Angriffs- 
möglichkeiten bieten  wĂŒrde.  An  jedem  Posten  nagt  die 
Kritik;  aber  weil  sie  in  echte  Problematik  hineinbeißt,  kann 
sie  auch  schöpferisch  werden.  Und  diese  Diskussionen  grei- 
fen fast  alle  psychologischen  Grundlagen  auf;  ohne  Psycho- 
logie können  diese  KÀmpfe  nicht  ausgetragen  werden;  psy- 
chologische Einsichten  bilden  mit  ihren  Siegespreis.  Nicht 
mehr  handelt  es  sich  um  einzelne  Symptome  allein;  sie 
sollen  verstanden  werden  aus  dem  ganzen  Entwicklungsver- 
lauf, der  nur  durch  eine  bestimmte  psycho-physische  Struk- 
tur möglich  wird.  Persönlichkeit,  Charakterologie,  Unbe- 
wußtes usw.  werden  jetzt  die  brennendsten  Probleme.  Zur 
Illustration  dieser  Richtung  achte  man  auf  die  Arbeiten  von 


Birnbaum,  Jaspers,  Schilder  oder  Ernst 
Kretschmer,  der  den  jetzigen  Zustand  in  der  klinischen 
Einteilung  der  Psychopathologie  beklagt,  weil  wir  gezwungen 
sind,  eine  psychopathische  Störung  das  eine  Mal  durch  ihre 
Verkuppelung  mit  Körpersymptomen  (Hysterie),  das  andere 
Mal  durch  ihre  soziale  W  irkungsweise  (Querulantenwahn) 
und  ein  drittes  Mal  durch  ein  hervorstechendes  Einzelsymptom 
(Sexualpsychopathie)  zu  kennzeichnen.  Er  hÀlt  diesen  allge- 
mein empfundenen  Mißstand,  wenn  er  auch  nicht  mit  einem 
Schlage  beseitigt  werden  kann,  doch  nicht  fĂŒr  unĂŒberwind- 
lich, sobald  wir  uns  nur  entschließen  können,  „auf  die  psy- 
chologische Struktur  der  psychopatlĂŒschen  Reaktionsformen 
selbst  deren  klinische  Bewertung  zu  grĂŒnden  und  sie  allein 
der  systematischen  Gruppierung  derselben  zugrunde  zu 
legen."  So  fordert  Kretschmer  Untersuchungen  ĂŒber  die 
innere  Beziehung  eines  Charakterbildes  zu  einer  bestimmten 
Erkrankungsform:  „daß  nur  diese  eine  so  geartete  Charakter- 
form diese  bestimmte  psychopathische  Krankheitsform  her- 
vorbringen kann  und  daß  sie  sie  mit  innerer  Notwendigkeit 
hervorbringen  muß,  sobald  das  Erlebnis  da  ist,  das  sie  er- 
schließt. Der  Pessimismus  gegenĂŒber  der  Möglichkeit  einer 
durchgreifenden  wissenschaftlichen  Charakterlehre  lĂ€ĂŸt  die 
Systematik  der  psychopathischen  Seelenstörungen,  wenn 
von  einer  solchen  ĂŒberhaupt  schon  gesprochen  werden  kann, 
nicht  ĂŒber  tastende  Versuche  hinauskommen.*  Aber  dieser 
Pessimismus  ist  im  Schwinden;  und  Kretschmer  hat 
selbst  in  seinem  Buche:  „Körperbau  und  Charakter"  einen 
sehr  wichtigen  .Beitrag  zu  diesen  Fragen  beigesteuert.  Und 
Arthur  Kronfeld  betont  in  seinem  großen  Werke  ĂŒber 
„das  Wesen  der  psychiatrischen  Erkenntnis",  daß  die  Psy- 
chiatrie, um  im  einzelnen  praktisch  ĂŒber  die  Kraepe- 
1  i  n  s  c  h  e  Aera  vorbereitender  Sammlung  hinauszukommen, 
auf  ihre  „autologische"  Einheit  als  Gesamtwissenschaft  ver- 
zichten muß.  Sie  teilt  ihre  einzelnen  Materien  gewisser- 
maßen auf  und  weist  sie  anderen  Disziplinen  mit  gesicher- 
teren Methoden  jeweils  zur  Bearbeitung  zu.  „So  resultieren 
die  ihren  Fortschritt  verbĂŒrgenden  Methoden,  ganz  heterogen 
untereinander,  aus  einer  Reihe  von  „Hilfswissenschaften" 
verschiedenster  Provenienz,  wÀhrend  die  Psychiatrie  selber 
in  einer  gewissen  SterilitÀt  und  Tatenlosigkeit  auf  den  Zeit- 
punkt zu  warten  scheint,  wo  weitere  derartige  Methoden  aus 
anderen  Gebieten  auch  auf  weitere  Einzelmaterien  anwendbar 
werden."  In  einer  autologischen  Psychiatrie  aber  wird  die 
exakte  psychologische  Symptomanalyse  allein  imstande  sein, 
zum  Kriterium  des  jeweiligen  Krankheitstypus  hinzufĂŒhren. 
„Auch  dieser  Gedanke  liegt  im  Keim  bereits  in  manchen 
ZĂŒgen  Kraepelinschen  Forschens.  Aber  der  Weg,  den 
es  einzuschlagen  gilt,  muß  mit  weit  grĂ¶ĂŸerer  methodischer 
Strenge  beschritten  werden,  als  sie  das  Kraepelinsche 
Durcheinander  von  VulgĂ€rpsychologie,  Ă€ußerlichen  Begriffs- 
bildungen, plastischer  Beschreibung  und  experimenteller 
TrivialitÀt  gewÀhrleistete.  Das  Problem,  welches  sich  hier 
auftut,  ist,  nach  bestimmter  psychologischer  Methode  alle 
psychologischen  Einzelerscheinungen  auf  ihre  letzten,  typi- 
schen und  psychologisch  nicht  weiter  reduzierbareh  Wurzeln- 
zurĂŒckzufĂŒhren." Damit  wird  also  auch  hier  die  BrĂŒcke 
geschlagen  zu  den  Grundfragen  der  Psychologie. 


Bereits  in  meiner  „Psychologie  der  Simulation"  schrieb 
ich,  daß  keineswegs  der  Psychologe  dem  Psychiater  ins 
Handwerk  pfuschen  soll.  Es  handelt  sich  ĂŒberhaupt  nicht 
um  Personen,  sondern  um  Probleme.  Es  ist  eine  Frage 
wissenschafts-technischer  Organisation,  ob  eine  bestimmte 
Aufgabe  von  einem  Psychiater  oder  von  einem  Psychologen 
am  zweckmĂ€ĂŸigsten  erledigt  werden  soll;  ob  in  dem  einen 
Fall  besser  ein  psychologisch  geschulter  Psychiater  am 
Platze  ist,  oder  vielmehr  ein  medizinisch  ausgebildeter  Psy- 
chologe. Mögen  demnach  derartige  Personalunionen  noch  so 
wĂŒnschenswert  sein,  darum  bleibt  doch  Psychologie  eben 
Psychologie,  und  Psychiatrie  Psychiatrie.  Man  muß  im 
Einzelfall  sich  völlig  klar  darĂŒber  werden,  welchem  Pro- 
blemgebiet man  folgt.   Ist  die  sachliche  Verwandtschaft  bis- 


BÀlint:  Vegetative  Störungen  291 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13 


weilen  auch  sehr  innig,  ja  weisen  sogar  fließende  UebergĂ€nge 
aui  eine  völlige  Verschmelzung  hin,  so  sind  das  doch  Periphe- 
rien verschiedener  Kreise;  und  man  blickt  von  verschiedenen 
Zentren  auf  sie  hin.  Aber  wie  gesagt:  damit  bin  ich  weit 
davon  entfernt,  gleichsam  eine  schroffe  Arbeitsteilung  zu  be- 
fĂŒrworten, die  sich  mit  undurchdringlichen  StachelzĂ€unen 
abschnĂŒrt.  Der  Psychologe  kann  mancherlei  in  der  Psychia- 
trie entdecken  und  umgekehrt.  DafĂŒr  zeugen  unzĂ€hlige  Bei- 
spiele. Aber  selbst  ihre  unendliche  HĂ€ufung  wĂŒrde  den 
l'nterschied  von  Psychologie  und  Psychiatrie  noch  nicht  ver- 
wischen. Ja,  die  gegenseitige  Hilfeleistung  dieser  Wissen- 
schaften, ihre  wechselseitige  Förderung  wĂ€ren  gewiß  wesent- 
lich grĂ¶ĂŸer,  falls  jener  Unterschied  stets  zum  klarsten  Be- 
wußtsein kĂ€me.  Nicht  eine  in  der  Psychologie  herumwil- 
dernde Psychiatrie  und  auch  keine  in  der  Psychiatrie  gebieten 
wollende  Psychologie  nÀhren  ein  freundschaftliches  Nach- 
barverhÀltnis: derlei  ungebetene  Besuche  hinterlassen  meist 
ein  schlechtes  Andenken.  Sondern:  die  Medizin  soll  in  der 
Psychologie  das  finden,  was  sie  braucht,  und  umgekehrt. 
Diese  RĂŒcksichtnahme  auf  die  Probleme  der  anderen  Wissen- 
schaft ist  der  vorzĂŒglichste  Dienst,  den  eine  Wissenschaft 
der  anderen  zu  leisten  vermag.  Damit  maßt  sie  sich  keine 
fremden  Rechte  an,  tritt  nicht  aus  ihrer  Rolle  heraus,  son- 
dern empfÀngt  gastlich  den  Nachbar  im  eigenen  Heim,  reicht 
von  eigenem  Wein  und  Brot. 

*  *  * 

Literaturverzeichnis . 

(Ich  erwÀhne  liier  nur  eine  Reihe  von  Schriften,  die  dem  nÀher 
interessierten    leicht    den   Weg   zur   weitereji  Spezialliteratur 
weisen  können.) 

1.  Adam,  C:  Die  Psychologie  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  Ă€rzt- 
liche Praxis.  (Acht  VortrÀge,  gehalten  von  Hans  Berger, 
Oswald  B  u  m  k  e ,  Adalbert  C  z  e  r  n  y ,  Arthur  Leppmann, 
Hugo  Liepmann,  Albert  Moll,  J.  H.  Schultz)  Jena  1921. 

2.  Adler,  Alfred:  Ueber  den  nervösen  Charakter;  Grund- 
zĂŒge einer  vergleichenden  Individualpsychologie  und  Psycho- 
therapie.  2.  Auflage.   Wiesbaden  1919. 

?>.  Bumke,  Oswald:  Psvchologische  Vorlesungen.  Wies- 
baden 1919. 

4.  Elsenhans,  Theodor:  Lehrbuch  der  Psychologie, 
2.  Auflage.   TĂŒbingen  1920. 

5.  Erismann,  Th.:  Angewandte  Psychologie.  Berlin  und 
Leipzig  1916.    (Sammlung  Göschen.) 

6.  Freud,  Sigmund:  Vorlesungen  zur  EinfĂŒhrung  in  die 
Psychoanalyse.   Wien  und  Leipzig  1917. 

7.  Geiger,  Moritz:  Fragment  ĂŒber  den  Begriff  des  Unbe- 
wußten und  die  psychische  RealitĂ€t.  Ein  Beitrag  zur  Grund- 
legung des  immanenten  psychischen  Realismus.  Halle  a.  S. 
1921.  (Jahrbuch  fĂŒr  Philosophie  und  phĂ€nomenologische 
Forschung;  Band  IV.) 

8.  Gelb,  Adh6mar  und  Goldstein,  Kurt  :  Psychologische 
Analysen  hirnpathologischer  FĂ€lle.   Leipzig  1920. 

9.  Hellpach,  Willy:  Besprechung  von  Emil  Kraepe- 
lins  Psychiatrie;  Zeitschrift  fĂŒr  angewandte  Psychologie: 
XIV,  1919.  ‱  ‱ 

10.  H  e  z  e  1,  0.,  Marburg,  O.,  Vogt,  H.,  Weygandt,  K.:  Die 
KriegbeschÀdigungen  des  Nervensystems.    Wiesbaden  1917. 

11.  Jaspers,  Karl:  Allgemeine  Psychopathologie.  2.  Auflage. 
Berlin  1920. 

12.  K  atz,  David:  Zur  Psychologie  des  Amputierten  und  seiner 
Prothese.  Leipzig  1921.  (25.  Beiheft  der  Zeitschrift  fĂŒr  an- 
gewandte Psychologie.) 

13.  Kretschmer,  Ernst:  Der  sensitive  Beziehungswahn. 
Berlin  1918. 

14  Kretschmer,  Ernst:  Körperbau  und  Charakter.  Berlin 
1921. 

15.  K  r  o  n  f  e  1  d,  Arthur:  Das  Wesen  der  psychiatrischen  Er- 
kenntnis.   Berlin  1920. 

16.  Lipmann,  Otto  :  Handbuch  psychologischer  Hilfsmittel  der 
psychiatrischen  Diagnostik.  Leipzig  1922.  (Im  Erscheinen 
begriffen.) 

17.  MĂŒn  sterberg,  Hugo.  GrundzĂŒge  der  Psychotechnik. 
Leipzig  1914. 

18.  Pick,  A.:  Die  neurologische  Forschungsrichtung  in  der  Psv- 
chopathologie  und  andere  AufsÀtze.  Berlin  1921.  (Abhand- 
lungen aus  der  Neurologie,  Psychiatrie,  Psychologie  und  ihren 
Grenzgebieten;  13.  Hell) 

19.  Schultz.  J.  H.:  Die  seelische  Krankenbehandlung  (Psycho- 
therapie :  2.  Auflage,  Jena  1920. 


20'.  Steril,  Ernst:  Angewandte  Psychologie.    Berlin  und  Lcip 

zig  1921.    (Aus  Natur  und  Geisteswelt.) 
1\    Stern,  William:  Die  differentielle  Psychologie  in  ihren 

methodischen  Grundlagen.    3.  Auflage.    Leipzig  1921. 

22.  Stern,  William:  Die  menschliche  Persönlichkeit.  Leipzig 
1918. 

23.  U  t  i  t  z,  Emil:  Psychologie  der  Simulation.    Stuttgart  1918. 

24.  Utitz,  Emil:  Die  Kultur  der  Gegenwart.   Stuttgart  1921. 


Aus  der  UniversitÀts-Kinderklinik  zu  Berlin. 

Beitrag  zur  Behandlung  der  vegetativen 
Störungen  im  Kindesalter. 

Von  A.  B  À  1  i  n  t. 

Es  gibt  neuropathische  Kinder,  deren  Krankheitssymp- 
tome darauf  hinweisen,  daß  es  sich  bei  ihnen  um  Störungen 
des  vegetativen  Nervensystems  handelt.  Diese  Kinder  sind 
von  den  ĂŒbrigen  Neuropathen  oft  nicht  scharf  zu  trennen. 
Hieraus  geht  hervor,  daß  Mischformen  sehr  hĂ€ufig  sind,  daß 
Uebererregbarkeit  im  vegetativen  Nervensystem  oft  mit  Ueber- 
erregbarkeit  in  anderen  Nervengebieten  verknĂŒpft  ist.  Die 
Beschwerden  dieser  Kinder  sind:  Anfallsweise  auftretende 
Leibschmerzen,  OhnmachtsanfÀlle,  in  der  Stirne  lokalisierte, 
anfallsweise  auftretende  Kopfschmerzen,  Neigung  zum 
Schwitzen,  zur  erhöhten  Temperatur,  mitunter  Appetitlosig- 
keit und  DurstgefĂŒhl.  Sie  weisen  folgende  Symptome  auf: 
Schwache  Muskulatur  und  grazile  Knochen,  eine  konstitu- 
tionelle SchwÀche  des  Zirkulationssystems  im  Sinne  von 
Schiff,  außerdem  FacialisphĂ€nomen,  AschnerphĂ€nomen, 
schwer  auslösbare  Bauchdeckenreflexe  mit  gesteigerten  tiefen 
Reflexen,  Bradycardie,  respiratorische  Arythmie,  selten  pul- 
sierende Bauchaorta  usw. 

Die  VerhÀltnisse  im  Organismus  sind  nicht  so  einfach, 
daß  wir  von  reiner  Vagotonie  oder  Sympaticus-Hypotonie 
sprechen  können,  doch  dĂŒrfen  wir  annehmen,  daß  ein  großer 
Teil  dieser  Erscheinungen  mit  einer  Uebererregbarkeit  im 
Vagussystem  zu  erklÀren  ist.  Besonders  wichtig  ist  diese 
Kenntnis  wegen  der  symptomatischen  Therapie. 

Auf  Grund  seiner  vagushemmenden  Wirkung  wird  das 
Atropin  in  Behandlung  der  genannten  Störungen  hÀufig  ver- 
wendet. Die  Meinungen  ĂŒber  seinen  Nutzen  sind  verschieden. 
Besonders  die  Bauchschmerzen  (Nabelkoliken)  werden  durch 
Atropin  gut  beeinflußt.  Wir  mĂŒssen  noch  beachten,  daß  das 
Atropin  außer  seiner  vagushemmenden,  auch  andere  peri- 
phere und  auch  zentrale  Wirkungen  hat.  Man  kann  mit 
Atropin  gute  Erfolge  erzielen,  wir  dĂŒrfen  es  aber  nur  dann 
anwenden,  wenn  unser  Bestreben  dahingeht,  den  Vagus  zu 
hemmen.  Neben  den  guten  Erfolgen  habe  ich  aber  mit 
Atropin  oft  glatte  Mißerfolge  gesehen,  in  FĂ€llen,  wo  die  Be- 
schwerden meiner  Meinung  nach  auf  eine  Uebererregbarkeit 
im  Vagussystem  zurĂŒckzufĂŒhren  waren. 

Daß  zwischen  dem  Kalkgehalt  und  der  Erregbarkeit  des 
Nervensystems  eine  enge  Beziehung  besteht,  ist  allgemein  be- 
kannt. Kalkarmut  und  Uebererregbarkeit  des  Zentralnerven- 
systems gehen  parallel.  Aus  dieser  Tatsache  wurden  er- 
folgreiche SchlĂŒsse  auf  die  Pathogenese  und  Therapie  der 
sogen.  Tetanie  der  Kleinkinder  gezogen.  Nun  wird  aber  der 
Kalk  bei  den  verschiedensten  Formen  der  Neuropathie  ange- 
wandt, so  auch  bei  den  Störungen  des  vegetativen  Nerven- 
systems. Die  Beziehungen  zwischen  Calcium  und  vegeta- 
tivem Nervensystem  sind  nicht  aufgeklÀrt.  Zondeck's 
Versuche*)  zeigen,  daß  der  Sympathicus  mit  Hilfe  des  Cal-  $ 
ciivm-Ions  wirkt.  So  können  wir  uns  vorstellen, 
daß  das  Calcium  auf  Störungen  infolge 
Uebererregbarkeit  im  Vagussystem  dadurch 
wirkt,  daß  es  die  Sympathicus  Wirkung  för- 
dert. Ich  habe  mit  Calcium  bei  den  oben  genannten  Kin- 
dern therapeutische  Versuche  gemacht.  Ich  verwandte  Cal- 
cium phosphoricum  tribasicum  pur.  Merck  mit  Lebertran, 

*v  D   m.  W   1921.  Nr.  50,  S.  1520. 


Nourney:  Immunbiologie  der  Syphilis 


40.  Jahrg.  -  Nr.  13. 


Calcium  chloratum  siccum  und  cryst.  tĂ€glich  5 — 6  g  und 
Calcium  bromatum.  Nur  von  dem  letzteren  PrÀparate  sah 
ich  hei  unruhigem  Schlaf  und  Pavor  nocturnus  Erfolge,  die 
wahrscheinlich  auf  das  Brom  zurĂŒckzufĂŒhren  waren.  Sonst 
waren  die  vegetativen  Störungen  unbeeinflußt  geblieben. 

Ich  hoffte,  die  Beschwerden  der  Kinder  erfolgreicher  be- 
kÀmpfen zu  können,  indem  ich  zugleich  vagus- 
hemmende und  sympathicusfördernde  Mit- 
tel anwandte. 

Nach  dem  Gesagten  wÀre  ein  Erfolg  mit  der 
combinierten  Kalk-Atropin-Therapie  zu  er- 
warten und  tatsÀchlich  bin  ich  mit  dieser  Behandlungs- 
methode zu  befriedigenden  Resultaten  gelangt. 

Die  Zahl,  der  mit  dieser  Therapie  behandelten  Kinder 
behagt  140.  Nur  95  sind  aber  zur  poliklinischen  Behandlung 
so  oft  wiedergekommen,  daß  ich  die  therapeutische  Wirkung 
einwandfrei  beurteilen  konnte.  Die  Kinder  waren  meistens 
6 — 12  Jahre  alt,  es  kamen  aber  auch  jĂŒngere  vor.  Um  den 
Erfolg  objektiv  zu  beurteilen,  habe  ich  mich  bemĂŒht,  die 
suggestive  Wirkung  soweit  wie  möglich  auszuschalten.  Des  - 
halb  habe  ich  vor  der  Kalk-Atropin-Darreichung  suggestive 
Mittel,  wie  starken  faradischen  Strom  und  Tinctura  chinae 
comp,  angewandt.  (In  30  FĂ€llen.)  Diese  Methoden  haben 
keinen  nennenswerten  Erfolg  gehabt,  nur  die  Kopfschmerzen 
verschwanden  in  wenigen.  FĂ€llen. 

Von  den  Erfolgen  mit  Atropin  und  Calcium  allein  habe 
ich  schon  berichtet. 

Am  sichersten  habe  ich  die  Beschwerden  bekÀmpft,  wenn 
ich  Kalk  und  Atropin  zusammen  gab.  Ich  verordnete  tÀglich 
zirka  3  g  Calcium  chloratum  siccum  und  1 — 1,5  mg  Atro- 
pinum  sulfuricum  in  folgender  Form:  Rp.  Calcium  chloratum 
siccum  20,0,  Atropinum  sulfuricum  0,007—0,01,  Aqua  dest. 
200,0.  MDS.  3  mal  tgl.  1  Kinderlöffel  voll  zu  nehmen.  Die 
Kinder  nahmen  dieses  Mittel  zwei  Wochen  lang  und  kamen 
dann  wieder  zur  Untersuchung.  Abgesehen  von  2  Versagern 
(bei  denen  auch  die  Indikation  nicht  gut  begrĂŒndet  war)  ver- 
loren die  meisten  ihre  Beschwerden  und  nur  bei  wenigen 
waren  nicht  alle  Beschwerden,  besonders  die  Appetitlosigkeit 
beseitigt.  Die  Leibschmerzen,  Kopfschmerzen,  Neigung  zu 
erhöhten  Temperaturen,  OhnmachtsanfÀlle  und  Uebelkeit 
waren  dieser  Therapie  am  auffallendsten  zugÀnglich.  Bei 
drei  Enuretikern,  die  auch  sonst  vegetative  Störungen  zeigten, 
hatte  ich  prompten  Erfolg,  bei  anderen  aber  auch  Mißerfolg. 
Beim  Aussetzen  der  Medizin  traten  oft  die  Erscheinungen 
wieder  in  Vordergrund,  so  daß  die  Medikation  wieder  auf- 
genommen werden  mußte. 

In  den  seltenen  FĂ€llen,  bei  denen  das  Atropin  Intoxika- 
tionserscheinungen machte  (weite  Pupillen,  Augenflimmern, 
Doppelsehen)  mußte  ich  die  Therapie  unterbrechen  und  die 
Atropindosis  vermindern. 


Zur  Immunbiologie  der  Syphilis. 

Von  Geh.  SanitÀtsrat  Dr.  Nourney,  Mettmann. 

Soviel  Syphilitiker  —  soviel  verschiedene  syphilitische 
Erkrankungsformen!  Ist  solcher  Ausspruch  nur  eine 
maßlose  Uebertreibung,  oder  haben  solche  Worte  doch  einen 
inneren  Wert?  —  Alle  unsere  Patienten  gehören  dem  einen 
Genus:  homo  sapiens  an.  Die  Ursache  der  Syphilis  ist 
nur  die  eine:  die  Spirochaeta  pallida.  Worauf  be- 
ruht die  unendliche  Mannigfaltigkeit  der  luetischen  Krank- 
heitserscheinungen? 

Eine  Immunbiologie  der  Syphilis  scheint  dies  Problem 
zu  lösen.  Sie  zeigt  uns,  daß  nur  die  Erst  infektiön  ein  ein- 
heitliches GeprĂ€ge  hat,  und  daß  es  nur  verschiedene  Grade 
einer  von  jedem  Kranken  erworbenen  ImmunitÀt  sind,  welche 
die  spÀteren  Krankheitsmerkmale  beherrschen,  mögen  sie 
SpÀterscheinungen  einer  nicht  geheilten  Syphilis  sein,  oder 
auf  Superinfektion  oder  Reinfektion  beruhen. 

Bei  sĂ€mtlichen  Erst  infektionen  sahen  wir  gesetzmĂ€ĂŸige 
Reaktionen,  die  fĂŒr  jede  besondere  Art  einer  Infektion  cha- 
rakteristisch sind.    So  auch  bei  einer  syphilitischen  Erst- 


infektiön.  Nach  ganz  bestimmter  Inkubinationsdauer  ent- 
wickelt sich,  ziemlich  plötzlich  aufschießend,  der  PrimĂ€r - 
affekt,  welcher  bald  in  ein  nÀssendes  spirochÀtenreiches  Sta- 
dium ĂŒbergeht,  um  nach  gewisser  Zeit  suppurativ  sich  zu  ver- 
Ă€ndern und  endlich  eine  fĂŒr  die  Syphilis  ganz  charakte- 
ristische Narbe  zu  hinterlassen.  Hier  finden  wir  noch  keine 
wesentliche  Variation  in  der  Flucht  der  Erscheinungen,  es 
sei  denn,  daß  sie  durch  eine  Superinfektion  hervorgerufen 
werden. 

Obgleich  der  PrimÀraffekt  hÀufig  gar  nicht  zu  finden  ist, 
gilt  er  doch  allgemein  als  die  Stelle,  an  welcher  das  lebende 
Virus  sich  vermehrt,  und  von  der  aus  es  auf  dem  Lymph- 
oder Blutwege  den  ganzen  Organismus  ĂŒberflutet.  Nun  kann 
man  eine  Infektionsstelle  grĂŒndlich  samt  den  zugehörigen 
DrĂŒsen  rezidieren,  ja  bei  dem  ersten  Erscheinen  eines  ver- 
dÀchtigen Fleckchens  den  ganzen  Penis  amputieren  etc.  und 
findet  höchstens  eine  Verzögerung  der  spÀteren  Krankheits- 
symptome.   Coupiert  wird  die  Syphilis  nicht. 

FĂŒr  diese  auffallende  Erscheinung  haben  wir  ein  wun- 
dervolles Analogon  in  der  Infektion  mit  Kuhpockenvirus. 

Vor  nunmehr  hundert  Jahren  sagte  Eichhorn  von 
derselben:  „Bei  keinem  Exanthem  haben  wir  alles  so  in  un- 
serer Hand,  als  bei  den  Kuhpocken;  —  ist  bei  diesen  alles 
genau  aufgeklÀrt,  so  wird  es  leicht  sein,  nach  der  Analogie 
auf  die  ĂŒbrigen  Exantheme  zu  schließen." 

Viele  Forscher  haben  diesen  Gedanken  weiter  verfolgt. 
Bald  nach  der  Impfung  wurde  die  Impfstelle  ausgeschnitten, 
so  daß  keine  Lokalentwicklung  möglich  war,  die  regionĂ€ren 
LymphdrĂŒsen  wurden  entfernt,  das  Kuhpockenvirus  mit 
steriler  Hohlnadel  tief  ins  Gewebe  gespritzt,  und,  um  sicher 
die  Hautinfektion  auszuschließen,  zunĂ€chst  die  Haut  durch- 
trennt und  erst  nach  der  Injektion  wieder  vereinigt;  sogar 
wurde  das  Virus  direkt  in  die  Vena  jugularis  eingespritzt  etc. 
und  doch  wurde  Impfschutz  erreicht  resp.  Reaktionserschei- 
nungen an  den  fĂŒr  die  einzelnen  Tierarten  charakteristischen 
Stellen  ausgelöst.  Beim  Pferde  wurde  nach  der  Impfung, 
vor  Auftreten  der  hors  pox  Blut  entnommen  und  einem  ande- 
ren in  die  Blutbahn  eingespritzt,  und  dadurch  der  Pferde- 
pockenausschlag  erzielt.  Eins  blieb  dabei  auffallend:  WĂ€h- 
rend bei  normaler  Hautimpfung  schon  nach  acht  Tagen 
Impfschutz  erreicht  wurde,  dauerte  es  in  solchen  Versuchen 
2  bis  3  Wochen,  bis  eine  Kontrollimpfung  sich  nicht  mehr 
entwickelte. 

Bei  solchen  Versuchen  kann  von  einer  Neubildung 
des  Virus  in  der  Impfstelle  kaum  die  Rede  sein.  Von  der 
Rinderpest  berichtet  R  a  u  p  o  c  h ,  daß  schon  7  bis  12  Stunden 
nach  subkutaner  Injektion  der  Impfmaterie  die  charakteristi- 
schen Bakterien  im  Nasenschleim  und  im  Blut  nachweisbar 
sind.  Nach  24  Stunden  konnte  er  mit  dem  so  neugewonne- 
nen Infektionsstoff  weitere  Versuchstiere  mit  Erfolg  impfen. 
Die  febrilen  und  sonstigen  Reaktionserscheinungen  treten  erst 
nach  5  bis  7  Tagen  ein.  Hier  kann  doch  nur  das  Blut  selbst 
als  der  Ort  angenommen  werden,  wo  sich  das  lebendige  Virus 
vermehrt. 

Bei  der  Syphilis  kennen  wir  einen  Impfschutz  im  Sinne 
des  Pockenschutzes  nicht,  aber  analogische  Betrachtung 
zwingt  zu  der  Möglichkeit,  daß  die  Luesinfektion  auch  in 
erster  Linie  eine  Blutinfektion  ist,  und  alle  Hauterscheinun- 
gen, den  PrimÀraffekt  einbegriffen,  Reaktionserscheinungen 
gegen  die  Allgemeininfektion  sind. 

In  ewiger  RegelmĂ€ĂŸigkeit  sehen  wir  bei  Einimpfung  der 
Kuhpocken,  um  die  Haupterscheinungen  hervorzuheben, 
1.  die  Papel,  2.  das  BlÀschen,  3.  die  Eiterpustel;  und  bei  der 
Syphilis  1.  den  papulösen  PrimÀraffekt,  2.  seine  nÀssende 
OberflÀche  mit  Versuchen  einer  BlÀschenbildung,  3.  einen 
bald  oberflÀchlichen,  bald  sehr  in  die  Tiefe  gehenden  ulze- 
rösen Zerfallprozeß.  Das  Endstadium  ist  in  beiden  Infektio- 
nen die  fĂŒr  jeden  Infektionsprozeß  spezifische  Narbe. 

Hier  haben  wir  rein  biologische  VorgÀnge  vor  uns,  die 
eng  mit  der  ImmunitÀtsentwicklung  zusammenhÀngen.  Eine 
Wirkung  von  Immunkörpern,  Antigenen,  Toxinen,  Anti- 
toxinen sehen  wir  nicht. 


40.  Jahrs.  —  Nr.  13. 


Nourney:  [mmunbiologie  der  Syphilis 


203 


Bei  dem  Kuhpockenausschlag  können  wir  sicher  nach- 
weisen, daß  rein  biologische  KrĂ€fte  die  Ursache  der  Erschei- 
nungsformen sind.  Eichhorn  hatte  schon  beobachtet,  daß, 
wenn  man  einem  E  r  s  t  vakzinierten  zur  Zeit  der  BlÀschen - 
bildung  eine  oberflÀchliche  Hauttasche  ohne  Blutung  mit 
einer  zu  einer  Impfung  nie  gebrauchten  Lanzette,  entfernt  vom 
Kinimpfungsort,  bildet,  dieselbe  mit  abimpfbarer  Lymphe  sich 
fĂŒllen  kann  und  das  kĂŒnstliche  BlĂ€schen  mit  der  Urpustel 
entsprechend  sich  weiter  entwickelt.  Sodann:  eine  Nach- 
impfung, also  Superinfektion,  im  Entwicklungsstadium  des 
UrblÀschens  hat  keine  eigene  Zeitfolge,  sondern  richtet  sich 
ganz  nach  der  zuerst  gemachten  Impfstelle  und  holt  sie  bis 
zum  Endstadium  völlig  ein.  Weiter:  v.  Pirquets  vak- 
zinale  Allergiereaktion  nach  Ablauf  der  erfolgreichen.  Imp- 
fung wird  ebenso  mit  durch  Erhitzen  abgetöteter  Pocken - 
lymphe  ausgelöst,  wie  durch  frisches  Virus.  Dies  alles  be- 
weist, daß  die  Lokalreaktionen  vom  infizierten  Organismus 
und  nicht  von  dem  infizierenden  Virus  ausgehen. 

In  Horn 's  Archiv  1826  schreibt  Eichhorn:  „Auf  dem 
Wege  der  Erfahrung  wissen  wir,  daß  das  Kuhpockenkonta- 
gium  nicht  in  der  Pustel,  als  Afterorganisation  betrachtet,  ge- 
bildet wird,  sondern,  daß  die  Bildung  im  Innern  des  ganzen 
Organismus  vor  sich  geht.  Daß  nur  ein  Teil  des  im  Innern 
gebildeten  Kontagiums  mit  der  Lymphe  in  die  Pustel  abge- 
sondert wird,  und  daß  die  Pustel  weiter  keinen  Einfluß  auf 
die  Bildung  des  Kontagiums  hat,  als  daß  sie,  oder  vielmehr 
die  zu  derselben  fĂŒhrenden  GefĂ€ĂŸe,  das  AbsonderungsgeschĂ€ft 
besorgt,  und  daß  sie  einen  schnelleren  Uebergang  aus  dem 
arteriellen  in  das  lymphatische  GefĂ€ĂŸsystem  vermittelt." 

Können  wir  solche  immunbiologische  VorgĂ€nge  auch  fĂŒr 
die  Syphilis  nachweisen?  Es  ist  eine  Tatsache,  daß  gerade 
im  nÀssenden  Stadium,  analog  dem  BlÀschenstadium  der 
Kuhpocken,  der  PrimÀraffekt  von  SpirochÀten  wimmelt  und 
zur  Infektion  am  gefÀhrlichsten  ist.  Eine  krÀftige  Salvarsan- 
injektion  lĂ€ĂŸt  nur  noch  wenige  SpirochĂ€ten  in  der  Initial- 
sklerose zurĂŒck.  Warum?  Daß  die  SpirochĂ€ten  direkt  durch 
das  Salvarsan  vernichtet  werden,  glaubt  aufrichtigen  Herzens 
niemand  mehr.  Chemobiologische  VorgÀnge  nimmt  man  zu 
Hilfe.  Bei  der  Vakzine  wissen  wir,  daß  die  seröse  Absonde- 
rung zu  den  immunbiologischen  Erscheinungen  gehört;  vom 
Salvarsan  wissen  wir,  daß  unter  UmstĂ€nden  im  prodromal- 
latenten  Stadium  der  FrĂŒhsyphilis  jede  Lokalreaktion  unter- 
drĂŒckt werden  kann,  ohne  daß  dadurch  die  Infektion  aufge- 
hoben ist.  Könnte  das  Verschwinden  der  SpirochÀten  nicht 
eine  Folge  der  UnterdrĂŒckung  einer  immunbiologischen  Bak- 
terienausscheidung  sein?  Gilt  nicht  jetzt  schon  die  HĂ€ufig- 
keit der  Neurolues  nicht  als  eine  direkte  SchÀdigung  durch 
die  SpirochÀten,  sondern  als  Folge  einer  Störung  immun- 
biologischer VorgÀnge? 

Die  Chemotherapie  bekÀmpft  die  SpirochÀten  und  beur- 
teilt den  Erfolg  des  Kampfes  nach  dem  Schwinden  der  Sy- 
philissymptome. Dem  Immuntherapeuten  sind  die  Loka  l  - 
reaktionen  mindestens  Wahrzeichen  einer  Selbstimmunisie- 
rung. Die  Tatsache,  daß  in  gesetzmĂ€ĂŸiger  RegelmĂ€ĂŸigkeit 
eine  Reaktionsart  aus  einer  anderen  hervorgeht,  gibt  ihnen 
auch  fĂŒr  die  Immunbiologie,  als  Selbsthilfe  gegen  die  ur- 
sĂ€chlichen Bakterien,  eine  noch  grĂ¶ĂŸere  Bedeutung.  Sie  ,zu 
unterdrĂŒcken  wĂ€re  gleichbedeutend  mit  einem  Verzicht  auf 
die  Immun -Selbstheilung.  ■  Und  doch  wird  der  Immun - 
SchwÀrmer  bei  den  anaphylaktischen  Reaktionsformen,  wo 
direkte  OrganschÀdigung  oder  Lebensgefahr  mit  der  Ent- 
wicklung von  Reaktionen  an  unliebsamem  Ort  verbunden 
ist,  die  akute  Hilfe  der  spezifischen  Chemotherapie  annehmen. 
Aber  dann  ist  solcher  Eingriff  nur  ein  Wechsel,  ausgestellt 
auf  KörperkrÀfte,  der  möglichst  bald  wieder  eingelöst  wer- 
den muß. 

■  Schwer  hat  mich  die  Frage  bedrĂ€ngt,  ist  es  erlaubt,  bei 
so  verschiedenen  Infektionen  wie  Lues  und  Kuhpocken  so 
eingreifende  AnologieschlĂŒsse  zu  ziehen.  Hier  bin  ich  nun  der 
Eigenblutbehandlung  sehr  dankbar.  Sie  hat  mir  bei  der  Be- 
handlung der  Syphilis  ihre  Doppelnatur,  einmal  ein  thera- 
peutisches und  zugleich  ein  diagnostisches  Hilfsmittel  zu 
sein,  glÀnzend  bewÀhrt. 


Doch  zuvor  möchte,  ich  kurz  auf  den  augenblicklichen 
Stand  der  ImmunitÀtsfrage  bei  der  Syphilis  eingeben. 

Die  Entdeckung  der  Spirochaeta  pallida  fiel  in  die  Zeit 
der  höchsten  BlĂŒte  der  Serumbehandlung.  Bedeutende  MĂ€nner 
gaben  sich  sofort  an  die  Arbeit,  auch  fĂŒr  die  Syphilis  ein 
Heilserum  zu  schaffen,  doch  „mit  Bedauern"  nahmen  sie  von. 
solchen  Versuchen  Abstand,  sie  hatten  nur  Mißerfolge.  Mit 
Bedauern,  —  denn  sie  fĂŒhlten,  daß  nur  durch  ein  organisches 
Serum  die  Syphilisinfektion  zu  heilen  sei.  Damals  galten 
noch  sÀmtliche  nachweisbaren  Krankheitssymptome  als 
SchÀdigungen  durch  die  Bakterien  und  nicht  als  ImmunitÀts- 
reaktionen eines  sich  selbst  schĂŒtzenden  Organismus. 

So  viel  ich  weiß,  hat  nur  Professor  Query  in  Paris 
—  nicht  an  der  medizinischen  FakultĂ€t,  —  diese  hatte  auch 
eine  Syphilisserumtherapie  abgelehnt  —  sondern  in  eigenem 
Laboratorium  die  schier  hoffnungslose  Frage  weiter  verfolgt 
und  glaubt  in  seinem  Query-Serum  ein  Heilmittel  gefunden 
zu  haben.  Dies  wird  gewonnen  aus  dem  Blut  kynozephaler, 
in  wildem  Zustand  eingefangener  Affen,  oder  jetzt  auch  von 
Pferden,  welche  mit  spezifischen  Toxinen  eingespritzt  wer- 
den, mit  Ausschluß  jedes  mikrobischen  Keims.  Dadurch 
kann  dies  Serum  unbedenklich  jedem  Kranken,  auch  einem 
Nichtsyphiliker  eingespritzt  werden.  Durch  Zusatz  von 
Guayakol  ist  es  unbegrenzt  haltbar. 

Das  Serum  wird  in  Ampullen  zu  2  g  versandt.  Bei  Er- 
wachsenen werden  25  Ampullen  hintereinander,  je  eine  am 
Tage,  eingespritzt.  Bei  Kindern  weniger,  bei  SĂ€uglingen  aber 
noch  10  Ampullen. 

Die  biologischen  Wirkungen  desselben  auf  den  Kranken 
sind  folgende: 

1.  Auf  das  Blut:  Bei  jedem  PrimÀr-Syphilitiker  ist  an- 
fangs die  Zahl  der  roten  Blutkörperchen  stets  unter  der 
Norm.  Schon  nach  den  ersten  Injektionen  wird  die  Norm 
erreicht,  und  mit  ihr  schwinden  Blutarmut  und  SchwÀche. 

2.  Auf  die  Urinausscheidung:  Beim  PrimÀr-Syphilitiker 
besteht  ein  bedeutendes  Schwanken  in  der  Ausscheidung  mi- 
neralischer und  organischer  Substanzen.  Das  Serum  bewirkt 
schnelle  RĂŒckkehr  zur  Norm,  besonders  in  der  Ausscheidung 
der  Phosphate.  Eiweiß  tritt  nie  auf. 

3.  Eine  therapeutische  Wirkung  tritt  bald  rasch,  bald 
langsam  aur.  Bei  chronischen  nervösen  FÀllen,  auch  bei 
hereditÀrer  Lues  soll  eine  Einwirkung  schon  nach  der  ersten 
Injektion  so  deutlich  sein,  wie  die  Wirkung  nach  einer  Mor- 
phium- oder  Koffeininjektion.  Bei  frischen  luetischen  Er- 
scheinungen tritt  die  Heilwirkung  spÀtestens  nach  der  zehn- 
ten Einspritzung  ein. 

Nach  25  Injektionen  ist  die  Kur  beendet  und  wird  keines- 
falls vor  einem  Jahre  erneuert.  Jedes  Vierteljahr  wird  das 
Blut  auf  Wassermann -Reaktion  untersucht.  ZunÀchst  ist 
diese  stark  positiv;  von  Vierteljahr  zu  Vierteljahr  nimmt  sie 
ab,  aber  nach  einem  Jahre  soll  sie  fast  immer  negativ  sein. 
Die  Krankheitserscheinungen  verschwinden  in  dieser  Zeit  all- 
mĂ€hlich. Ihnen  gegenĂŒber  verlangt  Query:  patience  und 
confience,  Geduld  und  Vertrauen. 

Ist  die  Wassermann -Reaktion  einmal  negativ,  so  wechselt 
dieselbe  nicht  wieder.  Der  Kranke  ist  endgĂŒltig  geheilt.  Nun 
kann  Syphilis  neuerdings  erworben  werden,  doch  ist  eine  Re- 
infektion weniger  virulent  und  der  negative  Wassermann 
schneller  zu  erzielen,  meist  schon  nach  10  Injektionen. 

Nach  der  6.  oder  7.  Injektion  tritt  öfter  eine  Serumreak- 
tion in  Form  einer  Urtikuria  auf,  die  schadlos  nach  2 — 3  Ta- 
gen verschwindet.  Sie  hat  mit  Anaphylaxie  nichts  gemein. 
Bei  Fortsetzung  der  Kur  tritt  sie  nicht  wieder  auf. 

Der  Ort  der  Einspritzung  ist  ganz  gleichgĂŒltig.  Gewebe, 
Blutbahn,  RĂŒckenmarkskanal  usw.  Zwischen  Quecksilber, 
Arsenik  und  Serumbehandlung  muß  eine  Zeitspanne  von  3 
bis  4  Wochen  eingeschaltet  werden,  da  diese  Verfahren  sich 
gegenseitig  ausschließen. 

Verschiedene  deutsche  Aerzte  haben  diese  Methode  genau 
befolgt  und  die  Angaben  Ouery 's  bestÀtigt.  Eine  deutsche 
Klinik  hat  noch  nicht  in  dieser  Frage  geurteilt.  Eigene  Ver- 
suche habe  ich  nicht  gemacht,  da  das  Serum  fĂŒr  meine  Ver- 


294 


Nourney:  Immunbiologie  der  Syphilis 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


hĂ€ltnisse  zu  teuer  ist;  augenblicklich  kostet  das  fĂŒr  eine  Kur 
notwendige  Serum  20  000  M. 

Query  glaubt  bei  Herstellung  seines  Serums  spezifische 
Toxine  zu  gewinnen  und  diese  direkt  oder  indirekt  zur  Hei- 
lung der  Syphilis  zu  verwerten;  sogar  meint  er,  daß  die  ver- 
schiedenen Krankheitsformen  durch  Umwandlungen  der 
SpirochÀten  hervorgerufen  seien  und  legt  deshalb  Wert  dar- 
auf, daß  SpirochĂ€ten  aus  den  verschiedensten  Luesformen  zur 
Toxinbildung  gezĂŒchtet  werden.  7 — 8  verschiedene  Formen 
will  er  beobachtet  haben.  Somit  entfernt  er  sich  noch  weit 
von  dem  immunbiologischen  Standpunkt,  der  in  den  ver- 
schiedenen Krankheitserscheinungen  nur  Reaktionserschei- 
nungen eines  in  verschiedenem  Grade  immun  geÀnderten  Or- 
ganismus sieht,  doch  bestÀtigen  seine  Erfolge  eine  Immun - 
biologie  der  Syphilis. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  meiner  Lehrmeisterin  fĂŒr  die 
Immunbiologie  der  Syphilis,  der  Eigenblutbehandlung.  Die 
Entwicklungsgeschichte  lehrt,  daß  das  Blut  aus  dem  mittle- 
ren Keimblatt  sich  bildet.  Die  sichtbaren  spezifischen  Re- 
aktionen gegen  eine  Infektion  finden  wir  in  den  Gebilden, 
welche  in  dem  Ă€ußeren  Keimblatt  ihre  Uranlage  haben. 
Weist  dies  nicht  auf  die  Möglichkeit  hin,  daß  die  Lokal- 
reaktionen ihre  spezifische  Entwicklungsform  einer  ferment- 
Ă€hnlichen Einwirkung  durch  die  Bakterien  verdanken.  Die 
Tatsache  der  immunbiologisch  zeitlich  gleichartig  verlaufen- 
den Reaktionen  auf  den  verschiedensten  Gebilden  des  Ă€ußeren 
Keimblattes  lĂ€ĂŸt  bei  solchen  spezifisch  bakteriellen  Prozessen 
an  die  Bildung  von  Hormonen  denken.  Die  gewissermaßen 
unendliche  Wirkung  der  Fermente,  die  wunderbar  regulie- 
rende TĂ€tigkeit  der  Hormone  glaube  ,  ich  durch  eine  Ein- 
spritzung von  1 — 2  g  Eigenblut  in  TĂ€tigkeit  gesetzt  zu  haben, 
als  ich  vor  drei  Jahren  nach  dem  Kursus  des  Herrn  Professor 
H  ĂŒ  b  n  e  r  ĂŒber  „die  BekĂ€mpfung  der  Geschlechtskrank- 
heiten" in  kurativem  Sinne  einigen  chronischen  Syphilitikern 
ihr  eigenes  Blut  ins  subkutane  Zellgewebe  injizierte.  Bei  der 
damaligen  VorfĂŒhrung  einer  intravenösen  Salvarsanein- 
spritzung  fiel  mir  die  akute  FarbenverÀnderung  des  dunklen 
Venenblutes  bei  dem  Einströmen  in  die  Salvarsanlösung  auf. 
Es  war  dieselbe  Farbe,  welche  die  Detritusmassen  der  Arsen- 
depots bei  intramuskulÀrer  Salvarsaninjektion  noch  nach 
mehreren  Wochen  aufwiesen,  wie  es  Prof.  Orth  1910  in  Kö- 
nigsberg demonstriert  hatte.  Konnte  nicht  die  akute  Wirkung 
der  Injektionen  mit  dieser  BlutverÀnderung  zusammen- 
hÀngen? Um  diese  Frage  zu  lösen,  machte  ich  die  erste  Blut- 
einspritzung und  erhielt  ein  gleichartiges  Heilresultat  bei  den 
chronischen  Reaktionsformen,  wie  bei  der  Arsendepot- 
behandlung. 

Mancher  Spezialist  hat  diese  Versuche  nachgemacht, 
aber  die  Heilresultate  zu  wenig  eindeutig  gefunden,  um  die 
Methode  als  eine  Heilmethode  anerkennen  zu  können.  Ganz 
natĂŒrlich.  Der  Sexualspezialist  war  gewohnt,  die  Symptome 
der  Syphilis  zu  behandeln,  als  Immuntherapeut  wollte  ich 
die  Naturheilung  der  Krankheitsursache  fördern.  Der  Spe- 
zialist konnte  mit  der  Chemotherapie  sein  Ziel  hÀufig  schnel- 
ler erreichen.  Der  Immuntherapeut  braucht  Geduld,  doch 
hat  er  zur  ImmunitĂ€t  das  Vertrauen,  daß  sie  bei  frischen 
Infektionen  nach  Durchlauf  der  einzelnen  Entwicklungsgrade 
einer  gesetzmĂ€ĂŸigen  ImmunitĂ€tsskala  auch  die  sichtbaren 
spezifischen  Gewebsstörungen  beseitigt.  ‱  In  chronischen  FĂ€l- 
len sah  ich  nach  nur  einer  Eigenbluteinspritzung  so  ver- 
blĂŒffende Erfolge,  daß  das  Vertrauen  zur  immunbiologischen 
Heilwirkung  stetig  zunahm. 

Ich  weiß,  daß  nach  Einspritzung  artfremden  Eiweißes, 
sogar  vieler  Kaseine,  Peptone,  Fette,  Terpine  usw.  Àhnliche 
akute  Wirkungen  beobachtet  werden,  doch  schien  mir  der 
Erfolg  nach  Einspritzung  von  Eigenblut  viel  vollkommener 
und  besonders  viel  schmerzloser,  so  daß  ich  sogar  auf  die 
Möglichkeit  einer  spezifischen  Eigenblutwirkung  auch  bei  an 
sich  nicht  spezifischen  Injektionen,  das  Query-Serum  einge- 
schlossen, gekommen  bin.  LĂ€ĂŸt  sich  doch  ĂŒberhaupt  keine 
Einspritzung  ohne  Blutung  ins  Gewebe  machen. 

Zur  Zeit  der  Einspritzung  des  Salvarsans  ins  Gewebe 
wies  Prof.  Orth  schon  1910  in  Königsberg  darauf  hin,  daß 


in  den  dadurch  gebildeten  Arsendepots  soviel  Arsen  gebun- 
den wurde,  daß  fĂŒr  eine  „Therapia  sterilisans  magna"  kaum 
mehr  etwas  ĂŒbrig  blieb.  Könnten  die  damaligen,  trotzdem 
erstaunlichen  Heilungen  nicht  auch  zum  Teil  auf  Konto 
Eigenblut  gesetzt  werden? 

Query 's  Heilserum  hat  seine  schönsten  und  schnell- 
sten Heilerfolge  bei  chronischer  SpÀtsyphilis  gehabt,  soweit 
noch  keine  irreparablen  OrganverÀnderungen  vorhanden 
waren.  Ganz  dieselben  Erfahrungen  habe  ich  mit  dem  Eigen- 
blut gemacht.  Alte  desorganisierten  Gehirn  und  RĂŒcken - 
marksverÀnderungen  werden  nicht  wieder  hergestellt,  aber 
neuauftretende  Störungen  werden  oft  momentan  gebessert. 
So  habe  ich  Sprachstörungen,  Gehstörungen,  NervenlÀhmun- 
gen, Nervenschmerzen,  Kopfschwindel  usw.  oft  momentan 
recht  gĂŒnstig  beeinflußt,  nicht  seltener  nach  vorĂŒbergehender 
Verschlimmerung.  Der  Einwurf,  solche  ZustÀnde  können 
auch  von  selbst  heilen,  störte  mich  nicht.  Eine  solche  FĂŒlle 
von  Naturheilungen  war  kein  Zufall. 

Doch  es  sollte  noch  schlunmer  kommen.  Frauen,  die 
frĂŒher  regelmĂ€ĂŸig  abortierten,  haben  gesunde  Kinder  zur 
Welt  gebracht!  NatĂŒrlich  habe  ich  auch  noch  faultote  Kin- 
der erlebt,  dann  handelte  es  sich  um  akute  FĂ€lle;  aber  die 
schnelle  Genesung,  das  spĂ€tere  blĂŒhende  Aussehen  der  Pa- 
tientinnen, blieb  auffallend.  In  einer  Ehe  habe  ich  nach 
vielen  Aborten  die  Schwangerschaftsblutungen  mit  drohen- 
dem Abort  schon  zweimal  mit  Eigenblut  geheilt  und  zweimal 
ein  gesundes  Kind  erlebt.  Das  erste  reagierte  nach  Wasser- 
mann positiv  im  Nabelvenenblut,  doch  blieb  das  jetzt  zwei- 
jĂ€hrige Kind  völlig  gesund.  Ein  jĂŒngster  Fall  schien  mir 
besonders  fĂŒr  die  immunbiologische  Wirkung  des  Eigen - 
blutes  zu  sprechen.  Nach  einer  faultoten  FrĂŒhgeburt  und 
darauffolgendem  Abort  war  die  Frau  im  dritten  Jahre  ihrer 
Ehe  wieder  schwanger.  Der  drohende  erneute  Abort  wurde 
im  dritten  Monat  aufgehalten  durch  eine  Eigenblutinjektion. 
Im  7.  Monat  traten  nochmals  starke  Störungen  auf.  Das  Kind 
lebte.  Ich  machte  im  Hause  der  Patientin  —  zu  mir  konnte 
sie  wegen  SchwĂ€che  durch  Blutverlust  nicht  kommen  —  eine 
zweite  Einspritzung.  Placenta  praevia  lag  nicht  vor.  Ich 
hoffte  auch  auf  das  Kind  einen  segensreichen  Einfluß  aus- 
zuĂŒben. Nach  14  Tagen  erfolgte  ohne  Kunsthilfe  die  Geburt 
eines  eigenartig  blÀulich  gefÀrbten  Kindes.  Es  war  6  Wochen 
zu  frĂŒh  geboren  und  hatte  doch  ein  ganz  anderes  Aussehen, 
als  wie  ein  asphyktisches  Kind.  Ich  hatte  wenig  Hoffnung 
fĂŒr  sein  Leben.  Aber  in  wenigen  Tagen  erholte  sich  das  Kind 
vollstĂ€ndig  an  der  Brust  der  glĂŒcklichen  Mutter,  so  daß  auch 
die  Syphilis  fĂŒrchtende,  erfahrene  Hebamme  ganz  verdutil 
war. 

Im  ĂŒbrigen  erlebte  ich  bei  Wundheilungsstörungen  und 
zum  Teil  recht  ausgedehnten  GeschwĂŒrsbildungen  bei  alten 
Syphilitikern  momentan  nach  einer  Einspritzung  völlige 
Wendung  zum  Bessern  und  auffallend  schnelle  Heilung.  Die 
schmerzhaften  Schrundenschmerzen  bei  Psoriasis  luetica 
plantaris,  die  gleichwertigen  Halsschmerzen  sah  ich  geradezu 
verblĂŒffend  heilen,  wie  sie  in  der  Zeit  der  .  intramuskulĂ€ren 
Arsenanwendung  diesem  chemotherapeutischen  Mittel  so 
plötzlich  einen  Weltruf  verschafften. 

Frische  luetische  Erkrankungen  kommen  nur  selten  in 
die  Behandlung  des  medicus  rusticus.  FĂŒr  die  Immunbiolo- 
gie der  Syphilis  war  mir  die  Beobachtung  wichtig,  daß  eine 
beginnende  papulöse  Bildung  des  PrimÀraffekts  bei  einer  Re- 
infektion sofort  zur  RĂŒckbildung  kommt.  Auf  ihm  entsteht 
nach  der  Einspritzung  eine  pustulöse  Bildung,  unter  der  er 
völlig  innerhalb  3 — 4  Wochen  verschwindet.  Daß  dieses  keine 
Herpesformen  waren,  ist  mir  sicher.  Dazu  kommt  die  un- 
beeinflußte Angabe  der  Patienten,  die  Einspritzung  habe 
mÀchtig  gewirkt,  sie  seien  am  folgenden  Tage  in  allen 
Knochen  wie  zerschlagen  gewesen. 

Auch  bei  einer  Erstinfektion  hört  die  Weiterentwicklung 
des  sonst,  ja  schnell  wachsenden  Schankers  auf,  es  folgen  in 
kĂŒrzerer  Zeit  die  supperativen  Erscheinungen,  die  Heilungs- 
dauer wird  bei  nur  lokaler  Weiterbehandlung  entschieden  ab- 
gekĂŒrzt. Die  erwartete  Roreola  blieb  aus.  Nicht  selten  habe 
ich  bei  nicht  auffindbarem  PrimÀraffekt  eine  riesige  Ver- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Mi  nun   Uebcr  „Styptural" 


295 


mehrung  und  VergrĂ¶ĂŸerung  vorhandener  Roreolaflecke  be- 
obachtet oder  bei  ihrem  Fehlen  dieselben  geradezu  provoziert. 
Bei  etwas  Ă€lteren  Formen  mit  vorwiegender  DrĂŒsenschwel- 
lung sah  ich  psoriatische  Formen  des  Allgemoinausschlagcs 
nach  der  Einspritzung  plötzlich  auftreten.  Psoriasis  ist  mir 
eine  Pyodermie,  also  eine  spÀtere  Reaktionsform  auf  der  Im- 
munitÀtsskala. Ein  Patient  konnte  hinterher  aus  einzelnen 
psoriatischen  Flecken  geradezu  Eiter  herausdrĂŒcken.  Die 
Weiterbehandlung  aller  purulenten  Hautleiden  erfolgt  weiter- 
hin nur  mit  Sonnenlicht,  kĂŒnstlicher  Höhensonne  und 
schwachen  Röntgenstrahlen.  Damit  beabsichtige  ich  nicht 
die  SpirochÀten  zu  vernichten,  sondern  die  immunbiologi- 
schen  VorgÀnge  weiter  anzuregen. 

Eine  Forcierung  der  RĂŒckbildung  durch  hĂ€ufige  Gaben 
von  Eigenblut  ist  nicht  möglich,  auch  ein  Beweis  dafĂŒr,  daß 
wir  es  in  der  Immunbiologie  mit  vitalen  VorgÀngen  zu  tun 
haben,  die  Zeit  fĂŒr  ihre  Ausbildung  beanspruchen.  Vor  vier 
Wochen  wiederhole  ich  jetzt  keine  Einspritzung.  Ich  habe 
frĂŒher  niemals  so  viele  purulente  Hautaffektionen  bei  Syphi- 
lis gesehen,  wie  jetzt  bei  der  Eigenblutbehandlung.  Durch 
lebhafte  Krustenbildung  können  solche  sogar  auffallend  den 
mit  einer  hutförmigen  Kruste  geschĂŒtzten  Frambosia  tropica 
Granulationen  Àhneln.  Diese  biologischen  Umformungen 
stĂŒtzten  noch  mehr  die  Wahrscheinlichkeit,  daß  purulente 
Reaktionsformen  einem  Schlußstadium  in  der  ImmunitĂ€ts- 
enjwickelung  angehören.  Gerade  aus  diesem  Grunde  bilden 
sie  dann  ein  besonders  dankbares  Gebiet  fĂŒr  rasche  End- 
heilung  durch  eine  die  KörperkrÀfte  anregende  Lichtbehand- 
lung. 

Geduld  und  Vertrauen!  Beides  ist  bei  der  Immuntherapie 
der  Lues  notwendig,  aber  beides  wÀchst  bei  einer  verstÀnd- 
nisvollen Behandlung  der  armen  Syphilitiker! 

Bei  chronischen  Infektionsarten  hatte  ich  meine  ersten 
glÀnzenden  Augenblickserfolge  gehabt.  Auch  bei  der  Syphi- 
lis zeigten  die  SpÀtformen  sofortige  Einwirkungen,  die  mit 
dem  Worte  „Heilung"  bewertet  werden  konnten.  Bei  der 
FrĂŒhsyphilis  mĂŒssen  erst  ImmunkrĂ€fte  sich  steigern.  Wich- 
tig ist  es,  daß  die  Krankheitssymptome  Wahrzeichen  ihrer 
Bildung  sind  und  diese  durch  Eigenblut  schneller  zu  höherer 
Vollkommenheit  gesteigert  werden  können.  Da  ist  mir  denn 
die  fast  regelmĂ€ĂŸige  gewaltige  VerĂ€nderung  im  Allgemein- 
befinden nach  kurzer  Allgemeinreaktion  wichtig.  Wie  nach 
ĂŒberstandener  Krise  bei  sonstigen  Infektionen  leben  die  Kran- 
ken neu  auf,  ohne  daß  eine  suggestive  Wirkung  anzu- 
nehmen ist. 

Solche  Erfolge  stÀrken  das  Vertrauen  zur  ImmunitÀt.  Die 
Zeit  wird  lehren,  welche  Heilmethode,  die  chemisch-biolo- 
gische oder  die  immun-biologische,  oder  ob  die  Vereinigung 
beider  die  ersehnte  Dauerheilung  der  Syphilis  bringen. 

Zum  Schluß  noch  eine  Analogie.  Schon  1910  war  ich 
davon  ĂŒberzeugt,  daß,  wenn  Virchow  noch  gelebt  hĂ€tte, 
E  h  r  1  i  c  h  s  Heil  m  e  t  h  o  d  e  ebenso  schnell  gestĂŒrzt  worden 
wÀre,  wie  1891  die  Koch'sche  Heilmethode  mit  Tuber- 
kulin. Beide  Spritzmethoden  erreichten  ihr  Ziel:  eine  direkte 
Vernichtung  der  ursĂ€chlichen  Bakterien  —  nicht,  weil  sie  der 
Natur  nicht  das  gaben,  was  der  Natur  ist!  Daher  der  Ba- 
zillen Rache!  Die  immunbiologischen  Gesetze  auch  auf  die 
Tuberkulose  ĂŒbertragen,  werden  dem  jetzt  herrschenden  Tu- 
berkulin-Wirrwarr  ein  Ende  machen  und  die  Hoffnungen 
Kochs  erfĂŒllen.  Möge  auch  der  Traum  E  h  r-1  i  c  h  s  durch 
die  BerĂŒcksichtigung  der  Immunbiologie  der  Syphilis  in  Er- 
fĂŒllung gehen. 


Aus  der  Privat-Frauenklinik  von  San. -Rat  Dr.  Roll. 

lieber  „Styptural** 
In  der  gynÀkologischen  Praxis. 

Von  Dr.  Walter  Braun  in  Berlin. 

Seit  einigen  Jahren  macht  sich  immer  mehr  das  Be- 
streben bemerkbar,  den  durch  den  Krieg  hervorgerufenen 
Mangel  an  ebenso  teueren  wie  schwer  zu  beziehenden  aus- 
lÀndischen Drogen  durch  möglichst  gleichwertige,  aus  ein- 


heimischen Pflanzen  hergestellte  Medikamente  zu  ersetzen 
Auf  den  verschiedensten  Gebieten  der  Arzneimittel  sucht  die 
deutsche  pharmazeutische  Industrie  dieses  Ziel  zu  erreichen 
und  bei  einer  nicht  geringen  Anzahl  ist  ihr  Streben,  Deutsch- 
land vom  auslÀndischen  Drogenmarkte  immer  unabhÀngiger 
zu  machen,  bereits  von  Erfolg  begleitet. 

Hierher  gehört  aus  der  wichtigen  Gruppe  der  Hae- 
mostryptica  die  Verarbeitung  der  Capsella  Bursa  Pastoris 
(HirtentÀschelkraut),  einer  Pflanze,  die  schon  in  alten  Zeiten 
als  blutstillendes  Mittel  bekannt  war.  (Dioscorides,  Cains 
Plinius  Secundus,  Brunfels,  Matthiolus  u.  a.  m.) 

Die  Firma  E.  Tosse  &  Co.  in  Hamburg  hat  das  Ver- 
dienst, als  erste  ein  PrÀparat  der  Capsella  Bursa  Pastoris 
herausgebracht  zu  haben,  das  in  seiner  Wirkung  als  Hae- 
mostypticum  vollkommen  gleichwertig  neben  die  Secale- 
und  HydrastisprÀparate  gestellt  werden  kann.  Es  handelt 
sich  um  „Styptural"  („Stypturalum  liquidum"),  das  durch 
ein  besonders  patentiertes  Perextraktiv-Verfahren  gewonnen 
wird  und  die  weitgehendste  Extraktion  der  PflÀnzendroge 
darstellt,  wie  die  von  Dr.  Cl.  Grimme  angestellten  Unter- 
suchungen ergeben  haben  (Pharm.  Ztg.  54/55,  388/389:  Mit- 
teilung aus  dem  Institut  fĂŒr  angewandte  Botanik,  Hamburg). 
Es  ĂŒbertrifft  danach  an  Extraktivstoffen  um  ein  Bedeutendes 
die  gewöhnlichen  Fluidextrakte  und  gewÀhrleistet  durch  die 
regelmĂ€ĂŸig 'durch  Dr.  Cl.  Grimme,  vom  oben  genannten 
Institut,  vorgenommenen  Gehaltsbestimmungen  eine  stets 
gleichmĂ€ĂŸige  Zusammensetzung.  Das  „Stytural"  kommt  in 
flĂŒssiger  Form  in  Anwendung  (3  mal  tĂ€glich  25—30 
Tropfen);  fĂŒr  intramuskulĂ€re  Injektionen  verwendet  man  die 
Ampullenform  (2  ccm). 

Im  Laufe  eines  Jahres  wurde  das  PrÀparat  sowohl  in 
der  Klinik  als  auch  in  der  Sprechstunde  an  ĂŒber  200  Frauen 
auf  seine  Wirksamkeit  geprĂŒft  und  fĂŒhrte  in  den  aller- 
meisten FĂ€llen  zu  ausgezeichneten,  manchmal  ĂŒberraschen- 
den Erfolgen.  Das  angenehm  bitter  schmeckende  Mittel 
wurde  von  den  Patienten  gerne  genommen;  die  intramus- 
kulÀre Anwendung  nie  als  besonders  schmerzhaft  empfun- 
den. In  keinem  Falle  zeigten  sich  Störungen  von  selten  des 
Magen-Darmkarials,  ebensowenig  von  Seiten  der  Nieren  oder 
des  Allgemeinbefindens,  wie  sie  nach  hÀufigem  Gebrauch 
der  Secale-PrÀparate  hin  und  wieder  beobachtet  werden. 

Im  Folgenden  fĂŒhre  ich  einige  mit  dem  PrĂ€parat  be- 
handelte FĂ€lle  auf,  die  am  Schluß  zusammenfassend  be- 
sprochen werden  sollen. 

Fall  1.  Frau  M.  H.,  42  Jahre  alt  4  Partus,  7  Aborte  in 
kurzen  ZwischenrÀumen.  Wurde  mit  schweren  Blutungen  in  die 
Klinik  eingeliefert.  Letzte  Menses  vor  3  Monaten.  Großer, 
weicher,  etwas  refrovertierter  Uterus.  Adnexe  beiderseits  mĂ€ĂŸig 
geschwollen.  Frucht  und  Placenta  sind  bereits  ausgestoßen.  Die 
Patientin  gibt  an,  bei  jeder  Fehlgeburt  stark  geblutet'  zu  haben, 
wiederholt  sei  sie  tamponiert  worden.  Sie  erhÀlt  3  mal  in  24 
Stunden  je  2  ccm  Styptural  intramuskulÀr.  Die  Blutungen  werden 
schon  nach  der  ersten  Injektion  deutlich  schwÀcher:  nach  einem 
Tage  sistieren  sie  vollstÀndig. 

Fall  2.  F.  K.,  23  Jahre  alte  Arbeiterfrau,  t  Kind,  3  Aborte 
Jedesmal  starke  Blutungen.  Kommt  mit  hoher  Terrmeratur  (39.9°> 
und  seit  4  Tagen  blutend  in  die  Klinik.  Letzte  Menses  vor 
8  Wochen.  Großer,  weicher  Uterus,  Adnexe  deutlich  vergrĂ¶ĂŸert. 
Klinikaufnahme.  Nach  2  Injektionen  Styptural  steht  die  Blutung 
vollstÀndig. 

Fall  3.  32  jÀhrige  Frau  P.  R.,  die  zweimal,  zuletz''  vor 
3  Jahren,  geboren  hat,  seither  2  Aborte.  Klagt  ĂŒber  verstĂ€rkte, 
unregelmĂ€ĂŸige  und  sehr  schmerzhafte  Menses.  Stark  anĂ€mise'-"- 
Frau.  Seit  3  Monaten  blutet  sie  nun  dauernd,  bald  stÀrker,  bald 
schwĂ€cher.  Außerdem  besteht  ein  starker  Ausfluß.  Kindskonf- 
großer  harter  Uterus;  Adnexe  frei.  Die  Patientin  nimmt  3  mal 
tÀglich  30  Tronfen  Styptural.  Die  Blutung  verschwindet  ziomlieh 
rasch.  Das  nÀchste  Unwohlsein  dauert  bei  Anwendung  von 
Styptural  nur  4 — 5  Tage. 

Fall  4.  H.  M.,  34  Jahre  alt,  zuletzt  vor  6  Jahren  geboren 
Das  Unwohlsein  wird  seit  2  Jahren  immer  stÀrker  und  danor' 
in  letzter  Zeit  10  bis  14  Tage.  Die  Patientin  verliert  große  Blut- 
klumpen und  leidet  seit  1  V>  Jahren  an  Herzklopfen  und  Atemnot 
Blaßgelbe  Hautfarbe.  Die  Patientin  nimmt  3  mal  tĂ€glich  30 
Tropfen  Styptural.  Eine  andere  Behandlungsweise  wird  von  ihr 


296 


Standesfragen    und    soziale  Medizin 


10.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


abgelehnt.  Die  Blutung  nimmt'  zusehends  ab  und  ist  nach  10 
Tagen  vollkommen  verschwunden. 

Fall  5.  FrÀulein  R.  S.,  26  jÀhrige  Arbeiterin,  leidet  an  doppel- 
seitiger EierstockentzĂŒndung  mit  starken  Blutungen  und  Schmer- 
zen. Beide  Ovarien  sind  siiark  geschwollen.  Durch  Bettruhe, 
UmschlÀge  und  3  mal  tÀglich  30  Tropfen  Styptural  verschwindet 
die  Blutung  in  einigen  Tagen. 

Fall  6.  36  Jahre  alte  Frau  S.  D.  Hat  fĂŒnfmal  geboren;  gibt 
an,  vor  4  Wochen  eine  Fehlgeburt  (2.  bis  3.  Monat)  gehabt!  zu 
haben.  In  den  ersten  Tagen  habe  die  Blutung  nachgelassen,  sei 
aber  nach  etwa  10  Tagen  wieder  stark  aufgetreten.  Seitdem 
besteht  fast  dauernd  bald  stÀrkere,  bald  schwÀchere  Blutung. 
Abrasio  wird  verweigert.  Die  Patientin  nimmt  3  mal  tÀglich 
30  Tröpfen  Styptural,  worauf  die  Blutung  allmÀhlich  ver- 
schwindet. 

Fall  7.  40  Jahre  aPe  Frau  P.  B.,  fĂŒnf  Partus,  1  Abort.  Klagt 
ĂŒber  verstĂ€rkte  und  lange  dauernde,  hin  und  wieder  unregel- 
mĂ€ĂŸige Menses.  Ausfluß  besteht  seit  der  letzten  Geburt  vor 
3  Jahren.  Seit  dieser  Zeit  sei  sie  krank  und  fĂŒhle  sich  matt  und 
elend.  HĂ€ufig  habe  sie  das  GefĂŒhl  von  Völle  im  Un'erleib.  Die 
gynĂ€kologische  Untersuchung  ergibt:  Kleinfaustgroßer,  harter 
Uterus,  frei  beweglich,  aber  stark  druckempfindlich.  Adnexe 
frei,  ebenso  die  Parametrien.  Die  Patientin  bekommt  Styptural 
(3  mal  tÀglich  25  Tropfen),  worauf  die  Blutungen  wieder  normal 
weiden.  ' 

Fall  8.  Frl.  Cl.  D.,  17  Jahre  alt,  leidet  seit  dem  14.  Jahre 
an  starken  Blutungen  mit  krampfartigen  Schmerzen.  Seit  einigen 
Monaten  dauern  die  Blutungen  ĂŒber  10  Tage  jedesmal  und  sind 
gelegentlich  von  Erbrechen  begleitet.  GynÀkologische  Unter- 
suchung: o.  B.  Die  Patien'in  nimmt  3  mal  tÀglich  20  Tropfen 
Styptural.  Die  Blutungen  bessern  sich  sofort.  Die  folgenden 
Menses  sind  unter  der  gleichen  Behandlung  —  gleichzeitig  wird 
eine  Arsenkur  eingeleitet  —  von  normalem  Charak'.er. 

Fall  9.  Frau  P.  R.,  22  Jahre  alt.  Hat'e  schon  von  Jugend 
auf  reichlichen  weißen  Ausfluß.  Bei  jedem  Unwohlsein  bestehen 
starke  Blutungen,  begleitet  von  heftigen  KrÀmpfen.  Die  Patientin 
klagt  außerdem  ĂŒber  hĂ€ufige  Konf-  und  Kreuzschmerzen.  GynĂ€- 
kologisch bestehen  keine  pathologischen  VerÀnderungen.  Die 
Patientin  nimmt  Styßtural  in  der  ĂŒblichen  Form.  B^im  folgen- 
den Unwohlsein  besteht  nur  noch  eine  mittelstarke  Blutung,  die 
allmÀhlich  normal  wird. 

Fall  10.  Frau  G.  S.,  42  Jahre  alt.  3  Geburten,  letzte  vor 
10  Jahren.  Bis  vor  2  Jahren  immer  gesund  und  reffelmĂ€ĂŸig  men- 
struiert. Seit  dieser  Zeit  unregelmĂ€ĂŸige,  bald  stĂ€rkere,  bald 
schwÀchere  Blutungen,  die  hin  und  wieder  2  bis  3  Monate  aus- 
gesetzt haben.  Nach  einer  lÀngeren  Pause  blutet  die  Patientin 
jetzt  wieder  sehr  stark.  GynĂ€kologisch  etwas  vergrĂ¶ĂŸerter 
Uterus,  Adnexe  frei.  Nach  dem  Gebrauch  von  Stvntural  wird  die 
Blutung  bedeutend  schwÀcher.  Bei  jedesmaliger  Wiederkehr  des 
Unwohlseins  nimm"  die  Patientin  pronhvlaktisch  3  mal  tÀglich 
20  Tronfen,  worauf  die  Blutung  normal  bleibt. 

Wie  aus  den  angefĂŒhrten  FĂ€llen  ersichtlich,  wurde 
„Styptural"  in  Ampullen-  und  Tropfenform  hei  gynĂ€kologi- 
schen Blutungen  auf  verschiedenster  Grundlage  verordnet. 
Sein  Hauptanwendungsgebiet  hildet  naturgemĂ€ĂŸ  die  Abort  - 
blutung,  wobei  es  eine  ĂŒberraschende  Wirkung  gezeigt  hat. 
Aber  auch  bei  Myomblutungen,  bei  Blutungen  entzĂŒndlicher 
Adnexerkrankungen.  ferner  bei  haemorrhagischen  und  chro- 
nischen Endometritiden,  bei  chlorotischen  und  klimakteri- 
schen Menstruationsstörungen  ist  es  von  ausgezeichnetem 
Erfolge.  Störungen  bei  der  Anwendung  per  os  wurden,  wie 
schon  oben  erwÀhnt,  niemals  beobachtet,  ebensowenig  Reiz- 
erscheinimgen  oder  schmerzhafte  Infiltrate  an  den  Injek- 
tionsstellen.  BerĂŒcksichtigen  wir  außerdem  den  Preis  des 
Medikamentes,  der  in  keinem  VerhÀltnis  zu  den  teueren 
Hydrastis-  oder  Secale-PrĂ€naraten  steht,  so  muß  die  Frage, 
ob  ..Stvntural"  als  vollwertiger  Ersatz  der  genannten  aus- 
lÀndischen PrÀparate  angesehen  werden  kann,  durchaus 
bejaht  werden. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Ausstellung  von  LeichenpÀssen. 

Durch  Erlaß  des  Ministers  des  Innern  vom  3.  Januar  1922 
wird  bestimmt,  daß  fĂŒr  die  Ausstellung  von  LeichenpĂ€ssen  zum 
Transport  im  Inlande  nicht  mehr  amtsÀrztliche  Atteste  erforder- 
lich sind,  es  genĂŒgen  einfache  Ă€rztliche  Zeugnisse,  falls  der  Tod 


nicht  durch  Pocken,  Fleckfieber,  Cholera  oder  Pest  erfolgt  ist. 
DemgemĂ€ĂŸ  fließen  ,die  VergĂŒtungen  fĂŒr  solche  Zeugnisse  nicht 
mehr  in  die  Staatskasse.  Alexander. 

Antrag  der  Vereinigung  deutscher  Hebammen  betr.  Leitung 

der  Geburten. 

Die  Vereinigung  deutscher  Hebammen  hat  an  den  Minister 
fĂŒr  Volkswohlfahrt  in  Preußen  den  Antrag  gerichtet,  zu  be- 
stimmen, daß  Aerzte  ohne  Hebammen  keine  Geburt  leiten  dĂŒrfen. 
BegrĂŒndet  wird  der  Antrag  damit,  daß  eine  geschulte  Kraft  dazu 
gehört,  welche  alle  Vorbereitungen  fĂŒr  die  Geburt  einschließ- 
lich der  Desinfektionsvorschriften  zu  treffen  hat.  Dazu  sei  die 
Hebamme  vom  Staate  bes'immt.  Die  FĂŒrsorge  wird  vermißt  bei 
einer  Geburt,  wo  nur  der  Arzt  zugegen  ist  und  dann  „die  erste 
beste  Frau"  zugezogen  wird.  Der  Minister  ĂŒberweist  die  Ange- 
legenheit den  Aerztekammern  mit  dem  HinzufĂŒgen,  „er  wĂŒrde  es 
auch  im  Interesse  der  gebĂ€renden  Frauen  dankbar  begrĂŒĂŸen, 
wenn  von  dort  aus  auf  die  Aerzte  eingewirkt  wĂŒrde,  daß  sie  zu 
solchen  Entbindungen  nur  geschulte  Hebammen  und  keine  an- 
deren Pflegepersonen  zuziehen. 

Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  daß  die  Aerztekammern  dem 
Appell  des  Ministers  Folge  leisten  werden.  Daß  ein  Zwang,  die 
Geburt  durch  eine  Hebamme  ĂŒberwachen  zu  lassen,  weder  fĂŒr  den 
Arzt  noch  fĂŒr  die  GebĂ€rende  zulĂ€ssig  ist,  wird,  wenn  auch  nicht 
der  Vereinigung  der  Hebammen,  so  doch  dem  Minister  nicht 
zweifelhaft  sein.  Aber  auch  die  Empfehlung  der  Zuziehung  von 
Hebammen  kann  in  ihrer  Allgemeinheit  nicht  gutgeheißen  wer- 
den. Wo  statt  der  Hebamme  der  Arzt  mit  der  Leitung  der  Ge- 
burt betraut  wird,  geschieht  dies  wohl  ausnahmslos  aus  triftigen 
GrĂŒnden.  Diese  GrĂŒnde  sind  aber  auch  ausreichend,  um  von  der 
Zuziehung  von  Hebammen  als  Hilfspersonen  —  denn  nur  als 
solche  könnton  die  Hebammen  gelten,  wenn  der  Arzt  die  Geburt 
leitet  —  Abstand  zu  nehmen.  Es  ist  absolut  nicht  einzusehen, 
warum  solche  Hilfsdienste  nicht  ebenso  gut  wie  von  Hebammen, 
von  geprĂŒften,  in  der  Wochen-  und  SĂ€uglingspflege  erfahrenen 
Kranken-  oder  Wochenpflegerinnen  ausgefĂŒhrt  werden  sollten. 
Die  Zuziehung  solcher  Pflegerinnen  bietet  den  großen  Vorteil, 
daß  sie  vom  Beginn  der  Geburt  den  Zustand  der  GebĂ€renden  unter 
Aufsicht  des  Arztes  beobachten  und  das  neugeborene  Kind  sofort 
in  Emofang  nehmen,  so  daß  die  Wochennflege  nur  als  Fortsetzung 
der  Entbindungspflege  zu  gelten  hat.  FĂŒr  die  Psvche  der  Mutter 
ist  das  schon  deshalb  von  unschÀtzbarem  Werte,  weil  die 
Pflegerin  ihr  stÀndig  nahe  bleibt,  wÀhrend  die  Hebamme  sich  ihr 
nur  kurze  Zeit  widmen  kann.  Es  darf  auch  nicht  unterschÀtzt 
werden,  daß  die  Gefahr  der  Uebertragung  schĂ€dlicher  Keime  auf 
die  GebÀrende  leichter  durch  die  vielseitig  beschÀftigte  Hebamme 
als  durch  die  Pflegerin  erfolgen  kann.  Daß  der  Arzt  nicht  eine 
„erstbeste  Frau"  zuziehen  wird,  liegt  in  seinem  Interesse,  denn 
er  trĂ€gt  die  Verantwortung  fĂŒr  alle  Kunstfehler.  Alexander. 

Befugnis  der  Kreismedi/inalrÀte  zur  Besichtigung  der 
Versorgungslazarette. 

Laut  Erlaß  des  Ministers  fĂŒr  Volkswohlfahrt  in  Preußen  ist 
zwischen  ihm  und  dem  Reichsarbeitsminister  eine  Vereinbarung 
getroffen  worden,  wonach  den  KreismedizinalrÀten  die  Befugnis 
eingerÀumt  wird,  die  Versorffuncslaznrette  jÀhrlich  einmal  oder 
bei  besonderen  AnlÀssen  zu  besuchen,  bezw.  sich  an  der  Besichti- 
gung dieser  Lazarette  durch  die  leitenden  Aerzte  der  Hauptver- 
sorgungskrankenhÀuser zu  beteiligen.  Zu  diesem  Behufe  sind 
Bichtlinien  aufgestellt  worden  ĂŒber  das  Benehmen  mit  dem 
leitenden  Arzte,  ĂŒber  die  Besuche  bei  Seuchengefahr  oder  im  Falle 
besonders  schwerer  gesundheitlicher  MĂ€ngel,  ĂŒber  die  BeschrĂ€n- 
kung der  Besichtigung  auf  Einrichtungen,  die  lediglich  mit  der 
Verwaltung  zusammenhĂ€ngen  und  ĂŒber  die  gemeinsame  Aus- 
sprache im  Falle  gesundheitlicher  MĂ€ngel.  Alexander. 

Bekanntmachung  des  Reicbsarbeit«ministers  vom  9.  11.  21 
betr.  die  ErgÀnzung  des  Berliner  Einigungsabkommens  zwi- 
schen Krankenkassen  und  Aerzten  vom  23.  12.  1913. 

Es  wird  ein  Reichsschiedsamt  errichtet,  das  seinen  Sitz  in 
Berlin  hat.  Es  besteht  aus  unparteiischen  Mitgliedern  und  aus 
Vertretern  der  Aerzte  *und  KassenverbÀnde.  An  den  Sitzungen 
nehmen  Teil  je  3  unparteiische  Mitglieder,  sowie  je  3  Vertreter 
der  Aerzte  und  KassenverbÀnde.  Die  unparteiischen  Mitglieder 
werden  vom  PrÀsidenten  des  Reichsversicherungsamts  ernannt, 
die  Vertreter  der  Aerzte  und  KassenverbÀnde  werden  von  diesem 
bestellt.  Gegen  die  Entscheidungen  der  SchiedsÀmler  kann  binnen 
einem  Monat  nach  ihrer  Zustellung  Berufung  bei  dem  Reichs- 
schiedsamt eingelegt  werden.  Die  Berufung  ist  zulÀssig,  wenn 
es  sich  handelt  um  Aenderung  des  bei  der  Kasse  bestehenden 


10.  Jahrg.  —Nr.  13. 


Referate 


297 


Arztsyslems  oder  um  EinfĂŒhrung  eines  bestimmten  Arztsyslems 
bei  einer  neuen  Kasse,  Erhöhung  oder  ErmĂ€ĂŸigung  der  Gesamt- 
vergĂŒtung um  mehr  als  30  Prozent  gegenĂŒber  dem  bisber  zu 
zahlenden  vertraglichen  Entgelt,  Ilonorarfestsetzungen,  welchen 
eine  grundsÀtzliche  Bedeutung  beizumessen  ist.    Ob  ein  grund- 


sĂ€tzlicher Eall  vorliegt,  wird  durch  Beschluß  der  drei  unpartei- 
ischen Mitglieder  des  Bciehsschiedsamles  entschieden. 

Nach  anfÀnglicher  Weigerung  hat  der  deutsche  Aerzlever- 
einsbund  und  der  Leipziger  Verband  die  Wahlen  der  Mitglieder 
fĂŒr  das  Beichsschiedsamt  vollzogen.  Alexander. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

11.  Februar  1922,  1,  Nr.  7. 

Myoelektrische  Untersuchungen  i>ci  hypnotischer  Katalepsie.  R  e  Ii  n. 
❖Schwangerschafts-  und  Menstruationsglykosurie.    KĂŒstner.    312.  ‱ 
❖Die  entzĂŒndlichen  Augenerkrankungen  der  Neugeborenen  in  der  Nachkriegs- 
zeit.    S  a  1  o  m  o  n.    3t3.  ' 
♩Erfahrungen  und  Dauerergebnisse  in  der  Pneumothoraxbehandlung  der  Lun- 
gentuberkulose.   Fraenkel.  315. 
❖Die  traumatischen  LĂ€sionen  des  Talus.   L  o  t  s  c  h.  318 
❖Die  operative  Frakturbehandlung  nach  Lane.    Selb  e  rj.  320. 
❖Grundregeln  fĂŒr  den  Fixationsverband.    L  o  e  f  f  1  c  r.  325. 

Schwangerschafts-  und  Menstruationsglykosurie.  Verfasser 
fand  bei  nichtschwangeren  Frauen  nach  Injektion  von  0,5  mg 
Adrenalin  und  Galten  von  10  g  Traubenzucker  per  os  Zucker- 
ausscheidung im  Urin,  die  7 — 2  Tage  vor  der  Menstruation  ein- 
setzte. Nach  der  Menstruation  war  der  Urin  zuckerfrei.  —  Bei 
Schwangeren  hört  der  renale  Diabetes  etwa  zwei  bis  drei 
Wochen  vor  der  rechtzeitieen  Geburt  auf.  Eine  Frau,  bei  der 
wegen  I  ungentuberkulose  die  Schwangerschaft  im  dritten  Monat 
unterbrochen  wurde,  schied  noch  am  dritten  Tage  nach  dem  Ein- 
griff Traubenzucker  aus.  Aus  diesen  Beobachtungen  wird  ge- 
schlossen, daß  die  Zuckerausscheidung  nicht  im  Zusammenhang 
mit  dem  befruchteten  Ei,  resp.  der  Placenta  steht,  sondern  daß 
durch  die  verÀnderte  Funktion  des  Ovariums  die  Glvkosurie  be- 
dingt ist.  Es  ist  anzunehmen,  daß  hier  das  Cornus  luteum  einen 
Einfluß  auf  den  Kohlebvdratstoffwechsel  ausĂŒbt,  in  dem  Sinne, 
daß  die  Niere  durchlĂ€ssiger  fĂŒr  Zucker  wird. 

Die  entzĂŒndlichen  Augenerkrankungen  bei  Neugeborenen  in 
der  Nachkriegszeit.  Infolge  der  gewaltigen  Zunahme  der 'Go- 
norrhoe des  Weibes  in  der  Nachkriegszeit  haben  auch  die  ent- 
zĂŒndlichen Augenkrankheiten  der  Neugeborenen  zugenommen,  in 
erster  Linie  die  Blenorrhoe.  'Dank  der  Sopholpronhvlaxe  — 
Sonhol  ist  eine  Verbindung  von  Silber,  Formaldehvd  und 
NucleinsĂ€ure  —  verlĂ€uft  die  letztere  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  gĂŒnstig  und 
schnell.  FĂŒr  die  ĂŒbrigen  entzĂŒndlichen  Augenaffektionen  snielen 
der  .pathologische  Fluor  der  Mutter  in  der  Schwangerschaft,  die 
Sopholreizung,  die  Rhinitis  und  Dinhtheriebazillen  eine  Rolle. 
Es  ist  bei  der  Verbreitung  der  Gonorrhoe  ein  Gebot  der  Zeit, 
daß  die  amtliche  Anzeigepflicht  und  die  obligatorische  Gonorrhoe- 
prophylaxe fĂŒr  das  ganze  Reich  eingefĂŒhrt  wird. 

Erfahrungen  und  Daucrergebnissc  in  der  Pneumothoraxbe- 
handlung  der  Lungentuberkulose.  Unter  den  FĂ€llen,  die  mit  Pneu- 
mothorax behandelt  wurden,  hatte  Verfasser  eine  Reihe  von 
Mißerfolgen,  die  vor  allem  durch  den  vorzeitigen  Abbruch  der 
Behandlung  von  selten  des  Kranken  verschuldet  wurden.  Es  wird 
die  Ansieht  vertreten,  daß  ein  Kranker,  der  die  Einsicht  und  die 
wirtschaftliche  Mösliehkeit  besitzt,  jahrelang  seiner  Gesundheit 
zu  leben,  auch  ohne  Zuhilfenahme  dieser  Therapie  geheilt  wird. 
Soll  der  Pneumothorax  eine  fĂŒr  die  Gesamtheit  ins  Gewicht 
fallende  Bedeutung  erlangen,  so  mĂŒssen  unbedingt  leichlere 
FĂ€lle  in  das  Indikationsgebiet  einbezogen  werden. 

Die  traumatischen  LĂ€sionen  des  Talus.  Es  gibt  drei  tvnische 
Formen  von  Talnsfrakfur,  die  genau  beschrieben  werden;  die 
Luxationen  des  Talus  sind  selten  und  ohne  Knochenverletzung 
seit  der  RöntgenĂ€ra  noch  seltener  als  frĂŒher. . 

Die  operative  Frakturbehandlung  nach  Lane.  Der  Schofle 
Lane  behandelt  Frakturen,  indem  er  die  Knochen  mit  Metall- 
spangen verschraubt,  die  von  außen  den  Knochen  angepaßt  werden 
und  die  man  durch  Schrauben  in  vorher  angelegten  Bohrlöchern 
gefestigt.  Dies  Verfahren  ermöglicht  in  exaktester  Weise  die 
Wiederherstellung  der  normalen  Knochenfiguration.  Der  Wund- 
schmerz isl  auffallend  gering.  Die  Methode  kann  auch  bei  kom- 


plizierten und  infizierten  BrĂŒchen  —  selbstverstĂ€ndlich  nur  bei 
Offenhalten  der  Wunde  —  mit  Erfolg  angewandt  werden. 

Grundregeln  fĂŒr  den  Fixationsverband.  Der  Fixation  muß, 
wenn  möglich,  die  genaue  Reposition  der  Bruchenden  voraus- 
gehen. Alle  Gelenke,  deren  Bewegung  die  Bruchstelle  beein- 
flussen können,  mĂŒssen  in  die  Ruhigstellung  mit  einbezogen 
werden.  Die  Ruhigstellung  der  Bruchstelle  selbst  gegen  seitliche 
Verschiebung  geschieht  durch  zirkulÀre  Fixation,  gegen  rotie- 
rende Bewegungen  und  VerkĂŒrzung  durch  genaues  An  nassen  des 
Verbandes  an  seitliche  GliedervorsprĂŒnge  und  Botationshebel. 
Von  Wichtigkeit  ist  die  Stellung,  in  der  die  Gelenke  ruhig  gestellt 
werden.  A.  MĂŒnzer. 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

18.  Februar  1922,  1,  Nr.  8.  ‱ 

Der  Blutzucker  hei  Addisonscher  Krankheit  und  seine  Beeinflussung  durcli 
Adrenalin.    R  o  s  e  n  o  w  und  J  a  g  u  t  t  i  s.  858. 

Die  praktische  Bedeutung  der  alimentÀren  HvperglvkÀmic-Kurvc.  Rosen- 
b  e  r  g.  360. 

Der  diagnostische  Wert  der  Atropinprnbc  des  Pylorus.    Oetvils.  362. 

❖Ueber  einen  weiteren  Fall  von  Colitis  ulcerativa  der  mittels  Kolonirri- 
gation per  ns  erfolgreich  behandelt  wurde.    Einhorn.  366. 

❖Der  Verlauf  zeitweise  unbehandelter  Syphilis  und  das  Verhalten  der  aufge- 
werteten Was&errnann-Reakt'pn  wÀhrend  dieser  Zeit.    Splethoff.  36T. 

❖Zur  Bewertung  der'  Gruber- Widalschen  Reaktion  im  SĂ€ugling.?  ilter. 
Grosser.  370. 

❖Zur  intravenösen  Injektion  von  Campheröl.    Urtel.  371. 

❖Neues  ĂŒber  Theorie  und  Pr"^    '  "~:>. 

❖Sterblichkeit  und  Todesursachen  im  SĂ€uglingsalter  wĂ€hrend  der-  Kriegs- 
jahre.   Rott.  381. 

Ueber  einen  weiteren  Fall  von  Colitis  ulcerativa,  der  mittels 
Kolonirrigation  per  os  erfolgreich  behandelt  wurde.  Bericht  ĂŒber 
einen  Fall,  bei  welchem  vom  Mund  aus  ein  gegliederter  Darm- 
schlauch unter  Röntgenkontrolle  bis  zum  Blinddarm  vorgescho- 
ben und  sodann  durch  Eingreßung  verschiedener  Medikamente 
eine  direkte  Berieselung  des  Dickdarms  vorgenommen  wurde. 
Der  bereits  lÀngere  Zeit  vergeblich  behandelte  Patient  wurde 
geheilt.  Der  ganze  Schlauch  wurde  durch  den  Mund  wieder  ent- 
fernt. 

Der  Verlauf  zeitweise  unbehandelter  Syphilis  und  das  Ver- 
halten der  ausgewerteten  Wassermann-Reaktion  wÀhrend  dieser 
Zeit.  Die  Beobachtungen  des  Verfassers  zeigen,  daß  im  großen 
ganzen  ein  Parailelismus  zwischen  StÀrke  der  Wassermannschen 
Reaktion  und  AktivitÀt  und  Umfang  der  syphilitischen  Infektion 
besteht.  Wichtig  ist  hervorzuheben,  daß  die  Wassermannsche 
Reaktion  eine  gewisse  PeriodizitÀt  zeigt:  Auf  Zeiten  ansteigender 
Werte  folgen  Zeiten  fallender. 

Zur  Bewertung  der  Gruber-Widalschen  Reaktion  im  SĂ€ng- 
lingsaltcr.  Das  Serum  gesunder  SĂ€uglinge  und  Kleinkinder  ohne 
Typhusvorgeschichte  agglutiniert  zu  einem  bedeutenden  Prozent- 
satz Paratynhus  B.  bis  zu  betrĂ€chtlichen  VerdĂŒnnungen,  mit- 
unter auch  Tynhus  bis  zur  VerdĂŒnnung  von  1  :  40.  Deshalb  ist 
eine  positive  Widalsche  Reaktion  im  SĂ€uglingsalter  fĂŒr  Para- 
typhus gĂ€nzlich  unbeweisend,  fĂŒr  Typhus  nur  mit  grĂ¶ĂŸter  Vor- 
sicht und  genauster  BerĂŒcksichtigung  des  klinischen  Verlaufs  zu 
verwerten. 

Zur  intravenösen  Injektion  von  Campheröl.    Verf.  hat  auf 

dem     westlichen     Kriegsschauplatz    bei    völlig  ausgebluteten 

Schwerverletzten  Campheröl  intravenös  gegeben  und  hiermit  gute 

Erfolge  erzielt.   Eine  Fettembolie  wurde  niemals  beobachtet. 
‱ 

Neues  ĂŒber  Theorie  und  Praxis  der  Digitalisbehandlung.  Er- 
örterung ĂŒber  die  neuen  Theorien  der  Digitaliswirkung.  Hin- 
sichtlich der  klinischen  Erfahrungen  mit  den  verschiedenen  PrÀ- 
paraten wird  auf  Verodigen,  Scilla  maritima  und  Cvmarjn  auf- 
merksam gemacht.  Die  von  A.  Frankel  eingefĂŒhrte  intra- 
venöse Slrophantinbehandlung  ist  unser  schwerstes  GeschĂŒtz  und 


298 


Aas  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


besonders  vorsichtig  zu  handhaben.  Wenn  die  Digitalis  per  os 
versagt,  kann  mit  dem  Mittel  bei  rektaler  Verabreichung  noch 
ein  voller  Erfolg  erzielt  werden. 

Sterblichkeit  und  Todesursachen  im  SÀuglingsalter  wÀhrend 
der  Kriegsjahre.  WĂ€hrend  der  Kriegszeit  ist  die  SĂ€uglingssterb- 
lichkeit lediglich  in  den  Jahren  1914  und  1918  gestiegen.  Hin- 
sichtlich der  Todesursachen  ist  am  auffĂ€lligsten,  daß  die  Be- 
teiligungsziffer der  Krankheiten  der  Verdauungsorgane  betrÀcht- 
lich sank;  im  Jahre  1918  betrug  diese  Ziffer  um  mehr  als  die 
HĂ€lfte  weniger  als  im  letzten  Friedensjahr.  Dieser  RĂŒckgang 
ist  zweifellos  durch  die  im  Kriege  eingetretene  Zunahme  der 
StillhĂ€ufigkeit  bedingt.  A.  MĂŒnz  er. 

Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

16.  Februar  1922,  Nr.  7. 

L'eher  Degeneration  und  Regeneration.   J.  Degeneration.    Ernst.  215. 
»MYhor  Organtherapie  bei  Diabetes  mellitus.    L  0  e  n  i  n  g  und  Vahle  n.  217. 

Heber  Flockungs-  und  TrĂŒbungsreaktionen  bei  Syphilis.    M  e  i  n  i  c  k  e.  219. 
❖Ueber  die  HĂ€ufigkeit  der  Wassermannschen  bzw.  der  Ausfloekungs-Reaktion 
bei  Kindertuberkulose.    R  ĂŒ  s  c  h  e  r.  221. 
Eine  modifizierte  Salvarsantherapie  der  Lues  der  inneren  Organe  (Herz-  und 
GefĂ€ĂŸsystem)  und  des  Nervensystems  (Tabes).    Pulay.  223. 
❖Die  Goldhehandlung  der  Tuberkulose.    L  e  v  y.  223. 

Ueher  das  Verhalten  des  Reststiekstoffs  im  Blute  bei  kruppöser  Pneumonie. 

Scharlach.  Masern  und  Diphtherie.    Cohn.  226. 
Die  Verwendung  von  Akridinfarbstofflymphon  zur  Sohutzppckenimpfung  am 
Menseben.    liiert.  227. 
❖Die  Behandlung  der  Reizblase  mit  Eukupinöl.     8  c  !i  n  e  i  d  e  r.  228. 

Zur  Kasuistik  der  traumatischen  Herzklappeny.crrcißungen.  Brandis.  223. 
Ueber  IrrtĂŒmer  der  chemischen  Ehrt-  und  Harnuntersuchung  und  Ihre  Be 

deutung  Qr  den  Praktiker.    M  ii  1  1 'e  r  ,  Franz.  229. 
Die  endokrinen  DrĂŒsen  in  ihrer  Beziehung  zu  Zahn-  und  Kieferanomalien. 
P  e  t  z  e  1.  231. 

Zur  Frage  des  Mongolenflecks.    Zu  der  Arbeit  von  .lacobi  in  Nr.  27.  1921. 
Leven.  231. 

Organotherapie  hei  Diabetes  mellitus.  Die  DiÀtbehandlung 
gibt  keinen  Dauererfolg.  Vahlen  hat  nun  aus  Rinderpankreas 
einen  die  Zuckerzersetzung  im  Organismus  steigernden  Stoff 
isoliert,  Metabolin,  der  sich  aber  im  Darm  zersetzte.  Deshalb 
Herstellung  eines  darmfesten  PrÀparates,  das  einen  der  Hefe 
nahestehenden  Stoff  enthÀlt.  Dieses  PrÀparat  soll  nun  den  durch 
Erkrankung  des  Pankreas  mangelnden,  sonst  in  den  SĂ€ften  zir- 
kulierenden Stoff  ersetzen,  also  eine  Substitutionstherapie  analog 
der  mit  SchilddrĂŒseersatz.  Dieses  PrĂ€parat  vermag  in  geeigneten 
FĂ€llen  miK  BerĂŒcksichtigung  der  DiĂ€t  die  Toleranz  fĂŒr  Kohle- 
hydrate zu  steigern,  bei  lÀnger  dauernder  Darreichung  sind 
wahrscheinlich  noch  gĂŒnstigere  Resultate  zu  erzielen,  als  in  den 
angefĂŒhrten  7  FĂ€llen. 

Ueher  die  HĂ€ufigkeit  der  Wassermannschen  bzw.  der  Aus- 
flockungsreaktion hei  Kindertuberkulose.  Syphilis  und  Tuber- 
kulose kommen  bei  Kindern  gleichzeitig  nicht  hÀufig  vor.  Des- 
halb ist  entgegen  den  Forderungen  C  a  m  o  n  s  keineswegs  bei 
jedem  Fall  von  Tuberkulose  Wa.-R.  anzustellen 

Die  Goldbehandlung  der  Tuberkulose.  Material  49  FĂ€lle. 
Verfasser  hĂ€lt  Krysolgan  fĂŒr  das  erste  chemische  Specificum 
gegen  Tuberkulose,  das  in  vielen  FĂ€llen  Heilung,  bei  den  meisten 
Besserung  der  subjektiven  und  objektiven  Beschwerden  so  schnell 
wie  kein  anderes  Mittel  erzielt.  ErgÀnzung  durch  Tuberkulin,  wo 
es  von  vornherein  versagt  oder  sich  im  Laufe  der  Behandlung 
erschöpft.  Nach  vorher  verabreichtem  Krysolgan  wird  Tuber- 
kulose in  grĂ¶ĂŸerer  Menge  ertragen,  heftige,  unerwĂŒnschte 
Tuberkulinreaktionen  können  durch  Krysolgan  jederzeit  kupiert 
werden/  Anfangsgabe  0,01,  Höchstmenge  0,2  bei  Wahrung  min- 
destens 10tÀgiger  ZwischenrÀume.  Ambulanfe  einfache  Be- 
handlung. 

Behandlung  der  Reizblase  mit  Eukupinöl.  Bei  schwer  zu 
sondierenden  Urethralstenosen,  besonders  aber  bei  Reizblasen 
verschiedener  Aetiologie,  setzt  1  %  Eukupinöl  den  Reiz  erheblich 
herab,  ja  fĂŒhrt  zu  völliger  Heilung,  nicht  aber  bei  den  auf 
nervöser  Basis.  v.  Schnizer. 

Miinchener  medizinische  Wochenschrift. 

17.  Februar  1922,  Nr.  -7. 

Strahlenbehandlung  des    Kollumkarzinoms.     Döderlein.     221.  « 
Schwangerschaftsunterbrechung.     Schweitzer.  223. 
UterusausrÀumung  in  der  Allgemeinpraxis.    Friedemann.  226. 
Wert    der    geneologischen    Forschung    fĂŒr    die    Einteilung    <\.  Psychose«. 

v.  E  c  0  n  0  m  o.  227. 
Unspezifische  Eiweißkörper.    Stintzing.  229. 
Sauerbruehamputierte.    Jen  Horn.  230. 
Tuberkulinprobe     W  nlowitn.  283 


Behandlung  des  Ekzems  mit  Vakzine.    Stern.  233. 

Vermeidung  störender  Reflexbewegungen.    Muck.  234. 

Psychogenes  Fehlen  der  Zeigereaktion.    Grießmann.  234. 
❖Hilfsmittel  zur  PrĂŒfung  des  Rombergscheil  Symptoms.    G  o  1  d  b  I  a  d  t.  235. 
❖Behandlung  der  Biermerschen  AnĂ€mie.     Adler.  236. 

Ein  Hilfsmittel  zur  PrĂŒfung  de9  Rombergschen  Symptoms. 

Verf.  empfiehlt  das  Strecken  beider  OberextremitÀten  nach  vorn, 
wodurch  bestehende  Gleichgewichtsstörungen  besonders  deutlich 
werden. 

Die  Behandlung  der  Biermerschen  AnÀmie.  Kurzer  Hinweis 
auf  im  Druck  befindliche  Arbeiten  des  Verf.,  die  darlegen,  daß  die 
Stoeltznersche  Anschauung  von  der  hÀmolysierenden  Wirkung  des 
Nahrungsfettes  auf  die  essentielle  Biermersche  AnÀmie  nicht  an- 
wendbar sind.  Es  ergab  sich  vielmehr  SchÀdlichkeit  des  tieri- 
schen Eiweißes. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend) . 

Zentralblatt  fĂŒr  innere  Medizin,  Leipzig. 

4.  Februar  1922.  43,  Nr.  5. 

■Sammelreferat  n.us  dem  G#)iete  der  Rlrino-Laryngologie.    Seifert.  <».*  81. 

11.  Februar  1922,  43,  Nr.  6. 

❖Novasurol    als   Diuretikum.     Hassencamp.    E.     105.  - 

Novasurol  als  Diuretikum.  In  der  V  o  1  h  a  r  d  '  sehen  inneren 
Klinik  zu  Halle  ist  ein  neues  QuecksilberprÀparat,  dessen  Bestim- 
mung war  an  Stelle  von  Calomel  diuretisch  zu  wirken,  versucht 
worden.  Der  Erfolg  war  glÀnzend.  Das  zunÀchst  intraglutÀal. 
nachher  aber  stets  intravenös  mit  und  ohne  Kombinierung  mit 
Strophantin  gegebene  Mittel,  Novasurol  genannt,  wirkte  besonders 
gut  bei  Oedemen,  die  als  Folge  dekompensierter  Herzfehler  auf- 
treten und  vermochte  noch  selbst  in  verzweifelten  FĂ€llen  die  Kom- 
pensation wieder  herzustellen.  Aszites  bei  Leberzirrhose  schwand 
dagegen  nicht,  und  hei  ödematösen  Nephritiden  wurde  wegen  der 
bekannten  schÀdigenden  Wirkung  des  Quecksilbers  auf  die  Niere 
bisher  kein  Versuch  gewagt.  Wern.  H.  Becker 

Wiener  Archiv  fĂŒr  innere  Medizin,  Berlin. 

20.  Januar  1922.  3.  Heft  3. 

Res  n  i  rat  ious- Stoff  Wechsel  versuche  an  routgeiibc  handelten  Bascdiiw  -  Kran  l,rn 
F.  6  t  h  .  N.  367. 

❖Krankheiten   und  Jahreszeiten.    RusznyĂ€k.   st.  S79. 

❖Die  Nephropathia  gravidarum.     F  e  k  e  t  <‱  .  A.  \..  F  u  c  Ii  -  und  M  o  I  11  A  r  . 
B.  397. 

❖Zur  Differentialdiagn  ise  der  sterno-media.stinalen  DĂ€mpfungen.  Kare  1  :\  % 

Ii.,  und  M  a  r  k  ĂŒ  .  D.  425. 
Ueher  den  Mechanismus  der  ResfetenzverÀnderung  der  roten  Blutkörperchen. 

RusznyÀk.  St..  nnd  Bar.1t.  .J.  429. 
❖Purpuraerkrankungen;     S  t  e  r  n  b  e  r  g  .   F.  433. 

❖Ueber  den  Einfluß  des  Magensaftes  auf  die  Bakterien  der  Typhus-.  Coli-. 
Dysenteriegruppe.    Hajos.  K.  453. 
Die-'Vcrtoilung  des  Blutzuckers  im  strömenden  Blute.    C  s  À  k  .  L.  459. 
Diabetisches  Oedem   und    Aeidnse.     Fol  de  s.   E.  469. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  den  Mechanismus  der  Regurgitation 
beim  Menschen.    HetÀnyi.  O..  und  V  À  n  d  o  r  f  y  .  .7.  499. 

Der  diagnostische  Wert  des  Schillings:  heu  Blutbildes.    H  a  y  11  a  l  .  E.  v. 

Experimentelle  und  klinische  Untersuchungen  ĂŒber  das  Antitrypsin. 
RusznyÀk.  St..  Baviit.  .1..  und  Dan  i  e  1  .  G.  515. 

Krankheiten  und  Jahreszeiten.    Eine  große  Anzahl  Krank 
heiten  weist  jahreszeitliche  Perioden  auf.  Ursache  einerseits  die 
PeriodizitĂ€t  der  Ă€ußeren  SchĂ€digungen,  andererseits  jahreszei' 
liehe  Schwankungen  der  BeaktionsfÀhigkeit  des  menschlichen  Or 
ganismus,  letztere  bedingt  durch  Aenderungen  des  Milieu  interiem  . 
anscheinend  in  erster  Linie  durch  verÀnderte  Funktion  des  vege- 
tativen Nervensystems  und  des  endokrinen  DrĂŒsenapparalrs.  In 
der  Wirkung  der  Jahreszeiten  auf  die  Krankheiten  lassen  sich 
zwei  Typen  erkennen:  1.  Kurven  mit  einem  Maximum  und  einem 
Minimum,  z.  B.  bei  Diabetes  mellitus  und  Basedow:  2.  Kurven 
mit  2  Maxima  und  2  Minima.   Verf.  betont  die  Wichtigkeit  des 
Studiums  dieser  Fragen  fĂŒr  die  Prophylaxe  und  Prognose,  vor 
allem  mĂŒsse  eine  experimentelle  Grundlage  geschaffen  werden, 
beginnend  mit  einer  quantitativen  funktionellen  Diagnostik  d°r 
endokrinen  DrĂŒsen  und  des  vegetativen  Nervensystems. 

Ueber  die  Nephropathia  gravidarum.  Verff.  unterscheiden 
zwei  Formen:  1.  mit  nephrotischem  Charakter,  mit  Kochsalz-  und 
Wasserretention  und  Oedemen  ohne  Blutdrucksteigerung,  ohne 
Rest-N.vermehrung  im  Blut,  ohne  AugenhintergrundsverÀnderun- 
gen; 2.  mit  nephritischem  Charakter,  d.  h.  mit  R-N-vermehrung. 
Blutdrucksteigerung,  Retinitis  albuminurica.  1.  Reagiert  gut  auf 
flĂŒssigkeits-  und  kochsalzarme  DiĂ€t,  2.  gewöhnlich  nicht.  Die 
Eklampsie  pflegt  bei  den  nephrotischen  FĂ€llen  aufzutreten,  kann 
aber   auch   bei   scheinbar   gesunden   Schwangeren   und  Wöch- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Aus   den    neuesten   Z e I t s c h r i f t e n 


299 


ncrinnen  erscheinen.  Die  Ursache  ist  bei  beiden  Formen  der 
Nephropathia  gravidarum  sowie  bei  der  Eklampsie  bisher  unbe- 
kannt. 

Zur  Differentialdiagnosc  der  stcrno-mcdiastinalen  DĂ€mpfun- 
gen. Bei  Aenderungen  im  DĂ€mpfungsbezirk  des  Sternums  ist 
daran  zu  denken,  daß  die  Aorta  hĂ€ufig  abnorm  verlaufen  kann. 
AufklÀrung  fraglicher  FÀlle  durch  Durchleuchtung  im  schrÀgen 
Durchmesser. 

Ueber  Purpuraerkrankungcn.  Kurze  Abhandlung  ĂŒber  die 
‱  verschiedenen  Typen. 

Ueber  den  Einfluß  des  Magensaftes  auf  die  Bakterien  der 
Typhus-,  Coli-,  Dysentcriegruppe.  Experimentelle  Untersuchun- 
gen. Die  keimtötende  Wirkung  hÀngt  von  der  freien  H  Cl  ab. 
Andere  Substanzen  spielen  keine  Rolle.  Zur  Abtötung  im  nor- 
malen Magensaft  sind  15 — 20  Minuten  nötig. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-W estend) . 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  Neurologie  u.  Psychiatrie,  Berlin. 

16.  Februar  1922,  74,  Heft  4  und  5. 

Zur  Kenntnis  der  Neurinome  hei  Recklinghausenseher  Krankheit.  Kirch  , 
E.  379. 

«frZur  Frage  der  KontagiositÀt  der  Encephalitis  lethargica  epidemica.  Stief- 
[   ‱         ler,  G.  396. 

Ein  operativer  Eingriff  hei  M>elitis  e  ernnpressione,  .  hervorgerufen  durch 
knöcherne  Anlagerungen  in  der  Arachnoidea  des  RĂŒckenmarks. 
P  u  s  s  e  p  ,  L.  415. 

LeukocytenverÀnderungen  im  Zusammenhang  mit  dem  epileptischen  Anfall. 
BrĂŒhl.  F.  420. 

Moriaartige  Zustandsbilder  und  DefektzustÀnde  als  SpÀtfolge  von,  Ence- 
phalitis epidemica.    Kauders,  O.  431. 

Bemerkungen  zu  der  ProblemsphĂ€re:  Corres.  Stammganglien  —  Psyche,  Neu- 
rose.   Schilder.  P.  454. 

HomicMe  Impulse  als  Ursache  ..fahrlÀssiger'  Tiitungen.  H  e  r  s  c  h  m  a  n  n  . 
H.  482. 

♩Weiterer  Beitrag  zur  Wirkung  der  Faradisation  der  quergestreiften  Mus- 
kulatur bei  Krampfkranken.    Fischer.  H.  und  T  h  a  e  r  ,  E.  499. 

Uutersuchungsresultate  von  50  .SchÀdeltrepanationen  bei  Epilepsie  V  o  I  - 
1  a  n  d.  505. 

❖Die  therapeutische  Anwendung  der  „Daueraarkose"   mittels  Somnifens  bei 
Schizophrenen.    K  1  À  s  i  ,  J.  557. 
Ein  Fall  von  Depersonalisation.    H  a  r  t  m  a  n  n  .  H  593. 
i 'm  ainwirkung  bei  stuporösen  Paralysen.    Hiusen.  W.  602. 

Sehnenreflexe  und  die  Methodik  ihrer  Lateuzzeitbestimmung.  S  c  b  ii  f  f  e  r  . 
H.  605. 

Histologische  Untersuchungen  der  innersekretorischen  DrĂŒsen  bei  nsyehi- 
schen  Erkrankungen.    Fauser,   A.  und  H  e  d  d  a  e  n  s  .   K.  616. 

Die  Hauptgesetze  einiger  wichtigen  körperlichen  Erscheinungen  beim  psy- 
628      e"       schehen  von  Norm:Uen  und  Geisteskranken.    Berge  r-,  H. 

Zur  Frage  der  KontagiositÀt  der  Encephalitis  lethargica 
epidemica.  Klinisch-epidemiologische  Beobachtungen  (128  FĂ€lle) 
einer  Enzephalitis-Epidemie  in  Linz  und  Umgebung  im  Jahre 
1920-21  sprechen  zugunsten  der  Auffassung  der  Uebertragung  der 
Krankheit  von  Mensch  zu  Mensch:  in  4  Beobachtungen  war  die 
Ansteckung  als  eine  u'nmittelbare  anzunehmen,  wobei  es  sich  in 
2  FÀllen  um  eine  familiÀre  Kontaktinfektion  handelte,  in  den 
zwei  anderen  um  eine  Hausinfektion;  eine  weitere  Beobachtung 
zeigt  die  Erkrankung  zweier  abortiver  FĂ€lle  in  einem  Hause.  In 
drei  FĂ€llen  war  die  Annahme  eines  indirekten  Kontaktes  durch 
dritte  Personen  als  klinisch  gesunde  ViruszwischentrÀger  sehr 
wahrscheinlich.  In  2  FĂ€llen  konnte  die  Inkubationszeit  auf  8 
bzw.  12  Tage  berechnet  werden. 

Die  Encephalitis  epidemica  weist  in  klinischer,  pathohistolo- 
«ischer  wie  epidemiologischer  Hinsicht  eine  nahe  Verwandtschaft 
mit  der  Poliomyelitis  auf.  Die  Enzephalitis  tritt  fast  ausschließ- 
lich in  der  kalten  Jahreszeit  auf,  in  den  Monaten  Dezember  bis 
April,  mit  dem  Höhepunkt  der  MorbiditÀtskurve  im  Februar- 
Marz.  Nach  den  bisherigen  Beobachtungen  scheint  die  Kontagio- 
sitÀt an  sich  gering  und  geringer  zu  sein  als  die  der  epidemischen 
KinderlÀhmung. 

Weiterer  Beitrag  zur  Wirkung  der  Faradisation  der  quer- 
gestreiften Muskulatur  bei  Krampfkranken.  In  zwei  FĂ€llen  von 
hpilepsie  und  in  einem  Fall  von  Katatonie  mit  elementaren 
KrÀmpfen  wurde  die  Blutgerinnungszeit  betrÀchtlich  verzögert 
gefundem  Unter  der  Wirkung  der  Faradisation  der  Muskulatur 
trat,  in  diesen  Fallen  sowie  in  einem  Fall  von  Myoklonie  und 
einem  Fall  mit  funktionellen  KrÀmpfen,  eine  zum  Teil  ganz  er 
hebhehe  VerkĂŒrzung  der  Blutgerinnungszeit  bis  fast  'auf  die 
Haltte  ein. 

m^lIeb(Lr  di?.  thcraPeutischc  Anwendung  der  „Dauernarkose" 
mittels  Somnifens  bei  Schizophrenen.  Somnifen  (Hoffmann-La 
«oche  Basel)  ist  eine  wÀssrige  Lösung  von  diÀthyldipropenyl- 
narb.tursaurem  DiÀthylamin;  eine  Ampule  von  2  cem  entspricht 
an  Wirkung  ungefÀhr  der  von  0,35  gr  Veronal.   Mit  diesem  PrÀ- 


parat gelingt  es,  einen  Dauerschlaf  bis  zu  6—7  Tagen  und  mehr 
zu  erzeugen;  zuerst  werden,  nach  vorheriger  Sropuluminmorphin- 
injektion,  4  cem  Somnifen  injiziert,  die  einen  Schlaf  von  6 — 10 
Stunden  hervorrufen;  nach  Ablauf  dieser  Zeit  genĂŒgen  1 — 2  cem 
des  PrÀparats,  um  jedesmal  den  Schlaf  um  weitere  8  10  Stunden 
zu  verlÀngern.  Der  Schlaf  gleicht  dabei  dem  bei  der  Encepha- 
litis lethargica,  insofern  als  die  Kranken  zur  Nahrungsaufnahme 
und  zu  Verrichtung  ihrer  BedĂŒrfnisse  weckbar  sind,  bezw. 
selbst  erwachen,  dann  jedoch  sofort  wieder  einschlafen.  Diese 
Methode  des  Dauerschlafs  hat  Verf.  zur  Behandlung  v^p  Schizo- 
phrenien benutzt,  und  dadurch  eine  bedeutende  Besserung  zu 
erzielen  vermocht,  die  er  als  Wirkung  des  wÀhrend  der  Bett- 
lĂ€gerigkeit und  PflegebedĂŒrftigkeit  wiedergewonnenen  besseren 
Kapportes  des  Kranken  mit  dem  Arzt  auffaßt.  Die  Besserung, 
die  in  einem  Drittel  bis  einem  Viertel  der  FĂ€lle  eintrat,  bestand 
in  Beruhigung  einer  Dauererregung,  verÀnderter  Einstellung  zur 
Umgebung  und  zum  Leben  mit  Krankheitseinsicht  und  Korrektur 
der  Wahnideen  sowie  auch  sofortigem  Aufhören  der  Halluzina- 
tionen; Sache  der  Psychotherapie  ist  es,  dann  diese  Besserung 
weiter  zu  fördern.  Die  Somnifenbehandlung  empfiehlt  sich  bei 
agitierten  AufregungszustÀnden,  besonders  bei  solchen  mit  vor- 
herrschender Àngstlicher  Stimmung,  bei  negativistischen  Ab- 
kehrungen und  Einkapselungen,  bei  denen  noch  keine  Verblödung 
besteht,  bei  akuten  halluzinatorischen  SchĂŒben,  bei  Stereotypien 
des  Gedankens  und  des  Wunsches;  ungeeignet  sind  veraltete 
chronische  FÀlle,  Verblödete  und  wahrscheinlich  auch  solche  mit 
organischen  Symptomen,  kontraindiziert  ist  die  Behandlung  bei 
Marasmus,  HerzschwÀche  und  Nierenaffektionen. 

W.  Misch  (Berlin). 


Monatsschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

Februar  1922,  22,  Heft  5. 

❖Das  alimentĂ€re  Fieber,    B  e  s  s  a  u,  G..  Rosenbaum,  S.  und  Leica- 

tentritt,  B.  641. 
❖Diagnostische  Bedeutung  des  Gordonschen  Patellar-Reflexes  fĂŒr  die  Choren 

minor.    Noeggerath.  C.  657. 
❖Uetmr  die  Bedeutung  von  Laboratoriumsmethode n  fĂŒr  die  Prognosestellung  bei 

Kindertuberkulose.    Gieszynski.  663. 

Das  alimentÀre  Fieber.  Kritische  klinisch-experimentelle 
Studie.  Danach  sfellt  die  Temperaturkurve  kein  zuverlÀssiges 
Symptom  bei  akuten  ErnÀhrungsstörungen  dar.  Vielmehr  findet 
man  bei  der  Intoxikation  sowohl  normale-relative  Untertempe- 
raturen, wie  auch  absolute  Untertemperaturen.  Bei  diesen  kann 
in  Folge  hinzutretender  Infektion  hohes  Fieber  beobachtet  wer- 
den. Ein  Abfall  der  Temperatur  bei  fiebernden  FĂ€llen  kann 
Besserung  aber  auch  Verschlimmerung  bedeuten.  Bei  relativer 
bzw.  absoluter  Untertemperatur  kann  Anstieg  der  Temperatur 
zuweilen  mit  Besserung  des  Krankheitszustandes  einhergehen. 
Ob  Hunger  oder  Nahrung  den  Verlauf  der  Temperaturkurve  zu 
beeinflussen  vermögen,  kann  vorlÀufig  nicht  entschieden  werden. 
Verff.  glauben  bei  der  Intoxikation  eine  erhöhte  DurchlÀssigkeit 
der  Magendarmschleimhaut  als  Folge  der  Exsikkation  annehmen 
zu  mĂŒssen,  wenn  diese  PermeabilitĂ€t  auch  nicht  in  allen  FĂ€llen 
zu  bestehen  scheint.  In  den  von  den  Verff.  untersuchten  FĂ€llen 
erwies  sich  das  Blut  als  steril.  Verff.  bestĂ€tigen  damit  frĂŒher 
von  anderen  Autoren  erhobene  Befunde.  In  fast  allen  FĂ€llen  von 
Intoxikation  gelang  es  im  Magen-  und  Duodenalinhalt  erhebliche 
Mengen  von  Bact.  coli  nachzuweisen!  Da  Verff.  fĂŒr  die  schweren 
Vergiftungserscheinungen  die  Magendarmschleimhaut  passierende 
Coliendotoxine  verantwortlich  machen  zu  können  glauben,  wÀre 
der  Nachweis  von  Endotoxinen  bzw.  Coli-Bakteriolysinen  im 
Blute  zu  erbringen,  was  aber  bisher  nicht  gelungen  ist.  Verff. 
stellten  lediglich  einen  Nichtanstieg  des  Koli-Agglutinations- 
Serumtiters  gegenĂŒber  den  eigenen  Darmkolibakterien  fest.  Der 
selbe  mangelnde  Anstieg  wurde  bei  SĂ€uglingen  mit  Pyelozystitis 
gefunden,  weshalb  Verff.  ein  sehr  geringes  Koliagglutininbil- 
dungsvermögen  bei  SÀuglingen  annehmen.  Die  Leukozytenzahl 
ist  bei  der  Intoxikation  sehr  schwankend  und  steht  in  keiner 
Beziehung  zur  Schwere  der  Erkrankung. 

Die  diagnostische  Bedeutung  des  Gordonschen  Patellar-Re- 
flexes fĂŒr  die  Chorea  minor.  Verf.  untersuchte  systematisch  die 
Kinder  zweier  Schulklassen  auf  die  Exkursionen  des  Unter- 
schenkels bei  Auslösung  des  Patellarsehnenreflexes,  um  festzu- 
stellen, ob  der  von  Gordon  beschriebene  verlÀngerte  und  ver- 
Ă€nderte Ablauf  des  Reflexes  fĂŒr  Chorea  minor  pathognomonisch 
ist.  Auf  Grund  dieser  Untersuchungen  kommt  Verf.  zu  dem 
Schluß,  daß  der  Gordonreflex  zwar  bei  Chorea  minor  hĂ€ufig  be- 
obachtet wird,  daß  er  aber  auch  bei  sicher  nicht  choreatischen 
Kindern  auftritt. 


300 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Ueber  die  Bedeutung  von  Laboratoriumsmethoden   fĂŒr  die 

Prognosestellung  bei  Kimlertuberkulose.  Bei  kritischer  Beur- 
teilung der  verschiedenen  Laboratoriumsmethoden  zur  Beurtei- 
lung der  Prognose  der  Kindertuberkulose  ergab  sich,  daß  die  von 
Weiß  angegebene  Permanganatreaktion  im  Harn  und  die 
R  u  s  s  o  sehe  Methylenblauharnreaktion  keinen  prognostischen 
Wert  besitzen,  wohingegen  die  Diazoreaktion  als  wertvoll  an- 
gesehen werden  muß.  Der  Nachweis  von  Urobilin  und  Uro- 
bilinogen  kann  nur  bedingungsweise  verwendet  werden.  WĂ€h- 
rend der  Anstieg  des  Prozentgehaltes  der  Lymphozyten  eine  gute 
Prognose  gestattet,  ist  das  Gegenteil  bei  Abnahme  der  Lympho- 
cyten  der  Fall.  In  solch  prognostisch  ungĂŒnstigen  FĂ€llen  ver- 
schwinden auch  die  Eosinophilen.  Bei  guter  Prognose  wÀchst 
der  refraktometrische  Index  des  Bluserums,  er  fÀllt  bei  schlechter 
Prognose.  KĂ€ckell  (Hamburg). 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

18.  Februar  1922,  49,  Nr.  7. 

❖Tödliche    Embolie    nach    Varizenbehandlung    mit    Pregl-Lösung.  Hohl- 
baum. 218. 

Nasenkorrektur.    Meyer,  H.  220. 

❖Tabische  Blasenparese.   Oppenheime  r.  221. 

Tödliche  Embolie  nach  Varizenbehandlung  mit  Pregl-Lösung. 

In  einem  Fall  von  sehr  ausgedehnten  Varizen  wurden  —  genau 
nach  der  Vorschrift  von  M  a  t  h  e  i  s  —  80  cem  Preglsche  Lösung 
von  einem  knapp  unterhalb  des  Kniegelenks  gelegenen  Einstich 
aus  in  die  Vena  saphena  injiziert.  Nach  3  Tagen  Thrombose  bis 
zur  Schenkelbeuge,  nach  14  Tagen  plötzlicher  Exitus  unter  den 
Zeichen  einer  Lungenembolie.  Die  Sektion  bestÀtigte  diese  An- 
nahme. — *  Wenn  man  dieses  an  sich  einfache  und  zuverlĂ€ssige 
Verfahren  anwenden  will,  soll  man  vorher  die  Vena  saphena 
vor  ihrer  Eintrittsstelle  in  die  V.  femoralis  unterbinden. 

Ein  operativ  geheilter  Fall  von  tabischer  Blasenparese.  Verf. 
heilte  einen  Fall  von  tabischer  Blasenparese  durch  Uebernflanzen 
eines  Teils  des  Rectus  abdominis  auf  die  Blasenwand.  WĂ€hrend 
bei  dem  Patienten  vor  der  Operation  nach  spontaner  Miktion 
noch  1600  cem  Restharn  vorhanden  war,  fanden  sich  10  Wochen 
nach  derselben  nur  noch  20  cem  klaren  Harns  in  der  Blase,  wenn 
der  Kranke  selbst  das  GefĂŒhl  der  völligen  Entleerung  hatte. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

25.  Februar  1922,  46,  Nr.  8. 

‱^Refraktometrische  Eiweißhestimmungen  der  OedemflĂŒssigkeit  hei  Schwanger- 
schaftsnierenerkrankungen  und  Eklampsien.    Hellmuth,  K.  290. 
Ueber  Vorfall  des  divertikelartig  erweiterten  Ureters  durch  die  Harnröhre, 
Mayer,  A.  29G. 
❖Ueber  Ureterknotung.    Hornun»,  R.  304. 
Ueber  die  Wirkung  der  Pyramidalis-Fascienpla>tik.    L  i  e  k  .  E.  30*. 

Refraktometrische  Eiweißbestimmungen  der  OedemflĂŒssig- 
keit bei  Schwangerschaftsnierenerkrankungen  und  Eklampsien. 
Verf.  kommt  zu  folgenden  SchlußsĂ€tzen:  FĂ€lle  von  Schwanger- 
schaftsniere (Hydrops  gravidarum,  Albuminurie,  Glomerulo- 
nephrose)  zeigen  in  der  ĂŒberwiegenden  Mehrzahl  einen  sehr  ge- 
ringen Eiweißgehalt  (etwa  0,1 — 0,4  %)  der  OedemflĂŒssigkeit.  Den 
gleichen  Befund  zeigen  kardiale  Oedeme.  Umgekehrt  zeigt  die 
Mehrzahl  der  FĂ€lle  von  Glomerulonephritis  einen  hohen  Eiweiß- 
gehalt (etwa  1  %  und  mehr)  der  OedemflĂŒssigkeit.  Es  ist  mög- 
lich, diese  Befunde  fĂŒr  die  Differentialdiagnose  zwischen 
Schwangerschaftsniere  und  chronischer  Glomerulonephritis  in 
graviditate  klinisch  mit  zu  verwerten.  — 

Ueber  Uretcrknotung.  Bei  einer  48  jÀhrigen  Frau  wurde 
wegen  ziemlich  weit  vorgeschrittenen  Uteruskarzinoms  die  abdomi- 
nale Radikaloperation  nach  Wertheim  ausgefĂŒhrt.  Der  rechte 
Ureter  ging  durch  karzinomatöses  Gewebe  hindurch  und  mußte 
durchschnitten  und  reseziert  werden.  Wegen  der  großen  Ent- 
fernung des  zentralen  Ureterendes  war  eine  Implantation  in  die 
Blase  unmöglich.  In  solchen  FÀllen  hÀlt  Stockei  die  Knotung  des 
Ureters  mit  Anlegen  einer  distalen  Ligatur  fĂŒr  die  beste  Me- 
thode der  Ureterversorgung.  Auch  hier  wurde  ein  fester  Knoten 
in  den  Ureter  geschĂŒrzt  und  unterhalb  des  Knotens  eine  Ligatur 
angelegt.  Es  trat  keine  Fistelbildung  ein;  auch  war  eine  Ver- 
grĂ¶ĂŸerung der  ausgeschalteten  Niere  in  der  Folge  nicht  nach- 
weisbar. 5  Wochen  post  operationem  kam  Patient  an  Kar- 
zinommetastasen in  den  Lungen  ad  exitum.  Die  Sektion 
ergab,  daß  die  Ausschaltung  der  rechten  Niere  durchaus  ge- 
lungen war.  Keine  Hydronephrose;  die  Maße  der  rechten  Niere 
kleiner  als  die  der  linken;  der  rechte  Ureter  stark  dilatiert  und 
dĂŒnnwandig:   vom   Catgutknoten  nur  noch   Reste  nachweisbar; 


keine  Urininfiltration  des  Gewebes.  Die  mikroskopische  Unter- 
suchung des  Ureters  an  der  Stelle  der  Knotenbildung  zeigt  voll- 
stÀndige Obliteration  des  Lumens  durch  Wandverklebung  und 
Wuchern  des  Bindegewebes.  Die  Anschauung  von  Stockei  ist 
also  durch  diesen  Fall  vollkommen  bestÀtigt. 

Speyer  (Berlin). 

Monatsschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Berlin. 

Januar  1922,  56.  Heft  5/6. 

Zur  Histologie  der  EihÀute,  speziell  des  Amnionepithels  beim  vorzeitigen  ' 

Blasensprung.  H  e  i  n  1  e  i  n  ,  F.  237. 
❖Ueber  die  choriaie  Invasion.    Schiller.  W.  241. 
Ein  seltener  Verlauf  einer  destuierenden  Blasenmole.   Amrcich.  J.  249. 
Ein  durch  Edebohlsche  „N'erendekapsulation"  geiheiltcr  Fall  von  Eklampsie 

post  partum.    F  e  y  ,  E.  256. 

»»»Plötzliehe   TodesfÀlle  bei   Atrophie   des     Nebennierenmarkes.  Zimmer- 
mann, R.  259. 

❖Das  Problem  der  Heliung  der  Portio  vaginalis  bei  der  Prolapsopertation. 
S  a  e  n  g  c  r  ,  H.  270. 
Lipoide  im  menschlichen  Ovarium.   Weishaupt.  E  276. 
Die  Beziehungen  der  Schwangerschalt  zur  kĂŒnstlich  erzeugten  Glykosuric. 
Lembcke,  H.  und  L  i  n  d  i  g  .  P.  283. 
❖Die  BrustdrĂŒsenschwellung  der  Neugeborenen.    G  r  n  Ii  e  c  .  O.  B.  289. 
Geschlechtsbcstimmung  und  GeschlechtsverhÀltnis.    Döderlein.  G.  292. 

Ueber  die  choriaie  Invasion.  Die  choriaie  Invasion,  d.  h.  das 
Hineinwuchern  fötaler  Zellen  in  Decidua  und  Uterusmuskulatur 
ist  ein  völlig  normaler  Vorgang,  der  bei  jeder  GraviditÀt  ein- 
treten kann.  Zirka  von  Ende  des  zweiten  Monats  beginnend,  er- 
reicht die  Zahl  der  chorialen  Zellen  das  Maximum  bis  zum  4. 
bis  5.  Lunarmonat,  um  dann  gegen  das  Schwangerschaftsende  all- 
mÀhlich abzunehmen  und  nach  einigen  Wochen  post  partum  gÀnz- 
lich verschwunden  zu  sein. 

Ueber  plötzliche  TodesfÀlle  bei  Atrophie  des  Nebcnnicren- 

/narks.  Verf.  berichtet  ĂŒber  zwei  TodesfĂ€lle,  die  sich  in  unmittel- 
barem Anschluß  an  Kaiserschnitt  ereigneten  und  die  ihre  einzige 
ErklÀrung  in  einem  bei  der  Sektion  festgestellten  Schwund  des 
Nebennierenmarks  erfuhren.  Beide  FĂ€lle  betrafen  Frauen  mit 
verengtem  Becken,  bei  denen  bereits  frĂŒher  einmal  die  Entbin- 
dung durch  Leibschnitt  ausgefĂŒhrt  war.  Klinische  Zeichen  fĂŒr 
eine  Nebennierenerkrankung  fanden  sich  nicht. 

Ueber  das  Problem  der  Hebung  der  Portio  vaginalis  bei  der 
Prolapsoperation.  Um  die  Abknickung  der  Portio  nach  vorn  bei 
derlnterpositio  uteri  zu  vermeiden,  empfiehlt  Verf.,  die  Wert- 
heimsche  Interpositio  mit  der  von  K  i  e  1 1  a  n  d  angegebenen 
AushĂŒlsung  der  Cervix  aus  der  Scheide  zu  kombinieren.  Die  bis- 
her nach  diesem  Verfahren  operierten  FĂ€lle  gaben  gute  Re- 
sultate. 

Ueber  die  BrustdrĂŒsenschwellung  der  Neugeborenen.  Die  im 

Interstitium  der  BrustdrĂŒsen  Neugeborener  sich  findenden  Zell- 
einstreuungen werden  als  Blutbildungsherde  analog  den  in  der 
Leber,  den  Nieren  und  Nebennieren  vorkommenden  angesprochen. 

Jon  a  s  (Berlin). 

Virchow's  Archiv  fĂŒr  pathologische  Anatomie  und 
Physiologie,  Berlin. 

14.  Januar  1922,  236. 

Beitrag  zur  Pathologie  des  Hamsters.  (Pathologisch-anatomische,  bakterio- 
logische, parasitologische,  protozoologische  usw.  Beobachtungen.)  Rein- 
hardt, H.  1. 

Erkenntnistheoretisebc   Anmerkungen   zu   Huecks   Lehre   vom  Mesenchym. 

Zimmermann,  H.  29. 
‱Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  Zelleinwanderungcn  in  tote  Hornhaut.-. 
N  e  u  tri  a  n  n  ,  H.  O.  45. 
❖BeitrĂ€ge  zur  Rolle  der  Epitheikörperehen  in  der  Pathologie.  Hartwich, 
A.  Gl. 

Knochen,  Muskeln.  Nerven  und  Arterien  einer  oberen  ExtremitÀt  mit  kon- 
genitaler bumero-radio-ulnarer  Synostose.   Michelssohn,  T.  G.  117. 

BeitrÀge  zur  Frage  der  Bauchspaltenbildung.  Best.  E.  und  G  r  u  b  e  r  , 
G.  B.  146. 

Geher  verkalkte  Epitheliome  der  Haut  und  Verkuöehening  darin.  BĂŒke.  177. 
Krebsentwickluug  in  Bronchiektasen.    S  i  c  g  m  u  n  d  .  Ii.  191. 
Dystrophia  adiposo-genitalis  bei  Hypophysengangszystc.   Miller.  R.  v.  207. 
Postmortale    SĂ€urebildung    und    Totenstn—  = 

Leichen  und  ihre  Beziehungen  zur  LeistungsfÀhigkeit  des  Uerzens  un- 
mittelbar vor  dem  Tod.    Oberzimmer,  J.  und  Wacker.  L.  223. 
Ueber  die  ElastizitÀt  der  Arterien  und  die  Angiomalacie.   T  h  o  m  a  .  R.   243.  ' 
‱frUeber  die  Verfettung  der  willkĂŒrlichen  Muskulatur.    K  o  1  o  d  n  y.  270. 
‱H5as  Verhalten  der  Nieren  bei  akuter  gelber  Leberatrophie.   Meyer.  E.  279. 
Zwei  seltene  Befunde  aus  der  Pathologie  des  mÀnnlichen  Urogenitalsystems. 
Brack.  301. 

Ueber  Infektion  mit  Clonorehis.    Fischer.  W.  307. 

BeitrÀge  zur  pathologischen  Anatomie  und  Pathologenese  der  K.impfgas- 

vergiftuag.    A  d  e  1  h  e  i  m  ,  R.  309. 
Zur  Klinik  und  Pathogenese  der  Kollargolintoxikation  beim  Menschen.  Her- 
zog, F.  und  Roscher.  A.  361. 
Zur  Frage  der  Nephrosen.    Bohnenkamp.  H.  SSO. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


801 


Zur  Methodik  der  Blutdruckmessung  beim  Kaninchen.   10  w  e  y  k  ,  C.  van  und 
b  C  Ii  mi  il  t  in  im  u  ,   M.  420. 

Zur  Lehre  von  den  Progonoblastomen.    Mathias,  E.  424. 

lieber  OosehĂŒlste  dev  Nebennieronrindo  mit  morphogenistischen  Wirkungen. 
Mathias,  K.  44ti. 

lieber  eiu  lipomÀhulichea  Haematom  der  Lunge.    K  e  1  1  o  r  .  A.    1 70. 
♩Die  Hftmosiderosla  bei  den  ErnĂ€hrungsstörungen  der  SĂ€uglinge.    I)  u  b  o  i  s  , 
M.  481. 

BeitrÀge  zur  Rolle  der  Epithelkörperehcn  in  der  Pathologie. 
Verfasser  hat  Untersuchungen  ĂŒber  die  Lpithelkörperchen  bei 
verschiedenen  Zustanden  angestellt.  Er  betont,  daß  nur  Reihen- 
schnitte  durch  die  ganzen  Korperchen  entscheidend  sind,  da  die 
einzelnen  Zellarten  in  verschiedenen  Schniltuöhen  weehseln.  Er 
hĂ€lt  die  dunklen  Zellen  ihr  die  tĂ€tigen,  die  hellen  nicht  fĂŒr  er- 
schöpft, sondern  fĂŒr  entleert.  Seine  dunklen'  Zellen  hĂ€lt  er  fĂŒr 
Obereinstimmend  mit  den  chromophilen  von  S  e  i  1  z.  UebergÀnge 
zwischen  den  einzelnen  Zellarten  kommen  vor.  Beweisende  Zu- 
sammenhÀnge zwischen  Krampfkrankheiten  der  Kinder  (Tetanie 
und  Spasmophilie)  landen  sich  nicht,  auch  nicht  in  einem  Falle 
von  Tetania  gastrica.  Bei  Schwangeren  war  viel  Kolloid  vor- 
handen ohne  regelmĂ€ĂŸiges  Ueberwiegen  einer  Zellart.  Gesetz- 
mĂ€ĂŸiges Ueberwiegen  „chromophiler"  Zellen  bei  Eklampsie 
fehlen.  Bei  2  FÀllen  von  Mölier-Barlowscher  Krankheit,  bei 
Veitstanz  und  SchĂŒttellĂ€hmung  landen  sich  keine  Epitheikörper- 
chenverÀnderungen.  Bei  Rachitis  waren  die  Körperchen  stets 
vergrĂ¶ĂŸert  ohne  regelmĂ€ĂŸiges  Ueberwiegen  einer  bestimmten 
Zeliart;  in  einem  Falle  von  Otitis  fibrosa  iand  sich  eine  als  gut- 
artig angesehene  geschwulstartige  VerÀnderung  eines  Epithel- 
körperchens,  die  in  einem  zweiten  Falle  aber  als  unverÀndert  be- 
funden wurden. 

Ueber  die  Verfettung  der  willkĂŒrlichen  Muskulatur.  Ver- 
fasser hat  im  Lubarsch  sehen  Institute  Untersuchungen  ĂŒber 
die  Verfettung  der  willkĂŒrlichen  Muskulatur  ausgefĂŒhrt,  aus 
deren  Ergebnissen  er  und  L.  in  einem  beigefĂŒgten  Abschnitte  ver- 
schieden weite  Schlußfolgerungen  ziehen.  K.  stellte  bei  dem  an- 
gestrengtesten Muskel,  dem  Zwerchfell,  die  hÀufigste,  bei  der 
wenig  mit  Arbeit  belasteten  Dammuskulatur  die  seltenste  Ver- 
fettung fest.  Sie  geht  dem  Alter  proportional  und  tritt  am  hÀu- 
figsten bei  den  chronischen  und  mit  schweren  Kreislaufstörungen 
verbundenen  Krankheiten  auf.  Weitere  fĂŒr  die  Muskelentartung 
kennzeichnende  VerĂ€nderungen  begleiten  sie,  so  daß  H.  in  der 
Verfettung  der  Muskeln  das  sinnfÀlligste  Merkmal  ihrer  Ent- 
artung findet.  Lubarsch  hingegen  will  aus  den  Befunden  K.'s 
nur  den  Schluß  gezogen  wissen,  daß  das  Fett  nicht  physiologi- 
scherweise in  den  Muskeln  vorkommt,  daß  die  einzelnen  Muskel- 
gruppen und  in  diesen  wieder  die  einzelnen  Fasern  sehr  un- 
gleichmĂ€ĂŸig befallen  sind,  und  daß  die  tĂ€tigsten  Muskeln  am 
regelmĂ€ĂŸigsten  und  ausgedehntesten  Sitz  der  Verfettung  sind. 

Das  Verhalten  der  Nieren  bei  akuter  gelber  Leberatrophie. 
Verfasser  hat  eine  Anzahl  FĂ€lle  von  akuter  gelber  Leberatrophie 
verschieden  lange  nach  dem  Tode  —  von  zweiter  Stunde  an  — 
untersucht  und  so  Anhaltspunkte  fĂŒr  die  Beantwortung  der  Frage 
gewonnen,  was  als  LeichenverÀnderung,  was  als  LebensverÀnde- 
rung anzusehen  ist.  Als  Krankheitszeichen  der  Nieren  bei  akuter 
Leberatrophie  erkennt  er  nur  Eiweißspuren  und  gallige  Zylinder 
an,  die  er  als  Folge  der  Gelbsucht  betrachtet.  Abstoßung  von 
KanÀlchenepithelien.  fand  er  in  den  unterseuhter  Nieren  nur  in 
einem  einzigen  Falle.  Die  Ursache  der  LeberschÀdigung  wirkt 
nach  ihm  nicht  auf  die  Nieren  ein.  Die  Verfettung  der  Nieren 
ist  verschieden  in  den  HauptstĂŒeken  und  den  anderen  KanĂ€len; 
in  den  ersteren  fand  sich  nur  Neutralfett,  keine  freien  FettsÀuren, 
in  den  anderen  wechselnde  Mischungen.  Das  Fell  stammt  zum  ĂŒber- 
wiegenden Teile  aus  dem  Blute:  „es  handelt  sich  um  Fettspeicherung 
inlolge  von  Mehrangebot,  um  eine  Reaktion  der  Nierenepithelien 
auf  abnorme  Bedingungen,  nicht  um  eine  abnorme  Reaktions- 
weise". Aehnlichkeiten  zwischen  den  VorgÀngen  in  der  Leber 
und  in  den  Nieren  ließen  sich  nicht  finden  oder  erschließen.  Die 
Diabelesniere  bietet  weitgehende  Aehnlichkeit  mit  der  bei  akuter 
Leberatrophie  verÀnderten:  viel  Fett,  keine  erkennbare  Ent- 
artung, keine  erkennbare  SchĂ€digung  im  Aeußeren  oder  Ver- 
nichtung. Die  Höchstmaße  der  Nierenverfetlung  sind  aber  bei 
akuter  Leberatrophie  grĂ¶ĂŸer,  als  bei  der  DiĂ€betesniere.  Die 
Nierenverfettung  ist  in  beiden  FĂ€llen  ein  Zeichen  fĂŒr  die  LipĂ€mie 
und  die  zugrundeliegende  Störung  im  Kohlehydratstoffwechsel;-  es 
handelt  sich  bei  ihr  um  „eine  Nephrpdystrophie  im  Sinne 
Aschoffs,  und  zwar  auf  Grund  einer  allgemeinen  (nicht 
lokalen)  Stoffwechselstörung". 

Die  HÀmosiderosis  bei  den  ErnÀhrungsstörungen  der  SÀug- 
linge. Verlasser  hat  bei  18  SÀuglingen  mit  ErnÀhrungsstörungen 
(10  mÀnnliche,  8  weibliche),  hauptsÀchlich  Attrophikern,  mit 
großer   RegelmĂ€ĂŸigkeit  Zeichen   einer  Störung   des  Eisenstoff- 


wechsels gefunden,  bestehend  in  starker  FĂ€rbung  durch  Ncuro- 
sidorin,  besonders  in  Leber  und  Milz.  Als  HĂ€mosiuerqnie  bezeich- 
net er  mit  Hu  eck  einen  gefÀrbten  oder  ungefÀrbten  saurelos- 
lichen,  gegen  Alkali,  Fcltlösungs-  und  Bleichmittel  bestÀndigen 
Körper,  der  die  Eisenreaktion  gibt.  In  der  Leber  linden  sieh  die 
Kupfferschen  Sternzellen  mit  eisenhaltigen  Körnern  und  Schollen 
beladen,  die  Leberzellen,  besonders  am  Umlange,  leinkörnig  ge- 
fÀrbt. In  der  Milz  findet  sich  der  Farbstoff,  besonders  in  der 
Pulpa;  in  geringerer  Menge  findet  er  sich  gelegentlich  in  den 
Reticufumzellen  des  Knochenmarks,  in  Bindegewebszellen 
der  Nieren  und  Hoden  Phagocylose  der  roten  Blutkörperchen 
hat  DĂŒbois  selten  beobachtet  und,  wenn  ja,  nur  in  geringem 
Umfange.  In  der  Hauptsache  findet  nach  D.  eine  Aullösung  der 
Blutkörperchen  innerhalb  der  GefĂ€ĂŸe  statt.  Durch  die  mesen- 
chymalen Gebilde,  vorzugsweise  der  Leber  und  Milz,  in  gerin- 
gerem Grade  des  Knochenmarkes,  der  Nieren  und  Hoden,  lindet 
Aufnahme  und  Umwandlung  des  Blutfarbstoffes  in  Eisenfarb- 
stoff statt.  FĂŒr  die  FĂ€rbung  der  Milz-  und  Leberzellen  möchte 
D.  auch  eine  SchÀdigung  der  Zeilenverrichtungen  verantwortlich 
machen.  ,  Der  Gallenfarbstoff,  der  nach  ihm  in  keiner  unmittel- 
baren Beziehung  zur  HÀmosiderinfÀrbung  setht,  wird  dabei  in 
regelrechter  W  eise  gebildet  und  ausgeschieden. 

Rosenthal. 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

9.  Februar  1922,  52,  Nr.  6. 

❖Ueber     die     objektive     sphymograpbisehe     Messung     des  Arterienlumen 

(sphygmograpbische  Arteriometrie)  als  HĂŒt'sniethode  und  Schlulisteiu  der 

dynamischen   Pulsuntersuchung.     Sah  Ii.   H.  133. 
❖Katamuestische   Erhebungen   zur  Prognose   der  verschiedenen  -Formen  von 

Encephalitis  epidmica.     Bing.   R..   S  t  a  c  h  e  1  i  u  ,   R.  142. 
❖  Leber  die  Verbreitung  des  Scharlachs  in  der  Stadt  ZĂŒrich  in  den  Jahren 

1912—1919.     Rothpietz,    H.  145. 
Die  Serodiagnostik  der  Tuberkulose:   Bcsredka  1  und  IL  Grumbach., 

A.    147.  .  , 

Ueber  sphj  mographische  Arteriometrie  als  Hilfsmethode  und 
Schlußstein,  der  dynamischen  Pulsuntersuchung.  Um  bei  der  Be- 
urteilung der  ZirkuialionsgrĂ¶ĂŸe  und  der  lierzarbeit,  jene  Fehler- 
quelle, die  in  dem  Arterienkaliber  liegt,  mit  Sicherheit  in  jedem 
Falle,  wo  es  darauf  ankommt,  vermeiden  zu  können,  dient  die 
Arteriometrie,  die  Messung  des  inneren  Durchmessers  der  dy- 
namisch untersuchten  Radialarterie.  Verf.  benutzt  dazu  einen  von 
ihm  modifizierten  Jaquetsehen  Sphymographen,  dessen  Anwen- 
dung er  an  Hand  von  bildbeigaben  erlÀutert.  Es  handelt  sich 
darum,  den  Weg  zu  messen,  welchen  die  obere  Arterienwand  be- 
schreibt, wenn  sie  zwischen  dem  Zustand  des  Kompressionsver- 
schlusses der  Arlerie  und  dem  Zustand  des  vollen  Offenstehens 
derselben  verschoben  wird.  Ueber  die  nicht  ganz  unkomplizierte 
Anfertigung  und  Deutung  der  erhaltenen  Kurven  ist  am  besten  im 
Original  nachzulesen.  Desgl.  ĂŒber  die  Frage  des  Einflusses  der 
Weichteile  auf  die  Messungsresultate. 

Katamnestische  Erhebungen  zur  Prognose  der  verschiedenen 
Formen  von  Encephalitis  epidemica.  Aus  73  von  der  ersten  Er- 
krankung an  beobachteten  und  katamnesierten  FĂ€llen  haben  die 
Verf.  .EindrĂŒcke  gewonnen,  die  sie  folgendermaßen  zusammen- 
fassen: 

Reiner  Singultus  epidemicus  heilt  restlos  ohne  Residuen  aus. 
Die  sonstigen  rudimentÀren  Formen  (ohne  Lethargie,  Chorea 
oder  Myoklonie)  sind  nicht  so  unbedingt  harmlos  wie  der  reine 
Singultus,  scheinen  aber  doch  schließlich  resllos  auszuheilen.  Die 
mit  oder  ohne  Myoklonie-  und  Chorcasymptöme  verlaufenden 
lethargischen  Formen  heilen  nur  in  Vn  der  FĂ€lle  restlos  aus.  In 
fast  der  HĂ€lfte  der  FĂ€lle  gesellt  sich  frĂŒher  oder  spĂ€ter  Par- 
kinsonismus hinzu.  In  der  Minderzahl  der  FÀlle  tritt  er  als  SpÀt- 
folge auf,  meistens  nach  6—9  Monaten  anscheinender  Heilung, 
bisweilen  erst  nach  mehr  als  einem  Jahr.  Rein  choreatische 
Formen  geben  eine  relativ  gĂŒnstige  Prognose.  Parkinsonartige 
FolgezustÀnde  traten  nach  reiner  Encephalitis  choreatica  nie  auf. 
Die  myoklonischen  Formen  sind  jedenfalls  bösartiger  als  die 
chorealischen.  Reine  Encephalitis  myoclonica  kann  in  Parkin- 
sonismus ĂŒbergehen.  Ob  die  myoklonischen  Formen  an  Bösartig- 
keit der  FolgezustÀnde  den  lethargischen  gleichkommen  oder 
nachstehen  oder  sie  gar  ĂŒbertreffen,  kann  wegen  der  geringen 
Zahl  der  FĂ€lle  nicht  entschieden  werden.  Die  These  von  der 
Heilbarkeit  des  Parkinsonismus  postcncephaliticus  ist  inzwischen 
wieder  fallen  gelassen.  Die  unmittelbare  MortalitÀt  der  Ence- 
phalitis epidemica  betrÀgt  nach  Abzug  des  reinen  Singultus  und 
der  sonstigen  „rudimentĂ€ren"  Formen  etwa  ein  FĂŒnftel.  SpĂ€t- 
todesfÀlle können  durch  fieberhafte  Residuen  oder  durch  Suicid 
(infolge  phychischer  Störung  oder  infolge  LebensĂŒberdruß  wegen 
des  trostlosen  Zuslandes)  vorkommen,  jedenfalls  aber  auch  durch 
die  direkten  Folgen  des  Parkinsonismus. 


302 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Ueber  die  Verbreitung  des  Scharlachs  in  der  Stadt  ZĂŒrich 
1912 — 1919.  Die  oft  aufgestellte  Behauptung,  daß  die  Krankheit  im 
Herbst  öfter  und  hÀufiger  auftritt  als  zu  anderen  Jahreszeiten, 
traf  fĂŒr  die  vorliegende  Statistik  nicht  zu.  Dagegen  stimmen  die 
verschiedenen  Angaben  darin  ĂŒberein,  daß  das  weibliche  Ge- 
schlecht etwas  mehr .  Scharlacherkrankungen  aufweist  als  das 
'mÀnnliche.  Nach  dem  Alter  geordnet,  erweist  sich  das  5.  Lebens- 
jahr am  stÀrksten  befallen.  Nach  dem  14.  Jahre  fÀllt  Scharlach 
keine  große  Bedeutung  mehr  zu.  Obwohl  eine  Altersgrenze  nicht 
zu  bestehen  scheint,  muß  betont  werden,  daß  vom  40.  Jahr  ab 
die  FĂ€lle  nur  noch  ganz  vereinzelt  auftreten.  Nicht  einmal  in  den 
dichtbewohnten  Quartieren  der  Àrmeren  Bevölkerungsklassen 
konnte  von  Scharlachnestern  die  Rede  sein,  d.  h.  von  HĂ€usern 
oder  HĂ€usergruppen,  in  denen  Scharlach  jahrelang  nicht  zur  Ruhe 
kommt  und  die  immer  wieder  Anlaß  zu  kleineren  oder  grĂ¶ĂŸeren 
Epidemien  gaben.  In  bezug  auf  die  Verteilung  innerhalb  der 
Familie  gelang  es  an  Hand  des  vorliegenden  Materials  nicht,  eine 
ausgesprochene  familiÀre  Disposition  festzustellen.  Die  Erhebun- 
gen erstrecken  sich  auf  einen  Zeitraum,  wÀhrend  dessen  keine 
eigentliche  schwere  Epidemie  in  ZĂŒrich  beobachtet  wurde;  es 
erscheint  nicht  ausgeschlossen,  daß,  wenn  der  Scharlach  eine 
grĂ¶ĂŸere  Virulenz  und  KontagiositĂ€t  annimmt,  die  VerhĂ€ltnisse 
sich  etwas  anders  gestalten.  Held  (Berlin). 

16.  Februar  1922,  52,  Nr.  7 

❖Die  neue  Sehnittentbindung  hei  Physometra  und  Febris  sub  partu.    W  .1  1  t  - 
h  a  r  d  .  M.  161. 

Die  HÀufigkeit  des  Diabetes  mellitus  in  Basel.    Hunziker.  H.  16». 
❖Progressive,  perniziöse  AnĂ€mie.    1871 — 19:il.    Aide  r.  A.  172. 

Puerperalinfektionen  und  Leberinsuffizienz.    B  o  u  r  c  a  r  t  .  M.  175. 
«J»Nomn.ifen  in  der  Kinderpraxis.    H  off mana.  W.  177. 

Die  neue  Schnittentbindung  bei  Physometra  und  Febris  sub 
partu.  Wenn  bei  Physometra  und  Febris  sub  parlju  der  vor- 
angehende Kopf  bei  Dringlichkeit  zur  Entbindung  mit  seinem 
grĂ¶ĂŸten  Umfang  den  Beckeneingang  noch  nicht  ĂŒberschritten 
hatte,  so  mußte  bisher  selbst  bei  völlig  eröffnetem  Muttermund 
das  lebende  Kind  geopfert  werden,  denn  Wendung  und  Extrak- 
tion des  nachfolgenden  Kopfes  ist  wegen  der  Gefahr  einer  arti- 
fiziellen  Uterusruptur  nicht  mehr  empfehlenswert.  Im  Zeitraum 
vom  Blasensprung  bis  zur  Besiedlung  des  Fruchtwassers  mil 
Bakterien  und  Ausbildung  von  Physometra  und  Febris  sub  partu 
fließt  soviel  Fruchtwasser  ab,  daß  der  Foet  unbeweglich  wird. 
Wendungen  enden  daher  gelegentlich  mit  dem  Tode  des  Kindes 
und  der  Mutter  zugleich. 

LĂ€ngst  hat  sich  das  BedĂŒrfnis  nach  einem  operativen  Ein- 
griff geltend  gemacht,  der  die  Geburt  jederzeit  rasch  beenden 
lĂ€ĂŸt,  unter  Schonung  des  lebenden  Kindes,  unabhĂ€ngig  von  der 
Kindeslage,  unabhÀngig  von  der  Erweiterung  der  Weichteile  und 
der  Beckenanomalie  und  ohne  RĂŒcksicht  auf  die  jeweilige  Be- 
siedlung des  Fruchtwassers  und  der  Genitalsekrete  mit  Bak- 
terien. Diesen  Anforderungen  entspricht  die  Entbindung  durch 
LĂ€ngsschnitt  in  den  sub  partu  gedehnten  Teil:  Isthmus  uteri  plus 
cervix,  der  KĂŒrze  halber  Sectio  cervicalis  genannt.  Die  Vorteile, 
die  dieser  Schnitt  bietet,  liegen  vor  allem  in  der  Vermeidung 
der  Placentarstelle  und  damit  der  Vermeidung  stÀrkerer  Blu- 
tungen. Nach  der  Entleerung  des  Uterus  genĂŒgt  eine  einzige 
retromucös  angelegte  Naht,  um  jede  Nachblutung  post  partium 
aus  den  WundrĂ€ndern  mit  Sicherheit  zu  verhĂŒten.  Der  Uterus 
bleibt  selbst  fĂŒr  sehr  große  Kinderj  Mehrlingsschwangerschaften 
und  fĂŒr  weitere  Spontangeburten  funktionstĂŒchtig.  Die  Uterus- 
narbe im  gedehnten  Teil  des  Uterus  bleibt  fest.  Nur  ganz  wenig 
FÀlle  von  perfekter  Ruptur  der  Cervixnaht  bei  spÀteren  Geburten 
sind  bekannt  geworden.  In  BerĂŒcksichtigung  der  Tatsache,  daß  die 
extraperitoneale  Sectio  cervicalis  den  Anforderungen  der  tech- 
nischen Einfachheit  und  Harmlosigkeit  nicht  in  dem  Maße  ent- 
spricht wie  die  intraperitoneale  Sectio  cervicalis,  lehnt  Verf. 
die  extraperitoneale  als  entbehrlich  und  unnötig  gefÀhrdend  ab. 
Aus  dem  ihm  zur  VerfĂŒgung  stehenden  Material  geht  mit  aller 
Deutlichkeit  hervor,  daß  die  Höhe  der  Temperatursteigerungen 
und  des  Pulses  sub  partu  nicht  als  prognostische  Kriterien  fĂŒr 
den  postoperativen  Verlauf  einer  Sectio  cervicalis  verwertet 
werden  können.  Ebensowenig  bilden  SchĂŒttelfröste  oder  Physo- 
metra, bzw.  Constrictio  spastica  aus  bakterieller  Ursache  eine 
Contraindikation  fĂŒr  die  DurchfĂŒhrung  einer  Sectio  cervicalis 
intraperitonealis.  Dank  dieser  Erkenntnis  kann  die  Perforation 
bei  geraden  Kindslagen  und  die  Embryotomie  bei  Querlagen  und 
lebendem  Kind  auf  ein  Minimum  reduziert  werden.  Die  volle 
volkswirtschaftliche  Bedeutung  fĂŒr  die  Erhaltung  vieler  lebens- 
fÀhiger Kinder  wird  die  neue  Schnittentbindung  erst  dann  er- 
langen, wenn  die  praktischen  Aerzte  ihre  Geburtshilfe  dahin 
reorganisieren,  daß   sie  regelwidrige  Geburten  rechtzeitig  der 


Krankenhausbehandlung  zufĂŒhren  und  auf  die  vaginale  Unter 
suchung  sub  partu  zugunsten  der  Ă€ußeren  und  rektalen  weit- 
möglichst verzichten.   Ferner  wenn  sie  AufklÀrungen  zur  Pro- 
phylaxe der  endogenen  Infektion  bei  ihren  Patientinnen  verbreiten 

Ueber  progressive  perniciöse  AnĂ€mie  1871 — 1921:    50  Jahre 

sind  verflossen,  seit  Biermer  den  ersten,  berĂŒhm'o  gewordenen 
Vortrag  ĂŒber  progressive,  perniciöse  AnĂ€mie  geiiaiten  aal. 
Wir  haben  allen  urunu,  ihn  an  diesem  Gedenktage  als  den 
eigentlichen  Entdecker  aieser  Krankheit  zu  feiern.  Die  Perni- 
ciosa ist  eine  Krankheit,  deren  HÀuiigkeit  schwer  abzuschÀtzen 
ist.  Sie  tritt  in  allen  LĂ€nĂŒern  und  in  allen  Kreisen  der  Bevöl- 
kerung auf.  In  der  Symptomatologie  der  Perniciosa  spielen  seit 
ilunters  Beobachtungen  die  VerÀnderungen  am  Aiagen-Darm- 
tractus  eine  besondere  Rolle.  Als  sicntbares  Zeichen  lassen  sich 
entzĂŒndliche  Erscheinungen  an  der  Zunge  feststellen,  die  fĂŒr 
die  FrĂŒhdiagnose  der  Krankheit  eine  grobe  Bedeutung  gewonnen 
haben.  Weniger  hÀufig  ist  die  atrophische  Zunge.  Nicht  selten 
bieten  Perniciös-AnÀmische  das  Bild  von  Karzinomkranken;  man 
ist  geneigt,  bei  der  VerfÀrbung  an  Lebermetastasen  zu  denken.  Der 
Unterschied  ergibt  sich  aus  dem  Blutbild.  Die  Magenlunktions- 
prĂŒtung  lĂŒhrt  recht  oft  zu  FehlschlĂŒssen,  da  man  die  AnaciditĂ€t 
der  FÀlle  mit  perniciöser  AnÀmie  als  durch  das  Karzinom  be- 
dingt ansieht.  AnaciditÀt,  meist  mit  Achylie  und  einer  radio- 
logisch i'eststeUbaren  HypermotilitÀt  verbunden,  ist  ein  Symptom 
fĂŒr  perniciöse  AnĂ€mie,  das  als  100  prozentig  angesehen  werden 
muß.  Der  Urobiiinogenprobe  wird  großes  Gewicht  beigelegt,  in 
der  Remission  fÀllt  sie  jedoch  fast  restlos  negativ  aus.  Die  Aus- 
fĂŒhrungen Biermers  enthielten  nichts  ĂŒber  die  BlutverĂ€nde- 
rungen, die  heut  im  Mittelpunkt  des  Interesses  stehen.  Erst  der 
Ausbau  der  Haematologie  hat  die  Krankheit  zu  einer  Blutkrank- 
heit gestempelt.  Die  Entdeckungen  Ehrlichs  bedeuten  einen 
Markstein  in  der  Perniciosaforschung.  Er  beschrieb  die  Megalo- 
blasten,  er  maß  der  Mikro-  und  Poikilocystose  eine  besondere 
Bedeutung  zu  und  kam  schließlich  zu  der  genialen  Hyphothese, 
daß  es  sich  um  einen  RĂŒckschlag  der  Blutbildung  in  embryonale 
Bahnen  handle.  Das  Wichtigste  fĂŒr  die  Diagnose  ist  die  Megalo- 
cytose,  die  Anisocylose,  ist  nichts  als  eine  Insuffizienzerschei- 
nung, sie  fehlt  bei  Remissions-  oder  Initialstadien  der  Krank- 
heit. Ueber  die  Entstehung  der  perniciösen  AnÀmie  haben  die 
Anschauungen  sehr  gewechselt:  einmal  ist  die  Krankheit  eine 
Knochenmarkserkrankung,  einmal  eine  Infektion,  einmal  eine 
primÀre  Magendarmerkrankung,  einmal  ein  hÀmolytischer  Vor- 
gang, eine  Autoinfektion,  eine  Konstitutionskrankheit.  Jedenfalls 
muß  man  bei  der  Perniciosa  eine  Gifteinwirkung  auf  den  ganzen 
Organismus  annehmen,  wobei  jedes  Organ  unter  der  deletÀren 
Einwirkung  des  Toxins  steht;  unter  allen  aber  zeigt  sich  das 
Knochenmark  als  das  am  empfindlichsten  reagierende. 

In  therapeutischer  Beziehung  ist  vor  allem  das  Arsen  zu 
nennen;  all  die  zahlreichen  Behandlungsarten,  die  von  einer  pri- 
mÀren SchÀdigung  im  Darm  ausgehen,  erzielen  keine  sicheren 
Besserungen.  Auch  die  Milzexstirpationen  fĂŒhren  bei  weitem 
nicht  in  allen    FĂ€llen  zu  einem  Erfolg.  ‱ 

Somnifen  in  der  Kinderpraxis.  Bei  4  FÀllen  von  Schlafstörung 
nach  Grippe-Encephalitis  mit  hochgradiger  motorischer  Unruhe 
ließ  sich  durch  relativ  geringe  Somnifengaben  eine  wesentliche 
Besserung  erzielen.  Der  Erfolg  war  befriedigender  als  bei  den 
verschiedensten  vorher  angewandten  Schlafmitteln.  In  der  Epi- 
lepsiebehandlung wird  sich  das  Luminal  wohl  kaum  vom  Som- 
nifen verdrÀngen  lassen.  Pavor  nocturnus  konnte  schon  durch 
kleine  Dosen  Somnifen  zum  Verschwinden  gebracht  werden. 
Einer  speziellen  PrĂŒfung  sollte  das  Somnifen  auch  bei  der  The- 
rapie der  Spasmophilie  unterzogen  werden.  Das  neue  Mittel  hat 
den  fĂŒr  die  Kinderpraxis  wertvollen  Vorteil  einer  leicht  zu 
verÀndernden  Dosierung,  weil  es  in  Tropfenform  verabreicht 
werden  kann.  An  dem  etwas  unangenehmen  Geschmack  des  PrÀ- 
parates nahmen  nur  wenige  Kinder  Anstoß.      Held  (Berlin\ 

Schweizer  Archiv  fĂŒr  Neurologie  und  Psychiatrie. 
9,  Heft  1. 

‱(»Die  Regeneration  im  Nervensystem.    Hedinger.  , 

Klinische  und  anatomische  Studien  ĂŒber  Apraxie  I.  Brun. 

Ueber  die  Pathogenese  der  Tabes.  Richter. 

BeitrÀge  zur  Lehre  von  den  SensibilitÀten  I.    D  o  e  b  e  1  i. 
<i*Der  Wert  der  Elektrodiagnostik  bei  der  Tetanie.    Farbarge-  Vail. 

Ueber  Adipositas  dolorosa.  Kauffmann. 

Ueber  Encephalitis  lethargica.    R  e  d  a  1  i  e. 

Die  Regeneration  im  Nervensystem.  Umfassendes  Sammel- 
referat in  3  Teilen:  Regeneration  der  peripheren  Nerven,  des 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Aus   den    ueuestco  Zeitschriften 


RĂŒckenmarks  und  des  Gehirns.  Verfasser  hĂ€lt  den  Streit  zwi- 
schen den  AnhÀngern  der  polygenislischen  (AI  archand)  und 
monogenisĂŒschen  (Stroebe)  Regeneration  peripherer  Nerven 
zwar  noch  uicht  fĂŒr  entschieden,  neigt  aber  mehr  der  monogen] 
stischen  Theorie  zu.  Sowohl  die  Kriegserfahrungen  als  auch  die 
moderne  experimentelle  Embryologie  bildet!  im  Verein  mit  der 
Kis-Forelschen  Neuroblastentheorie  eine  weitere  StĂŒtze  der  mono 
genistischen  Nervenregeneration.  Die  Regenerationsmöglichkeiten 
im  RĂŒckenmark  und  Gehirn  sind  außerordentlich  beschrĂ€nkte. 
Sehr-  wichtig  erscheint  dem  Verfasser  die  Feststellung  von 
Tello,  daß  die  Regenerationskrait  des  Cerebrums,  Cerebeliums 
und  des  Nervus  opticus  verstĂ€rkt  werden  kann,  wenn  StĂŒckchen 
von  frischen  im  Degeiieratlionsstadium  befindlichen  Nerven  in 
die  Wunde  transplantiert  werden. 

Der  Wert  der  Elektrodiagnostik  bei  der  Tetanie.  Pathogno- 
monisch  fĂŒr  die  manifeste  und  latente  Tetanie  ist  nach  den  Unter- 
suchungen des  Verfassers  folgende  elektrische  NervenĂŒberemp- 
findlichkeit  (.geprĂŒft  am  Nervus  ulnaris):  KSZ  und  AnSZ  von 
1  Mill.-Ampere  ab,  KSTet.  von  5—10,  AnSTet.  von  10  Mill.-Am- 
pere ab,  KQZ  stets,  AnOZ  fast  sttets  von  5  Mill.-Ampere  ab  aus- 
lösbar. Die  AnOZ  tritt  bei  Tetanie  nach  Escherich  stets'  frĂŒher 
auf  als  die  AnSZ.  Die  Elektrodiagnostik  aUein  erlaubt»  die  Dia- 
gnose der  manifesten  und  latenten  Tetanie.  Nur  in  einigen  FĂ€l- 
len von  formes  frustes  von  Tetanie  versagt  das  elektrodiagnosti- 
sche  Verfahren.  Rachitis,  Tuberkulose,  Osteomalacie,  senile 
VerĂ€nderungen  geben  nie  die  fĂŒr  Tetanie  charakteristische  elek- 
trische Ueberempfindliclikeit,  obgleich  es  scheint,  als  ob  das 
elektrische  Verhalten  der  Tetanie  mit  Kalkmangel  in  ursÀch- 
lichem Zusammenhang  steht1.  Bei  der  klinischen  Untersuchung 
findet  man  oft  Zeichen  weiterer  endokriner  Störungen  (Basedow, 
Dystrophien,  Myxödem,  Osteomalacie  usw.). 

W.  We igelt  (Leipzig/ 


Acta  medica  scandinavica. 

55,  Nr.  6. 

Lieber  die  Struktur  der  Bakterien.    Bergstrand,  H. 
‱MJeber  Lufteinblasungen  in  den  RĂŒckgratkanal  zu  diagnostischen  Zw  er  kr  u 

bei  RĂŒckenmarkstumoren.    J  a  c  o  b  a  e  u  s  ,  H.  C. 
❖Wie  entstehen  die  arthritischen  Deviationen?    Kahlmeter.  G. 

Variationen  in  der  Anzahl  der  Erythrozyten  bei  gesunden  Individuen.  Bier 
ring,  K. 

♩De  Prognose  der  Bronchopneumonie    B  i  e  ,  V. 

Systematische    Untersuchung    des    Blutes    bei    hÀmorrhagischer  Diathese. 
Gram,  H.  C. 

Ueber  die  Frage  der  Aetiologie  und  Pathogenese  der  Ischias.  Petrin, 
Karl  und  Otterström,  E. 

❖Ein    Beitrag  zur    klinischen   DiiferenĂŒaldiagnose    der    Endarteriris  myco- 
tica des  Truncus  art.  pulmonalis.    SĂ€len.  E. 

Ueber  Lufteinblasungen  in  den  RĂŒckgratkanal  zu  diagnosti- 
schen Zwecken  bei  RĂŒckenmarkstumoren.  Verfasser,  der  1909 
Lufteinblasungen  nach  Entleerung  von  Liquor  aus  therapeutischen 
GrĂŒnden  versucht  hatte,  hat  sie  zu  diagnostischen  Zwecken  im 
AnschlĂŒsse  an  die  Empfehlung  der  Methode  in  Verbindung  mit 
Röntgendurchleuchtung  durch  Lindstedt,  Dandy  und  A.  Jo- 
sef söhn  wieder  aufgenommen,  in  einigen  FÀllen  mit  negativem, 
in  3  FÀllen  mit  positivem  Resultat.  Von  diesen  drei  TumorfÀUen 
entsprach  bei  zweien  das  obere  Ende  der  LuftsÀule  dem  unteren 
Ende  des  Tumors,  was  die  KontroUe  bei  der  nachfolgenden  Ope- 
ration bewies.  Im  dritten  Fall  endete  die  LuftsÀule  etwas  tiefer. 
Verfasser  wiU  es  dahingestellt  sein  lassen,  ob  die  Ursache  dafĂŒr 
in  AdhÀsionen  lag  oder  ob  Gas  angewendete  Luftquantum  zu  klein 
war.  Doch  glaubt  er,  daß  die  Methode  fĂŒr  diagnostische  Zwecke 
von  einer  gewissen  Bedeutung  werden  kann. 

Wie  entstehen  die  arthritischen  Deviationen?  Bei  der  arthri- 
tischen Deviation  in  den  Gelenken  der  Hand  ergibt  die  anatomi- 
sche Betrachtung  der  Gelenke,  daß  deren  Form  die  typische  Er- 
scheinungsart der  Deviation  durch  Muskelwirkung  allein  möglich 
macht,  ohne  daß  eine  VerĂ€nderung  an  Fassetten  oder  Bandappa- 
rat nötig  wÀre.  Die  betreffs  der  Muskelwirkung  auf  diese  Ge- 
lenke festgestellten  Tatsachen  zeigen,  daß  die  Muskulatur  durch 
periphere  Kontrakturen  die  typischen  Deviationen  hervorbringen 
kann.  Allem  Anschein  nach  entsteht  die  periphere  Kontraktur  in 
gewissen  Muskelgruppen  schon  in  den  ersten  Phasen  der  Arthri- 
tis und  jedenfalls  in  einer  vorgeschritteneren  Phase  der  Erkran- 
kung in  Form  von  sekundÀren  Kontrakturen  infolge  SchwÀchung 
und  Atrophie  der  Antagonisten.  Verfasser  berichtet  ĂŒber  einen 
Fall  von  Polyarthritis  bei  einem  Hemiplegiker.  WĂ€hrend  die 
eigentlichen  arthritischen  VerÀnderungen  symmetrisch  auftraten, 
entwickelte  sich  nach  der  Hemiplegie  eine  vollstÀndig  typische 
Deviation  aber  nur  an  der  Hand  der  nicht  gelÀhmten  Seite,  was, 
wie  Verfasser  betont,  ein  schlagender  Beweis  sei  fĂŒr  die  Rich- 


tigkeit   der    muskulÀren    Theorie  betreffs  "der  Entstehung  der 
arthritischen  Deviationen. 

Die  Prognose  der  Bronchopneumonie.  Nach  Beobachtungen 
an  lnfluenzapneumonien  betreffs  Temperatur,  Puls  und  Atem 
frequenz  ergibt  sich,  daß  die  letztere  die  beste  Basis  fĂŒr  die  Stel 
lung  der  Prognose  gibt,  indem  sich  bei  den  FĂ€Uen  mit  einer  Re- 
spiralionszahl  zwischen  30 — 34  eine  MortalitĂ€t  von  ĂŒ  Prozent,  bei 
den  FĂ€llen  mit  einer  Atemfrequenz  zwischen  40 — 44  aber  eine 
MortalitÀt  von  28  Prozent  herausstellte.  Erhöhte  MortalitÀt,  abei 
Ă€hnliches  proportionales  Verhallen  zur  Respirationszuhl  bei  dop 
pelseitigen  Pneumonien. 

Ein  Beitrag  zur  klinischen  Diiferentialdiagnose  der  Eudartcri- 
tis  mycotica  des  Truncus  art.  pulmonalis.  Eingehende  Beschrei- 
bung eines  influenzaf alles  (1918),  bei  dem  in  direktem  AnschlĂŒsse 
an  die  akute  Erkrankung  außer  disseminierten  Bronchpneumonien 
eine  ausgebreitete,  progrediente,  mykotische  (.ZĂŒchtung  aus  dem 
Blute:  Streptokokken)  Endarteritis  in  dem  Stammteil  der  A.  pul- 
mon.  hinzukam.  MÀchtige,  beide  HauptÀste  beinahe  verstopfende 
Thromben  und  durch  diese  Erscheinungen  verursacht'  ein  klinisch- 
röntgenologisch  nachweisbares  Pulmonalisaneurysma.  Detail- 
lierte Beschreibung  des  makroskopischen  (Abbildung)  und  mikro- 
skopischen Sektionsbefundes.  Verfasser  hebt  die  Schwierigkeiten 
der  klinischen  Diagnosesteilung  in  derartigen  FĂ€llen  hervor;  be- 
sonders die  diagnostische  Scheidung  gegen  gewisse  kongenitale 
Vitien  (Offenbleiben  des  Ductus  Botalli,  Pulmonalisaneurysma) 
bietet  große  Schwierigkeiten.  Nur  durch'  genaue  Beachtung  der 
anamnestischen  Daten  und  des  klinischen  Totalbildes  dĂŒrfte  da- 
bei eine  Diiferentialdiagnose  der  FÀlle  möglich  sein. 

Popper  (Stockholm) . 

Finska  LÀkaresÀllskapets  Handlingar,  Helsingfors. 

November-Dezember  1922,  63. 

Bietet  die  Chlorose  periodische  Schwankungen  in  ihrer  Frequenz.    S  c  b.  a  u  - 
mann,  O.  537. 

❖  Ueber  einige  blutgerinnungsbefördernde  Mittel.    E  1  v  i  n  g  .  H.  551. 
Subkonjunktivale  Staroperation  mit  einem  im  voraus  abgelösten  teilweise 
doppeltgestielten,    vollstÀndig     deckenden     Bindehautlappen.      G  r  ö  n  - 
h  o  1  m  ,  V.  578. 

Zur  Kenntnis  der  ErmĂŒdungserscheinungen  der  Jluskeln.    Kucken,  D. 
588. 

Ueber  einige  blutgerinnungsbefördernde  Mittel.  Verfasser 
hat  durch  genaue  Bestimmungen  der  GerinnungsfÀhigkeit  des 
Blutes  die  Wirkung  einiger  neueren  HĂ€mostyptica  untersucht. 
Die  Gerinnungszeit,  womit  Verfasser  diejenige  Zeit  bezeichnet, 
die  bis  zum  Auftreten  des  ersten  Fibrinfadens  verlÀuft,  wurde 
nach  B  ĂŒ  r  k  e  r '  s  Methode  bestimmt. 

Es  wurde  in  einigen  FĂ€llen  die  Milz  mit  ein  Drittel  Haut- 
einhedtsdosis  röntgenbestrahlt.  Nur  in  einem  von  12  genau 
untersuchten  FĂ€llen  wurde  eine  gerinnungsbeschleunigende  Wir- 
kung vermißt. 

Durch  Bestrahlung  der  Leber  wurde  in  6  VersuchsfÀllen 
eine  Gerinnungsbeschleunigung  hervorgerufen,  die  jedoch  nicht 
der  durch  Milzbestrahlung  erzielten  gleichkam. 

Intravenöse  Koaguleninjektionen  (5  g  in  5  Prozent  Lösung) 
wurden  zweimal  ohne  Erfolg  gegen  innere  Blutung  gemacht. 

Die  Wirkung  hypertonischer  Kochsalzlösungen  scheint  zu- 
weilen bei  Blutungen  erfolgreich  zu  sein. 

Auch  mit  dem  von  Nonnenbruch  und  S  z  y  z  k  a  empfoh- 
lenen Euphillin  wurden  Probeversuche  gemacht.  Die  gerin- 
nungsbef ordernde  Wirkung  (von  0,50  bis  0,75  g)  Euphyllin  intra- 
venös ist  sehr  lebhaft  (bis  88,9  Prozent)  und  kann  einige  Stun- 
den dauern.  Jedoch  reagierten  die  Versuchspersonen  mit  einer 
sehr  ausgeprĂ€gten  Tachycardie,  so  daß  Euphyllin  wenigstens  in 
oben  genannten  Dosen  fĂŒr  den  praktischen  Zweck  ausgeschlossen 
werden  muß. 

Die  besten  gerinnungsbefördernden  Mittel  scheinen,  nach  den 
Erfahrungen  des  Verfassers,  Ca  CL-Lösungen  bei  intravenöser 
Einverleibung  zu  sein.  Er  hat  bei  Blutungen  bis  3  g  Ca  CL. 
(20  cem  von  einer  15  proz.  Lösung)  injiziert1  und  ist  mit  dessen 
Wirkungen  sehr  zufrieden.  Bei  den  experimenteUen  Versuchen 
trat  in  jedem  Falle  eine  betrÀchtliche  Beschleunigung  der  Ge- 
rinnung ein;  in  einem  FaUe  hat  eine  intravenöse  Einverleibung 
von  10  cem  einer  10  proz.  Lösung  dieselbe  um  91  Prozent  ge- 
steigert. 

Es  siglo  medico,  Madrid. 

18.  Februar  1922,  69,  Nr.  3558. 

«â–șExperimentelle    Untersuchungen    Uber   die    Funktion    des    corpus  callosum. 
L  a  f  o  r  a  .  O.  R.  und  P  r  a  d  o  6  .  M.  169. 


304 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Epitheliom  der  KonjunkĂŒva.    Lopez.  Riben  uud  C  hav&rriĂ€.  174. 
Fam.liare  Paranoiker.    Salas  y  Vaca.  176. 
Chlorierung  des  Wassers.    R  a  c  e  ,  J.  178. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  Funktion  des  corpus 
callosum.  Eine  Verletzung  des  balkens  bei  Alien  und  Kalzen 
verui sacht  apraktische  unu  LĂ€hmungserscheinungen  aui  der  ent- 
gegengesetzten Seite  der  HemisphÀre,  die  nÀher  zur  Verletzung 
lieg.';  diese  verschwinden  nach  lt> — 20  Tagen  vollstĂ€ndig;  wieder- 
holt  man  nach  einiger  Zeit  diese  Verletzung  an  der  entgegen- 
gesetzten Seile  des  Laikens,  so  erhÀlt  man  enenlalls  aui  der  ge- 
kreuzten Seite  dieselben  Auslaltserscheinungen;  diese  LĂ€hmungs- 
ersclieinungeii  hĂ€ngen  nicht  davon  ab  —  wie  koranyi  an- 
nimmt —  daß  Liquor  aus  den  Ventrikeln  ausströmt.  Die  Aus- 
dehnung der  Auslaltserscheinungen  lÀuft  parallel  mit  der  Aus- 
dehnung der  gesetzten  Verletzung.  Die  Verletzung  des  Knies  des 
Balkens  ruft  apraktische  Symptome  des  Armes  hervor,  die  des 
vorderen  mittleren  Teiles  apraktische  Symptome  an  Arm  und  Bein; 
die  des  hinteren  mittleren  Teiles  solche  am  bein,  die  des  Splenium 
ruft  keine  Symptome  oder  fast  unmerkliche  am  Beine  hervor,  die 
Verletzung  des  ganzen  Balkens  rult  hemiparetische  und  aprak- 
tische Symptome  hervor.      .  L  u  r  j  e. 

II  Policlinico,  Rom.   (Seziona  Pratica.) 

6.  Februar  1922,  29,  Nr.  6. 

❖Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  Wa.  R.  bei  Kindern.   De  Villa. 
S.  und  K  o  n  c  b  i  , '  A.  185. 
LeukĂ€misches  HĂ€matom  von  Schulterblatt  und  RĂŒcken.   A  1  o  i  .  V.  192. 

13.  Februar  1922,  29,  Nr.  7  (Seziona  pratica). 

❖Experimentelle  Untersuchungen.    Die  Wa.  R.  bei  Kindern.    Villa.  S.  de 
und  K  o  n  c  h  i  .  A.  217. 

PrimÀre  tuberkulöse  Ulzei-ation  der  Vulva  und  der  Blase.    Otavagaa  , 
M.  222. 

Extraktion  einer  Haarnadel  aus  der  Blase.    S  i  1  v  a  n  .  C.  224. 

Experimentelle  Versuche  ĂŒber  die  Wassennannreaktion  bei 
Kindern.  L»ie  Versuche  ergaben,  daß  das  Antigen  aer  Wa.  R. 
ersetzt  weraen  kann  aurch  ein  Cholesterin  oaer  besser  noch 
durcn  eine  Lösung  gemischter  Lipoide. 

Der  AmJjoceptor  kann  indel)  nie  von  einer  solchen  Lösung 
ersetzt  werden.  Die  Milch  einer  gesunden  oder  luetischen  Frau 
wirkt  vereinzelt  als  Antigen,  selten  oaer  nie  als  Amboceptor. 
Das  Colostrum  dagegen  kann  genĂŒgend  als  'Amboceptor,  aber 
nie  als  Antigen  wirKen. 

Das  Serum  des  Colostrum  der  gesunden,  mehr  noch  der 
kranken  Frau  kann  vollstÀndig  den  Amboceptor  nie  das  Antigon 
ersetzen.  Die  QuantitÀt  des  Cholesterins  der  Sera  des  Blutes 
und  der  CerebrospinalllĂŒssigkeit  hat  keinerlei  Linwirkung  auf 
negative  oder  positive  ReaktivitÀt  R.  W. 

Aus  diesen  Ergebnissen  iolgern  die  Autoren,  daß  das  Anti- 
gen durch  die  Lipoidkörper,  der  Amboceptor  der  luetischen  Sera 
durch  Aibuminoide  proteinischer  oder  globulinischer  Art  wirken. 

Cordes  (Berlin). 

La  Presse  Medicale,  Paris. 
1.  Fcbru  .r  1922,  Nr  9 

❖  Ueber  die   Indikationen  zur  Hysterectomie,   Radium-  und  Röntgentherapie 
bei  Cervixcarzinom.    Proust,  R.  und  Maltet,  L.  -  89. 

❖Beitrag  zum  Studium  des  Berufssaturnismus.   Heim,  F.,  Agasse-La- 
f  o  n  t  .  E.  und  Feil.  A.  92. 
Asthma  und  digestive  HĂ€moklasie.    Galup,  J.  93. 

Ueber  die  Indikationen  zur  Hysterectomie,  Radium-  und 
Röntgentherapie  bei  Cervixcarzinom.  Verf.  beruft  sich  außer  auf 
seine  eigenen  Erfahrungen  vielfach  auf  die  Statistiken  K  u  m  m  s, 
Taussigs  u.  a.  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  daß  die  Dauer- 
resultate bei  blutiger  Intervention  am  besten  sind,  die  Röntgen- 
und  Radiumtherapie  dagegen  eine  geringere  unmittelbare  Mor- 
talitÀt haben.  Die  Radiumtherapie  empfiehlt  sich  besonders  als 
prÀ-operative  Sterilisation  zur  Reinigung  des  Operationsfeldes; 
die  Röntgentherapie  vor  allem  zur  VervollstÀndigung  der  opera- 
tiven Therapie,  wenn  nach  ungefÀhr  einem  Monat  die  tiefe  Ver- 
narbung eingetreten  ist,  um  etwa  stehengebliebene  neoplastische 
Elemente  vollstÀndig  zu  zerstören.  Ferner  empfiehlt  er  die  er- 
weiterte Radiotherapie  bei  gleichzeitig  utero-vaginaler  und  intra- 
abdominaler Anwendung. 

Beitrag  zum  Studium  des  Berufssaturnismu9.  Verf.  unter- 
suchte 95  Arbeiter  einer  Akkumulatorenfabrik  auf  die  Zeichen 
der  Bleivergiftung  und  findet  Bleiserum  bei  65  %,  basophile  rote 
Blutkörperchen,  die  gewissermaßen  pathognomonisch  fĂŒr  Satur- 
nismus sind,  bei  21  %,  Blei  im  Urin  bei  70  %,  Bleikoliken  bei 
7  %,  Parotitiden  bei  2  %,  Hypertension  bei  29  %. 


Die  Frauen  sind  im  allgemeinen  weniger  betroffen  als  die 
MĂ€nner,  was  wohl  auf  Ă€ußere  Lrsachen  (bessere  Hygiene,  kĂŒr- 
zere und  leichtere  Arbeit)  zurĂŒckzufĂŒhren  ist.  Daß  die  Ă€lteren 
Arbeiter  einen  grĂ¶ĂŸeren  Prozentsatz  liefern,  liegt  daran,  daß 
eben  diese  den  Beruf  trotz  seiner  SchÀdigungen  lange  Zeit  aus- 
ĂŒben konnten,  wĂ€hrend  die  nicht  WiderstandsfĂ€higen  schon  im 
jĂŒngeren  Alter  ausscheiden  mußten.  Ein  Einfluß  hinsichtlich  der 
Rassen  ließ  sich  nicht  feststellen.  Verf.  schließt,  daß  die  An- 
wesenheit obiger  Stigmata  eine  saturnine  Intoxikation  beweist, 
ihr  Fehlen  sie  unwahrscheinlich    erscheinen  lĂ€ĂŸt.  Haber. 

Archives  de  Medecine  des  Enfants,  Paris. 

Januar  1922,  25,  Nr.  1. 

❖Chinintherapie  bei  Malaria  der  Kinder.    Suzuki,  l. 

Die  Mitarbeit  polnischer  PÀdiater  an  französischen  Publikationen.  C  o  m  b  y  , 
J.  15. 

Der  Mongolenfleck  in  Peru.    E  y  z  a  g  u  i  r  r  e  ,  It.  19. 
Der  Mongolenileck  in  Santo  Paulo.    F  e  r  r  e  i  r  a  ,  C.  23. 
Ein  Fall  von  Hutinelscher  eardio-hepatischer  Zirrhose.    Lasnier.  E.  und 
A  r  m  a  n  d  -  U  g  o  u  ,  A.    25.  . 

Ein  seltener  F#ll  von  kongenitaler  Rachitis  kompliziert  mit  Osteomalazie. 
Biehler.  M.  de.  41. 

Ueber  die  Behandlung  der  kindlichen  Malaria  mit  Chinin. 

Versuche  mit  versciiiedener  ZufĂŒhrung  von  Chinin  durch  den 
Mund,  auf  rektalem  Wege  und  unter  die  Haut  an  gesunden  Ka- 
nincnen  ergaben,  daß  das  Alkaloid  von  der  Darmschteimhaut  aus 
doppelt  so  schnell  auigenommen  wird  als  bei  Verabreichung  von 
oben.  Die  verscliiedenen  VerdĂŒnnungen  von  0,25—2  auf  100  wirk- 
ten vom  Darm  aus  gleich  stark.  Losungen  von  0,25 — 0,5  auf  100 
ĂŒben  bei  rektaler  Einverleibung  keinerlei  Reizwirkung 
auf  den  kindlichen  Darm  aus.  Die  bakterizide  Wirkung  der 
verschiedenen  Chininsalze  entspricht  bei  PrĂŒfung  mit  Dysenterie- 
bazillen iĂŒrem  Chiningehalt.  Das  salzsaure  Chinin  verdient  we- 
gen seiner,  grĂ¶ĂŸeren  Löslichkeit  den  Vorzug.  H.  Vogt. 

Februar  1922,  25,  Nr.' 2. 

❖Pathologische  DurchgĂŒngigkeit  der  Darmwand  beim  SĂ€ugling  und  ihre  Be- 
ziehungen zu  den  toxischen  PhÀnomeneu  der  Cholera  infantum.  Böh- 
mer. P.  und  L  6  v  y  ,  R.  65. 
❖Mongolismus.    B  i  e  h  1  e  r  ,  M.  d.  81. 
Kongenitaler  Ikterus  infolge  Fehlens  des  Canalis  hepaticum.  Nobccourt, 
P.  und  J  a  n  e  t ,  H.  90. 
❖FamilĂ€rer  infantiler  Diabetes.    Lereboullct.  P..  Blechmann,  G., 
und  B  1  e  c  h  m  a  n  n  ,  J.  94. 
Herpes  Zoster  und  Varizellen.    Dumontct.  97. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  pathologische  DurchlĂ€ssigkeit  der 
Darmwand  des  SĂ€uglings  und  deren  Bezieliungen  zu  den  toxischen 
Symptomen  der  BrechdurchfÀlle.  Die  Bestimmung  des  Antitoxin- 
gehalts im  Blutserum  vor  und  nach  der  Zufuhr  von  10 — 20  ccm 
des  Heilserums  gegen  Diphtherie  aus  dem  InstĂŒiut  Pasteur,  ergab 
bei  15  Kindern  mit  alimentÀrer  Intoxikation  eine  Zunahme.  Eine 
erhöhte  DurchlÀssigkeit  der  Darmwand  besteht  .also  bei  der 
Mehrzahl  der  FĂ€lle.  Sie  wurde  aber  bei  3  FĂ€llen  der  gleichen 
Erkrankung  vermißt  und  findet,  sich  gelegentlich  auch  bei  Kin- 
dern mit  leichteren  Verdauungsstörungen  und  bei  SÀuglingen  mit 
konstitutionellem  Ekzem.  Danach  ist  der  toxische  Zustand  nich" 
als  Folge  der  erhöhten  DurchlÀssigkeit  der  Darmwand  anzu 
sehen,  es  handele  sich  vielmehr  um  zwei  nebeneinander  her 
gehende  Erscheinungen. 

Kindlicher  Mongolismus.    Nach  einer  kurzen  AufzÀhlung  der 
zum  Krankhei!  sbild  der  mongoloiden  Idiotie  gehörenden  ZĂŒge  be 
richtet  die  Verfasserin  ĂŒber  fĂŒnf  eigene  Beobachtungen,  die  vi 
Knaben  und  ein  MĂ€dchen  betreffen,  darunter  zwei  Kinder  au 
einer  Familie. 

Ein  Fall  von  kindlichem  familiÀrem  Diabetes  mit  schnelle 
Verlauf.  Bei  einem  9  jÀhrigen  MÀdchen,  dessen  Gesundheit  i 
den  letzten  2 — 3  Jahren  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig  gelassen  hatte,  ent 
wickelt  sich  2  Wochen  nach  Operation  wegen  BlinddarmentzĂŒn 
dung  ein  Diabetes,  der  in  5  Wochen  zum  Tod  im  Koma  fĂŒhrt. 
Ein  7  jÀhriger  Bruder  des  Kindes  war  nach  Masern  an  Diabetes 
erkrankt,  der  in  9  Monaten  tötlich  ausging.  H.  V  o  g  t. 

The  British  medical  Journal,  London. 

18.  Februar  1922,  Nr.  3190. 

Ueber  Darmkoliken  ohne  deutliche  Ursache.  Tyrrell-Grav,  H.  253 
Drei  FĂ€lle,  die  den  Wert  der  Pyelographie  beweisen.    Morsen,  C.  und 

White,  H.  P.  W.  257. 
Chirurgische  Frakturbehandlung.    Adams.  J.  E.  250. 
Die  Beziehungen  zwischen  KrĂŒmmungen  der  GefĂ€ĂŸe  uud  Eingeweide  und 

dem  inneren  Druck.    Walker.  C.  260. 
Fokale  Infektion  und  Hautleiden.    Leslie  Roberts.  H.  262. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


305 


‱frOallonsaure  Saite  bei  der  LMusebekĂ€mpfung.    Peters.  R.  A.  264. 
Lobcrabzeß  durch  Amnehen.    R  o  g  e  r  s  ,  Ii.  264. 

(«allcnsaure  Salze  bei  der  LÀusebekÀmpfung.  Gallensaure 
Salze  erniedrigen  die  OberflÀchenspannung  und  erhöhen  also  die 
PermeabilitÀt  der  SchleimhÀute.  Verfasser  hat  nun  versucht,  ob 
das  auch  fĂŒr  die  PermeabilitĂ€t  der  LĂ€useeier  zutrifft.  Er  ver- 
wendete eine  Mischung  von  10  g.  Natr.  taurochol.,  Ol.  eucalypti 
Ă€O  cm3  und  Wasser  bis  1  Liter.  In  vielen  FĂ€llen  genĂŒgte  eine 
Waschung  zur  Entlausung;  in  anderen  war  es  nötig,  die  Behand- 
lung noch  ein-  oder  zweimal  zu  wiederholen. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag). 

The  Lancet,  London. 

18.  Februar  1922,  202,  Nr.  5138. 

I'.ntzuudungsstrikturen  des  Rektums.    Hart  m  a  n  n  .  H.  307. 
Kopfschmerzen  durch  Nasenerkrankungen.   VV  ats  o  n  Willi  a  m  s,  P.  311, 
Die    Schicksche    Probe    zur    Untersuchung;    der  Diphtherj«empfindlichkeit, 

Dickinson.  T.  E.  312. 
Traumatische  und  toxische-  ulnare  Neuritis;    Blizzard  .  K.  F.  317. 
«^HereditĂ€res  perforierendes   FußgeschwĂŒr.     Sieks,   E.  P.  319. 
Epididymitis   und    suprapubische    Prostatektomie.     Wi  nsb'ĂŒty  White, 

H.  P.  321. 

❖Der  Einfluß  von  Edestin  auf  die  Milchsekretion.    II  a  ttwcll,  O.  A.  323. 

HereditĂ€res  perforierendes  FußgeschwĂŒr.  Verfasser  be- 
schreibt eine  ĂŒberaus  interessante  familiĂ€re  Erkrankung.  Diese 
fĂ€ngt  an  mit  einem  HĂŒhnerauge  an  der  großen  Zehe.  Nach 
.einigen  Monaten  fÀllt  die  verhornte  Haut  ab,  und  es  bleibt  ein 
ieiterndes  GeschwĂŒr  zurĂŒck.  Dann  werden  auch  die  anderen 
'Zehen  ergriffen,  die  Zehen  werden  kĂŒrzer,  die  Tarsal-  und  Me- 
talarsalknochen  werden  ergriffen,  und  das  Ende  ist  eine  starke 
DeformitĂ€t  des  Fußes.  Danach  entstehen  heftige,  kurz  ziehende 
Schmerzen  im  Körper,  die  Knie-  und  Achillesreflexe  verschwin- 
den, die  anderen  Reflexe  bleiben  normal.  Verf.  fand  die  Er- 
krankung bei  10- von  34  Mitgliedern  der  Familie.  Die  Diagnose 
scheint  eine'  „senilite  physiologique  premaluree  de  certaines 
systemes  organiques"  nach  Raymond  sein  zu  mĂŒssen  Taubheit 
wird  nicht  so  selten  gefunden.  Am  meisten  sieht  die  Erkrankung 
der  Syringomyelie  Àhnlich,  ohne  mit  ihr  identisch  zu  sein. 

Der  Einfluß  von  Edestin  auf  die  Milchsekretion.  Verf.  arbei- 
tete mit  Ratten.  Wenn  die  Mutter  eine  Nahrung  erhÀlt,  die  zu 
wenig  Protein  enthÀlt,  so  hat  die  Verabreichung  von  Edestin 
einen  gĂŒnstigen  Einfluß  auf  das  Gewicht  der  Jungen.  Gibt  man 
es  aber,  wenn  die  DiĂ€t  schon  genĂŒgende  Mengen  Eiweiß  enthĂ€lt, 
so  hat  es  keinen  Einfluß.  Ein  zu  hoher  Eiweißgehalt  der  DiĂ€t 
der  Mutter  tötet  die  Jungen.  Koopman  (Haag). 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 
11.  Februar  1922,  78,  Nr.  6. 

Bedeutung  der  pneumoperiotenalen  Röntgenographie  in  der  Geburtsheilkunje 
und  GynÀkologie.    Peterson.  R.  397. 
❖Tuberkulöses  Empyem;   M  c.  Kinnie.  L.  H.  400. 

Arsentherapie.     S  c  h  a  m  b  ei  r  g  .    .1.    F..    Raiziss.    G.    W.    und  Kol- 
m  e  r  ,   J.  A.  402. 

Rehfuß'  fraktionierte  Methode  der  Magenanalyse.  K  o  p  e  1  o  f  f  .  N.  tut. 
Epidemische  Enzephalitis.  407. 

HereditÀre  Hy  peirteusion  und  Arteriosklerose.   W  i  s  e  m  a  n  .  J.  R.  109. 
Zebtriiugstltliör)  als  Metbode  zum  Studium  fi'.trierbarer  Virusse.    Mac  Cal- 

1  u  m  ,  W.  G.  und  Hutzler -  Oppenheim  er.  E.  410, 
FamiliÀre  Blasenatonie.    Gundrum.  F.  F.  411. 

Chirurgische  Behandlung  des  Karzinoms.    S  bei  ton    H  c.  r  s  I  e  y  .  ,T.  U2. 
Kine  embryonische  Skapula.    Montgomery.  A.  H.  416. 
Behandlung  der  Skoliose.    Klein,  A.  41R. 

Behandlung    der    Metakarpal-     und     PhaJangealfrakturen.      AN'  h  e  e  1  e  r  . 
R.  H.  422. 

Ueber  tuberkulöse  Empyeme.  WĂ€hrend  man  frĂŒher,  nach 
EinfĂŒhrung  der  Rippenresektion  bei  der  Behandlung  von  Empye 
inen,  diese  ohne  BerĂŒcksichtigung  der.  Aeliologie  operativ  anging, 
'.hat  man  in  den  letzten  Jahren  die  Indikation  zur  Operation  we- 
sentlich enger  gefaßt.  Verf.  ist  der  Meinung,  daß  man  tĂŒber- 
kulöse  Empyeme  tunlichst  nicht  mit  offener  Drainage  behandelt, 
(in  einerseits  die  FĂ€lle  fast  immer  lange  Jahre  fisteln,  anderer- 
seits der  tuberkulöse  Lungenprozeß  im  Anschluß  an  die  Opera- 
tion rapide  Fortschritte  zu  machen  pflegt.  Bei  Mischhil'ektionen 
rÀt  Verf.  zu  hÀufigen  Punktionen  und  Anlegung  eines  Pneumo- 
thorax. Im  allgemeinen  muß  gesagt  werden,  daß  bei  Empyemen, 
deren  Aetiologie  hĂ€ufig  nicht  festgestellt  und  ĂŒbersehen  wird, 
ersl  dann  die  Rippenresektion  vorgenommen  werden  sollte,  nach 
(lern  Tuberkulose  mit  aller  Bestimmtheit  ausgeschlossen  worden 
ist,  denn  nur  dann  wird  man  sich  vor  unangenehmen  Ueber- 
faschung'en  bewahren  können.  Verf.  behandelte  8  von  28  FÀllen 
von  Misehinfeklionen  mit  Punktionen,  20  durch  offene  Drainage. 
In  diesen  20  FĂ€llen  bestand  immer  eine  langandatiernde  Bronchial- 
h st,el;     9  davon  starben,  einer  wurde  geheil!,  alle  anderen  sind 


mehr  oder  Weniger  als  invalid  anzusprechen.  Von  den  nichl 
operativ  behandelten  8  FĂ€llen  starb  einer,  alle  anderen  sind  wie 
der  arbeitsfÀhig  geworden.  K  À  c  k  e  I  I  'Hamburg  . 

New  York  Medical  Journal,  New  York. 

\.  Januar  1922,  115,  Nr.  1. 

Die  Beziehungen  zwischen  Ausbildung  des  Arzte*  und  FortBChritten  der  Me- 
dizin.   P  r  i  c  h  e  1 1 .  H.  S.  l. 
‱^PrĂŒfung  der  Nierenfunktion.    Piers  t,  Ii.  M.  i. 

Pflichten  der  Medizinischen  Wissenschaft  gegen  die-  Tuberkulosekranken. 
P  0  t  t  c  n  g  e  r  .  F.  M.  14. 

‱{‱FrĂŒhdiagnose  der  Hirntumoren   vor   Auftreten   der   AuKcnsymptome.  Wil- 
liams. T.  A.  IN. 
Das  Unbewußte  bei  der  spiritistischen  Eingehung  und  Symbolismus.  K  night 
D  u  n  1  a  p.  20. 

Rolle  des  Milieus  und  des  geschulten  Pflegepersonals  beim  Erfolg  von  stu- 
und  anderen^  Augenoperationen.    M  i  I  1  e  C  .  E.  R.  ji. 

SToderne  Chemotherapie  der  Infektionskrankheiten.  Sehl  o  ß  b  e  r  g  e  r  . 
H.  26. 

»fc-Entcroantigeno  in  der  Behandlung  nichtikontagiĂŒser  chroniaener  Erkrankun- 
gen. D  u  n  n  ,  B.  S.  29. 

❖‱Bakterielle  Vakzine.    K  i  r  k  e  n  d  a  1  1  .  C.  F. 

Anaphylaktische  Reaktion  nach  Bluttransfusion.     W  o  1  f  e  ,   6,  A. 
Erste  Hilfe.    Hub  b  ar  d  .  S.  D.  36. 

Tuberkuliubehandlung  mittels  nasaler  Insufflation.     I  s  r  a  e  1  ,  J.  P.  W. 
Praktische  Methode  zur  Steigerung  der  Wa.  R.  R  u  n  c  e  ,  A.  H.  41. 

Die  Diagnose  der  Nierenfunktionsstörungen.  Besprechung 
der  praktisch  wichtigen  und  in  der  Privatpraxis  im  allgemeinen 
leicht  ausfĂŒhrbaren  NierenfunktionsprĂŒfungsmethoden.  1.  Urin- 
menge und  spezifisches  Gewicht.  2.  Die  Phenolsulphonphthalein- 
probe  von  Rownfree  und  Geraghtv.  Sis  gibt  nach  Ansicht  des 
Verf.  am  besten  Aufschluß  ĂŒber  die  FunktionstĂŒchtigkeit  der 
Nieren  im  ganzen,  sagt  aber  nichts  aus  ĂŒber  den  Sitz  der  Er- 
krankung, ob  im  wesentlichen  der  tubulÀre  oder  der  glomerulÀre 
Apparat  erkrankt  ist.  Normale  Phthaleinausscheidung  schließt 
eine  Nierenerkrankung  nicht  unbedingt  aus.  Große  Bedeutung 
besitzt  die  Probe  in  FĂ€llen  von  chronischer  Glomerulonephritis 
und  Nierensklerose.  Dagegen  ist  sie  von  geringem  Wert  bei  def 
FrĂŒhdiagnose  der  Nephritis.  Bei  sogen,  gutartiger  Sklerose  und 
primÀrer  Hypertonie  ist  die  Phthaleinausscheidung  in  der  Regel 
normal.  3.  Unvollkommene  oder  verzögerte  Salzausscheidung 
als  FrĂŒhsymptom  einer  SchĂ€digung  des  tubulĂ€ren  Apparates. 
4.  Bestimmung  der  N.- Ausscheidung  im  Urin;  sie  gestattet  einen 
gewissen  Schluß  auf  die  FunktionstĂŒchtigkeit  des  glomerulĂ€ren 
Apparates.  5.  Den  wertvollsten  Aufschluß  bietet  in  diagnosti- 
scher und  prognostischer  Hinsicht  der  Rest-N. -Gehalt  im  Blute. 
Als  frĂŒhestes  Symptom  einer  Niereninsuffizienz  tritt  hier  eine 
Vermehrung  der  HarnsÀurekonzentration  im  Blut  in  Erscheinung. 
Bei  Zunahme  der  Kreatininkonzentration  ist  die  Prognose  ganz 
ungĂŒnstig.  6.  Von  geringerer  Bedeutung  ist  die  Bestimmung 
der  Chloride  im  Blut. 

FrĂŒhdiagnose  von  Hirntumoren  vor  dem  Autreten  von  Augen- 
symptomen. Der  hysterische  Charakter  der  Initialsymptome 
eines  Hirntumors  gibt  hÀufig  zu  Fehldiagnosen  Veranlassung. 
EinschrÀnkung  des  Gesichtsfeldes  und  Verschiebung  der  Farben- 
grenzen von  rot  und  blau  dĂŒrfen  nicht  als  funktionelle  Störungen 
angesehen  werden.  Die  Diagnose  eines  Hirntumors  ist  zu 
stellen  v  o  r  dem  Auftreten  von  Stauungspapille,  Erbrechen  und 
diffusen  Kopfschmerzen.  Ein  FrĂŒhsymptom  kann  gegeben  sein 
in  lokalisiertem  Kopfschmerz.  Schwindel  weist  auf  eine  LĂ€sion 
der  hinteren  SchÀdelgrube.  Erbrechen  kann  hervorgerufen  sein 
durch  Druck  auf  die  Medulla  oblongata.  Die  grĂ¶ĂŸten  diagnosti- 
schen Schwierigkeiten  bieten  Tumoren,  die  in  der  Hirnmasse 
selbst  gelegen,  in  keiner  Beziehung  zu  den  sensorischen  oder 
motorischen  Zentren  und  ihren  Bahnen  stehen.  Auszuschließen 
sind  Arteriosklerose  und  Enzephalitis;  auch  Pellagra  kann  diff.- 
diagn.  in  Frage  kommen. 

Enteroantigene  bei  der  Behandlung  nicht  ansteckender 
chronischer  Krankheiten.  Auf  Grund  der  Anschauung,  daß  die 
chronischen  nicht  contagiösen  Erkrankungen  unbekannten  Ur- 
sprungs durch  das  Eindringen  von  Albuminen  oder  Bakterien- 
produkten aus  dem  Darmkanal  in  die  Blutbahn  erzeugt  werden, 
wo  sie  als  Antigene  wirken  und  den  Organismus  in  einen  ana- 
phylaktischen  Zustand  versetzen,  hat  Verf.  Untersuchungen  an- 
gestellt ĂŒber  die  Behandlung  chronischer  Krankheiten  durch 
subkutane  und  perorale  Verabreichung  von  abgetöteten  Darm- 
hakterien.  Die  isolierten  Kulturen  wurden  im  VerhÀltnis  ihres 
Wachstums  mit  physiologischer  Na-Cl-LösĂŒng  verdĂŒnnt  und  je 
nach  dem  Gewicht  des  Patienten  1/1000 — 2/100  mg  injiziert  bezw. 
5/10  mg  per  os  verabreicht.  Geheilt  oder  mit  gĂŒnstigem  Erfolg 
behandelt  wurden  u.  a.  Hypertonie,  Neurasthenie,  Ueberanstren- 
gung,  AnÀmie,  Verstopfung,  Urticaria,  Ekzem,  Asthma,  Emphy- 
sem. Nieren-Hoden-LymphdrĂŒsentuberkulose,  klimakterische  Be- 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


schwerden  und  Rheumatismus.  Bei  ausgedehnter  Psoriasis  und 
Epilepsie  waren  die  Erfolge  nicht  von  Dauer.  Die  Behandlung 
mit  Enteroantigenen  ist  unschÀdlich  und  in  ihrer  Wirksamkeit 
den  Antigenen  von  Pepton,  Milch  und  Serum  ĂŒberlegen.  Die  Heil- 
wirkung ist  nicht  spezifisch  sondern  erfolgt  auf  dem  Wege  ĂŒber 
das  C.  N.  S.  und  die  Medulla  oblongata  durch  Anreiz  oder  Ver- 
besserung der  DrĂŒsenfunktion. 

Bakterienvakzinetherapie.  Der  Wert  der  Vakzinetherapie 
beruht  auf  dem  Anreiz  zur  Antikörperbildung  ohne  SchÀdigung 
der  Körpergewebe.  Warme  Empfehlung  der  Vakzinetherapie  in 
allen  FÀllen  von  Pneumonie.  ErwÀhnung  von  Heilerfolgen  in 
FĂ€llen  von  schwerster  Diphtherie  durch  kombinierte  Behandlung 
mit  Diphtherieserum  und  Strektokokkenmischvakzine.  Warnung 
vor  der  unterschiedslosen  operativen  Beseitigung  der  Tonsillen, 
da  ihnen  ein  Einfluß  auf  die  Bildung  von  Leukozyten  und  bakte- 
rienfeindlichen Fermenten  zugeschrieben  werden  muß.  Verf. 
wendet  sich  gegen  die  in  Amerika  zur  Zeit  ĂŒbliche  Methode  der 
rĂŒcksichtslosen  Entfernung  von  ZĂ€hnen  bei  der  Behandlung  ver- 
schiedenartigster KrankheitszustÀnde.  Nur  solche  ZÀhne  sind  zu 
entfernen,  die  einwandfrei  als  Sitz  eines  Infektionsherdes  er- 
kannt sind.  Stadelmann  (Frankfurt  a.  M.). 

Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital,  Baltimore. 

Januar  1922,  33,  Nr.  371. 

❖SekundĂ€re  AnĂ€mie  im  Kindesalter.    Evans.  F.  A..  und  Hopp.  W.  M.  l. 

Schwangerschaft  und  Geburt  bei  jungen  ErstgebÀrenden.  Harris,  J.  W.  12. 
❖Schutzwirkung  des  Serums  gegen  Saponin  und  Natriumoleat  bei  perniziöser 
Anaemie  und  anderen  ZustÀnden.    Zink.  R.  H..  Ciarck    H.  M.  und 
Evans,  F.  A.  16. 
Die  Bildung  der  collateralen  Zirkulation  nach  Unterbindungen  des  Ductus 
thoracicus.    Lee,  F.  C.  21. 

❖Experimentelle  Rachitis.    Wirkung  des  Hungerns.    il  c.  C  o  1  1  u  m  .   E.  V., 
S  i  m  mo  n  d  s  .  N..  ,S  h  i  p  1  e  y  .  P.  G.  und  P  a  r  k  .   E.  A.  31. 

\ 

SekundĂ€re  AnĂ€mie  bei  Kindern:  (Untersuchungen  ĂŒber  die 
sog.  lineale  'AnÀmie  der  Kinder  oder  Anaemia  pseudoleucaemica 
infantum.)  Im  Anschluß  an  eine  Uebersicht  der  in  der  Literatur 
niedergelegten  untereinander  stark  differierenden  Auffassungen 
vom  Wesen  der  Jakschschen  AnĂ€mie  berichten  die  Verf.  ĂŒber 
eigene  Untersuchungen  an  zehn  FĂ€llen  von  AnĂ€mie  im  frĂŒhen 
Kindesalter.  Sie  bekenlnen  sich  zu  der  Anschauung,  daß  der  kli- 
nische und  hÀmatologische  Symptomenkomplex  der  sog.  Anaemia 
pseudoleucaemica  infantum  der  Ausdruck  einer  dem  Kindesalter 
eigenen  Reaktionsform  auf  eine  zu  sekundĂ€rer  AnĂ€mie  fĂŒhrende. 
SchÀdigung  ist.  Die  einzelnen  Symptome  (Milztumor,  Leberver- 
grĂ¶ĂŸerung, Auftreten  von  Erythroblasten  oder  Myelozyten)  wer- 
den, jedes  fĂŒr  sich  bei  den  verschiedensten  sekundĂ€ren  AnĂ€mien 
des  frĂŒhen  Kindesalters  beobachtet;  die  Tatsache,  daß  es  in  eini- 
gen FĂ€llen*  zu  einer  Verbindung  dieser  Symptome  kommt,  be- 
rechtigt nicht  dazu,  ein  Krankheitsbild  sui  generis  aufzustellen, 
dessen  Bezeichnung  die  Annahme  einer  WTesensverwandtschaft  mit 
der  LeukĂ€mie  nahelegt.  .Die  Mannigfaltigkeit  der  fĂŒr  die  Ent- 
stehung der  AnÀmie  in  den  verschiedenen  FÀllen  zu  beschuldigen- 
den Faktoren  ist  ein  weiterer  Grund  gegen  die  Annahme  einer 
einheitlich  aufzufassenden  Krankheitsform. 

Wirkung  des  Blutserums  gegen  Saponin  und  Natriumoleat  bei 
perniziöser  Anaemie  und  anderen  ZustĂ€nden.  In  frĂŒheren  Unter- 
suchungen konnten  Verff.  nachweisen,  daß  das  Serum  von  Patien- 
ten mit  perniziöser  Anaemie  eine  im  Vergleich  zu  normalem 
Serum  verringerte  Schutzkraft  gegen  die  haemolysierende  Wir- 
kung von  Natriumoleat  haben.  Im  Anschluß  hieran  prĂŒften  sie 
das  Verhalten  des  Serums  der  Saponinhaemolyse  gegenĂŒber:  es 
zeigte  sich  im  allgemeinen  ein  Parallelismus  der  antihaemolyti- 
schen  Wirkung  gegenĂŒber  beiden  Giften:  bei  haemolytischen 
Anaemien,  in  FĂ€llen,  in  denen  die  Leber  und  die  Milz  von  dem 
Krankheitsprozeß  ergriffen  sind,  findet  sich  eine  sehr  deutliche 
Verringerung  der  antihaemolytischen  Schutzwirkung,  im  Ver- 
gleich zu  Normalpersonen  oder  zu  Patienten,  die  an  anderen 
Krankheiten  leiden. 

Rachitisstudien.  XV.  Mitteilung.  Der  Einfluß  des  Fastens 
auf  die  Heilung  der  Rachitis.  Junge  Ratten,  die  wÀhrend  ca.  10 
Tauen  mit  einer  kalkreichen  aber  phosphorarmen  Nahrung  ge- 
fĂŒttert waren,  die  nur  wenig  fettlösliches  Vitamin-A  enthielt,  und 
infolge  dieser  Kost  deutlich  rachitisch  geworden  waren,  wurden 
einer  drei-  bis  fĂŒnftĂ€gigen  Fastenperiode  unterworfen.  Die  ana- 
tomische Untersuchung  der  Röhrenknochen  der  im  Anschluß  an 
das  Fasten  getöteten  Tiere  ergab  als  einwandfreies  Zeichen  der 
beginnenden  Heilung  'der  Rachitis  das  Auftreten  der  provisori- 
schen Verkalkungszone;  diese  fehlte  vollkommen  bei  den  rachiti 
sehen  Kontrolltieren,  die  nicht  gefastet  hatten.  Zur  ErklÀrung 
dieser  Tatsachen  möchten  Verff.  annehmen,  daß  in  der  Hunger- 
periode infolge  des  Abbaus  von  Geweben  der  Phosphorgehalt  des 
Blutes  ansteigt,  so  daß  das  MißverhĂ€ltnis  zwischen  Ca  und  P.  wie 


es  durch  die  Nahrung  bedingt  war,  beseitigt  wird,  wodurch  es  zur 
normalen  Verkalkung  kommt.  Eine  andere  ErklÀrung  wÀre  in 
der  Annahme  gegeben,  daß  in  der  Fastenperiode  organische 
Substanzen,  nach  Art  der  im  Lebertran  vorhandenen  wirksame; 
Faktoren,  in  den  Kreislauf  gelangten,  welche  das  Tier  befÀhigten, 
aus  sich  heraus  das  MißverhĂ€ltnis  zwischen  Ca  und  P  zu  korri- 
gieren. W  o  1  f  f  (Hamburg). 

American  Journal  of  Diseases  of  Children,  Chicago. 

Januar  1922,  23,  Nr.  1. 

❖Die  Natur  des  Planta rrefleaes  im  SĂ€uglingsalter.    GrĂŒnde  seiner  Verschieden- 
heit.   F  e  1  d  m  a  n  n  ,  W.  M.  1. 

Kann  Hefe:  als  Quelle  antineuritisohei   Vitamine  in  der  SÀuslingsernÀhrung 
angewendet  werden?    Daniels,  A.  L.  11. 

❖Eiw<?iĂŸĂŒberempfindlichkeit    beim    normalen    Kinde.      l>  >‱  s  Ii  k  i  n      VI.  und 
Rost,  W.  L.  51. 

Ungewöhnliches  Exanthem  bei  SÀuglingen.    G  r  e  e  n  t  Ii  a  1     I!.  H.  i;a. 
❖Respirationsstoffwechsel    in    einem    Falle    von   Gallenatoregie.  Fleming, 
G.  B.  66.- 

❖  Kakteriologiscne  Untersuchungen  in  lfi.r>  FĂ€llen  von  Pneumonie  und  postpneu- 
monischem Empyem  bei  SĂ€uglingen  und  Kindern.    Lyon.   A.  B.  72. 
Kongenitale  Tuberkulose.    P  r  a  t  t  .  G.  P.  88. 

Die  Art  des  Fußsohlenreflexes  in  der  ersten  Lebenszeit  und 
die  Ursachen  fĂŒr  sein  wechselndes  Verhalten.  Die  PrĂŒfung  des 
Fußsohlenreflexes  bei  500  Kindern  im  Alter  bis  zu  7  Jahren  er- 
gab Fehlen  des  Reflexes  bei  etwa  15  v.  H.  der  FĂ€lle.  Plantar- 
flexion bei  67  v.  H.  und  Dorsalflexion  bei  16,4  v.  H.  Daraus  er- 
gibt sich,  daß  die  Markscheidenentwicklung  in  den  Pyramiden- 
bahnen bei  der  Geburt  schon  genĂŒgend  weit  vorgeschritten  ist,  um 
einen  regelrechten  Fußsohlenreflex  wie  beim  Erwachsenen  zu  er- 
möglichen. Das  hÀufige  Vorkommen  der  Dorsalflexion  beim  jun- 
gen Kinde  ist  Verfasser  geneigt,  auf  Kreislaufstörungen  zurĂŒck- 
zufĂŒhren, die  zu  Kompression  der  Pyramidenbahnen  fĂŒhren 
sollen.  FrĂŒhgeburten  geben  in  den  ersten  5 — 6  Lebenswochen  fast 
immer  den  Babinski'schen  Reflex.  Kinder  mit  Untertemperatur 
sollen  hĂ€ufiger  als  andere  bei  Fußsohlenreizung  beiderseits  Dor- 
salflexion aufweisen.  Das  gleiche  gilt  in  gewissem  Grade  fĂŒr 
dolichozephale  Kinder  im  Vergleich  zu  brachyzephalen.  Die  Art 
des  Fußsohlenreflexes  ist  unabhĂ€ngig  davon,  ob  das  Kind  laufen 
kann.  Da  die  peripheren  Nerven  im  Augenblick  der  Geburt  noch 
unvollkommen  mit  Markscheiden  ausgerĂŒstet  sind,  könnte  die 
Art  des  Fußsohlenreflexes  von  der  Entwicklungsstufe  der  Flexo- 
ren  und  Extensoren  abhÀngen.  Der  wechselnde  Ausfall  des  Re- 
flexes bei  wiederholter  PrĂŒfung  am  gleichen  Kinde  lĂ€ĂŸt  sich  auf 
ErmĂŒdung  der  Flexoren  bzw.  Extensoren  durch  ihre  Bean- 
spruchung zurĂŒckfĂŒhren.  Die  Gegend,  von  der  Reflexe  ausgelöst 
werden  können,  ist  bei  Kindern  jĂŒngeren  Alters  sehr  umfang- 
reich, so  daß  zuweilen  Fußsohlenreflexe  durch  Reizung  anderer 
Hautabschnitte  ausgelöst  werden  körjnen,  wo  Reizung  der  Fuß 
sohle  erfolglos  bleibt. 

Das  Vorkommen  von  EiweiĂŸĂŒberempfindlichkeit  beim  gesun- 
den Kind.  Bei  Untersuchung  einer  großen  Anzahl  von  Kindern, 
die  keine  Krankheitserscheinungen  erkennen  ließen  und  von  Zu- 
stÀnden, wie  Bronchialasthma,  Heufieber  usw.,  die  zur  Anaphy- 
laxie Beziehungen  haben,  stets  frei  geblieben  waren,  fanden  sich 
10  v.  H.,  bei  denen  die  HautprĂŒfung  eine  fragliche  oder  sichere 
Ueberempfindlichkeit  gegen  Eiweißkörper  der  Nahrung  erkennen 
ließ.  Die  HĂ€ufigkeit  der  Ueberempfindlichkeit  ging  zurĂŒck  mit 
zunehmendem  Alter.  Die  Nahrungsstoffe,  die  fragliche  oder 
sichere  Reaktionen  auslösten,  waren  stets  solche,  die  in  der  Kost 
der  betreffenden  Kinder  stark  vertreten  waren.  Bei  477  PrĂŒfun- 
gen auf  Ueberempfindlichkeit  gegen  Pferdeserum  wurde  nur  bei 
einem  Kind  eine  fragliche  Reaktion  festgestellt.  Bei  Unter- 
suchung von  80  Kindern,  die  schon  einmal  oder  wiederholt  mit 
Diphtherieantitoxin  vorbehandelt  waren,  fand  sich  keines  mit 
Ueberempfindlichkeit  gegen  Pferdeserum.  Die  Gefahr  der  An- 
aphylaxie bei  Vermeidung  von  Diphtherieantitoxin  kann  also 
außer  Betracht  gelassen  werden.  In  allen  FĂ€llen,  wo  eine  Haut- 
prĂŒfung stĂ€rker  ausfĂ€llt  als  die  Kontrolle,  ist  mit  der  Möglich 
keit  der  Anaphylaxie  zu  rechnen  und  eine  vorbeugende  Behand- 
lung angebracht. 

Der  respiratorische  Stoffwechsel  bei  einem  Fall  von  Gallen- 
gangsverschluß. Bei  einem  Kinde,  das  von  der  6.  Lebenswoche 
ab  zunehmende  Gelbsucht  aufgewiesen  halte  und  im  Alter  von 
5K>  Monaten  an  Streptokokkensepsis  starb,  die  sich  kurz  vor  dem 
Tode  entwickelt  hatte,  fand  sich  an  Stelle  der  Gallenblase  und  der 
(lallengÀnge  nur  fribröses  Gewebe  ohne  Andeutung  einer  Lich- 
tĂŒng.  Der  Fettschalt  des  Stuhls  war  sehr  hoch  und  wuchs  mit 
steigender  Fettzufuhr  in  der  Nahrung.  Mit  dem  Apparat  von 
Benedict-Talbot  ausgefĂŒhrte  Bestimmungen  des  Gasaustausches 
ergaben  bei  einem  Fettgehalt  der  Nahrung  von  0,8  bzw.  3  Prozent 
gleiche  Sauerstoffaufnahme'  und  KohlensÀureproduktion  und  einen 


10.  Jahrg.  -Nr.  13. 


Aus    den    neuesten    Z  c  i  1 9\  h  r  i  f  I  e  n 


respiratorischen  Quotienten  von  1,01  bzw.  0,97.  Bei  Steigerung 
des  Fettgehalts  der  Nahrung  auf  5,3  Prozent  und  Verminderung 
ihres  Kohlehydratgehaltcs  sank  der  respiratorische.  Quotienl  auf 
0,81,  WÀhrend  er  bei  demselben  Fettgehalt  und  unverÀnderter 
K'ohlehydratzufuhr  0,92  betrug.  Danach  scheint  die  Zufuhr  großer 
.Mengen  Fett  mit  der  Nahrung  eine  leichte  SchÀdigung  der  Ver 
wertung  der  Kohlehydrale  bewirkt  zu  haben. 

Bakteriologische  Untersuchung  von  165  FĂ€llen  von  Pneumonie 
und  postpneumonischem  Empyem  bei  SĂ€uglingen  und  Kindern.  Bei 
bakteriologischer  Untersuchung  von  98  FÀllen  von  LobÀrpneumo- 
nie. 52  FĂ€llen  von  Bronchopneumonie,  15  FĂ€llen  von  postpneumo- 
nischem Empyem  bei  Kindern  im  Alter  bis  zu  12  Jahren  ergab 
sich  fĂŒr  die  Erreger  der  LobĂ€rpneumonien  eine  weitgehende 
Uebereinstimmung  mit  den  VerhÀltnissen  der  Erwachsenen- 
Pneumokokken  des  Typus  I  wurden  bei  29,9  v.  IL  der  FĂ€lle,  des 
Typus  II  bei  3  v.  H.,  des  Typus  III  bei  7,1  v.  IL  und  der  Gruppe  IV 
hei  37,7  v.  H.  angetroffen.  Die  wesentlich  niedrigere  Sterblichkeit 
der  Kinder  gegenĂŒber  den  verschiedenen  Erregertypen  deutet  auf 
höhere  natĂŒrliche  Widerstandskraft.  Bei  Bronchopneumonien  sind 
die  gewöhnlichen  Mundiormen  viel  hÀufiger  als  Erreger  ver- 
treten. Die  Sterblichkeit  ist  besonders  hoch  nach  Streptokokkus 
haemolyticus  und  Staphylococcus  aureus.  Auffallend  hĂ€ufig  —  bei 
fast  38  v.  H.  der  FĂ€lle  —  waren  Empyeme  nach  Pneumonien  mit 
dem  Typus  I  der  Pneumokokken.  Vogt  (Magdeburg  . 

Archives  of  Pediatrics,  New  York. 

Dezember  1921,  38,  Nr.  12. 

❖Akute  Abdominal- Erkrankungen   beim   Kinde.     Lite  h  Meld,   H.   K.  uiv.t 
Dcmlio,  L.  H.  747. 

Kolik  bei  Brustkindern  dureb  Sensibilisierung;  der  mĂŒtterlichen  ErnĂ€hrung. 
Shannon,  W.  R.  756. 
❖Moderne  Behandlungsmethoden  in  der  Kinderheilkunde.    Kooi  ,   \.  s.  762. 
❖Behandlung  der  Pylorostenose    E  r  n  b  er  g  ,  H.  und  II  a  m  i  I  t  o  n  .  B  77k 

Wirkung  gepreßten  Hefekuchens  in  der  SĂ€uglingserniUirung.    Lad  1  ,  M.  775. 

Bilaterale  braehale  GeburtslÀhmung'.   Unterarmtypus.    B  a  B  .  M.  11.  781. 

Akute  abdominale  Erkrankungen  im  Kindesalter.  Verfasser 
berichten  ĂŒber  124  FĂ€lle  von  Appendizitis,  die  sie  fĂŒr  die  am 
hÀufigsten  im  Kindesalter  vorkommende  Abdominalerkrankung 
halten.  Sie  besprechen  die  klinischen  Erscheinungen  der  Er- 
krankung und  weisen  aufs  neue  auf  die  nicht  immer  einfache 
Diagnose  hin,  da  Kinder  sehr  hÀufig  Schmerzen  in  der  Abdomi- 
nalgegend angeben,  ohne  daß  eine  Erkrankung  im  Abdomen  vor- 
liegt (z.  B.  bei  Pneumonie).  Ferner  wird  kurz  ĂŒber  11  FĂ€lle  von 
Intussuszeption  und  12  FÀlle  von  tuberkulöser  Peritonitis  be- 
richtet. 

Ueber  moderne  Maitnahmen  in  der  Kinderheilkunde.  Die 
intravenösen  Injektionen,  die  frĂŒher  wegen  der  technischen 
Schwierigkeiten  beim  SĂ€ugling  fast  nie  zur  Anwendung  kamen, 
werden  nach  EinfĂŒhrung  der  Sinuspunktion  nun  im  grĂ¶ĂŸten  Stil 
herangezogen.  Diese  Methode  ist  fĂŒr  Injektionen  und  Trans- 
fusionen sehr  brauchbar,  Verfasser  widerrÀt  aber,  Salvarsan  auf 
diesem  Wege  zu  verabfolgen.  Ferner  wird  die  Technik  der  ak- 
tiven Diphtherieimmunisierung  mit  Toxin-Antitoxingemischen  und 
die  Kontrolle  durch  die  Schick'sche  Reaktion,  wie  sie  von  Z  i  n  g- 
her  angegeben  werden,  besprochen.  FĂŒr  die  Behandlung  intra- 
kranieller  Blutungen  der  Neugeborenen  empfiehlt  Verfasser 
hÀufige  Lumbal-  bzw.  Fontancllenpunktionen.  wobei  er  allerdings 
die  Schwierigkeiten  in  der  Diagnose  wohl  etwas  zu  leicht  ein- 
schÀtzt. Verfasser  hat  verschiedene  sehr  gute  Erfolge  bei  An- 
wendung hÀufiger  Punktionen  gesehen. 

Behandlung  der  Pylorusstenosen.  Down  es  hatte  bei  171 
operativ  behandelten  FÀllen  eine  MortalitÀt  von  17,1  Prozent. 
Strauß  bei  107  FĂ€llen  sogar  nur  eine  solche  von  2,8  Prozent. 
Vergleicht  man  diese  geringe  MortalitÀt  mit  den  Zahlen  deutscher 
Autoren  (Heubner,  Reiche)  bei  nicht  chirurgischer  Behand- 
lung, so  könnte  man  annehmen,  daß  die  Art  der  Behandlung  nur 
fĂŒr  leichte  FĂ€lle  reserviert  bleiben  mĂŒĂŸte.  Verfasser  haben  in 
den  letzten  10  Jahren  57  FĂ€lle  (46  Knaben,  11  MĂ€dchen)  von 
klassischer  Pylorusstenose  nicht  operativ  behandelt  und  hatten 
eine  MortalitÀt  von  nur  3,5  Prozent  zu  verzeichnen.  Die  Kinder 
wurden  durch  hÀufige  Köchsalzinfusionen  (bis  zu  100  mal)  auf 
dem  Gewicht  gehalten,  lediglich  mit  Ammenmilch,  höchstens  mit 
Allaitement  mixte  von  Ammen-  und  Buttermilch  ernÀhrt  und.  was 
Verfasser  fĂŒr  das  wesentlichste  halten,  durch  Isolierung  frei  von 
Infekten  gehalten.  Die  Vorteile  der  operativen  Behandlung 
(KĂŒrze  der  Krankheitsdauer  usw.)  sollen  nicht  verkannt  werden; 
sie  ist  aber  nur  dann  angeraten,  wenn  ein  besonders  auf  diese 
Operation  eingestellter  Chirurg  zur  VerfĂŒgung  steht.  Ist  dies 
nicht  der  Fall,  so  sind  die  Erfolge  der  operativen  weit  schlech- 
tere als  die  der  konservativen  Behandlung.     Bemerkt  sei  noch 


daß  Verfasser  mit  Atropin,  Kokain  oder  ahnlichen  Medikamenten 
keine  nennenswerten  Erfolge  sahen.  KĂŒckell  (Hamburg 

Fhe  Journal  of  InfectioilS  Diseases,  Chicago, 

Januar  1922,  30,  Nr.  1. 

Kolonie-Bildung  In   tiefem    Igar.    (Pathogeae   Ajvaeroben.   VI,),    II  c  m  u  i 
Heller,  H.  l. 

Genua  Nicolaierillus  (B.  T  et' and).   (Pathogen«-  Aneetroben,  VII.)  Hemtl 
Helle  r  .  H.  18. 

VerĂ€nderung  beim  Genua  Nicolaierillus  (ĂŒ.  Tetaai).    (Pathoaene  \m'>- 

roben,  VII.).    II  e  in  p  1  Heller,  H.  88. 
Wirkung  von  Röntgenstrahlen  und  DichlorĂ€thylsulphid  auf    aktive    An.«-  ‱ 

phylaxie   beim  Meerschweinchen.    Cor  per.    II.   J..   Black.    I.  I 

und  M  o  (i  r  c  .  M.  f)0. 

Kultivierung   des  Tuberkel-Bazillus.     Goodman      E     C.    und'  Moore. 
M.  58. 

❖SpirochaetomĂ€hnliche  Organismen  in  den  Geweben  bei  akuter  gelber  i„eb,-i- 
atropbie.    Hayashi,  N.  und  Kibata    T.  04. 

Johnsche     Krankheit    und     ihre     Feststellung       B  e  a  o  b       B     A.  und 

H  as  finge;  E.  G.  68. 
Untersuchung  von  Streptokokken  aus  naehgonorrhoiseber  Prostatitis  dureb 

eine     quantitative    Agglutinations-     und     Absorptionsmethode.  Her- 

r  o  1  d  .  R.  O.  80. 

❖  EmpfĂ€nglichkeit   fĂŒr   den   Mascr.ierreger    bei    Kaninchen.     Inokulation  mit 
nasopharyngealein  Sekret.    Grund,  M.  86. 
Spontane  chronische  Meningo-Enzephalitis  bei  Kaninchen.    Oliver,  J.  M. 
Physiologische  Salzlösung.    Evans  .  A.  C.  95. 

Infektion  der  Lungen  und  der  Meningen  durch  eine  Aktinomvees-Art.  Beil. 
H.  H.  99. 

Anaphylatoxin  und  Anaphylaxie.    (Untersuchungen  ĂŒber  Chemie  des  Blut«-^ 
XXL).    German.W.  M.  107. 

❖Pathogenese  des  Bazillus  boruliuus.    Orr.  P.  F.  118. 

Klassifikation  der  Streptokokken.   E  i  s  k  .  E.  #unrt  B  a  r  t  \  .  )..  128. 

SpirochÀtenartige  Organismen  in  den  Geweben  bei  der  akuten 
gelben  Leberatrophie.  In  der  Leber,  in  der  Darmwand,  in  den 
Nieren  und  in  geringer  Menge  auch  im  Pankreas  eines  an  akuter 
gelber  Leberatrophie  Verstorbenen  fanden  die  Autoren  mehrere 
Typen  eines  spirochÀtenÀhnlichen  Organismus,  allem  Anscheine 
nach  verschiedene  Lebensstadien  einer  und  derselben  Bakterien- 
artf1.  Ihre  Ă€tiologische  Beziehung  zu  der  Krankheit  wird  fĂŒr 
wahrscheinlich  gehalten. 

Die  EmpfĂ€nglichkeit  der  Kaninchen  fĂŒr  das  Masernvirus.  Das 
aus*  dem  Nasenrachenraum  von  Masernkranken  mit  physiologi- 
scher Kochsalzlösung  ausgewaschene  Sekret  wurde,  meist  unfil- 
triert,  in  einer  Menge  von  5 — 10  cem  in  die  Trachea  von  Kanin- 
chen injiziert.  Etwa  drei  Viertel  der  Tiere  zeigten  nach  einer 
Inkubation  von  2 — 7  Tagen  Konjunktivitis,  Katarrh  der  oberen 
Luftwege  und  ein  teils  makulopapulÀres,  teils  diffus  erythema- 
töses  Exanthem,  wÀhrend  ein  Exanthem  nur  in  20%  konstatiert 
wurde.  Kopliksche  Flecke  waren  Ă€ußerst  selten,  Temperatur- 
verhÀltoisse  und  Leukozytenzahl  nicht  konstant.  Dem  Ausschlag 
folgte  fast  immer  eine  Desquamation.  Einige  Tiere  zeigten  gar 
keine  EmpfĂ€nglichkeit  fĂŒr  das  Masernvirus.  Passageexperimente 
von  Kaninchen  zu  Kaninchen  mit  Nasensekret  fĂŒhrten  zu  keinem 
Ergebnis,  solche  mit  Blut  oder  einer  Suspension  von  Lungen- 
gewebe hatten  Erfolg. 

Die  PathogenizitÀt  des  Bazillus-botulinus.  Entgegen  der  all. 
gemeinen  Anschauung,  daß  der  Bazillus  botulinus  im  lebenden 
WarmblĂŒter  sich  nicht  vermehren  und  keine  Infektion  veran- 
lassen könne,  daß  vielmehr  das  Toxin  stets  schon  in  der  Nahrung 
prĂ€formiert  sei,  wird  nachgewiesen,  daß  das  Temperaturoptimum 
fĂŒr  sein  Wachstum  und  seine  Toxinproduktion  bei  37  0  liegt. 
Unter  gewissen  Bedingungen  vermag  er  innerhalb  des  Meer- 
schweinchenkörpers zu  proliferieren  und  Giftstoffe  zu  erzeugen; 
ebenso  kann  FĂŒtterung  mit  großen  Mengen  toxinfreier  Sporen 
oder  deren  Injektion .  experimentellen  Botulismus  hervorrufen. 
Die  Gegenwart  von  Toxinen  lĂ€ĂŸt  sich  dann  unter  anderem  durch 
die  PrÀzipitinreaktion  nachweisen.  Beim  Menschen  ist  ein  der- 
artiger, auf  die  Aufnahme  von  Sporen  zurĂŒckzufĂŒhrender  Botu- 
lismus wahrscheinlich  sehr  selten,  doch  muß  diese  Möglichkeit 
im  Auge  behalten  wrerden.  L.  K  a  n  n  e  r. 

The  American  Journal  of  Hygiene,  Baltimore. 

September-November  1921,  1,  Nr.  5—6. 

Dauer  mensohlicher  intestinaler  Protoze.nzysten.    B  o  e  e  k  .  W.  C.  527. 
Desinfektion    von    Haaren    und    Fellen    gegen    Anthraxhazillen.     8  my  t  h  , 
H.   F.  541. 

❖Untersuchung  Ubelr  die  BckĂŒmpfungsmöglichkcit  der  Erkrankungen  an  \nky- 
lostoma  duodenalis.  Port.  W.  C.  557. 
FĂŒnf  Arien  von  Tsutsugamushi  (Redanimillie-Erreger  des  Japanischen  Fluß- 
Fiebers).  Ihre  Beziehung  zur  Tsutsugamushiorkr-inkune.  Xagoyo. 
M..  M  i  y  a  g  a  v  a  .  T„  M  i  t  a  m  u  r  a  .  T..  T  a  m  i  y  a  .  T.  und 
Tenjin,  S.  569. 

❖Bevöikerungsprobleme   in   Amerika.     Pearl     Raymond.  592. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Ueberwachung  der  Ankylostomiasis. 

Der  Aufsatz  enthĂ€lt  eine  allgemeine  EinfĂŒhrung  in  die  Gesamt- 
probleme der  Hakenwurmerkrankung  und  ihrer  BekÀmpfung,  der 
noch  weitere  Mitteilungen  folgen  sollen.  Es  ist  nicht  nur  er- 
forderlich, den  einzelnen  Patienten  durch  wirksame  Anthelm ili 


308 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


thica  von  dem  Leiden  zu  befreien:  im  Mittelpunkte  des  Feldzuges 
gegen  das  Ankylostomum  stehl  vielmehr  die  Untersuchung  des. 
Bodens  und  das  Streben  nach  der  Möglichkeit  seiner  totalen  Des- 
infizierung. Hingewiesen  wird  darauf,  daß  B  a  e  r  m  a  n  n  vor 
vier  Jahren  eine  Methode  zur  Auffindung  und  Isolierung  von 
HakenwĂŒrmern  in  Erdproben  angegeben  hat.  Schließlich  wird  die 
gesamte  Problemstellung  in  Form  einer  lÀngeren  Disposition  ver- 
anschaulicht und  prÀzisiert. 

Die  VitalitÀt  der  Bevölkerung  Amerikas.  In  einer  umfassen- 
den Arbeit  behandelt  der  Verfasser  an  der  Hand  eines  großen 
statistischen  Materials  das  Problem  der  Rassenmischung  in  den 
Vereinigten  Staaten,  die  Kriterien  der  biologischen  Amerikanisie- 
rung, Ehen  und  Ehescheidungen,  Geburten,  MortalitÀtsverhÀlt- 
nisse und  den  Vitalindex  (x  TodesfÀlle  auf  100  Geburten).  Es 
werden  die  biostaĂŒstischen  VerhĂ€ltnisse  der  StĂ€dter  und  Landbe- 
wohner, der  Einheimischen  und  AuslĂ€nder,  der  Weißen  und  Neger 
einander  gegenĂŒbergestellt.  Die  zahlreichen  gewonnenen  Resul- 
tate in  einem  kurzen  Referat  wiederzugeben,  ist  nicht  gut  mög- 
lich. Bemerkt  mag  werden,  daß  der  VĂŒalindex  der  eingeborenen 
Bevölkerung  weit  niedriger  ist  als  derjenige  der  Nichtamerikaner, 
in  den  StĂ€dten  niedriger  als  auf  dem  Lande,  ferner  daß  die  Neger 
von  der  letzten  Grippeepidemie  viel  weniger  betroffen  wurden  als 
die  weiße  Bevölkerung.  Die  Rassenmischung  verhielt  sich  in  den 
einzelnen  Staaten  proportional  der  Menge  der  Zugewanderten.  Die 
AuslÀnder  heirateten,  wenn  nicht  Landsleute,  dann  weitaus  hÀufi- 
ger Amerikaner  als  andere  AndersstÀmmige.         L.  K  a  n  n  er. 

The  Canadian  Medical  Association  Journal,  Montreal. 

Dezember  1921,  11,  Nr.  12. 

❖Maligne  HĂ€l«effkE»nkling.    s  >  ">    ■  W,  S.  887. 

Otologische  Untersuchungen   in  Frankreich   1915 — 1919.    Die  It-i  e  .  .1.  K.  M. 
89Ă€. 

Aufsahen  der  öffentlichen   (ie.siindheitsa  mtcr.     II  a  I  t  i  r  .   W.   II  .900. 

Allgemeine  Medizin  und   Geisteskrankheiten.     M  a  t  Ii  g  r  S  .    A.  T.  901. 
❖Die  Desinfektion  kleiner  Wasserleitungen.    Jones,  F.  B\  908. 
❖Behandlung   der   akuten    EntzĂŒndungen    der    Reckenorgane.     Seen  r  d  F.. 
R.  910. 

❖  RĂŒntgcndiagnu.sc   des    Magen-    und    Duiidenaliileus.     Hell.    I..    K.  911. 
Prognose  und  Diagnose  der  Tuberkulose.    ()  g  d  e  n  .  W.  K.  91s. 
Magenkarzinoni.     Masson.  .1.  C,  924. 

Chirurgie  der  Gallenblase  und  Galljenwege.    .1  11  d  d  .  1"..  S".  929. 
❖Aetiologie  der  Rachitis.    Ti  s  d  al 1 ,  F    F.  931. 

Maligne  Halserkrankung.  Die  Disposition  zur  Erkrankung 
an  malignen  GeschwĂŒlsten  der  Halsregion  ist  beim  mĂ€nnlichen 
Geschlecht  im  allgemeinen  ausgesprochener  als  beim  weiblichen 
Beim  mÀnnlichen  Geschlecht  sind  besonders  Nasonharynx  und 
Oropharynx  befallen,  beim  weiblichen  der  Laryngopharynx.  d.  h. 
die  Gegend  von  der  Larynxöffnung  bis  zum  unteren  Ende  des 
Bingknorpels.  Frauen  erkranken  in  jĂŒngerem  Alter  als  MĂ€nner. 
Bei  der  direkten  Untersuchung  gibt  Verfasser  der  Schwebe- 
laryngoskopie  den  Vorzug,  vor  der  mittels  Tubus.  Vor  der 
Operation  ist  genau  zu  prĂŒfen,  ob  und  in  welcher  Ausdehnung 
die  regionĂ€ren  LymphdrĂŒsen  befallen  sind.  Das  Ziel  fĂŒr  dpera- 
tives  Vorgehen  liegt  in  der  vollstÀndigen  Entfernung  der  Ge- 
schwulst und  in  der  Erhaltung  der  Luft-  und  Speisewege,  eine 
Forderung,  die  nur  in  frĂŒhzeitig  erkannten  "FĂ€llen  erfĂŒllbar  ist. 
Daher  besonders  wichtig  rechtzeitige  Stellung  der  Diagnose.  Die 
vom  Verf.  geĂŒbten  Operationsmethoden  mĂŒssen  im  Original  nach- 
gelesen werden. 

Die  Chlordesinfektion  geringer  Wassermengen.  Verf.  emp- 
fiehlt zur  Desinfektion  geringerer  Wassermengen  wie  sie  fĂŒr 
isoliert  stehende  KrankenhÀuser  oder  andere  Betriebe  benötigt 
werden,  die  Chlorkalkdesinfektion,  die  in.  ihrer  Wirkung  der 
durch  Sandfilter  gleichwertig  aber  billiger  ist.  Die  Anlage  be- 
steht aus  2  etwa  27  Kubikfuß  fassenden  Tanks.  Der  Mischtank- 
steht  auf  gleicher  Höhe  mit  dem  oberen  Rand  des  mit  der  Chlor- 
lösung gefĂŒllten  Tanks  und  ist  mit  ihm  durch  eine  etwa  fi  cm 
dicke  galvanisierte  Eisenröhre  verbunden,  die  ungefÀhr  15  cm 
ĂŒber  dem  Boden  des  mit  der'  Chlorlösung  gefĂŒllten  Tanks  ein- 
mĂŒndet, so  daß  ein  AufwĂŒhlen  des  Bodensatzes  durch  den 
Lösungsstrom  vermieden  wird.  Der  Entfernung  des  Bodensatzes 
dient  eine  zirka  7,5  cm  dicke  seitlich  angebrachte  und  mit  Ventil 
versehene  Röhre.  Zur  Verbilligung  der  Anlage  hat  Verf.  ein 
Tropfvenlil  erfunden,  durch  das  sich  der  Zustrom  der  Chlor- 
lösung gerTau  regulieren  lĂ€ĂŸt.  Zur  Desinfektion  von  180  Liter 
Wasser  werden  2.5  Pfd.  Chlorkalk  benötigt. 

Die  Behandlung  der  akuten  EntzĂŒndung  des  weiblichen 
Beekens.  Mit  RĂŒcksicht  auf  die  Behandlung  erfolgt  die  Ein- 
teilung der  entzĂŒndlichen  Beckenerkrankungen  bei  der  Frau  am 
/weckmĂ€ĂŸigsten  nach  Ă€tiologischen  Gesichtspunkten. 

1.  Infektion  nach  GraviditĂ€t,  FrĂŒh-  oder  Fehlgeburt. 

2.  Infektion  infolge  Verletzung  der  Bckengewebe  nach  ope- 
rativen Eingriffen  oder  Abtreibungsversuchen. 

3.  Infektion  im  Anschluß  an  Neubildungen. 


4.  Infektion  durch  spez.  Erreger  z.  B.  Gonokokken. 

5.  Infektion  durch  außerhalb  des  Beckens  sich  abspielende 
EntzĂŒndungsprozesse  wie  Appendizitis  oder  Diverticulitis. 

GrundsĂ€tzlich  ist  jede  akut-entzĂŒndliche  Beckenerkrankung 
exspektativ  nach  den  GrundsÀtzen  der  internen  Medizin  durch 
Bettruhe,  heiße  Scheidenduschen,  Eisbeutel  auf  den  Unterleib. 
Regelung  der  DiÀt  und  des  Stuhlgangs.  Antitoxine  und  Vakzine 
zu  bekÀmpfen. 

In  FĂ€llen  der  Gruppe  I  ist  der  Erfolg  von  der  restlosen  Ent- 
leerung der  Uterushöhle  abhÀngig,  was  am  besten  durch  den  un- 
behandschuhten Finger  unter  Vermeidung  jeder  scharfen  Curette 
auszufĂŒhren  ist.  Zur  Erzielung  einer  antiseptischen  Wirkung 
und  zur  Anregung  von  Uteruskontraktionen  sind  Uterushöhle 
und  Cervix  leicht  mit  Jodoformgaze  zu  fĂŒllen,  unter  gleichzeitiger 
Anwendung  von  Pituitrin,  spÀter  Ergotin  und  Chinin.  Beim  sep- 
tischen Abort  verhĂ€lt  sich  Verf.  absolut  abwartend,  außer,  wenn 
heftige  Blutungen  ein  Eingreifen  nötig  machen. 

Eiteransammlungen  im  Douglas  sind  durch  Aspiration  oder' 
durch  Einschnitt  per  vaginam  zu  entleeren.  Bei  allgemeiner  Peri- 
tonitis, die  sich  durch  Schmerzen.  Spannung,  Auftreibung  des 
Leibes  und  Erbrechen  anzeigt,  ist  suprasymphysÀre  Becken- 
drainage  zu  versuchen.  Bei  akut-entzĂŒndlicher  Erkrankung  der 
Beckenorgane  auf  gonorrhoischer  Grundlage  ist  jeder  operative 
Eingriff  streng  kontraindiziert,  anders,  wenn  die  akut  entzĂŒnd- 
lichen Erscheinungen  abgeklungen  sind.  Das  schwierigste  Prob- 
lem fĂŒr  den  behandelnden  Arzt  bieten  die  FĂ€lle,  bei  denen  die 
Diff.-Diagnose  zwischen  akuter  Appendizitis  und  akuter  Oophero- 
Salpingitis  nicht  geklÀrt  ist. 

Die  Röntgendiagnose  des  Magen-  und  Duodenaluleus.  Nach 
ErlÀuterung  der  Untersuchungstechnik  unter  Anwendung  von 
Baryumsulfat,  Durchleuchtung,  Plattenserien  in  gebeugter  und 
aufrechter  Haltung,  bespricht  Verf.  die  Röntgendiagnose  des 
Magen-  und  Duodenaluleus. 

Charakteristisch  ist  der  Sitz  des  MagengeschwĂŒrs  in  der 
NĂ€he  des  Pylorus  an  der  hinteren"  Wand  der  kleinen  Curvatur. 
Ein  kleiner  knospenartiger  Vorsprung  des  Hauptschattens  an 
dieser  Stelle  weist  bei  regelmĂ€ĂŸigem  Befund  auf  das  Vorhanden- 
sein eines  GeschwĂŒrs  hin.  Dem  GeschwĂŒr  gegenĂŒber  findet  sich 
"ein  tiefer  Einschnitt  der  großen  Curvatur,  der  auf  einen  durch 
Beiz  von  dem  GeschwĂŒr  bedingten  Krampf  der  zirkulĂ€ren  Muskel- 
fasern zurĂŒckgefĂŒhrt  wird.  Druckempfindlichkeit  der  kleinen 
Curvatur  bei  bestehender  Incisur  ist  ziemlich  beweisend  fĂŒr  ein 
GeschwĂŒr,  auch  wenn  die  Haudek'sche  Nische  nicht  sichtbar  ist. 
FĂ€lle  mit  großem  GeschwĂŒrskrater  lassen  maligne  Entartung 
vermuten.  Pathol.-anatom.  besteht  kein  Unterschied  zwischen 
Magen-  und  DuodenalgeschwĂŒr.  95  Prozent  aller  Duodenalge- 
schwĂŒre sitzen  im  Anfangsteil  des  Duodenums  und  zeigen,  wenn 
es  sich  um  mehr  als  eine  einfache  Schleimhauterosion  handelt, 
zum  mindesten  eine  Deformierung  der  normalen  Schattenkonturen, 
mitunter  eine  kraterförmige  Ausbuchtung. 

Die  Aetiologie  der  Rachitis.  Kongenitale  oder  fötale  Rachitis 
ist  extrem  selten.  Der  Beweis,  daß  Funktionsstörungen  der 
DrĂŒsen  mit  innerer  Sekretion  eine  Rachitis  zu  erzeugen  imstande 
sind,  ist  nicht  erbracht.  Gefangenschaft,  Infektion  und  schlechte 
hygienische  Bedingungen  spielen  in  der  Aetiologie  der  Rachitis 
eine  untergeordnete  Rolle.  Weder  Kalkmangel  noch  Phosphor- 
mangel noch  Mangel  an  antirachitischem  Faktor  können  jeder 
fĂŒr  sich  allein  im  Tierexneriment  R.  hervorbringen.  Die  geogra- 
phische Verteilung  der  Rachitis  findet  ihre  ErklÀrung  in  dem 
prophylaktischen  Einfluß  von  Sonne  und  Nahrung.  Das  seltene 
Vorkomme^  der  R.  in  den  Tropen  beruht  nicht  nur  auf  der  inten- 
siven Sonnenbestrahlung,  der  die  Kinder  ausgesetzt  sind,  sondern 
auch  auf  der  Wirkung  einer  gemĂŒsereichen  ErnĂ€hrung  mit  ihrem 
hohen  Gehalt  an  anorganischen  Salzen -und  dem  organischen  anti- 
rachitischen Faktor,  wÀhrend  in  den  arktischen  Regionen  der 
regelmĂ€ĂŸige  Genuß  von  Fisch  und  Lebertran  trotz  der  geringen 
Sonnenstrahlung  das  Auftreten  von  R.  verhindert.  Verf.  nimmt 
an,  daß  der  gĂŒnstige  Einfluß  des  Lebertrans  auf  der  Aussendung 
gewisser  Strahlen  beruht,  die  bei  seiner  Oxvdation  entstehen,  und 
glaubt  den  gĂŒnstigsten  Einfluß  der  ultravioletten  Strahlen  der 
Hg.-Ouarzlampe  hiermit  in  Beziehung  bringen  zu  können.  Aus- 
fĂŒhrlichere Besprechung  finden  die  neueren  exnerimentellen  Ar- 
beiten von  Mc-Collum.  Simmonds.  Shiplev  und  Park  ĂŒber  den 
Einfluß  von  Kalk  und  Phosnhor  und  des  nntirachitischen  Faktors 
in  der  Nahrung  auf  die  Entstehung  von  Rachitis  bei  Batten.  Die 
Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  widersprechen  z  T.  den  am 
Menschen  gemachten  Erfahrungen  und  können  das  Problem  nich! 
lösen.  Aller  Wahrscheinlichkeil  nach  ist  die  menschliche  R.  e*ine 
Folge  fehlerhafter  Nahrungszusammenselznng.  möglicherweise 
in  Verbindung  mit  einem  Mangel  an  Sonnenlicht. 

Stadel  mann   (Frankfurt  a.  M 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Woche|nschrifl  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTH U R  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH.  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm  -  Stra&e  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  14/15  Berlin,  den  19.  April  1922  40.  Jahrgang 


Einige  Bemerkungen  ĂŒber  die  diĂ€tetische  4 
Behandlung  des  Diabetes. 

Von  L.  Krehl. 

Die  schöne  Arbeit  von  G  0  r  k  e*)  aus  Minkowskis 
Klinik  regt  mich  zu  einigen  Bemerkungen  an.  Wir  hörten  ja 
im  letzten  Jahrzehnt  von  Kuren  ĂŒber  Kuren  bei  Diabetes.  Mir 
scheint  es  da  nĂŒtzlich,  sich  von  Zeit  zu  Zeit  Rechenschaft 
abzulegen  ĂŒber  die  GrundsĂ€tze,  die  die  Einzelnen  von  uns  bei 
ihrer  Art  den  Diabeteskranken  anzufassen  leiteten.  Mich 
haben  immer  die  Anschauungen  unseres  Meisters  N  a  u  n  y  n 
gefĂŒhrt  und  von  Carl  von  Noorden,  sowie  von  Min- 
kowski habe  ich  viel  gelernt;  aber  schließlich  macht  sich 
doch  jeder  fĂŒr  den  Einzelfall  sein  eigenes  Bild.  Da  ich'  das 
ElĂŒck  hatte,  lange  Jahre  so  ausgezeichnete  Mitarbeiter  wie 
K  .LĂŒthje  und  E.  GrĂ€f  e  zu  besitzen,  so  glaube  ich  auch 
vor  Dogmatismus  und  Erstarrung  immer  bewahrt  worden  zu 
sein. 

Das  was  jeder,  der  Diabetiker  in  die  Assimilationsgrenze 
zu  bringen  sucht,  m.  E.  am  eindrucksvollsten  lernt,  ist  die 
Notwendigkeit  der  BeschrÀnkung  aller  Nahrungsmittel, 
nicht  nur  des  Mehls  oder  des  £i  weißes  oder  des  Fettes,  son- 
dern auch  des  GemĂŒses  —  auch  des  Salats  und  des  fĂŒr  die 
Glycosurie  ungefĂ€hrlichen  GemĂŒses.  Ich  habe  mich  da  — 
ich  möchte  sagen  etappenweise  —  gemausert.  Schnell,  schon 
vor  20  Jahren  mit  L'ĂŒ  t  h  j  e  zusammen,  fĂŒr  das  Eiweiß,  all- 
mĂ€hlich fĂŒr  das  Fett  und  nach  dem  Kriege  fĂŒr  das  GemĂŒse. 
Wir  halten  den  Kranken  jetzt,  wÀhrend  wir  ihn  in  das  Kohle- 
hydrat- und  Energiegleichgewicht  bringen,  an  der  tiefsten 
Grenze  des  ihm  möglichen  und  zutrĂ€glichen.  Das  Eiweiß 
halten  wir  zunĂ€chst  tief,  fĂŒr  Kranke  mit  mittlerem  Gewicht 
etwa  bei  100 — 150  g  gekochten  oder  gebratenem  Fleisch,  1—2 
Eiern,  100  g  Milch.  Butter  und  Speck  etwa  bei  100  g,  Ge- 
jmĂŒse  und  Salat  bei  500  bis  allerhöchstem  1000  g,  mit  Kohle- 
nhydraten (zunÀchst  mit  Brot,  dann  mit  Kartoffeln)  stellen  wir 
das  Toleranzvermögen  des  Kranken  fest.  Ich  möchte  hier 
das  recht  langsame  Ansteigen  empfehlen  und  dann  raten,  die 
Kranken  unter  der  Toleranzgrenze  zu  halten.  Auch  fĂŒr  das 
Eiweiß  möchte  ich  dann  dringend  raten,  festzustellen,  welche 
Mengen  von  Fleisch  (etwa  bis  400  g)  oder  von  Eiern  (bis  5) 
der  Kranke  bei  bestimmten  Brot-  und  Fettmengen  vertrÀgt. 
Damit  soll  nichts  gesagt  sein  ĂŒber  die  Eiwcißmengen,  die  die 
Kranken  spÀter  dauernd  erhalten. 

Energetisch  stehen  die  Kranken  also  zweifellos  zunÀchst 
recht  tief;  aber  ohne  das  gelingt  es  eben  bei  allen  ernsteren 
FĂ€llen  nicht,  sie  zuckerfrei  zu  bekommen. 

Welches  ist  nun  das  energetische  BedĂŒrfnis  dieser  Kran- 
ken? Es  ist  zu  finden,  weiß  ich  kein  anderes  Mittel, 
als  unter  BerĂŒcksichtigung  des  Wasserwechsels  das 
Körpergewicht  fortdauernd  zu  bestimmen  und  fortlaufend  die 
Kranken  nach  ihrem  KrÀftezustand  zu  fragen.  Mit  diesem 
Verfahren  ist  m.  E.  bei  verstÀndigen  Leuten  viel  mehr  zu 
machen,  als  meist  angenommen  wird.  Diabetiker  aber,  die 
nicht  wirklich  mittun  und  den  Sinn  unserer  Maßnahmen  ein- 
sehen, kann  man  nicht  behandeln.  Jeder  Versuch  eines 
Zwanges  erscheint  mir  töricht.  Da  ich  der  festen  Ueber- 
zeugung  bin,  daß  gerade  der  Diabetes  in  die  Hand  des  kun- 
digen praktischen  Arztes  gehört,  so  kommt  gerade  hier  alles 
auf  das  innere  VerhÀltnis  /wischen  Arzt  und  Kranken  an. 

*)  Archiv  f.  Verdauungskrankhedten  29s  S.  t. 


Leider  vermögen  wir  den  Energiehaushalt  des  Diabetikers  in 
Deutschland  vorerst  nicht  genau  zu  bestimmen.  Kalorime- 
trische Einrichtungen  haben  wir  nicht.  Resph  ationsversuche 
mĂŒĂŸten  21  Stunden  dauern;  denn  sie  mĂŒssen  die  Nahrungs- 
aufnahme einschließen,  und  es  wĂ€re  notwendig,  sie  ĂŒber 
Wochen  fortzufĂŒhren.  Die  indirekte  Kalorimetrie  versagt 
aber,  weil  Wasserwechsel  und  Stoffwechsel  sich  vorerst  un- 
lösbar ineinander  verschlingen.  Der  Wasserwechsel  des  Dia- 
betikers bedarf  noch  dringend  der  Erforschung;  nicht  nur 
Darreichung  von  Kochsalz  und  Natrium  bicarbonicum  fĂŒhren 
zu  Wasserretention,  sondern  offenbar  tun  dies  auch  bestimmte 
Konstellationen  in  der  Zusammensetzung  der  eigentlichen 
Nahrungsmittel.  Wenn  man  sich  allein  auf  die  WĂ€gung  der 
Nahrungsmittel  und  die  Bestimmung  des  Körpergewichts  ver- 
lassen und  daraus  den  Stoffwechsel  —  eben  mit  indirekter 
Kalorimetrie  —  errechnen  wollte,  so  könnte  ich  aus  unseren 
Krankengeschichtenbericht  Reihen  vorlegen,  die  ein  herab- 
gesetztes und  solche,  die  ein  gesteigertes  EnergiebedĂŒrfnis 
des  Diabetikers  erweisen.  WĂ€hrend  der  Untersuchung  lassen 
wir  die  Kranken  viel  oder  ganz  liegen.  Mit  der  „Hunger- 
kur" ist  es  mir  wohl  Àhnlich  gegangen  wie  Görke.  In- 
direkt haben  wir  sie  schon  viel  und  auch  lange  verwendet 
und,  wie  gesagt,  immer  ,  mit  Nutzen.  Gelernt  habe  ich  durch 
E.  GrÀfe  ihre  Verwendung  zur  schnellen  Entzuckerung  bei 
Kranken  ohne  und  mit  Azidose  und  ohne  Gebrauch  von 
Natrium  bicarbonat.  Letzteres  weglassen  zu  können,  er- 
scheint mir  als  großer  Fortschritt  wegen  des  Wasserhaus- 
halts und  des  Magens  der  Kranken.  Aber  auch  die  schnelle 
Entzuckerung  durch  Nahrungsentziehung  deucht  mir  als 
gewaltiger  Gewinn,  vor  allem  wegen  der  schnellen  Vermin- 
derung der  Azidose.  Allerdings  glaube  ich,  daß  hier  der  grĂ¶ĂŸte 
Vorteil  der  Gra  feschen  Karameldarreichung  liegt.  Wir 
geben  die  ersten  beiden  Tage  Kaffee,  60 — 100  g  Weinbrand 
und  200  g  Karamel.  Das  nehmen  die  Kranken  und  vertragen 
es  gut.  Da  wir  durch  E.  G  r  a  f  e  '  s  Untersuchungen  wissen, 
daß  das  Karamel  ausgenutzt  wird  und  mit  Kohlehydrat- 
wirkung ohne  Vennehrung  des  Harnzuckers  in  den  Stoff- 
wechsel eintritt,  so  sehe  ich  in  seiner  Verwendimg  doch  eine 
große  Sicherheit  gegen  etwaige  Gefahren  plötzlicher  Weg- 
nahme aller  Kohlehydrate. 

So  kann  m.  E.  bei  gutem  Willen,  Geduld  und  Einsicht 
seitens  des  Kranken,  bei  Geschick,  guten  Kenntnissen  und  der 
FĂ€higkeit  seitens  des  Arztes,  mit  beweglichem  Geist  zu  pro- 
bieren, in  der  Wohnung  des  Kranken  fĂŒr  die  Gewinnung  der 
DiÀtordnung  ein  guter  Erfolg  erreicht  werden.  Aber  dann 
kommt  der  weit  schwierigere  Teil,  nÀmlich  die  Art  der 
dauernden  Behandlung.  Im  allgemeinen  sind  uns  Deutschen 
von  den  genannten  Forschern  klare  Richtlinien  gegeben 
worden;  aber  im  Einzelnen  stehen  wir  doch  noch  vor  vielen 
Problemen,  nicht  nur  wegen  des  Energiehaushalts  und  der 
Art  und  Menge  der  darzureichenden  Eiweißkörper,  vor  allem 
auch  ĂŒber  den  Wechsel  der  darzureichenden  Nahrung.  In 
erster  Linie  scheint  mir  die  Frage  zu  brennen,  ob  man  be- 
handeln soll  fĂŒr  die  Zuckerfreiheit  des  Harns  oder  sogar  fĂŒr 
eine  normale  Gestaltung  des  Blutzuckers.  Soviel  ich  sehe, 
tun  wir  nur  das  erstere. 

Die  meisten  Diabetiker,  die  unsere  Klinik  auch  mit 
hoher  Assimilationsgrenze  verlassen,  haben  nicht  entfernt 
einen  normalen  Blutzucker.  Hier  liegt  ein  Problem,  dem  wir 
uns  zunĂ€chst  zuwenden  mĂŒssen;  es  wird  wohl  noch  einen 
erheblichen  Einfluß  auf  die  Form  der  diĂ€tetischen  Behand- 
lung gewinnen.   Bis  jetzt  hatte  ich  allerdings  den  Eindruck. 


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Oehlecker:  Blutverpflanzung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


daß  sich  das  Halten  dos  Energiehaushalts  an  der  unteren 
Grenze  des  Möglichen  und  mit  dem  Wohlsein  des  Kranken  zu 
vereinbarenden  den  Blutzucker  ganz  allmÀhlich  vermindert. 
Auch  wir  halten  die  Diabetiker  bei  der  Dauerbehandlung 
deswegen  energetisch  so  tief  als  es  sich  mit  der  Leistungs- 
fĂ€higkeit des  Kranken  vereinen  lĂ€ĂŸt.  Fette  Diabetiker  fĂŒhlen 
sich  meist  wohler,  wenn  sie  magerer  werden,  sehr  viele  der. 
Kranken  kann  man  annÀhernd  bei  ihrem  Gewicht  lassen. 
Die  ganz  Elenden  mĂŒssen  natĂŒrlich,  wenn  möglich,  im  Er- 
nÀhrungszustand gehoben  werden;  von  jeder  Starre  und  je- 
dem Schema  bleibe  man  fern.  Von  besonderem  Interesse 
scheint  mir  zu  sein,  wie  sich  der  Blutzucker  hei  NierenverÀn- 
derungen verhÀlt,  die  im  Laufe  des  Diabetes  eintreten.  Solche 
ZustÀnde  kenne  ich  gut,  aber  ich  sah  nur  eine  bestimmte  Form: 
Aufhören  oder  ZurĂŒcktreten  der  Glykosurie,  Entwicklung 
von  Hypertonie  mit  Herzhypertrophie,  Anhalten  der  Hyper- 
glykÀmie.  Eine  ganze  Reihe  Kranker  kenne  ich,  bei  denen 
unter  Entwicklung  von  Hypertonie  und  Erhaltung  der 
HyperglykĂ€mie  fĂŒr  .  den  Harn  die  Assimilationsgrenze 
des  Zuckers  unbeschrĂ€nkt  war,  nachdem  frĂŒher  ein 
wohlcharakterisierter  Diabetes  bestanden  hatte.  Das  ist 
interessant  wegen  der  Angabe,  daß  Kranke  mit  Hyper- 
tonie ĂŒberhaupt  gern  hohe  Blutzuckerwei  le  aufweisen. 
Ist  in  den  genannten  FĂ€llen  die  Beziehung  wohl  meist 
so,  daß  eine  Erkrankung  der  kleinsten  GefĂ€ĂŸe  dem 
Diabetes  und  der  NierenverÀnderung  zu  Grunde  liegt 
oder  daß  die  Störung  des  Stoffwechsels  die  Ausbildung  der 
GefĂ€ĂŸverĂ€nderung  begĂŒnstigt,  so  wĂŒrde  es  von  besonderem 
Interesse  sein,  zu  erfahren,  wie  sich  der  Blutzucker  bei  den 
degenerativen  Nierenerkrankungen  mit  Funktionsstörungen 
gestaltet.  Bekanntlich  spielen  im  Verlauf  des  Diabetes  de- 
generative VerĂ€nderungen  der  Tubulesepithelien  eine  große 
Rolle.  Soviel  ich  weiß,  gehen  diese  aber  in  der  Regel  ohne 
nachweisbare  Funktionsstörungen  einher;  wenigstens  kenne  ich 
die  auch  bei  Diabetes  so  oft  genannte  Nephrose  klinisch  nicht, 
sondern  nur  die  oben  genannte  hypertonische  Nierenerkran- 
kung. Gibt  es  aber  eine  diabetische  „Nephrose",  so  erschei- 
nen Mitteilungen  ĂŒber  sie  und  den  Blutzucker  sehr  er- 
wĂŒnscht. Denn  der  Ausscheidungsvorgang  in  den  Nieren 
der  Diabetiker  ist,  wie  Fr.  von  MĂŒller  schon  vor  Jahr- 
zehnten mit  vollstem  Recht  hervorhob,  noch  nicht  entfernt 
geklÀrt  und  spielt  wahrscheinlich  eine  wichtige  Rolle. 

Gewiß  ist  fĂŒr  die  Behandlung  jedes  Diabeteskranken  eine 
gute  Einrichtung  seines  Gesamtbefindens  sehr  hoch  anzu- 
schlagen. Das  fÀllt  aber  nicht  zusammen  mit  subjektivem 
Wohlbefinden,  sondern  mit  möglichst  großer  LeistungsfĂ€hig- 
keil. Auf  sie  hat  der  Zuckergehalt  des  Bluts  und  der  SĂ€fte 
erheblichen  Einfluß.  Deswegen  kehrt  auch  die  Frage  nach 
der  Gestaltung  des  Blutzuckers  wieder  zu  dem  alten  Problem: 
soll  man  den  Diabetiker  möglichst  zuckerfrei  halten,  ja  sie 
ist  eine  Fortsetzung  dieser  Frage  ĂŒber  die  Nieren  hinaus  in 
den  Stoffwechsel  hinein.  Jeder,  der  schwere  Diabeteskranke 
kennt  und  die  außerordentliche  Schwierigkeit  der  Frage 
schÀtzen  kann,  wieweit  man  die  Entziehung  treiben  bzw.  bei 
welchem  Grade  der  Glykosurie  (und  damit  der  HyperglykÀ- 
mie) man  die  Kranken  zur  Not  halten  soll,  weiß,  daß  nur 
sorgfÀltige  und  weitsichtige  AbwÀgung  aller  UmstÀnde  dem 
Kranken  das  beste  Befinden  gewÀhrleistet;  der  vorsichtige 
Arzt  findet  hier  durch  Probieren  das  Richtige.  Wir  aber  in 
der  Klinik  mĂŒssen  suchen,  die  Bedingungen  fĂŒr  die  Höhe 
des  Blutzuckers  so  kennen  zu  lernen,  daß  wir  sie  zu  be- 
einflussen vermögen. 

Ueber  Blutverpflanzung  auf  Grund  von 
240  direkten  Transfusionen. 

Von  Dr.  F.  O  e  h  1  e  c  k  e  r. 

Nachdem  Harvey  beim  Studium  der  Venenklappen 
den  Venenstrom  als  eine  zum  Herzen  fĂŒhrende  Straße  er- 
kannt und  damit  den  großen  Kreislauf  entdeckt  hatte  (16lfi). 
\Var  dir  Voraussetzung  geschaffen,  durch  intravenöse  Injek 


tion  dem  Körper  Medikamente  einzuverleiben  und  Blut  zu 
transfundieren.  Man  ließ  zuerst  durch  ein  Verbindungsrohr 
das  Blut  aus  der  Halsader  eines  Schafes  direkt  in  eine  Arm- 
vene  beim  Menschen  ĂŒberfließen.  Zu  jener  Zeil  verbanden 
sich  meist  mystische  Vorstellungen  bei  BlutĂŒberleitungen, 
wenn  man  z.  15.  mit  dem  Blut  eines  sanften  LĂ€mmleins  einen 
erregten  Geisteskranken  zu  heilen  versuchte.  Auch  hat  man 
~  ganz  modern!  —  mit  einem  SchaltstĂŒck  das  Blut  aus  der 
Arleria  brachialis  direkt  von  einem  zum  anderen  Menschen 
ĂŒbertragen. 

Die  Transfusion  artfremden  Blutes  rief  gewöhnlich 
schwere  und  höchst  bedrohliche  Erscheinungen  hervor,  und 
diese  Methode  wurde  in  spÀterer  Zeil  völlig  verlassen,  als 
besonders  von  Landois  gezeigt  winde,  daß  das  Blut- 
plasma rote  Blulscheiben,  sofern  sie  von  einer  anderen  Art 
stammen,  auflöst  und  es,  somit  zu  einer  HÀmoglobinÀmie  bei 
dem  EmpfÀnger  kommt.  Wenn  neuerdings  Bier  (1)  wieder 
fĂŒr  die  Verwendung  von  artfremdem  Blut  eingetreten 
ist,  so  handelt  es  sich  hier  um  etwas  grundsÀtzlich  anderes, 
l'nter  Bluttransfusion  verstehen  wir  im  allgemeinen  die 
Ueberleitung  einer  grĂ¶ĂŸeren  Blutmenge,  und  wir  fĂŒhren  eine 
solche  Transplantation  nicht  mit  der  Absicht  aus,  daß  ein 
Teil  des  Transplantates  sofort -zerstört  wird.  Bei  der  Einver- 
leibung artfremden  Blutes  nach  Bier  handelt  es  sich  nur 
um  eine  kleinste  Dosis  artfremden  Blutes,  um  wenige  Kubik- 
zentimeter defibrinierten  Schweine-  oder  Hammelblutes, 
dessen  rote  Blulscheiben  im  menschlichen  Plasma  sofort  auf- 
gelöst werden.  Wir  haben  es  hier  mit  einer  Injektion  eines 
unspezifischen  Heilmittels  zu  tun,  nicht  mit  einer  Trans- 
fusion im  eigentlichen  Sinne.  Dur  c  h  d  i  e  p  a  r  e  n  teralc 
E  inverleibung  a  r  t  f  r  e  m  d  e  n  Blutes  h  a  t  B  i  e  ] 
zuerst  bewußt  Proteinkörpertherapie  g e  - 1 
trieben.  Durch  die  Injektion  fremden  Blutes  wird  in  den 
erkrankten  Zellkomplexen,  die  auf  einen  Reiz  stets  schnelle] 
als  gesunde  Zellen  ansprechen,  eine  HyperÀmie,  eine  Heil- 
entzĂŒndung hervorgerufen.  Ferner  kommt  es  zu  Einstim- 
mungen an  vielen  wichtigen  Teilen  des  komplizierten  Gel 
bÀ udes  Gesamtorganismus. 

Sehen  wir  von  dieser  besonderen  Al  l  von  Proteinkörper  , 
therapie  nach  Bier  ab.    so    kommt    h  e  utzuta  ge    n  u  r 
eine     B 1 u  t  ĂŒ  b  e  r  p  f  1  a  n  z  u  n  g     v o n     M  e n seh     z  u 
Mensch  in  Frage.    Die  Uebertragung  können   wir  in  -  ' 
d  i  i'  e  k  t    und    d  i  re  k  t   vornehmen.    Von  den  mittelbaren 
Methoden  ist  die  Àlteste  die  I  n  f  u  s  i  o  n  d  e  f  i  h  r  i  n.i  e  r  M 
ten   Blutes.     Das   durch   Venaesectio   gewonnene  "Blut  i 
wird  durch  Schlagen  mit  Pinzetten,  Quirlen  oder  SchĂŒtteln  : 
mit  Glasperlen  defibriniert.    Hierbei  geht  reichlich  l/w  der! 
Blutmenge  verloren.     Das  durch  Gaze  filtrierte  Blut  wird 
dann  mittels  Spritze  oder  Irrigator  dem  EmpfÀnger  zuge- , 
fĂŒhrt.    Bei  der  Infusion  defibrinierten  Blutes  sind  oft  sehr 
heftige  Reaktionserscheinungen  beobachtet  worden,  die  man 
als  Fermintintoxikation  gedeutet  hat.    Aus  Tierexperimenten 
weiß  man.  daß  diese  oft  sehr  alarmierenden  Erscheinungen 
besonders  dann  ausgelöst  weiden,    wenn    das  defibrinierte 
Blut  sehr  schnell  nach  der  Entnahme  injiziert  wird.  Man 
soll    daher    vorsichtshalber    erst    einige    Zeit  verstreichen 
lassen,  bis  man  das  defibrinierte  Blut  infundiert. 

D  i  e  f  f  e  n  b  a  c  b,  der  den  Gebrauch  defibrinierten 
Blutes  empfahl,  hat  schon  Versuche  mit  blutgerinnungs- 
hemmenden Substanzen,  wie  Blutegelextrakl  usw.  gemacht. 
—  Als  verbreitetste  und  beliebteste  indirekte  Methode,  die 
g  e  r  i  n  n  u  n  g  s  f  e  r  n  h  a  1 1  e  n  d  e  Mittel  v  e  r  w  e  n  d  e  l, 
gilt  heute  die  Z  i  t  r  a  f  -  M  c  t  h  o  d  c.  Nach  Lew  i  söhn 
(New  York)  benutzt  man  eine  sterile,  neutrale  2  %  ige 
Lösung  von  Natrium  citricum.  Zu  100  Teilen  Blut  werden 
ungefÀhr  10  Jede  dieser  Lösung  hinzugesetzt.  WÀhrend  des 
Auffangens  des  Spenderblutes  aus  der.  Ellbeugenvene  wird 
es  mit  der  Zitrat-Lösung  in  dem  angegebenen  VerhÀltnis 
verrĂŒhrt  und  dann  spĂ€ter  dem  EmpfĂ€nger  injiziert.  Das 
Zitrat-Verfahren  ist  vielfach  modifiziert  worden:  So  mischt 
z.  R.  HaberlĂ€nd  das  Blut  durch  SchĂŒtteln  in  einem 
graduierten  Kolben.  Ha  heil  and  nimmt  eine  1  %  im 
Lösung  in  0.8  %  iger  Kochsalzlösung  und  vermischt  hiermit 


in.  Jahrg.— Nr.  M/15. 


Üehlecker:  Blutverpflanzung 


das  Venenblut  zu  gleichen  I  eilen.  Durch  einen  Glaslrichler 
und  Schlauch  mit  Inl'usiunskanĂŒle,  die  natĂŒrlich  mit  Zilrat 
Lösung  benetzt  sein  mĂŒssen,  wird  das  Blut  dem  EmpfĂ€nger 
beigebracht.  (Ich  habe  frĂŒher  dazu  gern  den  Haupt- 
mann'sehen  Salvarsanapparat  gebraucht.)  Bei  der  Ver- 
vendung der  Zitratlösung  habe  ich  trĂŒber  einige  Maie  doch 
eine  teilweise  Gerinnung  erlebt',  und  es  wird  sich  daher  wohl 
empfehlen,  das  Blut  durch  einen  Gazeschleie;  zu  seihen. 

WĂ€hrend  Natrium  citricum  das  Blut  außerhalb  des 
Körpers  an  der  Gerinnung  bindert,  soll  es,  intravenös  ge 
geben,  die  entgegengesetzte  Wirkung  haben  und  die  Gerin- 
nung fördern,  ja,  Schlaepfer  (2)  glaubt  aus  einigen 
FĂ€llen  schließen  zu  mĂŒssen,  daß  zum  Tode  fĂŒhrende  Throm- 
bosenbildungen  wahrscheinlich  durch  die  Zitratmethode  ver- 
anlaßt worden  sind.  Auch  aus  den  AusfĂŒhrungen  von 
NĂŒrnberger  ist  zu  schließen,  daß  die  Verwendung  von 
Natrium  citricum  doch  nicht  ganz  so  harmlos  ist,  wie  es 
scheinen  möchte.  Jedenfalls  wird  man  sich  bemĂŒhen  mĂŒssen, 
mit  möglichst  w^enig  Zusatz  von  Zitratlösung  auszukommen. 
Einige  TodesfÀlle,  die  in  der  Literatur  der  Zitratmethode 
zur  Last  gelegt  werden,  halten  aber  einer  kĂŒhlen  Kritik 
nicht  stand. 

In  Amerika,  wo  man  der  Bluttransfusion  ein  großes 
Interesse  zugewandt  hat,  wie  ich  es  auf  einer  Studienreise 
beobachten  konnte,  wird  auch  die  indirekte  Methode 
Von  Brown  und  Percy  gern  geĂŒbt.  Diese  Methode 
schÀdigt  das  Blut  sehr  wenig,  sie  erfordert  allerdings  einen 
subtilen  Apparat  und  eine  gewisse  Uebung  und  Schnellig- 
keit bei  der  AusfĂŒhrung.  Innerhalb  von  etwa  4  Minuten 
werden  in  einem  paraffinierten  Glaszylinder  (unter  einem 
Spiegel  von  30  cem  Paraffinum  liquidum)  6—700  cem  Blut 
aus  der  gestauten  Vene  aufgesaugt  und  dann  sofort  in  den 
nÀchsten  5  Minuten  wieder  eingespritzt.  Beim  Spender  wie 
beim  EmpfÀnger  ist  bei  abgeklemmter  Ellbeugenvene  je  eine 
GlaskanĂŒle  eingebunden,  die  zu  dem  am  Boden  befindlichen 
Glasansatz  des  irrigatorĂ€hnlichen  Glaszylinders  paßt;  die 
obere  Oeffnung  des  Glaszylinders  steht  sowohl  mit  einem 
Saug-  wie  auch  mit  einem  Druck-Gummiballon  in  Ver- 
bindung. 

In  dem  paraffinierten  Glaszylinder  soll  das  Blut  etwa 
12  bis  13  Minuten  flĂŒssig  bleiben;  man  wird  daher  möglichst 
versuchen  mĂŒssen,  die  ganze  Prozedur  vom  ersten  Moment 
des  Ansaugens  in  etwa  10  Minuten  zu  erledigen.  Die  Methode 
von.Brown  und  Percy  erfordert  ein  tadelloses  Pai af- 
finieren und  Instandhalten  des  Apparates.  Ich  weiß  von 
einigen  Kollegen,  daß  sie  mit  dem  Apparat  eine  Transfusion 
nicht  ausfĂŒhren  konnten,  weil  das  Blut  doch  frĂŒher  im  Glas- 
zylinder gerann.  Ich  möchte  glauben,  daß  dieses  oft  daher 
rĂŒhrt,  daß  das  verwendete  Hartparaffin  nicht  von  »naz 
reiner  Beschaffenheit  ist.  Wie  zu  allen  Dingen,  so  gehört 
zu  dieser  Methode  von  Brown  und  Percy  natĂŒrlich  auch 
Uebung  und  Erfahrung.  Diese  Methode,  fĂŒr  die  frĂŒher  hei 
uns  schon  Henschen  eingetreten  ist,  ist  neuerdings  be- 
sonders von  Hotz  und  Clairmont  (Schlaepfer  (3) 
warm  empfohlen  worden. 

Die  direkte  Ueberpflanzung  des  Blutes, 
die  in  physiologischer  Hinsicht  die  beste^  Methode  darstellt, 
ist  zuerst  mittels  der  GefĂ€ĂŸnahl  nach  C  arrel-Stich 
durch  Enderlen,  Hotz,  FTörken  u.  a.  bei  uns  einge- 
fĂŒhrt worden.  Bei  Beherrschung  der  Technik  sind  hier 
.schöne  und  dauernde  Erfolge  erzielt;  zuletzt  hat  Coenen 
solche  mitgeteilt.  Da  die  Naht  zwischen  der  Speichenschlag- 
ader und  der  Ellbeugenvene  technisch  nicht  einfach  ist,  sich 
an  der  Nahtstelle  oft  Thromben  bilden,  und  da  bei  manchen 
Krankheiten  eine  so  innige  Verbindung  zwischen  Spender 
und  EmpfÀnger  nicht  unbedenklich  ist,  so  hat  man  die  Ver- 
bindung durch  SchaltstĂŒcke  hergestellt  (P  a  y  r  , 
|öbel,  Eisberg,  Pope  usw.).  —  Allen  direkten  Metho- 
den haftet  aber  der  Nachteil  an,  daß  der  Eingriff  heim 
Spender  nicht  unerheblich  ist,  zumal  wenn  wegen  Kleinheit 
der  Arteria  radialis  die  Arteria  brachialis  zur  Verbindung 
mit  dem  EmpfÀnger  genommen  wird. 


Man  hat  auch  ge  s  t  a  nies  Y  e  n  e  n  bl  U  t  direkt  in  die 
EmpfĂ€ngervene  ĂŒberfließen  lassen.  Hierbei  werden  Ruck 
flutungen  des  Blutes  bei  Druckschwankungen  nicht  zu  v< t 
meiden  sein  und  der  Druc  k  wird  in  vielen  Fallen  zu  gering 
sein,  wenn  bei  dem  Kranken  kollabierte  Hautvenen  ersl 
entfaltet  werden  mĂŒssen.  Eine  besondere  Methode  von  Vene 
zu  Vene  hat  Schoene  ausgebildet,  bei  der  durch  einen 
seillichen  Venenast  Salzwasser  eingespĂŒlt  wird.  Spritzen- 
weises  Uebertragen  von  Venenblul  ist  ein  unsicheres  Ver- 
fahren, besonders  wenn  die  EmpfÀngervenen  kollabiert  sind: 
es  kommt  nur  bei  kleinen  Dosen  in  Frage. 

Alle  direkten  Method  e  n,  wie  sie  auch 
h  e  i  ß  e  n  m  ö  g  e  n,  habe  n  d  e  n  g  r  o  Ben  N  a  c  h  l  e  i  I, 
daß  m  a  n,  a  b  g  e  se  h  e  n  v  o  n  l  e  c  h  n  i  s  c  h  e  n  S  c  h  w  i  e- 
rigk eilen,  keinerlei  z  u  v  e  r  1  À  s  s  i  g  e  K  o  h  t r  0 1 1  e 
hat,  wieviel  Blut  eigentlich  zum  Spender 
h  i  n  ĂŒ  b  e  r  1  Ă€  u  f  t,  u  n  d  o  b  ĂŒberhaupt  B  *.  u  t  ĂŒ  b  e  r  - 
geleitet  wird.  Nach  dem  Ausprobieren  „der'  verschie- 
densten indirekten  und  direkten  Methoden  und  nach  einer 
Reihe  von  Vorversuchen,  die  ich  ĂŒbergehe,  bin  ich  zu  einer 
direkten  Methode  von  Vene  zu  Vene  gekommen,  die  sich 
jetzt  schon  mehrere  Jahre  bewÀhrt  hat,  die  bei  240  Trans- 
fusionen nie  versagt  hat  und  die,  wie  ich  glaube,  die 
Schattenseiten  der  anderen  direkten  Methoden  beseitigt.  Ich 
verwende  einen  stabilen  metallenen  Dreiwegehahn,  der  auf 
der  einen  Seite  mit  zwei  GlaskanĂŒlen  in  Verbindung  steht, 
und  auf  der  anderen  Seite  einen  Konus  trÀgt  zum  Einsetzen 
von  Glasspritzen.  Es  wird  kein  Paraffin  und  kein"  Natrium 
citricum  gebraucht,  sondern  nur  physiologische  Kochsalz- 
lösung. 

Spender  und  EmpfÀnger  liegen  bequem  mit  abduziertem 
Arme  nebeneinander.  Der  mit  Kochsalzlösung  gefĂŒllte 
Apparat  ist  bei  abgestelltem  Hahn  in  die  Ellbeugenvene  des 
Spenders  und  EmpfĂ€ngers  eingeknĂŒpft.  Das  gestaute  Venen - 
blut  des  EmpfÀngers  wird  nach  Umstellen  des  Hahnes  in  die 
Glasspritze  eingesaugt  und  nach  Wenden  des  Hahnes  dem 
EmpfÀnger  sofort  eingespritzt.  So  werden  jedesmal  50  oder 
100  cem  Blut  hinĂŒbergepumpt.  Bei  gutgestauter  Vene  dauert 
die  UeberfĂŒhrung  von  50  cem  Blut  etwa  15  Sekunden. 

Es  wird  dann  der  Hahn  abgestellt  und  eine  neue  Spritze 
mit  etwas  physiologischer  Kochsalzlösung  aufgesetzt,  die  so- 
wohl nach  der  Spenderseite  wie  nach  der  EmpfÀngerseite  den 
Apparat  und  GlaskanĂŒlen  wieder  völlig  klarspĂŒlt;  dann  be- 
ginnt wieder  das  HinĂŒberpumpen  von  50  bezw.  100  com  Blut 
usw.  Wir  haben  gewöhnlich  800—1000  cem  Blut  transfun- 
diert. Am  Schluß  der  eigentlichen  BlutĂŒberfĂŒhrung,  die  bei 
krÀftiger  Spendervene  knapp  10  Minuten  dauert,  erhÀlt  der 
Spender  sofort  durch  den  Apparat  etwa  1  Liter  Kochsalz- 
lösung. Der  ganze  Transfusionsakt  mit  Versorgung  des 
Spenders  mit  Kochsalzlösung  dauert  bei  uns  gewöhnlich 
etwa  eine  halbe  Stunde. 

Die  Eigenart  meiner  Methode  und  das  glatte  Gelingen 
derselben  beruht  auf  einem  besonderen  anato- 
mischen Verhalten  der  Ellbeugenyenen.  Die 
Vena  media  eubiti  ist  nicht  der  Hauptsache  nach,  wie  es  ge- 
wöhnlich heißt,  eine  Anamostose  zwischen  der  Vena  cepha- 
lica  und  basilica,  sondern  sie  ist,  wie  man  das  an  jedem 
gestauten  Arme  beobachten  kann,  eine  starke  Vene,  die  aus 
der  Tiefe  des  Unterarmes  (peripher  vom  Lacertus 
fibrosus)  heraufkommt.  WTenn  wir  bei  einer  Blutentnahme 
oder  einer  Transfusion  die  Faust  ballen  lassen,  so  beobachten 
wir,  wie  aus  der  Mittelvene  das  Blut  durch  Auspressen  der 
Unterarm-Muskeln  stoßweise  herausgedrĂŒckt  wird.  Es  wird 
offenbar  aus  physiologischen  GrĂŒnden  bei  besonderen  Stel- 
lungen des  Ellbogengelenkes  das  Blut  der  liefen  Vene  des 
Unterarmes  im  Bogen  an  die  OberflĂ€che  gefĂŒhrt,  weil  ihm 
der  Weg  in  der  Tiefe  durch  Druck  des  Lacertus  usw.  er- 
schwert wird.  Die  Mitlelvene  hat  aber  nicht  nur  ihren 
Hauptzufluß  aus  der  Tiefe  des  Unterarmes,  sondern  sie  hat 
auch  die  Eigenart,  daß  sie  klappenlos  mit  .den  tiefen  Venen 
in  Verbindung  steht,  so  daß  man  an  dieser  Stelle  spielend 
gegen  den  Venenstrom  Kochsalzlösung  einspritzen 
kann,  wie  es  bei  meiner  Methode  in  den  Zwischenphasen  und 


Üehiecker:  Blutverpflanzung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 
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zum  Schluß  der  Transfusion  zur  Versorgung  des  Spenders 
mit  Kochsalzlösung  nötig  ist. 

Meine    Methode   hat   den    anderen    direkten  Methoden 
gegenĂŒber   folgende    Vorteile:   wĂ€hrend  des  ganzen 
Verlaufes  der  Transfusion  hat  man  einen  klaren  Ueberblick, 
wieviel  Blut  der  EmpfĂ€nger  bekommt.  —  Die  Transfusion 
kann  jederzeit  unterbrochen  werden  und  beliebig  fortgefĂŒhrt 
werden;  dies  spielt  eine  große  Rolle  fĂŒr  die  Frage  der  Haemo- 
lyse,  auf  die  spĂ€ter  eingegangen  wird.  —  Wir  können  das 
Blut   in  kollabierte  Venen  eines  schwerkranken  Menschen 
mit  Spritzendruck  hineinpressen.    Dieser  Widerstand  in  den 
kollabierten  Hautvenen  ist  in  manchen  FĂ€llen  im  Anfange 
so  groß,  daß  er  bei  einer  Verbindung  mit  einer  Arteria  radi- 
alis garnicht  ĂŒberwunden  werden  wĂŒrde.   Wir  wissen  ja  bei 
Anwendung  der  gewöhnlichen  Kochsalzinfusion,  in  welche 
Höhe  wir  oft  den  Irrigator  bringen  mĂŒssen,  um  ein  Ein- 
fließen der  Lösung  zu  erreichen.  —  Wir  können  auch  die 
Transfusion   oft  wiederholen,  selbst  wenn  schon  mehrere 
N  euen  bei  frĂŒheren  Transfusionen  unterbunden  worden  sind. 
So  habe  ich  in  einem  besonderen  Falle  (mit  teilweiser  Be- 
nutzung der  Vena  saphena)  bis  zu  40  großen  Transfusionen 
dank   des  Spritzendruckes   machen   können.  —  Man  kann 
nötigenfalls  dem  EmpfÀnger  sogleich  Blut  von  einem  zweiten 
Spender  geben;  so  haben  wir  einige  Male  einem  Patienten 
2  Liter  Blut  in' einer  Sitzung  transfundiert.  —  Der  operative 
Eingriff  ist  klein  und  technisch  einfach,  da  es  sich  nur  um 
die  EinknĂŒpfung  zweier  GlaskanĂŒlen  in  Venen  handelt.  Es 
besteht  eine  völlige  Trennung  zwischen   der  Spender-  und 
EmpfÀngerseite,    es    kann    niemals  der  Spender  von  der 


kranken  Seite  her  gefÀhrdet  werden. 


Im  Gegensatz  zu  den 


anderen  direkten  Methoden  lĂ€ĂŸt  sich  viel  besser  die  Grenze 
bestimmen,  bis  zu  welcher  in  RĂŒcksicht  auf  den  Spender  die 
Blutentnahme  ausgedehnt  werden  kann.  (Die  Entnahme  ist 
auch  viel  sicherer  und  ergiebiger  als  bei  der  Venae  Sectio  der 
indirekten  Methoden.)  Dem  Spender  wird  der  Blutverlust  so- 
fort in  kĂŒrzester  Zeit  in  liegender  Stellung  durch  Kochsalz- 
lösung wieder  ersetzt.  (Die  technischen  Einzelheiten,  die 
Auswahl  der  Venen  usw.  ist  mit  Abbildungen  im  165.  Ba:> 
der  deutschen  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie  S.  397  genau  be- 
schrieben.) 

W  e  1  c  h  e  Methode  der  Bluttransfusion  ist 
nun  fĂŒr  die  Praxis  am  meisten  zu  empfehle  n? 
Die  direkte  Methode  muß  in  physiologischer 
Hinsicht  als  die  beste  bezeichnet  werden,  da 
das  Blut  sofort  im  neuen  Kreislauf  weiterfließt,  bevor  irgend 
welche  Gerinnungserscheinungen  eintreten  können.  Das  Blut 
ist  weder  mechanisch  noch  chemisch  geschĂ€digt  und  ĂŒber- 
gibt dem  neuen  Organismus  alle  feineren  Stoffe,  auch  die  der 
endokrinen  DrĂŒsen,  in  unversehrter  Form.  In  Kranken- 
hĂ€usern, speziell  in  grĂ¶ĂŸeren  Betrieben,  wird  man  daher 
meist  die  direkten  Methoden  vorziehen.  Und  wo  ein  harmo- 
nisches Zusammenarbeiten  zwischen  dem  inneren  Kliniker 
und  Chirurgen  obwaltet,  wird  der  Kliniker  die  Transfusion 
fĂŒr  seine  FĂ€lle  dem  Chirurgen  ĂŒbergeben.  In  unserem 
Krankenhause  Hamburg-Barmbeck  werden  alle  Trans- 
fusionen, auch  bei  inneren  Erkrankungen,  auf  meiner  chirur- 
gischen Abteilung  ausgefĂŒhrt. 

Von  den  indirekten  Methoden  ist  wohl  die 
Methode  ton  Brown  und  P  e  r  c  y  als  die  beste  zu  be- 
zeichnen, deren  AusfĂŒhrung,  wie  oben  schon  auseinander- 
gesetzt, Uebung  voraussetzt,  deren  Vorbereitung  peinlicher 
und  komplizierter  ist  als  meine  Methode,  wÀhrend  der  chirur- 
gische Eingriff  der  gleiche  ist.  Selbstredend  wird  jeder  mit 
derjenigen  Methode  am  meisten  leisten,  in  der  er  die  meiste 
Uebung  und  Erfahrung  hat. 

FĂŒr  den  inneren  Kliniker,  der  den  Beistand  des  Chirurgen 
entbehrt  oder  der  sich  von  dessen  HĂŒlfe  freimachen  will,  wie 
bei  FĂ€llen  draußen  in  der  Praxis  und  fĂŒr  besondere .  Situa- 
tionen ist  die  Z  i  t  r  a  t -M  e  t  h  o  d  e,  wenn  sie  auch  Nach- 
teile hat,  die  Methode  der  Wahl.  Hier  kann  selbst 
bei  primitiven  VerhÀltnissen  unter  geschickter  Ausnutzung 
geringer  Hilfsmittel  noch  eine  Transfusion  ausgefĂŒhrt  wer- 
den.   Nur  in  besonderen  FĂ€llen,  wo  kein  Natriumzitrat  zu 


beschaffen  ist,  wird  man  erst  def ibriniertes  Blut  verwenden. 

Die  besten  und  schönsten  Erfolge  erzielt  man 
mit  dei  BlutĂŒberfĂŒhrung  dort,  wo  es  sich  um  Be- 
kĂ€mpfung großer  Blutverluste  handelt,  wo '  aber 
sonst  kein  schwereres  Grundleiden  Torliegt.  Einige  Beispiele 
aus  unserer  Praxis: 

Ein  54  jÀhr.  Patient  wird  nach  einer  Beihe^sich  wiederholen- 
der Blutungen  aus  einem  DuodenalgeschwĂŒr  stark  anĂ€misch  (mit 
15  %  HĂ€moglobin)  eingeliefert.  In  leichter  Aethernarkose  Ope- 
ration, im  Anschluß  daran  Transfusion  von  einem  Liter  Blut  von 
seinem  Sohne.  Glatter  Verlauf.  Pal.  wird  nach  4  Wochen  mit 
einem  HĂ€moglobingehalt  von  ĂŒber  50  %  entlassen. 

68  jÀhr.  Patient,  der  nach  wiederholten  Blaseriblutungen  nur 
20  %  HĂ€moglobin  hat.  Bei  der  Zystoskopie  findet  sich  ein  hasel- 
nußgroßes Papillom.  In  LokalanĂ€sthesie  wird  nach  Sectio  alta 
der  Tumor  entfernt.  Dann  Transfusion  von  fast  einem  Liter  Blut. 
Der  Pal.,  der  in  einem  soporöseh  Zustande  war,  wird  wieder 
irisch  und  munter.  Er  wird  nach  3  Wochen  völlig  geheilt  ent- 
lassen. 

fi4jĂ€hr.  Pal.,  stark  ausgeblutet  infolge  eines  großen  gestielten 
Papillom  im  untersten  Teile  der  Flexura  sigmoidea.  Bluttrans 
t'usion  von  1  Liter  Blut.  Die  Blutungen  stehen.  Pat.  erholt  sich. 
Nach  einigen  Tagen  Laparotomie:  Der  Tumor  wird  durch  Ima- 
gination* vor  die  Analöffnung  gebracht  und  entfernt.  Pat.  wird 
nach  etwa  3  Wochen  geheilt  entlassen. 

Ferner  behandelten  wir  mit  vollem  Erfolg  eine  Reihe 
schwer  ausgebluteter  Aborte  mit  einem  HĂ€moglobingehall 
von  15 — 20  %.  Ebenso  schwere  anĂ€mische,  hochbedrohliche 
ZustÀnde  nach  schweren  eingreifenden  Operationen.  (Blu- 
tung aus.  Iliaca  externa  usw.).  Hier  glauben  wir  auch  be- 
obachtet zu  haben,  daß  schĂ€digende  EinflĂŒsse  der  Narkose 
durch  die  Bluttransfusion  schneller  ĂŒberwunden  werden. 

Bei  einer  Reihe  von  FĂ€llen  schwerste: 
Blutverluste  hat  sicher  nur  die  Bluttrans- 
fusion lebensrettend  gewirkt.  SelbstverstÀndlich 
bedarf  es  in  solchen  FĂ€llen  einer  gewissen  Kritik.  Wir  haben 
nicht  etwa  Bluttransfusionen  bei  gewöhnlichen  einmaligen 
Blutungen  gemacht,  wo  die  AuffĂŒllung  des  GefĂ€ĂŸsystems 
durch  Kochsalzlösung  auch  die  Gefahr  abgewendet  hÀtte.  So 
haben  wir  z.  B.  eine  Serie  von  100  geplatzten  Tuben- 
Schwangerschaften  gehabt,  bei  der  kein  Todesfall  vorge- 
kommen ist,  und  wo  nur  gleich  zu  Beginn  der  Operation  die 
intravenöse  Kochsalzinfusion  eingeleitet  wurde.  SpÀter  haben 
wir  natĂŒrlich  bei  diesen  FĂ€llen  noch  die  Eigenbluttransfusion 
nach  Thieß  gemacht,  und  zwar  in  der  einfachen  Weise, 
daß  ĂŒber  dem  Irrigator  der  Kochsalzlösung  eine  Gazekom- 
presse gelegt  und  hierauf  wÀhrend  der  Operation  das  Blut 
aus  der  Bauchhöhle  hinauf  geschöpft  wurde.  Bei  dem  Wieder- 
einfĂŒhren von  Blut  bei  Milz-  und  Leberrupturen  wird  man 
vorsichtiger  sein  mĂŒssen  oder  es  lieber  unterlassen,  seitdem 
Schoene  bei  Leberruptur  (ohne  jede  Darmverletzung)  aus 
dem  Blut  der  Bauchhöhle  Bakterium  koli  gezĂŒchtet  hat.  Bei 
großen  und  besonders  sich  wiederholenden  Blutverlusten 
wird  man  in  vielen  FĂ€llen  nur  mit  einer  Bluttransfusion  das 
Leben  retten  können,  denn  in  solchen  FĂ€llen  muß  vor  allem 
die  Zahl  der  SauerstofftrĂ€ger,  die  GrĂ¶ĂŸe  der  atmenden 
FlÀche,  vermehrt  werden,  was  mit  Kochsalzlösung,  Ringer- 
scher Lösung  und  auch  nicht  mit  Normosal  erreicht  werden 
kann. 

Die  Patienten,  bei  denen  die  Transfusionen  wegen 
schweren  Blutverlustes  gemacht  wurden,  zeigten  meist  einen 
HĂ€moglobingehalt  von  20  %,  15  %  oder  gar  weniger.  Bei 
diesen  schweren  AnĂ€mien  reichen  natĂŒrlich  kleine  Dosen 
(2 — 300  cem  Zitratblut,  wie  man  es  manchmal  angegeben 
findet)  nicht  aus.  In  solchen  FĂ€llen  haben  wir  immer 
möglichst  1  Liter  Blut  gegeben  oder  noch  mehr.  Heller 
konnte  in  einem  Falle  sehr  ĂŒberzeugend  zeigen,  wie  erst  die 
UeberfĂŒhrung  einer  großen  Menge  Blut  die  Gefahr  des  Ver- 
blutungstodes abwendete. 

Bei  einigen  FÀllen  von  AnÀmie  nach  Blutverlusten,  die 
etwa  30  %  oder  mehr  HĂ€moglobin  hatten,  die  aber  nicht 
recht  vorwÀrts  kommen  wollten  und  mit  ihrem  HÀmoglo-  1 
bingehalt  stehen  blieben,  haben  wir  oft  durch  eine  Bluttrans- 
fusion schnell  eine  Wendung  zum  Bessern  erzielt.    Ja,  bei 


Ii).  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


Öehlecker:  Blut  Verpflanzung 


einigen  Aborten,  wo  die  Transfusion  nicht  unbedingt  nötig 
war,  wo  aber  die  Erholung  nicht  recht  einsetzen  wollte  und 
die  MĂŒtter  drĂ€ngten,  möglichst  bald  wieder  zu  ihren  Kindern 
Bach  Hause  zu  kommen,  haben  wir  gewissermaßen  auch 
aus  sozialen  GrĂŒnden  die  Bluttransfusion  gemacht,  so  dal) 
die  Patienten  bald  geheilt  und  arbeitsfÀhig  entlassen  werden 
konnten. 

B  c  i  A  n  ;>  m  i  e  n  n  a  eh  eitrig  e  n  u  n  d  septi- 
schen Prozessen,  d.  h.  nur,  wenn  der  entzĂŒndliche 
Prozeß  durch  lnzisionen  bezw.  Amputationen  beherrscht  ist, 
kann  die  Rekonvaleszenz  durch  BlutĂŒberfĂŒhrung  in  schönster 
W  eise  gefördert  werden.  Bei  schweren  Allgemeininfektionen, 
wo  gar  aus  dem  Blute  Erysipel -Streptokokken  oder  Sta- 
phylokokken in  Beinkultur  gezĂŒchtet  waren,  haben  wir  nie 
Erfolge  gesehen;  ebenso  bei  Endokarditis  lenla.  Zu  diesen 
Bluttransfusionen,  die  peinlichst  eine  SchÀdigung  des  Spen- 
ders vermeiden  mĂŒssen,  sind  wir  in  einigen  FĂ€llen  vom 
inneren  Kliniker  immer  wieder  gedrÀngt  worden.  Abgesehen 
von  kleinen  vorĂŒbergehenden  Besserungen  ist  aber  nie  etwas 
-  erreicht  worden.  Bluttransfusion  bei  schwerer 
Infektion,  bei  BakteriÀmie  ist  Vergeudung 
feines  kostbaren  Stoffes. 

Ebenso  haben  wir  bei  Leuchtgas-,  Morphium- 
■V  e  r  g  i  f  t  u  n  g  usw.  keine  endgĂŒltigen  Erfolge 
pehabt.    Allerdings  hat  es  sich  hier  um  sehr  schwere,  ja 
■noribunde  FĂ€lle  gehandelt.    Wenn  man  bei  der  Leuchtgas - 
■Vergiftung  in   schweren  FĂ€llen  was  erreichen  will,  so  hat 
dies  nur  Zweck,  wenn  die  Bluttransfusion  (nach  Ablassen 
Ivon  Blut  beim  Vergifteten)  sehr  frĂŒh  gemacht  wird;  denn 
wenn   erst   Blutungen,   Nekrosen  usw.   im  Zentralnerven- 
system aufgetreten  sind,   kann  natĂŒrlich  keine  Aenderung 
durch  eine  BlutzufĂŒhrung  mehr  erreicht  werden.    Bei  Mor- 
phiumvergiftung haben  wir  Besserung   eintreten  sehen,  so 
daß  z.  B.  ein  völlig  reaktionsloser  Patient  nach  der  Trans- 
fusion auf  Anruf  die  Augen  wieder  aufschlug;  er  ging  aber 
spÀter  doch  an  Pneumonie  zugrunde. 

Wie  man  die  Blutarmut  nach  Operationen  durch  Trans- 
fusion aufs  GĂŒnstigste  beheben  kann  und  hierdurch  auch  die 
Heilung  der  Operationswunden  infolge  besserer  Durch- 
blutung fördern  kann,  so  kann  man  auch  manchem  Falle 
mit  großem  Vorteil  vor  der  Operation  Blut  zu- 
fĂŒhren und  ihn  operationsfĂ€hig  machen,  dem  man  sonst 
keinen  Eingriff  mehr  hÀtte  zumuten  können.  Karzinome, 
z.  B.  Magenkarzinome,  bei  denen  schon  frĂŒh  eine  schwere 
AnĂ€mie  das  Krankheitsbild  beherrscht,  können  oft  ĂŒber- 
raschend gebessert  werden.  Bei  einem  Patienten  war  die 
Besserung  so  auffĂ€llig,  daß  wir  an  der  Diagnose  Magenkrebs 
zweifelten.  Der  Pat.  ging  zufÀllig  bei  der  schweren  In- 
fluenzaepidemie zugrunde,  bevor  operiert  werden  konnte;  bei 
der  Sektion  zeigte  sich,  daß  doch  Karzinom  vorlag.  Ein- 
zelne inoperable  Magenkarzinome,  die  einen  HĂ€moglobin - 
gehalt  von  nur  15 — 20  %  hatten,  wurden  wieder  so  gekrĂ€ftigt, 
daß  sie  in  ihrem  GeschĂ€ft  teilweise  wieder  tĂ€tig  sein  konnten. 
SekundÀre  AnÀmien  bei  Tuberkulose  weiden  gleichfalls  durch 
eine  Bluttransfusion  auf  das  Beste  beeinflußt. 

Einen  sehr  schönen  Erfolg  hatten  wir  bei  einem  Falle 
von  HÀmophilie  zu  verzeichnen.  Bei  einem  10  jÀhr. 
Knaben  aus  einer  Bluterfamilie,  der  eine  unstillbare  Blutung 
aus  einer  Zahnfleischwunde  hatte,  transfundierte  ich  nach 
meiner  Methode  400  cem  Blut  vom  Vater.  Die  Blutung  stand; 
auch  die  Wunde  in  der  Ellbeuge,  die  natĂŒrlich  möglichst 
klein  angelegt  war,  zeigte  weiterhin  ganz  normales  Ver- 
lialten.  —  Bei  einem  Morbus  makulosus  Werlhofii, 
der  ganz  akut  bei  einer  70  jÀhr.  Pat.  aufgetreten  war,  hatte 
offenbar  die  Bluttransfusion  einen  sehr  betrÀchtlichen  An- 
teil an  der  Besserung  gehabt.  (Bei  einem  hÀmolytischen 
Ikterus  habe  ich  mich  nach  den  bisherigen  Erfahrungen 
und  Erfolgen  lieber  zur  Milzexstirpation  entschlossen.)  — 
HĂ€mostyptisch  hat  die  Bluttransfusion  in 
2  FÀllen  von  dunkler,  nicht  aufgeklÀrter 
Magen-Darmblutung  gewirkt.  Bei  einer  vorauf- 
gegangenen Operation  war  der  Sitz  der  Blutung  nicht  ent- 
deckt worden.    Bei  dem  einen  Falle  zeigte  die  sekundÀre 


AnÀmie  sogar  schon  eine  erhebliche  Poikilozytose.  Auen 
Dönhoff  hat  ĂŒber  einen  Fall  berichtet,  wo  ein  Kollege  bei 
der  Laparotomie  die  Quelle  der  Magenblutung  nicht  fand,  wo 
dann  aber  nach  der  Bluttransfusion  die  Blutung  stand  und 
sieb  nicht  wiederholt  hat.  In  solchen  FĂ€llen  habe  ich  nur 
öiOO  oder  600  com  Blut  vorsichtig  ĂŒbergeleitet,  um  nicht 
etwa  durch  zu  hohen  Druck  gerade  eine  neue  Blutung  her- 
vorzurufen. Wenn  auch  sonst  die  Hegel  gelten  muß,  daß  erst 
die  Quelle  der  Blutung  verstopft  werden  muß,  ehe  man  eine 
Bluttransfusion  macht,  so  scheint  doch  bei  manchem  blu- 
tenden MagengeschwĂŒr  eine  Bluttransfusion  allein  infolge 
der  gerinnungs-  und  heilungsfördernden  Wirkung  von  aus- 
gezeichneter Wirkung  zu  sein.  Einen  Fall  von  Melaena 
neonatorum  zu  behandeln,  haben  wir  nicht  Gelegenheit 
gehabt.  Hier  sind,  besonders  von  einigen  Amerikanern, 
schöne  Erfolge  mit  Bluttransfusionen  erreicht  worden. 

Dre  meisten  Bluttransfusionen  habe  ich  bei  der  pro- 
gressiven perniziösen  AnÀmie  (zum  Teil  mit 
Milzexstirpation)  ausgefĂŒhrt.  Da  ich  ĂŒber  die  B  i  e  m  e  r  sehe 
A  n  Ă€  m  i  e  schon  einmal  ausfĂŒhrlich  berichtet  habe  (5),  will 
ich  meine  Erfahrungen  nur  kurz  zusammenfassen.  Es  han- 
delt sich  um  ĂŒber  70  Patienten,  die  einmal,  zweimal  oder 
noch  mehrmals  große  vitale  Blutmengen  erhielten. 
Der  HĂ€moglobingehalt  war  meist  15 — 20  %  oder  weniger;  die 
Zahl  der  roten  Blutkörperchen  war  dementsprechend,  bei 
einem  FĂ€rbeindex,  der  grĂ¶ĂŸer  als  1  ist.  Bei  den  meisten 
Patienten  waren  die  ĂŒblichen  internen  Mittel  erschöpft,  be- 
vor sie  zur  Transfusion  kamen. 

Wenn  auch  bei  vielen  Patienten  nur  vorĂŒbergehende  Er- 
folge zu  verzeichnen  sind  und  in  einigen  FĂ€llen  die  Besse- 
rungen sehr  schnell  verrauschten,  so  haben  wir  doch  bei 
einer  Reihe  von  Kranken  sofort,  nach  der  Transfusion  ein- 
setzende und  lange  anhaltende  Erfolge  gehabt,  so  daß  die 
Berechtigung,  bei  perniziöser  AnÀmie  Bluttransfusionen  zu 
machen,  nicht  bestritten  werden  kann.  Wir  haben  mehrere 
Pat.,  die  nach  Versagen  der  internen  Therapie  sofort  nach 
der  Bluttransfusion  sich  besserten,  so  daß  von  zufĂ€lligen 
Remissionen  keine  Rede  sein  kann,  und  die  1,  2  und  3  Jahre 
wieder  völlig  oder  doch  grĂ¶ĂŸtenteils  arbeitsfĂ€hig  waren;  sie 
reagierten  zum  Teil  auch  spÀter  bei  einem  Rezidive  auf  eine 
zweite  Transfusion. 

Sehen  wir  von  den  ganz  schweren  oder  gar  moribunden 
FÀllen  ab,  so  kann  man  bei  der  perniziösen  AnÀmie  nie  mit 
Sicherheit  voraussagen,  ob  eine  Bluttransfusion  einen  lÀnger 
anhaltenden  Erfolg  bringen  wird  oder  nicht.  Wir  haben  da 
Ueberraschungen  sowohl  nach  der  einen,  wie  nach  der  an- 
deren Seite  erlebt,  ja  auch  besonders  nach  der  guten  Seite 
hin,  so  daß  wir  eine  Transfusion,  wenn  es  sich  nicht  um 
ganz  desolate  FĂ€lle  handelt,  nicht  verweigern.  Wenn  ge- 
sagt wird,  daß  man  bei  der  perniziösen  AnĂ€mie  keine  Blut- 
transfusionen machen  solle,  weil  man  doch  keine  dauernden 
Erfolge  habe,  so  kann  ich  diesen  Standpunkt  nicht  teilen, 
denn  mit  demselben  Rechte  könnte  man  sagen,  man  soll  bei 
einem  inoperablen,  stenosierenden  Pyloruskarzinom  keine 
Gastroenterstomie  machen  usw.  Bei  mancher  Bluttrans- 
fusion bei  perniziöser  AnÀmie  erlebt  man  mehr  Freude  und 
einen  lÀnger  dauernden  Erfolg  als  bei  vielen  Palliativopera- 
tionen, bei  Karzinomen  usw.  Vor  allem  gibt  man,  wenn  man 
eine  große  Blutmenge  ĂŒberleitet,  den  meisten  Kranken  sofort 
wieder  das  GefĂŒhl  der  Besserung  und  der  Gesundung. 
LÀstige  anÀmische  Beschwerden  wie  die  OhrgerÀusche  sind 
bei  einer  großen  Transfusion  sofort  verschwunden.  Den 
meisten  Pat.  ist  das  GefĂŒhl  der  SchwĂ€che  genommen,  der 
Appetit  und  Schlaf  ist  wieder  gut.  Wenn  sich  Anverwandte 
oder  Freunde  eines  Schwerkranken  gern  zum  Blutspenden 
hergeben,  warum  soll  man  sich  da  weigern,  dem  Pat.  Er- 
leichterung zu  verschaffen  oder  gar  ihm  Monate  oder  Jahre 
das  Leben  zu  verlÀngern? 

Wenn  auch  kleine  intravenöse  Dosen  einen  Reiz  auf's 
Knochenmark  zur  Blutneubildung  ausĂŒben  können,  so 
möchte  Ich  doch  dringend  raten,  bei  der  perniziösen  AnÀmie 
große  Mengen  zu  transfundieren,  damit  der  Pat.  möglichst 
schnell  wieder  hochgebracht  wird.    Es  wird  auch  die  Blut- 


ĂŒchlecker:  Blutverpllanzung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


neubildung  umso  wirksanier  vor  sich  gehen,  je  besser  die 
Gesamtverfassung  des  ganzen  Körpers  ist;  und  das  erreichen 
wir  gerade  durch  die  ZufĂŒhrung  einer  großen  Blutmenge,  die 
infolge  der  besseren  Durchströmung  aller  Organe,  infolge 
reichlicher  ErnÀhrung,  besseren  Schlafes  usw.  den  gesamten 
krÀf  tezustand  hebt.  W  enn  auch  bei  der  pernizi- 
ösen AnÀmie  durch  d4  e  Bluttransfusionen 
keine  großen  Lorbcern  zu  erringen  sind,  so 
muß  derjenige,  der  einen  U  e  b  e  r  b  1  i  c  k  ĂŒber 
v  i  e  1  e  FĂ€lle  hat,  doch  dringend  raten  Blut- 
transfusionen, und  zwar  Transfusionen 
großer  vitaler  Mengen  bei  der  Biem  er  sehen 
A  n  À  mie  z  u  versuchen.  Denn  eine  R  e  i  h  e  ver- 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸig anbaltender  Erfolge  bei  FĂ€l- 
len, w  o  a  1  1  e  internen  Mittel  versagt  haben, 
entschĂ€digen  reichlich  fĂŒr. manchen  schnell 
v  e  r  r  a  u  c  henden  Erfolg  oder  manch  e  n  M  i  ß- 
e  r  f  o  1  g. 

Zum  Schluß  wollen  wir  noch  auf  die  Wahl  des 
S  p  e  n  d  e  r  s  und  die  wichtige  Frage  der  H  À  m  o  1  y  s  e  ein- 
gehen. Zum  Spender  eignen  sich  am  Besten  krÀftige  Men- 
schen vom  20. — 50.  Jahre,  doch  haben  wir  auch  60  jĂ€hrige 
noch  als  Spender  verwandt.  Mit  Erlangung  eines  Spenders 
haben  wir  fast  nie  Schwierigkeiten  gehabt.  Irgend  eine 
SchÀdigung  eines  Spenders  ist  nicht  vorgekommen.  Ein 
Spender,  dem  wir  nach  der  Transfusion  statt  physiologischer 
Kochsalzlösung  Gummilösung  eingespritzt  haben,  die  als 
lÀnger  wirksam  empfohlen  ist,  bekam  einen  sehr  heftigen 
SchĂŒttelfrost  und  hat  mehrere  Tage  hohes  Fieber  gehabt.  Da 
es  sich  beim  Gummi  arabicum -um  keine  sicher  definierte 
chemische  Substanz  handelt,  sondern  um  ein  Gemenge  ver- 
schiedenartiger Substanzen,  so  ist,  wie  unser  Fall  zeigt,  bei 
der  Gummilösung  Vorsicht  geboten.  —  Krankheiten  dĂŒrfen 
bei  der  Bluttransfusion  nicht  ĂŒbertragen  werden;  es  muß 
daher  neben  der  ĂŒbrigen  grĂŒndlichen  Untersuchung  ge-, 
gebenenfalls  auch  die  W  a  s  s  e  r  m  a  n  n  '  sehe  Reaktion  an- 
gestellt werden.  In  einem  Falle  haben  wir  Malaria  ĂŒber- 
tragen. Die  Transfusion  wurde  bei  einem  ausgebluteten 
Oberkiefersarkom  gemacht,  wo  glĂŒcklicherweise  kein  Schaden 
angerichtet  wurde  (6).  Spender  war  der  Sohn  der  Patientin, 
der  in  den  Tropen  bei  Chininprophylaxe  niemals  Erschei- 
nungen von  Malaria  gehabt  hatte,  und  der  schon  ĂŒber  3  Jahre 
aus  den  Tropen  zurĂŒck  war,  ohne  jemals  krank  gewesen  zu 
sein.  Der  Fall  lehrt,  daß  man  Leute,  die  in  i  den  letzten 
Jahren  in  Malariagegenden  waren,  nicht  zu  Spendern  ver- 
wenden darf,  auch  wenn  sie  keinerlei  Erscheinungen  gehabt 
haben.  Von  englischer  Seite  ist  auch  ein  Fall  veröffentlicht, 
wo  bei  einem  anÀmischen  Malariakranken  eine  Bluttrans- 
fusion gemacht  und  hierbei  die  Wunde  des  Spenders 
infiziert  wurde. 

Wenn  eine  Transfusion  ausgefĂŒhrt  ist,  so  tritt  in  man- 
chen FĂ€llen  nach  einer  halben  Stunde  oder  spĂ€ter  SchĂŒt- 
telfrost auf.  Es  ist  gut,  den  Patienten  auf  diese  Even- 
tualitĂ€t vorzubereiten.  Nach  dem  SchĂŒttelfrost  tritt  oft 
Fieber  bis  39  und  40  Grad  auf,  das  aber  nach  einem  Tage 
bzw.  2  Tagen  verschwunden  ist.  Diese  Erscheinun- 
gen haben  aber  keine  besondere  Bedeutung, 
nehmen  nie  einen  bedrohlichen  Charakter 
an  und  sind  streng  zu  trennen  von  den 
Erscheinungen  der  HĂ€molyse,  die  sofort 
in  den  ersten  Minuten-  der  Transfusion 
sich    geltend  machen. 

Aehnlich  wie  artfremde  rote  "Blutkörperchen  im  Plasma 
des  Menschen  aufgelöst  werden,  so  kommt  es  auch  in  einigen 
FĂ€llen  vor,  daß  menschliche  rote  Blutscheiben,  besonders 
des  Spenders,  im  Plasma  des  EmpfÀngers  gelöst  werden. 
Es  kommt  zur  H  Ă€  m  o  g  1  o  b  i  n  Ă€  m  i  e.  Man  muß  wissen, 
daß  das  im  Plasma  gelöste  HĂ€moglobin  zunĂ€chst  von  der 
Leber  aufgefangen  wird,  und  daß  erst  eine  bestimmte  An- 
hĂ€ufung im  Blut  zur  HĂ€moglobinurie  fĂŒhrt.  Wenn  also  nur 
eine  kleine  Menge  von  roten  Blutkörperchen  im  neuen  Kreis- 
lauf vernichtet  wird,  so  braucht  sich  dies  nicht  am  Urin- 
befund  zu  zeigen,  sondern  kann  nur  durch  eine  baldige 


spektroskopische  Untersuchung  des  Blutserums  nachgewiesen 
werden.  (Bei  perniziöser  AnÀmie  ist  manchmal  "auch  so 
etwas  HĂ€moglobin  im  Serum!) 

Die  Erscheinungen  der  HĂ€molyse  machen 
sich,  wie  gesagt,  sofort  bemerkbar.  Darum  gehe  ich 
bei  Beginn  einer  Transfusion  so  vor,  daß  nur  etwa  10  cem 
Blut  ĂŒbergeleitet  werden,  und  daß  dann  der  Apparat  mit 
Kochsalzlösung  durchgespritzt  und  gewartet  wird.  E  s 
wird  nun  der  Patient  in  den  nÀchsten 
2 — 3  Minuten  genau  beobachtet  und  vor 
allem  der  Puls  kontrolliert.  Wenn  der  Patient 
keine  auffÀlligen  Erscheinungen  und  vor  allem  keine  er- 
heblichen PulsverÀnderungen  zeigt,  so  kann  man  getrost  die 
Transfusion  fortsetzen.  Anders  ist  das  Verhalten, 
wenn  HĂ€molyse  auftritt.  Der  Patient  wird  un- 
ruhig, macht  tiefere  AtemzĂŒge.  Der  anĂ€mische  Patient  be- 
kommt plötzlich  eine  starke  Rötung  des  Gesichts,  die  bald 
in  eine  blaß-livide  Farbe  umschlĂ€gt.  Der  Puls  wird  schlecht 
oder  verschwindet  ganz  an  der  Peripherie.  Etwas  spÀter 
klagen  die  Patienten  auch  ĂŒber  Schmerzen  in  der  Magen - 
und  Milzgegend,  bekommen  Brechreiz,  oft  auch  Schmerzen 
in  der  Lendengegend.  Diese  Erscheinungen,  fĂŒr  den  Unkun- 
digen oft  sehr  alarmierend,  pflegen  bald  wieder  vorĂŒber- 
zugehen; selten  hÀlt  ein  Teil  der  unangenehmen  Erscheinun- 
gen etwas  lÀnger  an.  Aber  wenn  man  die  erste  In- 
jektion, die  biologische  Probeinjektion, 
nur  klein  wÀhlt,  so  kann  kein  dauernder 
Schaden  angerichtet  werden,  wenn  es 
nicht    gerade    ein    moribunder    Patient  ist. 

Die  HĂ€molyse-Erscheinungen  sind  graduell  verschieden, 
und  wenn  man  bei  leichteren  FĂ€llen  wieder  etwas  Blut  trans- 
fundiert, so  treten  wieder  dieselben  Symptome  auf.  Bei 
leichteren  FĂ€llen  von  HĂ€molyse  haben  wir,  z.  B.  bei  perni- 
ziöser AnÀmie,  manchmal  vorsichtig  doch  200  cem  Blut 
transfundiert,  um  so  einen  Reiz  auf  das  Knochenmark  aus- 
zuĂŒben; in  der  Annahme,  daß  der  Zerfall  normaler  roter 
Blutkörperchen  auch  wieder  Anregung  zur  Bildung  normaler 
Formen  von  Blutscheiben  gibt,  denn  es  soll  die  Erneuerung 
des  Blutes  normalerweise  so  vor  sich  gehen,  daß  die 
Schlacken  absterbender  roter  Blutscheiben  automatisch  die 
Bildung  neuer  roter  Blutkörperchen  hervorrufen. 

Tritt  in  einem  Falle  HĂ€moglobinurie  auf,  so  ist  der  Urin 
gewöhnlich  in  12  Stunden  wieder  völlig  klar,  auch  sieht  die 
Farbe  des  Urins  gewöhnlich  viel  gefÀhrlicher  aus,  als  der 
Zerfall  von  roten  Blutkörperchen  ist. 

Wenn  die  geschilderten  Schockerscheinungen  —  der  hier- 
fĂŒr oft  gebrauchte  Ausdruck  „anaphylaktischer  Schock"  ist 
nicht  korrekt  —  bei  Beginn  der  Transfusion  auftreten,  so 
darf  diese  natĂŒrlich  nicht  fortgesetzt  werden.  GlĂŒcklicher- 
weise tritt  die  HĂ€molyse  nur  selten  auf.  Ich  konnte  an  der 
Hand  meiner  Statistik  zeigen,  daß  HĂ€molyse  einer- 
seits durch  primÀre  Blut  Verschiedenheit 
bedingt  sein  kann,  daß  aber  andererseits 
gewisse  krankhafte  VerÀnderungen  wohl 
erst  die  Neigung  zur  HĂ€molyse  hervor- 
rufen (7).  Demi  bei  perniziöser  AnÀmie,  als  einer  hÀmo- 
lytischen AnÀmie,  war  nach  Transfusionen  z.  B.  der  Prozent- 
satz an  HĂ€molyse-FĂ€llen  viel  grĂ¶ĂŸer  als  bei  gutartigen 
Grundleiden,  was  ja  fĂŒr  die  Praxis  von  großer  Bedeutung  ist. 

Wenn  behauptet  wird,  daß  das  Blut  von  Verwandten 
weit  geeigneter  zur  Transfusion  sei  als  anderes,  so  ist  dies 
nicht  richtig.  Blutsverwandtschaft,  Geschlecht 
und  Rasse  spielen  keine  besondere  Rolle. 
Ich  habe  einmal  HĂ€molyse-Erscheinungen  erlebt,  wo  die 
leibliche  Schwester,  und  einmal  wo  die  Tochter  Spenderin 
war. 

Ein  Spender,  dessen  Blut  nicht  hÀmo- 
lysiert  hat,  kann  immer  wieder  fĂŒr  den- 
selben Patienten  als  Spender  gebraucht 
werden.  Es  bilden  sich  keine  schÀdlichen  Agglutinine, 
wie  behauptet  worden  ist.  Oft  habe  ich  denselben  Spender 
wieder  verwandt.  Folgendes  ist  interessant:  Zwei  Patienten 
mit  inoperablem  Magenkrebs  hatten  eine  Transfusion  er- 


10.  Jahrg.  —  Nr.  14/lf>. 


Busch:  Orthodiagramm 


hallen.  Als  sie  spĂ€ter  dringend  wieder  eine  BlutĂŒberfĂŒhrung 
verlangten,  trat  HĂ€inolyse  auf.  Es  gelang  dann,  die  ersten 
Spender1  wieder  zu  bekommen.  Jetzt  ging  die  Transfusion 
glatt  wie  beim  ersten  Male. 

Auch  AntihÀmolysine  bilden  sich  nicht:  Jeder  Spen- 
4er,    der    H  À  m  o  1  y  s  c    hervorruft,    tut  dieses 
in    spÀterer    Zeit    immer    wieder.      Ich  habe 
(dieses  mehrfach  ausprobiert.    Versuche.  HĂ€molyse  zu  ver 
„hindern,  indem  dem  EmpfĂ€nger  schĂŒtzende  Stolle  fĂŒr  die 
Proten  Blutscheiben  vor  Beginn  der  eigentlichen  Transfusion 
r  gegeben  wurden,   schlugen   fehl.     Kalziumchlorid  (AfeniO 
war  ohne  Wirkung.  Man  sieht  auch  hier  wieder  einmal  den 
Unterschied   zwischen   Vorgang    im  Reagenzglas   und  im 
Endothelrohr!  ' 

Nun  sollte  man  meinen,  daß  man  mit  Hilfe  der  Sero- 
logie alle  Klippen  der  HÀmolyse  sicher  umschiffen  könne. 
Dem  ist  aber  nicht  so.  Die  serologischen  Vor- 
untersuchungen, wie  sie  auch  heißen  mögen,  sind 
nicht  absolut  zuverlÀssig;  sie  können  nur 
die  Gefahren  der  HĂ€molyse  etwas  ein- 
engen. Wenn  ĂŒber  diesen  Punkt  noch  Meinungsverschie- 
denheiten bestehen,  so  rĂŒhrt  dieses  grĂ¶ĂŸtenteils  daher,  weil 
hÀufig  bei  der  gewöhnlich  vorliegenden  Kleinheit  des  Ma- 
teriales  der  Zufall  eine  Rolle  spielt.  Wer  serologische  Pro- 
ben vorher  angestellt  hat  und  nun  bei  einer  Reihe  von  Trans- 
fusionen keine  HÀmolyse  erlebt,  der  schwört  auf  die  Vor- 
untersuchung. Er  vergißt  aber,  daß  man  auch  ohne  sero- 
logische Untersuchung  30  Transfusionen  und  mehr  hinter- 
einander machen  kann,  ohne  eine  HĂ€molyse  auftreten  zu 
sehen.  Kollegen,  die  nach  meiner  Methode  manche  BlutĂŒber- 
fĂŒhrung ausgefĂŒhrt  hatten,  meinten,  es  gĂ€be  bei  der  direkten 
Methode  scheinbar  keine  HÀmoglobinÀmie.  Ich  habe  sie 
gewarnt:  es  geht  40  mal  gut,  bis  es  zwei  HÀmolysefÀlle  hin- 
tereinander gibt!  —  Wer,  ohne  auf  Agglutination  und  HĂ€mo- 
lyse untersucht  zu  haben,  transfundiert  und  zufÀlliger  Weise 
bald  die  alarmierenden  Symptome  einer  'HÀmoglobinÀmie 
durchzukosten  hat,  der  verlangt  dringend  nach  einer  Siche- 
rung —  oder  er  macht  nie  eine  Transfusion  wieder. 

Der  sichere  Werl  einer  serologischen  PrĂŒfung  kann  nur 
bestimmt  werden,  wenn  bei  einer  großen  Reihe  von  FĂ€llen 
ohne  RĂŒcksicht  auf  das  serologische  Untersuchungsergebnis 
die  Transfusion  gemacht  wird  (natĂŒrlich  nur  zuerst  in  der 
Form  der  vorsichtigen  biologischen  Probeinjektion)  und  eine 
genaue  spektroskopische  Seruml>estimmung  vor  und  nach 
der  Transfusion  beim  EmpfÀnger  angestellt  wird.  (7)  In  dieser 
Weise  sind  wir  bei  einer  großen  Zahl  von  FĂ€llen  vorge- 
gangen und  haben  die  Ergebnisse  der  Klinik  und  Serologie 
gegenĂŒbergestellt.  Bei  eiligen  Transfusionen  wurde  vor  Be- 
ginn der  Transfusion  Blut  in  der  sorgfĂ€ltigsten  Weise  fĂŒr 
das  serologische  Institut  entnommen,  wo  Herr  Dr.  Graetz 
in  freundlicher  Weise  sofort  die  Untersuchungen  anstellte. 
Bei  Vergleich  der  Ergebnisse  hat  sich 
nun  gezeigt,  daß  in  der  grĂ¶ĂŸeren  Zahl  eine 
Uebereinstimmung  bestand,  daß  aber  bei 
einigen  FĂ€llen  eine  HĂ€molyse  und  Agglu- 
tination vorausgesagt  wurde,  die  spÀter 
nicht  eintrat;  und  umgekehrt.  (Wenn  nach 
der  serologischen  PrĂŒfung  die  roten  Blutscheiben  des  Emp- 
fÀngers durch  das  Serum  des  Spendeis  aufgelöst  werden 
sollten,  so  trat  nie  HÀmoglobinÀmie  auf.) 

Ich  will  durchaus  nicht  von  einer  serologischen  Vor- 
untersuchung abraten  (man  möge  nur  die  Ellenbogenvenen 
nicht  zu  sehr  insultieren!),  wenn  die  Transfusion  nicht  eilig 
und  die  Auswahl  der  Spender  groß  ist;  man  muß  nur 
wissen,  daß  man  sich  auf  das  Ergebnis  nicht  absolut 
verlassen  darf.  Man  muß  jede  Transfusion  mit  kleiner 
Dosis  beginnen,  die  biologische  Probe  ist  die  sicherste.  (Auch 
bei  der  Methode  nach  Brown  und  P  e  r  <‱  e  y  wĂŒrde  ich 
dieses  tun  und  nicht  möglichst  eilig  ein  großes  Quantum 
Blut  einpumpen.)  Es  darf  auch  ferner  aus  Àngstlichen  Be- 
denken eine  eilige  Transfusion  nicht  unterlassen  werden, 
wenn  es  um  Leben  und  Tod  geht. 


Nach  L  a  n  ds tei  n  e  r,  M  o  s  s  und  V  i  n  c  <‱  n  t  wird  das 
Blut  nach  seinem  serologischen  Verhalten  in  Gruppen  ge- 
teilt. Nach  M  o  s  s  wird  unter  Benutzung  von  Standardsei a 
das  Blut  in  einer  der  vier  vorkommenden  Gruppen  einge- 
ordnet. Man  prĂŒft  unter  dem  Mikroskop  die  Agglutination, 
die  die  Vorstufe  der  HĂ€inolyse  ist,  allerdings  nicht  immer. 

Diese  Methode  hat  den  Vorzug,  daß  sie  sich  schnell  aus 
fĂŒhren  lĂ€ĂŸt,  wenn  die  Sera  zur  Stelle  sind.  Sic  ist  aber  auch 
nicht  absolut  zuverlÀssig,  wie  Amerikaner,  Crile  u.  a.  ge- 
zeigt haben;  sie  kann  nur  die  Gefahr  der  HĂ€molyse  etwas 
verringern.  Dasselbe  gilt,  wenn  man  direkt  einen  Tropfen 
Geber-  und  EmpfÀngerblut  unter  Zusatz  von  Zitratlösung 
mischt  und  die  Agglutination  beobachtet.  (R  a  v  d  i  n  und 
G 1  e  n  n.)  Die  beste  PrĂŒfung  bleibt  die  vor- 
sichtige biologische  Probeinjektion,  die 
sich  bei  meiner  Methode  der  direkten  BlutĂŒberfĂŒhrung  von 
Vene  zu  Vene  als  Einleitungsakl  der  Transfusion  bequem 
ausfĂŒhren  lĂ€ĂŸt. 

Literatur. 

1.  MĂŒnchener  med.  Wochenschr.  1921,  S.  163  u.  415. 

2.  Archiv  f.  klin.  Chirurgie,  117,  1921,  S.  512. 
3    Archiv  f.  klin.  Chirurgie,  117,  1921,  S.  512. 

5.  MĂŒnchener  med.  Wochenschrift,  1919,  S.  895. 

().  Uebertragung  latenter  Malaria  bei  direkter  Bluttransfusion. 

Deutsche  med.  Wochenschrift,  1920,  Nr.  37. 
7.  Arch.  f.  klin.  Chirurgie,  116.  S.  705,  1921. 

Das  Orthodiagramm  in  der  Sprechstunde  des 
praktischen  Arztes. 

Von  Dr.  med.  et  phĂŒ.  Werner  Busch.  Hamburg. 

Der  Besitz  eines  Röntgeninstrumentariums  kleinerer  Art 
(Sanitas  usw.)  ist  weit  ĂŒber  die  Kreise  der  FachĂ€rzte  hinaus 
vorhanden.  WĂ€hrend  man  mit  diesen  Instrumentarien,  mit 
denen  Röhren  betrieben  werden  können,  die  nur  relativ  ge- 
ringe Belastungen  vertragen,  Nahaufnahmen  und  Durch- 
leuchtungen in  großer  Zahl  vornimmt,  gehört  die  Anfertigung 
eines  Orthodiagramms,  z.  B.  des  Herzens,  bei  den  praktischen 
Aerzten  zu  den  grĂ¶ĂŸten  Seltenheiten.  Eine  orthodiagraphische 
F'ernmomentaufnÀhme  des  Herzens  wird  sich  im  allgemeinen 
damit  nicht  anfertigen  lassen.  Nur  Fernzeitaufnahmen  lassen 
sich  ausfĂŒhren.  Eine  Zeitaufnahme  verbraucht  aber  sehr  viel 
Strom  und  das  Gas  der  Röntgenröhre,  und  Gas  ist  bei  der  be- 
schrÀnkten Lebensdauer  einer  Röntgenröhre  gleich  Geld  zu 
setzen.  Auch  wird  in  der  jetzigen  Zeit  der  Plattenteuerung 
unter  den  Privatpatienten  die  Bereitschaft  zu  einer  solchen 
Aufnahme  immer  seltener  werden.  Dagegen  findet  der  Vor- 
schlag, eine  orthodiagraphische  Aufzeichnung  anfertigen  zu 
lassen,  meistens  Zustimmung.  Ein  Orthodiagramm  bedeutet 
die  naturgetreue  Aufzeichnung  der  Begrenzungslinien  eines 
bestimmten  Organes  in  den  genauen  GrĂ¶ĂŸenverhĂ€ltnissen.  Be- 
kanntlich verlassen  die  Röntgenstrahlen  die  Röhre  nicht 
parallel  zueinander,  sondern  strahlen  im  spitzen  Winkel  zu- 
einander aus.  Demnach  mĂŒssen  die  Röntgenbilder  sich  im 
umgekehrten  VerhÀltnis  der  Entfernung  des  Röhrenfokus  von 
dem  auszumessenden  Organ  vergrĂ¶ĂŸern.  Sie  folgen  demnach 
genau  den  Lichtgesetzen.  Dies  gilt  jedoch  nur  fĂŒr  relativ  nahe. 
Entfernungen.  Bei  solchen  von  mehr  als  \Yi  Meter  ist  die 
VergrĂ¶ĂŸerung  schon  so  gering,  daß  sie  praktisch  nicht  mehr 
ins  Gewicht  fÀllt.  In  2  Meter  Entfernung  ist  keine  wesentliche 
VergrĂ¶ĂŸerung  mehr  vorhanden.  Auf  dieser  schon  lange  be 
kannten  Tatsache  beruht  die  orthodiagraphische  Fernauf- 
nahme  des  Herzens  und  anderer  Organe.  Da  bei  Fernauf  - 
nahmen  grĂ¶ĂŸere  StromstĂ€rken  und  krĂ€ftigere  Röhren  not- 
wendig sind,  kommen  derartige  Aufnahmen  fĂŒr  den  Praktiker 
meistens  nicht  in  Frage.  Es  bleibt  also  nur  die  Ferndurch 
leuchtung  und  Aufzeichnung  der  Konturen  ĂŒbrig,  und  diese 
genĂŒgt  in  den  meisten  FĂ€llen  durchaus.  Das  Auge  gewöhn! 
sich  rasch,  auch  feinere  Einzelheiten  schnell  aufzufassen.  Die 
Methode  iöt  die  denkbar  einfachste  und  erfordert  keinerlei  be- 
sondere Apparate.  Sie  wird  seit  lÀngerer  Zeit  in  den  Röntgen- 
abteilungen grĂ¶ĂŸerer  KrankenhĂ€user  angewandt,  ist  aber  noch 
nicht  genĂŒgend  in  die  Kreise  der  Praktiker  eingedrungen.  Die 


Schiff,  Eliasberg:  Serumbilirubins 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11 


Röhre  wird  in  VA  bis  2  Meter  Entfernung  hinter  dem  an  den 
D.iii  hk  uehtungsschirm  gelehnten,  siehenden  Patienten  ein- 
gestellt, indem  man  als  Einstellungspunkt  den  Domfortsalz 
d-s  sechsten  Brustwirbels  nimmt.    Der  fahrbare  Schaliiis-h 
sieht  am  besten  neben  dem  Untersucher.    Mit  Heftpflaster 
wird  die  Medianlinie  des  Patienten  durch  eine  Marke  (am 
besten  eine  der  kleinen,  jeder  Salvarsanpackung  inliegenden, 
Feilen)  sichtbar  gemacht.   Auch. können  je  nach  Bedarf  die 
Mamillar-  oder  Medioclavicularlinie  markiert  werden.  Nach 
Verdunkelung  je  nach  der  AkkomodationsfÀhigkeit  des  Un- 
tersuchers ein  bis  fĂŒnf  Minuten  Gewöhnung  an  die  Dunkel- 
heit. Dann  Einschalten  der  Röhre  und  schnelle  Orientierung 
ĂŒber  die  Form  und  Lage  des  Herzens,  AusdehnungsfĂ€higkeit 
des  Zwerchfells,  Aufhellung  der  Lungenspitzen,  Vorhanden- 
sein von  Hilusschatten  usw.   (ca.  10—15  Sekunden).  Aus- 
schalten der  Röhre  und  Befestigen  eines  Pauspapiers  auf  dem 
Schirm  mit  Heftpflasterstreifen.    In  der  freien  rechten  Hand 
des  Untersuchers  befindet  sich  der  gutzeichnende  Fettstift. 
Man  lĂ€ĂŸt  nun  den  Patienten  tief  einatmen,  schaltet  rasch  ein 
und  umfĂ€hrt  die  rechte  Seite  des  Herzens,  des  GefĂ€ĂŸschattens, 
den  Zwerchfellrand  und  die  Thoraxseite.    Ausatmen  lassen 
und  in  tiefster  Exstirpationsstellung  den  Zwerchfellrand, 
Thoraxseiterirand  und  Herz  wieder  umfahren.   Dasselbe  fin- 
det fĂŒr  die  linke  Seite  statt.   Jetzt  wird  die  Marke  der  Mittel- 
linie als  Strich  aufgezeichnet  und  mit  einigen  Punkten  die 
Lage  der  SchlĂŒsselbeine  markiert.  Das  Ganze  dauert  bei  etwas 
Uebung  nur  höchstens  20  Sekunden.  Eine  Skizze  eines  so  ge- 
wonnenen Orthodiagramms  fĂŒge  ich  bei,  zugleich  mit  der 
Darstellung  der  wichtigsten  Maße.  Zur  Orientierung  ĂŒber  dje 


Normalmaße  fĂŒge  ich  eine  Tabelle  nach  Groedel  hinzu. 
Außer  der  in  dieser  Tabelle  angegebenen  Maßen,  kommt  es 

Mittlere  Werte  nach  Groedel. 

(Mr.  +  MI.  =  Transversaldurchmesser,  o.  Q.  -j-  u.  Q.  =  Herzbreite. 
L  :  H  ■=  Lungen  —  zu  Transversaldurchmesser). 


GrĂ¶ĂŸen- 
klasse 

MĂ€nner,  erwachsen 

M„ 

unerwachsen  1 

Frauen,  erwachsen 

Fr., 

unerwachsen 

cm 

Mr 

Ml 

T 

L 

Br 

Mr 

Ml 

T 

L  | 

Mr  1  Ml 

T  |  L 

Mr 

Ml 

1  T 

1  L 

145—154 

4,7 

8,4 

13,1 

12,9 

.6 

3,9 

7,4 

11,3 

11,8 

3,8 

8,0 

ll,8jl3,0 

3,1 

7,0 

10.1 

11,2 

155-164 

4,5 

8,7 

13,0 

13,9 

10,2 

4,4 

7,9 

12,3 

12,4 

3,8 

8,0 

11,8  13,0 

3.8 

7,6 

11.4 

12.3 

165-174 

4,5 

8,7 

13,2 

14,0 

10,3 

4.3 

7.9 

12.1 

13,1 

4,0 

8,1 

12,8  13,2 

4.1 

7.0 

11.1 

11, S 

175-187 

4,7 

8.5 

13,2 

14,0 

11,0 

4,0 

8,0 

12,0 

13,7 

In 

cm 

besonders  auch  auf  die  Breite  des  Cef  Ă€ĂŸsc'hattens 
die  Entfernung  der  Zwerchfellkuppen  links  und  rechts  be 
tiefster  Ein-  und  Ausatmung  an.  Besonders  M  a  s  o  gibt  ĂŒbel 
den  Grad  der  Entfaltungsmöglichkeit  der  Lungenspitze  wert- 
volle Anhaltspunkte.    Ebenso  ist  die  Breite  des  Thorax  bei 
tiefster  Ein-  und  Ausatmung  wichtig.    Sehr  wertvoll  ist  die 
Breite  des  GefĂ€ĂŸschattens,  da  nur  mit' dieser  Methode  begin- 
nende luische  Erkrankungen  der  Aorta  zu  erkennen  sind. 
Auch  den  Abstand  der  Begrenzungsiinien  des  GefĂ€ĂŸbandes 
von  den  Medioclavikularlinien  halte  ich  fĂŒr  sehr  wichtig. 
Gerade  in  letzter  Zeit  mehren  sich  die  Beobachtungen  ĂŒber 
syphilitische  Erkrankungen  der  Aorta,  und  es  hat  sich  ge- 
zeigt, daß  die  Aussichten   ĂŒber  den  RĂŒckgang  bezw.  das 
völlige  Schwinden  der  krankhaften  VerÀnderungen  um  so 
'  gunstigere  sind,  je  frĂŒhzeitiger  eine  Behandlung  eingeleitet 
wird.  Es  wĂŒrde  sich  dringend  empfehlen,    frĂŒhzeitig  bei 
einem  Patienten,  der  einmal  an  Lues  erkrankt    war,  ein 
Orthodiagramm  anzufertigen,  um  eine    entsprechende'  Be- 
handlung einzuleiten.    Je  ausgedehnter  die  Vornahme  von 
orthodiagraphischen  Aufzeichnungen  unter  den  praktischen 
Aerzten  ist,  um  so  mehr  wird  die  Orientierung  ĂŒber  Fort- 
schreiten eines  krankhaften  Prozesses  am  Herzen  ermöglicht. 
Ich  pflege  jedem  Patienten  eine  Kopie  seines  Orthodiagramms 
mitzugeben,  damit  jederzeit  ohne  AbhÀngigkeit  von  einem 
Krankenhaus  oder  Röntgen  Institut  eine  fĂŒr  das  weitere 
Ergchen  des  Kranken  meist    sehr    wichtige  Nachkontrolle; 
stattfinden  kann.  Vergleiche  zwischen  Orthodigrammen,  die 
unabhÀngig  von  mir  mittels  Orthodiagraphen,  Spaltblende 
usw.  aufgenommen  sind  und  den  bei  denselben  Patienten 
kurz  danach  nach  oben  geschilderter  Methode  hergestellten 
Diagrammen  haben  stets  volle  Uebereinstimmung  ergeben. 
Will  man  nĂ€here  Einzelheiten  ĂŒber  bestimmte  Herz-GefĂ€ĂŸ  - 
abschnitte  bekommen,  so  kann  ja  anschließend  an  die  Durch- 
leuchtung eine  Nahaufnahme  stattfinden,  bei  der  am  besten 
bei  kleiner  PlattengrĂ¶ĂŸe  nur  die  in  Frage  kommende  Partie 
eingestellt  wird,  da  die  Bilder  dann  an  SchÀrfe  gewinnen  und 
Geld  gespart  wird. 


Aus  der  UniversitÀts-Kinderklinik  in  Berlin. 

Beitrag  zur  Frage  der  direkten  und  indirekten 
Reaktion  des  Serumbilirubins.  Beobachtungen 
an   einem    Falle    von    kong.   Verschluß  der 
großen  Gallenwege. 

Von  Priv.-Doz.  Dr.  E.  Schiff  und  Dr.  H.  E  1  i  a  s  b  e  r  g. 

Die  alte  und  bereits  einmal  verlassene  Lehre  vom  hÀma- 
togenen  Ikterus  ist  in  den  letzten  Jahren  wieder  aufgetaucht. 
Man  spricht  jetzt  von  einem  dynamischen  Ikterus  und  trennt 
diesen  von  der  durch  Stauung  in   den  Gallenwegen  ver- 
ursachten Gelbsucht.   Angebahnt  wurde  diese  Einteilung  der 
Ikterusformen  durch  die  Untersuchungen,  die  den  spezifi- 
schen Leberzellen  nur  eine  exkretorische  Funktion  zuschrie- 
ben und  die  Bildung  des  Gallenfarbstoffes  in  die  Zellen  des 
sogenannten     reticulo-endothelialen     Apparates  verlebten 
(As  c  h  o  f  f,  Mac  Nee,  Lepehne),     Die  BrĂŒcke  in°die 
Klinik  wurde  dieser  neuen  Lehre  von  H.  van  den  Bergh 
gelegt.    Dieser  Forscher  hatte  nÀmlich  die  Beobachtung  ge- 
macht,   daß   chemisch   reines  Bilirubin    dem  Diazoreagens 
gegenĂŒber  sich  anders  verhĂ€lt,  wie  der  in  der  Galle  gelöste 
Gallenfarbstoff.    Letzterer  gibt  mit  der  Diazolösung  eine  so- 
fort auftretende  .RotfÀrbung  (direkte  Reaktion),  wÀhrend 
chemisch  reines  Bilirubin  nur  nach  vorherigem  Alkoholzu- 
satz in  Reaktion  tritt  (indirekte  Reaktion).    Eine  prak- 
tische Bedeutung  erlangten  diese  Feststellungen,  als  es  sich 
zeigte,  daß  in  allen  IkterusfĂ€llen,  bei  welchen  die  Gelbsucht 
durch  Gallenstauung  verursacht    ist,   die   direkte  Reaktion 
prompt    auftritt,   daß   hingegen  in  denjenigen  FĂ€llen,  bei 
welchen  eine  gesteigerte  Erythrozytolyse  und  hierdurch  be- 
dingte Mehrbildung  von  Gallenfarbstoff  vorliegt,  nur  die  in- 
direkte Reaktion  positiv  ausfÀllt,  oder  die  direkte  stark  ver 


40.  Jahrg.  — Nr.  14/15. 


Schiff,  Eliasberg:  Serumbilirubins 


51 


Eögerl  ist.  Diese  Befunde  fĂŒhrten  auch  dazu,  daß  man  aus 
dem  Ausfall  der  Diazorcaktion  im  Blutseruni  auf  den  Ort 
der  Gallenfarbstoffbildung  geschlossen  hat. 

Äschoffs  Lohre  ĂŒber  die  Bedeutung  des  reticulo- 
cndothelialen  Zellapparates  fĂŒr  die  Gallenfarbstoffbildung 
und  ĂŒber  die  Entstehung  der  Gelbsucht  ist  nicht  atlgesmein 

Be- 


diagnostische 


inerkannt  (Fr.  Kraus,  Lubarsch,  Schilling), 
Ă€rkenswert   ist   immerhin,  daß  gegen  die 
auchbarkeit  der  direkten  und  indirekten  Reaktion  -  -  so- 
weit wir  die  Literatur  ĂŒbersehen  —  sich  keine  Stimme  er- 
>ben  hat.   Die  Beobachtung  also,  daß  heim  Stauungsikterus 
is  Serumbilirubin  die  direkte  Reaktion  zeigt,  heim  hÀmo- 
tischen  Ikterus    hingegen    die    indirekte  Reaktion  positiv 
isfÀllt,  wurde  allgemein  bestÀtigt. 

Untersuchungen  in  dieser  Richtung,  die  wir  bei  einem 

ganz  auf- 
in mancher 


ikterischen  SĂ€ugling  angestellt  haben,  fĂŒhrten  zu  6 


lallenden  Ergebnissen.  Unsere  Befunde  stehen 
Beziehung  im  Gegensatz  zu  den  bisherigen  Erfahrungen. 
Aus  diesem  Grunde  haben  wir  uns  dazu  entschlossen,  unsere 
Beobachtungen  kurz  mitzuteilen. 

Das  7  Monate  alte  Kind  E.  H.  wurde  mit  einem  schweren 
Ikterus  in  die  Klinik  eingeliefert.  Es  war  das  erste  Kind  ge- 
sunder Eltern.  Geburtsgewicht:  3575  g.  In  den  ersten  5  Mo- 
naten erhielt  das  Kind  Frauenmilch,  dann  eine  Halbmilch- 
mischung, wobei  das  Kind  stets  gut  gedieh.  Erst  1  Woche  vor 
der  Aufnahme  in  die  Klinik  hat  der  Appetit  nachgelassen  und 
das  Körpergewicht  nahm  ab.  Die  Gelbsucht  war  den  Eltern  be- 
reits  vom  ersten  Lebenstage  des  Kindes  aufgefallen,  sie  merkten 
auch,  daß  die  StĂŒhle  des  Kindes  weiß  aussahen;  da  es  aber  gut 
gedieh,  hatten  sie  keine  Àrztliche  Hilfe  gesucht.  Erst  die  Ge- 
wichtsabnahme der  letzten  Woche  fĂŒhrte  die  Eltern  zum  Arzt. 
Es  wurde  die  unvermeidliche  Wassermannsche  Reaktion  bei  den 
Eltern  angestellt,  und  da  sie  ein  negatives  Ergebnis  hatte,  das 
Kind  zur  Beobachtung  in  die  Charite  geschickt. 

Der  ErnÀhrungszustand  des  Kindes  bei  der  Einlieferuiig  war 
ziemlich  gut.  Die  Haut  zeigte  eine  zitronengelbe,  ewas  grĂŒnliche 
VerfÀrbung.  Oedeme  bestanden  nicht..  Der  Leib  war  stark  auf- 
getrieben, der  Nabel  vorgewölbt.  Leber  und  Milz  waren  stark 
vergrĂ¶ĂŸert  und  von  harter  Konsistenz.  Der  Stuhl  des  Kindes 
war  wÀhrend  der  ganzen  Beobachtungszeit  (3  Wochen)  trotz  Er- 
nĂ€hrung mit  Malzsuppe  weiß,  nur  hier  und  da  zeigte  er  eine 
hellgelbe  Farbe.  Der  negative  Ausfall  der  wiederholt  ausge- 
fĂŒhrten Sublimatprobe  zeigte  daraufhin,  daß  im  Stuhl  kein 
Gallenfarbstoff  enthalten  war. 

Bei  der  weiteren  Untersuchung  zeigten  sich  nun  folgende 
VerhÀltnisse: 

Harn.  Farbe:  tief  dunkelbraun.  Albuinen:  negativ.  Re- 
duktion negatiV:  Bilirubin:  stark  positiv.  Urobilinogen :  negativ, 
l'robilin:  negativ.  GallensÀuren  (Hay-Kraft) :  stark  positiv. 
Millon:  stark  positiv.    Azeton:  negativ. 

Blutserum.  Farbe:  dunkelbraun.  ViskositĂ€t:  (Heß)  1,35. 
Di  azo.  Direkte  Reaktion:  negativ.  Indirekte  Reaktion: 
scbeiriĂŒng.     Indirekt:   stark   positiv.     1:11000.  Chole- 

Duodenalsaft:  farblos.  Diazo.  Direkte  Reaktion:  nega- 
tiv.  Indirekte  Reaktion:  negativ.   Cholesterin":  0.    ViskositÀt:  I,  I. 

Stuhl.    Farbe:  weih.    Sublimatprobe:  negativ. 

Das  Kind  blieb  noch  3  Wochen  in  unserer  Beobachtung. 
WĂ€hrend  dieser  Zeit  entwickelte  sich  bei  dem  Kinde  ein  starker 
Aszites.  Die  AszitesflĂŒssigkeil  war  klar  und  intensiv  gelb  ver- 
fĂ€rbt. In  den  letzten  Tagen  verlor  das  Kind  das  Bewußtsein  und 
zeigte  eine  große  Atmung.  Von  Zeil  zu  Zeit  stellten  sich  auch 
leichte  KrÀmpfanfÀlle,  Zuckungen  im  Gesicht  und  in  den  Extre- 
mitÀten ein.  Lei  der  Lumbalpunktion  entleerte  sich  ein  klarer, 
aber  intensiv  bernsteingelb  gefÀrbter  Liquor.  Zwei  Tage  vor 
dem  Tode  des  Kindes  wurden  die  Untersuchungen  bei  dem  Kinde 
nochmals  ausgefĂŒhrt. 

Harn.  Farbe:  Intensiv  braun.  Bilirubin:  stark  positiv 
Urobilinogen:  negativ.  Urobilin:  negativ.  GallensÀuren:  stark 
positiv.    Miilon:  stark  positiv.    Azeton:  negativ.   'ViskositÀt:  0,8 

Blutserum.  ViskositÀt:  I,  3.  Diazorcaktion:  Direkt: 
stark  verzögert,  tritt  erst  nach  mehreren  Stunden  in  Er- 
scheinung. Indirekt:  stark  positiv.  1:11  000.  Chole- 
sterin: 0,088  Prozent. 

Stuhl:  weil!.    Sublimntprobe:  negativ. 

Wegen    des    schweren    Allgcmcinzustandcs    wurde    nuf  die 
Uuodenalsonrlicrung  diesmal  verzichtet. 


Tumor.      Starker  Aszites. 

Geringe  Pachymeningitis 
der   mesenterialen  Lymph- 


Nach  dem  Tode  des  Kindes  haben  wir  auch  den  Gallenblasen 
inhall  untersucht,    Dieser  bestand  aus  einem  Farblosen  Schleim. 
Er  enthielt  keinen  Gallenfarbstoff.    ViskositÀt:  '±,'±. 

Die  Gelbsucht,  die   bei    dem    Kinde  seil   der  Geburt  be 

stand,  wie  auch  das  vollstÀndige  Fehlen  von  Gallenfarbstoff 
im  Duodenalsaft  und  in  den  FĂ€zes  ließen  einen  Abschluß 
der  Galle  vom  Dann  vermuten.  Wir  Stellten  die  Diagnose 
auf  eine  k  o  n  g.  G  a  1  I  e  n  g  a  n  g  s  a  t  r  <■  s  i  e,  die  durch  die 
Sektion  auch  bestÀtigt  wurde. 

Bevor   wir   die  Ergebnisse    dieser  Untersuchungen  be- 
sprechen, möchten  wir  kurz  den  Sektionsbefund  und  die  Re 
sultate  der  histologischen  Untersuchung  der  Leber  wieder- 
gehen. 

S  e  k  t  i  o  n  s  p  r  o  t  o  k  o  I  I  Pathologisches  Institut  der  Cha- 
rite).  Angeborene,  völlige  Atresie  des  als  dĂŒnner  Strang  sicht- 
baren Ductus  Gholedochus,  hepaticus  und  cysticus.  Hypoplasie 
der  prall  mit  wasserklarer  FlĂŒssigkeit  angefĂŒllten  und  haselnuß- 
großen Gallenblase.  V.  Portae,  A.  hepat.  in  den  extrahepatischen 
Teilen  normal  angelegt  und  gut  durchgÀngig.  Schwerste  biliÀre 
Zirrhose,  narbige  Einziehungen  der  LeberoberflÀche.  Fast  voll- 
stÀndiger Schwund  des  Parenchyms  im  linken  Leberhippen.  In 
der  Tiefe  im  med.  Drittel  des  rechten  Leberlappens  ist  ein  kirsch- 
grĂ¶ĂŸer, dicht  an  der  Porta  hepatis  sitzender,  scharf  umschrie- 
bener, grĂŒngelblich  transparenter 
Starke  Milzschwellung.  (72  g. 
haemorrh.  int.  Starke  Schwellung 
(Jriisen. 

Histologischer  Befund.  Starke  biliÀre  Zirrhose  mit 
ungemein  starker  Gallengangswucherung.  Stern  und  Leberzellen- 
verfettung. Starker  Ikterus  viridis.  Nur  wenig  Gallenthromben, 
keine  nennenswerte  HĂ€mosiderose.  Im  linken  Leberlappen  ist 
die  Bindegewebswucherung  so  stark,  daß  man  auf  weite  Strecken 
nur  ganz  spĂ€rliche  Reste  von  Leberzellbalken  sieht.  Der  große 
Herd  im  rechten  Leberlappen  entspricht  einem  Fibrom. 

Milz:  geringe  Stauung.  Starke  Pulpaschwellung.  Reticulum 
Haemosiderose. 

Die  Besonderheiten  in  unserem  Falle  lassen  sich  am 
bestell  veranschaulichen,  wenn  wir  unsere  Beobachtungen 
denjenigen  an  die  Seite  stellen,  die  heim  mechanischen  und 
dem  hÀmolytischen  Ikterus  gewonnen  und  vielfach  bestÀtigt 
wurden. 

Beim  mechanischen  Ikterus  zeigt  das  Serumbilirubin  die 
direkte  Reaktion.  Im  Urin  ist  gelöster  Gallenfarbstoff  nach- 
weisbar; auch  kommt  es  zur  Ausscheidung  von  GallensÀuren 
im  Urin.  Bei  vollstĂ€ndigem  Verschluß  fehlt  das  Bilirubin 
im  Duodenalsaft,  der  Stuhl  ist  entfÀrbt  und  enthÀlt  keinen 
Gallenfarbstoff.  In  diesem  Falle  ist  auch  im  Urin  kein  Uro- 
bilin und  Urobilinogen  nachweisbar.  Auch  besteht  in  diesen 
l  allen  eine  AnhÀufung  von  Cholesterin  im  Blute.  Beim 
hÀmolytischen  Ikterus  zeigt  das  Blutserum  die  indirekte  Re- 
aktion oder  die  direkte  ist  stark  verzögert.  Gallenfarbstoff 
und  GallensÀuren  sind  im  Urin  nicht  nachweisbar.  Hin- 
gegen fÀllt  die  Probe  auf  Urobilin  und  Urobilinogen  im  Harn 
positiv  aus.  Der  Duodenalsaft  ist  dunkel  gefĂ€rbt,  er  enthĂŒll 
viel  Gallenfarbstoff,  auch  die  StĂŒhle  zeigen  eine  intensiv 
dunkle  Farbe.  Im  Blutserum  besteht  eine  Hypocholesterin- 
Ă€mie. 

Unser  Fall  ist  nun  als  ein  typischer  Obstruktionsikterus 
zu  betrachten.  Bis  auf  den  Ausfall  der  Diazoreaklion  im 
Blutserum  sprechen  auch  alle  anderen  Befunde  in  diesem 
Sinne.  Allein  die  Diazorcaktion  im  Blutserum  fiel  gegen 
die  Erwartung  aus.  Es  sei  nun  gleich  darauf  hingewiesen, 
daß  wir  eben  ĂŒber  die  Ursachen  des  direkten  bzw.  indirekten 
Ausfalles  der  Diazorcaktion  noch  gÀnzlich  im  unklaren  sind. 
Nur  Hypothesen  sind  aufgestellt,  das  exakte  Experiment  fehlt 
aber  bisher.  So  meint  H.  v  a  n  d  e  n  B  e  r  g  h,  daß  die  direkte 
Reaktion  beim  mechanischen  Ikterus  dadurch,  hervorgerufen 
wird,  daß  der  Gallenfarbstoff  durch  die  Leberzcllen  bereits 
ausgeschieden  worden  war  und  in  den  Gallenwegen  sich  be- 
funden hatte.  Durch  die  BerĂŒhrung  des  Gallenfarbstoffes  mit 
der  Wand  der  GallengÀnge  oder  durch  Hinzutreten  von  an- 
deren Stoffen  an  diesen  Orten  soll  die  Struktur  des  Bilirubins 
sich  derartig  verĂ€ndern,  daß  sie  mit  dem  Diazoreagens  schon 
in  wÀsseriger  Lösung  prompt  reagiert.  Beim  hÀmolytischen 
Ikterus  nimmt  er  an,  daß  das  Bilirubin  der  Ausscheidung 


318 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


durch  die  Leberzellen  entgangen  ist.  Das  Ausbleiben  der 
ilireklen  Reaktion  in  diesen  FÀllen  wird  dadurch  erklÀrt, 
daß  das  Bilirubin  durch  Bildung  von  komplexen  Verbindun- 
gen mit  Eiweißstoffen  oder  Lipoiden  gewissermaßen  maskiert 
ist.  Erst  wenn  diese  Bindung  gelöst  ist,  kann  der  Gallen- 
farbstoff mit  der  Diazolösung  in  Reaktion  treten.  Auch  das 
fehlen  von  Gallenfarbstoff  im  Urin  beim  hÀmolytischen 
Ikterus  wird  darauf  zurĂŒckgefĂŒhrt,  daß  das  große  Bilirubin- 
Liweiß  oder  Bilirubin-Lipoid-MolekĂŒl  durch  die  Nieren 
nicht  ausgeschieden  werden  kann.  Daß  diese  Auffassung 
nicht  das  Richtige  treffen  kann,  zeigt  unser  Fall.  Obwohl 
hier  nur  die  indirekte  Reaktion  positiv  ausfiel,  enthielt  der 
Harn  reichlich  Gallen farbstof f.  Die  indirekte  Diazoreaktion 
ließe. sich  immerhin  mit  der  H.  van  den  Bergschen  Auf- 
fassung auf  Grund  des  histologischen  Befundes  in  Einklang 
bringen.  Die  starke  GallenfarbstoffanhÀufung  in  den  noch 
vorhandenen  Leberzellen  nÀmlich  kontrastierte  stark  mit  di  r 
Leere  der  Gallenwege.  Nur  ganz  vereinzelt  wurden  Gallen  - 
thromben  gefunden,  auch  zeigten  sich  keine  Erweiterungen 
oder  Einrisse  der  Gallenkapillaren.  Man  könnte  somit  an- 
nehmen, daß  das  Bilirubin  deshalb  die  indirekte  Reaktion 
gab,  weil  es  mit  den  Gallenwegen  noch  nicht  in  BerĂŒhrung 
stand. 

Unsere  Beobachtungen  zeigen  also,  daß 
unter  Em  stÀnden  auch  beim  Stauungs- 
Ikterus  das  Sern  in  b  i  I  i  ru  b  i  n  eine  i  n  d  i  r  e  k  t  e 
Reaktion  geben  u  n  d  durch  die  N  i  e  r  e  n  aus- 
geschieden   werden  kann. 

Wir  möchten  zum  Schluß  noch  kurz  bemerken,  daß  wir 
es  hier  nicht  mit  einem  Einzelfalle  zu  tun  haben.  Ausge- 
dehnte Untersuchungen  ĂŒber  den  sogen.  Icterus  catarrhalis 
bei  grĂ¶ĂŸeren  Kindern  zeigten  uns,  daß  auch  in  einer  ganzen 
Anzahl  von  diesen  FÀllen,  wÀhrend  des  ganzen  Krankheits- 
vcrlaufes  mit  HypercholesterinÀmie,  gesteigerter  osmotischer 
Resistenz  der,  roten  Blutkörperchen,  Bilirubinurie  und  Gal- 
lensÀurenausscheidung  im  Urin  das  Serumbilirubin  die  in- 
direkte Reaktion  zeigen  kann.  Wir  werden  ĂŒber  diese  Unter- 
suchungen an  anderem  Orte  ausfĂŒhrlich  berichten. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Das  Verfahren  in  Vcrsorgungssachen. 

Dem  am  .17.  Januar  1922  im  Reichsgesetzblatl  veröffentlichten 
Gesetze  ĂŒber  d;is  Verfahren  in  Versorgungssachen  vom  10.  Januar 
1922  entnehmen  wir  einige  Bestimmungen,  die  sich  auf  Àrztliche 
Zeugenvernehmung  und  GutachtertÀtigkeit  beziehen. 

§  37.  Die  Versorgungsbehörden  entscheiden  ĂŒber  die  nach 
den  Versorgungsgesetzen  zu  gewĂ€hrenden  VersorgungsgebĂŒhr- 
nisse:  Heilbehandlung  und  Krankengeld  werden  durch  die 
Krankenkassen  gewÀhrt.  Soweit  die  GewÀhrung  der  Heilbehand- 
lung dem  Reiche  obliegt  oder  von  ihm  ĂŒbernommen  w  ird  oder  es 
sich  um  die  Einleitung  einer  neuen  Heilbehandlung  im  Sinne  des 
§  18  des  Reichsversorgungsgesetzes  handelt,  entscheiden  die  Ver' 
sorgungsbehörden. 

§  42.  Von  der  Mitwirkung  in  Versorgungssachen  ist  ausge- 
schlossen 1)  wer  in  der  Sache  als  Zeuge  oder  SachverstÀndiger 
vernommen  ist. 

§  81.  Das  persönliche  Erseheinen  des  Versorgungsberech- 
liglen  zur  mĂŒndlichen  Erörterung  der  gestellten  AntrĂ€ge,  zur  Ă€rzt- 
lichen Untersuchung  oder  zur  Vornahme  sonstiger  Feststellung 
sowie  seine  Beobachtung  in  einem  Krankenhause  oder  in  einer 
Heilanstalt  können  jederzeit  angeordnet  Werden,  Leistet  der  Be- 
rechtigte einer  solchen  Anordnung  ohne  wichtigen  Grund  nicht 
Folge,  so  können  daraus  ungĂŒnstige  SchlĂŒsse  fĂŒr  den  geltend  ge- 
machten Anspruch  gezogen  werden,  wenn  die  Anordnung  einen 
entsprechenden  Hinweis  enthÀlt. 

8*;.    Die  Verwaltungsbehörde  kann   zur   AufklÀrung  des 
Sachverhalts  (im  Falle  einer  Beschweide  gegen  Ablehnung  Er- 
mittelungen anstellen  und  Beweis  erheben.   Sie  kann  insbesonder 
Zeugen  und  SachverstÀndige  vernehmen... 

§  81.  Leisten  Zeugen  oder  SachverstÀndige  der  Vorladung 
nicht  Folge  oder  verweigern  sie  ohne  Vorliegen  der  §§  376,  "8?. 
bis  385.  387  Z.  P.O.  bezeichneten  GrĂŒnde  ihr  Zeugnis  oder  die  Er- 
stattung des  Gutachtens,  so  kann  die  fĂŒr  die  Entscheidung  zu- 


stĂ€ndige Behörde  das  fĂŒr  den  Wohnort  des  Zeugen  oder  Sachver- 
standigen zustÀndige  Amtsgericht  um  die  Vernehmung  ersuchen 
Erscheint  es  zur  HerbeifĂŒhrung  einer  wahrheitsgemĂ€ĂŸen  Aussage 
notwendig,  so  kann  das  Amtsgericht  um  eidliche  Vernehmung  er 
sucht  werden.,..  Die  Aussage  oder  die  Eidesleistung  darf  nieht 
deshalb  verweigert  werden,  weil  die  Zivilprozeßordnung  oder  die 
Beichsversicherungsordnung  eine  Schweigepflicht  begrĂŒndet. 

§  85.  Zeugen  und  SachverstÀndige  erhalten  auf  Verlangen  Ge- 
bĂŒhren wie  bei  Vernehmungen  vor  den  ordentlichen  Gerichten  in 
bĂŒrgerlichen  Rechtsstreitigkeiten. 

§  104.  (Beweisaufnahme  vor  der  mĂŒndlichen  Verhandlung.^ 
Soll  dem  Antrag  des  KlÀgers,  einen  bestimmten  Arzt  gutachtlich 
zu  hören,  stattgegeben  werden,  so  kann  die  Anhörung  davon  ab- 
hĂ€ngig gemacht  werden,  daß  der  Antragsteller  die  Kosten  vor- 
schießt und  vorbehaltlich  einer  anderen  Entscheidung  des  Gerichts 
endgĂŒltig  trĂ€gt. 

§  105.  Den  Zeugen  und  SachverstÀndigen  ist  bei  der  Ladung 
der  Gegenstand  ihrer  Vernehmung  mitzuteilen.  Aus  besonderen 
GrĂŒnden,  namentlich  zur  HerbeifĂŒhrung  einer  unbeeinflußten 
Aussage  kann  hiervon  abgesehen  werden. 

§§  106,  107.  Betreffs  der  Pflicht  zu  erscheinen,  der  Ver- 
eidigung und  Ablehnung  von  SachverstÀndigen  gelten  die  Vor- 
schriften der  ZPO.  Auch  fĂŒr  dieses  Verfahren  ist  die  Ver- 
weigerung der  Aussage  mit  der  BegrĂŒndung  der  Schweigepflicht 
unzulĂ€ssig.  Es  folgen  alsdann  Bestimmungen  ĂŒber  Geldstrafen 
im  Falle  des  Ausbleibens  oder  der  Aussageverweigerung. 

§  111.  Den  Beteiligten  ist  der  Inhalt  und  auf  Verlangen  eine 
Abschrift  der  Beweisverhandlungen  mitzuteilen.  Wieweit  Àrzt- 
liche Zeugnisse  und  Gutachten  mitzuteilen  sind,  entscheidet  der 
Vorsitzende.   Das  Gericht  kann  die  Mitteilung  nachholen. 

§  124.  In  der  Niederschrift  sind  aufzunehmen  4.  die  wesent- 
lichen AusfĂŒhrungen  der  SachverstĂ€ndigen.  5.  das  Ergebnis  seines 
Augenscheins  Alexander. 

Die  Teuerung  im  Dezember  1921. 

WĂ€hrend  in  der  ersten  HĂ€lfte  des  Jahres  1921  eine  kleine  Er- 
leichterung der  Lebenshaltung  des  deutschen  Volkes  sich  bemerk- 
bar machte,  trat  von  Mai  an  ein  Umschwung  ein,  der  noch  jetzt 
fortdauert.  Am  Ende  des  Jahres  waren  die  Lebenshaltungskosten 
auf  den  höchsten  bis  dahin  beobachteten  Stand  gestiegen,  am  auf- 
fallendsten im  Monat  Dezember,  wo  die  Beichsindexziffer  von 
1397  auf  1550  in  die  Höhe  ging.  Am  meisten  stiegen  die  Ausgaben 
fĂŒr  Leucht-  und  Heizmittel,  sodann  fĂŒr  Nahrungsmittel,  wĂ€hrend 
die  Mietspreise  sich  auf  ungefĂ€hr  gleicher  Höhe  hielten.  FĂŒr  den 
Ă€rztlichen  Stand  sind  diese  Angaben,  die  wir  der  Zeitschrift 
..Wirtschaft  und  Statistik"  entnehmen,  insofern  von  großer  Be- 
deutung, als  zu  diesen  Lebenshaltungs-Indexziffern  auch  noch, 
wenigstens  in  den  GroßstĂ€dten,  eine  enorme  Steigerung  der  Fahr- 
kosten, der  Kosten  fĂŒr  Chemikalien,  Verbandstoffe  und  Instru- 
menten, also  der  Berufsingredienzien  hinzugetreten  ist.  Und  fĂŒr 
alle  diese  Tatsachen,  die  jeder  Spatz  auf  dem  Dache  pfeift,  fehlt 
den  KrankenkassenverbÀnden  das  nötige  VerstÀndnis. 

Alexander. 

Die  GrĂŒndling  der  Versorgungskasse  der  wĂŒrttembergischen 

Aerzte. 

Entgegen  dem  BeschlĂŒsse  des  vorjĂ€hrigen  Aerzietages,  das 
Ă€rztliche  Versorgungswesen  zu  zentralisieren,  haben  die  WĂŒrl- 
temberger  Aerzte  eine  eigene  Versorgungskasse  gegrĂŒndet  und 
ihre  Satzung  in  der  Hauptversammlung  des  WĂŒrltembergischen 
Aerzte-Verbandes  genehmigt.  Dieses  sehr  bemerkenswerte 
Vorgehen  in  allen  Einzelheiten  zu  beleuchten,  wĂŒrde  zu 
weit  fĂŒhren.  Es  genĂŒge,  auf  einige  wichtige  Bestimmungen 
der  Satzungen  und  Aeußerungen  des  Beferenten  und  des 
rechtskundigen  SachverstÀndigen  hinzuweisen.  Nach  dem  Befe- 
rate  des  Herrn  Langbein  sollen  gewÀhrt  werden  eine  Beule 
an  invalide  Aerzte  und  Arzthinterbliebene,  eine  UnterstĂŒtzung  in 
NotfĂ€llen.  Vorgesehen  ist  der  Zwangsbeiiritt  fĂŒr  alle  Aerzte. 
welche  kassenĂ€rztliche  TĂ€tigkeit  ausĂŒben,  der  freiwillige  Beitritt 
der  Privatpraxis  treibenden  Aerzte.  die  freiwillige  Mitversiche 
rung  der  Einnahmen  aus  der  Privatpraxis,  das  relative  System 
als  Grundlage1  fĂŒr  die  Bentenverteilung  und  die  rĂŒckwirkende 
Ki  alt  der  Einrichtung  vom  T  Oktober  1921  ab.  Nach  Mitteilung 
des  Hechtsanwalts  Dr.  Schott  ist  in  der  Satzung  das  Wort 
..Anspruch'"  durch  „Anwartschaft"  ersetzt  worden  Der  Beitritts- 
zwang kann  durch  die  Satzung  der  Versorgungskasse  nicht  aus- 
gesprochen werden,  wohl  aber  durch  die  Satzungen  der  Orts 
vereine. 

Wir  haben  die  Bedenken  gegen  obige  Art  der  Versorgung 
schon  frĂŒher  in  diesen  BlĂ€ttern  geltend  gemacht.    Sie  lassen  sich 


*0.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


Referate 


kurz  dahin  zusammenfassen,  (Iah  eine  so  wichtige  Versorgung 
wie  die  Alters-  und  flinterbliebenenversicherung  nicht  ohne  Hechts 
Anspruch  versucht  werden  darf,  daß  die  Festlegung  der  in  Aus 
sieht  gestellten  Heulen  im  Voraus  nötig,  daß  die  HechtsgĂŒlligkeil 
der  Zwangsbeitritts  nach  den  in  Berlin  gemachten  Erfahrungen 
zweifelhaft  ist.  Nichtsdestoweniger  wĂŒnschen  wir  dem  Experi- 
ment besten  Erfolg,  denn  gelingt  es.  so  wird  es,  Protz  theoreti- 
scher Hedenken.  Schule  machen.  Alexander. 

Ehezeugnisse. 

In  der  Sitzung  des  Sachsischen  Landesgesundheitsamis  vom 
12.  Dezember  1921  wurde  im  Auftrage  des  Reichsministeriums  des 
Innern  ĂŒber  die  Frage  des  Austausches  von  Gesundheitszeugnissen 
vor  der  Eheschließung  verhandelt.  Nach  eingehender  Beratung 
einigte  man  sich  ĂŒber  folgende  LeitsĂ€tze.  1.  Erforderlich  ist  eine 
möglichst  weitgehende  AufklĂ€rung  der  Bevölkerung  ĂŒber  die 
Lehren  der  Rassenhygiene,  sowie  eine  Belehrung  der  Aerzte  durch 
Vorlesungen  wÀhrend  des  Studiums  und  durch  Fortbildungskurse 
ĂŒber  Vererbungslehre  und  Rassenhygiene.  2.  Zu  empfehlen  ist 
ferner  die  Herausgabe  von  Richtlinien  fĂŒr  die  Untersuchung  und 
Beratung  von  Ehebewerbern  an  alle  Aerzte.  Dabei  sind  vor 
allem  auch  die  vererbbaren  Krankheiten,  krankhaften  Anlagen, 
sowie  Mißbildungen  zu  berĂŒcksichtigen.  3,  Die  EinfĂŒhrung  von 
obligatorischen  Ehezeugnissen  und  die  Anstellung  besonderer 
Eheberater  empfiehlt  sich  vorlÀufig  nicht,  dagegen  sollen  die 
StandesÀmter  verpflichtet  sein,  beiden  Verlobten  gleichzeitig  mit 


dein  Merkblatt  lĂŒr  Ehcschlicßcndc  den  Vordruck  ZU  einem  cm 
heitlichen  Gesundheitszeugnis  auszuhÀndigen,  durch  das  ausge 
sprochen  werden  soll,  daß  zur  Zeit  der  Untersuchung  keine  Ă€tZl 
liehen  Bedenken  gegen  eine  Verheiratung  zu  erheben  sind.  Diese 
Vordrucke  sollen  auch  jederzeit  auf  Verlangen  vom  Standesamt 
abgegeben  werden  Bestehen  Bedenken,  so  wird  ein  Zeugnis  nicht 
ausgestellt.  Der  Arzt  hat  sich  in  diesem  Fall  auf  mĂŒndliche  Be- 
lehrung zu  beschrÀnken. 

Es  ist  zu  billigen,  daß  sieh  die  LeitsĂ€tze  von  jeder  Zwangs 
Vorschrift  fernhallen,  denn  bei  dem  heutigen  Stande  der  Wissen- 
schaft schwebt  eine  Vorhersage  ĂŒber  die  gesundheitlichen  Folgen 
einer  Ehe  so  sehr  in  der  Luft,  daß  jede  daraus  zu  ziehende  Rechts- 
folge unverantwortlich  wÀre.  Auch  die  Abgabe  eines  Àrztlichen 
Zeugnisses  auf  Grund  freiwilligen  Verlangens  mutt  mit  der 
grĂ¶ĂŸten  Vorsicht  geschehen.  Die  zur  Beurteilung  nötigen  Vor- 
gÀnge sind  den  Verlobten  selbst  bekannt  oder  erinnerlich.  Wer 
weiß,  daß  und  ob  er  in  seiner  Kindheit  an  hereditĂ€rer  Lues  oder 
Tuberkulose  gelitten  hat?  Wer  ĂŒbersieht  den  Stammbaum  seiner 
Familie  in  allen  seinen  Zweigen  und  JahrgÀngen  so  genau,  um 
ĂŒber  die  Degenerationsprozesse  seines  Stammes  dem  Arzte 
richtige  Auskunft  geben  zu  können?  Nur  der  jahrzehntelang  in 
einer  Familie  tÀtige  Hausarzt  könnte  hier  helfend  eingreifen,  aber 
wie  wenige  Familien  erfreuen  sich  je'izt  noch  dieser  im  Absterben 
begriffenen  Einrichtung!  Der  Arzt  wird  demnach  sich  in  vielen 
FĂ€llen  auf  die  Rolle  eines  Beraters  beschrĂ€nken  mĂŒssen  und  zwar 
^freibleibend'  wie  der  moderne  Ausdruck  des  Handels  lautet, 
und  im  ĂŒbrigen :  Es  prĂŒfe,  wer  sich  ewig  bindet!  Alexander. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

25.  Februar  1922,  1,  Nr.  0. 

Zur  Dynamik  des  Herzens  bei  Dilatation  und  zur  Behandlung  des   l„u  igen- 
ödems.     W  e  i  t  z.  405. 
❖TonerdeprĂ€parate.     K  i  o  n  k  a.  408. 

♩Salmiakbebandluug        der        Kindertetanie.        I'  r  e  u  d  c  u  Ii  e  t  e  und 
G  y  ö  r  g  y.  410. 

❖Zur  operativen   Behandlung  der  Struma   congenita,  des  SĂ€uglings.     M  e  I  - 
c  h  i  o  r.  412. 

Fehlerhafte    Wiedergabc     von     SchattenintensitĂ€ten     auf  ftĂ€ntgehbĂŒdeni 
(Sehattensummation ).    Peltwson.  413. 
❖Die  auks  dem  Studium  ĂŒber  die  chemische  Blutbeschaffenhedt  bei  Hautkrank- 
heiten   sich     fĂŒr     dieselben     ergebenden    therapeutischen  Richtlinien. 
P  u  1  a  y.  414. 

❖Grundlagen  der  Gonorrhoebehandlung.    K  o  s  e  n  *  h  a  I.  42:i. 

Uebcr  TonerdeprĂ€parate.  Die  TonerdeprĂ€parate  ĂŒben  eine 
adstringierende  und  schwach  desinfizierende  Wirkung  aus.  Das 
lioile  der  heuligen  PrÀparate  ist  die  essigsaure  Tonerde;  sie 
virlierl  jedoch  durch  ihre  geringe  Haltbarkeit  an  Bedeutung. 
Eins  in  dieser  Hinsicht  brauchbarere  Verbindung  ist  das  neuer- 
dings eingefĂŒhrte  Algal,  milchweinsaures  Aluminium.  Aus  diesem 
Algal  ist  ein  anderes  PrÀparat  hergestellt  worden,  das  Lava- 
tal: es  enthÀlt  neben  WeinsÀure.  MilchsÀure  und  Aluminium 
noch  BorsÀure,  Natron  und  locker  gebundenen  Sauerstoff.  Pas 
Mittel  ist  durchaus  zu  empfehlen. 

Salmiakbehandlung  der  Kindertetanie.  Es  geling!  durch  in 
lerne  Salmiakdarreichung  (3 — 7  g  tĂ€'gl.)  bei  spasmophilen  SĂ€ug- 
lingen die  mechanische  und  elektrische  NervenĂŒberregharkeit  zu 
dÀmpfen  ukid  manifest-tetanische  ZustÀnde  zu  beseitigen.  Das  Ver- 
fahren empfiehlt  sieh  nur  bei  manifester,  nichl  bei  latenter 
Tetanie. 

Zur  operativen  Behandlung  der  Struma  congenita  des  SĂ€ug- 
lings. Der  angeborene  Kropf  des  SĂ€uglings  gibt  nur  selten  zu 
chirurgischen  Eingriffen  Anlaß.  Mitteilung  eines  diesbezĂŒglichen 
Falles. 

Die  aus  dem  Studium  ĂŒber  die  chemische  Blutbeschaffenheit 
bei  Hautkrankheiten  sieh  fĂŒr  dieselben  ergebenden  therapeuti- 
schen Richtlinien.  Bei  verschiedenen  Hautkrankheiten  wurden 
systematisch  chemische  Untersuchungen  des  Blutes  durchgefĂŒhrt 
und  auf  Grund  der  Ergebnisse  entsprechende  therapeutische 
Richtlinien  aufgestellt.  So  wurden  fĂŒr  Puritus  verschiedene  For- 
men unterschieden:  ein  vagitonischer,  ein  uratisch  bedingter,  ein 


diabetischer,  ein  nephrogen  bedingter,  ein  neurogener  und 
schließlich  ein  dem  Zustandsbild  der  vasiulĂ€ren  Hypertomie  zu- 
gehösiger.  FĂŒr  das  Ekzem  konnte  in  den  meisten  FĂ€llen  eine 
FrikÀmie  des'  Blutes,  oftmals  HyperglykÀmie  nachgewiesen 
werden.  Bei  Urticaria,  fĂŒr  die  bisher  ein  verminderter  Kalk- 
gehalt angenommen  wurde,  fanden  sich  gerade  in  den  schwer- 
sten FÀllen  bedeutend  erhöhte  Kalkwerte.  In  der  Mehrzahl  der; 
FÀlle  wurden  UrikÀmie,  HyperglykÀmie  und  CholestlcrinÀmie 
festgestellt.   Die  Therapie  fußt  auf  den  erhaltenen  Ergebnissen. 

Grundlagen  der  Gonorrhocbehandlung.  Kommt  eine  Go- 
norrhoe frĂŒhzeitig  zur  Behandlung,  so  ist  eine  Aborlivkur  mit 
Albargin-  oder  Protargollösung  mĂŒhelos  durchfĂŒhrbar.  Bei 
Kranken,  die  nichl  tÀglich  zur  Behandlung  kommen  können,  sind 
außer  der  Lokalbehandlung  inlraglutĂ€ale  Injektionen  von  Ter- 
pentinöl indiziert.  FĂŒr  die  Komplikationen  der  Gonorrhoe  kom- 
men die  spezifischen  Gonokokkenvaccine  in  Betracht.  Die  Harn- 
röhreninfiltrate werden  durch  allabendliche  EinfĂŒhrung  von 
SchmelzstÀbchen,  welche  Protargol  enthalten,  behandelt. 

A.  M  ĂŒ  n  /.  e  r. 


Deutsche  medizinische  Wochenschritt,  Leipzig. 

23.  Februar  1022,  Nr.  8. 

Eine  weitere  Vereinfachung  meiner  Triibungs-Flockungsreaktinn  (Triibungs- 
Elookungsreaktion   mit  Porinolkontrollc).     D  0  I  d.  247. 

Die  Reaktion  des  tuberkulösen  Organismus  auf  intrakutane  Verimjrfung 
sÀurefester  Sa,prrtphy ton  und  deren  Tuberkuline.  Lange.  B.,  und 
T/  a  n  g  e  .    E.  248. 

I>ie  Wirkung  des  Karlsbader  Wassers  und  Salzes  auf  ZĂŒckerkranke,  beurteilt 

nach  einer  neuen   Auffassung  ĂŒber    den    Diabetes.     Amol  eil  und 

Roubitschek.  250. 
liebet  ein  wenig  beachtetes  optisches  Prinzip.     S  c  b  1  a .  g  i  11  t  w  e  i  t.  251. 
Die   Anwendung  der  rndikatoreumethode    auf  den    Magen-     und  Darmsaft. 

M  i  ohael  i  s.  252. 
Bxpanimentelte  Untersuchung  ĂŒber  den  Einfluß  des  Kadiothoriuins  auf  den 

Stoffwechsel.     M  i  y  a  d  e  r  a.  252. 
Ein   eigenartiges   Zirkulationsphanomou   bei    einer   Schwangeren   und  einer 
■        Eklamptischon.  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  kapillaren  Blutungen.  H  i  n- 

.s  e  1  m  a  u  n.  254. 

Ueber  den  Nachweis    der    peripherischen   Strychninwirkung    auf    den  X. 

acustieus   und    ĂŒber   die    allgemeine   Wirkung    dos   Sfrychnin*    auf  die 

Sinnesfunktion   des   DĂŒrens.     L  i  0  11.  255. 
Heber  Anaphylatfieerscheinungeri  nach  Serieninjektionen  artfremden  Serums. 

.Zugleich  ein  Beitrag  zur  Frage   der  Saisunkrankheiten.     M  a  k  a  i.  257. 
Einige  Verbesscrnngen  an  meinem  einfachen  transportablen  Pneumothorax* 

apparat.     L  e  s  q  h  k  0.  258. 
Keuchte  VerbÀnde  mit  abgekochtem  Wasser,    t;  1  a  1.5.  259. 
♩Ein    einfaches    Verfahren    zur    Desinfektion    des    tuberkulösen  Auswurfes. 

S  i  m  o  ;i   und   W  o  1  f  f.  259. 
Die   Desinfektion  des  tuberkulösen   Auswurfs.  M  e  s  s  e  r  s  c  h  m  i  d  t.  2B0. 

Der  jetzige  stand  der  Pathogenese  und  Therapie  der  Rachitis,  irisch  1.  861. 


Aus    den    ueucsteu  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  — Nr.  14/15. 


Ein  einlaches  Verfahren  zur  Desinfektion  des  tuberkulösen 
Auswurfs.  Chlorkalk  und  Staßfurter  Salz  etwa  1:4  fĂŒhren  völ- 
lige Aufschließung  des  Sputums  und  Homogenisierung  zu  einem 
salbenartigen  Brei,  sowie  Abtötung  der  Tuberkelbazillen  herbei. 
Sicher,  einfach,  billig,  ohne  GeruchsbelĂ€s^igung  ist  es  fĂŒr  den 
Haushalt  besonders  geeignet.  v.  Schnizer. 

Zeitschrift  fĂŒr  Aerztliche  Fortbildung,  Jena. 

1.  Februar  1922,  19,  Nr.  3. 

❖Ueber  Appendizitis.    K  ö  n  i  g  ,  F.  65. 

Wesen  und  Bedeutung;   der   KrĂ€mpfe   im   frĂŒhen   Kindesalter.  Bossert, 
O.  70. 

I  lober  den  Kaiserschnitt.  D  r  ĂŒ  n  e  r  .  L.    77.  , 

Ueber  Appendizitis.  König  unterscheidet  eine  enterale  (bak- 
terielle Infektion,  Öxyuren)  und  eine  seltene  hĂ€matogene  Form 
und  schließt  sich  der  Einteilung  von  Sprengel  in  Appendicitis 
simplex  und  destructiva  an.  Es  ist  oft  schwer,  die  einzelnen 
Formen  der  Erkrankung  im  Anfall  sicher  zu  diagnostizieren. 
Verwechselt  kann  die  Appendizitis  werden  mit  Adnexerkrankun- 
gen  und  mit  Stieldrehungen  von  Ovarialcysten,  mit  tuberkulösem 
Peritonealerguß,  akuten  DrĂŒsenprozessen,  besonders  bei  Tuber- 
kulose und  Typhus,  ferner  mit  Ileus,  wenn  bereits  Darmparalyse 
vorliegt,  endlich  mit  Pneumonie.  (Auf  Nieren,  Gallenblase,  Ulcus 
ventriculi  und  duodeni  wird  nicht  nÀher  eingegangen.)  Sobald 
die  Diagnose  Appendizitis  feststeht,  soll  operiert  werden.  Der 
Eingriff  soll  möglichst  sofort  vorgenommen  werden.  „Nur  die 
frĂŒheste  Operation  gibt  ganz  gute  Resultate,  verhindert  auch  bei 
Appendizitis  simplex  das  Auftreten  von  Verwachsungen;  auch 
bei  ■spĂ€ter  in  unsere  Behandlung  tretender,  wenn  auch  abszedie- 
render Appendizitis  ist  eine  rascheste  Operation  angezeigt,  ein 
Abwarten  zu  verwerfen;  nur  wenige  FĂ€lle  von  Peritonitis  mit 
DarmlÀhmung  und  Kollaps  sind  nicht  zu  operieren.  Diese  Anschau 
ungen  mĂŒssen  nicht  nur  die  Aerzte  leiten,  sondern  sie  mĂŒssen  von 
ihnen  auch  ihren  Klienten  eingeimpft  werden.  Nur  so  ist  die  Hei- 
lung von  der  Appendizitisnot  möglich."  L.  K  a  n  n  e  r. 

Zeitschrift  fĂŒr  physikalische  und  diĂ€tetische  Therapie. 

1922,  26,  Heft  1. 

Zum  25jĂ€hrigen  Bestehen  der  Zeitschrift.     Goldscheider  1—2. 
❖Beitrag  zur  Frage  der  Reizkörper-  und  physikalischen  Therapie.    K  I  e  b  S  , 

W.  und  W  e  s  k  p  1 1  .  H.  16—2». 
❖Intermittierende    Heliotherapie.    R  o  m  i  c  h  .    Siegrfr.  16 — 22. 

Lugano  als  Kurort.     II  i  s  c  h  o  f  f  .   L..  22—28. 

Der  49.  Schlesische  BĂ€dertag.    S  i  e  b  e  1  1.  28—29. 

In  ihrem  25  jÀhrigen  Bestehen  hat  die  Zeitschrift  unentwegt 
fĂŒr  die  Beeinflussung  des  Gesamt-Organismus  gekĂ€mpft,  in  mehr 
oder  weniger  ausgesprochenem  Gegensalz  zu  allen  spezifischen 
Heilmethoden.  Mit  Befriedigung  stellt  Goldscheider  fest,  daß 
dieses  Hippokratischc  Prinzip  immer  mehr  Anerkennung  findet, 
und  deutet  eine  Reihe  von  Gebieten  an,  welche  noch  in  diese  Be- 
trachtungsweise einbezogen  werden  mĂŒssen. 

Beitrag  zur  Frage  der  Reizkörper-  und  physikalischen  The- 
rapie. Die  physikalische  Therapie  und  jene  mit  den  sog.  Protein- 
bezw.  Reizkörpern  scheinen  in  ihrem  Wesen  verwandt  zu 
sein,  nur  daß"  die  letztere  schneller  wirkt,  wĂ€hrend  die  physika- 
lische Therapie  erst  nach  einer  gewissen  Summation  von  Reizen 
die  Heil-Reaktion  auslöst.  Dementsprechend  kann  man  sie  auch 
als  die  schonendere  Methode  ansprechen.  Einige  gute  Erfolge 
sahen  die  Verff.  von  Heilners  Sanarthrit;  doch  bevorzugen  sie  die 
Caseosan-Injektionen,  mĂŒssen  aber  zugeben,  daß  eine  Reihe  von 
Patienten  bald  von  dieser,  bald  von  jener  Therapie,  bald  von 
allen  (sogar  in  Kombinationen!)  unbeeinflußt  bleiben.  Auf  diese 
Weise  gelangen  wir  wieder  zu  der  schon  unseren  VorgÀngern  ge 
lĂ€ufigen  Erkenntnis,  daß  die  Konstitution  einen  ungeheuren  Ein- 
fluß auf  die  Wirkung  der  Medikamente  hat.  Und  wĂ€hrend  die 
physiologische  Chemie  die  lebendige  Substanz  gern  als  einen  ein- 
heitlichen Körper  betrachtet,  mĂŒssen  wir  Aerzte  immer  wieder 
erkennen,,  wie  verschieden  doch  das  Protoplasma  von  MĂŒller 
und  Schmidt  in  allen  seinen  LebensĂ€ußerungen  ist. 

Intermittierende  Helistbcrapie.  Es  ist  eine  alte  Erfahrung, 
daß  alle  Reize  sich  mit  der  Zeit  erschöpfen.  So  hat  auch  Romicn 
in  der  Kinder-VolksheilstÀtle  Grimmen  stein  und  j»n  der 
SonnenheilstĂ€tle  HĂŒtteldorf  beobachtet,  daß  die  anfĂ€nglichen  gĂŒn- 
stigen Erfolge  nach  2—3  Monaten  nachließen  und  einer  allge- 
meinen Erschlaffung  Platz  machten,  daß  dagegen  wunderbare 
Heilungen  erzielt  wurden,  wenn  die  Kur  einige  Monate  unter- 
brochen wurde.  Auf  diese  Weise  können  die  KurplÀtze  besser 
ausgenutzt  werden.  —  Ref.  kann  von  seiner  TĂ€tigkeit  in  Arco  her 
diese  Beobachtungen  bestÀtigen.  Butler  sack. 


Jahrbuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

Januar  1922,  47,  Heft  1-2. 

Zur   Pathologie   der   infektiösen    Intoxikation   des    SÀuglinesalters.     (;  ö  v  - 
p  S  r  t ,  F.    1 . 

❖Ueber  Rundzelleninfiltrate  im  Myokard  bei  Status  thvmolymphaticus.  Rie- 
der. H.  9. 

Zur   Pathogenese   der   akuten   alimentÀren    ErnÀhrungsstörungen.  Nahrung 

und  .Magensaftsekretion.    Hoffmann.  P.  und  R  o  s  e  n  b  a  u  m  .  8. 
Ueber  Leukolysine.    S  t  r  a  n  s  k  y  .  E.  und  Schiller,  K.  55. 
❖Ueber  doppelseitige  Athetose  (nebst  Bemerkungen  ĂŒber  aas  extra-pyramidaie 
‱System  im  Kindesalter.)    T  h  o  m  a  s  ,  E.  61. 

❖Ueber   konzentrierte   flĂŒssige    Mehlnahrung   fĂŒr  junge   SĂ€uglinge.  Rach- 
m  i  1  e  -iv  i  t  s  c  h  .  E.  78. 

Blutalkaleszenzuntersucbungen  bei  gesunden  und  kranken   ( insbesondere  in- 

toxizierten)  SĂ€uglingen.    K  rase  mann,  E.  85* 
Ueber  Buttermehlbrei  und  Buttermehlvollmileh.  F  1  e  s  c  h  .  H.  und  T  o  r  d  a  v, 

F.  103. 

Ueber  Rundzelleninfiltrate  im  Myocard  bei  Status  thymolym- 

phaticus.  Es  werden  9  FĂ€lle  von  Status  lymphaticus  oder 
thymolymphaticus  mit  gleichzeitiger  Herzhypertrophie  patholo- 
gisch-anatomisch untersucht.  6  dieser  FÀlle  starben  an  plötzlichem 
\  ersagen  des  Herzens,  3  nach  SchÀdeltrauma.  Die  mikroskopische 
Untersuchung  fördert  in  7  FÀllen  kleinzellige  Infiltrate  im  Myo- 
kard zutage,  die  vorwiegend  aus  Lymphozyten,  daneben  aus  Plas- 
mazellen, eosinophilen  und  ntutrozhilen  Leukozyten  bestanden 
Zwei  FÀlle  zeigten  keine  Ansammlung  von  Rundzellen.  Hie  StÀrke 
der  Rundzelleninfiltration  schwankte  von  vereinzelten  bis  zu  zahl- 
reichen und  ausgedehnten  Infiltraten.  Knötchenförmige,  an 
Lymphfollikel  erinnernde  Gebilde  kamen  nur  vereinzelt  zur  Be- 
obachtung. Zwischen  der  Herzhyperlrnphie  und  der  Ausdehnung 
der  Rundzelleninfiltrate  ließ  sich  kein  bestimmtes  VerhĂ€ltnis 
feststellen.  Die  Rundzelleninfiltrate  schienen  entzĂŒndlichen  Ur- 
sprungs zu  sein,  sie  bildeten  wahrscheinlich  nur  den  Teil  eines 
allgemeinen  Lymphatismus. 

Die  exzentrische  Herzhypertrophie  und  der  plötzliche  Herz- 
tod finden  in  einzelnen  FĂ€llen  in  den  Rundzelleninfiltraten  eine 
befriedigende  ErklĂ€rung;  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  mĂŒssen  da- 
gegen extrakardiale  Faktoren  zur  ErklÀrung  dienen. 

Ueber  doppelseitige  Athetose  (nebst  Bemerkungen  ĂŒber  das 
extrapyramidale  System  im  Kindesalter).  Es  werden  5  Kinder 
beschrieben,  die  an  doppelseitigen  Spontanbewegungen,  vor- 
wiegend von  athetotischem  Charakter,  leiden.  Die  StÀrke  dieser 
Bewegungen  ist  beeinflußbar.  Der  Ursprung  der  Spontan 
bewegungen  wird  in  das  extrapyramidale  System  verlegt.  Das 
Neugeborenen-  und  SÀuglingsalter  steht  viel  stÀrker  unter  der 
Herrschaft  dieses  Systems  als  das  spÀtere  Leben.  Das  nachtrÀg- 
liche Erscheinen  von  Spontanbewegungen  ist  ganz  vorwiegend 
eine  EigentĂŒmlichkeit  des  Kindesalters.  Es  zeigt,  daß  sich  in 
dieser  Lebenszeit  das  extrapyramidale  System  leichter  gellend 
macht. 

Ueber  konzentrierte  flĂŒssige  Mchlnahrung  fĂŒr  junge  SĂ€ug- 
linge. Es  gelingt,  durch  lÀnger  dauerndes  Kochen  (bis  zu  einer 
Stunde)  eine  flĂŒssige  20  %  ige  Mehlabkochung  herzustellen.  Es 
wurden  nun  ErnÀhrungsversuche  an  SÀuglingen  angestellt  mit 
einer  10  %  igen  Milchmehlnahrung,  d.  h.  20  %  ige  Mehlabkochung 
zur  HĂ€lfte  mit  Milch  verdĂŒnnt,  ohne  Zucker.  Die  konzentrierte 
Mehlabkochung  stiftete,  auch  wenn  sie  vorĂŒbergehend  bei  ganz 
jungen  Kindern  angewandt  wurde,  keinen  Schaden.  Er  erfolgte 
meist  eine  Zunahme  von  Körpergewicht  und  LÀnge.  DurchfÀlle, 
die  auf  vermehrte  GĂ€rung  zurĂŒckzufĂŒhren  waren,  kamen  zum 
Stillstand.  A   P  ei  per  Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

25.  Februar  1922,  49.  Nr.  8. 

Tetanie  im  Anschluß  an  Gastroenterostomie.    K  a  u  m  a  n  n.    250.  — 
❖Operation  des'  postoperativen  Jejunalulcu«.    A  1  a  p  y.    2.").".  » 
❖Xebennierenexstirpation  und  Epilepsie.     H  e  y  m  a  n  n.  255. 

Henle-Albeesche  Operation.    E  1  s  n  e  r.  258. 

Ein  Vorsehlag  zur  Operation  des  postoperativen  Jejunalulcu-. 

Da  alle  bisher  geĂŒbten  Operationsmethoden  große  Nachteile  haben, 
schlÀgt  Verfasser  vor,  bei  dem  postoperativem  Ulcus  pepticum 
jejuni  das  Ulcus  zu  exzidieren,  die  Anastomosenschlinge  zu 
resezieren  und  End-zu-End  zu  vereinigen  und  eine  Pyloroplastik 
nach  Finney;  anzuschließen. 

Nebennierenexstirpation  und  Epilepsie.  Die  von  F  i  s  c  Ii  e  r 
und  BrĂŒning  angegebene  einseitige  Nebennierenexstirpation 
zur  Beseitigung  der  KrÀmpfe  bei  der  Epilepsie  ist  bisher  nur 
wenig  von  Erfolg  begleitet  gewesen.  Verf.  glaubt  aber  einen  Teil 
der  Mißerfolge  damit  erklĂ€ren  zu  können,  daß  falsche  Indikationen 
gestellt  worden  sind  und  daß  bei  einem  anderen  Teil  die  Terhnik' 


10.  Jahrg. —  Nr.  14/15. 
I*.  i 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


unzulÀnglich  war,  indem    nicht    die    ganze  Nebenniere  entfernt 
wurde.     Da  auch  einige  FĂ€lle  von  Heilung  bekannt  geworden 
sind,  sollte  man  die  Operation  noch  nicht  gÀnzlich  verwerfen. 
Genaue  Beschreibung  der  Technik  des  transperitonealen  Vor- 
gehens K.  Wohlgemuth  (Berlin 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 
1922.    168.    1.  bis  2.  Heft. 
1'eher  Hyperorohidic.  Haas,  Alfred,  i. 

l'ehor  KnochenverÀnderungen  bei  Neurofibromatose.    Stahnke.  E.  B. 
Ein    „Becken    von    Otto   Chrobak"    mit    Fractuna    nectabuli.     W  aller. 
,T.  B.  19. 

‱fr-Kin    Fall    von    doppelseitiger    Spontanluxation    bei    Coxitis  tuberculosa. 
L.chrnbechcr,  A.    :i7.  ‱ 
Beitrag  zur  Klinik  der  GleitbrĂŒehe.    D  c  h  in  e  1  .  R.  51. 

‱H'eher  die  »Behandlung  der  pyogenen  Blutinfektion  durch  intravenöse  An- 
wendung von  Urotropin.    Huzello.  A.  61. 

♩Zur  Kummerschen  Operation  der  Scbenkelhernden.    Reschke.  K.  91. 
Die   AnUinfarben   in   der   Chirurgie.     Hoff  mann.   E.  101. 
Ueber  den  Stand  der  Frage  des  galligen  Peritonitis.    Wagner.  F.  110. 
Transplantation  d.  M.  abduefor  dig.  V.  bei  fehlender  OppositionsfĂ€higkĂŒt 
des  Daumens.    Nico  la  y  s  e  n  .  J.  133. 
♩VerlĂ€ngerung    der    Röhrenknochen    bei    Arthritis    deformans  Jugendlicher. 
Reschke.  K.  136. 
Gliedermechanik      und       LĂ€hmungsprothesen.       Ree  klinghausen, 
H.  v.  140. 

Der  gynĂ€kologische  Operationskursus,  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 
Operations- Anatomie,  der  Operationspathologie.  der  Operations-Bakterio- 
logie und  der  Fehlerquellen.    L  i  e  p  m  a  n  n  .  W.  141. 

Ein  Fall  von  doppelseitiger  Spontanluxation  bei  Coxitis  tuber- 
eulosa. Die  spÀrliche  Kasuistik  doppelseitiger  Spontanluxation 
erfÀhrt  durch  die  vorliegende  Abhandlung  eine  weitere  ErgÀn- 
zung. Die  Diagnose  der  ursÀchlich  tuberkulösen  Natur  des  Lei- 
dens wurde  durch  den  Operationsbefund  vollkommen  gesichert. 
Therapie:  radikale  Entfernung  alles  krankhaften  Gewebes.  Er- 
folg: rechts  vollkommene  Versteifung  der  HĂŒfte,  links  ganz  ge- 
ringe Beweglichkeit. 

Ueber  die  Behandlung  der  pyogenen  Blutini'ektion  durch 
intravenöse  Anwendung  von  Urotropin.  Verf.  glaubt  auf  Grund 
von  selbst  festgestellten  Erfolgen  an  einem  allerdings  nur  kleinen 
Krankenmaterial  zur  versuchsweisen  Anwendung  des  Urotropins 
bei  pyogener  Blutinfektion  raten  zu  dĂŒrfen,  zumal  Urotropin  sich 
in  der  Blutbahn  als  relativ  unschÀdlich  erwiesen  hat. 

Zur  Kummerschen  Operation  der  SchenkelherĂŒien.  Bericht 
ĂŒber  die  Erfolge  der  seit  1912  in  der  Greifswalder  chirurgischen 
UniversitĂ€tsklinik  fast  ausschließlich  geĂŒbten  Kummerschen 
Operation  (fester  Verschluß  des  Schenkelkanals  durch  eine  von 
der  heruntergezogenen  Bandmuskulatur  gebildeten  Wand).  Von 
170  operierten  FĂ€llen  ergaben  nur  6  Bezidive.  Verfasser  emp- 
fiehlt daher  die  Kummer  sehe  Methode  als  einfaches  und 
sicheres  Verfahren  bei  Schenkelhernicn,  das  sich  besonders  auch 
bei  inkarzerierten  Hernien  schnell  und  ohne  große  GewebsschĂ€di- 
gung  ausfĂŒhren  lĂ€ĂŸt. 

VerlÀngerung  der  Röhrenknochen  bei  Arthritis  deformans 
Jugendlicher.  Verf.  fĂŒgt  zu  den  bisher  veröffentlichten  zwei 
FĂ€llen  vermehrten  Knochenwachstums  bei  deformierender  Ge- 
lenkentzĂŒndung drei  weitere  hinzu.  UrsĂ€chlich  kommt  der  starke 
Reiz  in  Betracht,  der  bei  Arthritis  deformans  durch  die  lebhaften 
reaktiven  Prozesse  m  den  subchondralen  Schichten  auf  die  Epi- 
physenlinien  ausgeĂŒbt!  wird.  Die  relative  Seltenheit  derartiger  Beob- 
achtungen ist  wohl  auf  das  wenig  hÀufige  Vorkommen  der  Ar- 
thritis def.  bei  Jugendlichen  zurĂŒckzufĂŒhren.  Bei  Ă€lteren  Leuten 
sind  Wachstumsbeschleunigungen  bei  def.  A.  nicht  gesehen  wor- 
den, ein  Beweis,  daß  solche  nicht  durch  interstitielles  Knochen- 
Wachstum  im  Schaft,  sondern  durch  gesteigerte  TĂ€tigkeit  des  ge- 
reizten Epiphyscnknorpcis  zustande  kommen. 

L.  Frosch  (Berlin 

Zentralblatl  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

4.  MĂ€rz  1922.  4(5.  Nr.  9. 

♩Die  Varikokele  des  Ligamentum  latum  und  ihre  klinische  Bedeutung.    K  n  - 
g  e  1  m  a  n  n  ,  .7.  S.  329. 

‱S*K;iun  die  Piognoge  der  Stirn-  und  (JcsielrCslagen  durch  die  Kiellandsche  Zange 
gebessert  werden?    M  c  u  tu  a  n  n  .  E.  985. 
Dir   alimentÀre  Olykosurle   als  diagnostische   Probe.     Ilof-hauer.  J.  348. 

«5»  Min  ige  Bemerkungen  /n  dem  neuen  preußischen  Entwurf  eines  (Josefccs  ffber 
das  Hebammenwesen.    E  I  l  e  r  i>  r  o  e  fc  .  X.  351. 
■   «H>ic    Invagination   des   Wurmfortsatzes  gelegentlich   gynĂ€kologischer  Opera- 
tionen.   Ii  o  f  m  a  n  n  ,  A.  H.  353. 

Zur  Oenesc  des  Hydrops  gravidarum.  Entgegnung  auf  die  ßiehtigstcll  iog 
W.  Oessners  in  N'r.  10.  1921.  d.  Zentral  Irl.    Beckmann.  M.  355. 

Die  Varikokele  des  Ligamentum  latum  und  ihre  klinische  Be- 
deutung.    Engel  man  ii  weist  auf  ein  den  Franzosen  und  Eng- 


landern seil  langem  bekanntes  Krankheilsbild  hin,  das  aber  in 
deji  deutschen  LehrbĂŒchern  fast  nirgends  beschrieben  ist:  Patho 
Logische  VerÀnderungen  des  in  den  breiten  MutlerbÀndern  bc 
findlichen  Venenplexus,  die  denen  der  Varikokele  des  Mannes 
entsprechen.  Er  schlĂ€gt  fĂŒr  die  Erkrankung  die  Bezeichnung 
Varikokele  des  Ligamentum  latum  vor.  Die  Erkrankung  betrifft 
zumeist  Frauen  Ende  der  20er  und  in  den  30er  Jahren,  und  /.war 
fast  ausschließlich  solche,  die  mehrere  Geburten  durchgemacht 
haben.  Die  Frauen  klagen  fast  alle  ĂŒber  Leib-  und  Kreuz 
schmerzen,  manche  ĂŒber  ein  „dumpfes  OefĂŒhl  im  Leib"  oder  ĂŒber 
„DrĂ€ngen  nach  unten'  und  geben  an,  daß  die  Beschwerden  beim 
Gehen  und  Stehen  auftreten,  wÀhrend  sie  beim  Liegen  ver- 
schwinden. Zur  Zeit  der  Periode  verschlimmern  sich  die  Be- 
schwerden, auch  beim  Stuhlgang  oder  sexuellen  Erregungen. 
Ehe  das  Krankheitsbild  richtig  erkannt  war,  wurden  mehrere 
Frauen  wegen  vermuteter  chronisch  entzĂŒndlicher  Adnexerkran- 
kung  operiert,  die  Eierstöcke  und  Eileiter  zeigten  jedoch  keinerlei 
EntzĂŒndungserscheinungen;  dagegen  konnte  als  einziger  patho 
logischer  Befund  in  diesen  FÀllen  eine  starke  variköse  Erweite- 
rung des  gesamten  Venen'netzes  der  breiten  MutterbÀnder  fest- 
gestellt werden.  Die  Therapie  besteht  nur  in  ganz  leichten  FĂ€l- 
len in  Maßnahmen,  die  eine  Verminderung  der  venösen  Kon- 
gestion herbeifĂŒhren,  bei  Versagen  dieser  Therapie  und  bei 
schwereren  FĂ€llen  ist  die  Operation  angebracht.  Handelt  es  sich 
um  eine  einseitige  Erkrankung  und  sind  die  anderen  Adnexe  ge- 
sund, so  gibt  die  Entfernung  der  ganzen  Adnexe  der  einen  Seite 
besonders  in  Verbindung  mit  einer  Antefixation  des  Uterus  die 
besten  Resultate.  Ist  eine  doppelseitige  Varikokele  vorhanden, 
so  empfiehlt  E.  bei  Àlteren  Frauen  Exstirpation  beider  Adnexe 
unter  Mitnahme  des  Fundus  uteri.  Bei  jĂŒngeren  Frauen  kommt 
diese  Operation  nur  dann  in  Frage,  wenn  die  Beschwerden  sehr 
groß  sind  und  die  Wiederherstellung  der  vollen  ArbeitsfĂ€higkeit 
auf  andere  Weise  nicht  zu  erreichen  ist;  nach  Möglichkeit  ist  in 
solchen  FĂ€llen  zu  versuchen,  ein  Ovarium  oder  ein  StĂŒck  des- 
selben zurĂŒck  zu  lassen.  Eine  Unterbindung  der  Venen  analog 
der  Behandlung  der  mÀnnlichen  Varikokele  gibt  anscheinend 
keine  zuverlÀssigen  Resultate. 

Kann  die  Prognose  der  Stirn  und  Gesichtslagen  durch  die 
Kielland'sche  Zange  gebessert  werden?  An  der  Leipziger  Uni- 
versitÀts-Frauenklinik hat  sich  bei  Stirnlagen-Geburten  folgende 
Therapie  als  die  beste  erwiesen:  Die  Blase  ist  möglichst  lange 
zu  erhalten,  evtl.  ein  Colpeurynter  einzulegen  und  nach  Möglich- 
keit die  Spontangeburt  abzuwarten,  die  die  besten  Resultate  fĂŒr 
Mutter  und  Kind  bietet.  Nur  bei  Eintritt  strenger  Indikationen 
ist,  solange  dies  möglich  durch  Wendung,  sonst  durch  die  Kiel- 
land-Zange zu  entbinden.  Bei  engem  Becken  höheren  Grades  ist 
natĂŒrlich  die  Sectio  caesarea  am  Platze.  Auch  die  Gesichtslagen 
sollen  im  wesentlichen  exspektativ  behandelt  werden  unter  mög- 
lichster Schonung  der  Fruchtblase.  Eingegriffen  wird  auch  hier 
nur  bei  strenger  Indikation,  die  meist  nur  infolge  bestehender 
Komplikationen  (enges  Becken,  frĂŒhzeitiger  Fruchtwasserabfluß 
usw.)  eintritt.  Dann  soll  man  sich  aber  auch  nicht  mit  Umwand 
lungsversuchen  in  eine  Hinterhauptslage  aufhalten,  sondern  bei 
beweglich  stehendem  Gesicht  die  innere  Wendung  mit  anschlie- 
ßender Exstraktion  ausfĂŒhren:  oder,  wenn  dies  nicht  mehr  mög- 
lich ist,  die  Entbindung  mit  der  K ielland'schen  Zange  beendigen. 
Nur  wenn  das  Kinn  schon  fast  unter  dem  Schambogen  steht, 
kann  auch  die  Naegele'sche  Zange  angewendet  werden.  Daß  bei 
Heginn  sÀmtlicher  entbindender  Operationen  der  Muttermund 
vollstĂ€ndig  oder  nahezu  vollstĂ€ndig  eröffnet  sein  muß.  ist  selbst- 
verstĂ€ndlich. M.  stĂŒtzt  die  Empfehlung  der  Kielland-Zange  bei 
der  Stirnlage  sowohl,  wie  bei  der  Gesichtslage  nur  auf  je  einen 
Fall.  FĂŒr  den  Praktiker  kann  er  die  Kielland-Zange  nicht  emp- 
fehlen wegen  der  entschieden  schwierigen  Einlegung  des  vorde- 
ren Löffels,  glaubt  jedoch,  daß  die  Zange  in  der  Hand  eines  ge- 
ĂŒbten Geburtshelfers  besonders  bei  den  Deflexionslagen  wesent- 
liche Vorteile  bietet. 

Einige  Bemerkungen  zu  dem  neuen  preußischen  Entwurf 
eines  Gesetzes  ĂŒber  das  Hebammenwesen.  Mit  dem  von  der  Be- 
gierung  vorgelegten  Entwurf  eines  Gesetzes  ĂŒber  das  Hebammen 
Wesen  ist  Verfasser  im  allgemeinen  einverstanden,  hÀlt  jedoch 
die  Ausbildungszeit  von  9  Monaten  fĂŒr  viel  zu  kurz,  die  Mindest 
ausbildungszeit  mĂŒĂŸte  1  Jahr  sein,  besser  1  [A — 2  Jahre.  Die  Ver- 
lĂ€ngerung der  Ausbildungszeit  wĂŒrde  nicht  nur  einer  besseren 
Ausbildung  der  Hebammen  zugute  kommen,  sondern  auch  der 
bestehenden  UeberfĂŒllung  des  Hebammenstandes  wirkungsvoll 
begegnen. 

Die  Invagination  des  Wurmfortsatzes  gelegentlich  gynÀkolo- 
gischer Operationen.    Hof  mann  empfiehlt  bei  jeder  gynÀkolo- 


322 


Aas   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


gischen  Laparotomie  den  Wurmfortsatz,  ob  erkrankt  oder  nicht, 
durch  die  Invagination  unschÀdlich  zu  machen.  (?  Ref.)  Die 
Methode  ist  absolut  aseptisch,  weil  das  Darmlumen  nicht  eröffnet 
wird.  Die  genaue  Technik  der  Invaginationsmethode  findet  sich 
im  Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Jahrgang  1921  und  1922. 

Speyer  (Berlin). 

Monatsschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Berlin. 

Februar  1922,  57,  Heft  1—2. 

Die  Bedeutung  der  Plazenta,  insbesondere  des  Trophoblastes.  fĂŒr.  die  Schwan- 
gerschaftsdijcr  und  den  Gebu-tseintritt.    d  e  6  nun.  K.  L. 
❖Endokarditis  und  Schwangerschaft).    B  ĂŒ  Ii  n  g  e  r  .  11.  'IG. 

Histologische  Untersuchung*  eines  ungefÀhr   11   Monate   in  utero  retinierteii 
Eies.    Tran  e  u  -  K  a  i  n  e  r  .  II.  31. 

❖Die  Aeliseudrehung  des  kreißenden  Üterus.    V  o  g  i  .  E.  S6. 
❖Wassermannsche  Reaktion  am  Gelbarbett.     Ii  i  ĂŒ  n  n  c  c  .  K.  42. 
❖  Behandlung  der  Mastitis  mit  Opsonogen.     B  o  d  i  n.  52. 
Entstellung  der  HĂ€momole.    Greil.  A.  55. 

BeitrĂ€ge   zur   Histologie    der   Stiele    'der   nicht  ödetnatĂŒsen     Vbsehnjfte)  der 

Blasrnmolenzorten.    H  i  1  1  e1  b  r  a  u  d  .  H.  67. 
Ein  Fall  von  primÀrem  Tubenkarzinoni.     H  i  1  I  e  b  r  a  n  d  .    L.  72. 
Das  Zeitproblem  in  der  Röntgentiefeutherapie.    Haupt.  A.  75. 

Endokarditis  und  Schwangerschalt.  Durch  die  mannig- 
fachen EinflĂŒsse,  dessen  der  Organismus  wĂ€hrend  der  Schwan- 
gerschaft unterworfen  ist,  sind  die  Frauen,  die  eine  Endokarditis 
ĂŒberstanden  haben,  besonders  gefĂ€hrdet.  Hier  droht  die  rekur- 
rierende Endokarditis  mit  ihren  deletÀren  Folgen.  Mitteilung 
eines  einschlÀgigen  Falles  aus  der  Frankfurter  Frauenklinik. 

Uebcr  die  Achsendrehung  des  kreißenden  Uterus.  Bei  einer 
32  jÀhrigen  V.-para,  kurz  nach  dem  Blasensprung  eingeliefert, 
findet  sich  der  Status  nach  vorderer  und  hinterer  Kolporraphie 
mit  Dammplastik.  Die  Scheide  spitzt  sich  nach  oben  zu:  der 
etwa  4  cm  weite  Muttermund  ist  kaum  erreichbar.  Herztöne 
wechselnd.  Sectio  caesarea.  Es  findet  sich  eine  Rotation  der 
GebÀrmutter  nach  links  um  mindestens  180°.  Die  rechtsseitigen 
Spematicalvenen  waren  bis  auf  fast  Fingerdicke  gestaut.  —  Der 
Autor  fĂŒhrt  die  Entstehung  der  Verlagerung  auf  mechanische 
EinflĂŒsse  zurĂŒck,  in  dem  mitgeteilten  Fall  auf  die  Erschlaffung 
dr  Bauchdecken  und  die  feste  Verankerung  der  Scheide  infolge 
der  voraufgegangenen  Plastik.  Als  unmittelbar  auslösendes 
Moment  kommt  vielleicht  Trauma  oder  einseitige  Anspannung 
der  Bauchdecken  in  Betracht. 

Das  klinische  Bild  Àhnelt  dem  der  vorzeitigen  Placentar- 
lösung. 

Die  Wassermannsche  Reaktion  am  GebÀrbett.  Verf.  stellte 
bei  650  Kreißenden  die  Wassermannsche  Reaktion  mit  Retropla- 
centarblut,  Armvenen-  und  Nabelvenenblut  an  und  kommt  zu 
folgenden  SchlĂŒssen:  Das  Retroplacentarblut  zeigt  Neigung  zu 
positiver  Reaktion,  vielleicht  infolge  seines  Bakteriengehaltes 
oder  anderer  Beimischungen,  besonders  wenn  es  Àlter  als  zwei 
Tage  ist;  daher  lĂ€ĂŸt  sich  aus  ihm  allein  keine  Luesdiagnose 
stellen.  Die  negative  Reaktion  des  Nabelvenenblutes  beim  Neu- 
geborenen ist  ohne  Beweiskraft.  Es  kommen  Schwankungen  der 
Reaktion  am  Ende  der  Schwangerschaft  und  zu  Beginn  des 
Wochenbetts  vor,  deren  nÀhere  ZusammenhÀnge  noch  unbekannt 
sind. 

Behandlung  der  Mastitis  mit  Opsonogen.  Verfasser  be- 
richtet ĂŒber  gĂŒnstige  Erfahrungen  mit  intravenösen  Opsonogen- 
injektionen.  Jonas  (Berlin). 

Dermatologische  Wochenschrift. 

18.  Februar  1922,  Nr.  7. 

Ein  Fall  von  Pityriasis  amianfcaeea.    Ludorici.  Bruno. 
❖Berichtigung  der  Darstellung  von  Sohrens,  betreffend  meine  Untersuchungen 
ĂŒher  Stomatitis   mercuralis   ulcerosa.     A  1  m  k  o  i  s  t .  .lohn. 
VerhĂŒtung  und  Behandlung  der  Stomatitis  morcurialis.    Hammer.  Fr. 
Die  Cyarsal-Neosalvarsan-Blutmischspritze.    Fehrmann.  Oscar. 

Berichtigung  der  Darstellung  von  Sohrens  betreffend  Stoma- 
titis mcrcurial.  Das  Hg  S  wird  primĂ€r  im  Inneren  der  GefĂ€ĂŸ- 
endothelien  niedergeschlagen,  die  dadurch  zu  starren  Bohren 
werden  und  ErnÀhrungsstörungen  verursachen;  durch  Kombina- 
tionswirkung  mit  Bakterien,  die  unspezifisch  sind,  tritt  dann  die 
Gewebsnekrose  ein.  Gelingt  es,  durch  Desinfektion  der  Zahn- 
Ii  ei  schtaschen  usw.  die  Bakterien  auszuschalten,  so  kann  keine 
Stomatitis  ulcerosa  auftreten.  Daß  dies  der  von  Sohrens  an- 
gegebenen Methode,  die  sich  mit  der  viel  angewandten  Pfannen- 
stiel  sehen  deckt,  besser  gelingt,  als  der  Desinfektion  mit  Ha  Os. 
Höllensteinlösung  und  anderen,  kann  A.  nicht  zugeben. 

Bab  (Berlin 


25.  Februar  1922,  Nr.  8. 

Multiple  HautgeschwĂŒre  bei  funktioneller  AnĂ€sthesie.    Pick  Erwin. 
BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  in  der  dermato-venereologischen  Praxis  gebrÀuch- 
lichen Balsamika.    D  e  u  ß  e  n  ,  Ernst. 

Tuberkulose-FĂŒrsorge-Blatt. 

9,  Nr.  1. 

❖Der  Stand  der  TuberkulosebekĂ€mpfung  in  Pommern.    DelbrĂŒck     ('.  v 
und  B  r  À  u  n  i  n  g. 

Der  Stand   der  TuberkulosebekÀmpfung   in   Pommern.  Auf 

Grund  ausgesandter  Fragebogen  gibt  BrÀuning  ein  interessantes 
Bild  der  ausgedehnten  lungenfĂŒrsorgerischen  Bestrebungen;  wer- 
den doch  68,1  Prozent  der  Einwohner  erfaßt.  Er  zeigt  aber  auch, 
wie  wenig  bei  ernster  Kritik  bisher  fĂŒr  die  Allgemeinheit  NĂŒtz- 
liches geleistet  werden  konnte,  solange  nicht  ganz  erheblich 
höhere  Geldsummen  zur  VerfĂŒgung  gestellt  werden  können. 
Bezgl.  Einzelheiten  muß  ich  auf  die  fleißige  Arbeit  selbst  ver- 
weisen. Michaelis  (Bitterfeld\ 

Nr.  2. 

❖Erfahrungen   mit   der   FamilienfĂŒrsorge.     B  e  r  g  h  a  u  s. 

❖Dil-    subkutane    Tuberkulinprobe    im    Dienste    der  TuberkulosebekĂ€mpfung. 
Schröder. 

Erfahrungen  mit  der  FamilienfĂŒrsorge.  Die  FamilienfĂŒr- 
sorge, eine  Vereinigung  aller  FĂŒrsorgezweige  —  FĂŒrsorge  fĂŒr 
SĂ€uglinge,  Kleinkinder,  Schulkinder  und  Schulentlassene.  KrĂŒp- 
pel, Tuberkulöse,  Trinker,  Geschlechtskranke,  KriegsbeschÀdigte. 
Taubstumme,  Wohnungspflege  usw.  —  auf  eine  FĂŒrsorgerin,  wie 
sie  jetzt  in  manchen  StÀdten  eingerichtet  ist,  wird  von  Berg- 
haus mit  gewichtigen  GrĂŒnden  abgelehnt;  denn  eine  Person 
kann  die  gesamte  FĂŒrsorge  nicht  versehen,  immer  wird  —  je 
nach  Begabung  und  Neigung  der  FĂŒrsorgeschwester  —  der  eine 
oder  der  andere  Zweig  zu  kurz  kommen.  Wenn  auch  die  Son- 
derfĂŒrsorge mehr  Mittel  erfordert,  so  kostet  sie  auch  mehr.  Es 
besteht  hier  ein  bedeutend  engerer  Zusammenhang  zwischen  Pa- 
tient bezw.  Familienangehörigen,  Schwester,  FĂŒrsorgearzt  und 
behandelndem  Arzt;  denn  je  lockerer  der  Zusammenhang,  desto 
schlechter  die  FĂŒrsorge. 

Die  subkutane  Tuberkulinprobe  im  Dienste  der  Tuberkulose- 
bekĂ€mpfung. Sowohl  aus  diagnostischen  GrĂŒnden,  als  afuch  aus 
finanziellen  GrĂŒnden,  um  unnötige  und  falsch  angebrachte  Aus- 
gaben fĂŒr  noch  behandlungsbedĂŒrftige  oder  zu  spĂ€t  und  damit 
vergeblich  behandelte  Patienten  zu  sparen,  empfiehlt  Schröder 
die  subkutane  Tuberkulinprobe  möglichst  ausgiebig  anzuwenden. 

Michaelis  (Bitterf eld") . 

Zeitschrift  fĂŒr  Hygiene  und  Infektionskrankheiten,  Berlin. 

10.  Februar  1922,  95,  Heft  2. 

❖Beobachtungen  bei  einer  Typbusepidemie  unter  Kindern.    Polier,  s.  und 
Ruß.  V.  135. 

Die  ImmunitÀtsverhÀltnisse  bei  Moerscbveineheuruberkulose.    Seiter.  H. 
150. 

❖Betrachtungen  ĂŒber  die  Ergebnisse  der  bakteriologischen  Diphtberiediagnose. 
Bitter.  L.  208. 

Neue    statistische    Daten    und    GesetzmĂ€ĂŸigkeiten    aus    der    Pathologie  des 
Tetanus.     K  a  i  r  i  u  k  s  c  h  t  i  s  .  W.  220. 
❖Wirkung  abgetötetetr  Tnborkelbazillen.    Seiter,  H.  232. 
Anaphylaxie  bei  isolierten  Organen  des  Frosches.    Koch  m  a  n  n  .  M.  i-nd 
Schmidt.  V.  245. 

Beobachtungen  ĂŒber  eine  Typhusepidemie  unter  Kindern.  Die 

fragliche  Epidemie  wurde  durch  einen  BazillentrÀger  oder  Dauer- 
ausscheider verursacht,  nahm  ihren  Ausgang  von  einer  Massen- 
speisung und  erstreckte  sich  hauptsÀchlich  auf  schulpflichtige 
Kinder.  Diese  verbreiteten  die  Krankheit  dann  durch  Kontakt 
11 — 15  jĂ€hrige  Kinder  erschienen  fĂŒr  die  Infektion  empfĂ€ng- 
licher, als  9—10  jĂ€hrige.  Zahlreiche  Diagnosen  mußten  sich 
lediglich  auf  den  positiven  Ausfall  der  Gruber-Widalschen  Re- 
aktion stĂŒtzen.  Abweichend  von  anderen  Beobachtern  fanden 
die  Autoren  hÀufig  einen  sehr  hohen  Titer  bei  den  Kindern.  Des 
weiteren  wurde  ein  sehr  schnelles  Verschwinden  der  Agglutinine 
aus  dem  Patientenserum  bei  einer  ganzen  Reihe  von  Kindern 
festgestellt.  Störend  wirkten  die  reichlich  im  kindlichen  Blut 
vorhandenen  Paratyphusmitagglutinine. 

Betrachtungen  ĂŒber  die  Ergebnisse  der  bakteriologischen 
Diphtheriediagnose.  Je  mehr  Proben  auf  Diphtherie  zur  Unter- 
suchung gelangen,  umso  höher  ist  im  allgemeinen  die  prozen- 
tuale bakteriologische  Diphtheriediagnosestellung  im  VerhÀltnis 
zu  den  amtlich  gemeldeten  DiphtheriefÀllen.  Dies  zeigen  die 
Zahlen  des  Kieler  ĂŒntersuchungsamtes.    Tn  dieser  Gegend  ist 


tO.  Jahrg      Nr.  14/15  Aus   den   neues  teu   Z  c  i  t  s  c  u  r  i  f  I  e  n  ;?‱>;; 


darĂŒber  zu  klagen,  dal)  die  Aerzte  außerhalb  der  Stadl  ein  auf 
lallend  geringes  Interesse  an  der  bakteriologischen  Diagnose- 
stellung zeigen.  Je  mehr  amtlich  gemeldete  DiphtheriefÀlle  vor 
liegen,  umso  geringer  ist  die  Ausbeute  an  positiven  Befunden 
aus  dem  eingesandten  Untersuchungsmaterial.  Verf.  konnte  deut- 
lich  die  Beeinflussung  der  Anzahl  der  positiven  Befunde  durch 
2  Faktoren  zeigen:  erstens  die  Anzahl  der  Einsendungen  und 
zweitens  die  Anzahl  der  auftretenden  Erkrankungen. 

Ueber  die  Wirkung  abgetöteter  Tuberkelbazillen.  Eine  Im- 
munisierung von  Meerschweinchen  mit  abgetöteten  Tuberkel- 
bazillen konnte  Verf.  nicht  erzielen.  Es  konnten  auch  keinerlei 
Tuberkulinempfindlichkeitserscheinungen  bei  Tieren  erzeugt  wei- 
den durch  langdauernde.  Vorbehandlung  mit  abgelöteten  Tuberkel- 
bazillen. Verf.  schließt  hieraus,  daß  die  Wirkung  der  abgetöteten 
Efuberkelbazillen  im  tuberkulösen  Organismus  ausschließlich  auf 
ihrem  Tuberkulingehalt  beruht.  Auch  die  Much'schen  MilchsÀure- 
aufschließungen  verhalten  sieh  nicht  anders.  Sie  stellen  dem- 
nach kein  Antigen,  sondern  auch  nur  ein  Tuberkulin  dar. 

W.  Weisbach  ("Halle  a.  S.). 

Schweizerische  medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

23.  Februar  1922,  52,  Nr.  8. 

^â–șWie  entsteht  <'in  tJcnitalprolaps?    Meyer-KĂŒegg.   H.  189. 
«fr-Zur  Frage    der    rektalen     Untersuchung     in     Oer     Geburtshilfe.      L  a  Ii 
h  a  r  (1 1  ,  A.  193. 

Zusammenfassende  Betrachtung  des  heutigen  Standes  der  Vitaminfrage  in 
theoretischer  und  praktischen-  Hinsicht.    R  o  t  h  1  i  n  ,  E.  195. 

Beitrag  zur  Blasenmole  im  prÀklimakterischen  Alter.     Frcj  .   E.  201. 

Amyolide  Tumoren  des  Meseniter  mit  allgemeiner  amyloider  Degeneration. 
E  c  o  f  f  e  y  .  M.  202. 

Wie  entsteht  ein  Genital-Prolaps?  Wenn  bei  Anstrengung  der 
Bauchpresse  die  DĂŒnndĂ€rme  gegen  die  Beckenorgane  andrĂ€ngen, 
so  ist  es  in  erster  Linie  der  autonome  Haftapparat,  der  sie  in 
ihrer  Lage  im  Becken  erhÀlt.  Der  liaftapparat  ruht  seinerseits 
auf  dem  Beckenboden  und  hat  an  ihm  eine  StĂŒtze.  Sobald  er 
insuffizient  ist,  dient  die  Muskulatur  des  Beckenbodens  als 
2.  Widerstandsstaffel.  Gelangt  aber  jetzt  irgend  ein  Teil  der  (ie- 
nitalorgane  in  den  Bereich  der  Genitalspalte,  so  wird  er  zum 
„Geburtsobjekt",  der  Widerstand  des  Puborectalis  wird  ohne 
weiteres  ĂŒberwunden  und  der  Introitus  vaginae  passiert.  Am 
hÀufigsten  gelangt  die  vordere  Scheidenwand  in  den  Bereich  der 
Genitalspalte,  weil  die  DĂŒnndĂ€rme  am  stĂ€rksten  gegen  die  Blase 
andrÀngen,  diese  am  wenigsten  Widerstand  leistet  und  die  jetzt 
entstehende  Cystocele  die  Scheidenwand  vor  sich  herdrÀngt. 
Aehnlich  wie  die  vordere  Wand  durch  eine  Cystocele,  so  kann  die 
hintere  Wand  durch  eine  Rectocele  oder  eine  Enterocele  des 
Douglas  eingestĂŒlpt  und  vorgedrĂ€ngt  werden.  Am  hĂ€ufigsten 
geben  schlecht  verheilte  Dammrisse  Anlaß  zu  Vorfall  der  hin- 
teren Scheidenwand.  Prolapsus  uteri  setzt  eine  mangelhafte  Be- 
festigung im  Stratum  subperitoneale  voraus.  Zweifellos  spielt 
bei  der  Ausbildung  der  iascialen  Gebilde  und  damit  auch  in  der 
Aetiologie  des  Prolaps  die  Konstitution  eine  hervorragende  Bolle. 
Die  relativ  kleine  Bolle,  die  dem  Levator  ani  zur  Verhinderung 
der  Prolapse  zugeteilt  ist,  steht  in  Uebereinstimmung  mit  seiner 
phylogenetischen  Entwicklung.  Seine  ursprĂŒngliche  Bestimmung 
war  gar  nicht,  ein  Beckenschließer  zu  sein,  er  diente  vielmehr 
als  Schwanzbeweger  und  ist  erst  durch  den  Verlust  des  Schwan- 
zes diesem  Zweck  entfremdet  worden.  Erst  jetzt  trÀgt  er  zu  der 
durch  den  aufrechten  Gang  nötig  gewordenen  VerstÀrkung  des 
unteren  Beckenabschlusses  bei,  hat  dabei  jedoch  an  StÀrke  we- 
sentlich eingebĂŒĂŸt.  Ein  TeilstĂŒck  hat  sich  zum  Lig.  Sacrö-tube- 
rosum  umgewandelt,  ein  anderes  ist  zwischen  unbeweglichen 
Knochen  (Beckenwand  und  Kreuzbein)  ausgespannt;  das  kleinste 
TeilstĂŒck,  das  wir  als  Puborectalis  bezeichnen,  tritt  erst  bei  den 
anthropoiden  Affen  mit  dem  Bektum  in  Beziehung,  indem  es  das- 
selbe von  hinten  umfaßt  und  nach  vorn  ziehen  kann. 

Zur  Frage  der  rektalen  Untersuchung  in  der  Geburtshilfe. 
Daß  bezĂŒglich  der  Deutlichkeit  des  Befundes  die  vaginale  Unter- 
suchung der  rektalen  ĂŒberlegen  ist,  braucht  kaum  gesagt  zu 
werden.  Einen  wesentlichen  Vorteil  aber  hat  die  rektale  Unter- 
suchung vor  der  vaginalen,  nĂ€mlich,  daß  sie  jede  Infektion  mit 
exogenen  Keimen  sicher  vermeidet.  Am  besten  sind  natĂŒrlich 
die  Frauen  daran,  die  ĂŒberhaupt  nur  Ă€ußerlich  untersucht  wur- 
den; daher  wird  man  sich,  wenn  immer  möglich,  auf  die  Ă€ußere 
Untersuchung  beschrĂ€nken,  sie  ergibt  fĂŒr  die  meisten  FĂ€lle  ger 
nĂŒgend  Aufschluß  ĂŒber  den  Geburtsverlauf.  In  den-  FĂ€llen,  wo 
eine  innere  Untersuchung  ĂŒberhaupt  nötig  ist,  genĂŒgt  fast  immer 
die  rektale  Untersuchung  zur  Erzielung  exakter  Besultate;  fĂŒr 
die  Hebammen  ist  sie  meist  ausreichend.    Um  bakteriologisch 


möglichst  einwandfrei  zu  sein,  muß  die  rektale  Untersuchung  mil 
richtiger  Technik  vorgenommen  werden  In  der  Praxis  sollte  die 
vaginale  Untersuchung  nur  fĂŒr  besonders  schwierige  FĂ€lle  reser- 
viert werden.  Held  (Berlin). 

Hygiea,  Stockholm. 

31.  Januar  1922,  84,  Heft  2. 

❖  Hypertonie  und  Zuckerkrankheit.    Eskil  Ky  I  i  n.  19. 

nypertome  und  Zuckerkrankheit.  Beitrag  zur  Symptomatologie 
des  Alters-Diabetes.  Der  Verf.,  der  unabhÀngig  von  Fahren- 
k  a  m  p  festgestellt  hat,  daß  bei  der  sog.  benignen  Nephro- 
sklerose Volhards  (im  Gegensatz  zur  akuten  diffusen 
Glomerulonephritis)  zwar  eine  arterielle  Hypertonie,  aber  keine 
kapillare  Kompressions-Drucksteigerung  besteht,  hat  bei  solchen 
FĂ€llen  mittels  Morgen-  und  Abendmessung  regelmĂ€ĂŸige  tĂ€gliche 
Schwankungen  des  arteriellen  systolischen  Blutdruckes  bis  zu 
75  mm  Hg.  beobachtet,  C.  MĂŒll  e  r  (Kristiania)  mittels  Abend-  und 
Nachmessung  sogar  Unterschiede  von  95  mm  Hg.  gefunden. 

Angesichts  dieser  tÀglichen  Schwankung  hÀlt  K  y  1  i  n  eine 
organische  GefĂ€ĂŸverĂ€nderung  als  Ursache  der  „einfachen  arte- 
riellen Blutdrucksteigerung"  fĂŒr  ausgeschlossen,  er  fĂŒhrt  sie  viel- 
mehr auf  eine  allgemeine  Vasokonstriktion  zurĂŒck,  fĂŒr  die 
er  wiederum  unter  Hinweis  auf  die  Blutdrucks-LabilitÀt  des 
Klimakteriums,  auf  die  Kastraten-Hypertonie  und  besonders  auf 
die  diÀtetische  Hypertonie  eine  Störung  der  inneren  Se- 
kretion verantwortlich  macht. 

Bei  der  Zuckerkrankheit,  die  mit  gestörter  TÀtigkeit  der  endo- 
krinen DrĂŒsen,  die  den  Kohlehydrat-Umsatz  regeln,  in  Zusammen- 
hang gebracht  worden  ist,  erhielt  der  Verf.  in  21  FĂ€llen  von 
juvenilem  Diabetes  (bei  Kranken  unter  40  Jahren)  lauter 
normale  Blutdruckwerte,  unter  50  FĂ€llen  von  senilem  Dia- 
betes (bei  Kranken  ĂŒber  40  Jahre)  dagegen  36  m  a  1  Werte 
ĂŒber  160  mm  Hg  (davon  22  ĂŒber  180  mm  Hg),  wobei  diese  Hyper- 
toniker wiederum  die  gleichen  Tagesschwankungen  aufwiesen, 
wie  sie  bei  der  Nephrosklerose  regelmĂ€ĂŸig  gefunden  wurden. 

Daß  ĂŒberhaupt  sehr  enge  Beziehungen  zwischen  „einfacher 
arterieller  Hypertonie"  („benigner  Nephrosklerose"  Volhards)  und 
Diabetes  mel.  bestehen,  folgert  der  Verf.  noch  aus  dem  wiederholt 
von  ihm  beobachteten  Ausgang  der  ersteren  in  letzteren,  aus  dem 
auf  beiden  Seiten  gleichen  Blutbilde  (Anstieg  des  Ly-Anteiles  auf 
40 — 50  %  der  normal  bleibenden  Gesamtzahl  der  Weißen),  aus  dem 
Einfluß  einiger  endokriner  DrĂŒsen  sowohl  auf  Blutdruck  wie  auf 
Kohlehydrat-Umsatz  (Nebennieren,  Hypophysis,  Sexual-DrĂŒsen?), 
aus  dem  wiederholt  von  ihm  beobachteten  Ausgang  der  Hypertonie 
in  Diabetes  und  aus  dem  von  ihm  in  mehreren  FĂ€llen  erbrachten 
Nachweis  herabgesetzter  Kohlehydrattoleranz  bei 
scheinbar  reinen  Hypertonikern. 

Einen  erhöhten  Blutzuckerspiegel  konnte  er  allerdings  unter 
15  daraufhin  untersuchten  Hypertonikern  nur  1  m  a  1  bei  gleich- 
zeitiger Hirnblutung  nachweisen.  Schnabel,  Gießen. 

Finska  LÀkaresÀllskapets  Handlingar,  Helsirigfors. 

Januar-Februar  1922,  64. 

Lieber  Hungerblockade  und  innere  Sekretion.    T  a  1  1  q  u  i  s  t  ,  T.  W.  l. 
Pathologische  Histologie,  Aetiologie  und  Pathogenese  der  Arteriosklerose  mit 
besonderer  BerĂŒcksichtigung  ihres  VerhĂ€ltnisses  zur  luetischen  ArtherĂŒtis. 
K  e  r  p  p  o  1  a  ,  W.  18. 
‱{‱■Gastritis  phlegmonosa.    Sandelia,  T.  37. 

♩Hioldsolreaktion  der  ZerebrospinalflĂŒssigkeit  bei  Syphilis  des  zentralen  Ner- 
vensystems.   J  a  n  s  s  o  u  ,  G.  44. 
Fall  von  S&rcoma  capitis.    B  a  r  d  y  ,  H.  68. 

Gastritis  phlegmonosa.  Verfasser  teilt'  zwei  FĂ€lle  von  Ga- 
stritis phlegmonosa  mit,  die  beide  einen  tödlichen  Verlauf  nah- 
men. In  beiden  FĂ€llen  handelt  es  sieh  um  diffuse  Phlegmone. 
In  dem  einen  wurde  eine  Operation  (Resektion)  vorgenommen. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  des  resezierten  Magens  ließ 
typische  VerĂ€nderungen  der  Magenwand  erkennen;  außerdem 
aber  wurde  ein  Karzinom  entdeckt,  das  mit  bloßem  Auge  nicht 
bemerkt  worden  war.  Erst  nachdem  das  PrÀparat  mit  Formalin 
geschrumpft  war,  konnte  der  Tumor  erkannt  werden.  In  der 
Wandung  fand  sich  eine  Reinkultur  von  Streptokokken  vor. 
Verfasser  erstattet  kurzen  Bericht  ĂŒber  die  Krankheit. 

Die  Goldsolreaktion  der  ZerebrospinalflĂŒssigkeit  bei  Syphilis 
des  zentralen  Nervensystems.  Unter  Hervorhebung  der  großen 
Bedeutung  der  Liquoruntersuchung  fĂŒr  die  Diagnose  einer  Neuro- 
nes weist  Verfasser  auf  die  MĂ€ngel  hin,  mit  denen  die  vorher 
gebrÀuchlichen  Reaktionen  behaftet  sind,  und  bezeichnet  die 
Goldsolreaktion  als  das  beste  bisher  erzielte  Ergebnis  der  fort- 
wÀhrenden Bestrebungen,  empfindlichere  und  mehr  spezifische 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —  Nr.  14/15. 


Reaktionen  auf  diesem  Gebiete'  ausfindig  zu  machen.  Die  Gold- 
solreaktion, die  heutzutage  in  der  Liquordiagnostik  einen  hervor- 
ragenden Platz  einnimmt  und  als  der  W  R  in  mancher  Hinsicht 
ĂŒberlegen  angesehen  wird,  beruht  auf  der  fĂ€llenden  Einwirkung 
der  pathologisch  verĂ€nderten  ZerebrospinalflĂŒssigkeit  auf  das 
Gold  einer  kolloidalen  Goldlösung,  die  je  nach  dem  Grade  der 
fÀllenden  Kraft  eine  verschiedene  FÀrbung  annimmt. 

Die  klinische  Bedeutung  der  Goldsolreaktion  wird  vom  Ver- 
fasser in  folgenden  Punkten  zusammengefaßt: 

1.  Die  Goldsolreaktion  ist,  weil  empfindlicher  als  die  W  R, 
von  großer  Bedeutung  fĂŒr  den  Nachweis  einer  beginnenden  lueti- 
schen Infektion  des  zentralen  Nervensystems. 

2.  Die  Goldsolreaktion  bietet  uns,  trotz  gewisser  BeschrÀn- 
kungen, reichlichere  differentialdiagnostische  Möglichkeiten  dar 
als  die  W  R,  und  zwar  sowohl  zwischen  den  verschiedenen  lue- 
tischen Manifestationen,  als  auch  zwischen  diesen  auf  der  einen 
und  den  nichtluetischen  Affektionen  des  «zentralen  Nervensystems 
auf  der  anderen  Seite. 

3.  Die  Goldsolreaktion  ist  ein  dermaßen  empfindliches  Re- 
agens auf  luetische  VerĂ€nderungen  der  ZerebrospinalflĂŒssigkeit, 
daß  bei  negativem  Ausschlag  eine  Neurolues  als  ausgeschlossen 
anzusehen  ist,  was  bei  entsprechendem  Verhalten  der  W  R  nicht 
behauptet  werden  kann. 

El  siglo  medico,  Madrid. 

25.  Februar  1922,  69,  Heft  3559. 

Klinische   Chirurgie.    F  o  r  t  a  c  i  n  .  H.  B.  197. 
❖Einseitige  hysterische  Blindheit.    Maren  Amat,  M.  199. 
Klinische   Bemerkungen   ĂŒber  Meningitis.     S  u  n  e  r.  202. 
Ecthyma  gangraenosum.     S  c  i  1  i  a.  206. 

Aufbesserung  des  Gesundheitszustandes  iu  Spanien.    M  u  n  o  z  A  n  t  u  n  a  n  o, 
L.  206. 

Einseitige  hysterische  Blindheit.  MĂ€dchen  von  26  Jahren, 
von  krÀftigem,  fast  athletischem  Körperbau,  bisher  nie  krank, 
nicht  belastet,  erkrankte  plötzlich  mit  halbseitigem  Kopfschmerz, 
der  sechs  Tage  anhielt,  Erbrechen,  Stuhlverstopfung,  Erblindung 
auf  dem  linken  Auge,  Blepharospasmus  links.  Bei  der  Unter- 
suchung zeigt  es  sich,  daß  links  das  obere  Augenlid  ĂŒber  das 
untere  herunterhÀngt,  jedoch  ist  es  nicht  ganz  schlaff,  wie  bei 
einer  echten  Ptosis,  sondern  hat  einen  gewissen  Tonus;  das  Auge 
selbst  ist  etwas  nasalwÀrts  abgewichen  (Strabismus  convergens), 
geringe  Behinderung  der  Abduktionsbewegung,  kein  Nystagmus; 
die  Pupille  ist  etwas  kleiner  als  rechts,  gute  Reaktion  auf  Licht 
und  Akkomodation;  Druck  geringer  als  rechts;  vollkommene 
Schmerzunempfindlichkeit  beim  Druck  auf  den  Bulbus;  AnÀsthesie 
der  Cornea,  der  Conjunctiva  und  der  vom  ersten  Ast  des  Trige- 
minus  versorgten  Gesichtshaut.  Die  Prognose  war  nicht  leicht 
zu  stellen,  da  so  verschiedenartige  Symptome  vorlagen.  Es  wurde 
eine  anti-spasmodische  Waschung  verordnet  und  in  der  Haupt- 
sache psychische  Beeinflussung  angewandt;  vom  2.  Tag  an  wurde 
pro  die  1  mg  Strychnin  injiziert.  Der  Visus  besserte  sich  sehr 
schnell,  Blepharospasmus  und  Strabismus  verschwanden;  perime- 
trisch konnte  beiderseitig  eine  Einengung  des  Gesichtsfeldes  fest- 
gestellt werden,  links  stĂ€rker  als  rechts,  das  Feld  fĂŒr  Rot  ist 
grĂ¶ĂŸer  als  das  fĂŒr  Blau.  Nach  14  Tagen  wurde  Patientin  geheilt 
entlassen.  Drei  Wochen  spÀter  erschien  sie  mit  denselben  Symp- 
iomen;  dieses  Mal  wurde  sie  in  vier  Tagen  geheilt.        L  u,r  j  e. 

La  Pediatria  Espaflola,  Madrid. 

31.  Dezember  1921,  10,  Nr.  111. 

❖Encephalocele.    A  r  q  u  e  1  1  a  d  a  .  A.  M.  361. 
Meningokokkenmeningitis.    Ca  vengt,  S.  379. 

Fall  von  metapneumonischer  Pleuritis  purulenta.    M  a  r  i  s  e  a  1 ,  T.  382. 

Die  Encephalocele  ist  eine  echte  Neubildung,  die  nach  einer 
Theorie  von  Pajares  dadurch  entsteht,  daß  die  gleichmĂ€ĂŸige  Ent- 
wicklung des  knöchernen  SchÀdels  durch  Interposilion  abirren- 
den Gewebes  eine  Unterbrechung  erleidet;  die  einzig  erfolgreiche 
Behandlung  der  Encephalocele  ist  die  chirurgische  und  zwar  — 
nach  der  zuerst  von  Spitzy  in  Graz  angegebenen  Methode  eine 
zweiseitige:  Exstirpation  und  Autoplasie.  Lurje. 

II  Policlinico,  Rom  (Sezione  Pratica). 

20.  Februar  1922,  29,  Nr.  8. 

❖Blutzucker  bei  Arteriosklerose.  Botti.   A.  249. 
Zwei  FÀlle  tuberkulöser  Meningitis  in  herniplegischcr  Form.    P  u  1  v  i  1  e  n  t  i. 
S.  251. 

❖Die  Serotherapie  bei  postdiphtherischer  SpĂ€tlĂ€hmung.  T  a  n  g  Ii  e  r  o  n  i  .  D. 
256. 


Der  Blutzuckergehalt  bei  Arteriosklerose  mit  erhöhtem  Blut- 
druck. Die  Untersuchungen  ergaben  eine  Erhöhung  des  Zuckers 
im  Blut  sowie  eine  Herabsetzung  der  Zuckertoleranz.  Bei  vielen 
der  Kranken  war  die  Leber  vergrĂ¶ĂŸert.  Bei  einem  Teile  der 
Patienten  bestanden  SchÀdigungen  des  nervösen  Apparates  und 
eine  Begrenzung  der  MuskelaktivitÀt  durch  Hemiplagie.  Eine 
Beziehung  zwischen  Blutdruckerhöhung  und  Zuckergehalt  des 
Blutes  anzunehmen,  lehnt  Verfasser  ab,  da  die  Menge  des 
Zuckers  und  der  Grad  der  Blutdruckerhöhung  keine  Beziehung 
aufwiesen. 

Die  Serumtherapie  bei  spÀten  post-diphtherischen  LÀhmun- 
gen. Das  Resultat  der  Serumtherapie  bei  dem  vom  Verfasser 
beschriebenen  Fall,  ein  Kind  von  3  Jahren  mit  diphtherischen  Er- 
scheinungen am  8.  Krankheitstag,  ergab  sehr  guten  Erfolg. 

Cordes  (Berlin 

27.  Februar  1921,  29,  Nr.  9. 

❖Grundstoffwechsel.     F  i  I  i  p  p  i  n  i  .   A.  281. 

Prae-   und  postoperative  Komplikationen   bei    Inguinalhernien.     X  a  p  o  1  efr 
t  a  u  o  ,  F.  289. 

Nervöse  Erscheinungen  bei  Helminthiasis.    G  r  i  f  i  ,  V.  292. 

Grundstoffwechsel.  Verfasser  stellt  Untersuchungen  am 
ruhenden  Menschen  an  zur  ErgrĂŒndung  des  sog.  Grundumsatzes, 
um  auf  diesem  „Stoffwechselbefund  in  der  Ruhe"  Grundlagen  fĂŒr 
Versuche  am  Arbeitenden  zu  finden.  Der  Grundumsatz,  der  sich 
unter  gleichen  Bedingungen  hinsichtlich  Puls,  Atmung  und  Tem- 
peratur konstant  verhÀlt,  bietet  Anhaltspunkte  in  Sonderheit  zum 
Studium  endokrinischer  VerhÀltnisse,  besonders  des  Hypo-  und 
liyperthyreoidismus.  Cordes  (Berlin 

Rivista  Ospedaliera,  Rom. 

31.  Dezember  1921,  11,  Nr.  24. 

❖Semiologie   des  Lungenhilus.     Sforga.  N.  541. 

Fall  von  puerperaler  Metritis  mit  Hysterektomie   behandelt.    M  c  I  I  e  1 1  i . 
M.  551. 

Landrysche  Paralyse  bei  infektiösein  Ikterus  infolge   Spirochaetose.     A  r  - 
m  a  n  d  o  .  S.  555. 

Semiologie  des  Lungenhilus.  Die  Gegend  des  Lungenhilus  ist 
von  außerordentlicher  Bedeutung  fĂŒr  das  Zustandekommen  der 
akustischen  AtemphÀnomene.  Die  Entstehung  des  vesikulÀren 
A-temgerÀusches  ist  hauptsÀchlich  zu  suchen  in  den  Modifikatio- 
nen der  Schnelligkeit,  der  Richtung  und  der  Menge  der  Luft- 
ströme bei  ihrer  Passage  durch  den  Lungenhilus  von  Röhren  mit 
engerem  in  solche  mit  weiterem  Lumen,  je  nach  Exspiration  und 
Inspiration.  Dies  ist  nicht  nur  fĂŒr  die  Beurteilung  der  norma- 
len Atmung,  sondern  auch  der  pathologischen  VerÀnderungen  von 
Wichtigkeit.  Bei  dem  frĂŒhzeitigen  Ergriffensein  des  Lungenhilus 
durch  die  Tuberkulose  haben  die  hierdurch  bedingten  VerÀnde- 
rungen der  Atmung  einen  großen  Wert  fĂŒr  die  FrĂŒhdiagnose  der 
Lungentuberkulose,  die  sich  aufeine  genaue  radioskopische,  per- 
kutorische und  auskultatorische  Untersuchung  des  Hilus  zu 
stĂŒtzen  hat.  Die  Gegend  des  zweiten  und  dritten  Interkostal- 
raumes, zwei  Querfinger  außerhalb  des  Sternalrandes,  bildet  bei 
pathologischen  AtemgerĂ€uschen  stets  eine  „Zone  des  Alarms  '. 

L.  Kanner. 


La  Pediatria,  Neapel. 

15.  Februar  1922,  30,  Nr.  4. 

❖Untersuchungen  ĂŒber  Agglutinine  bei  Typhus  im  Kindesalter.    Ma  g  g  i  o  r  e. 
S.  145. 

Verhalten  des  Blutdruckes  bei  Keuchhusten.    A  n  g  e  1  i  s  ‱.  F.  de.  152. 
Beitrag  zum  Studium  des  Nahrungsbedarf  des  SĂ€uglings.    P  e  s  t  a  1  o  z  /.  ;i. 
C.  158. 

Diagnostischer  Wert  der  Agglutininbestimmung  beim  Ty- 
phus. Verfasser  hat  von  Kranken  stammende,  sowie  Labora- 
toriumskulturen von  Typhusbazillen  mit  agglutinierenden  Seris 
aus  verschiedenen  Instituten  untersucht.  Die  Laboratoriums- 
stÀmme werden  viel  schwÀcher  agglutiniert  und  werden  auch 
durch  Ueberimpfen  auf  verschiedene  NÀhrböden  nicht  stÀrker 
agglutinierbar.  Die  von  den  Kranken  stammenden  werden  bald 
von  allen  Seris  (jedoch  in  verschiedenem  Grade)  bald  nur  von 
einem,  bald  von  gar  keinem  agglutiniert.  Man  muß  daher  die 
Vidalsche  Probe  stets  mit  mehreren  Kulturen  vornehmen;  auch 
ein  negativer  Ausfall  spricht  nicht  gegen  Typhus,  da  es  StÀmme 
gibt,  die  nur  von  dem  Serum  des  betreffenden  Kranken  selbst 
agglutiniert  werden.  Tezner  (Wien). 


Jahre.  —  Nr.  14  15. 


A u  s    den    neuesten    /  e  1 1  s  c  h  r  i 1 1  e  n 


325 


Paris  medical. 

KS.  Februar  1923,  Nr.  7. 

Kiu  Kapitel  ĂŒber  die  Histogenesc  der  Gusch WĂŒlste:  Die  GeschwĂŒlste  weih- 
liehen  Typs  beim  Murine,  mÀnnlichen  Typs  bei  der  Krau.  Menetrles 
P  e  y  r  o  n  und  I  s  c  h.  -  W  a  I  1.  i,tS. 

"'«'  KPKfcnwartigen  Kenntnisse  tiber^die  histologischen  RegressionsvorgÀnge 
bei  den  mit  X-  und  Y-Strahlen  behandelten  Krebsen.    L  11  e  a  s  s  a  g  u  e. 

Der  infektiöse  Tumor  der  Vögel  und  seine  Bedeutung,  fĂŒr  das  experimentell« 

Studium  des  Krebses.    P  e  y  r  o  n.  14«. 
Biopsie  und   Krebs.     Rubens-Duv  a  1.  1S8. 

Paris  medical. 

25.  Februar  1922,  Nr.  8. 

Die  Wiederherstellung  der  Augenhöhlen.    T  e  r  r  i  e  u.  ist. 
Die  Lokaliisation  des  Schankers.    Möse  a  u.  159. 

❖  Bemerkungen  Uber  ein  neues  Hypuotikum:  Das  Pbenylaethylbydalltoin 
,       sei  m  a  und  S  c  h  w  a  r  t  z.  162. 

♩Spontane  epileptifome  Krisen  bei  der  serofibrinösen  Pleuritis     L  a  u  b  r  v 
unu  d  I  o  c  Ii.  166. 

Phenylaethylhydantoin.  Nach  den  dortigen  Versuchen  dem 
Verona!  und  Luminal  ĂŒberlegen,  ohne  die  schweren  Intoleranz 
erscheinungen,  die- sonst  beobachtet  wurden.  ZweckmĂ€ĂŸige  Dosis 
0,3—0,75. 

Spontane  epileptiforme  Krisen  bei  der  serofibrinösen  Pleu- 
ritis. Beschreibung  eines  Falles,  wo  eine  Pleuritis  mit  einem 
epileptischen  Anfall  sich  einleitete.  Sammlung  von  6  Àhnlichen 
Hallen  aus  der  Litera^r.  Pathogenese:  Vagusreiz  durch  die 
EntzĂŒndung  der  Pleura.  Therapie:  Morphium  vor  der  Thoraco- 
centose.  „  c  „ u 

v.  Schnizer. 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

4.  Februar  1922,  Nr.  10. 

De,-  Unterricht  im  Hospital  und  der  Lehrstuhl  fĂŒr  propĂ€deutische  medizi- 
nisene   Klinik.    Sergent.  E.  101. 

8.  Februar  1922,  Nr.  11. 

^sÄ*»  den  ceryi;?-ulwi»en  Karzinoms  durch  Hysterektomie  nach  R». 
'I  wmbehand'lung.   M  o  n  o  d  .  R.  und  M  o  n  o  d  .  O.  113. 

Aguirierte  ImmunitÀt  durch  chronische  Erkrankungen.    Dufour.  H.  llö. 

11.  Februar  1922,  Nr.  12. 

❖Die   Wirkung   des   Radiums   auf  den  karzinomatösei 
M.  12). 

♩Die  respiratorischen  Variationen  des  arteriellen  Druckes 
E.  und  S  o  u  1  a  .  L.   C.  123. 

Experimentelle  Grundlagen  der  Arsenotherapie  der  Syphilis  auf  intramusku- 
lÀrem   \\  ege.     Pomaret.   M.  124. 

❖  reber    die    Anwendung    des    Chinidins    bei    der    cardialen  Therapeutik. 
C  h  e  l  n  i  s  s  e  .  L.  126. 

Die  Wirkung  des  Radiums  auf  den  karzinoniatösen  Uterus, 
k  erf.  hatte  Gelegenheil,  an  zahlreichen  FĂ€llen  von  Radikalope- 
rationen nach  mehrfacher  vorangegangener  Bestrahlung  die  histo- 
logischen \  erÀnderungen  zu  beobachten,  die  das  Radium  auf  den 
l  terus  ausĂŒbt.  Dabei  zeigte  sich,  daß  die  Emanationen  eine  deut- 
liche PrĂ€dilektion  fĂŒr  die  FlĂŒssigkeitssĂ€ulen  der  BlutgefĂ€ĂŸe 
haben,  deren  Wand  eine  fibrinoide  Nekrose  erleidet,  wÀhrend  das 
karzinomatöse  Epithel  vielfach  erhalten  bleibt.  Die  Lichtung  des 
GefĂ€ĂŸes  selbst  und  somit  die  Blutzirkulation  bleibt  unbeeintrĂ€ch- 
tigt. Ferner  zeigt  sich  eine  starke  Verzögerung  der  Phagozytose 
flurch  Verhinderung  der  Leukozytenvermehrung,  die  nach  jeder 
Gewebszerstörung  einzusetzen  pflegt. 

Die  respiratorischen  Variationen  des  arteriellen  Druckes.  Bei 
Untersuchung  des  Radialpulses  mit  dem  elektromagnetischen 
Sphygmographen  ergab  sich,  daß  die  Druckwellen  respiratorischen 
Ursprungs  in  der  Radialis  am  Handgelenk  fortdauern,  wenn  man 
auf  den  Arm  einen  Gegendruck  ausĂŒbt,  der  zwischen  dem  Maxi- 
mum und  Minimum  steht  und  im  Radialpuls  die  Wellen  kardialen 
Ursprungs  unterdrĂŒckt.  Dieses  PhĂ€nomen  gilt  nicht  nur  fĂŒr  dys- 
pnmsehe  sondern  fĂŒr  alle  Individuen;  es  grĂŒndet  sich  nach  der 
Beobachtung  Pachons  darauf,  daß  ein  derartiger  Druck  den 
Blulstrom  gleichmĂ€ĂŸig  macht  und  die  systolischen  SchlĂ€ge  bis  zur 
völligen  UnterdrĂŒckung  unterhalb  des  Gegendruckes  abschwĂ€cht. 
Die  Forldauer  der  respiratorischen  Wellen  beweist  deutlich  die 
PermeabilitÀt  der  Arterie.  WÀhrend  eine  hermetische  Obliteration 
schwer  zu  erzielen  ist,  können  die  kardialen  Wellen  leicht  unter- 
drĂŒckt werden,  wenn  stromaufwĂ€rts  ein  Gegendruck  ausgeĂŒbt 
wird,  der  höher  ist  als  das  Minimum. 

Leber  die  Anwendung  des  Chinidins  bei  der  kardialen  Thcra- 
geutik.  Von  den  3  Alkaloiden  Chinin,  Cinchonin  und  Chinidin 
ist  das  Chinidin  das  wirksamste,  vor  allem  bei  vollkommener 
Aryth  mie  durch  Vorhofsflimmern;  in  wenigen  Stunden  wird  so- 


Uterus.     L  e  t  u  i  1  e  . 
Cons  tantin, 


wohl  Rhythmus  wie  Schlagzahl  normal,  wenigstens  in  der  Mehrzahl 
der  FĂ€lle.  (01%).  Die  Anwendung  geschah  so,  daß  .'(  Tage  lang 
1,25  g  bis  1,50  g  Chinidinsulfat  mehrmals  in  21  Stunden  gegeben 
wurde.  Zeigte  sich  kein  Erfolg,  wurde  die  Therapie  aufgegeben, 
im  andern  Falle  wurde  dann  10  I  I  Tage  lang  tÀglich  1  g  gegeben, 
dann  abwechselnd  4  Tage  lang  Digitalis  in  kleinen  Dosen  und 
5  Tage  lang  1  g  Chinidin.  Nach  2  Buhetagen  derselbe  Zyklus 
mehrere  Monate  hindurch.  Gleichzeitige  Anwendung  v  on  Digitalis 
und  Chinidin  ist  ein  therapeutischer  Irrtum,  dagegen  empfiehlt 
sich  eine  Vorbehandlung  mit  Digitalis  bei  schwerer  Herzinsuffi- 
zienz, um  die  Energie  zu  heben.  Da  Nebenerscheinungen  wie 
Diarrhoe  und  Erbrechen  zuweilen  auftreten,  empfiehlt  es  sieh,  den 
Kranken  wÀhrend  der  Behandlung  genau  zu  beobachten,  doch 
haben  die  beunruhigenden  Symptome  keine  ernstere  Bedeutung. 

Haber. 

Lyon  Medical,  Lyon. 

10.  Februar  1922,  131,  Nr.  :;. 

❖  Milchinjektioneai  bei  Bubouen.    B  0  D  n  e  t     V.   M.  und  -I  U  i  i  n  .  '  P,  Vi. 

Betrachtungen  ĂŒber  Bubonen,  die  mit  Milch-Injektionen  be- 
handelt wurden.  Die  Verff.  sehen  von  jeder  theoretischen  Er 
örterung  ab  und  beschrÀnken  sich  darauf,  die  von  ihnen  ge- 
sammelten persönlichen  Besultate  wiederzugeben.  Die  gewÀhlte 
Technik  war  denkbar  einfach.  Die  Sterilisation  der  Milch  er- 
folgte durch  Kochen  im  Wasserbad,  injiziert  wurden  5  cem  sub- 
cutan, nachdem  man  sich  jedesmal  ĂŒberzeugt  hatte,  daß  die  Ka- 
nĂŒle nicht  in  einer  Vene  steckte.  Immer  wurden  die  Injektionen 
gut  vertragen;  lokal  bestand  geringe  Schmerzhaftigkeit  und 
Bötung,  beides  von  kurzer  Dauer.  Temperatursteigerungen  waren 
inkonstant  und  ebenfalls  rasch  vorĂŒbergehend.  Was  das  thera- 
peutische Ergebnis  anlangt,  so  ist  vorauszuschicken,  daß  nur 
13ubonen  im  wirklich  entzĂŒndlichen  Stadium  zur  Behandlung 
kamen.  Bei  all  diesen  war  eine  rasche  BĂŒckbildung  der  ent- 
zĂŒndlichen Erscheinungen  zu  verzeichnen.  Wenn  auch  die  ge- 
ĂŒbte Behandlung  die  Eiterproduktion  nicht  immer  zu  verhĂŒten 
vermochte  oder  die  Resorption  des  Eiters  provoziert  hat,  so  gab 
sie  doch  dem  Eiterungsprozeß  einen  ausgesprochen  milden  Ver- 
lauf. Eine  gesetzmĂ€ĂŸige  Beziehung  zwischen  der  StĂ€rke  der 
Allgemeinreaktion  und  dem  therapeutischen  Resultat  lĂ€ĂŸt  sich 
nicht  aufstellen.  Held  (Berlin). 

Archives  de  Medecine  des  enfants,  Paris. 

MĂ€rz  1922,  25,  Nr.  3. 

❖Saccharosurie    bei    Cholera    infantum.     W  o  r  i  u  g  e  r  .    P.  129. 
❖Tuberkulose,    des    Herzens    beim    Kinde.     K  o  r  y  b  u  t  -  D  a  szkie'wlc  /. 
B.  150. 

Mongolische  Idiotie.     Vaugiraud,  M.  de.  158. 

Pottsche    Krankheit    mit    umfangreichem    MediastinalabszelJ.  Barbier. 
H.  und  A  rbei  t.  163. 

Die  Saccharosurie  bei  der  alimentÀren  Intoxikation.    Bei  der 

schweren  akuten  ErnÀhrungsstörung  des  SÀuglings  findet  man 
fast  immer  gesteigerte  DurchlĂ€ssigkeit  der  Darmwand  fĂŒr  Rohr- 
zucker. Im  Beginn  der  Erkrankung  bestehen  keine  gesetzmĂ€ĂŸigen 
Beziehungen  zwischen  dem  Grade  der  DurchlÀssigkeit  und  der 
Schwere  des  Krankheitsbildes.  Dagegen  ergibt  die  Beobachtung 
des  Verlaufs  gesetzmĂ€ĂŸige  Beziehungen  der  Art,  daß  bei  zu- 
nehmender Schwere  der  Erkrankung  die  Zuckerausscheidung  an- 
steigt, wÀhrend  sie  bei  Erholung  der  Kinder  bald  aufhört  Im 
umgekehrten  Sinne  wie  die  Zuckerausscheidung  schwankt  die 
Harnmenge.  Die  DurchlÀssigkeit  des  Darms  ist  also  einer 
schnellen  Heilung  zugÀnglich.  Sie  scheint!  nicht  die  Ursache  der 
Intoxikation  zu  sein. 

Die  Tuberkulose  des  Herzens  beim  Kinde.  Bericht  ĂŒber  einen 
Fall  von  Tuberkulose  des  Herzens  bei  einem  Kinde  von  1  Jahr 
8  Monaten,  das  plötzlich  starb  und  bei  der  Obduktion  ein  ge- 
platztes etwa  nußgroßes  Aneurysma  der  Herzspitze  aufwies,  in 
dessen  NĂ€he  sich  noch  ein  erbsgroßer  tuberkulöser  kĂ€siger  Herd 
mit'  beginnender  Verkalkung  fand.  Kleine  Tuberkel  fanden  sich 
auch  auf  dem  Endokard  des  linken  Herzens.  H.  Vogt. 

The  British  med.  Journal,  London. 

25.  Februar  1922,  Nr.  3191. 

❖Die  Prostatahypertrophie.    Walker.  K.  M.  297. 

❖Stoffwechsel  bei  Kindern  wĂ€hrend  einer  Freiluftkur,  Heliotherapie  -der 
Balneotherapie.  Hill.  L..  Argyll  Campbell.  .1.  und  D  m  u  - 
v  a  i  n  .  H.  301. 

Streptokokkeninvasion  durch  Mund   und  Nase.     B  ding  ton.   D.   C  'i04. 
Die  Resultate  der  Sanatoriumbehandlung  der  Tuberkulose.    Burl  0  n  V  «  u  - 
Hing.  F.  W.  und  F  a  n  n  i  n  g  ,  W.  J.  306. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —  Nr.  14/15. 


Haemorrhagische  Kolitis.    Keorg  Braut.  3.  W.  308. 
Der  intrapleurale  Druck  beim  artifiziellen  Pneumothorax.    L  a  w  s  o  n.  J.  309. 
Ein  Fall  von  Megakolon.    F  1  i  n  t ,  E.  R.  31U. 
(jrastvoenterostomie  und  Diiit.    0  '  C  o  n  o  r  ,  J.  310. 
Erblindung  nach  Influenza.    Hill  A  a  i  t  k  e  n  ,  J.  311. 
DuodenalgeschwĂŒr  bei  einem  SĂ€ugling.    Y  o  u  n  g  .  H.  G.  K.  311. 
Ein  Fall  von  Trypanosomiasis  geheilt  durch  Antimon.    Bassett  Smith, 
P.  311. 

Die  Prostatahypertrophio.  Es  ist  unmöglich,  die  Hyper- 
trophie als  eine  Folge  einer  einfachen  chronischen  EntzĂŒndung 
aufzufassen.  Ebensowenig  glaubt  Verf.,  daß  der  Krankheit  eine 
Tumorbildung  zugrunde  liegt'.  Er  glaubt,  daß  die  Hypertrophie 
eigentlich  eine  fibroepitheliale  Entartung  ist,  die  bei  der  Frau 
ein  Analogon  in  der  seroeys tischen  Degeneration  der  Brust  hat. 
Die  Ursache  der  Erkrankung  ist  unbekannt.  Daß  hier  endokrine 
Faktoren  eine  Rolle  spielen,  isi1  wahrscheinlich.  Es  ist  sehr  merk- 
wĂŒrdig, daß  die  Krankheit  bei  Mongolen  und  Negern  fast  ganz 
unbekannt  ist. 

Stoffwechsel  bei  Kindern  wÀhrend  einer  Freiluftkur,  Helio- 
therapie oder  Balneotherapie.  Der  Stoffwechsel  von  Kindern  mit 
chirurgischer  Tuberkulose  wurde  genau  untersucht.  Es  stellte 
sich  heraus,  daß  wĂ€hrend  einer  Freiluftkur  der  Stoffwechsel  bis 
40  %  IntensitÀt  zunimmt.  Die  Steigerung  durch  Heliotherapie  war 
viel  weniger  intensiv.  Auch  durch  BĂ€der  steigt  der  Stoffwechsel 
ganz  betrÀchtlich.  Koopmann  (Haag). 

The  Lancet,  London. 

{25.  Februar  1922,  202,  Nr.  5139. 

Da«  Farbensehen.    Edridge  Green.  F.  W.  357. 
Spasmen  des  Verdauungsapparates.    de  Bec  Turtle,  G.  361 
Gamma-Strahlen  und  maligne  GeschwĂŒlste.    Morton.  R.  364. 
*J*Tiefenbestrahlung   des   Krebses;    ein    persönlicher   Eindruck   aus  Erlangen 
Kingsley  Ward,  H.  366. 
Ein  Fall  von  Sklerema  neonatorum.    B  o  u  r  n  e  .  E.  368. 
❖Die  Anwendung  der  Korrelationsmethode  bei  der  Harnuntersuchung.  Po- 
well White.  O  369. 

Ein    ungewöhnliches   Ereignis    wÀhrend   einer   Appendektomie.  Porter. 
F.  J.  W.  371. 

Ein  Fall  von  Puerperalsepsis-Heilung.    Robinson.  J.  H.  371. 

Tiefenbestrahlung  des  Krebses.  Verf.  betrachtet  die  Behand- 
lung nach  Krön  ig,  Friedrich,  Seitz,  W  i  n  t  z  u.  a. 
als  einen  außerordentlichen  Fortschritt.  Da  aber  die  fihera- 
peutische  und  die  gefÀhrliche  Dosis  nicht  weit  von  einander 
liegen,  soll  die  Methode  nur  von  speziell  ausgebildeten  Fach- 
Ă€rzten ausgefĂŒhrt  werden. 

Die  Anwendung  der  Korrelationsmethode  bei  der  Harnunter- 
suchung. Die  Harnanalyse  kann  nur  die  Frage  beantworten, 
welche  Ionen  und  welche  Radikalen  im  Harne  gelöst  sind,  nicht 
aber,  zu  welchen  Substanzen  sie  verbunden  sind.  Verf.  hat  ver- 
sucht festzustellen,  ob  zwischen  der  Ausscheidung  verschiedener 
Substanzen  eine  Korrelation  besteht.  Wenn  z.  B.  eine  Korrela- 
tion zwischen  der  Ausscheidung  von  Na  und  P2  05  besteht,  darf 
man  glauben,  daß  Natriumphosphat  im  Harne  gelöst  ist.  Es 
hat  sich  nun  herausgestellt,  daß  Na,  K  und  Cl,  zusammen  mit 
dem  Wasser  und  also  wahrscheinlich  durch  die  Glomeruli  den 
Körper  verlassen.  Die  Ausscheidung  von  Harnstoff,  HarnsÀure  und 
Schwefel  geht  unabhÀngig  vom  Wasser  vor  sich  und  geschiieht 
wahrscheinlich  durch  die  Tubuli.  P2  05,  Mg  und  Ca  scheinen 
sowohl  durch  die  Tubuli  als  durch  die  Glomeruli  ausgeschieden 
zu  werden.  Es  ist  deshalb  nicht  wahrscheinlich,  daß  die  Harn- 
sÀure als  Na-Urat  im  Harne  vorkommt;  es  ist  wahrscheinlich, 
daß  Kalzium-  und  Kalium-Urate  vorkommen.  Kalium  wird  aber 
vor  allem  in  Chloriden  ausgeschieden.  Natrium  ist  als  Chlorid, 
Phosphat  und  Sulfat  im  Harne  gelöst.  Kalzium  und  Magnesium 
werden  als  Chloride,  Phosphate  und  Sulphate,  vielleicht  auch 
als  Urate  ausgeschieden.  Alkalisalze  der  AetherschwefelsÀure 
scheinen  nicht  vorzukommen.  Koopmann  (Haag). 

The  Journal  of  Pathology  and  ßacteriology,  Edinburgh. 

Januar  1922,  25,  Nr.  i. 

■  Baz.    Welchii.    das    Haemotoxin    und    die    Xeuhalisation    mittels  Antitoxin. 
Henry,  H.  1. 

Der  Einfluß  von  verdĂŒnnten  SĂ€uren  auf  das  bakterielle  Wachstum  in  opti- 
maler Hionen-Konzentration.    Hall.  Walter  .T.  und  FrÀser.  A.  D.  19. 

Fettige  VerÀnderungen  in  Leber,  Herz  und  Niere.    I  m  r  i  e  .  ('.  G.  26. 

Eine  Tuberkulose-Àhnliche  Erkrankung  bei  einem   Moeresfische   mit  sÀure- 
festen Bazillen.    Sutherland,  P.  L.  31. 
â–șJ»Die  Wa  R  mit  aktivem   Serum.     Browning,   ('.   IT..  D  u  n  I  ff  p  ,  E.  M. 
und  Kenn  a  w  a  y  .  E.  L.  36. 

Klassifikation  der   Laktose   vergÀbrenden  Organismen  in  KÀse.   Waaser  und 
MĂ€Jch.    R  e  d  m  a  r  .  T.  63. 


Studien  ĂŒber  heterophiles  Antigen  und  Antikörper.    T  a  n  i  g  u  c  h  i.  T.  71. 
*$*BlutplÀttchenantiserurn.  seine  SpezifizitÀt  und  .-eine  Rolle  bei  der  experimen- 
tellen Purpura.    Bedson,  S.  P.  94. 
Beitrag  zur  Kultivierung  des  Gonokokken.    J  e  n  k  i  n  s  .  ('.  E.  in."). 

Die  WaR  mit  aktivem  Serum.  Seren,  die  aktiviert  eine  neg  i 
live  WaR  geb*n,  können,  wenn  aktiv,  positiv  reagieren.  Das  er 
scheint  durch  den  Alkohol  des  Antigens  verursachi  zu  werden. 
Es  gelingt,  jedes  Serum  positiv  zu  machen  dadurch,  daß  eine 
genĂŒgende  Menge  Aethyl-  oder  Methylalkohol  zugefĂŒgt  wird.  In 
einigen  FĂ€llen  ist  die  ZufĂŒgung  von  Alkohol  zu  einem  Serum  ge- 
nĂŒgend, um  eine  positive  WaR  zu  bekommen;  in  anderen  FĂ€llen 
ist  es  auch  nötig,  Lipoide  zuzusetzen.  Jedenfalls  sollte  man  nie 
eine  Wa  R  mit  aktivem  Serum  ausfĂŒhren. 

BlutplÀttchenantiserum,  seine  SpezifizitÀt  und  seine  Rolle  bei 
der  experimentellen  Purpura.  Verf.  hat  die  verschiedenen  Sub- 
stanzen des  Blutes  bei  Tieren  eingespritzt  und  so  Antisera  gegen 
die  verschiedenen  Elemente  erhalten.  Nur  das  AntiplÀltchen- 
serum  gibt  bei  Einspritzung  Purpura.  WTenn  man,  z.  B.  durch 
Einspritzung  von  Gelatine  bei  Kaninchen,  die  Zahl  der  PlÀttchen 
verringert,  entsteht  keine  Purpura.  Die  Purpura  durch  Ein- 
spritzung von  AntiplÀttchenserum  kommt  durch  zwei  Faktoren 
zustande:  1.  Toxische  Wirkung  auf  das  GefĂ€ĂŸendolhel.  2.  Ver 
ringerung.  der  BlutplÀttchen.  Koopman  (Haag). 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

18.  Februar.  1922,  78,  Nr.  7. 

‱HJereteren-Obstruktion.    San  es,  K.  I.  47,">. 
Die  Diagnostische  Bedeutung  der  Volumensleistung   .on  Tag-   und  Nacht- 
Urin.    Jones,  H.  W.    177.  , 
^HĂ€matogene     Staphvhikokkeninfektion    nach    Hautherden.  Phemister. 
D.  B.  480. 

ErnÀhrungsfragen  bei  Ekzem  im  SÀuglingsaltcr.  Sc  ottO'Kee  f  e  ,  F..  1-3. 
‱H'orpus  Luteum-Extrakt  in  der  Behandlung  de-  Schw  augerschaft-cihrechens. 

K  i  n  g  ,  E.  L.  484. 
Empyem  der  Highmorschen  Höhle  nach  Zahnextraktion.  Lyons,  H.  K.  (86. 
Ausbruch  einer  Ikterusepidi  mie.    Hiscoek.  1.  V.  und  Rogers.  <>.  K. 

488. 

'    Die  Schickprobe.    Z.ingher.  A.  490. 

‱frScktionsbefunde  in  12  FĂ€llen  von  Pest.  Hart  m  a  n,  H.  und  B  o  w  ie  .  A.  493. 
Augioneurotisches  Oetlem.    Mcl'lvaine.  .1.  497. 
Fall  von  Akromegalie.      Benjamin.  .1.  E.  499. 

Multiple  HirnnervenlÀhmung  nach  extrakranieller  Erkrankung.    P  o  1  1  o  c  k. 
L.  J.  502. 

Ureterenstrikturen.  Die  hÀufige  Fehldiagnose  bei  l'reter- 
slrikturen  ist  einmal  auf  die  verschiedenen  Àtiologischen  Fak- 
toren, das  andere  Mal  auf  die  anatomischen  VerhÀltnisse  zwi- 
schen Ureter  und  den  benachbarten  Organen  zurĂŒckzufĂŒhren.  In 
der  Regel  werden  Appendizitiden  angenommen,  und  erst,  wenn 
nach  erfolgter  Operation  die  betreffenden  Patienten  von  ihren 
Beschwerden  nicht  befreit  sind,  ergibt  eine  genaue  Nachunter- 
suchung das  Vorhandensein  von  tJreterstrikturen.  Verf.  fĂŒhrt 
fĂŒr  diese  Auffassung  drei  typische  Krankengeschichten  an.  Dia- 
gnostisch wichtig  ist  eine  genaue  Anamnese.  Besonders  charak- 
teristisch ist  es,  daß  die  Patienten  ĂŒber  kontinuierliche  Schmer- 
zen klagen,  die  meistenteils  vom  RĂŒcken  nach  der  Blase  aus- 
strahlen, ferner  werden  hĂ€ufig  Angaben  ĂŒber  Harndrang,  Harn- 
verhaltung oder  Inkontinenz  gemacht.  Zuweilen  bringt  eine  ge- 
naue physikalische  Untersuchung  Klarheit,  mit  Sicherheit  wird 
man  aber  die  Diagnose  erst  auf  Grund  einer  genauen  Urinunter- 
suchung, mit  Hilfe  der  Zystoskopie,  des  Ureterenkatheterismus, 
des  Röntgenograms  und  der  Urographie  stellen. 

SekundÀre  hÀmatogene  Staphylokokkeninfektionen  von  der 
Haut  ausgehend.  Es  gehört  durchaus  nicht  zu  den  Seltenheiten, 
daß  sich  im  Anschluß  an  relativ  leichte  und  oberflĂ€chliche  Haut 
wunden  (Pyodermien*  kleinen  Abszessen  usw.)  eine  Staphylo- 
kokkeneinschwemmung in  die  Blutbahn  vollzieht.  Es  kann  dann 
zu  Osteomyelitis,  zu  multiplen  Nierenabszessen,  perinephritischen 
Abszessen  oder  zu  einer  Myositis  kommen.  Verfasser  hat  aber 
auch  einige  FÀlle  beobachtet,  in  denen  der  primÀre  Herd  nicht 
ausfindig  zu  machen  war.  Es  liegt  die  Vermutung  nahe,  daß  in 
solchen  FĂ€llen  die  Infektionsquelle  vielleicht  in  den  ZĂ€hnen  zu 
suchen  ist.  Daß  von  hier  Streptokokkeninfektionen  ausgehen 
können,  ist  in  neuerer  Zeit  von  verschiedenen  Autoren  bewiesen. 
Auf  Grund  tierexperimenteller  Untersuchungen  glaubt  Verf.,  daß 
gewisse  StÀmme  zu  bestimmten  Krankheitsprozessen  besondere 
AffinitÀt  haben.  So  konnte  man  mit  StÀmmen,  die  beim  Men- 
schen Veranlassung  zu  osteomyelitischen  Prozessen  gegeben 
hatten,  beim  Tier  gleiche  osteomyelitische  Prozesse  kĂŒnstlich  er- 
zengen. 

Erfahrungen  mit  Corpus  Luteum-Extrakt  bei  der  Behandlung 
von    Schinna» srs<  haftserbreehen.      Im    Gegensatz   besonders  zu 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


32? 


10.  Jahrg. —  Nr.  14/15. 


Ilirsi  hai  Verfasser  in  einer  Reihe  von  FĂ€llen  keine  Erfolge 
von  Corpus  Luteum-Extrakl  sehen  Können.  Wenn  auch  einige 
ganz  leichte  FĂ€lle  geheilt  wurden,  so  trifft  das  fĂŒr  mittelschwerc 
oder  schwere  FĂ€lle  hol/  ziemlich  reichliche]  Dosierung  in  dem 
'Material  des  Verfassers  nichl  zu.  Dieselben  Mißerfolge  sah  Ver- 
fasser bei  der  Anwendung  von  Ovarialexlrakl,  Pferdeserum  oder 
Epipephrineinsprilzungeii 

Sektiontsbcfunde  von  12  PestfĂ€llen.  Verfasser  berichten  ĂŒber 
die  anatomischen  Befunde  bei  II  hallen  von  Bubonenpest  und 
einem  Fall  von  Lungenpest.  Die  genauen  histologischen  Befunde 
eignen  sich  nicht  zu  einem  kurzen  Referat.  Im  allgemeinen  kann 
gesagt  werden,  dali  die  Verfasser  wesentlich  neue  Befunde  nicht 
mitteilen.  K  À  c  kell  Hamburg 

Archives  <>f  International  Medioine,  Chicago. 
Iii.  Januar  1922,  29.  Nr.  I. 

❖  Motorisches  PhĂ€nomen  am  normalen  Magen  sowie  bei  Gregcuwart  eines  Ulcus 

pepticum  Nuoroskopisch  beobachtet.   Ii  e  y  n  ö  1  d  s  .  1..  und  M  c.  C  Iure 

C.  W.  l. 

Kapillare  Zirkulation.   F  r  e  e  <l  I  a  n  «l  e  r  .  8.  U.  und  I.  e  n  Ii  a  r  t ,  ('.  II.  12. 
❖Proteinbedarf  bei  Tuberkulose.    M  t.  C  a  u  u  .  W.  S.  33. 
❖Chinidin  bei  Vorhofflimmern.   Eyster,  J.  A.  E.  und  Pa  Ii  r  .  fi.  K.  r>fl. 

Tuberkulose  des  Herzens.    Weiß,  E.  64. 

Intravenöse  Injektionen  hypertonischer  Salzlösungen  in  FĂŒllen  Nun  Venro- 

syphilis.    W  y  n  n  .  .T.  72. 
Stoff  wrchscluutcrsuchungen  bei  progressiver  pseudohypertiöphischer  Muskei- 

dystrophie  und  anderen  Muskclatrophien.    (t  i  l>  9  0  n  .  R.  B..  M  a  r  t  i  n  . 

F.  T.  und  Rennselaer   B  u  e  11 .  M.  ra  n.  82. 
Stickstoffbedarf   bei    Diabetes  mellitus.     M  a  r  s  Ii     P.    1...    N  e  »  h  a  r  u  h  . 

L.  H.  und  Holly,  L.  E.  97. 
Mykotische  embolische  Aneurysmen  peripherer  Arterien.    R  i  c  Ire  y  ,  <'..  de 

Wayne  und  Mac    Lach  1  an.  W.  W.  (i.  131. 

IHe  motorischen  Erscheinungen  bei  normalen  MĂ€gen  und  bei 
Ulcus  pepticum,  beobachtet  im  Röntgenschirm.  Röntgenunter- 
suchungen bei  normalen  Menschen  und  Patienten  mit  Schmerzen 
bei  I  leus  pepticum  ergaben,  daß  die  MotilitĂ€tsvorgĂ€nge  des  Ma- 
gens in  krankhaften  Zustanden  etwas  von  der  Norm  abwichen. 
Ks  gibt  im  Röntgenbild  aber  keine  motorische  Erscheinung,  die 
man  als  typisch  fĂŒr  Ulcus  bezeichnen  könnte.  Die  abnormen 
motorischen  Vorgange  dĂŒrfen  nicht  fĂŒr  den  Schmerz  verantwort- 
lich gemacht  werden.  ‱ 

Der  Proteinverbrauch  bei  Tuberkulose.  Durch  Stoffwechsel- 
Untersuchungen  an  Tuberkulösen  fand  der  Verfasser,  daß  bei 
einer  DiĂ€t,  die  pro  die  62 — 93  g  Eiweiß.  150  g  Fett  und  150  2 
Kohlehydrate  2.">(X)  Kai.)  betrug,  Stickstoffgleichgewicht  erzielt 
werden  kann.  Mehr  als  90  g  Prolin  taglich  zu  geben,  bringt 
keinen  sichtbaren  Nutzen. 

Beobachtungen  ĂŒber  die  Wirkung  von  Chinidin  bei  Vorhofs- 
If Ummern.  Bericht  ĂŒber  2  FĂ€lle  von  Vorhof  sflimmern,  bei  denen 
nach  den  Angaben  von  Frey  Chinidin  verabfolgt  wurde.  Chini- 
din hat  bei  jenen  FĂ€llen  von  Vorhofsflimmern.  die  nicht  durch 
vorgeschrittene  valvulÀre  oder  myokarditische  Insuffizienz  kom- 
pliziert sind,  ausgezeichnete  Wirkung  entfaltet,  Das  Mittel  soll 
aber  mit  grĂ¶ĂŸler  Kritik  und  unter  dauernder  klinischer  Kontrolle 
Elektrokardiogramm  angewandt  werden.  In  FĂ€llen  schwerer 
chronischer  Herzerkrankungen  sollte  Chinidin  nur  im  Stadium 
völlig  wiederhergestellter  Kompensation  gegeben  werden,  da  es 
leicht  zu  einer  Störung  wieder  beginnender  Kompensation  fĂŒhrt. 

Li  F  a  r  m  e  r  L  o  e  b. 

The  Journal  of  Medical  Research  Boston. 

Oktober-Dezember  1921,  42.  Nr  5 

Experimentelle    Erzeugung    funktioneller    Hypertrophie    von  Ganglienzellen. 
Colli  e  r  .  W.  D. 

❖  Her  Einfluß  der  (ilvkogcnstnpcluug   auf  die  Autolyse   des  Lebbrgewebcs. 

Simonds.   3,   P„   Re  irling.   F.   11.   und   Hart.    H.  H. 

Experimentelle  Pigmentcirrhose  durch  Kupfer  und  ihre  Beziehungen  ziu 
Haemochromiftose.  M  a  1 1  o  r  >‱  .  F.  lt..  P  a  1 1<  e  r  .  P.  und  N"  5  c  .  R.  V 
❖Hcterotransplantation  der  Linse  und  der  Hornhaut,    P  leishc  r,   M.  s. 

Die  Reinigung  und  Konzentrierung  des  Sehweinecholera-ImmunseTOins  durch 
Kxsikkation.     I)  11  \  al.   C.    W.   und    Couret,  M. 

TrĂŒbe  Schwellung.,  ein  RaiWorgang.    I>  a  \  1  d  rn  a  (i  n     \.  und   [)  0  1 1  e  >  . 

D.  H. 

Der  Kinfluß  der  Glykogenstapelung  auf  die  Autolysc  des 
Lebergewebes.  Die  glykogenfreie  Leber  von  Hunden,  die  mit 
Phlorizininjektionen  vorbehandell  waren,  zeigte  in  vitro  eine  ver 
mehrte  Autolyse  gegenĂŒber  der  Leber  von  normalen  Kontroll 
lieren  und  besonders  im  Vergleich  zu  Lebergewebe  von  Hundi  n 
bei  denen  durch  Verbitterung  großer  Zuckermengen  eine  starke 


ĂŒlykogenanreicherung  bewirkt  worden  war    Der  Glykogengehall 

Wurd6  durch    histologische    I  nlersurhung    nach.  Best    gefÀrbt  ei 

Schnitte  bestimmt, 

rleterotrans  plan  tat  ion  von  Linse  und  Cornea  In  frĂŒheren 
Untersuchungen  konnte  Verf.  nachweisen,  daß  bei  bomoioplasti 

scher  Transplantation  der  Linse  im  (iegensalz  zu  einer  sojchen 
der  Cornea  die  gewöhnlich  zur  Beobachtung  kommenden  Unlei 

schiede  der  Gewebsreaktionen  gegenĂŒber  autoplastischer  Tram 
plantatipn  nur  wenig  in  Erscheinung  treten     Als  Ursache  dieses 
Verhaltens  war  angenommen  worden,  daß  das  Linsengewebe  in 
erster  Linie  sich   durch   organspezifische  Merkmale  an  zeichne 
und  dei   an  das  einzelne  Individuum  geknĂŒpften  Spezilizilal  en1 
hehre.    Zur  weiteren  KlÀrung  dieser  Frage  unternommene  Vcr 
suche   mit  lleterotransplanlalion   brachten    folgende  Ergebnisse: 
das  Epithel  heterotransplantierter   Linsen  erhall   sich  deutlich 
langer  als  dasjenige    der    Cornea    unter    gleichen  Bedingungen 
Hierbei  scheint  die  Linsenkapsel  eine  deutliche  schĂŒtzende  Rolle 
zu  spielen:  die  Gewebsreaktionen  in  der  Umgebung  heieroplastiscb 
Iransplantier! er  Linsen  unterscheiden  sich  nicht    merklich  von 
den    Reaktionen    anderen    helerolransplantierten  Organgeweben 
gegenĂŒber.    Somit  erleidet  die  Annahme  der  ĂŒberwiegenden  Or- 
gnnspezifizitÀt  der  Linse  eine  gewisse  EinschrÀnkung;  möglicher 
weise  spielt  auch  bei  den  obenerwÀhnten  homoioplastischen  Trans- 
plantationen die  Linsenkapsel  eine  entscheidende  Rolle,  der  gegen- 
ĂŒber die  immunbiologische  Organ spezifizi tat  zurĂŒcktritt. 

Wo!  ff  (Hamburg  . 

The  Journal  of  Laboratorv  and  .Clinical  Medicin,  St.  Louis. 

Januar  1922.  7.  Nr.  -1. 

Bestimmung  des.  örundStoffwechsels   und   die   technischen  RrhwteriÄkeite'i: 
Jones,  H.  M.  191. 

❖  Der  Einfluß  der  Verschließung  der  Kulturen  auf  die  Sporenbilduhgi     I*"  I  u 

r  e  n  C  e  ,   L.  199. 

Die   Entfernung   der  Mikroorganismen   aus    Hinter.     \[  e  n  d  e  I  s  "  Ii  11  .7 

W.  208.' 

Die  Synthese   von  Arspbcnamin.     Meyers.   C.  X.  215. 

Ekle  experimentelle  Untersuchung  ĂŒber  die  pharmakologische   VktivitĂ€f  von 

Proben  von  Infus.    Digitalis.    Pharm.  U.  S.  IX.  B  1  i  s  S.  A.  Ii.  225. 
chronische  Nephritis  mit  sehr  starker  S-t.i c k « tot'f re ten t i 011 .    Weiß.   E.  und 

O  a  r  u  e  r  .  V.  C.  229. 
Ein  Fall  von  Sublimatvergiftung.    P  unk.  E.  II.  und  W  e  i  1;  .  K.  2.18. 
Ein  neuer  Mikrokolommeter.    Myers,  V\  0.  237. 

RatschlĂ€ge  fĂŒr  das  Arbeiten  mit  in  Paraffin  eingebettetem  Material    N  Ii  1  t- 
m  a  n  .  R.  C.  240. 

Der  Einfluß  der  Verschließung  von  Kulturen  auf  die  !Sporen- 
bildung.  Durch  einfaches  Verschließen  der  Röhrchen  mit  Siegel 
lack  wird  die  .Sporenbildung  gehemmt  und  die  Mehrzahl  der 
vegetativen  Formen  der  Aeroben  und  der  Fakultativ-Anaeroben 
getQtejt;  die  Verschließung  hat  keinen  Einfluß  auf  die  Obligat- 
Anaeroben.  Das  Verhalten  der  verschiedenen  Bakterienarten  ist 
dabei  nicht  ganz  einheitlich  Koopman  Haag 

Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital.  Baltimore. 

Februar  1922.  33.  Nr.  372. 

Immunologische      Reaktion      auf      die      Kence-  Joncs'schen  Eiwoißkörpei 

B  a  y  n  e  -  .1  o  u  c  s  und  Wilson,  I).   W.  37. 
Vaws  (Framboesia  tropica).    Moß,  W.  L.  und  B  i  g  e  1  o  «  .  (i.  H.  43. 

❖  Fall  von  ChromsĂ€ure- Nephritis.     M  a  j  or,   R.   II.  ."ili. 

❖Anpassung  der  Bakterien  an  das  Wachstum  auf  menschlichen  Schleimhaut 
membranen  mit  besonderer  RĂŒcksicht  auf  die  Rachenflora  bei  Kindern. 
B  I  o  o  m  f  i  e  I  d  .  A.  L,  Gl. 
Dcrinoidzypte   des   Ovariums.     M  a  r  t  /,  I  o  f  l !,'.    K.    II  66. 

Untersuchungen  an  einem  Kall  von  ChromsÀuirenephritis.  Im 
Anschluß  an  die  lokale  Applikation  reiner  ChromsĂ€ure  auf  ein 
ausgedehntes,  zuvor  mit  dem  scharfen  Löffel  cĂŒrettiertes  Wangen  - 
karzinom  entstand  eine  schwere,  innerhalb  von  30  Tagen  zum 
Tode  fĂŒhrende  Nierenaffektion  rein  tubulĂ€ren  Charakters:  die 
histologische  Untersuchung  der  Nieren  ergab  ausgedehnte  Zer- 
störung des  Epithels  der  Tubuli,  die  schwersten  VerÀnderungen 
zeigten  die  gewundenen  tlarnkanĂ€lchen.  GeringfĂŒgige  sklerotische 
VerÀnderungen  einzelner  Glomeruli  sowie  eine  gewisse  intersti- 
tielle Bindcgewebsvermehrung  könnte  auf  Rechnung  des  hohen 
Alters  des  Patienten  zu  setzen  sein.  Die  wÀhrend  der  ganzen 
k rankheitsdauer  vorgenommenen  fortlaufenden  Untersuchungen 
des  l'rins  und  des  Blutes  fĂŒhrten  zu  folgenden  Ergebnissen:  die 
Urinausscheidung  war  nach  anfÀnglicher,  kurzer  Oligurie  eher 
vermehrt,  das  spezifische  Gewicht  war  niedrig,  die  Ausscheidung 
des  Stickstoffs,  der  Chloride,  der  Phosphate,  sowie  des  Kreatinins, 
der  HarnsÀure,  des  Harnstoffs  war  deutlich  verringert.  Eine 
gelegentlich  beobachtete  Glykosurie  zeigte  keine  AbhÀngigkeil 


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Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


vom  Blutzuckerspiegel.  Im  Blut  waren  die  Werte  fĂŒr  Harnstoff, 
anorganische  Phosphate,  AminosÀuren  und  Kreatinin  stark  erhöht!, 
die  HarnsĂ€urewerte  ebenfalls  ĂŒbernormal.  Die  KohlensĂ€ure- 
spannung des  Plasmas  war  vermindert,  als  Ausdruck  einer 
Acidose.  UrÀmische  Symptome  fehlten  vollstÀndig,  ebenso  Oedeme. 

Die  Anpassung  von  Bakterien  an  das  Wachstum  auf  mensch- 
lichen SchleimhĂ€uten,  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 
Rachenflora  der  SĂ€uglinge.  Die  bei  der  Geburt  keimfreie  Mund 
höhle  des  SÀuglings  bevölkert  sich  nach  ganz  kurzer  Zeit  mit 
einer  ĂŒppigen  Bakterienflora;  diese  ist  im  Vergleich  zur  Flora 
des  Erwachsenen  relativ  einförmig  und  setzt  sich  im  wesentlichen 
aus  drei  Gruppen  zusammen:  1.  Mikroorganismen,  die  durch  den 
Saugakt)  in  die  Mundhöhle  gelangen  und  denjenigen  entsprechen, 
die  auf  der  Haut  der  Erwachsenen  normalerweise  nachweisbar 
sind  (Staphylokokkus  albus  und  aureus,  Microkokkus  tetragenus); 
2.  eine  kleine  Gruppe  verschiedener,  nur  vorĂŒbergehend  auf- 
tretender Bakterien;  3.  nicht-haemolysierende  Streptokokken.  Die 
beim  Erwachsenen  hÀufig  anzutreffenden  haemolytischen  S'Tepto- 
kokken,  Pneumokokken  und  Influenzabazillen  fehlen  beim  Neu- 
geborenen. Das  regelmĂ€ĂŸige  Vorkommen  nicht-haemolysierender 
Streptokokken  'spricht  dafĂŒr,  daß  diese  Mikroorganismen  eine 
weitgehende  Anpassung  an  die  in  der  Mundhöhle  des  Menschen 
gegebenen  Bedingungen  besitzen;  das  eigentliche  Wesen  dieser 
Anpassung  ist  uns  nicht  bekannt;  jedoch  gehi  aus  diesen  Beob- 
achtungen hervor,  daß  die  grob-chemischen  Wachstumsfaktoren, 
wie  sie  im  Reagenzglasversuch  nachweisbar  sind,  manche  Tat- 
sache ĂŒber  das  Vorkommen  bestimmter  Bakterien  unter  gewissen 
Bedingungen  nicht  zu  erklĂ€ren  vermögen,  daß  vielmehr  mit 
feineren  biologischen  Anpassungsmomenten  zu  rechnen  ist. 

W  o  1  f  f  (Hamburg,. 

American  Journal  of  Diseases  of  Children,  Chicago. 

Februar  1922,  23,  Nr.  2. 

♩Gibt  es  mehr  als  eine   Art  Ra  ‱hitis?    Shipley.  I'.  G..  Park,    K.  \., 

M  e  C  o  1  1  u  m  .  E.  V.  und  8  i  m  m  o  n  d  s  .  N.  91. 
❖Goldkollohlreaktion  hei  akuter  epidemischer  Poliumyelitis.    R  e'g  a  n  ,  ‱  J.  C 

und  Holmes  Cheney,  G.  W.  10". 
♩Der  klinische  Wert  der  inbaperitonealen  Injektion  von   Salzlösung.     G  i  t '- 

t  i  n  g  s  .  .T.  f.  und  D  o  n  n  e  1 1  y  .  J.  D.  124. 

HĂ€matome  an  den  Herzklappen  von  KĂ€lbern.     Fl  orence  .   L.  132. 
Der  Einfluß  der  Tonsillektomie  auf  die  ErnĂ€hrung.    Kaiser.  A.  I>.  139. 
Fall  von  FußgaugrĂ€n  nach  Diphtherie.    X  o  r  d  o  n     M.  B.  und  N  e  w  m  a  n  . 
B.  142. 

Gibt  es  mehr  als  eine  Art  von  Rachitis?  Wenn  Ratten  bei 
zerstreufem  Tageslicht  im  Laboratorium  eine  Kost  erhalten  ohne 
den  im  Lebertran  enthaltenen  lebenswichtigen  ErgÀnzungsnÀhr- 
stoff,  so  kommt  es  bei  ihnen  zur  Entwicklung  von  Rachitis  unter 
2  Bedingungen:  bei  Phosphormangel  und  ausreichender  Kalk- 
zufuhr oder  bei  Kalkmangel  und  ausreichenden  ■Phosphorgaben. 
Unter  den  gleichen  Bedingungen  erkranken  auch  Kinder  wohl 
sicher  an  Rachitis,  sodaß  auch  bei  ihnen  mit!  zwei  Formen  von 
Rachitis  zu  rechnen  ist.  Tetanie  ist  ein  Ausdruck  des  Kalk- 
mangels im  Nervengewebe:  Rachitis  ein  Ausdruck  der  Ver- 
schiebung des  VerhÀltnisses  von  Kalk  zu  Phosphationen  im 
Skelett.  Tetanie  kommt  vor  ohne  Rachitis,  ebenso  Rachitis  ohne 
Tetanie.  Es  wird  ein  als  ,.renale  Form  von  Rachitis"  gedeuteter 
Fall  beschrieben  bei  einem  3 ]4 jÀhrigen  Kinde  mit  AnfÀllen,  die 
als  urÀmische  Azidose  gedeutet  wurden.  Bei  der  Obduktion 
fanden  sich  mangelhaft  entwickelte  Nieren  und  eigenartige  histo- 
logische VerÀnderungen  der  Knochen.  Bei  Kindern  mit  alimen- 
tÀrer AnÀmie  ist  die  Rachitis  durch  die  Besonderheit  ausge- 
zeichnet, da B  der  SchĂ€del  viel  stĂ€rker  als  das  ĂŒbrige  Skelett 
betroffen  ist.  Anscheinend  handelt  es  sich  audi  dabei  um  eine 
Sonderform  der  Rachitis. 

Der  Wert  der  fortlaufenden  Untersuchung  mit  der  kolloidalen 
Goldreaktion  bei  epidemischer  Poliomyelitis.  Jeder  Fall  von 
Poliomyelitis  im  akuten  Stadium  gab  die  Reaktion  mit  Gold- 
lösung. Die  Durchschnittskurven  fĂŒr  die  ersten  2  Wochen  zeigen 
einen  gut  ĂŒbereinstimmenden  Verlauf,  zunehmende  Reduktion  bei 
steigender  VerdĂŒnnung  der  CerebrosoinalflĂŒssigkeit,  mit  Beginn 
in  der  rötlichblauen  Zone  bei  1  :  10,  Uebergang  auf  die  lila-  oder 
purpurne  bei  1  :  40  bis  1  :  80,  ziemlich  schneller  Abfall  in  die 
rotblaue  bei  1  : 160  und  Erlöschen  der  Reaktion  bei  1  : 640. 
Vor  Ende  der  vierten  Krankheitswoche  wird  die  Kurve  selten 
normal.  In  2  FĂ€llen  war  die  Kurve  noch  in  der  14.  und  18.  Woche 
erhöht;  in  einem  Fall  mit  mehreren  RĂŒckfĂ€llen  wurde  noch 
5  Jahre  nach  Krankheitsbeginn  .eine  bezeichnende  Poliomyelitis- 
kurve erhoben.  Wenn  die  Goldchloridkurve  wieder  regelrecht 
geworden  ist.  scheint  das  akntc  Stadium  der  Krankheit  ĂŒberstan- 
den zu  sein.    Bei  Kranken  mit  ausgesprochener  Polyneuritis  kann 


die  Besserung  der  LĂ€hmung  dem  Verschwinden  der  Goldreaktion 
weit  vorauseilen.  Es  kamen  zeitliche  Schwankungen  im  Ablauf 
der  Kurve  in  den  verschiedenen  Krankheitswochen  vor.  In  den 
meisten  FĂ€llen  ist  eine  Abtrennung  der  Poliomyelitis  von  ver- 
wandten Krankheitsbildern,  wie  Meningitis,  Cerebrospinalsyphilis. 
endemischer  Enzephalitis  mit  Hilfe  der  Goldreaktion  möglich. 

Der  klinische  Wert  der  intraperitonealen  Anwendung  von 
Salzlösungen.  Zur  Wasseranreicherung  eignen  sich  am  meisten 
die  EinfĂŒhrung  mit  der  Sonde  durch  die  Nase  oder  die  intraperi- 
toneale Injektion.  Auf  letzterem  Wege  sollten  auf  einmal  nicht 
mehr  als  300  cem  zugefĂŒhrt  werden;  bei  Kindern  mit  weniger 
als  4  Kilo  Körpergewicht  besser  150  cem  in  wiederholten  Gaben 
Wasserzufuhr  ist  kein  Allheilmittel  bei  ErnÀhrungsstörungen. 

H.  Vogt. 

American  Journal  of  Ophthalmology. 

Januar  1922,  5,  Nr.  1. 

❖Lochbildung  in  der  Maculagegend  an  beiden    Ulgen  durch  eine  —  gleich- 
zeitige —  Verletzung.    Li  .  T.  M.  1. 

Behandlung  der  Tumoren  der  Hypophyse.    Pej  er;  Julius.  5. 

Eine  Neueinteilung  der  Hornhaiiterkrnnkungen.    Calhoun.  F.  P.  8. 
❖Zerstörende  Tuberkulose   im  Auge  eines   Kindes.     S  t  i  1  1  \v  i  1  1  .  H.  R.  14. 
❖  Asthenopie  bei  Tuberkulosis.    M  a  g  r  u  d  e  r  .  A.  C.  16. 

Augenerscheinungen  bei  Enzephalitis  epidemica.    F  o  -  t  e  r  .  M.  h.  20, 

Mclanosarkom  der  Chorioidea.     I-  e  v  y  .   Louis.  24. 

Seborrhoe  der  Meihom-DrĂŒsen.    C  o  \v  p  e  r  ,  H.  W.  25; 
❖Gewisse  Erscheinungen  am  Augcnhintergrnnd  hei  Tuberkulösen.  Patter- 

s  o  n  .  J.  A.  30. 
❖Keratitis  disziformis  nach  Blattern.    Smith.  C.  L.  32. 

Lochbildung  in  der  Maculagegend  an  beiden  Augen  —  durch 
eine  Verletzung.  Ein  22  jÀhr,  chinesischer  Soldat  wurde  beim 
Fußballspiel  vom  Ball  mit  großer  Gewalt  gerade  ins  Gesicht  ge- 
troffen. Die  Eigenart  der  Gesichtsbildung  bei  Chinesen  (flache 
Nase,  wenig  vorstehender  oberer  Augenhöhlenrand,  wenig  tief 
liegende  (in  diesem  Falle  sogar  etwas  vorsiehende  Augen)  er- 
möglichte die  gleich  zeitige  und  gleich  artige  doppelseitige 
BeschĂ€digung  der  Augen  in  der  Netzhautmitte.  —  Der  Fall  ist 
bisher  wohl"  einzigartig  in  der  Literatur.  Westliche  Spiele  der 
genannten  Art  waren  bisher  in  China  noch  wenig  geĂŒbt. 

Zerstörende  Tuberkulose  im  Auge  eines  Kindes.  4  jÀhriges 
Kind.  Amerikaner,  in  der  Familiengeschichte  nichts  VerdÀchtiges. 
Wa.  Probe  negativ,  Pirquet  mild  positiv.  Keine  Ursache 
außer  „ErkĂ€ltung".  Die  Krankheit  begann  als  Iridozyklitis, 
schritt  rapide  fort.  '  Nach  7  Wochen  wurde  Herausnahme  des 
Auges  erforderlich.  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab 
als  Ursache  einen  tuberkulösen  Prozeß  (ausgehend  vom  Strahlen- 
körper). Das  Auftreten  derartiger  Tuberkulose  schon  im  Alter 
von  4  Jahren  mußte  als  ungewöhnlich  erscheinen.  Differential- 
diagnostisch stand  Tumor  in  Frage. 

Asthenopie  bei  Tuberkulose.  Bei  184  genau  daraufhin  be- 
obachteten frĂŒheren  Soldaten  mit  sicherer  Lungentuberkulose 
wurde  sehr  hÀufig  Asthenopie  mit  erheblichen  Beschwerden,  doch 
keinen  objektiven  VerÀnderungen  an  den  Augen  mit  Ausnahme 
kleinster  Fehler  der  Augenbrechung  und  des  Muskelgleichgewich- 
tes gefunden.  Die  Augenstörung  ist  dann  ein  Zeichen  der  all- 
gemeinen SchwÀchung  des  Organismus,  die  zu  beachten  und  eine 
dankbare  Aufgabe  fĂŒr  die  Therapie  ist.  VerĂ€nderungen  am 
Augenhintergrunde.  insbesondere  eine  Erweiterung  der  Venen 
wurden  nicht  gesehen. 

Gewisse  Erscheinungen  am  Augenhintergrund  bei  Tuberku- 
lösen. Im  Gegensatz  zum  Verfasser  des  vorerwÀhnten  Aufsatzes 
wird  auf  Grund  der  Beobachtungen  an  325  FĂ€llen  angenommen, 
daß  Erweiterung  und  leichte  SchlĂ€ngelung  der  Venen  am  Augen- 
hintergrunde bei  Tuberkulösen  und  auch  bei  Tuberkulöse-ge- 
fÀhrdeten  Personen  fruit  Tbk.  in  der  Familienanamnese)  eine 
hÀufig  festzustellende  und  charakteristische  Abweichung  dar- 
stellt. Verf.  fordert  zur  NachprĂŒfung  durch  seine  Fachgenossen 
auf. 

Keratitis  disziformis  nach  Blattern.  Klinischer  Bericht  ĂŒber 
vier  FĂ€lle.  Dreimal  trat  die  Erkrankung  einige  Wochen  nach 
Genesung  von  Pocken  auf.  Im  vierten  Falle  war  die  Er- 
krankung ohne  bekannte  Ursache  entstanden.  (Verletzung  der 
Hornhaut  durch  einen  das  Auge  streifenden  Strohhut  wurde 
snÀter  als  möglich  angegeben.)  In  zwei  von  den  ersterwÀhnten 
FĂ€llen  ging  das  Auge  durch  eintretende  Komplikationen  infolge 
Sekunda reiaukom  verloren.  SĂ€mtliche  ■  Kranken  standen  im  Alter 
von  16—33  Jahren.  Juni  u  s. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  öerlin  W  50 
Verlag  von  HAN  S  PUSCH.  Berlin  SW  46,  Wilhelm  -  Sira&e  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  16/17  Berlin,  den  3.  Mai  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Verlag  behĂ€lt  sieb  das  ausschließliche  Reeht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  Originalbeitrage  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  ver. 


Aus  dem  UniversitĂ€tsinstitut  fĂŒr  ImmunitĂ€tsforschung  Hamburg- 
Eppendorf  (Prof.  Dr.  Hans  Much). 

Zur  Frage  der  Antikörper  gegen  Fettstoffe. 

Von  H  a  n  s  M  u  c  h. 

Von  orthodoxer  Seite  wird  zeitweilig  immer  wieder  ver- 
sucht, gegen  die  Anti-Lipoide  und  Antifette  (spezifische  Li- 
pasen) Sturm  zu  laufen.  Da  es  nicht  anders  geht,  mit  arm- 
seligen Meerschweinversuchen.  Es  ist  kaum  etwas  anderes, 
als  Scheu  vor  der  Wahrheit,  wenn  sich  die  Betreffenden 
Ă€ngstlich  und  geflissentlich  vom  Menschen  fernhalten  und 
um  so  fauter  ĂŒber  Meerschweinchen  die  Stimme  erheben. 

TatsÀchlich  besteht  denn  nun  auch  schon  eine  Literatur 
von  gewaltiger  Ausdehnung,  die  das  Dasein  der  Antilipoide 
und  Antifette  nicht  nur  außer  Frage  stellt,  sondern  ihre  her- 
vorragende und  zum  Teil  ĂŒberragende  Bedeutung  ĂŒber- 
zeugend dartut.  Teils  ĂŒber  HĂ€molyse,  Komplementbindung, 
Bakteriolyse,  teils  ĂŒber  Zellreaktionen.  MerkwĂŒrdigerweise 
sind  all  diese  Arbeiten  wenig  bekannt  und  werden  hÀufig 
geflissentlich  verschwiegen. 

Nachdem  Bang  und  F  o  r  ß  m  a  n  n  die  Existenz  eines 
Lipoidantikörpers  bei  der  HÀmolyse  zuerst  nachgewiesen 
hatten,  waren  es  Much  und  seine  Mitarbeiter,  die  in  aus- 
gedehnten Versuchen  und  Untersuchungen  das  Dasein  des 
bakteriellen  Antilipoids  bewiesen  und  seine  Wichtigkeit  fĂŒr 
die  biologischen  Geschehnisse  bei  den  Krankheiten,  vor 
allem  bei  der  Tuberkulose  festlegten.  Fast  gleichzeitig  fand 
Citron  die  Antilipoide  bei  Tuberkulose,  H.  Meyer  bei 
Bandwurm;  B  e  r  g  c  1  kam  dann  spÀter. 

Die  Entdeckung  der  Antikörper  gegen  Bakterienneutral- 
fctte  muß  ich  als  einen  bescheidenen  Beitrag  zur  Biologie 
allein  fĂŒr  mich  in  Anspruch  nehmen.  Nachdem  somit  die 
bakteriellen  Antilipoide  und  Antifette  einwandfrei  festgestellt 
waren,  wurde  darauf  die  Partigenlehre  aufgebaut,  die  eben 
deshalb  in  ihren  GrundzĂŒgen  unbedingt  sicher  ist  (D  e  y  c  k  e 
und  M  u  c  h).*) 

Der  Tuberkelbazillus  erhÀlt  seine  Widerstandskraft  von 
der  Eigenart  seiner  fettartigen  Bestandteile.  Es  ist  also  klar, 
daß  die  KrĂ€fte,  die  sich  gegen  den  Fettanteil  zu  richten  ver- 
mögen, fĂŒr  den  Körper  die  wichtigste  biologische  Waffe 
gegen  Erreger  und  Krankheit  bedeuten  mĂŒssen.  Es  ist  ge- 
radezu unglaublich,  wie  man  an  dieser  logischen  Schluß- 
folgerung vorbeigedacht  und  vorbeiexperimentiert  hat. 

Daß  es  also  spezifische  Antilipoide  gibt,  steht  außer 
Frage.  Die  HĂ€molyse  ist  eine  Lipoid -Antilipoidreaktion.  Die 
ganze  Komplcmentbindurig  ist  wahrscheinlich  eine  Lipoid  - 
reaktion,  sicherlich  die  Wasscrmannsche  Reaktion,  auch  die 
Bakteriolyse. 


*)  Anm.  Wenn  nur  die  Triglyceride  der  hochmolekularen 
kompliziert  gebauten  FellsÀuren  Antikörper  erzeugen,  so  isl  das 
erklÀrlich  genug.  Diejenigen  der  niederen  FettsÀuren  sind  dem 
-Blut  nicht  unbekannt,  sie  wirken  lediglich  als  nutritiver  Reiz, 
wÀhrend  die  Fette  der  Erreger  als  ungewohnter  hochmolekularer 
Heiz  das  Gleichgewicht  stark  erschĂŒttern. 


Eine  Uebersirht  ĂŒber  die  große  Literatur  und  die  ein- 
zelnen Feststellungen  gibt  Schmidt  in  Heft  4-5  der  Mo- 
dernen Biologie  (Kabitzseh):  Zur  Biologie  der  Lipoide. 
FĂŒr  die  Antikörperbildung  ist  Lipoid  gewiß  ebenso  wichtig 
wie  Eiweiß,  wenn  nicht  wichtiger.  Es  besteht  wohl  eine  nahe 
biologische  Verbindung  zwischen  Eiweiß  und  Lipoid,  so  daß 
Antikörperbildung  am  besten  mit  dieser  ursprĂŒnglichen  Ver- 
bindung möglich  ist.  Es  kann  aber  auch  ein  reines  Anti- 
lipoid  nachgewiesen  werden,  sowohl  bei  der  HĂ€molyse,  wie 
bei  der  TuberkuloseimmunitĂ€t.  NatĂŒrlich  sind  fĂŒr  die  Tuber- 
kulose Meerschweinchenversuche  nicht  nur  entbehrlich,  son- 
dern falsch  und  ein  grober  Fehler.  Denn  es  hat  sich  gezeigt, 
daß  diese  Tiere  gerade  deswegen  so  leicht  ansteckbar  sind, 
weil  sie  nicht  oder  kaum  fÀhig  sind,  Lipoide  und  Fette  zu  ver- 
arbeiten, also  Anti-Lipoidfette  zu  bilden.  FĂŒr  die  Menschen - 
tuberkuloseforschung  sind  sie  also  als  Versuchstier  nicht  nur 
entbehrlich,  sondern  verwerflich.  Ueber  die  Hekatomben 
nutzloser  und  irrefĂŒhrender  Meerschweinchenversuche  wird 
eine  aufgeklĂ€rtere  Zeit  gewiß  ebenso  lĂ€cheln,  wie  wir  ĂŒber 
die  römischen  Haruspices,  die  aus  den  GedÀrmen  der  Tiere 
die  menschlichen  Geschicke  ablesen  wollten. 

Untersucht  man  das  Serum  von  Tuberkuloseangesteckten 
auf  Komplementbindung,  so  findet  man  einen  betrÀchtlichen 
Prozentsatz  von  Reaktionen  gegen  die  Fettbestandteile  des 
Tuberkelbazillus.  Reaktionen  gegen  das  Eiweiß  können  da- 
bei völlig  fehlen.  Das  sind  also  einwandsfreie  spezifische 
Antilipoide.  Diese  Befunde  Muchs  sind  von  Klein- 
Schmidt,  A  1  t  s  t  a  e  d  t,  S  z  a  s  z  und  Vielen,  die  ĂŒber 
Partigene  gearbeitet  haben,  grundsÀtzlich  bestÀtigt  und  neuer- 
dings von  Boquel  und  Negre  außer  Frage  gestellt.  Ja, 
im  Pariser  Pasteurinstitul  benutzt  man  jetzt  sogar  au s  - 
s  chli  e  Blieb  die  Fett  he  s  t  a  n  d  t  ei  1  e  des  Tuberkel- 
bazillus als  Antigen  bei  der  Komplementbindungsreaktion 
und  findet  die  Reaktion  so  spezifisch,  daß  man  mit  ihrer 
Hilfe  aktive  und  inaktive  Tuberkulose  unterscheiden  zu 
können  behauptet!  Die  deutschen  Arbeiten  werden  dabei 
ĂŒbrigens  verschwiegen. 

Ob  man  diese  KrÀfte  spezifische  Lipasen  oder  Lipoid- 
Feltantikörper  oder  Anti-Lipoide,  Anti-Fette  nennt,  ist 
ziemlich  gleichgĂŒltig.  Doch  dĂŒrfte  die  letzte  Bezeichnung  am 
wenigsten  vorweg  nehmen  ĂŒber  die  Art,  wie  man  sich  die 
Wirkung  vorstellt.  Jedenfalls  ist  eine  spezifische  Lipase  da- 
bei beteiligt. 

Diese  spezifischen  Antilipoide  und  Antifette  lassen  sich 
aber  nicht  nur  im  Serum,  sondern  auch  in  Zellen  nach- 
weisen, am  besten  an  denen  der  Haut.  Die  Haut  des  Men  - 
sehen  steht  ja  in  engem  Zusammenhang  mit  der  Zell- 
immunitĂ€l  des  Menschen.  Es  wurde  gezeigt,  daß  viele  Men- 
schen auf  die  Lipoidfette  mit  der  Haut  reagieren,  ohne  daß 
sie  auf  das  Tuberkelbazilleneiweiß  zu  reagieren  brauchen, 
daß  diese  Reaktionen  noch  auf  außerordentliche  VerdĂŒnnun- 
gen des  Fetl-Lipoids  erfolgen  können,  daß  die  ReaktivitĂ€t 
durch  Fett-Lipoid-Behandlung  erhöht  werden  kann.  Ferner 
zeigte  neuerdings  T  i  m  m,  daß  bei  bestimmter  Lichtbehand- 


Much:  Antikörper  gegen  Fettstoffe 


4ĂŒ.  .lahrg.  —  Nr.  16  17. 


hing  die  Hanl  ihre  ReaktivitĂ€t  fĂŒr  das  Neulralfelt  verliert,  sie 
fĂŒr  das  Lipoidgemisch  stark  einbĂŒĂŸt,  wahrend  sie  fĂŒr  das 
Eiweiß  erhalten  bleibt.  Nicht  nur  die  Fette  selbst,  sondern 
auch  die  spezifischen  An  ti  fette  werden  durch  das  Licht 
beeintrĂ€chtigt.  Dies  und  die  Arbeiten  von  ĂŒber  100  Unter- 
suchern am  Menschen  erhoben,  widerlegen  die  klÀglichen,  in 
ihrer  Wiederholung  trostlos  wirkenden  EinwĂ€nde  „Beimen- 
gungen" von  Eiweiß  seien  Schuld  an  den  Lipoidreaktionen. 

Bakterielle  Antilipoide  und  Antifette  (spezifische  Li- 
posen)  gibt  es  also.  Sie  sind  beim  Menschen  die  HaupttrÀger 
des  Tuberkulosekampfes  aus  naheliegenden  GrĂŒnden.  Nun 
ist  aber  beim  Suchen  nach  ihnen  die  Forschung  leider  in 
ein  unlogisches  und  damit  verkehrtes  Fahrwasser  geraten, 
und  zwar  fÀngt  das  schon  bei  dem  sonst  so  verdienstvollen 
Berge  1  an,  und  das  ist  auch  Schuld  an  den  Angriffen,  die 
sich  Bergel  gefallen  lassen  mußte.  Schon  der  Umstand, 
daß  sich  in  den  H  a  u  t  z  e  1  1  e  n  so  weitgehend  Antilipoidfette 
nachweisen  lassen,  mußte  darauf  aufmerksam  machen,  daß 
die  Lymphozyten  nicht  als  alleinige,  ja  nicht  einmal  als 
Hauptspender  der  abgestimmten  Antifette  in  Frage  kommen. 
Hier  gilt  die  klare  logische  Rechnung:  Jeder  Lymphozyt  ent- 
hÀlt unabgestimmte  Lipasen.  Ebenso  treten  periodisch  ver- 
mehrt im  Blute  physiologisch  (Nahrungsaufnahme,  Schwan- 
gerschaft) Lipasen  auf.  Man  hat  sich  beim  Suchen  nach  den 
Lipasen  einseitig  auf  diese  Blutlipasen  und  Lymphozyten  ein- 
gestellt und  ist  nun  erstaunt,  wenn  vermehrte  Blutlipasen 
und  vermehrter  Lymphozytengehalt  nicht  Hand  in  Hand  geht 
mit  klinischer  Besserung.  Hier  macht  man  Fehler:  Erstens 
ist  man  sich  nicht  bewußt,  daß  man  immer  nur  eine  Seite 
des  Kampfes  mißt.  Zweitens  ist  diese  Messung,  sofern  sie 
sich  auf  die  unspezifischen  Blutlipasen  stĂŒtzt,  ganz  unnĂŒtz. 
Denn  wenn  die  unspezifischen  Blutlipasen  dem  Tuberkel- 
bazillus zu  Leibe  gehen  könnten,  mĂŒĂŸte  die  Tuberkulose  bei 
der  periodisch  auftretenden  Lipasenvermehrung  gĂŒnstig  be- 
einflußt werden.  Die  Untersuchungen  werden  ausgefĂŒhrt  mit 
Mono- und  TrÀbutyrin.  Was  hat  das  milden  Tuberkelbazillen- 
lipoiden  zu  tun?  So  findet  man  denn  auch,  daß  ein  Blut  mit 
starkem  Gehalt  an  unabgestimmten  Lipasen  nicht  fÀhig  ist, 
die  Tuberkelbazillen  in  ihrer  Virulenz  zu  beeintrÀchtigen. 
Drittens!  Bestimmt  man  den  Lymphozytengehalt,  so  kommt 
man  nicht  viel  weiter.  Denn  angenommen,  die  Lympho- 
zyten wÀren  nicht  nur  die  Spender  der  unspezifischen,  son- 
dern auch  der  spezifischen  Lipasen  (Bergel),  so  sagt  ihre 
Anzahl,  eben  weil  sie  vor  allem  die  unspezifischen  spenden, 
nichts  aus  ĂŒber  die  Menge  der  spezifischen.  Und  zweitens 
sind  sie  sicher  nicht  die  alleinigen,  ja  nicht  einmal  die 
Hauptspender  der  spezifischen  Lipasen! 

Auch  die  unspezifischen  Lymphozytenlipasen  können 
dem  stark  geschĂŒtzten  Tuberkuloseerreger  ganz  gewiß  wenig 
anhaben.  (Auch  normale  LymphdrĂŒsenauszĂŒge  schwĂ€chen 
den  Erreger  kaum  ab.)  Wenn  anders,  ist  ihm  nur  durch  ab- 
gestimmte, auf  ihn  eingestellte,  also  spezifische  Lipasen  bei- 
zukommen.  Das  Suchen  nach  Blutlipasen  oder 
Lymphozyten  oder  O  r  g  a  n  1  i  p  a  s  e  n  mit  dem 
uns  pe  z  i  f  i  s  c  h  en  T  r  i  b  u  t  y  r  i  n  usw.  ist  also 
ein  Fehlgriff  und  d  a  h  e  r  u  n  nĂŒtz.  Will  m  a  n 
die  spezifischen  Lipasen  suchen  (und  das 
will  man!),  so  muß  man  sie  selbstverstĂ€nd- 
lich mit  Hilfe  des  spezifischen  Stoffes 
suchen.  Man  muß  also  nicht  ein  x  b  e  1  i  e  - 
])  i  g  e  s  L  i  p  o  i  d  ,  s  o  n  d  e  r  n  d  i  e  T  u  b  e  r  k  e  1  b  a  z  i  1  1  e  n  - 
L  i  p  o  i  d  e  selbst  n  e  h  m  e  n.  Und  die  hat  man  ja  in  Ge- 
stalt von  Tb.  F.  und  N. 

Und  ferner,  die  PrĂŒfung  mit  den  spe- 
zifischen   Fettbestantl  teilen    der  Tuberkel- 


bazillen d  a  r  f  nun  w  i  e  d  e  r  u  m  n  i  c  h  l  ein- 
seitig vorgenommen  werden.  Es  genĂŒgt  weder 
der  Nachweis  spezifischer  Lipasen  im  Blute  —  das  haben 
die  Komplementbindungsversuche,  die  ja  diese  spezifischen 
Lipasen  einwandfrei  nachweisen,  gelehrt  (S  z  a  s  z  ,  A  1 1  - 
s  t  a  e  d  t  u.  a.)  — ,  noch  genĂŒgt  ihre  Bestimmung  in  den 
Lymphozyten.  Der  Erreger  siedelt  sich  gerade  gern  in 
den  LymphdrĂŒsen  an! 

Sondern  den  Hauptstoßtrupp  mĂŒssen  wir  wo  anders 
suchen. 

SelbstverstÀndlich  in  den  Zellen.  Die  zugÀnglichsten 
und  glĂŒcklicherweise  zugleich  wichtigsten  Zellen  sind  beim 
Menschen  die  der  Haut.  Also  die  sogenannte  Lipasesuchc  war. 
in  praxi  bisher  verkehrt.  Die  Frage  war  durch  die  Kom- 
plementbindungs-  und  Quaddelprobenversuche  mit  Tb.  F. 
g  r  und  s  À  t  z  1  i  c  h  so  gut  wie  geklÀrt.  Als  neu  könnte  nur 
noch  hinzukommen:  das  Suchen  nach  spezifischen  Li- 
pasen in  den  Lymphozyten  und  das  Suchen  nach  s  p  e  - ' 
zi  fischen  Blut  lipasen  mit  einem  anderen  \'  e  r  - 
fahren  als  der  Komplementbindung.  Etwa:  Verfahren  von 
M  i  c  h  a  e  1  i  s  und  Rona,  aber  nicht  m  i  t  T  r  i  b  ĂŒ  t  y  r  i  n, 
sondern  mit  Tb.  F.  und  Tb.N. 

Außerdem  ist  das  Verfahren  mit  Tributyrin  auch  ein- 
seitig, weil  es  nur  Anlifette,  also  die  Lipase  gegen  Neutralfen 
nachweist.  Es  ist  also  nicht  verwunderlich,  wenn  hier  die 
Ergebnisse  versagen.  Andererseits  haben  schon  N  e.  u  b  e  r  I 
und  Reicher  dargetan,  daß  man  gute  Ergebnisse 
bekommen  kann,  wenn  man  das  Michaelis  -  Ronasche 
Verfahren  statt  gegen  das  unspezifische  Tributyrin,  gegen  ein 
spezifisches  Neutralfett,  wie  Nastih,  anwendet.  Das 
beste  ist  natĂŒrlich  Tb.  N.  Gegen  Tb.  F.,  als  das  Lipoid  der 
Tuberkelbazillen,  ist  das  Verfahren  bisher  noch  nicht  ange- 
wandt. Wir  sind  jetzt  damit  beschÀftigt,  sowie  mit  der  Aus- 
arbeitung eines  noch  anderen  Verfahrens. 

Jedenfalls  sind  das  alles  nur  andere  V  e  r  f  a  h  r  e  n, 
die  an  sich  nichts  Neues  bringen,  sondern  lediglich  das  be- 
stÀtigen, was  wir  schon  vor  13  Jahren  gefunden  und  fest- 
gestellt haben. 

Zum  Schluß  mache  ich  noch  einmal  darauf  aufmerk- 
sam, daß  fast  alle  biologischen  Eiweißkörper  mit  Lipoiden^ 
verbunden  sind.   Es  ist  bisher  nicht  gelungen,  eine  derartig 
Verbindung  so  zu  trennen,  daß  dann  sowohl  Eiweiß  wie  Li 
poid  einen  Antikörper  erzeugt. 

Die  kĂŒnstlichen  Eingriffe  mögen  Schuld  haben.  Jeden- 
falls ist  mit  der  natĂŒrlichen  Eiweißlipoid  v  e  r  b  i  n  d  u  »g 
sowohl  Eiweiß-  wie  Lipoidantikörper  zu  erzeugen,  wobei  es 
zu  entscheiden  sein  wird,  ob  nicht  das  Lipoid  erst  das  Ei- 
weiß zur  biologischen  Bewegung  befĂ€higt! 

Diese  Behauptung  ist  inzwischen  noch  ĂŒberboten 
worden.  Warden,  Gorneil  und  Holly  haben 
fĂŒr  viele  Bakterien  Komplexe  von  fettartige  I 
Stoffen  mit  spezifischer  antigener  Wirkung  nach- 
gewiesen. Diese  Feststellungen  dehnen  sie  sogar 
auf  die  echten  Toxine  aus  und  zeigen, 
daß  die  F  e  1 1  k  o  m  p  1  e  x  e  des  D  i  p  h  l  h  e  r  i  e  b  a  z  i  1  I  u  s 
die  eigentlichen  Antigene  sind,  wÀhrend 
das  B  a  k  t  et  r  i  e  n  e  i  w  e  i  ß  nur  insoweit  an  den 
Antigenfunktionen  beteiligt  ist,  als  es  die 
feine  Verteilung  (kolloidale  Emulgierung)  der 
Fette  fördert!  Ein  GlĂŒck  fĂŒr  die  Herren,  daß  sie  nicht 
in  Deutschland  leben,  sonst  wĂŒrden  sie  gewiß  als  gefĂ€hrliche 
Neuerer  und  Ketzer  mit  dem  schwersten  Banne  eines  Konzils 
belegt  und  durch  das  Feuer  orthodoxer  Redeschlachten  ver- 
brannt werden.    Zum  mindesten  in  effigie. 


10.  .Jahrg.  —  Nr.  10  17. 


Kottmuicr:  Indikntioii.sla  bellen 


Ans  dem  Röntgeninstitut  Dr.  .1  e  a  n  und  Dr.  E  1  s  <‱  K  o  1 1  m  a  i  er  Mainz. 
Indikationstabellen  zur  Röntgenbehandlung. 


Von 

Dr.  J.  K  o  1 1  m  a  i  e  r  -  Mainz. 

K  rankheil 

Röntgenindikation 

Prognose  und  Verlaul 

Dauer  der   Behandlung  ' 
Zahl  der  Bestrahlungen 

Akne  vulgaris 

Rezidive  FĂ€lle,  die  auch 
durch  Höhensonne  nicht 
beeinflußbar. 

HĂ€ufig,  schnell  vorĂŒbergehende,  reaktive 
Steigerung  der  entzĂŒndlichen  Erscheinungen. 
Dauerheilungen'. 

2 — 4  Serien  (zu  einer  oder 
mehreren  Stellen  l  in  Pau 
si  n  von  6  W  ochen. 

.\k(inomvko»u 

Die  Röntgentherapie  ĂŒber- 
trifft jede  andere. 

In  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle:  restitutio  ad  inte- 
grum. Nach  Steigerung  der  EntzĂŒndungs- 
erscheinungen rasche  Verkleinerung  evtl. 
Einschmelzung  der  Infiltrate1. 

'.>  (i  Serien  zu  einer  odei 
mehreren  Stellen:  in  Pau- 
sen vob  3  Wochen. 

Anjrin«  pectoris 

Nur  symptomatische  Be- 
handlung, wenn  interne 
Medikation  versagt. 

HÀufig  Aufhören  der  AnfÀlle.  Linderung  bis 
völlige  UnterdrĂŒckung  der  Schmerzen,  oft 
fĂŒr  Monate.   Evtl.  erneute  Bestrahlung. 

2   Serien   (zu   2   Stellen  in 
Pausen  von  ‱'>  Wochen. 

\  II  ""lolllc 

Sowohl  flache  als  auch  ka- 
vernöse reagieren  mit- 
unter sehr  gut. 

L:i n *' s;»mc  Ii ĂŒeLf hi hin nÂŁ>  bis  Heslilulio  ;id  intc- 

grum. 

4  (>  Bestrahlungen  in  Piu- 
sen von   1  Wochen. 

A  rthritis  deformans 
und 

Arthritis  urica 

symptomatisch  hezw.  adju- 
yierend. 

F  r  i  s.c  h  e  Falle  besonders  rasche  Linderung 
hÀufig  schon  nach  einer  Bestrahlung;  Àltere 

l'  iillo  mitimtpr  bessere  Rpwf1^1!  ichk pi 1 

1 — (>  Serien  zu  einer  oder 
mehreren  Stellen;  in  Pau- 
sen von  o  Wochen. 

Asthma  bronchiale 

Symptomatisch,   im  anfalls- 

frfMPn  ^t'iriiiini    Rpitn   Y  pp 

11  l  IvH    tjluUlUlll.    1 J           1      *  tl 

sagen  anderer  Maßnahmen 
mitunter  noch  hervor- 
ragend gilt. 

Manchmal   schnelle  Abnahme  bis  Versiegen 

Hp<    \  1 1 «<w 1 1 i*f 's      I  inflpriino'  rU*t*   iJv^nnn*1  nt  t 

1 1  V  o     a  Y  H  o  V\  III  lo.        Ij  '  1  1  1  1  '    1    M  1  1  ^     Ul  1       J-'VoJ-MHJt,     \7 1  l 

schon  nach  der  ersten  Serie. 

1    2  Serien    zu  je   1  Stellen 
in  Pausen  von  28  Tagen. 

Basedow 
„Basedowoid" 

Röntgenbehandlung  jeder 
anderen  Behandlung  vor- 
zuziehen und  unbedingt 
vor  Operation  zu  ver- 
suchen.*. 

Meist  nach  der  ersten  Serie,  Besserung  der 
nervösen  Erscheinungen,  RĂŒckgang  der 
Pulsfrequenz,  Gewichtszunahme.  Verkleine- 
rung der  Struma.  Evtl.  vorĂŒbergehende 
Steigerung  des  Ilyperthyrcoidismus. 

Jede  Halsseite  2  (i  mal  in 
Pausen  von  6—8  Wochen. 
Zwischen  den  Bestrahlun- 
gen jeder  Seile  liegen  acht 
Tage. 

Bronchitis  chron. 

s.  Asthma  bronch. 

(  arcinoin 

:i  inoperable  FĂ€lle:  alle 
ohne  ausgesprochene  Ka- 
chexie und  Fermeta- 
stĂ€sen.  Radium  nur  fĂŒr 
FÀlle,  die  mit  dem  PrÀ- 
parat erreichbar  sind. 

Durch  Röntgenbehandlung  bisweilen  Opera- 
bilitÀt erzielbar. 

Linderung  der  Schmerzen;  Sistieren  von 
Blutung  und  Jauchung. 

Zahl  der  Serien  und  Felder 
verschieden  je  nach  Lage 
des  Falles.  FĂŒr  gewöhn- 
lich Serienpausen  von  je 
2.  1,  6,  8  Monaten. 

Ii  operable  FĂ€lle:  gleichbe- 
rechtigt bei  krebsiger 
GebÀrmutter  (l)ödcrlein), 
der  Mamma,  der  Lippe, 
vorzuziehen  bei  Krebs 
der  Vulva. 

Auf  Röntgenbehandlung  ansprechende  FÀlle 
zeigen  meist  schon  nach  der  ersten  Serie 
Besserung  nach  subjektivem  und  objektivem 
Befund. 

< 

c)  prophylaktische  Nachbe- 
strahlung.  sofort  nach 
Heiluni;    der  Operations- 

W  1 1  II  f  1  O 
\\  II  IHK  - 

Dauerheilungen  bedeutend  hÀutiger  mit  Be- 
strahlungen nach  der  Operation  als  ohne 
Nachbeslrahlungen. 

."!  Serien  in  Pausen  von  2,  1. 
(i  Monaten,  dann  evtl.  noch 
wÀhrend  der  nÀchsten  zwei 

I'ihi*p    f-iiiyphip    .Spfioti  in 

mehrmonatlichen  Pausen. 

d)  prÀoperative  Bestrah- 
lung 1—3  Wochen  vor  der 
Operation. 

Durch  LĂ€hmung  der  Geschwulstzellen  Ver- 
hĂŒtung von  Impfmetastasen  und  von  Ver- 
schleppungen in  die  Blutbahn. 

1  Serie. 

Cholecystitis 

Symptomatisch.  Auszu- 
schließen vitale  Indikation 
zur  Operation. 

Bisweilen  glÀnzende  Resultate  auch  bei  ge- 
hÀuften AnfÀllen. 

2  Bestrahlungen  in  Pausen 
von  8  Tagen. 

Clavi 

siehe  Hyperkeratose 

Fungus 

s.  Tbc.  der  Knochen 

Furunkulose 

Versuch  zur  Vermeidung 
chirurgischen  Eingriffs, 
wenn  noch  nicht  vereitert. 

In  großer  Zahl:  Restitutio  ad  integrum,  nach 
vorĂŒbergehender  Zunahme  der  EntzĂŒndungs- 
erscheinungen manchmal  Abszeßbildung. 

1  Bestrahlung. 

GallenblasenkrÀmpfe 

s.  Cholecystitis 

HĂ€mangiom  i 

s.  Angiom 

*)  Hicse  wird  evtl.  nicht  erschwert,  «ondern  durch  Blutsparimg  erleichtert. 


Kottmaier:  Indikationstabellen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16  17. 


Krankheil 

Röntgenindikation 

Prognose  und  Verlauf 

Dauer  der  Behandlung 
Zahl  der  'Bestrahlungen 

HalsdrĂŒsentuberkulosc 

s.  Tbc.  der  Lymph- 
drĂŒsen 

Herpes  tonsurans 

s.  Trichophytie 

Hirntumor 

Inoperable  FĂ€lle,  auch  wenn 
keine    klare    oder  drin- 
gende Operationsindika- 
tion   (rasch  wachsender 
Hirndruck)  besteht. 

Besserung  der  Drucksymptome,  auch  grĂ¶ĂŸere 
.  Anzahl  Heilungen  nach  Steigerung  (gĂŒnsti- 
ges Zeichen)  der  Hirndruckerscheinungen 
(Kopfschmerz,  Erbrechen). 

2 — .i  Stellen  im  Verlaul  von 
1  10  Tagen.  Wiederholung 
nach  etwa  <>  Wochen. 

HyperaciditÀt 

Wirkung  durch  Herabset- 
zung der  DrĂŒsenfunktion. 

Oft  restitutio  ad  integrum.  Normale  SĂ€ure- 
werte, Schwinden  der  subjektiven  Erschei- 
nungen, hÀufig  heftiger  Röntgenkater. 

1  Stelle  in  Pausen  von  drei 
\\  ochen  2 — o  mal. 

Hyperhidrosis 

Nur  lokalisierte  (HĂ€nde, 
FĂŒĂŸe,  Axillen),  nicht  ner- 
vös —  anfallweise  auftre- 
tende Formen. 

In  den  meisten  FĂ€llen  vorzĂŒgliche  Resul- 
tate. Mitunter  bleibt  leichte  Rauhigkeit  der 
Haut. 

2 — 4  Serien  in  Pausen  von 
1  Wochen. 

Hyperkera  tone 

Lokalisierte  Formen 
(HĂ€nde,  FĂŒĂŸe). 

Aussichtsreichste  und  bequemste  Form  der 
Behandlung.  . 

2 — 4  Serien  in  Pausen  von 
1  —6  Wochen. 

Hypophysentumor 

Bei  InoperabilitÀ.t  bezw. 
Operationsverweigerung. 

Weitgehende  Besserung  bis  Heilung  der 
Drucksymptome  (Sehstörungen).  Akrome- 
galiscne  und  dystrophische  Erscheinungen 
bleiben  gewöhnlich  bestehen.  Nach  Be- 
strahlung Hirndrucksteigerung  gĂŒnstiges 
Zeich'en).    Evtl.  dauernde  Epilation. 

!) — (5  Serien  von  je  1 — 5  Stel- 
len in  Pausen  von  je  2.  1. 
Ii.  <S  Monaten. 

Intertrigo 

s.  Ekzem 

Ischias 

s.  Neuralgie 

Karbunkel 

s.  Furunkel 

Kardiospasmus 

s.  Pylorospasmus 

Keloid 

s.  Narbenkeloid 

Kerion  Celsi  . 

s.  Trichophytie 

Krauiosis  vulvae 

s.  Pruritus 

Leukaemic  (ehron.) 

Röntgenbehandlung  sowohl 
bei  myeloischer  wie  lym- 
phatischer LeukÀmie  beste 
Therapie. 

Bedeutende  VerlÀngerung  des  Lebens.  Bereits 
nach  der  ersten  Serie  qualitative  und  quanti- 
tative Besserung  des  Blutbildes.  Verkleine- 
rung von  Milz  und  DrĂŒsen.  Gewichts-  und 
KrÀftezunahme.  Rezidive  nach  Monaten  und 
Jahren.    Schließlich  Exitus. 

In  achttÀgigen  Pausen.  Be- 
strahlungen je  nach  Blut- 
bild.     Kleine  Dosen. 

Liehen  ruber  plan 

AlelnoĂŒe  uei  w  am. 

Ausgezeichnete  Wirkung.  Nach  raschem 
Schwinden  des  Juckreizes:  Restitutio  ad 
integrum. 

i — —  oesii  auiuiij^eu  in  i  ausen 
von'  14  Tagen. 

Liehen  ehren.  Vidal 

s.  Ekzem 

Lungentuberkulose 

s.  Tbc.  d.  Lunge 

Lupus  vulgaris 

s.  Tbc,  d.  Haut 

Lymphogranulomatose 

Einzige  Möglichkeit,  das 
Leben  des  Patienten  oft 
lange  zu  erhalten. 

Oft  langhaltende  Remissionen;  nach  reaktiver 
Schwellung  schnelles  Schwinden  der  Tu- 
moren. Ein  kleiner  Teil  verhÀlt  sich  re- 
fraktÀr. 

Serien  in  Pausen  von  etwa 
6  Wochen. 

Lymphome 

s.  Tbc.  der  Lymph- 
drĂŒsen 

Lymphosarkom 

Therapie  der  Wahl. 

Meist  weitgehende  und  langanhaltende  Besse- 
rung. Heilung  selten.  Oft  schon  nach  der 
ersten  Bestrahlung  bedeutende  Verkleine- 
rung des  Tumors.  Bei  Mediastinallumoren 
rasches  Schwinden  der  Oedeme  und  der 
Dyspnoe.    Rezidiv  nach  Monaten. 

Ein  bis  mehrere  Bestrahlun- 
gen in  Pausen  von  sechs 
Wochen. 

‱10.  Jahrg.  —  Nr.  16/17 


Kottmaier:  [ndikationst:i  liillrii 


Krankheit 

Röntgenindikation 

Prognose  und  Verlauf 

Dauer  der  Behandlung 
Zahl  der  Bestrahlungen 

Mala  rin 

Im  akuten  Stadium  kontra- 
indiziert, 

Im    latenten    Stadium  zur 
Provokation  von  AnfÀllen: 

a    zu  diagnostischen, 

l>  zu  therapeutischen 
Zwecken. 

Im  chronischen  Stadium  zur 
Behandlung  unregelmĂ€ĂŸi- 
ger AnfÀlle. 

Evtl  mehr  oder  minder  heftiger  Anfall  (Rönt- 
genkater).  In  Verbindung  mit  Chininmedi- 
kation  Sistieren  der  AnfÀlle  und  Milzver- 

1\  1 1  1  IlL  I  U  llg. 

Zu  diagnostischen  Zwecken 
1  Bestrahlung;  zu  thera- 
peutischen   Zwecken  Be 

1  i  1 1 1 1 1 1  N  ■ i  t  ■  1 1     in    'i  Wiiflieiil 

r>  1 1      1  I  1  I  1  1  I  .  '   II       JII     .1   \^  IM  III  III 

liehen  Intervallen,  solange 
es  zu  AnfÀllen  kommt. 

Mediastinaltumor 

s.  Lymphosarkom 

Melanosarkoni 

s.  Sarkom 

tfetropathie 

trorrhagie  chron., 
Dysmenorrhoe,  prae- 
klimakt.  Blutungen) 

Bei  Wunsch  und  Möglichkeit 
uci    x\.uiize|jiioii  ixomgeii- 
behandlung  ausgeschlos- 
sen. 

So  gut  wie  in  allen  FĂ€llen  Amenorrhoe  nach 
ein indiiger  oesix  etuiuiigosci  ic.  xiduiig  i  \un  i- 
genkater.  Ausfallserscheinungen  meist  sehr 
milde  oder  gÀnzlich  fehlend. 

Meist  1  Serie  (zu  4  Feldern) 

o  n  i  n  off»  (  a/1  Ar  i\\Tt±\  \ 
«II        vllltrlil        \  uUci  /.YitzlJ 

Tagen. 

Milztumor 

(postinfektiöser, 
nach  Malaria,  pseu- 
doleukÀmischer), 
PseudoleukÀmie, 
Morbus  Banti. 

HĂ€ufig  statt  operativer  Ent- 
fernung indiziert. 

Meist  starke  Verkleinerung  des  Milztumors 
und  bedeutende  Besserung  des  Allgemein: 
befindens  durch  Verbesserung  des  Blut- 
bildes. 

a 

2 — 4  Serien  in  dreiwöchenl 
liehen  Intervallen. 

Morbus  Banti 
s.  Milztumor 

Mykosis  Empoides 

Methode  der  Wahl. 

Bedeutende  VerlÀngerung  des  Lebens.  Meist 
auf  eine  Bestrahlung  schwinden  Tumoren 
und  prÀmykotische  Herde.  Die  Rezidive 
reagieren  immer  gut.  Exitus  meist  durch 
innprp  Mpfastnspn  Rnilation  bphaarter 
Stellen. 

Ein  bis  mehrere  Serien  in 
Pausen  von  3  Wochen. 

Myoma  uteri 

Operation  nur  noch  bei  etwa 
2  %  aller  MyomfÀlle,  den 

konzeptionsfÀhigen 
Frauen   mit  zirkumskrip- 
ten enukleirbaren  Knoten, 
bei    Nekrosen    und  bei 
manchen  Inkarzerationen 
indiziert. 

Bei  richtiger  Indikation  Heilerfolg  in  allen 
FÀllen.  HÀufig  Röntgenkater.  Bisweilen 
Blasen-  und  Darmtenesmen.  Ausfallser- 
scheinungen sehr  mild  oder  gÀnzlich  fehlend. 

1  Serie  (zu  4  Feldern)  an 
einem  oder  zwei  Tagen. 

Narbenkeloid 

Therapie  der  Wahl. 

A eitere  Keloide  weniger  empfindlich,  ganz 
alte  oft  refraktĂ€r.  Besonders  jĂŒngere  Keloide 
Wandeln  sich  allmĂ€hlich  in  flache  weiße 
Narben. 

3 — ßBestrahlungen  in  Pausen 
von  4—8  Wochen. 

Neuralgie 

Trigeminusneuralgie, 

Ischias    und  Intercostal- 
neuralgien  sind  geeignet. 
Vor  Alkoholinjektionen, 
Nervenexzisionen  unbe- 
dingt indiziert.  Derartige 
Eingriffe   machen  spÀter 
doch  notwendig  werdende 
Strahlenbehandlung  illu- 
sorisch. 

So  gut  wie  immer  bedeutende  Besserung, 
hÀufig  allmÀhlich  restitutio  ad  integrum, 
manchmal  schon  nach  einer  Bestrahlung. 
Einzelne  ralle  refraktÀr. 

1 — 4  Bestrahlungen  in  Pausen 
von  4  Wochen. 

Osteomyelitis 

Versuch    bei  chronischen, 
lange  fistelnden  FĂ€llen. 

Verschluß  der  Fistel  von  innen  nach  außen 
nach  anfÀnglicher  Steigerung  der  Sekretion 
und  Ausstoßung  von  Knochensplittern. 

3 — 6  Bestrahlungen  in  wö- 
chentlichen Pausen. 

Paronychie 

Be^tp  RphanHIiinp"  fiir  aknfp 

''V   JU      l'VlIUIlulullt,     IUI  (lIYlltv 

und   chronische  Formen. 

Restitutio  ad  integrum.  Bei  akuten  Formen 
oft  nur  1  Sitzung.  VorĂŒbergehende  Steige- 
rung der  EntzĂŒndungserscheinungen.  Ab- 
stoßung des  Nagels,  Nachwachsen  normalen 
Nagels. 

1—4  Bestrahlungen  in  drei- 
wöchentlichen Pausen. 

Parotitis  chronica 

Mikulic/.sche  Krank- 
heit . 

Sowohl  Residuen  nach  epi- 
demischer   Parotitis  als 
auch    primÀr  chronische 
EntzĂŒndung  vorzĂŒglich 
geeignet. 

Restitutio  ad  integrum  oft  nach  der  ersten  Be- 
strahlung mit  vorĂŒbergehender  Anschwel- 
lung und  Trockenheit  im  Munde. 

Jederseits  1 — 3  Serien  im  Ab- 
stand von  3  Wochen.  Die 
beiden  DrĂŒsen  werden 
möglichst  in  Intervallen 
von  8 — 14  Tagen  bestrahlt. 

Peritonitis  tbc. 

s.  Tbc.  d.  serösen 
HĂ€ute 

334 


Kottmaier:  Indikationstabellen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


Kra  nkheit 

Röntgenindikation 

Prognose  und  Verlauf 

Dauer  der  Behandlung 
Zahl  der  Bestrahlungen 

Perniones 

Methode  der  Wahl. 

Restitutio  ad  integrum  oll  nach  einer  Bestrah- 
lung. 

1  Bestrahlung. 

Pityriasis  rosea 

rtöntgenbehandlung  meist 
besser  wie  jede  Salben- 
behandlung. 

VollstÀndige  Heilung  meist  nach  einer  oder 
zwei  Serien. 

1 — 2  Serien    in  Pausen  von 
14  Tagen. 

Pleuritis  tbc. 

s.  Tbc.  d.  serösen 
HĂ€ute 

PolycythÀmira  ruba 

Die  Röntgenbehandlung  ist 
die  einzige  erfolgverspre- 
chende Behandhing. 

Restitutio   ad  integrum.     Ob  Dauerheilung? 
AllmÀhliche  Normalisierung  des  Blutbildes. 

1  Serie. 

Polyserositis  tbc. 

s.  tbc.  d.  serösen 
HĂ€ute 

Prostatahypertrophie 

Die  weichen  (adenomatösen) 
DrĂŒsen     reagieren  vor- 
nehmlich, die  harten  sind 
refraktÀr.  Gegenanzeige: 
Hochgradige  Blasenkom- 
plikationen. 

AllmĂ€hliche    Verkleinerung    der    DrĂŒse  mit 
Verringerung  der  Blasenbeschwerden. 

3— 5  Serien  (zu  2—3  Feldern 
in  Pausen  von  2.  1.  Ii  Mo- 
naten. 

Pruritus 

Symptomatisch.  Hautjucken 
verschiedener  Hautaffek- 
tionen.    Aber    auch   der  ' 
idiopathische  allgemeine 
oder   lokalisierte   P.  ani, 

vulvae       TCranrn^i^  ixiht 

ausgezeichnete  Erfolge, 
neben  Versagern  bei  man- 
chen    nervösen  Typen. 
Eventl.  kontraindizierl. 
Skrotalgegend  (Azosper- 
mie). 

Manchmal  nach  vorĂŒbergehender  Steigerung 
des  Juckreizes  dauernde  Heilung.  Nach  lÀn- 
gerer Zeit  evtl.  Rezidiv,  das  schnell  und  oft 
dauernd  auf  erneute  Bestrahlung  schwindet. 

‱ 

1 — 2  Serien  in   Pausen  von 
.!  Wochen. 

m 

PseudoleukÀmie 

s.  Milztumor 

i  ^ui  itl  hts 

1  I1SLI1C   1  clllt    (llltlll   IUI  .3ltl- 

dium  der  Eruption)  rea- 
gieren   am    besten.  Be- 
queme, saubere  Therapie. 

vt  1    1\  mi  t  m  i  ri  fl i  i    ^r*r*r»t ci  1  - 

I  j  \  Ii.    i\  »  >  1  1  l  1  <  l  1  1  1 '  l  \  /  .  ijV.lUl.clJ. 

geg. 

Restitutio  ad  integrum  nach  schwÀcher  wer- 
denden Rezidiven.  Schwinden  des  Juckreizes, 
an  behaarten  Stellen   vorĂŒbergehende  Epi- 
lation. 

1 — 3  Serien  (zu  1  oder  mehr 
Stellen)  in  Pausen  von  drei 
Wochen. 

Pylorospa  smus 
Kardiospasmus 

Aussichtsreich. 

Langsame  Besserung  der  MotilitÀt  und  der 
subjektiven    Beschwerden,    evtl.  Normali- 
sierung der  SĂ€urewerle.     HĂ€ufig  heftiger 
Böntgenkater. 

2 — 3  Bestrahlungen  in  drei- 
wöchentlichen Pausen. 

Rhinosklerom 

Wegen   der  Aussichtslosig- 
keit    konservativer  Be- 
handlung indiziert. 

Langsame.  Resorption  der  Infiltrate,  oft  völlige 
Heilung. 

3—5  Serien  zu  je  2  Bestrah- 
lungen in  Pausen  von  drei 
Wochen. 

Sarkom 

Indiziert    sind    alle  FĂ€lle. 

Konlraindiziert:  vorge- 
schrittene Kachexie. 

Nachbestrahlung    und  prÀ- 
operative  Bestrahlung  s. 

Karzinom. 

Weitgehende  Besserung  und  LebensverlÀnge- 
rung, auch  Dauerheilungen.  Melanosarkome 
oft  refraktÀr.  Rasche  Verkleinerung  der  Tu- 
moren.   Rezidive,  die  manchmal  abnehmend 
gut  reagieren. 

Serien    in    etwa    6  wöchent- 
lichen Pausen. 

Scrophuloderma.. 
<;   Thr»   der  T-Tonl 

- 

Splenomegalie 

s.  Milztumor 

‱ 

»Stridor  congenitus 

s.  Thyreohyperplasie 

Struma  maligna 

s.  Carcinom 

Struma  parcnchymat. 

Recht  .  geeignet    mit  Aus- 
nahme  von  Str.  cystica. 
Bei    FĂ€llen     mit  hyper- 
thyreoiden  Symptomen  be- 
sonders zu  empfehlen. 

AllmÀhliche  Verkleinerung  der  Struma.  Pig- 
mentierung der  bestrahlten  Haut  vergeht 
meist  in  etwa  3  Monaten. 

2 — 4  Serien  (zu  je  2  Feldern 
in  Pausen  von  je  2,  4,  6  Mo- 
naten. 

^,  |,i  |  Kottmaier:  [ndikationstabellen  335 


Krankheil 

Röntgenindikation 

Prognose  und  Verlaul 

Dauer  der  Behandlung 
‱Zahl  der  Bestrahlungen 

Sykosis 

Beste  Behandlungsmethode. 

Nach  Epilation  (durch  Röntgenstrahlen)  meist 
Spontanheilung.   Hei  Öen  seltenen  Rezidiven 
wirkt  erneute  Bestrahlung  sehr  gut. 

1  Serie. 

9 

Irringomyelic 

Bei   der  Aussichtslosigkeit 
jeder    anderen  Therapie 
direkt  indiziert. 

Im  Anfangsstadium  wird  das  Leiden  aufge- 
halten (hĂ€ufig  RĂŒckbildung  aller  Erschei- 
nungen   motorische  Insuffizienz,  Scnsibili- 

1  ■ i  1  v;  -   )  i  iw  1    1rf\i"ilii*cf*li/»   m  i\  t*  1 1  n  n'f*n  l 

Ittl^      llllll    II  l )  1  III  \        1 1  V     iin'l  llllj-^^Iiy. 

Serien  in  Pausen  von  ti,  10 
und  13  Wochen. 

Aymushyperpiasie 

1  (Stridor  congenitus) 

Therapie  der  Wahl  völlig 
ungefÀhrlich). 

Restitutio  ad  integrum,  mitunter  nach  gering- 
gradiger Steigerung  der  Dyspnoe. 

1—2  Bestrahlungen  in  Pausen 
von  3  Wochen. 

Trichophytie 

s  Sykosis 

ffrigeminusneuralgie 

1  s.  Neuralgie 

Tuberkulose 

ll  1*1'     1    ILM  'TU 
‱ 

Indiziert     die  „heilstĂ€tten- 
FĂ€higen"   FĂ€lle   mit  Nei- 
gung zur  Bindegewebsbil- 
dung (Schrumpfung),  nicht 
die  zu  raschem  Gewebs- 
zerfall neigenden. 

HĂ€ufig  Steigerung  der  Temperatur  und  Ver- 
mehrung des  Auswurfs,  dann  rasche  Ab- 
nahme und  RĂŒckkehr  zur  normalen  Tempe- 
ratur. Zessieren  der  Nachtschweiße,  Ge- 
wichtszunahme. AllmÀhliches  Schwinden 
pathologischer  AtemgerÀusche. 

3—4  Serien  (in  2—3  Feldern) 
in  Pausen  von  etwa  vier 
Wochen. 

der  LymphdrĂŒsen 

Methode  der  Wahl  fĂŒr  alle 
Stadien. 

In  90  %  Heilung.  Manchmal  vorĂŒbergehend 
Anschwellung  und  leichte  Temperatursteige- 
riinc*'  War  ps  bereit*;  zur  Rnlnno'  und  Vcr- 
dĂŒnnung  der  Haut  gekommen:  Perforation, 
dann  schnelle  Heilung. 

1 — 6  Serien  in  Pausen  von  3, 
4,  6,  8  Wochen. 

der  Knochen  und  Ge- 
lenke 

Caries,  Fungus, 
Spina  ventosa) 

Ausgedehnte  Zerstörung 
von  Gelenken  mit  schwe- 
ren SekundÀraffektionen 

‱  sind  kontraindiziert. 

In  60  %  Heilung  mit  Erhaltung  der  Gelenk- 
funktion. Bisweilen-  reaktive  Temperatur- 
steigerung. Rasche  Schmerzlinderung.  Am 
gĂŒnstigsten  sind  die  kleinen  Gelenke,  dann 
Schulter,  Ellbogen,  Knie,  weniger  Wirbel 
und  HĂŒftgelenke.  MultiplizitĂ€l  ist  erschwe- 
rend, ebenso  floride  Lugentuberkulose. 

3 — 10  Serien  in  Pausen  von 
4—6  Wochen. 

Therapie  der  Wahl. 

Sehr  hÀufig  restitutio  ad  integrum  nach  all- 
mÀhlicher Resorption. 

3  5  Bestrahlungen  in  drei- 
wöchentlichen Pausen. 

der  serösen  HÀute 

Sowohl  die  fibrinösen  als 
auch  die  serösen  Formen. 
Lungentbc.    III.  kontra- 
indiziert. 

Nach  reaktiver  Steigerung  der  Temperatur 
Besserung  des  Allgemeinbefindens.  Hebung 
des  Appetits. 

2 — 6  Serien  in  3  wöchigen 
Pausen. 

des  Larynx 

‱leder  anderen  Behandlung 
ĂŒberlegen.  Kontraindika- 
tion: Lugentbc.  III. 

‱Heilung  in  einem  großen  Teil  der  FĂ€lle.  All- 
mÀhliche Abnahme  der  Heiserkeit. 

4 — 8  Serien  (zu  je  2  Feldern) 
in  3  wöchentlichen  Pausen. 

des  Darmes 

Nur  lokalisierte,  infiltrierte 
Formen     (Coecum,  Sig- 
moid). 

Mitunter  reaktive  Temperatursteigerung;  all- 
mÀhliches Schwinden  der  Tumoren. 

4 — 6  Serien  in  3—4  wöchent- 
lichen Pausen. 

des  Urogenital- 
er steras 

Blasentbc.,  doppelseitige 
Nierentbc.,  nach  einseiti- 
ger evtl.  operativ  entfern- 
ter Nierentbc.  mindestens 
Nachbestrahlung.  Bei 
(nicht     vereiterter)  Tbc. 

hodens   Bestrahlung  der 
Operation  vorzuziehen. 

Nach  reaktiver  Tempera lursleigerung,  schnel- 
les Schwinden  der  Schmerzen  (besonders 
bei  Nebenhodentuberkulose),  Schließung  der 
Fisteln  von  innen  heraus. 

3 — 8  Serien  in  Pausen  von 
3—6  Wochen. 

der  Haut 
.  Erythma  induratum, 
Folliklis,  Leichen- 
tuberkel, Scrophulo- 
derm,  Lupus  vulgaris 

Methode  der  Wahl. 

‱ 

In  den  meisten  FĂ€llen  Heilung  nach  vorĂŒber- 
gehender Anschwellung,  Resorption  der  In- 
filtrate. 

2 — 4  Serien  in  3  wöchent- 
lichen Pausen. 

der  SchleimhÀute 

Noch  gĂŒnstiger    wie  Haut- 
tuberkulose. 

Beisweilen  Steigerung  der  Erscheinungen. 

2 — 4  Serien  in  3  wöchent- 
lichen Pausen. 

Tumor  cerebri 
s.  Hirntumor 

Ulcus  duudeni 

s.  Ulcus  ventriculi 

Tumor  mediastini 

s.  Lymphosarkom 

Ulcus  rodens 
B.  Epitheliom 

Eisenberger:  „Albusol" 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


Krankheit 

Röntgenindikalion 

Prognose  und  Verlauf 

Zahl  der  Bestrahlungen 
Dauer  der  Behandlung 

Ulcus  vcntriculi 

GĂŒnstige  Aussichten!  Aus- 
geschlossen: Perforations- 
gefahr, pathologisch-ana- 
tomisch bedingte  Stenosen. 

Minderung  der  AziditÀtswerte,  Schwinden  der 
Spasmen,  Besserung  der  MotilitÀt. 

2 — 3  Serien  in  Pausen  von 
3 — 6    Wochen.  HĂ€ufige 
kleine  Dosen. 

Verrucae 

Alle  Formen. 

Mitunter  erst  Wochen  und  Monate  nach  der 
letzten  Bestrahlung  Schwinden  der  Warzen. 
HĂ€ufiger  genĂŒgt  eine  Sitzung. 

1 — 2  Bestrahlungen  in  vier- 
wöchentlichen Pausen. 

Biologische  Untersuchungen  ĂŒber  das  Protein» 
körperprĂ€parat  „Albusol". 

Von  Dr.  F.  Eisenberger. 

Die  Frage  nach  dem  biologischen  Verhalten  der  Protein- 
körper, die  zu  Heilzwecken  Verwendung  finden,  hat  in  den 
letzten  Jahren  lebhaftes  Interesse  hervorgerufen,  da  man  sich 
bis  dahin  ĂŒber  die  Wirkungsweise  derselben  keinen  rechten 
Begriff  machen  konnte.  „Leistungssteigerung",  „Proto- 
plasmaaktivierung" (W  e  i  c h a r  d t),  „Reiztherapie"  (Bier) 
sind  die  theoretischen  Vorstellungen,  die  wir  mit  der  Wir- 
kungsweise unspezifischer  Stoffe  verbinden. 

Wie  wir  uns  aber  diesen  Reiz  im  Organismus  vorzu- 
stellen haben,  ist  noch  eine  völlig  ungeklÀrte  Frage.  Ein- 
gehendere Untersuchungen  wurden  nur  ĂŒber  die  Antikörper- 
bildung  nach  parenteraler  Proteinkörperzufuhr  angestellt. 

Weichardt  (1)  unterzog  sich  zuerst  der  MĂŒhe,  ver- 
gleichende Untersuchungen  ĂŒber  das  Verhalten  verschiedener 
Proteinkörper  (Milch,  Aolan,  Ophthalmosan  und  Caseosan) 
anzustellen.  Da  die  Proteinkörper  Antigene  darstellen,  so 
kommen  ihnen  alle  Eigenschaften  derselben  in  mehr  oder 
minder  hohem  Maße  zu.  Sie  sind  befĂ€higt,  Antikörper  zu 
erzeugen,  die  —  soweit  das  Antigen  Milch  oder  Milchderivate 
darstellt  —  anaphylaktische,  komplementbindende  und  prĂ€- 
zipitierende Antikörper  zu  erzeugen  vermögen.  Weichardt's 
Untersuchungen  beschrĂ€nkten  sich  auf  vergleichende  PrĂŒ- 
fung genannter  PrÀparate  hinsichtlich  ihres  anaphylaktoge- 
tien  Charakters. 

Diesen  Untersuchungen  folgten  im  Dezember  1920  S  a  - 
lomons  (2)  Veröffentlichungen  ĂŒber  die  komplementbin- 
denden und  prÀzipitierenden  Eigenschaften  des  Caseosans. 

Die  gleiche  Aufgabe  stellte  sich  B  e  h  n  e  (3),  der  die 
Untersuchungen  ĂŒber  komplementbindende  Substanzen  des 
Caseosans  nach  verschiedenen  Richtungen  erweiterte  und  zu 
sehr  interessanten  Feststellungen  kam. 

Fast  gleichzeitig  veröffentlichten  Gildemeister  und 
S  e  i  f  f  e  r  t  (4)  ihre  Ergebnisse  ĂŒber  vergleichende  Unter- 
suchungen verschiedener  Proteinkörper  hinsichtlich  ihres 
anaphylaktogenen  Charakters. 

Mittlerweile  ist  ein  neues  ProteinkörperprÀparat  im  Han- 
del erschienen,  das  Albusol,  dessen  PrĂŒfung  im  Sinne  ge- 
nannter Untersucher  ich  mir  zur  Aufgabe  stellte. 

Da  in  jĂŒngster  Zeit  die  Frage  der  Anaphylaxie  bei  der 
Proteinkörpertherapie  des  Oefteren  ventiliert  wurde,  so  er- 
strecken sich  meine  Untersuchungen  zunĂ€chst  auf  die  PrĂŒ- 
fung des  A  1  b  u  s  o  1  s  in  dieser  Richtung. 

Die  Frage  der  Anaphylaxie  hat  fĂŒr  die  Praxis  erst  Be- 
deutung gewonnen,  als  man  anfing,  artfremdes  Eiweiß  (Heil- 
serum, artfremdes  Blut,  Proteinkörper)  dem  menschlichen 
Organismus  einzuverleiben.  Es  handelt  sich  dabei  stets  um 
tierisches  Eiweiß,  das  bei  parenteraler  Einverleibung  den 
heterologen  menschlichen  Organismus  unter  UmstÀnden  zu 
sensibilisieren  imstande  sein  kann,  so  daß  bei  erneuter  Zu- 
fuhr des  entsprechenden  Antigens  es  zu  schweren  Störungen 
kommen  könnte. 

Die  Erscheinung  der  Anaphylaxie  ist  zunÀchst  nur  aus 
dein  Tierexperiment  bekannt  geworden,  und  da  war  es 
wiederum  das  Meerschweinchen,  das  durch  seine  hohe  Emp- 
findlichkeit fĂŒr  wiederholte  Einspritzungen  von  artfremdem 
Eiweiß,  das  Versuchstier  abgab.  Die  im  ganzen  noch  so 
gut  wie  ungeklÀrte  Anaphylaxieliage  hat  besonders  in  den 


letzten  Jahren  vor  dem  Kriege  eine  so  ungemein  lebhafte 
Diskussion  hervorgerufen,  wobei  ein  kaum  zu  ĂŒbersehendes 
Tatsachenmaterial  angehĂ€uft  wurde,  so  daß  sie  schließlich, 
wie  W  e  i  c  h  a  r  d  t  (5)  neuerdings  wieder  zu  betonen  Ge- 
legenheit hatte,  geradezu  zu  einer  VerÀngstigung  des  Prak- 
tikers hinsichtlich  der  Anwendung  von  Heilsera  in  der, 
menschlichen  Therapie  fĂŒhrte. 

Wenn  man  sich  hinsichtlich  der  Frage,  ob  die  wieder- 
holte Anwendung  von  Serum  fĂŒr  den  Menschen  große  Ge* 
fahren  in  sich  birgt,  ein  Urteil  bilden  will,  so  kann  man  sich 
auf  die  Meinung  der  Autoren  stĂŒtzen,  die  dieser  Frage  ein« 
besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet  haben,    rfier  faßt  vor  ■ 
allem  Doerr  (6)  sein  Urteil  dahin  zusammen,  „daß  der- 
artig schwere  Insulte  des  Menschen  nach  Reinjektion  von» 
Pferdeserum  nicht  so  hÀufig  vorzukommen  scheinen,  als  man 
bei  der  Verallgemeinerung  der  Serotherapie  und  der  EinfĂŒh- 
rung intravenöser  Injektionsmethoden  annehmen  sollte".  In 
gleichem  Sinne  Ă€ußert  sich  Sachs  (7),  daß  nĂ€mlich  die 
Serumkrankheit  zu  den  großen  Seltenheiten  gehört.  Zwi- 
schen diesen  Urteilen  und  heute  liegen  die  Erfahrungen  des, 
Krieges,  die  vor  allem  durch  die  prophylaktischen  Tetanus - 
einspritzungen  eine  noch  nie  dagewesene  HĂ€utung  auch  von; 
wiederholten  Serumeinspritzungen  gebracht  haben,  ohne  daß 
anaphylaktische  Störungen  bekannt  geworden  sind.  Immer- 
hin ist  hin  und  wiederum  ein  Fall  von  „anaphylaktischem" 
Shock  beschrieben  worden.     Dieser  Shock  beim  Menschen 
scheint  sich  in  seinen  Symptomen  nicht  unwesentlich  von 
dem  experimentellen  zu  unterscheiden.     Es  bedarf  hierzu 
durchaus  nicht  immer   einer  Sensibilisierung,   sondern   er 1 
wird  oft  schon  durch  die  primÀre  Injektion  ausgelöst,  z. 
bei  der  Serumkrankheit  der  Erstinjizierten,  sofern  der  Shock 
sofort  und  nicht  erst  nach  12  Tagen  in  Erscheinung  tritt. 
Ob  es  sich  dabei  um  Individuen  handelt,  die  eine  unbewußte! 
Sensibilisierung  (durch  Einatmen  oder  auf  enteralem  Wege)" 
durchgemacht  haben,  möchte  ich  dahingestellt  sein  lassen; 
es  scheint  vielmehr  Menschen  mit  einem  besonders  labilen 
Gleichgewicht  der  Kolloide  des  Blutplasmas  zu  geben,  denn 
auch    Stoffe,    denen    keine    antigene    Wirkung  zukommt 
(Kristalloide),  vermögen  einen  Shock  hervorzurufen.  W  i  d  a  1 
und   seine   Mitarbeiter   (8)   berichten   sogar,   daß   sie  bei 
Asthmatikern  durch  intravenöse  Injektion  von  20 — 30  ccm 
physiologischer  Kochsalzlösung  einen  heftigen  Shock  hervor- 
gerufen haben.   Hier  kann  es  sich  also  keineswegs  um  spezi-" 
fische  anaphylaktische  Wirkung  handeln.    In  diesem  Sinne 
sind  auch  die  schweren  Transfusionsei  scheinungen  wohl  zu 
deuten,  die  Bier  (9)  nach  intravenösen  Einspritzungen  von 
2—20  ccm  artfremden  Blutes  (meist  Schweineblutes)  beim 
Menschen  auftreten  *sah  und  die  zweifellos  durch  eine  Er- 
schĂŒtterung des  plasmatischen  Gleichgewichts  hervorgerufen 
werden. 

Hinsichtlich  der  Gefahr  bei  Proteinkörpertherapie,  die 
nun  schon  einige  Jahre  geĂŒbt  wild,  ist  bisher  (außer  theore- 
tischen ErwÀgungen)  höchst  selten  ein  Fall  von  anaphylak- 
tischem Insult  beim  Menschen  konstatiert  worden.  Der  Fall, 
den  B  e  h  h  e  (3)  berichtet,  scheint  mir  mehr  in  die  Kategorie 
obiger  Shockwirkungen  zu  passen,  denn  sowohl  die  Tempe- 
ratur erhöh  ung  (auf  41  Grad),  als  auch  die  Wieder- 
holung des  Shocks  auf  erneute  Zufuhr  des  Antigens 
gehört  nicht  in  den  Symptomenkomplex  der  experimentellen 
Anaphylaxie.  Bei  letzterer  sieht  man  im  anaphylaktischen 
Insult  vielmehr  einen  Temperatur  a  b  f  a  1 1  bis  zu  7  Grad  und 
nach  Ueberstehen  des  Shocks  erweist  sich  das  Individuum  anti- 


;  40.  Jahrg. -Nr-  16/17. 
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anaphylaktisch,  d.  h.  es  reagiert  nicht  mehr  auf  eine  erneute 
Antigenzufuhr.  In  jĂŒngster  Zeit  Ă€ußerte  sich  Schitten 
heim  (10)  zur  Frage  dei  Anaphylaxiegefahr  auf  Grund 
einer  reichen  Erfahrung  und  stellte  fest,  daß  die  Protein - 
körpertherapie,  auch  wenn  sie  zunehmende  Reaktion  aus 
lose,  nicht  gefÀhrlich  werde,  sofern  man  nur  von  einer  intra- 
venösen Injektion  absehe.  In  gleichem  Sinne  hatte  sich  auch 
frĂŒher  Widal  und  seine  Mitarbeiter  (8)  geĂ€ußert.  Der 
Mensch  ist  also  gegen  Anaphylaxie  besser  geschĂŒtzt,  als  man 
nach  den  Erfahrungen  des  Meerschweinchenexperiments  an- 
nehmen zu  mĂŒssen  glaubte. 

Wir  dĂŒrfen  jedenfalls  nicht  vergessen,  daß  mit  der 
Proteinkörpertherapie  „Reiztherapie"  getrieben  wird  und  daß 
es  in  der  Natur  eines  Antigens  liegt,  bei  parenteraler  Einver  - 
leibung den  Körper  zu  einer  mÀchtigen  Reaktion  anzuregen. 
Dabei  lassen  sich  die  anaphylaktogenen  Eigenschaften  viel- 
leicht wohl  nie  ganz  ausschalten,  und  wir  wissen  ja  nicht, 
ob  nicht  gerade  letztere  Eigenschaft  auf  die  Zellfunktionen 
den  grĂ¶ĂŸten  Reiz  ausĂŒbt.  In  neuerer  Zeit  haben  französische 
Autoren  (W  i  d  a  I  und  Mitarbeiter)  auf  Proteinkörperthera- 
pie aufmerksam  gemacht  und  in  der  Hervorrufung  eines 
„kolloidoklastischen  Shocks"  das  Ziel  ihrer  Therapie  ge- 
sehen, wobei  sie  allerdings  betonen,  daß  der  Arzt  nicht  in 
der  Lage  sei,  die  Wirkung  und  die  StÀrke  des  Shocks  zu 
meistern.  Sie  wollen  diese  Therapie  daher  nur  bei  beson- 
deren FĂ€llen  angewendet  wissen,  bei  denen  besonders  von 
Seiten  des  Herzens  keine  Gegenanzeige  besteht. 

Man  wird  im  allgemeinen  dem  Tierexperiment  fĂŒr 
die  Frage  der  Anaphylaxiegefahr  beim  Menschen  nicht  all- 
hx  große  Bedeutung  beimessen  können;  es  gibt  uns  lediglich 
Aufschluß,  sofern  wir  eine  positive  Reaktion  bekommen,  daß 
wir  keinen  indifferenten*.  Körper  vor  uns  haben,  der  kritiklos 
angewandt  werden  kann,  "sondern  daß  man  die  Möglich- 
keit einer  Sensibilisierung  im  Auge  Inhalten  muß.  Das  ist, 
glaube  ich,  aber  alles,  was  man  aus  dem  Tierversuch 
schließen  darf.  Weitergehende  SchlĂŒsse,  z.  B.  auf  die  Dosis, 
die  beim  Menschen  sensibilisierend  oder  shockauslösend  wir- 
ken könnte,  scheinen  mir  nicht  statthaft,  denn  es  besteht 
keinerlei  GesetzmĂ€ĂŸigkeit  in  den  GewichtsverhĂ€ltnissen  und 
der  Dosis.  So  ist  z.  B.  das  Kaninchen  400  mal  weniger  emp- 
findlich als  das  Meerschweinchen  (Citron)  (11),  ebenso 
gering  empfindlich  ist  die  weiße  Maus,  die  zur  Sensibilisie- 
rung eine  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  sehr  hohe  Dosis  Antigen  benötigt 
(v.  Sanowski)  (6).  Einige  Tiere  sollen  ĂŒberhaupt  nicht 
anaphylaktisch  reagieren,  wie  Affen  (Uhlenhuth  und 
HĂ€ndel,  Yamanouchi)  und  Schweine  (S  c  h  e  r  m)  (6). 

Wenden  wir  uns  nun  den  ProteinprÀparaten  zu,  die  in 
der  Therapie  bisher  Verwendung  fanden.  Zuerst  bediente 
man  sich  ausschließlich  der  Milch  als  eines  natĂŒrlichen,  ge- 
lösten Eiweißkörpers,  der  sich  zur  Injektion  besonders  eignet. 
Die  Milch  besitzt  als  Antigen  anaphylaktogene,  komplement- 
bindende und  prÀzipitierende  Eigenschaften.  Deshalb  erwies 
sie  sich  fĂŒr  die  Therapie  von  hoher  Wirksamkeit,  hatte  aber 
wegen  der  Inkonstanz  und  der  Unkontrollierbarkeit  ihrer  Zu- 
sammensetzung und  der  daraus  entstehenden,  schweren  Do- 
sierbarkeit  manche  Nachteile,  so  daß  das  Begehren  nach 
einem  chemisch  besser  definierten  und  reineren  Körper  fĂŒr 
die  Therapie  laut  wurde.  Dieser  Forderung  suchten  nun 
verschiedene  PrÀparate  des  Handels  gerecht  zu  werden,  die 
teils  noch  in  ziemlicher  Anlehnung  an  die  Milch  blieben 
(Aolan,  Ophthalmosan),  teils  sich  mehr  von  ihr  entfernten, 
indem  sie  nur  einen  Eiweißkörper  der  Milch,  das  Kasein, 
zum  Ausgangspunkt  fĂŒr  das  PrĂ€parat  nahmen  (Caseosan, 
Albusol). 

Das  Albusol  geht  vom  Kuhmilchkasein  aus,  das  aus 
frisch  gemolkener  Magermilch  durch  wiederholte  FĂ€llung 
und  Alkohol-Aethcrbehandlung  chemisch  rein  gewonnen 
wird.  Das  getrocknete  Produkt  w  ird  eine  halbe  Stunde  auf 
120  Grad  erhitzt  und  bis  zur  Verarbeitung  steril  aufbewahrt. 
Nach  Losung  in  Alkali  bis  zum  Lackmusneutralpunkt  und 
Pltrafiltration  durch  Membranfilter  wird  das  PrÀparat  nach 
mehrfachen  bakteriologischen  PrĂŒfungen  in  sterile  Ampullen 
angeschmolzen,  in  denen  es  nochmals  an  drei  aufeinander- 


837 


folgenden  Tagen  je  eine  halbe  Stunde  auf  75—80  Grad  er- 
hitzt wird.  Die  Lösung  ist  in  dĂŒnner  Schicht  vollkommen 
klar,  in  dichterer  etwas  opak  und  enthalt  im  Durchschnitl 
ö — 0  Prozent  Kasein,  was  jeweils  auf  der  Packung  ver- 
merkt ist. 

Milch  sowohl  wie  Kasein  sind  starke  Anaphylaktogene, 
deren  Wirksamkeit  erst  bei  höheren  Hitzegraden  nachlĂ€ĂŸt 
bzw.  ganz  erlischt,  wĂ€hrend  der  in  der  Molke  zurĂŒckbleibende 
Eiweißkörper  (Albumin  und  Globulin)  nach  Besredka 
keine  sensibilisierenden,  noch  shockauslösenden  Eigen 
schatten  besitzt,  sondern  sogar  ein  sensibilisiertes  Tiei 
schĂŒtzen  soll. 

Das  anaphylaktische  Experiment  verlangt  wie  jedes 
andere  biologische  die  Einhaltung  einer  ganz  bestimmten 
Vei  suchsanordnung,  wenn  es  zu  brauchbaren  Resultaten 
fĂŒhren  soll.  Unterschiedliche  Ergebnisse  beim  Anaphylaxie- 
versuch  erklÀren  sich  zumeist  aus  verschiedenem  Vorgehen. 
Deshalb  scheinen  mir  genaueste  Angaben  ĂŒber  Art  der  Sen- 
sibilisierung, Mengen,  Inkubationszeit,  Reinjektionsdosis  usw. 
unerlĂ€ĂŸlich.  Nur,  wenn  alle  diese  Angaben  zur  VerfĂŒgung 
stehen,  ist  eine  NachprĂŒfung  möglich  und  nur  so  lassen  sich 
vergleichende  SchlĂŒsse  auf  die  antigene  Wirkung  verschie- 
dener Proteinkörper  ziehen.  In  den  bisherigen  Veröffent- 
lichungen fehlen  ein  oder  mehrere  Daten  der  Versuchsanord- 
nung. FĂŒr  Proteinkörper,  die  aus  der  Milch  stammen,  ist 
naturgemĂ€ĂŸ  die  Milch  selbst  das  geeignetste  TestprĂ€parat, 
mit  dem  sich  die  anderen  PrÀparate  vergleichen  lassen.  Nach 
Besredka  (12)  ist  1  cem  Milch  die  Dosis,  um  ein  300 — 400 
Gramm  schweres  Meerschweinchen  zu  sensibilisieren.  Der 
anaphylaktische  Zustand  ist  sodann  nach  16 — 20  Tagen 
sicher  vorhanden.  Die  intravenöse  Reinjektion  ist  entschie- 
den der  sicherste  Weg,  den  Shock  auszulösen.  Die  empirisch 
ermittelte  Dosis  zur  Auslösung  des  Shocks  fĂŒr  ein  mit  Milch 
sensibilisiertes  Tier  ist  Vs  bis  Vio  cem,  doch  wird  man  der 
Sicherheit  halber  meist  eine  höhere  Dosis  wÀhlen. 

In  diesen  Zahlen  wĂ€re  zugleich  der  Anhaltspunkt  fĂŒr 
vergleichende  Untersuchungen  mit  anderen  Milcheiweiß- 
körpern gegeben.  Handelt  es  sich  darum,  nachzuweisen,  ob 
ein  Eiweißkörper  ĂŒberhaupt  anaphylaktogen  wirkt,  so  gibt 
es  Methoden,  mit  denen  sich  eine  hochgradige  Sensibilisie- 
rung erreichen  lĂ€ĂŸt,  so  daß  selbst  noch  schwĂ€chste  Antigene 
nachgewiesen  werden  können.  Otto  nÀmlich  stellte  fest, 
daß  eine  weitere  Minimaldosis  innerhalb  der  ersten  HĂ€lfte 
der  Inkubationszeit  die  Ueberempfindlichkeit  erheblich 
steigert.  Nach  dem  gleichen  Prinzip  fanden  Aynaud  und 
Briot  (6),  daß  die  mehrmalige  (5 — 7 malige)  intraperi- 
toneale Injektion  kleiner  Mengen  in  viertÀgigen  Intervallen 
auch  noch  schwĂ€chste  Anaphylaktogene  nachweisen  lĂ€ĂŸt. 

Als  wirksamste  Sensibilisierungsart  kommt  die  intra- 
peritoneale  Injektion  in  Betracht.  Sensibilisiert  man  mit 
mehrfachen,  kleinen  Dosen,  so  stellt  sich  der  anaphylaktische 
Zustand  meist  schon  nach  8  Tagen  ein. 

Von  diesen  Gesichtspunkten  ausgehend  stellte  ich  zu- 
nÀchst orientierende  Versuche  mit  3  Antigenen  an:  Milch, 
einer  Kaseinammoniumlösung  (ultrafiltriert)  und  schließlich 
einer  durch  Ultrafiltration  gewonnenen  Molke.  Von  diesen 
Substanzen  injizierte  ich  drei  Meerschweinchen  intraperi- 
toneal, wie  nachfolgende  Tabelle  zeigt: 


Tabelle  Nr.  1. 


Nr. 

Gewichtl 

Datum  der 
Inj.  in  cem 

i-  P-  ?) 

Subst. 

Tempe- 
ratur 

vor  nach 

Datum 
Reinj.  cem 
i.  v.  ') 

Subst. 

Resultat 

1 

770  g 

5.  VII. 
1,0 

*  entrahmte 
3  mal  auf  70" 
erh.  Milch" 

36,5 

37,7 

25.  VII. 
1,0 

frische  Milch 

innerhalb  3  Min. 
schwerst.  Shock. 

+. 

2 

700  g 

28.  VI. 
1,8 

4,5"/,,  Ca- 
seinlösung 
(neutral 

37,0 

38,5 

25.  VII. 
1,0 

4,5%  Ca- 
seinlösung 

innerhalb  5  Min 
heftigster  Shock 
nach  '/a  Stunde 
langsame  Erhol. 

3 

650  g 

5.  VII. 
1,0 

Milchultra- 

filtrat 
auf  70"  erh. 

36,2 

36,5 

25.  VII. 
1,5 

Milchultra - 
filtrat 

zeigt  keine  An- 
zeichen 

M  i.  p.  —  intraperitonal. 
i.  v.  =  intravenös. 

->  Milchn 1 1 ra f i  11  rat  enthÀlt  kein  Casein  mehr,  nur  mehr  .\lbumin  und  GIo 
liiilin  im  pbys  Milchsevum. 


EisenBerger:  „Albusol" 


338 


Eisenberger:  „Albusol" 


40.  Jahrg. —  Nr.  16,17. 


Diese  Versuchsergebnisse  entsprechen  den  Erwartungen, 
nĂ€mlich,  daß  Tier  1  und  2  anaphylaktisch,  Tier  3  nicht 
reagieren  wĂŒrde.  Es  ist  zu  beachten,  daß  es  sich  bei  diesen 
Versuchen  um  besonders  -  große,  nahezu  doppelt  so  schwere 
Tiere,  wie  bei  den  spÀteren  Versuchen  gehandelt  hat. 

Nach  diesen  orientierenden  Versuchen  schritt  ich  zur 
PrĂŒfung  des  A  1  b  u  s  o  1  s.  Hier  sensibilisierte  ich  Tier  1—3 
mit  je  1  ccm,  4  und  5  in  Intervallen  dreimal  mit  je  1  ccm, 
6  und  7  mit  wiederholten,  kleinen  Dosen  (0,5—0,1).  WĂ€h- 
rend Tier  1—3  bei  teils  intravenösen,  teils  intrakardialer  Re 
injektion  ohne  erhebliche  Störungen  am  Leben  blieb,  trat  bei 
Tier  4,  6  und  7  typischer,  anaphylaktischer  Shock  auf,  an 
dem  die  Tiere  verendeten.  Nur  Tier  5  machte  darin  eine 
Ausnahme.  Bei  den  ĂŒberlebenden  Tieren  war  nach  der  In- 
jektion ein  TemperaturrĂŒckgang  bis  2V?  Grad  zu  konstatieren, 
dagegen  blieben  KrÀmpfe  und  Atemnot  aus. 


Tabelle  Nr.  2. 


Nr. 

Gewicht 

Datum 
des  Injekt 
i.  p. 
Dosis 

Albusöl 

Tempe- 
ratur 

vor  |  nach 

Re- 
injekt. 
Datum 

Art 
Albusol  '</» 

Tempe- 
ratur 
vor  |  nach 
Injekt. 

Resultat 

1 

330  g 

17  VIII. 
1,0 

°/o 
3,5 

37,1 

36,5 

7.  IX. 
0,6 

i.  v. 
4% 

38.0 

36,2 

Spt.  Urin-  u  Kot- 
abgang, Putzen 

2 

^■90  g 

17.  VIII. 
1,0 

4,0 

37,0 

36,5 

7.  IX. 
0,6 

i.  card 

%6  o/„ 

36,5 
36,0 

36,0 

sonst  kein,  anaph, 
S.,  zgt.  keine  Anz 

3 

300  g 

17.  VIII. 

0,8 

4,0 

37,7 

36,5 

9.  IX. 
0,5 

i.  Card. 

4,5  "/„ 

37,2 

34,5 

dito 

17  VIII. 

1,0 

4,0 

37,0 

36,2 

4 

290  g 

18.  VIII. 

1,0 

20.  VIII 
1,0 

4,0 
4,0 

37,0 
36,4 

37,2 
37,0 

9.  IX 
0  5 

i.  v. 

i  fi  0/ 

a,o  u/0 

36,3 

-f    an  anaphyl. 
Schock  Sektion: 
LungenblÀhung. 

17.  VIII 
1,0 

4,0 

37,0 

36,0 

5 

270  g 

18.  VIII. 
1,0 

20.  VII  r. 
1,0 

4,0 
4,0 

37,3 
36,7 

37,3 
36,2 

9.  X. 
0,5 

i.  Card. 

4,7  % 

37,5 

35,0 

zeigt  keine 
Anzeichen 

17.  VIII. 
1,0 

4,0 

37,5 

36,5 

6 

275  g 

18.  VIII. 

0,5 

22.  vm. 
0.2 

4,0 
4,5 

38.3 
37,6 

38,3 
37,3 

1".  IX. 
1,0 

i.  v. 
4,5  % 

36,8 

-f-    an  anaphyl. 
Schock.  Sektion: 
LungenblÀhung . 

15.  IX. 

0,5 

4,6 

38,0 

38,5 

17.  IX. 

0,3 

4,6 

36,4 

36,2 

7 

440  g 

20.  IX. 

0,2 

23.  IX. 
0,2 

26  IX. 
0  1 

29.  IX 
0,1 

4,8 
4,6 
4,6 

4,7 

37,0 
37,1 
36.7 

35,7 

37,0 
34,4 
36",3 
35,1 

13.  X. 
1,3 

i.  v.  ‱ 
4,9  ‱/, 

36,0 

+  Tod   nach  2 
Min.  im  anaphyl. 
Schock.  Sektion  : 
LungenblÀhung." 

Aus  den  Versuchen  gebt  hervor,  daß  Albusol  in  der 
Dosis,  die  bei  Milchinfektionen  stets  Anaphylaxie  erzeugt, 
noch  nicht  fh  der  Lage  ist,  in  dem  Maße  sensibilisierend  zu 
wirken,  daß  die  Reinjektion  typischen  Shock  auslöst.  Erst 
durch  hochgradige  Sensibilisierung  wird  Shock  erzielt. 

Von  den  Versuchen,  Albusol-Anaphylaxie  passiv  zu 
ĂŒbertragen,  fiel  nur  einer  unter  4  FĂ€llen  positiv  aus,  trotz- 
dem in  3  FĂ€llen  (homologes)  Serum  von  hochsensibilisierten 
Meerschweinchen,  die  bei  der  PrĂŒfung  der  aktiven  Anaphy- 
laxie erlagen,  verwendet  wurde.  Bei  dem  4.  Versuch  handelte 
es  sich  um  heterologes  Serum  eines  mehrfach  mit  Albusol 
vorbehandelten  Kaninchens  (K.  474),  dessen  Serum  einen 
Komplementbindungstiter  von  1:2000  zeigte.  Sensibilisiert 
wurden  die  Meerschweinchen  mit  0,6 — 1  ccm  Serum  dieser 
anaphylaktischen  Tiere,  reinjiziert  wurde  nach  24 — 48  Stun- 
den mit  Albusol  intravenös  (1 — VA  ccm).    Es  zeigte  nur 


ein  Fall  einen  typischen  Shock  mit  Exitus,  ein  weiterer  eine 
Andeutung  eines  Shocks  (HaarstrÀuben). 

Nach  diesen  Feststellungen  interessierte  die  Frage,  wie 
das  Albusol  sich  hinsichtlich  der  beiden  anderen  Antikörper! 
bildungen  verhÀlt.  Hier  sind  vor  allem  die  komplementbin- 
denden Antikörper,  die  uns  —  je  nach  dem  Titer  des  Anti- 
serums  —  einen  Einblick  in  den  Grad  der  Immunisieruni 
gewÀhren.  Auch  hier  verglich  ich  die  Albusolwirkung  mit 
der  von  Milch  und  Kaseinammoniumlösung.  Zu  diesem 
Zwecke  wurden  zwei  Kaninchen  mit  Albusol,  eins  mit  Milch 
und  eins  mit  Kaseinammoniumlösung  vorbehandelt.  Jedes 
der  Tiere  erhielt  etwa  50—60  ccm  Antigen,  teils  intraperi- 
toneal,  teils  intravenös  in  jeweiliger  Menge  von  etwa  10  ccm 
injiziert.  Dabei  bekamen  die  Tiere  zuerst  5  Gern  intraperi- 
toneal, sodann  nach  3 — 1  Stunden  5  ccm  intravenös.  Diese 
Injektionen  wurden  innerhalb  6 — 8  Tagen  wiederholt. 

Um  einen  Anhaltspunkt  fĂŒr  das  Ansteigen  des  Immun-' 
serumtiters  zu  gewinnen,  wurden  in  gewissen  ZeitabstÀnden 
Probeblutentnahmen  vorgenommen  und  auf  ihr  Komple-- 
mentbindungsvermögen  hin  untersucht,  wobei  ich  mir  wohl 
bewußt  war,  daß  diese  AderlĂ€sse  (6 — 7  ccm)  das  Bild  nicht 
unwesentlich  beeinflussen  wĂŒrden,  da  AderlĂ€sse  an  sich  den 
Antikörpertjter  eines  immunisierten  Tieres  zu  heben  ver- 
mögen. 

Nachfolgende*  Tabelle  gibt  am  besten  Einblick  in  die 
Resultate: 


Tabelle  Nr.  3. 


Kaninchen 

Gewicht 

Antigen 

Verbrauch 

Serum- 
verdĂŒnnung 

Tiler 

474 

3950  g 

Albusol 

1)  17,0  *ccm 

2)  26,7  .. 
3i  46,7  ., 
4)  56,6  .. 

1  :  4,8 
1  :  4 
1:5 
1  :  5 

1  :  10 
1  :  40 
1  :  50 
1  :  2000 

87 

3600  g 

dto. 

1)  31,5  ccm 

2)  52,5  ,. 

1  :  10 
1  :  25 

1  :  50 
1  :  40 

100 

3300  g 

Ceseinammo- 
niumlösung 

1)  19,0  ccm 

2)  38,7  „ 

3)  54,2  ,. 

1  :  5 
1  :  2,5 
1  :  10 

1  :  200 
1  :  1000 
1  :  4000 

84 

2610  g 

Milch 
kurz  erhitzt 

1)  11,0  ccm 

2)  35,0  „ 

3)  57,0  ,, 

1  :  2,5 
1  :  25  ‱ 
1  :  2,5 

1  :  20  >■ 

1  :  50 

I  :  20000 

Die  unter  „Verbrauch"  aufgefĂŒhrte  Antigenmenge  zeigt 
jeweils  die  vom  Beginn  an  berechnete  Gesamtmenge  an.  Die 
Blutentnahme  erfolgte  stets  6—7  Tage  nach  der  letzten  In- 
jektion. FĂŒr  den  Komplementbindungsversuch  wurden  alle 
Reaktionskörper  in  0,5  ccm  Volumen  angewandt,  so  daß  ein 
Gesamtvolumen  von  2,5  ccm  in  allen  Versuchen  gewahrt 
blieb.  Nach  Austitrierung  des  hÀmolytischen  Systems  wurde 
zunÀchst  stets  die  antikomplementÀre  Wirkung  des  Antigens 
(Albusol,  Milch,  unerhitzte  Kaseinlösung)  festgestellt,  indem 
lallende  VerdĂŒnnungen  von  Antigen  mit  der  Komplement - 
gebrauchsdosis  zusammengebracht  wurde.  Nach  einem  halb- 
stĂŒndlichen Aufenthalt  im  Wasserbade  von  37  Grad  wurden 
die  sensibilisierten  roten  Blutkörperchen  zugesetzt,  worauf 
nach  einer  weiteren  halben  Stunde  abgelesen  wurde.  Nach 
diesen  Feststellungen  wurde  jeweils  das  Immunserum  auf 
seine  eigenhemmende  Wirkung  geprĂŒft,  indem  in  3  Reihen 
lallende  Immunserummengen  einmal  mit  konstanten  An- 
tigenmengen  in  VerdĂŒnnung  1  :  10.  das  andere  Mal  in  Ver- 
dĂŒnnung 1  :  100  und  schließlich  in  der  3.  Reihe  nur  mit  dem- 
jeweiligen  Komplement  allein  in  Reaktion  traten.  Zeigte 
sich  in  der  dritten  Reihe  in  einigen  Röhrchen  Hemmungen, 
so  konnte  das  Immunserum  nur  in  einer  VerdĂŒnnung  ange- 
wandt werden,  die  sicher  die  HĂ€molyse  nicht  hemmte,  wie 
z.  B.  bei  Serum  87,2  und  84,2,  die  eine  VerdĂŒnnung  von 
1  :  25  erforderte.  Im  ĂŒbrigen  kann  stets  die  sicher  noch 
hemmenden  ImmunserumverdĂŒnnungen  in  Anwendung;  ab- 
gelesen wurde,  wenn  die  Kontrollen  gelöst  hatten.  Nach 
diesen  Vorversuchen  wurde  der  Hauptversuch  angestellt. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


Heferate 


389 


Dio  Versuche  zeigen,  daß  das  Alhusol  komplemenl 
bindende  Antikörper  im  Organismus  zu  erzeugen  vermag  und 
daß  damit  auch  ein  hoher  Antiserumtiter  erzeugl  werden 
kann,  wenngleich  es  den  Ansehein  hat        soweit  man  bei 
der  geringen  Anzahl  der  Versuchstiere  schließen  darf  — ,  als 
c|i  Kaseinammonium  und  Milch  auch  hier  wieder  stÀrkere 
antigene  Eigenschaften  entfalten.    Wie  weit  das  Ansteigen 
des  [mmunserumtiters  klinisch  RĂŒckschlĂŒsse  auf  Erfolg  oder 
Millerfolg  der  Proteinkörpertherapie  zulĂ€ĂŸt,  kann  nur  an 
Hand  umfangreichster,  vergleichender  Untersuchungen  fest- 
gestellt werden,  denn  alle  Hypothesen  darĂŒber  trĂŒgen  rein 
spekulativen  Charakter.    So  ist  seinerzeit  sc  hon  einmal  ein 
Streit  der  Meinungen  darĂŒber  entstanden,  ob  die  Heilwirkung 
aus.  Der  einzige  Schluß,  den  wir  aus  dem  Ansteigen  des 
komplementbindungstiters  geprĂŒft  werden  kann.   Die  Mehr- 
zahl der  Autoren  sprach  sich  nach  Citron  (13)  dagegen 
aus.    Der  einzige  Schluß,  den  wir  aus  dem  Ansteigen  des 
Komplementtiters  ziehen  dĂŒrfen,   ist,  glaube  ich,  lediglich 
der,  daß  der  Organismus  in  der  Lage  ist,  auf  Reize  stĂ€rker 
zu    reagieren,   wie   das  ZurĂŒckgehe  n    des  Titers  eine 
l  ebertreibung  des  Reizes  zum  Ausdruck  bringen  wĂŒrde,  ge- 
mĂ€ĂŸ dem  biologischen  Gesetz  von  Arndt-Schulz,  daß 
mittlere  Reize  die  Zellfunktion  zu  vermehrter  TĂ€tigkeit  an- 
regen, wĂ€hrend  große  und  stĂ€rkste  sie  lĂ€hmen  bzw.  ganz 
aufheben. 

Die  Versuche  beweisen,  daß  man  sowohl  mit  Albusok 
als  auch  mit  Kaseinammoniumlösung  und  Milch  durch  ge- 
eignete Verteilung  der  Injektionen  eine  hochgradige  „Immu- 
nitĂ€t" —  wenn  ich  die  zum  Ausdruck  kommende  Antikörper- 
bildung so  bezeichnen  darf  —  hervorrufen  kann,  ohne  dabei 
trotz  intravenöser  Infektion  anaphylaktischen  Shock  hervor- 
zurufen. Durcli  hohe  Anfangsdosen  scheint  man  nach  ex- 
perimentellen Erfahrungen  den  anaphylaktischen  Zustand 
umgehen  zu  können  und  den  Organismus  im  Sinne  der  Im- 
munitÀt umzustimmen. 

Schließlich  untersuchte  ich  das  Albusol  und  die  beiden 
von  mir  gewÀhlten  Vergleichsantigene  hinsichtlich  der  prÀ- 
zipitierenden Antikörper.  Ich  möchte  vorwegnehmen,  daß  es 
mir  mit  keinem  der  vier  Kaninchensera  gelang,  PrÀzipitation 
zu  erzeugen,  und  zwar  in  keiner  der  Blutproben.  Ich  stellte 
den  Versuch  mittels  der  „Ringprobe"  an,  wobei  ich  konstante 
Serummengen  (0,1)  gegenĂŒber  konstanten  Mengen  (1  cem) 
fallender  AntigenverdĂŒnnungen  anwandle.  Der  negative 
Ausfall  der  Reaktionen  will  in  Anbetracht  der  geringen  Tier- 
zahl wenig  besagen,  da  man  weiß,  wie  schwer  PrĂ€zipitine  zu 
erzeugen  sind  (U  h  1  e  n  h  u  t  h).  P.  Th.  MĂŒller  (15)  halle 
bei  seinen  Untersuchungen  ĂŒber  Lactosera  gezeigt,  daß  die 
PrÀzipitation  an  die  Anwesenheit  löslicher  Kalksalze  gebun- 
den sei.  Da  durch  wiederholte  FĂ€llung  das  Kasein  nur  mehr 
Spuren  von  Kalzium  enthalt,  die  sodann  durch  die  verschie- 
denen Erhitzungsprozesse  jedenfalls  in  unlösliche  Verbin- 
dung ĂŒberfĂŒhrt  werden,  so  setzte  ich  den  Antigenen  ver- 
dĂŒnnte Kalziumchloridlösung  zu,  worauf  FĂ€llung  eintreten 


mĂŒĂŸte,  sofern  PrĂ€zipitine  im  Serum  vorhanden  wĂ€ren. 
Trotzdem  blieben  aber  die  FĂ€llungen  aus. 

Die  Laktosera  bzw.  Kaseosera  waren  selbstverstÀndlich 
in  aktivem  Zustand,  da  ja  inaktive  Laktosera  spezifisch  In  in 
tuende  PrĂ€zipitoide  enthalten  (I*.  Th.  MĂŒ  I  l'er). 

Fassen  wir  die  Resultate  nun  zusammen,  so  ergibt  sich, 
daß  Albusol  gleich  den  ĂŒbrigen  ProteinkörperprĂ€paraten  ein 
wirksames  Antigen  darstellt,  d.  h.  daß  es  sowohl  anaphvlak 
togene,  wie  komplementbindende  Antikörper  zu  erzeugen 
vermag,  wenn  auch  in  geringerem  Maße  wie  die  Milch.  Es 
wird  sich  bei  der  Therapie  auch  hier  darum  handeln,  die 
wirksame  Dosis,  die  sich  an  der  Reizschwelle  hÀlt,  indivi 
dualisierend  zu  ermitteln.  Vielleicht  gelÀnge  es,  durch  die 
intrakutane  Quaddelprobe  die  ReaktivitÀt  de,s  Organismus 
gegenĂŒber  dem  zugefĂŒhrten  Antigen  festzustellen,  wie  ich  es 
mehrfach  bei  Meerschweinchen  gesehen  habe,  die  im  Zu- 
stande der  anaphylaktischen  PrÀparierung  auf  intrakutane 
Einspritzungen  am  nĂ€chsten  Tage  mit  entzĂŒndlicher  Rötung 
der  Injektionsstelle  reagierten.  Dieses  PhÀnomen  trat  jedoch 
nicht  regelmĂ€ĂŸig  auf.  Die  Frage,  ob  Proteinkörper,  die  ihre 
anaphylaktogenen  Eigenschaften  ganz  verloren  bÀhen,  noch 
im  Sinne  eines  Reizes  wirken  können,  muß  vorlĂ€ufig  noch 
offen  gelassen  werden  und  ist  Gegenstand  derzeitiger  Unter- 
suchungen. Die  nachweisbare  Erhöhung  des  Komplement - 
bindungsvermögens  auf  steigende  Zufuhr  von  Antigen  lĂ€ĂŸt 
sich  unter  UmstĂ€nden  gleichfalls  im  Sinne  der  PrĂŒfung  der 
ReaktivitĂ€t  des  Organismus  auf  den  zugefĂŒhrten  Reiz  ver- 
werten. 

Li  f  era  t  u  r. 

1.  Ueber  unspezifische  Leistungssteigerung  (ProtoplasinaakĂŒ 
vierung).    MĂŒnch,  med.  Wochenschr.  1920,  Nr.  4. 

2.  Serologische  Untersuchungen  ĂŒber  Caseosan.  M.  m.  W.  1920. 
Nr.  52.  -  1 

3.  Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  das  Wesen  der  Ca- 
seosa nwirkung.    1921,  Nr.  21. 

4.  Zur  Frage  der  Anaphylaxiegefahr  bei  Prpteinkörpertherapie. 
Berk  kl.  Wochenschr.  Nr.  24,  1921. 

5.  Zur  Frage  der  Ueberempfindlichkeit  bei  unspezifischer  The- 
rapie. ‱  Berk  klin.  Wochenschr.  1921,  Nr.  31. 

6.  Neuere  Ergebnisse  der  ImmunitÀtsioRschung  usw.  [Weichardl 
1914,  I.  Bd. 

7.  Anaphylaxie  und  Asaphylatoxin.  M.  m.  W.  1916,  Nr.  39, 
S.  1395. 

8.  Considerations  Generales  sur  la  Proleinotherapie  et  le  Trai- 
tement  par  le  choc  eolloidoclasique. 

9.  Die  Transfusion  von  Blut,  insbesondere  von  fremdartigem 
Blut  und  ihre  Verwendbarkeil  zu  Heilzwecken  von  neuen  Ge- 
sichtspunkten aus.    Deutsche  Med.  Wochenschr.  1901,  Nr.  15. 

10.  Ueber  Proteinkörpertherapie.    M.  m.  W.  1921,  Nr. 

11.  Die  Methoden  der  Immunodiagnoslik.  1919. 

12.  Handbuch  der  IrnmunitÀtsforschung.  Kraus-Levaditi:  Ueber 
Anaphylaxie. 

13.  ImmunitÀtsforschung  (Handbuch).  Kraus-Levaditi. 

1 1.  Praktische  Anleitung  zur  AusfĂŒhrung  des  biologischen  Ei- 
weißdifferenzierungsverfahrens usw.  usw. 

15.  Leber  das  Wesen  der  Milch  bzw.  KaseinprÀzip.  d.  Lacto- 
serums.  Arch.  f.  Hygiene.  Bd.  II.  und  M.  m.  W.  1902;  Zenir.- 
Hl.  f.  Bakt.  1902,  Bd.  32. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

I.  MĂ€rz  1922,  1.  Nr.  10. 
Ueber  den  Kropf,    Enderlea.  467. 

Die   klinische   Pulguntersiichung   bei   Patienten   um   unregelmĂ€ĂŸigem  Puls, 

namentlich  bei  Arhythrrtla  perpetua.    I.  u  n  d  s  g  ti  a  r<l.  161. 
lieber  Periarteriitis  nodosa.    ßerla-fth.  467. 
vAetialogie  und  Prognose  der  serftsan  Pleuritis  beim  Kinde.    N  e  u  l  a  n  d:  170. 
*Ist  bei  Placenta  praevia  die  Metreuryse  ein  Mir  die  hausĂ€rzĂŒiche  Geburrs- 
hilfe  geeignetes  ungefÀhrliches  Verfahren.    B  a  n  n  e  s.  472. 
l'ebcr  die  Wirkungsweise  und  das  Mlem  der  Vakzine.    Lange.  475. 
❖Zur  Wirkung  von  primarein  Natriumphosphai  auf  die  körperliche  ßeistungs- 
fahjgkcĂŒ.    II  e  i  x  h  e  i  m  c  r!  180, 


Ueber    die    WirkungsuTsache    des    HirtentÀschelkrauts.     HCtftcr  und 

Z  o  ii  de  k.  483. 

Die  Beeinflussung  der  Blutkörperehensehkuugsgeschwi'ndigkeit  durch  Reiz- 
stoffe.     Lohr.  483. 

♊»♊Hii'lirlinioM  in  der  Behandlung  der  Fingereiterungen.    U  Ă€  r  (  e  l.  484. 

Jugendliche   Psychopathen   und    FĂŒrsorgeerziehung.     I?  ri  e  de  b  erg.  ixt. 

Aetiologie  und  Prognose  der  serösen  Pleuritis  beim  Kinde. 
Die  seröse  idiopathische  Pleuritis  im  Kindesaller  beruht  durch- 
aus nicht  immer  auf  einer  Tuberkulose.  Sie  bildet  hiermit  also 
einen  Gegensatz  zu  der  serösen  Pleuritis  des  Erwachsenen,  die 
meist  in  enger  Beziehung  zur  Tuberkulose,  sieht.  In  den  vom 
Verfasser  beobachteten  Fallen  blieb  ein  gewisser  Prozentsatz 
auch  in  spateren  Jahren  völlig  gesund,  selbst  wenn  sich  z.  Z.  der 
Erkrankung  die  Tuberkuloseinfeklion  durch  den  positiven  Pirlquet 
nachweisen  Ließ".  GegenĂŒber  einer  folgenden  Tuberkulose  gestottd 


MO 


Ans  den   neoesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17 


die  kindliche  Pleuritis  eine  weit  bessere  Prognose  als  beim  Er- 
wachsenen. 

Ist  bei  Placenta  praevia  dir  Metreurysc  ein  fĂŒr  die  haus- 
Àrztliche  Geburtshilfe  geeignetes  ungefÀhrliches  Verfahren?  Wenn 
infolge  Placenta  praevia  Blutungen  auftreten,  so  sind  solche 
Frauen,  wenn  möglich,  einer  GebĂ€ranstalt  zuzufĂŒhren.  Ist  das 
nicht  angĂ€ngig,  so  muß  der  Praktiker  an  Ort  und  Stelle  fĂŒr  sach- 
gemĂ€ĂŸe Blutstillung  Sorge  tragen.  Dies  geschieht,  wenn  der 
Muttermund  und  Halskanal  fĂŒr  einen  Finger  durchgĂ€ngig  ist. 
mittels  intraamnialer  Metreuryse.  Hierzu  ist  der  weiche,  nicht 
zugfeste  Braunsche  Ballon  zu  verwenden.  Die  Operation  ist  auch 
fĂŒr  den  nur  ĂŒber  Durchschnittserfahrung  in  der  Geburtshilfe 
verfĂŒgenden  Praktiker  ausfĂŒhrbar.  Mit  in  Kauf  zu  nehmen  ist 
die  meist  nicht  betrÀchtliche  Blutung  bei  der  zunÀchst  erforder- 
lichen Durchbohrung  der  Placenta. 

Zur  Wirkung  von  primÀrem  Natriumphosphat  auf  die  kör- 
perliehe LeistungsfÀhigkeit.  In  interessanten  Versuchen,  die  an 
der  preußischen  Polizeischule  fĂŒr  LeibesĂŒbungen  in  Spandau  an- 
gestellt wurden,  konnte  erwiesen  werden,  daß  tĂ€gliche  Gaben 
von  PhosphorsÀure  (Recresal)  einen  erheblichen  Stoffansatz 
bedingten,  der  sich  wahrscheinlich  auf  Skelett  und  Muskulatur 
erstreckte,  und  eine  meßbare  Steigerung  der  körperlichen  (.ei 
stungsfÀhigkeit  mit  sich  brachten. 

Richtlinien  in  der  Behandlung  der  Fingereiterungen.  L  eber- 
sicht ĂŒber  Pathogenese,  Operation  und  Verbandtechnik  bei  Pana- 
rifien  und  Handphlegmonen.  A.  MĂŒnz  er. 

Medizinische  Klinik. 

:>.  Februar  1922,  18,  Nr.  6 

❖  Herzuntersuchungen  bei  Schwangeren  und  GebĂ€renden.    Deutsch.  F.  und 

Prieset.  R.  165. 
Ueber    Hautdiphtherie,    insbesondere,    die    ekzematoide    Form.      B  i  b  e  r  - 

stein.  H.  168. 
Umfrage  ĂŒber  die  neue   Influenzaepideimie.  174. 
Ueber  Meningitis  gonorrhoica.    Lindenfeld.  I..    1 76. 
("eher  vorĂŒbergehenden  Verschluß  von  Körperöffnungen  mittels  Hautknopt- 

löeher.    L  i  n  h  a  r  t  ,  A.  178. 
❖Zur  Kasuistik  seltener  IleusfĂ€Jle.    v.  Ortenberg.  H.  178. 
Nachtrag  zu  meiner  Arbeit:    Ueber    senile    Hysterie    (Astasie-Abasie  und 

Vagotoniei).    F  r*i  e  d  1  À  n  d  e  r.  Fr.  179. 

❖  lieber  praktische  Erfahrungen  mit  Lytophan.    F  e  u  s  t  e  1  1  .  R.  179. 
Beitrag  zur  Theorie  und  Praxis  der  Ausflockungsieaktion  von  Sachs  und 

Georgi.    Gaethge  ns,  W.  und  S  a  1  v  i  o  1  i  ,  G.  179. 
Ueber  die  Bedeutung  der  Hydro-  und  Thermotherapie'  fĂŒr  Physiologie  nun 

Pathologie  des  weiblichen  Sexualapparates.    Tobias.  E.  182. 
Lebertran  und  Rachitis.  183. 

Herzuntersuchungen     bei    Schwangeren     und  GebÀrenden. 

Deutsch  und  P  r  i  e  s  e  1  haben  durch  vergleichende  orthodia- 
phische  Aufnahmen  des  Herzen  in  der  letzten  Zeit  der  Schwanger- 
schaft und  im  Wochenbett  versucht,  der  Frage  nÀher  zu  kommen, 
ob  und  welche  VerÀnderungen  das  gesunde  Herz  in  der 
Schwangerschaft  erleidet.  Daß  unter  dem  Einfluß  der  Schwanger- 
schaft eine  AufwÀrtsdrÀngung  des  Zwerchfells  stattfindet,  war 
;iuch  frĂŒher  schon  von  anderen  Autoren  festgestellt  worden,  wenn 
auch  die  Angaben  ĂŒber  den  Grad  der  VerdrĂ€ngung  erheblich  dif- 
ferieren. Im  vorliegenden  Falle  konnten  die  Verfasser  fest- 
stellen, daß  die  durch  die  AufwĂ€rtsdrĂ€ngung  des  Zwerchfells 
verursachte  Verlagerung  des  Herzens  nur  gering  ist,  daß  ferner 
das  gesunde  Herz  unter  dem  Einfluß  der  GraviditĂ€t  wohl  eine 
geringe  VergrĂ¶ĂŸerung,  und  zwar  sowohl  des  linken  wie  des 
rechten,  erfĂ€hrt,  daß  dieselbe  aber  in  der  Periode  der  Wehen 
keine  Zunahme  erfÀhrt  und  sich  im  Wochenbett  rasch  wieder 
zurĂŒckbildet.  Ein  Unterschied  inbezug  auf  Erst-  oder  Mehr- 
gebÀrende konnte  nicht  festgestellt  werden.  Bei  4  FÀllen  protra- 
hierter WehentĂ€tigkeit  —  bis  zu  48  Stunden  —  konnte  nur  hei 
2  FĂ€llen  eine  deutliche  HerzvergrĂ¶ĂŸerung  auch  noch  8  Tage  nach 
der  Entbindung  nachgewiesen  werden,  mit  den  subjektiven  Er- 
scheinungen großer  SchwĂ€che,  Herzbeklemmung  und  Herzklopfen. 
Accidentelle  systolische  GerĂ€usche  ĂŒber  der  Pulmonalis.  teils 
auch  ĂŒber  allen  Ostien  konnten  in  29,2  Prozent  aller  FĂ€lle  nach- 
gewiesen werden  und  zwar  in  6  FÀllen  wÀhrend  der  GraviditÀt, 
in  einem  nach  derselben,  in  7  vor  und  nach  der  Entbindung.  Die 
in  einigen  dieser  FĂ€lle  bestehenden  subjektiven  Beschwerden 
Wissen  die  Verf.  das  Vorhandensein  aecidenteller  GerÀusche  als 
den  Ausdruck  einer  gewissen  Neigung  zur  FunktionsschwÀche 
des  Herzens  deuten. 

Zur  Kasuistik  seltener  IleusfÀlle.  V.  Orlenberg  hatte  Ge- 
legenheit, einen  Fall  von  Ileus  zu  operieren,  der.  als  Obturations 
ileiis  gedeutet,  sich  bei  der  Operation  als  Strangulationsileus  er- 


wies hervorgerufen  durch  den  vollstÀndig  erhaltenen,  etwa  blei- 
stiftdicken  Ductus  omphalo-mesentericus,  der  eine  untere  Ileum- 
schlmge  vollkommen  abschnĂŒrte.  Da  Pat.  nach  dem  Fußballspiel 
plötzlich  ĂŒber  Leibschmerzen  klagte,  wird  angenommen,  daß  die 
Abschnurung  durch  irgend  eine  brĂŒske  Bewegung  beim  Spiel 
entstanden  ist.  NachtrÀgliche  ergÀnzende  anamnestische  Auf- 
nahme ergab,  daß  der  Pat.  als  SĂ€ugling  etwa  %  Jahr  lang  eine 
Aabelfistel  hatte,  aus  der  sich  schleimige  Massen  entleerten,  und 
die  sich  nach  Aelzung  durch  einen  Arzt  geschlossen  hatte. 

Ueber  praktische  Erfahrungen  mit  Lytophan.  Feustell 
hat  in  40  FĂ€llen  verschiedenartiger  Erkrankungen  mit  Lytophan 
sehr  gute  Erfolge  erzielt.  Behandelt  wurden:  Gicht,  chron.  und 
akuter  Muskelrheumatismus,  chron.  und  akuter  Gelenkrheumatis- 
mus bezw.  GelenksentzĂŒndungen,  Lumbago,  Ischias  und  ischias- 
ahnliche  Schmerzen,  Interkostalneuralgie  und  allgemeine  Neuri- 
tiden.  In  der  ĂŒberwiegenden  Zahl  der  FĂ€lle,  besonders  in  den 
akuten,  trat  prompte  Wirkung  ein,  in  den  anderen  wurde  fast 
ausnahmslos  schmerzlindernde  Wirkung  erzielt.  Die  Dosis  war 
3  mal  tÀglich  1  gr,  3-4  Tage  lang,  evtl.  Wiederholung  der  Dosis 
nach  einigen  Tagen.  Silbermann  (Charlottenburg). 

MĂŒnchener  medizin.  Wochenschrift. 

24.  Februar  1922.  Nr.  8. 

Angebliche  Gefahren   de*  DĂ€mmerschlafes   bei   der  Geburt.     Opitz.  261. 

DurchlĂ€ssigkeit  der    HaargefĂ€ĂŸwand    beim    Menschen.      Oft  n  Baien  und 
9t  8  II  6  Ti  263. 

Uystonisches  Syndrom.    E  w  a  I  d.  264. 

Gynergen.    B  ö  r  i  n  g.  266. 

❖Neosilbeisalvarsan  bei  Neurolues.    D  r  e  i  f  ,u  s.  268. 

❖Erweiterte  Indikatiou  der  Talmaschen  Operation.     Rubens  o  h  u  *B9 
❖KrĂ€tzemittel  „Catamin".    s  c  h  e  1  c  h  e  r.  870. 

KontagiositÀt   des  Condyloma   acuminatum.     [,  i  c  h  te  n  s  te  in.  270. 
❖KrebsĂ€tiologie.     Holtmann.  271. 
.    ❖Endoluinbale  SalvarsanbehandluiiR.    Fuchs.  271. 

Fachausdrucke   der   modernen   Vererbungslehre.    8  i  e  m  e  n  s.  872. 

Neosilbersalvarsan  bei  Neurolues.  Nss.  verbindet  die  chemo- 
therapeutischen VorzĂŒge  des  Silbersalvarsans  mit  den  praktisch 
wichtigen  Vorteilen  der  leichten  Löslichkeit  und  guten  VertrÀg- 
lichkeit des  Neosalvarsans,  ohne  dessen  Oxydierbarkeit  und  ge- 
ringere Wirksamkeit  aufzuweisen. 

Ueber  eine  erweiterte  Indikation  der  Talmaschen  Operation. 

Bericht  ĂŒber  gĂŒnstigen  Effekt  des  Eingriffs  bei  Pfortaderstau- 
ung, die  in  diesem  Fall  durch  einen  anscheinend  benignen 
Tumor  verursacht  wurde. 

Erfahrungen  mit  dem  KrĂ€tzcmittel  „Catamin".  Catamin 
(Biedel  A.-G.,  Berlin)-Schwefelzinksalbe  mit  10  %  Zink  und  .">  % 
Schwefel,  3  Tage  lang  je  1  mal  eingerieben,  am  4.  Tag  Bad  be- 
wĂ€hrte sich  dem  Verf.  gut.  VorzĂŒge:  Niemals  Hautreizung,  im 
Gegenteil  gute  Beeinflussung  der  oft  ekzematösen,  gereizten 
Haut;  rasche  Beseitigung  des  Juckreizes,  keine  SchÀdigung  der 
WĂ€sche,  angenehmer  Geruch  und  große  Billigkeit. 

Ein  Beitrag  zur  KrebsÀtiologie  auf  Grund  der  Krebsstatistik 
in  Cuba.  Auch  in  Cuba  auffÀllige  Zunahme  der  Krebssterblich- 
keit. Die  Angaben  von  Behla,  daß  roh  genossenes  Garten- 
gemĂŒse eventuell  Ă€tiologisch  in  Betracht  kĂ€me,  lennt  Verf.  ab, 
da  in  Cuba  GartengemĂŒse  ĂŒberhaupt  nicht  roh  genossen  wird. 

Zur  Frage  der  endolumbalen  Salvarsanbehandlung.  Polemik 

gegen  Benedek  (M.  m.  W.  Nr.  2,  1922).  Verf.  hebt  hervor,  daß 
die  intravenöse  Behandlungsart  den  gleichen  Effekt  erzielt  und 
sich   damit  die  Nachteile  der   endolumbalen  Therapie  nÀmlich 

1.  UmstĂ€ndlichkeit  und  Schwierigkeit  der  Technik  fĂŒr  den  Ar/.t. 

2.  Unbequemlichkeit  und  Kostspieligkeil  fĂŒr  den  Patienten  und 
.3.  Gefahr  schwerer  SchÀdigung  durch  Ueberdosiei  nng  vermeiden 
lassen.  F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend 

3.  MĂ€rz  1922.  Nr.  9. 

Postoperative  Bauchlellverwachsungen.    Martins.  29t( 
❖Pathologische  Anatomie  des  Gehirns  in  ihren  Beziehungen  zur  Psychiatrie. 
Klarfeld.  302. 

Oeroplagusplastik.  Methodik   und   Erfolge.    Frangenheim.  SOS. 
❖Röntgenbestrahlung  bei  Asthma   bronchiale.     K  l  e  w  i  t  /.  I0S 
❖Jodprophylaxe  bei  Grippe.    Steiner.  306. 
❖Haut-   und   TubcrkuloseinimunitĂ€t.     Böhme.  HÖH. 
❖Behandlung  des  Abortes.    S  a  m  u  e  1.  308. 

❖  intrakardiale    Adreiial  ininjektion    bei    Sarkö«eherzstiJlstand    eines  SĂ€uglings. 

B  1  i  e  d  u  n  g.  309. 

❖  Intravenöse    lujeUtio  i    von     Karaipfe-rwastser    hei     SĂ€uglingen.  Sehet« 

che  r.  310. 


10.  Jahrg. —  Nr.  16/17. 


Ans   den    neuesten  Zeitschriften 


341 


tSpesiflsch«  Therapie  und  Prophylux?  «Ii  *  Gelbfiebers     O  I  p  p.  .in 

Kriegsneurose.    A  mbul  d.  311. 
‱fruhertnn.    Rauhem.  312. 

NĂ€chtliche  YVadciikriimpfe.    0  c  h  s  «■  u  i  n  s.    .ii  j 

Adolf  KuUmauls   lOU.  Geburtstag.     Kleine  r.  313 

Die  pathologische  Anatomie  des  Gehirns  in  ihren  Bezie« 
hungen  zur  Psychiatrie.    Kurzes  Febersichtsreferat. 

Röntgenbestrahlung  bei  Asthma  bronchiale,  («nie  Erfolge  in 
17  von  21  FĂ€llen. 

Ueber  Judprophylaxe  bei  Grippe.  Gute  ErfaHrungen  mit 
Dijodyl-Riedel,  tgl.  1  Tabl.,  SĂ€uglinge  %  Tabl. 

Haut-  und  TuberkuloseimmunitÀt.  Interessantes  Referat 
Über  die  Ponndorfsche  Impfmethode. 

Ueber  4die  Behandlung  des  Abortes.  Angabe  von  improvi- 
sierten Beinhalten!  mittels  2  BettĂŒchern  fĂŒr  Behandlung  im 
Privathaushalt.  Jeder  Abort  soll  digital  ohne  nachherige  In- 
strumentanwendung ausgetastet  werden.  Kurettiert  dĂŒrfen  nicht 
fieberhafte  Aborte  bis  zum  2.  Monat,  wenn  die  Zervix  sich  nicht 
weiter  wie  bis  Hegar  Nr.  12  in  einer  Sitzung  dehnt.  Nach  zwei 
Monaten  stets  digitale  Austastung.  Tamponade  und  SpĂŒlungen 
sind  nach  Verf.  nicht  notwendig. 

Intrakardiale  Adrenalininjektion  bei  Narkoseherzstillstand 
eines  SÀuglings.  Guter  Dauererfolg  mit  0.2  cem  1°/00  Adrenalin 
in  einem  solchen  Falle. 

Ueber  die  intravenöse  Injektion  von  Kampferwasser  bei 
SÀuglingen.  Kampferwasser  (Merck ist  Ringerlösung  mit  0,142  % 
Kampfer.  Dosierung  10—20  ccm.  54  behandelte  FĂ€lle.  Keine 
Reizerscheinungen.  Endeffekte  sehr  gering,  was  aber  auf  die 
FĂ€lle  selbst  zurĂŒckzufĂŒhren  ist,  die  meist  in  sehr  desolatem  Zu 
stand  war.    Weitere  Versuche  sind  dringend  zu  empfehlen. 

Spezifische  Therapie  und  Prophylaxe  des  Gelbfiebers.  Referat 
ĂŒber  amerikanische  Arbeiten.  Gute  Erfolge  mit  spezifischem 
Serum  bei  frĂŒhzeitiger  Anwendung.  Prophylaxe  nach  Nogucki: 
Zweimal  2,0  ccm  abgetötete  Septogrica-ikteroides-Reinkultur  mit 
anscheinend  gutem  Erfolg,  da  von  3230  Geimpften  keiner  er- 
krankte. <        .     :  p 

Albertan,  ein  neues  Antiseptikum.  Albertan  -  Aluminium- 
prolyphenylat  mit  8  %  Aluminium  (Albert  u.  Lohmann,  Fahr 
a.  Rhein).  Gute  Wirkung  als  Ersatz  fĂŒr  Jodoform,  dabei  völlig 
geruchlos.    Auch  als  Albertan-Brandbinde  gut  bewÀhrt.  \ 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend 

‱Zeitschrift  fĂŒr  klinische  Medizin,  Berlin. 

3.  Marz  1922.  93.  Heft  I  6. 

Untersuchungen    ĂŒber    die    Physiologie    und    Pathologie    der  Blutraengen. 
P  1  e  s  c  h  ,  J.  2fi. 

Einige  Bemerkungen   ĂŒber  Flecktyphus   nach    Beobachtungen   wĂ€hrend  ele-i 
Moskauer  Epidemie.  1917—1920.    Plettnew    D.  885. 
❖Die   hĂ€moklasisehe   Krise   nach   Widal   ;il<  Verifauungsleukopenie.  Verglei- 
ehende  PrĂŒfung  der  Leberpartiialfunktion  bei  Leberkranken  und  Gesunden. 
Hölzer.  P.  und  Schi  lling,  E.  802. 
r  Die  hÀmoklasisehe  Krise  Wldafe.  I.    Das  leukozytÀre  DifferentialbHd  sprich! 
fĂŒr  Verteilungsleukozytose.    XV  o  r  in  s  .  W.  und  S  e  Ii  t  eiber.   BT.  828. 
I   ♩Die    Bedeutung   der   Stalngninno    des    l.'rins    fĂŒr   die-  Prognose    innerer  Er- 
krankungen.    S  c  Ii  e  in  e  n  s  k  y  .   W.  334. 

Das    Blutbild    bei   Skorbut    mit   BerĂŒcksichtigung    der  Einksverschiebung. 
II  a  u  s  m  a  n  n  .  T.  346. 

‹»Von  der   Bedeutung  des   konstitutionellen    Nfomentes    in   der   Aetiologie  der 
Appendieitis.    'Backmann.  W.  358. 
Die  praktische  Verwertbarkeit  der   \iuylasc-iDia.stasc-i  Bestimmung  in  Blut 
und   Urin   fĂŒr   die    Diagnostik  der   verschiedensten    pathologischen  Zu- 
stÀnde.   Block.   W.  381. 

I    Die  Voluinmessung  «ler  roten  Blutkörperchen  l.ei  verschiedenen  Krankheiten 
C  s  À  k  i  .    I..  405. 

Einfluß  der  Magenfiinkliuii   auf  den   Kohlcuh.vdratstnffwci-hsel      H  o  t  h  (I 
und  E  r  n  8  t  .  Z.  417. 

❖  Die  Prognostik  der  Ninreiikrankheiten.    Eitz  n  «■  r  .  s.  124. 

❖Zur  Krag«  der  akuten  eiweißfreien   Nephritis.     Mayer,   I..  nie 

Die  hÀmoklasisehe  Krise  nach  Widal  als  Verdauungsleuko- 
penie.  200  ccm  Milch  oder  das  Aequivalent  Kohlehydrate  erzeug! 
verschieden  hohe  Verdauungsleukocytose:  hei  Infektionskrank- 
heiten ist  die  Wida Ische  hÀmoklasisehe  Probe  (Leukocytensenkung 
"■"Ii  200  ccm  Milch  bald  positiv,  bald  negativ,  sogar  hei  der 
gleichen  Krankheit.  /..  13.  Paratyphus  und  Typhus.  Herzkranke 
mit  Leberstauung  zeigen  positive  Widalsche  Probe  Bei  allen 
offensichtlichen  l.eberkrankheiten  findet  sich  eine  Verdauungs 
leukopenic  nach  Milchaufnahme,  ohne  daß  die  Höhe  fĂŒr  die 
Schwere  oder  das  augenblickliche  Bestehen  einer  Leberaffektion 
maßgebend  ist    Pepton  bewirkt  bei  Gesunden  wahrscheinlich  eine 


Leukocytenvcrmehrung.  bei  Leberkranken    findet    durch  Pepton 
allein    eine  Leukocytensenkung    statt    (toxische  Wirkung,  die 
Widalsche  Probe  ist  I  Stunde  nach  Peptonaufnahmc  bei  Leber 
kranken  negativ  (refraktÀre  Phase).    Bei  Suh-  und  Anaciditaten 
tritt  oft  Verdauungsleukopenle  statt  Verdauungsleukocytose  nach 
Milchaufnahme  ein.  Bei  Salvarsankuren  und  4 — .">  Tage  nach  einer 
Salvarseninjektion  (auch  von  0,15)  treten  Leukocytenverminde 
rungen    nach   Milchaufnahme   ein.     Bei  retikulo-endothelialem 
Ikterus  bewirkt  200  ccm  Milch  einen  deutlichen  Leukocytenan 
stieg.    Die  Senkung  des  Blutdruckes  geht  der  Leukocytenkurve 
nicht  immer  parallel,  besonders  ist  der  Anfangswert  meist  zu 
hoch    (durch    Furcht    psychisch    bedingte  Blutdrucksteigerung 
Die  Bauersche  Galaktose-  und  Widalsche  Milchprobe  können  viel- 
leicht kombiniert  werden,  zur  PrĂŒfung  der  Leber  auf  die  Assimi 
lationsfĂ€higkeit  fĂŒr  Kohlenhydrate  und  Eiweiß.     Die  absoluten 
Zahlen    sind   fĂŒr    die   Verdauungsleukocytose    und  Leukopenie 
wechselnd.    Sowohl   Leukocytose  als  auch   Leukopenie  können 
evtl.  durch  wechselnde  Mengen  und  verschieden  weit  abgebaule 
Eiweißabbauprodukte  bedingt  sein. 

Die  Bedeutung  der  Stalagmone  des  Prins  fĂŒr  die  Prognose 
innerer  Erkrankungen.  Die  pathologische  stalagmometrische  S.  (). 
(stalagmometrischer  Quotient)  Kurve  ist  unter  UmstÀnden  ein 
Anzeichen  fĂŒr  einen  noch  nicht  abgeschlossenen  Krankheits- 
prozeß, sie  kann  demgemĂ€ĂŸ  auch  bei  klinisch  anscheinend  zur 
Heilung  fĂŒhrender  Erkrankung  prognostisch  wichtig  werden 
eventuell  kann  sie  eine  wichtige  FunktionsprĂŒfung  bei  Nieren- 
störungen sein,  bei  denen  die  ĂŒblichen  klinischen  Funktions 
PrĂŒfungen  zu  negativem  Besirltat  fĂŒhren.  NĂ€here  Einzelheiten 
siehe  Original. 

Von  der  Bedeutung  des  konstitutionellen  Momentes  in  der 
Aetiologie  der  Appendieitis.  Ein  konstitutionelles  Moment  isl 
deutlich  zu  erkennen,  mag  nun  ein  Morbus  aslhenicus  Stiller  . 
Status  thymicolymphaticus  (Paltauf),  hypoplastische  Konstitution 
(Bartel),  exsudative  Diathese  oder  sonst  etwas  in  dieser  Hinsich! 
vorliegen.  Verf.  nimmt  an,  daß  es  sich  hauptsĂ€chlich  um  eine 
allgemeine  Herabsetzung  der  Widerstandskraft  hei  den  cellulÀren 
Elementen  in  den  Geweben  des  Appendix  gegen  Ă€ußere  Ein 
flĂŒsse  (Bakterien)  handelt. 

Die  Prognostik  der  .Nierenkrankheiten.  Verf.  hÀl  das 
Schicksal  einer  grĂ¶ĂŸeren  Zahl  von  FĂ€llen  aus  den  Jahren  1910 
bis  1912  katamnestisch  verfolgt  und  erörtert  ausfĂŒhrlich  die 
Möglichkeit,  bei  den  verschiedenen  Formen  eine  richtige  Prog- 
nose stellen  zu  können.  Die  Einzelheiten  mĂŒssen  auch  hier  im 
Original  gelesen  werden. 

Zur  Frage  der  akuten  eiweißfreien  Nephritis.  Literatur 
ĂŒber  eine  Anzahl  solcher  FĂ€lle  und  Beschreibung  zweier  selbst 
beobachteten.  Es  empfiehlt  sich,  die  Krankengeschichten  nach- 
zulesen, da  man  nach  Ansicht  des  Verf.  bei  beiden  FĂ€llen  ent- 
schieden auch  eine  andere  Deutung  aus  den  mitgeteilten  Daten 
herauslesen  kann. 

F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Oharlottenburg-Westend 

Zeitschrift  fĂŒr  physikalische  und  diĂ€tetische  Therapie  ein- 
schließlich Balneologie  und  Klimatologie. 

-  r  1 
1922.  26.  Heft  2. 

«t^heMaalbĂ€deptlherapie  der  Polyarthritis  rheunmtiea.  II  .■:  v  :i  s  ,  Jul.  33 — 11.' 
♩Eine  vereinfachte  Method  ■  der  Traubenzuckerinfusion  mit  Kalzium-Zusatz. 

H  e  1  w  i  g.  41—44. 
♩  Bemerkungen  ĂŒber  die  ErnĂ€hrung  «ler  Japaner.    L  d  e  «  .  0  s  e.    *l — 4«. 
❖Kliiimtologisehcs  aus  den  sehlesiseiien  Kurorten.    Siebe!  t.  tfi — 49. 

ThermalbÀdertherapie  der  polyarthritis-rheumatiea.  Ziem- 
lich weitschweifig  setzt  Havas  auseinander,  daß  eine  Badekur 
nach  Gelenkrheumatismus  erst  begonnen  werden  soll,  wenn  der 
Krankheitsprozeß  tatsĂ€chlich  abgelaufen  ist.  d.  h.  wenn  keine 
Temperaturschwankungen  und  namentlich  keine  Schweiße  mehr 
bestehen.  (Die  HartnÀckigkeit  des  Bheumatismus  und  sein  oft 
scheinbar  unmotiviertes  Wiederaufflackern  war  schon  unseren 
VorgÀngern  bekannt  Ref.  Nach  den  akuten  Formen  soll  man 
deshalb  3  Wochen  nach  dem  letzten  Schweißausbruch  warten 
Bei  den  subakuteh  Formen  tritt  die  BefĂŒrchtung  ein.  die  Affektion 
möchte  chronisch  werden  und  zu  irreparablen  VerÀnderungen 
fĂŒhren.  Dann  muß  man  eben  im  :>.  Monat  der  Erkrankung  ganz 
vorsichtig  mit  wenig  reizenden  BĂ€dern  beginnen  und  sich  je  nach 
deren  Erfolg  weitertaslen.  Die  Konstitution  des  Patienten  spricht 
da  das  letzte  Wort.  WĂ€hrend  die  Bekonvaleszenlen  vom  akuten 
Rheumatismus  mit  1ö  -20  Badetagen  in  3 — 4  Wochen  wegkommen 
mĂŒssen  die  subakulen  mit  6—8 — 10  Wochen  rechnen. 


342 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —  Nr.  16  17. 


,.Bakteritische  EinflĂŒsse"  (S.  36)  wollen  wir  aber  nicht  ein- 
fĂŒhren. ßaxrrjQlrc,  gibt  es  zwar  im  Griechischen  nicht,  wĂŒrde 
aber  nach  unserem  Sprachgebrauch  zu  ĂŒbersetzen  sein  mit:  ein 
entzĂŒndetes  StĂ€bchen.  jupfheotTC,  ist  zum  GlĂŒck  ausgemerzt; 
es  bedeutete  ein  mit  Ziegenfellen  bekleidetes  Weib. 

Eine  vereinfachte  Methode  der  Traubcnzuckerini'usion  mit 
Kalzium-Zusatz.  Mit  Saccharucal-Injektionen  i=  '25  Proz.  Trau- 
benzuckerlösung 10  cem  +  10  Proz.  Chlorkalzium  1  cem)  geling! 
es,  so  ziemlich  bei  allen  Formen  von  HerzschwÀche  Besserung 
zu  erzielen;  denn  sie  sind  fast  immer  durch  Tiefstand  des  Blut- 
zuckers bedingt.  Eine  gleichzeitige  Liegekur  zur  AuffĂŒllung  dei 
(/lykogendepots  sichert  die  Nachhaltigkeit  des  Effekts. 

Bemerkungen  ĂŒber  die  ErnĂ€hrung  der  Japaner.  Die  Vor- 
stellung, daß  die  Japaner  reine  Vegetarier  seien,  ist  in  dieser 
prĂ€zisen  Form  nicht  ganz  richtig:  Fische,  HĂŒhner.  Eier,  Biesen 
Salamander  usw.  werden  keineswegs  verschmÀht.  Aber  auch, 
wo  die  Kost  vegetarisch  war,  fĂŒhren  sich  die  Bewohner  des 
Inselreiches  durchschnittlich  0,8  g  Ca  0  und  1,0  Mg  O  zu.  so  dali 
von  einer  Kalkarmut  keine  Rede  sein  kann. 

Klimatologisches  aus  den  schlesisehen  Kurorten.     Aus  dem 

Vortrag  von  Sieb  eil,  wonach  jeder  Ort  sein  eigenes  Klima  hat. 
sei  besonders  auf  das  Pflanzen-  und  Tierleben  hingewiesen,  das 
mir  ein  besserer  Registrierapparat  zu  sein  scheint  als  die  rein 
physikalischen  Messungen  von  Luftdruck,  Winden.  Feuchtigkeit, 
elektrischen  Spannungen  usw.  Vielleicht  ergeben  Untersuchun- 
gen neue  und  wertvolle  AufschlĂŒsse  ĂŒber  die  klimatischen  Ver- 
hÀltnisse eines  Kurortes.  Butter.sa  c  k. 

Therapie  der  Gegenwart,  Berlin. 

Januar  1921,  63.  Heft  1. 
❖Zur  Behandlung  der  Nierenkranken.    II  i  rsc-h,  ('.  i 

♩M>ie   moderne   Behandlung  des    MastdjurmkrSbses.     SS  c  Ii  i  (I  e  u  .    V.  und 

Fischer  .  H.  8. 

GrundsĂ€tze    und    Erfahrungen    ĂŒber    die    fc>ĂŒhheilung    irischer  Syphilid. 

H  o  I  !  in  a  n  n  ,  E.    1 1 . 
Zur  Therapie  des  statischen  Senk-Knickfußes.  19. 
Neuere  Arbeiten  ĂŒber  unspe/if ische  Therapie.     G  r  u  n  k  e.  12. 

Zur  Behandlung  der  Nierenkranken.  Charakteristisch  fĂŒr  die 
Auffassung  des  Verfassers  ist  die  Formulierung  des  Themas. 
Er  spricht  nicht  von  Nierenkrankheiten,  sondern  von  der  Behand- 
lung der  Nierenkranken.  Er  tritt  der  Nierenbehandlung  etwa  so 
gegenĂŒber  wie  der  modernen  Diabetestherapie.  Jeder  Fall  muß 
einzeln  angefaßt,  ganz  fĂŒr  sich  behandelt  werden,  jedes  Schema, 
jede  Rubrizierung  ist  untunlich.  Denn,  so  sagt  er,  bis  heute  ha! 
die  gesamte  Einteilung  der  Nierenkrankheiten,  die  zum  Fanalis- 
mus geworden  sei,  versagt.  Weder  können  wir  anatomisch  die 
GefĂ€ĂŸ-  und  EpithelschĂ€digungen  auseinanderhalten,  noch  zeigt 
uns  die  PrĂŒfung  der  Einzcll'unklion  Wege  zu  echten  Gruppen- 
aufstellungen. Auch  die  Feststellung  Àtiologischer  Momente  isl 
selten  möglich.  Wir  sind  angewiesen,  so  sagt  Verfasser,  auf 
sorgfÀltige,  individualisierende  Erfassung  des  Einzelfalles.  Wir 
treiben  heute  meist  Schonungsbehandlung  des  erkrankten  Organs 
und  reden  uns  ein,  im  Gegensatz  zu  Àlteren  Aerzten  zu  stellen, 
die  frĂŒher  die  DurchspĂŒlung  bevorzugten.  Ganz  richtig  ist  das 
nicht,  denn  auch  die  frĂŒheren  Aerzte  begannen  die  Behandlung 
der  akuten  Nephritis  mil  !-  1  Milch.  Die  Forderung  Traubes. 
bei  jedem  Nierenkranken  das  Herz  zu  beachten  isl  heule  Allge- 
meingut der  Aerzte.  Bei  der  akuten  Nephritis  isl  das  Hervor- 
stechendste die  Störung  des  Wasserwechsels.  Da  tritt  zuerst 
unser  Schonungsprinzi|>  in  TĂ€tigkeit.  Leider  ist  aber  eine  ab- 
solute Nierenschonung  urimöglich.  Hier  muß  man  sorgfĂ€ltig  in- 
dividualisieren, eine  Durstkur  nie  zu  lange  ausdehnen.  Verf.  be- 
kĂ€mpft den  Wasserstoß",  der  nur  Scheinerfolge  habe,  in  Wahr- 
heil eine  viel  zu  starke  Belastung  des  Organs  sei.  Ueber- 
haupl  soll  man^iei  allen  odemalosen  Kranken  sieh  vor  brĂŒsken 
Belastungsproben  hĂŒten.  Neben  der  Harnuntersuchung  isl  das 
Wichtigste  das  regelmĂ€ĂŸige  Wiegen  der  Kranken,  womit  am 
ehesten  Wasserretentionen  erkennbar  sind  Eine  Hunger-  und 
Durstkur.  wie  sie  Volhard  empfiehlt,  ist  nach  Hirsch  nur  an- 
gebracht, wenn  bei  schnell  ansteigendem  Hydrops  UrÀmiegefahr 
besteht.  Ganz  anders  bei  der  Schrumplniere.  Hier  kommt  es 
nur  auf  die  Erhaltung  der  Herzkraft  an.  hier  gebe  man  reichlich 
FlĂŒssigkeil,  quĂ€le  den  Kranken  auch  nicht  mit  sinnloser  Koch- 
salzentziehung. Ueherhau.pt  verlangen  Kochsalz-  sowohl  wie 
Stickstoffentziehungen  ganz  strikte  Indikationen.  Bei  Schrumpl- 
niere warnt  Verf.  vor  Jodkuren,  die  oft  zu  Jodvergiftungen 
fĂŒhren.  —  Sehr  wichtig  isl  ferner  die  Behandlung  der  drohenden 
oder  eingetretenen   UrÀmie.     Bei  der  akuten  'Nephritis  kommen 


urÀmische  ZustÀnde  vor,  meist  passagerer  Natur,  die  durch 
strengste  Schonung,  evtl.  Aderlaß,  Lumbalpunktion.  Herzbeofa 
achtung  gut  zu  bekÀmpfen  sind.  Bei  chron.  Nierenkranken  ist 
PrĂ€mie  immer  prognostisch  ungĂŒnstiger.  Hier  vor  allem  strikte 
hiweißeinschrĂ€nkung.  —  Bei  allen  chron.  Nierenkranken  emp- 
fiehlt Verf.  genaue  Herzbeobachtung,  evtl.  fortgesetzte  kleine 
Digitalisdosen  (n.  Kußmaul ).  Auch  Diuretica  hĂ€lt  Verf.  fĂŒr  wirb! 
sanier,  wenn  sie  lange  in  kleinen  Dosen  gegeben  werden.  Die 
Chirurg.  Behandlung  (Dekapsulation  n.  KĂŒmmell)  kommt  nur  in 
Frage,  wenn  bei  akuter  oder  subakuler  Nephritis  UrÀmiegefahr 
besteht,  die  durch  die  ĂŒblichen  Mittel  nicht  beseitigt  wird.  Aber 
auch  hier  kam  Verf.  gewöhnlich  mit  HautöVainage  zurecht. 

Die  moderne  Behandlung  des  Mastdarmkrebses.  Wahrend  die 
dynĂ€kologen  ĂŒber  immer  neue  Erfolge  bei  Bestrahlung  von  Ge- ; 
bÀrmutterkrebsen  berichten,  hat  Schmieden  bei  der  Bestrahlung 
des  Rectum-Carc.  wenig  erfreuliches  gesehen.  Abrf  auch  die] 
operative  Behandlung  lĂ€ĂŸt  leider  in  punkto  Dauerresultat  viel 
zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig.  Schmieden  schlĂ€gt  daher  vor,  beide  Me-| 
Ihoden  zu  kombinieren  und  berichtet  ĂŒber  gute  Resultate.  Leider* 
werden  die  meisten  MÀstdarmkrebse  zu  spÀt  diagnostiziert,  60  bis 
/()  Prozent  kommen  inoperabel  in  die  Klinik.  In  diesen  —  abso- 
lut inoperablen  —  FĂ€llen  soll  man  mit  Böntgenstrahlen  behandeln, 
um  zu  retten,  was  zu  retten  ist.  Wenn  aber  irgend  eine  Opera- 
tionsaussicht besteht,  ist  es  falsch,  mit  Bestrahlung  Zeit  zu  ver- 
lieren. Schm.  macht  sofort  eine  Laparatomie  und  legt  bauch- 
wÀrts  einen  Anus  praetersigmoideus  an.  Bei  der  Operation] 
sieht  man,  ob  etwa  Lebermetastasen  bestehen,  ferner,  wie  die 
Tumorgrenzen  und  Verwachsungen  sonst  sind.  Man  soll  den 
I  iimor  möglichst  ganz  exakt  ausmessen.  Jetzt  beginnt  der  2.  TeiUj 
die  Röntgenbestrahlung.  Durch  sie  gelingt  es  in  einer  sehr  großen 
Anzahl  von  FĂ€llen,  die  sekundĂ€re  EntzĂŒndung  mit  ihren  Ver- 
wachsungen zu  heilen,  den  Tumor  zur  Schrumpfung  zu  bringen 
und  mitunter  frei  beweglich  zu  machen.  Das  Ziel  der  Bestrahl 
hing,  das  oft  erreicht  wird,  ist,  den  Tumor  operabel,  wenn  irgend 
möglich  radikal  resezierbar  zu  machen.  Dann  kommt  die  zweite 
Operation.  Schm.  empfiehlt  die  abdomino-sacrale  Rectumexstir- 
pation.  Nach  der  Operation  muß  jeder  Pat.  noch  nachbestrahl] 
werden.  Glaser  (Charlottenburg;'. 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

4.  MĂ€rz  1022,  49,  Nr.  9. 

‱i»Aellologie   des  peptischeu   .le.junalgeschwĂŒrs.     Beer.  282. 

Operationsmethodik  des   Leistenbruchs.     II  a  i  t  Ii.  285. 
‱{»Verschluß  des  Bruehsacks.     Frau  k. 

Invaginatinn  des  Wurmfortsatzes.    Hofmann.'Ä.  II.  290. 

Beitrag  zur  Aetiologie  des  peptischen  .lejunalgesch$ĂŒi>.  Pin 

'Jahr  nach  der  Operation  eines  DuodenalgeschwĂŒrs  PebeinĂ€hung 
des  Ulcus,  Pylorusverschluß,  Gastroenterostomia  retrocolica 
post.)  tritt  ein  Ulcus  peplicum  jejuni  auf.  Resektion  des  die  G.E-J 
Oeffnung  tragenden  Magenteils  unter  ZurĂŒcklassung  des  Rylorusl 
lerminolaterale  Anastomose  zwischen  ovalem  Magenleil  und  .le- 
junum.  1  Wochen  danach  Exitus.  Die  Obduktion  zeigt  ein  neues 
großes  peplisches  JejunalgeschwĂŒr.  das  durch  Arrosionsblutung 
zum  Tod  gefĂŒhrt  hat.  Dieser  Fall  spricht  fĂŒr  die  Behauptung 
von  Hab  er  er,  daß  der  kĂŒnstlich  ausgeschaltete  Pylorus  die 
Gefahr  des  Ulcus  pept.  jej.  erhöht.  Außerdem  nimmt  Verfasser! 
eine  individuelle  Disposition  zur  GeschwĂŒrsbildung  an: 

.  Verschluß  des  Bruehsacks  mit  autoplastisehein  Knoten.  Vefl 
fasser  empfiehlt  folgendes  Verfahren:'  Der  gut  isolierte  Brugia 
sack  wird  in  2  HĂ€lften  gespalten  und  diese  durch  einen  ein- 
lachen Knoten  miteinander  verschlungen.  Dieser  Knoten  soll  als 
Pelotte  am  Anulus  inguinalis  int.  wirken  und  Hernienrezidive 
verhindern.  K.  Wohlgemut  h    Berlin  . 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

Dezember  1921,  IßT.    lieft  5—6. 

['utersuchuiigen  ĂŒber  I'arabiosc  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Tiansl 
plantation    und    Hyperncphrektoinie.     Mayeda,    Tömusuke.  295. 
♩Mlirscb^pruugscbe   Krankheit   und   enge.-    Berken.     Uaugk,    II.  348. 
Luxationen   nach   .Schußverletzungcn.     S  l  r  a  c  k  e  r  .   Oskar.  i'iT. 
IVber    BeindeformitĂ€ten    der    Fußballspieler.      Mandl.    Feli\     und  Pai 
1  u  g  y  a  y  ,  Josef.  376. 
❖  Die  Neben-   und   Nachwirkungen   der  örtlichen    Betauhung.     M  i  e  d  h  npfl 
Oskar.  392. 

lieber   ein    aufsaugbarrs    FĂŒllmittel    fĂŒr    Wnndbbhlen   und    Fisteln.  Mer- 
tens. V.  E.  Ii--'. 
'Mediale  Leistenhernien  hei  Krauen.     X  i  o  d  I  i  e  b.  489. 

Röntgenologie,    eine    Revision    ihi-r    technischen    Btltrie.litiitigen    ><nd  prak- 
.     tisehen    Methoden.     H  0  I  '  k  !  h 


40.  Jahrg.  — Nr.  16/17. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


Hirschsprungsche  Krankheit  und  enges  Becken.  Verl  schafft 
durch  Beschreibung  eines  Falles  von  Megacolon,  ursÀchlich  be- 
dingl  durch  ein  gerad  verengtes  Becken  mit  hereingedrĂŒcktem 
Kreuzbein,  eine  weitere  Bereicherung  der  Kasuistik  der  Hirsch- 
sprungschen  Krankheit,  Ob  das  verengte  Keeken  allein  als 
einzigste  Ursache  sekundÀrer  DarmverÀnsderungen  im  Sinne  des 
Megacolons  anzusprechen  ist  oder  ob  nicht  doch  auch  andere 
köngenitale  Gesichtspunkte  Àtiologisch  zum  mindesten  prÀdispo- 
nierend in  Betracht  kommen  dĂŒrften,  sei  dahingestellt.  Im  ĂŒbri- 
gen ergab  die  Operation  zunÀchst  Colostömie,  spÀter  radikale 
Reaktion  des  Megacolons  und  definitiver  Anus  praeternaturalis) 
ein  funktionell  zufriedenstellendes  Resultat, 

Die  Neben-  und  Nachwirkungen  der  örtlichen  BetÀubung.  Die 
Indikationssteijung  zur  LokalanĂ€sthesie  hĂ€ngt  zum  großen  Teile 
von  der  Kenntnis^  etwaiger  ungĂŒnstiger  Folgeerscheinungen  der 
örtlichen  BetÀubung  ab.  Wahrend  das  Adrenalin  infolge  der  ver- 
wendeten starken  VerdĂŒnnungen  slets  harmlos  wirkt,  sind  heim 
Novokain  hauptsÀchlich  folgende  Nebenwirkungen  beobachtet 
worden:  Erbrechen,  Schwindel,  Uebelkelt,  ferner  Kollapse,  ja 
selbst  TodesfÀlle.  Als^Naehwirkungen  treten  auf:  Wundschmerz. 
Nierenreizungen  und  Hautnekrosen.  Schließlich  gibt  es  noch  lo- 
kale, durch  die  anatomischen  VerhÀltnisse  bedingte  SchÀdigungen: 
Erblindung  bei  TrigejninusanÀsthesie,  NervenlÀhmung  bei  Plexus- 
anÀsthesie, dazu  Pneumothorax,  Pleuritis  usw.  Verletzungen  der 
Pleura  und  Nieren  sind  möglich  bei  ParavertebralanÀsthesie. 
Auch  die  Artheria  femoralis. kann  bei  der  LeitungsanÀsthesie  des 
Keimes  gefÀhrdet  werden  usw. 

Die  Dosis  des  Novokains  soll  1,25  g  nicht  ĂŒberschreiten,  die 
Konzentration  bewegt  sich  zwischen  einer  J,;~2%igen  Lösung. 
Alle  genannten  Gefahren  lassen  sich  durch  richtige  Technik  (pein- 
lichste Sterilisation,  Verwendung  geeigneter  KanĂŒlen,  vorsichtige 
Injektion  usw.  )  wesentlich  beschrÀnken. 

L.  F  ro  s  I  .  Berlin.  ■ 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

11.  MĂ€rz  1922.  46.  Nr.  10. 

❖■Zur  Karzinomstatistik.    Seit;,  L.  369. 
❖Zur  OperabilitĂ€t  des  Uteruskrejbses.    Hin.rj.chs,  K.  393. 
Die  Beziehung  des  Glykogengehalts  zur  Reaktion  des  Scheidensekrets  beim 
Weihe  und  einigen  Haustieren.     I'  a  s  c  Ii  ,  C,  375. 

vi  eher  Hydrocephiailus  externus  und  die  Geburtsleitung  bei  RehÀ,dellag'cn  hvdro 

‱  c.e.phalischer  Kinder.    Fink.  K,  377. 
❖Schcidenbildung  nach  Schubert.     Keys  e  r  I  i  n  g  k  ,   &.  380. 
❖Weitere  Erfahrungen  zur  Bildung  der  DĂŒnudarmschcidc.    X  e  u  g  e  h  ;i  u  e  r 
F.  381. 

.  Zur  Karzinomstatistik.  Seitz  gibt  folgende  Richtlinien  fĂŒr 
die  Karzinomstati.stik : 

L  Die  absolute  Ileiluugsziffer  ist  einzig  und  allein  maß- 
gebend. Es  mĂŒssen  sĂ€mtliche  Kranken  mitgezĂ€hlt  werden,  auch 
die  Verschollenen,  interkurrent  Verstorbenen,  sowie  diejenigen, 
die  die  Behandlung  verweigert  haben,  dĂŒrfen  nicht  in  Abzug  ge- 
bracht werden. 

2.  Die  5  jĂ€hrige  absolute  Heilungsziffer  ergibt  die  endgĂŒltige 
"der  (ĂŒe  Dauerheilung.  Die  Statistik  ist  eine  reine  MortalitĂ€ts- 
statistik ohne  BerĂŒcksichtigung  der  Rezidive. 

3.  Die  2  jÀhrige  absolute  Heilungsziffer  gibt  die  vorlÀufige 
klinische  Heilung.  Bei  ihr  sind  wegen  der  HĂ€ufigkeit  ihres  Auf- 
tretens die  Rezidive  und  die  schlecht  aussehenden  mitzuzÀhlen. 
Dieser  Begriff  der  vorlÀufigen  2  jÀhrigen  klinischen  Heilung  gibt 
die  Möglichkeit,  noch  vor  Ablauf  von  5  Jahren  einen  ungefÀhren 
l 'eberblick  ĂŒber  die  Leistungen  einer  neuen  Methode  zu  gewinnen 
und  die  Entscheidung  zu  treffen,  ob  es  sich  weiterhin  der  MĂŒhe 
verlohnt,  mit  ihr  Kranke  weiter  zu  behandeln. 

‱  4.  Der  Vergleich  der  operativen  FĂ€lle  der  einen  Klinik  mit 
den  operablen,  aber  der  Strahlenbehandlung  zugefĂŒhrten  FĂ€llen 
einer  anderen  Klinik  hat  wegen  der  Verschiedenartigkeit  des 
Materials  relativ  geringen  Wert. 

Zur  OperabilitĂ€t  des  Uteruskrcbsc*.  Der  im  Zentralblatl  fĂŒr 
CiynÀkofogie  Nr.  48,  1921,  gegebenen  Anregung  von  Winter 
entsprechend  hat  H.  das  Material  an  Flerus-Krebsen  der  ĂŒniver- 
sitĂ€ts-Frauen-Klinik  Kiel  von  den  Jahren  1920-21  bezĂŒglich  seiner 
OperabilitĂ€t  nachgeprĂŒft  und  kommt  zu  folgenden  Ergebnissen 
Die  durchschnittliche  OperabilitÀt  betrÀgt  67  Prozent,  die  In 
OperabilitÀt  33  Prozent.  Korpus-Karzinome  bleiben  sehr  hinge 
operabel.  Der  Vergleich  der  InoperÀbilitÀl  der  Jahre  1911)  und 
1920  ergibt  eine  Zunahme  von  fast  1X  Prozent. 

Ueber  Hydrocephalus  externus    und    die  GeburtsleitungT  bei 
SchÀdellagen  hydrocephalischer  Kinder.     Mitteilung  einer  Beob- 
achtung von  im  Fötalleben  entstandener  sehr  reichlicher  Wasser 
ansammlung  im  SubdĂŒralraum  mit   Kompression  der  gesamten 
Gehirnmasse.     Es  handelte  sieh  um  einen        abgesehen  von  der 


1 1  vdroccphalusbildung  normal  entwickelten  Knaben  mit  allen 
Zeichen  der  Keife,  einem  Gewicht  von  3720  g  und  einer  LĂ€nge 
von  54  cm,  der,  nach  AusfĂŒhrung  einer  Ochirnpunktion,  bei  der 
7.">()  Ccm  klarer  gelblicher  FlĂŒssigkeit  abgelassen  waren,  spontan 
lind  noch  lebend  geboren  war.  Hei  der  Sektion  ergab  sieh,  daß 
die  beiden  GroßhimhĂ€lften  zu  nicht  ganz  k leinhĂŒhnereigrolien 
derben  Knollen  komprimiert  an  der  Sehadelbasis  lagen,  eingehĂŒllt 
und  lest  verlötet  mit  der  verdickten  und  derben  l'ia  mater.  FĂŒr 
die  Geburtsleitung  bei  SchÀdellagen  hydrozephalischer  Kinder 
stellt  die  Winler'sche  Schule  den  Grundsatz  auf.  das  SchÀdel 
volumen  durch  Perforation  oder  Punktion  zu  verkleinern  und  die 
Austreibung  des  Kindes  dann  den  NaturkrĂ€ften  zu  ĂŒberlassen 
Sie  ist  davon  ĂŒberzeugt,  daß  eine  Punktion  mit  dĂŒnner  Nadel  am 
zweckmĂ€ĂŸigsten  im  Gebiet  der  grollen  Fontanelle  ausgefĂŒhrt,  bei 
einer  nicht  sicher  genug  diagnostizierbaren  Hydrozephalus  Bil 
dung  keinen  Schaden  bringt  und  daß  ein  Kind  mit  geringem 
Hydrozephalus  von  diesem  Eingriff  auch  kaum  Schaden  haben 
dĂŒrfte.  W  ird  mit  der  Punktionsspritze  reichlieh  FlĂŒssigkeil  auf 
gezogen  und  erweist  sich  dieselbe  als  pathologisch  gefÀrbt,  so 
wird  an  die  diagnostische  Punktion  die  therapeutische  Punktion 
mit  einer  dickeren  Nadel  angeschlossen. 

Scheidenbildung  nach  Schubert.  Keyserlingk  empfiehlt 
folgende  kleine  Modifikation  der  bekannten  Schuberf sehen  Me 
thode  zur  Scheidenbildung:  Die  Durchschneidung  des  Rektunis 
also  die  Operationsphase,  die  die  grĂ¶ĂŸte  Infektionsgefahr  in  sieh 
birgt,  ist  möglichst  an  das  Linie  der  Operation  zu  verlegen. 
Ferner:  Die  Umschneidung  der  Analschleimhaut  wird  durch  Her- 
vorwölbung der  letzteren  durch  den  Finger  des  Assistenten 
technisch  bedeutend  erleichtert. 

Weitere  Erfahrungen  zur  Bildung  der  DĂŒnndarinscheide.  Im 

(iegensatz  zu  den  meisten  Autoren,  die  die  Scheidenplastik  aus 
dem  Mastdarm  nach  Schubert  wegen  ihrer  UngefÀhrlichkeil 
vorziehen,  hĂ€lt  Neugebauer  die  DĂŒnndarmscbeidenplastik 
nach  Haeberli  n  in  der  Hand  eines  mit  der  Darmchirurgie  gut 
vertrauten  Chirurgen  fĂŒr  einen  ungefĂ€hrlichen  Eingriff.  (?Ref. 
Verf.  gibt  zu,  daß  es  manchmal  zu  Nekrosen  am  Ă€ußeren  Rande 
des  durchgezogenen  DarmslĂŒckes  kommen  kann,  welche  jedoch 
fĂŒr  das  Endergebnis  nicht  von  Relang  sind.  Es  besteht  eine 
starke  Neigung  zur  Schrumpfung  bei  der  aus  DĂŒnndarm  herge- 
stellten kĂŒnstlichen  Scheide,  welche  eine  mehrwöchige  fleißige 
Nachbehandlung  erfordert  und  es  unratsam  erscheinen  lĂ€ĂŸt,  den 
Eingriff  bei  Individuen  auszufĂŒhren,  welche  keine  Gelegenheil 
zum  sofortigen  geschlechtlichen  Verkehr  haben.  Das  anfÀnglich 
bestehende  Unbehagen  beim  Beischlaf  sowie  die  störende  Sekre- 
tion verlieren  sich  mit  der  Zeit  völlig.  Bei  Adipositas  ist  der 
Kingriff  wesentlich  schwerer:  das  ausgeschaltete  DarmstĂŒck  muH 
in  diesen  FÀllen  lÀnger  genommen  werden. 

S  p  e  y  e  r  Berlin 


Klinische  MonatsblĂ€tter  fĂŒr  Augenheilkunde,  Stuttgart. 

'  Januar-Februar  1922,  68. 

l»ic  RĂŒsazeaerkrankungeu  des  Auges.    X  riebe  n  s  t  e,i  n  ,  <»‹  3. 
Bemerkungen    ĂŒber   eine    abnorme    Mitbewegung    der    Pupille.  Biel- 

8  c  h  o  w  s  k  y  .  A.  36. 
["eher  den  HĂ€mosiderrnring  im  Horuhautcpithel  bei  Keratpkonus  und  ĂŒbet 

den  Pigmenrring  in  der  Deseeinetsehrn  Membran  bei  Pseudosklerose  und 

VYrlsonscher  Krankheit.    K  l  e  i  s  c  b  e  c  .  B.  41, 
I  ober  die  Bedeutung  kortikaler  Erregungen  fĂŒr  die  Form  und  das  Auftreten 

iles  einseitigen  vertikalen  und  des  latJenten  Nystagmus.    K.  n  g  e  I  k  i  n  g  . 

e:  r>0 

‱MVbi'r    metaplastische    Umwandlung    der    Kornea    hei  Foretlenfe'mbryoueu. 

B  a  u  r  m  a  n  n  ,  M .    73.  » 
I  eher  Embryotoxon  corneae  posterius  nebst  einem  Befund  voii  persjs'tisren,- 

ileu  Kesten  der  Membrana  oapsutlo-pupillaTis  lentis.    Kay  8  e  r  .  Tl.  SD. 
Ein  anatomischer  Befund   bei  sternförmigen  Resten  der  Pupillarmembran. 

A  rit  ,  K.  86. 

/.um   Thema    Iridozyklitis    und    (Jborioidealsarkoin.     Ein    Kall    von  FlÀ'ehen- 

sarkom  der  Aderhaut.    Ve  Ihn  gen.  C.  sn. 
Bin   Fall  von  Zylindroma  nrbitae  mit  kar/.innmarĂŒser  Entartung,    s  i  j  p  - 

k  e  n  s  .  T.  W.  9Ă€. 

Hie  Bedeutung  der f  insenbehand&ung  tĂŒr  Komplikationen  hei  l.upus  vulgaris 
der   Augen.     L  u  n  d  s  g  a  a  r  d  .   K.   K.    K.     103.  » 

Eine  besondere  Form  des  Epikanthus  mit  kongenitaler  Ptosis'.    H  r  i  n  n  . 
110. 

I  rber  ein  angeborenes  familiÀres  Entropium  beider  Unterlider.    II  e  I!  Ii  e  r», 
R.  120. 

Plastik  mit  rundem  stiel.     F  i  I  a  t  o  «  .    W.  134. 

Ueber  die  operative  Trachomhehandlun;;  mittels  Exsisiouen,  P  ick.  '-■  13&. 
Erfahrungen   ĂŒber  friidenkleisis,   Iridotasis,   Sklerektomie  null  Trepanatnou. 

G  a 1  e  t  s  k  i  -  ()  Ii  n  .   II.  139. 
lieber  Kombinationswirkunc  von  Physostigmin  (Esci-it  id  Piilokarpitt  avn 

nieiisrbliehen   Auge.     M  8  r  11  i  .  S,  t4ft. 

‱M'oher    Komibiuatiohswirkuhg    von     Uropiti   und    Kokain    am  menschlichen 
Auge.     N  a  i  t  0  ,  l.    153.  ' 
rTornhautuchÀdigung  durch    Anwendung  von  Perliydrollösimg  als  hlutstille.i 
des  Mittel  bei  Operationen  in  der  Nachbarschaft  des  Auges.  Sattlet 
f.  H.  IfiO. 


344 


Aas  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


Dir  Behandlung-  der  gonorrhoischen  Infektion  des  Auges  bei  javanischen 
und  chinesischen  Arbeiten),  besonders  mit  Uaseossn.  H  e  i  n  e  m  a  n  n  . 
H.  163. 

Doppelseitige,  symmetrische  aleukÀmische  Lymphadenome  der  Orbita  und 
der  TrĂ€nendrĂŒsen  und  ihre  Heilung  durch  Strahlentherapie.  M  a  r  - 
c  o  1 1  y  .  A.  H.  166. 

Strahlentherapie  der  Iriszysten.    -I  e  n  d  r  a  I  s  k  i  .  F.  n:>. 

Erfahrungen  ĂŒber  Röntgenbehandlung  von  Xetzhautg'iiomon.  .Im  coby,  J. 
180. 

Röntgenbestrahlung  bei  Iristuberkulose.    S  <‱  h  e  e  r  c  r  .  R.  186. 

Einseitige,  rasch  vorĂŒbergehende  Verdunkelungen  des  Sehvermögens  mit 
flĂŒchtigem    ophthalmoskopischem    Befund.     Feigenbaum.    A.  190. 

Ein  Fall  von  sog.  fulminierender  Erblindung  bei  einem  Kinde.  Scheerer, 
E.  193. 

Eine  eigenartige  Refraktionsstörung  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  klinische 
Diagnose  eines  retrobulbÀren  Tumors.    C  a  n'Àian,  F.  195. 

Ueber  Exophthalmus  intermittens.     Lindenmeyer,  ĂŒ.  199. 

Retinitis  pigmentosa,  bei  schwerer  Blutschande.  Rose  n  stein.  A.  Viaria. 
204. 

Ueber  Keratitis  scrophulosa  fphlyctaeiniilosa )  interstitialis.  Kruse.  Fr.  W. 
205. 

Ueber  Episcleritis  metasbattiea.    Lang.  E.    212.  .  . 

Ablösung  des  vorderen  Irisblattes.    Schmitt.  A.  214.- 

Conjunctiva,     Rhinitis     und     Stomatitis     aphthosa     mit     Erythems   I- 

tiforme.    Raff  i  n  .  A.  216. 

Pseudopterygium  mit  Faltenbildung  der  Conjunctiva  bulbi.  W  ollen- 
b'e  r  g  .  A.  221. 

Ueber  metaplastische  Umwandlung  der  Kornea  bei  Forellen- 
embryonen. Der  normale  Bestand  der  Kornea  ist  bei  Forellen- 
embryonen Àhnlich  wie  bei  Amphibienlarven  abhÀngig  von  dem 
dahinter  liegenden  Äugenbecher.  Verschluß  der  Pupille,  Kollaps 
der  Vorderkammer  mit  bindegewebiger  Obliteration  und  wesent- 
lich^ Verkleinerung  des  Augapfels  fĂŒhren,  wenn  sie  zusammen 
auftreten,  zu  einer  metaplastischen  Umbildung  der  Hornhaut,  die 
der  Haut  des  Tieres  Àhnlich  wird.  Man  kann  dabei  3  Einzel- 
fakloren  unterscheiden:  Vermehrung  der  Schichtenzahl  des  Horn- 
hautepithels, wesentliches  Höherwerden  der  nomaliter  flachen 
Hornhautepithelien,  Auftreten  von  Schleimzellen.  Neben  dem 
Ausfall  von  innersekretorischer  TĂ€tigkeit  von  Linse  und  Netz- 
haut scheinen  hierbei  auch  rein  physikalische  Momente,  wie 
Druckspannung  oder  Àhnliches  nicht  bedeutungslos  zu  sein. 

Ueber  Kombinationswirkung  von  Atropin  nnd  Kokain  am 
menschlichen  Auge.  Die  mydriatische  Wirkung  des  Atropins  am 
menschlichen  Auge  wird  durch  Beimengungen  von  Kokain 
wesentlich  verstĂ€rkt.  Die  resultierende  Wirkung  ist  grĂ¶ĂŸer  als 
die  einfache  Addition  der  Teilwirkungen  erwarten  ließe.  Ins- 
besondere wirken  noch  weit  unter  der  Schwellendosis  befindliche 
Mengen  von  Kokainzusatz  krÀftig.  Wenn  bei  gleichbleibender 
Atropindosis  die  Zusatzmenge  des  Kokains  verÀndert  wird,  so  ist 
der  mydriatische  Gesamteffekt  um  so  grĂ¶ĂŸer,  je  stĂ€rker  die 
Konzentration  des  Kokains  ist.  Enslin,  Berlin-Steglitz. 

Schweizer  Archiv  fĂŒr  Neurologie  und  Psychiatrie.  ZĂŒrich. 

9,  Heft  2. 

Die  Regeneration  des  Nervensystems.    P  e  r  r  e  i. 
♩i*Die   Ursachen    irrtĂŒmlicher,    klinischer   Bewertung    der    Regeneration  ver- 
letzter NervenstÀmme.  Bing. 

Klinische  und  anatomische  Studien  ĂŒber  Apraxie  II.    B  r  u  n. 
‱{‱Beitrag  zur  Lehre  von  den  SensibilitĂ€ten  II.    D  o  e  b  e  1  i. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkungen  des  Koffeins  und  des  Kaffees  auf  den 
Menschen.    I.    M  a  i  e  r.    (Schluß  im  nĂ€chsten  HefO 
❖Ueber  den  zeitlichen  Verlauf  der  Atrophie  des  Skelettmuskels  nach  Durch- 
schneidung  des  Nerven.    A  n  d  o  v  À. 

Ueber  Zwergwuchs  und  Riesenwuchs  mit  einem  Beitrag  zum  Studium  ver- 
wandter Entwicklungsstörungen  im  Organismus.     I.     O  i  g  o  n. 

Die  Ursachen  irrtĂŒmlicher  klinischer  Bewertung  der  Regene- 
ration verletzter  NervenstÀmme.  Meist  handelt  es  sich  um 
,.Pseudorestitution",  nicht  um  echte  Regeneration  der  Nerven. 
Es  tritt  nur  eine  Anpassung  der  ihrer  eigentlichen  Nerven  be- 
raubten Muskeln  an  eine  schon  in  Reserve  gehaltene  Ersatz- 
in uervation  der  Muskeln  ein. 

BeitrÀge  zur  Lehre  von  den  SensibilitÀten.  1.  Die  epidermis- 
bedeckte  Haut  scheint  keine  OberflĂ€chensensibilitĂ€t  fĂŒr  den 
Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  zu  besitzen.  Vielleicht  sind  an  den 
Wurzelscheiden  der  hygroskopisch  beeinflußten  Haare  Rezep- 
toren fĂŒr  den  Feuchtigkeitsgrad  der  Luft.  Sicher  besitzen  die 
SchleimhĂ€ute  der  Mund-,  Nasen-  und  Rachenhöhlen  eine  bewußt- 
seinsfÀhige FeuchtigkeitssensibilitÀt,  die  möglicherweise  zur 
summarischen  Orientierung  ĂŒber  die  Feuchtigkeit'  des  Milieus,  in 
dem  der  Mensch  sich  befindet,  genĂŒgt. 

2.   Jucken,   kĂŒnstlich   durch   Juckpulver   erzeugt,  kommt 
dadurch    zustande,    daß    sich    die    feinen    Borstenhaare  von 
Mucuna    pruriens    in    die    Haut    einbohren.     Chemische  Vor 
innige     sind     dabei     nicht     beteiligt.       Die     IntensitÀt  des 
Juckens    hÀngt'   ab    einerseits    von    der    Anzahl    der    sich  ein 


bohrenden  Borsten,  andererseits  von  der  Dicke  der  Hornhaut, 
welche  die  Borsten  zu  durchdringen  haben.  Bei  Syrlngomyelie 
ist  da,  wo  die  Schmerzleitung  vermindert  oder  aufgehoben  ist, 
kein  Jucken  auszulösen.  Wo  das  SchmerzgefĂŒhl  normal  ist,  lĂ€ĂŸt 
sich  auch  Jucken  provozieren.  Juck-  und  SchmerzgefĂŒhl  gehören 
ihrer  spinalen  Leitung  nach  zum  mindesten  eng  zusammen.  In  ■ 
bezug  auf  den  .elementaren  adĂ€quaten  Reiz  bestehen  fĂŒr  Schmerz 
und  Jucken  nur  quantitative  Unterschiede,  welche  genĂŒgen,  um 
in  den  höheren  Auswirkungsorganen  ganz  verschiedene  Vorstel- 
lungen zu  erwecken  und  somit  wesentlich  ungleiche  AffektivitÀ- 
ten  zu  erregen. 

3.  Bei  Springomyelie  kann  Tiefendruck  schmerzhaft  und 
schmerzlos  sein,  d.  h.  die  schmerzleifenden  Bahnen  fĂŒr  die  Neu- 
rone der  TiefensensibilitÀt  können  im  Zerstörungsgebiet  der  Sy- 
ringomyelie  liegen. 

4.  Im  Ausdehnungsgebiet  der  Unterbrechung  der  Ober- 
flÀchen- und  eines  Teiles  der  TiefensensibilitÀt  ist  auch  der  Ge- 
lenkschmerz vermindert  oder  aufgehoben.  Gelenkschmerz  und 
GelenksensibilitÀt  sind  voneinander  unabhÀngig. 

5.  Die  Rezeptoren,  deren  Reizung  die  Wahrnehmung  von 
passiven  Gelenkbewegungen  vermittelt,  liegen  bei  erhaltenem 
Gelenk  jedenfalls  im  wesentlichen  in  der  das  Gelenk  umgebenden 
Haut.  Demnach  gehört  auch  eine  oberflÀchliche  SensibilitÀt  zu 
den  propriozeptiven  SensibilitÀten  (Sherrington).  Offen 
bleibt  die  Frage,  ob  es  sich  dabei  um  die  Funktion  des  Druck- 
sinnes der  Haut  allein  handelt,  oder  auch  um  die  FĂ€higkeit,  die 
Dehnung  der  Haut  richtig  zu  empfinden. 

6.  Durch  Erzeugung  einer  vollstÀndigen  Blutleere  an  einer 
ExtremitÀt  werden  sowohl  bei  Gesunden  als  bei  Syringomyeli- 
kern  GefĂŒhle  ausgelöst,  die  mit  stĂ€rkster  Affektvalenz  bedacht 
sind.  WĂ€hrend  das  GefĂŒhl  des  Bluthungers  unertrĂ€glich  ist,  ist 
das  DurchblutungsgefĂŒhl  nach  Lösung  der  Esmarchschen  Binde 
sehr  befriedigend.  Diese  Empfindungen  fehlen  auch  beim  Sy- 
ringomyeliker  nicht. 

7.  Strichreiz  kann  beim  Syringomyeliker  mit  einer 
Raumvorstellung  verbunden  sein  oder  nicht.  Wird  der  Strichreiz 
nicht  mit  einer  Raumvorstellung  assoziiert,  so  handelt  es  sich 
um  Hautgebiete,  in  welchen  BerĂŒhrungs-  und  Ortssinn  gestörl 
sind. 

(In  der  Arbeit  vermißt  man  besonders  Hinweise  auf  Gold- 
scheider,  Das  Schmerzproblem,  StrĂŒmpell.  Drucksinn.  Ref.' 

Ueber  den  zeitlichen  Verlauf  der  Atrophie  des  Skelettmuskel- 
nach Dnrchschneidung  des  Nerven.  Die  Atrophie  des  Muskels, 
die  nach  Durchschneidung  des  zugehörigen  Nerven  einsetzt,  er- 
reicht beim  Kaninchen  bereits  in  vier  Wochen  bis  50  Gewichts- 
prozente. In  den  folgenden  100  Tagen  bĂŒĂŸte  der  Muskel  höch- 
stens 25  Prozent  ein.  Der  atrophische  Muskel  wird  in  seiner 
chemischen  Zusammensetzung  weitgehend  verÀndert.  Relative 
Vermehrung  des  H20-Gehalts  und  des  Gehalts  an  wasserlöslichen 
Substanzen  tritt  schon  in  den  erstien  Wochen  ein.  Hypertrophie 
der  korrespondierenden  Muskeln  der  normalen  hinteren  Extre- 
mitÀten fand  nicht  statt1.  W.  W  ei  gel  dt  'LeipzigV 

Hygiea.  Stockhojm. 

15.  Februar  1922,  84,  Heft  3. 

❖Ein   Fall  mit  angeborenem  Fehlen   der  Elle   nnd   Speiche.  Johansson. 
Sren.  81. 

«t»Os  vesalianum  pedis.    Johansson.  Sven.  85. 

Ein  Fall  mit  angeborenem   Fehlen  der  Elle  und  Speiche. 

(Aus  dem  Göteborger  Kinderkrankenhaus.)  Bei  einem  1  jÀhrigen 
Knaben  fehlte  auf  der  rechten  Seite  Elle,  Speiche  und  die  untere 
Humerus-Epiphyse;  außerdem  war  der  derart  verkĂŒrzte  Humerus 
an  der  Grenze  seines  unteren  Viertels  rechtwinkelig  umgebogen. 
Die  Hand  war  zwar  etwas  verkleinert,  aber  normal  entwickelt. 
[Wieweit  die  Vorderarm-Muskulatur  ausgebildet  war.  wird  nicht 
angegeben.  D.  Ref.]  Da  sich  auf  der  Höhe  der  Oberarm- 
Abknickung  eine  ebenfalls  angeborene  eingezogene  Hautnarbe 
befand,  macht  der  Verfasser  eine  exogene  DruckschĂ€digung  fĂŒr 
das  Zustandekommen  der  Mißbildung  verantwortlich. 

Um  den  Gebrauch  der  gut  entwickelten  Hand  zu  erleichtern, 
wurde  sie  durch  keilförmige  Osteotomie  des  Humerus  mit  ihrer 
LĂ€ngsachse  in  die  Richtung  des  Oberarms  gebracht. 

Os  vesalianum  pedis.  Der  Verfasser  konnte  dem  bisher  nur 
5  mal  einwandfrei  festgestellten  Vorkommen  eines  echten  ĂŒber- 
zÀhligen os  vesalianum  im  Winkel  zwischen  os  euboideum  und 
tuberositas  as  metatars.  V.  einen  durch  Röntgenbild  und  nach- 
folgende Operation  sichergestellten  beidseitigen  6  Fall  an 
reihen,  bei  dem 


I 


Aas    den    neuesten  Zeitschriften 


346 


10.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


a)  eine   Verwechselung   mit   verlagerter  Ă€ußerer  Kpiphvsc 
der  Basis  ossis  metatars.  v   sich  durch  die  normale  Eni 
wickeltheil    der    tuberositas  dieses   Knochens  ausschließen 
ließ, 

Ii  eine  Verwechselung  mil  einem  os  peroneum  wegen  der 
GrĂ¶ĂŸe  des  fraglichen  Knochens,  seiner  Lage  (weiter  nach 
vorn  von  der  eminentia  obligua  oss.  cub.)  und  vor  allem 
wegen  des  beidseits  gleichzeitigen  Vorhandenseins 
eines  o  s  peroneum  an  typischer  Stelle  ^seitlich  der 
eminent,  obl.  nicht  möglich  war.  Der  vereinzelt  beschrie- 
benen vermeintlichen  p  roxi  m  a  1  e  n  Epiphyse  des  t>s  meta- 
tars. V.,  die  je  an  sich  ebenfalls  ein  os  vesalianum  vorzu- 
tÀuschen geeignet  wÀre,  scheint  dem  Verf.  immer  eine 
Fraktur  zugrunde  gelegen  zu  haben.) 
Da  sich  bei  der  50  jÀhrigen  Frau  trotz  Tragens  eines  breiteren 
Schuhes  zunehmende  Schmerzen  im  linken  Fuße  beim  Gehen  und 
schmerzhafte  Auftreibung  am  Ă€ußeren  Fußende  eingestellt  halten, 
wurde  auf  dieser  Seite  der  ĂŒberzĂ€hlige  Tarsalknochen  operativ 
entfernt.  Er  stellte  ein  teilweise  ĂŒberknorpeltes,  wĂŒrfelförmiges 
Gebilde  mit  einer  KantenlÀnge  von  20  mm  dar,  das  aus  etwas 
atrophischer  Knochensubstanz  bestand.      Schnabel,  Gießen. 

El  siglo  niedico,  Madrid. 

4.  MĂ€rz  1922.  Nr.  3560. 

❖  Angeborener  familiĂ€rer  Kropf.    Bravo  y    F  r  i  a  s  ,  S.  226. 
Behandlung  der  weiblichen  Gonorrhoe.    S  i  c  i  1  i  a.  229. 
Klinische  Notizen  ĂŒber  Meningitis.    S  u  n  e  r.  231. 

Die  Niere  und  die  Glykosurieu.    C  a  b  a  1  1  e  r  o  y   Fe  i  n  a  n  d  e  /.  .  H.  234. 
Das  Smmpffieber  in  Marokko.  S  adi  de  B  u  c  o.  2H7. 

Angeborener  familiÀrer  Kropf.  Der  Vater,  54  jÀhrig,  hatte 
vor  32  Jahren  Lues.  Die  Mutler,  35  jÀhrig,  war  nie  krank.  In  der 
Familie  kein  Kropf.  Aus  der  Ehe  stammen  10  Kinder,  fĂŒnf  ge- 
sund, fĂŒnf  mil  angeborenem  Kropf.  Zur  Behandlung  kommt  das 
jĂŒngste  Kind,  2  Monate  alt;  leidet  seit  der  Geburt  an  Erstickungs- 
anfÀllen, nimmt  an  Gewicht  nicht  zu;  seit  kurzer  Zeit  ist  das 
Schreien  des  Kindes  heiser  geworden,  der  Kopf  wird  stark 
hintenĂŒber  gehalten,  weil  sonst  ErstickungsanfĂ€lle  auftreten. 
Die  SchilddrĂŒse  hat  zur  oberen  Grenze  die  regio  suprahyoidea, 
zur  unleren  die  regio  supraslernalis,  zu  beiden  Seiten  reicht  sie 
bis  zum  Sternocleidomastoideus;  die  Konsistenz  ist  gleichmĂ€ĂŸig 
weich;  der  grĂ¶ĂŸte  Umfang  des  Halses  betrĂ€gt  23  Zentimeter. 
Allgemeine  Hypertrichose,  Trockenheit  der  Haut,  die  sehr  stark 
schuppt,  sehr  weite  Fontanellen,  Kopfumfang  40  Zentimeter.  Es 
handelt  sich  also  um  einen  angeborenen  Kropf  mil  Hypofunktion 
der  SchilddrĂŒse.  Es  wurde  Jod,  Thyreoidin  und  —  im  Hinblick 
auf  die  vÀterliche  Syphilis  (bei  beiden  Eltern  war  der  Wasser- 
mann positiv)  Einreibungen  mit  grauer  Salbe  verordnet.  Nach 
wenigen  Tagen  wurde  das  Jod  fortgelassen,  weil  der  Allgemein- 
zustand sich  verschlechterte  und  das  Kind  an  Gewicht  verlor. 
Im  ganzen  wurden  3  Serien  zu  je  10  Einreibungen  mit  je  1  gr 
grauer  Salbe  angewandt  und  wÀhrend  20  Tage  zweimal  pro  Tag 
je  3  Tropfen  Thyreoidin-lbys  verabreicht.  Nach  I ,'/»  Monaten  war 
der  Allgemeinzustand  sehr  gebessert,  die  Haut  weniger  trocken, 
der  Halsumfang  jedoch  um  2  Zentimeter  grĂ¶ĂŸer  geworden.  Nach 
einem  weiteren  Monat  —  das  Kind  hatte  wieder  20  Tage  je  6 
Tropfen  Thyreoidin  erhalten  —  war  die  Hautbeschaffenheit  nor- 
mal das  Kind  nahm  regelmĂ€ĂŸig  zu,  der  Halsumfang  war  um 
3  Zentimeter  geringer  geworden.  Die  Behandlung  wurde  weiter 
fortgesetzt,  der  Zustand  besserte  sich  weiter,  mit  20  Monaten 
war  der  Halsumfang  24  Zentimeter,  die  Stimme  noch  etwas 
heiser,  die  Fontanellen  noch  nicht  ganz  geschlossen,  die  Intelli- 
genz dem  Aller  entsprechend.  -  Ob  in  diesem  Falle  die  elter- 
liche Syphilis  Àtiologisch  in  Betracht  kommt,  ist  zweifelhaft,  zu- 
mal die  HĂ€lfte  der  Kinder  gesund,  alle  Kinder  aber  gar  keine 
Zeichen  hereditÀrer  Syphilis  boten.  Lurje. 

Archivos  Kspanoles  de  Pediatria. 

Januar  1922,  6,  Nr  1 

Tumoren  beim  Kinde.    N  o  g  a  e  ras,  E. 
Typhus  beim  SĂ€ugling.    1.  o.z  ano,  A.  K.  Iii. 
«l»Astasic-Aha«ie  hysterischen  Ursprungs.     A  ri»».  <;.  I'.  29. 

Astasie-Abasie  auf  hysterischer  Grundlage  bei  einem  Kinde 
von  27  Monaten.  Kind  von  27  Monaten,  bisher  immer  gesund; 
eines  Morgens,  ohne  irgend  einen  Unfall  erlitten  zu  haben,  kann 
das  Kind  nicht  stehen  und  gehen,  sondern  fĂ€llt,  auf  die  FĂŒĂŸe 
gestellt,  gleich  hin;  im  Bett  krĂŒmmt  es  sich  in  Form  des  arc  diu 
cercle.  Die  Ă€rztliche  Untersuchung  gab  keine  Anhaltspunkte  fĂŒr 
irgend  ein  körperliches  Leiden;  aufgefordert,  sich  aufzurichten, 


klctlerl  es  an  seinen  Beinen,  wie  ein  an  muskulÀrer  Dystrophie 
Leidender,  empor.  Die  Reflexe  sind  gesteigert;  keine  annslhe 
tischen  Zonen.  Auf  Befragen  gibl  der  Vater  an.  daß  das  Kind 
von  jeher  die  Tendenz  gehabt  habe,  andere  nachzuahmen;  ob  es 
zufĂ€llig  ein  gelĂ€hmtes  Kind  gesehen  hĂŒlle,  konnte  der  Vater  nichl 
angeben.  Es  wurden  GehĂŒbungen  verordnet;  ferner  tĂ€glich  ein 
Solbad  mil  vorangehender  kaller  Dusche  und  dem  Kinde  gesagt, 
(laß  es  nach  dem  Bade  ebenso  gut  wie  die  anderen  Kinder  wĂŒrde 
gehen  können.  Nach  fĂŒnf  Tagen  fing  das  Kind  an  zu  laufen  und 
hat.  dall  man  ihm  die  Bilder  erließe  Ks  hat  sich  in  diesem 
Falle  also  wohl  um  eine  Astasie-Abasie  auf  hysterischer  Grund 
lÀge  gehandelt.  L  ur  j  e. 

La  Pediatria,  Neapel. 

I.  MĂ€rz  1922,  30,  Nr.  5. 

❖Nachweis     \  on     tuberkulöse-  Antigenen     in     der  Zerenrospinalfliissiirkeit 
N  a  s  s  o  ,  I.  193. 

Vnypisehe  Formen  der  Zerebroepinaimeningitie  beim  Kinde     Squsrti,  (i. 
198. 

Die  Untersuchung  des  Liquor  cerebrospinalis  auf  .tuberkulöse 
Antigene.  Die  Intrakutaninjektion  mil  dem  Liquor  von  Kindern, 
die  an  Meningitistbc.  oder  Tbc.  miliaris  erkrankt  sind,  gibt  so- 
wohl bei  diesen  Kindern  selbst,  solange  sie  noch  auf  Tuberkulin 
reagieren,  als  auch  bei  anderen  tuberkulösen  Kindern  positive 
Besultate.  Der  Liquor  anderer,  auch  an  aktiver  Tuberkulose 
leidender  Kranker  macht  niemals  Beaktionen.  Der  zu  verwen- 
dende Liquor  wird  1  Stunde  zentrifugiert;  hierauf  werden  von 
der  klaren  FlĂŒssigkeit  8 — 10  cm3  im  Brutschrank  bei  55°  auf  l/M 
eingeengt,  was  etwa  4—5  Stunden  erfordert;  wenn  der  Liquor 
mehr  als  0,5  °/00  Eiweiß  enthĂ€lt,  muß  er  vor  *dem  Konzentrieren 
erhitzt  und  filtriert  werden.  Tezner  (Wien). 

II  PpHclinico,  Rom.   (Sezione  medica.) 
1.  Januar  1922,  29,  Nr.  1. 

»KMeningokokken-Sepsi«.    Pontan»,  T.  und  T  r  e  n  t  i  .   E.  :;. 
Zur  FĂ€rbung  der  Bakteriencilien.    I'  etragnani,  (;.  30. 

Die  Meningokokken-Sepsis.  Eingehende  Studie  ĂŒber  die  In- 
fektion mit  Meningokokken,  die  nicht  einen  Typ,  sondern  eine 
Gruppe  von  Erregern  darstellen. 

Auf  Grund  seiner  Studien  schließt  Verf.,  daß  die  Hauptpunkte 
fĂŒr  die  Meningokokken-Sepsis,  bei  de  r  die  Meningitis  fehlen  kann 
und  hÀufig  fehlt,  die  Temperatur,  das  Exanthem,  die  Genick-  und 
Muskelschmerzen  sowie  Knochen-  und  Nervenschmerzen  sind, 
daß  aber  die  Sicherung  der  Diagnose  allein  durch  Blutkulturen 
und  den  anatomischen  und  bakteriologischen  Untersuchungs 
befund  des  Inhalts  der  Exanthemelemente  erbracht  wird. 

Cordes  (Berlin). 

1.  Februar  1922,  29,  Nr.  2. 

❖  Pseudosklerose.    Sa.ii,  G.  B3. 

Kall    von    chronischer    Encephalitis    epidemica.      d'  Antonia.    S.  und 
V  e  g  n  i  ,  R.  81. 

Die    Reflexe '  bei    LĂ€sionen    des    extrapyramidalen    motorischen  Systems. 
Call  igar  is  ,  6.  97. 

❖  Bilaterale  Halsrippen  mit  vasomotorischen   Störungen   des  oberen  Gelenkes 

am  Radiu.skĂŒpfchen  und  der  gleichseitigen  Wange.    Dagnini.  (i.  109. 

Beitrag  zum  Studium  der  Pseudosklerose.  Verf.  berichlel 
ĂŒber  einen  Fall  von  Pseudosklerose  mit  Amenorrhoe  und  alimen- 
tÀrer Glykosurie.  Es  fand  sich  bei  der  Autopsie  eine  ganz  leichte 
Atrophie  des  Gehirns  ohne  Höhlenbildung,  eine  Lebercirrhose. 
eine  Reduktion  des  follikulÀren  Teils  des  Ovars  mit  einer  fibrö- 
sen Hyperplasie.  Die  histologische  Untersuchung  ergab  eine 
wesentliche  Wucherung  der  Nervensubstanz  speziell  im  corpus 
striatum,  aber  auch  in  anderen  Teilen  der  grauen  Substanz  des 
Gehirns.  Vermehrt  war  das  StĂŒtzgewebe,  es  fanden  sich  große 
Kerne,  sowie  Riesenzellen.  In  der  weißen  Substanz  der  medulla 
oblongata  und  spinalis  fanden  sich  sternförmige  StĂŒtzgewebe- 
zellen und  ein  vergrĂ¶ĂŸerter  Kern.  Die  nervösen  Zellen  zeigten 
eine  mĂ€ĂŸige  Verringerung  und  waren  diffus  verĂ€ndert.  Hier 
zeigte  die  Pseudosklerose  eine  abgegrenztere  Form,  dennoch  ließ 
sich  nicht  verkennen,  daß  verschiedene  Formen  ihres  Verlaufs 
eine  nosologische  Einheit  mit  der  Wilson'schen  Krankheit  bildeten. 

Doppelseitige  Halsrippen  mit  vasomotorischen  Störungen  des 
oberen  Gelenks  rechts  am  unteren  Radiusköpfehen  und  der 
gleichseitigen  Wange.  Verfasser  berichtet  ĂŒber  einen  Fall  von 
doppelseitiger  Halsrippe  mit  grĂ¶ĂŸerer  Entwicklung  der  rechten 
bei  einem  21  jÀhrigen  Manne  mit  langdauernden  Neuralgien 
im  rechten  oberen  Armgelenk.  Der  Patient  zeigte  eine  elek- 
trische Untererregbarkeit  in  den  vom  8.  Cervical-  und  1.  Dorsal- 


Aas   den    neuesten  Zeltsehrilten 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1(3  17 


nerv  innervierten  Muskeln  dar.  sowie  Herabsetzung  der  WĂ€rmer 
empfindlichkeit  im  Gebiel  der  lokalen  Aeste,  sowie  im  rechten 
Cervicalnerv.  in  der  Mitte  des  Gesichts  eine  Erhöhung  der 
WĂ€rmeempfindlichkeit. 

Hinsichtlich  der  Entstehung  dieser  Krankheitserscheinun- 
gen nimmt  Verfsaser  einen  sehr  tiefen  Silz  der  8.  Wurzel  des 
Cervical-  und  1.  Dorsalnerven  an,  so  daß  durch  die  anormale 
Hippe  ein  außergewöhnlicher  Reiz  der  Nerven  auf  ihrem  Weg 
zum  Plexus  brachialis  und  dadurch  eine  Reizung  der  kommuni- 
zierenden Aeste  des  vom  Ganglien  cervicalis  inferion  kommenden 
Sympathikus  eintrat.  Die  Schmerzen  im  Ellbogengelenk  dĂŒrften 
auch  auf  mechanische  und  Muskelwirkungen',  verursacht  durch  die 
Halsrippen,  zurĂŒckzufĂŒhren  sein.  C  o  r  d  e  s  -  Berlin. 

Lyon  Medical,  Lyon. 

25.  Februar  1022,  131,  Nr.  1. 

❖KĂŒnstlicher  Pneumothorax  bei  einem  Fall  von  chronischem  Langenabszeß 
mit  eitriger  Pleuritis.    P  i  e  r  y  und  Barbier.  L.  139. 

Ein  Fall  von  chronischem  Lungenabszeß,  durch  purulente 
Pleuritis  kompliziert  und  mittels  kĂŒnstlichem  Pneumothorax  be- 
handelt. Es  gibt  FĂ€lle,  wozu  auch  der  vorliegende,  ausfĂŒhrlich  be- 
schriebene gehört,  wo  keinerlei  Antecedentien  auf  die  Diagnose 
..Lungenabszeß"  hinweisen,  und  wo  es  sehr  schwer  ist,  ihn  von 
einer  Lungentuberkulose,  einer  Lungensyphilis  oder  einer  inter- 
lobĂ€ren  purulenten  Pleuritis  abzugrenzen.  Ein  Lungenabszeß 
kann  sich  chronisch  entwickeln,  wÀhrend  dieser  Latenzperiode 
kann  man  jedoch  pneumonische  SchĂŒbe  beobachten,  die  zu  In- 
farktbildungen fĂŒhren,  oberhalb  deren  das  Lungenparenchym 
nekrotisiert.  Aus  dem  Zusammenfluß  dieser  kleinen  miliaren 
Abszesse  resultieren  dann  die  eigentlichen  Lungenabszesse. 

Die  Behandlung  von  Lungenabszessen  mit  Hilfe  des  kĂŒnstlichen 
Pneumothorax  ist  nicht  ganz  harmlos.  Sie  können  sich  durch 
Durchbruch  in  die  Pleura  mit  Pleuritis  purulenta  komplizieren. 
Um  gefahrlos  vorgehen,  zu  können,  bedarf  es  folgender  Sicher- 
heitsmaßnahmen: man  muß  sich  vorher  vergewissert  haben,  daß 
der  Eiter  auf  natĂŒrlichem  Wege,  d.  h.  durch  die  Bronchien  nach 
außen  befördert  wird.  Ferner,  daß  zwischen  dem  Abszeß  und  der 
Pleura  visceralis  sich  eine  ausreichende  Schicht  von  Lungenparen- 
chym befindet.  Im  Anfang  injiziere  man  den  Stickstoff  unter 
schwachem  Druck  und  vermehre  ihn  erst  dann,  wenn  eine  reich- 
liche Expektoration  beweist,  daß  die  Drainage  des  Abszesses  auf 
bronchialem  Wege  möglich  ist.  Unter  diesen  Kautelen  kann  die 
Pneumothoraxbehandlung  nutzvoll  in  Kraft  treten,  ohne  daß  der 
Ksanke  ein  ernsthaftes  Risiko  eingeht.  Held  (Berlind 

New  York  Medical  Journal,  New  York. 

18.  Jinuar  1922,  115,  Nr.  2. 

Die  Heilkunde  des  20.  Jahrhunderte  gemessen  am  Stande  der  Oardiologie. 
Matkenzie,  J.    60.  ' 
❖Prognose  bei  Herzkrankheiten.    M  o  o  n  ,  R.  0.  66. 

❖Syphilis  der  mittleren  und  kleinen  Arterien.     Warth  in.   A.  S.  69. 
❖Aetiologie  und  Behandlung'  des  hoben  Blutdrucks,  der  arteriellen  Hyperten- 
sion  und  der  Arteriosklerose.     Barnes.  G.  E.  73. 
Elektrokardiographie.    B  i  s  h  o  p  .  L.  F.  77. 
❖Herztod  bei  Diphtherie.    Smith,  8.  C.  78. 

❖Das   nervöse   Element   bei   organischer   Herzgofsißerki  ankung.     X  e  w  Ii  o  f  . 
S.  80. 

Die  Bedeutung  der  Verschiedenheit  in  der  QualitĂ€t  der  Herztöne.  Croß, 
F.   B.     82.  . 

VerhĂŒtung    arterieller    Erkrankungen.     Brooks.    H.  86. 
❖Bedeutung  der  Haltung  und  Lage  bei  Herzuntersuchung.    G  o  r  d  o  n  .  W.  89. 

Die  Prognose  bei  Herzerkrankungen.  Die  Prognose  bei 
Herzerkrankungen  ist  in  der  Hauptsache  abhÀngig  von  der 
Aetiologie  der  vorliegenden  Störung,  ob  auf  rheumatischer, 
arteriosklerotischer  oder  luetischer  Basis  entstanden.  Rheuma- 
tische Affektionen  sind  im  allgemeinen  gĂŒnstiger  zu  beurteilen 
als  arteriosklerotische,  im  Kindesalter  aber  recht  ernst  wegen 
der  HĂ€ufigkeit  einer  Pancarditis.  Eine  Mitralstenose  wird  von 
Frauen  leichter  vertragen  als  von  MĂ€nnern  und  bietet  keinen 
Grund,  Ehe  und  Geburten  zu  verbieten.  Ernst  ist  ihre  Prognose 
in  der  spÀten  Kindheit,  da  das  stenosierte  Ostium  sich  nicht  dem 
Wachstum  des  Herzens  entsprechend  ausdehnt.  GetrĂŒbt  wird  die 
Prognose  ferner  durch  das  Hinzutreten  von  Vorhofsflimmer», 
ein  Zustand,  der  jedoch  in  gleicher  Weise  wie  die  rheumatische 
Mitralinsuffizienz  durch  Digitalis  und  Ruhe  gĂŒnstig  zu  beein- 
flussen ist.  Kaum  ernstere  Störungen  machen  die  Aorten- 
klappenerkrankungen rheumatischen  Ursprungs;  dagegen  sind 
die  arteriosklerotischen  VerÀnderungen  der  Aortenklappen  wegen 
Mitbeteiligung  der  CoronargefĂ€ĂŸe  und  des  Herzmuskels  sehr  ernst 
zu  beurteilen. 


Syphilis  der  mittleren  und  kleineren  Arterien.  VorlÀufiger 

Bericht  ĂŒber  die  Ergebnisse  eingehender  GefĂ€ĂŸstudien  mit  be- 
sonderer BerĂŒcksichtigung  der  syphilitischen  VerĂ€nderungen, 
ausgefĂŒhrt  an  einem  Leichenmalerial  von  1250  FĂ€llen  -  90%  "der 
untersuchten  FÀlle  von  tertiÀrer  oder  latenter  Syphilis  zeigten 
mehr  oder  weniger  ausgedehnte  arteriosklerotische  VerÀnde- 
rungen. Meist  handelte  es  sich  um  FrĂŒhsklerose  mit  Bevor- 
zugung der  NierengefĂ€ĂŸe.  Charakteristisch  fĂŒr  die  Arterio- 
sklerose der  kleineren  Arterien  bei  Syphilitischen  istvdie  Intima- 
verdickung mit  hyaliner  Entartung  ohne  EntzĂŒndungserschei- 
nungen.' Sie  ist  wahrscheinlich  sekundÀren  (toxischen  oder  me- 
chanischen) Ursprungs.  Die  syphilitischen  VerÀnderungen  der 
mittleren  GefĂ€ĂŸe  gleichen  denen  der  Aorta  und  sind  im  wesent- 
lichen bedingt  durch  eine  Erkrankung  der  vasÀ  vasorum.  Cha- 
rakteristisch hierfĂŒr  ist  die  Plasmazelleninfiltration  um  die  Ge- 
fĂ€ĂŸe in  der  Adventitia  und  Media  mit  entsprechender  Degene- 
ration und  Fibrosierung  der  Intima  und  Media.  Die  klinischen 
Erscheinungen  sind  bedingt  durch  mehr  oder  weniger  ausge- 
sprochene Obliterationen  der  affizierten  GefĂ€ĂŸe  und  der  dadurch 
hervorgerufenen  Störung  der  Blutversorgung.  Sie  sind  hÀufiger 
an  den  Beinen  und  ,FĂŒĂŸen  als  an  den  Armen.  Syphilis  der 
CoronargefĂ€ĂŸe  ist  nach  Verfassers  Erfahrung  viel  seltener  als 
allgemein  angenommen  wird.  Syphilitische  Obliteration  der  Pul- 
monalarterie  kann  Veranlassung  geben  zur  Entstehung  der 
A  y  er  za' sehen  Krankheit  (chronische  Cyanose,  PolyzythÀmie 
und  Splenomegalie).  Auch  einem  Ulcus  pepticum.  einem  Pem- 
phigus, lokalisierten  GeschwĂŒren,  Atrophie  und  verschiedenen 
Formen  von  Dystrophie  kann  eine  syphilitische  Arteriitis  zu- 
grunde liegen.  Von  großer  Bedeutung  ist  die  Syphilis  der  kleinen 
Arterien  und  Arteriolen  bei  Paresen,  Tabes,  Lues  cerebro- 
spinalis und  lokalisierter  Degeneration  von  Hirn  und  RĂŒcken- 
mark.. 

Aetiologie  und  Behandlung  von  hohem  Blutdruck,  arterieller 
Hypertension  und  Arteriosklerose.  Auseinandersetzungen  mit 
den  Anschauungen  von  3  ungenannten  Autoren  ĂŒber  das  Wesen 
und  die  Ursache  der  Blutdrucksteigerung.  Hypertension  und 
Blutdrucksteigerung  sind  nicht  identisch.  Unter  Hypertension 
versteht  Verf.  einen  erhöhten  Spannungszustand  der  Arterien- 
wandung durch  eigene  Muskelwirkung.  FĂŒr  die  Höhe  des  Blut- 
drucks ist  in  erster  Linie  maßgebnd  die  Kraft  der  Herzkon- 
traktionen, die  wesentlich  beeinflußt  werden  durch  heftige  Ge- 
mĂŒtserschĂŒtterungen und  den  Reizzustand  des  thoracolumbalen 
Teiles  des  autonomen  Nervensystems. 

Diphtherieherztod.  Kurz  vor  Eintreten  des  Todes  aufge- 
nommene Elektrodiagramme  eines  durch  Diphtherietoxine  schwer 
geschÀdigten  Herzen  zeigen  innerhalb  der  letzten  26  Min.  folgende 
Formen  von  Herzstörung:  Tachykardie,  Ventrikelflattern,  Ven- 
trikelfibrillation  mit  vollstÀndigem  atrioventrikulÀrem  Herzblock. 
Ventrikelfibrillation  und  Herzblock  traten  auf,  nachdem  bereits 
klinisch  durch  4  kompetente  Untersucher  der  Tod  festgestellt 
war.  Kurz  vor  dem  endgĂŒltigen  Herztod  war  nur  noch  eine  Vor- 
hofstÀtigkeit nachweisbar. 

Das  nervöse  Element  bei  organischen  cardiovasoulÀren  Er- 
krankungen. Unter  AnfĂŒhrung  mehrerer  FĂ€lle  betont  Verf.  dqp 
deletĂ€ren  Einfluß  psychischer  Erregungen  wie  Furcht,  Schrecken. 
Trauer,  Aerger  auf  den  Ausgang  und  Verlauf  cardiovasculÀrer 
Erkrankungen,  insbesondere  bei  Mitralstenose.  Beruhigende  und 
psychotherapeutische  Maßnahmen  sind  in  diesen  FĂ€llen  ebenso 
wichtig  wie  die  medikamentöse  Behandlung. 

Die  Bedeutung  der  Körperhaltung  bei  der  physikalischen 
Herzuntersuchung.  Um  eine  richtige  Vorstellung  von  der  wahren 
HerzgrĂ¶ĂŸe  zu  bekommen,  ist  die  Perkussion  in  aufrechter  Hal- 
tung der  im  Liegen  vorzuziehen,  nur  wird  bei  Perkussion  in 
aufrechter  Haltung  die  obere  Herzgrenze  gewöhnlich  tiefer  ge- 
funden, und  es  kann  bei  schlaffem  Bandapparat  ein  hochgradiges 
Tropfenherz  vorgetĂ€uscht  werden.  Von  Einfluß  auf  die  GrĂ¶ĂŸe 
der  HerzdÀmpfung  ist  die  Abnahme  des  dorsoanterioren  Brust- 
durchmessers bei  elastischem  Brustkorb  im  Liegen.  Mitral- 
insuffizienz-, Tricuspidalinsuffizienz-  und  Aortenstenosenge- 
rÀusche  sind  im  Liegen  gewöhnlich  lauter  als  im  Stehen:  mit- 
unter sind  sie  nur  im  Liegen  zu  hören.  Aorleninsuffizienz- 
gerĂ€usche  werden  durch  die  Körperhaltung  kaum  beeinflußt:  da- 
gegen werden  MitralstenosengerÀusche  im  Stehen  besser  als  im 
Liegen  gehört.  Das  PulmonalstenosengerÀusch  ist  meist  so  laut, 
daß  es  sich  bei  jeder  Körperhaltung  einwandfrei  feststellen  laß) 
Accentuation  und  Verdoppelung  des  II,  Pulmonaltones  sind  be- 
sonders deutlich  im  Liegen.  HerzreibegerÀusche,  die  im  Liegen 
deutlich  zu  hören  sind,  können  beim  Aufsitzen  verschwinden, 
eine  Erscheinung,  die  diff.-diagn.  gegenĂŒber  endokardialen  Ge- 


10.  Jahri 


Nr.  1(1 


\  u  s  (l  e  ii   ii  e  u  e  s  I  e  n  Zeitschrift  e 


[Suschen  zweckmĂ€ĂŸig  verwerte!  werden  kann.  Beim  perikar- 
dialen Erguß  ist  dir-  DĂ€mpfung  bei  iuifrechler  Hallung  grĂ¶ĂŸer  als 
im  Liegen,  in  manchen  KĂ€llen  von  Karzinom  insbesondere  der 
Cbdominalorgane  wird  zuweilen  cm  Kleinerwerden  der  Herz 
pjmpfnng  im  Liegen  gefunden. 

Stadel  m  a  n  n,  Frankfurt  a .  M 

.The  Lancet,  London. 

1    Miirz  1922,  202.  Nr.  51-10. 

❖  Ifcgni  gitation  des   Duodenalsaftes   im   Millen   wĂ€hrend  der  MĂ€genverdauuiig. 

Hol  ton.  ('.  uiul  Gorion,  W.  (i.  420. 

❖  Ivinderniortnlitiil  bei  Armen  und  Reichen.    T  ö  r  Ii  e  s  .  V.  426. 
VerkĂŒrzung  der  postoperativen  Konvalescenz.    Clarejnont,  II.  K.  il'T. 
DĂ€mmerschlaf.    Ge'rson.  II.  M.  428. 

Regurgitation  dos  Duodenalsaftes  in  den  Magen  wÀhrend  der 
Magenverdauung.  WÀhrend  der  MÀgenverdauuiig  fliefll  wÀhrend 
einer  kurzen  Zeit  Duodenalsaft  in  den  Magen  zurĂŒck.  Dadurch 
wird  die  Menge  SalzsĂ€ure  und  Chloride  deutlich  beeinflußt,  Wenn 
dieser  Uebertritt  nicht  auftritt,  besteht!  Pylorospasmus  oder 
Stenose.  Es  ist  möglich,  daß  bei  Achytia  gaslrica  eine  ganz, 
normale  QuantitÀt  Chloride  durch  den  Magen  sezerniert  wird. 

KindermortalitÀt  bei  Armen  und  Reichen.  Die  Lebenschancen 
lies  Neugeborenen  sind  unabhÀngig  von  sozialen  und  sanitÀren 
UmstÀnden.  Im  ersten  Lebensjahre  sterben  etwa  zweimal  soviel 
arme  wie  reiche  Kinder.    Die  Zahl  der  armen  Kinder,  die  an" 

■DurchfĂ€llen  zugrunde  gehen,  betrĂ€gt  das  siebenfache  der  Zahl 
der  besser  situierten  Kinder,  die  an  DurchfÀllen  sterben.  Ebenso 

'sterben  fĂŒnfmal  mehr  arme  Kinder  durch  Bronchitis  oder  Pneu- 
monie. Koopmann  (Haag). 

The  British  medical  Journal,  London. 

4.  MĂ€rz  1922,  Nr.  3192. 

Die  Schwangerschaftstoxicosen.    M  e  H  r  o  y  .  A.  L.  33&. 
Tuerkulose  in  Wales.    Cummins.  S.  L.  338. 
Die  „Puffersalze"  des   Hintes.     Hill,   A.   V.  340. 

Resultate  der  Entfernung    tun  Tonsillen   und    Adenoiden.    Singtön,  II 
8.  341. 

Die   Resultate   in   21   FĂ€llen    von   Ilioknlostumn    liei    Knochen-    und  Gelenks 
tuberkulöse.     D  r  u  m  m  o  n  d  .    H.  342. 

❖  Die   Funktion  des  ehromaphillen  Gewebes   und  Stimula/tĂ€on   des  Splanchni- 

eus.     S  h  e  e  n  ,    A.    VV.    und    S  w  a  1  e    Vi  n  e  e  nt.  343. 

❖  Die  Beziehungen  zwischen  Corpus  luteum  und  Menstruation  oder  Schwan- 

gerschaft.   M  a  e  k  e  n  /.  i  e  .   W.   R.  343. 
\lucoeele  des  Sinus  frontalis.     A  e  o  m  b  .  J.  344. 
I.eherabszeß  durch   Anioeben.     Rogers.    I>.  345. 

Die  Funktion  des  ehroinaphilen  Gewebes  und  Reizung  des 
Splanehnicus.  Periphere  Reizung  der  Splanchnicus  bei  Katzen 
gibt  eine  charakteristische  Blutdruckkurve.  Der  Blutdruck  steigl 
zuerst,  sinkt  dann  und  zeigt  zuletzt  wieder  einen  Anstieg.  Wenn 
man  die  Zirkulation  der  Nebennieren  ausschaltet,  gibt  periphere 
Reizung  einen  einfachen  Anstieg.  Die  Ursache  der  Senkung  ist 
bis  jetzt  unbekannt. 

Die  Beziehungen  zwischen  Corpus  luteum,  Menstruation  und 
Schwangerschaft.    Aus  einigen  genau  beobachteten  FĂ€llen  zieht 
|  Verfasser  folgende  SchlĂŒsse:  Wenn  ein  Corpus  luteum  verum 
■oder  spurium  durch  ein  Trauma  getroffen  wird,  bekommt  man 
'«dasselbe  klniische  Bild  als  bei  einer  ruptirierten  extrauterinen 
Schwangerschaft.    Trifft  das  Trauma  ein  Corpus  luteum  verum, 
so   bekommt  man  einen   Abort.     Trifft  es  ein  Corpus  luteum 
spurium,  so  entsteht  eine  Menstruation. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag). 

The  American  Journal  of  Obstetrics  and  Gynecology, 
St.  Louis. 

Februar  1922,  Bd.  %  Nr.  2. 

-  ❖Die  Anwendung  von  Radium  bei  Krebs  der  weiblichen  (lenitalorgane.    R  a  v  - 
1  e  y  .  Harold,  in  Verbindung  mit  Q  u  i  in  b  e  v  .  Ed  i  t  h.     1 17. 
117. 

❖  Die   Wirkung  der  gebrĂ€uchlicheren   WehenmHtei   in  der  Eröffnungsperiode. 

R  UC  k  e  r  .  M.,  P  i  e  r  c  e.  134. 
❖Zebu  Jahre  schmerzloser  Geburten.    M  o  s  b  e  i  .  (!.  Cl.  142. 

❖  l'eber  die  Wendung  nach  Potter.    8  p  eidel ,  Edw.  150. 
❖Eklampsiebehandlung  eimsil  und  ietzi    Mo  ran.  .1.  F.  155. 

❖  Eine    Studiie>    ĂŒber    den    Ursprung   der    Blutung    hei  ExtrauteringraviditĂ€t. 

P  o  1  a.  k  .  .1.  0.  und  W  e  1  ton,  Th.  «.  ir,r,. 

Ueber  Pituitrin  zu   Beginn  der  Nachgebuitsperiod»».     1?  r  o  d  h  e  a  il  .   G,  I.. 

und  Langbrok,  E.  G.  170. 
:i  Falle  von  seltener  Anomalie  des  Ovars.    .1  a  n  n  e  y  ,  .7.  G.  173. 

Die  Anwendung  von  Radium  bei  Krebs  der  weiblichen  Ge- 
nitalorgane.   Verfasser  begannen  1915  mit  50  mgr  Radium  nach 


kontinentaler  Methode  in  Bleifilter,  gÀben  aber  vaginale  und 
rektale  Applikation  wegen  Fistelbildtnig  wieder  ml'  und  be 
schrÀnkten  sich  auf  intrauterine  und  intrÀzervikale.  1915  1910 
wurde  30 mal  nach  Percey  operiert,  d.  lt.  abdominell  eröffnet  und 
das  Karzinomatöse  möglichst  tnil  Thermolsauter  beseitigt.  Der 

Erfolg  war  nicht  gut,  weshalb  das  Kaulerisieren  auf  die  Gervix. 
von  der  Vagina  aus,  beschrÀnkt  wurde.  1916  wurde  ein  neue) 
radiumtragender  Apparat  konstruiert,  wegen  seiner  Aehnlich 
keil  mit  einer  Handgranate  die  „Bombe"  geheißen,  bestehend  aus 
einem  Stiel  und  einem  glockenförmigen  Ansatz  aus  Stahl  mit 
OuecksilberfĂŒllung.  am  Kopfe  befindet  sieh  eine  Ii  nnn-Bleika psel 
mit  Radium.  Der  Apparat  soll  das  Dirigieren  der  Strahlen  nach 
der  gewĂŒnschten  Richtung  und  die  Schonung  von  Blase  und  Rek- 
tum  fördern.  Daneben  trat  sogenannte  „Block'"behnndlung  mit 
2  nnn-Blei-  und  1  cm-Holzfilter,  womil  von  außen,  insbesondere 
von  der  suprapubischen  Gegend  her.  behandelt  wird.  Weiterhin 
wurde  ein  besonderes  Instrument  zum  Messen  der  durch  die 
Bombe  ausgesandten  Strahlen  konstruiert.  Einige  Tabellen  geben 
die  klinischen  Erfolge.  Ks  sei  daraus  entnommen:  Von  132 
PrimÀraffekten  und  Rezidiven,  vor  1918  behandelt,  waren  1921 
noch  8  ĂŒberlebend,  von  7(1  im  Jahre  1918  behandelten  noch  15. 
von  122  im  Jahre  1919  behandelten  noch  40. 

Die  Wirkung  der  gebrÀuchlicheren  Wehenmittel  in  der  Er- 
öft'nungsperiode.  Aehnlich  wie  Schatz  schon  1872  fĂŒhrte  Verf. 
in  den  Klerus  gravidus  einen  Sack,  der  mit  einem  Quecksilber- 
manomeler  verbunden  isl,  wodurch  die  Wirkung  von  Medika- 
menten auf  den  Uterus  unmittelbar  gemessen  werden  soll.  Be- 
obachtungen bei  21  Patienten  ergaben:  Hyoscin  hatte  einen  zu- 
verlÀssigen, aber  nicht  hochgradigen  Effekt  hinsichtlich  Ver- 
stÀrkung der  GebÀrmulterkontraktionen.  Meist  wurde  Morphium 
vorausgeschickt.  Verfasser  fand,  daß  die  Eröffnungsperiode 
durch  Scopolamin  oder  Hyocin  meist  verkĂŒrzt  wird.  Chinin- 
wirkung wurde  nur  bei  6  Patientinnen  gemessen.  Es  fand  sich 
merkliche  VerstÀrkung  der  Uteruskonlraktionen,  aber  keine  Zu- 
verlÀssigkeit des  Mittels.  Strychnin  wurde  nur  einmal  gegeben, 
1/30  grain  —  etwa  0,002  g,  es  schien  auf  StĂ€rke  und  HĂ€ufigkeit 
der  Uteruskonlraktionen  gĂŒnstig  zu  wirken.  Fluidextrakt  von 
Krgotin  wies  keine  merkliche  Wirkung  auf.  Pituitrinextrakt 
wirkte  in  2  FĂ€llen  von  KrĂŒhgeburt  im  7.  Monat  krĂ€ftig  auf  den 
Kterus,  Kontraktionen  von  9 — 35  Minuten  Dauer  erzeugend.  Es 
folgt,  daß  GebĂ€rende  mit  Metreuryse  gĂŒnstige  Gelegenheit  zur 
Erprobung  der  Wirkung  von  Medikamenten  auf  den  Uterus 
bieten. 

Zehn  Jahre  schmerzloser  Geburten.  Verfasser  ist  im  Prinzip 
fĂŒr  die  Gauß'sche  Methode  des  Individualisierens  und  gegen 
Siegels  schematische  Dosen.  Er  verwendet  statt  Morphium  Pan- 
lopon,  da  es  nicht  so  ungĂŒnstig  auf  das  Atemzentrum  wirkt  und 
besonders  fĂŒr  das  Kind  wesentlich  weniger  gefĂ€hrlich  ist.  Ei- 
land, .daß  Scopolamin  die  Eröffnungsperiode  abkĂŒrzt,  die  Aus- 
treibungsperiode  dagegen  etwas  verlÀngert.  Zange  wird  bei 
Scopolamin-Pantopon  etwas  hĂ€ufiger  notwendig.  BezĂŒglich  des 
Siegel'schen  Amnesins  bezweifelt  Verfasser,  ob  bei  dieser  Kom- 
bination des  Chinins  mit  Narkophin  die  stimulierende  Wirkung 
des  ersteren  erhalten  bleiben  könne.  Vermehrte  Neigung  zu 
HĂ€morrhagie  post  partum  wurde  nach  Scopolamin  nicht  beob- 
achtet. Die  amnestische  Patientin  muß  wĂ€hrend  des  GebĂ€rens 
ĂŒberwacht  werden,  um  ĂŒberstĂŒrzte  Geburl  zu  verhindern.  Verf. 
halte  bei  500  FÀllen  2,8  Prozent  kindliche  MortalitÀt,  wobei  kein 
Kall  auf  das  Scopolamin  zurĂŒckzufĂŒhren  ist.  Kein  Kind  war 
apnoisch.  Er  schließt:  Das  Scopolamin  ist  sicher  und  gut  wir- 
kend, besonders  wertvoll  bei  Primiparae,  die  kindliche  MortalitÀt 
wird  durch  dasselbe  nicht^  gesteigert,  die  Mutler  erholt  sich  vom 
Geburtsakt  wesentlich  rascher,  was  auch  dem  Kind  zugute 
kommt. 

Ueber  die  Wendung  nach  Potter.  Unter  Bezugnahme  auf 
gĂŒnstige  Erfahrungen  in  der  eigenen  Praxis  bespricht  Verfasser 
die  Wendung  nach  Potter,  die  in  Amerika  nach  anfÀnglicher  Be- 
kĂ€mpfung jetzt  eine  große  AnhĂ€ngerschaft  gefunden  hat.  Die 
Wendung  nach  Potter  kann  stets  angewandt  werden,  besondere 
Indikationen  gibt  es  dafĂŒr  nicht,  sie  soll  fĂŒr  die  GebĂ€rende  die 
Sehmerzen  der  Austreibung  mindern  und  kĂŒrzen.  Patientin  wird 
auf  einen  Tisch  gelagert,  die  Beine  auf  2  StĂŒhle  in  modifizierter 
YYalcher'scher  Lage  zur  VerlÀngerung  der  Conjugata  vera.  Hier- 
durch wird  zugleich  der  uterovaginale  Kanal  einer  geraden  Linie 
mehr  angenÀhert,  das  Perineum  weniger  gestrafft  und  dadurch 
die  Gefahr  des  Dammrisses  verringert.  Nach  Reinigung  der 
Vagina  mit  grĂŒner  Seife  geht  die  behandschuhte  Hand  durch  den 
verstrichenen  Muttermund  zwischen  Uteruswand  und  EihÀuten 
bis  zum  Fundus,  zerreißt  oben  die  EihĂ€ute  und  sucht  die  kind- 
lichen FĂŒĂŸe.    Die  hergebrachte  Methode,  nur  einen  Fuß  herunter 


Besprechungen. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10/17. 


zuholen,  um  besser  erweiternd  zu  wirken,  wird  abgelehnt. 
Ebenso  tritt  Verfasser  Pott  er  s  Auffassung  bei.  daß  bei  guter 
Narkose  noch  viele  Stunden  nach  Fruchtwasserabfluß  die  Wen- 
dung möglich  ist,  und  berichtet  von  einer  24  Stunden  nach  Frucb.tr 
wasserabfluli  von  ihm  selbst  ohne  Schwierigkeit  ausgefĂŒhrten 
Wendung.  (D  öder  lein  schĂ€rft  stets  seinen  Hörern  ein,  daß 
bei  lÀnger  geborstener  Eiblase  die  Wendung  in  ihren  ersten 
Augenblicken  dem  Operateur  als  ausdrĂŒcklicher  \\ 'endungsv er- 
such bewußt  sein  muß,  von  dem  er  bei  unbeweglichem  Kind  so- 
fort wegen  der  großen  Gefahr  der  Uterusruptur  absteht.  Ref.; 
Die  Entwicklung  des  nachfolgenden  Kopfes  findet  Verf.  der  Veit- 
Smellie'schen  ĂŒberlegen.  Es  werden  2  Finger  der  linken  Hand 
in  den  Mund  des  auf  dem  linken  Arm  reitenden  Kindes  einge- 
fĂŒhrt, wĂ€hrend  die  rechte  Hand  auf  sterilem  Tuch  einen  supra- 
pubischen  Druck  nach  unten  und  rĂŒckwĂ€rts  auf  den  Kopf  des 
Kindes  ausĂŒbt. 

Eklampsiebehandlung  einst  und  jetzt.  V  erfasser  hat  sich  von 
der  operativen  Schnellentbindung  abgewandl,  um  mit  der  Mehr- 
zahl seiner  Fachkollegen  die  konservative,  abwartende  Methode 
zu  bevorzugen,  welche  bei  geringeren  Gefahren  ebenso  gute  Re- 
sultate fĂŒr  Mutter  und  Kind  erzielt.  Aus  einem  Ueberblick  ĂŒber 
die  Behandlung  von  4  prÀeklamptischen  und  29  eklamplischen 
FĂ€llen  geht  hervor:  Morphium  wird  in  entsprechenden  Intervallen 
zur  Herabsetzung  der  Atemfrequenz  auf  10—12  in  der  Minute  ge- 
geben. Aderlaß  ist  wertvoll,  besonders  bei  hohem  Blutdruck, 
Zyanose,  Koma,  und  ist  u.  U.  lebensrettend.  Bei  den  29  Eklamp- 
siefĂ€llen wurden  2  Kaiserschnitte  und  3  Metreurysen  ausgefĂŒhrt 
Die  operative  Entbindung  mittels  abdomineller  oder  vaginaler 
Sectio  soll  möglichst  nur  bei  besonderer  Indikation,  engem 
Becken,  MißverhĂ€ltnis  von  Becken  und  kindlichem  Kopf,  rigider 
Zervix  platzgreifen.  Von  prinzipieller  Bedeutung  ist  es,  im  prÀ- 
eklamptischen Stadium  dem  Ausbruch  der  Eklampsie  vorzu- 
beugen und  zu  diesem  Zwecke  die  maßgebenden  Symptome  mög- 
lichst frĂŒh  zu  erkennen,  Erhöhung  des  Blutdrucks,  oft  auch  Re- 
tinitis können  anderen  Symptomen  (Urin-  und  Blutbefund,  be- 
sonders Kreatinin-  und  Reststickstofferhöhung)  vorausgehen. 
Daher  soll  bei  Blutdrucksteigerung  sofort  ein  Ophthalmologe  zu- 
gezogen und  dann  die  entsprechende  Behandlung,  evtl.  FrĂŒh- 
geburt eingeleitet  werden. 

Eine  Studie  ĂŒber  den  Ursprung  der  Blutung  bei  extrauteriner 
Schwangerschaft.  Deziduale  Reaktion  wird  an  verschiedenen 
Punkten  der  Tube  gefunden,  auch  weit  entfernt  von  dem  Sitze 
der  Eiinsertion.  Gleichzeitig  mit  Trennung  oder  Tod  des  Eies 
infolge  Blutung  in  die  Dezidua  erfolgt  auch  Blutung  vom  Uterus 
selbst,  dessen  Schleimhaut  dezidual  umgewandelt  ist,  sowie  von 
verschiedenen  Punkten  dezidualer  Reaktion  in  der  Tube.  Die 
Tubenperistaltik  treibt  aus  dem  abdominalen  Ostium  in  das  Peri- 
toneum. Aus  den  gleichen  Ursachen  erfolgt  Blutung  aus  dem 
Uterus,  welche  Trennung  oder  Tod  des  Embryo  anzeigt.  ; 

Kuhn  (MĂŒnchen). 


Buchbesprechungen. 

Arthur  Weil:  Die  innere  Sekretion.  Eine  EinfĂŒhrung  fĂŒr 
Studierende  und  Aerzte.  Verlag  Julius  Springer.  Berlin  1921. 
W  e  i  1  bringt  hier  auf  136  Seiten  eine  kurze  einfĂŒhrende  Dar- 
stellung der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.  Dabei  geht  er 
nicht,  wie  die  meisten  Autoren  es  bisher  getan  haben,  von  der 
einzelnen  BlutdrĂŒse  aus,  sondern  von  den  verschiedenen  Lebens- 
vorgĂ€ngen selbst  und  schildert  den  Einfluß,  den  die  verschiede- 
nen BlutdrĂŒsen  darauf  besitzen.  Auf  diese  Weise  erhĂ€lt  der 
Leser  in  der  Tat  einen  besseren  Ueberblick  ĂŒber  die  Bedeutung 
der  inneren  Sekretion  auf  die  verschiedenen  LebensvorgÀnge,  als 
wenn  er  erst  durch  das  Studium  der  einzelnen  DrĂŒsen  sich  ĂŒber 
ihre  Wirkung  auf  einen  speziellen  Vorgang  orientieren  will.  Vor- 
ausgeschickt ist  eine  kurze  Histologie  der  BlutdrĂŒsen;  es  folgt 
die  Darstellung  des  Einflusses  auf  das  Blut,  die  Blutbewegung, 
den  Stoffwechsel,  das  Wachstum,  die  Fortpflanzung,  den  Ge- 
schlechtstrieb, die  Psyche.  Auch  die  Chemie  und  der  Nachweis 
der  Inkrete,  sowie  die  Wechselwirkung  der  DrĂŒsen  zueinander 
werden  kurz  besprochen.  Die  KĂŒrze  der  Darstellung  bringt  es 
mit  sich,  daß  das  eine  oder  andere  Kapitel  vielleicht  etwas  zu 
kurz  geraten  ist;  im  großen  und  ganzen  ist  aber  infolge  der 
klaren  Darstellung  dem  Verfasser  gelungen,  dem  Fernerstehen- 
den einen  Ueberblick  ĂŒber  das  schwierige  Gebiet  der  inneren 
Sekretion  zu  geben.  Eine  Anzahl  vortrefflicher  Abbildungen  und 
Kurven  ist  dem  Buche  beigegeben.       O  r  g  1  e  r  (Charlottenburg). 


Lobedank,  Gen -Oberarzt  a.  D.:  Kurze  praktische  Anlei- 
tung zur  Erkennung  aller  Formen  des  K  o  p  f- 
schmerzes.  2.  Auflage.  Leipzig  1921.  Verlag  von  Kurt 
Kabitzsch. 

Das  BĂŒchlein  (Ladenpreis  9  M.)  ist  in  zweiter  Auflage  er- 
schienen, hat  also  Freunde  gefunden,  die  es  als  nĂŒtzlich  erkann- 
ten. Es  erhebt  nach  Verf.  eigenem  Geleitwort  keinen  Anspruch 
auf  wissenschaftliche  Bedeutung,  will  nur ,  ein  Hilfsmittel  sein, 
dem  Arzt,  insbesondere  dem  jĂŒngeren  Kollegen,  die  Auffindung 
des  Grundleidens  bei  Klagen  ĂŒber  Kopfschmerz  zu  erleichtern. 
Als  Wegweiser  nierzu  sei  es  erneut  empfohlen. 

lieber  die  Wichtigkeil  der  Beurteilung  des  Kopfschmerz- 
Symplomes  in  jedem  Falle  bedarf  es  keiner  Worte.  Die  Form,  in 
welcher  Verfasser  Belehrung  gibt  (Uebersichtstafel  mit  knappen 
pr.Ă€zisen  Angaben  zur  Diagnose  und  ihrer  Erkennung)  und  die 
einzelnen  Symptome  aufzufinden  anrÀt  (systematische  Art  derjj 
Krankenbefragung  und  Gang  der  Untersuchung  —  ebenfalls  nach 
einem  erprobten  Schema  ist  wohl  zu  billigen.  Der  Individuali- 
sierung bleibt  dennoch  Raum  Wenn  seine  Anleitung,  wie  Verf.1 
wohl  hofft,  dazu  anregt,  zu  den  Quellen  hinabzusteigen  und. 
Krankheitsbilder  im  Ganzen  zu  studieren,  so  ist  damit  ein  wei- 
lerer Zweck  erreicht,  der  hoch  bewertet  werden  muß. 

Nur  der  Arzt,  der  die  wissenschaftlichen  Grundlagen  und  die 
praktische  Heil  k  u  n  s  t  in  gleicher  Weise  beherrscht,  kann  er- 
folgreich wirken  und  dem  Kurpfuschertum  begegnen,  das  in 
unserer  Zeit  mehr  denn  je  ĂŒberall  sich  regt.        Junius  (Bonnn 

Krctschmer,  Ernst:  Medizinische  Psychologie.  Ein 
Leitfaden  fĂŒr  Studium  und  Praxis.  Georg  Thieme,  Leipzig  IV, 
B05.  39  M.  liÄJ 
Bisher  ist  die  Psychologie  im  Studiengange  der  Mediziner 
sehr  vernachlĂ€ssigt  worden;  es  wird  in  den  großen  klinischen 
Vorlesungen  bei  Vorstellung  der  Patienten  gewöhnlich  nur  „der 
Fall'  vorgefĂŒhrt,  daß  zu  diesem  „Fall"  aber  auch  ein  Mensch  mit 
einer  Seele  gehört,  leider  in  den  seltensten  FĂ€llen  berĂŒcksichtigt. 
Zeigen  hier  die  Professoren  oft  genug  einen  erschreckenden 
Mangel  an  psychologischem  VerstÀndnis,  so  ist  es  nicht  Wunder 
zu  nehmen,  daß  dieses  mangelnde  VerstĂ€ndnis  bei  den  jungen 
Studenten  nicht  geringer  ist.  Auch  die  Vorlesungen  in  der  Psy- 
chiatrie sind  meist  weit  davon  entfernt,  tieferes  VerstĂ€ndnis  fĂŒr 
die  Psyche  zu  erwecken.  Es  ist  daher  außerordentlich  zu  be- 
grĂŒĂŸen, daß  der  ausgezeichnete  TĂŒbinger  Psychiater  uns  ein 
kurzes  Lehrbuch  der  medizinischen  Psychologie  geschenkt  hat. 
das  allen  Aerzten  und  Studenten  auf  das  W7Ă€rmste  empfohlen 
werden  kann.  Dieses  Buch  ist  nicht  in  der  Studierstube  ent- 
standen, sondern  auf  reiche  Ă€rztliche  Erfahrung  gegrĂŒndet.  Ver- 
fasser hat  sich  die  reichen  Erkenntnisse,  die  wir  Freud  und 
seinen  SchĂŒlern  verdanken,  zu  eigen  gemacht  —  wĂ€hrend  bisher 
die  „offiziellen  Vertreter  der  Psychiatrie"  mit  ganz  geringen 
Ausnahmen  sich  dieser  modernen  Forschungsart  verschließen  4 
berĂŒcksichtigt  die  von  Haspers  in  die  Psychiatrie  eingefĂŒhrte, 
von  Kronfeld  und  Kurt  Schneider  weiter  ausgebaute 
phĂ€nomenologische  Denkweise  —  gegen  die  ebenfalls  die  Ver- 
treter der  Ă€lteren  Richtung  Opposition  machen  — ,  bringt  einen 
ausgezeichneten  Abschnitt  ĂŒber  die  Begutachtung,  der  speziell  fĂŒr 
die  beamteten  Aerzte  Ă€ußerst  wertvoll  -sein  dĂŒrfte.  —  Es  wĂ€re 
sehr  zu  begrĂŒĂŸen,  wenn  an  allen  deutschen  UniversitĂ€ten  Vor-' 
lesungen,  wie  sie  diesem  Buche  zugrunde  liegen,  abgehalten 
werden.  Lurje. 

S.  Sadger:  Die  Lehre  von  den  G  e  s  c  h  1  e  c  h  t  s  v  e  r  i  r  r  u  n- 
gen  (Psj'chopathia  sexualis)  auf  psychoanaly- 
tischer Grundlage.    Verlag:  Deuticke.    458  S.    105  M. 
Wenn  sich  bisher  die  Psychoanalytiker  auch  schon  vielfach 
mit  den  Geschlechtsverirrungen  beschÀftigt  haben,  so  fehlte  es 
bislang  jedoch  an  einem  zusammenfassenden    Werke,    das  diej 
Herversionen  vom  analytischen  Standpunkt  aus  betrachtet.  Dieses 
hat  nun  Sadger  mit  seinem  Buche  getan.     An  und  fĂŒr  sich*' 
werden  in  diesem  Werke  keine  Anschauungen  und  Tatsachen  g% 
bracht,  die   man   nicht   schon  aus  der   umfangreichen  psycho- 
analytischen Literatur  kennt.    Aber  wenn  Sadger  auch  nichts 
Neues  bringt,  so  ist  dieses  Buch  doch  sehr  geeignet,  eine  Ueber- 
sicht  von  dem  zu  geben,  was  fĂŒr  Erkenntnisse  uns  hinsichtlich 
der  sexuellen  Perversionen  die  psychoanalytische  Forschung  bis- 
lang gegeben  hat. 

WTenn  auch  Sadger 's  Anschauungen  —  speziell  ĂŒber  die 
HomosexualitĂ€t,  seinem  eigentlichsten  Forschungsgebiete  —  nicht 
ohne  Widerspruch  bleiben  dĂŒrften  (kommt  er  doch  selbst,  so 
gerne  er  es  allem  Anscheine  nach  möchte,  um  die  konstitutionelle 
Anlage  nicht  herum),  so  wird  doch  jeder  Leser,  der  mit  der 
nötigen  Kritik  an  dieses  Werk  geht,  eine  FĂŒlle' von  Material  darin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


K  o  n  gr  e  ß  b  e  r  I  c  h  t  e 


linden,  dessen  Kenntnis  gerade  fĂŒr  den  praktischen  Arzt  von 
Wichtigkeil  sein  dĂŒrfte,  zumal  dieser  am  meisten  Gelegenheil 
hat,  die  nervösen  Störungen  bei  Kindern,  die  mit  deren  leider 
von  den  meisten  Aerzten  immer  noch  zu  wenig  beachteten 
HBSChlechtsleben  im  Zusammenhang  stehen,  in  seiner  Praxis  zu 
beobachten.  L  u  r  j  e. 

■olaiio  i  WĂŒrzburg) :  Geburtshilflich-gynĂ€kologisc  Ii  e 
P  i-  o  p  §  d  e  u  t  i  k.  (Kabilzsch,  Leipzig  1922). 
Das  Buch,  das  in  1.  Auflage  erschienen  ist,  bringt  in  seinem 
theoretischen  Teil  die  niebl  nur  fĂŒr  den  AnfĂ€nger,  sondern  aueb 
fĂŒr  den  praktischen  Arzt  so  wiehligen  anatomischen  und  biologi- 
schen Vorstellungen,  die  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Funktionen  des 
weiblichen  Genitalapparats  eine  notwendige,  wenn  aueb  oft  ver- 
nachlÀssigte Vorbedingung  bilden.  Entsprechend  den  auf  dem 
letzten  GynĂ€kologen-Kongreß  aufgestellten  und  allgemein  aner- 
kannlen  Forderungen  bezĂŒgl.  der  Unterrichts-Neugeslaltung  wird 
in  dieser  Auflage  die  Physiologie  von  Schwangerschaft,  Geburt 
und  Wochenbett  weil  ausfĂŒhrlicher  als  bisher  zur  Darstellung  ge- 
bracht. Im  2.  praktischen  Teil  werden  die  Grundlagen  der 
ĂŒblichen  geburtshilflichen  und  gynĂ€kologischen  Untersuchungen 
besprochen,  unterstĂŒtzt  durch  eine  Beihe  ausgezeichneter  Bildbei- 
gaben. Das  Normale  bildet  den  wesentlichen  Inhalt  dieser  Pro- 
pÀdeutik, deren  Studium  den  Weg  zur  klinischen  TÀtigkeit  in  her- 
vorragender Weise  zu  ebnen  geeignet  ist.  Auf  die  Bedeutung  der 
Höntgen-Durchleuchtung  fĂŒr  Diagnose  und  Therapie  der  Frauen- 
krankheiten wird  kurz  eingegangen.  Zum  Schluß  hĂ€lt  Verf.  es  fĂŒr 
geeignet,  die  Ehrlichsche  Seitenkettentheorie  in  leicht  verstÀnd- 
licher Form  wiederzugeben,  da  sie  die  besprochenen  normalen 
und  pathologischen  Beaktionen  des  lebenden  Organismus  in  eine 
GesetzmĂ€ĂŸigkeit  zu  bringen  versucht  und  sich  als  ungemein 
fruchtbar  fĂŒr  die  weitere  Erforschung  dieser  bis  dahin  rĂ€tsel- 
haften VorgÀnge  erwiesen  hat.  K.  Held  (Berlin). 

.T.  Schwalbe:  Diagnostische  und  therapeutische' 
IrrtĂŒmer    und    deren    V  e  r  h  ĂŒ  t  u  n  g. 

Fehling:  Diagnostische  und  t  h  e  r  a  p  e  u  t  i  s  c  h  e  Irr- 
tĂŒmer u  n  d  ihr  e  V  e  r  h  ĂŒ  t  u  n  g  in  de  r  G  c  b  li  r  t. 
101  S.    10..°.0  M. 

Zangcmeister:  D  i  a  g  n  o  s  t  i  s  c  h  e  u  n  d  t  h  e  r  a  p  e  u  t  i  s  c  h  e 
Irrt  ĂŒ  m  e  r  u  n  d  i  h  r  e  V  e  r  h  ii  I  u  n  g  i  m  W  o  c'h  e  n  - 
b  e  t  I.    30  S.    17.50  M 

Der  Verfasser  hat  mit  dem  vorliegenden  Werke  einen  be- 
sonders zu  begrĂŒĂŸenden  wertvollen  Beilrag  fĂŒr  den  sich  geburts- 
hilflich betÀtigenden  Arzt  geschaffen.  Gerade  in  der  Geburtshilfe, 
in  der  sich  meist  exakte  Diagnose  und  kausale  Therapie  zeitlich 
unmittelbar  folgen  mĂŒssen,  wenn  nicht  schwerer  Schaden  ange- 
richtet werden  soll,  und  wo  auch  dem  Laien  oft  nur  allzu  deut- 
lich Ă€rztliche  Kunstfehler  zum  Bewußtsein  gelangen,  ist  es  un- 
gemein wichtig,  prÀzise  auseinanderzusetzen,  wie  es  nicht  ge- 
macht werden  darf.  Fehling  unterzieht  sich  dieser  Aufgabe 
in  den  28  Kapiteln  des  Buches,  die  in  gedrÀngter,  inhaltreicher 
KĂŒrze  das  Gesamlgebiet  der  Geburlshilfe  streifen,  in  vorbild- 
licher Weise.  DemgegenĂŒber  fĂ€llt  nur  sehr  wenig  ins  Gewicht, 
daß  die  rektale  Untersuchung,  die  Kielland'sche  Zange  und  der 
Winter'sche  Abortlöffel  etwas  apodiktisch  abgetan  werden.  — 
Der  Geburtshelfer  wird  gut  tun.  das  Fehling  sehe  BĂŒchlein 
seiner  Bibliothek  einzuverleiben. 

Das  Wochenbett  hat  Z  a  n  g  e  meiste  r  bearbeitet.  Auf  P>0 
Seilen  wird  das  normale  und  krankhafte  Wochenbett  durchge- 
sprochen und  außer  dem  Hinweis  auf  Fehler  mancher  wertvolle 
therapeutische  Batschlag  erteilt.  Von  der  SchÀdlichkeit  des  Aus- 
Ă€rĂŒckens  der-  ischurischen  Blase,   auf   die   Verfasser  besonders 


nachdrĂŒcklich  hinweist,  konnte  sich  ĂŒbrigens  Referent  niemals 
ĂŒberzeugen.  .1  o  h  a  5  Berlin 

W.  Naeke:   Die    Unfruchtbarkeit    der    Frau.  'Berlin. 
Dr.  Waller  Rothschild,  1022.) 
Das  kleine  Heflehen  slellt  ganz  kurz  (22  Seiten    die  verschie 
denen  Ursachen  der  SterilitÀt   zusammen,    ohne    neue  Gesichts 
punkte  zu  geben.    Auf  die  Therapie  wird  nicht  eingegangen. 

K.  Wob  lgem  u  I  h  (Berlin). 

Seherb,   Richard:    Die    Analy.se   der   HĂŒf tgelenksbe 
wegungen  am  Lebenden     Dargestellt  an  Bewegungen 
in  der  Frontalebene.    Stuttgart  1921.    Ferd.  Unke.    Preis  geb. 
.10  M. 

In  der  embryonalen  Periode  und  in  den  ersten  Lebensjahren 
erscheint  die  Gelenkform  des  HĂŒftgelenks  nach  Helwig  in  fron- 
taler Richtung  verkĂŒrzt  und  stellt  die  Form  eines  gedrĂ€ngten 
SphĂ€roids  dar.  Im  Aller  von  3— 6  Jahren  steht  das  Gelenk  der 
Kugelform  am  nÀchsten.  Diese  Form  wird  in  den  spÀteren  Jahren 
beibehalten  oder  dehnt  sich  weiter  zur  Gestalt  eines  Rotations- 
elipsoids  aus.  Die  Gelenkpfanne  entspricht  in  geometrischem 
Sinne  genau  der  Form  des  Kopfes  und  ist  etwas  kleiner  als 
dieser.  Diese  an  einem  großen  Material  gewonnenen  An- 
schauungen Helwigs  hĂ€lt  Verf.  fĂŒr  die  besten  und  hat  ver- 
sucht, auf  Grund  derselben  die  Bewegungsmechanik  zu  studieren. 
Bei  vollkommener  Kugelform  liegt  der  Drehpunkt  des  Gelenkes 
Henau  im  Mittelpunkt  des  Kopfes.  Ausnahmen  hierbei  sind:  Wenn 
Weichteile  die  Bewegungen  beeinflussen,  bei  Luxationen  und 
wenn  die  Pfanne  nicht  genau  der  Form  des  Kopfes  entspricht. 
Wanderungen  des  Drehpunktes  werden  daher  bei  Kindern  im 
Aller  von  3 — 6  Jahren  auf  pathologische  VerĂ€nderungen  der  Kopf- 
oder  Gelenkpfanne  hinweisen  oder  ĂŒberhaupt  auf  eine  Erkrankung 
des  Gelenkes.  Die  Möglichkeit,  Drehpunktwanderungen  in  exakter 
Weise  zu  erkennen,  kann  daher  fĂŒr  die  frĂŒhzeitige  Diagnose 
pathologischer  VerĂ€nderungen  des  HĂŒftgelenkes  von  Wert  sein. 
Will  man  nun  zu  diesem  Zwecke  Winkelmessungen  vornehmen, 
so  muß  man  die  Lage  des  Scheitelpunktes  genau  kennen.  Verf. 
bat  daher  versucht,  unter  Benutzung  einer  großen  Anzahl  von 
Röntgenbildern  die  notwendigen  Konstanten  zur  Bestimmung  des 
Winkels  zu  erhalten.  Die  Messungen  bezogen  sich  auf  jede 
BeckenhÀlfte  getrennt,  da  ja  hÀufig  Asymmetrien  vorkommen.  Die 
Aufnahmen  wurden  immer  achsengerecht  eingestellt,  d.  h.  der 
Schenkelkopf  liegt  in  der  Strahlenrichtung,  Symphvsenmitte  und 
beide  Spinae  in  einer  Horizontalen.  Nach  den  mit  diesen  Messun- 
gen gewonnenen  Erfahrungen  hat  Verf.  einen  anscheinend  ziem- 
lich komplizierten  Apparat  konstruiert,  der  an  der  Hand  einer 
Beihe  von  schönen  Abbildungen  erlÀutert  wird,  dessen  Einzel- 
beilen sich  aber  nicht  zum  Beferat  eignen.  Verf.  hat  mit  diesem 
Apparat  zunÀchst  eine  Beihe  von  Personen  auf  die  Exkursions- 
möglichkeiten des  HĂŒfteelenks  hin  untersucht  und  dabei  folgendes 
festgestellt:  Die  AdduktionsexzentrizitÀt  betrÀgt  bei  normalen 
IlĂŒflgesunden  zwischen  15  und  20  Grad.  Die  terminale  Adduktions- 
beweguns  am  belasteten  Gelenk  wird  durch  das  Ligament,  teres 
aus  der  Kugelgelenkbahn  abgelenkt  und  abgeschlossen.  Die  Ab- 
duktionsexzentrizitÀt  am  gesunden  Gelenk  wird  durch  Teilnahme 
von  Muskeln  an  der  Hemmung  allein  hervorgerufen,  und  zwar 
wahrscheinlich  durch  den  Obturator  extern.  Bei  Poliomyelitikern 
Ă€ußert  sich  der  Kugelgelenk anteil  bis  zum  Abduktionsende.  Ver- 
fasser glaubt  durch  seine  Untersuchungen,  die  er  fortzusetzen 
gedenkt,,  die  Grenzen  zwischen  Phvsiologie  und  Pathologie  der 
HĂŒftgelenksbewegungen  genau  bestimmen  zu  können,  wobei  be- 
sonders die  Bestimmung  der  Bewegungsgrenzen  bei  reponierten 
HĂŒftlĂŒxationen  und  Coxa  vara  von  Interesse  sein  dĂŒrfte. 

K À ck eil  (Hamburg). 


KONGRESSBERICHTE 


46.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  fĂŒr  Chirurgie 
in  Berlin,  vom  19.  bis  22.  April  1922. 

Berichterstatter:  IL  S  t  et  t  in  e  r  - Berlin. 

‱   Erster  Sitzungstag. 

Eröffnungsrede   des    Vorsitzenden   H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  -  Berlin 

Am  10.  [.  1S72,  also  vor  beinahe  genau  50  Jahren,  fand  die 
Eröffnung  des  ersten  Kongresses  der  Deutschen  Gesellschaft  fĂŒr 
Chirurgie  unter  Vorsitz  von  Bernhard  v.  Langenbecb  statt. 
Damals   stand   Àhnlich,  wie  beule,  die  Frage  der    PyÀmie  und 


SeptikÀmie  auf  der  Tagesordnung.  Ferner  beschÀftigte  man  sich 
hauptsÀchlich  mit  der  Chirurgie  der  ExtremitÀten,  der  Knie- 
gelenksresektion und  den  Unterscbenkelfrakluren.  Wegen  er 
sprach  ĂŒber  die  Wirkung  der  PhosphorsĂ€ure,  S  t  i  1 1  i  n  g  ĂŒber 
Harnröhrenstrikturen,  Simon  ĂŒber  Hydronephrose.  Julius 
Wolf  demonstrierte  PrÀparate  zur  Knochenanatomie  und  Patho- 
logie,  und  Trendelenburg  zeigte  seine  TamponkanĂŒle. 
Seitdem  bal  die  Chirurgie  große  Fortschritte  gemacht  und  wagl 
sich  heide  an  jedes  Organ  heran.  Die  plastische  und  Wieder- 
herstellungschirurgie bal  sich  vervollkommnet.  Dieser  Auf- 
schwung isl  einmal  den  Fortschritten  in  der  Kenntnis  der  palbo 


350 


Kongreßberiehte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16  17. 


logischen  Anatomie  und  zweitens  der  Ausbildung  der  diagnosti- 
schen .Methoden,  der  EinfĂŒhrung  der  Zysloskopie,  Bronchoskopie. 
Hektoskopie,  der  EinfĂŒhrung  der  funktionellen  Nierendiagnoslik. 
den  Fortschritten  auf  dem  Gebiete  der  Nervendiagnostik  und  der 
Verwendung  der  Röntgenstrahlen  zu  danken.  Andererseils  wird 
die  mehr  lokalistische  Auffassung  der  Krankheilen  in  letzter  Zeit 
durch  die  neuen  Lehren  von  der  AbhÀngigkeit  der  Organe  und 
ihrer  Produkte  voneinander,  durch  die  Lehre  von  der  inneren 
Sekretion  und  der  Konstitutionspathologie  erschĂŒttert.  Droht  der 
Chirurgie  von  dieser  Seite  eine  mehr  ideelle  Gefahr  in  ferner 
Zukunft,  so  droht  ihr  eine  nĂ€here  von  der  zu  großen  Spezialisie- 
rung. Ohne  die  Berechtigung  des  Chirurgen,  sich  einem  Spezial- 
fach zu  widmen,  zu  verneinen,  meint  Redner,  daß  diese  Speziali- 
sierung erst  nach  Ausbildung  in  der  allgemeinen  Chirurgie  er- 
folgen dĂŒrfe. 

L  e  x  e  r*-  Freiburg:  Die  chirurgische  Allgemeininfektion. 

Er  unterscheidet  '1  HaĂŒplgruppen,  die  allgemeine  bakterielle 
und  die  allgemeine  toxische  Infektion,  welche  zwar  vielfach  in- 
einandergreifen, deren  Trennung  aber  doch  zweckmĂ€ĂŸig  isl. 
Beide  Formen  haben  je  .'!  Untergruppen.  Die  bakterielle  Infek- 
tion wird  eingeteilt  in  die  pyogene.  die  putride  und  die  spezifische 
Form.  Die  Verbreitung  der  Bakterien  kann  auf  lymphogenem 
Wege  oder  durch  die  Blutkapillaren  stattfinden.  Zwischen  der 
ersten  und  zweiten  Untergruppe  kommen  Mischformen  vor, 
welche  man  frĂŒher  als  SeptikopyĂ€mie  bezeichnete.  Fieber 
braucht  nicht  gleich  der  Ausdruck  fĂŒr  eine  allgemeine  Infektion 
zu  sein,  sondern  kann  auch  toxischer  Natur,  Resorptionsfieber 
sein.  Eine  Verschlechterung  des  klinischen  Bildes  wird  die  Dia- 
gnose sicherstellen.  Beweisend  ist  der  Nachweis  von  Bakterien 
im  Blute,  wĂ€hrend  ihr  Fehlen  fĂŒr  die  toxische  Form  spricht.  Sind 
Bakterien  im  Blute  vorhanden  und  vermehren  sie  sieh,  so  isl  es 
ziemlich  gleichgĂŒltig,  ob  diese  Vermehrung  im  Blute  stattfindet 
oder  ob  stets  neue  Bakterien  von  einem  Herde  in  das  Blut  ĂŒber- 
treten. Lex  er  hall  die  aktive  Vermehrung  im  Blute  fĂŒr  be- 
wiesen. Bemerkenswert  ist,  daß  schwerste  akute  Formen  bak- 
terieller Allgemeininfeklion  ohne  Melastasenbildung  einhergehen. 
Metastatische  Formen  sind  oft  weniger  gefÀhrlich'.  Es  besieht 
eine  Beziehung  der  Metastasen  zum  Resorptionslieber,  zur  Re- 
sorption von  Bakterien.  Die  allgemeine  toxische  Infektion  kann 
man  in  eine  solche  durch  tierische  Gifte,  eine  zweite  durch  Bak- 
lerientoxine  und  eine  dritte  durch  Gewebsgifte  teilen.  Ein  Bei- 
spiel fĂŒr  die  erste  Gruppe  bildet  der  Schlangenbiß,  fĂŒr  die  zweite 
der  Telanus,  fĂŒr  die  drille  die  Verbrennung.  Es  wird  eine  Tren- 
nung der  Bakterien-  und  Gewebsgifle  verlangt.  Es  finden  auch 
hier  UebergÀnge  statt.  Nicht  alle  Krankheilserscheinungen  sind 
auf  die  Baklerienloxine  zurĂŒckzufĂŒhren.  Wir  kennen  noch  nichl 
fĂŒr  alle  Bakterien  die  Toxine.  Feststehen  sie  fĂŒr  Tetanus  und 
Diphth  erie.  So  fehlt  fĂŒr  den  Milzbrand  der  Nachweis  der  Toxine, 
ebenso  fĂŒr  die  Eitererreger.  Wir  wissen  noch  nichl.  worauf  die 
Wirkung  der  Streptokokken  beruht.  Ihre  Virulenz  isl  eine  vev 
schiedene.  Sie  wird  durch  FĂ€ulnisherde  gesteigert,  aber  man 
weiß  nichl.  welche  Wirkung  dabei  den  im  faulenden  Gewebe  ent- 
standenen Giftstoffen  zukommt.  Mit  der  dritten  Gruppe  eröffnet 
sich  ein  großes  Gebiet,  das  auch  auf  die  Therapie  befruchtend 
wirken  kann.  Es  treten  eine  Anzahl  Fragen  auf.  die  noch  ihrer 
Lösung  harren,  ob  die  Gewebstoxine  allein  eine  wichtige  Bolle 
spielen,  inwieweit  sie  die  Abwehrmaßnahmen  des  Organismus 
stören  u.  a.  Oft  wirken  sie  wie  artfremdes  Eiweiß,  rufen  Er- 
mĂŒdungserscheinungen und  Ă€hnliches  hervor.  Injektion  von  Ge- 
webstoxinen  bei  Tieren  ruft  lokale  EntzĂŒndungserscheinungen 
hervor.  Oft  erinnern  die  Erscheinungen  mehr  an  die  anaphylak- 
lischen  Symptome.  Vielleicht  gehört  hierher  auch  die  ErklÀrung 
der  vasotonischen  Wirkung,  wie  sie  durch  parenterale  Einver- 
leibung von  Eiweißstoffen  zustande  kommt.  Auch  die  Schock- 
wirkung ist  vielleicht  oft  als  durch  Vergiftung  mit  Zerfallproduk- 
len  zu  erklĂ€ren  (Toxinaemia  traumatica!.  Jedenfalls  mĂŒssen  wir 
eine  Trennung  der  Gewebs-  und  bakteriellen  Gifte  erstreben. 

Keysser-Freiburg  hat  es  versucht,  durch  Elektrosmose 
die  (  icwebsgille  rein  darzustellen.  Er  benutzte  dazu  ein  drei- 
kammeriges  GefĂ€ĂŸ,  in  welches  der  elektrische  Strom  geleitet 
wurde.  Es  werden  dadurch  das  elektroneurale  Euglobulin  von 
den  elektropositiven  Paraglobulinen  und  den  elektronegaliven 
Albuminen  gesondert.  In  der  Miltelkammer  blieben  nur  das 
Euglobulin  und  Zeitreste,  welche  noch  voneinander  getrennt 
werden  können. 

B  u  z  e  1 1  c  -  Greilswald:  Diagnose.  Prognose,  und  Therapie 
der  pyogenen  Blutinfektion. 

Zur  Diagnose  gehört  der  Nachweis  von  Mikroorganismen  im 
Blul  und  ihre  Vermehrung  im  Blute.  Metastasen  eines  Herdes 
berechtigen  noch  nichl  zu  der  Diagnose,  wenn  nichl  der  Nach- 


weis der  Bakterien  im  Blute  erbrach*!  isl.  Klinisch  zeichnet  sie 
sich  durch  hohes  Fieber,  meisl  mit  SchĂŒttelfrösten  einhergehend. 
HautausschlÀgen  usw.  aus.  Meist  ist  ein  primÀrer  Herd  zu  er- 
mitteln, von  dem  die  Infektion  ausgeht.  Mitunter  ist  ein  solcher 
nicht  nachzuweisen  (kryptogenetische  Sepsis).  In  den  Organen 
mit  verlangsamter  Blutströmung  spielt  sich  der  Kampf  /.wischen 
den  Bakterien  und  Zellen  ab.  Die  Bakterien  gelangen  vom  Blul 
aus  zunÀchst  in  das  Mark  der  Wirbelkörper,  dann  in  das  der 
langen  Röhrenknochen.  Die  Prognose  ist  abhÀngig  von  der  Viru 
lenz  und  der  Menge  der  Bakterien.  Klinisch  fĂŒhren  die  Infek 
lionen  bald  zum  Tode  oder  sie  ziehen  sich  lĂ€nger  hin  und  fĂŒhren 
zu  Besserung^  und  Heilung.  Im  allgemeinen  isl  ihre  Prognose 
besser,  als  die  der-  putriden  und  toxischen  Blutinfektion.  Die  Be- 
handlung isl  eine  allgemeine  'Alkohol.  Sauerstoff),  eine  chirur- 
gische und  eine  spezifische.  Wir  verlangen  Mittel,  welche  bak- 
lerientölend.  entwicklungshemmend  oder  virulenzvermindernd 
sind.  Zur  PrĂŒfung  wurden  die  Mittel  in  die  eine  Ar  mvene  ein 
gespritzt,  dann  nach  einer  Viertel-  bis  halben  Stunde  Blul  aus 
der  anderen  Armvene  entnommen  und  diesem  Bakterien  zugefĂŒgt. 
Am  besten  erwiesen  sich  Argochrom  und  Argoflavin. 

E  d  e  n  -  Freiburg:  EntzĂŒndliche  VorgĂ€nge  und  Wundinfektion 
im  Bilde  der  physikalischen  Chemie. 

Der  Organismus  isl  -bestrebt.  Störungen  durch  vermehrten 
Blutzustrom  auszugleichen.  So  schaff!  auch  die  HyperÀmie  im 
entzĂŒndeten  Gebiete,  in  welchem  sich  die  physikochemischen  Stö- 
rungen z.  B.  in  vermehrter  Wasserstol'fionenkonzenlration  und 
erhöhtem  osmotischen  Druck  Ă€ußern,  einen  Ausgleich.  Daher 
soll  man  nichl  mit  HyperÀmie  verhindernden  Mitteln  arbeiten, 
auch  nichl,  wenn  sie  bakterizid  sind.  Wichtig  fĂŒr  die  HyperĂ€mie 
ist  die  Erhaltung  der  Nervenleitung,  wie  an  Röntgenbildern  von 
Heilung  von  kĂŒnstlichen  Frakturen  nach  und  ohne  Durchschnei- 
dung des  Ischiadikus  gezeigt  wird.  Im  letzteren  Falle  Hyper- 
Ă€mie und  Kallusbildung  bereits  nach  1 1  Tagen,  im  anderen  Falle 
erhebliche  Verzogerring.  Man  soll  auch  Mittel  anwenden,  welche 
nicht  Leukozyten  abstoßend,  sondern  airziehend  wirken,  da  wir 
zur  Heilung  der-  Wunden  der'  Leukozyten  bedĂŒrfen.  Auch  hierbei 
spielen  ElektrolyteneinflĂŒsse  und  Verschiebungen,  sowie  osmo- 
tische DruckverhĂ€llnisse  eine  wichtige  Polle.  Im  akut  entzĂŒnd- 
lichen Gebiet  mit  starker  Hypertonie.  Oedemen  und  behinderter 
Blutzufuhr  dĂŒrfen  wir  nichl  solche  Millel  anwenden,  welche  den 
Quellungsdruck  der  Eiweißkörper  im  Cewebe  vermehren,  den 
Umsatz  steigern  oder  den  schÀdlichen  Stoffwechselprodukten  die 
Abfuhr  verlegen,  selbst  wenn  sie  bakterien schÀdigend  sind.  Hier 
kann  nur-  die  Inzision  Entspannung  und  Rettung  der  Gewebe 
herbeifĂŒhren.  Bei  chronischen  EntzĂŒndungen  FĂŒhrt  dagegen  die 
Steigerung  der-  entzĂŒndlichen  VorgĂ€nge  zum  Ausgleich  der  Stö- 
rungen und  zur  Heilung.  Physikochemische  VorgÀnge  sind  auch 
bei  der  Abiölung  von  Bakterien  und  der  Toxinbildung  maligebend. 
Nur  mit  ihrer  genauen  Kenntnis  und  der  ihres  Ablaufes  bei  dei 
Wundheilung,  der  ein  ander  er-  in  der-  fr  ischen,  ein  anderer  in  der 
entzĂŒndeten  Wunde  und  ein  anderer  im  Reagensglase  ist.  wird  es 
möglich  sein,  ein  klinisch  brauchbares  Desinfektionsmitte]  tu 
finden. 

C  1  a  i  i  m  o  n  l  -  ZĂŒrich .  Bei  der  bakteriellen  Infektion  gelingt 
es  nicht  immer,  die  Bakterien  im  Blute  nachzuweisen,  elwa  nur 
in  10  Prozent  der  FĂ€lle,  die  aber-  prognostisch  sehr  ungĂŒnstig 
sind.  Man  darf  die  Feststellung  der  Wirkung  der  Infektion  auf 
die  anderen  Organe  nicht  vernachlĂ€ssigen.  Auftreten  von  Eiweiß 
im  Harn,  Zylindrurie  sind  sehr  ungĂŒnstige  Zeichen.  Greifen  wir 
dann  zur  intravenösen  Injektion  von  Mitteln,  kommen  wir  meist 
zu  spĂ€t.  Wir  mĂŒssen,  um  zu  einem  Ziele  zu  kommen,  diese 
Mittel,  wie  Kollargol  oder  Farbstoffe  frĂŒh  und  in  großen  Dosen 
geben. 

Rosen  st  ein -Berlin:  Es  gibt  kein  Millel.  mit  dem  allein 
man  einer  Allgemeininfektion  Herr  werden  kann.  Neben  den 
chirurgischen  , Maßnahmen  mĂŒssen  Mittel  angewandt  werden, 
welche  auf  die  Leukozytose  wirken.  Er  hat  mit  Erfolg  zu  diesem 
Zwecke  das  Argatoxyl  benutzt.  Auf  der  Höhe  der  Leukozytose 
wird  dann  ein  desinfizierendes  Mittel  eingespritzt,  frĂŒher  Virzin 
jetzt  Rivanol.  Er  hat  von  40  FĂ€llen  30  zur  Heilung  gebracht,  und 
zwar  bei  Anwendung  des  Desinfektionsmittels  allein  von  25  FĂ€l- 
len 14,  bei  kombinierter  Behandlung  von  14  FĂ€llen  13. 

Schott  m  ĂŒ  1 1  e  r  -  Hamburg,  welcher  den  Begriff  der  Sepsis 
im  Gegensatz  zu  Lexer  nicht  ausschallen  will,  bezweifelt  auch 
im  Gegensatz  zu  diesem  und  Buzello  die  Vermehrung  der  Bak- 
terien im  Blute.  Es  findet  eine  Neueiiiwanderung  von  einem  be- 
stehenden Herde  aus  statt,  und  alle  Therapie  ist  vergeblich,  wenn 
es  nicht  gelingt,  diesen  Herd  zu  entfernen.  Mit  inneren  Mitteln 
kommen  wir'  dabei  nicht  zum  Ziele.  Sie  können  höchstens,  wie 
vielleicht  das  Vuzin,  prophylaktisch  wirken. 


10.  Jahrg. —  Nr.  16/17. 


K  o  n  g  r  e  II  b  e  r  i  c  Ii  l  e 


v  G a ia -GĂŒttingen  betonl  die  gegenseitige  Wechselwirkung 
von  Bakterien  und  Körperteilen.  Wenn  /eilen  zerfallen,  brauchen 
die  Zerfallsprodukte  nicht  giftig  zu  sein.  Anders  wenn  Bakterien 
dabei  sind.  Die  normale  Autolyse  wird  gestört;  Es  tragt  sieh, 
ob  die  Isolierung  der  Zerfallsprodukte  auf  dem  von  Keys«  er 
ungegebenen  Wege  zum  Ziele  fĂŒhren  wird.  Besser  gelingt  dies 
vielleicht  durch  Herstellung  von  GewebsaĂŒtolysĂ€ten. 

\\  olff -Eisner,  Berlin,  fĂŒhrt  aus.  daß  die  Gegenwart  von 
Bakterien  im  Blute  nicht  eine  absolut  schlechte  'Prognose  be- 
deute. Trotz  Anwesenheit  derselben  kann  sich  ein  solcher  Krank- 
heitsfall Monate  hinziehen.  Als  körperfremdes  Eiweiß  wirkt 
jeder  Eiweißkörper,  wenn  er  aus  dem  Zusammenhange  mit  dem 
normalen  Gewebe  herausgerissen  wird  (Sperma).  Er  "  macht 
leiner  auf  den  von  I.exer  nur  kurz  gestreiften  Unterschied 
zwischen  Endoloxinen  und  Toxinen  aufmerksam  und  erlÀutert  die 
anaphylaktische  Wirkung. 

B  i  e  r  -  Berlin  hebt  den  starken  Einfluß  der  Nervenzerschnei- 
dung  auf  das  betreffende  Organ  hervor.  Er  legt  auf  die  kolloid- 
chemischen VorgĂ€nge  keinen  so  großen  Wert  und  glaubt  nicht, 
daß  wir  durch  sie  der  Auffassung  der  lebendigen  Vorgange  viel 
nÀherkommen  werden.  Durch  Reizmittel  können  wir  die  chro- 
nische EntzĂŒndung  zur  Heilung  bringen.  Das  geeignete  Test- 
objekt ist  die  gonorrhoische  GelenkentzĂŒndung.  Durch  Ein- 
spritzung irgendwelcher  Mittel  können  wir  sie  bessern.  Dasselbe 
wird  durch  die  HyperĂ€mie  erreicht,  ohne  daß  man  dabei  eine 
neue  SchÀdlichkeit  setzt. 

L  e  x  e  r  -  Freiburg  hebt  im  Schlußwort  noch  einmal  hervor, 
daß  die  Bakterien  im  Blute  sich  sowohl  direkt  als  durch  Zu- 
strömen aus  einem  Bakterienherde  vermehren  können. 

C an o n  -  Berlin :   Behandlung   chirurgischer   Infektionen  mit 
mitogener  Vakzine. 

Trotz  der  unbestrittenen  Wirkung  der  autogenen  Vakzine,  be- 
sonders bei  Furunkulose  und  KolizysĂŒtis,  die  sich  in  zahlreichen 
FÀllen  bewÀhrt  hat,  ist  die  Behandlung  nicht  Allgemeingut  der 
Aerzte  geworden.  Dies  liegt  einmal  an  den  Mißerfolgen  mit  den 
kĂ€uflichen  Vakzinen,  die .  fĂ€lschlich  auch  auf  die  autogene  ĂŒber- 
tragen werden,  zweitens  in  einer  gewissen  Schwierigkeit  der 
Herstellung.  Diese  kann  dadurch  hervorgerufen  werden,  daß 
keine  Bakterien  zu  erlangen  sind,  wenn  man  bei  der  ersten  Er- 
öffnung die  Anlegung  von  Kulturen  versÀumt  hat.  Hat  man  dies 
getan,  so  kann  in  jedem  bakteriologischen  Institute  die  Vakzine 
hergestellt  werden. 

M  akai-Pest:  Beeinflussung  entzĂŒndlicher  Prozesse  durch 
subkutane  Einspritzungen  eigenen  Eiters. 

Zuerst  bei  kalten  Abszessen,  spÀter  auch  bei  warmen  hat  M. 
aspirierten  Eiter,  zunÀchst  erwÀrmten,  spÀter  auch  nicht  vorbe- 
handelten subkutan  appliziert  und  auf  diese  Weise  durch  2—8  In- 
jektionen Heilungen  erzielt.  Eine  SchÀdlichkeit  wurde  durch  die 
Einspritzung,  trotzdem  der  .Eiter  Strepto-  und  Staphylokokken 
enthielt,  nicht  gesetzt. 

Go  en  en- Breslau  bestÀtigt  die  gute  Wirkung  der  autogenen 
Vakzine  bei  Furunkulose. 

N  o  r  dm  a  n  n- Berlin  hat  aus  der  flaut  der  Kranken  Kul- 
luren  angelegt  und  diese  ohne  SchÀdlichkeit  in  einzelnen  FÀllen 
mit  Nutzen  eingespritzt.  Die  Versuche  sind  noch  nicht  abge- 
schlossen. Er  glaubt,  daß  es  sich  dabei  um  die  antagonistische 
Wirkung  der  verschiedenen  Bakterienarten  handelt. 

N  e  ii  f  e .  1  d  -  Berlin:  Die  experimentellen  Grundlagen  der  che- 
mischen Antisepsis. 

In  den  letzten  Jahren  hat  sich  ein  Uebergang  von  der  stren- 
gen Asepsis  zur  Antisepsis  vollzogen.  Es  sind  eine  Reihe  neuer 
Mittel  entstanden.  Wir  befinden  uns  aber  erst  in  den  AnfÀngen. 
Die  Hauptsache  ist  die  PrĂŒfung  der  Mittel  durch  den  Tierversuch 
Bereits  Lettische,  B  r  u  n  n  e  r,  v.  G o n  z  e  b  a  c  h  und  Ritter 
infizierten  Tiere  mit  Gartenerde,  die  Tetanus  und  Oedemsporen 
enthielt,  in  eine  Ilauttasche  und  retteten  sie  durch  jodhaltige 
Mittel,  wie  Jodtinktur,  Jodalköholj  Jodo-  oder  besser  noch  durch 
Isoform  nach  :;  (i— 16—18  Stunden.  Unmittelbare  Ablötung  der 
Sporen  kommt  nicht  in  Betracht,  dagegen  eine  entwicklungs- 
hemmende und  entgiftende  Wirkung.  Ebenso  auf  Entgiftung  be- 
ruhen Versuche  von  Feiler  mil  Trypaflavin  bei  Diphtherie. 
Man  muß  danach  streben.  Mittel  zu  linden,  die  gleichzeitig  auf 
Anaeroben  und  Streptokokken  wirken.  Versuche  mit  Vuzinein- 
spritzungen  schlugen  fehl;  dagegen  konnte  Vuzinpulver  und  auch 
Trypaflavin  hier  noch  wirken.  Morgenroth  und  seine  Mit- 
arbeiter konnten  nach  Infektion  mit  Ocdemsal't  durch  Umspritzung 
um  Eukupin  und  Vuzin  die  infizierten  Tiere  retten.  Sie  haben 
hierdurch  die  experimentelle  Grundlage  fĂŒr  die  bereits  vorher 


von  Klapp  geĂŒbte  Tiefenaniisep&is  gegeben.    Von  den  Chinin 
derivaten  ging  Morge'nrölh  zu   den   Akridinlarbslofl'en  Qbei 
und  schuf  aus  dem  Trypaflavin  das  BivĂŒnol,  dessen  Wirkung 
bedeutend  StÀrker,  als  die  des   Yuzins   ist.     Neu  leid  seilet 

machte  im  Verein  mit  Reinhardt  Versuche  mil  HĂŒhner- 
cholerabazillen und  Pneumokokken.  Hei  Verwendung  von  Trvpa 
l'lavin  in  Lösung  von  I  1000,  von  Sublimat  I  :  1000.  von  10  pro/ 
Arg.  nitricum  gelang  es  noch  nach  '21  Stunden  beinahe  die  HĂ€lfte 
der  Tiere  zu  retten,  wÀhlend  die  Kontrollliere  in  2  '.'<  Tagen 
starben.  Mit  dem  P.ivanol  wurden  durch  W  rcschner  beson- 
ders gĂŒnstige  Resultate  bei  Slaphvlokokkcninlcklionen  erzielt. 
Die  Wirkung  dieser  Mittel  auf  die  Bakterien  ist  nicht  etwa  als 
eine  Reizwirkung  aufzufassen.  Besonders  merkwĂŒrdig  ist  die 
starke  Wirkung  der  SpĂŒlungen.  Wahrscheinlich  wird  das  Millel 
in  den  Wunden  aufgespeichert  und  kommt  so  noch  spÀter  zur 
Wirkung.  Jedenfalls  berechtigen  die  Versuche  zu  weiterer  An- 
wendung besonders  des  Trypaflavins  und  des  Rivanols.  Sie 
lehren  ferner  die  Wichligkeil  solcher  Versuche  und  lassen  die 
Forderung  der  PrĂŒfung  der  Millel  durch  Tierversuche  als  ge- 
rechtfertigt erscheinen. 

Klapp-  Berlin:  Tiefenantisepsis. 

Die  alte  Antisepsis  wirkte  durch  Gewebszerstörung.  Es  be- 
stand kein  großer  Unterschied  zwischen  Antisepsis  und  Aelzung. 
Auf  solche  Weise  wirkle  auch  die  D  a  k  i  n  sehe  Lösung.  Die 
wÀhrend  des  Krieges  inaugurierte  neue  Antisepsis  mit  Vuzin  ist 
jetzt  durch  das  Rivanol  vervollkommnet.  Es  gelang  Abszesse 
und  Gelenkempyeme  zu  heilen,  auch  bakteriologisch.  Es  gibl 
kein  Mittel,  welches  die  Gewebe  völlig  intakt  lĂ€ĂŸt.  Die  SchĂ€di- 
gungen durch  das  Rivanol  sind  aber  sehr  gering.  Gute  Erfolge 
wurden  auch  mit  dem  Rivanol  bei  Umspritzung  von  gonorrhoi- 
schen Gelenken  erzielt  (paraartikulÀre  Einspritzung  einer  Lösung 
von  1  : 1000).  Die  Indikationen  fĂŒr  die  OberflĂ€chen-,  Tiefen-  und 
llöhlenantisepsis  sind  nicht  abgeschlossen.  Kontraindiziert  ist 
ihre  Anwendung  bei  Zirkulationsstörungen,  bei  Lappenwunden, 
bei  Plastiken,  Vorsicht  bei  entzĂŒndlich  infiltriertem  Gewebe,  nicht 
anzuwenden  ist  sie  bei  Blutleere.  Dagegen  kann  sie  verwendel 
werden  prophylaktisch  bei  aseptischen  Operationen.  Einklamme- 
rige Mastitiden  heilen  unter  Rivanolbehandlung.  Die  infiltrieren 
den,  nekrotisierenden  Formen  mĂŒssen  chirurgisch  behandelt  wer- 
den. Erysipel  ist  nicht  fĂŒr  die  Behandlung  geeignet.  Besonders 
gut  werden  Gelenkempyeme  beeinflußt,  wie  die  Erfahrungen  an 
8  großen  Gelenken  zeigen.  Lieber  Pleura  und  Bauchhöhle  hat 
Redner  wenig  Erfahrung.  Nackenkarbunkel,  Panaritien  sind 
geeignet. 

V  öl  ck  e  r -  Halle  halte  ebenfalls  mil  Rivanol  gute  Erfolge, 
so  bei  heißen  Abszessen,  obwohl  es  ihm  fraglich  erscheint,  ob 
hier  nicht  eine  lnzision  mehr  am  Platze  ist.  Gule  Erfolge  hatle. 
auch  er  bei  Gelenkeiterungen  Knie-  und  Handgelenk;.  Eine  in- 
fizierte Beilhiebverletzung  des  Kniegelenkes  wurde  vernÀht  und 
mit  Erfolg  mil  Rivanol  behandelt,  desgleichen  Furunkel,  Perio- 
slitidcn.    Dagegen  versagte  das  Rivanol  bei  Empyemen. 

Sc  h  ö  n  e- Stettin  hat  einzelne  erhebliche  funktionelle  SchÀdi- 
gungen gesehen  und  mahnt  dabei-  zur  Vorsicht.  Bei  der  Beur- 
teilung der  Resultate  spielt  auch  die  sonst  gewohnte  Wund- 
behandlung eine  Rolle.  Es  isl  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen, 
ob  Klapp  nicht  auch  ohne  Vuzin  dieselben  guten  Resultate  ge- 
habt hÀtte.  Wir  sind  erst  am  Anfange  der  Verwendung  des 
Mittels,  mit  dem  wir  weitere  Erfahrungen  sammeln  mĂŒssen,  ehe 
wir  zu  definitiven  SchlĂŒssen  kommen. 

v.  K  i  s  h  a  1  m  y  -  Halle  berichtete  ĂŒber  gĂŒnstige  Erfolge  bei 
Parametritiden.  ß(j  FĂ€lle  zeigten  nach  3—5  SpĂŒlungen  nach  5  bis 
12  Tagen  unter  lytischer  Entfieberung  Heilung.  12  Gelenkmeta- 
stasen  sind  geheilt.  Nach  der  5.  Einspritzung  bestanden  noch 
subfebrile  Temperaturen,  welche  ersl  nach  Entfernung  der  Fibrin- 
gerinnsel durch  KochsalzspĂŒlungen  schwanden.  Bei  offenen 
Wunden  und  Fisteln,  die  nicht  geschlossen  werden  konnten,  keine 
Erfolge,  5  rezidivierende  Empyeme  der  Pleura  kamen  zur  Hei- 
lung, welche  vorher  auf  der  inneren  Abteilung  mil  Punktionen 
behandelt  waren.  FĂŒr  urologische  FĂ€lle  isl  das  Rivanol  nicht 
geeignet.  Eine  GewebsschÀdigung  konnte  in  den  PrÀparaten  von 
C.elenkempyemen,  die  an  PyÀmie  zugrunde  gingen,  nicht  fest- 
gestellt werden.  Die  Vorteile  des  Verfahrens  bestehen  in  der 
schmerzstillenden  Wirkung,  der  AbkĂŒrzung  der  Zeil  und  der 
guten  funktionellen  Heilung 

R  o  s  e  n  st  ein  -  Berlin  betont,  (biß  es  sich  um  ein  Desinfek- 
tionsmittel, kein  im  Sinne  der  Proleinkörper  wirkendes  Reizmittel 
handell,  dessen  Wirkungsweise  er  bei  lÀngerer  Anwendung 
immer  mehr  schÀtzen  lernt.  Auch  bei  fortschreitenden  Phleg- 
monen. Mastitiden  bat  er  gule  Erfolge  gehabt.     In  einem  Falle 


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Kongreßberichte 


10.  Jahrg.  —  Nr.  10/17 


von  Erysipel  heilte  dasselbe  nach  Umspritzung  ab.  Gute  Erfolge 
halte  er  auch  bei  einer  Holzphlegmone. 

\\  e  s  s  e  1  y  -  WĂŒrzburg  hat  die  Heizwirkung  an  der  Kon* 
junktiva  des  Auges  durch  Feststellung  der  anhaltenden  EntzĂŒn- 
dung und  des  Eiweißgehalles  des  Liquors  bestimmt.  Er  hat 
Sublimat  1  :  50(X)  und  Asterol  1:500  miteinander  verglichen  und 
die  L'eberlegenheil  des  Aslerols  gegenĂŒber  dem  Sublimat  fest- 
gestellt. Auch  zeigte  sich  eine  bedeutend  geringere  Reizwirkung 
nach  Anwendung  des  Rivanols,  als  nach  Vuzin. 

Kausch  -  Berlin  hatte  von  Vuzin  keine  Erfolge  gehabt,  wohl 
aber  von  Rivanol. 

Hahn -Berlin  betont,  daß  die  Desinfektionsmittel  nicht  die 
Keime  töten,  sondern  sie  schÀdigen.  Der  Organismus  tut  dann 
das  seinige,  um  mit  den  Keimen  fertig  zu  werden.  In  zahlreichen 
Versuchen  hat  er  die  Resistenz  der  Keime  gegenĂŒber  den  Anti- 
septizis  nachgewiesen.  SeidenfÀden  mit  Kulturen  wurden  mit 
Sublimat,  KarbolsÀure,  Trypaflavin  u.  a.  behandelt,  dann  von  dem 
Antiseptikum  befreit  und  auf  Tiere  verimpft.  Sie  zeigten  sich 
trotzdem  nach  einiger  Zeit  noch  virulent.  Wir  mĂŒssen  die  Hoff- 
nung auf  eine  Abtötung  der  Keime  aufgeben. 

Bier -Berlin  hat  seinerzeit  ĂŒber  gute  Erfolge  mit  dem 
Eukupin"  und  Vuzin  berichtet,  wĂ€hrend  ihm  ĂŒber  das  Rivanol 
keine  Erfahrungen  zu  Gebote  stehen.  Er  empfiehlt  auch  die  Be- 
handlung des  heißen  Abszesses  mit  dem  Mittel,  da  es  dem  Kran- 
ken eine  Narbe  erspart.  Betreff  der  Heilung  des  Erysipels  ist  er 
skeptisch,  da  dieselbe  nach  Umspritzung  mit  allen  möglichen  Lö- 
sungen aufhört  oder  weilergeht. 

Morgenrolh-  Berlin  hebt  noch  einmal  hervor,  daß  es  sich 
um  keine  Reizwirkung,  sondern  um  eine  reine  Desinfektions- 
wirkung handelt.  Bei  den  Versuchen  von  Wessely  spiele 
außer  dem  Reize  auch  eine  Druckwirkung  eine  Rolle.  Er  weist  ' 
auch  auf  die  Wirkung  des  Rivanols  gegenĂŒber  Staphylokokken 
hin.    Er  empfiehlt  das  Mittel  zur  WeiterprĂŒfung. 

M  ĂŒ  1  1  e  r  -  Rostock  hĂ€lt  die  metastatisch  erkrankten  Gelenke 
nicht  fĂŒr  ein  gutes  Testobjekt,  da  sie  sehr  verschieden  auf  die 
Krankheit  reagieren.  Auch  er  glaubt  an  die  Wirkung  der  PrÀ- 
parate, will  aber  noch  zu  keiner  definitiven  Beurteilung  schreiten. 

St  ein  mann -Bern  hat  vor  8  Jahren  die  gasförmige  Anti- 
sepsis, bei  welcher  ein  kontinuierlicher  Strom  von  Sauerstoff  in 
die  Gewebe  geleitet  wird,  empfohlen.  Man  kann  den  Sauerstoff 
mit  Jod  oder  Formalin  ImprÀgnieren,  indem  man  ihn  durch  eine 
entsprechende  FlĂŒssigkeit  leitet,  und  so  die  Wirkung  noch  ver- 
stÀrken. 

B  a  u  m  a  n  n  -  Watlwil  betonl  die  gĂŒnstigen  Erfahrungen,  die 
er  mit  dem  Pyoktanin  gemacht,  dessen  Wirkung  er  auch  dem 
Trypaflavin  gegenĂŒber  fĂŒr  besser  hĂ€lt.  Auch  von  der  Tiefen- 
anlisepsis  mit  Vuzin,  selbst  im  klinischen  Betriebe,  ist  er  voll- 
kommen wieder  abgekommen. 

Fischer-  Frankfurt  a.  M.  berichtet  ĂŒber  gĂŒnstige  Erfah- 
rungen, hatte  aber  auch  einzelne  Vergiftungserscheinungen,  wie 
Nierenreizungen  .beobachtet.  In  einem  Falle  von  HĂŒftgelenks- 
punktion kam  es  zu  einer  Epiphysenlösung. 

N  e  u  f  e  1  d  -  Berlin :  Schlußwort. 

Lichtbilderabend. 

R  o  s  t- Heidelberg:  Die  sog.  traumatische  Sklerose  des  Fett- 
körpers am  Knie  (Hoff  a). 

Es  werden  an  einer  Reihe  von  Bildern  die  verÀnderten  Fett- 
körper gezeigt.  Einklemmungserscheinungen  sehr  selten.  Oft 
ein  geringfĂŒgiges  Trauma  die  Ursache  (Verstauchung,  hĂ€ufiges 
Knieen).  Man  findet  die  Prozesse  außerordentlich  hĂ€ufig  im  Knie. 
Bei  Personen  bis  zum  40.  Jahre  in  35  Prozent,  bei  Leuten  ĂŒber 
10  Jahre  sogar  in  95  Prozent.  In  einem  Falle  lag  eine  starke 
Blutung  bei  Endokarditis  vor.  Die  Therapie  hat  in  KrÀftigung 
der  Muskulatur  zu  bestehen,  nach  vorheriger  Ruhigstellung. 

Ei  seh-  Berlin:  Seltene  Röntgenbilder  aus  dem  Gebiet  der 
Knochen-  und  Gelenkstuberkulose. 

Schwierigkeit  der  Differentialdiagnose  zwischen  Ostitis 
fibrosa  und  Tuberkulose  im  Röntgenbild,  es  sei  denn,  daß  Abszeß- 
schatlen  auf  Tuberkulose  hinweisen.  Ebenso  kann  die  Differen- 
lialdiagnose  zwischen  Osteomyelitis  und  Tuberkulose  im  Röntgen- 
bild Schwierigkeiten  bereiten.  Die  starke  Verdickung  des  Periost 
weist  auf  Tuberkulose  hin.  Neu  Gelenksbildung  bei  HĂŒftgelenks- 
tuberkulose mit  Bildung  eines  neuen  Kopfes. 

Löf  II  er -Halle:  Demonstration  tuberkulöser  Senkungs- 
abszesse im  Röntgenbild. 

Entleerung  der  Abszesse  durch  Funktion  und  FĂŒllung  mit 
einer  Bismut-Kochsalzlösung. 


K  I  <>  s  «‹  -  Frankfurt  a.  M.:  Zur  Chirurgie  der  Karotisdriisen. 

Diagnostisch  kommt  die  gute  laterale  Verschieblichkeil,  die 
schlechte  vertikale,  ferner  der  Silz  auf  der  linken  Seite  und  die 
StimmhandlÀhmung  in  Betracht.  Die  Therapie  soll  nicht  etwd 
in  Röntgenbestrahlung,  sondern  in  Exstirpation  bestehen.  Von 
70  FĂ€llen  zeigten  nur  3  örtliche  Rezidive.  Die  GeschwĂŒlste  sind 
meist  gutartig.  Sie  zeigen  keine  Abweichung  von  dem  normalen 
Bau  der  KarotisdrĂŒse. 

Flesch-Thebesius  -  Frankfurt  a.  M.:  Operativ  bestÀtigte 
Geschoßwanderung  im  Seitenventrikel. 

Starke  Kopfschmerzen  veranlaßten  die  erneute  Röntgenauf- 
nahme eines  Kranken  mit  SchĂ€delsteckschuß.  Die  verĂ€nderte 
Lage  des  Geschosses  gegen  frĂŒher  ließ  die  Wanderung  im  Seiten- 
ventrikel um  7  cm  nach  hinten  wahrscheinlich  machen.  Um  dies 
festzustellen,  wurde  in  einem  Leichenhirn  in  den  Ventrikel  an 
den  betreffenden  Stellen  je  eine  Kugel  gelegt  und  dann  das  Ge- 
hirn wieder  in  den  SchÀdel  gesteckt.  Die  Aufnahmen  ergaben 
den  gleichen  Sitz  der  Geschosse,  wie  bei  der  ersten  und  zweiten 
Aufnahme.  Die  Operation  bestÀtigte  den  Sitz  des  Geschosses  an 
der  erwarteten  Stelle. 

R  o  s  e  n  s  t  e  i  n  -  Berlin:  Der  Wert  der  Pneumoradiographie 
fĂŒr  die  Nierendiagnostik. 

In  Seilenlage  werden  500—600  cem  Sauerstoff  in  die  Fell- 
kapsel der  Niere  injiziert.  Die  Nadel  wird  senkrecht  unterhalb 
der  12.  Rippe  in  der  Höhe  des  ersten  Lendenwirbels  einge- 
stochen. Man  muß  sich  versichern,  daß  kein  Blut  und  kein  Urin 
(Hydronephrose)  aus  der  Nadel  fließt.  Dann  wird  der  Sauerstoff 
durch  eine  Vorrichtung,  wie  sie  fĂŒr  den  kĂŒnstlichen  Pneumo- 
thorax v.  B  r  u  n  e  r  angegeben,  eingespritzt.  Bei  Schmerzen  soll 
man  aufhören.  Das  klare  Bild  der  Niere  und  Nachbarorgane  wird 
an  einer  Reihe  von  Bildern  vorgefĂŒhrt. 

B  o  e  n  i  n  g  h  a  u  s  -  Halle  bedient  sich  eines  etwas  anderen 
Apparates,  aber  im  wesentlichen  derselben  Technik.  Er  berichtet 
ĂŒber  einen  Fall  von  plötzlichem  Kollaps,  der  durch  Herzmassage 
ĂŒberwunden  wurde.  Er  zeigte  mehrere  Darstellungen  der  Neben- 
niere und  betont  die  fĂŒr  die  Diagnose  oft  wichtige  Gleichzeitig- 
keit der  Pyelographie.  Die  Kranken  klagen  nach  der  Aufnahme 
oft  ĂŒber  einen  anginaĂ€hnlichen  Schmerz,  der  wohl  dadurch  her- 
vorgerufen wird,  daß  Luftblasen  lĂ€ngs  der  Aorta  bis  in  die 
Rachengegend  steigen. 

M  o  s  e  n  t  h  a  1  -  Berlin  betonl  die  Bedeutung  der  Methode  fĂŒr 
die  Darstellung  des  oberen  Nierenpols  und  der  Nebenniere 
Letztere,  welche  rechts  kuppenförmig  auf  dem  Nierenpole  sitzt, 
links  mehr  sichelförmig  neben  der  Niere  sitzt,  ist  gut  darzustellen. 
Ihre  VergrĂ¶ĂŸerung  in  einem  Falle  von  sexueller  Umstellung  wird 
im  Röntgenbilde  gezeigt. 

O  e  h  1  e  e  k  e  r  -  Hamburg  zeigt  mehrere  operativ  beseitigte 
Versteifungen  des  Kniegelenks  und  eine  gelungene  Gesieht*- 
plastik,  bei  der  33  operative  Eingriffe,  darunter  5  Auto-  und 
5  Alloplasliken  vorgenommen  waren. 

E  e  k  s  t  e  i  n  -  Berlin  zeigt  eine  gelungene  Paraffinplastik  bei 
Hypoplasie  des  Unterkiefers.  Er  benutzt  das  von  ihm  empfohlene 
Hartparaffin  mit  einem  Schmelzpunkt  von  W)  Grad.  Um  das  Zu- 
rĂŒcksinken des  Kinns  zu  vermeiden,  mußte  er  in  diesem-  Falle 
noch  eine  kleine  plastische  Operation  zufĂŒgen,  einen  Querschnitt, 
den  er  in  LÀngsrichtung  vernÀhte. 

Axhausen  -  Berlin  demonstrierte  mehrere  FĂ€lle  von 
Köhlerseher  Krankheit,  in  denen  er  die  erkrankte  Stelle  rese- 
ziert und  nun  die  verÀndert'M  Teile  demonstrieren  konnte,,  die 
eine  weitere  StĂŒtze  seiner  Aroeiten  auf  diesem  Gebiete  ergaben. 

KÀppis -Kiel.  Frakturen  und  Höhlenbildung  in  den  Hand- 
wurzelknoehen. 

Diese  oft  zufÀllig  gefundenen  Höhlenbildungen  sind  entweder 
traumatischen  Ursprungs  infolge  von  Frakturen  oder  Reste  von 
Arthrititiden,  von  denen  das  Handgelenk  oft  befallen  wird.  ‱ 

K  o  tz  e  n  b  c  r  g  -  Hamburg:  Die  Ausnutzung  des  Amputations- 
stumpfes. 

Kinemalographische  VorfĂŒhrung  des  S  a  u  e  r  b  r  u  c  h  sehen 
Armes  unter  Anwendung  des  Prinzips  der  Muskelsperrung  und 
der  Kanalbildung. 

S  e  i  f  e  r  t  -  WĂŒrzburg.  Pericolitis  membranaeea. 

Bau  der  Membranen,  die  GefĂ€ĂŸverteilung  spricht  gegen 
entzĂŒndliche  Bildungen.  Es  handelt  sich  um  embryonales  Ge- 
webe. Die  Membranbildung  ist  bei  dem  Deszensus  des  Zoekums 
entstanden.    Sie  lĂ€ĂŸt  sich  ohne  Blutung  vom  Darm  ablösen. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praltnsclien  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH.  Berlin  SW  46,  Wilhelm  ~  Strafe  25  /  Fernsprecher-  Lutzow  9057 

Berlin,  den  10.  Mai  1922  40.  Jahrgang 


Nr.  18/19 


Dar  Verlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der 

Aus  der  Kinderklinik  des  Krankenhauses  Altstadt  (Magdeburg). 
Dir.  Prof.  Dr.  H.  Vogt. 

Beobachtungen  bei  SĂ€uglingsskorbut. 

Von  Dr.  GrÀvinghoff. 

Die  UmstÀnde,  die  wÀhrend  des  Krieges  zum  Auftreten 
von  Skorbut  gefĂŒhrt  haben,  dauern  offenbar  auch  jetzt  noch 
an,  da  von  den  verschiedensten  Seiten  berichtet  wird,  daß 
immer  wieder  neue  SkorbutfÀlle  beobachtet  werden.  Die 
Bestrebungen,  einen  Skorbut  verhĂŒtenden  Stoff  zu  finden, 
der  zum  regelmĂ€ĂŸigen  Bestandteil  der  Nahrung  jedes  kunst- 
lich genÀhrten  SÀuglings  gemacht  werden  könnte,  sind  noch 
nicht  erfolgreich  gewesen.  Es  kommt  also  weiter  darauf  an, 
genĂŒgende  Kenntnis  des  SĂ€uglingsskorbuts  zu  erwerben,  um 
ihn  frĂŒhzeitig  zu  erkennen  und  der  geeigneten  Behandlung 
zufĂŒhren  zu  können.  Daß  sich  dabei  Schwierigkeiten  er- 
geben, ist  immer  wieder  betont  worden  und  leuchtet  beson- 
ders ein,  wenn  man  die  große  Liste  der  verschiedenartigsten 
Krankheitsbilder  kennt,  unter  denen  sich  schon  bereits  voll- 
entwickelte  SkorbutfÀlle  des  SÀuglings  versteckten. 

Wir  beobachteten  in  der  Zeit  vom  September  1916  bis 
Oktober  1919  9  FĂ€lle,  die  meist  in  der  Klinik  auftraten,  vom 
April  1920  bis  Februar  1922  31  einwandfreie  FĂ€lle  und  zwar 
5  außerhalb  der  Klinik,  wĂ€hrend  26  des  Skorbuts  wegen  zur 
Aufnahme  kamen.  Von  diesen  26  FĂ€llen  hatten  21  vorher  in 
Ă€rztlicher  Behandlung  gestanden,  nur  3  von  diesen  waren  als 
SkorbutfÀlle  erkannt  worden,  obwohl  es  sich  meist  um 
schwere  ausgebildete  Krankheitsbilder  handelte.  In  5  FĂ€llen 
wurden  die  SÀuglinge  zum  Zwecke  orthopÀdischer  oder  chi- 
rurgischer Behandlung  ĂŒberwiesen,  einmal  war  ein  Gipsver- 
band angelegt  worden,  einmal  hatte  der  behandelnde  Arzt 
das  angeschwollene  Zahnfleisch  des  Oberkiefers  hinter  den 
SchneidezÀhnen  inzidiert. 

In  etwa  ein  Drittel  der  FĂ€lle  fĂŒhrte  die  Verkennung  der 
Krankheit  zu  sehr  schweren  Erscheinungen,  die  monatelanger 
Behandlung  bis  zur  Heilung  bedurften,  und  2  FĂ€lle  kamen 
in,  so  schwerem  Zustand  zur  Aufnanme,  daß  innerhalb  der 
ersten  24  Stunden  der  Tod  eintrat.  Ein  dritter  Fall  starb 
nach  6  Tagen. 

Da  nun  die  Behandlung  des  SĂ€uglingsskorbuts  so  ein- 
fach und  selbst  bei  schweren  FĂ€llen  so  erfolgreich  ist,  wird 
mit  Stellung  der  Diagnose  die  Hauptarbeit  geleistet.  Es  er- 
gibt sich  daraus  die  Notwendigkeit,  nachzuforschen,  woran 
die  rechtzeitige  Erkennung  der  Krankheit  immer  wieder 
scheitert.  Die  hauptsÀchlichsten  Schwierigkeiten  sind  be- 
reits von  zahlreichen  KinderÀrzten  bis  ins  Kleinste  ange- 
geben und  liegen  in  Hand-  und  LehrbĂŒchern  und  in  Einzel- 
darstellungen anscheinend  fĂŒr  den  Praktiker  vergraben. 
Schon  aus  diesem  Grunde  muß  immer  wieder  darauf  hin- 
gewiesen werden  und  aus  diesem  Grunde  halten  wir  auch  die 
Mitteilung  unserer  Erfahrungen  fĂŒr  berechtigt. 

Zur  Diagnose  des  Skorbuts  bemerkt« Heubner,  daß 
„man  die  Krankheit  nicht  ĂŒbersehen  wird,  wenn  man  immer 
an  die  Möglichkeit  ihres  Vorhandenseins  denkt",  und  die 
Möglichkeit  ist,  wie  gesagt,  in  letzter  Zeit  gegen  frĂŒher  er- 
heblich grĂ¶ĂŸer  geworden. 

Dann  ist  es  aber  vor  allen  Dingen  die  Verwechslung  mit 
der  Rachitis,  die  zum  Uebersehen  besonders  der  leichten  FĂ€lle 
fĂŒhrt,  wie  wir  an  unseren  Beobachtungen  immer  wieder  fest- 


stellen konnten.  Die  Ansicht,  daß  ein  rachitisches  Kind  beim 
Aufheben  schreit  oder  empfindlich  an  den  Beinen  ist,  scheint 
so  verbreitet  zu  sein,  daß  eine  andere  ErklĂ€rung  der  von  der 
Mutter  angegebenen  Schmerzen  nach  Ausschluß  eines 
Knochenbruches  u.  a.  garnicht  in  Betracht  gezogen  und  so 
in  einem  großen  Teil  der  FĂ€lle  der  Skorbut  ĂŒbersehen  wird. 

Es  genĂŒgt  also,  nicht,  wenn  Heubner  darauf  hinweist, 
daß  rachitische  Kinder  gewöhnlich  bei  BerĂŒhrung  des  Brust- 
korbes schreien,  viel  seltener  an  den  Beinen  empfindlich  sind, 
es  genĂŒgt  auch  nicht  die  Betonung  der  Tatsache,  daß  Rachitis 
meist  neben  Skorbut  vorhanden  ist,  also  eher  zum  Fahnden 
auf  Skorbut  fĂŒhren  sollte,  statt  zur  Beruhigung,  sondern  es 
muß  einmal  deutlich  gesagt  werden,  daß  ein  rachitischer 
SĂ€ugling,  bei  dem  nicht  gerade  ein  Knochenbruch  oder 
Knocheneinbruch  vorliegt,  niemals  diesen  Grad  der  Empfind- 
lichkeit zeigt,,  wie  ein  an  Skorbut  erkrankter.   Der  Rachitiker 
ist  hĂ€ufig  mißlaunisch,  bleibt  gern  in  Ruhe  liegen,  er  fahrt 
aber  nicht  mit  einem  Wehgeschrei  auf,  sobald  man  nur  die 
FĂŒĂŸe  anrĂŒhrt,  ja  sobald  man  nur  den  Versuch  macht,  die 
Bettdecke  zu  heben,  wie  wir  es  mehrfach  bei  skorbutkranken 
SĂ€uglingen  sahen,  die  mißtrauisch  jeden  mit  den  Augen  ver- 
folgen, der  an  ihr  Bett  tritt,  und.  mit  rĂŒhrender  Aengsthchkeit 
die  Bettdecke  festzuhalten  versuchen,  um  das  nahende  Un- 
heil hinauszuschieben.    In  fast  allen  unseren  FĂ€llen  war  es 
diese  Schmerzhaftigkeit  der  Beine  oder  eines  Beines,  die  die 
Mutter  zum  Arzt  gefĂŒhrt  hatte,  und  zwar  zu  einem  verhĂ€lt- 
nismĂ€ĂŸig frĂŒhen  Zeitpunkt  der  Krankheit,  so  daß  uns  dieses 
Zeichen  fĂŒr  die  frĂŒhzeitige  Erkennung  bei  weitem  am  wich- 
tigsten erscheint.   Die  bezeichnende  Haltung  —  Anziehen  an 
den  Bauch  —  und  eine  sichtbare  Anschwellung  der  Beine 
können  ebenso  wie  Zahnfleischblutungen  noch  fehlen,  wenn 
man  bereits  am  distalen  Ende  des  Oberschenkels  die  Umrisse 
des  Knochens  insofern  verĂ€ndert  fĂŒhlt,  als  beim  Streichen 
in  der  Richtung  von  der  Diaphyse  zur  Epiphyse  der  schlanke 
Knochen  nicht  mehr  in  schönem  Schwung  zur  Epiphysen- 
linie  auslÀdt,  sondern  sich  langsam  aber  deutlich  bis  zur 
Epiphysen -Breite  verdickt,  und  damit,  zumal  beim  ver- 
gleichenden   BefĂŒhlen,    den   Eindruck   einer  Vermehrung 
seines  Umfanges  erweckt.    Haut  und  Unterhautfettgewebe 
sind  dabei   anscheinend   noch   unverÀndert.     Am  Unter- 
schenkel fĂ€llt  meist  auf,  daß  das  Fibulaköpfchen  stĂ€rker  vor- 
springt und  das  untere  Drittel  verdickt  ist.   Man  kann  beim 
BefĂŒhlen  die  beiden  Knochen  nicht  mehr  so  deutlich  von- 
einander trennen,  das  Zwischengewebe  fĂŒhlt  sich  fester  an 
als  gewöhnlich.    Besonders  ist  dies  bei  mageren  SÀuglingen 
deutlich  und  war  in  mehreren  FĂ€llen  der  einzige  deutliche 
Befund  am  Skelett.   Die  Ursache  fĂŒr  das  stĂ€rkere  Vorsprin- 
gen des  Fibulaköpfchens  liegt,  wie  in  schweren  FÀllen  im 
Röntgenbild  deutlich  war,  in  einem  Auseinanderweichen  der 
beiden  Knochen  oder  einem  AbgedrÀngtsein  der  Fibula  im 
proximalen  Teil,  wofĂŒr  wieder  entweder  die  Verdickung  der 
Gegend  der  Epiphysenlinie  oder  periostale  Blutungen  als  Ur- 
sache in  Betracht*  kommen.    Im  Röntgenbild  waren  jedoch 
Blutungen  unter  das  Periost  nicht  sicher  erkennbar,  wohl 
aber  konnte  als  Ursache  der  Verdickung  des  Unterschenkels 
im  unteren  Drittel  eine  im  Röntgenbild  deutliche  Periostab- 
hebung mehrfach  erkannt  werden.    HĂ€ufig  wies  ein  aus- 
gesprochenes Schattenband  der  Epiphysenlinie  auf  skorbu- 
tische VerÀnderungen  in  diesem  Teil  des  Unterschenkels  hin. 
Auch  am  Oberschenkelknochen  war,  dem  bereits  angefĂŒhrten 
FĂŒhlbefund    entsprechend,    im    Röntgenbild    eine  leichte 


354 


Grevinghoff :  SĂ€uglingsskorbut 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


Bild  1:  Skorbutkranker  SĂ€ugling: 

Vorspringen  des  Fibalaköpfchens 
besonders  rechts. 


Periostabhebung  sichtbar,  meist  jedoch  war  gleichzeitig  mit 
dieser  bereits  eine  betrÀchtliche  Weichteilschwellung  des 
Oberschenkels  vorhanden.  Ob  ĂŒberhaupt  das  Röntgenbild 
gerade  fĂŒr  die  frĂŒhzeitige  Erkennung  viel  leisten  wird,  er- 


B  i  I  (I  2:  Entsprechendes  Röntgenbild  zu  Bild  1. 

scheint  fraglich,  da  wir  ausgesprochene  Fidle  ohne  einleuch- 
tenden Röntgenbefund  mehrfach  beobachtet  haben.  In  einem 
FÀll  fanden  wir  trotz  stÀrkster  Schwellung  des  rechten  Ober- 
schenkels anfangs  im  Röntgenbild  au  diesem  keine  VerÀnde- 
rungen, eist  nach  mehreren  Wochen  lieh  sich  der  wohl  von 
Anfang  an  vorhandengewesene  betrĂ€chtliche  Bluterguß 
unter  das  Periost  darstellen,  wÀhlend  wir  an  dem  linken 
Oberschenkel,  der  nicht  deutlich  geschwollen  war  und 
den  oben  beschriebenen  FĂŒhlbefund  ohne  Beteiligung  der 
darĂŒber  liegenden  Gewebe  aufwies,  eine  deutliche  Periostab- 
hebung feststellten. 

Diese  Röntgenbefunde  fĂŒhren  wir  nur  an,  um  zu  be- 
weisen, dali  den  fĂŒr  die  frĂŒhzeitige  Erkennung  als  wichtig 
bezeichneten  Tastbefunden  in  unseren  FĂ€llen  auch  eine  ana- 
tomische Grundlage  zukam.  Man  sollte  daher  immerhin- 
auch  in  frĂŒhen  FĂ€llen  das  Röntgenbild  als  Hilfsmittel  zur 
Sic  herung  der  Diagnose  heranziehen,  zuweilen  klÀrt  es  doch 
die  Lage.  Äußer  den  Schmerzen  an  den  Beinen  beobachteten 
in  einigen  FĂ€llen  die  MĂŒtter  auch  Schmerzen  in  den  Annen, 
an   denen   sich  dann    ziemlich   deutliche  Schwellungen  der 


Epiphysengegend  der  Handgelenke  fanden,  die  im  Verein  mit 
einem  ausgesprochenen  Rosenkranz  die  Schwierigkeiten  der 
Abgrenzung  gegen  die  Rachitis  wohl   verstÀndlich  machen 


Jfc  .   ] 

Bild  :».  Skorbutkranker  SÀugling. 

Röntgenbild:    Epiphysenlösung   am   linken  Oberschenkel. 
Starker,  im  Verknöchern  begriffener  subperiostaler  Blut- 
erguß.   GebrauchsfĂ€higkeit  des  Beines  nach  1  Jahr.  Kind 
lÀuft  an  einer  Hand. 

konnten.  Weih  man  jedoch,  daß  es,  worauf  besonders  H  e  Ii 
hingewiesen  hat,  außer  einem  rac  hitischen  auch  einen  gar- 
nicht  seltenen  skorbutischen  Rosenkranz  gibt,  und  daß  dieses 
sich  dadurch  von  dem  rachitisc  hen  unterscheiden  soll,  daß 
der  dem  Brustbein  nahe  Rippenteil  deutlich  tiefer  liegt  als 
der  knöcherne,  daß  also  eine  Abknickung  der  Rippen  an  der 
Knochenknorpelgrenze  stattfindet  und  hei  ausgesprochenen 
FĂ€llen  das  Brusthein  einsinkt,  so  wird  man  auch  in  solchen 
FĂ€llen  nicht  nur  ausschließlich  an  Rachitis  denken.  Wir 
konnten  in  1?>  FĂ€llen  einen  Rosenkranz  feststellen,  der  dieser 
Schilderung  des  ..skorbutischen  Rosenkranzes"'  entsprach. 


Bild  I:  Lichtbild  zu  Bild  .;. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


GrÀvinghoff:  SÀuglingsskorhut 


355 


Nach  Erhebung  der  Vorgeschichte  und  Untersuchung 
des  Skeletts  gilt  der  nÀchste  Blick  dem  Zahnfleisch  vor  und 
hinter  den  ZĂ€hnen,  besonders  der  Zunge  und  dem  Gaumen, 
wo  man  schon  frĂŒhzeitig  feinste  Blutungen  finden  kann. 
Auch  auf  der  Bindehaut  der  Lider  kommen  sie  vor,  wÀhrend 
Hautblutungen,  VerfÀrbung  des  oberen  Augenlides,  Blutungen 
aus  dem  Gehörgang,  hinter  dem  Trommelfell,  aus  der  Nase, 
der  Scheide  erst  spÀter  oder  in  bereits  deutlicheren  Fidlen 
vorhanden  waren.  Schließlich  wird  man  immer  daran  den- 
ken mĂŒssen,  den  Urin  zu  untersuchen,  und  den  Befund  von 
mehreren  (4 — 6)  Erythrozyten  in  jedem  Gesichtsfelde  des 
Sediments  als  unterstĂŒtzend  fĂŒr  die  Diagnose  heranziehen 
können.  Auf  eine  stÀrkere  HÀmaturie  wird  man  im  Anfang 
nach  unseren  Beobachtungen  bei  diagnostisch  schwierigen 
FÀllen  nicht  oft  rechnen  können,  da  5  FÀlle  mit  starker 
HĂ€maturie  und  vereinzelten  Zylindern  im  Urin  zwar  angeb- 
lich erst  1 — 4  Wochen  krank  waren,  dabei  aber  schon  so 
ausgeprĂ€gte  sonstige  Zeichen  von  Skorbut  aufwiesen,  daß  die 
HĂ€maturie  fĂŒr  die  Diagnose  nicht  mehr  entscheidend  war. 
Außerdem  entsprach  der  Grad  der  HĂ€maturie  in  den  ĂŒbrigen 
FĂ€llen  nicht  der  Schwere  des  Falles. 

Ferner  ist  fĂŒr  die  Frage  der  FrĂŒhdiagnose  ein  Zustand 
von  Wichtigkeit,  der  sogenannte  „latente  Skorbut",  den 
amerikanische  Autoren  bei  ErnÀhrung  mit  pasteurisierter 
Milch  gesehen  haben  und  der  mit  Reizbarkeil,  eigentĂŒmlich 
erdiger  Hautfarbe,  Gewichtsstillstand,  Beschleunigung  von 
Puls  und  Atmung  und  geringem  Oedem  ĂŒber  den  Tibien 
einherging.  Daß  alle  diese  Zeichen  als  Vorboten  des  Skorbut 
auftreten  können,  erscheint  nicht  zweifelhaft,  zumal  sie  auch 
bei  ausgebildeten  FĂ€llen  vorhanden  sind.  Ueber  die  ange- 
gebene Beschleunigung  des  Pulses  können  wir  im  allgemeinen 
sagen,  daß  bei  SĂ€uglingen  zwischen  6  und  8  Monaten  einer 
Temperatursteigerung  von  durchschnittlich  38°  eine  Puls- 
zahl von  120  bis  130  in  der  Minute  entsprach,  wÀhrend  die 
Atmung  weniger  beschleunigt  erschien.  In  einem  Fall,  der 
sich  unter  unseren  Augen  entwickelte,  wenige  Tage  nachdem 
der  Nahrung  Citronensaft  beigegeben  war,  wurde  schon  Tage 
zuvor  eine  der  Temperatur  nicht  entsprechende  Beschleuni- 
gung des  Pulses  bemerkt,  z.  T.  ĂŒber  160  PulsschlĂ€ge  in  der 
Minute  bei  durch  schnittlich  38,5 0  Fieber  und  80  AtemzĂŒgen 
in  der  Minute. 

Neben  der  bei  ausgebildeten  FĂ€llen  schon  immer  be- 
tonten, meist  der  AnĂ€mie  zugeschriebenen,  eigentĂŒmlichen 
Hautfarbe  fiel  uns  besonders  die  trockene  und  rauhe  Be- 
schaffenheil der  Haut  auf,  die  bei  lÀngerer  Krankheitsdauer 
besonders  ausgeprÀgt  war. 

Im  ĂŒbrigen  sind  uns  einwandfreie  FĂ€lle  von  latentem 
Skorbut  auch  in  den  Beratungsstunden  der  SĂ€uglingsfĂŒr- 
sorge nicht  zu  Gesicht  gekommen,  wÀhrend  mehrere  FÀlle 
von  beginnendem  Skorbut  bei  dieser  Gelegenheit  entdeckt 
wurden,  die  als  Hauptkennzeichen  Schmerzempfindlichkeit 
der  Beine  mit  oder  ohne  Schwellung  aufwiesen.  Sie  fanden 
zum  Teil  durch  weitere,  in  den  nÀchsten  Tagen  auftretende 
skorbutische  Zeichen,  ausnahmslos  aber  durch  den  schnellen 
Erfolg  der  Verabreichung  von  Zitronensaft  ihre  BestÀtigung. 

Sollten  trotzalledem  noch  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der 
Diagnose  bestehen  bleiben,  so  wird  man  letzten  Endes  aus 
dem  Erfolg  einer  eingeleiteten  Behandlung  Gewißheit 
schöpfen  können. 

Sobald  Skorbut  nicht  einwandfrei  ausgeschlossen  wer- 
den kann,  soll  man  die  Milchquelle  wechseln,  GemĂŒse  der 
Nahrung  zufĂŒgen  und  vor  allen  Dingen  Citronensaft  geben. 
Die  Zugabe  von  tÀglich  5  Teelöffeln  frischen  Citronensaftes 
zur  gemischten  Kost  hat  sich  selbst  in  schweren  FĂ€llen  jeder 
anderen  Art  der  Vitaminzufuhr  als  ĂŒberlegen  erwiesen. 
Frischer  MohrrĂŒbensaft,  Tannennadeltee,  Kartoffelbrei  u.  a. 
leisten  nach  miserer  Erfahrung  keinegswegs  das  gleiche  wie 
Citronensaft,  der  auch  neutralisiert  und  intravenös  gegeben, 
in  einem  sehr  schweren,  kachektischen  Fall  das  Kind  ĂŒber 
den  anfangs  stÀndig  drohenden  Zusammenbruch  hinweg- 
brachte und  zu  weiterer  Behandlung  Gelegenheit  gab. 

Die  Darreichung  von  Vitaminen  als  Heilmittel  behaup- 
tet also  in  der  Behandlung  nach  wie  vor  ihren  Platz,  ebenso 


wie  die  Auffassung,  daß  ungenĂŒgender  Vitamingehall  d<T 
Nahrung  die  Krankheil  herbeifĂŒhrt.  Nach  all  den  Ergeb- 
nissen der  experimentellen  Forschung  der  letzten  Zeit  wird 
wohl  die  Bedeutung  des  Vitaminmangels  kaum  mehr  ange- 
zweifelt werden.  Dagegen  ist  die  Frage  heute  noch  offen, 
welche  Bedeutung  einer  angeborenen  und  zumal  einer  er- 
worbenen Bereitschaft  fĂŒr  die  Entstehung  des  Skorbuts  zu- 
kommt. 

Seit  F  i  n  k  e  1  s  t  e  i  n  s  Gcsehwisterbeobac  htung  haben 
sich  noch  verschiedene  Autoren  bei  dem  Versuch  einer  Ur- 
sachenerklĂ€rung auf  eine  „individuelle  Disposition"  zurĂŒck- 
ziehen mĂŒssen,  deren  nĂ€here  Art  allerdings  unklar  ist,  wie 
Finkelstein  schreibt. 

Hierbei  ist  zu  betonen,  daß  man  die  Angaben  ĂŒber  die 
ErnĂ€hrung  der  Kinder  wie  „gemischte  Kost",  „Beikost",  an- 
scheinend „vitamin-  und  abwechselungsreiche  Kost"  der 
schĂ€rfsten  UeberprĂŒfung  unterziehen  muß,  ehe  man  Vitamin- 
mangel als  Ursache  ausschaltet  und  eine  angeborene  oder 
erworbene  Bereitschaft  mit  in  Rechnung  stellt.  Eine  solche 
Kost  kann  sehr  wohl  so  vitaminarm  sein,  daß  sie  Skorbut 
hervorruft  oder  einen  bereits  in  Entwicklung  begriffenen 
Skorbut  nicht  am  Ausbruch  hindert.  Erst  letzthin  beobach- 
tete Prof.  Vogt  ein  9  Monate  altes,  6  Wochen  an  der  Brust 
ernĂ€hrtes  Kind,  daß  angeblich  seit  dem  7.  Monat  „alles  mit 
aß",  bis  auf  gelegentliche  Stuhlverhaltung  geregelte  Ver- 
dauung hatte  und  doch  an  Skorbut  erkrankte.  Es  erhielt 
außer  etwra  300  g  Milch  aus  einer  Molkerei  (siehe  spĂ€ter) 
noch  Brei  und  GemĂŒse,  das  aber  etwa  %  Stunde  lang  gekocht 
war.  Weiter  beobachteten  wir  bei  einem  14  monatlichen 
Kinde  6  Monate  nach  Entlassung  aus  der  Klinik  einen  RĂŒck- 
fall, einem  Kinde,  dem  die  Mutter  wohl  fleißig  GemĂŒse  ge- 
geben hatte,  jedoch  hatte  sie  das  Kochwasser  regelmĂ€ĂŸig 
weggegossen.  Hieraus  ist  einmal  ein  RĂŒckschluß  auf  die 
Vitaminarmut  der  hierorts  verbrauchten  Milch  erlaubt  und 
ferner  die  Tatsache  bemerkenswert,  daß  eine  „gemischte 
Kost"  nicht  unbedingt  hinsichtlich  ihres  Vitamingehalts  aus- 
reichend sein  muß.  Immerhin  bleiben  noch  FĂ€lle  genug 
ĂŒbrig,  in  denen  die  Angabe  des  Kinderarztes  ĂŒber  die  ErnĂ€h- 
rung hinreicht,  diese  Fehlerquellen  auszuschalten. 

Die  Erhebungen  ĂŒber  die  Familiengeschichte  liefern  nach 
Finkelstein  keine  feststehenden  Eigenheiten;  erfah- 
rungsgemĂ€ĂŸ bereiten  schwĂ€chende  Krankheiten  wie  Tuber- 
kulose, Lues  u.  a.,  schwere  und  lang  dauernde  Infektionen 
und  ebensolche  ErnÀhrungsstörungen  der  Krankheit  den 
Boden.  Hart  und  Les  sing  meinen,  daß  das  Wesen  der 
allgemein  anerkannten  Krankheitsbereitschaft  mancher  Kin- 
der auch  deshalb  schwer  zu  bestimmen  sei,  weil  noch  mit 
mancherlei  anderen  dunklen  EinflĂŒssen  zu  rechnen  sei.  Nach 
ihren  Versuchen  gibt  es  bei  Tieren  eine  deutliche  Bereitschaft 
sowohl  der  Art  wie  des  Einzelwesens.  In  neuerer  Zeit  hat 
Stolte  wieder  darauf  hingewiesen,  daß  trotz  der  wichtigen 
Rolle  der  „Extraktstoffe"  auf  die  Annahme  einer  „individu- 
ellen Disposition"  nicht  verzichtet  werden  kann,  er  denkt  da- 
bei einmal  an  die  Möglichkeit  eines  zu  geringen  Vorrats 
lebenswichtiger  Stoffe  im  Körper  oder  an  eine  Störung  in 
der  Resorption  und  der  weiteren  Verwertung  der  nur  in  un- 
zulÀnglichen Mengen  angebotenen  Stoffe.  Auch  glaubt  er- 
den Gedanken  erwĂ€gen  zu  mĂŒssen,  ob  nicht  das  eine  oder 
andere  Kind  die  FĂ€higkeit  besitzt,  eine  Wiederherstellung 
der  durch  das  Kochen  verÀnderten  Stoffe  zustande  zu  bringen. 

T  o  b  1  e  r  wirft  die  Frage  auf,  ob  nicht  dem  lebenden 
Körper  selbst  die  FÀhigkeit  zukommt,  die  lebenswichtigen 
Stoffe  aufzubauen,  ob  nicht  vielleicht  die  zweckmĂ€ĂŸige  Nah- 
rung nur  die  notwendige  Vorbedingung  zur  Erzeugung  der- 
selben schaffe.  In  diese  Vorstellungsreihe  gehört  auch  die 
von  Abels  vertretene  Ansicht,,  daß  der  Vitaminmangel  eine 
„Dysergie"  erzeuge,  die  in  Zusammenhang  mit  dem  „Ver- 
kĂŒmmern und  Versagen"  des  Knochenmarks  als  Bildungs- 
stÀtte der  Abwehrstoffe  zu  bringen  sei  und  zur  Folge  habe, 
daß  der  so  „skorbutisch  prĂ€parierte  Organismus"  auf  einen 
Allgemeininfekt  in  regelwidriger  Weise  (z.  T.  durch  Blutun- 
gen) antwortet,  da  er  nicht  imstande  ist,  gegen  bakterielle 
Einwirkungen   in  entsprechender  Weise  Abwehrreaktionen 


356 


GrÀvinghoff:  SÀuglingsskorbut 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


aufzubringen.  Die  Dysergie  bildet  also  das  Zwischenglied 
zwischen  Vitaminmangel  und  Symptomenkomplex  des  Skor- 
buts. Hiergegen  lĂ€ĂŸt  sich  von  vornherein  sagen,  daß  nach 
den  Befunden  von  Hart  und  Lessing  die  VerÀnderungen 
des  Knochenmarks  nicht  derart  ausgeprÀgt  und  so  ausge- 
dehnt sind,  daß  sie  fĂŒr  die  SkorbutanĂ€mie  verantwortlich  zu 
machen  sind,  vielmehr  wohl  eine  regelrechte  Blutbildung  er- 
möglichen; hieraus  kann  man  wohl  schließen,  daß  auch  die 
Bildung  von  Abwehrstoffen  nicht  notwendig  Schaden  leiden 
muß.  Zudem  gibt  es  auch  Skorbut  bei  Kindern,  die  durch- 
aus keine  Herabsetzung  des  HĂ€moglobingehaltes  und  der 
Zahl  der  roten  Blutkörperchen  aufweisen.  Ferner  sind  nach 
unseren  Erfahrungen  die  Kinder  mit  gleichzeitigen  Infek- 
tionen wie  Pyurie  oder  Bronchopneumonie  mit  Empyem 
zwar  nicht  in  derselben  KĂŒrze  der  Zeit  fertig  geworden  wie 
vorher  gesunde  Kinder,  doch  aber  ohne  besonders  stÀrkere 
RĂŒckwirkung  auf  ihren  Allgemeinzustand. 

Mehr  Beachtung  möchten  wir  dagegen  den  von  S  t  o  1 1  e 
und  T  o  b  1  e  r  geĂ€ußerten  Vorstellungen  schenken  und  unsere 
Beobachtungen  in  dieser  Hinsicht  zur  Erörterung  stellen. 

FĂŒr  Magdeburg  besteht  seit  geraumer  Zeit  der  Zustand, 
daß  die  Mehrzahl  der  Kinder  der  Stadt  mit  einer  pasteuri- 
sierten Molkereimilch  ernÀhrt  wird,  die  nach  nochmaligem 
Aufkochen  im  Haushalt  geeignet  ist,  bei  Fehlen  entsprechen- 
der Beikost  Skorbut  entstehen  zu  lassen.  Welche  Rolle  das 
Pasteurisieren  dabei  spielt,  geht  einmal  aus  der  von  Vogt 
bereits  mitgeteilten  Tatsache  hervor,  daß  nach  EinfĂŒhrung 
dieser  Maßregel  in  der  Klinik  selbst  die  ersten  FĂ€lle  von  Skor- 
but auftraten,  wo  vorher  bei  gleicharbeitendem  MilchkĂŒchen- 
betrieb Skorbut  nie  vorgekommen  war  und  auch  nach  Verwen- 
dung einer  nicht  pasteurisierten,  unmittelbar  von  einem  Gut  aus 
der  Umgebung  bezogenen  Milch  bis  auf  einen  Fall  ausblieb. 
Ferner  kann  zur  Kennzeichnung  der  hiesigen  Molkereimilch 
die  von  Frau  Dr.  K  a  y  s  e  r  beschriebene  Skorbutendemie  in 
einem  hiesigen  SĂ€uglingsheim  beitragen,  die  durch  noch- 
maliges Erhitzen  der  Molkereimilch  im  Hause  zustande  kam. 
Welche  Rolle  daneben  das  Alter  der  Milch  gespielt  hat,  kann 
nicht  sicher  entschieden  werden.  Keinesfalls  wird  jedoch 
zurzeit  eine  frischere  Milch  als  frĂŒher  geliefert,  da  man  sonst 
auf  das  Pasteurisieren  hÀtte  verzichten  können.  Jedenfalls 
ist  die  Zahl  der  SkorbutfÀlle  in  den  letzten  Jahren  noch  be- 
trÀchtlich gestiegen  und  steigt  noch. 

Die  zuvor  erwÀhnte  Hausendemie  in  dem  SÀuglingsheim 
kam  im  August  und  September  zum  Ausbruch,  von  unseren 
FĂ€llen  kamen  6  im  Juni,  je  4  im  September  und  Februar,  je 
2  oder  1  im  Januar,  MĂ€rz,  April,  Mai,  Juli,  August  und  Ok- 
tober zur  Aufnahme.  Man  kann  also  sagen,  daß  eine  Be- 
vorzugung des  Winterhalbjahres,  die  zu  erwarten  wÀre,  wenn 
die  Art  der  FĂŒtterung  der  KĂŒhe  stark  ins  Gewicht  fiele,  nicht 
erkennbar  ist,  eher  das  Gegenteil. 

Jedenfalls  ist  festzuhalten,  daß  die  Mehrzahl  der  kĂŒnst- 
lich genÀhrten,  im  SÀuglingsalter  stehenden  Kinder  der  Stadt 
in  der  sogenannten  „SĂ€uglingsmilch"  (Flaschenmilch)  eine 
ausgesprochen,  vitaminarme  Kost  erhalten;  bei  Verwendung 
gewöhnlicher  Milch,  wie  sie  bei  den  jetzigen  Preisen  wohl 
auch  fĂŒr  SĂ€uglinge  hĂ€ufiger  gebraucht  wird,  liegen  die  Ver- 
hĂ€ltnisse wegen  des  zur  VerhĂŒtung  vorzeitiger  SĂ€uerung  ge- 
ĂŒbten Alkalizusatzes  noch  ungĂŒnstiger. 

Damit  ist  aber  fĂŒr  eine  betrĂ€chtliche  Anzahl  von  SĂ€ug- 
lingen eine  ErnÀhrungslage  geschaffen,  die  eine  Beurteilung 
der  anderen  fĂŒr  das  Zustandekommen  des  Skorbuts  verant- 
wortlichen UmstÀnde  etwas  erleichtert.  Besonders  bemerk- 
bar mĂŒĂŸte  sich  unter  diesen  UmstĂ€nden  die  Krankheit  bei 
solchen  SĂ€uglingen  machen,  die  im  3.  Vierteljahr  noch  aus- 
schließlich mit  Milch  oder  Milchbreien  ohne  sonstige  Beikost 
ernÀhrt  wurden.  In  der  Tat  spielt  denn  auch  in  der  Vor- 
geschichte die  Angabe,  „wollte  nichts  essen",  „erbrach  oder 
verweigerte  festere  Nahrung"  eine  gewisse  Rolle.  Unter  der 
großen  Zahl  der  solchen  ungĂŒnstigen  ErnĂ€hrungsbedingun- 
gen ausgesetzten  SĂ€uglingen  erkrankt  aber  doch  nur  ein 
kleiner  Bruchteil,  selbst  wenn  man  annehmen  wollte,  daß 
leichtere  FĂ€lle  in  betrĂ€chtlicher  Anzahl  ĂŒbersehen  wĂŒrden 
oder  nicht  zur  Kenntnis  kommen.    FĂŒr  die  Kinder,  die  er- 


kranken, sind  die  oben  angegebenen  Vermutungen  ĂŒber  Mit- 
wirkung von  angeborener  bzw.  erworbener  Krankheitsbereit- 
schaft, Aenderungen  in  den  Resorptions-  oder  sonstigen 
StoffwechselvorgÀngen  oder  besondere  VorgÀnge  im  inter- 
mediÀren Stoffwechsel  heranzuziehen. 

WĂ€hrend  nun  die  Kinder  der  frĂŒheren  Beobachtungs- 
reihe, die  in  der  Klinik  selbst  an  Skorbut  erkrankten,  meist 
im  letzten  Viertel  des  1.  Lebensjahres  standen  oder  noch  Àlter 
waren,  handelt  es  sich  bei  unseren  neuerdings  beobachteten 
FĂ€llen  um  jĂŒngere  Kinder.  Einem  5  monatlichen  und  zwei 
6  monatlichen  als  JĂŒngsten  stehen  zwei  11  monatliche  und 
ein  15  monatlicher  als  Aelteste  gegenĂŒber.  Auf  das  Alter  von 
7—7^  Monaten  kamen  9,  auf  8—8^  Monate  9,  auf  9— 9H 
Monate  2  und  auf  10— 10  Monate  4  FĂ€lle.  Es  hat  also  eine 
Verschiebung  nach  der  Mitte  des  1.  Lebensjahres  stattge- 
funden, die  noch  deutlicher  wird,  wenn  man  den  Zeitpunkt 
der  ersten  Skorbuterscheinungen  feststellt.  Dabei  stellt  sich 
heraus,  daß  die  im  letzten  Viertel  des  1.  Lebensjahres  stehen- 
den Kinder  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  bereits  4 — 8  Wochen  krank, 
waren,  wÀhrend  bei  den  7  monatlichen  die  ersten  Krankheits- 
erscheinungen erst  2 — 4  Wochen,  bei  den  6  monatlichen  erst 
1 — 2  Wochen  zurĂŒckliegen.  Danach  wird  die  Zahl  derer,  die 
um  den  6.  Monat  herum  erkrankten,  grĂ¶ĂŸer,  und  auch  die 
Aelteren  nÀhern  sich  mehr  dem  3.  Lebensvierteljahr. 

Nun  gibt  Finkelstein  an,  daß  es  zum  mindesten 
einer  5 — 6 monatlichen  Einwirkung  der  „ErnĂ€hrungsschĂ€di- 
gung" bedĂŒrfe,  bis  sich  die  ersten  Zeichen  des  Leidens  zeigen. 
Auch  Heß  gibt  6  Monate  an,  N  e  u  m  a  n  n  mindestens  5 
durchschnittlich  8  Monate.  Wenn  man  weiter  bedenkt,  daß 
unter  den  SĂ€uglingen  die  beiden  6  monatlichen,  der  5  monat- 
liche und  drei  7  monatliche  niemals  Frauenmilch  bekommer. 
hatten,  wogegen  die  Aelteren  3 — 12  Wochen  lang  an  der 
Brust  ernÀhrt  worden  waren,  und  zwar  ein  9>£  monatlicher 
12  Wochen  lang,  ein  11  monatlicher  8  Wochen  lang,  so  er- 
hebt sich  zuerst  die  Frage,  ob  die  bisherige  Annahme,  daß 
mindestens  5 — 6  Monate  bis  zum  Auftreten  der  ersten  Krank- 
heitszeichen verstreichen  mĂŒssen,  richtig  ist.  Stimmt  sie. 
so  mĂŒssen  die  JĂŒngsten  unserer  Kinder  bereits  sehr  bald 
nach  der  Geburt  und  die  Àltesten  sofort  nach  dem  Absetzen 
von  der  Brust  unter  Bedingungen  gestanden  haben,  die  zum 
Skorbut  fĂŒhrten. 

LÀge  nun  ein  zu  geringer  Bestand  des  Körpers  an  lebens- 
wichtigen Stoffen  (Stolte)  vor,  so  könnte  man  erwarten, 
daß  FrĂŒhgeburten  in  besonders  jungem  Alter  erkranken.  Es 
stellt  sich  aber  heraus,  daß  2  FrĂŒhgeburten  erst  im  Alter  von 

9  bzw.  11  Monaten  in  Beobachtung  kamen,  nachdem  die 
ersten  Zeichen  der  Krankheit  ungefÀhr  1  Monat  vorher  auf- 
getreten waren.  Beide  hatten  1  bzw.  2  Monate  lang  Brust  be- 
kommen. Ein  stark  untergewichtiges  Kind,  das  offenbar 
auch  eine  FrĂŒhgeburt  war,  erkrankte  erst  im  7.  Monat,  nach- 
dem es  drei  Wochen  Brust  bekommen  hatte.  Ein  Zwillings - 
kind,  daß  nie  an  der  Brust  gewesen  war,  erkrankte  gegen 
Ende  des  1.  Lebensjahres,  wog  nach  VA  Jahr  4800  g  und 
starb  24  Stunden  nach  der  Aufnahme.  Unter  den  12  Kindern, 
die  nicht  an  der  Brust  ernÀhrt 'waren,  sind  5  Àltere  (8^  bis 

10  Monate)  hingegen  standen  einer  im  Alter  von  5,  2  von 
6%  und  4  von  7  Monaten.  Unter  denen,  die  einige  Wochen 
Brust  bekommen  hatten,  sind  nur  3  siebenmonatliche,  die 
ĂŒbrigen  Ă€lter,  die  FrĂŒhgeburten,  wie  gesagt,  die  Ă€ltesten. 
Wenn  man  bei  diesen  nun  die  Zeit  der  ErnÀhrung  an  der 
Brust  abrechnet,  so  ist  der  Zeitraum  bis  zum  ersten  Skorbut- 
zeichen immer  noch  nicht  kĂŒrzer  als  der  bei  den  ĂŒbrigen 
Kindern.  Es  hat  den  Anschein,  als  ob  die  BrusternÀhrung 
den  Zeitpunkt  der  Erkrankung  hinausschöbe.  Nur  ein  Fall 
widerspricht  dieser  Feststellung.  Ein  7  monatliches  Kind 
kam  mit  betrÀchtlichen,  schmerzhaften  Schwellungen  beider 
Beine  an  den  typischen  Stellen  und  leichter  HĂ€maturie  mit 
der  Diagnose  Skorbut  zur  Aufnahme.  Der  Röntgenbefund 
und  der  Erfolg  der  eingeleiteten  Behandlung  bestÀtigten  die 
Diagnose.  Das  Kind  war  bis  zum  5.  Monat  ausschließlich  an 
der  Brust,  spÀter  mit  Zwiemilch  ernÀhrt,  hatte  zuletzt  tÀglich 
%  Liter  Milch  erhalten  und  von  dem  Mittagbrot  mitgegessen 
und  war  bereits  seit  4  Wochen  krank.  Seit  3  Wochen  waren 


Ki.  Jahrg.     Mr.  i<s  19. 


Grevinghoff:  SttuglingsÀkorbul 


75:t 


Schmerzet)  und  Schwellungen  an  den  Beinen  beobachtet.  Zu 
diesem  bemerkenswerten  Befunde  eines  auffallend  kurzen 
Zwischenraumes  zwischen  Absetzen  von  der  Brust  und  Ans 
bruch  des  Skorbuts  (bestenfalls  l  Monat)  kommt  noch  hinzu, 
daß  der  Blutbefund  bei  diesem  Kinde  ebenfalls  von  dem  ge- 
wöhnlichen abwich,  da  bei  HÀmoglobinwerten  von  <S2,  78  und 
7Ă€  Prozent  nach  A  u  t  e  n  riet  h  und  Erythrozytenzahlen  von 
1.8,  1.7  und  1.5  Millionen  von  einer  AnÀmie  nicht  die  Hede 
sein  kann.  An  der  Diagnose  Skorbut  isl  jedoch  unseres  Kr- 
uchtens nicht  zu  zweifeln.  In  diesem  Zusammenhang  mĂŒlHe 
es  nun  reizen,  die  bisher  mitgeteilten  Beobachtungen  von 
Skorbut  bei  Brustkindern  zur  Feststellung  heranzuziehen, 
welche  Rolle  eine  angeborene  bzw.  erworbene  Krankheits- 
bereitschaft beim  Skorbut  der  SĂ€uglinge  spielt.  Jedoch  sind 
nach  Finkelstein  diese  Beobachtungen  nicht  so  ein- 
wandfrei, daß  man  von  ihnen  Gebrauch  machen  kann.  Das 
Gewicht  der  ĂŒbrigen  Kinder  steht  durchweg  unter  dem  fĂŒr 
ihr  Alter  geltenden  Durchschnittsgewicht.  FĂŒnf  davon 
waren  auch  sicher  untergewichtig  geboren. 

Nur  ein  kleiner  Teil  hatte  vorher  akute  ErnÀhrungs- 
störungen durchgemacht,  und  es  fĂ€llt  auf,  daß  gerade  die 
JĂŒngsten  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  das  höchste  Körpergewicht  auf- 
wiesen. 

Aus  diesen  Beobachtungen  kann  man  schweilich  An- 
haltspunkte fĂŒr  das  Vorliegen  eines  zu  geringen  Bestandes 
des  Körpers  an  lebenswichtigen  Stoffen  gewinnen. 

Diese  ErwÀgungen  haben  die  Annahme  zur  Voraus- 
setzung, daß  eine  Zeit  von  5 — 6  Monaten  bis  zum  Auftreten 
des  ersten  Skorbutzeichens  verstreichen  muß.  Aus  unseren 
Erfahrungen  heraus  können  wir  Sicheres  weder  fĂŒr  noch 
gegen  diese  Annahme  anfĂŒhren. 

Welche  Rolle  spielt  etwa  sonst  die  Konstitution  der  Kin- 
der? Die  Familienvorgeschichte  ergab,  daß  außer  den  oben 
erwĂ€hnten  zwei  FrĂŒhgeburten  noch  fĂŒnfmal  vor  oder  nach 
dem  erkrankten  Kinde  Fehl-  oder  FrĂŒhgeburten  aufgetreten 
waren.  Erste  und  einzige  Kinder  waren  8,  zweite  und  dritte 
je  6,  zwei  Kinder  standen  an  1.,  drei  an  5.,  eins  an  6.  Stelle, 
eins  war  ein  Zwilling.  Meist  waren  die  Eltern  noch  jung. 
In  ö  FÀllen  war  der  Vater  als  lungenkrank  bezeichnet. 

Rachitis  war  bei  allen  Kindern  feststellbar,  sie  hielt  sich 
aber  in  bescheidenen  Grenzen;  sehr  oft  war  eine  stÀrkere  Er- 
regbarkeit der  peripheren  Nei-ven  festzustellen.  Einige  Kin- 
der waren  ausgesprochene  Neuropathen.  Von  einer  deut- 
lichen Beziehung  der  exsudativen  Diathese  zum  Skorbut,  wie 
sie  von  amerikanischen  Forschern  angegeben  wird,  konnten 
wir  uns  nicht  ĂŒberzeugen. 

Wichtigere  AufklĂ€rung  kann  vielleicht  die  BerĂŒcksich- 
tigung der  AnÀmie  bei  Skorbut  bringen.  Hart  und  Les- 
sing neigen  zu  der  Auffassung,  daß  die  AnĂ€mie  lediglich 
durch  die  Blutungen  verursacht  wÀre,  und  lehnen  die  Ver- 
Ă€nderung des  Knochenmarks  als  Ursache  auf  Grund  anato- 
mischer Befunde  und  ErwÀgungen  ebenso  ab,  wie  die  An- 
nahme, daß  es  sich  um  eine  durch  toxische  EinflĂŒsse  zu- 
standegekommene selbstÀndige  Bluterkrankung  handele.  Nun 
ist  bei  unseren  FĂ€llen  zwar  mehrfach  beobachtet  worden,  daß 
bei  stÀrkerer  HÀmaturie  auch  die  HÀmoglobin  und  Erythro- 
zytenwerte  deutlich  zurĂŒckgingen,  in  anderen  FĂ€llen  aber 
war  durchaus  kein  Zusammenhang  zwischen  StÀrke  dei 
HÀmaturie  oder  Hautblutungen  und  der  AnÀmie  vorhanden, 
so  daß  die  Blutverluste  allein  nicht  die  Ursache  sein  können. 
Finkelstein  gibt  an,  daß  es  sich  um  „eine  einfache  AnĂ€- 
mie handele,  deren  Grad  von  der  Dauer  der  Krankheit  und 
der  jeweiligen  Gegenwart  und  StÀrke  von  Blutverlusten  ab- 
1  Hingt." 

Wir  beobachteten  ferner  in  einigen  FĂ€llen  bei  ausheilen- 
dem Skorbut  eine  Zunahme  der  AnÀmie,  wenn  eine  Infek- 
tion (Empyem,  Pyurie)  hinzutrat,  weiter  das  Sinken  von 
HĂ€moglobin  und  Erythrozytenwerlen  schon  vor  Auftreten 
der  Skorbuterscheinungen,  vor  allen  Dingen  von  Blutungen, 
und  stellten  fest,  daß  bei  2  rĂŒckfĂ€llig  gewordenen  Kindern 
auch  die  vorher  gebesserte  AnÀmie  wieder  auftrat,  in  einem 
Fall  sogar  viel  ausgeprÀgter  als  bei  der  ersten  Erkrankung. 
Es  kam  zu  HĂ€inoglobinwerten  von  25  Prozent  nach  Auten- 


rieth  und  1400000  Erythrozyten,  wobei  die  Milz  dauernd  *n 
Umfang  zunahm  und  eine  Lymphozytose  von  7t  Prozent  be 
stand,  aber  auch  Normoblasten  in  reichlicher  Zahl  vor- 
handen waren. 

WTir  haben  den  Eindruck  gewonnen,  daß  es  sich  in  vielen 
FĂ€llen  von  AnĂ€mie  bei  Skorbut  um  „alimentĂ€re  AnĂ€mien" 
handelt,  fĂŒr  deren  Zustandekommen  außer  einer  SchĂ€digung 
durch  die  Nahrung  eine  Veranlagung  vorausgesetzt  werden 
muß.  Dazu  winde  der  Befund  einer  relativen  Lymphozytose 
(Finkelstein),  den  wir  ebenfalls  mehrfach  erheben  konnten, 
gut  passen.  Eine  Polyglobulie,  wie  sie  von  Braut  und 
I.ooft  angegeben  wurde,  konnten  wir  nicht  feststellen. 
Letzthin  hat  dabei  Brinkmann  Blutuntersuchungen  bei 
Meerschweinchen  mit  experimentellem  Skorbut  mitgeteilt,  die 
ebenfalls  eine  Polyglobulie  ergaben.  Als  Ursache  nimmt  er 
einen  Reizzustand  des  Knochenmarks  wÀhrend  der  Entwick- 
lung des  Skorbuts  an,  kann  aber  eine  Bluteindickung  als 
Ursache  nicht  sicher  ausschließen.  Es  ist  uns  nach  unseren 
Erfahrungen  nicht  möglich,  nÀher  dazu  Stellung  zu  nehmen, 
wohl  aber  möchten  wir  betonen,  daß  wir  entgegen'  frĂŒheren 
Angaben  (Hart  und  L  e  s  s  i  n  g  S.  233)  recht  hÀufig  Normo- 
blasten im  Blutbild  feststellen  konnten. 

Weitere  KlÀrung  kann  vielleicht  die  nÀhere  Erforschung 
des  Oedems  bei  Skorbut  bringen.  Offenbar  handelt  es  sich 
um  Oedem  der  Muskulatur  und  des  Unterhautzellgewebes, 
wobei  dieses  eine  geringere  Rolle  zu  spielen  scheint  als  jene. 
Die  hĂ€ufig  beobachtete  Schwellung  der  FußrĂŒcken  war  meist 
nicht  eindrĂŒckbar,  im  Gegensatz  z.  B.  zu  den  bei  Pedal - 
spasmen  der  manifesten  Tetanie  bekannten  Schwellungen, 
und  ist  wohl  mehr  auf  die  Beteiligung  der  Muskulatur  zu- 
rĂŒckzufĂŒhren. Ueber  den  oft  starken  Schwellungen  der 
Oberschenkel  ist  die  Haut  so  straff  und  gespannt,  daß  ein 
Fingereindruck  nicht  stehen  bleibt.  Erst  wenn  unter  der 
Behandlung  die  geschwollenen  Teile  weicher  werden,  ohne 
daß  sich  im  Röntgenbild  an  der  GrĂ¶ĂŸe  des,  an  der  Schwel- 
lung ja  mitbeteiligten,  Ergusses  unter  das  Periost  etwas 
Ă€ndert,  hinterlĂ€ĂŸt  auch  der  Fingerdruck  Spuren,  bevor  noch 
der  Umfang  des  Gliedes  geringer  wird.  In  einem  unserer  zur 
Obduktion  gekommenen  FÀlle  wird  die  ödematöse  Durch - 
trÀnkung  der  Oberschenkelmuskulatur  in  dem  Bericht  be- 
sonders hervorgehoben. 


Bild  5:  Skorbutkranker  SĂ€ugling. 
Besonders  starkes  Oedem  der  Beine 
(Gegensatz  zu  den  Armen!) 


Eine  weitere  EigentĂŒmlichkeit  scheint  die  Verteilung  des 
Oedems  zu  sein.  Allgemeines  Oedem  ist  weniger  hÀufig  nach- 
weisbar, als  man  nach  den  betrÀchtlichen  Schwellungen  der 
Beine  annehmen  sollte.  Wenn  auch  Wallgreen  ein 
„Oedema  invisibile"  als  Symptom  des  Skorbuts  bezeichnet, 
sich  dabei  auf  meist  auf  dem  Höhepunkt  der  Krankheit  beob- 
achtete GewichtsstĂŒrze  und  vermehrte  Urinausscheidung 
wĂ€hrend  der  Besserung  stĂŒtzt,  die  Ansicht  von  Heß  aber  ab- 


Faerber:  Haemangiom  der  Harnblase 


40.  Jahrg. —  Nr.  18/19. 


lehnt,  der  das  Oedem  auf  eine  FunktionsschwÀche  der  Nieren 
zurĂŒckfĂŒhrt  und  an  eine  diuretische  Wirkung  des  Zitronen- 
saftes glaubt,  so  ist  damit  noch  nicht  erklÀrt,  warum  gerade 
die  Muskulatur  und  die  Haut  der  Beine  am  hÀufigsten  be- 
fallen wird.  Nach  den  Beobachtungen  an  Erwachsenen 
wÀhrend  des  Krieges  sollen  Blutungen  in  den  Muskeln  be- 
sonders dort  auftreten,  wo  diese  am  stÀrksten  beansprucht 
werden,  und  man  könnte  das  gleiche  auch  vom  Oedem  an- 
nehmen. .  Jedoch  steht  dazu  im  Widerspruch,  daß  Blutungen 
auch  an  Orten  auftreten,  die  kaum  mechanisch  stÀrker  ge- 
schÀdigt werden,  z.  B.  hinter  dem  Trommelfell  und  am  Dach 
der  Augenhöhle.  Hier  liegt  daneben  offenbar  auch  ein 
Oedem  vor,  so  daß  die  Blutung  unter  das  Periost  nicht  allein 
die  oft  betrÀchtliche  Vortreibung  des  Augapfels  verschuldet. 
Handelt  es  sich  also  um  eine  CapillarschÀdigung,  wie  Wall- 
green  behauptet  und  wie  sie  anatomisch  z,  B.  bei  Hunger- 
ödem nachgewiesen  ist,  so  muß  noch  aufgeklĂ€rt  werden, 
warum  das  Oedem  derartig  verteilt  ist.  Wir  vermuten  einen 
Zusammenhang  mit  den  Blutungen  in  der  Ep'iphysenlinie 
und  unter  das  Periost. 

Es  bleibt  nun  noch  die  Aufgabe  zu  prĂŒfen,  wie  der  Er- 
nÀhrungszustand der  Kinder  war,  ob  akute  ErnÀhrungs- 
störungen vorausgingen  und  wie  sich  die  Kinder  nach  Ab- 
lauf des  Skorbut  ernĂ€hren  ließen.  In  6  FĂ€llen  wurde  der  Er- 
nĂ€hrungszustand als  „jammervoll"  bezeichnet,  7  mal  als 
schlecht,  8  mal  als  mĂ€ĂŸig,  und  2  mal  als  gut,  wĂ€hrend  drei 
Kinder  als  fett-pastös  beschrieben  sind.  FĂŒr  eine  Einwir- 
kung des  Skorbuts  auf  den  ErnÀhrungszustand  spricht  der 
Umstand,  daß  die  elendesten  Kinder  die  wĂ€ren,  die  schon 
am  lÀngsten  Zeichen  der  Krankheit  aufwiesen,  wohingegen 
die  Kinder  mit  besserem  ErnÀhrungszustand  meist  erst 
wenige  Wochen  oder  Tage  krank  waren.  Ein  Einfluß  einer 
akuten  ErnÀhrungsstörung  auf  das  Zustandekommen  des 
schlechten  Allgemeinzustandes  kann  mit  Sicherheit  nur  in 
wenigen  FĂ€llen  vermutet  werden.  2  mal  war  Ruhr  in  der 
Vorgeschichte  verzeichnet,  die  mit  Eiweißmilch  behandelt 
wurde,  wÀhrend  deren  Verabreichung  dann  Skorbut  auftrat. 
In  2  weiteren  FĂ€llen  wurden  bei  der  Aufnahme  Dysenterie- 
verdĂ€chtige StĂŒhle  beobachtet.  In  einem  Fall  war  6^  Mo- 
nate, in  einem  zweiten  1  Monat  vor  Ausbruch  des  Skorbuts 
Brechdurchfall  aufgetreten,  dessen  Dauer  in  dem  letzten  Fall 
auf  8  Tage  angegeben  wird.  In  allen  anderen  FĂ€llen  sollen 
die  StĂŒhle  vor  der  Aufnahme  gut  gewesen  sein,  in  7  FĂ€llen 
bestand  Stuhlverhaltung  oder  Neigung  zu  festen  StĂŒhlen,  in 
weiteren  5  FĂ€llen  wurden  in  der  Klinik  bei  gemischter  Kost 
seltene,  harte  z.  T.  auch  helle  StĂŒhle  beobachtet  und  in  einem 
6.  Fall  helle,  harte  und  faulig  riechende  StĂŒhle. 

Bei  der  ErnÀhrung  der  eingelieferten  Skorbutkinder 
machte  es  auffallend  wenig  Schwierigkeiten,  akute  Störungen 
zu  vermeiden,  ein  Umstand,  der  dazu  veranlaßte,  in  der  Vor- 
geschichte nach  der  Stuhlbeschaffenheit  zu  forschen,  wobei 
sich  eben  herausstellte,  daß  akute  ErnĂ€hrungsstörungen  (in- 
fektiöse und  nichtinfektiöse)  keine  wesentliche  Rolle  spielten, 
eher  eine  Neigung  zu  chronischer  Störung  mit  Gewichtsstill- 
stand und  seltenen,  trockenen  StĂŒhlen  bestand. 

Auch  Hart  und  L  e  s  s  i  n  g  erwĂ€hnen  neben  dĂŒnnen 
auch  harte  und  seltene  StĂŒhle,  deren  Ursache  sie  in  mangel- 
hafter Nahrungsaufnahme  finden.  Diese  ErklÀrung  ist 
offenbar  nicht  richtig,  da  wir  genĂŒgend  hĂ€ufig  seltene  und 
trockene  StĂŒhle  auch  bei  reichlicher  Nahrungsaufnahme  ge- 
sehen haben.  In  diesem  Zusammenhang  wÀre  noch  zu  er- 
wĂ€hnen, daß  Skorbut  bei  Verabreichung  von  Eiweißmilch 
besonders  gern  auftritt,  wie  u.  a.  aus  den  von  Frau  Dr. 
Kayser  beschriebenen  SkorbutfÀllen  in  einem  hiesigen  SÀug- 
lingsheim und  aus  unseren  frĂŒheren  Beobachtungen  hervor- 
geht. Auch  Freund  berichtet  ĂŒber  die  grĂ¶ĂŸere  Beteiligung 
der  mit  Eiweißmilch  verschieden  lange  ernĂ€hrten  Kinder  an 
der  Gesamtzahl  seiner  FĂ€lle. 

Interessant  in  diesem  Zusammenhang  ist  ein  Bericht,  den 
zwei  Teilnehmer  an  der  Shackletonschen  SĂŒdpolarexpedition, 
Macklin  und  Hansey,  ĂŒber  die  Maßnahmen  geben,  die  gegen 
Skorbut  getroffen  wurden,  in  dem  eine  energische  BekÀmp- 


fung der  Stuhlverstopfung  verlangt  wird,  da  diese  das  Auf- 
treten von  Skorbut  begĂŒnstigt. 

Die  angefĂŒhrte  Beobachtung  ĂŒber  die  StuhlverhĂ€ltnisse 
bei  unseren  Skorbut-Kindern  erscheint  uns  nicht  in  so  losem 
Zusammenhang  mit  dem  Skorbut  selbst  zu  stehen,  daß  man 
ihr  keine  Bedeutung  beizumessen  brauchte.  Zum  mindesten 
wird  sich  die  Forschung  auch  weiterhin  mit  den  VorgÀngen 
im  Darmkanal  vor  und  wÀhrend  des  Skorbuts  nÀher  be- 
schĂ€ftigen mĂŒssen,  da  die  Möglichkeit  besteht,  daß  sich  „die 
allgemein  anerkannte  individuelle  Disposition"  zum  Skorbut 
in  diesem  Bereich  bemerkbar  macht  und  die  Ursache  der 
angenommenen  Resoiptionsstörungen  und  Stoffwechsel  - 
VerÀnderungen  in  diesen  VorgÀngen  zu  suchen  ist. 

Hart  und  Lessing  geben  an,  daß  nach  ihren  Unter- 
suchungen nur  die  Möglichkeit  einer  Stoffwechselanomalie 
bleibt,  von  der  allerdings  nicht  angegeben  werden  kann,  wo 
und  wie  sie  sich  abspielt. 

Die  bisherigen  Stoffwechselversuche  bei  Skorbut  sind 
weder  ausreichend  noch  eindeutig  genug,  um  irgendwie  Auf- 
klĂ€rung zu  geben.  Die  allseitig  als  Voraussetzung  fĂŒr  die 
Entwicklung  des  Skorbuts  anerkannte  Krankheitsbereit- 
schaft, der  Umstand,  daß  die  meisten  SĂ€uglinge  bei  kĂŒnst- 
licher ErnÀhrung  zu  einem  Zeitpunkt  erkrankten,  wo  bei 
natĂŒrlicher  wie  bei  kĂŒnstlicher  ErnĂ€hrung  sich  eine  Erweite- 
rung der  Kost  als  notwendig  erweist,  ferner  die  Beobachtung, 
daß  im  Anschluß  an  akute  Störungen  und  infektiöse  Darm- 
katarrhe  besonderes  hÀufig  nach  lÀngerer  ErnÀhrung  mit 
Eiweißmilch  Skorbut  auftritt,  ferner,  daß  bei  dem  grĂ¶ĂŸten 
Teil  unserer  Kinder  eine  chronische  ErnÀhrungsstörung,  die 
sich  besonders  in  Gewichtsstillstand  bei  Neigung  zu  Stuhl - 
Verstopfung  bemerkbar  machte,  vorausgegangen  war  und  in 
2  FÀllen  ein  einwandfreier  MilchnÀhrschaden  bestand,  veran- 
laßt uns,  besonders  auf  die  mögliche  Bedeutung  der  noch 
ungeklÀrten  VorgÀnge  im  Darmkanal  vor  Ausbruch  des  Skor- 
buts hinzuweisen. 

Literatur- Verzeichnis. 

1.  Abels,  H.:  Med.  Klin.  1919,  Nr.  43,  1084—86. 

2.  B  r  a  n  t  :  Mon.  f.  Kinderheilk.,  18,  176. 

3.  Brinkmann:  Ztschr.  f.  Kinderheilk.,  30,  3.  u.  4.  H. 

4.  Finkelstein:  Lehrbuch  der  SĂ€uglingskrankheiten. 

5.  Hart  und  L  es  sing:    Der   Skorbut    der   kleinen  Kinder 
Stuttgart  1913. 

0.  Heß:  ref.  Mon.  f.  Kinderheilk.,  21,  106. 

7.  Kayser:  Mon.  f.  Kinderheilk.  1920. 

8:  Stolte  u.  Freund:  Monatsschr.  f.  Kinderheilk..  21,  121 

9.  Tobler:  Ztschr.  f.  Kinderheilk.,  18,  63. 

10.  Vogt:  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  1920,  91,  278. 

11.  Wallgreen:  Ztschr.  f.  Kinderheilk..  31,  35. 


Aus  der  UniversitÀts-Kinderkbnik  zu  BerUn. 

Ein  Fall  von  Haemangiom  der  Harnblase  bei 
einem  elfjÀhrigen  MÀdchen. 

Von  Dr.  Ernst  Faerber. 

Ein  in  der  hiesigen  Klinik  beobachteter  Fall  von 
Haemangiom  der  Harnblase  bei  einem  11jÀhrigen  MÀdchen 
verdient  eine  kurze  Mitteilung  nicht  nur  wegen  seiner  ganz 
außergewöhnlichen  Seltenheit,  sondern  auch  wegen  der 
Wichtigkeit  einer  rechtzeitigen  Diagnose  und  Behandlung 
dieses  nicht  immer  harmlosen  Leidens. 

Die  Literatur  ĂŒber  die  Blasenangiome  ist  naturgemĂ€ĂŸ 
nicht  sehr  reichhaltig.  C  a  s  p  e  r  teilt  in  seinem  Handbuch 
der  Cystoskopie  mit,  er  habe  unter  vielen  Hunderten  von 
Blasentumoren  nur  zwei  Haemangiome  beobachtet,  und  auch 
in  den  LehrbĂŒchern  der  pathologischen  Anatomie  wird  diese 
Geschwulstart  der  Blase  nur  als  eine  RaritÀt  erwÀhnt.  Bei 
Durchsicht  der  Literatur  fand  ich  drei  FĂ€lle  von  Blasen- 
haemangiomen  bei  Kindern,  z.  T.  recht  ausfĂŒhrlich  mitge- 
teilt. 

In  diesen  Berichten,  die  von  Langhans,  Berliner 
und  Bachrach  stammen,  sowie  in  den  kurzen  Mit- 
teilungen der  LehrbĂŒcher  muß  es  auffallen,  daß  die  patho- 


[ö.  Jahrg.     Nr.  18/ Ii). 


Facrber:  tiaemangioin  der  Harnblase 


fogisch-anatonusch  gut  trennbaren  Begriffe  Haeniangionie, 
felangiektasieen  und  VaricositÀten  von  den  Autoren  mein 
lach  miteinander  indentifiziert  werden.  Dies  hat  z.T. 
seinen  Grund  darin,  daß  der  klinische  Sprachgebrauch 
diese  Begriffe  tatsÀchlich  nicht  scharf  auseinanderhÀlt,  z.  T. 
aber  wohl  auch  darin,  daß  bei  der  cystoskopischen  Untei  - 
Buchung  die  Unterscheidung  von  rlaemangiomefl  und  um- 
schriebenen Venenerweiterungen  sicherlich  nicht  leicht  ist 
und  daß  echte  Angiome  kombiniert  mit  Venectasieen  in  der 
Blase  vorkommen  können. 

Einen  solchen  Fall  beschreibt  Langhaus.  Es  handelte 
sieh  um  einen  19  jÀhrigen  Mann,  bei  dem  seit  seinem 
0.  Lebensjahre  eine  alljĂ€hrlich,  meist  im  FrĂŒhjahr  auf- 
tretende Haematurie  bestand,  die  stets  völlig  beschwerdefrei 
und  ohne  irgendwelche  bemerkbaren  Folgen  verlief.  Nach 
einem  Genuß  von  10  Glas  Bier  trat  eine  sehr  starke  Haema- 
turie auf,  die  unter  den  Anzeichen  der  zunehmenden  Blut- 
armut in  9  Tagen  zum  Tode  fĂŒhrte.  Mikroskopisch  fanden 
sich  im  Urin  massenhaft  rote  Blutkörperchen,  sonst  keinerlei 
pathologische  Formelemente.  Die  Cystoskopie  war  damals 
noch  nicht  im  Gebrauch.  Die  Sektion  ergab  ein  grĂ¶ĂŸeres 
und  mehrere  kleinere  echte  cavernöse  Haemangiome  in  der 
hinteren  Blasenwand,  außerdem  mehrere  Venektasieen. 

Bach  rÀch  stellte  1909  in  B  e  r  1  i  n  ein  13  jÀhriges 
MĂ€dchen  vor,  bei  dem  sich  cystoskopisch  ein  „etwa  kirsch- 
kerngroßes, in  das  Blasenlumen  tumorartig  nominierendes 
Gebilde*'  fand,  das  aus  einem  Convolut  von  Venen  bestand. 
Trotz  diesem  Befunde  bezeichnete  er  diese  Bildung  nicht  als 
Blasenhaemorrhoiden  sondern  als  kongenitale  Telangiekta- 
sie, einmal  wegen  des  jugendlichen  Alters  der  Patientin  und 
ferner  besonders  deshalb,  weil  sich  auch  auf  der  Haut  des 
Kindes  einige  Naevi  fanden. 

Diesem  Befunde  legt  auch  Berliner  fĂŒr  die  Diagnose 
der  Blasenangiome  eine  recht  große  Bedeutung  bei.  Er  be- 
schreibt und  bespricht  ausfĂŒhrlich  einen  Fall  von  Blasen - 
haemangiom  bei  einem  Kinde,  der  in  vielen  Punkten  dem 
in  der  hiesigen  Klinik  beobachteten  Fall  entspricht.  Es 
handelte  sich  um  ein  11  jÀhriges  MÀdchen,  bei  dem  sich  be- 
reits seit  dem  4.  Lebensjahr  in  mehr  oder  weniger  großen 
Pausen  reines  Blut  im  Urin  zeigte.  Beschwerden  bestanden 
dabei  niemals.  Schließlich  traten  heftigere  Blutungen  auf, 
die  zu  hochgradiger  Anaemie  fĂŒhrten.  Die  Cystoskopie  er- 
gab mehrere  „verschieden  große,  zirkumskripte,  blaurote 
WĂŒlste  und  rundliche  Erhabenheiten"  in  der  Blasenwand, 
dazwischen  blutig  suffundierte  Blasenschleimhaut.  Heilung 
durch  Operation  (Sektio  alta,  Paquelin).  Erleichtert  wurde 
die  Diagnose  durch  ein  gleichzeitig  vorhandenes  Angiom  der 
einen  Schamlippe. 

Auch  Finkelstern  erwÀhnt  ganz  kurz  einen  von 
ihm  beobachteten  Fall  von  varicösen  Venenerweiterungen 
in  der  Blase  bei  einem  jungen  SĂ€ugling.  (Sektionsbefund.) 

Das  von  uns  beobachtete  Kind  ist  ein  MĂ€dchen  von  11  Jahren. 
Es  stammt  aus  gesunder  Familie  und  war  niemals  wesentlich 
krank.  Als  das  Kind  5  Jahre  alt  war,  fiel  es  der  Mutter  eines 
Tages  auf,  daß  der  Urin  des  Kindes  fast  wie  reines  Blut  aus- 
sah, ohne  daß  irgend  eine  erkennbare  Ursache  dafĂŒr  vorhanden 
war.  Nach  3—4  Tagen  wurde  der  Urin  wieder  heller  und  bekam 
schließlich  wieder  ganz  normales  Aussehen.  Irgendwelche  Be- 
schwerden hatte  das  Kind  damals  nicht,  und  es  ist  bemerkens- 
wert, daß  in  den  ganzen  fĂŒnf  Jahren,  wĂ€hrend  deren  die  Haema- 
turie schon  besteht,  niemals  auch  nur  die  geringsten  Beschwer- 
den aufgetreten  sind.  Nach  einigen  Monaten  wurde  der  Urin 
wieder  fĂŒr  mehrere  Tage  ganz  blutig,  dann  verschwand  die 
blutige  Farbe  allmÀhlich  wieder,  und  dieses  Spiel  hat  sich  dann 
alljÀhrlich  2  bis  3  mal  ohne  besonders  erkennbare  Ursachen 
wiederholt.  Das  Kind  war  bei  mehreren  Spezialisten  und  in 
einem  grĂ¶ĂŸeren  Krankenhaus  in  Behandlung,  bekam  Blasen- 
spĂŒlungen und  innere  Mittel,  doch  alles  ohne  Erfolg. 

Seit  10  Tagen  ist  das  Kind  bei  uns.  Es  handelt  sich  um  ein 
etwas  mageres  und  blasses  MĂ€dchen,  das  sich  aber  sonst  in 
gutem  Enlwickelungszusland  befindet  und  keinerlei  Beschwerden 
Ă€ußert. 

An  den  inneren  Organen  ließ  sich  bei  der  Aufnahme  nichts 
Krankhaftes  feststellen,  insbesondere  ergab  die  Palpation  der 
Nieren-  und  Blasengegend  keinerlei  Anhaltspunkte  fĂŒr  das  Vor- 


handensein einer  Geschwulst.  Der  (Irin  zeigte  eine  kirschrote 
Farbe,  enthielt  ein  paar  Blutgerinnsel  reagierte  alkalisch  und 
zeigte  mikroskopisch  zahllose  gut  erhaltene  rote  Blutkörperchen 
K;s  bestand  keine  I laemoglohiuuric.  Die  ganz  spÀrlich  vornan 
denen  Leukozyten  entsprachen  der  Zahl  nach  dein  VerhÀltnis 
von  weißen  zu  roten  Blutkörperchen.  Das  spezifische  Gewicht 
des  Urins  betrug  10: 50,  die  Tagesmenge  000  ccm.  In  den  nÀchsten 
Tagen  nahm  der  Blutgehalt  wieder  ab,  vor  zwei  Tagen  ver- 
stÀrkte er  sich  wieder.  Der  mikroskopische  Befund  blieb  un 
verÀndert,  ebenso  das  Befinden  des  Kindes. 

Das  Blutbild  zeigte  eine  Anaemie  vom  chlorotiscben 
Typus.  Eine  außerdem  bestehende  relative  Polynukleose 
und  eine  geringe  Verschiebung  des  Blutbildes  nach  links 
(im  Sinne  von  Arneth)  bezogen  wir  auf  einen  als  Neben - 
befund  vorhandenen  chronisch  appendizitischen  Prozeß. 
Fieber  bestand  nicht. 

Von  differentialdiagnostischen  Möglichkeiten  konnten 
Verletzungen  der  Blase,  Fremdkörper  und  dergl.  schon  nach 
der  Anamnese  ausgeschlossen  werden.  Gegen  Steinbildungen 
in  Niere  oder  Blase  sprach  der  jahrelange  völlig  beschwerde- 
freie Verlauf,  die  große  StĂ€rke  der  Blutungen  sowie  das'  un- 
gewöhnlich seltene  Vorkommen  von  Steinen  in  unseren 
Gegenden.  Schon  eher  konnte  man  an  das  Bestehen  einer 
Haemophilie  denken,  da  es  ja  (nach  Schede)  tatsÀchlich 
eine  „lokale  renale  Haemophilie"  gibt,  wobei  sich  die  hae- 
mophilen  Erscheinungen  ausschließlich  an  der  Niere  ab- 
spielen können.  Gegen  diese  Erkrankung  sprach  aber  die 
fehlende  familiÀre  Belastung,  die  normale  Blutgerinnungs- 
zeit und  nicht  zum  wenigsten  der  Umstand,  daß  es  sich  um 
ein  weibliches  Individuum  handelte. 

Auf  eine  tuberkulöse  Erkrankung  der  Harnorgane 
konnte  der  starke  Ausfall  der  Pirquetschen  Reaktion  bei 
dem  Kinde  hindeuten.  Aber  das  vollkommene  Fehlen 
irgendwelcher  Schmerzen  oder  Druckempfindlichkeit  an 
Nieren,  Blase  oder  Harnleitern,  der  Mangel  von  cystopy eli- 
tischen Erscheinungen,  der  vö'lig  fieberlose  Verlauf,  die 
fehlende  Abmagerung,  der  fehlende  Bazillenbefund  im  Harn 
sprachen  gegen  die  Annahme  einer  tuberkulösen  Er- 
krankung. 

So  schrumpften  die  diagnostischen  Möglichkeiten  immer 
mehr  zusammen,  und  das  Vorhandensein  eines  Tumors  in 
den  Harnorganen  wurde  immer  wahrscheinlicher.  Ein 
Nierentumor  hÀtte  bei  derartig  langem  Bestand  der  Krank- 
heit sicherlich  bereits  irgendwelche  palpatorischen  Erschei- 
nungen gemacht,  und  da  ferner  die  Nierentumoren  bei  Kin- 
dern fast  stets  maligner  Natur  sind,  so  hÀtten  bereits  pyelo- 
zystitische  Erscheinungen  und  eine  erhebliche  Kachexie  be- 
stehen mĂŒssen. 

So  kamen  wir  schließlich  zu  der  Meinung,  daß  es  sich 
höchstwahrscheinlich  um  einen  Blasentumor  handeln  wĂŒrde, 
und  zwar  dachten  wir  ganz  besonders  an  ein  gutartiges 
Blasenpapillom,  da  ja  maligne  Blasentumoren  aus  den- 
selben GrĂŒnden  wie  maligne  Nierentumoren  auszuschließen 
waren.  4 

Aber  die  von  Herrn  Professor  R  i  n  g  1  e  b  ausgefĂŒhrte 
zystoskopische  Untersuchung  klÀrte  die  Sachlage  ebenso  ein- 
fach wie  ĂŒberraschend.   Er  erhob  nĂ€mlich  folgenden  Befund: 

Hinter  der  Luftblase  finden  sich  hyperaemische,  prall- 
gefĂŒllte Venensterne,  in  denen  blaue  ektatische  Partien  ein- 
gelagert sind;  sie  heben  sich  bucklig  und  z.  T.  perlschnur- 
artig aus  dem  Niveau  der  Schleimhaut  heraus.  Diese  so 
verÀnderten  Partien  der  Blasenschleimhaut  ziehen  am 
bauchstĂ€ndigen  Teil  bis  auf  die  rechte  Blasenwand  hinĂŒber 
und  bleiben  etwa  — 3  cm  von  der  rechten  Harnleiter- 
mĂŒndung entfernt. 

Diagnose:  Haemangioma  vesicae. 
Die  durch  Herrn  Geheimrat  Hildebrand  ausgefĂŒhrte  Operation 
bestÀtigte  die  Richtigkeit  der  Diagnose.  Es  handelte  sich  um 
eine  echte  Haemangiombildung,  die  sich  sehr  markant  von  der 
im  ĂŒbrigen  intakten  Blasenschleimhaut  abhob.  Das  Haemangiom 
wurde  mit  Sectio  alta  teils  durch  Exzision,  teils  durch  Kauteri- 
sation mit  dem  Paquelin  entfernt. 

Wir  lernen  aus  diesem  Fall,  daß  man  bei  lange  be- 
stehendem periodischem  Abgange  von  reinem  Blut  im  Harn 


360 


Kuhn:   IrrtĂŒmer  in  der  GynĂ€kologie 


10.  Jahrg.  -  Nr.  18' 19 


ohne  sonstige  Erscheinungen  oder  Beschwerden  auch  an  die 
Möglichkeit  eines  Blasenhaemangioms  denken  muß.  Das 
Vorhandensein  von  Angiomen  in  der  Haut  kann  dann  eine 
solche  Diagnose  wahrscheinlicher  machen,  eine  endgĂŒltige 
und  sichere  KlÀrung  des  Krankheitsbildes  können  wir  aber 
nur  durch  den  zystoskopisohen  Befund  erreichen. 

Literatur. 

1.  Langhans:  Kasuistische  Beitr.  zur  Lehre  von  den  Ge- 
fĂ€ĂŸgeschwĂŒlsten.   Virchow  Arch.    75.  Bd.,  S.  291. 

2.  Bachrach:  Demonstration  auf  dem  2.  Kongreß  der  deutsch. 
Gesellschaft  fĂŒr  Urologie.  Berlin  1909,  cit.  nach  „Zeitschr. 
fĂŒr  Urologie.    Bd.  XI,  1917,  S.  332. 

3.  Berliner:  Die  Telangiektasieen  der  Blase.  Deutsch.  Zeit- 
schrift fĂŒr  Chir.    Bd.  64,  S.  517  u.  ff. 

4.  Asch  off  :  Pathol.  Anat.    II.  Bd.,  4.  Aufl.  1919,  S.  567. 

5.  BrĂŒning  u.  Schwalbe  :  Handh.  d.  Allgem.  Pathol.  des 
Kindesalters.    II.  Bd.,  1913,  S.  775.  ' 

6.  Ca  s  per:  Handb.  d.  Cysloskopie.    4.  Aufl.,  1921,  S.  162. 

7.  Finkeiste  in:  Leh*b.  d.  SĂ€uglingskrankh.  1921.  S.  771 

8.  Schede:  Verletzungen  und  Erkrank,  d.  Nieren  und  Harn- 
leiter, cit.  n.  J.  v.  Mehrings  Lehrb.  d.  Inn.  Med.  II.  Bd.  1915; 
S.  76. 


Diagnostische  und  therapeutische  IrrtĂŒmer 
in  der  GynÀkologie. 

(Ovarien,  Tuben,  Beckenbindegewebe.) 

Nach  v.  J  a  s  c  h  k  e.  *) 

Von  Dr.  Roberl  Kuhn,  MĂŒnchen. 

Nur  mit  großem  Gewinn  wird  jeder  die  instruktive  und 
anlegende  Schrift  v.  Jaschke's  aus  der  bekannten  Schwalbe- 
schen Sammlung  beiseite  legen.  Durch  geschickt  eingefloch- 
tene,  selbst  erlebte  FĂ€lle  wird  der  Abhandlung  besondere 
Farbe  verliehen.  Der  Zweck  nachstehender  Zeilen  ist  es,  die 
Leser  zum  Studium  der  Schrift  anzuregen,  feinsichtlich  deren 
hier  nur  ein  kurzer  Ueberbliek  gegeben  weiden  kann. 

Die  Diagnose  Endometritis,  welche  bei  Blutungen  man- 
gels Tastbefund  oft  gestellt  wird,  ist  meist  ein  Irrtum,  da  es 
sich  ĂŒberwiegend  nicht  um  EntzĂŒndung,  sondern  um  Stö- 
rungen der  Ovarialfunktion  handelt. 

Amenorrhoe  ist  bei  VergrĂ¶ĂŸerung  der  Ovarien  oft  durch 
deren  kleinzystische  Degeneration  bewirkt,  sie  kann  auf 
Störung  der  Ovarien  beruhen,  worauf  u.  L  .  Kleinheit  der 
SchilddrĂŒse  oder  Basedow  hinweisen  können. 

Menorrhagien  können  durch  herabgesetzte  Kontraktions- 
fÀhigkeit der  Uterusmuskulatur,  beschleunigte  Follikel- 
reifung  und  ĂŒberstĂŒrzte  Reifung  des  Corpus  luteum  bewirkt 
sein.  «IrrtĂŒmer  passieren  durch  Verwechslung  von  Meno-  und 
Metrorrhagien,  oft  infolge  ungenĂŒgender  Anamnese.  Beson- 
ders hÀufig  ist  gedankenlose  Anwendung  der  Abrasio,  die  bei 
entzĂŒndlichen  Adnextumoren  und  Myom  schwere  Folgen 
haben  kann.  Essentielle  PubertÀtsblutungen  beruhen  auf 
Gleichgewichtsstörungen  der  inneren  Sekretion  infolge  Auf- 
tretens neuer  Hormone.  Bei  Metrorrhagien  ist  Abrasio  stets 
indiziert,  damit  maligne  Neubildungen  nicht  ĂŒbersehen  wer- 
den. Im  ĂŒbrigen  sei  auf  die  Abhandlung  Reifferscheids. 
Krankheiten  des  Uterus,  in  der  gleichen  Sammlung  hinge- 
wiesen. 

BezĂŒglich  des  Schmerzsymptoms  ist  bemerkenswert,  daß 
höchste  Schmerzhaftigkeit  bei  akuter  Salpingitis  infolge  Be- 
teiligung des  Peritoneums  bestehen  kann,  ebenso  bei  Stiel - 
drehung  von  Tumoren  infolge  Anteilnahme  des  Peritoneums. 
Tumoren  ohne  Mitbeteiligung  des  Peritoneums  machen  nur 
Druck-  und  VöllegefĂŒhl.  Bei  Stieltumoren  ist  der  Hegarsche 
Kunstgriff,  in  Herabziehung  der  Portio  mittels  Klauenzange 
bestehend,  wertvoll. 

FĂ€kalmassen    im   Sigmoid   sind   zuweilen    von  einem 

*)  Diagnostische  und  therapeutische  IrrtĂŒmer  und  deren  Ver- 
hĂŒtung. Herausgegeben  von  Prof.  Dr.  J.  Schwalbe,  Abt.  GynĂ€- 
kologie III.  Heft,  Krankheiten  der  Ovarien,  Tuben,  Ligamente  des 
Uterus  und  Beckenbindegewebe,  Bauchfell.  Von  Prof.  Dr.  Rud. 
Th.  v.  Jaschke,  Leipzig,  1921. 


Ovarialtumor  nicht  zu  unterscheiden,  daher  ist  wiederholte 
Untersuchung  bei  entleertem  Darm  erforderlich. 

Ist  die  Differentialdiagnose  zwischen  Ovarial-  und  ent- 
zĂŒndlichem Adnextumor  nicht  sicher,  so  operiere  der  we- 
niger Erfahrene  nicht,  da  operierte  entzĂŒndliche  Adnex- 
tumoren jahrelange  Stumpfexsudate  machen  können;  es  ist 
vielmehr  konservative  Therapie  am  Platze,  erweist  sich  diese 
dann  als  wirkungslos,  so  lĂ€ĂŸt  es  darauf  schließen,  daß 
Ovarialtumor  vorliegt. 

Die  Verwechslung  von  GraviditÀt  und  Tumor  ist,  ins- 
besondere wenn  noch  Periode  auftrat,  verzeihlich,  wieder- 
holte Untersuchung  lĂ€ĂŸt  den  Irrtum  vermeiden. 

Ein  Ovarialtumor  kann  fĂŒr  ein  Myom,  insbesondere  ein 
erweichtes,  gehalten  werden.  W-ird  die  Patientin  bestrahlt 
und  blutet  sie  doch  weiter,  so  beweist  dies  die  Fehldiagnose. 
Wenn  die  Sonde  einen  vergrĂ¶ĂŸerten  Uterus  ergibt,  lĂ€ĂŸt  dies 
auf  Myom  schließen. 

GefĂŒllte  Harnblase  und  inkarzerierter  Uterus  werden  zu- 
weilen fĂŒr  Uterus  gravidus  und  retrouterinen  Ovarialtumor 
gehalten.  (Diese  Fehldiagnose  gilt  zwar  als  Schulbeispiel, 
kommt  aber  doch  immer  wieder  vor.  Ref.  sab,  daß  dieselbe 
an  der  gleichen  Patientin  von  mehreren  Aerzten  hinterein- 
ander gestellt  worden  war  und  erst  in  der"  Klinik  aufgeklart 
wurde.)   Daher  ist  stets  zu  katheterisieren. 

Ovarialtumoren  können  mit  großem  extrauterinem 
Fruchtsack  Änd  selbst  mit  SchnĂŒrleberlappen  verwechselt 
werden.  Im  letzteren  Falle  sagen  die  Patientinnen  aber  meist 
selbst,  daß  der  Tumor  von  oben  nach  unten  gewachsen  sei. 
Gegen  Verwechslung  mit  Hydronephrosensack  schĂŒtzt  wieder 
Herabziehen  des  Uterus  mit  Zange  nach  H  e  g  a  r,  worauf  die 
Ovarien  tastbar  werden,  sowie  Beachten  der  durch  Hydro- 
nephrose  ineist  verursachten  Lumbagoschmerzen.  Gegen 
Verwechslung  mit  Pankreaszyste  schĂŒtzt  Röntgendurch- 
leuchtung nach  Breimahlzeit. 

Die  Differentialdiagnose  zwischen  Ovarialtumor  und 
GraviditÀt  kann  besonders  bei  Hydramnion  mit  unhörbaren 
Herztönen  oder  abgestorbener  Frucht  schwer  oder  unmög- 
lich werden. 

Bei  Stieldrehung  von  Tumoren  wird  oft  Appendizitis 
oder  Peritonitis  angenommen.  Bei  Fieber,  Schock,  allge- 
meinen peritonitischen  Reizerscheinungen  soll  immer  sofort 
operiert  werden,  weil  es  sich  um  geplatzte  Zysten  mit  intra- 
abdomineller  Blutung  handeln  kann.  Bei  BlÀsse,  KÀlte, 
Schock,  Erbrechen  ist  auch  an  Perforation  von  Magenulcus 
oder  Processus  vermiformis  zu  denken.  Die  Entscheidung 
gibt  Probeeröffnung  des  hinteren  Scheidengewölbes. 

ExtrauteringraviditÀt:  Döderlein  pflegt  in  prÀgnan- 
ter Art  seinen  Hörern  zu  sagen:  ,,Die  TubengraviditÀt  i 
nicht  zu  palpieren,  aber  stets  zu  fĂŒrchten",  was  natĂŒrlic 
cum  grano  salis  zu  nehmen  ist.  Man  muß  an  sie,  denke 
selbst  wenn  die  „Periode"  nur  einige  Tage  verspĂ€tet  komm 
Kann  man  die  Diagnose,  nicht  stellen,  so  bestelle  man  di 
Patientin  wieder  und  bei  bedrohlichen  Symptomen  eröff 
man  den  hinteren  Douglas,  woraus  sich  zeigt,  ob  freies  Bl 
in  der  Bauchhöhle  ist.  v.  J.  betont  in  Àhnlicher  Weise,  d 
die  Anamnese  wichtiger  ist  als  der  Tastbefund,  rĂŒckt  jedoc 
'die  hintere  Kolpotomie  als  letztes  und  Ă€ußerstes  Diagnostiku 
etwas  mehr  in  den  Hintergrund.  Döderlein  pflegt  einen 
auch  in  seine  „Operative  GynĂ€kologie"  aufgenommenen 
höchst  lehrreichen  Fall  einer  auf  der  Hochzeitsreise  kolla- 
bierten Frau  eines  seiner  ehemaligen  SchĂŒler  vorzutragen, 
bei  der  auch  er  wegen  Verdachtes  auf  ExtrauteringraviditÀt 
zur  hinteren  Kolpotomie  greifen  mußte.  Verwechslungen 
zwischen  rupturierter  TubengraviditÀt  und  Ovarialtumoren 
mit  Stieldrehung  kommt  vor.  v.  J.  berichtet  ĂŒber  die  Fehl- 
diagnose eines  Internisten,  der  eine  junge  Frau  lÀngere  Zeit 
auf  Appendizitis  behandelte  und  die  Blutungen  als  Unregel- 
mĂ€ĂŸigkeiten der  Menstruation  nicht  weiter  beachtete,  bis  et 
wegen  Verschlimmerung  zugezogen  wurde.  An  der  bis  ĂŒber 
die  SchambeinÀste  ragenden  DÀmpfung,  dem  Colostrum  in 
den  BrĂŒsten  und  dem  Allgemeinaussehen  der  Patientin  er- 
kannte er  schon  ohne  Untersuchung,  daß  es  sich  um  eine 
geplatzte    TubengraviditÀt    mit    retrouteriner  ausgedehnter 


40.  Jahr».  -  Nr.  18/19. 


Referate 


HĂ€matocele  handeln  mußte.     Auch  blutende  Ahorle  können 
fĂŒr  rupturierte  TubengraviditĂ€t  gehalten  weiden.  Entschei 
dun»  gibt  ebenfalls  die  Eröffnung  des  [unteren  Scheiden 
[  gewölbes,  an  die  sieh  bei  negativem  Ergebnis  natĂŒrlich  so 
fori  die  AusrĂ€umung  anzusehließen  hat.    Die  Verwechslung 
per  TubengraviditÀt  mit  Appendizitis  ist  durch  ZÀhlung  der 
Leukozyten  und  Beobachtung  der  Temperaturkurve  meist  zu 
vermeiden. 

Beokenbindegevvebe:  Im  Ligamentum  lalum  sitzende 
Exsudate  können  so  beweglich  sein,  daß  sie  mit  einem  (Ka- 
nal- oder  Parovarialtumor  verwechselt  werden.  His  an  die 
Beckenwand  reichende  parametrane  Exsudate  sind  dagegen 
in  charakteristischer  Weise  unbeweglich.  Alle  diese  Ex- 
sudate des  Beckenbindegewebes  sind  nur  rektal  richtig  zu 
beurteilen.  .Sind  die  Adnexe  mit  einem  parametranen  Ex- 
sudat verlötet,  w  ie  dies  oft  vorkommt,  so  soll  der  nicht,  ge- 
ĂŒbte Operateur  keine  Totalexstirpation  beginnen,  die  ihn  vor 
unĂŒberwindliche  Schwierigkeiten  stellen  kann.  Auch  Ver- 
wechslung mit  intraligamentÀren  Exsudaten  ist  möglich. 
Hiergegen  schĂŒtzt  Aufschieben  der  Operation  und  Unter- 
suchen von  Blut,  Temperatur  und  VerÀnderungen  des  Tu- 
mors. 

Den  entzĂŒndlichen  Infiltraten  des  Beckenbindegewebes 
J'slehen  schließlich  die  karzinomatösen  gegenĂŒber.  Auch  hier 
rweist  Temperaturbeobachtung  den  rechten  Weg.  wahrend 
'.der  Tastbefund,  auch  der  rektale,  nicht  immer  eindeutig  sein 
»wird.  Gelingt  durch  resorbierende  Verfahren  die  Verkleine- 
rung, so  handelt  es  sich  um  Exsudat. 

Y,     Zwischen  hochliegenden  parametranen  Exsudaten  und 
Perityphlitis    weist    LeukozytenzÀhlung    und  Temperatur- 
fmessung den  rechten  Weg,  nur  bei  akut  entzĂŒndlichem  Ex- 
sudat finden  wir  ebenfalls  Leukozytenzahlen  von  18  000  bis 
'25  000  und  hohe  Temperatur.     In  diesen  FĂ€llen  bleibt  zur 
'Differentialdiagnose   nur   die   Defense  museulaire  und  die 
.HyperÀsthesie,  in  deren  Beurteilung  der  GynÀkologe  alle- 
rdings   dem  erfahrenen    Magendarmchirurgen,    dessen  mi- 
jnutiöse  Beobachtung  der  AbdomenflÀche  dem  AnfÀnger  recht 
»eindrucksvoll  sein  kann,  nicht  leicht  völlig  gleichkommen 
wird.  Ein  akutes  Exsudat  darf  nur  mit  Bettruhe  und  Dunst - 
UmschlÀgen  behandelt  werden,  erst  nach  einigen  Tagen  sollen 
resorbierende   Maßnahmen    einsetzen,  die   bei  Temperatur- 
tanstieg sofort  wieder  auszusetzen  sind.    Ein  Exsudat  opera- 
tiv anzugreifen  ist  ein  schwerer  therapeutischer  Irrtum,  der 
Stur  die  Patientin  lebensgefÀhrlich  werden  kann,  indes  selten 
^vorkommt.  Eine  zweckmĂ€ĂŸige  Therapie  ist:  Nachts  Glyzerin- 
/tampon  mit  Jod,    Ichthyol,   Jothion,   Thigenol,   tags  heiße 
Duschen  mittels  SpĂŒlbirne.    Dazu  noch  u.  lT.  Thermophor, 


Heißluft  und  besonders  Diathermie.  .Nach  0—8  Wochen  kann 
das  Bett  verlassen  weiden.  Dann  noch  2-  '.'<  Solsitzbader 
wöchentlich.  Drohende  Vereiterung  zeigt  sich  im  Ansteigen 
der  Leukozytenzahl,  10  0(10  22  000  deuten  auf  kleinere  Herde, 
ein  Anstieg  bis  30  000  auf  zusammenhÀngende  Vereiterung, 
schmerzhafter  hĂ€ufiger  LJrindrang  weist  darauf  hin.  daß  der 
Eiter  gegen  die  Blase  zu  einen  Ausweg  sucht,  Tenesmen,  daß 
er  gegen  das  Rektum,  Rötung  der  Bauchdecken;  daß  er  gegen 
diese  sich  wendet.    Inzision  ist  dann  angezeigt. 

Eine  auf  das  Becken  beschrÀnkte  Peritonitis  wird,  wenn 
sie  starke  peritonitische  Symptome  macht  (Fieber,  Meteoris- 
mus,  hochgradige  Druckempfindlichkeit  des  Abdomens. 
Flatusverhaltung,  Erbrechen,  Singultus)  oft  mit  allgemeiner 
Peritonitis  verwechselt  werden.  Diese  Verwechslung  ist  ver- 
hÀngnisvoll, denn  werden  bei  Eröffnung  des  Abdomens  die 
schĂŒtzenden  AdhĂ€sionen  zerstört,  so  wird  die  Peritonitis  1h-- 
kanniterweise  generalisiert.  Die  Unterscheidung  ist  schwer. 
Bei  Pelviperitonitis  bleiben  die  Baue  brefie  xe  oberhalb  des 
Nabels  erhalten,  die  vaginale  Exploration  ist  wesentlich 
schmerzhafter,  die  Patientinnen  sind  Àngstliche!,  wÀhrend 
bei  diffuser  Peritonitis  das  Verfallen  der  GesichtszĂŒge,  KĂ€lte 
der  peripheren  Teile  ĂŒberwiegen,  auch  Flatus-  und  Stuhl - 
verhaltung  sowie  Singultus  ausgesprochener  sind.  Bei  Pelvi- 
peritonitis ist  im  allgemeinen  abzuwarten,  es  sei  denn,  daß 
Perforation  einen  großen  Pyosalpinx  zu  vermuten  ist.  SpĂ€ter 
kommt  es  dann  zum  Douglasabszeß.  SorgfĂ€ltige  Temperatur-  , 
messung  ist  erforderlich.  Probepunktion  kann  Klarheil 
bringen.  Es  mag  hier  sowie  auch  bezĂŒglich  der  Feststellung 
der  TubargraviditĂ€t,  genauer  bezĂŒglich  der  Feststellung 
offener  Blutung  in  die  Bauchhöhle  infolge  TubargraviditÀt 
erwĂ€hnt  werden,  daß  gegenĂŒber  der  Punktion,  die  auch 
Liepmann  in  seinem  gynÀkologischen  Operationskurs  be- 
schreibt und  fĂŒr  die  er  eine  besonders  geformte  Nadel  ab- 
bildet, Döderlein  seinen  Hörern  die  breilere  Eröffnung 
mittels  Thermokauter  oder  Messer  empfiehlt  und  die  enge 
Lichtung  der  Nadel,  die  auch  nur  Gewebssekret  zutage  för- 
dern kann,  als  nicht  zuverlÀssig  genug  bezeichnet. 

Der  GynĂ€kologe  begeht  schließlich  zuweilen  nach '  v.  J. 
den  Irrtum,  neben  Erkrankungen  des  inneren  Genitale  nicht 
auch  besonders  an  die  Àhnliche  Beschwerden  verursachende 
adhÀsive  Colitis  auf  der  Grundlage  chronischer  Obstipation 
zu  denken.  So  findet  sich  z.  B.  hÀufig  eine  Retroflexio  mit 
Enteroptose  und  adhÀsiver  Pericolitis  kombiniert.  Die  Be- 
schwerden bestehen  nach  Aufrichtung  fort,  um  erst  zu 
schwinden,  wenn  bei  der  Operation  die  AdhÀsionen  gelöst 
werden,  wozu  nach  Durchtrennung  zuweilen  eine  Üeber- 
nÀhrung  der  Serosastellen  oder  sogar  Netztransplantation  er- 
forderlich ist.  Robert  K  u  h  n  (MĂŒnchen). 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 


Medicinischc  Klinik. 

12.  Febr.  22,  18.    Nr.  7. 

lieber  Nalvarsan  und  die  Maximaldosen.    Helft  c  r  .   \.  199! 

♩  Die  asthenische  CiofĂ€ĂŸreabtlioii    als    konstitutionelles    Stigma    bei  Kindern. 

S  C  Ii  I  i  i  ,    Fr.  201. 

♩  Der  makroskopische   Hilmokoniennachweis    (Fettnaehweia    im  Blutsenuno. 

Glaser,  y.  und  Buschmann.  203. 
Kretinismus  und  endemische  Ossifikationsstörungen.    V  i  n  k  Ii  e  i  n  e  r.  na. 
Tierversuche  und   klinische  Beobachtungen  bei  Darreichung  von  Zentral 

.  ne/rve'nsystem-Suhstanz.    w  e  y  x  a  a  d  t ,  VV.  206. 
UehcrmĂ€ĂŸigcr   Nikotingenuö   als    Ursache   einer  allgemeinen  Budarteriitis. 

8  11  e  Ii  y  .   S.  208. 

1  eher   Pityriasis   rosea    bei   Syphilitikern   und   .lariseh-Herxheimersche  Ke- 
aktion.   F  eit.  11.  209. 

♩  Die    Therapie    der    Enididymitis    und    Funiculitis    gonorrhoica   durch  den 

Praktiker.    R  e  i  n  Ii  a  r  d  -  E  i  c  b  e  1  b  a  u  m.  210. 
Die  Technik  der  intral  lumbalen   Diapargen-Therapie.    0  0  g  1  i  e  \  in».  B. 
210.  ‱  1  ' 

Zur  Kenntnis  meiner  TrĂŒbuligsfloekungsreaktlon.    Dl)  id.  II.  2t2. 


!5tfr  Krage:  Hysterie  und  Hydrotherapie.    T  0  bi  as  .   E.  215. 
Lichterythem  und  WellenlÀnge,    v  x  m  a  n  n.  216. 
HÀufigere  Zustandebilder  bei  Influenza.    Wölfl.  W.  216. 

Die  asthenische  GefĂ€ĂŸreaktion  als  konstitutionelles  Stigma 
bei  Kindern.  Schiff  unterscheidet  zwei  Typen  von  Sehein- 
anÀmie  bei  Kindern.  Der  eine  zeigt  trotz  seiner  BlÀsse  hÀufigen 
Farbenwechsel  schon  bei  den  geringsten  AnlÀssen,  wÀhrend  der 
andere  stets  seine  blasse  Farbe  zeigt.  Diese  Kinder  sind  gewöhn- 
lich von  zarter  Konstitution,  haben  eine  schlechte  Hautfarbe  und 
inachen  den  Eindruck  chronisch  Kranker,  ohne  daß  jedoch  ein 
pathologischer  Organbefund  im  ĂŒblichen  Sinne  zu  erheben  wĂ€re. 
Von  dem  ersten  Typ,  dem  vasolabilen,  aber  unterscheiden  sie  sich 
auch  durch  das  Fehlen  des  Dermographismus.  Beide  jedoch  ha- 
ben einen  auffallend  kleinen,  leicht  unterdrĂŒckbaren  Puls,  der  bei 
den  immer  blassen  Kindern  ausgesprochen  filiform  ist.  Dieser 
Befund,  sowie  ein  röntgenologisch  festgestellter  langer,  schmaler 
Gefaßschatlen  ließeil  Verf.  eine  abnorme  Enge  des  GefĂ€ĂŸsystems 
annehmen  und  die  BlÀsse  als  arterielle  AnÀmie  deuten.  Mangels 
anderer  Nachweismethoden  wurde  eine  Art  FunktionsprĂŒl'ung 
des  GefĂ€ĂŸsystems  vorgenommen  und  es  zeigte  sich  hierbei,  daß 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


die  vasolabilen  Kinder  auf  Adrenalin  zwar  prompt  reagieren, 
aber  in  erheblich  geringerem  Grade  als  normale,  und  daß  die 
immer  blassen  Kinder  sich  gegen  Adrenalin  absolut  refraktÀr 
verhalten.  Diese  Reaktion  bezeichnet  Verf.  als  asthenische  GefĂ€ĂŸ- 
ieaktion,  und  betrachtet  als  ihre  Grundlage  eine  mangelhafte  Ge- 
ra ßanlage.  Weitere  Untersuchungen  ĂŒber  die  Beteiligung  des 
Nervensystems  an  dieser  Reaktion  zeigten,  daß  auch  nach  Vor- 
behandlung mit  Atropin  sich  diese  Kinder  dem  Adrenalin  gegen- 
ĂŒber unverĂ€ndert  verhalten;  Vorbehandlung  mit  Thyreoidin  ergab 
keine  eindeutigen  Resultate.  Verf.  wendel  sich  dagegen,  diese 
Kinder  als  neuropathisch  zu  betrachten;  es  handelt  sich  nach 
seiner  Ansicht  um  eine  konstitutionelle  Anomalie. 

Der  makroskopische  HĂ€mokoniennachweis.  (Fettnachweis  im 
Blutserum.)  Den  Nachweis  des  Ueberganges  von  GallensÀuren  in 
den  Darm  und  die  dadurch  bedingte  Fettresorption  durch  Unter- 
suchung des  Blutes  im  Ultramikroskop  bezw.  im  Dunkelfeld  - 
Nachweis  von  HĂ€mokonien  (FettstĂ€ubchen)  —  wollen  Glaser 
und  Buschmann  durch  die  einfache  makroskopische  Betrach- 
tung des  Blutserums  ersttzen.  Fetthaltiges  Blutserum  zeigt  eine 
mehr  oder  weniger  starke  milchige  TrĂŒbung  bezw.  Opalescenz. 
Vergleichende  Untersuchungen  haben  die  ZuverlÀssigkeit  des  Ver- 
fahrens gezeigt.  2  Stunden  nach  Einnahme  von  50  g  Fett  werden 
durch  Venepunktion  Blut  entnommen  und  das  Blutserum  nach 
Abscheidung  vorsichtig  abpipettiert.  Zur  VerstÀrkung  der  Re- 
aktion kann  man  das  Blutserum  in  einem  engen  Reagenzröhrchen 
mit  einer  5%  wĂ€sserigen  Glyzerinlösung  ĂŒberschichten,  wobei  an 
der  Grenze  beider  FlĂŒssigkeiten  ein  deutlicher  weißer  Ring  auf- 
tritt, besonders  nach  24  stĂŒndigem  Verweilen  im  Brutschrank 
bei  37°. 

Die  Therapie  der  Epididymitis  und  Funiculitis  gonorrhoica 
durch  den  Praktiker.  Reinhard-Eichelbaum  hat  mit  der 
intravenösen  Arthigonbehandlung  bei  Epididymitis  sehr  gute  Er- 
folge erzielt.  Er  injiziert  am  ersten  Tage  von  dem  schwÀcheren 
Schering'schen  Arthigon  0,2  auf  1,0  Aqua  dest.  verdĂŒnnt.  Tritt 
kein  Fieber  auf,  so  werden  am  nĂ€chsten,  sonst  am  ĂŒbernĂ€chsten 
Tage  0,4,  am  4.  oder  6.  Tage  0,6  injiziert,  im  Ganzen  höchstens 
6 — 7  Injektionen,  ohne  die  Dosis  von  0,6  zu  ĂŒberschreiten.  Zur 
besseren  Resorption  und  Verhinderung  von  Rezidiven  gibt  Verf. 
innerlich  bis  zu  6  Flaschen  folgender  Lösung:  Extr.  Beilad.  0,2, 
Natr.  jodat,  Natr.  salicyl.  aa  10,0,  Aqu.  dest.  ad  200,0;  3— 4  mal 
tĂ€gl.  1  Eßlöffel.  In  hartnĂ€ckigen  FĂ€llen  rezidivierender  Epididy- 
mitis und  Funiculitis  wurde  nach  der  Arthigonkur  das  Skrotum 
mit  Ichthyol,  pur.  eingepinselt  und  an-  zwei  aufeinanderfolgenden 
Tagen  je  2  cem  Terpichin  intramuskulÀr  injiziert.  Der  Erfolg 
war  nach  dieser  Behandlung  ĂŒberraschend  gut. 

Silbermann.  Charlottenburg). 


19.  Februar  1922.  18,  Nr.  8. 

Salvarsanfragan.   Arndt.  231. 
❖lieber    de    Manifestation    von    Pankrcaserkrankuiigeii    im  Röntgenbilde. 
Herrnheiser,  G.  233. 
Umfrage  ĂŒber  die  neue  Influenzaepidemie.  237. 

Die  Behandlungsmethoden  der  Knochen-   und     Gelenktuterkulosc     in  Àer 
VolksheilstÀtte  Grimmeiistein.    R  o  m  i  e  h.  239. 
❖Uebej-  die  Methoden  der  Messung  der  Körpertemperatur  und  ĂŒber  ein  neues 
Verfahren  der  Schnellmessung.    Poe  Ich  au.  240. 
reber  die  Praxis  der  Röntgentiefendusieiung.    Nagel  Schmidt.  242. 

Kretinismus     und     endemische     Ossifikationsstörungen     (Schluß     aus  7). 
Finkbeine  r.  244. 
❖Zur  Behandlung  der  Oxyuriasis  (WurmkuankheiS).    Braun.  247. 
❖Ueber    das    Plockungsv'ermögen    des    Blutplasmas    bei  Lungentuberkulose. 
Frisch  und  S  t  a  r  1  i  n  g  e  r.  247. 
lieber  die  Bedeutung  der  Hydro-  und  Thermotberapie  bei  einigen  funktio- 
nellen  Nervenkrankheiten    (genuine!   Epilepsie    —    Chorea    minor.  Be- 
schĂ€ftigungsneurosen.  Tic,    Paralysis   agitans  —   Ba-sedow'schej  Krank- 
heit).   Tobias.  249. 

Ueber  die  Manifestation  von  Pankreaserkrankungen  im 
Röntgenbilde.  Der  direkte  radiologische  Nachweis  von  Pankreas- 
erkrankungen ist  bisher  eigentlich  nur  fĂŒr  Gasabszesse  und 
l'ankreassteine  gelungen;  in  allen  anderen  FĂ€llen  von  Parikreas- 
erkrankung  ist  man  auf  den  indirekten  Nachweis  angewiesen, 
d.  h.  auf  die  Erscheinungen,  die  die  Pankreaserkrankung  auf  die 
umgebenden  Organe  ausĂŒbt.  Den  anatomischen  VerhĂ€ltnissen 
entsprechend  kommen  hierbei  der  Magen  in  seinen  verschiedenen 
Abschnitten,  das  Duodenum  und  das  Colon  transversum  in  Be- 
tracht. Pankreastumoren  bringen  je  nach  ihrer  Lage  an  diesen 
Organen  VerdrÀngungserscheinungen,  Einbuchtungen  mit  glatten 
Konturen  an  der  großen  oder  kleinen  Kurvatur  des  Magens, 
Duodenalstenose,  morphologische  VerÀnderungen  am  Bulbus 
duodeni  hervor,  wobei  differentialdiagnostisch  hervorzuheben  ist, 
daß,  sofern  der  Tumor  nicht  bereits  fest  mit  der  Umgebung  ver- 
wachsen oder  in  das  Nachbarorgan  hineingewachsen  ist,  der 
Tumor  leicht  von  dem  Nachbarorgan  abzudrÀngen  und  eine  deut- 


lich ĂŒber  den'  eingebuchteten  Teil  gehende  Peristaltik  sichtbar 
ist.  (Auf  weitere  Einzelheiten  der  Diagnostik  kann  im  Rahmen 
des  Referats  leider  nicht  eingegangen  werden.)  Auch  Pankrea- 
titis und  Pankreasnekrose  lassen  sich  in  der  Hauptsache  nur 
durch  ihre  Einwirkung  auf  die  Nachbarorgane  —  Verdran^ungs 
und  Kompressionserscheinungen  —  diagnostizieren,  bezw.  kann 
der  klinische  Verdacht  auf  eine  entzĂŒndliche  Erkrankung  durch 
den  Nachweis  eines  auf  die  DrĂŒsen  ĂŒbergreifenden  GeschwĂŒres 
des  Magens  oder  Duodenum  gestĂŒtzt  werden. 

Ueber  die  Methoden  zur  Messung  der  Körpertemperatur  und 
ĂŒber  ein  neues  Verfahren  der  Schnellmessung.  Poeich  au 
macht  auf  eine  im  Jahre  1907  bereits  von  EnglÀnder  angege- 
bene Methode  der  Temperaturmessung  von  neuem  aufmerksam, 
der  Temperaturmessung  des  ausströmenden  Urins.  Verf.  hat  zu 
diesem  Zweck  ein  kleines  Drahtgestell  zur  Aufnahme  des  Termo- 
meters  hergestellt,  das  in  das  UringefĂ€ĂŸ  hineingehĂ€ngt  wird.  Zu 
beachten  ist  hierbei  nur,  daß  das  Orificium  urethrae  dem  Queck 
silbepbehÀller  des  Thermometers  möglichst  genÀhert  wird.  Die 
gemessenen  Temperaturen  waren  in  der  Ruhe:  Morgens  36,4  bis 
36,8,  stiegen  im  Laufe  des  Tages  bis  37,2;  bei  Anstrengungen  wur- 
den je  nach  GrĂ¶ĂŸe  derselben  Temperaturen  bis  38,15  festgestellt. 
Die  Vorteile  der  Methode  liegen  nach  Verf.  in  der  ■grĂ¶ĂŸeren  Schnel- 
ligkeit der  Messung  —  wenige  Sekunden  — ,  in  der  grĂ¶ĂŸeren  Zu- 
verlÀssigkeit bei  richtiger  Technik,  Vermeidung  jeglicher  In- 
fektionsgefahr, Einfachheit  der  Anwendung  und  Billigkeit  bei 
Massenanwendung,  da  man  mit  einem  Thermometer  auskommen 
kann. 

Zur  Behandlung  der  Oxyuriasis  (Wurmkrankheit).    B  r  a  n  n 

hat  mit  der  Verwendung  des  Butolans  bei  Oxyuriasis  gute  Erfolge 
erzielt.  Er  lĂ€ĂŸt  drei  Tage  lang  dreimal  tĂ€gl.  V*  gr.,  bei  Kindern 
entsprechend  weniger  nehmen,  wodurch  eine  Abtötung  oder  SchÀ- 
digung der  WĂŒrmer  eintreten  soll.  Am  4.  und  5.  Tag  wird  Ca 
lomel  genommen.  Außerdem  jeden  Abend  ein  Klysma  von  ?/‱  1 
Kalkwasser,  ferner  eng  anschließende  Badehose  zur  Nacht  und 
grĂŒndliche  Waschung  der  Analgegend  mit  warmem  Wasser  des 
Morgens,  sowie  frische  WĂ€sche.  Die  Kur  wird  16  Tage  durch- 
gefĂŒhrt und  nach  14  Tagen  wiederholt. 

Ueber  das  Flockungsvermögen  des  Blutplasmas  bei  Lungen- 
tuberkulose. Frisch  und  Starlinger  haben  fĂŒr  die  Diffe- 
rentialdiagnose und  Prognose  der  Lungentuberkulose  ein  neues 
Verfahren  angegeben,  das  auf  der  gleichen  Basis  wie  die  Sen- 
kungsprobe der  Erylhrocyten«aufgebaul  ist.  auf  dem  Fibrinogen- 
gehalt  des  Blutplasmas.  Das  mittels  Spritze  oder  durch  Venen- 
punktion gewonnene  Blut  wird  im  VerhÀltnis  von  2  Teilen  5% 
Natriumeitrat  zu  8  Teilen  Blut  gemischt,  und  dann  entweder  durch 
Zentrifugieren  oder  Sedimentieren  das  Plasma  gewonnen.  0.2  eern 
desselben  werden  dann  mit  der  gleichen  Menge  gesÀttigter  Koch 
Salzlösung  versetzt  und  das  Resultat  der  Flockung  nach  einmali- 
gem grĂŒndlichen  UmschĂŒtteln  nach  3  Minuten  abgelesen.  Je  nach 
dem  Grade,  unterscheiden  sie  nun  zwischen  aultretender  TrĂŒbung 
und  starker  Flockung,  was  einem  Fibrinogengehalt  von  weniger 
als  0,2%  bis  mehr  als  0,4%  entspricht.  Da  der  Grad  der  Flockunp, 
von  dem  Grade  des  Fibrinogengehalts  abhÀngig  ist.  dieser  aber 
wiederum  von  dem  Eiweißabbau  des  Körpers,  so  konnte  schon 
theoretisch  angenommen  werden,  daß  die  Flockung  um  so  stĂ€rker 
ausfallen  mußte,  je  destruktiver  der  Krankheitsprozeß  war.  Diese 
Annahme  ist  durch  die  Untersuchungen  an  70  Tuberkulösen  ver- 
schiedenster Art  bestĂ€tigt  worden.  Es  zeigte  sich,  daß" die  gut- 
artigen  Formen  der  Tuberkulose  —  trockene  Pleuritis.  Bronchial 
drĂŒsentuberkulose  —  die  geringste  Flockung  aufwiesen,  etwas 
stÀrkere  die  fibrösen,  zur  Heilung  neigenden  Formen,  wÀhrend 
sehr  starke  Flockung  die  echt  phthisischen  Prozesse  mit  ihrer 
schweren  Kachexie,  sowie  auch  die  kÀsige  Phthise  und  die  kÀsige 
Pneumonie  zeigten.  —  Die  Probe  selbst  erachten  die  Verff.  fĂŒr 
klinische  Zwecke  als  hinreichend  genau,  um  ein  Urteil  ĂŒber  die  Ak- 
tivitÀt und  Progredienz  des  Prozesses  zu  gewinnen,  ist  leichter 
zu  handhaben  als  die  Senkungsprobe  und  kann  gegebenenfalls  mit 
dieser  kombiniert  werden.        Silber  m  a  n  n  'Charlottenburs' 

Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

2.  MĂ€rz  1922,  48,  Nr.  9. 

❖lieber  die  Bedeutung  der  Hirnpunktinn   und   der   Lumbalpunktion   fĂŒr  die 

Diagnose  und  Prognose  des  Hirnabszessis.    RindfleiSC  h.  279. 
Diabetes    insipidus    nach    Trauma,    erfolgreich    mit    Pituglandol  behandelt. 

Thörnet.  280. 
Ueber  das  Wesen  des  Gerinnungsfermentes.    Step  h  a  n.  282. 
❖Zur  Entstehung  der  Lungenblutungen.    Rick  m  a  n  n.  884. 

SektionsVjefund    d'ner    kryptogenetischen    oernizinsen    AnÀmie    im  Stadium 

vollstÀndiger  Remission.    Z  a  d  e  k.  985. 
Zwei   KrankheitsfÀlle    mit    malariaÀhnlicbein    Fieber.     B  r  a  u  D  s,  -"ST. 
Doppelseitiges,   nicht   traumatisch    entstandenes    Aneurysma  arteriovenostffii 

zwischen    der    Art.    carotis    interna    und    dem    Sinus    cavernosus  mit 

Exophthalmus  pulsans.    Rieh  m.  287. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


Aas   den    neuesten  Zeitschriften 


Zur   physikalischen    Kmphysembehandlung.     Ketsch  er.  i8J. 
♩l'eher  die  ERtufigkell  nervöser  Unfatifolgon  und  Ihrer  praktischen  Bedeutung. 
Horn.  288. 

Kin  Kall  von  eitriger  Peritonitis  nach  Mandelcnt/.nmlunij.  S  e  Ii  i  I  I  i  n  g. 
290. 

l'eher  ilie  Aussichten  der  antleyph  11t  tischen  Behandlung  bei  Keratitis  paren- 
chymatös«.   I.  a  n  g  e  n  d  o  r  f  f.  200. 

Hin  Kall  von  Lipodystrophie  progressiva.    S  c  b  w  e  n  k  e,  202. 

Terpentinöl  und  Terpiohin  hei  der  Behandlung  von  Schweißdrusenubszessen 
in  der  Achselhöhle.    KĂŒhl  e.  293. 

Zur  Klinik  der  Siiugliiigsskabies.    Heil  111  a  11  n.  294. 

Die  Schutzimpfung  gegen  Lyssa  durch  das  mit  \ether  behandelte  Virus  fixe 
A  1  ii  v  i  s  a  t  o  s.  295. 

Ueber  die  Bedeutung  der  Hirnpunktion  und  der  Lumbal- 
punktion fĂŒr  die  Diagnosen  und  Prognosen  des  Hirnabszesses. 
Das  langdauernde  Latenzstadium  der  traumatischen  Hirn- 
abszesse erfordert  vor  allem  ein  diagnostisches  Hilfsmittel  und 
dies  ist  einmal  die  absolut  ungefÀhrliche  Hirnpunktion,  nament- 
lich hinsichtlich  der  Lokalisation  des  Abszesses.  Bei  unkom- 
plizierten Abszessen  ergibt  die  Lumbalpunktion:  Erhöhung  des 
Druckes  bis  zu  sehr  hohen  Graden,  mĂ€ĂŸige  Vermöhrung  des 
Albumin-  und  Globulingehaltes,  erhebliche  Pleozytose  meist 
lymphozytÀrens  seltener  leukozytÀren  Charakters,  keine  spon- 
tane Gerinnung,  keine  Bakterien.  Eine  tuberkulöse  Affektion 
zeigt  spontane  Gerinnung  und  Bazillen,  eine  luische  positive 
Wa.  B.  oder  Goldchloridreaktion. 

Zur  Entstehung  der  Lungenblutungen.  Bei  MĂ€nnern  —  am 
hĂ€ufigsten  zwischen  dem  15.  und  25.  Lebensjahre  —  sind  Blu- 
tungen bei  Lungentuberkulosen  hÀufiger  als  bei  Weibern.  Sie 
werden  vielfach  durch  kritiklose  Sonnenbestrahlungen,  seltener 
durch  kĂŒnstliche  Höhensonne  hervorgerufen.  Sie  lassen  sich  bei 
Tuberkulin-  und  Partigenkuren  verhĂŒten,  wenn  man  zu  starke 
Beaktionen-  vermeidet.  Bichtig  angewandte  Böntgentiefen- 
therapie  verursacht  keine  Blutungen,  eher  beschleunigte  Narben- 
bildung. HĂ€ufig  sind  fĂŒr  das  Zustandekommen  von  Blutungen 
die  Wechselwirkungen  mehrerer  Faktoren  der  Witterung  verant- 
wortlich. Sogenannte  vikariierende  oder  supplementÀre  Blu- 
tungen haben  keine  praktische  Bedeutung. 

Ueber  die  HÀufigkeit  nervöser  TJnfallfolgcn  und  ihre  prak- 
tische Bedeutung.  Bei  Sozialversicherten  betrÀgt  der  Prozent- 
satz der  Unfallneurosen  durchschnittlich  nur  1  Prozent  aller  ent- 
schÀdigungspflichtigen BetriebsunfÀlle,  die  Gesamtzahl  der  Un- 
lallneurotiker  in  Deutschland  wird  auf  13 — 14  000  berechnet.  Bei 
HaftpflichtfÀllen,  insbesondere  Eisenbahnunfallverletzten,  sowie 
bei  Privatversicherten  sind  HĂ€ufigkeit  und  praktische  Tragweite 
unvergleichlich  grĂ¶ĂŸer.  Die  Eisenbahnunfallneurosen,'  die  die 
HÀlfte  aller  von  Eisenbahnpassagieren  gemeldeten  UnfÀlle  aus- 
machen, erfordern  zu  ihrer  BekÀmpfung  dringend  gesetzlicher 
Abhilfe  durch  Aenderung  des  Reichshaftpflichtgesetzes.  Letzteres 
gilt  auch  bei  den  Sozialversicherten.  Empfohlen  wird  bei  dieser 
Zwangsabfindung  sofern  unter  50  Prozent  Erwerbsminderung  bei 
HaftpflichtfÀllen,  Begrenzung  der  Bentenzahlung  und  obligatori- 
sche Abfindung  nicht  komplizierter  FĂ€lle. 

v.  Schnitzer. 

10.  MĂ€rz  1922,  48,  Nr.  10. 

♩Ueber      parenterale     Behandlung      mit      unspe/.ifischen  Eiweißkörpern. 
S  t  i  n  tz  i  n  g.  811. 

♩Eine   neue   Theorie   ĂŒber   die    materielle    Grundlage   der  funktionellen  Su- 

perioritat  der  linken  HemisphÀre.    K  ö  r  t  i  g.  312. 
♩Ueber  'Ii  itgiftende   Wirkung  der  Spinatsekretinlösung  auf  Strophantin. 

M  i  y  ader  a.  313. 

Moderne  Strophanthiwthernpie  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  von  Stro- 
phalen  „Tosse".    Cr  r  i  in  m  e.  314. 

♩Ue'ber  die   Leukosytenvertei'lung   in  der  Blutliahn.     Stahl.  314. 

Erfahrungen  mit  BluttraniSfusioneh  nach  Oehlecker  am  chirurgischen  Ma- 
terial. I.    He  m  p  e  1.  316. 

i  eher  die  Aetlologie  der  Köhlerschen  Krankheit.    Baenech.  318. 

VergiftungsfÀlle  mit  Baryumprilparatem  bei  Röntgenuntersuchungen? 
Krause.  319. 

[,'eber  Eunuchoidismus  beim  Kaninchen  in  Gegenwart  von  Sperpvatozoen  in 
den  HodenkanÀlchen  und  unterentwickelten  Zwischenzeiten.  Lip- 
schĂŒtz,  B  o  r  m  a  n  n   und  W  a  g  n  e  r.  320. 

Persönliche  Prophylaxe  beider  Geschlechter  als  Hilfsmittel  aur  Sanierung 
der   Prostitution.     11  a  Ii  e  r  nva  n  n.  322. 

Eine  schnelle,  saubere  und  zuverlĂ€ssige  PrĂŒfung  .des  Stuhls  auf  okkultes 
Blut.    Weiß.    323.  \ 

Eine  neue  Salbengrundlago.    StÀche  r.  S24. 

Ueber  parenterale  Behandlung  mit  unspezifisehen  Eiweiß- 
körpern. Die  bisherigen  Erfahrungen  geben  noch  kein  abschlie- 
ßendes Urteil.  Man  weiß  nur,  daß  parenteral' gegebene  Protein- 
körper auf  gewisse  entzĂŒndliche  Erkrankungen  einen  die  Ent- 
zĂŒndung' neu  anfachenden  Beiz,  hĂ€ufig  einen  allgemeinen  Beiz- 
auf  den  Gesamtorganismus  ausĂŒben,  was  bisweilen  heilsam  sein 
kann.  Wie,  wann  und  durch  welche  Eiweißkörper  diese  Heil- 
wirkung zu  erreichen  ist,  muß  erst  noch  festgestellt  werden. 
Dies  ist  nur  möglich  bei  vorausgehender  und  nachfolgender  ge- 


nauer Beobachtung,  bei  Anwendung  kleiner  Dosen  im  Beginn  mit 
stufenweiser  Steigerung  oder  Minderung  je  nach  Lage  des  Falles 
bei  rechtzeitiger  Unterbrechung  der  Behandlung  bei  lÀnger  an- 
haltender Beaktion. 

Eine  neue  Theorie  ĂŒber  die  materielle  Grundlage  der  funk- 
tionellen SupcrioritĂ€t  der  linken  HemisphĂ€re.  ,  Das  grĂ¶ĂŸere  Vo 
lum    des    linken   Seitenvcntrikels   ist    sowohl    das  anatomische 
Substrat  wie  das  physiologische  fĂŒr  die  funktionelle  SuperioritĂ€t 
der  linken  HemisphÀre. 

Ueber  die  entgiftende  Wirkung  der  Spinatsekretinlösung  auf 
Strophantin.  Slrophantinlösung,  damit  vermischt,  zieht  den  Ein- 
tritt des  systolischen  Herzstillstandes  deutlich  hinaus. 

Ueber  die  Leukozytenverteilung  in  der  Blutbahn.  Im  Haut- 
blut ist  die  Zahl  der  Leukozyten,  grĂ¶ĂŸer  als  in  den  grĂ¶ĂŸeren 
GefĂ€ĂŸen.  Ursache  hierfĂŒr  in  den  physikalischen  VerhĂ€ltnissen 
der  Strombahn.  Bei  entzĂŒndlichen  ZustĂ€nden  enthĂ€lt  das  zu- 
fĂŒhrende GefĂ€ĂŸ  nicht  mehr  Leukozyten  als  das  abfĂŒhrende.  Auch 
dann  enthÀlt  das  herdferne  Hautblut  mehr  Leukozyten  als  das  Blut 
der  grĂ¶ĂŸeren  GefĂ€ĂŸe.  v.  Schnitzer. 

MĂŒnchener  medizin.  Wochenschrift. 

10.  MĂ€rz  1922,  Nr.  10. 

Funktion  der  Nebennierenrindc.    Stephan..  339. 
♩LeberfunktionsprĂŒfungen.    L  e  p  e  h  n  e.  342. 

Pankreasfunktion  bei  Ruhr.    v.  Friedrich.  344. 

Gewinnung  von  DĂŒnndarminhalt  beim  Menschen.    Ganter.  347. 

Tuberkulosebehandlung  mit  Röntgenstrahlen.    Hilpert.  .Iis. 
♩Therapie  des  septischen  Aborts.    Har.iorn.  350. 
♩Neosilbersalvarsannatrium.    Galewsky.  352. 

AnreieheTungsverfahren.    HuntemĂŒller.  358. 

Aluminiumsachen  zur  Aufnahme  des  EKG.    Wehe  r.  356. 

Adolf  Kußmauls  100.  Geburtstag  (Schluß).    F  I  e  i  n  e  r.  356. 

Uefcer  LeberfunktionsprĂŒfung.  Verf.  berichtet  ĂŒber  die 
Chromodiagnostik,  die  GallensÀuren  im  Duodenalsaft  und  Urin, 
die  Faltasche  Gallenprobe  und  die  Urobilinogenurie.  Einzel- 
heiten mĂŒssen  im  Original  gelesen  werden. 

Zur  Frage  der  Therapie  des  septischen  Abortes.  Verf.  tritt 
in  lĂ€ngeren,  statistisch  und  kasuistisch  belegten  AusfĂŒhrungen 
fĂŒr  die  konservative  Methode  ein,  da  es  das  schonendere  und 
ĂŒberlegenere  Verfahren  sei. 

Meine  Erfahrungen  mit  Neosilbersalvarsannatrium.  NssN. 
ist  ein  sehr  wirksames,  bei  weitem  das  Neosalvarsan  ĂŒber- 
ragendes PrÀparat,  das  dem  Silbersalvarsan  in  der  Wirkung 
fast  gleich  ist  und  den  Vorzug  hat,  daß  es  in  höheren  Dosen 
vertrĂ€glicher  ist  als  das  Silbersalvarsan.  Verf.  empfiehlt  es  fĂŒr 
Abortivkuren  aufs  wÀrmste.  Es  ist  aber  auch  in  Kombination 
mit  Hg  oder  als  Mischspritze  oder  in  Verbindung  mit  Jod  außer- 
ordentlich wirksam  und  gut  vertrÀglich. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

Zentralblatt  fĂŒr  innere  Medizin. 

4.  MĂ€rz  1922,  Nr.  9. 

Zur  diagnostischen  Bewertuns;  der  HutehinsonzÀhne.     Kraupa,   E.  153. 

11.  MĂ€rz  1922,  Nr.  10. 

♩lieber  Hypertonie   und   Zuckerkrankheit.     Maranon.   G.  169. 

Ueber  Hypertonie  und  Zuckerkrankheit.  Bei  einer  gewissen 
Anzahl  von  FĂ€llen  von  Diabetes  besteht  ein  „prĂ€glykosurischer 
Zustand",  welcher  gewöhnlich  nicht  bemerkt  oder  doch  nicht  in 
Zusammenhang  gebracht  wird  mit  der  diabetischen  Störung, 
welche  sich  hauptsĂ€chlich  in  arterieller  Hypertension  Ă€ußert. 

Becker. 

18.  MĂ€rz  1922,  Nr.  11. 

Eine  Modifikation  der  Jod-Gallenfarbstoffprobe  im  Hain.    S  i  1  b  e  r  s  t  e  r  n. 
185, 

25.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

Sammelreferat  aus  dem  Gebiete   der  Pharmakologie.    B  a  i  h  e  m  .  G.  201. 

Mitteilungen  aus  den  Grenzgebieten  der  Medizin  und 
Chirurgie,  Jena. 

1922,  34,  Heft  5. 

Schwankungen  des  BlutgefrierpunkteÀ.    E  1  f  e  1  d  t.  567. 

Operativ   geheilte    Rindenepilepsie    nach    Steckschuß.     Kunz.  591. 

Chronische   Paronychie.    T  i  1 1  m  a  n  n.  ÂŁ96. 

Erwiderung  auf  die  Entgegnung  von  J.  Boas.    P  e  1  p  e  r.  598. 


364 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahrg.  —  Nr.  18  19. 


❖Verschiebung  des  weißen  Blutbildes  im  Organismus.    Ruf  f.  601. 
Einfluß  der  Hodenreduktion  auf  die  elektrische  Erregbarkeit  des  peripheren 
Nervensystems.     Melchior  und    Nothmann.  612 
❖Spondylitis.    Quincke.  624. 
❖Hirschsprungsche    Krankheit.     Vogt  1.  637. 
Verhalten      der      Gewebe      gegenĂŒber      physiologischer  Kochsalzlösung. 
Rostock.  644. 

Isoagglutinine   und   Isolysine  bei  der  Bluttransfusion.     .1  c  r  v  e  1  1.   '  650. 
Haemagglutination    und    Bakterienagglutination    als    Diagnostikuni.  Vor- 

schĂŒtz,  Job.  und  VorschĂŒtz,  Jos.  662. 
Wasserversuch  als  differentialdiagnostisches  Mittel  bei  Ulcus  und  C&reinom 

des  Magens.    Bonn.  678. 

Die  Verschiebung  des  weilten  Blutbildes  im  Organismus. 
Durch  genaue  BlutkörperchenzĂ€hlung  wird  gezeigt,  daß  das  Ka'- 
pillarblut  in  den  inneren  Organen  eine  grĂ¶ĂŸere  Zahl  von  Leuko- 
zyten besitzt  als  das  der  Körperperipherie.  "Wir  sind  daher  nicht 
berechtigt,  aus  der  Zahl  der  bei  einer  peripherischen  Blutent- 
nahme gezĂ€hlten  Leukozyten  sichere  RĂŒckschlĂŒsse  zu  ziehen  auf 
die  Gesamtzahl  der  Leukozyten  im  Körper.  Das  rote  Blutbild 
zeigt  keine  Schwankungen. 

Ueber  Spondylitis.  Die  diagnostischen  Merkmale  einer 
Wirbelerkrankung  —  deren  Sitz  am  hĂ€ufigsten  der  Wirbelkörper 
ist  —  sind  folgende:  Druckschmerz  (Stauchungsschmerz);  Be- 
wegungsstörung der  "WirbelsÀule;  FormverÀnderung  (Gibbus, 
Kyphose);  sensible  und  motorische  Störungen  (durch  Mitbeteili- 
gung des  RĂŒckenmarks).  Außer  den  bekannten  traumatischen 
und  tuberkulösen  "WirbelsÀulenerkrankungen  gibt  es  noch  andere, 
weniger  bekannte  bakterielle  Affektionen  der  Wirbel:  Spondy- 
litis infectiosa.  Der  hÀufigste  Erreger  ist  der  Typhusbazillus, 
aber  auch  Pneumokokken,  Strepto-  und  Staphylokokken  kommen 
in  Betracht.  Diese  im  Anschluß  an  andere  infektiöse  Erkran- 
kungen (Angina,  Furunkel,  Grippe)  auftretenden  WirhelentzĂŒn- 
dungen  unterscheiden  sich  von  der  tuberkulösen  Erkrankung 
durch  den  plötzlichen  Beginn,  die  grĂ¶ĂŸere  Schmerzhaftigkeit  und 
besonders  durch  ihre  weit  gĂŒnstigere  Prognose:  im  allgemeinen 
tritt  in  wenigen  "Wochen  völlige  Heilung  ein.  In  ihrer  rudimen- 
tĂ€ren Form  wird  die  Krankheit  nicht  selten  ĂŒbersehen  oder  als 
Rheumatismus.  Lumbago  usw.  behandelt. 

Zur  Frage  der.  Aetiologie  der  Hirschsprung'sehen  Krankheit. 

Als  Àtiologische  Momente  der  H.'schen  Krankheit  kommen  in 
Betracht:  Abnorm  langes  Mesosigma;  angeborene  Verengerung 
des  Analringes;  Sphincterkrampf ;  Abknickung  durch  Schrump- 
fungsprozesse im  Mesosigma;  mechanisch  bedingte  Darmver- 
engerung (Fremdkörper,  Narbe).  Ein  Zusammenhang  mit  allge- 
meiner konstitutioneller  Asthenie  ist  anzunehmen.  —  8  Kranken- 
geschichten mit  Operationsbefund. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin.. 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

11.  MĂ€rz  1922,  49,  Nr.  10. 

Fortlaufende  Instrumtintensterlisation  bei  Karzinomoperationen.  H  e  n  s  c  h  e  n. 
314. 

❖Bemerkungen  ĂŒber  den  Pal]  von  SpĂ€ttetanus.    P  o  c  h  h  a  in  m  c  r.  310. 

Neue  GefĂ€ĂŸklemme.    Harth.  317. 

VerlÀngerung  des  Samenstrangs.    Hofm  a  n  n.  318. 
❖Verletzung  der  ChylusgcfĂ€ĂŸe  des  Mesenteriums.     Rrunnctr.  32U. 

Bemerkungen  zu  der  Mitteilung  Brunzels  ĂŒber  einen  Fall  von 
SpÀttetanus  im  Z.  f.  Ch.  Nr.  46,  1921.  Verfasser  steht  dem  von 
ßrunzel  beschriebenen  Fall  von  SpĂ€ttetanus  nach  7,  Jahren 
(referiert  in  dieser  Zeitschr.  1922  Nr.  1)  sehr  skeptisch  gegen- 
ĂŒber. Es  fehlt  sowohl  in  positivem  Sinne  der  Beweis  dafĂŒr,  daß 
der  Granatsplitter  oder  ein  mit  ihm  eingedrungener  Fremd- 
körper TrÀger  der  Tetanussporen  war  (Tierversuch?),  wie  in 
negativem  Sinne  dafĂŒr,  daß  nicht  vor  der  Operation  eine  neue 
Verletzung  der  alten  Schußnarbe  stattgefunden  hat  oder  bei  der 
Operation  eine  Infektion  mit  Tetanus  erfolgt  sein  könnte  (Ope- 
ration in  der  Wohnung!). 

Ueber  traumatische,  isolierte  subkutane  Verletzung  der  Chy- 
lusgefĂ€ĂŸe  des  Mesenteriums.  Ein  Stallknecht  erhĂ€lt  einen  Huf- 
schlag  gegen  den  Leib.  Bei  der  Laparatomie  —  Wahrscheinlich- 
heitsdiagnose  Darmruptur  findet  sich  im  Mesenterium  der 
obersten  Jejunumschlinge  von  cT?r  Wurzel  aufsteigend  ein  scharf, 
aber  buchtig  sich  abgrenzender  Bezirk  weiß-milchiger  AusfĂŒllung 
/.wischen  den  BlÀttern  des  Mesenteriums.  Kein  Mesenterial-  oder 
Darmriß,  keine  Blutung.  Es  handelt  sich  um  eine  traumatische 
Ghyluszyste.  Eine  ErklĂ€rung,  warum  nur  die  ChylusgefĂ€ĂŸe  und 
nicht  BlutgefĂ€ĂŸe  oder  das  Mesenterium  selbst  eingerissen  sind, 
ist  vielleicht  in  der  grĂ¶ĂŸeren  L'Ă€dierbarkeil  der  ersteren  und  in 
dem  F instand  zu  suchen,  das  die  ChylusgefĂ€ĂŸe  nach  dem  kurz 
vorher  genossenen  Mittagessen  strotzend  gefĂŒllt  waren. 


18.  MĂ€rz  1922,  49,  Nr.  11 

Weiehteilschuit.t  fĂŒr  UnterkieferdurchsĂ€gung.    Koni  g.  862. 
❖Aetiologie  der  GeburtslĂ€bmung.    S  c  Ii  ĂŒber  t.  363. 

Epilepsie  bei  postoperativer  Tetanie.    K  o  e  1  z  1  e.  865: 
❖Erysipelbehandlung.    K  <u  m  a  r  i  s.  368. 

Behandlung  der  Varikocele.    Gregory.    369.  ‱ 

Die  Aetiologie  der  GeburtslÀhmung.  Die  Geburtslahmung  isl 
sehr  hÀufig  kombiniert  mit  anderen  DeformitÀten:  Schulterblatt- 
hochstand; Schiefhals,  Muskeldefekten  u.  a.  m.  Wir  mĂŒssen  sinn- 
gemĂ€ĂŸ fĂŒr  alle  gleichzeitig  auftretenden  Mißbildungen  nach  einer 
einheitlichen  Aetiologie  suchen.  Durch  periphere  PlexusschÀdi- 
gung,  die  fĂŒr  die  GeburtslĂ€hmung  verantwortlich  gemacht  wird, 
können  aber  die  anderen  DeformitÀten  nicht  bedingt  sein,  eben 
so  wenig  wie  durch  erhöhten  intrauterinen  Druck.  Wir  mĂŒssen 
daher  ein  Vitium  primae  formationis.  einen  Bildungsdefeki  zen- 
tralnervöser  Teile  annehmen. 

Abortive  Erysipelbehandlung.    Verfasser  hat  in  5  FĂ€llen  von 

Erysipel  die  gesamte  ergriffene  HautflÀche  mit  einem  feinen 
Thermokautermesser  vorsichtig  kauterisiert.  In  allen  FĂ€llen  so- 
fortiger Stillstand  der  Infektion  und  Heilung. 

K.  W  o  hl  g  e  m  u  t  h  l  Berlin 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

25.  MĂ€rz  1922,  49,  Nr.  12. 

Technik  der  Appendektomie.    Heile.  394. 
Totalamaurose  nach  Novokaininjektion?    P  e  t  e  r  s  e  a.  ;m. 
❖Diagnostisches  Symptom  bei  Appendizitis.    Gregory.  397. 
Operation  der  Hypospadiasis.    Fischer.  A.  399. 
Xcbennicrenexstirpation  bei  Epilepsie.    Specht.  402. 

Ueber  ein  neues  diagnostisches  Symptom  bei  Appendizitis. 

Die  Perkussion  zwischen  Nabel  und  Spina  iliaca  ant.  sup.  links 
also  symmetrisch  dem  Mc.  Burney 'sehen  Punkt  —  soll  bei 
akuter  und  chronischer  Appendizitis  an  diesem  SchmerzgefĂŒhl 
hervorrufen.  Das  Zustandekommen  dieser  Schmerzempfindung 
erklĂ€rt  Verfasser  durch  ErschĂŒtterung  des  DĂŒnndarms  und 
Fortleitung  bis  zu  dem  erkrankten  Wurmfortsatz. 

K.  Wohlgemuth  Berlin 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie. 

1922,  1(58,  Heft  3— ß. 

Weber  den  Mastdarmkrebs.     M  ;i  ndl.  F.  145. 

Gehirnchirurgische  Beobachtungen   auf  einer   Studienreise    in  Nordamerika. 
Kchlaepfer.  K.  289. 
❖Der  arterio-me^enteriale  DuodenalverseliluK.     Bernhard,  W.  319. 

BeitrÀge   zur  chirurgischen  Anatomie   des    Pfortadersystems.     W  a  1  c  k  e  r  . 
F.  J.  354. 

❖rntersuchungen   ĂŒber  das   L'letiskarzinom   des   Magens.     P  e  y  s  e  r  .  F.  409. 

Der  artcrio-mesenteriale  Darmversehluli.    An  Hand  von  zehn 

einschlĂ€gigen  FĂ€llen  legt  Verf.  seinen  Standpunkt  gegenĂŒber  dem 
hinsichtlich  klinischer  und  Àtiologischer  Fragen  vielumstrittenen 
Krankheitsbilde  dar.  Hiernach  empfiehlt  sich  die  Einteilung  der 
Erkrankung  in  eine  neurotische  und  eine  organische  Gruppe;  im 
ersteren  Falle  liegt  stets  eine  Atonie  oder  Paralyse  des  Darmes 
vor,  im  zweiten  wird  das  Leiden  durch  ein  organisches  Hindernis 
im  Zwölffingerdarm  ausgelöst.  Ueber  die  jeweilige  Schwere  der 
Erkrankung  und  ihren  Charakter  gibt  die  Magenausleerung 
sicheren  Aufschluß,  insofern  als  bei  Verschluß  diese  keine  Besse- 
rung der  Beschwerden  herbeifĂŒhrt.  Therapeutisch  kommt  außer 
der  erwÀhnten  Ausleerung  in  allen  akuten  FÀllen  die  Lagernngs- 
therapie  nach  Schnitzler  und  als  ultimum  refugium  die  La- 
paratomie in  Betracht.  Die  Prognose  des  arterio-mesenterialen 
Darmverschlusses  ist  ernst,  besonders  bei  lÀnger  bestehender 
und  unbehandelter  Erkrankung. 

Untersuchungen  ĂŒber  das  Ulcuskarzinom  des  Magens.  Patho- 
logischer Beitrag  zu  der  klinischen  Behauptung  hÀufiger  Ent- 
stehung eines  Karzinoms  auf  dem  Boden  eines  Ulcus  ventriculi. 
Es  ergaben  sich  auffĂ€llige  WidersprĂŒche  zwischen  klinischer  und 
pathologisch-anatomischer  Forschung,  die  neuerdings  auch  ander- 
wÀrts festgestellt  wurden.  Hiernach  ist  das  Magenkarzinom  ex 
ulcere  durchaus  als  Seltenheit  zu  bezeichnen.  Die  sich  hieraus 
fĂŒr  den  Chirurgen  ergebenden  Konsequenzen  sind  einleuchtend. 

L.  Frosch  (Berlin, 

Archiv  fĂŒr  klinische  Chirurgie. 

1922,  119,  Heft  1. 

BeitrÀge   zur   Krage   der  operativen   Mobilisierung   versteifter  Fingergelenke. 
Hcis  s  c  ,  E.  t. 

Weitere  BeitrÀge  zur  Resektion  Her  Speiseröhre.     Ue-1  >  .    W.  20. 


10.  Jahrg. —  Nr.  18/19. 


A  u  s  d  e  n   neuesten   Zeil  s  c  driften 


365 


‱H>i«i  Probeexzision  bei  inuliKiien  Tumoren  in  der  Chhuricic  und  im 
Experiment.   N  u  t  Ii  e  r .  K.  64. 

/um  Wesen  des  EpiRiiitthius.    l'ebei  eine  seltene  IVliUiilduun  um  harten 

Gaumen.    X  :i  t  Ii  e  r ,  K.  78. 
♩L'ebcr  Appendixin  vaginatlou.    Szenes,  A.  ««. 
Ueber  die  Ftafura  stermi  und  ihre  Entstehung,   Sze  nes,   \.  Iis. 
Komplette    dorsolateraili;     Luxation     im     Metatarso-PlialanjtenlKClenk  mit 

Subluxation    im    Tarso-Metatarsalttelenk    und    multipler    Fraktur  tlutch 

Cebertahrcn.    S  c  h  u  l  ‱/. .    W.  126. 
I  eher  den  iutrnperitonenlen   Druck.  M  e  l  c  Ii  i  o  r.   K.  und   M  e  I  c  h  i  u  r.  I*. 

14». 

■{‱Ki'krnnkunR'i'ii  der  mĂ€nnlichen  MrustdiĂŒse.    S  c  Ii  u  e  I  1  e  r  .  .1.  lUi). 

I 'eher  eiuiK'e  Faktoren,  welche  auf  die  Topographie  der  KĂŒrperorgane  ein- 
wirken.   S  C  h  e  \v  k  n  n  c  ii  k  (i  .    V.   N.  l.'iT. 

Krf.ihrungeli  und  Kritik  in  Dingen  der  »ogen.innteii  ehirurgisehen-uiebt- 
vis/.criilen  Tuberkulose.    Boen,  H.  211. 

Zur  Operation  des  ZökaltumorS.    11  o  f  in  n  n  n  ,   \.  H.  214. 

Uebor  den  Wen  zur  Hypopbysis  durch  die  KeHbeinhöblc.    Mint  ■/..  W.  219. 

Probeexzision  bei  malignen  Tumoren.  Verfasser  tritt  ent- 
Ichieden  fĂŒr  folgende  Forderungen  ein:  die  Probeexzision  ist  an 
der  Grenze  zwischen  gesundem  und  krankem  Gewebe,  und  zwar 
mit  alttoi  Vorsichtsmaßregeln  hinsichtlich  peinlichster  Technik 
n bw ‱  vorzunehmen.  Durch  Anwendung  des  sofortigen-  Gefrier 
Schnittverfahrens  ist  die  Möglichkeit  gegeben,  im  Bedarfsfall;' 
der  Probeexzision  die  Radikaloperation  folgen  zu  lassen. 

Ueber  Appendixinvagination.  ErgÀnzung  der  relativ  spÀr- 
lichen Kasuistik  (bisher  54  FĂ€lle)  durch  Mitteilung  eines  ein- 
schlagigen Falles  partieller  Invagination  der  Appendix  im 
Eoecum  bei  einem  7  jÀhrigen  Knaben.  Diagnostisch  wichtig  ist 
besonders  die  Anamnese  (kurzdauernde,  anfallsweise  heftige 
Schmerzen  mit  freien  Intervallen),  wÀhrend  der  klinische  Re- 
Fund 'Bauchdeckenspannung,  lokaler  Druckschmerz  usw.:  auch, 
fĂŒr  typische  Appendizitis  sprechen  könnte.  Operation  stets  in- 
diziert.   MortalitÀt  (i  Prozent. 

Erkrankung  der  mĂ€nnlichen  BrustdrĂŒse.  Sehr  eingehende 
pathologisch-anatomisch-klinische  Studie  mit  großem  Literatur- 
verzeichnis. Es  werden  geschildert:  Entwicklungsgeschichte  und 
Anatomie.  Entwicklungsstörungen,  Zirkulationsstörungen. 
EntzĂŒndungen.  GeschwĂŒlste,  Verletzungen  und  schließlich  Para- 
siten. NĂ€heres  ist  an  Ort  und  Stelle  nachzulesen:  von  besonde- 
rem Interesse  dĂŒrften  die  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  Entwicklungs- 
störungen und  GeschwĂŒlste  sein.  L.  Frosch  (Berlin). 

Archiv  fĂŒr  orthopĂ€dische  und  Unfall -Chirurgie. 

10.  Januar  1922,  20.  Heft  L 

Zur  Pathogenese  der  Arthritis  deiormans.    A  x  bau  s  e  n.  l. 
'Weber  den  Einfluß  der  Rotationsbewegungen  aul  die  GeeamtFunktion  des 
Ellbogengelenks    und    ihre    Bedeutung    fĂŒr    die  Prakturbehandlung. 
SchÀfer.  H.  >2. 
l'eber  den  Umbau  kontrakter  und  ankylotischer  Gelenke.    M  a  g  uns.  jt. 
♩t*Ein  Beitrag  zur  Krage  der  Mobilisation  des  Kniegelenks.    K  o  e  r  e  n.  "Ii. 
lieber   einen    Fall    vom    oberer    PlexuslÀhmung    nach  Schiefhalsopefatiöh. 
Engel,  H.  61. 

Physiologische  Gesichtspunkte  bei  der  SehneutransplantaUou.   M  e  c  k.  Q,  64. 
■^Deformierende   Prozesse  der   Epipllysengegcnd   bei    Kindern.     E  r  1  ‱■!  c  Ii  e  r, 
Th.  81. 

♩■Uber  eigentĂŒmliche  Schattenbildlungen  am  unteien  Femui"ende  und  an  Ober- 
schenkel- und  Oberarmköpfen.     M  ĂŒ  1  I  e  r  .   Watther.  97. 

♩BrĂŒcke  des  Brustbeines  als  stur/.-  und  Stutzverletzungen  beim  Turnen. 
K  a  d  z  a  .  Franz.  nx>. 

lieber  den  Einfluß  der  Rotationsbewegungen  au!  die  Gesamt- 
■  unktion  des  Ellcnbogengelenks  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  die 
Frakturhcilung.  '  Kein  Gfelenk  vertragt  eine  uich  nur  kurze 
Huhigslellung  so  schlecht  wie  das  Ellenbogepgelenk.  Schon  nach 
m  1  I  Tagen  bereitet  sich  die  Ankylosierung  vor.  Umgekehrt 
Können  selbst  geringfĂŒgige  Verschiebungen  der  Frakturenden 
in  hiß  zu  schwersten  Bewegungsstörungen  werden.  Das  kom 
plizierlc  Ellenbogengelenk  mit  seiner  fĂŒr  llandbewegungen  be- 
sonders wichtigen  Doppelfunktion  bedarf  also  einer  sehr  ex- 
akten, aber  möglichst  "kurzdauernden  Fixierung  bei  Gelenk- 
IrĂŒchen. 

Nach   einer    Darstellung    der    wichtigen    anatomischen  und 
funktionellen     VerhÀltnisse,     in   der  er  die   Einheitlichkeil  des 
ianzen  Gelenkgebildes  in  anatomischer  und  physiologischer  Hin- 
sicht betont,  gehl  der  Verfasser  daran,  die  Frage  zu  beantworten, 
wieweil  man  durch  Auslösung  einzelner  Bewegungsformen,  vor 
allem  durch  Rotationsbewegungen,  die  GesÀmtfunktion  des  Ellen 
logengelenks  beeinflussen  kann.     Es  ergab  sich,  daß  die  Beein-, 
Bussung  sehr  vielgestaltig  ist.    Erstens  werden  die  GelenkflÀchen 
leibst   dauernd   gegen   einander   verschoben,   zweitens   wird  die 
Kapsel  in  ihrem  ganzen  Umfange  durch  Drehbewegungen  ge- 
lehnt und  gezerr  l;  so  daß  man  von  einer  Kapselmassage  spreehi  n 
kann,  'und  drittens  wird  ein   weitgehender   Einfluß  auf  die  Mus 
Kein   ausgeĂŒbt.      SchĂ€fer   stellt   daher   folgende  Forderungen 


auf:  Rotationsbewegungen  sind  vom  ersten  Tage  der  Behandlung 
an  systematisch,  aktiv  oder  passiv  durchzufĂŒhlen  Fixierende 
VerbÀnde  sollen  nur  bis  zur  Mitte  des  Unterarmes  redchen,  um 
Bewegungsmöglichkeit  nicht  zu  hemmen.  Mit  der  Beugestellunp 
des  fixierten  Ellcnbogengelenks  ist  innerhalb  von  0  zu  ĂŒ  Tagen 
zu  wechseln;  denn  wegen  des  Tausches  der  Muskelfunktion  wird 
man  in  Streckstellung  andere  Muskeln  des  Beuge  und  Streck 
apparates  durch  Rotationsbewegungen  betÀtigen  als  in  stÀrkerei 
Beugestellung. 

Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Mobilisation  des  Kniegelenks.  1 
die  Erfahrungsbasis  zu  verbreitern,  auf  die  sich  l'rteile  in  spe- 
ziellen FĂ€llen  zu  stĂŒtzen  haben,  bespricht  Roeren  12  Falle  aus 
der  Cr  am  er  sehen  Klinik.  Vor  der  Operation  ist  auf  eine 
möglichst  weitgehende  KrÀftigung  der  Quadricepsmuskulatur  zu 
dringen.  (4 — 8  Wochen  lang  Massage,  Heißluft  und  aktive  Kon 
traktionsĂŒbungen.j  'SchnittfĂŒhrung  nach  Pays  medialer 
I  Àngsbogenschnilt.  Der  gesamte  Streckapparat  vom  Muskel 
ĂŒber  die  Kniescheibe  zur  Patellarsehne  ist  im  Zusammenhang 
zu  erhallen.  Roeren  zieht  den  Meißel  aus  vielen  einleuchten- 
den GrĂŒnden  der  SĂ€ge  vor.  Die  neuen  GelenkflĂ€chen  werden  als 
Bolle  und  Pfanne  ausgebildet.  Die  Nachbildung  der  natĂŒrlichen 
Gelenkform  wird  vom  Verfasser  als  unnötig  betrachtet  Wichtig 
erscheint  es  ihm  dagegen,  die  seitlichen  Randpartien  der  Tibia- 
pfanne  hoch  hinaufstehen  zu  lassen,  um  das  „Wackeln"  des 
kĂŒnstlichen  Gelenks  möglichst  zu  vermeiden.  Als  Gelenkfutter 
verwendet  Roeren  frei  transplantiertes  Fettgewebe  vom  an- 
deren Oberschenkel.  Die  GelenklĂŒeke  soll  bei  mĂ€ĂŸiget  Extension 
etwa  Daumenbreite  beiragen.  Die  Lagerung  des  Beines  geschieht 
auf  einer  C  r  a  m  e  r  -  Schiene  unter  Extension.  Vom  8.  oder 
U.  Tage  an  wurde  mit  BewegungsĂŒbungen  begonnen,  die  sehr 
systematisch  mit  Hilfe  einfacher  Apparate  durchgefĂŒhrt  wurden. 
Es  folgen  im  Texte  Krankengeschichten,  die  eine  Reihe  sehr 
schöner  Erfolge  auch  im  Bilde  vorfĂŒhren.  In  I  Fallen  blieben 
seitliche  Wackelbewegungen  zurĂŒck,  die  durch  Schi1  neu  einge- 
schrĂ€nkt werden  mĂŒssen.  Ein  Fall  versteifte  wieder  voll- 
kommen. 

Deformierende  Prozesse  der  Epiphysengegend   bei  Kindern. 

E  r  1  a  c  h  e  r  beschreibt  9  FĂ€lle,  bei  denen  sich  deformierende 
Prozesse  nicht  im  Gelenk,  sondern  im  „epipbysĂ€ren  Teil  der 
Diaphyse  entwickelten.  Besonders  hÀufig  ist  der  Schenkelhals 
betroffen-;  immerhin  sind  auch  geringfĂŒgige,  aber  deutliche  Ver- 
Ă€nderungen am  Kopf  und  an  der  Pfanne  zu  finden.  Klinisch  be- 
steht zwischen  den  beiden,  sonst  gesondert  auftretenden  Erkran- 
kungsformen (Coxa  vara  statten  einerseits.  Osteochondritis  de- 
formans  juvenilis  andererseits)  stets  eine  gewisse  Aehniichkeit 
in  Symptomen  und  Verlauf.  Was  Erlachei  zu  entdecken 
glaubte,  war  also  weder  das  eine,  noch  das  andere,  .sondern 
..eine  formverÀndernde  Störung  des  wachsenden  Röhrenknochens 
mit  ausgesprochenem  Erweichungsherd  nahe  der"  Wachstums- 
fuge".  Zu  diesem  neuen  Krankheitsbild  w  ĂŒrde  sowohl  die  Osteo- 
chondritis des  Kopfes  (coxa  vara  capitalis)  gehören,  als  auch  die 
f'.oxa  vara  epiphysaria.  sowie  die  Coxa  vara  cerviealis;  dazu 
noch  Àhnliche  Erkrankungen  der  Tibia.  des  Hamerns  und  der 
Melaearpalia.  die  er  genau  beschreibt.  Die  Frage  nach  der 
IdentitÀt  der  deformierenden  Gelenks-Knochenprozesse  wird 
nach  meiner  Ansicht  auch  durch  diese  Arbeil  nicht  beantwortet, 
Es  fehlt  all  diesen  Untersuchungen  nicht  an  spekulativem 
Schwung,  wohl  aber  am  nötigen  Material.  Denn  weder  ms 
Röntgenbildern,  noch  aus  klinischen  Beobachtungen  lassen  sich 
SchlĂŒsse  auf  so  feine  histologische  GeWebsumwandlungep  ziehen. 
Das  Mikroskop  ist  sicher  bestimmt,  auch  hier  eine  wichtige 
Rolle  zu  spielen,  da  es  die  nötigen  Grundlagen  zu  liefern  ver- 
mag, auf  denen  erst  die  verbindende  Gedankenarbeil  ihren  Bau 
errichten  kann.  Da  es  sich  um  lokalen  Kalkmangel  umschriebe- 
ner, in  starkem  Wachstum  begriffener  Zonen  h  indell.  entstehen 
statisch  bedingte  DeformitÀten,  die  sich  zu  Anfang  unblutig 
korrigieren  lassen.  Die  Heilung  erfolgt  stets:  der  bleibend: 
Funktionsausfall  entspricht  den  inzwischen  eingetretenen  anato- 
mischen VerÀnderungen. 

lieber  eigentĂŒmliche  Schattenbildungen  am  unteren  Femur- 
ende  und  an  Oberachenkel-  und  Oberarmköpfen.  Walther  M  ĂŒ  Her 
konnte  in  einem  Falle  schwerster  Rachitis  im  Stadium  der  Aus 
heilung  neben  den  typischen  Befunden  an  Femur  und  Humerus 
eigenartige  Schattenbildungen  im  Röntgenbild  erkennen.  Sie 
stellten  bĂŒschelförmig  angeordnete,  verzweigte  SchattenbĂ€nder 
dar,  die  von  der  Fuge  ausgehend  distal-  oder  proximalwÀrts  in 
die  Epiphyse  sich  erstreckten  Die  Bilder  machten  im  Verlaufe' 
einiger  Monate  normalen  VerhÀltnissen  Platz,  ohne  klinisch  be- 
merkbar geworden  zu  sein.  Wahrscheinlich  sind  nie  als  Aus 
druck  exzessiver  Verkalkungsprozesse  aufzufassen 


366 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


BrĂŒche  des  Brustbeines  als  Sturz-  und  StĂŒtzverletzungen 
beim  Turnen.  Die  Brustbeinfraktur  ist  sehr  selten,  meist  direkt 
oder  als  Rißbruch  entstanden.  Der  Rißbruch  kann  entstehen  bei 
ĂŒbermĂ€ĂŸiger  Lordosierung  der  WirbelsĂ€ule.  Die  Rißstelle  sitzt 
meist  zwischen  Manubrium  und  Corpus.  Die  Voraussetzungen 
sind  gegeben  bei  sogenannten  „StĂŒtzĂŒbungen",  bei  denen  der 
Turner  den  stark  lordosierten  Rumpf  aus  dem  Hang  in  StĂŒtz  zu 
ziehen  hat.  Ais  Therapie  kommt  Bettruhe  in  RĂŒckenlage  unter 
Lordosierung  der  WirbelsÀule  zur  Korrektur  der  Dislokation  in 
Betracht.  Debrunner  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  urologische  Chirurgie,  Berlin. 

9.  Januar  1922,  8.  Heft  5. 

Radiknlnperution  des  Blasenkrebses.    L  a  t  z  k  o.  185. 

❖  Amylnitrit-Miselinarkosc.    Winklet.  151 

Die  Amylnitrit-Misehnarkose.  Nach  der  „Sauerstofftheorie" 
kommt  die  Narkose  dadurch  zustande,  daß  der  Sauerstoff  im  Ge- 
hirn von  dem  Narkotikum  mit  Beschlag  gelegt  wird;  hierdurch 
kommt  es  zu  temporĂ€rer  Erstickung.  Man  muß  also  die  Narkose 
erleichtern  können,  indem  man  die  Menge  des  Sauerstoffes  in  den 
Gehirnzellen  vermindert.  Das  kann  man  bewirken  dadurch,  daß 
man  eine  relative.  GehirnanĂ€mie  erzeugt,  oder  daß  man  den  Sauer- 
stoffgehalt des  Blutes  verringert.  Letzteres  sucht  Verfasser 
durch  Zusatz  von  Amylnitrit  zum  Narkotikum  zu  erreichen.  Den 
die  Herzarbeit  verschlechternden  Einfluß  des  Amylnitrits  —  der 
Blutdruck  sinkt,  Puls-  und  Respirationsfrequenz  nehmen  zu  — 
schaltet  Verf.  durch  Verbindung  desselben  mit  Kohlenoxyd  aus. 
Besser  als  das  Chloroform-Amylnitrit-Gemisch  eignet  sich  die 
Aether-Amylnitrit-Mischung,  bei  der  auf  1000  Teile  Aether  6  Teile 
Amylnitrit  kommen.  Die  Vorteile  der  Mischnarkose  vor  der  ein- 
fachen Aethernarkose  sind:  Es  fehlt  das  Excitationsstadium  fast 
ganz;  das  analgetische  Stadium  erfolgt  sehr  frĂŒh;  nach  Aufhören 
der  Narkose  tritt  fast  sofort  das  Bewußtsein  wieder  auf;  ĂŒble 
Nachwirkungen  (Erbrechen  usw.)  sind  nicht  beobachtet;  es  kommt 
nicht  zu  Bronchitiden  und  Pneumonien;  Albuminurie  nach  der 
Narkose  konnte  nie  festgestellt  werden.  —  Das  Verfahren  ist  an 
etwa  100  Kranken  bisher  geĂŒbt  worden. 

6.  MĂ€rz  1922,  8,  Heft  0 

Trennung  einer  Hufersenniere.    v  a  n  Hunt  u  m.  165. 
Spaltung  einer  Hufeisenniere,     de   Grouf.  170. 
Nephrektomie  bei  Harnreteution.    Haslinger.  178. 
Resultate  der  Zystektomie.    Deilfino.  177. 

❖Octrennte      Xierenharnuntoisurhung      bei       paranepb.ritiscb.er  Eiterung. 
B  o  e  m  i  n  g  h  a-u  s.  180. 
Baoichspaltenbileiiung,   G  ruber   und  Emmy    Best.  190. 
Perinephritis  serosa.     Neck  e  r  .   F.  204. 

Ueber  den  Wert  der  getrennten  Nierenharnuntersuchung  bei 
paranephritischer  Eiterung.  Verf.  fordert  zur  KlÀrung  aller  FÀlle 
von  paranephritischem  Abszeß  eine  genaue  Untersuchung  des  aus 
jeder  Niere  durch  Ureterkatheterismus  gewonnenen  Urins.  Die 
Untersuchung  des  Blasenharns  ist  unzureichend;  der  positive  Ei- 
weißgehalt besagt  nichts  fĂŒr  eine  Mitbeteiligung  der  Niere:  es 
kann  sich  z.  B.  um  eine  febrile  Albuminurie  handeln.  Der  negative 
Befund  spricht  durchaus  nicht  immer  fĂŒr  eine  Intaktheit  beider 
Nieren;  auf  der  erkrankten  Seite  kann  es  sich  um  eine  Steinein- 
klemmung im  Ureter,  eine  intermittierende  Hydronephrose  o.  À. 
handeln.  —  Bei  den  metastatischen  paranephritischen  Abszessen 
wird  im  allgemeinen  der  Urinbefund  normal  sein.  Bei  den  pri- 
mÀren Nierenrindenabszessen  mit  sekundÀrem  Kapseldurchbruch 
dagegen  finden  wir  meist  pathologische  Harnbeimengungen.  —  An 
einer  Reihe  von  Krankengeschichten  werden  die  unangenehmen 
Folgen  der  Unterlassung  der  genauen  Urinuntersuchung  demon- 
striert. K.  Wohlgemut  h  (Berlin!. 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

11.  MĂ€rz  1922,  46,  Nr.  11 

Die  Arbeitsteilung  im  Eierstock.    Guggisberg,  H.  402. 
'{‱Vorderer  oder  hinterer  zervikaler  Kaiserschnitt.     P  oIl.no.  0.  40". 
❖Blutgerinnung  bei  Röntgentiefentherapie.  Henkel.  M.  und  G  u  e  f  f  r  o  r  . 
H.  409. 

❖Beitrag  zur   Aetiologie   und   Therapie   der  ExtrauteringraviditĂ€t.     \.  Oef- 
fingen. K.  413. 
Beitrag  zur  Kalktherapic  mit  Caleoim.     Langes.  E.  420. 

❖  Die   Sebwellenreiztberapie     bei     der   Behandlung    des    fieberhaften  VbortuS. 

X  n  Q  bÀum,   W.  424. 

Vorderer  oder  hinterer  zervikaler  Kaiserschnitt.  P  o  1  a  n  o 
empfiehlt  den  hinteren  zervikalen  Kaiserschnitt  fĂŒr  diejenigen 
f  Àlle,  bei  denen  irgendwelche  extrauterine,  im  kleinen  Becken 
eingekeilte  GeschwĂŒlste,  in  erster  Linie  also  eingeklemmte  Ova- 
rialtumoren das  Gebui  tshindernis  bilden.    Es  ist  dies  der  ein- 


fachste Weg,  um  in  einer  Sitzung  Entbindung  und  Entfernung  der 
Geschwulst  durchzufĂŒhren,  wobei  von  Fall  zu  Fall  zu  entscheiden 
ist,  in  welcher  Reihenfolge  am  besten  vorzugehen  ist.  In  der 
Regel  dĂŒrfte  es  sich  empfehlen,  zunĂ€chst  den  Kaiserschnitt  auszu- 
fĂŒhren, und  daran  die  Exstirpation  des  Tumors  anzuschließen. 

Blutgerinnung  bei  Röntgentiefentherapie.  Untersuchungen 
ĂŒber  die  Einwirkung  der  Röntgentiefentherapie  auf  die  Blut- 
gerinnung und  auf  die  weißen  Blutkörperchen  fĂŒhrten  zu  folgen- 
den Ergebnissen:  Irgendwelche  verwertbare  VerkĂŒrzung  oder 
VerlĂ€ngerung  der  Blutgerinnungszeiten  gegenĂŒber  den  als  normal 
erkannten  Werten  konnten  nicht  beobachtet  werden.  Ebensowenig 
konnten  VerÀnderungen  der  Leukozyten,  die  als  RöntgenschÀdi- 
gung angesehen  werden  könnten,  also  FormverÀnderungen,  De- 
generatiohserscheinungen  oder  Zerfall,  oder  Kernverschiebungen 
festgestellt  werden.  Der  Leukozyten-Abfall,  bezw.  eine  Vermeh- 
rung derselben  nach  der  Bestrahlung  steht  in  keinem  nachweis- 
baren Zusammenhang  mit  der  Blutgerinnung. 

Beitrag  zur  Aetiologie  und  Therapie  der  ExtrauteringraviditÀt. 

Durch  Bearbeitung  des  Materials  der  Heidelberger  UniversitÀts- 
Frauenklinik  versuchte  Verfasser  neue  Gesichtspunkte  in  beiden 
Fragen  zu  gewinnen.  Auf  die  Frage  nach  der  Aetiologie  der  vor- 
zeitigen Eiimplantation  kann  er  jedoch  keine  klare  und  gut  be- 
grĂŒndete Antwort  geben.  FĂŒr  die  Behandlung  gibt  er  folgende 
Richtlinien:  Ein  starres  Schema  in  dem  Sinne:  Tubenabort-konser 
vative  Behandlung,  Tubenruplur-Operation  ist  nicht  angebracht, 
Im  allgemeinen  neigt  Verf.  mehr  der  operativen  Behandlung  zu. 
Außer  den  FĂ€llen,  bei  denen  eine  Verjauchung  der  HĂ€matokele 
eintrat,  mußte  eine  grĂ¶ĂŸere  Anzahl  (etwa  20  %)  von  zunĂ€chst  kon- 
servativ behandelten  FĂ€llen  wegen  profuser  Blutung  doch  ope- 
riert werden.  Eine  wichtige  Rolle  spielt  auch  der  Umstand,  daß 
ein  großer  Teil  der  konservativ  behandelten  Kranken  (etwa  46%) 
noch  lange  Zeit  ĂŒber  wesentliche  Beschwerden  klagte;  es  scheint 
dies  dafĂŒr  zu  sprechen,  daß  nach  Resorption  der  HĂ€matokole 
hĂ€ufig  schmerzhafte  Verwachsungen  und  Schwielen  zurĂŒckbleiben. 
Bei  der  Operation  selbst  ist  Verf.  fĂŒr  eine  grĂŒndliche  Entfernung 
des  in  die  Bauchhöhle  ergossenen  Blutes  und  empfiehlt  bei  schwe<- 
anÀmischen  Patienten  die  von  Thies  angeregte  Eigenbluttrans- 
fusion,  mit  der  ĂŒberraschend  gute  Erfolge  erzielt  wurden.  Was 
die  2.  Tube  anlangt,  sofern  dieselbe  suspekt  ist,  so  rÀt  Verf.  sie 
hei  jungen  Patientinnen,  die  unbedingt  die  Möglichkeit  noch 
haben  wollen  auszutragen,  zu  belassen,  bei  Àlteren  Frauen  mit 
grĂ¶ĂŸerer  Kinderzahl  dagegen  mitzuentfernen.  In  manchen  FĂ€llen 
kann  man  die  Salpingostomie  ausfĂŒhren,  mit  der  unter  UmstĂ€nden 
schöne  Resultate  zu  erzielen  sind. 

Die  Schwellenreiztherapie  bei  der  Behandlung  des  fieber- 
haften Aborts.  Ausgedehnte  Untersuchungen  an  der  Abel'schen 
Privat-Frauenklinik  haben  gezeigt,  daß  diejenigen  FĂ€lle  einen 
gĂŒnstigen  Ausgang  hatten,  bei  denen  das  Fieber  nicht  lĂ€nger  als 
2 — ;!  Tage  vor  oder  nach  der  AusrĂ€umung  bestand;  dagegen 
nahmen  FÀlle,  die  lÀnger  als  2%  Tage  vor  und  nach  der  Aus- 
rÀumung fieberten  einen  dubiösen  Verlauf.  Es  ergibt  sich  hieraus 
die  Forderung,  daß  eine  Allgemeinbehandlung  auf  jeden  Fall  schon 
bei  Beginn  des  Fiebers  einzusetzen  hat.  Eine  Grundlage  fĂŒr  die 
rationelle  Behandlung  bietet  die  Bier-Zimmer'sche  Schwellenreiz- 
therapie. An  der  Abel'schen  Klinik  wurden  mit  Injektionen  von 
Yatren-Kasein  gĂŒnstige  Erfolge  erzielt.  Verf.  kommt  zu  folgen- 
den therapeutischen  SchlußsĂ€tzen: 

..1.  FĂ€llt  das  Fieber  nach  Yatren-Kasein-Injektionen,  so  ist 
der  Organismus  in  seiner  LeistungsfÀhigkeit  maximal  aktiviert, 
so  daß  er  Herr  der  Infektion  wird. 

2.  Steigt  das  Fieber  nach  Yatren-Kasein-Injektionen,  so  ist 
noch  nicht  die  Optimumdosis  gegeben. 

3.  Steigl  es  auch  weiterhin  nach  mehreren  Yatren-Kasein- 
Injektionen,  so  war  von  vornherein  der  Organismus  so  resistenz- 
unfĂ€hig, daß  seine  Zelleistung  nicht  mehr  aktiviert  werden 
konnte. 

4.  Je  lÀnger  das  Fieber  erst  besteht,  um  so  mehr  also  der 
Organismus  in  seiner  ReaktionsfÀhigkeit  geschwÀcht  ist,  um  so 
leichter  ist  es,  mit  kleineren  Dosen  (1—2  cem  Yatren-Kasein 
schwach)  Herdreaklionen  zu  erzielen. 

5.  Je  kĂŒrzer  das  Fieber  erst  besteht,  je  höher  also  die  Zell- 
leistung ist,  eine  um  so  grĂ¶ĂŸere  Dosis  (5  cem  Yatren-Kasein  stark) 
ist  erforderlich,  um  in  diesem  akuten  Stadium  dies  Maximum  der 
Zelleistung  zu  erreichen." 

Verf.  empfiehlt  demgemĂ€ĂŸ  folgende  Dosierung:  Besteht  das 
Fieber  weniger  als  2y2  Tage,  einmalige  Injektion  von  5  cera 
Yatren-Kasein  (stark),  dann  jeden  2.  Tag  2  cem  Y.-K.  (stark1)  bis 
zur  Entfieberung. 

Bei  lÀnger  als  2y>  Tage  dauerndem  Fieber  dagegen  jeden 
2.  Tag  2  cem  Y.-K.  (stark)  bis  zum  Eintritt  des  Fieberabfalls,  .dann 
jeden  2.  Tag  1  cem  Y.-K.  ''stark i  oder  2  cem  Y.-K.  (schwach)  bis 
zur  Entfieberung  Speyer  (BerlinV 


ib.  Jahrg.     Nr.  18/10. 


A  u  s   (I  e  ii    n  e  ii  <‱  s  I  <■  ii   Zella  c  h  r  i  f  I  e  n 


Zeitschrift  fĂŒr  Hygiene  und  Infektionskrankheiten,  Berlin. 

20.  Miuv.  1022,  5)5.  Heft  3. 

‱M  nti'i'MM'liĂŒiincn   ĂŒber  die   filr   Variola   und    Vaccine  spezifischen  Ziellver. 
ttnderungen,    (i  Ins,  II.   \.  296. 
^Qebifl  und  Verdauung.    8  o  h  ii  (  /.    V.  279. 
Boilehuugeu  KwlsPlvcii   Virulenz  und   VerniehruiinsBesehwIndlgkell   der  Et- 
reger.    Doer,  R.  und  Bcrger,  ĂŒ.  319. 

Diu   Wachstum    von   TuhcrkelbazllHen    in   ciclotterlialtlgeii    flĂŒssigen  NĂ€hr- 

böden.    B  o  p  c  k  e  r  .  E.  341. 
Zur  Hi* ii i' t «* i  1  u drir   Wasserversorgungen  ans  der   Nahe  Friedhöfen. 

Schmidt,   1..  347. 

Die  Beziehungen  des  Bac.  melitcnsls  (Bruce)  /um  Bac.  abortus  iiifeet.  bovuin 
ifiang).    S  u  :i  r  i  e,  .1.  358. 

Zur  PrĂ€ge  der  Vi-rĂŒnderlichkcit   von   Vibrionen.     Platz,  ('.  36ö. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  fĂŒr  Variola  und  Vaccine  spezifischen 
ZellverĂ€nderungen.  N  eil,  deutet  die  von  ihm  an  ĂŒberreichem 
Material  erhobenen  Befunde  in  dem  Sinne,  dal!  die  Guarnieri- 
körperchen  weder  Bestandteile  des  Zellkerns  noch  des  Proto- 
plasmas sind,  sondern  als  seihstÀndige,  zellfremde  Gebilde 
angesehen  werden  mĂŒssen,  die  nicht  nur  innerhall)  der  Zeilen, 
sondern  auch  zwischen  den  Epithelzellen  der  Kaninchenhornhaut 
angetroffen  werden,  hier  allerdings  nur  hei  junger  Infektion. 
Weiterhin  hĂ€lt  er  es  fĂŒr  höchst  wahrscheinlich,  daß  die  Guarnieri- 
korperchen  eine  charakteristische  Form  in  der  Entwickelung  des 
Variola-  und  Vaccinevirus  darstellen.  Das  Verhalten  dieses  Virus 
im  HornhaĂŒtepithel  ĂŒberhaupt  stellt  Verf.  sich  folgendermaßen 
vor: 

1.  Eindringen  des  Virus  in  die  Epithelzelle  und  Einwanderung 
in  den  Zellkern.  Die  von  v.  Provazek  gefundenen  Inilial- 
körperchen  stellen  vielleicht  das  .auf  der  Wanderung  durch 
das  Protoplasma  befindliche  Virus  dar. 

2.  Entwicklung  des  Virus  im   Kern  zu    einer    dicken  Masse 
grĂ¶ĂŸerer  Körperchen,  die  den  ganzen  Kern  ausfĂŒllen. 
Heraustreten    der    Körperchen    aus    dem    Kern,  weiteres 
Wachstum  in  der  allmÀhlich   verschwindenden  Epilhelzelle 
(„Strahlzelle"),    Auswanderung    zwischen    die  Epitheiien 

i  exlrazellulÀre  Form  der  Variola- Vaccinekörperehen). 

I.  Eindringen  der  Körpercheni  in  das  Protoplasma  der  Epithel- 
zellen (typisches  Guarnierikörperchen). 

.").  Reifung  innerhalb  der  Zelle  und  Zerfall  in  ElementÀrkörper- 
chen  (Paschensche  Körperchen:,  die  dann  in  großen  Massen 
aus  den  zerstörten  Epithelzellen  austreten,  oder 

6.  allmÀhliche  Resorption  in  der  nicht  durch  den  Parasiten  zer- 
störten Zelle. 

Als  besonders  wichtig  fĂŒhrt  der  Verf.  auf  Grund  seiner  histo- 
logischen Untersuchungen  folgendes  Moment  an: 

Der  positive  Ausfall  des  Paul'schen  Versuchs  (Kofneaimpfung 
mit  pockenverdÀchtigem  Material  bei  Kaninchen)  sichert  die  Dia- 
gnose. Weniger  erfahrene  Untersucher  sollen  aber  in  jedem  Falle 
die  histologische  Untersuchung  anschließen,  um  die  Diagnose  zu 
sichern.  Bei  zweifelhaftem  Ausfall  des  Paul'schen  Versuches  isi 
aber  in  jedem  Falle  die  histologische  Untersuchung  durchzufĂŒhren, 
bei  welcher  außer  den  Guarnierjkörperchen  auch  die  extrazell« 
lĂ€ren  Gebilde  und  die  „Strahlzellen"  zu  verwerten  sind. 

Besonders  von  den  eigenartigen  „Strahlzellen",  von  denen 
Zeichnungen  und  Mikrophotogramme  der  Arbeil  beigegeben  sind, 
gibt  Verf.  an,  daß  auf  Grund  seiner  Erfahrungen  der  Nachweis 
einer  einzigen  derartigen  Zelle  die  Diagnose  sichern  dĂŒrfte 

Gebiß  und  Verdauung.  Die  umfassenden  Versuche  des  Verf. 
zeigten,  daß  durch  ein  schlechtes  GebiE  das  Kauvermögen,  die  Zer- 
kleinerung der  Speisen  wesentlich  beeintrÀchtigt  wird.  Die  Be- 
eintrÀchtigung des  Kauvermögens  gehl  parallel  mit  dem  Grade  der 
UnvollstÀndigkeil  des  Gebisses.  Der  Werl  jedes  einzelnen  zum 
Kauen  benutzten  Zahnes  set/.l  sieh  aus  2  Komponenten  zusammen 
erstens  der  GrĂ¶ĂŸe  seiner  KnuflĂ€chc  und  zweitens  seiner  Stellung 
in  der  Zahnreihe,  d.  h.  der  Kraft,  mit  der  er  gegen  seinen  Anta- 
gonisten gefĂŒhrt  wird.  Die  GrĂ¶ĂŸe  der  KauflĂ€che  ist  fĂŒr  den  Kau- 
.werl  von  ausschlaggebender  Bedeutung,  der  Kaudruck  kann  unter 
sonst  normalen  Bedingungen  nur  eine  kleine  Korrektur  dieses 
Wertes  bedingen.  Die  Ergebnisse  der  Ausnutzungsversuche  stehen 
in  auffallendem  Gegensatz  zu  den  Resultaten  der  Zerkleinerungs- 
versuche.  Die  BeeintrĂ€chtigung  der  Ausnutzung  lĂ€ĂŸt  sich  bei 
mangelhaftem  Gebiß  zwar  auch  nachweisen,  doch  ist  sie  sehr  ge- 
ring, so  gering,  daß  sie  an  sich  nicht  imstande  ist,  den  hĂ€ufig 
minderwertigen  ErnÀhrungszustand  von  Personen  mit  schlechtem 
Gebiß  zu  erklĂ€ren.  Der  Darm  scheint  sieh  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  schnell 
an  die  Ausnutzung  auch  schlecht  zerkleinerter  Nahrung  gewöhnen 
zu  können.  Bedeutung  kommt  auch  der  HilfstÀtigkeit  von  Zunge. 
Gaumen  und  Wangen  bei  der  Zerkleinerung  der  Speisen  zu.  Die 
hierzu  erforderliche  lĂ€ngere  Zeildauer,  die  erforderliehe  grĂ¶ĂŸere 
Aufmerksamkeit  des  Essenden  bedingen  ein  schnelleres  SĂ€ltigungs 
gcl'ĂŒhl  und  hĂ€ufig  FnluslgefĂŒhle.  wodurch  die  Nahrungsaufnahme 
unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  klein   gehalten   wird.     Verf.   kotnml   zu  dem 


Schluß,  daß  die  Bedeutung  eines  mangelhaften  Gebisses  in  erstci 
Linie  den  vorerwĂ€hnten  psychischen  EinflĂŒssen  zuzuschreiben  ist 

W   W  ei  Sb  a  C  h    Halle  a  S 

Archiv  fĂŒr  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie, 

Leipzig. 

28.  Februar  1922,  »2.  lieft  l  :; 

‱M  dirr  den  Killfhlll  der  SchilddrĂŒse  auf  den  Stoffwechsel  Hill  lnv-imdcn-r  Be- 
rĂŒcksichtigung des  WĂ€rmehaushults.    S  c  Ii  o  n  k.  l 

Uebef  MclaninsÀuren  und  denn  Wirkung  im  Tierfeörper.  Adler  und 
W  I  c  c  n  o  W  s  k  i.  22. 

(jeher  die  Wirkungsweise  des  ‱p-ImidaaolylĂ€thylamin«  (Histamin*. 
Schenk.  84. 

Tetralinharn.    Ii  i>  c  k  e  in  ;i  n  n.  52. 

L'cber  VerÀnderungen]   des  Stoffwechsels    nach   chronischer  Morphiiuufuhr. 

II  i  1  d  c  Ii  r  a  n  3  t  .  v.  88. 
Ueber  den  Wirkungsmechjariismus  betĂ€ubender  G-asei,  dea  SUckoxy&ĂŒls  und 

des,  Azetylens.    W  i  e  1  a  n  d.  96. 
Blutouckerstudiien.    R  o  s  e  n  Ii  e  r  g.  153. 
^Studien  ĂŒber  die  GefĂ€Swirkung  des  Adrenalins  beim  Menschen.    I''  o  i  in  e  t, 

165. 

l'nieirsuchuiiß'en  ĂŒber  dir  Beziehungen  von  (jnllcnabfluU  in  den  Hann  und 
Pankreassckretion.    V  a  1  k  e  n  h  a  u  s  c  ii ,  v.  178. 
❖Zur  Aerologie  der  ChclecithJas  s.    ('‱  i  e  i  I. 

Ueber  den  Einfluß  der  SchilddrĂŒse  auf  den  Stoffwechsel  mit 
besonderer  BerĂŒcksichtigung  des  WĂ€rmehaushalts.  S.  berichtel 
auf  Grund  eigener  Versuche  an  hungernden  Kaninchen  ĂŒber  den 
Einfluß  des  SchilddrĂŒsenhormons  auf  den  Stoffwechsel  und  auf 
die  WĂ€rmeregulation.  Die  VerbrennungsgrĂ¶ĂŸe  des  Körpers 
zeigt  beim  hungernden  Tiere  eine  fortlaufende  Abnahme,  bei 
einem  hungernden  schikldrĂŒsenlosen  Tiere  ist 'der  Stoffwechsel 
nicht  nur  quantitativ  sehr  stark  vermindert,  meist  auch  qualita- 
tiv gÀnzlich  verÀndert.  Wahrscheinlich  infolge  lÀngeren  Vor- 
ballens der  Eiweißreserven  wirkt  die  Thyrektomie  lebensver- 
lĂ€ngernd. Der  sparsame  Eiweißumsatz  vermindert  auch  die 
prĂ€mortale  Eiweißzersetzung.  Umgekehrt  ruft  die  Einverleibung 
von  SchilddrĂŒsensekret  —  wahrscheinlich  ein  liefabgebautes  Ei- 
weiß von  der  Art  der  proteinogenen  Amine  oder  ein  Derival 
derselben  .eine    Steigerung  der   VerbrennungsvorgÀnge  im 

drĂŒsenlosen  Tiere  hervor,  wobei  der  .lodgehall  fraglos  eine  ge- 
wisse Rolle  spielt. 

Zu  den  Versuchen  wurde  das  eiweiß-  und  fast  jodfreie 
Thyreoglandol  der  chemischen  Werke  in  Grenznach  verwendet. 

Bei  einem  hungernden  Normalliere  tritt  meist  keine  Stoff- 
wechselsleigerung  ein.  vereinzelt  nur  eine  Erhöhung  der  N-Aus- 
scheidung,  beim  schilddrĂŒsenlosen  Tiere  stiegen  fĂŒr  die  Dauer 
von  elwa  3  Stunden  die  KohlensÀure-  und  Stick stoff ausscheidung 
sowie  der  respiratorische  Quotient. 

Die  SchilddrĂŒse  hat  aber  auch  nachweislichen  Einfluß  auf 
den  WĂ€rmehaushall.  Die  vom  WĂ€rmezenlrum  ausgehende  Er- 
regung der  aus  den  obersten  Dorsal  wurzeln  kommenden  Hals- 
sympathikusfasern  haben  durch  die  Ganglia  stellata  einen  star- 
ken trophischen  und  sekretorischen  Einfluß  auf  die  SchilddrĂŒse 
und  geben  wohl  sicher  auch  wÀrmeregula lorische  Impulse  an 
diese  ab.  Vollkommene  Entfernung  der  SchilddrĂŒse  verursacht 
bei  Hund  und  Katze  eine  sehr  schwere  SchÀdigung  der  WÀrme- 
regulation. 

Wenn  S.  die  Versuchstiere  durch  Aelherbegießung  des 
Bauches  plötzlich  abkĂŒhlte,  so  trat  eine  mehrere  Stunden  anhal- 
tende, starke  Vermehrung  der  COvAusscheidung  und  (^-Auf- 
nahme ein,  die  er  auf  gesteigerte  Hormonenbildung  —  nament- 
lich der  SchilddrĂŒse  zurĂŒckfĂŒhrt.  Das  Serum  eines  abge- 
kĂŒhlten Tieres  Wieb  bei  einem  anderen  normalen  Tiere  wir- 
kungslos, verursachte  aber  erhebliche  Stoflwechselsleigerung  bei 
einem  thyrektomierten  EmpfĂ€nger;  Serum  eines  abgekĂŒhlten 
schilddrĂŒsenlosen  Tieres  wirkte  auf  ein  zweites  schilddrĂŒsen- 
loses Tier  nicht  stoffwechselsteigernd.  Damit  ist  der  Einfluß 
des  SchilddrĂŒsenhormons  auf  die  WĂ€rmeregulation  bewiesen. 

Studien  ĂŒber  die  GefĂ€ĂŸwirkung  des  Adrenalins  beim 
Menschen.  F.  geht  von  den  Feststellungen  Csepai's  aus,  die  be- 
wiesen haben,  daß  durch  subkutane  Anwendung  von  Adrenalin 
nur  die  scheinbare  Adrenalinempfindlichkeit  bestimmt  werden 
kann,  wÀhrend  die  wahre  Adrenalinempfindlichkeil  nur  durch 
Vermeidung  der  Resorption  mittelst ■  intravenöser  Anwendung  zu 
erhallen  ist. 

Die  Ergebnisse  der  Tierversuche  von  S  I  v  a  u  b - Ri  1  /.  m  a  n  n 
und  Kr  et  schmer,  daß  91  Prozent  des  subkutan  gegebenen 
Adrenalins  zerstört  bezw.  oxydiert  werden  und  nur  (i  Prozenl 
desselben  zur  Wirkung  gelangen,  scheinen  fĂŒr  den  menschlichen 
Organismus  nicht  zu  gellen. 

F.   hat    an   demselben    Menschen    .Serienversuche   mil  intra- 
venösen Adrenalingaben  von  0,01   0,07  mg  und  subkutanen  Adre 
nalingaben  von  0,66  mg  gemacht.    Der  Blutdruck  wurde  vor  der 


368 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40 


Jahrg.  —  Nr.  18  19. 


Injektion  und  2,  5.  10,  20,  30  Minuten  nachher  gemessen.  Die 
subkutan  angewandte  Menge  "hat  nun  etwa  die- siebenfache  Wir- 
kung ausgeĂŒbt,  so  daß  nicht  6  Prozent,  sondern  mindestens  42 
Prozent  zur  Wirkung  gelangt  sein  mußten.  Daß  das  Adrenalin 
bei  intravenöser  Einverleibung  im  Blute  nicht  zerstört  wird,  be- 
weis! F.,  indem  er  nach  intravenöser  Adrenalin-Injektion  einmal 
die  venöse  Stauung  löst,  ein  zweites  Mal  in  arterielle  (totale^ 
AbsclmĂŒrung  umwandelt. 

Ferner  wurden  ohne  Ligatur  und  bei  vollstÀndiger  Ligatur 
des  Armes  subkutane  Adrenalin-Injektionen  gegeben.  WĂ€hrend 
der  Ligatur  keine  Wirkung.  Nach  20  Minuten  Lösung  der  Liga- 
lur.  sofort  Herzklopfen  und .  rascher  Blutdruckanstieg.  Das 
Adrenalin  war  also  wÀhrend  der  20  Minuten  dauernden  Ab- 
schnĂŒrung im  subkutanen  Gewebe  nicht  zerstört,  sondern  lang- 
sam resorbiert  worden.  Beim  Lösen  der  AbschnĂŒrung  kommen 
verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  betrĂ€chtliche  Adrenalinmengen  auf  einmal  zur 
stĂŒrmischen  Wirkung. 

Diese  Reaktion,  namentlich  die  BlĂŒtdrucksteigerung,  konnte 
wesentlich  erhöht  werden,  wenn  das  Unterhautzellgewebe  durch 
WÀrme  hyperÀmisiert  war,  sie  wurde  dagegen  durch  örtliche 
KÀlteeinwirkung  abgeschwÀcht.  In  den  durch  WÀrme  erwei- 
terten Kapillaren  scheint  also  das  Adrenalin  rascher  aufgesaugt 
zu  werden. 

Zur  Aetiologie  der  Cholelithiasis.  Unter  386  gallenstein- 
operierten Patienten  der  Heidelberger  chirurgischen  Klinik  waren 
340  Frauen.  90  Prozent  von  ihnen  fĂŒhrten  ihr  Leiden  auf  die 
Schwangerschaft  zurĂŒck.  Blutanalysen  (H  e  r  m  a  n  n,  N  e  u  - 
in  a  im)  haben  ergeben,  daß  sich  der  Cholesterinester  Spiegel  der 
1  lochgraviden  :  Virgo  :  Neugeborener  wie  0,9708  g  :  0,7555  g  : 
0,1113  g  pro  1  kg  Blut  =  20,1  %  :  15,8  %  :  5,2  %  der  Gesaml- 
Lipoidmenge  verhÀlt. 

Diese  individuell  verschiedene  relative  und  absolute  Er- 
höhung des  Choleslerinster-Spiegels  des  Schwangerenblulcs  ist 
einerseits  von  terminalen  Bedingungen  (Cholesterinf  ettsÀure- 
csler-Produktion  in  den  plazentaren  ZottenepithelauswĂŒchsen  und 
Bersten  der  in  der  OberflÀchenlage  der  Morula  auftretenden 
Trophoplasma-Vakuolen  mit  hochviskösem  Protein-Glykopi  oteid- 
tnhalte),  andererseits  von  exogenen  Bedingungen  (ErnÀhrung) 
abhÀngig.  Durch  HÀmolyse  an  der  klebrigen  OberflÀche  des 
l'lazentazotlenepithels  und  im  weiten  Berieselungssysteme  der 
Leber  wird  im  strömenden  Blute  das  nicht  veresterte  Cholesterin 
frei. 

Die  puerperale  Cholelithiasis  „wird  abgesehen  von  den 
regulĂ€ren  Ucberschußeffeklen  —  vor  allem  durch  das  postportale 
Einströmen  des  toxischen  kolloidreichen  und  wÀhrend  der 
Schwangerschaft  unter  enormem  Blutdrucke  in  die  Interstitiell 
gepreßten  eiweißreichen  Plasmas  gefördert". 

Die  Eindickung  der  Galle  ■  und  die  lithoblastische  (entzĂŒnd- 
liche) VerÀnderung  der  Gallenblasenschleimhaut  (N  a  u  n  y  n) 
sind  die  Bedingungen  zur  Entstehung  der  Gallensteine. 

Zur  Prophylaxe  der  Leberaffektion  der  Graviden,  die  der 
Autor  wohl  als  Schwangerschaftstoxikose  auffaßt,  empfiehlt  er: 

1.  Salzarme,  vorwiegend  laktovegetabilische  Kost;  bei  Gly- 
kÀmie  Kohlehydratkur. 

2.  Diaphoretika,    Diuretika    und    Anregung    der  Kolostrum 
Produktion   durch   Auspumpen   des  toxischen  Kolostrums. 

3.  Konsolidierung  der  Membrankolloide  durch  Ca-Zufuhr 
(Ca Clg  6  g,  Syr.  20  g,  Aqu.  100  g  als  Tagesdosis). 

t.  EinschrÀnkung  der  Hydratationseffekte  der  Kolloide  durch 
EinfĂŒhrung  konkurrierender  Ionen  (MgSO-,-In  jektionen. 
25  Prozent  10  ccm). 

5.  Blutserum-Injektionen  (Mensch  oder  Pferd). 

6.  Aderlaß  bis  K  der  Blutmenge  mit  nachfolgender  Infusion 
Locke'scher  Lösung. 

7.  Bei  drohender  Ausflockung  eine  Jodkali-Infusion  nach 
Persson. 

Die  Einzelheiten  sind  in  der  Originalabhandlung  nachzulesen. 

L  ö  w  (Döberitz  . 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

2.  Marz  1922.  52.  Nr.  9. 

‱SrGynĂ€kolug  e   und    Ulgemeinerkraukiing.    W  a  I  t  Ii  a  i  d  .   M.  :mt. 

Zusammenfassende  Betrachtung  des  heutigen  Standes  der  Vrtatqin-frage  in 
theoretischer   und    praktischer    Hinsicht.     R  o  t  b  1  i  n  .    E.     lM 9 

<$>Das  Verhalten  des  Serumproteins  nach  Seruminjektionen;  B  e  r  g  e  r,  W.  22f.. 

Zum  Mechanismus  des  Scfieidenab'risses  und  der"  t'terusrnptur.    S  c  Ii  n  v  - 

d  e  r  .  R.  228. 

GynÀkologie  und  Allgemeinerkrankung.  Verf.  untersucht  die 
Krage,  weshalb,  von  Aerzten  und  insbesondere  von  Laien  immer 
und  immer  wieder  die  Ursache  fĂŒr  die  zahlreichen  Störungen 
im  weiblichen   Körper  in  die  Genitalorgane  verlegt   wird  Nie- 


mand denkt  daran,  die  Ursache  fĂŒr  gleichartige  Störungen  im 
Allgemeinbefinden  vor  der  PubertÀtszeit  oder  bei  der  Frau  nach 
der  Klimax  in  ihren  Genitalorganen  zu  suchen,  nur  bei  der  ge- 
schlechtsreifen  Frau  wird  davon  gesprochen.  Wir  wissen,  daß 
viel  davon  abhÀngt,  wie  eine  Frau  auf  die  Sekrete  ihrer  Gorpora 
lutea  reagiert.  Die  Verschiedenartigkeit  dieser  Reaktion  ist 
allein  durch  die  Konstitution  bedingt.  Aehnlich  wie  bei  den 
subjektiv  verschiedenen  Störungen  vor  und  wÀhrend  der  Men- 
struation liegen  die  VerhÀltnisse  bei  der  Schwangerschaft.  Gerade 
das  Nervensystem  lehrt,  wie  außerordentlich  verschieden  sieh 
die  einzelnen  Individuen  gegenĂŒber  den  bei  der  Schwangerschaft 
in  den  mĂŒtterlichen  Kreislauf  eindringenden  Stoffen  aus  dem  be- 
fruchteten Ei  verhalten,  je  nachdem  es  dem  Organismus  der 
schwangeren  Frau  gelingt,  diese  Stoffe  zu  entgiften.  Auch  hier 
sind  wir  zur  ErklÀrung  auf  Konstitutions-Anomalien  angewiesen. 
Daß  GrĂ¶ĂŸenunterschiede  der  Ovarien,  LageverĂ€nderungen  der 
GebĂ€rmutter  in  ihrer  klinischen  Bedeutung  ĂŒberwertet  und  dem- 
entsprechend behandelt  wurden,  hat  man  heut  lÀngst  eingesehen. 
Unsere  Erkenntnis  ist  noch  weiter  fortgeschritten.  Das  reifend' 
Ei  der  geschlechtsreifen  Frau  ist  einem  feinsten  Seismometer  ver- 
gleichbar, das  auf  die  entferntesten  Beben  im  körperlichen  und 
seelischen  Leben  der  Frau  reagiert.  Diese  Reaktion  Ă€ußert  sich 
nachtrÀglich  in  Abweichungen  des  Menstruationsvorganges.  Es 
gibt  Reize,  die  die  Eireifung  beschleunigen  —  das  fĂŒhrt  zu  Poly- 
menorrhoe. Erschöpfen  gleichartige  Reize  dauernd  den  Körper, 
so  reift  das  Ei  nicht  mehr,  es  kommt  zur  Amenorrhoe.  Da 
gleichartige  Störungen  auch  durch  Krankheiten  der  Genital- 
organe hervorgerufen  werden,  so  ist  es  Aufgabe  des  Arztes,  zu- 
nÀchst nach  solchen  zu  forschen.  Findet  er  keine  materiellen 
VerÀnderungen  am  Genitalorgan,  so  hat  er  die  Ursache  der  Er- 
krankung extragenital  zu  suchen.  DafĂŒr  einige  Beispiele:  Blei- 
vergiftung fĂŒhrt  im  Anfangsstadium  zu  vorzeitiger  Menstruation, 
spÀter  zum  Ausfall  derselben.  Gleiche  Beobachtungen  macht  man 
bei  Frauen,  die  dem  chronischen  Aethergenuß  oder  dem  CocĂ€inis- 
mus  fröhnen.  Beginnende  Störungen  im  kleinen  Kreislauf  mit 
ihren  Folgen  fĂŒr  die  CO.,-Spannung  im  strömenden  Blute  fĂŒhren, 
im  Beginn  der  Störung  zum  vorzeitigen  Eintritt  der  Menstru- 
ation. Im  Siechtum  bleibt  die  Regel  aus.  Gleiches  sehen  wir  im 
Anfang-  und  Endstadium  der  Tuberkulose  und  im  Anfang  und 
Endstadium  der  Erkrankung  der  endokrinen  DrĂŒsen.  Wird  die 
Basedowsche  Krankheit,  nachdem  Amenorrhoe  eingetreten  war. 
geheilt,  so  kehrt  die  normale  Menstruation  wieder. 

Quantitative  und  qualitative  ErnÀhrungsstörungen  rufen 
gleiche  Störungen  in  den  Funktionen  der  Genitalorgane  hervor. 
Auch  aus  psychogener  Ursache  entstehen  funktionelle  Störungen 
im  weiblichen  Genitale. 

Aus  dem  Mitgeteilten  geht  hervor,  daß  heut  die  alte  Auffas- 
sung von  der  ursÀchlichen  AbhÀngigkeit  der  so  zahllosen  nicht 
greifbaren  Störungen  des  weiblichen  Organismus  von  Erkran- 
kungen der  Genitalorgane  abgelehnt  werden  muß,  und  daß  viel- 
mehr umgekehrt  die  Funktionen  der  gesunden  weiblichen  Genital- 
organe in  weilgehendem  Maße  von  Erkrankungen  und  Funk- 
tionsvarietĂ€ten aller  ĂŒbrigen  Körperorgane  beeinflußt  werden. 

Das    Verhalten    des  Serumproteins    nach  Seruminjektionen. 

Aus  der  FĂŒlle  der  bisherigen  Arbeiten  ĂŒber  das  Verhalten  des 
Serumproteins  unter  pathologischen  Bedingungen  geht  hervor, 
daß  der  Proteinbestand  des.  Serums  in  quantitativer  und  quali- 
laliver  Beziehung  variieren  kann.  Das  unmittelbare  Eraebnis 
der  physikalischen  Serumuntersuchungen  bildete  die  Wahr- 
nehmung, daß  nach  Eiweißinjektionen  die  Refraktion  im  Serum 
des  behandelten  Tieres  ansteigt  und  daß  gleichzeitig  eine  ĂŒber 
die  Refraktionserhöhung  hinausgehende  Erhöhung  der  ViscositÀt 
einsetzt.  An  diese  1.  Periode  schließt  sich  eine  2.  an  mit  relativer 
Verminderung  der  ViscositÀt.  Nach  den  Injektionen  steigt  der 
Gesamteiweißgehal!  im  Blut  der  behandelten  Tiere:  insbesondere 
handelt  es  sich  um  eine  Globulinvermehrung.  wogegen  die  Albu- 
niinvermehrung  erst  viel  spÀter  einsetzt.  Zur  ErklÀrung  dieser 
VorgÀnge  zieht  Verf.  die  verschiedenen  bisher  aufgestellten 
Hypothesen  heran. 

Die  praktische  Bedeutung  der  fortlaufenden  qualitativen  und 
quantitativen  Bestimmung  der  Serumproteine  nach  Eiweißinjek- 
lionen  ist  mil  der  ausgedehnten  Anwendung  der  Proteinkörper- 
Ihcrapie  evident  geworden.  Held  (Berlin). 

Xederlandsch  Tijdschrift  voor  Geneeskunde. 

7.  Januar  1922,  1.  Nr.  1. 

‱J*l>ie  diĂ€tetische   Behandlung  des   MagengeschwĂŒrs.     S  c  h  r  i  j  v  e  n  .  J.  10. 

PrimÀres  Karzinom  der  Vagina,    Ense  I  Ii  f  u  ?  ,  3.  H.  .'7. 

Das  Entstehen  des  aufgerichteten" Ganges  in  der  Vorgeschichte  des  Menschen. 
M  i  j  s  b  e  r  g  .   W.  A.  34. 
‱SOiitritoide  Krisen   durch  NposnWarMn.     G  0  e  d  h  »  r  t  .  t'.  42. 


M>.  Jahrg.     Nr.  18/  M» 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


Dir  diĂ€tetische  Behandlung  des  MagengeschwĂŒrs.  Seh  j^ibi 
scmc  eigene  methodische  Kur  an,  die  nicht  genau  dieselbe  Ist, 
wie  die  frĂŒher  durch  Leube  oder  durch  Leu  hart/,  einge 
fĂŒhrte.  Doch  gibt  er  auch  in  den  ersten  Tagen  große  QuantitĂ€ten 
Milch  (3— 3K-  Liter),  die  fast  immer  gut  ertragen  werden.  Ist 
eine  Blutung  eingetreten,  so  erhalten  die  Kranken  1  2  Tage  gar 
nichts  per  os,  nur  per  rectum.  Wenn  die  Blutung  vorĂŒber  isl 
und  die  Schmerzen  vollkommen  nachgelassen  haben  (d.  i.  un- 
gefÀhr nach  einer  Woche),  gibt  er  auch  Milchsuppen.  In  der 
dritten  Woche  werden  leicht  verdauliebe  Speisen  gereicht.  Der 
Kranke  muH  die  erste  Zeit  seiner  Kur  im  Bett  liegen  und  erhall 
bei  Sch/nerzen  warme  BreiumschlÀge  auf  die  Magengegend  oder 
nach  einei  Blutung  eine  flache,  nicht  zu  schwere  Eisblase 

Nitritoide  Krisen  durch  Salvarsan.  Bei  zwei  Patienten,  die 
dieses  Mittel  einige  Male  gut  vertragen  hatten,  trat  wÀhrend  und 
sofort  nach  der  Injektion  von  Neo-Salvai  san  B  39  505  Kongestion, 
Rötung  der  Bindehaute,  Aufschwellung  der  Lippen  und  der 
Augenlider,  Erbrechen  auf.  Der  Zustand  besserte  sich  schnell 
nach  einer  Viertelstunde.  Das  PrÀparat  wurde  genau  unter- 
sucht, war  nicht  verfÀlscht  und  in  seinen  chemischen  Reaktionen 
ganz  normal.  Enneking  (Amsterdam). 

14.  Januar  1922,  1,  Nr.  2. 

\utochtem-   Degenerationsspyehosen.     V  and  er    Tarren'.  J.  17». 

❖  Die  Zukunft  der  internen  Therapie.    W  i  He  m  e  e,  A.  18C. 

l'eher  direkte  Laryngoskopie  bei  Kindern.    U  U  i  t  i  n  g  e  r  E  e.  1  <■  o.  193. 
Die  MandihularanÀsthesie  in  der  Praxis,    d  e  V  r  i  e  B  .  .1    J.  1H7. 

Die  Zukunft  der  internen  Therapie.  Diese  gehl  in  der  Rich- 
tung der  subkutanen  und  intravenösen  Injektionen.  So  bekommt 
man  gute  Erfolge  bei  den  gonorrhoischen  Arthritiden  und  in 
FÀllen  von  Puerperalsepsis  mit  der  intramuskulÀren  Anwendung 
einer  Lösung  von  ol.  Therebinthinae  0,200  in  ol.  Olivarum  1,8 
(im  ganzen  6  Injektionen,  jeden  Tag  eine)  nach  KlingmĂŒller. 
Bei  akutem  Gelenkrheumatismus,  der  nach  Salizylgebrauch  nicht 
ganz  heilt,  soll  man  einen  Versuch  machen  mit  Milchinjektionen 
von  10  cm*.  Enneking  (Amsterdam). 

Hospitalstidende. 

1.  Februar  1922,  Nr.  :>. 

Heber  das  Verkommen  von  Erytrogonie  bei  pernjeiöser  AnÀmie..  Klier- 
m  a  n  n  .  V.  ‱ 

Ueber  die  Anwendbarkeit  der  KapillÀrsteigungsmethode  im  Typhim,  und 
Parnty  phiisdiagnnstik.     K  a  g  gor,  S.  V. 

X.  Februar  1922,  Nr.  <». 

[Teber  die  Anwendbarkeit  der  KapillÀrsteiguugHmcithode  im  Typhus-  und 
l'nratyphusdiagnostik.    (Schluß.)    Bagger,  s.  v. 

I 'eher  eine  Methode  zur  KeinzĂŒchtung  der  Bakterien  von  einer  Zelle  liehst 
dem  Verfahren  zur  direkten  Verfolgung  des  Bakterienwaelistum«  auf 
festen  Substraten.    O  e  r  s  k  n  \ .  ‱ 

15.  Februar  1922,  Nr:  7. 

Uebej  den  EinfluU  der  Bewegungen  an  Temperatur,  besonders  bei  Tuhe.r- 
kulöeen.    (Schluß  folgt. )     W  Ii  r  tz  e  u  und   Holt  e  n. 

18.  MĂ€rz  1922,  Nr.  8. 
Ueber  die  Vacciuebebandlung  hei  Infektion  der  Harnwege.    \\  u  I  ff.  Ove. 

P  o  v  1  Herl  z  (Kopetih  igen  i. 

Ugeskrift  for  Laeger. 

2.  Februar  1922,  Nr.  5. 

❖  Die    Behandlung    der    Scarlatina-Otitis    an     ..BlegdaiiishospitaleC.  Salo- 

m  o  n  sen.  Knud. 

Cihhns  bei  Spondylitis  tuherculosa.     Hertz,  ltoll. 

Ueber  die  Konstruktion  kĂŒnstlicher  Glieder.     X  y  r  o  |i  .  Binar. 

Die  Behandlung  der  Searlatina-Otitie  an  „Blegdamshospitalet". 
Der  Verf.  hat  seit  Mai  1918  als  Otolog  des  Epidemie-Kranken 
hauses  —  bei  50  ScarlĂ€tinapatienten  mit  Otitis  den  Proc.  mastoi- 
deus  ausgemeißelt  mit  sehr  zufriedenstellendem  Erfolg;  er  rĂ€t  zu 
schnellem  Eingreifen  wegen  der  großen  Neigung  zur  Destruktion 
b  i  der  Scarlatina-Otitis.  Po  vi  Merl/  (Kopenhagen) 

9.  Februar  1922,  Nr.  ß. 

❖Untersuchungen    Uber    das    kutane    Blut    (das    sogenannte  Kapiillarblut). 
LĂŒ  n  (I  s  g  u  a  r  d  ,  Chr.  und  Möller,  Eggert. 
Die   Sehutzver;in.st.'iltungen    an    rndiologisehen   Kliniken.     W  i  s  s  i  n  g  .  Ove. 


I  ntersuchungen  ĂŒber  das  kutane  Blut.   Die  Verff,  zeigen,  dall 
das  kutane  Blut  sowohl  in  der  liuhe  als  unter  der  Arbeil  und  so 
wohl  unter  physiologischen    als    anter    pathologischen  Verhall 
Dissen  mit  dem   Arlerienblul   rĂŒcksichtlich  des  Sauerstoffgehall 
identisch   behandelt   werden  kann. 

16.  Februar  1922.  Nr.  7. 

IVhe.r  Standardisierung  der   llaeiiioglohinonii-lri    lind   ihre    Bedeutung   Mir  du- 
Indcix-Bereehnung.     (1  1  a  in  .   II.  <'. 
»»♊Studien  ĂŒber  die  alimentĂ€re  Glykosurie.    Holst.  J,  iv 
Das  BrusthĂŒteheu  bei  der  Behandlung  exeorlenter  Papillen.    II  u  u  e  b. 

Studien  ĂŒber  die  alimentĂ€re  Glykosurie.  Bei  :>1  von  159  Per 
sonen  (davon  14  gesunden  und  115  Patienten  mit  verschiedenen 
Leiden)  wurde  Glykosurie  (im  allgemeinen  schwache  Reaktion, 
in  2  FĂ€llen  doch  ĂŒber  1  %)  nach  zuckerreichen  Mahlzeiten  (sĂŒĂŸen 
Suppen,  FrĂŒchtgrĂŒtzen,  Reisbrei  mit  Zucker)  gefunden.  Die 
meisten  FĂ€lle  von  Glykosurie  wurden  nach  Leiden  an  Pleura, 
rheumatischen  Krankheiten,  Ischias  und  Lumbago- konstatiert.  Der 
Verf.  meint,  daß  eine  mangelhafte  Funktion  des  Kohlehydrat-Stoff- 
wechsels an  der  Glykosurie  schuld  ist,  denn  der  Blutzucker  zeigt 
eine  grĂ¶ĂŸere  Steigung  nach  der  Zuckerzufuhr  bei  den  Glykosurie- 
■  FĂ€llen  als  beim  Durchschnitt  der  normalen. 

Po  vi  Hertz  'Kopenhagen,. 

Acta  Paediatrica,  Uppsala. 

15.  Marz  1921.  1.  Nr.  I. 

Aetiologie  der  akuten   DarmstĂŒrungu  der   Kinder,   ihre    Kiut-eilung  und  Be- 
handlung.   Bloch.  ('.  K.  I. 

FĂ€lle  von  hysterischen  Spasmen  im  Oesophagus.    M  o  n  i  a  d.  S.  29. 

Ein  Triehohezoard  im  Magen  eines  .'!:,'>.iÀbrigen  M  eichen,  der  dureh  f^astro- 
toinie  entfernt  wurde.     M  o  n  r  a  d  .  S.  39. 
❖Zur  Kenntnis  der  Runiination   im   SĂ€uglingsalter.     W  e  r  n  s  t  e  d  t ,     W.  4.'.. 

Der  Blutzuckergehalt  bei  SĂ€uglingen.    Einar  Nysten.  79. 

Untersuchungen   in  Bezug  auf   die   Diagnose   des  Keuchhustens.      \1  e  v  c  i  . 
A.  H.  99. 

❖Zur  Kenntnis  des  sog.  intestinalen  Infantiji.smus.  L  i  ch  tc  liste  j  n,  A.  io.j. 

Zur  Kenntnis  der  Runiination  im  SĂ€uglingsalter.  In  seiner 
Abhandlung  beschreibt  W  ernst  cd  t  (i  FĂ€lle  von  Rumination  im 
.SĂ€uglingsalter.  Aus  seinen  an  diesen  FĂ€llen  gemachten  Beobach- 
tungen zieht.  Wernstedl  den  Schluß,  daß  die  verschiedenen 
RuminationsfÀlle  sich  verschieden  verhalten  in  den  beiden- Phasen, 
aus  denen  sich  der  Ruminationsakt  zusammensetzt,  nÀmlich  im 
Auftreten  der  Regurgitation  und  in  dem  „Kauen".  In  einem  Teil 
der  FĂ€lle  treten  die  Regurgitationen  nach  allem  Anschein  ohne 
irgend  ein  Zutun  des  Kindes  auf.  Vielleicht  existiert  in  gewissen 
FÀllen  sogar  keine  Empfindung  von  etwas  Ungewöhnlichem,  ehe 
die  Regurgitation  schon  im  Aufsteigen  ist.  In  anderen  FĂ€llen 
macht  das  Kind  dagegen  offenbar  selbst  Versuche,  die  Regurgi- 
tation hervorzurufen.  Die  hierbei  von  Zunge,  Mund,  Schlund  und 
Bauchpresse  ausgefĂŒhrten  Bewegungen  scheinen  in  verschiedenen 
FÀllen  auch  verschieden  zu  sein.  Auch  diö  2.  Phase  des  Rumi- 
nationsaktes  verlÀuft  in  den  einzelnen  F'Àllen  verschieden.  Teils 
gibt  es  FĂ€lle,  wo  der  regurgitierle  Mageninhalt  unter  den  fĂŒr  das 
Kauen  der  Nahrung  typischen  Lippen-,  Kiefer-  und  Zungen- 
bewegungen im  Munde  herumgefĂŒhrt  wird.  Teils  liegen  andere 
Ruminationstypen  vor;  in  diesen  treten  die  kauenden  Kieler 
bewegungen  hinler  den  Zungen-  und  Schluckbewegungen  zurĂŒck. 
In  bezug  auf  die  Aetiologie  der  Rumination  legt  Wernstedl 
die  grĂ¶ĂŸte  Bedeutung  auf  das  Bestehen  von  Erbrechen  und  Speien 
das  anamnestisch  in  seinen  FĂ€llen  nie  gefehlt  hat;  weniger  Werl 
legi  er  auf  eine  neuropathische  Konstitution  oder  Belastung,  die 
nicht  immer  beobachtet  wird.  Die  von  Gurt  und  Ylppö  ver- 
tretene Ansicht,  es  handle  sich  bei  der  Rumination  um  einen  patho 
logischen  „Bedingungsreflex",  teill  Wernstedl  nicht:  dagegen 
hĂ€lt  er  mehr  von  der  Ansicht  von  Lande  und  G  ö  l  t,  daß  es  sich 
hier  hauptsÀchlich  darum  handelt,  ein  mit  dem  Ruminieren  ver- 
knĂŒpftes LustgefĂŒhl  zufrieden  zu  stellen.  Wernstedl  selbst 
laßt  die  Rumination  auf  als  eine  Erscheinung,  die  wesensverwandi 
ist  mit  denjenigen  Symptomenkomplexen  (Fingerlutschen,  Kopf 
schĂŒtteln,  den  gewohnheitsmĂ€ĂŸigen  eigentĂŒmlichen  Körperstel- 
lungen), die  wegen  der  damit  verbundenen  angenehmen  Sensa- 
tionen als  Stereotypien  fixiert  werden  Therapeutisch  hat  man 
von  Medikamenten  keinen  Erfolg  gesehen;  grĂ¶ĂŸeren  Wert  haben 
diĂ€tetische  Mittel  (UeberfĂŒhren  von  flĂŒssiger  oder  dĂŒnnbreiiger 
Kost  auf  dickbreiige)  und  den  grĂ¶ĂŸten  die  psychischen  Einwir- 
kungen (dauernde  Ueberwachung  des  Kindes,  Ablenkung). 

Zur  Kenntnis  des  sogenannten  intestinalen  Infantilismus 
(Heubners  „schwere  Verdauungsinsuffizienz").  L  i  ch  t ens  t  ei  n 
beschreibt  9  FĂ€lle  vom  intestinalen  Infantilismus.  In  bezug  auf 
die  Aetiologie  dieses  Krankheitsbildes  steht  Lieble  n  s  t  ei  n  auf 
Seiten  Heubners.  der  eine   konstitutionell   bedingte  schwere 


370 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19 


Verdauungsinsuffizienz  als  Ursache  des  intestinalen  Infantilismus 
annimmt.  Lichtenstein  betont  noch  besonders,  daß  die  Ver- 
dauungsschwÀche nur  eine  Teilerscheinung  einer  allgemeinen 
Minderwertigkeit,  vor  allem  des  Nervensystems,  sei.  Er  hat 
schwere  NervositÀt  in  der  Ascendenz  seiner  Patienten  und  bei 
ihnen  selbst  nachweisen  können.  Als  Zeichen  abnormer  Konsti- 
tution fand  Liechtenstein  bei  8  von  seinen  9  FĂ€llen  Spasmophilie.  Im 
Gegensatz  zu  Heubner,  der  den  intestinalen  Infantilismus  aus- 
nahmslos in  den  sozial  gĂŒnstig  gestellten  Schichten  gesehen  hat, 
hat  Lichten  siein  ihn  auch  in  Àrmeren  Familien  gefunden' 
Die  Behandlung  des  intestinalen  Infantilismus  muß  in  erster  Linie 
auf  die  neuropathische  Komponente  des  Krankheitsbildes  gerichtet 
sein  (Milieuwechsel,  konsequente  Erziehung);  dann  erst  kommt 
die  diÀtetische  Behandlung  an  die  Reihe.  Von  guter  Wirkung  ist 
möglichste  Milchentziehung,  man  hat  gefunden,  daß  Kinder  dann 
sehr  gut  gemischte  Kost  vertragen  können.  Manchmal,  wenn  die 
gemischte  Kost  nicht  anschlĂ€gt,  ist  Eiweißmilch  von  Nutzen.  In 
gewissen  FĂ€llen,  besonders  nach  einem  gefahrdrohenden,  kata- 
strophalen Gewichtssturz,  kann .  Frauenmilch  auch  bei  diesen 
filteren  Kindern  viel  Gutes  tun.      Standvoß  (Berlin-Halensee 

20.  Juni  1921,  1,  Nr.  2. 

‱{"BeitrĂ€ge  zur  Kenntnis  der  spasmophilen  Diathese.    Wernstedt,  VV.  138. 

Der  Eisenumsate  bei  FrĂŒhgeborenen.    L  i  e  h  t  e  n  s  t  e  i  n     A.  194. 
^Gemischte  DiÀt  im  l.  Lebensjahr.    Juadell;  J.  240. 

BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  spasmophilen  Diathese.  I.  Mittei- 
lung. Wernstedt  kommt  auf  Grund  einer  Reihe  von  Ver- 
suchen an  Kindern,  die  er  teils  mit  Molkeneiwei'ß,  teils  mit  eiweiß- 
l'reier  Molke  ernĂ€hrt  hat,  zu  dem  Schluß,  daß  praktisch  genommen 
die  Ursache  der  spasm'ogenen  Wirkung  der  Kuhmilch  so  gut  wie 
ausschließlich  in  der  eiweißfreien  Molkenkomponente  zu  suchen 
ist.  Er  untersucht  dann  die  von  Klug  angegebene  Hypothese, 
die  spasmogene  Wirkung  der  Kuhmilch  könne  der  Ausdruck  einer 
Kuhmilchanaphylaxie  sein.  Zu  diesem  Zweck  stellte  er  Versuche 
an,  einerseits  mit  einer  Molkensalzlösung,  andererseits  mit  Rin- 
derserum, das  auch  die  in  der  Molke  befindlichen  Extraklions- 
stoffe  enthĂ€lt,  deren  Verhalten  zur  Spasmophilie  noch  geprĂŒft 
werden  mußte.  Die  Untersuchungen  ergaben,  daß  allein  die  Mol- 
kensalze in  der  Korrelation,  in  der  sie  in  der  Kuhmilch  vorkom- 
men, spasmogene  Wirkung  besitzen,  daß  also  die  spasmogene 
Wirkung  der  Kuhmilch  in  der  Hauptsache  eine  Salzwirkung  und 
kein  Ausdruck  einer  Kuhmilchanaphylaxie  ist.  Welches  Salz  der 
Molkensalzmischung  spasmogen  wirkt,  hat  Wernstedt  dann  zu 
untersuchen  versucht.  Er  hat  Versuche  mit  modifizierten  Molken- 
salgemischen  gemacht;  1.  Ca  +  Na,  2.  Ca  +  K,  3.  K  +  Na. 
Er  hat  die  stÀrkste  Steigerung  der  spasmophilen  Symptome  mit 
der  Salzmischung,  in  der  die  beiden  Alkalisalze  K  und  Na  unbe- 
rĂŒhrt gelassen  wurden,  gesehen;  die  schwĂ€chste  Wirkung  hatte 
das  Salzgemisch  Ca  und  Na,  die  mittlere  das  Salzgemisch  Ca  und 
K.  Hieraus  zieht  er  den  Schluß,  daß  K  in  der  Menge  und  in  der 
Korrelation  mit  den  anderen  Salzen,  in  der  es  sich  in  der  Molke 
befindet,  die  stĂ€rkste  spasmogene  Wirkung  ausĂŒbt,  und  daß  Ca 
antispasmogen  wirkt;  Na  in  Verbindung  mit  TK  steigert  die  spas- 
mogene Wirkung  des  K,  in  Verbindung  mit  Ca  steigert  es  dessen 
antispasmogene  Wirkung.  Hiernach  scheinen  die  Kat.- Jonen  die 
ausschlaggebende  Rolle  zu  spielen.  Irgend  ein  unzweideutiges 
Zeichen,  da"ß  die  An-Jonen,  die  Phosphor-  oder  ZitronensĂ€ure- 
Jonen  spasmogene  Eigenschaften  besitzen,  ist  nicht  hervorge- 
treten. Andererseits  gestatten  die  Versuche  nicht,  den  Gedanken 
auszuschließen,  daß  diese  oder  andere  An-Jonen  in  dieser  Hinsich" 
eine  wenn  auch  untergeordnete  Rolle  spielen  können. 

Gemischte  DiÀt  im  1.  Lebensjahr.  1.  Mitteilung.  Seit  1914 
macht  J  u  n  d  e  1 1  Versuche,  Kinder  in  der  2.  HĂ€lfte  des  1.  Lebens- 
jahres gemischt  zu  ernÀhren.  Er  gibt  Schleim-  und  Fruchlsuppen, 
FruchtsĂ€fte,  Kakao,  Tee  mit  Milch,  Quetschkartoffeln,  RĂŒhreier, 
gekochtes  Fleisch,  gekochten  Fisch,  Zwieback.  Sie  können  so- 
viel davon  essen,  wie  sie  mögen.  Zubereitet  sollen  die  Speisen 
werden  genau  wie  im  Haushalt  fĂŒr  Erwachsene;  nur  soll  die 
grĂ¶ĂŸte  Sorgfalt  auf  die  Zubereitung  gelegt  werden.  Er  hat  bis 
jetzt  durchwegs  nur  gute  Erfolge  gesehen.  Die  Kinder  nehmen 
gut  zu,  entwickeln  sich. auch  geistig  viel  besser  als  sonst  die  Kin- 
der, die  am  Ende  des  1.  Lebensjahres  besonders  in  Heimen  am 
meisten  geistig  zurĂŒckbleiben.  Die  MortalitĂ€t  der  gemischt 
ernĂ€hrten  Kinder  ist  nicht  grĂ¶ĂŸer  als  die  bei  mit  Milchmischun- 
gen ernÀhrten  Kinder,  eher  noch  etwas  kleiner. 

Standvoß  (Berlin-Halensee). 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

1.  MĂ€rz  1922,  Nr.  17. 

♩  I  L  C  jL'' 

vGibt   es    im    menschlichen    Gehirn   eingeborene    odPT    prÀformierte  Sprach- 
zentren?   Pierre-Marie.  177. 


Hypertrophische  Pylorusstenose   beim  SĂ€ugling.     W  e  i  I  1  -  H  a  I  I  e     B  und 
W  ei  i  B  m  a  u  n  -  N  e  fc  t  e  r  .   K:  181. 

Existieren  im  menschlichen  Gehirn  angeborene  oder  prÀfor- 
mierte Sprachzentren?  Verfasser  weist  zunÀchst  die  Annahme 
eines  besonderen  angeborenen  Zentrums  fĂŒr  die  Schriftsprache 
zurĂŒck  mit  der  BegrĂŒndung,  daß  dann  nicht  erst  Jahrtausende 
in  der  Geschichte  hĂ€tten  verfließen  mĂŒssen,  ehe  es  zur  Entwick- 
lung einer  regelrechten  Schriftsprache  kam.  Er  bestreitet  aber 
auch  ebenso  das  Bestehen  eines  angeborenen  Sprachzentrums, 
vor  allem  des  Broca'schen  und  Wernicke'schen;  erstens  weil  er 
in  zahlreichen  obduzierten  FĂ€llen  LĂ€sionen  der  3.  linken  Stirn- 
und  SchlĂ€fenwdndung  gesehen,  ohne  daß  eine  Aphasie  bestanden 
hatte,  und  ebenso  umgekehrt  FĂ€lle  von  Aphasie  ohne  patholo- 
gische VerÀnderungen  in  diesen  Stellen.  Auch  der  klassische 
Fall  Broca's  zeigte  keine  diesbezĂŒgliche  umschriebene  LĂ€sion, 
sondern  eine  ausgedehnte  Erweichung  durch  eine  Obliteration  der 
Sylvischen  Arterie,  die  weit  ĂŒber  die  Broca'sche  und  Wernicke- 
sche  Zone  hinausreichte.  Ferner  sucht  er  das  Nichtvorhanden- 
sein eines  Sprachzentrums  damit  zu  begrĂŒnden,  daß  das  kleine 
Kind  bereits  alle  Funktionen,  die  auf  ein  angeborenes  Zentrum 
zurĂŒckzufĂŒhren  sind,  ausĂŒben  kann,  ehe  es  zu  sprechen  vermag; 
ebenso  daß  eine  rechtsseitige  zerebrale  KinderlĂ€hmung  niemals 
eine  Aphasie  im  Gefolge  hat.  Er  folgert  daraus,  daß  die  LĂ€sionen 
des  Hirnes  erfolgt  sind,  ehe  noch  die  linke  parieto-temporale 
Region  sich  der  Funktion  der  Sprache  anpassen  konnte  und  da- 
her eine  benachbarte  Region  dieses  Amt  ĂŒbernehmen  mußte,  und 
kommt  so  allgemein  zu  dem  Schluß,  daß  kein  angeborenes  oder 
prÀformiertes  Sprachzentrum  existiert,  sondern  nur  eine  Adap- 
tion bestimmter  Zentren  fĂŒr  die  Funktion  der  Sprache  statt- 
findet.  Daß  dieses  gerade  in  der  linken  HemisphĂ€re  der  Fall  ist, 
erklĂ€rt  er  dadurch,  daß  sich  vielleicht  diese  im  ganzen  frĂŒher 
als  die  rechte  entwickelt  und  also  eine  Art  Kristallisations- 
zenlrum  fĂŒr  die  intellektuellen  Prozesse  bildet.  Vielleicht  er- 
legen diese  eine  Vibration  nervöser  Elemente,  die  Reaktionen  in 
großen  Zellgruppen  auslösen,  doch  gibt  Verfasser  zu,  sich  damit 
in  ein  noch  dunkles  Gebiet  zu  verlieren.  Haber. 

Revue  d'orthopedie,  Paris. 

Januar  1922,  29,  Heft  1. 

*J*Ueber  die  Epicondylitis  der  Sportsleute.    Tavernier,  L. 

❖  L'eber  das  Vorhandensein  einer  eigentlichen  Metaphyse.  Tiliier.  K.  81. 

*5*Ein  Fall  von  Wirbelluxation  und  seine  operative  Behandlung.  C  o  s  t  a  n  t  i  n  i 
und  D  u  b  o  u  c  h  e  r.  27. 

❖Hysterische  Pseudo-spoudyliris;  einige  diagnostische  Bemerkungen  in  Bezug 
auf  die.  echte  Spondylitis.    F  e  u  t  e  1  a  i  s  .  P.  37. 
Doppelhand    mit    sieben,    dem    Uluasstrahl    entsprechendein    Fingern;  ver- 
schiedene begleitende,  eigenartige  angeborene  Mißbildungen.  Vincent, 
E.  47. 

Alte    Colitis    typhösen    Ursprungs;    periartikulĂ€re    VerknĂŒcherungen.     D  n - 
p  o  n  t ,  J.  61. 

Kine  neue.  Redressionsscbiene  zur  Behandlung  des  angeborenen  Klumpfußes 
beim  Neugeborenen.    Michel.  L.  65. 

Ueber  die  Epicondylitis  der  Sportsleute.     Die  Epicondylitis 

ist  eine  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  hĂ€ufige  Krankheit,  die  von  den  Aerzten 
immer  noch  zu  wenig  gekannt  und  gewĂŒrdigt  wird.  Sie  wird 
charakterisiert  durch  das  Auftreten  eines  starken  Schmerzes  in 
der  Gegend  des  Epicondylus  lateralis  humeri;  dieser  Schmerz  ist 
sehr  hartnÀckig  und  geht  ohne  irgendwelche  objektiven  Symp- 
tome einher.  Vor  allem  sind  es  gewisse  Sportarten  und  Berufe, 
die  zur  Erkrankung  fĂŒhren  (z.  B.  Tennisspiel  und  Fechten;  so- 
dann die  Berufe  der  WĂ€scherinnen,  Klavierspieler,  Geigen- 
kĂŒnstler u.  s.  f.).  Der  Verfasser  litt  selbst  an  einer  Epicondy- 
litis, die  sich  beim  Tennistraining  einstellte  und  in  einer  genauen 
Krankengeschichte  wiedergegeben  wird.  Das  Leiden  entsteht  ge- 
legentlich einer  Ueberanstrengung  der  Vorderarmmuskeln.;  es 
befÀllt  nur  Erwachsene  und  meistens  die  Champions  im  Sport, 
wÀhrend  es  die  AnfÀnger  verschont.  Es  setzt  oft  schleichend  und 
langsam  sich  verschlimmernd  ein,  oft  befÀllt  es  den  Arm  bei 
einer  einzigen  heftigen  Bewegung  mit  voller  Wucht.  Das  einzige 
Symptom  bleibt  der  Schmerz,  der  sich  nur  bei  gewissen  Be- 
wegungen (AuswÀrtsrotation  bei  gleichzeitiger  Streckung  der 
Hand)  oder  auf  Druck  an  ganz  umschriebener  Stelle  ĂŒber  dem 
Epicondylus  zeigt.  Die  Krankheit  zieht  sich  monatelang  hin.  Bei 
jahrelangem  Bestehen  hat  man  periostitische  Knochenwucherun- 
gen röntgenologisch  nachweisen  können.  Sonst  versagt  meist 
auch  das  Röntgenbild.  Die  Auffassung  von  Preis  er,  daß  es 
sich  um  kongenitale  Inkongruenz  des  Radiohumeralgelenks 
handle,  entkrÀftet  der  Verfasser  durch  Studien  am  eigenen  Arm. 
Auch  sein  Röntgenbild  zeigte  die  Inkongruenz,  die  sich  aber  als 
ProjektionstĂ€uschung  nachweisen  ließ.  Es  handelt  sich  beim 
ganzen  Krankheitsprozeß  wahrscheinlich  um  traumatische  Zer- 
reißungen oder  Abrisse  der  StrecksehnenursprĂŒnge,  die  sich  aber 


10.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


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ganz  im  KÀhmen  mikroskopischer  VerhÀltnisse  halten.  Dann 
mag  wohl  eine  chronische,  schleichend  verlaufende  Periostitis 
lazutreten,  die  Infolge  der  stÀndigen  BelÀstigung  der  Herdslelle 
durch  Zug  der  Sehnen  unterhalten  wird  ohne  akut  zu  werden 
Eine  restlose  AufklÀrung  der  Pathogenese  vermögen  wir  bis  jetzt 
nicht  zu  gehen.  Die  Diagnose  isl  leicht,  schwieriger  die  Be 
handlang.  Ruhe  allein  vermag  den  Prozeß  zur  Abheilung  zu 
bringen. 

Ueber    das    Vorhandensein    einer    eigentlichen  Metaphyse. 

ei  Iii  er  hat  an  jugendlichen  Röhrenknochen  röntgenologisch 
die  Metaphyse  abzugrenzen  versucht.    Er  konnte  eine  der  Epi- 
Hhysenfuge  parallele  Linie  nachweisen  in  der  Gegend,  in  die 
tman  gewohnhedtsgemĂ€ĂŸ  die  Grenze  zwischen  Dia-  und  Metaphyse 
verlegt.    Diese  Linie  konnte  er  an  sezierten  Knochen  als  Scheibe 
dichterer    Knochenbildung    nachweisen.      Was  man  bisher  als 
Metaphyse    bezeichnete,    entsprach   einem    mehr   oder  weniger 
kĂŒnstlichen  Begriff,  der  aus  praktischen  GrĂŒnden  eine  Berech- 
tigung hatte.     Fillier  weist  nach,  daß  diese  Metaphyse  nicht 
.nur  in  unserem  Kopfe  ein  Scheindasein  fĂŒhrt,  sondern  daß  sie 
anatomische  Wirklichkeit  besitzt.     Das  hat  fĂŒr  die  ErklĂ€rung 
mancher  Krankheitslokalisationen  große  Bedeutung.     Der  Verf. 
greift  drei  Knochenerkrankungen  heraus,  um  seine  Gedanken  zu 
'erlÀutern:  Die  Tuberkulose  mit  vorwiegend  epiphysÀrem  Sitze, 
Idie  Syphilis  als  Vertreterin  der  Diaphysenkrankheiten  und  die 
Osteomyelitis,    welche    er    zumeist    in    die   Metaphyse  verlegt, 
villi  er  vermochte  an  Röntgenbildern  nachzuweisen,  daß  die 
Ausbreitung  solcher  Infektionen,  wenn  sie  schrittweise  erfolgt, 
sich  an  die  anatomischen  Grenzen  hÀlt.    Es  gibt  z.  B.  unter  den 
seltenen  „sogenannten'"   ddaphysĂ€ren  Tuberkulosen  sehr  hĂ€ufig 
Formen,  die  als  rein  metaphysÀr  oder  als  epiphyso-metaphysÀr 
bezeichnet  werden  mĂŒssen.    Die  Diaphysensyphilis  macht  an  der 
anatomischen  Grenzlinie  zwischen  Dia-  und  Metaphyse  halt.  Vom 
pathologischen   Gesichtspunkte  aus  mĂŒssen   wir   an   der  Drei- 
.  teilung  der  Röhrenknochen  festhalten.    Die  Osteomyelitis  beginnt 
"meist  in  der  Metaphyse,  breitet  sich  allerdings,  rasch  aus,  so  daß 
man  ihren  Ursprungsort  spÀter  nicht  mehr  nachweisen  kann. 

Ein  Fall  von  Wirbelluxation  und  seine  operative  Behandlung. 
Die  Luxation  betrifft  den  2.  Lendenwirbel,  der  nach  rechts  und 
vorn  vom  dritten  abgewichen  isl,  wobei  die  QuerfortsÀtze  2  und 
?>  abgerissen  wurden.  Diese  Lokalisa lion  der  Wirbelluxation  ist 
sehr  selten.  Die  hĂ€ufigsten  Verrenkungen  im  Gebiet  des  RĂŒck 
grats  befallen  die  HalswirbelsÀule  oder  die  Uebergangsstelle 
zwischen  Brust  und  Lendenwirbelsaule.  Trotz  krÀftiger  Exten- 
sion in  Narkose  ließ  sich  die  Luxation  nicht  beheben.  Eine  kom- 
plette QuerschnittslÀhmung  stellte  sich  ein.  Die  Operation  be- 
stand in  einer  Freilegung  der  DornfortsÀtze,  die  mit  krÀftigen 
Zangen  gefaßt  wurden:  WĂ€hrend  einer  LĂ€ngsextension  der 
ganzen  WirbelsÀule  wurde  der  2.  Lendenwirbel  nach  hinten  ge- 
zogen, der  dritte  vorgestoßen,  worauf  sich  die  GelenkflĂ€chen 
wieder  adaptierten.  Trotz  des  gelungenen  Eingriffs  blieb  die 
LĂ€hmung  bisher  bestehen;  große  DekubitalgeschwĂŒre  bildeten 
sich  ĂŒber  dem  Kreuzbein. 

Hysterische  Pseudo-Spondylitis.  An  Hand  eines  gut  beschrie- 
benen Falles  von  Hysterie,  die  sich  hauptsÀchlich  unter  der 
Maske  einer  Spondylitis  verkappte,,  weist  F  e  u  t  e  1  a  i  s  auf  die 
Wichtigkeit  der  exakten  Diagnosestellung  hin.  Er  betont  (und 
zwar  mit  grĂ¶ĂŸtem  Recht!),  daß  die  Beweglichkeit  der  Wirbel- 
sÀule im  erkrankten  Abschnitt  stets  gestört  ist  bei  echter  Wirbel- 
karies, selbst  wenn  andere  Symptome,  sogar  röntgenologischer 
Art  fehlen.  Ein  rechtsseitiger  Inguinaiabszeß  legte  bei  einem 
andern  Fall  den  Verdacht  auf  Spondylitis  sehr  nahe.  Die  be 
wegliche  WirbelsÀule  bestÀrkte  den  Verfasser  darin,  eine  Unter- 
leibserkrankung anzunehmen.  Die  Wirbel  blieben  gesund.  Voll- 
kommen schmerzfreie,  im  Röntgenbild  nicht  erkennbare  Spon- 
dyliliden  wurden  auf  Grund  der  RĂŒckgratsversteifung  als  solche 
behandelt  und  entpuppten  sich  spater  in  der  Tat  als  echte  Wirbel- 
erkrankungen. Debrunner  (Berlin). 

L'Encephale,  Paris. 

Januar  1922,  Nr.  1. 

♩Zehnter  Beitrag  zur  Theorie  von  der  Neurobiotoxia.    A  Mens  K  ;i  n  □  e  r  s 
C.  U.    1.  ii. 

Die  Entwicklung  der  SehsibilitÀts-  und  MotilitÀtsstörungen  in  einem  Kall 
von   Pedunculus-Syndrom,     A  n  <i  r  6  ,   T  h  o  ta  u  s.  20. 

Die  Beziehungen  dei  seelischen  VerdrÀngung  und  der  GstotivitÀt  in  der 
Genese  gewisser  Psychoneuroson,  Du  dt  6,  E.  und  Treos&t, 
Ch.  L.  31. 

♩Die  Behandlung  von   (8  Paralytikern  mittels    Irsemobenzol     Bogues  >!  r 
Furuc,  J.  und  F  u  r  c  t.  38. 

Zehnter  Beitrag  zur  Theorie  von  der  Neurobiotaxis.  Den 
Dendriten  wird  einerseits  eine  nutritive  Funktion  andererseits 


die  FĂ€higkeit  dei  Heizleitung  zugesprochen  Es  ist  sein  Intel 
essant  in  embryonalen  PrĂ€paraten  zu  beobachten  daß  die  Den 
driten  gegen  die  Peripherie  des  RĂŒckenmarks  hin  wachsen,  von 
wo  aus  die  Vaskularisation  erfolgt,  Hieraus  wird  aul  die  Er- 
nÀhrungsJunktionen  der  Dendriten  geschlossen.  Aul  der  anderen 
Seite  konnte  der  Verfasser  zeigen,  daß  die  Dendriten  immer 
stimulopelal  wachsen,  d.  h.  in  der  Richtung  des  Reizes, 
wÀhrend  der  Axenzylinder  immer  in  entgegengesetzter  Richtung 
sieh  ausbreitet.  Wahrscheinlich  wird  diese  Art  des  Wachstums 
durch  elektrische  VerÀnderungen,  welche  den  Reiz  und  seine 
Fortleitung  begleiten,  verursacht. 

Die  Behandlung  von  4;>  Paralytikern  mittels  Arsenobenzol. 

Die  Behandlung  der  progressiven  Paralyse  mit  Arsenobenzol  in 
schwachen  und  hĂ€ufig  wiederholten  Dosen,  die  Iiis  zur  EinfĂŒh- 
rung einer  hohen  Gesamtmenge  (!)  gr  fortgefĂŒhrt  wird,  ist  ge- 
fahrlos. Sie  bewirkt  hÀufig  Remissionen  und  in  gewissen  FÀllen 
so  weilgehende  NachlĂ€sse,  daß  hinsichtlich  des  psychischen  Be- 
fundes von  einer  Heilung  gesprochen  weiden  kann. 

A.  M  i  i  n  /.  e  r. 

Februar  1922.  Nr.  '2. 

♩Ueber  die  anatomischen  Bedingungen  des  binokularen  Sehens  in  den  zen- 
tralen   Seilbahnen.     M  i  n  U  owa  ki,    M.  65. 
Die  psychische  Prophylaxe  im  Beer.    C  ha  v  i  ■>‱  u  y.  97. 

♩Bemerkung  iilicr  die  Pathogenese  des  epileptischen  Anfalls.  A  n  t  h  e  a  u  m  e  . 
A.  und  T  r  e  ps  at ,  L.  103. 

Die    VerwirrtheitszustÀnde    bei    Malaria.     Papastratigakis.    ('.  io.">. 

Die  Beziehungen  der  seelischen   VerdrÀngung  und  der  Kmotivitiit  in  der 

Genese   gewisser   Psychoneurosen.      I)  u  p  t  6  .     E,     und  Trcpsat, 

Ch.  L.  109. 

Ueber  die  anatomischen  Bedingungen  des  binokularen  Sehens 
in  den  zentralen  Seilbahnen.  Um  ĂŒber  die  anatomischen  Be- 
dingungen des  binokularen  Sehens  in  den  zentralen  Sehbahnen 
urteilen  zu  können,  muß  man  die  Art  der  Verteilung  und  der 
Endigung  der  direkten  und  gekreuzten  Sehnervenfasern  in  den 
primĂ€ren  Sehzentren  zu  ergrĂŒnden  versuchen,  d.  h.  in  den  vor- 
deren VierhĂŒgeln,  in  -den  SehhĂŒgeln  und  hauptsĂ€chlich  in  den 
corpora  geniculata  externa.  Verfasser  hat  dieses  Problem  zu 
lösen  versucht  indem  er  die  sekundÀren  Degenerationen  nach 
Enukleation  oder  Verlust  eines  Auges  an  Tieren  studierte;  auch 
wurden  die  Ergebnisse  an  zwei  Menschen  verwertet!  —  Die  ana- 
tomischen Studien,  die  von  sehr  instruktiven  Abbildungen  be- 
gleitet sind,  verlangen  die  LektĂŒre  des  Originals.  Als  wesent- 
liches Ergebnis  isl  hervorzuheben,  daß  nur  in  der .  Hirnrinde  die 
endgĂŒltige  Verschmelzung  der  getrennt  einfallenden  Lichtreize 
in  eine  einzige  binokulare  Wahrnehmung  stattfinden  kann. 

Bemerkung  ĂŒber  die  Pathogenese  des  epileptischen  Anfalls. 

Ausgehend  von  der  Hypothese,  daß  die  Epilepsie  eine  „Erkran- 
kung von  anaphylaktischem  Typus  sei,  haben  die  Verfasser  ver- 
sucht, durch  Injektion  der  verschiedenen  KörperflĂŒssigkeiten 
eines  Epileptikers  —  Urin,  RĂŒckenmarksflĂŒssigkeit,  Blutserum  — 
bei  einem  Kaninchen  einen  anaphy taktischen  Anfall  auszulösen. 
Es  gelang  ihnen  bei  einer  genau  fixierten  Menge  von  Serum  in 
ö  von  (i  FÀllen  heftige  KrampfanfÀlle,  denen  ein  schneller  Tod 
folgte,  auszulösen.  A.  MĂŒnzer. 

The  British  medical  Journal. 

11.  MĂ€rz  1922,  Nr.  3193. 

Die   Chirurgie   des  Blutes.     Sinclair.   Tb.  375. 
Die  Behandlung  der  Schlaflosigkeit;    Rudo*lf'.   B.   I>.  377. 
♩  Rachitis.    N  0  e  I  P  a  tun.  D.  379. 

Amputationen   an   Schulter   und    HĂŒfte.     Li  ttfle  wood,    H.  38t. 
Bauchtuberkulose.    Morley,  .J.  383. 

Stoffwechsel  bei  Kindern  und  Erwachsenen  in  der  Schwei«  wÀhrend  Ruhe. 

Hill.  L.,  C  a  m  p  b  eil ,  J.  A.  und  II  u  d  s  o  n  .  B.  385. 
Keuchhusten  mit  17«  (Mio  Leukozyten.    B,  o  ttrn  e.  Qr.  und  Scott,  J.  M.  387. 

Raehitis.  Sehr  viele  Kinder  mil  Rachitis  haben  zur  gleichen 
Zeit  Tetanie.  Aus  Stoffwechselversuchen  scheint  hervorzugehen, 
daß  nicht  ein  zu  wenig  an  Kalzium,  sondern  ein  zu  wenig  an 
Phosphor  die  Ursache  der  mangelhaften  Ossifikation  bei  Rachi- 
tis ist.  Verlasser  meint,  daß  eine  Anomalie  des  Lezithinstoff- 
wrechsels  nicht  unwahrscheinlich  ist.  Wahrscheinlich  ist  ihre 
Lokalisation  in  der  Leber  zu  suchen.  Wenn  dazu  noch  ein  er- 
höhter Umsatz  des  Cholins  in  Guanidin  kommt,  wird  auch  die 
Tetanie,  die  von  vielen  als  eine  Guanidinvergiftung  aufgefaßt 
wird,  erklÀrt.  K  0  0  p  m  a  n  (Haag). 

10.  MĂ€rz  1922,  Nr.  3194. 

Perniziöse  AnÀmie  und  septische   AnÀmie.    Munter.  W.  121, 
SterilitĂ€t  und  das  Interesse  fĂŒr  den  Staat.    Gibbons,  R.  427. 


Aus   den    neuesten    Z  e  i  t  s  e  h  r  i  H  e n 


10.  Jahrs-  -  Nr.  18/19.] 


♩Dir   Verdaulichkeit  von   Bakterien.     Du  k  e  s  .    C.  E.  130. 

Vbnonne  Beweglichkeit  einer  Rippe.     Davies  f'olley.  lÀ  43:2. 
BeschrÀnkung  von  lofluenaaepidemdcn  in  Schulen  durch  Verwendung  von 
„lokaler"  prophylaktischer  Vakzine.    S  i  in  e  v  .  A.  .1.  und   E  vre.  j. 
\V.  H.  433. 

StÀbeben  zur  Untersuchung;  der  Kehle  itus  Aluminium,    f:  r  tot,  l,.  134. 

Die  Verdaulichkeit  von  Bakterien.  Aus  den  Versuchen  gehl 
hervor,  das  Bakterien  keine  proteolytischen  Fermente  absorbieren. 
Das  Eiweiß  der  Bakterien  wird  gegen  proteolytische  Fermente 
geschĂŒtzt  durch  eine  HĂŒlle  aus  Lipoiden.  Nur  durch  Lösung  oder 
Zerstörung  der  Lipoide  gelang  es.  die  Bakterien  der  Proteolyse 
zu  unterwerfen.  Wenn  Bakterien  mit  spezifischen  Antikörpern 
zusammengebracht  werden,  werden  sie  doch  nicht  durch  proteo- 
lytische Fermente  angegriffen.  Koopman  Haag. 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

Dezember   1921,  Nr.  Ii. 

Perineale  Prostatektomie.     Dotailierter  Bericht    ĂŒber    100  FĂ€lle.     V  r  t  b  u  r 
B.  C  e  c  1 1. 

❖  suprapiHiiMhe    oder   perineale    Prostatektomie?      Vergleichende   Studie  ĂŒber 

9p  perineal  und  38  supr&pubiseb  operierte  Kalle.    II  i  e  m  a  n  n  .  Kr. 
‱^Erfahrungen   mit  Radiumbebandlurig  des   Karzinoms  der   Prostata.  Bog- 
Ii  o  e  .  H.  ĂŒ. 

SuprapĂŒbische  oder  perineale  Prostatektomie?  Auf  Grund 
\  on  Erfahrungen  bei  90  perineal  und  l>8  suprapubisch  operierten 
Prostatektomien  —  die  von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus 
statistisch  verglichen  werden  -  -,  kommt  H.  zu  dem  Schluß,  daß 
trotz  der  schwierigeren  anatomischen  VerhÀltnisse  die  perineale 
Operaliönsmethode  der  suprapubischen  in  BĂŒcksicht  auf  die  all- 
gemeinen körperlichen  VerhĂ€ltnisse  ĂŒberlegen,  in  funktioneller 
Hinsicht  mindestens  gleichwertig  ist,  falls  die  ganze  DrĂŒse  radi- 
kal entfernt  und  die  Vorbehandlung  gul  durchgefĂŒhrt  wird. 

Eifa h runden  mit  Radiumbehandlung  des  Karzinoms  der 
Prostata.  Die  Erfolge  der  Therapie  beim  Ca.  der  Prostata  sind 
bei  jeder  Behandlungsmethode  Ă€ußerst  gering:  am  meisten  kann 
man  noch  von  uei  EinfĂŒhrung  von  „Radiumnadeln"  direkt  in  die 
Prostatasubstahz  erwarten,  die  perineal  oder  nach  suprapu- 
Imcner  Fretleguhg  geschieht,  und  die  durch  gleichzeitige  Ba- 
diumbestrahlung  von  der  Urethra  und  vom  Rektum  ner  unter - 
stĂŒtzt  wird.  B  i  b   Berlin >. 

The  Lancet,  London. 

11.  Marz  1022,  Nr.  5141. 

❖  ihr  chirurgische   Behandlung  der  Basedowschen   Krankheit.    K  n  in  a  n  i  s  . 

\\  .  F.  C.  471. 

♩M>ie    Aetiologie    der   Sicht     <le\velt\  11.    L.   J.     475.  v 

Die  Besinn' mutig  der  physisc.he>n  Kral't  durch  Bestimmung  der  Aussebirige 
wÀhrend  der  Atmung  der  verschiedenen  'feile  der  Brust.    M  u  m  f  n  i. 

.*    A.  47R. 


Die  chirurgische  Behandlung  der  Basedow  sehen  Krankheit. 

Durch  die  Operation  wird  fast  immer  ein  fortschreitender  Ga 
wichtsverlust  sofort  zum  Stillstand  gebracht.  Man  darl  sagen. I 
daß  in  sehr  schweren  FĂ€llen  der  Erfolg  der  Operation  ermutigeil 
der  ist  als  in  ganz  leichten.  In  den  ganz  gĂŒnstigen  FĂ€llen  wird 
der  Stoffwechsel  nach  der  Operation  wieder  normal,  aber  nicht 
ganz,  selten  bleibt  er  auch  nach  der  Operation  bis  ĂŒber  25  Prozent 
ĂŒber  der  Norm.  In  vereinzelten  FĂ€llen  entsteht  nach  der  Ope- 
ration ein  verlangsamter  Stoffwechsel' 

Die  Aetiologie  der  Gicht.  Nach  Verfasser  ist  die  dicht  immer 
eine  hereditÀre  Erkrankung,  die  in  einer  gewissen  Leberenipl'i  nd- 
lichkeil  der  Zellen  gegen  bestimmte  Eiweißstoffe  besteht  Der 
Gichtanfall  ist  also  eine  Art  nnaphvlaktischer  Schock.  Es  ist  bei 
fast  allen  akuten  GichtanfÀllen  möglich.  Erscheinungen  seitens 
der  glatten  Muskulatur  vor  allem  der  Bronchioli  nachzuweisen. 
Aber  auch  bei  der  sogenannten  irregulÀren  Dicht  kann  man  Àhn- 
liche Erscheinungen  finden.  Koopman  Haag 

18.  MĂ€rz  1922.  202.  Nr.'  5142. 

Die  OrthopÀdie  der  rheumatischen   Arthritis.    T  o  d  d  .   A.   H.  .">15. 

Moderne  PsyehosenbehandlĂŒng.    H  o  w  s  ,  K.  G  'r22. 
Encephalitis  lethargica.    Hall.  A.  J.  526. 

Der  hysterische  Ursprung    des  sog.    perniziösen   Erbrechens    wÀhrend  der 

Seh«  ansei  schalt.    Hurst.  A.  K.  528. 

Schwere  GebÀrmutterblutungen  nach  vaginalen  Operationen.  Phillips! 

J.  530. 

Ein  Kall  \on  Eemurfraktui   durch  die   Horner  eines  Stieres.    I,  c  d  i  a  i  J  , 
H.  A.  530. 

Extroversion  der  Harnblase  behandelt  mit  Vesico-eolnstomie.    Mac  e  wen, 

J.  A.  C.  531. 

Sarkom  des  .Unterkiefers  bei  einem  Neugeborenen..    M  u  m  in  e  r  y.  S.    P.  531. 

Koopman  (Haag;.  1 

The  Journal  of  Metabolie  Research,  Morristown. 

Januar  1922.  1.  Nr.  1. 

Hydropische   Degeneration   der     Langerhansochcn     Inseln     nach  partieller 

Pankreatektomie.   Allen.  F.  M.  5. 
FĂ€rbung  der  Granulae  der  Langerhansschen  Inseln   des  diabetischen  und' 

nicht-diabetischen   Pankreas.     Martin.   \\     K.  43. 
Nervöse  EinflĂŒsse  in  der  Aetiologie  des  experimentellen  Diabete«.  Allen. 

F.  M.  53. 

Die  Kulte  der  HyperglykÀmie  in  der  Verursachung  bydropiseber  Degenera- 
tion der  Inseln.    Allen,  F.  M.  75. 
Der  Einfluß   der   ZirkiilationsstĂŒruiigen   auf   den   experimentellen   Diabetes. '. 

Allen.  F.  M.  f>9. 
Experimente  ĂŒber  den  Kohlenhydratstoffwechsel  und  Diabetes,    i.  Dextrose- 

Stickstoff-VerhÀltnis  Ihm  Hunden  mit  teilweiser  Exstirpation  des  Pankreas. < 

Allen.  F.  M.  und  W  isli.irt.  M.  B.  97. 
Experimente  ĂŒber  den  KohlehvclratMoffwech.se1.  und  Diabetes.    5.    Der  Ein-] 

f  1  ii IS  der  Glukoso»ufubr  auf  die   Dinrese   und    Hlutzusammensetzung  bei. 

nicht-diabetischen  und  diabetischen  Personen.    Sberrili.  J.  W.  uiuf, 

John,  H.  J.    109.  * 


KONORESSBERICHTE 


Iii.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  fĂŒr  Chirurgie 
in  Berlin  vom  19.— 22.  April  15)22. 

Berichterstatter:  II.  N  I  e  l  I  i  n  e  r  -  Berlin. 

Zweiter  Sitzungstag. 

S  ta  h  1- Berlin:  Die  Bedeutung  der  histologischen  Blutunter- 
suchung bei  chirurgischen  Erkrankungen. 

Die  morphologische  Zusammensetzung  des  Blutes  gesunder 
Erwachsener  ist  eine  konstante,  indem  fortdauernd  Zellen  unter- 
gehen und  neue  gebildet  werden.  Die  Bildung  der  Erythrozyten 
findet  in  Milz  und  Knochenmark  statt.  Nach  Entfernung  der 
Milz  linden  sich  noch  jahrelang  .lollykörperchen  im  Blut.  Die 
Leukozyten  werden  in  verschiedenen  Organen  gebildet.  Die 
DrĂŒsen  mit  innerer  Sekretion  haben  einen  Einfluß  auf  ihre  Zahl. 
Die  Ansichten  Kochers  ĂŒber  das  Blutbild  bei  Basedow  haben 
sich  nicht  bestÀtigt.  Wie  vorsichtig  man  in  der  Deutung  der 
Lymphozytose  sein  muß,  beweist  ihr  Auftreten  bei  Neurasthenie, 
bei  Vagotonie  u.  a.  Bei  Infektion  mit  Bakterien  und  anderen 
Parasiten  sind  vor  allem  die  neulrophilen  Zellen  vermehrt.  Aber 
man  darl  nicht  allein  die  neutrophilen  Zellen  berĂŒcksichtigen, 
w  ie  es  S  o  n  n  e  n  b  u  r  g  in  der  ersten  Zeit  getan;  es  ist  die  ganze 
Verschiebung  des  Blutbildes  nach  links,  wie  es  Arneth  ge- 
lehrt, oder  wie  es  in  einfacherer  Weise  von  Schilling  ange- 


geben. An  einer  groben  Zahl  von  Beispielen' wird  die  Veranda 
rung  des  Blutbildes  bei  den  verschiedenen  Krankheitsformen  bfl 
sprochen  und  gezeigt,  wie  sie  differentialdiagnostisch  von  großer;' 
Bedeutung  sein  kann  und  das  Handeln  des  Chirurgen  beein- 
flussen wird.  Die  VerÀnderungen  der  Gesamtzahl,  der  die  ge- 
ringste Bedeutung  zukommt,  die  VerÀnderung  des  Frozen! 
gehaltes  der  einzelnen  Formen  und  die  VerÀnderungen, 
der  einzelnen  Zellen  mĂŒssen  dauernd  beobachtet  und  die 
Zahlen  am  besten  in  einer  Kurve  festgelegt  werden.  sie  ge- 
statten einen  Schluß  auf  die  Prognose.  Die  VerĂ€nderung  de« 
Blutbildes  gehl  der  Verschlechterung  meist  voraus.  WĂ€hrend 
das  klinische  Bild  noch  eine  gute  Prognose  zu  geben  scheint, 
zeigt  bereits  das  Blutbild  die  zu  erwartende  Verschlechterung 
an.  Bei  einzelnen  Krankheiten  hat  das  Blutbild  zur  Unterschei- 
dung versagt,  so  bei  Adenom  und  Karzinom  der  Prostata.  Dif 
fĂŒr  Tuberkulose  charakteristische  Lymphozytose  schwindet  bef 
Entstehung  eines  kalten  Abszesses,  der  zur  Vermehrung  der 
neutrophilen  Blutkörperchen  fĂŒhrt,  Ă€hnlich  bei  Mischinfektionen. 
Bei  malignen  Tumoren  findet  zunÀchst  keine  charakteristische 
VerÀnderung  des  Blutbildes  statt;  erst  der  jauchige  Zerfall  im 
Tumor  fĂŒhrt  zur  Vermehrung  der  neutrophilen.  Auch  die  Diffej 
rentialdiagnose  zwischen  Magenkrebs,  bei  dem  meist  eine  Verl 
mehrung  der  Neutrophilen,  und  Ulcus  ventriculi,  bei  dem  eine 
Lymphozytose  zu  konstatieren  ist,  kann  auf  Grund  des  Blutbilde» 
nur  schwer  gestellt  werden.  In  anderen  FĂ€llen  gab  die  Blut- 
untersuchung  die  Indikation  fĂŒr  ein  operatives  Eingreifen. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


K  o  n  g  r  c  ß  b  e  r  i  c  h  t  e 


H  i  1  d  c  b  r  a  n  d  -  Berlin  bestÀtigt  die  Bedeutung  der  tnetho- 
tischen  Blutuntersuchung,  wie  sie  von  dem  Vortragenden  ah  der 
chirurgischen  Klinik  geĂŒbt  wurde 

Federmann -Charlottenburg:  Die  Bedeutung  der  Leuko- 
zytose fĂŒr  Diagnostik  und  Prognose  peritonealer  Erkrankungen. 

Wenn  auch  das  Blutbild  auf  jede  Infektion  reagiert,  so  ist  bei 
peritonealen  Prozessen  die  Reaktion  wegen  der  großen  Ober- 
flĂ€che des  Peritoneums  und  der  großen  Resorptionskraft  des- 
selben eine  bedeutendere.  Die  Leukozytenkurve  bei  Peritonitiden 
zeigt  einen  typischen  Verlauf:  Starkes  Ansteigen  je  nach  der 
Schwere  der  Infektion  und  allmÀhliches  Abfallen.  Das  Auftreten 
ist  nicht  etwa  ein  Zeichen  von  Eiterung,  sondern  der  Ausdruck 
der  Infektion.  Leukozytose  ohne  Verschiebung  des  Blutbildes 
nach  links  deutet  auf  eine  leichte  Infektion,  bei  der  ein  opera- 
tives Eingreifen  nicht  dringend  ist,  Leukozytose  mit  Verschie- 
bung nach  links  (40  Prozent)  ist  ein  Zeichen  schwerer  Infektion 
und  mahnt  zur  sofortigen  Operation.  Von  großem  Wert  ist  die 
postoperative  Beobachtung  des  Blutbildes.  Ein  erstmaliges  Ab- 
fallen mit  folgendem  Anstieg  deutet  auf  ein  Fortschreiten  der 
Peritonitis.  Geringe  Leukozytose  bei  weiterer  Verschiebung  nach 
links  gibt  eine  sehr  schlechte  Prognose. 

W  en  d  e  1  -  Magdeburg  betont  die  Wichtigkeit  der  Blutunter- 
suchung Entmilzter  noch  nach  langen  Jahren  (10 — 15),  um  fest- 
zustellen, wie  lange  noch  kernrestehaltige  rote  Blutkörperchen 
gefunden  werden. 

F  1  ö  r  c  k  e  n  -  Frankfurt  a.  M.  weist  darauf  hin,  daß  sich  bei 
Strumen  (nicht  bei  Basedow)  Hypoglobulie  finde,  bei  malignen 
Formen  meist  mit  Erhöhung  des  Blutdrucks,  der  bei  Eintreten 
der  Kachexie  schwinde. 

S  c  h  i  1 1  i  n  g  -  Berlin  weist  auf  die  Bedeutung  des.  Blutbildes 
u.  a.  zur  Differentialdiagnose  zwischen  Stein  und  Cholangitis 
bzw.  Leberabszeß  hin.  Er  betont,  daß  die  einfache  Feststellung 
der  Leukozytose  nicht  genĂŒge,  sondern  daß  es  auf  die  VerĂ€nde- 
rung im  Blutbild  ankomme,  wie  das  von  ihm  in  Vereinfachung 
des  Arneth  sehen  Blutbildes  angegeben  ist,  eine  Methode,  deren 
Erlernung  keine  Schwierigkeiten  mache.  Die  Jollykörperchen 
lassen  sich  oft.  wenn  sie  sonst  nicht  mehr  nachweisbar  sind, 
noch  im  dicken  Tropfen  auffinden. 

KĂ€ppis-  Kiel  hat  einzelne  FĂ€lle  gesehen,  in  denen  der  ope- 
rative Befund  nicht  dem  Blutbilde  entsprach.  Er  warnt  davor, 
wenn  andere  klinische  Erscheinungen  vorliegen,  die  Entscheidung 
fĂŒr  die  operative  Indikation  vom  Blutbilde  abhĂ€ngig  zu  machen. 

H  e  i  1  e  -  Wiesbaden  :  Zur  KlÀrung  der  Pcritonitisprognose 
durch  das  mikroskopische  Bild. 

Durch  Stenosierung  der  Appendix  beim  Hunde  hat  er  eine 
Appendizitis  hervorgerufen,  dann  Glasröhrchen  in  die  Bauch- 
höhle gelegt  und  von  Zeit  zu  Zeit  geöffnet  und  Sekret  abgenom- 
men. ZunÀchst  trat  eine  ausgesprochene  quantitative  und  quali- 
tative Lymphozytose  auf,  die  sich  auch  im  3.  Stadium,  dem  der 
Reparation,  wiederfindet.  Auch  bei  chronischem  Ileus  ohne  In- 
karzeration, wie  bei  Peritonealtuberkulose  findet  sich  Lympho- 
zytose. Bei  den  akut  fortschreitenden  Prozessen  der  experimen- 
tellen Appendizitis  trat  dann  eine  Vermehrung  der  neutrophilen 
Zellen  auf,  die  ihren  Höhepunkt  im  heißen  Abszeß  erreicht,  wĂ€h- 
rend man  beim  kalten  Abszeß  eine  vermehrte  Lymphozytose 
j  findet. 

Lohr-  Kiel:  Ueber  physikalisch-chemische  VerÀnderungen 
des  Blutserums  bei  chirurgischen  Erkrankungen. 

Redner  befaßt  sich  erneut  mit  der  Bedeutung  der  Blutkörper- 
chensenkungsprobe. Bei  den  malignen  Tumoren  gibt  sie  ein 
Spiegelbild  der  GrĂ¶ĂŸe  des  Zellzerfalls  und  der  Resorption  der 
Zerfallsprodukte.  Ebenso  tritt  nach  jeder  sterilen  Operation  nach 
21  Stynden  eine  Blutkörperchensenkungsbeschleunigung  auf, 
welche  in  den  nÀchsten  Tagen  noch  zunimmt,  um  dann  allmÀhlich 
zur  Norm  zurĂŒckzufĂŒhren.  Ebenso  tritt  sie  bei  parenteraler  Ein- 
verleibung von  fremden  Eiweißstoffen  auf.  Sie  leistet  in 
mancher  Beziehung  mehr,  als  die  LeukozytenzÀhlung.  So  dient 
sie  z.  B.  zur  Differentialdiagnose  von  tuberkulöser  Erkrankung 
des  HĂŒftgelenkes  und  der  Perthes-Calve'  sehen  Erkrankung. 
Dasselbe  gilt  von  der  Abgrenzung  Àhnlicher  Krankheitsgruppen 
Auch  gewĂ€hrt  sie  Aufschluß  ĂŒber  die  Ausdehnung  der  EntzĂŒn- 
dung bei  Baucherkrankungen,  wie  bei  der  Appendizitis. 

S  c  h  r  a  m  m  -  Berlin:  Behandlung  der  perniziösen  AnÀmie 
durch  Entmarkung  eines  Röhrenknochens. 

In  12  FĂ€llen,  in  denen  die  anderen  Behandlungsmethoden 
versagten,  wurde  das  Knochenmark  aus  einem  Röhrenknochen 
entfernt,  -um  dadurch  einen  Reiz  auf  das  gesamte  Knochenmark 
auszulösen,   der   geeignet   sei,   eine  Umstimmung  im  gĂŒnstigen 


Sinne  zu  bewirken.  Zuerst  wurde  die  Tibia,  spÀter  der  Ober 
Schenkel  gewĂ€hlt,  an  dessen  Außenseite  von  einer  kleinen  Stelle 
die  Operation  ausgefĂŒhrt  wurde.  f>  Kranke  leben.  Ivs  geht  ihnen, 
die  vorher  gar  nicht  mehr  gehen  konnten,  besser.  Bei  ei  nein 
wurde  die  Operation  zweimal  ausgefĂŒhrt.  Man  soll  bei  der  Ope- 
ration sowohl  Allgemeinnarkose  wie  LumbalanÀsthesie  ver- 
meiden. Die  Eingriffe  wurden  in  VenenanĂ€slhesic  ausgefĂŒhrt 
Es  hatte  den  Anschein,  als  ob  nach  der  Operation  die  Arsenik 
behandlung  besser  wirkte. 

M  eh  1  h  o  r  n  -  Hannover  hat  vor  Jahren  bei  starker  Eburni- 
sation  der  Röhrenknochen  diese  aufgemeißelt  und  die  Reste  des 
Knochenmarks  entfernt.  Die  betreffende  Kranke  blieb  jahrelang 
von  den  starken  Schmerzen  befreit.  Er  hat  damals  bereits  dar- 
auf hingewiesen,  daß  vom  Knochenmark  aus  eine  Einwirkung 
auf  schwere  AnÀmien  möglich  wÀre,  und  auch  eine  Beeinflussung 
eines  Milztumors  gesehen. 

Bier -Berlin  hĂ€lt  die  Operation  fĂŒr  nicht  gefĂ€hrlicher  als 
die  Milzexstirpation.  Es  kommt  nicht  auf  die  Masse  des  Knochen- 
marks an,  die  entfernt  wird,  sondern  nur  darauf,  daß  eine  Um- 
stimmung erzielt  wird. 

M  ĂŒ  h  s  a  m  -  Berlin  hat  bei  16  Milzexstirpationen,  von  denen 
eine  jetzt  ĂŒber  7  Jahre  lebt,  wohl  Besserungen,  aber  keine  Hei- 
lungen gesehen.    Das  Blutbild  ist  nie  normal  geworden. 

König-  WĂŒrzburg  hĂ€lt  die  empfohlene  Operationsmethode 
fĂŒr  zu  ungenĂŒgend  begrĂŒndet,  um  sie  zu  empfehlen. 

Bier  -  Berlin  bemerkt,  daß  die  Kranken,  welche  von  den 
ersten  Berliner  Klinikern  vergeblich  behandelt,  durch  die  Ope- 
ration entschieden  gebessert  seien. 

L  o  t  s  c  h  -  Berlin:  Der  Einfluß  der  Röntgenbestrahlung  der 
Milzgegend  bei  operativ  Entmilzten. 

Es  ergab  sich,  daß  viermal  eine  Beschleunigung,  sechsmal 
eine  Verlangsamung  der  Blutgerinnung  eintrat. '  Von  den  sechs 
zeigten  drei  eine  wesentliche,  drei  eine  unbedeutende  Verlang- 
samung. Genau  dieselben  Resultate  wurden  vom  Vortragenden 
bei  Bestrahlung  von  Kranken  mit  erhaltener  Milz  erzielt.  Die 
Röntgenbestrahlung  der  Milz  ist  also  nicht  ein  Mittel,  die  Blut- 
gerinnung zu  beeinflussen,  um  bei  Operationen  Blutsparung  zu 
erzielen. 

Gundermann-  Gießen :  Thrombozyten  bei  malignen  Tu- 
moren. 

Beim  Karzinom  findet  man  im  Gegensatz  zum  Ulcus  eine 
stark  ausgesprochene  Verminderung  der  Thrombozyten.  Nach 
der  Operation  eines  Karzinoms  kann  die  Thrombozytenzahl  wie- 
der zur  Norm  ansteigen.  Tut  sie  das  nicht,  besteht  der  Verdacht 
einer  Metastase.  Die  Verminderung  der  Thrombozyten  kann 
durch  eine  geringere  Bildung  oder  vermehrtes  Zugrundegehen 
von  solchen  bewirkt  werden.  Da  die  Milz  die  BildungsstÀtte  der- 
selben ist,  mĂŒĂŸte  diese  vergrĂ¶ĂŸert  sein.  Dies  ist  aber  nicht  der 
Fall,  und  vieles  spricht  dafĂŒr,  daß  der  Tumor  selbst  der  Ort  ist, 
an  dem  die  Thrombozyten  zugrunde  gehen,  und  daß  es  sich  dabei 
<^im  eine  Schutzvorrichtung  des  Organismus  handelt. 

K  ö  n  i  g  -  Königsberg:  Ueber  das  Verhalten  des  Blutdrucks 
wÀhrend  operativer  Eingriffe. 

Vor  der  Operation  pflegt  infolge  der  Erregung  eine  Blut- 
drucksteigerung zu  erfolgen.  WĂ€hrend  der  Narkose  ist  das  Ver- 
halten des  Blutdrucks  nicht  von  der  Art  des  Narkotikums  ab- 
hÀngig (also  auch  keine  Steigerung  bei  Aethergebrauch).  Bei 
tiefer  Narkose  tritt  ein  rasches  Sinken  auf  und  mahnt  zur  Vor- 
sicht. Bei  der  LumbalanÀsthesie  tritt  ebenfalls  eine  Blutdruck- 
senkung ein,  um  nach  10  Minuten  wieder  zu  steigen,  aber  unter 
dem  normalen  Blutdruck  zu  bleiben.  Bei  LokalanÀsthesie  tritt 
zunÀchst  infolge  der  Aufregung  ebenfalls  Blutdrucksteigerung 
auf.  Daß  dieselbe  nicht  auf  das  Adrenalin  zurĂŒckzufĂŒhren  ist, 
beweist  die  Bluldrucksenkung  bei  Anwendung  lokaler  AnÀsthesie 
und  Allgemeinnarkose.  Der  operative  Eingriff  selbst  beeinflußt 
im  allgemeinen  sehr  wenig  den  Blutdruck.  Nur  starke  Blutung 
oder  große  Eingriffe,  wie  Eventration,  fĂŒhren  zu  einem  starken 
Sinken.  Bei  Sinken  des  Blutdrucks  ist  das  beste  Mittel  intra 
venöse  Adrenalininjektion. 

W  i  e  m  a  n  n  -  WĂŒrzburg  hebt  ebenfalls  die  Bedeutung  der 
Kontrolle  des  Blutdrucks  wÀhrend  der  Narkose  hervor,  welche 
eine  Kreislaufstörung  frĂŒher  als  der  Puls  anzeigt. 

BrĂŒning- Berlin  weist  auf  die  Wirkung  des  Sympathikus 
auf  den  Druck  hin.  Nach  Sympathektomie  durch  Beseitigung  der 
Adventitia  des  betreffenden  GefĂ€ĂŸes  tritt  eine  so  starke  Kon- 
traktur der  GefĂ€ĂŸwand  ein,  daß  der  Puls  nicht  zu  fĂŒhlen,  der 
Blutdruck  auf  Null  sinkt.  Dieser  Zustand  konnte  in  einem  Falle 
5  Stunden  lang  festgestellt  werden.    Redner  weist  auf  die  gĂŒn- 


374 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


stige  Beeinflussung  von  vasomotorischen  Neurosen  durch  die 
Sympathektomie  hin. 

A  x  h  a  u  s  e  n  -  Berlin  berichtet  ĂŒber  eine  Einrichtung  in 
Amerika,  wo  die  an  die  Wand  projizierte  Blutdruckkurve  in  je- 
dem Augenblick  von  Operateur  und  Narkositeur  kontrolliert 
werden  konnte 

Auch  A  n  s  c  h  ĂŒ  t  z  -  Kiel  betont  die  Wichtigkeit  der  Blut- 
c'ruckkontrolle  besonders  auch  fĂŒr  HirnoperaĂŒonen.  Der  Einfluß 
operativer  Eingriffe  auf  den  Blutdruck  ist  vielfach  falsch  einge- 
schĂ€tzt. Eröffnung  des  HĂŒftgelenks,  Durchschneidung  des  N. 
ischiadicus  hat  keine  Blutdrucksenkung  zur  Folge. 

K  ö  n  i  g  -  WĂŒrzburg  lĂ€ĂŸt  ebenfalls  den  Blutdruck  kontrol- 
lieren. Oft  haben  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  kleine  Ereignisse  große  Wir- 
kungen zur  Folge.  Er  sah  nach  Unterbindung  der  Art.  thyreoidea 
media  starke  Blutdrucksenkung. 

S c h Üc k -  Berlin:  Neue  Fiebertheorien  und  ihre  Bedeutung 
fĂŒr  die  Chirurgie. 

Zur  Feststellung  des  FĂ€cher  Zentrums  hat  Redner  von  einer 
1  iepanalionsöffnung  pharmakologische  PrÀparate  in  das  Gehirn 
eingespritzt  und  festgestellt,  daß  das  WĂ€rimezentrum  in  der  Ge- 
gend des  dritten  Ventrikels  liegt.  Unterbrechungen  des  Zentrums 
machen  den  WarmblĂŒter  dem  KaltblĂŒter  Ă€hnlich.  So  soll  man 
auch  daran  denken,  daß  der  narkotisierte  Kranke  inmitten  der 
ihn  umgebenden  WarmblĂŒter  ein  KaltblĂŒter  ist.  Er  hat  vor 
allem  jede  FĂ€higkeit,  sich  vor  ErkĂ€ltung  zu  schĂŒtzen,  verloren. 

S  a  u  e  r  b  r  u  c  h  -  MĂŒnchen :  Demonstrationen  aus  dem  Ge- 
biete der  operativen  Chirurgie  mit  Projektionen  von  Bildern  und 
Vorstellung  Kranker. 

Es  werden  eine  Reihe  von  Kranken  aus  den  verschiedensten 
Gebieten  der  Chirurgie  vorgestellt,  so  eine  glÀnzend  geheilte, 
jetzt  12  Jahre  zurĂŒckliegende  einseitige  LungentuberkĂŒlose,  mit 
extrapleuraler  Thorakoplastik  behandelt.  Ein  zweiter  Fall  zeigt 
an  der  Narbenbildung  die  Forlschritte  der  Technik.  Zwei  Kranke 
mit  kĂŒnstlich  bewegter  Hand  zeigen  die  gute  Funktion  derselben. 
Oer  eine  ist  als  Arzt  tÀlig  und  kann  allen  an  ihn  gestellten  For- 
derungen genĂŒgen,  der  zweite  arbeitet  mit  einer  Arbeitshand  in 
vorzĂŒglicher  Weise,  Eine  Rundfrage  hat  ergeben,  daß  75  Prozent 
der  Operierten  ihre  Prothese  benutzen  und  daß  90  Prozent  von 
diesen  in  ihrem  alten  Berufe  tÀtig  sind.  Bei  einem  Kranken  mit 
Sarkom  4er  HĂŒfte  ist  Sauerbruch  so  vorgegangen,  daß  er 
das  HĂŒftgelenk  reseziert  und  den  unterhalb  des  Knies  abigesetzten 
Oberschenkel  nach  Fußaanputation  durch  den  umgekehrten  Unter- 
schenkel ersetzt  hat.  Die  Einheilung  ist  gut  erfolgt  und  der 
Kranke  geht  mit  einer  Unterschenkelprothese. 

K  ĂŒttn  e  r- Breslau:  Was  erreichen  wir  mit  der  chirurgi- 
schen Behandlung  des  Sarkoms? 

Von  röntgenologischer  Seite  ist  behauptet,  daß  die  Bestrah- 
lung der  Operation  ĂŒberlegen  sei  und  daher  das  Verfahren  der 
Wahl  sein  mĂŒsse.  Die  Durcharbeitung  des  KĂŒttn  e  rsehen  Ma- 
terials, das  740  FĂ€lle  umfaßt,  hat  dies  nicht  bestĂ€tigt.  Von  den 
740  FĂ€llen  verweigerten  34  die  Operation,  188  waren  inoperabel, 
132  hatten  Metastasen  (43  auf  dem  Blut-,  79  auf  dem  Lymphwege  . 
34  starben  an  den  Folgen  der  Operation.  15  FĂ€lle  hatten  ein 
lokales  .Rezidiv,  das  wieder  operiert  wurde.  Von  diesen  blieb 
einer  5%  Jahre  am  Leben.  Der  lĂ€ngst  zurĂŒckliegende  Fall  lebt 
heute  17  Jahre  nach  der  Operation.  Es  starben  nach  der  Ope- 
ration im  ersten  Jahre  45,5  Prozent,  und  zwar  von  Knochen- 
sarkomen 39,9  Prozent,  von  Weichteilsarkomen  49,5  Prozent:  im 
/.weilen  oder  dritten  Jahre  14,8  Prozent,  Knochensarkome  15,2 
Prozent,  Weichteilsarkome  14,6  Prozent;  im  vierten  oder  fĂŒnften 
Jahre  5,3  Prozent,  Knochensarkome  3,3  Prozent,  Weichteil - 
sarkome  6,5  Prozent.  Es  sind  30  Prozent  Dauerheilungen  zu  ver- 
zeichnen (94  von  326),  denen  nur  32 — 36  Prozent  dreijĂ€hrige  Hei- 
lungen von  röntgenologischer  Seite  gegenĂŒberstehen.  Man  soll 
die  Sarkome  in  drei  Gruppen  teilen,  solche,  die  unbedingt  be- 
strahlt, solche,  die  unbedingt  operiert  werden  sollen  und  solche, 
die  nur  bedingt  operiert  werden  sollen.  Zur  ersten  Gruppe  ge- 
hören die  inoperablen  Sarkome,  die  Lymphosarkome,  ferner  die 
‱  ler  SchilddrĂŒse.  Zur  zweiten  Gruppe  gehören  alle  außer  den 
oben  genannten,  welche  ohne  Gefahr  fĂŒr  den  Kranken  mit  großer 
Wahrscheinlichkeit  radikal  entfernt  weiden  können,  und  zwar 
sollen  ebenso,  wie  beim  Karzinom,  bei  jeder  Sarkomoperation 
auch  die  regionĂ€ren  LymphdrĂŒsen  entfernt  werden.  Zur  dritten 
Gruppe  gehören  die  Sarkome,  welche  radikal  nicht  entfernt  wer- 
den können,  sei  es  wegen  des  Sitzes  der  Geschwulst,  sei  es  wegen 
der  GrĂ¶ĂŸe  der  VerstĂŒmmelung. 

A  n  s  c  h  ĂŒ  t  z  -  Kiel  fand  unter  239  FĂ€llen  von  Sarkom  noch 
39  lÀnger  als  3  Jahre  am  Leben.  Von  174  peripheren  (periostalen) 
Knochensarkomen  trat  in  9  Prozent  Heilung  ein.  von  65  zentralen 


(myelogenen)  in  24  Prozent.  Eine  besonders  gute  Prognose  geben 
die  schaligen  Riesenzellensarkome,  aber  ein  Teil  derselben  sind 
keine  Sarkome,  sondern  FĂ€lle  von  Ostitis  fibrosa.  Unter  den 
geheilten  SarkomfÀllcn  befindet  sich  auch  ein  seit  4  Jahren  ge- 
heiltes SchilddrĂŒsensarkom. 

DemgegenĂŒber  betont  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  -  Berlin  die  ungĂŒnstige 

Prognose  des  SchilddrĂŒsensarkoms. 

K  o  t  z  e  n  b  e  r  g  -  Hamburg:  Neue  Gesichtspunkte  zur  Karzi- 
nomtherapie. 

Die  Operationsresultate  mit  nachfolgender  prophylaktischer 
Bestrahlung  ergaben  in  der  Hamburger  Klinik  eine  Zunahme  der 
Rezidive.  Es  wurden  daher  mit  einem  nach  Prof.  Deutsch- 
m  a  n  n  hergestellten  Serum  Versuche  angestellt.  Die  Beobach- 
tung von  26  FĂ€llen  zeigt,  daß  diesem  Serum,  das  sowohl  Ă€ußer- 
lich,' wie  in  Einspritzungen  verwendet  wurde,  eine  Wirkung  zu- 
kommt. Diese  spezifische  Wirkung  des  Serums,  welche  sich  ein- 
mal in  einem  ZurĂŒckgehen  der  GeschwĂŒlste  kundgibt,  zeigl  sich 
auch  in  einer  Reaktion,  welche  in  Schmerzen  und  Fieber  besteht. 
Die  Schmerzen  sind  so  charakteristisch,  daß  allein  durch  sie  mit- 
unter bisher  verborgene  Rezidive  entdeckt  wurden.  Redner 
fordert  zu  einer  NachprĂŒfung  des  in  Hamburg  hergestellten  Se- 
rums auf. 

M  a  n  n  i  n  g  e  r  -  Pest:  Die  Igniexzision  der  Karzinome. 

Die  Paquelinbehandlung  der  Karzinome  hat  sich  sehr  be- 
wĂ€hrt. Er  wendet  sie  nicht  nur  fĂŒr  die  Entfernung  des  PrimĂ€r- 
tumors, sondern  auch  zur  Entfernung  der  DrĂŒsen  an.  Der  Gang 
der  Operation  ist  genau  derselbe,  wie  bei  anderen  Operationen. 
Die  GefĂ€ĂŸe  werden  zwischen  2  Klemmen  gefaßt  und  dann  mit 
dem  Paquelin  durchtrennt.  Der  Wundverlauf  ist  ein  ungestör 
terer  als  bei  den  gewöhnlichen  Operationen.  Nachblutungen 
wurden  von  ihm  nur  in  2  FĂ€llen  beobachtet.  Von  513  so  ope 
rierten  FĂ€llen  erhielt  er  von  230  Antworten.  Von  98  in  den 
Jahren  1900 — 1916  Operierten  leben  noch  41  (52  Proz.),  von  de 
in  den  Jahren  1916—1919  Operierten  136  leben  noch  88  (62  Proz. 

Georg  S  c  h  mi  dt  -  MĂŒnchen  berichtet,  daß  in  der  MĂŒnchener 
chirurgischen  Klinik  seit  kurzer  Zeit  ein  Àhnliches  Verfahren 
wieder  aufgenommen  ist,  dessen  Einzelheiten  einer  spÀteren  Ver- 
öffentlichung vorbehalten  bleiben,  dessen  gĂŒnstiger  Eindruck 
aber  schon  jetzt  festgestellt  werden  kann.  Die  Wunden  reinigen 
sich  sehr  schnell  und  reagieren  mit  gesunden  Granulationen,  die 
Kranken  erholen  sich  bald.  Die  Verkohlung  mit  dem  GlĂŒheisen 
wurde  nur  dann  angewendet,  wenn  die  blutige  Operation  mit  dem 
Messer  wegen  des  Sitzes  oder  der  Ausdehnung  der  bösartigen 
Geschwulst  oder  wegen  des  hohen  Alters  der  Kranken  nicht  an- 
gezeigt erschien.  So  wurde  von  einer  81jÀhrigen  Kranken  mit 
ausgedehntem  Gesichtskrebs  der  Eingriff  sehr  gut  vertragen. 

v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien  hat  das  Verfahren  mit  Vorliebe  bei 
l'nterlippenkrebs  benutzt.  Trotzdem  der  Defekt  weit  im  Ge- 
sunden gesetzt  war,  heilte  derselbe  ĂŒberraschend  schnell  zu. 

Kadza-Wien:  Zur  Frage  der  Jodspeicherung  in  malignen 
Tumoren. 

Bei  Mausen  kann  man   durch   Darreichung  von  hohen  Jod- 
dosen eine  Dauerspeicherung  der  Tumoren   mit   Jod  erreichen. 
Beim  Menschen  ist  das  nicht  möglich,  weil  man  ihm  nicht  so 
hohe  Dosen  geben  kann.    Aber  die  weiteren  Untersuchungen  er- 
gaben, daß  die  PrimĂ€rspeicherung  grĂ¶ĂŸer  war  als  die  Dauer 
speicherung.    Allerdings  hÀlt  diese  PrimÀrspeicherung  nur  kurz 
Zeit  an.   Das  Jod  befindet  sich  nicht  in  der  Tumorzelle  und  nich 
im  Blut,  sondern  in  dem  Gewebssaft.    Abgesehen  von  dem  W'ert 
fĂŒr  die  Röntgenbestrahlung  kann  man  diese  Eigenschaft  des  Jods 
auch  als  TrĂ€ger  fĂŒr  andere.  Medikamente  benutzen,  um  diese  in 
den  Körper  zu  den  gewĂŒnschten  Zellen  zu  fĂŒhren. 

Payr- Leipzig  Praktische  Erfahrungen  mit  der  Pepsin 
Pregllösung. 

Erst  die  von  ihm  gefundene  kolloidale  Löslichkeit  ein 
eigens  hergestellten  hochwertigen  Pepsins  in  der  isotonische 
biologisch-antiseptischen  Pregllösung  ergab  die  Möglichkeit  de 
Anwendung.  Die  Lösung,  welche  unter  WÀrme-  und  Lichtschut 
in  gut  verschlossener  Flasche  höchstens  8  Tage  aufbewahrt  wer 
den  darf,  kommt  in  1  und  2  proz.  Lösung  zur  Anwendung.  Milch 
SĂ€urezusatz  erhöht  die  Wirkung.  ErwĂŒnscht  ist  Novokain 
Adrenalin-Zusatz.  Die  Technik  bei  den  verschiedenen  Anwen 
dungsweisen  wird  beschrieben.  Allgemeinreaktion  fehlt  so  gu 
wie  immer,  lokale  ist  sehr  gering.  Die  funklionsverbessernd 
Wirkung  tritt  manchmal  schon  einige  Minuten  nach  der  Ein 
spritzung  ein.  Die  besten  Erfolge  wurden  bei  Trippergelenke 
erzielt  nach  monatelanger  vergeblicher  Behandlung  (unter  ach 
FĂ€llen  sechs  gute  Erfolge).   Ferner  wurden  erfolgreich  behandelt 


10.  Jahrg.  -  Nr.  18/19. 


K  o  ii  g  r  e  ß  I)  c  i  i  c  h  t  e 


375 


Gelenkfrakturen,  verklebte  derbe  Narben,  verlötete  Sehnen,  Mus 
kein,  versteifte  Finger  nach  Ilohlhaiulphlegmone,  Keloide,  Rönt- 
genverbrennungen,  Elephantiasis,  Verlötungen  und  Narbenium 
hĂŒllungen  verletzter  Nerven,  Neuralgien.  Ferner  wurden  beob- 
achtet Verkleinerung  von  Fibromen,  h septische  VerflĂŒssigung 
von  Lymphosarkom,  ZurĂŒckbildung  einer  ProslatayergrĂ¶ĂŸerung, 
.niilc  Erfolge  bei  Nachbehandlung  der  Gelenkplastik.  Unter  75 
gespritzten  FĂ€llen  (durchschnittlich  3  Einspritzungen)  22  sehr 
gute,  Iii  gute  Erfolge,  1!)  gut  abgeschlossen,  10' mal  die  Behand- 
lung abgebrochen,  12  mal  Erfolg  ungenĂŒgend.  Zum  SchlĂŒsse  wei  - 
den die  Anzeigen.  Gegenanzeigen,  Gefahren  und  Fehler  be- 
sprochen. 

B  a  et  z  n  e  r  -  Berlin  erinnert  an  seine  Untersuchungen  mil 
Trypsin.  Es  entfaltet  seine  Wirkung  in  alkalischem  Gewebe^ 
wÀhrend  Pepsin  SÀure  braucht.  Es  wurde  von  ihm  erfolgreich 
bei  Tuberkulosen  angewendet,  aber  auch  bei  Tumoren,  Keloiden 
und  SehnenscheidenentzĂŒndungen 

v.  E  i  s  e  I  s  b  e  r  g  -  Wien  macht  auf  den  gĂŒnstigen  Verlauf  der 
Magenperforation  aufmerksam,  die  er  auf  die  Wirkung  des  salz- 
sauren Pepsins  zurĂŒckfĂŒhrt.  Auch  die  experimentelle  Peritonitis 
beim  Hunde  wurde  durch  Pepsinlösung  1  :  3000  gĂŒnstig  beeinflußt. 
Infolgedessen  hat  er  diese  Lösung  auch  in  einigen  FÀllen  von 
Peritonitis  nach  Appendizitis  mit  anscheinend  gĂŒnstiger  Beein- 
flussung verwendet. 

P  a  y  r  bevorzugte  Pepsin  vor  dem  Trypsin  wegen  der  bei 
diesem  beobachteten  Kapillarblutungen.  Der  Hauptvorteil  des 
jetzigen  Verfahrens  liegt  darin,  dal!  es  gelungen  ist.  die  kol- 
loidale Pepsip-Pregllösung  darzustellen. 

N  Ö  tz  e  1 -  SaarbrĂŒcken:  Zur  Handhabung  der  Aseptik. 

BezĂŒglich  der  HĂ€ndedesinfektion  stehen  wir  im  Wesentlichen 
auf  dem  gleichen  Standpunkte,  wie  ihn  K  ĂŒ  tt  ne  r  auf  dem 
Chirurgenkongreß  1911  zum  Ausdruck  gebracht.  Die  reine  Al- 
koholdesinfektion leistet  mindestens  das  Gleiche  wie  die  Àltere 
F  ĂŒ  r  b  r  i  n  g  e  r  sehe  Methode.  Wunde  Punkte  sind  der  Unter - 
nagelraum  und  die  stark  behaarten  Stellen.  Nachdem  die  Gummi- 
handschuhe wieder  besser  geworden,  ist  man  auch  zu  ihrer  Ver- 
wendung wieder  zurĂŒckgekehrt.  Wegen  ihres  hohen  Preises 
werden  sie  oft  nur  zur  Behandlung  infizierter  Wunden  und  Ope- 
rationen benutzt.  Redner  hat  die  Empfindung, ' daß  der  Gummi 
noch  mehr  klebrig  ist  wie  frĂŒher,  und  zieht  daher  ĂŒber  die 
Gummihandschuhe  Zwirnhandschuhe.  Die  Desinfektion  des  Ope- 
rationsfeldes mit  Jodtinktur  hat  sich  bewÀhrt.  Wo  man  ihre 
Anwendung  vermeiden  will,  hat  sich  der  gefÀrbte,  von  Kirsch- 
ner  angegebene  Tanninalkohol  bewÀhrt.  Y on  den  Nahtmate- 
rialien wird  immer  mehr  das  resorbierbare   Kaigut  bevorzugt. 

P  eis -Leus  den  war  durch  eine  Furunkulose  gezwungen, 
lange  Zeit  das  Waschen  mit  Seile  zu  vermeiden.  Er  hat  sich  nur 
mit  essigsaurer  Tonerde  desinfiziert  und  dann  mit  Gummi-  und 
Zwirnhandschuhen  operiert,  ohne  eine  Aenderung  in  der  Wund- 
liciĂŒmg  bemerk!  zu  haben.  Zur  Desinfektion  des  Operations- 
feldes benutzt  er  den  von  König  empfohlenen  Thymolalkohol, 
der  auch  fĂŒr  die  Schleimhauldesinfeklion  sehr  geeignet  ist.  Er 
betont  erneut  die  Wichtigkeit  des  von  dem  alleren  König  so 
genannten  „fingerlosen  Operierens". 

K  a  u  s  c  h  -  Berlin  bevorzugt  ebenfalls  die  Alkoholdesinfek- 
tion  der  HĂ€nde  und  hebt  die  Wichligkeil  kurzer  NĂ€gel  hervor. 
Wegen  der  teueren  Preise  isl  er  von  den  Gummi-  zu  Zwirnhand- 
schuhen ĂŒbergegangen  und  damit  zufrieden,  infolge  eines  Falles 
von  Tetanus  nach  Katgutbenutzung  bevorzugt  er  Seide  als  Naht- 
material. 

K 4  r  c  h  n  e  r  -  Königsberg  empfiehll  die  gefÀrbte  Tannin 
alkohollösung.  Er  warnt  davor,  das  Operationsgebiet  noch  ein- 
mal kurz  vor  der  Operation  mit  den  Fingern  abzutasten  und 
empfiehlt,  die  Lage  des  Hautschnittes  vor  der  Desinfektion  durch 
einen  farbigen  Strich  anzuzeichnen,  so  daß  bis  zu  diesem  die 
aseptische  Abdeckung  des  Operationsfeldes"  erfolgen  kann. 

E  i  c  h  hof  f- Breslau;  Ist  das  (l'Herelle'sche  PhÀnomen  von 
Bedeutung  fĂŒr  die  Chirurgie? 

Er  hat  in  der  K  ĂŒ  t  t  n  e  r  sehen  Klinik  und  im  hygienischen 
Institut  zu  Breslau  eine  grobe  Reihe  von  Versuchen  angestellt, 
um  Festzustellen,  ob  das  PhĂ€nomen  auch  bei  akul  entzĂŒndlichen 
chirurgischen  Erkrankungen  heobachtel  und  event.  therapeutisch 
verwertet  werden  kann.  Die  Versuche  haben  ergeben,  daß  man 
aus  dem  Stuhl  odei  dem  Eiter  der  Kranken  im  akuten  Stadium 
der  Erkrankung  und  in  der  Rekonvaleszenz  ein  Fillrat  gewinnen 
kann,  welches  auf  die  eigenen  ErregerstÀmme  (Streptokokken 
und  Staphylokokken)  in  vitro  eine  mehr  oder  weniger  zer- 
störende Wirkung  ausĂŒbt,  die  sich  durch  weitere  Passagen  slei 


gern  lallt  Auch  heterogene,  fĂŒr  Sluga  und  Ruhr  wirksame  Fi] 
"trĂ€te  besitzen  mitunter  eine  stark  zerstörende  Wirkung  fĂŒr 
Slrepto-  und  Staphylokokken.  Die  Filtrate  sind  unschÀdlich 
Redner  bat  bis  zu  '.'>  cem  beim  Menschen  subkutan  eingespritzt, 
ohne  eine  schildliche  Wirkung  gesehen  zu  haben.  Diese  UnschÀd- 
lichkeil berechtigt  zu  therapeutischen  Versuchen,  mil  denen  be 

reils  begonnen  wurde. 

V'O  r  S  C  h  Ü  tZ -  Elberfeld:  Das  W  esen  der  llĂ€in-  und  Bak- 
lerienagglutination  und  ihre  klinische  Bedeutung. 

Bei  der  Agglutination  handelt  es  sich  um  elektrisch-chemisch 
physikalische  VorgÀnge.  Sie  isl  abhÀngig  von  der  Vermehrung 
des  Globulins,  nicht  der  Lipoide,  das  bei  den  verschiedenen 
Krankheiten  verschiedene  Werte  zeigt.  Zur  Diagnostik  lĂ€ĂŸt  sieb 
die  Agglutination  bei  allen  subakuten  und  chronischen  Prozessen 
und  den  malignen  Tumoren  verwenden  event  unter  Zuhilfe- 
nahme der  Phosphorbestimmung  im  Blute).  Sie  entscheidet  die 
Differentialdiagnose  zwischen  Magenkarzinom  und  -Ulcus,  ma- 
lignen Tumoren  und  entzĂŒndlichen  Prozessen  am  Darm,  malignen 
Tumoren  des  Mediastinums  gegenĂŒber  Struma  und  Aneurysma. 
Ihr  Vorkommen  zeigt,  daß  die  Gruber-Widal-Beaktion  nicht  nur 
an  spezifisches  Typhus-  oder  Ruhrblut  gebunden  ist.  Globulin« 
Vermehrung  tritt  auch  bei  der  Proteinkörpertherapie,  und  in  noch 
höherem  Grade  bei  Eigenbluteinspritzungen  auf,  deren  Heilwerl 
bei  akuten  Prozessen,  besonders  der  Lunge  und  des  Rippenfells, 
aber  auch  bei  Sepsis  und  anderen  akuten  Prozessen  empfohlen 
wird. 

v.  Gt  a  z  a  -  Göttingen :  (icw  ebsautolyse  und  regenerativer  Reiz. 

Erst  die  Zerfallsprodukte  der  Gewebe  geben  den  Anreiz  zur 
Regeneration,  wie  am  Fettgewehe,  Nerven,  Muskeln  und  anderem 
gezeigt  wird.  Auch  bei  der  Pflanze  fand  H  a  b  e  r  1  a  n  d  dieses 
bestÀtigt.  Wenn  er  Wunden  an  Knollen  setzte  und  die  Zerfalls- 
produkte sorgfÀllig  entfernte,  blieb  die  Wundheilung  aus,  wÀh- 
rend bei  HinzufĂŒgung  von  Zerfallsprodukten  Regeneration  ein- 
trat. Redner  hat  an  Kaninchen  Versuche  angestellt,  indem  er 
auf  der  einen  Seite  Autolysate  intravenös  einspritzte,  auf  der 
anderen  Seite  nicht  und  nun  eine  MuskelschĂ€digung  hinzufĂŒgte. 
Aul'  der  Seite,  in  der  die  Einspritzung  erfolgt  war,  trat  exquisite 
Regeneration  ein. 

B  i  e  r  -  Berlin  bezw  eifelt  die  Notwendigkeit  der  Anwesenheit 
der  Zerfallsprodukte  zur  Anregung  der  Regeneration.  Er  er- 
innert an  die  Regeneration  der  Sehnen.  In  einem  Falle  von 
Zwergwuchs  hat  er  Teile  aus  den  Knochen  mit  Umgebung  sorg- 
fÀltig reseziert,  dann  die  betreffenden  Glieder  extendierl,  darauf 
die  WundflĂ€chen  fĂŒr  einige  Tage  aneinandergebracht  und  wieder 
extendierl.  Es  fehlte  jede  Spur  von  Periost  Das  Röntgenbild 
zeigl  die  Regeneration  der  entfernten  Knochenteile. 

L  e  x  e  r  -  Freiburg  meint,  daß  es  sich  um  einen  Wettstreit 
/.wischen  spezifischem  Knochen-  und  unspezifischem  Binde- 
gewebe handelt,  das  ĂŒberall  hereinwuchere. 

S  a  u  e  r  b  r  u  c  h  MĂŒnchen  sah  in  einem  Falle  Von  Aktinomy- 
kose,  in  dem  er  Rippen,  SchlĂŒsselhein  und  Muskulatur  radikal 
entfernt  hatte,  eine  vollige  Regeneration. 

Bier- Berlin  bezweifelt,  daß  es  sich  um  echte  Regeneration 
und  nicht  vielmehr  um  Narbengewebe  gehandelt. 

K  i  r  s  c  h  n  e  r  -  Königsberg  bestĂ€tigt  dies  fĂŒr  die  Entfernung 
des  Sternokleido  wegen  Caput  obstipum.  Aeußerlich  könnte  man 
an  die  Wiederherstellung  des  Muskels  glauben:  es  handelt  sich 
aber  um  Narbengewebe 

v.  (i  a  z  a  betont  noch  einmal  den  innigen  Zusammenhang 
/wischen  De-  und  Regeneration, 

Bier-Berlin  erinnert  an  die  schlechten  Erfolge  der  Sehnen- 
nÀhte. 

v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  -  Wien  betont  demgegenĂŒber  die  guten  Re- 
sultate, die  er  bei  primÀrer  Heilung  mit  Sehnennahten  erzielt. 

R  i  tt  e  r  -  ZĂŒrich:  Die  Bedeutung  der  LeberfunktionsprĂŒfung 
fĂŒr  die  chirurgische  Diagnose. 

Redner  betont  die  Wichtigkeil  der  Untersuchungsmethoden, 
welche  manchen  posloperativen  Todesfall  aufgeklÀrt  haben,  und 
vor  allem  auch  die  schÀdliche  Wirkung  der  Narkose  auf  die 
I  eberfunktion  festgestellt  haben.  Als  beste  Methode  empfiehlt  er 
die  W  i  d  a  1  sehe  Probe,  in  zweiter  Linie  die  Ninhydrinreaklion 
AniiigosÀurenbeslimmung  nach   A  b  d  e  r  h  aide  n). 

C  1  a  i  r  in  o  n  t  -  ZĂŒrich :  Biologisehe  Methoden  zur  Diagnose 
der  Aktinomykose. 

WĂ€hrend  die  Diagnose  der  Ă€ußerlich  liegenden  Herde  keine 
Schwierigkeiten  bereitet,  können  dieselben  zur  Diagnose  von 
inneren  Herden  sehr  grob  sein.    Kr  erzÀhlt  von  einem  Falle,  dei 


376 


Kleine  Mitteilungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


lange  Zeit  unerkannt  als  Lungentuberkulose  in  Sanatorien  ge- 
wesen, bis  die  richtige  Diagnose  gestellt  wurde.  Die  Versuche 
wurden  mit  dem  milden  Stamm  der  Aktinomykosis  odorifera, 
aeroben  und  anaeroben,  vor  allem  dem  Stamm  Wolff-Israel  an- 
gestellt. Nach  Ueberwindung  mancher  Schwierigkeiten  gelang 
es  zu  einem  Resultate  zu  kommen.  Bei  weiteren  gĂŒnstigen  Nach- 
untersuchungen hofft  er  die  Darstellung  des  mĂŒhsam  gewonne- 
nen PrÀparates  einem  chemisch-bakteriologischen  Institute  zu 
allgemeinem  Gebrauch  ĂŒbertragen  zu  können. 

Magnus  - Jena:  Darstellung  der  Lymphwurzeln  an  serösen 
HĂ€uten  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  Pathologie. 

Die  LymphgefĂ€ĂŸe  werden  durch  Wasserstoffsuperoxyd  mit 
Sauerstoff  gefĂŒllt  und  zeigen  sich,  wie  aus  den  projizierten  PrĂ€- 
paraten hervorgeht,  in  klassischer  Schönheit  und  Deutlichkeit 
dem  Auge  dar. 

Pust-Jena:  Demonstration  eines  wÀrmehaltenden,  regulier- 
baren Infusionsapparates. 

Der  sinnreich  konstruierte  Apparat  soll  dem  großen  Nachteil 
der  AbkĂŒhlung  der  Lösung  abhelfen  und  ist  gleichzeitig  mit  einem 
Tropfhahn  versehen,  der  durch  Umstellung  das  Einströmen  ver- 
schieden temperierter  Lösungen  ermöglicht. 

(Fortsetzung  folgt.» 


Kleine  Mitteilungen. 

Einrichtung  psychiatrischer  Abteilungen.  Bei  den  Gerichts- 
gefĂ€ngnissen  in  NĂŒrnberg  wurde  eine  psychiatrische  Abteilung 
neu  eingerichtet  und  am  1.  April  1922  in  Betrieb  genommen.  Die 
psychiatrische  Abteilung  bei  dem  StrafvollstreckungsgefÀngnissen 
MĂŒnchen  (Stadelheim)  wurde  im  Laufe  des  April  1922  eröffnet. 

Mit  der  Einrichtung  dieser  beiden  Abteilungen  ist  eine  von 
der  GefÀngniswissenschaft  schon  lÀngst  erhobene,  von  den  Psy- 
chiatern lebhaft  unterstĂŒtzte  Forderung  erfĂŒllt  worden.  Die  Ent- 
wicklung, die  die  moderne  Psychiatrie  genommen  hat,  ist  auf  die 
Slrafrechtspflege  nicht  ohne  wesentlichen  Einfluß  geblieben;  mit 
dem  Fortschreiten  der  Wissenschaft  wurde  immer  mehr  die  Not- 
wendigkeit erkannt,  bei  der  Beurteilung  einer  strafbaren  Hand- 
lung auch  den  Geisteszustand,  in  dem  der  TĂ€ter  sich  bei  ihrer  Be- 
gehung befand,  mehr  als  bisher  in  den  Vordergrund  zu  rĂŒcken, 
und  die  bevorstehende  Reform  der  Strafgesetzgebung  wird  vor- 
aussichtlich den  Begriff  der  verminderten  ZurechnungsfÀhigkeit 
in  das  Strafrecht  einfĂŒhren.  Dazu  kommt,  daß  unter  Berufung 
auf  die  ErschĂŒtterungen  der  Kriegszeit  die  Beschuldigten  jetzt 
hĂ€ufiger  wie  frĂŒher  den  Einv,Tand  geistiger  Erkrankung  bringen 
und  es  dadurch  notwendig  machen,  ĂŒber  die  Frage  ihrer  straf- 
rechtlichen Verantwortlichkeit  durch  lÀngere  fachÀrztliche  Beob- 
achtung zu  entscheiden  und  damit  fĂŒr  das  Strafverfahren  eine 
zuverlÀssige  Grundlage  zu  schaffen.  Diesem  Zwecke  sollen  die 
psychiatrischen  Abteilungen  hauptsÀchlich  dienen.  Hk. 

Gesetz  ĂŒber  die  DurchfĂŒhrung  der  Einheitsschule  in  ThĂŒrin- 
gen (Einheitsgesetz).  Vom  24.  Februar  1922.  In  Aus- 
fĂŒhrung des  Artikels  146  Abs.  1  der  Reichsverfassung  hat  der 
Landtag  von  ThĂŒringen  folgendes  Gesetz  beschlossen: 

§  1.  Das  gesamte  öffentliche  Schulwesen  ThĂŒringens,  mit 
Ausschluß  der  Fortbildungs-  und  Fachschulen,  baut  sich  als  Ein- 
heitsschule in  folgenden  vier  Stufen  auf:  1.  Grundschule  (1. — 4. 
Schuljahr),  2.  Unterschule  (5.-7.  Schuljahr),  3.  Mittelschule  (8.  bis 
10.  Schuljahr),  4.  Oberschule  (11. — 13.  Schuljahr).  §  2.  Die 
Grundschule  ist  der  fĂŒr  alle  Kinder  gemeinsame  und  ein- 
heitliche Unterbau  aller  weiterfĂŒhrenden  Schulformen.  §  3.  Die 
Unterschule  gliedert  sich  in  zwei  Zweige:  a)  die  deutsche 
Unlerschule,  b)  die  Real-Unterschule.  §  4.  Die  Mittelschule 
gliedert  sich  in  drei  Zweige:  a)  die  deutsche  Mittelschule,  b)  die 
Real-Mittelschule,  c)  die  Latein-Mittelschule.  Die  Schlußklasse 
der  Volksschule  (8.  Schuljahr)  bleibt  neben  diesen  drei  Zweigen 
bestehen  und  gilt  als  Mittelschulklasse.  §  5.  Die  Oberschule 
gliedert  sich  in  vier  Zweige:  a)  die  deutsche  Oberschule,  b":  die 
Real-Oberschule,  oN  die  Realgymnasial-Oberschule,  d)  die  Gym- 
nasial-Oberschule.  §  6.  Jede  Schulstufe  (Grundschule,  Unter- 
schule,  Mittelschule,  Oberschule)  bildet  innerhalb  des  Gesamt- 
aufbaues der  Einheitsschule  ein  in  sich  geschlossenes  Ganzes 
und  fĂŒhrt  zu  einem  gewissen  Abschluß  der  Schulbildung.  Die 
verschiedenen  Zweige  derselben  Schulstufe  gelten  grundsÀtzlich 
als  einander  gleichwertig.  §  7.  FĂŒr  jede  der  vier  Stufen  des 
Einheitsschulaufbaues  wird  ein  besonderer  Lehrplan  aufgestellt, 
der  die  gemeinsamen  und  die  unterschiedlichen  UnterrichtsfÀcher 
aller  Zweige  derselben  Schulstufe  umfaßt.    FĂŒr  die  gemeinsamen 


UnterrichtsfÀcher  verschiedener  Zweige  derselben  Schulstufe  ist 
die  Stoffverteilung  auf  die  einzelnen  Schuljahre  möglichst  ein- 
heitlich zu  gestalten.  Dementsprechend  ist  fĂŒr  diese  FĂ€cher  auch 
tunlichst  die  gleiche  Wochenstundenzahl  innerhalb  desselben 
Schuljahres  fĂŒr  die  verschiedenen  Zweige  derselben  Schulstufe 
anzusetzen.  §  8.  Die  Grundschule,  die  deutsche  Unterschule  und 
die  Schlußklasse  der  Volksschule  (8.  Schuljahr)  gelten  im  Sinne 
des  Art.  145  der  Reichsverfassung  als  Volksschule.  §  9.  Die 
zur  AusfĂŒhrung  dieses  Gesetzes  erforderlichen  Bestimmungen 
und  Verordnungen  werden  vom  ThĂŒringischen  Ministerium  fĂŒr 
Volksbildung  erlassen.  §  10.  Vorstehendes  Gesetz  tritt  mit  dem 
1.  April  1922  in  Kraft.  Mit  dem  gleichen  Zeitpunkt  gelten  alle 
entgegenstehenden  Gesetze  und  Verordnungen  des  Landes  ThĂŒ- 
ringen und  der  Einzelgebiete  als  aufgehoben.  Hk. 

Bonn.  Der  Honorarprof.  u.  Abteilungsvorsteher  am  anatom. 
Institut  Dr.  Friedr.  Heiderich  ist  zum  ord.  Prof.  ernannt.  — 
Zum  Nachfolger  von  Prof.  Verworn  auf  dem  Lehrstuhl  der  Phy- 
siologie ist  der  ord.  Prof.  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Franz  H  o  f  m  a  n  n 
in  Marburg  in  Aussicht  genommen.  —  Als  Nachfolger  von  Prof. 
Ungar  hat  Privatdoz.  Dr.  Victor  MĂŒller -Heß  in  Königsberg 
einen  Ruf  auf  den  Lehrstuhl  der  gerichtlichen  Medizin  erhalten. 
—  Die  Dienstbezeichnung  „außerord.  Prof."  erhielten  die  Privat- 
dozenten Dr.  Heinrich  Eis  (Chir.)  und  Dr.  Walter  Poppei- 
re u  t  e  r  (Psychiat). 

Breslau.  Dr.  Heinrich  yon  E  g  g  e  1  i  n  g,  Extraord.  u.  Pro- 
sektor am  anatom.  Institut  in  Jena  hat  das  Ordinariat  fĂŒr  Ana- 
tomie ĂŒbernommen.  —  Der  außerord.  Prof.  u.  Abteilungsvorsteher 
am  anatom.  Institut  Dr.  Bernhard  DĂŒrken  ist  zum  ordentl. 
Prof.  ernannt.  —  Der  Privatdoz.  fĂŒr  Dermatol.  u.  Strahlenther 
Dr.  Erich  Kuznitzky  erhielt  die  Dienstbezeichnung  „außer- 
ordentl.  Prof.".  —  Habilitiert  Dr.  Alfred  Renner  (Chir.). 

Frankfurt.  Dienstbezeichnung  „außerord.  Prof."  den  Privat- 
dozenten Dr.  Karl  Propping  (Chir.),  Dr.  Edgar  Gold- 
schmid  (Pathol.),  Dr.  Franz  J  a  h  n  e  1  (Neuro!,  u.  Psvchiaf 
und  Dr.  Rudolf  Jaffe  (Pathol.). 

Göttingen.  Als  Nachfolger  Prof.  W.  Langes  ist  Prof.  Dr. 
Oskar  W  a  gener,  Direktor  der  Poliklinik  fĂŒr  Ohren-,  Nasen- 
u.  Halskrankh.  in  Marburg  berufen.  —  Dienstbezeichnung  „außer- 
ordentl.  Prof."  dem  Privatdoz.  Dr.  Kurt  BlĂŒh  dorn  (Kinder- 
heilkunde). 

Graz.  Titel  „außerord.  Prof."  dem  Privatdoz.  fĂŒr  soz.  Med 
Dr.  Otto  B  u  r  k  a  r  d. 

Greifswald.  Die  a.  o.  Prof.  Dr.  Walter  Schön  fei  d,  Di- 
rektor der  Poliklinik  fĂŒr  Haut-  u.  Geschlechtskrankh.  und  Dr 
Erich  Becker,  Leiter  des  zahnÀrztl.  Instituts,  sind  zu  ordentl. 
Prof.  ernannt. 

Halle.  Der  wissenschaftliche  Mitarbeiter  u.  Abteilungsleiter 
in  den  Carl  Zeiß-Werken  in  Jena  Prof.  Dr.  phil.  Otto  Henker 
ist  zum  Dr.  med.  hon.  c.  ernannt. 

Hamburg.  Habilitiert  Dr.  Robert  Bier  ich  (exper.  Biol.  u. 
innere  Med.),  Dr.  Emil  L  e  B  1  a  n  c  (innere  Med.)  und  Dr.  Hans 
Schmidt  (ImmunitÀtswissenschaft). 

Heidelberg.  Dienstbezeichnung  „außerord.  Prof."  dem  Pri- 
vatdoz. fĂŒr  Psychiatrie  Dr.  Albrecht  W  e  t  z  e  1.  —  Habilitiert  Dr. 
Karl  Klein  schmidl  (Chir.)  und  Dr.  Eberhard  Groß  (Phy- 
siologie). 

Kiel.     Habilitiert  Dr.  Otto  Griltz  (Dermatol.  u.  Syphil. 

Königsberg.  Als  Nachfolger  von  Geh.  Med.-Rat  J.  Schreiber 
ist  Prof.  Dr.  Oskar  Bruns  in  Göttingen  zum  ord.  Prof.  und 
Direktor  dej  mediz.  Polikl.  ernannt.  —  Dienstbezeichnung 
..außerord.  Prof."  dem  Privatdoz.  fĂŒr  innere  Medizin  Geora 
Rosenow. 

Leipzig.  Der  Direktor  der  Klinik  fĂŒr  Ohren-.  Nasen-  und 
Halskrankh.  Obermedizinalrat  Dr.  Adolf  Barth  ist  zum  ordentl 
Prof.  ernannt. 

Marburg.  Prof.  Dr.  Alfred  R  u  e  t  e,  Leiter  der  Abteil,  fĂŒr 
Haut-  u.  Geschlechtskrankh.  zum  ordentl.  Prof.  ernannt.  —  Als 
Nachfolger  von  Prof.  0.  Wagener  auf  dem  Lehrstuhl  der 
Ohren-,  Nasen-  und  Halskrankh.  ist  Prof.  Dr.  Walter  U  f  f  e  n  - 
o  r  d  e  in  Göttingen  in  Aussicht  genommen. 

Wien.  Habilitiert  Dr.  Adalbert  Fuchs  und  Dr.  Ernst 
Bachsterz  Augenheilk.),  Dr.  Peter  Walzel  (Chir.).  Dr. 
Ludwig  H  o  f  b  a  u  e  r  und  Dr.  Oskar  Weltmann  (innere  Med.^ 
und  Dr.  Fritz  Schlemmer  (Laryngo-Rhinol.). 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  vonTHANS  P  U  S  C  H.  Berlin  SW  46.  Wilhelm  -  Strafe  20  /  Fernsprecher  LĂŒtzow  9057 


Nr.  20/21 


Berlin,  den  24.  Mai  1922 


40.  Jahrgang 


Dar  Verlag  behĂ€lt  sieb  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  ver. 


Die  Grundlagen  der  Kreislaufstörungen 
in  der  Chirurgie. 

Von  Dr.  Karl  Vogeler,  Berlin-Steglitz. 

Die  gleichmĂ€ĂŸige  Zusammenarbeit  von  Herz  und  Ge- 
fĂ€ĂŸen und  der  geordnete  Ablauf  des  Kreislaufs  hĂ€ngen  ab 
von  drei  Faktoren,  nÀmlich  der  Herzarbeit,  der  Beschaffen- 
heit der  GefĂ€ĂŸe  und  dem  Zustand  des  Blutes.  Diese  drei  be- 
herrschen den  Kreislauf  vollkommen,  so  zwar,  daß  jede 
Störung  in  dem  Zustand  oder  der  Funktion  des  einen  von 
ihnen  zu  einer  vorĂŒbergehenden  oder  dauernden  Störung  des 
Gesamtkreislaufs  fĂŒhren  muß. 

Als  Störungen  der  HerztÀtigkeit  sind  zu  nennen,  zu 
lÀngsame  Arbeit  und  zu  unvollkommene  Entleerung  eines 
oder  beider  Ventrikel.  Alle  drei  VorgĂ€nge  fĂŒhren  zur  Herz- 
insuffizienz. Bei  der  zu  langsamen  Herzarbeit  und  der  un- 
vollkommenen Entleerung  beider  Ventrikel  ist  die  Austrei- 
bungskraft eine  geringe  und  die  Entleerung  eine  schlechte. 
Dadurch  wird  der  Blutstrom  verlangsamt,  ein  Ă€ußerst  ge- 
fÀhrlicher Zustand.  BlÀsse  der  Haut  und  KÀlte  der  Extremi- 
tÀten sind  die  Folgen,  Ohnmacht  die  weitere.  Vor  allem 
aber  leidet  das  Herz  selbst  schwer  unter  dieser  schlechten 
KreislauftĂ€tigkeit,  da  es  seine  eigenen  GefĂ€ĂŸe-  mangelhaft 
durchblutet,  und  jede  Störung  dieses  eigenen  Kreislaufs  ver- 
trÀgt es  sehr  schlecht. 

Unvollkommene  Entleerung  der  einen  Kammer  bedingt 
zunĂ€chst  eine  Stauung  im  Gebiete  rĂŒckwĂ€rts  des  lĂ€dierten 
Ventrikels.  Beim  rechten  staut  sich  das  Blut  in  den  großen 
Körpervenen,  so  daß  Ascites,  Oligurie  und  Oedeme  die  Folgen 
sind;  beim  linken  in  den  Lungen  und  dem  rechten  Ventrikel, 
so  daß  Dilatation  desselben,  Stauungskatarrh  und  Lungen- 
ödem entstehen.  Der  arterielle  Kreislauf  ist  in  diesen  FÀllen 
schlecht  gefĂŒllt,  der  venöse  ĂŒbermĂ€ĂŸig  stark,  d.  h.  gestaut. 

Die  Beschaffenheit  der  GefĂ€ĂŸe  ist  der  zweite  anissehlag- 
gehende  Faktor  fĂŒr  den  geordneten  Gang  des  Kreislaufs.  Die 
GefĂ€ĂŸbahn  stellt  einen  wundervoll  arbeitenden  Apparat  dar, 
der  auf  die  leisesten  Reize  mit  Verengerungen  und  Erweite- 
rungen der  Strombahn  antwortet,  teils  lokaler,  teils  allge- 
meiner Art.  Einer  Verengerung  der  Lichtung  an  einer  Stelle 
folgt  automatisch  eine  Erweiterung  an  einer  anderen,  so  daß 
der  Gesamtquerschnitt  immer  etwa  derselbe  bleibt. 

Störungen  dieses  GefĂ€ĂŸspiels  entstehen  durch  zu  starke 
Verengerungen  und  Erweiterungen  der  Bahn.  Der  erste  Fall 
kommt  in  praxi  nicht  oft  vor,  ist  aber  wichtig  dadurch,  daß 
er  in  den  letzten  Jahren  mit  dem  ausgedehnteren  Gebrauch 
des  Adrenalins  durch  eben  dieses  Mittel  öfter  herbeigefĂŒhrt 
ist.  Adrenalin  zieht  die  GefĂ€ĂŸe  derartig  zusammen,  daß  das 
Herz  gegen  diese  enorme  Mehrarbeit  nicht  anarbeiten  und 
akut  versagen  kann. 

Von  großer  praktischer  Wichtigkeit  ist  dagegen  die  zu 
starke  und  anhaltende  GefĂ€ĂŸerweiterung,  die  durch  die  Ge- 
fĂ€ĂŸlĂ€hmung  zustande  kommt.  Diese  kommt  vor  als  Ver- 
giftung mit  vielen  narkotischen  Substanzen,  ferner  im  Ver- 
lause zahlreicher  Infektionskrankheiten.  Auf  diesem  Wege 
kann  der  Tod  herbeigefĂŒhrt  werden;  das  Herz  könnte  wohl 
primÀr  noch  hÀufig  gegen  die  Infektion  ankommen,  aber  es 
fehlt  ihm  das  FĂŒllungsmaterial,  denn  das  ist  das  GefĂ€hr- 
liche an  der  GefĂ€ĂŸlĂ€hmung,  daß  es  dem  Herzen  das  Arbeits- 
material  entzieht.  Ganz  besonders  wichtig  ist  die  LĂ€hmung 
des  mĂ€chtigen  GefĂ€ĂŸgebietes  des  Splanchnicus.    Wird  seine 


Wandung  durch  eine  LĂ€hmung  der  Zentren  oder  durch 
lokale  LĂ€hmung  erschlafft  und  erhalten  die  GefĂ€ĂŸe  dadurch 
eine  ĂŒbermĂ€ĂŸige  WTeite,  dann  können  sie  den  grĂ¶ĂŸten  Teil 
des  Blutes  in  sich  fassen,  und  zwar  so  viel,  daß  die  ĂŒbrigen 
GefĂ€ĂŸgebiete  des  Körpers  schwer  unter  dem  Blutmangel 
leiden  und  das  Herz  mit  ganz  verminderter  Menge  arbeiten 
muß.  Es  pumpt  gewissermaßen  leer  und  das  Individuum 
kann  sich  direkt  in  seine  SpanchnicusgefÀfie  verbluten. 

Von  Interesse  wÀre  es,  zu  wissen,  wann  eine  reine  Herz- 
schwĂ€che und  wann  eine  GefĂ€ĂŸlĂ€hmung  fĂŒr  sich  vorliegt. 
Beine  HerzschwĂ€che  allein  fĂŒr  sich  kommt  isoliert  kaum  zur 
Beobachtung,  sondern  fast  stets  kombiniert  mit  GefĂ€ĂŸ- 
lÀlmnmg.  Eine  einschrÀnkende  Bemerkung  ist  hier  insofern 
zu  machen,  als  der  Verblutungstod  einen  Fall  reiner  Herz- 
schwĂ€che darstellt;  aber  im  ĂŒbrigen  kommt  sie  nur  ver- 
gesellschaftet mit  der  GefĂ€ĂŸlĂ€hmung  vor.  Denn  einmal 
schwÀchen  die  die  HerzlÀhmung  hervorrufenden  Gifte  auch 
die  Bewegungszentren  der  GefĂ€ĂŸinnervation  —  es  kommen 
hier  vor  allem  in  Betracht  das  Chloroform,  das  ChlorÀthyl 
und  die  Gifte  der  Infektionskrankheiten  — ,  dann  aber  muß 
natĂŒrlich  eine  GefĂ€ĂŸlĂ€hmung  in  kurzem  eine  HerzschwĂ€che 
nach  sich  ziehen. 

Etwas  anderes  ist  es  mit  der  reinen  GefĂ€ĂŸlĂ€hmung; 
diese  hat  auch  chirurgisch  großes  theoretisches  und  prak- 
tisches Interesse,  denn  sie  ist  es,  die  bei  der  Peritonitis 
den  Organismus  zum  Versagen  bringt.  Eine  klinische 
Erkennung  der  reinen  GefĂ€ĂŸlĂ€hmung  wĂ€re  von  großer 
Wichtigkeit,  jedoch  ist  eine  Unterscheidung  von  der  Herz- 
schwÀche kaum  möglich,  da  die  Symptome  beider  ZustÀnde 
dieselben  sind,  kleiner,  frequenter,  schwer  fĂŒhlbarer  Puls. 
Wichtig  ist  die  Erkenntnis,  daß  in  dem  einen  Falle  die 
Herzkraft  fehlt,  in  dem  anderen  die  Herz  f  ĂŒ  1 1  u  n  g  bei 
zunĂ€chst  erhaltener  Kraft.  Eine  Ünterscheidungsmöglich- 
keil  ist  daher  leider  bisher  nicht  gegeben.  Und  so  mĂŒssen 
wir  im  ganzen  darauf  verzichten,  am  Krankenbett  eine 
Unterscheidung  zu  treffen  und  mĂŒssen  beide  das  Leben  ge- 
fÀhrdenden Ursachen  zu  bekÀmpfen  suchen.  Die  Mittel,  die 
uns  zur  VerfĂŒgung  stehen,  sind  gegen  die  akute,  lebens- 
hedrohende  Herzschwache  der  Kampfer  und  die  intravenöse 
Strophantininjektion  (oder  die  eines  andern  DigitalisprÀpa- 
tates),  gegen  die  GefĂ€ĂŸlĂ€hmung  das  Koffein,  das  Adrenalin, 
das  Strychnin,  der  Aether  und  eine  dem  Blut  isotonischc 
Losung.   Im  allgemeinen  wird  man  beide  Arten  kombinieren. 

Wie  oben  gesagt,  hÀngt  der  geordnete  Gang  des  Kreis- 
laufes, außer  von  Herzarbeit  und  Tonus  der  GefĂ€ĂŸwand,  ab 
von  dem  Zustand  des  Blutes.  Und  zwar  kann  ein  akut  be- 
drohlicher Zustand  eintreten  durch  eine  starke  Verringerung 
der  Blutmenge,  die  einerseits  nach  außen  ergossen  wird 
(Ă€ußere  Wunde,  GefĂ€ĂŸverletzung,  geplatzte  Tubenschwan- 
gerschaft), andererseits  in  das  gelĂ€hmte  große  Gebiet  des 
Splanchnikus  sich  zurĂŒckziehen  kann,  so  daß  es  dem  Herzen 
zur  Arbeit  nicht  mehr  zur  VerfĂŒgung  steht  und  dieses  leer- 
pumpt. 

Der  zuletzt  erwÀhnte  Zustand  bei  der  Splanchnikus- 
lÀhmung  und  seine  Behandlung  deckt  sich  also  mit  der  Be- 
handlung der  LĂ€hmung  ĂŒberhaupt.  Aber  damit  ist  es  noch 
nicht  getan,  bis  zur  Beseitigung  der  LĂ€hmung  bedarf  das 
Herz  eines  FĂŒllungsmaterials  und  daher  ist  trotz  der  an  sich 
vorhandenen  genĂŒgenden  Blutmenge  auch  bei  der  Splanchni- 
kuslĂ€hmung  der  Ersatz  der  BlutflĂŒssigkeit  eine  dringende 
Forderung. 


378 


Junius:  Augenheilkunde 


40.  Jahrg. —  Nr.  20/21. 


Die  Beschaffenheit  der  ErsatzflĂŒssigkeit  ergibt  sich  aus 
der  Tatsache,  daß  das  lebende  Herz  sich  in  seiner  Leistungs- 
fÀhigkeit abhÀngig  zeigt  von  der  Zusammensetzung  und  der 
QualitĂ€t  der  DurchströmungsflĂŒssigkeit.  Zwar  schlĂ€gt  es 
auch  in  indifferenten  FlĂŒssigkeiten,  die  es  nicht  mit  Sauer- 
stoff versorgen,  also  hÀmoglobinfrei  sind,  eine  Zeitlang  weiter, 
ja  sogar  in  Lösungen,  die  mit  CO2  gesÀttigt,  also  giftig  sind, 
aber  seine  Kraft  nimmt  rapide  ab.  Damit  haben  wir  die  Forde- 
rung des  Herzens  nach  einer  seiner  Eigenart  entsprechenden 
DurchströmungsflĂŒssigkeit  vor  uns.  Entfernen  wir  nur  einen 
Teil  daraus,  so  ist  die  Folge  eine  schwere  Störung  in  dem 
chemischen  Gleichgewicht  des  Herzens  und  damit  in  seiner 
Funktion. 

Das  Vorbild,  an  das  wir  uns  zu  halten  haben,  ist  die 
FlĂŒssigkeit,  die  uns  die  Natur  an  die  Hand  gibt,  das  Serum, 
denn  das  Serum  kommt  mit  allen  Organen  des  Körpers  in 
BerĂŒhrung,  es  umspĂŒlt  sie,  tauscht  mit  ihnen  Stoffe  aus 
und  ist  als  der  TrÀger  der  notwendigen  Bestandteile  in  der 
(ileichgewichtsbalance  des  Körpers  anzusehen.  Eine  Analyse 
des  Serums  wird  uns  die  Bestandteile  enthĂŒllen,  die  die  Er- 
satzflĂŒssigkeit enthalten  muß.  Die  Aschenanalyse  des  Serums 

ergibt:  Na,  K,  Mg,  Ca,  CO3,  PO3,  Chlorid.  Jedes 

dieser  Bestandteile  hat  seine  bestimmte  Aufgabe;  sie  sind 
vereinigt  in  der  sogenannten  Ringerlösung.  In  dieser  Lösung 
sind  von  besonderer  Wichtigkeit  erstens  Na  Cl,  das  die 
Aufgabe  hat,  den  osmotischen  Druck  des  Serums  stets  auf 
der  gleichen  Höhe  zu  halten,  und  damit  den  Blutzellen  die 
Möglichkeit  zu  geben,  ihre  Form  zu  wahren;  zweitens  das 
Kalzium  und  Kalium,  diese  beiden  Antagonisten,  die  sich  im 
ganzen  Körper  stets  gegenseitig  die  Wage  halten  und  ein 
mittleres  Erregungsgleichgewicht  gewissermaßen  ausbalan- 
zieren,  das  Kalzium  in  stets  erregender  Hinsicht,  das  Ka- 
lium in  lÀhmender.  Ceteris  paribus  gibt  das  Kalzium  stets 

den   Ausschlag.     Drittens    die   Radikalen  PO3  und 

 CO3,  die  die  fĂŒr  die  Lösung  gĂŒnstigste  Alkaleszenz  ge- 
wĂ€hrleisten, in  dem  sie  ĂŒberschĂŒssig  gebildete  SĂ€ure  sofort 
neutralisieren. 

Damit  sind  die  Bestandteile  genannt,  die  im  Serum  die 
FĂ€higkeit  aufrecht  erhalten,  seine  Aufgaben  nach  allen 
Seiten  zu  erfĂŒllen.  Eine  ErsatzflĂŒssigkeit  mĂŒĂŸte  daher  alle 
diese  Faktoren  enthalten,  und  in  der  Tat  ist  das  in  der  Ringer  - 
1  ösung  der  Fall.  Diese  ist  daher  die  geeignetste  zur  EinfĂŒhrung 
in  die  Blutbahn  und  zum  Ersatz  des  Serums.  Jedoch  war  die 
Ringerlösung  bisher  nicht  haltbar  und  ist  daher  in  praxi 
fast  nie  verwendet  worden.  An  ihre  Stelle  trat  die  physio- 
logische Kochsalzlösung,  von  der  bis  heute  der  ausgedehn- 
teste Gebrauch  gemacht  wird.  Nun  ist  in  jĂŒngster  Zeit 
Straub  gegen  die  Verwendung  der  Na  Cl  -  Lösung  ange- 
gangen und  hat  darauf  hingewiesen,  daß  diese  keineswegs 
als  Ersatz  der  BlutflĂŒssigkeit  anzusehen  sei,  da  sie  lediglich 
den  Bestandteil  des  Serums  enthalte,  der  den  Blutzellen  die 
Form  wahre,  das  Na  Cl.  Die  physiologische  Kochsalz- 
lösung erfĂŒlle  daher  keine  einzige  „physiologische"  Aufgabe, 
sondern  lediglich  eine  „anatomische".  Als  Beweis  dafĂŒr 
fĂŒhrt  er  an,  daß  das  herausgeschnittene  Froschherz  in  der 
physiologischen  Kochsalzlösung  nicht  weiterschlÀgt,  der 
Muskel  nicht  juckt  und  das  Adrenalin  seine  Wirksamkeit 
einbĂŒĂŸt.  Straub  hat  daher  ein  Serumsalz  hergestellt,  das 
alle  die  oben  angefĂŒhrten  Bestandteile  enthĂ€lt,  so  daß  seine 
Lösung  wirklich  als  eine  physiologische  anzusehen  ist 
(Normosal).  Das  Normosal  ist  daher  schon  theoretisch  als 
der  beste  Ersatz  fĂŒr  in  Verlust  geratene  BlutflĂŒssigkeit  an- 
zusehen, und  die  praktischen  Erfahrungen  bestÀtigen  das. 

Jedoch  ist  an  dieser  Stelle  auf  einen  gewissen  Wider- 
spruch hinzuweisen,  der  zwischen  dem  Experiment  und  der 
klinischen  Erfahrung  hinsichtlich  des  Wertes  der  Kochsalz- 
lösung besteht.  Es  ist  eine  an  vielen  lausenden  von  FÀllen 
erwiesene  Erfahrungstatsache,  daß  die  intravenöse  Koch- 
salzinfusion  bei  allen  möglichen  SchwÀchezustÀnden  des 
Herzens  und  der  GefĂ€ĂŸe  eine  ausgezeichnete  Wirkung  hat. 
Diese  Wirkung  kann  jeder,  der,  den  Puls  des  Kranken  in  der 
Hand,  wÀhrend  der  Infusion  neben  dem  Bette  stehen  bleibt, 
schon  nach  einigen  Minuten  beobachten;  das  ist  eine  nicht 


zu  bestreitende  Tatsache,  und  die  Aeußerung  S  t  r  a  u  b  s  ,  daß 
der  Patient  eben  trotz  der  Kochsalzlösung  weiterlebt,  ist  mit 
ihr  nicht  in  Einklang  zu  bringen.  Es  klafft  hier  ein  Wider- 
spruch, der  sich  aber  meines  Erachtens  erklĂ€ren  lĂ€ĂŸt.  Von 
der  infundierten  Kochsalzlösung  hat  das  Herz  in  erster 
Linie  den  Nutzen,  daß  es  mit  vermehrtem  FĂŒllungsmaterial 
arbeiten  kann.  Gegen  diesen  Nutzen  scheint  der  Schaden, 
den  es  durch  das  Fehlen  der  beiden  Gruppen  Kalzium  — 
Kalium  und  CO3,  PO3  nehmen  kann,  nicht  aufzukommen. 
Da  es  offenbar  nicht  nur  mit  der  Kochsalzlösung  arbeitet, 
sondern  mit  einer,  wenn  auch  nur  geringen  Lösung  der 
physiologischen  Bestandteile,  die  noch  in  den  GefĂ€ĂŸen  vor- 
handen sind,  wÀhrend  ganz  im  Gegensatz  dazu  das  Ex- 
periment das  Herz  nur  mit  der  Na  Cl  -  Lösung  arbeiten 
lĂ€ĂŸt,  also  ganz  andere  VerhĂ€ltnisse  im  Experiment  herr- 
schen, als  am  Krankenbett,  so  daß  der  Widerspruch  dadurch 
erklÀrt  werden  kann. 

Zweifellos  stellt  das  Normosal  das  geeignetste  Mittel  zur 
FĂŒllung  der  GefĂ€ĂŸbahn  dar.  Es  hat  auf  keinen  Fall  jene 
nachteiligen  Wirkungen,  die  die  Kochsalzlösung  haben 
könnte,  und  ist  unter  allen  UmstÀnden  dieser  vorzuziehen. 
Es  ist  vorauszusehen,  daß  es  sich  in  KĂŒrze  den  Platz  er- 
obern wird,  den  bisher  die  Kochsalzlösung  inne  hatte,  und 
besonders  die  Chirurgie  wird  in  ausgedehntem  Maße  von 
der  Normasallösung  Gebrauch  machen. 

Soviel  ĂŒber  die  Grundlagen  der  Kreislaufstörungen: 
Herzarbeit,  GefĂ€ĂŸbeschaffenheit  und  Zustand  des  Blutes  ver- 
ursachen sie,  eine  klare  Unterscheidung  dieser  drei  Faktoren 
ist,  soweit  möglich,  von  grĂ¶ĂŸter  Wichtigkeit.  Die  Be- 
sprechung der  BekÀmpfung  der  einzelnen  Störung  soll  einem 
weiteren  Aufsatz  vorbehalten  bleiben. 


Augenheilkunde. 

Von  Prof.  Dr.  Junius-  Bonn. 

Das  Ereignis  fĂŒr  die  wissenschaftliche  Augenheil- 
kunde im  2.  Halbjahre  1921  war  die  wissenschaftliche  Ehrung 
von  Ernst  Fuchs  in  Wien,  der  im  Juni  1921  siebenzig 
Jahre  alt  geworden  war.  Neidlos  und  einmĂŒtig  wird  er  in 
aller  Welt  als  die  ragendste  GrĂ¶ĂŸe  unseres  Faches  anerkannt. 
Die  Feier  war  erhebend,  schlicht  und  ernst.  Ueber  ihr  lag 
österreichische  und  deutsche  Trauer.  An  unserer  Jugend  ist 
es,  dafĂŒr  zu  sorgen,  daß  Wiener  und  deutsche  Wissenschaft 
trotz  aller  ihr  angelegten  Fesseln  auf  der  alten  Höhe  bleiben. 
Ueber  den  Inhalt  der  dem  Jubilar  gewidmeten  F  e  s  t  - 
s  c  h  r  i  f  t  1)  und  der  wissenschaftlichen  Sitzungen  kann  an 
dieser  Stelle  nicht  berichtet  werden.  NaturgemĂ€ĂŸ  berĂŒhrt 
Vieles  darin  rein  wissenschaftliche  Fragen  des  Faches.  Nur 
einige  fĂŒr  den  Praktiker  wichtige  Themata  werden  im  Fol- 
genden gestreift  werden.  — 

Das  Interesse  fĂŒr  Erblichkeitsfragen  ist  in  der  Augen- 
heilkunde weiterhin  rege  und  durch  verschiedene  Mittei- 
lungen gefördert: 

V.  Grönholm  2)  (Helsingfors)  berichtet  ĂŒber  erb- 
liche Megalokornea  in  einer  Familie  Finnlands.  Die 
Erscheinung  ist  immer  doppelseitig.  FamilienportrÀte  aus 
frĂŒheren  Generationen  gaben  ein  gutes  Bild  der  Verbreitung 
der  Anomalie  derartiger  „Kuppelaugen"  in  der  betr.  Familie. 
Auch  die  Ahnfrau,  durch  welche  der  Fehler  s.  Zt.  in  die 
Familie  hineinkam,  konnte  auf  diese  Weise  festgestellt 
werden.  Der  Erbfehler  folgt  den  Gesetzen  der  „g  y  n  e  - 
f  o  r  e  n"  VerÀnderung.  Frauen  sind  die  Konduktoren  wie 
bei  der  HĂ€mophilie.  Es  handelt  sich  wahrscheinlich  um 
eine  Fehlbildung  im  Keimplasma.  Dagegen  ist  der  sogen. 
Hydrophthalmus  des  Kindesauges,  die  VergrĂ¶ĂŸerung 
des  ganzen  Auges  einschließlich  der  Hornhaut,  eine  lokale 
Erkrankung,  die  oft  auf  einem  kongenitalen  Defekt  des  Ca- 
nalis  Schlemmii  beruht.  Lehrreiche  StammbÀume  sind  bei- 
gefĂŒgt. 

Reinhard  Friede-  Wien  3)  berichtete  aus  der  Freiburger 
Augenklinik  ĂŒber  einen  neuen  Fall  von  angeborener 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


Juni us:  Augenheilkunde 


Flachheit  der  Hornhaut.  die  familiÀr  vorkommen 
rann  und  recht  selten  ist.  Diese  „Corneaplana"  Ă€ußert 
sich  klnisch  in:  abnormer  Flachheit  der  Hornhaut  mit  un- 
scharfer Linibusbegrenzung,  weil  die  Randzone  auf  einer 
sklei  aahnlichen  Stufe  stehen  bleibt.  Im  ĂŒbrigen  ist  der  Aug- 
apfel wohlgebildet  (oder  zuweUen  vergrĂ¶ĂŸert!).  Der  Haupt- 
sache nach  liegt  eine  Hemmungsbildung  des  Mesoderms 
mor  —  im  Gegensatz  zum  „Mikrophthalmus",  bei  dem  eine 
gleiche  Hemmung  den  ganzen  Bulbus  betrifft. 

Fleischer  4)  teilt  seine  Erfahrungen  ĂŒber  die  Ver- 
erbung der  myotonisc.hen  Dystrophie  mit.  Es 
ist  ihm  sehr  wahrscheinlich,  daß  das  Leiden  sich  d  i  r  e  k  t 
vererbt,  dominant  im  Mendel  scheu  Sinne.  Die  fĂŒr  eine 
dominante  Erbkrankheit  zu  verlangende  Zahl  von  50  Prozent 
dĂŒrfte  erweisbar  sein.  —  Die  Krankheit  ist  zu  den  heredo- 
familiÀren  Erkrankungen  zu  rechnen.  Von  besonderem 
Interesse  ist  die  allmÀhlich  fortschreitende  Progression  in 
der  Ahnenreihe.  Gedanken  darĂŒber,  wie  eine  derartige  Er- 
krankung im  allgemeinen  auf  ganze  Geschlechter  wirkt,  wird 
anhand  von  Beobachtungen  bei  einer  Familie  in  6 — 7  Gene- 
rationen bezgl.  Fruchtbarkeit,  Kindersterblichkeit,  durch- 
schnittliches Lebensalter  zu  verfolgen  gesucht.  Verf.  kommt 
zu  dem  Schluß,  daß  nur  das  Kranke  ausgemerzt  wird,  das 
Gesunde  sich  erhÀlt  und  fortpflanzungsfÀhig  bleibt. 

Einen  Beitrag  zum  Studium  der  Augenstörungen  im  Ge- 
folge von  nicht-  eitrigen  Sinus-Affektionen  geben  D  u  - 
v  e  r  g  e  r  und  Dutheillet  de  la  Motte: 

Augen-  und  NasenfachĂ€rzte  sind  ĂŒber  den  Umfang  und 
die  Art  der  Augenstörungen  bei  Erkrankung  der  Nasen - 
Nebenhöhlen  zur  Zeit  nicht  einig.  Die  Rhinologen  ver- 
neinten hÀufig  das  Vorliegen  einer  Sinusaffektion,  wenn  mit 
den  gegenwĂ€rtigen  Methoden  weder  Nachlaß  der  DiaphanitĂ€t 
der  Nebenhöhle  noch  Eiterabsonderung  festzustellen  war. 
Nach  der  Erfahrung  der  Ophthalmologen  gibt  es  aber 
unzweifelhaft  Sinus-Erkrankungen,  die  nur  oder  fast  nur 
durch  Augensymptome  oder  Neuralgien  bei  Abwesen- 
heit von  nasalem  und  auffÀlligem  Nebenhöhlenbefund 
charakterisiert  sind.  Derartige  FÀlle  sind  sogar  verhÀltnis- 
mĂ€ĂŸig hĂ€ufig.  Sie  entzogen  sich  unserer  Kenntnis  wohl  aus 
einer  Reihe  von  verstĂ€ndlichen  GrĂŒnden.  (Physikalische  Zei- 
chen gering  oder  nicht  nachweisbar.  Funktionelle  Zeichen 
vielseitig,  aber  mit  Symptomen,  die  auch  aus  anderen  Ur- 
sachen vorkommen.  Keine  Gelegenheit  zu  Autopsiebefunden). 
—  Iii  Amerika  hat  S  1  u  d  e  r  den  in  Betracht  kommenden 
klinischen  Symptomenkomplex  an  Folgendem  zu  erfassen 
versucht:  1.  Syndrom  des  „Vaccum  Sinus"  =  Summe  der 
Störungen  durch  eine  Verlegung  des  Canalis  naso-frontalis, 
doch  ohne  Eiterung.  2.  Neuralgie  des  Ganglion  spheno- 
Palatinum.  3.  Hyperplastische  Sphenoiditis.  —  Auf  Grund 
von  6  eigenen  klinischen  Beobachtungen,  welche  ausfĂŒhrlich 
mitgeteilt  werden,  kommt  Verf.  zu  folgenden  Hauptergeb- 
nissen: Die  funktionellen  Zeichen  derartiger  Erkran- 
kungen sind:  Periodischer  Stirn -Kopfschmerz,  gesteigert 
durch  die  Anstrengung  beim  Sehakt,  letzteres  bis  zu  den 
höchsten  Graden.  Der  Schmerz  trat  nicht  morgens  auf 
(S  lud  e  r),  sondern  zu  ganz  verschiedenen,  aber  fĂŒr  das 
Individuum  regelmĂ€ĂŸigen  Stunden.  Dazu  hĂ€ufig  etwas 
Lichtscheu.  —  Physikalische  Zeichen:  Sie  sind  kaum 
markant  und  schwer  zu  finden.  Sie  sind  auch  nicht  kenn- 
zeichnend, aber  ihr  Vorhandensein  erleichtert  die  Fest- 
stellung der  Diagnose.  Es  kommt  in  Betracht:  Abbiegung 
der  Nasenscheidewand,  mit  der  KonvexitÀt  nach  der  kranken 
Seite,  wodurch  die  untere  MĂŒndung  des  C.  naso-frontalis 
wie  durch  eine  Klappe  abgeschlossen  werden  kann.  (S  1  u  - 
der  gibt  außerdem  eine  Verengung  des  Knochenteils  am 
Hiatus  semilunaris  durch  Periostverdickung  und  Knochen  - 
Substanzwucherung  als  hÀufige  Ursache  des  Verschlusses 
des  C.  naso-frontalis  an,  fĂŒr  etwa  25  Prozent  der  FĂ€lle!). 
In  anderen  FĂ€llen  sind  der  Kopf  der  mittleren  Muschel  oder 
die  Bulla  ethmoidalis  hypertrophisch.  Auch  Polypen  des 
mittleren  Nasenganges  oder  andere  Verengung  des  Nasen - 
ganges  bedingende  Ursachen  kommen  in  Betracht. 

Diese  Symptome  haben  aber,  wie  gesagt,  nur  bedingte 


Bedeutung,  denn  sie  finden  sich  auch  bei  Personen  mit  voll- 
kommener Gesundheit.  Wichtig  ist  aber  das  Zeichen  von 
Ewing  (1900),  d.  b.  ein  Druckschinerzpunkt  im  inneren 
oberen  Winkel  der  Orbita  nach  innen  und  hinten  vom  An 
satz  des  M.  Obliquus  (zu  differenzieren  von  Schmerz  bei 
Sinusitis  frontalis  akuta,  von  Neuralgien  in  der  Nachbar- 
schaft usw.!).  Die  Diagnose  muß  sich  auf  die  Bewertung 
der  genannten  Zeichen  stĂŒtzen.  (Syndrom  von  S  1  u  d  e  r  , 
Schmerzpunkt  von  Ewing,  Fehlen  von  eitriger  S.  frontalis, 
A  r  t  der  Kopfschmerzen,  ferner  M  i  t  bewertung  der  erwÀhnten 
anatomischen  Besonderheiten  in  der  Nase.) 

Differentialdiagnostisch  ist  Asthenopia  ak - 
komodativa  und  Glaukom  auszuschließen.  —  Entwick- 
lung und  Prognose:  Sehr  lÀstiges  und  infolge  der 
Schmerzkrisen  tief  in  das  Leben  eingreifendes  Leiden,  das 
zur  allgemeinen  Neurasthenie  fĂŒhren  kann,  auch  zur  chron.- 
eitrigen  Sinusitis.  Behandlung:  Medikamentös  und  chirur- 
gisch von  der  Nase  her,  zum  Zweck  der  Freimachung  des 
C.  naso-frontalis. 

Ueber  Augenerscheinungen  bei  der  Osteo' 
myelitis    des    Oberkiefers    bei    Kindern  der 
ersten  Lebensmonate  sammelte  E.  Marx  5)  Erfahrungen. 

Von  der  seltenen  Krankheit  sind  bisher  35  FĂ€lle  in  der 
Literatur  beschrieben,  sÀmtlich  bei  Kindern  in  den  ersten 
Lebenstagen,  Wochen,  Monaten.  Verf.  stellt  die  bisherigen 
Beobachtungen  in  einer  Tabelle  zusammen,  ergÀnzt  sie  durch 
drei  weitere  FĂ€lle  eigener  Beobachtung.  Es  handelt  sich 
um  Osteomyelitis  des  Ober kiefers,  nicht  um  akute 
Sinusitis  des  Antrum  Highmori,  wie  man  frĂŒher  annahm. 
Der  Augenarzt  sieht  die  FĂ€lle,  welche  vielleicht  garnicht  so 
selten  sind,  wie  man  bisher  glaubte,  vielfach  zuerst;  sollte  sie 
daher  gut  kennen,  um  sie  richtig  zu  diagnostizieren.  Die 
Therapie  ist  eine  chirurgische.  Die  Augenerscheinungen 
bilden  sich  dann  zurĂŒck.  Sie  bestehen  in  Lidbindehautent- 
zĂŒndung, öfter  Schwellung  und  Chemosis,  Fistelöffnungen 
im  unteren  Lid  oder  in  der  TrÀnensackgegend  und  Exopthal- 
mus  in  ein  Drittel  der  FĂ€lle  (der  aber  auf  Mitbeteiligung  des 
Siebbeines  hindeutet).  Differentialdiagnostisch  kommt 
TrÀnensackleiden  in  Betracht,  das  aber  bei  genauerem  Zu- 
sehen leicht  auszuschließen  ist.  Gelblicher  Ausfluß  aus 
Nase,  hartem  Gaumen,  oder  Mund,  weist  auf  die  Grundur- 
sache, d.  h.  die  K  n  o  c  h  e  n  erkrankung  im  Oberkiefer,  hin. 
Inzisionen  an  den  Augenlidern  sind  zu  vermeiden.  Symp- 
tomatische Behandlung  der  Augen  neben  der  notwendigen 
chirurgischen  Therapie.  —  Die  Ursache  ist  unzweifelhaft  eine 
bakterielle  Infektion,  Pneumokokken,  Staphylokokken, 
Streptokokken  sind  festgestellt.  Als  Quelle  der  Infektion  ist 
das  weibliche  Genitale  oder  die  erkrankte  Mutterbrust  ver- 
mutet, umfaßt  damit  aber  gewiß  nicht  alle  FĂ€lle.  Die  Her- 
kunft der  Infektion  bleibt  zuweilen  dunkel.  Geburtstraumen 
in  der  Mukosa  mögen  in  einem  Teil  der  FÀlle  infiziert  wer- 
den. —  Bei  starken  Kindern  ist  die  Prognose  bei  rechtzeitiger 
Behandlung  gut.  Nach  der  bisherigen  Statistik  starben 
25  Prozent  der  Kranken.  Die  Augensymptome  sind  nicht 
konstant,  auch  nicht  immer  vollzĂ€hlig  vorhanden.  Dreißig 
der  bisherigen  35  Kranken  zeigten  sie  jedenfalls.  Daß  der 
Exophthalmus,  wenn  vorhanden,  die  Bedeutung  einer  Kom- 
plikation hat,  (Erkrankung  des  O.  e  t  h  m  o  i  d  a  1  e)  ist  be- 
reits erwÀhnt. 

H  a  r  1 1  e  v  7)  (Kopenhagen),  von  Dozent  Rönne  Àugen - 
Ă€rztlich  beraten,  schildert  zwei  eigenartige  FĂ€lle  von  Con- 
j  u  n  k  t  i  v  i  t  i  s  und  Stomatitis  pseudomem- 
branacea  in  Verbindung  mit  Blasenausbruch  am  Körper, 
die  in  einem  Falle  mit  allgemeinem  Unwohlsein,  im  anderen 
mit  Halsschmerzen  begonnen  hatten.  Die  FĂ€lle  verliefen 
gĂŒnstig.  Diphtherie-  usw.  Bazillen  wurden  n  i  e  gefunden, 
nur  Staphylokokken.  (Im  zweiten  Falle  folgte  Lungenent- 
zĂŒndung.) Die  Blasen  am  Körper  erwiesen  sich  als  steril. 
Verf.  hĂ€lt  das  ganze  Krankheitsbild  fĂŒr  eine  Form  von 
Erythem a  multiforme  mit  eigenartiger  Beteiligung 
der  Augen.  Die  Literatur  wird  besprochen,  und  die  Aehn- 
lichkeiten  mit  dem  „Pemphigus  conjunctivae" 
wird  erwogen.    Identisch  mit  dem  akuten  Pemphigus,  der 


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Junius:  Augenheilkunde 


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fast  immer  tötlich  endet,  können  derartige  FÀlle  aus  ver- 
schiedenen GrĂŒnden  nach  Verf.  nicht  sein.  Vieles  in  den 
interessanten  Krankheitsbiklern,  die  wir  noch  nicht  klar  von 
einander  scheiden  können,  ist  noch  ungeklÀrt.  Um  so  will- 
kommener wird  die  wissenschaftlich  gut  durcharbeitete  Mit- 
teilung zur  Orientierung  bei  Àhnlich  liegenden  FÀllen  der 
Praxis  gelegentlich  sein. 

Einen  Fall  von  Strahlenpilzerkrankung  der 
Hornhaut  (Aktinomy  zes)  sah  H.  Davids  (MĂŒn- 
ster) 8).  Die  FĂ€lle  sind  selten,  der  Aktinomyzes  siedelt  sich 
anscheinend  nie  in  intakter  Hornhaut  an.  Im  Berichtsfalle 
handelte  es  sich  um  eine  30  jÀhrige  Frau,  mit  einem  alt- 
kranken  Auge,  die  in  der  Hornhaut  plötzlich  einen  grell- 
weißen Fleck  bemerkte.  Bei  nĂ€herer  Besichtigung  erschien 
der  Heid  körnig,  matt,  trocken,  bei  Lupenbesichtigung  sah 
man  eine  Bildung  wie  eine  winzige  zusammengedrĂŒckte 
BlĂŒte.  Der  mikroskopische  Befund  ergab  einen  Strahlenpilz. 
Der  Verlauf  war  in  diesem  Falle  gĂŒnstig.  Die  Bildung  konnte 
mit  dem  Messer  abgehoben  werden.  Das  ist  nicht  immer  so. 
Die  Literatur  wird  besprochen. 

Eine  „pulsierend  e"  Hornhaut  ist  bisher  nur  bei 
FĂ€llen  von  Keratokonus  beschrieben.  R.  Schneider  9) 
(Univ.  Augenklinik  Graz)  beschreibt  einen  Fall  anderer  Art. 
Jemand  hatte  eine  Eisensplitterverletzung  durch  die  Kuppe 
der  Hornhaut  erlitten.  Das  Splitterchen  wurde  mit  Magnet 
entfernt.  Der  Kranke  verließ  gegen  Ă€rztlichen  Rat  vorzeitig 
die  Klinik.  Nach  lÀngerer  Zeit  kehrt  Pat.  wieder.  Jetzt  war 
eine  Hornhautnarbe  nachzuweisen  und  eine  rauchartige  ge- 
trĂŒbte Stelle,  die  deutlich  rythmische  Pulsationen 
zeigte.  Der  Fall  lehrt,  daß  auch  bei  physiologischem 
Augendruck  Pulsation  der  Cornea  auftreten  kann.  Die 
Einzelheiten  haben  nur  augenÀrztliches  Interesse. 

Ueber  SpÀtschÀdigung  der  Hornhaut  durch 
Bienen-  bezw.  Wespenstachel  berichtet  Dorff 
(Rastatt)  10).  Gewöhnlich  wird  nur  die  direkte  primÀre 
Wirkung  der  Stichverletzung  der  Hornhaut  berichtet.  Verf. 
sah  drei  FÀlle,  bei  denen  der  Stachel  lÀngere  Zeit  (bis  zu 
7  Jahren!)  reaktionslos  zunÀchst  im  Lid  vertragen  wurde, 
aber  spÀt  und  sekundÀr  eine  SchÀdigung  der  Hornhaut 
bewirkte.  In  allen  drei  FĂ€llen  war  der  Stich  in  das  Ober- 
lid erfolgt.  Der  Stachel  hatte  zunÀchst  den  Tarsus  (Lid- 
knorpel) nicht  durchbohrt.  Es  war  bei  vorĂŒbergehender 
WeichteilentzĂŒndung  geblieben,  die  sich  bald  beruhigte. 
Langsam  ist  dann  der  Stachel  weiter  durchgewandert,  (wohl 
durch  Reibung  am  Auge  befördert),  hatte  schließlich  die 
Hornhaut  berĂŒhrt.  Stets  kam  heftige  HornhautentzĂŒndung 
zustande,  die  vermutlich  nicht  nur  durch  den  mechanischen 
Reiz  des  Stachels  als  Fremdkörper,  sondern  durch  Gift- 
wirkung darin  unterhalten  wunde,  deren  Heftigkeit  be- 
kannt ist.  Die  HornhautentzĂŒndungen  können  natĂŒrlich 
unklar  bleiben,  wenn  nicht  sorgfÀltig  die  Lider  ausgekehrt 
und  auf  Fremdkörper  untersucht  werden. 

S  a  n  n  o  w  11)  macht  eine  Mitteilung  ĂŒber  Behand- 
lung der  Hornhauterkrankungen  mit  Wasser- 
stoffsuperoxyd aus  der  Augenheilanstalt  Pagen- 
s  techer  in  Wiesbaden.  Nach  diesen  Erfahrungen 
(350  FĂ€lle)  wird  Anwendung  10  %  H,  O,  nach  Abrasio.der 
Cornea  empfohlen  bei  hartnÀckigen  kleinen  oberflÀchlichen, 
zu  .  hÀufigen  Rezidiven  neigenden  Hornhauterosionen  (nach 
Verletzungen!),  bei  Randkeratitis,  sowie  bei  widerstrebenden 
ekzematösen  HornhautentzĂŒndungen,  beim  GefĂ€ĂŸbĂ€ndchen 
(falls  andere  Heilversuche  versagten!),  auch  beim  Herpes 
corneae.  Die  Therapie  versagt  bei  Hornhaut  - 
ge  s  c  h-wĂŒ  r  e  n. 

Zur  Steigerung  der  Wirkung  von  Milchinjektionen  bei 
Ă€ußeren  Augenerkrankungen,  bezw.  zur  Verminderung  der 
Versager  empfiehlt  Paul  Schmidt  (Hannover)  gleich- 
zeitige lokale  Behandlung  des  Auges  mit  D  i  o  n  i  n.  (TĂ€g- 
lich 1—2  mal  3  Tropfen  einer  5—10  %  D.-Lösung  ins  Auge; 
danach  trockener  warmer  Verband).  Er  verspricht  sich  von 
der  hyperÀmisierenden  Wirkung  des  Dionins,  verbunden 
mit  Serumaustritt  unter  die  Bindehaut  eine  stĂ€rkere  ZufĂŒh- 


rung von  Abwehrstoffen  zum  Auge,  hatte  in  einigen  FĂ€llen 
gute  Hederfolge  und  fordert  zur  NachprĂŒfung  auf 

Jellinek  12)  berichtet  ĂŒber   folgenden    Fall  von 
elektrischem  Trauma: 

32  jÀhriger  gesunder  Monteur,  mit  belangloser  Anamnese 
wurde  von  einem  elektrischen  Schlag  getroffen  (StromĂŒber- 
gang zwischen  HĂ€nden  und  FĂŒĂŸen).  Der  zur  Einwirkune 
gelangende  Drehstrom  von  5000  Volt-Spannung  war  an  sich 
als  tothch  zu  bezeichnen.  Pat.  wurde  nicht  bewußtlos 
sprang  ĂŒber  1  Meter  herunter,  lief  weg,  erlitt  nur  leichten 
Schock  und  vorĂŒbergehende  Sinnesverwirrung,  erholte  sich  in 
wenigen  Stunden  bis  Tagen  vollkommen.  Die  Verbrennun- 
ge%  h1(:ilten  §latt-  Innenorgane  und  Nerven  blieben  ohne 
auffÀllige  VerÀnderungen.  Bemerkenswert  waren  aber  zwei 
Gruppen  von  Erscheinungen:  Horners  Symptom- 
komplex am  linken  Auge,  (Enophthalmus,  enge  Lid- 
spalte, kaum  stecknadelkopfgroße  Pupille;  paralytische 
Miosis?).  Die  Erscheinung  war  schon  2  Stunden  nach  dem 
Irauma  nachweisbar.  Die  Pupille  erwies  sich  bei  Lichtein- 
tall  und  Konvergenz  als  s  t  a  r  r.  Keine  Verletzung  des  Auges 
und  seiner  Umgebung  sichtbar.  24  Stunden  spÀter  war  die 
linke  Pupille  kaum  noch  vollkommen  starr,  drei  Tage  spÀter 
wohl  noch  enger  als  die  rechte,  aber  zweifellos  auf  Licht 
und  Konvergenz  reagierend.  Nach  3  Wochen  war  auch  der 
Horner-Symptomkomplex  völlig  verschwunden.  Beide  Au^en 
sahen  ganz  gleich  aus.   Wa.-Reaktion  negativ. 

Als  zweite  Gruppe  von  Krankheitserscheinunsen 
wurden  etwa  drei  Wochen  nach  dem  Trauma  M  o  t  i  1  i  t  À  t  s- 
und  SensibilitÀtserscheinungen  an  den  Arm- 
und  kleinen  Handmuskeln  auffÀllig,  sicher  nicht  aus  mecha- 
nischer und  peripherer  Ursache  beim  Abspringen  -  Es 
handelte  Sich  nach  Verf.  Anschauung  um  indirekte 
kiekt  ri  Zitatwirkungen  oder  um  VerÀnderungen 
metabolischer,  morphologischer  oder  Àhnlicher  Art.  Die  in- 
direkten ElektrizitÀtswirkungen  bestehen  in  Druckschwan- 
kungen des  GefĂ€ĂŸsystems  und  des  Liquor  cerebrospinalis,  in 
Kapillarzerreißungen  und  Gewebestörungen,  in  zirkumskrip- 
ten Angiospasmen  und  Oedemen,  in  trophischen  Störungen 
usw.  —  Ueber  die  Beschaffenheit  der  direkten  Elektri- 
zitatswirkungen  sind  wir  noch  ganz  im  unklaren. 

Auf  die  bezgl.  Literatur  wird  verwiesen.  Der  Verlauf 
war  sehr  gĂŒnstig.  SpĂ€terscheinungen  sind  nach  Verf.  nicht 
mehr  zu  befĂŒrchten.  In  therapeutischer  Hinsicht  ist  ein 
abwartendes  Verfahren  wohl  immer  im  Interesse  des 
Kranken  liegend. 

Zur  Frage  der  neurogenen  Hornhauterkran- 
kungen hegt  eine  neue  Mitteilung  vor.  Das  Spezielle  hat 
nur  augenarztliches  Interesse,  das  Allgemeine  aber  auch 
weiterreichende  Bedeutung  fĂŒr  alle  Aerzte.  Nach  Zusammen- 
fassung und  Erweiterung  der  klinischen  Erfahrungen  ĂŒber 
die  sogen.  Keratitis  disziformis,  ein  an  sich  sehr 
seltenes,  nur  in  KĂŒstengegenden  anscheinend  etwas  hĂ€ufigeres 
hrankheitsbild,  wies  Junius  13)  darauf  hin,  daß  diese 
keinesfalls  eine  durch  ektogene  bakterielle  Infektion 
bedingte  HornhautentzĂŒndung  sein  könne,  wie  man 
k        uberwiegend  glaubte,  sondern  eine  reine  neurogene 


Hornhaut  erkr  an  kung  sein  mĂŒsse.  Es  kommt  nĂ€mlich 
garnicht  selten,  (wenn  auch  immerhin  ausnahmsweise!), 
wahrend  des  Krankheitsprozesses  oder  nach  Jahren  an 
der  ersterkranklen  Hornhautstelle  zum  Hornhaut  d  u  r  c  h  - 
b  ruch,  der  in  diesen  FĂ€llen  nur  durch  eine  unter  N  e  r  v e  n- 
einfluß  stehende  ErnĂ€hrungsstörung  der  Cornea  be- 
dingt sein  kann.  Diese  muß  mit  der  ursprĂŒnglichen  Krank- 
heitsursache noch  in  Verbindung  stehen.  Ein  Herpes 
corneae  oder  Herpes  iridis  findet  sich  kurz  vorher 
oder  gleichzeitig  zuweilen  außerdem,  hat  dann  aber  nur 
che  Bedeutung  eines  Wegweisers  dafĂŒr,  daß  in  der  Keratitis 
disziformis  eine  Parallel  erkrankung  vorliegt,  die  wie  jene 

Ursache  erfolgt 


aus  allein  oder  vorwiegend  endogener 
und  in  einer  NervenschÀdigung,  bezw.  Erkrankung.  derdVezgl 
Ganglien  ihren  Anlaß  hat.  Bemerkenswert  und  wichtig  er- 
scheint es,  daß  vorwiegend  Personen  bestimmter  BeschĂ€fti- 
gungsart an  K.  disziformis  erkranken:  Fuhrleute,  die  im 


10.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


lim  niv  Augenheilkunde 


Staub  der  Landstraße  diaherfahren,  L andiente,  die  nach 
starker  Erhitzung  bei  der  Berufsarbeil  off  schneller  AbkĂŒh 
hing  im  kalten  i i it I  ausgesetzt  sind.  Bereiter,  KĂŒfer,  Loko 
motivfĂŒhrer,  auch  ein  Gaissonarbeiter,  ferner  DiehstmĂ€nner, 
Polizeibeamte  im  Außendienst,  Fabrikarbeiter  verschiedener 
BetÀtigung,  bei  denen  das  Gleiche  vorliegen  kann,  öfter'  aber 
auch  nachweislich  mechanisch  reizender  Schleif-  oder 
Kohlen  stau  b  von  a  u  II  e  u  auf  die  Augen  e  i  n  w  i  r  k  t. 
In  jedem  Falle  sind  es,  wie  man  bei  der  kleinen  Zahl  be- 
kannter FĂ€lle  gut  verfolgen  kann,  Personen,  welche  außer 
hĂ€utiger  a  1  lg  e  m  e  i  n  e  r  ErkĂ€ltung  aus  BerufsgrĂŒnden  1  o  - 
kaier  AbkĂŒhlung  des  erhitzten  Gesichteis  mit  oder  ohne 
Einwirkung  mechanisch  reizenden  Staubes  ausgesetzt  sind. 
Von  diesen  Berufsgruppen  erkrankt  aber  auch  nur  eine  ge- 
ringe Personenzahl.  —  Die  ErklĂ€rung  geht  dahin,  daß  hei 
einer  bestimmten  Gruppe  von  Individuen,  welche  mit  einer 
Neigung  zu  Erkrankung  der  sogen.-  Außennerven  ausgestattet 
sind,  (Neigung  zur  „Neuropathi  e"  im  Sinne  der  Inneren 
Kliniker*)  unter  Zusammenwirken  mehrerer  ungĂŒnstiger 
UmstÀnde,  nÀmlich  erstens  einer  SchÀdigung  der  Ganglien 
oder  StĂ€nirne  von  Nerven,  die  zur  Hornhaut  „trophische"*) 
Beziehungen  haben,  in  Zusammenhang  mit  „E  r  kalt  u  n  g  s- 
k  r  a  n  k  he  i  t  e  n",  meist  solchen  klinisch  leichterer  Infek- 
lionsart,  '  „Gifte"  aus  zerfallenem  Eiweiß  und  Bakterien - 
leibern  die  genannten,  empfindlichen  Nerven  endogen 
schÀdigen.  Die  Störung  bleibt  zunÀchst  latent,  weil  sie 
durch  Sicherungseinrichtungen  anl  Auge  vorerst  noch  aus- 
geglichen werden  kann.  Wenn  aber  ein  derartiges,  bezgl. 
seines  Gesundheitszustandes  labiles  Auge  eine  weitere 
SchĂ€digung  von  außen  betrifft,  —  bei  BerufstĂ€tigkeiten 
und  aus  AnlĂ€ssen,  wie  sie  oben  angegeben  sind  —  so  kommt 
dann  eine  manifeste  Erkrankung  unter  dem  klinischen 
Bilde  der  sogen.  Keratitis  disziformis  zustande. 
Vorbedingung  ist  nach  der  klinischen  Beobachtung  an- 
scheinend eine  lĂ€ngere,  gewissermaßen  „chronische"  Ein- 
wirkung auf  den  N.  Trigeminus,  der  die  SchÀdigung  weiter- 
gibt. —  Das  Hineinfliegen  von  Fremdkörpern  ins  Auge,  das 
öfter  als  Ursache  der  K.  disziformis  angeschuldigt  wurde, 
nie  aber  sicher,  d.  h.  nie  in  lĂŒckenlosem  Zusammenhange 
erwiesen  wurde,  ist  in  der  Tat  gleichgĂŒltig,  bezw.  neben- 
sÀchlich. Denn  Fremdkörper  dieser  Art  werden  ja  immer 
schnell  entfernt,  kommen  schon  aus  diesem  Grunde  nicht 
dazu,  eine  lÀngere  Einwirkung  auf  den  Trigeminus  aus- 
zuĂŒben, was  Vorbedingung  zu  sein  scheint.  Die  sogen,  trau- 
matischen FĂ€lle,  von  K.  disziformis  werden  damit  in  anderer 
befriedigenderer  Weise  erklĂ€rt.  N  i  c  h  t  grĂ¶ĂŸere  einmalig 
wirkende  ektogenc  Traumen,  sondern  physikalische  Momente 
anderer  Art,  (schnelle  AbkĂŒhlung  oder  feiner,  1  Ă€  nge  re  Zeil 
reizend  wirkender  Staub),  sind  neben  anderen  notwendige 
Vor-  und  G  r  u  n  d  bedingungen  aus  endogener  Ursache 
in  einer  Reihe  von  FÀllen  die  auslösenden  ektogenen 
Momente."  —  Aus  dem  Studium  der  K.  disziformis  ergeben 
sich  auch  interessante  Vergleiche  mit  dem  Zustandekommen 
der  sogen.  Keratitis  p  o  s  t  v  a  c  c  i  n  o  1  o  s  a,  einem  kli- 
nisch sehr  Àhnlichen,  vielleicht  im  Grunde  identischen 
Krankheitsbild  der  Cornea,  das  nach  BerĂŒhrung  der  Horn- 
haut mit  Im^f-Vaccine  seltener  Weise  zustande  kommt. 
Auf  das  Einzelne,  das  auch  allgemeines  Interesse  hat,  soll 
aber  an  dieser  Stelle  nicht  nÀher  eingegangen  werden. 

G.  L.  D  re  y  f  u  s  14)  gibt  auf  Grund  reicher  Erfahrungen 
prognostische  Richtlinien  fĂŒr  die  Beurtei- 
lung der  isolierten  syphologenen  Pupillen- 
s  t  ö  r  u  nge  n.  Anomalien  der  Weite  und  Form  der  Pupillen 
kommen  auch  bei  Gesunden  vor.  Ungleich  weite  und  ver- 
zogene Pupillen  sind  daher  nur  „verdĂ€chtig".  Störungen  der 
Licht-,  Konsensuellen-,  Konvergenzreaktion  sind  aber  stets 
p  a  t  hol  ogis  c  h.   Verf.  konnte  107  Personen  mit  Pupillen- 

*)  Vgl.  Georg  Slicker,  ErkÀltungskrankheiten  und  KÀlte- 
SChÀden  (EnzyklopÀdie  der  Klin.  Medizin),  Monographie,  Verlag 
J.  Springer,  Berlin  1916,  S.  144-45  und  ff. 

*)  Vgl.  Juni  us,  Beobachtungen  und  Gedanken  ĂŒber  das 
Ulcus  corneae  r»dens.  Zeitschrift  f.  Augenheilkunde.  43  1920 
Dort  weiter  Literatur-HinweSfte 


Störung  sicher  luetischen  Ursprunges  lange  beobachten, 
kam  ZU  dem  Urleil:  Die  A  r  I  der  Rupillenstörung  gibt  uns 
keine  Möglichkeil  zu  vermuten,  wie  das  spÀtere  Schicksal  dei 
Kranken  sich  gestalten  wird.  Man  kann  jedenfalls  nicht 
voraussagen,  daß  ein  I'at.  mit  ausgesprochener  refl.  P.rStarre 
sich  nun  auf  dem  Wege  zur  Tabes  befindet.  Die  leichteste 
Anisokorie  mit  geringer  LichttrÀgheit  kann  VorlÀufer  einei 
Paralyse  sein.  Die  anscheinend  schwerste  Störung  (refl.  oder 
absolute  Starre)  ist  unter  UmstĂ€nden  nur  „die  Visitenkarte 
einer  ĂŒberstandenen  Hirnlues".  Prognostische  SchlĂŒsse  lassen 
sich  nach  Verf.  lediglich  aus  der  Art  der  Liquoi  beschaffen - 
heit  ziehen.  Dreyfus  teilt  sein  Material  in  2  Hauptgruppen: 
Liquorpositive  und  liquornegative,  (mit  der  Untergruppe  der 
seropositiven  und  seronegativen  FĂ€lle  je  nach  Ausfall 
der  Wa.-Probe  im  Blut).  Es  ergab  sich  nun:  Von  der  Ge- 
samtsumme der  liquor  positiven  FĂ€lle.  is'  fast  ein  Drittel 
seronegativ  —  nach  Verf.  ein  Beweis  fĂŒr  die  UnzuverlĂ€s- 
sigkeit  der  Bluluntersuchung  bei  der  Nervensyphilis  und 
Verdacht  darauf.  Bei  55  von  71  liquorpositiven  Kranken, 
d.  h.  bei  81  Prozent  fand  sich  die  Trias:  P  u  p  i  1 1  e  n  s  t.ö - 
r  u  n  g,  L  i  q  u  o  r  v  e  r  À  n  d  e  r  u  n  g  e  n  und  Klagen,  elb- 
auf eine  organische  Erkrankung  des  Zentralnervensystems 
hinweisen.  —  Auffallend  war  der  Unterschied  im  Alter  bei 
den  Kranken  der  liquorpositiven  und  der  L.-negati- 
v  e  n  Gruppe.  Mehr  als  die  HĂ€lfte  der  liquorpositiven 
FĂ€lle  stand  im  Alter  von  30 — iO  Jahren.  Nach  dem  45.  Jahre 
ist  die  Zahl  der  liquorpositiven  FĂ€lle  verschwindend 
gering.  Es  kann  das  nur  bedeuten,  daß  die  L. -positiven 
frĂŒh  aussterben.  —  Zeitraum  zwischen  Ansteckung  und  Auf- 
treten der  Pupillenstörung:  Bei  den  Liquorpositiven  ist 
die  Höchstzahl  der  beobachteten  Pupillenstörungen  zwischen 
dem  6. — 10.  Jahre  nach  der  Infektion  zu  beobachten,  nimmt 
dann  sichtlich  ab.  Keine  nach  mehr  als  30  Jahren  post 
Infektionen).  Die  ErklĂ€rung  kann  auch  hier  nur  die  sein,  daß 
ein  grĂ¶ĂŸerer  Teil  der  Kranken  frĂŒh  abstirbt.  Bei  den  liquor- 
negativen  Kranken,  die  in  der  Statistik  des  Verf.  nur 
halb  so  viel  Pupillenstörungen  aufweisen,  trat  noch  bei  ein 
Viertel  dieser  FĂ€lle  nach  mehr  als  30  Jahren  post  Infek- 
tionem  Pupillenstörung  auf.  Bei  beiden  Gruppen  wurden 
im  ĂŒbrigen  ziemlich  gleichmĂ€ĂŸige  nĂ€mlich  in  etwa  33  % 
Zeichen  fĂŒr  Aortitis  gefunden.  Kaum  einer  der  Patienten 
klagte  aber  zu  jener  Zeit  schon  ĂŒber  Herzbeschwerden. 
Liquoruntersuchung  und  Röntgenbefund  gehören  zum  RĂŒst- 
zeug des  sorgfÀltigen  Diagnostikers.  Bezgl.  des  ferneren 
Schicksals  der  107  lÀnger  beobachteten  Kranken  kommt  Verf. 
zu  dem  lapidaren  Schluß:  PrimĂ€r  liquorpositive 
Kranke  mit  isolierter  syphilogener  Pupilenstörung  leiden 
an  aktiver,  mehr  oder  weniger  rasch  progredienter  Hirn- 
syphilis. Sie  können  sich  im  Sinne  einer  Paralyse  fortent- 
wickeln. Verf.  schrÀnkt  diesen  Satz  aber  ein:  Bei  Kranken 
dieser  Art  mĂŒssen  nicht  schwere  klinische  Erscheinun- 
gen in  BĂ€lde  auftreten.  Wann  diese  kommen,  o  b  sie  ĂŒber- 
haupt je  in  voller  Schwere  kommen,  entzieht  sich  noch  der 
Kenntnis  des  Verf.,  da  er  die  Kranken  noch  nicht  hinreichend 
lange  verfolgen  konnte.  Man  kann  aber  sagen,  daß  bei  den 
L.  -  p  o  s  i  t  i  v  e  n  der  pathologisch-histologische  Prozeß  am 
Zentralnervensystem  noch  nicht  zum  Stillstand  gekommen 
ist,  daß  ĂŒber  diesen  Kranken  —  im  Gegensatz  zu  den 
L. -negativen!  —  ein  Schicksal  schwebt,  und  daß  man 
mit  einer  ungĂŒnstigen  Fortentwickelung  rechnen  muß,  wenn 
es  nicht  gelingt,  durch  chron.  intermittierende  Behandlung 
den  Prozeß  zum  Stillstand  zu  bringen.  Es  gelingt  das 
leider  nicht  immer.  Das  Tempo  der  Progredienz  ist  im 
ĂŒbrigen  in  jedem  einzelnen  Falle  verschieden,  von  Faktoren 
abhĂ€ngig,  die  wir  noch  nicht  ĂŒbersehen.  —  Bei  primĂ€r 
liquornegativen  Kranken  ist  dagegen  mit  grĂ¶ĂŸter  Wahr- 
scheinlichkeit die  Hirnlues  zum  Stehen  gekommen.  Sie  be- 
dĂŒrfen keiner  Behandlung,  wenn  sie  auch  sero  negativ 
sind.  Eine  Paralyse  ist  bei  diesen  FĂ€llen  nicht  zu  be- 
fĂŒrchten. 

Ueber  einen  Fall  von  posttraumatischer 
Tuberkulose  des  Auges  unter  dem  Bilde  der 
ebron.    Iridozyklitis    berichtet    YV.    Block  (Heil- 


anstalt  Schömberg  (15)  aus  der  Univ.- Augenklinik  Hai  1  e 
(■xdjannger  Stelimacher.  FrĂŒher  gesund.  1916  Knie-Gelenk- 
rneuHiatismus,  1917  meum.  EntzĂŒndung  des  linken  Auges: 
1919  Verletzung  des  rechten  Auges  durch  glĂŒhenden  Eisen- 
span Im  unmittelbaren  Anscnluß  daran  Iridozyklitis. 
ISach  Iriaeklomie  und  Entfernung  der  getrĂŒbten  Linse  Hei- 
lung unter  Tuberkulin -Injektionen.   Der  Fall  wird  als  bisher 


g  bescKhnel5en;i  0b  «  ^e  echte  posttraumatische 
tuberkulöse  aber  wirklich  darstellt,  wird  nach  der  ge- 
gebenen Krankengeschichte  verschieden  beurteilt  werden 

Ueber  raaiotherapeutische  Erfahrungen  bei  Tuberkulose 
Brel^^Tr6*  J,endralski  W  (Univ.-Augenklinik 
ililVU  T  ^  Tlt6rer  FĂ€lle-  Bei  einem  RĂŒckblick 
1 1  v  a  1  ES.  I  S,  V  °  r  u*  U  f  1  -g  e  S  Er§ebnis:  Die  K  o  n  j  u  n k  - 
tival  tuberkulöse  scheint  in  hartnackigen  FÀllen  der  Rönt- 
g  nstranieiobehandlung  zu  widerstehen"  Mesothortuni  ver- 
besserte das  Resultat.  Besser  reagieren  auf  die  RönJS- 
benandlung  die  tuberkulöse  Iritiden.    Die  WirtoTder 

E Smb lbrfaHdlUnHg  1  n  nkht  Ctwa  in  dnem  direkt 
riprlr  H  :  n  13^1US  K°Ch  ZU  seh€n>  andern  in  an- 
deier  Beeinflussung  (VerÀnderung  des  NÀhrbodens?  (Wet- 

L:Ler-}  .  Das  tuberkulöse  Granulationsgewebe  wird  anee- 

SÄ-eT^  T  ftrei?en'  kbhalten  Stoffwechs§els 
neaurltigen  Riesen-  und  epitheloiden  Zellen-  sie  zerfallen 

und    werden    resorbiert,    tie    Bazillen   gehen  zugrundT 

Kupferle    hat   diese    Anschauung    auch  experimenteil 

scSich'w.if^  Vft*         KUniker  nich" 
St  wJL^  Erfahnmgea  mĂŒssen  aber  noch  ge- 
Zwei der  seltenen  FÀlle  von  StreptotriximTrÀ 

Ar^rv^wtLik'T  KmnJniS  "r  d-paL^en 
(DanzTg)  (17)!  S  6U  Sem  kann'  beobachtete  Francke 

Fall  1:  Ein  Arzt  bemerkte  an  seinem  eigenen  Auffe  Jit 

Ä£r U^l^  RÖt^  im  -neren^idwinkel  Nur 
TuJ„  >  V  W3r  betroffen>  das  rechte  Auge  ganz  blaß  Der 
rinf^'aldruXn  ei\^0^  gelblLiöckliches  Ge- 
S?reptotrT> ;  m^roskopische  Untersuchung  ergab 

w«rFnf  UQ2.:,35jahr-ige  Landfrau.    Aehnlicher  Fall.    Hier  aber 

^nens  wie  in  hall  1  ist  ganz  selten. 

Guist  (18)  beachtete  die  Erfahrung,  daß  es  ganz  ge 
sunde  RegenbogenhÀute  gibt,  bei  welchen  H  orn  afr  opf n 
nur  eine  unbedeutende  LĂ€hmunas wirkifnS 
Ă€ußert  und  selbst  Atropin  erst  nach  Cr  L  8 
pnRZZeij  e'ne  vollstÀndige  LÀhmung  bewirkt.  Er  suchte 
die  Besonderheiten  der  gut  und  schlecht  reagierenden  Regen 
bogenhaute  zu  erkennen  durch  Variation  de  ?Eimra^felS' 

skop'TAand'dfß11^  Be1a?tunS   -  lÄSSöt 

genbogenhÀute  aufweisen,  befördern  die  Aufsaugung  der 
Tropfen.    Dunkle,  oft  derbe  und  kryptenarme  Snb0«en 
haute  erschweren  die  Aufnahme   der   wirksamen  Lösung" 

KrypÄ  und  L  '  *  *  ^enbogeSScwSS 

"■Wen  aut  und  sind  mit  Homatropin  zu  lĂ€hmen     2  n,'p 

"vptenCI\(braUnen)  R^"b°genhPÀu,e  haben  Te  i  fwe^ 
ui    teihveis e,   wenn   das   Relief   derb    ist      3  De 


der  MĂ€chtigkeit  der  vorderen  Grenzschicht  und  der  Derb 
heit  des  Insstromas  abzuhÀngen.  -  Man  kann  au, h  Ver 
also  ganz  gut  ĂŒber  die  ErweiterungsfĂ€higkeit  der  his  i 
voraus  etwas  aussagen.  °  1 

sichUfeJd^61  (19)  mfht  Teilungen  .ĂŒber  Ge 
sicntsteldstorungen  bei  Iridozyklitis  (Er 
fahrungen  der  1.  Wiener  Univ.-Augenklinik).  Der  Gegen 
rÄH"  Sehleistung  und  fehlendem  Spfefd 
Detund  fiel  oiter  aut.  Perimetrie  erwies  zentrale  uarazen 
trale,  auch  periphere  Skotome,  die  spĂ€ter  zuweilen  rĂŒck 
gangig  wurden   gleichzeitig  mit  Besserung  T  Sehscl  À  fe 

8ℱ         m  ,Kurankneitsstofle  vom  erkrankten  Ziliarkörpe, 
lĂ€ngs  der  NetzhautgefĂ€ĂŸe  bis  hinter  die  Lamina  wandS 
können  (in  Form  von  Epithloidzellenknötchen,  welche  s  c 
m  den  perivaskulĂ€ren  LymphrĂ€umen  ausschließlich  um  i 
ht  ^aV>enent  henim  finden>-  Das  Parenchym  der  Neffl 

^aum  b^eili  tfre^-d;e  !de/hut  ^  Krankheitsprozeß 
Kaum  beteiligt.    Hinter  der  Lamina  treten  aber  «an/  'ihn  i 

tÄ!Wfi  In"Urate  Wie  an  denCzhai,'  : 
venen  auf    D     ueberleitung  der  Krankheitserreger  aus  der 
Uvea  durch  eine  Pe  r  i  p  h  1  e  b  i  t  i  s  der  NetzhautgefĂ€ĂŸe  auf 
den  retrobulbÀren  Teil  des  Sehnerven  ist  damit  nach  Mei 
ler  erwiesen.    Er  beobachtete  auch  RĂŒckbildunTsvorgtnge 
Das  dauernde  Fortbestehen  der  Skotome  und  der  sch  e°chten  I 
SehschÀrfe  in  einzelnen  FÀllen  deutet  vielleicht  Lf  primÀre 
SchÀdigung  des  Sehnerven  hin.  -  Eine  Reihe  von  Gericht 
feldern  wurden  demonstriert.  uesicnts- 

tioneV^T^f-  u6r  n€ue"*  Glaukomopera- 
iiach AlhmrP  hfeiCr  ZU1'  Wassischℱ  Iridektomie 
bei  der  Wien  P  TV*  aei_l  war  das  große  Thema,  das 
ßei  der  Waener  Tagung  zu  Ehren  von  Ernst  Fuchs  be- 
n  iTc  he  ^  L  U  h  t  h  o  f  f  (Breslau),  der  das  J  Ii- 

mehr  als  1000  F..§'  ^  °rUnd  der  Erfahrungen  an 
ST,i  f  alkn  VOn  PrimÀrem  Glaukom  e  i  g  e  n  e  r  Be- 

obachtung (die  in  50  Prozent  der  FÀlle  jeweils  lÀnger  als 
daVd£r  ^0baCthtet  Waren!>  Persönlich  zu  der  Ueberzeugung 
daß  die  Ersatz  Operationen   (Trepanation  nach  Elliot 
Zyklodialyse  nach  Heine,  Sklerotomia  anterior  und  nos t 

n  i  ch°;  "hel[t0inie)-  d6r,  klassisc^n  Iridektomie  duXeg 
nicht  ĂŒberlegen  sind,  dagegen  in  mancher  Beziehung  ehe? 
zu  Komplikationen  fĂŒhren  als  die  Iridektomie.  Die  Iridek- 
tomie ist  nach  Uhthof  f  auch  der  einfachere  Eingriff  (ab- 
gesehen von  der  Skerotomia  ant.  und  post.,  die  aber  auch 
weniger  wirksam  sind).  Die  Einzelheiten  der  Ausfa  runS en 
eignen  sich  nicht  zum  Referat  an  dieser  Stelle. 

In  der  Aussprache  waren  die  Ansichten  nicht  einheitlich 

anaYomuk  (WÜrzburg>'.  der  ^s  Referat  ĂŒber  den 
Her      „1      t     n    ^    wissenschaftlichen  Teil 

darauf  1^°^^  erSt?tete'  W^S  Sdnersdts  zum  Schluß 
f  ^ 11 '  daß  kei/le  der  neueren  Glaukomoperationen  als 
Tdealmethode  zu  bezeichnen  ist,  keine  vorerrt  berufen  ist 

aL  ösen    ?be  ^  Chr°n'  vollstÀndig 

abzulösen.   Aber  in  dem  ihnen  allen  gemeinschaftlichen  Ge- 

^,keon§an^   d5  AugenflĂŒssigkeit  einen  neuen  stĂ€ndigen 


Ahfi„n  ii     r.  °^   .      &^      erneu  neuen  standigen 

unberecMi „fH  /.  »'  ei«  berechtigter  Kern.  Es  erscheint 
unberechtigt,  den  hier  beschrittenen  Weg  als  Irrwe*  zu  be- 
zeichnen und  ihn  darum  verlassen  zu  wollen.    Möglich  daß 

ffil  TderS  KarÜb7  ZU  Urtdlen  Sdn  wird'  wenn  das 
Runkel   das  insbesondere  ĂŒber  der  chronischen  Form  des 

SiheargSn^0mS  ^§t'  KSkh  etWaS  mehr  §elichtet  haben 
sollte.    So  lange  dies  aber  nicht  der  Fall  ist,  darf  das  ge- 

wissermaßen  experimentelle  VorwĂ€rtsstreben  in  der  operal  - 
h   I^rr  werden.  „Wer  jegliches  Risiko 

in  dei  Therapie  des  chronischen  Glaukoms  scheut  darf 
ĂŒberhaupt  kein  Instrument  in  die  Hand  nehmen  " 

akuten1?1  (L?PZigl  7ks  U-  a-  darauf  hin'  daß  fĂŒr  das 
akute  Glaukom  die  Iridektomie  an  erster  Stelle  zu  setzen  ist 

Bei  Glaukoma  Simplex  aber  sieht  man  danach,  wie  be- 
kann   öfter  Verschlechterung  nach  der  Iridektomie. 

chron  L,Teivmdet  d3her  MerfÜr'  Sowie  mr  Glaukoma 
Zfh ?'*  %  rZU§-  die  modernen  »f  ist  ulier  enden" 
Methoden  (Trepanation  usw.). 


10.  Jahrg.  — Nr.  20/21. 


.hm ins:  Augenheilkunde 


Die  n  i  c  Ii  i  -operative  Therapie  soll  keinesfalls  grund- 
sÀtzlich empfohlen  werden.  Sie  gibt  aber  wohl  doch  immer- 
hin nach  Heitel  etw  as  bessere  Resultate  als  U  h  t  h  o  f  1' 
angibt,  der  selbst  nur  ausnahmsweise  nicht  operierte.  (Nur 
1  Prozent  Erfolge  nach  1' hl  ho  ff.)  Bei  geschickter,  ledig- 
lich medikamentöser  Behandlung  des  Glaukoma  simplex 
mit  Eserin-Pilokarpin  —  und,  es  gibt  ja  FĂ€lle,  wo  aus  irgend 
welchen  GrĂŒnden  nicht  operiert  weiden  kann  —  sieht  man 
einzelne  FÀlle  viele  Jahre  lang  sich  mit  gutem  Sehvermögen 
erhalten.  Ein  Versuch  mit  Darreichung  von  Thyraden 
(Knoll)  ist  dann  außerdem  zu  empfehlen.  Die  Pilokarpin- 
wirkung  wird  durch  0  r  g  a  n  prÀparate,  welche  den  endo- 
krinen Stoffwechsel  unterstĂŒtzen,  gelegentlich  gut  ver- 
stÀrkt.   Es  gilt  aber  nur  das  sog.  Glaukoma  simplex. 

BezĂŒglich  der  Einzelheiten  der  Erörterungen  ĂŒber  das 
diffizile  Thema,  das  im  ĂŒbrigen  aus  Zeitmangel  nicht  voll 
durchgesprochen  werden  konnte,  muß  auf  den  Sitzungs- 
bericht verwiesen  werden. 

In  einer  großen  Arbeit  ĂŒber  den  „Netznautpul  s" 
berichtet  R.  H.  Elliot  (21),  der  weltbekannt  "gewordene 
britische  Glaukomforscher,  welcher  die  nach  ihm  benannte 
j|T  r  e  p  a  n  a  t  i  o  n  s  methode  als  Ersatzoperation  fĂŒr  die  bis- 
herigen Operationsverfahren  anderer  Art  bei  Glaukom  be- 
stimmter Formen  angab,  ĂŒber  das  Ergebnis  seiner  bezgl. 
Studien,  die  das  PhÀnomen  wesentlich  unter  dem  Gesichts- 
winkel seiner  Bedeutung  fĂŒr  die  Glaukomfrage  betrachtete. 
Hier  interessiert  nur:  Es  gibt  einen  physiologischen 
Arterienpuls  an  der  Netzhaut.  Wir  sehen  ihn  nur  ge- 
wöhnlich nicht,  weil  er  unbedeutend  ist.  Ein  mit  dem 
Augenspiegel  deutlich  sichtbarer  Arterienpuls,  der  wie 
das  Leuchtturmlicht  aufzuckt  und  verschwindet,  ist  immer 
pathologisch  (Herzkrankheit  u.  a.).  Anders  beim 
Venen  puls.  Hier  kommen  alle  Grade  bis  zum  unmerk- 
lichen Flackern  vor.  Auch  zwei  geĂŒbte  Untersucher  können 
gelegentlich  unsicher  bezw.  verschiedener  Meinung  sein,  ob 
ein  Venenpuls  an  der  Netzhaut  ĂŒberhaupt  vorliegt  oder  nicht. 
Er  schwankt  ĂŒberdies  beim  gleichen  Individuum  bezgl.  seiner 
Deutlichkeit  in  weiten  Grenzen,  ist  oft  nur  an  einem  Zweig 
der  Zentralvene  sichtbar.  Anatomische  Besonderheiten 
haben  wahrscheinlich  Beziehungen  zu  seinem  Auftreten. 
Die  Erörterungen  ĂŒber  die  vermutliche  Entstehungsart 
des  Venenpulses,  die  noch  nicht  ganz  geklÀrt  ist,  sollen  hier 
nicht  wiedergegeben  werden.  Die  augenÀrztlichen  Kliniker 
waren  bisher  ĂŒberzeugt,  daß  ein  markanter  Venenpuls 
eine  bezeichnende  Begleiterscheinimg  des  Glaukomprozesses 
sei.  Nach  erfolgreicher  Operation  verschwand  der  Puls 
hÀufig  oder  wurde  doch  geringer.  Bailliart  hat  dieses 
Axiom  durch  experimentelle  Versuche  und  wissenschaftliche 
Ueberlegungen  erschĂŒttern  zu  können  geglaubt.  Elliot  ist 
nicht  seiner  Meinung  und  wird  das  Beweismaterial  dem- 
nĂ€chst noqh  vorlegen.  Im  ĂŒbrigen  ist  ein  starker  Venenpuls 
keine  unbedingte  Notwendigkeit  bei  Glaukom.  Wir 
stehen  da  noch  vor  ungelösten  Fragen.  Auch  die  Frage 
spielt  da  hinein,  ob  tatsÀchlich  pupillenerweiternde  Mittel 
(die  sogen.  Mydriatica)  den  VeneupĂŒls  verstĂ€rken  können. 
In  der  Tat  bewirken  sie  es  bei  einer  Reihe  von  Augen.  Bei 
anderen  Augen  bleiben  sie  aber  wirkungslos  (wie  auch 
Fingerdruck  auf  das  Auge,  der  im  allgemeinen  pulserstÀr- 
kend  wirkt).  KĂŒnstliche  VerstĂ€rkung  des  Binnendruckes  im 
Auge  erzeugt  also  zum  Teil  Venenpuls  an  der  Netzhaut,  zum 
Teil  nicht.  Wir  stehen  vor  der  Tatsache,  daß  das  Auge  im 
gesunden  und  kranken  Zustande  unter  der  Tropfenwirkung 
der  Mydriatica  einmal  gewissen  physikalischen  und  physio- 
logischen Gesetzen  folgt,  ein  anderes  Mal  aber  nicht.  Ein 
rÀtselhafter  Faktor  ist  da  im  Spiel,  dessen  uns  verwirrende 
Wirkung  wir  sehen,  aber  zurzeit  noch  nicht  erfassen  und 
verstehen  können.  Er  mag  mit  den  anatomischen  und  phy- 
sikalischen Bedingungen  zu  tun  haben,  welche  den  Abfluß 
des  Blutes  durch  die  Augengewebe  beherrschen,  oder  mit  den 
hydrodynamischen  Bedingungen,  welche  in  den  Reservoirs 
liegen,  zu  denen  das  Blut  zu-  oder  abströmt.  Wir  wissen  es 
nicht.  Eine  befriedigende  Beantwortung  dieser  Frage  wĂŒrde 
uns  vermutlich  der  Lösung  der  Preisfrage  nÀher  bringen,  die 


eine  der  wichtigsten  der  klinischen  Augenheilkunde  ist:  Der 
Erkennung  des  elementaren  Unterschiedes  zwischen  entzĂŒnd- 
lichem und  einfachem  Glaukom,  von  der  auch  die  Wahl  der 
besten  Operalionsmelhode  abhÀngig  ist,  wie  oben  angedeutet 
wurde. 

K  n  ĂŒ  sex  (22)  studierte  das  Verfahren  der  P  h  a  - 
koeri.sis  nach  Batraquer-Barzelona  in  dessen 
Klinik.  (Ueber  das  Verfahren  vergl.  Vortrag  von  B  a  t  r  a  - 
quer  in  Wiener  Ophthalm.  Ges.,  6.-8.  8.  21,  Klin.  Mo- 
natsbl.  67,  S.  310.)  Mit  einer  kleinen  Saugglocke  wird  die 
Linse  gefaßt,  von  der  Zonula  abgerissen,  unversehrt  aus  dem 
Auge  gehoben.  Die  besten  Resultate  erhÀlt  man,  wenn  nach 
BetĂ€ubung  des  M.  orbicularis  am  Lidwinkel  ein  großer 
Bindehautlappen  geschnitten  wird  und  eine  periphere  lri- 
dektomie  angelegt  wird.  Die  Technik  muß  erlernt  werden. 
Glaskörpervorfall  ist  möglich.  Der  Star  kann  aber  bei  gĂŒn- 
stigem Verlauf  in  einer  Sitzung  gÀnzlich,  entfernt  werden.  ' 
Schnellste  Heilung.  Nachstar  kommt  nicht  in  Frage.  Das 
Verfahren  wird  im  ganzen  vom  Verfasser  gerĂŒhmt. 

Dieses  neue  Verfahren  der  Staroperation  hat  namentlich 
ii\  Amerika  Interesse  erregt.  Auch  Mc  Reynolds  (22  b) 
studierte  es  in  Barzelona,  hĂ€lt  es  fĂŒr  einen  Fortschritt 
fĂŒr  manche  StarfĂ€lle.  Green  und  McDannald  geben 
AbÀnderungs-  und  VerbesserungsvorschlÀge  (22  b). 

Lippmann  (23)  gibt  Bericht  ĂŒber  die  Opera- 
tionsresultate an  63  Personen  mit  Cataract 
bei  und  durch  Diabetes  (die  unter  2670  Starkranken 
der  Prager  Deutschen  Univ.  Augenklinik  sich  fanden). 
53  Kranke  waren  ĂŒber  40  Jahre  alt,  10  unter  39  Jahren.  Im 
ĂŒbrigen  waren  33  mĂ€nnlichen,  30  weiblichen  Geschlechts; 
10  gehörten  der  jĂŒdischen  Rasse  an,  die  stark  beteiligt  ist. 
Die  klinischen  Besonderheiten  und  Komplikationen,  welche 
eintraten,  werden  beschrieben.  Ihre  Zahl  betrug  etwa  6  Pro- 
zent (wie  auch  bei  Uhthoff).  ErwÀhnt  wird  unter  den 
Komplikationen:  Einmal  Staphokokkeninfektion  mit 
Verlust  des  Auges,  einmal  amykotische  Iridozyklitis  mit 
demselben  Ausgang  (wohl  diabetischer  Herkunft),  zweimal 
Iridozyklitis  mit  Ausgang  in  Pupillarverschluß,  fĂŒnfmal  ge- 
ringe iritische  Reizung  ohne  Einfluß  auf  Resultat  an  Seh- 
vermögen. Außerdem  wurde  einmal  Neuritis  retrobulbaris 
unmittelbar  nach  der  Wundheilung  einmal  1  Jahr  danach 
festgestellt,  einmal  Retinitis  diabetica.  Sechmal  trat  Blutung 
in  die  Vorderkammer,  zweimal  Aderhautlösung  ein,  einmal 
SekundÀrglaukom  zwei  Jahre  nach  der  Operation.  Wegen 
der  Gefahr  des  Coma  diabeticum  sollte  die  Operation  nur  bei 
azetonfreiem  Harn  vorgenommen  werden.  Auf  das 
bei  der  FunktionsprĂŒfung  kataraktöser  Augen  nicht  nach- 
weisbare Vorkommen  von  Neuritis  retrobulbaris  und  Re- 
tinitis (Retinochorioiditis)  diabetica  ist  bei  der  Diagnose  und 
Voraussage  besonders  zu  achten. 

Ueber  Verschwinden  markhaltiger  Ner- 
venfasern in  der  Netzh  au  t  nach  Embolie  der 
Art.  zentralis  retinae  berichtet  Bachmann  (24). 
Erstmalig  sah  Wagenmann  das  Verschwinden 
markhaltiger  Nervenfasern  in  der  Netzhaut  im 
Verlauf  einer  genuinen  Selmervenvenatrophie  bei  Tabes 
dorsalis  beobachtet.  Sachsaiber  sah  dasselbe  bei  einer 
in  Atrophie  ausgehenden  Stauungspapille  durch  Hirntumor. 
Frost  sah  ein  MarkbĂŒschel  an  der  Papille  im  Verlauf  von 
Glaukom  verschwinden,  Verfasser  fĂŒgt  diesen  spĂ€rlichen  all- 
gemein interessierenden  FĂ€llen  eine  neue  Beobachtung  hin- 
zu: Schwund  markhaltiger  Nervenfasern  in 
der  Netzhaut  nach  Embolie  der  Arteria  cen- 
tralis retinae.  Es  handelte  sich  um  einen  28jÀhrigen 
Patienten,  der  8  Tage  vor  der  ersten  augenÀrztlichen  Unter- 
suchung durch  die  genannte  Ursache  plötzlich  erblindet  war. 
Herzfehler  kam  als  spezielle  Ursache  der  GefĂ€ĂŸverstopfung 
an  der  Netzhaut  in  Betracht  (geheilte  Malaria,  geringe 
Lungenaffektion  kamen  hierfĂŒr  wohl  nicht  in  Frage).  Die 
Beobachtung  ist  deshalb  lehrreich,  weil  die  frĂŒheren  Autoren 
ihre  Kranken  erst  lange  Zeit  nach  Eintreten  der  Grund- 
schÀdigung zu  Gesicht  bekamen.  (W  agenmann  nach 
8  Monaten,  Sachsaiber  nach  2%  Jahren.)   Verfasser  sah 


384 


Junius:  Augenheilkunde 


seinen  Patienten  schon  8  Tage  nach  der  Embolie,  konnte 
den  weiteren  Verlauf  mit  dem  Augenspiegel  kontrollieren. 
14  Tage  nach  der  GefĂ€ĂŸverstopfung  an  der  Retina  zeigte  sich 
die  ersten  VerÀnderungen  in  der  Struktur  der  markhaltigen 
Nervenfasern  (Auflockerung  in  feine  weiße  Fleckchen  unter 
Verlust  des  charakteristischen  Glanzes).  Nach  weiteren  zwei 
Monaten  waren  schon  die  mÀchtigsten  Lager  der  Fasern 
stark  rarefiziert;  die  GefĂ€ĂŸe  schimmerten  hindurch  Am 
schnellsten  verlief  der  Prozeß  an  der  Umbiegungsstelle  der 
Aervenfasern  am  Papillenrande.     15  Monate  nach  der  Er- 
blindung waren  nur  noch  spÀrliche  Reste  der  Nervenfasern 
vorhanden.   Der  Prozeß  erschien  als  beendet.   Von  einer  be- 
sonderen Reaktion   des   Zwischengewebes   war  nichts  zu 
sehen;  das  Pigmentepithel,  das  sonst  gern  auf  VerÀnderun- 
gen in  der  Nachbarschaft  reagiert,  blieb  unverÀndert.  Die 
Atrophie    des   markhaltigen   NervenbĂŒschels   ist   als  eine 
.   a  sz  en die  r  ende  zu  bezeichnen.    Die  Ansicht  wird  be- 
grĂŒndet (spĂ€ter  Eintritt  der  VerĂ€nderung,  torpider  Ablauf 
u.  a.).   Eine  Zerstörung  der  Gehirnschicht  der  Netzhaut  bzw 
der  dazu  gehörigen  Ganglienzellen  wird  als  spezielle  Grund- 
lage angenommen. 

Die  Beobachtung  doppelseitiger  Sehnerven - 
metastasen  eines  Bronchialkarzinoms  als  Ur- 
sache völliger  Erblindung  bei  einer  70  jÀhrigen  Patientin, 
mitgeteilt  durch  Prof.  S.  Ginzberg-Berlin  (25),  dĂŒrfte 
eme  allgemein  interessierende  RaritÀt  sein  (mit  mikroskopi- 
schem Befund).  ^ 

Prof.  A.  V  o  g  t  -  Basel  und  O.KnĂŒsel  (26)  hatten  Ge- 
legenheit, neue  Beobachtungen  ĂŒber  die  sog.  Purtscher- 
sche  FernschÀdigung  der  Netzhaut  durch  SchÀdel- 
trauma (Angiopathia   retinae   traumatica)  zu 
machen.    Das  Krankheitsbild  ist  wichtig  fĂŒr  unsere  Kennt- 
nisse der  Wechselbeziehungen  zwischen  Auge  und  Gehirn 
Man  findet  nach  schweren  S  c  h  À  d  e  1  trÀumen,  besonders 
wohl  nach  solchen,  welche  von  einer  Kompression  der  Wir- 
belsĂ€ule in  der  LĂ€ngsrichtung  begleitet  sind,  weiße  glĂ€n- 
zende  Fleckchen   am   Augenhintergrunde,   die   am  Rande 
Mrichelung  und  PĂŒnktchen  zeigen,  konfluieren  können,  bis 
zur  Große  der  Sehnervenscheibe  gefunden  werden,  immer 
die  Gegend  der  Netzhaut  -  M  i  1 1  e,  nie  die  Peripherie  ein- 
nehmen.   Daneben  zuweilen  streifige,  sog.  prÀretinale  Blu- 
tungen.    Die  Herde  verschwinden*  innerhalb  von  Wochen 
oder  Monaten.   Nur  seltener  bleibt  eine  dauernde  Sehstörung 
zurĂŒck.     Niemals  zeigt  der  Augapfel  selbst  die  Er- 
scheinungen einer  BeschĂ€digung  oder  ErschĂŒtterung.  SchĂ€- 
del b  r  u  c  h  war  zuweilen  erweisbar,  fehlte  aber  sicher  auch 
in  einer  Reihe  von  FĂ€llen.    Purtscher  faßte  die  Netz- 
hautveranderungen  als  direkte  Folge  der  durch  das  Trauma 
gegebenen  plötzlichen  intrakraniellen  Drucksteigerun* 
auf  .und  stellte  sie  der  Stauungspapille  an  die  Seite!  ' 
Die  VerÀnderungen  ersterer  Art  (Angiopathie)  bei  akuter 
momentaner   Druckwirkung,   die   der   Stauungspapille  bei 
c  Ii  ronische  r  Druckwirkung  im  SchÀdel.   Die  Blutun°en 
bei  der  Angiopathie  sind  nach  Purt  scher  Veneneinrisse 
die  weißen  Herde  sind  die  Folge  von  Lymphorhaeien 
Drei  neue  klinische  FĂ€lle  wenden  berichtet,  das  ganze  Krank- 
lieilsbild  auf  Grund  dieser  Beobachtungen  beleuchtet.  P  u  r  t- 
schers   Auffassung   wind   in   der   Hauptsache  bestÀtigt 
einige  ErgĂ€nzungen  ĂŒber  Einzelnes  hinzugefĂŒgt.    Die  sogen 
„B  e  r  1  i.n"  sehe    TrĂŒbung   nach    Kontusionen    des  Aug- 
apfels ist  als  ein  selbstÀndiges  und  andersartiges  Krank- 
heitshild  aufzufassen. 

Aus  einer  Mitteilung  ĂŒber  NetzhautverĂ€nderun- 
gen (Blutungen)  bei  einem  Chloromfalle  von 
Sidler-Hugenin  (ZĂŒrich)  (27)  interessiert  allgemein: 
Bei  einem  30  jĂ€hrigen,  frĂŒher  gesunden  Manne  traten  plötz- 
lich /ahnf  leischblutungen  auf,  zugleich  Netz- 
n  a  1. 1  hlutunge  n,  die  an  S  k  o  r  b  u  t  denken  ließen.  Es 
ei  schien  das  um  so  wahrscheinlicher,  als  negativer  Befund 
an  den  ĂŒbrigen  Organen  zu  bestehen  schien.  Nach  drei- 
wöchiger Krankheit  starb  Patient.  Das  Knochenmark  des 
Überschenkels  und  der  Rippen  zeigten  typische  GrĂŒn- 
tarbung.    Es  handelte  sich  um  ein  Chlorom  in  der  Auf- 


fassung von  NĂ€geli,  wofĂŒr  auch  das  verĂ€nderte  BlutbilJ 
sprach  (Chlorom-Abart  der  LeukÀmie).  Der  Augenarzt  und 
der  Allgemempraktiker  wird  bei  gegebener  Gelegenheit  all 
das  Vorliegen  eines  derartigen  Falles  denken  mĂŒssen.  DiJ 
Anschauungen  ĂŒber  Chlorom  werden  erörtert. 

Ueber  Sehstörungen  nach  Genuß  von  ver- 
unreinigtem Alkohol  (Methyl-Alkohol)  und  nacl 
(ubermĂ€ĂŸiSe  M^ge)  mĂ€cht  Ischreyt  (Libau^ 
(28)  einige  interessante  Mitteilungen.  Der  Alkohol  war  ab 
„Schnaps;  oder  als  Heilmittel  gegen  ErkĂ€ltung  getrunken 
aas  Llnnin  zur  Beseitigung  einer  vermeintlichen  GraviditÀt 
eingenommen  (wohl  20  Tabletten  zu  0,3  oder  0,5  k)  Allge- 
mein wichtig  ist,  daß  bei  .  der  M  e  t  h  y  1  a  1  k  o  h  o  1  -  Vergif- 
tung in  der  Seh  Störung  das  z  e  n  t  r  a  1  e  Skotom  im  Vorder- 
grunde steht,  bei  der  C  h  i  n  i  n  Vergiftung  die  periphere 
EinschrÀnkung  des  Gesichtsfeldes.  Bei  der  er  st  er en  Er- 
krankung ist  der  Augenspiegelbefund  zunÀchst  gewöhnlich 
normal,  bei  der  letztgenannten  Vergiftung  (Chinin) 
meist  charakteristisch  verĂ€ndert  (Kontraktion  der  GefĂ€ĂŸe 
Blasse  und  TrĂŒbung  der  Netzhaut).  Es  gibt  auch  anders 
lautende  balle.  Als  Regel  kann  aber  das  Vorgesagte  fest- 
gehalten werden.  Die  Literatur  wird  vom  Verfasser  be- 
sprochen. Gesichtsfelder  und  genauer  klinischer  Berich? 
werden  gegeben. 

Einen  Fall  von  doppelseitiger  Neuroretini- 
tis  stellata  centralis  nach  Grippe  (sternförmige 
Erkrankung  der  Netzhaut  m  i  1 1  e)  beobachtete  A.  Danco 
(bssen)  (28a).  Es  handelte  sich  um  eine  Grippe  mit 
Meningealerscheinungen  und  erhöhtem  Lumbaidruck. 
Die  Nieren  waren  intakt.  Differentialdiagnostisch  ist  die 
t  rennung  einer  derartigen  VerÀnderung  von  den  ominösen 
^etzhauterkrankungen  bei  Nierenleiden  wichtig.  Sie  ge- 
hören zu  der  Gruppe  der  sog.  „pseudonephriti  sehen 
iNetzhauterkrankungen"  (Th.  Leber). 

Ueber  allgemeine  H  y  p  e  r  t  o  n  i  e  und  ihre  Beziehungen 
zum  Auge  liegt  eine  interessante  amerikanische  Arbeit  vor 
zu  der  aber  einiges  vorausgesagt  werden  muß.   Der  Zustand 
einer    chronischen    Hochdruckspannung  im 
Blutkreislauf,  die  nicht  von  EntzĂŒndungs-  oder  Schrump- 
tungsprozessen  in  den  Nieren  herrĂŒhrt,  ist  lange  bekannt, 
aber  nicht  allgemein  als  besonderer  Krankheitszustand  an- 
erkannt.   Die  LehrbĂŒcher  Ă€ußern  sich  bisher  nur  kurz  und 
gewöhnlich  skeptisch  hierzu.    Die  Krankheit  ist  aber  von 
aktuellem  Interesse  fyr  die  Gegenwart,  deren  Nervensystem 
m  stÀrkster  Weise  durch  die  Weltereignisse  des  letzten  Jahr- 
zehntes angespannt  ist.    Ein  anschauliches  Bild  der  klini- 
schen Erscheinungen  und  der  möglichen  Grundlagen  der 
Krankheit  gab  Fr.  Munck  (29)  an  leicht  zugÀnglicher 
Melle  (1919).   Auch  aus  der  Breslauer  Klinik  liegt  eine  noch 
neuere  Mitteilung  vor  (30).    Die  neueste  Zusammenfassung 
gab  Ros  in  (1921)   (31)  ebenfalls   an  leicht  zugÀnglicher 
Stelle.   Das  Studium  dieser  Mitteilung  muß  empfohlen  wer- 
den    Es  handelt  sich  darum,  daß  von  diesen  Autoren  die 
Auffassung  vertreten  wind,  daß  es  einen  Zustand  der  „ge- 
nuinen'- oder  mit  einem  weniger  guten  Worte  „essen- 
tiellen   Hypertonie  der  Arterien  gibt,  wobei  essen- 
tiell bedeutet,  daß  ohne  vorlĂ€ufig  genau  bekannten  Grund 
vermutlich  aus  nicht  einheitlichem  Anlaß,  ein  regelwidriger 
lonus  der  arteriellen  GefĂ€ĂŸe  zustande  kommt  mit  der  Fol"c 
erhöhten  Blutdruckes  im  ganzen  GefĂ€ĂŸsystem.   Daß  toxische 
und  nervöse  EinflĂŒsse  als  schĂ€digende  Momente  mitwirken 
mĂŒssen,  lehrt  die  klinische  Erfahrung  (Blei  ist  als  schĂ€di- 
gend erkannt,  Tabak  verdÀchtig,  Lues  kaum  in  Betracht 
kommend).    Personen  mit  nervöser  Disposition  gewisser  Art 
(sog.  „Vagotonie"  und  „S  y  mp  a  t  hi  ko  t  onie"),  die 
körperlich  oder  geistig  schwere  Arbeit  und  aufregende  Ar- 
beit verrichten  mĂŒssen,  sind  aber,  gefĂ€hrdet.    Ueppige  Le- 
bensweise macht  bestimmte  Individuen  ebenso  zur  Krank- 
heit geneigt,  wie  Sorgen  und  LebensmĂŒhsal  eine  andere 
Gruppe.    Ueber  die  nÀheren  ZusammenhÀnge  ist  aber  noch 
nichts  Sicheres' bekannt.    Renalen  Ursprunges  sind  der- 
artige Falle  gewiß  nicht  (wenn  bei  einzelnen  Kranken  spĂ€ter 
auch  etwas  Eiweiß  im  Urin  nachgewiesen  wind).    Die  Mit- 


Kulm:  IrrtĂŒmer  in  der  GynĂ€kologie 


385 


I  40.  Jahrg. —  Nr.  20/21. 

J   

Wirkung  regelwidriger  Sekretion  endokriner  DrĂŒsen  ist  an- 
.,1  genommen,  aber  noch  nicht  erwiesen  (Munck  u.  a.). 
ii        Interessant  ist  nun,  daß  ein  Kliniker  vom  Range  Ernst 
,  Bombe  rgs  -  MĂŒnchen  (32)  noch  neuerdings  erklĂ€rte,  je- 
denfalls  persönlich   einen   Fall   sicher   nicht   renalen  Ur- 
sprunges nicht  gesehen  zu  haben.    Aug.  Hoff  mann  (33) 
(DĂŒsseldorf),  der  auf  dem  Gebiete  der  Herzkrankheiten 
!  bekannte  Kliniker,  bezweifelt  dagegen  n  i  c  h  t  das  Vorkam - 
I  men  einer  genuinen,  von  Nierenkrankheit  unabhÀngigen  Hy- 
I  pertonie.     Die   AugenÀrzte   weiden   auf  Grund  ihrer  Er- 
'  fahrungen  unzweifelhaft  die  Frage  der  g  e  n  u  inen,  n  i  c  Ii  I 
Ljenalen  Hypertonie  zustimmend  zu  beantworten  geneigl 
;  sein.    Es  ist  bei  dem  jahrelangen  Verlauf  der  Krankheit  im 
Grunde  wohl  eine  Frage  des  Materials,  die  aber  jetzt  zur 
KlĂ€rung  reif  scheint  —  eine  im  Interesse  der  Therapie  sehr 
wichtige  Frage  — .    In  der  eingangs  erwĂ€hnten  augenĂ€rzt- 
lichen Mitteilung  von  L.  A.  Copps  (34)  aus  der  Marsh - 
H  i  e  1  d  -  Klinik  in  Wiskonsin)  werden  die  Grundfragen 
|  der  Aetiologie  noch  nicht  scharf  auseinandergehalten,  aber 
sechs  interessante  klinische  Berichte  gegeben,  die  fĂŒr  sich 
I  selbst  sprechen  (35).   Bei  der  Seltenheit  derartiger  Mitteilun- 
I  gen  in  der  deutschen  Fachliteratur  ist  die  Arbeit  verdienst- 
voll und  wichtig.    Die  FĂ€lle  sind  gewiß  nicht  selten  in  der 
Praxis,  vielleicht  aber  nicht  immer  zutreffend  beurteilt  und 
bewertet.    Ihre  Kennzeichen  sind: 

Bei  vorgeschrittenen  FĂ€llen  von  arterieller  Hypertension 
werden  Klagen  ĂŒber  plötzlich  auftretende  SchwindelanfĂ€lle 
bei  der  Arbeit  oder  auch  in  der  Ruhe  geĂ€ußert,  ferner  ĂŒber 
Kopfschmerz,  Abnahme  des  Sehens.  Bei  der  Untersuchung 
findet  man  dann:  Allgemein  erhöhten  Blutdruck  (nach  Riva- 
Rocci)  und  an  den  Augen  selbst  ein  sehr  wechselndes  Bild, 
das  nur  Erfahrung  und  Aufmerksamkeit  zu  deuten  vermag: 
Erweiterung,  SchlÀngelung,  ev.  Pulsation  einzelner  Arterien, 
Verbreiterung  des  arteriellen  Lichtstreifens  darauf,  der  sil- 
bern glĂ€nzen  kann.  (FlĂŒherscheinungen  an  kleinen  und 
EndgefĂ€ĂŸen.)  Kleinste  GefĂ€ĂŸchen,  die  normaler  Weise  un- 
sichtbar sind,  werden  bei  diesen  Kranken  sichtbar  (daher 
erscheint  auch  die  Sehnervenscheibe  dann  öfter  „rosig"  mit 
verwischter  Randlinie,  was  aber  keine  Papillenschwellung 
bedeutet!).  Bei  starker  reiner  Hypertension,  ohne  wesent- 
liche Sklerose  der  GefĂ€ĂŸe  (die  vorkommt),  können  die  Ar- 
terien das  Aussehen  eines  „Kupferdrahtes"  annehmen. 
Die  UeberfĂŒllung,  VerdĂŒnnung  und  Erschlaffung"  der  Ar- 
terien bei  allgemeiner  Hypertonie  wird  aber  angehalten  durch 
Einsetzen  des  Prozesses  der  Bindegewebswucherung  in  der 
GefĂ€ĂŸwand,  die  dann  das  entsprechend  geĂ€nderte  Bild  gibt 
—  bis  zur  „Silber  draht" -Arterie.  Diese  Andeutungen 
mögen  hier  genĂŒgen.  Sie  erschöpfen  das  Augenspiegelbild 
natĂŒrlich  in  keiner' Weise,  das  durch  sklerotische  und  throm- 
botische VorgÀnge  sowie  in  anderer  Weise  sich  vielfach  kom- 
plizieren kann.  Wichtig  ist  fĂŒr  den  Allgemeinpraktiker  nur 
ein  Uebersichtsbild  ĂŒber  den  ganzen  Krankheitsprozeß, 
dessen  Bedeutung  nicht  frĂŒh  genug  erkannt  werden  kann. 
I  Krankheitserscheinungen  sind  im  ĂŒbrigen  auch  an  den 
Augen  schon  festgestellt,  wenn  noch  keine  Klagen  bestan- 
den, bei  mehr  zufÀlligen  Untersuchungen,  z.  B.  bei  Unfall- 
patienten anderen  Belanges;  ferner  —  ein  von  Copps  er- 
wĂ€hnter Fall  —  bei  einem  34  jĂ€hrigen  Preisringer,  der,  ein 
starker  Esser  und  intensiv  im  Sport  tÀtig,  hier  auch  auf  der 
Höhe  seiner  LeistungsfÀhigkeit,  auf  Blutdruck  usw.  unter- 
sucht wurde.  Es  fanden  sich  schon  erhebliche  Augenvei  - 
Änderungen;  von  denen  der  Betreffende  nichts  wußte.  Oft 
handelte  es  sich  bei  den  vorgeschrittenen  FĂ€llen  um  Kauf- 
leute in  großer  Stellung  mit'  aufreibender  TĂ€tigkeit  und  ĂŒber- 
reicher ErnÀhrung,  eben  so  oft  aber  um  hart  um  das  Leben 
unter  Sorgen  ringende  Personen.  Die  Krankheitsgeschichten 
sind  in  jedem  Falle  lehrreich.  Was  die  Therapie  leisten 
kann,  ergibt  sich  aus  der  ganzen  Sachlage  im  einzelnen  Fall. 
Medikamentös  ist  Papaverin  zur  zeitweisen  Beein- 
flussung des  Blutdruckes  empfohlen. 

Literatur. 

t.  Festschrift  fĂŒr  Ernst  Fuchs,  v.  GrĂ€fes  Arch.  f.  Ophthalmol. 
105,  1921. 


2.  Gr  ö  Ilhorn,  Y.  Klin.  Monatshl.  f.  Angcnhkd.  07.  10*21 

3.  Friede  R.,  ebenda  67,  1921: 

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Wiener  Ophthalm.  Ges.  3.— 6.  8.  1921). 
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6    DĂŒverger  und  Duthcillel  de  la  Molle.  Arch.  dOpli 

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7.  llarllev,  C.  C.,  Klin.  Monatshl.  f<  Auglikd.  (57,  1921. 

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13.  Juni  ns,  v.  GrÀfes  Arch.  f.  Aughkd.  105,  1921,  Festscbnfl 
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18.  Guist,  Wiener  klin.  Wochenschr.  1921,  Nr.  24. 

19.  Kleinsasser,  Klin.  Monatsbl.  f.  Aughkd.  67,  1921  (im 
Sitzungsbericht  ĂŒber  die  "Wiener  Ophthalm.  Ges.  vom  6.  8.  21). 

20.  Bericht  ĂŒber  die  wissenschaftliche  Tagung  zu  Ehren  von 
Ernst  Fuchs,  Wien  3.-6.  8.  21,  in  Klin.  Monatsbl.  f.  Aughkd. 
67,  1921  (August — September-Heft),  sowie  Originalbericht  ĂŒber 
die  Tagung;  Verlag  S.  Karger-  Berlin  1922. 

21.  Elliot,  R.  H.,  The  British  Journal  of  Ophthalm.  .">,  1921. 
Nr.  11. 

22.  a)  KnĂŒsel,  Klin.  Monatsbl.  f.  Aughkd.  67,  1921  (im  Sitzungs- 
bericht ĂŒber  die  Wiener  Ophthalm.  Ges.  vom  3. — 6.  8.  21). 

22.  b)  Reynolds,  John  O.  Mac,  American  Journal  of  Ophthal- 
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23.  L  i  p  p  m  a  n  n,  Med.  Klinik  1921,  Nr.  37. 

24.  Bach  mann,  Rud.,  v.  GrÀfes  Arch.  f.  Ophthalmol.  107,  1921. 

25.  Ginsberg,  Klin.  Monatshl.  f.  Aughkd.  67,  1921. 

26.  Vogt,  A.  und  KnĂŒsel,  Klin.  Monatsbl.  f.  Aughkd.  67,  1921. 

27.  Si  dl  er  -Hu  gen  in,  ebenda  67,  1921. 

28.  Ischreyt,  ebenda  67,  1921. 

28.  a)  A.  Danco,  ebenda  67,  1921. 

29.  Munck,  Frdr.,  Berliner  Klin.  Wochenschrift  1919,  Nr.  51, 
Seite  1205. 1 

30.  Schenck  u.  T  ö  p  p  i  c  h,  D.  Med.  Wochenschr.  1920,  Nr.  46. 

31.  Rosin,  ebenda  1921,  Nr.  39-41. 

32.  Romberg,  E.,  Med.  Klinik  1922,  Nr.  2-3. 

33.  Hoffmann,  Aug.,  Klin.  Wochenschr.  1922,  Bericht  ĂŒber  die 
Sitzung  der  Med.  Ges.,  DĂŒsseldorf,  vom  16.  1.  22. 

34.  Copps,  L.  A.,  American  journal  of  Ophthalm.  4,  1921,  Nr.  11. 

35.  Deutsch  durch  J  u  n  i  u  s,  in  Zeitschr.  f.  Aughkd.  47,  4,  1922. 
S.  175  ff. 


Diagnostische  und  therapeutische  IrrtĂŒmer  in 
der  GynÀkologie. 

(Krankheiten  des  Uterus) 

nach  Reifferschei  d.*) 

Von  Dr.  Robert  Kuhn,  MĂŒnchen 

Die  Anomalien  der  Menstruation  können  durch  Störun- 
gen im  Ablauf  der  Ovulation,  Funktionsstörung  anderer 
endokriner  DrĂŒsen,  Einfluß  des  vegetativen,  aber  auch  des 
spinalen  Nervensystems  (Vagotonia  menstrualis),  Psychosen, 
Herz-  und  Nierenkrankheiten,  akute  Stoffwechselkrank- 
heiten, Intoxikationen  bewirkt  sein.  Allgemeinuntersuchung 
ist  daher  notwendig,  wenn  therapeutisch  zielbewußt  vor- 
gegangen werden  soll.  Der  alltÀgliche  Fehler  ist  lokalegynÀ- 
kologische  Polypragmasie  ohne  BerĂŒcksichtigung  dieser  Ge- 
sichtspunkte. 

Bei  Menstruatio  praecox  ist  neben  Störung  der  inneren 
Sekretion  auch  stets  trotz  Jugendlichkeit  an  die  Möglichkeit 
von  Ovarialtumoren  (Kystom,  Sarkom)  zu  denken. 

Amenorrhoe  kann  nicht  nur  durch  Atresie,  Uterus  rudi- 
mentarius,  foetalis,  infantil is,  sondern  auch  durch  ErnÀh- 
rungsstörungen, Diabetes,  Störungen  der  inneren  Sekretion, 
konsumierende  Krankheiten  (Tuberkulose,  Typhus),  Chlo- 
rose, Alkohol,  Morphium,  Psychose  bewirkt  werden.  Ver- 
zögenmg  der  Periode  kann  ebenfalls  durch  Atresie,  Uterus 
rudimentarms,  foetalis,  infantilis  veranlaßt  sein.   Bei  Hyper- 


*)  Diagnostische  und  therapeutische  IrrtĂŒmer  und  deren  Ver- 
hĂŒtung, herausgegeben  von  Prof.  Dr.  J.  Schwalbe.  Abt.  GynĂ€ko- 
logie, II.  Heft,  Krankheiten  des  Uterus  von  Prof.  Dr.  K.  Reiffer- 
scheid.   Leipzig  1921. 


386 


Kuhn:  IrrtĂŒmer  in  der  GynĂ€kologie 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


plasie  tritt  hÀufig  spÀter  noch  Menstruation  auf,  zuweilen 
erst  nach  Schwangerschaft   Curettage  soll  ultimum  refugium 


sein. 

Menorrhagie  soll  nicht  in  schematischer  Weise  mit 
HÀmostyptika,  Aetzung  und  Curettage  bekÀmpft  werden, 
sondern  es  ist  zugleich  an  Myome,  Adnextumoren,  Lage- 
veranderungen  des  Uterus,  ungenĂŒgende  Involution  nach  Ge- 
burten und  Aborten  zu  denken,  ferner  wiederum  an  inner- 
sekretorische Störungen,  Chlorose,  dann  an  HyperÀmie  im 
kleinen  Becken  infolge  Obstipation,  Coitus  interruptus, 
schließlich  auch  an  Herz-  und  Nierenkrankheiten  zu  denken! 
Wenn  die  Allgemeinursachen  entfallen,  tritt  die  Curettage 
immerhin  als  hÀufig  wirksames  Mittel  .gegen  Blutungen  in 
ihr  Recht.  Perforation  des  Uterus  bei  dieser  Maßnahme  wird, 
wenn  sofortige  Bettruhe,  Opium  und  Eisblase  angewendet 
werden,  meist  ohne  ernstere  Folgen  bleiben.  Beim  Sondieren 
kann  eine  Perforation  des  Uterus  dann  eintreten,  wenn  vor- 
her nicht  genĂŒgend  bimanuell  untersucht  wurde.  Auch  heiße 
Spulungen  können  zwecks  Behebung  zu  starker  menstrueller 
Blutungen  sehr  zweckmĂ€ĂŸig  sein,  sie  können  aber,  da  ihre 
Temperatur  40—50  Grad  Celsius  sein  soll,  Verbrennung  der 
Ă€ußeren  Genitalien  bewirken,  wenn  nicht  eine  gutwirkende 
SpĂŒlbirne  (nach  Hasse,  weniger  gut  nach  Pincus)  benutzt 
wird. 

_  Es  ist  fehlerhaft,  wenn  einer  Bestrahlung  wegen  klimak- 
terischer oder  prÀklimakterischer  Blutungen  keine  Abrasio 
vorausgeschickt  wird,  da  sie  nicht  nur  vor  Uebersehen  einer 
malignen  Neubildung  bewahrt,  sondern  nach  R.  in  vielen 
Fallen  schon  allein  zur  Heilung  fĂŒhrt  und  die  Bestrahlung 
erspart.  ‱ 

Da  die  Dosierung  der  Röntgenstrahlen  noch  nicht  so  ge- 
nau erfolgen  kann,  daß  auch  vorĂŒbergehende  Amenorrhoe 
oder  gar  Oligorrhoe  zu  erzielen  wÀre,  wird  die  Röntgen- 
behandlung bei  Menorrhagie  jugendlicher  Frauen  noch  nicht 
angewendet. 

Metrorrhagien:  Es  ist  stets  an  maligne  Neubildung  zu 
denken,  kritiklose  Verordnung  hÀmostyptischer  Mittel  daher 
ein  schwerer  Fehler.  Probeabrasio  bezw.  =  excisio  ist  in  den 
meisten  FĂ€llen  Pflicht  des  Arztes. 

Dysmenorrhoe:  Planlose  gvnÀkologische  Polypragmasie 
ist  auch  hier  ein  oft  zu  beobachterider  Fehler.  Durch  sorg- 
faltige Anamnese  und  Beachtung  des  Allgemeinzustandes  ist 
festzustellen,  ob  nicht  Allgemeinerkrankung  oder  nervöse 
Störung  vorliegt,  und  dann  an  die  Untersuchung  auf  örtliche 
Erkrankung  und  Hemmungsbildung  einzugehen.  Röntgen- 
behandlung dĂŒrfte  höchstens  als  Reizdosenverabreichung°  im 
Sinne  FrÀnkels  in  Anwendung  kommen,  wird  aber  selbst  auf 
den  grĂ¶ĂŸten  klinischen  Röntgenabteilungen  zurzeit  nur 
höchst  vereinzelt  in  diesem  Sinne  angewandt.  Der  Hinweis 
R.'s,  daß  bei  Dysmenorrhoe  zuweilen"  die  Kurve  fehlerhafter 
gynĂ€kologischer  Polypragmasie  ĂŒber  Dilatation,  Massage  bis 
zur  Entfernung  der  bei  diesen  Frauen  meist  sehr  druck- 
empfindlichen Ovarien  gehe,  dĂŒrfte  wohl  allen  denjenigen 
Aerzten  gegenĂŒber,  die  in  den  letzten  Jahren  klinische  Vor- 
lesungen gehört,  ĂŒberflĂŒssig  sein.  Den  Markstein  in  der 
neueren  Entwicklung  bildete  wohl  die  viel  angefeindete 
Schrift  L.  Landaus  ĂŒber  gynĂ€kologischen  Spezialismus 
aus  dem  Jahre  1884. 

Eine  gute  Allgemeinbehandlung  bestehe  in  Regelung  der 
Darmtatigkeit,  körperlichen  Uebungen,  Radfahren,  Schwim- 
men, Reiten,  in  geeigneten  FĂ€llen  trete  psychische  Beein- 
flussung hinzu. 

Sekretionsstörungen  des  Uterus:  Bei  Ausfluß  ist  die  ein- 
fache Anweisung  des  Arztes,  zu  „spĂŒlen",  fehlerhaft,  da  SpĂŒ- 
len im  Stehen  und  Sitzen  das  hintere  Scheidengewölbe  nicht 
erreicht  und  nahezu  vollkommen  illusorisch  ist.  Die  SpĂŒ- 
lung muß  im  Liegen  ausgefĂŒhrt  werden.  Ballonspritzen 
saugen  bei  Nachlassen  des.  Druckes  FlĂŒssigkeit  ein  und  wer- 
den dadurch  zu  BrutstĂ€tten  fĂŒr  Bakterien,  sind  daher  zu 
verwerfen.  Neben  der  örtlichen  Behandlung  sollen  stets 
Solbader,  Stuhlregelung,  Eisen  und  Arsen  verordnet  werden. 

Akute  Metro-Endometritis  tritt  besonders  nach  Geburt 
und  Abort  ein,  ferner  nach  unsauberer  Sondierung,  Curettage, 


als  Folge  von  Intrauterinpessaren,  vergessenen  Tampons. 
Intrauterine  SpĂŒlungen  können  höchstens  gestautes  Sekret 
entfernen,  dĂŒrfen  aber  nur  mit  doppellĂ€ufigem  Katheter  ge- 
macht werden.  Curette  ist  verpönt.  Konservative  Behand- 
lung hat  guten  Erfolg.  Auswischen  der  Cervix  oder  gar  des 
Uetrus  mit  antigonorrhoischen  Mitteln  befördert  die  Infek- 
tion nach  oben.  Die  Unterscheidung  des  vergrĂ¶ĂŸerten 
weichen,  teigigen  Utrus  von  einem  graviden  ist  oft  schwer! 
daher  Beachtung  anstelle  von  Sondierung  erforderlich. 

Metropathia  uteri:  Blutungen  und  Ausfluß  bei  Frauen, 
bei  denen  man  frĂŒher  eine  chronische  Metroendometritis  an- 
nahm, werden  heute  auf  Grund  der  Forschungen  von 
Hitschmann  und  Adler,  sowie  P  a  n  k  o  w  u.  a.  großen- 
teils auf  ovarielle  Störungen  zurĂŒckgefĂŒhrt  und,  insoweit 
keine  EntzĂŒndung  vorliegt,  nach  Aschoffs  Vorschlag 
nicht  mehr  als  Metritis,  sondern  als  Metropathia  bezeichnet. 
Auch  hier  ist  stets  an  die  Möglichkeit  von  Myomen  und 
malignen  Neubildungen  zu  denken,  daher  Austastung  bzw. 
Probecurettage  angebracht.  Wo  an  GraviditÀt  zu  denken  ist, 
sind  wiederum  diese  Maßnahmen  zu  unterlassen  und  die  Pa- 
tientin wiederzubestellen.  Ist  die  Portio  hyperÀmisch,  ver- 
dickt, und  werden  Stichelungen  gemacht,  so  beobachte  man 
die  Patientin  noch  kurze  Zeit,  bevor  man  sie  aus  der  Sprech- 
stunde entlĂ€ĂŸt,  stĂ€rker  blutende  GefĂ€ĂŸe  sollen  vorsichtshalber 
umstochen  werden.  Hypersekretion  ist  auch  hier  mit  Schei- 
denspĂŒlungen im  Liegen  zu  behandeln.  Bei  Aetzung  von 
Erosionen  ist  die  ^cheidenschleimhaut  zu  schonen.  Die 
Röntgentherapie  ist  die  vollkommenste  Behandlung  der  Me- 
tropathie,  allerdings  nur  bei  Frauen,  die  sich  dem  Klimak- 
terium nÀhern. 

Lageanomalien:  Bei  langer  Cervix  und  sehr  kleinem 
spitzwinklig  anteflektiertem  Corpus  entgeht  dieses  zuweilen 
der  Betastung,  so  daß  dann  Retroversio  angenommen  und 
ĂŒberflĂŒssige  Pessarbehandlung  eingeleitet  wird.  Bei  Un- 
sicherheit der  Diagnose  empfiehlt  sich  daher  nötigenfalls 
Narkosenuntersuchung.  Die  spitzwinklige  Anteflexio  und 
ihre  Abart,  die  fixierte  Form,  an  der  Retropositio,  sowie  bei 
Rektaluntersuchung  leichter  kenntlich,  soll'  deshalb  nicht 
ĂŒbersehen  und  als  Retroflexio  gedeutet  werden,  weil  Sondie- 
rung bei  Nichtbeachtung  des  spitzen  Winkels  zu  Perforation 
fĂŒhren  kann  und  weil  Dysmenorrhoe  und  SterilitĂ€t  hĂ€ufig 
gerade  durch  sie  bewirkt  sind. 

Retroflexio  darf  nicht  mit  intrauterinem  Myom  ver- 
wechselt werden.  Vorsichtige  Sondenanwendung  kann  wert- 
voll sein,  volle  Blase  macht  Aufrichten  des  Uterus  unmög- 
lich. Die  Mitteilung  der  Diagnose  Retroflexio  bewirkt  oft 
Hysteroneurose.  Eine  Pessareinlegung  ohne  gelungene  Auf- 
richtung ist  ein  oft  gemachter  Fehler.  Bimanuelle  Zer- 
reißung von  bei  Retroflexio  vorhandenen  AdhĂ€sionen  ist  zu 
meiden,  da  gefÀhrliche  Blutungen  -eintreten  können.  Tritt 
bei  Pessarbehandlung  Ausfluß  auf,  so  ist  SpĂŒlung  erforder- 
lich, außerdem  Ă€rztliche  Kontrolle  der  Scheidenwand  in  3  bis 
4  monatlichen  ZwischenrÀumen. 

Inversio  uteri:  Ein  verhÀngnisvoller  Irrtum  ist  es,  einen 
invertierten  Uterus  fĂŒr  einen  Polypen  zu  halten  und  den 
„Polypen"  mit  der  Schere  abzutragen.  Gegen  den  Fehler 
schĂŒtzt  rektale  Untersuchung,  welche  besonders  bei  Adiposi- 
tas  notwendig  ist,  sowie  Sondierung.  Dringt  die  Sonde  tief 
ein,  so  ist  ein  Polyp  da,  dringt  sie  nur  wenig  ein,  so  handelt 
es  sich  um  Inversio.  Auch  Vorgehen  mit  der  Muzeuxschen 
Zange,  wie  es  R.  genau  beschreibt,  schĂŒtzt  vor  dem  Fehlgriff. 

Prolaps:  Hierbei  ist  es  ein  auch  heute  noch  vorkommen- 
der Fehler,  operative  Suspension  -des  Uterus  ohne  Becken - 
bodenplastik  vorzunehmen. 

Myoma  uteri:  Bei  unregelmĂ€ĂŸigen  Blutungen  ist  beson- 
ders an  Myom  und  Blasenmole  zu  denken.  Bei  Myom  fehlt 
gegenĂŒber  GraviditĂ€t  das  Hegarsche  Zeichen.  Kompression 
der  Urethra  und  Urinretention  können  durch  Myom,  aber 
auch  durch  andere  Tumoren  bewirkt  werden,  so  daß  auch 
hier  wieder  Katheterisieren  nicht  unterlassen  werden  darf. 
Werden  Ovarialtumoren  als  Myome  irrtĂŒmlich  mit  Bestrah- 
lung behandelt,  so  werden  nicht  nur  Kosten  vergeblich  auf- 


10.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


Referate 


gewendet,  sondern  die  Myomdosis  kann  als  Reizdosis  scha- 
den, und  es  kann  hei  maligner  Degeneration  kosthare  Zeil 
fer  die  Operation  verloren  gehen.  Deshalb  soll  der  Niehl 
Spezialist  in  zweifelhaften  FĂ€llen  seine  Patientinnen  nicht 
ohne  gesichorte  Diagnose  dem  Röntgenarzt  ĂŒberweisen,  wie 
es  gerade  neuerdings  oft  geschieht. 

Schwere  unvermutete  Blutungen  können  dann  entstehen, 
wenn  ein  submuköses  verjauchles  Myom  fĂŒr  Abort  gehalten 
und  ausgerĂ€umt  wird.  Bei  Myom  rĂŒckte  die  Menopause  oft 
in  die  fĂŒnfziger  Jahre,  so  daß  die  Vertröstung  von  blutenden, 
im   4.  Dezennium  stehenden  Patientinnen  auf  bald  ein- 


tretende. Besserung  fehlerhaft  ist.  Hier  gerade  ist  Bestrahlung 
am  Platze.  Dieselbe  geschieht  mit  den  heutigen  grollen  Ap- 
paraten meist  in  zwei  Sitzungen  in  AbstÀnden  von  sechs 
Wochen. 

Carcinoma  uteri:  Die  Untersuchung  darf  nicht  deshalb 
unterlassen  werden,  weil  die  Patientin  blutet.  Um  Nach- 
blutungen nach  Probeexcisio  zu  vermeiden,  ist  die  Wunde 
mit  1 — 2  breit  fassenden  NĂ€hten  zu  schließen.  Operation  so- 
wie Bestrahlung  von  Carcinom  sollen  geĂŒbter  Hand  ĂŒber- 
lassen werden,  da  halbe  Maßregeln  gerade  hier  oft  verhĂ€ng- 
nisvoll sind. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

17.  MĂ€rz  1922,  Nr.  11. 

Tuberkulose  und  Konstitution.    MĂŒlle  r.  379. 
<t»Anthropometrie.    Martin.  383. 

Vereisung  des  Nervus  ischiadicus  und  des  Nervus  saphenus.    L  À  w  e  n.  .389. 

Konstitution  und  endokrines  System.    W  u  t  h.  392. 

Unlogische  Röntgendiagnostik.    Janssen.  394. 
♩Therapie  der  Peritonsillitis.    D  ah  mann.  396. 

Wellensehnitt.    Ritschl.  397. 

Uebungsapparat  fĂŒr  den  Vorderfuß.     U  o  h  m  a  n  n.  397. 
<S»Yatren  in  der  Gouorrhoebehaiidlung.    H  e  r  b  e  c  k.  399 
Perinealkrampf.    Elsa«  r.  399. 

Verminderung     der     Nausea    bei     Vcstibularisreizuug.      Fischer  und 

W  o  d  a  k.  400. 
Therapie  der  Oxyuriasis.    Schmi  d  t.  400. 
Tuberkulös  oder  phthisisch.    M  a  r  c  h  a  n  d.  401. 

Anthropometrie.  Verfasser  gibt  eine  gedrÀngte  Beschreibung 
der  von  ihm  geĂŒbten  anthropometrischen  Technik.  Die  anthropo- 
metrische  Beobachtung  ist  imstande,  die  klinische  Diagnose  des 
Körperbaues  in  wesentlichen  Punkten  zu  ergÀnzen;  sie  gestattet 
nicht  nur  ziffernmĂ€ĂŸig  Merkmalkomplexe  aufzustellen,  die  be- 
stimmten Körperbautypen  entsprechen,  sondern  sie  ermöglicht 
auch,  die  Konstitution  des  einzelnen  so  festzulegen,  daß  ihre 
relative  Abweichung  vom  Durchschnitt  berechnet  und  ihre  Ver- 
Ă€nderung in  der  Zeit  kontrolliert  werden  kann.  In  der  so  fest- 
gestellten KonstitutionsgrĂ¶ĂŸe  des  Individuums  bekommt  auch  der 
praktische  Arzt  ein  wichtiges  Mittel  an  die  Hand  zur  Erleichte- 
rung der  klinischen  Diagnose  und  von  sogar  prognostischer  Ver- 
wertbarkeit. Die  Ursachen  der  spezifischen  Körperbildung  des 
Menschen  können  natĂŒrlich  dadurch  nicht  aufgedeckt  werden. 
Die  genaue  Kenntnis  der  Messung  und  ihrer  Zahlen  bildet  aber 
das  Fundament  zum  Aufbau  der  Forschungen  ĂŒber  die  Ver- 
erbung und  die  Umwelteinwirkung,  ĂŒber  die  geno-  und  phĂ€no- 
typische Gestaltung  des  einzelnen.  Interessenten  mĂŒssen  Einzel- 
heiten im  Original  lesen. 

Zur  Therapie  der  Peritonsillitis.  ZunÀchst  konservative  Be- 
handlung; zu  einem  Zeitpunkt,  wo  schon  beginnende  Einschmcl- 
zumg  zu  erwarten  ist,  Punktion  des  peritonsillitischen  Infiltrats 
mit  weiter  KanĂŒle;  falls  Eiter,  chirurgische  Behandlung,  sonst 
weiter  konservativ.  Chirurgische  Methoden:  1.  Inzision  durch 
den  vorderen  Gaumenbogen,  wenn  die  Abszeßhöhle  weit  nach 
vorn  reicht,  wenn  es  sich  um  eine  erstmalige  Peritonsillitis  han- 
delt und  baldige  Tonsilleklonie  nicht  in  Frage  kommt.  2.  Eine 
Eröffnung  des  Abszesses  via  obere  Gaumenbucht,  wenn  der 
Abszeß  in  der  NĂ€he  des  oberen  Gaumenpols  zu  liegen  scheint, 
wenn  schon  mehrfache  frĂŒhere  Inzisionen  durch  den  vorderen 
Gaumenbogen  zu  reichlicherer  Narbenbildung  an  dieser  Stelle 
gefĂŒhrt  haben  und  Patient  eine  entsprechend  frĂŒhzeitige  Ton- 
sillektonie  ablehnt  oder  diese  aus  anderen  GrĂŒnden  nicht  in 
Frage  kommt.  3.  Die  AusschÀlung  (Luxation)  des  oberen  Ton- 
sillenpols  aus  der  Gaumenbucht  in  allen  FĂ€llen,  aber  auch  nur 
in  den- FĂ€llen,  in  denen  nach  Abheilung  der  ersten  entzĂŒndlichen 
Erscheinungen  die  Tonsillektomie  angeschlossen  wird,  wofĂŒr 
einerseits  die  klinische  Indikation  und  andererseits  auch  das 
EinverstÀndnis  des  Patienten  Voraussetzung  sind. 

Yatreu  in  der  Gonorrhoebehandlung.  62  MĂ€nner  und  45 
Frauen  mit  Yatren  5  Prozent  intravenös  behandelt,  5  cem  alle 


2  Tage,  im  ganzen  6 — 8  Spritzen  in  akuten  FĂ€llen;  in  chronischen 
FĂ€llen  10  cem  alle  2  Tage,  im  ganzen  8 — 10  Spritzen,  eventuell 
drei  Tage  hintereinander,  dann  Pausen  von  3 — 6  Tagen.  Erfolge 
im  ganzen  ermutigend. 

F.  Loewenhardt  (Charlotlenburg-Westend). 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

11.  MĂ€rz  1922,  1,  Nr.  11. 

‱{‱Bilder  von  ParaJysis  agitans  und  Tetanie  im  Rahmen  der  Arteriosclerosis 
cerebri.    Martini  und  I  s  s  e  r  1  i  n.  510. 
Ueber    intracurane    Tniekt'nn   abffesruf*er    H-ionenkonzentrationen.  (Beirag 
zur  Frage  des  physiologischen  Indifferenzpunktes   in  der  menschlichen 
Haut.)    Wagner.  511. 

❖Erfahrungen  mit  Rivanol.  insbesondre  ĂŒber  seine  Verwendung  bei  diffuser 
Peritonitis.    Katzenstein.  513. 
Zur  Frage  der  Herdreaktion   am   Auge   bei   unspez:f ischer  Proteinkörper- 
therapie mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  ihrer  Gefahren.  Tobias.  515. 

❖Die  Luminalbehamilung  motorischer  und  psychischer  Enegung.  Krisch. 
518. 

❖ist  das  Quecksilber  ein  symptomatisches  Heilmittel  oder  beeinflußt  es  den 
Verlauf  der  Syphilis.    Heller.  519. 
Stud;en  ĂŒber  qualitative  UnterernĂ€hrung     Hofmeister.  522. 
Der  Einfluß  der  LehergefĂ€ĂŸe  auf  den  Wasserhaushalt  und  die  hĂ€moklasische 

Kr;se.    Mautner  und  C  o  r  i.  523. 
Lordotische  zyklische  Albuminurie  bei  tuberkulösem  Gibbus.  Neukirch 

und  Rottmann.  523. 
Die   Behandlung   der   Tr'geminusneuralgie.     Sonntag.  524. 
❖Die  Behandlung  der  Malaria.    Mayer.  527. 

Bilder  von  Paralysis  agitans  und  Tetanie  im  Rahmen  der 
Arteriosklerosis  cerebri.  Bei  einer  73  jÀhrigen  Patientin,  die  die 
typischen  Symptome  der  Hirnarteriosklerose  aufwies,  fanden  sich 
außerdem  das  klinische  Bild  der  Paralysis  asitans  und  tetanoide 
Symptome.  (Trousseausches  PhÀnomen.)  WÀhrend  die  Sektion 
neben  den  typischen  arteriosklerotischen  HirnverÀnderungen 
einen  Erweichungsherd  im  linken  Linsenkern  aufdeckte,  hiermit 
also  das  Paralysisagitans-Bild  erklÀrte,  konnte  das  Auftreten  der 
tetanoiden  Symptome  pathologisch  anatomisch  nicht  begrĂŒndet 
werden.  Vielleicht  stehen  diese  letzteren  in  aetiologischem  Zu- 
sammenhang mit  dem  Symptomenkomplex  der  Paralysis  agitans. 

Erfahrungen  mit  Rivanol,  insbesondere  ĂŒber  seine  Verwen- 
dung bei  diffuser  Peritonitis.  WĂ€hrend  Rivanol  bei  eiternden 
Wunden  und  bei  infektiösen  Herden  ĂŒberhaupt  vielleieht  nicht 
mehr  leistet,  als  andere  Behandlungsmethoden,  erscheint  seine 
Anwendung  bei  Peritonitis,  speziell  nach  perforiertem  Magen- 
geschwĂŒr und  vor  allem  bei  einer  vom  durchgebrochenen  Wurm- 
fortsatz ausgehenden  Bauchfelleiterung  von  hervorragender 
Wirkung.  Es  wird  daher  in  Zukunft  erforderlich  sein,  bei  allen 
hierher  gehörigen  FÀllen  einen  Versuch  mit  dieser  Behandlung 
zu  machen. 

Die  Luminalbehandlung  motorischer  und  rsvehischer  Fr- 
reffime.  Luminal  leistet  gute  Dienste  bei  Epilensie  und  boi 
Àngstlichen,  sowie  hypochondrisch  gefÀrbten  Depressionszu- 
stÀnden. 

Ist  das  Quecksilber  ein  symptomatisches  Heilmittel  n«1er  be- 
einflußt es  den  Verlauf  der  Synhilis.  Lesser  bat  die  Auffassung, 
vertreten,  Quecksilber  sei  nur  ein  svmptomatisches  Heilmittel  und 
beeinflusse  den  Verlauf  der  Lues  nicht.  Im  Gesensatz  hierzu  ver- 
tritt der  Verfasser,  auf  Grund  seinpr  Untersuchungen  den  Stand- 
punkt, daß  Quecksilber  auf  den  Verlauf  der  Krankheit  ffĂŒrst'g 
einwirke.  So  lange  nicht  bewiesen  ist,  daß  ein  anderes  H»il» 
mittel,  z.  B.  das  Salvarsan,  das  gleiche  oder  mehr  leistet  —  dieser 
Beweis  kann  erst  von  der  pathologischen  Anatomie  in  20  Jahren 


388 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —  Nr.  20/21. 


gegeben  werden  —  hat  der  Arzt  nicht  das  Recht  auf  die  Anwen- 
dung des  Quecksilbers  zu  verzichten. 

\ 

Die  Behandlung  der  Malaria.  Die  Malaria  wird  mit  Chinin, 
am  besten  nach  der  Nocht'schen  Methode  (5X0,2  g  oder  4X0,25 
auf  den  Tag)  behandelt.  In  FĂ€llen,  bei  denen  eine  innere  Ver- 
abfolgung des  Mittels  nicht  angezeigt  erscheint,  erfolgt  die  intra- 
muskulÀre Verabfolgung,  bei  ganz  schweren  FÀ,llen  die  intrave- 
nöse Injektion,  die  oft  lebensrettend  wirkt.  Als  Ersatz  fĂŒr  Chinin, 
was  praktisch  nur  bei  UnvertrÀglichkeit  desselben,  oder  Un- 
wirksamkeit in  Frage  kommt,  gelangen  in  erster  Linie  Salvarsan 
undArsalyt  zur  Anwendung.  Die  chronischen  Malariafolgen  und 
larvierte  Malariaformen  (Neuralgien)  werden  auch  mit  Chinin 
behandelt.  Bei  eingetretener  Malariakachexie  ist  vor  allem 
Arsenik  zu  geben.  A.  MĂŒnzer. 

Archiv  fĂŒr  Psychiatrie  und  Nervenkrankheiten. 

«>.  Februar  1922,  65,  Heft  4. 

❖Hypnutismus  und  Geistesstörung.    Sie  m  erlin  g,  K.  1. 
Beitrag  zur  Aetiologie  und  Symptomatologie  der  Parkinsonscheu  Krankheit 

und   verwandter   Syniptomenkomplexe.     Westphal,    A.  19. 
Aus  der  Geschichte  des  Hamburger  Irrenwesens     Kriminelle  Geisteskranke 

des  17.  und  18.  Jahrhunderts.    SchÀfer.  G.  40. 
Marinearztliche  Erfahrungen  im  Kriege.    L  i  e  n  a  11  .  A.  49. 
‱l'Uebei-  Zwillingsgeburteu  als  Degenerationszeiehen.    v.  G  r  a  b  e  .   E.  79'. 
Ein  Fall  von  reiner  motorischer  Agraphie.    Boettiger,   A.  i7 
Seeklima  und  NervositÀt,   frinckh,  I.  101. 
❖Beitrag  zur  Lehre  von  der  Epilepsie.     Schott.  Iii. 
Die  Genese  oberer  Knnvergenzstellungen  der  Augen.    B  i  e  1  s  c  b  p  w    k  y  . 
A..  127. 

Da*    Vorbeihalluzinieren.    ein    Beitrag    zum    VerstÀndnis    de*  Kraftkheits- 

symptloms  des  Vorbeiredens.    Rae  c  k  e.  139. 
Leber  atypische  Psychosen.    R  0  s  e  11  f  e  1  d.  ISO. 
Leber  die  Prognose  der  Wirbelsarkoine.     (‱  a  1  e  k  c  .    N.     n*7 . 
Psychische   Untersuchungen   von   Schwangeren.     Steiner.   1;.  171. 
Einige  Bemerkungen  zur  Histologie  der  Paralyse  und  Tabes  mit  besonderer 

BerĂŒcksichtigung  des  SpirochĂ€tenbefundes.    Jakob.  A.  191. 
Tierexperimeutelle  Untersuchungen  in  RekurrensspiroehÀteu.    II  e  n  n  i  n  g  , 

G.  225. 

❖Leber  die  Bedeutung  des  Nystagmus  fĂŒr  die  Neurologie.    S  e  lc  a  r  n  k  e.  249. 
W  urzelschÀdigung  durch   subdurale   Blutung  nach  Kopfverletzung,  Heilung 

durch   Lumbalpunktion.     Zugleich   ein   Beitrag   zur   Frage   der  Astereo- 

gnosie  bzw.  .StereoanÀsthesie.     Schar  nke  und   W  i  e  d  h  o  p  f.  27a. 
Der   Begriff   der   Konstellation   und   seine   Bedeutung   fĂŒr   das    Problem  der 

Beurteilung  von  Psychoneurosen  nach  UnfÀllen.     Meyer.  M.  2S7. 
Kill  Fall  von  t>ehirngcseh\viil*.t  unter  dem  Bilde  der  Epilepsie.    Drejrtus  . 

W.  305. 

»»♊Erotische      Wahnbildungen      -exueli      nnbefriedigrer      weiblicher  We.-en. 

Kehre  r.  315. 
❖Epilepsie  im  Kriege.    Leva,  .1.  386. 

Hypnotismus  und  Geistesstörung.  Wiedergabe  von  5  Kranken- 
geschichten, an  Hand'  derer  Verfasser  seinen  ablehnenden 
Standpunkt  gegenĂŒber  der  Hypnose  beleuchtet:  Die  Hypnose  stellt 
ein  psychisches  Trauma  dar,  das  auch- bei  einer  sog.  endogenen 
Psychose  verschlimmernd  wirken  kann.  Besonders  verwirft  S. 
die  Hypnose  an  beginnenden  Geisteskranken  durch  Laienhypnoti- 
seure. 

Ueber  Zwillingsgeburten  als  Degenerationszeichen.  Verfasser 
hĂ€lt  es  fĂŒr  erwiesen,  daß  die  Zahl  der  in  der  Verwandtschaft 
Geisleskranker,  genauer  gesagt  geisteskranker  Frauen  vor- 
kommenden Mehrlingsgeburten  wesentlich  höher  ist,  als  die  bei 
den  Familiengliedern  Gesunder.  Zu  einem  Teil  scheint  das  auf 
eine  grĂ¶ĂŸere  HĂ€ufigkeit  e  i  n  eiiger  Zwillinge  zu  beruhen,  worin 
Verfasser  ein  Degenerationszeichen  erblickt. 

Beitrag  zur  Lehre  von  der  Epilepsie.  Verfasser  empfiehlt 
große  ZurĂŒckhaltung  in  der  Bewertung  der  einzelnen  ursĂ€chlichen 
Beziehungen.  In  rund  15  %  konnte  aus  der  Krankengeschichte  eine 
Ursache  nicht  entnommen  werden.  In  40%  waren  eine,  in  32  % 
zwei,  in  12  %  drei  und  in  etwas  mehr  als  1  %,  mehr  als  drei  Ur- 
sachen vermerkt.  Von  den  alleinigen  Ursachen  steht  die  erbliche 
nervöse  Belastung  an  erster  Stelle,  dann  kommt  das  Hirnleiden, 
weiterhin  Infektionskrankheiten.  Tuberkulose  und  Kopfver- 
letzungen. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Nystagmus  fĂŒr  die  Neuralgie.  Es  ist 

Verfasser  darum  zu  tun,  daß  zwei  in  ihrer  Erscheinungsform  und 
Bedeutung  sehr  verschiedene  Arten  von  Nystagmus  auftreten,  das 
Augenzittern  oder  der  Pendelnyslagmus  und  das  Augapfelzucken 
oder  der  Rucknystagmus.  Jede  von  diesen  Arten  kann  auf  sehr 
verschiedene  Weise  entstehen  und  hat  vielerlei  verschiedene  Be- 
deutung. Es  besteht  eine  dringende  Notwendigkeit,  in  jedem  ein- 
zelnen Falle  die  vorliegende  Störung  viel  weiter  zu  analysieren, 
als  es  bisher  zu  geschehen  pflegt.  Die  bloße  Angabe  .,Nystagmus" 
ist  ganz  ungenĂŒgend. 

Erotische  Wahnhildiinjjccn  sexuell  unbefriedigter  weiblicher 
Wesen.     Die  Wiedergabe  der  Psvchoanalyse    von    Ii  weiblichen 


Kranken,  deren  Psychose  paranoiden  Charakters  war,  und  zwar 
im  Sinne  sexueller  FĂ€rbung,  die  Verfasser  aus  der  jeweils  von 
sexuellen  AnstĂŒrmen  nicht  freigebliebenen,  aber  schließlich  doch 
unbefriedigt  gebliebenen  Vita  sexualis  der  G  Patientinnen,  z.  T. 
durch  Hypnose  freigelegt,  zu  erklÀren  sucht. 

Epilepsie  im  Kriege.  Bei  einem  Teil  der  Kriegsepilepsie  spielt 
fĂŒr  die  Entstehung  der  AnfĂ€lle  der  Krieg  nur  eine  untergeordnete 
Bolle.  Hier  hatten  erbliche  Belastung,  frĂŒhere  Traumen  oder  auch 
ein  gelegentliches  Versagen  der  Nervenfunktionen  vorgelegen, 
alles  anamnestische  Angaben,  die  auf  eine  bereits  bestehende 
SchwÀche,  und  Krankheitsbereitschaft  des  Nervensystems  hin- 
deuten. Der  Krieg  wirkte  nur  verschlimmernd  oder  auslösend. 
Bei  einem  anderen  Teil  vermissen  wir  diese  Anamnese,  wir 
mĂŒssen  da  annehmen,  daß  die  Anstrengungen  und  SchĂ€digungen 
des  Krieges  eine  allgemeine  SchwÀchung  des  Nervensystems  be- 
wirkt und  damit  wesentlich  mit  zu  dem  Auftreten  dieser  AnfÀlle 
beigetragen  haben.  AuffĂ€llig  bleibt,  daß  selbst  bei  Schußver- 
letzungen des  Gehirns  immer  nur  ein  geringer  Teil  an  trauma- 
tischer Epilepsie  erkrankt.  Verfasser  schließt  hieraus  auf  eine 
hei  nervösen  Personen  vorhandene  Krampfbereitschaft  des  Ge- 
hirns. Wem,  H.  Becker. 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie. 

Februar  1922,  169.  1-2.  Heft. 

Die'  Exstirpation  des  Tema  mit  Umkipp-Plastik  des  Unterschenkel!-.  Sauer- 
b  r  u  c  h  ,  F.  1. 

❖Die    Entstehung  der   habituellen   Dorsalskoliose   und    die    Grundlagen  ihrer 
chirurgischen  Behandlung.    Frey.  Emil  R.  13. 

Die  Entstehung  der  habituellen  Dorsalskoliosc  und  die  Grund- 
lagen ihrer  chirurgischen  Behandlung.    Eingehende  Besprechung 

zunÀchst  der  Entstehung  und  des  Wesens  der  Dorsalskoliose,  d.  h. 
derjenigen  Form  der  WirbelsÀulenverbiegung,  die  anscheinend 
ohne  merkbare  Ă€ußere  Veranlassung  in  der  spĂ€teren  Kindheit  und 
PubertÀt  auftritt.  Als  wesentlich  wird  angegeben:  unter  der  Vor 
aussetzung  konstitutioneller  Minderwertigkeil  der  in  Betracht 
kommenden  Gewebe  tritt  eine  Seitenneigung  des  Rumpfes  ein.  die 
zur  vermehrten  thorakalen  Seitenspannuna,  Ausbiegung  der  hin- 
leren Rippenpartien.  Konvexrotation  der  Wirbel  und  exzentrischen 
Belastuni);  der  letzteren  fĂŒhrt.  Hierauf  Besprechung  der  unblutigen 
und  schließlich  der  blutigen  Behandlung  der  Dorsalskoliosc 
(Rippenraffung,  beidseitige  Rippenresektion';.  Verfahren,  die  unter 
der  Voraussetzung  den  eingangs  genannten  Ueberlegungen  weiten' 
Ausblicke  hinsichtlich  der  Skoliosentherapie  eröffnen. 

L.  Frosch  'Berlin 

Archiv  fĂŒr  klinische  Chirurgie. 

1922,  119,  Heft  2. 

Die  ZĂ€huclung  der  großen  Kurvatur  des  Magens  im  Röntgenbild.  Smidt. 
H.  825, 

I'nsere  ErfĂ€hrungen  ĂŒber  den  Wert  der  Antrumresektion  bei  der  Beliandhini: 

des  Ulcus  pepticum.    L  o  r  e  n  z.  H.  und  Schur.  H.  239. 
Zur  Catgutfrage.    F  ĂŒ  r  1  e,  J.  277. 

Pin  Beitrag  zur  Frage  der  retrogaden  Incarceratiou.    Brei  t  n  e  r  .  B,  302. 

Ueber  Pneumatorsis  cystoides  intestini  hominis.    W  i  n  a  c  h.  R.  309. 

Ueber  Kranioplastik.    S  a  i  t  o  M  a  k  o  t  o.  321. 
♩M'eber  die  Epiphysenerweichung  im  Wachstumsalter.    L  i  e  k  .  E.  389. 
❖Zur     Klinik    des     Fleekf  iebers.      Chirurgische  Fleckfieberkomplikarionen. 

Herzen  berg,  K.  317. 
❖  Leber  doppelseitige  Sehenkelhal>fi  aktur.    H  ĂŒ  b  n  e  r.  A.  390. 

Eine      einfache      Methode     zur      Lagebestimmung      von  Fremdkörpern 
Berdjajeff,    A.  398. 

Die  akute  Osteomyelitis  der  Patella.    K  o  s  e  n  b  a  c  h.  403. 

Bin  großer  paraurethraler  entzĂŒndlicher  Bindegewebstumor.  Schultts. 
E.  406. 

Ueber  die  Epiphysenerweichung  im  JĂŒnglingsalter.  Versuch, 
auf.  hypothetischem  Wege  eine  ausreichende  ErklĂ€rung  fĂŒr  die 
Aetiologie  gewisser  Erkrankungen  der  PubertÀtszeit  Köhler  sehe. 
Schlatter'sche,  Perthes'sche  Krankheit.  Coxa  vara  usw.  zu  geben 
Nach  Ansicht  des  Verf.  weisen  klinische  und  anatomische  Mo- 
mente bei  den  in  Frage  stehenden  Krankheilen,  die  sich  in  erster 
Linie  an  den  Wachstumszonen  abspielen,  auf  innersekre- 
torische Störungen  hin.  nicht  auf  ursprĂŒngliches  Trauma,  wie 
vielfach  angenommen  wird.  Verf.  gibt  im  ĂŒbrigen  selbst  an,  daß 
die  von  ihm  (und  anderen  aufgestellten  Vermutungen  noch  der 
Beweise  bedĂŒrfen, 

Zur  Klinik  des  Fleckfiebers.  Chirurgische  Fleckiiebcrkoinpli- 
kationen.  Das  Fleckfieber  bietet  infolge  seines  auch  bei  uns  WĂ€h- 
rend des  Krieges  so  hÀufig  beobachteten  Vorkommens  genug  des 
Interesses,  um  einer  eingehenden  Besprechung,  namentlich  seinei 
der  Àrztlichen  Allgemeinheit  weniger  gelÀufigen  chirurgischen 
Komplikationen  gewĂŒrdigt  zu  werden.  Letztere  treten  hauptsĂ€ch- 
lich im  mittleren  Lehensalter  auf:  sie  stellen  im  wesentlichen 
pathologische  VerĂ€nderungen  des  GefĂ€ĂŸ-  und  Nervensystems  dar. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


ine  zur  Blutzirkulalionsstörung  mit  ihren  weiteren  Folgen, 
namentlich1  der  GangrĂ€n  (daher  der  spezielle  Name:  „Fleckfieber 
gangrĂŒn")  fĂŒhren.  Die  IntensitĂ€t  der  chirurgischen  Komplika- 
tionen stehl  in  direkter  AbhÀngigkeil  von  den  VerÀnderungen  am 
und  im  GefĂ€ĂŸsystem.  Die  Genesungsprognose  wird  durch  kom- 
plizierende Arteriosklerose  bedeutend  verschlechtert. 

lieber  doppelseitige  Schenkelhalsfraktur.  Bereicherung  der 
lullerst  spÀrlichen  Kasuistik  durch  Mitteilung  eines  Falles  von 
Bruch  beuler  SchenkelhÀlse:  einem  16  jÀhrigen  Manne  fiel  ein 
Baumstamm  auf  den  BĂŒcken;  in  Verkennung  der  hierdurch  be- 
dingten Fraktur  beider  SchenkelhÀlse  wurde  lediglieh  Behandlung 
mit  feuchten  UmschlÀgen  eingeschlagen.  Eine  spÀter  erfolgte 
FachÀrztliche  Untersuchung  ergab  eine  schwere  traumalische  Coxa 
vara  beiderseits  als  Folge  der  eingangs  erwÀhnten  Verletzung 

L.  Frosch  (BerlinV 

Zeitschrift  fĂŒr  orthopĂ€dische  Chirurgie. 

1922,  42,  Heft  4. 

I  «Mieher  die  Verwendung  der  Bauchmuskulatur  in  der  orthopÀdischen  Chirurgie. 
Kruken  borg.  193. 
Finico    Grundprinzipien    der    mechanischen    Behandlung    der  Spondylitis. 
H  o  w  d  t  h.  217. 

Der  Einfluß  der  Röntgenstrahlen  auf  die  Rachitis.    H  ul  dschi  n  s  k  y.  240. 
❖Luftembolie  mit  tödlichem  Ausgang  nach  X-Beinoperation.    F  o  r  d  e  m  a  n  n. 
244. 

Die    operative     Entfernung    extraartikularer    tuberkulöser  Knochenherde. 
Vogel.  246. 

Ueber  die  Verwendung  der  Bandmuskulatur  in  der  ortho- 
pÀdischen Chirurgie.  Die  unabweisliche  Tatsache  einer  hervor- 
ragenden Beteiligung  des  M.  psoas  maior  an-  der  Lumbaiskoliose 
veranlaßte  den  Verfasser  zu  entsprechendem  operativen  Vor- 
gehen bei  der  Behandlung  der  letzteren.  Die  gĂŒnstigste  Angriffs- 
slelle zur  Tenotomie  des  Muskels  —  denn  um  eine  solche  handelt 
es  sich  naturgemĂ€ĂŸ  hauptsĂ€chlich  —  liegt  in  der  Leistenbeuge, 
in  der  Höhe  des  Schenkelkanals.  Nach  erfolgter  offener  Durch  - 
I rennung  der  ganzen  Masse  des  M.  psoas  maior  Anlegung  eines 
Abduktionsgipsverbandes  auf  der  n  i  c  1)  t  operierten  Seile,  von 
der  Höhe  der  seillichen  Verbiegung  bis  zum  Knie  reichend.  Eine 
Kombination  des  beschriebenen  Eingriffes  mit  einer  Tenotomie 
des  M.  obliques  ahdominis  externus  empfiehlt  sich  in  FĂ€llen 
starker  entgegengesetzter  Verbiegung  der  BrustwirbelsĂ€ĂŒle. 
Mitteilung  von  7  Krankengeschichten,  teilweise  mit  Abbildungen, 
aus  denen  die  Erfolge  der  Methode  deutlieh  hervorgehen.  Am 
Schluß  der  Abhandlung  gibt  K.  noch  ein  operatives  Verfahren 
an,  mittels  dessen  durch  Transplantation  des  M.  obliquus  abdom- 
ext.  ein  Ersatz  des  ungenĂŒgend  wirkenden  M.  glutĂ€us  medius  bei 
Her  kongenitalen  HĂŒftgelenkluxation  erreicht  wird. 

Luftembolie  mit  tödlichem  Ausgang  nach  X-Bein-Operation. 
Ein  Ă€hnlicher  Fall  ist  bereits  frĂŒher  veröffentlicht  worden.  Es 
handelte  sich  bei  der  vorliegenden  Operation  um  eine  Keilosleo- 
tomie  vermutlieh  aus  dem  Femur  (genauere  Angaben  fehlen),  im 
Verlaufe  deren  es  wahrscheinlich- zu  einer  Einpressung  von  Luft 
in  die  freigelegte  Markhöhle  des  einen  oder  anderen  BruchstĂŒcks 
kam.  Der  prinzipielle  Unterschied  zwischen  beiden  bisher  mit- 
geteilten Veröffentlichungen  derartiger  Luftembolien  besteht 
hauptsĂ€chlich  in  der  Talsache,  daß  einmal  unter  Blutleere,  das 
andere  Mal  ohne  dieselbe  operiert  wurde.  Trotzdem  ist  zur  An- 
legung der  Blutleere  dringend  zu  raten.        L.  Frosch  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

25.  MĂ€rz  1922,  46,  Nr.  12 

Ueber  die  chirurgische   -Vera,  in  der  GynÀkologie  und  d  gynÀkologischen 

Grenzgebiete.   Mayer.  A.  419. 
Ueber   Psychodiagnostik    und    Psychotherapie     in     der  Frauenheilkunde. 

S  t; e  m  inet,  W.  458. 

Ueber  die  Notwendigkeit  einer  allgemeine^  Statistik  der  Behandhing  des 
Abortus  febrilis.   Dietrich.  H,  A.  ii;t. 
j    ♩E'ne  seltene  Verletzung  des  Uterus.    Sigwart,  W.  47«. 

Zur  Fluorbehandlung  mil  Bazillosan.    f.  o  e  s  e  r  ,  \.  17... 

Eine  seltene  Verletzung  des  Uterus.  Wie  berechtigt  die  immer 
wiederholten  Warnungen  vor  dem  Eingehen  mil  zangenartigen  In 
strumenlen  in  den  Uterus  sind,  lehrt  folgender  Fall.  Bei  einer 
Probeabrasio  wegen  Verdachts  auf  Korpuskarzinom  nach  vorher- 
gegangener Hegar-DilatÀtion  halle  der  Arzt  den  Eindruck,  als  ob 
die  KĂŒrette  ĂŒber  eine  Unebenheil  hinweggleite,  die  er  fĂŒr  einen 
Polypen  hielt.  Er  ging  darauf  mil  einer  Polypenzange  ein  und 
drehte  den  vermeintlichen  Polypen  ab.  Da  er  aber  das  GefĂŒhl 
balle,  den  Uterus  perforiert  zu  haben,  holte  er  sieh  spezialistischen 
Rat.  S.  konnte  sofort  erkennen,  daß  es  sieb  bei  dem  vermeint- 
lichen Polypen  um  ein  etwa  2  cm  langes  StĂŒck  einer  Arterie  mil 
der  zugehörigen  Vene  handelte,  und  es  war  kein  Zweifel,  daß  es 


sieh  um  den  ganzen  Strang  der  l  leringefaße  handeln  muBte.  Die 

sofort  vorgenommene  Operation  bestÀtigte  die  Vermutung.  Links 
vom  Uterus  war  ein  mÀchtiges  HÀmatom,  das  die  BlÀtter  des 
Liganf.  lat,  entfaltet  halle.  Am  exstirpierten  Uterus  fand  sich 
links  ein  breit  klaffender  liil!  oberhalb  der  nicht  eingerissenen 
Portio  vaginalis.  Der  Hergang  ist  wohl  so  zu  erklĂ€ren,  daß  der 
Zervixriß  beim  Dilalieren  des  Uterus  erfolgte  und  mit  dem  Hegar- 
slifl  ein  falscher  Weg  ins  linke  Parametrium  gebahnt  wurde  Dei 
Strang  der  UteringefĂ€ĂŸe,  der  vorlĂ€ufig  unverletzt  geblieben  war, 
wurde  dann  als  polypöse  Wucherung  gedeutet,  mil  der  Zange  ge 
faßt  und  abgedreht.  Speyer  (Berlin] 

Archiv  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Berlin. 

16.  Februar  1922,  115,  Heft  3. 

❖Die  Bauerresultate  nach  operativer  und  Strahlenbehandlung  des  Uteajim-  und 

Scheidenkarzinoms.    Griese  cke ,  A.    133.  v 
‱H)ie  transversale!  fuudale  Keilexzision  des  Uterus.     Ueuttuer.  0.  I'il 
❖Klinische  Erfahrungen  zur  Therapie  der  Prolapse.    P  r  i  b  r  a  m  .  E,  \V.  i'iT. 
Experimenteller  Beitrag  zur  Frage  der  VerhĂŒtung  postoperativer  peritoneale) 
AdhĂ€sionen  mittels  arteigenen  flĂŒssigen  Fettes.    Löhnherg.  E.  197. 
❖Experimentelle  Studien  ĂŒber  die  instrumentale  Aortenkompression.    N  ii  r  n 
b  e  r  g  e  r  ,  L.  562. 
Ueber  das  bösartige     Choriocpithelimu.     X  ;i  g  y  .  Th.    585.  / 
❖Umkehr  der  Adrenalinwirkuug   auf  den   ĂŒberlebenden    Uterus  durch  Innen 

Verschiebung-.    Turolt,  M.  600. 
❖Zur  pathologischen  Anatomie  der  Ophthalmoblcnmrluie.     Labin.   \V.  (511. 
Fötale  Mtßhildungsbeckcu.    G  r  u  I)  e  r  .  G.  11.  6ir>. 

Das   Steinkind   vön   Weißlach,     l.ithokelyphos    von   .1",  jahriacr    Dauer  nur 
Einschluß  von  Skeletteilen  in  der  Tube.    V  o  g  t  .  F.  624. 

Die  Dauerresultate  nach  operativer  und  Strahlenbehandlung 
des  Uterus-  und  Scheidenkarzinoms.  Verf.  verfĂŒgt  ĂŒber  nahezu 
800  FĂ€lle,  der  Kieler  Klinik  aus  den  Jahren  1910—20,  von  denen 
nach  Winters  Vorschrift  die  eine  5  jÀhrige  Beobachtungszeil 
aufweisenden,  also  die  bis  1916,  berĂŒcksichtigt  werden  können. 
Da  ein  moderner  Symmetrieapparat  erst  vor  \y>  Jahren  in  TĂ€tig 
keit  treten  konnte,  bandelt  es  sich  im  wesentlichen  um  Wiedergabe 
der  Ergebnisse  der  operativen  Behandlung,  der  allerdings  von 
1  SU 3/14  ab  Nachbestrahlung  mit  Röntgen-Radium  bei  den  inope- 
rablen FĂ€llen  angeschlossen  wurde. 

Von  350  Kollumkrebsen  sind  93  —  26,6%,  von  21  Korpus 
karzinomen  10  —  47,62  %  dauernd  geheilt.  Die  wie  ĂŒberall  eine 
schlechte  Prognose  gebenden  Scheidenkarzinome  beanspruchen 
weniger  allgemeines  Interesse.  Die  Operationsmethoden  sind  ein 
fache  und  erweiterte  vaginale  Totalexstirpation,  insbesondere  die 
abdominelle  nach  W  e  r  t  h  e  i  m  mit  Aenderungen  nach 
S  toeck  el,  dessen  Technik  sehr  klar  beschrieben  ist  und  fĂŒr  den 
Operateur  im  Original  nachzulesen  sehr  wertvoll  sein  dĂŒrfte. 

(Die  Statistik,  welche  also  ohne  sehr  wesentliche  Sttahlenmit- 
hilfe  %  der  FĂ€lle  Dauerheilungen  bei  Kollumkarzinom  und  %  de 
FĂ€lle  Dauerheilungen  bei  Korpuskarzinom  ergibt,  weist  eindring- 
lich auf  den  Wert  der  frĂŒhzeitigen  richtigen  Diagnose  hin.  Die 
Probeexzision  sollte  Gemeingut  aller,  namentlich  der  in  lÀndlichen 
Bezirken  tÀtigen  Aerzle  werden  und  vielleicht  durch  kurze  Kurse 
an  KrankenhÀusern,  gelehrt  werden.  Ref.) 

Die  transversale  fundalc  Keilexzision  des  Uterus,  als  Vorakt 
zur  Exstirpation  doppelseitig  erkrankter  Adnexe.  Verf.  beschreibl 
seine  zuerst  1908  veröffentlichte  Methode,  deren  geringe  Beachtung 
in  Deutschland  er  beklagt,  wĂ€hrend  sie  in  die  fĂŒhrenden  fran- 
zösischen LehrbĂŒcher  der  operativen  GvnĂ€kologie  aufgenommen 
worden  sei.  Die  durch  sehr  gute  Abbildungen  unterstĂŒtzte  Be- 
schreibung der  Operation  gipfelt  in  folgendem:  Nach  Ligierung 
der  Uterinae  auf  beiden  Seiten  durch  FĂ€den,  welche  dann  auch 
die  Ligamenta  lata  fassen,  wird  aus  dem  Uerusfundus,  der  durch 
zwei  seitlieh  eingesetzte  Klemmen  gefaßt  ist,  ein  transversaler, 
bis  zur  Mucosa  reichender  Keil,  dessen  Schnittrichtung  an  den 
frĂŒheren  Fundusquerschnitl  bei  der  Sectio  caesarea  erinnert,  her- 
ausgenommen, nach  Möglichkeit  unter  Schonung  der  Insertions- 
siellen  der  Ligg.  r.  und  ovaricac.  Je  nach  Befund  werden  hierauf 
entzĂŒndlich  verĂ€nderte  Adnexe,  möglichst  unter  Belassung  von 
gesundem  Ovarialgewebe.  abgetragen.  Das  Verfahren  bezweckt, 
'vergrĂ¶ĂŸerte  Uteri,  die  als  solche  nicht  bleiben,  aber  wegen  Jugend- 
liehkeil der  Patientin  auch  nicht  total  exstirpiert  werden  sollen, 
zu  verkleinern.  Die  Peritonisierung  geschieht  durch  weilgehendes 
HerĂŒberziehen  des  Blnsenncriloncums  bis  ĂŒber  die  RĂŒckwand  des 
Uterus  sowie  ĂŒber  die  Tubcninserlionsstelle,  so  daß  hierdurch 
auch  LĂ€gekorrektur  bei  Retroflexio  bewirkt  wird.  Zwei  gute  Ab- 
bildungen zeigen  auch  Faures  Hemiseclio  des  Uterus.  An- 
schließend kasuistischer  Bericht  ĂŒber  22  neue  FĂ€lle 

Klinische  Erfahrungen  zur  Therapie  der  Prolapse  des  weib- 
lichen Genitales.  Die  Arbeil  bringt  namentlich  insofern  Neues, 
als  sie  im  Hinblick  auf  die  Publikationen  v.  .Taschkes  neben  dem 
rein  Operativen  auch  den  Gesichtspunkt  der  allgemeinen  Konslitu 


390 


Aas  den   neuesten   Z e I t s c h r i f t e n 


tionspathologie  berĂŒcksichtigt.  Asthenische  Konstitution,  neuro- 
pathische  Veranlagung,  Vagotonie,  daraus  hervorgehende  ange- 
borene oder  erworbene  Organminderwertigkeit  sind  vom  GynÀko- 
logen zu  berĂŒcksichtigen.  Von  490  mindestens  \%  Jahr  zurĂŒck- 
liegenden Prolapsoperationen  sind  die  Resultate  durch  persönliche 
Nachuntersuchung  oder  Auskunft  der  Patientinnen  oder  des  Haus- 
arztes festgestellt.  Aus  der  umfangreichen  Tabelle  sei  als  "Wich- 
tigstes entnommen:  108  FĂ€lle  wurden  mit  einfacher  Plastik  und 
Levatornaht  behandelt,  davon  88  mal  —  81,5  %  Dauererfolg,  Plastik 
mit  Lagekorrektur  nach  Schauta-Doleris  71  mal,  davon 
‱19  Dauererfolge  =  Gl  %:  Weniger  oft  wurde  Fixur  nach  Ols- 
hause  n,  Kollifixur  nach  B  u  m  m  ausgefĂŒhrt.  Sehr  gute  Dauer- 
erfolge hatten  auch  Portioampulalion,  supravaginale  und  Toial- 
exstirpation  sowie  Inlerposilion.  bei  der  zu  große  Uteri  durch 
Exzision  verringert  wurden.  Tabaksbeutelnaht  nach  Gersuny- 
SÀnger  von  Rektum  bezw.  Blase  bewÀhrte  sich  gut.  U.  U.  Ein- 
legen eines  Gummiringes  um  den  Anus  nach  Matti  in  Anlehnung 
an  Thierschs  Silberringmethode.  Bei  UnterernÀhrung,  Splanch- 
noptose,  Obstipation  kann  auch  ohne  anatomischen  Prolaps  Sen- 
kungsgefĂŒhl bestehen.  Wichtig  ist  Prophylaxe  sowie  Nachbehand- 
lung der  Operierten  durch  Leibbinde.  Mastkur,  MuskelĂŒbung. 

Experimentelle  Studien  ĂŒber  die  instrumentellc  Aortenkom- 
pression. '  Der  Momburgsche  Schlauch  kann  Blutungen  in  Darm 
und  Pankreas,  Durchwanderungsperitonitis  infolge  DarmlÀhmung. 
SchĂ€digung  von  Nieren  und  Nebennieren  herbeifĂŒhren,  wenn  er 
auch  einstweilen  dem  Praktiker  noch  große  Dienste  leisten  wird. 
Diese  Nachteile  haben,  wie  Verf.  darlegt,  die  Kompressionsinstru- 
menle  von  Gauß  und  Sehrt  nicht.  Gegen  sie  spricht  nur  die 
Gefahr,  daß  das  Herz  sich  den  verĂ€nderten  ZirkulationsverhĂ€lt- 
nissen nicht  anzupassen  vermag.  Diese  Bedenken  zerstreut  Verf. 
weitgehend.  Seine  Versuche  mif  zahlreichen  Blutdruckmessungen. 
Sphygmogrammen,  Röntgenaufnahmen  erwiesen,  daß  das  Herz  sich 
rasch  akkomodiert  und  die  Blutdruckschwankungen  nicht  be- 
deutend sind.  Die  Sehrt'sche  Klammer  zeigte  sich  der  von  Gauß 
etwas  nachstehend,  die  letztere  hatte  bei  50  Anwendungen  nur 
einen  Versager.  Beide  Instrumente  bewirken  indessen  naturgemĂ€ĂŸ 
nur  eine  provisorische  Blutstillung,  namentlich  bei  Rißblutun.gen, 
wÀhrend  bei  atonischen  Blutungen  der  Uterus  immerhin  zuweilen 
zu  Kontraktionen  angeregt  wird. 

Umkehr  der  Adrenalinwirkung  auf  den  ĂŒberlebenden  Uterus 
durch  Ionenverschiebung.  Nach  kurzer  Besprechung  der  Literatur 
ĂŒber  das  Problem  der  Adrenalinwirkung  auf  den  Uterus,  welches 
besonders  den  Arbeiten  Kehrers  Förderung  verdankt,  beschreibt 
Verf.  seine  eigenen  Experimente  am  ĂŒberlebenden  Meerschwein- 
chenuterus sowie  an  ĂŒberlebenden  Teilen  von  menschlichem 
Uterus.  Es  ergibt  sich  daraus:  Der  menschliche  Uterus  wird, 
gravid  oder  leer,  durch  Arenalin  erregt.  Kalizusatz  zur  NĂ€hr- 
lösung steigert  die  Erregung,  Kalziumzusatz  bewirkt  Stillstand, 
aber  nur  beim  nichtgraviden.  Hieraus  folgt,  daß  der  durch  die 
verschiedenen  NÀhrlösungen  geÀnderte  Ionengehalt  des  Organs 
von  Einfluß  ist.  was  bei  verschiedenen  Adrenalinarbeilen  bis  jetzt 
nicht  berĂŒcksichtigt  ist.  Daneben  ist  aber  auch  die  AnhĂ€ufung  von 
besonderen  Substanzen  in  der  GraviditĂ€t  von  Einfluß. 

Zur  pathologischen  Anatomie  der  Ophthalmoblenorrhoe.  In 

bakteriologischer  Beziehung  sind  neben  den  Gonokokken,  sowie 
den  Dinhtherie-,  Kolibazillen,  den  Pneumo-,  Stanbvlokokken  auch 
die  von  P  r  o  v a  c zek -H alb  eir  st  À  d t  er  entdeckten  CMamv- 
dozoen  zu  beachten,  eigentĂŒmliche  Konglomerate  rolgefĂ€rbter 
Körnchen,  die  halbmondförmig  auf  den  Zellkernen  liegen,  und  die 
sich  in  der  mÀnnlichen  und  weiblichen  Harnröhre  sowie  in  der 
VaffĂŒia  finden.  In  hislo-oatholotnscher  Beziehung  beschreibt  Verf. 
an  Hand  dreier  instruktiver  Abbildungen  das  Findringen  des  Gono- 
kokkus zwischen  die  Enithelzellen  bis  zum  Bindegewebe,  ferner 
den  Vorsang  der  Exsudation  von  Leukozvten  und  fibrim-eichem 
Serum,  also  das  Bild  des  eitrigen  Katarrhs,  und  schließlich  die 
eigentĂŒmliche  Umwandlung  von  Zvlinder-  in  Plattenenithel  sowie 
das  hierbei  vorkommende,  von  B  u  m  m  beobachtete  und  ..cancroid- 
Ă€hnlich"  benannte  eigentĂŒmliche  Tiefenwacbstum  des  Enilhels.  Im 
rrsteren  Vorgang  ist  wohl  eine  Abwebrmaßnnhme  des  Körners  zu 
erWicken,  im  letzteren  ein  Beleg  dafĂŒr,  wie  ein  exogener  Reiz 
nathologisch  ungewöhnliche  GewebsverÀnderungen  hervorrufen 
kann  Kuhn  ('MĂŒnchenV 

Zeitschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Stuttgart. 

1.  Marz  1922.  84,  Heft  P> 

*pie  Placenta  accreta  ('iicre*a).    Dietrich.  H.  A.  ;>7;i. 
❖D-r  Kaiserschnitt  an  Act  Toten  imrl  sterbenden  hei  FTöamiRjs'e.    B  a  11  e  Ii  . 
R.  596. 

‱i>'/.uv    KliirU    und    n-itholmr  sehen    Phvaiologie    der    konservativen  \dnex- 

rinerationen.    X  ii  r  n  Ii  e  r  g  o  r.  (iOfi. 
❖  Die  ETetosondenbehĂ€ndlung  der  weiblichen  0-önfliTb.oe.    Frank'.  F..  V.  oas. 


40.  Jahrg. —Nr.  20/21. 


Ueber    toxischei    Leberentartuug    und    akute    gelbe    Leberatrophie    in  der 

Schwangerschaft.    Schultheiß.  H.  644. 
Der  SeJawangersehafteangiospasmus.    Hinschmann.   H.  673. 
FrĂŒchte  und  Samenkörner.    Bin  RĂŒckblick.    Ahlf  eld,  F.  698. 
Menstruation    xind    Wellenbewegung.      L  a  b  h  e  r  t  d  .    A.      und  Hus«) 

P.  715. 

Zur  Differentialdiagnose    zwischen    Abortus,    Schwangerschaft    und  Erkran- 
kung.   Marx.  A.  M.  742. 

Kritische   und  historische  Untersuchungen  ĂŒber  die  weißen  Nekrosen  der 
Placenta.    C  1  e  in  e  n  /.  .  E.  758. 

❖  Die:  Bakteriologie  des  abfallenden  Nabelstranges  bei  verschiedenen  Behand- 
lungsmethoden.    K  ii  s  Irr.    H.  771. 

Die  Placenta  aecreta  (inereta).  Den  Schlußfolgerungen  des 
N  eri',  liegt  folgender  Fall  zugrunde:  Eine  40  jÀhrige  V  para  wird 
mit  schwachen  Wehen  der  Klinik  ĂŒberwiesen,  weil  bei  den  beiden 
letzten  Geburten  eine  sehr  schwierige  manuelle  Placentarlösung 
vorgenommen  werden  mußte.  Seit  7  Jahren  (4.  Geburt)  war  keine 
Menstruation  mehr  eingetreten.  Kurz  nach  der  Lagerung  Kollaps. 
Die  Vermutung  einer  vorzeitigen  Placenlarlösung  erweist  sich 
beim  vaginalen  Kaiserschnitt  als  unrichtig.  Die  Patientin  kommt 
unter  den  Erscheinungen  innerer  Blutung  ad  exitum.  Sektions- 
ergebnis: Verblutung  aus  einer  Uterusrißstelle,  aus  der  Zotten 
hervorquellen.  Die  große  Placenta  nimmt  fast  die  ganze  Uterus- 
innenflÀche ein.  Die  Uterusmuskulatur  ist  in  weiter  Ausdehnung 
durch  Placentargewebe  substituiert.  Nur  wenige  Millimeter  dicker, 
teilweise  nur  aus  PeritonaealĂŒberzug  bestehender  Best  der  Uterus- 
wand ist  ĂŒbrig  geblieben.  Die  histologische  Untersuchung  zeigt 
ein  völliges  Fehlen  der  Decidua,  Eindringen  der  Zotten  in  die 
Muskulatur  und  auffÀllig  vieL  Chorionepithelien  zwischen  Muskel- 
fasern. —  Verf.  erblickt  die  Ursache  der  Placenta  inereta  in  einer 
primÀren  partiellen  oder  totalen  Atrophie  der  Uterusschleimhaut 
und  sekundÀr  mangelhaft  ausgebildeter  oder  fehlender  Decidua 
infolge  SchÀdigungen  des  Endometriums.  Da  die  vollkommene 
manuelle  Lösung  der  Placenta  inereta  unmöglich  ist,  muß  frĂŒh- 
zeitig die  Uterusexslirpation  erwogen  werden. 

Der  Kaiserschnitt  an  der  Toten  und  Sterbenden  bei  Eklampsie. 

Der  Kaiserschnitt  an  der  Sterbenden  soll  nur  ausgefĂŒhrt  werden, 
wenn  —  das  EinverstĂ€ndnis  der  Angehörigen,  evtl.  der  Sterben- 
den vorausgesetzt  —  1.  nach  dem  ĂŒbereinstimmenden  Urteil  wenig- 
stens zweier  Aerzte  der  Tod  mit  au  Sicherheit  grenzender  Wahr- 
scheinlichkeil nahe  bevorsteht  und  2.  die  Frucht  die  28.  Woche  er- 
reicht hat.  Unter  diesen  Voraussetzungen  ist  die  Operation  eine 
völlig  berechtigte. 

Zur  Klinik  und  pathologischen  Physiologie  der  konservativen 

Adnexoperationen.  Auf  Grund  eines  umfangreichen  klinischen 
Materials  kommt  Verf.  zu  dem  Ergebnis,  daß  konservative  Adnex- 
operationen nur  in  einem  geringen  Prozentsatz  wirklich  dauernde 
Erfolge  gewÀhren.  Kommt  es  nach  vergeblicher,  lÀngere  Zeit  fort 
gesetzter  konservativer  Behandlung  zur  Operation,  dann  darf  man 
sich  nur  beim  Vorliegen  einer  isolierten  einseitigen  Adnexerkran 
kung  mit  der  Entfernung  der  AnhĂ€nge  dieser  Seite  begnĂŒgen.  Bei 
doppelseitigen  Pyosalpinaen  ist  nur  von  radikalem  Vorgehen  ein 
Erfolg  zu  erwarten.  Will  man  bei  jugendlichen  Personen  die 
Menstruation  erhalten,  dann  ist  die  Entfernung  beider  Tuben  mit 
transversaler  Keilexcision  des  Fundus  uteri  in  ErwÀgung  zu 
ziehen. 

Die  Heizsondenbehandlung  der  weiblichen  Gonorrhoe.  Die 

Heizsonde  befördert  in  hartnÀckigen  FÀllen  die  Heilung.  StÀr 
kerer  Ausfluß  aus  der  Cervix  wird  durch  die  Heizungen  recht 
gĂŒnstig  beeinflußt,  in  manchen  FĂ€llen  ganz  zum  Schwinden  ge 
bracht.  Auch  als  Provokationsmittel  ist  das  Verfahren  emnfehlens 
wert.   Bei  bestehender  Schwangerschaft  ist  es  kontraindiziert. 

Die  Bakteriologie  des  abfallenden  Nabelsrrances  bei  verschie- 
denen Behandlungsmethoden.  Bakteriolosische  Untersuchungen 
lieferten  eine  StĂŒtze  fĂŒr  die  Forderung,  den  Nabel  trocken  zu  be 
handeln  und  das  Neugeborene  erst  nach  völliger  Verteilung  des 
Nabels  zu  baden.   .  Jonas  (BerlhA 

Dermatologisehe  Wochenschrift. 

4.  MĂ€rz  1922.  Nr.  9. 

Bin  Kall  von  Leukoderma  bei  Pityriasis  l:cbenoides  chrenica.  A  l  mk  vis  t,  J 
Zur  Technik  der  Anwendung  von  Radium  und  Mesothorium  in  der  Derma 
tologiei.    B  r  i  n  k  m  a  n  n  .  W. 
$Ein  Fall  von  einseitiger  linearer  Psoriasis.    Stangenberg,  .T. 

Ein  Fall  von  einseitiger  linearer  Psoriasis.    Es  handelt  sich 

um  eine  einseitige  Psoriasis,  die  sich  fast  streng  den  Nerven 
bahnen  des  Plexus  thoracalis  und  lumbalis  anschließt.    Da  auch 
sonst  Störungen  von  Seiten  des  Nervensvslems  vorliegen,  glaubt 
St.,  daß  bei  der  Aetiologie  der  Psoriasis  neuropathische  Ein 
flĂŒsse  keine  geringe  Rolle  spielen.  B  a  b  (Berlin). 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


391 


H  MĂ€rz  1922,  Nr.  10. 

‱Heber  einen  neuen  elektrischen  Ansohlußappanat  „Spannungsteiler  Wigoutat' 
B  o  n  c  d  e  k  ,  T. 

Untersuchungen   Uber  < l o n    Bllirubingohalt  de«  Blutserums   bei  8alvars«in 
Quecksilherkur.    Schnei  d  e  r  ,  l'. 
‱Melier    kombinierte    Flockungsreaktion    (einseitige  Saehs-tteorgi-Moi-npek'c 
Reaktion).    Stern  und  K  v  e  n  inj,  O. 

CTeber  einen  neuen  elektrischen  Anschlußapparat  Mit  Hilfe 
dos  „Wigostat"  kann  man  aus  jeder  Starkstromleitung  (Gleich 
Itrom  wie  Wechselstrom)  direkt  eine  niedervoltige  Spannung 
entnehmen,  so  daß  an  ihn  sĂ€mtliche  in  der  dermato-urologischen 
l'rnxis  gebrÀuchlichen  Instrumente  direkt  angeschlossen  werden 
können,  und  so  die  Anschaffung  großer  Anschlußapparate  oder 
einzelner  Batterien  ĂŒberflĂŒssig  wird.  Der  Apparat  wird  von  der 
Firma  Schloßnagcl  in  NĂŒrnberg,  SteinbĂŒhlerslr.  16,  hergestellt 

Ueber  kombinierte  Flockungsreaktion.  St.  und  E.  mischen 
zu  gleichen  Teilen  den  Meinicke'schen  Pferdeherzextrakt  und  den 
hon  Sachs-Georgi  angegebenen  cholesterinierten  Rinderherz- 
extrakt; diese  Mischung  wird  mit  der  5  fachen  Menge  Aq.  dest. 
verdĂŒnnt;  0,5  cm  dieser  VerdĂŒnnung  werden  zu  0,2  inaktiven 
Patientenserum  gebracht,  das  durch  0,8  cm  NaCl  auf  1,0  aufge- 
fĂŒllt ist.  Dieses  Gemisch  bleibt  zunĂ€chst  2  Stunden  im  Brut- 
schrank, dann  18  Stunden  in  Zimmertemperatur,  und  die  Ab- 
lesung kann  vorgenommen  werden.  Die  Flockung  ist  hier,  da 
sie  grĂ¶ĂŸer  als  bei  Sachs-Georgi  ist,  sehr  gut  ablesbar.  Die 
Uebereinstimmung  mit  der  WaR  ist  sehr  groß,  87  Prozent,  die 
Reaktion  insofern  absolut  spezifisch,  als  Flockungen  nur  bei 
Lues  vorkommen,  wÀhrend  negative  Flockungsreaktion  eben  so 
wenig  wie  eine  negative  WaR  RĂŒckschlĂŒsse  auf  Nicht-Bestehen 
oder  Abheilung  von  Lues  zulassen.  Bab  (Berlin). 

18.  MĂ€rz  1922,  Nr.  11. 

Cutis  gyrata  der  Stirn.    StĂŒh  m  e  r  ,  A. 
«^Untersuchungen    ĂŒber   den   BiliruiMngehalt    dos    Bluts«  ruins   bei  Salvarsan- 
Quecksilberkur.    Schluß.    Schnei  d  e  r  .  V. 
Bemerkungen    zur    Arbeit    von    H.    GĂ€rtner:    Erfahrungen    ĂŒber  Mirion. 
Kyrie,  J. 

Untersuchungen  ĂŒber  den  Bilirubingehalt  des  Blutserums  bei 
Salvarsan-Hg-Kur.  WĂ€hrend  der  kombinierten  Hg-Salvarsan- 
kur  kommt  es  gewöhnlich  nicht  zu  grĂ¶ĂŸeren  Schwankungen  des 
Gehaltes  an  Gallenfarbstoffen  im  Blutserum.  Vermehrt  war 
dieser  dagegen  zweimal  bei  Patientinnen  mit  Salvarsandennatitis 
und  fĂŒnfmal  bei  VerĂ€nderungen  des  Liquors.         Bab  (Berlin) 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

9.  MĂ€rz  1922,  52,  Nr.  10. 

«§«Ueber  nervöse  psychische  Störungen  liei  Herzkranken.    ‱!  ;i  C|  u  G  I  .  A.  2W. 

Ueber  Purpura  haemorrhagica.    Hoff  m  a  n  n  .  W.  250. 

Ein  Fall  von  Verdoppelung  der  Arferiae  ileacae  commune«  and  des  unterstell 
Teiles  der  Aorta  abdomiales.    K  o  b  e  1 1  .  H.  252. 
‱^Hirschhornsalz  und  Erythem.-!   Qodosum.    Amman.  R.  254, 

Ueber  nervöse  und  psychische  Störungen  bei  Herzkranken. 
Sicher  ist,  daß  bei  einer  großen  Zahl  von  Herzkranken  nervöse 
und  psychische  Störungen  vorkommen,  welche  mit  der  organi- 
schen Krankheit  in  einen  mehr  oder  weniger,  direkten  Zu- 
sammenhang gebracht  werden  können.  Die  wichtigsten  hierher 
gehörigen  Störungen  sind:  Kopfschmerzen,  gestörter  Schlaf,  bei 
dem  die  ĂŒblichen  narkotischen  Mittel  hĂ€ufig  ohne  Wirkung 
bleiben,  SchwindelgefĂŒhl  und  Ohnmachtsanwandlungen.  Klagen 
ĂŒber  Schmerzen,  speziell  in  der  Herzgegend  lokalisiert,  sind  bei 
Herzkranken  nicht  selten.  Allgemein  klagen  solche  Kranke  ĂŒber 
Abnahme  der  ArbeitsfÀhigkeit,  desgl.  eine  Abnahme  der  Merk- 
fÀhigkeit. Im  Vordergrund  der  psychischen  Altoral  innen  stehen 
CharakterverÀnderungen;  ein  Hauptzug  der  Psyche  des  Herz- 
kranken aber  ist  die  Angst.  Die  körperlichen  Empfindungen, 
welche  den  Angsteffekt  meist  begleiten,  sind  Herzklopfen,  Be- 
klemmung, ZusammenschnĂŒren  im  Epigaslrium,  Erschwerung 
Ber  Insniration,  Zittern,  Schweißausbruch,  KĂ€ltegefĂŒhl  an  den 
ExtremitÀten,  gastrische  Störungen,  Harn-Stuhldrang.  In  ihre; 
reinsten  Form  und  höchsten  Potenz  tritt  die  echte  Angst  bei  der 
Angina  pectoris  hervor.  Auch  bei  Herzinsuffizienz  mit  Dekom- 
pensationserscheinungen werden  die  Patienten  vielfach  von 
AngstzustÀnden  geplagt.  Ihr  Auftreten  ist  aber  durchaus  nicht 
an  die  Schwere  des  Zustandes  gebunden.  Es  werden  FĂ€lle  von 
Herzkranken  beschrieben,  bei  welchen  die  AngstanfĂ€lle  schließ- 
lich in  eine  förmliche  Psychose  ausarteten.  Das  Bild  der  Kreis- 
laufpsychose  stellt  sich  folgendermaßen  dar:  Im  Beginn  Störun- 
gen des  GefĂŒhlslebens,  dazu  mehr  oder  weniger  gestörte  Merk- 
fĂ€higkeit und  rasche  geistige  ErmĂŒdbarkeit;  außerdem  zerebrale 
Symptome.    Bei  zunehmender  Schwere  der  zirkulatorischen  Stö- 


rungen kann  es  zu  psychischen  VerÀnderungen  kommen:  deli- 
riöse  psychomotorische  ErregungszuslÀnde  verbunden  mit  star- 
kem Affekt  und  zahlreichen  .Halluzinationen  stehen  im  Vorder- 
grund. Die  gesteigerte  gemĂŒtliche  Erregbarkeit  gibt  sich  auch  in 
plötzlich  hervorbrechenden  impulsiven  Handlungen  kund.  Die 
Krankheitseinsicht  fehlt.  Ihren  letzten  Grund  haben  alle  Kreis- 
laufpsychosen in  dem  durch  die  VerhÀltnisse  gesetzten  schlech- 
ten ErnĂ€hrungszustand  der  Großhirnrinde.  MerkwĂŒrdigerweise 
stehen  die  nervösen  Symptome  in  keinem  VerhÀltnis  zur 
Schwere  der  Kreislaufstörung,  andererseits  geht  Hand  in  Hand 
mit  der  Besserung  des  organischen  Leidens  eine  Besserung  der 
nervösen  Beschwerden,  wÀhrend  umgekehrt  dieselben  mit  ver- 
mehrter IntensitÀt  hervortreten,  sobald  der  Zustand  des  Herzens 
sich  verschlechtert.  Die  relative  Seltenheit  der  Psychosen  bei 
Herzkranken  im  Vergleich  zur  großen  HĂ€ufigkeit  schwerer  Zir-  ' 
kulationsstörungen  deutet  darauf  hin,  daß  die  Herzinsuffizienz 
nicht  genĂŒgt,  um  die  Psychose  zu  provozieren.,  Es  handelt  sich 
dann  meist  um  Individuen,  die  durch  andere  Ursachen  psychisch 
geschwÀcht  sind.  In  einem  erheblichen  Teil  der  FÀlle  bereitet 
die  Lues  den  Boden  vor,  auf  dem  die  Psychose  sich  entwickelt. 
Bei  vorgerĂŒcktem  Alter  der  Patienten  bietet  die  Scheidung  zwi- 
schen arteriosklerotischer  Seelenstörung  und  Kreislaufpsychose 
differentialdiagnostische  Schwierigkeiten. 

Die  Komplikation  des  organischen  Leidens  durch  nervöse 
oder  psychische  Erscheinungen  erschwert  vielfach  die  Behand- 
lung recht  bedeutend.  Die  Cardiotonica  können  ihre  volle  Wir- 
kung nur  bei  völliger  körperlicher  und  seelischer  Ruhe  des  Pa- 
tienten entfalten.  Die  Anwendung  von  Beruhigungsmitteln 
(Brom-Valeriana-OpiumprÀparate)  ist  daher  hÀufig  nicht  zu  um- 
gehen; das  Hauptgewicht  der  Behandlung  muß  aber  in  der  psy- 
chischen Beeinflussung  der  Patienten  gesucht  werden. 

Hirschhornsalz  und  Erythema  nodosum.  Auf  der  Suche  nach 
einem  Mittel  zur  BekÀmpfung  der  Gelenkschmerzen  und  der 
schmerzenden  Erythemknoten  geriet  Verfasser  an  das  Ammo- 
nium carbonicum,  das  sich  in  folgender  Rezeptierung  bewÀhrte: 
Rp.  Amnion,  carbonic.  5,0;  Aqu.  ad  100,0;  M.  D.  S.  Alle  2  Std. 
einen  Kaffeelöffel  in  %  Glas  Wasser.  Die  Wirkung  war  immer 
ĂŒberraschend:  Fieberabfall,  Verschwinden  des  Schmerzes,  kein 
Aufschießen  von  neuen  Knoten  mehr.  Dementsprechend  wurde 
der  Krankheitsverlauf,  der  sich  sonst  infolge  immer  neuer 
SchĂŒbe  ĂŒber  mehrere  Wochen  erstreckt,  stark  abgekĂŒrzt. 

H.  Held  (Berlin). 

Acta  Chirurgica  Scandinavica. 

54.    No.  4. 

Was  können  wir  aus  mehr  als  0C0O  Obduktionsbefunden  ĂŒber  Emboli  und 
embolische  GangrÀn  der  ExtremitÀten  lernen?    Bull.  P..  Christiann. 
‱HJeber  Embolektomie  als  Behandlungsmethode  bei  embol '-sehen  Zirkulation? 
Störungen  der  ExtremitÀten.    Key.  Einar.  Stockholm. 
Ein  Fall  von  Arthroplastik  im  Ellbogengelenk.    Silverskiöld.  KT. 

Ueber  Embolektomie  als  Behandlungsmethode  bei  embolischen 
Zirkulationsstörungen  der  ExtremitÀten.  Die  Abhandlung  bringt 
zunÀchst  einen  historischen  Ueberblick  dieses  rel.  jungen  Zweiges 
der  operativen  TĂ€tigkeit  und  einen  Bericht  ĂŒber  die  bisher  pĂŒbli- 
zierten  FĂ€lle  (einschließlich  der  FĂ€lle  des  Verf.),  der  bis  zum  Er- 
scheinen des  Heftes  fortgefĂŒhrt  ist.  An  der  Hand  derselben  wer- 
den die  Aetiologie  dieser  FĂ€lle  und  weiterhin  die  Pathologie  und 
operative  Therapie,  die  Diagnose  und  Prognose  der  Embolie  der 
großen  ExlremitĂ€tsarterien  erörtert,  ihre  Erscheinungsformen  und 
Folgeerscheinungen.  Verf.  bringt  dann  seine  SchlußsĂ€tze  in  14 
Punkten,  in  denen  er  die  Indikation  der  Operation  abgrenzt  und 
ilas  Wichtigste  des  vorher  ĂŒber  die  Technik!  Gesagten  zusammen- 
faßt. Er  empfiehlt  dann  u.  a.  möglichste  BeschrĂ€nkung  auf  lokale 
AnÀsthesie,  Verwendung  von  2%  Natriumcitratlösung  zur  Be- 
"  Feuchtung  der  Wundkompressen  und  zur  SpĂŒlung  der  HĂ€nde  und 
Instrumente  wÀhrend  der  Operation,  und  event.  den  Versuch,  den 
Embolus  in  frĂŒhzeitigen  und  geeigneten  FĂ€llen  durch  Massage  zu 
zerquetschen,  dies  aber  nur,  wo  die  Operation  unmöglich  ist.  Daran 
schließen  sich  die  Krankengeschichten  und  Operationsberichte  ĂŒber 
20  bis  dahin  noch  nicht  publizierte  FĂ€lle,  12  von  verschiedenen 
nordischen  Autoren  und  8  eigenen  FĂ€llen  des  Verf.  Von  letzteren 
iĂŒhrlen  6  zu  einem  befriedigendem  Erfolg,  einer  derselben  trotz 
22/4  stÀndigen  Bestehens  des  Embolus  vor  der  Operation.  Verf. 
betont  aber  nachdrĂŒcklich  die  große  Bedeutung  der  möglichst  frĂŒh- 
zeitigen Operation  fĂŒr  die  Prognose. 

Popper  (Stockholm). 
Acta  Paediatrica. 

15.  Dezember  1921,  1,  Nr.  3. 

❖  BeitrĂ€ge  zur  Kenntnis  der  spasmophilcn  Diathese.    \V  c  r  n  s  t c  d  t  ,  W.  257. 
Behandlung  der  exsudativ-ly mphntischen  Diathcsc.    M  o  n  r  a  d  ,  S.  271. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


♩Die  (ieliirnrachitis  und  Entwicklung  der  Intelligenz.    L  o  o  f  t ,  C.  282. 
❖  Mage  nuntersuchungen  bei  jungen  Kindern.     Hertz.  P.  298. 

Kin  Fall  von  arogenerati  ver  Anaeinie.    gpak.  H.  310. 

Billige    Beobachtungen,    betreffend    KĂŒrperlĂ€nge.    Körpergewicht    und  Er- 
nÀhrungszustand.   Urban  HjÀrn«.  320. 

BeitrÀge  zur  Kenntnis  der  spasmophilen  Diathese.  II.  Mittei- 
lung: Wie  können  wir  die  verschiedene  Wirkung  der  Kuhmilch 
und  der  Frauenmilch  auf  spasmophile  Kinder  erklÀren?  Wern- 
st  edt  hat  in  seiner  1.  Mitteilung  nachgewiesen,  daß  die  Alkalisalze 
der  Kuhmilchmolke  (K  u.  Na)  die  elektrische  und  mechanische  Er- 
regbarkeit der  Muskulatur  steigern,  daß  Erdalkalisalz  Ca  und  auch 
wohl  Mg  diese  abschwĂ€chen;  die  Alkalisalze  sind  in  grĂ¶ĂŸerei' 
Menge  in  der  Kuhmilch  enthalten  als  die  Erdalkalien,  daher  die 
spasmogene  Wirkung  der  Kuhmilch.  Nun  ist  aber  das  Ueber- 
wiegen  der  Alkalien  ĂŒber  die  Erdalkalien  noch  grĂ¶ĂŸer  in  der 
Frauenmilch.  Sie  mĂŒĂŸte  demnach  noch  stĂ€rker  spasmogen  wir- 
ken als  die  Kuhmilch  untl  doch  ist  ihre  Wirkung  dem  gerade  ent- 
gegengesetzt, sie  mildert  die  spasmophilen  Erscheinungen.  Aus 
Versuchen  ĂŒber  Zuckerzugabe  zu  Molke  und  Zuckerentziehung 
glaubt  Wernstedt  schließen  zu  dĂŒrfen,  daß  es  der  relativ 
niedrige  Zuckergehalt  der  Kuhmilch  ist,  der  es  zur  Folge  hat,  daß 
die  spasmogene  Wirkung  der  Salze  hier  in  Erscheinung  tritt. 
Auf  der  anderen  Seile  scheint  der  relativ  hohe'  Zuckergehalt  der 
Frauenmilch  gĂŒnstig  auf  die  spasmophilen  Erscheinungen  zu  wir- 
ken. Die  spasmogene  Wirkung  der  Kuhmilch  ist  also  nicht  allein 
eine  Salzwirkung,  sondern  eine  Salz-  und  Zuckerwirkung. 

Die  Gehirnrachitis  und  Entwicklung  der  Intelligenz.  Nach  Be- 
obachtung zahlreicher  rachitischer  Kinder  behauptet  Looft, 
wie  die  meisten  KinderĂ€rzte,  daß  die  Ausbildung  der  Intelligenz 
hei  rachitischen  Kindern  wÀhrend  ihrer  Krankheit  hintangehalten 
wird.  Je  lÀnger  die  Krankheit  dauert,  um  so  schlechter  ist  die 
Entwicklung  des  Intellekts.  Am  ausgesprochensten  sieht  man  dies 
bei  1-  bis  2  jahrigen  Kindern.  Die  antirachitische  Behandlung 
wirkt  gĂŒnstig  auf  das  Gehirn  und  seine  Funktionen  ein.  Aber 
so  lange  die  Rachitis  noch  nicht  völlig  ausgeheilt  ist.  sieht  man 
auch  ein  ZurĂŒckbleiben  der  Intelligenz  dieser  Kinder  hinter  der 
von  gesunden,  gleichaltrigen  Kindern.  Diese  starke  Beteiligung 
des  Gehirns  und  seiner  Funktionen  bei  der  Rachitis  fĂŒhrt  Looft 
zurĂŒck  auf  die  große  Empfindlichkeit  der  Gehirnsubstanz  gegen- 
ĂŒber jeder  SchĂ€dlichkeit  und  auf  die  große  Bedeutung,  die  der 
Kalk  fĂŒr  das  Gehirn  hat.  dessen  Stoffwechsel  bei  der  Rachitis 
wesentlich  gestört  ist. 

Magenuntersuchungen  hei  jungen  Kindern.  D4e  Achyha 
gastrica  ist  im  frĂŒhen  Kindesalter  nicht  ungewöhnlich.  Sie  be- 
ruht aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auf  einer  Erkrankung  der 
Magenschleimhaut,  hervorgerufen  durch  Einwirkung  einer  auf 
direktem  oder  haemotogenem  Weg  zugefĂŒhrten,  infektiösen  toxi- 
schen SchÀdlichkeit.  Die  Achvlie  kann  lÀngere  Zeit  völlig  latent 
verlaufen,  aber  kann  vermutlich  auch  die  Veranlassung  zu  dvs- 
peptischen  Symptomen  und  die  Ursache  spÀterer  Darmaffektionen 
werden.  .  S  t  a  n  d  v  o  ß  (Berlin-Halensee). 

Nederl.  Tijdschrift  voor  Geneeskunde. 

21.  Januar  1922,  1,  Nr.  3. 

■H'ebcr  Folgen  der  V«fi  deferens- Unterbindung,  de  V  r  i  e  s  e  .  T.  .1.  .1  ßfi. 
Die  Stimme  nach  Ausschneiduug  eine-  Stimmbandes.  BĂŒrger.  H.  282. 
BeitrÀge  zur  Entfernung  von  Frcmdkörni'rn  aus  der  Speiseröhre  und  aus  der 

Luftröhre.    S  t  r  u  y  c  k  e  n  .  H.  J„  L.  289. 
Lebertran   ein   gutes   Vehikel    fĂŒr   Beuzylbf  nzoat.     S  c  b  u  u  m  .i  n  -    S  t  o  k  - 

h  o  v  c  n  .  W.  291. 

Beschreibung  der  Vas  deierens-Uuterbindung  nach  Steinach 
mit  Besprechung  der  physiologischen  DrĂŒsen-TĂ€figkeit  nach  der 
Operation.  Ein  Fall  wird  wiedergegeben,  wo  bei  einem  Patien- 
ten mit  Prostatahypertrophie  die  Operation  ausgefĂŒhrt  wurde. 
Er  starb  an  Urosepsis.  Enneking  (Amsterdam). 

28.  Januar  1922,  1,  Nr.  1. 

‱J*Kme.  neue  Behaiidlungsweise  der  akuten  entzĂŒndlichen   Prozesse.     \.  \  a  d 
B  a  1  e  n.  362. 

Die  Klöhevemichtuiig  und  die  Pest  in  Buropa.    II  y  1  k  e  m  a .  B.  373. 
❖  Kin  besonderes  Kieber-Kxanthem  bei  jungen  Kindern.  X  a  e  s  s  e  u  s.   W.  393 

Eine  neue  Behaiidlungsweise  der  akuten  EntzĂŒndungs-Pro- 
zesse. Diese  eigentlich  nicht  neue,  sondern  sehr  alte  Behand- 
lung besteht  aus  einer  örtlichen  Blutentziehung.  Die  Schmerzen 
lassen  bald  nach.  Rötung  und  Schwellung  gehen  zurĂŒck  und  die 
EntzĂŒndung  wird  beseitigt. 

Ein  besonderes  Fieber-Exanthem  bei  jungen  Kindern.  Bis- 
weilen sieht  man  bei  Kindern  im  AJter  von  6  Monaten  bis 
2  Jahren  plötzlich  ohne  weitere  Krankheitserscheinungen  ein 
hohes  Fieber  auftreten,  das  nach  drei  Tagen  kritisch  wieder  ab- 


fÀllt. Bei  der  physikalischen  Untersuchung  hat  man  keine  Ver- 
Ă€nderungen gefunden  und  bald  nach  der  Entfieberung  erscheint 
am  Rumpfe  ein  kleinfleckiges  Exanthem,  das  nicht  konfluiert, 
sich  sehr  schnell  ausbreitet  und  nach  1—2  Tagen  wieder  ver- 
schwunden ist.    Sehr,  hat  3  FĂ€lle  gesehen. 

Enneking  (Amsterdam  . 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

25.  Februar  1922,  78,  Nr.  8 

Die  Beziehung  des  Labyrinth-Tonus  zum  Muskeltonus.   \V  i  1  s  o  n.  J.  Ii.  557. 
❖TlerzcrUi anklingen  bei  Industriearbeitern.    P  h  i  p  p  s  .  C.  362. 

Behandlung  von  Nabelhernien,  bei  denen  Darmschlingen  dicht  adhaeriereti. 
Gullen.  T.  S.  564. 

Kongenitale   Syphilis  bei   VTaisenhauskindern.     La  «  rence.   -1.   s.  ififi 
Anormale  Bildung  der  Gallenblase.    G  o  u  g  h  1  i  n  .  W.  T.  .Mi*. 
Quantitative   Bakteriologie   der  Tonsillen.     Gavlor.  IL   D.    und  Dick. 
C.  F.  370. 

Experimenteller  Typhus  bei  Meerschweinchen.    O  1  i  t  «  k  y  .  p.  K.  57J 

Vi  chnik   zur  Wiederherstellung  des   erschlafften    oder    eingerissenen  Pc-' 

rineums.    Payne.  K.  L.  574. 
Akt'nomykose  der  Harnorgane:  Vorhandensein  von     Actioomyces  bovis  bei 

Pyelonephritis.    C  c  c  i  1  .  H.  L.  und  Hill.  J.  IL  575. 

Herzkrankheiten  hei  Industriearbeitern.  Gelegentlich  einer 
systematischen  Untersuchung  von  G50  Arbeitern  stellte  Verfasser 
231  Herzkranke  fest.  Aetiologisch  kommen  Traumen,  metallische 
oder  bakterielle  Gifte  und  schwere  GemĂŒtserregungen  in  Frage, 
es  konnte  z.  B.  in  25  FĂ€llen  die  Einwirkung  des  Bleis,  10  mal  die 
anderer  Gifte  als  Ursache  der  Erkrankung  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit nachgewiesen  werden.  In  10  FĂ€llen  von  Arrhythmien  nimmt 
Verfasser  eine  plötzliche  schwere  GemĂŒtsbewegung  als  Ursache 
der  Erkrankung  an.  Auf  Grund  dieser  Befunde  sollten  die  Ar- 
beiter regelmĂ€ĂŸigen  Untersuchungen  unterzogen  werden,  wie  es 
/.  B.  bei  den  Caissonsarbeitern  der  Fall  ist,  bei  denen  die  Unter- 
suchung sich  allerdings  selten  ĂŒber  die  Gehörorgane  hinaus  er- 
streckt, eine  durchaus  nicht  ausreichende  Sicherheitsmaßnahme. 
Die  bei  solchen  Untersuchungen  aufgefundenen  Kranken  bzw. 
GeschÀdigten  sind  einer  Uebungstherapie  zu  unter«iehen,  die  oft 
sehr  Gutes  zu  leisten  imstande  ist  und  bei  der  die  Arbeiter  nicht 
völlig  beschÀftigungslos  sind,  sondern  gewisse  Arbeitsleistungen 
verrichten  und  so  noch  nĂŒtzen  können. 

KĂ€ckell  (Hamburg). 

Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital,  Baltimore. 

MĂ€rz  1922,  33,  Nr.  373. 

Beziehungen  zwischen  Nebennieren  und  experimentell  erzeugter  Hypotension 
(Schock).    H  i  c  e  Rieh,  A.  '  79. 
❖Klinische  und  anatomische  Studie  bei  51  FĂ€llen  wiederholter  Sectio  Gesarea. 
G-  a  m  b  1  e  .  T.  O.  93. 

❖Akute  biliĂ€re  Pneumonie  und  hĂ€raatogene  puerperale  Infektion,  .lohnst  o  n. 

R.  A.  und  Morgan.  H.  J.  106. 
‱MliphtheriebazillentrĂ€ger.     Resultate    der    NachprĂŒfung    scheinbar  negativer 
Kulturen.    Marshall,   B.   C.   und   Guthrie     C.  G.  110. 
U'as.serstoffionen-Konzentrat:on  des  Gewebe-Wachstums  in  Vitro.    L  c  w  i  e.  - 

M.  R.  und  F  e  1  t  o  n  .  L.  D.  HJ. 
Beziehungen    der    Wasserstoff  ionen-Konzeutratioii    zur    spezifischen  PrÀzi 
pitation.    M  a  s  o  n  .  V.  R.  116. 

Klinische  und  anatomische  Studie  ĂŒber  51  FĂ€lle  von  wieder- 
holtem Kaiserschnitt  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Narben- 
heilung  und  der  durch  dieselbe  verursachten  Entstehung  von 
Uterusruptur.  Die  Untersuchungen  erstrecken  sich  auf  63  Schwan- 
gerschaften bei  51  Frauen;  bei  15  dieser  Schwangerschaften  war 
frĂŒher  einmal  eine  Sectio  caesarea  vorgenommen  worden,  bei 
8  Schwangerschaften  war  frĂŒher  schon  zweimal  der  Kaiserschnitt 
gemacht.  In  45  FĂ€llen  wurde  zum  zweiten  oder  dritten  Mal  durch 
Kaiserschnitt  entbunden,  in  17  FĂ€llen  erfolgte  der  Partus  auf 
‱  natĂŒrlichem  Wege,  einmal  kam  es  zu  Uterusruptur  an  der  Narbe 
des  alten  Kaiserschnitts.  Auf  Grund  seiner  Beobachtungen,  ins- 
besondere der  histologischen  Untersuchung  der  beim  Porro'schen 
Kaiserschnitt  gewonnenen  Uteri  kommt  Verf.  zu  folgenden  Ergeb- 
nissen: Unter  den  Faktoren,  die  eine  schwache  Kaiserschnittnarbe 
bedingen,  steht  die  Infektion  an  erster  Stelle;  jedoch  gibt  ein 
lieberfreier  Verlauf  des  "Wochenbetts  keine  GewĂ€hr  fĂŒr  eine  tadel- 
lose Heilung  der  Uteruswunde.  Von  großer  Bedeutung  ist  eine 
vollendete  Technik  bei  der  Naht,  wobei  nach  Möglichkeit  der  Ver- 
schluß der  Uteruswunde  erst  nach  erfolgter  Kontraktion  der  Mus- 
kulatur der  GebĂ€rmutter  vorzunehmen  ist.  Die  Annahme,  daß  eine 
Frau,  die  einmal  durch  Kaiserschnitt  entbunden  wurde,  bei  wieder- 
holter Schwangerschaft  unbedingt  wieder  der  Sectio  caesarea 
unterzogen  werden  muß,  besteht  in  dieser  Verallgemeinerung  nicht 
zu  Recht.  Schwangere,  die  einmal  durch  Kaiserschnitt  entbunden 
worden  sind,  sollten  wegen  der  Gefahr  der  Uterusruplur  mehrere 
"Wochen  vor  dem  berechneten  Geburtstermin  einer  geburtshilflichen 
Anstalt  zugefĂŒhrt  werden    Bei  Gelegenheit  eines  zum  dritten  Mal 


Jahrg. —  Nr.  2021 


kongreßberichte 


vorgenommenen  Kaiserschnitts  sollte  die  Tubenslerilisation  aus- 
gefĂŒhrt werden,  um  die  Frau  vor  der  infolge  der  mehrfachen 
Narben  drohenden  Gefahr  der  Uterusruptur  zu  bewahren. 

Akute  lobÀre  Pneumonie  und  hÀmatogen«  puerperale  infek- 
tion.  Eine  Wöchnerin  erkrankt  in  unmittelDarem  Anschluß  an  die 
Entbindung  an  einer  typischen  L  nterlappenpneumonie:  im  Blut 
sind  Pneumokokken  nachweisbar:  im  \  erlauf  dieser  Pneumo- 
kokkenseptikamie  kommt  es  zu  einer  als  hÀmatogen  aufzu- 
lassenden Endometritis;  in  den  Lochien  sind  Pneumokokken  in 
leichlicher  Menge  nachzuweisen.  Injektion  von  Antipneumo- 
kokkenserum  bringt  die  BakteriÀmie  zum  Verschwinden,  die  Er- 
scheinungen von  seiten  der  Lungen  gehen  nur  sehr  langsam  zu- 
rĂŒck: die  Differentialdiaguose  zwischen  verzögerter  Lösung  und 
abgekapseltem  Empyem  bleibt  trotz  Röntgenuntersuchung  in  sus- 
penso; die  Endometritis  kommt  zur  Ausheilung;  neunzehn  Tage 
nach  der  Entbindung  geht  die  Patientin  an  einer  Streptokokken- 


sepsis zugrunde    Es  wird  angenommen,  daß  der  durch  die  PBfell 
mokokkeninfektion  geschÀdigte  Respirationstraktus  die  Eingangs- 
pforte fĂŒr  die  hĂ€molytischen  Streptokokken  gebildet  hal. 

Diphthcrit-baziilt-nirÀger.  Ergebni;»e  der  Nai -hunter-uchungeu 
von  scheinbar  negativen  Kulturen.  Untersucht  man  die  Serum- 
röhrchen  nicht  nur  nach  24  stĂŒndiger  BebrĂŒtung.  sondern  auch 
nach  48  Stunden,  so  erhÀlt  man  in  einer  nicht  unbetrÀchtlichen 
Zahl  der  auf  Grund  der  ersten  Untersuchung  als  negativ  bezeich 
neten  FĂ€lle  positive  Resultate.  Diese  Unterschiede  zwischen  den 
ein-  und  zweitĂ€gigen  Kulturen  finden  sich  beinahe  ausschließlich 
bei  BazillentrÀgern.  In  den  Rachenabstrichen  von  Individuen,  die 
an  klinischer  Diphtherie  erkrankt  waren,  wurden  die  positiven  Re- 
sultate fast  immer  nach  24  stĂŒndiger  BebrĂŒtung  festgestellt.  Die 
aus  diesen  Ergebnissen  zu  ziehenden  Konsequenzen  sind  im  Kampf 
gegen  die  Ausbreitung  der  Diphtherie  in  die  Praxis  umzusetzen 

W'olff  Hamburg" 


KONORESSBERICHTE 


46.  Versammlung  der  Deutschen  Gesellschaft  fĂŒr  Chirurgie 
in  i; er  1  in  vom  19.— 22.  April  1922. 

Berichterstatter:  H.  S  t  e  1 1  i  n  e  r  -  Berlin 

Dritter  Sitzungstag. 

W  n  1 1  s  t  e  i  n  -  Essen:  Ueber  Muskelverpflanzung. 

Indikationen  fĂŒr  die  MuskelĂŒberpflanzung  geben  1.  Kinder- 
lÀhmung, zerebrale  wie  spinale.  2.  LÀhmungen  nach  Apoplexie. 
3.  traumatische  VerÀnderungen.  4.  spastische  LÀhmungen,  5.  pro- 
gressive Muskelatrophie,  6.  multiple  Sklerose.  7.  Skoliose,  8.  an 
geborene  FußdeformitĂ€ten  Klumpfuß.  Plattfuß  ,  9.  ischĂ€mische 
Kontrakturen, '  10.  Genu  recurvatum.  LĂ€hmungen  nach  Apoplexie 
hat  Redner  bisher  nicht  operiert.  Die  WirbelsÀulenfÀlle,  welche 
vorgestellt  werden,  sind  noch  frischen  Datums,  so  daß  er  ein 
definitives  Urteil  ĂŒber  sie  nicht  fĂ€llen  will.  Das-  Hauptmaterial 
bilden  die  KinderlÀhmungen,  welche  im  Industriegebiet  zu  Hause 
sind,  und  wo  1909,10  große  Epidemien  herrschten.  Man  darf  die 
MuskelĂŒberpflanzungen  nicht  mechanisch  machen,  sondern  soll 
sich  fĂŒr  jeden  einzelnen  Fall  ĂŒberlegen,  wie  man  vorgehen  will, 
obwohl  es  auch  vorkommen  wird,  daß  man  noch  wĂ€hrend  der 
Operation  den  ursprĂŒnglichen  Plan  Ă€ndern  muß  Im  allgemeinen 
soll  der  Plan  aber  genau  vorher  ĂŒberlegt  sein,  zumal  wenn,  wie 
meist,  mehrere  Operationen  erforderlich  sind,  genau  die  Reihen- 
folge derselben  vorher  bestimmt  sein.  Der  oft  mit  der  zerebralen 
KinderlÀhmung  verbundene  Idiotismus  verdirbt  die  Operations- 
erfolge. Nichtsdestoweniger  wird  man  auch  in  diesen  FĂ€llen  o-l 
aus  sozialen  GrĂŒnden  zur  Operation  schreiten.  Es  werden  zu- 
nÀchst verschiedene  Muskelverpflanzungen  am  Rumpfe  gezeigt 
Ersatz  des  Kukullaris  Trapezius  durch  den  Sternokleido  und 
Levator  scapulae  und  Rhomboideus  major  unter  Fixation  de> 
Schulterblattes  durch  den  Latissimus  dorsi.  Totalskoliose  der 
WirbelsÀule  durch  beiderseitigen  Latissimus  dorsi  unter  Mitver- 
wendung des  Levator  scapulae  oder  Teres  major  und  cucullaris. 
Den  Ersatz  des  Levator  durch  den  Pectoralis  major  nach 
S  a  m  t  e  r  -  Königsberg  hatte  er  nicht  Gelegenheil  auszufĂŒhren. 
Als  Ersatz  fĂŒr  den  gelĂ€hmten- Deltoides  ist  von  Hildebrand 
der  Pektoralis  empfohlen.  Derselbe  ist  aber  bei  KinderlÀhmungen 
meist  auch  betroffen.  Daher  hat  er  fĂŒr  ihn  den  Kukullaris.  oder 
wenn  auch  dieser  nicht  benutzbar,  den  Splenius  capitis  genommen 
Jedenfalls  soll  man.  wenn  irgend  möglich,  die  Arthrodese  ver- 
meiden und  .falls  keine  MuskelĂŒberpflanzung  möglich,  lieber  die 
Tenodese  anwenden.  Die  freie  Muskeltransplaatation  Gluck. 
Hildebrand)  hat  sich  nicht  halten  können.  1901  versuchk- 
man  daher  Muskel  unter  Erhaltung  des  Nerven  zu  verpflanzen, 
aber  auch  dies  genĂŒgte  nicht,  wie  Versuche  von  Hildebrand 
lehrten.  Die  GefĂ€ĂŸe  mĂŒssen  mit  ĂŒberpflanzt  werden.  Es  ist 
nun  die  Frage,  ob  die  den  Nerven  begleitenden  GefĂ€ĂŸe  allein  ge- 
nĂŒgen. FĂŒr  einen  Teil  der  FĂ€lle  scheint  dies  der  Fall  zu  sein. 
So  nahm  er  zum  Ersatz  des  Bizeps  und  Brachialis  internus  die 
sternale  und  abdominale  Partie  des  Pectoralis  major,  ohne  die 
StammgefĂ€ĂŸe  erhalten  zu  können.  Es  folgen  Vorstellungen  von 
einer  großen  Anzahl  von  Kindern,  an  denen  fast  alle  Arm-  omd 
Handmuskeln  durch  Ueberpflanzung  anderer  Muskeln  erfolgreich 
ersetzt  oder  erst  teilweise  ersetzt  sind,  wÀhrend  noch  weitere 
Operationen  in  Aussicht  genommen  sind.  Es  kommt  bei  allen 
Muskelverpflanzungen  darauf  an,  daß  an  der  Ansatzslelle  mög- 
lichst Periost  oder  Knochen  mit  entfernt  wird  und  daß  dem  ĂŒber 
pflanzten  Muskel  die  richtige  Spannung  gegeben  wird     Ein  be 


sonderes  Verfahren  erfordern  die  spastischen  LĂ€hmungen.  Der 
spastische  Muskel  ist  nicht  gelÀhmt.  Bei  ihnen  darf  niemals  eine 
subkutane  Tenotomie  gemacht  werden,  höchstens  eine  Sehnenver- 
lĂ€ngerung. Zum  Ersatz  der  HĂŒftbeuger  hat  S  a  m  t  e  r  den 
Obliquus  externus  genommen,  er  selbst  bediente  sich  des  Rectus 
abdominis.  wÀhrend  er  den  Obliquus  auf  den  Ileopsoas  setzte.  Am 
Knie  hat  er  zum  Ersatz  des  Quadrizeps  den  Sartorius,  Semimem- 
branosus  und  Bizeps  herangezogen,  wÀhrend  Semitendinosus  und 
Graziiis  als  Antagonisten  erhalten  blieben.  Stehen  keine  Muskel 
zur  VerfĂŒgung,  so  ist  die  Tenodese  zu  machen,  welche  am  Knir 
vorne  durch  Anfrischung  der  Patella,  im  mittleren  Teile  durch 
die  Ligamenta  cruciata  und  hinten  durch  die  C-Knorpel,  welche 
durch  ein  Knochenbohrloch  hindurchgefĂŒhrt  werden,  vollendet 
wird.  Bei  pathologischer  Luxation  der  HĂŒfte  hat  er  in  einem 
Littlefall  den  Levator  fasciae  latae  fest  angenÀht.  Bei 
Adduktionskontrakturen  tritt  die  Obturatoriusdurchschneidung 
nach  Selig  in  ihr  Recht.  Zum  Schluß  wendet  er  sich  de: 
Operation  des  angeborenen  oder  erworhenen  Platt-  und  Klump- 
fußes zu.  PlattfĂŒĂŸe  2.  Grades  operiert  er  auch  durch  Muskel- 
ĂŒberpflanzung und  hatte  gute  Erfolge  bei  jungen  MĂ€dchen,  welch«- 
ein  Jahr  nach  der  Operation  ihre  Plattfußeinlage  los  wurden  und 
ohne  Beschwerden  gehen  und  tanzen  konnten.  Ebenso  wird  mit 
100  Proz.  guten  Resultaten  der  Klumpfuß  durch  MuskelĂŒber 
pflanzung  und  Faszien-  und  Sehnendurchschneidung  event.  unter 
Resektion  des  Taluskopfes  zur  Heilung  gebracht.  Wenn  die 
Operationsresultate  bei  den  oberen  ExtremitÀten  noch  derartigt- 
sind,  daß  es  mannigfaltiger  Eingriffe  bedarf,  so  gibt  es  fĂŒr  ihn 
keine  FußdeformitĂ€t,  die  er  nicht  durch  einen  Eingriff  in  einer 
Sitzung  restlos  beseitigen  kann.  Vorstellung  von  Kindern  im 
Alter  von  6 — 18  Monaten  mit  operiertem  Klumpfuß. 

S  a  m  t  e  r  -  Königsberg  betont  ebenfalls  die  Wichtigkeit  der 
Mitnahme  von  Periost  und  Knochen  bei  der  MuskelĂŒberpflanzung 
und  der  Verleihung  einer  gewissen  Spannung  des  Muskels.  Nach 
2  wöchiger  Ruhigstellung  soll  mit  Bewegungen  begonnen  wer- 
den. In  einem  HĂŒftfalle  nahm  er  den  ObĂŒquus  zum  Ersatz  der 
GlutĂ€en  und  den  Reklus  fĂŒr  den  Ieopsoas.  Ferner  berichtet  er 
ĂŒber  einen  Fall,  in  dem  von  H  o  f  f  a  seinerzeit  die  Arthrodese 
gemacht,  dieselbe  im  nÀchsten  Jahre  von  Lorenz  gelöst  und 
von  ihm  spÀter  unter  Korrektur  der  Beinstellung  neuerdings  ge- 
macht werden  mußte. 

Hildebrand  - Berlin  spricht  seine  Genugtuung  ĂŒber  die 
Entwicklung  der  Muskelverpflanzungen  aus.  Er  bestÀtigt  das  Zu- 
grundegehen des  frei  transplantierten  Muskels,  falls  er  nicht  in 
Verbindung  mit  Arterie  und  Vene  bleibt. 

Goeb  eil  -Kiel  erinnert  an  seinen  auf  der  84.  Versammlung 
Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  MĂŒnster  demonstrierten 
Fall  von  gut  gelungener  freier  Muskeltransplantation.  Nach  dem 
Vorgange  von  J  o  r  e  s  und  Schmidt  hatte  er  den  Muskel  vom 
Tage  nach  der  Operation  an  2  mal  tÀglich  faradisiert.  Aber 
immer  wird  dieser  Erfolg  nicht  erreicht,  wie  aus  einem  FĂ€lle 
hervorgeht,  in  welchem  die  Faradisierung  automatisch  alle 
ö  Minuten  erfolgte,  ohne  den  erwĂŒnschten  Erfolg  zu  erzielen.  Er 
glaubt,  daß  man  mit  der  freien  Faszientransplantation  dasselbe 
erreicht. 

Perthes-  TĂŒbingen  tritt  der  von  W"  u  1 1  s  t  e  i  n  aufgestellten 
Reihenfolge  fĂŒr  die  Indikation  der  verschiedenen  in  Betracht 
kommenden    Operationen    bei.    an    erster   Stelle:  MuskelĂŒber 
pflanzung.  an  zweiter  Tenodese,  erst  an  dritter  Arthrodese  Am 
besten  trennt  man  bei  der  Tenodese  die  Sehnen  an  ihrem  Ansatz- 


394  Kongreßberichte  40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


punkte  ab,  sucht  sie  durch  einen  Knochenkanal  zu  fĂŒhren  und  an 
einem  anderen  Punkte  anzuheften.  Bei  Insuffizienz  der  GlutÀal- 
muskeln  mit  Spontanluxation  hat  er  ihren  sehnigen  Anteil  teils  am 
Trochanter  major  verknĂŒpft,  teils  am  oberen  Pfannenrande  an- 
genÀht und  so  gute  Resultate  erzielt. 

Payr-  Leipzig  gibt  als  Beispiel  fĂŒr  die  fĂŒr  den  Muskel  not- 
wendige Erhaltung  des  aiteriellen  Zuflusses  die  Ueberpflanzung 
des  M.  sartorius  im  Gegensatz  zum  Graziiis  und  Semitendinosus. 
Ersterer  kann  ohne  SchĂ€digung  der  GefĂ€ĂŸe  ĂŒberpflanzt  werden. 
Man  sieht  dann  spÀter  den  hypertrophischen  Sartorius,  wÀhrend 
die  anderen  Muskeln  der  Atrophie  anheimfallen.  Mit  Erfolg  hat 
er  auch  zu  GelenkbÀndern  Teile  von  Muskeln  verwendet,  so  mit 
hrfolg  in  5  FĂ€llen  durch  Abspaltung  von  XA — XA  der  Bizepssehne. 

S  c  h  u  1 1  z  e  -  Duisburg:  bezweifelt,  daß  man  beim  Klumpfuß 
allein  mit  Durchschneidungen  und  MuskelĂŒberpflanzungen  aus- 
kommt. Er  hĂ€lt  die  Umpressung  der  Knochen  fĂŒr  erforderlich, 
wie  sie  von  ihm  seit  Jahren  mit  Erfolg  geĂŒbt  wird. 

Wu  II  stein  -  Essen  fordert  auf,  daß  beide  im  nĂ€chsten 
Jahre  ĂŒber  die  Rezidive,  vor  allem  auch  die,  die  der  eine  vom 
anderen  gesehen,  berichten. 

RĂŒbsamen-Dresden:  Behalten  die  bei  der  Harnröhren- 
insul'fizienz  nach  R.  Franz  transplantierten  LevatorbĂŒndel  ihre 
funktionelle  TĂ€tigkeit? 

Von  21  FĂ€llen  wurden  9  nach  F  r  a  n  z  -  Wien  operiert.  Die 
ĂŒberpflanzten  Muskeln  funktionierten  noch  nach  4  Jahren. 

S  c  h  u  b  e  r  t  -  Königsberg:  Die  Entstehung  der  ischÀmischen 
Kontraktur. 

Die  ischÀmische  Kontraktur  kommt  durch  verminderte  Blut- 
zufuhr  zustande,  aber  es  gelingt  nicht,  im  Versuche  durch  Ab- 
sperrung oder  Verminderung  der  Blutzufuhr' eine  solche  herbei- 
zufĂŒhren. Meist  kommt  es  zu  GangrĂ€n.  Es  spielen  also  dabei 
noch  andere  VorgÀnge  mit,  vermutlich  NervenschÀdigung.  Man 
hat  auch  die  VerbĂ€nde  fĂŒr  das  Zustandekommen  derselben  ange- 
schuldigt. Aber  es  gibt  auch  FÀlle  ischÀmischer  Kontraktur,  die 
nie  einen  Verband  getragen  haben.  Dagegen  handelt  es  sich 
meist  um  eine  Mitverletzung  der  Nerven  bei  der  Verletzung.  Durch 
sie  wird  die  genĂŒgende  Ausbildung  des  Kollateralkreislaufes 
verhindert  und  so  das  Auftreten  der  ischÀmischen  Kontraktur 
begĂŒnstigt. 

Meyer- Charlottenburg:  Theorie  der  Muskelatrophie  nach 
experimentellen  Untersuchungen. 

Aus  den  an  Katzen  und  Kaninchen  angestellten  Versuchen, 
welchen  fixierende  VerbÀnde  angelegt  wurden,  um  dann  das  Ge- 
wicht der  Muskel  der  getöteten  Tiere  zu  bestimmen,  ergab  sich 
ein  Zusammenhang  zwischen  Atrophie  und  Muskeltonus.  Er- 
höhter Muskeltonus  macht  Atrophie,  verminderter  Hypertrophie. 
Aus  den  Resultaten  nach  Debnung  der  Muskeln  vor  und  nach 
Durchschneidung  der  hinteren  Wurzeln  ergab  sich  diese  Ab- 
hÀngigkeit von  dem  Muskellonus.  Hierdurch  ist  vermutlich  auch 
die  Atrophie  der  Muskelslrecker  zu  erklÀren. 

Ka  t  z  e  n  s  t  e  in  -  Berlin:  Untersuchungen  ĂŒber  die  ElastizitĂ€t 
von  GelenkbÀndern. 

Die  Versuche  haben  ergeben,  daß  dieselbe  rechts  stĂ€rker,  als 
links,  daß  sie  bei  Kindern  absolut  und  relativ  geringer,  als  bei 
Erwachsenen  ist.  Bei  Habitus  asthenicus  konnte  eine  SchwÀche 
der  Dehnbarkeit  und  ein  Nachlassen  der  ElastizitÀt  festgestellt 
werden,  ebenso  bei  Rachitis,  so  daß  diese  direkt  auch  als  eine 
Erkrankung  der  GelenkbÀnder  aufzufassen  ist.  Schlechte 
ElastizitĂ€t  zeigt  das  Vas  deferens,  so  daß  die  ungenĂŒgenden  Er- 
folge der  Leistenhodenoperation  wohl  hierin  ihren  Grund  haben. 
Schließlich  zeigte  Redner  eine  Anzahl  von  Bildern  von  Plattfuß, 
Genu  valgum  und  varum,  in  denen  Alkoholinjektionen  in  die 
BĂ€nder  eine  Heilung  herbeigefĂŒhrt  hatten. 

Ko  n  j  e  t  z  n  y  -  Kiel:  Die  sog.  lokalisierte  Ostitis  fibrosa. 

Der  BegrifT  der  Ostitis  fibrosa  ist  ein  VerlegenheitsbegrifT,  ei 
umfaßt  einmal  die  Knochenzysten,  zweitens  die  Tumoren  bilden- 
den Formen.  Redner  hat  sich  bereits  1909  fĂŒr  die  traumatische 
Entstehung  ausgesprochen.  Doch  ist  es  nicht  bewiesen,  daß  alle 
Knochenzysten  auf  diesem  Wege  entstehen.  Viel  schwieriger  ist 
die  Abgrenzung  von  den  Sarkomen.  Es  handelt  sich  in  der  Mehr- 
zahl der  FĂ€lle  nicht  um  Sarkome,  sondern  um  eine  besondere  Art 
entzĂŒndlicher  oder  resorptiver  Neubildung  (L  u  b  a  r  s  c  h).  Eben- 
so große  Schwierigkeiten  bereitet  die  klinische  Diagnose.  Auch 
das  Röntgenbild  gestattet  kein  definitives  Urteil.  Das  einzige 
sichere  Mittel  ist  eine  Probeexzision  und  Untersuchung. 

AnschĂ€tz  -  Kiel  berichtet  ĂŒber  26  Beobachtungen  aus  den. 
Jahren  1912  bis  1921.  Es  gibt  aber  viele  leichte  Formen,  die  gar 
nicht  zur  Kenntnis  des  Amtes  kommen.  Von  den  26  FĂ€llen  konnte 
bei  8  ein  grobes  Trauma  nachgewiesen  werden,  bei  11  trat  der 
Unfall  mehr  als  Aczidens  bei  einer  bereits  bestehenden  Ostitis 


fibrosa  auf;  bei  7  FĂ€llen  wurde  jedes  Trauma  abgeleugnet.  Auch 
er  betont  die  Schwierigkeit  der  Abgrenzung  gegen  das  Sarkom. 
Nur  die  große  Probeexzision  kann  AufklĂ€rung  bringen.  Von  den 
26  FĂ€llen  liegen  20  lĂ€nger  als  3  Jahre  zurĂŒck,  18  wurden 
exkochleiert,  5  reseziert,  3  exstirpiert.  Aber  nur  1  mal  ist  bei 
genauer  Epikrise  die  Radikaloperation  indiziert  gewesen. 

L  ub  a  r  s  c  h  -  Berlin  betont,  daß  auch  dem  pathologischen 
Anatomen  die  Abgrenzung  der  entzĂŒndlichen  Tumoren  von  den 
echten  GeschwĂŒlsten  oft  große  Schwierigkeiten  bereite.  Das  Sar- 
kom  zeichnet  sich  durch  mangelhafte  Zell-  und  Gewebsreife  aus. 
Die  FĂ€lle  von  Ostitis  fibrosa  haben  diese  mangelhafte  Zellreife 
nicht.  Wir  sehen  keine  Polymorphie.  Aber-  die  mikroskopische 
Diagnose  bleibt  auch  nur  ein  Hilfsmittel  das  im  Verein  mit  den 
anderen  Untersuehungsmclhoden  zu  verwerten  ist. 

Filke  -Berlin  hebt  den  Anteil  der  endokrinen  DrĂŒsen  bei 
der  Entstehung  der  Ostitis  fibrosa  hervor.  So  wurde  auch  bei 
Organtherapie  Besserung  beobachtet. 

v.  Haberer  -  Innsbruck  bestÀtigt  ebenfalls  die  Schwierig- 
keiten der  Differentialdiagnose  und  die  Unmöglichkeit,  aus  dem 
Röntgenbilde  eine  sichere  Diagnose  stellen  zu  können.  Er  be- 
richtet ĂŒber  einen  Fall  von  Ostitis  fibrosa,  in  welchem  nach  dem 
Exitus  Metastasen  im  Darm  gefunden  wurden.  In  einem  anderen 
Falle  wurden  Lungenmetastasen  festgestellt.  Da  man  zur 
mikroskopischen  Untersuchung  doch  gleich  ein  ziemlich  großes 
StĂŒck  wegnehmen  muß,  ist  es  praktischer,  gleich  den  ganzen  Tu- 
mor zu  entfernen.  Ergibt  dann  die  Untersuchung  ein  Riesen- 
zellensarkom, so  bedarf  es  bei  der  guten  Prognose  derselben  zu- 
nÀchst auch  keines  weiteren  Eingriffes. 

F  1  ö  r  c  k  e  n  -  Frankfurt  a.  M.  berichtet  ĂŒber  ein  familiĂ€res 
Vorkommen  von  Ostitis  fibrosa. 

M  a  r  t  i  n  -  Berlin  berichtet  ĂŒber  2  schwer  zu  deutende  FĂ€lle. 

R  u  m  p  e  1  -  Berlin  betont,  daß  der  Lieblingssitz  der  solitĂ€ren 
Zyste  das  Ende  des  Humerus-  und  der  Femurdiaphyse  sei.  Bei 
anderen  Stellen  besteht  Verdacht  auf  Sarkom.  Ferner  hebt  er 
den  differentialdiagnostischen  Wert  des  Verhaltens  des  Periost.; 
im  Röntgenbilde  hervor. 

M  ĂŒ  1 1  e  r  -  Rostock  betont  die  Wichtigkeit  des  Themas. 
FrĂŒher  seien  viel  zu  viel  FĂ€lle  amputiert  worden.  Die  Diffe- 
rentialdiagnose mĂŒsse  sich  aller  zu  Gebote  stehenden  Methoden 
bedienen.  Er  kann  RĂŒmpel  in  seiner  Bewertung  des  Ver- 
haltens des  Periosts  nicht  ganz  zustimmen. 

Bier -Berlin  erzÀhlt  aus  seiner  Assistentenzeit  von  Es- 
march,  wie  dieser  damals  schon  den  Unterschied  zwischen  gut- 
artiger und  bösartiger  Knochenerkrankung  erkannt  habe.  Viele 
FĂ€lle  kamen  mit  Quecksilber  und  Jodkali  zur  Heilung.  Die 
schaligen  Sarkome  sollten  nicht  mit  Radikaloperation  behandelt 
werden. 

Sauerbruch  - MĂŒnchen  erinnert  an  die  seinerzeit  vorge- 
fĂŒhrten VA  Jahre  in  Symbiose  lebenden  Ratten.  Das  eine  Tier 
Wurde  atrophisch  und  zeigte  die  Zeichen  einer  Ostitis '  fibrosa. 

R  e  h  n  -  Freiburg:   Gefahrlose  LumbalanÀsthesie. 

Die  Ursache,  weshalb  die  LumbalanÀsthesie  nicht  Allgemein- 
gut der  Aerzte  geworden,  liegt  auf  pharmakologischem  Gebiete, 
in  zahlreichen,  mit  W.  Straub  angestellten  Tierversuchen  hat 
sich  der  Methylester  der  MilchsĂ€ure  als  Optimum  fĂŒr  die  Lum- 
balanÀsthesie erwiesen.  Derselbe  zerfÀllt  nach  Einverleibung  in 
MilchsÀure  und  Methylalkohol.  Die  AnÀsthesie  tritt  momentan 
ein  und  ist  nach  einigen  Stunden  vorĂŒber.  MilchsĂ€ure  wird 
durch  den  Harn  ausgeschieden.  Es  tritt  keine  SchÀdigung  der 
Medulla  ein,  das  Mittel  besitzt  keine  KernaffinitÀt.  Man  kann  mit 
der  LumbalanÀsthesie  erheblich  höher  hinaufgehen. 

H.  KĂŒmmel  jun.-Hamburg:  Resorbierbare  Tamponade. 

In  Zusammenarbeit  mit  Katgutfabriken  ist  es  ihm  gelungen, 
aus  tierischen  Membranen  einen  faserigen  Stoff  herzustellen, 
welcher  eine  gut  resorbierbare  Tamponade  darstellt  und  sich  bei 
Bauchoperalionen,  im  besonderen  Gallenblasenoperationen. 
Operationen  im  kleinen  Becken,  bei  Nieren-,  Blasen-  und  Rektum 
Operationen  bewÀhrt  hat. 

Denk -Wien.  Die  Bedeutung  der  Ventrikulographie  fĂŒr  die 
Hirndiagnostik. 

Es  wurden  318  FĂ€lle  untersucht.  Man  soll  die  Methode  nicht 
wahllos  benutzen,  sondern  erst  wenn  alle  anderen  Untersuchungs- 
methoden erschöpft,  ohne  daß  man  zum  gewĂŒnschten  Resultate 
gekommen.  Die  Methode  ist  an  und  fĂŒr  sich  ungefĂ€hrlich.  Man 
cirllcert  etwas  Liquor  und  ersetzt  die  entleerte  FlĂŒssigkeit  durch 
Sauerstoff,  je  nachdem  durch  Lumbal-  oder  Ventrikelpunktion, 
der  er  den  Vorzug  gibt.  Es  traten  2  TodesfÀlle  bei  inoperablen 
Gehirntumoren  ein,  die  aber  nicht  dem  Verfahren  zur  Last  fallen, 
da  sie  unmittelbar  nach  der  Punktion  noch  vor  Sauerstoffein- 
blasen eintraten.  Große  Erfahrung  gehört  zum  Lesen  der  Rönt- 
genbilder.   Die  Methode  gibt  uns  Auskunft  ĂŒber  Sitz  des  Tumors 


10.  Jahrg.  — Niv 20/21. 


K  o  n  g  r  c  15  lt  c  r  l  C  h  t «' 


und  eventuell  ĂŒber  seine  OperabilitĂ€t.  Audi  EĂŒr  die  kausale 
Therapie  des  Hydrozephalus  leistet  sie  gute  Dienste. 

W  r  e  d  e  -  Braunschweig  verfĂŒgt  ĂŒber  21X)  Beobachtungen.  Er 
gehl  nicht  von  der  SchÀdelkapsel,  sondern  vom  Lumbaisacke  aus. 
Auch  er  hatte  2  TodesfÀlle  zu  verzeichnen,  welche  ebenfalls  un- 
mittelbar nach  der  Punktion  eintraten,  in  beiden  FĂ€llen  halle  er 
sich  der  Hirnpunktion  bedient.  Das  Verfahren  darf  nicht  bei 
Alkoholikern  angewendet  werden,  sonst  ist  es  Lm  Allgemeinen 
ungefĂ€hrlich.  Im  Gewöhnlichen  werden  100 — 150  cem  Sauerstoff 
eingeblasen,  mitunter  auch  mehr,  meist  nach  Darreichung  von 
Skopolainin-Morphium.  Allerdings  treten  leichte  Nacherscheinun- 
gen, in  Form,  von  Kopfschmerzen,  SchwindelanfÀllen,  Uebelkeiten 
und  Erbrechen  auf,  welche  bis  8  Tage  anhalten  können.  Bei 
I  Kindern  traten  di rekle  Reizerscheinungen  der  Meningen  auf, 
‱1  mal  wurde  Kollaps  beobachtet,  der  aber  glatt  vorĂŒberging. 
Ferner  wurden  Pulsverlangsamungen  und  Pulsbeschleunigungen 
beobachtet.  Auch  zerebrales  Fieber  trat  auf  (keine  Infektion). 
Keine  dauernden  SchÀdigungen.  Am  besten  wurde  die  Unter- 
suchung von  Paralytikern  und  Apopleklikern  vertragen.  Die 
Methode  hilft  bei  der  Diagnose,  besonders  der  Lokalisierung  der 
Tumoren  (vordere  oder  hintere  SchÀdelgrube,  rechts  oder  links). 
Sie  stellt  fest,  ob  es  sich  um  einen  kommunizierenden  Hydroze- 
phalus handelt  oder  nicht.  Auch  zur  Diagnose  von  RĂŒckenmarks- 
lumoren,  besonders  Höhendiagnose,  ist  sie  verwendbar. 

JĂŒngling- TĂŒbingen  tritt  im  Gegensatz  zu  Wrede  fĂŒr  die 
Ventrikelpunktion  ein  und  hÀlt  sie  der  lumbalen  Methode  gegen- 
ĂŒber fĂŒr  ĂŒberlegen.  Wenn  man  vorsichtig  ist  und  immer  nur  so- 
viel Sauerstoff  einblÀst,  als  Liquor  abgelassen,  treten  keine  Ne- 
benwirkungen auf.  Es  ist  nicht  ganz  leicht  die  Nadel  im  Ventrikel 
zu  lassen.  Er  hat  daher  eine  Stenzmasse  benutzt,  um  dieselbe  zu 
fixieren. 

H  i  1  d  e  b  r  a  n  d  -  Berlin  warnt  vor  einem  zu  sorglosen  Vor- 
gehen bei  Eingriffen  am  Gehirn,  besonders  solchen,  die  mit 
Druckschwankungen  verbunden  sind. 

Denk-  Wien  betont  noch  einmal  die  Ueberlegenheit  der 
Ventrikelpunktion.  Nebenerscheinungen  hat  er  nur  bei  der  lum- 
balen Methode  beobachtet.  Druckschwankungen  können  völlig 
vermieden  wrerden,  wenn  man  nur  wenig  Liquor  auf  einmal  ab- 
lĂ€ĂŸt und  diesen  sogleich  durch  die  gleiche  Menge  Sauerstoff 
ersetzt. 

Budde-Wien:  lieber  prÀmature  Synostose. 

B.  stellt  einige  FĂ€lle  von  vorzeitigem  Verschwinden  der 
Wachstumsfuge  im  Röntgenbilde  vor,  Àhnlich  den  von  G  u  1  e  c  k  e 
1907  beschriebenen  FĂ€llen.  Es  handelt  sich  bei  diesen  FĂ€llen 
weder  um  einen  traumatischen  Ursprung  noch  um  Rachitis,  viel- 
leicht um  eine  Form  von  fötaler  Chondrodystrophie. 

K  À  s  t  n  e  r  -  Leipzig:  Erfahrungen  mit  dem  Balkenstich  an 
der  Leipziger  chirurgischen  Klinik. 

Es  wurde  der  Balkenstich  120  mal  ausgefĂŒhrt.  Bei  angebo- 
renem und  erworbenem  Hydrozephalus  wurde  eine  lÀnger  an- 
haltende Besserung  als  bei  bloßer  Hirnpunktion  erzielt.  Die 
Besserung  bei  den  zur  Entlastung  des  Hirndrucks  vorgenommenen 
Eingriffen  hielt  in  einem  Falle  3  Jahre  an.  UngĂŒnstig  wirkt  er 
bei  Geschwulstbildung  im  3.  Ventrikel  und  im  Kleinhirn.  Bei 
genuiner  Epilepsie  wurde  einige 'Male  Befreiung  von  den  Krampf- 
anfĂ€llen fĂŒr  3  Jahre  beobachtet.  Die  Gefahren  sind  gering.  Eine 
Infektion  trat  in  keinem  Falle  auf,  die  Vorfallgefahr  ist  sehr 
gering,  ebenso  die  Gefahr  der  Verletzung  wichtiger  Zentren,  eine 
Liquorfistel  wurde  nicht  beobachtet,  5  primÀre  TodesfÀlle  sind 
zu  verzeichnen.  Die  KanĂŒle  ist  auf  die  Mitte  des  Jochbogens  der 
gegenĂŒberliegenden  Seite  zu  richten. 

Payr-  Leipzig  berichtet  ĂŒber  einen  Fall  von  schwerer 
Blutung  aus  dem  Ventrikel,  die  er  dadurch  zum  Stehen  brachte, 
daß  er  einen  Muskel  exstirpierte  und  den  zerquetschten  Muskel- 
brei als  Tamponade  verwendete. 

E  s  s  e  r  -  Berlin:  Neue  Prinzipien  bei  chirurgischer  Plastik. 

Vorstellung  einiger  FĂ€lle,  in  welchen  die  BrĂŒcke  nur  in  der 
Arterie  und  Vene  bestand  und  es  möglich  war,  den  Lappen  um 
180°  zu  drehen. 

L  e  x  e  r  -  Freiburg  bestreitet  die  Vorteile  der  Methode  und 
zeigt  eine  gelungene  Plastik  nach  Gesichtsschußverletzung, 

S  p  ec  h  t  -  Gießen:  Weitere  Untersuchungen  ĂŒber  den  Einfluß 
endokriner  DrĂŒsen  auf  die  KrampffĂ€higkeit  und  ihre  chirurgische 
Bedeutung. 

Die  Tierversuche  am  Meerschweinchen  mit  Nebenniere,  Hoden 
und  SchilddrĂŒse  ergaben  keine  Unterlage  fĂŒr  eine  krampfstillende 
Wirkung  dieser  Organe. 

KĂŒttner  -  Breslau  sah  ebenfalls  bei  Epilepsie  keine  Beein- 
flussung der  KrampfanfÀlle  nach  Exstirpation  der  einen  Neben- 
niere und  Entfernung  der  HĂ€lfte  der  anderen  Seite. 

v.  Eiseisberg  - Wien  versuchte  ebenfalls  die  Exstirpation 


der  Nebenniere,  ohne  einen  Einfluß  auf  die  Epilepsie,  konstatieren 
zu  können;  dagegen  trat  ein  deutlicher  Addison  auf,  der  allerdings 
dann  wieder  verschwand.  Der  Fall  warnt  aber  vor  der  Exslir 
pation  beider  Nebennieren. 

KĂŒmm eil -Hamburg  bal  die  einseitige  Exstirpation  ĂŒi 
II  FĂ€llen  von  Epilepsie  gemacht  und  nur  in  einem  Falle  einen  Er 
folg  gesehen,  wÀhrend  die  anderen  10  völlig  erfolglos  waren. 

v.  H  a  b  e  r  e  r  -  Innsbruck  hat  die  gleichen  Erfahrungen  ge- 
macht,  in  einem  Falle  auch  Addison  erzielt. 

Vierter  Sitzungstag. 

G.  v.  Bergmann -Frankfurt  a.  \i  Das  Schmerzproblem 
der  Eingeweide. 

Es  handelt  sich  um  ein  sehr  kompliziertes  Problem.  Man  muH 
sich  von  der  Vorstellung  frei  machen,  daß  nur  die  zerebrospinalen 
Nerven  den  Schmerz  ĂŒbermitteln  können.  Ausgedehnte,  sehr  um- 
fangreiche Versuche  zur  Feststellung  von  hyper Àsthetischen  und 
hyperalgetischen  Zonen,  besonders  WĂ€rme  gegenĂŒber  haben 
Hedner  ganz  bestimmte  Zonen,  Àhnlich  den  II  e  ad  sehen  Zonen, 
feststellen  lassen,  deren  ErklĂ€rung  darin  zu  suchen  ist,  daß  das 
vegetative  Nervensystem,  sowohl  Sympathikus  wie  Vagus,  einen 
Reiz  auf  das  RĂŒckenmark  ausĂŒbt  (zentripetal),  der  dann  von  den 
zerebrospinalen  Nerven  nach  diesen  ganz  bestimmten,  durch 
Tafeln  fĂŒr  die  einzelnen  Regionen  erlĂ€uterten  Partien  weiter  - 
geleitet  wird  und  hier  Schmerzen  hervorruft.  Und  ebenso,  wie.es 
einen  viszerosensiblen  Reflex  gibt,  existiert  auch  ein  viszero- 
motorischer,  der  z.  B.  in  der  Defense  musculaire  zum  Ausdruck 
kommt,  die  sonst  schwer  zu  erklÀren  ist.  Durch  zahlreiche  Bei- 
spiele aus  der  klinischen  Beobachtung' werden  die  AusfĂŒhrungen 
bestÀtigt. 

Auch  B  r  ĂŒ  n  i  n  g  -  Berlin  ist  der  Ansicht,  daß  die  alle 
Wilms-Lenander  sehe  Theorie  der  SchmerzerklĂ€rung  fĂŒr 
die  Eingeweide  nicht  aufrechterhalten  werden  kann.  Er  hat  die 
KÀppis  sehen  Tierversuche  durch  VerÀnderung  der  Schnitt- 
fĂŒhrung in  vielleicht  noch  strengerer  Weise  nachgeprĂŒft.  Durch 
aktiven  Reiz  wurde  HyperÀmie'  nur  in  sensibel  versorgten  Ge- 
bieten hervorgerufen.  Die  Darmschleimhaut  wird  auch  sicher 
sensibel  versorgt.  Aber  die  Schmerzempfindung  der  inneren  Or- 
gane ist  eine  andere,  als  die  der  Ă€ußeren  Haut. 

K  a  p  p  i  s  -  Kiel  erinnert  an  seine  experimentellen  Unter- 
suchungen, nach  denen  die  Mesenterien,  das  kleine  Netz,  der  An- 
satz des  großen  Netzes  am  Magen  usw.  sensible  Nerven  enthalten. 
Durch  die  Kontraktionen  der  Magen-  bzw.  Darmwand  werden  die 
Kolikschmerzen  hervorgerufen.  Es  besteht  kein  so  großer  Unter- 
schied zwischen  seiner  Auffassung  und  der  v.  Bergmanns. 
Die  Schmerzen  bei  Angina  pectoris  kann  man  durch  Resektion 
des  Sympathikus  am  Halse  bzw.  AnÀsthesierung  desselben  aus 
schalten. 

Finster  er -'Wien  macht  darauf  aufmerksam^  daß  bei 
Bauchoperationen  bei  ungenĂŒgender  AnĂ€sthesierung  ein  sich  ein- 
stellender Pyloruskrampf  Ursache  heftiger  Kolikschmerzen  sein 
kann. 

O  e  h  1  e  c  k  e  r  -  Hamburg  weist  auf  das  Fernsymptom  des 
Phrenikusschmerzes  (Epaulellenschmerz)  hin.  Der  Phrenikus 
versorgt  auch  einzelne  Teile  unterhalb  des  Zwerchfells,  so  dessen 
untere  Partie  und  die  Nebennierengegend.  In  seiner  Begleitung 
laufen  sympathische  Fasern,  die  den  Schmerz  milĂŒbermitteln. 

KĂŒmmell  -  Hamburg  legt  dem  lokalen  Druckschmerz,  be- 
sonders bei  der  Erkennung  der  Appendizitis  und  Cholezystitis 
einen  großen  Wert  bei. 

Körte-Berlin  betont  demgegenĂŒber,  daß  der  Druckschmerz 
keinen  Hinweis  darauf  zu  geben  vermag,,  welches  Organ  in  der 
Bauchhöhle  erkrankt  sei,  sondern  nur,  daß  ein  krankhafter  Pro- 
zeß vorliege. 

Block- Berlin  weist  auf  seine  Untersuchung  ĂŒber  Lokali- 
sierung des  Ulcus  venlriculi  und  Ulcus  duodeni  mit  Hilfe  der 
Blutamylasebestimmung  hin,  welche  vermutlich  ‱  auch  auf  einer 
Reflexwirkung  beruht. 

K  ĂŒ  m  m  e  1 1  -  Hamburg  betont,  daß  er  die  Druckempfindlich- 
keit des  Leibes  natĂŒrlich  nur  als  ein  diagnostisches  Hilfsmittel, 
das  sich  zu  anderen  Symptomen  gesellt,  benutzt. 

v.  Bergman  n  betont  in  seinem  Schlußwort,  daß  doch  noch 
eine  gegensÀtzliche  Anschauung  zwischen  Chirurgen  und  ihm 
vorhanden  sei,  besonders  in  der  Auffassung  des  Anteils  des  vege- 
tativen Nervensystems  an  der  SchmerzĂŒbermittelung. 

F  1  ö  r  c  k  e  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Welche  praktischen  Erfolge 
zeitigt  die  Exstirpation  bei  Hyperfunktion  der  Nebenniere  selbst 
oder  von  deren  zentral  ĂŒbergeordneten  Zentren?  . 

Redner  w^eist  auf  die  Gefahren  der  Nebennierenexstirpalion 
hin.  Er  berichtet  ferner  ĂŒber  Versuche  mit  Röntgenbestrahlung. 
Die  Exstirpation  zeigte,  daß  durch  die  Röntgenbestrahlung  die 
Nebennierenrinde  völlig  reduziert  war,  dagegen  das  Mark  abso 


396 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20  21 


lut  nicht  gelitten  hatte.  Die  ehromaffine  Substanz  war  also  gar 
nicht  beeintrÀchtigt. 

P  f  e  i  f  f  e  r  -  Frankfurt  a.  M.  weist  auf  die  starke  Empfind- 
lichkeit der  Nebennieren  hin.  Es  kann  bei  Bestrahlung  von  Nach- 
barorganen Addison  entstehen.  Man  soll  sich  also  die  sorgfÀltige 
Abdeckung  der  Nebennieren  bei  Bestrahlung  von  karzinomatösen 
Lebermetastasen  und  Magenkarzinom  zur  Begel  machen  und  den 
Sirahlenkegel  möglichst  so  leiten,  daß  die  Nebenniere  nicht  ge- 
troffen wird. 

0  e  hl  eck  er -Hamburg:  Zur  Trepanation  des  TĂŒrkensattels. 

Die  Chirurgie  des  TĂŒrkensattels  stellt  ein  Grenzgebiet  zwi- 
schen Chirurgie  und  Rhinologie  dar.  0.  empfiehlt  ein  transeth- 
moidales  Vorgehen.  Auf  diese  W  eise  gelingt  es  gut,  die  Orbila 
freizulegen  durch  Beiseiteschiebung  des  Augapfels.  Das  Ver- 
fahren hat  sich  in  6  FÀllen  sehr  bewÀhrt.  Auch  die  Narbenent- 
stellung ist  eine  sehr  geringe.  Zur  Diagnosenstellung  ist  das 
Röntgenbild  von  höchster  Wichtigkeit.  Dasselbe  muß  in  den  ver- 
schiedensten Richtungen  aufgenommen  werden,  um  eine  klare 
Auffassung  von  der  Gegend  der  Sella  turcica  zu  gewÀhren. 

KrĂŒger  ist  auf  demselben  Wege  vorgegangen  und  stellt  fest, 
daß  derselbe  technisch  einfach  ist.  Es  handelte  sich  bei  ihm  um 
Freilegung  des  Sinus  cavernosus  wegen  Thrombophlebitis  bei 
Lippenfurunkel,  leider  erfolglos. 

C  o  e  n  e  n-  Breslau:  Die  Genese  des  Basalfibroid. 

Der  Nasenrachenpolyp  gehört  zu  den  von  der  SchÀdelbasis 
ausgehenden  Skelettumoren.  Er  wÀchst  solange,  als  das  Skelett 
wÀchst.  Mit  Aufhören  des  Skelettwachslums,  also  ungefÀhr  im 
20.  Lebensjahre,  verschwindet  es  -spontan.  Vor  dem  2u.  Lebens- 
jahre soll  man  also  keine  Radikaloperation  vornehmen.  Jedoch 
kommen  UebergÀnge  zu  Fibro-  und  Chondrosarkomen  vor. 

H  e  1 1  w  i  g  -  Frankfurt  a.  M.:  ViskositÀt  und  Eiweifigehalt  des 
Serums  bei  Thyreosen. 

Die  Frage,  ob  Thyreoidismus  und  Morbus  Basedow  dasselbe 
sind,  ist  bisher  nicht  gelöst  worden.  H.  hat  zu  diesem  Zwecke  die 
ViskositÀt  des  Blutes  untersucht.  Die  Untersuchungen  wurden  in 
-11  FĂ€llen  vor  und  nach  der  Kropfoperation  ausgefĂŒhrt.  Es  er- 
gab sich,  daß,  wenn  man  die  normale  ViskositĂ€t  gleich  1  setzt, 
dieselbe  bei  Hypothyreose  gleich  1,8,  bei  Hyperthyreosen  gleich 
0,8 — 0,95  war.  Je  tiefer  die  ViskositĂ€t  .vor  der  Operation  war. 
desto  schneller  ging  sie  nach  derselben  in  die  Höhe. 

E  r  k  e  s  -  Reihenberg:     Zur    Kenntnis    der  Riedeischen 
eisenharten  Struma. 

Es  handelt  sich  um  einen  EntzĂŒndungsprozeß  der  SchilddrĂŒse 
und  ihrer  Umgebung  aus  unbekannter  Ursache.  Redner  hat  einen 
solchen  Fall  im  Anschluß  an  Grippe  beobachtet.  Die  knochen- 
harte, derbe  Infiltration,  welche  den  Kehlkopf  eng  umschnĂŒrte, 
machte  die  sofortige  Tracheotomie  notwendig.  Dieselbe  war  sehr 
schwierig,  eine  Orientierung  kaum  möglich.  In  dem  Falle  lag " 
noch  eine  zweite  Stenose  etwas  mehr  nach  unten  vor.  Man  mußte 
sich  bei  der  Operation  dicht  an  den  Larynx  halten.  Daß  es  sich 
tatsĂ€chlich  um  einen  entzĂŒndlichen  Prozeß  handelt,  dafĂŒr  spricht 
der  Zusammenhang  mit  der  ĂŒberstandenen  Grippe.  Man  soll  in 
diesen  FĂ€llen  nicht  zu  frĂŒh  operativ  eingreifen,  da  sie  sich 
spontan  zurĂŒckbilden  können. 

II  i  1  d  e  b  r  a  n  d  -  Berlin  betont,  daß  es  oft  schwierig  ist/diese 
entzĂŒndlichen  Tumoren  von  den  Sarkomen  zu  unterscheiden. 

R  e  h  n  -  Frankfurt  a.  M.  verfĂŒgt  ebenfalls  ĂŒber  einen  solchen 
Fall  von  dem  Aussehen  der  Riedel  sehen  Struma,  in  welchem  es 
sich  um  Sarkom  handelte. 

v.  H  a  b  e  r  e  r  -  Innsbruck  glaubte  umgekehrt  in  einem  Falle 
ein  SchilddrĂŒsenkarzinom  vor  sich  zu  haben,  wĂ€hrend  es  sich 
um  eine  entzĂŒndliche  Struma  nach  Art  der  Riedeischen 
handelte. 

Streis sie r f Graz:  Zur  Technik  der  Strumektomie. 

Die  Resultate  der  einseitigen  Strumektomie  haben  nicht  be- 
friedigt, es  soll  daher  zweiseitig  operiert  werden.  Die  Kasuistik 
ist  aber  nicht  zufriedenstellend  {Y<  Proz.  Tetanie,  viele  Rekurrens- 
störungen).  Er  empfiehlt  daher  zunÀchst  den  Mittellappen  vor- 
zunehmen, den  Isthmus  zu  spalten,  wobei  die  Kapsel  zur  Frei- 
legung  der  Trachea  gespalten  werden  muß,  und  von  der  Mitte 
:.us  die  beiden  seitlichen  Lappen  zu  resezieren  und  dann  die 
Kapsel  mit  dem  Strumarest  zu  vernÀhen.  Man  kollidiert  auf  diese 
WCise  weder  mit  den  Epithelkörperchen,  noch  mit  dem  Nervus 
recurrens.  Nachblutungen  traten  nicht  ein.  WĂ€hrend  der 
Operation  war  die  Blutung  eine  mĂ€"ßige,  besonders  bei  vorheriger 
l'mslechung  der  Thyreoidea  superior. 

P  e  1  s  -  L  e  u  s  d  e  n  -  Greifswald  hat  dieses  Vorgehen  unter  be- 
sonderen VerhÀltnissen  empfohlen,  möchte  es  aber  nicht  als  das 
regulÀre  betrachten. 

C  o  e  n  e  n  -  Breslau  fĂŒrchtet  gerade,  daß  man  bei  dem  be- 
schriebenen Operieren  leichter  mit  dem  Rekurrens  in  Konflikt 
gerĂ€t,  als  bei  der  ĂŒblichen  Methode.    Er  erwĂ€hnt,  daß  er  in  den 


letzten  2y2  Jahren  bei  Strumektomie  ohne  Sch  ulen  die  Drainage 
fortgelassen  hat. 

R  o  s  t  -  Heidelberg  erwÀhnt  in  beziig  auf  die  Narkose  hei 
Strumektomie,  daß  nach  seinen  mit  Ellinger  gemeinsam  an- 
gestellten Versuchen  sich  bei  lÀnger  dauernder'  Aelher-  oder 
Chloroformnarkose  das  OxyhÀmoglobin  in  MethÀmoglobiu  um- 
wandele, was  auch  nicht  durch  SauerstofTzufuhr  verhindert  werde. 
Dies  erklÀre  viele  SchÀdigungen. 

K  ö  n  i  g  -  WĂŒrzburg  tritt  ebenfalls  fĂŒr  die  doppelseitige 
Strumektomie  ein.  Das  Fortlassen  des  Drains  hĂ€lt  er  fĂŒr  einen 
Sport.  Er  tritt  fĂŒr  ein  Operieren  in  Narkose,  besonders  bei  Ba- 
sedow ein. 

M  e  i  s  e  1  -  Konstanz  unterbindet  seit  1911  die  Arterien  und 
operiert  dadurch  unblutig.  Er  wendet  sich  geg?n  die  Injektions- 
therapie der  Strumen,  welche  die  spÀtere  Operation  sehr  er- 
schweren. 

Kir  sehn  er -Königsberg  halt  das  S  t  r  e  i  s  s  1  e  r  sehe  Ver- 
fahren fĂŒr  unserem  gewohnten  chirurgischen  Vorgehen  wider- 
sprechend. Auch  könne  man  dabei  retrosternale  Kröpfe  ĂŒber- 
sehen. 

L  Ă€  w  e  n  -  Marburg  tritt  fĂŒr  eine  Verbindung  der  Lokalan- 
Ă€sthesie mit  der  Allgemeinnarkose,  bei  Kropfoperationen  ein. 

Kau  s  c  h  -  Berlin  erinnert,  daß  die  zweiseitige  Strumektomie 
schon  vor  12  Jahren  empfohlen  sei.  Die  Unterbindung  der  Arteria 
thyreoidea  inferior  ist  zu  vermeiden.   Er  empfiehlt  die  Operation 
nach  reichlichen  Skopolamingaben  in  Aether-  (nicht  Chloroform 
Narkose  vorzunehmen. 

P  f  a  n  n  e  r  -  Innsbruck  macht!  auf  einen  Nachteil  der  von 
Streissler  empfohlenen  Methode  aufmerksam,  d.  i.  die  Frei- 
prÀparierung  der  Trachea,  welche  dadurch  spÀter  verwÀchst.  Die] 
Kranken  behalten  dadurch  trotz  Strumektomie  ihre  Atembe- 
schwerden. Um  dies  zu  vermeiden,  muß  die  Trachea  bedeckt 
bleiben. 

v.  H  a  b  e  r  e  r  -  Innsbruck :  Operation  zweier  intratrachealer 
Tumoren. 

Beide  Male  handelte  es  sich  um  Frauen,  bei  denen  die  Operation« 
wegen  hochgradiger  Erstickungsgefahr  dringend  war.     In  dem 
einen  Falle  handelte  es  sich  um  ein  Fibroadenom,  das  von  der1 
Schleimhaut  ausging,  im  zweiten  Falle  um  eine  intratracheale 
Struma,  welche  bei  sorgsamster  Untersuchung  keinen  Zusammen- 
hang mit  der  außerhalb  liegenden  Struma  erkennen  ließ. 

König -WĂŒrzburg:  Zur  Operation  des  Oesophagusdivertikil. 

Es  konkurrieren    heute    das    Goldma  mische    und  da* 
Koch  er  sehe  Verfahren.     Redner  schlÀgt  einen  anderen  Weg 
vor.    Nach  Freilegung  hat  er  das  Divertikel  nach  oben  unter  den . 
Omohyoideus  gezogen,  es  an  diesem  fixiert.  Eine  weitere  Fixation,; 
findet  am  Zungenbein  statt.     In  2  FĂ€llen  erzielte  er  auf  diese] 
WTeise  einen  glĂ€nzenden  Erfolg  und  glaubt  sie  gegenĂŒber  den 
Nachteilen  der  bisher  angewandten  Operalionsmethoden  empfeh- 
len zu  können. 

S  c  h  1  o  f  f  e  r  -  Prag  hat  4  Divertikel  operiert,  3  einzeitig, 
]  zweizeitig.  Das  einzeitige  Verfahren  ist  vorzuziehen,  kann  aber 
nicht  immer  angewandt  werden.  Zur  Vermeidung  von  Rezidiven 
kommt  es  auf  genaue  Freilegung  des  Stiels  an.  Am  besten  hat 
sich  ihm  die  K  u  1  e  n  k  a  m  p  f  f  sehe  Methode  bewÀhrt.  Bei  zwei 
zeiligem  Vorgehen  soll  man  die  zweite  Operation  nach  5—7  Tagen 
ausfĂŒhren. 

v.  Haber  er- Innsbruck  berichtet  ĂŒber  einen  Fall  von  Ma- 
genblutung.  welche  durch  eine  Verbindung  eines  großen  retroster- 
nalen Kropfes  mit  einem  Oesophagusdivertikel  verursacht  war. 

F  i  n  s  t  e  r  e  r  -  Wien  weist  auf  die  Gefahr  der  Unsicherheit 
der  Naht  hin  und  empfiehlt  eine  Lappenbildung  mit  Muskelver- 
doppelung. 

v.  H  o  f  m  ei  s  t  e  r  -  Stuttgart  hat  9  Divertikel  einzeitig 
operiert  und  empfindet  kein  BedĂŒrfnis  nach  neuen  Methoden.  Er 
halle  einen  Todesfall,  in  5  FĂ€llen  gleichzeitig  eine  retrosternale 
Struma  entfernt.  Die  Hauptsache  ist  die  Sicherheit  der  Naht.  Der 
freigelegte  Sliel  wird  zwischen  2  Klemmen  durchtrennt  und  dop- 
pelt ĂŒbernĂ€ht. 

E  r  k  e  s  -  Reichenberg  hat  eine  Stenose  unterhalb  des  Diver- 
tikels beobachtet. 

Lengemann  -  Bremen  erinnert  an  das  Verfahren  der  Ein- 
stĂŒlpung des  Divertikels  nach  innen. 

P  e  r  t  h  e  s  -  TĂŒbingen  hat  die  gleichen  Erfahrungen  wie 
v.  PI  o  f  meist  er  gemacht.  Die  Hauptsache  ist  die  gute  Versor- 
gung des  Stumpfes. 

König  hebt  in  seinem  Schlußworte  noch  einmal  hervor,  daß 
die  Fistelbildung  und  Rezidivgefahr  durch  sein  Verfahren  ver- 
mieden wird. 

Kurtzahn -Königsberg:     Zur     Radiumbestrahlung  des 
Oesophaguskarzinoms. 

Anlegung  einer  Magenfistel.  Schlucken  eines  Seidenfadens  mit 


40.  Jahrg. —  Nr.  20/21. 


Kongreßberichte 


Schrolkugeln.  mil  «Irin  es  in  87  Proz.  der  FÀlle,  in  welchen  eine 
Sondierung  nicht  gelang,  in  den  Magen  zu  kommen  glĂŒckte,  Ein- 
fĂŒhrung durch  den  Seidenfaden  einer  das  Radium  hallenden  Kap 
sei.  deren  richtiger  Sitz  durch  das  Röntgenbild  zu  kontrollieren 
ist.  7  Kranke  wurden  bis  10  Monate  bestrahlt,  1  sind  wieder  voll 
arbeitsfÀhig,  einer  hat  14  Pfund  zugenommen.  SÀmtliche  können 
wiedei'  gut  schlucken. 

KĂ€ppis- Kiel  hat  ebenfalls  gute  Resultate  mit  der  Radium- 
bcstrahlung  bei  Oesophaguskarzinom  erzielt.  In  einem  Falle,  in 
welchem  die  Natur  der  Erkrankung  durch  mikroskopische  Unter- 
suchung eines  mit  Oesophagoskop  entnommenen  StĂŒckes  festge- 
stellt ist,  erzielte  er  eine  ĂŒber  2lA  Jahre  andauernde  Heilung. 

FrĂŒnd-Bonn:  Die  operative  Behandlung  der  Osteochon- 
dritis iuvenilis. 

Die  Prognose  der  Perthes  sehen  Krankheit  ist  nicht  so  gĂŒn- 
stig, wie  sie  von  Perthes  hingestellt  ist.  Es  bleibt  oft  eine 
Schmerzhaftigkeit  und  BeschrĂ€nkung  der  Beweglichkeit  zurĂŒck. 
In  solchen  FĂ€llen  ist  die  Herstellung  eines  guten  Kopfes  indiziert. 
Zu  diesem  Zwecke  bedienten  sie  sich  des  von  Axhausen  be- 
schriebenen Verfahrens,  Freilegung  des  HĂŒftgelenkes  mit  Ab- 
meißelung  des  Trochanter  major,  Exstirpation  der  Gelenkkapsel, 
Neuformung  des  deformierten  Kopfes,  dann  Annagelung  des 
Trochanter  und  zwar  bei  Vorhandensein  des  Trendelen- 
burg sehen  PhÀnomens  etwa  2  cm  tiefer.  Die  Operation  wurde 
bei  3  Kranken  mit  gutem  Erfolge  ausgefĂŒhrt  (VorfĂŒhrung  der- 
selben). Sie  darf  erst  nach  abgeschlossenem  Wachstum  unternom- 
men werden. 

Hildebrand  -  Berlin  betont,  daß  die  Operation  vor  10 
Jahren  zuerst  von  ihm  ausgefĂŒhrt  und  von  Axhausen  beschrie- 
ben ist.  Er  hat  sie  etwa  25mal  gemacht,  einmal  auch  doppel- 
seitig. 

Brandes-  Kiel  betont,  daß  es  sich  eigentlich  nicht  um  eine  Be- 
handlung der  Osteochondritis,  sondern  ihrer  FolgezustÀnde  han- 
delt. WĂ€hrend  der  Erkrankung  selbst  soll  man  sehr  konservativ 
sein.  Die  Prognose  ist  im  allgemeinen  doch  als  gut  zu  bezeich- 
nen. 10  FĂ€lle  wurden  7  Jahre  hindurch  beobachtet  und  hielten  sich 
gut.  Richtige  Stellung  und  gute  Nachbehandlung  seien  von 
großer  Wichtigkeit. 

Perthes  - TĂŒbingen  hĂ€lt  die  Prognose  des  Leidens  doch 
fĂŒr  gĂŒnstig.  Von  18  FĂ€llen  sei  die  HĂ€lfte  mit  guter  Funktion  aus- 
geheilt. Er  fragt  nach  dem  operativen  Knorpelbefund  bei  FrĂŒn  d. 

Lengemann  -  Bremen  empfiehlt  die  vorgefĂŒhrte  Operation 
bei  echter  Arthritis  deformans. 

Axhausen  -  Berlin  betont  gegenĂŒber  der  Frage  von  Per- 
thes, daß  man  von  den  anfĂ€nglichen  ErnĂ€hrungsstörungen  in 
spÀteren  Zeiten  an  dem  Knorpel  sowohl  bei  der  Perthes  sehen 
Krankheil  wie  bei  der  Arthritis  deformans  nichts  mehr  nach- 
weisen kann. 

FrĂŒnd-Bonn:  Schlußwort. 

Lotsen-  Berlin :   Ueber  Cranio-cleido-dysostosis  congenita. 

Er  zeigt  eine  Kranke,  welche  ĂŒber  dauerndes  GefĂŒhl  des  Ein- 
geschlafenseins im  rechten  Arm  klagte,  Àhnlich,  wie  es  sich  bei 
Halsrippen  findet.  Die  Untersuchung  ergab  ein  Fehlen  des  dista- 
len Drittels  beider  SchlĂŒsselbeine.  Sie  ist  infolge  dieses  Fehlens 
des  Gelenkteiles  des  SchlĂŒsselbeines  imstande,  die  Schultern  ganz 
nach  vorne  zu  schieben,  so  daß  sie  sich  beinahe  berĂŒhren. 
Gleichzeitig  findet  sich,  wie  das  Röntgenbild  zeigt,  auch  eine  Ano- 
malie der  SchÀdelknochen  (daher  der  Name).  Ein  Bruder  der 
Kranken  zeigt  eine  Ă€hnliche  Mißbildung  der  SchlĂŒsselbeine.  Als 
Nebenbeobachtung  lehrt  der  Fall,  daß  dlie  bei  SchlĂŒsselbein- 
bruch eintretende  Verschiebung  nicht  durch  Muskelzug,  sondern 
durch  die  Schwere  des  Schulterblattes  herbeigefĂŒhrt  wird. 

A.  B r un n e r- MĂŒnchen:  Die  Prognose  bei  der  operativen 
Behandlung  der  Lungentuberkulose. 

Unter  den  verschiedenen  Verfahren  stehen  an  erster  Stelle  der 
kĂŒnstliche  Pneumothorax  und  die  extrapleurale  Thorakoplastik 
Die  Erfahrungen  ĂŒber  die  letztere  beziehen  sich  auf  500  von 
Sauerbruch  in  ZĂŒrich  und  MĂŒnchen  operierte  FĂ€lle,  von 
denen  ĂŒber  381  mit  einer  Heilungsziffer  von  35  Proz.  von  Sauer- 
b  r  u  c  h  bereits  berichtet  ist.  Redner  berichtet  ĂŒber  116  in  den 
letzten  3  Jahren  bis  Oktober  1921  operierte  FĂ€lle  mit  13  (11  Proz.  ) 
FrĂŒhtodesfĂ€llen  in  den  ersten  4  Wochen,  15  TodesfĂ€llen  (13  Proz.) 
innerhalb  des  ersten  Jahres,  also  einer  GesamtmortalitÀt  von  28 
(27  Proz.).  Verschlechtert  und  unverÀndert  geblieben  sind  12 
(10  Proz.),  gebessert  31  (27  Pro/..),  bazillenfrei  wurden  15  (39  Pro- 
zent j,  von  denen  18  bereits  wieder  ihre  BerufstÀtigkeit  aufge- 
nommen haben.  Die  Zahlen  sind  ungefÀhr  den  von  v.  Murall 
und  Saugmann  ĂŒber  Behandlung  mit  Pneumothorax  angege 
Innen  gleichzusetzen.    Von  grĂ¶ĂŸter  Bedeutung  fĂŒr  den  ganze; 


Verlauf  der  Erkrankung  und  auch  die  operative  Indikalionssh  I 
hing  ist  das  pathologisch-anatomische  Bild.   Auf  vorwiegend  |, 
duktive  und  zirrhotische  Tuberkulosen  kommen  nur  10  Proz-- 
TodesfÀlle,  auf  49  exsudative  Phthisen  43  Proz.    Die  wei  l  vollste 
Untersuchungsmethode  zur     Unterscheidung    der  anatomischen 
Formen  ist  die  Röntgenaufnahme.    I>ic  linksseitige  Tuberkulose 
gibt  eine  bessere  Prognose  als  die  rechtsseitige.    Redner  unter 
scheidet  3  Gruppen,  von  denen  die  erste  die  rein  einseitigen 
duktiven  Formen  mit  langjÀhrigem  BestÀnde  und  deutlicher  Ihi 
lungstendenz  durch  Schrumpfung  umfaßt,  zur  zweiten  auch  noch 
vorwiegend  produktive   Formen   mit   von   subfebrilen  Tempera 
turen  begleiteten  exsudativen   VorgÀngen  oder  leichtem   \  iter 
griffensein  der  anderen  Seite  gehören,  die  dritte,  von  allen  exsu 
dativen,  rasch  progredienten  und  fieberhaften  FĂ€llen  mit  starker 
BeeintrÀchtigung  des  Allgemeinbefindens  gebildet  wird.    Das  Ope 
rationsresullat  dieser  3  Gruppen  ist  ein  sehr  verschiedenes,  aber 
auch  bei  der  dritten  Gruppe  wurden  noch  16  Proz.  gebessert  und 
10  Proz.  bazillenfrei  gemacht.    Bei  dieser  dritten  Form  soll  aber 
zuerst  der  kĂŒnstliche  Pneumothorax  und  wenn  dieser  nicht  mög- 
lich, die  kĂŒnstliche  ZwerchfellĂ€hmung  (Exalrese  des  N.  phrenicus 
nach  Felix)  gemacht  werden.  BezĂŒglich  der  Technik  der  Thora- 
koplastik wird  die  BeschrÀnkung  der  einzeiligen  Operation  auf 
die  erste  Gruppe  empfohlen,  wÀhrend  ein  zwei-  oder  mehrzeiti- 
ges Vorgehen  fĂŒr  die  anderen  FĂ€lle  bevorzugt  werden  soll.  Zur 
Narkose  wird  bei  geringen  Auswurfmengen   Aethernarkose,  in 
der  Regel  die  örtliche  BetÀubung  in  der  Form  der  interkostalen 
LeitungsanÀsthesie  empfohlen. 

G  ö  t  z  e  -  Frankfurt  a.  M.:  Die  radikale  Phrenikotomie  als 
selbstÀndiger  therapeutischer  Eingriff  bei  der  chirurgischen 
Lungentuberkulose. 

Die  radikale  Phrenikotomie  ist  dem  Pneumothorax  vorzu- 
ziehen, weil  sie  eine  Dauerstellung  des  Zwerchfells  bedingt,  wÀh- 
rend das  Aufgeben  des  Pneumothorax  stets  einen  Sprung  ins 
Dunkle  darstellt.  Auch  kann  die  Phrenikotomie  zur  UnterstĂŒtzung 
des  Pneumothorax  gemacht  werden.  Das  Verfahren  von  Felix 
bedingt  einige  Gefahren.  So  ging  in  dem  einen  Falle  der  Nerv 
durch  einen  gashaltigen  Abszeß,  in  einem  anderen  Falle  war  er 
in  verkÀste  Herde  eingebettet. 

F  e  1  i  x  -  MĂŒnchen  berichtet  ĂŒber  seine  Beobachtungen  mittels 
der  Exairese.  Die  Erfolge,  welche  sich  auf  32  FĂ€lle  erstrecken, 
von  denen  30  Lungentuberkulose  betrafen,  sind  besser  als  mit  der 
einfachen  Phrenikotomie,  weil  durch  Extraktion  des  Nerven 
sicher  auch  die  Nebenwurzeln,  die  aus  dem  5.  Zervikalsegment 
stammen,  ausgeschaltet  werden.  Durch  das  Röntgenbild  wurde 
der  gute  Hochstand  des  Zwerchfells  noch  nach  langer  Zeit  fest- 
gestellt. 

R  e  h  n  -  Freiburg:  Demonstration  zur  Krage  des  Pleura- 
empyems. 

Bei  der  Schwierigkeit  der  Ausheilung  slarrwandiger  Empyeme 
muH  immer  von  neuem  betont  werden,  daß  die.  Hauptsache  die 
Prophylaxe,  die  Vermeidung  des  ZurĂŒckschnellens  der  Lunge  und 
des  Fehlens  ihrer  Wiederausdehnung  ist.  Eine  andere  Ursache 
liegt  in  dem  Bestehen  einer  Bronchialfistel.  Sie  mit  dem  Auge 
nachzuweisen,  ist  sehr  schwierig.  Man  kann  sie  auf  chemischem 
Wege  nachweisen,  indem  man  Azeton  einatmen  lĂ€ĂŸt.  Stellt  man 
nun  mit  dem  Exsudat  die  Li  eben  sehe  Probe  an,  so  entwickelt 
sich  Jodoform.  In  einer  großen  Anzahl  von  FĂ€llen  wurde  bei 
jeder  Punktion  die  Probe  angestellt  und  oft  von  FĂ€llen  positiv 
befunden. 

Planner  -  Innsbruck:  Ueber  das  spontan  entstehende  inter- 
stitielle Lungen-  und  Media stinalemphysem  und  den  Spannungs- 
pneumothorax. 

Redner  bespricht  mir  die  mechanische  Behinderung  der 
Atmung.  Man  muß  zwischen  einer  inspiratorischen  und  einer 
exspiratorischen  Ventilstenose  unterscheiden.  Bei  der  ersteren 
.Beispiel:  Polyp  oberhalb  der  Glottis,  doppelseitige  Stimmband- 
lÀhmung) ist  die  Lunge  hyperÀmisch;  es  besteht  eine  Stauung  in 
beiden  Herzen,  die  Hohlvene  ist  mit  Blut  ĂŒberfĂŒllt.  Bei  der 
exspiratorischen  Ventilstenose  (Beispiele.  Polyp  unterhalb  der 
Glottis,  Fremdkörper  in  der  Trachea,  intratracheale  Tumoren  und 
extratracheale,  welche  einen  Druck  auf  die  Trachea  ausĂŒben,  wie 
Struma,  Thymus)  ist  die  Lunge  anÀmisch,  geblÀht:  es  kommt  zu 
interstitiellem  Lungenemphysem,  kann  auch  zu  Haulemphysem 
und  spontanem  Pneumothorax  und  zwar  zu  dem  manlelförmigen 
kommen.  Die  Atmungsbehinderung  wird  also  durch  einen  Reflex 
ausgelöst  der  von  HyperÀmie  bzw.  AnÀmie'* der  Lungen  ausgeni 
Die 'vielumstrittene  Frage  des  Thymustodes  im  SĂ€uglingsalter 
kann  nach  dieser  ErklÀrung  aus  der  Beschaffenheit  der  Lunge, 
die  also  ahmĂ€isch  sein  muß,  gelösl  werden. 

R  i  t  l  c  r  -  DĂŒsseldorf  macht  auf  die  Entstehung  des  Pneuinn 
thorax  durch  Gasbrandbazillen  aufmerksam 


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Kongreßberichte 


40.  Jahrg. —Nr.  20/21. 


Reschke  -  Greifswald:  Epithelisierungsversuche. 

GegenĂŒber  dem  Braun  sehen  Verfahren  ist  man  in  der 
Klinik  von  Pels-Leusden  so  vorgegangen,  daß  Epidermis 
von  der  Haut  abgeschabt  wurde  und  mit  Serum  zu  einem  Brei  ge- 
mischt wurde,  der  dann  unter  die  zu  ĂŒberhĂ€utende  Granulations- 
flÀche in  Furchen  gespritzt  wurde.  Es  entwickelten  sich  lÀngs 
dieser  Furchen  Hautstreifen,  von  denen  aus  eine  schnelle  Ueber- 
hÀutung  der  GranulationsflÀche  stattfand.  Eine  Vorbereitung 
derselben  ist  nicht  erforderlich. 

Wildegans  -  Berlin  berichtet  ĂŒber  gute  Erfolge  mit  dem 
Braun  sehen  Verfahren  und  beschreibt  den  histologi- 
schen Befund  bei  Anwendung  desselben. 

K  1  e  1 1  -  Hamburg  sah  in  einem  Falle  die  Entwicklung  einer 
Epithelzyste. 

Pels-Leusden  -  Greifswald  kann  die  Methode  sehr  emp- 
fehlen. Die  Resultate  in  seiner  Klinik  waren  sehr  zufrieden- 
stellende. Er  hat  dann  mit  dem  Brei  auch  ein  Ulcus  rodens  unter- 
spritzt und  Heilung  gesehen.  Die  BefĂŒrchtung,  daß  sich  Epithel- 
zellen mit  malignem  Charakter  entwickeln  könnten,  hĂ€lt  er  fĂŒr 
unberechtigt,  da  zur  Entwicklung  eines  Karzinoms  mangelhaftes 
minderwertiges  Epithel  gehört,  was  hier  nicht  vorliegt. 

Braun-  Berlin  schildert  die  VorzĂŒge  seiner  Methode  und 
zeigt  an  einigen  Bildern  die  guten  Erfolge. 

K  a  u  s  c  h  -  Berlin  will  das  Braun  sehe  Verfahren  nicht  als 
das  Normalverfahren  anerkennen,  sondern  im  Gewöhnlichen  die 
T  h  i  e  r  s  c  h  sehen  Transplantationen,  wie  sie  von  "dem  Erfinder 
angegeben,  gebrauchen,  mit  welchen  er  stets  gute  Erfahrungen 
gemacht  hat. 

Bier -Berlin  kann  das  B  r  a  u  n  sehe  Vorgehen  warm  emp- 
fehlen. 

M  ĂŒ  1 1  e  r  -  Marburg:  Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkung 
dauernder  mechanischer  Insulte  auf  den  Knochen. 

Durch  Resektion  eines  StĂŒckes  des  Radiusschaftes  oder  An- 
legen einer  Pseudarthrose  des  Radius  entsteht  an  der  gegenĂŒber- 
liegenden Stelle  der  Ulna  ebenfalls  ein  Umwandlungsprozeß,  den 
Redner  als  durch  abnorme  Beanspruchung  bedingt  erklÀrt.  Die 
Methode,  den  Radius  experimentell  auszuschalten  (Resektion)  und 
die  Ulna  abnorm  zu  beanspruchen,  bot  Gelegenheit,  die  Wirkung 
mechanischer  Ueberbeanspruchung  auf  die  Wachstumszonen  zu 
studieren.  Es  ließen  sich  dadurch  die  gleichen  pathologisch- 
anatomischen Bilder  erzielen  wie  bei  rachitischen  Erkrankungen. 
Es  handelt  sich  hier  also  um  keine  spezifischen  Prozesse,  son- 
dern lediglich  um  Reaktionen  auf  Beanspruchungseinwirkungen. 
Das  Pathologische  ist  nur  die  Herabsetzung  der  Toleranzgrenze 
des  Knochengewebes  fĂŒr  mechanische  Insulte.  Dasselbe  ersibt 
sich  aus  dem  Vergleich  experimentell  gewonnener  Röntgenbilder 
mit  solchen  von  Genu  valgum  und  Genu  varum  adolescentium. 

Ma  r  t  i  n  -  Berlin  will  die  ErklĂ€rung  von  MĂŒller  fĂŒr  das 
Auftreten  einer  Pseudarthrose  am  gegenĂŒberliegenden  Knochen 
nicht  anerkennen.  Er  macht  auf  die  WidersprĂŒche  aufmerksam, 
nach  denen  vermehrte  Beanspruchung  einmal  zu  Knochenappo- 
sition,  ein  anders  Mal  zu  Knochenschwund  fĂŒhren  soll.  Er  hĂ€lt 
die  Annahme  eines  sympathischen  Knochenschwundes  aufrecht 
und  glaubt,  daß  zwischen  dem  Parallelknochen  physiologische 
Beziehungen  bestehen,  deren  Natur  uns  noch  unbekannt  ist. 

K  i  r  s  c  h  n  e  r  -  Königsberg:  Zur  Technik  der  Knochennaht. 

Unsere  bisherigen  Methoden,  KnochennÀhte  anzulegen,  er- 
fĂŒllen nicht  den  Zweck  der  Festigkeit,  die  man  an  sie  stellen 
muß.  Redner  hat  sich  daher  ein  Instrument  anfertigen  lassen,  das 
eine  Zange  darstellt,  mit  welcher  die  DrÀhte  derartig  gespannt 
werden  können,  daß  sie  nunmehr  absolut  fest  den  Knochen  um- 
spannen. Es  folgt  eine  Verlötung  und  Verschraubung.  Die 
Knochenfragmente  liegen  dann  so  fest,  daß  alle  Bewegungen  aus- 
gefĂŒhrt werden  können,  ohne  daß  sie  sich  verschieben.  Nur 
hierdurch  wird  ein  Vorteil  der  blutigen  Methode  gegenĂŒber  der 
unblutigen  entstehen,  der  eine  weitere  Indikation  ihrer  Anwen- 
dung gestattet.  Als  einzig  zuverlÀssiger  Draht  hat  sich  ihm 
Klaviersaitendraht  bewÀhrt. 

Schanz-  Dresden:  SubtrochantÀre  Osteotomie  bei  nicht- 
rcponibler  angeborener  HĂŒftverrenkung. 

Redner  fĂŒhrt  2  Kranke  vor,  bei  denen  die  Operation  ausge- 
fĂŒhrt, und  zeigt  den  guten  Gang  derselben,  der  sich  bedeutend 
gegen  frĂŒher  gebessert  hat  und  erlĂ€utert  an  einem  Modell  die 
Vorteile  der  Methode. 

F  rĂ€  n  k  e  1  -  Berlin:  HĂŒfteinrenkung  im  Erwachsenenalter  und 
der  Musculus  ileopsas  als  Repositionshindernis. 

Nachdem  unter  starker  Extension  und  Gegenextension  mit 
Draht  am  Beckenkamm  der  Knochen  heruntergeholt  ist,  wird  die 
Einrenkung  ebenso,  wie  im  jĂŒngeren  Alter  vorgenommen.  Oft 


bedarf  es  dazu  der  Durchschneidung  des  Ileopsoas,  die  von  einem 
vorderen  Schnitte  vorgenommen  wird.  In  3  FĂ€llen  gelangte 
Redner  zu  dem  gewĂŒnschten  Ziele  bei  18  jĂ€hrigen  MĂ€dchen.  Ein 
Hauptaugenmerk  ist  naturgemĂ€ĂŸ  auf  die  Nachbehandlung  zu 
richten. 

Ni  ed  e  n  -  Jena:  Zur  Wahl  der  pyelographischen  Kontrast- 
mittel. 

Redner  hat  die  verschiedenen  Mittel  einmal  nach  der  Seite 
der  unmittelbaren  GewebsschÀdlichkeit,  zweitens  nach  der  StÀrke 
der  Schattengebung  untersucht.  Am  besten  hat  sich  von  den 
Halogenverbindungen  Jodlithium  bewÀhrt,  ef  folgen  Bromkalium, 
Jodnatrium,  am  schlechtesten  war  Pyelon,  von  den  anderen  Mit- 
teln war  Jodkollargol  am  besten,  es  folgte  Elektrargol,  kolloidales 
Wismut,  an  letzter  Stelle  Kollargol,  aber  alle  diese  Verbindungen 
waren  mehr  gewebsschÀdigend  als  die  Halogene.  Den  stÀrksten 
Schatten  gewÀhrte  20  proz.  Jodlithiumlösung,  den  schlechtesten 
Kollargol.  Die  Jodlösungen  gewÀhrten  mehr  Schatten  als  die 
Bromlösungen.  Pyelon  gaben  schwachen  Schatten.  Klinisch 
hat  er  von  den  Halogenen  keinerlei  SchÀdigungen  gesehen. 

G  u  1  e  c  k  e  -  Jena:  Zur  Frage  der  Prostatektomie. 

Wenn  auch  die  eigentliche  FrĂŒhoperation  der  Prostatektomie 
abgelehnt  ist,  so  muß  man  doch  nach  Wegen  suchen,  die  Chancen 
der  Operation  durch  frĂŒheres  Operieren,  als  es  oft  geschieht,  zu 
bessern.  Ein  zweiter  Weg  liegt  in  der  weiteren  Ausdehnung  des 
zweizeitigen  Operierens.  Von  55  FĂ€llen  wurden  39  einzeitig. 
16  zweizeitig  operiert.  Unter  den  TodesfÀllen  mit  einzeitigem 
Vorgehen  finden  sich  auch  solche,  die  an  den  Folgen  der  Harn- 
infektion gestorben  sind.  Diese  wÀren  vermutlich  besser  zwei- 
zeitig operiert  worden.  Die  GesamtmortalitÀt  betrug  18,2  Proz. 
Bei  der  einzeitigen  Operation  wurde  die  Blase  30  mal  primÀr 
genĂ€ht  (Zweietagennaht).  FĂŒr  3—5  Tage  blieb  ein  Dauerkatheter. 
20  FĂ€lle  heilten,  in  10  FĂ€llen  ging  die  Naht  am  9.— 10.  Tage  auf. 
1  Todesfall  ist  zu  verzeichnen.  Von  anderen  Komplikationen  sind 
Nachblutungen,  Epididymitiden  und  Dauerkatheter  zu  erwÀhnen. 

L  À  w  e  n  -  Marburg  empfiehlt  ein  kombiniertes  Vorgehen. 
Er  macht  einen  perinealen  LÀngsschnitt  und  drÀngt  die  Prostata 
mit  einem  eigens  dazu  konstruierten  Spatel  bei  der  nunmehr  er- 
folgenden suprapubischen  Operation  sich  entgegen.  SpÀter  wird 
der  Spatel  durch  einen  Tampon  ersetzt,  der  am  5.  Tage  entfernt 
wird. 

F  i  s  c  h  e  r  -  Frankfurt  a.  M.  hat  in  20  FĂ€llen  die  Operation 
nach  Völcker  ausgefĂŒhrt  und  gibt  ihr  den  Vorzug  vor  dem 
suprapubischen  Verfahren. 

Ebenso  rĂŒhmt  K  1  e  i  n  s  c  h  m  i  d  t  -  Leipzig  die  VorzĂŒge  der 
Völcker  sehen  Operation,  die  er  in  11  FÀllen  unter  Lumbal- 
anĂ€sthesie mit  gutem  Erfolge  ausgefĂŒhrt. 

K  ĂŒ  m  m  eil -Hamburg  hĂ€lt  den  primĂ€ren  Schluß  der  Blase 
nur  in  wenigen  FĂ€llen  fĂŒr  erlaubt.  Man  soll  möglichst  zweizeitig 
operieren,  wenn  auch  die  zweizeitige  Operation  einen  Notbehelf 
darstellt.  Gegen  Blutung  hat  sich  die  resorbierbare  Tamponade 
bewÀhrt. 

v.  H  a  b  e  r  e  r  -  Innsbruck  spricht  sich  ebenfalls  fĂŒr  ein  zwei- 
zeitiges Operieren  aus.  Er  empfiehlt  die  Resektion  der  Vasa 
deferentia. 

C  o  e  n  e  n  -  Breslau  berichtet,  daß  die  MortalitĂ€t  nach  Ein- 
fĂŒhrung der  Völcker  sehen  Operationsmethode  von  12  auf 
5  Proz.  gesunken  sei. 

P  el  s -L  e  u  s  d  e  n  -  Greifswald  tritt  fĂŒr  die  perineale  Pro- 
statektomie ein. 

V  ölek  e  r  -  Halle  betont  die  Notwendigkeit  des  zweizeitigen 
Vorgehens  bei  der  suprapubischen  Operation  und  empfiehlt  die 
Erweiterung  der  Fistel  nach  KĂŒmmell  mit  Laminariastiften. 

v.  Hof  meist  er -Stuttgart  ist  von  der  suprapubischen  zur 
perinealen  Operation  ĂŒbergegangen.  Er  verfĂŒgt  ĂŒber  den  erforder- 
lichen langen  Finger.   Er  ist  mit  dem  Vorgehen  sehr  zufrieden 

Nachtrag  zum  2.  Verhandlungstage. 

Baensch -Leipzig:  Ueber  die  Beziehung  der  Metastase  zum 
PrimÀrtumor  in  der  Röntgentherapie. 

Eine  Beeinflussung  der  Metastasen  durch  Bestrahlung  de* 
PrimÀrtumors  findet  nicht  statt,  wie  genaue  Untersuchungen  mit 
Abdeckung  der  Metastasen  ergeben  haben.  Dagegen  konnte  eine 
RĂŒckbildung  der  DrĂŒsen,  deren  karzinomatöse  Natur  vorher 
durch  Untersuchung  eines  exzidierten  StĂŒckes  festgestellt  war. 
beobachtet  werden. 

Zu  Ehrenmitgliedern  wurden  gewÀhlt  John  Berg-  Stock- 
holm, KĂŒster -Berlin,  M  a  rch  a  nd  -  Leipzig  und  Rehn- 
Frankfurt  a.  M.,  zum  Vorsitzenden  fĂŒr  das  Jahr  1923  Lexer- 
Freiburg. 


ortschriiie  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von*  HAN S  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm  -  Stra&e  20  /  Fernsprecher  Liitzow  0057 


Nr.  22/23 


Berlin,  den  7.  Juni  1922 


40.  Jahrgang 


Oer  Verlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OnginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  II.  chirurgischen  Abteilung  des  Rudolf- Virchow- 
Krankenhauses  Berlin  (Dirigierender  Arzt:  Prof.  Unger). 

Nebennierenexstirpation  bei  Epilepsie. 

S  a  m  111  e  1  r  e  f  e  r  a  t. 
Von  Dr.  Kurl  W  o  h  1  g  e  m  u  t  h,  Oberarzt: 

In   einer  Reihe  von   Arbeiten   hat  sich   H.  Fischer 
*eßen)  mit  der  Pathogenese  des  Krampfes  —  speziell  des 
ileptischen  —  beschĂ€ftigt.    Auf  Grund  klinischer  Betrach- 
ng  und  einer  großen  Zahl  von  Tierexperimenten  ist  er  zu 
lgenden  Ergebnissen  gekommen:  Der  Krampf  ist  nicht,  wie 
sher  meist  angenommen,  eine  FĂ€higkeit  lediglich  des  Ge- 
!rns,  sondern  „die  Reaktion  eines  im  ganzen  Organismus 
rgebikleten    Mechanismus,    auf    bestimmte    Reize  mit 
rÀmpfen  zu  reagieren."     Der  Krampf  ist  seiner  Erschei- 
ungsform  nach  zunÀchst  eine  Leistung  der  quergestreiften 
uskulatur.    Da  nun  ein  enger  funktioneller  Zusammen- 
ng   zwischen   Muskelarbeit   und   Nebennierensystem  be- 
bt, prĂŒfte  Fischer  die  Wirkung  der  Nebennierenexstir- 
tion  auf  die  Krampfbereitschaft  und  den  Krampfverlauf 
i  Tieren.   Dabei  zeigte  sich,  daß  mit  Reduzierung  der  Ne- 
nnierensubstanz  die  FĂ€higkeil  des  Organismus,  auf  he- 
mmte Reize  mit  KrÀmpfen  zu  reagieren,  abnahm.  Nach 
ppelseitiger   Nebennierenexstirpation   konnten   beim  Ka- 
ttchen    mit    dem    Krampfgift  Amylnitrit  keine  KrÀmpfe 
ehr  ausgelöst  werden.    Auf  Grund  dieser  experimentellen 
dien  hat  Fischer  angeregt,  die  Nebennierenreduktion 
im  Epileptiker  als  krampfheilendcs  Mittel  vorzunehmen. 

Die  experimentellen  Grundlagen  der  F  i  s  c  h  e  r  sehen 
lue  sind  bisher  nur  von  Specht  in  grĂ¶ĂŸerem  Umfange 
ehgeprĂŒft  worden.  Er  kommt  bei  völlig  gleicher  Ver- 
ehsÀnordmmg  zu  einem  gÀnzlich  anderen  Resultat:  Nach 
erausnahme  einer  Nebenniere  oder  zugleich  des  grĂ¶ĂŸten 
eiles  der  anderen  bestand  bezĂŒglich  der  Krampfreaktion 
f  Amylnitrit  in  der  Regel  kein  wesentlicher  Unterschied 
genĂŒber  dem  Verhalten  vor  der  Operation.  Bei  mit  Te- 
istoxin  geimpften  Tieren  könnte  der  Krampf  weder  auf- 
hoben noch  abgeschwÀcht  werden. 

Beim  Menschen  ist  die  Operation  in  einer  ganzen  Reihe 
n  FĂ€llen  mit  recht  verschiedenartigem  Resultat  ausgefĂŒhrt 
Orden.  Die  lxugefĂŒgte  Tabelle  soll  zunĂ€chst  einen  Ueber- 
ick  ĂŒber  die  in  der  Literatur  niedergelegten  FĂ€lle  geben. 

Der  erste,  der  die  Operation  vorgenommen  hat,  war 
rĂŒning.  Er  empfiehlt  zur  Freilegung  der  Nebennieren 
s  transperitoneale  Vorgehen  und  beschreibt  genau  die 
echnik;  er  exstirpiert  stets  die  linke  Nebenniere,  trotzdem 
e  normalerweise  etwas  höher  steht  als  die  rechte,  um  die 
öglichkeit  einer  Leberverletzimg  mit  ihrer  störenden  Bill- 
ig zu  vermeiden.  WĂ€hrend  Seif  feit,  v.  Brunn  und 
Schmieden  sich  diesem  Operationsverfahren  an- 
schließen, raten  Bumke  und  KĂŒitner,  die  Nebennieren 
von  einem  Lumbaischnitt  aus  freizulegen:  nach  dieser  Me- 
thode operierten  S  t  e  i  n  t  h a  1,  S  a  n  d  ör,  Sulta  n,*B  a  r  - 
lenieuer,  Po  h  r  t  und  K  u  t  s  c  h  a  -  L  i  s  s  b  e  r  g. 

Die  OperationsmortalitÀt  ist  gering.  Nur  Sandor  be- 
achtet ĂŒber  einen  Todesfall  (Bronchitis,  Bronchopneumonie, 
Empyem).  Von  schweren  direkten  Operatiönsfoljgerj  ist  auch 
nur  wenig  bekannt.  Sandor  sah  noch  einen  zweiten  Fall 
von  Empyem,  der  aber  durch  Rippenresektion  geheilt  winde. 
S  t  e  i  n  t  h  a  1  erlebte  eine  schwere  Blutung,  mußte  die  Vena 


renalis  unterbinden  und  infolge  eingetretener  Nekrose  'Ii  i 
Niere  diese  entfernen. 


Autor 

Ol 

Ii 

N  t! 

V 

-o 

Operations- 
weg 

Geheilt 

Wesentlich 
gebessert 

VorĂŒbergeh. 
geb.  Ender- 
folg schlecht 

5 

— 
ta 

i 

Gestorben 

Bemerkungen 

BrĂŒning 

14 

Transperi- 
toneal 

2 

3 

e 

3  Behandlung  noch 
nicht  abgeschlossen 

Schmieden 
u.  Peiper 

7 
7 

7 

Steinthal 

Lumbal 

1* 

6 

*  Starke  operative 
Blutung. 
Unterhindung  d  ?r  V. 
renalis  Nephrec- 
tomie.  —  Ei  hĂ€lt 
Lumin  al. 

Sandor 

4 

2* 

1 

1' 

i  Empyem) 

*  Beobacblungszeit 
4  Wochen  betw. 
12  Tage 

Sultan 

5 
1 

2 

3 

Seiffert 

Transperit. 

1 

Nebenniere  cystisch 
degenerie  t 

Kutscha- 
Lissberg 

2 
2 
3 
1 

Lumbal 

2 

Beobachtungszeit 
Va  Jahr  bezw. 
7  Wochen 

v.  Brunn 

Transperit 

2 

Beobacbtungs  - eit 
2''.;  be  ■  w.  2  Mon. 

Bardfnheuer 

Lumbal 

3 

NĂ€here  Angaben 
feh^n 
Beobachtungszeit  ? 

Pohrt 

1 

ir. 

10  1  10 

1 

7 

15 

1 

3  noch  in  Behandlung 

Die  Erfolge  der  Operation  werden,  wie  aus  der  Tabelle 
ersichtlich  ist,  recht  verschieden  bewertet.  Von  den  46  be- 
schriebenen FĂ€llen  werden  10  als  geheilt,  angegeben.  Die 
FÀlle  von  Sandor  und  von  v.  Brunn  können  aber  als 
Dauerheilungen  nicht  angesehen  werden,  da  die  Beobach- 
tungszeit viel  zu  kurz  ist  (s.  Tabelle);  kurze  vorĂŒbergehende 
Besserungen  werden  ja  auch  sonst  bei  der  Epilepsie  beob- 
achtet. Bei  den  drei  FĂ€llen  von  Bardenheuer  fehlen 
nĂ€here  Angaben  ĂŒber  die  Beohachtimgsdauer.  Der  geheilte 
Fall  von  Ste  i  nthal  muß  hier  auch  aus  einem  spĂ€ter  noch 
zu  besprechenden  Grunde  ausschalten.  Es  bleiben  demnach 
als  sichere  (Dauer-)  Heilungen  nur  die  zwei  FĂ€lle  von 
B  r  ĂŒ  n  i  n  g.  Als  wesentlich  gebessert  werden  weitere  10 
FĂ€lle  angefĂŒhrt.  Hier  muß  zum  mindesten  ein  Fall  von 
Kutscha-Lißberg  wegen  zu  kurzer  Beobachtungszeit 
(7  Wochen)  hei  der  Beurteilung  des  Wertes  der  Operation 
ausscheiden.  Einen  geradezu  verblĂŒffenden  momentanen 
Erfolg  in  ihren  7  FĂ€llen  sahen  S  c  h  m  i  e  d  e  n  und  P  e  i  p  e  r; 
der  Erfolg  war  aber  nur  sehr  vorĂŒbergehend;  in  allen  FĂ€llen 
trat  der  alte  Zustand  in  kurzer  Zeit  wieder  ein.  Ganz  un- 
beeinflußt durch  die  Operation  blieben  15  FĂ€lle.  Faßt  man 
die  Resultate  zusammen,  so  muß  man  sagen,  daß  die  Ope- 
ration den  auf  sie  gesetzten  Erwartungen  nicht  entsprochen 
hat. 

Auf  die  Ursachen  eventueller  Mißerfolge  hat  auch 
BrĂŒning  schon  hingewiesen.  ZunĂ€chst  war  man  in  der 
Auswahl  der  zu  operierenden  FĂ€lle  noch  zu  unerfahren. 
Zweitens  ist  die  Möglichkeit  des  Vorhandenseins  von  Bei - 
uebennieren  vorhanden,  so  daß  die  Fortnahme  einer  Neben- 
niere nur  eine  geringe  Substanzverminderung  des  ganzen 
Nebennii  Teilsystems   ausmachen   wĂŒrde.      Drittens   ist  eine 


3r 
*U0 


Hauberrisser:  KieferorthopÀdie 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


funktioneile  Hypertrophie  der  zurĂŒckbleibenden  Nebenniere 
nicht  ausgeschlossen.  Eine  solche  kompensatorische  Hyper- 
trophie konnte  Specht  im  Tierversuch  nachweisen.  Eine 
echte  Beinebenniere  fand  er  bei  einem  Tier.  Schmieden 
und  P  e  i  p  e  r,  Steinthal  und  Sul  ta  n  lehnen  nach 
ihren  Erfahrungen  und  dem  Li teratur  stud ium  die  Operation 
kĂŒnftig  ab. 

Einen  Einwand  ganz  anderer  Art  gegen  die  Fischer- 
B  r  ĂŒ  hi  ng  sehe  Operation  macht  Cord.ua.  Er  tre- 
panierte ein  10  jÀhriges  MÀdchen,  das  30  bis  40  AnfÀlle 
am  Tage  hatte,  in  der  Annahme,  einen  Facialisherd 
zu  finden.  Die  Operation  war  sehr  blutreich,  die 
Patientin  kollabierte,  Wiederbelebungsversuche  waren  nötig; 
irgend  ein  Herd  wurde  nicht  gefunden;  das  MĂ€dchen  erholte 
sich  aher  wieder  und  war  von  ihren  KrÀmpfen  geheilt.  Nach 
Jahren  sollen  sich  aber  die  KrÀmpfe  wieder  eingestellt 
haben.  Cor  du  a  hĂ€lt  es  fĂŒr  nicht  unwahrscheinlich,  daß 
allein  der  starke  Blutverlust  bei  der  Operation  die  KrÀmpfe 
zum  Schwinden  gebracht  hat.  Im  Hinblick  auf  diese  Mit- 
teilung ist  doch  auch  auffallend,  daß  von  den  7  FĂ€llen  von 
S  t  e  in  t  h  À  1  nur  der  eine  mit  dem  starken  operativen  Blut- 
verlust geheilt  wurde,  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigen  6  unbeeinflußt 
blieben.  Daß  nach  anderen  Operationen  eine  Epilepsie  ver- 
schwand, berichtet  auch  P  r  i  b  r  a  m,  der  nach  einfacher 
Appendektomie  die  KrĂ€mpfe  zurĂŒckgehen  sah,  und  B  a  z  y 
nach  einer  Appendektomie  und  zwei  Operationen  wegen 
Leistenhodens. 

Das  Blutbild  '  nach  der  Nebennieren! eduktion  hat 
S  c  h  1  u  n  d  untersucht.  Er  fand  eine  Herabsetzung  der  re- 
lativen Lymphozytose.  Das  Bild  war  im  wesentlichen  zwi- 
schen den  polymorphkernigen  neutrophilen  Leukozyten  und 
den  Lymphozyten  zugunsten  der  ersteren  verschoben.  Diesen 
Bef  und  bestÀtigen  S  c  h  m  i  e  d  e  n  und  P  e  i  p  e  r  ;  S  u  1 1  a  n 
sah  diese  Verschiebung  nur  in  den  ersten  Tagen,  spÀter  war 
das  Blutbild  normal. 

Untersuchungen  ĂŒber  den  Blutzuckerspiegel  nach  Neben  - 
nierenexstirpation  stellte  zuerst  Bausch  an;  er  fand,  daß 
derselbe  bei  geringem  Anstieg  sich  doch  in  normalen  Va- 
riationsbreiten hielt.  Sultan  schließt  sich  dieser  Ansicht 
an;  Schmieden  und  Pe  i  per  fanden  den  Blutzucker- 
spiegel um  die  HĂ€lfte  gesunken. 

Besonderer  ErwÀhnung  bedarf  noch  der  Fall  von  S  e  i  f  - 
f  e  r  t,  der  bei  der  Operation  wegen  Epilepsie  eine  zystisc  h 
degenerierte  linke  Nebenniere  fand. 

1.  Fischer,  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Neur.  1920. 

2.  ders.,  Monatsschr.  f.  Psych.  1920. 

3.  ders.,  D.  M.  W.  1920,  Nr.  52. 

4.  ders..  Deutsche  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.  1921. 

5.  Specht,  C.  f.  Chir.  1921,  Nr.  37. 

(i.  ders.,  Mittelrhein.  Chir.- Vereinigung,  Juli  1921. 

7.  BrĂŒni  n  g,  C.  f.  Chir.  1920,  Nr.  43. 

8.  ders.,  D.  M.  W.  1920,  Nr.  49. 
U.  ders.,  C.  f.  Chir.  1921,  Nr.  19. 

10.  Bumke  und  KĂŒttne  r,  C.  f.  Chir.  1920,  Nr.  17. 

11.  P  ei  per,  C.  f.  Chir.  1921,  Nr.  12. 

12.  S  t  e  i  n  t  h  a  1,  C.  f.  Chir.  1921,  Nr.  25. 
1.3.  Sandor,  C.  f.  Chir.  1921,  Nr.  25. 

14.  Sei  ff  er  t,  Miltelrhein.  Chir.-Ver.  Juli  1921. 

15.  v.  Brunn,  Ver.  niederrhein.-westphÀl.  Chir.,  C.  f.  Chir.  1921, 
Nr.  42. 

IG.  Bardenheuer,  Ver.  niederrhein.-westphÀl.  Chir. 

17.  Kutscha -Lißberg,  Wien.  klin.  W.  1921,  Nr.  25. 

18'.  Schmiede  n  und  P  e  i  p  e  r,  Arch.  f.  klin.  Chir.  1921,  Bd.  1 18. 

19.  Pohrt,  Deutsche  Zeitschr.  f.  Chir.  1921. 

20.  Sulta  n,  D.  M.  W  1922,  Nr.  5. 

21.  Bazy,  Ref.  C.  I  Chir.  1920,  Nr.  45. 

22.  Prihram,  Miltelrhein.  Chir.-Ver.,  Juli  1921. 

23.  C  o  r  d  u  a,  C.  f.  Chir.  1921,  Nr.  5. 

24.  Bausch,  D.  M.  W.  1920,  Nr.  49. 

25.  Schlund.  1).  M.  W.  1920,  'Nr.  46. 

N  a  c  h  1  r  a  g  b  e  i  d  e  r  K  <>  r  r  c  k  l  u  r  :  In  der  Sitzung  des 
Buddpester  Aerzlevereins  vom  1<S.  II.  22  (Klin.  W.  1922,  Nr.  11) 
berichtet  mich  Bor^zeky  ĂŒber  9  operierte  FĂ€lle.  Er  sah  in 
8  FĂ€llen  eine  gewisse  Besserung  bezĂŒglich  der  Zahl  und  der 
Schwirr  der  Anfalle,  aber  keine  einzige  Heilung.  liin  Palienl 
halle  nach  2  Monaten  bereits  die  AnfÀlle  in  gleicher  Heftigkeil 
wieder. 


Wichtige  BerĂŒhrungspunkte  zwischen  Kiefer» 
OrthopÀdie  und  Allgemeinpraxis. 

Von  Dr.  med.  Hauberrisser,  Göttingen, 
Facharzt  fĂŒr  Mund-,  Zahn-  und  Kieferkrankheilen. 

Die  bedeutende  Rolle,  die  der  ErnĂ€hrung  des  Kindes  fĂŒr 
dessen  Entwicklung  zugewiesen  wird,  verdient  in  gleicher 
Weise  den  Organen  eingerÀumt  zu  werden,  die  hierbei  einen 
wesentlichen  Anteil  haben:  den  ZĂ€hnen  und  Kiefern,  bezw. 
deren  normaler  Funktion  und  Gestaltung.  Da  gerade  Ent- 
wieklungsslörungen  und  Anomalien  des  Kieferapparates 
einen  schwerwiegenden  Einfluß  auf  das  Gedeihen  des  Kindes 
ausĂŒben,  muß  eine  Ueberwachung  schon  möglichst  frĂŒh- 
zeitig einsetzen.  Durch  die  in  den  letzten  Jahren  immer 
weitei-  ausgebildete  Schulzahnpflege  sind  zwar  die  Voraus- 
setzungen fĂŒr  eine  regelmĂ€ĂŸige  mundĂ€rztliche  Ueberwachung 
gegeben  (zurzeit  werden  nur  die  Kinder  der  Volksschulen, 
also  der  unteren  Bevölkerungsschichten  regelmĂ€ĂŸig  zahnĂ€rzt- 
lich untersucht  und  behandelt),  einem  großen  Teil  der 
Kinder  jedoch  —  und  gerade  den  Kindern  des  sogen,  ge- 
bildeten Mittelstandes,  der  unter  der  Not  der  Zeit  am  schwer- 
sten zu  tragen,  und  durchschnittlich  mit  drĂŒckenden  mate- 
riellen Sorgen  zu  kĂ€mpfen  hat  —  kommen  die  regelmĂ€ĂŸigen 
Untersuchungen  und  Behandlungen,  die  die  Schulzahnpflege 
gewĂ€hrt,  nicht  zugute.  Diese  Kinder  sind  ausschließlich  der 
elterlichen  und  hausÀrzllichen  Ueberwachung  anvertraut. 
Von  einer  „hausĂ€rztlichen"  Ueberwachung  im  guten  alten 
Sinn  des  Wortes  —  ist  jedoch  heule  in  den  meisten  FĂ€llen 
keine  Rede  mehr;  der  Arzt  wird  ein  Kind  meist  nur  im  Falle 
einer  ernsteren  Erkrankung  sehen. 

Infolge  der  eben  berĂŒhrten  VerhĂ€ltnisse  erseheint 
es  nötig,  daß  der  Arzt  bei  den  einzelnen,  gelegentlichen 
Untersuchungen  auch  auf  die  Zahn-  und  Kieferentwick- 
lung sein  Augenmerk  richtet,  daß  er  frĂŒhzeitig  erkennen 
kann,  ob  und  wie  im  einzelnen  Falle  Abhilfe  geschaffen  wer- 
den muß,  daß  er  rechtzeitig  fachĂ€rztliche  Behandlung  ver- 
anlaßt und  nicht  zuletzt,  daß  er  ein  verstĂ€ndnisvolles  Zu- 
sammenarbeiten zwischen  Arzt,  Zahnarzt  und  Eltern  zum 
Wohle  der  kleinen  Patienten  sicherstellt  und  fördert.  Der 
Arzt  kommt  meist  frĂŒher  als  der  Zahnarzt  (auch  die  Schul- 
zahnpflege setzt  erst  mit  dem  (i.  Lebensjahre  ein)  in  die  Lage, 
die  Zahn-  und  Kieferentwicklung  frĂŒhzeitig  zu  beobachten. 
Gerade  auf  das  frĂŒhzeitige  Erkennen  beginnender 
oder  z  u  e  r  w  artender  Anomalien  legt  die  moderne  Ortho- 
dontie besonderen  Werl  und  in  dieser  Beziehung  kann  der 
Arzt  außerordentlich  segensreich  wirken.  Durch  r  e  c  h  t  - 
zeitige- Ueberweisung  in  spezialÀrztliche  Behandlung  eines 
Zahnarztes  kann  den  Kindern  eine  schwierige  orthodontische 
Behandlung  erleichtert  oder  abgekĂŒrzt,  vielleicht  ganz  er- 
lassen, den  Eltern  aber  oft  erhebliche  Ersparnis  an  einer 
langwierigen  und  kostspieligen  orthodontischen  Behandlung 
ermöglicht  weiden. 

Um  diesen  Aufgaben  gerecht  zu  werden  und  die  oft 
schwerwiegende  Verantwortung  ĂŒbernehmen  zu  können,  muß 
der  Arzt,  besonders  der  Paediater  mit  den  Problemen  der 
modernen  Orthodontie  vertraut  sein,  die  maßgebenden  Zu- 
sammenhÀnge zwischen  Kieferbildung  und  Kieferanomalien 
beherrschen  und  das  Wesen  der  Kieleranomalien  und  die 
allgemeinen  orthodontischen  BehandlungsgrundsÀtze  kennen. 

Es  kann  nicht  Aufgabe  der  vorliegenden  Arbeil  sein,  alle 
einschlÀgigen  Fragen  erschöpfend  zu  behandeln;  hierzu  sei 
auf  die  in  den  letzten  beiden  Jahren  erschienenen  LehrbĂŒcher 
von  Pf  Àff,  Herbst,  Kranz  u.  a.  (siehe  Literaturver- 
zeichnis) hingewiesen,  die  auch  den  Arzt  interessieren.  Es 
dĂŒrfte  jedoch  zweckmĂ€ĂŸig  sein,  im  Folgenden  auf  die  beson- 
ders den  Kinderarzt  berĂŒhrenden  Fragen  der  modernen 
Orthodontie  zusammenfassend  einzugehen. 

Die  Orthodontie  (ÖQ&og  =  gerade)  umfaßt  die 
Behandlung  der  Stellungsanomalien  der  ZĂ€hne  und  der 
Kiefer,  also  die  Regulierung  anormal  .stehender  ZĂ€hne,  vor 
allem  die  Umformung  des  Alveolarfortsatzes.  der  Kiefer- 
knochen und  die  dadurch  erreichbare  VerÀnderung  der  Ge- 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


Hauberrisser:  Kleferorthoptidic 


401 


fgchtszĂŒgc.  Nach  Kranz  sind  hei  der  orthodontischen  Be- 
handlung die  ZĂ€hne  seihst  nur  vermittelnde  Paktoren;  durch 
sie  wird  die  mechanische  Beeinflussung  der  Kieler  ermög- 
licht, nur  durch  sie  kann  der  Knachenab-,  Um-  und  Anbau 
jjervorgerufen  werden,  wodurch  ein  vollkommen  normaler 
Eahnbogen,  eine  einwandfreie  Artikulation  und  damit  eine 
normale  Funktion  des  Kauapparates  erreicht  werden  kann. 
Die  mode  rne  orthodontische  Behandlung  strebt  (liest-  nor- 
male  Artikulation  [Artikulation  isi  das  VerhÀltnis  der  Zahn 
reihen  des  Oberkiefers  zu  denen  des  Unterkiefers  bei  den 
sich  gegeneinander  bewegenden  Kiefern  (Angle)]  als  End- 
ziel an,  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  und  etwaiger  Be- 
seitigung der  Àtiologischen  Momente,  die  einer  Ano- 
malie zugrunde  liegen,  wÀhrend  die  Àlteren  Behandlungs- 
methoden nur  die  Symptome  der  vorliegenden  Anomalien 
e  m  j)  i  r  i  s  e  h  zu  beeinflussen  suchte. 

Zur  ĂŒbersichtlichen  Einordnung  der  zahlreichen  Arten 
von  Stellungsanomalien  wurden  verschiedene  Systeme  auf- 
gestellt, die  teils  auf  der  anormalen  Artikulation,  teils  auf 
den  Stellungsanomalien  der  einzelnen  ZĂ€hne,  teils  auf  den 
Anomalien  der  Zahnbögen  und  der  Kiefer  (Okklusions- 
fcaoinalien)  basieren.  FĂŒr  die  rein  Ă€rztliche  Beurteilung 
dĂŒrfte  im  allgemeinen  die  Einteilung  nach  Ă€tiologischen 
Momenten,  in  zwei  großen  Gruppen,  den  primĂ€ren  und 
seku  n d  À  r  e  n  Anomalien  (nach  Herbst)  am  zweck- 
mĂ€ĂŸigsten sein. 

Die  primÀren  Stellungsanomalien  treten  wÀhrend  der 
Entwicklung  des  Gebisses  bezw.  bei  einem  in  der  Entwick- 
lung befindlichen  Alveolarfortsatz  wÀhrend  der  Den- 
tition auf;  die  seku  n  d  À  r  e  n  Anomalien  sind  bedingt 
durch  Ă€ußere  Einwirkungen  auf  die  Kiefer  bei  fertig 
ausgebildetem  Gebiß. 

Eine  Uebersicht  ĂŒber  die  verschiedenen  Kieferanomalien 
gibt  folgende  Zusammenstellung: 

A.  PrimÀre  Stellungsanomalien. 

1 .  Stcllungano  m  a  1  i  e  n   e  i  n  z  e  1  n  e  r   Z  À  h  n  e: 

a)  Drehung  um  die  LĂ€ngsachse  (Platzmangel); 

1)   Durchbruch  außerhalb  der  Zahnreihe  (Platzmangel); 

c)  Verlagerung  in  medialer  oder  distaler  Richtung. 

2.  B  i  Ii  a  noraalien: 

Prognathie. 
Progenie. 
Kopfbiß, 
offener  Iii  Ii. 
tiefer  Biß, 
Kreuzbiß. 

B.  SekundÀre  Stellungsanomalien. 

1.  Infolge  Zahnverlustes  (Operationen,  Extraktion"). 

2.  Infolge    von    Erkrankungen  .  (Druck    und    Zug  von 
Tumoren,  Narben-Zug). 

Die  Orthodontie  bezeichnet  als  Biß  a  n  o  in  a  1  i  e  solche 
Stellungsanomalien,  die  sich  auf  die  ganze  Zahnreihe  eines 
oder  beider  Kiefer  erstrecken. 

Die  normale  Kicferstellung  mit  normalem  Biß  (die 
oberen  FrontzĂ€hne  ĂŒber  die  unteren  FrontzĂ€hne  ĂŒbergreifend, 
die  palatinalen  Höcker  der  PrÀmolaren  und  der  Molaren  in 
den  LĂ€ngsfurchen  der  entsprechenden  unteren  ZĂ€hne 
ruhend)  wird  mit  Orthognathie  bezeichnet.  Bei  der 
Progn  a  t  h  i  e  ĂŒberragt  der  Oberkiefer  den  Unterkiefer,  das 
Kinn  weicht  zurĂŒck.  Eine  Prognathie  kann  vorgetĂ€uscht 
werden  beim  Vorhandensein  einer  Opistognathie,  bei 
der  ein  unterentwickelter  Unterkiefer  einem  normal 
entwickelten  Oberkiefer  gegenĂŒber  siebt.  Bei  der  Pro- 
gerie liegen  die  VerhÀltnisse  umgekehrt;  die  unteren 
FrontzĂ€hne  beißen  hier  vor  die  oberen;  Unterlippe  und 
Kinn  stehen  vor.  Beim  Kopf  biß  treffen  die  Schneiden 
der  FrontzÀhne  senkrecht  aufeinander;  diese  Anomalie  kann 
Sich  in  ausgeprÀgten  FÀllen  auch  auf  die  KauzÀhnc  er- 
strecken, die  sich  dann  nicht  in  den  LĂ€ngsfurrhen,  sondern 
mit  den  Kauhöfkern  berĂŒhren.    Der  offene  Biß  ist  durch 


mangelhaften  Schluß  der  ZĂ€hne  charakterisiert.  Die  rĂŒck- 
wÀrtigen Abschnitte  der  Zahnreihen  artikulieren  normal; 
jedöch  in  den  vorderen  Teilen  ist  eine  BerĂŒhrung  der  ZĂ€hne 
nicht  möglich.  Beim  tiefen  Biß  greifen  die  lTonlzĂ€hne 
weiter  ĂŒbereinander  als  normal,  oft  bis  zur  BerĂŒhrung  der 
FrontzÀhne  mit  der  Gingiva  des  Gegenkiefers.  Als  K  re  u  z  - 
b  i  ß  wird  eine  Verschiebung  der  Kiefer  in  frontaler  Richtung 
bezeichnet,  bei  der  eine  Kreuzung  der  beiden  Zahnreihen 
meist  in  der  Mittellinie  vorbanden  ist,  so  dali  au!  einer  Seite 
eine  prognathe,  auf  der  andern  Seite  eine  progene  Stellung 
besteht. 

Beim  Kinde  spielen  vornehmlich  die  primÀren  Anomalien 
eine  Bolle;  die  sekundĂ€ren  sind  fĂŒr  die  kindliche  Entwick- 
lung von  Bedeutung,  so  weit  es  sich  um  vorzeitigen  Verlust 
von  MilchzÀhnen,  also  um  eine  gestörte  II.  Dentition  bandelt. 
Zur  richtigen  Erkennung  und  Beurteilung  ist  zunÀchst  die 
eingehende  BerĂŒcksichtigung  der  f  ĂŒ  r  die  Kieferbil- 
d  u  hg  maßgebenden  Faktoren  von  ausschlaggebender 
Bedeutung,  ehe  auf  die  Àtiologischen  Momente  der  Anomalien 
und  auf  die  Therapien  eingegangen  werden  kann. 

Die  Darstellung  der  anatomischen  und  entwicklungs- 
geschiehtlichen  VerhĂ€ltnisse  muß  als  bekannt  und  den 
Rahmen  dieser  Arbeit  ĂŒbersteigend  unterlassen  werden.  Nur 
auf  die  wichtigsten  Punkte  sei  hingewiesen. 

Der  Einfluß  der  in  Ausbildung  begriffenen  ZĂ€hne  er- 
streckt sich  nicht  nur  auf  die  Kieferknochen  selbst,  sondern 
darĂŒber  hinaus  auf  das  Wachstum  des  SchĂ€dels  ĂŒberhaupt. 
Die  Versuche  Landsbergers  bestÀtigen  dies  in  ein- 
wandfreier Weise.  Um  die  Wirkung  der  ZĂ€hne  aus- 
zuschalten, entfernte  Landsberger  bei  jungen  Hun- 
den die  Zahnkeime  einer  Kieferseite.  Die  nach  Ablauf  eines 
Jahres  untersuchten  SchÀdel  zeigten  deutliche  Degenerations- 
merkmale  am  ganzen  SchÀdel  der  zahnlosen 
Seite.  Vor  allem  blieb  die  Bildung  eines  Alveolarfortsatzes 
vollkommen  aus.  Dieser  ist  also  als  ein  Produkt  der  ZĂ€hne 
aufzufassen;  ohne  ZĂ€hne  kann  sich  kein  Alveolarfortsatz 
bilden.  Die  ganze  Gestaltung  des  Alveolarfortsatzes  und  da- 
mit des  Kieferbogens  ist  von  der  Z  a  h  n entwickl  ĂŒ  n  g 
und   der   Dentition   abhÀngig  (Kranz). 

Mit  der  Zahnbildung  geht  das  Wachstum  der  Kiefer- 
knochen Hand  in  Hand.    W  a  1  k  h  o  f  f  erklÀrt  die  Wechsel- 
wirkung von  Zahnkeim   und   Kieferknochen    so,   daß  die 
ersteren  in  die   LÀnge   und   Breite   wachsen,   wÀhrend  in 
gleichem   Maße    die   Knoehenumgebung  zusammengepreßt 
wird.    Druck  und  Gegendruck  bilden   die  Anregung  zum 
Wachstum;  dazu  kommt  noch   der  Kaudruck,   der  einen 
weiteren  Reiz  ausĂŒbt.    Der  wirksame  Kaudruck   ist  nach 
Untersuchungen  Sau  er 's,  Rosenthal's  u.a.  außer- 
ordentlich stark,  er  schwankt  zwischen  25  und  80  kg.  Die 
Wirkung  des  Kaudruckes  betÀtigt  sich  nach  P 1  a  f  f  und 
Zielinsky  in  doppelter  Richtung;  einmal  als  throphischer 
Reiz,  der  den  in  der  Tiefe  liegenden  Zahnkeim  zum  Wachsen 
veranlaßt,  und  zweitens  als  athrophische  Beeinflussung  des 
ĂŒber  den  sich  bildenden  ZĂ€hnen  befindlichen  Gewebes.  Ein 
weiterer  fĂŒr  das  Wachstum  der  Kieferknochen  und  fĂŒr  die 
Bildung  der  Zahnbogen  wichtiger  Umstand  ist  die  zeitliche 
Reihenfolge  des  Durchbruches  der  ZĂ€hne,  namentlich  der 
nach  den    1.  Milchmolaren   erscheinenden  EckzÀhne.  Die 
liefer  (als  die  ĂŒbrigen  Zahnkeime)  im  Kiefer  gelagerten  Eck- 
zÀhne pressen  schon   vor  dem  Durchbruch  einerseits  die 
SchneidezÀhne  nach  der  Mittellinie,  hin  zusammen,  anderer- 
seits ĂŒben  sie  in  distaler  Richtung   auf   die  Milchmolaren 
einen  erheblichen  Druck  aus.    Nach  dem  Durchbruch  der 
Eckzahne  mĂŒssen  sich  die  ZĂ€hne  des  Ober-  und  Unterkiefers 
untereinander  einrichten,  um  Platz  zu  finden.    Außer  den 
Druckwirkungen  auf  die  NaohbarzÀhne  bestehen  auch  solche 
auf  die  ZĂ€hne  des  Gegenkiefers;  eine  starke  Beeinflussung 
auf  die  Gestaltung  der  Kieferbogen  ist  dadurch  erklÀrlich. 
Parallel  mit  der  Kieferzunahme   gebt  die   der  Muskulatur, 
deren  Einfluß  auf  die  Kiefer  um  so  grĂ¶ĂŸer  ist,  je  stĂ€rker  die 
Muskeln  funktionell  in  Anspruch  genommen  werden.  (Wich- 
tigkeit des  grĂŒndlichen  Zerkauens    der    Speisen  besonders 
wÀhrend  der  Kiefercnlwicklung.) 


402 


Hauberrisser:  KieferorthopÀdie 


Nr.  22/23.  — 40.  Jahrg. 


Die  Resorption  der  MilchzÀhne  bzw.  der  Milchzahn- 
alveolen  und  der  Durchbruch  der  bleibenden  ZĂ€hne  ist  in- 
sofern fĂŒr  die  Kieferbildung  von  Bedeutung,  als  in  der  hier- 
fĂŒr in  Betracht  kommenden  Zeit  vom  6. — 12.  Lebensjahre  im 
Alveolarfortsatz  die  grĂ¶ĂŸten  Umwandlungen  vor  sich  gehen. 
Um  diese  Zeit  ist  die  Verkalkung  der  bleibenden  ZĂ€hne  so 
weit  fortgeschritten,  daß  diese  einen  expansiven  Druck  auf 
den  sie  umgebenden  Kieferknochen  ausĂŒben  und  so  die  Kiefer 
strecken.  Dies  ist  im  Bereich  der  FrontzÀhne  erheblich  stÀr- 
ker der  Fall  als  in  der  Molaren-  bzw.  PrÀmolarengegend,  da 
die  bleibenden  Frontzahnkronen  erheblich  breiter  sind  als 
die  entsprechenden  MilchzÀhne;  nur  die  Milchmolaren  bleiben 
geschlossen  stehen,  ihre  EisatzzÀhne,  die  Bicuspidaten, 
bleiben  im  Umfang  hinter  den  der  Milchmolaren  zurĂŒck. 
Diese  VerhĂ€ltnisse  sind  nach  Zielin sky  die  Ursache,  daß 
normalerweise  in  der  Zeit  vom  5. — 7.  Lebensjahre  be- 
sonders die  FrontzÀhne  auseinanderweichen  und 
zwischen  sich  erhebliche  LĂŒcken  entstehen  lassen. 

Eine  no  r  m  a  1  e  Folge  der  durch  das  Auseinandertreten 
der  ZĂ€hne  bedingten  Erweiterung  des  oberen  Zahnbogens  ist 
weiterhin  die,  daß  sich  die  Artikulation  im  Milchgebiß  derart 
verschiebt,  daß  der  untere  Zahnbogen  sich  nun  in  den  ver- 
grĂ¶ĂŸerten oberen  hineinschiebt.  Dadurch  stehen  die  beiden 
Milchmolaren  beiderseits  nicht  mehr  wie  vorher  so,  daß  sie 
distal  mit  einer  senkrechten  Linie  abschneiden,  sondern  der 
zweite  untere  Milchmolar  verschiebt  sich  nach  vorne 
(medialwÀrts),  wÀhrend  der  zweite  obere  Milchmolar  den 
unteren  distalwĂ€rts  ĂŒberragt. 

Dieser  rein  physiologische  Vorgang  ist  ‱  wiederum  die 
Vorbedingung  fĂŒr  die  normale  Stellung  der  in  dieser  Zeit 
durchbrechenden  ersten  bleibenden  Molaren,  fĂŒr  deren 
Normal-Okklusion  bekanntlich  das  Eingreifen  der  vorderen 
palatinalen  Höcker  der  oberen  Molaren  in  die  Querfissur  der 
unteren  Vorbedingung  ist. 

Mit  dem  Durchbruch  der  ersten  bleibenden  Molaren,  der 
sog.  6  Jahr-Molaren,  ist  ein  Markstein  in  der  Entwicklung 
des  ganzen  Kiefers  erreicht.  Die  große  physiologische  Bedeu- 
tung dieser  ZĂ€hne  liegt  (nach  Partsch)  darin,  daß  durch 
die  symmetrische  Anordnung  die  Ebene  festgelegt  wird,  in 
der  die  Kiefer  einander  treffen  wÀhrend  der  langen  Zeit  der 
Umwandlung  des  Milchgebisses  in  das  bleibende  Gebiß.  Vom 
0. — 12.  Lebensjahre  stellen  die  6  Jahr-Molaren  gleichsam  die 
SĂ€ulen  fĂŒr  die  Gebißbogen  dar,  unter  deren  krĂ€ftigem  Schutz 
die  durchbrechenden  bleibenden  ZĂ€hne  in  das  Gebiß  ein- 
rĂŒcken und  ihre  endgĂŒltige  Stellung  in  ihm  erfahren. 

Es  ist  deshalb  fĂŒr  das  ganze  Gebiß  von  weitgehender  Be- 
deutung, daß  der  Durchbruch  und  die  Feststellung  der  ersten 
bleibenden  Molaren  in  den  physiologischen  Grenzen  erfolgt. 
Aendert  nur  einer  dieser  vier  Ruhepunkte  seinen  Platz,  so 
muß  dadurch  die  Symmetrie  des  Kieferbogens  leiden  unter 
RĂŒckwirkung  nicht  nur  auf  die  betreffende  Kieferseite  selbst, 
sondern  auf  beide  Kieferbögen  ĂŒberhaupt. 

Als  fĂŒr  die  Kieferbildung  maßgebende  Faktoren  sind 
noch  die  Beziehungen  zwischen  Mund  und  Nase  mit  deren 
Nebenhöhlen  anzufĂŒhren,  durch  die  die  Entwicklung  der 
Kiefer  ebenfalls  wesentlich  beeinflußt  wird.  Das  Lumen  der 
Nase  und  die  Choanen  werden  durch  die  Gestalt  der  Ober- 
kiefer bzw.  der  Zahnbogen  wesentlich  beeinflußt.  Gebiß  - 
anomalien,  Mundhöhle  und  Nase  stehen  daher  in  inniger 
Wechselbeziehung.  Auf  diese  VerhÀltnisse  wird  in  folgendem 
noch  nÀher  einzugehen  sein. 

Bei  Besprechung  der  Aetiologie  der  Anomalien 
sei  fĂŒr  den  vorliegenden  Zweck  ganz  allgemein  unterschieden 
zwischen  den  lokalen  Ursachen,  die  innerhalb  der  Mund- 
höhle bzw.  der  Zahnbogen  liegen  und  direkte  mechanische 
Einwirkungen  auslösen,  und  den  Anomalien  konstitu- 
tioneller Art,  denen  pathologische  VerÀnderungen  der 
Nachbarorgane  oder  Allgemeinerkrankungen  zugrunde  liegen; 
ferner  solchen  Normabweichungen  die  durch  Vererbung  zu 
erklÀren  sind. 

Zur  ersten  Gruppe  gehören  zunĂ€chst  alle  Ă€ußeren,  ent- 
stellenden EinflĂŒsse  wie  Druck,  Stoß,  Schlag,  Fall  usw.  Daß 
solche  Traumen  die  Kiefer-  bzw.  Zahnstellung  beeintrÀch- 


tigen können,  ist  ohne  weiteres  klar  und  sei  hier  nur  der 

VollstÀndigkeit  halber  erwÀhnt. 

Als  Traumen  in  gewissem  Sinne  können  auch  die  SchÀ- 
digungen aufgefaßt  werden,  die  der  SĂ€uglings-Kiefer  durch 
Erschwerung  der  Saugmöglichkeit  erfÀhrt.  Das  anstrengende 
Saugen  an  schlecht  entwickelten  BrĂŒsten,  der  Lutschbeutel, 
der  Beißring,  ungeeignete  Gummisauger  können  in  dieser  Be- 
ziehung prĂ€disponierend  fĂŒr  eine  Kiefer-Mißbildung  (Pro- 
gnathie) wirken. 

Wichtige  Àtiologische  Momente  bieten  vor  allem  alle 
Störungen  der  normalen  Dentition,  soweit  sie 
nicht  (besonders  bei  der  ersten  Dentition)  durch  Allgemein- 
erkrankungen (Rachitis)  bedingt  sind;  hier  ist  es  besonders 
die  zweite  Dentition,  die  Zeit  vom  6. — 14.  Lebensjahr,  die  den 
Arzt  vor  allem  interessiert.  Oben  wurde  bereits  die  Wichtig- 
keit des  normalen  Durchbruches  der  ersten  bleibenden  Mo- 
laren betont.  Eine  Àhnliche  wichtige  Rolle  spielen  die  zweiten 
Milchmolaren.  Tritt  ein  vorzeitiger  Verlust  der  zweiten 
Milchmolaren  ein,  wie  dies  hÀufig  wegen  Karies  zu  beob- 
achten ist,  so  rĂŒckt  der  bleibende  Zahn  durch  die  mangelnde 
vordere  StĂŒtze  nach  vorne  und  nimmt  den  freien  Platz  mehr 
oder  weniger  fĂŒr  sich  in  Anspruch.  Die  weitere  Folge  ist, 
daß  die  spĂ€ter  durchbrechenden  ZĂ€hne  (PrĂ€molaren)  eben- 
falls nach  vorne  rĂŒcken  mĂŒssen,  und  daß  in  der  symmetri- 
schen Entwicklung  des  Zahnbogens  ein  MißverhĂ€ltnis  auftritt, 
das  weiterhin  nicht  nur  den  Gegenkieferbogen  derselben  Seite, 
sondern  den  ganzen  Gebißbogen  beeinflußt.  Sind  nun  die 
mittleren  bleibenden  SchneidezÀhne  (wie  das  meist  der  Fall 
sein  wird)  schon  durchgebrochen  und  haben  ihre  feste  Stel- 
lung im  Kieferbogen  erlangt,  wird  der  vorschiebenden  Druck- 
wirkung der  hinteren  ZĂ€hne  ein  Gegengewicht  geboten.  Als 
Folge  hiervon  wird  der  eine  oder  andere  spÀter  erscheinende 
.Zahn  aus  der  Zahnreihe  herausgedrÀngt  werden.  Der  Haupt- 
leidtragende ist  in  diesem  Falle  der  Eckzahn,  der  bei  seinem  j 
(normal)  verspĂ€teten  Durchbruch  den  ihm  gebĂŒhrenden  Platz 
schon  vom  ersten  PrĂ€molar  besetzt  findet  und  außerhalb  der 
Zahnreihe  durchbrechen  muß.  Ein  solcher  Druck  kann  sich 
auf  die  ganze  Zahnreihe  auch  so  Ă€ußern,  daß  die  ZĂ€hne  dach-  . 
ziegeiförmig  ĂŒbereinander  geschoben  werden. 

In  gleicher  Weise  wird  ein  vorzeitiger  Verlust  der  eisten 
bleibenden  Molaren  sich  schÀdigend  auswirken.  Beim  Aus- 
fall eines  dieser  StĂŒtzpfeiler  erleidet  einerseits  die  Bißebene 
auf  der  betreffenden  Seite  eine  Senkung,  die  sich  in  einer 
Verlagerung  des  Gaumengewölbes  Ă€ußern  muß,  andererseits 
wenden  durch  die  verÀnderten  DruckverhÀltnisse  Stellungs- 
anomalien der  entsprechenden  Zahnreihe  verursacht. 

Ebenso  wie  ein  vorzeitiger  Verlust  der  MilchzÀhne  können 
persistierende  MilchzÀhne  eine  Stellungsanomal ie 
verursachen.  Diese  Erscheinung  ist  bedingt  durch  den  Ein- 
fluß des  Wurzel-Resorptionsprozesses  auf  die  Alveole.  Gleich- 
zeitig mit  dem  beginnenden  Durchbruch  des  bleibenden 
Zahnes  beginnt  in  der  ĂŒber  der  durchbrechenden  Zahnkrone 
liegenden  Knochenschicht  ein  Absorptionsprozeß.  Die 
Ă€ußere  Alveolar-Lamelle  wird  ausgebuchtet  und  der  oheix 
Teil  der  Alveole  immer  mehr  zum  Schwinden  gebracht,  bis 
die  Krone  durchgebrochen  ist.  Da  jedoch  die  Wurzel  des 
Ersatzzahnes  bedeutend  schmÀler  als  der  Kronenumfang  ist. 
und  da  die  um  den  Wurzelteil  einsetzende  Knochenneubil- 
dung  mit  dem  Durchbruch  nicht  gleichen  Schritt  halten 
kann,  werden  die  neu  durchbrechenden  ZĂ€hne  selbst  durch 
den  leisesten  Druck  leicht  aus  der  vorbestimmten  Richtung 
gedrÀngt.  Infolge  dieser  VerhÀltnisse  sind  selbst  kleinste 
stehengebliebene  Milchzahn- Wurzelreste  imstande,  eine  er- 
hebliche Stellungsanomalie  zu  verursachen. 

Von  Bedeutung  sind  auch  die  Angewohnheiten 
der  Kinder,  wie  Wangen-,  Lippenbeißen  und  vor  allem 
(ias  Fingerlutschen.  Kinder  zeigen  hÀufig  die  Gewohnheit, 
daß  die  Unterlippe  leicht  unter  die  Schneiden  der 
oberen  FrontzÀhne  eingezogen  wird.  Es  ist  dies 
meist  ein  „Verlegenheitsmanöver".  das  durch  die  hĂ€ufige 
Wiederholung  der  wenn  auch  schwachen  Kraftein- 
wirkung ein  VordrÀngen  der  oberen  SchneidezÀhne  ver- 
ursacht.    Eine    Àhnliche  VorwÀrtsbewegung    der  oberen 


Ha  uberr  isser:  KieferorthopÀdie 


40:1 


lt.  22/23. -40.  Jahrg. 


SchneidezÀhne  kann  auch  dadurch  hervorgerufen  werden, 
dali  Kinder  —  oft  nach  jedem  gesprochenen  Satz  d  i  e 
Zunge  kurz  vorstrecken,  um  die  Lippen  zu  be- 
feuchten. Noch  eine  andere  kindliche  Angewohnheit  ver- 
dient ErwÀhnung,  die  darin  besieht,  dali  die  Wangen 
z  w  i  s  c  h  e  n  die  Z  a  h  n  r  e  i  he  n  e  i  n  g  e  s  a  u  g  t  werden. 
Audi  (.lieser  wiederholt  wirkende  Muskeldruck  reicht  hin,  um 
die  Kieferbögen  zu  deformieren.  Das  F  i  n  g  e  r  1  u  t  s  c  he  n, 
diese  weitverbreitete  Angewohnheit,  verursacht  eine  Ano- 
malie, die  sich  dahin  auswirkt,  daß  der  obere  Alveolart'orl- 
sat/  im  Bereich  der  Schneide-  und  EckzÀhne  nach  vorne  und 
etwas  nach  der  Seite  (entsprechend  der  zum  Luisehen  ver- 
wendeten rechten  oder  linken  Hand)  gezogen  wird,  wÀhrend 
gleichzeitig  durch  den  Druck  der  Dorsalseite  des  Lutsch- 
fingers  der  unlere  mittlere  Alveolarfortsatz  lingualwÀrts  ge- 
drĂŒckt wird. 

Wenn  auch  besonders  Angle  den  „Angewohnheiten" 
erhöhte  Bedeutung  beimißt  und  die  daraus  entstehenden 
Anomalien  an  zahlreichen  Modellen  nachweist,  so  ist  im  all- 
gemeinen, auch  nach  den  neueren  Autoren,  wie  P  f  a  f  f , 
Jessen,  Kranz,  O  p  p  1  e  r  u.  a.,  diesen  Erscheinungen  nur 
ein  bedingter  W  e  r  t  beizumessen.  Besonders  das  Finger- 
lutschen  gewinnt  als  Ă€thiologisches  Moment  fĂŒr  Anomalien  erst 
dann  Bedeutung,  wenn  es  ĂŒber  das  SĂ€uglingsalter  hinaus  bis 
ins  zweite  und  dritte  Lebensjahr  und  noch  spÀter  fortgesetzt 
wird.  Dann  wird  zweifellos  auf  die  Milchzahnstellung  ein 
schĂ€digender  Einfluß  ausgeĂŒbt,  der  sich  auch  auf  die 
bleibenden  ZĂ€hne  ĂŒbertragen  muß,  da  ja  die  MilchzĂ€hne  die 
Stellung  fĂŒr  die  bleibenden  ZĂ€hne  vorschreiben. 

Interessant  in  dieser  Beziehung  dĂŒrften  auch  die  neueren 
Arbeiten  des  Sexualpsychologen  Freud  sein,  der  das 
Fingerlutschen  als  „autoerotische  Handlung"  und  als  „Lust- 
gewinn an  der  erogenen  Zone  des  Mundes"  charakterisiert. 
Diese  Feststellungen  Freud's  sind  nach  Knoche  bei  der 
Entwöhnung  zu  berĂŒcksichtigen,  wenn  das  fortwĂ€hrende 
Lutschen  die  kieferorthopĂ€dischen  Maßnahmen  in  Frage 
stellen  wĂŒrde  oder  wenn  die  Verhinderung  des  Lutschens 
aus  prophylaktischen  GrĂŒnden  erfolgen  soll.  Es  sei  hier  nur 
der  sog.  Jessen 'sehe  DrahtÀimel  erwÀhnt,  der  in  der  ertrÀg- 
lichsten Armhaltung  zwar  das  Lutschen  verhindert  aber  ein 
sexuell-labiles  Kind  geradezu  auf  die  Masturbation  hinweisen 
kann. 

Eine  ziemlich  hÀufige  Form  einer  Anomalie' k^tehT~in 
einer  mehr  oder  minder  ausgeprĂ€gten  LĂŒcke  zwische n 
den  beiden  mittleren  oberen  SchneidezÀhnen  (Dia- 
stema), in  seltenen  FĂ€llen  auch  an  den  mittleren  unteren 
Ineisiven  (Diastema).  Diese  Erscheinung,  die  sowohl 
kosmetisch  ungĂŒnstig  wirkt,  als  auch  besonders  die 
Sprache  störend  beeinflußt,  ist  bedingt  durch  eine  anor- 
male Entwicklung  und  Befestigung  des  frenulum  labii,  das 
statt  an  der  vorderen  Alveolarwand  anzusetzen  zwischen  die 
mittleren  SchneidezÀhne  hindurchzieht  und  an  der  meist 
vergrĂ¶ĂŸerten  papilla  incisiva  inseriert.  Das  starke  fibröse 
Band  hÀlt  nicht  nur  passiv  die  ZÀhne  auseinander,  sondern 
bei  den  Bewegungen  der  Lippe  wird  dieser  Zustand  immer 
weiter  verschlechtert,  der  schließlich  auf  sĂ€mtliche  Front- 
zĂ€hne, die  distalwĂ€rts  verdrĂ€ngt  werden,  ĂŒbergreifen  kann. 

Bei  den  auf  konstitutionellen  Ursachen  basierenden  Ano- 
malien nimmt  die  behinderte  Nasen-Atmung  die 
Richtigste  Stelle  ein.  Die  Mundatmung  ist  sowohl  bei  Er- 
wachsenen wie  bei  Kindern  außerordentlich  verbreitet.  Nach 
den  Feststellungen  Pf  Àff 's  sind  45%  der  Schulkinde] 
Mundatmer.  FĂŒr  die  Mundalmimg  ist  die  teilweise  oder  voll- 
stÀndige Verlegung  der  Nasenpassage  infolge  pathologischer 
VerhÀltnisse  in  der  Nase  und  im  Nasenrachenraum  verant- 
wortlich zu  machen  und  hier  spielen  die  adenoiden 
Wucherungen,  Hypertrophie  der  Tonsillen,  Polypen 
und  DifformitÀten  des  Xasenseplums  eine  besondere  Rolle. 
Der  Zwang,  durch  den  Mund  zu  atmen,  erzeugt  gegenĂŒber 
der  hei  geschlossenem  Munde  erfolgenden  normalen  Nasen- 
attnung  völlig  verÀnderte  VerhÀltnisse  in  der  Mundhöhle  und 
deren    Xarhharoi  ganen.      Besonders    die    Entwicklung  des 


Oberkiefers,  des  Gaumens  und  damit  die  Zahnstellung  Ii 
leiden  eine  Einbuße. 

Der  Oberkiefer  nimmt  infolge  der  Mundatmung  eine 
enge,  langgestreckte,  hÀufig  V-förmige  GeStall  mit  hohen 
schmalen  ÄlveolarfortsĂ€tzen  und  hohen  Gaumen  an  (Pro- 
gnathie). Sehr  oeder  erklÀrt  diese  Formanomalie  haupt- 
sÀchlich durch  den  seitlichen  Druck  der  Wangenmuskulatur, 
Infolge  des  durch  die  Mundatmung  bedingten  Herabsinkens 
des  Unterkiefers  wĂŒrden  die  Wangen  seitlich  gegen  den  Ober- 
kiefer gedrĂŒckt,  so  daß  die  Alveolaren  tsĂ€lze  gegen  die  Mittel- 
linie rĂŒcken,  der  Gaumen  höher  wird  und  der  Zwischen- 
kiefer  sich  nach  vorne  drÀngt.  Kantorowicz  tritt  dieser 
Ansicht  entgegen  und  sucht  die  ErklĂ€rung  fĂŒr  die  Kiefer - 
difformitÀt  in  einer  VerÀnderung  des  Luftdruckes,  da 
bei  behinderter  Nasenatmung  beim  Einatmen  ein  negativer 
Druck  in  der  Mundhöhle  besteht,  der  ein  Zusammenpressen 
der  Kiefer  zur  Folge  hat.  Der  einen  oder  anderen  Theorie 
schließen  sich  die  bekannten  Autoren  auf  orthodontischen 
Gebiet  wie  Angle,  Herbst,  K  ö  r  b  i  t  z,  Schroeder- 
Ben  seier,  Kranz,  Oppler  u.  a.  an.  Neuere  wider- 
sprechende Theorien,  z.  B.  die  Wustrow 's,  der  die 
Gaumenerhöhung  bei  der  Mundatmung  dem  verÀnderten 
Kaudruck  zuschreibt,  noch  anzufĂŒgen,  winde  den  Rahmen 
dieser  Arbeit  ĂŒberschreiten. 

Ein  weiterer  wichtiger  Faktor  fĂŒr  die  durch  Mund- 
atmung entstehenden  Anomalien  ist  der  Ausfall  des  Ober- 
lippen-Druckes, der  normalerweise  das  Breitenwachs- 
tum des  Oberkiefers  unterstĂŒtzt.  Die  Oberlippen-Muskulatur 
wird  durch  das  dauernde  Offenhalten  des  Mundes  nicht  nur 
in  ihrer  Entwicklung  beeintrÀchtigt;  sie  erleichtert  auch  das 
Ausweichen  der  SchneidezÀhne  nach  vorne,  bedingt  durch 
den  seitlichen  Druck,  sei  es  der  Luft  oder  der  gespannten 
Wangenmuskulatur. 

Auch  der  bei  bestehender  Mundatmung  fehlende 
Zungen  druck  spielt  fĂŒr  die  Verbildung  des  Oberkiefers 
insofern  eine  Rolle,  als  hier  das  bei  normaler  Nasenatmung 
bestehende  Gleichgewicht  zwischen  Lippen-,  Wangen-  und 
Zungendruck  gestört  ist  und  dem  Oberkiefer  die  normaler- 
weise durch  die  Zunge  gegebene  StĂŒtze  fehlt.  Dadurch,  daß 
bei  Normalatmung  die  Zunge  bei  geschlossenem  Munde  an 
den  Gaumen  angesogen  wird,  bleibt  sie  nicht  ohne  Einfluß  auf 
das  Wachstum  des  Oberkiefers;  sie  verhindert  einerseits  das 
Engerwerden  des  Gaumens  und  unterstĂŒtzt  andererseits  durch 
den  dauernden,  beim  Schlucken  noch  verstÀrkten  Druck  das 
Breitenwachstum  und  die  Gestaltung  des  Oberkiefers  und  des 
Gaumens.  ErwĂ€hnt  sei  hier  auch,  daß  durch  das  Fehlen  des 
Ansaugens  der  Zunge  diese  wĂ€hrend  des  Schlafes  zurĂŒck- 
sinkt und  so  das  Schnarchen  der  Mundatmer  verursacht. 

Der  Unterkiefer  verÀndert  bei  der  Mundatmung  seine 
Breitenausdehnung  meist  nicht;  teils  wegen  seiner  krÀftigen 
Bauart,  die  dem  Luftdruck  grĂ¶ĂŸeren  Widerstand  entgegen- 
setzt, teils  wegen  der  Zunge,  die  ganz  innerhalb  des  Unter- 
kiefers liegt  und  daher  einer  Verengerung  vorbeugt.  Dem 
LÀngerwerden  der  Frontzahn-Partie  wirkt  die  bei  geöffnetem 
Munde  vermehrte  Spannung  der  Unterlippe  entgegen.  Da- 
gegen wird  der  Unterkiefer  insofern  beeintrĂ€chtigt,  daß  bei 
jedem  Atemzug  ein  rĂŒckwĂ€rtiger  Muskelzug  auf  den  Unter- 
kiefer ausgeĂŒbt  wird,  der  allmĂ€hlich  den  Knochen  umformt 
und  die  unteren  ZĂ€hne  in  Distalokklusion  durchtreten  lĂ€ĂŸt 
(P  f  a  f  f). 

Der  Umstand,  daß  der  Luftaustausch  grĂ¶ĂŸtenteils,  hei  völlig 
gestörter  Nasenatmung  ganz  allein  durch  die  Mundatmung 
besorgt  werden  muß,  kann  nicht  ohne  schĂ€digenden  Einfluß 
auf  den  Gesamtorganismus  bleiben  und  bringt  nicht  zu  unter- 
schÀtzende Gefahren  mit  sich.  Die  Nase  fÀllt  als  Filter  und 
VorwĂ€rmer  der  Luft  aus,  die  Lungen  mĂŒssen  die  Außenluft 
ungereinigt  und  untemperiert  aufnehmen;  die  Schleimhaut 
des  Mundes  und  des  Rachens  wird  ausgetrocknet,  hÀufige 
Katarrhe,  Neigung  zu  Anginen  sind  die  Folge.  Die  mit  der 
Mundatmung  meist  einhergehende  oberflÀchliche  Atmung 
heeintrĂ€chtigt  auch  wesentlich  die  Brustorgane  (GrĂŒn- 
w  a  1  d).    Mangelhaft  entwickelter  Thorax  (HĂŒhnerbrust)  ist 


.404  Hauberrisser:  KieferorthopÀdie 


das  Resultat  der  oberflÀchlichen  Arbeit  der  Lungen.  Auch 
eine  wesentliche  BeeintrÀchtigung  des  Gehörs  kann  da- 
durch entstellen,  daß  die  durch  den  Mund  krĂ€ftig  eingezogene 
Luft  vom  Nasenrachenraum  und  von  der  Tube  —  die  ja  dem 
Mittelohr  Luit  zuzufĂŒhren  und  den  Luftdruck  auszugleichen 
nat  —  Luit  ansaugt,  so  den  Druck  im  Mittelohr  verringert 
und  das  Trommelfell  einsinken  lĂ€ĂŸt;  Wirkungen  die  auf  die 
Dauer  das  Gehörvermögen  beeintrĂ€chtigen  mĂŒssen  (P  f  a  f  f). 

Auch  der  Zusammenhang  zwischen  Mundatmung  und 
Enuresis   nocturna'  dar!    nicht   unerwÀhnt  bleiben, 
die  mit  der  KohlensÀure-UeberlÀdung  des  Blutes,  als  Folge 
r    behinderten    Luftzufuhr    erklĂ€rt    wird.  (LĂŒthje, 
Herbst). 

Die  Kaufunktionen  werden  bei  Mundatmern  da- 
durch wesentlich  behindert,  daß  dfe  Speisen  nicht  genĂŒgend 
zerkleinert,  sondern  nur  flĂŒchtig  zerkaut  und  ungenĂŒgend  ein- 
gespeichelt werden,  weil  ja  zwischendurch  Luit  eingeatmet 
werden  muß.  Daß  das  Essen  mit  offenem  Munde  einen  wenig 
Àsthetischen  Anblick  gewÀhrt,  sei  nur  nebenbei  bemerkt. 
Hand  in  Hand  mit  der  behinderten  Nahrungsaufnahme  und 
erschwerten  KaufÀhigkeit  gehen  Verdauungsbeschwerderi, 
unruhiger  Schlaf,  MĂŒdigkeit  des  Morgens,  aus  denen  wieder 
Mangel  an  SammlungsfÀhigkeit,  verminderte  Auffassungs- 
gabe, schlechte  Fortschritte  in  der  Schule  resultieren.  Durch 
alle  diese  Erscheinungen,  wie  unvollkommen  entwickelte  Ge- 
sichtsmuskeln, VerkĂŒrzung  der  Oberlippe,  stĂ€ndiger  offener 
Mund,  nach  unten  gezogene  Augenlider,  herabhÀngende 
Unterlippe  usw.  zeigen  die  Kinder  mit  Mundatmung  meist 
einen  blöd-stumpfsinnigen  Gesichtsausdruck,  der  mit  ihrer 
tatsĂ€chlichen  Intelligenz  oft  gar  nicht  ĂŒbereinstimmt,  sie  je- 
doch leicht  als  minder  begabt  beurteilen  lĂ€ĂŸt,  was  wiederum 
fĂŒr  die  geistige  Weilerentwicklung  keineswegs  erforder- 
lich ist. 

Aus  Vorstehendem  resultiert  die  außerordentliche  Wich- 
tigkeit der  Beseitigung  der  Mundatmung.  Es  muß  hier  nach- 
drĂŒcklich die  Pflicht  des  Hausarztes,  besonders  des  PĂ€diaters, 
betont  werden,  Mundatmerkinder  nicht  nur  dem  Nasenarzt, 
sondern  auch  dem  Zahnarzt  zu  ĂŒberweisen.  Eine  ein- 
seitig s  p  e  z  i  a  1  i  s  t  i  s  c  h  e  Behandlung  etwa  nur 
Entfernung  der  Tonsillen,  oder  nur  Beseitigung  der  adenoiden 
Wucherungen,  wÀhrend  der  hohe  Gaumen,  das  deformierte 
Xasenseptum,  die  Hypertrophie  der  Nasenschleimhaut  be- 
stehen bleiben,  wird  keine  Erfolge  fĂŒr  die  Gesundung  und 
Weiterentwicklung  des  Kindes  zeitigen.  Unter  allen  Um- 
stÀnden hat  die  kiefer-orthopÀdische  Behandlung  die 
Hauptarbeit  zuleisten.  Sie  wird  auch  den  Erfolg  ver- 
bĂŒrgen. Die  Dehnung  des  Oberkiefers  und  dadurch  Sen- 
kung des  Nasenbodens  zeigt  ĂŒberraschend  gĂŒnstige  Erfolge. 
Denn  meist  nach  6  wöchiger  Behandlung  können  die 
Patienten  schon  frei  durch  die  Nase  atmen;  mit  dem  freien 
Luftdurchzug  durch  die  Nase  gehen  weitere  VerÀnderungen 
Hand  in  Hand;  der  Nasenboden  wird  breiter,  das  schief- 
stehende  Septum  stellt  sich  gerade,  die  Hypertrophien  der 
NasenschleimhĂ€ute  gehen  zurĂŒck,  die  Sprache  wird  klarer 
und  vor  allem  verringern  sich  die  hÀufigen  AnfÀlle  von 
Katarrhen  usw. 

Gerade  auf  diesem  Gebiet  muß  vor  allem  der  Kontakt 
zwischen  Arzt  und  Zahnarzt  ein  innigerer  werden;  die 
Grenzen  zwischen  Allgemein-Medizin  und  Zahnheilkunde 
mĂŒssen  noch  grĂŒndliche)-  beseitigt  werden  als  das  bisher  in 
der  Praxis  der  Fall  ist. 

Der  Rachitis  wurde  als  Ă€tiologisches  Moment  fĂŒr 
Stellungsanomalien  bisher  nur  insofern  Beachtung  geschenkt, 
als  durch  sie  die  Verkalkung  der  ZĂ€hne,  besonders  der  ersten 
bleibenden  Molaren  leidet.  Die  bekannten  Erosionen  be*- 
dingen  eine  VerkĂŒrzung  der  Zahnkronen  und  dadurch 
können  die  eisten  bleibenden  Molaren  ihre  Aufgabe,  die  Biß- 
höhe zu  bestimmen,  nicht  voll  erfĂŒllen.  Die  FrontzĂ€hne  des 
Oberkiefers  hĂ€ngen  ĂŒber  die  unteren  bis  zur  BerĂŒhrung  des 
Zahnfleisches.  Es  entsteht  so  der  tiefe  Biß  (siehe  oben).  Von 
einigen  Autoren  (P  f  a  f  f)  wurde  als  Zeichen  von  Rachitis 
das  Steilerwerden  des  Gaumenbogens  wÀhrend  der  Dentition 
beobachtet,  und  der  spitzförmige  Gaumen  als  „typisch  rachi- 


Nr.  22/23. —40.  Jahrg. 


liscKes  Symptom"  aufgefaßt.  RegelmĂ€ĂŸig  seien  damit  Ver- 
engerung der  XasenseitenwÀnde,  Septumverbiegungen  und 
Adenoidwucherungen  verknĂŒpft.  Es  dĂŒrfte  aber  in  diesen 
ballen  der  immer  vorhandenen  Mundatmung  und  nicht  der 
Rachitis  unmittelbar  das  ursĂ€chliche  Moment  fĂŒr  die  Kiefer! 
deformitÀt  zuzuschreiben  sein;  dieser  nur  insofern,  als  durch 
die  geringere  Widerstandskraft  der  rachitischen  Knochen  die 
bei  der  Mundatmung  bestehenden  DruckverhÀltnisse  den 
Kieler  leichter  deformieren  können. 

Auch  die  Skrofulöse  und  die  Syphilis  h  e  r  i  d  i  t. 
sind  fĂŒr  die  Entstehung  von  Kieferanomalien  verantwortlich 
zu  machen,  jedoch  nur  in  dem  Maße  als  durch  die  allge- 
meinen SchÀdigungen  des  ganzen  Organismus  auch  die  Kiefer 
und  ZĂ€hne  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden.  Das  gleiche 
gilt  fĂŒr  die  Idiotie.  Wenn  einige  Forscher  glaubten 
(L  angdon-Do  w  n,  Bournevill  e),  bei  Schwachsinni- 
gen einen  großen  Prozentsatz  V-förmiger  Kiefer,  ferner  Ver- 
zögerung und  UnregelmĂ€ĂŸigkeit  der  Dentitionen  feststellen 
zu  können,  so  stehen  diesen  Theorien  andere  Autoren 
(KT  n  g  s  1  ey,  Stellwage  n,  P  i  e  r  c  e,  Z  i  m  m  e  r  rn  a  n  n) 
gegenĂŒber,  die  bei  Intelligenz  und  Idiotie  keine  Cnlerschiede 
bezĂŒglich  der  Zahl  der  Kiefer-  oder  Zahnanomalien  zugeben. 
Auch  hier  scheint  die  Idiotie  nicht  unmittelbare  Ursache  der 
Anomalien  zu  sein,  sondern  diese  treten  nur  als  notwendige 
Folge  der  bestehenden  Entwickelungsstörung  der  SchÀdel- 
basis auf.  Nach  Herbst  sind  die  bei  Idioten  beobachteten 
Kieferanomalien  auf  die  unrichtige  und  ungenĂŒgende  Be- 
nutzung des  Mundes  zurĂŒckzufĂŒhren.  Kauen,  Sprechen,  so- 
wie das  Atmen  durch  die  Nase  sind  bei  Idioten  mehr  oder 
weniger  unbekannte  FĂ€higkeiten,  so  daß  Kaudruck,  Luft- 
druck und  Gewehedruck  von  frĂŒhester  Kindheit  an  in  völlig 
ungleichem  Maße  in  Funktion  treten.  Virchow  hat  zu- 
erst auf  die  bei  Kretins  hÀufig  zu  beobachtende  Prognathie 
hingewiesen  und  diese  Erscheinung  damit  erklĂ€rt,  daß  die 
Zunge  bei  Idioten  in  ihrer  Funktion  behindert  wird,  vor 
und  zwischen  den  ZĂ€hnen  liegt,  dadurch  chronisch  gereizt 
und  allmĂ€hlich  vergrĂ¶ĂŸert  wird.  Dem  konstanten  Druck  der 
vergrĂ¶ĂŸerten  Zunge  geben  die  ZĂ€hne  nach  und  stellen  sich 
schließlich  schaufeiförmig  nach  vorn. 

Pathologische  VerhÀltnisse  können  rein  mechanisch 
durch  Druck  und  Zug  eine  fehlerhafte  Gestaltung  der  Kiefer 
bedingen.  Von  Tumoren  sind  hier  von  Bedeutung  die 
Macroglossie  und  Lipome  der  Zunge,  die  enorme 
Mißbildungen  (H  e  r  b  s  t)  besonders  des  Unterkiefers  und  De- 
formitĂ€ten hervorrufen  kann.  Die  gleiche  Wirkung  ĂŒben 
A  n  g  i  o  m  e  der  Zunge  aus,  die  entsprechend  ihrer  Lage  eine 
Ausbuchtung  des  Unterkiefers  nach  außen  und  unten  und 
damit  eine  bedeutende  Stellungsanomalie  (offener  Biß)  ver- 
ursachen können.  Auch  durch  die  Makrocheilie  wird 
durch  den  Zug  der  Unterlippe  der  Alveolarfortsatz  des  Unter- 
kiefers nach  vorne  gezogen,  und  eine  fÀcherförmige  SchrÀg- 
stellung der  unteren  FrontzÀhne  hervorgerufen.  Die  nach 
Verbrennungen  am  Halse  auftretenden  ausgedehnten 
Narben  können  zu  starken  Kontrakturen  fĂŒhren,  die  in 
schweren  FĂ€llen  nicht  ohne  Einfluß  auf  die  ganze  Kinn- 
gegend, auf  den  Alveolarfortsatz  und  auf  die  Stellung  der 
FrontzÀhne  bleiben.  Seitlich  am  Halse  liegende  Verbren- 
nungsnarben können  das  ganze  KiefergerĂŒst,  Ă€hnlich  wie  das 
caput  obstipum  beeinflussen,  indem  nicht  nur  die  Alvcolar- 
fortsĂ€tze  auf  der  kranken  Seite  nach  außen  verlagert  werden, 
sondern  auch  das  ganze  Gaumengewölbe  seine  Symmetrie 
einbĂŒĂŸt  (Eule  r). 

ErwĂ€hnt  sei  noch,  daß  das  Caput  obstipum,  durch 
die  Senkung  der  einen  GesichtshÀlfte  eine  Schwerpunktver- 
schiebung des  Kopfes  nach  der  kranken  Seite  und  damit 
FormverÀnderungen  am  ganzen  GesichtsschÀdel  bewirkt. 
Nach  Euler  sind  mit  dem  Caput  obstipum  auch  Ver- 
Ànderungen am  Gaumengewölbe  verbunden.  Dieses  zeigt  auf 
der  kranken  Seite  eine  Abflachung,  auf  der  gesunden  eine 
Ausbuchtung  nach  oben.  Die  Raphe  und  die  Mittellinie  des 
Gebisses  sind  im  Oberkiefer  nach  der  gesunden  Seite  hin 
verlagert,  Auch  die  durch  einen  angeborenen  Hochstand 
eines  Schulterblattes  charakterisierte  sog.  Sprengel  sehe 


Nr.  22/23.     10.  Jahrg.  Hauberrisser:  KieferorthopÀdie  106 


bifformilÀt  bewirkt  eine  AnnÀherung  des  Kopfes  an  die 
[Schulter  und  Verursacht  damil  VerÀnderungeft,  die  denen 
dos  Caput  obstipum  ganz  Àhnlich  sind. 

Was  nun  die  Vererbung  als  ursÀchliches  Moment 
Im  die  Kieferanomalien  betrifft,  so  stehen  sich  bei  deren 
Beurteilung  zwei  Anschauungen  noch  gegenĂŒber.  Die  eine 
(Theorie  macht  allein  die  Anlage  fĂŒr  eine  DifformitĂ€t  ver 
intwortlich,  wÀhrend  die  andere  den  spÀter  auftretenden 
EinflĂŒssen  die  entscheidende  Rolle  zuerkennt.  WĂ€hrend 
Angl  e  und  H  e  r  h  e  r  die  Vei  erbung  als  ursÀchliches  Mo- 
ment ablehnen  und  die  Entstehung  der  Kieferaiiomalien  allein 
durch  die  spĂ€ter  einsetzenden  mechanischen  EinflĂŒsse  er- 
klÀren, neigen  nach  P  f  a  f  f  die  meisten  der  neueren  Forscher 
der  Ansicht  zu,  daß  die  Stellungsanomalien  am  hĂ€ufigsten 
als  ererbt  anzusehen  sind  (S  imon,  K  a  n  t  o  r  o  w  i  c  z 
u.  a.).  Ein  Teil  der  Autoren  geben  die  Erblichkeit  zu, 
machen  aber  vor  allem  eine  durch  Ă€ußere  VerhĂ€ltnisse 
(schlechte  ErnÀhrungsverhÀltnisse,  Erkrankungen)  bedingte 
Disposition  fĂŒr  eine  Kiefermißbildung  verantwortlich 
(Herbst,  KĂŒrbitz).  Der  Frage  am  nĂ€chsten  scheint  uns 
die  Ansicht  zu  kommen,  die  im  allgemeinen  die  primÀre 
Anlage  einer  Kieferform  (z.  B.  prognath  oder  progen)  als  er- 
erbt bezeichnet,  außerdem  jedoch  den  wĂ€hrend  der  Entwick- 
lung auftretenden  Ă€ußeren  pathologischen  EinflĂŒssen  die 
diesen  zukommende  wichtige  Rolle  zuweist,  wodurch  die  so 
oft  zu  beobachtenden  verschiedenen  Erscheinungen  in  einer 
Familie  erklÀrt  werden  können.  In  diesem  Zusammenhang 
verdienen  Beachtung  die  neueren  Arbeiten  von  Kantor  o- 
w  i  c  z:  „Die  Progenie  und  ihre  Vererbung",  Strohmeye  r: 
„Die  Vererbung  des  Habsburger  Familientypus",  Knoche: 
„Erblichkeit  des  vorspringenden  Kinns  der  Nachkommen 
Goethes". 

Die  sich  aus  den  bisherigen  AusfĂŒhrungen  ergebenden 
Richtlinien  fĂŒr  die  ki  e  f  e  r  o  r  t  h  o  p  Ă€  d  i  s c  h  e  Be- 
ll a  n  d  1  u  n  g  bestehen  einerseits  in  einer  möglichst  f  r  ĂŒ  h  - 
zeitig  e  n  E  r  k  e  n  n  u  n  g  einer  bestehenden  oder  sich  bil- 
denden Anomalie,  und  der  Vorbeugung  der  zu  erwarten 
den  pathologischen  Begleiterscheinung,  andererseits  bei 
schon  vorhandenen  Anomalien  in  der  Anwendung  geeig- 
neter B  e  h  a  n  d  1  u  n  g  s  m  aß n  ahmen,  die  nicht  nur 
normale  KieferverhÀltnisse  anstreben,  sondern  auch  den 
Allgemein -Gesundheitszustand    gebĂŒhrend  berĂŒcksichtigen. 

Die  Ueberwachung  der  kindlichen  Kieferentwicklung,  die 
dem  Arzt  zufÀllt,  hat  schon  im  S  À  u  g  1  i  n  g  s  a  1 1  e  r  ein- 
zusetzen. Ms  ist  besonders  wichtig,  daß  bei  der  Anordnung 
und  Ueberwachung  der  SĂ€uglingspflege  nicht  nur  die  MĂŒtter 
besonders  auf  die  Wechselbeziehungen  zwischen  Allgemein - 
plitwicklung  des  kindlichen  Organismus  und  der  Kieferent- 
wicklung hingewiesen  werden,  sondern  daß  auch  der  Arzt  sich 
der  Wichtigkeit  dieser  VerhĂ€ltnisse  bewußt  bleibt  und  sie 
berĂŒcksichtigt.  In  dieser  Beziehung  spielen  die  Erkrankungen 
der  kindlichen  Mundschleimhaut,  das  Saugen  an  ungenĂŒgend 
gepflegten  und  anormalen  Brustwarzen,  Lutschbcutel,  vor 
allem  das  Fingerlutschen  eine  nicht  zu  unterschÀtzende 
Rolle.  Alle  diese  VerhÀltnisse  können,  wie  die  Erfahrung 
lehrt,  schwer  schĂ€digende  RĂŒckwirkungen  auf  die  Entwick- 
lung der  Zahnkeime  und  weiter  der  Kiefer  ausĂŒben  und 
schon  in  den  ersten  Lebensmonaten  den  Grund  zu  spÀteren 
Anomalien  legen. 

Eine  weitaus  grĂ¶ĂŸere  Bedeutung  als  dem  zahnlosen  Sta- 
dium ist  naturgemĂ€ĂŸ  der  Zeit  der  ersten  und  zwei- 
ten Dentition  einzurĂ€umen.  Die  hier  maßgebenden 
wichtigen  Faktoren  wurden  schon  oben  besprochen;  auf  die 
große  Bedeutung  der  ersten  bleibenden  Molaren  und  auf  die 
bis  zum  Erscheinen  der  ZĂ€hne  wichtige  Erhaltung  der  Milch- 
molaren  sei  nochmals  hingewiesen.  Die  Voraussetzung  fĂŒr 
die  hierzu  nötigen  normalen  DentitionsverhÀltnisse  ist  eine 
Ueberwachung  und  frĂŒhzeitige  Behandlung  schon  der  Milch- 
zÀhne. Die  Kenntnis  der  Wichtigkeit  einer  normalen  Den- 
tition wird  in  den  EinzelfÀllen,  in  denen  fachÀrztliche  Be- 
handlung nicht  gleich  zur  VerfĂŒgung  steht,  den  Allgemein- 
praktiker nicht  vorzeitig  zur  Zange  greifen  lassen,  sondern 
unter  entsprechender  Belehrung  eine  Ueberweisung  in  facdi- 


Ă€rztliche  Behandlung  doch  versuchen  und  dadurch  den 
kleinen  Patienten  mehr  nĂŒtzen  als  durc  h  die  sofortige  Be- 
seitigung eines  Schmerzes.  E  i  n  e  vorzeitige  Zahnentfernung 
kann  der  Grund  fĂŒr  eine  bedeutende,  nur  mit  mancherlei 
Opfern  wieder  zu  beseitigende  Anomalie  sein. 

Die  Behandlung  selbst  liegt  natĂŒrlich  außerhalb  der 
TĂ€tigkeit  des  Allgemeinpraktikers  und  ist  in  die  1  lande  des 
Zahnarztes  zu  legen;  diesem  muß  auf  Grund  seiner  spezia- 
listischen  Erfahrung  die  Entscheidung  ĂŒberlassen  werden, 
wie  im  Einzelfalle  am  zweckmĂ€ĂŸigsten  die  Behandlung  vor- 
genommen werden  muß.  An  dieser  Siedle  sei  gestattet,  dar 
auf  hinzuweisen,  daß  der  Arzt  bei  der  Ueberweisung  eines 
Patienten  an  den  Zahnarzt  es  unterlassen  soll,  letzlerem  eine 
Behandlung  vorzuschreiben.  Ein  solches  Verfahren  trÀgt 
wenig  dazu  bei,  heim  Patienten  das  Ansehen  des  zahnÀrzt- 
lichen Kollegen  zu  heben;  andererseits  ist  es  fĂŒr  den  Arzt 
peinlich,  wenn  der  Zahnarzt  die  Anordnung  des  Arztes  ge- 
mĂ€ĂŸ seiner  fachĂ€rztlichen  Erfahrung  nicht  billigen  kann. 

Bei  den  Maßnahmen  zur  Behandlung  einer 
Stellungs-  oder  Bißanomalie  darf  nicht  das  Bestreben  vor- 
herrschen, möglichst  schnell  einen  normalen,  schön  ge- 
schlossenen Zahnbogen  zu  erreichen,  sondern  die  Behand- 
lung hat  sich  nach  dem  Ergebnis  der  Erforschung  der  U  r  - 
Sachen  einer  Anomalie  zu  richten.  „BekĂ€mpfung  (soweit 
dies  noch  möglich)  der  Ursache,  Beseitigung  ihrer  Folgezu- 
stÀnde und  Sicherung  der  neuen  Zahnstellung  -  -  das  sind 
die  Richtlinien,  die  zu  Dauererfolgen  fĂŒhren  (Eule  r)". 

Die  Behandlungsmethoden  bestehen  in  der  Beeinflussung 
einer  Anomalie  mittels  mechanischer  Hilfsmittel 
(Regulierungsapparate),  in  chirurgischen  Ein- 
griffen und  in  gewissen  FĂ€llen  in  der  Kombination 
beider  Behandlungsarten. 

Die  mechanischen  Hilfsmittel  spielen  bei  der 
Therapie  die  Hauptrolle.  Die  in  EinzelfÀllen  in  Betracht 
kommenden  chirurgischen  Eingriffe  stellen  im  allgemeinen 
nur  unterstĂŒtzende  Maßnahmen  dar.  Die  frĂŒher  herrschende 
Empirie  ließ  eine  Unmenge  mehr  oder  minder  komplizierter 
Apparate  entstehen.  Erst  durch  A  n  g  1  e,  C  a  s  e,  spÀter 
durch  H  e  r.b  s  t  und  in  neuerer  Zeit  durch  K  ö  r  b  i  t  z,  Z  i  e- 
linsky  ist  ein  System  in  die  orthodontischen  Hilfsmittel 
gebracht  worden,  das  die  Apparate  auf  wenige  Typen  be- 
schrÀnkte, die  nach  Art  der  FÀlle  die  verschiedensten  Kom- 
binationen gestatteten.  Die  Apparate  basieren  auf  der  Wir- 
kung von  Druck  und  Zug  vermittelt  vor  allem  durch  den 
elastischen  orthodontischen  Bogen,  weiter  auf  der  Wirkung 
der  Schraube,  der  schiefen  Ebene,  des  Gummizuges,  federnder 
DrÀhte  und  einfacher  Ligaturen.  Um  den  beabsichtigten 
Zweck,  die  Bewegung  der  ZÀhne  bzw.  VerÀnderung  des 
Alveolarfortsatzes  zu  erreichen,  mĂŒssen  die  Apparate  lang- 
sam wirken,  denn  einerseits  darf  der  Druck  nur  eine  all- 
mÀhliche Resorption  des  Knochens  hervorrufen,  andererseits 
ist  auf  die  allmÀhlich  vor  sich  gehende  Apposition  der  dem 
Druck  entgegengesetzten  Partien  RĂŒcksicht  zu  nehmen. 

Ueber  die  ZweckmĂ€ĂŸigkeitsfrage,  ob  die  Behandlung 
mittels  federnden  Bogens  oder  durch  Schraubenwirkung  vor- 
zuziehen sei,  sind  die  Ansichten  nicht  ĂŒbereinstimmend.  Be- 
sonders Herbst  bekennt  sich  zur  Schraube,  da  sie  „vom 
Patienten  am  angenehmsten  empfunden  wĂŒrde,  inter- 
mittierend wirke,  dem  Patienten  nach  jedesmaligem  Anziehen 
der  Schraube  wieder  eine  Ruhepause  gebe  und  vollkommen 
in  der  Gewalt  des  Zahnarztes  sei".  DemgegenĂŒber  ver- 
werfen die  neueren  Autoren  die  Schraubenapparate  voll- 
stĂ€ndig (Oppler,  Landsberger  u.  a.),  wegen  der  brĂŒs- 
ken Wirkung  und  besonders  wegen  der  großen  Platzbean- 
spruchung innerhalb  des  Gaumengewölbes,  der  damit  ver- 
bundenen Behinderung  der  Zunge,  der  Erschwerung  der 
Sprache  und  der  Nahrungsaufnahme.  Wie  bei  allen  thera- 
peutischen Methoden  ist  jedoch  auch  hier  cum  grano  salis 
zu  verfahren.  FĂŒr  die  Art  der  Kraftwirkung  eines  Regulie- 
rungsapparates muß  der  jeweilige  Einzelfall  maßgebend  sein. 
Wenn  im  allgemeinen  auch  der  orthodontische  elastische 
Bogen  d  a  s  Instrument  des  modernen  KieferorthopÀden  dar- 
stellt, so   gibt  es   noch   genug   FĂ€lle  (z.  B.    relativ  hoher 


Hauberrisser:  KieferorthopÀdie 


Nr.  22/23. —40.  Jahrg. 


Gaumen,  wo  die  Zunge  wenig  belÀstigt  wird),  in  denen  die 
Schraube  zweckmĂ€ĂŸige  Verwendung  findet.  In  vielen  FĂ€llen 
ist  auch  eine  Kombination  beider  Arten  —  Beginn  der 
Dehnung  durch  Schraubenapparat,  FortfĂŒhrung  der  Behand- 
lung durch  Bogenapparat  —  sehr  empfehlenswert.  Auf  die 
verschiedenen  Regulierungsapparate  im  einzelnen  einzu- 
gehen ist  nicht  der  Zweck  der  vorliegenden  Arbeit. 

Die  chirurgischen  Eingriffe  bestehen  in 

1.  Entfernung  einzelner  ZĂ€hne  zur  Raumgewinnung, 

2.  gewaltsame  StellungsverÀnderung  einzelner  ZÀhne 
(Redressement  force), 

3.  Beseitigung  des  Diastema, 

4.  Behandlung  der  Progenie  durch  Resektion  des  Unter- 
kiefers. 

Um  Anomalien,  besonders  die  durch  Raummangel  ent-, 
standenen,  ohne  langwierige  und  kostspielige  Apparate- 
behandlung  zu  beseitigen,  bediente  man  sich  schon  frĂŒh- 
zeitig der  blutigen  Entfernung  anormal  stehender  oder  eine 
Anomalie  scheinbar  verursachender  ZĂ€hne  und  ĂŒberließ  es 
den  in  den  Kiefern  herrschenden  DruckverhÀltnissen,  die  so 
geschaffene  LĂŒcke  auszufĂŒllen,  d.  h.  eine  Selbstregu- 
1  i  e  r  u  n  g  herbeizufĂŒhren.  Da  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  die  ersten 
bleibenden  Molaren  wÀhrend  der  zweiten  Dentition  in  er- 
höhtem Maße  zur  Karies  neigen  und  hĂ€ufig  schon  ein  Jahr 
nach  erfolgtem  Durchbruch  tief  zerstört  sind,  wurden  vor- 
nehmlich diese  ZĂ€hne  der  Zange  geopfert,  um  dadurch  Raum 
zu  schaffen.  Mit  der  fortschreitenden  Kenntnis  der  Aetiologie 
der  Anomalien  und  der  fĂŒr  eine  normale  Kieferentwicklung 
maßgebenden  Faktoren,  besonders  der  Wichtigkeil  der  ersten 
bleibenden  Molaren,  wurde  die  Methode  der  systematischen 
Entfernung  dieser  ZĂ€hne  bei  Engstellung  mehr  und  mehr, 
verlassen.  Außerdem  haben  Untersuchungen  von  Schrö- 
der-Benseler  gezeigt,  daß  die  Entfernung  der  6  Jahr- 
Molaren  eine  Verkleinerung  der  Ghoanen  und  damit  eine  Er- 
schwerung der  normalen  Nasenatmung  hervorruft. 

Die  Orthodontie  steht  heute  auf  dem  Standpunkt,  daß 
der  nötige  Raum  nicht  d  u  r  c  h  Entfernung  von 
ZĂ€hnen,  sondern  durch  Dehnung  zu  schaffen  ist. 
Nur  in  besondern  EinzelfÀllen  (nicht  mehr  erhaltungsfÀhige 
erste  Molaren)  ist  die  Entfernung  der  6  Jahr-Molaren  be- 
rechtigt; aber  auch  hier  sind  entsprechend  der  Wichtigkeit 
dieser  ZĂ€hne  besondere  Punkte  zu  berĂŒcksichtigen.  Es  muß 
der  richtige  Zeitpunkt  zur  Entfernung  gewÀhlt  werden,  der 
kurz  vor  dem  Durchbruch  oder  wÀhrend  des  Durchbruches 
des  zweiten  bleibenden  Molaren  liegt,  und  es  mĂŒssen  ferner 
die  zweiten  Milchmolaren  vorhanden  sein,  damit  die  Biß- 
höhe und  die  Kauebene  unbedingt  erhalten  bleibt.  Aus  diesen 
GrĂŒnden  darf  auch  eine  Entfernung  der  eisten  bleibenden 
Molaren  nicht  einseitig  vorgenommen  weiden.  Wenn 
schon  zur  Entfernung  geschritten  wird,  dann  mĂŒssen 
sÀmtliche  vier  6  Jahr-Molaren  gleichzeitig  entfernt 
werden.  Absolut  zu  verwerfen  ist  die  Entfernung  von  labial 
durchgebrochenen  EckzÀhnen.  In  diesen  FÀllen  ist,  wenn  die 
hier  einzig  richtige  Methode  der  Kieferdehnung  nicht  vor- 
genommen werden  kann,  die  Entfernung  eines  weiter  rĂŒck* 
wÀrtsstehenden  Zahnes  (beiderseits),  namentlich  des  ersten 
Bicuspidaten,  vorzunehmen.  Jedoch  wird  dieser  Eingriff 
allein  in  den  seltenen  FĂ€llen  die  beabsichtigte  Wirkung 
nur  erzielen,  wenn  die  EckzÀhne  erst  im  Durchbrach  be- 
griffen sind.  Bei  schon  vollstÀndig  durchgebrochenen  Eck- 
zĂ€hnen wird  das  EinrĂŒcken  dieser  ZĂ€hne  in  die  geschaffenen 
LĂŒcken  des  Zahnbogens  durch  mechanische  Hilfsmittel 
unterstĂŒtzt  werden  mĂŒssen.  Denn  diese  ZĂ€hne  sind  „so  an 
ihrer  Stelle  fixiert,  daß  sie  ohne  orthodontische  Maßnahmen 
im  allgemeinen  weder  VorwĂ€rts-  noch  RĂŒckwĂ€rtsbewegun- 
gen ausfĂŒhren  (Kran  z)". 

Die  chirurgische  StellungsverÀnderung  einzelner 
anomal  stehender  Schneide-  oder  EckzÀhne  (nur  diese 
kommen  hier  in  Betracht)  kann  durch  das  sogen.  Re- 
dressement force  vorgenommen  werden.  Die  Operation 
besteht  darin,  daß  der  zu  bewegende  Zahn  ohne  ihn  aus  der 
Alveole  zu  ziehen  vorsichtig   mit   einer   geeigneten  Zange 


luxiert  und  in  die  gewĂŒnschte  Stellung  gedrĂŒckt  wird.  Bei 
dieser  Operation  kann  es  sich  nur  um  Drehungen  um  die 
LĂ€ngsachse  und  um  kleine  Seitenverschiebungen  der  Krone 
(Drehpunkt  ist  Wurzelspitze)  handeln.  Außerdem  ist  der 
Eingriff  nur  möglich,  wenn  fĂŒr  die  beabsichtigte  Stellung  des 
Zahnes  genĂŒgend  Platz  vorhanden  ist.  Die  erreichte  Stellung 
muß  durch  Ligaturen  oder  besser  durch  einen  kleinen  Re- 
lentionsapparat  so  lange  fixiert  werden,  bis  der  luxierte  Zahn 
wieder  fest  im  Kiefer  sieht;  nur  wenn  der  Zahn  durch  den 
Biß  von  selbst  in  seiner  neuen  Stellung  gehalten  wird  (z.  B. 
bei  Vor-  oder  RĂŒckwĂ€rtsbewregung)  kann  von  einer  Halte - 
vorrichtung  abgesehen  weiden.  Da  das  Redressement  force 
jedoch  dem  orthodontischen  Prinzip  widerspricht,  das  ein 
langsames  Vorgehen  vorschreibt,  um  dem  Knochen  die  An- 
passung an  die  Bewegung  zu  ermöglichen,  ist  diese  Ope- 
ration nur  noch  in  AusnahmefĂ€llen  indiziert.  Außerdem  ist 
noch  zu  erwĂ€hnen,  daß  in  den  meisten  FĂ€llen  der  chirurgi- 
schen Zahnbewegungen  die  Pulpa  des  betreffenden  Zahnes 
abstirbt.  Außerdem'  ist  wiederholt  beobachtet  worden,  daß 
ein  gewaltsam  regulierter  Zahn  nach  Verlauf  einiger  Jahre 
durch  Resorption  verloren  ging. 

Es  sei  besonders  betont,  daß  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  gerade 
die  FĂ€lle,  die  sich  fĂŒr  das  Redressement  force  eignen,  sich 
am  leichtesten  orthodontisch  behandeln  lassen. 

Die  D  i  a  s  t  e  m  a  -  B  e  h  an  d  1  u  n  g,  die  chirurgische 
Beseitigung  des  zu  tief  inserierenden  LippenbÀndchens  stellt 
eine  kombinierte  chirurgisch-orthodontische  Maßnahme  dar. 
Die  Vornahme  nur  eines  Behandlungsteiies  wĂŒrde  den  be- 
absichtigten Erfolg  nicht  gewÀhrleisten.  Die  Operation  ist 
sehr  einfach  und  besteht  in  einer  keilförmigen  Exision  des 
frenulum  bis  zum  Periost;  die  AnnÀherung  der  mittleren 
lncisivi  ist  durch  einen  kleinen  Apparat  (nach  Angle, 
Kranz)  derart  zu  bewerkstelligen,  daß  die  ZĂ€hne  in  toto 
einander  genÀhert  werden,  nicht  etwa  nur  die  Kronen,  da 
sonst  die  Wurzelspitzen  um  so  mehr  divergieren  wĂŒrden. 

Die  chirurgische  Behandlung  der  Pro- 
g  e  n  i  e  und  Mikrognathie  des  Unterkiefers. 
Die  partielle  Resektion  bzw.  einfache  Durchschneidung  des 
Unterkiefers  zu  dessen  VerkĂŒrzung  kommt  nur  als  ultima 
ratio  in  Frage,  wenn  eine  rein  orthodontische  Behandlung 
nicht  zum  Ziele  fĂŒhren  wĂŒrde.  Die  Operationsmethoden 
wurden  unter  BenĂŒtzung  der  kriegschirurgischen  Erfah- 
rungen in  den  letzten  Jahren  sehr  verbessert.  Hier  sind  die 
Arbeiten  und  Methoden  von  P  i  c  h  1  e  r  und  besonders  von 
Lindemann  und  Bruhns  hervorzuheben.  WĂ€hrend 
bei  den  Àlteren  Verfahren  (Angle)  aus  dem  Unterkiefer- 
Körper  beiderseits  nach  Entfernung  von  ZÀhnen  ent- 
sprechend breite  StĂŒcke  recesiert  und  damit  das  Unterkiefer- 
mittelstĂŒck vollstĂ€ndig  mobilisiert  wurde,  verlegen  die 
neueren  Autoren  die  Schnittlinie  hinter  die  ZĂ€hne  nach  dem 
Kieferwinkel  (Treppenschnitt  nach  P  i  c  h  1  e  r)  und  nach 
dem  aufsteigenden  Kiefer  a  s  t  (L  i  n  d  e  m  a  n  n  -  B  r  u  h  n ). 
Der  Wert  letzterer  Methoden  besteht  darin,  daß  der  Kiefer- 
körper in  toto  erhalten  bleibt  und  die  zur  Heilung  nötige 
Ruhigstellung  durch  intramaxillÀre  Schienung  sich  sicher 
und  ohne  Schwierigkeit  durchfĂŒhren  lĂ€ĂŸt,  wĂ€hrend  bei  der 
Mobilisierung  des  MittelstĂŒckes  des  Kieferkörpers  die 
Fixierung  schwierig  und  wegen  der  unvermeidlichen  Durch- 
trennung der  Art  alv.  inf.  eine  Gefahr  fĂŒr  die  ErnĂ€hrung  des 
Knochens  besteht.  Es  ist  besonders  hervorzuheben,  daß  fĂŒr 
den  Erfolg  der  chirurgischen  Progeniebehandlung  eine  genaue 
Schienenfixierung  des  Unterkiefers  an  den  Oberkiefer  eine 
der  wesentlichsten  Vorbedingungen  ist,  und  daß  ferner  der 
Eingriff  unter  strengsten  aseptischen  Kautelen  und  unter  Ver- 
meidung der  Eröffnung  der  Mundhöhle  vorgenommen  wird. 
Die  beste  Garantie  bietet  in  dieser  Beziehung  die  Schnitt  - 
fĂŒhrung  nach  Linde  mann  oberhalb  des  foramen 
mandibulare,  die  die  Schonung  der  GefĂ€ĂŸe  und  Nerven  ge- 
stattet. 

Die  Mikrognathie,  die  Unterentv\ ieklung  des  Unter- 
kiefers kann  nach  Bruhn  weder  durch  orthodontische  Maß- 
nahmen, noch  durch  eine  bloße  Verschiebung  des  Unter- 
kiefers nach  chirurgischer  Durchtrennung  des  Unterkiefers 


Nr.  22/23.  — 


40.  Jahrg. 


Hauberrisser:  KieferörthopÀdie 


407 


beseitigt  werden.  Sic  muß  durch  eine  VerlĂ€ngerung 
des  horizontalen  Kieferastes  ausgeglichen  weiden.  Die  Ope 
fations-Methoden  nach  v.  Eiseisberg  und  nach  Peer 
da  dl!  bestehen  in  stufenförmiger  beiderseitiger  Durchtren 
Bung  des  horizontalen  Kieferastes,  Vorschieben  des  Kiefer - 
BxittelstĂŒckes  und  Befestigung  durch  Knochennaht.  In  neuer 
Zeit  wurden  von  Bruhn  und  Lindemann  Versuche  mit 
einer  Modifikation  des  Steinmann'schen  Nagelextensionsver- 
Eahrens  gemacht  und  ausgezeichnete  Resultate  erzielt.  Die 
Öperationsmethode,  die  zweiseitig  durchgefĂŒhrt  wird,  bestehl 
daiin,  daß  in  der  1.  Phase  die  beiderseitige  Knochendurch- 
trennung und  Vorziehen  und  Festhaltung  des  Kiefermittel- 
stĂŒckes mit  der  „Bruhn'schen  Extension szange"  durchgefĂŒhrt, 
in  der  2.  Phase  die  entstandenen  KnochenlĂŒcken  durch  freie 
Knochentransplantationen  geschlossen  werden.  . 

Die  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  die  Behandlungen  der  Kiefer- 
anomalien  dĂŒrfen  nicht  geschlossen  werden,  ohne  noch  einen 
wichtigen  Punkt  hervorzuheben;  das  ist  die  RĂŒcksicht  auf 
die  Physiognomie  des  Patienten  und  auf  die  kosmetische 
Wirkung  der  Anomalien  bezw.  des  Behandlungsresultates. 
Der  orthodontisch  arbeitende  Zahnarzt  muß  sich  bewußt  sein, 
welchen  rĂŒckwirkenden  Einfluß  die  VerĂ€nderungen  des  Al- 
veolarfortsatzes  und  der  Zahnstellung  auf  die  Gesichtsform 
haben  und  von  welchen  Faktoren  die  Charakteristik  eines 
Gesichtes  abhĂ€ngt.  Es  ist  zu  berĂŒcksichtigen,  daß  z.  B.  Lang- 
gesichtern eine  mĂ€ĂŸige  prognathe  Zahnstellung  ein  inter- 
essantes rassiges  Aussehen  verleiht,  daß  die  Dehnung  der 
Zahnbogen  und  die  damit  verbundene  Verrbeiterung  und 
VerkĂŒrzung  des  Gesichtes  bei  diesen  Gesichtsformen  rein  kos- 
metisch keinen  Gewinn  bedeutet.  Wenn  natĂŒrlich  auch  die 
rein  kosmetischen  RĂŒcksichten  hinter  den  kieferorthopĂ€di- 
schen zurĂŒckzustehen  haben,  dĂŒrfen  diese  NebeneinflĂŒsse 
einer  RegulierungsbehĂ€ndlung  durchaus  nicht  außer  Acht 
gelassen  werden.  Die  Photographie  ist  in  weitgehendem 
Maße  zur  Kontrolle  der  Ă€ußeren  GesichtsverĂ€nderungen  her- 
anzuziehen. Auf  diese  VerhÀltnisse  wird  ein  gewissenhafter 
Arzt  vor  der  Behandlung  die  Eltern  entsprechend  aufmerk- 
sam machen  mĂŒssen. 

Die  Frage,  wann  soll  eine  Kieferregu- 
lierung vorgenommen  werden,  ist  lange  Zeit 
dahin  beantwortet  worden,  daß  der  vollstĂ€ndige  Ablauf 
der  zweiten  Dentition  abgewartet  werden  solle;  daß  also 
zwischen  12.  und  14.  Lebensjahr  der  gĂŒnstigste  Zeitpunkt 
fĂŒr  eine  Kieferregulierung  gelegen  sei.  JĂŒngere,  be- 
sonders anÀmische  und  schwÀchliche  Kinder  seien  einer 
lÀngeren,  mit  Unbequemlichkeiten  und  zuweilen  mit  Schmer- 
zen verbundenen  Regulierungsbehandlung  nicht  gewachsen. 
Dagegen  sei  bei  Patienten,  die  diese  Zeitgrenze  ĂŒberschritten 
hĂ€tten,  wegen  der  HĂ€rte  und  grĂ¶ĂŸeren  Widerstandskraft  der 
Kieferknochen  eine  Behandlung  ĂŒberhaupt  nicht  mehr  durch- 
fĂŒhrbar. Diesen  Ă€lteren  Anschauungen  gegenĂŒber  steht  die 
moderne  Orthodontie  auf  Grund  der  Kenntnis  der  maßgeben- 
den Faktoren  auf  dem  Standpunkt,  daß  grundsĂ€tzlich 
dicBehandlungeinerAnomalie  in  Angriff  ge- 
rn  o  m  m  e  n  werden  soll,  so  baldeine  solche  fest- 
gestellt ist.  Demnach  soll  eine  Behandlung  möglichst 
schon  am  Milchgebiß  einsetzen  in  der  richtigen  ErwĂ€gung, 
daß  die  Beeinflussung  der  Kieferknochen  je  frĂŒher  desto 
leichter  vor  sich  geht,  und  daß  die  MilchzĂ€hne  den  bleiben- 
den ZĂ€hnen  ihren  Platz  vorschreiben.  Eine  beseitigte  Ano- 
malie des  Milchgebisses  wird  also  normale  Zahnstellung  im 
bleibenden  Gebiß  zur  Folge  haben.  FĂŒr  den  Beginn  der  Re- 
gulierungsbehandlung ist  nur  Voraussetzung,  daß  genĂŒgend 
feste  ZĂ€hne  vorhanden  sind,  an  denen  die  Regulierungs- 
apparate befestigt  werden  und  ihre  Wirkung  entfalten 
können. 

Theoretisch  bezw.  technisch  .  ist  eine  Regulierung 
möglich,  so  lange  ĂŒberhaupt  ZĂ€hne  und  ein  Alveolarfort- 
'  satz  vorhanden  sind.  Doch  aus  praktischen,  sub- 
jektiven GrĂŒnden  ist  der  Regulierungsmöglichkeit  eine 
gewisse  Grenze  gesetzt.  In  dieser  Beziehung  hat  die  Erfah- 
rung gelehrt,  daß  eine  Kieferregulierung  bei  Kindern  nicht 
unterm  5.   und  bei  Erwachsenen  nicht  ĂŒber  dem  30.  bis 


:').r).  Lebensjahre,  möglichst  nicht  jenseits  des  16.  Lebensjahre« 
vorgenommen  werden  soll.  Die  untere  Grenze  einzuhalten  ist 
nötig,  weil  zur  DurchfĂŒhrung  der  Behandlung  ein  gewisses 
Maß  von  VerstĂ€ndnis  fĂŒr  die  Ă€rztlichen  Maßnahmen  verlangt 
werden  muß.  Außerdem  macht  sich  (wie  oben  ausgefĂŒhrt 
wurde)  erst  im  .5.  Lebensjahr  normalerweise  das  Ausein- 
anderweichen der  Milc  hzĂ€hne  bemerkbar,  was  einen  Schluß 
auf  die  zu  erwartende  Stellung  der  ErsatzzÀhne  gestattet. 
Hier  frĂŒher  einzugreifen  wĂ€re  unzweckmĂ€ĂŸig.  Als  obere 
Grenze  wird  aus  subjektiven  GrĂŒnden  das  16.  Lebensjahr  zu 
bezeichnen  sein.  Jenseits  dieses  Alters  bereiten  die  beginnen- 
den Berufspflichten,  die  gesellschaftlichen  RĂŒcksichten  und 
die  bei  Ă€lteren  Patienten  vorhandene  grĂ¶ĂŸere  Empfindlichkeit 
einer  lÀngeren  Regulierungsbehandlung  erhebliche  Schwie- 
rigkeiten. Eine  wesentliche  RĂŒcksichtnahme  fĂŒr  die  Zeit- 
wahl einer  Regulierungsbehandlung  verdient  auch  die  Zeit  der 
PubertĂ€t,  in  der  eine  außergewöhnliche  Beanspruchung 
wÀhrend  der  Umstellung  des  jugendlichen  Organismus  tun- 
lichst zu  vermeiden  ist.  Dieser  Punkt  findet  bei  den  ver- 
schiedenen Autoren  keine  ErwÀhnung;  diese  Entwicklungs- 
periode erscheint  jedoch  zu  wichtig,  um  in  dieser  Beziehung 
unberĂŒcksichtigt  bleiben  zu  dĂŒrfen.  In  spĂ€terem  Lebens- 
alter werden  wohl  nur  besondere  kosmetische  GrĂŒnde 
oder  schwere  störende  Nasenhindernisse  eine  Regulierung 
noch  indizieren. 

Die  Zeitspanne  vom  7. — 11.  Jahre  gebietet  bei  einer 
etwaigen  Regulierung  insofern  große  Vorsicht,  als  die  in 
dieser  Zeit  durchbrechenden  bleibenden  ZĂ€hne  ihre  Wurzel - 
bildung  noch  nicht  abgeschlossen  haben  und  noch  nicht  ge- 
nĂŒgende Festigkeit  im  Kiefer  erlangt  haben,  um  der  Bean- 
spruchung eines  Regulierungsapparates  standhalten  zu 
können.  Andererseits  sind  in  dieser  Zeit  die  noch  vorhande- 
nen MilchzÀhne  durch  die  Wurzelresorption  mehr  oder  we- 
niger schon  gelockert,  so  daß  auch  diese  ZĂ€hne  nicht  mehr 
genĂŒgende  Verankerungen  bilden  können.  Demnach,  er- 
scheint in  praxi  dieZeitvom  5. — 7.  bzw.  11. — 14.  Lebens- 
jahr fĂŒr  die  DurchfĂŒhrung  einer  orthodontischen  Behand- 
lung am  gĂŒnstigsten. 

Was  die  Dauer  der  Behandlung  anbelangt,  so 
muß  fĂŒr  die  Behandlungszeit  unterschieden  werden  zwischen 
der  eigentlichen  Regulierungsbehandlung, 
wÀhrend  der  die  Bewegung  der  ZÀhne  und  die  Umformung 
des  Alv-eolarfortsatzes  vor  sich  geht,  und  der  Retentions- 
z  e  i  t,  die  das  erreichte  Ziel  festzuhalten  und  den  ZĂ€hnen  die 
Festigung  in  der  neuen  Stellung  zu  ermöglichen  hat.  Die  in 
Betracht  kommenden  Faktoren  wie  Art  der  Anomalie,  Alter 
des  Patienten,  die  Körperkonstitution,  die  Art  der  verwen- 
deten Apparate  sind  so  mannigfacher  Art,  daß  eine  Norm  fĂŒr 
die  Dauer  einer  Regulierungsbehandlung  nicht  angegeben 
werden  kann.  Die  Erfahrung  lehrt,  daß  der  Durchschnitt 
der  FĂ€lle  mindestens  eine  1 — VA  jĂ€hrige  Behandlung  bean- 
sprucht. In  allen  FĂ€llen  ist  mit  unvorhergesehenen  Unter- 
brechungen, wie  Erkrankungen  usw.,  zu  rechnen,  weshalb 
im  Interesse  der  Patienten,  der  Eltern  und  nicht  zuletzt  des 
behandelnden  Arztes  vor  einer  bestimmten  und  besonders  zu 
knapp  bemessenen  Zeitangabe  gewarnt  werden  muß. 

Die  Notwendigkeit  einer  genĂŒgend  langen  Re- 
tention muß  besonders  betont  werden.  Je  grĂ¶ĂŸer  die  vor- 
genommene StellungsverÀnderung  war  und  je  schneller  diese 
erfolgte,  desto  lĂ€nger  muß  zur  Festigung  des  Erfolges  der 
Retentionsapparat  liegen  bleiben.  Oppler  gibt  die  Reten- 
tionszeit  mit  2—4  Jahren  an;  der  Einzelfall  muß  entschei- 
den, ob  die  Apparate  nach  kĂŒrzerer  Zeit  abgenommen  werden 
dĂŒrfen  oder  ob  unter  UmstĂ€nden  sogar  eine  Dauer-Retention 
(z.  B.  bei  hereditÀren  Prognathien,  die  die  Tendenz  zeigen, 
immer  in  die  frĂŒhere  Stellung  zurĂŒckzukehren)  notwendig 
ist.  In  allen  FĂ€llen  mĂŒssen  die  ZĂ€hne  wieder  ihre  voll- 
kommene Festigkeit  im  Kiefer  erlangt  haben,  sie  dĂŒrfen  beim 
Kauen  auch  nicht  mehr  empfindlich  sein;  eher  kann  an  eine 
Entfernung  der  Retention  nicht  gedacht  werden.  Es  ist 
zweckmĂ€ĂŸig,  die  Apparate  zeitweise  zu  entfernen  und  dann 
wieder  anzubringen,  um  auf  diese  Weise  etwaige,  auch  ge- 
ringste VerÀnderungen  feststellen  zu  können.    Treten  solche 


408 


Debrunner:  Meßapparat 


Nr.  22/23.— 40.  Jahrg. 


auf,  mĂŒssen  die  Apparate  noch  liegen  bleiben;  die  dauernde 
Entfernung  wĂŒrde  den  ganzen  Erfolg  der  Regulierung  in 
Frage  stellen. 

FĂŒr  die  Prognose  der  Behandlung  von  Stellungs- 
anomalien sind  nach  O  p  p  1  e  r  zwei  Gesichtspunkte  maß- 
gebend: 

1.  Ist  das  gesteckte  Ziel  ĂŒberhaupt  erreichbar? 

2.  Ist  das  erreichte  Resultat  auch  dauernd  zu  erhalten? 
Innerhalb  eines  gewissen  Zeitraumes  (siehe  oben)  ist  es 

ohne  besondere  Schwierigkeit  möglich,  ZÀhne  und  Alveolar - 
fortsatz  um  ein  Bedeutendes  zu  verschieben;  Dehnungen  von 
15  mm  und  darĂŒber  sind  wiederholt  vorgenommen  worden. 
Der  zweite  Punkt,  das  Festhalten  des  erreichten  Zieles  ist 
nur  mit  einiger  Vorsicht  zu  bejahen,  und  ein  Erfolg  zuweilen 
nur  durch  jahrelange  oder  permanente  Reiention  zu  er- 
reichen. Letzteres  bezieht  sich  namentlich  auf  vererbte 
Anomalien,  die  immer  wieder  ihre  ursprĂŒngliche  Form  an- 
zunehmen bestrebt  sind.  Im  allgemeinen  ist,  was  die  Dauer 
der  nötigen  Behandlung  und  den  v  o  1 1  k  o  m  m  e  n  e  n  Er- 
folg betrifft,  vor  zu  großem  Optimismus  Ă€u  warnen  und  vor- 
sichtige ZurĂŒckhaltung  geboten. 

Zum  SchlĂŒsse  seien  noch  einige  Punkte  erwĂ€hnt,  die  als 
unterstĂŒtzende  Maßnahmen  fĂŒr  den  Erfolg  von 
wesentlicher  Bedeutung  sind.  Dazu  gehört  vor  allem  eine 
peinlich  durchzufĂŒhrende  Mundhygiene.  Die  Apparate 
mit  ihren  Drahtbogen,  Schrauben  und  Ligaturen  bieten 
Speiseresten  reichliche  Retentionsstellen  und  begĂŒnstigen 
die  Entwicklung  und  Ausbreitung  der  Karies  in  hohem  Maße. 
Eine  nachdrĂŒckliche  Ueberwachung  der  Mundpflege  muß 
seitens  des  Arztes  und  besonders  der  Eltern  durchgefĂŒhrt 
werden.  Zahnreinigung  mit  BĂŒrste  und  SpĂŒlungen  mit  H20, 
noch  besser  mit  Perhydrollösung  nach  jeder  Mahlzeit  ist  un- 
erlĂ€ĂŸlich. Beim  BĂŒrsten  ist  Vorsicht  geboten,  um  eine  Be«- 
schÀdigung  und  Lockerung  der  zarten  Apparate  und  Liga- 
turen zu  vermeiden. 

Aufgabe  von  Arzt  und  Eltern  ist  es  auch,  auf  den  All- 
gemein-Gesund h  e  i  t  s  z  u  stand  des  Kindes  wÀhrend 
einer  Regulierungsbehandlung  zu  achten.  ‱  Auf  genĂŒgende 
und  zweckmĂ€ĂŸige  ErnĂ€hrung  ist  besonders  in  den  ersten 
Wochen,  in  denen  die  Apparate  das  Kauen  erschweren,  Ge- 
wicht zu  legen.  Die  Kinder  sind  auf  langsames  grĂŒndliches 
Kauen  hinzuweisen. 

Auch  die  Mitwirkung  der  Eltern  ist  insofern  fĂŒr 
das  Gelingen  einer  Regulierungsbehandlung  von  großer  Be- 
deutung, als  durch  geeignete  Belehrung  und  Zuspruch  das 
Vertrauen  und  die  Geduld  der  jungen  Patienten  gestÀrkt 
werden  muß.  Vor  allem  sind  die  Eltern  vor  grundlosen,  zu 
hĂ€ufigen  MitleidsĂ€ußerungen  zu  warnen,  die  die  Willens- 
kraft der  Kinder  nur  schĂ€digend  beeinflussen  wĂŒrden.  Den 
Kindern  wie  den  Angehörigen  muß  außerdem  klar  gemacht 
werden,  daß  die  an  den  Apparaten  befindlichen  SchrĂ€ub- 
ehen,  Gummiringe,  Ligaturen  usw.  wesentliche  Bestandteile 
sind,  die  nicht  eigenmÀchtig  gelöst  oder  gar  entfernt  werden 
dĂŒrfen.  Alle  VerĂ€nderungen,  etwaige  Lockerung  einzelner 
Teile  sind  möglichst  sofort  dem  behandelnden  Zahnarzt  vor- 
zustellen, da  „VersĂ€umnisse  von  Tagen  die  Resultate  von 
Wochen  und  Monaten  aufheben  können  (K  ran  z)". 

Literatur-Verzeichnis. 

A  n  g  1  e  -  G  r  ĂŒ  n  b  e  r  g  :  Die  Okklusionsanomalien  der  ZĂ€hne, 
Berl.  Verl.-Anst.  1920. 

Bruhn:  Ueber  die  Beseitigung  der  Progenie  durch  chirurgische 
und  Zahnarzt  orthopĂ€dische  Maßnahmen.  Deutsche  Zahnheil- 
kunde, Sonderheft  1920. 

Bruhn:  Ueber  chirurgische  und  zahnÀrzllich-orthopÀdische 
Maßnahmen  zum  Ausgleich  der  Makrognathie  und  der  Mikro- 
gnathie  des  Unterkiefers.  Monatsschrift  fĂŒr  Zahnheilkunde  21. 
Heft  13. 

Case:  Dental  OrthopÀdia.    Philadelphia  1910. 

Freud:  Ueber  Psychoanalyse.    F.  Deuticke,  Wien. 

Freud:  Vorlesungen  zur  EinfĂŒhrung  in  die  Psychoanalyse. 
Heller  u.  Co.,  Wien. 

Garre-Kuttner-Lexer:  Handbuch  der  praktischen  Chir- 
urgie, I.  Band,  F.  Ehke  21. 

GrĂŒnwald:  Atlas  und  Grundriß  der  Krankheiten  der  Mund- 
höhle, des  Rachens  und  der  Nase. 

Herbst:  ZahnĂ€rztliche  OrthopĂ€die.     Lehmann,  MĂŒnchen  1911. 


Herbst:  Anleitung  zur  GesichtsorthopÀdie,  Bremen  1906. 

Ii  erbst  :  Die  Ursachen  der  Stellungsanomalien.    Zeitschr.  fĂŒr 

zahnÀrztliche  OrthopÀdie  und  Prothese  1918. 
Jessen  :  Ueble  Angewohnheiten  als  Àtiologisches  Moment  und 

ihre  BekĂ€mpfung.     Zeitschrift  fĂŒr  zahnĂ€rztl.  OrthopĂ€die  und 

Prothese  1914. 

Kantorowicz:  Ueber  den  Mechanismus  der  Kieferdeformie- 

rung.    Monatsschr.  f.  Zahnheilkunde  1916. 
Kantorowicz:  Die  Progenie  und  ihre  Vererbung.  Monats- 
schrift f.  Zahnheilk.  1915. 
Kantorowicz:  Die  Gesichtsanalyse  und  die  orthodbnt.  Phy- 
siognomik.   Monatsschr.  f.  Zahnheilk.  1921. 
Körbitz:  Kursus  der  System.  Orlhodontik,  Leipzig  1914. 
Knoche:  Erblichkeit  des  vorspringenden  Kinnes  in  der  Nacbl 

kommenschaft  Goethes.     Zeitschr.  f.  zahnÀrztliche  OrthopÀdie 

1921. 

Knoche:  Das  Fingerlutschen.  Zeitschrift  fĂŒr  zahnĂ€rztliche 
OrthopÀdie  1921. 

Kranz:  Ueber  Zahnanomalien  hei  kongenitaler  Lues,  Meußer. 
Berlin  1920. 

Kranz:  EinfĂŒhrung  in  die  Orthodontie,  Meußer,  Berlin  1921. 

Herber:  Die  Lehre  von  der  Vererbung  in  ihrer  letzten  Kon- 
sequenz auf  Kiefer  und  ZĂ€hne  des  Menschen.  Dyksehe  Buch- 
handlung, Leipzig  1910. 

Landsberger:  Das  zentrifugale  Wachstum  der  ZĂ€hne.  Ar- 
chiv fĂŒr  Anatomie  und  Physiologie  1911. 

Landsberger:  Der  Einfluß  der  Zahnentwicklung  und  der 
des  Vomers  auf  die  Weitung  der  Nasenhöhle.  Zeitschr.  fĂŒr 
zahnÀrztl.  OrthopÀdie  und  Prothese  1918. 

Luhiatschek:  Redressement  force.  Zeitschr.  fĂŒr  zahnĂ€rztl. 
OrthopÀdie  und  Prothese  1913. 

Mehring:   Lehrbuch  der  inneren  Medizin.    Fischer,  Jena. 

Michel:  Lippen-,  Wangen-,  Zungendruck.  Monatsschr.  f.  Zahnj 
heilkunde  1908. 

Oppler:  Aus  dem  Gebiet  der  Orthodontie.    Berl.  Verl.  An  st.  20. 
Oppler:  Ueber  die  Frontalbewegung.     Zeitschr.  f.  zahnÀrztl. 
OrthopÀdie. 

Pf  Àff:  Lehrbuch  der  Orthodontie.    Klinkhart,  Leipzig  1921. 

1' arisch:  Handbuch  der  Zahnheilkunde,  I.  Band.  Die  chirur- 
gischen Erkrankungen  der  Mundhöhle.  ZÀhne  und  Kiefer. 
Bergmann  1917. 

Fort -Euler:  Lehrbuch  der  Zahnheilkunde.     Bergmann  1920. 

Pichler:  Doppelte  Unterkieferresektion  in  einem  Falle  von 
hochgradiger  Progenie.  Wiener  Yierteljahrsschr.  f.  Zahnheil- 
kunde 1899. 

Ritter-Kien  topf:  Die  Schulzahnpflege,  Meußer  1916. 
Salamon:  Die  Lehre  von  den  elementaren  orthodontischen  Be- 
wegungen. 

Simon:  Kunst,  Gesicht  und  Orlhodontik.     Zeitschr.  zahnÀrztl. 

OrthopÀdie  und  Prothese  1910. 
Schröder:    Die   Verengerung   der   Nasenhohle,   beding!  durch 

die  Gaumenenge  und  abnormale  Zahnstellung.  Monatsschrift 

fĂŒr  Zahnherlkunde  1901. 
Schröder:  Prognathe  Formen     Korrespondenzblatt  fĂŒr  Zahn] 

heilkĂŒnde  1904. 

Schröder-Benseier  ;  ZahnÀrzllich-orthopÀdische  Behand- 
lung der  Mundatmung.  Zeitschr.  f.  zahnÀrztl.  OrthopÀdie  und 
Prothese  1914. 

Strohmeyer:  Die  Vererbung  des  Habsburger  Familientvpus. 

\Y  a  1  k  h  o  f  f  :  Der  Unterkiefer  der  Anthropomorphen  und  des 
Menschen  in  seiner  funktionellen  Enlwickelung  und  Gestalt^ 
Selenka,  Menschenaffen.  Wiesbaden  1902. 

Wal  Wh  off:  Der  menschliche  Unterkiefer  im  Lichte  der  Ent- 
wickelungsmechanik.    Monatsschr.  fĂŒr  Zahnheilkunde  1900. 

Z  i  e  1  i  n  s  k  y  :  Das  Wachstum  der  Kiefer  und  der  ZĂ€hne  und  ihre 
Beziehung  zur  Kaufunktion.     Monatsschr.  f.  Zahnheilk.  1908S 

Z  i  e  1  i  n  s  k  y  :  Der  Expansionsbogen,  seine  Handhabung  und  seine 
Wirkung.  Zeitschrift  f.  zahnÀrztliche  OrthopÀdie  und  Pro- 
these 1909. 

Zimmermann  :  Anomalien  der  ZĂ€hne  und  Kiefer  und  ihre  Be- 
ziehungen zur  Idiotie.    Marhold,  Halle  1915. 


Aus  dem  UniversitĂ€tsinstitut  fĂŒr  OrthopĂ€die.  Berlin.  Direktor: 
Prof.  H.  Gocht.) 

Apparat  zur  M'-ssung  von  Beinstellungen. 

Von  Dr.  H.  Debrunner.  1.  Assistent. 

L'm  die  Schwierigkeiten  zu  beseitigen,  die  sich  beim 
Messen  von  Oberschenkelstellungen  in  bezug  auf  die  Becken - 
achsen  ergeben,  habe  ich  in  Anlehnung  an  das  D  r  a  c  h  t  e  r  - 
sehe  Becken-Beinphantom  einen  einfachen  Apparat  konstru- 
iert, der  von  der  Firma  H.  Windler  A.  G.,  Berlin,  angefertigt 
und  vertrieben  wird. 

Die  beigegebene  Abbildung  zeigt  alles  Wesentliche.  Die 
mit  zwei  beweglichen  Schenkeln  (b  und  e)  und  Zentimeter- 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg.  HausĂ€rztliche  Hrluiiullmi^  nach  Bacmeister  40fl 


Einteilung  versehene  Querstange  (a  a)  dient  zur  Feststellung 
der  Beckenquerachse.  Der  eine  Meßschenkel  (b)  fĂŒr  das 
rechte  Bein  ist  nahe  ihrem  einen  Ende  durch  Scharnier- 
gelenk  mit  ihr  verbunden.  Auf  der  Unterseite  befindet  sich 
lern  Scharnier  gegenĂŒber  eine  auf  einem  Metallzapfen  mon- 


tierte, durch  Schraube  feststellbare,  napfartig  gestaltete 
Spinapelotte  (d1),  die  zwecks  sicherer  Fixierung  des  Instru- 
mentes auf  die  Spina  iliaca  auterior  superior  gesetzt  wird.  Der 
zweite  Meßschenkel  (c)  ist  durch  einen  Gleitschlitten  mit  a 
verbunden;  er  lĂ€ĂŸt  sieh  in  jeder  beliebigen,  auf  a  sofort  ab- 
lesbaren Entfernung  von  b  feststellen.  Auch  er  trÀgt  die 
Spinapelotte  (d),  die  eine  sichere  Fixierung  des  Instrumentes 
am  Körper  verbĂŒrgt.  Beide  Schenkel  sind  ĂŒber  graduierten 
Halbmessern  angebracht,  so  daß  jede  Winkelstellung  abge- 
lesen und  durch  Klemmschrauben  festgehalten  werden  kann. 
Die  Pelotten  lassen  sich  ausziehen,  weil  der  vorspringende 
Leib  korpulenter  Personen  die  Messung  stören  kann.  Die 
Verbindungslinie  von  Spina  bis  Kniescheibenmitte,  in  die 
wir  die  Meßschenkel  einzustellen  haben,  entspricht  genau 
der  Verlaufsrichtung  des  Femur,  die  normalerweise  in  leich- 
ter Adduktion  verlÀuft.  Entfernt  man  c,  so  hat  man  einen 
einfachen  Gradmesser  vor  sich,  mit  dem  auch  Winkelstel- 
lungen  anderer  Gelenke  gemessen  werden  können. 


Die  hausÀrztliche  Behandlung  der  Lungen= 
tuberkulöse. 

Nach  Prof.  Dr.  A.  Bacmeister 

Bacmeister  fĂŒhrt  zunĂ€chst  aus,  (lall  heim  Problein 
der  Tuberkulose-Behandlung  die  Àrztlichen  Anstrengungen 
prinzipiell  auf  zwei  Hauptaufgaben  konzentriert  werden 
mĂŒssen,  nĂ€mlich  1.  prophylaktisch  den  Ausbruch  der  SĂ€ug- 
pmgstuberkulose  verhĂŒten 'zu  wollen,  die  Krankheil  bei  Be- 
ginn oder  im  PrimÀr-  und  SekundÀrstadium  zu  heilen,  und 
2.  dem  Körper  eine  dauernde  ImmunitÀt  zu  erhalten,  die  so 
groß  ist,  daß  die  im  Körper  latent  schlummernden  oder  von 
|ußen  neu  eindringenden  Bazillen  nicht  zu  einer  Erkrankung 
und  zwar  zu  der  therapeutisch  viel  ungĂŒnstiger  zu  beein- 
flussenden tertiĂ€ren  Phthise  fĂŒhren.  Hausarzt  und  Anstalts- 
|rzt,  dem  der  Patient  ĂŒberwiesen  wird,  sollen  in  möglichst 
nahem  Konnex  stehen.  Um  die  gegenseitige  VerstÀndigung 
|ber  den  Befund  des  Patienten  zu  ermöglichen,  schlÀgt 
Bacmeister  vor,  sich  an  das  von  Aschoff  ausge- 
arbeitete Einteilungsprinzip  der  Lungentuberkulose  zu  halten. 

Dann  gibt  B  a  r  in  e  i  s  t  e  r  Richtlinien  an,  wie  der  prak- 
tische und  der  Hausarzt  in  hÀuslicher  Behandlung  die  Tuber 
kulose  gĂŒnstig  beeinflussen  können.    Die  wichtigste  Grund- 


lage fĂŒr  die  Behandlung  der  Tuberkulose  ist  fĂŒr  den  behau 
delnden  Arzt  die  Feststellung,  ob  es  sic  h  um  ein:'  fortschrei; 
lendc,  stationÀre  oder  zur  Latenz  neigende  Form  oder  gar 
um  abgelaufene  Prozesse  handelt.  Die  fortschreitende 
Lungentuberkulose  bedarf  einer  strengen  Bewachung  und 
Behandlung,  die  zur  Latenz  neigende  oder  latente  Form  ofl 
nur  der  Aufsicht  und  Schonung.  Bacmeister  forderj  in 
jedem  Falle  strenge  Durc  hfĂŒhrung  der  Tempci  alui  messunu. 
die  dem  Arzt  ofl  die  genaueste  Kenntnis  ĂŒber  den  Zustand 
des  Lungenprozesses  verschafft.  Ebenso  wichtig  ist  die  Ver- 
ordnung zur  absoluten  Buhe  bei  fiebernden  Patienten,  wÀh- 
rend bei  gleichmĂ€ĂŸigeren  Temperalui kurven  der  Arzt  dem 
Kranken  manche  Konzessionen  machen  kann;  gut  ist  auf 
jeden  Fall  eine  tĂ€gliche  mehrstĂŒndige  Liegekur.  Pflicht  des 
Arztes  ist,  dem  Kranken  die  möglichst  besten  hygienischen 
VerhÀltnisse  zu  verschaffen,  dem  Kranken  eine  möglichst 
gute  ErnĂ€hrung  angedeihen  zu  lassen,  seine  oft  große  Appetit- 
losigkeit infolge  einer  langen  Bettruhe  durch  einen  abwechs- 
lungsreichen Speisezettel  zu  beheben.  Ebenso  selbstverstÀnd- 
lich ist  die  hygienische  Disziplinierung  des  Kranken  und 
VerhĂŒtung  jeder  Infektionsgefahr;  die  Widerstandskraft  muß 
in  jeder  Weise  gestÀrkt  und  gefördert  werden;  AbhÀrtung  und 
Hautpflege  sind  dabei  besonders  erstrebenswert.  Die  Licht - 
und  Sonnenbehandlung  hat  in  letzter  Zeit  fĂŒr  die  Behand- 
lung der  Lungentuberkulose  grĂ¶ĂŸere  Bedeutung  gewonnen: 
eine  direkte  Sonnenbestrahlung  muß  bei  allen  Formen  der 
Lungentuberkulose  streng  vermieden  werden.  Röntgentiefen- 
bestrahlung  und  kĂŒnstliche  Höhensonne  wirken  gut,  nur  darf 
nicht  wahllos  jede  Lungentuberkulose  bestrahlt  werden;  akut 
destruierende  und  exsudativ  kÀsige  Prozesse  reagieren 
schlecht  auf  Quarzlichtstrahlen. 

Neben  dieser  Allgemeinbehandlung  geht  die  symptoma- 
tische Therapie.  Das  Fieber  soll  medikamentös  nicht  ge- 
drĂŒckt werden;  nur  bei  lang  anhaltenden  Fiebernerioden  mit 
Störungen  im  Allgemeinbefinden  sollen  möglichst  kleine 
Dosen  von  Medikamenten  gegeben  werden.  Wenn  der  Kranke 
Auswurf  hat,  soll  der  Husten  medikamentös  nicht  unter- 
drĂŒckt werden,  nur  der  erfolglose  Husten  soll  behandelt  wer- 
den. Bei  der  Lungenblutung  rÀt  Bacmeister,  kein  Mor- 
phium zu  geben,  da  die  LungenlĂŒftung  und  -reinigung  da- 
durch erschwert  und  die  Aspiration  infektiösen  Materials 
befördert  wird.  Bei  bestehender  KreislaufschwÀche  und 
UeberfĂŒllung  des  kleinen  Kreislaufs  kann  Digitalis  gegeben 
werden.  Bei  nicht  zu  stillender  Blutung  kann  als  letzte  Ret- 
tung ein  Pneumothorax  angelegt  werden.  Nachtschweiße 
können  mit  den  ĂŒblichen  Mitteln  bekĂ€mpft  werden:  Ab- 
waschungen mit  Franzbranntwein  oder  Essigwasser,  inner- 
lich KampfersÀure,  Atropin,  Agaricin. 

Zum  Schluß  seiner  Abhandlung  geht  Bacmeister 
noch  ein  auf  die  spezifische  Therapie,  vor  allem  auf  die 
Tuberkulinbebandlung.  Nach  seiner  Ansicht  liegt  der  Heil- 
wert des  Tuberkulins  darin,  daß  es  örtliche  Reaktionen  in 
den  tuberkulösen  Herden  auslöst,  wobei  die  schon  im  Körper 
vorhandenen  Schutzkörper  mobilisiert  wrerden.  Zu  gleicher 
Zeit  kann  das  tuberkulöse  Granulationsgewebe,  das  den 
Kampf  gegen  den  Tuberkelbazillus  zu  fĂŒhren  hat,  im  Sinne 
einer  beschleunigten  Narbenbildung  gereizt  werden.  Es  ist 
aber  sehr  schwer,  die  optimale  Reizung  der  Herde  in  der 
Lunge  zu  erreichen,  ohne  zu  einer  Aktivierung  der  Herde, 
d.  b.  zu  einer  SchÀdigung  des  Kranken  zu  kommen.  Im 
allgemeinen  sab  Bacmeister  im  Lauf  der  Jahre  bei  Be- 
folgung aller  Vorsichtsmaßregeln  bei  der  Behandlung  der 
Lungentuberkulose  mit  Tuberkulin  immer  einen  grĂ¶ĂŸeren 
Prozentsatz  der  behandelten  FÀlle,  bei  denen  SchÀdigungen 
in  irgendeiner  Form  erfolgten.  Auch  von  der  therapeutischen 
Anwendung  der  Partialantigene  von  Deyke-Much  ist 
Bacmeister  bei  der  Lungentuberkulose  zurĂŒckgekommen, 
da  er  in  den  meisten  FĂ€llen  nur  eine  die  Krankheit  ungĂŒnstig 
beeinflussende  Herdreaktion  gesehen  hat.  Seine  Erfahrungen 
mit  dem  Fried  mann  sehen  Tuberkulin  gehen  dabin,  daß 
er  das  Mittel  fĂŒr  wirkungslos  hĂ€lt  und  ihm  jede  Zukunft  ab- 
spricht. S  t  a  n  d  v  o  ß  (Berlin -Halensee). 


410 


Referate 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

24.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

♩♩"♩Endocarditis  chronica  (lentai.    C  ii  t  s  c  Ii  ai  ft  n  n.  4r.). 

^Pathogenetische  Beziehungen  zwischen  Tetani«  uM  Rachitis,    i'  r  e  u  il  e  n  - 

berg  und  Györg  y.  422. 
Röntgenbehandlung   klimakterischer   Erscheinungen.     0  t  o  e  il  c  I.  423. 
Technik  und  Grenzen  der  Laparoskopie.    Kcirlisc  h.  42fl. 
Mischung   der   Quecksilber-    und   SalvarsanprÀparate.     Roth  m  a  n  Ii.  127. 
Dosierungsfehler  in  der  Tiefentherapie:.     Schemp  p.  429. 
Epithelverhornung  der  Gaumenmandeln.    G  ii  h  e  r  t.  431. 
Alter  und  Fettpolsterdicke  als  alleiniger  Maßstab  fĂŒr  den  ErnĂ€hrungszustand. 

K  À  d  i  n  g.  433. 

Ist  zur  Anreicherung  von   tuberkulösem    Sputum    Antiformin    nötig?     R  o  - 

senkranz.  434. 
Idiosynkrasie  gegen  Kuhmilch.  N  e  t  e  r.  435. 

Rationelle  Ausweisung  unserer  einheimischen  Arzne  flnra.    v.  Schre  u  c  k. 
435. 

❖Kopliks  bei  Grippe.    A  s  a  1  -  V  a  1  k.  437. 

Roser-Xeiatonsche  Linie  fĂŒr  die  Erkennung  von  nicht  traumatischen  HĂŒffe 

gelenkserkrankungen.    K  i  n  d  t  und  W  o  s  k  o  1 1.  43". 
l'rinaltherapic  der  Enuresis.    P  1  a  t.o.  1:5*. 

Ueber  Endoearditis  chronica  (lenta).  Vortrag  ĂŒber  die  Klinik 
der  noch  immer  viel  zu  wenig  bekannten  und  beachteten  Krank- 
heit.   Muß  im  Original  gelesen  werden! 

Die  pathogenetischen  Beziehungen  zwischen  Tetanie  und 
Rachitis.  Bei  Rachitis  und  latenter  Spasmophilie  besteht  eine 
azidotische,  bei  manifester  Tetanie  eine  alkalotische  Richtung  des 
Stoffwechsels.  Bei  manifester  Tetanie  liegt  eine  Phosphatstauung 
vor.  Der  Umschlag  vom  latenten  zum  manifesten  Zustand  wird 
durch  hormonale  EinflĂŒsse  herbeigefĂŒhrt,  die  in  der  hormonalen 
FrĂŒhjahrskrise  sich  kundgeben  und  im  Stoffwechsel,  den  sie 
alkalotisch  umstimmen,  eine  Phosphatretention  veranlassen. 
Azidotische  ZustÀnde  in  diesem  Sinne  gehen  mit  herabgesetzter, 
alkalotische  mit  erhöhter  Gewebsatmung  einher.  Die  Phosphat- 
retention bewirkt  bei  dem  herabgesetzten  Blutkalkgehalt  des 
latent  spasmophilen  Kindes  durch  Verschlechterung  der  Ionisie- 
rung des  Blutgehalts  Tetanie.  Mit  dem  azidotisch  wirkenden  Sal- 
miak und  anderen  Maßnahmen,  die  zur  Azidose  fĂŒhren,  wie 
SĂ€urezufuhr  und  Hunger,  kann  man  die  Alkalosis  aufheben,  eine 
Phosphatdiurese  auslösen  und  die  Tetanie  heilen.  Verfasser  ver- 
muten, daß  bei  der  Kalziumchloridtherapie  eine  azidotisch  wir- 
kende Komponente  mitspielt. 

Kopliks  bei  Grippe.  Verfasser  teilt  drei  FĂ€lle  von  Grippe 
mit  einwandfreien  Kopliks  mit,  denen  kein  Masernexanthem 
folgte.  Es  handelte  sich  um  kleine,  kalkspritzerÀhnliche  Flecken 
auf  der  Wangenschleimhaut,  die  nicht  von  Kopliks  zu  unter- 
scheiden waren. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

15.  April  1922,  49.  Nr.  15. 

Eigenartige  Mittelfußerkrankung.    Vogel.  505. 
❖‱Gastroenterostomie    oder   Resektion    beim   Magengeschw  ĂŒr?     II  o  h  I  h  a  u  m. 
508. 

Behandlung  von  Knicankylosen.     Stracke  r.  509. 
Oummidrainprothese   in  der  Gallenwegeclrrurgie.     II  ĂŒ  b  S  c  b.  515. 
❖Ulcus    neptieum   nach   Pylnrusausschaltung.     U  a  1  |i  e.  r  n.  ."iifl. 
Anomalie  des  Hodens.     H  i  1  a  r  o  w  i  c  z.  521. 

Gastroenterostomie  oder  Resektion  beim  MagengeschwĂŒr? 
Die  Payr'sche  Klinik  gehört  zu  den  â€žĂŒberzeugtesten  AnhĂ€ngern" 
der  Magenquerresektion  beim  kailösen  Ulcus  des  Magenkörpers 
und  dem  in  der  NÀhe  des  Pylorus  lokalisierten  kallösen  Ulcus. 
Nur  bei  den  vernarbten  pylorischen  GeschwĂŒren  wird  der  hin- 
teren Gastroenterostomie  der  Vorzug  gegeben. 

Ueber  die  Entstehung  von  Ulcus  pepticum  jeiuui  nach  Py- 
lorusausschaltung  nach  v.  Eiselsberg-Doyen.  Zur  ErklÀrung  der 
Pathogenese  des  Ulcus  pept.  jpj.  erinnert  Verfasser  an  das  Ex- 
periment von  Popielski:  Der  Magen  eines  Hundes  wird  in  zwei 
Teile  durchtrennt;  wird  SĂ€ure  in  den  kardialen  Teil  gegossen, 
so  verhÀlt  sich  das  Pankreas  ruhig;  wird  in  den  pvlorischen  Teil 
SĂ€ure  gegossen,  so  beginnt  nach  Durchtritt  derselben  durch  den 
Pylorus  energische  Pankreasabsonderung.    Die  Pylorusausschal- 


tung  nach  v.  E  i  s  e  1  s  b  e  r  g  ist  eine  genaue  Kopie  dieses  Ver- 
suchs mit  HinzufĂŒgung  einer  Gastroenterostomie;  Die  SĂ€urt 
wird  von  den  FundusdrĂŒsen  abgesondert  und  fließt  durch  die 
G.  E.-Oeffnung  in  den  Darm.  Da  nun  die  Neutralisierung  durch 
den  Pankreassaft  fehlt,  ist  die  Darmwand  der  schÀdigenden  Wir-, 
kung  des  sauren  Magensaftes  direkt  ausgesetzt,  und  wenn  aus 
irgend  einem  Grunde  die  DarmwandernÀhrung  noch  gestört  ist." 
sind  die  gĂŒnstigsten  Bedingungen  fĂŒr  die  Entstehung  eines  Ulcus 
pept.  jej.  gegeben.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie. 

1922,  169,  3/4. 

‱H  eber    multiple    cart'ilaginĂ€re    Exostosen    und    Enehomlrorne.     M  e  t  t  e  n  -S 

1  e  i  t  e  r  .  M.  149. 

Gleichzeitige    und    gleichartige    Geschwulstbildung    in    der   oberen  Linke« 
BrustdrĂŒse    von    Zwillingsschwestern.    B  u  r  k  h  a  r  d  .   H.  160. 

Weitere    Beobachtungen    an    Sauerbriichsehen    OperatonsstĂŒmpfen.  Icbcrl 
MuskelseosibilitlÀt  und   Muskeldissosiation.     von  Horn.   C.  !69. 

Weitere    Beobachtungen    an    Sauerbruehschen    OperationestĂŒmpfen.      f  Drittti 
Mitteilung.)     von  II  u  r  n  ,   0.  179. 

I'eber  patholog  sehe   und    therapeutische   ZwerehfellÀhmung.     Lange  K.-' 
199. 

‱^Beitrag  zur  Osteochondritis  ileformans  coxue  juvenilis  (Perthes),    IIa  gen -'S 
buch,  M.  289. 

Ueber  multiple   cartilaginÀre  Exostosen    und  Enchondrome. 

Verf.  bespricht  an  Hand  der  Literatur  sowie  einiger  klinischer 
FĂ€lle  das  Wesen  der  Erkrankung.  Hiernach  handelt  es  sich  um 
ein  einheitliches,  abgeschlossenes  Krankheitsbild,  wahrscheinlich 
auf  fehlerhafte  Knochenanlage  zurĂŒckzufĂŒhren,  vielleicht  hinsicht- 
lich der  Exostosen  gewisse  ZusammenhÀnge  mit  den  Krankheiten 
von  S  c  h  1  a  1 1  e  r,  Perthes  und  Köhler  bietend.  Das  Trauma 
kann  als  auslösendes  Moment  wirken.  Eine  gewisse  Aehnlichkcit 
im  Typus  und  Körperbau  der  an  Exostosen  und  Enchondromen 
Erkrankten  ist  nach  Ansicht  des  Verf.  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen. 

Beitrag  zur  Osteochondritis  deformans  coxae  iuvenil» 
(Perthes).  Beschreibung  eines  Falles  von  doppelseitiger  Per- 
th  es  'scher  Krankheit  der  HĂŒfte  bei  einem' 12  jĂ€hrigen  MĂ€dchen. 
Die  Erkrankung  trat  zunÀchst  an  der  linken,  nach  einem  Jahre  an 
der  rechten  HĂŒfte  auf.  WĂ€hrend  links  unter  Abduktionsgipsvcr- 
bÀnden  vollkommene  klinische  Heilung  eintrat,  blieb  rechts  eine 
Ankylose  des  HĂŒftgelenkes  zurĂŒck.  Der  ganze  Verlauf  sowie  der 
klinische  Befund  (Fieber!)  der  Erkrankung  wies  im  vorliegenden 
Falle  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  auf  einen  entzĂŒndlichen 
Prozeß  hin.  ein  Ă€tiologisch  bedeutsames  Moment. 

L.  Frosch  Berlin' 

Zeitschrift  fĂŒr  orthopĂ€dische  Chirurgie. 

1922.  42.  Heft  5. 

I'eber  die  Möglichkeit  der  aktiven  Hebung  des  FuUgcv  olbes  hei  Pes  planus.' 
P  e  t  r  o.  257. 

❖  Die  Bedeutung  der  Außenrollung  in   der  Symptomatologie  der  HĂŒftgelenk-' 

erkrankungen.    S  a  x  1.  267. 
❖Hie  operative  Behandlung  der  Arthrit  s  deformans.    W  u  1  I  e  n  b  e  r  g.  27ö" 
♊«♊Zur  Aetiologie  der  schnappenden  HĂŒfte.    V  o  g  e  1.  28b. 
Beitrag  zur  Patella  hipartita.    Kien  ckc.  291. 

Die    „Forssmann-Masse "    bei    der    Herstellung    von    kĂŒnstlichen    Gliedern. - 

Mosenthal.  297. 
Os  vcsalianum  pedis.    .1  o  Ii  a  n  s  s  o  n.  301. 

Die  Außenrollung  in  der  Symptomatologie  der  HĂŒftgelenk- 
erkrankungen. Das  diagnostisch  wichtige  Moment  verschiedenster 
HĂŒftleiden  (vor  allem  Fraktur,  Coxa  vara,  Coxitis,  Osteomyelitis 
usw.),  die  Außenrotation  des  Beines,  wird  einer  nĂ€heren  Bespre- 
chung unterzogen.  Hiernach  ist  die  Außenrollung  des  Femur  die 
Folge  von  Schwergewichtseinwirkung  auf  das  liegende  Bein  oder 
des  Ueberwiegens  der  Außenroller  verbunden  mit  Insuffizienz  de 
Beckenheber,  der  M.  glutaei  medii  und  mininii. 

Die  operative  Behandlung  der  Arthritis  deformans.  Beschrei- 
bung mehrerer  FĂ€lle  von  deformierender  GelenkentzĂŒndung  an  der 
HĂŒfte,  dem  Knie  und  Fuße,  die  auf  operativem  Wege  Besserung  er- 
gaben. Hier  interessiert  vor  allem  die  Indikation  zu  blutigem 
Vorgehen:  'bei  der  HĂŒfte  im  Falle  des  Versagens  konservativer 
Behandlung  und  hochgradigen  Beschwerden  oder  schwer  gestörter 
Funktion.  Am  Knie  bei  plötzlichen  Einklemmungserscheinungen. 
ebenso  am  Fuße. 

Zur  Aetiologie  der  schnappenden  HĂŒfte.  Verf.  teilt  2  ein- 
schlĂ€gige FĂ€lle  mit.  die  Ă€tiologisch  bedeutsam  sein  dĂŒrften.  Hier- 


Nr.  22/23. —40.  Jahrg. 


A  u  s  (l  e  n   neuesten   Zeitschrifte  n 


4M 


mich  komm!  das  Schnappen  der  HĂŒfte  zustande  durch  lĂ€ngere  Zeil 
gewohnheitsmĂ€ĂŸig  fortgesetzte  Adduktion.  und  Flexion  der  HĂŒfte. 

L.  F  r  o  seh  (  Berlin  . 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

1.  April  ($22,  U5.  Nr  13. 

♩Zur  Kettunjt  der  Alcxaniler-Adams-Oponil  on.    V  e  Ii  I  i  u  g  .  II.  l»2. 

Ucbrr  Jen  W<  rt  der  Alexander-Adainssehen  Operation.    Sie  la  rt,  (J.  183. 
♩Zur  Therapie  der  Placenta  praevia,..    M  c  >‱  e  r  ,  <'■  I8.r>. 
‱^Diagnostische  Ausschabung  des  1'tcrus  "mit  tötlieheni  Ausgang  Infolge  endo- 
gener Infektion.    Lei  cj'  o  r  ,  L.  196. 
~  l'i'her   eine   seltene"    menschliche    Doppelbildung    iHaclrpairus  parasiticus), 
verbunden  mit  Minieren  Mißbildungen.    I'  o  1  t  h  i  c  r  .  II.  501. 
Zur  Kasuistik  des  primÀren  Tubenkarzinorns.    S  tan  ca.  ('.  508. 

Zur  Rettung  der  Alexander-Adams-Operation.  Fehling 
wendet  sieh  gegen  die  schroffe  Verwerfung  der  A  lexander-Adams 
Operation  in  dem  Artikel  von  Doerfler  (Zentralblatt  f.  GynÀk., 
Nr.  3).  I >ic  Operation  ist,  am  richtigen  Platz  angewandt,  wirklich 
imstande,  aus  arbeitsunfÀhigen  Patienten  wieder  frische  arbeits- 
fĂ€hige Menschen  zu  machen-.  Indiziert  ist  das  Verfahren  nur  fĂŒr 
die  mobile  Retroflexio  der  Virgines  und  NullipĂ€rae  und  fĂŒr  die 
FĂ€lle  von  einfacher  Uterus-Scheidensenkung  mit  und  ohne  Retro- 
flexion  im  Verein  mit  Scheiden-Damrrrplastiken.  Nur  wer  dies? 
Indikationen  wirklieh  einhÀlt,  wird  gute  Erfolge  erzielen.  Der- 
Vorteil  der  Alexander-Adams-Operation  ist  der,  daß  der  Uterus 
in  normaler  Lage  völlig  beweglich  bleibt,  was  mit  keiner  der  zahl- 
i  eichen  Fixationsmetheden  zu  erreichen  ist. 

Zur  Therapie  der  Placenta  praevia.  Ergebnis  der  Bearbeitung 
des  Plaeenta-praeviamalerials  aus  dem  staatlichen  Institut  fĂŒr  Ge- 
burtshilfe zu  Hamburg-Finkenau. 

Bei  leichten  FĂ€llen  ist  wie  bisher  zu  versuchen,  mit  der 
Blasensprengung  auszukommen.  Placentae  praeviae  centrales 
sind  nach  Möglichkeit  durch  den  Kaiserschnitt  zu  entbinden.  Die 
große  Gruppe  der  zwischen  beiden  liegenden  FĂ€lle  von  Placenta 
praevia  lateralis  ist  unter  den  augenblicklichen  UmstÀnden  noch 
nach  den  klassischen  Methoden  zu  entbinden,  wobei  Metreuryse 
und  Wendung  die  Hauptrolle  spielen.  Der  spontane  Ablauf  der 
Geburt  ist  nach  der  Metreuryse  und  Wendung  anzustreben.  Die 
Metreuryse  ist  fĂŒr  die  Kinder  die  schonendste  Methode,  erfordert 
allerdings  ein  zweimaliges  Operieren;  bei  schwer  ausgebluteten 
Frauen  ist  deshalb  die  Wendung  nach  Braxton-Hicks  vorzuziehen. 
In  der  Nachgeburtsperiode  soll  aktiver  vorgegangen  weiden 
Blutet  es  bei  gut  kontrahiertem  Uterus  post  partum,  soll  man  auf 
einen  Zervixriß  fahnden:  auch  zur  manuellen  Placentalösung  soll 
man  sich  bei  Placenta  praevia  schneller  entschließen,  ohne  erst, 
wie  sonst  bei  Blutungen  nach  normalen  Geburten,  die  ganze  Reihe 
der  Blut  Stillungsmethoden  durchzuprobieren. 

Diagnostische  Ausschabung  des  Uterus  mit  tötlichem  Ausgang 
infolge  endogener  Infektion.  Es  werden  2  Falle  mitgeteilt,  die 
nach  Abrasio  probntoria  infolge  Allgemein-lnfektion  zum  Exitus 
kamen.  Im  ersten  Fall  wurde  bei  der  Obduktion  eine  eitrige 
Tonsillitis  und  ein  Tonsillarabszeß  gefunden,  der  als  Quelle  der 
Infektion  angesehen  wurde.  Im  2.  Fall  war  bei  einer  44  jÀhrigen 
Frau  wegen  Verdacht  auf  Korpus-Karzinom  die  Abrasio  gemacht 
worden:  nach  kurzer  Zeil  trat  Fieber  ein  bei  besiebender  starker 
Druckern pfindlichkeit  des  Uterus  und  ĂŒbelriechendem  Ausfluß. 
Man  dachte  an  akute  Metritis,  oder  an  einen  Uterusabszeß,  oder 
auch  an  ein  nekrotisch  gewordenes  submuköses  Myom  und  ent- 
schloß sich  zur  abdominalen  Uterus-Exstirpation.  2  Tage  spĂ€ter 
ging  die  Patientin  an  diffuser  eitriger  Peritonitis  zugrunde.  Man 
fand  eine  chronische  Cholezystitis,  die  jedoch  kaum  als  Ausgangs- 
punkt der  Infektion  angesehen  werden  kann.  Es  ergibt  sich 
jedenfalls  aus  beiden  FĂ€llen  die  Lehre,  vor  jeder  Ausschabung, 
abgesehen  von  einer  sorgfÀltigen  Genitaluntersuchung,  auch  eine 
ganz  exakte  Allgemeinunlcrsuchung  vorhergehen  zu  lassen. 

Speyer  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  Hygiene  und  Infektionskrankheiten,  Berlin. 

5.  April  1922;  95,  Hell  I 

I>:e  Sterbliehkeil  im  18,  .Jahrhundert.    Pell  e  r,  s.  378. 
BeitrĂ€ge  zur  Anaphylaxie-  und  Giftiiberempfindlrc'Jik.eitsfrage.   Ott  ‱>.  it.  378. 
Der  Nachweis  von  TyphiĂŒsbazillen  In  Butter.    Dltthotu.   F.  108. 
❖  l).;e  Wirkung  verschiedener  Antiseptic.s  gegen  Wundinfektion  mil  Strepto- 
kokken.   S  e  Ii  i  r  m  a  n  n  ,  ().  und   W  r  e  a  0  Ii  n  e  r.  424. 
MißstĂ€nde  und  Gefahren   hed  dem   Verkehr  mit  bakteriellen   Walten-  und 
Miiu.severtilgungsniitloln.     Rae  biger,    II.  und    Bahr,    I..  142. 
♩Einfluß   der    Luitbeschaffenheit    auf    diei   geistige    LeistungsfĂ€higkeit  rtei 
Schttler,    S  c  b  w  a  r  z  ,  W.     t  u;. 

lieber  die  Wirkung  verschiedener  Antiseptika  gegen  Wund- 
infektion mit  Streptokokken.  Auf  Grund  der  angestellten  Ver- 
suche empfehlen  die  Verff.  fĂŒr  die  Praxis  hei  Wunden,  die  der 
Infektion  durch  Streptokokken  verdÀchtig  sind,  bis  auf  weiteres 


eine  Behandlung  mit  Trypaflavin  in  Losungen,  sowie  besonders 
in  Pulvern  und  Salben 

Der  Einfluß  der  Luftbeschaffenheit  auf  die  geistige  Leistungs- 
fĂ€higkeit der  SchĂŒler.  WĂ€rmestauungSSymplOme  konnten  se]b\! 
hei  hohen  Temperaluren  (25,4°)  verbunden  mil  hoher  Feuchtigkeit 
niemals,  weder  bei  Lehrern  noch  Ix  i  SchĂŒlern  beobachte)  werden 
Dagegen  schließt  Verl.  aus  seinen  Serienuntersuchungen,  daß  die 
physikalischen  Faktoren  di  r  Pult  von  ausschlaggebender  Bedeu- 
tung fĂŒr  die  geistige  Arbeil  sind,  und  daß  dieser  Einfluß  bereits 
klar  zutage  tritt,  wenn  von  körperlichen  Störungen  noch  keine 
Rede  ist.  Mil  ĂŒber  1!)"  steigender  Temperatur  nimmt  die  Abnahme 
der  geistigen  LeistungsfÀhigkeit  zu,  ein  hoher  Luflfeuchtigkells 
gehalt  beeinfluß!  dieselbe  bei  Temperaturen  unter  19°  kaum,  be 
wirkt  aber  bei  höheren  Temperaturen  eine  wesentliche  Herab- 
setzung der  Arbeitsleistung  und  zwar  eine  erheblieh  stÀrkere  als 
wie  sie  durch  Temperatursleigerung  allein  bedingt  wird.  Er- 
gĂ€nzende Untersuchungen  ĂŒber  den  Einfluß  einer  Luflbewegung 
konnten  aus  lokalen  GrĂŒnden  nicht  durchgefĂŒhrt  werden.  Die  An- 
reicherung der  Luft  mit  KohlensĂ€ure  und  Riechstoffen  beeinflußte 
die  LeistungsfÀhigkeit  unwesentlich.  Bei  derartigen  Versuchen 
betont  Verf.  aber  die  Wichtigkeit  der  Inrechnungstellung  der  Ge- 
wöhnung an  „schlechte  Luft  W.  W  e  i  sba  ch  (Halle  a.  S. 

Schweizerische  medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

1(3.  MĂ€rz  1922,  52,  Nr.  11 

Typisch*  Krankheiten  aus  dem  Gebiet  der  Oto-Rhiito-Laryngologre  und  deren 
Behandlung  durch  den  praktischen  Arzt.    S  c  Ii  ii  n  e  in  a  n  n    A.  209. 

Ein  Fall  von  Seps's  posl  abortum  nach  Trauen  e  nes  Steril  'Urs.  Wetter- 
w  a  1  d  ,  M.  276. 

❖  Zur  Prophylaxe  und  Therapie  des  Kropfes  mit  .lud.    B  a  u  m  a  n  n  .  E.  280. 
Beitrag  zur  Kasuistik  Uber  die  angel-nrene  allgemeine  Wassersucht  mit  Ver- 
grĂ¶ĂŸerung von  Milz  und  LĂŒiher.    K  b  e  gel.  0.  382. 

Zur  Prophylaxe  und  Therapie  des  Kropfes  mit  Jod.  Je  mehr 
man  sich  mit  der  Physiologie  der  SchilddrĂŒse  und  des  Kropfes 
befaßt,  um  so  vorsichtiger  wird  man  mit  der  medikamentösen 
Beeinflussung  derselben.  Und  je  mehr  man  in  der  Praxis  den 
verheerenden  Einfluß  auch  kleiner  Jodgaben  auf  manche  Kropf- 
patienten zu  beobachten  Gelegenheit  hat.  um  so  mehr  erkennt 
man,  daß  eben  doch  fĂŒr  viele  Aerzte  ein  verhĂ€ngnisvoller  Kom- 
plex: Kropf  —  ergo  Jod  besteht!  Die  hĂ€ufig  latenten  Symptome 
des  Hyperthvreoidismus  werden  erst  durch  die  Joddosen  ge- 
weckt und  klinisch  manifest,  wenn  das  Unheil  geschehen  ist.  Als 
weiteres  Moment  kommt  die  viel  zu  hohe  Dosierung  in  Betracht. 
Der  schĂ€dliche  Einfluß  regelmĂ€ĂŸiger  Joddosen  auf  das  endokrine 
System  ist  noch  keineswegs  genĂŒgend  erforscht,  doch  wissen 
wir  aus  neueren  experimentellen  Untersuchungen,  daß  das  Jod 
schĂ€digend  auf  die  GeschlechtsdrĂŒsen  einwirkt  und  daß  es  be- 
reits in  mĂ€ĂŸigen  Dosen,  die  lĂ€ngere  Zeit  verabreicht  werden, 
vor  allem  bei  jĂŒngeren  Individuen  eine  VerkĂŒmmerung  der 
epithelialen  Elemente  auf  Kosten  einer  Bindegewebsvermehrung 
bewirken  kann.  Unsere  gebrÀuchlichsten  Jodmitlel  enthalten 
viel  zu  viel  Jod.  Da  noch  keineswegs  bewiesen  ist,  daß  Jod  das 
alleinige  Mittel  ist,  das  den  Kropf  zum  Schwinden  bringen  kann, 
so  wĂ€re  es  angebracht,  bevor  wir  unsere  Jugend  mit  Jod  ĂŒber- 
schwemmen, noch  nach  anderen  Mitteln  zu  fahnden,  die  die 
Struma  gĂŒnstig  beeinflussen,  ohne  den  Organismus  zu  gefĂ€hrden. 
Das  Problem  der  Prophylaxe  und  der  Therapie  des  endemischen 
Kropfes  mit  JodprÀparaten  ist  demnach  keineswegs  so  gelöst, 
daß  wir  heute  schon  im  Lebereifer  einen  allgemeinen'  Feldzug 
gegen  das  LandesĂŒbel  beginnen  dĂŒrfen.  Erst  wenn  die  Chemie 
lind  Phvsiologie  der  gesunden  und  kranken  SchilddrĂŒse  und  ihre 
Wechselbeziehung  zu  den  anderen  endokrinen  DrĂŒsen  hinreichend 
aufgedeckt  ist.  dĂŒrfen  wir  es  wagen,  den  endemischen  Kronf  in 
großem  Maßstabe  zu  bekĂ€mpfen  Held  CBerlinV 

Revue  Medicalc  de  In  Suis.se  Romande,  Lausanne-Genf. 

Februar  1922.  42.  Nr  2 

♩Behandlung  der   LungengangrĂ€n.    Koch.  M.  BS. 
♩Sakralisation  des  5.  Lendenwirbels.    T  u  ri  n  1 ,  n.  7f>. 

Lumhaie  Schmerisen  in  Beziehung  zu  Spondylose  »>\d  Spondylitis,  I  e  n  t  z  e  r. 
A.  und   Kallas  n  y  .  Ii.  81. 
♩Neosalrarsan  bei  Milzbrand.    Rons  .  .1.  98. 

Subkutane   Kalkkonkretionen.     t'ramer.    A.  Ml. 

Die  Behandlung   der  LungengangrÀn   mit  Knoblauchtinktur. 

Nach  drei  ermutigenden  FĂ€llen  glaubt  sich  Verf.  keineswegs  be- 
rechtigt, zu  sagen:  „die  Knoblauchtinktur  ist  das  Heilmittel  der 
LungengangrĂ€n"'.  Immerhin  ist  es  der  MĂŒhe  wert,  im  Kampf 
gegen  eine  Krankheit,  gegen  die  wir  so  schlecht  gerĂŒstet  sind, 
einmal  den  Versuch  mit  dem  genannten  Mittel  zu  machen.  Es  ist 
weder  gefÀhrlich,  noch  kostspielig,  noch  kompliziert.    Seine  Her 


412  Aus   den   neuesten   Zeitschriften  Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


Stellung  erfolgt  durch  Maceration  von  getrocknetem  Knoblauch  in 
9,5  %  igem  Alkohol;  Filtration  nach  14  Tagen.  Der  Geruch  der 
FlĂŒssigkeit  ist  nicht  grade  angenehm,  aber  auch  nicht  sehr  in- 
tensiv; und  die  Atemluft  des  Kranken  riecht  weniger  stark  als  die 
eines  Knoblauchessers.  Die  Ansicht,  daß  Haemoplise  eine  Kontra- 
indikation  bildet,  ist  durch  persönliche  Erfahrungen  des  Verf. 
eines  Knoblauchessers.  Die  Ansicht,  daß  Haemoptyse  eine  Kontra- 
indikation dar.  Auch  bei  foelidcr  Bronchitis,  Bronchiektasien. 
chronischer  Tuberkulose  glaubt  Verf.  an  einen  heilsamen  Einfluß 
des  Mittels  und  möchte  zu  weiteren  Versuchen  damit  anregen. 

Die  Sakralisation  des  V.  Lendenwirbels.  Seil  dem  Bestehen 
der  Radiographie  ist  man  mehr  und  mehr  auf  die  Beziehungen 
zwischen  der  obengenannten  Mißbildung  und  dem  Lumbago,  den 
lumbo-sakralen  Neuralgien  und  der  Ischias  aufmerksam  geworden. 
Im  allgemeinen  wird  die  Anomalie  zwischen  dem  20.  bis  30.  Jahre 
manifest  und  zwar  durch  Schmerzhaftigkeit:  sie  existiert  seil 
Kinderzeit,  ihr  Ursprung  ist  kongenital.  Da  die  Symptome  fast 
immer  Ischias  bzw.  Lumbago  vortÀuschen,  so  wird  man  die  Dia- 
gnose vorwiegend  per  exclusionem  stellen.  Die  Sakralisation 
existier!  mit  einer  relativen  GesetzmĂ€ĂŸigkeit  bei  Rheumatikern: 
Die  Prognose  der  reinen  Sakralisation  ist  gĂŒnstig,  die  Krisen 
heilen  und  nach  und  nach  lernen  es  die  Patienten,  diejenige  Hal- 
tung bzw.  Bewegung  zu  vermeiden,  die  den  Schmerz  auslöst.  Bei 
Rheumatikern  igt  die  Prognose  natĂŒrlich  an  die  IntensitĂ€t  der 
i  heumalischen  Beschwerden  geknĂŒpft.  Steht  die  Diagnose  erst 
fest,  so  wird  man  sich  auf  absolute  Ruhe  und  WĂ€rmeapplikation 
beschrÀnken.  In  Frankreich  ist  auch  die  Radiotherapie  mit  Erfolg 
angewandt  worden.  Zur  Exstirpation  der  hypertrophischen  Apo- 
physe  wird  man  nur  in  dringenden  FĂ€llen  schreiten.  Bei  Patienten 
mit  Neigung  zu  wiederkehrendem  Lumbago  oder  Ischias  oder  bei 
solchen,  bei  denen  die  verschiedenen  Behandlungsarten  wirkungs- 
los bleiben,  wird  sich  demnach  die  Radiographie  als  diagnosti- 
sches Hilfsmittel  mehr  als  je  empfehlen. 

Bemerkungen  anlĂ€ĂŸlich  eines  Falles  von  Pustula  maligna,  der 
mit  Neosalvarsan  und  Antimilzbrandserum  behandelt  wurde.  Die 

Behandlung  der  Pustula  maligna  sieht  noch  nicht  definitiv  fest. 
FrĂŒher  ging  man  sie  rein  chirurgisch  an:  diesem  Verfahren  waren 
jedoch  Grenzen  gesetzt,  sobald  die  Infektion  weiter  um  sich  griff 
oder  sich  in  BakteriÀmie  umwandeile.  Man  ist  daher  wieder  auf 
die  konservative  Behandlungsart  zurĂŒckgekommen,  kombiniert  sie 
jedoch  mil  Neosalvarsan-  oder  Seruminjeklionen.  Das  Neosal- 
varsan scheint  auf  den  Milzbrandbazillus  eine  so  genau  zu  prÀ- 
zisierende Wirkung  auszuĂŒben,  daß  Versuche  dieser  Art  ent- 
schieden fortzusetzen  sind.  Um  so  mehr  als  es  leichler  zu  be- 
schaffen ist  als  das  Serum.  Held  (Berlin). 

Schwei/er  Archiv  fĂŒr  Neurologie  und  Psychiatrie,  ZĂŒrich. 

1922,  10,  Heft  1. 

‱^Allgemeine   Betrachtungen  Uber  dir    Encephalitis   (Morphologie  und  Patho- 
genese).   M  o  n  a  k  o  w.  C  v. 
Bin  Fall  von  Hemieephalus.    de  Vvi.es. 
Klinische  und  anatomische  Studien  Uber  Apraxie    Ii  r  w  n 
"^Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkungen  des  Koffeins  und  des  Kaffee«  auf  den 
Mensehen.     M  a  '  e  1  ,  H.  W. 
l'elicr  die  Psychotherapie.    M  a  e  d  e  r. 
❖l'eiier  Zwergwuchs  und  Riesenwuchs  mit  einem  Beitrag  zum  Studium  ver- 
wandter   Enrwickhtugsstörungen  im  Organismue.  ßign'on, 
7aw  Psychologie    der    sogenannten    tratiniat'schen  Xeurose.    M  e  i  e  r  und 
MĂŒller,  H. 

Allgemeine  Betrachtungen  ĂŒber  die  Enzephalitis  (Morphologie 
und  Pathogenese).  Bei  den  Enzephalitiden  sind  folgende  4  Grund- 
typen zu  unterscheiden:  1.  die  diffuse,  akute  und  eventuell  chronisch 
parenchymatöse  Form:  2.  die  Herdenzephalitis:  3.  die  durch  mul- 
tiple, zerstreute,  meist  wohl  demarkierte  Herde  sich  auszeichnende 
Form;  4.  die  chronisch  progressive  Form  mit  diffuser  Verbreitung 
des  pathologischen  Prozesses.  Die  Enzephalitis  ist  somit  eine 
pathogenetisch  und  klinisch  außerordentlich  formenreiche  Störung, 
die  durch  mannigfache  morphologische  AusgÀnge  charakterisiert 
ist.  Sie  wird  hervorgerufen  durch  Insulte,  bald  mehr  phvsikali- 
scher,  bald  mehr  toxischer  Natur  (z.  B.  Guanidinenzenhalitis\  am 
hÀufigsten  aber  durch  Mikroorganismen.  Die  infektiösen  und  be- 
sonders die  epidemisch  auftretenden  Formen  sind  von  besonderer 
Wichtigkeit  in  bezug  auf  die  Ausbreitungsweise  in  der  Hirnsub- 
stanz und  ihren  Ausgang.  Bei  der  herdförmigen  Enzephalitis 
können  auch  spÀter  noch  nach  scheinbarem  Stillstand,  alte,  an  zer 
sprengten  kleinen  Thromben  haftende,  mit  fermentativer  Krall 
ausgestaltete  chemische  Stoffe  zu  Rezidiven  und  socar  zu  pro- 
gressiven Prozessen  fĂŒhren.  Hierbei  scheinen  sĂ€mtliche  Schulz 
und  RestitutionskrÀfte  des  C.'N.  S.  in  vielseitigster  Weise  in  Wirk- 
samkeit zu  treten:  Gesteigerle  Zufuhr  von  nÀhrenden  Stoffen,  mög- 
lichst rasche  AbrÀumung   von    Zerfallsprodukten.   Bildung  von 


Antikörpern,  von  physikalischen  .Schutzmembranen  aller  Art  usw. 
Zu  diesen  unmittelbar  in  Aktion  tretenden  Abwehrfaktoren  treten, 
wo  Reparatur  oder  Ausgleich  nicht  möglich  sind,  oft  grob  fehler- 
hafte Kompensationserscheinungen  (Abbausymptome)  auf,  die 
durch  die  Natur  des  Aufbaues  des  C.  N.  S.  bedingt  sind  Was  bei 
dem  ganzen  cnzephalilischen  Prozeß  imponiert,  das  ist  die  Einheit 
des  sich  wehrenden  Organismus  trotz  der  gewaltigen  Arbeits- 
teilung und  morphogenelischen  Differenzierung  in  den  Organen, 
dann  die  Sammlung  und  Gliederung  der  KrÀfte  zum  Wiederaufbau 
der  Funktion.  Wo  aber  der  Abbau  eine  Dauererscheinung  bleiben 
muß  (irreparabler  Defekl  der  Hirnsubstanz),  dort  imponiert  das 
nach  Möglichkeil  und  unter  BerĂŒcksichtigung  der  Entwicklung  der 
Funktion  sich  dokumentierende,  planvolle  Zusammenwirken  („for- 
mativer"  Instinkt  des  C.  N.S.!)  der  mannigfachen  resistierenden 
Hirnstrukturen,  gemeinsam  mit  den  inneren  DrĂŒsen  und  dem  Zir 
kulationsapparat,  um  den  entstandenen  Schaden  nach  Möglichkeil 
auszugleichen. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkungen  des  Koffeins  auf  den 
Menschen.  (An  Hand  von  Experimenten  mit  gewöhnlichem  Kaffei 
und  Kaffee  „Hag".;  Parallelversuche  mit  Santoskaffee  und  Kaffee 
..Hag".  Infus  von  30  g  feinem  Kaffeepulver  auf  300  g  Wassel 
Alle  TĂ€uschungen  werden  ausgeschlossen.  Santos  enthielt  1,05. 
.der  „Hag"-Kaffee  0,0?»  %  -Koffein,  das  Infus  0,07  und  0,002  % 
Koffein. 

Der  Blutdruck  (Tonometer  Recklinghausen)  stieg  -nach 
Kaffeeaufguß  30  :  300  bei  19  Versuchen  nach  Santos  im  Mittel  um 
10,3  cm  H.O,  nach  Hag  gar  nicht.  Die  Pulsfrequenz  blieb  dieselbe 
Toxisch  wirkender  Aufguß  von  60  : 300  erzeugte  nach  Santos  keine 
weitere  Bluldrucksteigerung,  wohl  aber  eine  Pulsbeschleunigung 
mit  hĂ€ufigen  UnregelmĂ€ĂŸigkeilen.  Nach  Hag  fehlen  alle  diese  Er- 
scheinungen. 

Weitere  Erscheinungen  nach  Santos  30  :  300  waren  hÀufig 
Kopfkongestionen,  HĂ€ndezittern.  HerzdruckgefĂŒhl.  Harndrang.  Bei 
Hag  fehlen  alle  diese  Erscheinungen,  sogar  bei  Infus  60:300. 

Die  Wirkung  von  Schlafmitteln  konnte  durch  steigende 
Dosen  von  Santos  völlig  ausgeschaltet  werden,  nicht  aber  durch 
Hag. 

Toxische  LĂ€hmungen  nach  Nikotinabusus  wurden  durch 
Santos  weitgehend  ausgeglichen. 

Im  Gegensalz  zu  allen  anderen  Versuchspersonen  trat  bei  zwei 
Personen  nach  Santos  eine  bedeutende  Schlafverbesserung  ein. 
wÀhrend  Hag  diese  Wirkung  nicht  hatte. 

Gemeinsam  mit  J  a  k  o  b  Mens  c  h  hat  Verfasser  ĂŒber  die 
Beeinflussung  df  t  geistigen  ArbeitsfÀhigkeit  durch 
koffeinhaltigen  und  koffeinfreien  Kaffee  angestellt:  Experimentelle 
PrĂŒfung  von  II  Versuchsreihen  mit  dem  Additionsversuch  im 
Sinne  von  Kraepelin  bei  verschiedenen  Arten  von  HirnschÀdi 
gungen:  a)  ohne  weitere  Vorbereitung:  b^  nach  Genuß  von  Santos 
Kaffeeinfus  30  : 300;  c)  nach  Genuß  von  Hag-infus  30  :  300.  Die 
geistige  ArbeitsfÀhigkeit  wurde  sowohl  nach  Santos  als  nach  Hag 
bedeutend  gesteigert,  teilweise  mehr  als  verdoppelt.  Trotzdem 
nahm  die  Zahl  der  Rechenfehler  dabei  durchschnittlich  ab.  Bei 
einigen  Personen  trat  die  beste  LeistungsfÀhigkeit  nach  Santos, 
bei  anderen  nach  Hag  auf. 

Es  ergibt  sich,  daß  sowohl  Santos  als  Hag  geistig  stark  an- 
regend wirken.  Suggestive  Wirkung  ist  ausgeschlossen.  Nicht 
nur  das  Koffein  ĂŒbt  demnach  eine  anregende  Wirkung  auf  die 
Leistungen  des  Gehirns  aus.  weil  dieses  ja  im  Kaffee  Hag  so  gut 
wie  völlig  fehlt,  sondern  auch  andere  Sloffe  —  wahrscheinlich  die 
aromatischen  Röstprodukte,  die  sogenannte  Kaffeongruppe. 

Ueber  Zwergwuchs  und  Riesenwuchs  mit  einein  Beitrag  zum 
Studium    verwandter    Entwicklungsstöru.ngen    im  Organismus. 

Funktionsstörungen  der  höchsten  Hirnzentren  können  unmittelbar 
zum  Riesenwuchs  wie  auch  zum  Zwergwuchs  fĂŒhren.  Dazu  be- 
darf es  einer  mehr  oder  weniger  schweren  Enlwicklungsanomalie 
oder  Erkrankung  des  Gehirns  selbst  oder  letzteres  wird  durch 
Funktionsstörungen  einer  oder  mehrerer  DrĂŒsen  beeinflußt.  Man 
soll  sich  das  VerhÀltnis  Zwerg-  und  Riesenwuchs  nicht  so  vor- 
stellen, da'ß.  wenn  z.  B.  Hypofunktion  eines  Organs  zum  Zwerg- 
wuchs fĂŒhrt,  eine  Uyperfunktion  desselben  Riesenwuchs  erzeugt. 
Diese  Vorstellung  des  Einflusses  der  höheren  Hirnzentren  auf  die 
nutritiven  und  WachstumsvorgĂ€nge  wĂŒrde  leichter  erklĂ€ren, 
warum  gewisse  FĂ€lle  von  Hypophysisadenomen  ohne  Akromegalie 
einhergehen  und  umgekehrt  Akromegalie  ohne  Hvpophysis- 
lumoren  vorkommen  können.  Schließlich  wird  die  Frage  auf- 
geworfen, ob  die  Genitalorgane  nicht  auch  durch  das  Gehirn  un- 
mittelbar in  ihrer  Funktion  beeinflußt  werden.  Cessatio  mensium 
isl  ja  eines  der  ersten  Symptome  von  Tumor  cerebri. 

W  W  ei  gel  dt. 


A  ii  s  (I  o  ii   neuesten   Zeitschrift  e  n 


II 


Nr.  22  23.— 40.  Jahrg. 

Kl  siglo  niedico,  Madrid. 

II.  Mar/.  1022,  69,  Nr.  3561. 

❖  Kneeplmlitis  poly mo'vfu.    S  ji  n  z  ,  K.  V.  253. 
Angeborene  Sehulterluxation.    D  o  c  r  o  f .  8.  250. 

Die  Meere  und  die  Qlykosurien.    Ca  b  n  1 1  o  r  o  j   l'*  o  i  n  a  n  il  o  /.,  s.  2ĂŒ0. 
Verbesserung     des      Gesundheitszustandes      in      Spanien.       V  n  I  n  n  i  n  o 
L.  M.  262. 

Encephalitis  polymorfa.  Mann  von  31  Jahren  erkankt  im  MĂ€rz 
1920  an  Grippe.  WĂ€hrend  eines  Monates  hohes  Fieber  und  De- 
liriuni, darauf  3  Wochen  dauernd  geschlafen.  3'A  Monate  noch 
unregelmĂ€ĂŸiges  Fieber;  im  Juli  ParĂ€sthesien  der  unleren  Extremi- 
tÀten, die  vier  Monate  anhielten.  Ende  1920  mehrere  Wochen  wie- 
der unregelmĂ€ĂŸiges  Fieber,  3  Monate  spĂ€ter  heftige  Schmerzen 
im  rechten  Bein,  die  drei  Monate  wĂ€hrten,  so  daß  er  im  Bett 
bleiben  mußte.  Darauf  konnte  er  wieder  seine  Feldarbeit  ver- 
sehen. Im  Oktober  beginnende  Steifigkeit  erst  der  Beine,  dann 
der  Arme,  spĂ€ter  des  ganzen  Rumpfes;  intensiver  Speichelfluß  und 
beginnende  Schlafsucht,  so  daß  Patient  in  jeder  Stellung  einschlafen 
kann;  die  Sprache  ist  klar,  verlangsamt,  monoton,  tief;  nur  vor- 
ĂŒbergehendes Zittern  in  den  unleren  ExtremitĂ€ten.  — 

Im  Anschluß  an  diesen  Fall  schlĂ€gt  Verfasser  vor,  nicht  mehr 
von  einer  Encephalitis  lethargica  etc.  zu  sprechen,  sondern  besser 
Encephalitis  polymorfa  zu  sagen.  L  u  r  j  e. 

Paris  medical. 

4.  MĂ€rz  1922,  12,  Nr.  9. 

Die  Syphilis  1922.    Miliau  und  Br'ödist.  IT.". 
Prophylaxe  und  Heilung  der  Syphilis.    Quergrat.  177 
Die  Syphilis  auf  dem  Lande.    L  e  r  e  d  d  e.  181. 

GeJahren    der    ungenĂŒgenden    Dosierung    bei     Behandlung    der  Syphilis 
Fi  na  r  d.  187. 

Die  Wismirtsalzc  in  der  antisyphilitischen  Therapie.    M  i  1  1  a  u  ixu 

Die  diskrete  Blennorrhagie  der  Frau.    San  e  t.  191. 

Ein  Fall  Ton  syphilitischer  Reinfektion.     Gr  a  1 1  i  p  t.  l'<< 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

15.  Februar  1922,  Nr.  13. 

Radiographie  der  Niere  nach  der  Methode  CarolH-Sordelli.    D  e  1  h  e  r  rh  und 
D  a  q  u  e  r  r  i  e  r  e.  133. 
<J»Bismuth-Stoinatitis.     A  z  o  u  1  a  y  .  R.     1 34. 
Pathologie  deir  Parot's.   F.  r  1  i  c  h  ,  M.  138. 

Bismuth-Stomatitis.  Die  in  Frankreich  neuerdings  vielfach  an- 
gewandte antiluetische  BismuthbehandLung,  die  im  ĂŒbrigen  aus- 
gezeichnet verlragen  wird,  bringt  als  Nebenerscheinung  hÀufig 
eine  Stomatitis  mit  sich,  die  das  erste  Zeichen  von  Intoleranz  be- 
deutet. Sie  findet  sich  besonders  bei  schlechten  ZahnverhÀltnissen 
und  ist  gekennzeichnet  durch  den  Zahnfleischsaum,  Ulcerationen. 
Pseudomembranbildung  und  Schwellung  der  regionĂ€ren  DrĂŒsen. 
In  schwereren  FĂ€llen  Fieber  von  37—37,8°,  Polyurie.  Sowohl  im 
Harn  wie  im  Blut  und  in  der  Cerebrospinalfliissigkeit  findet  sich 
Bismuth  in  Schwefel  gebunden.  Differentialdiagnostisch  findet  sich 
sehr  selten  Speichelfluß  und  FoetiditĂ€t,  die  der  Quecksilber  Stoma- 
titis eigen  ist;  auch  ist  der  Allgemeinzustand  stets  gut  und  die 
Prognose  gĂŒnstig.  Therapeutisch  kommt  nur  sorgfĂ€ltigste  Mund- 
pflege in  Betracht,  wobei  auch  die  Behandlung  ruhig  fortgesetzt 
werden  kann.  Habe  r. 

Revue  d'orthopedie,  Paris. 

MĂ€rz  1922,  29,  Heft  2. 

+ Beitrug    zum     Studium     der    ererbten     Sp&tsyphiUs     des  Schultergeleuks. 
M  i  g  i  n  i  a  c  und  C  a  d  e  n  a  c.  105. 
Zwei   FÀlle    von   Epiphyseulösung   am    unteren   Fibiaondo    mit  Fraktur  des 

Wadenbeins.  Bemerkungen  ĂŒber  ihren  Entatehungsmechanismus  und 
ihre  Behandlung.    T  II  11  er.  119. 

♩Beitrag  zur  Behandlung  der  Skoliose  durch  Gripskorsette     BT  a  n  n  u  s  c  k 
127. 

lieber  einen  Fall  von  Osteochondritis  deformans  juvenilis  coxae  Yver- 
-n  a  u  1  t.  189. 

$Ueber  einige  neue  klinaUiche   Anne.    R  o  e  d  e  r  e  r.  148. 

Klumpfuilschieni'.    zur    UnterstĂŒtzung    des     modellierenden*  Redressements. 
d  '  I  n  t  i  g  n  a  n  o.  148. 

Verbessertes  Gelenk  fĂŒr  kĂŒnstliche  Heine.    E"i  p  e  r  f.  ist, 

Beitrag  zum  Studium  der  ererbten  SpÀtsyphilis  des  Schulter- 
gelenkes.  Die  hereditÀre  Syphilis  lokalisiert  sich  sehr  seilen  im 
Schultergelenk.  Als  charakteristisch  fĂŒr  die  Erkrankung  werden 
von  den  Autoren  auf  Grund  eines  eigenen  Falles  und  solcher  aus 
d<  r  spĂ€rlichen  Literatur  folgende  Punkte  angefĂŒhrt:  1.  Eiterungen 
entstehen  nie.  Das  erkrankte  Gelenk  zeigt  eher  die  Erscheinung!  n 
sarkomatöser  Entartung.  Auch  mit  Tuberkulose  oder  chronischer 
Ost<  iomyelitis  kommen  Verwechselungen  vor,  2.  DrĂŒsenschwel- 
lungen sind  seilen,  landen  sieb  aber  im  besprochenen  Falle.  3.  Das 


Röntgenbild  zeigt  nicht  die  erwarteten  schweren  KnochenverÀndi1 

rungen.  Höchstens  crkennl  man  per iosl i  I  i sehe  Saunte    Die  Vhwi  I 

hing  ist  auf  gummöse  Infiltration  der  Weichteile  zurĂŒckzufĂŒhren. 

Daneben   linden   sich   die   knochcnluetischi  n   Symptome:  Leicht' 

Verdickungen,  unregelmĂ€ĂŸig  aufgerauhte  Diaphysenstruktun  u, 
Aufhellungszonen.  I.  Die  Krankheit  beginnt  schleichend,  wenig 
schmerzhaft.    Weder  Kontrakturen  schweren  Grades  noch  hoch 

gradige  Beschwerden  bilden  sich  aus.  Das  Gelenk  wird  nißhl 
selten  zum  Schlottergelenk.  5.  Fs  kommt  infolgedessen  hÀufig  zur 
pathologischen  Luxation,  ß.  Durch  Ausschluß  aller  andern  Dia- 
gnosemöglichkcilen  (bösartiger  Tumor,  Tuberkulose,  Osteomye 
lilis.  Gonorrhoe)  wird  der  Verdacht  auf  Lues  nahegerĂŒckt.  Da-, 
Vorhandensein  heriditÀrluetischer  Stigmata  macht  ihn  sehr  wahr- 
scheinlich. Die  Wasser mana-Reaktiori  (im  Punktal  des  Ergusses 
besonders  stark  positiv  sichert  die  Diagnose.  Die  Behandlung 
mit  Neosalvarsan  hatte  im  vorliegenden  Falle  einen  Vollen  Erfolg 
zu  verzeichnen. 

Beitrag   zur  Behandlung    der    Skoliose    durch  Gipskorsette. 

Dan  a  u  s  ek  beschreibt  sein  neues  Verfahren  zur  Behandlung  de. 
Dorsalskoliose,  das  durch  OriginalitÀt  und  Einfachheit  imponierl 
Er  unterwirft  das  Abbot'sehe  Verfahren  einer  Kritik  und  triff I, 
wie  mir  scheint,  einige  wesentliche  Fehler,  die  dem  Verfahr:  n 
anhaften.  Abbol  bringt  durch  Kyphosierung,die  WirbelsÀule  in 
<ine  Stellung,  in  der  sie  möglichst  leicht  umzukrĂŒmmen  ist; 
Hanau  sek  findet  mit  Recht  dies  Vorgehen  unlogisch,  da  durch 
die  BegĂŒnstigung  der  Redression  ein  Teil  der  aufgewandten  Krafl 
und  des  durchlaufenen  Weges  brach  liegen  muH.  Er  selbst  rc 
dressiert  durch  Gurtenzug  im  Stehen,  ohne  daß  eine  Extension  da- 
bei angewandt  wird.  Er  redressiert  also  in  natĂŒrlicher  Haltung. 
Das  Korsett  umfallt  Becken  und  Rumpf  bis  unter  die  Arme  und 
muß  sehr  exakt  sitzen.  Es  wird  nach  dem  Hartwerden  in  der 
Mitte  entzweigesĂ€gt,  so  daß  ein  oberer  und  ein  unlerer  Ring  Chi* 
stehen,  die  auf  der  konkaven  Seite  gelenkig  miteinander  verbunden 
werden.  Mit  Hilfe  langer  hölzerner  Hebel,  die  an  den  beiden  Gips- 
ringen befestigt  werden,  vermag  er  nun  tÀglich  die  Rotation  um 
ein  weniges  aufzurollen;  die  gewonnene  Detorsion ■  wird  durch  Yer 
schraubung  im  Gelenk  festgehalten.  Auf  diese  Weise  lĂ€ĂŸt  sich  die 
Skoliose  nach  und  nach  in  Wochen  und  Monaten  strecken.  Einige 
Abbildungen  zeigen  die  glÀnzende  Wirkung  in  einem  Falle.  Leber 
DauerreSuItate  verfĂŒgt  der  Verfasser  noch  nicht. 

Leber  einige  neue  kĂŒnstliche  Arme.  Roederer  beschreib! 
drei  neue  Kunstarmtypen,  von  denen  der  eine  bemerkenswert  Ist, 
da  er  eine  Vereinigung  von  Arbeitsklaue  und  Schmuckhand  dar- 
stellt.  Die  Klaue  wird  nicht  ausgewechselt,  sondern  lĂ€ĂŸt  sieh  in 
der  Hand  versenken,  wobei  sie  gleichzeitig  als  KraftĂŒbertrĂ€ger 
zur  BetÀtigung  der  Kunsthand  Verwendung  findet. 

IL  D  c  b  r  u  n  n  e  r    Berlin  . 

The  Journal  of  laboralory  and  clinical  medicine,  St,  Louis. 

*>    Februar  1022.  VIL  Nr.  .">. 

♩M)ie  innere  Sekretion  des  Pankreas.  Baitin  n.  V.       und  Ii  e  st.  c.  H.  »öl. 
Oer  Einfluß  verschiedener  Substanzen  auf  den  Wider. t:. ml  von  Tin  u  gegen 

Azetonitr:!.     M  i  n  r  a  .    \I .  .'Iii. 
Der  ICinl'luLI  der  Zritd.-iuei  /»  'sehen  l.umhnlininUtiou  und  ZÀhlung;  der  {Sellen 
nut'  die  Resultate  der  ZĂ€hlung,    w  >  n  n  .  J.  273. 
■{‱Die  Bestimmung  von  kleineu  Dofon  Atropin  im  Serum     v  o  n  d  e  r  II  e  y d  e  . 

Ii.  V.  280. 

.  Der  Bakteriophage,    ß  h  n  d  e  -  .  ».  268; 
‱{‱Die  Glukosetoleranz.    I.  n  n  gsl  o  n  .  W.  253. 

IC  ine  verbesserte  Methode  stur  FĂŒtterung  von  Mim.  eu.  \i  i  t  e  Ii  e  I  I.  Ii.  S.  2f>9j 

(irundstofhvechsel.     W  o  o  I  I  e  v.     P.  (■.  301. 

Infektion  hei  Tuberkulose..    >V  e  o  i> .  C.  u.  ;ob. 

Spututnuotersuchungen.    W  null  e  y  .  P.  ('‱.  308. 

Die  innere  Sekretion  des  Pankreas.  Verfasser  haben  bei 
Hunden  die  AusfĂŒhrgĂ€nge  der  BauchspeicheldrĂŒse  unterbunden. 
Die  DrĂŒse  degeneriert  und  die  Langerhans'schen  Inseln  bleiben 
am  lĂ€ngsten  bestehen.  Tötet  man  nach  8—10  Wochen  das  Tier 
und  bereitet  man  einen  Extrakt  der  entarteten  Bauchspeichel- 
drĂŒse, so  bekommt  man  einen  Extrakt  der  Inseln.  Intravenöse 
Injektion  dieses  Extrakies  gibt  beim  pankreas-diabetisehen  Hunde 
eine  starke  Senkung  des  Blut-  und  Harnzuckers.  Durch  eine 
kleine  Menge  SĂ€ure  wird  die  Wirksamkeil  nicht  beeinflußt:  durch 
Zusatz  von  kleinen  Dosen  Pankreassekrel  wird  die  Wirksamkeit 
sofort  aufgehoben.  In  der  KĂ€lte  ist  das  ExtrakI  etwa  8  Tage 
hallbar.    Durch  Kochen  wird  es  zerstört. 

Die  Bestimmung  von  kleinen  Bosen  Atropin  im  Serum.  Durch 
Alkohol  werden  die  Proleine  gefĂŒllt,  der  Niederschlag  mil 
Alkohol  ausgewaschen,  der  Alkohol  abgedampft  und  der  Rest  in 
wenig  Wasser  gelöst;  dann  filtriert  und  jetzt  die  VerdĂŒnnung  be- 
stimmt, wobei  Quecksilber-Jodkali  noch  einen  Niederschlag  ver 
ursacht.    Hieraus  lĂ€ĂŸt  sich  die  Menge  Atropin  berechnen. 


414 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


Die  Glukosetoleranz.  Verfasser  bestimmte  die  Blutzucker- 
kurve  nach  Verabreichung  von  100  g  Glukose.  Er  beobachtete, 
daß  bei  Tuberkulose,  Diabetes,  Hyperthyroidie  und  bei  Hvper- 
funktion  der  Nebennieren  eine  von  der  Norm  abweichende  Kurve 
gefunden  wurde.  Dieselbe  Kurve  findet  man  auch  bei  Karzi- 
nomen. Verfasser  glaubt,  daß  die  Tumorzellen  eine  innere  Se- 
kretion haben,  die  den  Zuckerstoffwechsel  beeinflußt. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag). 

Archives  of  Internal  Medicine,  Chicago. 

15.  Februar  1922,  29,  Nr.  2. 

4>Traph&»1-  und  Bronchialatenöse  als  Ursachen  des  Emphysems.    II  u  o  v  e  r 
C.  F.  143. 

Mikrolymphoidozysten-LemkĂ€mie.    E  i  n  <‱  m  a  □  .  8.  16s. 
<Mntra.kntane  Reaktionen  bei  lobÀrer  Pneumonie.    Rigelo,  G.  H.  221. 
Die  Begehungen  der  Dyspnoe  zum  Max'mum-Minuten- Volumen  d^sr  Lungen». 

ventMatton.    Sturmis.  C.  C.  P  e  a  ĂŒ  ö  d  y  .  F.  W.,  Hall.  F.  C.  und 

P  r  e  m  o  n  i  -  S  m  i  t  h  .  F.  2Sfi. 
Stellung  und  Funktion  des  Diaphragma*  lieeinflul.it  durch  W  rehsei  der  Kcir- 

perStellung.    A  d  a  m  S  .  R.  D.  und  P  i  1  1  s  b  u  r  g  .  H.  C.  245. 
\  urikulo-ventrikularev  Rhythmus  und  Digitalis.    Rieh  a  t  d  9  o  n  .  II   Ii.  2Ö3, 
En    Fall    von    d'ssemmierter    MiliÀrtuheirkw'ose    bei    totgeborenem  Fötus. 

W  h  i  t  in  a  n  .  R.  C.  und  Orr  e  e  n  e  ,  L.  W.  201. 
Elektrode     fĂŒr     experimentelle    elektrokardiographisehe  Untersuchungen. 

VV  i  1  i  a  m  s  o  n  *  C.  8.  274. 

Tracheal-  und  Bronchialstenose  als  Ursachen  von  Eniphy- 
sema  pulmonum.  An  Hand  von  klinischen  Beobachtungen  und 
Tierexperimenten  glaubt  H.  beweisen  zu  können,  daß  das  akute 
Lungenemphysem  in  der  Hauptsache  durch  weitverbreitete  ex- 
spiralorische  Stenose  im  Bronchialbaum  hervorgerufen  wird. 

Intrakutane  Reaktion  bei  LobÀrpneumonie.  Seit  einigen 
Jahren  wird  in  den  Vereinigten  Staaten  die  genuine  Pneumonie 
mit  Antipneumokokkenserum  behandelt.  Das  Ergebnis  dieser 
Serumtherapie  ist  noch  nicht  spruchreif.  Die  vorliegende  Arbeit 
knĂŒpft  an  Untersuchungen  von  C 1  o  u  g  h  aus  dem  Jahre 
1915  an.  Der  Verfasser  konnte,  ebenso  wie  Cl.,  intrakutane  Re- 
aktionen bei  der  genuinen  Pneumonie  erzielen,  allerdings  erst  im 
Stadium  der  Allergie.  In  diesem  Zeitpunkt  ist  eine  spezifische 
Serumtherapie  nicht  mehr  indiziert,  da  man  eine  hohe  Anti- 
körperkonzentration im  Organismus  annehmen  muß. 

L.  Farmen  Loeb  (Berlin  . 

The  American  Journal  of  Roentgenology,  New  York. 

Januar  1922,  9.  Nr.  1. 

❖Röntgendiagnostik  der  Nasennebenhöhlen,    i;  e  r  r  i  t  v  a  n  Z  w  a  1  u  «  e  n  - 
bĂŒrg,  ,T.  L 

Diagnostik  der  Lungenkrankheitcu  im  Kindesalter.  Pierson.  .7.  W.  n. 
Röntgenologischer  Nachweis  einer  niehtvermuteteu  verkalkten  Ovarialcyste:. 

E  d  e  i  k  c  n  .  L.  15. 
❖i.endenv  iiiielsĂ€ule  und  Articulat:o  sacro-iliaca  im  Röntgenbild.    P  a  I  m  e  r  . 

M.  B.  17. 

❖Röntgen-  und  Radiumbehandluug  des  SchilddrĂŒsenkarziuoms.    P  r  a  Ii  I  c  t  . 
G.  E.  20. 

Röntgentherapie  der  SchilddrĂŒseTierkrankungon.    T  y  'l  e  r  .  A .  F.  25. 

Bericht  ĂŒber  3  röntgenbestrahlte  Sarkome.    K  e  i  t  h  .  D.  V.  31. 

Hautreakt  on  als  Maßstab  fĂŒr  Radiumdosierung.    X  e  w  c  n  m  e  t .  W.  S.  14. 
❖Strahlenbehandlung  bei   Hirntumoren.    Pancoast.  II.  K.  42. 
‱{»Radiumbehandlung  des  primĂ€ren  Vaginalkarzinom-.    Stacy.  F.  .1.  4M. 

Neuer    Applikator    fĂŒr  Raditimemanation.     Q  «  ick,    T>.    und  Johnson, 
F.  M.  53. 

Vergleichende  Strahlenmessungen  des  Radiums  in  und  außerhalb  von  Tu- 
moren.   Viel.  Ch.  II.  56. 

Wirkung  des  Bucky-Pottcr-Filters.    W  i  1  s  e  y  .   R.  B.  58. 

Signallampe   fĂŒr  das  Bucky-Potter-Filter.     L  i  n  d  s  a  y  .    .1.   H.  '17. 

Röntgendiagnostik  der  Nasennebenhöhlen.  Röntgenologisch 
nachweisbare  Symptome  finden  sich  bei  Entwicklungsstörungen 
der  Höhlen,  bestehend  in  GrĂ¶ĂŸen-  und  KonturĂ€nderungen,  im 
Anschluß  an  in  der  Jugend  durchgemachte  Katarrhe,  bei  der 
akuten  eitrigen  Sinusitis  in  Gestalt  von  Beschattungen,  die  durch 
das  Schleimhautoedem  und  Empyem  hervorgerufen  werden,  und 
bei  der  chronischen  Sinusitis;  bei  letzterer  weist  die  Röntgen- 
untersuchung oft  als  primÀre  Ursache  eine  Septumdeviation  auf. 
die  disponierend  zu  einer  polypösen  Schwellung  auf  den  Muscheln, 
zu  einer  Verstopfung  der  Kieferhöhlen  fĂŒhren  kann.  Röntge- 
nologisch bestehen  dann  diffuse  Beschattungen  der  Sinus  und 
osteoporotische  VerÀnderungen  an  den  umgebenden  Knochen. 

LcndenwirbelsÀule  und  Artikulario  sacro-iliaca  im  Röntgen- 
bild. Als  Ursache  der  Kreuzschmerzen  finden  sich  hÀufig  ana- 
tomische VerÀnderungen  und  Entwicklungsstörungen  an  den  Ge- 
lenkfortsÀtzen der  LendenwirbelsÀule  und  am  Kreuzbein,  meist 
auf  traumatischer  oder  rheumatischer  Basis,  die  nur  durch  die 
Böntgenuntersuchung  aufgedeckt  werden  können.  Röntgenologe 
und  OrthopĂ€de  mĂŒssen  gemeinsam  die  Deutung  dieser  Befunde 
vornehmen. 


Röntgen-  und  Radiumbehandlung  des  SchilddrĂŒsenkarzinonis.. 

SchilddrĂŒsenkarzinome  sind  sobald  als  möglich  nach  der  Ope 
ration  prophylaktisch  nachzubestrahlen;  und  zwar  mindestens 
zweimal,  hÀufiger,  wenn  eine  Totalexstirpation  des  Tumors  nicht 
möglich  war.  Steht  die  Diagnose  auch  ohne  Operation  fest,  so 
hietet  die  Böntgenbestrahlung  gute  Heilungsaussichten.  Audi 
Rezidive  können  unter  der  Bestrahlung  schwinden,  die  jedoch 
nicht  vor  Metastasierung  in  anderen  Organen  schĂŒtzt.  Bei  um- 
schriebenem Tumor  oder  bei  röntgenrefraktÀrem  Verhalten  leistet 
oft  Radiumbestrahlung  vorzĂŒgliches. 

Strahlenbehandlung  der  Hirntumoren.  Gute  Erfolge  bei 
lokaler  Radiumbestrahlung  (von  der  Nase  und  vom  Mund  aus 
resp.  in  die  operativ  freigelegte  Höhle)  und  bei  Röntgenbestrah- 
lung nach  der  Kreuzfeuermethode. 

Strahlenbehandlung  des  Vaginalkarzinoms.  PrimÀre  Karzi- 
nome der  Vagina  sind  relativ  selten,  sie  machen  Àhnliche  Symp- 
tome wie  das  Zervixkarzinom  und  metastasieren  mit  Vorliege 
in  den  PliakaldrĂŒsen,  seltener  in  anderen  Organen.  Resultate 
der  kombinierten  Röntgen-  und  Radiumbestrahlung  ĂŒbertreffen 
die  der  Operation  (Beleg  durch  Nachuntersuchung  von  14  Patien- 
ten). Um  Fistelbildung  zu  vermeiden,  empfiehlt  sich  einmalige 
starke  Radiumapplikation  und  hÀufige  Wiederholung  der  Rönt- 
genbestrahlung mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  regionĂ€ren 
DrĂŒsen.  K  a  u  t  z  fHamburgV 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

Januar  1922,  7.  Nr.  1. 

❖  Kim.  Operationsmethode    der    mit  Epispadie    verbundenen  L'rininfeontinenz. 

.1  o  u  n  g  .  H.  II. 

❖Die   Behandlung   der  bösartigen   GeschwĂŒlste   der   Prostata    und    d  v  Blas". 
O  e  r  a  g  h  t  y  .  .1 .  T . 
Verkalkung  der  Namenhlasen.    K  r  e  ts  c  h  m  e  r.  11.  t, 

❖  Modifikation   der   Phcnolsulfophtalcinmethudc    bei    der    funktionellen  Nicrcn- 

diagiiostik.    P  e  t  c  r  s  o  n  .  A. 
Bösartiger  Nebennierontumor  nebst  Bericht  ĂŒber  einen  Fall.    F  w.  1 1  e  r.  H.  G. 

Eine    Operationsmethode    der    mit    Epispadie  verbundenen 
Frininkontinenz.     I.  empfiehlt  zunÀchst  den  Blasenhals  wieder 
herzustellen,  dann  durch  NĂ€hte  einen  Sphinkter  externus  zu  bil 
den,  und  darauf  die  Epispadie  durch  seine  1915  angegebene  Me- 
thode zu  beseitigen. 

Die  Behandlung  der  bösartigen  GeschwĂŒlste  der  Prostata  und 
der  Blase.  Das  Ca  der  Prostata  ist  in  75  Prozent  mit  einer 
Hypertrophie  derselben  vergesellschaftet:  Symptome  treten  ge- 
wöhnlich erst  dann  auf,  wenn  der  Krankheitsprozeß  erheblich  vor 
geschritten  ist,  daher  die  wenig  guten  Resultate  der  Behand- 
lungsmethoden bisher.  Bei  gutartigen  Tumoren  und  bei  solchen 
malignen,  die  endovesikal  vollkommen  zu  erreichen  sind,  ist  die 
Fulguration  die  Methode  der  Wahl.  Kann  diese  nicht  statthaben, 
ist  jedoch  der  Prozeß  noch  streng  lokalisiert  und  nicht  infil- 
trierend, so  ist  Radium  angebracht,  das  eventl.  nach  suprapubi 
scher  Ocffnung  der  Blase  in  Form  von  Nadeln  direkt  in  den 
Tumor  gebracht  wird.  Tst  dieser  bereits  infiltrierend  geworden 
aber  noch  umschrieben,  so  kommt  einzig  und  allein  die  Resek- 
tion in  Frage,  eventl.  mit  nachfolgender  Radiumbehandlung. 
FĂŒllen  aber  die  Tumoren  einen  grĂ¶ĂŸeren  oder  kleineren  Teil  der 
Blase  aus,  so  ist  es  am  zweckmĂ€ĂŸigsten,  diese  zu  eröffnen,  die 
Tumoren  weitgehendst  zu  kauterisieren  und  dann  eine  systema- 
tische Radiumbehandlung  vorzunehmen,  bei  der  Ouadratzenti- 
meter  fĂŒr  Quadratzentimeter  bestrahlt  wird. 

Modifikation  der  Phenolsulphophtaleinmethode  bei  der  funk- 
tionellen Nierendiagnostik.  Am  Schluß  der  Ureterenuntersuchung 
wird  1  cem  Phtalein  intravenös  injiziert.  Das  Erscheinen  des 
selben  im  Urin  wird  notiert  und  der  Phtaleinharn  jeder  Niere 
5  Minuten  lang  gesondert  aufgefangen.  5  cem  des  aufgefangenen 
Harns  jeder  Niere  werden  in  genau  graduierten  GlÀsern  auf 
200  cem  mit  destilliertem  Wasser  aufgefĂŒllt  und  einige  Tropfen 
Kochsalzlösung  hinzugefĂŒgt.  Dann  werden  die  beiden  t'rin- 
lösungen  mit  Hilfe  einer  Farbenskala  verglichen.  Der  Farben - 
ton  gibt  prozentual  die  Konzentration  der  Phtaleinausscheidung 
jeder  Niere  an.  Bab  (BerlinV 

The  Urologie  and  Cutaneous  Review,  Saint  Louis. 

Februar  1922,  26,  Nr.  2. 

❖VorlĂ€ufiger  Berieht  ĂŒner  Lumbal- AnĂ€sthesie.    S  t  i  r  1  i  u  g  .  William  C.  nid 

Lawrence.  Charles  S.  67. 
❖  Ein  einfacher  Apparat  zur  Stillung  von  Nachblutungen  bei  Prostatektomien. 
Barnf  tt,  Charles  F.  69. 
Fall  von  syphilitischer  Totalzerstörung  des  Penis.    Parcun  À  g  i  a  u  .  Mi- 
tran  B.  und  Goodman  u,  Herrmann.  70. 


Ni\  22/2;i.  —40.  Jahrg. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


415 


Original-  und  Vorglcicbsstudien  ĂŒber  den  Wert  vun  Indigo-Carmin  bei  dei 
funktionellen  Nietendiagnose.    Harpster,  Charles  Melvon.  70. 

P.kzcma  marginatum.    K  o  n  d  a  1  1  ,  Julian  L.  70. 
>|»Eln   Fall   von   vollstĂ€ndigem   HarurĂŒhrenverschluli    und  Urininfiltration  in- 
folge von  Stein  in  der  Urethra.  Hall,  John  E.  und  T  b  a  r  p  .  AI iltou.  77. 

Kiu  Fall  von  S-serodermia  infolge  von  Trauma,    A  r  o  u  s  t  a  ra,  Noah  L.  77. 

Der  physikalische  Wort"  der  Lichtquelle  bei  der  Aktinothorapic.  I)  a  u  n  - 
in  e  y  e  r  ,  F.  79. 

liiihtilinien  fĂŒr  die  Herstellung  der  Wassermanu'-Rcajcentien.  11  e  a  r  n  , 
3.  K.  80. 

Die  dermatologische  Diagnose  nach  der  Metbode  von  Philippson  und  Török. 
Neuwirth,  Eugene.  81. 

KĂŒnstliehe  Maul-  und  Klauenseuche  beim  Meerschweinchen  durch  Rein- 
kulturen hervorgerufen.  Nie  II  e  u  ,  Max.  von.  85. 

VorlĂ€ufiger  Berieht  ĂŒber  LumbalanĂ€sthesie.  Die  Lumbal- 
anÀsthesie wurde  im  Jahre  1885  von  J.  L.  Corning  erfunden, 
aber  erst  durch  Biers  Empfehlung  wurde  sie  Allgemtingut  der 
Chirurgen.  Durch  Verbesserung  ihrer  Methodik  kommt  jetzt  auf 
etwa  lytXX)  FÀlle  ein  Todesfall,  wÀhrend  noch  1914  die  Mortali- 
tÀt fast  l"/oo  betrug.  Die  AnÀsthesierung  geschieht  durch  In- 
jektion von  Novokain  in  die  LumbaiwirbelsÀule  und  zwar  zwi- 
schen den  1. — 2.  Lumbaiwirbel,  wenn  es  sich  um  Operation  in 
der  Nabelgegend  handelt,  zwischen  2.  und  3.  resp.  3.  und  4.  bei 
solchen  in  der  Perineaigegend  oder  an  den  unteren  Extremi- 
tĂ€ten. Nachdem  15  bis  höchstens  25  cem  SpinalflĂŒssigkeit  ab- 
gelassen sind,  wird  Novokain  injiziert.  Die  AnÀsthesie  tritt  nach 
3—5  Minuten  ein  und  hĂ€lt  etwa  50  Minuten  an.  WĂ€hrend  der 
AnÀsthesierung  tritt  hÀufig  ein  Sinken  des  Blutdruckes  ein,  doch 
hat  dieses  nur  dann  eine  Bedeutung,  wenn  es  von  Zirkulations- 
oder Bespirationsstörungen  begleitet  ist.  Da  aber  auch  sonst 
irgend  welche  ZufÀlle  bei  der  LumbalanÀsthesie  nicht  selten  sind, 
sollte  diese  nur  von  geĂŒbten  Technikern  ausgefĂŒhrt  und  nicht 
jungen  Assistenten  ĂŒberlassen  wrerden.  Kontraindikationen  sind 
vorgeschrittene  Myokarditis,  intrathorakale  oder  mediastinale 
Tumoren,  KrankheitsfÀlle,  bei  denen  die  Bewegung  des  Zwerch- 
fells behindert  ist,  z.  B.  Acites  oder  Pleuraexsudat  —  und  cere- 
brospinale  Erkrankungen;  auch  fĂŒr  Kinder  ist  sie  wenig  geeignet. 
FĂŒr  urologische  Operationen  dagegen  ist  sie  die  Methode  der 
Wahl. 

Ein  einfacher  Apparat  zur  Stillung  von  Nachblutungen  bei 
suprapubisehen  Prostatektomien.  Bei  der  Operation  wird  mit 
Hilfe  eines  Bougie,  das  vorne  zwei  Augen  hat,  ein  dicker,  langer 
Faden  vom  Meatus  externus  der  Harnröhre  aus  durch  die  Harn- 
röhre bis  zur  suprapubisehen  Wunde  so  gefĂŒhrt,  daß  das  obere 
Ende  des  Fadens  aus  dieser,  das  untere  aus  der  Harnröhren- 
öffnung herausschaut.  Diese  Enden  werden  an  der  Haut  be- 
festigt. Bei  Blutungen  wird  an  das  obere  Fadenende  ein  in 
einen  langen  Gummischlauch  auslaufender  kleiner  Giimmiballon 
befestigt,  dann  vom  Meatus-Ende  aus  in  die  Prostatahöhle  ge- 
zogen, wo  er  mit  Hilfe  des  Gummischlauches  so  stark  aufge- 
blasen wird,  daß  durch  den  mechanischen  Druck  Blutstillung 
eintritt. 

Ein  Fall  von  Harnröhrenverschluß  und  Urininfiltration  in- 
folge von  Stein  in  der  Urethra.  Der  Stein,  der  den  Verschluß, 
Ilarnröhrenruptur  und  Urininfiltration  hervorgebracht  hatte,  war 
wohl  von  außen  —  vor  lĂ€ngerer  Zeit  -—  eingefĂŒhrt  worden. 
Trotzdem  Patient  im  Koma  eingeliefert  war,  erholte  er  sich 
nach   Entfernung  des  obturierenden  Hindernisses  vollkommen. 

B  a  b, 

Ameriean  Journal  of  Ophthalmology. 

Februar  1922,  5,  Nr.  2. 

*l»Eine  Metbode,  Glasktirperverlust  zu  vermeiden.    Frisch.  F.  81. 

Professor  Barraquer  von  Barcelona  und  seine  Metbodo  der  Phakoresis  (Star- 
operation).   M  c.  Reynolds,  John  U.  83. 

Katarakt-  Extraktion  mit  der  .,  Vacuum"-Metbode.  McDannald.  Clydo  Z. 
90. 

intrakapsulare  Katarakt-Operationen  mit  der  Vacuum-Methode.  Green, 
A.  8.  und  Green,  L.  D.  92. 

Resultate  der  Staroperation  von  Oberst  Henry  Smith  am  Will«  Spital  in 
Philadelphia.     Z  e  n  t  m  a  y  e  r  ,   Wrn.  97. 

,,ScknecbaH"-Trill>ungen  des  Glaskörpers.  Neuei  FÀlle.  H  o  1  1  o  w  a  y  , 
Thomas  B.  100. 

Sehbahnen  und  Nasennebenhöhlen.    8  c  h  À  f  f  e  r  ,  Parsons  J.  105. 

‱Mlypercholesterinanaemie   und  Retinitis  albuminurica.     Gaudi  ssart  P. 
(BrĂŒssel).  118. 

KVarlolaerkrankung  der  Hornhaut.    Burnham.  G.  H.  123. 

Eine  Methode,  Glaskörperverlust  zu  verhĂŒten.  Wenn  bei 
Öffnung  des  Augapfels  Austritt  von  Corpus  vitreum  befĂŒrchtet 
rd,  wird  vor  dem  Schnitt  ein  Faden  mit  Knoten  durch  die 
ornhaut  gelegt  (mil  Anspießen,  doch  ohne  Durchbohrung  der- 
Lben);  der  Faden  wird  in  der  Konjunktiva  ausgestochen  und 
i  drohendem  Glaskörperaustritt  schnell  angezogen,  um  einen 
ofortigen  Verschluß  der  Operationswunde  zu  erzielen. 


„Schneebair'-TrĂŒbiuigen  des  Glaskörpers.  Neue  FĂ€lle,  Verf., 
der  schon  frĂŒher  ĂŒber  den  Gegenstand  berichtete,  sah  persönlich 
im  ganzen  12,  in  den  letzten  Jahren  sechs  derartige  FĂ€lle,  <l  Ii 
feinste  runde  TrĂŒbungen  von  annĂ€hernd  „Schneeball '-Form.  Ver- 
Ă€nderungen dieser  Art  sind  demnach  wohl  nicht  so  seilen,  wie 
man  bisher  glaubte.  Sie  sind  in  Form  und  Aussehen  von  den 
bekannten  glitzernden  Choiestearinkristallen  bei  uer  sogen 
Synchysis  scintillans  zu  unterscheiden.  V  e  r  h  0  e  f  f  untersuchte 
einen  Fall  anatomisch,  fand  u.  a.  als  Bestandteile  Kalzium- 
Margarin,  verbunden  mit  unlöslichen  Cholslcrol  und  Lecithin- 
\  erlnndungen.  Die  beiden  Formen  der  GlaskörpertrĂŒbung  sollten 
vorlÀufig  auseinandergehallen  werden.  Es  erscheint  das  möglich. 
Im  ĂŒbrigen  ist  wohl  kein  Zweilei,  daß  die  Fremdbildungen  nichl 
lokal  entstehen,  d.  h.  nicht  infolge  von  Angiosklerose  der 
AugengelĂ€ĂŸe.  Der  Lipoid-Charakter  der  bezgl.  hubstanzen  (zu- 
weilen neutrales  Fett,  zuweilen  freies  Cholesterin  oder  Phospha- 
tide) und  das  meist  einseitige  Vorkommen,  weisen  darauf  hin, 
daß  das  Baumaterial  anderswoher  kommt.  Beziehungen  zu  einer 
CholesterinÀmie  sind  nach  verschiedenen  Untersuchungsergeb- 
nissen wahrscheinlich.  Diese  kann  eine  aktive  sein  (von  den 
Nebennieren,  also  einer  endokrinen  DrĂŒse  bedingt;  oder  einer 
passiven  Ch.  entstammen.  (Insuffizienz  der  Leber.)  Drittens 
ist  auch  an  Nahrungshypercholesterinbiidung  zu  denken.  — 
SĂ€mtliche  beobachteten  Kranken  wraren  ĂŒbrigens  ĂŒber  50  Jahre 
alt.  GefĂ€ĂŸverĂ€nderungen  mögen  immerhin  eine  kleine  Bolle 
spielen.  Jhre  Entstehung  geht  vielleicht  auf  dieselbe  Grund- 
ursache zurĂŒck. 

HypercholesterinÀniie  und  Retinitis  albuminurica.  Franzö- 
sische Forscher  haben  Beziehungen  zwischen  hohem  Gehalt  an 
Cholesterin  im  Blut  und  R.  albuminurica  angenommen.  Verf. 
suchte  durch  neue  Blutuntersuchungen  nach  besonderer  kolori- 
metrischer  Methode,  diese  Hypothesen  nachzuprĂŒfen.  Er  kam 
zu  dem  Ergebnis,  daß  diese  Annahmen  nicht  erweisbar  sind.  Es 
besteht  nach  Verf.  keine  Beziehung  zwischen  HypercholesterinÀ- 
mie und  den  Exsudaten  bei  R.  albuminurica.  Das  gleichzeitige 
Vorkommen  beider  VerÀnderungen  bei  einem  Individuum  be- 
deutet daher  keinen  ursÀchlichen  Zusammenhang.  B. -albumin- 
urica ist  aber  immer  begleitet  von  hohem  Blutdruck  oder 
UrÀmie  oder  beiden  Erscheinungen. 

Variolaerkrankung  der  Hornhaut.  Nur  therapeutischer  Be- 
richt.   Quecksilber,  Jod  und  PilocarpinprÀparate  wirkten  heilend. 

Jitnius. 

The  Kitasato  Archives  of  Experimental  Medicine,  Tokio. 

10.  Oktober  1921,  4,  Nr.  3. 

Die  Tsutsugamushi-Krankheit  in  Formosa.  Kawamura,  R.  und  Y  i  in  a  - 
g  u  c  h  i  ,  M.  169. 

*$*Die  Natur  der  durch  polierten  Reis  beim  Haushuhn  hervorgerufenen  LĂ€hmung 
K  a  t  o  .  G.,  Sinz  u  m  e  .  S.  und  M  a  k  i ,  R.  207. 

^Serumbehandlung  des  Tetanus  mit  besonderer  Beziehung  auf  den  Angriffs- 
punkt und  Ausbreitungsweg  des  Tetanustoxins  im  Tierkörper.  K  o  - 
b  a  y  a  s  h  i  ,  R.  217. 

Beziehung  der  im  Jahre  1920  in  Japan  herrschenden  CholerustÀmme  und 
den  El  Tor  Vibrioneu.  W  a  tanab«,  Y.,  Kawatani,  M.  und 
W  a  t  a  n  a  b  e  .  H.  281. 

Ueber  die  Natur  der  beim  Haushuhn  durch  polierten  Reis 
hervorgerufenen  LĂ€hmung.  Beim  Haushuhn  wird  durch  Genuß 
von  poliertem  (enthĂŒlstem)  Reis  eine  LĂ€hmung  hervorgerufen, 
die  der  beim  Menschen  unter  den  gleichen  Bedingungen  ent- 
stehenden Beri-Beri-Krankheit  Àhnelt.  Man  spricht  daher  auch 
von  einer  Beri-Beri-Erkrankung  der  Vögel.  Durch  die  Unter- 
suchungen der  Verfasser  konnte  der  Nachweis  erbracht  werden, 
daß  die  LĂ€hmung  der  Nerven  durch  Adsorption  von  Wasser- 
stoff-Ionen hervorgerufen  wird. 

Ueber  die  Serumbehandlung  des  Tetanus,  mit  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung des  Angriffspunktes  und  der  Ausbreitung  des 
Tetanusgiftes  im  tierischen  Körper.  Beim  Tiere  sowohl  wie  beim 
Menschen  wird  das  Tetanusgift  in  die  Lymphrinne  der  peripheren 
Nerven  absorbiert.  Der  Teil  des  absorbierten  Giftes,  wrelcher  in 
die  endoneuralen  LymphrÀume  eintritt,  greift  direkt  an  den  peri- 
pheren Nervenfasern  an,  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigbleibende  Menge  des 
Giftes  weiter  zentral  geleitet  wird  und  an  den  motorischen  Ner- 
venzellen des  RĂŒckenmarks  angreift.  Ein  hochwertiges  Tetanus- 
serum ist  ohne  Zweifel  ein  rationelles  Heilmittel  der  Erkran- 
kung. Das  Serum  soll  sobald  als  möglich  und  in  möglichst 
hohen  Mengen  in  die  Subarachnoidal-RĂ€ume  eingefĂŒhrt  werden, 
was  sich  am  besten  durch  intraspinale  Injektion  bewerkstelligen 
lĂ€ĂŸt  A.  MĂŒnze  r. 


Kongreß  berichte 


Nr.  22/213. —40.  Jahrg. 


KONORESSBERICHTE 


XXXIV.  Kongreß  der  deutschen  Gesellschaft  fĂŒr  innere 
Medizin  in  Wiesbaden  vom  24.-27.  April  1922. 

Referent:  Dresel-  Berlin. 

(S  Muß). 

Schade -Kiel:  Die  Physikochemie  des  Bindegewebes  und 
ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  Lymph-  und  Oedembildung. 

Der  Quellungsdruck  der  Gewebe  schwankt  außerordentlich. 
Die  Quellungsschwankungen  sind  durch  H. -IonenÀnderungen  her- 
vorzurufen. Weit  grĂ¶ĂŸere  Differenzen  sind  durch  mechanische 
Belastung  zu  erzielen.  Alle  Gewebe  scheinen  aus  zwei  Quellungs- 
antagonisten  zusammengesetzt  zu  sein.  Bei  zunehmender  Alkales- 
zenz  quillt,  bei  SĂ€uerung  entquillt  das  Bindegewebe.  Die  Bedeu- 
tung dieser  QuellungsvorgĂ€nge  im  Bindegewebe  liegt  darin,  daß 
dadurch  eine  wunderbare  Anpassung  zwischen  Zelle  und  Gewebe 
gegeben  ist.  Die  Abpressung  von  Lymphe  wird  hierdurch  be- 
stimmt. Ebenso  ist  die  Oedembildung  auf  diese  Prozesse  zurĂŒck- 
zufĂŒhren.   Zahlreiche  Belege  werden  hierfĂŒr  beigebracht. 

Högl  er  und  Daniel -Wien:  Ueber  Quellungs-  und  Ent- 
quellungsvorgÀnge  im  Blute  nach  Zufuhr  verschiedener  Salze. 

Mitteilung  der  Ergebnisse  eingehender  Untersuchung  ĂŒber  den 
Einfluß  der  verschiedenen  Salze  auf  den  Quellungszustand  des 
Blutes. 

Noniienbruch  -  WĂŒrzburg:  Ueber  Eiweißeinstrom  in  die 
Blutbahn. 

Es  kommt  oft  zu  einem  betrĂ€chtlichen  Einstrom  von  Eiweiß 
in  die  Blutbahn  (nach  Schwitzen,  nach  kochsalzreicher  Trocken- 
kosl  usw.).  Es  handelt  sich  dabei  nicht  um  einen  FlĂŒssigkeits- 
austausch zwischen  Serum  und  roten  Blutkörperchen,  wie  mit 
HĂ€matokritbestimmungen  festgestellt  wurde.  Das  Gesamtblut- 
eiweiß ist  keine  konstante  GrĂ¶ĂŸe.  Welche  Zellen  oder  Organe 
das  Eiweiß  bilden,  muß  noch  weiter  untersucht  werden.  Bei  der 
Durchströmung  der  ĂŒberlebenden  Leber  ließ  sich  kein  Eiweifi- 
einstrom  nachweisen. 

H.  Lohr- Kiel:  Ueber  die  Aenderung  der  physikalischen 
Struktur  der  BlutflĂŒssigkeit  bei  der  Reizkörpertherapie  und  Blut- 
körperchensenkungsgeschwindigkeit. 

In  gemeinsamer  Arbeit  mit  W.  L  ö  h  r  wurde  der  Fibrinogen- 
gehalt,  die  ViskositÀt  und  OberflÀchenspannung  in  Plasma  und 
Serum  bei  all  den  FĂ€llen  untersucht,  die  mit  Beschleunigung  der 
roten  Blutkörperchensenkung  einhergehen.  Es  kamen  hierfĂŒr  in 
Betracht  experimentell  gesetzte  Senkungsbeschleunigung  im  An- 
schluß an  Reizkörperinjektionen,  sterile  Operationen,  sowie  ein- 
zelne Krankheitsgruppen  interner  und  chirurgischer  Art.  Zu- 
nÀchst wurde  eine  Vermehrung  des  Fibrinogens  schon  nach  einigen 
Stunden  festgestellt,  mit  Sicherheit  aber  nach  Operationen  am 
5.  Tage,  parallel  laufend  mit  der  Senkungsbeschleunigung.  An- 
dererseits ferner  eine  wesentliche  Zunahme  der  inneren  Reibung 
nach  Erniedrigung  der  OberflÀchenspannung  im  Plasma,  im  Serum 
nur  Vermehrung  der  ViskositÀt  in  gleichem  Sinne,  aber  nicht  der 
OberflÀchenspannung.    Die  Refraktion  zeigte  wechselnde  Werte. 

Strauß-  Halle:  Ueber  Diurese. 

Die  Diurese  nach  Zufuhr  von  Diuretizis  (Euphyllin  und  No- 
vasurol)  wird  auf  extrarenale  VorgĂ€nge  zurĂŒckgefĂŒhrt.  Es  zeigt 
sich  fast  immer  eine  VerdĂŒnnung  des  Blutes  kurz  nach  der  In- 
jektion. Trinken  von  Wasser  fĂŒhrt  zu  einer  starken  VerdĂŒnnung 
des  Blutes. 

0  e  h  in  c  und  0.  .Schultz-  Bonn:  Die  Rolle  der  Blutkolloide 
bei  der  Regulation  der  Diurese  und  des  Wasserhaushalts. 

Mit  Hilfe  der  Refraktometrie  und  des  H  e  s  s  sehen  Viskosi- 
meters  wurden  Aenderungen  des  kolloidalen  Zustandes  im  Serum 
und  ihre  Beziehungen  zu  der  Diurese  im  Wasserversuch  und  nach 
Diuretizis  beobachtet.  Die  Resultate  stehen  im  Gegensatz  zu  den 
E  11  i  n  g  e  r  sehen  AusfĂŒhrungen.  Die  Erythrozyten  wurden  als 
wasserspeichernd  erkannt. 

H.  F  r  c  u  n  d  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  den  Einfluß  des  Quel- 
lĂŒngszustandcs  der  Serumeiweißkörper  auf  ihr  Lichtberechnungs- 
vermögen. 

Vergleichende  Untersuchungen  ĂŒber  die  Aenderungen  der  Vis- 
kositÀt und  des  Refraktometerwertes  ergaben  beim  Koffein  eine 
völlige  ParallelitÀt,  bei  Schwcrmetallen  keine  ParallelitÀt  der 
Kurvenformen. 


D  ro  Ii  b  a  c  h  -  WĂŒrzburg:  Untersuchungen  ĂŒber  die  ViskositĂ€t 
des  Blutes. 

Versuche  mit  der  Hesssehen  Apparatur.  Von  70 — 200  mm 
Hg  bleibt  der  ViskositÀtswerl  im  Blut  konstant  und  steigt  dann 
erst  langsam,  nachher  steil  an.  Im  defibrinic  rten  Blut  war  der 
Wert  deutlich  geringer.  Bei  pathologischen  Prozessen  scheint 
zwischen  ViskositÀt  und  dem  Transpirationsdruck  kein  bestimm- 
tes Verhalten  zu  bestehen,  auch  kein  Abweichen  von  der  Norm. 

B  e  n  n  h  o  1  d  -  Hamburg:  Ueber  die  Ausscheidung  intravenös 
einverleibter  Farbstoffe  bei  Amyloidkrankcn. 

Versuche  ĂŒber  den  Verbleib  eingespritzten  Ko/igorotes  und 
ĂŒber  die  Ausscheidungszeit  bei  verschiedenen  Organerkrankun- 
gtn.  Bei  Amyloidose  zeigte  sich,  daß  der  Farbsloffschw  und  aus 
dem  Serum  sehr  gesteigert  ist.  Dies  hat  zur  Ursache,  daß  an 
dm  PrÀdilektioriissitzen  des  Amyloids  in  Leber,  Milz  und  Glome- 
rvilis  eine  Anreicherung  von  Kongorot  stattfindet. 

Frey- Kiel:  Ueber  Beziehunsen  zwischen  Organstoffwechsel 
und  Blutzirkulation. 

1  cem  ■  ioo  MilchsĂ€ure  steigern  den  Blutdruck,  aber  nicht  bei 
intravenöser  Injektion.  Es  seheinen  die  peripheren  Nerven- 
endigungen besonders  empfindlich  gegen  die  Stoffwechselprodukte 
des  Muskels  zu  sein.  Dies  kommt  auch  fĂŒr  die  Herzaktion  weil- 
gehend in  Frage. 

H«  ĂŒ  b  n  e  r- Göttingen:  Ueber  Messung  der  Blutgerinnungs- 
zeit. 

Der  vor  '1  Jahren  demonstrierte  Apparat  arbeitete  noch  nicht 
einwandfrei.  Ks  zeigte  sieb,  daß  die  Glassorte  und  die  Dimen- 
sionen des  Apparates  von  Einfluß  sind.  In  der  jetzigen  Form 
arbeitet  er  ganz  einwandfrei. 

8  t  u  b  e  r  -  Freiburg  i.  Br.:  Experimentelle  und  kolloid- 
chemische 1  ntersuchungen  ĂŒber  das  Wesen  der  Blutgerinnung, 

Es  wird  gezeigt,  daß  das  Fibrinferment  durch  Quellung  das 
Blut  zur  Gerinnung  bringt.  Damit  wÀre  im  Gegensatz  zu  der 
herrschenden  Theorie  der  Gerinnungsprozeß  ein  rein  physika- 
lisch-chemischer Vorgang.  Dasselbe  wird  auch  fĂŒr  die  Wir- 
kungsweise der  gerinnungsbeschleunigenden  Substanzen  und  be- 
sonders fĂŒr  den  Blutkalk  nachgewiesen. 

C.  Kay  s  e  r  -  Berlin:  Experimentelle  Untersuchungen  zur  Be- 
schleunigung der  Blutgerinnung. 

Ausgehend  von  den  Beobachtungen  von  X  o  n  n  e  n  b  r  u  c  Ii  . 
der  nachgewiesen  hat,  daß  durch  Euphyllin  bzw.  Aethylendiamin 
eine  Beschleunigung  der  Blutgerinnung  und  Vermehrung  des  Fi- 
brinferments erzielt  werden  kann,  wurde  versucht,  durch  gleich- 
zeitige Zufuhr  eines  zweiten  Gerinnungsfaklors  eine  verstÀrkt.' 
Wirkung  zu  erzielen.  Es  gelang.  Aethylendiaminazetat  mit  Kalk- 
salzen in  eine  chemische  Verbindung  zu  bringen.  In  experimen- 
tellen Untersuchungen  an  Kaninchen  konnte  festgestellt  werden, 
daß  die  intravenöse  Injektion  von  1  com  der  10  proz.  wĂ€sserigen 
Lösung  dieses  PrÀparates  alle  bisher  bekannten  blutgerinnungs- 
fördernden  Mittel  bei  weitem  ĂŒbertraf.  Untersuchungen  an  Men- 
schen zeigten,  daß  die  intravenöse  Injektion  von  10  cem  einer 
2  proz.  wÀsserigen  Lösung  unter  Innehaltung  einer  sehr  lang- 
samen, mindestens  o  Minuten  wÀhrenden  Injektionszeit  keinerlei 
Nebenerscheinungen  hervorruft  und  den  beim  Tier  festgestellten 
Effekt  in  gleicher  Weise  erreicht.  Ein  Fall  von  HĂ€mophilie 
wurde  ganz  besonders  gut  beeinflußt  und  die  Blutung  schon  nach 
wenigen  Minuten  zum  Stehen  gebracht, 

B  e  s  p  r  e  c  h  u  n  g    de  r    v  o  rangegangenen     V  ortrÀg  e. 

L  i  p  s  c  h  ĂŒ  t  z  -  Frankfurt  a.  M..  Hinweis  auf  die  Beeinflus- 
sung von  FermenlvorgÀngen  durch  DispersionsverÀnderung  der 
heterogenen  Fermentleilchen,  speziell  die  Wirkung  auf  die  bio- 
logische Oxydationsgeschwindigkeit.  NaCl  und  KCl  in  0,5  proz, 
Lösung  bewirkt  gegenĂŒber  destilliertem  Wasser  Steigerung  um 
10  Proz.,  0,1  prom.  CaCL  Hemmung  um  00  Proz.:  daher  ist  Ring- 
erlösung in  dieser  Hinsicht  ein  ungĂŒnstiges  Milieu.  Auch  die 
Hormone  wirken  auf  die  Oxydationsgeschwindigkeit  spezifisch 
dynamisch,  indem  sie  den  Zustand  der  kolloidalen  Fermente  ver- 
Ă€ndern. 

D  en  eck  e- Greifswald:  Im  gestauten  Arm  tritt  eine  Ein- 
dickung,  im  anĂ€mischen  Arm  eine  VerdĂŒnnung  des  Blutes  ein. 
Die  Werte  hierfĂŒr  sind  beim  Gesunden  sehr  konstant.  Kranke 
zeigen  große  Abweichungen. 


Nr.  22/23.  —40.  Jahrg. 


K  o  n  g  r  e  Ii  berichte 


41? 


G  r  a  f  e  -  Rostock:  Kleine  Dosen  von  Tuberkulin  haben  beim 
Tuberkulösen  schon  eine  Aenderung  der  Senkungsgeschwindig- 
keil  zur  Folge,    Dies  ist  differentialdiagnostisch  verwertbar. 

H  e  u  b  n  e  r  -  Göttingen  warnt  vor  einer  UeberschÀtzung  der 
QuellungsvorgÀnge  usw.  Audi  von  amerikanischer  Seile  ist 
schon  darauf  Inngewiesen  worden,  daß  die  KalziumfĂŒllupg  allein 
die  Blutgerinnungsverhinderung  nicht  erklÀrt. 

S  c  h  ĂŒ  r  e  r  -  MĂŒlheim:  Die  Senkungsgeschwindißkeit  Kann 
(lichl  allein  durch  das  Fibrinogen  bedingt  sein. 

T  h  a  n  n  h  a  ĂŒ  s-e  r  -  MĂŒnchen:  Eine  gichtische  Schrumpfniere 
hatte  auf  Novasuro]  keine  Diurese,  aber  eine  VerdĂŒnnung  des 
Hintes.  Ein  anderer  Nierenkranker  halle  eine  VerÀnderung  des 
Spezifischen  Gewichts  des  Harns  ohne  Diurese.  Das  Novasurol 
ist  aber  bei  Nierenkranken  unbedingt  kontraindiziert,  seine  An- 
wendung ein  schwerer  Kunstfehler. 

Cl.  Meyer  :  Mit  Zunahme  der  AziditÀt  des  Blutes  nimmt  die 
ViskositÀt  ab,  wÀhrend  das  Blutkörperchenvolumen  zunimmt. 
Das  Maximum  dieser  VerÀnderung  fÀllt  mit  dem  von  Ionenver- 
schiebungen zusammen. 

Ellinger  (Schlußwort). 

Schade  (Schlußwort). 

S  ch  o 1 1  mĂŒ  Ii  er -.Hamburg  macht  Mitteilung  ĂŒber  den  gĂŒn- 
stigen Verlaul'  der  Aortitis  luica,  wenn  diese  mit  Salvarsan  be- 
handelt worden  ist. 

Dritter  Verhandlungstag 

Referat  von  B  i  e  d  1  -  Prag;  lieber  die  Hypopfaysis. 

Jn  der  Endokrinologie  ist  noch  alles  im  Fluß.  Mehr  als  sonst 
ist  hier  eine  kritische  Sichtung  nötig.  Die  alte  Zweiteilung  der 
Hypophyse  kann  nicht  mehr  aufrechterhallen  werden.  Schon 
lange  bekannt  ist  der  Zwischenlappen,  der  beim  erwachsenen 
Menschen  sehr  klein  geworden  ist  im  Gegensatz  zum  Föt  und 
zum  Tier.  Ein  weiteres  spezifisches  Gewebe  liegt  um  den  Hypo- 
physenstiel herum,  die  Pars  tuberalis,  sowie  einige  Beihypo- 
physen, z.  B.  am  Rachendach.  Die  Pars  ant.  und  die  Beihypo- 
physen entstehen  aus  dem  Rachendach;  der  Rest  ist  ektodermal. 
Auch  die  Pathologie  muß  sich  an  die  Strukturteile  der  unter- 
schiedlichen Anteile  anschließen.  Die  Sekretion  erfolgt  in  Form 
von  Lipoiden  und  Granulis.  Letztere  als  eosinophile  und  baso- 
phile Körnelung.  Diese  Sekrete  werden  direkt  in  die  Blutbahn 
abgesondert.  Der  Vorderlappen  ist  also  eine  BlutdrĂŒse.  Auch 
das  Kolloid  des  Vorderlappens  geht  in  die  Blutbahn  und  wird 
nur  bei  Ueberproduktion  gespeichert.  Dagegen  sind  der  Zwi- 
schenlappen und  seine  Kolloidzysten  keine  BlutdrĂŒse,  sondern 
sezernieren  entlang  den  Gewebsspalten  im  Hypophysenstiel  in 
das  Gehirn..  Chemisch  konnte  aus  dem  Vorderlappen  ein  Lipoid', 
das  Tethelin,  abgesondert  werden,  wÀhrend  Zwischen-  und  Hin- 
lerlappen nach  ihrer  pharmakodynamischen  Wirksamkeil  als 
histaminarlige  Körper  angesehen  werden  mĂŒssen.  Der  Vorder- 
lappenextrakl  hat  eine  wachstumsanregende  Wirkung.  Es  lĂ€ĂŸt 
sich  jedoch  therapeutisch  die  Wirkung  nur  in  der  3.  Wachslums- 
periode,  d.  h.  in  der  PubertÀt,  verfolgen,  wo  in  einem  Jahre 
20  cm  LÀngenwachstum  und  Entwicklung  der  sekundÀren  Ge- 
schlechtsmerkmale zu  beobachten  sind.  Die  Zusammenarbeit  des 
ganzen  Inkrelapparales  ist  bekannt.  Wirkliche  Hypophysen- 
zerstörung fĂŒhrt  trotz  der  EinwĂ€nde  Aschncrs  zur  Kachexie. 
Die  Nachahmung  der  Wachstumshemmung  durch  Tieroperalionen 
ist  schwer  zu  beurteilen.  Als  Infantilismus  darf  man  weder  die 
Fettsucht  noch  die  Hemmung  der  Entwicklung  sekundÀrer  Ge- 
schlechtsmerkmale rechnen.  Letztere  hÀngt  aber  zunÀchst  von 
den  GeschlechtsdrĂŒsen  ab,  die  bei  den  entsprechenden  Froehlich- 
fÀllen  auch  atrophisch  sind.  Vielmehr  handelt  es  sich  auch  am 
Genitale  nur  um  eine  Dystrophie.  Man  muß  eine  Nanosomia 
pituitaria  von  den  hypophysÀren  InfantiListen  scheiden,  bei  denen 
letzleren  zugleich  mit  dem  Aufhören  der  Entwicklung  eine  frĂŒhe 
SenilitÀt  einsetzt.  Im  Gegensatz  zu  den  geschilderten  Hemmun- 
gen rufen  Reizprozesse,  Tumoren  usw.  im  Vorderlappen  Riesen- 
wuchs und  Akromegalie  hervor.  Die  Stoffwechselstörungen  bei 
dieser  ist  auf  die  Pars  intermed.  zu  beziehen.  Das  ist  besonders 
der  Fall,  wenn  der  allgemeine  Riesenwuchs  mit  Hypoplasie  der 
Genitalien  einhergeht.  Die  F  r  o e  h  1  i  c  h  sehe  Dystrophia  adipo- 
sogenilalis  kann  unzweifelhaft  sowohl  n  u  r  von  der  Hirnbasis 
als  auch  nur  vom  Zwischenlappen  der  Hypophyse  (Verlegung 
des  Sekrelabliusses)  selbst  hervorgerufen  werden.  Zwischen 
diesen  beiden  Extremen  liegl  die  Mehrzahl  der  klinischen  FĂ€lle. 
Ein  neues  Syndrom,  das  offenbar  nur  von  der  Hirnbasis  abhÀngt 
und  nur  Ă€ußerlich  dem  Froehlich  Ă€hnlich  sieht,  besteht  in  Atresia 
ani,  Polydaktylie  und  Retinitis  albumin.,  geistiger  Hemmung, 
Fettsucht  und  eigenartigen  Wachstumsstörungen.  Auch  beim 
Diabetes  insip.  muß  man  sowohl  eine  Erkrankung  entweder  der 


Hypophyse  oder  des  Zw  ischenhirns  annehmen,  und  es  ist  wohl 
nicht  möglich,  klinisch  die  einzelnen  FÀlle  zu  differenzieren  Die 
Erkrankungen  der  Hypophyse  sind  klinisch  nur  selten  reine  Bil 
der,  sondern  meist  solche  Uer  polyglÀndul&ren  Erkrankung. 

Stefan  L  o  r  a  n  t  -  Prag:   lebcr   Diabetes  insipidus. 

Bei  Stickstoffgleichgewich)  und  purinfreier  ErnÀhrung  wurde 
die  HarnsÀure  im  Urin  in  FÀllen  von  Diabetes  insipidus 
uniersucht.  Es  zeigte  sieh  fast  in  allen  FÀllen  eine  Störung  der 
HarnsÀureausscheidung  sowie  VerÀnderung  derselben  nach  In- 
jektion verschiedener  innersekretorischer  Produkte  und  vonNaCl. 
Der  BlutharnsÀurewert  lag  bei  allen  FÀllen  an  der  oberen  Grenze 
des  Normalen. 

Kestner  -  Hamburg-Eppendorf:  Gfasw cchseluntcrsucnungen 
bei  Hypophysenerkrankungen. 

Der  Gaswechsel  wurde  bei  allen  Kranken  mit  endokrinen 
Störungen  untersucht.  Bei  Hypophysenerkrankungen  zeigte  sicii 
in  den  FĂ€llen  von  Dystrophia  aĂŒiposo-genitalis  nur  eine  geringe 
Steigerung  des  Umsatzes  und  der  Nahrungsaufnahme.  Auch  hy- 
pophysÀre Zwerge  zeigten  deutliche  Störung  in  Form  einer  Her- 
absetzung der  spezifisch  dynamischen  Wirkung.  Dasselbe  zeigten 
einige  FÀlle  von  endogener  Fettsucht.  Die  Störungen  konnten 
durch  Injektionen  von  liypophysenvorderlappenexlrakten  behoben 
werden. 

K  o  w  i  tz  -  Hamburg-Eppendorf .  Die  Bedeutung  der  gasanaly- 
tischen Bestimmung  des  Stoffwechsels  fĂŒr  die  Thyreoidinthcrapie. 

Die  Merck'schen  Thyreoideatabletten  wirken  konstant  auf  den 
Stoffwechsel.  Am  geeignetsten  fĂŒr  die  Untersuchung  sind  FĂ€lle 
von  Myxödem.  0,2  g  Trockensubstanz  genĂŒgt,  um  den  Grund- 
umsatz fĂŒr  einige  Tage  auf  normale  Höhe  zu  bringen.  Perorale 
Zufuhr  reicht  hierzu  aus.  FĂ€lle  von  endogener  Fettsucht  reagie- 
ren nur  sehr  langsam.  Kranke  mit  Dystrophia  adiposogenitalis 
können  eine  Ueberempfindlichkeit  gegen  Thyreoidea  aufweisen. 
Arsen  setzt  den  Stoffwechsel  herab. 

H.  Z  o  n  tl  e  k  und  A.  L  o  e  w  y  -  Berlin:  leber  endokrine  Fett- 
sucht. 

Bei  hypophysÀrer  Fettsucht  ist  eine  Herabsetzung  der  Werte 
fĂŒr  den  Grundumsatz  im  Stoffwechselversuch  nicht  nachweisbar. 
In  F'Àllen  von  lokalisierter  Fettsucht,  die  hÀufig  im  Gefolge 
leichter  endokriner  Störungen  (nach  Kastration,  wÀhrend  der 
GraviditÀt,  bei  Morb.  Basedowi  u.  a.)  entsteht,  liegen  die  Werte 
fĂŒr  den  Os-Bedarf  (Ruhe-NĂŒchternversuch)  ineist  an  der  oberen 
Grenze  der  Norm.  In  einem  Falle  (Struma  und  Basedow),  wo 
die  Fettlagen  die  ganze  untere  KörperhÀlfte  einnahmen,  war  der 
Ü2- Verbrauch  sogar  enorm  gesteigert  (380  cem  02  pro  Minute  im 
Mittel  —  6,8 — 6,9  cem  pro  Kilogramm  Körpergewicht).  Es  han- 
delt sich  somit  um  Fett,  das  trotz  Steigerung  der  Verbrennungs- 
prozesse nicht  eingeschmolzen  wird  und  auch  weder  durch  Hun- 
gerkuren noch  durch  Thyreoidindarreichung  einschmelzbar  ist. 
Bei  den  ĂŒbrigen  Formen  endokriner  Fettsucht  wirkt  das  Thy- 
reoidin  wie  bekannt  stoffwechselsteigernd,  dagegen  sind  Thyreo- 
glandol  und  Thyreoideaoplon,  deren  Eiweißkörper  abgebaut  sind, 
unwirksam.  In  nicht  wenigen  FĂ€llen  von  Fettsucht  (meisl 
Ihyreogener  Nalur)  besteht  eine  Wassersucht  der  Gewebe.  Der 
V  o  1  h  a  r  d  sehe  Wasserversuch  "fÀllt  hier  mangelhaft  aus. 

Bijlsma-  Utrecht:  Die  Wertbestimmung  einiger  Hypophy- 
senprÀparate. 

Die  Wertbeslimmung  wurde  am  isolierten  Meerschweinchen- 
uterus ausgefĂŒhrt.  Diese  Methode  ist  fĂŒr  UterusprĂ€parate  brauch- 
bar, nicht  fĂŒr  PrĂ€parate  zur  Behandlung  des  Diabetes  insipidus. 

Th.  B  rĂŒg  sch,  K.  Dresel  und  F.  H.  Lew  y- Berlin:  Ex- 
perimentelle BeitrÀge  zur  Frage  des  hypophysÀren  Diabetes. 

Die  Innervation  der  Hypophyse  ist  noch  unsicher,  wahr- 
scheinlich nur  aus  dem  Ini'undibulum  in  die  Hypophyse.  .  Des 
weiteren  haben  W  e  e  d,  Cushing  und  Jacob  sen  eine  Inner- 
vation ĂŒber  den  Kopfsympathikus,  Plex.  carotid.  dargestellt  und 
angegeben,  daß  auf  Reizung  des  Ggl.  cervic.  supr.  nach  Durch- 
schneidung des  abfĂŒhrenden  Sympathikus  sofort  Zucker  im  Harn 
auftritt.  Diese  Versuche  konnten  nicht  bestÀtigt  werden.  Bei  der 
angegebenen  Versuchsanordnung  wurde  nicht  nur  nie  ein  Au- 
sleihen, sondern  meist  sogar  eine  Herabsetzung  des  Blutzucker- 
spiegels infolge  SerumverwÀsserung  beobachtet.  Es  liefert  also 
auch  das  Experiment  keinen  Anhaltspunkt  fĂŒr  die  Existenz  eines 
hypophysÀren  Diabetes. 

E.  Lc  schke- Berlin:  BeitrÀge  zur  klinischen  Pathologie 
der  Hypophyse  und  des  Zwischenhirns. 

Die  Hauptmasse  der  wirksamen  Bestandteile  der  Hypophyse 
befindet  sich  auch  beim  Menschen  in  der  Pars  intermedia.  Diu- 


41h 


K  o  n  g  r  e  Ii  b  e  r  1  e  h  t  e 


\i.  22/23.  — 40.  Jahrg. 


rcsehemmung  und  Uteruswirkung  sind  an  verschiedene  Amine 
gebunden,  die  dem  Histamin  nahestehen,  aber  nicht  identisch  da- 
mit sind.  Vorderlappenextrakt  hat  wachstumsbefördernde  und 
stoffwechselsparende  Wirkung,  die  bei  kachektischen  Zustanden 
therapeutisch  verwertet  werden  kann.  Degeneration  der  Hypo- 
physe fĂŒhrt  zu  Simonds  scher  Kachexie,  aber  nicht  zu  Dys- 
trophia adiposogenitalis  oder  Diabetes  insipidus.  Bei  der  Dys- 
trophia adiposo-genitalis  spielen  Regulationsstörungen  im  Zwi- 
schenhirn eine  entscheidende  Rolle,  die  freilich  auch  hormonal 
beeinflußt  werden.  Hypophyse  und  Zwischenhirn  gehören  anato- 
misch und  funktionell  untrennbar  zusammen. 

Besprechung    der    vorausgegangen  en    Vortr  À  g  e. 

A  I  ex  a  n  d  e  r  -  Berlin:  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  die  Zusammen- 
hÀnge endokriner  Störungen  und  Magendarmaffektionen. 

F  r  an  k  -Breslau:  Die  diuresehemmende  Wirkung  des  Pitu- 
glandols  kann  durch  Ca;,  gehemmt  und  gelegentlich  durch  andere 
EinflĂŒsse  ins  Gegenteil  verkehrt  werden.  Die  Zwischenhirngenese 
des  Diabetes  insipidus  ist  nicht  bewiesen. 

E  h  r  m  a  n  n  -  Berlin:  Die  Akromegalie  hÀngt  unzweifelhait 
mit  VerÀnderungen  des  Vorderlappens  zusammen.  E.  hat  einige 
einschlĂ€gige  FĂ€lle  beobachtet.  Er  glaubt,  daß  Beziehungen  zwi- 
schen Vorder-  und  Hinterlappen  bestehen. 

P r  ib  r  a  m  -  Berlin  hat  eine  Kranke  beobachtet,  die  nach  einem 
fieberhaften  Wochenbett  plötzlich  sehr  stark  alterte  und  perio- 
disch SchlafanfÀlle  bekam.  In  einem  derartigen  Anfall  kam  sie 
zum  Exitus.  Die  Sektion  ergab  VerÀnderungen  in  der  Hypo- 
physe und  der  Thyreoidea. 

L  i  c  h  t  w  i  t  z  -  Altona :  Die  diuresehemmende  Wirkung  des 
l'ituglandols  ist  um  so  stÀrker,  je  schwÀcher  die  Hypophyse 
funktioniert.  Dies  kann  als  FunktionsprĂŒfung  der  Hypophyse  be- 
nutzt werden.  Die  hypophysÀre  Kachexie  ist  in  Hamburg  nichts 
Seltenes.  Mit  Vorderlappenextrakt  lassen  sich  Besserungen  er- 
zielen. Er  schlÀgt  vor,  die  Krankheit  S  i  m  m  o  n  d  s  sehe  Krank- 
heit zu  nennen. 

P  1  a  u  t  -  Hamburg:  Die  Hypophyse  ist  sehr  verschieden  ent- 
wickelt. Die  Pars  intermedia  reicht  zum  Teil  in  den  Vorder- 
lappen hinein.  Zysten  werden  hÀufig  gefunden.  Der  Vorder- 
lappen entsteht  wohl  aus  dem  Ektoderm,  ebenso  wie  der  Hinter- 
lappen. 

G  i  g  o  n  -  Basel:  Die  Entwicklung  des  Skeletts  ist  in  den  ein- 
zelnen FĂ€llen  von  Hypophysenerkrankung  verschieden.  Die  Be- 
haarung scheint  ein  wichtiger  Anhaltspunkt  fĂŒr  endokrine  Stö- 
rungen zu  sein. 

Lommel-  Jena :  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  Wachslumsstörungen. 
Die  Hypophyse  darf  als  primĂ€res  Krankheitsorgan  nicht  ĂŒber- 
schÀtzt werden. 

R  o  s  e  -  MĂŒnster:  Die  Jungen,  die  von  Tieren  gehören  wer- 
den, die  selbst  und  deren  Vorfahren  ebenfalls  mit  Hypophysen- 
extrakten behandelt  worden  waren,  siitd  grĂ¶ĂŸer  als  die  Kontroll- 
tiere. 

Kestner -Hamburg:  Bei  hypophysÀrer  Kachexie  findet  sich 
eine  starke  Aenderung  des  Gesamtumsatzes. 

Pet  t  e  -  Hamburg:  Es  wurden  plötzliche  Zunahmen  von  30 
bis  50  Pfd.  beobachtet.  Jedesmal  wurden  Affektionen  des  zen- 
tralen Höhlengraus  gefunden. 

B  o  r  u  1 1  a  u  :  Die  verschiedensten  HypophysenprÀparate  wur- 
den untersucht.  Es  besteht  kein  Parallelismus  zwischen  den 
einzelnen  Wirkungen.  Einmal  kann  der  Blutdruck,  das  andere 
Mal  der  Uterus  usw.  stĂ€rker  beeinflußt  werden.  Manchmal  findet 
sich  eine  muskarinÀhnliche  Anfangswirkung.  Cholinester  scheinen 
dies  nicht  zu  bedingen.  Die  Fabriken  mĂŒssen  ihre  PrĂŒfungs- 
methoden erweitern. 

M  a  1 1  h  e  s  -  Königsberg:  In  drei  FÀllen  von  Addison  wurde 
sehlechte  VerdĂŒnnungs-  und  Konzentrationsmöglichkeit  gefunden, 
die  durch  Adrenalin  gebessert  wurde. 

Singer-Wien  weist  darauf  hin,  daß  die  Alexander- 
schen  AusfĂŒhrungen  Dinge  betreffen,  die  von  ihm  vor  Jahren  ein- 
gehend beschrieben  worden  sind. 

Thannhauser  -  MĂŒnchen:  Intravenöse  Injektion  des  ame- 
rikanischen Thyroxins  hatte  erst  nach  Injektion  von  3  g  einen 
Einfluß  auf  die  Stickstoffausscheidung.  Bei  einem  StrumektOr 
mierten  gar  kein  Erfolg.  Der  Gaswechsel  wurde  ebenfalls  nicht 
verÀndert. 

M  o n  a  ko  w  -  ZĂŒrich:  Beschreibung  eines  Falles  von  hypo- 
physÀrer Kachexie  mit  VerÀnderungen  im  Hoden. 

E  p  p  i  n  g  e  r  -  W  ien  weist  auf  die  Bedeutung  der  PrĂŒfung  des 
Sauerstoffverbrauchs  bei  den  zur  Diskussion  stehenden  Störungen 
hin.   Auch  er  hat  keinen  Einfluß  des  Thyroxins  gesehen. 


B  i  e  d  1  -  Prag:  Schlußwort. 

Kestner-  Hamburg-Eppendorf :  Schlußwort. 

Petren-Lund:  Ueber  die  Faktoren,  die  fĂŒr  die  Entwicklung 
der  Azidose  bei  Diabetes,  mit  denjenigen  bei  Gesunden  verglichen, 
von  Bedeutung  sind. 

Es  gelang  bei  Diabetikern  durch  GemĂŒsediĂ€t  das  Stickstoff 
minimum  auf  3  g  herabzudrĂŒcken.  Es  werden  die  Erfolge  mit 
der  P  e  l  r  e  n  sehen  DiÀt  auseinandergesetzt.  Beim  Gesunden  und 
beim  Diabetiker  kommt  die  Azidose  infolge  Kohlenhydratkarenz 
zustande.  Beim  Diabetiker  kommt  hinzu,  daß  der  Stickstoffum- 
satz  ebenfalls  hierfĂŒr  von  grĂ¶ĂŸter  Bedeutung  ist  und  jeder  Dia- 
betiker anscheinend  eine  Grenze  hat,  die  sehr  niedrig  sein  kann, 
ĂŒber  die  er  mit  seinem  Eiweißumsatz  nicht  hinausgehen  darf. 
Durch  Eiweiß  wird  der  Blutzucker  gesteigert,  Fett  hat  keinen 
Einfluß.  Die  Blutzuckerkurve  ist  bei  Fettzufuhr  der  bei  Hunger 
ungefÀhr  gleich.  Die  ersten  6  Stunden  des  Hungers  haben  den 
grĂ¶ĂŸten  Einfluß  auf  den  Blutzucker,  nachher  verlĂ€uft  die  Kurve 
fast  horizontal. 

Besprechung:  F.  v.  M  ĂŒ  Her:  Die  Untersuchungen  von 
Petren  wurden  bestÀtigt.  Es  gelang,  sehr  niedrige  Stickstoff- 
werte  zu  erreichen.  Die  Ausscheidung  der  Azetonkörper  ging 
dabei  zurĂŒck  und  damit  auch  die  Komagefahr.  Nur  wenn  Zucker 
zersetzt  wird,  kann  das  Eiweiß  auf  minimale  Werte  herabge- 
drĂŒckt werden.     In  einzelnen  schweren  FĂ€llen  gelingt  es  nicht 

D  c  u  s  c  h  -  Rostock:  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Schild- 
drĂŒse und  Darmbewegung. 

Bei  der  chronischen  Obstipation  findet  sich  hÀufig  ein  Hypo- 
tbyreoidismus.  Es  handelt  sich  um  eine  Darmadynamie.  Durch 
Substitutionstherapie  lĂ€ĂŸt  sich  in  diesen  FĂ€llen  von  thyreogener 
Obstipation  Gutes  erreichen.  Die  Wirkung  der  Extrakte  auf  den 
Darm  wurde  am  ĂŒberlebenden  Meerschweinchendarm  im  Rönt- 
genbild usw.  geprĂŒft. 

P.  S  c  h  e  n  k  -  Marburg:  Der  Einfluß  der  SchilddrĂŒse  auf  den 
Kreatin-Kreatiningrundumsatz. 

Bei  Beobachtung  der  Kreatin-  und  Kreatininausscheidung 
normaler  und  thyrektomierter  Kaninchen  zeigt  sich,  daß  die 
SchilddrĂŒse  auf  die  Höhe  der  Ausscheidung  einen  bestimmenden 
Einfluß  hat.  Sie  wird  nach  der  Thyrektomie  geringer  und  lĂ€ĂŸt 
sich  durch  SchilddrĂŒsenverfĂŒtterung  bedeutend  steigern.  Erst 
sekundÀr  kommen  Aenderungen  der  Muskelmasse,  degenerative 
Muskelerkrankungen,  Muskelarbeit  und  Toxinwirkungen  fĂŒr  die 
Höhe  der  Kreatin-Kreatininausscheidung  in  Betracht. 

N  e  u  s  c  h  1  o  fi  -  Frankfurt  a.  M..  Zur  funktionellen  Diagnostik 
der  SchilddrĂŒse. 

Die  Untersuchung  der  ViskositĂ€t,  des  Eiweißgehaltes  und  des 
Quellungszustandes  des  Serums  bei  Normalen  und  SchilddrĂŒsen- 
erkrankungen ergaben,  daß  der  ViskositĂ€tsfaktor  bei  Atyreosen 
ganz  wesentlich  erhöht  ist,  wÀhrend  BasedowfÀlle  eine  starke 
Herabsetzung  zeigen.  Dies  ergibt  eine  einfache  FunktionsprĂŒfuni; 
der  SchilddrĂŒse. 

B  r  ö  s  a  m  1  e  n  -  TĂŒbingen:  Ueber  das  Verhalten  des  Blut- 
zuckers nach  Röntgenbestrahlungen  der  SchilddrĂŒse. 

Röntgenbestrahlungen  der  SchilddrĂŒse  ergaben  VerĂ€nderungen 
der  Blutzuckerkurve  in  dem  Sinne,  daß  Reizbestrahlungen  eine 
Erhöhung,  grĂ¶ĂŸere  Dosen  eine  Herabsetzung  des  Blutzuckers  zur 
Folge  hatten.  Dies  ist  bei  Gesunden,  noch  stÀrker  bei  Basedow- 
kranken der  Fall. 

David -Halle.  Versuche  ĂŒber  die  Beeinflussung  endokriner 
DrĂŒsen  durch  Röntgenstrahlen. 

Der  Adrenalingehalt  der  Nebenniere  bei  Röntgenbestrahlun- 
gen im  Tierversuch  wird  stark  herabgesetzt  bzw.  erhöht.  Die 
Nebennieren  wurden  freigelegt  und  mit  exakt  abgemessenen  Do- 
sen bestrahlt.  Es  wird  betont,  daß  die  PrĂŒfung  der  Röntgenwir- 
kung  auf  innersekretorische  DrĂŒsen  allgemein  in  dieser  Weise 
durchgefĂŒhrt  werden  mĂŒĂŸte. 

S  t  u  b  e  r.  R  u  fi  in  a  n  n  und  P  r  o  e  b  s  t  i  n  g  -  Freiburg.  Ueber 
Adrenalin. 

Es  wurde  experimentell  gezeigt,  daß  Abhauprodukte  des 
Adrenalins  eine  sensibilisierende  Wirkung  auf  das  GefĂ€ĂŸsystem 
besitzen.  Deshalb  scheinen  die  bisherigen  biologischen  Methoden 
qualitativer  Adrenalinmessung  nicht  eindeutig  zu  sein,  weshalb 
so  eine  Bestimmung  des  SĂ€ugetierblutadrenalingehaltes  nicht 
möglich  scheint.  Deshalb  wurde  eine  chemische  Methode  ausge- 
arbeitet, welche  das  Adrenalin  noch  in  einer  VerdĂŒnnung  1  zu 
100  Millionen  zu  messen  erlaubt,  womit  der  umstrittenen  Frage 
des  Blutadrenalingehaltes  nÀhergetreten  werden  kann. 


i 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg  Kongreßbcrichte  41«.» 


Bauer- Wien;  Paroxysmale  schwerste  Adynamie  bei  In- 
suffizienz der  Nebennieren. 

Es  kann  eine  Adynamie  als  einziges  Symptom  einer  Neben- 
niereninsuffizienz  auftreten.  Ein  Patient  dieser  Art  konnte  sieh 
anfallsweise  fĂŒr  etwa  '2  Stunden  nicht  auf  den  Beinen  halten,  ja 
nicht  einmal  die  Hand  reichen.  In  einem  solchen  Anfalle  kam  es 
zum  Exitus.  Es  zeigte  sich  eine  schwere  Amyloidose  der  Neben- 
nierenrinde, wahrend  im  Mark  nur  wenig  Amyloid  vorhanden 
war.  Die  Adynamie  wird  daher  auf  eine  FunktionseinschrÀnkung 
der  Rinde  zurĂŒckgefĂŒhrt. 

P  o  h  1  e  -  Frankfurt  a.  M.:  Lieber  Aenderungen  in  der  Wasser- 
>toff-Ionenkonzentration  im  zu-  und  abfĂŒhrenden  Lebervenenblute 
nach  Adrenalininjektion.  (Nach  gemeinsamen  Untersuchungen 
mit  Gottschalk.) 

Das  Blut  der  Pfordader  und  der  Lebervene  wurde  vor  und 
nach  Adrenalininjektion  auf  H-Ionenkonzentration  und  Blutzucker 
untersucht. 

Es  wurde  eine  starke  Steigerung  der  H-Ionenkonzentralion 
im  zu-  und  abfĂŒhrenden  Leberblute  festgestellt.  Der  Blutzucker 
steigt  etwas  frĂŒher  an  als  die  H-Ionenkonzentration. 

A.  G  o  1 1  s  e  h  a  1  k  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  den  genetischen 
Zusammenhang  zwischen  Wasserstoff  ionenkonzentrationsver- 
sehiebung  im  Pfortaderblute  und  der  HyperglykÀmie  nach  Adre- 
nalininjektion.  (Nach  gemeinsamen  Untersuchungen  mit  Pohle.) 

Durch  eine  beim  Kaninchen  erzeugte  Aenderung  des  H-Ionen- 
blute-s  auf  anderem  Wege  als  durch  Adrenalin  (Abbindiung  der 
V.  porta)  lĂ€ĂŸt  sich  ebenfalls  eine  HyperklykĂ€mie  erzeugen.  Es 
ließ  sich  ausschließen,  daß  dies  durch  die  Leberzirkulalions- 
störung  hervorgerufen  ist.  Durch  vorausgeschickte  Alkaligabe 
lĂ€ĂŸt  sich  die  AdrenalinhyperglykĂ€mie  stark  hemmen.  Die  CH  im 
Pfortaderblute  stieg  nicht  an.  Die  Gewebsatmung  der  Leberzelle 
wird  durch  Adrenalin  gehemmt  —  ein  weiterer  Angriffspunkt  des" 
Adrenalins. 

Leo  A  d  1  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Leber  eine  Funktion  der  Ne- 
bennierenrinde. 

VerfĂŒtterung  eines  getrockneten  Nebennierenadenoms  fĂŒhrt 
zu  einem  kolossalen  Wachstum  der  Kaulquappen.  Des  weiteren 
gelingt  es  hiermit  nur  mÀnnliche  Nachkommenschaft  bei  diesen 
Tieren  zu  erzeugen.  Letzteres  ist  aber  nur  beim  Frosch  der 
Fall.  Desgleichen  ist  ein  Einfluß  auf  den  Stoffwechsel  vorhanden. 

W  e  i  n  b  e  r  g  -  Rostock:  Adrenalinwirkung  auf  Blutdruck  und 
Blutzucker  bei  verschiedener  Konzentration. 

Es  wurde  eine  bestimmte  Dosis  pro  Kilogramm  Körper- 
gewicht in  steigenden  Dosen  verabfolgt.  Die  kleinsten  Dosen 
machen  Blutdrucksenkung  auch  nach  intramuskulÀrer  Injektion. 
Höhere  Dosen  machen  Blutdrucksteigerung.  Bei  intravenöser  In- 
fusion, die  auf  eine  Stunde  ausgedehnt  wurde,  kann  man  Àhnliche 
Senkungen  des  Blutzuckers  beobachten.  Die  Kurvenform  ist  also 
nur  von  der  Dosierung  abhÀngig. 

K  n  o  o  p  -  Freiburg  teilt  mit,  daß  auch  die  Amerikaner  an- 
geben, daß  die  Synthese  des  Thyroxins  nicht  geglĂŒckt  ist.  Daher 
sind  Versuche  mit  dem  synthetischen  PrÀparat  nutzlos. 

LipechĂŒtz  - Frankfurt  Ă€.  M.:  Die  Wirkung  von  Inkreten 
auf  die  Zelloxydationen  und  den  WĂ€rmehaushalt  des  Organismus. 
Nach  Versuchen  gemeinschaftlich  mit  Leo  Adler.) 

Mit  Hilfe  der  Methode  zur  PrĂŒfung  der  Zellatmung  wurde 
festgestellt,  daß  die  Hormone  einen  starken  Einfluß  auf  die  Re- 
duktionsgeschwindigkeit ausĂŒben.  Pankreasextrakte  hemmen, 
wenn  sie  von  winterschlafenden  Tieren  stammen,  wÀhrend  Hunde- 
pankreas  keinen  Einfluß  ausĂŒbt.  Thyreoidea  steigert,  ebenso 
Epiphysenextrakt.  Thymus  und  Nebennierenrinde  hemmt  die 
Zellatmung,  Adrenalin  steigert  die  Oxydationsgeschwindigkeit. 
Die  hemmenden  PrĂ€parate  drĂŒcken  die  Temperatur  herab,  die  an- 
deren steigern  sie. 

L  e  i  c  h  e  r  -  Frankfurt  a.  M.:  Heber  den  Kalziumgehalt  des 
menschlichen  Blutserums  und  seine  Beeinflussung  durch  Störun- 
gen der  inneren  Sekretion. 

Der  Kalziumgehalt  des  menschlichen  Blutserums  ist  ziemlich 
konstant.  Der  Kalkgehalt  der  roten  Blutkörperchen  sinkt  bis  zum 
50.  Lebensalter  ab.  Durch  SchilddrĂŒsenorĂ€parate  ist  ein  Sinken 
des  Blutserumkalkcs  zu  erzielen.  In  FĂ€llen  von  Basedow  findet 
sich  ein  niedriger,  beim  Myxödem  ein  hoher  Serumkalkwert.  Dies 
kann  fĂŒr  die  Untersuchung  von  Strumakranken  Verwendung 
linden.  Hypophysin  hat  ebenfalls  eine  Verminderung  des  SerĂŒm- 
kalkw-ertes  zur  Folge.  Ebenso  Adrenalin.  BeischilddrĂŒscn  ver- 
halten sich  umgekehrt.  Durch  KeimdrĂŒsen  konnten  keine  kon- 
stanten Resultate  erzielt  werden. 


B  ö  1 1  n  e  r  -  Königsberg:  Anaphylaxiestudlen  mit  hypotoni- 
schen und  hypertonischen  Lösungen. 

Durch  Injektion  hypoloner  und  hypcrlonci  Losungen  konnten 
Erscheinungen  hervorgerufen  werden,  die  an  l'chcrcmpfindlieh 
keit  erinnerten.  Bei  Reinjektionen  wurde  niemals  cm  akutei 
Exitus  erzielt,  dagegen  traten  die  Erscheinungen  manchmal  vci 
stÀrkt  auf.  Dasselbe  wurde  bei  intraartieller  Injektion  beobachtet 
Es  ist  jedoch  fraglich,  ob  man  hierbei  von  Anaphylaxie  sprechen 
kann. 

P  u  l  l  -  Frankfurt  a.  M.:  Einfluß  von  SauerstoffĂŒberdruck- 
atmung  auf  das  Blut.  (Nach  gemeinsamen  Untersuchungen  mit 
I  r  i  c  d  r  i  ch.) 

Bei  SaucrsloffĂŒberdruckatmung  findet  man  bei  Diabetikern 
Absinken  der  Blutzuckerwerte.  Dasselbe  ist  mit  dem  HĂ€moglobin 
der  Fall.  Auch  Eiweiß  und  Kochsalz  sinken  ab,  wĂ€hrend  sich 
der  Blutdruck  bei  Gesunden  refraktÀr  verhielt  Bei  einigen 
Hypertonikern  sank  der  Blutdruck  ab.  Es  handelt  sich  anschei- 
nend um  das  umgekehrte  von  dem,  was  bei  Ballonfahrten  be- 
obachtet worden  ist. 

KĂŒlbs-Köln:  Technisches  zur  Punktion  des  Perikards. 

Es  wird  vorgeschlagen,  die  Punktion  von  PerikardergĂŒssen 
von  hinten  her  in  der  Skapularlinie  vorzunehmen.  Die  Vorteile 
dieser  Methode  werden  auseinandergesetzt. 

P I  e  s  ch  -  Berlin:  Ueber  einen  neuen  Blutdruckapparat  mil 
Regisiriervorrichtung. 

Es  wird  ein  Apparat  demonstriert,  mit  dem  es  gelingt,  den  Blut- 
druckbefund  objektiv  zu  registrieren.  Jede  Druckkapsel  fĂŒhrt  2  Be- 
wegungen wahrend  einer  Blutdruckmessung  aus.  Einmal  den  pneu- 
matischen Druck,  den  wir  mit  dem  Druckballon  ausĂŒben,  und  zweitens 
die  Oszillationen  des  Pulsdruckes.  Diese  2  Druckschwankunger 
werden  von  2  Punkten  der  Druckkapsel  abgeleitet,  und  zwar  so,  daß 
der  pneumaiische  Druck  eine  leicht  auswechselbare  Papierscheibe 
in  rotierende  Bewegung  setzt,  wahrend  die  Pulse  durch  HebelĂŒber- 
tragung  vertikal  auf  die  Papierscheibe  aufgeschrieben  werden.  Die 
Manschette  wird  aufgeblasen.  Beim  Druckabfall  registriert  der  Ap- 
parat automatisch  die  Pulshöhe.,  die  dem  entsprechenden  Druck  ent- 
spricht. Die  Stelle,  bei  dem  der  Puls  auftritt,  entspricht  dem  maxi- 
malen, die  Stelle  der  höchsten  Blutdruckschwankungen  dem  Mini  - 
mumdruck,  dessen  Höhe  auf  der  vorgedruckten  Papierscheibe  leicht 
abzulesen  ist. 

K  a  y  s  er  -  P  et  e  r  s  on  -  Frankfurt  a.  M.:  Fortteufende  Blut- 
druckmessungen bei  Infektionskrankheiten. 

WĂ€hrend  des  Typhus  sinkt  der  Blutdruck,  um  mit  Beginn  der 
Rekonvaleszenz  wieder  zu  steigen  und  bei.  Rezidiven  noch  einmal 
zu  sinken.  Es  empfiehlt  sich,  alle  FĂ€lle  von  Infektionskrankheiten 
mit  dieser  Methode  zu  untersuchen,  um  evtl.  dadurch  auch  diffe- 
rentialdiagnostische, prognostische  und  therapeutische  Anhaltspunkte 
zu  gewinnen. 

Kro  et  z- Halle  a.  S.:  Von  welchen  Faktoren  ist  die  Höhe  des 
klinisch  meßbaren  Venendruckes  abhĂ€ngig? 

Bei  der  Beurteilung  der  blutig  gemessenen  Druckwerte  in  der 
Vena  mediana  eubiti  dĂŒrfen  SchlĂŒsse  auf  die  Höhe  des  venösen 
Enddruckes  und  damit  auf  die  GĂŒte  der  Arbeit  der  r.  Kammer  nur 
mit  Vorsicht  gezogen  werden.  Neben  dem  Vovhofdnick  ist  ins- 
besondere der  intralhorakale  Druck  maßgebend  fĂŒr  die  Höhe  des 
peripheren,  auf  den  AtmosphÀrendruck  bezogenen  Venendruckes. 
Die  venöse  CCK-Spannung  hat  an  den  ruhenden  Kranken  keinen 
merkbaren  Einfluß  auf  den  Venendruck.  Erhöhte  WiderstĂ€nde  im 
Venenstrombett  fĂŒhren  zu  erheblichen  Steigerungen  des  Venen - 
druckes  selbst  bei  völlig  Herzgesunden. 

Schott-  Köln:  Die  hydrostatische  Beeinflussung  des  Kreis- 
laufes im  Bade. 

Durch  den  Druck  des  Wassers  im  Bade  wird  der  Kreislauf  be- 
einflußt.  In  Tierversuchen  wurde  gefunden,  daß  insbesondere  der 
Venendruck  weitgehend  geĂ€ndert  wird.  Es  muß  also  bei  allen  Unter 
suchungen  auf  die  Höhe  des  Badewassers  geachtet  werden. 

E  n  g  e  1  e  n  -  DĂŒsseldorf :  Neue  Untersuchungen  mit  Sahlis 
Sphygmobolometer. 

Der  gĂŒnstige  Einfluß  von  Digitalis  auf  den  IntensitĂ€tsfaktor,  der 
Einfluß  der  blutwarmen  Dusche  auf  den  ExtensitĂ€tsfaktor  lĂ€ĂŸt  sich 
mit  dem  Sphygmobolometer  nachweisen.  Nach  Alkohol  bei  kaltem 
Wetter  tritt  ebenfalls  eine  VergrĂ¶ĂŸerung  des  ExtensitĂ€tsfaktors  ein. 
Durch  Nikotin  wird  das  periphere  Strombett  eingeengt. 

B  ĂŒ  r  k  e  r  -  Gießen:  Das  Gesetz  der  Verteilung  des  HĂ€moglobins 
auf  die  OberflÀche  der  Erythrozyten. 

Die  absoluten  HĂ€moglobingehalte  \ erhalten  sich  umgekehrt  pro- 
portional dem  Quadrate  ihrer  Durchmesser,  sie  sind  immer  konstant 


4'20 


Kongreßberichte 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


Berechnet  man  die  OberflÀche  der  Erythrozyten  und  bezieht  den 
absoluten  Gehalt  darauf,  so  findet  man  auch  einen  konstanten  Wert 
fĂŒr  alle  Tierarten. 

Clothilde  Meier-  Malle:  OberflÀchenverÀnderungen  der  Ery- 
throzyten unter  dem  Einfluk  des  elektrischen  Stromes. 

Auf  Grund  von  Untersuchungen  der  KohlensÀurebindungskurven 
von  Blutkörperchensuspensionen,  durch  die  elektrischer  Strom  hin- 
durchgeleitet  wurde,  lÀkt  sich  die  Annahme  von  Michaelis  und 
Pauli,  dak  es  sich  bei  den  Proteinen  um  Ampholyte  handelt,  nicht 
aufrechterhalten.  Die  vom  Michaelis  bei  Kataphoreseversuchen 
beobachtete  Stetigkeit  des  Entladungsvorganges  ist  nur  der  Aus- 
druck der  polarisierenden  Wirkung  des  elektrischen  Stromes  auf  die 
Phasengrenze. 

L  a  u  d  e  n  h  eim  e  r  -  Alsbach:  Beobachtungen  ĂŒber  Organ  - 
theiapie  bei  nervösen  ZustÀnden. 

ThyreoideaprĂ€parate  hatten  gĂŒnstige  Erfolge  im  FĂ€llen  von  Mi- 
grÀne verbunden  mit  anderen  schwer  nervösen  vagotonen  Erschei- 
nungen. Auch  HypophysenprÀparate  haben  sich  in  einzelnen  FÀllen 
bewÀhrt. 

A  rn  o  1  d  i  -  Berlin:  lieber  Aenderungen  des  Blutes  nach  Auf- 
nahme von  Salzlösungen. 

Berichtet  ĂŒber  Aenderungen  des  Blutzuckeis,  Kochsalzgehaltes 
des  Blutes  und  der  alveolaren  C02-Spannung  nach  dem  Trinken 
2  proz.  Alkalisalzlösungen.  Wichtig  sind  die  nach  gewissen  Regeln 
verlaufenden  individuellen  Verschiedenheiten  der  Aenderungen.  Bei 
hohem  Ausgangswerie  sinkt  z.  B.  nach  dem  Trinken  der  Salzlösungen 
der  Blutzucker  ab,  wÀhrend  er  bei  niederen  mitunter  ansteigen  kann. 
Die  Stoffwechsellage  entscheidet  also  ĂŒber  den  Effekt. 

Besprechung  des  Vortrages  ScliottmĂŒller: 

L  c  n  z  m  a  n  n  -  Duisburg  empfiehlt  ebenfalls  dringend  das  Sal- 
varsan  fĂŒr  die  Behandlung  der  luetischen  Aortitis.  Die  schwachen 
Lösungen  von  Argenl.  nitr.,  mit  denen  man  Zystitiden  behandelt  hat. 
genĂŒgen  nicht.  Man  kann  aber  nicht  gleich  mit  2  proz.  Lösungen 
anfangen,  sondern  muk  langsam  bis  zu  dieser  Konzentration  steigern. 
Methylenblau,  intravenös  injiziert,  hat  ebenfalls  ausgezeichnete 
Wirkung  bei  Zystitiden. 

S  t  a  d  I  e  r  -  Plauen  legt  besonderen  Wert  auf  die  diÀtetische 
Behandlung  der  Zystitis.  Er  lÀkt  die  Kranken  5  Tage  lang  dursten 
und  spĂŒlt  dann  plötzlich  durch. 

H  a  a  s  -  Giejjen:  Der  Zustand,  in  dem  man  die  Zystitiskranken 
zur  Behandlung  bekommt  ist  ausschlaggebend  fĂŒr  den  therapeuti- 
schen Erfolg.  —  Das  Urotropin  hat  im  sauren  Urin  eine  desinfi  zierende 
Wirkung. 

V  o  1  h  a  r  d  -  Halle:  Die  Konzentration  der  von  SchottmĂŒller 
angegebenen  Lösung  ist  allerdings  erschreckend,  ober  trotzdem  muk 
es  nachgemacht  werden.  —  Novasurol  ist  bei  Nephritiden  nicht  an- 
gezeigt. Schwielige  Perikarditis  wird  selten  diagnostiziert.  Fxstir- 
pation  des  Perikards  kann  hierbei  sehr  gutes  leisten. 

Besprechung  zu  dem  Vortrage  K  ĂŒ  1  b  s^ 

W  a  n  d  e  1  -  Leipzig  hat  ebenfalls  Punktion  des  Herzbeutels  von 
hinten  ausfĂŒhren  lassen.  Kollapse  wurden  danach  nicht  gesehen, 
der  Abflug  ist  langsam.  Wenn  geringe  Luftmengen  in  den  Herzbeutel 
eintreten,  so  erhÀlt  man  ausgezeichnet  klare  Röntgenbilder. 

MĂŒller-  NĂŒrnberg:  Manchmal  ist  die  aus  dem  Herzbeutel  aus- 
tretende FlĂŒssigkeit  stark  blutig  gefĂ€rbt  und  man  weik  dann  nicht, 
ob  man  nicht  vielleicht  im  Herzen  ist.  LĂ€kt  man  einen  Tropfen  auf 
f'iltrierpapier  fallen,  so  sieht  man  sofort  den  Unterschied. 

F.  K  I  e  m  p  e  r  e  r  -  Berlin  hat  vor  10  Jahren  zufÀllig  eine  Herz- 
beutelpunktion  von  hinten  gemacht.  Danach  trat  ein  eigenartiges 
GerĂ€usch  auf,  das  auf  den  Luftdurchtrilt  zurĂŒckgefĂŒhrt  werden  mukte. 
Eine  Methode  der  Wahl  wird  dies  Verfahren  kaum  werden. 

D  c  u  s  c  h  -  Rostock:  Die  Punktion  des  Herzbeutels  von  links 
hinten  unten  ist  seit  langem  angegeben  und  wird  in  Rostock  dauernd 
■  iiKicwendet,  wenn  die  Exsudate  sehr  grok  sind. 

H.  Singer- Wien  hat  vor  Jahren  gezeigt,  dak  perikardiale  Er- 
gĂŒsse sich  nicht  selten  in  einem  Zwickel  links  hinter  dem  Herzen 
ansammeln  und  ein  linksseitiges  Pleuraexsudat  vortÀuschen.  Dort 
können  sie  leicht  durch  Punktion  entleert  werden.  Dieses  Zeichen 
ist  vor  etwa  50  lahren  von  dem  Wiener  Arzt  Dr.  P  r  ĂŒ  s  beschrieben 
worden  und  lÀuft  auch  in  der  französischen  Literatur  unter  dem 
Namen:  signedePrĂŒs. 

Besprechung  der  ĂŒbrigen  VortrĂ€ge: 

Lubliri.«  Breslau:  Kurze  Darstellung  einer  neuen  Mikromethodo 
zur  Bestimmung  des  Azetons  und  der  /?-OxybuttersÀure. 

F.  Mas- Wien:  Mit  Hilfe  von  Blutgasanalysen  hat  E.  in  Gemein- 
schaft mit  Kornfeld  bei  Menschen  und  Kaninchen,  nicht  bei 
Hunden,  eine  Verschiebung  des  Snure-Basenhaushaltes  nach  Adre- 


nalininjektion gefunden.  E.  hÀlt  aber  damit  die  SÀureÀtiologie  der 
AdrenalinhYperglYkĂ€mie  durchaus  noch  nicht  fĂŒr  erwiesen. 

A  d  1  e  r  -  Leipzig:  WĂ€hrend  bei  FĂ€llen  von  Osteomalazie  vorher 
keine  Ansprechbarkeit  auf  Adrenalin  vorhanden  war,  trat  die  An- 
sprechbarkeit nach  Röntgenkastration  auf.  In  der  GraviditÀt  sta/kc 
Ansprechbarkeit  auf  Adrenalin. 

Hess -Köln:  Intraarterielle  Adrenalininjektion  hat  nur  sehr  ge- 
ringe Wirkung  auf  den  Blutdruck.  Das  Adrenalin  wird  also  im  Ka- 
pillargebiet anscheinend  abgebaut.  Möglich  wÀre  aber  auch,  dak. 
die  Kapillaren  infolge  der  Verengerung  das  Adrenalin  nicht  durch- 
lassen. Im  arteriellen  Blut  konnte  bei  vielen  Untersuchungen  kein 
Adrenalin  nachgewiesen  werden.  FĂŒr  therapeutische  Zwecke  braucht 
jedes  GefÀksystem  seine  eigene  Dosis. 

Eisenhardt  -  Königsberg  hat  ebenfalls  den  Einfluk  von 
SchilddrĂŒsenbestrahlungen  auf  den  Blutzucker  untersucht  und  bei 
Basedowkranken  lÀnger  anhaltendes  Absinken  des  Blutzuckers  be- 
obachtet. In  2  FĂ€llen  von  Diabetes  stieg  der  Blutzucker. 

H  ö  s  s  I  i  n-  Berlin  hat  versucht,  die  Wirkung  des  Adrenalins 
durch  Bindung  an  Kolloide  zu  modifizieren.  Dies  ist  nicht  gelungen. 

Kaznelson  -  Prag  hat  bei  Bestrahlung  unspezifische  Wirkun- 
gen auf  den  Blutzucker  gefunden. 

Freund-  Heidelberg:  Zu  dem  Vortrag  von  L  i  p  s  c  Ii  ĂŒ  t  z  ist 
zu  sagen,  dak  man  StoffwechselverÀnderung  der  peripheren  Zellen 
nicht  mit  der  Wirkung  von  AntipYretizis  vergleichen  kann.  Letztere 
wirken  zentral  auf  den  WĂ€rmeregulationsmechanismus. 

Schenk-  Marburg  hat  gesehen,  dak  intraarterielle  und  intra- 
venöse Adrenalininjektion  sehr  verschiedene  Wirkungen  haben.  Audi 
der  Blutzucker  wird  kaum  erhöht. 

D  ĂŒ  n  n  e  r  -  Berlin  erwĂ€hnt  die  starke  Kalkausschcidung  im  Hain 
bei  Phosphaturie  nach  -Adrenalininjektionen. 

P  l  a  t  z  -  Magdeburg:  Intravenöse  Adrenalininjektionen  sind  in 
geeigneter  Dosierung  absolut  ungefÀhrlich. 

B  i  1 1  o  r  f  -  Breslau  hat  ebenfalls  einen  Fall  von  Amyloid  der 
Nebennierenrinde  beobachtet,  in  dem  die  Adynamic  nicht  ausge- 
sprochen war.  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  das  verschiedene  Verhalfen,  je 
nachdem  in  welchem  Lebensalter  die  Tumoren  der  Rinde  auftreten. 

Frey -Kiel:  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  Beziehungen  zwischen  intra- 
abdominellem Druck  und  Kreislauf. 

W  e  i  n  b  e  r  g  -  Rostock  hat  ebenfalls  dieselben  Erfahrungen  ge- 
macht wie  Hess.  Die  Adrenalinkonzentrationen  im  arteriellen  Blut 
sind  fĂŒr  den  biologischen  Nachweis  zu  klein. 

Moritz- Köln:    AusfĂŒhrungen  ĂŒber  die  Venendruckmessung. 

V  o 1  ha  r  d  -  Halle:  Es  gelang  auch  in  der  Hallenser  Klinik  nicht, 
im  arteriellen  Blute  bei  akuter  Nephritis  Adrenalin  nachzuweisen. 
Dagegen  scheint  das  Blut  von  Nephritikern  fĂŒr  Adrenalin  sensibili- 
sierende Stoffe  zu  enthalten. 

Kr  o  et  z  -  Halle:  Schiukwort. 

L  eicher  -  Frankfurt  a.  M.:  Schiukwort. 

P  o  r  g  e  s  -  Wien:  Bemerkungen  zu  dem  Vortrag  von  L  e  B  I  a  n  c 
Der  Sauerstoffverbrauch  im  OhrlÀppchen  ist  sehr  gering  und  es 
genĂŒgt,  das  dortige  Blut  zu  untersuchen.  Einen  annĂ€hernd  richtigen 
Wert  ergibt  schon  die  Farbe  des  Blutes  und  dies  bietet  eine  Mög- 
lichkeit zur  Indikationsstellung  fĂŒr  die  Sauerstofftherapie. 

Vierter  Verhandlungstag. 

P.  H  o  f  f  m  a  n  n  -  WĂŒrzburg:  Ueber  die  Unterschiedsempfind- 
lichkeit der  rezeptorischen  Organe  der  Sehnenreflexe  (Eigenreflexe). 

Die  Sehnenreflexe  haben  enge  Beziehungen  zu  den  WillkĂŒr- 
bewegungen, sie  sind  mit  ihnen  gekoppelt.  Sie  werden  mit  zu- 
nehmender Innervation  gebahnt  und  umgekehrt.  Ebenso  kann  man 
von  den  Reflexen  auf  die  Innervation  schlieken,  sofern  diese  nicht 
anderweitig  deutlich  wird.  Die  sehr  geringe  Innervation,  die  der 
Muskel  auch  im  schlaffen  Zustand  erhÀlt,  heikt  Muskeltonus.  Die 
Eigenreflexe  werden  durch  eine  Spannungszunahme  im  Muskel  aus- 
gelöst. Sie  dienen  nicht  nur  der  Bewegung,  sondern  auch  der 
Fixierung.  Das  Auftreten  der  Reflexe  hÀngt  von  der  Höhe  der  Reiz- 
schwelle in  den  rezeptorischen  Organen  ab.  Zur  Bestimmung  der- 
selben wurde  bei  rechtwinklig  gehaltenem  Ellenbogengelenk  der 
minimale  Winkel  bestimmt,  um  den  sich  das  Gelenk  drehen  muk,  wenn 
es  bei  Schlag  auf  den  Vorderarm  (sog.  Radiusperiostreflex)  zum 
Auftreten  eines  Reflexes  kommt.  Das  ist  ein  Mak  fĂŒr  den  Spannungs- 
zustand im  Muskel.  Registrierung  des  Reflexes  durch  Aktionsströme. 
Verschiebung  des  Vorderarms  am  Handgelenk  um  1  mm  genĂŒgte  und 
entsprach  bei.  unbelastetem  Arm  einem  Spannungszuwachs  von  Vw 

v.  WeizsÀc  k  er- Heidelberg:  Ueber  Reflexbewegungen  und 
ihre  Dynamik. 

Es  werden  die  Ergebnisse  mitgeteilt  von  Versuchen  am  Men- 
schen, welche  die  dynamische  Analyse  von  Sehnenreflexen,  koordi- 
nierten Reflexen  und  WillkĂŒrbewegungen  bei  Störung  durch  Ă€ukere 
mechanische  KrÀfte  zum  Gegenstande  hatten.  Die  Störungen  weiden 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrtf. 


Kongrc  H  berichte 


421 


durch  Reflexe  beantwortet  von  einer  Starke,  welche  die  Störung  so 
Kompensiert,  dak  die  Geschwindigkeit  der  Bewegung  gerade  erhalten 
wird.  Neben  diesen  kompensierenden,  aul  Last  mit  Kontraktion  und 
.nif  Entlastung  mit  Erschlaffung  antwortenden,  wurden  umgekehrt  auf 
Last  mit  Erschlaffung  und  auf  Entlastung  mit  Kontraktion  antwortende 
adaptierende  Reflexe  untersucht.  —  Diese  linersuchungen  fĂŒgen  sich 
in  eine  nicht  dualistische  Auffassung  der  Muskclfunktion  am  besten 
ein.  Untersuchungen  des  ElastizitÀtsmoduls  bei  Fallen  von  Muskel- 
rigor ergeben  (im  gleichen  Sinne)  keine  Abweichung  vom  normalen 
Wert. 

E  b  b  e  c  k  e  -  (Döttingen:  Lieber  elektrische  Reizung  sensibler 
Nerven. 

Die  elektrische  PrĂŒfung  sensibler  Nerven  wird  bisher  wenig 
geĂŒbt.  Es  gibt  3  Reizstellcn  sensibler  Nerven,  die  Reizung  der  Ner- 
venendigungen, der  Nervenfaser  und  der  Epidermis  der  Haut  selbst. 
Letztere  hat  die  niedrigste  Reizschwelle.  Die  Untersuchungen  be- 
schrankten sieh  auf  die  Reizung  der  Nervenendigungen.  Mit  Hilfe 
eines  ballistischen  Galvanometers  lafjt  sich  der  Stromstok  messen. 
Rollenabstand  und  Galvanometerausschlag,  bei  dem  der  sensible 
Nerv  anspricht,  wird  gemessen.  Durch  Reiben  der  Haut  werden  die 
Werte  erheblich  geÀndert  infolge  des  herabgesetzten  Hautwider- 
standes.  Gleichzeitig  wird  aber-  die  Erregbarkeit  herabgesetzt,  so 
dafe  der  Rollenabstand  kleiner,  der  Galvanometerausschlag  gröker 
wird. 

E.  Ka  u  f  f  m  a  n  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Ueber  die  Aenderung  der 
ElastizitÀt  menschlicher  Skelettmuskeln  unter  dem  Finflufc  der  .Be- 
lastung. 

Mit  Hilfe  des  von  Gildemeister  angegebenen  Verfahrens 
wurde  die  ElastizitÀt  der  Muskeln  unter  dem  Einfluk  der  Belastung 
gemessen.  Bei  Beginn  der  Belastung  nimmt  der  Muskel  bei1  den 
meisten  Personen  sofort  die  entsprechende  HĂ€rte  an,  ebenso  bei 
Entlastung.  Vereinzelte  Kranke  haben  eine  Verzögerung  der  Span- 
nung, andere  eine  Verzögerung  der  Entspannung.  Worauf  diese  in- 
dividuelle Verschiedenheit  beruht,  liefe  sich  nicht  entscheiden. 

B  ĂŒ  r  g  e  r  -  Kiel:  Der  Kreatin-Kreatininstoff Wechsel  des  Men- 
schen und  seine  Beziehungen  zu  physiologischen  und  pathologischen 
ZustandsÀnderungen  der  Muskulatur. 

Der  endogene  Kreatininstoffwechsel  hÀngt  weniger  von  dem  Ge- 
wicht der  Körpers,  sondern  von  seiner  Konstitution,  von  seiner  Mus- 
kelmasse ab.  Die  Gesamttagcsmenge  des  Kreatinin  ist  nach  Arbeit 
nicht  gesteigert,  wenn  auch  im  Stundenversuch  eine  Steigerung 
wahrend  der  Arbeit  festzustellen  ist.  Injiziertes  Kreatinin  wird  durch 
Arbeit  retiniert.  Wahrscheinlich  findet  wÀhrend  der  Arbeit  eine  Um- 
wandlung der  kolloidalen  Form  in  das  Kreatinin  statt.  Aenderungen 
des  Kreatininstoffwechsels  finden  sich  in  Krankheiten.  Sind  regres- 
sive VerÀnderungen  noch  vorhanden,  so  wird  viel  Kreatin  ausge- 
schieden. Nach  Ablauf  dieser  VerÀnderungen  sinkt  die  Kreatinaus- 
scheidung  unter  die  Norm.  Im  ĂŒbrigen  wird  der  Kreatininstoffwechsel 
mehr  von  der  Energie,  als  von  dem  Tonus  beherrscht. 

B  1  u  m  e  n  f  e  1  d  t  -  Berlin :  Ueber  reduzierte  Reizzeit  und  ihre 
Bedeutung  in  Physiologie  und  Pathologie. 

Die  im  C  r  e  m  e  r  sehen  Laboratorium  der  tierÀrztlichen  Hoch- 
schule Berlin  angestellten  Versuche  hatten  zum  Ziele,  auf- rein  experi- 
mentellem Wege  einen  Wert  fĂŒr  eine  charakteristische  Zeitkonsrani- 
(Ă€hnlich  der  in  Frankreich  geĂŒbten  Bestimmung  der  Chronaxie  von 
Sapieque)  fĂŒr  den  normalen  und  gelĂ€hmten  menschlichen  Muskel 
zu  finden.  Hierzu  wurden  zwei  gesonderte  Koeffizienten  fĂŒr  die 
Minimalzuckung  gesucht,  erstens  fĂŒr  den  konstanten  Strom,  zweitens 
fĂŒr  eine  Kondensatorentladungi.  Die  gefundenen  Zahlen  sind  als 
Ampere/Culombguotient  ausgedrĂŒckt.  Der  reziproke  Wert  wurde 
„reduzierte  Reizzeit"  genannt.  Die  Untersuchungen  ergaben,  dak  die 
fĂŒr  den  normalen  menschlichen  Muskel  gefundenen  Werte  mit  der 
des  direkt  gereizten,  unkuraresierten  Froschsartorius  fast  identisch 
waren,  dak  gelĂ€hmte  Muskel  ohne  EAR.  sich  den  fĂŒr  den  kuraresiel  - 
ten  Muskel  gefundenen  nÀherten,  wÀhrend  gelÀhmte  Muskel  mit  EAR 
eine  sehr  erhöhte  reduzierte  Reizzeit  aufwiesen,  die  weit  ĂŒber  der 
des  Kuraremuskels  lag. 

N  o  t  h  m  a  n  n  -  Breslau :  Weitere  Untersuchungen  ĂŒber  die 
Guanidintoxikosen. 

In  Ucbereinstimmung  des  klinischen  Bildes  der  Dimethylguanidiri- 
vergiftung  mit  der  Tetanie  wird  gezeigt,  dak  neben  der  galvanischen 
llebcrerregbarkeit,  dem  Lai  yngospasmus  und  den  rindenepileptischen 
KrampfanfĂŒllen  auch  der  typische  Pfötchenkrampf  bei  der  Katze  auf- 
tritt. Beim  ganz  jungen  Tiere  werden  die  klonischen  RindenkrÀmpf" 
mit  Brwuktseinsverlust  vermikt.  Bei  mit  Guanidinen  vorbehandelten 
fieren  lÀ&t  sich  durch  einen  chemischen  Blutreiz  -  Azethylcholin, 
Nikotin  -  ein  akuter  tetanischer  Anfall  auslösen.  Die  histologische 
Untersuchung  des  Zentralnervensystems  der  mit  Guamdin  vergiftete  n 
patze  ergibt  ein  starkes  Hervortreten  rein-toxischer  SchÀdigungen 


in  der  Großhirnrinde  und  dci  Rio.  Eijl  weiteres  (nianidindeuvat,  da. 
DiÀthylguanidin,  wird  untersucht  und  seine  Unwirksamkeit  festgestellt. 
Fs  wird  dadurch  die  Bedeutung  des  DimetliYlguairdi.is  (in  dir  ex- 
perimentelle Spasmophilie  besonders  unterstrichen 

Be  Hz- Köln:  Ueber  die  KonzenfrationsverhĂ€ltiĂŒsse  des  Liquor 
cerebrospinalis. 

Die  Untersuchung  an  großem  klinischem  Materiell  ergab,  dak  die 
Resultate  nuudann  zuverlÀssig  sind,  wenn  der  Liquor  sofort  nach  dei 
Entnahme  geprĂŒft  wird.  Zentrifugieren  empfiehlt  sich  nicht.  Bei  den 
luetischen  Prozessen  steigt  der  Interferometerwcrt  weit  ĂŒber  die  r\öi  - 
male  Zahl.  Er  geht  etwa  dem  Fiweißgehalt  parallel.  Mehrere  FĂ€lle 
von  Enzephalitis  wiesen  keinen  erhöhten  Wert  auf,  wÀhrend  auf- 
fĂŒllenderweisc  viele  Sklerosen  ohne  Eiwcikvermclu  ung  mit  erhöhtem 
Interferometcrwert  cinhergingen.  Die  VerhĂ€ltnisse  bei  den  -ĂŒbrigen 
Oeliirnerkrankungen  waren  nicht  eindeutig. 

Besprechung  der  voraufg  egangenen  Vortrage. 

F.  F  r  a  n  k  -  Breslau  bemerkt  zu  den  AusfĂŒhrungen  von  B  ĂŒ  r  g  e  r, 
daß  es  beim  Kratininstoffwechsel  in  der  Hauptsache  auf  den  inter- 
mediÀren Stoffwechsel  ankommt  und  nicht  auf  die  Ausscheidung  im 
Harn.  Diskontinuierliche  Aktionsströme  besagen  noch  nicht,  dak 
Jetanische  PhÀnomene  vorhanden  sind.  Auch  tonische  VorgÀnge 
werden  wahrscheinlich,  wenn  auch  andere,  diskontinuierliche  Ströme 
zur  Folge  haben. 

K  r  a  u  s  s  -  MĂŒnchen:  Die  B  ĂŒ  r  g  e  r  sehen  Befunde  sind  zum 
großen  Teil  frĂŒher  schon  erhoben  worden.  AuffĂ€llig  in  den  BĂŒrger- 
schen  Kurven  sind  die  groken  Schwankungen  in  den  Stundenwerten. 
Solche  Schwankungen  sind  von  ihm  nicht  beobachtet  worden.  Der 
Tonus  scheint  doch  mit  dem  Kreatininstoffwechsel  in  gewissem  Zu- 
sammenhang zu  stehen. 

B  o  r  u  t  tau  -  Berlin  hat  einen  Apparat  konstruiert,  der  an  einer 
Skala  die  Werte  direkt  abzulesen  erlaubt,  die  von  Blumenfeldt 
ganz  richtig  errechnet  worden  sind.  Er  weist  auf  die  Bedeutung 
dieser  Untersuchungen  hin. 

S  c  h  À  ff  e  r  -  Breslau  betont  dre  Wichtigkeit  der  elektrischen 
Untersuchungen,  wie  sie  von  Blumenfeldt  usw.  vorgenommen 
worden  sind.  Die  Amerikaner  haben  einen  sehr  einfachen  Apparat 
angegeben,  die  minimale  Reizzcit  zu  messen.  Es  geiingt  mit  dieser 
Methode  festzustellen,  ob  man  mit  einer  Regeneration  in  kurzer  Zeit 
rechnen  kann. 

Hering -Köln  schlÀgt  vor,  statt  Eigenieflex,  Muskeleigeni eflex 
zu  sagen.  , 
Hoffmann  -  WĂŒrzburg  (Schiukwort). 
BĂŒrger-  Kiel  (Schiukwort). 

M  a  r  t  i  n  i  -  MĂŒnchen:  Demonstration  von  Schallkurven  zu  der. 
Problemen  der  Perkussion  und  Auskultation. 

Mit  Hilfe  einer  Trommel  wurden  Schwingungen  unter  verschie- 
denen Verhaltnissen  aufgezeichnet.  Die  Lungen  schwingen  nicht  als 
ganzes,  sondern  als  elastische  Abteilungen.  Ueber  Verdichtungen 
der  Lunge  in  etwa  4  cm  Tiefe  kann  die  Perkussion  keinen  Aufschlug 
mehr  geben.  Ueber  infiltrierten  Lungenabschnitten  Àndern  sich  die 
Schwingungszahlen.  Stumm  ist  der  Pleuraerguk.  Demonstration  .zahl- 
reicher Kurven  von  Lungenschwirigungen  unter  den  verschiedensten 
VerhÀltnissen. 

v.  H  o  e  s  s  1  i  n  -  Bei  lin:  Untersuchungen  zur  Perkussion  und 
Palpation  des  Brustkorbes. 

Bei  fast  sÀmtlichen  FÀllen  von  exsudativer  Pleuritis  ist  eine 
Differenz  der  Muskelspannungen  der  beiden  Seiten  in  der  paraverte- 
bralen  Gegend  vorhanden.  Es  folgen  AusfĂŒhrungen  ĂŒber  das  Zu- 
standekommen des  R  a  u  c  h  f  u  ß  sehen  Dreiecks. 

Besprechung  der  vorangegangenen  VortrÀge. 

h  r  e  y  -  Kiel:  Ton  und  GerÀusch  lassen  sich  auf  einer  Kurve  nicht 
trennen.  Das  bedingt  verschiedene  Schwierigkeiten  bei  der  Re- 
gistrierung, z.  B.  von  HerzgerÀuschen,  ©iagnostische  Registrierungen 
s  nd  praktisch  nicht  möglich. 

Martini-  MĂŒnchen  (Schiukwort). 

U  n  v  er  r  i  c  h  t  -  Berlin:  Lösung  von  VerwachsungsstrÀngen  im 
Thoraxraum.  (Demonstration). 

Es  werden  Röntgenbilder  demonstriert,  die  den  Erfolg  der  Lösun  i 
von  Vt  rwachsungsstrangen  beim  Pneumothorax  nach  dem  Verfahren 
von  JacobÀus  zeigen.  Optik  und  Brenner  wurden  verbessert.  Die 
damit  erzielten  Bilder  werden  gezeigt. 

S  t  a  rc  k  -  Karlsruhe:  Die  Behandlung  der  kardiospastischen 
Oesophagusdilatation. 

Eine  Heilung  der  kardiospastischen  Oesophagusdilatation  iaht 
sich  nur  durch ,  Ueberdehnung  des  Kardiannges  erzielen.  Die  bis- 
herigen Instrumente  haben  sich  nicht  bewÀhrt.  Ein  von  dem  Vor- 
tragenden konstruierter  Dilatator  wird  demonstriert  und  die  Erfolge 
damit  auseinandergesetzt. 

B  e  s  p  r  e  c  h  u  n  q  d  e  r  v  o  r  a  n  g  e  g  a  n  g  e  n  e  n  V  o  r  t  r  a  g  e. 


422 


Kongreßberichte 


SchottmĂŒller  -  Hamburg  weist  darauf  hin,  daß  es  durch 
Losung  der  StrÀnge  hÀufig  gelingt,  einen  Pneumothorax  weiterzu- 
fĂŒhren, den  man  sonst  aufgeben,  bezw.  bei  dem  man  zur  Thorako- 
nlastik  schreiten  mĂŒĂŸte. 

G  a  n  t  e  r  -  WĂŒrzburg:  Lieber  die  motorische  Funktion  des 
menschlichen  DĂŒnndarms. 

Es  wird  ein  Gummiballon  in  den  DĂŒnndarm  eingefĂŒhrt  und  mit 
einer  Schreibvorrichtung  verbunden.  Auf  diese  Weise  lassen  sich 
die  Kontraktionen  des  DĂŒnndarms  aufzeichnen.  Die  Kontraktionen 
werden  durch  die  verschiedenen  Drucke  nicht  verÀndert.  Es  bestehi 
mich  hier  das  alles  oder  nichts-Gesetz. 

L.  v.  F  r  i  e  d  r  i  c  h  -  Frankfurt  a  M.:  Beitrag  zur  Pathologie  der 
Achvlia  gastrica. 

Zwecks  Ermittlung  verschiedener  Achylieformen  und  von  dem 
Gesichtspunkte  aus,  daß  die  SalzsĂ€ure  ein  starker  Erreger  der  patho- 
logischen Magensekretion  ist,  wird  folgender  Weg  der  Untersuchung 
eingeschlagen:  Mittels  Dauersonde  wird  SalzsÀure  bei  Achylikern  in 
den  Magen  gebracht  und  der  Sekretionsablauf  studiert.  Hierdurch 
lĂ€ĂŸt  sich  ermitteln,  ob  der  betreffende  Magen  noch  die  FĂ€higkeit  be- 
sitzt, Magensaft  bzw.  SĂ€ure  oder  Fermente  zu  fabrizieren.  Auf  dies? 
Weise  lassen  sich  drei  Typen  aufstellen:  Wiedererscheinen  von 
SÀure  und  Fermenten  (SubaziditÀten).  Wiedererscheinen  nur  von 
Fermenten  [postdiphtherische  Achyllie)  und  keinerlei  Reaktion 
(Anaemia  perniciosa). 

E.  R  e  i  s  s  und  Schorer  :  Die  refraktometrische  Pepsinbestim  - 
mung  im  Magensaft. 

Zunahme  der  Lichtbrechung  bei  Verdauung  von  bestimmten 
Fibrinmengen  mit  abgemessenen  Magensaftmengen  nach  eigener, 
sehr  einfacher  Methodik. 

Besprechung  der  vorangegangenen  VortrÀge. 

W  e  i  n  b  e  r  g  -  Rostock  wendet  sich  gegen  die  zuweitgehende 
Anwendung  der  Bezeichnung  Achylie  und  weist  auf  die  von  ihm 
durchgefĂŒhrte  Teilung  der  Symptomenkomplexe,  die  konstitutionelle 
Achylia  gastrica  und  die  Gastritis  amacida  hin  im  Anschluß  an  Tu- 
berkulose und  Karzinom. 

E.  F.  M  ĂŒ  1 1  e  r  -  Hamburg:  Die  Bedeutung  des  Streptococcus 
viridans  fĂŒr  die  Aetiologie  der  Endocarditis  lenta 

Vortr.  hat  im  Gegensatz  zu  Kuczynski  den  Uebei  gang  hÀmo- 
lytischer Streptokokken  .in  Viridans  nicht  feststellen  können.  Die 
Konstanz  der  ViridansĂ€tiologie  fĂŒr  die  Endocarditis  lenta  hat  sich 
weiter  bestĂ€tigt.  Schließlich  hat  Vortr.  die  Kuczynski  sehen  Ver- 
suche ĂŒber  die  fehlende  Bindung  durch  das  eigene  Krankenserum 
nicht  bestÀtigen  können  Der  K.sche  Stamm  wird  nicht  als  ein  cha-. 
rakteristischer  Viridans  angesprochen.  Die  Umwandlung  des  HĂ€mo- 
lytikus  in  Viridans  wird  nicht  anerkannt,  sondern  d'ie  SelbstÀndigkeit 
der  Lenta  in  Uebereinstimmung  mit  SchottmĂŒller  betont. 

Besprechung:  Kaemmerer-  MĂŒnchen  hat  sichere 
LentafÀlle  hervorgerufen  durch  einen  Mikrokokkus  der  Katarrhalb- 
gruppe beobachtet. 

L  o  e  w  e  nh  a  r  d  t  -  Berlin:  An  der  U  m  b  e  r  sehen  Klinik  vorge- 
nommene Untersuchungen  ĂŒber  Streptococcus  viridans  bestĂ€tigten 
seine  Ă€tiologische  Bedeutung  in  allen  typischen  (S  c  h  o  1 1  m  ĂŒ  1 1 1  e  r- 
schen)  FĂ€llen  Dem  Streptococcus  viridans  kommt  aber  noch  eine 
viel  weitergehende  Àtiologische  Bedeutung  zu.  er  fand  sich  z.  B.  bei 
Polyarthritis  acuta  infectiosa,  akuter  Sepsis.  Herdnephritis  u.  a.  Ob 
diese  FĂ€lle  als  FrĂŒhformen  einer  spĂ€teren  Endocarditis  lenta  anzu- 
sehen sind  muk  die  weitere  jahrelange  Beobachtung  lehren. 

R.  Koch-  Frankfurt  a.  M.:  Arsenbehandlung  septischer  ZustÀnde. 

Es  empfiehlt  sich  bei  der  Behandlung  septischer  ZustÀnde, 
Arsenkuren  regelmĂ€ĂŸig  anzuwenden.  Man  kann  z.  B.  intramuskulĂ€re 
Injektionen  von  kakodylsaurem  Natron  genau  wie  bei  der  Behand- 
lung von  AnÀmien  benutzen,  ^fan  sieht  dabei  recht  Schwerkranke 
genesen. 

Besprechung:  A  I  e  x  a  n  d  e  r- Berlin  fand  bei  den 
schweren  Grippen  1918  das  Arsen  nĂŒtzlich. 

S  c  h  ĂŒ  r  e  r  -  MĂŒlheim:  Ueber  Pathogenese  und  Therapie  der 
BazillentrÀger. 

Es  gibt  keine  völlig  gesunden  Bazillenausscheider.  Es  finden 
sich  immer  noch  entzĂŒndliche  VerĂ€nderungen,  sei  es  bei  Diphtherie 
im  Rachen  oder  bei  Ruhr  im  Darm.  Manchmal  fehlen  klinische 
Symptome  völlig,  meist  besteht  Schleimausscheidung  oder  spastische 
Obstipation.  Ebenso  sei  die  chronische  Cholezystitis  bei  Typhus 
abdominalis  nicht  die  Folge,  sondern  die  Ursache  der  Daueraus- 
jeheidung.  Das  gleiche  gilt  fĂŒr  die  Gonorrhoe.  Die  Behandlung  mit 
Desinfizienten  auf  den  entzĂŒndeten  SchleimhĂ€uten  verspricht  keinen 
Erfolg,  vielmehr  muß  die  Heilung  der  EntzĂŒndung  angestrebt  werden, 
soweit  angÀngig  chirurgisch  (Tonsillenenifernung  bei  Diphtherie, 
Gallenblasenexstirpation  bei  Typhus  abdominalis). 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


Besprechung.  David-  Halle  hat  fĂŒr  die  Behandlung  da 
Typhus  abdominalis-Ausscheider  große  Ozonmengen  in  den  Darm 
mit  bestem  Erfolg  angewandt. 

E  1  k  e  1  a  s  fragt,  wie  die  S-ch  irr  e  r  sehe  Anschauung  in  lieber  - 
emstimmung  zu  bringen  ist  mit  der  Erfahrung,  daß  es  BazillentrĂ€ge] 
und  Ausscheider  gibt,  die  nie  krank  gewesen  sind. 

Boenniger  wendet  sich  gegen  die  chirurgische  Behandlung 
der  Dauerausscheider  und  empfiehlt  die  parenterale  Eiweißzufuhr 

SchĂŒrer  (Schlußwort). 

T  h  o  m  a  -  Freiburg :  Experimentelle  und  klinische  Beobachtungen 
zur  KieselsÀuretherapie  bei  akuten  und  chronischen  Infektionskrank- 
heiten. 

Das  injizierte  kolloidale  fein  disperse  PrÀparat  wirkt  wohl  nui 
ĂŒber  dem  Wege  der  Plasmaakti.vierung.  Eine  gĂŒnstige  Beein- 
flussung der  Phthise  lĂ€ĂŸt  sich  auf  diese  Weise  nicht  erreichen.  Da- 
gegen ist  ein  guter  Erfolg  bei  akuten  Infektionskrankheiten  Àhnlich 
wie  bei  Protemkörpertherapie  zu  erreichen. 

T  o  e  n  n  i  s  s  e  n  -  Erlangen:  lieber  die  Verwendung  eines  aus 
Tuberkelbazillen  gewonnenen  Eiweißkörpers  zur  spezifischen 
Diagnostik  der  Tuberkulose. 

Aus  den  Tuberkelbazillen  wird  ein  freies  Protein  chemisch  rein 
dargestellt.  Die  negative  Reaktion  ist  vorhanden,  wenn  auch  bei 
wiederholten  Einspritzungen  keinerlei  Reaktion  irgendwelcher  Art  ein- 
tritt. .  Die  leichteste  positive  Reaktion  besteht  nur  in  Hautreaktion 
auch  bei  wiederholter  Einspritzung:  nicht  behandlungsbedĂŒrftige 
FĂ€lle.  Bei  der  2.  Form  tritt  nach  der  ersten  Einspritzung  eine  Haut- 
reaktion, bei  der  zweiten  Fieber  auf:  behandlungsbedĂŒrftige  gĂŒnstige 
FĂ€lle.   Die  3.  Form  reagiert  sofort  mit  Fieber. 

Besprechung:  Jastrowitz  arbeitet  mit  Abbauprodukten 
von  Tuberkelbazillen.  Es  zeigte  sich,  daß  der  Albumosenfraktion  noch 
erhebliche  Wirkung  anhaftete.  Abiuretische  Fraktionen  erwiesen  sich 
als  nicht  wirksam. 

Mendel-  Berlin.  Die  intravenöse  Anwendung  der  Phenylchino- 
linkarbonsĂ€ure,  zugleich  ein  Wort  zur  Lehre  der  HeilentzĂŒndung. 

Atophan  ist  kein  Gichtmittel,  sondern  seine  Wirkung  wird  durch 
den  Leukozytenzerfall  bedingt. .  Es  handelt  sich  um  eine  ent- 
zĂŒndungshemmende Wirkung  jeglicher  Aetiologie.  Die  Stauung  kam 
nicht  als  eine  Art  kĂŒnstlicher  EntzĂŒndung  angesehen  werden,  sie  ist 
vielmehr  entzĂŒndungshemmend.    In  gleichem  Sinne  wirkt  Atophan. 

Besprechung:  Ulimann  -  Berlin.  Die  Befunde  Mendel*- 
scheinen  von  großer  Bedeutung  erstens  mit  RĂŒcksicht  auf  die  Leuko- 
zytentheorie  Horbaczewskis,  ferner  im  Hinblick  auf  eigene 
Versuche:  HarnsÀurevermehrung  nach  subkutanen  Adrenalingaben 
nach  drei  Atophantagen. 

Za  d  e  k  -  K  o  rb  a  si  ew  i  c  z  -  Berlin-Buckow  :  Gesamtblut  und 
Eiweißbestimmung  bei  Morbus  Biermer. 

(rotes  megaloblastisches  Mark)  und  in  der  Remission  (gelbes  Fett- 
(rotes  megaloblastisches  Mark-  und  in  der  Remission  (gelbes  Fett- 
mark).  Die  Gesamtblutmenge  ist  im  Koma  erhöht,  weniger  in  der 
Remission,  wÀhrend  im  Vollstadium  keine  erhebliche  Abweichung 
von  der  Norm  besteht.  Es  handelt  sich  um  eine  OligozythÀmie,  nicht 
eine  OligĂ€mie,  ferner  mĂŒssen  fĂŒr  alle  Angaben  die  Stadien  berĂŒck- 
sichtigt werden.  Es  besteht  absolut,  bezogen  auf  das  Körpergewicht, 
reine  Hypalbuminose. 

Kaznelson  -  Prag :  Zur  BlutplÀttchenentstehung. 

Es  gibt  zwar  Bilder,  die  die  Schilling  sehe  Theorie  der 
PlĂ€ttchenentstehung  aus  roten  Blutkörperchen  zu  stĂŒtzen  scheinen. 
Im  ĂŒbrigen  aber  sprechen  klinische  Erfahrungen  und  theoretische  Er- 
wÀgungen gegen  diese  Annahme. 

Besprechung:  Steiner  -  Wien  bestÀtigt  die  K.schen  An- 
gaben. 

G  u  h  r  -  Tatra-Polianka:  Verlauf  der  Basedowschen  Krank- 
heit im  Gebirge. 

Bei  1200  FÀllen  wirkte  das  Höhenklima  vielfach  heilend,  hÀufig 
bessernd.  Es  besteht  eine  Krankheitsbereitschaft,  die  in  jedem  Alter 
zum  Ausbruch  der  Krankheit  fĂŒhren  kann.  Es  muß  Prophylaxe  ge- 
trieben werden,  wozu  sich  Höhenklima  und  Freilichtkur  empfiehlt. 

H  e  i  n  z  -  Erlangen:  Einwirkungen  auf  das  Blutbildungsgewebe, 
Erythroblasten-,  Leukoblasten-  und  Lymphoblastengewebe. 

Alle  Schwermetalle  reizen  das  Blutgewebe.  Es  besteht  eine 
physikalische,  vielleicht  auch  eine  chemische  AffinitÀt.  Der  Reizung 
folgt  spÀter  eine  Degeneration  des  Erythro-  und  Leukoblastengewebes. 
Kollargol  macht  eine  Leukozytose  nach  vorhergehender  kurzei 
Leukopenie.  Dabei  kann  man  die  Entstehung  der  PlÀttchen  aus 
Leukozyten  beobachten.  Stark  wirken  die  Àtherischen  Oele.  Viel 
schwerer  zu  reizen  ist  das  Lymphoblastengewebe.  Es  gelingt  mit 
Abrin  und  LymphdrĂŒsenextrakt. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arzles 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 

Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm -Stra&e  20  /  Fernsprecher:  Liitzow  9057 

Nr.  24/25  Berlin,  den  21.  Juni  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Verlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  wer. 


Aus  dem  Institut  fĂŒr  Sexualwissenschaft,  Berlin.) 

Körperbau  und  psychosexueller  Charakter. 

Von  Dr.  Arthur  Weil. 

Unter  dem  Titel  „Körperbau  und  Charakter"  hat  Ernst 
K  retschme  r  vor  etwa  einem  Jahre  ein  Buch  geschrieben, 
das  zum  Teil  in  den  Kreisen  der  Àlteren  Aerztegeneration 
Ebenso  Ablehnung  fand,  wie  es  von  einem  großen  Teil  an- 
derer Forscher  mit  Enthusiasmus  begrĂŒĂŸt  wurde  (1). 
lr  et  schmer  wagt  hier  nach  jahrzehntelangem  Still- 
slande ein  Problem  wieder  aufzurollen,  das  seit  der  „physio- 
gnomica"  des  Aristoteles  immer  wieder  den  Arzt,  der 
gelernt  hat,  nicht  nur  auf  Ă€ußere  Krankheitssymptome  zu 
achten,  sondern  sich  tiefer  in  das  Wesen  seiner  Patienten 
hinein  zu  vertiefen,  beschÀftigte,  nÀmlich  die  Frage  inwieweit 
seelische  Veranlagung  und  Körperbeschaffenheit,  Psyche  und 
Konstitution  einander  bedingen.  Kretschmer  fĂŒhrt  den 
Beweis,  daß  die  beiden  großen  Gruppen  von  Psychosen,  die 
Dementia  praecox  und  das  manisch-depressive  Irresein,  so- 
wie die  parallelen  UebergÀnge  von  den  normalen  Durch- 
schnitten zu  beiden  (der  schizoide  und  zykloide  Charakter) 
in  ĂŒber  zwei  Drittel  aller  FĂ€lle  mit  einem  bestimmten  Körper- 
bautypus zusammenfallen,  und  zwar  bei  der  ersten  Gruppe 
mit  dem  asthenischen  und  athletischen,  bei  der  zweiten 
Gruppe  mit  dem  pyknischen. 

Ich  selbst  habe  mich  im  Anschluß  an  Arbeiten  von 
Magnus  H  i  r  s  c  h  f  e  1  d  (2)  mit  der  Frage  beschÀftigt,  ob 
solche  Parallelen  nicht  auch  zwischen  bestimmten  Sexual- 
typen, die  ja  auch  auf  das  Innigste  mit  der  sonstigen  psy- 
chischen Persönlichkeit  verbunden  sind,  und  einem  bestimm- 
ten Körperbau  nachzuweisen  wÀren.    An  dem  tÀglich  sich 

^vermehrenden  Material,  das  mir  im  Laufe  der  letzten  beiden 
Jahre  zur  VerfĂŒgung  stand,  konnte  ich  in  der  Tat  mich  selbst 

‱davon  ĂŒberzeugen,  daß  bei  bestimmter  psychosexueller  Ver- 
anlagung auch  immer  wieder  in  der  ĂŒberwiegenden  Mehrzahl 
der  FÀlle  ein  bestimmter  Körperbau  typisch  nachzuweisen 

;Sein  wird.  Ich  möchte  dies  zunĂ€chst  an  drei  großen  Gruppen 
beweisen:  an  den  psychosexuellen  Infantilen, 
den  Homosexuellen  und  der  großen  Gruppe  der  M  e  - 
tatropen.  lieber  das  Wesen  des  psycho-sexuellen  Infanti- 
lisnuis  hat  sich  Kronf  el  d  (3)  jĂŒngst  in  einer  eingehenden 
Monographie  geĂ€ußert,  allerdings  mehr  ĂŒber  die  psychische 
Seite  dieses  Problems.  Ich  hatte  Gelegenheit,  aus  der  forensi- 
schen GutachtertÀtigkeit  des  Institutes  etwa  10  solcher  FÀlle 
kennen  zu  lernen,  von  denen  7  die  unverkennbaren  Zeichen 
der  körperlichen  Entwicklungsstörungen,  des  Stehenbleibens 
auf  kindlicher  Entwicklungsstufe  erkennen  ließen.  Es  waren 
kleine  grazil  gebaute  Menschen,  von  etwa  159  cm  Stand - 
»nge  im  Durchschnitt  mit  LÀngenproportionen,  die  zum  Teil 
BebergÀnge  zum  Enuchoidismus  darstellten,  mit  schmalem, 
flachem  Brustkorb,  mit  grazilen  Bippen,  kleinem  unent- 
wickeltem Becken,  schwacher  Körperbehaarung;  der  SchÀdel 
entsprach  in  seiner  GesamtgrĂ¶ĂŸe  und  den  einzelnen  Maßen 
ebenfalls  diesen  kindlichen  Körperformen.  Im  Gegensatz 
hierzu  war  das  Genitale  oll  ĂŒberraschend  gut  entwickelt;  in 
einem  Falle,   den   ich   mikroskopisch   untersuchen  konnte, 

.waren  die  Testes  gut  ausgebildet  in  voller  Spermatogenese 
hei  gut  entwickelten  Leydigzellen;  bei  zwei  anderen  dagegen 
bestand  Azoospermie,  eine  Erscheinung,  die  auch  Hirsen  - 
feld  hei  diesen  FĂ€llen  wiederholt  beschrieben  hat.  Die 
SchilddrĂŒse  war  meistens  gut  tastbar,  in  einem  Falle  war 
eine  Thymus-Hyperplasie  perkutorisch  nachzuweisen.  Dem 


somatischen  Hilde  entsprach  meistens  auch  das  psychische 
Verhalten:  eine  mĂ€ĂŸig  entwickelte  Intelligenz  mit  Ueber- 
gÀ ngen  bis  zur  ImibeciUitÀt. 

Tabelle  I. 

Körperbautypen  bei  psychosexuellem  Infantilismus. 


Stand- 

Ober- 

Unter- 

Schulter- 

HĂŒft- 

lÀnge 

lÀnge 

lÀnge 

breite 

breite 

cm 

cm 

cm 

cm 

cm 

1. 

156 

69 

87 

33 

27 

2. 

164 

76 

88 

35 

29 

3. 

154 

80 

74 

37 

27 

4. 

153 

78 

75 

36 

31,5 

5. 

156 

77 

79 

37,5 

30 

6. 

152 

78 

74 

35 

30 

7. 

169 

79 

90 

38 

31 

8. 

165 

80 

85 

36 

27 

9. 

154 

77 

77 

34 

30 

10. 

163 

80 

83 

37 

30 

Durchschnitt  158,6 

77,4 

81,2 

35,8 

29,2 

Normaler  mÀnnlicher 
Durchschnitt 

167 

85 

82 

39,3 

31,8 

Die  zweite  Gruppe,  bei  der  sehr  oft  dieser  Parallelismus, 
die  Abweichung  von  dem  normalen  Durchschnittsmaß,  in  die 
Augen  fÀllt,  ist  die  HomosexualitÀt.  Wie  bei  jeder  biolo- 
gischen Variation  wird  auch  hier  selbstverstÀndlich  die  Ge- 
setzmĂ€ĂŸigkeit nicht  in  100  Prozent  aller  FĂ€lle  nachzuweisen 
sein,  sondern  ĂŒber  eine  große  Variationsbreite  werden  sich 
die  Abweichungen  von  dem  normalen  Durchschnitt  ĂŒber 
den  Typus  bis  zu  einem  anderen  Extrem  verfolgen  lassen. 
Dies  Extrem  ist,  worauf  auch  schon  Kretschmer  in 
seinem  zitierten  Buche  hinweist,  der  Eunuchoidismus.  Ihm 
war  es  aufgefallen,  daß  er  unter  den  schizoid  Veranlagten 
verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  oft  abnorme  oder  nicht  eindeutig  fixierte 
Triebrichtungen  antraf,  homosexuelle  Neigungen,  psychischen 
Virilismus  und  Feminismus;  infantile  GefĂŒhlseinstellungen 
waren  noch  bis  ĂŒber  die  PubertĂ€t  hinaus  nachweisbar,  eine 
durchschnittlich  geringere  Triebsicherheit  des  Sexualtriebes 
war  ihnen  eigentĂŒmlich,  die  bisweilen  mit  TriebschwĂ€che 
und  teilweiser  Lieberreizung  einherging.  Wie  wir  oben  sahen, 
beschreibt  Kretschmer  als  charakteristisch  fĂŒr  den  Kör- 
perbau des  Schizophrenen  und  des  schizoiden  Temperaments 
den  asthenischen  und  athletischen  Typ,  der  in  einzelnen  FĂ€l- 
len mit  eunuchoiden  Proportionen  verbunden  war.  —  Bei  der 
großen  Mehrzahl  der  von  mir  bis  jetzt  untersuchten  FĂ€lle 
von  HomosexualitÀt  (etwa  300)  konnte  ich  nun  bei  etwa 
70  Prozent  den  lang  aufgeschossenen,  schlanken,  asthenischen 
Typ  nachweisen,  der  mit  nur  wenigen  Ausnahmen  gleich- 
zeitig mit  eunuchoiden  Proportionen  des  Skeletts  verbunden 
war.  Die  ersten  Untersuchungen  hierĂŒber  habe  ich  bereits 
ausfĂŒhrlicher  an  anderen  Stellen  veröffentlicht  (6);  hier 
möchte  ich  zur  ErlĂ€uterung  wieder  eine  kurze  Uebersicht  ĂŒber 
300  FĂ€lle  folgen  lassen.  Dadurch,  daß  ich  unregelmĂ€ĂŸige 
Gruppen  zusammengestellt  habe,  wird  durch  die  gut  ĂŒber- 
einstimmenden Zahlen  am  besten  bewiesen,  daß  hier  eine 
biologische  GesetzmĂ€ĂŸigkeit  vorliegt. 

Es  entsteht  jetzt  die  Frage,  wie  diese  Dysproportionen 
in  den  Körperm assen  zu  deuten  sind:  Haben  wir  es  hier  mit 
einem  partiellen  Infantilismus  zu  tun,  einem  Ausfall  der  nach 
der  PubertĂ€t  einsetzenden  Hemmung  der  KeimdrĂŒsen  auf  das 
Knochenwachstum  oder  einem  Uebermaß  in  der.  TĂ€tigkeit  der 
wachstumsfördernden  DrĂŒsen,  also  auch  wieder  einer  Art 
von  partiellem  Infantilismus?  Wichtig  scheint  mir  in  die- 
sem Zusammenhange  zur  KlÀrimg  der  Frage  eine  Beobach- 


1 


424 


Tabelle  IL 
Körperbautypen  bei  mÀnnlichen  Homosexuellen. 
Proportionen 


StandlÀnge 

Ober- 
lÀn 

Unter- 
ge 

Schulter-  HĂŒft- 
breite 

cm 

cm 

cm 

cm 

cm 

Nr.    1—  82 

172 

83 

8Q 

ov 

38,5 

32,3 

„  83—130 

171,5 

84 

87,5 

39,3 

32,9 

„  131—220 

170 

83 

87 

38,5 

32 

„  221-300 

172 

83 

89 

38,2 

32,3 

Durchschnitt 

171,4 

83,3 

88,1 

38,6 

32,4 

Normaler  mÀnnlicher 
Durchschnitt .  . 

167 

85 

82 

39  3 

31,8 

Nr.  1  82 

83—130 

131—220 

221-  300 

Normal 

OberlÀnge  :  Unter- 
lÀnge =  100  : 

107 

104 

105 

109 

97 

Schulter :  HĂŒft- 
breite  =  100: 

84  5 

83  7 

83,2 

84,5 

81 

tung  zu  sein,  die  wohl  in  Laienkreisen  lange  bekannt,  aber 
in  ihrer  Bedeutung  noch  nicht  gewĂŒrdigt  worden  ist;  man 
findet  nÀmlich  bei  den  Homosexuellen  sehr  hÀufig  eine  von 
dem  sonstigen  Durchschnitt  abweichende  Beschaffenheit  der 
Haut,  eine  stÀrkere  Durchblutung,  die  eine  höhere  Haut- 
lemperatur  bedingt,  eine  leichtere  Ansprechbarkeit  der  Kapil- 
laren auf  psychische  Reize  und,  durch  die  verÀnderte  Blut- 
versorgung bedingt,  eine  weichere,  frauenhaft  zartere  Haut. 
Dieser  gesteigerten  sympathischen  Erregbarkeit,  die  so  in 
einem  einzelnen  Symptom  Ă€ußerlich  zum  Ausdruck  kommt, 
entspricht  auch  die  Reaktionsweise  des  gesamten  Nerven- 
systems. Es  sind  meistens  leicht  erregbare,  sensible,  affekt- 
betonte Menschen;  die  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  oft  an  Erschöpfungs- 
zustÀnden des  Nervensystems  leiden;  Stimmungsmenschen, 
die  auf  die  geringsten  Reize  mit  heftigsten  Erregungen  rea- 
gieren. Ein  Àhnliches  Zustandsbild  finden  wir  bei  der  Base- 
dowschen Krankheit  wieder,  der  Erkrankung  der  Schild- 
drĂŒse,  die  wir  uns  heute  durch  ein  Uebermaß  von  Inkret- 
Absonderungen  erklÀren;  auch  bei  dieser  Krankheit  finden 
wir  die  gesteigerte  Erregbarkeit  des  gesamten  Nervensystems, 
die  ja  auch  das  psychische  Verhalten  in  der  bekannten  Weise 
beeinflußt.  Diese  Erkenntnisse  vor  Augen,  kann  man  leicht 
zu  der  Hypothese  kommen,  daß  auch  die  homosexuelle  Kon- 
stitution, der  asthenische  Typ  mit  eunuchoiden  Proportionen, 
ihre  innere  Ursache  in  solchen  VerÀnderungen  der  inneren 
Sekretion  haben  könne,  entweder  in  einem  Versagen  der 
KeimdrĂŒsentĂ€tigkeit  (dies  wĂŒrden  jene  FĂ€lle  von  Anandri- 
nismus,  von  Hodenatrophie  usw.  sein),  die  dann  gleichzeitig 
den  typischen  Fettansatz  aufweisen,  oder  durch  ein  Ueber- 
wiegen  der  wachstumsfördernden  DrĂŒsen,  bei  sonst  durch- 
schnittlicher KeimdrĂŒsentĂ€tigkeit  (jene  FĂ€lle,  bei  denen  grob 
anatomisch  und  histologisch  keine  VerÀnderungen  der  Testes 
nachzuweisen  sind),  bei  denen  wir  aber  auf  eine  Schild- 
drĂŒsen- oder  HypophysenĂŒberfunktion  aus  dein  oben  ge- 
schilderten Bilde  schließen  können.  Die  psycho-analytische 
Schule  hat  die  HomosexualitÀt  durch  ein  Stehenbleiben  der 
SexualitÀt  auf  kindlicher  Entwicklungsstufe  zu  erklÀren  ver- 
sucht, eine  starke  Fixierung  an  Vater  oder  Mutter,  Puber- 
tĂ€tserlebnisse, die  nicht  ĂŒberwunden  werden  konnten,  da  die 
psychosexuelle  Reife  nicht  eintrat.  Gibt  es  nicht  zu  denken, 
wenn  man  —  diesen  psychosexuellen  Infantilismus  vor- 
ausgesetzt —  auch  in  der  ĂŒbergroßen  Mehrzahl  der  FĂ€lle 
diesen  somatischen  Infantilismus  findet,  keinen  allgemeinen, 
sondern  einen  partiellen:  Hemmung  der  KeimdrĂŒsentĂ€tigkeit 
oder  Uebermaß  der  wachstumsfördernden  DrĂŒsen?  Diese 
Ueberlegungen  wĂŒrden  auch  nicht  gegen  jene  Theorien 
sprechen,  die,  ausgehend  von  der  bisexuellen  Anlage  des 
Menschen,  in  der  HomosexualitĂ€t  den  Ausdruck  dafĂŒr  sehen, 
daß  nicht  wie  beim  Vollmann  oder  beim  Vollweibe  die  eine 
Komponente  nicht  zur  Entwicklung  gelangte;  die  oben  be- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  21  25. 


schriebenen  Abweichungen  der  Proportionen,  Schulter  zur 
HĂŒftbreite  nach  der  femininen  Seite  hin,  wĂŒrden  fĂŒr  diese 
GedankengĂ€nge  sprechen.  —  So  wĂŒrde  also  dieser  Parallelis- 
mus zwischen  Eunuchoidismus  (partieller  körperlicher  Infan- 
tilismus) und  homosexueller  Triebrichtung  (partieller  psycho- 
sexueller  Infantilismus)  wieder  auf  eine  GesetzmĂ€ĂŸigkeit  hin- 
deuten, wie  wir  sie  schon  an  dem  ersten  Beispiel  kennen  ge- 
lernt hatten. 

Die  dritte  Gruppe,  die  heute  in  den  Kreis  unserer  Be- 
trachtung gezogen  werden  soll,  sind  die  Metatropen.  Wir 
verstehen  darunter  mit  Hirschfeld  die  Umkehrung  der 
seelischen  Eigenschaften,  die  sonst  Mann  und  Weib  vonein- 
ander scheiden:  den  passiven,  der  Frau  sich  unterordnenden 
Mann,  der  von  ihr  beherrscht  oft  gepeinigt  sein  will  und  die 
aktive,  dem  Manne  befehlende  Frau,  die  ihn  leitet  und  zĂŒch- 
tigt. Wer  Gelegenheit  gehabt  hat,  viele  metatrope  Eheleute 
kennen  zu  lernen,  erstaunt  immer  wieder,  wie  gleichsam 
instinktiv,  ohne  daß  wohl  das  rein  VerstandesmĂ€ĂŸige  dabei 
eine  wesentliche  Rolle  spielte,  sich  die  zu  einander  passenden 
Sexualcharaktere  paaren:  der  weichliche,  feminine  Mann  mit 
der  energischen,  virilen  Frau.  Sehr  oft  sah  ich  den  grazil 
gebauten  Mann,  der  Ende  der  zwanziger  Jahre  noch  einen 
fast  unbehaarten  Körper  besitzt,  weiche  Formen  mit  abge- 
rundeten Linien  zeigt  und  sein  GegenstĂŒck,  die  oft  ĂŒber 
1(55  cm  große,  derbknochige  Frau  mit  der  mĂ€nnlichen  Stimme, 
der  massigen  Muskulatur,  miteinander  verbunden.  Dem 
letzteren  Typus  gehört  auch  oft  die  virile  weibliche  Homo- 
sexuelle an:  schlanke,  hagere  Gestalten  mit  flachen  BrĂŒsten, 
schmalen  HĂŒften,  energischen,  scharf  herausgearbeiteten  Ge- 
sichtszĂŒgen, die  wir  als  metatrop  bezeichnen  mĂŒssen,  wenn 
wir  in  ihr  nur  den  Typus  „Weib"  sehen,  deren  sexuelles  Verl 
halten  als  Urninde  aber  ihrer  mÀnnlichen  Eigenart  entspricht: 
die  herrschende,  fĂŒhrende  Persönlichkeit  der  geliebten  Frau, 
gegenĂŒber;  im  tĂ€glichen  Leben  die  aktive,  selbstĂ€ndige  Be- 
amtin, die  energische  GeschÀftsfrau;  in  der  Ehe  das  Ideal 
des  metatropen  Mannes,  das  Verderben  des  Heterosexuellen, 
dem  die  kalte,  frigide  Frau  nicht  das  geliebte  Weib  sein  kann. 
—  Die  Androgynie  beim  Manne  (Auftreten  weiblicher  Sexus- 
zeichen) und  Gynandrie  bei  der  Frau,  die  wir  mit  Metatro- 
pismus  verbunden  finden,  prÀgen  sich  oft  nur  isoliert  in  ein- 
zelnen somatischen  Abweichungen  aus:  bei  MĂ€nnern  ist 
hĂ€ufig  auffallend  eine  weiche  LinienfĂŒhrung  des  unbehaarten 
Körpers  bei  wenig  herausgearbeiteter  Muskulatur,  GynÀko- 
mastie;  bei  Frauen  starke  Körperbehaarung,  hagere  Formen 
mit  einem  sich  dem  mÀnnlichen  Durchschnitt  nÀhernden 
VerhĂ€ltnis  der  Schulter-  zur  HĂŒftbreite.  Hirschfeld  hat 
schon  diese  körperlichen  Unterschiede  zwischen  weiblich  ge- 
arteten MÀnnern  und  mÀnnlich  gearteten  Frauen  in  dem 
II.  Bande  seiner  Sexuelpathologie  ausfĂŒhrlich  tabellarisch 
zusammengestellt,  so  daß  sich  hier  ein  weiteres  Eingehen 
darauf  erĂŒbrigt.  Ich  fĂŒge  zum  Schluß  noch  aus  meinen 
Aufzeichnungen  eine  Uebersicht  ĂŒber  die  Körperformen  von 
10  virilen  Frauentypen  an,  um  die  Abweichungen  von  dem 
Durchschnitt  besser  zum  Ausdruck  zu  bringen. 

Tabelle  III. 


Körperbautypen  bei  virilen  Frauen. 


Stand- 

Ober- 

Unter- 

Schulter- 

HĂŒft- 

lange 

lÀnge 

lÀnge 

breite 

breite 

cm 

cm 

cm 

cm 

cm 

1. 

173 

83 

90 

39 

30 

2. 

153 

74 

79 

33 

33 

*  3. 

161 

82 

79 

34 

33 

4. 

164 

77 

87 

36 

33 

' ;  5. 

157 

80 

77 

36 

31 

6. 

160 

81 

79 

37 

33 

7. 

160 

78 

82 

37 

36 

8. 

163 

77 

86 

37 

35 

9. 

164 

78 

86 

37 

32 

10. 

166 

83 

83 

35 

32 

Durchschnitt 

162,1 

79,3 

82,8 

36,1 

32,8 

Normaler  weiblicher 
Durchschnitt 

154 

79 

75 

35 

34 

MĂ€nnlicher  Durch- 
schnitt 

167 

85 

82 

39,3 

31,8 

Weil:  Körperbau 


40.  Ja  Inj;. 


Nr.  24  25. 


Wohlgemuth:  Appendizitis  und  AbfĂŒhrmittel 


425 


L  i  t  er  a  t  n r 

l  Ernsl  Kr  et  schmer,  Körperbau  und  Charakter.  Berlin 
1921. 

2.  Magnus  Hirsch  feld,  Sexualpathologie.  Bonn  1917—1920. 
;'».  Arthur  Kronfeld:  Ueber   psychosexuellen  Infantilismus. 

Sammlung  Sexus.    Bern  1921. 
I   S.  Weißenberg:  Das  Wachstum  des  Menschen.  Stutl 

garl  1911. 

.").  Hermann  Vierordt:  Anatomische,  physiologische  und 
physikalische  Daten  und  Tabellen.    Jena  1906. 

6.  Arthur  Weil:  Archiv  fĂŒr  Entwicklungsmechanik  der  Orga- 
nismen, Bd.  49,  538.  1921.  Zeitschrift  fĂŒr  Sexualwissen 
schaft,  Bd.  8,  Heft  5.  1921. 


Aus  der  II.  chirurgischen  Abteilung  des  Rudolf  Yirchow-Kranken- 
hauses  Berlin  (Dirigierender  Arzt:  Prof.  Unger. 

Appendizitis  und  AbfĂŒhrmittel. 

Von  Dr.  Kurt  Wohlgemuth,  Oberarzt. 

Eine  Reihe  von  AppendizitisfÀllen,  deren  schwerer  Vor- 
auf und  teilweise  unglĂŒcklicher  Ausgang  auf  die  Darreichung 
on  AbfĂŒhrmitteln  zurĂŒckzufĂŒhren  ist,  geben  Veranlassung, 
auf  die  Gefahren  dieser  unzweckmĂ€ĂŸigen  Behandlung  hinzu- 
eisen.    Zwar  wird  in  allen  LehrbĂŒchern  nicht  nur  der 
hirurgie,  sondern  auch  der  inneren  Medizin  und  der  Phar- 
makologie darauf  hingewiesen,  daß  bei  peritonitischen  Reiz- 
erscheinungen die  Anwendung  von  AbfĂŒhrmitteln  durchaus 
kontraindiziert  ist;  und  doch  wird  in  der  Praxis  zum  Scha- 
den der  Patienten  hĂ€ufig  gegen  diese  Vorschrift  verstoßen. 
Einen  guten  Teil  Schuld  an  dieser  falschen  Behandlung  trÀgt 
vielleicht  eine  hĂ€ufig  mißverstandene  Aeußerung  Sonnen- 
burg's;  er  schreibt  in  seiner  „Pathologie  und  Therapie  der 
Perityphlitis"  (1913):  „Solange  bei  der  Appendicitis  acuta  das 
Peritoneum  sich  nicht  beteiligt,  die  entzĂŒndliche,  in  diesem 
alle  meist  katarrhalische  Erkrankung  sich  im  Innern  der 
ppendix  abspielt  und  nachweisbar  an  eine  zu  gleicher  Zeit 
estehende  Enteritis  oder  Kolitis  anschließt,  solange  liegt  kein 
Grund  vor,  diese  Erkrankung  nach  anderen  GrundsÀtzen  zu 
behandeln,  als  denjenigen  der  anderen  Darmabschnitte,  d.  h. 
mit  AbfĂŒhrmitteln."    Der  erste  Teil  dieses  Satzes  wird  nun 
hĂ€ufig  ĂŒbersehen  oder  nicht  genug  gewĂŒrdigt  und  die  Grund- 
bedingungen, unter  denen  Sonnenburg  eine  solche  Ab- 
fĂŒhrbehandlung  zulĂ€ĂŸt,   nĂ€mlich   das   Fehlen  peritonealer 
Reizerscheinungen  und  der  zeitliche  Anschluß  an  eine  Entero- 
colitis, nicht  beachtet;  außerdem  sollte  diese  Art  der  Behand- 
lung nur  fĂŒr  die  Klinik  Geltung  haben,  wo  wir  „mit  dem 
Messer  in  der  Hand"  abwarten  und  in  jedem  Augenblick  ein- 
greifen können,  wenn  es  erforderlich  wird.  —  Zu  welchen 
schweren  Folgen  die  wahllose  Verabreichung  von  Laxantien 
bei  de/  Appendicitis  fĂŒhren  kann,  sollen  folgende  innerhalb 
von  Vi  Jahren  beobachteten  KrankheitsfÀlle  zeigen: 

Fall  1:  E.  IL,  erkrankt  am  17.  5.  21  mit  plötzlichen  heftigen 
Leibschmerzen,  Erbrechen,  anfÀnglich  Durchfall,  dann  Verstop- 
fung; erhielt  Ricinusöl.  Nach  Krankenhausaufnahme  am  19.  5. 
sofortige  Operation.  Befund:  Appendicitis  gangraenosa  mit  Per- 
foration, lokale  Peritonitis. 

Fall  2:  0.  G.t  am  8.  5.  21  erkrankt  mit  Schmerzen  in  der 
Nabelgegend;  18  Stunden  Stuhl-  und  Windverhaltung;  erhielt  „Ab- 
fĂŒhrmittel". 10.  5.:  Nach  Aufnahme  sofortige  Operation:  Appen- 
dicitis gangraenosa,  dicht  vor  der  Perforation. 

Fall  3:  W.  G.,  30  Stunden  vor  Krankenhausaufnahme  plötz- 
lich erkrankt  mit  starken  Leibschmerzen,  Erbrechen,  Stuhl-  und 
Windverhaltung.  Als  „MagendarmkĂ€tĂ€rrh"  mit  Ricinusöl  be- 
handelt; darauf  Verschlimmerung  des  Zustandes.  30.  7.  21.  Nach 
Einlieferung  sofortige  Operation.  Befund:  Schleimhaut  des  Wurm- 
fortsatzes völlig  destruiert,  Lumen  prall  mit  Eiler  gefĂŒllt. 

Fall  1:  M.  F.,  27.  8.  21,  Krankheitsbeginn  mit  Leibschmer- 
zen, Erbrechen,  Stuhlverhaltung.  Erhielt  am  29.  8.  Ricinusöl. 
31.  8.  Krankenhausaufnahme;  sofortige  Operation:  Appendicitis 
gangraenosa  perforata:  Peritonitis  localis.  10.  9.  Wegen  Ileus 
erscheinungen  Anlegung  einer  Witzeischen  Fistel  am  DĂŒnndarm 
29.  9.  Da  per  anum  Stuhlgang  erfolgt,  operativer  Verschluß  der 
Darmfistel;  dabei  wird  ein  Eilergang  eröffnet,  der  zu  einem 
rechtsseitigen    siibphrenischen    Abszeß    fĂŒhrt      5.    10.  Kotfistel, 


7,  10.  Unter  den  /eichen  der  allgemeinen  Kachexie  Kxitus  Oh 

duklion  nicht  gestattet. 

Fall  5:   II   L.  30  stunden  vor  Krankenhausaufnahme  ei 

krankt   mit   Schmerzen   im   rechten    l'nterbaurh   und  Stuhlverha] 

lung;  nach  Ricinusöl  Durchfall  und  Erbrechen.  6.  IX.  21.  So 
l'ortige  Operation  nach  Aufnahme;  Appendix  völlig  gangraenös, 
Perforation  an  der-  Basis;  ein  Kotstein  frei  in  der  Bauchhöhle 
Peritonitis  localis. 

Fall  0;  II.  M.  Am  7.  10.  21  mit  plötzlichen  heftigen  Leib- 
schmerzen erkrankt.  Seil  11.  10.  Erbrechen;  erhielt  trotz  Diagnose 
„Appendicitis"'  Ricinusöl.  15.  10.  Krankenhausaufnahme;  sofortige 
Operation:  Wurmfortsatz  völlig  gangraenös.  etwa  in  der'  Mitte 
vollkommen  durchtrennt;  großer  jauchiger  subhepatischer 
Abszeß.    IG.  10.  Exitus.    Obduktion:   Peritonitis  diffusa. 

Fall  7:  K.  P.  Erkrankt  in  der  Nacht  vom  30./31.  10.  21 
mit  Leibschmerzen,  Stuhl-  und  Windverhaltung,  bald  darauf  Er- 
brechen; erhielt  Ricinusöl.  1.  11.  Sofortige  Operation  nach  Auf- 
nahme; Appendicitis  gangraenosa;  Gangraen  der  Loecalwand. 

Fall  8:  B.  27.  10.  21  mit  plötzlichen  Leibschmerzen  und 
Stuhlverhaltung  erkrankt;  erhielt  Infus.  Sennae.  29.  X.  Nach 
Aufnahme  sofort  Operation:  Appendicitis  gangraenosa  perforata 

Fall  9:  E.  W.  24  Stunden  vor  Krankenhausaufnahme  mil 
plötzlichen  Leibschmerzen  rechts  unten  und  Erbrechen  erkrankt. 
Nach  Einnehmen  von  Kurella'schem  Pulver  wenig  Stuhlgang. 
15.  10.  21.   Sofortige  Operation:   Appendicitis  gangraenosa. 

Fall  10:  H.  P.  Am  1.  11.  21  plötzlich  erkrankt  mit  Leib- 
schmerzen und  Erbrechen.  Wegen  Verdacht  auf  „Typhus"  Ri- 
cinusöl. Mehrere  Male  SchĂŒttelfrost.  13.  1.  Krankenhausaufnahme. 
Großer  appendicitischer  Abszeß  zu  fĂŒhlen.  Da  2  Stunden  nach 
Aufnahme  SchĂŒttelfrost  auftritt,  Operation:  Eröffnung  des 
Abszesses,  Appendix  nicht  entfernt.  21.  11.  Dauernd  hohes  remit- 
tierendes Fieber,  SchĂŒttelfröste  (Pyaemie);  im  Blut  anhaemoly- 
lische  Staphylococcen.  23.  11.  Operation:  Eröffnung  eines 
Abszesses  in  der  Bursa  omentalis.  15.  12.  Eröffnung  eines 
großen  subhepatischen  Abszesses.  16.  12.  Exitus.  (Obduktion 
verboten.)  — 

Fall  11:  .1.  P.  Am  27.  11.  21  plötzlich  mit  heftigen  Leib- 
schmerzen und  Erbrechen  erkrankt;  erhielt  „Schweizer  Pillen" 
zum  AbfĂŒhren.  .29.  11.  Im  Krankenhaus  sofort  Operation:  Appen- 
dicitis gangraenosa,  Peritonitis  localis,  Gangraen  der  Coecal- 
wand.  12.  12.  Eröffnung  eines  Douglasabszesses. 

Fall  12:  K.  H.  Am  4.  12.  21  mit  Leibschmerzen,  Erbrechen 
und  Stuhlverhaltung  erkrankt.  Erhielt  Ricinusöl  und  „ AbfĂŒhrtee". 
(i.  12.  Nach  Aufnahme  sofortige  Operation:  Appendicitis  gan- 
graenosa mit  Perforation. 

Fall  13:  F.  J.  Am  11.  12.  21  plötzlich  mit  heftigen  Leib- 
schmerzen, Erbrechen  und  Stuhlverhaltung  erkrankt;  erhielt  Ri- 
cinusöl. 13.  12.  Sofortige  Operation:  Appendicitis  gangraenosa 
mit  Perforation;  ausgedehnte  Netzgangraen;  Peritonitis  localis. 
15.  12.  bis  25.  12.  Dauernd  massenhaftes  Erbrechen:  Akute  Ma- 
genlĂ€hmung; durch  MagenspĂŒlen  etwa  alle  3  Stunden  behoben. 

Fall  14;  L.  F.  27.  12.  21  heftige  Stiche  im  rechten  Unterleib 
l'e.belkeit,  Erbrechen.  Erhielt  Ricinusöl.  31.  12.  Operation  sofort 
nach  Aufnahme:  Appendicitis  gangraenosa  perforata:  Peritonitis 
localis;  Kotstein  in  der  freien  Bauchhöhle. 

Fall  15:  H.  S.  27.  12.  21  erkrankt  mit  Leibschmerzen.  Lehel 
keit,  Erbrechen,  Stuhlverhaltung.    31.  12.  Krankenhausaufnahme: 
Faustgroßer  appendizitischer   Abszeß.     5.  1.  22  Eröffnung  des 
Abszesses. 

Fall  10:  R.  M.  Am  3.  1.  22  mit  Leibschmerzen  und  Er- 
brechen erkrankt.  Erhielt  mehrmals  Kurella'sches  Pulver. 
7.  1.  Krankenhausaufnahme  in  desolatem  Zustand;  sofortige 
Operation:  Appendizitis  gangraenosa  perforata;  Peritonitis  diffusa 
purulenta;  ausgedehnte  Netzgangraen.    11.  1.  Exitus. 

Fall  17;  F.  S.  Am  20.  1.  22  mit  Leibschmerzen,  Erbrechen 
und  Stuhlverhaltung  erkrankt.  Ist  10  Tage  (!)  mit  Einlaufen  und 
Ricinusöl  behandelt.  30.  1.  22  Aufnahme  in  allerschwerstem  Zu- 
stand. Sofortige  Operation:  Peritonitis  diffusa  purulenta.  20.  2. 
Plötzlicher  Anfall  von  starkem  Hustenreiz,  Atemnot,  Cyanose 
^Lungenembolie?)  und  Exitus  nach  10  Minuten.  (Obduktion  ver- 
boten.) 

Fall  18;  W.  W.  9.  2.  22  mit  plötzliehen  Schmerzen  im  rechten 
Unterleib  und  Stuhlverhaltung  erkrankt.  Nahm  Ricinusöl.  12.  2 
Operation  sofort  nach  Aufnahme:  Appendizitischer  Abszeß 
23.  2.  Blutig-seröses  Pleuraexsudat;  Atemnot;  Cyanose:  Lungen 
infarkt  (?)    27.  2.  Exitus  (Obduktion  verboten). 

Fall  19:  R.  S.  Am  10.  2.  22  plötzlich  mit  Leibschmerzen  und 
Erbrechen    erkrankt,    Stuhlgang    angehalten;    erhielt  Ricinusöl 


42(> 


Nourney:  Immunbiologie 


40.  Jahrg.  —  Nr.  21  26. 


14.  2.  sofortige  Operation  nach  Aufnahme:  Appendizitis  gangrae- 
nosa perforata;  Gangraen  des  Coeoums;  Kotstein  in  der  freien 
Bauchhöhle;  Peritonitis  localis.  17.  2.  Exitus  (Obduktion  ver- 
boten). 

WĂ€hrend  dieser  Beobachtungszeit  von  9  Monaten  kam  nur  ein 
Fall  in  unsere  Behandlung,  der  trotz  Darreichung  von  AbfĂŒhr- 
mitteln keine  Komplikation  aufwies: 

Fall  20:  E.  B.  22.  7.  21  erkrankt  mit  starken  Schmerzen 
im  rechten  Unterleib.  Erhielt  Bicinusöl.  28.  7.  Krankenhaus- 
aufnahme.   3.  8.  Operation:  Appendizitis  simplex. 

Wir  sehen,  daß  von  diesen  20  FĂ€llen  kein  einziger  den 
beiden  von  Sonnenburg  geforderten  Vorbedingungen  zur 
AbfĂŒhrmittelbehandlung  genĂŒgt.  Die  eine  Forderung,  daß 
der  EntzĂŒndungsprozeß  auf  die  Schleimhaut  begrenzt  ist  und 
noch  nicht  auf  die  Serosa  ĂŒbergegriffen  hat,  ist  in  dem  Fall  20 
erfĂŒllt.  Die  ĂŒbrigen  19  FĂ€lle  zeigen  schon  alle  anamnestisch 
die  Erscheinungen  der  peritonealen  Reizimg,  d.,  h.  also  das 
Uebergreifen  des  entzĂŒndlichen  Prozesses  auf  die  Serosa. 
Diese  FÀlle  hÀtten  alle  sofort  einer  chirurgischen  Behandlung 
zugefĂŒhrt  werden  mĂŒssen;  ihre  Prognose  wĂ€re  dann  eine 
wesentlich  bessere  gewesen. 

Von  diesen  20  FĂ€llen  sind  7  gestorben:  35  %,  ein  er- 
schreckend hoher  Prozentsatz!  In  der  gleichen  Beobachtungs- 
zeit wurden  auf  unserer  Abteilung  noch  126  FĂ€lle  von  Appen- 
dizitis operiert,  die  nicht  mit  AbfĂŒhrmitteln  vorbehandelt 
waren;  von  diesen  starben  nur  4,  das  sind  3,17  %.  Außer 
dem  Fall  20  mĂŒssen  wir  alle  mit  AbfĂŒhrmittel  behandelten 
als  schwere  und  schwerste  Formen  bezeichnen,  die  zum  Teil 
mit  Komplikationen  einhergehen,  die  man  sonst  nur  selten 
sieht.  Von  den  19  angefĂŒhrten  FĂ€llen  handelte  es  sich  1  mal 
um  ein  Empyem  des  Wurmfortsatzes,  4  mal  um  eine  gan- 
graenöse  EntzĂŒndung  dicht  vor -der  Perforation,  14  mal  war 
die  Perforation  bereits  erfolgt;  diese  Perforation  hatte  nur 
3  mal  zu  dem  gĂŒnstigsten  Ausgang,  dem  abgekapselten  Abs- 
zeß, gefĂŒhrt;  dagegen  8  mal  zu  einer  umschriebenen  eitrigen 
Peritonitis  und  2  mal  zur  -freien  diffusen  Peritonitis.  Kot- 
steine wurden  3  mal  in  der  freien  Bauchhöhle  gefunden.  — 
Von  schweren,  grĂ¶ĂŸtenteils  seltenen  Komplikationen  wurden 
bei  diesen  FĂ€llen  beobachtet: 

Subphrenischer  Abszeß  .  " .  .  .1 
Subhepatischer  Abszeß     ....  2 

Douglasabszeß  1 

Abszeß  in  der  Bursa  omentalis  .    .  1 

Pyaemie  1 

Gangraen  des  Coecums  ....  3 
Ausgedehnte  Netzgangraen  ...  2 

Akute  MagenlÀhmung  1 

Lungenembolie  (Infarkt)  ....  2 

Daß  die  angefĂŒhrten  FĂ€lle  einen  so  schweren  Verlauf 
genommen  haben,  ist  kein  zufÀlliges  Zusammentreffen.  Die 
Wirkung  der  AbfĂŒhrmittel  besteht  ja  darin,  daß  sie  einen 
entzĂŒndlichen  Reiz  auf  die  Darmschleimhaut  ausĂŒben,  — 
besonders  wenn  sie  in  grĂ¶ĂŸeren  Dosen  verabreicht  werden 
—  und  daß  sie  die  Peristaltik  anregen.  Es  ist  also  leicht  ver- 
stĂ€ndlich, daß  auf  eine  schon  entzĂŒndete  Darmschleimhaut 
dieser  Reiz  umso  schwerer  wirkt;  daß  bei  einer  Gangraen 
der  Wand  des  Wurmfortsatzes  an  diesem  locus  minoris 
resistentiae  eine  Perforation  herbeigefĂŒhrt  wird;  daß  schließ- 
lich durch  die  vermehrte  Peristaltik  schĂŒtzende  Verklebungen 
zerrissen  werden  und  aus  einer  lokal  begrenzten  Peritonitis 
eine  diffuse  werden  kann.  Vor  kurzem  sprach  auch  Bau- 
man  (Boston  med.  journ.  Bd.  185)  eine  dringende  Warnung 
vor  dem  Ricinusöl  aus,  da  es  oft  zu  Perforationen  Veran- 
lassung gebe  („castor-oil-appendizitis"). 

Der  falschen  Darreichung  von  AbfĂŒhrmitteln,  die  bei  dem 
grĂ¶ĂŸten  Teil  unserer  FĂ€lle  vom  Arzt  verordnet  wurden,  liegt 
natĂŒrlich  hĂ€ufig  zunĂ€chst  ein  diagnostischer  Irrtum  zu 
grĂŒnde.  Klagt  ein  Patient  ĂŒber  „Verstopfung",  so  erhĂ€lt  er 
ein  AbfĂŒhrmittel,  ohne  daß  die  Ursache  dieser  Stuhlverhal- 
tung festgestellt  ist.  In  keinem  Fall  aber  ist  das  Uebersehen 
der  Grunderkrankung  von  so  schweren  Folgen,  wie  bei  der 
akuten  Appendizitis.  Geht  die  Stuhlverhaltung  mit  plötzlich 
einsetzenden,  meist  ziemlich  heftigen  Leibschmerzen  einher 


unter  gleichzeitiger  Uebelkeit  und  Erbrechen,  d.  h.  mit  an- 
deren Worten:  haben  wir  die  Erscheinungen  der  peritonealen 
Reizung,  dann  ist  die  Darreichung  von  AbfĂŒhrmitteln  als  ein 
Kunstfehler  zu  bezeichnen,  der  unabsehbare  Folgen  fĂŒr  den 
Kranken  haben  kann.  Wenn  ĂŒberhaupt  eine  innere  Thera- 
pie in  solchen  FĂ€llen  Berechtigung  haben  soll,  so  kann  sie 
doch  nur  in  absoluter  Ruhigstellung  des  Darmes  bestehen. 
Die  richtigste  Behandlung  ist  und  bleibt  aber  die  FrĂŒhope- 
ration. 


Zur  Immunbiologie  der  Syphilis.  II. 

Von  Geh.  San.-Bat  Dr.  Nourney. 

Im  vorigen  Jahr  durfte  ich  in  Hann. -MĂŒnden  ĂŒber  meine 
Erfahrungen  mit  Eigenblutbehandlung  bei  chron.  Infektions- 
krankheiten mitteilen.  Röpkes  Bericht  darĂŒber  in  der 
„Zeitschrift  fĂŒr  Bahn-  und  BahnkassenĂ€rzte  in  Nr.  11,  1921, 
pag.  172,  ist  ihnen  wohl  bekannt. 

Ueber  das  heutige  Thema:  „Zur  Immunbiologie  der 
Syphilis"  habe  ich  schon  einmal  vor  einer  grĂ¶ĂŸeren  Zahl  von 
Kollegen  gelegentlich  eines  Syphilis-Kursus  im  MĂ€rz  d.  J.  in 
Elberfeld  gesprochen.  Nicht  als  hervorragender  Fachmann 
auf  diesem  Spezialgebiete,  sondern  als  Immunbiologe  ver- 
suchte ich,  auch  bei  dieser  Infektionskrankheit  den  Wert  einer 
Immunbehandlung  zu  beweisen.  Diesen  Vortrag  finden  Sie 
gedruckt  in  Nr.  13  der  „Fortschritte  der  Medizin".  Heut«' 
will  ich  denselben  nicht  wieder  aufwÀrmen,  sondern  nur  kurz 
den  wesentlichen  Gedankengang  wiederholen  und  dann 
einige  neue  Gesichtspunkte  hinzufĂŒgen. 

Ich  habe  schon  mehrmals  auf  balmÀrztlichen  Versamm- 
lungen ĂŒber  Immunbehandlung  der  Tuberkulose  ge- 
sprochen, auch  eine  Krankheit,  wo  die  ImmunitĂ€tsvorgĂŒngi' 
noch  sehr  verworren  sind.  Ich  holle,  daß  eine  Immun- 
biologie der  Syphilis  eine  sichere  BrĂŒcke  bilden  wird,  um 
ĂŒber  sie,  wen  sie  einmal  gegen  die  brandenden  Wogen  der 
Meinungsverschiedenheiten  fest  fundiert  ist,  zu  einer  ge- 
meinnĂŒtzigen Immuilbiologie  der  Tuberkulose  zu  gelangen. 

Der  Infektionserreger  ist  bei  beiden  Infektionen  bekannt. 
Die  Wirkung  der  Spirochaeta  pallida  können  wir  meist  auf 
einem  bis  zur  Infektion  normal  funktionierenden  Organismus 
beobachten.  Der  Werdegang  einer  Antoimmunisierung  und 
deren  Bedeutung  fĂŒr  die  endliche  Heilung  dieser  ebenfalls 
recht  chronischen  Erkrankung  muß  dadurch  leichter  erkenn- 
bar sein  als  bei  dem  Tuberkelbazillus,  wo  die  Infektion  vor- 
wiegend einen  durch  soziale  MißverhĂ€ltnisse  schon  recht  ge- 
schÀdigten Organismus  befÀllt. 

Durch  Analogie-SchlĂŒsse  hielt  ich  es  fĂŒr  erwiesen,  daß. 
wie  bei  den  Kuhpocken,  auch  die  Syphilisimpfung  sofort  eine 
Allgemeininfektion  verursacht.  Die  verschiedenen  sichtbaren 
Erscheinungen  an  der  Impfstelle:  ihre  in  baldige  Induration 
ĂŒbergehende  Papelbildung,  die  folgende  seröse  Exsudation 
und  die  schließliche  suppurative  Einschmelzung  sind  nur 
verschiedene  Reaktionsgrade  einer  anwachsenden  ImmunitÀt, 
wie  wir  es  von  dem  Papel-BlÀschen-Pustelstadium  bei  der 
Erstimpfung  mit  Kuhpocken  beweisen  können.  Als  Ver- 
mehrungsstellen fĂŒr  das  infizierende  Virus  kommen  sie  nicht 
in  Betracht.  Die  Unkenntnis  dieser  naturgesetzlichen  Er- 
scheinungen ist  der  Grund  dafĂŒr,  daß  die  bisherigen  immun- 
therapeutischen Versuche  bei  der  Lues  zu  einem  negativen 
Resultat  kommen  mußten,  und  eine  Serumtherapie  nicht  zu 
einem  berechtigten  Dasein  gelangen  konnte. 

Durch  Anwendung  des  eigenen  Blutes  des  Syphilitikers 
nach  der  im  vorigen  Jahr  Ihnen  gezeigten  Methode  glaubte 
ich  all  diese  MißverstĂ€ndnisse  aufklĂ€ren  zu  können  und  auf 
einen  Weg  zu  gelangen,  mit  Erfolg  auch  der  Syphilisinfektion 
auf  immuntherapeutischen  Wegen  beizukommen. 

Vor  wenigen  Wochen  ist  Querys  Buch:  Die  Syphilis 
Mikrobiologie-Serotherapie  in  deutscher  Sprache  erschienen. 
Query,  Docteur  de  la  Faculte  de  Medecine  de  Paris,  hal 
mir  dies  Werk  eigenschriftlich  dediziert  aus  Dankbarkeit  fĂŒr 
die  Anregungen,  die  er  durch  meine  Eigenblutbehandlung  er- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


Nourney:  Immunbiologie 


hallen  hatte  und  als  Antwort  auf  meinen  Elberfelder  Vortrag 
../.ur  Immunbiologie  der  Syphilis". 

Ich  habe  noch  viel  neues  und  wissenswertes  aus  seiner 
Abhandlung,  welche  so  recht  den  Charakter  einer  Wiedergabe 
der  Erfahrungen  internationaler  Immuntherapeulen  trÀgt, 
gelernt.  Besonders  ist  es  die  „Wassermann"f rage,  welche  die 
Zukunft  der  Syphilistherapie  entscheiden  wird.  Die  Wasser- 
mann-RĂ€tsel, welche  auch  in  der  deutschen  medizinischen 
Literatur  einen  grollen  Raum  einnehmen,  möchte  ich  heute 
vor  Ihnen  zu  lösen  versuchen. 

Wer  Query s  Buch  liest,  stĂ¶ĂŸt  sofort  auf  den  unge- 
heuren Gegensatz,  welche!-  in  der  Bewertung  des  Wassermann 
fĂŒr  den  I  m  m  u  n  therapeuten  und  den  C  h  e  m  o  therapeuten 
besteht.  Das  Ziel  der  Chem  o  therapie  ist,  entweder  z.  B.  bei 
der  FrĂŒhsyphilis  so  stark  einzugreifen,  daß  ĂŒberhaupt  die 
Entwicklung  eines  positiven  Wassermann  vermieden  wird, 
per  ein  vorhandener  positiver  Wassermann  negativ  wird,  in 
der  Hoffnung,  daß  dadurch  die  SpirochĂ€ten  einer  spezifischen 
Sterilisation  zum  Opfer  gefallen  sind. 

Bei  der  Immuntherapie,  mit  z.  B.  Query-Serum,  dagegen 
wird  ein  noch  negativer  Wassermann  eventuell  gradezu 
provokatorisch  positiv  und  ein  vorhandener  positiver  Wasser- 
mann stÀrker  positiv.  Erst  mit  Abnahme  nachweisbarer- 
Krankheitssymptome  wird  er  langsam  aber  stetig  schwÀcher 
'und  erst  mit  völligem  Verschwinden  jeglicher  Krankheits- 
erscheinungen negativ.  Diese  Tatsachen  berechtigen  zu  dem 
Schluß,  daß  der  Immuntherapeut  die  Infektion  selbst,  dagegen 
der  Chemotherapeut  nur  die  Symptome  behandelt,  und  daß 
die  WTassermann-Reaktion  eine  Immunreaktion  ist. 

Nehmen  wir  hierzu  die  Ansicht  unserer  bedeutendsten 
deutschen  Syphilisforscher,  daß  z.  B.  die  SalvarsanschĂ€di- 
gungen  nicht  dem  Salvarsan  an  sich  zugeschrieben  werden, 
sondern  einer  dadurch  verursachten  Störung  immunbiologi- 
scher VorgÀnge,  so  erhalten  wir  ein  so  absolut  neues  Bild  der 
HeilungsvorgĂ€nge  bei  dieser  Infektion,  daß  wir  mit  unseren 
bisherigen  chemischen  Kampfmitteln  nicht  auskommen 
können.  Jedenfalls  rĂŒckt  der  Gedanke  nĂ€her,  daß  die  endliche 
Heilung  auch  bei  der  Chemotherapie  nicht  auf  einer  Sterili- 
sation beruht,  sondern  nur  auf  immunbiologischer  Grundlage 
erfolgen  kann. 

Dies  lĂ€ĂŸt  sich  aber  auch  beweisen.  Der  einer  Chemo- 
therapie verdankte  negative  Wassermann  ist  und  bleibt  unbe- 
stÀndig. Haben  wir  es  wirklich  fertig  gebracht,  bei  einer 
FrĂŒhsyphilis  das  Auftreten  des  positiven  Wassermann  zu 
verhindern,  so  sind  wir  dadurch  doch  niemals  sicher,  die  In- 
fektion koupiert  zu  haben.  Sodann  schlÀgt  auch  ein  ent- 
standener positiver  Wassermann,  mag  er  hoch  so  grĂŒndlich 
durch  Chemotherapie  negativ  geworden  sein,  fast  regelmĂ€ĂŸig 
ins  positive  wieder  um.  Im  ersten  Falf  hatten  wir  durch 
rigorose  Salvarsananwendung  die  zur  Heilung  notwendige 
Antoimmunisierung  unterbunden,  und  im  zweiten  Fall  hat 
die  naturgesetzmĂ€ĂŸige  Immunbiologie  der  Syphilis  die  che- 
mischen Schranken  wieder  durchbrochen. 

Wie  viel  einheitlicher  verlÀuft  die  VerÀnderung  des 
Wassermann  bei  der  Serumbehandlung.  Query  macht  kurz 
hintereinander,  in  dringenden  FÀllen  sogar  mehrmals  tÀglich, 
seine  Serumeinspritzungen  zu  2,0  bis  zu  25  StĂŒck  im  ganzen 
und  betrachtet  dann  die  Kur  als  geschlossen.  Die  endliche 
Heilung  der  Infektion  ĂŒberlĂ€ĂŸt  er  der  Natur.  Alle  Vierteljahr 
wird  dann  der  Wassermann  untersucht.  Der  zunÀchst  noch 
verstĂ€rkt  positive  Wassermann  nimmt  regelmĂ€ĂŸig  ab,  und 
soll  in  95  %  nach  etwa  einem  Jahr  negativ  geworden  sein. 
Daß  dies  wirklich  eine  Naturheilung  ist,  beweisen  ihm  die 
FĂ€lle,  wo  nunmehr  eine  Syphilis  neu  erworben  wurde.  Aber 
solche  Reinfektionen  waren  so  wenig  bösartig,  daß  sie  schon 
mit  wenigen  Serumgaben  geheilt  wurden,  ebenso  wie  die 
FĂ€lle,  welche  nach  einem  Jahre  noch  einen  schwach  positiven 
Wassermann  zeigten.  Doch  die  wunderbarsten  Heilungen 
erzielten  Query  und  seine  Nachfolger  mit  dem  Serum  bei 
chronischen  Àlteren  Syphilitikern  und  hereditÀrer  Syphilis. 
Da  ich  ganz  gleichwertige  Erfolge  mit  meiner  Eigenblutbe- 
handlung erlebte,  so  scheint  mir  das  Antoserum  ein  ganz 
guter  Ersatz  von  Querys  kostspieligem  Affenserum  zu  sein. 


Wie  ganz  anders  steht  nun  Query  der  ungelösten  Frage 
der  Heiralskandidaten  gegenĂŒber,  wann  sie  nach  einer  In 
fektion  heiraten  dĂŒrfen.  Sein  negativer  Wassermann  bat 
eine  ganz  andere  Bedeutung  als  der  chemotherapeutische 
negative  Wassermann.  Er  kann  eine  sichere  Antwort  geben. 
Der  Chemotherapeul  niemals. 

Nun  ist  jede  Beurteilung  eines  In  jektionsverfahrens  nach 
seiner  spezifischen  Wirkung  bin  unsicher,  seitdem  wir  die 
tiefgreifenden  Wirkungen  der  Eigenblutinjektion  kennen  ge- 
lernt haben;  lĂ€ĂŸt  sich  jedoch  keine  Injektion  mit  irgendeine)]! 
Mittel  machen,  auch  mit  Query-Serum  nicht,  ohne  daß 
Eigenblut  zur  Wirkung  gelangt.  Das  hat  aber  auch  eine  gute 
Seite.  Je  kleiner  der  Mensch  ist,  um  so  schw  ieriger  wird  die 
Entnahme  des  Venenblutes.  Als  Ersatz  der  Venenblutent- 
nahme versuchte  ich  die  Bildung  subkutaner  Blutaustritte 
bei  kleineren  Kindern  und  SĂ€uglingen  herzustellen.  Am  ein- 
fachsten erwies  sich  mir  der  3  %  Karholleberiran.  0,3  bis  0,5 
Gramm  spritzte  ich  zwischen  den  SchulterblÀttern  ins  Muskel- 
gewebe ein.  Die  Wirkung  auf  skrofulöse  Hauterkrankungen 
war  ganz  verblĂŒffend  und  jetzt  ebenso  auf  die  pĂ€datrofischen 
SĂ€uglinge,  die  ich  fĂŒr  hereditĂ€r  syphilitisch  hielt;  sie  lebten 
geradezu  auf. 

Query  macht,  wie  erwÀhnt,  eine  Serie  bis  zu  25  Serum - 
einspritzungen.  Ich  mache,  wie  Sie  wissen,  nur  alle  vier 
Wochen  etwa,  eine  Eigenbluteinspritzung,  da  mir  hÀufigere 
Eingriffe  in  die  ImmunitÀtsentwicklung  anergisch  zu  werden 
schienen.  Interessant  war  mir  daher,  aus  den  mitgeteilten 
Krankengeschichten  Querys  zu  ersehen,  daß  meist  schon 
nach  den  ersten  Injektionen  jene  wunderbaren  Besserungen 
begannen,  und  die  ganze  Serie  von  25  nicht  nötig  wurde.  Die 
kĂŒrzeste  Krankengeschichte  will  ich  wörtlich  mitteilen: 
Syphilitische  Meningitis.  Lieber  Kollege!  Ich  be- 
handle ein  kleines  MĂ€dchen  von  3  Monaten  auf  Meningitis 
mit  Konvulsionen.    Eine  Spritze   genĂŒgte,  alles  zu  heilen. 

Schicken  Sie  mir  bitte  neue  Flaschen.    Dr.  C  ,  Cannes. 

(Query,  pag,  273.) 

Leider  wird  die  zunÀchst  schmerzlose  Lebertran-In- 
jektionsstelle an  dem  folgenden  Tage  meist  recht  schmerzhaft. 

Die  Erfolge  nach  einer  Eigenblutgabe  haben  mich  immer 
mehr  befriedigt,  wenn  auch  nicht  alle  Hoffnungen  erfĂŒllt  sind. 
Jedenfalls  ergibt  sich  aus  dem  Mitgeteilten,  daß  die  Wasser- 
mannreaktion als  Gradmesser  fĂŒr  eine  heilende  Wirkung 
eines  Mittels  bei  der  luetischen  Infektion  nichts  gelten  kann. 
Die  VerstÀrkung  des  positiven  Wesselmann,  die  so  hÀufige 
provokatorische  Wirkung  bei  fehlendem,  oder  steigernde 
Wirkung  auf  vorhandene  Raaktionserscheinungen  bei  jedem 
immunbiologischen  Heilverfahren  beweisen,  daß  wir  uns 
hier  im  Rahmen  einer  Naturheilung  bewegen.  Gewiß  ist 
noch  lÀngst  nicht  alles  aufgeklÀrt,  auch  werden  wir  dankbar 
die  Anregung  und  StÀrkung  biologischer  KrÀfte  durch  chemo- 
therapeutische Mittel  begrĂŒĂŸen,  aber  mit  solchen  der  Natur 
entgegen  zu  arbeiten,  ihr  segensreiches  Wirken  zu  unter- 
binden, dazu  kann  ich  mich  nicht  entschließen. 

Wrelches  Licht  wirft  nun  diese  Immunbiologie  der 
Syphilis  auf  eine  immunbiologische  Behandlung  der  Tuber- 
kulose. Röpke  hat  in  seinem  Referat  ĂŒber  meinen  Vortrag 
in  Hann. -MĂŒnden  sich  mit  der  Angabe  begnĂŒgt:  „Aeltere 
Tuberkuloseherde  in  den  Lungen,  Knochen  usw.  sind  mit 
seltenen  und  kleinsten  Gaben  (Eigenblut)  anaphylaktisierend 
zu  behandeln."  Die  Worte  „mit  kleinsten  Gaben"  sind  wohl 
aus  seiner  ablehnenden  Stellung  gegen  meine  kleinsten  Tu- 
berkulingaben  entstanden,  die  ich  schon  ĂŒber  dreißig  Jahre 
versuchte.  Bei  Eigenblut  gebrauche  ich  keine  „kleinsten 
Gaben",  wenn  ich  auch  die  Untersuchung  fĂŒr  erwĂŒnscht 
halte,  ob  die  nicht  seltenen  anaphylaktischen  Reaktionen  bei 
tuberkulösen  Organerkrankungen  besonders  im  jugendlichen 
Alter  —  ich  erwĂ€hne  nur  die  Augenerkrankungen  und  die 
ausgedehnten  exsudativen  Dermatitiden  —  durch  eine 
kleinere  Venenblutgabe  vermieden  werden  können.  Eine  wirk- 
liche SchÀdigung  habe  ich  freilich  noch  nicht  beobachtet. 

Provokatorische  Wirkungen  des  Eigenblutes  bei  der 
Syphilis  werden  immer  mehr  bestÀtigt.  Sie  gleichen  absolut 
den   sogenannten  Herxheimerschen  Reaktionen  nach  Sal- 


Funck:  Reiztherapie  mit  Eiweißabbauprodukten  40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


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\  arsaneinspritzung.  Sie  sind  als  ImmunitÀtsreaktionen  zu 
bewerten.  Als  solche  erweisen  sie  sich  besonders  dadurch, 
daß  sie  je  nach  dem  Grade  eines  bestehenden  Immunzu- 
standes ihre  ganz  charakteristische  Form  haben,  im  Sinne 
eines  Aufstiegs  auf  der  ImmunitÀtsskala,  wie  ich  sie  in 
Hann.  MĂŒnden  im  vorigen  Jahre  fĂŒr  alle  InfektionszustĂ€nde 
an  der  Entwickelung  der  Kuhpocken  zeigte. 

Wenn  wir  nun  gesehen  haben,  daß  von  chemothera- 
peutischer Seite  ein  negativer  Wassermann  erstrebt  wird  mit 
möglichst  schneller  Heilung  vorhandener  lokaler  spezifischer 
Reaktionserscheinungen  oder  innerer  Organstörungen,  daß 
also  ein  anergischer  Zustand  kĂŒnstlich  erzeugt  wird, 
natĂŒrlich  auch  durch  biologische  VorgĂ€nge  —  aber  von  der 
Innnuntherapie  eln  allergischer  evtl.  bis  zur  Anaphylaxie 
gesteigerter  Reaktionszustand  nicht  gefĂŒrchtet  wird  — ,  so 
wird  auch  in  der  Tuberkulosefrage  der  Streit  zwischen  Aller- 
gisten  und  Anergisten  durch  RerĂŒcksichtigung  der  Immun- 
biologie der  Tuberkulose  zur  Entscheidung  kommen  mĂŒssen. 

Es  ist  manchem  besonders  schmerzlich,  von  alten  lieb- 
gewordenen Regriffen  scheiden  zu  mĂŒssen.  Den  Glauben  an 
die  Existenz  der  Immunkörper,  Antikörper  der  Antigene 
samt  den  Partialantigenen,  an  die  Toxine  und  ihre  Anti- 
toxine und  dergl.  habe  ich  verloren. 

Wenn  Kaspar  Li  man  in  seinem  Werk  ĂŒber  gericht- 
liche Medizin  bei  dem  Kapitel  ĂŒber  Gifte  die  Unmöglichkeit 
einer  Regriffsbestimmung  des  „Was  ist  Gift?",  so  launig 
zeigt,  so  gilt  es  jetzt,  den  korpuskulÀren  TrÀger  eines  physio- 
logischen Vorganges  von  solchen  materiellen  Regriffen  zu 
trennen  und  rein  biologische  Wirkungen  als  köstliche  Im- 
munitÀtsgabe der  Natur  zu  bewundern.  Sie  sind  neue 
LebensĂ€ußerungen,  die  mehr  dem  anzugliedern  sind,  was  in 
dem  Wrort  „Hormone"  zusammengefaßt  wird. 

Röpke  ist  bekanntlich  Anergist.  Er  hÀlt  eine  durch 
Tuberkulin  hergestellte  Unempfindlichkeit  gegen  Tuberkulin 
fĂŒr  einen  erstrebenswerten  Heilungszustand. 

Diesen  reaktionslosen  Zustand  bei  der  Tuberkulose 
möchte  ich  in  Analogie  setzen  zu  dem  chemobiologisch  er- 
zeugten negativen  Wassermann.  Beide  haben  recht  geringe 
BestÀndigkeit.  Ueber  die  pathologisch  anatomischen  Grund- 
lagen will  ich  mich  heute  bei  der  KĂŒrze  der  Zeit  nicht  fest- 
legen, dazu  gehört  eine  reichere  Erfahrung  und  ein  kriti- 
scher Geist,  wie  ihn  der  Altmeister  V  i  r  c  h  o  w  besaß,  der 
die  erste  Tuberkulin-Aera  so  meisterlich  ad  absurdum  fĂŒhrte. 

Entschuldigen  Sie,  wenn  ich  diese  immunbiologische 
Betrachtung  der  Tuberkulose  mit  der  Immunbiologie  der 
Syphilis  verknĂŒpft  habe.  Es  soll  kein  Kampf  sein  gegen  die 
uns  von  Röpke  gegebenen  Richtlinien  in  der  Rehandlung 
der  Tuberkulose.  Mein  Ziel  ist,  in  all  diesen  Streitfragen  zu 
einem  den  Naturgesetzen  entsprechenden  Resultat  zu  kom- 
men, und  dazu  halte  ich  die  diagnostische  Seite  der  Eigen - 
blutwirkung  in  ganz  hervorragender  Weise  berufen. 

Die  Mangelhaftigkeit  der  noch  schulgemĂ€ĂŸen  Behand- 
lungsmethoden bei  beiden  Infektionen  beweist  nichts  schla- 
gender, als  die  unzÀhlige  Zahl  der  TuberkulinprÀparate  und 
die  immer  neu  erfundenen  Arsenverbindungen. 

Wie  beruhigend  schwebt  ĂŒber  all  diesem  Wirrwarr  die 
ImmunitÀt,  die  sich  entwickelt  nach  ewigen  Naturgesetzen. 
Auf  diese  ImmunitÀt  immer  wieder  hinzuweisen,  war  mein 
dreißigjĂ€hriger  Kampf  gegen  anergisch  wirkende  Tuber- 
kulinkuren.  Eine  auf  denselben  Naturgesetzen  beruhende 
Immunbiologie  der  Syphilis  wird,  so  hoffe  ich,  diesen  Kampf 
zu  einem  fĂŒr  unsere  Kranken  segensreichen  Ende  fĂŒhren! 


Über  die  Grundlagen  oraler  unabgestimmter 
und  spezifischer  Reiztherapie  mit  Eiweißabbau= 

Produkten. 

Von  Dr.   F  u  nck,  Cöln. 

Aus  Reobaehtungen  und  Analysen  pathologisch-physio- 
logischer VorgÀnge  können  Grundlage,  Methodik  und 
Initiative  fĂŒr  die  Therapie  gewonnen  werden.  Das  Axiom,  daß 
nie  Eiweiße  im  Darm  ausnahmslos  bis  zu  niederen  Amino- 


sÀuren, neutralen  Rausteinen  abgebaut,  resorbiert  und  jen- 
seits zum  Aufbau  verwandt  werden,  ist  wohl  schon  lange 
stillschweigend  zu  den  Akten  gelegt  worden,  wenngleich  sich 
in  maßgeblichen  LehrbĂŒchern  der  normalen,  wie  der  patho 
logischen  Physiologie  nur  verwaschene  Andeutungen  ĂŒbel 
diese  Frage  finden,  und  nur  die  Resorption  von  direkten  oder 
indirekten  Produkten  bakterieller  TĂ€tigkeit,  sowie  von  FĂ€ul- 
nisprodukten erörtert  wird. 

Nachdem  schon  lange  bei  SĂ€uglingen  und  Kindern  die 
Resorption  körper-  und  artfremder  Eiweiße  bei  teilweise 
außerordentlich  geringen  pathologischen  VerĂ€nderungen  der 
Darmwand  und  die  große  pathogene  Redeutung  dieses  Vor- 
ganges fĂŒr  den  Gesamlorganismus  von  vielen  Autoren  (1) 
erkannt  wurde,  betonte  Funck  (2)  die  Wichtigkeit  solcher 
VorgÀnge  bei  der  Entstehung  von  Stoffwechselkrankheiten 
und  wies  die  Abbausteine  artfremder  Eiweiße  (die  also  auch 
die  Leberbarriere  passiert  hatten)  mehrfach  im  Serum  von 
Magendarmkranken,  speziell  Diabetikern  nach.  Ein  weiterer 
großer,  allerdings  in  kleine  Etappen  erreichter  Fortschritt  war 
die  Erkenntnis,  daß  allgemein  nicht  erhebliche,  die  physio- 
logischen Variationsbreiten  nicht  ĂŒberschreitende  und  nicht 
als  solche  erkennbare  Abweichungen  einzelner  Funktionen 
des  Resorptions-  und  Stoffwechselapparates  eine  Passage 
nicht-neutraler  Eiweißabbaustofl'e  durch  die  Rarriere  der 
Darmwand  und  Leber  zur  Folge  haben  können;  ich  erinnere 
nur  an  die  zahlreichen  Arbeiten  von  Widal  (3)  und  seinen 
NachprĂŒfern  und  Mitarbeitern  (die  Frage  der  Leberfunktions- 
prĂŒfung schaltet  bei  unserer  Betrachtung  aus,  ebenso  die 
Frage  ĂŒber  die  GrĂ¶ĂŸe  der  passierenden  Abbauformen,  ob 
Albumosen,  Peptone  usw.)  ĂŒber  die  hĂ€moklasische  Krise,  die 
ja  eine  Art  anaphylaktischer  Schock  auf  enteral-parenteral 
zugefĂŒhrtes  Eiweiß  darstellt.  Auch  ein  großer  Teil  der  unter 
alimentÀrer  Intoxikation,  Urtikaria  ex  ingestis,  Idiosynkrasie 
gegen  bestimmte  Speisen  usw.  begriffenen  Reobaehtungen 
zeigen  den  Uebergang  spezifischer  fĂŒr  den  Organismus  durch- 
aus differenter  Stoffe  durch  eine  nicht  erkenntlich  krankhaft 
verÀnderte  Darmschleimhaut  und  Durchbrechung  des  an- 
scheinend nur  lockeren  Leberkordons. 

Der  Versuch,  diesen  Uebergang  körperfremder,  besser  ge- 
sagt, nicht  absolut  neutraler  Eiweißabbaustufen  durch  die 
Darmwand  ins  Blut  systematisch-therapeutisch  zu  verwerten, 
liegt  in  der  Zeit  der  parenteralen  unspezifischen  Eiweißbe- 
handlung nahe,  zumal  auf  diesem  Wege  den  Forderungen  des 
A  r  n  d  t '  sehen  biologischen  Grundgesetzes  wesentlich  voll- 
kommener Rechnung  getragen  werden  kann,  als  bei  Einver- 
leibung des  Reizkörpers  durch  Injektion.  Einen  bedeutenden 
Schritt  nĂ€her  kommen  —  wohl  in  Anlehnung  an  eine 
Reihe  von  Ergebnissen  der  Widal'  sehen  Schule  und  in 
Uebereinstimmung  mit  F  u  nck,  in  der  Erkenntnis,  daß  die 
Barriere  auch  funktionell  gesunder  Darmschleimhaut  und 
Leber  durch  nicht  neutrale  Eiweißabbauprodukte  ĂŒberwunden 
wird,  W  a  t  e  1  e  t  und  seine  Mitarbeiter,  die  u.  a.  auf  Anaphy- 
laxie beruhendes  Asthma  duTch  vor  den  Mahlzeiten  gegebene 
antianaphylaktiseh  wirkende  kleine  Peptonmengen  kupier 
ten.  Es  gibt  also  Nahrungsstoffe,  die  als  Ding  an  sich  (auch 
wenn  sie  nicht  TrÀger  von  Vitaminen  u.  a.  sind)  hier  bei 
einem  speziellen  pathologischen  Zustand  therapeutisch  aktiv 
sind,  und  es  ist  nach  Erweis  dieser  Tatsache  als  weiterer 
Fortschritt  die  Kombination  derartiger  Wirkung  mit 
spezifischer  (Organ -)Therapie  im  Sinne  Much's  d.  h.  nicht 
als  Ersatz  fĂŒr  ausfallende  Organprodukte,  sondern  als 
spezifische  Reiztherapie  bei  Sub-  oder  Dysfunktion  einzelner 
Zellgruppen  möglich  und  erstrebenswert,')  quasi  die  Kom- 
bination des  hu  m  oralen  mit  dem  zellulÀren 
Proble  in.  Eine  systematische  enterale  Therapie  mit  organ- 
eigenen    AminosĂ€urekomplexen     aus     tierischem  Eiweiß 

Die  zuerst  von  Z  u  n  t  z  unternommenen  diesbezĂŒglichen 
Versuche  mit  ZufĂŒhrung  von  Auf  Spaltungsprodukten  Haar- 
peplonen  und  AminosÀuren)  ergaben  nach  dem  Autor  und  zahl- 
reichen Kontrollreihen  eine  zweifellos  erhöhte  Vollausbeute  bei 
Schafen,  erfahren  jedoch  in  ihrer  Ausdeutung  und  Bewertung 
durch  A b der h aide  n  und  V  ertheime  r  (VII.  u.  VIII.  Mitt. 
PflĂŒger 's  Archiv  191,  IX.  u.  X.  Aiitt.  ebenda.  192.  Heft  Ii"» 
eine  wesentliche  EinschrÀnkung 


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Funck:  Reiztherapie  mit  Eiweißabbauprodukten 


(Eatinen)  bei  tuberkulöser  Erkrankung  entsprechender 
Organe  unternimmt  Haff  (5)  und,  abgesehen  von  den  an 
Erheblichem  Material  festgestellten  therapeutischen  Erfolgen, 
Interessieren  vor  allem  die  objektiven  Reaktionszeichen,  wie 
u  a.  betrÀchtliche  Steigerung  der  Sekretion  aus  Wunden  usw. 

Die  Versuche  können  in  ihrer  Art  und  MentalitÀt  zusam- 
men mit  den  von  W  a  t  e  I  e  t ,  W  i  d  a  1  und  F  u  n  e  k  auf 
anderen  Gebieten  erreichten  therapeutischen  Ergebnissen  als 
riterlagen  einer  neuen  organotherapeutischen  Protein-  oder 
chtiger  gesagt,  Reiztherapie  gelten.  Noch  in  dieses  (leidet 
den  NĂ€hrmittel  organotherapeutischen  Charakters,  wie  z.  B. 
n  aus  frischem  Gehirn  gewonnenes  NÀhrprÀparat,  das  die 
ezifischen  QualitÀten  und  den  nativen  Charakter,  der 
diesem  Organ  wesentlichen  und  spezifischen  Stolle  unver- 
Àndert enthÀlt;  nicht  hierzu  gehören  Bestrebungen,  wie  sie 
L  o  e  n  i  n  g  und  V  a  h  1  e  n  (G)  unter  Organtherapie  de? 
Diabetes  schildern,  indem  sie  das  aus  dem  Pankreas  darge 
stellte,  den  Zuckerabbau  fördernde  Pankreasmetabolin  durch 
Hefemetabolin  ersetzen  —  eine  Ersatz-,  aber  keine 
aktive  Organreiztherapie;  nicht  dazu  rechne  ich 
auch  die  orale  Reiztherapie  durch  unspezifischen  Plasma- 
zerfall hervorrufende  Medikamente,  unter  denen  Yatren  und 
Methylenblau  wohl  nur  zufÀllig  die  bekanntesten  sind. 

Ein  weiterer  Faktor  der  oralen  Proteintherapie  ist  von 
anderen  Autoren  M  i  ge  o  d  (7),  Funck  (8)  als  therapeuti- 
sches Agens  berĂŒcksichtigt,  nĂ€mlich  die  Herabsetzung  des 
Blutdruckes  durch  orale-parenterale  Proteinzufuhr.  Nach 
manchen  Beobachtungen,  beispielsweise  nach  den  bekannten 
Feststellungen  langandauernder  blutdrucksenkender  Wirkung 
der  Venaesation,  selbst  bei  geringster  QuantitÀt  der  Blut- 
entziehung  (als  Folge  der  dabei  frei  werdenden  Zellzerfall- 
produkte)  und  nach  den  hÀufigen  Feststellungen  der  lang- 
andauernden depressorischen  Wirkung  von  intercurrenten 
Infektionen  in  FÀllen  von  erhöhtem  Blutdruck;  infolge  der 
dabei  freiwerdenden  Zellzerfallsprodukte  und  blutfremden 
Eiweißabbauprodukte,  waren  die  pathologisch-physiologi- 
schen Unterlagen  gegeben: 

Durch  Kombination  unspezifischer,  zugleich  blutdruck- 
senkender Reize  z.  B.  bei  HĂ€molyse  entstehender  Zer- 
fallprodukte, die  Bier  (9)  schon  vor  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts in  seinen  Arbeiten  ĂŒber  HyperĂ€mie  als  besonders 
wirksame  Reizstoffe  schildert,  mit  aus  Intima  und  Media  ge- 
wonnenen Organextrakten  wird  eine  orale  Organotherapie, 
erstrebt  die  (bei  Arteriosklerose  und  Hypertonie)  zugleich 
blutdrucksenkend  und  organotrop  (in  diesem  Falle  auf 
Intima  und  Media  gerichtet)  wirken  soll.  Die  Autoren  dieser 
Methodik  nehmen  im  Gegensatz  zu  Haff  und  der  B  i  e  r  - 
sehen  Schule  auf  Grund  der  bei  Diabetikern  gemachten  Beob- 
achtungen an,  daß  eine  wesentliche,  im  Alter  allerdings  meist 
vorhandene  und  die  Arterioskleroseerkrankungen  begleitende 
Insuffizienz  der  Darmmukosa  und  der  Leberbarriere  Vorbe- 
dingung fĂŒr  die  Passage  nicht  völlig  abgebauter  Eiweiß- 
körper sei,  wÀhrend  Haff,  Watelet  und  die  meisten 
andern  Autoren  auch  die  normale  Darmmukosa  fĂŒr  diese  Ei- 
weißabbausteine fĂŒr  durchlĂ€ssig  halten. 

Diese  Frage  der  Vorbedingungen  zu  klĂ€ren,  ist  natĂŒrlich 
wichtig,  sowohl  fĂŒr  die  objektive  BegrĂŒndung  der  oralen 
Reiztherapie  als  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Aussichten  ihrer  An- 
wendung. Sie  wÀhlten  dazu  die  vergleichende  Messung  der 
SuspensionsstabilitÀt  der  roten  Blutkörperchen  als  physiko- 
chemische Untersuchungsmethode.  Bekanntlich  (10)  ist  die 
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit  in  der  Schwanger- 
schaft und  zwar  mit  VorrĂŒcken  der  Schwangerschaft  gesetz- 
mĂ€ĂŸig steigend  beschleunigt,  in  Ă€hnlicher  Weise  bei  Fieber 
und  infektiösen  Prozessen  —  also  VorgĂ€ngen,  bei  welchen 
blutfremde  Eiweißstoffe  in  die  Bluthahn  gelangen.  Gleich- 
sinnig weist  Lohr  (11)  nach  intramuskulÀrer  und  intra- 
venöser Injektion  von  Eiweißabbaustoffen  nach  kurzer  Zeit 
Beschleunigung  der  Sedimentierung  nach. 

Bei  den  folgenden  Versuchen  wurden  Personen  unter 
15  Jahren  sow  ie  ĂŒber  60  Jahren,  weihliche  Personen  (Gravidi- 
tÀt, Menses),  Personen  mit  infektiösen,  fieberhaften  und 
offenbaren  Magendarm-  und  Leberkrankheiten  und  ĂŒber- 


haupt solche,  bei  welchen  die  normale  Dichtigkeit  der  Darm- 
schleimhaut  oder  Leberbarriere  als  lÀdiert  anzunehmen  war, 
ausgeschlossen. 

Es  wurde  benutzt  l.  als  unspezifischer  Reizstoff  ein  durch 
Hydrolyse  bis  zu  AminosĂ€uren  abgebautes  Eiweiß  verschie- 
dene^ tierischer  Organe,  gemischt.  2.  als  spezifischer  Reiz- 
stolf  verbunden  mit  einem  unspezifischen  Faktor:  ein  von 
den  organotherapeutischen  Werken  Neuenkirchen  uns 
zur  VerfĂŒgung  gestelltes  Produkt,  gewonnen  aus  Abbaupro- 
dukten von  Serum  und  roten  Blutzellen,  verbunden  mit  Aus- 
zĂŒgen aus  Intima  und  Media  von  SĂ€ugetieren  derselben 
Tierart. 

Die  Reizstoffe  wurden  Nr.  1  in  der  Menge  von  1  bis 
3  gr,  Nr.  2  in  der  Menge  von  bis  0,1  gr  in  indifferenten 
Vehikeln  dreimal  tÀglich  Stunde  vor  den  Mahlzeiten  ge- 
geben. WĂ€hrend  der  Versuchszeit,  20  Tage  vorher  und 
20  Tage  nachher  wurde  bis  auf  geringe  Abweichungen  gleich- 
artige Kost  (besonders  was  N.  und  Na  Gl.-Gehalt  betrifft), 
eingehalten.  Die  Versuchsdauer  selbst  betrug  20  Tage. 

Es  sei  hervorgehoben,  daß  es  sich  nicht  so  um  therapeu- 
tische Feststellungen,  als  vielmehr  um  die  Schaffung  gene- 
reller Unterlagen  fĂŒr  evtl.  neue  biologisch-therapeutische  Ge 
sichtspunkte  und  biologische  NachprĂŒfung  der  von  Haff, 
Brauer,  B  i  c  r ,  F  u  n  c  k  (1.  c.)  und  vor  allem  Watelet 
(1.  c.)  ihren  berichteten  therapeutischen  Erfolgen  unterge- 
legten physiologischen  bezw.  physikalisch-pathologischen 
Voraussetzungen  handelt.  Einer  weiteren  in  Arbeit  befind- 
lichen Untersuchung  bleibt  es  vorbehalten,  festzustellen,  in 
wieweit  die  nachbeschriebenen  VerÀnderungen  auf  direkte 
Wirkung  der  verabreichten  Versuchsmittel,  oder  vielmehr 
auf  Wirkung  etwaiger  Zellzerfallsprodukte  2U  setzen  ist,  in- 
wieweit die  Bewegung  des  A  rne  t  h  '  sehen  Blutbildes  mit 
der  Kurve  der  VerÀnderimg  der  Senkungsgeschwindigkeit 
gleichlÀufig  ist  usw. 

Ergebnis:  Ad  1.  Es  wurde  nach  2—4  Tagen  eine 
deutliche  Beschleunigung  der  Sedimentierung  festgestellt  und 
zwar  in  den  zwei  ausgeprÀgtesten  FÀllen  im  VerhÀltnis  von 
6 :  1,  in  sechs  FĂ€llen  bis  4  :  1  und  in  den  ĂŒbrigen  zwei 
FĂ€llen  3  :1. 

Ad  2.  Es  wurde  nach  2—4  Tagen  in  sechs  FĂ€llen  eine 
Sedimentierungsbeschleunigung  von  8:1,  in  zwei  FĂ€llen  von 
6  :  1,  in  zwei  FĂ€llen  von  5  : 1  erzielt. 

Bei  1.  hielt  die  VerÀnderung  im  Durchschnitt  bis  zu 
10  Tagen  an,  um  dann  rasch  abzufallen;  bei  2.  bestand  sie  in 
allen  FÀllen  am  10.  Tag  fast  unverÀndert. 

Eine  deutliche  vorĂŒbergehende  Leukopenie  mit  darauf 
einsetzender  Leukozytose  wurde  bei  1.  und  2.  beobachtet  und 
zwar  in  ihrer  IntensitÀt  proportional  der  Sedimentierungsbe- 
schleunigung, jedoch  verlÀuft  die  Kurve  der  Leukozyten - 
Schwankung  bei  2.  wesentlich  steiler  als  bei  1.  Differential- 
AuszÀhlung  wurde  nicht  vorgenommen. 

Wichtig  sind  die  Wirkungen  der  Versuche  auf  den  Blut- 
druck: 

Bei  Versuch  1.  befanden  sich  4  Personen  ĂŒber  45  Jahre 
mit  Blutdruck  (nĂŒchtern)  von  140  bis  165  mm.  Nach  Ablauf 
der  Versuchsdauer  sowohl  als  nach  Ablauf  der  20  Nach- 
beobachtungstage  war  der  Blutdruck  bei  zwei  dieser  Ver- 
suchspersonen um  5  bezw.  10  mm  niedriger  als  bei  Ablaut 
der  20  Vorbeobachtungstage. 

Bei  2.  wurden  (mit  Absicht)  6  Personen  ĂŒber  45  Jahre  mit 
Blutdruck  bis  175  mm  zu  den  Versuchen  herangezogen.  Hier 
war  eine  Blutdruckherabsetzimg  von  im  Durchschnitt 
2  5  mm,  in  zwei  FĂ€llen  3  0  und  3  5  mm  nach  Ab- 
lauf der  Nachbeobachtungstage  festzustellen. 

Es  wurde  also  bei  wesentlich  geringerer  Dosierung  ge- 
genĂŒber dem  VersuchsnĂŒttel  Nr.  1  eine  wesentlich  stĂ€rkere 
Herabsetzung  des  zum  Teil  pathologisch  erhöhten  Blut- 
druckes erzielt  und  diese  depressorische  Wirkung  wird  dieser 
Kombination  von  OrganprÀparat  und  oraler  Reiztherapie 
(OrganprĂ€parat  „Animasa")  in  der  Tat  als  spezifische  Wir- 
kung durch  klinische  Mitteilungen  anderer  Autoren  (1.  c.)  be- 
stÀtigt.   Auf  die  Wichtigkeit  der  daraus   sich  ergebenden 


430  Schild:  Modifikation  des  Spekulums  40.  Jahrg.  —  Nr.  21  25; 


Schlußfolgerungen  quoad  Organtherapie  der  GefĂ€ĂŸerkrankun- 
gen soll  an  dieser  Stelle  nur  hingewiesen  werden. 

Nach  Erledigung  der  fundamentalen  Frage,  oh  eine  orale 
spezifische  (Organ-)  und  unspezifische  Reiztherapie  möglich 
ist,  bleiben  eine  Reihe  von  Fragen  des  W  i  e  offen,  vor  allem, 
in  welcher  Weise  einzelne  EiweißabbauprĂ€parate  oral- 
therapeutisch am  zweckmĂ€ĂŸigsten  angewandt  werden  (ob 
kontinuierlich,  in  Reizstöfien  usw.),  ob  die  Verbindung 
von  unspezifisch-wirkenden  Reizstoffen  und  OrganprÀparaten 
außer  in  der  oben  erwĂ€hnten,  auch  in  anderer  Variation  Er- 
folg verspricht  usw. 

Z  u  s  a  m  m  e  n  f  assung  : 

1.  Die  Möglichkeit  einer  oralen,  unspezifischen  Reiz- 
therapie durch  abgebaute  Eiweißstoße,  wie  sie  W  i  d  a  1, 
Watelet  u.  a.  beschreiben,  ist  physiko- chemisch 
nachweisbar. 

2.  Eine  Kombination  dieser  Therapie  mit  Organ  - 
therapie,  also  eine  spezifische  Reiztherapie  ist  möglich 
und  in  einem  Falle  (Animasa)  in  einer  deutlichen  spe- 
zifischen Wirkung  nachgewiesen.  Die  bei  diesem  Ver- 
such festgestellte  besonders  starke  Senkung  des  Blut- 
druckes ist  im  Vergleich  zu  Versuchen  mit  ausschließ- 
lich abgebauten  Eiweißstoffen  (unabgestimmte  Reiz- 
therapie) so  deutlich,  daß  sie  als  eine  spezifische 
Reaktion  des  den  Blutdruck  wesentlich 
beinflussenden  GefĂ€ĂŸsystems  auf  einen 
„spezifischen,  also  organotherapeu  ti- 
schen Faktor  aufgefaßt  werden  muß. 

3.  Die  orale  Reiztherapie  ist  in  FĂ€llen  akuter  Erkran- 
kungen wegen  ihrer  langsam  eintretenden  Wirkung 
k-o  n  t  r  a  i  n  d  i  z  i  e  r  t  ;  dagegen  ist  sie  bei  chronischen 
Erkrankungen  besonders  bei  c  h  ronischen  Er- 
krankungen subtiler  Organe  (GefĂ€ĂŸ- 
system, Zentralnervensyste m)  d i  r e k  t 
und  vorzugsweise  indiziert. 

4.  Es  ist  Sache  weiterer  Versuche,  ob  durch  Einlegung 
von  Intervallen,  Modifikation  der  Dosierung  mit  Reiz- 
stĂ¶ĂŸen usw.  eine  noch  intensivere  Wirkung  auf  die 
erkrankten  Zellgruppen  erreicht  werden  kann. 

Literatur': 

1.  Uffenheimer:  Jahrbuch  f.  Kinderheilkunde  63,  64: 
Römer  und  Much  64;  Moro:  MĂŒnch,  med.  W.-Schr.  1900, 
Nr.  5,  Jahrbuch  f.  Kinderheilkunde  1921,  94:  Lust,  ebenda 
1913,  78,  u.  a. 

2.  Fun'ck  :  BeitrÀge  zur  Klinik  der  Infektionskrankheiten  und 
ImmunitÀtsforschung.  (Hier  findet  sich  umfangreiche 
Literatur),  1913.  II.  Band. 

Derselbe:  Archiv  f.  Verdauungskr.  1914,  Heft  4. 

3.  W  i  d  a  1  :  Presse  medicale  1920,  Nr.  91,  1921,  Nr.  19. 

4.  W  a  t  e  1  e  t  :  Pr.  med.  1921,  77. 

5.  Haff:  Med.  Klinik  1921,  25. 

6.  Loeningu.  Vahlcn:  D.  Med.  W.-Schr.  1922,  7. 

7.  M  i  p  e  o  d  :  Medico  1921,  1. 

8.  Funck:  Archiv  f.  Verdauungskr.  29,  3/4.  1922. 

9.  Biers,  Prinz:  Orale  Reiztherapie,  MĂŒnch,  med.  W.-Schr. 
1921,  38. 

10.  Fahracus:  Biochem.  Zeitschr.  89,  355  (1918),  u.  a.  Autoren. 
LI  Lohr  :  Klin.  W.-Schr.,  1922,  10. 


Ueber  eine  Modifikation  des  Spekulums 
nach  Trelat. 

Von  Dr.  Ferd.  S  c  h  i  1  d  -  Hörde. 

Auf  der  Suche  nach  einem  „selbsthaltenden"  Spekulum 
ließ  ich  mir  das  altbekannte  Trelat  sehe  Modell  durch  die 
1  irma  Adolf  Sumser  in  MĂŒnster  umĂ€ndern.  —  Nament- 
lich fĂŒr  den  praktischen  Arzt  ist  bei  manchen  intrauterinen 
Eingriffen,  Auskratzungen,  SpĂŒlungen,  Aetzungen  usw.  — 
speziell  wenn  sie  in  Narkose  ausgefĂŒhrt  werden  —  das  leidige 


Verrutschen  oder  sogar  Hinauspressen  des  Spiegels  eine  un- 
angenehme Erschwerung.  Um  diesem  Uebelstande  zu  steuern, 
scheint  mir  eine  Aenderung  des  oberen  Spiegelblattes  emp- 
pfehlenswert;  zu  diesem  Zwecke  habe  ich  dem  oberen  Blatte 
vorn  am  Schnabel  eine  leichte  AufwĂ€rtskrĂŒmmung  geben 
lassen,  obendrein  betrĂ€gt  seine  LĂ€nge  nur  8K>  cm  gegenĂŒber 


der  des  unteren  Blattes  von  10%  cm.  Durch  diese  VerkĂŒr- 
zung des  oberen  Blattes  einerseits  und  seinen  nach  außen 
gebogenen  Schnabel  andererseits  erreicht  man  ein  gutes 
„automatisches"  Festhalten  hinter  dem  Schambein.  Auch 
lĂ€ĂŸt  sich  auf  Grund  dieser  VerkĂŒrzung  die  angehakte  Portio 
l  teri  liefer  nach  unten  ziehen  und  besser  zu  Gesicht  bringen. 
—  Die  EinfĂŒhrung  des  Instrumentes  macht  bei  der  geringen 
KrĂŒmmung  des  kĂŒrzeren  Blattes  nach  oben-außen  keine 
Schwierigkeiten.  Um  die  Drehbewegung  um  die  LĂ€ngsachse 
zu  verhindern,  ist  als  Material  fĂŒr  die  doppelte  Schraubvor- 
richtung das  leichte  Aluminium  zu  empfehlen.  Nebenbei 
will  ich  noch  bemerken,  daß  sich  das  Spekulum  auch  in 
(iieser  Form  auf  kleinsten  Umfang  zusammenlegen  und 
leicht  in  der  geburtshilflichen  Tasche  mitfĂŒhren  lĂ€ĂŸt. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Vertragskommissionen  und  Krankenkassen. 

Die  Aerztekammer  von  Hessen-Nassau  hat  in  ihrer  Sitzung 
vom  22.  Januar  eine  NtuĂ€nderung  der  Bestimmungen  ĂŒber  die 
GrundsÀtze  der  Vertragskommission  vorgenommen.  Die  haupt- 
sÀchlichste Aenderung  der  Bestimmungen  bezieht  sich  auf  die  Bil- 
dung je  einer  Vertragskommission  fĂŒr  jeden  Regierungsbezirk, 
wÀhrend  bisher  nur  eine  Kommission  bestand.  Von  besonderer 
Wichtigkeit  ist  §  3,  der  von  den  Aufgaben  handelt.  Aufgabe  ist. 
die  Aerzte  des  Bezirkes  zur  Wahrung  ihrer  wirtschaftlichen 
Interessen  und  besonders  zum  einheitlichen  Vorgehen  behufs  Er- 
langung der  den  Aerzten  gebĂŒhrenden  Stellung  gegenĂŒber  den 
Krankenkassen  und  anderen  derartigen  VerbÀnden  zusammenzu- 
schließen, die  bestehenden  VertrĂ€ge  gemĂ€ĂŸ  den  „GrundsĂ€tzen"  zu 
gestalten  und  die  abzuschließenden  VertrĂ€ge  zu  prĂŒfen.  Die 
„GrundsĂ€tze'  nun  verlangen,  außer  einer  angemessenen  Ver- 
gĂŒtung, bei  jeder  sich  bietenden  Gelegenheit  die  EinfĂŒhrung  der 
freien  Arztwahl.  Geregelt  wird  die  Art  der  Bewerbung  und  die 
Form  der  VertrĂ€ge.  FĂŒr  die  Honorierung  wird  in  erster  Linie 
die  Bezahlung  der  Einzelleistung  angestrebt.  Jeder  Arzt  hat  eine 
SchutzbĂŒndniserklĂ€rung  abzugeben,  die  ihn  der  Aerztekammer 
gegenĂŒber  bindet. 

Wir  haben  die  die  VertrÀge  mit  Krankenkassen  betreffenden 
Bestimmungen  herausgeholt,  weil  sie  von  grundsÀtzlicher  Be- 
deutung sind.  Sie  stehen  nÀmlich  scheinbar  im  Widerspruch  mit 
dem  sog.  „Berliner  Abkommen",  das  die  VerbĂ€nde  der  Kranken- 
kassen mit  dem  Leipziger  Verband  geschlossen  haben.  In  diesem 
Abkommen  findet  sich  die  Bestimmung,  daß  der  Abschluß  der 
kassenÀrztlichen  VertrÀge  nicht  von  der  Genehmigung  anderer 
Àrztlicher  Organisationen  abhÀngig  gemacht  werden  soll.  Die 
Kassenvertreter  folgern  hieraus,  und  sie  haben  dieser  Folgerung 
öffentlich  Ausdruck  gegeben,  daß  die  Vertragskommissionen  der 
Aerztekammern  in  die  kassenÀrztlichen  VertrÀge  nichts  darein  zu 
reden  haben  und  daß  die  Aerzte  nicht  gehalten  sind,  sie  ihnen 
zur  PrĂŒfung  und  Genehmigung  zu  unterbreiten.  Nun  kann  man 
darĂŒber  im  Zweifet  sein,  ob  es  ein  glĂŒcklicher  Augenblick  war, 
in  dem  der  Leipziger  Verband  mit  dieser  Bestimmung  sich  ein- 
verstanden erklÀrte,  aber  sachlich  ist  die  Auffassung  der  Kassen 


10.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


Standesfragen    und    soziale  Medizin 


4!1 


unhaltbar  und  die  Bestimmung  ohne  jede  rechtliche  Wirkung. 
Denn  da  die  VertrÀge  nicht  nur  mit  der  Àrztlichen  Organisation, 
sondern  auch  mit  jedem  einzelnen  Arzt  geschlossen  werden,  so 
kann  kein  Arzt  zum  Abschluß  des  Vertrages  gezwungen  werden 
und  es  steht  ihm  natĂŒrlich  durchaus  frei,  sich  bei  der  gesetz- 
lichen Vertretung  seines  Standes  Rat  zu  erholen.  DemgemĂ€ĂŸ  liegt 
auch  fĂŒr  die  Vertragskommissionen  kein  Anlaß  vor,  zu  Gunsten 
der  durch  das  Berliner  Abkommen  vorgesehenen  Instanzen  ab- 
zudanken. Ks  dĂŒrfte  vielmehr  nicht  sollen  ersprießlich  sein,  in 
eine  VertragsprĂŒfung  von  einem  höheren  Standpunkte,  nĂ€mlich 
vom  Interessenstandpunkt  der  gesamten  AerztcschaÜ,  nicht  nur 
der  KassenÀrzte  einzutreten,  zu  der  die  gesetzliche  Standesver- 
firetung  berufen  ist.  TatsÀchlich  werden  ja  auch  viele  VertrÀge, 
wenn  auch  nicht  ohne  Mitwirkung  des  Leipziger  Verbandes,  so 
doch  nicht  mit  ihm  direkt  abgeschlossen,  wie  es  z.  B.  in  einem 
großen  Teile  SĂŒddeulschlands  und  in  Berlin  der  Fall  ist.  Es  wird 
natĂŒrlich  im  Ă€rztlichen  Interesse  liegen,  wenn  die  Vertragskom- 
niissionen  mit  den  Organen  des  Leipziger  Verbandes  Hand  in 
Hand  gehen  und  eine  Einigung  ĂŒber  etwaige  differents  Punkte 
wird  unschwer  gelingen.  In  Berlin  nimmt  ein  Vertreter  der 
Kanimervertragskommission  dauernd  an  den  Beratungen  ĂŒber 
kassenĂ€rztliche  VertrĂ€ge  teil.  Jedenfalls  mĂŒssen  die  Aer-zte- 
kanimern  bestrebt  sein,  den  ihnen  gesetzlich  zustehenden  Einfluß 
auf  dergl.  VertrÀge  nicht  aus  der  Hand  zu  geben. 

Alexander. 

Die  Regelung  der  Arbeitszeit  fĂŒr  die  Krankenpflegepersonen. 

In  einer  Sitzung  des  zustÀndigen  Ausschusses  des  vorlÀufigen 
Reichswirtschaftsrats  hat  sich  das  stÀndige  Mitglied,  Herr  Dr. 
-Herzau,  ĂŒber  die  Einbeziehung  der  Krankenpflege  unter  die 
TĂ€tigkeit  der  gewerblichen  Arbeiter  gutachtlich  geĂ€ußert.  Er 
hob  hervor,  daß  ein  Vergleich  der  Krankenpflegearbeit  mit  der 
der  gewerblichen  Arbeiter  nicht  gezogen  werden  kann,  weil  diese 
am  Objekt,  jene  am  Subjekt,  und  noch  dazu  am  Kranken  arbeiten. 
In  der  Privatpflege  seine  eine  8  stĂŒndige  Arbeitszeil  schon  aus 
ökonomischen  GrĂŒnden  undurchfĂŒhrbar,  weil  die  Kosten  fĂŒr  die 
zeitlich  reduzierte  Pflege  von  einem  großen  Teile  der  Hilfesuchen- 
den nicht  aufzutreiben  wÀren.  Aber  auch  in  der  Krankenhaus- 
pflege  ist,  abgesehen  von  den  Kosten,  die  Teilung  schwierig,  weil 
die  KontinuitĂ€t  der  Behandlung  schon  fĂŒr  die  Berichterstattung 
an  den  Arzt  erforderlich  ist.  In  dringenden  FĂ€llen,  z.  B.  bei  Ent- 
binelungen,  Operationen,  Blutungen  wÀre  ein  plötzlicher  Wechsel 
des  Personals  geradezu  verhÀngnisvoll. 

(Eine  Anfrage  gleichen  Inhalts,  welche  vor  einiger  Zeit  vom 
preußischen  Wohlfahrtsminister  an  die  Aerztekammer  gerichtet 
worden  war,  ist  von  elem  Vorstand  der  Berliner  Kammer  in  Àhn- 
lichem Sinne  beantwortet  worden.  Auch  hier  ist,  wie  von  dem 
Referenten,  ausdrĂŒcklich  betont  worden,  daß  die  durch  die  Um- 
stÀnde nicht  bedingte  Ausnutzung  der  KrÀfte  des  Personals  un- 
bedingt verhĂŒtet  werden  muß.)  A  1  e  x  a  n  d  e  r. 

Der  Brotpreis  als  Honorarindex. 

Die  Leisniger  Aerzte  (Sachsen)  haben  beschlossen,  unter  Zu 
gruhdelegung  des  Friedenssatzes  von  1914  den  Brotpreis  als  Zu- 
schlagsindex zu  verwerten.  Dieser  Beschluß  ist  nicht  praktisch. 
D.enn  der  Brotpreis  ist  ein  (inseitiger  Faktor,  der  nicht  imm  r 
Ausdruck  der  Lebenshaltung  ist  und  nicht  gleichmĂ€ĂŸig  mit  d<  r 
Lebenshaltung  steigt  und  fÀllt.  Nur  ein  Index,  der  ein  vielfaches 
System  der  UnterhaltsbedĂŒrfnisse  umfaßt,  hat  Anspruch  als  ge- 
rechtes Maß  zu  gelten.  Der  Brotpreis  wird  auch  nicht  selten 
kĂŒnstlich  gehalten,  z.  B.  durch  ZuschĂŒsse  der  Gemeinden  oder 
Kreise.  Am  besten  verwertbar,  wenn  auch  nicht  ganz  einwand 
frei,  ist  der  Lebenshaltungsindex  des  Reichsstatistischen  Amts, 
doch  hat  er  den  Fehler,  zu  einer  Zeit  veröffentlicht  zu  werden, 
wo  die   WertverhĂ€ltnisse   der   Indexzeil   bereits  Überholl  sind. 

A  1  e  x  a  n  d  e  r. 

Krankenkasse.imitglieder  und  staatliche  Polikliniken. 

In  Nr.  0  der  Berliner  Aerzlckorri  spondenz  bespriqhl  Ver- 
fasse r  Dr.  Axhausen  die  MißslĂ€nde,  die  allmĂ€hlich  hei  Gelegen- 
heit der  Behandlung  von  Krankenkassenmilglicelcrn  in  dm  slaal 
liehen  Polikliniken  sich  geltend  gemacht  haben.  Diese  dienten 
ursprĂŒnglich  der  Ă€rztlichen  Versorgung  Unbemittelter  und  der 
Förderung  des  medizinischen  Unterrichts.  Die  Behandlung  war 
kostenlos.  Durch  die  Krankenversicherung  isl  nun  allmÀhlich  eine 
anderweitige  Versorgung  der  Kranken  in  so  umfangreichem  Maße 
eingetreten,  daß  die  Zahl  der  Hilfesuchenden  erheblich  abnahm 
Zu  dieser  Abnahme  trugen  noch  andere  Momente  wesentlich  bei: 
die  Einrichtung  von  Rettungsstellen  fĂŒr  erste  Hilfe  in  Berlin,  die 
Erhebung  einer  GebĂŒhr  zur  Deckung  der  Unkosten  und  vornehm 


lieh,  das  Verbot  der  I  eberw  <  isung  und  Behandlung  von  Kassi  n 

milgiiedern  in  den  staatlichen  Polikliniken,  durch  die  Àrztliche 
Organisation,  die  mit  dem  Krankenkassenverband  in  einem  Ver 

I  ragsverhĂ€llnisse  steht.  Schließlich  b  inden  auch  (Iii  Kranken 
kassen  den  Ersatz  der  liquidierten  Unkosten  ab.  Durch  diese 
UmstÀnde  lill  die  Frequenz  der  staatlichen  Polikliniken  so  be- 
trĂ€chtlich, daß  ihr  Zweck,  die  Ausbildung  der  Medizinstudierenden 
\ollkommen  illusorisch  wurde.  Ein  Ausgleich  dieser  wider- 
streitenden Interessen  mußte  versucht  werden  und  ist  auf  folgen- 
der Grundlage  zu  Stande  gekommen:  Von  der  Verwendung  der 
staatlichen  Polikliniken  als  offizielle  kassenÀrztliche  Sprechstelle 
ist  Abstand  genommen.  Zu  Unterrichtszwecken  dĂŒrfen  Kassen 
kranke  untersucht  und  behandelt  werden.  Die  Weiterbehandlung 
soll  nach  Möglichkeit  den  KassenÀrzten  verbleiben.  Zur  V.erwen 
dĂŒng  fĂŒr  Unterrichtszwecke  gehört  das  EinverstĂ€ndnis  des  Hilfe- 
suchenden. Die  Behandlung  muß  kostenlos  sein,  die  Kosten- 
rechnung darf  nur  zur  Deckung  der  Unkosten  dienen.  In  den 
Polikliniken  dĂŒrfen  im  ĂŒbrigen  nur  Unbemittelte  Behandlung 
linden.  Das  Verbot  der  Àrztlichen  Organisation,  Kassenkranke 
den  slaatlichen  Polikliniken  zu  ĂŒberweisen,  wird  aufgehoben. 

So  dankenswert  dieses  Abkommen  isl,  so  erfaß!  es  doch  das 
liebe!  nicht  an  der  Quelle.  Die  Quelle  des  Uebels  liegt  darin,  daß 
das  gewaltige  Material,  das  die  Krankenversicherung  fĂŒr  die  Aus- 
bildung der  Mediziner  liefern  könnte,  zum  großen  Teil  unbenutzt 
bleibt  und  zwar  dadurch,  daß  die  Zahl  der  berufenen  Lehrer  in 
dem  engen  Rahmen  des  UniversilÀts-  und  FakultÀtsstatuts  ein- 
gespannt ist.  Nur  wer  die  facultas  docendi  von  der  UniversitÀt 
erhallen  hat.  besitzt  das  Privileg,  Studierende  fĂŒr  PrĂŒfungs- 
zwecke auszubilden.  Der  Student  unterlĂ€ĂŸt  es,  die  außerhalb 
dieses  Rahmens  sich  ihm  darbietende  Ausbilelungsmöglichkeit 
auszunutzen,  weil  das  Testat  fĂŒr  PrĂŒfungszwecke  nicht  ausreicht. 
Unter  diesen  MißslĂ€nden  leiden  nicht  nur  die  zahlreichen  gut  vor- 
gebildeten Leiter  kassenÀrztlicher  Sprechstunden,  sondern  auch 
die  Leiter  nicht  staatlicher  KrankenhÀuser,  die  nicht  selten 
AutoritÀten  ersten  Ranges  sind,  ohne  die  facultas  zu  besitzen. 
Hier  mĂŒĂŸle  die  neue  PrĂŒfungsordnung  Wandel  schaffen  dadurch, 
daß  den  Leitern  der  genannten  Institute,  wenn  sie  die  Geeignetheil 
zu  Lehrern  besitzen,  das  Recht  zur  Ausstellung  von  Testaten  fĂŒr 
l'rĂŒlungszweckc  in  gleicher  Weise  zugestanden  wird,  wie  den 
Milgiiedern  der  FakultĂ€t.  Daß  durch  diese  Einrichtung  auch  die 
Fortbildung  der  Aerzle  wirksamer  gefördert  werden  wĂŒrde, 
als  es  jetzt  möglich  ist,  liegt  auf  der  Hand. 

Alexander. 

Die  gesetzliche  Regelung  des  VerhÀltnisses  der  Aerzte  zu  den 
Krankenkassen. 

Der  Mecklenburgische  Aerztevereinsbund  hat  gleich  anderen 
Àrztlichen  Organisationen  die  zwangsweise  Regelung  der  Àrzt- 
lichen Beziehungen  zu  den  Krankenkassen  rundweg  abgelehnt 
Das  gleiche  hat  auch  der  GeschĂ€ftsausschuß  der  Berliner  Ă€rzt- 
lichen Standesvereine  getan  und  gleichzeitig  beschlossen,  in  einer 
Denkschrift  die  GrĂŒnde  gegen  eine  gesetzliche  Regelung  ausfĂŒhr- 
lich darzulegen.  Die  Denkschrift  soll  dem  Reichstage  eingereicht 
werden.  Alexande  r. 

Der  neue  preußische  Hebammengesetzentwurf. 

Nachdem  der  im  Jahre  1920  dem  preußischen  Landtage  vor- 
gelegte Entwurf  daselbst  wegen  zahlreicher  WiderstÀnde  nicht  zur 
Verabschiedung  gelangt  war,  hat  die  Regierung  einen  neu  n  Ent- 
wurf ausgearbeitet,  der  am  11.  und  12.  Januar  im  Landtage  be- 
raten und  dann  dem  Bevölkerungsausschuß  zu  weiterer  Beratung 
ĂŒberwiesen  worden  ist.  Der  Entwurf  hat  im  Gegensatz  zum 
frĂŒheren  auf  die  allmĂ€hliche  Beseitigung  der  frei  praktizierenden 
Hebammen  verziehtet.  Diese  BeschrÀnkung  seheiterte  an  dem 
einmĂŒtigen  WiderstĂ€nde  der  Abgeordneten,  der  Aerzte  und  -  der 
Hebammen  selbst.  Der  neue  Entwurf  sieht  ein  gemischtes  System 
vor.  WĂ€hrend  nach  dem  frĂŒheren  Entwurf  der  hilfesuchenden 
Frau  die  Bezirkshebamme  zugewiesen  wurde,  besteht  nach  dem 
jetzigen  EntwĂŒrfe  freie  Ilebam-menwahl.  Allerdings  auch  nicht 
ganz  ohne  BeschrÀnkung,  dum  die  Nicdcrlassungsgenehmigung 
soll  mir  nach  BedĂŒrfnis  erteilt  werden.  Der  Zweck  dieser  Be- 
schrĂ€nkung soll  die  gleichmĂ€ĂŸige  Verteilung  ĂŒber  Stadt  und  Land 
und  der  wirtschaftliche  Ausgleich  sein.  Gleichzeitig  ist  die  An- 
stellung von  Bezirkshebammen  vorgesehen  fĂŒr  diejenigen  Ort- 
schaften, fĂŒr  die  die  freie  Niederlassung  nicht  zu  erwrarten  isl. 
Allen  Hebammen  wird  ein  Mindesteinkommen  und  Versorgung  im 
Falle  von  Krankheit  und  BerufsunfÀhigkeit  zugesichert.  Anderer- 
seits steht  nach  §  1  jeder  Frau  in  Preußen  Hebammenhilfe  zu.  Man 
sieht,  auf  der  einen  Seile  ein  StĂŒckchen  Sozialisierung  mit  An- 
spruch auf  Mindesteinkommen,  dessen  Kosten  die  Allgemeinheil 


Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24  2Sl 


(rĂŒgt,  auf  der  anderen  Seite  ein  numerus  clausus  durch  die  Nieder- 
lassungsgenehmigung nach  Maßgabe  des  BedĂŒrfnisses.  Es  soll 
zugegeben  werden,  daß  die  Hebammenhilfe  gesichert  werden  muß. 
Hierzu  dĂŒrfte  aber  die  Anstellung  von  Bezirkshebammen  in  den 
geeigneten  Kreisen  und  Ersatz  der  Hebammenkoslen  fĂŒr  die  Un- 
bemittelten ausreichen.  Alles  weitere  schmeckt  nach  Politik  und 
ist  mit  den  Fehlern  einer  parteipolitischen  Gesundheitspflege  be- 
haftet. Wer  bestimmt  zahlenmĂ€ĂŸig  das  BedĂŒrfnis  der  Orte  nach 
Hebammenhilfe,  das  fĂŒr  Erteilung  und  ZurĂŒcknahme  der  Ge- 
nehmigung maßgebend  sein  soll?  Letzten  Endes  wird  der  be- 
nachbarten Hebamme  der  Beweis  darĂŒber  zufallen,  daß  ein 
solches  BedĂŒrfnis  vorliegt  —  ein  Beweis,  der  wohl  kaum  jemals 
zu  erbringen  ist.  INI i t  anderen  Worten:  die  Genehmigung  zur  Aus- 
ĂŒbung der  Praxis  wird  ausschließlich  von  den  zustĂ€ndigen  Be- 
hörden abhĂ€ngen.  Daß  die  EinschrĂ€nkung  des  freien  Wettbewerbs 
und  die  Sicherstellung  des  Einkommens  auf  Charakter  und  Sland 
der  beati  possidentes  einwirken  kann,  ist  auch  nicht  zu  unter- 
schĂ€tzen bei.  einer  BerufstĂ€tigkeit,  die  das  höchste  GefĂŒhl  von 
Verantwortung  erfordert.  Wir  Aerzte  haben  ein  besonderes 
Interesse,  das  vorgesehene  Experiment  zu  ĂŒberwachen.  Denn 
—  vestigia  terrent.  Wenn  der  Mantel  fĂ€llt,  kann  auch  der  Herzog 
fallen,  was  den  Hebammen  recht,  ist  den  Aerzten  billig.  Daß 
man  in  Kassenkreisen  einer  gleichen  Lösung  fĂŒr  die  Aerzte  zu- 
strebt, wird  von  ihnen  gar  nicht  in  Abrede  gestellt.  Noch  schĂŒtzt 
uns  die  Gewerbeordnung  des  Beiches,  aber  Gesetze  sind  schnell 
geĂ€ndert,  deshalb  sei  nachdrĂŒcklichst  auf  diese  Gefahr  hinge- 
wiesen. A  1  e  x  a  n  de  r. 

Entscheidungen  zur  Reichsversicherungsordnung. 

Zum  Begriff  der  E  n  t  b  i  n  d  u  n  g.  In  einer  Entscheidung 
vom  24.  11.  21  hat  das  Reichsversicherungsamt,  nach  einem  Gut- 
achten des  Beichsgesundheitsamts,  entschieden,  daß  eine  Ent- 
bindung nur  dann  vorliegt,  wenn  der  neue  Organismus,  das  Kind, 
vom  mĂŒtterlichen  Organismus  abgetrennt  wird,  um  ihn  ein  selb- 
stĂ€ndiges Leben  fĂŒhren  zu  lassen.  Dies  ist  der  Fall,  wenn  ein 
lebendiges  Kind  frĂŒhzeitig  oder  rechtzeitig  geboren  wird,  auch 
wenn  es  sich  dann  als  nicht  lebensfÀhig  herausstellt  oder  wenn 
ein  frĂŒhzeitig  oder  rechtzeitig  geborenes  Kind  unmittelbar  vor 
oder  wÀhrend  der  Geburt  stirbt. 

Entbindung  und  Krankheitsfall.  Durch  die  Ge- 
wÀhrung von  Kunsthilfe  wird  ein  Wochenhilfefall  nicht  ohne 
weiteres  und  im  ganzen  Umfange   ein   Krankenhilfefall.  Wird 


Kunsthilfe  erforderlich,  so  mĂŒssen  unter  allen  UmstĂ€nden  die 
Leistungen  der  Wochenhilfe  bestehen  bleiben,  die  durch  die 
Krankenhilfe  nicht  gewÀhrt  werden  können.  Die  Wöchnerin  be- 
hÀlt daher  bei  der  Familienwochenhilfe  den  Anspruch  auf  die 
Pflichtleistung  und  muß  nur  die  Kosten  der  Ă€rztlichen  Kunsthilfe 
aus  eigenen  Mitteln  tragen.  (E.  d.  Obervers.-Amts  Breslau, 
28.  11.  21.)  [Die  Entscheidung  ist  nicht  stichhaltig.  Vergl.  die 
dieser  entgegenstehende,  unten  berichtete  Entscheidung  des  Ober? 
versicherungsamtes  Leipzig.]  ‱ 

Fehlgeburt  und  Entbindung.  Das  Beichsversiche- 
rungsamt hat  den  Anspruch  auf  Entbindungskosten  und  Wochen- 
hilfe in  einem  Falle  abgelehnt,  in  dem  eine  Frucht  von  30  cm  tot 
zur  Welt  kam.  Aus  den  GrĂŒnden  sei  folgendes  angefĂŒhrt:  Die 
Leistungen  der  Wochenhilfe  werden  Wöchnerinnen  gewÀhrt. 
Wöchnerin  ist,  wer  entbunden  worden  ist.  Eine  Entbindung  liegt 
nur  dann  vor,  wenn  der  neue  Organismus,  das  Kind,  vom  mĂŒtter- 
lichen abgetrennt  wird,  um  ihn  ein  selbstĂ€ndiges  Leben  fĂŒhren 
zu  lassen.  Dies  ist  der  Fall,  wenn  ein  lebendiges  Kind  geboren 
w  ird,  auch  wenn  es  sich  spÀter  nicht  als  lebensfÀhig  erweist  oder 
unmittelbar  vor  oder  wĂ€hrend  der  Geburt  stirbt.  Die  Ausstoßung 
einer  niemals  lebensfÀhigen  Frucht  von  weniger  als  32  cm  LÀnge 
is|  eine  unzeitige  Geburt  und  keine  Entbindung. 

Was  ist  anormale  Entbindung'  Nach  der  oben  er- 
wÀhnten Entscheidung  des  Oberversicherungsamis  Leipzig  liegt 
'.ine  anormale  Entbindung,  die  neben  dem  Anspruch  auf  den  Ent- 
bindungskostenbeitrag noch  zu  dem  Anspruch  auf  Erstattung  der 
Àrztlichen  Kosten  nach  §  182  R.  V.O.  berechtigt,  nicht  nur  dann 
vor,  wenn  nach  der  Entbindung  ein  anormaler  Zustand  bei  der 
Mutter  eingetreten  ist,  sondern  auch  schon  dann,  wenn  die  anor- 
male Lage  des  Kindes  die  Àrztliche  Hilfe  erfordert.  Es  war  zu 
prĂŒfen,  ob  der  Verlauf  der  Geburt  des  Kindes  anormal  vor  sich 
gegangen  und  daher  als  Krankheit  anzusehen  ist.  Das  war  nach 
Bekundung  der  Gutachter  der  Fall.  Zwar  sind  keine  Geburtsver- 
letzungen  entstanden,  aber  die  KlÀgerin  schwebte  in  dieser  Ge- 
fahr und  schon  diese  begrĂŒndet  einen  anormalen,  also  krankhaften 
Zustand.  WÀre  keine  Hilfe  geleistet  worden,  so  wÀre  das  Kind 
im  Multerleibe  erstickt,  auch  das  ist  ein  anormaler  Geburtsver- 
lauf.  Die  etwaige  Annahme,  daß  der  UnterstĂŒlzungsfall  des  §  182 
erst  dann  gegeben  ist,  wenn  nach  der  Entbindung  ein  anormaler 
Zustand  bei  der  Kindesmutter  eingetreten  wÀre,  ist  unrichtig, 
denn  der  Verlauf  der  Geburt  beginnt  nicht  nach,  sondern  mit  der 
Entbindung.  Alexander. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

31.  MĂ€rz  1922,  Nr.  13. 

‱Krubei-kulosebehamllutig  auf  perkutanem  Wege.  I.  M  o  t  o.  457. 
♩$>TuberkulosebehamlliiiiK  auf   perkutanem   Wege.  II.     G-ö  1 1 1  i  e  b.  459 

Konjunktivitis  grnnulnris  lateralis.    S  a  e  t  k  o  f  f.  460. 

Hcmianopische  PupiUemreaktion.    O  1  o  f  f.    462.  ‱ 

Blaseninhaltsstoffe    ĂŒiber    spezifischen    Reaktionen  II.    3.  Vaiizellcnschutz- 

iimpfung.    Thomas  u.  A  r  n  o  1  d.  464. 
Vitamine  und  Diabetes.    Klotz  u.  H  ö  p  f  n  e  r.  465. 
AuslöschphÀnomen    und  Scharlachdiagnose.     B  1  u  m.  l(>(i. 
Keilförmige  Osteotomie.    Zimmermann.  467. 
t  ingerschiene.    Franke.  468. 

.lodnatriumbcliandlung  entzĂŒndlicher  Prozesse.  468. 

Geographische    Verbreitung   und    epidemiologische   Bedeutung    der  Appen- 
dizitis.   Dietcrich.  469. 
Wundbehandlung:  Berieselung  mit  heißem  Wasser.  C  h  a  t  z  k  e  1  s  o  b  n.  470. 
‱^Behandlung  der  Malaria.    Reh.  470. 

Malignes  Oedem  im  Anschluß  an  eine  Laparatomie.    D  ĂŒ  1 1  m  a  n  n.  171. 
Neue  Wege  fĂŒr  die  Behandlung  von  Unfallverletzten.    K  w  a  ld.  472. 
Angl  bliche  Gefahren  des  DĂ€mmerschlafes  bei  der  Geburt.    P  e  h  a  m,  v.  473. 
Chronisch  ankylosierende  Wirbelversfcifung.    F  r  a  e  n  k  e  1.  474. 

Zum  Problem  der  Tubcrkulosebehandlung  auf  perkutanem 
Wege  (I.  Prinzip  und  Methode).  Die  Perkutanprobe  ist  das  ein- 
fachste und  unschÀdlichste  Verfahren,  denn  mit  ihr  kann  man 
vor  allem  nicht  so  leicht  Herdreaktionen  auslösen,  die  auf  eine 
bestehende  Phthise  oft  unheilvollen  Einfluß  hat.  Verfasser  hat 
seit  lÀngerer  Zeil  versucht,  durch  Perkutanbehandlung  möglichst 
krÀftige  Haut  ohne  Ilcrdreaktioncn  zu  erzielen  und  stellt  sich 
lÀrmt  in  Gegensatz  zu  Petruschky,  der  auf  perkutanem  Weg 


Herdreaktionen  zu  erhallen  sucht.  Der  Methode  liegt  die  Be- 
obachtung zugrunde,  daß  die  Tuberkulose  bei  Kindern  mit  Intc- 
gument-  oder  Knochenherden  im  allgemeinen  einen  gĂŒnstigen 
Verlauf  nimmt.  Durch  kĂŒnstliche  Setzung  spezifischer  Neben- 
herde  in  der  Haut  werden  nun  VerhÀltnisse  geschaffen,  die  den 
Spohtaneruptionen  fast  vollkommen  entsprechen.  Felln  er 
fand  in  den  Zellen  von  Tuberkulinpapeln  (toxischen  Haultuber- 
kuliden)  in  vitro  entgiftende  Reaktionskörper,  von  denen  man 
nach  Bau  und  Funktion  der  Haut  annehmen  muß,  daß  sie  resor- 
bierbar sind.  Es  handelte  sich  also  um  „passive  Immunisierung" 
der  Hauptherde  von  den  Hautfilialen  aus,  die  der  Organismus, 
ohne  Herdreaktion  des  Hauptherdes,  selbst  besorgt  (aktiv- 
passive Immunisierung).  Mit  Hilfe  einer  neuen,  vom  Verfasser 
angegebenen  Tuberkulinsalbe  „Ektebin1"  (Merck)  kann  man  nun 
Ă€hnliche  VerhĂ€ltnisse  schaffen.  Behandlungsweise:  GrĂŒndliches 
Einreiben  1  Minute  lang  in  1 — 4  wöchentlichen  Pausen,  im  ganzen 
(5,  eventuell  Turnus  wiederholen.  KrÀftige  Lokalreaktionen 
lichenoider  oder  squamöser  Natur  sind  gĂŒnstig;  bei  schwacher 
HautreaktionsfÀhigkeit  vorher  Aelherabreibung.  Nach  den  bis- 
herigen Erfahrungen  (2  Jahre)  ist  es  keine  Scheintherapie,  son- 
dern das  Verfahren  leistet  sicher  nicht  weniger  wie  jede  andere 
wirksame  Tuberkulintherapie.  Anwendungsgebiet:  SĂ€uglinge 
und  Kleinkinder  mit  positivem  Piquet,  Àltere  nur  bei  klinischen 
Befunden,  die  fĂŒr  Tbc.  sprechen.    Prophylaktisch  kein  Effekt. 

II.  Histologische  Untersuchungen.  Im  Original 
nachzulesen. 

Zur  Behandlung  der  Malaria.  Verfasser  gibt  auf  Grund 
seiner  Erfahrungen  in  Sumatra  eine  kurzdauernde  Behandlung 
an,  begrĂŒndet  in  einer  neuen  Hypothese  ĂŒber  Phasenkonsistenz, 
bei  welcher  zweimal  die  wirksame  Chininkonzentration  im  Blut 


« 


Aus   den    neuesten    Z  e  i  t  s  c  h r  i  f  I  e  n 


Ii).  Jahrg.  —  Nr.  2\  LT,. 


durch  zweistĂŒndliches  Einnehmen  kleiner   Dosen  fĂŒr  volle  60 
Stunden  aufrecht  erhallen  wird.    Zur  UnterstĂŒtzung  Arsen,  (Ins 
ach    Verfasser    vielleicht    die  ChininischÀmie  des  Kapillar- 
stems beseitigt,  welche  der  vollen  Auswirkung  des  Chinins  im 
ege  sieht.    Methode:  2%  Tage  lang  tags  und  nachts  zweistĂŒnd- 
h  0.2  Chinin  hydrochlor.     Nach  1    2  Tagen  Pause  Wieder 
lung.     Anschließend    15   Tage   3  mal   2   Pillen  Arsenchinin 
hininhydrochlor,  10,0,  Acid.  ars.  0,2  auf  90  Pillen),  dazu  am 
i.  .  Ii),  und  11.  Tage  vor-  und  nachmittags  je  0.2  Chinin.  (Varia- 
mi   des  Schemas   nach  den   Anfallen:   Wenn   Anfall  morgens, 
NĂ€chte  2  Tage,  sonst  umgekehrt.) 

7.  April  1922,  Nr.  II. 

Neu;'  Methodik  zum  Nachweis  (los  „d'Herelleschen  Virus".    Pf  r  e  i  in  b  l  e  r, 

Seil,  Pistoriu  s.  495. 
Liquordiagnostik  im  Dienst  der  experimentellen  Kanineberisyphjlis.    I'  1  a  u  i 

und  N  e  u  t  z  e  r.  196. 
Anatomische  VerÀnderungen  bei  experimenteller  Kaninchensyphiilis.    1'  1  a  u  t 

und  N  e  o  t  sc  e  r.  498. 
Verschiedenheit  der  Eltor  von  den  Choleravibrionen.    K  r  n  u  s.  499. 
Aptlicrtherapie  und  Prophylaxe  der  Peritonitis,    s  i  »  w  a  i  t.  ÀO'J. 
struktive  Chirurgie.    Esse  r.  502. 
Yatren.    D  U  h  r  s  s  e  n.  .'i04. 
Ileftpflasterdermat'.tis.    Siemens.  506. 
Diagnostik  des  Lungenkrebses.    N  u  II  Ii  a  u  m.  öu". 

Verbreitung  der  Tuberkuloseinfektion  auf  dem  Lande.    X  e  Ii  r  i  n  g.  ">0?. 
VerstÀrkung  von   GrciwebsfÀrbungen    mit   Anilinfarben    durch  Zusatzmittel. 
Post.  509. 

Malignes  Chorioncnitheliom.    X  À  gel«  b  a  c  h.  510. 
Luxatio  olavicularis  retrosternal!«,    s  e  Ii  l  e  »t  1.  511. 
Kleinliirnblutung.    Hofmanu.  511. 
Zopfalischneider.    Petersen.  512. 
Technik  der  Metreuryse.    S  c  h  ĂŒ  n  i  n  g.  513. 
Appendizitis  und  Situs  iuversus.    L  a  n  d  g  r  a  f.  518. 

Röntgenologischer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Tbc.  der  Lungen.  K  À  s  1 1  e.  513. 

14.  April  1922,  Nr.  15. 

‱^Diagnostische   Bedeutung  der   Gastroskopic.     Schindle  r.  535. 
Kausale.  Psychotherapie  bei  Organrxeurösen.     XV  e  s  t  p  Ii  a  I.  537. 
Beziehung  des  Bronchialasthmas  zu  anderen  Erkrankungen.    K  À  m  ni  e  r  e  r. 
542. 

Beobachtungen  ĂŒber  kĂŒnstlich  erzeugte.  Lichtwirkung  auf  die  Hautkapillaren 
und    ihre    Verwertung    als    biologischer    Maßstab  zur    Dnseiiiiiessung  in 
der  Röntgentiefentheranie.    W  eise  h.  546. 
Syphilisbehandlung  mit  Wismut.    MĂŒller.  547. 

Behandlung   der   Syphilis    mit   MetaMsalvarsan-Novasurolgefmischen.     V  i  1  1 
und  S  m  i  1  1.  549. 

Lues  congenitaiis.     S  t  ĂŒ  m  p  k  e.  55t. 

Eosinopiiilie  bei   Tumoren.   -S  c  h  e  1 1  o  n  y.  553. 

Pneumothorax  und  Höhenweehsel.    P  u  t  z.  554. 

Verschluß  des  RĂŒckenmarkskanals.    .1  o  s  e  f  s  o  n.  555. 

Kolorimeter  fĂŒr  klinische  Zwecke,    d  e  I  s  a  a  n.  .">:>.">. 

Die  diagnostische  Bedeutung  der  Gastroskopie.  (1  Farben- 
fel.)  Die  Gastroskopie  ist  die  schwierigste,  bei  einiger  Uebung 
und  technischem  Geschick  aber  wohl  zu  erkennende  Endoskopie. 
Die  bei  weitem  grĂ¶ĂŸte  Schwierigkeit  besteht  in  der  richtigen 
Deutung  und  Beurteilung  der  Bilder.  Bei  strenger  Beobachtung 
der  Kontraindikationen  ist  sie  mit  starren  Instrumenten  fĂŒr  den 
Kranken  ungefÀhrlich  und  wird  von  ihm  meist  als  sehr  wenig 
lÀstig  empfunden.  HÀufig  kann  man  damit  mit  anderen  Methoden 
nicht  erkennbare  Differentialdiagnosen  stellen  und  bisher  ĂŒber- 
haupt nicht  diagnostizierbare  Krankheitsbilder  erkennen,  z.  B. 
Polyposis  ventriculi.  Auch  zur  Ulcuserkennung  ist  sie  hÀufig 
unentbehrlich.  Die  FrĂŒhdiagnose  des  Karzinoms  wird  dadurch 
gefördert.    Einzelheiten  siehe  Original. 

F.  Loewenhardt  (Charlollenburg-Westend). 

Zeitschrift  fĂŒr  Ă€rztliche  Fortbildung,  Jena. 

15.  Februar  1922,  19,  Nr.  4. 

‱Hinderne  Diagnostik  der  Darmkrankheiten  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung 

der   funktionellen    Diagnostik.     Kuttner,    L.  97. 
"^Encephalitis  epidemica.    R.  o  o  s  ,  E.  105. 

♩Die  Placenta  praevia  und  ihre  Behandlung  in  der  Praxis.    B'auch.B.  109. 

Moderne  Diagnostik  der  Darmkrankheiten  mit  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung der  funktionellen  Diagnostik.  Den  Mittelpunkt  der 
AusfĂŒhrungen  bildet  die  Besprechung  der  von  Schmidt  und 
St  ras  bĂŒrg  er  geschallt  neu  ProbediĂ€t  und  der  diagnostischen 
SchlĂŒsse,  die  aus  den,  Nachweis  von  Nahrungsresten  und  Darm- 
Wandprodukten  im  Stuhl  gezogen  werden  können.  Es  finden  sieh 
zahlreichere  und  grĂ¶ĂŸere  Bindegewebs-  und  Sehnenreste  bei 
Störungen  der  Magenverdauung  (Achylia,  hochgradige  Hypochylia 
gastrica,  schneller  Magenenlleerung);  MuskelstĂŒckchen  und 
mikroskopisch  nachweisbare  quergestreifte  Muskelfasern  bei 
Störungen  der  DĂŒnndarmverdauung,  sei    es  rein  sekretorischer 


Xaiur,  sei  es  durch  ungenĂŒgende  Einwirkung  der  Vcrdauungs 
salie  infolge  gesteigerter  DĂŒnndarmperistaltik;  unverdaute  6e 

webskerne,  verbunden  mit  starkem  Abgang  von  M uskel resten,  bei 

Ausfall  der  Ă€ußeren  Pankreassekretion   (bei  niebl   allzu  hoch- 
gradigen Störungen    können    die   Kerne    jedoch    verdaut  sein 
SlÀrkereste  bei  schlechter  Zelluloseverdauung  und  pathologischem 

Verhalten  der  Darmflora;  grĂ¶ĂŸerer  Fettgehall  bei  Störungen  de 
(ialleabscheidung,  der  Pankreassekretion,  bei  Erkrankung  der 
mesenterialen  LymphdrĂŒsen,  bei  Tuberkulose  des  Darms  und  des 
Peritoneums,  bei  erhöhter  Peristaltik  und  in  einzelnen  FÀllen  von 
Basedowscher  Krankheil  (Darmerkrankungen  beeintrÀchtigen  die 
Fettverdauung  nur  wenig):  Schleim  bei  entzĂŒndlichen  Prozessen 
d<  r  Darmschleimhaut;  mit  Sehleim  gemischter  Eiter  bei  ulzerativen 
VorgĂ€ngen,  schweren  EntzĂŒndungen  und  Neoplasmen. —  betrĂ€cht- 
liche Eitermengen  lassen  an  den  Durchbruch  paraintestinaler 
Eiterherde  denken  — ;  makroskopisch  erkennbares  Blu1  bei  allen 
ulzerösen  Prozessen,  toxischen  EntzĂŒndungen,  Neoplasmen,  HĂ€- 
morrltoidalzustÀnden  usw. 

Hingewiesen  wird  weiterhin  auf  den  Nachweis  okkulter  Blu- 
tungen und  von  HĂ€matoporphyrin  (wichtig  fĂŒr  die  Unterscheidung 
/.wischen  okkultem  und  HĂ€morrhoidalblut)  in  den  Faezes,  auf  die 
Wichtigkeit  der  Untersuchung  des  Magen-  und  Duodenalinhalls 
(mit  der  Duodenalsonde)  fĂŒr  die  Darmdiagnostik,  auf  die  Be- 
deutung der  Bckto-Romanoskopie  und  der  Röntgenuntersuchung. 

Im  allgemeinen  haben  die  letzten  Jahre  durch  den  Ausbau  der 
Untersu0hungsmethoden  einen  großen  Fortschritt  in  der  Er- 
kennung der  Darmkrankheiten  gebracht.  Immerhin  behalten  die 
alten  diagnostischen  Mittel,  namentlich  Inspektion  und  Palpation, 
auf  die  bei  der  Ausbildung  großer  Wert  gelegt  werden  mĂŒĂŸte,  ihre 
volle  Bedeutung  bei. 

Ueber  Encephalitis  epidemica.  Verf.  bespricht  im  einzelnen 
die  Symptome  der  Krankheit,  ihre  Diagnose,  Therapie,  Prognose 
und  ihre  anatomischen  Bilder  und  hebt  die  große  Verschieden- 
artigkeit der  Erscheinungen  hervor.  Der  Name  Encephalitis 
lethafgica  muß  aufgegeben  werden,  da  die  Schlafsucht,  wie  man 
jetzt  weiß,  nicht  ein  unerlĂ€ĂŸliches  Krankheitszeichen  darstellt.  Die 
Encephalitis  ist  als  eine  Gehirnlokalisation  der  Grippe  zu  be- 
trachten. Die  Schilderung  einiger  interessanter  FĂ€lle  gibt  eine 
ii  struktive  Illustration  zu  den  AusfĂŒhrungen. 

Die  Placenta  praevia  und  ihre  Behandlung  in  der  Praxis.  Bei 
der  Placenta  praevia  besteht  sowohl  am  Ausgang  der  Schwanger- 
schaft wie  in  der  Geburt  die  Gefahr  der  Verblutung.  In  neuerer 
Zeit  geht  das  Bestreben  vielfach  dahin,  die  frĂŒhzeitige  Entbindung 
durch  den  Kaiserschnitt  vorzunehmen.  Dies  lĂ€ĂŸt  sich  jedoch  nur 
durchfĂŒhren,  wo  eine  rechtzeitige  Ueberweisung  in  die  Klinik 
möglich  ist. 

Von  den  anderen  Behandlungsmethoden  kommt  bei  SchÀdel- 
lage, richtigem  VerhÀltnis  zwischen  Kopf  und  Becken  und  bei 
guten  und  regelmĂ€ĂŸigen  Wehen  unter  UmstĂ€nden  die  kĂŒnstliche 
Blasensprengung  in  Frage.  Kommt  jedoch  eine  Frau  ganz  aus- 
geblutet in  die  Hand  des  Arztes,  so  gilt  es,  sofort  die  Blutung  zu 
stillen  und  der  Frau  nunmehr  jeden  Tropfen  Blutes  zu  sparen. 
Hier  kommt  die  kombinierte  Wendung  nach  Braxlon-Uicks  zur 
Anwendung.  Ihr  wird  indessen  die  sehr  betrÀchtliche  kindliehe 
MortalitÀt  zur  Last  gelegt,  die  bei  der  Metreuryse  viel  geringer  ist, 
die  aber  ebenfalls  ihre  Nachteile  hat  in  der  weniger  sicheren 
Blutstillung,  in  dem  zweimaligen  intrauterinen  Eingriff  und  in  der 
vermehrten  Infektionsgefahr.  Die  TamponÀde  bietet  neben  der 
großen  Ansteckungsgefahr  ebenfalls  keine  sichere  Blutstillung  und 
sollte  daher  so  selten  wie  möglich  ausgefĂŒhrt  werden.  Auch  die 
innere  Wendung  wird,  wenn  auch  klinisch  gute  Besultate  erzielt 
worden  sind,  fĂŒr  die  private  Praxis  nicht  allgemein  empfohlen. 

Stets  kommt  es  darauf  an,  eine  Behandlungsart  zu  wÀhlen,  die 
den  Interessen  der  Mutler  gerecht  wird,  ohne  diejenigen  des 
Kindes  ganz  zu  vernachlĂ€ssigen.  Im  ĂŒbrigen  ist  nach  den  Er- 
fahrungen des  Verfassers  die  Gefahr  der  Infektion  erheblich  höher 
zu  bewerten  als  die  der  Verblutung.  L.  K  a  n  n  e  r. 

I.  MĂ€rz  1922,  19,  Nr.  5. 

❖Der  diagnostische  Wert  des  WadendruckphĂ€nomens  (sog.  Gordonsehen  para- 
doxen ZehenphĂ€nomens)  fĂŒr  die  FrĂŒhdiagnose  vieler  Erkrankungen  des 
Zentralnervensystems.    Auerbach,  S,  137. 

‱^Bemerkungen  zur  Frage  der  Proteinkörpertherapie.    S  t  e  r  n  ,  C.  134. 
Die  Entstehung  der  Neubildungen  im  Anschluß  an  eine  Analogie.    Preis  /. 
H.  129. 

^Untersuchungen  hei  Scharlachkranken.    Frankel,  E.  140. 

Bemerkungen  zur  Frage  der  Proteinkörpertherapie.  Verf. 
ist  der  Ueberzeugung,  daß  bei  der  Proteinkörpertherapie  von 
einer  „spezifischen  Wirkung"  nicht  die  Rede  sein  könne.  Es 
handeil  sich  —  ganz  unabhĂ€ngig  von  der  Art  des  angewandten 
PrĂ€parates  —  einmal  um  eine  „Reizwirkung",  indem  an  solchen 
Stellen,  an  denen  an  sich  schon  ein  Reizzustand  bestand,  in  einer 


434 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  21  25! 


großen  Anzahl  der  beobachteten  FĂ€lle  eine  Lokalreaktion  lest- 
gestcllt  werden  konnte.  Zweitens  kommt  in  Betracht  eine  zahlen- 
mĂ€ĂŸig nachweisbare  Hyperleukozytose,  eine  „Anlockung"  der 
Leukozyten  zu  dem  Orte,  wo  ihre  Wirksamkeit  verwertet  werden 
soll.  Der  Erfolg  hÀngt  ab  von  der  Art  des  Reizes  und  von  der 
IntensitÀt  der  Einwirkung  auf  die  leiukozytenbildenden  Gewebe. 
Da  kleine  Reize  die  Zelle  anregen,  wÀhrend  mittlere  sie  lÀhmen 
und  gro'ße  sie  töten  können,  so  kommt  es  darauf  an,  den  gesetzten 
Reiz  nicht  nur  in  qualitativer,  sondern  auch  in  quantitativer  Hin- 
sicht dem  Zweck  anzupassen. 

Der  diagnostische  Wert  des  WademlruckphÀnomens  (sog. 
Gordouschen  paradoxen  ZehenphĂ€nomens)  fĂŒr  die  FrĂŒhdiagnose 
vieler  Erkrankungen  des  Zentralnervensystems.  Man  piĂŒfl  das 
WadendruckphÀnomen  (WDPH)  am  besten,  indem  man  bei  ge- 
beugtem und  etwas  nach  außen  rotiertem  Unterschenkel  mit  den 
Fingern  II — V  einer  oder  beider  HĂ€nde  einen  liefen  Druck  auf 
das  distale  Drittel  der  Wadenmaiskulatur  ausĂŒbt;  es  erfolgt  dann 
eine  trĂ€ge  isolierte  Dorsalflexion  der  großen  Zehe.  Dieses  nach 
Gordon  benannte  Zeichen  hĂ€lt  Verfasser  fĂŒr  ein  werlvolles 
Kriterium  fĂŒr  die  FrĂŒhdiagnose  vieler  Erkrankungen  des  Zentral- 
nervensystems und  bezeichnet  es  als  eine  Vorstufe  des  Babinski- 
schen  PhÀnomens.  Es  ist  oft  dann  noch  positiv,  wenn  weder 
Fußklonus  noch  der  Babinskische,  Oppenheimsche,  Mendel- 
Bechterewsche  oder  Rosolinosche  Reflex  auszulösen  ist.  Von  be- 
sonderem diagnostischem  Wert  ist  es  im  Beginn  der  multiplen 
Sklerose  und  der  Lues  cerebrospinalis,  ferner  „in  FĂ€llen,  wo  die 
Pyramidenbahn  indirekt  —  durch  Fern-  oder  Nachbarschaf  ts- 
wirkung  oder  in  offensichtlich  nur  geringfĂŒgigem  und  reparablem 
Grade  geschĂ€digt  ist",  endlich  beim  RĂŒckgang  ausgeprĂ€gter  Pyra- 
midenaffektionen.  Auch  fĂŒr  die  frĂŒhe  Erkennung  der  rhino-  und 
oiogenen  Hirnkomplikationen  scheint  das  WDPH  von  großer  Be- 
deutung zu  sein.  Verfasser  empfiehlt  daher,  immer  dann,  wenn 
man  Veranlassung  hat,  nach  dem  Babinskischen  Zeichen  zu 
suchen,  ohne  es  auslösen  zu  können,  stets  auch  das  WDPH  zu 
prĂŒfen. 

Untersuchungen  bei  Scharlaehkranken.  Nach  allgemeinen  Be- 
merkungen ĂŒber  die  Erreger  des  Scharlachs  werden  die  Ergeb- 
nisse von  Beobachtungen  an  187  FĂ€llen  aus  dem  Rudolf  Virchow- 
krankenhaus  mitgeteilt.  Im  allgemeinen  tritt  nach  steilem  Fieber- 
Anstieg  und  einer  3 — 7tĂ€gigen  Fieberperiode  die  Entfieberung  in 
2 — 3  Tagen  ein,  die  in  einem  Teil  der  FĂ€lle  bestehen  bleibt.  Oft 
aber  treten  ziemlich  gesetzmĂ€ĂŸig  zwischen  dem  15. — 20.  Krank- 
heitstage erneut  Krankheitserscheinungen  mit  Fieber  auf,  die  man 
als  zweites  Kranksein  (Pospischil)  oder  Rezidiverkrankungen  be- 
zeichnen kann.  Besonders  hÀufig  und  gefahrdrohend  sind  die 
Nephritis,  Störungen  des  Herzens  und  der  peripheren  GefĂ€ĂŸe,  das 
Rezidiv  einer  Angina,  DrĂŒsenrezidiv  und  Fieberzacken  ohne  nach- 
weisbaren Organbefund.  Selten  schließt  sich  auch  noch  zwischen 
dem  30. — 40.  Krankheitstage  eine  dritte  Fieberperiode  an.  Zu- 
weilen kann  das  zweite  Kranksein  ohne  voraufgegangene  Ent- 
fieberung schon  in  die  erste  Periode  hineinfallen  Das  Blutbild 
zeigt  fast  immer  eine  Leukozytose  und  Eosinophilie.  Von  den 
toxischen  SchÀdigungen  des  Scharlachvirus  im  Organismus  wer- 
den hervorgehoben  der  hÀufige  Befund  von  Urobilinogen  im  Harn 
als  Folge  von  Blutzerfall  oder  LeberschÀdigung,  das  Rumpel- 
Leedesche  Symptom  als  Zeichen  der  BrĂŒchigkeit  der  feinsten 
BlutgefĂ€ĂŸe,  die  hĂ€ufige  Erniedrigung  des  Blutdrucks  und  Störungen 
des  Wasserhaushalts.  L.  Kanner. 

15.  MĂ€rz  1922,  19,  Nr.  6. 

Organotherapie.    B-i  e  d  l,,  A.  181. 
❖Spezifische  Behandlung  dos  Heufiebers  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 

aktiven  Immun:sierung.    K  a  m  m  a  11  n  .  0.  167. 
Uebung  und   Uebungstherapie.    LeibesĂŒbung   und   KunstĂŒbung.     S  i  o  ni  ■ 

borg.  W.  171. 

Die  Entstehung  clor  Neubildungen  im  Anschluß  an  eine  Analogie.  P  r  e  i  s  z  , 
BT.  174. 

Die  spezifische  Behandlung  des  Heufiebers  mit  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung der  aktiven  Immunisierung.  Der  passiven  Immuni- 
sierung gegen  das  Heufieber  durch  Dunbars  Pollantin,  ein  durch 
Immunisierung  mit  Poilenextrakt  hergestelltes  tierisches  Immun- 
serum, folgte  seil  1911  die  Anwendung  von  wÀsserigen  Pollen- 
extrakten  zum  Zwecke  der  aktiven  Immunisierung.  Die  MĂ€ngel, 
die  den  AuszĂŒgen  anhaften,  bestehen  einmal  in  seiner  mangelnden 
SterilitÀt,  zweitens  in  seiner  vielseitigen  Zusammensetzung.  Nun 
haftet  unter  den  Eiweißkörpern  der  Pollen  das  toxische  Prinzip 
allein  den  Albuminen  an.  Verfasser  empfiehlt  ein  neues  poly- 
valentes Heufiebervakzin  (hergestellt  von  der  Firma  Brunnen- 
grÀber in  Rostock),  das  aus  einer  wÀsserigen  Lösung  aus  Pollen- 
albumineiweiß besteht.  Es  ist  100  mal  wirksamer  als  der  einfache 
!  ollenextrakt  oder  Gesamtpollenprotein.  Die  Injektionen  werden 
fast  reaklionslos  vertragen.  L.  K  ann  er. 


Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Nervenheilkunde,  Leipzig. 

Januar  1922,  73,  Heft  1—2. 

Wilhelm  Erb.    Schultz?  ,  F.  1. 

❖Die  große  Encephalitisepidcmie  des  Jahres  1920.     G  o  1  d  f  1  a  m     S.  l. 

❖Zur  Klinik  und  Pathogenese  der  atypischen  Formen  der  Endarteriitis  obli- 
terans und  des  angiosklerotisehen  Hinkens.  („Claudieation  intermittente" 
Charcots.)     H  i  g  i  e  r  ,  H.  71. 

❖Zur  Pathologie  und  pathologischen  Histologie  der  spastischen  Heredode- 
generation (hereditÀre  spastische  Spinalparalysci.    S  thaffer.  K.  ini. 

Die  große  Enzephalitiscpidemie  des  Jahres  1920.  Die  Epi- 
demie 1920  zeichnet  sich  durch  die  Schwere  der  Erkrankung  und 
vor  allem  der  FolgezustÀnde  aus;  hauptsÀchlich  ist  Zwischen] 
und  Mittelhirn  betroffen.  Verf.  unterscheidet  im  wesentlichen 
4  Stadien:  1.  Phase  der  Schmerzen  und  Agrypnie,  2.  das  chorea- 
lisch  delirante  Stadium,  3.  der  Lethargie.  1.  der  Hypertonie  und 
Hypcrkinesen.  Offenbar  handelt  es  sich  um  eine  Infektions- 
krankheit, wenn  auch  keine  direkten  Beweise  von  KontagiositÀt 
zu  erbringen  waren;  ebensowenig  liegt  ein  sicherer  Zusammen- 
hang mit  Grippe  vor,  die  höchstens  den  Boden  fĂŒr  den  Virus  der 
Enzephalitis  vorbereitete.  Dieser  muß  eine  besondere  AffinitĂ€t 
fĂŒr  bestimmte  Hirngebiele  haben,  zu  denen  besonders  die  Basal- 
ganglien  zu  rechnen  sind. 

Zur  Klinik  und  Pathogenese  der  atypischen  Formen  der 
Endarteriitis  obliterans  und  des  angiosklerotischen  Hinkens 
(„Claudieation   intermittente"   Chareot).     Die   Klaudikation  muß 

klinisch  scharf  unterschieden  werden  von  der  Dyspragia  inter- 
miltens  der  Herzleidenden,  wo  die  Gangstockung  scheinbar  ist. 
Die  erstere  beruht  auf  einer  lokalisierten,  di«  /.weile  auf  einet 
generalisierten  Sklerose;  die  erstere  tritt  oft  im  jugendliehen 
Alter,  die  zweite  vorwiegend  im  Senium  auf.  Die  erstere  ent- 
steht auf  dem  Boden  einer  neuropathischen  Veranlagung  und  min- 
derwertigen GefĂ€ĂŸanlage  und  zeitigt  außer  der  peripheren  End- 
arteriitis obliterans  mannigfache  vasomotorische  Störungen. 
Unter  den  selteneren  Formen  nennt  Verf.  die  posltraumalische 
akute  Endarteriitis,  das  fakultative  Hinken  bei  Plattfuß  und  obli- 
terierender Angiosklerose.  die  akute  postneu  ritische  Form  und 
die  familiÀre  und  hereditÀre  Form  mit  angeborener  Kleinheit  des 
kardiovaskulÀren  Systems. 

Zur  Pathologie  und  pathologischen  Histologie  der  spastischen 
Heredodegeneration  (hereditÀre  spastische  Spinalparalyse).  Bei 

den  Heredodegenerationen  findet  sich  allgemein  eine  Erkrankung 
der  gesamten  ektodermalen  Elemente  des  Zentralnervensystems, 
wĂ€hrend  die  mesoderrmalen  unberĂŒhrt  bleiben.  Ferner  erkranken 
wieder  von  den  ektodermalen  die  phylo-  und  ontogenetisch  jĂŒng- 
sten Elemente  zuerst,  die  untereinander  geschlossene  Systeme 
bilden.  Da  hĂ€ufig  der  Prozeß  auch  bestimmte  Segmente  ergreift, 
so  spricht  Verf.  von  einer  Keimblattwahl,  einer  Syslemwahl  und 
einer  Segmentwahl  der  heredodegenerativen  Erkrankungen,  die 
somit  klinisch  und  anatomisch  einheitlich  und  wesensverwandl 
sind.  Ein  bisher  nicht  gekannter  Befund  ist  die  eigentĂŒmliche 
areale  und  teklonische  Verteilung  der  Alzheimerschcn  Fihrillen- 
verÀnderung,  die  sich  erstens  vorwiegend  in  der  vorderen  Zcn- 
Iralwindung  und  zweitens  nur  in  der  III.  und  IV.  Zellschichl 
findet,  wÀhrend  die  Schicht  der  Riesenpyramiden  verschont  bleibt. 
Die  Alzheimersehe  FibrillenverÀnderung  wÀre  also  als  Zeichen 
eines  invaliden  Gehirns  aufzufassen,  das  mit  Verblödungspro- 
zessen nicht  unmittelbar  zusammenhÀngt,  sondern  der  Ausdruck 
eines  endogenen  Prozesses  ist.  Haber. 

Februar  1922,  73.  Heft  3-1 

❖Klinische  Beobachtungen  ĂŒber  Grippeenecphalitis.    G  r  a  g  e.  133. 
Ein  HĂ€raangioendotheliom  der  medulla  ohhmgnta.    Friedrich.  H.  und 
Stichler.  H.  158. 
❖Ueber  sensorische  Erscheinungen  bei  Tetanie  und  ĂŒber  Kombination  der  Te- 
tanie mit  anderen  Krampfneurosen.    Boenheim.  F.  172. 
Verschluß  der  Arteria  cerebelli  inferior  posterior  doxtra  (mit  Sektionsbfund). 
Wallenburg-;  A.  189. 
❖Ueber  Rechts-  und  Linksglicdrjgkeit.    s  i  e  b  e  n  ,  W.  213. 
❖Eine  seltene  postdiphtherische  LĂ€hmung  im  Gebiet  des  Okulomotorius  und 
Abdueens  als  Beitrag  zur  Pathogenese  postdiphtheritiseher  EĂ€hmunfren. 
Wirges,  J.  226. 
Eine  neue  Metbode  zur  Bestimmung  der  Eoitungssreschwindigkeit  ins  sen- 
siblen Nerven  beim  Menschen.    S  c  h  À  f  f  c  r  .  H.  234. 
Gekreuzter  Babinski-Rcflex.    M  a  r  p  m  a  n  n  .  W.  244. 

Klinische  Beobachtungen  ĂŒber  Grippeencephalitis.  Die  Beob- 
achtungen an  26  FĂ€llen  von  Encephalitis  epidemica  fĂŒhrten  zu 
folgenden  Ergebnissen;  Das  mÀnnliche  Geschlecht  ist  durch  die 
Erkrankung  bedeutend  bevorzugt;  jugendliche  Personen  und 
solche  im  besten  Alter  sind  disponierter.  Die  Krankheit  ist  nicht 
kontagiös.  Erbliche  Belastung  ist  fĂŒr  die  Entstehung  der  Er- 
krankung belanglos,  ebenso  körperliche  Disposition;  Auslösung 
der  Erkrankung  durch  ein  Trauma  ist  denkbar.    Die  Sympto 


10.  Jahn 


Nr.  24/25. 


Aus    den    neuesten  Zeitschriften 


4'ih 


matologie  isi  vielgestaltig.  Im  Beginn  der  Erkrankung  ist  ein 
konstantes  Symptom  das  Fieber  ohne  charakteristische  Kurve, 
die  SpÀtfolgen  verlaufen  ohne  Temperaturerhöhung.  Als  Begleit- 
erscheinung der  Encephalitis  wird  oft  eine  Polyneuritis  beob 
achtet,  die  sich  durch  Reflexstörungen  kundgibt.  HÀufig  werden 
rVugcnstörungen  gefunden,  meist  Diplopie  im  Beginn  der  Erkran- 
kung und  Rucknystagmus.  Im  Vordergrund  steher  die  Schlaf- 
und  die  Bewegungsstörungen.  Die  Schlafstörungen  bestehen  in 
Schlafsucht,  in  Umkehrung  des  Schlaftypus  oder  in  Schlaflosig- 
keit und  erstrecken  sieh  oft  ĂŒber  Monate.  Die  Bewegungs- 
Störungen  sind  meist  choreatisch,  seltener  athetotisch.  Als  SpÀt- 
folgen werden  die  Linsenkernsymptome  beobachtet,  die  als  amyo- 
sta  tischer  Symptomenkomplex  zusammengefaßt  werden.  Im 
akuten  Stadium  bestehen  fast  immer  psychische  Störungen,  hÀufig 
eine  ausgesprochene  Psychose,  die  dem  Delirium  tremens  und 
der  Amentia  Àhnelt;  zuweilen  besteht  ein  der  Korsakowschen 
Psychose  Àhnliches  Bild,  hÀufig  ein  katatones  Zustandsbild,  Im 
Liquor  findet  sich  im  Beginn  der  Erkrankung  fast  stets  eine 
Pleozytose.  Die  MortalitÀt  betrÀgt  20%.  Diagnostisch  und  thera- 
peutisch wichtig  ist  eine  gleichzeitg  bestehende  Lues. 

Uebcr  sensorisehe  Erscheinungen  bei  Tetanie  und  ĂŒber  Kom- 
bination von  der  Tetanie  mit  anderen  Krampfneurosen.  Im  ersten 
Fall  handelte  es  sich  um  eine  manifeste  Tetanie  bei  einem  Er- 
wachsenen, die  mit  Flimmerskotomen  (ohne  MigrÀne),  mit  Vesti- 
bularis-Uebererregbarkeit  (ohne  Gehstörung  und  Schwindel)  so- 
wie mit  leichter  Parosmie  und  Parageusie,  einh  erging.  Im  zweiten 
Fall  bestand  mit  3  Jahren  Spasmophilie,  in  der  PubertÀt  Epilepsie 
und  mit  21  Jahren  ein  halbseitiger  tetanoider  Symptomenkomplex 
mit  VestibularisĂŒbererregbarkeit.  Ein  dritter  Fall  wies  eine 
latente  Tetanie  auf,  kombiniert  mit  Epilepsie,  MigrÀne  und  wahr- 
scheinlich Meniere.  Es  wird  darauf  hingewiesen,  daß  Tetanie 
und  Epilepsie  sehr  nahe  verwandte  Krankheiten  sind,  die  inein- 
ander ĂŒbergehen  können  oder  auch  auf  Grund  derselben  Noxe 
entstehen.  Das  kombinierte  Vorkommen  der  drei  Krampfneu- 
rosen Tetanie,  Epilepsie  und  MigrÀne  im  letzten  beschriebenen 
Fall  wird  zurĂŒckgefĂŒhrt  auf  eine  Dysfunktion  des  endokrinen 
DrĂŒsensystems,  die  sich  hier  im  Infantilismus  des  Uterus  und  den 
Menstruationsstörungen  klinisch  Ă€ußert. 

Ueber  Rechts-  und  Linksgliedrigkeit.  Es  wird  ein  Familien- 
stammbaum ĂŒber  mehrere  Generationen  mitgeteilt,  bei  dem  eine 
große  Anzahl  von  Linksern  beobachtet  werden  konnte.  Die 
LinkshĂ€ndigkeit  wurde  schon  in  frĂŒhester  Jugend  konstatiert 
und  ist  also  weder  intrauterin  entstanden  noch  extrauterin  er- 
worben. Sie  ist  also  als  vererbt  zu  betrachten.  Die  Vererbung 
betrifft  mÀnnliches  wie  wreibliches  Geschlecht  in  ziemlich  gleichem 
Prozentsatz,  erfolgt  durch  beide  Geschlechter  und  kann  durch 
zwei  Generationen  latent  bleiben,  um  in  der  vierten  wieder  her- 
vorzutreten. Die  Erscheinung  der  Rechts-  und  Linksgliedrigkeit 
wird  betrachtet  als  bedingt  durch  die  funktionelle  Minderwertig- 
keit beider  ExtremitÀten  der  einen  Seite.  Diese  Minderwertig- 
keit ist  primÀr  bedingt  durch  Dyspraxie  und,  da  kortikalen  Ein- 
flĂŒssen weniger  untergeordnet,  durch  leichtere  Erregbarkeit  spi 
haier  Zentren.  SekundÀr  machen  sich  Erscheinungen  von  Pseudo- 
dvsgnosie  bemerkbar,  veranlaßt  durch  mangelhafte  Uebung  in  der 
Zusammenfassung  sensorischer  QualitÀten  und  Minderung  der 
Aufmerksamkeit  fĂŒr  die  weniger  gebrauchte  Seite. 

Eine  seltene  postdiphtherische  LĂ€hmung  im  Gebiet  des  Ocu- 
lomotorius,  Abducens  usw.  Es  wird  ein  Fall  mitgeteilt,  bei  dem 
im  Rahmen  einer  allgemeinen  postdiphtherischen  LĂ€hmung  auch 
die  beiden  Abducentes  gelÀhmt  und  der  linke  Sphincter  pupillae 
paretisch  waren.  Es  ist  anzunehmen,  daß  es  sich  auch  hier  um 
eine  periphere  LÀhmung  handelt.  KernschÀdigung  nach  Diphtherie 
ist  nicht  bekannt;  vielmehr  isl  der  Prozeß  einer  postdiphtherischen 
NervenschĂ€digung  so  vorzustellen,  daß  das  Diphtherietoxln  zu- 
nÀchst nur  auf  die  feinsten  intramuskulÀren  Nervenendigungen 
einwirkt,  die  am  empfindlichsten  zu  sein  scheinen.  Im  Anschluß 
daran  entwickelt  sich  dann  eine  zentripetale  Degeneration,  evtl. 
mit  entzĂŒndlicher  Bindegewebsproliferation,  die  offenbar  im  Ver- 
laufe von  kĂŒrzerer  oder  lĂ€ngerer  Zeit  fortschreiten  und  auch  auf 
das  Nervensystem  eine  gewisse  SchĂ€digung  ausĂŒben  kann.  Es 
wird  sich  dann  nur  um  eine  graduelle  Verschiedenheit  der  Ein 
Wirkung  des  Giftes  handeln.  W.  Misch  ('Berlin  . 

Psychiatrisch-Neurologische  Wochenschrift. 

14.  Januar  1922,  Nr.  11-42. 

Psychoanalyse  und  Psychiatric  (zugleich  Buchbesprechungen).  Bresler 
247. 

('eher  subjektive  optische  Anschauungsliilder.    .1  a  ‱‱‱  n  seh.  K.  R.  255. 
♩Baderbehandlung  In  den  Irrenanstalten,    II  e  i  z  f  e  1  d  t.  256. 


BÀderbehandlung  in  den  Irrenanstalten.  Wie  vielerwÀrte  so 
gestatten  auch  in  der  mittelfrĂ€nkischen  Heil-  und  PĂŒegeanfitrilt 
Ansbach  die  heuligen  VerhÀltnisse  mit  der  ebenso  kÀrglichen  wie 
teuren  Kohlenbelieferung  die  Dauerbehandlung  nur  bei  Tage  und 
stundenweise.  Verfasser  schweigt  ĂŒber  die  Schlußfolgerung,  ich 
spreche  sie  aber  hiermit  aus:  Jeder  Todesfall  eines  erregten 
Geisteskranken,  der  durch  zureichende  Dauerbadbehandlung  hÀtte 
gerettet  werden  können,  ist  ein  Opfer  der  Fortsetzung  des  Krieges 
mit  anderen  Mitteln. 

28,  Januar  1922,  Nr.  48-44. 

❖Standesfragen  II.   R  e  i  n.  259. 

Psychoanalyse  und  Psychiatrie.    Breslei  .  J.  (Fortsetzung).  262. 
BeschÀftigung  von  Pfleglingen  im  Haushalt  Anstaltsangestellter.    S  c  h  u  c  i- 
cl  e  r.  267. 

Kurze,  vorlĂ€ufig«  Mitteilung  ĂŒber  einen  positiven  Rindenhefuml  bei  Kata- 
tonie.   Adler,  A.  269. 

Standesfragen.  Verfasser  behandelt  zunÀchst  kurz  die  Ge- 
haltsfrage der  beamteten  IrrenÀrzte,  dann  die  Titelfrage.  Mit 
dankenswerter  Offenheit  wird  hier  klipp  und  klar  gesagt,  daß  das, 
was  den  Oberlehrern,  Richtern  und  besonders  den  Versorgungs- 
ÀrzUai  und  KreisÀrzten  recht  ist,  den  beamteten  IrrenÀrzten  billig 
sein  mĂŒsse:  die  Ratsbenennung  als  Amtsbezeichnung. 

BeschÀftigung  von  Pfleglingen  im  Haushalt  Anstaltsangc- 
stcllter.  Polemik  gegen  den  Breslerschen  Aufsatz  in  Nr.  29-VA) 
derselben  Wochenschrift  unter  Heranziehung  aller  berechtigten 
sachlichen  EinwĂ€nde  mit  dem  markigen  Schlußsatz:  „Man  soll  die 
BeschÀftigung  Kranker  in  Privathaushaltungen  fördern,  wo  man 
kann''.    Ich  hĂ€tte  noch  hinzugefĂŒgt:  „0  si  taeuisses,  Bresler!" 

11.  Februar  1922,  Nr.  45-46. 

Psychoanalyse  und  Psychiatrie  (Schluß).    Bresler.  271. 
Weiteres  zur  Prophylaxe  und  Behandlung  von  Tabes  und  progressiver  Para- 
lyse mittels  Chinin.    Adler.  A.  279. 
FlĂŒstersprache.    S  c  h  m  e  l  z  e  i  s  ,  K.    279.  . 
❖WahrtrĂ€ume  und  ErinnerungsfĂ€lschungen.    S  c  h  m  i  t  t.  281. 

WahrtrÀume  und  ErinnerungsfÀlschungen.  So  lange  bei  den 
lelepalhischen  Experimenten  die  Unmöglichkeit  von  Erinnerungs 
lĂ€lschungen  ausgeschlossen  ist,  muß  die  Kritik  zweifeln.  Nur 
eine  Möglichkeit  der  ErinnerungsfÀlschung  kann  man  nicht  aus- 
schließen, wenn  der  Wahrtraum  erst  nach  dem  Erlebnis  geĂ€ußert 
wird. 

25.  Februar  1922,  Nr.  47-48. 

Zur  Frage  der  FrĂŒhenUassung  Geisteskranker.  L  a  n  g  ,  G.  283. 
Einige  therapeutische  VorschlÀge  zur  Behandlung  der  Ge'steskrÀnkheiton 
Adler,  A.  291. 

lt.  MĂ€rz  1922,  Nr.  49-50. 

❖Erfahrungen  ĂŒber  Typhus  und  Dauerausscheider.    S  c  h  m  i  t  t.  295. 
lieber  e ine  anscheinend  typische  SehÀdclasymmetrie  bei  hervorragend  intel- 
lektuell Begabten.    A  d  1er.  A.  297. 
Zur  Frage  der  FrĂŒhentlassung  Geisteskranker  (Fortsetzung),    t  an  g  ,  A.  :.!>7. 

Erfahrungen  ĂŒber  Typhus  und  Dauerausscheider.  Besonders 
beachtenswert  ist  aus  dem  Aufsatz  die  Empfehlung  des  Cystinol s 
wegoh  seiner  bakteriziden  Wirkung  auf  die  Typhusbazillen.  Da- 
mit wĂŒrden  Millionen  und  Abermillionen  in  der  Irrenpflege  ge- 
spart werden  können,  aber  ich  kann  mich  gegenĂŒber  der  Sicher- 
heit der  Wirkung  eines  gewissen  Skeptizismus  nicht  erwehren. 

25.  MĂ€rz  1922,  Nr.  51-52. 

G  e  o  r  g  1  1  b  c  r  g.  309. 
❖Zur  Frage,  der  FrĂŒhentlassung  Geisteskranker  (Schluß).    L  a  n  g  ,  G.  310. 
Zur  Pathologie  und  Therapie  der  Geisteskrankheiten.    O  e  t  t  e  r.  316. 

Zur  Frage  der  FrĂŒhentlassung  Geisteskranker  (Schluß).  Ver- 
fasser kommt  nach  seinen  ausfĂŒhrlichen  und  mit  vielen  Tabellen 
gespickten  Darlegungen  zu  dem  Schluß,  daß  man  im  Hinblick  auf 
die  auch  sonst  schon  vielfach  erzielten  therapeutischen  Erfolge 
der  FrĂŒhentlassungcn  und  auf  die  heutige  finanzielle  Lage,  welche 
uns  eine  möglichste  AbkĂŒrzung  des  Anstaltsaufenthalts  zur 
Pflicht  macht,  dem  von  vielen  Seiten  so  warm  empfohlenen,  von 
manchen  aber  auch  angefochtenen  Entlassungsmodus  nÀher  treten 
möge.  W  e  r  n.  H.  Becke  r. 

Monatsschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Leipzig. 

Februar  1922,  22,  Heft  5. 

❖  Das  alimntĂ€r'e  Fieber.  Bess  a  u,  G.,  R  o  s  e  nb  a  u  m.  s.  und  Deicht  e  n  - 
tritt,  B.  641. 

❖Diagnostische  Bedeutung  des  Gordonsehen  Patellar-Reflexes  fĂŒr  die  Chorea 

minor.    N  o  e  g  g  e  r  a  t  h  ,  C.  657. 
❖Die  Beideutung  von  Laboratoriunismethoden  fĂŒr  die  Prognosestellung  bei  Kin- 

dertuherkulose.    C  i  e  s  i  y  n  s  k  i.  663. 


436 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  24/25. 


Das  alimentÀre  Fieber.  Kritische  klinisch-experimentelle 
Studie.  Danach  stellt  die  Temperaturkurve  kein  zuverlÀssiges 
Symptom  bei  akuten  ErnÀhrungsstörungen  dar.  Vielmehr  findet 
man  bei  der  alimentÀren  Intoxikation  sowohl  normale  relative 
Untertemperaturen,  wie  auch  absolute  Untertemperaturen.  Bei 
diesen  kann  in  Folge  hinzutretender  Infektion  hohes  Fieber  be- 
obachtet werden.  Ein  Abfall  der  Temperatur  bei  fiebernden 
FĂ€llen  kann  Besserung  aber  auch  Verschlechterung  bedeuten. 
Bei  relativer  bezw.  absoluter  Untertemperatur  kann  Anstieg  der 
Kurve  zuweilen  mit  Besserung  des  Krankheitszustandes  einher- 
gehen. Ob  Hunger  und  Nahrungsgaben  den  Verlauf  der  Tempe- 
raturkurve zu  beeinflussen  vermögen,  kann  vorlÀufig  nicht  ent- 
schieden werden.  Verff.  glauben  bei  der  Intoxikation  eine  er- 
höhte DurchlÀssigkeit  der  Magendarmschleimhaut  als  Folge  der 
Exsikkation  annehmen  zu  mĂŒssen,  wenn  diese  PermeabilitĂ€t  auch 
nicht  in  allen  FĂ€llen  zu  bestehen  scheint.  In  den  von  den  Verff. 
untersuchten  FĂ€llen  erwies  sich  das  Blut  als  steril.  Verff.  be- 
stĂ€tigen damit  frĂŒher  von  anderen  Autoren  erhobene  Befunde. 
In  fast  allen  FĂ€llen  von  Intoxikation  gelang  es,  im  Magen-  und 
Duodenalsaft  erhebliche  Mengen  von  Bact.  coli,  nachzuweisen. 
Da  Verff.  fĂŒr  die  scweren  Vergiftungserscheinungen  die  die 
Magendarmschleimhaut  passierenden  Coliendotoxinc  verantwort- 
lich machen  zu  können  glaubten,  mĂŒĂŸten  Endotoxine  bezw.  Coli- 
bakleriolysine  im  Blute  nachgewiesen  werden,  was  aber  bisher 
nicht  gelungen  ist.  Verff.  stellten  lediglich  einen  Nichtanstieg 
des  Coli  -  Agglutination^  -  Serumtiters  gegenĂŒber  den  eigenen 
Darmkolibakterien  fest.  Derselbe  mangelnde  Anstieg  wurde  bei 
SĂ€uglingen  mit  Pyelozystitis  gefunden,  weshalb  Verff.  ein  sehr 
geringes  Coliagglutininbildungsvermögen  bei  SÀuglingen  an- 
nehmen. Die  Leukozytenzahl  ist  bei  der  Intoxikation  sehr 
schwankend  und  steht  in  keiner  Beziehung  zur  Schwere  der  Er- 
krankung. 

Die  diagnostische  Bedeutung  des  Gordonsehen  Patellar- 
reflexes fĂŒr  die  Chorea  minor.  Verf.  untersuchte  systematisch 
die  Kinder  zweier  Schulklassen  auf  die  Exkursionen  der  Unter- 
schenkel bei  Auslösung  des  Patellarsehnenreflexes,  um  festzu- 
stellen, ob  der  von  Gordon  beschriebene  verlÀngerte  und  ver- 
Ă€nderte Ablauf  des  Reflexes  fĂŒr  Corea  minor  pathognomonisch 
ist.  Auf  Grund  seiner  Untersuchungen  kommt  Verf.  zu  dem 
Schluß,  daß  der  Gordonreflex  zwar  bei  Chorea  minor  hĂ€ufig  be- 
obachtet wird,  aber  auch  bei  sicher  nicht  choreatischen  Kindern 
auftreten  kann. 

Ueber  die  Bedeutung  von  Laboratoriumsmethoden  fĂŒr  die 
Prognosestellung  bei  Kindertuberkulose.  Bei  kritischer  Beurtei1 
hing  der  verschiedenen  Laboratoriumsmethoden  zur  Beurtei- 
lung der  Prognose  der  Kindertuberkulose  ergab  sich,  daß  die  von 
Weiß  angegebene  Permanganatreaktion  und  die  Russosche 
Methylenblaureaktion  keinen  prognostischen  Werl  besitzen,  wo- 
hingegen die  Diazoreaktion  als  wertvoll  angesehen  werden  muß. 
Der  Nachweis  von  Urobilinogen  und  Urobilin  kann  nur  bedin- 
gungsweise verwendet  werden.  WĂ€hrend  der  Anstieg  des  Pro- 
zentgehaltes der  Lymphozyten  eine  gute  Prognose  gestattet,  ist 
das  Gegenteil  bei  Abnahme  der  Lymphozyten  der  Fall.  In  solch 
prognostisch  ungĂŒnstigen  FĂ€llen  verschwinden  auch  die  Eosino- 
philen. Bei  guter  Prognose  wÀchst  der  refraktometrische  Index 
des  Blutserums,  er  fÀllt  bei  sehlechter  Prognose. 

KĂ€ckell  (Hamburg). 

Archiv  fĂŒr  Dermatologie  und  Syphilis,  Berlin. 

1.  MĂ€rz  1922,  139,  Heft  1. 

Casus  Hin  rliagnosi:  Keratosis  follieular/s  scleroticans.    I  w  a  n  o  w  .  W.  W. 
und  T  i  s  e  Ii  n  e  n  k  o. 
❖Neue  Wenrc  der  spezifische!)  Therapie  drr  Haut-  und  Schle'mhuiittiiberkuVase. 
W  i  c  Ii  in  a  ii  ii  .  T*. 

Universelles  beniarn'cis   Miliarlupoid   Boeck  mit  Beteiligung  innerer  Organe. 
Rischin,  Sf. 

❖Knni  cn  ĂŒiior  Vererbung  von  Hautkrankheiten,  t.  Epidermolysis  bullosa  here- 
ditaria. (Bullöses  meehan!ea  sijnplex.)    S  i  e  m  e  n  s  .  Hermann  Werner. 
❖KnochenverĂ€nflerung  bei  Erfrierung.    Pulay  .  Erwin. 

(Jeher  Keratosis  follicularis.    Siemens     Hermann  Werner. 
❖Ueiier  Kalkablagerungen  der  Haut.    Lies  e'  g  a  n  g  .  Ed.  Raphael. 

Kt-huer  diagnosiizierhare  HauttriBhoptiytie.  G-javagna! 
❖l'ehei-  die  Di  f  f  orentiald  \a  giinso  der  mechanisch  bedingten  BlasenaalsschlĂ€ge, 
mit   BeitrÀgen    zur   Kasuistik   des   sog.   Epydermolysis   bullosa  (Unllos:s 
mechanica  symptomatica  und  Bullosis  s-pojvtaneas  enngetrta)  und  der  heri- 
ditÀren  De.rmatit's  horpetiformis.    Siemens.  Hermann  Werner. 
Stammbaum  einer  Icht.yosisfamirc  nebst  Bemerkungen  ĂŒber  die  Vererbungs- 
art der  lehtyosis.    L  e  v  e  n. 
Beitrag  zur  Spontanheilung  der  plastischen  Induration  der  Capora  cavernosa 

pea's.    S  a  c  h  s  .  Otto. 
Ueber  den  Einfluß  des  Sailvarsans  auf  die  Blutgerinnung.    Trost.  W, 
❖Beitrag  zur  Frage  der  Impetigo  contagiosa  und  des  Ekthyma.  F  n  c  Ii  s  .  Dora. 
Untersuchungen  ĂŒber  die  Pathogenese  und  pathologische   Anatomie   der  Ur- 
ticaria    T  ii  r  ö  k  ,  L..  Lehner,  E.  und  K  e  n  e  d  y  ,  D. 


Ueber    eine    kieinpustulöse    vegetierende    Dermatose.  Klinisch-anatomische 
Studie.    Fi  »chl.  Friedlich. 

Neue  Wege  der  spezifischen  Therapie  der  Haut-  und  Schlei m- 
liauttuberkulose.  Die  Ponndorf-Impfung  hat  sich  in  therapeuti- 
scher Hinsicht  bei  Hauttuberkulose  nur  wenig,  die  Friedmannsche 
Behandlung  gar  nicht  bewÀhrt.  Etwas  besser  sind  Erfolge  mit 
Partialantigenen  nach  Deyke-Much,  doch  lassen  auch  dabei  die 
ĂŒesultale  viel  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig.  Befriedigende  hat  W.  da- 
gegen mit  Impfungen  gesehen,  die  mit  DrĂŒsensaft  des  erkrankten 
Patienten  ausgefĂŒhrt  werden;  hierzu  werden  1 — 3  kleine,  im 
Stadium  der  saftigen  Schwellung  befindliche  HalsdrĂŒsen  dem  be- 
treffenden Patienten  operativ  entnommen,  zerkleinert  und  mit 
9  Teilen  NaCl  versetzt.  Diese  Aufschwemmung  wird  2  Stunden 
lang  geschĂŒttelt,  nach  48  stĂŒndigem  Aufenthalt  im  Eisschrank  fil 
friert  und  dann  2"  Stunden  auf  55°  erhitzt.  Von  diesem  Filtrat 
werden  1 — 2  Teilstriche  intrakutan  injiziert  und  auf  Lokal- 
wie  Allgemeinreaktionen  geachtet.  Die  Dosis,  die  eine  ĂŒber  ein 
Erythem  hinausgehende  lokale  Beaktion  nicht  ergibt,  wird  in 
3 — 6  tĂ€gigen  Pausen  intra-  oder  subkutan  eingespritzt.  —  In  15 
von  22  FÀllen  hat  sich  die  Methode  mehr  oder  minder  bewÀhrt, 
doch  hat  meistens  eine  gleichzeitige  Lichtbehandlung  stattgehabt . 

Studien  ĂŒber  Vererbung  von  Hautkrankheiten.  Bei  der  Epi- 
dermolysis bullosa  hereditaria,  und  zwar  bei  der  einfachen 
besser  als  Bullosis  mechanica  simplex  zu  bezeichnenden  —  Form 
findet  sich  bei  genauer  literarischer  Durchforschung  der  Stamm 
bÀume  ein  wenn  auch  geringes  Uebcrwiegen  der  kranken 
Familienmitglieder  ĂŒber  die  gesunden;  dagegen  ist  nicht  zu  be- 
stĂ€tigen, daß  das  mĂ€nnliche  Geschlecht  hĂ€ufiger  als  das  weibliche 
ergriffen  ist,  nur  treten  die  Erscheinungen  bei  diesen  gar  nicht 
selten  erst  in  spĂ€teren  Jahren  auf  und  schwinden  auch  frĂŒher  ;ils 
bei  den  mÀnnlichen  Patienten.  Die  angebliche  Disposition  der 
germanischen  Basse  fĂŒr  dieses  Leiden  ist  wohl  darauf  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren, daß  gerade  in  Deutschland  diese  Erkrankung  besonders 
studiert  und  beobachtet  wurde.  Jedenfalls  ist  sie  in  letzter  Zeit 
auch  bei  einem  Neger  und  einem  Mongolen  festgestellt  worden. 

KnochenverÀnderung  bei  Erfrierung.  Erfrierung  hat  eine 
Entkalkung  der  Fuß-  und  Handknochen  zur  Folge,  die  von  kaum 
nachweisbaren  AnfÀngen  bis  zur  totalen  Entkalkung  alle  Ueber- 
gÀnge  aufweist.  Am  hÀufigsten  sind  die  3.  Phalangen,  dann  Kopf 
und  Basis  der  metatarsi  atrophiert.  Den  VerÀnderungen  des 
Knochenskelettes  entsprechen  meistens  solche  an  den  Weich- 
teilen, doch  kommen  sie  auch  ohne  Manifestationen  an  den  Weich 
teilen  vor  und  sind  noch  hÀufig  zu  konstatieren,  wenn  die  Weich- 
teile  bereits  lange  normales  Aussehen  wieder  besitzen;  hierdurch 
erklÀren  sich  bisweilen  Geh-  und  SensibilitÀtsstörungen,  die  spon- 
tan  oder  bei  WitterungsumschlÀgen  anscheinend  ohne  Ursache 
nach  Erfrierung  auftreten.  Histologisch  findet  man  eine  Throm- 
bosierung der  GefĂ€ĂŸe,  so  daß  nach  v.  B  e  c  k  1  i  n  g  h  a  u  s  e  n  die 
Erfrierung  auf  eine  durch  Blutstockung  herbeigefĂŒhrte  regressive 
ErnĂ€hrungsstörung  zurĂŒckzufĂŒhren  ist,  im  Gegensatz  zur  Ver- 
brennung, bei  der  sich  hauptsĂ€chlich  entzĂŒndliche  VorgĂ€nge  ab- 
spielen. 

Ueber  Kalkablagerungen  der  Haut.    Kalkmangel  ist  nicht  die 

Ursache  der  Rachitis,  da  hier  sogar  ein  grĂ¶ĂŸerer  Gehalt  an  lös- 
lichen Kalksalzen  in  den  Geweben  als  normalerweise  vorhanden 
ist.  Ueberhaupt  sind  Kalksalze  fast  stets  im  Körper  im  Ueber- 
schuß  vorhanden,  und  daß  dieser  nicht  zu  einer  Verkalkung  des 
gesamten  Organismus  fĂŒhrt,  hat  seinen  Grund  darin,  daß  von 
den  lebenden  Zellen  CO?  produziert  wird,  die  Kalziumphosphat 
und  Kalziumkarbonat  löst.  Erst  wenn  pathologischerweise  diese 
COvEntwicklung  der  Zelle  nachlĂ€ĂŸt,  kommt  es  zu  Kalkablagerung 
in  ihr  selbst.  Sonst  schlagen  sogar  die  den  Kalkstoffwechsel  nor- 
malerweise besorgenden  Zellen  den  Kalk  nicht  intra-  sondern 
interzellulÀr  nieder,  und  nur  infolge  der  Armut  der  Knochensub- 
stanz an  Zellen  kann  hier  Kalk  physiologisch  in  grĂ¶ĂŸeren  Mengen 
abgelagert  werden. 

Ueber  die  Differentialdiagnose  der  mechanisch  bedingten 
BlasenausschlÀge.  Unter  dem  Namen  Epidermolysis  hereditaria 
werden  verschiedene  klinisch  sich  sehr  Àhnelnde  aber  Àtiologisch 
verschiedene  Krankheitsbilder  zusammengefaßt.  Aus  diesen  sucht 
W.  die  Bullosis  mechanica  als  Krankheit  sui  generis  herauszu- 
heben. Die  Bullosis  wird  nach  W.  charakterisiert  1.  durch  ihre 
Eigenart,  daß  die  Blasenbildung  stets  durch  mechanische  Beize 
bedingt  ist,  2.  durch  ihre  kongenitale  Anlage,  und  3.  durch  die 
gĂŒnstige  Prognose  quoad  vitam  und  die  im  ĂŒbrigen  gute  Gesund- 
heit des  Patienten.  Das  Bild  der  Bullosis,  von  der  es  eine  ein- 
fache und  eine  dystrophische  Form  gibt,  wird  dadurch  ver- 
schleiert, daß  der  Ausschlag  bisweilen  trotz  der  kongenitalen 
Anlage  erst  sehr  spÀt  auftritt,  wie  bei  einer  Patientin,  bei  der 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24/2.r). 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


4S7 


sich  trotz  absolut  dominanter  Anlage  die  orslon  Blasen  erst  mit 
21  Jahren  zeigten.  Trotzdem  mĂŒssen  diese  SpĂ€tformen  der  Bul- 
losis mechanica  zugezÀhll  werden  und  sind  scharf  abzugrenzen 
von  anderen  nicht  hereditÀren  Blaseneruptionen,  wie  der  Bullosis 
mechanica  neurotrophica  und  der  Bullosis  mechanica  toxica,  die 
zwar  auch  mechanisch  bedingte  Blaseneruptionen  als  einzige 
Aeußerung  der  Hautkrankheit  besitzen,  die  jedöoh  erworbenen 
und  nicht  kongenitalen  Ursprunges  sind.  Eine  Bullosis  mechanica 
symptomatica  kann  auch  ferner  im  Gefolge  oder  kombiniert  mit 
anderen  Dermatosen  vorkommen,  angeblich  beim  Ervthema  exsu- 
dativum, sicher  bei  der  Dermatitis  herpetiförmis  und  beim  Pem- 
phigus. Oh  es  auch  eine  Bullosis  congenita  spontanen  gibt,  wagl 
S.  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  wie  auf  Grund  der  bisher 
vorliegenden  Literatur  nicht  zu  entscheiden.  Bei  den  Blasen 
eruptionen,  die  hÀufig  bei  Hautatrophien  und  Keratosen  gesehen 
werden,  gibt  nur  die  genaueste  Familien-Anamnese  im  Verein 
mit  dem  Provokationsverfahren,  auf  dessen  Technik  S.  großen 
Wert  legt,  AufklĂ€rung  ĂŒber  die  wrahre  Natur  des  Leidens. 

Beitrag  zur  Frage  des  Impetigo  contagiosa.  Bei  der  Impetigo 
contagiosa,  die  allgemein  als  Streptokokkeninfektion  angesehen 
wird,  ist  die  staphylogene  Infektion  durchaus  nicht  selten.  Ja 
diese  staphylogene  Impetigo  zeigt  ein  solch  charakterisches  Aus- 
sehen, daß  man  aus  diesem  die  Art  des  Infektionserregers  bereits 
klinisch  erschließen  kann.  So  finden  sich  hier  stets  Blasen  mit 
mehr  oder  minder  serösem  Inhalt  oder  wenigstens  Blasenreste. 
Der  Blaseninhalt  verdunstet  meistens,  wobei  die  Blasendecke  als 
weißes  HĂ€ufchen  zurĂŒckbleibt,  und  so  kommt  es  hĂ€ufig  zu  keiner 
Krustenbildung.  In  den  wenigen  FĂ€llen,  in  denen  es  doch  zu  einer 
solchen  kommt,  zeigt  sich  diese  mehr  als  ein  firnisartiger  Belag 
denn  als  dicke  Auflagerungen.  Auch  EntzĂŒndungserscheinungen 
treten  nur  in  ganz  geringem  Maße  auf,  dagegen  neigt  die  staphy- 
logene Impetigo  zur  Disseminierung,  Ausbreitung  auf  die  be- 
nachbarten Körperteile  und  zur  familiÀren  Infektion.  In  50 
EktymafÀllen  fand  F.  fast  stets  Streptokokken  in  Uebereinstim- 
mung  mit  den  Berichten  anderer  Autoren.  Bab  fBerlinV 

21.  MĂ€rz  1922,  13,  Heft  2. 

BeitrÀge  zur  Anatomie  und  Biologie  der  HfMit.    VIII.  Biologische  Deutungs- 
versuche  pathologischer  rTaufcnrothesr  (Ekzem-  und  ZosterblÀse.hen.  bal- 
loreerpTHl"  und  retikulierende  Dcgerierat'on.  Entstehungs-weisc  nicht  para- 
-   sit&rer  Hautexantheme).    F  rie-ho.es".  Walter. 
Ein  Beitrag  zum  Keratoma  palmare  et  plantare  hi  reditarium  (Keratoma  dissi- 

patum  Brauer).  B  r  a  n  11  .  GĂŒnther. 
D'e  Elefantiasis  der  Schamlippen.  Klinische  Beobachtungen  und  pathologisch- 
anatomische    Bemerkungen.     (i  r  a  v  a  g  n  a. 
❖Zur   Frage   der  Epidermolysis    bullosa    hereditaria.     M  a  V  r     Jtllius    K.  und 

K  a  t  z ,  K. 

❖BeitrĂ€ge  zur  Physiologie  der  .luckempf  indung.    K  n  t  Ii  tn  a  u  n  .  Stephan, 
lieber  VerÀnderanjren   des   Blutbildes   be!rh   Haarausfall    nach  allgemeinen 
Krankheiten.    E  i  c  h  e  1  b  a  U  m    Hans  Reinhard. 
❖Zur  Kenntnis   tubulöser   HautgeschwĂŒlste.     K  r  e  i  1  i  e  Ii  .  ('. 
Follicularcyste  und  Spinalzellenepitheliom.    Bemerkungen   ĂŒber  das  Wesen 
der    Kopfathenimc.     Beitrag    zur    Bakteriologie    der    artifciellen  \cue. 
F  r  e  i  .  Wilhelm. 

I  ntersuchungen  zur  Frage  der  EinheitlichkeM  der  RiickcnmarksfliiUigkcit  in 
den  verschiedenen  Bez'rken  an  Fallen  von  Dermatosen,  Tr'pper  und  Friil)- 
syphili«     Schönfeld.  W. 

Weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  der   Acrodermatitis   atrophicans.    .1  c  II  n  c  r 
Max. 

BeitrÀge  zur  Paraffintechn'k  der  Maut.    F  r  e  u  d  e  n  t  Ii  a  I  Walter. 

Zur  Frage  der  Epidermolysis  bullosa  hereditaria.  Bei  einem 
cschwislerpaar  mit  Epidermolysis  hered.  bullosa,  dessen  Eltern 
Bichl  blutsverwandt  und  die  ebenso  wie  ihre  Aszendenz  frei  von 
diesem  Leiden  waren,  zeigte  das  1jÀhrige  Àltere  MÀdchen  die 
dystrophische  Form,  der  jĂŒngere  Knabe  die  einfache  Form  der 
Erkrankung.  Infolge  dieser  Beobachtung  sowie  infolge  kritischer 
Verwertung  der  von  Siemens  zusammengestellten  Tabellen, 
glauben  die  Autoren  nicht,  daß  die  beiden  Formen  Syndrome  ver- 
schiedener Krankheiten  sind.  Vielmehr  weisen  sie  nach,  daß  bei 
den  verschiedenen  Formen  der  Epidermolvsis  keinerlei  verwert- 
bare BegelmĂ€ĂŸigkeiten  in  bezug  auf  Blasenbildung,  Sitz  derselben, 
histologische  Struktur,  Kombination  mit  Atrophie  oder  Pigmen- 
tation,  Vererbung  vorkommt,  sondern  daß  vielmehr  dauernde 
FebergÀnge  vorhanden  sind,  die  sich  nicht  voneinander  abgrenzen 
lassen. 

BeitrÀge  zur  Physiologie  der  Juckempfindung.    Töwks  Be- 
achtung, daß  ein  Zusammenhang  zwischen  ^Schmerz  und  Juck- 
iz   besteht,   bestÀtigt   Rohmann   durch  folgenden  Versuch: 
ringl  man  Juckpuiver  auf  einen  an  Àsthetisch  gemachten  Bezirk, 
o  beginnt  dies  erst  mit  Nachlassen  der  AnÀsthesie  zu  wirken. 
Audi    bei    zentraler    AnÀsthesierung  LumbalanÀsthesie 
Schwindel  nach  Thoele  erst  der  Schmer/.,  bald  darauf  das  .Tuck- 
gefĂŒhl.  erst  spĂ€ter  KĂ€lte-,  WĂ€rme-,  Kitzel-  und  Tastempfinden. 


Diese  Sinnesempfindungen  haben  nichts  mit  dem  JuckgcfĂŒh]  zu 
tun,  denn  beim  Verlöschen  dieser  GefĂŒhle  infolge  pathologischei 
Prozesse  bleibt  der  Juckreiz  unverÀndert  erhalten.  Dieser  isl 
vielmehr  eine  Funktion  der  Schmefzempfindung  und  zwar  dei 
protopathischen.     Auf  Grund   experimenteller  Untersuchungen 

nimmt  Head  an,  daß  der  Schmerz  durch  zwei  SelbstĂ€ndige 
Leitungssysteme  zustande  kommt,  das  protopathische,  das  die 
Empfindung  diffus,  als  schlecht  lokalisierbare,  unangenehme  Er- 
regung weiterleitet,  und  das  epikrilische,  das  die  feine  Tast- 
empfindung, die  scharfe  Lokalisation,  die  Unterscheidung  der 
BeizintensitÀt  weitergibt.  In  einem  Falle,  in  dem  durch  Kriegs- 
verletzung die.  epikrÀtische  SensibilitÀt  gestört,  die  protopathische 
noch  erhalten  war,  wurden  nach  B.'s  Beobachtungen  leichte  Nadel 
sliche  als  Jucken  empfunden. 

Zur  Kenntnis  tuberkulöser  HautgeschwĂŒlste.  K.  hatte  frĂŒher 
die  schweißdrĂŒsenĂ€hnlichen  GĂ€nge  eines  systematisierten  Naevus 
auf  die  HaarbĂ€lge  zurĂŒckgefĂŒhrt.  Diese  Annahme  gibt  er  jetzt 
auf  und  schließt  sich  auf  Grund  der  Einwendungen  und  neuerer 
Untersuchungen  mehr  Krom  pecher  an,  der  sie  als  Schweiß- 
drĂŒsengĂ€nge ansah,  die  durch  Hyperkeratose  verlegt  waren.  Er 
beschreibt  nun  zwei  Naevi  sebacei,  bei  denen  er  mit  Hilfe  der 
SudanfĂ€rbung  im  Formalinschnitt  unter  der  TalgdrĂŒsenhvocrtronhie 
deutliche  SchweißdrĂŒsenanlage  findet.  Ferner  ein  tuberkulöses 
Karzinom  der  Nasengegend,  das  von  dem  OberflÀchenepithel  oder 
von  den  Follikeln  ausging,  und  dessen  tubulöse  GÀnge  von  der 
OberflÀche  nach  abwÀrts  gewuchert  waren,  wÀhrend  er  in  einem 
als  SchweißdrĂŒsenadenom  gedeutetem  Falle  vermutet,  daß  infolge 
einer  traumatischen  EntzĂŒndung  des  Stromas  die  SchlĂ€uche  von 
unten  nach  oben  gewachsen  sind.  Bab  (Berlin). 

Dermatologische  Wochenschrift. 

25.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

lieber   Dermatitidcn   durch  Terpontinersafz.     Prof.  Gr  a .  1  e  W  s  k  i. 
Multiple  weiche  Warzen  der  Mundschleimhaut.      Stern.  F. 
❖Sclerosis   urethrae.    G  y  o  r  g  y  e  i  r  e  .  Georg. 

Sclerosis  urethrae.  Bei  der  Sclerose  der  Urethra  findet  man 
fast  stets  eine  leichte  umschriebene  HÀrte  der  Harnröhre  nebsl 
mĂ€ĂŸiger  Sekretion  aus  derselben.  Beim  geringsten  Druck  auf 
diese  harte  Stelle  wird  charakteristischer  Weise  das  Sekret  sofort 
sanguinolent.  In  diesem  Sekret,  von  dem  am  besten  der  erste 
Tropfen  nicht  zur  Untersuchung  herangezogen,  sondern  besser 
weggewischt  wird,  sind  die  hier  sehr  zahlreichen  SpirochÀten  sehr 
leicht  zu  finden. 

1.  April  1922,  Nr.  IM. 

❖D  e  OlĂŒhnadel  als  therapeutisches  und  kosmetisches  Hilfsmittel.    1'  o  Ii  o  r  II  y. 
Adolf. 

Meine  Aktivmethode  der  Wassermann-Reaktion  bei  Syphilis.  Hecht.  Hugo. 

Die  Gliihnadel  als  therapeutisches  und  kosmetisches  Hilfs- 
mittel. Zur  Behandlung  von  Steruchenteleangiektasien,  kleinen 
Naevi  und  vor  allem  von  Akne  rosacea  hat  sich  P.  die  Verödung 
der  GefĂ€ĂŸe  durch  eine  einfache,  spitze,  am  Bimsen-  oder  Spiritus- 
brenner bis  zur  Bolglut  erhitzte  NÀhnadel  bewÀhrt,  die  nach  Art 
einer  PrÀpariernadel  auf  ein  HolzstÀbchen  befestigt  wird.  Diese 
lunipunklion  gibl  keine  Narben,  vermeidet  jede  Blutung  und  vor 
allem  jede  Kelöidbildung;  sie  ist  daher  in  geeigneten  FÀllen  der 
Elektrolyse  weit  ĂŒberlegen. 

8.  April  1922,  Nr.  14. 

❖Therapeutische  Versuche  mittels  perkutaner  Elektrolyse     w  i  r  z  .  V. 
Erwiderung  auf  Almkv'sts  Berichtigung  meiner  Arbeit  ..Fin  Weg  zur  Ver- 
hĂŒtung und  Behandlung  der  Stermatitis  mercurialis.  S  c  h  r  e  u  s  .  II.  Th. 

Therapeutische  Versuche  mittels  perkutaner  Elektrolyse.  Verf. 
empfiehlt  die  perkutane  Elektrolyse  Jontophorese  von 
Adrenalinlösungen,  um  —  besonders  narbiges  oder  infiziertes  - 
Gewebe  anaesthetisch  zu  machen.  Diese  Anaesthesie  dauert  etwa 
eine  Stunde  lang  an,  mithin  doppelt  so  lange  als  die  Injektion^ 
anaesthesie,  und  geht  bis  ins  Subkulangewehe,  so  daß  sie  -fĂŒr 
kosmetische  Operationen  besonders  geeignet  isl.  —  Bei  Tricho- 
phytieen  hat  sich  die  Ichtyol-  resp.  Jodiontophorese  glÀnzend  be- 
wĂ€hrt und  die  Radiotherapie  ĂŒberflĂŒssig  gemacht.  Beim  Lupus 
und  der  Gonorrhoe  dagegen  ist  von  ihr  nur  wenig  Nutzen  zu  er- 
warten. 

15.  April  1922,  Nr.  15. 

lieber  sÀurefeste  Bazillen  hei  Acne  conglobata.    P  i  c  k  .  Erwin. 
❖Eine  neue  Technik  fĂŒr  intramuskulĂ€re  Quecksilberinjektionen.    P  o  n  t  o  p  - 
p  i  d  Ii  n  .  B. 

Eine  neue  Technik  fĂŒr  intramuskulĂ€re  Hg-lnjektion.  Galomel 
wird  in  StÀbchenform  mit  Ol  Kakao  zubereitel  in  die  Rekord- 


438 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


spritze  gebracht;  vor  der  Injektion  wird  die  Spritze  durch  eine 
Spiritusflamme  gezogen,  worauf  die  Masse  leicht  durch  eine  ge- 
wöhnliche RekordkanĂŒle  gespritzt  und  so  die  Gefahr  einer  Leber 
dosierung  vermieden  wird.  B  a  1)   (Berlin  . 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

1.  April  1922,  49,  Nr.  13. 

❖Semmelweis,  nicht  Listor!    Bruck.  426. 

❖  Excision  der  Magenstraße.    K  i  r  s  c  h  n  c  r.  428. 

Verlaufen  sensible  Fasern  in  den  vorderen  VVurz&In.?    L  e  Ii  >n  a  n  n  .  W.  435. 
Chronischer  Icterus.    II  ĂŒ  h  s  c  h.  437. 
Entspannung  von  Nahtlinien.    Meyer.  H.  439. 

Entgegnung   auf  d:e   Veröffentlichung    Brunzels   ĂŒber   Tetanusreaktiv iening 
nach  7  Jahren.    Herz.  440. 

Semmelweis,  nicht  Lister!  Verfasser  weist  darauf  hin,  daß 
der  BegrĂŒnder  der  Anliseptik  und  Aseptik  nicht,  wie  fĂ€lschlich 
immer  angenommen  wird,  L  i  s  t  e  r,  sondern  S  e  m  m  e  l  w  e  i  s 
ist.  Dieser  hat  schon  im  Jahre  1847,  also  20  Jahre  vor  Lister, 
die  HÀnde  mit  Chlorwasser  oder  Chlorkalklösung  desinfiziert  und 
die  Bedeutung  der  Kontaktinfektion  klar  erkannt.  Die  Lehre 
Listers  muß  sogar  als  ein  BĂŒckschritt  angesehen  werden,  da 
er  zunÀchst  nur  die  Luftinfektion  kannte  und  zu  bekÀmpfen 
suchte.  Das  Verdienst  Listers  liegt  in  der  weiten  Verbrei- 
tung, zu  der  er  dem  antiseptischen  Gedanken  vorholfen  hat. 

Zur  Exzision  der  Magenstraße.  Kirschner  hĂ€lt  die  von 
Schmieden  vorgeschlagene  „Exzision  der  Magenstraße  als 
kausale  Therapie  des  MagengeschwĂŒrs"  fĂŒr  keine  Verbesserung 
der  bisher  geĂŒbten  Operationen.  ZunĂ€chst  ist  noch  gar  nicht  er- 
wiesen, daß  der  anatomischen  „Magenstraße"  wirklich  eine  funk 
lionelle  Bedeutung  zukommt  in  dem  Sinne  einer  bevorzugten  oder 
ausschließlichen  Benutzung  dieser  Straße  durch  die  Speisen.  Aber 
selbst  wenn  dem  so  ist,  so  wird  durch  die  Exzision  dieser  Magen- 
slraße  die  Form  des  Magens  nicht  in  dem  Sinn.'  verĂ€ndert,  dafi 
eine  Entlastung  der  neugebildeten  Magenstraße  herbeigefĂŒhrt 
wird.  Wenn  mechanische  EinflĂŒsse  in  der  Aetiologie  des  Magen- 
geschwĂŒrs ĂŒberhaupt  eine  Bolle  spielen  —  was  ja  durchaus  an- 
zunehmen ist  —  dann  muß  die  durch  Operation  neugebildete 
Magenstraße  mehr  als  die  exzidierte  zur  GeschwĂŒrsbildung 
neigen;  jede  Narbe  ist  ja  leicht  verletzlich  und  besitzt  wenig 
Heilkraft.  Zum  Schluß  wendet  sich  Verfasser  gegen  die  An 
sieht  Schmiedens,  daß  „die  einzige  Möglichkeit  einer  Heilung 
in  der  radikalen  operativen  Entfernung  des  das  GeschwĂŒr  tragen- 
den Magenabschnittes"  bestĂŒnde;  er  hĂ€lt  die  Operationsindikation 
erst  dann  fĂŒr  gegeben,  wenn  alle  internen  Hilfsmittel  erschöpft 
sind. 

8.  April  1922,  49,  Nr.  14. 

Lymphdrainage  bei  Elephantiasis  cruris.    II  a  u  b  c  n_r  e  i  s  s  e  r.  471. 
❖Dilatation  ih  r  Harnröhre.    H  a  m  in  e  s  f  a  Ti  r.  47"). 

❖  Rezidive  nach  Bassini.    Seh  war  tz.  476. 

Neue  Art  der  Versorgung  von  Gefaßverletzungen.    Moni  y.  480. 
Kritisches  zu  dem  Artikel:    Ist  die  Xebennicrenexstirption  bei  Epilepsie  be- 
rechtigt?   Reisten.  482. 

Dilatation  der  Harnröhre  „ohne  Ende".  Verf.  empfiehlt  fĂŒr 
schwere  Strukturen  der  hinteren  Harnröhre  ein  Verfahren,  das 
der  Speiseröhrendilatation  „ohne  Ende"  nachgebildet  ist;  durch 
eine  Zystotomiewunde  wird  ein  dĂŒnner  Draht  von  der  Blase  zur 
Harnröhre  hinausgeleitet;  an  diesem  werden  GummischlÀuche 
immer  dickeren  Kalibers  angeschlossen  und  im  Laufe  von  Tagen 
und  Wochen  durch  die  Harnröhre  gezogen.  —  Mitteilung  von  zwei 
auf  diese  Weise  geheilten  hochgradigen  Verengerungen. 

Zur  Frage  der  Rezidive  nach  Bassini.  Unter  207  nach  B  a  s- 
s  i  n  i  Operierten  fanden  sich  5,3  %  Rezidive.  Solange  andere 
Methoden  noch  keine  besseren  Resultate  ergeben,  sollen  die 
LeistenbrĂŒche  nach  B  a  s  s  i  n  i  operiert  werden. 

K.  Wohlgemut  h  (Berlin^. 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Chirurgie. 

1922,  169,  5/6. 

Uebetr  SpulwUrmerabszesse  der  Leber.    M  a  k  a  i  .  E.  297. 
❖Die  chirurgischen  Komplikationen  der  Ascaridon-Hrilminthiasis.    Gr  i  r  g  elfte 
söhn,  K.  309. 

Die  Arthrodese  durch  paraartikulÀre  Knochenspaneinpflauzung   bei  Gelonk- 

tuberkulose.    K  a  p  p  i  s  ,  M.  316. 
lieber  mehrsitz'gen    Darmverschluß  und  Sehemeinklemmung  hei  BrĂŒchen. 

Ein  Beitrag  zu  den  selteneren  Ileusformen.     Block.  W,  329. 
‱5»Zur  Frage  der  SakralanĂ€sthesie.    B  a  r  b  e  y  .  A.  341, 
Periostitis  infectinsa.     I!  f  Ii.  361. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24  25. 


❖lieber     Röntgenstcreographie     als     chirurg'sch-diagnostisches  Hilfsmittel. 
F  i  e  b  a  c  h  ,  R.  399. 
Bemerkungen  zur  Arbeit:    Ueber  den  Stand  der  Frage  der  galligen  Peri- 
tonitis.   Wagner,  F.  415. 

Die   chirurgischen   Komplikationen   der   Askariden  -  Helmin- 

thiasis.  SpulwĂŒrmer  vermögen  nicht  nur  eine  Beihe  chirurgi- 
scher Erkrankungen  (z.  B.  Ileus,  Appendizitis,  Leberabszesse  usw.: 
hervorzurufen,  sondern  sind  auch  imstande,  gewisse  Abdominal- 
erkrankungen, namentlich  Appcndizitiden,  vorzutÀuschen.  Die 
Kenntnis  dieser  Tatsachen  ist  diagnostisch-therapeutisch  wichtig. 
Verf.  empfiehlt  im  Zweifelsfalle  zunÀchst  Einleitung  einer  Wurm- 
kur, bei  deren  Versagen  dann  der  operative  Eingriff  vorzu- 
nehmen wÀre. 

Zur  Frage  der  SakralanÀsthesie.  Zusammenstellung  von  Ei- 
fahrungen  an  146  FÀllen,  bei  denen  SakralanÀsthesie  vorgenom- 
men wurde.  In  134  FĂ€llen  wurde  volle  Wirkung  erzielt,  in  den 
ĂŒbrigen  nur  eine  teilweise,  bezw.  keine.  Zwischen  Nabel  und 
Zehen  bestand  bei  gelungener  AnÀsthesie  stets  absolute  Schmer?- 
losigkeit.  Ueble  Nebenwirkungen  traten  nur  vereinzelt  auf,  Todes- 
fÀlle wurden  nie  erlebt.  Die  Dosis  betrug  Iiis  zu  0,9  g  Novokain. 
Voraussetzung  zum  vollen  Gelingen  der  AnÀsthesie  ist  normale 
Beschaffenheit  des  Hiatus  sacralis,  ein  nicht  zu  empfindliches 
Nerven-  und  GefĂ€ĂŸsystem  der  Patienten,  das  Fehlen  arteriosklero- 
tischer oder  kachektischer  VerÀnderungen.  Vorteile  der  genannten 
Methode  gegenĂŒber  der  Leitungs-  und  LumbalanĂ€sthesie  sind  ver- 
einfachte Technik  und  Seltenheit  ĂŒbler  Nebenwirkungen. 

Ueber  Röntgenstereographic  als  chirurgisch-diagnostisches 
Hilfsmittel.  Verf.  schildert  die  Verwendung  der  Röntgensterco- 
graphie  bei  der  Fremdkörperbestimmung,  bei  KnochenbrĂŒchen, 
Luxationen,  chirurgischen  Knochen-  und  Weichteilerkrankungen 
und  weist  auf  den  großen  Nutzen  erwĂ€hnter  Methode  hin,  die  in 
der  Königsberger  chirurgischen  Klinik  ĂŒberall  da  verwendet  wird, 
wo  einfache  Durchleuchtung  oder  Aufnahme  nicht  zum  Ziele  fĂŒhrt. 
Technische  Einzelheiten  siehe  an  Ort  und  Stelle. 

L.  F  r  o  s  c  b  (Berlind 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

23.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

❖  Xcueres    aus    d  m    Gebiete    der    ErnĂ€hrungsstörungen    im  SĂ€uglingsalter. 

W  i  e  1  a  u  d  ,  E.  293. 
Ein  Apparat  zur  Messung  der  Blutgerinnungszeit.     F  c  i  ß  1  y  .  R.  .100. 

❖  Einiges  ĂŒber  PneumothoTaxapparatc.    Letcbke,  E.  301. 

Xo'  hmnls  zur  Frage  der  Brilleuwirkungcn.    H  e  g  n  e  r  ,  E.  301. 
Zur  Frage  der  geographischen  Verbreitung  der  Epilepsie.    A  m  m  a  n  n  .  R. 
303. 

Neueres  aus  dem  Gebiet  der  ErnÀhrungsstörungen  im  SÀue- 
lingsalter.  Verf.  gibt  einen  Ueberblick  ĂŒber  die  neuere  Entwicke- 
lung  und  den  Stand  der  Lehre  von  den  sog.  Verdauungskrank- 
heilen  der  SĂ€uglinge,  wie  er  es  zehn  Jahre  zuvor  schon  einmal 
getan  hat,  nachclem  damals  die  Ansichten  der  maßgebenden  pĂ€dia- 
trischen Schulen  Deutschlands  zu  einer  gewissen  Einigung  gelangt 
waren.  Das  letzte  Dezennium  ist  beherrscht  von  der  mit  enormem 
experimentellen  Beweismaterial  aufs  scharfsinnigste  gestĂŒtzten 
Finkelstein'schen  Lehre  vom  enterogenen  Salzfieber  und  von  der 
NĂ€hrstoffvergiftung;  die  Bakterieneinwirkung  als  Genese  von  Er- 
nĂ€hrungsstörungen trat  darĂŒber  in  den  Hintergrund  der  Betrach- 
tungsweise. In  neuester  Zeit  erzwangen  experimentelle  Arbeiten 
Moros,  ergÀnzt  und  bestÀtigt  durch  klinische  Untersuchungen 
B  e  s  s  a  u  s,  die  Bcvision  der  Lehre  von  der  chemischen  NĂ€hrstoff- 
vergiftung, indem  sie  gleichzeitig  auch  fĂŒj  den  EiweißnĂ€hr- 
schaden  einen  bakteriellen  (infektiösen)  Ursprung  mehr  wahr- 
scheinlich machten. 

Die  Hauptpunkte  dieser  wichtigen  Arbeit  sind  kurz  skizziert, 
folgende:  DĂŒnn-  und  Dickdarm  sind  in  ihrer  bakteriellen  Besied- 
lung völlig  ungleich.  Außer  "den  obligaten,  MilchsĂ€ure  bildenden 
Kettenkokken  enthĂ€lt  der  DĂŒnndarm  des  normalen  Menschen  sozu- 
sagen keine  Bakterien.  Diese  Keimarmut  Àndert  sich  sofort,  wenn 
es  zu  einer  ErnÀhrungsstörung  kommt.  Es  findet  eine  Invasion 
des  DĂŒnndarms  durch  die  physiologischen,  gĂ€rungserregenden 
Dickdarmbewohner  statt,  was  fĂŒr  den  DĂŒnndarm  eine  ernste  Ge- 
fahr bedeutet.  Diese  pathologische  Koliinvasion,  die  allem  An- 
schein nach  eine  konstante  Begleiterin  jeder  ErnÀhrungsstörung 
ist,  darf  man  als  das  maßgebende  pathologische  Moment  an- 
sprechen, nicht  allein  fĂŒr  die  Störung  der  physiologischen  Fer- 
ment- und  ResorptionsfÀhigkeit  des  Darms,  sondern  vielleicht  auch 
fĂŒr  die  mechanische  SchĂ€digung  des  Darmwandepithels  selbst. 
Neben  der  Bakterienwirkung  kommt  als  neues  bedeutsames  Mo- 
ment der  loxogene  Eiweißzerfall  in  Betracht,  eine  Auffassung, 
der  sich  auch  Fink  eist  ein  angeschlosen  hat.  So  wird  also  in 
Zukunft  eine  so  scharfe  Trennung  zwischen  chemischen  'alimentÀr- 
toxischen)  und  zwischen  infektiösen  SchÀden,  wie  sie  F  ink  ei- 
st e  i  n'  Versuchte,  kaum  mehr  möglich  sein.    Die  praktisch  thera- 


i, Jahrg.     Nr. 24/25.  Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


otischen  Konsequenzen  der  Moro  -  Bessauschen  Forschungs- 
sultate  lassen  zwei  Möglichkeiten  zu:  t.  die  DurchfĂŒhrung  einer 
ntibakti  ricllcn  Behandlung,  2.  die  BekÀmpfung  der  begleitenden 
-  rungssyinplome  durch  diĂ€tetische  Maßnahmen.  Was  die  anti- 
fekliöse  Therapie  anbetrifft,  so  ist  die  Anwendung  von  Kolisera 
nennen,  die  jedoch  einer  Anwendung  in  grĂ¶ĂŸerem  Maßstabe  als 
jsher  bedĂŒrfte,  um  allgemein  gĂŒltige  SchlĂŒsse  daraus  zu  ziehen, 
ie  diÀtetisch- medikamentöse  Therapie  bewegt  sich  in  bewÀhrten 
ahnen:  Entziehung  des  GĂ€rungssubslrats,  SpĂŒlungen  des  Magens 
d  des  Dickdarms,  AbfĂŒhrmittel  im  Beginn,  Darmantiseptica, 
'asser-  oder  Traubcnzuckerlösungszufuhr. 

Als  Heilnahrung  behĂ€lt  die  Eiweißmilch  ihre  Bedeutung  bei, 
e  ist  aber  keine  Dauei  nahrung,  selbst  dann  nicht,  wenn  sie  mit 
eigenden  Kohlehydratmengen  angereichert  wird.  Als  kĂŒnstliche 
nseitige  Nahrung  teilt  die  Eiweißmilch  diese  einschrĂ€nkende 
igenschaft  mit  den  meisten  kĂŒnstlichen  NĂ€hrgemischen.  Am 
esten  darf  noch  die  Buttermilch  als  Heilnahrung  gellen. 

Als  lLllnahrung  dĂŒrfen  wir  die  Czerny  -  Kleinschmidtsche 
uttermehlnahrung  bezeichnen;  sie  leistet  bei  jungen  Untergewich- 
ten SÀuglingen  Hervorragendes  und  gibt  auch  bei  Àlteren  Kin- 
rn  nach  Ablauf  aller  akuten  Erscheinungen  gute  Resultate. 

Einiges  ĂŒber  Pneumothorax-Apparate.  Verf.  hat  einen  ein- 
chen,  transportablen  Apparat  konstruiert,  der  es  ermöglicht,  bei 
ttlĂ€gerigen  Patienten  die  EinfĂŒllung  im  Hause  des  Kranken  ohne 
ssistenz  vorzunehmen,  ohne  durch  Transportschwierigkeiten  ge- 
indert  zu  werden.  Er  will  damit  die  anderen,  allerdings  köst- 
ieligen  und  komplizierteren  Apparate,  wie  z.  B.  den  von  Frey, 
icht  verdrÀngen,  wendet  sich  jedoch  gegen  letzteren,  um  .Ein- 
Ă€nde,  die  derselbe  gegen  Leschkcs  Apparat  erhoben  hat,  sachlich 
u  widerlegen.  Held  (Berlin). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

30.  MĂ€rz  1922,  52,  Nr.  13. 

Kropfprophylaxe.    Oswald,  A.  313. 

Kropfprophylaxe  durch  Jodtabletten.    Klinger,  R.  815. 
❖Beobachtungen  ĂŒber  die  sekundĂ€ren  Geschlechtscharaktere,   (i  i  s  o  n  ,  A.  316. 
Aufgaben  und  Ziele  der  Medizingeschichte.    S  i  g  e  r  i  s  t  ,  H.  E.  318. 
Pathologische    Anatomie    der    multiplen    symmetrischen    indolenten  Lipome. 
Hasegawa,  T.  322. 

Einige  Beobachtungen  ĂŒber  die  sekundĂ€ren  Geschleehtscharak- 
tĂ€ere.  Zuerst  wird  die  Talsache  hervorgehoben,  daß  kein  einziges 
SekundĂ€res  Merkmal  ein  ausschließliches  Attribut  des  einen  Ge- 
schlechtes darstellt.  Es  folgt  der  Schluß,  daß  sĂ€mtliche  Organe 
oder  Teile  des  menschlichen  Körpers,  welche  sekundÀre  sexuelle 
Kennzeichen  aufweisen,  nicht  nur  als  solche  zu  betrachten 
sind.  Sie  sind  ursprĂŒnglich  als  gemeinsame  Merkmale  beider 
Geschlechter  anzusehen.  In  der  Bildung  der  sekundÀren  Ge- 
schlechtsmerkmale können  die  verschiedensten  Dissoziationen  vor- 
kommen, z.  B.  stark  entwickelte  BrĂŒste  und  mangelhafte  Be- 
haarung bei  der  Frau.  Atypische  Behaarung  bei  sexuell  normalen 
Individuen  ist  hÀufiger  als  im  allgemeinen  angenommen  wird. 
Diese  Dissoziation  ist  nicht  ohne  praktische  Bedeutung.  Ein 
Mensch  z.  B.  mit  Hypothyreose,  der  normale  Schamhaare,  jedoch 
keine  Achselhaare  besitzt,  gehört  nicht  zu  den  FÀllen  reiner  Hypo- 
thyreose. 

Gewisse  morphologische  Eigenschaften  gehen  wahrscheinlich 
sehr  oft  miteinander  parallel,  z.  B.  Behaarung  und  Skeleltentwicke- 
lung,  BrustdrĂŒse  und  Skelett  bzw.  dessen  akrale  Teile  (Hand).  Die 
Behaarung  ist  zweifellos  ein  besonders  feines  Reagens  auf  die 
Skelettentwickelung.  Die  in  ihrer  Entwickelung  von  den  Sexual- 
organen ganz  unabhÀngigen  sekundÀren  sexuellen  Merkmale  wer- 
den andererseits  von  anderen  Organen  oder  Organsystemen  des 
Körpers  stark  beeinflußt  und  können  bei  KeimdrĂŒsenatrophie  den- 
noch vorhanden  sein.  Die  VerÀnderungen,  die  das  PubertÀtsalter 
mit  sich  bringt,  sind  nicht  allein  auf  VorgÀnge  im  Sexualapparat 
zu  beziehen. 

Die  Vererbungslehre  sucht  Nachweise  dafĂŒr  zu  bringen,  daß 
die  KeimdrĂŒse  nicht  unmittelbar,  sondern  nur  mittelbar,  d.  h.  via 
BlutdrĂŒsen,  Gehirn,  bestimmte  Körperparlien  in  ihrer  Entwicke- 
lung und  Funktion  beeinflussen  kann.  Held  (Berlin). 

Revue  Medicale  de  la  Suisse  Romande,  Lausanne-Genf. 

MĂ€rz  1922,  42,  Nr.  3. 

^fgeuappendizitifl,  Appendizitis  und  Menopause.    J  Ui  1  la  r  d  .  t.'h.  129. 

♩{‱Kardiopulmonales    (ierĂ€usch    an   ungewöhnlichem    Platze    bei  Tuberkulösen 
mit  Verwachsungen  der  Pleura.    L  o  u  p  ,  F.  147. 

PrimÀres  Lungenkarzinom,    C  r  a  m  e  r  ,  A.  und  S  a  1  o  z  .  C.  KiO. 
»Hb'mographische    Grundlagen    fĂŒr    VortrĂ€ge    ĂŒber  Geschlechtskrankheiten. 
Lassueur.  A.  171. 
Kropfprophylaxe.    M  e  s  s  e  r  1  i  .  Fi  M.  176 


Die  trĂŒgerischen  Formen  der  Appendizitis;  Appendizitis  und 
Menopause.  Verf.  zieht  in  den  Kreis  seiner  Betrachlungen  die 
subakutc  oder  chronische,  mehr  oder  weniger  verschleierte 
Appendizitis  ohne  besonders  krasse  Symptome,  diejenige  Form, 
die  ein  cxspeklatives  Verhalten  gestaltet.  Die  Verwechslung  von 
Blinddarm-  und  Adnexerkrankungen  ist  bekannt;  immerhin  wird 
man,  da  es  sich  beide  Male  um  pathologische  Zustande  handelt, 
den  operativen  Weg  als  den  sichersten  wÀhlen.  Verantwort- 
licher ist  die  Unterscheidung  zwischen  einer  subakulin  oder 
chronischen  Appendizitis  und  einem  physiologischen  Zustand  wie 
die  Menopause,-  da  hier  die  Entscheidung  „operieren  oder  nicht' 
von  folgenreicher  Bedeutung  ist.  Abgesehen  von  den  bekannten 
Beschwerden  des  Klimakteriums  gibt  es  fĂŒr  den  Diagnostiker 
irrefĂŒhrende  Symptome:  Schmerzen  in  den  Fossae  iliacae,  die  so 
heftig  werden  können,  daß  sie  die  Bat.  zu  Bettruhe  zwingen,  ja 
sogar  zu  Erbrechen,  Fieber  und  Leukozytose  fĂŒhren.  Das  Vor- 
kommen einer  Appenziditis  im  Verlauf  der  Menopause  ist  hÀu- 
figer als  man  sich  gewöhnlich  vorstellt,  aber  bis  jetzt  gibt  ts 
keine  fĂŒr  die  Unterscheidung  beider  untrĂŒgliche  Zeichen.  Einige 
Unterscheidungsmerkmale  seien  im  folgenden  genannt:  die  PrÀ- 
existenz kontrollierter  Blinddarmreizungen  ist  natĂŒrlich  ein 
wichtiger  StĂŒtzpunkt  fĂŒr  die  Diagnose  —  vorausgesetzt,  daß  keine 
Verwechslung  mit  menstruellen  Störungen  vorlag.  BrĂŒskes  Ein- 
setzen spricht  immer  zu  Gunsten  der  Appendizitis.  Die  Höhe  der 
Temperatur  wÀre  ein  Unterscheidungsmerkmal  parexcellence, 
wenn  man  nicht  wĂŒĂŸte,  daß  selbst  bei  eitrigen  Appendizitiden  die 
Temperatur  unter  38°  bleiben  kann.  Verdauungsstörungen  sind 
nicht  absolut  beweisend  fĂŒr  Appendizitis,  denn  sie  kommen  auch 
bei  der  Menopause  vor.  Die  LeukozytenzĂ€hlung,  die  fĂŒr  die 
akuten  Formen  der  BlinddarmentzĂŒndung  so  wichtig  ist,  leiste' 
bei  den  subakuten  oder  chronischen  so  gut  wie  nichts.  Der  Ent- 
schluß zum  Operieren  soll  dann  nicht  zweifelhaft  sein,  wenn  die 
klimakterische  Frau  mit  nachweislich  voraufgegangenen  Blind- 
darmkrisen rezidiviert.  Die  Schwierigkeit  wird  dann  erst  groß, 
wenn  es  sich  um  eine  1.  Attacke  handelt.  Dann  hÀngt  alles  von 
dem  beobachtenden  Arzt  ab,  der  imstande  ist,  den  Operations- 
beschluß im  rechten  Moment  zu  fassen. 

Ueber  ein  cardiopulmonales  GerÀusch  von  anormalem  Sitz, 
das  bei  Tuberkulösen  mit  Verklebung  der  Pleuren  beobachtet 
worden  ist.  Das  Zustandekommen  des  obengenannten  GerÀu- 
sches erklĂ€rt  Verf.  folgendermaßen:  Die  Verklebung  der  Pleura 
Matter,  macht  die  Lunge,  indem  sie  sie  an  das  Pericard  anheftet, 
in  höherem  Grade  als  sonst  abhÀngig  von  Herzbewegungen.  Hat 
die  Lunge  ihre  normale  ElastizitÀt,  so  entsteht  bei  erregtem  Zu- 
stand des  Herzens  ein  cardiopulmonales  GerÀusch  an  der  Stelle 
der  Verklebung.  Dieses  GerÀusch  wird  eher  im  Niveau  der 
Basis  als  an  der  Spitze  zu  hören  sein,  weil  die  Spitze  bei  diesen 
Pat.  fast  immer  induriert  ist.  Ist  die  Lunge  der  adhaerenten 
Seite  so  krank,  daß  sie  ihre  ElastizitĂ€t  eingebĂŒĂŸt  hat,  so  wird 
man  das  GerÀusch  an  der  entgegengesetzten  Seite  hören. 

Das  AuskultaĂŒonsphĂ€nomen  hat  nur  theoretischen  Wert, 
bietet  jedoch  vom  diagnostischen  Standpunkt  einen  gewissen 
Anhalt:  es  beweist,  dali  eine  Verklebung  der  Pleuren  da  ist. 
Prognostisch  lĂ€ĂŸt  sich  daraus  schließen,  daß  der  in  Frage  kom- 
mende Lungenabschnitt  seine  ElastizitÀt  bewahrt  hat  und  daher 
von  der  Erkrankung  wenig  ergriffen  ist. 

Zur  Statistik  der  Geschlechtskrankheiten.  Die  BekÀmpfung 
der  Geschlechtskrankheiten  erfordert  die  Zusammenarbeit  aller 
Aerzte.  Dazu  ist  nicht  allein  die  wissenschaftliche  Kenntnis 
nötig,  sondern  auch  die  Kenntnis  der  MorbiditÀt,  MortalitÀt. 
HĂ€ufigked  der  Komplikationen  und  Erhaltungskosten  durch  die 
Gemeinden. 

90  %  aller  MĂ€nner  haben  im  Alter  bis  zu  40  Jahren  eine 
Blenorrhagie  mindestens  durchgemacht,  viele  davon  2,  3  oder 
mehr.  Die  Zahl  der  erkrankten  MĂ€nner  ĂŒbertrifft  bei  weitem  die 
der  Frauen.  In  den  GroßstĂ€dten  kann  10  %  der  Bevölkerung  als 
syphilitisch  gelten;  seit  dem  Kriege  und  in  den  kriegfĂŒhrenden 
LĂ€ndern  insbesondere  hat  diese  Zahl  noch  zugenommen.  Die 
Infektion  findet  bei  einem  FĂŒnftel  aller  erkrankten  MĂ€nner  nach 
der  Eheschließung  statt,  d.  h.  durch  außerehelichen  Verkehr. 
50  %  aller  syphilitischen  Frauen  werden  unbewußt  infiziert. 
85  %  aller  verheirateten  syphilitischen  Frauen  verdanken  die 
Ansteckung  ihrem  Ehegatten.  70  %  aller  Augenerkrankungen 
bei  Neugeborenen  ist  gonorrhoischer  Natur,  25  %  aller  Erblin- 
dungen in  den  Vereinigten  Staaten  lĂ€ĂŸt  sich  auf  Gonokokken- 
Infektion  zurĂŒckfĂŒhren.  Der  nĂ€mlichen  Ursache  verdanken  30% 
der  sterilen  Frauen  ihre  SterilitÀt.  Wie  sehr  das  öffentliche 
Wohl  durch  die  Syphilis  bedroht  ist,  zeigen  folgende  Zahlen: 
unter  allen  im  Jahre  1914  wÀhrend  eines  Zeitraums  von 
14  Wochen  in  New  York  gemeldeten  ansteckenden  Krankheiten 


< 


440 


nahm  die  Syphilis  die  oberste  Stelle  ein;  an  2.  Stelle  kam  die 
Tuberkulose,  an  3.  Diphtherie,  an  4.  Masern,  dann  erst  Scharlach. 
Dabei  ist  zu  bedenken,  daß  die  Zahl  der  gemeldeten  Erkran- 
kungen vielleicht  nur  die  HĂ€lfte  der  wirklich  erfolgten  ausmacht. 
In  Deutschland  bildet  die  Syphilis  bei  etwa  &0  000  TodesfÀllen  die 
Todesursache.  Auf  die  Neugeborenensterblichkeit  wirkt  die 
Syphilis  mindestens  verdoppelnd  ein.  Auf  100  Syphilitiker  kom- 
men 3—5  Tabiker,  bezw.  Paralytiker;  in  der  Berliner  Charit  e 
rechnet  man  auf  100  Irre  40  Paralytiker;  7  %  der  Epileptiker 
sind  hereditÀr-syphilitisch.  80  %  aller  Aneurysmen  gehen  auf 
luetische  Infektion  zurĂŒck.  Held  (Berlin). 

La  Pediatria  Espanola,  Madrid. 

28.  Februar  1922,  11,  Nr.  113. 

-  Kongenitales  vollstÀndiges  Fehlen  des  Femurs.    G  siri  ilo-Lc  stach«  , 
J.  33. 

Grippe  bei  Kindein.    G  o  n  z  À  1  e  z  -  A  1  v  a  r  e  z,  M.  40. 

Totales  angeborenes  Fehlen  der  Feinora.  Uarrido-Leslaclie,  J.  b3. 
Einige  Bemerkungen  ĂŒber  Grippe  bei  Kimlern.  G  o  n  z  Ă€  1  e  s  -  A  1  v  a  r  e  z  40. 

Totales  angeborenes  Fehlen  der  Femora.  Verfasser  berichtet 
ĂŒber  ein  Kind  von  12  Tagen,  Gewicht  2201)  g,  39  cm  lang;  von  dem 
hervorragendsten  Punkte  der  HĂŒlte  bis  zur  Fußsohle  mißt  es 
11  cm;  die  Entfernung  zwischen  den  beiden  entferntesten  Punkten 
der  HĂŒften  mißt  10  cm;  von  der  Regio  perinealis  bis  zum  Boden 
6  cm.  Das  Röntgenbild  ergibt  vollstÀndiges  Fehlen  beider  Femora. 
Die  Ursache  ist  in  der  Lues  congenita  zu  sehen;  Verfasser  nimmt 
an,  daß  es  sich  hier  um  eine  direkte  KeimschĂ€digung  handelt, 
daß  in  dem  Spermatozoon  oder  im  Ei  die  zur  Bildung  der  Femora 
nötigen  Anlagen  fehlen.  L  u  r  j  e. 

Paris  medical,  Paris. 

11.  MĂ€rz  1922,  12,  Nr.  10. 

Indikationen  der  Raehianaesthesie.    Gösset  und  M  o  n  o  d.  201. 
Wirkung  des  Stovains  und  Novokains  auf  die  bulbÀren  Zentren.    C  a  m  u  s. 
205. 

TeÄnik  der  Raehianaesthesie.    D  e  s  p  1  a  s.  209. 
Die  Raehianaesthesie  in  der  Magenchirurgie.    Bloch.  212. 
ZufĂ€lle  bei  der  Raehianaesthesie.  ihre  WĂŒrdigung.  VerhĂŒtung  und  Behand- 
lung.   II  e  r  t  z.  214. 

La  Presse  medicale,  Paris. 

18.  Februar  1922,  Nr.  14. 

❖GlykogeiiMdung  in  der  Leber.    Roger.  H.  140. 

❖Differentiahliagnose   zwischen    Alopezie    und   Herpes    tonsurans.     S  a  b  o  u  - 
raud,  R.  146. 

Behandlung  der  Kehlkopftuberkulose.    Po  r  t  m  a  n  n  .  G.  148. 

Die  Bedeutung  und  Wichtigkeit  des  Leberglykogens.  Das 
Leberglykogen  ist  nicht  nur  ein  Reservemalerial,  zu  dem 
der  Organismus  bei  verschiedenen  energetischen  Umwandlungen 
seine  Zuflucht  nimmt.  Es  spielt  bei  allen  chemischen  Prozessen 
eine  Rolle,  die  in  der  Leberzelle  vorgehen.  Sowohl  bei  der  Ein- 
wirkung der  ketonischen  Produkte  auf  die  Fette,  auf  Eiweiß  und 
seine  Derivate,  auf  toxische  Substanzen  und  selbst  auf  Mikroben 
ist  das  Glykogen  unentbehrlich.  Die  guten  Erfolge  der  subkutanen 
und  intravenösen  Glykoselösungen  hÀngen  im  wesentlichen  von 
ihrem  Einfluß  auf  die  Leber  ab. 

Zur  Differentialdiagnostik  der  Alopecia  areata  und  des  Herpes 
tonsurans.  Die%)ifferentialdiagriose  zwischen  der  Alopecia  areata 
und  dem  Herpes  tonsurans  dĂŒrfte  eigentlich  keine  Schwierigkeit 
bereiten;  trotzdem  kommen  zahlreiche  IrrtĂŒmer  vor.  Die  Alopecia 
kommt  in  jedem  Alter  vor,  der  Herpes  des  behaarten  Kopfes  nur 
im  jugendlichen  Alter  (beim  Erwachsenen  nur  im  Bart).  Bei  der 
Alopecia  ist  die  befallene  Stelle  ganz  kahl,  ganz  nackt,  ganz  sauber 
und  sehr  weiß;  beim  Herpes  dagegen  ist  die  Stelle  nicht  nackt,  son- 
dern fĂŒhlt  sich  an  wie  schlecht  rasiert  wegen  der  stehen- 
gebliebenen HaarstĂŒmpfchen;  sie  ist  nicht  sauber,  sondern  von 
festhaftenden  SchĂŒppchen  bedeckt,  und  von  grauer  fettiger  Farbe. 
Legt  man  so  ein  SchĂŒppchen  unter  das  Mikroskop,  so  sieht  man 
an  den  daran  haftenden  Haarwurzeln,  nicht  an  den  langen  noch 
gesunden  Haaren,  die  Trichophytie  und  Mikrosponie.  Haber. 

22.  Februar  1922,  Nr.  15. 

♩MCinfluli  der  LĂ€hmung  des  externen  Astes  des  Muse.  Spinalis  auf  den  Ster- 
nocleidomastoideus.   Bard,  L.  157. 
Oer  5.  Lendenwirbel  und  seine  VerÀnderungen.    L  e  r  i  .  A.  158. 

Paralyse  des  Ramus  externus  des  Accessorius  und  ihre  Wir- 
kung auf  den  Sternocleidomastoideus.  Verf.  hatte  Gelegenheit, 
eine  Patientin  mit  Sprach-  und  Schluckbeschwerden  zu  beob- 
achten, bei  der  trotz  normaler  Kopfdrehung   und   Haltung  der 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


linke  Sternocleidomastoideus  entweder  fehlte  oder  gelÀhmt  war. 
Bei  der  Atmung  dagegen  traten  beide  Muskeln  links  und  rechts 
gleichmĂ€ĂŸig  in  Aktion,  nur  war  der  linke  stark  atrophisch.  Das 
mld  ist  also  dasselbe  wie  bei  einer  experimentellen  Durchtren- 
nung des  Accessorius  bei  IntegritÀt  des  Plexus  cervicalis  und 
beweist  aufs  neue  die  doppelle  Innervation  des  Sternocleido- 
mastoideus. Haber. 

25.  Februar  1922,  Nr.  10. 

‱H'seudokavernöses  Syndrom  durch  Deviation  der  Trachea  bei  chronischer 
Lungentuberkulose.  A  r  m  a  n  d  -  D  e  I  i  1  l  e  ,  f.,  H  i  1  1  e  m  a  n  d  ,  11., 
Lestocquoy.  t'h.  und  Maltet,  L.  165. 

Die  Indikationen  der  Myomektomie,   Schwangerschaft  nach  Myomektomie. 
Goullioud,  AI.  158. 

Die  Indikation  dei  Transfusion  von  Citratblut  und  normalem  Blut.  Chei- 
n  i  s  s  e  ,  L.  171. 

Das  pseudokavernöse  Syndrom  durch  tracheale  Deviation  bei 
chronisener  Lungentuberkulose.  Eine  Deviation  der  Trachea,  ĂŒie 
klinisch  als  kavernöses  Syndrom  imponieren  kann,  findet  sich 
mitunter  bei  Tuberkulösen,  die  lange  krank  sind,  das  40.  Lebens- 
jahr ĂŒberschritten  haben,  mager,  aber  in  gutem  Allgemeinzustand 
sind.  Dabei  besteht  Retraktion  einer  Thoraxseitc,  leichte  Sko- 
liose, Verlagerung  der  Herzspitze,  bisweilen  auch  Dysphagie  und 
inspiratorische  Depression.  Bei  Palpation  der  fossa  jugularis 
bemerkt  man  das  Fehlen  der  Trachea;  der  Finger  erreicht  mit 
Leichtigkeit  die  WirbelsÀule.  Der  röntgenologische  Befund 
sichert  sofort  die  Diagnose  und  rĂŒckt  selbstverstĂ€ndlich  die  Pro- 
gnose in  ein  absolut  gĂŒnstiges  Licht,  da  es  sich  hier  um  die  gut- 
artige fibröse  Form  der  Tuberkulose  handelt. 

Indikationen  zur  Myomektomie:  Schwangerschaft  nach  Myom- 
ektomie. Bei  74  FĂ€llen  von  Myomektomie,  die  Verf.  lange 
genug  beobachten  konnte,  fand  sich  bei  20  %  nachfolgende 
Schwangerschaft  mit  normalem  Verlauf.  Bei  Schwangerschaft 
mit  gleichzeitig  bestellendem  Fibrom  wartet  er  ab,  bis  die  Still- 
zeit vorĂŒber  ist,  da  oft  eine  ĂŒberraschende  RĂŒckbildung  eintritt. 
GĂŒnstig  zur  Myomektomie  sind  die  Fibrome  im  Fundus,  gestielt 
oder  nicht,  die  sich  nach  der  Peritonealhöhle  hin  ausbreiten  und 
die  Adnexe  freilassen,  ferner  die  interstitiellen  Fibrome  der 
Vorder-  und  Hinte.rwand  des  Uterus;  ungĂŒnstig  sind  multiple 
interstitielle  und  subperitoneale  Fibrome,  die  den  Uterus  aus- 
stopfen, ebenso  solche,  die  sich  nach  der  Uterinhöhle  zu  aus- 
breiten, auch  bei  polypösen  Bildungen  und  submukösen  Myomen. 
Dabei  sind  die  Frauen  blaß  und  ausgeblutet;  daher  ist  die  Hyster- 
eklomie  vorzuziehen,  weil  der  Blutverlust  dabei  geringer  ist.  Die 
Radiotherapie  bleibt  fĂŒr  die  Frauen  nahe  der  Menopause,  fĂŒr  die 
jĂŒngeren  ist  die  Myomektomie  vorzuziehen,  da  sie  den  physischen, 
intellektuellen  und  moralischen  Wert  der  Frau  nicht  gefÀhrdet. 

Die  respektiven  Indikationen  der  Transfusion  mit  Natrium 
citricum  oder  mit  normalem  Blut.  Nach  zahlreichen  Versuchen 
und  Beobachtungen,  namentlich  in  amerikanischen  HospitÀlern, 
ergaben  die  Transfusionen  mit  Natrium  citricum  und  mit  nor- 
malem Blut  annÀhernd  gleiche  Resultate,  doch  stellten  sich  bei 
den  ersleren  hÀufig  unliebsame  Reaktionen  ein,  die  bei  den 
letzteren  vollkommen  fehlten  und  die  auf  die  Alteration  der 
BlutplĂ€ttchen  und  damit  der  Blutgerinnung  zurĂŒckzufĂŒhren  sind. 
Der  Natrium  cilricum-Zusatz  ist  daher  kontra-indiziert  bei  den 
FĂ€llen  von  starken  HĂ€morrhagien,  wo  der  Kranke  sich  in  einem 
schockartigen  Zustand  befindet,  wo  ihm  eine  neue  ErschĂŒtterung 
zu  ersparen  ist,  und  zweitens  bei  extremen  FÀllen  von  AnÀmie 
primÀrer  und  sekundÀrer  Art,  wo  ein  moribunder  Zustand  vor- 
liegt. ‱  Haber. 

The  Boston  Medical  and  Surgicai  Journal. 

16.  Februar  1922,  186,  Nr.  7. 

^‱Infektionen  der  Gallenwege.    B  o  t  t  o  m  1  e  y  .  J.  T.  201. 

^»Bedeutung  der  Sondierung  der  Gallenwege  fĂŒr  Diagnose   und  Behandlung. 

White,  F.  W.  206. 
^â–șHerz  bei  Hyperthyroidismus.    Hamilton,  B.  E.  216. 

Infektionen  der  Gallenwege.  Es  erscheint  als  gesicherte 
Tatsache,  daß  die  Hauptursache  fĂŒr  eine  Infektion  des  Gallen- 
traktus  der  Streptokokkus  ist,  der  auf  dem  Wege  des  Blutstroms 
von  einem  entfernten  Herd  aus  dorthin  gelangt.  Staphylokokken 
wurden  bei  Patienten  nachgewiesen,  bei  denen  die  Vorgeschichte 
auf  eine  Colitis  mueosa  verschiedenen  StÀrkegrades  hinwies! 
Die  Infektion  der  Gallenblase  erfolgt  auf  verschiedenen  Wegen: 
auf  dem  Wege  des  Kreislaufs,  durch  das  Pfortader-,  das  Lymph- 
system und  durch  den  Duct.-Choledochus.  Obwohl  ein  Fall  dann 
und  wann  eine  ganz  akute  ToxÀmie  mit  tötlicRem  Ausgang  her- 
vorrufen kann,  ist  in  der  Regel  der  primÀre  akute  Anfall  ohne 
ernste  Folgen.    Die  Patienten  erholen  sich,  ohne  daß  chirurgisch 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


10.  Jahrg. —  Nr.  24  2'). 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


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pinzugreifen  nötig  wurde.  Die  Gefahr  liegt  vielmehr  in  der  Tat- 
sache, daß  die  l.  Attacke  den  Grund  vorbereitet  fĂŒr  zukĂŒnftige 
und  wiederholte  Störungen.  Kurz  zusammengefaßt  ergeben  sieh 
aus  der  Gallenblaseninfektion  folgende  Möglichkeilen  der  Dauer- 
schÀdigung: 1.  Verdickung  der  Gallenblastnwand,  Herabsetzung 
der  Punktion;  2.  Pankreatitis;  3.  Cholelithiasis;  I.  reflektorische 
Wirkung  auf  den  Magen;  5.  AdhÀsionsbildungen. 

Die  befriedigendste  Art  der  Therapie  ist  die  VerhĂŒtung  alles 
dessen  was  die  (.alienblase  in  einen  EntzĂŒndungszustand  versetzt. 
Bei  dem  heutigen  Stand  unserer  Kenntnisse  ist  diese  Forderung 
noch  etwas  utopistisch.  VorlÀufig  bietet  die  chirurgische  He 
handlang  noch  die  meisten  Aussichten  auf  BekÀmpfung  der 
GaHeninfektion.  Möglich,  daß  einmal  die  von  Lyon  in  Phila- 
delphia neuerdings  vorgeschlagene  physiologische  Drainage  der 
Gallenblase  zur  rascheren  Diagnose  fĂŒhrt;  therapeutischen  Wert 
besitzt  sie  nicht.  Wiewohl  gewisse  pathologische  VerhÀltnisse, 
gewisse  persönliche  UmstÀnde  zu  Zeiten  eine  Cystoslomie  rat- 
sam erscheinen  lassen,  so  bleibt  die  Cystektomie  doch  die  am 
meisten  geĂŒbte  Methode.  Die  Chirurgie  der  Gallenwege  gehört 
zu  den  schwierigsten  Gebieten  der  Chirurgie  und  sollte  von 
weniger  routinierten  Operateuren  nur  in  FĂ€llen  dringender  Ge- 
fahr geĂŒbt  werden.  Auf  keinem  anderen  Gebiet  der  Bauch- 
chirurgie sind  die  pathologischen  VorgÀnge  verbreiteter  und 
variabler,  sind  die  anatomischen  Beziehungen  wichtiger  und  ver- 
wickelter. 

Der  Wert  der  internen  Gallendrainage  fĂŒr  die  Diagnose  und 
Behandlung  der  Gallenkrankheiten.  Es  hat  sich  gezeigt,  daß  nach 
tiner  lokalen  Berieselung  des  Duodemems  mit  MagnasiĂŒmsulfat- 
lösung  bei  normalen  und  kranken  Individuen  ein  Gallenfluß  ein- 
setzt, der  zuerst  hell  gelb  aussieht,  dann  dunkler  wird,  um 
schließlich  wieder  die  ursprĂŒngliche  Farbe  anzunehmen.  -Lyon 
ist  der  Meinung,  daß  die  zuerst  abfließende  Galle  dem  Duct.- 
Gholodochus  entstammt,  die  2.  dunklere  Portio  der  Gallenblase 
selbst,  die  3.  sei  frisch  aus  der  Leber  sezerniert.  Auf  diese 
Weise  ist  er  angeblich  imstande,  die  Herkunft  des  Gallensaftes 
genau  zu  bestimmen,  und  darauf  eine  verfeinerte  Diagnosen- 
siellung  der  verschiedenen  Abschnitte  des  Gallensystems  zu 
grĂŒnden.  Der  Einfluß  des  Magnesiumsulfats  auf  Farbe  und  Fluß 
des  Gallensaftes  wird  von  den  verschiedenen  Autoren  in  ver- 
schiedener Weise  gedeutet.  Praktisch  wichtig  bleibt,  daß  es 
möglich  ist,  die  Gallenwege  durch  Anwendung  von  Magnesium- 
sulfat  mehr  oder  weniger  vollstÀndig  nach  Belieben  zu  leeren 
und  damit  ein  wichtiges  Untersuchungsmaterial  zu  gewinnen. 

Das  Verfahren  ist  etwas  mĂŒhsam  und  zeitraubend;  denn  es 
besteht  aus:  Intubation,  Auswaschung,  Aspiration  mikroskopi- 
scher Untersuchung,  Anlegung  von  Culturen  usw.;  aber  es  lĂ€ĂŸt 
sich  bei  den  meisten  Patienten  durchfĂŒhren.  Die  Absonderung 
der  Galle,  das  Studium  und  die  Bewertung  der  Zellen  und  der 
Bakterien  bieten  Schwierigkeiten,  die  durch  Uebung  zu  ĂŒber- 
winden sind.  Trotz  gewisser  EinschrÀnkungen  hat  sich  die  Me- 
thode fĂŒr  die  Diagnose  als  sehr  nĂŒtzlich  erwiesen.  Bleibt  bei 
wiederholter,  lege  artis  ausgefĂŒhrter  Drainage  die  oben  erwĂ€hnte 
dunklere  Portion  (B)  aus,  so  mĂŒssen  wir  eine  Verlegung  des 
Duct.-Cysticus  —  meist  durch  Gallensteine  —  annehmen.  Wenn 
|ei  richtig  ausgefĂŒhrter  Drainage  ĂŒberhaupt  keine  Galle  kommt, 
statt  dessen  Blut  oder  Pankreasferment,  so  ist  an  eine  Ver- 
legung des  Duct.-Choledochus  meist  maligner  Natur  zu  denken 
Talle  von  Cholecystitis  und  Cholangitis  geben,  wofern  nicht  eine 
ausgesprochene  Verhaltung  besieht,  einen  Gallensaft,  der  abnorm 
ist  an  Farbe,  Aussehen,  Zell-Schleim-Bakteriengehalt.  Gallen- 
blasensand stĂŒtzt  die  Diagnose  Gallensteine. 

BezĂŒglich  der  Behandlung  ist  es  logisch,  die  biliĂ€re  Stase, 
die  das  wohlbekannte  Vorstadium  fĂŒr  Katarrhe,  Infektionen  und 
Steine  bildet,  zu  bekÀmpfen.  Wir  sind  gegenwÀrtig  noch  nicht 
sicher,  wie  vollstÀndig  auf  diese  Weise  die  Gallenwege  entleert 
werden;  anscheinend  war  es  in  vielen  FĂ€llen  ausreichend. 

Das  beste  Anwendungsgebiet  sind  die  milderen  Formen  von 
Cholecystitis  und  Choledochitis  ohne  Obstruktion.  Hier  schallt 
ilie  in  Frage  stehende  Behandlungsart  Erleichterung  und  bringt 
Heilung.  Sie  ist  selbstverstÀndlich  ganz  ungeeignet  bei  akuten, 
virulenten  Infektionen  der  Gallenblase,  akutem  oder  chronischem 
Empyem,  gangrÀnöser  Cholecystitis  oder  FÀllen  mit  nachgewie- 
sener Stein-  bezw.  Tumorbildung.  Nur  in  AusnahmefÀllen  kann 
sie  hier  den  chirurgischen  Eingriff  ersetzen,  z.  B.  bei  alten  Leuten 
oder  bei  herz-,  nieren-  oder  zuckerkranken  Patienten. 

Klinische  Bemerkungen  ĂŒber  das  Herz  heim  Hypcrthyreoidis- 
inus.  Verf.  hat  eine  Anzahl  von  Herzbefunden  beim  Hyperthyreoi- 
dismus  aufgenommen  und  schließt  daraus  Folgendes: 

Bei  einer  erheblichen  Anzahl  besteht  Hyperthyreoidismus 
ohne  HerzschÀdigung.    Versagen  des  Herzens  besteht  nicht,  nicht 


einmal   in   FÀllen    mit   tötlichem    Ausgang.     Ilypcrlhy reoidismus 
bei  gleichzeitiger  rheumatischer  Herzerkrankung,  oder  einem 
Lebensalter  jenseits  der  ir>  neigt  dazu,  stationÀres  oder  paroxys 
males  Herzohrflaltem  zu  bewirken.    Talle  von  Hyperthyreoidis 
ums  mit  Herzohrflattern  verlieren  dasselbe  nach  operativer  Be 
seitigung  des  Hyperthyreoidismus  und  Digitalisierung.    FĂ€lle  von 
Herzohrflattern  ohne  Zeichen  echter  Herzerkrankung  haben  die 
Operation  nicht  zu  fĂŒrchten. 

Verf.  gedenkt,  seine  diesbezĂŒglichen  Studien  noch  lĂ€ngere 
Zeit  fortzusetzen  und  betrachte!  das  Obengesagte  nur  als  eine 
Art  vorlÀufiger  Mitteilung.  K.  Held  (Berlin) 

23.  Februar  1922,  186,  Nr.  8. 

Typhus  im  stÀdtischen  Krankeultaus  von  Boston.    8  h  a  t  t  u  c  k  ,  G.  C.  23ö. 
♩Chirurgische  Behandlung  ile.s  toxischen  Kropfes.  P  e  m  Ij  e  r  t  o  n,  J.  r l ( >  .).  241. 

Die  chirurgische  Behandlung  toxischer  Strumen.  Die  Ope- 
ration ist  heutzutage  die  Methode  der  W  ahl  bei  der  Behandlung 
des  Basedow-Kropfes.  Indessen  ist  sie  nicht  in  allen  Krankheits- 
stadien angebracht,  und  in  der  Schwierigkeit,  den  richtigen  Zeit- 
punkt zu  bestimmen,  ebenso  den  geeigneten  Operationstyp  her- 
auszufinden, liegt  das  wahre  Problem;  denn  es  gibt  leider  keine 
allgemein  gĂŒltigen  Regeln.  Das  Operationsrisiko  liegt  in  der 
HĂ€ufigkeit  der  Lungenkomplikationen,  die  mit  der  herabgesetzten 
W  iderstandskraft  der  Pat.  zusammenhÀngen.  Letztere  kann  eine 
Kontraindikation  zur  Operation  bilden,  wenn  eine  merkliche  Ge- 
wichtsabnahme besteht.  Pat.  mit  Herzerweiterung,  mit  Tonsil- 
litis, Otitis  media,  Pleuritis  usw.  wird  man  ebenfalls  nicht  ope- 
rieren. Personen,  denen  man  eine  primÀre  Thyreoidektomie  nicht 
zumuten  kann,  zeigen  oft  eine  deutliche  Besserung  des  Allgemein- 
befindens nach  Unterbindung  beider  Aa.  Ihyreoid.  sup.  und  einer 
Ruhepause  von  3  Monaten.  Gewöhnlich  sind  sie  dann  soweit  ge- 
stĂ€rkt, daß  man  nunmehr  die  Operation  riskieren  kann.  Eine 
Bettruhe  von  10  Tagen,  die  der  Operation  voraufgeht,  ĂŒbt  oft 
einen  erstaunlichen'  Einfluß  auf  den  KrĂ€ftezustand  des  Pat.  aus. 
Das  Alter  der  Pat.  ist  maßgebend  dafĂŒr,  wieviel  man  von  der 
DrĂŒse  stehen  lassen  soll;  bei  jugendlichen  Personen  wird  das 
mehr  sein  als  bei  Ă€lteren.  Im  allgemeinen  kann  man  sagen,  daß 
die  Erhaltung  eines  Drittels  des  DrĂŒsengewebes  gegen  Hypo- 
thyreoidismus  schĂŒtzt.  Ueber  die  Operationstechnik  lĂ€ĂŸt  sich 
kaum  etwas  Neues  sagen.  Hat  die  Entfernung  eines  Lappens  in- 
folge sarker  Vaskularisierung  sehr  viel  Zeit  beansprucht,  so 
empfiehlt  es  sich,  die  Operation  abzuschließen  und  die  Resektion 
des  2.  Lappens  auf  einen  spÀteren  Zeitpunkt  zu  vertagen.  Bei 
der  postoperativen  Behandlung  ist  vor  allem  auf  eine  reichliche 
FlĂŒssigkeitszufuhr  zu  achten.  Ein  Jahr  nach  der  Operation  soll 
der  Pat.  sich  von  anstrengender  Arbeit  freihalten.  FĂŒr  Pat.  mit 
Hyperthyreoidismus  und  adenomatöser  Struma  gellen  die  gleichen 
Indikationen  wie  fĂŒr  die  Basedowkranken,  nur  wird  man  hier 
mit  preliminÀren  Ligaturen  wenig  ausrichten.  Die  MortalitÀts- 
rate  bei  1954  operierten  Kropfpatienten  berug  1,78%. 

Held  (Berlin). 

2.  MĂ€rz  1922,  186,  Nr.  9. 

Erfahrungen  bei  Tumoren  des  RĂŒckenmarks.    Mixt  er.  \V.  J.  271. 
❖Endresultate  der  chirurgischen  Behandlung  in  -18  FĂ€llen  von  tuberkulöser 
Cervical-Adcnitis.    Lahey,  F.  H.  und  Clutc.  H.  M.  280. 

Endergebnisse  der  chirurgischen  Behandlung  von  48  FĂ€llen 
mit  tuberkulöser  Lymphadenitis  cerviealis.  Chirurgische  Behand- 
lung der  tuberkulösen  Adenilis  sollte,  nach  den  Erfahrungen  der 
Verff.,  erst  dann  eingreifen,  wenn  y, — 1  Jahr  lang  die  Röntgen- 
therapie angewandt  worden  ist  —  vorausgesetzt,  daß  sich  in  der 
Zwischenzeil  die  Erkrankung  nicht  ausgebreitet  und  die  angren- 
zenden DrĂŒsen  mit  einbegriffen  hat.  Erst  wenn  trotz  Röntgen- 
bestrahlung und  hygienischen  Maßregeln  entweder  die  benach- 
barten DrĂŒsen  miterkranken  oder  eine  Schrumpfung  der  be- 
troffenen DrĂŒsen  nicht  eintritt,  tritt  die  operative  DrĂŒsenent- 
fernung in  ihre  Rechte,  abqp>  auch  hier  mit  EinschrÀnkung.  Die 
nicht  besonders  vergrĂ¶ĂŸerten,  weichen,  nicht  verkĂ€sten  DrĂŒsen 
soll  man  stehen  lassen  und  sie  nachher  bestrahlen. 

In  FĂ€llen,  in  denen  eine  weitgehende  Exzision  von  Nacken- 
drĂŒsen unvermeidbar  geworden,  sollte  man  stets  an  die  Möglich- 
keit einer  AccessoriusschÀdigung  denken.  Die  daraus  resultierende 
LÀhmung  ist  nicht  leicht  zu  nehmen,  denn  sie  beschrÀnkt  die  Ab- 
duktion  des  Arms  bis  auf  weniger  als  90%.      Held  (Berlin). 

9.  MĂ€rz  1922,  186,  Nr.  10. 

❖Indikationen  zur  Eröffnung  dos  Keilheins.    E  m  e  r  s  o  n.  F.  P.  301. 
❖Koloninfekfion  in  Beziehung  zu  toxischen  Psychosen*    I)  r  a  per.  J.  W.  .'104. 
‱♩♩Notwendigkeit  der  Untersuchung  auf  dein  Operationstisch  unter  AnĂ€sthesie 

vor  Ahdominal-Operationen.   Keefe,  .1.  W.  307. 
❖Zwei  ungewöhnliche  FĂŒlle  von  Lfts'onea  der  Tuberositaa  tibiae.    S  »  v  «  r  . 
.1.  W.  311. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


424 


Gelenkplastik  am  Ellbogengelenk.    B  e  a  n  ,  H.  C.  313. 
❖Notwendigkeit  der  8anator!iiinbehiandIung  bei  tuberkulösen  Kindern.  Grif- 

f in,  W.  A.  316. 
❖  Radiotherapie  bei  Brustkarzinome.    P  fahl  e  r  .  G.  E.  318. 

Indikationen  fĂŒr  die   Eröffnung  des  Processus  mastoideus. 

Die  Eröffnung  des  Proc.  mastoideus  ist  gerechtfertigt,  wenn  es 
sich  um  die  Beseitigung  eines  pyogenen,  lebensbedrohlichen 
Herds,  um  die  Erhaltung  der  Hörkraft  oder  um  die  VerhĂŒtung 
einer  chronischen  .Mastoiditis  handelt.  In  allen  FĂ€llen  virulenter 
.Mittelohrinfektion  ist  das  Mastoid  beteiligt;  die  Operation  ist 
jedoch  nicht  eher  angezeigt,  als  bis  der  Knochenabszeß  durch 
einen  Leukozytenwall  abgegrenzt  ist.  Eine  verfrĂŒhte  Operation 
ist  gleichbedeutend  mit  einer  VerlÀngerung  des  Ohrflusses  und 
zwar  besonders  dann,  wenn  die  Widerstandskraft  des  Pat.  ge- 
ring ist  wie  das  der  Fall  ist,  wenn  die  Mastoiditis  eine  Infek- 
tionskrankheit kompliziert. 

In  den  meisten  FÀllen  von  Mastoiditis  finden  wir  VerÀnde- 
rungen der  Membr.  propria,  Ausfluß,  Fieber,  Schmerzempfind- 
lichkeit ĂŒber  dem  Antrum  und  an  der  Spitze  mit  Auftreibung  der 
hinteren  oberen  Kanalwand.  Von  Wichtigkeit  ist  auch  die  Dauer: 
ein  Fall,  der  nach  10  Tagen  keine  Tendenz  zur  Besserung  zeigt, 
kann  eine  Operation  rechtfertigen.  NĂ€chtliche  Schmerzen  sind 
ebenfalls  ein  verdÀchtiges  Symptom;  die  LeukozytenzÀhlung  ist 
mehr  ein  Anhaltspunkt  fĂŒr  die  Widerslandskraft  des  Patienten. 
Ein  plötzlicher  Anstieg  auf  25  000  oder  mehr  ist  ein  wertvoller 
Hinweis  auf  eine  Komplikation,  gewöhnlich  eine  Sinus-Infektion. 

Folgende  Bakterientypen  bilden  eine  Indikation  zum  Ein- 
greifen: Der  Streptococcus  muscosus  und  pyogenes  oder  der  Pneu- 
mococcus  mit  dem  Micrococc.  catarrhal.  Es  gibt  kein  anderes 
Mittel,  bei  akuter  Otitis  media  die  Mastoiditis  zu  verhĂŒten,  als  die 
frĂŒhe  und  ausgiebige  Paracentese. 

Bei  chronischen  FĂ€llen  sind  Indikationen  zur  Operation: 
1.  fortgesetzte  Eiterung  mi  AnÀmie  und  sinkender  Widerstands- 
kraft des  Pat.,  2.  chronischer  Ausfluß  mit  Cholesteatom,  3.  akute 
Verschlimmerung  mit  Schwund  der  HörfÀhigkeit  bei  sonst  aus- 
sichtsloser Behandlung,  4.  chronischer  einseitiger  Kopfschmerz 
mit  labyrinthÀrer  oder  meningualer  Beizung,  5.  das  Vorkommen 
von  Polypen  am  Promontorium  oder  am  ovalen  Fenster. 

Obwohl  die  Neigung  zum  Operieren  heute  weniger  ausge- 
sprochen ist  als  frĂŒher,  soll  der  Praktiker  sich  doch  stets  vor 
Augen  halten,  daß  ein  chronischer  Ohrfluß  immer  etwas  Be- 
drohliches ist. 

Das  infizierte  Kolon  und  seine  Beziehungen  zu  toxischen 
Psychosen.  Das  Kolon  ist  in  toto  oder  teilweise  gelegentlich  ein 
wichtiger  lokaler  Herd,  der  in  ursÀchlicher  Beziehung  zu  toxi- 
schen Psychosen .  steht.  Der  toxisch-psychotische  Patient  ist 
nach  allen  Begeln  der  inneren  Medizin  zu  untersuchen  zum 
Zwecke  der  Aufdeckung  und  Entfernung  lokaler  Infektionsherde. 
Bei  65  %  der  toxischen  Psychosen  kann  die  Erkrankung  zum 
Stillstand  gebracht  werden,  wenn  die  geeigneten  chirurgischen 
oder  internen  Maßnahmen  getroffen  werden,  ehe  der  Zustand 
unheilbar  geworden  ist.  Im  frĂŒhen  Erkennen  und  Ausrotten  der 
ToxĂ€mie  besteht  die  sicherste  VerhĂŒtung  der  Psychose.  Intesti- 
nale ToxÀmie  ist  eine  Trias,  die  sich  zusammensetzt  aus  SchÀdi- 
gung durch  Nahrungsstoffe,  Erkrankung  des  Darmepithels, 
Streptokokken-  oder  Coliinvasion.  Bei  20  %  der  toxischen  Psy- 
chosen lĂ€ĂŸt  sich  eine  Beziehung  zwischen  Darmerscheinungen 
und  psychischen  Symptomen  aufdecken. 

Eine  Mahnung  zu  eingehender  Untersuchung  in  Narkose  auf 
dem  Operationstisch  als  Auftakt  zu  Bauchoperationen.  Verf. 
wendet  sich  gegen  die  Hast,  mit  der  moderne  Chirurgen  sich  auf 
ihre  Operationsopfer  werfen,  nachdem  sie  nahezu  kritiklos  die 
Diagnose  aus  den  HÀnden  der  Internisten,  speziell  auch  der  Rönt- 
genologen  entgegengenommen  haben.  Er  erblickt  in  dem  heut 
zu  einseitig  betonten  Spezialistentum  eine  Gefahr  fĂŒr  die  leidende 
Menschheit.  Jedem  Leibschnitt  sollte  Palpation,  Perkusion,  vagi- 
nale, rektale,  abdominale  Abtastung  in  Narkose  voraufgehen  — 
das  wĂŒrde  manchen  Chirurgen  vor  peinlichen  IrrtĂŒmern  schĂŒtzen. 

Zwei  ungewöhnliche  FÀlle  von  LÀsionen  der  Tuberositas 
tibiae.  Der  erste  Fall  betraf  einen  16  jÀhrigen  Knaben,  bei  dem 
ein  Sprung  mit  gebeugtem  Knie  einen  teilweisen  Abriß  der  Tube- 
rositas tibiae  bewirkt  hatte.  Nach  einer  10  tÀgigen  Ruhigstellung 
wurde  das  Fragment  mittels  Matratzennaht  an  seiner  Unterlage 
befestigt.  Glatte  Heilung  mit  völliger  Wiederherstellung  der 
Funktion. 

Bei  dem  zweiten,  22  jÀhriger  Patient,  gingen  die  Beschwerden 
angeblich  auf  ein  Trauma  in  frĂŒher  Jugend  zurĂŒck.  Bei  der 
Durchleuchtung  zeigte  sich,  daß  ein  StĂŒck  der  Tuberositas  abge- 
sprengt war  und  der  Unterseite  der  Patellarsehne  adharierte. 
Bei  jeder  Beugung  und  Streckung  fand  eine  Reibung  gegen  die 


Unterlage  statt,  die  der  Patient  sehr  lÀstig  empfand.  Nach  ope- 
rativer Entfernung  des  abgesprengten  StĂŒckes  war  der  Patient 
beschwerdefrei. 

Die  Notwendigkeit  der  Sanatoriumsbehandlung  bei  tuberku- 
lösen Kindern.  Noch  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  ist  dem  Pro- 
blem der  Kindheitstuberkulose  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  wenig  Beachtung 
geschenkt  worden.  Wenn  die  Tuberkulose,  wie  es  kompetente 
Beobachter  zur  Evidenz  bewiesen  haben,  bereits  in  der  Kindheit 
einsetzt,  so  ist  der  beste  Weg  zu  ihrer  BekÀmpfung  nicht  die 
Sanaloriumsbehandlung  der  Erwachsenen,  sondern  die  PrÀventiv- 
fĂŒrsorge der  Kinder.  FĂŒr  die  schwachen  anĂ€mischen  und  unter- 
ci  nÀhrten  Kinder  gibt  es  die  Waldschulen,  denen  man  weiteste 
Verbreitung  wĂŒnschen  möchte.  FĂŒr  diejenigen  Kinder,  die 
Zeichen  einer  wirklichen  Erkrankung  an  sich  tragen  oder  sich  in 
einem  Zustand  befinden,  den  man  als  „maskierte  Tuberkulose1' 
bezeichnet  hat,  erscheint  eine  HeilstÀttenbehandlung  indiziert,  da 
sorgfÀltige  Ueberwachung  Tag  und  Nacht  erforderlich  ist.  Das 
Publikum  muß  erst  fĂŒr  diese  Idee  erzogen  werden;  vorlĂ€ufig 
widerstrebt  es  den  meisten  Eltern,  ihre  Kinder  fremden  HĂ€nden 
zu  ĂŒbergeben;  ehe  sie  ihre  Einwilligung  zu  einem  lĂ€ngeren  Sana- 
toriumsaufenthalt geben,  muß  man  sie  erst  von  dem  dauernd 
heilsamen  Einfluß  desselben  ĂŒberzeugen. 

Radiotherapie  bei  Mammakarzinom.  Bei  der  ante-  und  post- 
operativen Bestrahlung  ist  eine  Zusammenarbeit  von  Badiologen 
und  Chirurgen  fĂŒr  eine  planmĂ€ĂŸige  Behandlungsweise  unerlĂ€ĂŸ- 
lich. Die  anteoperative  Bestrahlung  erfordert,  etwa  2  Wochen, 
die  postoperative  soll  2  Wochen  nach  dein  Eingriff  einsetzen  und 
ebensolange  dauern.  Rezidive  und  Metastasen  verschlechtern 
natĂŒrlich  die  Prognose,  doch  sind  gĂŒnstige  Resultate  nicht  aus- 
geschlossen. Anscheinend  hoffnungslose  FÀlle  primÀren  Brust 
karzinoms  haben  auf  Radium  so  gut  angesprochen,  daß  sie  ope- 
rabel wurden.  In  solchen  FĂ€llen  hat  es  sich  auch  als  ratsam  er- 
wiesen, die  Pat.  mit  Röntgenstrahlen  grĂŒndlich  vorzubehandeln 
und  dann  Radium  in  die  Tumormassen  direkt  einzufĂŒhren  und 
/war  zu  dem  Zeitpunkt,  zu  dem  man  sonst  operieren  wĂŒrde. 

Eine  Röntgenaufnahme  der  Brusthöhle  sollte  stets  die  Ă€ußere 
Untersuchung  vervollstÀndigen.  Held  (Berlin). 

16.  MĂ€rz  1922,  186,  Nr.  11. 
❖Akute  Pankreatitis.    Jones,  D.  F.  337. 

❖Indikationen  zur  Operation  hei  Behandlung  von  GehirnlĂ€sionen.    M  u  n  r  o  , 
1).  342. 

❖Typus  der  LĂ€sionen  der  Nieren-Epthel-Zellen  in  Beziehung  zur  VergrĂ¶ĂŸerung 
der  Zellenempf indliehkeit  fĂŒr  die  Wirkung  von  allgemeiner  AnĂ€sthesie. 
MacNidei,  Wm.  de  B.  350. 
Akute  puerperale  Inversion.    Cohen.  J.  P.  352. 

Akute  Pankreatitis.  Experimentelle  und  klinische  Befunde 
deuten  darauf  hin,  daß  es  wahrscheinlich  2  Typen  von  akuter 
Pankreatitis  mit  ganz  verschiedener  Aetiologie  gibt:  1.  Inter- 
stitielle Pankreatitis  auf  Grund  einer  Infektion  des  interstitiellen 
i il wehes,  wobei  die  Infektion  gewöhnlich  aus  dem  Gallensystem 
herrĂŒhrt.  2.  Nekrose  des  Pankreas,  d.  h.  eine  Nekrose  der  Paren- 
chymzellen,  die  dadurch  zustande  kommt,  daß  Galle  in  den  Duct. 
Wirsung  oder  Duodenalinhalt  in  den  Duct.  Santorini  gelangt.  Die 
Pehandlung  des  interstitiellen  Typs,  der  von  einer  Cholezystitis 
herrĂŒhrt,  ist  die  Cholecystektomie.  Die  Behandlung  der  Pankreas- 
nekrose besteht  in  der  Drainage  der  Fettkapsel  des  Pankreas.  Je 
nach  dem  Zustande  des  Pat.  und  dem  Verhalten  der  Gallenblase 
und  der  GallengÀnge  wird  man  eine  Choledochoslomie  oder  eine 
Cholezystostomie  anschließen. 

Die  Indikationen  zur  Operation  der  Behandlung  von  Hirnver- 
letzungen. Es  gibt  3  Indikationen  fĂŒr  einen  operativen  Eingriff  am 
SchÀdel  nach  Hirnverletzungen:  komplizierte  SchÀdelfraktur. 
Fraktur  des-  SchÀdeldaches,  erhöhter  Druck  der  Cerebrospinal - 
flĂŒssigkeit.  Letzterer  hĂ€ngt  ab  von  der  Beziehung  zwischen  den 
sekretorischen  KrÀften  des  Plexus  chorioideus  und  den  resorptiven 
KrÀften  der  cerebralen  Venenzirkulation  Zu  hoher  intrakra- 
nieller  Druck  kann  den  Tod  bedingen,  bei  gÀnzlichem  Fehlen  einer 
Verletzung  des  knöchernen  SchÀdels.  Alle  FÀlle  mit  Kopfver- 
letzung oder  auch  nur  mit  Verdacht  auf  eine  solche,  sollten,  so- 
bald sie  sich  von  ihrem  Schock  erholt  haben,  auf  die  Höhe  ihres 
Cerebrospinaldruckes  hin  untersucht  werden  Auf  diesem  Be- 
funde soll  die  nachfolgende  Behandlung  basieren. 

SchÀdigung  des  Nierenepithels  und  Zunahme  der  Empfindlich- 
keit dieser  Zellen  gegen  die  Wirkung  der  allgemeinen  Narkotika. 

Der  leichteste  Grad  der  SchÀdigung  des  Nierenepilhels  durch 
Urannitrat  hervorgerufen,  besteht  in  einer  Zunahme  d^r 
Lipoidsubstanz  dieser  Zellen.  Dabei  spielt  das  Alter  des  Ver- 
suchstiers insofern  eine  Rolle,  als- Àltere  Tiere  mehr  Lipoid  an- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


IgllMH  'I"' 


I  ll 


Hufen  als  junge.  Werden  solche  Tiere  anÀslhetisiert,  so  gehl  die 
StÀrke  der  Wirkung!  auf  das  Nierenepithel  parallel  mit  der  Menge 
des  Lipoidmaterials,  das  vor  der  Narkotisierung  vorhanden  war. 
Pas  Resultat  ist  eine  ausgesprochene  Degeneration.  Hie  Nieren 
junger  Tiere,  bei  denen  weniger  Lipoid  angehÀuft  ist,  zeigen  unter 
der  Einwirkung  narkotisierender  Mittel  geringe  oder  auch  gar 
keine  VerÀnderungen.    Die  primÀre  NierenschÀdigung  entwickelt 

*sich  in  den  Glomeruli.  In  den  Nieren  natĂŒrlich  nierenkranker 
Tiere,  hei  welchen  die  Lipoidsubstanz  in 'den  Epithel  ien  auf  Grund 

Wer  glomerulÀren  SchÀdigung  stark  zugenommen  hat,  bewirken 
Narkotika  frĂŒhe  Degeneration,  Zelluntergang  und  Sistieren  der 
Harnabsonderung.  Bei  normalen  Kontrolltiercn  kommen  solche 
degenerativen  VerÀnderungen  nicht  vor,  auch  stockt  die  Harn- 
bildung selbst  wÀhrend  der  AnÀsthesie  nicht. 

Die  Forschung  lehrt,  daß  NiereneprtheMen  infolge  vermehrten 
Lipoidgehalts  mehr  AffinitÀt  zu  narkotisierenden  Substanzen  be- 

, sitzen  als  normale  Zellen,  was  zur  Entwicklung  degenerativer 
VerĂ€nderungen  fĂŒhrt,  die  die  Zellfunktion  bedrohen  oder  gar  auf 
Beben.  So  hĂ€ngt  also  die  EmpfĂ€nglichkeit  der  Niere  fĂŒr  die 
toxische  Wirkung  der  Methan-Gruppe  anÀsthetischer  Substanz 
offensichtlich  mit  der  Lipoidmenge  zusammen,  die  in  den  Nieren- 
epilhelzellen  enthalten  ist.  Held  (Berlin). 

New  York  Medical.  Journal,  New  York. 

1.  Februar  1922.  115,  Nr.  3 

‱^ErnĂ€hrungstherapie  der  Tuberkulose.    P  i  r  u  u  e  t ,  ('.  um. 

System  der  ErnÀhrung  nach  Pirquet.     \  p  f  e  1 .  H.  123. 
4*Kalorienbedarf  der  Kinder.    Benedict.    F.  (',.  126 
Poliomyelitis  mit  Beteiligung  der  Rinde.    Clark.  T..  P.  131. 
Beziehung  zwischen  dem  kurzen  und  dem  dicken  Flalse  und  drr  Vi 
Apoplexie.    C  y  r  i  a  x  ,  E.  P.  133. 
♩AĂŒtotherapie.    Stewart.  T.  M.  135. 
Akute  phlegmonöse  Epiglottitis.     F  r  i  C  d  m  a  n  u  .  .T.  und  >   r.e  c 
S.-  D.  137. 

Cystomata  und  Pibrocystomata  des  Knoehensystetns.    T  u  r  Uns.  K.  X.    i  to. 
«{‱Einfluß  der  Witterung  auf  die  MorbiditĂ€t  und  MortalitĂ€t  im  SĂ€uglingsalter. 

TH  o  f  f  m  a  n  n  .  F.  L.  145. 
«{‱LokalanĂ€sthesie  in  der  Zahn-.  Nasen-.  Ohren-  und  Kehlkopfcb'rurgie.  T  o  m  o- 

k  i  n  s  .  H.  E.  151. 
♩FrĂŒhdiagnose  des  Magenkarzinoms.    K  a  t  z  .  J.  153. 

♩Actiologie  und  Behandlung  des  hohen  Blutdrucks.  4er  arteriellen  ITyperte'i- 

sion  und  der  Arteriosklerose.    B  n.  r  n  e  s     O.  E.  155. 
«{‱Herztunioren.      Gold  s  t  ein,  H.  J.  158. 

ErnÀhrungsbehandlung  der  Tuberkulose.  Pirquet  behan- 
elt  die  Tuberkulose  im  Kindesalter  mittels  Freiluftliegekuren,  die 
ei  Tag  und'  Nacht  durchgefĂŒhrt  werden,  und  einer  auf  dem 
em- System  aufgebauten  ErnÀhrungstherapie  ohne  Tuberkulin 
der  sonstige  spezifisch  wirksame  Medikamente.  Die  Nahrungs- 
enge betrÀgt  7  und  bei  ausreichender  Gewichtszunahme  8  de- 
nem  siqua.  Besonderer  Wert  wird  darauf  gelegt,  daß  die  ver- 
rdnete  Nahrungsmenge  von  den  Kindern  vollstÀndig  verzehrt 
rd. 

Kalorien  fĂŒr  Kinder.  Die  WĂ€rmeproduktion  der  Neuge- 
orenen  ist  sehr  gering.  Durch  Schreien  kann  der  Stoffwechsel 
nes  SĂ€uglings  eine  Zunahme  bis  zu  200  %  erfahren,  was  beim 
rwachsenen  etwa  einem  Marsch  von  3  Meilen  in  der  Stunde 
gleichkommt.  Mit  zunehmendem  Alter  und  Gewicht  nimmt  die 
WĂ€rmeproduktion  zu,  die  relative,  bezogen  auf  die  Gewichtsein- 
heit dagegen  ab;  d.  h.  je  jĂŒnger  und  leichter  ein  Kind,  um  so 
grĂ¶ĂŸer  die  WĂ€rmeproduktion  pro  Kilogramm  Körpergewicht,  um 
so  grĂ¶ĂŸer  dementsprechend  auch  das  NahrungsbedĂŒrfnis.  Verf. 
kommt  zu  dem  Schluß,  daß  es,  wenn  Verdauungsstörungen  ver- 
mieden werden,  unmöglich  ist,  das  wachsende  Kind  mil  einer 
.im   allgemeinen   zutrĂ€glichen  Nahrung  zu  ĂŒberfĂŒttern. 

Autotherapic.  Die  Autotherapie  benĂŒtzt  die  unter  dem  Ein- 
fluß einer  Infektion  im  Körner  gebildeten  Giftstoffe  als  Aus- 
gangsmaterial fĂŒr  die  Behandlung.    Die  pathogen en  Exsudate,  in 

fdenen  diese  Giftstoffe  enthalten  sind,  werden  filtriert,  bei  Zimmer- 
temperatur bebrĂŒtet  und  zur  subkutanen  oder  intravenösen  Ver- 
abreichung mit  doppeltdeslilliertem  Wasser  aufgenommen.  Durch 
Biese  Behandlungsmethode  werde  eine  der  Natur  abgelauschte 
Autoimmunisierung  gegen  weitere  Krankheitsattacken  bewirkt. 
Sehr  gĂŒnstige  Erfolge  wurden  erzielt  durch  subkutane  Infektion 
kleiner  Eigcnblnlmengen   hei   perniziöser  AnÀmie,  durch  Eigen- 

'serum  bei  Pellagra.  Zur  Vermeidung  von  Störungen  bei  intra- 
venöser Verabreichung  wird  VerdĂŒnnung  mit  dem  0  fachen  Vo- 
lumen physiol.  Na  Cl-Lösung  empföhlen.  Hei  Erysipel  wurde 
durch  subkutane  Injektion  des  filtrierten  Inhalts  einer  Erysipel- 
plase  schnelle  Heilung  erzielt.  Tu  Àhnlicher  Weise  können  die 
Ausscheidungen   hei    Ohr-,  Nasen-  und   Bachenerkrankuniien  als 

■  Aus'jangsmaterial  fĂŒr  die  Behandlnnci  dienen.  Die  besten  Erfolge 
erzielte  Verfasser  hei  Arthritis.    Vi  ton  und  Poncet  stellen 


zur  Behandlung  von  Patienten  mit  The.,  subakutem  und  chroni- 
schem Rheumatismus,  Neuralgie,  Lumbago  und  Störungen  dei 
Herzaktion  VerdĂŒnnungen  Ina-  von  l  :  100  Millionen  bis  zu  einer 
Zahl  mit  15  Nullen.  Auch  Tuberkulin  benutzen  sie  in  Àhnlich 
starker  VerdĂŒnnung  fĂŒr  manche  Stadien  der  oben  erwĂ€hnten  Er 
krankungen 

Der  Einfluß  der  WetterverhĂ€ltnisse  auf  Krankheit  und  Sterb- 
lichkeit im  frĂŒhen  Kindcsalter.  Ans  einem  grĂ¶ĂŸeren  Beobach 
tungsmaterial  ergab  sieh  wĂ€hrend  der  heißen  Jahreszeit  eine 
Dyspepsieerkrankungsziffer  hei  Brustkindern  von  2  %,  bei  durch- 
weg kĂŒnstlich  ernĂ€hrten  von  13,7  %,  bei  teils  an  der  Brust,  teils 
kĂŒnstlich  genĂ€hrten  SĂ€uglingen  von  7,1  %.  Kinder,  die  wĂ€hrend 
der  Bcobachtungszeit  von  der  Brust  auf  ZweimilchernÀhrung  um- 
gesetzt waren,  erkrankten  in  6,4  %,  bei  Umsetzung  auf  vollkom- 
men kĂŒnstliche  Nahrung  in  10,4  %  der  FĂ€lle.  Mit  steigender 
Außentemperatur  erfĂ€hrt  die  SĂ€uglingsdyspepsieerkrankungs 
ziffer  eine  Zunahme,  besonders  auffallend  dann,  wenn  hohe  Maxi- 
maltemperaturen gleichzeitig  mit  hohen  Minimaltemperaturen  ein 
hergehen. 

FrĂŒhdiagnose  des  Magenkrebses.  FĂŒr  die  FrĂŒhdiagnose  eines 
Magenkarzinoms  sind  folgende  Anzeichen  von  Wichtigkeit:  Vor- 
kommen selten  vor  dem  40.  Lebensjahr,  von  großer  Bedeutung 
die  Anamnese  eines  chron.  MagengeschwĂŒrs.  Plötzlicher  Beginn, 
Gewichts-  und  KrÀfteverlust,  AnÀmie,  Kachexie,  Schmerzen  in  der 
Magengegend,  Erbrechen  von  Schleim,  Magensaft,  Blut,  Nahrungs- 
bestandteilen und  kaffeesatzartigen  Massen,  und  besonders  wichtig 
palpabler  Tumor.  Mit  fortschreitender  Erkrankung  Abnahme  und 
vollstÀndiges  Verschwinden  von  freier  SalzsÀure  und  Gesamt- 
aziditÀt, Auftreten  von  MilchsÀure,  Boas-Oppler'schen  Bazillen 
und  zuweilen  Blut,  Zunahme  der  löslichen  Proteine  des  Magen- 
inhaltes bei  stĂ€rkerer  VerdĂŒnnung  (Wolff-Junghaus'sche  Beaktion 
und  des  Blutzuckers.  Die  Ahderhalden'sche  Beaktion  ist  fĂŒr  sieh 
nicht  beweisend;  die  Komplementfixalionsprobe  ist  in  Ca  57  % 
positiv,  ist  aber  werllos,  da  sie  auch  bei  Syphilis  vorkommt.  Im 
Urin  findet  sich  eine  Verminderung  der  Chloride,  Vermehrung 
der  Stickstoffkomponente  und  deutliche  Indikanurie. 

Aetiologie  und  Behandlung  des  hohen  Blutdrucks,  der  arte- 
riellen Hypertonie  und  der  Arteriosklerose.  Verf.  betont  gegen- 
ĂŒber den  Anschauungen  anderer  Autoren  den  großen  Einfluß 
gemĂŒtlicher  ErschĂŒtterungen  hei  der  Entstehung  arterioskleroti- 
scher VerÀnderungen  und  Besehwerden  und  empfiehlt  zur  Be- 
handlung beruhigende  Medikamente  und  Psychotherapie,  VerÀnde- 
rung der  Umgebung,  körperliche  und  geistige  Ausspannung  und 
BĂ€der;  die  Weir-Milchell'sche  Buhekur  jedoch  nur  in  ganz  sel- 
tenen FĂ€llen. 

Herztumoren.  Das  Vorkommen  von  Herztumoren  ist  unge- 
wöhnlich; von  primÀren  Herztumoren  sind  in  der  Literatur  etwa 
150  FÀlle  erwÀhnt,  darunter  40  FÀlle  von  primÀrem  Sarkom.  Ge- 
legentlich gefunden  wurden  Myome,  Bhabdomyome  und  Fibrome. 
Verf.  berichtet  ĂŒber  einen  Fall  von  primĂ€rem  Sarkom,  7  FĂ€lle 
von  sekundÀrem  Sarkom  und  2  FÀlle  von  sekundÀrem  Karzinom 
des  Herzens  und  Pericards.  Klinisch  ist  die  Diagnose  bisher  nie- 
mals einwandfrei  gestellt  worden. 

Stadel  m  a  n  n  (Frankfurt  a.  M. 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

1.  MĂ€rz  1022,  78,  Nr.  9. 

Wachsende  Gefahr  der  Benzotvergiftungen  in  der  amerikanischen  Industrie 
H  a  rh  i  I  t  n  n  ,  A.  627. 
❖  Ist  unsere  Diphtherie-FĂŒrsorg«-  geeignet,  Epidemien  ein  fĂŒr  allem. il  zu  ver- 
hindern?   C  u  in  m  ins.  G-. 
Therapeutischer  Index  des  Silber-Ärsphenamins.    Vergleich    mit  dem  dc> 
Arsnhenamins  und  Nenarsphenamins.   -S  t  r  a  u  11  .  A..  M  a  1  1  a  s  ,  M.  I. 
und  C  r  a  w  f  o  r  d  .  B.  L.  632. 
\ irtiskoriuit/sclier  Wert  drr  von  Hydraten  befreiten  FrĂŒchte.    Eck  man. 

T>.  F.  635. 

Taenta  nana,  ein  menschlicher  Parasit.     Fh»ndltr,   A.  ('.  636. 
Was  soll  die  Pharniakopie  der  lT.  St.  A.  enthalten?    O  s  Ii  0  i  i)  e  .    O.  T.  639. 
Sammlung  und  Konservierung  von  Frauenmilch.    Emerson,  V.  w,  6ti. 
Blaue  Veriarliunu;  des  Nabels  bei  extrauteriner  rupturierter  ( !  i  a  \  iditÀt.  Xn- 
w  a  k  .  E.  643. 

*J« A'iiolcig-ie,  der  orthostatischen  Albuminurie.    I»  i  e  s  c  r     W.  und  Kies  e  r  . 
S.  L.  644. 

Isolierte  Erkrankung  des  Kahnbeines  am  Fuße.    1t  i  -  e.  e  r  .  A.  s.  617. 

FĂŒhrt  die  Kontrolle  der  Diphtherie  zu  deren  Ausrottung?  Als 
Schutz-  und  Kontrollmaßnahmen  gegen  Diphtherie  kommen  heute 
folgende  Faktoren  in  Frage:  1.  klinische  und  bakteriologische 
Diagnose  und  Isolierung  der  Kranken,  2.  bakteriologische  Dia- 
gnose gesunder  BazillentrĂ€ger,  T>.  die  ReaktionsprĂŒfung  und  Im- 
munisierung nach  Schick  und  4.  die  therapeutische  Anwendung 
des  Heilserums.    WĂ€hrend  die  beiden  letzten  Faktoren  lediglieh 


444 


Aus   deu   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —  Nr.  24  251 


Einfluß  auf  die  MortalitĂ€t  haben,  sind  die  zwei  ersten  wohl  ge- 
eignet, eine  Verbreitung  der  Krankheit  in  gewisser  Weise  zu 
verhindern.  Doch  auch  hierdurch  wird  ein  Ausrotten  nicht  mög- 
lich werden.  Es  muß  vielmehr  ein  5.  Faktor  dazukommen.  Die 
Epidemiologen  mĂŒssen  die  Hauptwege  der  Verbreitungsart  des 
Virus  erforschen  und  Mittel  finden,  diese  Hauptinfektionswege  zu 
beseitigen,  Àhnlich  wie  es  bei  der  BekÀmpfung  des  gelben  Fie- 
bers und  des  Typhus  geschehen  ist.  Hat  sich  unsere  Kenntnis 
in  diesen  Punkten  erweitert,  so  wird  jeder  an  seinem  Platz  in 
der  Lage  sein,  eine  Ausbreitung  der  Krankheit  zu  verhindern 
Solange  wir  aber  die  Hauptinfektionswege  nicht  erkannt  haben, 
werden  wir  an  ein  Verschwinden  der  Diphtherie  nicht  glauben 
dĂŒrfen,  unsere  Maßnahmen  werden  mehr  therapeutischen  Cha- 
rakter tragen,  wodurch  aber  nur  ein  Einfluß  auf  die  MortalitĂ€t, 
nicht  auf  die  MorbiditÀt  gewonnen  ist. 

Die  Aetiologie  der  orthostatischen  Albuminurie.  Bericht 
ĂŒber  2  FĂ€lle  von  orthostatischer  Albuminurie  bei  einer  21  bezw'. 
28  jÀhrigen  Patientin.  Beide  zeigen  den  asthenischen  Habitus  und 
Lordose,  ermĂŒden  leicht,  leiden  an  Herzklopfen,  Kopfschmerzen 
und  anderen  Syndromen  einer  vasomotorischen  LabilitÀt.  Be- 
merkenswert ist,  daß  in  einem  Fall  die  rechte  Niere  wegen  an- 
geborener zystischer  Degeneration  entfernt  war.  Die  Unter- 
suchung ergab  keine  Anhaltspunkte  fĂŒr  Beziehungen  zwischen 
Blutdruck  bzw.  Puls  und  Eiweißausscheidung.  Verfasser  glauben 
vielmehr,  daß  gewisse  anatomische  VerhĂ€ltnisse  Ă€tiologisch  fĂŒr 
die  Albuminurie  in  Betracht  kommen.  Die  linke  Nierenvene  liegt 
in  der  Gabelung,  die  von  Aorta  und  der  Art.  mesent.  sup.  ge- 
bildet wird.  Besteht  nun  Darmptosis,  so  resultiert  daraus  ein 
Zug  auf  die  Mesenterialarterie,  wodurch  die  Nierenvene  kom- 
primiert wird.  Andererseits  kann  eine  solche  Kompression  bei 
bestehender  Lordose  auch  durch  die  Aorta  erfolgen,  die  in 
solchen  FÀllen  nach  vorn  oben  gedrÀngt  wird.  Damit  wÀre  auch 
(ins  Verschwinden  der  Eiweißausscheidung  in  horizontaler  Lage 
bzw.  bei  Korrektur  der  Lordose  erklÀrt. 

K  À  c  k  e  I  1  (Hamburg 
The  American  Revue  of  Tuberculosis,  Baltimore. 

Januar  1022,  5,  Nr.  11. 

Die  ErnÀhrung  der  sÀurefesten  Bakterien.    L  p  ri  u  .  E.  R,  söt. 
‱§*ErnĂ€hrungsstuĂ€ im  bei  Lungentuberkulose.    M  e.  ('nun.  W.  s.  sto. 
♩Mntra  venöse    Injeiktion     von     Kalziunichlorid     hei  Intestinail-Tuheritulo&r, 
R  Inger,.  P.  H.  und  M  in  or .  C.  L.  876, 

Vergleich  der  Befunde  viraler  KapazitÀt  und  riet  röntgenologischen  Betunrte 
hei  Lugenhiberkulose.    M  y  c  r  s  .  J.  A.  884. 

Oriffiths  Methode  der  direkten  Isolierung  von  Tuberkelbazillen.     I.  vaf  i 
H.    W.  899. 

Die  Dissemination  der  Bakterien  in  den  oberen  Luftwegen.  B  1  "  "  in  fiel  d. 
A.  h:  903. 

❖Resistenz   geigen   Tuberkulose   und    ihre     Beziehungen     zur    Tubsrk  rloso- 
bekÀmpfung.    K  r  a  u  s  e  ,  A.  K.  91h. 

DiÀtforderungen  bei  der  Lungentuberkulose.  Auf  Grund  von 
kalorimetrischen  und  spirometrischen  Untersuchungen  empfiehlt 
der  Verf.  als  geeignete  ErnÀhrung  bei  der  Lungentuberkulose  eine 
solche  mit  mĂ€ĂŸigen  Eiweißmengen  60 — 90  g  pro  die,  Fett  innerhalb 
der  Grenzen  der  digestiven  KapazitÀt  und  so  viel  Kohlehydraten, 
daß  der  Gesamtbrennwert  auf  2500 — 3000  Kalorien  gebracht  wird. 
Eine  solche  DiĂ€t  wĂŒrde  die  geringsten  Anforderungen  an  die 
Funktion  der  geschÀdigten  Lungen  stellen,  zumal  wenn  die  Nah- 
rung auf  mehr  als  drei  Mahlzeiten  am  Tage  verteilt  wird. 

Die  intravenöse  Injektion  von  Kalziumchlorid  bei  der  Be- 
handlung der  Darmtuberkulose.  Die  Verff.  haben  in  30  FĂ€llen  von 
tuberkulösen  Diarrhöen  in  verschieden  großen  Intervallen 
5 — 10  cem  einer  5%igen  Chlorkalklösung  intravenös  injiziert.  Der 
therapeutische  Erfolg  ist  gemĂ€ĂŸ  den  damit  erzielten  Erfahrungen 
nicht  allzu  hoch  anzuschlagen,  doch  wurde  immerhin  in  mehreren 
FĂ€llen  eine  Erleichterung  der  Symptome  herbeigefĂŒhrt,  das  Leben 
der  Patienten  konnte  um  einige  Zeit  verlÀngert  werden.  Viel  ver- 
sprechen sich  die  Autoren  von  der  angegebenen  Methode  haupt- 
sĂ€chlich bei  frĂŒhzeitiger  Diagnosestellung.  Weitere  Versuche 
werden  empfohlen. 

Die  Resistenz  gegen  Tuberkulose  und  ihre  Beziehung  zu  anti- 
tuberkulösen  Maßnahmen.  Die  WiderslandsfĂ€higkeit  des  mensch- 
lichen Körpers  gegen  die  Tuberkuloseinfektion  beruht  auf  ver- 
schiedenen Faktoren.  Als  hauptsÀchlichstes  Moment  kommt  hier- 
bei in  erster  Linie  der  Lymphapparat  in  Betracht.  Ein  gesundes 
Lymphsystem  ist  von  großer  Bedeutung  fĂŒr  die  Verteidigung  des 
Körpers  gegen  die  Ausbreitung  der  Krankheit;  seine  SchÀdigung 
bedeutet  eine  ernste  Gefahr,  die  durch  Gesunderhaltung  der 
Mundhöhle  und  der  oberen  Respirationswege  sowie  durch  sorg- 
fÀltige Ueberwachung  der  Kinder  bei  konstitutionellen  Erkran- 
kungen nach  Möglichkeil  verhĂŒtet  werden  muß.  Auch  der  Tu- 
berkel bildet  als  ein  defensives  Gewebe  eine  wichtige  Komponente 


der  gesamten  Resistenz,  doch  spielt  hier  andererseits  das  Ver- 
halten der  Nachbargewebe  sowie  die  Virulenz  und  Zahl  der  Ba-j 
zillen  eine,  betrÀchtliche  Rolle.  Als  weiterer  wesentlicher  Faktor' 
treten  schließlich  die  spezifische  ImmunitĂ€t  und  die  Allergie  hin- 
zu. Die  ImmunitÀt  gegen  Tuberkulose  wird  mit  derjenigen  gegen 
die  Syphilis  verglichen,  wo  wir  nach  wiedererlangter  negativer 
Wassermann-Reaktion  zuweilen  eine  Reinfektion  beobachten 
können.  L.  Kanne  r. 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

MĂ€rz  1922,  Nr.  3. 

♩M.yiiiphat.isoli-cystischc   VerĂ€nderungen  der  Urethra  als  Zeichen  aktiver  Tu- 
berkulose, p  e  i  o  ii  z  e  .  P.  S.  . 

$Urethroskopische  Befunde  hei  Funktionellen  Störungen  des  Urogenifc-ilappa- 
rates.     W  o  I  Ii  a  r  s  t  .   Ahr.  L. 

Hochfre<]uenzbehnndIung  der  Urethra.    McClĂŒ're  ■'  <>  u  n  n ;.  H. 
Typen  der  Nephritis,  die  zur  L'raemie  neigen.    P  o  r  s  t  e  r  .  Xellis  B. 
Fremdkörper  in  der  Blase.    T)  a  y  .  I?.  V. 

Lymphatisch-cystische     VerÀnderungen     der     Urethra  ala 
Zeichen  aktiver  Tbc.    Bei  aktiver  Tbc.  im  Körper  finden  sich  im 
hinteren  Teile  der  Urethra  hĂ€ufig         75    mal    beobachtet    — ' 
typische  VerĂ€nderungen   der  Schleimhaut,  ohne  daß  eine  Uro- 
genitaltbc, gleichzeitig  zu  bestehen  braucht.   Diese  VerÀnderungen 
werden  wahrscheinlich  durch  Toxine  des  Tbc. -Bazillus  hervor-, 
gerufen.     Cystoskopisch  stellen  sie  sich  dar   als   kleine,  helle, 
runde  oder  mehr  wurstförmig  ausgezogene  Stellen,  die  sich  nur 
wenig  ĂŒber  die  bisweilen  leicht  entzĂŒndliche  Schleimhaut  erheben. 
Ihr  Sitz  ist  die  Gegend  zwischen  Sphincter  intern,  und  der  Ver- 
einigung des  mittleren  Prostatalappens  mit  den  Seitenlappen.  Die 
Richtung  dieser  Streifen  ist  stets  parallel,  nie  quer  zur  Achse  der 
Urethra;  sie  treten  solitÀr  auf,  aber  auch  bisweilen  in  der  Mehr- 
zahl, zuweilen  sogar  gruppiert,  hÀufig  findet  man  kleine  Cysten 
dabei.   Die  Flecke  nÀmlich  werden  bisweilen  etwa  im  Laufe  eines 
Monats  unter  der  intakten  Schleimhaut  verflĂŒssigt,  wodurch  die; 
eben  erwĂ€hnten  Cysten  entstehen.   Wird  beim  EinfĂŒhren  eines  In-;« 
strumentes  die  Schleimhaut  ĂŒber  der  Cyste  zerrissen,  so  entleert 
sich  etwas   milchiger  Saft,   und   es   bildet   sich   zunÀchst  eine- 
flottierende  Schleimhautzotte,  aber  in  etwa  8  Wochen  hat  sich  an 
derselben  Stelle  eine  neue  Cyste  gebildet.     Ohne  traumatischen 
Insult    schwinden  ,  die   Flecken    spurlos    beim    Einsetzen  von 
Besserung   des    Allgemeinzustandes.     Die   Flecken   Àhneln  im 
cystoskopischen  Bilde  dem  bullösen  Oedem,  sind  aber  von  diesem, 
wie  von  dem  Tbc. -Oedem  und  dem  beim  Ca.  durch  ihren  Sitz/ 
transparentes  Aussehen  und  Farbe  wohl  zu  unterscheiden.  Ihr' 
Zusammenhang  mit  aktiver  Tbc.  geht  daraus  hervor,  daß  sie  beim 
Bestehen  eines  aktiven  Herdes  im  Körper  jeder  Behandlung  auch' 
der  Zerstörung  trotzen,  dagegen  spontan  bei  gĂŒnstig  verlaufender 
allgemeiner  antituberkulöser  Behandlung  schwinden.  Auch  in  den 
16  FĂ€llen,  in  denen  bisher  eine  Autopsie  vorgenommen  werden 
konnte,  fand  sich  stets  eine  mehr  oder  minder  schwere  aktive  Tbc, 
meistens  in  den  Lungen,  seltener  in  der  Niere,  Blase,  Prostata 
oder  Samenblasen:  allerdings  waren  in  Y:  der  FĂ€lle  Tbc. -Bazillen 
im  Urin  zu  finden.    Die  Beschwerden,  ĂŒber  die  bei  diesen  Ver~ 
Änderungen  geklagt  wird,  werden  als  Brennen  in  der  Gegend  der 
fossa  navicularis  und  des  Penoscrotalwinkels  bezeichnet.  Man 
sollte  daher  bei  mostalischen  Beschwerden,  die  nicht   auf  eine 
akute,  sondern  auf  eine  chronische  folliculĂ€re  Prostatitis  zurĂŒck- 
gefĂŒhrt werden,  auch  an  diese  Laesionen   und    damit   an  eine 
irgendwo  bestehende  Tbc.  denken. 

Urethroskopisehe  Befunde    bei    funktionellen  Störungen  sie* 

Urogenitalapparates.  Die  urethroskopischen  Bilder  bei  Störungen 
der  Genitalfunktion  sind  von  denen  bei  Störungen  der  Harnfunktion 
kaum  verschieden.  Sie  zeigen  sich  in  mehr  oder  minder  großen 
VerÀnderungen  des  Utriculus  prostaticus  und  der  dahinter  liegen- 
den Urethra,  die  durch  EntzĂŒndung.  Verzerrung  und  Cystenbildung 
der  Schleimhaut  hervorgerufen  werden.  Diese  VerÀnderungen 
kommen  jede  fĂŒr  sich  oder  miteinander  kombiniert  stets  bei  vor- 
zeitiger Ejakulation  und  Impotenz  vor,  und  hier  im  starken  Maße: 
in  etwas  geringerem  Ausmaße  bei  Azoospermie,  die  nicht  auf 
Go.  beruht.  Von  Störungen  der  Urinfunktion  sind  es  hauptsÀchlich 
Schmerzen  beim  Wasserlassen  ohne  Go.  und  Urindrang,  die  stets 
entzĂŒndliche  VerĂ€nderungen  am  Utricuhis  prostaticus  und  der 
Urethra  dahinter  aufweisen.  Bab  Berlin 

The  American  Journal  of  Syphilis,  St.  Louis. 

Januar  1922.  Nr.  1. 

‱M  elier  den  Einfluß  de-  SchĂŒtteln«  saurer  und  alkalischer  Lösungen  von  Alt- a 
salvarsan-  und  von  Neosalvarsanlösungen  bei  offener  Luft  auf  ihre  Toxi-1 
tĂŒt  und  auf  ihre  W'rkung  auf  SpirochĂ€ten.    S  e  h  a  m  bers    -lay  FrankJ 
.)  o  b  n      St.  T.,   K  o  1  in  e  r  .    A     und   R  a  i  z  i  s  s  .   Georg  AV. 
Hie  wichtigsten  Erscheinungsformen  der  Syphilis.   Haz.cn.  H.  H. 

❖Induration  der  Unterlippe  durch  Syphilis.    M  o  n  t-g  o  m  c  r  y  .  Douglass  vv. . 
und  Cu  1  v  c.  r  ,  Georg  I). 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24  25. 


K  o  n  g  r  e  ß  I)  c  r  i  c  Ii  I  e 


♩Röntgenologie  der  Knochensyphtlis.    S  k  i  n  n  e  r  .  K.  II. 

^Studien   ĂŒber  die  Standard Lsatlon  der   Wassermann-Reaktion    Will.  Kino 

Studie  zur  Quantitativen  Bestimmung  der  Reaktion.    K  o  i  m  e  r .  John  A. 
■{‱Studien  ĂŒber  die  Standardisation  der  Wassermann-Reaktion.  Km  ĂŒberragende« 

Antigen  (Choleeterislorter  und  lezltfrlllslerter  alkoholischer  Herzmuskel 

extrakt).   K  o  i  m  e  i  .  John  A. 

Studien  ĂŒber  die  Standardisation  der  Wassermann-Reaktion.  Eine  neue  Com- 
plemente-Kiiationsmetliodp  der  Syphilitis,  die  auf  Ergebnissen  der  Studien 
der  Standardtsationstechnik  beruht.    K  o  l  m  e  r  .   lohn  A. 

Qualitative  und  quantitative  Silbersalvarsonstudien.    Meyers,  C.  N. 

Berieht  ĂŒber  einen  Kall  von  generalisierter  s\  philitiflcher  Alopecic.  A  r  u  e  t  t. 
U.  G. 

Lieber  den   Einfluß  des  SchĂŒtteins   saurer  etc.  Salvarsan- 
sungen.   Ratten  wurden  saure  und  alkalische  Lösungen  von  All- 
alvarsan  und  Lösungen  von  Neosalvarsan  injiziert,  und  zwar 
ro  Kilo  Lebendgewicht  steigende   Dosen   von  0,08 — 0,13  mgr; 
arauf  wurden  anderen  Rallen  entsprechende  Dosen  injiziert,  die 
ine  Minute  resp.  10  Minuten  lang  vorher  an  der  offenen  Lull  ge- 
chĂŒttelt   waren.     Es   zeigte    sieh,   daß    beim    Allsalvarsan  das 
chĂŒtteln  ein  langsames,  heim  Neosalvarsan  ein  starkes  Ansteigen 
der  ToxitĂ€t  hervorruft,  ohne  daß  beim  letzteren  eine  Aenderung 
der  Wirkung  auf  die  SpirochÀten  eintritt.    Beim  AltsaTvarsan  in 
alkalischer  Lösung  wird  dagegen  durch  SchĂŒtteln  eine  VerstĂ€r- 
kung der  Wirkung  auf  SpirochÀten  erreicht,  wÀhrend  bei  saurer 
Lösung  nur  in  der  ersten  Minute  diese  eintritt  und  dann  sofort 
wieder  abklingt. 

Induration  der  Unterlippe  durch  Syphilis.  Die  Autoren  hallen 
die  Anschwellung  der  Unterlippe  die  bisweilen  hei  syphilitischen 
EfFloreszenzen  derselben  gesehen  wird,  nicht  fĂŒr  eine  Folgeer- 
scheinung dieser  EfFloreszenzen,  sondern  als  selbstÀndiges  Krank- 
heitsbild der  Lues.  Solche  regionalen  durch  die  Syphilis  hervor- 
gerufenen Anschwellungen  kommen  auch  an  anderen  Körperteilen 
vor,  so  an  den  Schenkeln,  FĂŒĂŸen  und  an  den  Ă€ußeren  weiblichen 
Geschlechtsteilen.  Hier  können  diese  Schwellungen  enorme  GrĂ¶ĂŸe 
annehmen  und  nach  A.  Stein  zu  tumorÀhnlichcn  Syphilomen 
werden.  Zur  Beseitigung  dieser  Infiltrationen  sind  grĂ¶ĂŸere  Men- 
gen von  Salvarsan  notwendig  als  bei  anderen  luetischen  EfTlores- 
zenzen  sonst. 

Röntgenologie  der  Knochensyphilis.  Die  Knochensyphilis  gibl 
röntgenologisch  so  typische  Bilder,  daß  diese  in  schwierigen 
FÀllen  wertvolle  Entscheidungen  liefern  können.  So  findet  man 
z.  B.  bei  den  Böhrenknochen  im  Falle  einer  Tbc.  stets  einen 
destruktiven  Schatten  des  Schaftes,  wÀhrend  dieser  bei  Lues,  ab- 
gesehen vom  umschriebenen  Gumma,  stets  hell  bleibt  und  nur  in 
der  kortikalen  und  periostalen  Zone  einen  leichten  Schatten  'zeigt. 
Ueberhaupt  weist  die  Knochensyphilis  im  allgemeinen  weniger 
einen  destruktiven  als  einen  proliferierenden  Charakter  auf.  Dies 
erweist  sich  bei  der  cerebrospinalen  Lues  röntgenologisch  in  der 
verdickten  Hirnschale  mit  breiten  Diploerinnen  und  grÀtenförmi- 
gen  Zacken  der  inneren  Tafel,  einem  Bilde,  das  Àhnlich  allerdings 
auch  hei  schwerer  Epilepsie  vorkommt,  und  dessen  Beurteilung 
daher  sehr  schwierig  sein  kann.  Auch  die  Gelenkerkrankungen 
zeigen  bei  Lues,  abgesehen  von  Tabes  dorsalis  und  ulcerösem 
Gumma  gewöhnlich  mehr  hypertrophischen  Charakter  im  Gegen- 
satz zur  Tbc.  mit  ihrem  destruktiven;  daher  kann  erstere  wohl 
gelegentlich  mit  der  Köhler'schen  oder  Perthes'schen  Krankheit 
verwechselt  werden,  nie  aber  mit  der  Tbc.,  und  die  OrthopÀden 
sotten  noch  mehr  als  bisher  grade  nach  dieser  Richtung  hin  ihre 
Röntgenbilder  prĂŒfen. 

Studien  ĂŒber  Standardisation  der  Wa.  R.  Eine  Studie  zur 
quantitativen  Bestimmung  der  Reaktion.  Verf.  empfiehlt  mit 
mehreren  Röhren,  die  variierende  Mengen  von  Serum  enthalten, 
zu  arbeiten,  und  ferner  den  Ausfall  nicht  mit  positiv  und  negativ, 
sondern  den  positiven  in  vier  verschiedenen  StÀrken  anzugeben, 
damit  der  Praktiker  ein  "Urteil  ĂŒber  den  Erfolg  seiner  Kur  hat. 
falls  das  Serum  nicht  negativ  geworden  ist. 

Studien  ĂŒber  Standardisation  der  Wa. R,  Ein  ĂŒberragendes 
Antigen.  Das  Antigen  wird  nicht  aus  1,  sondern  aus  3  oder  noch 
mehr  Herzen  hergestellt,  Die  getrockneten  Herzen  werden  zuerst 
mit  Aether  ausgezogen,  da  dieser  die  haemolylischen  Elemente 
entfernt.  Nach  Trocknung  Extraktion  mit  Alkohol,  der  die 
komplementslöremden  Elemente  vernichtet.  Der  Alkohol  wird  dann 


wieder  abgedampft,  mit  Aether  ausgezogen  und  durch  Azeton  ge 
fallt.    Darauf  wird  das  Gewebe  zum  2.  Male  mil  absolutem  Aclhyl 
alkohol   ausgezogen.      Der  so  gewonnene   Extrakt   ist   von  sehr 
hohem  Anligengchall  und  enthÀlt  nur  ganz  geringe  anlikomplc 
inert tÀre  und  haemolytische  Werte.  Bab  Berlin 

The  Urologie  and  Cutaneous  Review,  St.  Louis. 

MĂ€rz  1022,  Nr.  .'!.  , 

Beriebt  Uber  einen  Fall  von  Papillom  der  "Ihn  I  de>r  hinteren  I  rethra 

'I'  Ii  o  in  a  s  .  Gilbert  .1. 

Lieber  den  Wert  fertigieir  Vaccine  bei  Urogenititl-Injektionen.  V  alll  e  re 
D  a  g  n  a  u  1  t  ,  T. 

RrimÀraffekt  der  Hand.    Lloyd.  Hentj  l>. 
‱M'ber  den  Erfolg  einer  Operation  nach  Steiuach.    \l  I  Chol  ,  Leo  L. 
Drei  schwere  FĂ€lle  von  Dermatitis  exfoliativa  nach  S,eosa1vaTten,    B  t  k  ‱ 
s  (i  n  .  B.  Barker. 

Stein  'in  Kreter.    K  r  d  in  a  u  n  .  Bernhard. 

Bin  Kall  von  Blasenhalsdivertikcl.     M  e  C  I  u  r  e  V  0  u  n  g  .  II. 
Kin  ungevrönlicher  Fremdkörper  der  Blase.    8  1  o  l.k  i' n  . .  0.  I-'.. 
Drohung  de«  Samenstranfr.es.    Ba  rnej  .  J.  Dellinger. 
Hodenteratom.    VV  e  i  t  Ii  a  s  ,  H.  < !. 

Kin  ungewöhnlicher  Kall  von  Hypcrnephroin  der  Xiere.  CJ  o  1  ;l  s  t  e  i  n  ,  \i 
bort  E. 

Bericht  ĂŒber  einen   Kall  von   Uydrueele   mit   vollkommener   I  nerustic  in  inj  dei 

Tnniea  vaginail'«,.    .Inst.  William  E. 
Bericht  ĂŒb.  r   einen    Fremdkörper    in    der    Urethra.     D  a  v      Georg  H.  und 
A  s  e  Ii  b  i  g  .  W.  B. 
♩♩*K\pernne ntelle    Untersuchungen    Über   ein    neues    organische«    Arsenprapar  il. 
das    intramuskulÀr    injiziert    »  erden    kann.     .1  e  a  n  s  e  1  in  n  .    F.  und 
P  0  in  a  i"  e  t.  M. 

♩  Behandlung  des  aktifCH  gonorrhoischen  Rhuumat  »mus.    VV  r  i  g  h  l ,  Frank- 
lin R. 

PrimÀrer  Bube-,    I!  o  1  n  i  c  k  .  II.  ('. 

Ueber  den  Erfolg  einer  Operation  nach  Steinach.  Bei  einem 
10jÀhrigen  Amerikaner,  der  seit  3  Jahren  an  Impotenz,  allge- 
meinem KrÀfteverfall,  GedÀchtnisschwÀche,  UnfÀhigkeit  der  Ge- 
dankenkonzentration litt,  im  ĂŒbrigen  aber  keine  organischen 
Fehler  zeigte,  war  in  Lokalanaesthesie  die  Steinach'sche 
Operation  vorgenommen  worden.  Der  Erfolg  war  nach  jeder 
Richtung  hin  befriedigend. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  ein  neues  organisches 
ArsenprÀparat,  das  intramuskulÀr  injiziert  werden  kann.  Ycr 

fasser  haben  Ehrlichs  PrÀparat  592,  das  dieser  als  wirksamstes 
aber  wegen  seiner  Unlöslichkeit  und  seiner  Neigung  zur  ToxitÀt 
als  fĂŒr  die  Praxis  leider  nicht  verwendbares  PrĂ€parat  erklĂ€rt 
hatte,  so  modifiziert,  daß  es  intramuskulĂ€r  gegeben  werden  kann. 
Die  Schmerzhaftigkeit  und  ToxitÀt  ist  bei  dem  PrÀparat  sehr  ge- 
ring geworden,  der  therapeutische  Effekt  bei  GeflĂŒgel-Spirillose 
und  bei  experimenteller  Kaninchensyphilis  sehr  groß. 

Behandlung     des     akuten     gonorrhoischen  Rheumatismus. 

Empfehlung  sehr  großer  Dosen  von  Gonokokken-Vakzine.  Als 
Anfangsdose  werden  5  Billionen  (5,000  Millionen)  Keime  injiziert. 
Jeden  5.-7.  Tag  wird  die  Dosis  um  1,000  Millionen  bis  12,000  Mil- 
lionen gesteigert.  Tritt  nicht  sofort  Besserung  ein,  so  werden  die 
ZwischenrÀume  zwischen  den  einzelnen  Injektionen  bis  auf  48 
Stunden  verkĂŒrzt.  Außer  Bettruhe  und  heißen  UmschlĂ€gen  sind 
lokale  Maßnahmen  wie  Extensien  nicht  notwendig,  dagegen  muß 
der  primĂ€re  Herd  —  die  Urethra  —  energisch  behandelt  werden. 

Bab  (Berlin). 

The  Tohokn  Journal  of  Experimental  Medicine,  Tokio. 

30.  November  1922,  2,  Nr.  4. 

BeitrÀge  zum  Studium  der  Lymphe.  I.  Vergleichende  Untersuchungen  vom 
AntikĂŒrpergchalt  des  "Blutes  und  der  Lymphe  und  seine  Beeinflussung 
durch   verschiedene    Kyniphagogaarten.     O  s  a  tu,   S.  32ö. 

Untersuchungen  ĂŒber  Cetacea.  II.  Ueber  die  Milch  des  Finnwals.  T  a  k  a  t  a, 
M.  341. 

Untersuchungen  ĂŒber  Cetacea.  III.  Die  PerikardialflĂŒesigkeit  des  Seiwals. 

S  u  (1  7.  uki.   M.  855. 
Beobachtung  ĂŒber  die  agglutinaitorische  VerĂ€nderlichkeit  der  Typhusbazillen 

in  homologen  Immunsera.    A  uki.  K.  und  K  o  m  in.  s.  :s;>7. 
Beziehung  zwischen   Haupt-    und    Witagglutinafion.     VIII.    \  o  k  i  .   K.  und 

K  o  n  n  o  .  'I'.  37(1. 

‱-Einfluß  des  Snuersfoffgerralts  im   Blute  aul'  die  BlutviskositĂ€t.  Od-aira, 

T.  396. 

Rlutzuckcrgchnlt  des  Kaninchens  mit  ..Zwischenhirnstich".  Moritz. 
S.  403. 


KONGRESSBERICHTE 


Praktische  Ergebnisse  der  Radiumtagung  in  Kreuznach 
(29.— 30.  April). 

Von  den  dort  gefĂŒhrten  Verhandlungen,  an  denen  ich  teilnahm, 
interessieren  die  Leser  der  , Fortschritte'  jene  Leistungen, 
Welche  sie  therapeutisch  von  der  Anwendung  des  Radiums  er 


warten  dĂŒrfen.  Von  den  in  Kreuznach  zu  Wort  gekommenen 
Autoren  ist  es  vor  allem  Werner  vom  Samariterhaus  in 
Heidelberg,  der  im  Besitz  von  300  mmgr  Radiumelement,  in 
langjÀhriger,  vielseitiger  Erfahrung  mit  seiner  Indikatiöns- 
slellung  besondere  Beachtung  verdient. 


446 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


Vor  allem  spricht  W  c  r  n  e  r  den  viel  hÀrteren  (durchdrin- 
gungsfĂ€higeren)  y-Strahlen  des  Radiums  eine  grĂ¶ĂŸere  biolo- 
gische Wirksamkeit  auf  die  einzelnen  Zellen  zu,  als  der 
"Strahlenkomponente  des  Röntgenröhrenspektrnms.  Um  die 
gleiche  DurchdringungsfÀhigkeit  der  Röntgenstrahlen  zu  erzielen, 
mĂŒĂŸten  wir  ĂŒber  Apparate  und  vor  allem  Röntgenröhren  ver- 
fĂŒgen, die  eine  etwa  5  mal  höhere  Spannung  aushalten,  wie  wir 
sie  heute  bestenfalls  praktisch  anzuwenden  imstande  sind. 

Von  dieser  Ueberzeugung  grĂ¶ĂŸerer  biologisch-therapeuti- 
scher Wirksamkeit  der  /-Strahlen  des  Radiums  ausgehend, 
wandte  W  e  r  n  e  r  auch  nach  röntgentherapeutischen  Mißerfolgen 
noch  große  Radiumdosen  an,  die  ihm  bisweilen  noch  Erfolge 
brachten. 

Die  therapeutische  Reichweite  einer  Radiummenge  von 
ca.  100  mmgr  Radium-Element  (also  etwa  200  mmgr  Radium- 
Bromid)  wurde  allgemein  von  den  sich  Ă€ußernden  Autoren  mit 
ca.  1  cm  Tiefe  angenommen,  wenn  auch  ein  wirksamer  Einfluß 
der  Radium  -  y  -  Str-ahlen  auf  mehr  wie  das  Doppelte  von 
W  eine  r  und  S  t  i  c  k  e  r  geschÀtzt  wurde. 

FlÀchenhafte  Tumoren  unterzieht  Werner  lieber  der 
Röntgenbehandlung.  Tumoren  bis  ApfelgrĂ¶ĂŸe  bestrahlt  er  mit 
Radium.  Handelt  es  sich  um  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  radiosensible 
Tumoren,  so  geht  er  sie  noch  bis  KindskopfgrĂ¶ĂŸe  mit  Radium  an. 
Sinkt  unter  der  Behandlung  die  Zahl  der  Leukocyten  auf  2500 
bis  2000,  so  wird  die  Behandlung  aus  Furcht  vor  irreparablen 
BlutschÀdigungen  abgebrochen.  Von  den  einzelnen  Tumorformen 
sagte  Werner,  daß  die  Gliosarkome  sehr  rasch  zurĂŒck- 
gehen, daß  sie  aber  sehr  rasch  rezidivieren.  Bei  den  R  e  t  r  o  - 
bulbĂ€rgeschwĂŒlsten  ist  besonders  die  NĂ€he  des  Auges 
zu  beachten,  dessen  Nahbestrahlung  mit  harten  y-Strahlen  SchÀ- 
digungen bis  zur  Erblindung  im  Gefolge  haben  könne.  Be- 
strahlungen aus  grĂ¶ĂŸerer  Entfernung  sind  in  dieser  Beziehung 
ungefĂ€hrlich.  Die  GeschwĂŒlste  des  Nasenrachen- 
raumes könnten  —  evtl.  nach  Entfernung  der  Oberkiefer- 
gaumenplatte —  ausschließlich  Objekt  der  Bestrahlung  sein.  Bei 
den  Tumoren  des  Hypopharynx  sei  wegen  der  reaktiv^ 
entzĂŒndlichen  Schwellung  vor  der  Bestrahlung  die  Tracheotomie 
angezeigt.  Leicht  operierbare  T  o  n  s  i  1 1  e  n  k  a  r  z  i  n  o  m  e  seien 
zu«  operieren,  sonst  zu  bestrahlen.  Bei  dem  Karzinom  der 
W  a  n  g  e  n  s  c  h  1  e  i  m  h  a  u  t  sei  die  Operation  ungĂŒnstig,  weshalb 
sie  zu  bestrahlen  seien.  Sind  die  Karzinome  und  Tu- 
moren der  Zunge  und  des  Mundbodens  klein,  so 
seien  sie  vor  der  Bestrahlung  zu  operieren  Da  die  Operation 
der  höher  liegenden  Karzinome  des  Kehlkopfes  un- 
gĂŒnstig sei,  sollten  sie  ausschließlich  bestrahlt  werden,  wĂ€hrend 
die  tiefer  liegenden,  operativ  gĂŒnstigen,  erst  zu  operieren  seien. 
Die  DrĂŒsentumoren  des  Halses  seien  sehr  gĂŒnstig  fĂŒr 
die  Radiumbehandlung,  selbst  branchiogene  heilten  bisweilen. 
Oesophaguskarzinome  wurden  von  innen  mit  Radium, 
von  außen  mit  Röntgenstrahlen  angegangen.  Diese  Methode  er- 
fordert bezĂŒgl.  der  Dosierung  besondere  Vorsicht.  Die  Sirahlen- 
behandlung des  M  a  g  e/n  k  a  r  z  i  n  o  m  s  erwies  sich  Werner 
als  durchaus  negativ.  Das  Rektumkarzinom  wurde  mit 
Radiumeinlage  und  Ă€ußerlich  durch  Röntgenstrahlen  mit  gutem 
Erfolg  behandelt.  Beim  Blasen  krebs  sah  Werner  keine 
Dauerheilungen,  wÀhrend  er  in  der  Radium-  und  Röntgenbehand- 
lung des  Uteruskarzinoms  eine  ernstliche  Konkurrenz  fĂŒr 
die  Operation  erblickt.  Wenn  auch  Mammakarzinome 
''ohne  Metastasen)  ausschließlich  mit  Strahlenbehandlung  ange- 
gangen werden  können,  so  zieht  Werner  vor,  erst  zu  operieren 
und  dann  zu  bestrahlen.  Epitheliome,  auch  die  ganz  großen, 
wurden  mit  70  %  geheilt.  Die  ExtremitÀtentumoren  sind 
ein  gĂŒnstiges  Feld  radiologischer  Therapie,  wenn  sie  nicht  in 
der  Tiefe  des  Oberschenkels  sitzen.  Die  Bestrahlung  vor  der 
Operation  lehnt  Werner  ab.  wegen  der  schlechteren  Wund- 
heilung. 

Die  ĂŒbrigen  Autoren  bewegten  sich  vornehmlich  auf  gynĂ€- 
kologischem Gebiet,  sprachen  von  ihrer  radiologischen  Technik 
und  deren  Resultate.  FĂŒr  den  G  c  b  Ă€  r  m  u  1 1  e  r  k  r  e  b  s  wurde 
auch  von  den  namhaftesten  Operateuren,  die  zugleich  Strahlen- 
therapeuten waren,  die  mindestens  ebenso  gĂŒnstigen  Erfolge  der 
Strahlenbehandlung  gegenĂŒber  einem  operativen  Vorgehen  be- 
tont Dabei  wurde  als  sichere  Hoffnung  ausgesprochen,  daß  auf 
diesem  Gebiet  ein  ganz  unzweideutiger  Sieg  der  Strahlentheranie, 
die  sich  ja  mit  ihrer  Technik  noch  in  den  AnfÀngen  befinde, 
gegenĂŒber  den  kaum  mehr  ausbaufĂ€higen  Operationsmethoden  zu 
erwarten  sei.  Seitz,  der  bei  so  gut  wie  alleiniger  Röntgen- 
behandlung des  GebÀrmutterkrebsps  die  gleich  guten  Resultate  wie 
D  öd  er  lein  mit  seiner  bis  jetzt  ausschließlichen  Radium 
bestrahlung  erzielen  konnte,  trat  fĂŒr  seine  ..Galvanisierung"  der 
GcbĂ€rmullcrkrebse  ein.  Er  ist  ĂŒberzeugt,  durch  diese  „Ver- 
kupferung" der  Geschwulst  eine  reichere  SekundÀrstrahlenaus- 


beute  zu  gewinnen,  eine  Möglichkeit,  die  keiner  der  Autoren  von 
der  Hand  wies.  Sehr  interessiert  wurde  die  Diskussions- 
bemerkung von  Opitz  aufgenommen,  der  auf  die  Beziehungen 
zwischen  Landschaft  und  MalignitÀt  der  Blastome  hinwies.  Den 
aus  der  Versammlung  heraus  bezĂŒgl.  seiner  BeweisfĂŒhruni;  ge- 
Ă€ußerten Zweifeln  konnte  er  mit  der  Talsache  begegnen,  daß 
Krönig  in  Freiburg  8  mal  ungĂŒnstigere  Operationsresultale 
hatte,  wie  zuvor  in  Jena.  Der  GebÀrmutterkrebs  ist  nach  Opitz 
in  Freiburg  weniger  hÀufig  wie  z.  B.  in  Jena,  aber  seine  Ma- 
lignitĂ€t ist  weit  grĂ¶ĂŸer  wie  dort.  Opitz  setzte  seine  Freiburger 
VerhĂ€ltnisse  in  Vergleich  mit  dem  seltenen,  dafĂŒr  aber  umso 
bösartigeren  Krebs  Jugendlicher.  Opitz  betonte  ĂŒberhaupt 
stark  jene  ererbte  und  erworbene  Disposition  zum  Karzinom  im 
Sinne  meiner  AusfĂŒhrungen  in  den  „Fortschritten "  1020,  Nr.  Iii  . 
So  suchte  er  auch  z.  B.  die  strahlentherapeutischen  Mißerfolge 
beim  Magenkarzinom  zu  erklÀren,  indem  er  auf  die  Mitbestrah- 
lung von  linker  Nebenniere,  Pankreas  und  Milz  verwies,  was 
gewiß  nicht  gleichgĂŒltig  sein  könne. 

Es  wurde  weiter  die  Frage  erörtert:  soll  mit  Radium  oder 
soll  mit  Röntgenstrahlen  sterilisiert  werden.  In  der  Aussprache 
konnte  der  Vorzug  des  Radiums  vor  der  Röntgenbehandlung,  den 
Fla  tau  propagieren  wollte,  sich  vom  klinischen  Standpunkt 
aus  nicht  durchsetzen.  Die  Schlußmeinung  ging  dahin,  daß  ledig 
lieh  wegen  ökonomischer  Gesichtspunkte,  soweit  es  sieh  um  Be- 
sitzer von  „billigem"  Radium  aus  der  Vorkriegszeit  handelt, 
vielleicht  die  bevorzugte  Anwendung  des  Radiums  begrĂŒndbar 
sei.  In  der  Tat  ist  ja  auch  eine  ambulatorische  Röntgensterili- 
sierung  mit  im  Ganzen  ca.  2  Stunden  Dauer  fĂŒr  den  Patienten 
gewiß  angenehmer  als  die  feierliche  Aufnahme  in  eine  Klinik 
und  die  wenigstens  24  stĂŒndige  „unwirtschaftliche"  Bettruhe, 
wenn  man  schon  die  wirtschaftliche  Seite  auch  hier  berĂŒcksich- 
tigen will.  Daneben  ist  es  sicher  nicht  gleichgĂŒltig,  einen,  wenn 
auch  sterilisierbaren,  höchst  wirksamen  Fremdkörper  wenig- 
stens 24  Stunden  in  der  GebĂ€rmutterhöhle  —  die  allgemein  jetzt 
bevorzugte  Methode  der  Radiumsterilisierung  —  zu  belassen. 
Der  damit  verbundene  Vorteil  rascher  Blutstillung  ist.  man 
kann  sich  des  Eindruckes  nicht  erwehren,  doch  hÀufig  mit  einer 
bisweilen  ausgedehnten  Beckenvenenthrombose  verbunden,  ein 
Zufall,  der  bei  der  diffus  wirkenden  Röntgen  sterilisierung  weil 
weniger  beobachtet  wurde.  Der  durch  diese  gesetzten  evtl.  Reiz 
blutung  begegnet  Seitz  durch  vorausgehende  Abrasio. 

Von  besonderem  Interesse  waren  noch  die  AusfĂŒhrungen  von 
Tomanek  (Prag)  und  Holfelder  ĂŒber  den  gegenwĂ€rtigen 
Stand  der  Radiumtherapie  im  Ausland.  Am  bemerkenswertesten 
ist  der  Unterschied  bei  den  Amerikanern.  Sie  arbeiten  durchweg 
nicht  unmittelbar  mit  den  Salzen  des  Radiums,  sondern  mit  dessen 
Emanation.  Die  Institute  benutzen  fĂŒr  unsere  verarmten  Be- 
griffe ungeheure  Mengen  von  Radium.  So  verfĂŒgt  die  Barward- 
UniversitĂ€t  (New  York)  ĂŒber  4  gr  Radiumelement.  Zum  Zweck»' 
höchster  wirtschaftlicher  Ausnutzung  lösten  sÀmtliche  amerika- 
nische Kliniken  ihr  Radium  in  physiologischer  Kochsalzlösung 
und  bewahren  es  so  in  eigens  konstruierten  GefĂ€ĂŸen  auf.  Sie 
haben  so  die  Möglichkeit,  aus  diesen  GefĂ€ĂŸen  heraus  'mit  beson- 
deren Pumpen)  die  beim  Zerfall  des  Radiums  entstehende,  Strahlen 
aussendende  Emanation  in  feinste  Glaskapillaren  von  1  mm  LĂ€nge 
und  Vin  mm  Durchmesser  zu  pumpen.  Mit  diesen  beliebig  dosifr- 
baren  Emanationskapillaren  —  sie  enthalten  fĂŒr  gewöhnlich 
1  Mikroourie  —  werden  nun  die  Tumoren  mit  Hilfe  eines  troikart- 
Ă€hnliehen  Instruments  in  der  Weise  „gespickt",  daß  auf  je  1  cem 
1  Kapillare  kommt.  Dies  Verfahren  scheint  schwieriger,  wie  es 
in  der  Tat  bei  einiger  Uebung  ist.  Durch  die  gleichmĂ€ĂŸige  Art 
der  Verteilung  kleinster  Strahlensender  wird  jene  Nekrose  mit 
ihren  Folgen  vermieden,  die  wir  bei  der  Àlteren  Methode  ver- 
teilter Einspritzung  radioaktiver  Substanzen  in  den  Tumor  hÀufig 
beobachten  mußten.  Die  Resultate,  wie  sie  auf  diese  Weise  z.  B. 
beim  Zungenkarzinom  erreicht  wurden,  veranlaßten  Hol  fei  der. 
diese  Methode  warm  zu  empfehlen.  Er  hatte  wÀhrend  seines 
3  monatlichen  Aufenthaltes  in  den  Vereinigten  Staaten  Gelegen- 
heit, derartige  FĂ€lle  vor  der  Behandlung  und  12  Wochen  nachher 
zu  sehen.  Sie  waren  klinisch  ĂŒberraschend  gut  geheilt.  Die  ana- 
tomischen VerhĂ€ltnisse  erschienen  auch  bei  den  vorher  grĂ¶ĂŸten 
Tumoren  durchaus  normal.  Im  ĂŒbrigen  konnte  uns  Hol  fei  der 
beruhigen.  Er  sah  sonst  trotz  der  uns  unerschwinglichen  amerika- 
nischen Radiummengen  keine  unsere  Resultate  ĂŒberragenden  Er- 
folge. 

Praktisch  gerade  fĂŒr  unsere  VerhĂ€ltnisse  wurde  noch  der 
Vorschlag  gemacht,  daß  sich  die  Besitzer  von  Radium  zwecks 
Auflösung  ihrer  strahlenden  Materie  nach  . Art  der  amerikanischen 
Methode  zusammenschließen  sollten,  um  so  durch  Abpumpen  der 
sich  ja  immer  neu  bildenden  Emanation  die  Verwendungsmöglich- 
keit der  kostbaren  und  seltenen  Substanz  wirtschaftlich  und 
klinisch  zu  vervielfachen.  Kottmaier  (Mainz  . 


orischriiie  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 

Verlag  von  HANS  PÜSCH.  Berlin  SW  48,  Wilhelm  ~  Sira&e  20  /  Fernsprecher   LĂŒtzow  9057 


Nr.  26 


Berlin,  den  5.  Juli  1922 


40.  Jahrgang 


Dm*  Verlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzliehen  Schutzfrist  ver. 


leber  die  AbhĂ€ngigkeit  der  SchĂŒlerleistungen 
von  körperlichen  undfgeistigen  Defekten. 

Vortrag  gehalten  auf  dem  Delegieiientag  des  deutschen  Lehrer - 
Verbandes  von  Lettland  am  20.  Mai  1922. 

Von  Dr.  med.  Aug.  B  e  r  k  h  o  1  z  -  Riga. 

Das  Thema,  das  Sie  mir  gegeben  haben,  baut  sich  auf 
aus  einer  so  grollen  Summe  einzelner  medizinischer  und  pÀ- 
dagogischer Fragen,  daß  ihre  detaillierte  Beantwortung  bei 
weitem  den  Rahmen  eines  Vortrages  ĂŒberschreitet.  Sie 
Werden  mir  daher  gestatten,  heute  auf  das  Thema  der  Be- 
einflussung der  SchĂŒlerleistungen  durch  körperliche  und 
geistige  Krankheiten  und  Defekte  nur  in  Richtlinien  einzu- 
gehen. Mir  wird  es  daran  liegen,  Ihr  Interesse  fĂŒr  Ă€rztliche 
Vorstellungen  und  Gedanken  zu  erwecken.  Uns  Aerzten  fehlt 
zudem,  um  das  Thema  allseitig  zu  beherrschen,  bisher  die 
Mitarbeit  des  PĂ€dagogen.  Nur  gemeinsame  Arbeit  von  Arzt 
und  PÀdagoge  kann  zu  allseitig  befriedigenden  Lösungen 
fĂŒhren.  Ehe  ich  nun  zum  gegebenen  Thema  ĂŒbergehe,  muß 
ich  eine  Vorfrage  erledigen:  Wann  sollen  wir  mit  dem  Schul- 
unterricht heginnen  und  welches  Kind  ist  vom  normalen 
Termin  zurĂŒckzustellen? 

Vom  Ă€rztlichen  Standpunkte  aus  halte  ich  es  fĂŒr  wĂŒn- 
schenswert, daß  das  Kind  nach  Vollendung  des  6.  Lebens- 
jahres mit  dem  Schulunterricht  beginnt.  Eine  weitere  Hin- 
ausschiebung des  Termines  entsprÀche  nicht  der  Veranlagung 
eines  normalen  Kindes.  Die  Spielzeit  ist  mit  6  Jahren  be- 
endet, der  Drang  des  kindlichen  Geistes  zum  Schaffen,  zu 
produktiver  Arbeit  beginnt.  Das  Spiel  allein  schafft  seinem 
Ehrgeiz  zu  dieser  Zeit  keine  ausreichende  Befriedigung  mehr. 
Neben  dem  Wissensdrang  muß  dem  berechtigten  Wunsche 
nach  Leistungen  Rechnung  getragen  werden.  Soweit  ist  ein 
körperlich  und  geistig  gesundes  und  nicht  durch  Krankheit 
oder  durch  Fehler  der  Erziehung  in  seiner  Entwicklung  an- 
gehaltenes Kind  mit  6  Jahren.  Wann  haben  wir  aber  Ur- 
sache, diesen  Termin  hinauszuschieben?  ZunÀchst  kommen 
in  Betracht  Entwicklungsstörungen  des  Kindes  durch  kör- 
perliche Krankheiten.  Wir  haben  es  dabei  erstens  mit  Kon- 
stitutionsanomalien zu  tun.  Diese  beeinflussen  schon  die 
Entwicklung  des  SĂ€uglings;  ihre  Anlage  wird  mit  auf  die 
Welt  gebracht  —  Rachitis.  Skrophulose.  Schwerere  Formen 
dieser  Krankheil  verhindern  die  normale  Entwicklung  von 
Körper  und  Geist  durch  Jahre  hindurch.  Solche  Kinder 
Bleiben  körperlich  und  geistig  unter  der  Norm.  Eine  Er- 
scheinungsform der  Skrophulose  besteht  in  der  Widerstands- 
losigkeit  des  Körpers  gegen  Infekte,  in  dem  Mangel  ange- 
borener ImmunitÀtskrÀfte;  sie  bewirkt  eine  EmpfÀnglichkeil 
fĂŒr  Ansteckung  aller  Art  weit  ĂŒher  das  SĂ€uglingsaller  hinaus 
und  wird  so  zu  einer  Ursache,  die  die  RegelmĂ€ĂŸigkeit  des 
Schulbesuches  unmöglich  macht,  wozu  noch  kommt,  daß,  da 
der  Organismus  der  Kinder  durch  die  vielen  Krankheiten 
der  ersten  Lebensjahre  zu  leiden  halte,  auch  die  geistige  Ent- 
wicklung zurĂŒckblieb.  Denn  nur  in  corpore  sano  —  mens 
sana.  Wissenschaftliche  Untersuchungen  neueren  Datums 
halten  festgestellt,  daß  mehr  als  die  HĂ€lfte  aller  Kinder  bis 
zum  f>.  Jahr  bereits  mit  Tuberkulose  infiziert  wird.  Das  sind 
in  erster  Linie  wieder  die  skrophulösen  Kinder  und  solche, 
die  ans  tuberkulösen  Familien  stammen.  Wo  wir  aber  auch 
nur  eleu  Verdacht  oder  die  Möglichkeit  einer  stattgehabten 
und  noch  nicht  ĂŒberwundenen  Infektion  mit  Tuberkulose  an- 
nehmen mĂŒssen,  ist  das  Kind,  auch  wenn  es  in  seiner  geisti- 


gen Entwicklung  nicht  zurĂŒckgeblieben  ist,  vom  besuch 
grĂ¶ĂŸerer  Schulen  zum  normalen  Termin  abzuhalten.  Jede 
Infektion  auch  geringeren  Grades,  namentlich  aber  die  ge- 
fluchteten Kinderkrankheiten  —  Masern,  Keuchhusten. 
Grippe  usw.  —  können  eine  nicht  vollstĂ€ndig  ĂŒberwundene, 
im  Kinde  steckende  Tuberkulose  aktivieren.  Meine  Damen 
und  Lienen!  Es  ist  hier  vielleicht  der  Platz,  in  einigen  Wol  - 
len auf  unseren  Standpunkt  der  Bedeutung  der  Tuberkulose 
und  ihre  Verbreitung  einzugehen.  Die  Tuberkulose  isl  die- 
jenige Infektionskrankheit,  die  namentlich  im  Kindesalter 
die  grĂ¶ĂŸte  Heiltmgstendenz  hat;  auch  ohne  jede  Behandlung 
heilt  sie  aus.  Wir  wissen  aus  Leichenbefunden,  daß  so  gut 
wie  jeder  erwachsene  Mensch  ausgeheilte  Tuberkulose  als 
Nebenbefund  aufweist.  Die  meisten  dieser  Infekte,  wenn 
nicht  alle,  haben  ihren  Ursprung  in  der  Kindheil.  Die  Tu- 
berkulose kann  latent,  oft  ohne  nennenswerte  Krankheits- 
erscheinungen zu  machen,  ja  selbst  ohne  ĂŒberhaupt  erkannt 
werden  zu  können,  verlaufen.  Plötzlich  flammt  sie  auf,  im 
Anschluß  an  eine  Grippe,  ja  selbst  nach  einem  Schnupfen, 
namentlich  aber  nach  den  Infektionskrankheiten  des  Kindes- 
alters. Eine  ĂŒberstandene  Tuberkulose  —  und  das  kommt 
in  jenem  Alter  oft  vor  —  schĂŒtzt  auch  nicht  vor  Reinfektion, 
sondern  wir  wissen,  daß  der  kindliche  Organismus,  der  durch 
einmalige  Infektion  geschwÀcht  wurde,  eine  Disposition  zu 
erneuter  Infektion  behÀlt.  Nach  dem  Vorausgesagten  ist  es 
klar,  daß  gerade  die  Skrophulose  die  Bereitschaft  zu  einer 
Infektion  mit  Tuberkelbazillen  erhöht.  Ebenso  ist  es  Ihnen 
allen  leider  nur  zu  wohl  bekannt,  wie  schwer  es  ist,  in  be- 
suchten öffentlichen  Schulen  .die  Verbreitung  von  Infektions- 
krankheiten zu  verhĂŒten.  Namentlich  in  den  ersten  Schul- 
jahren bei  Kindern  bis  zum  10.  Jahre  ist  die  Bereitschaft  so 
groß,  daß  -  auch  bei  Befolgung  grĂ¶ĂŸtmöglicher  hygieni- 
scher Maßnahmen  —  es  nicht  möglich  ist,  ihre  Ausbreitung 
durch  die  Schule  zu  verhindern.  Ks  ist  verstĂ€ndlich,  daß 
wir  besonders  gefÀhrdete  Kinder,  wie  tuberkulöse  und  skiö- 
phulöse,  vom  Besuche  öffentlicher  Schulen  zurĂŒckzuhalten 
haben,  bis  ihr  Organismus  so  weit  gekrĂ€ftigt  ist,  daß  er  den 
SchÀden  der  sich  hÀufenden  Infektionsmöglichkeiten  ge- 
nĂŒgend Widerstand  entgegenzusetzen  imstande  ist.  FĂŒr 
solche  wohl  geistig  reife,  aber  körperlich  geschwÀchte  Kinder 
ist  hÀuslicher  Anfangsunterricht,  wenn  möglich  in  Kreisen, 
zu  empfehlen. 

Vom  Beginn  des  normalen  Schulunterrichts  zurĂŒckge- 
stellt mĂŒssen,  zweitens,  Kinder  werden,  die  aus  verschiedenen 
GrĂŒnden  die  geistige  Reife,  dem  Schulunterricht  folgen  zu 
können,  mit  dem  6.  Jahre  nicht  erreicht  haben.  Diese  geistige 
Unreife  dokumentiert  sic  h  in  mangelndem  Ehrgeiz,  mangeln- 
dem Sinn  fĂŒr  Disziplin  und  Ordnung,  mangelnder  Entwick- 
lung von  Hemmungen  fĂŒr  Affekte  jeder  Art;  namentlich  auf 
letzteres  charakterliches  Unentwickeltsein  möchte  ich  hin- 
gewiesen haben.  Haben  wir  VerstĂ€ndnis  fĂŒr  die  Psychologie 
eines  Kindes,  so  werden  wir  diesen  Mangel  an  charakter- 
licher Entwicklung  schwer  ĂŒbersehen.  Schwieriger  ist  es,  zu 
sagen,  ob  dieser  Mangel  ein  angeborener  oder  anerzogener  ist. 
Nur  im  ersteren  Falle  dĂŒrfen  wir  durch  ein  Hinausschieben 
des  Beginnes  der  Schulzeit  das  Richtige  treffen.  Wird  es 
uns  klar,  daß  die  geistige  Entwicklung  des  Kindes  durch 
Fehler  in  der  Erziehung  aufgehalten  wurde,  so  werden  wir 
ĂŒberlegen  mĂŒssen,  wie  die  Erziehung  zu  bessern  wĂ€re.  Ge- 
wöhnlich ist  in  solchen  FÀllen  die  Beeinflussung  der  Eltern 
durch  Àrztlichen  Rat  allein  nicht  fruchtbringend;  wir  kom- 
men weiter,  wenn  wir  PÀdagogen  zu  Hilfe  rufen,  die  die  För- 


448 


Berkholz:  AbhĂ€ngigkeit  der  SchĂŒlerleistungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


derung  des  Charakters  rascher  erzielen.  Da  aber  solche  Kin- 
der in  Schulen  störend  wirken,  sind  sie  Kreisen  zu  ĂŒber- 
weisen, wo  der  persönliche  Einfluß  des  PĂ€dagogen  grĂ¶ĂŸer  ist. 
Sehr  schwierig  ist  die  Beurteilung  der  Intelligenzdefekte, 
fehlt  uns  ja  noch  eine  Definition  des  Intelligenzbegriffes.  Ab- 
gesehen von  groben  Intelligenzdefekten,  wie  sie  Idioten  auf- 
weisen, sollte  ein  körperlich  und  charakterlich  reifes  Kind 
aus  diesem  Grunde  nicht  vom  Schulbeginn  zum  normalen 
Termin  zurĂŒckgehalten  werden;  seine  geistige  Entwicklung 
schreitet  so  wie  so  langsamer  fort,  daher  ist  ein  frĂŒher  Ter- 
min nur  anzustreben.  Die  moralischen  QualitÀten  eines 
Kindes  zu  beurteilen,  ist  in  diesem  Alter  nicht  möglich.  Die 
moralischen  MÀngel  beginnen  erst  im  PubertÀtsalter  sich 
deutlich  zu  zeigen.  Mit  6  Jahren  sind  die  Anforderungen, 
die  wir  an  die  Moral  eines  Menschen  stellen,  wohl  noch  so 
gering,  daß  wir  ihre  Beurteilung  lieber  ganz  unterlassen. 

Niemals  darf  zu  regelmĂ€ĂŸigem  Beginn  des  Schulunter- 
richts widerraten  werden  bei  Klagen  ĂŒber  allgemeine  Nervosi- 
tÀt, Schlaflosigkeit,  Schreckhaftigkeit,  Zerfahrenheit  usw., 
vorausgesetzt,  daß  der  Körper  gesund  ist.  Derartige  allge- 
meine nervöse  Beschwerden  bei  gesundem  Körper  sind  blos 
Zeichen  eines  sensiblen  Menschen  im  Vergleich  zu  einem 
Phlegmatiker,  die  NervositÀt  hat  aber  nur  stÀrkere  Formen 
angenommen  durch  Disziplinlosigkeit  der  Erziehung  oder  - 
noch  hĂ€ufiger  —  durch  Ueberreizung  der  Nerven  in  Folge 
von  Mangel  an  Umgang  mit  gleichaltrigen  Kindern.  Er- 
wachsene Menschen  sind  in  ihrem  Umgang  mit  Kindern  fast 
stets  auf  einen  falschen  Umgangston  eingestellt.  Nur  Kinder 
untereinander  beeinflussen  sich  so  weit  richtig,  daß  die 
Nerven  auch  beim  wildesten  Spiel  nicht  ĂŒberanstrengt  wer- 
den, höchstens  der  Körper.  Jeder  Umgang  eines  Er- 
wachsenen mit  einem  Kinde  wird  zur  Unterrichtsstunde,  die 
das  GedĂ€chtnis  des  Kindes  ĂŒberanstrengt,  auch  wenn  der  Er- 
wachsene glaubt  mit  dem  Kinde  zu  spielen  und  sich  MĂŒhe 
gibt,  seinen  Ton  auf  das  kindliche  VerstÀndnis  einzustellen. 
Ich  plĂ€diere  stets  dafĂŒr,  einzige  Kinder,  die  ja  namentlich  auf 
den  stetigen  Umgang  mit  Erwachsenen  angewiesen  sind  und 
deren  Nervensystem  infolgedessen  ĂŒberreizt  ist,  frĂŒh  der 
wohltĂ€tigen  Disziplin  gutgeleiteter  Schulen  zuzufĂŒhren. 

Ich  habe  mich  ausfĂŒhrlicher  wie  ich  wollte  mit  den 
Fragen  beschĂ€ftigen  mĂŒssen,  wann  fĂŒr  die  Kinder  der  Zeit- 
punkt zum  Eintritt  in  die  Schule  gegeben  ist,  weil  die 
SchĂŒlerleistungen  abhĂ€ngig  sind  von  einem  richtig  ge- 
wÀhlten Termin  des  Schulbeginnes  und  weil  die  Krank- 
heiten, die  die  Leistungen  in  der  Schule  wÀhrend  der  Jahre 
bis  zum  Beginn  der  PubertÀt  stören,  auf  im  vorschul- 
pflichtigen Alter  erworbenen  KonstitutionsschwÀchen  be- 
ruhen. Denn  auch  in  den  ersten  Schuljahren  haben  wir  es 
namentlich  zu  tun  mit  Skrophulose  und  der  Tuberkulose. 
Schienen  diese  Krankheiten  beim  Eintritt  in  die  Schule  be- 
reits ĂŒberwunden,  so  treten  sie  jetzt  erneut  hervor  in  Folge 
der  in  den  Schulen  sich  hÀufenden  Gelegenheiten  zu  In- 
fekten; wie  schon  gesagt,  es  findet  eine  Aktivierung  der 
Skrophulose  oder  der  inaktiv  gewordenen  Tuberkulose  statt. 
Namentlich  sind  es  die  Folgen  von  chronischen  oder  hÀufig 
rezidivierenden  Katarrhen  des  Nasenrachenringes,  die  den 
Gesundheitszustand  und  damit  die  LeistungsfÀhigkeit  der 
Kinder  beeinflussen.  Schwellungen  der  Rachen-  und 
Schlundmandeln  behindern  die  Atmung  oder  setzen  das  Ge- 
hör herab  oder  sie  verursachen  Hustenreiz;  alle  diese  Er- 
scheinungen bringen  es  hervor,  daß  das  Kind  von  seinem 
Körper  abhÀngig  ist  und  seine  Aufmerksamkeit  nicht  kon- 
zentrieren kann  oder  aber  sie  rufen  Unbehagen  im  körper- 
lichen Befinden  hervor;  auch  dieses  wirkt  störend  auf  den 
Geist  und  die  LeistungsfÀhigkeit.  Der  Grad  der  Störung  steht 
natĂŒrlich  in  geradem  VerhĂ€ltnis  zur  allgemeinen  Sensibili- 
tÀt des  Nervensystems.  Diese  Folgeerscheinungen  der  Skro- 
phulose bedĂŒrfen  peinlichster  Aufmerksamkeit  von  Seiten 
der  Schule.  Ebenso  ist  es  mit  der  Tuberkulose;  sie  braucht 
oft  keine  andere  Erscheinung  zu  machen  (selbst  kein 
Fieber),  als  nur  ein  SichunbehaglichfĂŒhlen,  ein  Zustand,  der 
die  Kinder  nicht  unabhÀngig  macht  von  ihrem  Körper,  und 
das  ist  nötig,  damit  die  geistige  LeistungsfÀhigkeit  nicht  be- 


hindert ist.  Wo  also  in  der  Vorgeschichte  eines  Schulkindes 
eine  Tuberkuloseinfektion  nachgewiesen  wurde,  und  ĂŒber, 
mangelnde  Leistungen  geklagt  wird,  wird  es  tunlich  sein, 
an  eine  Aktivierung  der  Tuberkulose  zu  denken,  namentlich, 
wenn  ein  Nachlassen  der  Leistungen  beobachtet  wurde  im 
Anschluß  an  Infektionskrankheiten,  von  denen  sich  das  Kind 
in  der  normalen  Zeit  nicht  erholte.  Ich  nehme  hier  Ge-- 
legenheit  darauf  hinzuweisen,  daß  wir  der  leider  so  hĂ€ufig 
gestellten  Diagnose  der  Blutarmut  in  diesem  Alter  nicht  bei- 
pflichten können.  Eine  Blutarmut  ist  in  diesem  Alter  stets 
nur  ein  Symptom  einer  Krankheit,  keine  selbstÀndige  Krankl 
heit;  hinter  ihr  verbergen  sich  Skrophulose,  Tuberkulose  oder 
aber  nicht  selten  chronische  Magendarinerkrankungen.  Wir 
sprechen  von  chronischen  Magendarmerkrankungen  auch 
dort,  wo  keine  DurchfÀlle  bestehen,  sondern  wo  der  Stoff- 
wechsel gestört  ist  durch  eine  falsche  ErnÀhrungsweise.  Nur 
das  absolut  krÀftige,  gesunde  Verdauungssystem  ist  im. 
Stande  jeder  Nahrung,  wenn  sie  nur  in  genĂŒgendem  Maße 
zugefĂŒhrt  wird,  die  Stoße  zu  entnehmen,  die  er  zum  Körper-, 
aufbau  bedarf.  Je  schwÀcher  das  Verdauungssystem  in 
seiner  Veranlagung,  desto  schwerer  werden  die  Fehler  der 
Nahrungszusammensetzung  von  ihm  empfunden,  desto 
wichtiger  ist  es  RegelmĂ€ĂŸigkeit  der  Nahrungsaufnahme  zu 
verlangen  und  genĂŒgend  lange  Pausen  zwischen  den  ein- 
zelnen Mahlzeiten  dem  Magen  zu  gönnen,  desto  schwerer 
machen  sich  die  SchÀden  bemerkbar,  die  in  den  kleinen 
hÀufigen  Mahlzeiten  liegen,  desto  schwerer  wird  der  Orga- 
nismus geschÀdigt,  wenn  die  Kinder  dahin  erzogen  werden] 
an  Leckerbissen  sich  zu  gewöhnen,  ihr  HungergefĂŒhl  nach 
dem  Gaumenkitzel  zu  richten  und  nicht  nur  dann  essen 
lernen,  wenn  —  ich  möchte  sagen  —  ein  tierisches  Hunger- 
gefĂŒhl sie  dazu  treibt.  Derartig  falsch  geleitete  ErnĂ€hrungs- 
prinzipien und  auf  sie  aufgebaute  ErnÀhrung  des  Kindes,  die 
disziplinlos  ist  und  die  Kinder  dann  und  das  essen  lĂ€ĂŸt,  wenn 
sie  Lust  haben  und  wozu  sie  Appetit  empfinden,  fĂŒhrt  oft  zu 
Blutarmut,  SchwÀchezustand  des  Körpers  und  verminderter 
LeistungsfÀhigkeit  in  der  Schule.  Die  Lehre  von  der  richti- 
gen ErnĂ€hrung  der  Kinder  muß  in  ihrer  Bedeutung  fĂŒr  die 
Leistungen  der  SchĂŒler  durchaus  unterstrichen  werden. 
Nochmals  aber  möchte  ich  daran  erinnern,  daß  nur  Indivi- 
duen mit  einem  ungenĂŒgend  beanlagten  Verdauungssystem 
ihr  unterliegen,  gerade  sie  aber  werden,  da  ihr  Leiden  sich 
oft  in  Appetitmangel  Ă€ußert,  von  ihren  Eltern  fehlerhaft  ge- 
stopft und  frĂŒhzeitig  zu  Gourmands  erzogen;  beides  ist  dazu 
angetan,  den  Körper  noch  weiter  zu  schÀdigen  und  das  Uebel 
grĂ¶ĂŸer  statt  kleiner  zu  machen.  Bei  uns  zu  Lande  ist  die 
Wichtigkeit  und  HÀufigkeit  oben  geschilderter  alimentÀrer 
Darmkrankheiten  nicht  genĂŒgend  bekannt;  daher  werden  ge- 
rade bei  uns  hierin  die  gröbsten  Fehler  gemacht  und  —  wie 
ich  aus  der  Praxis  weiß  —  ist  die  AbhĂ€ngigkeit  der  SchĂŒler- 
leistungen gerade  von  ihnen  eine  sehr  große. 

Die  konstitutionelle  Beanlagung  eines  Kindes  verdient 
mehr  Beachtung  von  Seiten  des  Schularztes,  als  die  Beob- 
achtung einzelner  kranker  Organe;  denn  die  Leistungen  der 
SchĂŒler  werden  durch  KonstitutionsschwĂ€chen,  wenn  man 
seine  Aufmerksamkeit  nicht  frĂŒhzeitig  auf  sie  richtet  und 
ihnen  rechtzeitig  entgegenarbeitet,  mehr  beeinflußt  als  durch 
die  Erkrankung  einzelner  Organe,  wie  Herzfehler.  LĂ€hmun- 
gen einzelner  Glieder,  Kurzsichtigkeit,  Leistenbruch  usw.  Die 
Registrierung  der  Erkrankung  einzelner  Organe  bleibt  trotz- 
dem selbstverstĂ€ndlich  wichtig,  namentlich  fĂŒr  die  Frage, 
was  wir  dem  Kinde  körperlich  zumuten  dĂŒrfen,  also  fĂŒr  die 
Frage  des  Turnunterrichts. 

Wir  gelangen  jetzt  zur  Beantwotrung  der  Frage:  in  wie 
weit  beeinflußt  das  Nervensystem  als  selbstĂ€ndiges  Organ- 
system —  nicht  in  AbhĂ€ngigkeit  von  Erkrankungen  anderer 
Systeme  und  Organe  —  die  SchĂŒlerleistung? 

Bei  der  Besprechung  der  Erkrankungen  des  Nerven- 
systems (ich  verwerte  hierbei  die  Gesichtspunkte  Zapperts) 
sehe  ich  davon  ab  auf  die  organischen  Erkrankungen  der 
Nerven  und  ihrer  Zentralorgane  wie  LĂ€hmung,  Idiotie,  ĂŒber- 
standene  GehirnentzĂŒndung  usw.  einzugehen.  Wichtiger  fĂŒr 
unser   Thema    sind    die   funktionellen   Erkrankungen  des 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2(> 


Berkholz:  AbhĂ€ngigkeil  der  SchĂŒlerleistungen 


i  I') 


Nervensystems.  Wie  auch  bei  allen  andern  Organsystemen, 
Bern  Atmungssystem,  dem  Zirkulationssysterii  usw.,  begeg 
nt'ii  wir  auch  bei  dem  Nervensystem  angeborener]  Defekten. 
Alle  funktionellen  Nervenkrankheiten  beruhen  in  einem,  in 
seiner  Anlage  geschwÀchten,  krankhaften  Organismus.  Ks 
I  somit  die  Regel,  dal!  Kinder,  die  an  funktionellen  Kr- 
Ă€nkungen des  Nervensystems  leiden,  aus  einem  Milieu 
mm  eil,  da,  selbst  nervenschwach,  die  vererbten  Fehler 
roh  falsch  geleitete  Erziehung  noch  vergrĂ¶ĂŸert.  Welches 
n  sind  die  Krankheiten,  denen  wir  schon  im  schul- 
lichtigen  Kindesalter  begegnen?  dar  zu  hÀufig  finden  wir 
i  körperlich  gesunden  Kindern  Klagen,  daß  sie  in  ihren, 
istungen  ungleichmĂ€ĂŸig  sind.  Neben  Perioden  glĂ€nzender 
istungen  treten  Zeiten  vollkommenen  Versagens  auf,  fĂŒr 
e  eine  Ă€ußere  Veranlassung  fehlt.  Es  handelt  sich  um  jene 
nder,  die  in  der  Schule  periodisch  versagen  und  nament- 
h  im  Elternhause  unleidlich  werden.  Die  sonst  gutmĂŒtigen, 
iiiigen  Kinder  werden  zÀnkisch,  frech  und  entziehen  sich 
glichem  erzieherischen  Einfluß  durch  WutausbrĂŒche.  In 
er  Schule  Ă€ußert  sich  ihre  CharakterĂ€nderung  weniger,  doch 
gehen  sie  in  ihren  Leistungen  zurĂŒck.  Nur  Entfernung  aus 
dem  gewohnten  Milieu,  UeberfĂŒhrung  in  Internate  heilt  sie. 
Das  Charakteristische  dieser  Psyehasthenien  ist  ihre  rein 
endogene  Entstehung  ohne  Ă€ußere  Veranlassung.  Ihnen 
gegenĂŒber  stehen  periodische  Schwankungen  im  psychischen 
Befinden  der  Kinder,  die  an  gewisse  Zeitepochen  oder  Er- 
lebnisse gebunden  sind,  also  exogen  entstehen.  Namentlich  im 
FrĂŒhjahr  zeigen  sich  bei  den  hierzu  disponierten  Kindern 
solche  psychischen  VerÀnderungen.  Ihre  Merkmale  sind  in 
erster  Linie  Eßunlust,  Verdrießlichkeit,  MĂŒdigkeitsgefĂŒhl, 
Lernschwierigkeiten.  Solche  Verstimmungsperioden  dauern 
Wochen  bis  Monate,  um  dann  plötzlich  zu  verschwinden.  In 
solchen  KrankheitsfÀllen  ist  es  fehlerhaft  mit  hÀuslichen 
Nachhilfen,  Nervenmitteln  usw.,  die  Schulleistungen  heben 
zu  wollen;  vielmehr  trachte  man  darnach  dem  Kinde  mög- 
lichste Entspannung,  Ruhe  und  Schonung  zu  beschaffen.  Das 
Typische  solcher  psychasthenischer  ZustÀnde,  die  ihre  Ur- 
sache in  einer  Erkrankung  des  Nervensystems  haben,  ist  ihr 
periodisches  Auftreten.  Von  ihnen  zu  trennen  sind  Àhnlich 
sich  zeigende  Krankheitsbilder,  die  aber  ihre  Entstehung 
Fehlern  in  der  Erziehung  oder  der  LebensfĂŒhrung  der  Kinder 
verdanken. 

Es  gibt  Nervensysteme,  die  so  lange  gesund  bleiben,  so 
lange  sie  richtig  gefĂŒhrt  werden.  Schon  eine  falsche  Aus- 
nutzung der  schulfreien  Zeit  schaßt  ZustĂ€nde  von  Nerven- 
schwÀche. Jeder  Organismus  erholt  sich  im  Wechsel;  der 
Muskel  muß  ruhen  neben  der  Hebung  im  Training,  der  Geist 
verlangt  Schlaf,  um  seine  Spannkraft  zu  behalten;  er  ver- 
langt aber  auch  einen  Wechsel  der  BetÀtigung  seiner  ein- 
zelnen Funktionen.  BeschÀftigt  sich  nun  ein  Kind  in  seiner 
schulfreien  Zeit  nur  mit  LektĂŒre  oder  nur  mit  Musik  oder 
ist  der  Sport  und  das  Spiel  ausnahmslos  das,  was  seine  Er- 
holungsstunden ausfĂŒllt,  so  wird  es  gar  zu  leicht  einseitig 
ĂŒberlastet.  —  Mehr  als  auf  die  UeberbĂŒrdung  in  der  Schule 
möchte  ich  auf  die  richtige  Einteilung  der  schulfreien  Zeil 
Gewicht  legen.  FĂŒr  nervös  schwach  veranlagte  Kinder  sind 
fehler,  die  hierbei  gemacht  werden,  weitgehend  und  von 
großer  Bedeutung  fĂŒr  die  Leistungen  in  der  Schule.  Nur 
ein  detailliertes  Eingehen  auf  die  Lebensweise  der  SchĂŒler 
vermag  diese  psyehaslhenisehen  Erscheinungen  richtig  ein- 
zuschĂ€tzen, ihre  Entstehung  zu  ergrĂŒnden  und  richtig  ge- 
wÀhlte Abhilfe  zu  schaffen.  Die  Beurteilung  aber  der  Le- 
bensweise des  in  seinen  Leistungen  versagenden  Schulkindes 
bedarf  gemeinsamen  Studiums  von  Eltern,  Lehrern  und 
Aerzten.  —  Vielfach  werden  derartige  nervöse  SchwĂ€chezu- 
stÀnde von  der  Masturbation  abhÀngig  gemacht.  Ohne  auf 
dieses  Thema  nÀher  eingehen  zu  können,  möchte  ich  nur 
kurz  davor  warnen,  ihr  eine  zu  große  Bedeutung  beizumessen. 
Nur  in  ganz  vereinzelten  FĂ€llen  bei  Kindern,  die  auch  sonst 
schwerste  nervöse  Stigmata  aufweisen,  dĂŒrfte  die  Mastur- 
bation so  weit  gehen,  ernsten-  Folgen  zu  zeiligen.  Ich  stehe 
auf  dem  Standpunkte  jede  sexuelle  AufklÀrung  in  Schulen 
vermieden  zu  sehen;  man  setzt  gar  zu  leicht  durch  ungeeig- 


nete AufklÀrung  sexuelle  Traumen,  die  zu  tiefliegenden 
Depressionen  fĂŒhren  können.  Im  sexuellen  Empfinden  ist 
die  individuelle  Reife  so  ausschlaggebend,  das  FĂŒhlen  des 
Kindes  so  zart,  daß  gemeinsame  Besprechungen  nie  am  Platze 
sind,  und  muß  der  Zeitpunkt  der  Erörterung  des  Thema  sehi 
genau  individualisiert  werden,  um  nutzen  zu  schaffen;  sie  ist 
allein  Sache  der  Eltern  und  Erzieher. 

Von  der  asthenischen  Krankheit  zu  trennen  sind  die 
hysterischen.  Sie  charakterisieren  sich  im  Kindesalter  durch 
unvermitteltes  Auftreten,  durch  das  Massive  ihrer  Er- 
scheinungsform, durch  ihr  plötzliches  Einsetzen  im  An- 
schluß an  NervenerschĂŒtterungen  und  Traumen  jeglicher  Art. 
Hier  ist  in  der  Regel  keine  Sc  honung  am  Platze;  ein  festes 
Zupacken,  ein  geeignetes  Ablenken  stellt  das  psychische 
Gleichgewicht  oft  schnell  wieder  her. 

Gestatten  Sie  mir  noch  mit  einigen  Worten  auf  moralische 
Defekte  einzugehen,  die  in  der  Form  von  LĂŒgenhaftigkeit 
oder  Aneignung  fremden  Eigentums  Lehrer  und  Erzieher  oft 
zu  schwerwiegender  Entscheidung  zwingen.  Halten  Sie  es 
fĂŒr  Ihre  Pflicht  dort,  wo  Ihre  Meinung  sich  Gehör  schaffen 
soll,  sich  ĂŒber  jeden  einzelnen  Fall  aufs  eingehendste  zu 
orientieren  und,  wo  es  geboten  erscheint,  die  Eltern  von 
strengen  Strafen  abzuhalten.  Die  Pseudologia  phantastica, 
d.  h.  die  Sucht  völlig  unwahre  Geschichten  mit  allen  Aus- 
schmĂŒckungen der  Echtheit  zu  erzĂ€hlen,  ist  ja  eine  kindliche 
EigentĂŒmlichkeit,  die  sich  bei  phantasiereichen,  mit  einem 
starken  Innenleben  ausgestatteten  Kindern  namentlich  bei 
femininem  Charakter  weit  ĂŒber  jene  Jahre  hinaus  erhĂ€lt, 
‱vo  gemeiniglich  ein  VerstĂ€ndnis  fĂŒr  Wahr  und  Unwahr 
vorausgesetzt  wird.  Dagegen  haben  diese  Kinder  im  Mo- 
ment der  unwahren  ErzĂ€hlung  nicht  das  GefĂŒhl  zu  lĂŒgen.  Sie 
spinnen  sich  in  ihre  Gedankenwelt  hinein,  so  daß  sie  schließ- 
lich selbst  an  sie  glauben.  Solchen  Kindern  tÀte  man  mit 
Strafen  Unrecht.  Nur  bei  bewußtem  LĂŒgen,  namentlich 
wenn  es  zum  eigenen  Nutzen  oder  zum  Schaden  anderer  er- 
folgt, muß  AufklĂ€rung  und  Strafe  eintreten.  Schwieriger  ist 
die  Sache  beim  kindlichen  Diebstahl.  Es  muß  wohl  zuge- 
geben werden,  daß  eine  klare  Auseinandersetzung  ĂŒber 
Mein  und  Dein  dem  Kinde  frĂŒh  beigebracht  wenden  muß;  aber 
es  darf  nicht  vergessen  werden,  daß  beim  Kinde  so  ge- 
waltige Hemmungen  gegen  das  Aneignen  fremden  Gutes  noch 
nicht  bestehen,  wie  beim  Erwachsenen.  Es  spielen  klein- 
liche, kindische  Eigenschaften,  wie  Naschsucht,  Eitelkeit, 
Großmannssucht  und  Nachahmungstrieb  eine  große  Rolle, 
denen  die  Hemmungen  nur  wenig  Widerstand  leisten.  Auch 
hier  erwĂ€chst  fĂŒr  den  PĂ€dagogen  und  Arzt  oft  die  Pflicht  zu 
beruhigen  und  davor  zu  hĂŒten,  in  dem  Kinde  bereits  einen 
Verbrecher  zu  erblicken.  Daß,  wenn  auch  selten,  hinter 
scheinbar  kleinen  VerstĂ¶ĂŸen  gegen  Recht  und  Moral  der  Be- 
ginn geistiger  Defekte  liegen  kann,  darf  nicht  vergessen 
werden.  Doch  soll  man  beim  Kinde  zunÀchst  geneigt  sein, 
einen  Mangel  von  Hemmungen  gelten  zu  lassen.  Wir  sollen 
uns  stest  davor  hĂŒten,  durch  zu  scharfe  Verurteilung  kind- 
licher Fehler  den  noch  zum  Guten  zu  leitenden  Geist  ins 
Verbrechertum  hineinzustoßen.  Geistige  Defekte  oder  mo- 
ralische SchwÀchen  liegen  allen  solchen  Verfehlungen  zu 
Grunde;  sie  dĂŒrfen  aber  nicht  ausschlaggebend  sein  fĂŒr  die 
Beurteilung  eines  Charakters.  Denn  Charakter  und  Wille 
sind  Produkte  reifster  Entwicklung;  beim  Kinde,  wie  beim 
Volke,  dĂŒrfen  sie  nicht  vorausgesetzt,  sondern  mĂŒssen  erst 
gebildet  werden.  Auch  die  angedeuteten  moralischen  MĂ€ngel 
sind  im  Stande  ihre  Schlaglichter  auf  das  Betragen  und  die 
Leistungen  in  der  Schule  zu  werfen. 

In  der  Entwicklung  des  Menschen  bis  zu  seiner  Reife 
gibt  es  2  Perioden  intensivsten,  man  könnte  sagen  sprung- 
haften Wachstums:  das  SĂ€uglingsalter  und  das  Alter 
zwischen  11  und  15  Jahren  —  das  PubertĂ€lsalter.  Im  ersteren 
ist  es  vornehmlich  der  Körper,  der  intensiver  wÀchst,  als  in 
jeder  andern  Periode;  im  PubertÀtsalter  ist  es  namentlich  der 
Charakter  und  der  Geist,  der  eine  Entwicklung  nimmt,  die  kl 
weiten  Maße  mit  der  ruhigen  Entwicklung  der  Kinderjahre 
kontrastiert.  Beide  Perioden  haben  von  jeher  die  besondere 
Aufmerksamkeit  der  Aerzte  erweckt.    Im  Alter  der  PubertÀt, 


450 


Opitz:  Bluttransfusion. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


das  uns  heute  nur  interessiert,  beansprucht  das  Kind  beson- 
ders aufmerksame  FĂŒhrung,  da  eben  geistige  KrĂ€fte,  die  bis- 
her schlummerten,  mit  einer  besonderen  Vehemenz  und 
Kraft  in  ihm  zu  wirken  beginnen,  oft  dem  Kinde  selbst  un- 
bewußt. Alles,  was  aus  dem  Menschen  wird,  alle  guten  und 
schlechten  Regungen  und  Empfindungen  liegen  in  ihm,  sie 
sind  angeboren.  WĂ€hrend  die  Erziehung  bis  dahin  in  erster 
Linie  darauf  zu  achten  hatte,  daß  von  außen  her  schlechte 
Beispiele  und  EinflĂŒsse  fern  gehalten  wurden,  hat  nun  mit 
aller  Aufmerksamkeit  die  Erziehung  zum  Guten  zu  be- 
ginnen. Denn  Erziehung  ist  ja  im  letzten  Grunde  nur  die 
Hilfe,  die  wir  einem  Kinde  geben  in  dem  Streben  fĂŒr  das 
Schlechte  in  uns  Hemmungen  zu  schallen  und  die  guten 
Eigenschaften  des  Charakters  und  Talente  zu  entwickeln 
und  ihnen  die  rechten  Bahnen  zu  ebnen.  Fassen  wir  das 
PubertÀtsalter  als  eine  vehement  einsetzende  körperliche  Ent- 
wicklung in  uns  bisher  schlummernder  Anlagen  auf,  so 
werden  wir  verstehen,  daß  die  Kinder  besondere  Aufmerk- 
samkeit wÀhrend  dieser  Periode  des  Lebens  nicht  nur  von 
den  Eltern  und  Erziehern,  sondern  auch  von  PĂ€dagogen  und 
Aerzten  bedĂŒrfen.  Wir  mĂŒssen  uns  MĂŒhe  geben,  gegen  diese 
l'eberproduktion  des  Geistes  ein  Gegengewicht  im  Körper- 
lichen zu  schallen.  Die  in  der  Schule  sich  ergebenden 
Schwierigkeiten  und  die  verminderte  LeistungsfÀhigkeit  der 
SchĂŒler  wĂ€hlend  dieser  Periode,  beruht  ja  eben  in  den  im 
Kinde  selbst,  also  endogen  entstandenen  geistigen  Ueber- 
anstrengungen.  Wenn  wir  das  Uebermaß  dieser  geistigen  Ar- 
beit noch  weiter  belasten  durch  LektĂŒre  nicht  oder  halb  ver- 
standener BĂŒcher  oder  FeberbĂŒrdung  des  GefĂŒhls  durch 
ĂŒbermĂ€ĂŸige  BeschĂ€ftigung  mit  den  KĂŒnsten,  so  tun  wir  das 
auf  Kosten  der  Gesundheit  des  Nervensystems.  Gar  bald 
beobachten  wir  ErmĂŒdung  mit  allen  ihren  Folgen  nervöser 
Feberreizbarkeit,  die  rĂŒckwirkend  durch  erhöhte  Aeußerung 
des  Eigensinnes  die  Erziehung,  d.  h.  das  Lenken  des  Kindes 
in  richtige  Bahnen  erschwert.  Es  ist  daher  Pflicht  der 
Schule  und  der  Erzieher,  das  im  Uebermaß  schĂ€umende 
Geistes-  und  GefĂŒhlsleben  der  Kinder  dieser  Periode  zurĂŒck- 
zuhalten, durch  körperliche  Arbeil  und  Sport  ein  Gegenge- 
wicht zu  schaffen  gegen  die  GeisteskrÀfte,  die  in  dem  Kinde 
selbstĂ€ndig  tĂ€tig  sind.  Von  der  grĂ¶ĂŸten  Bedeutung  isl  wĂ€h- 
rend des  PubertÀtsalters  das  Leben  des  Kindes  in  der  schul- 
freien Zeit.  Die  Schule  kann  in  dieser  Periode,,  sobald  sie 
erkannt  wird,  nicht  mehr  tun,  als  Nachsicht  ĂŒben,  nur  das 
Notwendigste  an  geistiger  Arbeit  verlangen,  zurĂŒckhaltend 
sein  in  der  Anregung,  die  sie  bietet,  durch  Turnspiele  und 
AusflĂŒge  gerade  in  dieser  Zeit  die  KrĂ€fte  des  Körpers  ĂŒben. 
Die  Aufgabe  des  Hauses  * i st  eine  viel  weitergehende,  viel 
feinen-  Detailarbeit  am  Charakter  und  in  der  Entwicklung 
von  Talenten  des  „schĂ€umenden  Mostes". 

Aber  wÀhrend  der  Puber tÀts jÀhre  tritt  auch  die  körper- 
liche Entwicklung  des  Menschen  in  ein  besonderes  Stadium. 
Blutbildende  Organe,  deren  Funktionen  bisher  darnieder- 
lagen, nehmen  ihre  TĂ€tigkeit  auf,  wie  z.  B.  die  SchilddrĂŒse, 
die  KeimdrĂŒsen,  die  Nebennieren  usw.  Ist  ihre  Entwicklung 
gesteht,  so  kommt  es  zu  Krankheilen  des  Blutes.  Ihnen  allen 
isl  die  Krankheit  „Bleichsucht"  bekannt.  Sie  ist  kein 
Postulat  der  Entwicklungsjahre,  sondern  eine  in  diese 
Periode  fallende  Erkrankung  des  Körpers,  bezw.  der  blut- 
bildenden Organe  und  verlangt  daher  strikt  Àrztliche  Be- 
handlung. Wie  bei  jeder  Krankheit  chronischer  Natur  —  der 
Verlauf  der  Bleichsucht  nimmt  oll  mehrere  Jahre  in  An- 
spruch —  leidet  die  LeistungsfĂ€higkeit  des  Körpers  wĂ€hrend 
derselben  in  hohem  Maße.  Ihre  Behandlungswei.se  verlangt, 
je  nach  Schwere  des  Falles,  die  mannigfaltigsten  Be- 
dingungen. Je  nach  Vorschrift  des  Arztes  wird  das  bleich- 
sĂŒchtige  Kind  weitgehender  Schonung  in  der  Schule  und  der 
Pflege  im  Hause  bedĂŒrfen.  Allgemeine  Vorschriften  fĂŒr  die 
Behandlung  BleichsĂŒchtiger  in  der  Schule  lassen  sich  nicht 
gelten,  Ich  möchte  zum  Schluß  nicht  versĂ€umen  darauf  hin- 
zuweisen, daß  der  durch  die  Bleichsucht  geschĂ€digte  Orga- 
nismus wiederum  besonders  empfĂ€nglich  fĂŒr  Infektionen 
aller  Art  isl  und  auc  h  nac  h  dieser  Richtung  weitgehende 
Vorsicht  geboten  isl.  Nicht  selten  wird  eine  bis  dahin 
schlummernde  Tuberkulose  durch  die  Bleichsucht  aktiviert. 


Ich  bin  am  SchlĂŒsse  meiner  Betrachtungen.  Es  sei  mir 
noch  gestattet  in  KĂŒrze  einige  Richtlinien  zu  fixieren,  wie  ich 
mir  am  besten  die  Zusammenarbeit  von  Haus,  Schule  und 
Arzt  denke;  denn  daß  nur  ein  Zusammenarbeiten,  ein  Handf 
inhandgehen  dieser  drei  Faktoren  GĂŒnstiges  fĂŒr  iie  Entwic  k- 
lung der  Kinder  und  ihre  LeistungsfÀhigkeit  in  der  Schule 
schaffen  kann,  ist  ohne  weiteres  zuzugeben.  Beruhen  doch 
alle  Ursachen  —  abgesehen  von  akuten  Krankheiten  — ,  die 
die  LeistungsfĂ€higkeit  der  SchĂŒler  herabsetzen,  auf  Koni 
stitulionssc  hwÀc  hen,    Entwic  klungsslörungen    und  Krank! 

....  7  t  ~  O  .9 

heilen,  die  einen  exquisit  chronischen  Verlauf  nehmen.  Sie 
alle  lassen  sich  nicht  in  der  Àrztlichen  Sprechstunde  begut- 
achten und  endgĂŒltig  feststellen.  Zu  ihrer  Beurteilung  ge- 
hört vielmehr  genaueste  Familienanamnese,  Kenntnis  des 
Milieu,  in  dem  das  Kind  aufwÀchst,  objektive  Beurteilung  des 
Charakters,  des  Geistes  und  der  Moral  durch  einen  PĂ€dagogen; 
nur  mit  ihrer  Hilfe  lassen  sich  z.  B.  geistige  Krankheiten 
ursĂ€chlich  auseinanderhalten.  Alle  Beobachtungen  mĂŒssen 
fortlaufend  die  Entwicklung  des  Kindes  verfolgen.  Icdi  halte 
es  fĂŒr  wĂŒnschenswert,  daß  jedes  in  die  Schule  neu  ein! 
Ii  elende  Kind  bei  seiner  Aufnahme  vom  Schularzt  in  Gegen-; 
wart  der  Eltern  begutac  htet  wird,  damit  dem  Arzt  die  Mög- 
lichkeit gegeben  ist.  nicht  nur  die  Vorgeschichte  des  Kindes, 
sondern  auch  den  Findruck,  den  er  vom  Milieu  des  Hauses 
gewonnen,  in  dem  Gesundheitsschein  auf  das  Genaueste  zu 
notieren.  Diese  Vorgeschichte  und  die  objektiven  Beob- 
achtungen am  Kinde,  wie  sie  sich  bei  genauer  körperlicher 
Untersuchung  ergeben,  fĂŒllen  die  erste  Seite  des  Gesundheits- 
sc  heines  aus.  AlljÀhrlich  einmal  wiederholt  sich  die  Unter- 
suchung eines  jeden  Sc  hĂŒlers  durc  h  den  Schularzt,  sonst 
wird  er  ihm  nur  zugefĂŒhrt,  sobald  der  Lehrer  Beobachtungen 
am  Kinde  macht,  die  geeignet  sind,  ihn  zu  veranlassen,  den 
Rat  des  Arztes  einzuholen.  Die  Antrage  des  Lehrers  wird 
ebenso  wie  der  Rat  des  Arztes  und  der  Erfolg  desselben  fort- 
laufend im  Gesundheitsschein  des  Kindes  niedergelegt.  Ver- 
mittelst des  Lehrers  steht  Sc  hule  und  Arzt  mit  dem  Hause 
des  Kindes  in  steter  BerĂŒhrimg;  alle  Beobachtungen  und  Ein- 
wÀnde der  Eltern  notiert  er  im  Gesundheitsscheine.  Dieses 
begleitet  den  SchĂŒler,  solange  er  die  Schule  besucht,  fort- 
laufend; auch  wenn  die  Schule  gewechselt  wird,  wandert  Cl- 
aus dem  Archiv  der  ersten  in  das  der  zweiten.  Nur  eine 
solche  fortlaufende  Geschichte  des  Entwicklungsganges  eines 

TT  *  " 

Kindes  in  der  Schule  kann  den  gewĂŒnschten  Wert  haben,  wo 
zu  gleicher  Zeit  und  mit  gleichem  Werte  die  Beobachtungen 
des  Lehrers  und  des  Arztes  notiert  sind.  Vom  Arzte  mĂŒssen 
Interesse  fĂŒr  das  Kind  und  seine  Entwicklung  verlangt 
werden  und  Erfahrung  in  der  Beurteilung  von  Kindern. 
Daher  halte  ich  es  fĂŒr  das  WĂŒnschenswerteste,  daß  in  jeder 
Kommune  sich  ein  Arzt  ausschließlich  der  TĂ€tigkeit  eines 
Schularztes  widmet;  ich  halte  an  der  Wichtigkeit  des 
Schularztes  im  Hauptamte  fest.  Ihm  zur  Seite  treten  dann 
AssislenzĂ€rzte  und  Schulschwestern,  wobei  fĂŒr  MĂ€dchen- 
schulen unbedingt  weibliche  Aerzte  verlangt  werden  mĂŒssen. 
Dem  Schularzte  im  Hauptamte  steht  das  gesamte  Material  der 
Gesundheitsscheine  zur  VerfĂŒgung;  ihm  nur  fĂ€llt  die  Ent- 
scheidung in  allen  Àrztlichen  Fragen  zu,  ob  sie  Schule  oder 
SchĂŒler  betreffen.  So  nur  kann  ein  wertvolles  Material  ge- 
schaffen werden,  gegrĂŒndet  und  aufgebaut  auf  nach  einheit- 
lichen Gesiehtspunkten  gesammelten  Beobachtungen  er- 
fahrener PĂ€dagogen  und  SchulĂ€rzte,  das  fĂŒr  Schule  und 
SchĂŒler  von  weitgehendem  Nutzen  sein  wird. 


(Ans  der  UniversitÀts-Kinderkhnik  zu  öreslau.) 
(Direktor:  Professor  Dr.  S  t  o  1  te.) 

Die  Anwendung  der  Bluttransfusion 
in  der  PĂ€diatrie. 

Von  Hans  O  p  i  1  z  ,  Assistent  der  KJinik. 

Die  BlutĂŒbertragung  von  einem  Individuum  auf  das  andere, 
hat  bisher  in  der  PĂ€diatrie  wenig  Eingang  gefunden.  Soweit 
ich  die  deutsche  Literatur  ĂŒbersehe,  liegen  nur  kasuistische 
Mitteilungen  vor.    Hasse''  scheint  der  erste  gewesen  zu 


40.  Jahrg.     Nr.  2(5 


Opitz:  Bluttransfusion. 


4T»  t 


sein,  der  1874  neben  dem  damals  gebrÀuchlichen  Tierblul 
auch  schon  defibriniertes  Menschenblut  bei  einigen  jungen 
Kindern  verwandte.  G  o  e  b  e  1 1  und  Poggeman  n2)  be- 
richten ĂŒber  den  guten  Einfluß  der  direkten  Bluttransfusion 
bei  einem  9  jÀhrigen  Knaben  mit  Blulungsanam'ie.  Im  vorigen 
Jahre  teilte  Arkena  u3)  einen  Fall  von  Jaksch-Hayem- 
scher  AnÀmie  mit,  der  durch  wiederholte  intravenöse  und 
intramuskulÀre  Injektionen  kleiner  Mengen  Zitratblutes  erfolg- 
reich behandelt  wurde.  Umfangreicher  ist  die  amerikanische 
Literatur.  Danach  sind  es  besonders  die  hÀmorrhagischen 
Diathesen  der  Neugeborenen,  die  nach  den  ersten  Heilungen 
von  Melaena  durch  Lambert  (1908)  und  Swain  (1909) 
das  Hauptanwendungsgebiet  fĂŒr  intravenöse  Transfusionen 
darstellen. 

FĂŒr  die  BlutĂŒberpflanzung  von  einer  Person  auf  die  an- 
dere kommen  folgende  Verfahren  in  Frage: 

A.  Die  intravasale  Zufuhr,  und  zwar. 

1.  die  direkte  Transfusion,  d.  h.  die  unmittelbare  Ueber- 
leitung  von  Arterie  zu  Vene  oder  von  Vene  zu  Vene  m-it 
Hilfe  der  Carrelschen  GefÀknaht,  oder  unter  Benutzung 
von  Prothesen  aus  Gummi,  Glas,  Metall,  tierischem  Ge- 
fÀhrohr  usw. 

2.  die  indirekte  Transfusion, 

a)  dabei  wird  entweder  eine  mittelbare  Verbindung 
zwischen  Blutsystem  von  Spender  und  EmpfÀnger 
unter  Einschaltung  einer  Spritze  mit  Zweiwegehahn 
geschaffen*), 

b)  oder  das  Spenderblut  wird  erst  in  vitro  durch  che- 
mische EinflĂŒsse  (Natrium  citricum)  oder  phy- 
sikalische Einwirkungen  (Defibrinieren)  VerÀnderun  - 
gen unterworfen,  ehe  es  injiziert  bzw.  infundiert  wird. 
Bei  dieser  letzten  Methode  handelt  es  sich  eigentlich 
streng  genommen  um  keine  Transfusion,  doch  ist 
auch  hierfĂŒr  der  Ausdruck  „indirekte  Transfusion" 
ĂŒblich  geworden,  weswegen  er  beibehalten  werden 
soll. 

B.  Die  extravasale  Zufuhr,  die  in 

1.  subkutaner  oder 

2.  intramuskulÀrer 

Applikation  sowohl  frisch  entnommenen  unbehandelten 
wie  defibrinierten  oder  durch  Zusatz  von  Natrium  citri- 
cum ungerinnbar  gemachten  Blutes  besteht. 

Ehe  man  sich  nun  fĂŒr  die  eine  oder  andere  Hauptmethode 
(A  oder  B)  entschliekt,  muk  man  sich  klar  sein,  was  dieselben 
leisten  bzw.  was  man  mit  der  BlutĂŒbertragung  erreichen  will. 
Handelt  es  sich  darum,  Erythrocyten  als  SauerstofftrÀger  zu- 
zufĂŒhren, so  wird  man  nur  die  intravenöse  Einverleibung 
wĂ€hlen  dĂŒrfen,  da  extravaskulĂ€r  injizierte  Erythrocyten  nicht 
oder  nur  zu  einem  sehr  kleinen  Teil  in  den  Kreislauf  aufge- 
nommen werden.  Auch  eine  unmittelbare  PlÀttchenwirkung, 
wie  man  sie  bei  bedrohlichen  thrombopemschen  Blutungen 
anstrebt,  dĂŒrfte  in  erster  Linie  d|urc'h  die  direkte  UeberfĂŒhrung 
von  ThrombocYten  in  den  Kreislauf  zu  erzielen  sein.  Dagegen 
lĂ€kt  siĂŒh  eine  Reizwirkung  auf  die  erythropoetischen  Organe 
sowohl  durch  intra-  wie  extravasale  Einverleibung  ausĂŒben. 
Denn  nur  so  kann  die  bei  mehrfachen  intravenösen  und  intra- 
muskulÀren bzw.  subkutanen  Injeklionen  kleiner  Blutmengen 
beobachtete  Steigerung  von  HĂ€moglobin  und  Erythrocyten - 
zahl  gedeutet  werden.  Dabei  handelt  es  sich  nicht  nur  um 
eine  unspezifische  Eiweikkörpertherapie,  vielmehr  spielt 
sicherlich  auch  die  mit  der  ErYthrocytenzufuhr  erfolgende  Bei- 
bringung von  Bausteinen  eine  Rolle.  In  diesem  Sinne  wirkt 
scheinbar  auch  die  neuerdings  empfohlene  rektale  Blutappli- 
kation. Bezweckt  man  schlieklich  mit  der  BlutĂŒberpflanzung 
die  Schaffung  oder  Vermehrung  von  Immunstoffen  (prophy- 
laktisch  und  therapeutisch  bei  Infektionskrankheiten)  oder  Ge- 
rinnungsfaktoren (bei  hÀmorrhagischen  Diathesen),  so  wird 

')  Auch  die  von  v.  Ziemssen  empfohlene  direkte  Entnahme 
mittels  Spritze  und  sofortige  Injektion  des  unbehandelten  Blutes  in 
die  Fmpfangervene  sei  hier  erwÀhnt. 


die  Arl  dei  Verabfolgung  im  gan/en  gleich  sein,  voraus- 
gesetzt, dak  man  auch  extravasal  die  nötigen  Mengen  de 
ponieren  kann.  FĂŒr  eine  moglichsl  schnelle  und  energische 
Wirkung  ist  freilich  in  erster  Linie  auch  hier  die  inh  avenosr 
Uebertragung  zu  wÀhlen.  )e  nach  dem  Zweck,  den  man  an- 
strebt, wird  man  sich  also  fĂŒr  die  eine  oder  die  andere  Me- 
thode zu  entscheiden  haben,  das  Gesarntblul  oder  nur  Plasma 
bzw.  Serum  verwenden.  Denn  /.  T.  sind  ja  die  Elemente,  die 
wir  mit  der  Transfusion  zufĂŒhren  wollen,  hauptsĂ€chlich  in  der 
/.ellfreien  FlĂŒssigkeit  enthalten,  wie  die  Immunkörper  und  die 
zur  Gerinnung  erforderlichen  Stoffe. 

Die  DomĂ€ne  fĂŒr  die  BlutĂŒbertragung  im  Kindesalter  bilden 
die  anÀmischen  ZustÀnde,  insbesondere  die  der  ersten  Lebens- 
jahre, deren  Pathogenese  ja  vielfach  noch  völlig  ungeklail 
ist.  Die  Verfahren,  die  eine  Reizwirkung  auf  das  Knochen- 
mark ausĂŒben,  die  extravasale  Blutzufuhr  und  die  intravenöse 
Injektion  kleiner  Mengen  halten  wir  in  FĂ€llen  mit  embryonalem 
Blutbildungstyp  direkt  fĂŒr  kontraindiziert.  Hier  handelt  es  sich 
ja  bereits  um  eine  gesteigerte  Funktion  der  blutbildenden  Ap- 
parate, die  vermutlich  sowohl  durch  einen  direkten  Reiz  als 
auch  durch  einen  vermehrten  Erythi  ocytehbedarf  infolge  ge- 
steigerten Zerfalls  in  der  Peripherie  bedingt  ist.  Diese 
dauernde  Mehrleistung  kann  schlieklich  zu  einem  Er- 
schöpfungszustand der  BlutbildungsstĂ€tten  fĂŒhren,  wie  er  mit- 
unter auch  ohne  ein  vorausgegangenes  Reizstadium  z.  B.  bei 
akuten  oder  chronischen  Infekten  beobachtet  wird.  Bei  diesen 
ZustÀnden  wird  ein  weiteres  Stimulieren  eher  schaden  als 
nĂŒtzen  mĂŒssen.  Hier  dĂŒrfte  ein  ganz  anderes  Verfahren  am 
Platze  sein,  nÀmlich  ein  Verfahren,  das  die  Uebernahme  der 
Arbeit  der  erythropoetischen  Organe  bezweckt.  Das  kann  nur 
durch  die  intravaskulÀre  Zufuhr  körperfremder  Erythrocyten 
erreicht  werden,  die  natĂŒrlich  nicht  nur  funktionstĂŒchtig,  son- 
dern auch  fĂŒr  lĂ€ngere  Zeit  lebensfĂ€hig  sein  mĂŒssen.  Die 
vitale  Funktion  ĂŒberpflanzter  roter  Blutkörperchen  steht  nach 
der  vielfach  erprobten  Wirkung  der  Bluttransfusionen  bei  aus- 
gebluteten und  mit  dem  Erstickungstode  ringenden  Verwun- 
deten aufcer  allem  Zweifel.  Aber  auch  die  selbst  heute  noch 
bestrittene  LebensfÀhigkeit  ist  erwiesen.  Wie  unsere  in  der 
Monatsschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde  erscheinenden  Unter- 
suchungsergebnisse zeigen,  können  körperfremde  Erythro- 
cyten eine  ebenso  lange  Lebensdauer  haben,  wie  körper- 
eigene. 

Die  AnĂ€miebebandlung  durch  BlutĂŒberpflanzung,  die  auf 
Veranlassung  von  Herrn  Prof.  S  t  o  I  t  e  in  Angriff  genommen 
wurde,  ĂŒben  wir  seit  1919  aus.  Ueber  die  ersten  drei  FĂ€lle 
hat  H  a  r  r  i  e  h  a  u  s  e  n4)  schon  einmal  kurz  berichtet.  Seitdem 
sind  bei  21  FĂ€llen  52  Transfusionen  ausgefĂŒhrt  worden.  Die 
direkte  Methode  erschien  ungeeignet,  da  sie  die  Hilfe  eines 
Chirurgen  und  bei  den  unruhigen  Kindern  auch  Narkose  er- 
fordert. Letztere  halten  wir  bei  anÀmischen  Individuen,  die 
an  sich  schon  zu  Bronchopneumonien  neigen,  wegen  etwaiger 
Lungen'komplikationen  fĂŒr  eine  groke  Gefahr.  Auch  bei  der 
eigentlichen  indirekten  Transfusion  (A,  2,  a)  wird  man  ge- 
wöhnlich auf  das  Freilegen  einer  grĂ¶ĂŸeren. Vene  und  auf  Nar- 
kose nicht  verzichten  können.  Beides  kann  man  im  allge- 
meinen bei  der  intravenösen  Injektion  bzw.  Infusion  ungerinn- 
bar gemachten  Blutes  vermeiden,  wie  die  weiter  unten  er- 
folgende Darstellung  unserer  Methodik  ergibt.  Und  zwar  ver- 
wandten wir  Zitratblut  und  nicht  defibriniertes  Blut,  um  die 
Zellen  möglichst  wenig  zu  alterieren  und  jede  unnötige  Steri- 
litÀtsgefÀhrdung  zu  vermeiden.  Die  Entnahme  erfolgt  mittels 
einer  mittelstarken  Punktions.nadel  aus  einer  Armvene  des 
Spenders.  Das  Blut  wird  in  einem  graduierten  Zylinder  auf- 
gefangen, in  dem  sich  bereits  diejenige  Menge  einer  2%igen 
Natrium-citricum-Lösung  befindet,  die  dem  zehnten  Teile  des 
zu  gewinnenden  Blutvolumens  entspricht.  Zur  besseren 
Durchmischung  empfiehlt  es  sich,  das  Gemisch  in  einen  Erlen- 
meYerkolben  zu  ĂŒberfĂŒhren.  Auf  Paraffinerien  der  Apparatur 
kawi  man  verzichten. 

Die  Hauptschwierig'keiten  in  technischer  Hinsicht  sind 
beim  jungen  Kinde  durch  den  Mangel  an  geeigneten  GefÀken 
bedingt.  Gewöhnlich  sind  sichtbare  Venen  an  den  Extremi- 
tÀten nicht  vorhanden  und  wenn  es  der  Fall  ist,  sind  sie  so 


452 


Opitz:  Bluttransfusion. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


dĂŒnn,  dak  sie  nur  geringe  FlĂŒssigkeitsmengen  zu  fassen  ver- 
mögen. Manchmal  wird  man  die  Vena  jugularis  externa  fĂŒr 
die  Transfusion  benutzen  können,  doch  erscheint  sie  fĂŒr  die 
Injektion  groker  Volumina  nicht  sehr  geeignet.  Eine  kleine 
Bewegung  des  in  sehr  unbeguemer  Haltung  fixierten  Kopfes, 
ein  Abschwellen  des  beim  Einstich  infolge  Schreiens  stark 
gefĂŒllten  GefĂ€kes  in  der  Ruhe  lĂ€kt  die  KanĂŒle  leicht  wieder 
herausgleiten.  In  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  findet  sich  jedoch 
beim  SÀugling,  mitunter  auch  noch  beim  Àlteren  Kinde,  eine 
brauchbare  Vene  an  der  Temporalseite  des  SchÀdels  oder 
an  der  Stirn.  Vielfach  tritt  sie  erst  nach  Rasieren  deutlicher 
in  Erscheinung  oder  nach  Abreiben  der  Haut  mit  Xylo).  Die 
weitere  Reinigung  geschieht  mit  Alkohol  und  Aether.  Die  In- 
jektion erfolgt  in  liegendler  Haltung  unter  Verwendung  einer 
Anzahl  von  10  cm  -  Rekordspritzen,  die  immer  wieder  mit 
Kochsalzlösung  durchgespĂŒlt  werden.  Bei  schwer  gehendem 
Kolben  paraffiniert  man  zweckmÀkigerweise  den  Glaszylin- 
der. Unmittelbar  vor  der  Transfusion  wird  das  Blut  auf  Kör- 
pertemperatur erwĂ€rmt  und  durch  eine  4—5  fache  Mullschieht 
filtriert.  Steht  keine  geeignete  SchĂ€delvene  zur  VerfĂŒgung, 
so  benĂŒtzen  wir  bei  offener  Fontanelle  den  Sinus  longitudi- 
nalis.  Dabei  bediene  ich  mich  eines  Irrigators  mit  einem  1  K  m 
langen  Gummischlauche,  in  den  kurz  vor  dem  ein  gut  passen- 
des AnsatzstĂŒck  tragenden  Ende  zwei  etwa  10  cm  von  ein- 
ander entfernte  Glasrohre  eingeschaltet  sind.  Der  Schlauch 
kann  durch  eine  verschraubbare  Klemme  gedrosselt  werden. 
Das  System  wird  bis  zur  Ausfluköffnung  des  Glaszylinders 
mit  physiologischer  Kochsalzlösung*)  gefĂŒllt,  das  Blut 
direkt  in  diesen  filtriert  und  dann  soviel  FlĂŒssigkeit 
abgelassen,  bis  die  BlutsÀule  im  ersten  Glasrohr  er- 
scheint Nun  wird  am  liegenden  Kinde  mit  einer  ca. 
6  —  8  mm  langen,  nicht  gar  zu  feinen  Platinnadel  eine 
legelrechte  Sinuspunktion  nach  Tob  ler  ausgefĂŒhrt,  die 
Spritze  abgesetzt  und  die  KanĂŒle  mit  dem  Schlauch  verbun- 
den. Liegt  die  Nadel  richtig,  so  sieht  man  beim  Senken  des 
Irrigators  sehr  bald  das  EmpfÀngerblut  in  das  zweite  Glas- 
stĂŒck  treten.  Jetzt  kann  die  Infusion  vor  sich  gehen.  Durch 
ein  angewĂ€rmtes  Tuch  wird  der  Zylinderinhalt  vor  AbkĂŒhlung 
bewahrt.  Auch  ohne  diese  letzte  Maßnahme  haben  wir  keine 
SchÀdigung  beobachtet.  Zum  Schluk  wird  das  Schlauch- 
system  durch  NachfĂŒllen  von  Kochsalzlösung  geleert.  Die  Ein- 
laufsdauer  betrĂ€gt  fĂŒr  150  ccm  Blut  ca.  20—30  Minuten,  in 
der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  erfolgt  der  Abfluk  sehr  prompt,  nur 
bei  einigen  in  extremis  behandelten  SĂ€uglingen  gab  es  mehr 
oder  weniger  rasch  Stockungen,  die  wohl,  durch  die  dianieder- 
liegende  Zirkulation  bedingt  waren.  In  einem  solchen  Fall  fand 
sich  bei  der  Autopsie  auch  einmal  ein  flaches  subpiales  HĂ€- 
matom, das  wohl  auf  Stauung  und  leichte  Zerreikbarkeit  der 
GefÀjje  des  im  moribunden  Zustande  befindlichen  Kindes,  zu- 
rĂŒckzufĂŒhren ist,  wĂ€hrend  alle  anderen  Obduktionen  keinerlei 
Lasionen  ergaben.  Auch  klinisch  haben  wir  bei  14  intrasinösen 
BlutĂŒberpflanzungen,  denen  sich  noch  eine  Anzahl  von  Rin- 
gerlösunginfusionen zugesellen,  nicht  die  geringsten  Reiz- 
erscheinungen oder  irgendwelche  sonstigen  Störungen  beob- 
achtet. Bei  genauer  Befolgung  der  von  uns  angegebenen 
Methodik  stellt  die  intrasinöse  Infusion  ein  durchaus  unge- 
fÀhrliches Verfahren  dar,  das  auf  einfache  Weise  beim  SÀug- 
ling die  intravasale  Zufuhr  groker  FlĂŒssigkeitsmengen  ermög- 
licht. Auf  die  Verwendung  kurzer  Punktionsnadeln  legen  wir 
groken  Wert,  da  man  so  mit  ziemlicher  Sicherheit  ein  Durch- 
stoßen der  Wand  des  Blutlei  (ei  s  vermeiden  ka  nn.  Steht  bei 
geschlossener  Fontanelle  keine  sichtbare  Vene  zur  VerfĂŒgung, 
so  wird  man  freilich  das  Freilegen  eines  GefÀkes  nicht  um- 
gehen können. 

Wo  es  irgend  angÀngig  war,  haben  wir  schon  aus  Àukeren 
GrĂŒnden  elterliches  Blut  verwandt,  und  nur  vereinzelt  wurden 
fremde  Spender  herangezogen.  Ob  diese  ebenso  geeignet 
sind,  können  wir  auf  Grund  unseres  kleinen  Materials  nicht 
entscheiden.  In  jedem  Fall  muk  natĂŒrlich  durch  entsprechende 
Untersuchungen,  die  Uebertragung  von  Infektionen,  insbeson- 


*)  Ringerlösung  ist  zu  vermeiden,  da  das  in  ihr  enthaltene  Ca 
die  gerinnungsverhindernde  Wirkung  des  Na  Citricum  aufhebt. 


dere  Lues  und  Tuberkulose,  ausgeschlossen  werden.  Das 
Verwandtenblut  bevorzugen  deswegen  manche  Autoren,  weil 
sie  dadurch  die  sogenannten  Transfusionsfolgen  eher  ver- 
meiden zu  können  glauben.  Temperatursteigerungen  bleiben 
auch  danach  nicht  aus,  bei  Transfusionen  von  100  ccm  und 
darĂŒber  haben  wir  sie  fast  ausnahmslos  beobachtet.  Meist 
erreicht  das  Fieber  schon  nach  wenigen  Stunden  seinen  Höhe- 
punkt, um  dann  rasch  wieder  abzufallen.  SchĂŒttelfrost  sahen 
wir  sehr  selten,  ein  urtikarielles  Exanthem  nur  einmal.  Dieses 
trat  unmittelbar  nach  der  Injektion  von  100  ccm  vÀterlichen 
Blutes  auf,  und  war  bereits  nach  drei  Stunden  wieder  ab- 
geklungen. Vermehrte  Ausscheidung  von  Urobilin,  Urobi- 
linogen  und  Indikan  im  Harn  ist  nicht  hÀufig,  dagegen  lÀkt 
sich  öfter  einen  Tag  oder  mehrere  Tage  nach  der  Transfusion 
eine  Eryfhrocyturia  minima  nachweisen.  HĂ€molyse  kommt 
gleichfalls  selbst  bei  Verwendung  mĂŒtterlichen  Blutes  vor,  wie 
der  einzige  von  uns  festgestellte  Fall  von  HĂ€moglobinurie 
zeigt.  In  vitro  wurden  dabei  die  mĂŒtterlichen  Erythrocyten 
in  sehr  geringem  Make  von  dem  kindlichen  Plasma  aufgelöst 
Eine  nachherige  Injektion  von  Fremdblut  wurde  anstandslos 
vertragen.  Die  Ansichten  ĂŒber  den  Wert  vorheriger  PrĂŒfungen 
auf  Agglutination  und  HĂ€molyse  sind  noch  geteilt,  und  wenn 
auch  vielfach  die  Ergebnisse  der  Reagensglasversuche  mit 
den  Reaktionen  in  vivo  nicht  parallel  gehen,  so  möchten  wir 
doch  auf  Grund  der  oben  mitgeteilten  Erfahrung  entschieden 
widerraten,  einen  in  vitro  ungeeignet  erscheinenden  Spender 
zu  benutzen.  Dabei  legen  wir  nur  Wert  auf  die  HĂ€molyse,  die 
wir  stets  sowohl  fĂŒr  Spender-  wie  EmpfĂ€ngererythrocyten  vor 
der  Transfusion  ausseht  ieken.  Nur  wenn  eine  Indicatio  Vitalis 
sofortiges  Handeln  erfordert,  halten  wir  einen  Verzicht  auf 
ReagensglasprĂŒfungen  fĂŒr  berechtigt. 

Zur  Untersuchung  auf  HĂ€molyse  werden  0,1  ccm  einer 
5%igen  Aufschwemmung  gewaschener  Spendererythrocylen ' 
mit  0,2  ccm  Zitratplasma  des  EmpfÀngers  in  einem  engen 
Röhrchen  gemischt  und  umgekehrt.  Nach  zweistĂŒndigem  Ver- 
weilen im  Brutschrank  liest  man  das  Resultat  ab.  Bei  unvoll- 
stÀndiger Sedlimentierung  wird  kurz  zentrifugiert.  Da  das  bei 
jungen  Kindern  aus  der  Zehe  oder  Ferse  gewonnene  Blut 
beim  Defibrinieren  fast  stets  stank  hÀmolyticsh  wird,  empfiehlt 
es  sich,  nicht  Serum,  sondern  Plasma,  das  ja  auch  den  tat- 
sÀchlichen VerhÀltnissen  besser  gerecht  wird,  zu  verwenden. 

Um  die  Reaktionsweise  des  Organismus  kennen  zu  lernen, 
werden  zunĂ€chst  10—20  ccm  Blut  intravenös  injiziert.  Gleich- 
zeitig wird  von  dem  Zitratblut  eine  Probe  zwecks  bakterio- 
logischer Untersuchung  entnommen.  Diese  SterilitĂ€tsprĂŒfung 
halten  wir  fĂŒr  wĂŒnschenswert,  da  selbst  bei  sorgfĂ€ltigstem  Ar- 
beiten Verunreinigungen  durch  Luftkeime  vorkommen  können. 
Bei  negativem  Ausfall  der  Blutkulturen  und  ausbleibender 
HÀmoglobinurie  erfolgt  am  nÀchsten  Tage  die  eigentliche 
Transfusion.  War  schon  nach  der  Probeinjektion  Fieber  auf- 
getreten, wird  ein  Antipyreptikum  prophylaktisch  verabreicht. 
Die  Kinder  bleiben  fĂŒr  den  Eingriff  nĂŒchtern  und  werden  erst 
eine  Stunde  hinterher  gefĂŒttert,  um  etwaiges  Erbrechen  zu 
verhĂŒten. 

Da  wir  jeglichen  Reiz  vermeiden,  vielmehr  das  Knochen- 
mark entlasten  wollen,  ist  es  unser  Bestreben,  durch  wenige 
groke  Blutzufuhren,  den  Blutstaius  möglichst  schnei)  auf  die 
Norm  zu  bringen.  Bei  Kindern  ist  die  Angabe  der  ĂŒber- 
tragenen Blutmenge  in  Kubikzentimetern  kein  geeigneter  Maß- 
stab fĂŒr  die  Beurteilung  des  Erfolges.  Denn  das  gesamte 
Körperblutvolumen  ist  ja  hier  keine  konstante  Gröke  wie  beim 
Erwachsenen,  sondern  je  nach  Alter  und  Entwicklungsgrad 
sehr  verschieden.  Es  mĂŒssen  also  beispielsweise  100  ccm  bei 
einem  4000  g  wiegenden  SĂ€ugling  einen  ganz  anderen  Effekt 
haben,  als  bei  einem  doppelt  so  schweren.  Dagegen  bildet 
die  pro  cbmm  EmpfÀngerblut  errechnete  Erythrocytenzufuhr 
einen  brauchbaren  Vergleichswert.  Die  Berechnung  gestaltet 
sich  folgendermaken:  Nimmt  man  an,  daß  das-  Spenderblut 
5  000  000  rote  Blutkörperchen  enihÀlt,  so  muh  man.  um  die 
Erythrocytenblut  des  EmpfÀngers  um  1  000  000  zu  erhöhen, 
das  Blutvolumen  des  letzteren  durch  5  dividieren,  um  die  dazu 
erforderliche  Bluimcnge  /.v  eruieren.  Dabei  wird  das  Ge- 
samtvolumen mit  Vu  des  Körpergewichts  angenommen. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2tt  Behrendt:  Erbrechen  der  SĂ€uglinge  453 


Beispiel:  Ein  Kind  von  5600  g  ĂŒewichl  hai  2%  Millionen 
Ei  Ythrocyten.  Will  man  diese  um  1  Million  vermehren,  so  muß 

man  )<'<)0  =  400  (BSuimenge)  :  5  =  80  cem  körperfremden 
14 

Blutes  zufĂŒhren.  Verwende}  man  Zitratblul,  so  erhöhl  sich 
das  Volumen  jeweils  um  10  %.  Dabei  lassen  wir  das  mit- 
verabfolgle  Plasma  außer  Berechnung,  da  dieses  offenbar 
sehr  schnell  die  Blutbahn  wieder  verladt.  Wir  haben  so  in 
einer  einmaligen  Sitzung  bis  1  800  000  ErYthrocYten  pro  ebrnm 
und  bis  Y*  der  gesamten  Körperblutmenge  ĂŒbertragen,  ohne 
SchÀdigungen  zu  verursachen.  Nur  bei  einem  sehr  elenden 
SĂ€ugling  mit  schwer  daniederliegender  Zirkulation,  der  nach 
lntrajugularer  Injektion  von  30  cem  Zitratblut  ad  exitum  kam, 
besteht  die  Möglichkeit,  daß  die  Transfusion  eine  akute  Herz- 
insufficienz  ausgelöst  hat.  Man  wird  also  in  FÀllen  mit 
schwerer  HerzschĂ€digung,  die  im  Kindesalter  bei  den  fĂŒr  die 
BlutĂŒberpflanzung  in  Betracht  kommenden  ZustĂ€nden  im 
ganzen  sehr  selten  sind,  besonders  vorsichtig  sein  mĂŒssen. 
Lieberhaupt  dĂŒrfte  es  sich  empfehlen,  die  Transfusionen  nur 
sehr  langsam,  im  Verlauf  von  15—30  Minuten,  auszufĂŒhren. 

Um  die  FlĂŒssigkeitsmenge  zu  beschrĂ€nken,  wurde  ver- 
schiedentlich das  zu  injizierende  Blutvolumen  durch  Plasma- 
entziehung auf  %  —  %  der  ursprĂŒnglichen  GrĂ¶ĂŸe  eingeengt, 
da  es  ja  in  erster  Linie  auf  die  Vermehrung  von  Salierstoff- 
trĂ€gern ankam.  Die  Transfusionen  werden  in  A  —  1  wöchigen 
AbstĂ€nden  wiederholt,  bis  das  erstrebte  Ziel,  die  „AuffĂŒllung" 
auf  die  Norm,  erreicht  ist.  Das  gelang  in  einem  Fall  schon 
nach.  5  Tagen,  spÀtestens  innerhalb  von  3  Wochen. 

Ein  Beispiel  möge  die  Wirkung  der  Transfusionsbehand- 
lung illustrieren. 

Lotte  M.,  geb.  d.  8.  2.  21.  AlimentÀre  AnÀmie. 

Von  dem  am  11.  11.  21  erhobenen  Aufnahmestatus  sei  nur  er- 
wÀhnt: leichte  Rachitis,  systolisches  GerÀusch  an  allen  Herzostien 
und  ein  3  bzw.  2  Querfinger  ĂŒber  den  Rippenbogen  reichender  Milz- 
und  Leberlumor.  Gewicht  6550  g,  LĂ€nge  66  cm.  Oedeme,  Blut- 
befund: 33,75  %  Hgb.,  1  300  000  ErythrocYten,  13  320  Leukocyten, 
2930  Normo-  und  800  Makroblasten,  pro  cbmm.  Poikilocytose, 
Anisocytose,  Polychromasie.    Appetit  schlecht,  erbricht  bisweilen. 

17.  11.:  37,5%  Hgb.,  1  650000  ErythrocYten.  13300  Leukocyten, 
27  880  PlÀttchen,  3400  Normo-,  600  Makroblasten. 

18.  11.:  150  cem  vÀterlichen  Blutes  intrasinös,  d.  h.  ca.  1  400  000 
Erythrocyten  pro  cbmm;  Höchsttemperatur  38,5  Grad  nach  10  Stunden. 

21.  11.:  67,5%  Hgb.,  2  928  000  ErythrocYten,  11280  Leukocyten, 
2654  Normo-,  826  Makroblasten.  Viel  bessere  Farbe,  Oedeme  ge- 
schwunden, systolisches  GerÀusch  nicht  mehr  hörbar,  Milz  und  Leber 
unverÀndert. 

28.  11.:  Sehr  munter,  Appetit  besser.  75%  Hgb.,  3  252  000 
ErythrocYten,  11  250  Leukocyten,  28  520  PiÀttchen.  1022  Normo-,  114 
Makroblasten.  150  cem  vÀterlichen  Blutes  intrasinös  (ca.  1  400  000 
Erythrocyten  pro  cbmm).   Kein  Fieber. 

29.  11.:  104  %  Hgb.,  4  722000  ErythrocYten. 

1.  12.:  112,5%  Hgb.,  5080000  ErythrocYten,  12000  Leukocyten. 
keine  unreifen  Blutzellen.  Normale  Form  und  Farbe  der  Erythro- 
cyten. Systolisches  GerÀusch  dauernd  geschwunden.  Leber  \lA, 
Milz  2  Querfinger,  weicher. 

3.  1.  22:  Der  Blutstiatus  ist  bei  fast  tÀglicher  Untersuchung  in 
jeder  Hinsicht  normal  geblieben,  auch  die  PlÀttchenzahl  ist  auf 
123  000  angestiegen.  Das  Kind  wird  bei  bestem  Allgemeinbefinden 
mit  einer  Gewichtszunahme  von  1420  g  entlassen. 

13.  3.  22:  Seit  der  Entlassung  hat  sich  am  Blutbefunde  nichts 
geÀndert.  Gewichtszunahme  VA  kg!  Leber  \y2,  Milz  Vi  Querfinger. 

Diese  kurze  Mitteilung  genĂŒgt,  um  -den  geradezu  glĂ€n- 
zenden Effekt  der  BlutĂŒberpflanzung  zu  veranschaulichen. 
Ausnahmslos  wurden  schwere  und  schwerste  FĂ€lle  von  ali- 
mentÀrer AnÀmie  behandelt.  Bei  den  meisten  War  die  Erythro- 
CYtenzahl  auf  2  Millionen  oder  noch  stÀrker  reduziert.  Die 
Kinder  sahen  auch  dementsprechend'  wachsblaß  aus,  ihre 
Lippen  waren  kaum  gefÀrbt,  Appetit  und  Allgemeinbefinden 
schlecht.  Fast  momentan  Àndert  sich  das  Bild  mit  der  ersten 
grĂ¶ĂŸeren  Transfusion.  Schon  wĂ€hrend  derselben  röten  sich 
Nasenspitze  und  Ohren,  dann  die  Lippen  und  schließlich  nimmt 
die  gesamte  Körperhaut  einen  rötlichen  Schimmer  an,  dabei 
werden  die  anfangs  schreienden  Kinder  sehr  bald  ruhig, 
atmen  langsam  und  regelmĂ€ĂŸig,  die  Herztöne  weiden  krĂ€f- 
tiger. Oft  schon  nach  der  zweiten  Infusion  unterscheidien  sie 
sich  durch  nichts  von  Gesunden.  Sehr  rasch  Àndert  sich  ge- 
wöhnlich auch  die  Stimmung  der  kleinen  Patienten,  sie  wei  den 


zugĂ€nglicher,  lachen  und  spielen  und  zeigen  Interesse  fĂŒr  die 
Umgebung.  Ebenso  wird  der  Appelil  meist  gĂŒnstig  beein- 
fluß). Die  ErnĂ€hrung  haben  wir  zwar  absichtlich  milchreich 
gestaltet,  außer  in  den  FĂ€llen,  wo  Darmslöi  uiigen  ein  be- 
sonderes Regime  erforderten,  doch  dĂŒrfte  sich  in  pi.ixi 
die  allgemein  als  zweckmĂ€ĂŸig  erkannte  g e tri i sohle  Kost 
mit  Mitchreduktion  empföhlen.  Nicht  selten  treten  nach 
großen  Transfusionen  vermehrte  und  schleimige  StĂŒhle 
auf,  die  gewöhnlich  jedoch  in  wenigen  Tagen  ohne  wesent- 
liche NahrungsÀnderung  wieder  normal  werden  Eine  nen- 
nenswerte Zunahme  wird  vielfach  in  den  ersten  Wochen  ver- 
mißt, doch  stellt  sich  diese  ausnahmslos  hinterher  ein.  So 
hatte  z.  B.  ein  *U  jÀhre  altes,  mit  'j  kg  entlassenes  Kind  nach 
5  Monaten  sein  Gewicht  verdoppelt. 

Auch  das  Blutbild  wird  in  einer  Weise  beeinflußt,  wie  es 
durch  keine  andere  Therapie  möglich  ist.  Wir  sehen  bei  dem 
mitgeteilten  Beispiel  entsprechend  der  ErYthrocytenzufuhr 
einen  sprunghaften  Anstieg  der  Werte  fĂŒr  HĂ€moglobin  und 
rote  Blutkörperchen.  Nicht  alle  FÀlle  verlaufen  gleichartig. 
Nach  einzelnen  Transfusionen  zeigen  sich  mehr  oder  weniger 
erhebliche  Remissionen  oder  ein  der  zugefĂŒhrten  ErYthro- 
CYtenzahl  nicht  ganz  entsprechender  Anstieg,  was  auf  einen 
Untergang  von  roten  Blutzellen  hindeutet.  Andererseits  beob- 
achtet man  aber  auch  ein  nachtrÀgliches  Ueberschreiten  des 
durch  die  BlutĂŒbertragung  geschaffenen  Niveaus.  Sind  die 
Werte  fĂŒr  HĂ€moglobin  und  ErYthrocyten  erst  einmal  definitiv 
auf  die  Norm  gebracht,  so  wird  diese  gewöhnlich  auch  fernerhin 
innegehalten,  wie  momaie-  und  jahrelange  Beobachtungen  zei- 
gen. Mit  der  Zunahme  der  ErYthrocYtenzahl  geht  die  Besserung 
des  mikroskopischen  Blutbildes  parallel.  Die  Regenerations- 
und Degenerationserscheinungen  der  roten  Blutzellen  gehen 
zurĂŒck  und  sind  gewöhnlich  mit  dem  Erreichen  normaler 
ErYthrocYtenwerte  ĂŒberhaupt  nicht  mehr  nachweisbar.  An- 
dererseits sieht  man  bei  einem  vorĂŒbergehenden  Absinken  der 
Kurve  einen  Anstieg  der  Normoblasten.  Gerade  dieses  um- 
gekehrt proportionale  Verhalten  von  reifen  und  unreifen  For- 
men spricht  fĂŒr  die  Richtigkeit  unserer  Auffassung,  durch 
Zufuhr  körperfremder  ErYthrocYten  Entlastungstherapie  zu 
treiben. 

Der  heilsame  Einfluß  der  Transfusionen  erstreckt  sich  nicht 
r.ur  auf  die  Erythropoese,  sondern  auch  auf  die  andern  Blut- 
elemente. Unreife  weiße  Blutzellen  schwinden  allmĂ€hlich, 
LeukocYtosen  gehen  zurĂŒck,  wĂ€hrend  bei  Leukopenien  die 
Zahl  allmÀhlich  ansteigt.  Auch  die  bei  schweren  AnÀmien 
hÀufig  stark  verminderten  PlÀttchenwerte  werden  wieder 
normal. 

Diese  guten  Erfolge  lassen  sich  in  den  meisten  FĂ€llen 
innerhalb  weniger  Wochen  erzielen  und  gerade  diese  Ab- 
kĂŒrzung der  Krankenhausbehandlung  ist  wegen  der  Verringe- 
rung der  Infektionsimöglichkeit,  ganz  abgesehen  von  sozialen 
Gesichtspunkten,  ein  nicht  zu  unterschÀtzender  Vorteil. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  es,  daß  die  Resistenz  der 
anÀmischen  SÀuglinge  ganz  unzweifelhaft  erhöht  wird. 
AnĂ€mie  und  Infekt  sind  ja  eng  mit  einander  verknĂŒpft,  so 
eng,  daß  manche  Autoren  fĂŒr  die  SĂ€uglingsanĂ€mien  eine 
infektiöse  Aetiologie  annehmen.  Wieweit  das  berechtigt  ist, 
sei  dahingestellt,  soviel  steht  jedenfalls  fest,  daß  hinzutretende 
Infekte  die  AnÀmie  verschlimmern  und  gewöhnlich  ihren 
letalen  Ausgang  bedingen.  Andererseits  begĂŒnstigt  gerade 
die  bei  AjnÀmien  bestehende  Resistenzverminderung  das  Auf- 
treten von  Infekten,  weswegen  die  anÀmischen  SÀuglinge  in 
der  Klinik  gewöhnlich  ebenso  sorgfĂ€ltig  gehĂŒtet  werden  wie 
FrĂŒhgeburten.  In  analoger  Weise  sehen  wir  eine  Infektion, 
z.  B.  eine  Cvstitis,  eine  sekundÀre  AnÀmie  verursachen,  die 
ihrerseits  wieder  das  Persistieren  beziehungsweise  die  Ver- 
schlimmerung der  eigentlichen  Erkrankung  unterstĂŒtzt  und 
den  Boden  fĂŒr  die  im  SĂ€uglingsalter  so  gefĂŒrchtete  Broncho- 
pneumonie bereitet.  Wir  haben  also  einen  dauernden  Cir- 
culus  vitiosus:  AnÀmie-Infekt,  Infekt-AnÀmie,  den  wir  durch 
die  BlutĂŒbertragung  durchbrechen  können.  Diese  Tatsache 
zeigt  sich  sowohl  bei  den  alimentÀren  AnÀmien,  wo  nach  den 
Transfusionen  schwere  Infekte  wie  Ruhr  und  Grippepneu- 
monien erstaunlich  gut,  meist  ohne  jede  Verschlechterung  de* 


454 


Behrendt:  Erbrechen  der  SĂ€uglinge 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2b 


Bluistatus  ĂŒberstanden  wurden,  als  auch  bei  postinfektiösen 
AnĂ€mien.  Die  bei  ersteren  geschilderte  gĂŒnstige  Beeinflus- 
sung des  Blutbefundes  und  des  Allgemeinzuslandes  tritt  auch 
bei  letzteren  Formen  in  Erscheinung.  Der  Infekt  kann  dabei 
gleichzeitig  erheblich  gebessert  oder  sogar  völlig  beseitigt 
weruen,  wie  folgender  Fall  zeigt.  Es  handelt  sich  um  ein 
1  Vi  Jahr  altes,  sehr  elendes  Kind,  das  bei  uns  wegen  einer 
seil  ca.  5  Monaten  bestehenden  schweren  PyelocYstitis 
wochenlang  mit  Urotropin,  Alkalizufuhr,  Salol,  mit  Blasen- 
spĂŒlungen und  Autovakzine  ohne  Erfolg  behandelt  worden 
war.  Dabei  war  Patient  immer  elender  geworden,  die  sekun- 
dÀre AnÀmie  immer  stÀrker  (2  080  000  ErYthrocYten).  Zwei 
10  Tage  auseinanderlegende  intravenöse  Injektionen  von  60 
und  90  ccm  Blut  (d.  h.  ca.  675  000  bzw.  1  000  000  Ei  Ythrocyten 
pro  cbmm  EmpfÀngerblut),  die  die  roten  Blutkörperchen  auf 
4  000  000  brachten,  fĂŒhrten  eine  wesentliche  Besserung  des 
Aussehens,  des  Allgemeinzustandes,  des  Appetits  und  des 
Llrinbefundes  herbei.  16  Tage  nach  der  letzten  Transfusion 
war  das  Urinsediment  ohne  pathologische  Elemente;  die  roten 
Blutkörperchen  waren  weiter  angestiegen. 

FĂ€lle  postinfektiöser  AnĂ€mie,  fĂŒr  die  chirurgische  Indika- 
tionen bestehen,  wird  man  zweckmĂ€ĂŸig  durch  Schaffung  eines 
normalen  Blutstatus  fĂŒr  die  Operation  vorbereiten. 

Möglicherweise  vermag  auch  eine  Dei  regelrechten 
ErythrocYtenwerten  vorgenommene  BlutĂŒberpflanzung  die 
Lieberwindung  einer  Infektion  zu  beschleunigen.  In  diesem 
Sinne  spricht  die  Beobachtung,  daß  eine  subakute  SĂ€uglings - 
colicYstitis  10  Tage  nach  einer  Injektion  von  60  ccm  Blut  defi- 
nitiv, nicht  nur  cytologisch  sondern  auch  bakteriologisch,  ge- 
heilt war. 

WÀhrend  also  die  Transfusionsbehanölung  bei  alimen- 
tÀren und  postinfektiösen  AnÀmien  höchst  erfreuliche  Erfolge 
zeitigt,  scheint  sie  bei  leukÀmischen  und  pseudoleukÀmischen 
Prozessen  im  Stich  zu  lassen.  Bei  einem  14  jÀhrigen  Knaben 
mit  mYeloischem  Chlörom  und  einem  3  jÀhrigen  Kinde  mit 
generalisierter  LYmphosarkomatose,  bei  denen  allerdings  be- 
reits recht  hohe  Grade  von  AnÀmie  entstanden  waren,  er- 
lebten wir  völlige  Mißerfolge.  Hier  wurden  nicht  nur  die  zu- 
gefĂŒhrten ErYthrocYten  sehr  rasch  zerstört,  sodak  man  an 
direkte  toxische  EinflĂŒsse  denken  muß,  sondern  auch  die 
eigenen  gingen  kontinuierlich  weiter  zurĂŒck.  Die  schweren 
KnochenmarksverÀnderungen  bei  dem  Cbloromfall,  die  bei 
der  Autopsie  festgestellt  wurden,  erklÀren  die  Ergebnislosig- 
keit unseres  therapeutischen  Versuches.  Vielleicht  sind 
Ueberpflanzungen  im  FrĂŒhstadium  dieser  Erkrankung  erfolg- 
reicher. 

Die  Anwendung  der  Transfusion  zur  Behebung  von 
BlutungsanÀmien  wird  besonders  bei  Verletzungen  und 
hÀmorrhagischen  Diaihesen  in  Frage  kommen.  Bei  den  ersten 
Formen  wird  sie  besonders  prompt  wirken,  da  nach  Unter- 
bindung der  Blutungsguelle  der  anÀmisierende  Faktor 
definitiv  ausgeschaltet  ist.  Aber  auch  bei  den  hÀmorrhagi- 
schen Diathesen  der  verschiedensten  Aetioiogie,  lassen  sich 
sehr  schöne  Erfolge  erzielen.  Hier  kann  die  BlutĂŒbertragung 
einen  doppelten  Zweck  haben:  einmal  die  BekÀmpfung  der 
Blutung  durch  die  Zufuhr  gerinnungsfördernder  Faktoren,  und 
ferner  die  Beseitigung  der  AnÀmie  durch  Einverleibung 
körperfremder  ErythrozYten.  Im  Vordergrund  wird  natĂŒrlich 
stets  das  erste  Ziel  stehen.  Folgender  Fall  mag  zeigen,  wie 
segensreich  hier  die  Transfusion  sein  kann.  Es  handelte  sich 
um  ein  zwei  Jahre  altes  Kind  mit  den  Erscheinungen  von 
Purpura  fulminans,  bei  dem  von  den  verschiedensten  Seiten 
d  e  Prognose  mfaust  gestellt  worden  war.  Fast  die  gesamte 
Körperhaut  war  hÀmorrhagisch  verfÀrbt,  dazu  blutete  es  un- 
nuthörlich  von  Mund- und  Lippenschleimhaut.  Es  bestand,  wie 
die  Durchsuchung  des  gefÀrbten  BlutprÀparates  ergab,  abso- 
luter PlÀttchenmar.gel  und  dementsprechend  auch  stark  ver- 
lÀngere Blutungszeit  und  IrrelraktititÀt  des  Blutkuchens.  Der 
Rachenabstrich  auf  Diphtheriebazillen  war  anfangs  negativ, 
acht  Tage  spÀter  positiv.  Auch  auf  Lippen,  Zunge  und 
Nasenschleimhaut  wurden  Diphtheriebazillen  nachgewiesen, 
so  daß  retrospektiv  wohl  die  diphtherische  Erkrankung  fĂŒr  die 
hÀmorrhagische  Diathese  verantwortlich  zu  machen  ist.  Da 


die  Ei'Ythi'ozYlen  innerhalb  der  ersten  zwei  Tage  infolge  "Ver- 
sagens  aller  ĂŒblichen  Blutstillungsmittel  um  fast  eine  Million 
sanken,  entschlossen  wir  uns  trotz  der  hochgradigen  Blutungs- 
neigung zur  Freilegung  einer  Vene  am  Unterschenkel,  was  in 
der  chirurgischen  Klinik  durch  Herrn  Professor  Melchior 
ohne  erheblichen  Blutverlust  erfolgte,  und  injizierten  40  ccm 
Zitratbiut,  etwa  35  ccm  plÀtichenhaltigen  Plasmas  und 
12  ccm  3%iger  Coagulenlösung.  Die  Blutungen  sistierten  fast 
momentan,  in  Uebereinstimmung  damit  wurde  auch  die 
Blutungszeit  normal.  Die  PlÀttchenzahl  stieg  langsam  an  und 
betrug  nach  10  Tagen  205  000,  wĂ€hrend  die  Werte  fĂŒr 
EiYthrozYten  und  HÀmoglobin  erst  ganz  allmÀhlich  zu- 
nahmen. Nach  Feststellung  der  Diphtherie  wurde  eine  Heil- 
sei umlherapie  eingeleitet,  unter  der  die  kleine  Patientin  sich 
erst  langsam,  dann  rasch  erholte.  9  Monate  spÀter  zeigte  es 
sich  als  blĂŒhend  aussehendes,  krĂ€ftiges  Kind.  Wir  fĂŒhren  die 
schnelle  Beseitigung  der  Blutungsneigung  in  erster  Linie  auf 
die  Blut-Piasmainjektion  zurĂŒck  und  nicht  auf  die  Coagulen- 
zufuhr,  da  die  vorherige  Verabfofgung  von  5 mal  tÀglich  1,0  g 
Coagulen  per  os  völlig  resultatlos  geblieben  war. 

Wo  nicht  unmittelbare  Lebensgefahr  vorliegt  wie  in 
unserm  Fall,  wird  man  den  Versuch  machen  dĂŒrfen,  durch 
extravasale  Injektion  die  Blutung  zum  Stillstand  zu  bringen. 
Das  ist  nach  Angaben  deutscher  und  amerikanischer  Autoren 
hÀufig  bei  Melaena  neonatorum  mit  gutem  Erfolg  geschehen. 
Eigene  Erfahrungen  besitzen  wir  auf  diesem  Gebiet  nicht. 

Wir  können  die  Anwendung  der  Bluttransfusionen  in  der 
PÀdiatrie  bei  anÀmischen  und  hÀmorrhagischen  Prozessen  der 
verschiedensten  Aetioiogie  wÀrmstehs  empfehlen.  Besonders 
bei  der  Behandlung  der  im  frĂŒhen  Kindesalter  recht  hĂ€ufigen 
alimentĂ€ren  AnĂ€mieformen  haben  wir  in  der  BlutĂŒber- 
pflanzung  ein  Verfahren,  das  mit  einer  ZuverlÀssigkeit  und 
Schnelligkeit  wie  keine  andere  Methode  imstande  ist,  die 
Blutregeneration  wieder  in  normale  Bahnen  zu  lenken. 

Literatur. 

1.  Hasse:   Die  Lammbluttransfusion  beim  Menschen.   St.  Peters- 

burg-Leipzig 1874. 

2.  0  o  e  b  e  1 1    und    Poggemenn:    Deutsche  Zeitschr.    f.  Chi:. 

Bd.  127,  1914,  S.  560. 

3.  Arkenau:  D.  m.  W.  1921,  S.  745. 

4.  Harriehausen:   Bert.  kl  in.  Wochenschr.  1920.  S.  45. 


Aus  der  Kinderklinik  der  stÀdtischen  Krankenanstalten  und  dem 
SĂ€uglingsheim  zu  Dortmund. 

(Leiter:  Prof.  Dr.  Engel.) 

Zur  Behandlung  des  habituellen  Erbrechens 
der  SĂ€uglinge. 

Von  Dr.  Hans  Behren  d  t. 

Nicht  nur  fĂŒr  den  Kinderarzt,  sondern  auch  fĂŒr  den  all- 
gemeinen Praktiker  bildet  die  Behandlung  des  so  hÀufigen 
chronischen  Erbrechens  der  SĂ€uglinge  eine  ebenso  schwierige 
wie  dankbare  Aufgabe.  Trotz  der  weit  verbreiteten  Ansicht, 
speiende  Kinder,  besonders  Brustkinder,  seien  Gedeihkindel, 
kommen  die  MĂŒtter  hĂ€ufig  genug  in  die  Sprechstunde,  um  Rat 
und  Mittel  gegen  das  Spueken  oder  Erbrechen  zu  erbitten. 
Gewiß  gibt  es  Formen,  die  auch  ohne  Ă€rztlichen  Eingriff  nach 
einiger  Zeit  von  selbst  wieder  gut  werden,  aber  auch  ebenso 
viele  Kinder  leiden  lange  Zeit  hindurch  unter  dem  SpuckĂŒbel, 
werden  schwer  geschÀdigt  und  erliegen  allzuleicht  einer  !;:- 
lektion  oder  einer  ErnÀhrungsstörung,  welche  nur  auf  dein 
Boden  der  durch  das  Spucken  bedingten  Inanition  und  Resi- 
stenzminderung e:  wachsen  konnten.  Es  ist  daher  Àrztliche 
Pflicht,  sich  in  jedem  einzelnen  Falle  ĂŒber  den  Grad  und  die 
Form  des  Erbrechens  zu  orientieren  und  therapeutisch  ein- 
zugreifen, sowie  die  weitere  gedeihliehe  Entwicklung  des 
Kindes  in  Gefahr  ist. 

Die  verschiedenen  Möglichkeiten  des  Entstehens  bedingen 
ebensoviel  Arten  der  BekÀmpfung. 

Wir  möchten  im  folgenden  zwischen  Brust-  und 
Flaschenkindern   keinen    Unterschied   machen,   weil  nach 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2(5» 


Im  Iik  ihIi    Erbrechen  der  SÀugling« 


456 


n  \v 

Man  kann  fĂŒr  unsere 
dem  heutigen  Stande  dei 
Ă€tiologisch  unterscheiden 


Unserer  Erfahrung  das  therapeutische  Handeln  stets  von 
gleichen  Gesichtspunkten  aus  erfolgen  muß. 

Unter  habituellen  Erbrechen  wollen  wir  alle  Grade  und 
Formen  dieser  Krankheit  verstehen,  wie  sie  beim  SĂ€ugling 
vorkommen,  ausgenommen  das  zyklische  Erbrechen  und  die 
hypertrophische  Pylorusstenose,  zwei  eng  umgrenzte  selb- 
stÀndige Krankheitsbilder. 

Es  soll  versucht  werden  zu  zeigen,  w  ie  man  die  „Spucke. r" 
behandelt,  Kinder,  die  schon  wÀhrend  des  Trinkens  einen 
Teil  der  Nahrung  wieder  aus  dem  Munde  laufen  lassen,  her- 
ausgeben oder  erbrechen,  SĂ€uglinge,  welche  kurz  nach  der 
mĂŒhelos  und  oft  hastig  entleerten  Flasche  die  Milch  in 
kleinen  Portionen  wieder  ausspucken,  ausschĂŒtten,  die 
dauernd  in  einer  Lache  gespuckter  Milch  liegen,  und  endlich 
wie  man  vorgeht,  um  das  stoßweise,  oft  im  Bogen  erfolgende 
lahrechen  erfolgreich  zu  bekÀmpfen. 

Zu  diesem  Zwecke  sei  zunÀchst  kurz  besprochen,  welche 
Möglichkeiten  bisher  zur  VerfĂŒgung  standen,  um  heilend  ein- 
zugreifen ').  u  n  d  i  m  A  n  Schluß  d  a  r  a  n  will  i  c  h 
einige  neu  e  M  e  t  h  o  d  e  n  a  n  f  ĂŒ  h  r  e  n  ,  die  sich  i  n 
n  n  s  e  r  e  r  A  n s  t  a 1 t  W À  h r  e  n  d  der  letzt  e  n  J a  h  r e 
h  e  i'  a  u  s  g  e  h  i  1  d  e  t  h  ;i  b  e  n  u  n  d  als  t  h  e  r  a  p  e  u  t  i  - 
s  c  h  e  r  F  ortschritt  d  e  r  A  1 1  g  e  m  e  inhe  it  e  m  p  f  o  h  - 
1  e  n  w  e  r  d  e  n  könne  n. 

hier  rein  praktischen  Ziele  nach 
Dinge    am  besten    drei  Formen 
und   versuchen,  jeden  klinischen 
Fall  sogleich  in  eine  dieser  drei  Kategorien  einzugliedern. 

An  erster  Stelle  steht  das  durch  falsche  E  r  n  À  h  r  u  n  g 
ausgelöste  habituelle  Erbrechen.  Es  ist  sehr  leicht  verstÀnd- 
lich, daß  eine  der  Verdauung  und  dem  Stoffwechsel  schĂ€d- 
liche Nahrung  auch  eine  Störung  der  motorischen  Funktionen 
der  obersten  Abschnitte  des  Verdauungstraktus  zur  Folge 
haben  kann,  daß  falsche,  unphysiologische  FĂŒllĂŒngszustĂ€nde 
des  Magens  diesen  zur  Abwehr  in  Form  des  Erbrechens  ver- 
anlassen können.  Es  ist  oft  genug  von  pÀdiatrischer  Seile 
darauf  hingewiesen  worden,  wie  leicht  mitunter  das  Speien 
und  Erbrechen  durch  vernĂŒnftige  Regelung  der  ErnĂ€hrung 
beseitigt  werden  kann.  Es  ist  bekannt,  wie  oft  gerade  fett- 
reiche Mischungen  den  Anlaß  des  Erbrechens  und  Redu- 
zierung der  Fettmengen  den  Beginn  der  Heilung  bilden. 

Im  Gegensatz  zu  anderen  Angaben  verzichten  wir  hierbei 
auf  Anwendung  von  Buttermilch  als  fettfreier  Nahrung,  weil 
sie  uns  an  und  fĂŒr  sich  einen  erhöhten  Reiz  zum  Spucken 
auszulösen  scheint.  Wir  verfĂŒgen  ĂŒber  FĂ€lle,  in  denen  hei 
ErnĂ€hrung  mit  hollĂ€ndischer  Buttermilch  mĂ€ĂŸig  starkes 
Spucken  bestand,  das  sofort  nachließ,  als  Halbmilch  in 
gleicher  Menge  und  Kalorieenzahl  gefĂŒttert  wurde. 

Es  wird  sieh  auch  empfehlen,  stets  auf  die  Mengen  der 
Nahrung  und  ihren  NĂ€hrwert  zu  achten,  weil  allzu  oft  nur 
die  UeberfĂŒtterung  oder  der  Hunger  Schuld  sind  an  dem 
lĂ€stigen  Uebel.  Wer  also  fĂŒr  richtige  ErnĂ€hrung  des  SĂ€ug- 
lings sorgt,  verhĂŒtet  und  heilt  oft  zugleich  das  SpuckĂŒbel. 

Nun  zur  zweiten  Gruppe  der  FĂ€lle  des  chronischen  Er- 
brechens: das  sind  die  infektiös  bedingten  Formen. 

Es  scheint  vielleicht  zunĂ€chst  ĂŒberflĂŒssig,  auf  dieses  fast 
selbstverstÀndliche  Symptom  hei  den  fieberhaften  SÀuglings 
Infekten  hinzuweisen,  und  doch  steht  es  nur  allzu  oft  so  im 
Vordergrund  des  klinischen  Bildes,  daß  es  als  Hauptkrankheit 
imponiert.  Weiß  man  das  nicht,  so  sind  oft  grobe  Fehler 
die  Folge.  Abgesehen  von  dem  initialen  Erbrechen  bei 
mteningiti sehen  Krankheitsformen  tritt  fast  bei  allen  anderen 
Fieberhaften  Infekten  sehr  hÀufig  mein  oder  minder  starkes 
Spucken  oder  Erbrechen  auf.  Ob  eine  Pyelitis,  eine  fieber- 
hafte Pyodermie,  ein  DrĂŒsenabszeß  oder  eine  Pneumonie  in 
Entwicklung  begriffen  ist,  fast  stets,  stellt  sich  auch  als 
Symptom  das  Erbrechen  ein.  Ich  möchte  besonders  darauf 
aufmerksam  machen,  daß  eine  an  und  fĂŒr  sich  garnicht  so 
Marke  Pharyngitis  mit  Vorliehe  ein  starkes  Spucken  und  Er- 
brechen auszulosen  scheint.  Wir  haben  wÀhlend  der  letzten 
Grippeepidemie  eine  sein-  große  Anzahl  von  solchen  Kindern 


')  Literatur  hierĂŒber  siehe  hei 
SĂ€uglingskrankheiten,  S.  (>(>8.  1021. 


F  i  n  k  el  s  t  e  i  n, 


■hrh. 


in   ambulanter   Behandlung  gehabt    und    sicis  erkennen 
mĂŒssen,  daß  neben  mĂ€ĂŸigem  Fieber  das  Spucken  und  Li 
brechen  als  Hauptsymptom  des  Rachenkatarrhs  hervortrat. 
Ganz  besonders  ist  das  natĂŒrlich  auch  bei  Lungenkrank- 
heiten der  Fall,  die  mit  starkem  Reizhusten  einhergehen,  vor 
allem  bei  Pneumonien,  hau  Teil  der  im  letzten  Jahre  hier  in 
großer  Zahl   zur  Aufnahme  gelĂ€ngten  Grippepneumonien 
wurde  ĂŒberwiesen  wegen  starken   Erbrechens   und  konse- 
cutiver  Abmagerung  wÀhrend  der  letzten  Tage  vor  der  Auf- 
nahme.   Man    hatte   auch   Àrztlicherseits   an   eine  Magen 
affektion  gedacht  und  daher  wahrscheinlich  von  eingehen 
derer  Untersuchung    der  Lungen    abgesehen,   die    eine  be- 
ginnende Bronchopneumonie  erkennen  ließ. 

Noch  klarer  wird  die  große  Holle,  die  das  Erbrechen  und 
Spucken  hei  Infekten  aller  Art  spielt,  wenn  ich  den  Zustand 
schildere,  wie  er  auf  der  Isolierstation  unserer  Anstalt  V01 
kurzem  herrschte.  Es  lagen  hier  eine  fast  geheilte  Blennorrhoe, 
eine  Bronchialdriisenluberkulo.se  und  zwei  eben  entfieberte 
Grippepneumonien.  SĂ€mtliche  vier  Kinder  tranken  sein 
schlecht  die  Flasche,  mitunter  kaum  die  HĂ€lfte  der 
jeweiligen  Portion,  alle  vier  Kinder  spukten  sehr  stark 
und  erbrachen  oft  in  hohem  Bogen.  Keins  von  ihnen 
bot  noch  deutliche,  klinisch  feststellbare  OrganverÀnderungen, 
HĂ€tte  ich  zu  dieser  Zeit  einen  in  die  Vorgeschichte  nicht  Ein- 
geweihten auf  die  Station  gefĂŒhrt,  alle  vier  FĂ€lle  hĂ€tten  ihm 
als  schwere  Störung  der  Magendarmfunktionen  imponieren 
können,  ein  oft  verhÀngnisvoller  Irrtum. 

Aus  dem  Gesagten  ergibt  sich  fĂŒr  das  therapeutische  Ver- 
halten in  solchen  FĂ€llen  unschwer  der  Grundsatz,  das  Er- 
brechen auch  bei  der  Behandlung  nur  als  Symptom  zu  be- 
werten und  nicht  zu  ĂŒberschĂ€tzen.  Mit  dem  völligen  Ab- 
klingen des  Infektes  lĂ€ĂŸt  auch  das  Erbrechen  nach,  und  es 
wĂ€re  ein  nutzloses  Beginnen,  die  fĂŒr  die  erste  Gruppe  der 
SpuckfĂ€lle  geschilderten  Maßnahmen  auch  hier  anzuwenden. 

Nur  wenn  sich  beide  Formen  kombinieren,  wird  neben 
der  an  und  fĂŒr  sich  erforderlichen  sachgemĂ€ĂŸen  Regelung  der 
ErnÀhrung  auch  eine  spezielle  ErnÀhrungstherapie  angezeigt 
sein.  Zum  Teil  wird  man  sogar  auch  von  den  Mitteln  Ge- 
brauch machen  können,  die  wir  hei  Behandlung  der  dritten 
Gruppe  von  „Spuckern"  empfehlen  werden. 

‱  In  diese  letzte  und  grĂ¶ĂŸte  Gruppe  mĂŒssen  wir  nun  alle 
die  FĂ€lle  einordnen,  die  weder  durch  unzweckmĂ€ĂŸige  Er- 
nÀhrung noch  durch  Infektion  zu  ihrem  Spucken  gelangt  sind. 

Es  handelt  sich  hier  f  a  st  aus  h  À  h  ni  s  I  o  s  u  m 
nerv ö s  e  Kinder  mit  neuropÀthi scher  Be- 
lastung, die  hÀufig  auch  andere  Zeichen 
nervöser  F  e b e  r  e r r  e  g  b a  r k  e  i  t  darbieten, 
deren  Ellern  sich  auf  den  ersten  Blick  als 
X  e  u  r  o  p  a  t  Ii  c  n  offenbaren,  und  die  n  i  c  h  l 
seit  en  auch  Zeichen  minderwertiger  Kon- 
stitution o  d  e  r  D  e  g.e  n  e  r  a  t  i  o  n  aufweise  n. 

Solche  Kinder  schrecken  zum  Beispiel  bei  jedem  Ge- 
rÀusch heftig  zusammen,  zeigen  stark  erhöhte  Reflexe  der 
Haut  und  Sehnen,  mitunter  starke  Dermographie,  haben 
einen  Àngstlichen  Gesichtsausdruck,  ein  stets  lebhaftes  Augen  - 
spiel,  mitunter 

neigen  zu  spasmophilen  ZustÀnden. 

Bei  solchen  Individuen  liegt  die  Aetiologie  ihres  Speiens 
Idar  zutage. 

HĂ€ufig  findet  sich  aber  neben  dem  starken  Speien  nur 
(  ine  große  motorische  Unruhe.  Man  findet  den  SĂ€ugling  in 
den  eigenartigsten  Lagen  in  seinem  Bettchen  vor,  er 
strampelt  sich  immer  wieder  unter  der  Decke  hervor,  hebt  in 
den  spÀteren  Monaten  dauernd  den  Kopf  hoch,  agiert  mit  den 
HĂ€nden  und  FĂŒĂŸen  aufs  lebhafteste,  besonders  beim  Trinken, 
und  schreit  sehr  viel. 

Aber  selbst  wenn  die  Diagnose  „Neuropathie"  ohne 
weiteres  nicht  zu  erheben  ist,  wenn  körperliches  und 
psychisches  Verhalten  normal  zu  sein  scheinen,  sind  wir  nach 
Ausschluß  der  vorhin  besprochenen,  fĂŒr  die  beiden  ersten 
Gruppen  charakteristischen  Faktoren  geneigt,  dieses  SchĂŒtten 
oder  Erbrechen  als  Folge  angeborener  Minderwertigkeit, 
meistens  als  neurogen  aufzufassen. 


tremorartige   Zuckungen   der  ExtremitÀten. 


456 


Behrendt:  Erbrechen  der  SĂ€uglinge 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


Mit  der  Behandlung  dieser  dritten  Gruppe  der  neuro- 
pathischen  Spucker  minderwertiger  Konstitution  wollen  wir 
uns  nun  etwas  ausfĂŒhrlicher  befassen,  sie  stellt  den  grĂ¶ĂŸten 
Prozentsatz  wohl  nicht  nur  unseres  Spuckermaterials  dar. 

Wenn  mit  RĂŒcksicht  auf  die  konstitutionelle  Anomalie  — 
sie  kann  z.  B.  verminderte  Fettoleranz  bedingen  —  eine 
richtige  Nahrung  gewÀhlt  ist,  standen  bisher  verschiedene 
Mittel  zur  VerfĂŒgung,  um  das  Spucken  zu  mildern. 

Auf  eine  Unterscheidung  von  spastischem  und  atoni- 
schem Typus  sei  hier  verzichtet,  da  wesentliche  Unterschiede 
im  therapeutischen  Verhalten  dadurch  nicht  bedingt  werden. 

Narkotika  sollen  allgemein  beruhigend  wirken  und 
die  Erregbarkeit  des  wohl  in  der  Hauptsache  beteiligten 
vegetativen  Nervensystems,  speziell  des  Parasympatikus  her- 
absetzen. Das  oft  angewendete  Atropin  hat  in  unseren  FĂ€llen 
stets  versagt,  obwohl  wir  es  in  sehr  hohen  Dosen  (bis  1  mg) 
verabfolgten.  Auch  Codein  und  viele  andere  Narkotika  hatten 
trotz  einschlĂ€fernder  Wirkung  keinen  Einfluß  auf  die  StĂ€rke 
des  Spuckens.  Wir  sind  jetzt  von  der  medikamentösen  Be- 
handlung des  habituellen  Erbrechens  ganz  abgekommen. 

Es  ist  ferner  ĂŒblich,  stark  spuckenden  Kindern  die  Nah- 
rung in  kleinen,  hÀufigen  Mahlzeiten  zu  reichen  und  dadurch 
einen  Reiz  auf  die  ĂŒberempfindliche  Schleimhaut  des  Magens 
möglichst  zu  vermeiden.  Der  Erfolg  ist,  wie  allgemein  be- 
kannt, hĂ€ufig  so  eindeutig,  daß  nicht  warm  genug  fĂŒr  diese 
Applikation  der  Nahrung  eingetreten  werden  kann.  Wir 
reichten  bis  zu  24  Mahlzeiten  pro  Tag  und  Nacht,  also  stĂŒnd- 
lich, und  begannen  dabei  hÀufig  mit  5  bis  10  g.  Erst  nach 
Besserung  des  Erbrechens  werden  die  Intervalle  allmÀhlich 
verlÀngert  und  die  Trinkmengen  gesteigert.  Wenn  man  sich 
von  Anbeginn  sogenannter  konzentrierter  Nahrung  bedient, 
so  werden  auch  bei  fĂŒnf  bis  sechs  Mahlzeiten  pro  Tag  die  ein- 
zelnen Mengen  recht  gering  bleiben  können,  ja  man  kann  mit- 
unter das  Spucken  ganz  wesentlich  dadurch  bessern,  daß  man 
statt  fĂŒnf  Mahlzeiten  gewöhnlicher  Milchmischung  ebensoviel 
Portionen  konzentrierter  Milch  mit  gleichem  Kalorieengehalt, 
aber  wesentlich  kleinerem  Volumen  fĂŒttert.  Wir  gebrauchen 
bis  zum  Ende  des  ersten  Jahres  sehr  gern  die  von  Schick 
angegebene  Dubomilch  (Vollmilch  +  17%  Rohrzucker). 
NatĂŒrlich  bilden  fĂŒr  ihre  Anwendung  irgend  welche  Störun- 
gen der  ErnÀhrung  und  Verdauung  eine  strenge  Kontra  - 
indikation. 

Ein  weiteres  wichtiges  Mittel  zur  BekÀmpfung  des  neuro- 
pathischen Speiens  ist  die  BreifĂŒtterung,  von  der  man  schon 
frĂŒhzeitig  Gebrauch  machen  kann,  die  aber  in  spĂ€teren  Mo- 
naten hÀufig  unentbehrlich  ist.  Wir  reichten  hÀufig  (nach 
Epstein1)  fĂŒnf  Minuten  vor  jeder  Flaschenmahlzeit,  einen 
bis  zwei  Teelöffel  Mehl-  oder  Griesbrei  und  sahen  gĂŒnstige 
Beeinflussung  des  Spuckens.  Bei  Àlteren  SÀuglingen  ist  es 
besser,  eine  oder  mehrere  Mahlzeiten  ganz  durch  Brei  zu  er- 
setzen, ja  es  gibt  extremschwere,  jeder  anderen  Behandlung 
trotzende  FĂ€lle  von  habituellem  Erbrechen,  die  eine  Zeit  lang 
völlig  auf  Breinahrung  gesetzt  werden  mĂŒssen,  um  sie  vor 
dem  Hungertode  zu  retten.  Wir  haben  fast  immer  mit  dieser 
Methode  gute  Erfolge  gehabt,  besonders  in  Kombination  mit 
der  hÀufigen  Darreichung  kleinster  Trinkmengen. 

Gelegentlich  der  Behandlung  spuckender  und  gleichzeitig 
sehr  schlecht  trinkender  Kinder  war  in  unserer  Anstalt  die 
Beobachtung  gemacht,  daß  nach  einer  notwendig  gewordenen 
SondenfĂŒtterung  das  Spucken  eines  Kindes  wesentlich  nach- 
ließ. Diese  noch  mehrmals  beobachtete  Tatsache  erinnerte  an 
gleiche  Erfahrungen  bei  der  Therapie  des  Pylorospasmus  und 
ließ  an  einen  gĂŒnstigen  Einfluß  der  Magensondierung  durch 
Ausschaltung  des  Schluckaktes  und  damit  verbundene  Re- 
flexe denken.  Systematische  Anwendung  der  SondenfĂŒtterung 
ließ  uns  dann  tatsĂ€chlich  den  Wert  dieses  Verfahrens  erken- 
nen und  wir  haben  es  jetzt  in  den  Vorrat  unserer  Mittel  auf- 
genommen, mit  denen  wir  dem  neuropathischen  Spucken  bei- 
zukommen  suchen.  NatĂŒrlich  wirkt  „die  Sonde"  nicht  immer, 
und  mehrtÀgige  nutzlose  Anwendung  kommt  vor.  Aber  oft 
ist  der  Einfluß  erstaunlich.  Es  können  ruhig  große  Mengen 
eingefĂŒhrt  werden,  bis  zu  150  g,  je  nach  dem  Alter  des  Kindes, 

*)  Epstein,  Jahrb.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  43,  S.  360. 


wobei  sich  nach  unseren  Erfahrungen  die  Benutzung  einer 
großen  Spritze  am  besten  eignet,  mit  der  die  Milch  durch  die 
Sonde  eingepreßt  wird.  LĂ€ĂŸt  man  die  Nahrung  von  einem 
Trichter  aus  einlaufen,  so  wird  der  prompte  Erfolg  durch  die 
viel  lÀngere  Dauer  und  das  dadurch  bei  diesen  nervösen  und 
ĂŒberempfindlichen  Kindern  besonders  stark  auftretende  WĂŒr- 
gen und  Pressen  stark  in  Frage  gestellt. 

Man  muß  bei  der  Wirkung  solcher  Sondierungen  auch 
stark  an  eine  psychische  Beeinflussung  des  SĂ€uglings  denken, 
der  gewissermaßen  durch  die  fĂŒr  ihn  sicherlich  unangenehme 
Prozedur  „erzogen"  wird. 

Jedenfalls  ist  die  systematisch  ange- 
wendete SondenfĂŒtterung  (mit  Spritze)  ein 
neuer  Weg,  der  unserer  Erfahrung  nach  oft 
schnell  und  mĂŒhelos  bei  BekĂ€mpfung  des 
neuropathischen  Spuckens  in  schweren  FĂ€l- 
len zum  Erfolg  fĂŒhrt. 

In  leichteren  FĂ€llen  erfolgt  das  Sistieren  des  Spuckens 
allgemein  neuropathisch  stigmatisierter  Kinder  sehr  prompt 
bei  Anwendung  eines  ebenfalls  in  neuerer  Zeit  in  der  hiesigen 
Anstalt  ausgebildeten  Verfahrens2),  das  wir  mit  dem  Namen 
„Festlegen"  bezeichnen.  Nach  systematischer 
PrĂŒfung  der  Ergebnisse  dieser  Methode 
haben  wir,  besonders  im  letzten  Jahre,  so 
r  e  i  c  h  1  i  c  he  gĂŒnstige  Erfahrungen  damit  ge- 
macht, daß  sie  als  wesentlicher  Fortschritt 
bei  der  Behandlung  des  Spuckens  angesehen 
w  erden  muß. 


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Wie  der  Name  besagt,  werden  die  Kinder  so  gebettet,  daß 
jede  ausgiebige  Bewegung  des  Kopfes  und  der  ExtremitÀten 
unmöglich  ist.  Das  wird  erreicht  durch  Lagerung  des  Kopfes 
zwischen  zwei  prall  gefĂŒllte  flaschenförmige  SandsĂ€cke,  die 
etwa  bis  zur  Höhe  der  Ohren  beiderseits  dicht  dem  Kopf  an- 
liegen und  durch  ein  Tuch  zusammengehalten  werden,  das 
dem  Kind  gleichzeitig  als  Spucktuch  unter  dem  Kinn  auf  der 
Brust  liegt.  Außerdem  sind  die  oberen  ExtremitĂ€ten  locker  an 
den  Rumpf  gewickelt,  die  Beine  werden  durch  die  Bettdecke 
fixiert,  welche  bis  zur  Brusthöhe  reicht  und  durch  einen 
Gurt  festgehalten  wird.  Die  Hauptsache  ist  aber  die  Fest- 
legung des  Kopfes.  Sie  allein  genĂŒgt  in  der  Mehrzahl  der 
FĂ€lle.  Die  scheinbare  Zwangslage  ist  nur  wenigen  SĂ€uglingen 
in  den  ersten  Tagen  sichtlich  unbequem  und  unangenehm,  die 
meisten  gewöhnen  sich  sehr  schnell  daran  und  liegen  dann 
seelenruhig  und  vergnĂŒgt  in  ihrem  „Spuckkissen". 

Die  Anwendungsdauer  dieser  Methode  betrug  im  Durch- 
schnitt etwa  2—3  Wochen,  sodann  wurde  die  Beweglichkeit 
des  Kopfes  durch  Erniedrigung  und  grĂ¶ĂŸeren  Abstand  der 


2)  Die  erste  Anwendung  und  PrĂŒfung  dieser  Methode  erfolgte 
durch  FrĂ€ulein  Dr.  Schellhaas.  Die  ausfĂŒhrliche  Publikation 
ist  aus  besonderen  GrĂŒnden  bisher  noch  nicht  erfolgt.  Ich  berichte 
im  folgenden,  auf  Veranlassung  von  Herrn  Professor  Engel, 
ĂŒber  die  im  letzten  Jahre  mit  dem  Festlegen  beobachteten  Erfolge. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2(5, 


Sternberg:  Gastroskopie. 


SandsĂ€cke  allmĂ€hlich  vergrĂ¶ĂŸert  und  schließlich  das  Kind 
wieder  frei  gebettet,  ohne  daß  es  zu  nennenswerten  Hin  k 
fallen  kam.  Nur  einzelne  hartnĂ€ckige  Spucker  mußten  lĂ€ngere 
Zeil  im  Spuckkissen  bleiben,  bis  sie  auch  in  frei  beweglicher 
Verfassung  nicht  mein-  durch  das  Spucken  in  ihrem  Gedeihen 
gehindert  wurden. 

Was  erreichen  wir  nun  mit  dieser  Lagerung?  ZunÀchst 
ird  durch  die  allgemeine  Ruhigstellung  des  Körpers  ein  Ge- 
engewicht geschaffen  gegen  die  motorische  Unruhe,  gegen  das 
uernde  Zappeln,  Strampeln  und  HerumwÀlzen  der  Kinder, 
as  wirkt  beruhigend  ein  auf  das  gesamte  Individium,  viel- 
icht  indirekt  auf  das  Nervensystem,  dessen  Erregbarkeit  ge- 
‱unpft  wird.  Schon  allein  hierdurch  greift  man  das  Spuck - 
el  an  seiner  Wurzel  an,  wÀhrend  die  Fixierung  des  Kopfes 
Hinterhauptslage  rein  mechanisch  dem  AusschĂŒtten  ent- 
egentritt.  Wer  beobachtet  hat,  wie  die  Kinder  bei  dem  unab- 
lÀssigen Heben  und  Drehen  des  Kopfes,  Beugen  und  Strecken 
des  Halses  schubweise  ihre  Nahrung  wieder  herausbefördern, 
dem  wird  es  leicht  begreiflich  erscheinen,  daß  mit  der 
Fixierung  des  Kopfes  auch  eine  wirksame  VerhĂŒtung  des  Er- 
brechens verknĂŒpft  ist. 

Und  in  der  Tat  reagierten  sehr  zahlreiche  neuropathische 
Spucker  so  gut  auf  dieses  Mittel,  daß  wir  in  den  mitgeteilten 
Anschauungen  bestÀrkt  wurden.  Wir  könnten  bei  einer  sehr 
großen  Zahl  von  FĂ€llen  kurvenmĂ€ĂŸig  die  gĂŒnstige  Wirkung 
des  „Festlegens"  zur  Darstellung  bringen;  da  aber  schließlich 
StĂ€rke  und  LĂ€nge  von  Strichen  nicht  mehr  GlaubwĂŒrdigkeit 
beanspruchen  können  als  unsere  sprachlich  mitgeteilten  Er- 
gebnisse, so  beschrÀnke  ich  mich  auf  die  Wiedergabe  einer 
von  den  vielen  Krankengeschichten,  um  die  Heilung  eines 
SĂ€uglings  vom  habituellen  Erbrechen  durch  die  Methode  des 
„Festlegens"  deutlich  und  wirksam  zu  veranschaulichen. 

Gisela  Seh.  J.-Nr.  1472.  Vater  wegen  Nervenkrankheit  mehr- 
mals im  Sanatorium,  Mutter  hÀufig  krank,  u.  a.  Lungenaffektionen, 
Keuchhusten.  Zwei  Àltere  Geschwister  gesund,  aber  schwÀchlich. 
Kind  selbst  bricht  seit  der  Geburt  hÀufig,  spukt  nach  allen  Mahl 
zeiten.  Stets  mangelhafte  Gewichtszunahme  und  schlechtes  Aus- 
sehen 

5.  11.  21:  6  Wochen  alles,  in  leidlichem  ErnÀhrungszustand  be- 
findliches Kind.  aHut  gut  durchblutet,  rosig.  Turgor  mĂ€ĂŸig, 
ebenso  Fettpolster.  Tonus  schlaff,  Haut  rein.  Nirgends  fĂŒhlbare 
LymphdrĂŒsen.  Lungen  und  Herz  o.  B.,  Bauchörgane  a.  B.  Skelett- 
system o.  ,B.  Beflexe  der  Haut  und  Sehnen  beiderseits  stark  er- 
höht. Kein  Babinsky.  Starke  motorische  Unruhe,  bei  der  Unter- 
suchung sehr  aufgeregt.  ErnÀhrung:  600  gr  Halbmilch  mit  2  % 
Mehl  und  1%  Rohrzucker.  Darreichung  in  10  Mahlzeiten."  Urin 
E  —  Z  — .   Gew.  2900  gr. 

11.  11.  21:  Im  Vordergrund  des  Befundes  allgemeine  nervöse 
Uebererregbarkeil.  Dauerndes  Umherschlagen  mit  HĂ€nden  und 
FĂŒĂŸen.  Heben,  Drehen  und  Werfen  des  Kopfes.  Recht  starkes 
hĂ€ufiges  Spucken,  6—8  mal  mindestens  wĂ€hrend  des  Tages.  Trotz- 
dem mĂ€ĂŸiger  Gewichtsanstieg.  Gewicht  3Ö50  gr.  StĂŒhle  breiig  ge- 
formt, ohne  Schleim. 

Das  Kind  wird  festgelegt. 

21.  11.  21:  Spucken  und  Erbrechen  ist  so  gut  wie  ganz  ge- 
schwunden. Gewicht  3300  gr.  Befund  unverÀndert.  Im  Spuck- 
kissen ganz  wesentlich  ruhiger.  Allgemeineindruck  gĂŒnstig.  Gute 
Nahrungsaufnahme.   Kind  wird  wieder  frei  gebettet. 

25.  11.  21:  Große  körperliche  und  psychische  Unruhe.  Spucken 
in  alter  StÀrke  wieder  da.  Gewichlsstillstand,  3260  gr.  UnverÀndert 
neuropathischer  Allgemeineindruck.    Wiederum  festlegen. 

12.  12.  21:  Spucken  wieder  ganz  fort.  Gewicht  3680  gr,  Fort- 
lassen des  Festlegens.  Ersatz  einer  Flaschenmahlzeit  durch  100  gr 
Mehlbrei  (5%  Mehl,  7%  Zucker). 

22.  12.  21:  Bei  mĂ€ĂŸigem  Spucken  (zwei  bis  dreimal  tĂ€glich) 
kein  richtiges  Gedeihen.  Nervöse  Uebererregbarkeit  und  Unruhe 
etwas  gebessert.    Gewicht  4500  gr.    Zulage  von  100  gr  Mehlbrei. 

8.  1.  22:  Wieder  sehr  starkes  Speien.  Gewicht  3770  gr.,  also 
Abnahme.    Erneutes  Festlegen. 

17.  1.  22:  Spuckt  gar  nicht  mehr.  Sieht  rosig  und  frisch  aus. 
Ist  freundlich  und  wesentlich  ruhiger.  Reflexe  nur  mĂ€ĂŸig  ver- 
stÀrkt. Gutes  Gedeihen.  Gewicht  4150  gr.  Fortlassen  des  Spuck- 
kissens. 

27.  1.  22:  Das  Spucken  ist  zwar  auch  jetzt  seilen,  aber  das 
Kind  ist  wieder  unruhig.  ErnĂ€hrung  unverĂ€ndert.  StĂŒhle  geformt. 
Frei  von  pathologischen  Beimengungen.  Gewicht  hÀlt  sich,  4250  gr. 

8.  2.  22:  Gewicht  immer  noch  4300  gr.  Wieder  so  starkes 
Spucken,  daß  erneutes  Festlegen  erforderlich  wird. 

17.  2.  22:  Trotz  interkurrenter  fieberhafter  Pharyngitis  völ- 
liges Schwinden  des  Spuckens.  Gewichlsanstieg  auf  heute  4650  gr. 
Freie  Lagerung. 


27.  2.  22:  (rar  kein  Spucken  mehr.  Kind  ist  noch  etwas  leb- 
hafter und  erregbarer  ;ils  normal.     Trinkt  gut.    Normaler  Organ 
befand.   Gewicht  1710  gr. 

2.  3.  22:  Wird  geheilt  nach  Hause  entlassen. 

Bei  einiger  Fehling  und  Erfahrung  kann  man  einem 
SĂ€ugling,  der  an  habituellem  Erbrechen  leidet,  schon  meistens 
an  seinem  körperlichen  Status  ablesen,  ob  er  auf  das  Fest 
legen  reagieren  wird  oder  nicht.  Ja,  man  konnte  beinahe  so 
weit  gehen,  daß- man  die  Reaktion  des  Kindes  auf  das  „Fest- 
legen" diagnostisch  verwertet  und  von  Erfolg  oder  Mißerfolg 
die  Einreihung  des  betreffenden  Falles  in  die  Gruppe  der 
neuropathischen  Spucker  abhÀngig  macht. 

Jedenfalls  ist  in  der  Klinik  und  zu  Hause 
das  „Festlegen"  ohne  weiteres  durchfĂŒhrbar 
und  soll  aufs  w  Àrmste  empfohlen  w  e  r  d  e  n. 

"Mit  den  bisher  aufgezÀhlten  Methoden  sind  nun  sicherlich 
nicht  alle  Möglichkeiten  erschöpft,  wie  man  das  habituelle 
Erbrechen  beeinflussen  kann.  Nicht  erwÀhnt  ist  z.  B.  die  un- 
lĂ€ngst von  Ylppö1)  angegebene  Bauchlagerung,  ĂŒber  die 
uns  noch  persönliche  Erfahrung  fehlt.  Aber  die  mitgeteilten 
Erfahrungen  könnten  vielleicht  geeignet  erscheinen,  manchen 
Kollegen  bei  therapeutischen  ErwĂ€gungen  zu  unterstĂŒtzen 
und  ihm  einige  neue  Mittel  zu  dankbarer  Therapie  an  die 
Hand  zu  geben. 

Bei  der  Wahl  der  im  einzelnen  Falle  anzuwendenden 
Methoden  mĂŒĂŸten  also  —  um  nochmals  zusammenzu- 
fassen —  folgende  Ueberlegungen  maßgebend  sein: 

Zu  welcher  Gruppe  von  Kindern  mit  habituellem  Er- 
brechen ist  der  vorliegende  Fall  zu  zÀhlen: 

1.  Zu  den  ErnÀhrungsstörungen? 

2.  Zu  den  infektiös  bedingten  FÀllen? 

3.  Zu  den  Neuropathen? 

Bei  1.  und  2.  muß  die  Grundkrankheit  auch  in  der 
Therapie  maßgebend  sein,  in  zweiter  Linie  erst  eigene  Be- 
handlung des  Spuckens.  Gruppe  3  bildet  das  eigentliche  Feld 
der  spezifischen  Behandlung  des  habituellen  Erbrechens. 
Neben  den  bisher  bekannten  Methoden,  vor  allem  der  Dar- 
reichung kleiner  hĂ€ufiger  Mahlzeiten,  der  BreifĂŒtterung  und 
Verwendung  konzentrierter  Nahrungsgemische,  steht  nach 
neuen  Erfahrungen  das  Mittel  der  systematischen  tagelang 
fortgesetzten  SondenfĂŒtterung  zur  VerfĂŒgung.  Sehr  gute 
Dienste  leistet  auch  die  unter  dem  Namen  „Festlegen"  im 
Dortmunder  SĂ€uglingsheim  gefundene  und  als  Ă€ußerst  wirk- 
sam erprobte  Lagerung  des  Kindes  in  ein  sogenanntes  Spuck- 
kissen. 

Wir  hoffen,  mit  diesen  kurzen  AusfĂŒhrungen  den  Ein- 
druck gefestigt  zu  haben,  daß  das  habituelle  Erbrechen  auch 
in  seinen  bedrohlichen  Formen  zum  Guten  beeinflußt  wer- 
den kann.  Bei  der  Wichtigkeit  dieses  Problems  ist  es  wertvoll, 
wenn  weiteste  Kreise  diese  Ueberzeugung  gewinnen  und  mit 
Energie  diesem  lÀstigen  Uebel  entgegentreten,  und  sie  können 
und  werden  es  um  so  erfreulicher  tun,  je  aussichtsreicher  der 
Erfolg  ist.  Die  richtige  Behandlung  ist  aber  heute  dankbar 
und  erfolgreich.  Vom  Spucken  gilt  heute  dasselbe,  was  ein 
erfahrener  Kliniker  in  seiner  Vorlesung  ĂŒber  die  Pneumonien 
zu  sagen  pflegte:  Wer  seine  Pneumonien  richtig  behandelt, 
bringt  sie  auch  durch. 


Die  Gastroskopie  in  Gegenwart  und  Zukunft. 

Von  Wilhelm  S  t  e  r  n  b  e  r  g  -  Berlin. 

MerkwĂŒrdigerweise  ist  es  gerade  die  grĂ¶ĂŸte  Körperhöhle 
des  Menschen,  die  Magen-Höhle,  deren  Endoskopie  hinter  den 
anderen  Hohlorganen  auch  heute  noch  weit  zurĂŒcksteht.  Und 
doch  ist  fĂŒr  kein  Organ  zur  differentiellen  Diagnostik  die 
Endoskopie  von  so  hoher  praktischer,  ja  entscheidender  Be- 
deutung wie  gerade  fĂŒr  den  Magen.  Ist  es  doch  nicht  zu 
leugnen,  daß  die  andere  optische  Methode,  die  Röntgenoskopie 
des  Magens  in  30  Prozent  aller  FĂ€lle  nur  indirekte  diagno- 
stische AufschlĂŒsse  liefert. 


»)  Y  1  p  p  ö,  Therap.  Halbmonatsh.  1920,  Nr.  3,  S.  76. 


458 


Sternberg:  Gastroskopie. 


40.  Jahrg. 


Nr.  26 


Lf.  Nr. 


,  Wohnung: 


str.  Nr 


fĂŒr 

H.  B.  Nr 

Abmagerung?-    .     Kilo  in  Mon  .  Magenschmerzen? 
Brechen?  .   Blutbrechen?  ,    wann  zuletzt? 

Wichtige  Daten  der  Vorgeschichte: 


Objektiv:  Zunge'  ,  Druckpunkte? 

Ist  der  Magen  nĂŒchtern  leer?   

Magensaft:  Fr.  HCl'  Ges.  Ac?    ,  MilchsÀure?  .  Blut? 

Mikrosk.  ?         -   

Stuhlgang?  ,  enthĂ€lt  Blut?  ,  FĂŒhlbarer  Tumor?  — 

Neurotische  Symptome?  ,  AnÀmie?   ,  

Röntgenol.  Diagnose?  -  


Die  Endoskopie  der  anderen  Organe  ist  in  den  letzten 
Jahrzehnten  in  ungeahnter  Weise  gefördert,  und  so  hat  mit 
der  endoskopischen  Diagnostik  auch  die  klinische  Diagnostik 
gewonnen. 

Freilich  haben  die  Mittel  der  Endoskopie  selber,  sogar  die 
Nitzeschen  Instrumente  ganz  wesentliche  Modifikationen  in 
jeder  Hinsicht,  auch  in  technischer  und  optischer,  erfahren. 
Hingegen  zeigt  die  Entwicklung  der  gastroskopischen  Instru- 
mente so  unwesentliche  Aenderungen,  daß  von  dieser  Ent- 
wickhing dasselbe  gilt,  was  BrĂŒnings1)  von  der  oesophagosko- 
pischen  Technik  sagt:  „Von  jeher  haben  sich  die  Verbesse- 
r-ungsversuche  in  der  oesophagoskopischen  Methodik  auf  die 
EinfĂŒhrungstechnik  konzentriert,  so  daß  kaum  ein  Jahr  ver- 
geht, ohne  daß  ein  neuer  Mandrin  erfunden  wird." 

FĂŒr  die  gastroskopische  Technik  ist  das  um  so  auf- 
fallender, als  sich  zur  Lösung  dieser  endoskopischen  Pro- 
bleme in  beispielloser  Weise,  wie  nirgend  anderswo,  die  ver- 
schiedensten Spezialisten  vereinen:  der  Chirurg,  der  Augen- 
arzt, der  Halsspezialist  und  der  Magenarzt.  Und  doch  sind 
viele  von  den  in  der  Literatur  beschriebenen  und  empfohlenen 
Gastroskopen  nicht  nur  vergessen  und  im  Handel  garnicht 
erhÀltlich,  sondern  die  meisten  vom  Autor  selber  gar  nicht 
einmal  lange  angewendet  und  meist  in  nicht  gebrauchs- 
fÀhigem, ja  nicht  einmal  reparablem  Zustand.  So  kommt  es, 
daß  die  gastroskopische  Untersui  hungsmethode  nach  wie  vor 
auf  die  Anwendung  ganz  isolierter  FÀlle  seitens  singulÀrer 
vereinzelter  Spezialisten  beschrÀnkt  bleibt.  Das  ist  der  gegen- 
wÀrtige Stand  der  Gastroskopie,  wie  ihn  S  t  i  e  d  a2)  zu- 
sammenfaßt. Das  mag  mit  den  mannigfachen  technischen 
Schwierigkeiten  aller  Art  zusammenhÀngen,  an  denen  die 
Gastroskopie  reicher  isl  als  irgend  eine  andere  Endoskopie. 
Allein  dieser  eine  Grund  vermag  doch  immerhin  nicht  die 
Tatsache  zu  erklĂ€ren,  daß  die  Gastroskopie  noch  nicht  ein- 
mal mit  den  anderen  alltÀglichen  Untersuchungsmethoden, 
ja  nicht  einmal  mit  den  anderen  optischen  Untersuchung - 
iiKlhoden  des  Magens  kritisch  verglichen  und  gemessen  isl. 
Deshalb  dĂŒrfte  es  sich  \  erlohnen,  nach  anderen  GrĂŒnden  Um- 
schau zu  halten. 

Die  Gastroskopie  ist  in  den  isolierten  FÀllen  singulÀrer 
Spezialisten  nahezu  ausschließlich  in  ambulanten  FĂ€llen  ver- 
sucht worden.  Und  das  ist  entschieden  kein  geeigneter  Bo- 
den zur  Förderung  einer  Ă€ußerst  schwierigen,  subtilen  Endos- 
kopie. Deshalb  dĂŒrfte  es  im  Interesse  der  gesamten  Wissen- 
schaft liegen,  wenn  sich  die  Klinik  in  Zukunft  dieser  jungen 
und  aussichtsreichen  Endoskopie  liebevoll  annimmt  und 
reichlich  bedient. 

Die  GrĂŒnde  fĂŒr  die  zu  bevorzugende  Ueberweisung  der 
Gastroskopie  gerade  an  klinische  FĂ€lle,  ambulanten  gegen- 
ĂŒber, sind  folgende: 

1.  Zum  Studium  des  Nutzens  und  der  Bewertung  der  Station,  d. 
gastroskopischen  Methode  ist  es  unbedingt  notwendig,  daß 

man  0.02  Morphium,  10%  Cocain,  mitunter  auch  Atropin     Gas  roskopie 

verwendet,  möglicherweise  auch  komprimierte  Luft.    Nun     H  B- Nr- 

legt  aber  die  Anwendung  all  dieser  die  Endoskopie  erst  vor-     erschien  kontraindizie  t  wegen 

bereitenden  Mittel  dem  Untersucher  die  Pflicht  der  FĂŒrsorge  - 

fĂŒr  den  Kranken  auch  viele  Stunden  noch  nach  beendigter    etwies  sich  als  unmrtglich,  weil 
Endoskopie  auf. 

2.  Zum  Studium  des  Nutzens  und  der  Bewertung  der  WUrde  am  ausgefĂŒhrt, 
gastroskopischen  Methode  ist  es  unbedingt  erforderlich,  daß  AnĂ€sthesie' 

gerade  die  FĂ€lle  vor  und  nach  der  Operation  zur  Endoskopie  EinfĂŒhrung: 
kommen.    Denn  diese  »eben  die  dankbarste  Kontrolle.  Diese 
entgehen  aber  meist  der  ambulanten  Praxis,  wenigstens  der     Gastrosk.  Befund: 
ambulanten  Endoskopie. 

'.).  Zum  Studium  des  Nutzens  und  der  Bewertung  der     Gastrosk'  Dia<jnose. 
gastroskopischen  l  ntersuchungsmethode  ist  es  unbedingt  er-  d 
forderlich,  daß  auch  der  Kunstzeichner  stets  zur  Hand  ist. 
um  das  endoskopische  Bild  festzuhalten.    Das  ist  aber  fĂŒr 
die  ambulante  Praxis  immerhin  erschwert. 


In  vorbildlicher  WTeise  ist  die  MĂŒnchener  Klinik  voran- 
gegangen. Das  Krankenhaus  Schwabing  hat,  wie  ich  mich  I 
persönlich  ĂŒberzeugt  habe,  in  dankenswertester  Weise  eine 
kleine  gastroskopische  Zentral -Station  eingerichtet.  Dorthin 
werden  alle  FĂ€lle  aus  dem  ganzen  Krankenhaus,  von  allen 
Stationen,  zur  Gastroskopie  ĂŒberwiesen,  genau  so  wie  in  allen 
modernen  Kliniken  sÀmtliche  FÀlle  aus  dem  ganzen  Spital 
an  eine  Zentralstation  fĂŒr  die  röntgenoskopische  Unter- 
suchung ĂŒberwiesen  werden.  So  kommt  hier  natĂŒrlich  ein 
reiches  Beobachtungsmaterial  zusammen.  Und  nur  ein 
Ă€ußerst  großes  Material  kann  Erfahrungen  ĂŒber  den  Wert 
und  die  Aussichten  einer  endoskopischen  Untersuchung 
liefern.  Eine  geĂŒbte  Kraft  zum  Zeichnen  der  endoskopischen 
Bilder  ist  stets  zur  Hand.  Der  Befund  wird  in  eignen  For- 
mularen sofort  notiert: 


Gastroskopie 


J  ,  Beruf 

erbeten. 
,  vom  Essen  abhÀngig? 
.  Appetit? 


V0  Hb 


Klin.  Diagn.?  sicher:     

oder  Verdacht  auf: 

Diff.  Diag.  zwischen 


und 


Hat  Patient:  Eine  WirbelsÀulenanomalie?    ,  welche? 

hochgradig?  ,  eine  Kieferanomalie?    ,  Oesophagusstiiktur?    ,  Oesophagus- 

variien  ?  .  Veilegnng  der  Cardia?  r   Aneurysma?   ,  Fieber' 

Dyspnoe?  .  Herzfehler'   ,  Hochgradige  Atherosclerose?   .  AlveolÀres. 

Lungenemphysem?   ,  ist  eine  starke^  Magen-  oder  Lungenblutung  erfolgt? 

wann'  Besteht  peritoneale  Reizung'          .  Bestehen  psychotherapeutische  Bedenken 

gegen  Vornahme  der  Gastroskopie?    ,  welche' 


Gastroskopie 

H   B.  Nr. 

erschien  kontraindizie- 1  weöen   

erwies  sich  als  unmöglich,  weil   

wurde  am    ausgefĂŒhrt 

AnÀsthesie: 
EinfĂŒhrung : 

Gastrosk.  Befund; 

Gastrosk.  Befund; 

d.   


369. 


')  Wiesbaden  IHK).  S. 
kopie  u.  Oesophagoskopie." 

Alexander  Stieda:  Der  gegenwÀrtige  Stand 
kopie  '.    Ergebnisse  der  Chirurgie  u.  Orthop.  1912. 


Schindle  r3)   hat   seine  hier  gesammelten  Beobach- 
.Die  Laryngoskopie.  Bronchos-     tungen  kĂŒrzlich  veröffentlicht.    Er   hat   ein   eigenes  neues 

(iastroskop  angegeben,  das  im  Prinzip  dasselbe  ist.  wie  das 

;i)  MĂŒnch,  med.  W'ochenschr.  1922.  14.  IV.  Nr.  15  S.  535—537. 


der  Gastros- 


40.  Jahfg.  —  Nr.  2i\ 


Sworowski:  Röhrcnspekulum. 


i:>'.t 


von  Kausch,  Jackson,  Eisner,  nur  einigermaßen  modifiziert. 
Doch  kann  man  mil  diesem  Gastroskop  ebenso  wenig  wie 
mit  den  ĂŒbrigen  die  Cardia  sehen,  den  klinisch  zweitwich- 
tigsten Punkt  dos  Magens. 

Dieses  Vorgehen  der  MĂŒnchener  Klinik  bedeutet  einen 
Wendepunkt  in  der  Geschichte  der  Gastroskopie.  Die  innere 
Medizin  kann  fĂŒr  diese  vorbildliche  Einrichtung  dein  MĂŒn- 
i  In  ner  Krankenhans  nicht  dankbar  genug  sein.  Ein  solche 
mustergĂŒltige  Initiative  wird  zur  haldigen  Nacheiferung  alle 
anderen  Kliniken  einladen.  Denn  so  und  nur  so  kann  in 
Zukunft  die  Gastroskopie,  auf  ihre  Nutzlosigkeit  oder  ihren 
Nutzen,  ihrer  kritischen  PrĂŒfung  endgĂŒltig  unterworfen 
werden.  So  und  nur  so  kann  die  Gastroskopie  entscheidende 
Förderung  erfahren,  so  daß  sie  möglicherweise  den  ĂŒblichen 
Untersuchungsmethoden,  auch  den  optischen  an  die  Seile 
öder  gar  voran  gestellt  werden  kann. 


Ein  neues  Röhrenspekulum  fĂŒr  Frauen. 

Von  Dr.  med.  S  w  o  r  o  w  s  ki  -  Dresden. 

Die  röhrenförmigen  Spiegel  fĂŒr  Frauen  ,,s  c  h  i  e  b  t  man" 
—  wie  DĂŒhrssen  in  seiner  Gynaekologie  schreibt  —  „nach 
hinten,  soweit  es  ohne  Widerstand  gehl.  Sieht 
man  nicht  ohne  weiteres  den  Muttermund,  so  bringen  leichte 
Verschiebungen  des  Schnabels  ihn  bald  zur  Ansicht. 
Nur  bei  sehr  starker  Anteversion  des  Uterus  kann  dies  u  n  - 
möglich  werden.  Die  röhrenförmigen  Spiegel  gleiten 
leicht  heraus,  wenn  man  sie  nicht  hÀlt.  Tupf  er 
und  SpĂŒlrohr  mĂŒssen  daher  so  plaziert  sein,  daß  man  sie  mit 
der  rechten  Hand  erreichen  kann." 

Das  nebenstehend  abgebildete  patentierte  Ursano-Spe- 
kulum1)  vermeidet  dem  Mayer-Spekulum  gegenĂŒber  alle 
Nachteile  der  EinfĂŒhrung  des  Instrumentes,  des  Auffinden- 


des Muttermundes,  selbst  wenn  derselbe  versteckt  Liegt,  und 
die  Gefahr  des  Herausgleitens,  wenn  das  Rohr  nicht  mein 
festgehalten  wird. 

Die  Ă€ußeren  erhabenen,  stumpfen  Windungsringe  um  das 
Spekulum  ermöglichen  durch  Drehung  des  Instrumentes  um 
seine  Achse  ein  selbsttÀtiges  Vordringen  his  zum  Muttermund 
ohne  grollen  Kraftaufwand.  Der  Wulsl  des  elastischen 
Schleimhaut gewebes,  der  sich  vor  die  EinfĂŒhrungsöffnung 
legt,  wird  durch  das  Gewinde  zurĂŒckgedrĂ€ngt,  ohne  der  Frau 
Schmerzen  zu  bereiten  im  Gegensatz  zum  Fergusson  Spe- 
kulum, das  heim  Vorschieben  auf  den  vorliegenden  Schleim 
hautwulst  kantig  in  axialer  Richtung  auftrifft  und  dadurch 
schmerzhafte  Empfindungen  auslost.  Die  Aufsuchung  des 
oft  versteckt  liegenden  Muttermundes  wird  durch  voltigieren 
des  Drehen  des  Instrumentes  leicht  ermöglicht. 


Einmal  eingefĂŒhrt  ist  das  Ursano-Spekulum  selbst- 
haltend  durch  die  Vertiefungen  zwischen  den  Windungs- 
ringen, innerhalb  welchen  das  elastische  Schleimhautgewehe 
sich  fest  auf  das  Spekulum  legt,  so  daß  ein  Herausgleiten  des 
Instrumentes  verhindert  wird,  selbst  wenn  die  Frau  pressen 
sollte.  Beide  HĂ€nde  des  Arztes  sind  dadurch  frei  zu  weiteren 
Behandlungsmanipulationen. 

Der  Preis  des  Instrumentes  stellt  sich  kaum  teurer  als 
ein  glattes  Spekulum. 


')  Vertrieb  des  Instrumentes  durch  Ursario  (i.  m.  b.  H., 
Berlin  W35. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Klinische  Wochenschrift,  Rerlin. 

IX.  Marz  1922,  1.    Nr.  12. 

NatĂŒrliche   ImmunitĂ€t   im    K'ndesalter.     C  z  e  r  n  y.  561. 
Dpi-  gegenwÀrtige  Stand   der  Eklampsiefna-ge..     Esch.  563. 
9*ßAuchkoliken  mit   Porphyrinurie,    S  n  u  p  pe  r.  "di". 

\ushau  der  Dai"nvpa.tronp,nniethodc.    I.  Erweiterung  und   Vereinfachung  der 
Untersuchung  des  DĂŒnndarms.    Reis,  v  a  ii  d  e  r.  570. 
♩Tuberkulose   und    Hungersnot.     O  u  I  l  *  l  e  i  n.  572. 

‱frliie  Behandlung  chronisch  deformierender  Oelenkerkrankungen  mit  Schwe- 
fel;    M  e  y  e  r  -  H  i  s  e  Ii.  :,7.',. 

Erythrocyanosis  cutis  Symmetrie«.    Ii  i  i  >e  578. 

♩Radikale  Hoiilung  de*   Vugeutr&i  s  durch  die  Stricturotoniie.    Hei  mann. 

580.  " 

EntzĂŒndung  und  Nervensystem.     l\  u  t  t  u  e  r.  580, 

Die  Innervation  antagonistischer  Muakefn  des  Mensehen  nach  Versucher  au 
Sauerbj'uch-Opcrierten.    ii  e,  t  Ii  e  und  K  a  s  t.  581. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  N' ierenverĂ€nderungen  bei  Diphthe- 
rie.   W  "  I  I'  f.  581. 

Histolog'sche  Veriinderungeii  im  Gehirn  bei  hyperkinetisch«]  Erkrankungen 

der  Maus   nach   Diphthcricinfcktinu.     I.  e  \\  y.  582. 
Röntgenbefund  bei  chroniischem    partiellem    Hermneurysma..  Christian 

und  V  r  i  U.  582. 

Sollen  und  dĂŒrfen  wir  die  Indikation  zur  CholeczstCiktomie  erweitern? 
7.  n  e  p  f  f  e,  I.  582. 

Ueber  Bauchkoliken  mit  Porphyrinurie  (Colica  porphyrin- 
urica).  D;is  Krankheitsbild  der  sog.  akuten  Porphyrinurie  isi 
durch  folgende  Symptome  gekennzeichnet: 

1.  AnfÀlle   heftiger    Bauch-    und    Lendenschmerzen    mit  Er- 
brechen und  Obstipation. 

2.  WĂ€hrend    des  Anfalles    Ausscheidung    eines  dunkelroteu 
Urins,  der  viel  Porphyrin  enthÀlt. 

Nach  mehreren  AnfÀllen  ist  etwa  die  HÀlfte  der  bisher  be 
pbachteten  Patienten  unter  LĂ€hmurigserscheinungen  des  zentralen 


und  peripheren  Nervensystems  gestorben.  —  Es  werden  :>  FĂ€lle 
dieser  interessanten  Krankheit  mitgeteilt.  Die  Diagnose  wird  hÀu- 
fig nicht  richtig  gestellt,  insofern  die  Anfalle  meist  als  Nierenstein- 
koliken aufgefaßt  werden.  Erst  die  spektroskopische  Unter- 
suchung des  Harns  klÀrt  die  Sachlage. 

Tuberkulose  und  Hungersnot.  Im  Jahre  1917  konnte  bereits 
in  Deutschland  eine  Zunahme  der  Tuberkulose  festgestellt  wer- 
den. Gleichzeitig  mit  dieser  Tatsache  traten  zwei  VorgÀnge  in 
die  Erscheinung. 

1.  war  der  Winter  des  Jahres  1917  ungewöhnlich  kalt,  rauh  und 
lang  anhaltend. 

2.  trat  um  diese  Zeil  ein  erheblicher  Nahrungsmittelmangel,  ja 
eine  richtige  Hungersnot  ein. 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers,  die  auch  auf  frĂŒhere  Ereig- 
nisse Ă€hnlicher  Art  zurĂŒckgreifen,  zeigen  mit  aller  Deutlich- 
keit, dah  die  eigentliche  Ausbreitung  der  Tuberkulose  gewöhnlich 
erst  einige  Jahre  nach  der  Hungersnot  stattfindet.  Es  muß  des- 
halb mit  allem  Nachdruck  darauf  hingewiesen  werden,  daß  die 
Hauptgefahr  durch  die  Tuberkulose  erst  in  den  nÀchsten  Jahren 
droht.  Daher  mĂŒssen  sofort  alle  Maßregeln  getroffen  werden, 
um  einem  derartigen  Anwachsen  der  Erkrankung  vorzubeugen 

Ueber  die  Behandlung  chronisch  deformierender  ßelenker- 
kranku.ngon  mit  Schwefel.  Durch  Schwefelinjektionen  sind  die 
primÀre  chronische  Polyarthritis  und  die  chronische  Polyarthri- 
tis rhedmatica  zweifellos  gĂŒnstig  zu  beeinflussen.  FĂŒr  die  Be- 
handlung werden  bestimmte  Richtlinien  gegeben.  Die  Schwefel- 
injektion ist  quantitativ  genau  zu  dosieren  und  physiologisch  che- 
misch bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu  begrĂŒnden,  wie  durch  ein- 
gehende Untersuchungen  festgestellt  werden  konnte. 

Radikale  Heilung  des  AugentrÀnens  durch  die  Stricturotomie. 
Nach  einer  französischen  Methode  wird  nach  sorgfaltigster  An- 
aesthesierung  der  TrÀnenwege   eine   mittelstarke  Bowmansche 


4<)0 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


Sonde  eingefĂŒhrt,  dann  nochmals  anaesthesiert,  worauf  mit  dem 
lief  in  den  Tranenkanal  eingefĂŒhrten  TrĂ€nensondenmesser  die 
Verwachsungen  durchtrennt  werden.  Im  Anschluß  hieran  Ein- 
fĂŒhrung ganz  dicker  Sonden  und  dann  allwöchentliche  Sondie- 
rung, im  ganzen  5-  his  6mal. 

Sollen  und  dĂŒrfen  wir  die  Indikation  zur  Cholecystektomie 
erweitern?  Die  Cholecystektomie  gibt  bei  frĂŒh  operierten  FĂ€llen 
in  völliger  Analogie  mit  der  Appendectomie  gĂŒnstige  Resultate. 
Es  ist  daher  notwendig,  FÀlle  von  Gallenblasenerkrankung  mög- 
lichst frĂŒhzeitig  dem  Chirurgen  zuzuweisen.  Die  Mißerfolge  der 
Operation  fallen  nicht  dem  Chirurgen  zur  Last,  sondern  sind 
durch  die  zu  spÀte  Ueberweisung  der  FÀlle  zur  Operation  verur- 
sach!. A.  MĂŒnzet'. 

25.  MĂ€rz  1922.  1.  Nr  13. 

Das  Konstirutionsprohlom  in  der  Psychiatrie.    Kreise  h  m  e  r.  609. 
Die  Bedeutung  der  Kalorie   in   Theorie   und   Praxi»   der   Medizin.     O  «  t  t  - 
8  c  Ii  a  1  k.  6ii. 

Bilirubinbildung  in  der  ĂŒberlebenden  Milz.  Ernst  und  Szappany  o  s.  514. 
❖  Kl  in  'scher   und   experimenteller  Beitrag   zur   krampflösenden    Wirkung  der 

Purinderivate.    Hirsch.  615. 
❖Erfahrungen  mit  TrichlorĂ€thylen  bei  Trigeminus-Neuralgien.  M  a  g  g  u  n  n  a. 
618. 

❖Zur  Nachbehandlung  Laparotomierter.  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 

Sitz-  und  Steillage  nach  Rehn.    K  o  h  d  e.  616. 
❖Xovasurol  als  Diureticum,    K  u  1  c  k  e.  622. 
Spina  bifida  oceulta  und  Ischias.    W  e  s  k  o  t  t.  625. 

Beziehungen  zwischen  Virulenz  und  Vermehrungsgcschwind  gkeit  der  Er- 
reger.   Doerr  und  B  e  r  g  e  r.  628. 

Ueber  in  vitro  Kulturen  der  em'bfyouÀiliii  Gewebe  il  c  Saugetiere.  C  h  1  o  p  i  n. 
628. 

Störungen  der  Adremalinbildung  in  den  Ncbennicrei  unter  FliiĂŒcn 
und  ihre  biologische  Bedeutung.    P  e  i  s  e  r.  628. 

Fremdkörper  in  den  oberen  Luftwegen,  eine  diphterische  Larynxstenose  vor- 
tÀuschend.   Brandes.  629. 

Reiehmannscher  Svmptonvenkomplex  bei  Tabes  dorsalis.  R  e  g  e  n  s  b  u  r  g  e  r. 

631. 

❖GrundzĂŒge  der  neuzeitlichen  Wundversorgung.    G  a  z  a  .  von.  632. 

Klinischer  und  experimenteller  Beitrag  zur  krampflösenden 
Wirkung  der  Purinderivate.  Purinkörper  ĂŒben  eine  krampf- 
lösende Wirkung  aus.  Ein  von  der  Firma  Weil  in  den  Handel 
gebrachtes  Dimethylxanthingemisch,  Spasmopurin  genannt, 
zeichnet  sich  durch  seine  hervorragende  Wirkung  auf  den  Tonus 
der  Bronchialmuskeln  aus.  Als  Hauptanwendungsgebiet  fĂŒr  das 
PrĂ€parat  kommen  demgemĂ€ĂŸ  alle  Arten  von  Asthma,  sowie  ver- 
wandte Erscheinungen,  besonders  auch  im  Verlauf  der  chroni- 
schen Kreislauf-Insuffizienz  im  höheren  Lebensalter  (Emphysem, 
Stauungskatarrhe)  in  Betracht..  Die  Harmlosigkeit  der  Purin- 
körper gestattet  ihre  Verwendung  auch  zu  prophylaktischen 
Zwecken  und  ĂŒber  lĂ€ngere  Zeit  hinaus. 

Erfahrungen  mit  TrichlorÀthylen  bei  Trigeminus-Neuralgien. 

Durch  Einatmung  von  TrichlorÀthylen  werden  FÀlle  von  echter 
Trigeminusneuralgie  gĂŒnstig  beeinflußt;  das  PrĂ€parat  verdient 
entschieden  weitere  Beachtung. 

Zur  Nachbehandlung  Laparotomierter  unter  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung der  Sitz-  und  Steillage  nach  Rehn.  Bei  Nachbe- 
handlung Laparotomierter  sind  nach  den  Erfahrungen  von  Rehn 
folgende  Punkte  zu  beachten:  Sofort  nach  der  Operation  Betten 
der  Patienten  in  bequemer,  sicherer  Sitz-  oder  Steillage,  syste- 
matische Atemgymnastik,  Anregung  der  Peristaltik,  unmittelbar 
nach  der  Operation  einsetzende  Massage  und  Gymnastik  der 
ganzen  Körpermuskulatur.  Die  derart  durchgefĂŒhrte  Behand- 
lungsmethode hat  die  gĂŒnstigsten  Ergebnisse  erzielt. 

Novasurol  als  Diuretikum.  Novasurol  kommt  als  Diuretikum 
in  erster  Linie  bei  kardialer  Wasserretention  in  Betracht  und 
entfaltet  in  entsprechenden  FĂ€llen  eine  ausgezeichnete  Wiikung. 
Es  ist  absolut  kontraindiziert  bei  ausschließlich  renalen  Wasser- 
retentionen. 

GrundzĂŒge  der  neuzeitlichen  Wundversorgung.  Frische 
Wunden  mit  einwandfreier  Asepsis  grĂŒndlich  revidieren,  Wund- 
rÀnder  und  alle  in  der  Tiefe  verletzten  Gewebe  sorgfÀltig  um- 
schneiden und  nÀhen.  In  der  Nachbehandlung  auf  VerÀnderungen 
der  Temperatur  und  des  Pulses,  sowie  auf  eintretende  Schmerzen 
genau  achten.  Versteifungen  der  betroffenen  und  der  benach- 
barten Gliedanteile  durch  sachgemĂ€ĂŸe  orthopĂ€dische  Wundnach- 
behandlung  vorbeugen.  Bei  drohenden  Versteifungen  stets  auf 
die  fĂŒr   die  Funktion  <!es  Gliedes  gĂŒnstigste  Stellung  achten 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

1   April  1922.  t,  Nr.  14.  ‱ 

Grundlagen  und  Bedeutung  der  physikalischen  Therapie  fĂŒr  die  innere  Me- 
dizin.   G  o  1  d  s  c  h  o  i  d  c  r.  665. 
❖Intravenöse   Injektion    in   Oel   gelöster   Medikamente    und    wir  intrav»nö«eu 
Campherthcr-apie.    L  e  p  e  h  n  ».  870. 


Myoelektrtsche  Untersuchungen  bei  Striatum-Erkrankungen.    Sehn.  «7.1. 
❖Frage  der  Schulskoliose.    Maas.  675. 

BeitrÀge  zur  totalen  und  partiellen  Rhinoneoplastik  nebst  einem  Vorschlage 
zur  freien  HautĂŒberpflanzung.  Joseph. 

EntzĂŒndung,  allergische  ImmunitĂ€t  und  Anaphylaxie.     K  1  i  n  k  e  r  t.  680. 

Anaphylaktisehe  Erscheinungen  nach   Sanarthrit.     LĂ€se  h.  682. 

Oie  morphologischen  Bcstandte:le  des  Duodenal«  hartes  und  ihre  d  l'ferent.ial- 
diagnostische  Bedeutung.    R  o  t'h  m  a  n  -  Manheim.  683. 

l>ie  Beeinflussung  der  Schmerzempfindlichkeit  der  Haut  durch  Quarzlampen- 
bestrahlung.   G  r  ö  e  r  ,  v.  und  ,T  a  8  i  n  s  k  i     v.  888. 

Bulbocaciuin-Katalepsie.    .long,  de.  684, 

Isolierte    LĂ€hmung    des    N.    axillaris    infolge:    von  Kohlenoxidvergiftung. 
Mendel.  685. 

❖Die  Indikationsbreite  der  therapeutischen  Hypnose.    Lang».  686. 
❖Das  Ulcus  molle  und  seine  Behandlung.    B  e  u  c  k.  889. 

Ansteckung,  Erkrankung  und  Tod  durch  den  TubeikelbaziHiis  im  Lichte  de, 
Statistik.    Ascher.  693. 

Zur  intravenösen  Injektion  in  Oel  gelöster  Medikamente 
(Menthol-Eukalyptolinjektionen)  und  zur  intravenösen  Kampher- 
therapie. Beim  Kaninchen  sind  irgendwelche  schÀdlichen  Wir- 
kungen des  intravenös  gegebenen  Menthol-Eukalyptols  nicht  mit 
Sicherheit  festzustellen.  DemgemĂ€ĂŸ  kann  beim  Menschen  diese 
Therapie  insbesondere  bei  Tuberkulose,  LungengongrÀn  und 
fötider  Bronchitis  in  vorsichtiger  W7eise  versucht  werden.  —  Hin- 
sichtlich der  intravenösen  Kampheröltherapie  wurde  am  Kanin- 
chen das  neue  KampherprÀparat  Cadechol  ausprobiert,  welches 
im  ganzen  gut  vertragen  wurde.  In  einem  auffallenden  Gegen- 
satz hierzu  standen  allerdings  Versuche  am  ĂŒberlebenden,  mit 
Ringerlösung  durchspĂŒlten  SĂ€ugetierherzen.  Die  kleine  Dosis 
von  0,2  Cadechollösung  brachte  das  Herz  sofort  zum  systolischen 
Stillstand  und  zur  Schrumpfung.  Vorsicht  ist  also  hierbei  beson- 
ders geboten. 

Zur  Frage  der  Schulskoliose.  Ein  betrÀchtlicher  Teil  aller 
Schulskoliosen  verdankt  ihre  Entstehung  lediglich  dem  rein  me- 
chanischen Einfluß  der  fixierten  skoliotischen  Haltung  auf  die  im 
ĂŒbrigen  völlig  gesunde  WirbelsĂ€ule. 

lieber   die   Indikationsbreite   der   therapeutischen  Hypnose. 

Hauptanwendungsgebiet  fĂŒr  Hypnosebehandlung:  Hysterie.  Unter 
den  neurasthenischen  Erkrankungen  reagieren  besonders  die 
Organneurosen  auf  Hypnose.  Ferner  kommen  in  Betracht  Enu- 
resis nocturna  und  psychische  Impotenz.  Kontraindiziert  ist  die 
Hypnose  immer  bei  Psychosen. 

Leber  das  Ulcus  molle  und  seine  Behandlung.    LeitsĂ€tze  fĂŒr 

eine  rationelle  Ulcus  molle-Behandlung:  1.  AusÀtzung  des  Ge- 
schwĂŒrs zwecks  direkter  Zerstörung  der  Streptobazillen;  2.  Be- 
streitung mit  einem,  die  Bazillenwucherung  spezifisch  hindernden 
Puder;  3.  möglichste  Trockenhaltung  der  GeschwĂŒre.  —  Bei  der 
hÀufigsten  Komplikation  des  weichen  Schankers,  dem  Bubo,  An 
Wendung  von  Milch-  und  Terpentininjektionen.       A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Medizinische  Klinik,  Berlin. 

26.  Februar  1922.  Nr.  9. 


Die  Behandlung 
Salvarsanfragen. 
^Schwangerschaft 


B  a  r  d  a  c  h  z 


263. 


des  Typhus  abdominalis 
A  r  n  d  t.  266. 

eocuwaiieeraciiaii   und  Tuberkulose.     Zweite  I.  269. 
Zur  Frage  der  Reizkörpertherapie  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 

sierung.    Glaser-Buschmann.  271. 
Zur   Symptomatologie   der   StirnhirntumoTen.    D  i  m  i  t  z  -  S  c  h  i  1  d  c  r. 
Das  Verhalten  der   Magensaftsekretion  bei  der  Biermerschen   und  bei 

aplastischen  AnÀmie.    Roth-Sternberg.  274. 
Zur  Behandlung  von  Infektionskrankheiten.    Aman  275 
Der  Schubartschc  Gesetzentwurf  eines    freiwilligen  Einheitszeugnisses 

heiratende  MĂ€nner.    S  c  h  u  b  a  r  t.  277. 
Ein  direkter  Nachweis  der  muskulÀren  Erregungsleitung  im  Wirbeltierherzen. 

Haberland  t.  278. 
Die  Rolle  der  Disposition  in  der  Konstitution.    Fleischer.  279. 
Praktische  Fragen  der  Geburtshilte.    Runge.  281. 

röntgenologische   Darstellung  der  chronischen  Appendizitis. 


Do- 

273. 
der 


fĂŒr 


D.„ 

felder,  283 
PrimÀre  Syphilis 


W  a  i  t  z  - 


Pinkus.  284. 


Schwangerschaft  und  Tuberkulose.  Z  w  ei  f  ei  glaubt,  daß  die 
Zahlen  in  den  Statistiken  von  Veit  (65-100%  Verschlimmerung 
Tuberkulose  durch  GraviditĂ€t)  und  Seitz  (30—60%  Todes 
meist  im  Wochenbette,  bei  Schwangeren)  zu  hoch  gegriffen 
seien  WĂ€hrend  der  Schwangerschaft  erworbene  Tuberkulose  ist 
prognostisch  ungĂŒnstiger  als  schon  bestehende;  Kehlkopftuberku- 
lose absolut  infaust.  Tuberkulöse  Ehefrauen  sollen  Anticoncipien- 
tia  benĂŒtzen  oder  sterilisiert  werden.  Plazentartuberkulose  ist 
hÀufig  hereditÀre  Tuberkulose  sehr  selten.  Die  tuberkulöse  Mutter 
ĂŒbertrĂ€gt  die  Krankheit  leicht  auf  die  Kinder.  67,9%  der  Kinder, 
deren  MĂŒtter  im  ersten  Jahre  nach  der  Geburt  an  Tuberkulose 
starben,  gingen  im  ersten  Lebensjahre  zugrunde  (W ei in ibe  rgl 
nur  12%  erreichen  das  20.  Lebensjahr  (Seitz).   Leicht  tuberku- 


der 
fÀlle 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26  Aus   den    neuesten   Zeitschriften  |t>| 


lÀse  Schwangere  können  bei  Sanatoriumsbehandlung  ihr  Leiden 
zur  Ausheilung  bringen.  Vor  Einleitung  des  Abortus  soll  die 
Gravide  mindestens  eine  Woche  Àrztlich  beobachtet  werden.  Z. 
empfiehlt  als  Methode  der  W  ahl  die  „unblutige  und  absolut  Lebens 
sichere"  Röntgenkastration  in  Form  der  temporÀren  Sterilisie- 
rung, nach  dem  10.  Jahre  als  dauernde  Röntgensterilisierung. 
„GĂŒnstige  Aussichten  bietet  nur  ein  frĂŒh  eingeleiteter  Abort  .  .  .  . 
Die  Schwangerschaft  ist  zu  unterbrechen,  wenn:  1.  augenblick- 
liche Lebensgefahr  fĂŒr  die  MĂŒller  besieht,  2.  wenn  die  Schwan 
gere  durch  das  Weiterbestehen  der  Schwangerschaft  schwer  ge- 
schĂ€digt wird,  so  daß  sie  voraussichtlich  zugrunde  geht  und  der 
Abortus  eine  Besserung  im  Befinden  der  Sehwangeren  wahr- 
scheinlich macht."  Bei  aktiven  Prozessen  und  bei  Tuberkulose  im 
/weiten  Stadium  ist  stets  zu  unterbrechen,  ebenso  im  Allgemeinen 
bei  Larynxphth.  SĂ€uglinge  tuberkulöser  MĂŒtter  sollen  von  diesen 
getrennt  und  von  ihnen  nicht  gesÀugt  werden.  Die  Mutter  soll 
nach  der  Geburt  lÀngere  Zeit  hindurch  Sanatoriumsbehandlung 
haben.  Low  (Döberitz). 

5.  MĂ€rz  1922.  Nr.  10. 

Zur  Frage  des  Ikterus  nach  Salvarsan.    S  t  ĂŒ  m  p  k  p.  295. 
Zur  Frage  der  Impotenz  de«  Weibes.    Liepmtnn.  299. 
♩Inwieweit   interessiert   dein    praktischen     Arat     dir     FrĂŒhbehandlung-  des 
Schielens?    A  s  m  u  s.  301. 
lieber  Galvanopalpation.   L  a  q  u  e  u  r.  302. 

Zur  Behandlung  großer  Lungenabszesse   nach   Grippe.    Hilden  r  and  t- 
G  e  u  1  e  n.  304. 

Akute  gelbe  Leberatrophie,  Malaria  und  Salvarsan.    Fernbacb.  306. 

Die  Bestimmung  der  PflanzennÀhrstoffe  im  Boden.    M  i  t  s  c  h  e  r  1  i  c  h.  30*. 

Praktische  Fragem  der  Geburtshilfe.    H.  Runge.  310. 

Das  Alkoholverbot  in  den  vereinigten  Staaten.    Brandenburg.  Sil. 

Neuere  Arbeiten  aus  dem  Gebiete  der  Herz-  und  GefĂ€ĂŸkrankheiten.  Edens. 
312. 

Inwieweit  interessiert  den  prakt.  Arzt  die  FrĂŒhbehandlung  des 
Schielens.  Echtes  Schielen  tritt  meist  zwischen  dem  zweiten  und 
vierten  Lebensjahre  auf,  manchesmal  angeregt  durch  eine  inter- 
kurrente Krankheit.  Je  jĂŒnger  das  Kind  bei  Beginn  des  Schielens 
ist,  desto  grĂ¶ĂŸere  Gefahr  besteht  fĂŒr  die  Erhaltung  der  Sehkraft 
des  Schielauges,  außer  bei  solchen  Kindern,  die  abwechselnd 
rechts  und  links  schielen.  Optische  Fehler  sind  durch  GlÀser  zu 
korrigieren,  in  reiferem  Alter  ist  zu  operieren  und  zum  Stereo- 
skope zu  greifen. 

Bei  einseitigem  Konvergenzschielen  bestimmt  man  nach  drei- 
bis  fĂŒnftĂ€giger  Atropinisierung  die  Refraktion,  verordnet  dauern- 
des Tragen  der  Brille  und  operiert,  wenn  das  Schielen  behoben - 
ist,  eventuell  nach  der  PubertÀtszeit.  Schielen  die  Kinder  auch 
mit  der  Brille,  so  wird  ein-  bis  zweimal  wöchentlich  1%  Atropin- 
salbe  in  den  Bindehautsack  des  gesunden  Auges  gebracht;  wird 
jetzt  das  Schielauge  nicht  gerade  gestellt,  so  wird  das  gesunde 
Auge  jeden  zweiten  Monat  dauernd  verdeckt  (Abblenden  eines 
Brillenglases),  um  auf  diese  Weise  beide  Augen  gleichmĂ€ĂŸig  zu 
ĂŒben.  Als  Schieloperation  empfiehlt  A.  die  Landolf  sehen  Mus- 
kelverlagerungen und  sucht  stets  durch  Anspannen  der  Antago- 
nisten zu  drehen,  nicht  durch  SchwÀchung  des  Schielmuskels,  die 
sich  allerdings  bei  dem  viel  selteneren  Divergenzschielen  nicht 
vermeiden  lĂ€ĂŸt.  Low  (Döberitz). 

12.  MĂ€rz  1922,  Nr.  11. 

Psychoanalyse  und  Medizin.    M  Sile  r.  329. 

Der  abdominelle  Vagusreflex  bei  Vagotonie.    Glaser.  SSI. 
♩Ueber  Herzbeschwerden  bei  sub-  und  anaziden  ZustĂ€nden  des  Mvc  -  n  i 

ihre  Behandlung.    R  il  m  h  e  1  d.  334. 
❖Traeheotomia  transversa.     B  i  n  g  e  1.  337. 

♩Ueber  hydrotherapeutische  Teehnizismen  des  praktischen  Arztes,  (i  r  o  a  g.  3.38, 
Besteht  ein  Gewichtssturz  am  Ende  der  Schwangerschaft?    Nebel.  339. 
Ein  Fall  von  fieberhafter  luetischer  Meningitis.    Bock.  340. 
Dyspragia  intestinalis  initermittens  angiosklerotika.    Heil  mann.  342. 

♩Wie  behandelt  der  Arzt  in  der  Außenpraxis  am  besten  die  Aborte?  Peutz. 
343. 

Meine  Erfahrungen  mit  Strychnotonin.    Prob  s  t.  344. 

Die  Bestimmung  der  PflanzennÀhrstoffe  Lrn  Huden.    M  i  ts  c  Ii  e  r  l  i  C  h.  845. 

Praktische  Fragen  der  Geburtshilfe.    R  u  n  g  e.  34«. 

Aus  dem  Gebiete  der  Kinderheilkunde.    R  i  e  t  s  o  Ii  e  1.  348. 

Aus  dem  Gebiete  der  Augenheilkunde.     A  d  a  m.  349. 

Ueber  Herzboschwerden  bei  sub-  und  anaziden  ZustÀnden  des 
Magens  und  ihre  Behandlung.  R.  macht  darauf  aufmerksam,  daß 
die  Herzbeschwerden  der  Kranken  mit  gastrointeslinalem  Symp- 
tomenkomplex, speziell  der  anaziden  Dyspeptiker,  auf  abnorme 
Hyperkinese  des  Magens  in  vollem,  aber  auch  in  leerem  Zu 
Stande  zurĂŒckzufĂŒhren  sind,  ferner  auf  den  oft  nur  linksseitigen 
Zwerchfellhochstand  infolge  Bildung  einer  betrÀchtlichen  Magen- 
blase (Luftschlucken,  abnorme  GĂ€rungsprozesse)  und  in  zweiter 
Linie  auf  chemisch-toxische  und  reflektorische  Beeinflussung  des 


Herzens  vom  anaziden  Magen  aus  Zur  Beobachtung  kommen 
Bradykardie,  Extrasystolie,  laehykai  ilisehe  AnfÀlle,  retroster- 
naler Drucksehmerz,  Interkostalneuralgie,  kapillÀre  Phlebekta- 
sien, besonders  am  linken  Rippenbogen,  Atemnot,  Herzsehnierzen. 
Beklemmungen  und  infolge  der  großen  Magenblase  verĂ€nderte 
Form  und  Lage  des  Herzens  Eine  medikamentöse  Behandlung 
des  Herzens  selbst  kommt  nur  bei  organisch  Herzkranken  in  Be- 
tracht. Zur  arzneiliehen  Beeinflussung  des  sub-,  beziehungsweise 
anaziden  Magens  und  der  dadurch  bedingten  gastrogenen  Darm- 
Störungen  empfiehlt  R.  gro'ße  Dosen  Salzsaure  mit  Pepsin,  d.i 
neben  Kohle,  eventuell  in  Verbindung  mit  Wismut  und  unter  Zu- 
satz von  Belladonna,  ferner  Pankreon;  außerdem  reichliche  Kör 
perbewegung  (Sport)  und  Zwerchfellgymnastik.  Diese  ist  am 
besten  als  Bauchatmung  nĂŒchtern  im  Bette  vorzunehmen.  Es  gibt 
keine  dankbarere  Aufgabe,  als  die  Herzbeschwerden  der  ana- 
ziden Dyspeptiker  gastrisch  und  psychisch  zu  behandeln. 

Die  Traeheotomia  transversa,  von  Otto  Frank  1909  einge- 
fĂŒhrt, wird  von  B  i  n  g  e  1  empfohlen,  weil  sie  folgende  Vorteile 
bietet:  ganz  klare,  ĂŒbersichtliche,  anatomische  VerhĂ€ltnisse,  ein- 
fache Technik,  spontanes  Klaffen  des  Tracheaquerschnittes  und 
damit  sofortiges,  unbehindertes  Einströmen  der  Luft,  erreichter 
len  Abfluß  des  Wundsekretes,  kosmetisch  gĂŒnstige  Narbe. 

Technik:  Bei  Erwachsenen  LokalanÀsthesie,  bei  Kindern 
Chloroformnarkose.  Durch  quere  Spaltung  einer  hochgezogenen 
Hautquerfalte  wird  ein  zwei  bis  drei  Zentimeter  langer  Quer- 
schnitt angelegt,  möglichst  in  einer  Hautfalte  dicht  unterhalb  des 
Ringknorpels  oder  zwei  Zentimeter  tiefer  (Traeheotomia  supe- 
rior  oder  inferior).  Falls  nötig,  Freilegung  der  Halsfaszie  mit 
zwei  stumpfen  dreizinkigen  Haken.  Die  Halsfaszie  wird  zwischen 
zwei  Pinzelten  scharf,  bei  Kindern  mit  diesen  stumpf  getrennt, 
die  SchilddrĂŒse  nach  unten,  beziehungsweise  oben  abgeschoben 
und  die  Trachea  mit  steilgestelltem  Messer,  dessen  RĂŒcken  late- 
ralwÀrts  gerichtet  ist,  fast  zur  HÀlfte  durchtrennt. 

Ueber  hydrotherapeutische  Teehnizismen  des  praktischen 
Arztes.  Die  hydria tischen  Prozeduren,  deren  Einzelheiten  in 
jedem  Handbuche  der  therapeutischen  Technik  nachgelesen  wer- 
den können,  seien  hier  ĂŒbergangen.  Von  allgemeinem  Interesse 
ist  die  Darstellung  der  Grundbegriffe  der  Hydrotherapie.  Kalt- 
wasserbehandlungen werden  am  besten  morgens  nach  dem  Ver- 
lassen des  Bettes  vorgenommen.  Blutarme  erhalten  noch  zuvor 
ein  heißes  GetrĂ€nk,  womöglich  mit  Alkohol.  Achselhöhlen,  Herz- 
gegend, Kopf  und  Nacken  sind  vor  Beginn  der  Behandlung  mit 
einer  kalten  Kompresse  zu  kĂŒhlen  und  diese  dann  um  den  Kopf 
zu  legen.  Die  Behandlung  darf  nur  in  einem  mindestens  20  Grade 
Celsius  warmen  RĂ€ume  erfolgen.  Nachher  ist  die  Haut  durch 
große  krĂ€ftige  Striche  ĂŒber  dem  umgelegten  Bettlaken  zu  frot- 
tieren. Das  Reiben  darf  aber  nicht  mit  dem  Laken  erfolgen,  da 
sonst  bakterielle  und  parasitÀre  Hauterkrankungen  verursacht 
werden  können. 

Wie  behandelt  der  Arzt  in  der  Außenpraxis  am  besten  die 
Aborte?  Bei  Fieber  und  Beteiligung  der  GebÀrmutterumgebung 
(Parametrium  und  Adnexe),  Sepsis,  PyÀmie  (Argentum  eolloi- 
tiale  intravenös)  konservativ,  bei  Verdacht  auf  Uterusperforation 
oder  septische  Peritonitis  baldmöglichste  Krankenhausbehand- 
lung. Sonst  schnelle  und  restlose  Entfernung  des  GebÀrmutterin- 
haltes. Technik:  Möglichst  in  Narkose,  nach  eventueller  Erwei- 
terung des  Zervikalkanales,  radikale  Entfernung  der  Abortreste: 
bis  zum  5.  Schwangerschaftsmonate  mittelst  der  scharfen  KĂŒ- 
rette, spÀter  digital.    Seeale  erst  nach  Entleerung  des  Uterus. 

19.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

Ueber  moderne  Syphilistherapie.    Finger.  881. 
Psychoanalyse  und  Medizin.    M  À  d  e  r.  365. 
Ist  die  Syphilis  ein  Keimgift?    P  e  i  p  e.  r.  368. 

lieber  die  neueren  Bestrebungen  der  Hodenverpflanzung.  Rosenthal.  370. 
Ein  Fall  von  Polyneuritis  arsenicosa.     Cohn.  371. 
Ohologenhehandlung  befi  (iallensteinerkrankung.    C  r  a  m  e  r.  372. 
♩Ueber   Behandlung    des    Erysipels    mit    hochprozentiger    Argentum  nitricuin- 
Salbe.    Frankel.  373. 
Polygalysat,  ein  Mittel  gegen  Katarrhe  und  Bronchitis,    ĂŒ  p  p  e  n  h  e  i  m.  373. 
I'elier   die    intravenöse   Kampherin.iektion   auf   Grund  pathologisch-anatomi- 
scher Untersuchungen.     II  ĂŒ  per.  373. 
Ischias  und  Thermotherapie.    T  o  b  À  a  s.  376. 

Heber  die  Behandlung  chronischer  Gelenkerkrankungen.    M  e  y  e  r.  878. 

Ueber  Behandlung  des  Erysipels  mit  hochprozentiger  Argen- 
tum nitricum-Salbe.  F.  behandelt  Erysipel  statt  mit  der  von 
Hirsch  empfohlenen  Pinselung  mit  16%  Silbernitrat-Lösung  mit 
12  bis  16%  Höllensteinsalbe,  da  diese  bei  gleicher  Heil-Wirkung 
wesentlich  geringere  Nebenwirkungen  zeigt.  Die  ganze  Erysipel- 
flÀche  ist  mit  einem  Wattebausche  zu  bestreichen. 


462 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahr-.  —  Nr.  26 


26.  Mar/.  1922,  Nr.  13. 

Epileptische  und  Àhnliche  Hirncirscheinungen  utuj  ihre  Heilungsmöglich- 
keiten durch  Operation.    'I'  i  1  in  a  n  a.  39a. 

I"obcr  dir-  gesundheitliche  ITenerwacbung  der  Prostitution.  G  r  o  t  j  a  Ii  n.  39ö. 

Ei«  neues  Verfahren  zur  Feststellung  d"ei'  iritra-  und  extrauterinen  Eriih- 
graviditat.     K  a  m  n  i  t  z  e  r  -  J  o  s  e  11  Ii.  396. 

["eberschiehtungskopfsehmovz.     R  r  Ii  il  e  r.  39R. 

Beobachtungen  ĂŒber  Kokainmißbi'auch.    P  u  I  a  y.  399. 

ITngileichzeiitigcs  Auftreten  der  Pupillenstarre  hei  epilept'sehen  AnfÀllen. 
Herr  m  a  n  n.  399. 

Erfahrungen  mit  der  intrakraniellen  Serumtherapie  beim  Tetanus.  Kran- 
kel.   401.  "fl  s  J  '? 

Lieber  die  unspezifische  Therapie  und  Prophylaxe  der  progressiven  Paralyse. 
Fische  r.  402. 

❖Zur  VerhĂŒtung  und  Behandlung  von  Rhagaden  an  den  Brustwarzen  stillen- 
der MĂŒtter.     Sri  (i  I  I.  403. 

("eher  Lymphogranulomatose,  insbesondere  an  den  großen  GallengĂ€ngen, 
S  t  u  h  r  -  S  y  n  w  nlill  t()4. 

Praktische  Kragen  der  Geburtshilfe.     K  u  n  g  f.  199. 

l'elier  den  Salvarsa  n-(  Jehi  rntnd.     Hart.  III. 

Zur  VerhĂŒtung  und  Behandlung  von  Rhagaden  an  den  Brust! 
warzen  stillender  MĂŒtter.  Die  Brustrhagaden  entstehen  durch  un- 
richtige erste  AnlegeVersuche  des  SÀuglings.  Die  gebrÀuchliche 
rVbhÀrtungsprophylaxe  schein)  wertlos  zu  sein.  Bei  Wöchnerin- 
nen, die  schon  am  dritten  bis  vierten  Tage  aufstellen,  gelangen 
bedeutend  weniger  Rhagaden  und  Mastitiden  zur  BeobÀchturig 
als  sonst,  wo  die  Kinder  durch  acht  Iiis  zehn  Tage  infolge  der 
stĂ€ndigen  RĂŒckenlage  der  Mutter  an  der  in  die  Höhe  ragenden 
Brustwarze  saugen  lernen  mĂŒssen,  an  ihr  herumzerren  und  sie 
wund  beißen.  Die  richtige  Stellung  der  Brustwarze  zum  kind- 
lichen Munde  ist  nur  hei  hangender  Brust,  also  bei  aufrechtem 
oder  seitlieh  gelagertem  Oberkörper  der  Frau  möglieh.  Außer- 
dem isl  der  Kopf  des  Kindes  in  der  saugenden  Stellung  zu  fixie- 
ren, damit  das  Kind  die  Warze  nicht  abwechselnd  fassen  und 
loslassen  kann.  Bei  prall  Gespanntem  Warzenhofe  muß  die  M  i 
milla  durch  Absaugen  der  Milch  mit  der  Jaschke-Pumpe  saugge- 
recht gemacht  werden. 

Bei  bereits  vorhandenen  Rhagaden  ist  fĂŒr  bequeme  Sitzweise 
der  Mutter  zu  sorgen  und  der  Kindeskopf  wahrend  des  Trinkens 
festzuhalten:  eventuelle  Bestmilch  ist  schonend  abzupumpen.  Bei 
frischen  Rhagaden  verwendet  M.  eine  Salbe  mit  10%  Peru-Bal- 
sam und  ?>%  Borsaure  (Bhagadam\  sonst  die  ĂŒbliche  Therapie 

2.  April  1922.  Nr.  1  1. 

♩>7.ur   fJehĂ€rmutterzerre'ßung.     K  U  p  f  e  r  Ii  e  r  g.  i.'.'i. 

Hin  Beitrag  zur  Frage  der  spezifischen  Aetiologie  gonorrhoischer  Exantheme. 

V  a  .«  e  h  e  n  -  .1  e  n  t  z.  428. 
Welchen  Wert  ha.'  zur  Zeit  die  tintersvichniig  des  Duodenalsaftes  fĂŒr  die 

Diagnose   der   DarnikraukheitenV     1  s  a  a.  e  -Kriege  r.  431. 
♩J*/.iir   Therapie   der  klimakterischen   Kongestionen.     II  a  1  b  a  n.  434. 
'/,\\  i"  ■  -l'r'-'e  Formen  von  Karzinom  des  Colon  sigmnideum  und  Intestinum 

recti.    W  p  r  t  h  e  i  im  e  r.    435.  « 
Zur   Kasuistik  der  ainyotroiihi'Kchen   LÀhmungen   im    prÀataktisc.hen  Stadium 

der  Tali:s   dorsalis.     .Schmitt.  (36. 
Ein  B-trag  zur  klinischen  FrĂŒhdiagnose  der  Syphilis.     ('  o  1  m  a  a.  137. 
HypoßhysenextrĂ€kt-Injektionen  hei  Ileus  und  nach  l.aparatomie.    V  e  r  v  e  r  s. 

438. 

Karbenltollnidc   im    Dienste  der  Serologie.     II  e  c  h  t.  43p. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Widal'schc  hainoklas'sche  Krise.  F.  rd  in  a  u  n.  4<0. 
Praktische    Kragen   der  Geburtshilfe.     I!  u  n  g  e.  441. 
lieber  den  Salvarsjin-fiehirntnd.    II  a  i  t.  144. 

Zur  GebÀrmutterzerreiliung.  K.  rÀt  bei  GebÀrmutterzerrei- 
liung  intra  partum  von  einer  Entbindung  im  Hause  dringend  all. 
ZunÀchst  ist  ein  Tropfeinlauf  von  physiologischer  Kochsalz- 
lösung mit  einem  Schnapsglase  Kognak  zu  machen,  dann  eine 
Morphium-  und  Kamphereinspritzung,  ohne  irgend  etwas  per  os 
zu  reichen,  ein  Kompressionsleibverband  mit  T-Binde  anzulegen 
und  die  Patientin  dann  liegend  raschest  nach  dem  nÀchsten 
grĂ¶ĂŸeren  Krankenhause  zu  bringen.  Dort  muß  die  Entbindung  in 
Narkose,  durch  Leibschnitl  erledigt,  die  GebÀrmutterunterhalb  der 
Biß  Stelle  abgetragen  und  der  Stumpf  sorgfĂ€ltig  peritonealisierl 
werden. 

Als  wichtigste  Anzeichen  der  GebĂ€rmutterzerreißung  fĂŒhrt 
K.  an:  plötzliches  Aufhören  der  vorher  so  stĂŒrmischen  Wehen, 
zunehmende  Verschlechterung  des  Allgemeinbefindens  ohne 
Ă€ußerlich  nachweisbare  Blutung  und  schnelle,  oberflĂ€chliche, 
Àngstliche,  schmerzhafe,  oft  stöhnende  Atmung. 

Zur  Therapie  der  klimakterischen  Kongestionen.  Zur  The- 
rapie der  klimakterischen  Kongestionen,  die  Reizerscheinungen 
des  Sympathikus  darstellen,  empfiehlt  H.  die  von  ihm  angegebenen, 
von  den  Chemosan-Werken  in  Wien  hergestellten  „Klimasan- 
P.Ă€stillen".  Sie  enthalten  0,5  Theobrominurn  calcio-lacticum 
(C7H7N402)  2Ca  +  2/{C8H503)  ,Ca/  +  H.,0  und  0,0002  Nitroglyzerin. 
Davon  sind  drei  bis  fĂŒnf  StĂŒck  tĂ€glich  zu  nehmen  und  zwar  acht 
Tage  lang,  dann  ebensolange  Unterbrechung,  dann  wieder  acht 
Tage.  Der  Heilwert  des  PrĂ€parates  ist  in  seiner  gefĂ€ĂŸerweitern- 
den Wirkung  begrĂŒndet.  I.  ö  w  (Döberitz). 


Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

24.  MĂ€rz  1922.  Nr.  12. 

‱H  ehn   Kampfersol.  p-Diketokamphan  und  p-Oxykampfer.     1.  e  o.  377. 

('eher  galletrt'ihende  Mittel,  insbesondere  Cholaktol.    8  0  Ii  o  n  g  c  r.  37*. 
‱frZnr  Serodiaguostik  der  Tuberkulose  mit  dem  Extrakt  Besredka.  Rabinn- 

\v  i  t  s  (‱  n     rl  *  in  ;>  Ii  ‱■  r.    3  .'2. 
Vergleichende   PrĂŒfung  von   Bazillenemulsionen   verschiedener  Tuberkul  is« 

StĂ€mme.   Die  tri  e  b.  381.  .  '■ 

Zur  Tuberkelbaz  llenfÀrbung.  insbesondere  zur  Unterscheidung  der  tuhrrkefl 

bazillenÀhnlichen  StÀbchen.    Bender.  381. 
»M'eher  die  Natur  des  d'Herelleschen  Bakteriophagen.    Otto  und  Winkle  rr 

383.  1 
I)ip  Strahlenbehandlung  des  Krebses.    Strauß.  O.  385. 
Eine  neue  TrĂŒbungsreaktion  fĂŒr  Syphilis     M  e  i  u  i  e  k  e.  884. 
Zur  Behandlung  des  Hirnabszesses.    B  o  e  n  u  i  n  g  Ii  a  u  s.  38". 
Weitere  Ergebnisse  hei  Anwendung  der  BlutkĂŒrperchcn.senkungsprnhc  in  iler ■ 

Diagnostik  chirurgischer  Erkrankungen.     I.  o  b  r.  3KX. 

Ueber  Kampf ersol,  p-Diketokamphan  und  p-Oxykampfer.  Von 

den  drei  isl  der  p-Oxykampfer  das  brauchbarste  Mittel,  weil  e| 
alle  therapeutisch  wichtigen  Kampferwirkungen  in  ausge- 
sprochener Weise  hervorruft,  außerdem  aber  noch  eine  außen 
ordentlich  starke  Wirkung  auf  das  geschwÀchte  Herz  hervor- 
ruft, stÀrker  als  bei  den  bekannten  Kampferwirkungen  und  weil, 
es,  wenn  ĂŒberhaupt,  nur  in  sehr  geringem  Grade  toxische  Krampf- 
wirkung auslöst. 

Zur  Serodiaguostik  der  Tuberkulose  mit  dem  Extrakt  Be*j 
redka.  Die  Komplementfixation  mit  dem  Bcsredka-Antigen  bei 
Tuberkulösen  stellt  eine  sichere  und  spezifische  Methode  dar. 
Eine  positive  Reaktion  gestattel  mit  ganz  geringen  Ausnahmen 
den  Schluß  auf  einen  aktiven  tuberkulösen  Herd,  eine  negative 
schließt  einen  ausgeheilten  (Hier  latenten  Herd  nicht  aus. 

Heber  die  Natur  des  d'Herelleschen  Bakteriophagen.  Hin- 
sichtlich der  Natur  des  Bakteriophagen  zwingen  die  Resultate 
nicht  zur  Annahme  eines  besonderen  ultra  visibeln  Mikrobe« 
sondern  sind  durchaus  mit  der  Anschauung  vereinbar,  daß  das.. 
wirksam'-  Agens  dabei  in  kleinsten  mit  fermentati ven  Eigen% 
'schalten  ausgestatteten  Baktericnciwei'ßteilchen  besteht,  die  sich, 
heim  Zerfall  der  lebenden  Bakterien  bilden  . 

31.  MĂ€rz.  1922.  Nr.  13. 

Heber  Degeneration  und  Regeneration.  II.  Die  Regeneration.    E  r  n  s  t.  4n<l. 
❖  Iis*  Tenn  shein.     Kuli  n  e  r,  412. 

Zur   Frage  der  Syph'ilisverhĂŒtung  und  der  SĂ€uglings-   hezw.   Amniensv  ph  ilis." 
Z  i  e  1  o  r.  413. 

Ihr   pharmakologische   Bewertung  der  I  hiniti-lligitaliskomhination   hei  Herz- 
krankheiten,   s  t  a  r  k  ans  t  e  i  n.  414. 
‹»»Die    Strahlenbehandlung   des    Krehses.  S  t  r  a  u  U  .   0.  41«. 

♩M'eher  d  e  klinische  Brauchbarkeit  der  Duodenalsonde  hei  Erkrankungen  der 
Oallenwege.    Hecht  und  M  a  n  t  z.  41H. 
/.um  Kohlenhydratstoffwechsel  der  Leberkranken.    I.    Hetfrnyi.  430. 
Die  Hyperthyreosen.    Hell  »  i  g.  420. 

!>as  vollstÀndige  Differentialleukozytenbild  im  Puerperium.    K  u  II.  422. 

Di p  Gehurt  im  vereinfachten  schematischen  DĂ€mmerschlaf.    1.  i  e  g  n  e  r.  424. 

DesquamÀtionsprozeH  in  den  Harnwegen  bei  Scharlach.    G  o  n-a  e  1 1  a.  I2fi. 

Da«  Tennisbein.  Ks  handelt  sich  um  die  subkutane  Ruptu 
des  Triceps  surae,  die  im  Allgemeinen  selten  beschrieben  ist  und 
meist  MĂ€nner  zwischen  35  und  55  Jahren  betrifft,  die  das  Tennis 
nicht  sportsmĂ€ĂŸig,  sondern  zur  Erholung  und  Minderung  ihres 
Körpergewichts  treiben.  Vielfach  werden  Aerzte  betroffen! 
Mitten  im  Spiel  oft  heftiger  Schmerz,  der  in  schweren  FĂ€llen  zum 
Zusammenbrechen  fĂŒhren  kann.  Seltener  trifft  es  die  Achilles- 
Sehne,  hÀufiger  den  muskulösen  Teil  des  Triceps  oder  den  Ueber- 
gang  des  Muskels  in  die  Sehne.  Diagnose  leicht.  Prognose  auch' 
in  schweren  FĂ€llen  gut.  Behandlung:  sofortige  Hochlagerung 
des  Beines,  um  die  Blutung  zu  stillen,  dann  Heftpflasterverband 
von  dicht  oberhalb  des  Fußgelenks  bis  zur  dicksten  Stelle  der 
Lende  und  sofort  Gehversuche,  die  tÀglich  gesteigert  werden. 
Nach  3  Tagen  Erneuerung  des  Verbandes.  Unter  keinen  l'm- 
slÀnden  Beitruhe,  die  die  Heilung  nur  verzögert. 

Die  Serumbehandlung  des  Krebses.  Zur  Zeit  kann  die  Be- 
handlung des  chirurgischen  Karzinoms  nur  operativ  sein.  Die 
Uteruskarzinome  nehmen  eine  Sonderstellung  ein.  Daher  die 
GegensÀtze  zwischen  den  Chirurgen  und  GynÀkologen.  Kon- 
stitutionelle Faktoren  spielen  eine  Rolle  dabei 

Ueber  die  klinische  Brauchbarkeit  der  Duodenalsonde  bei  Er- 
krankungen der  Gallenwege.  Die  Einspritzung  von  Witte-Peptnn 
durch  die  Duodenalsonde  gibt  diagnostische  Hinweise:  Positiver 
Ausfall  mit  Ausscheidung  dunklerer  Blasengalle  spricht  fĂŒr  Ge- 
sundheit der  Gallenblase.  Aehnliche  Erfolge  mit  Ol.  Menth,  piperit. 

Die   Geburt   im   vereinfachten   seheiuatiscbeu  DĂ€mmerschlaf. 

Der  schematische  DĂ€mmerschlaf  ist  auch  in  der  einfachen  Form 
abzulehnen:  trotz  der  Chininbeigabe  und  der  Herabsetzung  der 
Morphiummenge  werden  die  Wehen  oft  verschlechtert.   Das  kind- 


40.  Jahr-.  —  Nr.  2(5 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


■che  1-01)011  isl  in  erhöhtem  Maße  gefĂ€hrdet,  seihst  bei  stehende) 
Rase,  da  das.  Atemzentrum  durch  die  Alkaloide  lÀhmend  beein- 
flullt  wird.  Der  Rauschzustand  ist  so  hochgradig,  dalt  fĂŒr  die 
Privatpraxis  der  DĂ€mmerschlaf  ĂŒberhaupt  nicht,  fĂŒr  die  Klinik 
nur  bei  ganz  besonders  gĂŒnstigen  PersonalverhĂ€ltnissen  in  Frage 
kommt.  Die  Möglichkeit  schnell  auftretender  Störungen  erfordert 
dauernde  Anwesenheil  und  Beobachtung  durch  den  Arzt.  Das 
Ziel,  schmerzlose  Geburl  wird  erreicht,  die  Methode  ist  aber  nur 
in  ganz  besonderen  FÀllen  und  nur  bei  sorgfÀltiger  klinischer 
Leitung  zu  wÀhlen.  v.  Schnizer. 

Zeitschrift  fĂŒr  physikalische  und  diĂ€tetische  Therapie  ein- 
schließlich Balneologie  und  Klimatologie. 

1922,  26,  Heft  3.  ' 

L'cber  den  Muskclrhcumatksmus.    1.  ToĂ€l.    G  o  1  (1  s  e  Ii  c  i  <1  f  r.    n.'> — 84. 
♩Einfluß  der  lokalen  KĂ€lteapplikation  auf  ‱  f  i  <-  Gehirntemperatur.  Z  u  nil  c  c  k. 
«4 — 88. 

♩Behandlung    der    KreislaufschwĂ€che    durcli    das    elektrische    Bad.  Kaut). 
86— 99. 

Nachbehandlung  von  Kriegsverletzten  mit  schwedischer  Massage  und  Heil- 
gymnastik.   Adlers  parre.  v.    99 — 112. 

Einfloß  der  lokalen  KĂ€lteapplikation  auf  die  Gehirntempe- 
ratur. Z.  hat  einem  Kaninchen  durch -ein  Loch  im  Stirnbein  ein" 
Thermometer  bis  in  den  Okzipitallappen  eingefĂŒhrt  und  dann  1 
kellen  der  SchÀdelhaut  mit  ChlorÀthyl  vereist.  Die  Gehirntempe- 
ratur sank  sofort  von  38,9"  auf  3(3,5",  ging  dann  aber  ebenso 
sPhncll  binnen  wenigen  Minuten  wieder  in  die  Höhe.  —  Die  Bek 
laltcmperatur  blieb  dabei  unverÀndert.  Man  sei  also  mit  Eis- 
blasen auf  den  Kopf  vorsichtig! 

Behandlung  der  Kreislauf  schwÀche:  durch  das  elektrische 
Bad.  R.  rĂŒhmt  elektrische  BĂ€der  als  gleichwertig,  ja  schonen- 
der im  Vergleich  zu  den  sonst  ĂŒblichen  Medikationen.  Man  muri 
sie  individualisierend  anwenden;  im  allgemeinen  wirkt  das  gal- 
vanische Bad  am  stÀrksten,  nÀchstdem  das  Wechselstrombad  und 
am  schwÀchsten  das  faradische.  Gute;  Wirkungen  bcV  Herz- 
■uskelschwĂ€che,  Blutdrucksteigerung,  Asthma  cardiale,  Basedow 
■aehykardie,  Koronarsklerose.  MerkwĂŒrdig  ist  eine,  anscheinend 
»vermittelt  in  der  Besserung  auftretende  Depression;  sie  dĂŒrfte 
z.  T.  durch  meteorologische  Faktoren,  Potentialschwankungen  in 
der  AtmosphĂ€re,  Jonlenwechsel  bedingt  sein.  Der  schließliche  Er- 
folg (nach  durchschnittlich  (i  bis  8  Wochen;  tritt  plötzlich,  „förm- 
lich ĂŒber  Nacht'"  ein.  Butt  er  sack. 

Jahrbuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

MĂ€rz  1922,  47.  Heft  5/6. 

♩  Beitrag  zur  Lehre  des  Icterus  neonatorum.    8  c  h  i  f  f  ,  E.  und  F  a  e  r  Ii  e  r  . 
E.  245. 

♩Kongenitaler  Verschluß  der  (iallciiausfiihrungsgĂ€nge.  Weth.  (.!.  ».  d.  2.">H. 
♩Chirurgische  Behandlung  des  Pylorospasmus  der  SĂ€uglinge.    Heil  e.  285. 
♩Grobes   Mehl   und   Butternichluahrung   nach    Czerny-KIeinschmidt.  Brun- 

tbaUr,  E.  311. 
♩Erfahrungen  mit  der  Intubation.    Hohl  f  cid.  M.  820. 
♩Ausnutzung  von  Kohlehydraten  und  Fett  bei  in i*  Uuttcrmohluahruug  ernĂ€hrten 

Kindern.    Z  i  e  1  a  s  k  o  w  s  k  i  .  M.  330. 

Beitrag  zur  Lehre  des  Icterus  neonatorum,  in  ĂŒebereinslim- 
mung  mit  Y  1  p  p  ö  und  II  i  r  s  c  h  wurde  in  den  ersten  Lebenstagen 
auch  bei  den  nicht  ikterischen  Kindern  fast  stets  eine  starke  Bili 
tubinamie  gefunden.  SpÀter  sank  der  Bilirubingehalt  bis  auf  ge- 
ringe  Spuren  Die  Sera  gaben  bis  auf  einen  Fall  nur  die  indirekte 
Reaktion.  Auch  bei  ikterischen  JĂŒnglingen  waren  die  direkter 
Reaktionen  stets  negativ  und  die  indirekten  Beaklionen  positiv 
Die  Bilirtibinkonzentration  der  verschiedenen  Sera  verhielt  sieh 
sehr  verschieden.  Die  StÀrke  der  BilirubinÀmie  und  des  Ikterus 
stimmten  nicht  ĂŒberein.  Nach  diesen  Befunden  beruht  der  Ikterus 
(irr  Neugeborenen  nicht  auf  einer  Gallenstauung,  es  handelt  sich 
vielmehr  um  einen  bilirubinÀmischen  Ikterus.  Da  BilirubinÀmie 
und  Gewebsikterus  nicht  miteinander  parallel  gehen,  mĂŒssen  die 
Gefabkapillaren  bei  verschiedenen  Kindern  verschieden  stark 
durchlĂ€ssig  fĂŒr  das  Bilirubin  sein. 

lieber  kongenitalen   Verschluß  der  GallenausfĂŒhrungsgĂ€nge. 

Es  werden  3  FĂ€lle  von  angeborenem  Verschluß  der  Gallen- 
jgusfĂŒhrungsgĂ€nge  mitgeteilt,  im  Anschluß  an  sie  wird  die  Lite- 
ratur besprochen.  Unter  den  bisher  veröffentlichten  FÀllen  fin- 
de! sich  kein  sicherer  Fall  von  luetischer  oder  anderer  entzĂŒnd- 
licher  Herkunft.  Die  FĂ€lle  von  sicher  kongenitalem  Verschluß 
sind  als  Entwicklungshemmungen  aufzufassen.  SekundÀr  können 
EntzĂŒndungen  hinzutreten.  Gallenblase  und  Ductus  cysticus  sind 
Ziemlich  unabhÀngig  von  den  VerÀnderungen  des  Hepaticum. 

1  > i e  chirurgische  Behandlung  de*  Pylorospasmus  der  SĂ€ug 
linge.  Unter  20  schweren  FĂ€llen  von  l'ylorospasmus  wurde  bei 
R'r  Operation  IX  mal  der  typische  Tumor  gefunden.   War  der  Tu- 


mor vorhanden,  so  w  urde  er  ins  zur  unverletzten  Schleimhaut  ein 
gekerbt,  fehlte  er,  so  wurde  die  normale  rVntrummuskulatur  ^e 
spaltet).  Die  Wunde  wurde  niemals  vernÀht.  Von  den  20  Kindern 
wurden  19  gesund,  1  starb  an  Stoffwechselstörungen,  die  schon 
vor  der  Operation  bestanden  hatten 

Der  Tumor  wird  als  angeboren  angesehen.  Nach  der  Geburl 
treten  aus  unbekannter  Ursache  Spasmen  auf,  die  den  Magen  ver 
schnellen  und  zu  dem  charakteristischen  Krankheitsbilde  fĂŒhren 
Der  Nachweis  des  Tumors  spielt  fĂŒr  die  Indikationsstellung  zur 
Operation  eine  nebensachliche  Bolle  Der  Tumor  wurde  ĂŒber 
haupt  nur  in  3  SpĂ€tfĂ€llen  vor  der  Operation  gefĂŒhlt. 

Es  wird  die  FrĂŒhoperation  empfohlen.  Diese  beseitig!  nicht 
nur  die  Lebensgefahr,  sondern  verkĂŒrzt  auch  die  Krankheitsdauer 
(durchschnittlich  3  Wochen). 

Auf  das  Zusammenarbeiten  von  Kinderarzt  und  Chirurg  wird 
ausschlaggebender  Wert  gelegt. 

Grobes  Mehl  und  Buttermehlnahrung  nach  Czerny-Klein- 
»ehmidt.  Die  Verwendung  grober  nicht  vorbehandelter  .Mehle  im 
Bahmen  der  Buttermehlnahrung  ist  gefÀhrlich.  Ein  Teil  der  . will 
<  rfolge  mit  Buttermehlnahrung  isl  möglicherweise  auf  Verwen- 
dung grober  Mehle  zurĂŒckzufĂŒhren.  Ein  anderer  Teil  von  Miß- 
erfolgen (Dystrophien  bei  Buttermehlnahrung;  ist  durch  die  Ver- 
wendung vorbehandelter  grober  Mehle  zu  beheben.  Es  wird  daher 
gefordert,  mehr  als  bisher  vorbehandelte  grobe  Mehle  zur  SĂ€ug- 
lingsernÀhrung zu  verw  enden. 

Erfahrungen  mit  der  Intubation.  Die  Sehlackstörung,  lnlu 
liierte  Kinder  verschlucken  sich  leicht  oder  wollen  nicht 
schlucken.  Der  Tubuskopf  hindert  beim  Schlucken  den  Verschluß 
des  Kehlkopfeinganges.  Er  laßt  den  Kehldeckel  nicht  an  die 
StimmbÀnder  heran,  und  diese  selbst  werden  durch  den  Hals  des 
Tubus  auseinandergedrÀngt,  die  Stimmritze  kann  nichl  geschlossen 
werden.  Die  Störung  wird  bei  flĂŒssiger  Nahrung  stĂ€rker  als  bei 
breiiger,  denn  diese  ĂŒberbrĂŒckt  gew  issermaßen  die  undichten  Stel- 
len des  Kehlkopfeinganges. 

Ausnutzung  von  Kohlehydraten  und  Fettein  bei  mit  Buttermehl- 
nahrung  ernĂ€hrten  Kindern.  Stoffwechselversuche  ergaben,  daß 
bei  der  Buttermehlnahrung  die  Kohlehydrate  ausgezeichnet  resor- 
biert werden.  Die  Ausnutzung  des  Fettes  erklÀrt  den  guten  Fett 
ansatz  der  Kinder.  Die  Möglichkeit  einer  ausreichenden  Stick- 
stoffatention  ist  ebenfalls  erwiesen.  Die  Buttermehlnahrung  gib! 
also  auch  im  Stoffwechselversuch  gute  Erfolge.  A.  P  ei  per 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 

29.  lieft  1. 

Röntgenologische  Fortschnitte  im  Bereiche  der  Physiologie,  Pathologie  und 
Diagnostik  der  Harnorgaue  durch  vorwiegende  und  systematische  \n- 
wendung  des  Durehleuchtungsvei  fnbrens.    Bis  lex,  F.  1, 

Röntgenographische  Beckenmessung.     W  e  1)  e  r.  20. 

liontgenologisehe  Bei'zgröflenbestimmung.    I.  o  r  e  u  z  .  II.  E.  3ö. 
♩Ueher  „Schatteiisummation."    Peltasou,  F.  4j. 

Beziehungen  der  inneren  Sekretion  zur  (fene.se  einiger  im  Röntgenbilde  prak- 
tisch wichtiger  Ske'let.t.varietÀten.     F  i  s  c  h  e  r  .   H.  61. 

Zur  Kenntnis  der  Doppelbildungen  einzelner  Gliedmaßen.    A  p  p  e  h  at  h.  ">7. 

UOntgenstereouufnahnien  zur  Darstellung  von  intr.ipleuralen  intraabdomjnel- 
len  und  dia.phragm.alen  VerÀnderungen.  Naegeii.  Th.  und  Cra- 
m  e  r  ,  H.  59. 

‱SensibilitĂ€t  und  Sensibilisierung;   in  der  Strahlentherapie.     V  o  1 1  z  ,   F.  61. 
Chirurgiach-radiologische  Fehldiagnosen    bei    Knochenkrankheiten.    K  i  e  a  - 
bock,  E.  81. 

Technische  Erfahrungen  aus  der  Kinderröntgenologie.  W  i  in  Ii  e  (  g  e  r  . 
H.  90. 

Experimentelle    Untersuchungen    ĂŒber   die    physikalischen    Grundlagen  der 

Röntgendiagnostik.    (!  1  0  0  k  e  r  ,  R.  100. 
IV  her    eine    eigenartige,     bisher     unbekannte     Form     multipler  Epiphyscn- 

stöi  'ingen.    V  a  1  e  n  t  i  n  .  B.  120. 

Ueber  Schattcnsummatron.  Diese  Erscheinung  auf  Röntgen- 
bilderri,  darin  bestehend,  daß  Deckungsschatten  mehrerer  schat- 
lengebender  Gebilde  eine  unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  gröbere  IntensitĂ€t 
geben,  als  es  der  Summe  der  einzelnen 'SchattenintensitÀten  ent- 
spricht, wurde  bisher  als  eine  Art  „optische  TĂ€uschung"  betrach- 
tet. Durch  geeignete  Versuchsanordnung  hat  Peltason  den 
objektiven  Charakter  des  PhÀnomens  bewiesen  und  durch  pfco- 
tometrische  Methoden  die  Hochgradigkeil  desselben  zahlenmĂ€ĂŸig 
bestimmt.  Die  Ursache  der  Schattensummation  ist  eine  Eigen- 
schaft der  photographischen  Schicht.    Michaelis  (  Bitterfeld  ). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

(i.  April  1922,  54,  Nr.  1  I. 

K  leinhaussiedelungon    fĂŒr    Industriearbeiter.      Fl  iigge.    ('.  .VIT. 
Periodische.«   Erbrechen  der  Kinder   mit   Acetouiimie.     I  5  e  I  i  u  ,   H.  "-(U. 
Beitrag  zur  Pathologie  und  Therapie  des  Zenkerschen  Divertikels.  Sutai, 
A.  342. 

Der  exophthalniiscbe    Kropf   und   da»   hypei 'thyreotoxische    tdenoin  als  ;wei 

selbstÀndige  Krankheiten.    Bil-r  c  h  e  r  ,  M.   E.  347. 
Blitzschlag.    B  i  ‱ oh  0  f  f  ,   I..  349. 


464 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


Nederlandsch  Tydschrift  von  Geneeskunde. 

4.  Februar  1922,  1,  Nr.  5. 

❖  Milzechinukokkus.    L  u  b  h  a  r  s  ,  H.  A.  uud  N  o  e  r  d  e  n  I)  o  s  .  W.  460. 
‱Schutzmittel  vor  den  Gefahren  der  Röntgenstrahlen.    S  t  e  n  h  u  i  s  ,  J.  472. 

Milzechinokokkus.  Der  26jÀhrige  Patient  halte  seit  einigen 
Monaten,  wenn  er  eine  Stunde  gelaufen  war,  ein  GefĂŒhl  von 
Druck  und  Spannung  in  der  linken  Seite,  sonst  fĂŒhlte  er  sich  ganz 
gesund.  Man  sah  eine  V  er  Wölbung  des  linken  Rippenbogens.  Das 
Diaphragma  stand  links  um  einige  Finger  höher  wie  rechts  und 
die  Milz  war  stark  vergrĂ¶ĂŸert.  Es  war  keine  Eosinophilie  und 
keine  Komplementablenkung.  Doch  wurde  die  Diagnose  „Milz- 
echinokokkus"' durch  die  Operation  bestĂ€tigt.  Der  sehr  große 
Tumor  (Gewicht  3  kg)  wurde  mit  MĂŒhe,  denn  es  waren  ausge- 
dehnte Verwachsungen,  extirpierl  und  war  noch  ungeöffnet.  Der 
Patient  ĂŒberlebte  den  Eingriff  um  24  Stunden,  nach  der  Sektion 
war  eine  Myodegeneratio  cordis  als  die  Causa  mortis  anzusehen. 

11.  Februar  1922,  1,  Nr.  5. 

Einige  Beobachtungen  ĂŒber  Sohußverletzungen.    11  u  Ist,  J.  P.  L.  560. 
❖Okzipitalneuralgie.     M  u  s  h  e  n  s  ,  L.  J.  J,  566. 
Die    PeriodizitÀt    der     Fermentsekretion:     Der     Magensaft:     Die  Lipase. 
Sluiter,  E.  572. 

Okzipitalneuralgie.  Die  Diagnose  dieser  Krankheit  kann  sehr 
schwierig  sein,  da  es  hier  nicht  wie  bei  der  Trigevninusneuralgie 
einen  genau  umschriebenen  Bezirk  betrifft,  sondern  der  Schmerz 
kann  auf  'viele  benachbarten  Nervengebiete  ĂŒbergreifen  (Arm, 
Hand).  Die  Schmerzen  sind  kontinuierlich.  Das  Leiden  ist 
seilen  und  kommt  meist  vor  als  Nachkrankheil  der  Grippe  und 
der  lethargischen  Enzephalitis.  Die  beste  Behandlungsweise  ist 
die  chirurgische  Durchtrennung  der  Nerven  am  Ă€ußeren  Rand 
des  M.  Sternokleidomasloidens  nach  Krause.  Mitteilung  der 
Krankengeschichten  zweier  Patienten,  die  nach  dieser  Weise  mit 
gutem  Erfolg  operiert  sind. 

18.  Februar  1922,  1,  Nr.  7. 

»H'eber  die  Wirkung  d  s  Chinin.»  he;*i  VijrhofJ  nihtein.  Roer,  S.  de.  642. 
❖skapula  skaphoidea.    Eeys,  J.  652. 

Beitrag-  zur  AusfĂŒhrung  des  IlH.pfge«etzes.     11  a  in  Ii  u  r  g  e  r  .   E.  J.  656. 

lieber  die  Wirkung  des  Chinin  beim  Vorhof-Flinwnern.  Das 

Yorhof-Flimmern  kommt  ĂŒberwiegend  vor  im  Endstadium  der 
Mitralstenose  und  Ă€ußert  sich  dann  durch  den  Pulsus  irregularis 
perpeluus.  Seine  Ursache  ist  der  schlechte  metabolische  Zu- 
stand des  Vorhofs.  Die  normale  Reizbildung  im  Vorhof  und  da- 
durch die  koordinierte  Kontraktion  des  Vorhofs  ist  verloren  ge- 
gangen und  an  ihre  Stelle  ist  eine  Reizungswelle  getreten,  die 
mit  unregelmĂ€ĂŸigen  suchenden  Bewegungen  immer  im  Vorhofe 
umhergeht.  Das  neue  Heilmittel  Chinidin  verlÀngert  das  Re- 
fraklÀrstadium,  aber  es  verschlechtert  den  metabolischen  Zu- 
stand, es  ist  also  ein  „therapeutisches  Paradoxon".  Der  Rund- 
gang des  Reizes  wird  unterbrochen  und  dadurch  hört  das 
Flimmern  auf.  Bisweilen  entsteht  es  wieder,  wenn  der  Patient 
kein  Chinidin  mehr  zu  sich  nimmt.  Ist  der  metabolische  Zustand 
sehr  schlecht  geworden,  so  ist  die  Darreichung  erfolglos. 

Skapula  skaphoidea.  Bei  diesem  Schulterblalte  verlÀuft  die 
Margo  vertebraiis  konkav.  Es  gibt  auch  viele  Uebergangsformen. 
Die  Ursache  ist  hier  nicht  eine  erbliche  Anlage  und  sie  ist  auch 
nicht  zu  suchen  in  einer  geringen  Entwicklung  des  M.  Senatus 
ant.  und  des  M.  Rhomboidens,  deren  Folge  die  Skapulae  alatere 
sind.  Bei  diesen  sieht  man  nicht  ein  Zusammentreffen  mit 
Skapula  skaphoidea. 

Die  Abweichung  ist  eine  Degeneration,  sie  ist  ein  RĂŒck- 
schritt in  der  Entwicklung  des  Menschen. 

25.  Februar  1922,  1,  Nr.  8. 

Beitrag  zur  Kenntnis  der  Störungen  der  inneren  Sekretion.    Löhs  te  in, 
J.  738. 

❖Pylc-thrombosis    mit    Polyeythaeime.     H  aide  rts  m  s.    .T.    J.  751. 
Die  Grippe.    Mole  m  a  .  H.  A.  760. 

Pyle-thrombosis  mit  Polycythaemie.  Eine  junge  Frau  leidet 
seit  3  WTochen  an  DruckgefĂŒhl  und  Schmerzen  in  der  linken  Len- 
dengegend. Sie  sieht  gut  aus,  fĂŒhlt  sich  gar  nicht  krank,  hat  aber 
in  der  letzten  Woche  sehr  heftige  Schmerzen  gehabt.  Die  Milz 
ist  stark  geschwollen,  der  Harn  enthÀlt  reichlich  Urobilin  und  das 
Blut  zeigt  bei  einem  HĂ€moglobin-Gehalt  von  100  (nach  Sahli)  eine 
bedeutende  Vermehrung  der  roten  und  weißen  Blutzellen.  Am 
folgenden  Tage  haben  die  Schmerzen  an  Heftigkeit  zugenommen, 
der  Bauch  ist  aufgetrieben  und  unter  dem  Bilde  einer  Bauchfell- 
entzĂŒndung stirbt  die  Patientin  nach  zwei  Tagen.  Die  Sektion  er- 
gab eine  Thrombosierung  der  V.  Portae,  der  V.  Lienalis  und 
der  V.  Mesenterica  superior  ohne  bekannte  Ursache. 


Die  Hypoglobulie  (8  000  000^  war  in  diesem  Falle  eine  Folge 
der  Milzaderthrombose.  E  n  n  e  k  i  n  g  (Amsterdam). 

Acta  Medica  Scandinavica,  Stockholm. 

16.  Februar  1922,  56,  Nr.  1. 

❖Ung:ewöhnLicher  Fall  von  chronischer  Gicht.  —  Röntgendiagnose  der  Gicht. 

Jansen,  H.  l. 

❖Funktion  des  Latissimus  dorsi  und  ein  Zeichen  funktioneller  Dis»o»ation  bei 
simulierter  und  „funktioneller"  Paralyse  des  Arms.  Monrad-Krohn, 
C.  H.  9. 

❖Pathogenese  des  Vorhofflimmerns.    F  1  o  y  s  t  r  u  p  ,  G.  12. 
❖interne  Sekretion  zwischen  Mutter  und  Fötus.    T  a  n  b  e  r  g  ,  A.  33. 
Die    allmĂ€hliche    Nachdunkelung    saurer   HĂ€matinlĂŒsungen    durch    die  Me- 
thode von  Autenrietn.    Gram,  H.  C.  52. 
❖Die  Mechanik  der  Respirationsbewegungen.    G  e  r  t  z  ,  H.  71. 

Ein  außergewöhnlicher  Fall  chronischer  Gicht.  Röntgendiag- 

nose  der  Gicht.  Fall  von  chronischer  Gicht  mit  vorwiegendem 
Sitz  an  der  Hand.  Der  Anfang  war  nicht  plötzlich,  auch  fand  sich 
keine  Affektion  der  Zehen,  keine  tophi..  Auch  der  Beginn  des 
Leidens  im  19.  Lebensjahr  sprach  nicht  fĂŒr  Gicht. 

Ein  Vergleich  mit  Bildern  in  Spezialwerken  sichert  meist  doch 
die  Diagnose  „Gicht",  nur  handelte  es  sich  um  eine  selten  vor- 
kommende Form. 

HauptsĂ€chlich  war  das  Röntgenbild  entscheidend  fĂŒr  die  Diag- 
nose und  Verfasser  gibt  in  seiner  Arbeit  eine  Abbildung  der  linken 
Hand.  „ 

Die  Röntgendiagnostischen  Merkmale  beschreibt  Verfasser  als 
mehr  oder  minder  helle  Stellen  von  dunklem  Rand  umgeben  im 
Radius  und  in  der  Ulna  sowie  an  den  distalen  und  prominalen 
Enden  der  Phalangen  der  metatarsalen  und  metakarpalen 
Knochen. 

Uebcr  die  Funktion  des  latissiums  dorsi  und  ein  Symptom 
funktic  neller  Unterschiede  bei  simulierter  und  „funktioneller" 
ArmlĂ€hmung.  Bei  der  PrĂŒfung  der  latissiums  dorsi-Funktionen 
ergibt  sich  nur  bei  funktionellen  und  simulierten  LĂ€hmungen  eiß 
Unterschied  zwischen  den  2  Funktionen  des  Muskels,  nÀmlich 
seine  Funktion  als  depressor  und  adduetor  des  Arms  und  der  als 
unterstĂŒtzende  Almungsmuskel.  Verf.  sieht  deshalb  in  dem  ge- 
fundenen Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Muskelwirkungen 
ein  Erkennungszeichen  gegen  andere  Erkrankungen  (Verletzung 
eines  Ganglions,  periphere  LĂ€sionen  usw.),  bei  denen  entweder 
beide  Funktionen  gleich  oder  garnicht  geschÀdigt  sind. 

Studien  ĂŒber  die  Pathogenese  der  Auricularfibrillation.  Studien 

an  der  Mukulatur  der  Auricularregion  bei  Personen,  die  an  AurH 
cularfibrillation  starben. 

Die  Studien  erstreckten  sich  auf  15  FĂ€lle,  von  denen  9  Auricu- 
larfibrillation gezeigt  hatten  und  6  KontrollfÀlle  waren.  Diese 
FÀlle  wurden  ergÀnzt  durch  andere  aus  der  Literatur. 

Eine  anatomisch-hislologische  Untersuchung  der  Herzohren 
und  der  diesbezĂŒglichen  Teile  ergab  keine  Anhaltspunkte  fĂŒr  das 
Entstehen  der  Erkrankung,  da  sich  die  VerÀnderungen  auch  an 
Herzen  fanden,  die  kein  Herzflimmern  gezeigt  hatten.  Verfasser 
glaubt  als  Resultat  seiner  Untersuchung  eine  absolut  oder 
relativ  vermehrte  Resistenz,  die  eine  zu  heftige  Erregung  der  Herz- 
ohren zeitigte,  in  Anspruch  nehmen  zu  mĂŒssen,  wodurch  zu 
hÀufige,  also  unvollstÀndige  Kontraktionen  entstanden. 

Innere  Sekretion  zwischen  Mutter  und  Fötus.  Ueber  die  innere 
Sekretion  zwischen  Mutter  und  Kind  gibt  es  nur'  vereinzelte  und 
spÀrliche  Erfahrungen.  Verfasser  sammelt  diese  und  versucht 
daraus  Schlußfolgerungen  zu  ziehen.  Interessant  ist  ein  Versuch 
an  2  trÀchtigen  Ziegen.  Einer  dieser  wurde  die  Thyreoidea  ent- 
lernt, der  anderen  nicht.  Die  Untersuchung  an  den  jungen  Ziegen 
ergab  bei  dem  Jungen  der  Ziege  ohne  Thyreoidea  eine  vollent- 
wickelte Thyreoidea,  bei  der  anderen  nicht.  Verfasser  schließt 
daraus,  daß  die  Thyreoidea  der  jungen  Ziege  sich  eher  entwickelt, 
wenn  das  Muttertier  deren  Funktion  nicht  .ĂŒbernimmt, 
andererseits,  daß  die  Thyreoidea  des  Fötus  die  Funktionen  bei  der 
Mutter  nicht  ĂŒbernehmen  kann. 

Zum  Vergleich  zieht  Verfasser  das  Myxoedem  heran,  wo  die 
Krankheitserscheinungen  der  Mutter  unter  der  Schwangerschaft 
zunehmen.  Auf  Grund  des  oben  erwÀhnten  Tierversuchs  glaubt 
Verfasser,  daß  die  Wirksamkeit  der  fötalen  Thyreoidea  nur  be- 
grenzt oder  garnicht  in  Frage  kommt,  erst  spÀter  in  Erscheinung; 
tritt.  EndgĂŒltige  Entscheidungen  will  er  aber  weiteren  Versuchen 
aufbewahrt  wissen. 

Einige   Bemerkungen  zur  Allgemeinmechanik  der  Atembe- 

wegung.  Nach  zahlreichen  Berechnungen  gibt  Verfasser  seine 
Ansichten  ĂŒber  die  Atembewegung  in  Form  eines  mechanischen 
Beispiels,  dem  Spielen  eines  Pistons.  Beim  Spiel  wird  der  Ell- 
bogen durch  die  mm.  Flexores  gebogen,  diese  Muskeln  und  die 


« 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2(i  Aus   den   neuesten   Zeitschriften  466 


fcxtensoren  entsprechen  nach  dem  Beispiel  des  Verfassers  den  Ein 
und  Ausatmungsmuskeln.     Keim  Zuvielspielen  des  Pistons  er 
schlaffen  die  Flexoren  und  die  Extensoren   treten  ein,  erstere 
bleiben  aber  ĂŒberwiegend 

Die  antagonistische  Innervation  LĂ€ĂŸt  glauben,  daß  die  Exten 
sorenwirkung  sich  vergrĂ¶ĂŸert.  Ebenso  macht  diese  bei  den  A.tem- 
muskeln  die  Zusammenziehung  der  expiratorischen  Muskeln,  die 
beobachtet  wurde,  verstÀndlich.  Bei  der  Aufeinanderfolge  beider 
Bewegungen  mĂŒssen  diese  durch  ein  Maximum  der  Spannung 
Aus  diesen  beiden  KrÀften  ergibt  sich  eine  Resultante,  die  zwischen 
dem  Moment  vor  dem  Maximum  und  diesem  selbst  liegt.  Ebenso 
ei  reicht  auch  die  Bewegung  des  Atemapparates  ihre  grĂ¶ĂŸte  Inten- 
sitÀt zwischen  dem  Maximum  des  Einatmungsvolumens  und  dem 
der  Schnelligkeit  des  Luftzugs  Cordes  (Berlin). 

Archivos  Espanoles  de  Pediatria,  Madrid. 

Februar  1922,  6,  Nr.  2. 

‱J»Hy(latideiizysten  des  Gehirns.    i\l  q  r  q  u  i  o  ,  L.  65. 
Technik  des  hypogastrischen  Schnittes  zur  Entfernung  der  Blas»mt«in«  l)«im 

Kinde.    C  o  v  i  s  a  ,  I.  S.  104. 
Ueber  Zystein  des  Gehirns.    M  o  r  q  u  i  o  ,  L.    65.  » 
Technik  des  hypogastrischen  Schnittes  hei  BlaseugeschwĂŒlsten  der  Kinder. 
C  o  v  i  s  a  .  1.  S.  104. 

Leber  Zysten  des  Gehirns.  Verfasser  berichtet  ĂŒber  vier 
FĂ€lle  von  Zysten  im  Gehirn,  alle  betreffen  Kinder  im  Aller  von 
10 — 13  Jahren.  Fall  I:  Kind  von  12  Jahren;  Symptome:  LĂ€hmung 
des  Facialis,  des  Muscl.  rectus  externus  oculi,  des  Glossopharyn- 
gaeus,  des  Hypoglossus,  des  Akzessorius  und  des  Vagus  (rechts). 
Störungen  beim  Laufen  in  Form  von  Schwanken  und  Ihkoordi- 
nation,  ohne  LĂ€hmungen  und  ohne  Steigerung  der  Reflexe.  Keine 
Sehmerzen,  kein  Erbrechen  und  keine  Störungen  des  Sehens. 
Kein  Fieber,  Tod  unter  bulbÀren  Erscheinungen.  Autopsie  ergab: 
Zyste  im  KleinhirnbrĂŒckenwinkel  rechts.  Fall  II:  Kind  von 
11  Jahren;  Symptome:  SchmerzanfÀlle  der  rechten  GesichtshÀlfte 
und  Zuckungen  der  linken  Hand  und  des  linken  Armes.  Autopsie: 
Zyste  im  rechten  Großhirn,  die  den  ganzen  Parietal-  und  Occi- 
pitallappen  einnahm.  Fall  III:  Kind  von  13  Jahren;  Symptome: 
Vollkommene  Starre  des  ganzen  Körpers,  FĂŒĂŸe  in  Flexion,  Ge- 
sicht unbeweglich  mit  dem  Ausdruck  des  Leidens,  Vermeidung 
jeglicher  Bewegung,  HÀnde  gut  beweglich,  SensibilitÀt  normal. 
Es  wurde  eine  Erkrankung  der  WirbelsÀule  angenommen;  die 
Autopsie  ergab  jedoch  eine  Zyste  im  rechten  Großhirn  im  Gyrus 
frontalis  superior  und  dem  Lobulus  paracentralis;  in  der  Leber 
findet  sich  eine  Apfelsinengroße,  gelappte  Zyste.  Fall  IV:  Kind 
von  10  Jahren;  Symptome:  AnfÀlle  von  Erbrechen,  Zucken  im 
Gesicht,  Kopfschmerzen,  darauf  SchwÀche  in  der  linken  Hand, 
spÀter  auch  im  linken  Arm,  Inkontinenz  von  FÀces  und  Urin, 
spÀter  Hemiplegie  mit  Kontraktur  der  linken  ExtremitÀten,  Ba- 
binski  beiderseits  positiv;  Autopsie  ergab:  Zyste  im  mittleren 
Teil. des  rechten  Temporal-  und  Parietallappens,  im  Innern  der 
Zyste  zwei  Tochterblasen. 

Verfasser  macht  darauf  aufmerksam,  daß  bei  Hirntumoren 
bei  Kindern  der  dortigen  Gegend  (Montevideo)  immer  an  Echino- 
kokkusblasen zu  denken  sei;  differentialdiagnostisch  sei  wichtig, 
daß  im  Gegensatz  zu  Hirntumoren  nur  selten  Augenhintergrund- 
symptome  auftreten;  im  Gegensalz  zur  Echinokukkusblase  der 
Leber  findet  sich  niemals  Eosinophilie,  ebenso  ist  die  Reaktion 
von  Weinberg  im  Blut  und  in  der  LumbaiflĂŒssigkeit  negativ. 

L  u  r  j  e. 

11  Policlinico,  Rom,  Sezione  Medica. 

2.  MĂ€rz  1922,  56,  Nr.  2. 

i 

u r  Diagnostik  <ior  Aneurysmen  der  Arteria  baeilaris  de«  Gehirns.    K  r  a  i>  i>  e, 
K.  H.  und  Backer,  K.  H.  95. 

Methode  zur  Bestimmung  des  Fibringehalta  in  Blut  und  Plasma.    G  r  a  ra  . 
H.  C.  107. 

«HJeber   AnÀmie   nach  Influenza   nebst   Bemerkungen   zur    Eisentherapie  der 
AnÀmien.     Lindberg.  G.  162. 
Ucitrag  zur  Kenntnis  der  Störungen  der  Hypophysenfunktion  nach  Àe-r  epi 
demtschen  Enzephalitis.    Barkmann,  A.  188. 

Beitrag  zur  Diagnose  der  Aneurysmen  der  Basilararterie. 
Charakteristisch  fĂŒr  die  Erkrankung  sind  neben  der  anamnestisch 
festgestellten  Syphilis  hÀufige  Aenderungen  im  Zustandsbild. 
Neben  apoplektifermen  AnfÀllen,  teilweise  Heilungen  der  LÀhmun- 
gen und  Ataxie,  abwechselnd  mit  stationÀren  und  langsam  fort- 
schreitenden Befunden.  Neben  diesen  Symptomen  dann  die  dem 
Befunde  eigenen,  subjektives  PulsationsgefĂŒhl  im  Kopf,  objektive 
PulaationsgerÀusche  bei  der  Auskultation  des  SchÀdels.  Diese 
Symptome  fehlen  meist  bei  Coagulation  innerhalb  des  Aneu- 
rysmas. 


[Jeber  AnÀmie  nach  Influenza  nebst  einigen  Bemerkungen  zur 
Eisentherapie  der  AnÀmien.    Verfasse]  stelll  auJ  Grund  seinei 
Beobachtungen  lest,  daß  nicht  selten  schwere  AnĂ€mien  eine  Folge 
erischeinung  der  Influenza  sind.  Er  fĂŒhrt  diese  auf  die  Erschöpfung 
der   KnochcninarkslĂ€ligkcil    durch    die    Infektion    zurĂŒck.  DK- 
AnÀmien    dieser    Arl    haben    vor   allem    einen  ausgesprochenen 
chloi'otischen  Typus,  auch  die  Brythrocytenzahl  ist  vermindert 
Die  Erfahrungen  des  Verfassers  beziehen  sich  auf  I!)  Falle,  ĂŒbei 
die  er  eingehend  berichtet.     Die  I lÀ moglobinwcrte  waren  meist 
weniger  als  30%,  die  Erylhrocyten/.ahl  um  ."><)%  herabgesetzt.  Es 
handelte  sich  hauptsĂ€chlich  um  AnĂ€mie.     Als  besonders  gĂŒnstig 
erwies  sich  bei  der  Behandlung  das  anorganische  Eisen,  so  ferruro 
reduclum  in  großen  Dosen  bis  zu  2  g.    Verfasser  empfiehlt  diese« 
billige  Mittel  auch  zur  Anwendung  in  leichten  FĂ€llen. 

1.  MĂ€rz  1922,  29,  Nr.  3, 

❖  Syphilis  der  Milz.    F  u  r  n  o  ,  A.  123. 
HereditÀre   Syphilis   mit    Knorpel  Verkalkung  und    Epiphysenablösung.  Di- 
vella. M.  143. 

ICxperimntelle    Untersuchungen    ĂŒber    die    Sachs-Georgi-    und  Mciniekc-Ke- 
aktion.    P  h  i  1  i  p  p  s  0  n  .  L.  155. 

lieber  Milzsyphilis.  Die  Milzsyphilis  ist  nicht  sehr  selten. 
Sie  findet  sich  hauptsÀchlich  bei  Frauen  und  ist  in  allen  drei 
Syphilisskidien  zu  finden.  Im  SekundÀrstadium  manifestiert  sie 
sich  als  mehr  oder  minder  großer  Tumor  mit  hĂ€molytischem 
Icterus,  mehr  oder  minder  gutartig.  Im  dritten  Stadium  fĂŒgt  sie 
sich  in  die  bekannten  Bilder  der  Milzkrankheiten  ein,  Milztumor 
mit  AnÀmie,  Bantische  Krankheit,  hÀmolytische  Splenomegalie 
usw.  Auch  die  Erbsyphilis  zeigt  hÀufig  kongenitale  und  spÀte 
Milzer  scheinungen.  Die  spezifische  Kur  bringt  Heilung  in  allen 
drei  Stadien. 

Wenn  diese  negativ  ist,  bedarf  es  manchmal  chirurgischer 
Maßnahmen,  die  gĂŒnstige  Erfolge  zeitigten. 

1.  April  1922,  29,  Nr.  4. 

❖Bronchiales  und  anaphylaktisches  Asthma.    F  t  u  j  o  n  i  .  O.  179. 
❖HyperindicanĂ€mie   und   Xier&ninsuffizienz.     Marin.   P.  222. 

Ueber  Bronchialasthma  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung 
des  anaphylaktischen  Asthmas.  Die  Untersuchung  ergibt  bei  33 
Asthmatikern  12  FÀlle,  bei  denen  die  typischen  AsthmaanfÀlle 
ausgelöst  wurden  durch  animalische  und  vegetabilische  Stoffe. 
Bei  diesen  Asthmatikern  bestand  im  Gegensatz  zu  den  Kontroll- 
personen eine  typische  Hautreaktion  bei  Injektion  der  Asthma 
erregenden  Stoffe,  auch  zeigte  das  Blutbild  VerÀnderungen. 

Nach  der  Tierpassage  war  das  Serum  des  betreffenden  Asthma- 
tikers nicht  mehr  Anfall  auslösend,  wohl  aber  bei  direkter 
Ueber  tragung. 

Es  handelt  sich  um  FĂ€lle  von  anaphylaktischem  und  das  ein- 
gehende Studium  der  Arbeit,  von  der  hier  nur  das  kurz  zu- 
sammenfassende Wesentliche  gegeben  werden  kann,  dĂŒrfte  reiche 
Anregung  und  auch  praktische  Resultate  fĂŒr  das  Studium  der 
Anaphylaxie  ergeben. 

HyperindicanÀmie  und  Niereninsuffizienz.  Die  IndicanÀmie 
ist  bei  Kranken  mit  gesunder  Niere  unabhÀngig  von  der  Menge 
der  produzierten  Indioane. 

Eine  HyperindicanÀmie  auch  bei  Vorhandensein  einer  inten- 
siven Indicanurie,  dargestellt  nach  J  olles,  dĂŒrfte  selbst  beim 
hehlen  von  Nierenerscheinungen  zum  mindesten  auf  eine  Herab- 
setzung der  Niercnfunktion  deuten. 

Die  Jolles-Reaktion  ist  ein  hÀufiger  Befund  bei  Nierenleiden- 
den, besonders  bei  vorhandener  Stickstoffreststeigerung  im  Blute. 
Indes  ist  sie  wechselnd  und  nicht  konstant.  Zum  Teil  scheint 
ihr  Resultat  abhÀngig  von  der  Niere  selbst,  zum  Teil  von  anderen 
EinflĂŒssen.  So  ist  sie  hinsichtlich  der  feinen  funktionellen  Nieren- 
Ă€nderungen trĂŒgerisch  und  hat  keinen  großen  Wert  als  Nieren- 
diagnoslikum.  Cordes  (Berlin). 

II  Policlinico.  Rom,  Sezione  Pratica. 

6.  MĂ€rz  1922,  29,  Nr.  10. 

❖  Wismuthkur   hei   Syphilis.    Ducrey.  C,  S13. 

Umfangreiche    Cruralhernie    als    Ursache    von  Varizen    der  Safeua  magna. 
B  i  I  e  ,  S.  216. 

Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Wismuth.  Nach  Versuchen 
bei  anderen  Tripanosomatosen  verwandte  man  der  hohen  Giftig- 
keit wegen  ölige  Lösungen  von  Bismutum  tartratum  zu  intra- 
muskulÀren Injektionen  in  10  %  Lösungen  von  0,1  g  per  kg. 
Verfasser  betont  auf  Grund  dieser,  wie  er  sagt,  freilich  in  den 
AnfĂ€ngen   stehenden    Versuche,   daß    er   das  Wismuth    fĂŒr  ein 


460 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


besser  und  grĂŒndlicher  wirkendes  Heilmittel  hĂ€lt  als  das  Queck- 
silber und  empfiehlt  weitere  Versuche  zu  machen. 

'20.  Marz  1922.  29.  Nr.  12. 

Riickfaimeher.    Scelba,  M.  37». 
‱l'AssimilĂ€tionBwei't  dar  Diahetiker-DĂŒlt.    A  i  e  1  1  o  .  (;.  881. 
Lieber  den  Kampf  gegen  die  Miliaria.    SclilulJ.    Kella.  M. 

Ueber  den  „Assimilationswert"  bei  der  DiabetikerdiĂ€t.  Aul 

Grund  eingehender  Untersuchung  an  mehreren  FĂ€llen,  deren 
W  erte  an  X  und  Kohlehydraten  \  erfasser  aufzeichnet,  schließt  er, 
dal)  es  wichtig  ist,  bei  mittleren  und  schweren  DiabetikerfÀllen 
die  verschiedenen  Typen  der  EiweiißdiĂ€t  mit  den  Kohlehydraten 
wechseln  zu  lassen. 

Die  Feststellung  der  Assimilalionswerle  nach  jeder  diÀteti- 
schen Behandlung  ist  ein  guter  Fingerzeig  fĂŒr  die  Ausnutzung  der 
Nahrungsmittel  im  Diabetikerhaushalt. 

FĂŒr  Italiener  empfiehlt  Verfasser  dann  die  an  HĂŒlsenfrĂŒchten 
reiche  Kur  nach  F  a  I  l  a,  dfie  sich  der  Lebensweise  dieser  am 
meisten  anpaßt. 

27.  .MĂ€rz  1922,  29,  Nr.  Iii. 
*J*l'riiu.:ircr  kalter  ZĂŒngen&bszess.    T  a  U  d  e  i  .  D.  40M. 

❖  F.influU   der   Schwangerschaft   auf   die    Ovarialzystrn.     ('  »  Uta)  a  Iii  ein- 

Garbo  n  i ,  L.  412. 

Wirkung  des  Cantharidins  (und  der  blasenziehenden  Mittel)  auf  die  Lungen- 
zirkulatiou.     F  a  r  in  a  e  h  i  d  i  s  .   C.   und    (i  r  o  SS  i .    1..  416. 

Kin  kalter  von  der  Zunge  ausgehender  Abszell.  Bei  einer 
52jĂ€hrigen  Patientin  bildete  sich  auf  der  Zunge  ein  Abszeß,  der 
bei  der  Operation  sich  durch  die  histologische  und  bakterio- 
logische (Tierversuch)  Untersuchung  als  tuberkulös  eiwies. 

Beitrag  zum  Studium  des  Einflusses  der  Schwangerschaft  auf 
ĂŒvarialzystcn.  Berichtet  ĂŒber  einen  Fall,  bei  dem  in  der  Schwan- 
gerschaft die  vorhandenen  Ovaria Izyslen  zu  einer  solchen  GrĂ¶ĂŸe 
anwuchsen,  daß  sie  zur  Fehldiagnose  des  Hydrammon  fĂŒhrten, 
da  sie  mit  dem  schwangeren  Uterus  eine  Masse  bildeten 

Ii.  April  1922,  29,  Nr.  11. 

❖  Xitritoide  Krisen  durch  Kehler  bei  der  Herstellung  um  Arsenohcnzol.  S  ta- 

pp Ii  ,  Fi  i>e.  441. 
*$»Kpideinisehc   AnfÀlle    von  Singultus.     1.  i  B  a  B  9  i  .    A.  4À0. 

"^Epidemische  afebrile  Cöiic  (Saturnismus).   Alf  litt  6.  R.  4.">;i. 

Neuer  Apparat  zur  llarnstoffhostiminung  im  Blut.    ('  o  n  d  o  r  e  11>,  L.    4 .1 4 . 

ZwischenfÀlle  bei  der  Salvarsanbehandlung  auf  Grund  fehler- 
hafter Herstellung  der  Arsenobenzole.  Verfasser  widmet  seine 
Studie  den  AnfÀllen  von  Schwindel,  Uebelbefinden,  Erbrechen  etc. 
im  sofortigen  Anschluß  an  Salvarsangaben,  die  manchmal  zu  so- 
fortigem Tode  fĂŒhren.  Er  kommt  auf  Grund  seiner  Erfahrungen 
dazu,  daß  es  auf  keinen  Fall  eine  Folge  des  Mittels  (Ehrlich-Hata 
606,  Salvarsan,  Neosalvarsan  etc.;  sei,  sondern  nur  ein  Fehler  in 
der  Herstellung  und  fordert  strenge  Aufsicht  der  Behörden  und 
sofortige  Anzeige  durch  den  Arzt,  damit  die  Serien  des  Heilmittels 
gesperrt  werden,  die  die  ZwischenfĂ€lle  veranlaßlen. 

Bericht  ĂŒber  das  epidemische  Schlucken.  Im  Laufe  einer  ln- 
ĂŒuenzaepidemie  konnte  Verfasser  eine  Anzahl  KrankheitsfĂ€lle  be- 
obachten, die  den  Anschein  hatten,  ansteckend  zu  sein  und  außer 
anhallendem  Schlucken  keine  symptomatischen  Zeichen  aufwiesen 
Auch  derartige  FĂ€lle,  nur  begleitet  von  Vomitus  wurden  be- 
obachtet. Verfasser  glaubt  sie  den  nervösen  Erscheinungen  zu- 
rechnen zu  sollen.  Die  Krankheit  verschwand  nach  kĂŒrzerer  oder 
lÀngerer  Dauer,  machte  keinerlei  schlimmere  Folgen. 

Epidemische  fieberlose  Kolik.     Bleikolik.     Verfasser  beob 
achtete  eine  epidemisch  auftretende  Krankheit,   die   sich  durch 
starke    Leibschmerzen,    Pseudodarmverschluß    auszeichnete  und 
immer  fieberlos  verlief.    HauptsÀchlich  trat  sie  im  Rahmen  dei 
Familien  auf,  von  denen  eines  befallen  war. 

An  die  Beobachtungen  des  Verfassers,  die  zunÀchst  weder 
Diagnose  noch  Aetiologie  der  zahlreichen  FĂ€lle  sichern  konnten, 
schließt  sich  eine  Nachschrift,  die  die  Erkrankung  auf  in  den 
MehlsĂ€cken  vom  Verschluß  gefundene  Bleiplomben  zurĂŒckfĂŒhrt, 
so  daß  es  sich  also  um  Bleikolik  handelte.  Ich  selbst  erinnere 
mich  aus  meiner  Studienzeit  eines  von  Fried-  von  M  ĂŒ  1 1  e  r,  MĂŒn- 
chen, festgestellten  Falles  von  Bleikolik,  in  dem  nach  langem 
Suchen  als  Aetiologie  eben  solcher  Sackverschluß  gefunden  wurde. 
Der  Patient,  Kaufmann  von  Beruf,  halte  die  Plomben  der  Sacke 
in  seiner  Westentasche  aufbewahrt,  manchmal  damit  gespielt  und 
nun  plötzlich  heftige  Symptome  in  obigem  Sinn  gezeigt,  die  Fried, 
v  o  n  M  ĂŒ  Her  als  Bleikolik  diagnostizierte.    G  o  r  d  e  s  (Berlin  >. 

10.  April  1922,  29,  Nr.  1."). 

‱S»W'i*muthhehnndlung-  der  Syphilis.     1)  u  e  r  e  y  .   C.  478. 

❖  Multiple  Stenose  der  Urethra,  veraltete,  verzweigte  Fistel  und  VerhĂ€rtung  des 

Perineums.  Resektion  und  Naht  der  Urethra.  Heilung.  II  u  s  >  a  -  I.  a  y. 
F..  481. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  2(5 


«S*N ierenseine  nach  Nephrektomie  hei  Tuberkulose.     F  a  v  e  n  t  o  .  P.  de.  484. 
Typhusvakzination  und  endemischer  Typhus.    G  i  o  8  e  f  t  i  ,  M.  486. 

V»  ismuthkuren  bei  Syphilis.  Verfasser  machte  seine  Versuche 
mit  bismulum  larlralus  in  Verbindung  mit  Bubiumcarbonat  oder 
.Natriumcarbonal  in  Ol  bis  10%. 

besonders  bemerkenswert  waren  die  Erfolge  bei  Erschei- 
nungen des  TertiÀrstadiums  in  einzelnen  FÀllen,  weniger  im  1.  und 
II.  Stadium,  doch  immer  bemerkenswert.  Die  Dosen  betrugen 
0,3  g  in  !> — 1  Tagen  hinabgehend  auf  0,2  oder  0,1  g  bei  alten  und 
schwachen  Leuten. 

wesentliche  N ebener scheinungen  mit  Ausnahme  bei  einer 
Schwangeren  (Stomatitis!;  traten  nicht  auf. 

Verfasser  ist  jedoch  der  Ansicht,  daß  von  einer  Benutzung  des 
Heilmittels  in  der  Praxi«  unbedingt  noch  Abstand  genommen  wer- 
den mĂŒsse.  Die  toxische  Dosis  und  die  Heildosis  liegen  zu  nahe 
beieinander  und  die  öligen  Suspensionen  sind  sehr  schmerzhaft 
am  Ort  der  Injektionen,  die  wasserigen  Losungen  aber  zu  giftig. 

‱* 

Multiple  Urethralstenosen,  VerhÀrtung  und  verzweigte  ver- 
altete Fistel  des  Perineums.  Nach  Beobachtung  des  Verfassers 
knmnien  in  den  chirurgischen  Kliniken  hÀufig  Patienten  mit 
völlig  verÀnderter  Harnröhre  zur  Beobachtung,  die  hÀufig  durch 
einen  Fislelgang  urinieren. 

Bei  dem  vom  Verfasser  gegebenen  Fall  schloß  sich  obiger 
Befund  an  eine  Pernicaiphlegmonc  an  und  bestand  seit  X  Jahren 
Es  handelte  sich  darum,  die  Harnröhre  wieder  durchgÀngig  zu 
machen  und  die  Fistelwege  und  entzĂŒndlichen  Herde  endgĂŒltig  zu 
beseitigen.  Mittelst  Querschnitt  ĂŒber  das  Perineum  wurde  eine 
Sonde  fĂŒr  5 — 6  Tage  in  den  der  Blase  anschließenden  Teil  bis  zu 
deren  Höhe  gelegt,  alsdann  nach  der  von  Gujon-Pasleau-Iselin 
gegebenen  Methode  vorgegangen. 

Unter  partieller  Urethrotomie  wurden  die  sklerosierten  Teile 
icseziert  und  unter  Zuhilfenahme  der  umliegenden  weichen  Teile 
die  Harnröhre  ausgebessert.  Am  Ii.  Tage  wurde  eine  neue  sterile 
Sonde  eingefĂŒhrt,  die  bis  zum  10.  'Tage  liegen  blieb. 

Das  Resultat  der  Heilung  war  ein  gutes. 

Nierensteine   nach   Nephrektomie    wegen    Tuberkulose.  Bei 

einer  Patientin,  die  nie  Nierensteine  gehabt  hatte,  traten  im  An- 
schluß an  eine  wegen  Tuberkulose  vorgenommene  Nephrektomie 
Nierensteine  auf.  Es  wurden  in  kurzer  Folge  10  solche  ausge- 
schieden, dann  besserte  sich  der  Zustand  der  Patientin  wieder. 
Verfasser  glaubt  die  Bildung  der  Steine  auf  die  Mehrarbeit  der 
zurĂŒckbleibenden  einen  Niere  beziehen  zu  sollen. 

Gordes  Berlin 

Rivista  Ospedaliera,  Rom. 

Urobilinbestimmung.    C  i  t  »  H  e  r  i .1.  l. 
^»Epitheliale  Neubildung  der  Lunge.    Uanini  ,-L.  7. 

Epitheliale  Neubildung  der  Lunge  mit  auffallender  extrathora- 
Laler  Reproduktion.  Unter  heftigen  Schmerzen  und  Temperatur- 
anstiegen entwickelte  sich  bei  einer  7()jÀhrigen  Frau  im  Verlaule 
weniger  Monate  eine  Anschwellung  von  der  GrĂ¶ĂŸe  eines  Apfels  an 
der  linken  Brustseite,  zwischen  vorderer  und  hinterer  Achsellinie: 
nach  oben  bis  zur  Höhe  der  Brustwarze,  nach  unten  bis  zur  achten 
Pvippe  reichend.  Die  Patientin  starb  einen  Monat  nach  der  Ein- 
lieferung.  Es  handelte  sich  um  den  seltenen  Fall  eines  Lungen 
karzinoms,  welches  ohne  Metastasen  zu  machen,  zu  einer  extra 
thorakalen  Ausdehnung  Veranlassung  gab.  L.  Kaan  er. 

La  Clinica  Pediatrica,  Modena. 

4,  Nr.  2. 

Statistisches  Uber  Poliomyelitis  anterior  acuta  in  Italien.    S  i  m  u  n  i  n  i.  R.  4i. 
❖Spondylitis  des  Zervikaltraktes.    Z  i  b  o  r  d  i  ,  F.  :>3. 

Seltenes   Syndrom  hei  hÀmorrhagischer  Diathese.     SalTetti,   U.  6". 
Die  Schulkolonie  ..Antonio  Mario    hei  Reggio  F.milia.  Berg  am  i  n  i ,  X.  SO 

Ueber  eine  besondere  Spondylitis  des  Tractus  cerviealis.  Der 

mitgeteilte  Fall  betrifft  ein  13  jÀhriges  MÀdchen,  das  mit  der  Dia- 
gnose „Pottsches  Lehel"  der  Klinik  ĂŒberwiesen  wurde.  Sub- 
jektiv bestanden  Klagen  ĂŒber  Schmerzen,  die  von  den  Schultern 
bis  zu  den  Ellenbogen  ausstrahlten,  anfangs  nÀchtlich,  dann  aber 
auch  am  Tage  auftraten  und  eine  Kraftlosigkeit  der  betroffenen 
ExtremitÀten  bewirkten.  Die  warme  Jahreszeit  schaffte  der  Pat. 
Erleichterung  sowohl  in  bezug  auf  die  HÀufigkeil  wie  IntensitÀt 
des  Schmerzes.  Obwohl  eine  besondere  Schmerzhaftigkeit  am 
Halse  fehlte,  wurde  der  Kopf  vornĂŒbergebeugt  gehalten;  die  Ex- 
kursionsbewegungen  der  HalswirbelsÀule  waren  unbehindert. 
Ein  Trauma  ließ  sich  nicht  nachweisen.  Das  Radiogramm  zeigt 
einen  etwas  aplastischen  dritten  Wirbel,  wogegen  die  ĂŒbrigen 


40.  Jahrg. —  Nr.  20 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


i<;; 


Wirbel  normal  sind.  Nach  Anlegung  eines  Gipsverbandes  lassei' 
die  Schmerzen  nach;  bei  Abnahme  desselben  LĂ€ĂŸt  sieh  radio- 
Logisch  eine  offensichtliche  Besserung  des  III.  Halswirbels  nach 
weisen.  Der  2.  Gipsverband,  der  in  maximaler  Extension  der 
HalswirbelsÀule  angelegl  wird,  bewirkt  Aufrichtung  des  vom 
Àbergebeugten  Kopfes,  völlige  Befreiung  von  allen  Beschwerden 
und,  was  den  Wirbel  anbetrifft,  restitutio  ad  integrum. 

Verfasser  Km"-'  den  Fall  differentialdiagnostisch  gegen  alle 
möglichen  Affektionen  der  WirbelsĂ€ule  ab.  FĂŒr  Kues  und  Tuber 
kulose  fehlten  alle  Anhaltspunkte.  Dagegen  glaubt  er  nach  dem 
anatomischen  Befunde  die  Krankheitssymptome  durch  eine  par- 
tielle Kompression  des  III.  und  IV.  Cervicalververi  erklÀren  zu 
können.  II  e  1  d  (Berlin). 

La  Pediatria,  Neapel. 

15,  MĂ€rz  1922,  30,  Nr.  6. 

Neoarsonobenzoltherapie  hei  l'laut-A'iucentsch'»!r  Stomatitis,    S  p  a  n  o  ,  R.  211. 
♩Plötelicjbr  Tod  bei  zwei  Kindern  derselben  Familie.    Tliymustod  hei  SyphUis 

lieriMlitaria.    B  a  1 1  i  n  o  .  (i.  248. 
"^Triptophaitgehalt  der   Fraueuutilcli    mnl   T-ierinilch    mit    besonderer  Beriick- 
sichtigung  dr.s  Alters  der  Milch.    H  o  e  C  a  d  o  r  o  .  ''.  275. 

Plötzlicher  Tod  zweier  Kinder  in  derselben  Familie.  Der 
Thymustod  hei  Heretloluetikern.  Pas  etwas  pastöse  6  jÀhrige  Kind 
starb  nach  Einnahme  einer  reichlichen  Mahlzeit  plötzlich  ohne 
KrÀmpfe  oder  Laryngospasmus:  ein  1  jÀhriger  Bruder  war  auf 
gleiche  Weise  zugrunde,  gegangen;  bei  der  Sektion  fand  sich 
Hypertrophie  des  lymphat.  Apparates,  hochgradige  Thymus- 
hypertrophie,  Milztumor,  starke  HochdrÀngung  des  Zwerchfells. 
Mikroskopische  Untersuchung  wurde  nicht  vorgenommen.  Der 
Wassermann  beider  Eltern  ferst  nachtrÀglich  untersucht!  war 
positiv.  Die  Eltern  waren  blutsverwandt,  der  Vater  und  ein 
Oheim  Neuropathen.  Alle  diese  UmstĂ€nde  dĂŒrften  fĂŒr  das  Zu- 
standekommen der  thymolymphat.  Konstitution  von  Bedeutung 
sein;  jedenfalls  sollen  in  jedem  Fall  von  Thymus-Tod  die  Ange- 
hörigen auf  Kues  untersucht  werden;  der  Tod  kommt  vielleicht 
zustande  durch  Reizung  der  sympath.  Thy  musfasern  und  Peber- 
leitung  des  Reizes  auf  die  Herznerven. 

Untersuchung  ĂŒber  den  Tryptophangehalt  der  Milch  des  Men- 
sehen, sowie  einiger  Tiere  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  des 
Alters  der  Milch.  Mit  Zunahme  der  Stilldauer  nimmt  der  Tryto- 
phangehalt  der  Frauenmilch  ab;  er  betrÀgt  in  den  ersten  14  Tagen 
10—11%  (des  gesamten  Eiweißes),  im  f>.  Monat  6—7%;  in  der 
Kuhmilch  11-12%.  in  der  Ziegenmilch  8 — 9%,  in  der  Stutenmilch 
*9 — 10%;  bei  den  Tiermilchen  wurde  auf  das  Aller  der  Milch 
keine  RĂŒcksicht  genommen.  Die  Methode  war  die  von  FĂŒrth 
mit  einer  geringen  Modifikation.  Te/ner  'Wien 

1.  April  1922,  30,  Nr.  7. 

Biologische  mnl   morphologische  t'utersiichuncen  ĂŒber  den   RrĂŒcesfthen  Mi- 
krojtokkus  mnl  iliier  den  Mikrokokkus  naramilitens'«.      e  r-b  a  s  i  .  K.  289. 
Zwei  FĂ€lle  voii  ?Kr  uchluisteu  he'in  Neugeborenen.    M  i  I  i  o  .  ß.  237. 
^Seltener,  .'ins  der  Xasen»Rachcuhöh!c  eines  zweijÀhrigen   Kindes  eu-ticruter 

Tumor,    'I'  u  n  f  tf r  r  i  ,  ').  302. 
^Asearid^asis  yrtd  Urticaria.    P  c  n  t  a  g  n  ii  .  308. 

l'eber  einen  wichtigen  und  seltenen  Tumor,  entfernt  aus  dem 
Carum  nasopharingeum  eines  2  jÀhrigen  Kindes.  Das  Kind  litt 
seil  der  Geburt  an  schweren  Schling-  und  Atembeschwerden;  mit 
dem  Finger  ließ  sich  eine  harte,  glatte,  gut  abgrenzbare,  am  Keil"- 
beinkörper  haftende  Masse  von  NußgrĂ¶ĂŸe  palpieren,  die  das 
Cavum  ausfĂŒllte.  Nach  der  vom  Autor  beschriebenen  Methode 
wurde  der  Tumor  mit  einer  glĂŒhenden,  mittels  eines  Katheters 
durch  die  Nase  eingefĂŒhrten  Schlinge  entfernt;  es  handelte  sich 
um  ein  Fibrom  mit  beginnender  sarkomatöser  Entartung. 

Askaridiasis  und  Urticaria.  Zwei  Falle  von  Askaridiasis. 
in  denen  die  Urticaria  der  ersten  Entleerung  von  WĂŒrmern  vor 
ausging;  die  Urticaria  ist,  Àhnlich  wie  bei  Echinokokkus,  als  ana- 
phylaktisches  Symptom  aufzufassen.  'Fezner  (Wien 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

4.  MĂ€rz  1922.  Nr.  18. 

■^-Anaphylaxie   Und   Idiosynkrasie.     W"  i  d  p.  1  ,   I'..    \  Ii  tu  in  i  .   P,   und  I.  p  r 
in  o  y  e  z  .  .1.  189. 

Der  regulatorlflche  Mripbn.n>mus  des  Blutdrucks.         n  sT-ot*  ,  .1.  1'  und 
B  i  n  e  t .  Ii.  184. 

Anaphylaxie    und     Idiosynkrasie.      Die    Beobachtung  einer 

Kranken,  die  nach  plötzlicher  KÀlteeinwirkung,  nach  dem  Geruch 

oder  subkutaner  Aufnahme  von  Pollen  und  nach  Aspirin  und 
Antipyrjn  regelmĂ€ĂŸig  HĂ€moklasie,  Erythem.  Heuschnupfen  und 
Asthma  bekam,  fĂŒhrt  aufs  neue  den  engen  Zusammenhang  zwi- 


schen Anaphylaxie  und  Idiosynkrasie  vor  Augen.  Ks  besieht 
eine  InstabilitÀt  des  kolloidalen  Gleichgewichts,  gleichsam  eine 
kolloidoklaslische  Dialhcse,  bei  der  die  banalsten  Ursachen  einen 

Schock  auszulosen  vermögen.   Die  Bolle  der  Vasomotoren  hei  den 

genannten   Symptomen   deutel    auf  eine  anormale   Vei  lclzlichkeil 

des  Vago-sympathischen  Systems.  Haber. 

8.  "MĂ€rz  1922,  Nr.  19. 

Ti'openmedizin,    Del  n  m  a  r  e  .  <l.  201. 

^*Path0genie    der    diphtherischem    Paralysen    des    Gaumensegel».     de    L  a 
v  eigne.  V.  202. 

Die  Pathogenie   der   diphtherischen  GtaumcnsegellÀhmungen. 

Die  sehr  interessante  Arbeit  fĂŒhr!  zu  dem  Ergebnis,  daß  die 
GaumensegellÀhmung  auf  diphtherischer  Basis  neurogener  Natur 
ist,  die  das  Zentrum  ergreift,  also  als  eine  I'olio-Mesoenzephalilis 
aufzufassen  isl.  DafĂŒr  spricht  erstens  die  hĂ€ufige  Begleiterschei- 
nung der  Akommodalionsparese,  die  sich  aus  der  nahen  Nach 
barschaft  der  Kerne  des  Okulomolorius,  des  Vagus  und  Trige- 
minus  erklĂ€ren  laßt;  zweitens  das  lange  Intervall  zwischen  der 
diphtherischen  Angina  und  der  Gaumensegelparese,  das  bedingt  ist 
durch  die  Zeit,  in  der  die  Emdotoxine  den  Weg  bis  in  die  Kern- 
region zurĂŒcklegen;  drittens  die  VerĂ€nderung  des  Liquor  cere- 
brospinalis im  Sinne  einer  albumino-cylhologischen  Dissoziation 
mit  Hyperglycorachie.  Ferner  fanden  Barbier  und  Richar- 
diere  in  mehreren  tödlich  verlaufenen  Fallen  den  Köfflerschen 
Bazillus  im  Niveau  des  Bulbus  und  der  Protuberantia.  Thera- 
peutisch kommt  nur  möglichst  frĂŒhzeitige  Serumtherapie  in 
großen  Dosen  in  Frage.  IT  a  b  e  r. 

Lyon  Medicale,  Lyon. 

10.  MĂ€rz  1922,  131,  Nr.  5. 

‱J*Radiologischc  Oesophagusunfersuehuiig.    Barjop,  ist. 

Radiologisehe  Untersuchung  des  Oesophagus.  Die  Radio- 
logie und  die  Ösophagoskopie  sind  2  Untersuchungsmethoden, 
die  sich  gegenseitig  ergÀnzen  und  beide  unentbehrlich  sind.  Die 
Radioskopie  sollte  jedoch  immer  der  Ösophagoskopie  voran- 
gehen, weil  sie  in  gewissen  FĂ€llen  allein  ausreichen  kann.  Ge- 
nĂŒgt sie  nicht,  so  erleichtert  sie  doch  die  Anwendung  der  ande- 
ren, indem  sie  auf  die  Gefahren  aufmerksam  macht,  die  eine 
direkte  Untersuchung  anrichten  könnte.  Als  Kontraslmahlzeit 
hat  man  die  Wahl  zwischen  Bismuthcarbonat  und  Baryumsulfat. 
Beide  sind  gleich  handlich  und  frei  von  ToxizitÀt.  Bei  der  Oeso- 
phagusdurchleuchtung  handelt  es  sich  gewöhnlich  darum,  eine 
Deviation,  eine  Kompression,  das  Vorhandensein  eines  Fremd- 
körpers, einer  Stenose  oder  eines  Divertikels  nachzuweisen  oder 
auch  das  Bestehen  eines  Spasmus  oder  einer  Atonie,  die  den 
Schluckakl  beeintrÀchtigen.  Die  neoplastische  Stenose  sitzt  meist 
in  dem  mittleren  Abschnitt  der  Pars  thoracica:  sie  ist  selten  im 
zervikalen  Teil  anzutreffen,  hÀufiger  dagegen  am  untersten  Ende, 
wo  sie  gewöhnlich  die  Folgeerscheinung  eines  CÀrdiacarcinoms 
isl,  das  auf  den  Oesophagus  ĂŒbergreift.  Stenosen  auf  der  Basis 
einer  Ulcus  gehören  zu  den  Seltenheiten.  Der  Sitz  des  Divertikels 
ist  fast  immer  zervikal.  Der  Spasmus  lokalisiert  sich  am  Pha- 
rynx und  an  der  Cardin,  die  Atonie  nimmt  den  dazwischen  ge- 
legenen Teil  ein;  beide  Erscheinungen  finden  sich  nicht  selten 
hei  ein  und  demselben  Individuum.  Beim  Spasmus  lassen  sich 
zwei  Modifikationen  unterscheiden:  der  svmptomalische  und  der 
essentielle  Spasmus.  Der  erslere  folgt  einer  akzidentellen  oder 
permanenten  LĂ€sion  und  wird  von  derselben  unterhalten,  sitzl 
gewöhnlich  oberhalb  der  LÀsion,  wogegen  der  essentielle  Snas- 
mus  —  auch  akuter,  spasmodischer  Oesophagismus  genannt 
sich  auf  die  Orifizien  beschrÀnkt.  Die  davon  Befallenen  sind 
Nervöse,  deren  Beschwerden  oft  jahrelang  bestehen  und  einen 
Grad  von  Abmagerung  nach  sich  ziehen,  der  eine  Neubildung 
befĂŒrchten  lĂ€ĂŸt.  Held  (Berlin). 

Archives  de  Mcdccinc  des  Enfants,  Paris. 

April  1922,  25,  Nr.  4. 

»J»l nfluen/.ii  beim  Kinde  und  SÀugling.    S  u  /.  u  k  i  ,  T.  198. 

Diphtherie-Epidemie  vom  Jahre  Ulli  in  BelUis-Eaux.  ‱  '  n  m  e  s  c  a  sg  e  .1.  215, 
❖.Iuvenile  Tabes.     A  e  u  fi  :i  ,   \l .  und    M  ;i  e  e  r  a  .  .1.   M.  224. 

Ein    neuer  Fall    von    Qrchifr's    als    Begleiterscheinung    von  Serumtherapie. 
< '  .'I  1  t  i  e  ri  .  230. 

Influenza  der  Kinder  und  besonders  der  .SĂ€uglinge.  Der  An- 
sicht, daß  die  epidemische  Grippe  die  SĂ€uglinge  meist  verschont, 
kann  der  Verfasser  nach  seinen  Erfahrungen  nicht  zustimmen: 
von  151)0  FĂ€llen  im  Kindesaller  entfielen  nicht  weniger  als  503 
oder  ein   Drittel  auf  SĂ€uglinge.     Die  Gesamtster  blichkeil  betrug 


468 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  26, 


mit  144  FĂ€llen  elwa  9  v.H.  Bei  172  Untersuchungen  des  Aus- 
wurfs wurden  120  mal  (69,7  v.H.)  Pneumokokken,  nur  23  mal 
(13,3  v.H.)  Influenzabazillen  und  32  mal  (10,1  v.H.)  verschieden- 
artige Diplokokken  gefunden.  Bei  den  regelmĂ€ĂŸig  bakteriologisch 
untersuchten  Nebenkrankheiten  (Otitis,  Empyem,  Meningitis  u.  a.) 
waren  ausnahmslos  Pneumokokken  in  Reinkultur  vorhanden.  Da- 
nach ist  der  Verfasser  geneigt,  als  eigentlichen  Erreger  den 
Pneumokokkus  und  nicht  den  Influenzabazillus  anzusehen."  Um 
zu  entscheiden,  ob  die  Pneumonie  bei  der  Influenza  eine  Neben- 
erkrankung darstellt,  hat  Verfasser  sie  nÀher  beobachtet.  Als 
bezeichnend  im  Röntgenbild  betrachtet  er  3  Formen.  Bei  der 
einen  tritt  ein  dreieckiger  Schatten  in  der  Gegend  des  rechten 
unleren  Lungenrandes  auf,  der  an  den  Herzschatten  angrenzt  und 
dem  rechten  Unterlappen  entspricht.  Am  hÀufigsten  kommt  die 
/weite  Form  vor,  ein  X-förmiger  Schatten,  der  einer  Infiltration 
iler  Hilusgegend  auf  beiden  Seiten  seine  Entstehung  verdankt. 
Seltener  ist  die  pneumonische  Infiltration  eines  Oberlappens.  Die' 
Erscheinungen  der  LungenentzĂŒndung  sind  auf  dem  gewöhnlichen 
Wege  meist  erst  am  5. — 10.  Fiebertag,  ausnahmsweise  mal  am 
2.  Tage  festzustellen.  Dagegen  gelang  der  Nachweis  mit  Röntgen- 
untersuchung viel  frĂŒher,  meist  schon  am  2.  Fiebertage.  Daraus 
hat  der  Verfasser  die  Ueberzeugung  gewonnen,  daß  die  Pneu- 
monie keine  Nebenkrankheit  bildet,  sondern  zum  Wesen  der 
Grippe  zugehört. 

Die  jugendliche  Tabes.  Ein  14  jÀhriger  Knabe  mit  kongeni- 
taler Syphilis  hat  hypotonische  Muskeln,  gastrische  Krisen,  An- 
Àsthesie der  Hoden,  der  Knochen  und  der  NervenstÀmme,  Ver- 
lust des  Achillessehnenreflexes,  völlige  Pupillenstarre.  Ver- 
dĂŒnnung des  Knochengewebes  mit  mehrfachen  BrĂŒchen,  defor- 
mierende Arthritis,  Lymphozytose  der  SpinalflĂŒssigkeit.  —  Die 
Tabes  des  Kindes  unterscheidet  sich  von  der  des  Erwachseneri 
durch  das  Fehlen  der  Ataxie,  das  ZurĂŒcktreten  der  Schmerzen 
bei  Vorherrschen  der  Augenerscheinungen,  der  Harnkrisen  und 
der  Störungen  der  Reflexe.  H.  Vogt. 

Le  Nourrisson,  Paris. 

MĂ€rz  1922,  10,  Nr.  2. 

^Rachitis.   I.  Rachitische  Knochenlii  sinnen.    M  À  r  f  a  n  .  A.  H.  65. 
❖Trockenmilch  zur  ErnĂ€hrung  von  Gesunden  und  KrĂ€nken  im  ersten  Kinde«- 

alter.    A  V  i  r  a  g  n  e  t  und  D  o  r  I  e  n  e  n  u  r  t.  81. 
‱ffSoptikĂ€mia  beim  SĂ€ugling!    L  e  m  Ă€  i  r  e  und  T  u  f  ii  u  e  t  y.  inii. 
❖Radiologische  Diagnose  des  Beri-Beri  heim  SĂ€ugling,    Suzuki.  T.  IM 

4  Vorlesungen  ĂŒber  die  Rachitis.  Verf.  teilt  den  Verlauf  der 
Rachitis  ein  in  3  Stadien:  in  das  Anfangsstadiuni,  in  das  Stadium 
des  Höhepunktes  und  in  das  Reparationsstadium.  Das  Anfangs- 
stadium stellt  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  ein  Reizstadium  dar;  es  kommt  in 
diesem  zu  einer  anormalen  und  abwechselnden  Zellwucherung  und 
zu  einer  GefĂ€ĂŸvermehrung,  besonders  in  der  Knorpel-  und  der 
osteoiden  Schicht,  ferner  besteht  eine  anormale  Vermehrung  der 
Markzellen,  die  von  einer  gesteigerten  HyperÀmie  im  Knochen- 
mark begleitet  ist;  zugleich  beginnt  im  Anfangsstadium  schon  die 
VerdĂŒnnung  der  Knochenbalken  in  der  Knochenschicht.  Im  Sta- 
dium des  Höhepunktes  nimmt  die  atypische  Wucherung  des  Knor- 
pels noch  zu,  an  Stelle  des  Knochens  tritt  das  spongoide  Gewebe. 
Nach  Marfan  gehen  bei  der  Rachitis  zwei  Prozesse  einher, 
ein  Reizvorgang  und  ein  Abbauprozeß.  Im  Anfangsstadium  steht 
der  Reizvorgang  ganz  im  Vordergrund,  der  auf  dem  Höhepunkt 
der  rachitischen  Erkrankung  vom  Abbauprozeß  immer  mehr  ver- 
drÀngt wird.  Die  anormale  und  abweichende  Ueberproduktions- 
kraft  der  Mark-  und  Knorpelzellen  sieht  M  a  r  f  a  n  an  als  erstes 
Zeichen  der  beginnenden  Rachitis.  Zur  Feststellung  der  Aetio- 
logie  und  Pathogenese  der  Rachitis  kommt  es  nach  Ansicht  Mar- 
fans vor  allem  darauf  an,  die  Ursache  fĂŒr  diese  Ueberproduk- 
tionstÀtigkeit  der  Mark-  und  Knorpelzellen  festzustellen. 

Die  Trockenmilch  in  der  ErnÀhrung  gesunder  und  kranker 
Kinder  im  ersten  Lebensjahr.  A  v  i  r  a  g  n  e  I  und  Doiien- 
c  o  u  r  t  haben  an  einer  Reihe  von  SĂ€uglingen  die  Trockenmilch 
ausprobiert  und  ziehen  aus  ihren  Versuchen  folgende  SchlĂŒsse: 
Eine  gute  Trockenmilch  sei  ein  ausgezeichnetes  Nahrungsmittel 
bei  Anwendung  der  kĂŒnstlichen  ErnĂ€hrung.  Der  gesunde  Saug 
ling  könne  mit  ihr  ausschließlich  ernĂ€hrt  werden.  Sie  sei  einer 
guten  Vollmilch  oder  einer  gut  sterilisierten,  kondensierten  oder 
sonst  irgendwie  hergestellten  Milch  nicht  ĂŒber-  oder  unterzu- 
ordnen. Das  Milchpulver  könne  auch  dem  ernÀhrungsgestörten 
SÀugling  verabfolgt  werden;  sie  hÀtten  von  ihm  als  Heilnahrung 
bei  den  verschiedenartigsten  Darmstörungen  nur  gute  Erfolge  ge- 
sehen. Ein  großer  Vorzug  der  Trockenmilch  den  anderen  Milchen 
gegenĂŒber  sei  ihre  Haltbarkeit  und  ihre  infolge  des  stark  redu- 
zierten Gewichtes  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  billige  TransportfĂ€higkeit. 


Die  SeptikÀmie  des  SÀuglings.  Die  SeptikÀmie  ist  heim 
SĂ€ugling  selten  zur  Zeit  der  Infektionskrankheiten;  sie  tritt  da- 
gegen hÀufiger  auf  in  den  letzten  Lebensstunden,  wenn  die 
WiderstandskrÀfte  des  Organismus  nachgelassen  haben.  Dann 
beobachtet  man  sie  in  einem  Drittel  aller  FĂ€lle.  Sie  wird  ver- 
ursacht durch  Mikroorganismen,  deren  Virulenz  stark  ang 
wachsen  ist,  oder  oft  auch  durch  einfache  Saprophyten,  die  dem 
Darm  entsprossen,  in  den  Blutkreislauf  eingedrungen  sind  und 
sich  hier  schnell  vermehren.  Dieser  Einbruch  der  Bakterien  in 
den  Organismus  wird  nicht  durch  irgendeine  Aenderung  im  klini-i 
sehen  Krankheitsbilde  gekennzeichnet,   er  verlÀuft  ganz  latenn 

Radiologische  Diagnose  des  Beriberi  beim  SĂ€ugling.  Beim 
Beriberi  der  SĂ€uglinge  ist  das  Herzvolumen  betrachtlich  ver- 
grĂ¶ĂŸert gegenĂŒber  dem  Volumen  des  Herzens  bei  anderen  Krank- 
heiten. In  4  FĂ€llen  von  Beriberi  betrug  das  Herzvolumen  56  ems 
durchschnittlich  nur  36  cm»  bei  anderen  Krankheiten.  Auch 
Leber,  Milz  sind  beim  Beriberi  starker  vergrĂ¶ĂŸert  als  bei  an- 
deren Krankheiten,  bei  der  Niere  ist  der  Unterschied  nicht  so 
ausgesprochen.  Diese  Werte,  die  man  bei  der  Autopsie  gefunden 
hat,  hat  Suzuki  diagnostisch  zu  benutzen  gesucht.  Im  Ortho- 
kardiogramm  hat  er  stets  eine  VergrĂ¶ĂŸerung  des  Herzens  fest-; 
stellen  könnneii,  auch  wenn  die  Symptome  auf  Beriberi  noch 
nicht  sehr  ausgesprochen  waren,  und  hat  so  ein  Mittel  in  der 
Hand,  therapeutisch  recht  frĂŒh  auf  die  Krankheit  einzuwirken. 

S  I  a  n  d  v  o  ß  (Berlin-Halensee 

The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston. 

23.  MĂ€rz  1922,  186,  Nr.  12. 

❖  Klin',schi'  Diagnose  bei  HerzKustĂ€tMlen.    I*  r  e  bl  e  .  VV.  E.  871. 

❖  Kiefer-Ankvlose.     G  i  I  p  a  t  r  i  c  k  .  R.  H.  371. 

■{■Das  Vorkommen  der  Amnoben-Dvsenteric  in  Heu  U.  St.  A.  unter  dem  Kinfl'iß 
des  Weltkrieges.      Stiles.  C.  W.  377. 

Relative  Fruchtbarkeit.    H  e  y  n  n  1  d  s  .  K.  und  M  a  c  o  m  her,  D.  380. 

Pathologie  ''er  Tuberkulose.    Smith.  I..  W.  38">. 
‱J*Serun\bchandlunR'  der  lobĂ€ren  Pneumonie.     M  c  G  u  i  r  e  ,  I,.  W.  389. 

Fall  von  Thrombose  dos  Mesenteriums.    Henry.  .1.  O.  390. 

Klinische  Diagnose  von  Herzerkrankungen.  Wir  können  Stö- 
rungen von  Seiten  des  Herzens  grob  einteilen:  1.  in  valvulÀre  Er- 
krankungen, wobei  ausgesprochene  organische  LĂ€sionen  der 
Klappen  mit  oder  ohne  VerÀnderungen  des  Myokard  bestehen, 
2.  in  selbstĂ€ndige  Myokarderkrankungen.     WĂ€hrend    ĂŒber  die 

1.  Gruppe  eine  FĂŒlle  von  Literatur  existiert,  hat  man  sich  mit  der 

2.  Gruppe  erst  in  den  letzten  Jahren  beschÀftigt,  und  zwar  pro» 
portional  der  Vervollkommnung  unserer  diagnostischen  Hilfs- 
apparate, Verf.  stellt  die  verschiedenen  HerzgerÀusche  zusammen 
mitsamt  der  Deutung,  die  man  ihnen  gegeben,  seht  sodann  auf 
die  Ursachen  der  Myokarderkrankung  ein  und  bespricht  zum 
Schluß  die  Herzstörunger  der  FettsĂŒchtigen,  ohne  dabei  wesent- 
lich Neues  zu  bringen. 

Ankylosis  der  Kinnlade.    Bei  einem  15  jÀhrigen  Knaben,  der 
im  Anschluß  an  Scharlach  mehrere  Mastoidoperalionen  ĂŒberstan- 
den   hat.    besteht    eine   ausgesprochene    Unterentwicklung  des 
Unterkiefers  und  eine  komplette  Ankylose.    Röntgenologisch  lĂ€ĂŸt 
sich  an  den  Temporomandibulargelenken  rechts  eine  knöcherne 
Vereinigung,  links  eine  fibröse  Ankylose  nachweisen.  Obwohl 
einige  ZĂ€hne  entfernt  wurden,  damit  die  Mundhöhle  Platz  fĂŒr  dr 
Nahrungsaufnahme  bieten  konnte,  blieb  doch  der  Raum  dafĂŒr 
Ă€ußerst  gering,  und  es  ist  erstaunlich,  daß  trotz  der  Erschwerung 
des  Kauakts  der  ErnÀhrungs-  und  Entwicklungszustand  des  Pat 
nicht  hinter  der  Norm  zurĂŒckblieb.    Bei  der  operativen  Inangriff 
nĂ€hme  zeigte  sich,  daß  der  ganze  Raum  unterhalb  des  rechten 
Jochbeins  mit  solider  Knochenmasse  angefĂŒllt  war.    Das  gleich 
fand  sich  in  der  LTmgebung  des  Temporo-Mandibulftrgelenks.  Di 
Knochenmassen  wurden  entfernt,  der  Kondylus  abgetragen,  abe 
auch  der  M.  temporalis  mußte  geopfert  und  zu  dem  Zwecke  d> 
Proc.  coronoM.  abgetragen  werden.    Ein  transplantierter  Fett 
fascienlappen  vervollstÀndigte  die  Operation.    Bei  der  Entlassun 
des  Pal.  war  die  FunktionstĂŒchtigkeit  des  neugebildeten  Gelenks 
durchaus  in  der  Zunahme  begriffen. 

Der  Stand  der  Amöbenruhrerkrankungen  in  den  Vereinigten 
Staaten  in  seiner  potentiellen  AbhÀngigkeit  vom  Weltkrieg.  Der 

öffentliche  Gesundheitsdienst,  der  die  mit  dem  Weltkrieg  ver- 
knĂŒpften, theoretischen  Möglichkeiten  wohl  erkannte,  ordnete  in 
22  Staaten  ausgedehnte  Untersuchungen  an,  die  zu  dem  Ergebnis 
fĂŒhrten,  daß  im  Durchschnitt  die  in  Europa  dienenden  Soldaten 
der  Amöbenruhrerkrankung  nicht  stÀrker  ausgesetzt  waren  als 
die  heimische  Bevölkerung.  Die  intensiven  Studien  ĂŒber  Darm- 
protozoen, die  man  wÀhrend  und  nach  dem  Weltkrieg  angestellt, 
lassen  zwei  praktische  Tatsachen  sehr  deutlich  erkennen: 


I 


K). Jahrg.  —  Nr. 26  Aus   den    neuesten   Zeitschriften  W,(.t 


1.  In  gemĂ€ĂŸigten  Zonen  sind  die  menschlichen  Darmpro 
zoen  von  viel  geringerer  Bedeutung  als  man  angenommen  halte. 

gehendere  Untersuchung  verlangen  nur  ungeklÀrte  FÀlle  von 
imie.    Amenorrhoe   und   von    Darmstörungen  unbekannter 
Herkunft. 

2.  in  gemĂ€ĂŸigten  Zonen  ist  auch  die  Endomoeba  histologica 
kein  bösartiger  Parasil  und  kommt  nicht  seilen  hei  snnsl  ganz 
gesunden  TrÀgern  vor.  Bedrohlieh  ist  die  Endamoeha  um-  in 
tropischen  oder  subtropischen  Gegenden. 

Die  Seirumbehandlung  der  lobĂ€ren  Pneumonie.  Eine  große 
Anzahl  von  Aerzten  strÀubt  sich  noch  dagegen,  den  Wert  der 
Serumbehandlung  bei  Pneumonien  anzuerkennen.  Das  hat  ver- 
schiedene GrĂŒnde  1.  verwenden  sie  das  Serum  nicht  frĂŒh  genug 
es  ist  gefÀhrlich,  zu  warten  bis  die  krÀnkheil  in  ein  kritisches 
Stadium  getreten  ist.  2.  ĂŒben  sie  diese  Art  der  Behandlung  nur 
an  sogenannt  ernsten  Fallen  das  isl  falsch,  denn  das  klinisch" 
Bild  wechselt  ungemein  rasch.  3.  ist  die  gewöhnlich  angewandte 
Serummenge  nicht  ausreichend.  Das  ĂŒbliche  ist  100  ccm-Injek- 
tionen  8 — 12  stĂŒndlich  bis  zum  Eintritt  der  Rekonvaleszenz  zu 
wiederholen.  Oft  sieht  man  schon  nach  einer  einzigen  Injektion 
Genesung  eintreten:  in  anderen  FĂ€llen  sinkt  die  Temperatur  rasch 
zur  Norm  ab,  um  dann  wieder  anzusteigen.  Dann  ist  eine  erneute 
Injektion  angebracht.  Um  ein  spezifisches  Serum  anwenden  zu 
können,  ist  es  durchaus  erforderlich,  aus  dem  Sputum  den  bak- 
teriologischen Typ  zu  bestimmen.  Die  Anwendung  eines  poly- 
valenten Serums  wird  verworfen. 

Held  (Berlin). 

Archives  of  Pediatries,  New  York. 

-    Februar  1922,  39,  Nr.  2. 

Idealgewieht  der  Kinder.    P  n  t  n  a  m  .  .T.  .J.  71. 

0re"7.pn    dp,-    Rninzisinn    des    Trommelfell:»       K  <>  p  e  t  z  U  y  .    S.    .1.  und 

S  e  h  w  a  r  t)z  ,  A.  A.  86. 
Indikationen    zip-    Inzision    und    wiederholten    rriK;sion    des  Trommelfells. 

Carr.W.  L.  91. 

*J,Vierst>undenpaiisen  in  der  SĂ€uglingsernĂ€hrnng.    Sunt  h  ‹«  o  r  t  h  .  T.  S.  Dl. 
S|>fi7if',«ehe  Diagnose  einiger  Krankheiten  fĂŒr  den   Kinderarzt.     G  1  e  v  e  r  . 
S.  Gr.  99. 

Eidotter  in  der  SĂ€uglinKsernahnine.    De  Ran  t'i  i  s  .  A.  0.  104. 
StiHsehe  Kraakhe.it    (Atrophische  Arthries i.     Mtcbfieln     II.  R..  und 
M  a<s  o  o  .  F.  R.  i07. 

Lipodystrophie  progressiva:  R.  e  u  1>  e  n  .  M.  8.  inul  '/.  :\  in  k  i  u  .  H.  O.  112. 
Krythroftdem.    F  i  e  I  d  .  M.  8.  llfi. 

Kritische  Betrachtung  zu  den  4  stÀndigen  Nahrungspauseih 
Verf.  scheint  die  seinerzeit  von  C  z  e  r  n  y  empfohlene  4  stĂŒndige 
Nahrungspause  und  die  von  ihm  inaugurierte  Anwendungsweise 
zum  mindesten  mißverstanden  zu  haben.  In  seinen  AusfĂŒhrun- 
gen macht  er  die  auch  von  den  deutschen  KinderÀrzten  schon 
lange  vorgenommenen  EinschrÀnkungen  in  der  Anwendung  der 
\  stĂŒndigen  Pause  (z.  B.  schwachen  FrĂŒhgeburten  usw.)  zum 
Gegenstand  ausfĂŒhrlicher  Betrachtungen.  Am  besten  wird  die 
Arbeit  durch  die  vom  Verf.  gewĂ€hlten  EinfĂŒhrungsworte  charak- 
terisiert: „Mit  gewissen  EinschrĂ€nkungen  hat  sich  die  4  stĂŒndige 
Pause  als  zweckdienlich  erwiesen,  aber  gleich  manch  anderen 
Forderungen,  die  aus  Mitteleuropa  gekommen  sind,  ist  auch 
diese  viel  zu  weitgehend  fĂŒr  eine  allgemeine  Anwendung." 

K  À  e  k  e  1 1  (Hamburg 

The  American  Journal />f  Ohstctrics  and  Gvnccolotfv, 
St,  Louis 

MĂ€rz  1922,  3,  Nr.  3. 

‱J*Fin  Beitrag;  zur  Hi«tog,enese  der  Ovarialtumoren.    Heist,  s.  H.  231.. 
‱f»Oie  WirkufiR  des  Fmetins  auf  den  Utr.rus.    M  n  rt  i  n  .  P.  211. 
4*1 'teniseaieimnn.     R  n  n  i  f  i  e  I  il     Ch.  L.  2.'>n. 

Einige  Phasen  in  der  Entwicklung  von  Diagnose  und  Behandlung  des  Oe.rvix- 
enreinotns.    S  k  e  e  1  .  R.  S.  2.r>2. 

♩Wertvolle  Methoden  zur  l'i»  'Iterung  der  Oper-ahi'litĂ€t  de:,  fortgeschrittenen 

OervtxcaTcinoms.  Uro  w  n    van  Amber.  26.1. 

Die  Beurteilung  der  MortalitÀt  der  abdominellen  Operationen  bei  Oarcinom. 

f  r  i  1  e  .  G.  W.  272. 

‱S*Die  ne.ue  R'chtung  in  der  gynĂ€kologischen  Therapie.   Heil  Ii  o  r  h  .  (J.  275. 
❖  Die  hynertrophisch-ulzerative  Form  der  chronischen  Vulvitis  (T5Iepliaiitia«is. 
Efthlomene,  Syphilom).    T  a  u  s  s  i  ‱-    F.  .1.  »81. 
Atresie  and  striUtur  der  Vagina.    K  in».  .1.  F.  290. 

Kontinuierliche  Lachgas-  und  Sauer.stoff-Analgesie  und  -AnÀsthesie  mit  Wie- 
dereinathmung  in  der  Geburtshilfe1.    R  i  v  e  s  .  A .  F.  298. 

❖ilidlkat'onipn  und  Kontraindikationen  heim  Gebrauch  von  Pituitrin  in  der 
Oelnirtsliilfe.    (' r  o  n  .  R.  S.  300. 

‱{â–șBericht  ĂŒber  einen  Kall  Mm  Kreislaufinfekt'nn  Sterinen  f/rsprungs  mit  Ba- 
cillus WelcWi.    M  a  t  t  h  e  w  s  .  H.  B.  S07. 

Bin  Beitrag  zur  Histogenese  der  Ovarialtumoren.  Zur  KlÀrung 
der  Frage,  wie  und  woraus  sich  epitheliale  Tumoren  des  Ovars 
zyslisrhen  oder  soliden  Charakters  entwickeln,  beschreib!  Verf. 


den  fÀll  einer  52jÀhrigen  Frau,  liei  der  er  auf  der  einen  Seile  ein 
typisches  Adenokarzinom,  auf  der  andern  einen  eigentĂŒmlichen 
Tumor  fand,  dessen  Zellen  den  (iranulosazellen  sehr  Àhnelten  und 
in  dem  Zysten  und  hohe  zylindrische  Zillen  wie  bei  den  pfeudo 
muzinösen  Ovarialzyslcn  vorkamen.  Es  war  durch  direkte  Beob- 
achtung der  Zusammenhang  mit  den  (iranulosazellen  festzustellen 
Das  gesamte  Bild  fĂŒhrt  zur  Vermutung,  dall  der  Tumor  embrvo 
nalen  Ursprungs  ist.  Derartige  Tumoren  werden  Adenom  des 
Graafschen  Follikels,  malignes .Follikulom,  follikuloides  Karzinom, 
auch  Granulosazelltumor  genannt.  Der  Tumor  ist  jedoch  weder 
malign  noch  ein  Adenom.  Er  ist  am  besten  ohne  besonderen 
Namen  als  ein  Tumor  aus  persistierendem  embryonalem  Gewebe 
zu  bezeichnen 

Die  Wirkung  des  Emetinum  hydrochloricum  auf  den  Uterus. 
EigentĂŒmlicherweise  erwies  sich  dem  Verfasser  das  Em  et  in,  nach 
dessen  Anwendung  er  zufÀlligerweise  einmal  in  Afrika  einen 
Abort  eintreten  sah  und  das  er  deshalb  auf  seine  ulcrine  Wirkung 
experimentell  uniersucht,  in  vitro  und  in  vivo  von  entgegenge- 
setzter Wirkung.  In  Vitro  mindert  es  die  TĂ€tigkeil  des  graviden 
und  nicht  graviden  tierischen  Uterus.  Tonus  und  GrĂ¶ĂŸe  der  Kon- 
traktionen nehmen  ab,  wenn  diese  auch  zahlreicher  werden.  In 
vivo  vermehrt  es  dagegen  den  MuskeltonUs  des  graviden  und  nicht 
graviden  Uterus.  Zur  ErklĂ€rung  stellt  Verf.  die  Hypothese  auf,  daß, 
'da  sekundÀr  stets  der  Blutdruck  erhöht  isl,  die  Wirkung  des  Eme- 
lins  vielleicht  auf  Beizung  der  Medulla  beruht,  zumal  die  Droge  auf 
diesem  Wege  ja  auch  brechenerregend  wirkt.  Vielleicht  wirkt  es 
auch  auf  das  sympathische  System.  Das  Emetin  mag  bei  Meno- 
und  Metrorrhagien  mit  BĂŒcksicht  auf  seine  tonisierende  Eigen 
schaft  versucht  werden. 

Uteruskarzinoin.  Verf.  fĂŒhrt  in  kurzen  Worten  als  Ergebnis 
seiner  Erfahrungen  an,  daß  er  möglichst  hĂ€ufig  Hysterektomie 
macht,  das  Badium  hat  er  bei  vorgeschrittenen  FĂ€llen  mehrfach 
statt  Linderung  furchtbare  Qualen  erzeugen  sehen.  Er  erwartet 
vor  allem  viel  von  der  Verbesserung  der  Böntgentherapie  durch 
die  Deutschen. 

Wertvolle  Methoden  zur  Erweiterung;  der  OperabilitÀt  des 
fortgeschrittenen  C'ervixkarzinoins.  Verf.  rĂŒhmt  die  guten  Er- 
folge der  Hitzeoperation  nach  Percy  in  Kombination  mit  Li- 
gatur. Es  sollen  120 — 140  Grad  Fahrenheit  angewandt  werden. 
Das  heiße  Eisen  wird  von  der  Vagina  aus  durch  die  Cervix  bis 
zum  Fundus  gefĂŒhrt.  Die  behandschuhte  Hand  des  Assistenten 
legt  sich  dem  Fundus  uteri  bei  eröffneter  Bauchhöhle  auf  und 
kontrolliert  den  Hitzegrad.  So  werden  SchÀdigungen  von  Blase, 
Ureter  und  Beklum  vermieden.  Kleinere  Blut-  und  LymphgefĂ€ĂŸe 
werden  geschlossen.  Die  Ligatur  vollzieht  sich  durch  KĂ€nguruh 
sehne  oder  schweres  Catgut  sowie  ZertrĂŒmmerung  der  GefĂ€ĂŸ- 
wÀnde zwischen  den  Ligaturen.  Diese  Methode  von  Hitze  und 
Ligatur  mobilisiert  am  besten.  Böntgen-  und  Badiumtherapie 
kann  der  Operation  nachfolgen,  jedoch  nie  vorangehen.  Die 
Methode,  ĂŒber  die  Smith  frĂŒher  auf  Grund  von  100  FĂ€llen  aus 
der  Mavo-Klinik  berichtet  hat,  wurde  vom  Verf.  in  8  FĂ€llen  mit 
gutem  Erfolge  angewandt.  Meist  schloß  er  einige  Wochen  nach 
der  Hitzeanwendung  die  Hysterektomie  an.  VorzĂŒge  sind  soforti- 
ges Aufhören  der  Blutung  und  insbesondere  Erleichterung  der 
spÀteren  Operation. 

Die  neue  Richtung  in  der  gynÀkologischen  Therapie.  Die 
operativen  Methoden  sind  kaum  noch  einer  Vervollkommnung 
fÀhig.  Die  Strahlenbehandlung,  deren  biologische  Wirkung  noch 
nicht  ergrĂŒndet  ist.  steht  dagegen  in  ihren  AnfĂ€ngen.  Wenn  MĂ€n- 
ner von  grĂ¶ĂŸter  Erfahrung  und  höchstem  technischem  Können 
wie  D  öd  er  lein  und  Bumm  das  Messer  aus  der  Hand  legen, 
so  gibt  dies  zu  denken.  ‱ —  BezĂŒglich  der  Gonorrhoebehandlung  ist 
auf  Vande  Veldes  Gedanken  zu  achten.  Danach  gibt  die  Men- 
struation immer  neuen  Anstoß  zur  EntzĂŒndung,  deshalb  ist  tempo- 
rĂ€r zu  sterilisieren.  Dadurch  entfĂ€llt  dieser  EntzĂŒndungsanrei/. 
und  die  Salpingoophorilis  kommt  zur  Ausheilung,  wÀhrend  das 
Messer  verslĂŒmmelt.  —  BezĂŒglich  des  Condvloma  acutum  weist 
Verf.  auf  seine  ĂŒberraschenden  Erfolge  mit  Strahlentherapie  hin. 

Die  hypcrtrophisch-ulzerativc  Form  der  chronischen  Vulvitis 
(Elephantiasis,  Fsthiomene,  Syphilom).  Bei  diesen  Bildungen 
der  Vulva  ist  in  den  meisten  FĂ€llen  Syphilis  die  Ursache.  Die 
Bezeichnung  Elephantiasis  isl  weniger  gut,  da  Filariainfektion 
selten  ist.  Am  besten  isl  die  obige  allgemeine  Bezeichnung.  WĂ€h- 
rend in  Europa  die  Erkrankung  sich  fast  nur  bei  Prostituierten 
findet,  ist  sie  in  Amerika  nahezu  ausschließlich  bei  Negerinnen 
festzustellen.  80—90  %  sind  luetischen  Ursprungs.  Es  ist  aber 
zweifelhaft,  ob  es  sieh  um  tertiÀre  Gummen  oder  eine  postsyphi- 
litische Erkrankung  handelt,  denn  der  Wassermann  ist  hÀufig 
negativ.  Die  Ditrerenlialdiagnose  gegenĂŒber  fibroiden  Tumoren 
ist  leicht,  da  diese  zirkumskript  und  nicht  ulzeriert  sind.  Thera 


4?0  Aus   den   neuesten   Zeitschriften  40.  Jahrg.  —  Nr.  20> 


peutisch  schließt  Verf,  aus  seinen  7  FĂ€llen,  daß  Vulvektbmie  an- 
zuwenden ist.  Antiluetische  Kur  ist  wirkungslos.  Der  Thermo- 
kauter  ist  meist  dem  Messer  vorzuziehen. 

Indikationen  und  Kontraindikationen  fĂŒr  den  Gebrauch  von 
Pituitrin  in  der  Geburtshilfe.  An  der  UniversitÀt  Michigan  wurde 
Pituitrin  seit  1911  zur  Einleitung  der  Wehen,  wÀhrend  derselben 
und  nach  der  Geburt  angewendet.  Zur  Weheneinleitung  erwies 
sich  Pituitrin  allein  als  nicht  erfolgreich,  wohl  aber,  und  zwar 
von  15  FĂ€llen  in  26  —  61  %  in  Kombination  mit  Rizinusöl  und 
Chinin.  Dosierung  ist  15 — 30  gr  Rizinus,  2  Stunden  darauf  0,5 
Chinin,  sulf.,  dann  Pituitrin  in  kleinen  Dosen  und  zweislĂŒndlichen 
Pausen,  maximal  3  cem  in  24  Stunden.  In  der  Erötrnungsperiode 
wurde  es  wegen  der  Gefahr  letaniseber  Kontraktion  des  Uterus 
selten  augewandt,  wohl  aber  in  der  Austreibungsperiode,  wo  125 
FĂ€lle  sehr  gute  Wirkung  zeigten,  weniger  Blutverlust  und  be- 
schleunigte Austreibung  der  Plazenta.  Postpartale  HĂ€morrhagien 
wurden  mit  1  cem  Pituitrin  gĂŒnstiger  und  rascher  beeinflußt  als 
durch  Ergotin.  Letzteres  wird  von  der  Operation  zur  Anwendung 
empfohlen,  daneben  Pituitrin  zur  unmittelbaren  Injektion  in  die 
Uterusmuskulalur  bei  eröffnetem  Abdomen. 

Berieht  ĂŒber  einen  Fall  von  Kreislaufinfektion  uterinen  Ur- 
sprungs mit  Bazillus  Welehii.  Die  verh.  Pat.  hat  zur  Einleitung 
eines  kriminellen  Aborts  ein  spitziges  Instrument  in  den  Uterus 
eingefĂŒhrt  und  spĂ€terhin  noch  ein  Senfbad  genommen.  Darauf 
SchĂŒttelfrost.  Erbrechen,  Fieber,  welches  am  folgenden  Tage  zu- 
nimmmt.  Exitus  37  Stunden  nach  UeberfĂŒhrung  ins  Krankenbaus. 
Der  Körper  weist  Krepitieren  und  außerordentliche  Schwellung 
auf.  In  der  Leber  Gasblasen.  Mikroskopisch  finden  sich  in  der 
Leber  HĂ€ufung  von  B.  Welehii  um  die  durch  die  Gasblasen  ge- 
bildeten LĂŒcken.  Ilerzblutkulluren  zeigten  B.  Welehii  in  großen 
Mengen  in  Reinkultur.  Es  handelt  sich  hier  um  Sepsis,  wie  sie 
zuerst  von  Wm.  H.  Welch  als  durch  den  nach  ihm  benannten 
B.  aerogenes  capsulatus  verursacht  beschrieben  win  de.  Der  Tod 
wird  vermutlieh  durch  ein  spezifisches  Bakterienloxin  verursacht. 
Therapeutisch  sind  die  durch  Bull  und  P  r  i  c  h  e  1 1  sowie  H  e  n  r  v 
und  Lucy  empfohlenen  Antitoxine  zu  versuchen. 

Kuhn  (MĂŒnchen). 

American  Journal  of  Ophtahnology. 

3.  MĂ€rz  1922,  5,  Nr.  3. 

‱J»!  iilrakniniellc    GeschwĂŒlste    des    Sehnen en    vor   «lern    Chiasma.     D  a  n  il  v  . 
Walter  E.  109. 

GewohnheitsmĂ€ĂŸiges  Zielen  mit  beiden  Augen.  J.  a.  n  d  o  1  t  .  Marc.  1S9. 
^Wiederholte  Blutungen  in  die  Netzhaut  und  den  Glaskörper  bei  jungen  Men- 
schen.   F  i  n  n  o  f  f  .  William  ('.  19.">. 
^Angeborene   vordere  Kapselkatarakt.     U  r  n  s  e  .   L,   1>.  202. 

Intrakranielle  GeschwĂŒlste  des  Sehnerven  vor  dein  Chiasma. 

Klinischer  Bericht  ĂŒber  zwei  allgemein  interessante  Krank- 
heitsfÀlle und  das  Ergebnis  ihrer  operativen  Behandlung. 
F  all  1  :  13jÀhriges  MÀdchen,  das  im  Aller  von  6  Jahren  eine 
Woche  lang  Erbrechen  gehabt  hatte,  —  ohne  Kopfschmerz,  ohne 
/eichen  fĂŒr  Magen-  oder  Darmerkrankung.  AuffĂ€lligerweise  trat 
aber  Doppel  sehen  auf,  das  etwa  eine  Woche,  dauerte.  Das 
Sehen  des  rechten  Auges  blieb  seitdem  schwÀcher.  Vor  3  Jahren, 
wÀhrend  eines  milden  Anfalles  von  Grippe,  trat  wieder  Er- 
brechen fĂŒr  einige  Tage  auf,  verblinden  mit  Sebstörung.  Die  Brech- 
finfÀlle  wiederholten  sich  in  den  nÀchsten  Jahren.  Es  zeigte  sich 
Schielen  beider  Augen  und  Ptosis  beider  oberen  Augenlider.  Seil 
lÀngerer  Zeil  isl  das  rechte  Auge  vollblind,  das  linke  sehr  seh- 
schwach (S  =  2/ioa).  Niemals  trat  Kopfschmerz  auf.  Bei  der  Auf- 
nahme ins  Krankenhaus  im  13.  Lebensjahre  der  Pt.  bestand  in  der 
Hauptsache  folgender  Befund:  B.  Auge  blind.  L.  Auge  einge 
schrÀnkles  Gesichtsfeld;  Verlust  des  F  a  r  b  e  n  sehens,  keine 
Ileniamopsie,  S.  —  H/L.0„.  Beide  Sehncrvenscheiben  atrophisch  blaß, 
scharfumrandet.  GefĂ€ĂŸe  der  Netzhaut  ohne  VerĂ€nderungen.  B. 
Augenach  aufwÀrts  unbeweglich.  L.  Auge  desgleichen  nach  oben 
und  innen.  Leichte  Ptosis  beider  Augenlider,  Pupillenreaktion 
regelrecht.  Röntgenologisch  ungewöhnlich  großer  Schatten  in  der 
Hypophysengegend.  Wa-Reaktion  in  Blut  und  RĂŒckenmarkflĂŒssig- 
keit negativ.  Liquordruck  regelrecht.  Nasennebenhöhlen  ohne 
VerÀnderungen.  Die  klinischen  Zeichen  gaben  kein  klares  Bild 
des  Falles.  Ein  Hypophysentumor  schien  aus  verschiedenen  Er- 
wÀgungen nicht  wahrscheinlich.  Nach  Eröffnung  des  SchÀdels 
durch  rechtsseitige  Kraniolomie  fanden  sich  zwei  symmetrische, 
identische,  aber  von  einander  unabhÀngige  kleine  Tu  m  o  reu,  die 
nahe  der  Orbita,  dort  jeden  der  beiden  Sehnerven  wie  eine  Hals- 
krause umgehend.  Bandförmig,  nun  aber  unabhÀngig  vom  Seh- 
nerven, erstreckte  sich  der  Tumor  rechts  noch  eine  Strecke  weit 
(etwa  1.5  cm)  in  die  Orbila  hinein.  Ausgangspunkt  war  an 
scheinend  die  Scheid?  der  Sehnerven.  Histologisch  wurden  die 
GeschwĂŒlste  spĂ€ter  als  Psammome  erkannt.  Es  ergab  sieh 
nun  nur  die  Möglichkeil,  den  rechten  Tumor  vollstÀndig  zu 


entfernen  (weil  wegen  der  rechtsseitigen  Blindheit  rechts  einne 
gangen  war!).  Das  rechte  Auge  blieb  trotz  schonender  Entfer- 
nung der  den  Sehnerv  umgebenden  Geschwulst  blind.  Vom  Tumor 
des  linken  Auges  konnte  nur  ein  Teil  entfernt  werden,  weil 
man  schlecht  an  denselben  herankam.  Es  genĂŒgte  die  teilweise 
Wegnahme  aber,  um  das  Sehen  des  linken  Auges  gĂŒnstig  zu  be- 
einflussen. Ein  neuer  Eingriff  bleibt  fĂŒr  spĂ€ter  vorbehalten.  - 
Fall  2:  8jÀhriger  Knabe.  Ein  Jahr  vor  der  Aufnahme  ins 
Krankenhaus  fiel  dem  Lehrer  des  Pat.  etwas  am  Blick  des  Knaben 
auf.  Ein  Arzt  stellte  Blindheit  des  rechten  und  SehschwÀche  des 
linken  Auges  fest. 

Die  Situation  wurde  aber  nicht  klar,  da  der  Vater  eine  Ver- 
letzung des  rechten  Auges  in  frĂŒher  Kindheil  (durch  eine  Gabel) 
als  vermeintliche  Ursache  der  SehschwÀche  angab.  Der  spezielle 
Befund  am  Auge  mag  hier  unerörtert  bleiben.  Er  war  Àhnlich  wie 
bei  Fall  1.  Das  Böntgenbild  zeigte  aber  nichts  besonderes.  Dop- 
pelsehen oder  Kopfschmerz  war  hier  nie  aufgetreten,  d.  h.  es  war' 
eigentlich  kein  intrakranieller  Befund  fĂŒr  die  langsam  vorschrei- 
tende hohe  SehschwÀche  (beiderseits,  besonders  rechts!)  vorhan- 
den. Man  neigte  zur  Diagnose:  Optische  Neuritis  unbekannten 
toxischen  Ursprunges.  Als  das  rechte  Auge  ganz  blind  geworden 
war.  wurde  unter  BerĂŒcksichtigung  des  Falles  1  an  Tu  m  o  r  vor 
dem  Chiasma  gedacht.  Nach  Eröffnung  des  SchÀdels  durch 
rechtsseitige  Kraiiiotomie  (weil  rechtes  Auge  blind  war),  er- 
gab sich  ĂŒberraschender  Weise,  daß  ein  kirschgroßer  Tumor  unter 
dem  linken  Sehnerven  bestand,  der  diesen  emporgehoben  und 
umgebogen  hatte.  Ein  festes  fibröses  Band,  das  zwischen  Foramen 
opticum  und  Proz.  clinoideus  sich  anspannte,  verschob  den  linken 
Sehnerv  noch  weiterhin.  Nach  Durchtrennung  war  er  sofort  frei. 
Vom  Tumor  konnte,  da  rechtsseitig,  wenn  auch  weit  frontalwarls 
-  in  Erwartung  einer  Geschwulst  am  rechten  Sehnerven  ein- 
gegangen war.  nur  ein  StĂŒckchen  entfernt  werden.  Die  Lösung 
des  Verwachsungsbandes  genĂŒgte  aber,  um  besten  funktionellen 
Erfolg  des  Sehnerven  wiederherzustellen.  Warum  nun  bei 
dieser  Sachlage  das  rechte  Auge,  dessen  Sehnerv  intakt  er- 
schien, ganz  blind  war,  ist  unklar  geblieben.  Verf.  nimmt  eine 
sympathetische  Grundlage  an  (?).  Jedenfalls  stellte  nach  dem 
Eingriff  auch  auf  dem  rechten  Auge  sich  wieder  Sehvermögen  ein. 
(R.  Auge  —  20/,„  (!),  1.  Auge  20/-0).  Die  Gesehwulst  hatte  den  Cha- 
rakter eines  Endotholioms.  Als  Ausgangspunkt  wurde  die 
Scheide  des  Sehnerven  angenommen.  SpÀterer  linksseitiger 
Eingriff  zur  vollen  Beseitigung  der  Geschwulst  ist  in  Aussicht  ge- 
nommen. 

Wiederholte  Blutungen  in  die  Netzhaut  und  den  Glaskörper 
bei  jungen  Mensehen.  Klinischer  Bericht  ĂŒber  5  FĂ€lle  eigener 
Beobachtung.  Kurzer  Ueberblick  ĂŒber  die  ganze  bezĂŒgliche  Lite- 
ratur (110  FĂ€lle).  Verf.  verweist  darauf,  daß  die  scheinbar  spon- 
tanen Blutungen  in  das  Augeninnere  ihre  Vorgeschichte  haben, 
nĂ€mlich  eine  Erkrankung  der  GefĂ€ĂŸe,  speziell  der  Netzhaut- 
venen. Sie  tritt  oft  peripher  auf,  entzieht  sich  dadurch  frĂŒhzei- 
tiger Untersuchung,  wenn  sie  keine  auffÀlligen  Erscheinungen 
macht.  Es  bandelt  sieh,  wie  bekannt,  um  keine  einheitliche  Grund- 
ursache. Tuberkulose  ist  in  der  Aetiologie  hÀufig.  Syphilis  ist 
nur  eine  gelegentliche  Ursache.  Aber  auch  andere  Ursachen  sind 
vermutet.  Retinitis  proliferans  ist  oft  die  Folge  derartiger  Blu- 
tungen. 

Nach  Verf.  ist  die  Krankheit  bei  MÀnnern  hÀufiger  zu  fi 
den  als  beim  weiblichen  Geschlecht,  verlÀuft'  beim  letzteren  auc 
meist  weniger  ernst.   Die  Prognose  ist  aber  immer  zweifelhaf 
der  Verlauf  oft  ungĂŒnstig. 

Angeborene  vordere  Kapselkatarakt.  Bericht  ĂŒber  fĂŒnf  FĂ€ll 
bei  drei  Schwestern  und  zwei  BrĂŒdern  nebst  Bemerkungen  ĂŒbe 
die  operative  Behandlung.  Junius  Bonn 

The  Japan  Medical  World,  Tokio. 

15.  Januar  1922.  2,  Nr.  1. 

Pharmakologisches  ĂŒber  einige  Derivate  von  Oleum  Gynocardiae.  Ohara. 
M.  1. 

l.epva  bei  Ratten.    U  c  h  i  d  a  .  M.  4. 
‱^Einfache   Methode   zur   Ausschaltung   des   Zentralmeebanisnius   der  Körper- 
Teniperatur-Kcgulierung.    M  o  r  i  t  a     S.  7. 
stamm  von  Diplokokkus  pyogen.    K  u  s  u  n  nki,  M.  IQ. 

Ein  einfaches  Verfahren  zur  Ausschaltung  des  zentralen 
WĂ€rmeregulationsmechanismus.  Der  von  Leschke  angegebene 
Zwischenhirnstich  fĂŒhrt  nicht  zur  vollstĂ€ndigen  Ausschaltung  der 
zentralen  WĂ€rmeregulierung.  Durch  eine  geringe  Verbreiterung 
des  Schnittes  werden  sehr  befriedigende  Ergebnisse  erzielt.  Durch 
genaue  Untersuchung  der  formalingehÀrtelen  Gehirne  wurde  fest- 
gestellt, welche  Breite  der  Schnitt  bei  verschiedener  Höhe  der 
SchnittfĂŒhrung  zwecks  völliger  Ausschaltung  der  Temperatur- 
regulierung haben  muß.  Wolff  (Hamburg). 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm-Strafe  20  /  Fernsprecher   LĂŒteow  9057 

Nr.  27/26  Berlin,  den  19.  Juli  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Verlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  vor. 


Aus  der  Kinderheilanstalt  der  Stadt  Berlin  in  Buch. 
(Leitender  Arzt:  Dr.  I.  Rosenstern.) 

Zur  Behandlung  der  Enuresis  nocturna 
in  Anstalten. 

Von  Dr.  Fritz  G  o  1  d  s  t  e  i  n,  Assistenzarzt. 

Daß  die  Behandlung  des  kindlichen  BettnĂ€ssens  auch 
heute  noch,  trotz  jahrhundertelangen  Ă€rztlichen  BemĂŒhens, 
ein  ungelöstes  Problem  ist,  erhellt  am  besten  aus  der  stÀndig 
anwachsenden  Literatur  ĂŒber  diesen  Gegenstand  und  der  Emp- 
fehlung neuerer  und  neuester  sowie  alter,  lÀngst  in  Vergessen- 
heit geratener  Heilmethoden.  Wohl  keiner  Krankheit  ist  mit 
so  vielen  von  theoretischer  Betrachtung  aus  ganz  verschieden- 
artig, ja  sogar  hÀufig  entgegengesetzt  wirkenden  Mitteln-  bei- 
zukommen versucht  worden,  wie  gerade  der  Enuresis.  Von 
inneren  Mitteln  erfreuen  sich  seit  langer  Zeit  Belladonna, 
Strychnin  und  Tinkt.  rhois  aromat.  besonderer  Beliebtheit. 
Daneben  werden  Brom,  Opium,  Antipyrin,  Valeriana,  Uro- 
trepin  und  viele  andere  Medikamente,  ferner  OrganprÀparate 
wie  Adrenalin,  Thyreoidin,  Hypophysin  empfohlen  und  mit 
Erfolg  angewandt.  Neuerdings  wird .  fĂŒr  gewisse  FĂ€lle 
Kampferbehandlung  vorgeschlagen  (Pototzky).  Chirur- 
gen und  Urologen  bedienen  sich  noch  hÀufig  der  Adenoto- 
mie, der  Zirkurr;zision  und  der  BlasenspĂŒlungen  als  eines  Heil- 
mittels. NervenÀrzte  und  Psychotherapeuten  machen  Gebrauch 
von  den  ihnen  gelÀufigen  Heilmethoden,  dem  elektrischen 
Strom,  der  epiduralen  Injektion,  der  Hypnose,  Verbalsugges- 
tion und  je  nach  ihrer  Einstellung  zu  den  Freud  sehen  Leh- 
ren auch  der  Psychoanalyse.  Zahlreiche  Vorschriften  bestehen 
ĂŒber  die  Regelung  der  DiĂ€t  der  an  BettnĂ€ssen  leidenden  Kin- 
der, und  neuerdings  sind  von  pÀdiatrischer  Seite  systematische 
Durstkuren  angegeben  worden  (Nobel).  SelbstverstÀndlich 
sind  Höhensonne,  Röntgenstrahlen  und  hochfrequente  T  e  s  1  a- 
Ströme  nicht  unversucht  geblieben,  und  die  technische  In- 
dustrie leistet  Großes  in  der  Konstruktion  von  Penisklemmen 
und  Urinais  (neuerdings  P  1  a  t  o)  zum  Auffangen  des  Harns, 
ja  sogar  BettnÀsserbetten  und  -Matratzen  werden  angegeben. 

Legen  wir  uns  die  Frage  vor,  wie  es  möglich  ist,  daß  mit 
einer  so  großen  Schar  von  verschiedenartigen  Mitteln  doch 
offenbar  in  einer  großen  Zahl  von  FĂ€llen  Erfolge  erzielt  wer- 
den können,  daß  das  eine  Mittel  in  der  Hand  des  einen  Arztes 
VorzĂŒgliches  leistet,  wĂ€hrend  ein  anderer  damit  nur  Mißer- 
folge aufzuweisen  hat  und  dementsprechend  der  eine  Autor 
das  eine  Mittel  als  Allheilmittel  preist  und  ein  anderes  verur- 
teilt, so  sind  wir  gezwungen,  uns  einzugestehen,  daß  unsere 
Kenntnisse  von  der  Wirkungsweise  der  Methoden  noch  sehr 
geringe  sind,  daß  wir  aber  bei  der  Beurteilung  eines  Behand- 
lungserfolges ein  gewisses  subjektives  Moment  nicht  außer 
acht  lassen  dĂŒrfen. 

Die  KinderĂ€rzte  vertreten  wohl  heute  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil, 
vor  allem  auf  Grund  der  Anschauungen  C  z  e  r  n  y  s  und  seiner 
SchĂŒler,  den  Standpunkt,  daß  der  erzieherischen  Komponente 
bei  jeder  Art  von  Behandlung  der  Enuresis  ein  nicht  zu  unter- 
schĂ€tzender Anteil  am  Erfolge  beizumessen  ist.  MerkwĂŒrdi- 
gerweise liegen  aber  nur  wenige  Mitteilungen  vor,  die  sich 
mit  der  pĂ€dagogischen  Beeinflußbarkeit  des  BettnĂ€ssens  be- 
fassen (Hermann,  FĂŒrstenheim  und  G  i  r  s  t  e  n  - 
b  e  r  g).  Auch  in  den  gebrĂ€uchlichen  LehrbĂŒchern  der  Kinder- 
heilkunde wird  die  pÀdagogische  Therapie  nur  kurz  erwÀhnt 
oder  ganz  außer  acht  gelassen.  Nur  Göppert-Lang- 
stein  widmen  in  ihrer  „Prophylaxe  und  Therapie  der  Kin- 


derkrankheiten" den  erziehlichen  Maßnahmen  ein  ausfĂŒhrliche- 
res Kapitel. 

Wenn  im  folgenden  ĂŒber  die  an  einer  Reihe  von  bett- 
nÀssenden Kindern  in  der  Kinderheilanstalt  Buch  wÀhrend  der 
letzten  VU  Jahre  gemachten  Erfahrungen  berichtet  werden 
soll,  so  geschieht  dies  nicht,  um  zu  den  kurz  angedeuteten 
therapeutischen  Maßnahmen  Stellung  zu  nehmen  oder  wesent- 
lich neue  therapeutische  VorschlÀge  zu  bringen.  Es  soll  nur 
gezeigt  werden,  daß  es  bei  AnhĂ€ufung  von  zahlreichen  Kin- 
dern in  Anstalten  durch  erzieherische  Maßnah- 
men gelingt,  die  Zahl  der  BettnÀsser  auf  ein  Minimum  zu  be- 
schrÀnken, das  Umsichgreifen  von  psychischen  Infektionen  zu 
verhindern  und  die  Mehrzahl  der  FĂ€lle  zur  Heilung  zu 
bringen.  Gibt  es  doch  viele  Anstalten,  die  BettnÀssern  die 
Aufnahme  verweigern,  ja  selbst  Z  a  p  p  e  r  t,  einer  der  grĂŒnd- 
lichsten Kenner  der  kindlichen  Enuresis,  empfiehlt  besondere 
Heime  und  Ferienkolonien  fĂŒr  BettnĂ€sser. 

Will  man  in  Anstalten,  in  denen  eine  individuelle  Thera- 
pie, wie  in  der  Privatpraxis  und  im  Privatsanatorium  nicht 
immer  durchfĂŒhrbar  ist,  die  bettnĂ€ssenden  Kinder  mit  Erfolg 
behandeln,  so  ist  es  unerlĂ€ĂŸlich,  daß  man  sich  ĂŒber  die  Ur- 
sachen des  in  Kinderheimen,  Anstalten  usw.  auch  bei  geistig 
nicht  minderwertigen  Kindern  gehÀuften  Auftretens  der  Enu- 
resis nocturna  Rechenschaft  ablegt.  Ein  Bild  ĂŒber  das  Vor- 
kommen bei  poliklinischem  und  klinischem  Krankenmaterial 
geben  folgende  Zahlen: 

Z  a  p  p  e  r  t  fand  in  Wien  unter  33  424  poliklinischen  Pa- 
tienten nur  154  =  0,46%  BettnÀsser.  Nach  Pese  waren  im 
stÀdtischen  Kinderobdach  in  Breslau  30%  aller  Kleinkinder 
und  10%  aller  Schulkinder  BettnÀsser.  Auch  Z  a  p  p  e  r  t  be- 
tont das  so  erstaunlich  hÀufige  Vorkommen  des  BettnÀssens 
in  Anstalten  und  fĂŒhrt  es  auf  psychische  Infektion  zurĂŒck.  Was 
er  darunter  verstanden  wissen  will,  ob  eine  gewöhnliche  Un- 
art oder  eine  Nachahmungskrankheit  im  Sinne  K  a  r  g  e  r  s  , 
geht  aus  seiner  Arbeit  nicht  hervor. 

Unseres  Erachtens  spielen  eine  Reihe  von  anderen  Fak- 
toren neben  dem  bei  Kindern  zweifellos  stark  ausgeprÀgten 
Nachahmungstriebe  bei  dem  so  hÀufigen  Vorkommen  von 
BettnĂ€ssen  in  Anstalten  eine  große  Rolle. 

An  erster  Stelle  sind  hier  Erziehungsfehler  zu  nennen,  auf 
die  Czerny  in  seinen  Vorlesungen  wiederholt  hingewiesen 
hat.  Nach  ihm  tritt  das  BettnÀssen  auf  nach  Erlöschen  eines 
schon  einmal  erlernten  Bedingungsreflexes.  Kinder,  die  meh- 
rere Jahre  bettrein  waren,  verlernen  es  wieder,  sich  zur  rechten 
Zeit  bemerkbar  zu  machen.  Als  Gelegenheitsursache,  den 
Bedingungsreflex  zu  verlernen,  sieht  Czerny  besonders 
kurzdauernde  Krankheiten  und  die  Rekonvaleszenz  an,  Zeiten, 
in  denen  die  Kinder  von  den  Eltern  und  Pflegepersonen  be- 
sonders verwöhnt  und  hinsichtlich  der  Sauberkeit  sehr  nach- 
sichtig behandelt  werden.  Diese  Ansicht  C  z  e  r  n  y  s  trifft 
sicher,  besonders  wenn  es  sich  um  Kinder  aus  besser  situierten. 
Kreisen  handelt,  fĂŒr  viele  FĂ€lle  zu,  jedoch  wird  das  so  erheb- 
liche Überwiegen  der  klinisch  beobachteten  BettnĂ€sser  ĂŒber 
die  poliklinischen  Patienten  hierdurch  nicht  restlos  geklÀrt. 
Es  mĂŒssen  auch  in  den  Anstalten  selbst  Fehler  begangen  wer- 
den, die  gĂŒnstigen  Boden  fĂŒr  das  Auftreten  des  BettnĂ€ssens 
vorbereiten.  ErwÀhnt  sei  hier  einerseits  die  leider  noch  unter 
Erzieherinnen  und  Pflegepersonal  weit  verbreitete  Anschau- 
ung, daß  es  sich  bei  dem  BettnĂ€ssen  um  ein  Übel  handelt,  das 
mit  der  PubertĂ€t  gewöhnlich  von  selbst  schwindet,  das  fĂŒr 
den  TrĂ€ger  weiter  keine  schlimmen  Folgen  hinterlĂ€ĂŸt  und  das, 
da  meistens  eine  Therapie  nutzlos  ist,  nicht  behandelt  zu  wer- 





472  Goldstein:  Enuresis  nocturna 


den  braucht.  Daß  ein  solches  Vorgehen  grundfalsch  ist,  be- 
darf fĂŒr  jeden,  der  sich,  wenn  auch  nur  oberflĂ€chlich,  mit  Kin- 
dererziehung befaßt  hat,  und  das  erstaunlich  schnelle  und 
leichte  Auffassungsvermögen  gerade  des  kindlichen  Alters 
kennt,  keiner  Erörterung.  Derartige  erzieherische  Indolenz 
und  UnfĂ€higkeit  kann,  wie  Hermann  sich  ausdrĂŒckt,  leicht 
dazu  fĂŒhren,  daß  die  tierische  Gewohnheit  beibehalten  wird. 
Andererseits  wird,  und  wohl  noch  hÀufiger,  der  Fehler  be- 
gangen, daß  das  Leiden  als  eine  schwere  Erkrankung  ange- 
sehen wird  und  die  Kinder  mit  allen  möglichen  Mitteln  be- 
handelt werden,  daß  man  es  aber  Ă€ngstlich  meidet,  ihnen,  da 
sie  krank  sind,  VorwĂŒrfe  zu  machen.  Es  ist  nicht  zu  verwun- 
dern, daß  auch  bei  dieser  Methode  die  Zahl  der  Mißerfolge 
eine  große  ist. 

Neben  diesen  auf  erzieherischem  Gebiete  liegenden 
Fehlern  der  Anstaltsbehandlung  sind  noch  einige  andere  zu 
nennen,  die  mehr  die  technische  Seite  des  Anstaltsbetriebes  be- 
treffen. ZunĂ€chst  sei  hier  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß 
das  Pflegepersonal  wÀhrend  der  Abend-  und  Nachtstunden  ge- 
wöhnlich an  Zahl  zu  knapp  bemessen  ist.  Eine  einzige  Nacht- 
wache kann,  wie  das  z.  B.  bei  uns  und  auch  wohl  in  anderen 
Anstalten  mit  chronisch  kranken  Kindern  der  Fall  ist,  un- 
möglich 50 — 100  Kinder,  die  sich  z.  T.  erst  wenige  Tage  oder 
Stunden  unter  ihrer  Aufsicht  befinden,  ordnungsgemĂ€ĂŸ  in  den 
Stunden  vor  Mitternacht,  in  denen  auch  nach  unseren  Erfah- 
rungen das  EinnÀssen  als  in  der  Zeit  des  tiefsten  Schlafes  am 
hÀufigsten  erfolgt,  versorgen.  Viele  neu  aufgenommene  Kin- 
der, die  gewohnt  sind,  sich  beim  Harndrange  zu  melden,  wer- 
den nicht  gehört  und  am  folgenden  Tage  als  BettnÀsser  be- 
zeichnet werden.  Und  nachdem  der  Versuch,  sie  abzuhalten, 
mehrmals  gescheitert  ist,  werden  sie  es  tatsÀchlich.  Ferner 
sei  erwĂ€hnt,  daß  der  Fehler  begangen  wird,  Kindern,  die 
schlecht  essen,  die  vom  Mittag  und  Nachmittag  ĂŒbrig  gebliebe- 
nen Suppen  und  die  Milch  abends  einzuflĂ¶ĂŸen.  Eine  solche 
Überlastung  der  Verdauungsorgane  und  der  Blase  ist  natur- 
gemĂ€ĂŸ ganz  unzweckmĂ€ĂŸig  und  wird  zum  nĂ€chtlichen  Ein- 
nĂ€ssen fĂŒhren.  Auch  ungewohnt  leichte  Kleidung,  vorzeiti- 
ges Barfußlaufen,  ungewohntes  Spielen  im  Freien  bei  naß- 
kalter Witterung,  sowie  WitterungseinflĂŒsse  ĂŒberhaupt,  zu 
große  Differenzen  der  Zimmertemperatur  bei  Tag  und  Nacht, 
sind  gelegentlich  als  Ursachen  fĂŒr  das  EinnĂ€ssen  verantwort- 
lich zu  machen.  Alle  diese  Nachteile  des  Anstaltslebens  kön- 
nen, besonders  im  großen  Betriebe,  nur  z.  T.  ausgeschaltet 
werden. 

Die  AnstaltseinflĂŒsse  sind  aber  naturgemĂ€ĂŸ  nicht  nur 
nachteilig,  sondern  bieten  auch  eine  Reihe  von  VorzĂŒgen.  So 
wirkt  der  Wechsel  der  Umgebung  an  sich  und  das  Zusammen- 
leben sowohl  mit  gleichaltrigen,  als  auch  mit  jĂŒngeren  und 
Ă€lteren  SpielgefĂ€hrten  auf  viele  Kinder  sehr  gĂŒnstig  und  ist 
als  Hilfsmittel  bei  der  pÀdagogischen  Behandlung  des  Bett- 
nÀssens mit  zu  verwerten. 

Sehen  wir  unser  in  den  letzten  Jahren  von  Oktober 
1920  bis  MĂ€rz  1922  behandeltes  Krankenmaterial  schul- 
pflichtiger Kinder  daraufhin  durch,  wie  zahlreich  die 
BettnÀsser  unter  ihnen  sind  und  aus  welchem  Milieu  sie  stam- 
men, ob  aus  dem  Elternhause  oder  aus  Anstalten,  so  ergibt 
sich  folgendes:  Unter  etwa  1000  neu  aufgenommenen  Kindern 
beiderlei  Geschlechts  vom  6.  bis  zum  14.  Lebensjahre  mit  ge- 
ringerer Mehrbeteiligung  der  Knaben,  konnte  bei  61  Kindern 
d,  h.  bei  6%  die  Diagnose  Enuresis  nocturna  gestellt  werden. 
Als  BettnÀsser  wurden  neben  den  Kindern,  die  in  der  ersten 
Zeit  regelmĂ€ĂŸig  einnĂ€ĂŸten,  auch  diejenigen  bezeichnet,  welche 
von  den  Eltern  mit  dem  Bemerken,  daß  ihr  Kind  an  Bett- 
nĂ€ssen leide,  eingeliefert  wurden,  ohne  daß  sie  bei  uns  Symp- 
tome ihrer  Erkrankung  zeigten.  Kinder,  die  gelegentlich  ein 
oder  das  andere  Mal  einnĂ€ĂŸten,  sind  nicht  berĂŒcksichtigt.  Nur 
in  einigen  FĂ€llen  war  das  BettnĂ€ssen  die  Ursache  fĂŒr  die  Über- 
weisung in  die  Anstalt.  Die  Mehrzahl  der  Kinder  litt  an  chro- 
nischen Erkrankungen,  namentlich  an  BronchialdrĂŒsentuber- 
kulose,  chronischen  nichttuberkulösen  Erkrankungen  der  At- 
mungsorgane usw.  Einige  wenige  zeigten  neuropathische 
oder  hysterische  Stigmata.  In  der  großen  Mehrzahl  waren 
sie  nicht  bettlÀgerig.    Von  den  61  Kindern  waren  39  mÀnn- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


lieh  und  21  weiblich,  d.  h.  fast  doppelt  soviel  Knaben  als 
MĂ€dchen,  eine  Tatsache,  die  von  den  meisten  Autoren  er- 
wĂ€hnt wird,  fĂŒr  die  es  jedoch  eine  ausreichende  ErklĂ€rung 
nicht  gibt.  Die  Mehrzahl  der  61  BettnÀsser,  nÀmlich  40, 
waren  Anstaltskinder,  die  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  aus  anderen  An- 
stalten eingewiesen  waren.  Wegen  Fehlens  ausreichender 
anamnestischer  Angaben  ist  es  leider  nicht  möglich,  festzu- 
stellen, wie  lange  diese  40  Kinder  sich  vorher  in  Anstalten  auf- 
gehalten und  somit  der  individuellen  hÀuslichen  Pflege  und 
Erziehung  entbehrt  haben.  Wie  stark  die  prozentuale 
Beteiligung  der  Anstaltskinder  unter  den  BettnÀssern  ist,  er- 
gibt sich  aus  Folgendem:  Die  Gesamtzahl  der  aus  Anstalten 
kommenden  Kinder  betrug  bei  uns  in  dem  obenerwÀhnten  I 
Zeitraum  rund  250,  ihnen  stehen  750  Kinder  mit  Elternhaus, 
resp.  Angehörigen-  oder  Familienpflege  gegenĂŒber.  Bett- 
nÀsser waren  unter  den  Anstaltskindern,  wie  erwÀhnt, 
40,  also  etwa  1  6%,  unter  den  aus  hÀuslichen  VerhÀlt- 
nissen kommenden  Kindern  21,  also  nur  2,8%.  Ein  Zweifel 
dĂŒrfte  daher  nicht  bestehen,  daß  die  in  Anstalten  groß  gewor- 
denen und  erzogenen  Kinder  hinsichtlich  ihrer  Sauberkeit  den 
glĂŒcklicheren  gegenĂŒber,  die  Eltern  oder  Pflegeeltern  besitzen, 
im  Nachteile  sind.  Was  das  Alter  der  einzelnen  Kinder  an- 
betrifft, so  sei  erwĂ€hnt,  daß  das  BettnĂ€ssen  keineswegs  mit  zu- 
nehmendem Alter  abnahm.  Unter  unseren  6 — 8jĂ€hrigen  Kin- 
dern befanden  sich  9,  unter  den  12 — 14jĂ€hrigen  7  BettnĂ€sser, 
trotzdem  wir  prozentual  bedeutend  mehr  jĂŒngere  als  Ă€ltere 
Kinder  zu  behandeln  hatten.  Der  Rest  von  45  Kindern  ver- 
teilt sich  ziemlich  gleichmĂ€ĂŸig  auf  die  9 — 11jĂ€hrigen. 

Da  es  sich  bei  der  ĂŒberwiegenden  Mehrzahl  unserer 
kindlichen  BettnÀsser  um  Individuen  ohne  nachweisbare  Or- 
ganerkrankung handelte,  da  ferner  die  Zahl  der  geistig  ab 
normen  oder  bildungsunfÀhigen  jugendlichen  Patienten,  wie  j 
die  der  Neuropathen  und  Hysteriker,  gering  war,  haben  wir 
nach  wenig  erfolgreichen  BemĂŒhungen  mit  den  gebrĂ€uchli-  ?J 
chen  Methoden  den  Hauptwert  auf  die  erzieherische  < 
Beeinflussung  der  Kinder  gelegt.    Dies  hat  den  besonderen 
Vorzug,  daß  der  Arzt  sich  der  verstĂ€ndnisvollen  Mitarbeit  der  j 
Schwestern  und  KindergÀrtnerinnen  erfreuen  kann. 

Wie  sollen  sich  nun  die  erzieherischen  Maßnahmen  in 
einer  Anstalt  gestalten?  Allgemeine  Angaben  ĂŒber  Erziehung  \ 
der  Kinder  zur  Sauberkeit  werden  hÀufig  gemacht,  es  fehlt  aber 
in  der  Literatur  eine  Schilderung  spezieller  Methoden.  Und 
doch  erscheinen  gerade  die  uns  wichtig,  da  im  allgemeinen 
weder  die  Schwester  noch  der  Arzt  genĂŒgend  pĂ€dagogisch 
geschult  sind,  um  mit  allgemeinen  Angaben  etwas  anzufangen. 

Von  ZĂŒchtigungen,  die  im  Elternhause  erlaubt  sein  * 
mögen  und  dort  auch  Gutes  leisten  können,  darf  in  Anstalten 
natĂŒrlich  kein  Gebrauch  gemacht  werden.  „Die  Rute  ist", 
wie  Thompson  sagt,  „eine  Pflanzengattung,  deren  Auf- 
nahme in  die  therapeutischen  Hilfsmittel  nicht  zu  empfehlen 
ist".  Eine  Reihe  anderer  erzieherischer  Methoden  hat  uns 
auch  bei  Kindern,  deren  Leiden  schon  tiefer  eingewurzelt  war, 
gute  Dienste  geleistet.  Von  ihnen  soll  im  folgenden  die  Rede 
sein.*) 

Die  Erziehung  der  bettnĂ€ssenden  Kinder  muß  mir*  der 
Aufnahme  in  die  Anstalt  beginnen.  Im  Anfang  erfolgt  eine 
eindringliche  Ermahnung  zur  Sauberkeit.  Bei  einer  Anzahl 
von  Kindern,  die  als  BettnÀsser  eingeliefert  waren,  blieb  das 
EinnĂ€ssen  aus.  Man  darf  wohl  annehmen,  daß  in  diesen 
FĂ€llen  der  Milieuwechsel  maßgebend  fĂŒr  den  Erfolg  war  und 
daß  die  eindringliche  Ermahnung  nur  unter  dem  Einfluß  der 
neuen  Umgebung  eine  besondere  Wirkung  entfaltete.  So 
hatten  wir  ein  neunjÀhriges  MÀdchen  zu  behandeln,  dessen 
Mutter  angab,  daß  eine  Beeinflussung  des  BettnĂ€ssens  uns 
wohl  nicht  gelingen  wĂŒrde,  denn  sie  und  ihre  zahlreichen 
Geschwister  —  sie  hatte  15  lebende  Schwestern  und  BrĂŒder 
—  hĂ€tten  bis  zum  14.  oder  15.  Lebensjahre  an  dieser  Krank- 
heit gelitten  und  ihr  Kind  sei  daher  erblich  schwer  belastet. 
Das  MÀdchen  hat  wÀhrend  ihres  zehn  wöchigen  Aufenthaltes 


*)  Die  Kenntnis  der  in  folgendem  zu  schildernden  erzieherischen 
Methoden  verdanken  wir  zum  groPen  Teil  unserer  Oberschwester 
Hella  H  a  f  e  m  e  i  s  t  e  r  ,  die  sie  schon  vor  Jahren  auf  der  Len- 
h  a  r  t  z  sehen  Abteilung  des  Eppendorfer  Krankenhauses  angewandt  hat. 


K),  Jahrg.     Nr.27/28.  MĂŒller- Waldeck:  Chronische  Schwerhörigkeil  478 


in  unserer  Anstalt  nicht  ein  einziges  Mal  ein«enĂ€ĂŸt.  Ähnlich 
verhielten  sich  sechs  bis  acht  andere  Kinder. 

Wo  nicht  sofort  ein  Erfolg  eintrat,  wurde  das"  Bestreben 
zunĂ€chst  darauf  gerichtet,  dem  Kind  zum  Bewußtsein  zu  brin- 
gen, daß  es  unschicklich  sei,  das  Bett  zu  beschmutzen.  Schon 
die  Tatsache  allein,  daß  jedes  Kind,  das  eingenĂ€ĂŸt  hat,  bei  der 
Visite  dem  Arzt  gemeldet  wird,  daß  es  auf  der  Fieberkurve 
durch  ein  Kreuz  gebrandmarkt  wird,  bewirkt  bei  einigen  Kin- 
dern, daß  sie  sich  zusammennehmen  und  einsehen,  daß  es 
eines  Schulkindes  unwĂŒrdig  ist,  einzunĂ€ssen.  Androhung  von 
geringen  Strafen  und  Aussetzen  von  Belohnungen  fĂŒr  Kinder, 
bei  denen  eine  Besserung  festzustellen  ist,  wirken  hier  unter- 
stĂŒtzend. So  hatten  wir  kĂŒrzlich  ein  Kind  in  Behandlung,  das 
in  den  ersten  zwei  Wochen  fast  tĂ€glich  einnĂ€ĂŸte.  Die  ver- 
sprochene Belohnung  mit  einem  Osterei,  das  ihm  drei  Wochen 
vor  Ostern  in  Aussicht  gestellt  wurde,  hatte  den  Erfolg,  daß 
das  Kind  bis  zu  dem  auf  der  Fieberkurve  gekennzeichneten 
Ostertermin  völlig  sauber  war,  um  allerdings  gleich  nach 
Ostern  mehrmals,  jedoch  nur  vorĂŒbergehend,  das  Bett  wie- 
der zu  beschmutzen.  Ein  anderes  Kind,  ein  kleines  MĂ€dchen, 
das  sehr  eitel  war,  wurde  dadurch  geheilt,  daß  man  ihm  an- 
drohte, ihm  die  Locken  abzuschneiden:  ein  Beispiel  fĂŒr  indi- 
viduelle pÀdagogische  Behandlung,  wie  sie  sich  aus  der  einge- 
henden Beobachtung  der  Wesensart  des  Kindes  ergeben  kann. 

In  den  meisten  FĂ€llen  genĂŒgen  diese  Maßnahmen  nicht. 
Hier  sind  soezielle  pÀdagogische  Methoden  erforderlich.  Die 
von  uns  angewandten  sind  im  wesentlichen  darauf  gerichtet, 
das  SchamgefĂŒhl  des  Kindes  anzuregen.  Das  geschah  z.  B. 
durch  Verlegen  von  Ă€lteren  Kindern  unter  jĂŒngere.  Als  Bei- 
spiel sei  folgendes  angefĂŒhrt:  Ein  fĂŒnfzehnjĂ€hriges,  sehr  in- 
telligentes MĂ€dchen  mit  hysterischen  Stigmata  wurde  aus 
einem  Berliner  Krankenhause  eingeliefert.  Der  Vater  gab  an, 
daß  das  MĂ€dchen  frĂŒher  sauber  gewesen  sei,  seit  einigen  Jah- 
ren aber  an  einem  Blasenleiden  erkrankt  sei  und  stÀndig  ein- 
nÀsse.  Zuletzt  sei  es  sechs  Wochen  im  Krankenhause  mit 
BlasenspĂŒlungen  ohne  Erfolg  behandelt  worden.  Wir  legten 
das  Kind  sofort  in  einen  Saal,  in  dem  es  sich  in  Gesellschaft 
von  nur  jĂŒngeren  sechs-  bis  achtjĂ€hrigen  bettreinen  Kindern 
befand.  EinnÀssen  erfolgte  wÀhrend  des  mehrwöchigen  Auf- 
enthaltes bei  uns  nur  einmal.  Nach  mehreren  Monaten  teilte 
mir  der  Vater  mit,  daß  sein  Kind  zu  Hause  nie  wieder,  wie  er 
befĂŒrchtet  hatte,  eingenĂ€ĂŸt  habe.  Der  Heilungserfolg  war  in 
diesem  Falle  wohl  darauf  zurĂŒckzufĂŒhren,  daß  das  natĂŒrliche 
SchamgefĂŒhl  des  Kindes  geweckt  wurde  und  es  ihm  zum  Be- 
wußtsein kam,  daß  es  das,  was  kleineren  Kindern  mĂŒhelos  ge- 
lingt, auch  können  mĂŒsse.  Noch  drei  andere  Kinder  haben 
wir  mit  dieser  Methode  von  dem  BettnÀssen  befreit. 

Des  weiteren  bedienten  wir  uns  derVerlegungvon 
jĂŒngeren  Knaben  auf  ein  MĂ€dchenhaus.  Die 
Wirkung  war  in  den  meisten  FĂ€llen  erstaunlich.  Knaben,  die 
zwei  bis  drei  Wochen  lang  tĂ€glich  einnĂ€ĂŸ^en,  waren  wie  umge- 
wandelt. Sie  wurden  von  den  MÀdchen  gehÀnselt,  durften  an 
deren  Spielen  nicht  teilnehmen,  und  man  rrerkte  ihnen  deutlich 
an,  daß  ihnen  ihre  Situation  höchst  unangenehm  war.  Ihr 
SchamgefĂŒhl  wurde  in  stĂ€rkstem  Maße  angeregt,  und  sie  be- 
mĂŒhten sich  in  auffallend  kurzer  Zeit,  ihre  Blasenfunktion  zu 
beherrschen.  NatĂŒrlich  birgt  diese  Art  der  Behandlung  in 
sexueller  Hinsicht  eine  gewisse  Gefahr,  und  man  wird  sie  bei 
frĂŒhreifen  Kindern  nur  mit  Vorsicht  anwenden  dĂŒrfen. 

Eine  dritte  Methode,  die  uns  gute  Dienste  leistete,  war 
folgende:  Wir  steckten  die  Knaben  in  MĂ€d: 
chenkleider.  Auch  hierbei  sahen  wir  in  den  meisten  FĂ€l- 
len eine  rasche  Heilung.  Die  Wirkung  ist  Àhnlich  wie  bei  der 
vorgeschilderten  Methode,  vielleicht  noch  etwas  stÀrker.  Etwa 
15  Kinder  sind  in  den  letzten  1— l1/»  Jahren  von  uns  hierdurch 
geheilt  worden. 

Schließlich  blieben  uns  noch  einige  FĂ€lle,  namentlich  bei 
6 — 10jĂ€hrigen  MĂ€dchen  ĂŒbrig,  bei  denen  iede  angewandte 
Therapie  erfolglos  zu  sein  schien.  Aber  auch  hier  wußte  die 
Oberschwester  Rat  und  erreichte  ihr  Ziel  durch  Herstel- 
lung des  Milieus  der  SĂ€uglingstu  b.e.  In  meh- 
reren FÀllen  wurde  hartnÀckigen  BettnÀssern  des  Abends  die 
Milch  aus  der  Flasche  verabfolgt.  Einigen  wurden  vor  dem 
Schlafengehen  Windeln  angelegt,  um  ihnen  klar  zu  machen, 


daß  sie  eigentlich  in  ihrer  geistigen  Entwicklung  noch  auf  der 
Stufe  eines  SĂ€uglings  stĂŒnden.  Anderen  wurde  gesagt,  daß 
sie  nicht  das  Recht  hĂ€tten,  in  einem  großen  Bett  zu  schlafen 
und  eine  Wiege  bekommen  mĂŒĂŸten.  Die  Herrichtung  eines 
Waschkorbes  als  Wiege  und  Aufstellung  neben  dem  Bette  be- 
wirkte in  vier  FĂ€llen  eine  schnelle  Heilung.  Als  Parallele  zu 
dieser  letztgenannten  Behandlung  der  Enuresis  sei  erwÀhnt, 
daß  es  meinem  Chef  auch  in  der  Privatpraxis  gelang,  zwei 
Daumenlutscher  durch  diese  Behandlungsn  ethode,  d.  h.  die 
Verwendung  von  Requisiten  aus  der  SĂ€uglingszeit,  von  ihrer 
Angewohnheit  zu  befreien. 

Als  G  e  s  a  m  t  resultat  der  bei  uns  angewandten  pÀdagogi- 
schen Behandlungsmethoden  des  BettnÀssens  können  wir  fest- 
stellen, daß  wir  in  den  meisten  FĂ€llen  unser  Ziel  erreichten: 
Von  den  61  Kindern  blieb  nur  bei  vieren  das  Leiden  unbeein- 
flußt. Das  Prinzip  der  Methode  ist  Anregung  des  Schamge- 
fĂŒhles durch  Mittel,  die  dem  Ideenkreis  des  Kindes  entspre- 
chen. Durch  die  Erweckung  des  SchamgefĂŒhles  wird  offenbar 
die  Willenskraft  des  Kindes  so  gesteigert,  daß  es  ihm  auch  im 
Schlafe  gelingt,  die  Blasenfunktion  zu  beherrschen. 

Wir  sind  uns  klar  darĂŒber,  daß  die  geschilderten  Metho- 
den kein  Allheilmittel  sind  und  auch,  nur  da  durchfĂŒhrbar,  wo 
das  Pflegepersonal  auf  sie  eingestellt  ist.  Ihre  erfolgreiche  An- 
wendung ist  abhÀngig  von  dem  Milieu,  von  dem  Kind 
selbst  und  von  dem  Erzieher.  Ein  großer  Kreis  schul- 
pflichtiger Kinder,  wie  er  bei  uns  vorhanden  war,  dĂŒrfte  das 
wirkungsvollste  Milieu  darstellen,  in  dem  die  Abgewöh- 
aĂŒrig  auch  von  sonstigen  Untugenden  bekanntlich  oft  verblĂŒf- 
fend schnell  erfolgt.  Was  das  bettnÀssende  Kind  selbst  anbe- 
trifft, so  könnte  man  annehmen,  daß  weder  die  indolenten  noch 
die  besonders  empfindlichen  Kinder  geeignete  Objekte  fĂŒr  die 
genannten  Behandlungsmethoden  sind.  Das  ist  nicht  der  Fall. 
Beide  Kategorien  waren  unter  unseren  geheilten  BettnÀssern 
vertreten.  Nur  ein  gewisses  Maß  von  Intelligenz  erscheint  er- 
forderlich. Was  endlich  die  E  r  z  i  e  h  e  r  anbetrifft,  so  mĂŒssen 
sie  ĂŒber  die  notwendige  AutoritĂ€t  verfĂŒgen  und  bei  der  An- 
wendung der  geschilderten  Methoden  stets  den  Ernst  der  Si- 
tuation wahren. 

Bei  den  Mißerfolgen,  die  wir  hatten,  handelte  es  sich  um 
4  sehr  indolente,  schwer  lernende  und  begriffsstutzige  Kinder. 
Mit  Geduld  kann  man  auch  hier  anscheinend  noch  etwas  er- 
reichen. 

Psychische  Endemien  von  Enuresis,  die  hÀufig  beschrie- 
ben sind,  sahen  wir  nicht.  Gelegentlich  kam  es  vor,  daß  ein 
oder  das  andere  Kind  aus  Gesellschaft  ebenfalls  das  Bett  ein- 
nĂ€ĂŸte. Durchschnittlich  hatten  wir  auf  unserer  Station  mit 
etwa  100  Kindern  gleichzeitig  nur  1  bis  2  BettnÀsser  zu  be- 
handeln. Wir  können  wohl  annehmen,  daß  dies  gĂŒnstige  Re- 
sultat nur  dadurch  erreicht  wurde,  daß  wir  uns  zum  Ziel  setz- 
ten, die  Kinder  von  Anfang  an  nicht  nur  wegen  ihrer  Krank- 
heit zu  behandeln,  sondern  auch  pÀdagogisch  auf  sie  einzu- 
wirken, Literatur. 

Zappert,  Enuresis  nocturna  in  Ergebnissen  der  inneren  Medizin  und 
Kinderheilkunde,  Springer  1920.  Dort  ausfĂŒhrliches  Literatur- 
verzeichnis.) 

Bei  Zanpert  nicht  erwÀhnt  resp.  spÀter  erschienen. 

Göppert-Langstein,  „Prophylaxe  und  Therapie  der  Kinder- 
krankheiten", Springer  1920. 

Karger,  Fortschritte  der  Medizin  1922.  Nr.  12. 

Karger,  Jahrbuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Bd.  98,  Heft  1  und  2. 

Moll,  „Der  Hypnotismus".    Berlin  1905. 

Pese,  Jahrbuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Bd.  91,  H.  5. 

O.  P  f  i^s  t  e^r,  Lehrbuch  der  Psychoanalytischen  Methoden,  PĂ€dagogium 

Plato,  MĂŒnchn.  med.  Wochenschr.  1922.  Nr.  12. 

P  o  t  o  t  z  k  y,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1922.  Nr.  22.    Zeitschr.  fĂŒr 

Kinderheilkunde.  1919,  Nr.  21. 
Zappert,  Klin.  Wochenschr.  1922,  Nr.  1. 


Beitrag  zut  Behandlung  der  chronischen, 
fortschreitenden  Schwerhörigkeit. 

Von  Dr.  MĂŒller -  Waldeck,  Facharzt  fĂŒr  Hals,  Nase,  Ohr 
in  Pyrmont  und  Berlin. 

Eine  der  schwierigsten  aber  auch  dankbarsten  Aufgaben 
fĂŒr  den  Arzt  ist  die  Behandlung,  Besserung  und  Heilung  der 


4?4 


MĂŒller-Waldeck:  Chronische  Schwerhörigkeit 


40.  Jahrg.  — Nr.  27  28. 


chronischen,  fortschreitenden  Schwerhörigkeit.  Schwerer  als 
mit  anderen  Leiden  Behaftete  haben  die  Schwerhörigen  an 
ihrem  Übel  zu  tragen.  Es  sind  nicht  nur  körperliche  und  ge- 
schÀftliche Nachteile,  die  besonders  ins  Gewicht  fallen,  son- 
dern auch  die  niederdrĂŒckende  Einwirkung  auf  das  Seelen- 
leben des  Patienten.  Er  wird  oft  dadurch  sich  selbst  und 
seiner  Umgebung  zur  Last.  Gerade  bei  Schwerhörigen  stellt 
sich  unendliches  Mißtrauen  ein,  sodaß  die  ihnen  schon  karg 
bemessenen  Freuden  immer  mehr  verbittert  werden.  Es  ist 
unzweifelhaft,  daß  eine  Zunahme  der  Schwerhörigkeit  in  den 
letzten  Jahren  durch  die  EinflĂŒsse  des  Krieges  im  Felde  und 
in  der  Heimat  zu  verzeichnen  ist  (Mikroskopische  BlutergĂŒsse 
in  die  Nervenscheide  durch  ErschĂŒtterungen  usw.). 

Die  Entstehung  der  Schwerhörigkeit,  speziell  der  Otoskle- 
rose,  wird  von  verschiedenen  Forschern  verschieden  gedeutet. 
Jedenfalls  sind  sich  alle  darĂŒber  einig,  daß  zuerst  eine  Stö- 
rung der  Blutversorgung  der  Knochenhaut,  des  Knochens  und 
der  Schleimhaut  eintritt,  d.  h.  also,  daß  die  Blutzirkulation 
in  den  feinsten  GefĂ€ĂŸen  verlangsamt  ist.  Es  machen  sich  z. 
B.  die  ersten  Anzeichen  der  Aderverkalkung  (Arteriosklerose) 
am  Ohr  bemerkbar.  Deshalb  ist  jeder  Schwerhörige,  bei  dem 
andere  Ursachen  nicht  zweifellos  festgestellt  werden  können, 
der  Arteriosklerose  verdÀchtig.  Zusammenfassend  stellen  wir 
also  fest,  daß  die  chronische  progressive  Schwerhörigkeit, 
unter  welchem  Namen  wir  am  besten  den  ganzen  Komplex 
nach  dem  Beispiel  unseres  Altmeisters  L  u  c  a  e  zusammen- 
fassen, in  ihren  AnfÀngen  auf  Stagnationen  im  Blutlauf  der 
feinsten  HaargefĂ€ĂŸe  beruht.  Ich  erinnere  dementsprechend 
nur  daran,  daß  fast  alle  OhrenĂ€rzte,  die  Schwerhörige  be- 
handeln, ihre  Patienten  vor  kalten  FĂŒĂŸen  und  vor  AbkĂŒhlung 
des  Kopfes  warnen. 

An  Behandlungsmethoden  der  Schwerhörigkeit,  angefan- 
gen von  der  brĂŒsken  Lufteintreibung  bis  zur  Diathermie,  Hoch- 
frequenz, Kataphorese  usw.,  leiden  wir  keinen  Mangel;  ein 
Zeichen  dafĂŒr,  daß  keine  bisher  befriedigt.  Seit  vielen  Jahren 
bringe  ich  den  Schwerhörigen,  die  in  ihrer  Hilflosigkeit  von 
einem  Arzt  zum  andern  laufen  und  alle  Behandlungsmethoden 
erprobt  haben,  ein  weitgehendes  Interesse  entgegen  und  bin 
nun  zu  einem  Verfahren  gelangt,  das  sich  mir  seit  4  Jahren 
trotz  strenger  Kritik  in  vielen  FÀllen  als  befriedigend  bewÀhrt 
hat.  Leider  handelt  es  sich  ja  meistens,  wie  es  in  der  Natur 
der  Sache  liegt,  um  Kranke,  die  seit  vielen  Jahren  leidend  sind 
und  schon  die  verschiedensten  Behandlungsarten  durchge- 
macht haben.  Meine  Methode  geht  der  Entstehungsursache 
des  Leidens  (Störung  im  Blutumlauf  und  in  der  ErnÀhrung 
des  inneren  Ohres)  nach  und  beruht  in  erster  Linie  auf  der 
sinngemĂ€ĂŸen  Anwendung  der  Lehren  Biers,  die  er  -  in 
seinen  Arbeiten  „HyperĂ€mie  als  Fleilmittel",  „Über  Regene^ 
ration  beim  Menschen"  niedergelegt  hat. 

Ich  erziele  durch  den  jetzt  von  der  Inhabad-Gesellschaft 
m.  b.  H.,  Berlin,  hergestellten  A  u  d  i  a  t  o  r  einen  Zustand 
von  HyperÀmie  und  Anregung  des  Blutumlaufs  durch  einen 
stÀndigen,  zirkulierenden,  unter  negativem  Druck  stehenden 
Luftstrom.  Durch  die  Einrichtung,  daß  bei  gleichzeitigem 
normalem  AtmosphĂ€rendruck  auf  den  ĂŒbrigen  Körper  nur  das 
Ohr  dem  UnterdrĂŒck  ausgesetzt  ist,  sich  also  in  einer  pneu- 
matischen Partialkamnier  befindet,  erziele  ich  eine  verstÀrkte 
Wirkung.  Sie  ist  gleichlaufend  der  durch  Aufenthalt  im  Ge- 
birge, wo  bekanntlich  der  Luftdruck  vermindert  ist,  erzielten 
Besserung  der  Schwerhörigkeit.  Wir  können  also  von  einer 
Behandlung  mit  kĂŒnstlicher  Höhenluft  sprechen.  Durch  die 
HyperÀmie  entsteht  eine  Durchblutung  der  SchleimhÀute,  der 
Gelenkverbindungen  zwischen  den  einzelnen  Gehörknöchel- 
chen mit  dem  inneren  Ohr  (ovales  Fenster)  und  der  nach  den 
neuesten  Untersuchungen  (Dahns)  so  wichtigen  Binnen- 
muskeln des  Ohres.  Infolgedessen  werden  die  Gelenkverbin- 
dungen zwischen  den  Gehörknöchelchen  und  die  Trommel- 
fell-SteigbĂŒgel-Muskulatur beweglicher,  Ă€hnlich  wie  man  ver- 
steifte Glieder  in  warmem  Wasser  ausgiebiger  massiert.  Da- 
durch, daß  man  das  Ă€ußere  Ohr  unter  Minusdruck  setzt, 
findet  infolge  der  Verbindung,  die  zwischen  den  BlutgefĂ€ĂŸen 
des  inneren  Ohres  und  des  Ă€ußeren  Gehörganges  durch  Ver- 
mittlung der  TrommelfellgefĂ€ĂŸe  besteht,  auch  eine  BlutĂŒber- 


fĂŒllung und  Anregung  der  Zirkulation  in  den  GefĂ€ĂŸen  des 
inneren  Ohres  statt.  Auch  die  Endolymphe  wird  in  leicht 
strömende  Bewegung  gesetzt,  sodaß  eine  direkte  Beeinflussung 
des  Cortischen  Organs  durch  molekulare  Massage  erreicht 
wird.  Gleichzeitig  lassen  sich  in  meinem  Apparat  flĂŒchtige, 
die  HyperÀmie  steigernde  Arzneistoffe  durch  den  Minusdruck 
lebhafter  verdampfen,  die  eine  Reizwirkung  auf  die  luftleer 
gesaugten  Gewebe  und  durch  Vermittelung  der  sensitiven  Tri- 
geminus-Äste  auf  das  zentrale  Gehörnervengebiet  ausĂŒben. 
Um  eine  Wiederbelebung  des  durch  Nichtgebrauch  erlahmten 
Hörnerven  und  gleichzeitig  eine  Mikromassage  des  Trommel- 
fells und  damit  der  Gehörknöchelchen  zu  erzielen,  lasse  ich 
gleichzeitig  durch  Einschalten  einer  entsprechenden  Stimm- 
pfeife abgestimmte  Schwingungen  auf  Trommelfell  und  Nerven 
wirken.  Da  bekanntlich  bei  verschiedenen  Arten  von  Schwer- 
hörigkeiten entweder  hohe  oder  tiefe  Töne  der  Tonskala  aus- 
fallen, setze  ich  nach  stattgefundener  funktioneller  PrĂŒfung  des 
Gehörs  eine  dem  ausgefalleneu  Ton  entsprechende  Stimm- 
pfeife in  die  Apparatur  ein  und  erzeuge  dadurch  isovalente 
Wellen.  Ich  will  hierdurch  eine  Wiedererziehung  des  er- 
krankten Nerven  erreichen.  (Übungs-Therapie).  Den  Wechsel 
zwischen  Schonungs-  und  Übungs-Therapie,  ebenso  wie  den 
Grad  des  Unterdruckes  muß  der  geschulte  Arzt  bestimmen, 
damit  die  physiologische  Reizschwelle  nicht  ĂŒberschritten 
wird. 

Als  ein  weiteres  UnterstĂŒtzungsmittel  in  der  Behandlung 
der  Schwerhörigkeit  hat  sich  mir  seit  Jahren  folgendes  Ver- 
fahren bewĂ€hrt.  Zur  Anregung  des  Gehörnerven  ĂŒbe  ich 
eine  ganz  feinschlÀgige  Vibrationsmassage  gewisser  peri- 
pherer Nervenpunkte  aus;  es  erfolgt  durch  sensitive  Trige- 
minus-Äste  (Urbantschitsch)  eine  Weiterleitung  auf  das 
akustische  Zentralgebiet,  es  wird  also  gewissermaßen  die 
Hauptstelle  von  einer  Nebenstelle  aus  angerufen.  Wenn  die 
richtigen  Nervenpunkte  getroffen  sind,  geben  die  Patienten  die 
Empfindung  eines  leichten  Kitzels  an,  den  sie  in  die  Gegend 
hinter  dem  Trommelfell  verlegen.  Es  ist  zur  theoretischen 
BegrĂŒndung  meines  praktisch  erprobten  Verfahrens  inter- 
essant, daß  Dr.  Grießmann  (NĂŒrnberg)  infolge  einfacher, 
durch  KĂ€lte-  oder  WĂ€rmeeinwirkung  erzielter  Erregung  be- 
stimmter Punkte,  ebenfalls  der  Ă€ußeren  Haut,  dieselben  Reak- 
tionen des  Ohrlabyrinthes  erzielt  hat  wie  durch  direkte  Rei- 
zung der  BogengÀnge. 

Die  Methode  kann  natĂŒrlich  kein  Allheilmittel  sein,  hat 
sich  aber  in  vielen  FĂ€llen  als  befriedigend  erwiesen  und  wird 
auch  in  der  Hand  des  praktischen  Arztes  Ersprießliches  leisten. 
FĂŒr  meine  seit  4  Jahren  praktisch  erprobte  Behandlung  bringt 
Schwerdtfeger  (Archiv  fĂŒr  O.  N.  K.  Bd.  109  Heft  4) 
sehr  wichtige  theoretische  BelÀge.  Er  betont  die  AbhÀngig- 
keit der  Funktionen  des  Ohres  von  der  Zirkulation  und  den  Ka- 
pillaren. Die  von  mir  durch  den  Audiator  schon  erreichte 
„Steigerung  des  Kapjllarkreislaufes  im  Ohrgebiet  erscheint  als 
neues  therapeutisches  Ziel". 


Aus  der  Abel  sehen  Frauenklinik,  Berlin. 

Die  Verwendung  eines  organischen 
NÀhrprÀparates. 

Dr.  W.  Nußbaum,  Assistent. 

Sowohl  die  pflanzliche  wie  die  tierische  und  menschliche 
Zelle  bedarf  zur  Erhaltung  ihrer  Lebensfunktion  notwendig 
bestimmter  Mineralbestandteile.  In  erster  Linie  wird  heute 
Eisen,  Arsen  und  Phosphor  verwendet.  Dient  das  Eisen  mehr 
zur  Steigerung  des  HĂ€moglobingehalts,  das  Arsen  mehr  als 
Stoffansatz  vermittelndes  Tonikum,  so  kommt  dem  Phosphor 
eine  mannigfaltigere  Bedeutung  zu. 

In  den  letzten  grĂ¶ĂŸeren  Arbeiten  der  OrthopĂ€die 
(Simon)  wird  auf  die  Bedeutung  des  Phosphors  hingewie- 
sen als  knochenaufbauendes  Element  nicht  nur  bei  den  ein- 
fachen Formen  der  Rachitis,  Osteomalazie,  sondern  auch  bei 
den  gerade  wĂ€hrend  des  Krieges  in  besonders  großer  Zahl 
auftretenden  Krankheitserscheinungen  der  Osteopathie. 


10.  Jahrg. -Nr.  27/28. 


Nußbaum!  NĂ€hrprĂ€parat 


47  6 


Neuerdings  berichtet  ausfĂŒhrlich  Embden  ĂŒber  sein 
PrÀparat  Rekresal,  ebenfalls  ein  PhosphorprÀparat  unter  be- 
sonderem Hinweis  darauf,  daß  die  tĂ€tige  Muskelzelle  phos- 
phorhaltige  Stoffe  abspaltet  und  mit  ihrem  Verlust  die  Leis- 
tungsfĂ€higkeit nachlĂ€ĂŸt.  Ich  konnte  mich  selbst  bei  der  Beauf- 
sichtigung der  Versuche  ĂŒberzeugen,  daß  tatsĂ€chlich  eine  Zu- 
nahme der  Muskelleistung  am  Ergostaten  bei  Verabreichung 
eines  PhosphorprÀparates  stattfand.  Beim  Abbau  der  Kohle- 
hydrate im  Muskel  geht  eine  Anlagerung  von  PO>  an  diese 
oder  eine  dem  Traubenzucker  nahe  verwandte  Verbindung 
voraus.  Die  Spaltung  des  sogenannten  Laktazidogens  in 
MilchsÀure  und  PO«  soll  die  Muskelkontraktion  verursachen 
oder  einleiten  (Embden). 

Diese  beiden  Beispiele  mögen  genĂŒgen,  um  darauf  hinzu- 
weisen, daß  der  Organismus  dieses  anorganischen  Stoffes  be- 
darf. Aber  die  Meinungsverschiedenheiten  entstehen  weniger 
dadurch,  daß  ĂŒberhaupt  P  nötig  ist,  sondern  dadurch,  daß  P, 
organisch  in  der  Nahrung  gebunden,  ĂŒberflĂŒssig  sei. 

P.  findet  sich  gebunden  in  den  Phosphatiden  als  Bestand- 
teile des  MolekĂŒles.  Er  kommt  in  den  NukleinsĂ€uren  vor.  Er 
ist  z.  B.  an  die  Phytin-  u.  P.  proteide  (z.  B.  Kaseinogen)  ge- 
bunden. Jedoch  ist  die  Zusammensetzung  der  Proteide  noch 
wenig  erforscht,  uns  fehlt  bei  den  NukleinsÀuren  der  Einblick 
in  die  Bindungsart  der  Pyrimidinbasen;  ferner  wissen  wir 
nicht,  in  welcher  Art  und  Weise  in  den  Nukleoproteiden  die 
einzelnen  Komponenten  miteinander  verknĂŒpft  sind. 

Einfache  Versuche  lehrten  nun,  daß  P  in  organischer  Bin- 
dung abgebaut  wird.  Die  Phosphornotwendigkeit  war  durch 
Forsters  Versuchsanordnung  eindeutig.  Seine  Tiere  gin- 
gen bei  Verabreichung  von  möglichst  aschefreier  Nahrung 
schneller  zugrunde  als  bei  völligem  Nahrungsmangel. 

Hunde  nehmen  an  Gewicht  stark  zu,  wenn  ihnen  in  der 
Nahrung  nur  die  Bausteine  der  Fette,  Kohlehydrate,  Eiweiß- 
stoffe verabreicht  werden.  Es  wÀre  gesucht,  sagt  Abder- 
halden, wenn  man  annehmen  wollte,  daß  in  diesen  FĂ€llen 
neben  den  ĂŒbrigen  Stoffen  auch  die  Phosphatide  nicht  ver- 
mehrt seien.  Der  tierische  Organismus  kann  Phosphatide 
synthetisch  bereiten.  Er  kann  die  einzelnen  organischen  Bau- 
steine bilden  und  dann  aus  diesen  Phosphatide  bilden.  Es 
unterliegt  wohl  kaum  einem  Zweifel,  daß  jeder  tierische  Orga- 
nismus sich  die  verschiedenartigen  Phosphatide  nach  erfolg- 
tem Abbau  der  in  der  Nahrung  zugefĂŒhrten  Stoffe  bereiten 
kann.  Aber  auch  Abderhalden  gibt  nur  einer  Wahr- 
scheinlichkeit Ausdruck,  daß  die  bei  der  Verdauung  im  Darm- 
kanal entstandenen  Bausteine  nicht  mehr  alle  zusammengefĂŒgt 
und  den  Zellen  vielmehr  (z.  B.  Glyzerylphosph.,  Fett,  Cholin) 
zur  VerfĂŒgung  gestellt  werden.  Abderhalden  konnte 
noch  1915  sagen,  daß  wir  noch  nicht  genau  die  einzelnen  Ver- 
treter der  Phosphatide  kennen  und  es  unmöglich  sei,  vor  allem 
die  Art  ihres  Eingreifens,  die  Beteiligung  an  bestimmten  Zell- 
prozessen in  dem  Zellstoffwechsel  durch  Experimente  aufzu- 
klÀren. 

Was  die  aus  den  Phosphatiden  hervorgehenden  Abbau- 
produkte anbetrifft,  so  wissen  wir,  daß  sie  zunĂ€chst  von  Zell- 
fermenten in  ihre  Bausteine  zerlegt  werden.  Hierbei  dĂŒrfte 
es,  wie  erwÀhnt,  zur  Bildung  von  GlyzerylphosphorsÀure,  von 
FettsÀure  und  Cholin  kommen.  Die  erste  Verbindung  wird 
dann  weiter  in  Glyzerin  und  PhosphorsÀure  gespalten.  Das 
Vorkommen  der  stickstoffhaltigen  Base  Cholin  dĂŒrfte  wohl  in 
mehr  oder  wenig  direktem  Zusammenhang  mit  dem  Phos- 
phatidstoffwechsel  stehen.  Es  ist  beim  Auf-  und  Abbau  von 
Phosphatiden  als  Zwischenstation  zu  erwarten.  Dabei  ist 
selbstverstĂ€ndlich  gut  möglich,  daß  dem  freien  Cholin  im 
Zellstoffwechsel  noch  eine  besondere  Bedeutung  zukommt. 
(Bei  intravenöser  Zufuhr  bewirkt  es  vorĂŒbergehende  Blut- 
drucksenkung.) Die  Bausteine  Glyzerin  und  FettsÀure  der 
Phosphatide  werden  in  der  gleichen  Weise  weiter  verarbeitet 
wie  die  entsprechenden  Bausteine  der  Fette.  Die  Phosphor- 
sÀure kann  weiter  Verwendung  finden  oder  sie  kommt  im  Harn 
zur  Ausscheidung.  ' 

Proteide 

Nukleoproteide  Farbstoffeiweißverbindungen 
NukleinsĂ€ure  Eiweiß 


Auch  zur  Synthese  der  NukleinsÀure  liefert  die  tierische 
Zelle  zwei  bausteine:  PhosphorsÀure  und  Kohlehydrat 
Die  erstere  nimmt  er  mit  der  Naiirung  in  Form  von  Phospha- 
tiden auf;  sie  kann  aucii  aus  Phosphatiden  und  den  phosphor- 
haltigen  Proteinen  geoĂŒdet  weiden. 

Am  Scniusse  dieser  btottwechselerörterungen  dĂŒrfen  wir 
z.  Zt.  nur  sagen,  dais  K>  in  a  n  o  r  g.  f  orm  genĂŒgt,  ja  sogar  in 
dieser  Lorm  zur  VerfĂŒgung  sein  muri,  damit  die  Zeile  der  Ge- 
webe die  verschiedenen  BedĂŒrfnisse  befriedigen  kann.  Bei  der 
Verdauung  von  Nahrungsmitteln  mit  Pankreassait  kann  man 
den  grĂ¶ĂŸten  Teil  der  in  organiscner  Bindung  befindlichen 
Phospnorsaure  in  freiem  Zustand  nachweisen.  Ferner  findet 
man  im  Darminhalt  freie  Phospnorsaure  resp.  anorg.  Phos- 
pnate,  wenn  man  Phosphate  und  Nukleoproteide  resp.  Nu- 
kleinsĂ€uren verfĂŒttert.  Es  spricht  somit  vieles  dafĂŒr,  daß  der 
tierische  Organismus  anorganische  Phosphate  verwerten  kann. 

Aber  selbst  Abderhalden  hebt  hervor,  daß  es  ganz 
gut  möglich  sei,  uab  auch  organische  Phosphor- 
sÀureverbindungen- zur-  Resorption  gelangen 
und  erst  in  den  Geweben  die  vollstÀndige  Spaltung  der  zusam- 
mengesetzten Verbindung  sich  vollzieht.  Ferner  sei  es  denk- 
bar, daß  zu  bestimmten  Funktionen  P  Verbin- 
dungen eigener  Art  notwendig  sind. 

v.  Noorden  bezweifelt,  ob  Phosphatide,  als  deren 
wichtigsten  Vertreter  er  das  Lecithin  hĂ€lt,  ĂŒberhaupt  unzerlegt 
resorbiert  werden. 

„Die  fĂŒr  das  Leben  und  fĂŒr  die  TĂ€tigkeit  jeder  einzelnen 
Zelle  und  fĂŒr  den  Eintritt  der  NĂ€hrstoffe  und  den  Austritt  der 
Stoffwechselprodukte  durch  die  Zellwand  Ă€ußerst  wichtigen 
phosphorhaitigen  Lipoide  baut  sich  der  Körper  selbst  auf." 
Wahrscheinlich  werden  alle  Phosphatide  im  Darm  zertrĂŒm- 
mert und  ihre  PhosphorsÀure  wird  als  freies  Jon  oder  in  ein- 
fachster Bindung  resorbiert.  Sowohl  Abderhalden  als 
auch  v.  Noorden  lassen  die  Möglichkeit  offen,  daß  organ. 
Phosphorverbindungen  resorbiert  werden  können. 

Ziehe  ich  nun  noch  obendrein  die  Versuche  H.  W  i  n  - 
t  e  r  s  t  e  i  n  s  in  ErwĂ€gung,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  daß 
tatsÀchlich  organische  Verbindungen  durch  den  Darm  hin- 
durch resorbiert  werden.  Ebenfalls  lĂ€ĂŸt  meine  klinische  Be- 
obachtung, die  ich  mit  Hilfe  eines  organischen  PhosphorprÀ- 
parats anstellte,  darauf  hinweisen. 

W  i  n  t  e  r  s  t  e  i  n  untersuchte  am  Froschnerven  mikro- 
respiratorisch den  Gaswechsel  und  mikrochemisch  den  Um- 
satz an  Kohlehydrat  und  Stickstoff  (an  ausgeschnittenen  Ner- 
vengebilden). Er  stellte  fest,  daß  der  Stoffumsatz  des  RĂŒcken- 
marks edenfalls  das  Mehrfache  von  demjenigen  gleicher  Ge- 
wichtsmengen peripherer  Nervensubstanz  betrĂ€gt,  und  daß 
neben  den  Oxydationsprozessen  auch  Stickstoffumsatz  bei  der 
NerventÀtigkeit  stattfindet.  Durch  Zusatz  von  geeigneten 
Zuckerarten  zur  NĂ€hrflĂŒssigkeit  ließ  sich  eine  Herabsetzung 
des  Verbrauches  an  Stickstoff  und  Kohlehydrat  im  periphe- 
ren Nerven,  beim  FroschrĂŒckenmark  durch  Bestimmung  des 
Ätherextrakts  sogar  eine  Ersparnis  im  Verbrauch  fettartiger 
Substanz  nachweisen.  Und  andererseits  gelang  es,  durch  Zu- 
satz von  Lecithin,  Protagon  und  Zerebrin  in  Emulsion  zu  der 
NĂ€hrflĂŒssigkeit,  in  der  sich  der  elektrisch  gereizte  Nerv  be- 
fand, den  Mehrverbrauch  an  Stickstoff  bei  der  Erregung  ge- 
genĂŒber der  Ruhe  sehr  bedeutend  herabzudrĂŒcken.  Ich  stimme 
B  o  r  u  1 1  a  u  auf  Grund  klinischer  Beobachtungen  bei,  der 
mit  Recht  sagt,  daß  die  Lipoide  bezw.  Phosphatide  der  Ner- 
vensubstanz in  deren  funktionellem  Stoffwechsel  eine  wichtige 
Rolle  spielen  und  der  Ersatz  durch  Zufuhr  in  der  Nahrung  fĂŒr 
die  Erhaltung  normaler  Funktion  des  gesunden  Nervensystems 
und  ihre  Wiederherstellung  bei  ZustÀnden  möglich  ist,  die 
man  seit  E  d  i  n  g  e  r  als  Aufbrauchkrankheiten  bezeichnet. 

Zeigte  doch  schon  Salkowski,  1913,  daß  durch  ge- 
eignete Darreichung  von  Gehirnphosphatiden  in  unverÀnder- 
tem Zustand  sich  der  Gehalt  des  Zentralnervensystems  der 
Versuchstiere  an  solchen  merklich  steigern  lĂ€ĂŸt. 

Die  Versuche  werden  neuerdings  durch  Versuche  B  o  - 
r  u  1 1  a  u  s  an  Kaninchen  bestÀtigt.  Der  absolute  und  rela- 
tive Gehalt  an  Àtherlöslichen  Substanzen  wie  auch  an  Lipoid- 
phosphor  stieg  bei  Tieren,  bei  denen  ein  organisches  NĂ€hr- 


47b 


prĂ€parat  Promonta  verwendet  wurde,  gegenĂŒber  Kontroll- 
tieren sowohl  im  Gehirn  als  auch  im  RĂŒckenmark.  F  e  i  g  1 
gab  die  Verwertung  des  Gehirnes  der  Schlachttiere  an.  Auf 
Grund  chemisch-fabrikatoricher  Prinzipien,  ein  haltbares 
TrockenprĂ€parat  des  Gehirns  zu  erzielen  (kĂŒchenmĂ€ĂŸige  Ver- 
arbeitung verĂ€ndert  naturgemĂ€ĂŸ  das  Gehirn).  Protagon, 
Cerebrin,  iipoidische  P  ist  darin  nachzuweisen,  daneben  ent- 
hÀlt das  PrÀparat  (polyvalente)  Vitamine  animalischen  und 
vegetabilischen  Ursprungs,  nÀmlich  solche  des  Eigelbs,  der 
Milch  und  frischer  Getreidekeime.  Außerdem  Calz.  glyzerin. 
phosphorik.,  Eisenalbuminat,  HĂ€moglobin,  lösl.  Eiweiß- 
Stoffe,  Kohlehydrate.  So  hat  nicht  nur  das  PrÀparat  einen  qua- 
litativen NĂ€hrwert,  sondern  ruft  durch  den  Zusatz  der  Vita- 
mine (ErgÀnzungsstoffe  Abderhaldens)  eine  katalytische 
Wirkung  hervor,  d.  h.,  sie  lösen  einen  allgemeinen  chemischen 
Vorgang  aus,  ohne  selbst  mit  ihrer  Substanz  im  Organismus 
aufzugehen.  KĂŒlz  stellt  folgenden  Versuch  an:  wenn  man 
ein  StĂŒck  Zucker  in  die  Flamme  des  Spiritusbrenners  hĂ€lt,  ver- 
brennt es  nicht,  sondern  schmilzt  und  tropft  in  die  Flamme 
hinein.  Nimmt  man  aber  den  WĂŒrfel  und  bringt  zuvor  eine 
Ecke  mit  einem  Teilchen  des  zu  prĂŒfenden  Stoffes  in  Kontakt, 
so  brennt  er,  falls  es  sich  um  einen  Katalysator  handelt,  stĂŒr- 
misch ab.  Viele  Heilmittel  geben  diese  Erscheinung  ab;  Pro- 
monta gehört  auch  zu  ihnen.  Ist  es  nicht  zu  vermuten,  daß 
im  chemischen  Haushalt  des  menschlichen  Organismus  eine 
Ă€hnliche  Wirkung  auftritt?  Ich  erinnere  nur  an  die  Heilung 
der  Beri-Beri-,  Skorbut-Krankheit  in  Indien  durch  eine  kleine 
aus  Indien  stammende  Bohne  Kadjan-idjoe,  die  Buddha  in  sei- 
nem Religionskodex  als  Zusatz  der  Nahrung  vorschrieb 
(D  i  a  s). 

Die  letzten  Tierversuche  Weygandts  mit  Promonta 
bestÀtigten  wiederum  die  S  a  1  k  o  w  s  k  i  sehen  Versuche. 

Iu  kurzer  Zeit  wurde  es  als  Nerven-  und  Allgemeinnah- 
rungsmittel bekannt. 

SÀmtliche  Autoren  heben  die  AllgemeinkrÀftigung,  insbe- 
sondere die  psychische  KrÀftigung  hervor. 

Nonne,  Deneke,  RĂŒmpel  beobachteten  gĂŒnstige 
Erfolge  bei  nervösen  ZustÀnden,  W  e  y  g  a  n  d  t  sieht  das 
NĂ€hrmittel  als  unentbehrlich  bei  Nervenleiden  und  psychisch- 
nervösen Störungen  an.  Neuberger  und  Zimmer  he- 
ben das  gebesserte  Allgemeinbefinden  hervor;  Kauf- 
mann teilt  nach  einer  großen  Versuchsanordnung  mit,  daß 
seine  Patienten  nach  3  Wochen  2,5  kg,  nach  6  Wochen  4,3  kg 
an  Gewicht  zunahmen. 

Ich  selbst  hatte  Gelegenheit,  das  Mittel  an  der  Abel- 
sehen  Fraeuenklinik  in  seiner  Wirksamkeit  zu  beobachten. 

Das  Mittel  hielt  ich  indiziert 

1 .  nach  Operationen  (insbesondere  in  cen  ersten  8  Tagen 
danach),  da  durch  Unmöglichkeit  der  Nahrungsauf- 
nahme Ersatzstoffe  dem  Körper  fehlen; 

2.  bei  jeder  fieberhaften  Erkrankung,  die  den  Stoff- 
wechsel steigert,  zur  weitmöglichsten,  vorĂŒbergehen- 
den Regulierung  des  Stoffwechsels; 

3.  in  der  Rekonvaleszenz,  um  den  KrÀftezustand  mög 
liehst  schnell  zu  heben; 

4.  bei  durch  Blutungen  (protahierter  Abort,  Myomblu- 
tungen) geschwÀchte  Operationen. 

Es  zeigte  sich,  daß  sich  bei  sĂ€mtlichen  Patienten  der  All- 
gemeinzustand hob,  die  Gewichtszunahme  trat  auffallend 
schnell  auf,  sodaß  der  suggestive  Wert,  wie  es  einem  jeden 
Heilmittel  zu  eigen  ist,  nur  noch  erhöht  wurde.  Eine  Patientin 
schreibt  mir:  „Das  verordnete  NĂ€hrmittel  ist  mir  sehr  gut 
bekommen;  schon  nach  8tĂ€gigem  Gebrauch  fĂŒhle  ich  mich 
bedeutend  gekrÀftigt.  Ich  habe  bereits  3  Pfund  zugenommen." 

Eine  andere  Patientin  (Myom,  Myotomie)  nahm  unter 
gleichzeitiger  Verordnung  von  Brom  an  Gewicht  zu  und  litt 
kaum  unter  den  Folgen  der  Uterusexstirpation.  Neurasthe- 
nische  Erscheinungen  verschwanden  fast  gĂ€nzlich,  sodaß 
Pat.  vollkommen  arbeitsfÀhig  ist. 

Eine  dritte  Patientin  (Appendizitis)  bekam  ein  heftiges 
Rezidiv.  Hohes  Fieber.  Rapide  Gewichtsabnahme.  Schon 
im  Fieber  Promeinta-Darreichung.  Auffallende  AllgemeinkrÀf- 


tigung schon  nach  achttĂ€gigem  Gebrauch.  AbgekĂŒrzte  Re- 
konvaleszenz. 

Aus  diesen  drei  typischen  FĂ€llen,  untei  vielen,  entnehme 
ich  folgendes:  möglichste  Darreichung  des  PrÀparates  in  der' 
GynÀkologie  bei  allgexi: einen  schwÀchenden  Krankheiten  mit 
Begleitung  nervös-psychischer  ZustÀnde. 

Gerade  den  Patienten  der  Kasse  wĂ€re  es  erwĂŒnscht,' 
wenn  die  Kassen  es  zur  Verordnung  zuließen. 

Literatur. 

Abderhalden:  1.  Lehrbuch. 

2.  Studien  ĂŒber  den  Einfluri  der  Art  der  Nalnung  auf  das  Wohl- 
befinden des  Individuums.    PfiĂŒgers  Archiv,  iyĂŒ9,  Bd.  175. 

3.  PflĂŒgers  Archiv,  Bd.  172. 

Boruttau:    Zeitschr.  f.  physik.  u.  diÀt.   Iherapie,  1921,  B.  XXV  ] 

Feigl:   I  herap.  Hmh.,  I9z0,  ri.  22. 

Kaufmann:  AUg.  n.ediz.  Zentralztg.,  öd.  51,  Ii.  5. 

KĂŒlz:  BlĂ€tter  f.  biolog.  Medizin,  1921,  H.  8. 

i  I  i  r  s  c  h  b  e  r  g  u.  W  i  n.t  e  r  s  t  e  i  n  :  Zeitschr.  i.  physioiog.  Chemie, 

i919,  Bd.  108,  S.  777,  Bd.  105,  S.  77. 
v.  Noorden-balomon:  Allg.  DiÀt.  W.,  Berlin,  1920,  S.  187. 
Kieber:  1  herap.  Hmh.,  i920,  Ii.  21. 
Salkowski:  1913,  Biochem.  Zeitschr.,  Bd.  51,  H.  5. 


Aus  de  in  Kurparksanatorium,  Bad  Homburg 

v.  d.  H. 

Ueber  die  wirksame  Verbindung  von 
mineralischen  und  pflanzlichen  AbfĂŒhrstoffen. 

Von  Dr.  B.  L  a  t  z  (Bad  Homburg  v.  d.  H.). 

Die  Behandlung  der  chronischen  StuhltrÀgheit  ist  eine 
diÀtetische 

Dieser  Leitsatz  kann  fĂŒr  die  große  Mehrzahl  aller  f  Ă€lle 
geilen.  Wir  liaben  in  der  Belastung skost  (Grobkost)  nach" 
von  Ncorden  eine  so  wirksame  Methode  in  HĂ€nden,  dali 
wir  Dauererfolge  nur  mit  dieser  mindestens  in  neunzig  Pro- 
zent der  hĂ€lle  erzielen,  vorausgesetzt,  daß  die  erforderliche 
Kcstwanl  vom  Arzte  richtig  angegeben  und  vom  Patienten 
richtig  durchgefĂŒhrt  wird.  Der  GeĂŒbte  wird  senr  bald  die 
hÀlle  abschÀtzend  erkennen,  wo  besonders  bei  spastischen 
Einschlag  der  Ubergang  zur  Schcnungszeit  wĂŒnschenswert 
erscheint.  Die  sinngemaue  Anpassung  an  die  Krankheitssymp- 
tome ermöglicht  es  fast  stets  mit  rein  diÀtetischen  Vorschriften 
auf  die  Dauer  auszukommen. 

Bei  klinisch  behandelten  FĂ€lien  fĂŒgen  wir  gern  fĂŒr  die 
grundlegende  Kur  (jÀhrliche  Wiederholungen  sind  hÀufig 
empfehlenswert)  Homburger  oder  Kissinger  brunnen,  Milch- 
zucker, Vibrationsniassage  oder  manuelle  Massage,  hyorothe- 
rapie,  Gymnastik,  in  strenger  Anpassung  an  den  hinzelfall  zu 
den  DiÀtvorschriften  zu. 

Von  medikamentöser  Behandlung  sind  wir  immer  mehr 
abgekommen,  und  wir  betrachten  es  als  unsere  Hauptaufgabe 
gerade  bei  habituell  Verstopften,  die  Patienten  nach  und  nach 
von  dem  medikamentösen  Mißbrauch  zu  entwöhnen.  Es  ist 
klar,  daß  bei  akuter  Verstopfung,  auch  bei  Intoxikationen  jeder 
Art,  das  AbfĂŒhrmittel  zur  schnellen  Entleerung  eine  entschei- 
dende Rolle  fĂŒhrt.  FĂŒr  diese  Zwecke  wird  jeder  Arzt  seine  be- 
sonderen Lieblingsmittel  besitzen  und  empfehlen. 

Von  Wichtigkeit  schien  es,  ein  Mittel  an  der  Hand  zu 
haben,  das  bei  Einleitung  und  DurchfĂŒhrung  einer  diĂ€tetischen 
Antiobstipationskur  die  Entwöhnung  erleichterte  und  bereits 
nach  wenigen  Tagen  zu  regelmĂ€ĂŸigen  Stuhientleerungen  fĂŒhrt, 
dabei  gleichzeitig  die  atonische  und  die  spastische  Form  der 
Verstopfung  berĂŒcksichtigte  und  die  Stuhlmassen  ohne  Gewalt 
möglichst  schonungsvoll  aus  dem  Darm  herausbefördert.  Die- 
ses Endziel  wurde  verfolgt,  als  auf  der  Basis  der  Homburger 
Salze  unter  Zusatz  von  kalmierenden  und  desinfizierenden 
Substanzen  ein  Pflanzengemisch  zusammengestellt  wurde,  das 
jeden  gröberen  Reiz  ausschloß  und  leicht  bei  Eintritt  natĂŒr- 
licher DefÀkation  beseitigt  werden  konnte,  um  nur  gelegentlich 
als  ausnahmsweise  Nachhilfe  benutzt  zu  werden. 

Die  Bad  Homburger-AbfĂŒhrtabletten  (auch  Abtabtablet- 
ten  oder  Andantoltabletten  benannt)  sind  wie  folgt  zusammen- 
gesetzt: 


K).  Jahrg.  —  Nr.  27/28, 


Dreuw:  SpĂŒldesinfektion 


477 


i  io.i  burger  Sal/.  —  leicht  anregende  Kraft  (Sekretionser- 
reger), Aloe  unter  Ausschaltung  der  Ballaststoffe  =  Dickdarni- 
i&rreger  (bihiebeinittel),  Pfefferminzöl  =  örtlich  schmerzstil- 
lend und  antiseptisch  (Galle),  I  enchel,  Kamille,  Baldrian 
antispastisch,  Beruhigung  der  Darmnerven  (Meteorrismus). 

Die  ĂŒrundsubstanz  ist  den  Mineralquellen  Bad  Hom- 
burgs entnommen,  und  diese  Salze  bilden  den  Hauptbestand- 
teil der  Homburger  AbfĂŒhrtabletten.  Die  vorzĂŒgliche  tiinwir- 
kung  dieser  Stoffe  auf  die  SchleimhÀute  des  Magens  und  des 
Darmes  ist  bekannt.  Die  DrĂŒsenarbeit  und  die  MuskeltĂ€tig- 
keit des  Magendarmkanals  werden  in  mildester  Weise  ange- 
regt, besonders  in  Verbindung  mit  gleichzeitiger  Darreichung 
von  Elisabethen-Quelle  morgens  nĂŒchtern.  Mit  diesen  mine- 
ralischen Bestandteilen  sind  pflanzliche  Stoffe  verbunden,  die 
vereint  eine  langsam  aber  sicher  wirkende,  schmerzlose  Ent- 
leerung des  Darmes  hervorrufen.  Die  wirksamen  Bestandteile 
der  Aloe  wurden  auf  eine  neue  besondere  Art  zur  Anwendung 
gebracht,  die  diesem  Mittel  in  kleinsten  Dosen  zugesetzt,  unter 
Ausschaltung  der  drastischen  Wirkung  und  unter  gleichzeiti- 
ger Verwendung  einer  beruhigenden  Substanz,  wie  gesagt, 
eine  etwas  verzögerte  aber  sichere  und  schmerzlose  Wirkung 
hervorzubringen  imstande  sind.  Fenchel.  Kamille  (in  der 
neuen  Form  des  Kamillosan-Extraktes)  und  Baldrian  beruhi- 
gen die  Darmnerven  und  verhindern  gleichzeitig  nach  Besei- 
tigung vorhandener  Gasreste  die  Bildung  von  BlÀhungen. 
Der  Zusatz  von  Pfefferminz  gibt  den  Tabletten  nicht  nur  einen 
angenehmen  Geschmack,  sondern  regt  erfrischend  Magen-  und 
DarmdrĂŒsen  an,  besonders  die  TĂ€tigkeit  der  Gallenblase,  so- 
daß  wir  die  Tabletten  auch  bei  den  zahlreichen  FĂ€llen  von  Ver- 
stopfung mit  gleichzeitiger  Gallenblasenreizung  verwenden 
konnten. 

Innerhalb  des  letzten  Jahres  haben  wir  in  za.  200  FĂ€llen 
das  Mittel  in  Anwendung  gebracht,  niemals  eine  schÀdigende 
Wirkung  beobachtet  und  mit  Ausnahme  von  einigen  ganz 
schweren  FÀllen  von  Verstopfung,  bei  denen  eine  Gewöhnung 
an  drastische  Mittel  vorlag,  keinen  Versager  gesehen.  Es  han- 
delte sich  zumeist  um  FĂ€lle  von  akuter  und  chronischer  Ver- 
stopfung jeder  Art  teilweise  mit  gleichzeitigen  ReizzustÀnden 
in  der  Gallenblasengegend  und  in  der  Appendixgegend.  Als 
Zusatz  bei  Brunnenkuren  haben  sich  die  Tabletten  besonders 
bewÀhrt. 

Die  Tabletten  werden  am  besten  morgens  nĂŒchtern  mit 
Wasser  genommen.  Die  Dosis  schwankt  zwischen  2 — 4  Ta- 
bletten, bei  einfachen  FĂ€llen  genĂŒgen  oft  auch  zur  leichten  An- 
regung 1 — 2  StĂŒck.  Der  Stuhlgang  erfolgt  za.  10—12  Stun- 
den spÀter,  völlig  schmerzfrei,  massig,  in  ein  bis  zwei  Por- 
tionen. Oft  ist  auch  eine  Fernwirkung  am  zweiten  und  dritten 
Tage  festzustellen.    Eine  Gewöhnung  tritt  nicht  ein. 

Die  Bad  Homburger  AbfĂŒhrtabletten  sind  daher  nach  der 
chemischen  Zusammensetzung  und  auf  Grund  der  klinischen 
Erfolge  ein  harmloses,  gutwirkendes  AbfĂŒhrmittel,  hergestellt 
im  bewußten  Gegensatze  zu  den  drastischen  Mitteln  und  zur 
UnterstĂŒtzung  diĂ€tetischer  Kuren  aller  Art,  besonders  geeig- 
net, gut  verwendbar  auch  fĂŒr  dauernden  Gebrauch,  aber  nur 
in  den  FĂ€llen,  wo  diĂ€tetische  Maßnahmen  allein  nicht  genĂŒgen. 


Ueber  ein  neues  System  der  kontinuierlichen 
SpĂŒldesinfektion. 

(Mil  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Gonorrhoe-Behandlung  in 
sozial-hygienischer  Beziehung.) 

Von  Dr.  Dreuw-  Berlin. 

Eine  Verbesserung  der  therapeutischen  T  e  c  h  n  i  k 
bedeutet  einen  Fortschritt  auf  dem  Gebiete  der  Sozial- 
hygiene, die  letzten  Endes  mit  der  Therapie  steht  und 
fÀllt. 

Ne isser  bat  einmal  betont,  daß  eine  Metbode,  die 
ieine  nicht  in  die  Blase  dringende,  desinfizierend  wirkende 
Dauerberieselung  der  weiblichen  Harnröhre  garan- 
tiere, der  Behandlung  der  sozial-hygienisch  (Prostitution)  so 


wichtigen  Erkrankungen  des  weiblichen  SexuallrakUis  einen 

großen   Dienst  erweisen  wĂŒrde. 

Das  folgende  System  eröffnet  fĂŒr  die  Therapie  des  mĂ€nn- 
lichen Trippers  und  namentlich  fĂŒr  die  der  weiblichen  Ure- 
thral-Gonorrhoe  und  fĂŒr  (Iii-  desinfektorische  SpĂŒltechnik 

ĂŒberhaupt  neue  Perspektiven. 

Die  in  Fig.  3,  I,  5  u.  6  abgebildeten  von  mir  angegebenen 
Instrumente  gewĂ€hrleisten  SpĂŒlung,  D e  s  i n  l  ekt  i  o  n  , 
\\  a  r  m  b  e  b  a  n d  1  u n g  u  n  d  Massag  e  d  er  II  a  r  n  - 
röhren  wand.  Nicht  jedoch  war  es  möglich,  alle  diese 
Faktoren  mit  einer  Dauerberieselung  der  Harnröhre 
von  X>  bis  1  Stunde  und  noch  lÀnger  bei  automatisch 
regulierbarem  K  o  n  z  e  n  t  r  a  t  i  o  n  s  g  r  a  d  ,  D  r  u  c  k 
u  n  Temperatur  zu  kombinieren.  Die  im  folgenden  be- 
schriebene neue  therapeutische  Methodik  wird  inbezug  auf 
die  Gonorrhoetherapie  der  mÀnnlichen  und  weiblichen  Harn- 
röhre auch  diesen  Indikationen  und  damit  all  den  Forderun- 
gen gerecht,  die  Neisser  theoretisch  fĂŒr  wĂŒnschenswert 
hielt. 

Die  Entdeckung  des  Gonokokkus  hat  fĂŒr  die  Behandlung 
der  Geschlechtskrankheiten  —  und  zwar  mit  Recht  —  die 
bakterientötende  Methodik  in  den  Vordergrund  geschoben. 
Aber  eine  große  Propaganda,  die  die  Grenzen  des  Erreich- 
baren bedeutend  ĂŒbersehritt,  hat  seit  Anfang  dieses  Jahr- 
hunderts eine  Menge  von  neuen  gonokokkentötenden  Mitteln 
auf  den  Markt  geworfen  und  vielfach  die  Biolo- 
gie z  u  Gunsten  der  Bakteriologie  v  e  r  d  r  À  n  g  t. 

Die  Harnröhre  betrachtete  man  damals  als  ein  Gono- 
kokken beherbergendes  Reagenzglas,  in  dem  man,  unbe- 
kĂŒmmert darum,  daß  man  doch  mit  den  verzweigten  Littre'- 
schen  und  anderen  DrĂŒsen  rechnen  mußte,  lediglich  die  im 
Rohre  anzutreffenden  Gonokokken  protargolisierte.  Als  dies 
jedoch  allein  nicht  zum  Ziel  fĂŒhrte,  stellte  man,  um  die  in 
der  Tiefe  lagernden  Gonokokken  als  durch  das  Protargol, 
Argentamin  usw.  abtötbar  darzustellen,  die  Behauptung  von 
einer  Tiefen-Therapie  auf,  wenn  man  nÀmlich  mit 
der  Tripperspritze  oder  dem  Guyonkatheter  das  angeblich 
eine  Tiefenwirkung  erzielende  Protargol  hineinbrÀchte,  ob- 
schon  es  doch  nur  dort  die  Gonokokken  angreifen  kann,  wo 
es  direkt  mit  ihnen  in  BerĂŒhrung  kommt.  Wie  man  bei  der 
„inneren  Desinfektion"  auf  anderem  Gebiete  das  P  r  i  m  u  m 
ne  noceas"  vielfach  ĂŒbersah,  so  auch  bei  der  (mit  den 
Gonokokken)  die  Harnröhrenepithelien  schÀdigenden  allzu- 
scharfen „endo-iurethralen  Desinfektion",  die  ich  als 
S  c  h  1  e  i  m  h  a  u  t  -  D  e  s  i  n  f  e  k  t  i  o  n  im  Gegensatz  zu  der 
Ă€ußeren  (H  a  u  t  d  e  s  i  n  f  e  k  t  i  o  n)  und  der  sogenannten 
inneren  (K  ö  r  p  e  r  d  e  s  i  n  f  e  k  t  i  o  n)  bezeichnen  möchte. 

Angesichts  der  einseitigen  Förderung,  die  die  Bakte- 
riologie erfuhr,  kam  das  biologische  „n  a  tura  s  a  n  a.t , 
medicus  et  me d i c a m en t a  c u r a  n  t"  zu  wenig  zur 
Geltung.  So  geschah  es,  daß  sich  einflußreiche  Gruppen 
bildeten,  die  in  den  entgegengesetzten  Fehler  verfielen  und 
dem  „natura  sanat"  die  alleinige  Herrschaft  ĂŒberlassen 
wollten,  wĂ€hrend  sie  das  „medicamenta  eurant"  aus  ihrem 
therapeutischen  Handeln  völlig  verbannten. 

Die  Wahrheit  liegt,  wie  so  hÀufig,  in  der 
Mitte.  SelbstverstÀndlich  ist  es  bei  der  Gonorrhoe  nur  mög  - 
lich, ganz  im  Anfangsstadium,  wenn  die  Gonokokken  nur  in 
der  fossa  navicularis  oder  der  vorderen  Harnröhre  sich  be- 
finderi,  und  noch  nicht  weiter,  der  Tiefe  und  der  LĂ€nge  nach, 
gedrungen  sind,  rein  bakterizid,  meist  auf  Kosten  einer  lokalen 
EntzĂŒndung  des  Gewebes,  eine  abortive  Wirkung  zu  erzielen. 
Die  EntzĂŒndung  ist  aber  deswegen  in  diesem  Fall  von  geringer 
Bedeutung,  weil  das  stark-prozentige  Desinfizienz,  wenn  es 
die  Gonokokken  abtötet,  zwar  eine  leichte  oberflÀchliche  Ver  - 
Àtzung der  Schleimbaut  der  vorderen  Harnröhre  macht,  die 
aber  bei  dem  robusteren  Epithel  dieses  Teiles  schnell  wieder 
ausheilt,  von  einigen  wenigen  Ausnahmen  abgesehen. 

Ist  dagegen  der  Erreger  bis  in  die  Mitte  der  Harnröhre 
oder  sogar  bis  zum  Schließmuskel  und  darĂŒber  hinaus  und 
in  das  Gewebe  selbst  vorgedrungen,  so  versagt  die  rein  gono- 
kokkentötende  „abortive"  Therapie.  Dann  tritt  die 
Biologie  in  ihre  Rechte. 


478 


Üreuw:  SpĂŒldesinfektioii 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


Ebenso,  wie  es  unmöglich  ist,  einen  SerumnÀhrboden 


durch  Erhitzen  auf  100  Grad  (wie  es  z.  B.  beim  Agar-NĂ€hr- 
boden  möglich  ist)  zu  sterilisieren,  da  das  Serum  gerinnt 
und  unbrauchbar  wird,  ebenso  wie  man  hier  zur  fraktio- 
nierten, schließlich  auch  zum  Ziele  fĂŒhrenden  Sterilisation 
greifen  muß,  indem  man  alle  Tage  den  NĂ€hrboden  auf  eine 
bestimmte  niedrige  Temperatur  bringt,  die  eben  an  die  Grenze 
der  GerinnungsfÀhigkeit  heranreicht,  und  so  allmÀhlich  die 
Bakterien  und  deren  Sporen  abtötet,  (bezĂŒglich  nicht  zum 
Auskeimen  kommen  lĂ€ĂŸt)  ebenso  muß  man  den  Tripper,  da 
man  nicht  die  Gonokokken  auf  einmal  abtöten  kann,  und  da 
sie  in  der  Tiefe  der  Littre'schen  DrĂŒsen  und  der  Infiltrate 
sitzen  (hÀufig  sogar  als  Mischinfektion  mit  Strepto-  und 
Staphylokokken),  einer  fraktionierten  Sterilisation,  soweit  die 
oberflĂ€chlich  liegenden  Gonokokken  den  Medikamenten  ĂŒber- 
haupt zugÀnglich  und  angreifbar  sind,  unterwerfen.  So  wird 
man  dem  „natura  sanat"  gerecht,  in  dem  Sinne,  daß  man 
physikalisch  die  KrĂ€fte  der  Natur  unterstĂŒtzt.  Hierbei  darf 
auch  die  innerliche,  in  diesem  Sinne  wirkende,  namentlich 
Leukozytose  hervorrufende  Behandlung  nicht  vernachlÀssigt 
werden.  ;, 
^ie  Tripperspritze  ist  sehr  hÀufig  allein  nicht  in  der 
Lage,  allen  therapeutischen  physikalischen  und  chemischen 
Indikationen  zu  genĂŒgen.  Sie  setzt  das  entzĂŒndete  Gewebe 
unter  einen  konstanten  Druck,  was  schon  an  und  fĂŒr  sich 
den  sonstigen  GrundsĂ€tzen  einer  Heilung  von  EntzĂŒndung 
nicht  entspricht,  und  sie  gestattet  es  nicht,  eine  be- 
stimmte regulierbare  Temperatur  (höher  als 
Körpertemperatur,  die  die  Gonokokken  s  c  h  À  - 
d  i  g  t  oder  abtötet,  einen  regulierbaren  Druck 
und  eine  Dauereinwirkung  mit  physikalisch 
und  chemisch  wirksamen  Heilfaktoren  zu 
erzielen. 

Noch  schlimmer  liegen  die  VerhÀltnisse  bei  der  Gonorrhoe 
der  weiblichen  Harnröhre.  Hier  lÀuft  das  mit  einer 
Sprit-ze  injizierte  Medikament  bei  starkem  Druck  entweder  in 
die  Blase  oder  bei  zu  geringem  Druck  vorne  aus  der  Ă€ußeren 
Harnröhrenöffnung  heraus,  d.  h.  das  Medikament  kann  nicht 
so  lange  einwirken  als  nötig  ist,  um  eine  fraktionierte  Steri- 
lisation einerseits  und  eine  physikalisch-chemische  Beein- 


Nachdem  die  beiden  SchlÀuche  Wi  u.  W2  (Fig.  la)  an  die 
Warm-  und  Kaltwasserleitung  angeschlossen  sind  und  in  die 
Trichter  Ai  und  A2  das  konzentrierte  Desinficiens  eingeschĂŒttet 
worden  ist,  stelle  man  sich  bei  D  den  bei  Th  ablesbaren  Tem- 
peraturgrad, bei  R  den  bei  F  ablesbaren  Wasserdruck,  bei  Bj 
u.  B2  den  Konzentrationsgrad  der  gewĂŒnschten  Desinfektions- 
lösung  ein.  Dann  kann  man  durch  Oeffnen  des  Hahnes  C  aus 
dem  Schlauch  E  die  Desinfektionslösung  mit  dem  gewĂŒnschten 
Druck,  Konzentrationsgrad  und  Temperatur  ent- 
nehmen und  in  bestimmte  Zellen  (Fig.  2)  leiten. 

In  Fig.  1  und  la  ist  rechts  an  dem  Abflußschlauche  der 
ÂŁ  n  d  o  mia  s  Sia  g  e  k  a  t  h  e  t  e r  (Fig.  3  u.  4)  angeschlossen.  Vor 
den  beiden  Figuren  1  und  la  liegt  der  VaginalspĂŒler  (Fig.  6 
u.  6a).  Wichtig  fĂŒr  die  Therapie  ist,  daß  man  durch  den  Re- 
gulator B  und  B2  wÀhrend  der  Behandlung  die  Kon- 
zentration erhöhen  oder  erniedrigen  kann. 


Fig.  1  a. 

A)  Technik. 

Die  in  Fig.  1,  1  a  u.  2  abgebildete  Apparatur  ist  eine  Uni- 
versaleinrichtung fĂŒr  alle  desinfektorischen  DauerspĂŒlungen 
mit  automatischer,  ablesbarer  Druck-  und  Temperatur- 
regulierung zur  fortlaufenden  Herstellung  von  Desinfektions- 
inischungen  direkt  aus  der  Wasserleitung.  Man  kann,  wie 
flĂŒssung,  eine  Umstimmung  des" NĂ€hrbodens  andererseits  zu     die  Zeichnung  ergibt,  beliebig  konzentrierte  Lösungen  z.  B. 


erzielen.  Will  man  mit  Hitze  (physikalisch)  auf  die  Gono- 
kokken abtötend  oder  fraktioniert  sterilisierend  wirken,  dann 
bedarf  es  einer  Einwirkung  unter  konstanter  Temperatur  von 
ĂŒber  40 0  auf  lĂ€ngere  Zeit.  Denn  schon  bei  39  0  stirbt 
der  Gonokokkus  innerhalb  von  12  Stunden,  bei  40°  in 
6  Stunden  außerhalb  des  Körpers  ab. 


im  H 


Fig.  1  zeigt  einen  Apparat,  der  fĂŒr  Gasbeheizung  eingerichtet 
ist.  Im  ĂŒbrigen  werden  die  Apparate  auf  Wunsch  fĂŒr  jede  Warm- 


wasserbeheizungsart  hergestellt  wie  ElektrizitÀt,  Spiritus,  Benzol 
usw.  Wenn  Zenlinhvarmwasserbereitung  vorhanden  ist,  kommt 
Modell  la  in  Frage,  das  ĂŒbrigens  auch  an  jede  Gas-  oder  elek- 
trische  Beheizungsquelle  angeschlossen  werden  kann. 

Bei  dem  Apparat  Fig.  La  isl  die  Handhabung  die  gleiche  wie 
bei  Fig.  1,  nur  daß  die  Temperatur  anstatt  am  Handgriff  g  an 
dem  Temperaturregeier  b  eingestellt  wird. 


von  ĂŒbermangansaurem  Kali  aus  der  Wasserleitung  und  auch 
mehrere  desinfizierende  Mischungen  gleichzeitig  entnehmen. 

Nachdem  der  tragbare  Desinfektionsapparat  (Fig.  1) 
durch  einen  fĂŒr  jeden  Hahnquerschnitt  und  fĂŒr  jede  Hahn- 
form passenden  Anschluß  mit  der  Wasserleitung  verbunden 
und  an  die  Gasleitung  angeschlossen  ist,  gieße  man  in  den 
Trichter  a  die  konzentrierte  Desinfektionslösung,  stelle  an 
der  Reguliervorrichtung  b  den  gewĂŒnschten  Konzentrations - 
grad  ein,  öffne  den  Absperrhahn  c,  woraufhin  die  gewĂŒnschte 
fertige  Desinfektionsmischung  aus  dem  Rohr  e  oder  dem  mit 
diesem  verbundenen  Druckschlauch  f  dauernd  herausfließt. 
Die  Temperatur  wird  durch  einen  einfachen  Handgriff  g 
geregelt  und  am  Thermometer  h  abgelesen. 

Der  Apparat  hat  folgende  VorzĂŒge: 

1.  Mit  dem  Apparat  kann  sofort  eine  beliebig  konzentrierte 
Lösung  in  jeder  gewĂŒnschten  Temperatur  hergestellt  und  ver- 
wandt werden,  sowohl  zur  Desinfektion  von  Instrumenten  als  zur 
Desinfektion  der  SehleimhÀute,  der  Haut  und  zur  Wund- 
desinfektion. 

2.  Die  Lösung  kann  unter  beliebig  starkem  Druck  zur  Aus- 
spĂŒlung innerer  Organe,  z.  B.  der  Mundhöhle,  des  Ohres,  der  Na9C, 
der  Harnröhre,  der  Scheide,  des  Rektums  usw.  benutzt  werden. 

3.  Die  AusspĂŒlungen  insbesondere  können  beliebig  lange  fort- 
gesetzt und  wÀhrend  der  Behandlung  abgeschwÀcht  oder  ver- 
stÀrkt werden. 

4.  Der  Apparat  ist  transportabel.  Die  DesinfektionsflĂŒssigkeit 
laßt  sich  zu  Massenbehandlungen  in  Polikliniken,  Kliniken,  fĂŒr 
die  Prostituiertenbehandlung  usw.  in  verschiedene  Zellen  leiten, 
so  daß  gleichzeitig  zahlreiche  Personen  behandelt  werden  können. 

5.  Die  Konzentration  der  Desinfektionslösung  kann  mittels 
einer  Reguliervorrichtung  beliebig  eingestellt  werden. 

6.  Der  Apparat  dient  auch  zur  momentanen  Herstellung  war- 
mer oder  kalter  konzentrierter  antiseptischer  Lösungen  in  be- 
liebiger StÀrke,  zur  HÀndereinigung  und  HÀndedesinfektion  und 
zur  Herstellung  von  Desinfektionslösungen  direkt  aus  der  Wasser- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


Dreuw:  SpĂŒldesinfektion 


47«> 


leiiung  fĂŒr  die  mechanische  und  chemische  Desinfektion  von  Fuß- 
böden. WÀnden  und  Instrumenten. 

7.  Der  Apparat  bewirkt  unabhÀngig  vom  jeweiligen  Wasser- 
druck ein  stets  gleichbleibendes  MischungsverhÀltnis  zwischen 
Desinfiziens  und  dem  Wasscrlcitungswasser. 

s.  Der  Apparat  ist  an  jede  Warnu- Wasserleitung  anzuschließen 
oder  bei  Fehlen  derselben  mit  (Jas-,  elektrischer  oder  Spiritus- 
beizung  zu  verwenden. 

!>.  Der  Apparat*)  liefert  auf  WĂŒnsch  gleichzeitig  ein  Misch- 
Iesiniizien9  in  jeder  Konzentration,  z.  B.  von  ĂŒbermangansaurem 
Kali  1  :  10  000  und  Hydrarg.  oxyeyanatum  1  : 8000  usw.  usw. 

B)  Die  Anwendung  der  „kontinuierlichen  SpĂŒl-Desinfektion" 
bei  der  Behandlung  der  mÀnnlichen  und  weiblichen 
Gonorrhoe. 

a)  MĂ€nnliche  G  o  n  0  r  r  h  o  e. 

Die  am  meisten  geĂŒbte  SpĂŒlmethode  bei  der  Gonorrhoe 
ist  die  J  a  n  e  t  s  p  ĂŒ  1  u  n  g,  ferner  die  SpĂŒlung  mit  den  Appa- 
raten von  K  o  1 1  m  a  ii  n,  N  o  1 1  h  a  f  t  u.  a.  Zur  wirkungsvollen 
Behandlung  der  Gonorrhoe  sehließe  ich  an  den  Schlauch  1 
(Fig.  1)  ein  Endomassageinstrument  Fig.  3  an,  das  in  Ver- 
bindung mit  der  Apparatur  —  Fig.  1  gleichzeitig  SpĂŒ- 
lung, Desinfektion,  Warmbehandlung,  auto- 
matisch-regulierbare SpĂŒlmassage,  Dauer- 
berieselung und  genau  regulierbaren.  Wasser- 
druck bei  abstufbarer  Temperatur  des  Des- 
infektionswassers erzielt. 

Die  StÀrke  der  Vibration  ist  genau  regulierbar.  Je 
stÀrker  man  den  Absperrhahn  c  aufdreht,  desto  stÀrker  ist 
die  Vibration. 


m 

ro 

G-> 

Fig  2. 

Fig.  2  zeigt  eine  Skizze  einer  derartigen  Anlage  fĂŒr  kon- 
tinuierliche SpĂŒldesinf  ektkm : 

VT  =  Vorrichtung  zur  selbsttÀtigen  Temperaturregelung. 
VR  —  Regulierventil  zur  selbsttĂ€tigen  Druckregelung. 
B  (I  u.  II)  —  Vorrichtungen  zur  Einstellung  des  Mischungsver- 
hÀltnisses. 

M  (I  u.  II)  —  Medikamentenkessel  zur  Aufnahme  des  konzen- 
trierten Desinficiens. 

E  —  Leitung  fĂŒr  das  fertig  gemischte  und  temperierte  Desinfek- 
tion swasser. 

C  =  Absperrhahn  fĂŒr  diese  Leitung. 

Z  =  Zapfstellen  in  den  einzelnen  Zellen. 

D  =  das  von  der  Hand  zu  betÀtigende  Ventil  zur  Einstellung  des 
Temperaturgrades  (bei  Wegfall  des  Thermostaten  V.  T.). 
Kalt  =  Kaltwasserleitung. 
Warm  —  Warmwasserleitung. 
Th  =  Thermometer. 
F  =  Druckmesser. 
1  =  Apparateraum. 
2 — 5  =  Behandlungszellen. 

*)  Die  in  Fig.  1  u.  la  abgebildeten  Apparate  sind  hervor- 
gegangen aus  meinem  im  „Frauenarzt"  191C,  Heft  12,  veröffent- 
lichten Mischzylinder.  Im  Anschluß  daran  entstanden  2  solcher 
Mischzylinder,  die  das  Desinfektionswasser  in  einen  Warm- 
wassererhitzer sandten;  durch  die  Zusammenarbeit  mit  Herrn 
Dr.  Ing.  Ehrhardt  schließlich  die  Modelle  1  u.  la  als  Fort- 
setzung meiner  jahrelangen  Versuche,  ein  System  der  „kon- 
tinuierlichen SpĂŒldesinfektion"  zu  finden. 


Die  technische  Einrichtung  ist  namentlich  fĂŒr  grĂ¶ĂŸere 
Institute  insofern  von  Bedeutung,  als  sich  (Fig.  2)  kleine  Be 
handlungsrÀume  (Zellen)  hauen  lassen,  in  welche  von  der 
Desfaifektionshauptleitung  (Fig.  2)  aus  Röhren  geleitel  wer 
den,  in  denen  sieh  die  je  nach  Wunsch  auf  30  bis  55  Grad 
erhitzte  und  unter  Druck  stehende  DesinfektionsflĂŒssigkeit 
befindet. 

Es  ist  bekannt,  daß  die  Vibrationsinnssage  imstande  ist, 
Infiltrate  zur  Resorption  zu  bringen,  wenn  sie  in  entsprechend 
feiner  StÀrke  und  Regulierung  angewandt  wird.  Will  man 
eine  solche  Vibrationsmassage  direkt  auf  die  zarte  Harri* 
röhrenschleimhaut  anwenden,  dann  muß  sie  genau  regulier 
bar  sein  und  sich  sowohl  auf  kleinere  Strecken  als  auf  die 
ganze  LÀnge  der  Harnröhrenschleimhaut  ausdehnen  lassen. 
Es  muß  sozusagen  in  der  Sekunde  eine  sehr  hĂ€ufig  erfolgende 
feinste  ErschĂŒtterung  der  Zellen  der  entzĂŒndeten  und  der 
nicht  entzĂŒndeten  Schleimhaut  erfolgen.  WĂŒrde  dies  ge- 
lingen, so  wĂŒrden  erstens  die  gonokokken  haltigen 
Sekrete  aus  den  Littre'  sehen  DrĂŒsen  heraus- 
gepreßt, und  zweitens  die  Infiltrate  wĂŒrden  infolge 
der  feinschlÀgigen  Massage  zur  Resorption  ge- 
bracht. WĂŒrde  es  weiterhin  möglich  sein,  zu  dieser  Er- 
schĂŒtterung noch  die  Wirkung  von  WĂ€rme  oder  KĂ€lte  und 
dazu  noch  antiseptische  und  adstringierende  BespĂŒlungen 
hinzuzufĂŒgen,  so  daß  noch  eine  leichte  Dehnung  eintrĂ€te,  so 
wÀren  in  einzeitiger  Anwendung,  namentlich  wenn 
man  noch  eventuell  den  faradischen  und  galvanischen  Strom 
damit  kombiniert,  tatsÀchlich  sÀmtliche  physi- 
kalischen und  chemotherapeutischen  Fak- 
toren, die  zur  Behandlung,  namentlich  der  chronischen 
Gonorrhoe,  gebrÀuchlich  sind,  der  Therapie  nutzbar  gemacht. 

Dieses  Ziel  ist  in  Verbindung  mit  der  in  Fig.  1  u.  2  be- 
schriebenen Einrichtung  nun  tatsÀchlich  erreicht  durch  die 
in  Fig.  3,  4  und  5  abgebildeten  Instrumente,  die  zu  der  von 
mir  sogenannten  Endomassage  der  SchleimhÀute 
verwandt  werden,  die  selbst  schwierige  FĂ€lle  von  akuter,  sub- 
akuter und  chronischer  Gonorrhoe  mit  Erfolg  zu.  behandeln 
gestattet.  Namentlich  aber  die  Urethritis  simplex  wird  sehr 
gĂŒnstig  beeinflußt. 

Die  gĂŒnstigen  Resultate,  namentlich  bei  der  Behandlung 
der  chronischen  Gonorrhoe  sind  folgendermaßen  zu  erklĂ€ren: 
1.  Das  Wasser  fließt  im  Gegensatz  zur  JanetspĂŒlung 
direkt  senkrecht  gegen  die  Harnröhrenwand 
in  die  Morgagni  sehen  Lakunen.   Hierdurch  wird  ermöglicht, 


I 


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Dreuw:  SpĂŒldesinfektion 


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daß  diese  ebenso  wie  die  Littre'schen  DrĂŒsen  ausgespĂŒlt 
werden.  Daher  sieht  man  bei  postgonorrhoischen  Katarrhen 
eine  gute  Wirkung. 

2.  Die  D  r  ĂŒ  s  e  n  werden  durch  die  gleichzeitige  Massage 
der  Schleimhaut  exprimiert  und  das  austretende  Sekret 
sofort  weggespĂŒlt.  Zu  gleicher  Zeit  findet  Aspiration  der 
Schleimhaut  und  des  derselben  aufgelagerten  Sekretes  statt. 

3.  Wahrscheinlich  findet  wegen  der  intensiven  feinen 
Verteilung  des  mit  Gewalt  aus  den  Oeffnungen  ausgetriebenen 
Wassers  eine  grĂ¶ĂŸere  Resorptio  n*)  statt,  so  daß  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  eine  mechanisch  erzielte 
Tiefenwirkung  eintritt. 

4.  Die  Desinfektionslösungen  wirken  je  nach  der  Kon- 
zentration als  leichtes  und  schonendes  D  e  s  i  n  f  i  - 
z  i  e  ns  oder  Adstringens,  das  man  in  seiner  StÀrke 
allmĂ€hlich  in  geringem  Maße  abklingen  oder  ansteigen  lassen 
kann. 

5.  Die  kontinuierliche  WĂ€rmebehandlung 
ĂŒbt  eine  gewisse  aktive  HyperĂ€mie  aus,  die  wieder 
ihrerseits  heilungsf ordernd,  andererseits  abtötend  auf  die 
Gonokokken  wirkt,  da  diese  bekanntlich  einer  Temperatur 
von  ĂŒber  39 — 40  Grad  nicht  widerstehen. 

6.  Durch  Verwendung  des  gebogenen  (Fig.  5)  oder  geraden 
(Fig.  3  u.  4)  Katheters  wird  sowohl  die  vordere  als  hintere 
Harnröhre  behandelt.  Neben  Argentum  proteinicum,  Hydrarg- 
gyrum  oxyzcyanativm  verwende  ich  ĂŒbermangansaures  Kali 
oder  -Zink.  Das  ĂŒbermangansaure  Zink  hat  die 
EigentĂŒmlichkeit,  daß  es  in  Dosen  von  1  zu  4000  bis  1  zu  2000 
in  großen  Mengen  durch  die  Harnröhre  gespĂŒlt,  keine  eitrige 
Reaktion,  wie  z.  B.  die  Silbersalze  oder  die  Quecksilbersalze, 
erzeugt,  sondern  lediglich  eine  seröse  Du  rcht  rĂ€nkĂŒ  n-ÂŁ 
d  erSchleim  haut  macht,  wodurch  einerseits  die  Gono- 
kokken weggeschwemmt  werden,  andererseits  die 
Schleimhaut  so  verĂ€ndert  wird,  daß  der  NĂ€hr- 
boden fĂŒr  die  Gonokokken  ungĂŒnstig  wird. 

Aus  diesem  Grunde  habe  ich  in  den  meisten  FĂ€llen  dieses 
Mittel  namentlich  dann  bevorzugt,  wenn  eine  Empfindlich- 
keit der  Schleimhaut  sich  bemerkbar  machte.  Ich  verwende 
aus  Prinzip  nur  schwache  Lösungen,  aber 
lÀngere  physikalisch-biologische  Einwir- 
kung (fraktionierte  Sterilisation). 

Das  Instrument  kann  auch  als  H  y  d  r  o  d  i  1  a  t  a  t  o  r  der 
Harnröhre  Verwendung  finden.  Dreht  man  nÀmlich  den  Ab- 
sperrhahn c  immer  mehr  auf,  so  tritt  schließlich  der  Zeit- 
punkt ein,  wo  das  (Fig.  1)  aus  den  Löchern  a  zufließende  und 
aus  den  KanĂ€lchen  b  abfließende  Wasser  sich  das  Gleich  - 
gewicht  hÀlt.  Dreht  man  jetzt  den  Hahn  c  noch  weiter  auf,  so 
ĂŒberwiegt  die  Menge  des  zufließenden  die  des  abfließenden 
Wassers,  die  Schleimhaut  wird  gedehnt,  und  eine  ĂŒber  das 
Instrument  gezogene  Kollmannsche  Gummimembran  wird 
demgemĂ€ĂŸ  vom  Instrument  ab-  und  gegen  die  Schleimhaut 
der  Harnröhre  angedrĂŒckt,  d.  h.  es  findet  infolgedessen  eine 
elastische  Dilatation  der  Schleimhaut  statt,  die  sich 
in  einer  zarten  Spannung  der  Wandung  kundgibt.  Diese 
Dilatation  unterscheidet  sich  nun  sowohl  von  der  Sonden - 
als  auch  von  der  Kollmann-Dilatation  dadurch,  daß  es  sich 
um  einen  elastischen  Dilatator  handelt,  der  demgemĂ€ĂŸ  nicht 
bei  Strikturen,  sondern  nur  bei  subakuten  und  chronischen 
weichen  Infiltraten  der  Harnröhre  Anwendung  findet,  wobei 
man  es  in  der  Hand  hat,  mit  der  Dilatation  noch  WĂ€rme- 
oder KĂ€ltewirkung  zu  verbinden.  Man  probiert  die  Grenze 
der  Dilatation  außerhalb  der  Harnröhre,  indem  man  (Fig.  4b) 
eine  Kollmann-Gummimembran  ĂŒber  das  Instrument  zieht, 
und  nunmehr  den  Absperrhahn  c  soweit  aufdreht,  bis 
die  Membran  sich  von  dem  Instrument  abhebt;  man  merkt 
sich  dami  die  Stellung  am  Wasserdruckmesser  f  und  dreht, 
nachdem  das  mittels  3  %  KarbolsÀure  abgeriebene  Instrument 
miteingefĂŒhrt  ist,  den  Absperrhahn  c  auf  dieselbe  Stelle, 
die  vorher  markiert  worden  ist.    Dann  ĂŒbt  das  fließende 


*)  FlĂŒssige  Medikamente  z.  B.,  die  durch  die  Ă€ußere.  Haut 
nicht  eindringen,  werden  dann  resorbiert,  wenn  sie  unter  starkem 
Druck  und  in  feiner  Verteilung  gegen  die  Haut  oder  Schleimhaut 
angeschleudert  werden. 


Wasser  genau  denselben  Druck  in  der  Harnröhre  gegen  die 
Infiltrate  aus. 

Der  H  y  drodilatator  ist  im  Prinzip  eine  dehnbare 
Winternitzsonde,  ein  „W  intern  i  tzd  ehner"  und  ver- 
einigt daher  in  sich  die  Wirkung  eines  leichten  Diktators 
mit  der  KĂŒhl-  oder  WĂ€rme-Sonde.  Je  nach  der  Steigerung 
des  Wasserdrucks  kann  man  mit  dem  Instrument  leichtere 
oder  stĂ€rkere  Vibration  und  daran  anschließend  Dilatation 
in  der  Harnröhren-Schleimhaut  zusammen  mit  WÀrme- 
behandlung erreichen.  Auf  diese  Weise  ist  es  in  Verbindung 
mit  dem  Apparat  (Fig.  3,  4  u.  5)  möglich,  die  elektrischen 
WĂ€rmesonden  durch  auf  30,  35,  45  bis  50  Prozent  WĂ€rme 
temperierte  Sonden  zu  ersetzen. 

NatĂŒrlich  lassen  sich  die  einzelnen  Anwendungsweisen 
in  Verbindung  mit  den  bisher  angewandten  und  erprobten 
urologischen  Methoden  zweckentsprechend  verbinden. 

Folgende  Indikationen  kommen  in  Betracht: 

1 .  Akute  Gonorrhoe;  2.  chronische  Ure- 
thritis gonorrhoica  ant.  e  t  p  o  s  t  ;  3.  Weiche 
Infiltrate  der  Harnröhre;  4.  EntzĂŒndung  der 
L  i  1 1  r  e  '  sehen  DrĂŒsen  und  der  M  o  r  g  a  g  n  i  s  c  h  e  n 
Lakunen;  5.  Provokatorische  Massage; 
6.  Mechanische  Schleuder-Penetration  von; 
Medikamenten  (Mechanische  Tiefenwirkung);  7. 
Leichte  Dilatation;  8.  Thermische  und  elek- 
trische Behandlung;  9.  Erkrankung  des 
Kollikulus;  10.  Psychische  Impotenz,  S  per- 
malorrhoe  und  Prostatorrhoe. 

Ein  großes  Feld  fĂŒr  die  Endomassage  ist  die  Impo- 
tentia  Coeundi  neben  der  sonstigen  Therapie.  * 

Theoretisch  und  praktisch  ist  die  gĂŒnstige  Beeinflussung 
auch  zu  erklÀren.  Denn  neben  der  feinschlÀgigen 
ErschĂŒtterung  der  Schleimhaut,  die  die  Patien- 
ten  wegen  ihrer  Àhnlichen  Wirkung  als  elektrische  SchlÀge 
auffassen,  neben  der  damit  verbundenen  reflektorischen  Ein- 
wirkung auf  das  Erektionszentralorgan  und  die  Phantasie 
und  neben  der  Resorption  von  Infiltraten,  spielt  namentlich 
auch  die  psychische  Beeinflussung  des  Patienten  eine  große 
Rolle.  Der  Patient  fĂŒhlt  die  feinen  Vibrationsbewegungen, 
die  im  Innern  seines  Körpers  entstehen,  er  fĂŒhlt  die  WĂ€rme, 
die  KĂ€lte  oder  beides  abwechselnd  und  faßt  speziell  zu  dieser 
Methode  von  vornherein  ein  gewisses  Vertrauen.  Wenn  aber, 
wie  ich  spÀter  noch  betonen  werde,  bei  einer  Erkrankung  die 
psychische  Beeinflussung  neben  der  physiologischen  unbe- 
dingt nötig  ist,  dann  gerade  bei  dem  komplizierten  Symp- 
tomenkomplex  der  psychischen  Impotenz  und  der  verschie- 
densten SchwÀchezustÀnde. 


Fiy  5  a 


Die  Behandlung  des  Trippers  geschieht  so,  daß  zunĂ€chst 
der  Patient  uriniert  und  daß  dann  die  Glans  grĂŒndlich  ge- 
sÀubert wird.  Dann  wird  das  Instrument  im  Stehen  oder 
Liegen  eingefĂŒhrt.  Die  Temperatur  steigt  in  einigen  Minuten 
allmÀhlich  bis  auf  25,  30,  35,  40,  45  und  50  Grad.  Die  Dauer 
der  SpĂŒlungen  betrĂ€gt  10  Minuten  bis  K>  Stunde  und  noch 
lÀnger.  Sie  wird,  je  nachdem,  alle  ein  bis  zwei  bis  sechs  Tage 
gemacht  und  in  der  Zwischenzeit  kann  der  Patient  (oder  der 
Arzt  wenn  nötig)  die  ĂŒblichen  Injektionen  ausfĂŒhren.  Im 


10.  Jahrg. —  Nr.  27/28. 


Pn  iower :  Ta rifverf rii  go 


4H1 


ĂŒbrigen  wird  nach  den  urologisch  anerkannten  Prinzipien  be 
handelt. 

Bei  der  chronischen  Gonorrhoe  wird  (wenn  vertragen), 
gie  Behandlung  alle  Tage  gemacht,  selbstverstÀndlich  wenn 
möglich  in  Verbindung  mit  Prostatabehandlung  und  son- 
stigen anerkannten  Prinzipien.  Da  die  Dauer-WĂ€rme- 
Berieselung  ĂŒber  10  Grad  auf  die  Gonokokken  stark  abtötend 
wirkt,  so  gibt  es  keine  Methodik,  die  eben  wegen  dieser 
Dauerspnlung  einen  so  starken  eheniiseh-meehaniseh,  physi 
Balisch-thermischen  Einfluß,  nicht  nur  direkt  chemisch-bak- 
terizid auf  die  Erreger  selbst,  sondern  auch  auf  die  VerÀn- 
derung des  NĂ€hrbodens  und  auf  die  Resorption  der  kleineren 
und  grĂ¶ĂŸeren  Infiltrate  der  Harnröhre  in  biologischer  Hin- 
sicht ausĂŒbt.  Eig.  5a  zeigt,  wenn  man  es  nicht  vorzieht,  auf 
dem  Operationsstuhl  zu  behandeln,  die  Behandlung  in 
stehender  Stellung  des  Patienten. 

Ich  spĂŒle  niemals  bei  akuter  und  bei  subakuter  Gonor- 
rhoe die  hintere  Harnröhre,  sondern  nur  den  vorderen  Teil. 
Der  eingefĂŒhrte  Katheter  hat  nur  11 — 13  cm  LĂ€nge.  Das  Prin- 
zip meiner  Methodik  ist  also  das  folgende:  ZunÀchst  lasse  ich 
bei  der  akuten  Gonorrhoe  rein  chemisch  in  gewöhnlicher 
Weise  mit  der  Tripperspritze  die  erreichbaren  Gonokokken 
1 — 2  Tage  lang  durch  gonokokkentötende  Mittel  abtöten.  Da 
aber  die  Gonokokken  dann  schon  meist  in  der  Tiefe  der 
Littre'schen  DrĂŒsen  sitzen  und  durch  chemische  Mittel  dann 
nicht  mehr  erreichbar  sind,  wende  ich  das  Hitzeverfahren, 
in  Verbindung  mit  der  SpĂŒlmassage  an. 

(Schluß  folgt.) 


Das  Recht  unserer  TarifvertrÀge. 

Von  Dr.  P  n  i  o  w  e  r. 

Trotz  der  mit  Gesetzeskraft  erfolgten  Verordnung  vo*^1 
23.  12.  18  und  des  vom  Reichsrate  genehmigten  Betriebs- 
rĂ€tegesetzes ist  der  Tarifvertrag  der  Ärzte,  weil  diese 
keine  gewerblichen  Arbeiter  sind,  dem  heute  geltenden  ge- 
setzlichen Schutze  nicht  unterstellt.  Schon  aus  der  Definition 
der  Angestellten  in  §  9,  2  ist  ersichtlich,  daß  wir  Ärzte  nicht 
unter  diese  fallen,  und  nach  dem  Erlaß  vom  25.  Oktober  1913 
(Ministerialblatt  der  Handels-  und  Gewerbeverwaltung)  ist 
dies  schon  frĂŒher  ausdrĂŒcklich  ausgeschlossen  worden,  als 
es  sich  um  die  Auffassung  handelte,  ob  wir  Ärzte  als  Ange- 
stellte resp.  Beamte  von  Krankenkassen  anzusehen  seien.  So 
wollen  wir  denn  heute  zusehen,  wie  sich  trotz  des  mangelnden 
gesetzlichen  Schutzes  des  Tarifvertrages  dieser  im  Lichte  des 
sonstigen  Rechtes  darstellt. 

Der  Tarifvertrag  ist  ein  durchaus  modernes  Gebilde, 
wÀhrend  es  schon  im  Mittelalter  Bestrebungen  gegeben  hat,$ 
durch  Vereinbarungen  besondere  Arbeitsbedingungen  zu  er-  j 
zielen,  die  wohl  eine  Höchst-  aber  keine  Mindestbegrenzung 
aufwiesen.  Den  ersten  Tarifvertrag  haben  die  Buchdrucker 
durchgesetzt  und  seine  Antezedenzien  sind  auch  fĂŒr  uns  Ärzte 
interessant,  weil  wir  konform  den  handarbeitenden  Klassen 
durch  unsere  Ärztegewerkschaft  auch  zur  Tarifpolitik  ĂŒber- 
gegangen sind.  Ich  ĂŒbergehe  die  Systeme  der  Sklaverei, 
Leibeigenschaft  und  Hörigkeit  ($rlebae  adskrip- 
tus)  und  erinnere  daran,  daß  bis  in  die  Neuzeit  hinein  auch 
Ärzte  in  dieser  Unfreiheit  tĂ€tig  waren.  Nachdem  nun  im  mit- 
telalterlichen Deutschland  durch  EinfĂŒhrung  (Rezeption)  des 
römischen  Rechtes  eine  starre  Bindung  der  ArbeitsverhÀltnisse 
(.  Herr"  und  „Knecht"  der  „Zunft")  Platz  gegriffen  hatte,  fĂ€llt 
dann  mit  Beginn  nationalökonomischer  Denkungsweise  und 
des  Sichbesinnens  auf  die  Prinzipien  der  Zivilisation  im  Zeit- 
alter der  französischen  Revolution  die  Schranke.  weLhe  das 
Individuum  einengte.  Aber  die  konseouent  durchgefĂŒhrte 
Anschauuno-  eines  liberalen  Individuums  untersagt  den  Ar- 
beitern die  Koalition  in  dem  beseitigten  §  153  Her 
Reichsgewerbeordnung,  wie  auch  in  der  gefallenen  7\\rh\- 
hausvorla^e"  finden  wir  Erinnerungen  daran,  wie  ein  selbst 
nach  8  1^2.  1  gewÀhrtes  Koalitionsrecht  eingeschrÀnkt  wer- 
den kann.    Obwohl  das  Individuum  den  gesetzlichen  Gleich- 


heitsschutz  hatte,  wurde  es  vom  Arbeitgeber  („Geber"  oder 
.VerkÀufer"  seiner  Ware  ,, Arbeit")  durch  die  Ungunst  seiner 
Einzelstellung  zum  Arbeit, .neb  er"  deklariert,  wÀhrend  der 
Arbeit,. nehmer"  (,  Nehmer"  oder  .  KĂ€ufer"  der  Ware  ,. Ar- 
beit") zum  Arbeitsgeber"  wird.  Trotz  der  gesetzlichen  Gleich- 
stellung ist  aber  der  Arbeitende  schlecht  gestellt,  weil  er  mit 
seiner  Ware  Arbeit  durch  Personalunion  verbunden  und  da- 
durch einer  schlechten  Ausnutzung  der  Marktkr  e  unterworfen 
ist.  sodaß  er,  wie  man  wohl  sagt,  meist  Ausverkauf  halten 
muß  —  tout  comme  cbez  nous,  wenn  wir  auf  uns  einzeln  an 
gewiesen,  den  allmĂ€chtigen  Kassen« ewalti'  en  gc renĂŒber- 
treten. Wenn  nun  aber  Arbeiter  und  Arzt  sich  koaliieren,  so 
können  sie  beide  die  Marktlage  besser  ausnutzen  und  durch 
die  Gemeinsamkeit  der  Arbeitsbedingungen  tritt  der  ..Indivi- 
dualvertrag"  (Hausarzt-  oder  Einzelvertrag  bei  Kassen)  zu 
Gunsten  des  ,. Kollektivvertrages"  und  dann  des  ..Tarifver- 
trages" in  den  Hintergrund.  FĂŒr  diesen  sind  viele  Bezeich- 
nungen vorgeschlagen  worden,  so  hat  z.  B.  $  i  n  zh  e  i  m  e  r 
fĂŒr  ihn  die  Bezeichnung  „korporativer  Arbeitsnormen  vertrag" 
in  seinem  gleichnamigen  Buche  geprĂ€gt,  weil  in  ihm  die  „Nor- 
men" fĂŒr  die  erzt  abzuschließenden  VertrĂ€ge  zwischen 
den  nachgeordneten  Korporationen  enthalten  sind;  „Lohnver- 
trag" klingt  aus  verschiedenen  GrĂŒnden  anrĂŒchig  (Lohn  der 
Dienstboten,  I  assalles  .  ehernes  Lohngesetz"),  umfaßt  auch 
nicht  die  eigentlichen  Merkmale  eines  Tarifvertrages,  ebenso- 
wenig wie  der  vorgeschlagene  , .kollektive  Arbeitsvertrag"  fĂŒr 
uns  gelten  kann:  einmal  weil  wir  keinen  Arbeitsvertrag  nach 
der  Gewerbeordnung  haben,  zweitens,  weil  ja  erst  der  Ar- 
beitsvertrag —  wenn  wir  einmal  ausnahmsweise  fĂŒr  unseren 
Dienstvertrag  diesen  Ausdruck  unterlegen  wollen  —  erst  noch 
geschlossen  werden  soll.  Dieser  (sit  venia  verbo)  „Arbeitsver- 
trag" wird  dann  erst  zwischen  den  einzelnen  Kassen  und  Ver- 
einen abgeschlossen  und  ist  somit  der  eigentliche  „Kollektiv- 
vertrag", oder  nur  mit  einzelnen  und  figuriert  dann  als  „In- 
dividualvertrag".  Es  ist  also  im  Prinzip,  wenn  erst  einmal  ein 
Tarifvertrag  abgeschlossen  ist.  gleicbgiltig,  ob  die  auf  Grund 
des  Tarifvertrages  abzuschließenden  SekundĂ€rvertrĂ€ge  —  in 
Wirklichkeit  sind  es  aber  doch  primĂ€re  —  als  Individual-  oder 
KollektivvertrĂ€ge  fungieren.  Weshalb  wir  Ärzte  aber  die 
letzteren  vorziehen,  ist  bekannt;  jedenfalls  aber  bleibt  der  Be- 
griff der  KollektivitĂ€t  besser  dem  direkten  Abschluß  vorbe- 
halten. Da  nun  aber  unsere  Àrztliche  TÀtigkeit  gesetzlich 
meist  als  Dienstvertrag  aufgefaßt  wird,  so  schlage  ich 
analog  dem  Sinzheimer  sehen  ..korporativen 
Arbeitsnormen  Vertrage"  als  Definition  fĂŒr  unseren 
Tarifvertrag  die  Bezeichnung  Korporativer  Dienst- 
norm e  n  v  e  r  t  r  a  g"  vor.  Es  ist  wichtig,  den  Unterschied 
zwischen  dem  Kollektiv-  und  Tarifvertrage  klar  und  deutlich 
herauszuheben.  WĂ€hrend  man  auf  der  Seite  des  ersteren  einen 
|Einheitswillen  rechtlich  herauskrystallisieren  kann,  werden 
|beim  Tarifvertrag  erst  die  Normen  festgestellt  und  so'^it  die 
Einwirkung  auf  die  angeschlossenen  Organisationen  aus- 
gesprochen, also  ein  E  i  n  h  e  i  t  s  w  i  1 1  e  n  wird  noch  nicht 
manifest,  sondern  nur  ein  Einwirkungswillen;  wÀhrend  bei 
ersterem  das  RechtsverhÀltnis  klar  im  B.  G.  B.  vorgezeichnet 
und  in  den  Paragraphen  des  ..Dienstvertrages",  der  iuristi- 
schen  Person  des  „E.  V."  und  der  „Gesellschaft"  (bei  nicht- 
eingetragenen  Vereinen)  niedergelegt  ist.  hat  das  B.  G.  B.  fĂŒr 
den  Tarifvertrag  keine  eigene  Regelung  beliebt. 

Von  den  drei  Arten,  des  Firmen-,  des  Orts-  (Lokal-)  und 
des  General-  (National-)  Tarifs  interessiert  uns  heute  nur  der 
letzte,  weil  unter  diesen  die  seit  Beginn  unserer  Tarifpolitik 
inaugurierten  großen  Tarifabkommen  fallen:  mit  den  Reede- 
reien, dem  Lebens-Verbande,  mit  den  Ersatz-  (Hilfs-)  Kassen- 
verbĂ€nden und  den  großen  KassenverbĂ€nden.  Das  Berliner 
Abkommen  war  wohl  ein  Ansatz  dazu,  hat  aber  durch  Nicht- 
erfĂŒllung mancher  Bedingungen  noch  nicht  den  Charakter 
eines  Tarifvertrages  erlangen  können. 

ZunÀchst  einige  Vero-leichsmomente  zwischen  unseren 
und  den  ArbeifertarifvertrÀ.o-en.  Beide  sind,  wie  schon  erwÀhnt, 
durch  die  Gewerkschaft  als  friedliches  Mittel  einer 
Kampf  Organisation,  das  Ziel  zu  erreichen,  anzusehen.  Die 
friedliche  Einigung  liegt  bei  beiden  zum  Vergleiche  stehenden 


482 


Pniower:  TarifvertrÀge 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


Organisationen  im  Interesse  der  Öffentlichkeit,  weil  anderen- 
falls durch  Kampfmaßnahmen  unabsehbare  Folgen  eintreten, 
weshalb  ia  auch  den  zur  Schlichtung  von  Streitigkeiten  einge- 
setzten Schiedsinstanzen  (Kontrollkommissionen,  Schiedsge- 
richt. Register-,  Vertrags-,  PrĂŒfungs-Ausschuß  bei  uns,  dort 
Schiedsgericht,  Schlichtungskommission,  Tarifamt)  noch  be- 
sondere Instanzen  hinzutreten,  die  eine  behördliche  Mitwir- 
kung vorsehen  (Schiedsamt.  Zentralausschuß,  das  gewerbege- 
richtliche Einigungsamt).  Selbst  der  Ersatzkassenvertrag,  der 
wie  bei  den  Arbeitern  Streitigkeiten  unter  Ausschluß  des 
Rechtsweges  bestimmt,  lĂ€ĂŸt  bei  Nichteinigung  ĂŒber  den  Vor- 
sitzenden des  Leipziger  Schiedsgerichts  diesen  vom  PrÀsi- 
denten des  dortigen  Landgerichts  ernennen.  —  Bei  beiden 
Organisationen  ist  die  Sicherung  der-  infolge  des  Tarifvertra- 
ges abzuschließenden  VertrĂ€ge  der  Grund  zum  Abschluß  des 
Tarifabkommens,  das  von  der  Arbeitgeberseite  möglichst 
Jan^e  Zeit  dauernd,  auf  der  anderen  Seite  mit  nicht  so  langer 
Geltungsdauer  gewĂŒnscht  wird.  Jetzt  endlich  haben  w  i  r  mit 
der  einjÀhrigen  kurzfristigen  Vertragsdauer  den  Feh- 
ler des  zehnjÀhrigen  Berliner  Abkommens 
wieder  gut  gemacht.  Ein  Tarifvertrag  soll  nur  kĂŒr- 
zere Zeit  Geltung  haben;  es  ist  allerdings  nicht  zu 
ĂŒbersehen,  daß  dieses  Abkommen  seiner  Zeit  auch  nicht  als 
reines  Tarifabkommen  gedacht  war.  denn  die  generelle 
Normierung  der  Dienst bedingungen,  namentlich  der 
HonorarsÀtze,  welche  den  wesentlichen  Teil  des  Tarifvertrages 
ausmachen,  sind  jetzt  erst  in  den  Vertrag  hin- 
eingearbeitet, weshalb  rran  jetzt  erst  von  einem  Ta- 
rifabkommen sprechen  kann.  —  Wie  bei  den  Arbeitern,  sind 
auch  im  Berliner  Abkommen  direkte  Bewerbungen  um  Kas- 
senarztstellen untersagt,  wodurch  ein  Unterbieten  und  die 
sattsam  bekannten  unwĂŒrdigen  BegleitumstĂ€nde  ausgeschaltet 
sind. 

Nun  einige  rechtspolitische  Gesichtspunkte  des  Tarifver- 
trages. Wir  im  L.  V.  bieten  durch  seine  RechstfÀhigkeit  eine 
sichere  Grundlage  zu  Verhandlungen  dar  —  und  können  un- 
seren Tarifvertrag  daher  auch  zwanglos  unter  das  Recht  des 
B.  G.  B.  stellen.  Wir  schließen  einen  gegenseitigen  Vertrag, 
der  beiden  Vertragsgegnern  ..ein  Tun"  oder  ..Unterlassen"  im 
(„obligatorischen")  SchuldverhĂ€ltnis  nach  §  241  auferlegt, 
wobei  nach  §  242  beide  verpflichtet  sind.  ..die  Leistung  nach 
Treu  und  Glauben  mit  RĂŒcksicht  auf  die  Verkehrssitte  zu  be- 
wirken". Außerdem  wird  der  Richter  nach  §  1^7  den  Ver- 
trag so  auszulegen  haben,  wie  eben  angefĂŒhrt.  Der  Vertrag 
ist  nach  B.  G.  B.  ..formfrei",  braucht  also  nicht  wie  bei  den 
Ersatzkassen  „Vertrag"  zu  heißen.  —  ..Abkommen"  gilt  als 
dasselbe,  und  wird  der  Richter  nach  5  133  „den  wirklichen 
Willen  erforschen  und  nicht  am  buchstÀblichen  Sinne  des  Aus- 
drucks haften".  —  Es  wird  außerdem  ein  nach  unserem  be- 
stehenden Rechte  durchaus  ..möglicher  T  eistungs^egenstand" 
vereinbart,  und  beide  Parteien  werden  sicherlich  die  Absicht 
haben  durch  BetÀtigung  eines  Willens  rechtliche  Wirkung 
und  dadurch  eine  gegenseitige  Binduno-  hervorzurufen.  A  u  s- 
fĂŒhrjieherh^be  irh  diese  G  e s  i  e  h  t  s  n  u  n-k  t  e 
in  der  Arbeit  ..Ziff.  11  und  der  Friedens- 
schi u  ß"  b  e  h  a  n  d  e  1 1. 

Eine  gewaWp-e  T  iteratur  ist  seit  uno-efÀhr  1°  Tahrcn 
lawinenartig  angewachsen,  und  sind  schon  Spezialisten  auf 
diesem  Gebiete  entstanden.  Die  Rechtsanschauun^en  sind 
noch  immer  nicht  geklÀrt,  man  kann  nur  von  einer  ..herrschen- 
den" Ansicht  sprechen.  Zuerst  einmal  die  Beurteiluno-  der 
vertragsschließenden  BevollmĂ€chtigten.  Es  gilt  wohl  ietzt  am 
meisten  die  Theorie,  nach  welcher  die  vertretenen  Ver- 
bÀnde als  .  berechtigt  und  verpflichtet"  angesehen  werden, 
nicht  aber  die  ..S  i  n  p-  u  1  a  r"-Theorie,  welche  die  anges^hl^s- 
senen  Organisationen  in  diesem  Sinne  ansehen,  und  auch  nicht 
die  .Kumulation  s"-  oder  „Kombination  s"-Theorie, 
welche  beides  vereinigen  will.  —  Und  nun  eine  sehr  wichtige 
Überlepunp.  wie  sich  die  rechtliche  Bindung  auf  die  nachge- 
ordneten Organisationen  fortsetzen  soll.  Hier  ist  eine 
SchwÀche  zu  sehen,  welche  im  B.  G.  B.  keine  Regelung  gefun- 
den hat.  Die  ZentralverbĂ€nde  schließen  ab:  z.  B.  bei  dem  Er- 
satz-Kassenvertrage  mit  der  Maßgabe,  „daß  die  Vereine  den 


Tarifvertrag  anerkennen,  indem  nach  §  1  die  DurchfĂŒhrung 
derart  geschieht,  daß  die  Vereine  —  ihre  ErklĂ€rung  abgeben  j 
und  melden".  Dann  verpflichtet  weiter  im  §  12  sich  der  Ver-j 
band,  „seine  Mitglieder  —  zur  Anerkennung  —  zu  beeinflus- 
sen", die  Kassen,  „von  anderweitigen  Vereinbarungen  —  ab- 
zusehen".    Ferner  Abkommen  9.  12.  IQ  in  Ziff.  8,  2:  „die 
Vertragsschließenden  .    .    .    .  ĂŒbernehmen  es  ein- 
zuwirken, daß  die  angeschlossenen  Organisationen  sich  den] 
Vereinbarungen  anschließen".    Hier  liegt  die  SchwĂ€che  den 
VertrĂ€ge:   man  sieht  aus  der  Fassung,  daß  die  VerbĂ€nde  sich  ‱ 
zwar  bemĂŒhen  wollen  und  fĂŒr  den  NichterfĂŒllung  s- 3 
akt    haftbar  gemacht    werden    können,  ob 
sie  aber  die  rechtliche  Macht  und  Geltung 
haben,  ist  leider  sehr  ungewiß.    Die  Oh.n-; 
macht    der    Organisationen,  keinen  Zwa n-g 
ausĂŒben  zu  können,  tritt  beiderseits  deutlich  zu  Tage, 
wenn  nicht  Interesse  am  Gelingen,  corps  d'esprit  und  Selbst- 
disziplin die  angeschlossenen  Organisationen  zum  Beitritt  ver- ; 
anlassen. 

Dies  ist  ein  merkwĂŒrdiger  Zustand,  denn  auch  i  e  - 
der.  der  aus  der  Organisation  austreten; 
will,  ist  ĂŒberhaupt  nicht  mehr  an  den  Ver- 
trag .gebunden.  Es  ist  also  die  rechtliche  Geltung  auf 
die  Dauer  des  Tarifvertrapes  zu  fordern.  Bei  einem  gewerb- 
lichen ArbeitsverhÀltnis,  welches  in  spÀtestens  14  Tagen  pe- 
kĂŒndigt  werden  kann,  spielt  ein  vierteljĂ€hrlich  laufender  Tarif- 
vertrag schon  eine  große  Rolle,  wĂ€hrend  bei  unseren  meist 
einjÀhrigen  VertrÀgen  eine  zehniÀhrige  Tarifdauer  zu  lange 
war.  Bei  kurzer  Tarifdauer  wĂŒrde  sich  das  dann  ausgleichen, 
indem  ja  auch  der  Austritt  durch  KĂŒndigunosbeschrĂ€nkung 
hinausgeschoben  werden  kann  und  somit  ein  Zwang  ausgeĂŒbt 
wird,  die  sogenannte  ..s  o  z  i  a  1  r  e  c  h  1 1  i  c  h  e  Funktion" 
der  Tarif  treue  zu  beobachten.  Das  Gesetz  gibt  aber 
keinen  rechtlichen  Zwang,  fĂŒr  eine  lĂ€ngere  Zeitdauer  als  bis 
zum  Austritt,  diese  Tariftreue  zu  bewahren.  Und  es  muß  im 
gegenseitigen  Vertragsinteresse  liegen,  einen  ehrlichen 
VertragswiPen  zur  Geltung  zu  bringen  und  die  Kongru- 
enz der  Tarifgeltung  und  Tariftreue  zu  mani- 
festieren. Denn  der  gegenseitige  Abschluß  soll  einen  auf  Er- 
fĂŒllung der  Tariftreue  gerichteten  Willen  dokumentieren.  Daß 
bei  Diskrenanz  beider  Faktoren  kein  ge- 
setzlicher 7  wang  möglich  ist.  muß  leider  hin- 
genommen werden.  Unser  bestehendes  Recht  ist  ein  „Indivi- 
dual-Recht".  weVhes  dem  ..Koalitions-Recht"  nicht  gerecht 
werden  kann,  weil  zur  Zeit  des  B.  G.  B.  der  Tarifvertrag  noch 
nicht  bekannt  war.  Wenn  er  aber  auch  nicht  im  B.  G.  B.  ver- 
ankert ist.  so  atmet  er  doch  lebendiges  leben. "mehr  als  ein 
verklausulierter  Arbeitsvertrag,  widerspricht  nicht  der  ..guten 
Sitte"  des  §  1°8.  verstĂ¶ĂŸt  nicht  gegen  gesetzliches  Gebot 
(5  134)  und  nicht  gegen  ..Treu  und  Glauben".  Diese 
Kongruenz  der  sozialen  Gegebenheit  und 
der  korrespondierenden  G e s e t z g e b u n  g  h  a t 
seine  ErklÀrung  in  der  Schnelligkeit  oder 
LangsamkeitdersozialenEnt  wicklung.  welche 
letztere  bei  uns  im  Geschwindschritt  vorwÀrts  gegangen  ist. 
Die  Annassung  ist  erst  durch  die  Revolutionsverordnung  sank- 
tioniert und  war  s~hon  frĂŒher  oftmals  o-eWrVrt  und  verspro- 
chen worden,  so  auch  im  Entwurf  ĂŒber  ..Berufsvereine",  der 
1906  durch  Auflösung  des  Reichstages  zu  Fall  kam.  wenn  er 
auch  verklausuliert  und  in  spanische  Stiefel  eingeschnĂŒrt  war. 
—  Der  mir  vorliegende  Entwurf  ĂŒber  die  Neuorientierung  der 
Organisation  ĂŒberhebt  mich  des  Beweises,  wie  die  Tariftreue 
pm  sichersten  gewÀhrleistet  werden  kann:  nicht  vom 
Verband  erwÀhlte,  sondern  von  unten 
herauf  von  den-  einzelnen  Mitgliedern  in 
organischer  Stufenfolge  bestimmte  und 
prÀsentierte  Vertreter  sollen  bei  den  ietzt 
öfter  als  frĂŒher  notwendigen  Tarifver- 
handlungen mitwirken.  Diese  Dezentralisation  ist 
schon  oft  von  der  Zentrale  selbst  gefordert  worden,  weil  diese 
die  Verhandinngen  nicht  nur  auf  eine  breitere  Basis  stellen.. 
sondern  auch  diese  Basis  als  von  unten  herauf 
geboren   und    dadurch    den    Willen  aller 


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40.  Jahrg.  — Nr.  27/28. 


Referate 


reprĂ€sentierend,  als  „berechtigend  und  verpflich- 
tend" ansehen  und  angesehen  lassen  wollte.  Ein  solcher- 
gestalt zustande  gekommener  Tarifvertrag  wird  nach  innen 
und  außen  die  Kraft  der  Tariftreue,  die  deutsche  Nibelungen- 
treue, dokumentieren,  eine  gesunde  Kritik  nicht  verstummen 
lassen,  die  Kritikaster  aber  aus  dem  Felde  schlagen. 

Interessant  ist  die  Frage,  ob  der  Tarifvertrag  auch  fĂŒr 
„Nichtorganisierte"  gilt.  Im  Berliner  Abkommen  fin- 
den wir  bei  uns  die  Bestimmung  (Ziff.  1):  „einerlei  ob  er 
einer  Organisation  angehört"  —  wĂ€hrend  der  Ersatzkassen- 
vertrag in  Ziff.  1  nur  von  „Verbandsmitgliedern"  spricht,  also 
wie  in  der  Arbeitergewerkschaft  nur  die  Verbandstreuen 
schĂŒtzen  will.  Und  doch  ist  zur  DurchfĂŒhrung  der  Tarif- 
treue notwendig,  daß  wir  in  dem  homogenen  Fundament  des 
kassenÀrztlichen  rechtsfÀhigen  Vereins  nur  solche  Mitglieder 
haben,  welche  auch  die  „Verbandstreue"  einhalten  wollen. 

Wichtig  ist  die  rechtliche  Bedeutung"  der  „Norme  n"  fĂŒr 
die  nachgeordneten  Organisationen.  Hierbei  sollen  die  im  Gel- 
tungsbereich des  Abkommens  geschlossenen  SekundÀrvertrÀge 
einheitlich,  namentlich  in  Hinsicht  auf  MinimalsÀtze,  reguliert 
werden.  Es  ist  dies  die  Unabdingbarkeit,  welche  vielfach 
namentlich  von  Lotmar  gefordert  ist  und  viel  Streit  in  Theo- 
rie und  Judikatur  verursachte,  sowie  eine  Anzahl  fĂŒhrender 
Geister  sich  im  Turnier  tun-meln  ließ.  Bei  der  Arbeitergewerk- 
schaft ist  diese  Unabdingbarkeit  durch  die  „authentische  In- 
terpretation" eines  neuen  Gesetztes  in  Form  der  mit  Gesetzes- 
kraft erfolgten  Verordnung  jus  cogens  geworden.  Und  es  ist 
auch  fĂŒr  uns  eigentlich  nur  eine  logische  Konsequenz,  daß  ein 
Vertrag,  der  im  Namen  und  Sinne  der  Vertre- 
te n  e  n  g  e  s  c  h  1  o  s  s  e  n  i  s  t ,   fĂŒr  diese  rechtlich 


bindend  sein  muß,  denn  ohne  Zwang  in  der  Orga- 
nisation geht  es  unter  den  heutigen  UmstÀn- 
den nun  einmal  nicht.  Nicht  die  Freiheit  bĂŒĂŸen  wir  damit 
und  tauschen  den  Zwang  dafĂŒr  ein,  sondern  nur  die 
Freiheit  zum  Außenseitertum  haben  wir  verloren  und 
einen  Zwang  zu  kollegialer  BetÀtigung  gewonnen.  So  fin- 
den auch  wir  in  unserem  neuen  Abkommen  die  Bestimmung 
—  analog  der  ietzt  gesetzlich  vorgeschriebenen  Unabdingbar- 
keit —  in  der  Einleitung  „unter  die  niedrigsten  SĂ€tze  herunter 
zu  gehen  ....  ist  unzulÀssig"  und  in  ErlÀuterung  zu 
Ziff.  9  „die  dieser  Vorschrift  zuwider  laufenden  Vertragsbe- 
stimmungen sind  ....  zu  beseitigen",  ferner  in  Schlußbe- 
merkung letzter  Satz:  „entgegenstehende  ErlĂ€uterungen 
....  sind  unstatthaft  und  unverbindlich".  —  WĂ€hrend  aber 
bei  den  Arbeitern  die  HöhenĂŒberschreitun^en  nicht  verboten 
sind,  ist  dies  bei  uns  direkt  untersagt:  „die  Kassen  können 
nirht  bezwungen  werden  ĂŒber  die  HöchstsĂ€tze  hinauszugehen 
(Einleitung  Absatz  2):  daß  wir  damit  im  RĂŒckstĂ€nde  gegen 
den  Arbeitertarif  sind,  ist  ersichtlich. 

Der  Tarifvertrag  ist  ein  sozialpolitischer  Csozialreforma- 
tis^her)  Vorgang,  und  wenn  er  gerade  bei  uns  Ärzten  eine  ge- 
nĂŒgende Anzahl  von  Ärzten  dem  ..Konsum"  des  Kassenpubli- 
kums bereitstellt,  wie  vielfach  der  Fall,  so  bildet  er  eine  StĂŒtze 
in  der  Organisation  des  ..Arbeitverkehrs",  in  der  Organisa- 
tion des  „Warenverkaufes"  („Arbeit"  gleich  „Ware").  E  r 
bildet  damit  .  auch  .  volkswirtschaftlich 
einen  nicht  zu  unterschÀtzenden  Faktor 
und  ein  sittliches  Moment,  indem  er  die 
GegensĂ€tze  ĂŒberbrĂŒckt  und  „Ruheim  Ge- 
werbe" schafft. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

8.  April  1922,  1,  Nr.  15. 

Gicht  und  Nuklein.stoffwecksol  im  Lichte  neuer  Forschung.  Schiften- 
heim.  713. 

Pathologisch- Anatomisches  zur  Pathogenese  des  chronischen  MagengeschwĂŒrs. 
Nissen.  715. 

Quantitative  Indicanbestimmungen  im  Blutserum.    Knapper,  Bommel. 

van  und  V  1  o  t  e  n  ,  van.  718. 
Untersuchungen  ĂŒber  die  theoretischen  Grundlagen  und  die  Indikationen  der 

Oalciumtherapie.    Dresel  und  .7  a  k  o  h  o  v  i  t  i  s.  721. 
Experimentelle  Untersuchungen  zur  chirurgischen  AnÀmiebehandlung  durch 

Autotransfusion  von  Blut.    F  u  r  u  k  a  \v  a.  723. 
^»Wirkungen  von  Turnen  und  Sport  auf  die  Körperbildung  erwachsener  junger 

MĂ€nner.   Herxheimer.  725. 
NervenlĂ€hmung  und  Nervenreizung  in  ihrer  Bedeutung  fĂŒr  die  Entstehung 

trophischer  GewebsverĂ€nderungen.    BrĂŒning.  729. 
‱MJie  Behandlung  spoinlylitiseher  LĂ€hmungen  mit  dem  GlĂŒheisen.  W  i  r  t  h.  732. 
Sopholprophylaxe.    Martin.  733. 

Untersuchungn  zur  Frage  der  wechselseitigen  Vaccine  und  Klauenseuche  Im- 
munitÀt bei  Kindern  und  Meerschweinchen.  Uh  Iv.  n  b  u  t  und  Bieber. 
734. 

Die  Reizwirkung  Her  Nahrung  im  Purinstoffwechsel.    .1  o  e  1.  735. 
Untersuchungen  ĂŒber  die  Methodik  und  den  klinischen  Wert  der  Goldsolreak- 
tion im  syphilitischen  Liquor  cerebrospinalis.    G  r  ĂŒ  t  z.  735. 
Ein  Fall  von  Thoraskopagus.    G  o  r  n.  736. 
Doppelseitiger  Herpes  Zoster.    H  i  1  1  e  n  b  e  r  g.  737. 

EmpfĂ€nglichkeit  und  Resistenz  junger  Kinder  gegenĂŒber  grippalen  Erkran- 
kungen.   Meyer.  737. 
‱^Röntgenbestrahlung  des  Uteruscareinoms.    S  e  i  t  z.  741. 

Wirkungen  von  Turnen  und  Sport  auf  die  Körperbildung  er- 
wachsener junger  MĂ€nner.  Unter  dem  Einfluß  intensiv  betrie- 
bener LeibesĂŒbungen  nahm  das  Körpergewicht  erwachsener 
junger  MĂ€nner  durchschnittlich  erheblich  zu.  Gleichzeitig  ging 
eine  deutliche  Zunahme  der  Umfange  von  Oberarm  und  Ober- 
schenkel vor  sich.  Der  Brustspielraum  nahm  regelmĂ€ĂŸig  zu  Be- 
ginn der  körperlich  anstrengenden  Lebensweise  etwas  ab  und 
stieg  spÀter  stark  an.  Die  meisten  der  zur  Beobachtung  gelangten 
MĂ€nner  standen  im  Alter  von  24 — 30  Jahren.  Die  wenigen  im 
Ahn-  von  30  Jahren  und  darĂŒber  stehenden  nahmen  im  Gegen- 
satz zu  den  ĂŒbrigen  an  Gewicht  und  MuskelumfĂ€ngen  ab.  Der 


Körper  muß  sich  also  in  vorgerĂŒcktem  Alter  gegenĂŒber  starken 
Beanspruchungen  anders  verhalten  als  bei  jĂŒngeren  MĂ€nnern. 

Die  Behandlung  spondylitischer  LĂ€hmungen  mit  dem  GlĂŒh- 
eisen. Nach  den  Anregungen  von  Quincke  wurden  FĂ€lle  von 
Spondylitis  mit  LĂ€hmungs-erscheinungen  und  andere  Erkran- 
kungen der  WirbelsĂ€ule  und  des  BĂŒckenmarks  mit  dem  GlĂŒh- 
eisen behandelt.  Die  Erfolge  waren  in  einigen  FĂ€llen  geradezu 
ĂŒberraschend,  insofern  ein  ganz  auffallender  BĂŒckgang  der  LĂ€h- 
mungserscheinungen beobachtet  werden  konnte.  Einen  theoreti- 
schen ErklĂ€rungsversuch  fĂŒr  die  Wirkungsweise  des  GlĂŒheisens 
zu  geben,  ist  zurzeit  nicht  möglich. 

Die  Röntgenbestrahlung  des  Uteruskarzinoms.  Von  58 
strahlentherapeutisch  behandelten  Kollumkarzinomen,  in  die  auch 
die  inoperablen  und  völlig  aussichtslosen  mit  eingerechnet  sind, 
leben  nach  Ablauf  von  5  Jahren  noch  12  =  20,7  %.  Das  sind  Re- 
sultate, die  ungefÀhr  mit  denen  der  erweiterten  Totalexstirpation 
ĂŒbereinstimmen.  Wir  sind  nach  dem  heutigen  Stand  unserer 
Kenntnisse  vollauf  berechtigt,  beim  Uteruskarzinom  die  Operation 
zu  unterlassen  und  die  Kranken  der  Strahlenbehandlung  zuzu- 
fĂŒhren. A.  MĂŒnzer. 

Medizinische  Klinik,  Berlin. 

0.  April  1022,  Nr.  15. 

Salvarsanf ragen.   C  i  tr  o  n.  439. 

Neue  Versuche  auf  dem  Gebiete  der  Kalkstickstoff krankheitÀn.  Hess  e.  4fil. 
Der  abdominelle  Vagusreflex.    Glaser.  462. 

PrimĂ€re  Gasbazilleninfektion  der  Leber  nach  Schrotschuß.    M  a  r  x.  464. 
Höilfieber-Serum-Stauung   und    Impfung    mit    Eigensekret    bei  Urethritis 

gonorrhoica.    Schmidt.  467. 
Subakute  Phasen  bei  C'oxa  deformans.    Schmidt -Weiß.  469. 
Ueber    die    Wirkung    des    Trypaflavins    bei    der    Tuberkulose    der  Haut. 

Schweig.  470. 

‱frUeber  die   Diagnose   der   Skabies    und     ihre     Behandlung    mit  Pranatot 
B  À  u  m  e  r.  471. 

Kann    die    Proteinkörpertherapie    die    spezifische    Immuntherapie  ersetzen. 

Höfer-He,  rzfeld.  473. 
Beitrag  zur  Streptokokkenfrage;     Piorkowski.  474. 
Praktische   Fragen   der   Geburtshilfe.     Runs  e.  476. 
Urologie.    P  a  s  c  h  k  i  s.  478. 


Aus    den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


Leber  die  Diagnose  der  Skabics  und  ihre  Behandlung  mit  Pra- 
natol.  Diagnostisch  nichts  Neues,  bis  auf  den  wenig  bekannten 
mittelalterlichen  Kunstgriff  des  ,,scuren  graben":  „Sticht  man  .  .  . 
mit  einer  Nadel  neben  der  Milbe  in  den  Gang  ein.  so  gelingt  es, 
die  klebrige  Milbe  mit  der  Nadel  herauszuheben  und  unter  das  Mi- 
kroskop zu  bringen." 

Therapeutisch:  Pranatol-Einreibung  in  der  BettwĂ€rme  —  Ge- 
sicht vermeiden  —  an  vier  Abenden  durch  etwa  dreißig  Minuten, 
pm  fĂŒnften  Abend  Pause,  am  sechsten  Bad  oder  Waschung.  Jucken 
nach  der  Kur  beweist  nicht  deren  Mißlingen;  nur,  falls  frische 
GĂ€nge  mit  lebenden  Milben  vorhanden,  ist  die  Kur  zu  wieder 
holen.  Sonst  KleienbÀder,  milde  Decksalben,  bei  stÀrkerer  Ek 
zimbildung  10%  Schwefelzinkpaste.  Bei  nÀssenden  postskabiösen 
Brustwarzenekzemen  erst  UmschlÀge  mit  3%  BorsÀure-Lösung, 
dann  Zink-Wismut-Salbe.  Low  (Döberitz). 

18.  April  1922,  Nr.-  16. 

Klinisches  ĂŒber  die   derzeitige   (irippe.     C  nrs  tli  mann.  491. 
‱H'eber  Abort  und  Aiortbehandlung,    E  n  g  e  1  ni  an  n.  49s. 
Arteriosklerose.    Frey.  495. 

lieber  scheinbares  Entropium  Àer  Neugeborenen.    E  l  s  e  h  n  i  g.  498. 

Ueber  die  Kombinat  on  vou  multipeln  tuberkulösen  Ahscedierungen  des  Un- 
terhautzellgewebes mit  einem  tuberkulösen  Gelenkrheumatismus.  Görke 
499. 

"^Klinische  Erfahrungen  mit  Diadin.     O  p  p  e  n  h  e  i  m  e  r.  SOI. 
Ueber  die  neueren  Bestrebungen  der  HodonĂŒherpflanzung.    M  ĂŒ  h  s  a  m.  .">02. 
Schlußwort.    R  o  s  e  n  t  h  a  1.  502. 

Tuberkelhazillenagglutination.     Christense  n.  502. 

Beiltrag  /.um  Nachweise  aktiver  Tuberkulose   durch    die  Wihlhnlz-lmhufscho 

Intrakutanreaktion.    Heim  b  e  r  g.e  r.  À04. 
Praktische  Fragen  der  Geburtshilfe.    R  u  n  g  c.  50(1. 
Ueber  spĂ€tere  MalariarĂŒckfĂ€lle.    Brandenburg.  508. 
Erworbene,  DeformitÀten  der  Kinder.    P  e  1  t'e  söhn.  509. 

Ueber  Abort  und  Ahortbehandlung.  E.  teilt  die  fieberhaften 
Aborte  ein  in  solrhe,  bei  denen  die  Infektion  auf  den  Uterus  be- 
schrĂ€nkt ist  —  einfache  FĂ€lle  —  und  solche,  die  dessen  Grenzen 
schon  ĂŒberschritten  hat  —  komplizierte  FĂ€lle.  Er  empfiehlt,  bei 
glatten  FÀllen  zunÀchst  einen  Tag  abzuwarten,  Scheidentampo- 
nade  auszufĂŒhren,  Chinin  oder  Sekale  zu  geben,  um  dann  am 
zweiten  oder  dritten  Tage  auszurÀumen.  AuszurÀumen  ist  etwa 
bis  zum  Ende  des  vierten  Schwangerschaftsmonates  mit  der  KĂŒ- 
rette; und  zwar  bei  nicht  fieberhaften  FĂ€llen  mit  einer  breiten, 
scharfen  KĂŒrette,  bei  fieberhaften  mit  der  breiten  stumpfen;  in 
spĂ€teren  Monaten  mit  Finger  und  Abortzange  („Sicherheitszange" 
bei  Dröll  in  Heidelberg).  StÀrkere  Blutungen  sind  eine  Indika- 
tion zur  sofortigen  AusrÀumung,  weil  Blutverlust  die  Wider- 
standskraft gegen  septische  Infektionen  herabsetzt.  Komplizierte 
FĂ€lle  sollen  klinischer  Behandlung  ĂŒberwiesen  werden. 

Klinische  Erfahrungen  mit  Diadin.  O.  empfiehlt  Diadin 
fBöhm)  zur  Behandlung  der  Trichophytien.  Diadin  I  enthÀlt 
Jod,  Diadin  II  Quecksilber  als  organische  Verbindung;  beide  ver- 
ankern sich  nur  an  den  pathologisch  verÀnderten  Zellen  und  grei- 
fen gesunde  Haulpartien  nicht  an.  Die  Herde  werden  1  Zenti- 
meter ĂŒber  den  Band  hinaus  mit  Diadin  I  bepinselt,  nach  sechs 
Stunden  wird  Diadin  II  verrieben,  vom  nÀchsten  Tage  ab  zwei- 
mal tĂ€glich  Vaseline  aufgetragen,  um  das  Abstoßen  der  alten 
Epidermis  zu  beschleunigen.  Das  Diadin  bewirkt  nicht  nur  Hei- 
lung der  Trichophytie,  sondern  auch  anderer  parasitÀrer  und 
infektiöser  Hautkrankheiten.  Bei  exulzerierenden  Formen  des 
Lupus  vulgaris  erzielt  es  Auslrocknung,  bei  Unterschenkelge- 
schwĂŒren  schnelle  Beinigung  der  WundflĂ€chen. 

Low  (DöberitaV 

Wiener  medizinische  Wochenschrift,  Wien. 

1.  Januar  1922,  Nr.  1. 

Das  Taylorsystern   und   die   Medizin.     Duri  g.  fi. 
'MSur  Frage  der  Reinfecf o  syphilitica.    Finger.  9. 

❖  Oer  heutige   Stand   der    Behandlung  der  Kehlkopftuberkulose.     M.   Hi  \  e  k. 
12. 

l'eher  Appendizitis.  II  o  c  h  e  h  e  g  g.  17. 
Die  Nachgohurtsperiode.    P  e  h  a  m.  22. 

Vakzinotherapie    bei    Nervenkrankheiten.      W  a  g  n  e  r  -  .1  a  u  r  e  g  g.  J8. 
Mitteilungen    aus  der    therapeutischen    Röntgenpraxia.     H  ol  ikn  e  cht , 

Lenk,    Fordes.    K  r  i  s  e  r  ,    W  i  n  t  e  r  D  i  t  z.  54. 
Physiolog.    Betrachtungen    ĂŒber  den    Bergsport.     S  t  i  g  1  e  r.  5fi. 

Zur  Frage  der  Reinfectio  syphilitica.  Als  echte  Reinfcktions- 
fÀlle  kann  man  mit  Sicherheit  nur  solche  bezeichnen,  in  denen 
die  abortive  Ausheilung  eines  seronegativen  und  dauernd  wÀh- 
rend und  nach  der  Kur  negativ  bleibenden  Initialaffekts  gelang. 
Ist  der  Fall  einmal  scropositiv  gewesen,  so  ist  immer  die  Mog 
lichkeit  gegeben,  daß  ein  sog.  Pseudochancre  tndure  vorliegt, 
welcher  von  Virus  herrĂŒhrt,  das  von  der  ersten  Infektion  liegen 
blieb  und  nun  zum  Auskeimen  kam. 


Der  heutige  Stand  der  Behandlung  der  Kehlkopftubcrkuioae. 

Die  Lokalbehandlung  mit  antiseptischen  Mitteln  hat  keinen 
spezifisch  heilenden  Einfluß  auf  die  tuberkulösen  VerĂ€nderungen, 
beeinflußt  jedoch  die  Mischinfektionen  im  gĂŒnstigen  Sinn.  Die 
cndolaryngeale  chirurgische  Behandlung  ist  nur  bei  einigermaßen 
begrenzten  Prozessen  und  nur  bei  relativ  gutem  Allgemein- 
befinden zu  empfehlen,  scheint  aber  unter  diesen  Bedingungen 
HĂ€ufig  sehr  erfolgreich  zu  sein.  Ein  die  chirurgische  Behandlung 
hÀufig  ersetzendes  und  oft  ergÀnzendes  Verfahren  ist  die  Gah 
\anokaustik  Von  der  Tuberkulinbehandlung  hat  Verf.  bisher 
nichts  GĂŒnstiges  gesehen.  BezĂŒglich  der  extralaryngealen 
Chirurg.  Behandlung  empfiehlt  er  bei  hochgradiger  Kehlkopf- 
tuberkulöse  und  relativ  gutem  Zustande  der  Lungen  und  des  All- 
gemeinbefindens die  frĂŒhzeitige  Tracheotomie.  Die  Sonnenbe- 
handlung, resp.  die  Belichtung  mit  kĂŒnstl.  Höhensonne  sollte  als 
unterstĂŒtzendes  Moment  neben  anderen  endolaryngealen  Me- 
thoden stets  Anwendung  finden.  Die  Röntgenbehandlung  schein! 
symptomatisch  (gegen  die  Schmerzen)  von  Wert  zu  sein.  Ver- 
suche ĂŒber  die  Wirkung  des  universellen  Kohlenbogenlichtbad*  s 
sind  im  Gange.  R  e  u  s  s  'Wim" 

7.  Januar  1922,  Nr.  2. 

Die  Differöntialdiagnofle   der   Appendizit  s.    O  r  t  n  e  r  ,   N.     77.  _ 
‱H>ie   Strahlenbehandlung  de.«   Uteruskarzinoms   und    ihre   Abgrenzung  t*fa 
operat've    Verfahren.     W  e  i  b  e  1.  W.  81. 
Da.«  Taylorsystem  und  die   MedV.in.     (Fortsetzung.)     D  u  r  i  g.  »4. 
I'eber  Appendizitis.    (Fortsetzung.')    II  o  c  h  e  n  e  g  g.  89. 
Zum   Kapitel  Ergotin    und    ITydrastid  in .     Peters.   H.  109. 
Das  Kohlensaurehad  Marke  „Korten".    MĂŒller.  110. 

Die  Strahlenbehandlung  des  Uteruskarzinoms  und  ihre  Ab- 
grenzung gegen  operative  Verfahren.  Das  operable  Uteruskar- 
zinom  muß  operiert  werden.  Die  Strahlentherapie  ist  fĂŒr  das 
lokal  inoperable  Karzinom  und  fĂŒr  jene  operablen  FĂ€lle  zu  reser- 
vieren,  welche  aus  GrĂŒnden  des  Allgemeinzustandes  einem  ope- 
rativen Eingriff  nur  mit  großer  Lebensgefahr  unterzogen  werden 
könnten.  Verf.  ist  fĂŒr  die  kombinierte  Bestrahlung  mit  Röntgen - 
licht  und  Radium.  Sehr  erfolgversprechend  ist  die  prophylak 
tische  postoperative  Nachbcstrahlung  mit  Röntgenlicht,  aber  nicht 
mit  Radium,  vor  dessen  Anwendung  liier  abzuraten  ist. 

Reuss  'Wien 

14.  Januar  1922.  Nr.  3. 

I'eber  T>arm*tenn«en.     S  c  h  n  i  t  z  1  c  r.  125. 
*Zur  Regelung  de«    Ammenwesen».     Moll.    1..  129. 

4>Pi,.  Verwendung  des  I'rotargol«  bei  rhinolaryngologisrhen  KrariXhe'fsfJUlen. 

Großmahn,  M.  13(5. 
♩VSJcZinetherap  e      hei      Nervenkrankheiten.        (Fortsetzung.)  Wagner- 

.T  a  u  r  e  g  g.  13S. 
Nuforal  als  Tiibr.Tluilosomit.teJ.    Kienil  und  Griesinger.  152. 

Zur  Regelung  des  Ammenwesens.  Es  werden  die  Vorteile 
auseinandergesetzt,  welche  die  Aufnahme  des  Ammenkindes  in  das 
Haus  des  Dienstgebers  mit  sich  bringt.  Nur  derjenige  soll  he- 
i  echtigt  sein,  eine  Privatamme  zu  seinem  Kind  zu  nehmen, 
welcher  deren  Kind  ins  Haus  nimmt  und  sich  verpflichtet,  sich 
den  Vorschriften  des  Ziehkindergesetzes  zu  unterwerfen. 

Die  Verwendung  des  Protargols  bei  rhinolaryngologisrhen 
KrankheitsfĂ€llen.  Bei  Ozaena-NasenspĂŒlungen  mit  0,5 — l%iger 
wÀsseriger  Protargollösung  und  Einlegung  von  WattebÀusch- 
chen, die  mit  10— 15%iger  Lösung  befeuchtet  sind.  Letzteres  Ver- 
fahren bewÀhrt  sich  auch  beim  Asthma  nasale.  Ferner  empfehlen 
sich  Auswischungen  mit  konzentrierter  Protargollösung  nach 
Ablauf  der  Angina  phlegmonosa. 

Vakzinetherapie  bei  Nervenkrankheiten.  Außer  der  s.  Z.  von 
Verf.  mit  Erfolg  eingefĂŒhrten  Quecksilber-TuberkulinbehandluiiL' 
der  Paralyse  hat  sieh  bei  metaluetischen  Nervenkrankheiten  die 
intravenöse  Behindlung  mit  Typhusvakzine  (Besredka)  sehr  gut 
bewÀhrt.  Auch  bei  multipler  Sklerose  wurde  durch  die  Vakzinc- 
therapie  (polyvalente  Staphvlokokkenvakzine  oder  noch  besser 
Typhusvakzine)  in  manchen  FĂ€llen  eine  weitgehende  Besserung 
herbeigefĂŒhrt.  Die  gĂŒnstigsten  Erfolge  wurden  in  der  Paralyse- 
behandlung durch  Ueberimpfung  von  Malaria  erzielt,  welche  n.un 
8—10  FieberanfĂ€llen  durch  Chinin-Neosalvarsan  leicht  koupiert 
werden  kann.  Bei  jeder  nicht  offensichtlich  tuberkulös- n  Menin- 
gitis empfiehlt  es  sich,  eine  (nicht-spezifische^)  Vakzinekur  ein- 
zuleiten. Bei  Meningitiden  nach  SchÀdelbasisfrakturer.  wurden 
durch  intravenöse  Injektionen  von  Staphvlokokkenvakzine  glÀn- 
zende Erfolge  erzielt.  Dieselbe  Therapie  ist  auch  prophylaktisch 
bei  Operationen  am  SchÀdel  zu  empfehlen         Reuss  Wieir. 

21.  Januar  1922.  Nr.  4. 

Die  hysterische  Frau.     R  a  i  m  a  n  n  .  E.  189. 

I'eber  Korrektur  kleiner  Narben  im  Gesicht.    Eitner.  E.  17S. 
Pas  Taylorsystem   und   die   Mediz:n.     (Fortsetzung.!     I»  u  r  i  g  17.V 


8).  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


\  ii  S   (|  o  ii    neuesten   Zeitschrift  <‱  n 


Ueber  Appendizitis     II  n  c  h  c  n  c  ir  g.    (Fortsot7aing.)  i"ß. 
Die  Dlffprent'aldiOKmi.' c  der  Appcnd  z'ti.s.    (l,,nrt«i,ly.iniK.)    O  r  t  u  e  r,  188. 
Ueber   Darmstcnosen.    (Fortsetzung.)     s  c  b  ni  tz  I  c  r.  1RT. 
Alypin  In  der  Rhino-I.«aryngologie.    K  o  M  1  b  r  ,  K,  ms. 
Zur  Thcrap'c  der  Amenorrhoe,  Dysmenorrhoe  mirt  SterilitĂ€t.    K  s  c  Ii  n  ‱  r  . 
R.  19H. 

28.  Januar  1922,  Nr,  5. 

Ober  Anaphylaxie.    I>  r  i  l>  r  a  m  .  K.  209. 
♩Ueber  (Uc  Eneephalitis  lethargiea  epidemica.    Sfiefler.  (!.  um!  Kurs- 
.Goldensteiner,  M.  215. 

Iias  Taylorsystcm  und  die  Medizin.    (Fortsetzung.)  D  u  r  i  g.  —n. 

Ueber   Darmstenosen.    (Schluß.)     Schnitz!  e  r.  224. 
*J5ur  Prophylaxe  des  Schnupfens,    f.  o  t  h  e  i  s  s  e  n  g.  238. 

Zur  Anwendung  des  Miitigals  hei  Dermaltosen-.    Prantncr,  V.  2:1s. 

Ueber  die  Encephalitis  lethargiea  epidemica.  Bericht  ĂŒber 
eine  Epidemie  von  59  FÀllen  in  Linz.  Gipfel  der  MörbiditÀtskurve 
in  der  ersten  FebruarhÀlfte,  rascher  Abfall  iTn  MÀrz.  Heilung 
in  54,2  %  der  FÀlle.  Therapeutisch  schienen  intravenöse  Injek- 
tionen von  Elektrargol  und  subkutane  von  Staphylokokkenvakzine 
gĂŒnstig  zu  wirken.  Gegen  die  nervösen  SchwĂ€chezustĂ€nde  in 
der  Rekonvaleszenz  haben  sich  Strychninin jeklionen  sehr  gut 
bewÀhrt. 

Zur  Prophylaxe  de»  Schnupfens.  Empfehlung  von  Kalnto- 
pyrin  oder  Kalzihyd,  event.  kombiniert  mit  Aspirinschnupf puiver. 

Reuss  ("Wien). 

4.  Februar  1922.  Nr.  6. 

Ober  Kardiospaamus.     Pal,  .?.  251. 
♩Einige  seltene  Indikationen  zur  Sectfo  etoesareĂ€.    schiff  ni  a  n  n  .  .1.  155. 

Die    hysterische    Frau.    (Fortsetz. ms-)     R  a  i  m  n  11  n.  262. 
«(â–șUlquidrast  in  der  Franenpraxis.    Ii  r  a  11  11  -  F  e  r  u  w  a  1  d.  27Ă€. 

Einige  seltene  Indikationen  zur  Sectio  caesarea.  Es  werden 
folgende  FĂ€lle  ausfĂŒhrlich  mitgeteilt:  Sectio  caesarea  bei  Ence- 
phalitis lethargiea,  bei  GraviditÀt  im  inte  rponierk  n  Uterus,  bei 
GraviditĂ€t  nach  intraperitonealer  LigamentverkĂŒrzung  wegen 
Bctroflexio  uteri,  Porro  Operation  bei  rtc.rus  duplex  mit  Endo- 
metritis sub  partee. 

Liquidrast  in  der  Frauenpraxis.  VorzĂŒgliche  Wirkung  bei 
Dysmenorrhoe  mit  Menorrhagien.  30—10  Tropfen  lĂ€ĂŸlich  auch 
fnehr)  ohne  Nebenwirkungen. 

11.  Februar  1922,  Nr.  7. 

‱Metern*  catarrhaliv     E  p  p  i  n  g  e  r  ,  H.    289.  V 
I'eber  den  Nachweis  von  Tuberkclhaziillen  im  dicken  Tropfen.    Lall.  W. 
29a. 

Das  Tnylorsystem   nnil   il;e   Medizin.     D  ur  i  g  ,   A.  ÀWE 

Die  Differentialdia.Kii(i>e  der  Appendizitis.  (Schluß. I    Orlnor.  X.  301, 

Alyptin   iu   der   Rhino-I/aryngolOg!c.     Mayer     Otto.  819. 

Alyptin  in  der  Khino-Uary  ngologie.    Heu  ndl.  A.  319. 

Icterus  cafarrhalis.  Es  handelt  sich  sicher  um  kein  einheil 
liehe  s  Krankheitsbild.  Das  anatomische  Substrat  dĂŒrfte  eine 
parenchymatöse  Hepatitis  sein,  in  derem  Verlauf  die  Leber- 
zellen die  FĂ€higkeit  verlieren,  das  wahrscheinlich  von  den 
Kupfer  sehen  Zellen  gebildete  Bilirubin  zu  adsorbieren 
Milzschwellung  und  SchÀdigung  des  Pankreas  leiten  zu  den  Be- 
ziehungen, welche  zwischen  ■!.  c.  und  Zirrhose  bestehen  The- 
rapeutisch empfiehlt  Verf.  KalomeJ  und  besonders  Tierkohle,  bei 
lÀnger  wÀhrenden  Formen  durchschnittlich  3  Tage  je  3X0,03 
Kalomel,  3  Tage  Carbo.  Die  Nahrung  sei  zellulosereich;  von  der 
anfÀnglich  strengen  DiÀt  wird  bei  lÀngerer  Krankheitsdauer  ab- 
zulassen sein,  man  bevorzuge  die  Kohlehydrate  und  meide  die 
zur  Toxinbildung  in  Beziehung  stehenden  Eiweißsubstanzen  und 
Fette,  resp.  Eipoide.  Milch  ist  noch  das  unschuldigste  Eiweiß- 
nÀhrungsmittel.  Reuss  (Wien 

18.  Februar  1922.  Nr.  8. 

Zur   Anatomie   des   Magens.     'I'  a  n  'I  Irr.   .1.  383. 
‱frZur  Frage  des  Ulcus  duodeni   III.  Therapeutisches.     SchĂŒtz.   E.  *.VT. 
Das   Taylorsystem  und    die    Medizin.     D  u  r  i  g  ,    A.  341. 
Ober  Appendizitis.    II  o  c  Ii  enegg,  346. 
Die  hysterische  Frau.    R  u.  i  m  a  n  n  .  E.  3.r>0. 
Ueber  Optarson.   Strasser,  Alois.  366. 

„Mirion"  in   der  Tulicrkulnsethcrapie.     F  ii  1  d  e  ‱  ,   A.   und   Stern,  Fug. 

Zur  Frage  des  Ulcus  duodeni.  Die  Indikation  zur  Operation 
ist  eine  beschrÀnkte.  Absolut  indiziert  ist  sie  nur  bei  Perfo- 
rationserscheinungen, ausgesprochenen  Stenosenerscheinungen, 
therapeutisch  nicht  beeinflußbaren  und  hĂ€ufig  wiederkehrenden 
Blutungen;  relative  Indikationen  sind  sonstige  Blutungen,  hart- 
nÀckige Beschwerden  und  SchmerzanfÀlle;  soziale  VerhÀltnisse. 
Sonst  interne  Therapie,  welche  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  oft  zur  Dauer- 
heilung fĂŒhrt.  Konsistentere,  leicht  verdauliche  Speisen;  Ein- 
schrÀnkung der  Fleischkost;  hÀufigere,  kleine  Mahlzeiten;  Buhe: 
lokale  WĂ€rme.    Ausgiebige  Alkalibehandlung.      Beuß  (Wien). 


Wiener  klinische  Wochenschrift,  Wien. 

9.  Februar  1922,  Nr.  <;. 

Die    Rrgeonixsc   dir   \  ler  Oceterr.   Oe«alUcbafl   fĂŒr    Erforschung  und 

BekÀmpfung  der  Krebskrankbeit  veranstalteten  Bammclfor«chu»ig. 
l'.e  Her,  s.  E.  121. 

1'ciier  Haomolys'nblldiung  nach  Milzexstirpation,    Weit!    st.  und  stein 

F  127. 

♩Ueber  A.ti'Wscheirtwng  von  Farbstoffen  durch  den  Magensaft  und  durch  die 

Gtelle.  S  a.  x  I  .  1'.   und   S  c  Ii  e  r  f  .   I).  128. 
‱{♩IVber    Lunge tiabszei}  nach    subkutaner    Thoraxverietasung.      II  a  f  m  o  n  i. 

If .  129. 

♩Die     Körpcr»eiteiiteniporatur.     ein     differcntialdiagnostisebes  Hilfsmittel. 
P  o  k  ,  J.  129. 

Elpe   Modifikation   der   Nc'sscrschcn  Spritze.     I.  e.  k  i  s  e  Ii  .  K.  181. 

Zur  Lehre  von  der  Krehskrankheit.   (Schluli  zu  Nr.  5.)    V  r  te.n  kr  I  .  A.  132. 

Nait.ur   und    Kunst   in   der  Geburtshilfe.     Fischer.   .1.  184. 

l  eb  r  Ausscheidung  von  Farbstoffen  durch  den  Magensaft 
tmrl  die  Galle.  Parenteral  einverleibtes  Methylenblau  wird  nicht 
nur  mit  der  Galle,  sondern  auch  sehr  reichlich  durch  den  Magen- 
saft  ausgeschieden.  Magen-  und  DuodenalgeschwĂŒre  beschleuni- 
ge]» hÀufig  diese  Farbstoffsekretion,  auch  wenn  sie  anazid  sind. 
Anazide  haben  hÀufig  eine  Neigung,  'den  Farbstoff  sehr  langsam 
auszuscheiden. 

Ueber  Lungenabszeß  nach  subkutaner  Thoiaxverletzttng. 
Abszeß  im  r.  Oberlappen,  welcher  f>  Wochen  nach  einer  beim  Ab- 
sturz von  der  Straßenbahn  erfolgten  Quetschung  des  Thorax  mit 
Erfolg  operiert  wurde. 

Die  Kbrperseitentcmperatur,  ein  differcntialdiagnostisches 
Hilfsmittel.  Wenn  man  bei  lokalen  fieberhaften  Erkrankungen 
die  Körpertemperatur  in  beiden  Achselhöhlen  bestimmt,  findt  1 
man  auf  der  dem  Krankheilsherd  entsprechenden  Körpers', ii" 
höhere  Temperaturen  (Differenzen  von  0,1  bis  1,1),  was  mil- 
unter  diagnostisch  wichtig  ist.  R  e  u  s  s  (Wien). 

15.  Februar  1922,  Nr.  7. 

♩Ueber  tlochdrucktachykardie.    M  a  n  n  ab  j  r  g     .1.  14Ă€. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Plasmaeiwe.ißes  fĂŒr  die  Klinik   und  Behandlung 

von  Nierenleiden.     Kollert,    V.   und    Starli  nge  r,   W.  Ufi. 
♩M  elier  Sehnu'rzen  in  der  WirbelsĂ€ule,  ihre  anatomischen  Substrate  und  ihre 

Diagnose.  H  a  ß  .  .1.  und  E  i  s  1  e  r  ,  F.  147. 
I'eber  Gritterfasern    in    normaler   menschlich*  r   Haut.     Ii  um  m  a  .    II.  Hti. 
DrĂŒsen  und  drĂŒsige  Gebilde   in  der  Seheide.   'Pa  u  l  i  il  C  u -  Bu  r  la.  l")n. 
Drei  Eröffnung    des    neuen    Instituts    fĂŒr    Histologie    an    der  UniversitĂ€t  iu 

Wien.    S  c  h  a  f  f  e  r  .  .1.  IĂ€6. 
Die  Phthise  im  BuclKlruckergewerbe-.    G  o  r  b  e  r  .  P.  15S. 

Ueber  Hoehdruektaehykardie.  Die  Pulsfrequenz  der  Ilyper- 
lonikcr  ist  in  ungefÀhr  der  HÀlfte  der  FÀlle  normal,  in  der 
anderen  HÀlfte  mehr  oder  weniger  erhöht,  nur  ausnahmsweise 
vermindert.  Das  weibliche.  Geschlecht  stellt  ein  höheres  Kon- 
tingent sowohl  zum  Hochdruck  ĂŒberhaupt  als  auch  zur  Hoch* 
('i  ucktach\.  kardic.  I  ie  Tachykardie  dĂŒrfte  nicht  als  Folge,  son- 
d,rn  als  Begleiterscheinung  der  Biutdryekc  rhöhung  aufzufassen 
sein  und  mit  endokrinen  Störungen  in  Zusammenhang  stehen. 

Ueber  Schmerzen  in  der  WirbelsÀule,  ihre  anatomischen  Sub- 
strate und  ihre  Diagnose.  Unter  109  FĂ€llen  handelte  es  sich  28  mal 
um  Wirbel  malade,  15  mal  um  Spondylitis  deformans,  11  mal  um 
Spondylitis  ankylopoctica,  2  mal  um  Spondylitis  rheumatica,  3'rhal 
um  Tumormetaslasen,  39  mal  um  Spondylitis  tuberculosa,  in  ein- 
zelnen FĂ€llen  um  interne  Affektionen  (BronchialdriisenvergrĂ¶ĂŸe- 
u:ng,  Apicilis,  Aorlendilatation).  Symptomatologie  und  Diffe- 
rentialdiagnose werden  kurz  besprochen.         Beuß  (Wien). 

2::.  Februar  1922,  Nr.  8. 

Ueber  Misehbaktcriophagen.    Ha.il.  ().  und  Watana  be.  '1'.  UM». 
Zur  Methodik  dfeir  Baingewinnung  na.tiver  niTnsclilicber  Leukozyten.  S  t  a  r  - 
linser.  W .  172. 

♩Positive    uns-pezifisehe    Wftssermannsche  und    Meinickescb'    Reaktionen  als 
Folge  von  D.nital  stbviraiĂŒe.    Bauer,  K.  173. 

Zur  Kenntnis  des  Volvulus  t  ei  durch   falsche   Drehung  der  Nabe lschleifc. 

L  e  h  m  a  n  n     II.  17Ă€. 
Befund  von  HernsteinsĂ€ure  im  Zysteninbalt  eines  Glioms.     C  0  r  v  i  n  .  A.  17Ä, 
4»Ueber  Askaridiasi,s  der  Galleinvege.     X  e  u  d  ii  r  f  e  r  .   A.  170. 

Positive  unspezifische  Wa'ssermannsche  und  Meinickesche 
Reaktionen  als  Folge  von  Digitalistherapie.  Durch  eine  Digitalis 
medikation  kann  unter  UmstÀnden  eine  negative  Beaktion  positiv 
werden,  trotzdem  keine  Lues  besteht,  und  zwar  manchmal  nur 
schwach  positiv,  selten  komplett  positiv.  Die  Blutentnahme  zur 
serologischen  Untersuchung  muß  unbedingt  zu  einer  Zeit  ge- 
schehen, da  der  Kranke  unter  keinem  medikamentösen  Einfluß 
sieht. 

Ueber  Askaridiasis  der  Gallenwege.  Die  Diagnose  kann 
schon  vor  der  Operation  mit  gröBter  Wahrscheinlichkeit  gestellt 


486 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


werden.  Das  durch  die  Anwesenheit  von  SpulwĂŒrmern  im  Hepa- 
tikus  erzeugte.  Krankheitsbild  besteht  in  folgendem:  plötzlicher 
Beginn  mit  Ă€ußerst  heftigen  Schmerzen  in  der  rechten  Oberbauch- 
gegend, Fieber  und  Pulsbeschleunigung.  Rein  kostale  Atmung. 
Oberbauchgegend  weich,  Gallenblase  anfangs  nicht  vergrĂ¶ĂŸert, 
nicht  empfindlich,  erst  bei  tiefem  Druck  SchmerzĂ€ußerung.  Ge- 
wöhnlich Erbrechen  von  Askariden.  Sofortiger  operativer  Ein- 
griff dringend  geboten.  Reuß  (Wien\ 

2.  MĂ€rz  1922,  Nr.  9. 

❖Ueber   die    Behandlung;   von    Augenkrankheiten  mit   Tuberkulin.  Meiler, 
J.  193. 

❖Diia   spezifische    Behandlung    der    Augentuherkulose  durch    den  praktischen 

Atz*.    N  (i  w  a  c  k  .  E.  194. 
❖Zur    Diagnose    und    Therapie    des   statischen    Plattfußes.     K  o  m  i  s  e  h  S. 

S.  195. 

❖Praeputium    cOoridis    und    Gonokokken.     Clodi,    E.    und  Sebopper, 
K.  197. 

Die  Verletzungen  des  Auges  und  ihre  gerichtliche  Begutachtung.  H  a  n  k  e  , 
V.  699. 

Medizinisches    und  Aerztliches    aus   Sowjetrußland.     (SchluB.)     V  a  p  p  e  n  - 
heim.  204. 

Ueber  die  Behandlung  von  Augenkrankheiten  mit  Tuberkulin. 
—  Die  spezifische  Behandlung  der  Augentuberkulose  durch  den 
praktischen  Arzt.  Ein  großer  Teil  der  sog.  idiopathischen  Irido- 
zyklitiden  beruht  auf  tuberkulöser  Basis,  auch  wo  an  dein 
Kranken  keine  weiteren  Anhaltspunkte  fĂŒr  Tuberkulose  gefunden 
werden.  Eine  vorsichtig  durchgefĂŒhrte  Tuberkulinkur  hat  in 
solchen  FĂ€llen,  welche  mitunter  jeder  andern  Behandlung  trotzen, 
oft  ausgezeichneten  Erfolg.  Die  Behandlung  besteht  in  subkutanen 
Injektionen  von  Bazillenemulsion,  beginnend  mit  0,001  mg,  in  an- 
fangs 2 — 4  tĂ€gigen,  spĂ€ter  lĂ€ngeren  Intervallen  anseigend,  bis  0,t 
oder  1  g  reiner  Bazillenemulsion.  Bei  Temperatursteigerungen 
ĂŒber  37"  wird  die  letzte  Dosis  wiederholt.  Die  Maximaldosis 
muß  nicht  immer  erreicht  werden.  Der  praktische  Arzt  kann  die 
Lösungen  der  Bazillenemulsion  in  Phiolen  vom  „Staatl.  serothera- 
peutischen Institut",  Wien  IX/2,  Zimmermanngasse  3,  beziehen. 

Zur  Diagnose  und  Therapie  des  Plattfußes.  FĂŒr  eine  rationelle 
Therapie  des  Plattfußes  ist  die  genaue  Kenntnis  vom  Entwicke- 
lungsgrad  von  Wichtigkeit.  Ein  objektives  Urteil  fĂŒr  die  Ent- 
wickelungsrichtung,  ob  progedient  oder  selbst  korrigiert  ge- 
winnen wir  an  der  AbnĂŒtzung  des  Schuhes.  Mit  der  Ver- 
ordnung einer  Einlage  ist  die  Behandlung  des  Plattfußes 
keineswegs  abgeschlossen.  Man  mĂŒĂŸ  trachten,  durch  Massage, 
Gymnastik  usw.  den  Plattfuß  wieder  von  der  Einlage  zu  befreien. 

Praeputium  clitoridis  und  Gonokokken.  In  Anbetracht  des  in 
74,3  %  der  untersuchten  FĂ€lle  erhobenen  Gonokokkenbefundes  in 
der  Praeputialfalte  gonorrhoischer  Weiber  muß  gefordert  werden, 
daß  bis  zur  Ausheilung  der  Erkrankung  die  Praeputialfalte  mecha- 
nisch gereinigt  und  desinfiziert  wird;  ferner  ist  das  Praeputial- 
sekret  regelmĂ€ĂŸig  mikroskopisch  zu  untersuchen. 

Reuß  (Wien). 

9.  MĂ€rz  1922,  Nr.  10. 

Ueber  dien  Abbau  der  GaJlenfarbstoffc  durch  streng  anaernhisch  wachsende, 
fÀulniserregende  Darmbakterien.    Passini.  F.  217. 
❖T'eber  vasomotorische   Störungen  bei   zerebralen  Hemiplegien.  Kahler. 
H.  219. 

❖Der   HacTnolyseversuch    als   Kriterium    fĂŒr   Infiltratbildung  von  Pharmazis. 
P  e  y  r  e  t  .  K.  222. 
tiiht  es  eine   zeitweilige   natĂŒrliche  Resistenz  gegen  Syphilis?  Brandt, 
K.  223. 

❖Zur  Therapie  des  Blepharospasmus.    Blatt,  N.  225. 
Hygiene  im  Denken.  Urteilen  u.  AusdrĂŒcken.    G  r  a  ß  b  e  r  g  e  r  .  K.  226. 

Ueber  vasomotorische  Störungen  bei  zerebralen  Hemiplegien. 
Das  Verhalten  des  Blutdrucks  nach  Lumbalpunktion  (und  even- 
tuell auch  Koffeininjektion)  ist  bei  zerebralen  Hemiplegien  je  nach 
dem  Sitze  des  Herdes  ein  ganz  verschiedenes:  bei  kortikalen  und 
subkortikalen  Herden  steigt  der  Blutdruck  beiderseits  an,  bei 
Herden  in  der  Gegend  der  Stammganglien  und  auf  der  gesunden 
Seite,  bei  pontiner  LĂ€sion  bleibt  der  Druckansieg  auf  beiden 
Seiten  aus.  Diese  Tatsachen  scheinen  in  gewissen  FĂ€llen  auch 
fĂŒr  die  topische  Diagnostik  verwertbar  zu  sein. 

Der  Haemolyseversuch  als  Kriterium  fĂŒr  Infiltratbildung  von 
Pharmazis.  Es  wurde  eine  Reihe  von  Pharmazis  in  vitro  auf  ihre 
haemolytische  Wirkung  untersucht.  Dabei  zeigte  sich,  daß  sĂ€mt- 
liche Pharmaka  (mit  Ausnahme  von  Salvarsan),  welche  Haemo- 
lyse  erzeugen,  bei  subkutaner  Injektion  Infiltratbildung  hervor- 
rufen. Der  einfache  Haemolyseversuch  lĂ€ĂŸt  sich  bei  der  Herstel- 
lung neuer  pharmokologischer  PrÀparate  insofern  praktisch  ver- 
werten, als  er  erkennen  lĂ€ĂŸt,  ob  das  betreffende  PrĂ€parat  bei 
subkutaner  Einverleibung  zur  Infiltratbildung  fĂŒhren  dĂŒrfte  oder 
nicht. 


Zur  Therapie  des  Blepharospasmus.  Nicht  nur  beim  funktio- 
nellen, sondern  auch  bei  den  durch  peripher  liegende  organische 
LĂ€sionen  bedingten  Blepharospasmus  sind  Novokaineinspritzun- 
gen  in  den  Orbicularis  sehr  empfehlenswert,  welche  eine  1 — ijg 
Stunden  andauernde  LĂ€hmung  desselben  hervorrufen.  Die  In- 
jektionen (1  cm3  einer  2%igen  Lösung)  können  tÀglich  einmal 
ohne  jeden  Schaden  vorgenommen  werden.  Wichtig  fĂŒr  den  prak- 
tischen Arzt  bei  der  Behandlung  ekzematöser  Kornealprozesse. 

Reuß  (Wien). 

16.  MĂ€rz  1922,  Nr.  11. 

Chronische    Bazillenruhr   und    Colitis    gravis.     Kling.    D.  2.1(1. 
Das  psyohopbysische  Problem  in  der  Sexualpathologie.    Schwarz     U.  243j 
❖Ein  Fall  von  Balantidiasi.s  coli.    Koliseh,  R.  246. 

❖Ueber  die   Lokalisation   des     akuten     Gelenkrheumatismus     im  Kehlkopf. 
Hntter.  247. 

❖Hygiene  im  Denken.  Urk'  Ion  und  AusdrĂŒcken.    (Schluß.)    Ural!  Ii  erger 

K.  250. 

Die    epidemiologischen    VerhÀltnisse   in  Osteuropa   im    Januar    1922    Pi  eti- 
le r.  J.  254. 

Ein  Fall  von  Balantidiasis  coli.  Bei  einer  50  jÀhrigen  Frau, 
welche  seit  einem  Jahr  an  unklaren  Darmerscheinungen  (meist 
Diarrhoen  mit  Schleimabgang)  und  mehrtÀgigen  Fieberattacken 
litt,  was  zur  falschen  Diagnose  einer  chronischen  Malaria  Veran- 
lassung gab,  deckte  die  Blutuntersuchung  eine  hohe  Eosinophilie 
auf.  Im  Stuhl  enorme  Mengen  von  Balantidium  coli.  Die  Erschei- 
nungen schwanden  auf  Verabreichung  großer  Dosen  von  Azidol- 
pepsin  (es  bestand  Achylie)  und  DarmspĂŒlungen  mit  Chinin- 
lösungen. 

Ueber  die  Lokalisation  des  akuten  Gelenkrheumatismus  im 
Kehlkopf.  Laryngoskopisch  nachweisbare  Schwellung  des  rechten 
Crico-arytaenoidal-(Stimmband-)Gelenkes  bei  einer  22  jÀhrigen 
Patientin  mit  Polyarthritis.  Heiserkeit  und  ins  rechte  Ohr  aus- 
strahlender Schluckschmerz,  leichte  Atemnot.  Heilung  auf  fort- 
gesetzte Aspiringaben  binnen  3  Wochen. 

Hygiene  im  Denken,  Urteilen  und  AusdrĂŒcke».    Die  LektĂŒre 

dieses  prĂ€chtigen  Aufsatzes,  dessen  Gedanken  weit  ĂŒber  das  Son- 
dergebiet der  Medizin  hinausgreifen,  sei  angelegentlichst  emp- 
fohlen! 

BeitrÀge  zur  Klinik  der  Tuberkulose,  Berlin. 

13.  MĂ€rz,  1922,  51,  Nr.  1. 

Di«  kurvenmĂ€ĂŸige  Darstellung  des  Ausfalles  der  Urochroinogenreaktion  in 
ihrer  Bedeutung  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Form  und  Prognose  der  Lungen- 
phtfhise.    Gottsehalk,  A.  1. 
❖Mammillenschaittten  im  Röntgenbilde.    Graf,  H.  12. 

Chondroiturie  bei  Amyloidose!  -der  Nieren.    D  i  e  1 1  ,  K.  18. 

Beitrag    zur    Kenntnis    der    Eigenharnreaktion    nach    Professor  Wildbolz. 
Kuhn,  H.  24. 

❖Physiologische  TuberkulosebekĂ€mpfung.    Waldbrand,  E.  32. 

❖Zur  Kenntnis  der  Tuberkulose  der  Hirnrinde,  sowie  des  atypischen  Verlaufes 

der    entsprechenden    HirnhautentzĂŒndung    (Leptomeningitttis  tuberculosa 

chronica  adhaesiva.    Hirschsoh  n,  J.  38. 

Mamillenschatten  im  Röntgenbilde.  Die  Mamillen  können  sich 
auf  der  Röntgenplatte  als  kreisrunde  Schatten  abzeichnen,  die 
zu  Fehldiagnosen  Veranlassung  geben  können.  Die  Beachtung 
der  symmetrischen  Lage  in  den  unteren  Teilen  der  Lungen- 
felder vermag  vor  solchen  IrrtĂŒmern  zu  schĂŒtzen. 

Physiologische  TuberkulosebekÀmpfung.  Die  durch  die  ver- 
mehrte Schweißsekretion  hervorgerufenen  Kochsalzverluste  be- 
deuten fĂŒr  den  Phthisiker  eine  nicht  genĂŒgend  beachtete  SchĂ€di- 
gung des  Organismus,  die  bei  Erschöpfung  der  verfĂŒgbaren  Chlor- 
reserven zu  einem  Zerfall  von  Körpergewebe  fĂŒhrt.  Schon  bei 
geringeren  Kochsalzverlusten  macht  sich  AnaziditÀt  und  da- 
durch bedingte  Appetitlosigkeit  bemerkbar.  Verf.  empfiehlt  auf 
Grund  dieser  ErwÀgungen  die  Darreichung  von  Kochsalzlösungen 
bei  Phthisikern;  er  berichtet  ĂŒber  befriedigende  Ergebnisse,  ĂŒber 
Besserung  des  Appetits,  allmÀhliches  Nachlassen  der  starken 
Schweissekretion,  sowie  ĂŒber  Gewichtszunahmen. 

Zur  Kenntnis  der  Tuberkulose  der  Hirnrinde  sowie  des  aty- 
pischen Verlaufes  der  entsprechenden  HirnhautentzĂŒndung.  (Lep- 
tomeningitis  tuberculosa  chronica  adhaesiva.)  Kasuistische  Mit- 
teilung mit  anschließender  eingehender  epikritischer  Betrachtung. 
Es  handelt  sich  um  eine  beim  Erwachsenen  beobachtete  in 
SchĂŒben  verlaufene  Meningitis  tuberculosa,  die  vorwiegend  das 
Bild  einer  Erkrankung  der  KonvexitÀt  der  HemisphÀren  ohne 
LĂ€hmung  basaler  Hirnnerven  darbot.  Die  Obduktion  ergab  eine 
chronische  EntzĂŒndung  der  Meningen  im  Bereich  der  KonvexitĂ€t 
auf  tuberkulöser  Grundlage;  die  Exsudation  trat  ganz  in  den 
Hintergrund,  es  zeigte  sich  vielmehr  ein  plastischer,  zu  Verlötung 
und  Schrumpfung  der  Meningen  fĂŒhrender  Prozeß.   Ferner  fanden 


10.  Jahrg.  — Nr.  27/28. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


487 


sich  eine  grĂ¶ĂŸere  Zahl  konglobierter  Tuberkel  im  Großhirn  so- 
wie in  der  BrĂŒcke  mit  begleitenden  enzephalitischen  VerĂ€nde- 
rungen in  deren  Umgebung.  Wolf,  Hamburg. 

25.  Marz  1922,  51,  Nr.2. 

♩>Klini»iche  Einlh'ildng  der  Lungentuberkulose  nach  den  anatomischen  Gruud- 
prozessen.     U  1 1  i  c  i  ,  H.  63. 
Heolxachtungen  Uber  die  Lungentuberkulose  des  Schulkindes  in  ihrer  Be- 
ziehung zur  Stndicneiiiiteiiung  nach  Hauke.    U  r  a  s  s  ,  H.    und  Erna.  100, 
4*l)er  tuberkulöse  „primĂ€re  Komplex"  im  Röntgenbild  der  Lunge.  B  a  1 1  i  n,  127. 
1'iitersucliuug    ĂŒber    l'nruiuoUioraxgase.      Gxass,    H.    und  Meinen, 
11.  H.  134. 

Pe*llsteilung  dieis  Imimwii Kitte zustandea  als  Grundlage  der  kĂŒnstlichen  Iirunu- 
nisierung  zur  Vorbeugung  und  Behandlung  der  Tuberkulose.  R  i  e  e  k  e  n- 
b  e  r  g  ,    H.  146. 

E.uige    Erfahrungen    beim     kĂŒnstlichen     und    uatiirliebeu  Pneumothorax. 

Grass,  H.  151). 
Versuche  zur  Wildbulzscken  Eigenhainreaktion.     Gr  an,  11.  lö". 

'Klinische  Einteilung  der  Lungentuberkulose  nach  den  ana- 
tomischen Grundprozessen.  Unter  Anlehnung  an  das  Aschoff'sche 
Einteilungsprinzip  benutzt  Verfasser 'folgendes  einfaches  Schema, 
das  er  klinisch  brauchbar  und  ausreichend  befunden  hat:  I.  Die 
exsudative  Phthise,  a)  Die  lobÀre  kÀsige  Ineumonie,  b)  die  lobu- 
lare kÀsige  Pneumonie.  II.  Die  produktive  Tuberkulose,  a)  die 
nodöse  Phthise,  b)  die  zirrhotische  Phthise.  Die  fĂŒr  die  ein- 
zelnen Gruppen  charakteristischen  Merkmale  in  klinischer  und 
röntgenologischer  Hinsicht  werden  ausfĂŒhrlich  erörtert  und  zu 
dem  Sektionsbelund  in  Beziehung  gesetzt.  In  ca.  80  %  der  zur 
Obduktion  gekommenen  FĂ€lle  stimmte  der  auloptische  Befund  gut 
mit  der  klinisch  gestellten  Diagnose  ĂŒberein. 

Der  tuberkulöse  „primĂ€re  Komplex"  im  Röntgenbild  der 
Lunge.  Es  gelingt,  bei  besonders  darauf  gerichteter  Aufmerksam- 
keit, im  Röntgenbilde  den  primÀren  Lungenherd  (PrimÀraffekt), 
wenn  derselbe  verkalkt  ist,  als  solchen  zu  erkennen,  auch  dann, 
wenn  er  sich  in  einem  von  tertiÀren  VerÀnderungen,  durch- 
setzten Lungenabschnitt  befindet.  Unter  2500  Lungenplatten 
konnten  in  140  FÀllen,  d.  h.  in  5,6  %  Kalkherde  primÀrer  Herkunft 
gefunden  werden.  Der  verkalkte  PrimÀraffekt "  erscheint  im 
Röntgenbild  als  im  wesentlichen  runder  Schaltenfleck,  der  hÀufig 
flache  Vorbuchtungen  zeigt.  Von  großer  Bedeutung  fĂŒr  die  Er- 
kennnung  des  primÀren  Herdes  sind  die  verkalkten  regionÀren 
LymphdrĂŒsen.  Wolff,  Hamburg. 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

8.  April  1922,  46,  Nr.  14. 

Die  nerue  Kairzinomsfcatiistik.    Winter,  G.  529. 

»M)ie    Blutkörperchensenkungsgeschwlndiigkeit     als  differentiaildiagnostisches 
HUfsmitnell   bei  Adnexerkrankungen.    L  i  n  z  e  n  m  e  i  e  r  ,  G.  535. 
l'eber  Beziehungen  zwischen  dem  befruchteten  Ei  und  dem  gelben  Körper, 
liofstÀtlter,    R.,  542. 

Zur  Aefciologiie  der  Luteincysteu.    v.  Dettingen,  K.J.  548. 

L'eber  die  spontane  Umwandlung  einer  Gesichtslage  in  Hinteirkauptslage  in 
der  Beckenhöhle.    Walz,  W.  554. 

‱frOvarialtberapie  klimakterischer  Toxikodermien.    Hofbauer,  .7.  558. 
lieber  FluorbekanicUung  mit  BazĂŒUosan.    Naujoks,  H.  560. 

Die  Blutkörpercheu-Senkungsgesehw  indigkeit  als  differential- 
diagnostisches  Hilfsmittel  bei  Adnexerkrankungen.  Genaue  An- 
gaben ĂŒber  die  AusfĂŒhrung  der  Blutkörperchensenkung  nach 
Linzenmeier.  Bei  Beschleunigung  der  Blutsenkung,  d.  h.  bei 
Senkungszeiten  unter-  30  Minuten  liegt  mit  grĂ¶ĂŸter  Wahrschein- 
lichkeit eine  entzĂŒndliche  Genitalerkrankung  vor.  Auch  in  FĂ€llen, 
wo  keine  erhöhte  Temperatur  festzustellen  war,  wies  die  Sen- 
kungsbeschlcunigung  auf  eine  EntzĂŒndung  hin.  Eine  einzige  Aus- 
nahme machen  Tubenrupturen  mit  großen  intraabdominalen  Blu- 
tungen. Handelt  es  sich  um  die  Differentialdiagnose  zwischen  vor 
kurzem  gestörten  Extra-uterin-Gravidilaten  und  akuten  Adnex- 
oder  Peritoneal-EntzĂŒndungen,  so  spricht  die  langsame  Senkung 
mit  grĂ¶ĂŸter  Wahrscheinlichkeit  fĂŒr  Tuben-GraviditĂ€t.  Auch  fĂŒr 
die  Prognose  der  Operation  bei  fixierter  Retroflexio,  chronischen 
Adnextumoren  und  Àhnlichen  Affektionen  gibt  die  Blutsenkung 
einen  vorzĂŒglichen  Hinweis.  Bei  Senkungszeilen  unter  1  Stunde 
können  noch  violente  Keime  vorhanden  sein,  man  wird  also  in 
solchen  FĂ€llen  besser  mit  der  Operation  noch  warten;  bei  lang- 
samer Senkung  ĂŒber  2  Stunden  dagegen  sind  sicher  keine  latenten 
Infektionen  mehr  zu  fĂŒrchten,  so  daß  man  mit  großer  Beruhigung 
an  die  Laparotomie  herangehen  kann. 

Ovaria ltherapie   klimakterischer   Toxikodermien.     Verf.  be- 
richtet  ĂŒber  2  FĂ€lle  prĂ€klimakterischer  Dermatosen  die  durch  In 
jektion  von  Ovarialextrakt  zur  Heilung  gebracht  wurden.  Im 
ersten  Fall  handelte  es  sich  um  einen  erysipelartigen  Hautaus- 
schlag im   Gesicht,  der  jeder   Behandlung  trotzte.    Nach  Ein- 


spritzung von  2  1  hiolcn  Ovoglandol  war  schon  am  Selben  Abend 
eine  deutliche  objektive  und  subjektive  Besserung,  vollige  Heilung 
bereits  nach  'S  Yvochcn  eingetreten,  nachdem  jeden  zweiten  Tag 
eine  Einspritzung  gemacht  worden  war.  Der  andere  Fall  betrifft 
eine  48 jÀhrige  Frau,  die  seit  2  Jahren,  seitdem  nur  noch  ganz 
geringtugige  menstruelle  Blutungen  bestanden,  am  ganzen  Körper 
ein  olt  bis  zur  U VertrÀglichkeit  sich  steigerndes  Jucken  ver- 
spĂŒrte, ohne  daß  irgend  eine  Therapie  Linderung  verschaffen 
konnte.  Es  wurden  2  mal  wöchentlich  Injektionen  von  2  Phiolen 
Ovoglandol  gegeben;  nach  4  Wochen  war  Patientin  vollkommen 
geheilt.  Die  Wirkung  wird  darauf  zurĂŒckgefĂŒhrt,  daß  im  Klimak 
lerium  durch  den  Ausfall  innerer  Sekrete  die  Zirkulationsvcrhalt- 
nisse  sich  Ă€ndern,  eine  erhöhte  EntzĂŒndungsbereitschaft  der  Haut 
sowie  weitgehende  ĂŒmstimmung  des  Gewebes  eintritt,  und  daß 
durch  kĂŒnstliche  Zufuhr  des  erforderlichen  Hormons  die  RĂŒck- 
kehr zu  normalen  VerhÀltnissen  eingeleitet  wird. 

Speyer  (Berlin;. 

15.  April  1922,  46,  Nr.  15. 

❖  Erfahrungen     auf     dem     Gebiete     der     KindUeittfiebcr-VerbĂŒtuiig.  Ant- 
feld, F.  562. 

❖Beitrage  zur  Entstehung    der  Mund-    und  Rektumkcium  bei  Neugeborenen. 

S  a  1  o  m  o  n  .  R.  663. 
Die  Entstehung  der  trophobdast-  und  gyneytiullakuneu  des  menschlichen  Eies. 

T  e  m  e  s  v  À  r  y  ,  N.  507. 
❖Das  Uterus-Karzinom  m  Schwangerschaft,  Gehurt  und  Wochenbett.  Uroli, 

E.  O.  567. 

‱5-Zur     Behandlung     der     MastdarmsehĂ€digungun     nach  Strahlenbehandlung. 
K  o  1  d  e  ,  W.  576. 
Ein    neuer    Weg    zur    BekÀmpfung    der    puerperalen    Infektion.      Hof - 
b  a  u  e  r  ,  J.  580 

Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  der  Kindbettfieber-VerhĂŒtung. 
A h  1  f e  1  d  tritt  den  von  Döderlein  im  ersten  Heft  dieses  Jahr- 
ganges der  deutschen  med.  Wochenschrift  empfohlenen  Maßnah- 
men zur  VerhĂŒtung  des  Puerperalfiebers  entgegen.  Diese  gipfel- 
ten in  der  Fernhaltung  aller  Ă€ußeren  SchĂ€dlichkeiten  und  aller 
nicht  dringend  notwendigen  Eingriffe.  Innere  Untersuchungen 
sollten  nur  mit  sterilen  Lummi-Touchierhandschuhen  ausgefĂŒhrt, 
keine  Desinfektion  der  inneren  Genitalien  der  Kreissenden,  kei- 
nerlei BerĂŒhrung  oder  SpĂŒlung  der  Wöchnerin  stattfinden,  im 
Gegensalz  zu  diesen  Döderleinschen  AusfĂŒhrungen  stehen  die  vom 
Verf.  in  Gießen  und  Marburg  wĂ€hrend  der  Jahre  1881  bis  1907 
gewonnenen  Resultate. .  Ohne  EinschrÀnkung  der  inneren  Unter- 
suchung, ohne  Rektaluntersuchung,  ohne  Benutzung  von  Touchier- 
handschuhen,  ohne  Unterlassung  vaginaler  prĂ€liminarer  SpĂŒlun- 
gen bei  ununterbrochener  Benutzung  des  Materials  durch  Studie- 
rende und  HebammenschĂŒlerinnen  auch  in  bezug  auf  die  innere 
Untersuchung  sind  die  vom  Verf.  erzielten  Resultate  mindestens 
ebenso  gut  wie  die  Döderleinschen.  Man  kann  also  in  gut  ge- 
leiteten Anstalten  das  Kindbettfieber  auch  verhĂŒten  ohne  auf  die 
bisher  ĂŒblichen  Untersuchungsmethoden  und  prophylaktischen 
Maßnahmen  verzichten  zu  mĂŒssen. 

BeitrÀge  zur  Entstehung  der  Mund-  und  Rektumkeime  bei 
Neugeborenen.  Durch  Untersuchungen  an  neugeborenen  MĂ€dchen 
versuchte  S.  die  Entstehung  und  die  Arten  der  Mikroorganismen 
in  den  einzelnen  nach  außen  kommunizierenden  Körperhöhlen  zu 
erforschen.  Es  wurden  19  FĂ€lle  genau  untersucht.  In  2  von 
diesen  waren  im  Rektum  sofort  nach  der  Geburt  Bakterien  nach- 
weisbar, die  auch  in  den  nÀchsten  Tagen  nicht  aus  dem  Darm 
verschwanden,  sondern  vorherrschend  dort  gezĂŒchtet  werden 
konnten.  Die  gleichen  Keime  waren  in  der  mĂŒtterlichen  Scheide 
nachzuweisen.  Bei  den  ĂŒbrigen  FĂ€llen  traten  die  ersten  Keime 
im  Rektum  nach  5  Stunden  auf,  nach  12  Stunden  waren  57  °/0 
und  im  Laufe  des  zweiten  Tages  sÀmtliche  Rekta  mit  Keimen 
besiedelt.  Was  die  Mundhöhle  anlangt,  so  wurden  in  46  %  der 
FĂ€lle  Bakterien  sofort  nach  dem  Partus  gefunden.  In  beiden 
Körperhöhlen  beherrschen  die  grampositiven  Kokkenformen  das 
Gesichtsfeld,  zu  denen  sich  sehr  bald  grampositive  StÀbchen 
gesellen.  Schon  recht  frĂŒhzeitig  kommen  sowohl  in  der  Mund 
höhle  wie  im  Darm  Vaginalbazillen  vor.  Nach  dem  Anlegen 
konnten  aus  der  Mundhöhle  sehr  bald  Keime  gezĂŒchtet  werden, 
die  auf  der  Brusthaut  der  Mutter  vorhanden  waren.  Die  Bak- 
terien-Vegetation in  der  Mundhöhle  ist  schon  frĂŒhzeitig  eine 
mannigfache,  in  den  ersten  24  Stunden  konnten  bereits  12  ver- 
schiedene Mikroorganismen,  in  den  ersten  10  Tagen  21  verschie- 
dene Arten  nachgewiesen  werden.  Das  wechselvolle  Verhalten 
der  Mundbakterien  in  den  ersten  24  Stunden  ist  nicht  allein  durch 
die  mĂŒtterliche  Vaginalflora  oder  die  Mikroben  der  Brusthaut, 
sondern  ganz  wesentlich  durch  die  Nahrungsaufnahme  und  den 
Reaktionsumschlag  der  MundflĂŒssigkeit  bedingt.  Bei  dem  kind- 
lichen Mundsekret,  das  zunÀchst  alkalisch  reagiert,  wird  nach 
dem  Anlegen  durch  die  MilchgÀrung  eine  saure  Reaktion  aus- 
gelöst. Diesem  Reaktionsumschlag  passen  s|ph  die  Keime  an, 
denn  in  alkalischen  Medien  wuchern  besser  Kokken,  wÀhrend  bei 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


JO.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


SÀuregegenwart    mehr    die    StÀbchenformen     zum  Vorschein 
kommen.  Außer  den  erwĂ€hnten  Faktoren  ist  fĂŒr  die  Entstehung 
der  .Mund-  und  Rektumflora  die  Umgebung  des  Neugeborenen 
Luft,  Kleidung  und  Pflegepersonal}  von  Wichtigkeit. 

Das  Uterus  -  Karzinom  in  Schwangerschaft,  Geburt  und 
Wochenbett.  In  der  Kieler  Frauenklinik  kamen  in  den  iclzlen 
11  Jahren  <i  FÀlle  von  Kollumkarzinom  wÀhrend  der  GraviditÀt 
und  34  FĂ€lle  1 — 12  Monate  nach  der  Entbindung  resp.  Fehlgeburt 
zur  Aufnahme.  Verfasser  konnte  an  diesem  Material  feststellen, 
was  auch  von  anderer  Seite  schon  beobachtet  ist,  daß  der  Krebs 
in  Schwangerschaft  und  Wochenbett  rascher  als  sonst  wÀchst 
und  rascher  .Metastasen  setzt,  weil  erstens  relativ  jĂŒngere  Frauen 
von  dieser  Komplikation  bell  offen  werden  und  zweitens  die  Hy- 
perÀmie, die  GewebsÀullockerung  und  die  vermehrte  Zirkulation 
tlem  inlillricrenden  und  generalisierenden  Fortschreiten  keinen 
Widerstand  bieten.  Was  die  Prognose  der  Operation  anlangt,  so 
scheint  sie  fĂŒr  die  Schw  angerschaitsoperation  etwas  gĂŒnstiger  zu 
stin.  Bei  den  W'ochenbetloperatione«  scheint,  wahrscheinlich  in- 
folge grĂ¶ĂŸerer  Neigung  zu  septischen  Infektionen,  die  Prognose 
eher  ungĂŒnstig  zu  sein;  auch  die  inoperablen  KomplikationsfĂ€lle, 
die  post  partum  in  Behandlung  kamen,  zeigten  eine  ungĂŒnstigere 
Prognose  als  sonst  im  allgemeinen.  Pas  Material  ist  jedoch  im 
ganzen  so  klein,  daß  man  die  dabei  gefundenen  Ergebnisse  nicht 
ohne  weiteres  verallgemeinern  darf. 

Zur  Behandlung  der  MastdarmschÀdigungen  nach  Strahlen- 
behandlung. Kolde  berichtet  ĂŒber  2  FĂ€lle  von  MastdarmschĂ€di- 
gungen nach  Radiumbehandlung.  In  dem' ersten  Fall  trat  %  Jahre 
nach  der  Bestrahlung  an  der  vorderen  Wand  des  Mastdarms  ein 
erbsengroßes  GeschwĂŒr  auf  mit  stark  infiltriertem  Rand.  Die 
Behandlung  bestand  in  StĂ€rkeklysmen  mit  10 — 20  Tropfen  Opium 
nach  Adler,  Mixtum  agitans  und  Diathermie  (.aktive  Elektrode  in 
der  Scheide,  inaktive  auf  dem  Krtuzbein.)  NachMÖ  Diathermie- 
behandlungen  war  das  GeschwĂŒr  im  Mastdarm  vollkommen  abge- 
seilt. Im  2.  Falle  war  durch  ein  Mißgeschick  das  Mesotorium- 
röhrchen,  das  sonst  immer  intracervical  eingelegt  wurde,  aus  der 
Cervix  herausgeglitten.  3  Monate  spÀter  fand  man  an  der  hinteren 
Scheidenwand  einen  erbsengroßen,  tastempfindlichen  Schorf,  aus 
<Uni  sich  nach  kurzer  Zeit  eine  grĂ¶ĂŸere  Mastdarm-ScheidenfisteJ 
bildete.  Die  Patientin  wurde  jedoch  mit  der  Fistel  nach  Hause 
entlassen  und  kam  erst  nach  2  Jahren  in  ganz  elendem  Zustand 
wieder  zur  Behandlung.  Die  Fislel  war  jetzt  so  groß,  daß  an  eine 
Operation  derselben  nicht  mehr  zu  denken  war;  es  wurde  statt 
dessen  ein  Anus  praeternaturalis  angelegt,  worauf  sich  Patientin 
nach  kurzer  Zeit  sehr  gut  erholte. 

Speyer  (Berlin). 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

22.  April  1922,  49,  Nr.  1C>. 

♩Hodentranfplaiitation  und   IĂŒtnoscxiialiiiit.    Kr.eu.ter.  MS. 

Prosfatecttomia  mediana.    Dehler.  540. 

AJloplastik  bei  Gei'Ă€lJwunden.    Haberlaiul.  542. 

Behandlung  pyogener  Nierenprozesse.    II  a.  r  t  t  u  ti  g.  .">4.V 

Strahlenbehandlung  der  Blasteme.    F  ritsch.  .")4ö. 

Amputation  nach  Griitti.    B  À  h  r.  546. 
^Phalangenreaektion  zur  Beseitigung  von  Fingerkontraktur.    K  c  k  s  t  e  i  n. 

Hodentransplantation  und  HomosexualitÀt.  Verfasser  war 
frĂŒher  AnhĂ€nger  der  Steinach-Lichlenslernschen  Lehre,  hat  aber 
seine  Ansicht  völlig  geÀndert.  Er  hat  einem  heterosexuell  empfin- 
denden, doppelseitigen  Kastraten,  dessen  Triebleben  auch  nach 
Entfernung  der  Hoden  in  seiner  Richtung  unverÀndert  blieb,  einen 
Hoden  eines  schweren  Homosexuellen  implantiert,  natĂŒrlich  unter 
Verschweigen  der  Herkunft  dieses  Transplantats.  Der  Patient 
war  mit  der  Wirkung  der  Operation  „zufrieden".  Von  einer  homo- 
sexuellen Triebrichtung  war  8  Monate  nach  der  Operation  auch 
riiehl  die  geringste  Spur  zu  bemerken.  Diese  Beobachtung  spricht 
durchaus  gegen  die  Lehre  Sleinachs  von  der  spezifischen  Be- 
deutung der  sog.  „F-Zellen".  Die  Hodentransplantion  kann  höch- 
stens als  suggestive  Maßnahme  etwas  leisten. 

Phalangenresektion  zur   Beseitigung  von  Fingerkontraktur. 

Verfasser  schlÀgt  vor,  bei  Fingerkontrakturen,  wie  sie  nach 
Sehnenscheiden  Phlegmonen  vorkommen,  aus  der  Mitte  der  Grund- 
phalanx  ein  1—2  cm  langes  StĂŒck  zu  resezieren.  Die  Beweglich- 
keit wird  dadurch  sehr  gut,  die  VerkĂŒrzung  ist  sehr  wenig  auf* 
fÀllig.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

29.  Apruil  1922,  49,  Nr.  17. 

❖Traeheotomia  Inferior  In     kindlicher  Larynxdiphtherie.    Seifert.  585. 
‱Kiidenkplastik  hei    Tuberkulose.     W  i  e  t  i  n  g.  r>89. 
Ticiexperimentelle  Krampfstudien.    Fischer.  591. 


Erfahrungen  mit  der  Traeheotomia  inferior  bei  kindlicher 
Larynxdiphtherie.  Verfasser  empfiehlt  auf  Grund  von  139  ope- 
rierten FĂ€llen  die  Traeheotomia  inferior  als  Methode  der  Wahl 
bei  der  Larynxdiphtherie  der  Kinder.  Die  Tr.  superior  ist  durch- 
aus nicht  technisch  wesentlich  einfacher  als  die  inferior,  wie 
gewöhnlich  behauptet  wird.  Nachteile  der  Tr.  sup.  sind:  Er 
Schwertes  Decanulemenl,  Verbiegungsstenosen,  Stimnislöpungen! 
Die  Vorteile  der  Tr.  inf.  dagegen:  Leichtes  Decanulemenl, 
Schonung  des  Ringknorpels  und  des  Stimmapparates.  Der  Haupt» 
Vorwurf,  der  der  Tr.  inf.  gemacht  wird,  ist  die  Gefahr  der  —  meisi 
tödlichen  —  Nachblutung.  Unter  den  139  FĂ€llen  des  Verf.  war 
nur  1  Fall  von  Nachblutung  (—  0,71  %).  —  Gestorben  sind  im 
ganzen  33  (.—  23,7  %).  Todesursache  hauptsĂ€chlich  Bronchitis 
und  Bronchopneumonie;  außerdem  Sepsis,  Miliartuberkulose, 
Schrumpf niere,  Herzstörungen  und  Marasmus.  —  Das  Decanule- 
rrient  erfolgte  fĂŒhzeitig,  im  allgemeinen  zwischen  2.  und  5.  Tag. 

PrimÀre  Gelenkplastik  bei  Tuberkulose.  Die  konservative 
Therapie  der  Knochen-  und  Gelenktuberkulose  darf,  nicht  zum 
wenigsten  aus  sozialen  Indikationen,  nicht  zu  weit  getrieben 
werden.  Bei  jahrelang  vergeblich  konservativ  behandelter  kind- 
licher Kniegelenkstuberkulose  hat  Verfasser  in  3  FĂ€llen  durch 
sorgfÀltige  Arthrektomie  unter  Schonung  der  Epiphysen- 
knörpel  —  alle  krankhaften  Teile  des  Knochens  und  Knorpels 
entfernt  und  sofort  eine  Fasciengelenkplastik  angeschlossen.  - 
Wenn  keine  Aussicht  besteht,  ein  bewegliches  Gelenk  zu  er- 
zielen, soll  mit  der  Arthrodese  nicht  zu  lange  gewartet  werden. 

K.  W  o  h  1  g  e  m  u  t  h  I  Berlin  . 

Zeitschrift  fĂŒr  soziale  Hygiene,  FĂŒrsorge  und  Krankenhaus- 
wesen, Berlin. 

1922,  3,  Heft  9. 

❖  leiirr  Arbeitspausen  in  Gewerbebetrieben.    Breiona.  157. 

FĂŒrsorgebeatrebungen    an     Prostituirten     bm     Krankenhaus.      L  o  ‱  w  e  n  - 
«te  in.  263. 

‱frDir    rJicbtbetriebsunfftllversicherung    in    der    .Schweiz.    Hl  b.s  r  lin,  268._ 
Reichswochenh  lfe    und    FamiJieuversicherung.     Salonion.  269. 

Ueber  Arbeitspausen  in  Gewerbebetrieben.   Die  Zahl,  LĂ€nge 

und  Verteilung  der  Arbeitspausen  beeinflussen  in  hohem  Maße 
die.  Arbeitsleistung  und  die  Gesundheit  des  Arbeiters.  Das  von 
B  r  e  z  i  n  Ă€  -  W  ien  fĂŒr  das  öslerr.  Bundesministerium  fĂŒr  soziale 
Verwaltungen  abgegebene  Gutachten  kommt  deshalb  zu  folgenden 
SchlĂŒssen:  Die  Arbeitspausen  innerhalb  der  Arbeitszeit  sind 
wichtig  zum  Schutz  gegen  zu  weitgehende  ErmĂŒdung,  zur  Er- 
möglichung  entsprechender  Nahrungsaufnahme,  sie  können  be- 
deutungsvoll werden  fĂŒr  gewerbliche  Vergiftungen  und  UnfĂ€lle. 

Bei  gewöhnlicher  Tagesarbeit  ist  eine  Essenspause  erforder- 
lich, welche  so  zu  bemessen  ist,  daß  dem  Arbeiter  unter  RĂŒck- 
sicht auf  den  Weg  vom  und  zum  Speiseraum  die  ruhige,  nicht 
hastige  Einnahme  einer  Mahlzeit,  dann  in  der  Regel,  jedenfalls 
aber  bei  muskelanstrengenden  oder  Geschicklichkeit  und  Auf- 
merksamkeit erfordernden  Arbeiten  außerdem  eine  Ruhe  von 
mindestens  20  Minuten  ermöglicht  wird. 

Wo  der  Arbeiter  unter  giftigen  Gasen  zu  leiden  hat,  darf 
die  Pause  keineswegs  weniger  als  1  Stunde  betragen,  bei  der 
Gefahr  der  Aufnahme  von  Giftstoffen  mil  der  Nahrung  ist  die 
Pause  soweit  zu  verlĂ€ngern,  daß  Kleiderwechsel  und  Reinigung 
von  Gesicht  und  HÀnden  möglich  ist. 

Die  sanitĂ€re  und  ökonomische  ZweckmĂ€ĂŸigkeit  kleiner 
Pausen,  die  nicht  mit  Verlassen  des  Arbeitsraumes  verbunden 
sind,  muß  je  nach  den  BetriebsverhĂ€ltnissen  verschieden  beurteilt 
werden. 

Die  Nichtbetriebsunfallversicherung  in  der  Schweiz.  Auf 
Verlangen  der  Arbeitervertreter  erfolgte  die  Einbeziehung  der 
NichtbetriebsĂŒnfĂ€lle  in  die  obligatorische  Versicherung,  und  zwar 
ĂŒbernehmen  die  Versicherten  die  PrĂ€mien  selbst,  nur  der  Bund 
zahlt  ein  Viertel  der  PrĂ€mie.  Der  3.  Jahresbericht  zeigt  nun  — 
nach  den  AusfĂŒhrungen  HĂ€berlins  —  eine  Zunahme  dieser 
UnfÀlle  um  13,7  %,  wÀhrend  die  BetriebsunfÀlle  nur  um  3,9  % 
zunahmen.  Der  NettobetriebsĂŒberschuß  der  BetriebsunfĂ€lle  bc 
liug  152  816  M.,  wÀhrend  der  Nettobetriebsausfall  bei  Nicht  bc- 
triebsunfÀllen  401)923  M.  betrug  (23%  der  Gesamteinnahmen 
Das  Ergebnis  kann  keineswegs  zur  Nachahmung  aufmuntern. 

1922.  3.  Hefl  10. 

‱frZusummeaarbe-H  der  Gemeinden  und  der  VersicherungstrĂ€ger  in   der  so- 
zialen Hygiene.    K  r  a  n  t  r  i  g.  289. 
Der    medizinische    Denst    der     Arheitsinspektion     in    den  Niederlanden. 
K  ra  ihm]  b  u  r  g.  296. 

♩Soll     die     SĂ€uglingsfiir-surge     nur     fĂŒr    Unbemittelte     uneutgeltlich  sein? 
W  einher  g.  299. 

♩Hoehsehulkurse  fĂŒr  GewerbenygiĂ€ne  und  ein  Doktorat  Her  Gewerbebyeien« 
in   Amerika.    T  e  1  e  k  y.  300. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


Aus  den   neues  leu  Zeitschriften 


IV.» 


Zum  Entwurf 

DOS. 


Gr »i'iirr.r«  /ur  Bck&oipfung  drr  Gtaiobloebtekraoltheiton, 


Zusammenarbeit  der  Gemeinden  Und  der  VersicherungstrÀger 
in  der  sozialen  Hygiene  Durch  tine  Arbeitsgemeinschaft,  welche 
die  Landesversicherungsansjalt  der  Hheinprovinz,  die  Kranken- 
Kassen  und  das  stĂ€dtische  GesundheitsfĂŒrsorgeami  der  Stadl 
Ivoin  eingegangen  sind,  Ist  ein  Zusammenschluß  der  sozialhygieni 
sein n  Arbeil  erfolgt.  Nach  den  AusfĂŒhrungen  Kraut.wigs  hat 
sich  dies  besonders  auf  dem  Gebiete  der  LungenfĂŒrsorge,  der 
Kinderhilfe  und  der  Ă€rztlichen  Versorgung  der  bedĂŒrftigen  Fa- 
milienangehörigen außerordentlich  bewĂ€hrt,  sodaß  eine  Nach 
ahmung  wohl  empfehlenswert  erscheint, 

Soll  die  JSĂ€uglingsfĂŒrsoige  nur  fĂŒr  Unbemittelte  unentgeltlich 
»ein?  Mit  Recht  weist  Weinberg  Noeggeratlis  Vorschlag 
zurĂŒck,  die  Wohlhabenderen  von  der  öffentlichen  FĂŒrsorgestelle 
auszuschließen.  Denn  wer  gehört  heute  zu  den  Wohlhabenderen  ' 
Soll  die  FĂŒrsorgestelle  etwa  wieder  eine  ÄrmenfĂŒrsorgeeinrich- 
lung  werden  ' 

Mochschulkurse  lĂŒr  (iewerbehygiene  und  ein  Doktorat  der 
Gewerbehygienc  in  Amerika.  Teleky  berichtet  ĂŒber  eine  nach- 
ahmenswerte Einrichtung  der  gewiß  immer  praktischen  ameri- 
kanischen Großindustrie,  welche  der  UniversitĂ€t  in  Boston  einen 
großen  Fonds  stiftete  zur  Ausbildung  von  GewerbeĂ€rzten  und 
i' abrikÀrzten  und  zu  klinischen,  Laboratoriums-  und  anderen 
Untersuchungen  ĂŒber  den  Gesundheitszustand  der  industriellen 
Arbeiterschaft.  In  einem  einjÀhrigen  Kurse  werden  Aerzte  auf 
allen  Gebieten  der  Gewerb'ehygiene  und  des  Fabrikbetriebes,  der 
speziellen  angewandten  Hygiene  und  der  Unfallheilkunde  ausge- 
bildet, sie  erhalten  dann  ein  „BefĂ€higungszeugnis  zum  öffeht 
liehen  Gesundheitsdienst  in  Gewerbehygiene"'  (Doktor  des  öffent- 
lichen Gesundheitsdienstes  in  Gewerbehygiene). 

Michaelis  (Bitterfeld). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

13.  April  1922,  52,  Nr.  15. 


Wechselnder  Tonus 

trauterine  Reize    und  die  sich  daraus 
gerungen.    B  e  u  1 1  n  e  r,  O.  357. 
‱H'scurio-Append.iciUs   bei   Grippe.     1>  u  b  i  , 
Kritische  Bemerkungen    zur  Pathogenese 
Grund  eines  Falka  mit  Lumbalabszeil 
"^Psychologie  der  Neuxosientherapie.    M  e  i 


des    GebÀrmUtter-Muskele    auf    intrauterine  und 

fĂŒr  die   Praxis    ergebenden  Fl 


J.  363. 

der   akutriii  Pankreasnekrose 
Schweizer,   K.  :stiti. 

:  r  -  M  ĂŒ  1  1  e  r  ,  H.  866; 


auf 


♩Zur  Frage  der  kĂŒnstlichen  Befruchtung.     Bau  in,  a  n  n  ,  E.  373. 

Pseudoappendiciti»  bei  Grippe.  Nach  Beobachtungen  bei  der 
gegenwartigen  Grippewelle  scheint  es  eine  EigenlĂŒmliclikeil  ge- 
rade dieses  —  sonst  leichteren  —  Epidemiezuges  zu  sein,  daß  ZU 
Beginn  der  Krankheit  oft  abdominale  Symptome  in  den  Vorder- 
grund treten. 

WĂ€hrend  der  Grippewelle  1918 — 19  sind  solche  FĂ€lle  seltener 
gewesen;  in  letzter  Zeit  jedoch  war  es  bei  einer  Reihe  von  FĂ€llen 
schwer  zu  entscheiden,  ob  bei  bestehender  Grippe  nicht  eine  I  er 
forativperonitiSj  mindestens  eine  schwere,  destruktive  Appen 
dicitis  mil  drohender  Perforation  vorliege.  Hierbei  mĂŒĂŸte  man 
sich  von  neuem  einprĂ€gen,  daß  tatsĂ€chlich  eine  Pleuritis  dia- 
phragmalica  oder  neuritisene  Erkrankung  der  Bauchwandnerven 
bei  Grippe  ein  derart  schweres  Krankheitsbild  hervorrufen  kann, 
daß  das  klassische  Bild  der  Perforationsperitonitis  in  gradezu 
vollendeter  Weise  vorgetÀuscht  wird.  Wie  kann  man  sich  nun 
vor  solchen  u.  U.  recht  folgenschweren  IrrtĂŒmern  schĂŒtzen'  In 
den  meisten  Fallen  wird  tatsĂ€chlich  eine  genaue  BerĂŒcksichti- 
gung des  Verhaltens  der  Lokal-  und  Allgemeinerscheinungen 
zueinander  zur  richtigen  Diagnose  fĂŒhren.  Treten  die  Abdominal- 
<  rscheinungen  gleich  zu  Beginn  der  Grippeerkrankung  auf,  bevor 
z.  B.  Lungensymptome  nachweisbar  sind,  so  dĂŒrfte  die  Differen- 
tialdiagnose leicht  sein.  Besonderer  Wert  ist  auf  das  Mißver- 
hÀltnis zwischen  ungewöhnlich  hoher  Temperatur  und  niederem 
Puls  zu  legen.  Initiale  Temp.  ĂŒber  39,2°  spricht,  besonders  bei 
Kindern,  durchaus  gegen  Appendicilis.  Wichtig  ist  es  ferner,  den 
Atemtypus  zu  beobachten:  die  scheinbar  schwere  „Perforations- 
peritonitis' atmet  merkwĂŒrdigerweise  doch  abdominal,  wĂ€hrend 
eigentlich  der  costale  Atemtypus  vorhanden  sein  mĂŒĂŸte.  Treten 
die  Abdominalerscheinungen  erst  geraume.  Zeit  nach  bestehender, 
mit  Lungensymptomen  einhergehender  Grippe  auf,  so  ist  an  dem 
Lokalbefund  —  starke  Bauchdeckenspannung  und  Entlastungs- 
schmerz differentialdiagnostisch  kaum  etwas  zu  deuteln.  Ist 
anamnestisch  frĂŒher  noch  eine  Appendicitis-Attacke  voraus- 
gegangen, so  kann  eine  sichere  Diagnose  fast  nicht  gestellt  wer- 
den; am  ehesten  ist  mit  dem  Fehlen  des  Erbrechens,  das  gegen 
Appendicitis,  mindestens  gegen  eine  destruktive  Form  derselben 
spricht,  etwas  anzufangen.  Ein  intuitives,  auf  „Blick"  und  Er- 
fahrung gegrĂŒndetes  Erfassen  der  Situation  nĂŒtzt  dann  mehr  als 
lehrbuchmĂ€ĂŸige  Ueberlegungen. 


Zur  Psychologie  der  Neurosen-Therapie.  Wenn  die  Neuron 
das  Produkt  ist  der  Beziehungen  zwischen  Individuum  und  Gc 
sellsehafi,  so  ergeben  sich  daraus  fĂŒr  therapeutische  Beein- 
flussungsmöglichkeiten  2  Angriffspunkte;  das  Individuum  einer 
stiis  und  die  Gesellschalt  andererseits,  Kein  Gebiel  Àrztlicher 
TĂ€tigkeit  verlangt  soviel  Individualisierung,  wie  die  Psycho- 
therapie; stets  wird  das  angeborene  oder  anerzogene'  Ein- 
fĂŒhlungsvermögen den  erfolgreichen  Psychotherapeuten  kenn- 
zeichnen. Mit  Ausnahme  der  Psychoanalyse  bedienen  sich  alle 
ĂŒbrigen  psychotherapeutischen  Methoden  in  ausgiebigem  Maße 
bewußt  oder  unbewußt  der  Suggestion.  Schon  ein  Vergleich  des 
relativ  kleinen  Bruchteils  der  Zeit,  die  der  Pat.  unter  dem 
direkten  Einfluß  des  Arztes  verbringt,  mil  der  Zeilspanne,  wo 
er  den  —  meist  schĂ€dlichen  —  MilieueinflĂŒssen  unterworfen  isl, 
sollte  den  Psychotherapeuten  veranlassen,  wÀhrend  der  ihm  zur 
VerfĂŒgung  stehenden  Zeit  den  ganzen  Apparat  suggestiver  Mög- 
lichkeiten spielen  zu  lassen. 

Von  großer  Wichtigkeit  isl  die  eingehende  körperliche  Unter- 
suchung des  Pat.,  vor  allem,  damit  der  Pat.  selbst  den  Eindruck 
gewinnt,  daß  der  Arzt  sich  genauestens  mit  ihm  beschĂ€ftigt  und 
ein  event.  bestehendes  organisches  Leiden  nicht  etwa  ĂŒbersieht. 
Hat  man  den  Neuroliker  von  seiner  körperlichen  Gesundheit 
ĂŒberzeugt  —  was  keineswegs  immer  leicht  ist  —  so  sieht  man, 
wie  er,  von  einem  Alpdruck  befreit,  aufatmet  und  wie  seine  angst- 
neurotischen Beschwerden  —  ohne  Psychoanalyse!  ver- 
sehwinden. 

Ein  weiteres,  den  Enderfolg  unterstĂŒtzendes  Moment  liegt  in 
der  Menschenfreundlichkeit  des  Arztes.  Man  erlebt  manchmal 
das  Wunderbare,  daß  das  dem  Pat.  gegenĂŒber  hezeugte  Wohl- 
wollen allein  schon  wesentlich  zur  Besserung  seines  Zustande« 
beitrÀgt. 

Die  durchaus  komplexe  Leistung  der  Psychotherapie  lĂ€ĂŸt  eine 
FĂŒlle  von  Eigenschaften*  des  Arztes  von  Bedeutung  sein.  Das 
Ethos  im  Arzt,  der  selbst  in  den  StĂŒrmen  des  Lebens  seine« 
Charakter  entwickelt  hat,  muß  der  Kranke  herausfĂŒhlen,  um  sich 
von  ihm  als  dem  ĂŒberlegenen  Menschen  leiten  zu  lassen. 

Zur  Frage  der  kĂŒnstlichen  Befruchtung.  Verf.  ergĂ€nzt  die 
an  gleicher  Stelle  angeschnittene  Frage  ĂŒber  die  Verwendbarkeit 
des  Nassauerschen  Fruktulets.  Bei  Dysmenorrhöen  und  spasli 
sehen  ZustÀnden,  besonders  den  durch  Cervixengen  verursachten, 
hal  er  recht  gute  Erfolge  gesehen.  Im  eigentlichen  Indikations- 
gebiet, der  StciiliiÀt,  erzielte  er  keinen  einzigen  Erfolg;  statt 
dessen  beobachtete  er  schwerste  Störungen,  wie  Eiterungen, 
Blutungen,  Dekubiltaluciera  usw.  Von  4  FĂ€llen,  die  ihm  besonders 
eindrucksvoll  gebliehen  sind  und  ihn  dazu  bewogen  haben,  das 
Fruktulel  gegen  SterilitÀt  entschieden  abzulehnen,  teilt  er  Einzel- 
heiten mit.  Held  (Berlin). 

20.  April  1922,  52,  Nr.  16. 

Kosmetische  Nasonoperutionen.     Gallus  sc  r,   E.  381. 
GegenwÀrtige  Methode»!  der  Gesicbtsplastik.    Schlaepcr.  K.  S83. 
Fremdkörper  im  linken  FlaupKlbronchus  bei  einem  15  Monate  alten  Knaben. 
Stiissel,  H.  386. 

*J*lIei1ergebnisse  bei,  den  Frakturen  am  unteren  Radiusende.    L  u  i  g  i  C  ö  u  t  i. 
389. 

Die  Heilergebnisse  bei  den  Frakturen  am  unteren  Radius- 
ende. Verf.  gibt  an  Hand  von  542  FĂ€llen,  die  im  Zeitraum  von 
2  Jahren  von  der  schweizerischen  Unfallversicherung  registriert 
worden  sind,  einen  zusammenfassenden  Ueberblick  ĂŒber  diese 
Frakturen  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Heilergebnisse. 
Danach  ergibt  sich,  elaß  die  Radiusfraklur  am  hĂ€ufigsten  im 
2.  Lebensdezennium  vorkommt.  Bis  zum  17.  Lebensjahre  trifft 
man  die  subperiostale  Bruchform,  von  da  an  nicht  mehr.  Epi- 
physnlösungen  sind  bis  zum  19.  Jahr  zu  beobachten.  Nur  42  % 
der  Radiusfrakturen  standen  mit  der  Berufsarbeit  in  Zusammen- 
hang. Einen  relativ  hohen  Prozentsatz  (9%)  der  SpeichenbrĂŒche 
liefern  die  UnfĂ€lle  beim  TĂŒrnen.  In  24  %  aller  FĂ€lle  bestand  auch 
Abriß  des  Proc.  styloid.  ulnae;  in  y,  dieser  FĂ€lle  fehlte  die 
Dislokation.  Die  durchschnittliche  Heilungszeit  betrug  6  Wochen, 
im  2.  Lebensdezennium  nur  \V?  Wochen. 

Zur  Heilung  gelangten  94%  der  MĂ€nner,  93%  der  Frauen. 
Die  angeheilt  gebliebenen  erhielten  Renten  zwischen  10— -30  %. 

Held  (Berlin). 

El  siglo  medico,  Madrid. 

18.  MÀrz  1922,  69,  Nr.  »562. 

Erkennung  von  MilchsÀure   im   Mageninhalt.     Catro,  S.    281.  À 
GegenwÀrtiger  Stand    der    Lehre    von   der    inneren  Sekretion.     M  a  r  a  n  "  n 
y  P  o  s  a  (1  i  1  1  0  .  O.  283. 

Allgemeine  Uebersicht  ĂŒber  die  Malariabejeitmpfung.    sella,  M.  287. 

Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spaii.nn.""  Antufiano,  L.  M.  291. 


490 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/2«. 


El  siglo  medico,  Madrid. 

25.  MĂ€rz  1922,  69,  Nr.  3563. 

Injektionen  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie-.    Marin  Aast,  M. 
309 

Beitrag-  zur  chirurgischein  Behandlung  der  Ozaena.    Barajas  Y  De  V  i  1  - 

c  h  e  s  .  J.  M.  312. 
GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  -der  inneiren  Sekretion.    Marafion  Y 

P  o  s  a  d  i  1 1  o  ,  G.  314. 

Allgemeine  Uebersicht  ĂŒber  die  MalariabekĂ€mpfung.    S  e  1 1  a  ,  M.  317. 
Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien.    Antufiano,  L.  M. 
321. 

1.  April  1922,  69,  Nr.  3564. 
Klinische  Seltenheiten.    Cair«rai.  338. 

KĂŒnstliche   Immunisation    bei   Tuberkulose.     V  i  1  1  e  g  a  s  ,    R.  339. 
Injektionen  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie.    Marin  A  m  a  t  M. 
341. 

GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.  Marafion  Y 
Posadillo.  G.  343. 

Allgemein©  Uebersicht  ĂŒber  die  MalariabekĂ€mpfung.    S  e  1  1  a  ,  M.  347. 

8.  April  1922,  69,  Nr.  3565. 

^Experimentelle  Studien  ĂŒber  die  Physiologie  des   Geruchs.    C  a  1  d  e  r  i  u  , 
A.  M.  365. 

KĂŒnstliche  Immunisation  bei  Tuberkulose.    Villegas.  R.  367. 
Injektionen  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie.    Marin    A  in  a  t , 
M.  370. 

GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.    Marafion,  T. 
und  P  o  s  a  d  i  1 1  o  ,  G.  372. 
❖Allgemeine  Uebersicht  ĂŒber  die  MalariabekĂ€mpfung.    S  e  1  1  a.  375. 

Experimentelle  Studien  ĂŒber  die  Physiologie  des  Geruchs.  Die 
IntensitÀt  der  Perzeption  des  Geruchs  irgendeiner  Substanz  hÀngt 
einzig  und  allein  ab  von  dem  Index  der  Löslichkeit  in  dem 
wÀssrigen  Mantel,  der  die  Geruchszelle  umgibt  und  in  den  Lipoi- 
den, die  ihr  Protoplasma  und  ihre  Deckmembran  ausmacnen. 
Diese  Eigenschaft  —  die  GeruchskapazitĂ€t  —  ist  in  jedem  Lalle 
proportional  dem  Löslichkeitsindex.  Diese  GeruchskapazilÀt  kann 
nur  fĂŒr  die  Körper  gleichgesetzt  werden,  die  dieselbe  chemische 
Zusammensetzung  haben.  FĂŒr  alle  ĂŒbrigen  FĂ€lle  muß  man  die 
relativen  VerÀnderungen  den  Eigenschaften  dieser  Substanzen 
anpassen,  innerhalb  welcher  aber  sich  immer  die  obengenannten 
Beziehungen  finden. 

Allgemeine  Uebersicht  ĂŒber  die  MalariabekĂ€mpfung.  Ver- 
fasser bringt  zuerst  eine  Uebersicht  ĂŒber  die  Malariaverbreitung 
in  den  verschiedensten  LÀndern;  so  sterben  jÀhrlich  in  Indien 
1 130000  Menschen  an  Malaria,  wÀhrend  die  Erkrankungsziffer  un- 
gefÀhr 100  Millionen  betrÀgt.  In  Spanien  erkrankten  im  Jahrig 
1916/17  auf  je  100  000  Einwohner  11  Personen;  im  Jahr  also  un- 
gefÀhr 120  000  Erkrankungen,  doch  sind  dies  nur  die  FÀlle,  die  zur 
Ă€rztlichen  Kenntnis  gelangen;  in  Wirklichkeit  dĂŒrfte  die  Erkran- 
kungsziffer sich  auf  400  000  belaufen.  Um  den  Kampf  gegen  die 
Krankheit  energisch  zu  fĂŒhren,  sind  die  verschiedensten  Mittel 
nötig:  zuerst  der  Kampf  gegen  die  Anopheleslarven;  Bedecken  von 
TĂŒmpeln  mit  Petroleum,  Drainage  der  Felder,  Regulierung  der 
WasserlÀufe.  In  Nord-Amerika  ist  man  hier  schon  weit  vorge- 
schritten, man  hat  breite  und  tiefe  DrainierungskanÀle  angelegt, 
durch  die  das  Meerwasser  hereinfluten  kann;  die  Vernichtung  der 
Larven  geschieht  durch  die  Strömung  des  Wassers  und  durch 
larvenfressende  Fische.  Man  hat  jetzt  versucht,  diese  Fische  auch 
in  Europa  anzusiedeln. 

Ein  weiteres  Mittel  ist  die  Prophylaxe  mit  Chinin.  Ferner 
mechanischer  Schulz  gegen  die  Anopheles;  doch  ist  dieses  Mittel 
nicht  sehr  wirksam.  Verfasser  geht  nun  auf  die  Kosten  ein,  die 
ein  wirksamer  Kampf  gegen  die  Malaria  verursacht  und  nimmt 
als  Grundlage  die  in  Amerika  errechneten  Zahlen.  Die  Unkosten 
wechseln,  je  nachdem  es  sich  um  grĂ¶ĂŸere  und  kleinere  Orte  und 
um  das  Land  handelt.  Im  ersten  Jahre  betragen  die  Unkosten  pro 
Kopf  zwischen  2,50 — 7,50  fr.;  in  den  nĂ€chsten  fallen  diese  un- 
gefÀhr auf  die  HÀlfte.  Die  Verminderung  an  Neuerkrankungen 
belief  sich  im  ersten  Jahre  auf  70 — 94  %,  im  zweiten  auf  94 — 98  %. 

Ueber  den  Schaden  in  wirtschaftlicher  Beziehung  gibt  Verf. 
folgende  Zahlen  an:  ein  Todesfall  an  Typhus  oder  an  Tuberkulose 
entspricht  einem  Ausfall  von  450 — 500  Arbeitstagen;  ein  Todesfall 
an  Malaria  entspricht  einem  solchen  von  2000 — 4000  Tagen. 

Das  erste  Land,  das  ein  Gesetz  zur  BekÀmpfung  der  Malaria 
erlassen  hat,  ist  Italien;  dieses  ist  jedoch  nicht  vollkommen,  da  es 
hauptsÀchlich  billige  oder  unentgeltliche  Abgabe  von  Chinin  vor- 
sieht, die  aktive  BekĂ€mpfung  der  Anopheles  aber  außeracht  lĂ€ĂŸt; 
trotzdem  ist  die  Sterblichkeit  von  41,7  auf  100  000  im  Jahre  1901 
auf  5,7  im  Jahre  1914  heruntergegangen.  In  Amerika  ist  die  Ge- 
setzgebung weiter  gegangen:  sie  geht  vor  allem  auf  die  Vernich- 
tung der  Larven  aus.  Jede  medizinische  Behörde  einer  Kommune 
fordert  die  experimentelle  Station  des  Staates  auf,  die  Larven- 
herde zu  bezeichnen,  die  anzuwendenden  Mittel  zu  bestimmen  und 


die  Kosten  zu  veranschlagen.  Die  Kommunen  tragen  dann  75  % 
der  Kosten,  der  Staat  die  restlichen  25  %.  Verfasser  schlÀgt  nun 
als  Richtlinien  fĂŒr  eine  kommende  Gesetzgebung  in  Spanien  fol- 
gende vor:  Organisation  der  einzelnen  Landesteile,  keine  Be- 
schrÀnkung aut  nur  ein  Mittel  in  der  BekÀmpfung,  finanzielle  Be- 
teiligung ĂŒes  Staates.  Die  Unkosten  wĂ€ren  zu  tragen  zu  50  %  von 
der  Bevölkerung  direkt;  zu  25  %  von  den  Provinzen,  zu  25  %  vom 
Staate.  Alle  Malariakranken  sind  wie  Infektionskranke  zu  behan- 
deln; jeder  ist  verpflichtet,  eine  Gesundheitskarte  mit  sich  zu 
fĂŒhren,  auf  der  die  Fieber  und  die  Behandlung  einzutragen  sind. 

bm  die  BekĂ€mpfung  durchfĂŒhren  zu  können,  ist  die  Schaffung 
von  technischem  Personale  notwendig,  das  auf  besonderen  Schulen 
vorgebildet  ist;  Italien  hat  schon  eine  solche  Schule  eingerichtet. 
Ein  weiterer  wichtiger  Faktor  ist  die  Beschaffung  des  Chinins. 
Jetzt  werden  90  %  des  Weltbedarfes  in  Java  hergestellt.  Fast  alle 
dortigen  Gesellschaften  haben  sich  zu  einem  Konzern  zusammen- 
geschlossen und  bestimmen  so  den  Preis.  WĂ€hrend  1914  das  Kilo 
30  Fr.  kostete,  kostet  es  jetzt  200  Fr.  Die  Preise  werden  auch 
dadurch  kĂŒnstlich  in  die  Höhe  getrieben,  daß  der  Konzern  mit 
der  Ware  zurĂŒckhĂ€lt:  so  wurden  1919  640  288  kg  aus  Java  expor- 
tiert, 1920  dagegen  nur  418  861  kg.  Das  beste  Mittel  hiergegen 
sei,  daß  man  sich,  wie  es  Japan  getan  hat,  unabhĂ€ngig  von 
diesem  Konzern  mache.  Ferner  sei  anzustreben,  daß  man  Chinin 
kĂŒnstlich  herstelle  und  weiter  versuche,  ein  spezifisches  Heil- 
mittel —  Ă€hnlich  dem  Salvarsan  —  herzustellen.  —  Zum  Schluß 
fĂŒhrt  dann  Verfasser  aus,  daß  wenn  der  Kampf  gegen  die  Ma- 
laria auch  bisher  in  Europa  noch  nicht  die  Resultate  geliefert 
hat,  wie  der  in  Amerika  gefĂŒhrte,  so  dĂŒrfe  man  deswegen  nicht 
verzagen,  sondern  eben  durch  die  oben  angefĂŒhrten  Maßnahmen 
dazu  beitragen,  den  Kampf  erfolgreich  zu  gestalten.  Lurje. 

II  Policlinico,  Rom,  Sezione  Pratica. 

17.  April  1922,  29,  Nr.  16. 

❖Serotberapie.    Toni,  G.  de.  505. 

❖Nachweis  von  Tuberkelbazillen  im  Urin.    Frugale,  O.  511. 
*H'b:rurgie  de«  Dickdarms.    Gras  so,  S.  516. 

ImmunitÀt  gegen  Influenza.    Casiere.  D.  519. 
^Prophylaxe  der  Vulvovaginitis  bei  MĂ€dchen.    Haisimi,  G.  520. 

Ueber  Serumtherapie.  Gibt  eine  eingehende  Uebersicht  ĂŒber 
seine  mit  der  Serumtheriapie  insonderheit  bei  Diphtherie  ge- 
machten Erfahrungen.  Hinsichtlich  der  Dysenterie  verhÀlt  er 
sich  sehr  zweifelnd,  ebenso  auch  hinsichtlich  des  Tetanus,  sieht 
indes  auch  hier  Natrium  durch  die  Serumtherapie  die  Heilung 
kommen.  . 

Neue  Anreicherungsverfahren  zum  Aufsuchen  der  Tuberkel- 
bazillen im  Urin.  Unter  Zuhilfenahme  von  Kolloidalsubstanzen 
unterzieht  man  den  Urin  einer  mechanischen  FÀllung,  löst  das 
Praecipitat,  zentrifugiert  und  findet  in  dem  Zentrifugate  auch  die 
geringste  Menge  Tuberkelbazillen. 

Um  schnell  Tb-Bazillen  zur  mikroskopischen  Untersuchung 
zu  erhalten,  erwÀrmt  man  schnell  den  Urin  nach  Zusetzung  von 
flĂŒssigem  Eiweiß,  löst  das  Coragulat  mit  Hydrat  und  zentri- 
fugiert. FĂŒr  biologische  Untersuchungen  empfiehlt  sich  die  fĂŒr 
den  Typhus  gebrÀuchliche  Fickersche  Reaktion  in  modifizierter 
Form.  Auch  ist  fĂŒr  die  Kultur  die  von  Pe  troff  angegebene 
Methode  zu  empfehlen. 

Beitrag  zur  Chirurgie  des  Dickdarms.  Berichtet  ĂŒber  zwei 
FÀlle  von  DickdarmschÀdigung,  eine  des  Colons  und  eine  des 
Blimddarmis. 

Bei  dem  einen  der  FĂ€lle  ergab  das  Außerachtlassen  der 
Drainage  die  Notwendigkeit  einer  neuen  Operation. 

Verfasser  betont,  wie  wichtig  gerade  bei  diesen  Operationen 
die  Asepsis,  die  Dichtheit  der  NĂ€hte  und  die  Kurzhedt  der  Drai- 
nage ist.  Nur  wenn  völlige  Asepsis  verbĂŒrgt  werden  kann,  kann 
die  Bauchwunde  geschlossen  werden.  Im  allgemeinen  ist  jedoch 
die  Behandlung  der  DickdarmschÀdigungen  recht  verschieden  von 
der  des  anderen  Darmtraktus,  sie  kann  entweder  konservativ  oder 
operativ  sein. 

Ueber  die  Prophylaxe  der  kindlichen  Vulvovaginitis.   In  der 

Mehrzahl  der  FĂ€lle  handelte  es  sich  um  Gonokokken  als  Erreger, 
wohl  aber  auch  um  Staphylokokken,  Strepto-  und  Pneumokokken. 

Als  Ansteckungsweise  kommt  in  seltenen  FĂ€llen  das  Stuprum, 
meistens  die  Ansteckung  in  der  Familie  in  Betracht.  Der  Arzt 
hat  dieser  Tatsache  Rechnung  zu  tragen  und  vor  allen  Dingen  zu 
sorgen,  daß  die  Kinder  nicht  im  Bette  der  Mutler  schlafen,  um 
vor  der  langwierigen,  oft  zur  SterilitĂ€t  fĂŒhrenden  Krankheit  be- 
wahrt zu  bleiben.  Cordes  (Berlin). 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  27'28. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


t«»l 


Revue  de  la  Tuberculose,  Paris. 

1 022,  Serie  III,  8,  Nr.  1 

❖  Akute  nicht  folliculĂ€re  Bazillose.    1-  e  t  u  1  1  c  .  M.  und  .1  a  e  q  u  c  1  i  n  .  A.  I. 
Jahresversammlung  fĂŒr  Hygiene.    Referate  Uber  Tuberkulose.  28. 
Wissenschaftliche  Untersuchungen  des  „Oeuvre  de  In  Tuberculose".    72.  so. 

Akute  nicht  folliculÀre  Bazillen  -  Allgemeininfektion.  Fall 
/einer  38  jÀhrigen  Patientin,  die  akut  erkrankte.  Die  Diagnose 
einer  ĂŒberakuten  Allgemeininfektion  im  Sinne  einer  Miliartuber- 
kulose  ergab  weitgehendste  Zerstörungen  durch  die  Tuberkel- 
bazillen, aber  nicht  pleurifolliculÀre  Granulationen,  sondern  zahl- 
lose embolisi&rte  Bazillenherde  entlang  den  Blut-  und  Lymph 
bahnen  und  an  Ort  und  Stelle  eine  kÀsige  Zerstörung  aller  Ge- 
.'webe,  die  von  den  Bazillen  durchtrĂ€nkt  waren,  so  daß  man  nicht 
von  einer  Miliartuberkulose  im  Sinne  einer  akuten  granulieren- 
den sprechen  kann,  sondern  vielmehr  von  einer  Infiltration s- 
hazillose,  die  nicht  nur  vom  klinischen,  sondern  vor  allem  auch 
vom  anatomisch-pathologischen  Standpunkt  aus  als  ĂŒberakut  be- 
zeichnet werden  muß.  Cordes  (Berlin). 

The  British  medical  Journal,  London. 

25.  MĂ€rz  1922,  Nr.  3195. 

Die  Geschlechtsorgane  bei  Psychosen.     Holt.   F.  W.  483. 
‱S^Dic  Actiologic  des  primĂ€ren  Kataraktes.    K  i  r  k  p  a  t  r  i  c  k  .  H.  467. 
«M'neumonia  neonatorum.    B  r  o  \v  n  e.  F.  J.  469. 

Ein  Fall  von  Aorta  dissecans.    T  a  r  <i  u  Ii  a  r  .  G.  G.  471, 

\neurysma  artcrio-vescorum  trauinaticum.   Hary.  II.  und  Gates.  M.  412. 

Pneumothorax  bei   einem  "jÀhrigen    Knaben.    Heilung.     Martin.    W.  B. 
und  K  n  o  x  .  R.  472. 

Fremdkörper  im  Magendarmtrakt  bei  akuter  BlinddarmentzĂŒndung.    A  1  1  a  r  - 
d  i  c  e  .  W.  C.  473. 

N'asendiphthorie  nacli  Enukleation  den-  Tonsillen.    Sermon.  .Tone?  B.  471. 

Sarkom  eines  Uauchtestikcls.    Edington.  G.  H. 

Bilharaa  haematohia  in  Indien.    11  a  r  k  n  e  s  s  ,  A.  H.  47ö. 

Aetiologie  des  primÀren  Kataraktes.  Wahrscheinlich  ist  die 
primÀre  Ursache  eine  konstitutionelle.  Viele  Krankheiten,  die 
Katarakt  verursachen  können  (Diabetes,  Tetanie,  nach  Exstir- 
palion  der  SchilddrĂŒse)  haben  ihren  Sitz  im  endokrinen  Apparat. 
Beim  primÀren  Katarakt  kann  man  fast  immer  eine  endokrine 
Gleichgewichtsstörung  nachweisen.  Verf.  glaubt,  daß  große  Hitze 
oder  intensive  Beleuchtung  oder  nicht  behandelte  Refraktions 
anomalien  bei  Leuten  mit  einer  speziellen  Konstitution  Katarakt 
verursachen  können. 

Pneumonia  neonatorum.  Die  LungenentzĂŒndung  ist  außer- 
ordentlich hÀufig  in  der  ersten  Lebenswoche.  Etwa  26  %  der 
Todesursachen  in  dieser  Woche  ist  Pneumonie.  Es  kann  durch 
Infektion  vor  den  bei  sehr  frĂŒh  gesprungenen  Erbauten  ent- 
stehen. Die  Erscheinungen  sind  so  atypisch,  daß  man  fast  nie- 
mals dazu  kommt,  die  Lungen  genau  zu  untersuchen,  und  daß 
sogar  bei  der  Sektion  die  Diagnose  nur  bei  der  histologischen 
Untersuchung  gemacht  wird.  Nicht  selten  findet  man  bei  Kindern, 
die  plötzlich  gestorben  sind,  eine  akute  haemorrhagische  Lungen 
entzĂŒndung.  Epistaxis  kann  einige  Augenblicke  vor  dem  Tode 
auftreten.  Man  soll  Neugeborene  genau  ĂŒberwachen  und  alles  tun, 
um  Infektionen  tauch  im  Utero)  vorzubeugen. 

1.  April  1022,  Nr.  3196. 

Die  Bedeutung  von  Herzsymptomen.  [.     M  a  0  k  e  n  z  i  e  .  .1.  505. 

Die  Bedeutung  einer  negativen  Komplementbindung  hei  Tuberkulose.   L  i  s  I  o 

P  u  n  c  Ii  ,    A.  und  Hope    Gosse.  A.  509. 
♩Pankreassymptome  bed  R&cki/tis.    Dodds,  E.  0.  511« 
Post-anaesthctische  Komplikationen.    Smith,  G.  T.  R.  513. 
Der  diagnostische  Wert  des  Babinski-Reflexe^.    F  o  x  ,  E.  I«.  513. 
Encephalitis  letthargiea  mit   VerÀnderungen  der  Kerne  des  Zwischenhirns. 

C  a  1  w  e  1  1  .  W.  514. 
AnUsepttsche  Eigenschaften  von  Cyan-Farbstoffen,    B  r  o  W  u  i  n  g  .  C.  H.. 

C  o  Ii  e  n  ,  J.  B.  und  (!  u  1  0  r  a  n  s  e  n  .  B.  514. 
Symptome  bei  Erkrankungen  des  Zentralnervensystems.  I.  T  c  i  h  s  f  g  .  \.  515. 

Pankreassymptome  bei  Rachitis.  Bei  Rachitis  ist  der 
Diastasegehalt  des  Harnes  im  allgemeinen  sehr  hoch.  Wenn  die 
Kranken  genesen,  wird  die  diÀstatische  Kraft  des  Harnes  wieder 
normal.  Auch  der  Fellgehall  des  Stuhls  ist  nicht  seilen  geradezu 
außerordentlich  hoch.  Verf.  nimmt  an,  daß  bei  der  Rachitis  eine 
LĂ€sion  der  BauchspeicheldrĂŒse  besteht.  Er  glaubt,  daß  die 
Bildung  von  FettsÀure  und  dadurch  die  Absorption  von  Kalzium 
gestört  ist.  Verf.  hat  jetzt  angefangen,  rachitischen  Kindern  Pan- 
kreasextrakt  mit  Lipase  zu  verschreiben. 

8.  April  1922,  Nr.  3197. 

Fortschritte  der  Earyngologic.    Milhgan-,  W.  547. 

Die  Bedeutung  von  Herzsymptomen  II.    Macken  7.  ie.  J.  551 


Itas  Uloua  peptlcum.    M  n  n  s  a  r  t  s  t  .  K.  w. 

Hie  Behandlung  perforiertet  Magen-  uml  DuodenalgeschwĂŒre.   K  n  n  t  h  a  m  , 
A.  H,  555. 

Erbliche  Mlkrophtalm.'e,    A  «  h  ,  Vf.  M.  Boft 

Symptome  bei  Erkrankungen  des  Zpntrainervonsjrotooia.    H.  F  ‱  i  1  i  n  u  ,  A. 

559. 

The  British  medical  Journal,  London. 

15.  April  1922.  Nr.  3198. 

❖  Kleine  Lagerungercrnnderungen  der  Gribarmutter  als  1  mache  ron  Beschwer- 
den bei   Frauen.    F  a  i  r  b  a  Im,  J.  S.  587. 

Die  Bedeutung  von  Herzsymptomen.  III.    M  a  c  ke  n  z  i  e  .  J.  590. 

Drainage  bei  Abdom.iualbeschwerd&n.    C  h  u  r  c  h  i  1 1  ,  v.  591. 

Splenomegalie  mit  nrogressjvem  Aszites.    Hall,  A.  .1.  592. 

Erfahrungen    mit    der    Sachs-Georgi-Roakt.ion.    Fartharatatbi  P 
Barratt.   M.   B..  Ledinghaus,  J.  C.  G.  594. 

Vakzine  hei  akuten  bakteriellen  Erkrankungen.   .1  e  n  k  i  n  s    C.  E.  596. 

l'arasitologie  und  Klinik  der  Malaria  in  Antigua.    M  c.  I)  n  n  a  I  d  .  W.  M.  597. 

Die1  Verwendung  von  Fascia  lata  in  der  plastischen  Chirurgie.    ('  n  f  f    O  II. 
599. 

Ein   Fall    von   ..slipping"   Peronealsehnen     behandelt  mit    Kelly"*  Operation. 

II  u  m  e  ,  D.  H.  600 
Symptome  bei  Erkrankungen  des  Zentralnervensystem.«  III.  Feiiing. 

A.  600. 

Kleine  LagerungsverÀnderungen  der  GebÀrmutter  als  Ur- 
sache von  Besehwerden  bei  der  Frau.  Verf.  warnt  davor,  alle 
möglichen  Beschwerden  einer  Retroversion  zuzusehreihen,  wie 
das  immer  wieder  durch  gewisse  Aerzte  getan  wird.  Wenn  die 
Betroversion  mit  anderen  Erscheinungen  kompliziert  ist,  kann 
man  wohl  wieder  behaupten,  daß  die  Beschwerden  den  Kompli- 
kationen zuzuschreiben  seien.  Betroversion  nacli  einer  Ent- 
bindung muß  mittels  eines  Pessars  behandelt  werden,  aber  ohne 
VernachlÀssigung  des  allgemeinen  Zustandes  der  Frau.  Wenn 
nach  6 — 12  Monaten  keine  Heilung  erreicht  ist,  soll  operiert 
werden,  wobei  Wiederherstellung  des  Perineums  und  plastische 
vaginÀfle  Operationen  der  Hysteropexie  entschieden  vorzuziehen 
sind.  K  o  o  p  m  a  n  (Haag). 

22.  April  1922.  Nr.  3199. 

Radiumtherapie.    K  n  o  x  ,  R.  631. 

Diagnostischer  Wert  von  Lumbalpunktionen  bei  Gahini-  und  RĂŒekenmarks- 

blutungen.    H  a  r  r  i  s  .  W.  635. 
[einfacher  Kropf.   M  c.  C  a  r  r  i  s  o  n  .  R.  636. 

AblnĂŒs  Retinae,  wahrscheinlich  durch   I  cberbeleuchtung  bei  einer  Sonnen- 
finsternis.    R  i  s  h  o  p  Hav  m  a  n  ,  X.  637. 
Eine  Meitliodo.  um  Wochenbettinfektioncn  vorzubeugen.    W  h  y  t  e  .  F.  H.  83f». 
Valcntine-Motts  Aneurysma-Xadel .    Do  ran,  A.  H.  G.  639. 
Aiitu-epilat:on.  verursacht  durch  EingeweidewĂŒrmer.    S  c  in  o  n  .  H.  C.  841. 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag\ 

The  Lancet,  London. 

2.").  MĂ€rz  1922,  202,  Nr.  5143. 

Experimenteller  Skorbut  und  die  antiskoi butischen  Eigenschaften  ron  einigen 

sĂŒdafrikanischen  Nahrungsmitteln.  Marion  Delf.  E.  57«. 
Blutgruppen  und  ihre  klinische  Bedeutung.  Dyke.  S.  <'.  579. 
Ein    ungewöhnlicher   Fall    von    I.cbcrruptur.     M  e  a  d  e  582. 

1.  April  1922,  202,  Nr.  5144, 

Zwei  Seriem  KataralctfÀlJe.    R  o  p  c  r  ,  A.  C.  625. 

Die  Gefahr  von  ZahnbĂŒrsten  mit  Eisendraht.    W  y  h  e  .  A.  »86. 
‱frAlkalipemic.    S  y  m  o  n  s     A.  V.    627.  * 
❖Perniziöse  AnĂ€mie.  Achlia  gastrica  und  Enteritis.    Hie.  V.  631. 

Ein     Fall     ron     bilateraler     retrookulÀrer     Xcuritis.       A  r  c  h  o  r  Mall. 
II.  W.  633. 

GlĂŒckliche  Prostatektomie  bei  einem  90jĂ€hrigen.    Macalp  ine.  .1    B.  63*. 
Venerische  Krankheitein   in  den   neu-seelÀndischen  Truppen   in  Frankreich. 
Ron!,  E.  A.  654. 

Alkalipenie.  Verf.  schlagt  vor.  den  Namen  Azidosis  nur  fĂŒr 
gefahrliche  Erkrankungen  zu  verwerten  und  alle  Krankheiten, 
wo  die  Alkalizitat  ohne  direkte  Gefahr  verringert  ist,  als  alkali- 
penisch  zu  benennen.  Diese  Alkalipenie  ist  nur  zu  finden  durch 
den  s.  g.  Bicarbonattoleranzversuch.  Wahrend  ein  normaler  Er- 
wachsener +  5  Gramm  Natr.  bicarb.  braucht,  um  den  Harn  alka- 
lisch zu  machen,  ist  dieser  Betrag  bei  der  Alkalipenie  erhöht 
Alkalipenie  wird  gefunden  bei  manchen  Infektionen,  bei  Asthma, 
Ekzem,  Urticaria,  MigrÀne,  Epilepsie,  Eklampsie,  wahrend  eine 
DiĂ€t  mit  wenig  Eiweiß  und  Vitaminen  und  viel  Kohlehydraten 
ebenfalls  eine  Alkalipenie  hervorrufen  kann. 

Perniziöse  AnÀmie,  Achylia  gastrica  und  Enteritis.  Verf.  be- 
schreibt einen  sehr  schweren  Fall  von  diesen  drei  Krankheiten 
zusammen,  wo  er  jeden  Tag  durch  den  Magenschlauch  große 
Mengen  verdĂŒnnter  SalzsĂ€ure  in  den  Magen  brachte.  Der  Erfolg 
war  glÀnzend.  Zuerst  hören  die  Magendarmbeschwerden  auf;  dann 


492 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


fing  auch  das  Blutbild  au.  sich  zu  bessern.  Der  Kranke  ist  jetzt 
schon  mehr  als  3  Jahre  ganz  gesund. 

8.  April  1922.  202,  Nr.  5145. 

*  Aufsteigende  Infektion  der  Niere.    "Walker.  K.  M.  684 
Die  natĂŒrliche  Heilung  de,-  ErkĂ€ltung:    H  e  a  t  h    O.  088. 
K„l)o  , teles  Gold   in  der  BehamlruÄR  von  Neurasthenie.  ' Alkoholismus  und 
Morphinismus.     S  tauf  n  r  d  V  o  e  k  .  D.  E.  69t. 

Aufsteigende  Infektion  der  Niere.  Die  gewöhnliche  Infektion 
der  Niere  geschieht  in  der  iibergronen  Mehrzahl  der  FĂ€lle  aul 
haematogemen  Wege.  Es  gibt  aber  doch  FĂ€lle,  wo  die  Infektion 
aus  den  Lymphwegen  des  Ureters  stammt.  Die  Nierenkapsel  ist 
eine  Wand  gegen  diese  Infektionen  und  bei  den  lvmphogenen  In- 
fektionen findet  man  wohl  immer  die  grĂ¶ĂŸte  Zahl  der  Bakterien 
in  der  Nierkapsel.  In  den  ersten  Stadien  der  lymphogenen  In- 
fektion werden  keine  Bakterien  im  Harne  gefunden.  Die  Niertm- 
tuberkulöse  kann  auch  sowohl  hamÀlogen  als  lymphogen  ent, 
stehen.  Wenn  diese  Untersuchungen  bestÀtigt  werden,  so  hat  die 
Dekapsulation  der  Niere  eine  andere  Bedeutung  als  man  bis  jetzt 
geglaubt  hat.  Koopman  fHaag\ 

15.  April  1922,  202,  Nr.  5146. 


Salvarsaaigelbsucbr,    C  h  a  m  b  e  r'l  a  i  h  .  F. 
Mißbildungen    der   Nieren.     Beill  i  n  s  b  a  in 
E.  II.  737. 

Infektiöse  Invpsitiffo  in  Schallen. 
Weitere   Erfahrungen   mit  der 
E  a  gl  e  to  li       A.     J.  Oki 
Baxter.  E.  M.  739. 


733. 
S  in  i  t  Ii 


E.  und 


S  i  in  e  y  .  A.  J.  738. 
Schickschen   Reaktion.     O  b  r  i  e 'n  .  R. 
1  '  .     C.     <"'-.      Gl  e  n  n  y  .     A.  F. 


A.. 

und 


The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 

11.  MĂ€rz  1922,  78,  Nr.  10. 

HĂ€mofftiagie  als  eine  Form  der  Asphyxie.    Henderson    Y   und  Hit- 
yard.  H.  W.   697.  '  - 

❖Spezifische  PrĂ€zjpitinprobe  des  HienseWicJien  Samerns^  He.ktoen..  L.  704 
Motorische   AktivitĂ€t  der  Venne  cavae.     Hurt  o  n  -  O  p  i  t  ■/..  7o.ri. 
Einfluß    von    SĂ€ugPngsfiirsorge-Maßnahrjien    vom    Ă€rztlichen  Standpunkt 
K  n  o  x  ,,7.  H.  und  P  o  w  eis.  G.    F.  707. 

❖  Klinisches  und  Tberapeut-'sches  ĂŒber  den  chronischen  internen  Hydrozepha- 

lus,   L  Ii  c  h  f.i  e  1  d  ,   II.  R.  und  I)  e  in  Ii  o     L.  H.  711. 
Spinale   und  spinobulbÀre  Tetraplegie   mit  akutem   und  subakutem  Beginn: 

Ursachen  und  Prognose.    Wilson,  (i.  713. 
Enzephalitis  epidemica  (letharglcaj:     Wii  dernuttreten  von  Symptomen  1  und 

Iii  Jahren  nach  scheinbarer  Gnes'uiig.    P  r  i  c  e  ‱,  f!.  E.  716. 
❖Aktive   Immunisierung   mit    lliplitlierio-Toxiu- Antitoxin:     Schieksche  Probe. 

JM  c  y  e  r  ,  J.  716. 

❖  Sauerstoff-Inflation   in   die   IVritoiialliiilile   hei   tuberkulöser  exsudativer  Peri- 

tonitis.   S  t  e  in  ,  A.  718. 

Aetiologie    des    Heoifiebers    in    Arizona    und    dem    SĂŒdwesten.      W  a  t  s  0  II 
S.  H.  und  K  i  Ii  I  e  r  .  ('.  S.  719. 

Kohlenhydratarme  Kost  tiei  Behandlung  der  Arthritis,    II  u  b  h  a  r  ii     B  s. 

723. 

Fall  von  Chorea  und  Erytliraemie.    P  o  1  1  o  e  k  ,  I..  3.  724. 
MÀngel  der  öffentlichen  Gesundheitspflege.    Hall,  A  L.  726. 

Spezifische  PrĂ€zipitinreaktion  fĂŒr  menschlichen  Samen.  Die 
Versuche  des  Verf.  haben  erwiesen,  daß  mit  menschlichem  Samen 
vorbehandelte  Kaninchen  PrÀzipitine  bilden,  die  spezifisch  auf 
menschliches  Sameneiweiß  reagieren.  Diese  PrĂ€zipitinreaktion 
kann  in  FĂ€llen,  in  denen  der  Nachweis  von  menschlichen  Samen- 
flecken erbracht  werden  soll,  von  Wert  sein. 

Klinische  und  therapeutische  Betrachtungen  beim  chroni- 
schen Hydrocephalus  internus.  Um  eine  richtige  Behandlung  ein- 
leiten zu  können,  ist  es  erforderlich,  möglichste  Klarheit  in  die 
Aetiologie  des  betreffenden  Falles  zu  bringen  und  die  Art  des 
Hydrocephalus  genau  festzustellen.  Am  erfolgreichsten  scheint 
den  Verff.  die  operative  Behandlung  beim  geschlossenen  Hydro- 
cephalus internus  zu  sein.  Der  hypersekretorische  und  nicht  ab- 
sorptive  Typ  reagiert  auf  medikamentöse  Behandlung  im  direk- 
ten VerhÀltnis  zur  Aetiologie  des  betreffenden  Falles.  Ob  das 
endokrine  DrĂŒsensyslem  klinisch  und  therapeutisch  zum  hyper- 
sekretor.iscb.en  Typ  des  Hydrocephalus  in  irgend  einer  Beziehung 
steht,  ist  noch  nicht  sichergestellt,  scheint  aber  wahrscheinlich 
zu  sein. 

Aktive  Immunisierung  mit  Diphtherie-Toxin-Antitoxin.  Die 

Schieksche  Reaktion  hat  sich  in  dem  Material  des  Verf.  zur  Be- 
stimmung der  ImmunitÀt  gegen  Diphtherie  wiederum  sehr  gut 
bewÀhrt.  Die  im  Gefolge  vorgenommene  aktive  Immunisierung 
mit  Toxin-Anlitoxingemischen  hielt  in  94,4  %  44  Monate,  in  83,5  % 
fĂŒr  20  Monate  und  fĂŒr  16  bezw.  5  Monate  in  97,5  %  vor.  Im  allge- 
meinen kann  gesagt  werden,  daß  sich  seit  EinfĂŒhrung  der  Im- 
munisierung mit  Toxin-Antitoxingemischen  die  Zahl  der  Diph- 
therieerkrankungen zweifellos  verringert  hat. 

Sauerstoffeinblasung  in  die  Bauchhöhle  bei  tuberkulöser 
exsudativer  Peritonitis.   Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von  tuberkulöser 


exsudativer  Peritonitis  bei  einer  32  jÀhrigen  Frau  (die  Diagnose 
wurde  spÀter  gelegentlich  einer  Laparotomie  bestÀtigt),  die  mit 
Sauerstoff  einblasung  in  das  Abdomen  behandelt  und  geheilt 
wurde.  Verf.  glaubt,  daß  der  Erfolg  sowohl  der  operativen  wie 
der  mittels  Pneumoperitoneums  mit  Sauerstoff  lediglich  auf  die 
Einwirkung  des  Sauerstoffs  auf  die  Gewebe  zurĂŒckzufĂŒhren  ist. 
In  diesem  Falle  blies  Verf.  bis  zu  4  1  mehrere  Male  in  nicht  zu 
grollen  AbstÀnden  ein.  KÀckell  (Hamburg). 

18.  MĂ€rz  1922,  78,  Nr.  11. 

Spezialist    und   praktischer   Arzt   und    ihre    gemeinsame    Àrz/lichf  TÀtigkeit 
Barltn,  L.  F.  773. 

❖Brustkarzinom    m  t    besonderer    BerĂŒeksiehtigung    des    Zustande»    Tor  der 
Entdeckung  des  Karzinoms.    Davis.  B.  B.  779. 
Lokaler  Spasmus  des  Oesophagus  und  Schluck-Schwierigkeiten  nach  lokaler 
LÀs'on    der    SchleimhÀute   des    Pharvnx    und    Oesophagus.     fj  arl  S  0  11 
A.  .7.  734. 

❖Linderung  der  gastrischen  Krisen  hei  tabetischer  Xenrosypliilis  durch  rek- 
tale Zufuhr  von  Chloralhydrat  und  Bromnatrivfm.  Mötarland  \ 
R.  786. 

❖Spezifische  lokale  Appl'kationen  hei  Heufieher.    M  a  «‹  k  e  n  z  i  e  .  G.  M.  78". 
Mechanik  und  Behandlung;  der  Frakturen  des  Vorderarms.         Maen  u  s  o  n 
P.  B.  780. 

$  Anatomische  Studien  fĂŒr  die  Injektion  des  2.  und  3.  A«tes  de«  Trigeminus 
Graut.  F.  C.  794. 
Karzinom     in     der    lateralen   Thyreoidea   aberrans.     f;  r  e  ei  n  s  f  e  1  d  e  r  .  L. 
und  Bett  m  a  n  .  R.  B.  797. 

Blutdruck    hei    Zirkulationsstörungen    der    ExtremitÀten.     B  e  r  n  h  c  i  m  R 
M.  799. 

Gestieltes  Lipom  des  Oesophagus.    Vi  n  s  o  u  .  P.  P.  not. 

Ein  Fall  von  Sporotrichose  in  Connecticut.    Xellans.  C.  T.  802. 

Ein  einfacher  Aetlurtropfapparat.    O  d  e  n  .  C.  L.  A.  und  F  o  s  Ii  e  e  .  A.  «n.t. 

Balanz:erung  des  Beckens  in  FĂ€llen  von  ungleicher  LĂ€nge  der  Beine.     I.  e  . 

W  in,  P.  804. 
Ruptur  eines  Zungen-Atieurysmas.  S  a  Ii  i  n  .  F.  ('.  BOK 
Eine  Nadel  fĂŒr  intravenöse  Injektionen.     L  a  n  d  m  a  n  .  L.  805. 

Brustkrebs.  Verf.  behandelt  die  Aetiologie  der  Brustkarzi- 
nome  und  die  heule  wohl  von  allen  Autoren  anerkannte  lympho- 
gen entstehende  Metastasenbildung.  Im  Anschluß  daran  wird  die 
Operationstechnik  und  die  Nachbehandlung  mit  intensiver  Rönt- 
gentiefenbestrahlung  abgehandelt.  Bei  kritischer  Betrachtung  ge- 
rade der  Nachbehandlung  mit  Böntgenstrahlen  kommt  Verf.  zu 
der  Meinung,  daß  man  Abschließendes  hierĂŒber  noch  nicht  zu 
sagen  in  der  Lage  ist.  Besonderen  Wert  glaubt  er  in  der  mög- 
lichst frĂŒh  zu  stellenden  Diagnose  zu  sehen  und  macht,  um  dies 
zu  ermöglichen,  den  Vorschlag,  daß  von  einem  bestimmten  Alter 
ab  tunlichst  alle  Frauen  sich  in  bestimmten  Intervallen  Àrztlich 
untersuchen  lassen  sollten,  ein  Vorschlag,  der  in  praxi  allerdings 
sehr  schwer  durchzufĂŒhren  ist. 

Palliative  Behandlung  gastrischer  Krisen  bei  Tabes.   Die  in 

der  Regel  bei  schweren  gastrischen  Krisen  verabfolgten  Mor- 
phiumdosen zeitigen  sehr  hÀufig  im  Gefolge  ausgesprochenen 
Morphinismus  des  betreffenden  Pat.  Verf.  hat,  um  dies  zu  ver- 
meiden, in  der  letzten  Zeit  mit  sehr  gutem  Erfolg  rektal  Chloral- 
hydrat und  Bromnatrium  verabfolgt.  Die  Dosis  beider  Drogen 
betrug  ca.  3,9  g.  Der  Vorteil  besteht  darin,  daß  sich  die  Pat. 
an  diese  Medikamente  nicht  gewöhnen,  ferner  ist  eine  Steigerung 
der  Dosen  nicht  notwendig,  sondern  das  letzte  Klysma  wirkt 
gleich  gĂŒnstig  wie  das  erste. 

DesensibilitÀten  durch  spezifische  Lokalbehandlung  bei  Heu- 
fieber. In  einer  Reihe  von  FĂ€llen  gelang  es  dem  Verf..  durch 
spezifisches  Pollenantigen  Nasen-  und  Bachenschleimhaul  be- 
trÀchtlich unempfindlicher  gegen  Heufieber  zu  machen.  Hie 
FĂ€lle,  die  prophylaktisch  einer  solchen  Spraybehandlung  unter- 
zogen wurden,  waren  gĂŒnstiger  als  die,  die  mit  subkutanen'  In- 
fektionen behandelt  wurden.  Am  gĂŒnstigsten  erwies  sich  die 
kombinierte  Behandlung  mit  Nasen-Rachenspray  und  Injektionen. 

Anatomische  Studie  fĂŒr  Injektionen  in  den  2.  und  3.  Tiige- 
minusast.  Die  Arbeit  behandelt  Messungen,  die  Verf..  vermittels 
eines  fĂŒr  diese  Zwecke  besonders  hergestellten  Winkelmessers 
bei  einer  großen  Anzahl  von  Pat.  vorgenommen  hat.  Methodik 
und  Ergebnisse  eignen  sich  nicht  zu  einem  kurzen  Referat. 

KĂ€ckell  (Hamburg". 

25.  Marz  1922,  78.  Nr.  12. 

Ein  Heilmittel  Regen  BcrufsnervositÀt.     M  a  e  a  t  e  e.  H.  f.  857. 
❖Gutartige  LĂ€siohen  der  weiblichen  Brust    B  1  o  o.d  g  o  o  d  ,  .1.  f.  859. 
❖Funktion  des  Kolostrums.    Lewis.  .1.  II.  und  Wells.  H.  G.  863. 
Zerebrale  Embolie    infolge  Anwendung    von   Chinidin    beti  Vorhofflimmern. 
Wilson.  F.  X.  und  II  e  r  r  m  a  n  n  .  G.  R.  86S. 
‱❖"Behandlung  dir  mwltĂ€pien  Sklerose.    Byrnes.  C.  iL  «57. 

Anwendung  von  Blutuntersucbuugen  in  der  gerichtlichen  Medizin.    O  t  t  e  n  - 
borg,   R.  873. 

❖Chinidin  in  der  Behandlung  von  HerzirregularitĂ€teu.     S  m  i  t  h  .  F.  M.  877. 

Akute  Abdominalerkrankungen.    G  r  a  n  t  .  W.  W.  880. 
❖Urtikaria  infolge   habituellen    Gebrauchs    von    Phenolphthalein.     C  o  r  s  o  n  . 
E.  F.  und  S  i  d  1  i  c  k  ,  D.  M.  882. 


40.  Jahrg.  -  Nr.  27/28. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


Zaliuinfcktiou    nach    akuter  KnUtiiKluiiR'  'In   K  ieFevnhöhlo,    (i  I  a  s  s  b  n  r  g  , 
J.  A.  B8S. 

❖Obstipation  und  intestinale  Intoxikation.  Donald  aon,  A .  X.  884, 

❖Apolitische  Anil.inioi  nach   Neosnlvarsaii.  V  c  i  n  Ii  c  ig     S.   M.  mt. 

Gutartige  Erkrankungen  der  weiblichen  Brust,  fĂŒr  «Ii»-  «'im- 
Operation  nicht  angezeigt  ist.  Verf.  charakterisiert  kurz  die  Er. 
KrĂ€nkungen  der  weiblichen  Brust  einschließlich  gutartiger  Tu 
moren,  die  ohne  operativen  Eingriff  geheilt  werden  können.  Er 
bringt  fĂŒr  alle  Arien  zahlenmĂ€ĂŸige  belege  bei.  Es  gehören  zu 
diesen  FÀllen  solche,  bei  denen  nur  gewöhnliehe  Schmerzen, 
Narbenschmerzen  nach  frĂŒheren  Operationen,  VerĂ€nderungen  der 
Brustwarzen,  gutartige  Tumoren,  Tumoren  in  der  Achselhöhle 
usw.  bestehen.  Besonderes  Gewicht  muß  bei  der  Entscheidung, 
ob  operativ  vorgegangen  werden  soll  oder  nicht,  auf  die  p'al- 
patorisohe  Untersuchung  gelegt  werden.  Die  Arbeit  bringt,  im 
ganzen  genommen,  wesentlich  Neues  nicht. 

lieber  die  Funktion  dos  Kolostrums.  Entsprechend  dem 
Vorgang  von  Howe,  der  seine  Untersuchungen  bei  Tieren  vor- 
genommen hat,  haben  die  Verff.  das  Blut  von  neugeborenen 
Kindern  auf  den  Gehalt  an  Euglobolin,  einem  Serumproteinkörper, 
untersucht.  Sie  fanden,  daß  das  Blut  des  Neugeborenen  gerade 
von  diesem  Eiweißkörper  nur  ganz  geringe  Mengen  aufweist,  daß 
die  Menge  aber  in  den  ersten  Tagen,  entsprechend  der  Absonde- 
rung der  Kolostrummenge  ungemein  schnell  zunimmt.  Danach 
scheint  dem  Kolostrum  vornehmlich  die  Aufgabe  zuzufallen,  dem 
Neugeborenen  große  Mengen  Euglobolins  zuzufĂŒhren.  Die  Be- 
deutung dieser  Feststellung  liegt  darin,  daß  die  Schutzkörper  des 
Blutes  an  das  Euglobolin  gebunden  zu  sein  scheinen  und  daß 
die  Menge  dieser  Schutzkörper,  die  im  Kolostrum,  der  Milch  und 
dem  kindlichen  Blute  festgestellt  werden,  direkt  von  dem  Euglo- 
bolingehalt  dieser  FlĂŒssigkeilen  abhĂ€ngig  ist.  Bekommt  ein  Neu- 
geborenes kein  Kolostrum,  so  nimmt  der  Euglobolingehalt  in 
dessen  Blut  nur  ganz  allmĂ€hlich  zu,  entsprechend  dĂŒrfte  die  Be- 
sistenz  gegen  Infektionen  auch  nur  allmÀhlich  sich  steigern.  Es 
«scheint  hiernach  wĂŒnschenswert,  daß  jedem  Neugeborenen  die 
gesamte  Kolostrummenge  der  Mutter  zugefĂŒhrt  wird. 

Die  Behandlung  der  multiplen  Sklerose.  Keine  organische 
Krankheit  des  Zentralnervensystems  Àhnelt  in  ihrer  Symptomato- 
logie und  Pathologie  so  der  Lues  wie  die  multiple  Sklerose.  Die 
Liquorbefunde  bei  multipler  Sklerose  sind  mit  Ausnahme  der 
Wassermannsehen  Beaktion  in  zahlreichen  FĂ€llen  fast  die 
gleichen  wie  bei  der  Syphilis.  Es  kann  damit  natĂŒrlich  nicht 
behauptet  werden,  daß  beide  Erkrankungen  auf  das  gleiche 
Ă€tiologische  Moment  zurĂŒckzufĂŒhren  sind,  wenn  auch  gerade  in 
der  letzten  Zeit  dies  von  einigen  Autoren  angenommen  wird. 
Beweise  fĂŒr  diese  Annahme  sind  auf  jeden  Fall  noch  nicht  er- 
bracht. Bemerkenswert  erscheint  es  daher,  daß'  Verf.  in  5  FĂ€llen 
von  multipler  Sklerose,  deren  Krankengeschichten  in  der  vor- 
liegenden Arbeit  ausfĂŒhrlich  mitgeteilt  werden,  eine  wesentliche 
Besserung  des  Krankheitsbildes  durch  antisyphilitische  Behand 
hing  erreichen  konnte. 

Chinidin  bei  Herzkrankheiten.  Von  12  FĂ€llen  von  Vorhof- 
flimmern gelang  es  dem  Verf.  bei  6  Pat.  den  vom  Sinusknolen 
ausgehenden  Rhythmus  wiederherzustellen.  3  mal  hielt  der  nor- 
male Vorhofmechanismus  nur  vorĂŒbergehend  an,  2  mal  gelang 
es,  den  Rhythmus  2y>  bzw.  8  Monate  normal  zu  erhalten.  Ein 
Pat.  entzog  sich  10  Tage  nach  Einsetzen  normaler  Herzfunklion 
der  weiteren  Beobachtung.  Von  3  Pat.  mit  parocysmalem  Vorhof- 
flimmern hatten  2  keine  weiteren  AnfÀlle  mehr,  wÀhrend  der 
dritte  trotz  lang  andauernder  Chinidinbehandlung  nicht  nennens- 
wert beeinflußt  werden  konnte.  Die  Behandlung  war  am  erfolg- 
reichsten in  den  FĂ€llen  von  Vorhofflimmern,  die  erst  kurze  Zeit 
bestanden  und  bei  denen  die  Herzmuskulalur  gesund  war.  Im 
allgemeinen  kann  gesagt  werden,  daß  die  Chinidinbehandlung  bei 
Vorhofflimmern  eine  wesentliche  Bereicherung  unseres  thera- 
peutischen RĂŒstzeuges  nicht  darstellt.  Die  Erfolge  könnten  viel- 
leicht noch  bei  genauerer  Auswahl  der  FĂ€lle  verbessert  werden. 
Weiterhin  wurden  20  Pat.,  die  an  Extrasystolen  litten,  der  Chini- 
dinbehandlung unterzogen,  bei  denen  12  mal  eine  wesentliche 
Besserung  erzielt  wurde.  Von  2  FĂ€llen  von  einfacher  paroxys- 
maler Tachycardie  besserte  sieh  der  eine  Fall  auf  Chinidin  nahe 
zu  vollstÀndig. 

Urtikaria  als  Folge  von  gewohnheitsmĂ€ĂŸigem  Gebrauch  von 
Phenolphthalein.  Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von  urtikariellen  Kaut- 
el uptionen  bei  einer  10  jÀhrigen  Patientin,  die  monatelang  wegen 
chronischer  Konstipation  Phenolphthalein  eingenommen  halle.  Das 
Bemerkenswerte  ist  hierbei,  daß  der  Hautausschlag  im  Gegensatz 
zu  dem  fĂŒr  gewöhnlich  nach  Phenolphthalein  entstehenden  urti- 
kariellen Charakter  zeigte. 

Beziehungen  zwischen  Konstipation  und  intt-atinaler  Intoxi- 
kation.   Verf.  sucht  diese  Frage  experimentell  anzugehen  und 


kömmt  auf  Grund  seiner  systematischen  Untersuchungen  an 
Menschen  und  Hunden  zu  dein  Ergebnis,  daß  in  FĂ€llen  von  ge- 
wöhnlicher Konstipation  keine  toxischen  Substanzen  aus  dem 
Darin  vom  Blute  absorbiert   werden  und  daß  ferner  keine  toxi 

sehen  Substanzen  in  den  zurĂŒckgehaltenen  Stuhlmassen  sieb  be 

finden 

Aplastische  AnÀmie  als  Folge  von  Neosalvarsan.  (6jÀhrige 
Frau,  die  vor  ca.  2  Jahren  wegen  einer  angeblichen  Lues  neben 
■lod  und  Quecksilber  mit  26  Neosalvarsaninjeklionen  behandelt 
worden  war.  Sie  erkrankt  mit  sehr  heftigen  Zahnfleisch-,  Rek- 
tum- und  Vaginablutungen.  Das  Blut  zeigte  einen  HĂ€moglobin-; 
gehalt  von  15%,  bei  einer  Gesamlerylhrocylenzahl  von  880000 
und  1000  Leukocyten.  Die  Gerinnungszeil  betrug  20  Minuten.  Blut- 
plÀttchenzÀhlungen  wurden  nicht  vorgenommen.  Die  Patientin 
kam  trolz  zweier  Bluttransfusionen  nach  kurzer  Zeil  zum  Exitus. 
Der  Sektionsbefund  ergab  neben  zahlreichen  petechialen  Blutun- 
gen in  fast  allen  Organen  eine  sehr  bemerkenswerte  Verminde- 
rung der  Erythroblasten,  Myelocylen  und  der  Megalokaryocyten 
im  Knochenmark.  FÀlle  von  aplastischer  AnÀmie  im  Gefolge  von 
Röntgenbestrahlungen  sind  bekannt,  desgleichen  solche  im  Ge 
folge  von  Vergiftungen.  Daß  Salvarsan  auf  das  hĂ€matopoetisclie 
System  einen  gewissen  Einfluß  ausĂŒbt,  ist  desgleichen  von  an- 
deren Autoren  beschrieben.  FÀlle,  in  denen  sich  sekundÀr  nach 
Neosalvarsanmedikamenlation  eine  aplastische  AnÀmie  ent- 
wickelt, sind  dagegen  bisher  noch  kaum  in  der  Literatur  be- 
schrieben. K  À  ck  eil  (Hamburg). 

1.  April  1922,  78,  Nr.  13. 

❖Technik  der  Prostatektomie  und  ihre  Beziehungen  zur  MortalitĂ€t.    Y  o  u  n  g 
H.  H.  933. 

Keratodermia  blennorhagica.     Gr  -a  g  e  r  ,   E.   C.  941. 

Choleeystotomie.     Willis,    A.   M.  942. 

â–ș♩♩Dennatatis  herpetiforniis  bei  Kindern.     Oliver     K.  A.  und  Eldridge, 
C.  J.  945. 

❖  Funktionelle    Htirzerkrankung     und    VerhĂŒtung    organischer  Herzerkrankuug 

bei    Kindern.     L  a  w  r  e  n  e  e  ,  ■  W.    St.  947. 

❖  Kanzinom  der  Mjlz.    S  a  p  p  i  n  g  t  o  n  .   S.  W.  953. 

.  Behandlung  und  VerhĂŒtung  von  Pellagra.    W  h  e  e  1  e  r  ,  G.  A.  955. 
PrÀsystolische  GerÀusche.    I  r  o  n  s  ,  E.  E.  und  J  e  n  n  i  n  g  s  ,  A.  F.  957. 

❖  Folgeerscheinungen     nach     akuter     epidemischer     Enzephalitis.  Groß- 

in  a  n  ,   M.  959. 

Klinische  Bedeutung  der  Wassermannreaktion.    Strickler,  A.  962. 

Die  Technik  der  Prostatektomie  und  ihre  Beziehung  zur  Mor- 
talitĂ€t. Nach  kurzer  kritischer  Betrachtung  der  ĂŒblichen  Ope- 
ralionsmethoden  zur  Entfernung  der  Prostata  teilt  Verf.  eine  von 
ihm  neu  ausgearbeitete  Methode  mit.  Die  technischen  Einzelheiten 
können  hier  nicht  wiedergegeben  werden.  Das  wesentliche  be- 
steht darin,  daß  vom  Damm  aus  eingegangen  wird  und  daß  es 
gelingt,  auf  diesem  Wege  die  Prostata  in  einem  StĂŒck  zu  ent- 
fernen. Dazu  kommt,  daß  der  Sphinkter  vesicae,  die  Samenleiter 
usw.  sicher  bei  der  Operation  unversehrt  bleiben.  Verf.  hat  nach 
dieser  Methode  in  den  letzten  Jahren  16G  FĂ€lle  operiert  und 
keinen  Todesfall  danach  gesehen,  trotzdem  unter  den  Pat.  4  Àlter 
als  80  Jahre  und  49  ĂŒber  70  Jahre  waren  und  daß  bei  ungefĂ€hr 
'.'>Q  %  des  Gesamtmaterials  Nierenstörungen  bestanden. 

Dermatitis  herpetiforniis  bei  Kindern.  Bericht  ĂŒber  2  FĂ€lle 
dieser  im  Kindesaller  ungewöhnlich  selten  vorkommenden  Er- 
krankung. Einmal  handelte  es  sich  um  einen  18  Monate  allen 
Knaben  mit  papulo-vesikulÀren  Eruptionen.  Der  andere  Fall  be- 
trifft ein  10  Jahre  altes  MĂ€dchen,  bei  dem  die  Krankheitserschei- 
nungen bereits  2  Jahre  lang  bestanden  hatten  und  der  das 
typische  Krankheitsbild  darbot.  Im  allgemeinen  wird  fĂŒr  diese 
Dermatose  neben  nervöser  Veranlagung  ein  nervöser  Schock  an- 
genommen. Andere  Autoren  glauben  allerdings,  Toxine  fĂŒr  die 
Entstehung  verantwortlich  machen  zu  können,  die  fĂŒr  gewöhnlich 
durch  den  Urin  zur  Ausscheidung  gelangen,  bei  bestehender 
Nierenerkrankung  aber  sich  ansammeln  und  dann  Veranlassung 
zu  den  Hauteruptionen  geben.  Wieder  andere  beschuldigen  Darm- 
toxine.  Die  beiden  Pal.,  ĂŒber  die  hier  berichtet  wird,  sind  niemals 
gegen  Pocken,  geimpft  worden,  sodaß  die  Vakzination  hier  auch 
nicht  Àtiologisch  herangezogen  werden  kann,  wie  es  von  ver- 
schiedenen Seiten  geschehen  ist. 

Potentielle  Herzkrankheiten  und  Verhinderung  von  organi- 
schen Herzkrankheiten  bei  Kindern.  Verf.  berichtet  ĂŒber  die  Er- 
gebnisse, die  er  bei  Versuchen,  Herzkrankheiten  bei  Kindern  zu 
verhindern,  erzielen  konnte,  ferner  ĂŒber  die  Entwicklung  von 
organischen  Herzkrankheilen  im  Gefolge  anderer  Krankheiten. 
Die  Beobachtungszeil  der  in  Frage  stehenden  FĂ€lle  erstreckte  sich 
im  Durchschnitt  auf  \x/2  Jahre.  Die  Ergebnisse  können  im  fol- 
genden kurz  zusammengefaßt  werden:  Von  65  FĂ€llen  blieben  40 
(75  %)  wÀhrend  der  Beobachtungszeit  frei  von  chronischen  Herz- 
erkrankungen. Hiervon  entfallen  25  FĂ€lle  auf  solche  mit  akutem 
rheumatischem  Fieber,  „von  denen  keiner  erkrankte.  9  Pat.  mit 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


.Myositis,  Knochen-  und  Gelenkschnierzen  und  Neigung  zu  Hals- 
entzĂŒndungen blieben  ebenfalls  frei  von  einer  Herzerkrankung. 
10  Kinder  (25  %)  zeigten  wÀhrend  der  Beobachtungszeit  Symp- 
tome eines  Herzleidens.  In  allen  diesen  FĂ€llen  stand  im  Vorder- 
grund des  Krankheitsbildes  eine  auffallend  schwere  Chorea.  Im 
ganzen  befanden  sich  141  Kinder  mit  Chorea  unter  Beobachtung, 
von  denen  16  Symptome  von  seiten  des  Herzens  aufwiesen. 
Prophylaktische  Maßnahmen  zur  Verhinderung  von  Herzerkran- 
kungen  zeigten  sich,  wenn  sie  sich  gegen  akuten  Rheumatismus, 
.Myositis,  Knochen-  und  Gelenkschmerzen  und  Neigung  zu  Hals- 
entzĂŒndungen richteten  als  sehr  wertvoll.  Dagegen  bewies  sich 
die  Prophylaxe  gegen  Chorea  als  recht  wenig  erfolgreich.  Mit 
Ausnahme  von  Mitralstenosen  entstehen  Herzfehler  in  der  Regel 
in  der  aktiven  Phase  rheumatischer  Manifestationen  oder  wÀh- 
i  end  der  Fieberperiode. 

Milzkarzinom.  Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von  sekundĂ€rem  Milz- 
karzinom bei  einer  42  jÀhrigen  Frau,  die  mit  den  Zeichen  einer 
schweren  AnÀmie  zur  Aufnahme  kam.  Bei  der  Sektion  ergab  sich 
ein  primÀres  Brustkarzinom  und  ausgedehnte  Metastasen  in 
beiden  PleurablÀttern,  den  Lungen,  der  Leber  und  Milz.  Die 
Diagnose  war  nur  mikroskopisch  zu  stellen,  was  insofern  be- 
merkenswert erscheint,  als  wahrscheinlich  in  sehr  viel  mehr 
FĂ€llen  Karzinometastasen  Ă€ĂŒch  in  der  Milz  mikroskopisch  fest- 
stellbar sind*  die  makroskopisch  nicht  gesehen  werden  ‱  können. 
Auf  jeden  Fall  glaubt  Verf.  nicht  an  die  von  anderen  Autoren  ver- 
tretene Ansicht,  daß  der  Milz  eine  gewisse  ImmunitĂ€t  gegen 
Krebszellen  zuzuschreiben  ist,  vielmehr  nimmt  er  an,  daß  die 
relative  Seltenheit  von  Milzmetastasen  in  den  anatomischen 
EigentĂŒmlichkeiten  des  LymphgefĂ€ĂŸsystems  und  in  der  rhyth- 
mischen Pulsation  der  Milz  zu  suchen  ist,  wodurch  die  Fest- 
setzung von  Tumorzellen  wesentlich  erschwert  wird.  Im  vor 
liegenden  Falle  scheint  ein  mechanisches  Moment  mitzusprechen. 
i)ie  Patientin  hatte  sich  seit  geraumer  Zeit  von  einem  Masseur 
die  Brust,  in  der  sich  der  primÀre  Tumor  gebildet  hatte,  mas- 
sieren lassen,  wodurch  eine  Einschwemmung  von  Tumorzelleu 
in  die  Lymphbahnen  wesentlich  erleichtert  wurde. 

Folgen  der  akuten  epidemischen  Encephalitis.  Verf.  berichtet 
ĂŒber  Nachuntersuchungen  von  Pat.,  die  vor  1 — 3  Jahren  an  einer 
epidemischen  Encephalitis  erkrankten  und  fand,  daß  von  92  FĂ€llen 
nur  10  als  wirklich  geheilt  angesprochen  werden  konnten,  14  nĂŒv 
leichte  funktionelle  Störungen  zeigten  und  2  in  einem  stationÀren 
Zustand  sich  befanden.  62  Pat.  dagegen  wiesen  eine  mehr  oder 
weniger  fortschreitende  Verschlechterung  von  seiten  des  Zentral- 
nervensystems auf.  Die  Erscheinungen  in  42  dieser  FÀlle  Àhnel- 
ten sehr  denen  der  Paralysis  agitans.  Auf  Grund  dieser  Unter- 
suchungen muß  gesagt  werden,  daß  in  jedem  Fall  von  epidemi- 
scher Encephalitis  die  Prognose  mit  Ă€ußerster  Vorsicht  zu 
stellen  ist.  K  À  c  k  e  1 1  (Hamburg  . 

American  Journal  of  Diseases  of  Children,  Chicago. 

MĂ€rz  1922,  23,  Nr.  3. 

Chronische  diffuse  Nephritis  beim  Kiiule.    G  r  e  e  n  e  .  C.  H.  183. 
Antiskorbutische Eigenschaften  der  FrĂŒchte.    II.  Experimentelle  Untersuchun- 
gen von  Aepfcln  unil  Bananen.    G  i  v  e  n  s  .  M.  H..  M  e  C  1  u  g  a  p  e  ,  H. 
B.  und  Hörne.  E.  G.  van.  210. 
‱Hndizes  des  Standes  der  ErnĂ€hrung  beim  Kinde.       Gray.   H.   und  Ed  ■ 

m  a  u  d  s  .  G.  H.  226. 
‱{■Resultate  von  Alkali-l'liosphat-Gaben  bei  Kindern  mit  Spasmophilie.  mit  Ra- 
chitis und  beim  normalen  Kinde.    Calvin,  J.  K.  und  Borovsky, 
M.  P.  238. 

Studien  ĂŒber  ErnĂ€hrung  des  .SĂ€uglings.  XVI.  Bakteriologie  der  FĂ€zes  und 
der  Nahrung  beim  normalen  Brustkinde.  B  r  0  W  n  .  E.  W.  und  B  o  s  - 
w  ĂŒ  i'tli.  A.  W.  243. 

Kin  Fall  von  Alkaptonurie  beim  SĂ€ugling.    Bilder  b  a  c  k  .  J.  B.  259. 

MaßstĂ€be  fĂŒr  den  ErnĂ€hrungszustand  der  Kinder.  Messungen 
in  111  SchĂŒlern  einer  Freiluflschule  fĂŒr  Knaben  werden  zu  einer 
NachprĂŒfung  der  verschiedenen  fĂŒr  die  Beurteilung  des  ErnĂ€h- 
rungszustandes bei  Kindern  angegebenen  MaßstĂ€be  verwertet. 
Es  ergab  sich,  daß  die  Mustertafeln  (Ideal  tables)  von  H.  G  r  a  x 
und  K.  M.  Gray  sehr  wertvoll  sind,  das  beste  Verfahren  aber 
wohl  das  von  Dreyer  und  Hanson  (The  assesment  of  phy- 
sicaJ  fitness,  London  1920)  vorgeschlagene  ist.  Dabei  wird  das 
Körpergewicht  in  Beziehung  gebracht  zur  LÀnge  des  Stammes 
sowie  zur  GrĂ¶ĂŸe  des  Brustumfangs. 

Folgen  der  Einverleibung  von  Alkaliphosphaten  bei  spasmo- 
philen,  rachitischen  und  gesunden  SĂ€uglingen.  Im  Gegensatz  zu 
den  Angaben  von  Jeppson  und  Klercker  konnten  die  Ver- 
fasser sich  von  einer  ungĂŒnstigen  Wirkung  der  Phosphatzufuhr 
bei  Spasmophilie  nicht  ĂŒberzeugen.  Sie  verabreichten  Kindern 
im  Laufe  von  24  Stunden  Gaben  von  0,55—0,60  g  sek.  Natrium- 
phosphat auf  das  Kilo  Körpergewicht.  Gesunde  und  rachitische 
Kinder  vertrugen  das  ohne  Störung,  wenn  auch  einmal  bei  einem 


i  achitischen  Kinde  die  elektrische  Erregbarkeit  etwas  stieg.  Selbst 
solche  SĂ€uglinge,  die  sich  kurz  zuvor  von  spasmophilen  Er- 
scheinungen erholt  hatten,  erlitten  keinen  RĂŒckfall  unter  Ein- 
wirkung der  PhosphĂ€tzĂŒfuhr.  H.  Vogt. 

The  Journal  of  laboratory  and  clinical  medicine,  St.  Louis. 

MĂ€rz  1922,  Nr.  6. 

Experimentelle   Untersuchungen  ĂŒber  die   Wirkung  von  Chinidin.  Jack- 
son, D.  E.,  F  r  i  e  d  1  À  n  der.  A..  Lawrence,  J.  W.  311. 

‱fr-Beriberi,  Tatsachen  und  Hypothesen.    X  i  ,  T.  G.  340. 
Einfluß    von   SchilddrĂŒsen,    Thyroxin    und    anderen    Jodbindungen    auf  die 

Azetonitrilreaktioii.    M  i  u  r  a  ,  M.  349. 
Modifikation  der  Tolin-IIu'schen  Blutzucker- Methode,  fĂŒr  kleine  Blutmengen. 
B  a  u  m  a  n  n  ,  E.  J.  uud  Isaacson,  R.  L.  357. 
‱^Sterilisierung  chirurgischer  Instrumente.    S  a  u  d  e  r  s  o  n  ,  E.  S.  360. 
Mikro-JIodifikation     der     Benedict'schen     Bestimmung     des  Harnzuckers. 
Smith,  M.  364. 

Beriberi.  Beriberi  ist  ausschließlich  eine  Avitaminose.  Die 
Infektionstheorie  ist  unrichtig.  Auch  die  Theorie,  die  die  Beriberi 
einer  Stickstoff-  oder  Phosphorarmut  der  Nahrung  zuschreibt,  ist 
zu  verwerfen.  Der  Körper  kann  aber  Vitamine  speichern  und 
so  ist  es  möglich,  daß  bei  absoluter  Nahrungsentziehung  kein 
Beriberi  eintritt.  Psychische  oder  physische  Anstrengung  erhöhen 
den  Vitaminbedarf.  Unter  verschiedenen  UmstÀnden  kann  die  Aus- 
nutzung der  Vitamine  ganz  verschieden  sein  und  eine  ErnÀhrung, 
die  bei  Menschen  kein  Beriberi  verursacht,  kann  Beriberi  ver- 
ursachen, wenn  die  Gewohnheiten  des  Menschen  geÀndert  werden. 

Sterilisierung  chirurgischer  Instrumente.  Zu  diesem  Zweck 
hat  Hill  das  Abbrennen  mittels  Methylalkohol  empfohlen.  S  an- 
der son  hat  die  Versuche  kontrolliert  und  gefunden,  daß  es 
wirklich  gelingt,  wenn  keine  sporenbildende  Bakterien  anwesend 
sind.  Werden  auf  die  Instrumente  B.-antrhacis  oder  botulnus  oder 
tetanic.  gebracht,  so  gelingt  die  Sterilisierung  auf  diese  Weise 
nicht.  Diese  geht  besser  vor  sich,  wenn  anstatt  Methylalkohol 
ein  Alkohol-Formalingemiseh  (3:1)  verwendet  wird,  aber  auch 
dann  gelingt  die  Sterilisierung  nicht,  wenn  neben  den  obenge- 
nannten Bazillen  auf  den  Instrumenten  noch  Fett  oder  Oel  an- 
wesend ist.  Das  Abbrennen  ist  also  keine  einwandfreie  Me- 
thode. Koopman  (Haag 

The  Japan  Medical  World,  Tokio. 

15.  Februar  1922,  2,  Nr.  2. 

‱{‱Leber   Masern.     K  a  w  a  in  u  r  tt.  .'   R.  31. 

^♩FrĂŒhdiagnose  der  Lungentuberkulose  durch  Röntgenstrahlen.  Miyahara. 

"  T.    35.  ‱ 
^Ursache    und    Behandlung    der    Pleura-Infektionen    nach    Operationen  de§ 
PleurarÀume«.    I  i  j  i  m  a  .  H.  40. 

Untersuchungen  ĂŒber  Masern.  Erfolgreiche  MasernĂŒber- 
tragung auf  Affen  (Macacus  fuscatus)  durch  subkutane  Injektion 
von  Blut,  das  einem  masernkranken  Kinde  60  Stunden  vor  Aus 
bruch  des  Exanthems  entnommen  wurde:  die  weitere  Ueber- 
tragung  auf  Affen  gelang  bis  in  die  dritte  Generation,  wÀhrend 
Kaninchen-  und  Meerschweinchenversuche  stets  negativ  verliefen. 
Die  Inkubationszeit  betrug  7  bis  9  Tage,  die  Tiere  hatten  leichtes 
Fieber,  Conjunctivitis,  Schnupfen,  papulöses  Exanthem,  Kopliksche 
Flecke  und  Leukopenie;  die  neutrophilen  Leukozyten  waren 
relativ  vermehrt,  die  Lymphozyten  vermindert.  Die  histologische 
l'ntersuchung  der  Haut  ergab  im  Corium  Vermehrung  der  großen 
MononukleÀren,  im  Epithel  Nekrose,  Zystenbildung  und  Parake- 
ratose. 

Die  FrĂŒhdiagnose  der  Lungentuberkulose  mit  Hilfe  der  Rönt- 
genstrahlen. Kurze  zusammenfassende  Darstellung  der  Patho- 
genese der  Lungentuberkulose  und  der  daraus  sich  ergebenden 
Gesichtspunkte  fĂŒr  die  Röntgendiagnostik.  Verf.  steht  auf  dem 
Boden  der  lymphogenen  Theorie.   Nichts  Neues. 

Ursachen  und  Behandlung  der  Pleurainfektionen  nach  Ope- 
rationen in  der  Brusthöhle.  Aus  Versuchen  mit  experimenteller 
Infektion  der  Pleurahöhle  durch  Staphylokokken  ergibt  sich.  dal', 
das  Setzen  eines  Pneumothorax  bei  Operationen  die  Resistenz  der 
Pleura  gegen  Infektion  herabsetzt;  traumatische  SchÀdigung  des 
l  leuraendothels  verringert  die  schon  beeintrÀchtigte  Widerstands- 
fĂ€higkeit noch  betrĂ€chtlich:  nach  Verschluß  der  Pleurahöhle  m 
derselben  verbliebene  Luft  wirkt  ebenfalls  resistenzvermindernd. 
Auf  Grund  dieser  Versuche  gibt  Verf.  ein  Verfahren  zur  Drainage 
der  Pleurahöhle  an,  das  sich  grundsÀtzlich  nicht  wesentlich  von 
dem  Perthes'schen  Aspirationsverfahren  unterscheidet. 

Wolf  f  (Hamburg). 


Der  heuligen  Nummer  liegt  ein  Prospekt  der  Firma  J.  D.  Riedel 
A.-G.,  Berlin,  ĂŒber  Degalol  bei,  worauf  wir  besonders  hinweisen. 


ISSSS&SSoSS&SS&SzSlSBm 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  prakllschen  Arzies 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm -Sirafje  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  29/30  Berlin,  den  29.  August  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Verlag  behĂ€lt  aieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  ver. 


Aus  dein  Röntgeninstitut  Dr.  Jean  und  Dr.  Else 
K  o  1 1  m  a  i  e  r  -  Mainz. 

Die  Dickfilterung  der  Röntgenstrahlen. 

Von  Dr.  Jean   K  o  1 1  m  a  i  e  r  -  Mainz. 

Erst  die  Filterung  der  Röntgenstrahlen  ermöglichte  die 
cderne  Tiefentherapie.    Waren  uns  vorher  durch  die  Reak- 
n  der  Flaut  (Verbrennungen)  infolge  Absorption  grĂ¶ĂŸerer 
engen  Röntgenstrahlen  unĂŒbersteigbare  Grenzen  in  der  Be- 
nflussung  tiefer,  nicht  im  Niveau  der  Haut  gelegener  Krank- 
heitsprozesse gezogen,  so  wurden  die  Aussichten  hierfĂŒr  mit 
einem  Schlage  anders,  als  Perthes  auf  den  Gedanken  kam, 
die  Haut  zu  entlasten,  indem  er  die  Röntgenstrahlen  zuvor 
durch  geeignete  Stoffe  hindurchschickte,  die  im  Sinne  von  „Fil- 
tern" wirkten.   Sie  absorbierten  aus  dem  Strahlengemisch  der 
Röntgenröhre  vorwiegend  gerade  die  weichen  Strahlen,  die 
sonst  ihrer  wenig  durchdringungsfÀhigen  Natur  nach  bereits 
in  der  Haut  ihre  bei  der  Tiefen  behandlung  unerwĂŒnschte 
Wirkung  entfaltet  hatten.    Zeitweise  glaubte  man,  es  gelinge 
durch  geeignete  Filterung,  die  Röntgenstrahlen  zu  „hĂ€rten" 
in  dem  Sinne,  daß  gewisse  Filter  langwellige,  weiche  Strahlen 
absorbieren  und  dafĂŒr  kurzwellige,  durchdringungsfĂ€hige 
Strahlen  aussenden  wĂŒrden.   Heute  wissen  wir,  daß  alle  Filter 
therapeutisch  eine  rein  passive,  hautschonende  FĂ€higkeit  be- 
sitzen, indem  sie  im  VerhÀltnis  ihrer  Atomgewichte  und  ihrer 
Dicke  (den  grĂ¶ĂŸten  Teil  der  weichen,  in  der  Tiefentherapie 
unbrauchbaren)  Röntgenstrahlen  in  sich  aufnehmen.  Auf  diese 
Weise  haben  wir  die  Möglichkeit,  durch  die  Haut  hindurch 
ganz  andere  Mengen  von  Röntgenstrahlen  in  die  Tiefe  zu  sen- 
den wie  frĂŒher,  ohne  irreparable  HautschĂ€digungen  fĂŒrchten 
zu  mĂŒssen.    Mit  Hilfe  der  „prozentualen  Tiefendosis",  d.  h. 
des  VerhÀltnisses  zwischen  OberflÀchendosis  und  der  in  einer 
Tiefe  von  10  cm  Körpergewebe  (=  Wasser)  wirksamen  Dosis 
bei  einem  Einfallsfeld  von  6:8  cm  konnten  die  fĂŒr  jedes 
Röntgenstrahlengemisch    praktisch     zweckmĂ€ĂŸigsten  Filter 
bestimmt  werden.    Nach  der  Konstruktion  leistungsfÀhigerer 
Apparate  und  Röntgenröhren  resultierte  dann  die  EinfĂŒhrung 
der  Zink-  und  der  Kupferfilter,  die  entsprechend  ihrem  höhe- 
ren Atomgewicht  viel  schÀrfer  filtern  als  z.  B.  gleichdicke  Alu- 
miniumfilter.  Unter  Verwendung  des  Zinkfilters  (von  0,5  mm 
Dicke)  erzielte  die  Erlanger  Schule  eine  prozentuale  Tiefendo- 
sis von  27  %  .   Auf  Grund  der  damaligen  Messungen  war  man 
in  Erlangen  ĂŒberzeugt,  eine  „praktisch  homogene"  Strah- 
lung mit  diesem  Filter  erzielt  zu  haben,  d.  h.  man  glaubte  auch 
durch  dickere  Filter  keine  wesentliche  Verbesserung  der  „pro- 
zentualen Tiefendosis"  erzielen  zu  können.    Hier  setzte  die 
systematische  Arbeit  des  Samariterhauses  (Heidelberg)  ein. 
Werner  hatte  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  die  Über- 
zeugung gewonnen,  daß  die  hĂ€rteren /-Strahlen  des  Radiums 
biologisch  wirksamer  wie  die  r-Strahlen  der  Röntgenröhre 
seien.   In    diesem  Sinne  mußte  es  das  Bestreben  sein,  mög- 
lichst nur  die  allerhÀrtesten  im  Röntgenspektrum  vorhandenen 
r -Strahlen  therapeutisch  zu  verwenden.  Rapp  benutzte  dem- 
gemĂ€ĂŸ ein  Zinkfilter  von  3  mm  Dicke.  Die  unter  sonst  gleichen 
Bedingungen  erzielte  „prozentuale  Tiefendosis"  betrug  durch- 
schnittlich 40%;      Freilich  war  dieser  Erfolg  nur  mit  einer 
ungleich  lÀngeren  Bestrahlungszeit  zu  erkaufen.   Erreicht  man 
/..  B.  nach  der  Erlanger  Methode  die  Hauteinheitsdosis  in  35 
Minuten,  so  sind  zum  gleichen  Zweck  unter  denselben  Be- 
triebsbedingungen unter  3  mm  Zinkfilter  8  Stunden  nötig.  Mit 
anderer  Apparatur  und  Röhre  lĂ€ĂŸt  sich  das  gleiche  Resultat 
praktisch  allerdings  schon   in  5  Stunden  erzielen.  —  Der 


große  Fortschritt,  den  die  Dickfiltermethode  darstellt,  tritt 
also,  wenn  man  lediglich  den  Maßstab  der  Hauteinheitsdosis 
anlegt,  nicht  zu  Tage.  —  EinschrĂ€nkend  muß  allerdings  be- 
merkt werden,  daß  auch  die  Erlanger  Richtung  hĂ€ufig  ge- 
zwungen ist,  zu  Bestrahlungen  aus  grĂ¶ĂŸeren  Entfernungen 
zu  greifen,  welche  die  Bestrahlungszeiten  bis  zum  20fachen 
ihrer  gewöhnlich  ĂŒblichen  Methode  verlĂ€ngern.  —  Die  Bedeu- 
tung der  Dickfiltermethode  liegt  vielmehr  vor  allem  darin,  daß, 
wie  ich  in  der  grĂ¶ĂŸten  Mehrzahl  der  FĂ€lle  sowohl  beim  Kar- 
zinom als  auch  beim  Sarkom  bei  meinen  Versuchen  bestÀtigt 
fand,  die  Blastome  gegenĂŒber  dieser  „Endstrahlung"  eine 
ganz  ĂŒberraschende  SensibilitĂ€t  offenbarten.  Röntgendosen, 
die  oberflÀchlich  dem  4.  Teil  einer  Hauteinheitsdosis  (=  Haut- 
erythemdosis)  entsprachen,  bewirkten  bereits  an  den  Tumoren 
fĂŒr  mehrere  Tage  eine  stark  entzĂŒndliche  Reaktion.  HĂ€ufig 
konnte  dann  nach  deren  Abklingen  durch  die  nochmalige  Ver- 
abfolgung der  gleichen  Dosis  unter  Dickfilter  das  Schwinden 
des  Tumors  beobachtet  werden.  Die  Annahme  Werners, 
daß  harte  r-Strahlen  biologisch  weit  wirksamer  sind  wie 
weiche,  erscheint  mir  sonach  unbestreitbar.  Im  gleichen  Sinne 
sprechen  auch  die  Erfahrungen  Wetterers,  der  z.  B.  bei 
flachen  juvenilen  Warzen  von  der  â€žĂŒberharten"  Strahlung 
(hohe  Spannung  und  0,5  Zinkfilter)  dann  noch  Erfolge  sah, 
wenn  die  mit  4  mm  Aluminium  gefilterten  Röntgenstrahlen 
wiederholt  erfolglos  blieben.  Die  praktischen  klinischen  Fol- 
gerungen aus  der  Gewißheit  der  grĂ¶ĂŸeren  biologischen  Wirk- 
samkeit harter  /-Strahlen  im  Vergleich  zu  weichen  mĂŒssen  in 
der  Röntgentherapie  umwÀlzend  wirken.  Die  bisher  als  Kar- 
zinomdosis bezw.  Sarkomdosis  ĂŒblichen  Begriffe  können  nicht 
aufrecht  erhalten  werden,  wenn  es  gelingt,  Blastome  mit  Rönt- 
gendosen, die  noch  betrÀchtlich  unter  der  Hauteinheitsdosis 
liegen,  zum  Schwinden  zu  bringen.  Wir  kÀmen  in  der  Rönt- 
gentiefentherapie  zu  einer  bis  zu  einem  gewissen  Grade  mehr 
individuellen  Dosierung,  wie  wir  sie  ja  auch  bei  unseren  son- 
stigen therapeutischen  Bestrebungen  gewohnt  sind.  Durch  die 
Dickfiltermethode  sind  wir  ferner  noch  in  der  Lage,  nach  einer 
etwa  in  der  bisher  ĂŒblichen  Weise  erfolglos  durchgefĂŒhrten 
Röntgenbehandlung  unter  gewissen  Vorsichtsmaßregeln  die 
Tumoren  erneut  und  frĂŒher  mit  weit  geringerem  Risiko  einer 
HautschÀdigung  anzugehen,  als  dies  bis  jetzt  möglich  war. 
Auch  in  dieser  Hinsicht  habe  ich  vorteilhaften  Gebrauch  von 
der  Methode  machen  können.  Zweifellos  gehört  dem  Dickfilter 
in  der  Röntgentiefentherapie  die  Zukunft,  zumal  wenn  wir  im 
Sinne  Dessauers  mit  noch  höheren  Spannungen  arbeiten, 
wozu  uns  freilich  z.  Z.  vor  allem  noch  die  Röntgenröhren  feh- 
len. Die  vollkommene  technische  Lösung  dieses  Problems 
wĂŒrde  die  Entbehrlichkeit  uns  heute  unerschwinglicher  Ra- 
diummengen bedeuten. 


Amenorrhoe=BehandIung  mit  Novariai 
und  Ferrovarial  (Merck). 

Voll  Dr.  M.  3.  J  a  co  b  s  o.n  in  Berlin. 
Ende  1920  wurde  ich  zum  ersten  Mal  auf  Novariai  auf- 
merksam, lieber  die  Gewinnung  dieses  EierstockprÀparates 
sei  kurz  folgendes  gesagt:  Bei  Verabreichung  der  einfachen 
TrockenprÀparate  aus  Ovarien  haben  sieh  die  bekannten 
ongan- spezifischen  Wirkungen  erkennen  lassen.  Da  aber 
der  Gehalt  an  wirksamen  Stollen  —  wie  wir  annehmen 
mĂŒssen  —  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  gering  ist,  lag,  solange  ihre  Iso- 
lierung noch  nicht  gelang,  der  Wunsch  nahe,  die  Organ- 


4% 


Jacobson:  Anienorrhoe-Behandlung. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  29/30. 


Substanz  wenigstens  in  eine  zur  Resorption  besonders  ge- 
eignete Form  zu  bringen.  Die  natĂŒrliche  Verdauung  schien 
hierfĂŒr  brauchbare  Anhaltspunkte  zu  bieten,  denn  sie  be- 
reitet ja  die  Aufschließung  aller  peroral  zugefĂŒhrten  Stoffe 
vor.  Dabei  werden  sonst  unlösliche  Eiweiße  löslich  und  re- 
sorbierbar. Danach  war  anzunehmen,  daß  die  wirksamen 
Komplexe  aus  den  Organsubstanzen  sicherer  und  rascher 
herausgelöst  werden  können,  wenn  der  natĂŒrliche  Verdau- 
ungsvorgang schon  außerhalb  des  Organismus  vorbereitet 
wird,  was  mit  Hilfe  von  Enzymen  geschieht. 

Seit  1K>  Jahren  verwende  ich  das  Novarial,  seit  fast 
einem  Jahre  auch  das  Ferrovarial,  eine  Eisenkombination 
des  Xovarials.  Da  die  Literatur  ĂŒber  diese  PrĂ€parate  bisher 
nur  vereinzelte  Hinweise  gebracht  hat,  möchte  ich  heute 
ĂŒber  eine  Reihe  von  Beobachtungen  berichten: 

Bei  einer  geistig  und  körperlich  zurĂŒckgebliebenen  Pa- 
tientin hatte  der  Uterus  etwa  die  GrĂ¶ĂŸe  eines  dem  Puber- 
tÀtsaltcr  entsprechenden  behalten;  die  nicht  sicher  abtast- 
baren Ovarien  werden  vermutlich  auf  der  gleichen  Entwick- 
lungsstufe geblieben  sein.  Hier  war  ich  erstaunt,  schon  nach 
8  Wochen  eine  zweitÀgige  Blutung  durch  Novarial  (3  mal 
tÀglich  4  Tabletten)  erzielt  zu  haben;  die  beiden  folgenden 
Perioden  traten  in  vierwöchigen  Intervallen  auf  und  dau- 
erten drei  Tage,  konnten  also  schon  als  völlig  normal  ange- 
sehen werden. 

Eine  vorĂŒbergehende  Amenorrhoe  —  sagt  H  o  f  m  e  i  e  r  J) 
—  tritt  am  hĂ€ufigsten  auf  bei  ErnĂ€hrungsstörungen  und 
Allgemeinerkrankungen  schwÀchender  Art;  sehr  hÀufig 
bald  nach  der  PubertÀt  bei  chlorotischen  MÀdchen, 
dann  bei  der  Tuberkulose,  bei  Diabetes  und  nach  akuten, 
konsumierenden  Krankheiten,  besonders  Typhus. 

Einen  Fall,  wo  „bald  nach  der  PubertĂ€t"  bei  chloroti- 
schen MÀdchen  die  Menses  ausgeblieben  wÀren,  kann  ich 
nicht  aufweisen,  möchte  an  der  Stelle  aber  die  folgende 
K  rankengeschichte  einf lechten: 

Ein  erst  19jÀhriges  junges  MÀdchen  erkrankte  an  Scarlatina 
mit  den  ĂŒblichen  Folgeerscheinungen  Polyarthritis  und  En- 
docarditis;  von  beiden  waren  noch  Symptome  vorhanden,  als 
die  Patientin  wegen  der  hieran  anschließenden  Amenorrhoe 
in  meine  Behandlung  kam;  bis  dahin  war  sie  stets  regel- 
mĂ€ĂŸig menstruiert  gewesen.  Ferrovarial,  2  mal  tĂ€glich  vier 
Tabletten,  nebst  gleiclrzeitig  verabfolgten  Höhensonnen- 
bĂ€dern, verhelfen  ihr  nach  fĂŒnf  und  dann  weiteren  vier 
Wochen  zu  der  (seit  neun  Monaten  ausgebliebenen)  Periode. 

Im  Anschluß  hieran  sei  ein  weiterer  Fall  genannt,  wo 
ebenfalls  eine  akute  kontagiöse  Infektionskrankheit  voran- 
gegangen war:  Typhus,  der  der  Patientin  als  unangenehmste 
Nachwirkung  betrÀchtlichen  Haarausfall  eingebracht  hatte. 
Sie  kam,  diesem  durch  LichtbÀder  abhelfen  zu  lassen;  erst 
auf  Befragen  gab  sie  die  seit  dem  Typhus  bestehende 
Amenorrhoe  zu,  die  sie  also  offenbar  weit  weniger  störte 
als  der  Haarverlust.  Gegen  diesen  wurden  Höhensonnen- 
bestrahlungen angewandt,  die,  auch  auf  den  Unterleib  appli- 
ziert, die  Wirkung  des  Novarial  (3  mal  tÀglich  4  Tabletten) 
unterstĂŒtzten.  Nach  6 — 5 — 4  Wochen  traten  wieder  2  bezw. 
3  Tage  anhaltende  Menses  auf. 

Ferner  fĂŒhrt  Hofmeier  (s.  o.)  den  Diabetes  als  ur- 
sĂ€chliches Moment  fĂŒr  Amenorrhoe  an.  Hier  dient  folgen- 
der Fall  als  Paradigma: 

Eine  40jĂ€hrige  Frau  klagt  ĂŒber  Hautjucken  und  un- 
stillbaren Durst;  seit  3  Jahren  habe  ihr  Körpergewicht  all- 
mÀhlich abgenommen;  die  Untersuchung  ergibt  6%  Zucker. 
Ob  dieser  seit  der  ganzen  Zeit  schon  bestanden,  ist  schwer 
zu  sagen,  da  die  genannten  Symptome  erst  seit  einem  Jahre 
sich  gezeigt;  möglich  ist  es  jedenfalls,  da,  auch  seit  etwa 
3  Jahren,  die  frĂŒher  regelmĂ€ĂŸigen  Menses  gĂ€nzlich  fehlen. 
Die  hiergegen  angewandten  ĂŒblichen  Fe-PrĂ€parate  hatten 
gÀnzlich  versagt.  Doch  wÀre,  wenn  Diabetes  und  Abmage- 
rung, statt  im  VerhÀltnis  von  Ursache  zu  Wirkung,  gleich- 
wertig nebeneinander  stehen  sollten,  ein  verfrĂŒht  beginnen- 
des Klimakterium  Ă€tiologisch  fĂŒr  die  Amenorrhoe  nicht  von 

»)  Handbuch  der  Frauenkrankheiten.  13.  Aufl.   S.  127. 


der  Hand  zu  weisen.  Immerhin  fĂŒhrte  Novarial  (3  mal  tĂ€g- 
lich 5  Tabletten)  nach  8  und  6  Wochen  zu  je  zweitÀgigen 
Blutungen.  Eine  weitere  Besserung  konnte  leider  nicht  be- 
obachtet werden,  da  Patientin,  deren  Zuckerausscheidung 
nicht  unter  4  %  hinunterzubringen  war,  an  Coma  diabet.  a<f 
exitum  kam. 

Ein  vorzeitiges  Ausbleiben  der  Menstruation  tritt  auch 
nicht  selten  zugleich  mit  einem  auffÀlligen  Fettansatz  am 
ganzen  Körper  auf.  Beides  ist  —  nach  Hofmeiers  An- 
sicht (a.  a.  O.)  —  der  Ausdruck  eines  vorzeitigen  Aufhörens, 
der  TĂ€tigkeit  der  Ovarien.  Der  Grund  der  Amenorrhoe  ist 
also  nicht  das  Fettwerden,  wie  gewöhnlich  angenommen 
wird,  sondern  beides  ist  eben  ein  Symptom  eines  ovariellen 
Vorgangs. 

Hierher  gehören  folgende  FÀlle:  Bei  einer  Patientin, 
einer  28  jĂ€hrigen  Frau,  entwickelte  sich  im  Anschluß  an 
eine  Geburt  vor  VA  Jahren  Amenorrhoe  und  Adi^wsitas; 
diese  brachte  eine  Gewichtszunahme  von  46  Pfund  (jetzt 
172!);  seit  derselben  Zeit  glaubt  die  Patientin  sich  steril,  was 
sie  eigentlich  zum  Arzt  fĂŒhrt.  Bei  genauer  Exploration  er- 
weist sich  die  Dauer  der  Amenorrhoe  und  vermuteten  Sterili- 
tĂ€t allerdings  um  die  HĂ€lfte  kĂŒrzer,  da  Patientin  %  Jahre 
genÀhrt  hat.  Die  Sperma-Untersuchung  beim  Ehemann 
gibt  keinen  Anhalt;  auch  sind  Harnröhren-,  Vaginal-  und 
Zervixsekrct  frei  von  Gonokokken.  Novarial  fĂŒhrt  nach 
8  Wochen  zu  eintÀgiger,  nach  6  und  4  Wochen  zu  zwei- 
tÀgiger, nach  weiteren  4  Wochen  zu  dreitÀgiger  Blutung. 

Bei  der  anderen,  41jÀhrigen  Patientin,  verminderten 
sich  die  frĂŒher  regelmĂ€ĂŸigen  Menses  seit  2  Jahren  so  stetig,, 
daß  in  den  letzten  0  Monaten  nur  noch  Blutflecke  auftraten. 
Hier  handelte  es  sich  also  nicht  um  eine  eigentliche 
Amenorrhoe,  sondern  nur  um  Oligomenorrhoe.  Die  anderen 
Klagen  der  Patientin:  Schwindel,  Kongestionen,  Schweiß- 
ausbruch spricht  man  wohl  am  besten,  da  an  Kor,  Blut- 
druck und  Lungen  nichts  Abnormes'  gefunden  wird,  als 
Symptome  verfrĂŒht  beginnenden  Klimakteriums  an.  No- 
varial (3  mal  tĂ€glich  5  Tabletten)  bewirkt  nach  5 — 4 — 4 
Wochen  1 — 3 tĂ€gige  Blutungen. 

Die  Tuberkulose  der  Lungen  ĂŒbt,  nach  Schauta2), 
einen  Einfluß  auf  die  Menstruation  insofern_aus,  als  letztere 
mit  dem  Fortschreiten  der  Phthise  immer  schwÀcher  wird, 
um  endlich  ganz  zu  erlöschen.  Bei  der  betreffenden  Pa- 
tientin war  die  eine  Lunge  schon  vollstÀndig  affiziert  (Spu- 
tum stark  +).  Infolge  mĂŒtterlicherseits  ererbter  Anlage 
traten  die  ersten  Menses  erst  im  16.  Jahre  auf,  ganz  unregel- 
mĂ€ĂŸig und  spĂ€rlich,  um  bald  darauf  gĂ€nzlich  zu  schwinden. 
Trotzdem  wurden  mit  -Ferrovarial  (3  mal  tÀglich  5  Ta- 
bletten) nach  5  und  ?>%  Wochen  je  2  tÀgige  Blutungen  er- 
reicht —  eine  leider  nur  vorĂŒbergehende  Besserung,  da  Pa- 
tientin, als  sie  sich  nach  weiteren  8  Wochen  abermals  vor- 
stellte, zweifellos  gravid  war. 

Von  Vergiftungen  als  Ursache  funktioneller  Amenorrhoe 
wÀre,  nach  Schauta  (a.  a.  O.),  die  mit  Morphium  und 
Alkohol  zu  erwÀhnen.  Auch  O  1  s  h  a  u  s  e  n  s)  hat  auf  den 
Morphinismus  als  Ursache  der  Amenorrhoe  hingewiesen- 
Heutzutage  darf  man  als  gleichwertigen,  jedoch  moderneren 
SchĂ€dling  auch  das  Kokain  nicht  ĂŒbergehen.  Eine  meiner 
Patientinnen  z.  B.  hatte  nach  Kokain-  und  reichlichem  Ta- 
baksgenuß (20  Zigaretten  tĂ€glich)  seit  3  Monaten  keine  Men- 
ses. Schwangerschaft  war  fraglos  ausgeschlossen.  Ferro- 
varial (3  mal  tÀglich  3  Tabletten),  brachte  ihr  nach 
4  Wochen  eine  1  tÀgige,  nach  abermals  4  Wochen  eine 
3  lÀgige  Periode. 

Auch  ein  Beispiel  von  Nikotin-Intoxikation  mit  prompt 
einsetzender  Amenorrhoe  fand  ich  bei  einer  Patientin,  die 
sich,  da  sie  ĂŒberdies  seit  3  Monaten  an  Uebelkedt  litt,  fĂŒr 
gravid  hielt.  Die  vaginale  Untersuchung  ergab  nichts  der- 
gleichen, doch  konnte  das  geklagte  Symptom  nicht  bloß  auf 
ĂŒberreichlichen    Tabak-    (30   Zigaretten    tĂ€glich),  sondern 

*)  „Die  Störungen  der  Menstruation  und  ihre  Behandlung"" 
in  Levden-Klemperer  „Die  Deutsche  Klinik".    Bd.  IX. 

»);  2:  f.  G.  u.  G..  Bd.  43.  zitiert  nach  Hofmeier  a.  a.  O. 


40.  Jahrg.  — Nr.  29/30. 


Dreuw:  SpĂŒldiesinfektion. 


Mich  auf  erheblichen  Alkoholkonsiun  —  Patientin  ist  Bar 
dame!  —  zurĂŒckgefĂŒhrt  werden.    Ferrövarjal  verhalf  ihr 
nach  4  Wochen  zu  „Blutflecken",  mach  weiteren  1  Wochen 
zu  einer  2  tagigen  Blutung. 

Zum  Schluß  noch  folgendes:  Eine  25  Jahre  alte,  seit 
2  Jahren  verheiratete,  russische  JĂŒdin,  kommt  wegen  seit 
1  Jahr  sich  zeigender  Amenorrhoe.  Weder  in  der  (nur  ge- 
ringen) UnterernÀhrung,  noch  in  dem  Befund  von  Uterus 
und  (leicht  abtastbaren,  gegen  Druck  empfindlichen) 
Ovarien  ist  eine  Ursache  hierfĂŒr  zu  finden.  Da  Patientin, 
weit  mehr  als  ĂŒber  den  Menses -Ausfall,  ĂŒber  die  Sterili- 
tÀt beunruhigt  ist,  wird  Hainröhren-,  Vaginal-  und  Zervix- 
Sekret  auf  Gonokokken  untersucht  (Befund  negativ).  Auch 
eine  physische  oder  psychische  Impotenz  des  Ehemannes 
besteht  nicht  (Sperma  untersucht.) 

Baciborski')  hat  auf  eine  „Amenorrhee  par  causes 
psychiques"  aufmerksam  gemacht  bei  Frauen,  die  lebhaft 
den  Eintritt  der  Schwangerschaft  wĂŒnschen  und  in  der 
Angst  steril  zu  sein,  dem  Eintritt  der  Periode  in  großer  psy- 
chischer Aufregung  entgegensehen.  Wer  an  unseren  öst- 
lichen UniversitÀtsfrauenkliniken  (Königsberg,  Breslau)  sich 
betĂ€tigt  hat,  wo  der  Zufluß  russischer  und  pohlischer  JĂŒ- 
dinnen, wenigstens  vor  dem  Kriege,  ganz  erheblich  war, 
weiß,  daß,  nach  orthodoxen  Anschauungen,  SterilitĂ€t  einen 
Eliescheidungsgrund  zu  Ungunsten  der  Ehefrau  bietet.  Auch 
im  Krieg,  wo  ich  als  Kreisarzt  viel  mit  der  dort  einheimi- 
schen Bevölkerung  in  BerĂŒhrung  kam,  ist  mir  dies  be- 
stÀtigt worden.  Es  ist  demnach  nicht  verwunderlich,  wenn 
bei  den  Frauen  eine  ausgesprochene  Furcht  vor  der  Sterili- 
tÀt besteht,  also  ein  psychischer  Affekt,  der  die  Amenorrhoe 
bewirkt,  d.  h.  gerade  das  Symptom,  das  den  Laien  in  der 
Annahme  einer  vorhandenen  SterilitÀt  besonders  bestÀrken 
muß,  nicht,  weil  solche  Frauen  aus  dem  Fehlen  der  Menses 
die  Hoffnung  auf  Schwangerschaft  schöpfen,  sondern  viel- 
mehr, weil  sie  sehen,  daß  an  ihren  Genitalien  „etwas  nicht 
in  Ordnung"  ist.  Ferrovarial  half  hier  nach  wenigen 
Wochen  psychisch  wie  auch  suggestiv,  da  nach  der  Be- 
hebung des  einen  Leidens  naturgemĂ€ĂŸ  die  Aussicht  auf  die 
ersehnte  Schwangerschaft  steigt  und  psychisch  gĂŒnstig 
wirken  wird. 

Zusammenfassung:  In  allen  FĂ€llen,  in  denen  ich 
Novarial  und  Ferrovarial  anwandte,  war  stets,  spÀtestens 
nach  8  Wochen,  doch  auch  schon  nach  4,  ein  Erfolg  zu 
sehen.  Nicht  immer  war  es  möglich,  die  Patienten  so  lange 
zu  beohachten,  wie  ich  es  gerne  gewĂŒnscht  hĂ€tte.  Jedenfalls 
haben  sich  die  beiden  EierstockprÀparate  bei  Amenorrhoe, 
der  Hauptausfallserscheinung  in  den  gesammelten  FĂ€llen, 
durchaus  bewÀhrt. 


lieber  ein  neues  System  der  kontinuierlichen 
SpĂŒldesinfektion. 

(Mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Gonorrhoe-Behandlung  in 
sozial-hygienischer  Beziehung.) 

(Schluß  aus  Nr.  27/28.) 

Von  Dr.  Dreuw-  Berlin. 

Jede  Gonorrhoe  wird  schon  bald  nach  den  ersten  Er- 
scheinungen eine  Mischinfektion.  Es  gibt  keine  Gonorrhoe, 
die  nicht  durch  eine  StÀbchen-  oder  Kokken-Urethritis  kom- 
pliziert wĂ€re  oder  wĂŒrde.  Die  bisherige  Protargol-Argonin- 
Largin-Hegonon-  usw.  Therapie  war  hauptsÀchlich  eine  reine 
gonokokkentötende  Methode,  die  der  Mischinfektion  von  vorn- 
herein nicht  die  große  Bedeutung  beilegte,  die  ihr  zukam.  Ich 
habe  daher  systematisch  seit  Jahren  dem  Argentum  protei- 
nicum  noch  Hydrargyrum  oxyeyanatum  und  andere  Desinfi- 
cientia  beigemischt,  die  speziell  abtötend  auf  die  Kokken  und 
StÀbchen  wirken.  Die  Erfolge  sind  nach  meinen  Erfahrungen 


*)  Zitiert  nach  Hofmeier  a.  a.  O. 


bedeutend  bessere  und  raschere  als  die  Behandlung  mit  gono 
kokkentötenden  Mitteln  allein.  Namentlich,  bei  der  chroni- 
schen Gonorrhoe.  Bei  kleineren  und  grĂ¶ĂŸeren  Infiltraten  der 
Harnröhre  ist  fast  immer  eine  Mischinfektion  vorhanden, 
wenn  es  kein  einfacher  Katarrh  ist.  Daher  verwende  ich 
in  der  Regel  immer  bei  der  Massage-SpĂŒlung  eine  Mischung 
von  beiden  Mitteln,  gonokokken-  und  kokken-  und  stÀbchen- 
tötenden, sei  es,  daß  ich  die  Mischung  zum  EinfĂŒhren  in  die 
in  Fig.  1  und  la  beschriebene  technische  Apparatur  vorlier 
fertig  mischen  lasse,  oder  daß  ich  die  Mischung  in  Fig.  1  u.  la 
bewirke.  Soll  eine  ödematöse  oder  eine  adstringieren.de  Wir- 
kung erzielt  werden,  so  verwende  ich  nur  eine  leichte  Lösung 
.von  Zinkum-  bezĂŒglich  Kaliunipermanganicum.  Neißer  und 
seine  SchĂŒler  (SchĂ€ffer  und  andere)  empfehlen  zwischen  den 
Injektionen  mit  Protargol  noch  hier  und  da  Hydrargyrum 
oxyeyanatum  zu  verwenden.  ZweckmĂ€ĂŸig  bringt  man  in 
den  Trichter  a  (Fig.  1)  eine  Mischung  von  Protargol  und 
,  Hydrarg.  oxyeyan.  oder  auch  von  2  anderen  gewĂŒnschten 
Medikamenten  in  einem  gewĂŒnschten  VerhĂ€ltnis  hinein.  Bei 
Apparat  Fig.  la  ist  eine  Vermischung  zweier  Medikamente 
nicht  erforderlich,  da  das  gewĂŒnschte  MischungsverhĂ€ltnis 
durch  Mi  u.  M2  sich  selbsttÀtig  reguliert. 

Nach  WTossidlo  steht  folgendes  fest: 

Sobald  die  Gonokokken  auf  die  Urethralschleimhaut  gelangen, 
beginnen  sie  sich  zu  vermehren  und  auszubreiten.  Sie  sind  zu- 
nÀchst dem  Plattenepithel  der  Fossa  navicularis  aufgelagert  und 
schieben  sich  in  Form  von  Rasen  auf  ihm  vor,  dringen  aber  nicht 
zwischen  die  Epithelzellen  und  die  den  Epithelzellen  einge- 
keilten Eiterzellen  ein;  auch  die  zwischen  den  Epithelzellen  sind 
frei  von  Gonokokken.  Haben  sie  die  Fossa  navicularis  ĂŒber- 
schritten und  sind  sie  auf  die  mit  Zylinderepithel  bekleideten 
Pars  pendula  ĂŒbergegangen,  so  wachsen  sie  nicht  nur  auf  der 
der  OberflÀche  weiter,  sondern  dringen  auch  zwischen  die 
Epithelzellen  ein,  vermehren  sich  in  den  interepithelialen  RĂ€u- 
men, gelangen  zwischen  die  kubischen  Zellen  der  untersten 
Schichten  und  in  die  oberste  Schicht  des  subepithelialen  Binde- 
gewebes. Hier  konnten  sie  bereits  am  dritten  Tage  der  Er- 
krankung nachgewiesen  werden.  Dieses  schnelle  Eindringen  der 
Gonokokken  in  die  Tiefe  bis  in  das  subepitheliale  Bindegewebe 
ist  fĂŒr  die  Therapie  von  großer  Wichtigkeit. 

In  großen  Mengen  finden  sich  die  Gonokokken  perifollikulĂ€r, 
wo  dementsprechend  auch  die  intensivsten  entzĂŒndlichen  Ver- 
Ă€nderungen des  Epithels  vorkommen.  Hier  sind  nicht  nur  die 
der  OberflÀche  aufliegenden  und  zwischen  die  zerworfenen 
Epithelzellen  eingekeilten  Eiterzellen  dicht  mit  Gonokokken  voll- 
gepfropft, sondern  sie  umgeben  die  Epithelzellen  in  großen 
Mengen  und  sind  zahlreich  in  den  obersten  Lagen  des  sub- 
epithelialen Bindegewebes  vorhanden. 

Auch  das  Epithel  der  Lacunae  Morgagni  wird  in  gleicher 
Weise  von  den  Gonokokken  umgeben,  wÀhrend  sie  sich  auf  dem 
Epithel  der  SchleimdrĂŒsenacini  nicht,  wohl  aber  in  den  diese  be- 
denkenden Leukozyten  finden.  Ebenso  trifft  man  Gonokokken 
zwischen  den  Epithelzellen  der  Littre'schen  DrĂŒsenausfĂŒhrungs- 
gĂ€nge gelagert  an,  in  den  DrĂŒsenacinis  jedoch  nur  innerhalb 
der  Leukocyten. 

Solange  nun  die  Gonokokken  das  Plattenepithel  der  Fossa 
navicularis  nicht  ĂŒberschritten  haben,  entfalten  sie  noch  nicht 
ihre  volle  Wirkung.  Es  ist  dies  die  sog.  Inkubationszeit,  in 
der  die  Gonorrhoe  auch  klinisch  noch  keine  deutlichen  Erschei- 
nungen macht. 

Sind  sie  aber  auf  das  Zylinderepithel  der  Pars  cavernosa 
urethrae  ĂŒbergegangen  und  in  der  oben  beschriebenen  Weise 
zwischen  die  Epithelzellen  der  Schleimhaut  und  bis  in  die 
obersten  Schichten  des  Bindegewebes  eingedrungen,  so  rufen  sie 
hier  eine  entzĂŒndliche  Reaktion  hervor,  die  sich  in  einer  Er- 
weiterung der  BlutgefĂ€ĂŸe  und  reichlicher  Diapedese  von  Leu- 
kocyten Ă€ußert.  Die  Leukocyten  wandern  zwischen  die  Epithel- 
zellen hindurch  und  gelangten  mit  Gonokokken  beladen  an  die 
SchleimhautoberflÀche.  Ob  dabei  die  Gonokokken  in  die  Eiter- 
zellen eindringen,  ober  ob  es  sich  um  eine  Phagocytose  handelt, 
darĂŒber  gehen  die  Ansichten  der  Autoren  noch  auseinander. 
Jedenfalls  ist  der  Effekt  der,  daß  die  Gonokokken  von  den  Eiter- 
zellen fortgeschwemmt  werden.  * 

Das  Epithel,  das  schon  durch  das  Eindringen  der  Gono- 
kokken gelitten  hat,  wird  jetzt  durch  das  Hineindringen  der 
Leukocyten  zwischen  seinen  Zellen  noch  weiter  zerstört,  es  wird 
losgestoßen  und  verfĂ€llt   der  schleimigen  Degeneration. 


4^8  Dreuw:  SpĂŒldesinfektion.  40.  Jahrg.  —  Nr.  29/30. 


Im  subepithelialen  Bindegewebe  entsteht  eine  reichliche 
Infiltration  mit  Eiterzellen,  die  das  Bindegewebe  bis  in  das 
Corpus  cavernosum  durchsetzen  und  sich  auch  in  dessen  Bal- 
ken vereinzelt  vorlinden.  Die  KapillargefĂ€ĂŸe  sind  erweitert 
und  ihr  Lumen  ist  mit  polynukleĂ€ren  Leukocyten  angefĂŒllt.  Die 
Morgagnischen  Lakunen  und  die  Littre'schen  DrĂŒsen  nehmen  an 
der  EntzĂŒndung  besonders  lebhaften  Anteil.  Ihr  Epithel  ist  ge- 
lockert, zum  Teil  abgestoben  und  mit  Leukocyten  durchsetzt;  ihr 
Lumen  ist  mit  abgestoßenen  Epithelien  und  mit  Leukocyten  an- 
gefĂŒllt. Ihre  WĂ€nde  sind  von  Infiltraten  embryonaler  Zellen 
umgeben. 

Hat  die  akute  EntzĂŒndung  gegen  Ende  der  dritten  Woche 
ihre  Akme  ĂŒberschritten,  so  findet  man  in  den  gĂŒnstig  ver- 
laufenden FĂ€llen  im  Bindegewebe  noch  erweitere  BlutgefĂ€ĂŸe,  aus 
denen  Eiterserum  und  Eiterzellen  austreten;  Gonokokken  sind 
aber  gar  nicht  mehr,  oder  nur  noch  vereinzelt  daselbst  vor- 
handen. Aus  den  nach  Ablauf  des  akuten  Stadiums  zurĂŒck- 
gebliebenen Epithelzellen  entwickelt  sich  ein  mehrschichtiges 
Pflasterepithel,  das  dem  abermaligen  Eindringen,  der  etwa  noch 
an  der  OberflÀche  befindlichen  Gonokokken  einen  Widerstand  ent- 
gegensetzt. Diese  werden  durch  die  noch  bestehende  Eiterung 
schließlich  fortgeschwemmt  und  schwinden  endlich  am  Ende  der 
fĂŒnften  bis  sechsten  Woche  ganz.  Nunmehr  lĂ€ĂŸt  die  GefĂ€ĂŸ- 
dilatation und  HyperÀmie  nach,  die  subepithelialen  Infiltrate 
werden  resorbiert,  die  Urethritis  ist  geheilt.  Das  Epithel  nimmt 
aber  seine  Zylinderform  nicht  wieder  an,  eine  Restitutio  ad 
integrum  findet  nicht  statt. 

Dieser  Ausgang  ist  aber  durchaus  nicht  die  Regel.  Meist 
verschwindet  der  Gonokokkus  in  so  kurzer  Zeit  nicht  völlig, 
sondern  bleibt  in  der  Tiefe  des  Gewebes  und  in  den  DrĂŒsen  ver- 
borgen und  unterhĂ€lt  die  EntzĂŒndung  der  Schleimhaut.  Die 
Urethritis  geht  in  das  chronische  Stadium  ĂŒber. 

Das  Chronischwerden  der  gonorrhoischen  Urethritis  wird 
vielfach  dadurch  begĂŒnstigt,  daß  durch  irgend  eine  Ă€ußere 
SchĂ€dlichkeit  eine  abermalige  Steigerung  der  EntzĂŒndung  statt- 
findet. Bei  dem  Rezidive  spielt  sich  dann  unter  erneuter  Ver- 
mehrung der  Gonokokken  derselbe  EntzĂŒndungsprozeß  ab,  wie 
oben  beschrieben,  nur  meist  in  weniger  heftiger  Weise.  Der- 
artige Rezidive  können  mehrere  hintereinander  auftreten,  wo- 
durch natĂŒrlich  die  Urthralschleimhaut  immer  mehr  an  Wider- 
slandsfĂ€higkeit gegen  die  Gonokokken  und  ihre  Texine  einbĂŒĂŸt, 
das  dauernde  Ansiedeln  der  Gonokokken  in  den  Geweben  be- 
gĂŒnstigt wird. 

Demnach  befinden  sich  also  die  Gonokokken  schon  in 
den  allerersten  Tagen  in  den  DrĂŒsen  bis  in  das- subepitheliale 
Bindegewebe  hinein.  Da  aber  die  Littre'schen  DrĂŒsen  sich 
bis  in  diese  Gewebe  hinein  korkzieherartig  verteilen,  so  ist 
eine  rein  chemische  Beeinflussung  dieser  Gonokokken,  die 
sich  schon  in  den  ersten  Tagen  in  der  Tiefe  befinden,  nicht 
in  dem  Sinne  möglich,  wie  die  Bakteriologie  es  sich  dachte, 
denn  jedes  chemische  Desinficiens  kann  nur  dort  ein- 
greifen und  abtötend  oder  abschwÀchend  wirken,  wo  es  mit 
den  Bakterien  in  direkte  BerĂŒhrung  kommt,  es  sei  denn,  die 
AbwehrkrÀfte  des  Organismus  werden  indirekt  zu  dieser 
Abtötumg  bezĂŒglich  AbschwĂ€chung  durch  das  Mittel  mobil 
gemacht.  Meines  Erachtens  ist,  wie  schon  erwÀhnt,  die  so- 
genannte Protargol-Tiefenwirkung  ein  MĂ€rchen;  das  keine 
Berechtigung  hat  und  nie  gehabt  hat. 

Der  Nachteil  der  bisherigen  WĂ€rmetherapie  der  Harn- 
röhrenschleimhaut war  der,  daß  die  Hitze  nur  lokalisiert 
auf  die  Schleimhaut  und  die  etwas  tiefer  gelegene  Partie 
der  Submukosa  wirkte,  und  daß  sie  bei  der  bisherigen  Tech- 
nik nur  zu  kurze  Zeit  angewandt  werden  konnte.  Daher 
sind  SpĂŒlungen  von  V« — 1ji — 1  Stunde  und  lĂ€nger  mit  leicht 
desinfizierend  -  adstringierenden  FlĂŒssigkeiten  erforderlich. 
Ferner  habe  ich  mein  Augenmerk  darauf  gerichtet,  daß 
gleichzeitig  auch  von  außen  her  eine  Temperatur  von 
45  Grad  und  höher,  und  gleichzeitig  auch  von 
Rektum  aus  eine  solche  Temperatur  einwirkt,  so  daß  die 
gesamte  Genitalgegend  einer  Temperatur  von  45  Grad  auf 
lÀngere  Zeit  ausgesetzt  wird.  Um  dies  zu  erreichen,  wird 
noch  ein  zweiter  Schlauch  von  der  Apparatur  in  Fig.  1  ab- 
gelenkt, der  umsponnen  ist,  also  durch  den  Wasserdruck 
sich  nicht  ausdehnen  kann.  Dieser  wird  nun,  wÀhrend 
das  SpĂŒlinstraiment  im  inneren  des  Penis,  in  der  Harn- 
röhre sich  befindet,  um  die  AußenflĂ€che  herum  in  verschie- 
dene Spiralen  gewickelt  und  dann  das  aus  demselben  ab- 


fließende auf  45  Grad  oder  höher  erhitzte  Wasser  mit  dem  in 
den  Anus  eingefĂŒhrte  Prostata-WĂ€rmeinstrument  eingefĂŒhrt. 
Die  Technik  ist  so,  daß  man  das  umsponnene  Gummirohr 
direkt  hinter  der  Glans  .um  den  Penis  herumwickelt,  dann 
wieder  zurĂŒckwickelt  und  wieder  bis  zur  Radix  wickelt,  um 
es  dann  in  das  Zuflußrohr  des  Arzberger'schen  Instrumentes 
oder  besser  des  Lewinschen  Instrumentes  zu  fĂŒhren,  dessen 
Sitzplatte  zweckmĂ€ĂŸig  noch  verbreitert  wird,  um  eben  die 
Temperatur  auf  die  Dammgegend  einwirken  zu  lassen. 

ZweckmĂ€ĂŸig  bringt  man  noch  einen  zweiten  Erhitzer 
an,  so  daß  man  den  fĂŒr  die  Erhitzung  der  Außenteile  be 
stimmten  Schlauch  noch  mit  bis  auf  50 — 60  Grad  erhitztem 
Wasser  beschicken  kann,  um  auf  alle  FĂ€lle  eine  in  die 
Tiefe  wirkende  lokale  Erhitzung  durchzufĂŒhren.  Durch 
diese  Methodik  wird  erzielt: 

1.  eine  kontinuierliche  SpĂŒldesinfektion  mit  (wĂ€hrend 
der  Behandlung)  abstufbarem  Konzentrationsgrad; 

2.  Eime  WTĂ€rmezufuhr  von  45 — 50  Grad  fĂŒr  die  gesamte 
Genital-Gegend. 

Diese  neue  Technik  gestattet  in  der  Tat  sÀmtliche  physi- 
kalisch-chemischen Faktoren  (SpĂŒlung,  Massage,  WĂ€rme, 
Faradisierung)  usw.  zur  Anwendung  zu  bringen. 

Die  zahlreichen  Versuche,  durch  Hitze  die  Gonokokken  in 
ihrer  VitalitĂ€t  und  Virulenz  zu  stören  bezĂŒglich  abzutöten, 
haben  hĂ€ufig  nicht  zu  einem  definitiven  Ziel  gefĂŒhrt,  da 
nach  kurzer  Zeit,  wenn  auch  eine  Tötung  und  Ab- 
schwÀchung und  eine  rasche  Abnahme  der  Sekretion  erfolgt 
war,  meist  wieder  Rezidive  eintreten.  Nur  langdauernde 
WĂ€rmeeinwirkung,  wie  es  auch  beim  Fieber  der  Fall  ist, 
fĂŒhrt  hier  zum  Ziel. 

Wenn  auch  die  Laboratoriumsversuche  von  Kiefer, 
Steinschneider,  Finger,  SchÀffer,  Schulz  u.  a.  ergeben  haben, 
daß  die  Gonokokken  bei  38,5  Grad  geschwĂ€cht,  bei  40 — 41 
Grad  schon  nach  einigen  Stunden  abgetötet  wurden,  so  sind 
selbstverstÀndlich  beim  lebenden  Menschen  ganz  andere 
VerhÀltnisse  vorhanden,  denn  hier  sind  einesteils  die  Gono- 
kokken in  dem  fĂŒr  sie  passenden  NĂ€hrboden  viel  resistenter, 
andererseits  gelingt  es  auch  nicht,  da  das  Blut  zirkuliert  und 
die  eben  erzielte  WĂ€rmevermehrung  durch  das  fließende 
Blut  immer  wieder  abgeleitet  wird,  eine  höhere  Temperatur 
zu  erzielen,  es  sei  denn,  man  fĂŒhrt,  wie  ich  es  oben  tech- 
nisch angegeben  habe,  zu  gleicher  Zeit  die  WĂ€rme  von  den 
verschiedenen  Richtungen  der  erkrankten  Partie  zu  und  lĂ€ĂŸt 
sie  stundenlang  einwirken. 

Es  ist  bekannt,  daß  fieberhafte  Erkrankungen  die  Go- 
norrhoe plötzlich  zum  Schwinden  brachten  und  daß  es  auch 
nicht  gelang,  eine  Uebertragung  der  Gonokokken  auf  die 
Urethra  experimentell  zu  erzielen,  wenn  eine  derartige 
fieberhafte  Erkrankung  bestand. 

SelbstverstĂ€ndlich  gilt  auch  hier,  daß  der  Arzt  rein  in- 
dividuell (von  Fall  zu  Fall)  (behandeln  muß.  Ja,  es  gibt  eine 
Reihe  von  FĂ€llen,  in  denen  man  schon  kurze  Zeit  nach  der 
Verwendung  der  Hitze-Therapie  darauf  verzichten  muß,  da 
die  Patienten  sie  schlecht  vertragen,  weil  Schwellungs-  und 
ErhitziungszustÀnde  eintreten.  Wird  sie  aber  vertragen, 
dann  bedeutet  die.  angegebene  Technik  ein  energisches  Mit- 
tel zur  fraktionierten  Sterilisierung  und  lÀngeren  Beein- 
flussung der  Gonokokken,  sie  bedeutet,  daß  durch  die  ent- 
stehende ödematische  Wirkung  und  durch  die  sich  in  die 
Tiefe  ausbreitende  kollaterale  HyperÀmie  der  NÀhrboden  im 
ungĂŒnstigen  Sinne  fĂŒr  die  Gonokokken  und  im  gĂŒnstigen 
Sinne  fĂŒr  die  Heilung  vorbereitet  wird. 

Daß  die  Resultate  der  WĂ€rmebehandlung  gĂŒnstige  sind, 
ergibt  auch  ein  Aufsatz  von  R  e  g  i  e  r  u  n  g  s  -  M  e  d.  -  R  a  t 
Dr.  Arthur  S  c  h  e  r  1  i  e  s  s  in  Gharlottenburg.  Dieser  Autor 
schreibt  in  der  „Deutschen  Medizinischen  Wochenschrift" 
Nr.  3,  daß  er  bei  200  Soldaten  durch  DauerspĂŒlungen  von 
1/2  Stunde  Dauer,  allmÀhlich  bei  34  Grad  beginnend  und 
(durch  Zugießen  heißen  WiĂ€ssers  in  den  Irrigator)  bis  48 
Grad  und  49  Grad  steigend,  Enderfolge  erzielt  habe,  die  mit 
den  anderen  Methoden  nicht  erreicht  wurden. 

Dr.  S  c  h  e  r  1  i  e  ß  schreibt:  „Die  auffallende  Wirkung  der  SpĂŒ- 
lung auf  die  Gonokokken  war  fast  stets  auffallend  gut.  Schon 


10.  Jahrg.    Nr.  2(.)  30,  Dreuw:  SpĂŒldesinfektion 


Bach  der  erlften  SpĂŒlung  von  akuten  FĂ€llen  mii  sehr  reichlichen 
Gonokokken  waren  diese  im  Ausfluß  am  nĂ€chsten  Tage,  tneisl 
nur  noch  sehr  spĂ€rlich,  nichl  selten  dann  ĂŒberhaupl  nicht  mehr 
tu  finden.  Bei  gelegentlichen  akuten  RĂŒckfĂ€llen  habe  ich  wohl 
nĂŒl  Recht  vermutet,  da  II  sie  die  Folge  von  durch  EntzĂŒndungs- 
VorgĂ€nge  verschlossener  DrĂŒsehausfĂŒhfungsgĂ€ngen  und  von 
Pseudoabszessen  waren,  welche  infolge  der  Einwirkung  der 
feuchten  Hitze  auf  das  Gewebe  und  die  aklive  HyperÀmie  der 
Schleimhaut  wieder  freigemacht  oder  ihrer  Eröffnung  entgegen 
gefĂŒhrt  wurden.  In  vereinzelten  FĂ€llen  winde  die  Heilung  ver 
zögert  durch  infizierte  paraurethrale  GÀnge,  die  zunÀchst  nicht 
festgestellt  und  behandelt  worden  waren.  Die  Heiß  Wasser- 
spĂŒlungen in  grĂ¶ĂŸeren  ZeitabstĂ€nden  angewendet,  sind  bei  der 
akutesten  Form  möglich.  So  wird  sie  bei  Irischer  Nebenhoden - 
EntzĂŒndung,  bei  der  sonst  lokale  Behandlung  verpönt  ist,  als 
lindernd  empfunden  und  fördert  den  RĂŒckgang' der  EntzĂŒndung. 
Ein  FaR  von  akuter  Gonorrhoe  mit  sehr  reichlichen  Gono- 
kokken, bei  der  die  Schleimhaut  so  stark  geschwollen  war,  daß 
lagelang  der  Urin  mittels  Katheters  abgelassen  werden  mußte, 
konnte  nach  wenigen  SpĂŒlungen  in  32  Tagen  als  geheilt  zur 
Truppe  entlassen  werden.  GrĂ¶ĂŸere  Infiltrate  halle  ich  wieder- 
holt beim  EinfĂŒhren  des  SpĂŒlkatheters  in  die  Harnröhre  fest- 
gestellt; bei  der  zweiten  SpĂŒlung  waren  sie  stets  erheblieh  zu- 
i- ĂŒ ck gebildet,  bei  der  dritten  meist  nicht  mehr  zu  fĂŒhlen.  WĂ€h- 
rend der  Behandlung  wurde  ein  Uebergreifen  des  akuten  Krank- 
heitsherdes auf  die  hintere  Harnröhre  nur  in  sehr  wenigen,  eine 
frische  Nebenhodenentziindung  nur  in  zwei  FĂ€llen  beobachtet. 
Die  beiden  letzteren  Komplikationen  wurden  hervorgerufen 
durch  instrumentelle  Eingriffe,  die  nach  meinen  jetzigen  Er- 
fahrungen nicht  zweckmĂ€ĂŸig  waren.  Mit  den  SpĂŒlungen  der 
vorderen  Harnröhre  allein  bin  ich  auch  bei  denjenigen  Krank- 
heilsfÀllen zum  Ziel  gekommen,  bei  denen  ich  eine  Miterkran- 
kung der  Pars  posterior  annehmen  mußte. 

Von  den  chronischem  FĂ€llen,  welche  ich  mit  Heißwasser- 
spĂŒlungen behandelte,  ist  bis  auf  einen,  der  aus  dienstlichen 
GrĂŒnden  von  der  Trappe  entlassen  werden  mußte,  kein  ein- 
ziger wÀhrend  der  Zeit,  die  er  unter  meiner  militÀrÀrztlichen 
Kontrolle  stand,  nach  definitivem  Abschluß  der  Behandlung  rĂŒck- 
fÀllig erkrankt." 

Es  ist  klar,  daß  die  von  Scherließ  (angegebene  Technik, 
die  verlangt,  daß  man  den  Irrigator  fortwĂ€hrend  neu  fĂŒllt, 
es  nur  schwer  gestattet,  die  Temperatur  auf  lÀngere  Zeil  eine 
halbe  Stunde  bis  eine  Stunde  lang  und  noch  lÀnger  konstant 
zu  halten.  Aber  die  Erfolge,  die  er  erzielt  hat,  entsprechen 
durchaus  den  Erfolgen,  die  ich  mit  meiner  verlbesserten 
Technik  beobachten  konnte. 

Was  das  Instrumentarium  von  Scherließ  betrifft,  so  hat 
es  ebenso  wie  alle  bisher  verwandten  Instrumente  (Ober- 
lĂ€nder, Kollmann,  Notthaft  ĂŒ.  a.)  den  Nachteil,  daß  das 
Röhrensystem  des  zuströmenden  Wassers  nicht  voll  und 
ganz  getrennt  ist  von  dem  des  abfließenden,  so  daß  Wirbel - 
ströme  entstehen,  die  die  beiden  KrĂ€fte  des  aufließenden  und 
des  abfließenden  bezĂŒglich  saugenden  Wasserstroms  gegen- 
seitig beeinflussen.  '  Daher  ist  eine  Einwirkung  auf  die 
Littre'schen  DrĂŒsen  und  auf  die  Morgagnischen  Lakunen 
nicht  in  dem  Sinne  möglich,  wie  es  bei  einem  Instrument 
der  Fall  ist,  bei  dem  das  zufließende  und  das  abfließende 
Röhrensystem  zwei  völlig  voneinander  getrennte  Faktoren 
darstellt. 

Nachdem  das  Wasser  aus  den  feinen  Oefinungen  (Fig.  4) 
gegen  die  Harnröhrenschleimhaut  mit  ihren  Verteilungen 
angetrieben  ist,  kommt  es  (eine  Àhnliche  Anordnung  und 
Trennung  hat  man  in  dem  arteriellen  und  dem  venösen 
GefĂ€ĂŸsystem  des  Blutkreislaufes)  in  ein  von  dem  Zufluß- 
System  völlig  getrennten  und  geschiedenes  Ablauf-System, 
so  daß  bei  dem  Instrument  nicht  nur  eine  Druck-  und  Saug-, 
sondern  auch  vibratorische  Wirkung  erzielt  wird. 

Daß  hier  eine  Saugwirkung  stattfindet,  kann  man  be- 
obachten, wenn  man  nĂ€mlich  eine  Gummimembran  ĂŒber 
(las  Instrument  gezogen  hat.  Diese  saugende  Wirkung  ist 
mm  schuld  daran,  daß  das  Wasser  nicht  in  die  Blase  ein- 
dringen kann,  sondern  nur  so  weit  wirken  kann,  als  das 
Instrument  in  die  Harnröhre  reicht,  da  das  Wasser  eben  in 
dem  Moment,  wo  es  die  Harnröhrenschleimhaut  bespĂŒlt  hat, 
auch  sofort  abgesaugt  wird.  Hierdurch  wenden  die  Fol- 
likel gereinigt  und  dilatiert,  die  Schleimhautfalten  werden 
gedehnt  und  das  Eindringen  des  mit  einer  gewissen  Kraft 


gegen  die  Schleimhaut  gescJileuderteri  feinverteilten  Wassers 
in  die  feinsten  Nischen  und  Schleimhautfalten  wird  er- 
möglicht. 

SelbstverstÀndlich  wird  diese  Therapie  noch  zweck 
mĂ€ĂŸig  kombiniert  durch  horhlcniperiri  tr  lein  hie  Kom- 
pressen, durch  Prißnitz'sche  UmschlĂ€ge,  durch  warme  Voll- 
bÀder, evenll.  mit  Schwefelzusatz,  um  sowohl  eine  aktive 
als  eine  passive  HyperĂ€mie  und  ein  kĂŒnstliches  Oedem  zu 
erzeugen.  Auch  elektrische  Heizkissen  können  auf  den  Damm 
gelegt  werden.  Nebenbei  können  noch  warme  SitzbÀder  von 
Zeit  zu  Zeil  verabfolgt  werden,  um  die  Resorption  von 
EiilzĂŒndungserschcinungcn  noch  zu  vervollstĂ€ndigen. 

Von  ganz  besonderer  Wichtigkeit  ist  diese  Art  der  SpĂŒl- 
behandlung  bei  der  Rektal -Gonorrhoe,  bei  welcher  man 
zweckmĂ€ĂŸig  ein  etwa  daumendickes  Endo-SpĂŒl-Rohr  an- 
wendet, das  nicht  nur  desinfizierende  SpĂŒlungen,  sondern 
auch  lange  dauernde  WĂ€rnieapplikation  gestattet. 

b)  Behandlung  der  weiblichen  (jonorrhoc. 

Als  Polizeiarzt  konnte  ich  die  Folge  einer  ungeheilten 
weiblichen  Gonorrhoe  in  ihrer  vollen  sozialhygienischen  Be- 
deutung fast  tÀglich  erkennen.  Es  ist  wichtig,  gerade  dem 
praktischen  Arzt  ins  GedĂ€chtnis  zu  rufen,  was  ĂŒber  die 
Folgen  der  weiblichen  Gonorrhoe  und  ĂŒber  ihre  Unheilbar- 
keit  der  Leiter  der  Berliner  Prostituierten-Behandlungs- 
station, Prof.  Dr.  Felix  Pinkus,  in  einem  Briefe  an  das 
Berliner  PolizeiprÀsidium  sagt: 

„Ich  bitte  höflichst,  mir  in  einer  schon  immer  schwanken- 
den Auffassung  Ihre  Ansicht  zu  sagen.  Es  handelt  sich  wieder 
um  die  Zervikalgonorrhoe,  welche  ich  nicht  heilen  kann.  In 
der  letzten  Woche  habe  ich  mehrmals  Zervikalgonorrhoen  zur 
ambulanten  Nachbehandlung  entlassen,  bei  denen  ich  das  Rennen 
aufgebe  und  von  der  Zeit  allein  nebst  meiner  ĂŒblichen  ambu- 
lanten Behandlung  mit  Aetzungen  usw.  eine  Wirkung  erhoffe. 

Die  Patientinnen  wurden  tÀglich  bestellt  mit  der  Drohung, 
sie  sofort  als  krank  zu  melden,  sobald  es  ihnen  einfallen  sollte, 
ohne  Tampon  und  Jodoformgaze  zu  erscheinen.  Nach  Aus- 
stĂŒlpungen  nach  der  Untersuchung  auf  dem  PolizeiprĂ€sidium 
hatten  sie  sofort  wieder  Jodoformgaze  vor  die  Oeffnung  zu 
legen.  Einige  sind  diesen  Anweisungen  auch  ganz  gewissenhaft 
nachgekommen.  Bei  den  Untersuchungen  wurden  natĂŒrlich  Go- 
nokokken gefunden.  Ich  habe  es  immer  fĂŒr  möglich  gehalten, 
durch  eine  ordentliche  AusfĂŒllung  der  Scheide  die  InfektiositĂ€t  in 
schwÀchere  Grade  zu  verwenden,  als  es  die  beste  Untersuchung 
zu  tun  vermag.  Denn  alle  die  MĂ€dchen,  wo  wir  keine  Zervikal- 
gonokokken finden,  sind  ja  auch  nicht  gesund,  es  kommen  nur 
seltener  Gonokokken  zum  Vorschein.  Ich  kann  mich  nun  von 
diesen  stark  Gonokokken  absondernden  MĂ€dchen  in  keiner  Weise 
befreien.  Ich  entlasse  sie  zur  Nachbehandlung  und  habe  sie  am 
nÀchsten  Tage  wieder  hier.  Ich  rede  ihnen  zu,  sich  die  GebÀr- 
mutter usw.  herausnehmen  zu  lassen,  und  sind  sie  nun  glĂŒck- 
lich in  einer  Frauenabteilung  gelandet,  dann  macht  der  Gy- 
nÀkologe entweder  gar  nichts,  weih  er  keine  Krankheil  findet 
(auf  Gonokokken  untersucht  er  nicht),  oder  nimmt  ihr  den  einen 
verĂ€nderten  Eierstock  heraus,  gĂŒnstigenfalls  beide,  nie  aber 
den  Uterus;  behalte  ich  sie  aber  hier,  dann  machen  sie  mir 
alle  anderen  MĂ€dchen  aufsĂ€ssig.  WĂ€re  es  nicht  möglich,  daß 
die  untersuchenden  Herren  sich  um  die  mir  bekannten  nur 
hinler  der  dicken  Gazeeinlage  versteckten  Gonokokken  nicht  kĂŒm 
merten?  FrĂŒher  ging's  ja  auch  und  viele  MĂ€dchen  sind  nachher 
ja  doch  gesund  geworden.  Vielleicht  könnten  Sie  mir  einen  Weg 
angeben,  wie  ich  von  diesen  Daiuerk  ranken  entlastet  werden 
könnte." 

gez.  Dr.  Felix  Pinkus. 
Daraufhin  erging  folgende  VerfĂŒgung: 
Der  PolizeiprÀsident.  Berlin,  den  9.  September  191:;. 

VerfĂŒgung! 

1.  Der  in  dem  rot  unterstrichenen  Fragesatz  Ende  des  vor- 
stehenden Briefes  ausgesprochene  Wunsch  muß  als  die  Folge 
des  allgemeinen  Dilemmas  erscheinen,  in  welches  die  durch  tem- 
porĂ€re Maßnahmen  nicht  zu  beseitigende  Zervikalgonorrhoe  alle 
Prostituierten-KrankenhÀuser  bringt.  Deshalb 

2.  den  Herren  Aerzten  der  Sittenpolizei  mit  dem  Ersuchen, 
dem  Wunsehe  des  Herrn  Dr.  Pinkus  nachzukommen,  soweit  die 
VerhÀltnisse  des  einzelnen  Falls  es  gestallen. 

Hier  wird  bewiesen,  daß  die  Heilung  der  Zervikal- 
gonorrhoe sehr  hÀufig  unmöglich  ist  und  das  man  die  blei- 


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bende  AnsteckungsfÀhigheit  nur  durch  einen  vor  die  Zervix 
gelegten  Tampon  kaschieren  soll.*) 

In  diesem  Briefe  aus  der  Feder  dieses  Arztes  ist  der 
ganze  Januner  unserer  heutigen  Therapie  geschildert.  Und 
bei  der  Urethral -Gonorrhoe  ist  es  nicht  viel  anders.  Hier 
bessernd  durch  eine  neue  Technik  einzugreifen,  ist  daher 
ein  Versuch,  der  sozialhygienischen  Nutzen  verspricht. 

Als  Polizeiarzt  habe  ich  von  dieser  Druck-  und  Saug- 
methode  zur  Reinigung  des  Vaginal-Rohrs  hÀufig  Gebrauch 
gemacht  (siehe  spÀter  Vaginalbehandlung)  und  Sicherung 
der  Diagnose  erzielt,  in  FÀllen,  in  denen  es  sonst  nicht  mög- 
lich gewesen  wÀre,  wegen  der  Verunreinigung  mit  anderen 
Bakterien  noch  Gonokokken  nachzuweisen. 

""Entsprechend  dem  Worte  N  e  i  15  e  r  s  in  der  Einleitung  zu 
dieser  Arbeit  ist  es  nunmehr  möglich,  den  einige  cm  langen 
Kanal  der  weiblichen  Harnröhre  einer  chemisch  und  physi- 
kalisch wirksamen  Dauerberieselung  auszusetzen.  Ich  habe 
in  vielen  FĂ€llen,  die  jeder  Therapie  trotzten,  Heilung  erzielt. 
Denn  wie  schon  erwÀhnt,  ist  die  weibliche  Urethritis  durch 
die  bisherigen  SpĂŒlungen  schwer  zu  beeinflussen,  da  das 
SpĂŒlwasser  zu  leicht  in  die  Blase  hineingeht  oder  vorne  her- 
ausspritzt. DiauerspĂŒlungen  waren  bisher  aus  diesem 
Grunde  nicht  möglich.  Und  StÀbchen  mit  Buiyremkakao 
hĂŒllen  das  Desinfiziens  ein.  Es  war  daher  seit  langem  das 
Bestreben  der  Uro -GynÀkologen,  eine  Methode  zu  finden,  die 
den  kurzen  Kanal  der  weihlichen  Harnröhre  antiseptisch  be- 
rieselt, ohne  daß  das  Irrigationswasser  in  die  Blase  eintritt. 
Durch  das  in  Fig.  4a  abgebildete  Instrument  ist  das  nun  er- 
möglicht, da  durch  die  Saugwinkung  des  bei  d  abfließenden 
Wassers  das  SpĂŒlwasser  in  dem  Moment  durch  die  KanĂ€l- 
chen b  weggesaugt  wird,  in  dem  es  durch  die  Oeffnungen 
die  Schleimhaut  bespĂŒlt  hat.  SelbstverstĂ€ndlich  tritt  neben 
dem  antiseptischen  und  adstringierenden  Einfluß  noch  die 
Vibration  und  die  WĂ€rmewirkung,  die  Druck-  und  Saug- 
wirkung in  Kraft.  Mit  dieser  Methode  ist  die  erfolgreiche 
Behandlung  der  Urethritis  namentlich  bei  den  Prostituierten 
am  besten  gewĂ€hrleistet.  30—50  Grad  Temperatur,  10—20 
bis  60  Minuten.  Mittlerer  Druck.  Argonin-Protargol-Zink. 
Permangan-Hydrarg.  oxycyanat  Lösung. 

Um  das  Instrument  Fig.  3  u.  4  fĂŒr  die  weibliche  Harnröhre 
passend  lang  zu  machen,  stĂŒlpt  man  ein  dickes  Gummirohr 
von  8 — 10  cm  LĂ€nge  ĂŒber  das  Instrument.  Hierdurch  bleibt 
die  Spitze  von  etwa  4—5  cm  (hei  lĂ€ngerer  Harnröhre  wird 


anstĂ¶ĂŸt,  erst  dann  dreht  man  den  Halm  c  auf  und  lĂ€ĂŸt  die 
Harnröhre  berieseln.  WĂ€hrend  frĂŒher  die  Behandlung  der 
Urethritis  gonorrhoica  des  Weibes  eine  Cnux  fĂŒr  Arzt  und 
Patientin  war,  ist  sie  nunmehr  sehr  erleichtert.  Namentlich 
fĂŒr  die  Behandlung  der  Prostituierten  bedeutet  diese  Methode 
einen  sozialen  Effekt,  da  gerade  die  in  den  DrĂŒsen  der  Hain- 


HS]  UH  > 


Fig.  6 


Fiy  I3u 


das  Gummirohr  kĂŒrzer  geschnitten,  so  daß  5 — 6  cm  vorn 
frei  bleiben).  Man  fĂŒhrt  die  vom  Gummirohr  freie  Spitze  des 
Instruments  so  tief  ein,  bis  daß  der  vordere  Querschnitt  des 
Gummirohrs  an  das  Orificium  externum  der  Urethra  fast 


*)  Bekanntlich  lassen  sich  90  Prozent  der  Syphilitiker  und 
ebenso  viele  chronische  Gonorrhoiker  nicht  genĂŒgend  behandeln, 
ich  habe  daher  einen  auf  dem  Prinzip  des  „Diskretionismus",  d.  h. 
der  allgemeinen,  gleichen,  'diskreten  Anzeige-  und  Behandlungs- 
pi'licht  basierenden  Gesetzentwurf  eingebracht,  begrĂŒndet  in 
meinem  Buch:  „Die  Sexualrevolution".  Verlag  Ernst  Bircher, 
Leipzig. 


Fig.  7.    Die  Ausstellung  (s.  Fig.  7a)  umL'fjte: 


1.  Unlersuchungsstuhl.  9. 

2.  SpĂŒlbecken  fĂŒr  gebrauchte  10. 
genitale  Instrumente. 

2a.  SpĂŒlbecken  fĂŒr  gebrauchte  11. 

ext  r agenitale  Instrumente. 

15.  Aseptische  Waschanlage.  12. 

4.  Automaten  fĂŒr  Seife  und  13. 
Speculasalbe.  14. 

5.  Instrumententisch  mit  Ir-  15. 
rigalorstÀnder.  16. 
Garderobenschrank  fĂŒr  17. 
den  Arzt. 

Eimer    fĂŒr    AbfĂ€lle    mit  18. 
FulibelÀtigung. 
Wandkonsole  mit  Specula. 


6 


Fahrbare  Stativlampe. 
Schlauch  zum  Apparat  fĂŒr 
VaginalspĂŒlung. 
ZurĂŒckklappbarer  Tritt 
am  Untersueliungsstuhl. 
Gkrsrinne. 
Abflußschlauch. 
Bunsenbrenner. 
Ventilator. 

Rheostat  fĂŒr  Beleuchtung. 
Kniehebel  -  Abflußgarnitur 
am  Waschbecken. 
FußstĂŒtzen     am  Unter- 
suchungsstuhl. 


röhre  versteckten  und  der  Abtötimg  kaum  zugÀnglichen  Go- 
nokokken durch  die  Vibration  und  das  Ansaugen  heraus- 
geholt und  gleichzeitig  abgetötet  oder  abgeschwÀcht  und  weg- 
gespĂŒlt werden.  Hierbei  kommt  noch  der  Vorteil  in  Frage, 
daß  mit  derselben  Apparatur  die  Scheide  und  der  Zervikal- 
kanal  behandelt  weiden  können,  namentlich  bei  Massenbe- 
bandlungen.  FĂŒr  den  Frauenarzt,  den  Venerologen  und  den 
Polizeiarzt  ist  auf  diese  Weise  eine  Universaknethode  ge- 
schaffen, die  rasch  und  gut  zum  Ziele  fĂŒhrt  und  vor  allem 
den  Fußboden  gegen  BerĂŒhrung  mit  den  infektiösen  Keimen 
schĂŒtzt,  da  das  Abflußwasser  durch  die  AbflĂŒĂŸschlĂ€uche 
direkt  der  Kanalisation  oder  einem  Eimer  zugefĂŒhrt  wird. 
ZweckmĂ€ĂŸig  wird  jedoch  das  kurze  Spezialinstrument  fĂŒr 
die  weibliche  Harnröhrenbehandlung  (Fig.  4  a)  angewandt. 

Zu  VaginalspĂŒlungen  wird  der  ScheidenspĂŒler  (Fig.  6  u.  6a), 
der  die  Gestalt  eines  Spekulums  hat,  verwandt.  Am  vorderen 
Ende  ist  eine  Querplatte  angebracht,  die  den  Introitus  vaginae 
nach  außen  hin  abschließt.  Der  SpĂŒler  ist  doppelwandig,  und 
zwar  ist  die  Ă€ußere  Wand  mit  feinen  Oeffnungen  durchbohrt, 
wĂ€hrend  die  innere  mit  der  Ă€ußeren  durch  grĂ¶ĂŸere  einge- 
schraubte KanĂ€lchen  verbunden  ist.  Diese  mĂŒnden  in  das 
mittlere  Lumen.  Dieses  wird  mit  einem  Schlauch  in  die 
Kanalisation  oder  in  ein  SpĂŒlbecken  geleitet.  Hat  man  das 
Instrument  eingefĂŒhrt  und  die  Platte  gegen  den  Introitus 
vaginae  angedrĂŒckt,  dann  öffnet  man  den  Wasserlei tungs- 
hahn.  Das  Desmfektionswasser  fließt  dann  bei  bestimmtem 
Druck  und  Temperatur  durch  den  Schlauch  in  den  Zufluß 
und  wind  gezwungen,  in  der  Richtmag  der  Pfeile  durch  die 
feinen  Oeffnungen  zu  fließen.  Es  bespĂŒlt  die  Scheidewand 
und  fließt  dann  sofort  durch  die  KanĂ€ichen  in  das  Lumen 


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und  von  dort  in  den  Abflußschlauch  in  der  Pfeilrichtung  zur 
Kanalisation  oder  in  den  Eimer. 

Welches -sind  nun  die  Vorteile  dieser  Methode? 

1.  Die  Vaginalwand  wird  unter  dem  regulierbaren 
Wasserdruck  vollstÀndig  gereihigt,  Ks  Weiht  auch  nicht  eine 
Spin-  der  Sekrete  zurĂŒck,  da  das  abfließende  Wasser  neben 
der  SpĂŒlwirkung  eine  intensive  Heberwirkung  ausĂŒbt. 

2.  Im  Gegensatz  zur  MutterrohrspĂŒlung  gelangt  auch 
nicht  ein  Tropfen  der  SpĂŒlflĂŒssigkeit  auf  den  Boden,  auf 
den  Untersuchungsstuhl  oder  auf  die  Kleidung  usw.,  son- 
dern die  SpĂŒlflĂŒssigkeit  wird  durch  den  Abflußschlauch 
direkt  in  die  Kanalisation  oder  in  einen  bereitstehenden 
Eimer  geleitet. 

3.  Krankheitskeime  können  daher  nicht  ĂŒbertragen 
werden. 

4.  Die  Diagnose,  namentlich  von  kleinen  GeschwĂŒren, 
Erosion,  Ulcus  molle,  syphilitischen  Plaques,  Psoriasis  mu- 
cosae -Usw.,  die  leicht  vom  Scheidensekret  ĂŒbertĂŒncht  werden, 
wird  erleichtert. 

5.  Leichte  Handhabung  (lediglich  EinfĂŒhren  und.  Auf- 
drehen des  Absperrhahns  c  und  grĂŒndliche  Desinfektion  der 
Vagina. 


ein  Verwischen  des  Sekrets.  Figur  7  und  7  a  zeigt  das  von 
mir  angegebene  System  zur  Untersuchung  und  Behandlung 
der  weihlichen  Gonorrhoe,  instn-sondere  der  Prostituierten. 

Es  handelt  .sich  um  die  Einrichtung  fĂŒr  gynĂ€kologische 
und  polizeiÀrztliche  Untersuchungen  und  Benandlungs- 
technik,  die  beim  Berliner  PolizeiprÀsidiuni  im  Prinzip  ein- 
gefĂŒhrt ist.  ZweckmĂ€ĂŸig  wird  in  Fig.  7  u.  7a  bei  der  Nr.  10 
der  in  Fig.  1  und  1  a  abgebildete  A  p  p  a  r  a  t  z  a  r  ,,  1<  o  n 
t  i  n  u  i  e  r  1  i  c  he  n  S p  ĂŒ  1  d e s  i  n  f  e  k  t  i  o  n  "  noch  einge- 
baut, so  daß  ein  Griff  zur  Reinigung  und  Des 
inl'ektion  von  Harnrö  h  r  e  und  S  c  h  e  i  d  e  g  e  - 
n  ĂŒ  g  t. 

Nach  meinen  Erfahrungen  als  Polizeiarzt  beginnt  die 
Infektion  bei  der  Frau  in  etwa  70  Proz.  aller  FĂ€lle  mit  einer 
Infektion  des  Zervikalkanais  und  erst  sekundÀr  entsteht 
eine  Urethalgonorrhoe,  es  sei  denn,  der  Koitus  findet  statt 
beim  Vorhandensein  einer  akuten  mÀnnlichen  Gonorrhoe,  in 
welchem  Falle  schon  bei  der  BerĂŒhrung,  die  weibliche 
Harnröhre  infiziert  -wird.  Bei  der  chronischen  Gonorrhoe 
des  Mannes  dagegen  wird  das  gonorrhoische  Sekret  durch 
die  Kraft  des  Samenergusses  gegen  die  Portio  geschleudert, 
in  welchem  Falle  dann  erst  sekundÀr  die  Uretha  in  einem 


IIIIIMIIIIIIIIIIIMIIIIIIIMIIIIIIIIIII 


IIIMIIIMIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINI 


IIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIMIMIIHMIIIMI 


IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIIIIIIII 


Fig.  7a 


6.  Namentlich  unmittelbar  vor  vaginalen  Operationen 
gewÀhrleistet  die  neue  Methode  wegen  der  Kombination  von 
SpĂŒl-  und  Saugwirkung  wohl  die  grĂŒndlichste  Reinigung  der 
Vaginalwand,  die  man  sich  denken  kann.  Was  dem  Apparat 
vor  allem  bei  der  Prostituiertenuntersuchung  seine  Bedeu- 
tung verleiht,  ist  die  Verbesserung  der  mikroskopischen  und 
makoskopi sehen  Diagnosensicherung.  Denn  es  ist  klar, 
daß  das  dem  Orificium  externum  anhaftende  Vaginalsekret, 
durch  welches  die  Platinöse  vorher  hindurch  muß,  ehe  sie 
in  den  ZervikalkanÀl  eindringt,  zunÀchst  an  der  Platihöse 
hÀngenbleibt.  Da  nun  das  Vaginalsekret  viele  den  Gono- 
kokken Ă€hnliche  Kokken  enthĂ€lt,  so  muß  selbstverstĂ€ndlich 
die  Diagnosenstellung  erschwert  werden.  Die  bisher  an- 
gewandte Irriga  torenspĂŒlung  hat  sich  bei  der  Prostituierten - 
Untersuchung  gar  nicht  bewÀhrt,  da  das  mit  infektiösen  Kei- 
men ibeladene  Wasser  neben  dem  Mutterrohr  auf  den  Unter- 
suchungsstuhl, auf  den  Boden  und  die  Kleidung  des  Arztes 
spritzt.  Andererseits  ist  wegen  des  geringen  Druckes  die 
Reinigung  auch  nicht  im  entferntesten  so  intensiv,  wie  bei 
obigem  Apparat.  Auch  das  Abtupfen  mit  Watte  bedingt  nur 


spÀteren  Stadium  infiziert  wird.  Da  nun  die  meisten  In- 
fektionen durch  eine  chronische,  hĂ€ufig  selbst  fĂŒr  den  Arzt 
kaum  merkbare,  Gonorrhoe  entstehen,  so  ist  klar,  daß  die 
Infektion  des  Zervikalkanales  die  hÀufigere  ist. 

Bei  der  frischen  weiblichen  Urethalgonorrhoe  tritt  auf 
Fingerdruck  hin  ein  dicker,  gelber,  stark  gonokokken- 
haltiger  Tropfen  heraus.  Da  aber  hÀufig  aus  den  Skene- 
schen  GĂ€ngen  eine  gelbe,  aber  gonokokkenfreie  Masse  her- 
austritt, die  meist  feine  StÀbchen  in  Reinkultur  enthÀlt, 
ist  mikroskopische  Untersuchung  unerlĂ€ĂŸlich.  Ich  habe 
in  humderten  von  PrÀparaten  diese  StÀbchen  bei  den  Prosti- 
tuierten gefunden.  Sind  viele,  namentlich  intrazellulÀre 
Gonokokken  vorhanden,  so  handelt  es  sich  in  der  Regel  um 
akute,  sonst  um  subakute  oder  chronische  Gonorrhoe  der 
weiblichen  Harnröhre. 

Art  der  Behandlung  der  w  e  i  b  1  i  c  h  e  n 
Gonorrhoe. 
Die  Behandlung  geschieht  so,  daß  der  Patientin,  die  auf 
dem  neben  der  Desinfektionsvorrichtung  (Fig.  1,1a  und  7) 


502 


S  t  a  n  d  e  s  f  r  a  g  e  n    und    soziale  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  29/30. 


stehenden  Behandlungsstuhl  liegt,  das  SpĂŒlinstrumerrt  (Fig.  4 
und  4  a)  so  weit  in  die  Harnröhre  eingefĂŒhl  t  wird,  bis  die 
Spitze  desselben  eben  vor  dem  Schließmuskel  liegt.  Die  Pa- 
tientin hÀlt  wÀhrend  der  nun  langen  Behandlung  das  In- 
strument selbst  und  drĂŒckt  es  gegen  die  Ă€ußere  Harnröhren- 
mĂŒndung an,  die  sie  dadurch  gleichzeitig  schließt.  Das  ab- 
fließende Desinfektionswasser  lĂ€uft  in  einen  nebenbei  stehen- 
den Eimer  oder  direkt  in  das  Wasserbecken. 

Diese  Methodik  erzielt  gegen  frĂŒher  bessere  Effekte,  denn 
die  weibliche  Harnröhre  wird  nicht  nur  unter  beliebigem 
Druck  und  Temperatur  bespĂŒlt  und  massiert,  sondern  der 
aus  den  DrĂŒsen  stammende  Schleim  und  die  Gonokokken 
werden  sofort  mit  weggesaugt,  wobei  zwei  KrÀfte  in  Frage 
kommen,  die  eine  der  Wasserleitung,  die  zweite  die  der 
Saugwirkung  des  abfließenden  Wassers,  die  keinen  starken 
Druck  auf  die  Schleimhaut  zulĂ€ĂŸt  und  ein  Uebertreten  des 
Wassers  in  die  Blase  unmöglich  macht. 

Wie  schwierig  es  ist,  die  weibliche  Harnröhre  lÀngere 
Zeit  zu  berieseln,  geht  aus  der  Schiliderung  von  Sch  Àffer 
(Therapie  der  venerischen  Krankheiten,  1916,  S.  341 — 343, 
hervor,  wonach  wir  keine  Methode  zur  lÀngeren  antisepti- 
schen Berieselung  der  weiblichen  Harnröhre  haben.  Die  von 
mir  angegebene  Technik  bringt  hier  Abhilfe.  Auch  zur 
gleichzeitigen  SpĂŒlung  der  Blase  und  der  Harnröhrenwand 
lĂ€ĂŸt  sich  das  Instrument  Nr.  3  (Fig.  1  und  2)  verwenden, 
indem  man  es  soweit  einfĂŒhrt,  daß  der  vordere  Teil  des  In- 
struments in  der  Blase,  der  hintere  in  der  Harnröhre  sitzt. 
Jedenfalls  eröffnen  sich  durch  die  Kombination  der  obigen 
Instrumente  (Fig.  3,  4,  5,  6,  7)  mit  der  kontinuier- 
lichen SpĂŒldesinfektion  therapeutische  Aussichten, 
die  fĂŒr  die  Sozialhygiene  (die  wiederum  von  der  Therapie 
abhĂ€ngig  ist),  fĂŒr  die  Dermatologie,  die  Chirurgie,  die  Gy- 
nÀkologie und  viele  andere  Zweige  der  Medizin  von  gewisser 
Bedeutung  sind. 

Die  in  dieser  Arbeit  erwÀhnten  Apparate,  Instrumente 
und 'Einrichtungen  werden  hergestellt  von  der  Oscar  Skaller- 
A.-G.,  Berlin  N  24. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Können  auf  Grund  §  626  BGB.  kassenÀrztliche  VertrÀge  mit 
kurzer  Frist  aufgesagt  werden?  *) 

In  diesen  Tilgen  finden  im  Reichsarbeitsministeriuni  Verhand' 
langen  der  KassenverbĂ€nde  mit  dem  Leipziger  VerbĂ€nde  ĂŒber  die 
Frage  des  Tarifes  fĂŒr  Ă€rztliche  Leistungen  statt.  Diese  Verhand- 
lungen bilden  das  letzte  Glied  einer  Kette  von  Verhandlungen  und 
SchiedssprĂŒchen,  durch  die  ein  Einvernehmen  nicht  hergestellt 
werden  konnte.  Sollte  es  auch  dieses  Mal  mißglĂŒcken,**)  so  ist 
der  Leipziger  Verband  entschlossen,  den  unteren  Organisationen 
die  KĂŒndigung  der  Verlrage  auf  Grund  §  626  BGB.  vorzuschreiben 
und  den  vertraglosen  Zustand  herbeizufĂŒhren.  Unter  dem  letzte- 
ren ist  natĂŒrlich  nur  das  Aufhören  des  Vertrages  mit  den  Kassen, 
nicht  aber  die  Weigerung  der  Àrztlichen  Leistung  an  Kassenmit- 
glieder zu  verstehen,  nur  daß  diese  nicht  als  solche,  sondern  als 
Privatpersonen  behandelt  werden.  Was  besagt  §  626  BGB.?  Er 
lautet:  Das  DienstverhÀltnis  kann  von  jedem  Teile  ohne  Ein- 
haltung einer  KĂŒndigungsfrist  gekĂŒndigt  werden,  wenn  ein  wich- 
tiger Grund  vorliegt.  Nach  der  bisherigen  Rechtsprechung  liegt 
ein  wichtiger  Grund  im  allgemeinen  vor,  wenn  unter  ‱BerĂŒcksich- 
tigung der  subjektiven  VerhĂ€ltnisse  des  KĂŒndigenden  bei  verstĂ€n- 
diger und  objektiver  WĂŒrdigung  des  Falles  dem  KĂŒndigenden  die 
Fortsetzung  des  DienstverhÀltnisses  nicht  wohl  zugemutet  werden 
kann.  Dieser  Fall  trat  ein,  als  im  Jahre  1920  eine'  sprungweise 
Erhöhung  der  Versicherungsgrenze  bis  15  000  M.  Einkommen  an- 
geordnet wurde,  und  die  Àrztlichen  Organisationen  in  dieser 
Aenderung  eine  radikale  UmwÀlzung  der  vertraglichen  Bedin- 
gungen erblickten.  Die  Gerichtsentscheidungen  fielen  ungleich 
aus.    Abgesehen  von  in  Betracht  kommenden  Einzelheiten  der 

*)  Eingereicht  im  MĂ€rz  1922. 

**)  Die  Verhandlungen  haben  zu  einer  Enigung  gefĂŒhrt. 


VertrĂ€ge  war  eine  EinmĂŒtigkeit  der  Rechtsprechung  ĂŒber  das  Vor- 
liegen des  wichtigen  Grundes  nicht  zu  erzielen.  Nun  liegt  das 
Urteil  des  Reichsgerichts  vor,  welches  in  Nr.  4,  1922  der  „Aerzl- 
lichen  Mitteilungen"  zum  Abdruck  gelangt.  Wir  entnehmen  ihm 
einige  wesentliche  Gesichtspunkte.  Nach  ZurĂŒckweisung  der  An- 
nahme, der  Berufungsrichter  habe  den  Rechtsbegriff  des  wichtigen 
KĂŒndigungsgrundes  im  Sinne  §  626  BGB.  verkannt,  erklĂ€rt  das 
Reichsgericht,  .daß  die  WĂŒrdigung,  welche  der  Berufungsrichter 
dem  an  sich  unstreitigen  Sachverhalt  hat  angedeihen  lassen,  weder 
der  Billigkeit  noch  dem  sozialen  Gedanken  widerspricht,  welche 
in  der  Reichsversicherungsordnung  ihren  Niederschlag  gefunden 
und  in  deren  Dienst  die  Beklagten  sich  durch  die  streitigen  Ver- 
trÀge gestellt  haben.  Die  VertrÀge  sind  privatrechtliche  Dienst- 
vertrĂ€ge, welche  den  Kassen  zwar  die  DurchfĂŒhrung  ihrer  öffent- 
lich-rechtlichen Aufgabe»  minderbemittelten  Angehörigen  be- 
stimmter Berufe  ausreichende  Àrztliche  Hilfe  zu  sichern,  ermög- 
lichen, zugleich  aber  den  Aerzten  im  Rahmen  dieses  sozialen  Ge- 
dankens ein  angemessenes  Entgelt  fĂŒr  ihre  TĂ€tigkeit  gewĂ€hrleisten 
sollen.  Durch  die  Erhöhung  der  Versicherungsgrenze  auf  15  000 
Mark  hatten  sich  die  wirtschaftlichen  Grundlagen,  auf  denen  der 
Vertrag  vom  26, /Marz  1920  beruhte,  und  die  Voraussetzungen,  von 
denen  die  Parteien  bei  Festsetzung  des  Arzthonorars  notwendiger- 
weise hatten  ausgehen  mĂŒssen  und  ausgegangen  waren,  völlig 
verschoben.  Da  auch  die  Familienversicherung  in  sozialem  Inter- 
esse gegen  ein'  weit  unter  der  Taxe  bleibendes  Entgelt  ĂŒber- 
nommen wurde,  so  hat  die  naheliegende  Gefahr  einer  erheblichen 
SchÀdigung  der  wirtschaftlichen  Interessen  den  Aerzten  das  Recht 
gegeben,  den  Vertrag  ohne  RĂŒcksicht  auf  die  KĂŒrze  der  Zeit,  die 
er  noch  zu  laufen  hatte,  sofort  aufzurufen. 

Das  sind  die  wesentlichsten  Gesichtspunkte  des  Urteils.  So 
wertvoll  aber  dieses  an  sich  fĂŒr  den  Aerztestand  aus  wirtschaft- 
lichen und  ethischen  GrĂŒnden  ist  —  haben  doch  die  Kassen- 
verbĂ€nde dem  Leipziger  VerbĂ€nde  fĂŒr  den  Fall  des  demnĂ€chstigen 
Eintritts  des  vertraglosen  Zustandes  den  Vorwurf  des  Vertrags- 
bruches gemacht  —  so  darf  doch  nicht  außer  Acht  gelassen  wer- 
den, daß  es  keinen  programmatischen  Charakter  an  sich  trĂ€gt, 
sondern  auf  die  VerhÀltnisse  des  Einzelfalles  aufgebaut  ist. 
Daraus  wird  fĂŒr  etwa  bevorstehende  KĂŒndigung  die  be- 
herzigenswerte Lehre  gezogen  werden  mĂŒssen,  daß  sie  vor  Ein- 
tritt der  ausbedungenen  KĂŒndigungsfrist  nur  zulĂ€ssig  sein  wird, 
wenn  die  angefĂŒhrten  RechtsgrĂŒnde  zutreffen.  Einer  sorgfĂ€l- 
tigen PrĂŒfung  wird  insbesondere  die  Frage  bedĂŒrfen,  ob  die 
Ileyaufsetzung  der  Versicherungsgrenze  auf  40  000  Mark  und 
die  Erhöhung  des  Grundlohns  eine  so  wesentliche  Verschiebung 
der  wirtschaftlichen  Grundlagen,  auf  denen  der  bisherige  Ver- 
lrag beruht,  hervorrufen  muß,  daß  das  in  diesem  festgesetzte  ‱ 
Entgelt  fĂŒr  die  Ă€rztliche  TĂ€tigkeit  nicht  mehr  als  angemessen 
zu  erachten  ist.  Kassen  und  Aerzte  stehen  sich  hier  in  ihren 
Auffassungen  diametral  gegenĂŒber.  Die  Kassen  leugnen  die 
Verschiebung  der  wirtschaftlichen  Grundlagen,  insofern  als  nach 
ihrer  Ansicht  die  Versicherungsgrenze  von  40  000  Mark  dem  ge- 
sunkenen Geldwerte  entsprechend  der  bisherigen  von  15  000  Mark 
gleichsteht.  Die  Aerzte  bestreiten  dies  und  behaupten  mit  Recht, 
daß  eine  große  Schicht  besonders  gehobener  Angestellter  dem 
Versicherungszwang  neu  zugefĂŒhrt  wird.  Damit  sei  die  Begren- 
zung des  niedrigen  Entgeltes  auf  BedĂŒrftige,  wie  es  durch  die 
bisherigen  VertrÀge  vorausgesetzt  war.  nicht  mehr  tatsÀchlich, 
wÀhrend  andererseits  durch  Einbeziehung  der  neuen  Schicht  in 
die  Zwangsversicherung  die  Aerzte  wirtschaftlich  Schaden  an 
ihrer  Privatpraxis  erleiden.  Welcher  Standpunkt  der  richtige 
ist,  wird  sich  nur  Jan  der  Hand  von  Tatsachen  erweisen  lassen. 
Den  Kassen  wird  aufgegeben  werden  mĂŒssen,  ein  Verzeichnis 
der  Neuzwangsversicherten  zu  liefern,  auf  dem  die  bisherige 
Versicherungspflicht  erkennbar  wird.  Aber  selbst  wenn  dieser 
Grund  nicht  durchgreift,  wird  doch  die  völlige  UmwÀlzung  der 
wirtschaftlichen  VerhÀltnisse  durch  die  sprunghafte,  nicht  ab- 
wendbare Teuerung  des  Lebensunterhaltes  ausschlaggebend  sein. 
Als  besondere  Merkmale  wird  hierfĂŒr  ins  Feld  zu  fĂŒhren  sein 
die  Erhöhung  der  Grundlöhne,  mit  der  eine  Erhöhung  der  Bei- 
trÀge und  des  Krankengeldes  verbunden  ist.  von  Reichswegen 
und  die  wesentliche  Erhöhung  der  MindestsÀtze  der  demnÀchst 
zu  erlassenden  Ă€rztlichen  GebĂŒhrenordnung  fĂŒr  Preußen,  die 
gegenĂŒber  den  Krankenkassen  mangels  Vereinbarung  zu  gelten 
haben.  Nach  dieser  Richtung  bringt  die  Reichsgerichtsentschei- 
dung eine-  erfreuliche  KlÀrung  und  wird  sicherlich  die  Kassen 
veranlassen,  den  Ă€rztlichen  WĂŒnschen  entgegenzukommen. 

Alexander. 


t 


[a  Jahrg.     Nr.  20/30.  Referate  503 

REFERATENTEIL 


Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

15.  April  1022.  1,  Nr.  16. 

Die  PrĂŒfuugsmcthoden  der  Wundantiseptika  im  Tierexperiment.  Bra  u  n.  761. 
Biologische  Wirkung;  der  Röntgenstrahlen  mit  BerĂŒcksichtigung  therapeu- 
tischer Fragestellungen.    Holt  h  u  s  e  n.  7(i0. 
4>Dio  Indikationen  der  Milzexstirpation.     M  o  r  a  \v  i  t  z.  769. 
♩Chronische  EntzĂŒndungen  des  Kniegelenkes  nach  Verletzungen.    Host.  772. 
Ideale    Aneurysmaoperation    und    Grenzen    der    direkten  Gefiißstumpfver- 
eĂŒnigung.    K  e  h  u.    77ß.  ‱ 
<$»Zur   Frage  des   primÀren    Wnndseblusses,   insbesondere   bei   der  operativen 

Behandlung  des  Pleuraempyems.    P  i  s  c  h  e  r.  778. 
fcjĂ€mbolilschcr  Jirweichungsherd  oder  otogener  Himabsccfl  im  linken  ScĂŒlĂ€fen- 
lappen.    E  s  c  h.  781. 
Vorkommen  und  Bedeutung  des  Os  tibialc  externum  bei  Fußechmerzen  in 

.  den  Wachstumsjahren.    P  e  1 1  e  s  o  h  n.    7s:J,.  « 
Die  Uteruswirkung  der   CapseEa   bursae    pastoris.    W  i  e  c  Ii  o  \v  s  k  i  und 
II  a  1  p  h  e  n.  780. 

Der    lebende    KaltblĂŒter-Organismus    als    Indicator    colloidaler  ZuStands- 

Ă€uderungen.    M  o  1  i  t  o  r  und  P  i  e  k.  787. 
Ein  Pall  von  Scapularknaclien.    H  e  i  n  e  m  a  h  n.  7st. 
❖  Dil'  praktischen  Ergebnisse  der  VVundantisejisis.    v.  (!az  a.  788. 
Das  Ambulatorium  fĂŒr  chirurgisch  Tuberkulöse.     K  i  s  c  h.  791. 

lieber  die  Indikationen  der  Milzexstirpation.  Neuere  Unter- 
suchungen haben  gezeigt,  daß  die  Milz  ein  haemolytisehes  Organ 
ist,  welches  wahrscheinlich  verÀndernd  auf  die  Elemente  des 
Blutes  einwirkt.  DemgemĂ€ĂŸ  ist  die  Milzexstirpation  in  erster 
Linie  heim  chronischen  haemolytischen  Ikterus  indiziert.  Bei 
ernieiöser  Anaemje  sind  die  Erfolge  der  Operation  noch  um- 
tritlen.  Indessen  kann  die  Milzexstirpation  bei  Bantischer 
rankheit  dauernd  Heilungen  bewirken. 

Chronische  EntzĂŒndungen  des  Kniegelenks  nach  Ver- 
listzungen. (Experimentelles  und  Klinisches).  Die  chronischen, 
nicht  tuberkulösen  KniegelenksentzĂŒndungen  sind  sehr  hĂ€ufig 
Man  ist  oftmals  nicht  imstande  eine  Ursache  aufzufinden.  Patho-t 
logisch  anatomisch  findet  sich,  wie  auch  experimentelle  Unter- 
suchungen zeigten,  hÀufig  eine  Erkrankung  des  hinleren  Fett- 
körpers des  Kniegelenks.  Therapie:  Buhigstellung,  KrÀftigung 
der  Oberschenkelmuskulatur  durch  Massage,  bei  gröneren  Ge- 
lenkergĂŒssen Punktion,  Operation,  falls  alle  konservativen  Mittel 
versagen. 

Zur  Frage  des  primÀren  Wundsehlusses,  insbesondere  bei  der 
operativen  Behandlung  des  Pleuraempyems.  Der  Kernpunkt  bei 
der  Behandlung  des  Pleuraempyems  ist  die  Entfernung  der  Fibrin- 
gerinnsel, weil  in  ihnen  sich  die  Bakterien  mit  besonderer  Vor- 
liebe ansiedeln.  Ein  betrÀchtlicher  Prozentsatz  der  Erkrankun- 
gen heilt  nach  Bippcnreseklion,  grĂŒndlichster  Entfernung  der 
Fibrinmemln  anen,  Anwendung  physikalischer  und  chemischer  An- 
tisepsis bei  primĂ€rem  Wundschluß  aus. 

Embolischer  Erweiohungsherd  oder  otogener  Hirnabszeß  int 
linken    SchlÀfenlappen.      Kasuistische    Mitteilung:  Entwick!uiu>; 

einer  rechtsseitigen  schlaffen  ExtremitÀlenlÀhmung  unter  Milbe- 

teiligung  des  rechten  Hypoglossus:  sensoi  ischc  Aphasie  und  leichte 
fBenommenheit.    Die  Krankheitserscheinungen  kamen  ĂŒber  Nacht 

zum  Ausbruch.  Da  seit  4—5  Wochen  eine  linksseitige  Ohren- 
'erkrankung  bestand,  Annahmt-  eines  Hirnabszesses  und  Operation. 

In  den  nÀchsten  Tagen  plötzliche  Verschlechterung  und  Tod. 
rDie  Sektion  ergab  eine  Emboli«  der  Art.  cerebr.  med.  sinistr.,  aus* 

gehend  yon  einer  ulcerösen  Endocardilis. 

Die  praktischen  Ergebnisse  der  Wundantiscpsis.  Die  neueren 
und  neuesten  Bestrebungen  di  r  Wuhdantisepsis  und  der  Wund- 
tiefenanliscpsis  (Chinindcri  vate,  Farbstoffantiseptica,  Hypöchlorid- 
lösung,  Preglsche  Jodlösung)  haben  unzweifelhaft  Erfolge  aut- 
zuweisen; jedoch  sind  diese  nur  mit  einer  ganz  besonderen  und 
nicht  einfachen  Technik  zu  erzielen.  Es  ist  noch  nicht  geklÀrt, 
ob  die  neueren  Gewebsanliseptiea  durch  AbschwÀchung  bzw.  Ab- 
tötung  der  Wundkeime  wirken,  oder. ob  dier  Erfolg  durch  eine 
vorteilhafte  Anregung  der  Gewebsreaktion  erzielt  wird. 

A.  M  ii  n  z  c  r. 


Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

7.  April  1922,  48,  Nr.  Ü. 

Enzephalitis'  und  Myelitis  im  FrĂŒhstadiuni  der  Syphilis  wĂ€hrend  der  Snlvar- 
sanheliandlung,  geheilt  mÄtl  Quecksilber  und  Sn.lva.rsan.    Werftet.  448. 

♩Weitere  Krfuhrungcn  in  der  BehaiHllunß  der  Arythmia  Perpetua  mit  Chini- 
din und  Digitalis,    v.  Kap  ff.  445. 

♩Die  pharmakologische  Bewertung  der  Ohandn-DigitailiskombinÄtion  bei  Ilerz- 
krankheiten.    Starkenstein.  4ts. 

Badiothorium    und   seine   klinisch-therapeutische    yiweadung,     (.    I.  a /.  a  - 
rui.  451. 


♩UeWej  dm   konstante  Vorkommen    von    BtflimibtnkjfcetaLIen  (HJinuitoidJ.nl- 

knisfcullen)   im   Urin  heli    Ikterus   und   deren    Verwechslung  mit  Tyroeiu- 

u  adeln.  1)  o  r  a  e  r.  4ß8. 

♩Theraipie  der  Rachitis.  Ii  a  m  b  u  r'ge  r.  4M. 

Lymiplingranutumatosis    intestini.     d  e    (i  r  not.    .1.  .')h.s. 

SchneUfÀrbung  von  Darmflagellaten,    Oehler.  166; 
♩J»K!iniseiie  Erfahrungen  mit  Neosfflibersailvarsannjatri'um;    S-tern  (  h  a  1.  467. 

â–ș.♩Die     Behandlung    der     Epididymitis     hlennorrhaglca     mit     If  outgens,trahlen. 
Wette  re  r.  459. 

♩TemporĂ€re   Sterilisation    von   Mann   und    Frau    in   wechselnder   Fidge  mittels 
Röntgenstrahlen.     M  a  r  k  o  v  i  itl  s.  459. 

♩Ueber  Behandlung  des  akuten  nephritisöhen  Lungenödems  durch  Abbinden 
der  Glieder.     F.  h  r  e,  n  b  e  r  g.  4G0. 

Eine  Bank  fĂŒr  Körpermessung  in  horizontaler  Lage  und  vertikaler  Stellung. 
Seh  m  i  d  t  und  W  e  i  ß.  IUI. 

Weitere  Erfahrungen  in  der  Behandlung  der  Arythmia  per- 
petua  mit  Chinidin  und  Digitalis.  Chinidin  fĂŒhrt  in  etwa  der 
HĂ€lfte  der  FĂ€lle  zur  regelmĂ€ĂŸigen  Herzaktion,  ist  aber  wegen 
seiner  die  Herzkraft  herabsetzendein  Eigenschaften  nur  bei  gut 
kompensierter  Herzinsuffizienz  anzuwenden.  Bei  stÀrkerer  Herz- 
schwÀche Diigitalisbehandlung.  Auch  darf  eine  Chinidinkur  erst 
nach  weiterer  Besserung  des  Kreislaufs  durch  Digitalis  nach 
einer  Pause  von  mindestens  3  Wochen  wegen  der  Möglichkeit  ge- 
steigerter Empfindlichkeit  wiederholt  werden.  Chinidin  fĂŒhrt  die 
flimmernde  Vorhof stÀtigkeit  allmÀhlich  zur  Vorhofstaehysystolie 
ĂŒber,  ein  Beweis,  daß  Tachysystolie  und  Flimmern  nur  graduell 
verschieden  auf  ein  heterotopes  Beizzentrum  zurĂŒckzufĂŒhren  sind. 
An  der  Hand  eines  Falles  von  Arythmia  perpetua  wird  gezeigt, 
daß  Chinidin  nur  zu  Vorhofstaehysystolie,  Digitalis  zur  regel- 
mĂ€ĂŸigen Herzaktion  fĂŒhrt.  Beide  Mittel  wirken  auf  Beizleitung 
-Bildung  und  Beizbarkeit  verschieden,  können  also  nicht  zu- 
sammen und  gleichzeitig  verordnet  werden. 

Die  pharmakologische  Bewertung  der  Chinin-Digitalis-Kom- 
bination bei  Herzkrankheiten.  Die  Kombination  ist  dort  berech- 
tigt, wo  bei  langdauernder  Digilalismedikation  der  Kumulation 
oder  sonstigen  Intoxikalionsgefahren  vorgebeugt  wenden  soll. 
Ferner,  wenn  eine  ĂŒbermĂ€ĂŸige  hysterische  Wirkung  dem  Zu- 
standekommen der  notwendigen  diastolischen  entgegenwirkt  oder 
wenn  sich  infolge  von  KoronargefĂ€ĂŸverengerung  die  Digitalis- 
wirkung selbst  hemmt.  Kontraindiziert  ist  sie  dort,  wo  die  Not- 
wendigkeil einer  raschen  systolischen  Digitaliswirkung  gefordert 
wird,  weil  hier  das  Chinin  als  hemmender  Antagonist  der  ge- 
wollten Wirkung  entgegenarbeitet.  Arythmie  allein,  d.  h.  ohne 
Kompensationsstörung,  erfordert  Chinin  allein.  Sind  aber  Stö- 
rungen in  der  VentrikeltÀtigkeil  und  am  Kreislauf  Folge  des 
Vorhofflimmerns,  dann  erscheint  zur  UnterstĂŒtzung  der  Chinin- 
wirkung —  zur  Hemmung  der  Ueberleilung  —  die  Kombination 
mit  Digitalis  gerechtfertigt,  nicht  aber  Digitalis  allein. 

Bilirubinkristalle  im  Urin  bei  Ikterus.  Bei  fast  jedem  ikteri- 
schen  Harn  werden  mikroskopisch  Kristalle  von  HĂ€matoidin,  oft 
auch  von  harnsamrem  Ammonium  gefunden,  die  leicht  zu  Ver- 
wechselungen mit  Tyrosin  und  Leuzin  fĂŒhren  können.  Letztere 
kommen  aber  im  Hann  seltener  vor,  als  bisher  angenommen, 
selbst  bei  akuter  gelber  Leberalrophie  gelingt  der  sichere 
Nachweis  nicht  immer. 

Therapie  der  Rachitis.  Die  Rachitis  beruht  auf  eine  Störung 
des  Kalkstoffwechsels:,  der  Organismus  vermag*  nicht  Kalk  fest- 
zuhalten, vielleicht  kann  er  ihn  auch  nicht  den  bedĂŒrftigen  Or- 
ganen zufĂŒhren,  oder  diese  sind  nicht  imstande,  kreißenden 
Kalk  zu  binden.  Die  Faktoren,  die  diese  ZustÀnde  beseitigen, 
werden  am  besten  Kalkstabilisierende,  die,  welche  sie  herbei- 
fĂŒhren pder  fördern,  Kalziprive  genannt.  Die  wirksamsten  der 
ersten  Art  sind  Lebertran  und  dann  im  höchsten  Grade 
das  Licht,  besonders  sein  kurzwelliger  ultravioletter  Anteil,  dann 
GemĂŒse,  Obst.  Unter  diese  stabilisierenden  Faktoren  fĂ€llt  auch 
das  Moment  der  Vitamine.  Diese  ?>  Faktoren,  Lebertran,  Licht 
und  GemĂŒse  haben  das  Gemeinsame,  daß  sie  auf  den  Organismus 
einen  Reiz  ausĂŒben,  den  Kalk  zu  fixieren,  sie  sind  Sensibili- 
satoren  des  Kalksloffwechsels.  Der  Phosphor  wirkt  nicht  anti- 
rachitisch,  sondern  erhöht  nur  die  Wirkung  des  Lebertrans. 

Der  wichtigste  kalziprive  Einfluß  ist  der  Lichtmangel,  der 
nahezu  gesetzmĂ€ĂŸig  rachitische  Symptome  erzeugt,  die  oder 
richtiger,  weil  man  sie  im  Winter  bei  fast  allen  Kindern,  auch 
im  Privalhause,  nicht  selten  sehen  kann.  Ferner  wirkt  kalzipriv 
ĂŒberreichliche  ErnĂ€hrung  mit  starker  Gewichtszunahme,  nament- 
lich  die  MilchĂŒberfĂŒliteruing   mit    ihrer   Obstipation  (trockener 


504 


Aas  den   neuesten  Zettschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  29/3' 


heller  Kalkseifenstuhl).  Sodann  die  Infekte  der  Atmungswege, 
die  oft  in  wenigen  Tagen  zu  einer  rachitischen  Erweichung  der 
Rippen  fĂŒhren  kann.  Auch  eine  familiĂ€re  Anlage,  sowie  die 
AnfĂ€lligkeiit  der  FrĂŒhgeborenen,  der  körperlich  Debilen,  fĂ€llt 
hierunter.  Besonders  ungĂŒnstig  sind  nun  die  FĂ€lle,  wo  diese 
letzteren  angeborenen  mit  den  ersteren  Ă€ußeren  Faktoren  zu- 
sammentreffen. 

Damit  ist  die  Therapie  in  ihren  Richtlinien  festgelegt:  Ver- 
meidung einer  Summation  von  Kalzipriven,  HerbeifĂŒhrung  einer 
Kombination  von  kalkstabilisierenden  EinflĂŒssen.  Letzteres, 
namentlich  bei  den  akut  bedrohten  Rachitikern,  also  bei  Kindern 
mit  Eklampsie,  Laryngospasmus,  Bronchopneumonie,  namentlich 
bei  weichem  Thorax. 

Am  nichtigsten  ist  dabei  die  Prophylaxe:  tÀgliche  Belich- 
tung im  Freien,  selbst  bei  — 5°,  allerdings  warm  eingepackt 
(die  Gesichtshaut  als  lichtempfangende.  FlĂ€che  genĂŒgt  anschei- 
nend), bei  schlechtem  Wetter  am  gnĂŒgend  belichteten  offenen 
Fenster,  weil  die  Scheiben  die  wirksamsten  Strahlen  zurĂŒck- 
halten. Dann  Lebertran  bei  FrĂŒhgeburten  schon  von  der  4.  Woche 
ab,  5  — 10  —  20  Tropfen  2  mal  tĂ€glich,  bei  Ausgetragenen  2  mal 
tÀglich  V-i  Teelöffel.  Sodann  die  Höhensonne.  Verfasser  gibt 
prinzipiell  bei  allen  Bronchopneumonien  der  Kinder,  auch  bei 
Nichtrachitikern,  Lebertran  (mit  evtl.  %  %  Kreosot  oder  Phos- 
phor). Außerdem  nebenbei  als  antiskorbutische  Prophylaxe 
20 — 30  g  Zitronen-  oder  Apfelsinensaft. 

Klinische  Erfahrungen  mit  Ncosilbersalvarsannatrium.  Es 

eignet  sich  fĂŒr  den  Praktiker:  ohne  ĂŒble  Nebenerscheinungen 
kommt  Ihm  eine  starke  Wirkung  zu  bei  jedem  Alter  und  ist  auch 
bei  Herzkranken,  Tabikern,  Schwangern  und  SĂ€uglingen  au 
empfehlen.  Von  den  „Misch spritzen"  hĂ€lt  sich  aber  der  Prak- 
tiker vorlÀufig  besser  noch  fern. 

Die  Behandlung  der  Epididymitis  blenorrhagica  mit  Rönt- 
genstrahlen. Je  frĂŒher  um  so  gĂŒnstiger  die  Wirkung,  Spannung 
und  Schmerz  lassen  schon  in  wenigen  Stunden  nach.  Eine  stÀr- 
kere Bestrahlung  genĂŒgt.  Patient  bleibt,  arbeitsfĂ€hig,  eine  SchĂ€- 
digung des  generativen  Hoideriteils  ist  nicht  zu  fĂŒrchten. 
Wirkung:  Zwar  keine  SchÀdigung  der  Gonokokken,  sondern 
deren  Elimination  durch  Abstoßung  bazillenhaltigen  Gewebes  uno. 
VerÀnderung  des  NÀhrbodens. 

TemporÀre  »Sterilisation  von  Mann  und  Frau  durch  Röntgen- 
strahlen. Durch  wiederholte  kleine  Dosen  kann  eine  „abgestufte 
Kastration"  erreicht  werden  fĂŒr  die  Dauer  etwa  14  Jahres,  was 
bei  Lues,  bei  gewissen  FĂ€llen  von  Tuberkulose,  Diabetes,  Base- 
dow, Morphinismus  usw.  von  Bedeutung  ist. 

Ueber  Behandlung  des  akuten  nephritischen  Lungenödems 
durch  Abbinden  des  Gliedes.  An  der  Hand  zweier  FĂ€lle  wird 
demonstriert,  daß  Abbinden  der  4  ExtremitĂ€ten  mit  Gummi- 
schlĂ€uchen fĂŒr  etwa  30  Minuten,  sowohl  in  solchen  FĂ€llen,  wie 
bei  unkompensierten  Herzfehlern  in  kurzer  Zeit  eine  wesentliche 
subjektive  Erleichterung  mit  erheblicher  Besserung  der 
Atmung  und  des  Pulses  bringt.  ErklÀrung:  Entlastung  des 
Herzens  und  des  kleinen  Blutkreislaufs.  v.  Schnizer. 


14.  April  1922,  48,  Nr.  15. 

♩Diabetes  und  Balneologie.    M  inko  w  s  k  i.  47ö. 

Radiothorium  und  seine  klimBchithenapeutisohe  Anwendung.  Lazarus.  477. 
❖Neue  Gedanken  .zur  Therapie,  des  Karzinoms.    W  e  1 1  e  r  e  r.  4P0. 
❖Unsere   bisherigen   F.rfolge   mit  Rivanol  bei    lokalen   Infektionen.  Sieb- 
recht  und  U  j  h  e  1  y  5.  481. 

Zur  Kenntnis  der  Lymphogranulomatose,    v.  H  e  c  k  e  r  und  Fischer.  482. 

Uelber  einen  gutartigen  Pankreastumor.    H  e  y  m  a  n  tu.  484. 

AntisyphiJitischc  Kuren  mit  intravenöser  Darreichung  von  Salvarsan-Novasu- 
rolmiBehung  bei   Herzkranken.     W  i  n  k  1  e  r  ,   (Nauheim).  486. 

Hie  Goldbehandlung  der  Tuberkulose.    S  c  h  eil  I  e  n  b  e.  r  g.    487.  ' 

Konservierung  forensischer  Sera  und  Antisena  mit  Yalrren.  S  t  r  a  ß  - 
mann.  487. 

Zwei  FĂ€lle  von  Zinkvergiftung.    Kngelsmann.  488. 
SchweinerotlaufĂŒbertragimg  durch  Kadavcrverwertung.     E  s  a  u.  489. 

Diabetes  und  Balneologie.  Die  gĂŒnstigen  Wirkungen  der 
Kuren  in  BĂ€dern  beruhen  1.  auf  einer  Verbesserung  der  allge- 
meinen Konstitution,  2.  auf  einer  gĂŒnstigen  Wirkung  auf  die 
Organerkrankung,  in  diesem  Falle  des  Pankreas:  WĂ€rme,  Radio- 
aktivitÀt, KohlensÀure,  Salzgehalt,  kolloid-chemische  Momente, 
was  auch  die  antikatarrhalische  Wirkung  veranlaßt.  3.  ist  eine 
Steigerung  der  wirksamen  Fermente  oder  Hormone  durch  die 
MineralwÀsser  anzunehmen  (Ionenkonzentration);  4.  durch  die 
grĂ¶ĂŸere  Geschwindigkeit  und  IntensitĂ€t  der  Wirkung  der  ge- 
gebenen Fermentmengen  durch  Menge  und  Art  der  zugefĂŒhrten 


anorganisphen  Bestandteile.  5.  endlich  ist  ein  Ersatz  fĂŒr  d 
fehlenden  organischen  Katalysatoren  durch  die  MineralwÀss« 
als  möglich  zu  berĂŒcksichtigen. 

Neue  Gedanken  zur  Therapie  des  Karzinoms.  Sermmbehan 

hing  ausgehend  von  dem  Gedanken,  das  Blut  zur  Hilfsaktic 
heranzuziehen,  das  karzinomfeindliche  Stoffe  enthÀlt,  bei  solcht 
namentlich  die  vom  Karzinom  befreit  sind,  in  noch  höhere 
Grade  bei  ♩Jugendlichen  (Dezendenten).    VorlĂ€ufige  Mitteilung. 

Rivanol:  Das  wirksamste  chemotherapeutische  Ant 
septikum.  .Vorteile  gegenĂŒber  den  Chininderivaten:  wirkt  nid 
gewebsschÀdigend,  verursacht  keine  Nekrosen,  wirkt  nicht  m 
wachstumshemmend,  sondern  bakterizid,  schmerzlindernd  un 
verursacht  eine  akute  EntzĂŒndung  mit  Leukozyten,  also  ein 
„HeilentzĂŒndung".  Bett  fortschreitenden  Phlegmonen  versagt  es  wi 
das  Eukupin:  kosmetischer  Vorteil  gegenĂŒber  der  Inzisioir.  Ei 
folge  dieser  konservativen  Behandlung  bei  abgeschlossenen  AI 
szessen  einkammerigen  Mastitiden,  Bursitiden,"Gelenkempyemei 
Furunkeln,  Karbunkeln  bei  genauer  Einhaltung  der  Technik. 

v.  Schnizer. 

22.  April  1922,  12,  Nr.  16. 

Psychologische  Symptomatologie,    Untersuchung  der  Geisteskranken.  Lovv 

V  a  Inns  i.  329. 

♩Sauerstoffinsufflation     durch    TracheailfisteJ    und    Tod    durch  Ertrinken 

R  o  s  e  n  t  h  a  I.  33.ri. 

♩Diic  Reedukation  der  \mputicTten.    Ro'e  derer,  M39. 

Sauerstoffinsufflation  durch  Trachealfistcl,  Tod  durch  Kr 
trinken.  Die  klassische  Tracheotomie  tamponiert  und  verstĂŒm1 
mclt.  nicht  so  die  therapeutische  Methode  mittels  der  Tracheall 
fistel,  die  neu  und  hoffnungsvoll  ist.  Die  Applikation  von 
Gasen  (0)  damit  ist  leicht,  ohne  Reflexwirkung,  absolut  vertrag] 
lieh  und  wirksam  bei  Bronchopneumonie.  Laryngitis  tuberkulosa 
bei  GangrĂ€n,  bei  der  Asphyxie,  bei  Ertrunkenen.  Die  EinfĂŒhrung 
von  FlĂŒssigkeiten  auf  diesem  Wege  ist  indiizert  bei  den  massiven 
Lungenkongestionen  zwecks  Erregung  einer  Leukozytose  durch 
einige  Tropfen  Terpentinöl,  zur  Kokainserumtherapie.  Sie  gej 
stattet  die  Inhalation  hoher  Dosen  O  (100—500  l). 

Die  Reedukation  der  Amputierten  ergibt  nichts  wesentlich 
Neues.  Von  2(XH)  VerstĂŒmmelten  aus  der  Schule  von  Bordeaux 
haben  1200  ihr  altes  Handwerk  wieder  ergriffen,  736  ein  neues 
und  300  sind  zu  jeder  Arbeit  unfĂ€hig.  Mehr  als  %  der  verstĂŒmmel- 
ten Landwirte  haben  ihren  alten  Beruf  fortgefĂŒhrt,  vom  Rest  haben 
viele  das  Land  nicht  verlassen,  sondern  ĂŒben  dort  ihren  neuen 
Beruf  als  Stoff-,  Hut-,  Korb-  oder  Schuhmacher  aus.  Die  Schwere 
der  anatomischen  LĂ€sion  oder  der  funktionellen  Impotenz  und 
der  Grad  der  professionellen  LeistungsfÀhigkeit  stehen  keineswegs 
in  einem  direkten  VerhÀltnis.  v.  Schnizer. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

23.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

Beeinflussung  des  Pulses,  resp.  de«  Herzeins  durch  die  Xahrung-s-,  Genoß- 
mittel  und  GewĂŒrze.    Neue  biologische  Tatsachen.    Heitier,  M.  263 

Zur  Frage  der  im  Verlaufe  antiluilscher  Kwen  auf  tretende  in  Hg-,  be- 
ziehungsweise  SalvarsandermatitWen.    K  1  a  a  r  ,  .T.  266. 

Muskelaugiom  der  tiefen  Nackenmiiskulatrur  (Musculus  rhoniboideus  minor). 
Finsterer,  H.  269. 

Über- eine  neue  Methode  zur  Darstellung  von  Gi*terfasetrn.  Maresch.  B. 
270. 

♩Chronisch«  Bazillenruhr  und  Colitis  gravis.    (Schluß).    Kling,  D.  271. 
Zur  Frage  des  gesundheitlichen  Ehekonsenses.    Reichel,  H.  274. 

Chronische  Bazillenruhr  und  Colitis  gravis.  Ein  aetiologischer 
Zusammenhang  zwischen  Colitis  gravis  und  Dysenterie  darf  nui 
dann  angenommen  werden,  wenn  man  den  Uebergang  der  akuten 
Dysenterie  in  die  Colitis  beobachtet  hat.  Weder  die  klinischen  Er- 
scheinungen der  chronischen  Colitis,  noch  die  anatomischen  Be- 
funde der  lokalen  DarmwandverÀnderung,  noch  die  bakteriologi- 
schen und  serologischen  Befunde  können  den  Zusammenhang  mit 
der  Dysenterie  exakt  beweisen.  Colitis  gravis  und  Colitis  post- 
dysenterica  dĂŒrfen  nicht  identifiziert  werden.  Neben  zweifellos 
postdysenterischen  FĂ€llen  wird  ein  Fall  mitgeteilt,  bei  dem  keiner- 
lei Anhaltspunkte  fĂŒr  eine  vorangegangene  Ruhr  bestehen.  Unter 
den  Heilfaktoren  der  schweren  Kolitiden  nimmt  die  DiÀtotherapie 
reizlose,  schlackenfreie  und  dabei  roborierende  Kosf  den  ersten 
Rang  ein.  Vakzine-  und  Serotherapie  scheinen  wenig  erfolgreich 
zu  sein.  Gegen  Tenesmen  Opium,  Belladonnasuppositorien  und 
Morphium;  Papaverin  und  Atropin  haben  sich  nicht  besonders 
bewĂ€hrt.  Schmerzlindernd  wirken  öfters  halbstĂŒndige  Licht- 
bÀder. Medikamentöse  Klysmen  anfangs  mit  Dermatol,  bei  Re- 


40.  Jahrg.  -  Nr.  29/30. 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


505 


aktionslosigkcit  mit  dĂŒnnen  Ichthyol-,  Tannin-,  Silbernitratlösun- 
gen. Von  operativen  Eingriffen  kommt  die  totale  Ausschaltung 
des  Dickdarms  nur  hei  genĂŒgender  Widerstandskraft  des  Pa- 
tienten in  Betracht,  in  schwersten  FÀllen  kann  höchstens  nur  der 
Versuch  mit  einer  SpĂŒlfistel  gewagt  werden.      Reuss  (Wien). 

Wiener  klinische  Wochenschrift,  Wien. 

30.  MĂ€rz  1922,  Nr.  13. 
KJinik  der  CbolcUthiasis.    Ortnei,  N.  287. 

Kiu   Respirationsapparat  zur  klinischen  Bestimmung  des  Energicumsatzes 
des  Menschen.    Krogh,  A.  290. 
♩Interessant«  FĂ€lle  aus  der  diagnostischen  KĂŒutgetupraxi«.  Holzknecht, 
Lenk,  Po  r  dos.  Kriser  und  Winter  nitz.  293. 
Der  Doppelbogen  des  Zwerchfells  bei  Eelaxatio  diaphragmatte.  Hitzen- 
b  e  r  g  e  r  ,  K.  294. 
❖Die  Druckpunkte  in  der  Blinddarmgegeud  und  die  „chronische  Blinddarm- 
entzĂŒndung". Mertens,  E.  V.  296. 
❖Oedein  der  Zunge  nach  Mirioninjektion.    Nander,  N.  297. 
Zur  Frage  der  im  Verlaufe  antiluetiischer  Kuren  austretenden  Hg-,  bezw. 
Salvarsandermatitiden.    (Schluß.)    Kl  aar.  J.  297. 

Interessante  FÀlle  aus  der  diagnostischen  Röntgenpraxis. 
jĂ€hr.  Knabe  mit  dĂŒnneiternder  Fistel  knapp  unter  und  hinter 
dem  r.  Trochanter.  bei  KontrastfĂŒllung  der  Fistel  mit  Schmelz. 
StÀbchen  ergab  das  Röntgenbild  einem  zum  zweiten  Kreuzbein- 
wirbelkörper verlaufenden  Kanal:  Kreuzbeinkaries  mit  atypi- 
scher Fistelöffnung. 

Die  Druckpunkte  in  der  Blinddarmgegend  und  die  „chronische 
BlinddarmentzĂŒndung".  Nur  der  Wurmfortsatzpunkt  oder 
lanzsche  Punkt  —  rechter  Drittelpunkt  der  Verbindungslinie 
per  beiden  vorderen  oberen  Darmbeinstachel  —  bezeichnet  die 
fthgangsstelle  des  Wurmfortsatzes  vom  Blinddarm.  Er  ist  7  mal 
so  oft  schmerzhaft  als  der  McBurney  sehe  Punkt.  Diagnostisch 
wichtig  sind  Schmerzen,  welche  spontan  oder  auf  Druck  von 
feinem  der  beiden  Punkte  in  die  Bauchhöhle  ausstrahlen.  Der- 
artige Druckschmerzen  findet  man  mitunter  bei  schlecht  ge- 
deihenden, mageren,  appetitlosen  Kindern;  „an  solchen  Kindern 
wirkt  die  Entfernung  der  WĂŒrmer  geradezu  Wunder!" 

Gedern  der  Zunge  nach  Mirioninjektionen.  Im  Verlauf  einer 
bei  einem  schweren  Tabiker  vorgenommenen  kombin.  Neosalvar- 
san-Mirionkur  trat  plötzlich  eine  mÀchtige  oedematöse  Schwel- 
lung der  Zunge  auf,  welche  sich  nach  2  Stunden  zurĂŒckbildete 
und  nach  2  Tag^n  vollkommen  verschwunden  war. 

Reuss  (Wien). 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  Neurologie  und  Psychiatrie, 

Berlin. 

11.  MĂ€rz  1922,  75,  Heft  1—2. 

'  ❖Dw  Girundplan  des  Nervensystems  und  die  Lokalisation  des  Psychischen. 
KĂŒppers,  E.  1. 

Schwere  GanglienzelilkernschĂ€digung  in  einem  Falle  von  „Dementia  praecox". 
S  t  o  c  k  e  r  ,  A.  47. 

Eine  psychotherapeutische  Neurosenheiluug  bei  E.  T.  A.  Hoffmann.  J  o  1  o  - 
witz,  E.  56. 

I' ❖Zerebrale  Herdsymptome   uei  genuiner  Epilepsie.     Knapp,  A.  60. 
❖Zur  Frage  nach  der  Pathogenese!  der  Paralyse. 
Ein  Fall  von  metastatischer  Pneurnokokken-PoliomyeĂŒltis,  klinisch  uuter  dem 
(t  Bild  der  akuten  Landryschen  Paralyse  verlaufend.        Hinz,  C.  E.  104. 

❖Das  FacialisphĂ€nomen  bei  Geisteskranken.  Holzel,  F.  113. 
Die  sogenannte  traumatische  SpÀtapoplexie.  Singer,  K.  127. 
Kin   eigenartiger  Markprozeß   mit  metachromatischen  Abbauprodukten  bei 

einem  paralyseÀhnlichicn  Krankheitsbild.    Kaltenbach,  H.  138. 
BeitrÀge    zur    Kenntnis    der    fraktionierten    Liquoruntersuchung.  Mar- 
dorf, P.  und  L  o  e  b  e  1 1 ,  H.  147. 
❖Zur  Pathologie  des  epileptischen  Krampjanfalls.    Meyer,  M.  und  BrĂŒhl, 
F.  158. 

.    ❖Chronische  Encephalitis  epidemica.    Meggendorfe  r,  F.  189. 

Beitrag  zur  Kenntnis  der  sog.  Paralysiis  agitans  sine  agitatione  auf  dem 
pathologisch-anatomischen  Boden  der  Encephalitis  epidemiic-a.  König, 
O.  221. 

Das  Zusammentreffen  von  negativer  Wassermannscher  Reaktion  hm  Blute  mit 
positiver  im  aktiven,  negativer  im   inaktivierten   Liquor  bei  progressiver 

Paraly  se;.    E  i  c  k  e  ,  H.  234. 
Die  pathologische  Anatomie  der  sog.  Polyneuritis  bei  Nahxungsiusuffizicnz. 

Kinn,  B.  241. 

Der  Grundplan  des  Nervensystems  und  die  Lokalisation  des 
Psychischen.  Das  Aufkommen  der  phÀnomenologischen  Methode 
durch  Husserl  und  die  neuen  Entdeckungen  ĂŒber  Bau  und 
Funktionen  des  Zwischenhirns  und  des  vegetativen  Nerven- 
systems fĂŒhren  zu  einer  neuen  Grundanschauung  von  der"  Loka- 
lisĂŒtion  der  Psyche,  die  ebenso  einfach  wie  einleuchtend  ist. 
Die  Grundlage  der  neuen  Hypothese  bildet  eine  neue  Gesamt- 
anschauung vom  Nervensystem,  die  den  Einbau  des  Psychischen 
ohne  weiteres  zulĂ€ĂŸt.  Das  die  einzelnen  Organe  des  „Organis- 
mus" zur  funktionellen  Einheit  zusammenschließende  System  ist 


das  vegetative  Nervensy stein,  die  oberste  Regulation  desselben 
liegt  im  llöhlengrau  des  drillen   Ventrikels,  das  damit  das  Z&D 
trum    des    „Organismus"    darstellt.     Von    diesem  „vegetativen 
Binncnapparat"  abzutrennen  ist  das  „murale  vegetative  System" 
(Langleys  enteric  System),  das  ebenso  wie  das  „animalische 
Nervensystem"    (Cerebrospinalsystem)    nichts   als   ein   von  der 
Einheit  abhÀngiges  peripheres  Werkzeug  ist.    Das  animalische 
System  bildet  die  Verbindung  zwischen  der  Gesamtheit  der  Sin- 
nesorgane und  der  Gesamtheil  der  Bewegungsorgane,  ist  also  ein 
Grenzsystem,  das  lediglich  die  Aufgabe  hat,  die  im  vegetativen 
Binnensyslem  konzentrierte  individuelle  Lehenseinheit  mit  der 
Außenwelt  in  Verbindung  zu  setzen;  eine  analoge  Aufgabe  hat 
das  murale  System  fĂŒr  die  innere  KörperoberilĂ€che.  Der  Schlaf 
ist  danach  ein  Zustand,  in  dem  sich  das  Herrschafts-  und  Dienst- 
verhÀltnis zwischen  Binnensystem  und  Grenzapparaten  gelöst  und 
die  ursprĂŒngliche  Einheit  des  Organismus  wiederhergestellt  hat; 
der  Ort  der  Schlafdissoziation  auf  der  animalischen  Seite  ist  in 
der  ganzen  Linie,  in  der  sich  die  globalen  und  die  segmentalen 
Zentren  der  beiden  Hauptsysteme  berĂŒhren,  also  im  Verlauf  der 
ganzen  Zerebrospinalachse  zu  suchen,  und  zwar  fortschreitend 
vom  oralen  zum  kaudalen  Pol.     Als  grundlegender  Teil  beim 
Aufbau  des  Subjekts  ist  das  dem  Menschen  und  Tier  gemeinsame 
Triebleben,    dem    die    dem    Menschen    eigentĂŒmliche  höhere 
psychische  Schicht  nur  zugeordnet  ist,  zu  betrachten;  es  ist  diese 
Grundschicht  als  das  „animalische  Subjekt"  zu  bezeichnen,  das 
in  Beziehung  steht  zu  den  zwei  SphÀVen  des  Leibs  und  der  Um- 
welt als  den  leben  erhalt  enden  stofflichen  Medien,  denen  das  Ich 
gegenĂŒbertritt  als  eine  Masse  lebender  Substanz  von  individueller 
chemischer  Beschaffenheit.  Der  Mittelpunkt  des  seelischen  Lebens 
also  besteht  aus  lebender  Substanz  und  ist  ein  Teil  des  Organis- 
mus. Es  bestehen  Wechselbeziehungen  zwischen  dem  Ich  einer- 
seits und  dem  Ganzen  und  dessen  Teilen  andererseits,  doch  ist 
das  Ich  der  Lenker  seines  Leibes  und  der  Umstalter  seiner 
Umwelt,  der  Leib  das  Werkzeug  des  Ich  und  die  Welt  sein 
Wirkungsfeld.  Das  animalische  Subjekt  zerfÀllt  in  den  Organis- 
mus, d.i.  die  Einheit  der  lebenden  Teile,  den  „Kern",  d.i.  den 
Teil  des  Organismus,  der  die  Einheit  der  lebenden  Teile  gegen- 
ĂŒber der  Umwelt  vertritt,  und  die  beiden  Grenzapparate,  die  als 
Werkzeuge  des  Kerns  im  Verkehr  mit  der  Umwelt  anzusehen 
sind.  Die  Besonderheit  des  Lebendigen  besteht  in  der  FĂ€higkeit 
der  Selbststeuerung  oder  Selbstbestimmung  (Kern-Seele),  die  den 
Einzellern  wie  den  Vielzellern  gemeinsam  ist.   Es  besteht  eine 
Reihe  von  ĂŒbereinandergeordneten  Zentren:  als  segmentale  Re- 
flexzentren des  animalischen  Systems  sind  die  an  der  Basis  der 
Hinterhörner  gelegenen  Strangzellen   anzuseilen,  die  zwischen 
sensiblen  Spinalganglienzellen  und  den  motorischen  Vorderhorn- 
zellen vermitteln  und  in  die  AuslÀufer  der  vegetativen  Zellen  des 
animalischen  Poles  enden.     Dem  Ganzen  ĂŒbergeordnet  ist  der 
„globale  Kern",  die  eigentliche  Seele  des  Wirbeltiers,  die  im  zen- 
tralen Höhlengrau  des  dritten  Ventrikels  zu  lokalisieren  ist.  Als 
globales    Reflexzentrum    des    animalischen    Systems    ist  der 
Thalamus  zu  betrachten.  FĂŒr  die  aufgestellte  Theorie  spricht  die 
antagonistische  Innervation  der  inneren  Organe,  indem  der  Para- 
sympathicus  den  Nerven  der  inneren  KörperoberflÀche,  der  Sym- 
pathicus,  den  Nerven  des  organischen  Raums  und  der  Ă€ußeren 
KörperoberilÀche  darstellt.     Auch  die  Headsche  Einteilung  der 
SensibilitĂ€t  spricht  fĂŒr  die  Richtigkeit  der  Theorie,  indem  die 
protopathische  SensibilitÀt  die  SensibilitÀt  des  vegetativen  Bin- 
nensystems darstellt.   Nach  der  vorgebrachten  Theorie  ist  also 
der  Thalamus  das   oberste  zerebrospinale   Reflexzentrum,  die 
Rinde  dagegen  nur  eine  subthalamische  ErgÀnzung,  Umschalte- 
station fĂŒr  die  thalamo-koriiko-spinal  verlaufende  MotilitĂ€t,  zu- 
gleich aber  auch  Ausgangspunkt  der  kortiko-thalamischen  RĂŒck- 
strahlung. Die  „Seele"  liegt  in  der  Zerebrospinalachse,  und  die 
Rinde  ist  nichts  als  ein  Hilfsorgan  der  Seele,  das  .die  Formeln  in 
sich   enthÀlt,   nach  denen  die  Verhaltungsweisen  des  Subjekts 
ablaufen,  die  der  jeweiligen  Gesamtlage  besonders  angepaßt  sind, 
insofern  als  sie  eine  Beurteilung  der  Gesamtlage  in  sich  schließen. 

Cerebrale  Herdsymptome  bei  genuiner  Epilepsie.  Bei  der 
genuinen  Epilepsie  können  Herdsymptome  in  Erscheinung  treten 
prÀkonvulsivisch  im  Verlauf  der  Aura,  postkonvulsivisch  nach 
Ablauf  des  soporösen  Nachsladiums,  als  Aequivalente  im 
DĂ€mmer-  und  Verwirrtheitszustand  und  als  Dauersymptome  im 
anfallsfreien  Intervall.  ZustÀnde  Jacksonscher  Epilepsie  können 
bei  genuiner  Epilepsie  nicht  selten  vorkommen,  halbseitiger  Sta- 
tus epilepticus,  auf  einzelne  Gliedabsohnitte  beschrÀnkte  Kon- 
vulsionen, isolierte  rhythmische  Finger-  und  besonders  hÀufig 
Zehenbewegungen  u.  dgl.  Seltener  als  herdförmige  Reizerschei- 
nungen sind  lokalisierte  LĂ€hmungen,  und  zwar  ausschließlich  im 
Gefolge  der  ausgebildeten  KrampfanfÀlle,  als  Ausdruck  der  Er- 
schöpfung der  im  Krampf  ĂŒberanstrengten  Zentren:  ein  Teil  der- 


50g  Aus   den   neuesten   Zeitschriften  40.  Jahrg.  —  Nr.  29/30 


selben  isl  wohl  auch  zurĂŒckzufĂŒhren  auf  vorĂŒbergehende,  durch 
einen  lokalen  GefĂ€ĂŸkrampf  zu  erklĂ€rende  ErnĂ€hrungsstörungen 
bestimmter  Gehirnteile.  In  manchen  FÀllen  können  LÀhmungs- 
erscheinungen in  einzelnen  ExtremitÀten,  Muskelgruppen  oder 
selbst  einer  KörpenhÀlfte  als  Dauersymptome  bestehen  bleiben. 
.Sehnenreflexe  und  Muskeltonus  sind  meist  nach  dem  Anfall 
herabgesetzt,  doch  finden  sich  auch  hÀufig  alle  Zeichen  einer 
]>\  ramidenparese  einseitig  oder  doppelseitig.  Doppelseitige  Hyp 
Àsthesien  sind  sehr  hÀufig  nach  dem  Anfall  und  im  DÀmmer- 
zustand, partielle  dagegen  nur  postkonvulsivisch  vorĂŒbergehend 
zu  beobachten;  sensible  Reizerscheinungen  spielen  in  der  Aura 
eine  wichtige  Rolle.  Motorische  Aphasie  wurde  vor  und  nach  dem 
Anfall,  sowie  auch  wÀhrend  der  DÀmmer-  und  Verwirrtheits- 
zustÀnde und  als  Aequivalent  beobachtet,  ebenso  arlikulatorische 
Sprachstörung.  In  gleicher  Weise  kann  die  senso'rische . 
Aphasie  auftreten,  ist  jedoch  nach  dem  Anfall  viel  hÀufiger,  im 
Gegensatz  zur  motorischen  Aphasie,  die  hÀufiger  vor  dem  An- 
fall beobachtet  wird;  Paraphasien  sind  nach  dem  Anfall  stets  als 
Teilerscheinung  einer  sensorischen,  in  der  Aura  als  solche  einer 
motorischen  Aphasie  anzusehen.  'Amnestische  Aphasie,  die  als 
vorĂŒbergehendes  ErmĂŒdungssymptom  anzusehen  ist,  tritt  als 
Aequivalent,  in  der  anfallsfreien  Zeit  und  wÀhrend  der  DÀmmer- 
und VerwirrtheitszustÀnde  auf,  Agnosie  und  Apraxie  nicht  nur 
wÀhrend  der  DÀmmerzustÀnde,  sondern  auch  prÀ-  und  posl 
konvulsivisch.  Amaurose  kann  transitorisch  in  der  Aura  auf- 
treten und  durch  allmÀhliche  Mikropsie  eingeleitet  werden;  Mi- 
kropsie und  Makropsie  kommt  als  Vorbote  oder  auch  als  Aequi- 
valent gelegentlich  jahrelang  vor.  Als  infrakortikales  Symptom 
ist  die  tonische  Komponente  des  Anfalls  zu  betrachten,  ferner  der 
in  automatischen  Rewegungen  oder  in  Absenzen  ablaufende 
Anfall;  auch  bulbÀre  und  pseudobulbÀre  Syndrome  können  nach 
dem  Anfall  oder  im  DĂ€mmerzustand  beobachtet  werden. 
Von  cerebellaren  Symptomen  sind  hÀufig  postkonvulsivische 
Gangstörungen  von  oft  sehr  langer  Dauer;  seltener  Meniere'sche 
AnfÀlle  als  Aequivalente,  deren  Lokalisation  allerdins  im 
SchlÀfenlappen  anzunehmen  ilt.  Die  Zusammenstellung  dieser 
Herdsymptome  bei  genuiner  Epilepsie  ist  deshalb  von  besonderer 
Wichtigkeit,  weil  die  Annahme  einer  Jackson'schen  Epilepsie  in 
derartigen  FĂ€llen  oft  zu  zwecklosen  chirurgischen  Eingriffen 
fĂŒhrt. 

Ueber   das  FacialisphÀnomcn  bei  Geisteskranken.    Das  Fa- 

cialisphÀnomen  wurde  bei  geisteskranken  Frauen  hÀufiger  ge- 
funden als  bei  MĂ€nnern.  Es  war  sehr  selten  bei  Kranken  ĂŒber 
60  Jahre;  vor  dem  25.  Lebensjahre  war  es  prozentual  hÀufiger 
bei  Frauen.  Die  Schwankungen  in  seinem  Auftreten  erstreckten 
sich  teils  auf  lÀngere  ZeitrÀume,  teils  auf  Tage  oder  halbe  Tage, 
doch  konnte  kein  Einfluß  Ă€ußerer  UmstĂ€nde  hierauf  festgestellt 
werden,  insbesondere  kein  Einfluß  der  Jahreszeit  (FrĂŒhjahr  bei 
Tetanie!)  Es  wurde  etwa  gleich  hÀufig  gefunden  bei  Dementia 
praecox,  Epilepsie,  Psychopathie  und  Hysterie,  seltener  bei 
manisch-depressivem  Irresein,  sehr  selten  bei  angeborenem 
Schwachsinn.  Differentialdiagnostisch  kommt  es  fĂŒr  die  Psy- 
chiatrie nicht  in  Betracht.  Wenn  es  auch  bei  Tetanie  besonders 
hĂ€ufig  und  ausgeprĂ€gt  zu  finden  ist,  so  ist  es  doch  fĂŒr  keine  Er- 
krankung als  kennzeichnendes  Symptom  anzusehen,  sondern  als 
Ausdruck  einer  das  Zusammenwirken  von  Stoffwechsel  und  endo- 
krinem Getriebe  betreffenden  Störung.  HierfĂŒr  sprechen  vor 
allem  seine  Beziehungen  zu  Geschlecht  und  Lebensalter  und  sein 
Vorkommen  bei  Krankheiten  verschiedenster  Aetiologie  und 
Verllaufsart,  ja  bei  Konstitutionsspielarten,  die  durchaus  noch  der 
Gesundheitsbreite  angehören. 

Zur  Pathologie  des  epileptischen  Krampfanfalls.  Es  werden 
Untersuchungen  ĂŒber  Blutbild,  Eiweißgehalt  des  Serums  und 
Blutdruck  im  Verlauf  des  epileptischen  Anfalls  mitgeteilt.  Es  er- 
gaben sich  bei  den  einzelnen  FĂ€llen  große  Verschiedenheiten. 
Gemeinsam  war  allen  nur  eine  große  Schwankung  des  Serum- 
eiweißgehalts sowohl  im  anfallsifreien  Stadium  wie  im  Zusammen- 
hang mit  den  AnfĂ€llen.  Bei  den  FĂ€llen  mit  Eiweißschwankungen 
im  anfallsfreien  Stadium  bestanden  stets  innersekretorische  Stö- 
rungen thyreotoxischer  oder  spasmophiler  Art.  Bei  den  Eiweiß- 
schwankungen im  Zusammenhang  mit  dem  Anfall  oberhalb  oder 
unterhalb  der  Grenze  des  Normalen  spielen  die  motorischen  Er- 
scheinungen des  Anfalls  eine  Rolle,  indem  Schwankungen  unter- 
halb der  Norm  bei  fast  allen  FĂ€llen  mit  starken  motorischen 
Krampferscbeinungen  auftraten,  wÀhrend  bei  solchen  oberhalb 
der  Nonn  die  letzteren  fehlten.  Blutdrucksteigerung  fand  sich  in 
mehreren  FÀllen  beim  Anfall  zusammen  mit  Erhöhung  des  Serum- 
eiweißgehalts, in  anderen  FĂ€llen  fand  sich  keine  Blutdruck- 
Ă€nderung, in  anderen  verschiedenes  Verhalten  derselben  bei  ver- 


schiedenen   AnfĂ€llen.     Theoretische   SchlĂŒsse    lassen    sich  am 
diesen  Beobachtungen  kaum  ziehen. 

Chronische  Encephalitis  epidemica.  Es  sind  zwei  Typen  dei 
chronischen  Encephalitis  epidemica  zu  unterscheiden:  der  eint 
mit  lebhaften  akuten  Erscheinungen,  mit  Neigung  zu  Remis- 
sionen und  Rezidiven,  gelegentlichen  Temperatursteigerungen  unc 
Wechsel  des  klinischen  Bildes,  der  andere  mit  mildem  Beginn 
gleichmĂ€ĂŸigem,  torpidem  Verlauf  und  nahezu  UnverĂ€nderlichkeil 
des  Bildes  von  Anfang  bis  zum  Ende.  Das  VerhÀltnis  der  chro- 
nischen Encephalitis  zur  akuten  Encephalitis  und  zur  Gripp« 
setzt  Verf.  in  Analogie  zum  VerhÀltnis  zwischen  Paralyse,  Lues 
cerebri  und  Lues.  Es  ist  anzunehmen,  daß  die  natĂŒrliche  und 
die  erworbene  ImmunitÀt,  die  Reaktionskraft  und  Reaktions- 
bereitschafl  des  Organismus  letzten  Endes  darĂŒber  entscheidet,  ol. 
ein  Individuum  eine  Grippe  oder  eine  Encephalitis  bekommt  oder 
gar  dem  chronischen  Siechtum  verfÀllt.  Eine  immunisatorische 
Behandlung  wÀre  am  Platze,  ist  aber  noch  nicht  bekannt.  The- 
rapeutisch lassen  sich  auch  bei  den  chronischen  FÀllen  schöne 
Resultate  durch  Uebungstherapie  erzielen,  durch  die  bewußte 
WillkĂŒrhandlungen  fĂŒr  ausfallende  subkortikale  Mechanismer 
eingesetzt  werden  können.  Misch,  Berlin. 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

22.  April,  4ĂŒ,  Nr.  IC. 

Zur  SterilitÀt  der  Frau.    Lahn,  W.  609. 
❖Zur  Bedeutung    den-    kapillarmikroskopischen  Befunde    bei    der  Eklampsie. 
Nevermann,  H.  617. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  GenitalneivenkĂŒrpcii-ehen  in  der  Klitoris  und  den 

kleinen  Labien.    Geller,  Fr.  Chr.  623. 
Ein  FU1  von  Vagitius  uterinus.    Krause,  H.  625. 

Fluortherapie  und  BazĂŒlosau.  Erste  und  einzige  Erwiderung  auf  Herrn 
Loeiser's  AusfĂŒhrungen  in  Nr.  12  v.  Jasckke,  R.  Tb.,  und  Salo- 
m  o  n  ,  R.  627.  t 
Zur  ProteinkĂŒrpertherapie  und  zu  der  Frage  der  Bedeutung  des  Schutz- 
kolloides  bei  Siiberbydrosolen.  Voigt,  J.  628. 
❖SeLtoner  Fall  diphtherischer  Infektion  neugeborener  Zwillinge.  W  eher, 
E.  361. 

Zur  Bedeutung  der  kapillarmikroskopischen  Befunde  bei  der. 
Eklampsie.     Bei  Hydrops   gravidarum,   Schwangerschaf tsniere, « 
PrÀeklampsie  und  Eklampsie,  sind  immer  KapillarverÀnderungen 
festzustellen,  und  zwar  besteht  stets  eine  VerlÀngerung  der  Kapil- 
laren, aber  ohne  SchlÀngelung,  Schleifen-  und  Anastomosenbildung. 
Meist  ist  der  venöse  Schenkel  dicker  als  der  arterielle.  Die 
Strömung  in  den  Kapillaren   ist  deutlich  verlangsamt  und  von 1 
wechselnder  Geschwindigkeit.    Es  finden  sich  hÀufig  Stasen  von: 
verschieden  langer  Dauer  und  manchmal  GefĂ€ĂŸkrĂ€mpfe.     Die-  ■ 
selben  GefĂ€ĂŸverĂ€nderungen    finden    sich  auch   bei  anderen  Er- 
krankungen.   Verf.  konnte  sie  z.  B.  bei  einer  Patientin  mit  Ne- 
phrosklerose und  in  einem  Fall  von  akuter  Glomerulonephritis 
nachweisen.    Bei  der  Eklampsie  bewirkt  der  Aderlaß  meist  eine 
Besserung  der  Blutströmung.    Die  an  den  Hautkapillaren  sicht- 
baren VerÀnderungen  konnte  Verf.  auch  an  anderen  Kapillaren 
des  menschlichen  Körpers,  z.  B.  am  Peritoneum,  Darmscblingen. 
Uterus  usw.  bei  Laparotomien  feststellen.  —  Welche  Bedeutung 
der  Kapillaroskopie  hinsichtlich  der  Erkennung  krankhafter  Zu- 
stĂ€nde und  VerĂ€nderungen  zukommt,  lĂ€ĂŸt  sich  heute  noch  nicht 
sagen. 

Seltener  Fall  diphtherischer  Infektion  neugeborener  Zwil- 
linge. 4—5  Tage  nach  der  Geburt  fiel  bei  beiden  Zwillingen  zu- 
nehmendes Nasenschniefen  auf.  Sie  erhielten  je  1000  Diphtherie- 
antitoxin. Bei  dem  Àlteren,  etwas  schwÀcheren  Kinde  entstand 
zu  gleicher  Zeit  eine  Schwellung  und  Rötung  am  linken  großen 
Labium,  die  sich  langsam  ĂŒber  die  Blasengegend  bis  zum  Nabel 
ausbreitete.  Unter  den  Zeichen  einer  allgemeinen  Infektion  ging 
das  Kind  bald  zugrunde.  Der  zweite  Zwilling  bekam  am  6.  Tage 
p.  p.  genau  dieselben  Entziindungserscheinungen.  Aus  dem  spÀr- 
lichen serös-eitrigen  Sekret  der  Vulva  dieses  Kindes  wurden 
virulente  Diphtheriebazillen  gezĂŒchtet.  Bei  normaler  Temperatur 
und  nur  wenig  beeintrÀchtigtem  Allgemeinbefinden  gingen 
Schwellung  und  Rötung  allmĂ€hlich  zurĂŒck,  so  daß  das  Kind 
3  Wochen  p.  p.  gesund  entlassen  werden  konnte. 

Speyer,  Berlin. 

Monatsschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Berlin. 

MĂ€rz  1922,  57,  Heft  3/4. 

❖Histologische    Untersuchungen    der  .  physiologischen  MenstruationsabgĂ€nge. 

L  i  n  d  n  e  r  ,  K.  119. 
❖Herzleiden  und  GraviditĂ€t.    N  e  1  i  u  s  ,  A.  127. 
Bemerkungen  zur  KLellandsehen  Zange.   Mayer,  A.  138. 


« 


40.  Jahrg.  —  Nr.  29/30. 


Aus   den   neuesten   Z  e  i  l  s  c  h  r  i  f  t  e  n 


507 


Weitere  20  Jahro  Gohurtsluilfo  in  lÀndlicher  Praxiis.    8  c  h  r  o  ö>d  e  r.  143. 
❖Die  HebostcotonĂŒe  In  der  nlchtgravldon  Zelt.   Schmidt,  \V.  Th.  155. 
❖Die  TubcnstnimpfgraviditĂ€t.     II  i  c  m  e  r  ,  .1.    157.  ‱ 

Nitcktpaiyisitfiro  Milzzystcn  und  deren  Bedeutun  in  der  Gynaklogie.    P  r  i  - 
b  r  a  m  ,  E.  E.  164. 

Di«  Bedeutung  fĂŒr  die  Ă€rztliohe  Entl.indungskunst.    Feis  ,  0.  171. 

Histologische  Untersuchungen  »1er  physiologischen  IMenstrua- 
tionsabgÀnjrc.  Die  an  gesunden  Frauen  vorgenommenen  Unter- 
suchungen ergaben,  daß  der  Abgang  von  SchleimhautstĂŒcken  bei 
der  Menstruation  ein  physiologischer  Vorgang  ist.  Die  ab- 
gehenden Gowehsbröckel  bestehen  teils  aus  der  kompaekten,  teils 
;uis  der  spongiösen  Schleimhautschicht. 

Herzleiden  und  GraviditÀt.  Der  Standpunkt,  den  der  Verf. 
bei  einer  durch  Herzerkrankung  komplizierten  Schwangerschaft 
hinsichtlich  seines  therapeutischen  Verhaltens  vertritt,  ist  ein 
möglichst  konservativer.  Niemals  erblickt  er  in  dem  Bestehen 
einer  Herzerkrankung  an  sich  eine  Indikation  zur  Unterbrechung. 
Auch  das  Vorhandensein  einer  Mitralstenose  bildet  keine  Aus- 
nahme. Bei  Kompensationsstörungen  wird  erst  eingegriffen, 
wenn  die  interne  Therapie  versagt.  Dies  bezieht  sich  auch  auf 
akute  bezw.  rezidivierende  Prozesse  an  den  Klappen  sowie  akule 
und  chronische  myokardilische  Prozesse. 

Ueber  die  Hebosteomie  in  der  nichtgraviden  Zeit.  Verf. 
macht  den  Vorschlag,  bei  Frauen  mit  hochgradig  verengtem 
Becken  in  der  nichtgravidem  Zeit  die  offene  Hebosteotamie  aus- 
zufĂŒhren, den  Spalt  durch  einen  von  ihm  konstruierten  Berken- 
dilatator  zu  erweitern  und  mit  einem  Autotransplantat  (am  besten 
StĂŒck  aus  der  Tibia)  zu  versehen.  Dies  Vorgehen  wurde  heim 
Hund  mit  Erfolg  ausgeprobt.  Es  gelang  hier,  den  Beckenspalt 
um  2  cm  zu  dilatieren.  ^ 

Ueb*r  TubenstumpfgraviditÀt.  Mitteilung  zweier  FÀlle,  in 
denen  sich  das  befruchtete  Ei  im  Stumpf  des  exstirpierfen  Ei- 
leiters eingenistet  hatte.  Die  beste  Prophylaxe  ist  die  keilförmige 
Excision  der  Tubencken.  Jonas  (Berlin). 

Frankfurter  Zeitschrift  fĂŒr  Pathologie,  MĂŒnchen. 
26,  Heft  1. 

❖Pseudomembranöse  und  nekrotisierende  EntzĂŒndung  der  Luftwege  bei  der 

epidemischen  Grippe.    Eliassow,  A.  1. 
❖Strukturbild  der  menschlichen  Hypophyse  bei  Nierenerkrankuugeu.  HĂŒppii, 

R.  22. 

❖Experimentelleir  Skorbut  bei  Meerschweinchen.    Herzog.  F.  50. 

PseudohermahprodiĂŒsmus  masculinus  internus.     Prieset,  A.  80. 
❖Fliimmerepifchelcyste  der  Brust-  und  Bauchhöhle.    Rohorn,  E.  109. 
Hypoplastische   und   partielle  Zystenniere.     Schaefer,  F.  128. 

Lymphogranulomatose   und  Amyloid.     S  c  h  u  g  t  ,    P.  157. 
Nerven  im  menschlichen  Eierstock.    Akagi  Jasokiehi.  165. 

Pseudomembranöse  und  nekrotisierende  EntzĂŒndung  bei  der 
Luttwege  bei  der  epidemischen  Grippe.  Genaue  histologische 
Untersuchung  der  pseudomembranösen  EntzĂŒndungen  der  oberen 
Luftwege  bei  GrippefÀllen  ergab  das  Bild  einer  diphtheroiden 
(nicht  kruppösen  oder  diphtherischen)  Affektion.  Die  Erkran- 
kung begann  meist  unterhalb  der  StimmbÀnder,  seltener  im 
Kehlkopf  oder  an  der  Epiglottis,  niemals  waren  BelÀge  an  den 
Tonsillen  oder  im  Pharynx. 

Strukturbild  der  menschlichen  Hypophyse  hei  Nierenerkran- 
kungen. Bei  mehr  als  %  aller  untersuchten  Nierenkranken  fand 
sich  eine  deutliche,  teilweise  sogar  starke  Vermehrung  der  baso- 
philen Elemente  im  Vorderlappen  der  Hypophyse.  Eine  ErklÀrung 
fĂŒr  dieses  Verhalten  kann  noch  nicht  gegeben  werden. 

Experimenteller  Skorbut  bei  Meerschweinchen.  Meer- 
schweinchen, die  mit  lang  gekochter  Magermilch  und  Hafer  er- 
nĂ€hrt wurden,  starben  nach  3 — 4  Wochen;  bei  der  Obduktion 
waren  deutliche  skorbutische  VerÀnderungen  nachweisbar.  Blu- 
tungen an  der  Knorpelknochengrenze,  subperiostal  und  in  der 
Muskulatur,  Lockerung  der  ZĂ€hne,  Spontanfrakturen  usw.  Die 
histologische  Untersuchung  ergab  die  typischen  Befunde  (GerĂŒst- 
mark, Knochenatrophie  usw.)  Fortlaufende  Blutuntersuchungen 
ergaben  keine  VerĂ€nderungen  der  roten  und  weißen  Blutkörper- 
chen und  auch  keine  Abnahme  der  Zahl  der  BlutplÀttchen.  Die 
Befunde  sprechen  gegen  die  Annahme  einer  primÀren  Erkrankung 
der  blutbereitenden  Organe  beim  Skorbut  als  Ursache  der  hÀ- 
morrhagischen Diathese.  Letztere  ist  nicht  durch  eine  Störung 
der  Thrombusbildung,  sondern  durch  eine  GefĂ€ĂŸwanderkrankung 
zu  erklÀren. 


Flinunerdepitholcystc  der  Brust  und  Bauchhöhle.  Bei  der  Ob 

duktion  eines  9  Wochen  allen  frĂŒhgeborenen  Kindes  fand  sich  im 
rechten  Pleuraraum  eine  wallnußgrolle  Cyste,  die  sich  mit  einem 
leinen  Stiel  durch  das  Zwerchfell  in  das  Abdomen  Fortsetzte  und 
hinter  dem  Duodenum  bis  zum  oberen  Pol  der  Nebenniere  reichte. 
Keine  Beziehung  zu  den  umgebenden  Organen,  histologisch  er- 
wies sie  sich  als  Fliminercpilhclcysle  und  zeigte  deutliche  Aehn- 
lichkeil  mit  dem  Gewebe  der  Lungcnanlage. 

L  e  h  n  d  o  r  f  f,  Wien. 

El  siglo  medico,  Madrid. 

15.  April  1922,  69,  Nr.  3566. 

■1  ' 

Einige  Bemerkungen  Uber  KindbettĂŒebeir.    \  ill'auueva,  P,  BM. 
Experimentelle   Studien   ĂŒber  die   Physiologie   des   GerĂŒche.     C  a  I  d  <‱  r  i  u  , 
A.  M.  365. 

❖Wismutsalze  in  der  Neurosyphilis.    Agninunt,  t,  M.  397. 
❖injektionein  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie.    Maiin   Amat.  M. 
401. 

GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehn-  von  der  inneren   Sekretion:     M  a  r  a  n  o  :i  . 
Y.  und  P  o  s  a  d  i  1  1  o  ,  (i.  4U4. 

Wismutsalze  in  der  Neurosyphilis.  Die  grolle  ToxizitÀt,  die 
man  den  Wismutsalzen  zuschreibt,  existiert  nicht.  Sie  werden  im 
allgemeinen  besser  vertragen,  als  die  andern  Àntiluetischen  Mittel, 
vor  allem  in  den  FĂ€llen  von  Neurosyphilis,  bei  denen  die  Anwen- 
dung anderer  Mittel  hÀmoklastisehe  oder  thrombotische  Krisen 
auslösen.  Die  Ausscheidung  des  Wismut  geschieht  langsam,  in 
kleinen  QuantitÀten  und  im  Urin.  Der  Heilwert  der  Wismut- 
salze ist  dem  der  anderen  Mittel  gleich;  der  Erfolg  hÀngt  von  der 
Natur  der  SchÀdigung  ab,  ob  sie  reparabel  oder  irreparabel  ist. 

L  u  r  j  e. 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

Februar  1922,  20,  Nr.  2. 

♊»♊Kongenitale  Darmstenosen  und  -Atresien.    S  i  r  o  n  i,  L.  65. 
Schicksche  Reaktion.    C  a  n  e  1 1  i  ,  A.  F.  79. 

Ueber  die  angeborenen,  intestinalen  Atresien  und  Stenosen. 

Das  Kind,  das  5  Tage  alt  auf  die  Klinik  gebracht  wurde,  er- 
brach seit  Geburt  stÀndig  die  mit  Galle  vermengte  Milch;  es  ging 
weder  Meconium,  noch  FĂ€ces,  noch  Winde  ab;  das  Abdomen  war 
geblÀht,  besonders  das  Epigastrium  vorgewölbt;  es  wurde  die 
Diagnose  Darmstenose  gestellt  und  operiert;  es  lagen  zwei 
Atresien  des  Jejunums  und  eine  Stenose  zwischen  Jejunum  und 
Duodenum  vor;  der  untere  Teil  des  Duodenums  war  mÀchtig  dila- 
liert;  es  wurde  die  seitliche  Enteroanastomose  vorgenommen;  das 
Kind  kam  ad  exitum;  bei  der  Sektion  fand  sich  entsprechend  der 
Duodenumstenose  eine  das  Darmlumien  verschließende  Klappe; 
mikroskopisch  wurden  keinerlei  Reste  einer  EntzĂŒndung,  Narben 
usw.  gefunden;  dieser- Fall  wird  am  besten  durch  die  Tand- 
ler sehe  Theorie  erklÀrt;  die  Differentialdiagnose  wird  ein- 
gehend erörtert.  Tezner  (Wien). 

Paris  medical. 

25.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

Das  Sn&stein,  ein  herabstuinneudes  Herzmittel.    M  inet,  L  e  g  r  a  n  d  und 
Bulteaux.  245. 

Eine    durch    Fliegenlarven    erzeugte    Augenkrankheit    mit    Ocstrus  ovis. 

Gabrielides  und  G  u  i  a  s  t.  249. 
Die  Skoliose  ist  nicht  ausschließlieh  eine  innere  Affektion.    K  o  e  d  e  r  e  r.  251. 
Behandlung  der  chronischen  eiterigen  Dakryozystitis.    P  a  e  a  I  i  n.  256. 

1.  April  1922,  Nr.  13. 

Die  Pathologie  der  Verdauungskrankheiten  1922.     Harvier.  261. 

❖Bettruhe  und  Behandlung  der  gastrischen  At'fekti  !tt.    L  e  N  o  i  r.  270. 

❖Duodenale    TropfeinlĂ€ufe    bei    Anorex  «  infolge    von    Geisteskrankheit  und 

unstillbarem  Erbrechen.     Carnot  und  Liberi.  i'Tii. 
❖BeitrĂ€ge  zum    Studium    des    kleinen    Enterokolismus.     B  a  u  m  a  n  n  und 
M  a  t  i  g  n  o  t.  27k 

Radiodiaguostik  des  Duodenalulcus.     Genau  x  und  V  a  s  s  e  1  1  e.  284. 
Funktionsstörungen    des    Pyloius    belim    Ulcus    der    kleinen    Kurvatur  des 
Magens.    T  i  m  b  e  r  t.  287. 
❖Intra-recltlo-colon  SpĂŒlungen.    F  r  i  e  d  e  1.  291. 

Bettruhe  und  Behandlung  der  gastrischen  Affektionen. 
Vorteile:  a)  mechanisch.  Die  vertikale.  Position  fĂŒhrt  bei  allen 
Gastropathen  leicht  zu  Senkungen  und  Knickungen.  Die  Bettruhe 
verhindert  den  Druck  der  Kleider  und  des  Korsetts  und  begĂŒnstigt 
das  freie  Spiel  der  Baucheingeweide,  b).  physikalisch:  die  gleich- 
mĂ€ĂŸige WĂ€rme,  der  gleichbleibende  hygrometrische  Zustand  garan- 
tierfein  Minimum  von  Slrahlungsverlust  durch  die  Haut,  damit 
eine  Reduktion  des  NahrungsbedĂŒrfnisses.  Ebenso  Verminderung 
der  AusdĂŒnstung,  c)  physiologisch.  Verminderung  der  MotilitĂ€t, 
der  Sekretion  und  der  SensibilitÀt,  der  Schmerzen,  damit  Beruhi- 
gung des  Nervensystems,   Schonung   des  Verdauungsapparates, 


508 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  29/30. 


leichtere  ErnÀhrung.  Ein  BettlÀgeriger  braucht  600  Kalorien 
weniger  als  ein  Leichtarheiter.  Keineswegs  vermindert  aber  die 
Bettruhe  den  Appetit  oder  schwÀcht  die  Muskel  durch  UntÀtig- 
keit. Indikationen:  gastrische  HĂ€morrhagien,  Ulcus,  orthostatische 
Dyspepsien,  worunter  die  Ptosis  und  die  schmerzhafte 'gastrische 
Atonie  zu  zÀhlen  ist.  Ferner  bei  den  Reflex-Dyspepsien  bei  Lithia- 
sis,  Appendizitis  und  Utroovarialaffektionen,  bei  Dyspepsien  mit 
Abmagerung,  bei  Hysterie,  besonders  mit  Erbrechen.  Man  kann 
damit  eine  Zunahme  von  3  kg  im  Monat  erzielen,  bei  strikter 
DurchfĂŒhrung  4 — 6  Wochen  lang.  Die  Anorexie  beruht  nĂ€mlich 
oft  auf  ErmĂŒdung  durch  Arbeit,  Sport  oder  gesellschaftliche  Ver- 
pflichtungen, wobei  Reizmittel  obschon  hÀufig  verordnet,  direkt 
falsch  sind. 

Duodanale  TropfeinlÀufe  bei  Anorexie  infolge  Geisteskrank- 
heit und  unstillbarem  Erbrechen.  AusfĂŒhrung  an  der  Hand 
eines  Falles,  daß  obige  Behandlung  die  sensibeln  vom 
Magen  ausgehenden  Reaktionen  beseitigt,'  die  hÀufig  Ur- 
sprung und  Fixationspunkt  der  Psychoneurose  sind.  Ferner  kann 
so  in  Gestalt  von  gezuckerter  Milch  evtl.  mit  Eiern,  eine  NĂ€hr- 
llĂŒssigkeit  eingefĂŒhrt  werden,  die  außerhalb  des  Magens  vollkom- 
men assimiliert  wird,  die  lÀstige  Gerinselbildung  fÀllt  weg,  ebenso 
jede  lÀstige  Ansammlung  im  Magen.  Des  weiteren  sind  gewisse 
unangenehme  Arzneimittel  (Rizinus,  Salze)  leicht  so  zu  applizieren. 
Endlich  ist  der  psychische  Wert  nicht  zu  vergessen. 

BeitrÀge   zum   Studium  des  kleinen   Enterokolismus.  Bei 

Frauen  zwischen  30 — 40,  namentlich  mit  alter  Dysenterie, 
operierter  oder  nicht  operierter  Appendizitis,  Colitis, 
Konstipierten  oder  Diarrhoikerp  trifft  man  meist  morgens 
zwischen  2  und  5  Uhr  einen  plötzlichen  Schmerz  in  der  rechten 
Seite,  unter  der  Leber,  brĂŒsk,  mit  Respirationsbehinderung,  Ă€hn- 
lich der  Angina  pectoris,  ins  Schulterblatt  oder  die  Lendengegend 
ausstrahlt.  Der  Kranke  zeigt  genau  die  Stelle,  fĂŒhlt  eine  Ge- 
schwulst von  oben  nach  unten  oder  von  außen  nach  innen.  Meist 
verschwindet  dies  in  einigen  Minuten,  kann  auch  seltener  einige 
Sl unden  dauern  durch  leichte  Massagen,  durch  die  WĂ€rme  der 
Hand.  „Der  Darm  als  Wecker",  die  Kranken  sprechen  auch  von 
einem  Motor  im  Magen,  hat  als  Ursache  eine  abdominale  Hyper- 
lension,  die  weniger  durch  die  Masse  des  Gases,  als  durch  star- 
ken Druck  in  Verbindung  mit  spasmodischen  ZustÀnden,  Narben, 
StrÀngen  zuslandekommt.  Seltener  findet  man  dieses  Symptom 
zwischen  6 — 7  Uhr  abends,  im  allgemeinen  6 — 8  Stunden  nach  der 
Mahlzeit.  Adhaerenzen  in  der  Coecum-Cotumgegend,  Spuren  von 
Typhlitis,  Verwachsungen  mit  der  Leber,  Ptosis,  Coecum  mobile, 
aber  auch  Reizungen  des  Plexus  solaris  erklÀren  diesen  Zustand. 
Kann  es  nicht  analog  der  Reizblasen  auch  ein  Reizcoecum  geben? 
Die  Radioskopie  gibt  prompte  Auskunft  und  danach  richtet  sich 
auch  die  Behandlung:  Antispasmodica,  Hydrotherapie  evtl.  chi- 
rurgischer Eingriff. 

Intra  -  recto  -  colon  -  SpĂŒlungen.  Zu  SpĂŒlungen  ist  reines 
Wasser  schÀdlich,  weil  es  selbst  warme  Schleim-  und  Membran- 
bildung hervorruft.  Das  physiologische  Serum  vereinigt  sich  nicht 
mit  allen  Arzneimitteln.  Deshatt)  besser  Agarlösung  20  g  auf  1  1 
Wasser,  %  Stunde  gekocht  und  durch  Leinen  geseiht.  Zur  Ent- 
leerung: 1  1  dieser  Lösung  mit  30  Tropfen  Opium  oder  50  g  Galle 
oder  einer  Sennesinfusion.  Als  Desinfiziens  dieselbe  Lösung 
(mit  Opium)  und  50  g  Dakin'scher  Lösung,  oder  wenn  sie  als  Styp- 
ticum  -wirken  soll,  statt  letzterer  30  Tropfen  Adrenalin,  0,1  Emelin, 
3,0  Calciumchlorur.  Als  Kaustikum:  IC  Agarlösung  mit  30 
Tropfen  Opium,  0,2  Argentum  nitricum  oder  5  Tropfen  einer  10% 
ChromsĂ€urelösung.  Langsames  EinfĂŒhren  unter  leichtem  Druck, 
sofortiges  Aufhören,  wenn  der  Kranke  Schmerz  empfindet,  10  bis 
15  Minuten  einhalten. 

Einlaufe  sollen  so  lange  wie  möglich  behalten  werden.  Dazu 
nimmt  man  200—300  g  der  erkalteten  Agarlösung,  gibt  dazu  100  g 
kochendes  Wasser,  wodurch  dann  das  Ganze  durch  Einziehen  und 
Ausstoßen  mit  einer  Spritze  ein  rahmartiges  Aussehen  gewinnt. 
Diesem  kann  man  wieder  mit  Hilfe  der  Spritze  die  obigen  Arznei- 
mittel beifĂŒgen,  außerdem  aber  noch  gewisses  Pulver,  Wismut- 
carbonat,  Kohle,  Karlin,  Talk,  Zinkoxyd.  Dies  wird  dann  mittelst 
einer  Rektalsonde  unter  geringem  Druck  mit  einer  Spritze  ein- 
gefĂŒhrt und  soll  möglichst  lange  bleiben.  Indikationen:  Alle 
akuten  und  chronischen,  spezifischen  und  nichtspezifischen,  pri- 
mitiven und  sekundĂ€ren  Kolitiden.  Daneben  natĂŒrlich  die  erlor- 
derliche  innere  Behandlung.  v.  Schnizer. 

Archives  des  maladies  du  coeur,  Paris. 

Januar  1922,  15,  Heft  1. 

Provozierbare  paroxysmale  Tachykardie;  Registrierung   des  Baglmies  und 
Endes    der    AnfĂŒlle.  Gallavardin. 


❖BazillĂ€re  MyocaidiWiis  mit  Krisen  von  Tachykardie.   L  e  n  o  b  1  e  ,  15. 
❖Kardiotuberkulose    Leberzirrhose.     Uutinel,    LenoWe.  20. 

BazillÀre   Myocarditis   mit  Krisen   von   Tachykardie.  Ein 

schwer  lungenkranker  Mann  (Kavernen,  HilusdrĂŒsen,  Pleuritis, 
Pericarditis)  hat  seit  vielen  Jahren  AnfÀlle  von  paroxysmaler 
Tachykardie.  Mit  dem  Myocard  aus  dem  rechten  Herzrohr  des 
Patienten  geimpfte  Meerschweinchen  erkrankten  an  typischer 
Tuberkulose. 

Kardiotuberkulöse  Leberzirrhose.  Ebenso  wie  im  vorherbe- 
schriebenen Fall  wurde  die  bazillÀre  Natur  der  Myocarderkran- 
kung  durch  Tierversuch  nachgewiesen. 

Lehndorff  (Wien). 
Februar  1922,  Heft  2. 

Eine  neue  graphische  Methode  des  Pulsschreiben».    Gll-Casaree.  40. 
❖Physostigmine  als  Herzmittel.    Minel,  Legrand,  Prelot.  60. 

Physostiginine  als  Herzmittel.  Verwendet  wurde  anfangs 
Physostigmin  nach  der  von  Moutien  empfohlene  Vorschrift: 

E  serin  salicyl.  0,01 

Glycerin  3,5 

Aq.  destill  1,5 

Alkohol  95  %  ad  10,0 

Von  dieser  Lösung  20 — 30  Tropfen  im  Tag  (evtl.  auch  mehr). 
Schlechte  VertrĂ€glichkeit  verĂ€nlaßte,  daß  es  in  Dosen  von  1 — 2 
milligr.  subkutan  gegeben  wurden  bei  Tachykardien  ist  das  Medi- 
kament zu  langsam  in  der  Wirkung,  zu  wenig  lang  anhaltend, 
und  zu  inkonstant.  Bei  Arrythmien  und  Tachyarythmien  konnte 
es  fĂŒr  sich  allein  nicht  die  Regulierung  der  HerztĂ€tigkeit  er- 
zeugen, erwies  sich  aber  als  ausgezeichnetes,  andere  Cardiotonica 
unterstĂŒtzendes  Agens.  Lehndorff  (Wien). 

MĂ€rz  1922,  Heft  3. 

Betrachtungen  ĂŒb.  den  Mechanismus  des  Asystolie.  Akil  Moukbtar.  113. 
Ueber  eine  neue.  Art  sinusaJeu  ArryĂŒimie.    de  Meyer.  122. 

The  Lancet,  London. 

22.  April  1922,  4147,  Nr.  202. 

❖Experimentelle    Untersuchungen    ĂŒber    das   Corpus    luteum    und  seine  Be- 
ziehungen zu  den  iSchwaugerschaftstoxaemieu.    M  a  c  k  e  n  z  i  e  W  a  1  1  i  a 
u.  Ruad  Williams,  H.  G.  E.  784. 
Ein  Apparat   zur   Messung   von    kleinen    FlĂŒssigkeitsmengen.  Trenn, 
J.  W.  786. 

Ruptur  einer  Narbe  nach  Kaiserschnitt  durch  eine  neue  Schwangerschaft 

oder  Entbindung.    Mackenzie,  W.  R.  786. 
Funktionelle  Nierendiagnostik.    K  i  d  d  ,  T.  788. 

Ein  Fall  von  großer  Urachuszyste.  nicht  ĂŒi  Verbindung  mit  der  Harnblase. 
E  d  i  n  g  t  o  n  ,  G.  H.  791. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  das  Corpus  luteum  und 
seine  Beziehungen  zu  den  Schwangerschaftstoxaemien.  Es  ist  ge- 
lungen, aus  Corpus  luteum  mit  Alkohol  in  der  KĂ€lte  eine  Sub- 
stanz darzustellen,  die,  wenn  sie  bei  Tieren  eingespritzt  wird, 
toxisch  wirkt.  Sie  verursacht  Nekrosen  in  den  Nieren,  und,  aber 
viel  weniger  konstant,  Nekrosen  in  der  Leber.  Diese  Substanz  ist 
nicht  anwesend  in  der  Plazenta  oder  in  einer  Traubenmole.  WĂ€h- 
rend man  in  der  Literatur  die  Behauptung  findet,  die  Schwanger- 
schaftstoxaemien und  die  Hyperememsis  gravidarum  sei  einer 
Unterfunktion  des  gelben  Körpers  zuzuschreiben,  glauben  die  Ver- 
fasser, daß  die  Ursache  vielmehr  eine  Ueberfunktion  ist.  Wenn 
die  toxische  Substanz  oxydiert  wird,  verursacht  sie  Pigmentation 
der  BrĂŒste,  aber  eine  ganz  normale  Schwangerschaftserscheinung. 
Wenn  der  toxischen  Substanz  Blut  einer  schwangeren  oder  men- 
struierenden Frau  zugesetzt  wird,  wird  die  ToxicitÀt  aufgehoben. 

C  o  o  p  m  a  n ,  Haag. 

Archives  of  Pediatrics,  New  York. 

MĂ€rz  1922,  39,  Nr.  3. 

Entwicklungsstörungen  der  Zahn-  und  Gesiehtsknochen.  Rogers,  A.  P.  137. 
❖Keuchhusten  und  Keuchhustenbehandlung.    Appel,  H.  X.  iyid.  Bloom. 
O.  J.  145. 

❖Neueste  Behandlung  der  Chorea,  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Re- 
konvaleszenz. Irring,  G.  R.  159. 
Wichtigkeit  und  Wesen  des  „Gesundheits-Zentrunu"  ■eines  Bezirks.  Ma- 

e  o  n  K  n  o  x,    J.  H.  170. 
Beeinflussung    seelischer    Empfindungen    beim    Kinde    und  Jugendlichen. 
Williams,  T.  A.  180. 

Keuchhusten  und  seine  Behandlung.  Verff.  berichten  nach 
einer  kurzen  Besprechung  der  Aetiologie.  Pathologie,  Krankheits- 


‱10.  Jahri 


Nr.  29  30. 


B  11  c  1«  It  e  s  p  r  e  <‱  Ii  u  ii  g  e 


Symptome  und  Komplikationen  des  Keuchhustens  ĂŒber  eine  in 
cinrm  kleinen  \V:risenhaus  stattgehabte  Keuchhustenendemie.  In- 
nerhalb von  8  Tagen  erkrankten  von  31  Kindern  I  I  an  /lein lieh 
schwerem  Keuchhusten,  die  daraufhin  mit  einer  Vakzine  be- 
handelt wurden,  die  aus  einem  Gemisch  von  Bordel-Gengouschen 
Bazillen,  Mikrokokkus  catarrhalis,  Staphylokokken,  Strepto- 
kokken, Influenzabazillen  und  Pneumokokken  aller  1  Typen  be- 
stand. Die  Vakzine  wurde,  ein  um  den  anderen  Tag  intramuskulÀr 
in  Dosen  von  Vi — 2  cem  gegeben.  Die  anderen  17  Kinder  wurden 
mit  der  gleichen  Vakzine  prophylaktisch  mehrere  Male  gespritzt 
mit  dem  Erfolg,  da  15  keines  der  Kinder  an  Keuchhusten  erkrankte. 
Der  Verlauf  des  Keuchhustens  bei  den  therapeutisch  vakzinierten 
Kindern  war  ein  auffallend  kurzer,  im  Durchschnitt  konnten  die 
Pat.  nach  30  Tagen  als  geheilt  gellen.  In  einer  weiteren  Serie 
von  FĂ€llen  war  die  Prophylaxe  weniger  erfolgreich,  was  Verff. 
auf  die  zu  spĂ€te  Einleitung  der  Behandlung  zurĂŒckfĂŒhren  zu 
mĂŒssen  glauben.  Die  VakzTnebehandlung  scheint  nichUnur  in  der 
Prophylaxe,  sondern  auch  in  der  Therapie  sehr  werlvoll  zu  sein, 
denn  der  Krankheilsverlauf  der  mit  Vakzine  behandelten  Kinder 
war  ein  wesentlich  leichterer,  komplikationsloserer  und  kĂŒrzerer 
als  der  bei  einer  Vergleichsserie  von  Kindern,  die  nur  mit  den 
gebrÀuchlichen  Medikamenten  symptomatisch  behandelt  wurden. 

Das  Problem  der  spÀteren  Behandlung  der  Chorea.  Wenn 
einige  Autoren  auch  in  der  letzten  Zeit  nicht  mehr  so  absolut 
fĂŒr  eine  strenge  Isolierung  Choreakranker  eintreten,  so  scheint 
nach  den  Erfahrungen  des  Verf.  diese  Isolierung  in  der  Rekon- 
valeszenz ĂŒberhaupt  nicht  von  Nöten  zu  sein.  Verf.  berichtet  ĂŒber 
sehr  gute  Erfolge  bei  123  Kindern  mit  einer  gesteigerten  Uebungs- 
therapie.  Die  Kinder  wurden  auf  dem  Lande  konzentriert  und 
eigentlich  wÀhrend  des  ganzen  Tages,  teils  im  Freien,  teils  im 
Hause,  in  Bewegung  gehalten  mit  dem  Erfolge,  daß  innerhalb 
recht  kurzer  Zeit  115  Kinder  nahezu  geheilt  entlassen  werden 
konnten.  Im  Durchschnitt  betrug  die  Behandlungsdauer  ca. 
30  Tage.  K  À  c  k  e  1 1  (Hamburg). 

The  Journal  of  Biochemistry,  Tokio. 

Januar  1922;  1,  Nr.  1. 

Phosphatide  des  Fischspermas.    Sano,  M.  l. 
Optische  Eigenschaften  des  Sphyngotmyelins.    S  o  n  o  ,  AI.  17. 
Untersuchungen  ĂŒber  das  elektromotorische  Verhalten  der  Froschheut  von  den 
AbhÀngigkeit  des  elektromotorischen  Verhaltens  der  Froschhaut  von  den 
ableitenden  FlĂŒssigkeitein.    H  a  s  h  i  d  a  .  K.  21. 

«frDer  Harnstoffgehalt  der  Kuhmilch*    Einfache  Methode  zur  Bestimmung  des 

Gehalts.    Morjmoto.  Y.  69. 
♩J»Beitragc  zum  PurinaCof fw echseL    Ucber  das  Schicksal  des  aufgenommenen 
Purins.    K  i  r  u  c  Ii  i  .  AI.  s.:. 

^Untersuchungen    ĂŒber    Magensaft.     Sekretion    zur    Zeit    des    völlig  leeren 
Magens.    Takata,  M.  107. 
Untersuchungen  ĂŒber  Nitrifikation.    Ar  y  a  k  o  .  K.  und  Sorna.  S.  123. 
Mannanase    und    LĂ€vidulinase.     Af  a  y  6  s  da.,    AI.  131. 
4*Ueber  die  Bestimmung   der   Assimilationskra.lt  des   Menschen   fĂŒr  Kohlen- 
hydrat.    S  a  k  a  g  u  c  h  i  ,    K..    A  s  a  k  a,  w  a  ,    O.   und   AI  a  t  s  u  v  a  m  a  , 
T.  139. 

BeitrÀge  zur  glykolytlisehen  Wirkung  der  Leukozyten.  I.    F  u  k  u  s  h  j  m  a  , 
K.  151. 

Uebcr  den  Einfluß  des  optischen  Drehungsvermögens  auf  die  Zellpermeabi- 
litÀt. I.  159. 

Eigenschaften    des    Phospolizins.     I.    K  a  k  i  u  c  h  i  .    S.  165. 

Der  Harnstoffgehalt  der  Kuhmilch,  Eine  einfache  Methode 
der  Harn stofi'be Stimmung.  Die  benutzte  Methode  zur  llarnstoff- 
bestimmung  beruht  auf  der  Spaltung  des  Harnsloffes  durch 
Urea  sc;  dieses  Ferment  findet  sich  reichlich  in  gewissen  Bohnen- 
arien, aus  denen  es  durch  Glyzerin  zu  extrahieren  ist.  Bei  der 
Titraiion  wird  als  Indikator  Kasein  verwendet,  das  die  Eigen- 
schaft besitzt,  bei  einer  bestimmten  Reaktion  auszufallen.  In 
100  cem  Kuhmilch  sind  0,025  bis  0,03  Gramm  Harnstoff  ent- 
halten. Ziegenmilch  enthÀlt  wesentlich  mehr  Harnstoff  (ca.  0,08 
Gramm  in  100  cem.) 

BeitrÀge  zum  Purinstoffwechsel.  I.  Uebcr  das  Schicksal  des 
aufgenommenen  Purins.  In  sorgfÀlligen  Selbstversuchen  unter- 
suchte Verlasser  den  Einfluß  der  Menge  des  aufgenommenen  Pu- 
ins  auf  den  ausgeschiedenen  Purinkernslickstoff.  Die  Erörte- 
ung  der  mathematischen  Formulierung,  in  die  Verfasser  das 
rgebnis  seiner  Untersuchungen  kleidet,  ist  zum  kurzen  Referat 
niclil  geeignet;  es  zeigte  sich,  daß  die  ausgeschiedene  Harnpurin- 
menge  in  demselben  Individuum  nur  von  der  Menge  des  aufge- 
nommenen Nahrungspurins  abhÀngig  ist.  Die  von  Burian  und 
chur  gemachte  Annahme  eines  „exogenen  Bruchteils" 
und  dessen  AbhÀngigkeil  von  der  momentanen  Aenderung  der 
Disposition  erscheint  unnötig. 

Untersuchungen  ĂŒber  Magensaft.  Die  Untersuchungen  wur- 
en   an    einem    Pawlow'schcn    „kleinen    Magen"  vorgenommen. 


Der  bei  leerem  iL, aplmageii  sezernierte  Sali  ist  sehr  spÀrlich, 
er  zeichnet  sich  durch  starke  ZĂ€higkeit  aus.  Die  Reaktion  isl 
schwach  sauer  oder  neutral.  An  Kiizymcn  wurden  nachgewiesen 
Pepsin  bezw.  Pepsinogen,  Lab,  Lipase,  Nuclease,  Ainylaso  und 
Mallasc.  Die  Menge  des  Schleims  wurde  durch  Bestimmung  dei 
durch  SĂ€urehydrolyse  gewonnenen  Zuckcrmenge  ermittelt.  An- 
wesenheit von  SalzsÀure  brachte  keine  Vermehrung  der  Schleim- 
Produktion. 

lieber  die  Bestimmung  der  Assimilationskraft  des  Menschen 
fĂŒr  Kohlehydrat.  Die  Untersuchung  der  Assimilationskralt  fĂŒr 
Kohlehydrate  durch  Zufuhr  von  100  g  Traubenzucker  und  Ermitt- 
lung einer  bei  verringerter  Toleranz  auftretenden  Glykosurie 
kann  nicht  als  zuverlÀssige  Methode  betrachtet  werden,  da  die 
Zuckerausschcidungsschwelle  individuell  starke  Schwankungen 
zeigt;  auch  dem  Verfahren,  nach  großen  Zuckergaben  die  Höhe 
der  HyperglykĂ€mie  zu  prĂŒfen,  haften  Nachteile  an.  Es  wird  eine 
Probemahlzeit  aus  100  g  Reis,  zwei  HĂŒhnereiern  und  etwas  Ge- 
mĂŒse zu  diesem  Zweck  empfohlen.  Bei  normaler  Assimilations- 
kraft fĂŒr  Kohlehydrate  ĂŒbersteigt  innerhalb  zweier  Stunden  nach 
der  Mahlzeit  der  Blutzuckergehalt  nicht  den  Wert  von  0,14  Proz. 

Wölfl  (Hamburg). 


Buchbesprechungen. 

Lazarus,  Paul  (Berlin):  Strahlenheilkunde  und  Uni- 
versitÀt. Ztschr.  f.  physik.  u.  diÀtet.  Therapie  XXV,  1921, 
S.  200—210. 

In  dem  mit  Schwung  geschriebenen  Aufsatz  bedauert  Verf., 
daß  an  der  grĂ¶ĂŸten  UniversitĂ€t  des  Reiches  keine  Gelegenheit  zu 
systematischem  Forschen  und  Erlernen  der  Strahlentherapie  ge- 
geben sei.  Er  plaidiert  fĂŒr  Errichtung  eines  solchen  Zentral- 
instiluts  unter  der  Leitung  eines  Arztes,  welchem  ein  Physiker  als 
zweiter  Direktor  beizugeben  wÀre,  und  rechnet  dabei  der  Physik 
und  physikalischen  Technik  vor,  wie  viel  sie  den  Aerzten  zu  ver- 
danken hĂ€tten.  Man  könnte  diesen  Gedanken  fĂŒglich  verallge- 
meinern und  dartun,  wie  viele  Anregungen  gerade  von  Àrztlicher 
Seite  in  alle  anderen  Disziplinen  hineingetragen  worden  sind. 
Durch  nichts  könnte  die  zentrale  Stellung  der  Medizin  besser  dar- 
getan werden;  und  in  wrelch  schreiendem  Gegensalz  dazu  steht 
unsere  Wissenschaft  in  der  allgemeinen  Geltung,  verglichen  mit 
z.  B.  den  Juristen! 

Die  Anregung  von  Lazarus  ist  gewiß  beherzigenswert;  nu>" 
scheint  sie  mir.  zu  einem  ungĂŒnstigen  Moment  laut  geworden  zu 
sein.  Butt  er  sack. 

L.  Brown :  Zur  A  e  t  i  o  1  o  g  i  e  der  Lungentuberkulose. 
The  American  Rev.  of.  Tuberc.   Bd.  7,  Nr.  6,  S.  518. 

Tuberkulose  Infektion  und  klinische  Erkrankung 
sind  scharf  voneinander  zu  trennen.  Der  Typus  bovinus  ist  die 
Ursache  von  24  Prozent  aller  FÀlle  von  Tuberkulös»  unter  36 
Jahren  oder  von  4,3  Prozent  der  Lungentuberkulose  bei  Kindern 
unter  5  Jahren,  aber  von  weniger  als  1  Prozent  der  GesamifÀlie 
von  Lungentuberkulose.  Eine  Umwandlung  des  T.  bovinus  in 
den  T.  humanus  ist  nicht  bewiesen.  Die  Bazillen  des  Straßen- 
staubes bieten  eine  geringere  Gefahr  als  die  des  Zimmerstaubes. 

Noch  (i  Wochen  nach  dem  Tode  eines  SchwindsĂŒchtigen  konn- 
ten im  Staub  des  Krankenzimmers  virulente  Bazillen  nachgewie- 
sen werden.  Konlaklinfektion,  ausgenommen  durch  Kuß,  durch 
GegenstÀnde  und  Stubenfliegen,  ist  möglich,  aber  selten.  HÀufiger 
dagegen  Hand-  und  Mundinfektion.  Von  Einfluß  auf  den  Eintritt 
der  Erkrankung  ist  einerseits  die  Widerstandskraft  des  Organis- 
mus gegenĂŒber  dem  Tuberkelbazillus,  andererseits  die  Anzahl  der 
Tbc. -Bazillen.  Kinder  sind  praktisch  genommen  alle  fĂŒr  Tbc. 
empfÀnglich  und  können  nicht  sorgfÀltig  genug  vor  Infektion  ge- 
schĂŒtzt werden.  Bis  zur  PubertĂ€t  nimmt  mit  zunehmendem  Alter 
die  Zahl  der  infizierten  Kinder,  die  Sterblichkeit  ab.  Die  Lungen- 
tuberkulose der  Erwachsenen  beginnt  in  der  Peripherie,  die  der 
Kinder  in  der  Hilusgegend.  Die  Infektion  auf  dem  Luftwege  er- 
fordert viel  weniger  Tbc-Bazillen  als  die  Darminfektion.  We- 
nigstens 50  Prozent  aller  FĂ€lle  von  Lungentuberkulose  bei  Er- 
wachsenen beruhen  auf  einer  Reinfektion  nach  der  PubertÀt. 

Stadelmann  (Frankfurt  a.  M.). 

Ernst  Steincrt:  „In  observatione  de  lue".  Archiv  f. 
Kinderhlk.  70.  Bd.,  1921,  S.  23. 

Es  wird  ĂŒber  eine  Anzahl  von  FĂ€llen  berichtet,  die  die  Frage 
der  intrauterin  erworbenen  Lues-ImmunitÀt  nach  Prof  eti 
klÀren  sollen,  die  in  einzelnen  FÀllen  wahrscheinlich  war.  Andere 
Statistiken  befassen  sich  mit  dem  Einfluß  der  Behandlung  der 
graviden  Mutter  auf  die  Lues  des  Kindes,  auf  die  Differenzen  im 


510  '.  ..         Buchbesprechungen  10.  Jahrg.  ^  Nr.  29/30. 


serologischen  Verhalten  zwischen  Mutter  und  Kind,  auf  die 
Reaktionen  im  Retroplazentarblut  u.  a.  In  nur  3  FĂ€llen  scheint 
es  sich  um  einen  Fehlschlag  der  Wassermann  '  sehen 
Reaktion  zu  handeln.  P.  Karger. 

Kenneth  und  M.  Walker:  Diagnose  und  Behandlung 
der  SterilitÀt  heim  Manne.  Lancet  1921,  II,  228. 
Eine  genaue  Diagnosenstellung  wird  nur  ermöglicht  durch 
genaueste  Untersuchung  des  Genitalapparates  unter  Zuhilfenahme 
der  Urethroskopie  sowie  durch  subtile  mikroskopische  Unter- 
suchung des  Spermas:  letzteres  soll  möglichst  irisch  sein;  eine 
Woche  sexueller  Abstinenz  hat  der  Untersuchung  voranzugehen; 
bei  Felden  von  Spermatozoen  in  einer  Probe  mĂŒssen  noch  minde- 
stens 2  Proben  untersucht  werden,  bevor  die  Diagnose  Azoo- 
spermie gestellt  wird.  Da  auch  Oligospermie  und  Nekrospermie 
Ursache  der  SterilitÀt  sein  können,  muh  die  Zahl  der  normalen, 
beweglichen  Spermatozoen  im  Gesichtsfeld  angegeben  werden.  — 
Der  Verdacht  auf  vollkommenes  Fehlen  der  Spermatogenese  kann 
durch  Hodenpunktion  bestÀtigt  werden.  In  diesen  FÀllen  ist  die 
Therapie  erfolglos,  höchstens  kann  ein  Versuch  mit  Hodenextrakt 
gemacht  werden;  bei  Stenose  der  Samenwege  kommen  die  be- 
treffenden urologischen  Verfahren  in  Betracht. 

W  o  1  f  f  (Hamburg  . 

I.  M.  Rabinowitch:  Unters  u  c  h  ĂŒ  n  g  e  n  ĂŒ  b  e  r  d  i  e  V  er  ■ 
wert  b*a  r.Jk  e  i  1  der  1 1  a  r  n  s  t  o  f  f  k  o  n  z  e  n  t  r  a  t  i  o  n  s  - 
probe  fĂŒr  die  funktionelle  N  i  e  r  e  ndiagnosti  k 
Arch.  of  internal  med.  Bd.  25,  Nr.  6,  1921,  S.  827. 
Mac  Lean  und  de  Wesselow  veröffentlichten  vor  zwei  Jahren 
(Brit.  J.  Exper.  Path.  1,  53,  1920)  eine  funktionelle  Nierenunter- 
suchungsmethode, die  sie  als  ,,neue  Ilarnstoffkonzenlralions- 
probe"  bezeichneten.  Nach  ihrer  Behauptung  ist  die  Probe  eine 
quantitative  und  besieht  darin,  daß  15  g  Harnstoff  in  100  cem 
H20  gelöst  per  os  eingenommen,  bei  normaler  Nierenfunktion 
innerhalb  von  2  Stunden  in  einer  Konzentration  von  mindestens 
2  Prozent  ausgeschieden  weiden  muß.  Konzentralionen  unter 
2  Prozent  sind  als  Manifestation  geschÀdigter  Nierenfunktion  an- 
zusehen. Nachuntersuchungen  von  R.  konnten  die  Ueberlegen- 
heit  dieser  Probe  nicht  bestĂ€tigen.  Er  kommt  zu  dem  Schluß, 
daß  keine  einzelne  Methode  fĂŒr  sich  allein  zur  Nieren- 
diagnostik genĂŒge.  Um  die  Ergebnisse  der  verschiedenen  Unter- 
suchungsmelhoden  (Rest-N  -  Bestimmung.  Xa  Cd  -  Ausscheidung. 
Harnsloffkonzentration  usw.)  richtig  beurleilen  zu  können,  muß 
man  vor  allem  auch  das  klinische  Bild  besonders  berĂŒcksichtigen. 

L.  Farmer  Eoeb  (Berlin). 

George  M.  Maekenzie  und  Louis  B.  Balduin:    L  ok  a  1  e   H  e  r  a  b 

Setzung  der  SensibilitÀt  bei  h  y  p  e  r s  e  n  s  i  b 1 e  n 
Individuen  und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  P  r o p  h y  - 
laxe  des  Heufiebers.  Arch.  of  intern,  med.  Bd.  25.  Nr.  (>. 
1921,  S.  722. 

Experimentelle  Untersuchungen  bei  8  Patienten  ĂŒber  die 
HautsensibilitĂ€t  gegenĂŒber  spezifischen  und  unspezifischen  Stof- 
fen wie  Weiß-Ei,  Pferdeserum,  HĂŒhnerfedernextrakt,  verschiede- 
nen Proteinen,  Hisdamin,  Pituitrin,  Morphium  usw.  Es  konnte 
durch  wiederholte  Impfung  spezifischer  Stoffe  die  SensibilitÀt 
herabgesetzt  werden.  Bei  unspezifisch  wirkenden  Substanzen  wie 
Hisdamin  konnte  dies  nicht  erzielt  werden.  Therapeutisch  wur- 
den die  Ergebnisse  dahin  verwertet,  daß  bei  Heufieber  und  aller- 
gischer Rhinitis  die  Nasenschleimhaut  lokal  mit  Extract  iridis 
behandelt  wurde.  Die  Erfolge,  ĂŒber  die  in  einer  weiteren  Ar- 
beil noch  berichtet  werden  soll,   waren  sehr  zufriedenstellend. 

L.  Farmer  Loeb  (Berlin). 

A.  M.  Pappenheimer,  G.  F.  Me.  Cann  und  T.  F.  Zucker:  Expe- 
riment e  1 1  e  R  a  c  h  i  t  i  s  bei  Raiten.  IV.  Beeinflussung 
der  Wirksamkeit  einer  Rachiiis  erzeugenden  Kost  durch 
Wechsel  der  anorganischen  Bestandteile.  .1.  of  experimenlal 
Medicine.   Baltimore.    Bd.  35.   Nr.  4.    April  1922.   p.  421. 

Eine  aus  reinem  Mehl,  Kalziumlaktat,  Chlornatrium  und  Eisen- 
zitrat  zusammengesetzte  Kost  erzeugt  bei  Ballen  Knochenver- 
Ànderungen, die  als  typisch  rachitische  auf  Grund  des  Röntgen- 
bildes und  des  histologischen  Befundes  anzusprechen  sind.  In 
frĂŒheren  Versuchen  konnte  gezeigt  werden,  daß  bei  Ersatz  eines 
Teiles  des  Kalksalzes  (durch  sekundÀres  Kaliumphosphat  d?ie 
KnochenvcrÀnderungen  ausbleiben.  Die  vorliegenden  Unter- 
suchungen zeigen,  daß  diese  Schutzwirkung  lediglich  dem  Phos- 
phation zuzuschreiben  ist  und  durch  keines  der  anderen  zu  einer 
Vollkost  gehörigen  anorganischen  Bestandteile  zu  erzielen  ist 
Eine  phosphatreiche  aber  sehr  kalkarme  Kost  fĂŒhrt  zu  Knoches 
VerĂ€nderungen,  die  rachitisĂ€hnlich  sind,  aber  nur  geringfĂŒgige 
Störungen  der  endochondralen  Ossifikation  aufweisen.  Bei  gleich- 
zeiligem  Kalk-  und  Phosphordefizit  entstellen  atypische  Rachitis- 


bilder, Ferner  zeigte  sich,  daß  ein  starker  Ca-Ueberschuß,  wie  er 
sich  in  der  rachitiserzeugenden  Grundkost  findet,  fĂŒr  das  Ent- 
stehen der  typischen  KnochenverÀnderungen  nicht  erforderlich 
ist.  Bei  Fehlen  der  Phosphate  entstehen  auch  hei  starker  Reduk- 
tion der  Kalkzufuhr  rachitische,  nicht  aber  osteoporotische  Ver- 
Ă€nderungen. Wolf  f  (Hamburg). 

A.  M.  Pappenheimer,   G.  F.  Me.  Cann   und  T.  F.   Zucker:  Expe 

rimen  teile  Rachitis  bei  Ratten.  V.  Beeinflussung 
der  Wirksamkeit  einer  Rachitis  erzeugenden  Kost  durch  ver- 
schiedene organische  Bestandteile.  J.  of  experimenlal  Me- 
dicine. Baltimore.  Bd.  35.  Nr.  4.  April  1922.  p.  447. 
In  FortfĂŒhrung  der  oben  referierten  Versuche  wurde  der  Ein- 
fluß verschiedener  organischer  Bestandteile  in  der  Richtung  unter- 
such!, ob  sie  die  FĂ€higkeit  besitzen,  die  bei  VerfĂŒtterung  der 
Grundkost  auftretenden  rachitischen  KnochenverÀnderungen 
hintanzuhalten  oder  zu  heilen.  Dabei  zeigte  sieh,  daß  die  Zufuhr 
von  Phosphor  als  Casein  in  einer  Menge,  die  der  vor  Rachitis 
schĂŒtzenden  Dosis  des  sekundĂ€ren  Kaliumphosphats  entspricht, 
das  Entstehen  der  KnochenverÀnderungen  nicht  mit  Sicherheit 
zu  verhindern  vermag.  Die  schĂŒtzende  Wirkung  des  Lecithins  ent- 
sprach seinem  P. -Gehalt.  Bei  der  VerfĂŒtterung  von  Hefe  zeigte 
sich,  daß  Mengen,  die  durch  ihren  Gehalt  an  Vitamin-B  normales 
Wachstum  zu  gewĂ€hrleisten  imstande  waren,  nicht  genĂŒgten,  um 
die  Entstehung  der  Rachitis  zu  verhindern;  hierzu  sind  Mengen 
erforderlieh,  die  das  Minimum  an  Phosphor  enthalten,  wie  es  bei 
Anwendung  von  Phosphat  ermittelt  wurde.  Als  Butterfett  zĂŒge- 
fĂŒhrtes  Yilamin-A  vermag  die  Rachitis  weder  zu  verhindern  noch 
zu  heilen.  Zusatz  von  Eieralbumin  verbessert  den  ErnÀhrung- 
zusland, ist  aber  ohne  Einfluß  auf  den  rachitischen  Knochen- 
prpzeß.  Reichliche  P-Zufuhr  in  Gestalt  von  Fleisch  bewirkt  nor 
males  Wachstum  und  normale  Knochenbildung.  Eine  Kost,  die 
alle  zum  normalen  Wachstum  erforderlichen  Bestandteile  enthÀlt, 
die  aber  ungenĂŒgende  P -Mengen  enthalt,  fĂŒhrt  zu  typische! 
Rachitis.  W  o  1  f  f  (Hamburg). 

P.  Me.  Master,  P.Rous  und  L.  C.Larimore;  Die  Bedeutung 
d  e  r  11  À  m  o  s  i  d  e  r  o  s  e  b  e  i  d  e  r  p  e  r  n  i  z  i  ö  s  e  n  A  n  À  m  \  e. 
J.  of  experimenlal  Medicine.  Baltimore.  April  1922.  Bd. 35. 
p.  521. 

Die  Tatsache,  daß  sich  bei  perniziöser  AnĂ€mie  eine  ausge- 
sprochene HĂ€mosiderose  "in  der  Leber  findet,  kann  nicht,  wie  es 
wiederholt  geschehen,  als  StĂŒtze  der  Anschauung  dienen,  daß  die 
eigentliche  Ursache  der  Krankheit  in  einer  aus  dem  Mageri- 
darmiraklus stammenden  Noxe  zu  suchen  ist.  durch  die  es  in 
erster  Linie  zu  einem  pathologischen  Blutzerfall  im  Quellgebiet 
der  Pforlader  kÀme.  Es  konnte  nÀmlich  durch  die  Verff.  gezeigt 
werden,  daß  es  auch  bei  subkutaner  Injektion  von  HĂ€moglobin 
im'  Tierversuch  zu  LeberhÀmosiderose  kommt.  Bei  Injektion 
grĂ¶ĂŸerer  HĂ€möglobinmengen  kommt  es  auch  zu  HĂ€mosiderose 
in  den  Nieren;  die  GrĂ¶ĂŸe  der  Ablagerung  ist  dabei  abhĂ€ngig  von 
den  besonderen  Bedingungen  der  HĂ€moglobinausscheidung;  so 
kann  es,  trotz  betrÀchtlicher  Hb-Ausscheidung  durch  die  Glome- 
ruli.  bei  vermehrter  Diurese  und ,  dadurch  bedingter  Beschleuni- 
gung der  Passage  durch  die  Tubuli  sich  ereignen,  daß  nur  wenig 
Hb  in  den  gewundenen  HarnkanÀlchen  zur  Resorption  und  mit- 
hin zur  Ablagerung  in  den  Nierenepithclien  kommt:  infolge  dieser 
VerhÀltnisse  gestattet  auch  der  quantitative  Vergleich  der  HÀmo 
siderose  in  Leber  und  Nieren  keinen  RĂŒckschluß  auf  den  Ort  des 
Blutzerfalls.  Wal  ff  Hamburg 

II.   Haeßler,   P.   Rous    und   G.  0.  Broun:     D  i  e   r  e  n  a  1  e  Aus 

Scheidung  des  Bilirubins.  J.  of  experimenlal  Medi- 
cine.   Baltimore.    Bd.  35.  p.  533.    April  1922. 

Im  Tierversuch  gelingt  es  bei  Ikterus  infolge  von  totalem 
Gallengangsverschluß  nicht,  durch  reichliche  Wasserzufuhr  per  os 
und  dadurch  erzielte  vermehrte  DiĂŒres:  die  Tagesmenge  des 
ausgeschiedenen  Bilirubins  zu  steigern;  nur  die  kurz  nach  der 
Wasseraufnahme  entleerten  grĂ¶ĂŸeren  -Urinmengen  fördern  vor- 
ĂŒbergehend die  Ausscheidung  des  Gallenfarbstoffs.  Die  dadurch 
bewirkte  Ausschwemmung  des  Bilirubins  aus  dem  Nierengewebe 
vermag  vielleicht  drohende  NierenschÀdigungen  hintanzuhalten. 
Durch  grĂ¶ĂŸere  intravenöse  Kochsalzinfusionen  kann  auch  die 
Tagesmenge  des  ausgeschiedenen  Bilirubins  betrÀchtlich  erhöht 
werden.  Bei  der  Untersuchung  des  Urinsedimenls  ikterischef 
Patienten  muß  unterschieden  werden  zwischen  den  im  frischen 
Urin  nachweisbaren  mit  Bilirubin  gefÀrbten  Nierenelemeriten  und 
der  diffusen  VerfÀrbung  des  Zelldctritus.  wie  sie  im  Ikterusurin 
nach  lÀngerem  Stehen  auftritt:  im  Gegensatz  zu  letzlerer  Er- 
scheinung gestaltet  das  Auftreten  von  Bilirubinkörnchen  in  den 
Nierenzellen  RĂŒckschlĂŒsse  auf  den  Modus  der  Gallenfarbstoffaus- 
scheidung.  Wölff  Hamburg 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochensclirlft  des  prakllschen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  5erlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm-Strafee  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 


Nr.  31/32 


Berlin,  den  16.  August  1922 


40.  Jahrgang 


Oer  Vwiaf  befallt  «ich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  «er. 


lieber  Entstehung,  Bedeutung  und  Behandlung 
der  Wassersucht. 

Von  Dr.   Johannes  Haedicke,  leitendem  Arzt  und  Besitzer 
.des  Sanatoriums  Kurpark  in  Ober-Sehreiberhau. 


FlĂŒssigkeit. 


Alle  Gewebszellen  sind  umgeben  von  einer 
ler  Lymphe,  aus  der  sie  ihre  Nahrung  entnehmen  und  in 
lie  sie  ihre  Stoffwechselprodukte  ausscheiden.  Nicht  das 
Mut,  sondern  die  L  y  m  p  he  ist  also  der  eigentliche  N  À  h  r  - 
aft  unseres  Körpers.  Solange  sich  die  NÀhrstoffe  noch  im 
Skate  iimerhalb  der  umwandeten  GefĂ€ĂŸe  befinden,  sind  sie 
ebenso  wie  der  Sauerstoff  in  .  der  Lungenluft  ohne  Bedeu- 
tung fĂŒr  unser  Leben,  und  der  Blutkreislauf  ist  dahei 
ebenso  nur  eine  Vorstufe  fĂŒr  die  ErnĂ€hrung  der  Ge- 
webszellen wie  die  Lungeiiatmung  fĂŒr  die  Gewebsatmung. 
Von  dem  Blut  ist  der  Gewebssaft  getrennt  durch  die  Wan- 
lungen  der  HaargefĂ€ĂŸe,  und  der  Gewebssaft  ist  die  von 
den  Wandzellen,  der  arteriellen  Kapillaren  ausgeschiedene 
und  teilweise  durch  die  Gewebszellen  verĂ€nderte  FlĂŒssig- 
keit. Inwieweit  diese  Ausscheidung  auf  Sekretion  (Haiden- 
un),  Filtration,  Diffusion  oder  Osmose  beruht,  kann  fĂŒr 
sere  Betrachtung  dahingestellt  bleiben.  Der  Abfluß  dei 
von  den  Kapillarzellen  gebildeten  Lymphe  erfolgt  durch 
lir  SaftrÀume  zwischen  den  Gewebszellen  in  die  Lymph- 
gefĂ€ĂŸe hinein,  deren  allmĂ€hlich  an  Dicke  zunehmende 
fandungen  Àhnlich  denen  der  Venen  gebaut  und  mit  Mus- 
keln ausgestattet  sind,  die  unter  dem  Einfluß  des  Nerven 
Systems  stehen.  Wind  mehr  Lymphe  gebildet  als  ab- 
fließen kann,  dann  kommt  es  zur  Lymphstauung,  zum  hy- 
iropischen  Erguß,  zum  Oedem. 

Jede  F  1  ĂŒ  s  s  i  g  k  e  i  t  s  s  t  a  u  u  n  g  beginnt  u  n  - 
i  1 1  e  1  b  a  r  vor  dem  Hindernis  und  weist  da- 
durch auf  dieses  hin.  Ein  solches  besteht  bei  ab- 
wĂ€rts strömenden  FlĂŒssigkeiten  in  einer  Hemmung  des  Ab- 
flusses, bei  aufwÀrts  gerichteter  Strömung  auch  in  einei 
ibermĂ€ĂŸigen  Verminderung  der  treibenden  Druck-  oder 
iaugkraft.  Die  Ursache  fĂŒr  den  physiologischen  Abfluß  der 
lauptsÀchlich  aufwÀrts  strömenden  Lymphe  ist  der 
ruckunterschied,  der  im  Lymphgebiet  zwischen 
lern  Beginn  und  dem  Ende  der  Lymplibahnen  besteht,  denn 
jede  FlĂŒssigkeit  bewegt  sich  in  der  Richtung  auf  einen  Ort 
Üederen  Druckes  fort. 

Der  Enddruck  im  L  y  m  p  h  g  e  b  i  e  t  ist  gege  I  n  ‱  1 1 
durch  die  Höhe  des  Blutdruckes  an  den  stets  mit  ver- 
schlußfĂ€higen Klappen  versehenen  Einmiindungsstellen  der 
(großen  LymphgefĂ€ĂŸe  in  der  Blutbahn  der  Venae  ano- 
nymae.  Da  hier  das  strömende  Blut  auf  den  Inhalt  der 
LymphgefĂ€ĂŸe  wie  eine  Wasserstrahlpumpe  ansaugend  wirkt, 
so  wird  der  Lymphdruck  unter  den  Blutwanddruck  ver- 


vvai 

mindert  und  der  Lymphabfluß  entsprechend  beschleunigt. 
Ferner  wirkt  jede  Einatmung  durch  Steigerung  des  ne- 
gativen Druckes  im  Brustfellraum  auf  die  Lymphe  an- 
langend /in  Brusthöhle.  Es  wÀre  denkbar  und  scheint 
auch  angenommen  zu  werden,  daß  Blutstauungen  in 
den  großen  Brustvenen  zu  Stauungen  der  Lymphe  fĂŒhren. 
Diese  mĂŒĂŸten  alsdann  unmittelbar  vor  dem  Hindernis  in 
der  Brust  beginnen  und  sich  in  der  Richtung  auf  die 
KörperoberflĂ€che  und  Gliedmaßen  von  oben  nach  unten 
ausbreiten.    Dir   Ă€rztliche  Erfahrung  aber  zeigt,  daß  die 


Oedeme  bei  Kreislaufstörungen  zumeist  in  entlegenen 
Körperteilen  beginnen  und  sieb  in  der  Richtung  zum  Her- 
zen von  unten  nach  oben  ausbreiten.  Infolgedessen  können 
Druckschwankuiiige<n  und  Stauungen  in  den  großen  Brust- 
venen bei  Herzkranken  nicht  die  unmittelbare  Ursache  der 
Oedeme  an  Armen  und  Beinen  sein. 

Wesentlicher  fĂŒr  die  Fortbewegung  der  Lymphe  und 
die  Entstehung  der  Oedeme  ist  der  Einfluß  des  Nerven- 
systems, dessen  Reize  die  Muskeln  in  den  Wandungen 
der  LymphgefĂ€ĂŸe  zur  Zusammenziehung  bringen  und  da- 
durch die  Lymphe  in  der  Richtung  zum  Herzen  weiter- 
drĂŒcken, wobei  die  zalilreichen  Klappen  den  RĂŒckfluß  ver- 
hindern. Werden  die  lympho-  und  vasomotorischen  Ner- 
ven kĂŒnstlich  ausgeschaltet,  so  hört  die  Lymphbewegung 
in  den  LymphgefĂ€ĂŸen  auf,  und  es  tritt  alsbald  ein  peri- 
pheres Oedem  ein1).  Schon  diese  durch  Versuche  festgestellte 
Tatsache  weist  darauf  hin,  daß  das  Wesentliche  fĂŒr  die 
Lymphbewegung  eine  vis  a  tergo,  ein  Druck  ist,  und  daß 
die  Vorstellung  einer  Ansaugung  der  Lymphe  durch 
und  in  den  Blutstrom,  die  zu  der  Bezeichnung  der  Lymph- 
bahnen als  „Saugadern"  -gefĂŒhrt  hat,  fĂŒr  das  gesamte 
Lymphgebiet  nicht  zutrifft.  Im  allgemeinen  pflegt  jedoch 
die  Nervenreizzuleitung  der  LymphgefĂ€ĂŸmuskeln  bei  Wasser- 
sucht nicht  wesentlich  gestört  zu  sein,  und  so  fÀllt  auch 
dieser  Faktor  als  Entstehungsursache  der  Oedeme  und  hy- 
dropischen  ErgĂŒsse  bei  Herz-  und  Nierenleiden  aus. 

Bestimmend  fĂŒr  das  DruckgefĂ€lle  des  Lymphstromes  ist 
außer  dem  Enddrudk  der  Anfangsdruck  im  Lymph- 
system, als  welcher  im  wesentlichen  ebenfalls  der  Blut- 
druck angesehen  wird.  So  schreibt  Langerhans,  ein 
Schofler  Virchows-):  „Die  Ursache  des  Hydrops,  des  An- 
trittes der  wĂ€sserigen  FlĂŒssigkeit,  ist  die  Steigerung  des 
Blutdruckes,  die  Erhöhung  des  Seitendruckes  bis  zu  einer 
gewissen  GrĂ¶ĂŸe.  Diese  Steigerung  macht  die  Kapillarwand 
geeignet  fĂŒr  den  Durchtritt  wĂ€sseriger  FlĂŒssigkeit."  In  der 
neuesten  Auflage  des  Lehrbuches  der  Physiologie  des  Men- 
schen von  Landois-Roseinann3)  heißt  es:  „An  den- 
jenigen GefĂ€ĂŸen,  die  mittelst  feiner  SaftkanĂ€lchen  entstehen, 
wird  die  Bewegung  wesentlich  direkt  abhÀngen  von  der 
Spannung  der  ParenchymsÀfte,  und  diese  wiederum  von 
der  Spannung  in  den  Blutkapillaren.  So  wird  also  der 
Blutdruck  noch  als  eine  vis  a  tergo  bis  in  die  Lymph - 
wurzeln  hinein  wirksam  sein."  Und  J.  MĂŒnk  fĂŒhrt  in  der 
RealenzyklopĂ€die  der  gesamten  Heilkunde")  aus:  „Die 
Triebkraft  fĂŒr  die  Lymphbewegung  ist,  wie 
C.  Ludwig  entwickelt  hat,  nichts  anderes  als  der 
Blutdruck.  In  der  Mitte  der  Kapillarbahn  ist  der  Blut- 
druck etwa  halb  so  groß  als  in  der  Aorta,  und  unter 
diesem  Druck  erfolgt  die  Transsudation  in  die  Gewebe  und 
Org  ane.  Da  die  Lymphspalten  nun  in  den  Gewebsinter- 
stitien,  zwischen  den  Kapillarmaschen  ihren  Ursprung 
nehmen,  so  wird  das  Transsudat,  aus  welchem  die  Lymph- 
gefĂ€ĂŸe aufsaugen,  ebenfalls  unter  dem  Kapillardruck  stehen, 
nur  daß  er  v  e  r  m  i  n  d  e  r  t  ist  um  eine  gewisse  GrĂ¶ĂŸe, 
entsprechend  dem  von  den  KapillargefĂ€ĂŸwĂ€nden  und  der 
Spannung  des  Gewebes  geleisteten  Widerstand.  Der  Blut- 
druck in  den  Kapillaren  schiebt  das  Trans- 
sudat in  die  Lymph  spalten  hinein.  Der  stetige 
Ueberdruek,  .der  im  Halslymphstamm  8—20  mm  Sodalösung 
betrÀgt,  ist  der  Rest  jenes  Druckes,  nachdem  er  den  Wider- 
stand in  den  LymphgefĂ€ĂŸen  und  vollends  in  den  Lymph- 


Haedicke:  Wassersucht  40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


drĂŒsen  ĂŒberwunden  und  dadurch  sehr  viel  von  seiner  ur- 
sprĂŒnglichen GrĂ¶ĂŸe  eingebĂŒĂŸt  hat." 

Diese  Ableitung  des  Lymphdruckes  unmittelbar  vom 
Blutdruck  und  die  Anschauung  von  der  ursÀchlichen  Be- 
deutung der  Blutdruckerhöhung  fĂŒr  die  Entstehung  von 
Oedemen  grĂŒndet  sich  auf  die  durch  Versuche  bestĂ€tigte 
Tatsache,  daß  ein  erhöhter  Blutdruck  ver- 
mehrte L  y  m  p  h  b  i  1  d  u  n  g  zur  Folge  hat.  C.  Lud- 
wig und  Tomsa  ließen  durch  die  BlutgefĂ€ĂŸe  eines  aus- 
geschrittenen Hodens  Blutserum  unter  wechselndem 
Drucke  strömen;  dabei  stieg  und  fiel  die  aus  den  Lymph- 
gefĂ€ĂŸen abfließende  FlĂŒssigkeit,  die  als  „kĂŒnstliche  Lymphe" 
mit  der  natĂŒrlichen  Ă€hnliche  Zusammensetzung  aufwies. 
Auch  der  Gehalt  an  Eiweiß  nahm  mit  steigendem  Drucke 
zu.  Heß  und  E  r  b  zeigten,  daß  bei  Blutdrucksteigerimg 
FlĂŒssigkeit  aus  der  Blutbahn  in  die  Gewebe  tritt.5) 

Da  aber  Oedeme  nicht  nur  bei  erhöhtem  arteriellen 
Blutdruck  eintreten,  sondern  auch  bei  sehr  niedrigem,  an- 
dererseits bei  hohem  Aorten  druck  sehr  hÀufig  fehlen, 
so  kann  dieser  ebenfalls  nicht  als  ein  allgemein  gĂŒltiger 
Faktor  fĂŒr  die  Entstehung  von  Hydropsien  anerkannt  wer- 
den. Dies  gilt  auch  von  der  Steigerung  des  venösen  Blut- 
druckes im  Kapillargebiet  bei  venösen  Stauungen. 
Diese  bestehen  oft  ohne  Oedeme  und  fehlen  sehr  hÀufig  bei 
deutlich  vorhandenen  Oedemen,  z.  B.  bei  den  abendlichen 
Fußschwellungen  der  sog.  Anaemischen  sowie  nach  lĂ€n- 
gerem Gehen,  wodurch  eher  eine  Beschleunigung  des  Blut- 
umlaufes  als  eine  Stauung  eintritt. 

Eine  weitere  Ursache  der  Oedembildung  hat  man  in 
einer  erhöhten  DurchlÀssigkeit  der  Kapillarwan- 
dungen gesucht,  auf  Grund  einer  Hydraemie  bei  mangel- 
hafter Zusammensetzung  des  Blutes  oder  einer  Toxichaemie 
bei  Anwesenheit  von  Zellgiften  im  Blute,  z.  B.  zurĂŒck- 
gebliebenen Harnstoffen  bei  Nierenleiden.  Cohn  heim*/ 
hat  jedoch  nachgewiesen,  daß  reine  Hydraemie  ĂŒberhaupt 
kein  Oedem  macht,  und  ferner  treten  Oedeme  auch  bei  Per- 
sonen mit  ganz  gesunden  Nieren  auf.  Die  erhöhte  Durch- 
lÀssigkeit krankhaft  verÀnderter  Kapiillarwandungen,  so 
hÀufig  sie  zumal  in  vorgeschrittenen  FÀllen  vorhanden  sein 
mag,  kann  demnach  auch  nicht  die  Ursache  der  Wasser- 
sucht sein. 

Alle  diese  mit  dem  Blut,  seiner  Bewegung  und  seinen 
Bewegungsorganen  zusammenhÀngenden  int  ra  vasku- 
lÀren Faktoren  reichen  somit  nicht  aus,  zur  grund- 
sÀtzlichen ErklÀrung  der '  Oedembildung,  und  sie  können 
es  auch  nicht,  da  sie  sich  auf  VerhÀltnisse  und  VorgÀnge 
beziehen,  die  sich  nur.  in  dem  Kreislaufsystem  abspielen,  also 
gewissermaßen  nur  im  Vorra  u  m  zu  dem  vielgegliederten 
K  ö  r  p  e  r  i  n  n  e  r  n,  und  die  Gewebszellen,  den  Sitz 
und  die  eigentlichen  WerkstÀtten  unseres  Körper- 
lebens,  ganz  unberĂŒcksichtigt  lassen.  Nun  haben  aber 
bereits  seit  dem  Jahre  1898  „Asher  und  seine  SchĂŒler  den 
engen  Zusammenhang  zwischen  der  Lymphbildung  und  dei 
TĂ€tigkeit  der  Organe  betont;  nach  ihren  Untersuchungen  ist 
die  Lymphe  ein  Produkt  der  Arbeit  der  Or- 
gane; das  auslösende  Moment  fĂŒr  die  Bildung  der  Lymphe 
ist  in  der  spezifischen  TĂ€tigkeit  oder  dem  Stoffwechsel  der 
Zellen  zu  suchen  (zellular-physiologische  Theorie  der 
Ly  mphb  ildung) . 7) 

In  BestĂ€tigung  dieser  Anschauung  lĂ€ĂŸt  sich  nun  nach- 
weisen, daß  in  der  TĂ€  t  i  g  k  e  i  t  der  G  e  w  e  B  s  z  e  1 1  e  n 
nicht  nur  die  Ursache  fĂŒr  die  Lymphbildung  liegt, 
sondern  auch  fĂŒr  die  L  y  m  p  h  b  e  w  e  g  u  n  ,g  und  Lymph- 
stau u  n  g  e  n.  Dazu  sind,  da  sich  die  Gewebszellen  außer- 
halb der  Blutbahn  befinden,  ZellkrÀfte  erforderlich, 
mittels  derer  die  lebensnotwendigen  Stoffe  aus  dem  Blut 
in  das  Gewebe  ĂŒberfĂŒhrt  werden.  Ueber  die  Art  und  GrĂ¶ĂŸe 
dieser  KrÀfte  der  lebenden  Gewebszellen  hat  uns  neuerdings 
die  physikalische  oder  Kolloid-Chemie,  die  in  der  kurzen  Zeit 
ihrer  bisherigen  Entwicklung  bereits  zu  einer  auch  fĂŒr  die 
innere  Medizin  und  den  praktischen  Arzt  unentbehrlicher. 
Disziplin  geworden  ist,  wertvolle  Anhaltspunkte  gegeben. 


Als  wirksame  KrĂ€fte  fĂŒr  den  Uebertritt  von  Wasser 
und  darin  gelösten  Stoffen  aus  der  Blutbahn  in  die  Gewebs- 
zellen der  verschiedenen  Organe  kommen  als  Komponenten 
der  als  „Sekretion"  bezeichneten  vitalen  ZelltĂ€tigkeit  oder 
neben  ihr  in  Betracht  die  Filtration,  Diffusion,  Dialyse  und 
Osmose.  Wenn  wir  uns  hier  auf  den  osmotischen  oder 
L  ö s iun ig  s druck  beschrÀnken,  so  ist  durch  zahlreiche 
Versuche  nachgewiesen  worden,  daß  dieser  innerhalb  der 
Zellen  am  höchsten  ist  und  in  absteigendem  Grade 
niedrigere  Werte  aufweist  in  der  Lymphe,  im  venösen  und 
im  arteriellen  Blut.  Wenn  man  die  von  Schade8)  ange- 
rĂŒhrten, durch  exakte  Versuche  und  Berechnungen  ermit- 
telten Werte  der  Gefrierpiunkts-Erniedrigung  umrechnet  in 
Quecksilberdruck,  dann  besitzt  das  Blut  einen  osmotischen 
Druck  von  5  400  nun  Hg.,  die  Lymphe  von  5  600,  der  Chylus 
von  5  800  und  der  Zellsaft  von  etwa  5  900  mm  Hg.  Dar  - 
aus ergibt  sich  eine  Spannung  zwischen  Blutserum 
und  dem  Protoplasma  der  Wandungszellen  der  Blutkapil- 
laren und  der  Gewebszellen  der  verschiedenen  Organe 
von  %  m  Quecksilberhöhe,  und  ein  entsprechend  hohes,  aber 
langsameres  GefĂ€lle  auf  dem  Wege  durch  die  LymphgefĂ€ĂŸe 
und  Venen  zum  Blute  der  Schlagadern.  In  die  Sprache  der 
»taktischen  Medizin  ĂŒbertragen  heißt  dies,  daß  das  Blut- 
serum, durch  eine  semipermeable  Membran  mit  reinem 
Wasser  in  Verbindung  gebracht,  imstande  ist,  in  einem 
Steigrohr  entgegen  der  Schwere  bis  zu  einer  Höhe  anzu- 
steigen und  das  Wasser  entgegen  der  Schwere  bis  zu  einer 
Höhe  anzusaugen,  die  dem  Druck  einer  QueckselbersÀule  von 
5,4  in,  einer  WassersÀule  von  73,8  m  oder  7,5  AtmosphÀren 
entspricht .  DarĂŒber  hinaus  aber  besitzen  die 
ZellsÀfte  noch  einen  Ueberdruck  bezw.  eine 
erhöhte  Saugkraft  von  Vi  m  Quecksilber 
oder  6,8  m  Wasserhöhe.  Mit  dieser  Kraft  wird  also 
das  Wasser  aus  dem  Blutserum  durch  die  Wandungen  der 
HaargefĂ€ĂŸe  in  die  Gewebsspalten  angesaugt,  und  dieser 
osmotische  Z  e  1 1  d  r  u  c  k  von  0,5  mm  Hg.  oder  6,8  m 
Wasser  stellt  somit  annÀhernd  den  Strömungsdruck 
a  m  Anfang  des  Lymphsystems  dar. 

Hieraus  geht  hervor,  daß  man  bisher  die  gewal- 
tigste motorische  Kraft  unseres  Körpers, 
die  osmotische  Saugkraft  der  lebenden  Ge- 
webszellen, fĂŒr  die  ErklĂ€rung  der  Lymph- 
bewegung und  Oedembildung  völlig  ĂŒber- 
sehen hat.  Ferner  erhellt,  daß  gegenĂŒber  diesem  hohen 
Saugdruck  der  Gewebszellen  die  wenigen  Millimeter  Druck- 
schwankung des  Blutes  in  den  HaargefĂ€ĂŸen  wie  in  den 
Brustvenen  an  den  EinmĂŒndungssteilen  der  LymphgefĂ€ĂŸe 
in  die  Blutbahn  praktisch  nicht  ins  Gewicht  fallen, 
und  daß  sogar  der  kardiale  Blutdruck  in 
den  Kapillaren,  der  nach  v.  Kries  z.  B.  am 
Finger  bei  erhobener  Hand  22  mm  Hg.  (328  mm 
Wasser)  und  bei  gesenkter  Hand  54  mm  Hg.  (738  mm 
Wasser)  betrÀgt,  fast  bedeutungslos  erscheint. 
Wird  doch  auch  bei  allen  Pflanzen  der  Gewebssaft  aus- 
schließlich durch  die  MolekularkrĂ€fte  der  Zellen  ohne  be- 
sondere Pumpanlage  bis  in  die  Gipfel  der  höchsten  BÀume 
emporgehoben.  Es  ist  also  nicht  der  Blutdruck,  der  den  Ge- 
webssaft bildet  und  durch  die  KapillarwÀnde  hindurch  bis 
in  die  Lymphspalten  schiebt,  und  der  Blutdruck  wird  nicht 
jenseits  der  KapillargefĂ€ĂŸe  „entsprechend  dem  von  den  Ka- 
pillargefĂ€ĂŸwĂ€nclen  und  der  Spannung  der  Gewebe  geleisteten 
Widerstand  vermindert,"  sondern  im  Gegenteil  durch  die 
selbstÀndigen»  ZellkrÀfte  um  ein  Vielfaches  gesteigert.  Die 
motorischen  KrĂ€fte  des  Blutsystems  einschließlich  des 
Herzens  dienen  nur  der  vorbereitenden,  schnellen  We  r  - 
t  e  i  1  u  n  g  des  Blutes,  besonders  eines  Sauerstoffes,  im  Kör- 
per, aber  die  Verwertung  der  Blutstoffe  erfolgt  im 
Lymph  system,  und  es  sind  die  molekularen 
Ze  1 1  k  r  À  f  t  e  der  extravasalen  Gewebe,  die  s  I  e 
dem  Blut  entziehen  und  auch  wieder  zufĂŒhren. 

Die  Ursache  fĂŒr  die  Lymphbewegung  liegt 
somit  allerdings  in  dem  Druckunterschied  zwischen  dem 
Anfang  der  Lymphbahnen  in  den  SaftlĂŒcken  der  Gewebe 


40.  Jahrg. —  Nr.  31/32. 


Haedicke:  Wassersucht 


und  iluem  Ende  an  der  EinmĂŒndung  der  großen  Lymph- 
slÀnune  in  die  Brustvenen,  aber  der  die  Höhe  des  Dnuck- 
gefÀ  lies  bestimmende  physiologische  A  n  I  a  n  g  s  d  r  u  c  k 
wird  im  wesentlichen  nicht  durch  das  Herz  und  den  Bhlt- 
strom,  sondern  außerhalb  der  BLutbahn  durch  die  Lebens- 
TĂ€tigkeit  der  Gewebszellen  erzeugt,  die  als  vi- 
lale  SĂ€ugpumpen  in  der  Richtung  auf  die  arteriellen  Ka- 
pillaren wirken  und  zugleich  als  vitale  Druckpumpen  in  der 
Richtung  auf  die  LymphgefĂ€ĂŸe  und  Venen.  Jede  leihende 
Organzelle  ist  zugleich  eine  strudelerzeugende  GharybdlS  und 
eine  gierige  Skylla,  die  mit  den  zahlreichen  Rachen  ihrer  un- 
gesĂ€ttigten Valenzen  aus  dem  vorbeifließenden  Gewebssaft 
ihre  spezifischen  Nalirungsstaffe  herausholt.  Die  Lymphe 
ist  der  NĂ€hrsaft,  der  durch  die  osmotische  Saugkraft  der 
Gewebszellen  aus  dem  Blut  durch  die  Wandungen  der  ar- 
teriellen HaargefĂ€ĂŸe  angesaugt  wird,  deren  Endothelien  in 
diesem  funktionellen  Sinn  die  ersten,  vorgelagerten  Gewebs- 
zellen sind  und  in  dieser  Funktion  durch  den  Blutdruck 
u  n  t  e  r  s  t  ĂŒ  t  z  t  werden.  Proximal  von  den  Gewebszellen  ent- 
hÀlt die  Lymphe  neben  unbenutzten  NÀhrstoffen  auch  die 
spezifischen  Stoffwechselprodukte  der  verschiedenen  Organ- 
zellen, die  teils  ausscheidbare  „Endstoffe"  sind,  teils  ver- 
wertbare „Gemeinstoffe"")  (Sekrete,  Inkrete,  Hormone,  Anti- 
körper usw.). 

Wenn  aher  die  LebenstÀtigkeit  der  Organzellen  die 
Ursache  der  Lymphbildung  und  Lymphbewegung  ist,  dann 
mĂŒssen  S  c  h  w  a nkunge n  derselben  in  einer  VerĂ€n- 
derung der  Menge  und  Strömungsgeschwindig- 
keit der  Lymphe  zu  Ausdruck  gelangen.  Versuche  wie 
Àrztliche  Erfahrung  bestÀtigen  dies. 

Wie  groß  die  physiologische  Lymphmenge 
ist,  lĂ€ĂŸt  eine  Feststellung  von  G  u  b  1  e  r  und  Quevenn  e16) 
ungefÀhr  erkennen,  die  aus  einer  Lymphfistel  am  Ober- 
schenkel einer  Frau  in  24  Stunden  gegen  3  kg  Lymphe  ge- 
sammelt haben.  Wenn  wie  hiernach  (unter  Außeracht- 
lassung der  Lymphe,  die  unmittelbar  in.  die  venösen  Haar- 
gefĂ€ĂŸe abfließt)  eine  Lymphbildung  von  nur  10  kg  im  gan- 
zen Körper  wĂ€hrend  24  Stunden  annehmen,  so  heißt  dies, 
daß  das  gesamte  Blutserum  eines  gesunden 
Menschen  von  etwa  5  kg  tÀglich  mindestens  zwei- 
m  a  1  die  Kapillarwandungen  durchdringt  und  z  u  Lymphe 
wird. 

Durch  Versuche 1X)  ist  festgestellt  worden,  daß  das  os- 
motische DruckgefÀlle  durch  Steigerung  der 
Funktion  eines  Organs  erhöht  wird,  und  bei  Ent- 
zĂŒndungen hat  Schade12)  durch  Messung  und  Berechnung 
eine  Drucksteigerung  von  7,5  AtmosphÀren  auf  8,  11  und 
19  AtmosphÀren  nachgewiesen  entsprechend  einem  Queck - 
fiSberdruck  von  6,8  m,  8,38  m  und  14,4  m  Hg.  Dies  bedeutet 
gegenĂŒber  dem  Blut  eine  Spannung  bezw.  Saug-  und  Druck- 
kraft von  1,6  m,  3  m  und  sogar  9  m  Quecksilberhöhe  oder 
von  26  m,  50  m  und  150  m  WassersÀule. 

Entsprechend  dieser  Steigerung  des  osmotischen  Zell- 
druckes  durch  vermehrte  TĂ€tigkeit  der  Organzellen  und  da- 
mit des  DruckgefÀlles  der  Lymphe  erhöhen  sich  die  Menge 
und  die  Abflußgeschwindigkeit  der  gebildeten  Lymphe. 
(Der  vermehrte  (Saftfluß  der  BĂ€ume  im  FrĂŒhjahr  ist  ja 
auch  jedem  Laien  bekannt.)  Nach  Hamburger  kann 
fcfcim  Pferde  die  Lymphmenge  durch  aktive  und  passive 
Muskelbewegungen  um  das  FĂŒnffache  gesteigert  werden. 
Lesse r  gewann  auf  diese  Weise  bei  nĂŒchternen  Hunden 
bis  ĂŒber  300  cem  Lymphe,  wodurch  die  Tiere  unter  Ein- 
dickung  ihres  Blutes  in  Erschöpfung  bis  zum  Tode  verfielen. 
Wird  bei  einem  Hunde  die  Speichelsekretion  angeregt,  so 
steigt  der  Lymphabfluß  aus  dem  Halslymphstamm.  Dabei 
ist  die  Lymphvermehrung  nicht  etwa  die  Folge  des  ver- 
mehrten Blutstromes,  denn  nach  Atropin  bleibt  sie  aus. 
(Bain-Bridge.13) 

Das  Wesentliche  ist  vielmehr  die  erhöhte  TÀtigkeit  der 
Organzellen,   wie  insbesondere   durch   zahlreiche  Versuche 
nit  der  Lober  nachgewiesen  worden  ist.    Der  Blutreichtum 
tÀtiger  Organe  ist  lediglich  eine  sekundÀre  Folgeerscheinung. 


Umgekehrt  fĂŒhrt  die  Her  a  b  s  e  t  zu  n  g  d  e  r  Lebe  n  s  - 
lÀtigkeit  der  Organzellen  zu  einer  Verminderung  der 
Menge  und  Abflußgeschw  indigkeit  der  Lymphe.  Wenn  nacli 
Stillstand  der  Atmung,  des  Herzens  und  des  Blutkreislaufes 
das  auf  dem  Interzellularen  Stoffaustausch  beruhende 
„Gemeinleben"14)  erloschen  ist,  bleiben  die  durch  den 
intrazellularen  Stoffwechsel  bedingten  „ E in z el leben " 
der  verschiedenen  Organzellm  noch  eine  mehr  oder  weniger 
lange  Zeit  bestehen.  Diese  saugen  durch  den  osmotischen 
Druck  in  ihrem  Innern  noch  weiter  Sauerstoff-  und  nÀhr- 
stoffhaltiges  Serum  aus  den  arteriellen  HaargefĂ€ĂŸen  an  unĂŒ 
verarbeiten  es  zu  Lymphe,  die  aber  wegen  der  vermin- 
derten motorischen  Kraft  der  zwar  zunĂ€chst  ĂŒberlebenden, 
aber  allmÀhlich  auch  absterbenden  Zellen,  der  fehlenden 
Muskelbewegungen  des  Toten  sowie  der  aufgehobenen 
Innervation  der  Blut-  und  LymphgefĂ€ĂŸe  nicht  mehr  ge- 
nĂŒgend fortbewegt  wird  und  sich  daher  innerhalb  der  Ge- 
webe in  deren  SaftlĂŒcken  zunehmend  anstaut.  Es  ist  dahei 
eine  charakteristische  Erscheinung  beim  Leichnam,  daß 
dessen  Gewebe,  insbesondere  das  lockere  Bindegewebe, 
saftreicher  sind  und  mehr  Lymphe  enthalten  als  wÀhrend 
des  Lebens.  Durchströmt  man  den  noch  wannen  Tierkörpei 
aufs  neue  mit  frischem  Blute,  so  fließt  nach  Genersicn 
aus  den  großen  LymphstĂ€mmen  wiederum  vermehrte 
Lymphe  ab.  As  her  und  Gries,  Cuttat-Galitzka 
zeigten,  daß  auch  am  toten  Tiere  die  Injektion  hyper- 
tonischer Salzlösungen  lymphbeschleunigend  wirkt.  In  dem- 
selben Sinne  anregend  wirken  auch  rein  chemische  Reize, 
denn  Mendel  und  Hocker  beobachteten  nach  Einwir- 
kung von  Erdbeerextrakt  die  Absonderung  einer  konzentrier- 
ten Lymphe  noch  4  Stunden  nach  dem  Tode  des  Tieres.16) 
Auch  diese  Versuche  beweisen,  daß  die  Lymphbildung  und 
-bewegung  bedingt  ist  durch  die  TĂ€tigkeit"  der  lebenden  Ge- 
webszellen und  grundsÀtzlich  unabhÀngig  ist  vom  Herzen, 
Blut  und  Blutdruck. 

Besteht  nun  irgendwo  ein  MißverhĂ€ltnis  zwi- 
schen Lymphbildung  und  Lymphabfluß,  so 
daß  mehr  Lymphe  gebildet  wird,  als  abfließen  kann,  dann 
kommt  es  zur  Lymphstauung  in  Form  eines  freien  hy- 
dropischen  Ergusses  oder  eines  Oedems,  deren  unmittelbare 
Ursache  —  abgesehen  von  rein  mechanischen  Hindernissen, 
deren  BerĂŒcksichtigung  sich  hier  erĂŒbrigt  —  ebenfalls  im 
Gewebe  und  nicht  im  Blutsystem  liegt.  Eine  Lymphstauung 
kann  eintreten  sowohl  bei  gesteigerter  ZelltÀtigkeit  mit  ver- 
mehrter Lymphbildung,  als  auch  bei  herabgesetzter  Zell- 
f unktion  mit  verminderter  Lymphabsonderung  und  sowohl 
bei  erhöhtem  als  auch  bei  erniedrigtem  Blutdruck.  v 

Eine  vermehrte  L  y  m  p  h  b  i  1  d  u  n  g  findet  statt  bei 
gesteigerter  ZelltÀtigkeit,  allso  allgemein  wÀhrend 
des  Wachzustandes  und  im  Besonderen  bei  Anregimg  eines 
einzelnen  Organs  zu  erhöhter  Leistung.  Die  betreffenden 
Organzellen  ĂŒben  alsdann  einen  grĂ¶ĂŸeren  osmotischen  Zug 
durch  die  Kapillarzellen  auf  das  Blut  aus  und  entziehen 
diesem  die  fĂŒr  ihre  TĂ€tigkeit  erforderlichen  spezifischen 
Stoffe  in  vermehrter  Menge  und  unter  stÀrkerem  Druck. 
Bleibt  die  Steigerung  der  ZelltÀtigkeit  in  physiologischen 
Grenzen,  so  tritt  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  niemals  eine  Lymph- 
stauung ein,  da  die  'abfĂŒhrenden,  Lymphbahnen  nach  Zahl 
und  Weite  auch  diesen  erhöhten  AnsprĂŒchen  voll  genĂŒgen. 
Bei  krankhaft  gesteigerter  ZelltÀtigkeit  kann  jedoch  die 
Lymphbildung  so  vermehrt  sein,  daß  die  Lymphe  trotz  ent- 
sprechender Steigerung  auch  der  auf  sie  von  den  Zellen 
ausgeĂŒbten  vis  a  tergo  nicht  genĂŒgend  schnell  und  aus- 
reichend abfließen  kann  und  sich  daher  immittelbar  vor  dem 
Abflußhindernis  anstaut.  Dies  tritt  z.  B.  ein  bei 
EntzĂŒndungen,  und  gerade  hier  zeigt  der  weitere  Ver- 
lauf,  wie  unwissenschaftlich  und  unhaltbar  die  teleologi- 
schen Phrasen  einer  ativistisch-rationalistischen  Philio- 
sophie  von  der  „ZweckmĂ€ĂŸigkeit"  aller  „Einrichtungen" 
unseres  Körpers  und  seinem  „Streben  nach  Selbstheilung" 
sind.  Denn  jedes  Oedem  neigt,  sich  selbst  ĂŒberlassen,  zu 
fortschreitender  Verschlimmerung  statt  zur  Selbstheilung 
„mit  den  einfachsten  Mitteln".    Denn  die  gestaute  Gewebs- 


514  Haedicke:  Wassersucht  40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


t'lĂŒssigkeit  ĂŒbt  auf  die  Umgebung  allseitig  einen  zuneh- 
menden Druck  aus  und  preßt  dadurch  auch  die  ab- 
leitenden Lymphbahnen  immer  stĂ€rker  zusammen,  so  daß 
der  Abfluß  der  vermehrt  gebildeten  Lymphe  zunehmend 
erschwert  und  vermindert,  statt  erleichtert  und  gefördert 
wird.  Werden  dann  auch  noch  die  BlutgefĂ€ĂŸe  abgedrĂŒckt, 
und  zwar  zunÀchst  die  schwÀcheren  Venen,  dann  kommt 
es  zur  Stase  von  Lymphe  und  Blut,  und  die  Folgen  sind 
bei  nicht  beseitigter  „wirksamer  Ursache""')  der  EntzĂŒndung 
Absterben  der  ergriffenen  Gewebsteile  und  weitgehende 
Zerstörungen. 

Die  Ausdehnung  und  der  Ausgang  der  entzĂŒndlichen 
Oedeme  hÀngt  ab  von  der  Art  und  StÀrke  der  schÀdigenden 
Reizung  durch  die  wirksame  Ursache.  Geringe  und  flĂŒchtige 
Reize  rufen  z.  B.  nur  eine  Quaddel  hervor;  stÀrkere  Reize 
wie  Verbrennungen  und  Aetzungen  fĂŒhren  durch  Abhebung 
der  Ă€ußersten  Hautschicht  zur  Blasenbildung;  stĂ€rkste,  wie 
septische  Infektionen,  können  ihren  Ausgang  finden  in  dem 
örtlichen  Zelltode,  das  Oedem  kann  sich  ĂŒber  ganze  Glie- 
der ausdehnen  und  sogar  den  Gemeintod  des  Körpers  herbei- 
fĂŒhren. 

Bei  herabgesetzter  ZelltÀtigkeit  wird  we- 
niger Lymphe  gebildet,  und  diese  findet  stets  reich  - 
liehen  Platz  zum  Abfluß.  Trotzdem  tritt  auch  hierbei  eine 
Lymphstauung  ein,  wenn  der  s  e  kretorische 
Zell  druck  als  vis  atergo  fĂŒr  die  Lymphbewe- 
gung nicht  mehr  ausreicht,  um  in  Verbindung  mit 
den  verschiedenen  HilfskrÀften  die  Lymphe  bis  ins  Blut  zu 
befördern.  Dies  ist  nicht  nur  bei  jedem  Toten  der  Fall,  son- 
dern auch  schon  wÀhrend  des  Lebens  bei  allen  Krankheiten, 
die  mit  einer  erheblichen  SchwÀchung  des  ganzen  Körpers, 
d.  h.  seiner  Gewebszellen,  verbunden  ist.  Die  nicht- 
entzĂŒndlichen  Hydropsien  sind  daher  stets 
der  Ausdruck,  die  Zeichen  einer  allge- 
meinen Z  e  1 1  s  c  h  w  À  c  h  e,  und  sie  treten  daher  dort  zu- 
erst auf,  wo  der  sekretorische  Zelldruck  im  Verein  mit  den 
unterstĂŒtzenden  BewegungskrĂ€ften  fĂŒr  die  Lymphbewegung, 
wie  der  Ansaugung  durch  den  Blutstrom  und  die  Einatmung, 
der  Zusanimenziehung  der  Skelet  t-  und  LymphgefĂ€ĂŸ - 
muskeln  sowie  dem  natĂŒrlichen  GefĂ€lle,  zuerst  die  Lymphe 
nicht  mehr  entgegen  der  Schwere  emporzuheben  vermag, 
also  an  den  tiefstgelegenen  Körperteilen:  bei  aufrechter  Hal- 
tung an  den  mukellosen  Knöcheln  und  Schienbeinen,  im 
Liegen  ĂŒber  dem  Kreuzbein. 

Bei  der  allgemeinen  ZellsehwÀche  mit  vermindertem 
sekretorischem  Zelldruck  gewinnen  nun  alle  anderen  Faktoren 
eine  erhöhte  Bedeutung,  die  im  Sinne  einer  Vermehrung 
der  Lymphe  und  ihrer  Abflußbehinderung  wirken.  Dies 
sind  vor  allem  Kreislaufstörungen,  die  zu  einer  Steigerung 
des  arteriellen  wie  des  venösen  Blutdruckes  gefĂŒhrt  haben. 
Die  Tatsache,  daß  der  an  sich  so  hohe  Anfangsdruek  im 
Lymphgebiel  an  dessen  Ende  fast  verschwunden  ist,  lĂ€ĂŸt 
die  GrĂ¶ĂŸe  schon  der  physiologischen  WiderstĂ€nde  bei  der 
Lvmphl>ewegung  erkennen.  Es  bedarf  daher  bei  herab- 
gesetzter TĂ€tigkeil  und  sekretorischer  Druckkraft  der  Gewebs- 
zellen unter  UmstÀnden  nur  einer  geringen  Vermehrung  der 
WiderstÀnde  oder  des  Lymphzuflusses  aus  dem  Blute,  um 
eine  Lymphstauung  herbeizufĂŒhren.  Auf  dem  Boden 
der  allgemeinen  Zell  schwÀche  als  der  pri- 
mÀren Ursache,  können  demnach  alle  die- 
jenigen VorgÀnge  und  VerÀnderungen,  die 
1 1  i  s  h  c  r  a  1  s  selbstÀndige  Ursache  der  Wasser- 
sucht galten,  eine  Lymphstauung  mit  Bil- 
d  u  n  g  von  O  c  d  e  m  e  n  u  n  d  freien  hydropischen 
ErgĂŒssen  erzeugen;  sie  sind  alsdann  die 
Tropfen,  die  das  Maß  zum  U  e  b  e  r  1  a  u  f  e  n 
1)  r  i  n  gen. 

Diese  Erkenntnis  ist  von  entscheidender  Bedeutung  fĂŒr 
die  Behandlun g.  Es  gilt  zunĂ€chst,  die  UeberfĂŒl- 
lu  n  g  des  Lymphgebietes  zu  beseitigen  durch  Ausschaltung 
der  sekundĂ€ren  Ursachen,  so  daß  z.  B.  bei  Herzkranken 
weder  aus  den  arteriellen  HaargefĂ€ĂŸen  infolge  ĂŒbermĂ€ĂŸigen 
;  b'ömungsdruckes  noch  aus  den  venösen  Kapillaren  infolge 


Stauungsdruckes  Blutbestandteile  in  das  Lymphgebiet  in 
vermehrter  Menge  oder  anders  ĂŒbertreten  als  durch  den 
physiologischen  Vorgang  der  Sekretion  durch  die  Kapillar 
zelten.  Darin  liegt  die  oft  entscheidende  Bedeutung  der 
Herz-  und  GefĂ€ĂŸmittel  sowie  der  Diuretika  bei  Hydro- 
pischen. 

Sodann  aber  ist  die  FĂŒllung  des  Lymphgebietes  zu 
vermindern.  Hierbei  versagen  wegen  fehlender  Angriffs- 
punkte die  reinen  Herz-  und  GefĂ€ĂŸmittel,  wĂ€hrend  die  harn- 
treibenden Arzeneien  angezeigt  und  wirksam  bleiben.  In 
der  Hauptsache  aber  erfolgt  dies  durch  KrÀftigung  der  ge- 
sunkenen ZelltÀtigkeit  besonders  in  den  ödematösen  Ge- 
bieten, sowie  des  unzureichenden  sekretorischen  Zelldruckes 
als  der  primÀren  Ursache  der  Lymphstauung,  wodurch 
den  nicht  ganz  und  auf  die  Dauer  auszuschaltenden  sekun- 
dĂ€ren Ursachen  ihre  entscheidende  Bedeutung  fĂŒr  die  Oe- 
dembildung  genommen  wird.  Diese  krÀftigende  All- 
g  e  in  e  i  n  b  e  h  a  n  d  1  u  n  g  geschieht  mit  altbewÀhrtem  Er- 
folge z.  B.  durch  physikalische  Maßnahmen,  wie  BĂ€der  ver- 
schiedenster Art,  WĂ€rme,  Gymnastik  und  Massage.  In  der 
dadurch  erreichten  Anregung  und  StÀrkung  der  Lebenskraft 
aller  Körperzellen  liegt  der  Wert  dieser  Heilfaktoren  auch 
bei  anderen  SchwÀchezutÀnden,  insbesondere  bei  Nieren- 
und  Herzkrankheiten. 

Die  entzĂŒndlichen  Oedeme  unterscheiden  sich  somit  von 
den  SchwÀche-Oedemen  auch  hinsichtlich  der  erforderlichen 
Behandlung.  Die  entzĂŒndlichen  Lymphstauungen,  Oedeme 
wie  ErgĂŒsse  in  seröse  Höhlen,  verlangen  zwar  auch  BegĂŒn- 
stigung des  Lymphabflusses,  aber  gleichzeitig  Ruhe  und 
Herabsetzung  der  gesteigerten  ZelltĂ€tigkeit.  Die  EntzĂŒn- 
dungs-Oedeme sind  h  y  p  e  r  s  e  k  r  e  t  o  r  i  s  c  h  e  ,  die 
S  c  h  w  À  c  h  e  -  O  e  d  e  m  e  dagegen  hypomotorische 
L  y  m  p  h  s  t  a  u  u  n  g  e  n.  E^s  erscheint  daher  nicht  unbe- 
rechtigt, daß  manche  Forscher  und  Aerzte  beide  Arten  auch 
durch  ihre  Benennung  linterschieden  wissen  wollen,  und  die 
Bezeichnungen  Wassersucht,  Hydrops  und  Oedem  auf  die 
asthenischen  Lymphstauungen  beschrÀnken,  die  wir  jetzt 
als  auf  ĂŒbermĂ€ĂŸiger  Verminderung  der  ZelltĂ€tigkeit  und  des 
osmotischen  Zelldruckes  beruhend  nachgewiesen  haben. 

Es  trifft  aber  nicht  zu,  wenn  Langerhans17)  angibt, 
daß  nur  bei  jedem  „wahren",  d.  h.  asthenischen,  „Hydrops 
die  wĂ€sserige  FlĂŒssigkeit  als  solche  aus  den  zirkulierenden 
SĂ€ften  abgeschieden"  wird.  Denn  einerseits  ist  auch  bei  den 
SchwĂ€che-Oedemen  die  gestaute  GewebsflĂŒssigkeit  mit  Aus- 
scheidungen der  noch  tÀtigen  Gewebszellen  vermischt,  an- 
dererseits wird  auch  bei  den  EntzĂŒndungs-Oedemen  die 
wĂ€sserige  FlĂŒssigkeit  als  solche  aus  den  zirkulierenden 
SĂ€ften  in  vermehrter  Menge  allgeschieden.  Der  Unter- 
s  c  h  i  e  d  liegt  vielmehr  darin,  daß  bei  den  h  ypersek  r  e  - 
t  o  r  i  s  c  h  e  n  Hydropsien  die  Blutstoffe  von  den  G  e  w  e  b  s  - 
zellen  vermehrt  und  verstÀrkt  angesaugt  werden,  bei 
den  hypomotori  sehen  dagegen  zumeist  aus  dem 
Blute  vermehrt  und  verstĂ€rkt  herausgedrĂŒckt  wer- 
den: bei  jenem  liegt' die  causa  movens  in  der  gesteiger- 
ten Saugkraft  der  Gewebszellen,  bei  diesen, 
wenn  auch  keineswegs  immer,  in  dem  e  r  höht  e  n 
D  ruck  d  es  Blutes.  In  beiden  FĂ€llen  a  b  e  i 
ist  die  gemeinsame,  primÀre  Ursache 
gegeben  durch  die  —  gesteigerte  oder  ge- 
schwĂ€chte —  LebenstĂ€tigkeit  d  e  r  Gewebs- 
zelle n. 

Eine  besondere  Stellung  scheinen  die  toxisch  e  n 
O  e  d  e  m  e  einzunehmen.  Diese  sind  die  Folgen  von  Zell- 
SchÀdigungen  sowohl  durch  körperfremde,  exogene 
Gifte  als  auch  durch  endogene,  im  Körper  selbst  entstan- 
dene, wie  z.  B.  die  HarnsÀure.  Diese  spezifische  ZellschÀdi- 
gung kann  nun  sowohl  mit  einer  Steigerung  als  auch 
mit  einer  Herabsetzung  der  LebenstÀtigkeit  und 
Lymphbildung  der  betroffenen  Gewebszellen  verbunden  sein. 
Die  toxischen  Lymphstauungen  können  daher  sowohl  als 
hypersekretorische  wie  auch  als  hypomotorische  Oedeme  auf- 
treten. Ihre  Lokalisation  ist  teils  eine  rein  zufÀllige, 
wie  bei  Insektenstichen,  teils  beruht  sie  auf  einer  spezifischen 


10.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


Bösser:  Impfschutz 


61.") 


K  in  p  f  Ă€  n  g  1  i  c  h  k  o  i  t  (als  „innerer  Ursache")  gewisser 
Organzellon  fĂŒr  gewisse  Gifte.  So  bevorzugen  die  Gifte  der 
santheniatischen  Hautkrankheiten  das  Hautgewebe,  andere 
ie  Nieren  usw.  Infolgedessen  ist  die  Entstehung  der 
oxisehen  Oedeme  grundsÀtzlich  unabhÀngig  von  der 
'chwerkraft,  wie  es  u.  a.  die  „flĂŒchtigen"  Oedeme  bei 
ierenleiden  zeigen,  deren  Ursache  in  der  örtlichen  Gift- 
irkung  zurĂŒckgehaltener  Harnstoffe  l>csteht.  Dagegen  sind 
ie  spÀter  auftretenden  Oedeme  bei  vorgeschrittener  Erkran- 
ung  der  Nieren  asthenische  Oedeme  als  Ausdruck  und 
olge  der  gleichzeitig  I>estehenden  allgemeinen  Zell  - 
wache. 

Da    nun    die     toxischen    Oedeme     sowohl  hyper- 
retorischer  als  auch  hypomotorisclier  Art  sein  können, 
erhebt     sich     die     Frage,     ob    nicht     (außer  den 
in    mechanischen)    alle    Hydropsien  toxischer 
atur    sind.     FĂŒr    die    positive    Entscheidung  dieser 
rage     spricht    die    Tatsache,    daß    einfache  Inanition 
ohl  zu  einer   allgemeinen  ZellschwÀche   und    sogar  zum 
ode  fĂŒhren  kann,  aber  nicht  mit  Wassersucht  verbunden 
t.18)    Ferner  liegen  bei  allen  entzĂŒndliehen  Oedemen  Gift- 
irkungen  vor,  und  auch  bei  den  SchwÀche-Oedemen  sind 
ohl    stets     irgendwelche    ZellschÀdigungen    oder  Stoff- 
echselstörungen  vorhanden,  wie  z.  B.  DurchlÀssigkeit  der 
apillarwandungen  bei  Hypertonie  und  venöser  Stauung  der 
erzkranken,  mangelhafte  Beschaffenheit  und  Zusammen - 
tzung  des  Blutes  bei  den  Dysaemischen,  zurĂŒckgehaltene 
arhfÀhige  Stoffe  bei  Nierenleiden  usw. 

Alle  Hydropsien  beruhen  unmittelbar  auf  einer 
chÀdigung  einer  funetio  laesa,  derjenigen  Ge- 
ebszellen,  die  dicht  vor  dem  Abflußhindernis,  also  im 
tauungsgebiet,  liegen.  Insofern  neben  der  ZellverÀnderung 
uch  eine  ĂŒbermĂ€ĂŸige  Steigerung  der  ZelltĂ€tigkeit  durch 
ie  wirksame  Ursache  ausgelöst  wird,  entsteht  das  hyper- 
kretorische  Oedern;  ist  die  ZellverÀnderung  jedoch  mit  einer 
heblichen  ZellschwÀchung  und  Herabsetzung  des  Sekre- 
onsdruckes  verbunden,  dann  entsteht  das  asthenische,  hypo- 
otorische  Oedem. 

Bei  örtlicher  BeschrÀnkung  des  SchwÀchezustandes 
treten  die  asthenischen  Oedeme  örtlich  begrenzt  auf,  bei 
Ă¶ĂŸerer  Ausdehnung  des  geschwĂ€chten  Gebietes,  z.  B.  an 
em  gelÀhmten  Glied,  und  bei  allgemeiner  ZellschwÀche 
ginnt  die  Hydropsie  in  den  tiefstgelegenen  Geweben,  weil 
rt  die  Lymphe  bei  sonst  gleichen  physiologischen  Wider- 
stÀnden zuerst  nicht  mehr  entgegen  der  Schwere  in  die  ab- 
leitenden LymphgefĂ€ĂŸe  emporgedrĂŒckt  werden  kann. 

In  Verbindung  mit  herabgesetzter  LeistungsfÀhigkeit 
des  Körpers  kennzeichnen  die  Lymphstauungen,  Oedeme 
und  freie  hydropische  ErgĂŒsse,  die  allgemeine  Zell- 
schwÀche  als  einen  besonderen  ,Krankheits- 
ii  st  and,  der  den  verschiedensten  Krankheiten  wie  Blut- 
mut, Nierenleiden,  Kreislaufstörungen,  Infeklionskrank- 
iten,  Krebs  usw.  aufgepfropft  sein  kann  und  wegen  seiner 
ist  sehr  ernsten  Bedeutung  eine  besondere,  seiner  Ent- 
tehung  entsprechende,  ursÀchliche  Behandlung 
erfordert.  Die  Wassersucht  ist  die  Folge  und  der  Ausdruck 
einer  allgemeinen  ZellschwÀche,  sie  wird  daher  geheilt  oder 
gebessert  nur  durch  eine  allgemeine  ZellkrÀfti- 
gung:  durch  Begeneration  der  Zellsubstanz  und  Aktivie- 
rung der  Zellfunktion  zur  Steigerung  des  osmotischen  und 
sekretorischen  Zelldruckes  als  Ursache  fĂŒr  die  Lvmph- 
bewegung. 

Literatur. 

1.  Landois-Rosemann.    Lehrbuch    der    Physiologie  des 
Menschen.    16.  Aufl.,  1919,  S.  336. 

2.  R.  LangerJians,  Grundriß  der  pathologischen  Anatomie. 
1896,  Seite  68. 

f  Landois-Rosemann,  Physiologie,  Seite  335. 

4.  Herausgegehen  von  A.  Eulenburg,  3.  Aufl..  1897.  14.  Bd.. 
Seite  185.    Abhandlung  ĂŒber  die  Lymphe. 

5.  Landois-Rosemann,  Seite  332. 

6.  Eulen  bĂŒrg,  RealenzyklopĂ€die,  1896.  Bd.  11,  Seite  130. 

7.  Landois-Rosemann,  Seite  334. 

8.  Die  physikalische  Chemie  in  der  inneren  Medizin.  Leipzig, 
Stemkopf,  1921,  Seite  165. 


9.   Maedicke,  Ueber  Scheintod,  Leben  und  Tod.   Ein  Beitrag 
zur  Lehre  vom  Leben  und  von  der  Wiederbelebung.  Medizi 
niseh-biologischcr  Verlag  von  End]  Pah]  in  Dresden.  1922. 

10.  L  a  ndoi  s  -  R  o  s  e  n  a  n  n,  Seile  332. 

11.  Seh  ade.  Seile  165. 

12.  Scha  de,  Seite  96. 

13.  L  a  n  d  o  i  s  -  R  o  s  e  m  a  n  n.  Seite  333. 

14.  Ilaedicke,  Ueber  Scheintod  usw. 

15.  L  a  ndoi  s- Ro  se  m  a  n  n,  Seite  333. 

16.  Hnedickc,  Leber  Krankheil  und  die  drei  Krankheit« 
Ursachen.  —  Der  praktische  Arzt.  Beperlorium  der  prakti- 
schen Medizin.  Herausgeber:  I)  Jankau  in  Planegg  bei  MĂŒn- 
chen. Nr.  8/9  vom  April  1922. 

18.  Pathologische  Anatomie.  Seile  08. 

19.  Nach    Samuel.     Euleniburgs    Real-EnzyklopÀdie,    Band  XI. 
Seite  129. 


Wie  lange  dauert  der  Impfschutz? 

Von  Dr.  med.  Friedrich  Bösser  in  Hannover. 

Durch  das  sogenannte  J  e  n  n  e  r  sehe  Experiment  —  erst 
Kuhpockenimpfung,  dann  nach  einigen  Wochen  oder  Monaten 
Inokulationsversuch  mit  echtem  Pockenvirus  —  wurde  zu- 
nÀchst nur  eine  Mindest-  Schutzdauer  derselben  Wo- 
chen- und  Monatszahl  erwiesen.  Auf  die  Frage  nach  der 
Dauerhaftigkeit  dieses  Zustandes  hat  uns  dieses  berĂŒhmte  Ex- 
periment, wenn  auch  hundert-  und  tausendfach  noch  zu 
I  e  n  n  e  r  s  Zeiten  nachgemacht,  keine  Antwort  gegeben.  Man 
hielt  es  eben  damals,  unter  dem  suggestiven  Einfluß  der  J  e  n  - 
ner  sehen  Idee  lebenslĂ€nglicher  ImmunitĂ€t,  garnicht  fĂŒr  nö- 
tig, das  Experiment  auch  in  grĂ¶ĂŸeren  als  mehrmonatlichen 
ZwischenrÀumen,  etwa  jÀhrlich  oder  alle  paar  Jahre  an  ein  und 
demselben  Impfling  zu  wiederholen.  SpÀter  aber,  als  die 
Jahre  der  EnttÀuschung  kamen  und  die  anfÀngliche  Begeiste- 
rung einer  kritischen  ErnĂŒchterung  Platz  gemacht  hatte,  da 
fand  wohl  niemand  mehr  den  Mut  zu  solcher  NachprĂŒ- 
fung, ganz  abgesehen  davon,  daß  inzwischen  in  den  meisten 
europÀischen  LÀndern  die  Inokulation  streng  untersagt  worden 
war.  Zugleich  aber  bot  sich  in  der  Wiederimpfung  mit 
Vaccine  ein  scheinbar  sicherer,  jedenfalls  ziemlich  ungefÀhr- 
licher Weg  zu  demselben  Ziel,  und  so  trat  allmÀhlich  an  die 
Stelle  des  J  e  n  n  e  r  sehen  Axioms  vom  lebenslÀnglichen  Impf- 
schutz die  neue,  jetzt  noch  herrschende  Lehre  von  der  ca. 
zehnjÀhrigen  Schutzdauer. 

Gegen  beide  experimentelle  Methoden  —  Inokulation  und 
Revaccination  —  kann  aber  eingewendet  werden,  daß  sie  die 
natĂŒrliche  Resistenz  (H.  Buchner,  1894)1)  ganz 
außer  Acht  gelassen  haben,  die,  bald  steigend,  bald  sinkend, 
bald  garnicht  vorhanden,  bald  sehr  ausgesprochen,  jedenfalls 
dauernd  in  den  kĂŒnstlich  erzeugten  ImmunitĂ€tszustand  hinein- 
spielt, ihn  verstÀrkt,  ihn  abschwÀcht,  insbesondere  auch  ihn 
nach  seinem  Ablauf  noch  vortÀuscht  und  so  den  nach  klaren 
unzweideutigen  Ergebnissen  strebenden  Experimentator  be- 
harrlich in  die  Irre  fĂŒhrt. 

Die  natĂŒrliche  Resistenz  gegen  Pocken  und  Vaccine  tritt 
uns  nun  entweder  als  absolute  oder  als  temporÀre 
ImmunitĂ€t  entgegen.  Einige  große  Ärzte  der  Vor-Impf- 
zeit,  wie  Boerhave,  Morgagni  und  Diemer- 
b  r  o  e  c  k  erfreuten  sich  der  ersteren.  J  e  n  n  e  r  s  Söhnchen 
Robert  erwies  sich  im  Alter  von  1 1  Monaten  als  immun  gegen 
Vaccine,  spÀter  aber  als  nicht  immun  gee-en  Inokulation.  Bei 
manch  einem  ist  in  der  Vor-Impfzeit  wiederum  die  Inokulation 
erfolglos  geblieben,  der  aber  dann  spÀter  doch  an  den  Pocken 
erkrankte  (Gregory,  1845).  „Ähnliche  Beobachtungen 
machte  man  auch  neuerdings  noch  wiederholt  bei  ungeimpft 
gebliebenen  Personen;  sie  lassen  sich  ohne  die  Annahme  einer 
temporĂ€ren  ImmunitĂ€t  fĂŒglich  nicht  erklĂ€ren.  FĂŒr  vaccinierte 
und  namentlich  fĂŒr  revaccinierte  Personen  lĂ€ĂŸt  sich  der  ana- 
loge Beweis  weniger  strikt  fĂŒhren,  da  die  Schutzkraft  der 
Vaccine  leider  keine  einheitliche,  genau  bestimmbare  Dauer  be- 
sitzt. Immerhin  scheint  festzustehen,  daß  auch  außerhalb  der 
annehmbaren  Grenzen  des  möglichen  Impfschutzes  (und  so- 
mit unabhÀngig  von  diesem)  ZustÀnde  von  tempo- 
rÀrer ImmunitÀt  existieren,  welche  das  betreffende  Individuum 
zur  gegebenen  Zeit  vor  Ansteckung  sicherstellen.   Insoweit  es 


Stern:  Kalzan 


40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


sich  nun  hier  nicht  um  sonstwie  kranke  ,  son- 
dern um  gesunde  Personen  handelt,  entzieht  sich  die  betref- 
fende Erscheinung  vorderhand  noch  gÀnzlich  unserem  Ver- 
stÀndnis." (Immermann,  1896)2).  Dieses  eine  Zitat,  leicht 
verzehnfachbar,  möge  an  dieser  Stelle  genĂŒgen  zum  Beweise, 
daß  Revaccination  wegen  des  Hineinspielens  der  natĂŒrlichen 
Resistenz  keine  strenge  Beweiskraft  fĂŒr  die  Impfschutzdauer 
besitzt. 

Ich  will  nun  in  Folgendem  versuchen,  die  Frage  nach  der 
Dauer  des  Impfschutzes  auf  einem  anderen  Wege  zu  lösen,  so- 
zusagen philologisch-textkritisch,  indem  ich  an  der  Hand  von 
J  e  n  n  e  r  s  eigenen  AusfĂŒhrungen  zu  ermitteln  suche,  w  i  e 
lange  denn  eigentlich  eine  natĂŒrliche  Kuh- 
pocken e  r  k  r  a  n  k  u  n  g  gegen  eine  ebensolche 
Zweiterkrankung  Schutz  verleiht.  Zwar  hat 
J  e  n  n  e  r  bekanntlich  gelehrt,  „der  Körper  sei  stets  zum  febri- 
len Angriff  der  Kuhpocken  disponiert  .  .  .  der  menschliche 
Körper  sei  jederzeit  in  der  Lage,  den  fieberhaften  Anprall  der 
Kuhpocken  zu  empfinden"  (S.  36  der  „Untersuchung  .  .  .") 
—  indes,  wenn  man  genau  hinsieht,  auf  Grund  welcher  Tat- 
sachen denn  J  e  n  n  e  r  zu  diesem  „stets"  und  „jederzeit"  ge- 
kommen ist,  so  bemerkt  man  mit  Verwunderung,  daß  diese 
beiden  Zeitbestimmungen  sich  auf  einen  Zeitraum  von 
drei  Jahren  beziehen!  In  seinem  9.  Fall  (S.  18  der  F  o  s  s  e  1  - 
sehen  Übersetzung)3)  erzĂ€hlt  uns  J  e  n  n  e  r  nĂ€mlich  die  Kran- 
kengeschichte des  Pferdeknechtes  Wilhelm  Smith  aus  Pyrton; 
dieser  zog  sich  zuerst  im  Jahre  1780  die  natĂŒrlichen  Kuh- 
pocken zu;  elf  Jahre  spÀter,  im  Jahre  1791  bekam  er  die 
Krankheit  zum  zweiten  Male  und  nach  kaum  drei  Jahren, 
1794  zum  dritten  Male!  Alle  drei  Kuhpockenerkrankungen 
verliefen  gleichmĂ€ĂŸig  schwer,  wie  Jen  n  er  ausdrĂŒcklich 
hervorhebt;  die  Vaccine-ImmunitĂ€t  muß  also  jedesmal  voll- 
stĂ€ndig erloschen  gewesen  sein,  und  eine  temporĂ€re  natĂŒr- 
liche ImmunitÀt  kann  hier  auf  keinen  Fall,  die  Unzweideutig- 
keit  der  Sache  störend,  dazwischen  gekommen  sein.  Mithin 
haben  also  die  Kuhpocken  in  diesem  9.  Fall 
Jenners  einen  höchstens  dreijÀhrigen 
Schutz  gegen  ihr  eigenes  Virus  gewĂ€hrt!  — 
An  einer  spÀteren  Stelle  kommt  J  e  n  n  e  r  noch  einmal  auf  die- 
sen Fall  zurĂŒck,  indem  er  als  angeblich  analogen  Fall  den  der 
bejahrten  Kuhmagd  Elisabeth  Wynne  anfĂŒhrt,  die  bereits  im 
Jahre  1759  die  Kuhpockeh  durchgemacht  und  sie  gleichwohl 
3  9  Jahre  spÀter,  1798,  zum  zweiten  Male  bekommen  habe! 
Diese  naive  Verwunderung  beleuchtet  uns  J  e  n  n  e  r  s  Vorstel- 
lungen von  ImmunitÀt  aufs  deutlichste:  er  glaubte  fest  an  das 
uralte  ,  der  arabischen  Medizin  entstammende  Dogma  vom 
lebenslĂ€nglichen  Schutz  durch  Überstehen  der  natĂŒrlichen 
Pocken,  er  glaubte  nicht  minder  fest  an  sein  eigenes  neues 
Dogma  vom  lebenslĂ€nglichen  Pockenschutz  durch  Überstehen 
der  natĂŒrlichen  oder  der  kĂŒnstlichen  Kuhpocken,  und  da 
mußte  es  ihm  gewiß  höchst  seltsam  vorkommen,  daß  die  Kuh- 
pocken nicht  auch  gegen  Kuhpocken  einen  lebenslÀnglichen 
Schutz  hinterließen;  es  ist  auffallend,  so  sagt  er  a.  a.  O.  S.  30, 
daß  das  Kuhpockengift,  obzwar  es  den  Körper  gegen  die  Blat- 
tern unempfÀnglich  macht,  ihn  nichtsdestoweniger  in  Bezie- 
hung auf  seine  eigene  Wirkung  ungeĂ€ndert  belĂ€ĂŸt.  Unter  Immu- 
nitÀt verstand  also  J  e  n  n  e  r  lediglich  einen  lebenslÀnglichen 
Zustand;  es  kam  ihm  garnicht  in  den  Sinn,  daß  ImmunitĂ€t 
schon  nach  wenigen  Jahren  erlöschen  könne.  Folglich  sprach 
er  also  den  Kuhpocken  jegliche  immunisierende  Kraft  gegen 
ihr  eigenes  Virus  ab  und  erklĂ€rte  kurz  und  bĂŒndig,  man  könne 
„jederzeit"  und  „stets"  die  Kuhpocken  bekommen  und  mit 
Vaccine  erfolgreich  geimpft  werden.  Der  dreißig  Jahre  lang 
beharrlich  verfolgten  Lieblingsidee  zu  Gefallen  erfand  also 
J  e  n  n  e  r  einen  garnicht  vorhandenen  Gegensatz  zwischen 
Verlauf  und  Wirkung  der  beiden  Infektionskrankheiten,  einen 
Gegensatz,  den  wir  heutzutage  schon  deshalb  ablehnen  mĂŒs- 
sen, weil  wir  nicht  mehr  wie  J  e  n  n  e  r  die  Kuhpocken  auf  die 
Mauke  der  Pferde  zurĂŒckfĂŒhren,  vielmehr  bestimmt  wissen, 
daß  Kuhpocken  nichts  anderes  als  eine  abgeschwĂ€chte  Form 
der  Menschenpocken  sind. 

SchĂŒtzt  nun  aber  das  abgeschwĂ€chte  Virus  gegen  sich 
selbst  kaum  drei  Jahre,  so  wird  der  von  ihm  gegenĂŒber  dem 


stĂ€rkeren  Virus  ausgeĂŒbte  Schutz  auf  keinen  Fall  von  lĂ€ngerer, 
sondern  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  von  weit  kĂŒrzerer 
Dauer  sein,  und  deshalb  dĂŒrfteman  derWahrheit 
ziemlich  nahekommen,  wenn  man  den  direk- 
ten Pockenschutz  der  Vaccination  und  Re- 
vaccination höchstens  auf  je  2 — 3  Jahre  ver- 
anschlagt, wie  denn  auch  gerade  nach  dieser  Zeit  wieder- 
holt Zweiterkrankungen  an  Pocken  bestimmt  vorgekommen 
sind.    (Heinr.  Curschmann,  1874).4) 

Literatur. 

*)  H.  Buchner,  „Über  die  natĂŒrlichen  HilfskrĂ€fte  des  Organis- 
mus gegenĂŒber  den  Krankheitserregern",  MĂŒnch.  Mediz.  Wochenschrift 
Nr.  30,  1894,  und  „Neuere  Fortschritte  in  der  ImmunitĂ€tsfrage",  ebenda, 
Nr.  25.  —  -')  Spezielle  Pathologie  und  Therapie,  hrsg.  von  Noth- 
nagel, 1896,  IV.  Bd.,  IV.  Teil.  Variola  (inclusive  Vaccination),  Seite 
13.  —  3)  Klassiker  der  Medicin,  hrsg.  von  Sud  hoff,  1911,  Band  10: 
Edward  Jenners  Untersuchung  ĂŒber  die  Ursachen  und  Wirkun- 
gen der  Kuhpocken.  Übersetzt  und  eingeleitet  von  Prof.  Dr.  Viktor 
Fossel.  —  4)  Handbuch  der  Speziellen  Pathologie  und  Therapie, 
hrsg.  von  Ziemssen,  1874,  II.  Bd.  (Handb.  d.  akut.  Infekttonskrankh., 
II.  Teil),  Seite  309. 


Aus  dem  Kreiskrankenhause  zu  Bernau  bei  Berlin. 

Beitrag  zur  Wirkung  des  „Kalzans" 

Von  San.-Rat  Dr.  Curt  Stern,  Chefarzt. 

Die  Kalk  zufuhr  sowie  die  Kalk  r  e  t  e  n  t  i  o  n  hÀngen 
zum  großen  Teil  von  den  genossenen  Nahrungsmitteln  ab. 
Ist  sowohl  die  Zufuhr  wie  die  Retention  oder  eins  von  den 
beiden  zu  gering,  so  kommt  es  durch  Kalkverlust  zu  einer  Er- 
krankung des  Organismus,  so  zu  Diabetes,  Rachitis  und  Tu- 
berkulosekrankheiten, bei  denen  der  absolute  wie  relative  Kalk- 
gehalt der  Knochen  und  Weichteile  abnimmt,  besonders  durch 
die  hÀufig  eintretende  Acidosis.  Es  ist  daher  leicht  erklÀrlich, 
daß  sehr  oft  sowohl  dem  noch  gesunden,  als  auch  besonders 
dem  schon  erkrankten  Organismus,  besonders  jetzt,  bei  der 
vorhandenen  Milchknappheit,  kĂŒnstliche  Kalksalze  zugefĂŒhrt 
werden  mĂŒssen,  um  das  notwendige  Kalk-MagnesiaverhĂ€ltnis 
im  Organismus  herzustellen.  Bei  der  Zufuhr  von  Kalk  kommt 
es  aber  vor  allem  auch  darauf  an,  dass  dieser  wirklich  re- 
tiniert  und  nicht  sofort  wieder  ausgeschieden  wird.  Ein 
PrĂ€parat,  welches  diese  Bedingungen  erfĂŒllt,  d.  h.  so- 
wohl die  Kalkzufuhr  erhöht  als  auch  die  Kalkretention  för- 
dert, sind  die  nach  den  Vorschriften  von  Emmerich  und 
Loew  hergestellten  „Kalzan"-Tabletten  (Hersteller:  Chem. 
Fabrik  Johann  A.  WĂŒlfing,  Berlin),  welche  ein  Doppel- 
salz aus  milchsaurem  Kalk  und  milchsaurem  Natron  dar- 
stellen. Ich  habe  im  letzten  halben  Jahre  dieses  PrÀparat  sor 
wohl  klinisch  als  auch  poliklinisch  zu  ^erproben  Gelegenheit 
gehabt  und  bin  mit  dem  Resultate  im  Großen  und  Ganzen 
zufrieden.  Gleich  hier  möchte  ich  hervorheben,  daß  ich  nie- 
mals, bei  noch  so  langer  Darreichung,  die  sich  bei  den  ein- 
zelnen Patienten  ĂŒber  5  Monate  erstreckte,  irgendwelche 
SchÀdigungen  sah;  es  traten  niemals  Magen-Darmstörungen 
oder  Nierenreizungen  ein;  das  PrÀparat  wurde  auch  von  Kin- 
dern gern  genommen.  Die  Patienten  verlangten  oft  selbst 
nach  dem  „Kalzan",  da  sie  sich  bei  dem  Genuß  des  PrĂ€parates 
meist  wohler  und  krĂ€ftiger  fĂŒhlten. 

ZunĂ€chst  habe  ich  „Kalzan"  oft  Monate  lang  bei  Lun- 
gentuberkulose angewendet,  und  zwar  oft  mit  un- 
zweifelhaft gutem  Erfolge.  Es  ist  selbstverstÀndlicherweise 
kein  Spezifikum,  ist  aber  neben  der  Anwendung  der  ĂŒblichen, 
teils  physikalisch-diÀtetischen,  teils  spezifischen  Heilmethode 
sicherlich  oft  mit  die  Veranlassung  zu  dem  gĂŒnstigen  Resultate 
gewesen.  Eine  ErklĂ€rung  der  Wirksamkeit  des  „Kalzans"  bei 
der  Tuberkulose  sehe  ich  mit  Gumpert  darin,  daß  die  Tu- 
berkulösen an  einer  Kalkarmut  der  Weichteile,  besonders  der 
Lungen  leiden,  und  daß  diese  Kalkarmut  durch  die  Darrei- 
chung von  „Kalzan"  gebessert  wird.  Oft  hat  sich  der  Appetit 
gehoben,  das  Fieber  ist  zurĂŒckgegangen,  das  Allgemeinbefin- 
den hat  sich  gebessert.  Ich  habe  bei  Darreichung  von  Kalzan 
erhebliche  Gewichtszunahmen  erzielt. 


40.  Jahrg. —  Nr.  31/32. 


Dreuw:  Pravaznadeln  im  Unterhautzellgewebe. 


5K 


Ganz  besonders  möchte  ich  aber  hier  zwei  Symptome 
hervorheben,  gegen  die  das  Kalzan  geradezu  hervorragende 
Dienste  geleistet  hat,  nĂ€mlich  die  quĂ€lenden  Nachtschweiße 
und  die  HĂ€moptoe.  Ob  das  Kalzan  die  Schweißsekretion 
durch  Beeinflussung  der  peripheren  Nerven  oder  des  in  der 
Medulla  gelegenen  Schweißzentrums  oder  indirekt  durch  eine 
allgemeine  KrÀftigung  des  Körpers  hemmt,  ist  schwer  zu  sa- 
uen, fast  möchte  ich  mich  zu  der  ersten  Ansicht  bekennen,  weil 
die  Wirkung  oft  schon  nach  zwei-  bis  dreitÀgiger  Darreichung 
auftrat.  Es  sei  mir  gestattet,  hier  eine  kurze  Krankengeschichte 
anzufĂŒhren,  aus  der  die  Wirkung  besonders  klar  hervorgeht. 

Frau  K.,  21  Jahre  alt,  leidet  seit  7  Jahren  an  doppelseiti- 
ger Lungen-  und  seit  3  Jahren  auch  an  Kehlkopf  tuberkulöse. 
Im  Auswurf  zahlreiche  Tbc.  Patientin  ist  körperlich  sehr  her- 
untergekommen, abendliche  Temperatursteigerungen  bis  38,5 
Grad.  QuĂ€lender  Husten.  Nachtschweiße  sind  so  stark,  daß 
Patientin  in  der  Nacht  stets  das  Hemd  wechseln  muß.  Kalte 
Abreibungen,  Einpuderungen  mit  Salicyltalkum,  Darreichung 
von  Atropin  ohne  Erfolg.  Am  vierten  Tage  nach  Aufnahme 
in  das  Krankenhaus  nachmittags  und  abends  je  zwei  Kalzan- 
Tabletten.  Am  dritten  Tage  dieser  Verordnung  Nachlassen, 
am  fĂŒnften  Tage  vollstĂ€ndiges  Schwinden  des  Schweißes. 
Nach  vierzehn  Tagen  nur  noch  abends  zwei  Tabletten,  die 
Schweiße  bleiben  fort,  nach  weiteren  vierzehn  Tagen  kein 
Kalzan  mehr.  Schweiße  bleiben  fort,  stellen  sich  aber  wĂ€h- 
rend der  Menses  in  geringem  Grade  wieder  ein.  Nach  Dar- 
reichung von  zwei  Tabletten  des  abends  sofortiges  Wiederver- 
schwinden der  Schweiße.  Seitdem  werden  dauernd  —  jetzt 
schon  zweieinhalb  Monate  lang  abends  zwei  Tabletten  ge- 
geben, die  Schweiße  bleiben  fort.  Patientin  kann  nachts 
schlafen. 

Die  Wirkung  bei  HÀmoptoe  ist  wohl  auf  die  Erhöhung 
der  GerinnungsfĂ€higkeit  des  Blutes  durch  Kalksalze  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren. Ich  kann  mich  hier  der  Ansicht  von  Klare  durchaus 
anschließen,  der  die  Anwendung  des  Kalzans  bei  HĂ€moptoe 
dringend  empfiehlt.  Als  Beispiel  gelte  folgender  Fall:  Ida  F., 
18  Jahre  alt,  DĂ€mpfung  der  rechten  Lungenspitze  vorn  bis  zum 
nteren  Rand  der  zweiten  Rippe,  hinten  bis  an  die  Schulter- 
lattgrÀte. Im  Bereich  der  DÀmpfung  feinblasige  Rasselge- 
rÀusche. Im  Auswurf  Tbc.  Am  25.  4.  HÀmoptoe,  etwa  eine 
Spuckflasche  voll,  Temperatur  38,4  Grad.  Therapie:  Bettruhe, 
Eisblase.  Drei  mal  tÀglich  zwei  Kalzan-Tabletten.  In  der 
Nacht  noch  etwas  Blut,  am  anderen  Tage  Sputum  noch  mit 
blutigen  Streifen  durchzogen,  am  nÀchsten  Tage  blutfrei.  Pa- 
tientin erhÀlt  von  nun  an  tÀglich  zweimal  je  zwei  Kalzan-Ta- 
bletten, es  treten  keine  Blutungen  mehr  auf,  Temperatur  nor- 
mal, Allgemeinbefinden  gut.  Patientin  wird  am  10.  6.  als  ar- 
beitsfÀhig entlassen. 

Auch  bei  skrophulösen  Kindern  hat  mir  das  Kalzan  oft 
sehr  gute  Dienste  geleistet.  Besonders  bei  den  schlechten. Er- 
nÀhrungsverhÀltnissen scheint  es  mir  geboten,  Kindern  Kal- 
zan zu  geben;  ich  habe  bei  Kindern,  denen  ich  monatelang 
erst  tĂ€glich  sechs,  dann  vier  Tabletten  gab,  ein  ZurĂŒckgehen 
der  DrĂŒsenschwellung,  der  Augen-  und  NasenentzĂŒndung  und 
eine  Erhöhung  des  Körpergewichtes  eintreten  sehen. 

Nach  der  Empfehlung  von  W  e  i  c  k  s  e  1  habe  ich  im 
etzten  halben  Jahre  vier  FĂ€lle  von  Asthma  bronchiale  außer 
mit  Einspritzungen  von  Adrenalinlösungen  und  strenger  DiÀt 
auch  mit  großen  Dosen  Kalzan  behandelt  und  habe  in  drei 
FĂ€llen  gute  Erfolge  erzielt.  Ich  habe  in  den  ersten  vierzehn 
Tagen  nach  Aufnahme  in  das  Krankenhaus  tÀglich  je  acht 
Tabletten  Kalzan  gegeben  und  bin  allmÀhlich  bis  auf  tÀglich 
zwei  heruntergegangen.  Der  Erfolg  war  der,  daß  ein  Patient 
jetzt  seit  fĂŒnf  Monaten  anfallsfrei  ist,  wĂ€hrend  er  frĂŒher  min- 
destens einmal  in  jeder  Woche  von  ĂŒberaus  heftigen  AnfĂ€llen 
geplagt  wurde.  Bei  den  anderen  beiden  sind  die  AnfÀlle  jetzt 
drei  Monate  lang  ausgeblieben,  solange  sie  in  meiner  Behand- 
lung sind.  —  Daß  es  sich  bei  der  Kalktherapie  um  eine  KrĂ€fti- 
gung der  Zelle  und  so  des  Gesamtorganismus  handelt,  habe 
ich  bei  folgendem  Falle  gesehen: 

FrÀulein  Kr.,  24  Jahre  alt,  Buchhalterin,  kam  in  trost- 
losem  Zustande  in  das   Krankenhaus.     Patientin   war  so 


schwach,  daß  sie  von  zwei  Schwestern  in  das  Krankenhaus  ge- 
fĂŒhrt werden  mußte.  Die  Gesichtsfarbe  ist  auffallend  blaß, 
die  sichtbaren  SchleimhĂ€ute  fast  weiß.  Puls  120  in  der  Ruhe, 
unregelmĂ€ĂŸig,  oft  aussetzend.  Systolisches  GerĂ€usch  an  der 
Herzspitze,  sonst  innere  Organe  ohne  besonderen  Befund.  Zu- 
nÀchst Verdacht  auf  perniziöse  AnÀmie  oder  LeukÀmie,  der  sich 
aber  bei  mikroskopischer  Untersuchung  des  Blutes  nicht  be- 
stÀtigt. HÀmoglobingehalt  bei  der  Aufnahme  40,  Gewicht 
45  kg.  Patientin  wurde  frĂŒher  mit  Eisen-  und  ArsenprĂ€paraten 
ohne  Erfolg  behandelt.  Patientin  erhÀlt  neben  krÀftiger  Kost 
—  besonders  Milch  und  GemĂŒse  —  anfĂ€nglich  tĂ€glich  je  acht, 
dann  sechs,  in  den  letzten  vier  Wochen  je  vier  Kalzan-Ta- 
bletten. Nach  zweimonatigem  Aufenthalt  im  Krankenhaus  hat 
sich  das  Bild  geÀndert. 

Die  Kranke  macht  einen  besseren  Eindurck,  die  Gesichts- 
farbe ist  gesĂŒnder,  die  sichtbaren  SchleimhĂ€ute  sind  rosa.  Puls 
84  in  der  Ruhe,  regelmĂ€ĂŸig,  HĂ€moglobinp-ehalt  des  Blutes 
75,  Gewicht  53  Kilo.  Die  subjektiven  Beschwerden,  wie 
Kopfschmerzen,  die  große  KörperschwĂ€che  sind  zurĂŒckge- 
gangen.   Die  Patientin  wird  als  arbeitsfÀhig  entlassen. 

Hier  hat  die  erhöhte  Kalkzufuhr  zur  Erhöhung  des  HÀ- 
moglobingehaltes des  Blutes  beigetragen,  ferner  trat  die  auch 
schon  von  L  o  e  w  hervorgehobene  Wirkung  auf  die  Herz- 
nerven zu  Tage,  indem  ■  der  Vagus  als  Herzhemmer  so  ge- 
krĂ€ftigt wurde,  daß  das  lĂ€stige  Herzklopfen  nach  kurzer  Zeit 
verschwand.  —  Auch  fĂŒnf  FĂ€lle  von  Arteriosklerose  habe  ich 
erfolgreich  mit  Kalzan-Tabletten  behandelt.  Wie  B  e  r  t  h  o  1  d 
nachgewiesen  hat,  bedĂŒrfen  die  Arteriosklerotiker  einer  er- 
höhten Kalkzufuhr,  weil  sie  den  Kalk,  den  sie  zum  Schutze  der 
erkrankten  ArterienwÀnde  benötigen,  dem  Knochensystem 
entziehen.  Die  erhöhte  Kalkzufuhr  setzt  den  Blutdruck  herab, 
und  hierdurch  wird  wahrscheinlich  die  Besserung  erzielt. 

Herr  Kl.,  70  Jahre  alt,  leidet  an  schweren  AnfÀllen  von 
angina  pectoris,  die  besonders  beim  Gehen  eintreten.  Der 
zweite  Aortenton  ist  deutlich  klappend,  der  Radialpuls  drahtig, 
die  SchlÀfenarterie  stark  gewunden,  Blutdruck  145.  Dia- 
gnose: Arterienverkalkung,  besonders  auch  Verkalkung  der 
Herzkranzarterie.  Behandlungsweise:  Leichte  DiÀt,  wenig 
FlĂŒssigkeit,  beim  Einsetzen  der  AnfĂ€lle  von  angina  pectoris 
eine  Nitroglyzerin-Tablette  (Vi  mgr),  tÀglich  je  zwölf  Kalzan- 
Tabletten,  die  allmÀhlich  auf  sechs  herabgesetzt  werden.  Nach 
zweimonatiger  Behandlung  kann  Patient  als  „gebessert"  ent- 
lassen werden.  Blutdruck  130.  Die  Angina  pectoris-AnfÀlle 
sind  seltener,  kĂŒrzer  und  weniger  schmerzhaft  geworden. 

Kalzan  hat  mir  auch  bei  Rachitis  gute  Dienste  geleistet. 
Die  Kinder,  denen  ich  monatelang  dreimal  tÀglich  je  zwei  Kal- 
zan-Tabletten gab,  zeigten  eine  gesunde  Gesichtsfarbe,  das 
Körpergewicht  hob  sich,  das  Allgemeinbefinden  wurde  besser. 

ErwÀhnen  möchte  ich  noch  zwei  FÀlle  von  Hemicranie. 
Beiden  Patienten,  die  an  heftigen,  hÀufigen  AnfÀllen  litten, 
welche  durch  unsere  gewöhnlichen  Antipyretika  kaum  beein- 
flußt wurden,  zeigten  nach  vierwöchigem  Gebrauch  von  tĂ€g- 
lich acht,  dann  sechs  Kalzan-Tabletten  eine  bedeutende  Bes- 
serung. Die  AnfÀlle  traten  seltener  auf  und  waren  weniger 
heftig. 

Durch  Kalzan  wird  sowohl  die  Kalkzufuhr  gesteigert,  als 
auch  die  Kalkretention  gehoben.  Ich  möchte  nach  meinen  Er- 
fahrungen den  Kollegen  dringend  raten,  von  der  Kalk-Thera- 
pie noch  mehr  als  bisher  Gebrauch  zu  machen. 


Schutz  vor  dem  Verkriechen  etwa  abgebrochener 
Pravaznadeln  in  das  Unterhautzellgewebe. 

Von  Dr.  med.  D  r  eu  w  -  Berlin. 

Bei  den  Einspritzungen,  namentlich  in  die  GlutÀen  (Ein- 
spritzungen von  Quecksilber-  oder  anderen  Lösungen),  bei 
welchen  man,  um  die  Schmerzhaftigkeit  herabzusetzen,  die 
Nadel  mit  einer  gewissen  Wucht  und  Schnelligkeit  bis  an  das 
Ende  der  Nadel  ins  Gewebe  stĂ¶ĂŸt,  bricht  nicht  selten  die  Na- 
del dort  ab,  wo  sie  mit  dem  AnsatzstĂŒck  verlötet  ist.  Gelingt 
es  nicht,  den  nur  kurz  herausragenden  Teil  mit  der  Pinzette 


Standesfragen    und    soziale    Mediziu  10.  Jahrg.  —  Nr.  "3 1/32. 


zu  fassen,  so  sind  die  Folgen  fĂŒr  Arzt  und  Patient  gleich  un- 
angenehme. Um  dieses  Hineingleiten  der  abgebrochenen  Na- 
del  ins  Gewebe  zu  verhindern,  habe  ich  die  Firma  Agema 
(frĂŒher  L.  und  H.  Loewenslein)  beauftragt,  eine  Metallperle 
zu  fabrizieren,  in  dessen  Oeffnung  die  Nadel  sitzt.  Die  Me- 
tallperle wird  mittels  einer  seitlichen  kleinen  Schraube  gegen 
das  Ende  der  Nadel  festgeschraubt,  so  daß,  wenn  die  letztere 
an  der  Lötstelle  abbricht,  die  Metallperle  das  Eindringen  des 
herausragenden  Endes  in  das  Gewebe  verhindert.  Gegebenen- 
falls kann  die  Metallperle  auch  durch  eine  innere  Feder  fest- 
gehalten werden. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Reifezeugnisse  österreichischer  Lehranstalten. 

Durch  eine  ßekanntmachung  des  Reich sministers  des  In- 
nern vom  21.  11.  21.  wird  bestimmt,  daß  die  Reifezeugnisse  der 
österreichischen  Gymnasien  und  Realgymnasien  hinsichtlich  der 
Zulassung  zu  den  Hochschulstudien  ebenso  bewertet  werden,  w  ie 
die  der  deutschen  Gymnasien  und  Realgymnasien.  Das  gleiche 
gilt  in  Oesterreich  fĂŒr  die  Zulassung  der  Studierenden  fĂŒr  Reife- 
zeugnisse deutscher  Gymnasien  und  Realgymnasien. 

A  1  e  x  a  n  d  e  r. 


Abkommen  der  Berufsgenossenschaften  mit  Aerzten  und 
Krankenkassen. 

Das  wiederholt  angekĂŒndigte  und  doch  immer  nicht  vollendete 
Abkommen  zwischen  dem  Leipziger  VerbÀnde  und  dein 
VerbÀnde  der  Berufsgenossenschaften  scheint  nun  talsÀchlich  ge- 
schlossen zu  sein,  wenngleich,  wie  wir  hören,  ĂŒber  einige  Punkte 
des  Abkommens  Verhandlungen  noch  schweben.  Der  1.  Abschnitt 
ist  dazu  bestimmt,  die  Mitwirkung  der  Aerzte  bei  der  Ueber- 
nahme des  Heilverfahrens  durch  die  Berufsgenossenschaflcn  in 
den  ersten  13  Wochen  herbeizufĂŒhren.  Der  2.  Abschnitt  betrifft 
die  Berichte,  Zeugnisse  und  Gutachten.  Die  pĂŒnktliche  Erstattung, 
die  bisher  manches  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig  ließ  und  in  einzelnen 
FĂ€llen  das  Eingreifen  der  Aerztekammern  erforderte,  soll  in  Zu 
kunft  sichergestellt  werden.  Der  3.  Abschnitt  handelt  von  den 
GebĂŒhren.  Die  Preußische  GebĂŒhrenordnung,  soweit  sie  bis 
1.  April  besteht,  bestimmt  als  Höchstsatz  das  Dreifache  des 
Mindestsatzes  fĂŒr  die  Berufsgenossenschaften.  Vereinbart  isl  in 
dem  Abkommen  das  Doppelte  des  Mindestsatzes.  Hoffentlich  wird 
die  neue  GebĂŒhrenordnung  mit  der  BegĂŒnstigung  der  Berufsge- 
nossenschaften aufrÀumen,  da  sie  weder  Behörden  sind,  noch  zu 
den  Minderbemittelten  gehören.  Damit  entfÀllt  auch  die  Notwen- 
digkeit der  Bestimmung  des  Abkommens.  In  der  Tat  sind  auch 
in  dem  Abkommen  die  SĂ€tze  fĂŒr  bestimmte  Leistungen  gegen  die 
der  GebĂŒhrenordnung  bereits  ĂŒberschritten.  FĂŒr  Behandlung  in 
Heilanstalten  und  Instituten  sollen  PauschsÀtze,  die  örtlich  zu 
vereinbaren  sind,  eintreten.  Es  sind  DurchschnitlssĂ€tze  fĂŒr  das 
ganze  Reich  festgesetzt.  FĂŒr  Berichte  und  Gutachten  sind  Vor 
drucke  vorgesehen,  die  beiderseits  vereinbart  werden  sollen.  FĂŒr 
das  1.  Renlcngutachttn  und  das  Renlenkonlrollgulachten  werde« 
je  zwei  Vordrucke,  ein  kĂŒrzerer  und  ein  ausfĂŒhrlicherer  ausge 
arbeitet.  Der  4.  Abschnitt  regelt  das  Verfahren  bei  Streitigkeiten 
Zur  Entscheidung  wird  ein  Schiedsgericht  gebildet.  Im  5.  Ab- 
schnitt wird  der  Fall  der  Àrztlichen  Behandlung  ohne  Auftrat;  der 
Berufsgenossenschaften  geregelt,  vor  allem  aber  eine  Arbeit ‱>- 
Gemeinschaft  zwischen  Aerzten  und  Berufsgenossenschaften  be- 
stimmt,. Sie  soll  zunÀchst  zentral  sein;  es  ist  aber  daran  gedacht, 
spÀter  auch  örtliche  Arbeitsgemeinschaften  zu  bilden.  Die  Ge- 
bĂŒhren sind  nur  auf  kurze  Zeil  vereinbart,  im  ĂŒbrigen  gilt  das 
Abkommen  auf  lÀngere  Zeil. 

Mit  dem  Abkommen  wird  endlich  ein  Streit  geschlichtet,  der 
jahrzehntelang  die  Beziehungen  zwischen  Aerzten  und  Berufs- 
genossenschaften vergiftete.  Gegenseitige  VorwĂŒrfe  hallen  eine 
Mißstimmung  erzeugt,  die  trotz  vielfachen  Ă€rztlichen  Entgegen- 
kommens die  Berufsgenossenschaften  abhielt,  auch  nur  in  Ver- 
handlungen einzutreten.  Nun  ist  das  Eis  gebrochen,  und  es  wird 
sich  auch  hier  der  Salz  als  richtig  erweisen,  daß,  wenn  es  ersl 


gelingt,  die  Parteien  an  einen  Verhandlungstisch  zu  bringen,  es 
auch  ohne  gesetzliche  Regelung  geht. 

Mit  dem  Abkommen  ĂŒber  das  Heilverfahren  in  innigem  Zu- 
sammenhang sieht  das  Abkommen,  das  die  Berufsgenossenschaften 
mit  den  Krankenkassen  getroffen  haben. 

Nach  §  558  der  R.  V.O.  sind  bei  Verletzungen  vom  Beginn  der 
14.  Woche  nach  dem  UnfÀlle  Krankenbehandlung  und  Unfallrenle 
zu  gewÀhren.  Die  TrÀger  der  Versicherung  sind  die  Berufsge 
nossenschaften.  In  den  ersten  13  Wochen  nach  der  Verletzung 
haben  die  Krankenkassen  die  Leistungspflicht,  jedoch  kann  bei 
Krankheit,  die  ein  Unfall  herbeigefĂŒhrt  hat,  der  TrĂ€ger  der  Unfall 
Versicherung  das  Heilverfahren  ĂŒbernehmen,  außerdem  hat  die 
Krankenkasse  Ersatz  fĂŒr  bestimmte  Leistungen  zu  beanspruchen", 
die  sie  dem  Verletzten  erwiesen  hat.  Der  TrÀger  der  Unfallver- 
sicherung kann  die  ErfĂŒllung  seiner  Pflichten  gegen  den  Ver- 
letzten auch  nach  der  13.  Woche  der  Krankenkasse  bis  zum  Ende 
des  Heilverfahrens  ĂŒbertragen.  Aus  diesen  durch  das  Gesetz  vor- 
geschriebenen gegenseitigen  Rechten  und  Pflichten  ergeben  sich 
eine  Reihe  von  Beziehungen,  die  durch  Vereinbarungen  geregelt 
werden  mĂŒssen.  Nach  langen,  durch  das  Reichsversicherungsamt 
angeregten  und  geförderten  Verhandlungen  ist  nun  endlich  ein 
Abkommen  zwischen  Krankenkassen  und  Berufsgenosse  ischafh  n 
zustÀnde  gekommen,  welches  zum  Zweck  hat.  alle  VerletzungsfÀlle, 
in  denen  die  Berufsgenossenschaft  ein  wirksames  Heilverfahren  Zu 
gewÀhren  imstande  ist,  zu  ermitteln  und  von  Beginn  an  dem  be- 
rufsgenossenschaftlichen Heilverfahren  zuzufĂŒhren,  sodann  aber 
auch,  die  sonstigen  Beziehungen  zwischen  Krankenkassen  und 
Berufsgenossenschaften  zu  regeln.  Wir  beschrÀnken  uns  auf  die- 
jenigen Bestimmungen,  die  das  Ă€rztliche  Interesse,  berĂŒhren. 

Die  Bei  ufsgenossenschaft  hat  der  Krankenkasse  zu  erklÀren, 
ob  sie  das  Heilverfahren  in  der  Wartezeit  generell  oder  in  bt 
stimmten  FĂ€llen  ĂŒbernimmt.  Die  Krankenkasse  wird  in  die 
Krankenordnung  eine  Vorschrift  aufnehmen,  wonach  der  Verletzte 
bei  jedem  Betriebsunfall  bei  der  Krankenkasse  sich  meldet.  Auf 
Erfordern  der  Berufsgenossenschaft  soll  die  Krankenkasse  ;ils- 
dann  den  Verletzten  sofort  einem  von  der  Berufsgenossenseh  ift 
bezeichneten  Facharzt  ĂŒberweisen.  Dieser  (Durchgangsarzt)  hat  im 
Auftrage  der  Beruf sgenossenschaft  das  weitere  zu  veranlassen 
(Ueberweisung  an  Facharzt  oder  Heilanstalt).  Dem  Kassenarzt, 
der  die  erste.  Hilfe  leistet,  ist  der  entscheidende  Àrztliche  Eingriff 
nur  im  Notfalle  zu  ĂŒberlassen.  Die  Krankenkasse  hat  die  Pflicht, 
alle  Maßnahmen  zu  treffen,  bei  der  Berufsgenossenschaft  die 
Uebernahme  des  Heilverfahrens  zu  ermöglichen,  insbesondere  den 
Verletzten  zur  Befolgung  der  Maßnahmen  anzuhalten.  Ergibt  sich, 
daß"  die  Einleitung  des  Heilverfahrens  nicht  notwendig  ist,  so  isl 
der  Verletzte  an  die  Krankenkasse  zurĂŒckzuverweisen.  Die 
folgenden  Bestimmungen  beireffen  den  gegenseitigen  Ersatz  der 
Kosten  und  Auslagen;  insbesondere  trÀgt  die  Berufsgenossenschaft 
sÀmtliche  Kosten  des  besonderen  Heilverfahrens,  insoweit  es  von 
der  Bernfsgenossenschafl  der  Krankenkasse  ĂŒbertragen  wird.  Die 
Kosten  der  ersten  Hilfe  und  etwaiger  kassenÀrztlicher  Behand- 
lung in  den  ersten  13  Wochen  trÀgt  die  BerufsgenossenschaH  nicht. 
TĂŒr  die  Erledigung  von  Streitigkeiten  ist  ein  Schiedsgericht  vor- 
gesehen. 

Das  Abkommen  enthĂ€lt  einige  fĂŒr  den  Ă€rztlichen  Stand  wich- 
tige ungelöste  Fragen.  ZunĂ€chst  ist  aus  ihm  ersichtlich,  daß  die 
Berufsgenossenschaften  nach  wie  vor  der  Freigabe  der  Behand- 
lung von  Unfallverletzten  an  alle,  wenn  auch  nur  FachÀrzte,  nach 
wie  vor  abgeneigt  sind.  Nur  die  von  ihnen  bezeichneten  Durch- 
gangs- und  FachĂ€rzte  haben  fĂŒr  den  Fall  der  Uebernahme  des 
Heilverfahrens  das  Recht  der  Untersuchung  und  Behandlung. 
Dieses  Recht  wird  den  KassenÀrzten  entzogen.  Das  ist  vom 
ideellen  und  materiellen  Standpunkt  zu  beklagen,  und  es  ist  be- 
dauerlich, daß  bei  den  Verhandlungen  der  Aerzte  mit  den  Berufs- 
genossenschaften die  so  wichtige  Frage  einer  freien  Arztwahl, 
wenn  nicht  fĂŒr  die  Begutachtung,  so  doch  fĂŒr  die  Behandlung  nicht 
angeschnitten  oder  nicht  gelöst  worden  isl.  WÀre  sie  dies,  so 
könnte  der  mĂŒhselige  und  keineswegs  im  Interesse  des  Verletzt?n 
liegende  Weg  ĂŒber  den  Durchgangsarzt  zu  dem  Facharzt  der 
Berufsgenossenschaft  vermieden  werden.  Die  FachÀrzte  der 
Krankenkassen  brauchten  dann  nur  von  den  Berufsgenossen 
schaften  als  ein  fĂŒr  allemal  von  ihnen  Beauftragte  zu  gelten.  Daß 
die  FachÀrzte  der  Krankenkasse  nicht  das  Zeug  haben.  Unfallver- 
letzte richtig  zu  behandeln,  wird  doch  im  Ernst  keine  Berufs- 
genossenschaft in  Abrede  stellen.  Ein  zweiter  Punkt  verdient  Er- 
wĂ€gung. Im  Falle  der  FortfĂŒhrung  des  Heilverfahrens  durch  die 
Krankenkassen  nach  der  13.  Woche  bekommen  diese  die  Auslagen 
von  den  Berufsgenossenschaften  ersetzt,  auch  die  fĂŒr  Ă€rztliche  Be- 
handlung. FĂŒr  diese  Behandlung  vergĂŒtet  die  Krankenkasse  dem 
behandelnden  Arzt  nichts,  falls  das  Pauschalsystem  nach  der  Mit- 
gliederzahl der  VergĂŒtung  zugrunde  liegt.   Die  Kasse  bereichert 


10.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


Referate 


5 1 » 


sich  also  auf  Kosten  der  Aerzte.  FĂŒr  den  Fall  des  Abschlusses 
neuer  VertrÀge,  wird  dieser  entgehende  Gewinn  Gegenstand  der 
Verhandlung  sein  mĂŒssen. 

Zum  Schluß  möchten  wir  nicht  unterlassen,  unserer  Ver- 
wunderung darĂŒber  Ausdruck  zu  geben,  daß  trotz  und  neben  dem 
Abkommen  des  Berufsgenossenschaftsverbandes  mit  dem  Leipziger 
VerbÀnde  eingehende,  auf  anderer  Grundlage  beruhende  Sonder- 


abkommen der  Berufsgenossenschaften  mit  örtlichen  Àrztlichen 
Organisationen  getroffen  wurden.  So  veröffentlicht  das  Medizi- 
nische Korrcspondenzblntt  fĂŒr  WĂŒrttemberg  eine  neue  Verein- 
barung mit  den  gewerblichen  Berufsgenossenschaften  ĂŒber  die 
GebĂŒhrensĂ€tze  fĂŒr  (nilachten.  Hinsichtlich  der  landwirtschaftlichen 
Berufsgenossenschaften  „werden  die  Verhandlungen  fortgesetzt'  . 
Cui  bono?  Alexander. 


REFERATENTEIL 


Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

22.  April  1922,  Nr.  17. 

W  ;»s    nennen    wir    Konstitution.    Konstitutionsanomalie    und  Konstitutions- 
krankheit.   P  f  &  ii  n  die  r.  817. 
Die  Stellung  der  Leher  im   intermediiiren  Stoffwechsel.     L  a  g  u  e  r.  822. 
♩Zur  Pathogenese  einiger  Formen  des  Ikterus.    0  e  r  o  n  n  e.  828. 

HnitrÄge  zu  einer  f'hroinodiagnostik  der  Leberfunktion.    R  n  s  e  n  t  h  a  I  und 
F  a  1  k  e  n  h  a  u  s  e  n.  832. 

4>Zur   Statistik    der   Lehererkrankungen    im    Zeitraum    von    .Tanuar    1!>14  Iii« 
MĂ€rz  1922.    MĂŒller.  83f>. 

Die    indirekte    StrahlenschÀdigung    des    Organismus    bei    isolierter  Organ- 
bestrahlung.   P  o  o  s.  83(S. 
‱^Röntgenologische    Untersuchungen   ĂŒber  den   Einfluß   des   Atropin»   auf  rii» 
MagenmotilitÀt.    Lasch.  840. 

Zur  Pathologie  der  KrythrĂ€mie.    B  r  i  e  g  e  r  und  F  o  r  «■  c  Ii  b  a  c  h.  S4:>. 

Eiweißkonzentratinn    und    Ohlornatriuinabsorptionsvermbgen    des  Blutserums 
OedematĂŒser.    K  i  r  c  h.  848. 

Fllektrokardlographisehe  Untersuchungen  heim  anaphylaktischen  Schock  des 
Meerschweinchens.    Koenigsfeld  und  O  p  p  e;  n  h  e  i  m  o  r.  849. 

Physinlogiischc    und    klinische    Beurteilung    der    Oelenkrefiexe    der  oberen 
Gliedmaßen.     M  a  y  c  r.  849. 

Untersuchungen    ĂŒber    den    Blutfarbstoff    beim    ge«imden    und  blutkranken 
Menschen.    L  e  s  e,  h  k  e  und  X  e  u  f  e  1  d.  849. 

Priifungsmethoden  der  Leberfunktion.     R  e  t  z  I  a  f  f.  850. 
♩Die  Bedeutung  der  Pirquetschen  Cutanreaktion    fĂŒr    die    Diagnose    und  Prog- 
nose  der  Tuberkulose   im   Kindcsnltor.     H  o  f  f  a.  8.55. 

Zur  Pathogenese  einiger  Formen  des  Ikterus.  (Ein  Beitrag 
zur  Frage  des  Leueins  und  Tyrosins.)  Bei  einem  nicht  unerheb- 
lichen Prozenlsalz  der  FĂ€lle  von  sog.  katarrhalischem  Ikterus, 
sowie  vor  allem  auch  bei  den  FÀllen  von  Ikterus  im  SekundÀr- 
stadium der  Lues  wurde  Leucin  und  Tyrosin  im  Urin  nach- 
gewiesen. Hiermit  wird  der  Beweis  dafĂŒr  erbracht,  daß  es  in 
diesen  FĂ€llen  zu  einem  ausgedehnten  Zerfall  von  Leberzellen 
kommen  kann,  genau  wie  wir  das  bisher  fĂŒr  die  akute  gelbe  Leber- 
atrophie und  fĂŒr  die  PhophorschĂ€digung  der  Leber  kannten.  Die 
[Pathogenese  der  bisher  als  katarrhalisch  angesehenen  Formen 
des  Ikterus  wird  auf  eine  primÀre  SchÀdigung  der  Leberzellc 
auf  dem  Blutwege  zurĂŒckgefĂŒhrt.  Die  Diagnose  „katarrhalischer 
Ikterus"  muh*  somit  sehr  eingeschrÀnkt  werden,  auch  bei  ganz 
Üeichten  Formen  handelt  es  sich  hĂ€ufig  eben  nicht  um  katarrha- 
lische tnfekte  der  Gallenwege,  sondern  um  eine  toxische  oder 
infektiöse  SchÀdigung  der  Leberzellen. 

Zur  Statistik  der  Lcbererkrankungen  im  Zeitraum  vom  Januar 
Hi14 — MĂ€rz  1922.  Zunahme  des  Iklcrus-calai -rhalis  in  den  Jahren 
1020  und  1021.  Deutliches  Absinken  der  Lebercirrhosc-Kurye;  im 
Jahre  1921  dreifach  niedrigerer  Stand  als  im  Jahre  1011.  (Mangel 
des  Alkohols.)  AuffÀlliges  Ansteigen  der  FÀlle  von  akuter  gelber 
Leberatrophie.  Ursache  noch  nicht  genau  geklÀrt,  doch  spielt 
Lues,  gelegentlieh  auch  Malaria,  sicher  hierbei  eine  sehr  wichtige 
ftolle. 

Röntgenologische  l  ntersuchunKen  ĂŒber  den  Einfluß  des  Atro- 
ph»* auf  die  MagenmotilitÀt.  Gesteigerte  Magen-Peristaltik  kann 
durch  Atropin  gehemmt,  ein  gesteigerter  Tonus  herabgesetzt,  und 
dadurch  eine  Entspannung  der  MagenwÀnde  bewirkt  werden.  In- 
folgedessen ist  Atropin  in  hervorragender  Weise  befÀhigt  vom 
Magen  ausgehende  Schmerz/iistÀnde  zu  bessern  oder  ganz  zu  be- 
seitigen. 

Ueber  die  Bedeutung  der  Pirquetschen  Cutanreaktion  fĂŒr  die 
Diagnose  und  Prognose  der  Tuberkulose  im  Kindesalter.  Die 
Pirc|iietsche  Cutanreaktion  ist  von  großer  Bedeutung  zur  Er- 
zielung völliger  Klarheit  ĂŒber  die  wirkliche  Verbreitung  der 
tuberkulösen  Infektion;  besonders  kommt  sie  bei  Massenunter- 
suchungen in  Fiage.  —  Eine  Reihe  von  Einzeluntersuchungen 
der  letzten  Jahre,  die  sich  dieser  Methode  bedienten,  haben  ge- 
zeigt, dab  durchaus  nicht  eine  so  hochgradige  Verseuchung  der 


Gesamtbevölkerung  vorliegt,  wie  sie  von  Hamburger.  Xaegeli. 
u.  a.  angenommen  wurde.  Verfasser  kommt  an  dem  Kranken- 
hausmaterial  in  Barmen  zu  dem  gleichen  Ergebnis.  Die  diagno- 
stische Bedeutung  der  Pirquetschen  Reaktion  scheint  unbestritten, 
fĂŒr  die  prognostische  Beurteilung  ist  sie  hingegen  nur  mit  grober 
Vorsicht  zu  verwerten.  A.  M  unzer; 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

29.  April  1022,  1,  Nr.  18. 

I'eber    den    derzeitigen    Stand    der    Vitiaminlehre    mit    besonderer  BerĂŒck- 
sichtigung ihrer  Bedeutung  fĂŒr  die  klinische   Medizin.     Stop  p.  881. 
‱frFesittstellungen    zur   Di  ihete.sĂ€tiologie.     Strauß.  885. 

Ausbau  der  Darmpafrononniethnde.     van  der  R  e  i  s.  S87. 

Unterau  chuneen  mit  dorn  von  Morawitz  und  neneckc  angegebenen  Verfahren 
zur  PrĂŒf  ins  der  Hefa  ßfunktion  bei  Schwangeren.  M  a  Ii  nerl  und 
L  u  n  d  w  a  1  1.  888. 

❖Diagnostik   der   Schwangerschaft    mittels   Phlondzininjektinn.  Schilling 
und  G  ö  b  e  1.  889. 

Ueber    den    digestiven    Lcirkoe.ytensturĂŒ    (Wldals    l'rise    hemoclasique)  «1« 

Lebeifunkrionsnrnfnns-    und    «eine    Beziehungen     zur    ..Oriinen  Benzal- 

debydreaktion"    im    Harn.   Meyer -  E  "to  I  f.  89(1. 
Da.s   Verhalten    des   Blutzuckerspiegels    bei    wiederholter    und  verschiedener 

Art  enteraler  Zuckerzufuhr  und  dessen  Bedeutung  fĂŒr  die  Leberfunktion. 

Tra  Ii  (tott.  892. 

Neues  Mikroverfahren  zur  getrennten  niinntftativ-en  Bestimmung  de«  Acetons 
und  des  $-0\ybuttorsÀnro  im  Harn.    I,  u  b  I  i  n.  891. 

Die  pathologische  Physiologie  der  chroirschen  Obstipation.    R  e  i  ß.  R95. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkung  'nnersekretorischer  DrĂŒsensubstanzen  auf 
die  Morpihogeniie.  (2.  Neotenie  uiwl  gesteiiger-tes  Wachstum  nach  Tbyreoid- 
dektomie  bei  Rnna-fusea-Larvcm.  Wiederbeginn  der  Fortetltw'.eklung 
durch  VerfĂŒtterung  der  Pinderseh  'IddrĂŒso.l  .1.  Tmnlantation  endokriner 
DrĂŒsensubstanzen  auf  Larven  von  Bombinator  naehypns  farte'sne  und 
artfremde   SchilddrĂŒse.    Bninsthoden    derselben    Art).     Schulze.  89".. 

Zur  Frage  der  Impetigo-Nephritis.     Sieb  e  n.  R06. 

Beitrat;  zur  diagnostischen  T.edeutuni''  der  Blutkornerohense.nkungsgeschwin- 
digkeit.     (Fall   von   Myelitis   nach    Pneumonie.!     D  r  e  y  f  u  ß.  898. 
♩{‱Pathologie  und  Therapie  der  Achylia  gastrica.     Orot  e.  898. 
♩Hlyporacidiitlai.     K  a  t  s  e  h.  90'.'. 

Feststellungen  zur  PiabetesÀtiologie.  Ergebnisse  einer  Um- 
frage ĂŒber  eine  Reihe  von  KriegsdiabetesfĂ€llen.  Es  werden  hin- 
sichtlich der  Aetiologie  drei  Gruppen  unterschieden: 

1.  FÀlle,  bei  denen  körperliche  Einwirkungen  als  Ursache  an- 
gegeben werden. 

2.  FĂ€lle,  bei  denen  eine  vorausgegangene  Infektionskrankheit 
als  Ursache  angeschuldigt  wird. 

3.  FĂ€lle,  in  welchen  Schockwirkungen  bzw.  G-ranatexolosionen 
als  Ursache  angegeben  werden.  GrundsĂ€tzlich  wird  auch  fĂŒr  den 
Kriegsdiabetes  an  dem  Standpunkt  festgehalten,  da*ß  das  Bestehen 
einer  endogenen  Disposition  fĂŒr  die  Entstehung  der  Erkrankung 
erforderlich  ist.  Unter  den  körperlichen  Einwirkungen,  die  vor- 
her genannt  wurden,  kommen  zumeist  Verletzungen  in  Frasse.  Be- 
zĂŒglich der  Infektionskrankheiten  sind  Scharlach.  Masern.  Gripoe, 
Malaria  und  vor  allem  infektiöse  Darmerkrankungen  'Ruhr.  Tv- 
phus.  Cholera)  zu  nennen.  —  Sehr  interessant  ist  die  Talsache,  daß 
die  Ergebnisse  der  Behandlung  außerordentlich  gute  waren.  Zum 
Teil  hĂ€ngt  das  damit  zusammen,  daß  die  Behandlung  sehr  bald 
einsetzte.  Chirurgische  Folgeerkrankungen,  Gangraen.  Furunku- 
lose usw.,  wurden  Ă€ußerst  selten  beobachtet. 

Zur  Diagnostik  der  Schwangerschaft  mittels  Phloridzininjek- 
tion.  Bei  10  FĂ€llen  von  Schwangerschaft  im  2. — i.  Monat  trat  nach 
Injektion  von  0,002  gr  Phloridzim  Zuckerausscheidung  im  Urin 
auf.  Bei  Gesunden  war  dies  nicht  der  Fall.  Im  Fieber  trat  bei 
einigen  Patienten  Glykosurie  auf.  Die  Probe  ist  daher  in  solchen 
FĂ€llen  nicht  zu  verwenden. 

Die  Pathologie  und  Therapie  der  Achylia  gastrica.  Es  wird 
unterschieden:  1.  Gastrogene  Achylie.  die  bei  primÀrer  chroni- 
scher Gastritis  vorkommt.    2.  Toxogene  Achylie,  und  zwar  bei 


520  Aus  den   neuesten  Zeitschriften  40.  Jahrg.  —  Nr/31/32. 


Carcinom,  als  Begleiterscheinung  chronischer  Infektionskrank- 
heiten, bei  Blutkrankheiten  und  bei  schwerer  Kachexie.  3.  Reflek- 
torische Achylie  als  Ausdruck  einer  Sekretionsneurose.  4.  Kon- 
stitutionelle Achylie.  —  Die  Therapie  richtet  sich  nach  dem 
Grundleiden. 

Ueber  HyperaciditÀt.  Die  HyperaciditÀt  ist  die  hÀufigste 
Aeußerungsform  der  Magenneurose.  Stets  ist  es  bei  dem  Be- 
stehen des  Syndroms  von  Wichtigkeit  festzustellen,  ob  gleich- 
zeitig ein  Magen-  oder  Zwölf  fingerdarmgeschwĂŒr  besteht.  FĂŒr 
die  Therapie  kommt  zunĂ€chst  das  ganze  RĂŒstzeug  der  Neuroaen- 
Behandlung  in  Betracht.  Daneben  diÀtische  Behandlung:  Speise- 
zettel möglichst  monoton,  viel  Eiweiß,  Fett,  Kartoffeln  in  Brei- 
form. Heiße  UmschlĂ€ge.  Medikamentös:  Atropin.    A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Medizinische  Klinik,  Berlin. 

23.  April  1922,  18,  Nr.  17. 

KrampfzustÀnde  im  Magen  und  Darm.    Pal,  J.  521. 

❖Ang-inose.    I  m  h  o  f  e  r  ,  R.  526. 

❖Paralysis  agitans.    Franke.  F.  528. 

Erfahrungen    mit    der    Pneunioradtographie    des    Niercnlagers.  Bosen- 
stein,  P.  529. 

Weitsche  Krankheit  als  Unfallf alge.    SchĂŒret!  <1.  533. 
❖Praktische    Erfahrungen    ĂŒber     diei   Behandlung     des     septischen  Abortes. 
Grube.  534. 

Bestimmung  deis  spezifischen  Gewichtes  kleiner  Harnmengen.  KJ  r  e  h  .  A.  535. 

Phosphattherapie  mit  Reeresal.    Griesbach,  W.  535 

Transportabler     Apparat    fĂŒr     Druck-     und     Saugwirkung;.      W  a  s  s  e  r  - 
mann,  M.  536. 

Beurteilung  der  Wasserma.nn-Beak.tion.    Hecht.  H.  5M7. 

■Praktische  Fragen   der   Geburtshilfe.     R  u  n  g  e  .   E.  538. 

Anginose.  Der  Wiener'  Laryngologe  Fein  hat  die  bisherigen 
Anschauungen  ĂŒber  Angina  kritisch  geprĂŒft  und  gelangt  zu  fol- 
genden Ergebnissen:  1.  Die  Angina  ergreift  stets  den  ganzen 
Schlundring;  die  StÀrke  der  Erkrankung  entspricht  der  Menge  des 
vorhandenen  adenoiden  Gewebes.  2.  Diese  Erkrankung  „Anginose" 
ist  Teilerscheinung  einer  Allgemeininfektion.  3.  Die  Tonsillen  smd 
wahrscheinlich  nicht  die  Eingangspforte  der  Infektion.  Imhofer 
folgert  daraus,  daß  die  Tonsillektomie  unter  solchen  Voraus- 
setzungen selten  berechtigt  sei,  daß  vielmehr  entsprechende  Allge- 
meinbehandlung die  lokale  Therapie  (Tonsillektomie,  Gurgeln,  Pin- 
seln) ĂŒberflĂŒssig  mache.  Er  empfiehlt  Antirheumatika,  paren- 
terale Milchinjektionen  und  subkutane  Opsonogentherapie. 

Paralysis  agitans.  Autor  empfiehlt  fĂŒr  leichlere  FĂ€lle  und 
im  Anfangsstadium  der  Erkrankung  die  von  Emmerich  und  Loew 
angegebene  Kalklösung:  Chlorcalcium  crystall.  pur.  100,0  Aqu. 
dest.  500,0;  dreimal  tĂ€glich  einen  Kaffeelöffel.  Auch  Kalzan  (WĂŒl- 
fing) oder  Chlorkalklösung  10  : 150  (drei  Teelöffel  tÀglich)  zeigten 
gĂŒnstigen  Einfluß.  Bei  Versagen  dieses  Mittels  rĂ€t  F.  symptoma- 
tische Behandlung  mit  Luminal,  dreimal  tÀglich  0,05. 

Prakt.  Erfahrungen  ĂŒber  die  Behandlung  des  sept.  Abortes. 
G.  verlangt  individualisierendes  Vorgehen  bei  der  Abortbehahd- 
lung  und  rĂ€t,  unter  Finger,  KĂŒrette,  Aborlzange  und  Kornzange  die 
fĂŒr  den  gegebenen  Fall  geeigneten  Hilfsmittel  zu  wĂ€hlen  und  prin- 
zipiell aktiv  vorzugehen.  Exsudate  anerkennt  G.  nur  dann  als 
Gegenanzeige,  wenn  sie  fluktuieren  und  eitrig  eingeschmolzen  sind. 
Wertvoll  ist  der  diagnostische  Hinweis,  daß  auch  kleine  Eiresle 
sich  noch  nach  Monaten  durch  Offenbleiben  des  Muttermundes,  be- 
ziehungsweise des  Zervikalkanales,  verraten.    Low  (Döberitz). 

30.  April  1922,  18,  Nr.  18. 

Zur  Frage   der  Gicht.     Brug.  seh,  Th.  553. 
❖GraviditĂ€ten   bei   Amenorrhoe.      HofstĂ€tter,  R.  556. 
PrimÀres  Magensarkpm  nach  Magenresektion,  zur  Ausschaltung  eines  Flctis 

duodeni.    Finsterer,  H.  561. 
Spontanes  Pnciumoperitoneum  bei  Perforation  eines  Ulcus  ventriculi  an  der 

großen  Ourvatur.    Dahin,  H.  A.  562. 
Ein  Beitrag  zur  Kasuistik  der  leukÀmischen  Cloromyelose.  Hopp 'Ii,  R.  563. 
Zwei  seltene  Lokalisationen  von  HĂ€mangiomen.    Kroll,  F.  564. 
NormalhÀmolysino  des  Menschenserums.    Meyer,  K.  566. 
SalvarsanscbÀrtigungen.    .1  a  e  o  Ii  s  o  h  n  ,  V.  und  S  k  1  a  r  z  ,  E.  567. 
❖  Die   Pyelozystiitis.     B  1  ĂŒ  h  d  o  r  n  ,   K.  569. 

GraviditÀten  bei  Amenorrhoe.  11.  versucht  an  einer 
Reihe  einschlĂ€giger  FĂ€lle  den  Beweis  zu  erbringen,  daß  Men- 
struation, soweit  man  darunter  die  zyklische  Umwandlung  der 
Uterussehleimhaut  zwecks  Nidation  versteht,  und  Ovulation  von 
einander  unabhÀngig  seien.  So  werden  zum  Beispiel  viele 
Frauen  wÀhrend  der  physiologischen  Laktationisameaiorrhoe 
wieder  gravid,  weil  die  Ovulation  fortbesteht. 


Pyelozystitis.  Die  Arbeit  berĂŒcksichtigt  hauptsĂ€chlich  diese 
Erkrankung  im  SĂ€uglings-  und  Kindesalter.  Die  aszendierende 
Form,  besonders  bei  MÀdchen  vorkommend,  ist  viel  hÀufiger  als 
die  deszendierende.  Als  Erreger  kommt  hauptsÀchlich  der  Koli- 
Bazillus  in  Betracht. 

Die  Diagnose  muß  bei  jungen  Kindern  meist  per  exelusioiu'm 
gemacht  werden.  Nierenvergrö'ßerung,  Pollakisurie  und 
Schmerzen  sind  bei  SÀuglingen  schwer  festzustellen.  BlÀsse. 
Fieber,  starke  Unruhe  oder  Apathie,  Magendarmstörungen  sind 
uncharakteristisch. 

Entscheidend  ist  der  Harnbefund:  TrĂŒber  Harn,  weißer 
Bodensatz,  der  Eitermenge  entsprechender  Eiweißgehalt,  Reaktion 
wechselnd.  Bei  der  mikroskopischen  Betrachtung  des  nicht  zen- 
trifugierten  Harnes  mit  stĂ€rkerer  VergrĂ¶ĂŸerung  sind  beim  SĂ€ug- 
ling 6 — 8,  beim  Ă€lteren  Kinde  4 — 6  Leukozyten  im  Gesichtsfelde 
zu  sehen,  daneben  meist  noch  Erythrozyten,  Epithelien  und 
Zylinder. 

Behandlung:  Reichliche  DurchspĂŒlung  der  Harnwege  per  os 
mit  Mineralbrunnen;  Fachinger,  Wildunger,  Emser.  wenigstens 
ein  Liter  tĂ€glich.  ZweckmĂ€ĂŸige,  dem  einzelnen  Falle  genau  an- 
gepaßte ErnĂ€hrung,  bei  Ă€lteren  Kindern  salzarm  und  frei  von 
GewĂŒrzen.  Als  Beikost  20—40  Gramm  rohen  MohrrĂŒbensaft  pro 
die.  Medikamentös  bei  sauerer  Harnreaktion  Utropin  (Tages- 
dosis:  bis  zu  sechs  Monaten  0,5,  bis  zu  einem  Jahre  1,0,  im  zweiten 
Jahre  1,25),  sonst  andere  Harnantiseptika  z.  B.  Salol  (Tagesdosis: 
bis  zu  sechs  Monaten  0,3,  bis  zu  einem  Jahre  0,6.  im  zweiten 
Jahre  1,0).  Daneben  ist  zu  versuchen,  die  Harnreaklion  umzu- 
stimmen; bei  sauerem  Harne  durch  Natrium  bicarbonicum.  zwei 
bis  drei  Gramm  Acidum  phosphoricum  in  Lösung  bei  alkalischen 
Harne.  Wenn  alles  vergeblich,  subkutane  Anwendung  von  Aulo- 
vakzine,  aus  den  Harn-Bakterien  des  Kranken  gezĂŒchtet. 

Prognose  im  allgemeinen  gĂŒnstig,  ungĂŒnstiger  in  ver- 
schleppten FĂ€llen  und  bei  herabgekommenen  SĂ€uglingen 

Low  (Döberilz 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift. 

28.  April  1922,  48,  Nr.  17. 

Ptoffwcchsclproblcnie.     M  ii  1  1  e  r.  htö. 

Die  Aufgaben  der  DiÀtbehandlung  in  der  Diabetestherapie.    S  t  r  a  u  II.  515.' 
❖  Witterung  und  Krankheilt.    P  r  i  n  z  i  n  g.  549. 
Die   orthopÀdische  Behandlung   der  rachitischen  DeformitÀten.    Wollen  - 

b  e  r  g<.  551. 

❖Eine  Reaktion  der  KollohllabilitĂ€t  des  Serums  bei  Toxinbildung  im  Orga- 
nismus, besonders  bei  aktiver  Tuberkulose,    v.  D  a  r  À  n  y  i.  553. 
Mycosis  fungoides  und  Noma,  zwei  seltenere  Krankheitsbilder.    B  ĂŒ  s  i  n  g 
und  Schulte.  555. 
❖HeilentzĂŒndung  und  Heilfieber  im  Eichte  der  Balneotherapie.  Schober.  556. 
❖Die    Behandlung    der    Hyperidrosis.      J  o  s  e  p  b.  557. 

Larvierte  Barlowsche  Krankheit  und  ihre  Differentialdragnosc.    A  1  e  x  a  u  - 

uer-Katz.  557. 
Ein  Apparat  fĂŒr  Pneuinothoraxbehaudlung.    Hofvendahl.  558. 
Die   Ergebnisse   der   Lehre   von   der  inneren   Sekretion   fĂŒr   normale  und 
pathologische    Physiologie.     W  e  i  1.  559. 

Witterung  und  Krankheit.  Man  darf  KĂ€lteempfindung  nicht 
mit  ErkÀltung  verwechseln,  deren  NN  esen  noch  nicht  geklÀrt  ist. 
Meist  dĂŒrfte  bei  letzlerer  eine  Reflexwirkung  des  KĂ€ltereizes 
vorliegen,  welche  an  anderen  Stellen  HyperÀmie  oder  Absonde- 
rung hervorruft,  die  AbwehrkrÀfte  des  Blutes  herabsetzt.  Da- 
durch entstehen  dann  entzĂŒndliche  Affektionen  oder  zufĂ€llig  an- 
wesende Krankheitserreger  können  zur  Infektion  fĂŒhren.  Die 
Wirkung  der  WiUeriuigseinflĂŒsse  ist  statistisch  nicht  voll  nach- 
zuweisen, jedenfalls  ist  die  Sterblichkeitsstatistik  dazu  nicht 
geeignet,  weil  der  Tod  oft  erst  lange  nach  dem  Eintritt  der  Er- 
krankung stattfindet. 

Im  allgemeinen  leiden  Kinder  und  Greise  von  Witlerungs- 
einflĂŒssen  (Hitze  und  KĂ€lte  bzw.  Hitze)  mehr  als  die  ĂŒbrigen 
Alter. 

Im  1.  Lebensjahre  steigen  im  Sommer  die  Darmkrankheiten, 
wobei  neben  der  Zersetzung  der  Milch  .die.  Ueberhitzung  der 
WohnrÀume  eine  Rolle  spielt.  Letztere  ist  entweder  Ursache 
von  Darmkrankheiten  oder  leitet  sie  unheilvoll.  Vom  1.  bis! 
5.  Jahre  ist  die  Sterblichkeit  im  Winter  und  im  ersten  FrĂŒhling 
gegenĂŒber  der  Sommersterblichkeit  sehr  groß.  Erstere  nimmt 
dann  in  den  folgernden  Altersklassen  ab:  Hier  spielt  die  Tuber- 
kulose eine  Rolle.  Die  Sterblichkeit  daran  erreicht  im  September 
ihren  Tiefstand,  stĂŒrzt  dann  bis  zum  April  und  fĂ€llt  sodann 
wieder  bis  zum  September.  Im  FrĂŒhjahr  ist  an  der  hohen  Tuber- 
kuloseslerbliohke.it  der  Aufenthalt  in  geschlosseneu  und  unge-j 
nĂŒgend  gelĂŒfteten  RĂ€umen,  weniger  die  Witterung  schuld. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


521 


Im  Greisenalter  spielt  die  ErkÀltung  mit  nachfolgenden  Er- 
krankungen der  Atmungsorgane  eine  große  Holle.  Höchstzahl 
der  SterbefÀlle  im  Januar,  ein  Vielfaches  der  niedersten  im  Juli. 

Winterchauakter  haben  die  Grippe,  die  Bronchitis  und  die 
katarrhalische  LungenentzĂŒndung,  weniger  die  kruppöse  Pneu 
monie.  die  ihren  Gipfel  im  April  und  Mai  erreicht.  Der  jnhres- 
zcillichc  Einfluß  der  Infektionskrankheiten  beruht  auf  verschie- 
denen Ursachen:  AbhÀngigkeit  des  Gedeihens  der  Krankheits- 
erreger von  der  Lufttemperatur,  Gelegenheitsursachen,  Insekten 
;i I s  UebertrÀger.  Sommerkrankheiten:  Cholera,  Ruhr,  Malaria, 
Gelbfieber,  in  der  Hauptsache  auch  der  Typhus  (aber  auch 
Wiroterepidemien).  Fest  und  Scharlach  sind  wenig  an  die  Jahres- 
z.il  gebunden.  Winter-  und  FrĂŒhjahrskrankheiten:  Masern 
Keuchhusten),  Diptotherie  aus  noch  nicht  ganz  geklÀrten  Ur- 
sachen. (Die  HĂ€ufigkeit  der  Masern  im  April  und  Mai  ist  durch 
den  Schulbeginn  zu  erklÀren.)  Ferner  Genickstarre,  akuter  Ge- 
lenkrheumatismus, Fleck-  und  RĂŒckfallfieber.  Hier  spielt  die 
Wirtschaftliche  Not  (Unreinlichkeit,  mangelnde  LĂŒftung)  eine 
wesentliche  Rolle  mit.  Die  Sommerdiarrhoen  der  Erwachsenen 
sind  weniger  Folge  der  Hitze,  als  der  unzweckmĂ€ĂŸigen  Lebens- 
weise. 

Die  EinflĂŒsse  der  Witterung  aiuf  das  Nervensystem  sind  noch 
Bichl  ganz  geklĂ€rt.  FrĂŒhjahr  und  die  ersten  Sommermonate  ĂŒben 
sicherlich  einen  Einfluß  auf  das  psychische  Verhalten  des 
Mensehen  aus:  Selbstmorde  (Zunahme  von  April  bis  Juni).  Die 
zunehmende  TageslÀnge,  die  lÀngere  Dauer  der  Besonnung,  die 
Wirkung  der.  chemischen  Lichtstrahlen  auf  Zirkulation,  Respi- 
ration und  Nervensystem  sind  zur  ErklÀrung  herangezogen 
Worden,  endlich  die  latente  Brunstzeit  des  Menschen  in  den  Vor- 
sommfermonaten  (innere  Sekretion  und  Seelenleben). 

Eine  Reaktion  der  KolloidlabilitÀt  des  Serums  bei  Toxin- 
bildung  im  Organismus,  besonders  bei  aktiver  Tuberkulose. 
Blutsera  von  Kranken  mit  Toxinbildung  und  pathologischem  Ge- 
webszerfall   im   Organismus    werden   durch   fÀllende  Eingriffe 

Erhitzung,  Karbol,  Sublimat,  Alkohol  —  letzteres  die  vom  Ver- 
fasser vorgeschlagene  einfache  Methode,  die  im  Original  nach- 
zulesen ist  — )  leichter  ausgeflockt  als  normale  Sera.  Die  Sera 
Gesunder  ergeben  die  Reaktion  nicht.  —  Anwendung  der  Reak- 
tion: Unterscheidung  von  malignen  Tumoren  (Ca)  von  gutarti- 
gen, nicht  toxogenen  Prozessen  (Ulcus  ventrieuii),  ferner  bei 
oberflÀchlichen  Katarrhen  und  Eiterungen,  die  keine  Reaktion 
geben.  Organische,  besonders  bakterielle  VerÀnderungen  er- 
geben die  Reaktion.  Sodann  zur  Unterscheidung  bei  akuten  und 
»ironischen  Krankheiten,  ob  noch  Toxinbildung  vorhanden  ist, 
wie  bei  der  Frage  von  Heilung,  Metastase  nach  Operation  oder 
anderen  Therapien.  Bei  Lues  wÀchst  die  StÀrke  der  Reaktion 
mit  dem  Durchleuchtungsprozeß,  wĂ€hrend  geheilte  latente  FĂ€lle 
negativ  ausschlagen:  also  neben  den  Luesreaktionen  zur  Be- 
stimmung der  AktivitÀt  des  Prozesses.  Besondere  Wichtigkeit 
bei  der  AktivitÀt  der  Tuberkulose:  in  allen  FÀllen  sicher  aktiver 

Tuberkulose  ist  sie  positiv.  Auch  zur  therapeutischen  Kontrolle 
brauchbar,  da  sie  bei  der  Heilung  der  Krankheit  verschwindet. 

HeilentzĂŒndung  und  Heilfieber  im  Lichte  der  Balneotherapie. 
Malneotherapeulisch  werden  dem  Patienten  weder  Stoffe  noch 
KrĂ€fte,  sondern  nur  Reize  zugefĂŒhrt,  auf  die  der  Organismus 
mit  seinen  eigenen  Mitteln  antwortet.  Letztere  sind  Abstufungen. 
TeilstĂŒcke  der  zusammengesetzten  Symptomgruppen  von  Ent- 
zĂŒndung und  Fieber,  also  den  allgemeinsten  verbreifetsten  Ab- 
wehr- und  Heilvorrichtungen  des  Organismus. 

v.  Sehn  i  zer. 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

25.  Januar  1922,  Nr.  9. 

Zwei   FortbildungsvortrÀge.      t.  Die    Behandlung    diarrhoischer  ZustÀnde. 

II.  L'ebcr  ehren.  StuhltrÀgheit  u.  deren  Behandlung.  Nonrden,  K.  381. 
♩Beitrag   zur  Sammelforscbung  ĂŒber    die    Abortivbehandlung    der  Syphilis. 

Sachs,  Otto.  .193. 
t.'ebcr  Kardiospasmus.  (.Schluß  zu  Nr.  6.)    Pal,  J.  S99. 
Die  hysterische  Frau.    (Schluß  zu  Nr.  8.)    Rai  ni  a  n  n  ,  E.  402. 

Beitrag  zur  Sammelforschung  ĂŒber  die  Abortivbehandlung 
der  Syphilis,  15  FĂ€lle,  welche  der  Abortivbehandlung  mit  Sal- 
rarsan  oder  Sah. -Hg.  unterzogen  worden  waren,  konnten  bis 
neun  Jahre  kontrolliert  werden.  11  von  ihnen  (10  seropos.  und 
1  seronegat.)  blieben  rezidivfrei,  2  seronegative  zeigten  ein  klini- 
sches Rezidiv  und  2  seropositive  blieben  seropositiv.  Die  exakt 
und  rechtzeitig  durchgefĂŒhrte  Abortivbehandlung  mit  allen  wissen- 


schaftlichen Kautelen  bildet  eine  wichtige  und  auch  vom  prak- 
tischen Arzt  durchfĂŒhrbare  therapeutische  Maßnahme,  deren 
Unterlassung  als  Kunstfehler  aufzulassen  wÀre. 

Reu«  (Wien). 

4.  MĂ€rz  1922,  Nr.  10. 

I'eiieir  Wandlungen  in  der  Nepbrl  tielehre.    Volnard,  F.  4?p. 
Debet  LokalanÀsthesie  und  AlAgemeinnark'ose.    Urban,  K.  4?6. 

Das  Taylorsystcni   und  die  Medizin.     Purin.   A.  439. 

lieber  Appendizitis.    H  o  c  h  c  n  e  g  g.  443. 

Die  Not  des   praktischen   Arztes.    T  a  n  d  1  e  r  .  3.  45«. 

11.  MĂ€rz  1922,  Nr.  11. 
Der  Arzt  in  dein  letzten  österreichischen  und  deutschen  Strafgesetzentwurf. 

H  a  h  e  r  d  a  .  A.  469. 
Die  spezifische  Therapie   und   Diagnostik  der  Tuberkulose.    N  e  I  1  m  a  n  n  , 
W.  476. 

0eb6r  Appendizitis.     (Schluß. I     H  o  c  Ii  e  n  c  g  g.  t480. 
♩Melier  LokalanĂ€sthesie  und   Allgenicinnarkosc.     (Schluß. I     Urban,  K.  48.'). 

Ueber  LokalanÀsthesie.  Sie  ist  in  der  einfachen  Form  der 
Infiltrations-  und  peripheren  LeitungsanÀsthesie,  kombiniert  mit 
der  prÀparatorischen  Morphininjektion,  viel  harmloser  als  alle 
die  komplizierten  AnÀsthesierungsverfahren  an  und  in  der  NÀhe 
des  RĂŒckenmarks.  VollstĂ€ndig  ersetzen  kann  die  LokalanĂ€sthesie 
die  Allgemeinnarkose  nicht. 

18.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12. 

Ueber  GefĂ€ĂŸsklerosen.    S  t  o  e  r  k  ,  ().  .313. 
Oral-Sepsis  und  \\  urzelbehandlung.    Kronfeld,  R.  518. 
L>as  Taylorsystem  und  die  Medizin.     (Schluß.)     D  u  r  i  g.  522. 
D  e  spezifische  Therapie  und  Diagnostik  der  Tuberkulose.    N  e  u  m  a  n  n.  326. 
❖Zur  Argochromtherapie  der  Gonorrhö«.    Ludwig.  H.  538. 

Zur  Argochromtherapie  der  Gonorrhoe.  GĂŒnstige  Resultate 
besonders  bei  mÀnnlicher  Gonorrhoe,  auch  bei  Pyelocystilis.  In- 
travenöse Injektionen  vou  0,05  —0,2,  u.  zw.  je  1  dg  auf  10  cem 
FlĂŒssigkeit  in  2— 3  tag.  Intervallen.  Reuß  (Wien). 

25.  MĂ€rz  1922,  Nr.  13. 

Diagnostische  Schwierigkeiten  in  der  Augenheilkunde.    Dimmer,  F.  5.i7. 
❖IVbcr  Badener  Schlamm  und  seine  therapeutische  Verwendung.    S  c  Ii  ĂŒ  t  z. 

.1.  561. 

l'ebcr  GefĂ€ĂŸsklerosen.    (Schluß.)    Stoerk,  O.  .">63. 

Ueber  spezifische  Therapie  u.  Diagnostik  der  Tuberkulose.  X  e  u  m  a  n  n.  568. 
Oralsepeiß  und    Wurzelbehandlung.    Kronfeld,  R.  571. 

Ueber  Badener  Schlamm  und  seine  therapeutische  Wirkung. 

Schlammpackungen:  direkte  Applikation  von  45  gradigem  Schlamm 
fĂŒr  20—50  Minuten.  Schlamm-UmschlĂ€ge:  Applikation  von  er- 
wĂ€rmtem Schlamm,  in  doppeltes  Sackleinen  geschlagen,  fĂŒr  40—60 
Minuten.  Gute  Erfolge,  vor  allem  bei  subakutem  und  chronischem 
Gelenkrheumatismus.'  Reuß  (Wien). 

1.  April  1922.    Nr.  14. 

Ueber  akute  Leberatrophie,    K  o  v  À  o  s  ,  V.  397. 
‱H  eber  einen  Fall   von  Striimitis   postfyphosa.     Steiger.   W.  601. 
❖  L'ebcr  spezifische  Therapie  und   Diagnostik  der  Tuberkulose.  (Schluß  )  602. 

Oralsepsis   und    Wurzelbehandlung.     K  r  o  n  f  e  1  d.  606. 

Leber  einen  Fall  von  Strumitis  posttyphosa.  Abszeß  in  einer 
vergrĂ¶ĂŸerten  SchilddrĂŒse  bei  einer  40jĂ€hr.  Frau.  Im  Eiter  Rein- 
kultur von  Typhusbazillen.  Vor  9  Wochen  war  die  Pat.  mit  einer 
vom  Arzt  als  „Grippe  mit  RippenfellentzĂŒndung"  gedeuteten 
fieberhaften  Erkrankung  3  Wochen  bettlÀgerig  gewesen. 

Ueber  spezifische  Therapie  und  Diagnostik  der  Tuberkulose. 
Verf.  tritt  mit  Entschiedenheit  fĂŒr  die  spezifische  Therapie  der 
Tuberkulose  ein.  Er  schildert  eingehend  die  von  ihm  bei  den 
verschiedenen  Formen  der  offenen  und  geschlossenen  Tuberku- 
lose erprobte  Methodik  der  Tuberkulinbehandlung  mit  einfachen 
AlltuberkulinverdĂŒnnungen.  Zum  Schluß  wird  auf  die  besonders 
den  praktischen  Aerzten  nicht  warm  genug  zu  empfehlende  Tuber- 
kulineinreibungskur  (tĂ€gl.  10 — 20  Tropfen  einer  1,  2,  5,  10,  20, 
5()prozentigen  Tuberkulinglyzerinlösung)  hingewiesen,  welche 
„sicher  viel  mehr  leistet  als  ein  Landaufenthalt  von  kĂŒrzerer  oder 
lÀngerer  Dauer  oder  eine  gewöhnliche  Mast-  und  Liegekur." 

Reuß  (Wien). 


522 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  31/32 


8.  April  1922,  Nr.  15. 

L'eber  Diagnose  und  chirurgische  Therapie  des  chronischen  Kardiuspasmus. 

H  e  y  r  q  v  s  k  y  .  H.  (»37. 
L'eber  operative  Myombehandlung.    M  i  c  Ii  o  1  i  t  s  c  Ii  .  T.  (544. 
❖Diagnostische  Schwierigkeiten  in  der  Augenheilkunde.  (Schluß.)  I)  i  m  m  e  r. 

645. 

❖Oral-Sepsis  und  Wurzelbehandlung.  (SchluB.)     K  v  o  n  f  c  1  d.  649. 
Tebeci.il.  seine  Bedelutung  fĂŒr  den  praktischen  Arzt.    Redlich,  L.  663. 

Diagnostische  Schwierigkeiten  in  der  Augenheilkunde.  Dif- 
ferentialdiagnose  zwischen  Trachom  einerseits,  Pemphigus  con- 
junctivae, Blenorrhoea  scrophulosa,  Follikularkatarrh,  Follieu- 
losis  conjunctivae,  akutem  Schwellungskatarrh,  FrĂŒhjahrskatarrh. 
tuberkulösen  und  syphilitischen  Bindehautaflektionen.  ParinaĂŒd- 
scher  Konjunktivitis  andererseits.  Diagnose  der  Katarakt  und 
Frage  der  Operationsreife. 

Oralsepsis  und  Wurzelbehandlung.  Eingehende  Besprechung 
mit  LiteraturĂŒbersicht.  Die  Abhandlung  gipfelt  in  der  dringenden 
Empfehlung  der  Pulpaamputation  mit  nachfolgender  Trikresol- 
formalin-Behandlung.  Reuß  ("Wien'. 

15.  April  1922,  Nr.  16. 

❖Augensymptome  bei  Arteriosklerose.    Fuchs.  E.  681. 
❖Ueber  Augenmenschen  und  Ohrenmenschen.    H  o  v  o  r  k  a  .  O.  685. 
Die  Gasteiner  ThermalbÀder  und  ihre  Indikationen.     Zimmermann  0. 
689. 

Ueber  akute  Leberatrophie.   (Schluß.)     K  o  v  Ă€  v .  s  .   F.  692. 
Die   Ueberstelltlng    von    Geisteskrankem    in    Heil-    und    Pflege&nstalten  fĂŒr 
Geisteskranke  bezw.  Irrenanstalten.    Hössenthal-,  K.  7(17. 

Augensymptome  bei  Arteriosklerose.  Es  werden  die  ver- 
schiedenen Erscheinungsformen  der  Arteriosklerose  des  Seh- 
apparates besprochen:  die  Sklerose  der  Netzhautarterien,  die  Ver- 
stopfung der  Zentralarterie,  welche  wahrscheinlich  nur  ausnahms- 
weise auf  einer  Embolie,  sondern  zumeist  auf  einer  Thrombose 
beruht,  die  Thrombose  der  Zentralvene  und  die  Blutaustritte  in 
der  Netzhaut,  die  Retinitis  circinata,  die  Atrophie  des  Sehnerven. 
Letztere  kommt  entweder  durch  Druck  seitens  einer  sklerotischen 
Carotis  interna  und  besonders  die  A.-ophthalmica  zustande  und 
Ă€ußert  sich  in  dem  Verlust  der  nasalen  GesichtsfeldhĂ€lfte,  oder 
wird  durch  den  Verschluß  einzelner,  von  der  Piascheide  in  das 
Innere  des  Nerven  ziehender,  kleiner  Arterien  bedingt,  was  zu- 
meist zu  peripher  lokalisierten  herdförmigen  Nekrosen  und  dem- 
entsprechend zu  peripher  gelegenen  GesichtsfeldeinschrÀnkungen 
Veranlassung  gibt.  Endlich  können  zentrale  Blutungen  zu  hemi- 
opischen  Störungen  fĂŒhren,  welche  bei  Fehlen  sonstiger  LĂ€h- 
mungserscheinungen  meist  im  Gebiet  der  Fossa  calcarina  lokali- 
siert sind.  Sie  fĂŒhren  zu  kleinen  rechts  oder  links  vom  Fixations- 
punkt  gelegenen  Skotomen,  welche  sich  beim  Lesen  störend  be- 
merkbar machen  und  mit  Hilfe  einer  schwarzen  Tafel  gesucht 
werden  mĂŒssen;  sie  sind  mitunter  Vorboten  grĂ¶ĂŸerer  Gehirn- 
blutungen. 

Ueber  Augen-  und  Ohrenmenschen.  Man  kann  die  Menschen 
in  „Augenmenschen",  bei  welchen  in  intellektueller  Hinsicht  Ge 
SichtseindrĂŒcke  im  Vordergrund  stehen,  und  „Ohrenmenschen", 
deren  DenktĂ€tigkeit  auf  durch  das  Gehör  vermittelten  EindrĂŒcken 
beruht,  einteilen.  Der  Ohrenmensch,  welchen  das  logische  Ge- 
dĂ€chtnis leitet,  steht  intellektuell  ĂŒber  dem  Augenmenschen,  der 
vom  rÀumlichen  GedÀchtnis  abhÀngig  ist.  Bei  der  Behandlung 
schwachsinniger  Kinder  ergibt  sich  daraus  die  ungeheure  Wich- 
tigkeit der  Individualisierung.  Methoden,  welche  bei  dem  einen 
Kind  sofort  einschlagen,  haben  bei  anderen  geringen  oder  gar 
keinen  Erfolg.  ReuB.  (Wien). 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  Neurologie  und  Psychiatrie,  Berlin. 

10.  April  1922,  75,  Heft  3—5. 

Mitteilung  ĂŒber  das  Erleben  in  einem  Zustand  wahnhafter  Regungslosigkeit 
nach  Uatatnnestischen  Angaben  eines  Patienten,  der  darin  mehrere  Jahre 
verharrt  hatte.    Gans,  A.  279. 
❖Herdförmiger  Markfaserschwund.  und  ĂŒber  die  polysklerotisehen  Formen  der 
Paralyse.     K  u  f  s  ,  H.  289.. 
Schwere    Denkstörung    infolge    einer   Kombination    perseveratoriscber.  am- 
nestisch-aphasischcr  und  kontaminatoriscker  Störungen.    Piek.  A.  309. 
Versuch  ĂŒber  die  Anten  der  VerstĂ€ndlichkeit.    Schneider,  K.  323. 
❖Zur    Frage    der    Simulation    (AnamnesenfĂ€lschung).       K  1  i  e  n  e  b  e  r  g  c  r  , 
O.  828. 

Agrammatiismus.    Isserl  in,  M.  332. 
❖BeitrĂ€ge     zur    Frage     der    Restitution     nach    Hirnverletzung.  Göpfert, 
H.  411. 


❖Psychogene  Störungen  bei  HirnbeschĂ€digten.    May,  S.  460. 

Psychologische  und  psychopathologischc  Untersuchung  und  Theorie  des  er 
worhenen   Schwachsinn*.     E  1  i  a  s  b  e  r  g  ,     W.     und     Feucht  w  a  n 

g  e  r  ,  E.  r>16. 

❖Axbeitsvefsuche   bei   Kriegenemratikern.    Gail,  W,  :>9u. 
Malaria-  u.  Rekurrensfieber-Behandlung  bei  progressiver  Paralyse.  Kirsch 

b  a  u  m  ,  W.  63Ă€. 

Geschichte  und  BegrĂŒndung  der  Rekurrensthcrapic  bei  Paralyse.  Plaut,  F 

und  Steiner,  G.  686. 
Handzentrum  in  der  linken  Zentralwindung.     Gans,  A.  689. 

Ueber  den  herdförmigen  Markfaserschwund  und  ĂŒber  die  poly 
skierotischen  Formen  der  Paralyse.    Zugleich  ein  Beitrag  ziu 
Pathogenese  der  multiplen  Sklerose.    Bei    der   Paralyse  kann 
uißer  dem  diffusen  Markschwund  in   der  Hirnrinde,   noch  eii 
fleckiger  Markfaserschwund  vorkommen,  der  in  seltenen  FĂ€ller 
sich  ĂŒber  zahlreiche  Hirnwindungen  ausbreiten  und  durch  SchĂ€ 
digung  einzelner  Rindenzentren  das  klinische  Symplombild  beein 
Hussen  kann  (spastischer  Symptomenkomplex,  multiple  Sklerose 
Symptome).    Der  fleckförmige  Markfaserschwund  der  Paralyst 
kann  isolierte,  grĂ¶ĂŸere  Herde  in  der  Rinde  und  in  der  benach 
harten  Markleiste,  selbst  in  den  Stammganglien  und  im  RĂŒcken 
mark  erzeugen,  die  nicht  nur  makroskopisch,  sondern  auch  mi 
kroskopisch  alle  charakteristischen  Details  aufweisen,  die  den 
Rinden-  und  Markherden  der  multiplen  Sklerose  zukommen.  Es 
gibt  seltene  FÀlle  von  Paralyse,  bei  denen  der  herdförmige  Mark 
Schwund  durch  Bildung  multipler  sklerotischer  Herde  in  Form. 
GrĂ¶ĂŸe,  Verbreitung  ĂŒber  'das  gesamte  Zentralnervensystem,  in 
topographischer   Anordnung   so   vollstÀndig   mit  der  multiplen 
Sklerose  ĂŒbereinstimmt,  auch  das  klinische  Symptomenbild  der  Pa- 
ralyse so  verdecken  kann,  daß  nur  die  histologische  Untersuchung 
des  Gehirns  und  der  positive  Ausfall  der  Wassermannsch^n  Re- 
aktion «im  Serum  und  Liquor  und  die  ĂŒbrigen  serologischen  Unter- 
suchungsmethoden  Aufschluß  ĂŒber  die  wahre  Natur  des  Krank- 
heitsprözesses  gehen  können. 

Zur  Frage  der  Simulation    ( AnaninesiifÀlsohung).     Im  An 

schlĂŒĂŸ  an  einen  Fall  von  Lues  cerebrospinalis,  der  nach  erfolg- 
reicher antiluetischer  Kur,  seine  Erkrankung  unter  Verschweigung 
der  Luesanamnese  in  einer  anderen  Klinik  als  posltraumatisch 
zur  Erlangung  einer  Rente  ausschlachten  wollte,  weist  Verf.  auf 
die  Bedeutung  der  AnamnesenfĂ€lschung  fĂŒr  die  Beurteilung  des 
ganzen  Krankheitsbildes  hin.  Eine  große  Rolle  spielt  dabei  der 
Wunsch,  eine  geistige  Erkrankung,  die  noch  immer  vielfach  als 
Familienschande  gilt,  auf  Ă€ußere  UmstĂ€nde  zurĂŒckzufĂŒhren,  noch 
hÀufiger  handelt  es  sich  um  Rentenbegehrung.  Besonders  werden 
Ereignisse,  die  schon  die  Folge  der  Erkrankung  sind,  als  Ursache 
derselben  artgegeben. 

,  BeitrÀge  zur  Frage  der  Restitution  nach  Hirnverletzung.  Zur 

Frage  der  Restitution  nach  Hirnverletzung  wird  gezeigt,  wie  in 
einem  Fall  von  motorischer  Aphasie  optische  Hilfen,  in  einem 
Fall  von  optisch  bedingter  Alcxie  und  Agraphie  akustische  Hilfen 
eingreifen.  In  dieser  Richtung  hat  die  Uebungslherapie  anzusetzen, 
indem  sie  zunÀchst  die  geistigen  Leistungen  zu  Hilfe  ruft,  die, 
wenigstens  im  Vergleich  mit  den  eigentlichen  Defekten,  noch  rela- 
tiv gut  erhalten  sind;  in  vielen  FĂ€llen  wird  sich  der  Kranke  von 
selbst  die  Hilfe  geradezu  aufzwingen.  So  fanden  sich  fĂŒr  das 
Schreiben  bei  dem  2.  Fall  folgende  Hilfen:  ein-  oder  mehrmaliges 
Aufrufen  des  Buchstabennamens  (akustische  Hilfe),  gleichzeitig 
suchendes,  malendes  Nachfahren,  des  Buchstabens  (Bewegungs- 
schreibmotorische  Hilfe)  und  akustisches  Realisieren  des  Wissens 
um  die  Form  der  Buchstaben  in  Worten  (z.  B.  „und",  „3  Striche1 . 
„schief"  usw.),  des  Wissens  um  die  rĂ€umliche  Ausdehnung  der 
Buchstabenteile  in  Worten,  wÀhrend  der  Buchstabe  als  Einheit 
optisch  nicht  vorgestellt  wird.  Beim  Lesevorgang  wirken  sich  die 
Hilfen  in  umgekehrter  Reihenfolge  aus:  aus  dem  in  Worten  depo 
nitrten  Wissen  um  die  optische  und  rÀumliche  Gestalt  und  Lage- 
anordnung und  im  Zusammenhang  damit  aus  den"  schreibmotori- 
schen Hilfen  (Umfahren  des  Buchstabens),  woraus  sich  die  BrĂŒcke 
zum  Aufruf  des  Namens  ergibt,  womit  der  Bedeutungsinhalt  des 
Zeichens  erkannt  wird. 

Ueber  psychogene  Störungen  bei  HirnbeschÀdigten.  Hirn- 
beschĂ€digte zeigen  in  ĂŒber  der  HĂ€lfte  der  FĂ€lle  eine  traumatisch 
erworbene  affektive  LabilitÀt  und  erhöhte  EmolivitÀt.  Auf  Grund 
dieser  gesteigerten  AffektivitÀt  sind  sie  zu  psychogenen  Störungen 
disponiert.  In  30,5  %  der  FĂ€lle  von  Hirnverletzung  treten  daher 
zu  den  organisch-traumalischen  Allgemein-  oder  HerdschÀdigun- 
gen gewisse  psychogene  Störungen.  Es  finden  sich  alle  Arten 
psychogener  Erscheinungen,  darunter  in  viermal  grĂ¶ĂŸerer  HĂ€ufig- 
keit leichtere  affektive  Symptome:  ihre  Entstehung  stellt  sich  als 
eine  ĂŒber  das  Maß  des  normalen  Ausdrucksgeschehens  hinaus- 


40.' .lall  ig 


Zeitschriften 


.  gehende  AusdrucksĂŒberspnnnung  dar.  In  auffalliger  HĂ€ufigkeit 
linden  sieh  durch  angst-,  erwarlungs-  und  zwangsneurotische 
Mechanismen  ausgelöste  Symptome.  Eigentliche  hysterische  Reak- 
tionen linden  sieh  bei  den  llirnlraumalikcrn  viel  seltener  (in  18 

Ivon  300  FĂ€llen),  darunter  relativ  viele  (10)  hysterisch  Anfalls- 
kranke. Die  anamnestisch  feststellbare  vortraumatische  Konsti- 
tution spielt  in  der  Genese  der  psychogenen  Störungen  der  Hirn- 
verletzlen,  im  Gegensatz  zu  denjenigen  der  Neurolikcr,  im  allge- 

>  meinen  keine  ausschlaggebende  Rolle.  Von  den  psychogenen  Er- 
scheinungen der  Neurotiker,  besonders  der  Shockneurotiker, 
unterscheiden  sieh  die  der  Hirnverletzten  besonders  auch  durch 

l'die  ungĂŒnstige  Prognose  hinsichtlich  der  völligen  Behebbarkeit 
der  Symptome.  Zur  Differentialdiagnose  von  den  organisch  be- 
dingten Folgen  des  Hirntraumas  sind  die  Ergebnisse  der  klinisch- 
psychologischen Untersuchungen,  sowie  die  Verschiedenheit  des 
Behandlungs-  und  Uebungseffektes  in  besonderem  Maße  geeignet 
theoretisch  geben  die  affektiven  Störungen  nach  Hirntraumen 
auch  einen  Fingerzeig  zur  ErklÀrung  der  HÀufigkeit  psychogener 
Symptome  bei  organischen  Hirnerkrankungen.  Unmittelbare  kau- 
sale ZusammenhĂ€nge  zwischen  HirnlĂ€sion  und  Psychogenie  ĂŒber 
den  Weg  einer  traumatischen  Alteration  der  GefĂŒhlssphĂ€re  sind 
f>ichl  nachzuweisen. 

Ueber  Arbeitsversuche  bei  Kriegsneurotikern.    Die  Arbeits- 
versuche bei  Kriegsneurotikern  zeigen  eine  Zahl  verschiedener 
ziemlich  scharf    umrissener  Leislungstypen,    die  untereinander 
l'ebergangsformen  aufweisen,  in  denen  sich  das  Charakteristische 
dieser  Gruppen  mehr  oder  minder  ausgesprochen  erkennen  lĂ€ĂŸt. 
IBei  den  meisten  wurden  hochgradige  Abweichungen  vom  Nor- 
malen gefunden,  nur  wenige  lassen  jede  Störung  des  Arbeits- 
ablaufs vermissen.    Im  Vordergrund  stehen  die  FĂ€lle,  die  durch 
eine  schwere  allgemeine  Minderung  der  Leistung  gekennzeichnet 
sind;  diese  Minderung  erstreckt  sich  zuweilen  nur  auf  eine  An- 
zahl von  Gebieten,  wÀhrend  andere  völlig  verschont  bleiben;  zu- 
weilen zeigt  sich  die  Leistungsminderung  auf  einem  einzelnen  Ge- 
biete besonders  stark,  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigen  nur  ganz  gering  be- 
eintrĂ€chtigt sind.    Ein  besonderer  Typus  ist  der,  daß  bei  Beginn 
der  Versuchsperiode  gute  oder  leidliche  Leistungen  aufgewiesen 
wurden,  die  aber  im  weiteren  Verlauf  von  Tag  zu  Tag  schlechter 
wurden,  feiner,  daß  ĂŒbermĂ€ĂŸige  Schwankungen  der  Tagesdispo- 
[sition  sichtbar  wurden,  die  zu  niedrigen  Gesamtleistungen  im 
:  Versuche  fĂŒhrten.    Bei  einem  Teil  der  FĂ€lle  ließ  sich  die  Lei - 
istungsminderung  mit  einer  abnormen  ErmĂŒdbarkeit  erklĂ€ren,  so 
daß  also  hier  die  neurotische  Arbeitsminderung  nicht  allein  auf 
psychogene  Momente  der  Einstellung  zurĂŒckzufĂŒhren  war.  Es 
[wurden  drei  Gebiete  geprĂŒft:  Die  Auffassung  (Exposition  von 
f2  Buchstaben),  das  Rechnen  (Additionen),  und  Arbeit  am  Arbeits- 
schreiber.   Die  untersuchten  50  Kranken  verteilen  sich  danach 
‱zahlenmĂ€ĂŸig  auf  folgende  Gruppen:  1.  Versuchsergebenisse,  die 
sowohl  bezĂŒglich  der  Höhe  der  Leistung  als  auch  des  Arbeits- 
verlaufs nicht  sicher  als  gestört  gelten  können  (1  FÀlle);  2.  Kranke 
mit  sehr  niedrigen  Leistungen  auf  allen  drei  Gebieten,  oft  noch 
mit  tÀglichem  Sinken  der  Leistung  auf  einem  oder  zwei  der  unter- 
suchten  Gebiete,   mit   ausgesprochener   Einstellung  aufs  Nicht- 
^können  (16  FÀlle);  3.  FÀlle  mit  gekreuzter  Einstellung  (6),  und 
zwar  je  drei  mit  Verminderung  des  Rechnens  und  der  körper- 
lichen Arbeit;  4.  FÀlle,  die  bei  guter  Einstellung  erhöhte  Er- 
mĂŒdungserscheinungen   zeigten    (6);     5.    Zwischenformen  mit 
mĂ€ĂŸiger  Herabsetzung  der   Arbeitseinstellung  oder   solche  mit 
Zeichen  andersgearteter  Hemmung  (18). 

Die  Ergebnisse  geben  ein  gutes  Bild  der  Mechanismen,  die 
zum  Symptomenbild   des   Neurotikers    fĂŒhren:    Die  allgemeine, 
â–șschwere  und  sich  gleichbleibende  Leistungsminderung,  der  nie- 
Edere  flache,  wurmförmige  Verlauf  der  Arbeitskurven  erscheint  als 
[Ausfluß  des  Wesens  des  turgorlosen,  taten-  und  energiearmen  Neu- 
■■otikers  mit  RentenwĂŒnschen,  dessen  einzige  Leistung  in  einem 
rFesthalten  an  der  Vorstellung  des  Nichtleistenkönnens  besteht, 
ilm  wahllosen  Schwanken  der  Tageskurve  sieht  man  die  Aus- 
wirkung der  allgemeinen  LabilitÀt  der  Kranken:  das  dauernde  Ab- 
sinken der  Leistung  entspricht  dem  raschen  Erlahmen,  dem  diese 
Kranken  oft  nach  kurzem  Anlauf  verfallen.    Die  Vorstellung  des 
Niclukönnens  beherrschl  hier  die  Situation,  die  Willensfunktion 
Ă€ls  Anh  ieb  oder  Dauerleistung  findet  keinen  Ausdruck  in  den  auf- 
festellten  Typen.    Von  anderen  Faktoren,  die  den  Gang  der  Ar- 
:>eil  stören,  wird  hervorgehoben  das  Àngstliche  Bestreben,  mög- 
liehsl  genaue  Ergebnisse  zu  liefern,  das  im   Verlauf  der  Arbeit 
:'hwindet,  wÀhrend  in  anderen  FÀllen  durch  die  Anregung  der 
rbeit  Hemmungen  beseitigt  werden;  feiner  auch  vor  allem  die 
iehle  ErmĂŒdbarkeit,  die  fĂŒr  das  Wesen  der  IndividualitĂ€t  Ă€ußerst 
larakteristisch  sein  kann.  W.  Misch  (Berlin). 


ZentralblaU  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

29.  4.  22,  4«,  Nr.  17. 

‱HĂŒfahrungen  mit  der  parasaeralen  A  iiii» tli<- -s i ■■,  hei   l.'io  %  ;lk i iuil<: ti  Operationen. 
Burgkh*i'dt,  K.  642. 
KichtUnien    der    KonAtiltiutioiiapadliotoitlie,    Bedeutung    der  UcvttttLonatoxo* 

nuaeu.     Ci  r  c  i  I  ,   A.  UitS. 
Zum  hohen   (leradstand    bei   Stirnilage.     II  e  r  1  n  s  te  i  n  ,    A.  U56. 
♩Bill    weiterer    Beitrag    zur    Hypnose   in    der    Oelnn  tsliiltV    und  GynĂ€kologie, 
f  Ii  1  k  ,   Ii.  GM. 

Kiu     neues    Opciratiotisvei  IhIik  ii     zur    Heliandlunn     «rotier  L'terusprolapse. 
D  ii  s  c  hu  li    Mainsche  w.  ĂŒUl. 
♩  KĂŒr  den  DammsekuiliĂŒ  in  linker   öeitciĂŒage.     Heil,   K.  668. 
*|tL>ie  X-strahleu  bei  der  Hypereiriesis  gravidarum.    Krankel,  M.  um. 

Erfahrungen  mit  der  parasakralen  AnÀsthesie  bei  130  vaginalen 
Operationen.  Burgkbardt  hĂ€lt  die  parasacrale  AnĂ€sthesie  fĂŒr 
eine  ideale  AnĂ€stnesierungsmethode  fĂŒr  vaginale  Operationen 
aller  Art,  da  sie  immer  ausfĂŒhrbar  und  völlig  ungefĂ€hrlich  fĂŒr 
uie  Kranke  ist.  Er  hat  die  AnÀsthesie  bei  13U  Operationen  ver- 
schiedener Art  angewandt,  am  hÀufigsten  bei  Uterusexstirpa- 
lioneh  und  Pfoiapsoperationen  und  erlebte  nur  einen  richtigen 
\  ersager,  und  zwar  Dei  einer  schwer  neurasthenischen  Kranken, 
nie  fĂŒr  ĂŒie  örtliche  BetĂ€ubung  völlig  ungeeignet  war.  Hauptge- 
wicht legt  B.  auf  die  Vorbereitung  der  Patienten.  Diese  erhalten 
am  Abend  vor  der  Operation  Codeonal  oder  Bromural,  eine 
Stunde  vor  AusfĂŒhrung  der  parasacralen  AnĂ€sthesie  eine  Injek- 
tion von  0,01  Laudanon-lngeiheim  mit  0,0004  Skopolamin.  Das 
\  orbereitungszimmer  wird  verdunkelt,  die  Ohren  der  Patientin 
mit  Watte  verstopft  und  das  Gesicht  mit  dĂŒnnem  Zellstoffschleier 
bedeckt.  Im  Operationssaal  selbst  mĂŒssen  alle  Vorbereitungen 
schon  getroffen  sein,  ehe  die  Patientin  hereingefahren  wird,  und 
dann  wird  jedes  unnötige  GerÀusch  vermieden.  Was  die  Technik 
der  AnÀsthesie  anlangt,  so  kann  man  getrost  bis  zu  250  cem 
Yi  %  iger  Novokain-Suprareiiinlösung  injizieren;  die  Lösung 
selbst  soll  erst  kurz  vor  der  Injektion  frisch  hergestellt  sein.  — 
Bei  kleineren  Operationen  wie  Abrasionen  die  parasakrale  AnÀ- 
sthesie auszufĂŒhren,  hĂ€lt  Verf.  nicht  fĂŒr  nötig,  da  man  dabei 
mit  kurzer  Narkose  rascher  zum  Ziele  kommt. 

Ein  weiterer  Beitrag  zur  Hypnose  in  der  Geburtshilfe  und 
GynĂ€kologie.  Falk  berichtet  ĂŒber  verschiedene  Anwendungs- 
gebiete fĂŒr  die  hypnotische  Behandlung  in  der  Geburtshilfe  und 
GynÀkologie.  Er  behandelte  im  letzten  Jahre  7  FÀlle  von  Hyper- 
emesis  gravidarum,  von  denen  (>  durch  wenige  Hypnosen  ohne 
Rezidive  geheilt  wurden.  Von  gynÀkologischen  Erkrankungen 
wurden  vor  allen  Dingen  Dysmenorrhöen  behandelt.  Daß  auch 
sekretorische  und  vasomotorische  VorgÀnge  den  hypnotischen 
Suggestionen  unterliegen,  beweist  ein  Fall  von  profusen  Men- 
struationsblutungen bei  einer  20jÀhrigen  Nullipara,  bei  der  alle 
bisher  angewandten  therapeutischen  Maßnahmen  (HĂ€mostyptica, 
zweimalige  Abrasio)  ohne  jeden  Erfolg  geblieben  waren.  Im 
blut freien  Intervall  wurde  die  Patientin  dreimal  an  aufeinander- 
folgenden Tagen  hypnotisiert  und  ihr  in  der  Hypnose  klar  ge- 
macht, daß  von  nun  an  die  Periode  nie  mehr  lĂ€nger  als  dreimal 
24  Stunden  dauern  v/ĂŒrde.  Die  Behandlung  hatte  vollen  Erfolg; 
^lie  Patientin  hat  seitdem  dreimal  menstruiert  mit  vierwöchent- 
lichem Zwiscnenraum  und  dreitĂ€giger  Dauer.  Außerdem  be- 
richtet Verf.  noch  ĂŒber  durch  Hypnose  geheilten  Fall  von  Fri- 
giditÀt. SchÀdigende  Nebenwirkungen  der  Hypnose  wurden  nie 
beobachtet. 

FĂŒr  den  Dammschutz;  in  linker  Seitenlage.  Entgegnung  auf 
die  Arbeit  von  Abernelly  im  Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€k.  1921,  Nr.  24, 
der  den  Dammschutz  in  Seitenlage  als  ungeeignet  ablehnt,  weil 
eine  genaue  Beobachtung  der  kindlichen  Herztöne  unmöglich  sei. 
Die  Hauptsache  bei  der  Anwendung  der  Seitenlage  zum  Damm- 
schutz ist,  daß  die  Frair  erst  dann  in  Seitenlage  gebracht  wird, 
wenn  der  Kopf  durchschneidet.  Wegen  der  weit  besseren  Ueber- 
sichtlichkeit  verdient  dieser  Dammschutz  durchaus  den  Vorzug 
vor  dem  Dammschutz  in  der  RĂŒckenlage.  Verf.  empfiehlt  noch, 
den  Kopf  mit  dem  Hinterxlammgriff  zu  entwickeln. 


Die  X-Strahlen  befder  Hyperemesis  gravidarum.  In  4  FĂ€llen 
von  Hyperemesis  gravidarum  gelang  es,  die  Patientin  durch 
zweimalige  Bestrahlung  mit  je  %  E.  D.  (im  Abstand  von  5  Tagen 
applizierter,  harter,  filtrierter  Strahlen)  auf  die  Magengegend  von 
dem  Erbrechen  ganz  au  befreien.  Ob  es  sich  dabei  um  Suggestiv- 
wirkung handelt,  oder  ob  die  Röntgenstrahlen  wirklich  den  Reiz- 
zustand  herabsetzen,  lĂ€ĂŸt  sich  nicht  sagen.  Auf  die  Schwanger- 
schaft ĂŒbten  die  angewandten  Dosen  keinen  Schaden  aus.  Es 
wĂ€re  wichtig,  die  Beobachtungen  am  großen  klinischen  Material 
nachzuprĂŒfen.  Speyer,  Berlin. 


Aas  den   neuesten  Zeltschriften  40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32 


524 

Zentralblatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

13.  Mai  1922,  46,  Nr.  18 

❖  Wiederholte  Extrauteringra\  Ld.ltĂ€t  der  gleichen  .Seite.    Sigw&rt,  W.  BBO. 
G«burteneinfhifl    und    konstitutionelles    Element    in    der    Genese    der  Xeu- 

gebornen-Aniuniinurie.     Lindig,    P.  «94. 
l'laccnta  bidiseoiiUUis.    Lahm,   W.  «9«. 
‱{♩Hin  Fall    von   DoppelmilibMdung    der   weilbtiehen    Genitalien   mit  Ligamen- 
tum roctovesic-ale   pensistens   und   sticlgedrchtem  Ovarialtumor.  KĂ€st- 
ner, H.  700. 

Bin  OberflÀehenpapillon   des   Ovariums.     Hebtrct,   H.  702. 
Tubentorsion  mit  HĂ€matomb.ildung  und  ihre  Aetioiogie.    Hausen,  A.  707. 
<J*Eiu  Fall  von  Myouia  uteri  mit  hochgradigem  Ascites.    1)  u  n  kliase  ,  O.  70». 

Wiederholte  ExtrauteriiigraviditÀt  der  gleichen  Seite.  Bei 
einem  23  jÀhrigen  MÀdchen  war  wegen  Ruptur  im  Isthmus  der 
rechten  Tube  diese  bis  auf  einen  kleinen  Stumpf  entfernt  worden: 
eine  Peritonealisierung  des  Stumpfes  war  wegen  des  schlechten 
Allgemeinzustandes  der  Patientin  unterblieben.  Schon  nach  vier 
Monaten  wurde  .das  MĂ€dchen  wiederum  mit  den  Zeichen  einer  ge- 
platzten TubargraviditÀt  eingeliefert.  Bei  der  Operation  zeigte 
sich,  daß  sich  das  Ei  auf  dem  kleinen  Schleimhautrest  des  rechten 
Tubenstumpfes,  der  mit  einer  DĂŒnndarmschlinge  verwachsen  war, 
angesiedelt  hatte.  Als  praktische  Folgerung  ergibt  sieh  aus 
diesem,  wie  auch  aus  anderen  Àhnlichen  FÀllen  der  Literatur, 
daß  man  bei  Entfernung  der  Tube  wegen  TubargraviditĂ€t  den 
zurĂŒckbleibenden  Tubenstumpf  so  versorgen  muß,  daß  ein 
sicherer  Verschluß  des  Tubenlumens  gewĂ€hrleistet  ist;  am  besten 
geschieht  dies  durch  keilförmige  Excision  der  Tube  aus  dem 
Uterus  und  doppelte  sero-seröse  Naht  der  Wundbettes. 

Ein  Fall  von  Doppelmißbildung  der  weiblichen  Genitalien  mit 
ligamentum  rectovesicale  persistens  und  stielgedrehtem  Ovarial- 
tumor. Ein  19jÀhriges,  gut  entwickeltes  MÀdchen  wurde  wegen 
stielgedrehtem  Ovarialtumor  operiert.  Pat.  zeigte  folgende  Miß- 
bildung: Der  Introitus  vaginae  ist  durch  ein  sagitlal  verlaufendes 
Septum  in  zwei  HÀlften  geteilt,  an  beiden  EingÀngen  gut  ent- 
wickelter Hymen.  Das  Septum  setzt  sich  bis  ans  Ende  der 
Scheide  fort,  wo  zwei  virginelle  Portiones  vaginales  zu  fĂŒhlen 
sind.  Bei  der  Operation  des  Ovarialtumors  zeigte  sich,  daß  zwei 
gut  entwickelte  Uteri  vorhanden  waren,  die  durch  ein  von  vorn 
nach  hinten  verlaufendes  dickes  Septum  rectovesicale  persistens 
getrennt  waren.  Die  Stieltorsion  des  Ovarialtumors  ist  nach  der 
Ansicht  des  Verfassers  vorwiegend  dadurch  verursacht,  „daß 
wegen  der  von  der  Norm  abweichenden  topographischen  Ver- 
hÀltnisse der  Genitalorgane  die  Wachstumstendenz  des  Tumors 
in  einer  Richtung,  in  welcher  es  an  Platz  gebrach,  die  Torsion 
seines  Stieles  bedingt  hat". 

Ein  Fall  von  Myoma  uteri  mit  hochgradigem  Ascites.  Ascites 
als  Komplikation  bei  Uterusmyom  ist  ein  nicht  allzu  hÀufiges 
Vorkommnis.  Verf.  teilt  die  Krankengeschichte  einer  51jÀhrigen 
Patientin  mit,  die  mit  einem  Leibesumfang  von  133-  cm.  in  das 
Krankenhaus  kam.  Es  wurden  durch  Punktion  der  Bauchhöhle 
zunÀchst  12  Liter  klarer  Ascites  abgelassen,  dann  konnte  ein  bis 
zum  Nabel  reichender,  etwa  kindskopfgroßer  Tumor  im  Zu- 
sammenhang mit  dem  Uterus  festgestellt  werden.  Bei  der  Ope- 
ration fand  sich  ein  kindskopfgroßes,  derbes,  gestieltes  Myom  mit 
starken  Netzverwachsungen.  Es  wurden  noch  8  Liter  FlĂŒssigkeit 
aus  der  Bauchhöhle  entfernt,  da  ein  maligner  Charakter  des  Tu- 
mors befĂŒrchtet  wurde,  der  Tumor  mit  dem  Uterus  unter  Mit- 
nahme der  Adnexe  entfernt.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
ergab  jedoch,  daß  es  sich  um  ein  außerordentlich  zellreiches 
Myom  handelte.  Speyer,  Berlin. 

Frankfurter  Zeitschrift  fĂŒr  Pathologie. 

26,  Heft  2. 

❖Zur  Kenntnis  polypöser  Bronchialkurzinome.     Walkwitz.  188 
‱J»Plöly.licber  Tod  durch  Erstickung  infolge  Verlegung  des  Kehlkopfeingangus 

durch    ein    faustgroßes    Epitheliom    des    Zungengrundes.    S  e  h  w  a  i  - 

zacher,  W.  200. 
‱HMionui,  Linguae.    Peteren,  F.  214. 

^Bakteriologische  und  histologische-  Untersuchungen  am  Fettmark  bei  Typhus. 
H  a  r  t  w  i  c  h  ,  A.  227. 

<$>  VerĂ€nderungen  der  KeimdrĂŒsen  bei  Koixsritutlonskntnkheiten,  im  besonderen 

bei  der  Piidatrophie.    Jaffe,  R.  250. 
❖  Knorpelglj  kogen  der  Rippenepiphysen   bei   Rachitis.     Suppes,  J.  268. 

«fcUebermĂ€ĂŸige  Hyperplasie  des  Endometriums.    O  p  p  e  n  h  e  i  m  e  r,  E.  275. 

Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  der  Milz.     K  u  b  i  /.  .  285. 

Myocarditis    uraemiioa.     L  ii  s  c  h  e  r  ,    W.  293. 
❖Zur  Pathogenese  des  Morbus  Addissonii.    Bann  wart.  A.  307. 

Neuroblastom*-»,  sympathieum.     B  a  r  n  e  w  i  t  z.  317. 

Exostosis  cartilaginea  des  Scheitelbeines.    HĂŒbscher,  F.  332. 


‱HJic  großen  Exsndatzellen  bei  Meningitis  tuberculosa.    Wietbold,  ft.  341 
Autoplastisehe    Transplantation    der    Thymus    in   die    Milz    bei  Kaninchen 

.1  a  m  a  n  o  i  ,  8.  354. 

Plötzlicher  Tod  durch  Erstickung  infolge  Verletzung  des  Kehl 
kopfeinganges».  Die  Besonderheit  des  Falles  liegt  darin,  da£ 
der  Tumor  des  Zungenmundes,  an  dem  die  TrÀgerin  im  Alter  voi 
04  Jahren  nachts  plötzlich  erstickte,  mindestens  34  Jahre  Lang 
getragen  wurde,  bis  er  schließlich  fast  FaustgrĂ¶ĂŸe  erreichte.  Ei 
erwies  sich  histologisch  als  ein  benignes  Epitheliom,  als  dessei 
Ausgangspunkt  der  Ductus  lingualis  angesehen  werden  kann. 

Glioma  linguae.  Bei  einem  sechs  Wochen  alten,  sonst  ge 
sunden  Kinde  wurde  eine  taubeneigroße  Geschwulst  unter  dei 
rechten  ZungenhÀlfte  operativ  entfernt;  neuerliche  Exzisior 
wegen  Rezidiv  3  Monate  spÀter.  Histologische  Untersuchung  er- 
gab Gliagewebe. 

Bakteriologische  und  histologische  Untersuchungen  am  Fett- 
mark bei  Typhus.  In  sÀmtlichen  untersuchten  FÀllen  von  Typhus 
abdominalis  konnten  die  Krankheitserreger  aus  dem  Fettmark 
des  Oberschenkels  gezĂŒchtet  werden  und  in  allen  FĂ€llen  fanden 
sich  die  durch  sie  hervorgerufenen  SchÀdigungen  in  F'orm  von 
kleinsten  Nekroseherden  im  Fettmark. 

VerĂ€nderungen  der  KeimdrĂŒsen  bei  Konstitutionskrankheiteu. 

Im  normalen  kindlichen  Hoden  findet  sich  nur  spÀrliches  Binde- 
gewebe. Zwischenzellen  finden  sich  nur  in  geringer  Anzahl.  Sie 
enthalten  kein  oder  höchstens  Spuren  von  Fett.  —  Bei  chroni- 
schen Infektionskrankheiten  kommt  es  zu  einer  sekundÀren 
Atrophie.  Dabei  finden  sich  zwischen  den  SamenkanÀlchen  breite 
ZĂŒge  eines  ödemalösen  Bindegewebes.  Di«  Zwischenzellen  sind 
nicht  vermehrt  und  enthalten  kein  Fett  oder  nur  Spuren  davon 

—  bei  Kindern,  die  als  konstitutionell  minderwertig  zu  betrachten 
sind,  wechselt  der  Gehalt  an  Bindegewebe;  dagegen  sind  die 
Zwischenzellen  hier  stets  vermehrt  und  enthalten  reichlich  Fett. 

—  Diese  letzteren  VerĂ€nderungen  bestehen  regelmĂ€ĂŸig  bei  Kin- 
dem  mit  PĂ€datrophie.  —  Die  Fettansammlung  in  den  Zwischen- 
zellen ist  wohl  als  Ausdruck  einer  Funktionsstörung  aufzufassen; 
Diese  VerÀnderungen  sind  nicht  Ursache  irgend  einer  Erkran- 
kung, sondern  der  Ausdruck  einer  konstitutionellen  Minderwertig- 
keit. 

Knorpelglykogen   der   Rippenepiphysen   bei   Rachitis.  Die 

VerÀnderungen  des  Glykogengehaltes  im  rachitischen  Knorpel 
sind  gering;  im  ruhenden  Knorpel  geringe  Verminderung,  im 
wuchernden  Abnahme  und  weniger  geordnetes  Auftreten.  Das; 
Verhalten  wird  durch  Degeneration  der  Knorpelzellen  in  der 
rachitischen  Epiphyse  erklÀrt. 

UebermĂ€ĂŸige  Hyperplasie  des  Endometriums.  Zur  Beur- 
teilung der  Erkrankungen  der  Uterus  mukosa  steUt  Verfasser 
folgende  LeitsÀtze  auf:  L  Es  ist  in  jedem  Falle  die  jeweilige 
Menstruationsphase  zu  berĂŒcksichtigen.  2.  Als  pathologisch  zu 
bezeichnen  sind:  a)  echte  EntzĂŒndungen  der  Schleimhaut 
(immer  interstitiell),  Plasmazellen,  Lymphozytenherde,  b)  Hy- 
perplasien von  Auftreten  prÀmenstrueller  Schwellungen  bis 
zu  den  stÀrksten  Graden  von  fungösem  Typus.  3.  Beide  Pro- 
zesse stehen  in  keinerlei  ursÀchlichem  Zusammenhang  mitein- 
ander. 4.  Endometritis  wird  durch,  Infektion  verur- 
sacht. In  der  Aetioiogie  der  Hyperplasien  spielen  wahr- 
scheinlich Störungen  der  inneren  Sekretion  des 
Ovariums  eine  Rolle. 

Zur    Pathogenese    des    Morbus    Addissonii.    Die  Addis- 

s  o  n  sehe  Krankheit  war  im  beschriebenen  Falle  durch  die  Zer- 
störung des  Nebennierenmarkes  und  des  Grenzstranges  durch 
ein  Lymphangioendothelioma  peritonei  melastiticum  bedingt. 

Die    großen    Exsudatzellen   bei   Meningitistuberkulose.  Die 

großen  Zellen  kn  E&uda>t  bei  der  tuberkulösen  Meningitis  und 
bei  der  kÀsigen  Pneumonie  sind  Abkömmlinge  fixer  Gewebszellen, 
die  in  einem  Falle  epithelialer,  im  anderen  bindegewebiger  und 
endothelialer  Natur  sind.  Es  sind  Histiocyten,  denen  im  Kampf 
gegen  das  tuberkulöse  Kind  eine  besondere  Funktion  zugefallen 
ist,  die  morphologisch  in  charakteristischer  FormverÀnderung, 
Loslösung  aus  dem  Zellverbande  und  Phagozytose  zum  Aus- 
druck kommt.  Lehndorff  (Wien. 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  experimentelle  Medizin,  Berlin. 

20.  Januar  1922,  26,  Heft  1—2. 

‱H'eber  osmotische  Wirkungen  intravenöseir  Zuckerinjektioneu  uniter  wechseln- 
den Bedingungein  IL    BĂŒrger  u.  Hagemann. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


4>Uebor  die  Funktion  der  Leier  und  Niere  in  der  Schwangerschaft.  Gott- 
i  c i  &  a  l  k. 

♩Leber  die  Scdlimentierungsgeschwindigkclt  der  roten  Blutkörperchen.  L  f.  y. 
Der  respiratorische  (las» ochsel  hei  (iosnnden  und  Kliniken.  H.  Holl  y. 
Die  Schwankungen  im  Kapillarkreislauf.    II  a  g  0  n. 

Die  \V Maische  l.chcrfunktinnsprĂŒfung  hei  l'arulysis  agitaus-Kranken.  Dre- 
sel u.  L  c  w  y. 

Die  Zuckerregulation  bei  Paralyais  agltana-Kranken.  Dresel  u.  I.  b  n  y. 
Die   lehertragharkeit  der  ansteckenden   Blutarmut  der  Pferd«   auf  kleine 

Laboratoriumstiere>   dufte  u.  Silberstei  u. 
Paroxysmale  Tachykardie,    d  e  H  o  e  r. 

lieber  osmotische  Wirkungen  Intravenöser  Zuckerinjektioneiii 
unter  wechselnden  Bedingungen.  Iniravenöse  Injektion  hyper- 
tonischer Traubenzuckerlösungen  in  Mengen  von  l — 2  g  pro  Kilo 
Körpergewicht,  bewirkt  beim  Menschen  eine  osmotische  bedingte 
h\ dramische.  Plethora  (meßbar  durch  HĂ€matokrit-Refraktometer 
—  LeilfĂ€higkeils-  und  Gefrierpunktsuntersuchungen),  die  nach 
1  2  Stunden  wieder  ausgeglichen  ist  und  keine  nennenswerte 
Diurese  zur  Folge  hat;  wÀhrend  dieser  HydrÀmie  besteht  vor- 
ĂŒbergehend Blutdrucksteigerung  von  10 — 15  mm  Hg. 

Ueber  die  Funktion  der  Leber  und  Niere  in  der  Schwanger- 
ichaft. Die  Arbeit  liefert  gleichzeitig  einen  Beitrag  zur  Kenntnis 
des  intermediĂ€ren  Kohlehydratstoffwechsels.  FunktionsprĂŒfung 
lach  Isaac  (Med,  Klinik  1920  S.  1207):  Orale  LĂ€vulosezufuhr 
(100  g  nĂŒchtern)  und  Konirolle  der  Blulzuckerwerte.  Bei  einem 
großen  Teil  der  Graviden  war  bei  LĂ€vulosebelastung  vorĂŒber- 
gehende Leberinsuffizenz  nachweisbar  (HyperglykÀmie,  lang- 
sames Absinken  der  erhöhten  Blutzuckerwerte  und  Urobilinurie) ; 
'bei  einigen  eine  vermehrte.  DurchlĂ€ssigkeit  der  Niere  fĂŒr  Zucker. 

Ueber^  die  Sedimentierungsgeschwindigkeit  der  roten  Blut- 
körperchen. Bei  der  Untersuchung,  von  welchen  Faktoren  die 
Senkungsgeschwindigkeit  der  roten  Blutkörperchen  abhÀngig  ist, 
ergab  sich  ein  Zusammenhang  mit  der  ViskositÀt.  Die  Senkung 
der  roten  Blutkörperchen  erfolgt  im  allgemeinen  um  so  schneller, 
je  viskoser  das  Serum  ist.  Lehndorff  (Wien). 

0.  MĂ€rz  1922,  Heft  3—6. 

Ueber  die  Beeinflussung;  des  Stoffwechsels  der  Kohlehydrate  durch  Strah- 
lung.    P  i  n  c  u  s  s  e  n. 

♩Kine  Indikatorenmethode  zur  AcidltĂ€tsmessung  im  Magen-  und  Darinsalt  beim 
Erwachsenen  und  SĂ€ugling.    M  i  c  h  ae  l  i  s  u.  JJ  ĂŒ  11  e  r. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  Entstehung  der  Rfclaxati  o  diaphrag- 
noatiea.  K  u  r  e  .  H  i  r  a  m  ahn.  T  a  k  a  s  i  .  N  n  k  a  y  a  m  a  und 
M  a  t  s  u  i. 

Chemiisc-he    Untersuchungen    ĂŒber    den    Zwerchfelltonus.     Kure,    K  e  n  . 

M  i  n  (j  r  ii  M  a  e  d  a  u.  K  o  z  o  T  o  y  À  m  a. 
Trophischer   Einfluß  des   Sympathien*   auf   das   Zwerchfell.     Knie.  Ken 

u.  M  a  s  u  o  S  h  i  m  Ii  o. 
‱H  'eher  die  Beeinflussung  des  menschlichen  Stoffwechsels  durch  Chlorophyll- 

PrĂ€parate.    K  ĂŒ  n  i  g  s,  f  e  1  d. 
Die  Bewegung  der  Atemluft  in  den  AlveolargÀngen  der  Lungen.  Dresel. 
Nachtrag  zur  Arbeit  und  klinische  und  experimentelle    Untersuchungen  zur 

BlutplÀttchenfrage.    W  i  1 1  k  o  w  e  r. 

^Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  intfaviMe  Haemolyse.    H  i  e  l  i  n  g  u. 
Isaac. 

‱{‱Quellung  und  EntquellungsersQheinungeu  in  ihrer  Bedeutung  fĂŒr  pathologische 
Prozesse  an  der  Haut.    P  u  I  a  y. 

Histologische  VerÀnderungen  im  Gehirn  von  Meerschweinchen  und  Kanin- 
chen bei  primÀrer  Antiseruin-Anaphylaxie  und  bei  Einspritzung  giftiger 
Normalseren.     F  r  i  e  d  b  e  r  g  e  r  u.  S  c  h  r  ö  d  e  r. 
4* Der  Einfluß  der  LebergefiiĂŒe  auf  den  Wasserhaushalt  und  die  hĂ€moklasisehe 
Krise.    C  ö  r  i  und  .\l  a  u  t  n  e  r. 

Die   Intrakutanreaktion   unspezifischer   Stoffe.     A  r  n  o  1  d. 

Unteirsuchungen  ĂŒber  die  Beeinflussung  normaler  und  pathologisch  verĂ€nder- 
ter Haut  durch  die  parenterale  leistungsstcigcrndc  Reiztherapie.  Stahl. 
Nachweis  des  Vorkommens  einer  heterotogen  partiellen  Vorhoftrachysystole 

am  SĂ€ugetierherzen.     K  j  S  C  h. 

Eine  Indikatorenmethode  zur  AciditÀtsmessung  im  Magen- 
nd  Darmsaft  beim  Erwachsenen  und  SĂ€ugling.  Die  Methode, 
chnell  und  handlich  AcidilĂ€lsbestimmungen  auszufĂŒhren,  besteht 
m  wesentlichen  in  folgendem.  Bei  MagensÀften,  die  Kongopapier 
lÀuen,  wird  Krystallvioletl  als  Indikator  verwendet.  Eine  An- 
hl  ReagensglĂ€ser  werden  mit  6,3—4,0—2,5  cem  usw.  HCl 
fĂŒllt,  mit  p.  H.  —  1,1  1,3  1,5  usw.  signiert,  auf  10  cem  mit  destill, 
asser  aufgefĂŒllt;  hierzu,  sowie  zu  10  cem  des  zu  untersuchenden 
agensaftes  kommt  0,5  einer  Krystallviolettlösung  (0,03:150). 
rbvergleich  im  Komparator  von  Walpole,  modifiziert 
n  Michaelis.  Bei  MagensÀften,  die  Kongopapier  nicht 
Ă€uen,  ist  der  passende  Indikator  m-  oder  n-Nitrophenol,  oder 
resp.  ß-  Dinilrophenol  einfach  zu  ermitteln;  Beslimmung  durch 
rgleich  mit  p.  H.  fertigen  Indikalorreihen  oder  nach 
bellen. 

Ueber    die    Beeinflussung    des    menschlichen  Stoffwechsels 
dreh  C'hlorophyllprÀparat.     Stoffwechselversuch    an  gesunden 


Aerzten;  im  Hauptversucb  3  X  tgl.  :(  Tabletten  eisenfreiea  Chloro- 
San  (BĂŒrgi).  Fs  ergab  sich,  daß  es  gelingt,  durch  Zufuhr  von 
ChlorophyllprÀparaten  auf  den  menschlichen  Stoffwechsel  Im 
Sinne  einer  Steigerung  des  Umsatzes  einzuwirken. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  intravitale  HĂ€molyac,  In 

Fortsetzung  frĂŒherer  Versuche  (Ztschr,  f.  exper,  Med.  25,  1921, 
S.  lj  wird  gezeigt,  daß  nach  Milzexstirpation  bei  Maus  und  Meer- 
schweinchen die  Injektion  von  hÀmolytischem  Immunserum  eben 
so  wie  bei  normalen  Tieren  HĂ€moglobinurie  und  Ikterus  hervor 
ruft.    Ein  kompensatorisches  Eintreten  anderer  Organe  an  Stelle 
der  exstirpierten  Milz  konnte  nicht  beobachtet  werden. 

Quellung-  und  En tquellungser schein ungen  in  ihrer  Bedeutung 
fĂŒr  pathologische  Prozesse  an  der  Haut.  AusfĂŒhrliche.  Studie  ĂŒber 
Quellungs-  und  Entquellungserscheinungen  an  der  Haut,  wobei  die 
charakteristischen  Symptome  speziell  bei  Urticaria  und  Ekzem 
aus  dem  besonderen  physiko-chemischem  Verhalten  des  Gewebes 
erklÀrt  werden.  Die  chemische  Untersuchung  des  Blutes  ergab 
bei  Ekzem  und  Urtikaria  VerÀnderungen,  Vermehrung  der 
HarnsÀure,  VerÀnderungen  des  Cholesteringehaltes,  Kalkvermin- 
derung, HydrĂ€mie  usw.  Quellungserscheinungen  fĂŒhren  bis  zum 
Üedem  und  zur  Blasenbildung,  Entquellung  zur  Exsudation.  Zur 
Auslösung  der  Quellung,  resp.  Entquellung  sind  die  SÀuren-  resp. 
AlkaliverhÀltnisse  von  Bedeutung,  allgemeiner  gesagt,  das  Vor- 
handensein oder  Fehlen  von  fĂŒr  diese  Prozesse  wesentlichen 
Elektrolysen. 

Der  Einfluß  der  LebergefĂ€ĂŸe  auf  den  Wasserhaushalt  und  die 
hÀmoklasisehe  Krise.  Bei  gesunden  und  bei  lebergeschÀdigten 
ikterischen  Kindern  wurde  10  cem  physiologische  Kochsalzlösung 
intravenös  injiziert;  bei  Gesunden  Leukozytose,  bei 
Ikterischen  geringe  Leukopenie.  Auf  Trinken  und 
150 — 500  cem  Wasser  oder  isotonischem  Karlsbader  MĂŒhlbrunn 
reagieren  ikterische  Kinder  mit  geringer  Leukopenie,  auf  die 
nach  einer  Stunde  eine  ganz  kurzdauernde  geringe  Leukozytose 
folgt.  Gesunde  Kinder  zeigen  entweder  eine  deutliche  durch 
1  Stunde  konstant  ansteigende  Leukozytose,  die  meisten  nach 
kurz  dauernder  Leukopenie  eine  Leukozytose,  die  nach  20  Min. 
durch  eine  Bemission  unterbrochen  wird,  dann  bis  eine  Stunde 
nach  dem  Trinken  wieder  ansteigt.  Die  W  i  d  a  1  sehe  Probe  wird 
so  erklĂ€rt,  daß  die  Ueberschw  emmung  des  Organismus  mit  Ei- 
weißabbauproduklen  zum  Krampf  der  Lebervenen  fĂŒhrt,  der 
Blutdrucksenkung,  Aenderung  der  Leukozytenzahl  und  physika- 
lisch-chemische Beaktionen  zur  Folge  hat.  Der  gleiche  Venen- 
krampf kann,  wie  die  Versuche  zeigen,  ebenso  durch  Wasserzu- 
fuhr in  TĂ€tigkeit  gesetzt  werden.  Die  gut  funktionierende  Leber 
gleicht  die  durch  den  Krampf  der  Lebervenen  auftretende  Leuko- 
penie kompensatorisch  aus. 

Lehndorff  (Wien). 

La  Presse  Medicale,  Paris. 

11.  MĂ€rz  1922,  Nr.  20. 

HĂ€moklasisehe    Krisen    bei    Pleuritis    und    Ascites    durch    AutoinjektlOO  des 
Exsudats.    Roch,  M.  und  (lautier,  P.  209. 
‱{‱Mangel  der  Lungeiiaitskultation.    A  aeuitl.e  ,  M.  P.  210. 
‱{‱Impfung  gegen  Typhus.    Cheinisse,   L.  214. 

Die  MĂ€ngel  der  Lungenauskultation.  Die  Methode  der  Aus- 
kultation der  Lunge  mittels  des  Stethoscops  versagt  vor  allem 
bei  folgenden  4  Punkten:  1.  wenn  die  LĂ€sion  unter  dem  Minimal- 
volumen bleibt;  2.  wenn  die  Maximaltiefe  ĂŒberschritten  wird, 
d.  h.  wenn  die  LÀsion  zu  weit  von  der  OberflÀche  entfernt  liegt; 
,'!.  nach  dem  Gesetz  der  akustischen  Transmission,  nach  dem  der 
Schall  nicht  am  Orte  des  Herdes,  sondern  höher,  tiefer  oder 
auf  der  andern  Seite  der  Medianlinie  gehört  wird;  4.  wenn  der 
Auskultierende  selbst  psychisch  oder  physisch  nicht  intakt  ist, 
wie  es  nach  langer  Sprechstunde  und  bei  ErkÀltungen  hÀufig  der 
Fall  ist.  Verf.  rÀt,  wenn  irgend  möglich,  immer  die  neueren 
Methoden,  vor  allem  die  Badiologie  heranzuziehen,  um  sich  vor 
unliebsamen  Ueberraschungen  und  VorwĂŒrfen  zu  schĂŒtzen. 

Zur  antityphoiden  Vaccination.  Verf.  verweist  als  Antwort 
fĂŒr  die  Impfgegner  auf  die  Statistik  der  gfoßbritannischen 
Truppen  wĂ€hrend  des  Transvaalkrieges  1899 — 1902  mit  57  684  Er- 
krankungen und  8022  TodesfÀllen  und  wÀhrend  des  Weltkrieges 
1914—1918  mit  20139  Erkrankungen  und  1191  TodesfĂ€llen.  Im 
ersteren  Fall  waren  208  226  Mann,  im  letzteren  2  Millionen  im 
Felde.  Auch  die  GesamtstaĂŒstik  der  Armee  von  1880 — 1919  zeigt 
ein  plötzliches  Absinken  der  Erkrankungen  im  Jahre  1909,  wo 


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Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


die  fakultative,  und  1910,  wo  die  obligatorische  Typhusschulz- 
impfung eingefĂŒhrt  wurde.  Ferner  verweist  er  auf  die  guten 
Resultate  der  Impfung  per  os  mittels  der  Vaccine  von  Bes- 
red'ka,  die  Zellenbestandteile  enthÀlt  und  die  nicht  die  unan- 
genehmen Nebenwirkungen  der  bisher  ĂŒblichen  Injektionen  zeigt. 

Haber. 

15.  MĂ€rz  1922,  Nr.  21. 

‱{‱Behandlung     von    EntzĂŒndungen     der     serösen    Haute     mit  Chlorkalzium. 
Blum,  L.  221. 

AzotÀmie  und  Azidose  bei  Geistesstörungen.    T  a  r  g  o  w  1  a  ,  R.  225. 

Die  Behandlung  entzĂŒndlicher  Prozesse  der  serösen  HĂ€ute 
mit  CalziumchlorĂŒr.  Bei  akuten  und  chronischen  entzĂŒndlichen 
Exsudaten  seröser  HÀute  wurde  bei  einem  Natrium-armen  Regime 
CalziumchlorĂŒr  in  großen  Dosen  gegeben  mit  dem  Erfolg,  daß 
der  Erguß  rasch,  bisweilen  unmittelbar  resorbiert  wurde,  das 
Fieber  hÀufig  definitiv  abfiel  und  sich  der  schlechte  Allgemein- 
zustand  hob.  Die  Dosis  betrug  15  bis  30  gr  trockenes  Salz  pro 
die,  das  gut  vertragen  wird  bis  auf  zuweilen  beobachtete  geringe 
Verdauungsstörungen.  Habe  r. 

18.  MĂ€rz  1922,  Nr.  22. 

Kampf  gegen  ilie  Tuberkulose-  in  Frankreich.    I!  e  r  u  a  1  d  .  L.  und  P  o  i  x  , 
G.  233. 

Erhöhung-  des  Globuliuprozentsatzea   im  Blutserum   duieh  Leberiusuffizienz. 

F  i  1  i  n  s  k  i  ,  W.  236. 
Arbeiten  ĂŒber  VerjĂŒngung.    Nathan,  M.  287. 

22.  MĂ€rz  1922,  Nr.  23. 

‱{‱Erste  klinische  Anzeichen  des  syphilitischen  Schanker*  der  Genital-Sehlcim- 

baut.    Lacassagne.  J.    245.  , 
❖Neue  Behandlung  der  schweren  Paraplegieu  bei  Pottscher  Krankheit  durch 

Punktion  des  ante-medullÀreu  Abszesses.    C  a  1  v  6  ,  J.  346. 

Die  ersten  klinischen  Zeichen  de*  syphilitischen  Sehankers* 
der  Genitalschleimhaut.  Bei  den  sechs  beobachteten  FĂ€llen  fan- 
den sich  keine  der  klassischen  Zeichen:  Papel,  BlÀschen  oder 
indurierter  Herd;  dagegen  jedesmal  eine  rundliche  oder  ovale 
Erosion  mit  graurötlichem  Grund,  weich,  gut  abgegrenzt,  aber 
ohne  Rand,  nicht  schmerzhaft,  selbst  fĂŒr  instrumentale  BerĂŒhrung 
nicht  empfindlich.  Diese  erosive  OberflÀche  sondert  besonders 
auf  Reiz  eine  vollkommen  klare  seröse  FlĂŒssigkeit  ab,  in 
der  man  leicht  die  Spirochaeten  findet.  Diese  FlĂŒssigkeit 
findet  sich  also  nicht  nur  im  spÀteren,  sondern  bereits  im 
Anfangsstadium  der  Erkrankung  und  bildet  also  kein  differenlial- 
diagnostisches  Symptom  zwischen  Herpes  und  Schanker,  wie  es 
in  LehrbĂŒchern  vielfach  angegeben  ist. 

Eine  neue  Behandlung  der  schweren  Pottschen  Paraplegien: 
Punktion  des  ante-medullÀren  Abszesses  durch  das  foramen  inter- 
vertebrale  hindurch.  Die  bisher  ĂŒblichen  Behandlungsmethoden 
der  Pottschen  Krankheil  bestanden  entweder  in  der  Laminectomie 
oder  der  Costo-Transversectomie  nach  Menard,  die  beide  außer 
der  GefĂ€hrlichkeit  noch  den  Nachteil  haben,  daß  sich  stets  eine 
Fistel  bildet,  die  der  Ausgangspunkt  neuer  Infektionen  werden 
kann.  Um  diesen  Uebelstand  zu  vermeiden  und  doch  den  Herd  zu 
behandeln^  wendet  Verf.  die  Punktion  des  Abszesses  an.  Ver- 
mittels einer  Trocartsonde  mit  geeigneter  KrĂŒmmung  gelangt  man 
durch  das  foramen  intervertebrale  direkt  in  den  Raum  zwischen 
der  VorderflÀche  der  Dura  mater  und  der  HinterflÀche  des  Wirbel- 
körpers, also  in  das  Niveau  des  Abszesses  selbst.  Die  Eingangs- 
slelle bildet  der  nach  unten  und  außen  offene  Winkel,  den  durch 
ihre  rechtwinkelige  Vereinigung  der  Processus  transversus  und 
der  Wirbelbogen  bildet.  Gebraucht  wird  eine  Hohlsonde,  ein  Voll- 
mandrin  und  eine  Trocartsonde,  von  der  Firma  Collin  in  Paris 
geliefert.  Drei  frische  FĂ€lle  wurden  durch  die  Punktion  teils  ge- 
geheill,  teils  erheblich  gebessert,  bei  drei  alten  FĂ€llen  konnten 
keine  gĂŒnstigen  Resultate  erzielt  werden.  Verf.  empfiehlt  weitere 
Anwendung  der  nicht  schwierigen  Methode.  Haber. 

The  Journal  of  Nervous  and  Mental  Disease,  New  York. 

November  1921,  54,  Nr.  5. 

❖  Abdominale   Krisen   bei  der  MigrĂ€ne.     B  u  c  h  a  n  a  n.  406. 
❖.Sac.hs-Georgi-Keaktiion    bei    Neurosyphilis.      Lew  ins  on     und  Peter- 
sen. 413. 

Abdominale  Krisen  bei  der  MigrÀne.  Beschreibung  von 
7   FÀllen,  bei  welchen  schwere  abdominale  SchmerzanfÀlle  zu- 


gleich mit  typischen  MigrÀneanfÀllen  auftraten.  Bei  Verfolgung 
der  Familien  amnese  ergab  sich,  daß  mehrere  Familienmitglieder 
entweder  an  MigrÀne  allein  oder  an  MigrÀne  und  schweren  Ab- 
dominalkrisen oder  an  letzteren  allein  litten.  Durch  operative 
Eingriffe  war  die  MigrÀne  niemals  ztl  beinflussen.  Die  Ursache 
fĂŒr  die  SchmerzanfĂ€lle  konnte  nicht  festgestellt  werden. 

Sachs-Georgi-Reaktion  bei  Neurosyphilis.  100  FĂ€lle  von 
Neurosyphilis  wurden  mittels  der  Wassermann'schen  und  der 
Sachs-Georgi'schen  Reaktion  geprĂŒft.  In  78  %  wurde  Ueberein- 
slimimung  gefunden,  bei  18  FĂ€llen  war  Sachs-Georgi  positiv, 
Wassermann  negativ.  Die  Verfasser  halten  die  Sachs-Georgi- 
Beaklion  wegen  ihrer  Einfachheit  fĂŒr  Ă€ußerst  wertvoll. 

G.  Dorn  er  (Leipzig;. 
Dezember  1921,  54,  Nr.  ĂŒ. 

‱{‱Di*   Psychiatrie   der   griechischen  Tragödiendichter   in   ihrer   Beziehung  zu 

Hippokxates.    YV  r.  i  g  t  Ii.  481. 
❖  Ein   Fall   von   epidemischer   Encephalitis   mit   einem  fĂŒr  multiple  Scleros« 

typischen  Tremor.    H  a  s  s  i  n  und  S  t  o  n  e.  513. 

Die  Psychiatrie  der  griechischen  Tragödiendichter  in  ihrer 
Beziehung  zu  Hippokrates.  Die  grĂ¶ĂŸte  Rolle  sowohl  bei  den 
griechischen  Dichtern  als  auch  bei  Hippokrates  spielt  die  heilige 
Krankheit  (Epilepsie).  Daneben  wird  behandelt  die  akute  Manie, 
plötzliche  Geistesstörung  in  Form  von  Auftreten  plötzlicher  Ver- 
wirrungszustÀnde.  Nach  Hippokrates  sollen  Melancholische  ge- 
wöhnlich Epileptiker  werden  und  Epileptiker  hÀufig  an  Melan- 
cholie leiden.  Hippokrates  hĂ€lt  schon  das  Gehirn  fĂŒr  den  Sitz 
der  Epilepsie  und  anderer  wichtiger  Erkrankungen. 

Ein  Fall  von  epidemischer  Encephalitis  mit  einem  fĂŒr  mul- 
tiple Sclerose  typischen  Tremor.  Eine  51jÀhrige  Patientin  er- 
krankte unter  den  Symptomen  einer  schweren  MigrÀne,  dann 
folgte  ein  Stadium  motorischer  Unruhe  mit  Intentionstremor, 
der  so  hochgradig  wurde,  daß  die  Patientin  vollkommen  hilflos 
war.  Darauf  folgte  ein  Stadium  von  Lethargie  und  Pupillen- 
slörung.  G.  Dorner  (Leipzig). 

Journal  of  laboratory  and  clinical  medicine,  St.  Louis. 

April  1922,  7,  Nr.  7. 

❖Uic  Innervation  des  Sphincter  Pylori.,   Thum*»,  .1.  10.  und  C  h  c  c  )  o  n  ‱, 

H.  375. 

❖Der  Bluitldruck  in  140  Fallen  von  Zuckerkrankheit.  K  o  s  e  n  b  1  o  o  ur  .  J.  39Ă€V 
❖Die  kolloidale  Benzoereaktion  der  DumltialflĂŒssigkeit.    Warniick,  T.  400. 

Der  Laboratoriumspezialist  als  Cousulent  in  der  KUnik.  B  a  i  1  e  y  ,  W.H.  410. 

Eine  Methode  um  einen  „Spinalhund  zu  prĂ€parieren.    Thomas,  J.E.  417. 

Beschreibung-  eines  Spirometers.    Guthrie,  C.C.  421. 

Die     Kouiplemeutbindung     hei     tuberkulöser     Aleningitis.      K  i  I  d  u  f  f  e, 
R.A.  427. 

Ein  Stuhl  fĂŒr  Lumbalpunktionen.    Christian,  T.B.  430. 

Eine     neue     Untersuchung    des    Alageninhaltes.      B  u  t  s  c  h .    J.L.  und 

ĂŒ'.  B  r  i  e  n  ,  CM.  431. 

Die  Innervation  des  Sphincter  Pylori.  Man  hat  in  der  Li- 
teratur oft  einen  Unterschied  gemacht  zwischen  der  Innervation 
des  Antrums  und  des  Sphincter  Pylori.  Dieser  Unterschied  be- 
steht aber  nicht.  Beide,  Sphincter  und  Antrum.  haben  eine  doppelte 
Innervation.  Hemmende  und  motorische  Nerven  werden  sowohl 
im  Splanchnikus  als  im  Vagus  gefunden,  aber  die  Splanchnici 
TĂŒhren  mehr  hemmende  Fasein  als  die  Vagi.  Es  besteht  also  am 
Magen  kein  Antagonismus  zwischen  Sympathicus  und  Para- 
sympathicus.  Es  bestehen  gewisse  Beziehungen  zwischen  Ver- 
Ànderungen im  Blutdruck  und  in  der  MotilitÀt  des  Pylorus,  aber 
nur  dann,  wenn  diese  VerÀnderungen  durch  Splanchnicus- 
reißung  entstehen. 

Der  Blutdruck  in  140  FĂ€llen  von  Zuckerkrankheit.  Im  Diabetes 
ist  der  Blutdruck  normal  oder  etwas  zu  niedrig.  Wenn  der  Blut- 
druck erhöht  ist,  bestehen  Komplikationen,  am  meisten  mit 
chronischer  Nephritis,  Arteriosklerosis,  Aortitis  oder  Herz- 
hypertrophie. Die  Anwesenheit  oder  Abwesenheit  von  Zucker  im 
Harn  hat  keinen  Einfluß  auf  den  Blutdruck 

Die    kolloidale    Benzoereaktion    der    LumbaiflĂŒssigkeit.  In 

Frankreich  hat  man  in  der  letzten  Zeit  eine  Reaktion  empfohlen, 
die  an  die  Stelle  der  Langenschen  Goldreaktion  oder  der  Mastix- 
reaktion von  Emmanuel  treten  könne.  Verf.  hat  87  Zerebrospinal- 
flĂŒssigkeiten  damit  untersucht  und  hat  sie  außerordentlich  unzu- 
verlÀssig gefunden.    Die  Reaktion  ist  ganz  unbrauchbar. 


I 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  WochenschrĂŒt  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  öerlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  40,  Wilhelm  -  Strafe  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 


Nr.  33  34 


Berlin,  den  30.  August  1922 


40.  Jahrgang 


Der  Verlag  behĂ€lt  «eh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  ver. 


Ueber  Badekuren  und  Schwellenreiztherapie. 

Von  Dr.  U.  Weichen,  B;ul  Oeynhausen. 

Der  Badearzt  wird  last  regelmĂ€ĂŸig  vor  die  Aufgabe  ge- 
stellt, chronische  zum  mindestens  subakute  Erkrankungen  be- 
handeln und  zu  einem  fĂŒr  den  Kranken  möglichst  gĂŒnstigen 
Ergebnis  in  der  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  kurzen  Zeit  von  4—5,  höch- 
stens und  selten  von  6  Wochen,  gelangen  zu  sollen.  Wenn 
nun  dieses  Ziel  in  vielen  FĂ€llen  durch  die  balneologische  Be- 
handlung mit  Erfolg  erstrebt  worden  ist,  so  ist  dies  nur 
möglich,  durch  die  unschĂ€tzbaren  natĂŒrlichen  Heilfaktoren, 
welche  in  Badern  und  Trinkquellen  enthalten  sind.  Diese 
Kurmittel  ihrer  wirklichen  Natur  nach  richtig  erkannt  zu 
haben,  sind  wir  allerdings  noch  weit  entfernt,  und  wir  sind 
uns  auch  vollauf  bewußt,  daß  eine  scharfe  Dosierung  mit 
diesen  natĂŒrlichen  Heilmitteln  lĂ€ngst  nicht  in  dem  Maße  der 
Fall  ist,  wie  bei  medikamentöser  Behandlung.  Trotzdem 
hat  iuis  die  Erfahrung  gelehrt,  auch  BĂ€der  und  Trinkquellen 
abzustufen,  dem  Leiden  und  dem  Leidenden  anzupassen  und 
einen  wohlabgewogenen  Kurplan  aufzustellen  und  zielbe- 
wußt durchzufĂŒhren. 

WĂ€hrend  einer  Badekur  beobachten  wir  bei  einem 
Leiden  stets  -wechselnde  Bilder,  es  ist  manchmal,  als  wenn 
im  Fluge  noch  einmal  die  Krankheit  vorĂŒberzieht  in  ihren 
mannigfachen  Erscheinungen,  um  schließlich  abzuklingen 
und  dauernder  Genesung  zu  weichen. 

Schon  das  einfache  Wrasserbad  ist  geeignet,  durch  seine 
elementaren  Wirkungen  die  LebensvorgÀnge  in  wesentlicher 
Form  zu  beeinflussen,  und  diese  Beeinflussung  wird  eine 
wechselnde  sein,  je  nach  der  Temperatur,  mit  der  es  zur 
Anwendung  kommt,  nach  der  Dauer  desselben  und  nach  der 
mechanischen  Form,  welche  zum  Gebrauch  des  Bades  dient. 
Der  thermische  Effekt  ist  der  bedeutungsvollste  des  Bades, 
und  die  Temperatur  ist  das  wichtigste  und  eingreifendste  Mo- 
ment der  Badewirkung.  Durch  die  Badetemperatur  wird  die 
wĂ€rmeregulierende  TĂ€tigkeit  der  Hautorgane  beeinflußt,  die 
WÀrmeabgabe  und  die  WÀrmeproduktion  des  Körpers  ver- 
Àndert, ein  mÀchtiger  Reiz  auf  die  peripheren  Nervenzellen 
geĂŒbt,  der  durch  Fortleitung  oder  Reflex  die  gesamten 
InnervationsvorgĂ€nge  beeinflußt  und  endlich  die  Oxydation 
der  Gewebse lernen te  und  den  gesamten  Stoffwechsel  wesent- 
lich anregt. 

Wenn  wir  nun  in  dieser  kurzen  Zusammenfassung  die 
sinnfÀllige  Reizwirkimg  des  einfachen  Bades  erfahren,  wird 
es  zweifellos  noch  mehr  interessieren,  die  physiologischen 
Wirkungen  eines  Mineralbades,  wie  des  Thermalsolbades  in 
Oeynhausen,  kennen  zu  lernen,  um  seine  Reizwirkung  zu 
verstehen  und  zu  wĂŒrdigen. 

Ein  Hauptvorzug  des  Oeynhausener  Thermalsprudels 
besteht  darin,  daß  er  t  h  e  r  m  i  s  e  h  d  i  f  f  e  r  e  n  t  ist,  d.  h.  in 
einer  Temperatur  genommen  wird,  die  von  der  Temperatur 
des  badenden  Körpers  abweicht.  Unsere  Thermen  ent- 
stammen einer  Tiefe  von  600 — 700  m  und  treten  mit  einer 
Temperatur  von  24 — 33,25°  C.  zutage.  Letztere  Temperatur 
von  etwa  33°  C.  pflegen  wir  als  „naturwarm"  vorzugsweise 
bei  den  Gelenkerkrankungen  zu  verwenden. 

Unsere  ThermalsolbÀder  gehören  also  in  die  Gruppe  der 
thermisch  differenten,  der  wÀ rmeentz iehenden  BÀder  unter 
34  "  C.  Die  ausgleichende  Wirkung  der  KohlensĂ€ure  lĂ€ĂŸt 
die  WĂ€rmeentziehimg   weniger  oder  gar  nicht  zur  Geltung 


'  kommen.  AugenfÀllig  ist  die  durch  die  Oevnhausener 
Thermalsolbad  hervorgerufene  Erregung  des  vasomotori- 
schen Nervensystems.  Dieselbe  findet  teils  direkt,  teils  auf 
reflektorischem  Wege  durch  Reizung  der  peripheren  sen- 
siblen Nerven  statt.  Sie  macht  sich  zunÀchst  an  denjenigen 
Nerven  bemerkbar,  welche  die  BlutgefĂ€ĂŸe  der  Haut  ver- 
engern. Diese  HautanĂ€mie  —  GĂ€nsehaut  —  geht  schnell 
vorĂŒber,  um  einer  lĂ€nger  dauernden  BlutĂŒberfĂŒllung  und 
damit  einer  je  nach  der  thermischen  ReizgrĂ¶ĂŸe  und  der 
Reizempfindlichkeit  des  Badenden  grĂ¶ĂŸeren  oder  geringeren 
Rötung  der  Haut  Platz  zu  machen. 

Weiter  erstreckt  sich  die  Wirkung;  zum  Teil  allerdings 
unter  Mitwirkung  der  reflektorisch  erregten  Hautnerven,  auf 
liefer  gelegene  GefĂ€ĂŸe,  bei  besonders  starker  und  ausge- 
dehnter Reizimg  sogar  auf  das  gesamte  BlutgefĂ€ĂŸ-System. 
Bei  lÀnger  dauernder  Badewirkung  wird  die  Zahl  der 
Herzkontraktionen  vermindert,  die  Pulsfrequenz  verlang- 
samt. Wir  sehen  im  unterhautwarmen  Bade  den  Blutdruck 
sich  steigern,  natĂŒrlich  nicht  in  allen  Organen  gleichmĂ€ĂŸig, 
da  ja  die  BlutgefĂ€ĂŸe  nicht  sĂ€mtlich  zu  gleicher  Zeit  er- 
weitert oder  verengt  wenden.  Daß  hierdurch  auch  die  Zu- 
sammensetzung des  Blutes  beeinflußt  wird,  ist  eine  natĂŒr- 
liche Folge.  Zugleich  mit  der  Zirkulation  wird  auch  die 
Respiration  beeinflußt,  sowohl  in  bezug  auf  Frequenz,  als 
auf  Tiefe  der  AtemzĂŒge. 

Weitere  physiologische  Wirkungen  des  Thermalsol- 
bades bestehen  in  bestimmten  VerÀnderungen  der  Muskel- 
kraft, der  Urin-  und  Schweißabsonderung.  Namentlich  die 
Diurese  wird  durch  das  Oeynhausener  Thermalbad  ganz 
auffĂ€llig  gesteigert.  Diese  Wirkung  ist  ĂŒbrigens  keine  vor- 
ĂŒbergehende, sondern  bleibt  wĂ€hrend  der  Badekur  bestehen. 
So  wird  unseren  zahlreichen  Herzkranken  mit  Kompen- 
salionsstörungen  in  doppelter  Hinsicht  eine  Wohltat  er- 
wiesen: doch  weise  ich  darauf  hin,  daß  die  harntreibende 
Wirkung  auch  bei  Patienten  mit  gesundem,  leistungsfÀhigem 
Herzen  oder  Begleitern  von  Kranken  beobachtet  wird.  Dies 
ist  wohl  in  erster  Linie  eine  Folge  des  unterhaut- 
w  a  r  m  e  n  kohlensauren  Bades. 

Der  zweite  bedeutungsvolle  Heilfaktor  im  Oeynhausener 
Bade,  die  Sole,  wirkt  auf  die  peripheren  Nervenfasern; 
eine  Erhöhung  der  T  astempfind  Henke  it  nach  SolbÀdern  ist 
♩schon  nachgewiesen  worden1)  durch  Versuche  mit  dem 
Weber'schen  Tastzirkel  von  Santlus  Beneke.  Voigt 2)  be- 
richtet, daß  sich  wĂ€hrend  der  Badekur  in  den  FĂ€ltchen  der 
Haut,  bis  in  die  tiefsten  Schichten  der  Epidermis  dringend, 
eine  Unzahl  kleinster  Salzkristalle  abschneidet,  von  denen 
noch  wochenlang  nac  h  Beendigung  der  Kur  Spuren  nach- 
gewiesen worden  sind1. 

Zu  den  wirksamen  Komponenten  des  unterhautwarmen 
Solbades  tritt  nun  als  dritte  und  einflußreichste  die 
KohlensÀure  in  engster  Bindung  an  die  Therme  hinzu. 
Unter  gewaltigem  Druck  springt  der  Kaiser-Wilhelm- 
Sprudel  aus  der  Ende  zu  der  machtvollen  Höhe  von  50  m 
hervor  und  lĂ€ĂŸt  das  Auge  schon  die  starken  KrĂ€fte  ahnen, 
welche  im  Thermalsolbade  Oeynhausens  enthalten  sind. 

Im  Bade,  in  welchem  sich  der  Körper  mit  unzÀhligen 
feinen  GasblÀschen  bedeckt,  ist  das  nach  einigen  Minuten 
bereits  auffÀlligste  Symptom,  die  bedeutende  Rötung  der 
Haut,  sowie  eine  nachdrĂŒckliche  WĂ€rmeempfindung.  Das 

')  Kisch,  Balneotherapie. 

2)  Voigt,  Die  Kurmittel  Bad  Oeynhausens. 


5*8 


Weichert:  Badekuren  und  Schwellertreiztherapie 


40.  Jahrg.  —  Nr.  33/34 


WannegefĂŒhl  muß,  da  sich  eine  demselben  entsprechende 
Temperatursteigerung  nicht  nachweisen  lĂ€ĂŸt,  nach  den 
Untersuchungen  Gold, scheiders  aus  einer  direkt  von 
der  KohlensÀure  erfolgten  Reizung  der  WÀrmenerven  erklÀrt 
werden. 

Die  Reizwirkung  auf  die  sensiblen  zentripetalen  Nerven 
tut  sich,  wie  schon  erwĂ€hnt,  in  Prickeln  und  WĂ€rmegefĂŒhl 
kund.  Auch  zeigt  sich  die  Tastempfindlichkeit  der  Haut  ge- 
steigert; der  KohlensÀure  reiz  auf  die  sensiblen  Hautnerven 
pflanzt  sich  auf  die  Nervenzentra,  durch  Reflex  auf  das  ge- 
samte Nervensystem  fort  und  veranlaßt  so  das  belebte  All- 
gemeingefĂŒhl  nach  einem  solchen  Bade,  sowie  eine  Steige- 
rung aller  ErnÀhrungsvorgÀnge. 

Aus  diesen  physiologischen  Wirkungen  des  Oeynhau- 
sener Thermalsolbades  entsteht  nun  der  Reiz  auf  den  Or- 
ganismus, der  sich  insbesondere  in  den  Krankheitsherden 
als  Reaktion  widerspiegelt.  Unter  den  Herz-,  Nerven-  und 
Gelenkerkrankungen,  welche  wir  vorzugsweise  zur  Behand- 
lung bekommen,  erscheinen  mir  die  letzteren  besonders  ge- 
eignet, die  Reizwirkung  des  Thermalsolbades  zu  veran- 
schaulichen. 

In  seinen  Arbeiten  ĂŒber  die  Schwellenreiztherapie  hat 
ja  Z  im  in  e  r 3),  angeregt  durch  die  klassischen  Unter- 
suchungen Biers  ĂŒber  HyperĂ€mie  als  Heilmittel,  schon 
ausdrĂŒcklich  darauf  hingewiesen,  daß  die  Reaktionen  auf 
die  Proteinkörper  und  andere  Reizkörper  vergleichbar  sind 
den  Reaktionen  auf  physikalische  Heilmethoden  und  4)  eine 
Parallele  gezogen  zwischen  Reizkörper-  und  BÀderreaktion. 
Auch  Bier  B)  hat  in  der  Berliner  Medizinischen  Gesellschaft 
bei  der  Aussprache  ĂŒber  Reizkörperthei-apie  an  die  Gleich- 
heit der  Reaktion  erinnert. 

FĂŒr  die  Wiesbadener  Thermen  hat  Geronn  e  °)  und 
fĂŒr  Wildbad  hat  Schober7)  Ă€hnliehe  GrundsĂ€tze  aufge- 
stellt. Die  Baineologen  haben  von  jeher  sich  daran  gewöhnt, 
in  dem  Mineralbade  ein  gewisses  Reizmittel  zu  sehen, 
welches  die  Krankheitsherde  aufsucht,  anregt,  Schmerzen 
auslöst,  Allgemeinerscheinungen  hervorruft,  um  erst  dann 
seine  lindernde  und  heilende  Wirkung  zu  entfalten.  Wir 
erleben  wÀhrend  der  Badekur  ebenfalls  meistens  eine  ne- 
gative und  positive  Phase. 

In  der  Regel  tritt  nach  dem  5.  und  6.  Termaisolbade  ein 
Zustand  ein,  den  wir  in  Allgemein-  und  Herdreaktionen  zer- 
gliedern können.  Es  gibt  hier  natĂŒrlich  viele  UebergĂ€nge, 
auch  Allgemeinreaktionen  ohne  Herdreaktionen  und  umge- 
kehrt. So  sehen  wir  leise  „Mahnungen",  wie  H  e  i  1  n  e  r  sie 
recht  treffend  bezeichnet,  ziehende,  wandernde,  unbestimmte 
Schmerzen,  welche  kommen  und  gehen;  wir  sehen  weiter 
Schwellungen  und  Rötungen  einzelner  Gelenke  auftreten, 
teils  ohne,  teils  mit  Fieber,  wir  finden  Erytheme  und  Exan- 
theme. Oft  tritt  dazu  eine  körperliche  Erschöpfung,  Abge- 
schlagenheit, SchwindelgefĂŒhl,  Herzklopfen  und  Schlaf- 
losigkeit. In  manchen  FĂ€llen  entsteht  das  Bild  eines 
akuten  Darmkatarrhs,  ohne  daß  eine  Verdauungsstörung' 
nachzuweisen  ist.  Das  Bild  dieser  Badreaktion  Àhnelt  ganz 
auffallend  der  Reaktion  nach  Injektion  unspezifischer  Ei- 
weißkörper, wie  es  R  o  1 1  y  8)  ausfĂŒhrlich  schildert.  Nur  das 
Fieber  fehlt  in  der  Regel,  und  doch  habe  ich  einzelne  FĂ€lle 
beobachtet,  die  Temperaturerhöhungen  aufwiesen. 

Es  ist  das  große  Verdienst  von  Bier "),  die  Reiztherapie 
Virchows  der  Vergessenheit  wieder  entrissen  und  sie  nicht 
nur  auf  die  Wirkung  der  Proteinkörper,  sondern  auch  auf 
die  normalen  Lebensreize  und  natĂŒrlichen  Heilmittel  ange- 
wandt zu  haben. 

Mit  dieser  Reizbarkeit  und  diesen  Reizen  hat  der  Bal- 
neologe  in  erster  Linie  zu  rechnen,  und  hierauf  baut  sich 

3)  Zimmer,  Berliner  Kl.  Wochenschrift  1921  Nr.. 20,  M.  m.  W. 
1921,  Nr.  18,  Berl.  Kl.  \V.  1921  Nr.  43—45. 

4)  Zimmer,  Zeitschrift  fĂŒr  physik.  Therapie  1921,  Nr.  11. 

5)  Sitzung  der  Berl.  med.  Ges.  2.  2.  1921. 

e)  Gerönne,  Allg.  Med.  Zentralz.  1921,  Nr.  32  u.  33. 
')  Schober,  Allg.  Med.  Zentralz.  1921,  Nr.  41. 

8)  Rolly,  M.  m.  W.  1921,  Nr.  27. 

9)  Bier,  M.  m.  W.  1921.  Nr.  6,  Nr.  46. 


die  Auffassung  auf,  daß  BĂ€derbehandlung  eine  natĂŒrliche 
Reizkönperbehandlung  ist.  Ich  fĂŒhre  gerade  die  Allgemein- 
erscheinungen bei  der  Badreaktion  auf  Zerfallsprodukte 
zurĂŒck,  die  bei  physiologischer  Mehrarbeit  der  Organe  auf- 
treten. Freund  und  G  o  1 1 1  i  e  b  10)  haben  hier  sehr  inter- 
essante Untersuchungen  angestellt,  welche  in  erster  Linie 
der  Proteinkörpertherapie  zugute  kommen,  welche  aber  ge- 
rade im  Hinblick  auf  die  bahnbrechenden  Anschauungen 
Biers  ohne  Zweifel  auch  auf  die  BĂ€derbehandlung  and 
ihre  physiologische  Wirkung  ĂŒbertragen  werden  können. 
So  nimmt  auch  Rolly  in  seiner  oben  erwÀhnten  Arbeit  mit 
Recht  bei  der  normalen  Lebensfunktion  einen  bestÀndigen 
Zerfall  von  Zellen  im  Organismus  an;  die  Zerfallsprodukte 
sind  als  Reiz  fĂŒr  die  Lebensfunktionen  notwendig;  ohne 
diese  Reizmittel  kein  Leben,  keine  normale  Funktion!  Durch 
das  Thermalsolbad  entsteht  aber  ein  gewaltiger  Antrieb 
aller  Gowebselemente,  eine  Vermehrung  der  Oxydationsvor- 
gÀnge, eine  VerÀnderimg  des  Blutbildes  u.  dergl.  in. 

Besonders  interessant  ist  mm  das  Auftreten  von  Krank- 
heitserscheinungen, welche  mit  dem  GrundĂŒbel,  das  zur 
Badekur  gefĂŒhrt  hat,  gar  nichts  zu  tun  haben  und  jahre- 
lang geruht  haben;  das  sind  in  erster  Linie  Gallenstein - 
koliken,  Leberanschoppung,  Nierensteinkoliken,  ferner  Tri- 
geminus-  und  Ischalgien,  auch  GichtanfÀlle.  Dabei  will  ich 
auch  die  chronische  BlinddarmentzĂŒndung  erwĂ€hnen, 
welche  sich  manchmal  nach  den  ersten  BĂ€dern  wieder  mel- 
det und  oft  genug  den  schnellen  Entschluß  gezeitigt  hat,  sich 
endlich  operieren  zu  lassen.  Bei  Frauen  finden  wir  ver- 
mehrten Fluor  albus,  sowie  vorzeitige  Menstruation,  im  Kli- 
makterium Wiederauftreten  von  Blutungen. 

Kaznelson  und  Lorant u)  haben  ja  bei  der 
Röntgentherapie  die  gleiche  Erfahrung  gemacht,  sie  sprechen 
von  allgemeiner  Leistungssteigerung  als  Fernwirkung  the- 
rapeutischer Röntgenstrahlen.  So  werden  lanzinierende 
Schmerzen  von  Tabikern,  Gelenkschrnerzen  und  -Schwel- 
lungen u,  dergl.  nebenbei  ausgelöst,  ohne  daß  sie  die  Ur- 
sache der  Therapie  gewesen  sind.  Auch  hier  dringt  wieder 
die  Annahme  durch,  daß  in  den  von  Strahlen  getroffenen 
Korperteilen  Stoffe  entstehen,  die  in  den  Blutstrom  gelangen 
und  so  die  TrÀger  einer  Fernwirkung  werden. 

So  entsteht  die  Badreaktion,  welche  bei  den  Patienten 
als  „Thernialkoller"  bezeichnet  und  als  ein  untrĂŒglicher 
Hinweis  auf  einen  gĂŒnstigen  Kurverlauf  angesehen  wird. 
Der  Badearzt  sieht  in  der  Badreaktion  ein  wichtiges  Kenn- 
zeichen der  spezifizierten  Thermalwirkung  und  stuft  da- 
nach die  BĂ€der  ab  nach  Zeit,  Temperatur  und  HĂ€ufigkeit. 

Nicht  immer  gelingt  es,  diese  erwĂŒnschte  Reaktion  aus- 
zulösen; manchmal  gestaltet  sich  der  Kurverlauf  so,  daß  es 
zu  keiner  ausgesprochenen  Reaktion  nach  den  ersten  BĂ€dern 
kommt.,  sondern  daß  eine  langsam  einschleichende,  allmĂ€h- 
lich ganz  sacht  folgende  Zunahme  der  körperlichen  Be- 
schwerden kommt,  bis  zum  letzten  Bade.  Die  Kranken  ver- 
lassen dann  scheinbar  ungebessert,  öfters  sogar  anscheinend 
verschlechtert,  unser  Bad.  Solche  Patienten  bedĂŒrfen  not- 
wendig einer  Nachkur,  damit  der  segensreiche  Einfluß  der 
BĂ€der  sich  bald  bemerkbar  macht.  In  der  wohltuenden 
Ruhe  nach  der  Badekur  hat  der  Organismus  Zeit,  selbst  die 
Auswirkung  der  ThermalsolbÀder  vorzunehmen1-).  L ach  - 
mann,  Bad  Landeck,  weist  ganz  besonders  darauf  hin. 
daß  die  Heilwirkung  nach  einer  Badekur  nur  ganz  allmĂ€h- 
lich in  die  Erscheinung  tritt  und  die  RĂŒckbildung  krank- 
hafter VerÀnderungen  im  Organismus  oft  genug  erst  lÀngere 
oder  kĂŒrzere  Zeit  nach  Abschluß  der  Kur  den  Kranken 
fĂŒhlbar  wird.  Ich  habe  stets  daran  festgehalten,  dieses  Ziel 
durch  milde;  vorsichtige  Kurverordnung  zu  erreichen  und. 
wenn  ich  die  Anschauung  teile  und  festlege,  daß  auch  die 
Badekur  Reiztherapie  bedeutet,  so  fĂŒhrt  mich  dies  unwill- 
kĂŒrlich auf  die  Schwellenreiztherapie,  wie  ich  noch  spĂ€ter 
erörtern  werde. 


10)  Freund  u.  Gottlieb,  M.  m.  W.  1921.  Nr.  13. 
u)  Kaznelson  u.  Lorent,  M.  m.  W.  1921.  Nr.  5. 
12)  Lachmann,    Badekuren.    „Aus   dem   Ratgeber    fĂŒr  Bade 
reisende",  BĂ€der- Verlag  Bad  Oeynhausen  1921. 


40,  Jahrg. —  Nr.  33/34 


Weichert:  Badekuren  und  Schwellenreiztherapie 


Nun  haben  in  der  heutigen  teuren  und  schnellebigen 
Zeit  die  Kranken  nicht  immer  Muße  und  Gelegenheit,  eine 
Nachkur  zu  genießen;  sie  mĂŒssen  sofort  wieder  hinein  in 
die  Arbeit,  Geist  und  Körper  werden  sogleich  schar! slens 
angepannt.  Haben  solche  Patienten  wÀhrend  der  Badekur 
k  e  i  n  e  Reaktion  ĂŒberstanden,  so  dauert  es  oft  Monate,  bis 
die  Glieder-  und  Gelenkschmerzen  verschwunden,  die 
Kapselverdickungen  gewichen  sind,  die  Beweglichkeit 
wiederkehrt.  Diese  Tatsache  stimmt  ganz  zu  den  Ansichten 
fteilners18),  welcher  die  Wirkung  einer  Kur  nicht  vor 
i  Monaten  beurteilen  will. 

Es  ist  den  BĂ€dern  oft  nachgesagt  worden,  daß  sie  ohne 
Berechtigung  auf  ihre  Erfolge  slolz  sind.  Die  Ausschaltung 
hÀuslicher  Sorgen  und  Aulregungen,  Luft  und  Sonne,  gute 
ErnĂ€hrung  und  —  Autosuggestion  trĂ€fen  zusammen,  um  den 
Kurerfolg  zu  zeitigen.  Das  mag  fĂŒr  manchen  Neurastheniker 
zutreffen,  fĂŒr  die  Gelenkerkrankimgen  aber  nicht  im  ent- 
ferntesten, die  wir  als  Beispiel  fĂŒr  die  Betrachtung  der 
Haderwirkung  gewÀhlt  haben.  An  den  beschriebenen  sub- 
jektiven und  objektiven  VerÀnderungen  wÀhrend  einer 
Badekur  können  wir  nicht  achtlos  vorĂŒbergehen,  ohne  einen 
ursĂ€chlichen  Zusammenhang  annehmen  zu  mĂŒssen. 

Wir  haben  die  verschiedenen  Arten  der  BĂ€derreaktion 
kennen  gelernt,  es  heißt  nun,  darauf  die  gĂŒnstigste  Form 
herauszufinden  und  im  Sinne  eines  gĂŒnstigen  Kurverlaufs 
zu  erwirken.  Der  natĂŒrlichste  Weg  ist  der  beste,  und  ich 
kann  wohl  sagen,  daß  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  ganz  von 
selbst  nach  dem  4.  bis  6.  Bade  die  Badreaktion  einsetzt. 
Auch  hier  zeigt  sich  das  wichtige  Gebot,  bei  Aufstellung  des 
Kurplans  die  ThermalsolbÀder  richtig  und  doch  vor- 
sichtig zu  dosieren,  um  keine  stĂŒrmische,  angreifende  Re- 
aktion zu  erzielen.  Jede  Schematisierung  der  Verordnung 
kann  sich  bitter  rĂ€chen.  Ein  bleichsĂŒehtiges  junges  MĂ€d- 
chen, welches  monatelang  durch  Gelenkrheumatismus  an 
das  Zimmer  und  Bett  gefesselt  war,  verlangt  eine  andere 
Badeform,  als  der  wohlgenÀhrte  Gichtiker.  Die  zweite  Ther- 
malbadekur  entspricht  durchaus  nicht  immer  der  ersten,  im 
FrĂŒhjahr  und  Herbst  ist  die  ReaktionsfĂ€higkeit  des  Kör- 
pers anders,  als  im  Hochsommer,  wenigstens  beim  Rheu- 
matiker. 

Wie  erwĂ€hnt,  gibt  es  nun  FĂ€lle,  in  denen  die  erwĂŒnschte 
Badreaktion  sich  verzögert  und  ausbleibt,  bei  denen 
man  nicht  recht  vorwÀrts  kommt.  Es  ist,  als  wenn  der 
Organismus  sich  gegen  die  BĂ€der  unbeugsam  verhalten 
will.  Und  ich  muß  wieder  in  das  GedĂ€chtnis  zurĂŒckrufen, 
daß  diejenigen  Patienten  den  gĂŒnstigsten  Kurverlauf  zeigen, 
bei  denen  im  ersten  Drittel  der  Kur  eine  Reaktion  ausgelöst 
wird.  Da  sehe  ich  mich  genötigt,  dem  Organismus  einen 
weiteren  Antrieb,  ein  Hilfsmittel  zur  Auslösung  einer  milden 
Reaktion  zu  bieten. 

Nachdem  ich  vor  Jahren  in  solchen  FĂ€llen  Versuche  mit 
LIrtiarsyl  (Ameisen- und  arsenige  SĂ€ure)  nach  den  Erfahrun- 
gen von  G  e  m  m  e  1 ,  Salzschlirf,  angestellt  hatte,  die  mich  teils 
befriedigten,  zum  Teil  aber  auch  enttÀuschten,  ging  ich  nach 
den  ersten  Veröffentlichungen  Heilners14)  zu  Sanarthrit 
ĂŒber.  Auch  hier  waren  es  zunĂ€chst  Ă€ußere  GrĂŒnde,  welche 
mir  die  anfĂ€nglich  bekanntgegebene  Begeisterung  ĂŒber  das 
neue  PrÀparat  stark  beschrÀnkten.  Die  intravenöse  Ein- 
spritzung ist  und  bleibt  ein  schwierigerer  Eingriff,  als  sub- 
kutane und  intramuskulÀre  Einspritzungen  und  verlangt  in 
der  Sprechstunde  des  beschÀftigten  Badearztes  zuviel  Zeit. 

NatĂŒrlich  darf  dieser  Grund  nicht  entscheidend  sein, 
wenn  im  ĂŒbrigen  die  erwĂŒnschte  Wirkung  eintrifft.  Ich 
kann  nach  meinen  Versuchen  nicht  rĂŒckhaltlos  die  Erfolge 
Heilners  mitteilen.  Von  etwa  20  FĂ€llen  subakuter  und  chro- 
nischer Polyarthritis  sind  trotz  starker  Reaktionen  nur  we- 
nige gĂŒnstig  beeinflußt  worden;  ein  Fall  mit  monatelangen 
subfihrilen  Temperaturen  ist  jedoch  durch  Sanarthrit  ent- 
fiebert worden,  und  zwar  nicht  nach  starken  Reaktionen, 
sondern  nach    tastenden  Dosen   und  ganz    geringen  Tem- 

l»)  Heilner,  M.  m.  W.  1917,  Nr.  29. 

")  Heilner,  M.  m.  W.  1916,  Nr.  28,  1917,  Nr.  29,  1918,  Nr.  36. 


peralurstoigerungen.    Damit   komme    ich   auf   die  Haupl 
Ursache  meines  zurĂŒckhaltenden  Urteils  ĂŒber  Sanarthrit;  ich 
sehe  aus  starken  Reaktionen  keinen  Nutzen,  sondern  ehe) 
einen  Schaden   wÀhrend  der  Badekui. 

FĂŒr  mich  hat  sich  das  A  rndt  -Schulz  'sehe  bioko 
gische  Grundgeselz  bewĂ€hrt:  „Schwache  Reize  fachen  die 
LebensfÀhigkeit  an,  mittelstarke  fördern  sie,  starke  hemmen 
sie,  stĂ€rkste  heben  sie  auf".  FĂŒgt  man  dem  Reize  des  Ther- 
malsolbades  noch  einen  unter  UmstÀnden  so  stanken  Beiz 
hinzu,  wie  er  meist  nach  Sanarthrit  entsteht  und  auch  von 
Meilner  gewĂŒnscht  wird,  so  erzielt  man  fĂŒr  den  Kranken 
keinen  Nutzen,  sondern  Schaden.  Das  habe  ich  wiederholt 
erlebt  und  außerdem  noch  die  Beobachtung  gemacht,  daß 
die  Patienten  wÀhrend  einer  Badekur  höc  hst  ungern  sieh  ins 
Bett  legen  und  noch  dazu  fiebern  mĂŒssen.  Solche  angreifen- 
den Heilmethoden  soll  und  muß  der  Badearzt  vermeiden. 

Nach  den  ĂŒberraschenden  Erfolgen,  welche  Zimmer10) 
aus  'der  Bier'schen  Klinik  berichten  konnte  und  von  denen 
ich  mich  selbst  ĂŒberzeugen  durfte,  beschĂ€ftigte  ich  mich 
auch  mit  der  Proteinkörpertherapie  und  insbesondere  mit 
dem  Kaseosan.  Einmal  befriedigte  mich  die  Form  der  In- 
jektion, die  geringe  Menge  des  einzuspritzenden  Mittels  im 
Gegensatz  zu  Milch  und  Aolan  und  vor  allem  die  milden 
Reaktionen,  welche  bei  richtiger  Dosierung  erfolgten..  Erst 
nachdem  ich  auch  mehrere  FĂ€lle  beobachtet,  in  denen  das 
Kaseosan  zweifellos  nicht  steril  gewesen  war  und  wochen- 
lange Fieberperioden  mit  allen  Begleiterscheinungen  einer 
schleichenden  Infektion  hervorgerufen  halte,  wÀhlte  ich  als 
Proteinreizkörper  das  Yatren  Kasein.  Inzwischen  scheint 
das  Kaseosan  wieder  durchaus  steril  in  die  Praxis  zu 
kommen,  wenigstens  erwÀhnt  Gerönne16)  in  seinem  Vor- 
trag in  Wiesbaden  ĂŒber  Proteinkörpertherapie  der  Gelenk - 
crki anklingen  keine  unangenehmen  ZwischenfÀlle. 

Das  Yatren-Kasein,  welches  sich  Zimmer  unter  allen 
bisher  .angewandten  Reizkörpern  am  besten  bewÀhrt  hatte, 
wurde  von  ihm  auf  dem  Kongreß  ĂŒber  Gelenkerkrankungen 
in  Bad  Oeynhausen  —  24.  bis  26.  September  1921  —  aus- 
fĂŒhrlich erörtert  und  befĂŒrwortet.  Auch  aus  dem  Eppen- 
dorfer Krankenhaus  in  Hamburg  konnte  Peemöller17) 
ĂŒberaus  gĂŒnstige  Erfolge  berichten.  In  der  Sommerkurzeit 
1921  hatte  ich  ebenfalls  bei  etwa  30  FĂ€llen  Gelegenheil  ge- 
nommen, Yatren-Kasein  als  Schwellenreizmittel  anzuwenden, 
mit  durchaus  zufriedenstellenden  Ergebnissen. 

Ein  Hauptvorzug  dieses  Mittels  ist  die  unbedingte  Ge- 
wißheit, einen  sterilen  Proteinkörper  dem  Organismus  ein- 
zuverleiben, und  zweitens  die  Möglichkeit,  schwache  Reize, 
Schwellenreize  zu  entfalten.  Eine  Temperatursteigerung  bis 
auf  37 u,  höchstens  37,5  °,  genĂŒgt  vollkommen,  ja  sie  ist 
nicht  einmal  nötig  bei  vorhandener  Herdreaktion.  Wenn  es 
irgend  möglich  ist,  lasse  ich  'den  Patienten  bei  den  ersten 
BĂ€dern  messen  und  das  Allgemeinbefinden,  sowie  die 
Krankheitsherde  beobachten.  Erfolgt  bis  zum  8.  Bade  keiner- 
lei Reaktion,  keinerlei  körperliche  Umstimmung  oder  Wand- 
lung in  dem  Leiden,  so  gebe  ich  tastend  einige  Yatren- 
Kasein- Injektionen  nach  den  Richtlinien,  welche  Zimmer 
fĂŒr  die  Behandlung  der  Gelenkerkrankimgen  aufgestellt  hat. 
Meist  folgt  dann  schnell  eine  Reaktion  unter  dem  Bilde  eines 
schwachen  „Thermalkollers",  d.  h.  eine  Allgemein-  und 
Herdreaktion  mĂ€ĂŸigen  Grades,  wie  sie  oben  beschrieben 
wenden  sind. 

Dann  ist  fĂŒr  mich  bei  dem  einzelnen  Krankheitsfall  die 
Reizkörpertherapie  meistens  erĂŒbrigt  und  der  Kurverlauf 
gestaltet  sich  gĂŒnstig.  Es  ist  durchaus  nicht  nötig, 
wÀhrend  der  ganzen  Badekur  Reizkörper 
einzuspritzen;  man  hÀuft  einen  Reiz  auf  den  andern, 
und  der  Organismus  kommt  nicht  zur  Ruhe.  Die  Injek- 
tionstherapie muß  wĂ€hrend  der  Badekur  eine  Ausnahme  be- 

15)  Zimmer,  Ter.  der  Geg.  1920,  8.  Berk  KĂŒn.  Wochenschrift 
1920,  Nr.  44. 

16)  Gerönne   Allg.  Med.  Zentralz.  1921,  Nr.  32  u.  33. 

17)  Peesmöller,  Aussprache  auf  der  2.  wissenschaftl.  Tagung 
ĂŒber  Gelenkerkrank.,  Bad  Oeynhausen  1921,  Vortrag  im  Ă€rztl. 
Verein  zu  Hamburg. 


530  Klug:  SalbenverbĂ€nde  40.  Jahrg.  —  Nr.  33/34 


deuten,  darf  nicht  zur  Regel,  ja  zur  Mode  werden.  Auf  dem 
letzten  deutschen  BĂ€dertag  in  Pyrmont  haben  gerade  zur 
rechten  Zeit  Senioren  der  Balneologie,  wie  Markus18), 
W  i  n  c  k  1  e  r  und  T  h  i  1  e  n  i  u  s  ihre  warnende  Stimme  er- 
hoben und  gegen  die  VielgeschÀftigkeit  wÀhrend  einer  Bade- 
kur gesprochen. 

Darum  soll  man  sich  nur  in  ausgewÀhlten  FÀllen,  bei 
Gelenkkrankheiten  wenigstens,  auf  die  milde  Schwellenreiz- 
therapie beschrÀnken.  Ich  kann  da  auch  nicht  Gerönne1") 
beistimmen,  welcher  bei  der  Kaseosantherapie  bemĂŒht  ist, 
starke  Reaktionen  auszulösen  und  sie  als  HeilentzĂŒndung 
im  Sinne  Biers  anspricht.  Nun,  ich  nehme  an,  daß  die 
Kaseosanbehandlung  ohne  gleichzeitige  Badekur  stattge- 
funden hat.  Jedenfalls  gehören  in  eine  Thermalsolbadekur 
keine  starken  Fieberreaktionen  hinein,  am  allerwenigstens 
mehrere  Male. 

Wenn  ich  hier  wieder  an  die  große  Aehnlichkeit  zwi- 
schen Bad-  und  Reizkörperreaktion,  am  besten  bei  Protein- 
körpern erinnere,  so  ist  die  Tatsache  bemerkenswert,  daß  in 
der  ĂŒberwiegenden  Mehrzahl  unsere  Kranken  wĂ€hrend  einer 
Badekur  nur  eine  Reaktion  durchmachen,  höchstens,  aber- 
sehr  selten,  zwei  Reaktionen  bei  einer  Durchschnittszahl 
von  18  bis  20  BĂ€dern.  Die  zweite  Badreaktion  ist  in  der 
Regel  ganz  schwach  und  ohne  BeeintrÀchtigung  des  Allge- 
meinbefindens, d.  h.  eine  mĂ€ĂŸige  Herdreaktion.  Dieser  na- 
tĂŒrliche Kurverlauf  soll  also  gegebenenfalls  durch  Schwellen - 
reiztherapie  erreicht  werden. 

Da  an  dieser  Stelle  keine  erschöpfende  Darstellung  der 
BĂ€derbehandlung  mit  StĂŒtzung  durch  Yatren -Kasein -Ein- 
spritzungen bei  Gelenkerkrankungen  gegeben  werden  kann, 
sei  bezĂŒglich  der  Dosierung  auf  die  Richtlinien  von  Z  i  m  - 
in  e  r  hingewiesen,  wie  sie  jeder  Originalpackung  beigefĂŒgt 
wird.  Nicht  genug  kann  meines  Erachtens  betont  werden, 
daß  bei  den  meist  chronischen  Gelenkerkrankungen  kleine 
und  kleinste  Dosen  von  Yatren-Kasein  genĂŒgen,  noch  ge- 
ringere als  Kaseosan. 

Es  mag  dies  ein  Verdienst  des  Yatren  sein.  Das  PrÀ- 
parat wird  ebenso  wie  Yatren-Casein  hergestellt  von 
den  Behring- Werken  in  Marburg,  und  ist  ein  Jod- 
derivat  des  Benzolpyridins.  Es  ist  ein  Proteinkörper  ge- 
schaffen, der  eine  ungiftige  bakterizide  Komponente  besitzt 
und  hierdurch  gleichzeitig  unbedingt  steril  ist.  Diese  her- 
vorragende Eigenschaft  ist  fĂŒr  mich  besonders  maßgebend, 
das  PrĂ€parat  in  geeigneten  FĂ€llen  zur  UnterstĂŒtzung  der 
Badekur  heranzuziehen. 

Wenn  nun  bisher  die  gleichzeitige  bezw.  sich  ergÀn- 
zende Behandlung  mit  ThermalsolbÀdern  und  Schwellen- 
reiztherapie erörtert,  vor  allem  die  Frage  der  Indikation  ge- 
prĂŒft worden  ist,  so  liegt  der  Gedanke  sehr  nahe,  die 
Schwellenreiztherapie  v  o  r  die  Badekur  zu  legen.  Bei  der 
ungeheuren  Verbreitung,  welche  die  rheumatischen  und  Ge- 
lenkerkrankungen in  unserem  Volke,  besonders  in  der  ar- 
beitenden Klasse  gefunden  haben,  ist  jeder  Weg  zur  Ab- 
kĂŒrzung einerseits,  zur  Förderung  des  Heilverfahrens  an- 
dererseits zu  begrĂŒĂŸen.  Ich  habe  in  diesem  Jahre  Gelegen- 
heit gehabt,  KrankheitsfÀlle  wÀhrend  der  Badekur  zu  be- 
raten, welche  kurz  vorher,  auch  lÀngere  Zeit  hintereinander 
Reizkörpertherapie  genossen  haben.  Hier  ergaben  sich  inter- 
( ssante  Gesichtspunkte.  Solche  Kranke,  welche  auf 
Schvvellenreizbehandlung  reagiert  hatten,  reagierten  auch 
auf  die  ThermalsolbÀder  nach  kurzer  Zeit,  FÀlle,  die  nach 
Mitteilung  des  ĂŒberweisenden  Arztes  auf  kleinste  Dosen 
stark  reagierten,  jedesmal,  auch  bei  vorsichtigster  Dosierung, 
erlebten  eine  schwere  Badreaktion  nach  dem  1.  bis  2.  Bade, 
also  erheblich  frĂŒher  als  sonst.  Endlich  waren  solche  Pa- 
tienten vorhanden,  welche  auf  Schwellenreiztherapie  nicht 
im  geringsten  reagiert  hatten  und  auch  keine  bemerkens- 
werte Besserung  ihres  Leidens  aufwiesen.  Auch  die  Bade- 
kur konnte  hier  keine  sichtbaren  Fortschritte  zeitigen,  wenn 
schon  das  abschließende  Urteil  erst  nach  Monaten  gesprochen 
werden  soll. 

,s;  Markus,  Balneol.  Zeitung  1921,  Nr.  21. 

19)  Gerönne,  Mlg  Med.  Zentralz.  1921,  Nr.  32  u.  33. 


Das  eine  steht  aber  fest,  daß  der  Krankheitsverlauf  oder 
Heilungsprozeß  unter  Schwellenreiztherapie  meistens  sich 
deckt  mit  dem  Kurverlauf  im  Thermalbade.  Und  so  scheint 
mir  die  aufeinanderfolgende  Therapie  außerordentlich  viel- 
versprechend zu  sein.  Schließlich  liegt  noch  die  Frage  nahe, 
ob  nicht  durch  die  Reizkörpertherapie  die  BÀderbehandlung 
der  Gelenkerkrankungen  ĂŒberflĂŒssig  werden  kann.  Diese 
Frage  soll  nur  ganz  kurz  gestreift  werden,  sie  wird  verneint. 
Wenn  wir  auch  ĂŒberzeugt  sind,  daß  durch  die  Thermal- 
solbÀder .ebenfalls  eine  Leistungssteigerung  im  Sinne 
Weichardts,  eine  HyperÀmisierung  im  Sinne  Biers  statt- 
findet, so  ist  damit  noch  lÀngst  nicht  die  Kraft  der  Thermal- 
solbÀder erschöpfend  erklÀrt.  Wir  stehen  da  wahrschein-! 
lieh  noch  vor  unergrĂŒndlichen  HeilkrĂ€ften.  Was  die  Oeyn- 
hausener ThermalbÀder  vor  anderen  BÀdern  kennzeichnet, 
ist  die  enge  Bindung  von  Sole  und  KohlensÀure  und  die  na- 
tĂŒrliche QuellenwĂ€rme.  Auf  diese  Tatsache  haben  die  alten 
Oeynhausener  BadeÀrzte,  wie  Braun,  Lehmann  und  Voigt,' 
stets  hingewiesen. 

Zusammenfassung: 

Bei  allen  chronischen  Gelenkerkrankungen  ist  eine 
Badekur  empfehlenswert  und  anzustreben. 

Der  Erfolg  der  BĂ€derbehandlung  kann  durch  Reiz- 
körpertherapie  gesteigert  werden,  und  zwar  in  folgender 
Weise: 

1.  Vor  der  BÀderkur  findet  eine  Reizkörperbehandlung 
durch  den  Hausarzt  statt. 

2.  Bei  Patienten,  die  auf  die  BĂ€der  nicht  ansprechen,  wird, 
durch  eine  oder  wenige  Injektionen  von  Reizkörpern, 
unter  denen  wir  aus  eigener  Erfahrung  Yatren-Kasein 
empfehlen,  die  ReaktionsfÀhigkeit  des  Organismus  so-^ 
weit  gesteigert,  bis  das  Bad  allein  die  gewĂŒnschte  Re- 
aktion erzielt.  Dagegen  erscheint  uns  eine  fortgesetzte 
gleichzeitige  Behandlung  mit  BÀdern  und  Reizkörpern; 
unzweckmĂ€ĂŸig  und  unbegrĂŒndet. 

Sowohl  BĂ€der,  wie  Reizkörperbehandlung  mĂŒssen  sich 
aufbauen  auf  der  Grundlage  der  Schwellenreiztherapie. 

Nur  enges  Zusammenarbeiten  von  Hausarzt  und  Bade- 
arzt gewÀhrleistet  die  \ollkommene  Auswirkung  der  BÀder.' 


SalbenverbÀnde. 

Von  Dr.  K  1  u  g,  Marine-Oberstabsarzt  d.  R.  a.  D. 

In  dem  Streit  zwischen  den  AnhÀngern  des  feuchten 
Wundverbandes  und  denen  des  trockenen,  aseptischen  Verban- 
des bei  der  Wundversorgung  eine  BrĂŒcke  zu  schlagen,  hat 
L  e  x  e  r  den  Ausweg  gewĂ€hlt,  daß  er  namentlich  die  RĂ€nder 
der  Wunden,  die  nicht  per  primam  zur  Heilung  kamen,  mit 
einer  Paste  aus  Zink,  oxydat.,  Vaseline,  Lanolin  und  etwas 
Azid.  karbolikum  liquefaktum  bestrich  und  darĂŒber  trockenes 
Verbandmaterial  legte.  Als  im  Anfange  des  Krieges  in  dem 
Marine-Lazarett  auf  der  Veddel  in  Hamburg  in  Anwesenheit 
des  Hern  Geheimrat  L  e  x  e  r  zahlreiche  Wunden  nach  dessen 
Methode  behandelt  wurden,  konnte  ich  mich  von  den  VorzĂŒ- 
gen dieses  Verfahrens  persönlich  ĂŒberzeugen. 

Diese  Beobachtungen  waren  mir  besonders  interessant, 
weil  ich  in  meiner  langjÀhrigen  Privatpraxis  die  Salbenver- 
bÀnde den  trockenen  oder  feuchten  VerbÀnden  meist  vorgezo- 
gen hatte.  Einen  Uebelstand  der  bisher  gebrÀuchlichen  Salben- 
verbĂ€nde, daß  sie  nĂ€mlich  die  Wunden  feucht  halten  und  etwas 
verschmieren,  mußte  ich  allerdings  mit  in  Kauf  nehmen.  Mein 
Wunsch  ging  daher  schon  lange  darauf  hinaus,  eine  Salben- 
grundlage zu  besitzen,  welche  die  Wundsekrete  noch  mehr  als 
z.  B.  Lanolin  aufsaugt,  die  Wunden  trocken  hÀlt  und  den  Epi- 
thelansatz dadurch  befördert. 

Bei  diesen  Versuchen  nahm  ich  die  Hilfe  der  Chemischen 
Fabrik  Helfenberg  A.-G.  in  Anspruch.  Nach  einer  Reihe  von 
Versuchen  gelang  es  dieser  Fabrik,  ein  PrÀparat  herzustellen, 
welches  allen  AnsprĂŒchen  der  praktischen  Wundbehandlung 


io.  Jahrg.  Nr.;w;n 


Sworowki:  Uebfr  KiNvcilminj'sinslniinonto 


genĂŒgt  und  alle  Bedingungen  fĂŒr  eine  rasche  und  glatte  Wund- 
heilung verbĂŒrgt.  Durch  einen  geringen  Zusatz  eines  pflanz- 
lichen Sekrets  zu  den  gebrÀuchlichen  Salbengrundlagen  gelang 
es,  ein  PrÀparat  herzustellen,  welches  ganz  besondere  physika- 
lische Eigenschaften  aufweist.  Diese  physikalischen  Eigen- 
schaften bestehen  darin,  daß  KohĂ€sions-  und  AdhĂ€sionsver- 
mögen der  Salbe  in  ein  derartiges  VerhÀltnis  zueinander  ge- 
bracht sind,  daß  die  Salbe  einerseits  auf  nĂ€ssenden  WundflĂ€- 
chen haftet  und  andrerseits  sich  auf  diesen  Wunden  als  dĂŒn- 
nes, zusammenhÀngendes  HÀutchen  ausbreitet. 

Die  unter  dem  Namen  „Adiplantin"  (Pflanzenfettsalbe) 
oder  ,, Pflanzen  s  a  f  t  salbe"  in  den  Handel  kommende  Salbe  hat 
ein  gelblich-weißes  Aussehen,  angenehmen  Geruch  und  butter- 
weiche, etwas  fadenziehende  Beschaffenheit.  Sie  wird  beim 
Lagern  nicht  ranzig  und  zweckmĂ€ĂŸigerweise  in  Tuben  von 
2t  bezw.  100  g  Inhalt  in  den  Handel  gebracht.  Die  kleinen 
Tuben  sind  fĂŒr  den  Kranken,  die  großen  fĂŒr  den  Gebrauch  des 
Arztes  in  der  Sprechstunde  geeignet. 

Die  Versorgung  einer  Wunde  geschieht  in  der  Weise,  daß 
die  Wunde  zunĂ€chst  nach  den  ĂŒblichen  Methoden  sorgfĂ€ltig 
gereinigt  wird;  je  nach  den  UmstÀnden  verwende  ich  hierzu 
ein  Bad  mit  Seife  oder  Wasserstoffsuperoxyd,  Jodtinktur  oder 
den  Aetzstift.  Mitunter  bestÀube  ich  die  Wunde  auch  mit 
einem  Wundpulver,  Airol,  Dermatol  oder  dergleichen  und 
drĂŒcke  dann  ĂŒber  die  wunden  FlĂ€chen  eine  geringe  Menge 
Salbe  aus  der  Tube,  Die  Salbe  breitet  sich  bald  als  dĂŒnne 
Schicht  auf  der  Wunde  aus,  darĂŒber  wird  etwas  Mull  gedeckt 
und  Watte  oder  Zellstoff  vollendet  den  Verband.  Zu  desinfi- 
zieren ist  in  den  meisten  FÀllen  nicht  nötig,  denn  die  Wunden 
zeigen  bei  Behandlung  mit  Adiplantin  so  große  Heilungsten- 
denz, daß  man  Desinfektionsmittel  ganz  entbehren  kann,  was 
bei  den  heutigen  Preisen  sehr  ins  Gewicht  fÀllt. 

Die  Anwendung  des  PrÀparates  erstreckte  sich  auf: 

1 .  Aseptische  Wunden,  welche  unter  dem  Adiplantin- Ver- 
band ebenso  sicher  heilen  wie  mit  dem  einfachen  trockenen 
Verband. 

2.  Auf  Riß-,  Quetsch-,  Biß-  und  infizierte  Wunden.  Einem 
jungen  MĂ€dchen,  dem  von  einem  Fleischerhund  eine  handtel- 
lergroße Lappenwunde  am  linken  Unterschenkel  beigebracht 
worden  war,  nÀhte  ich  die  klaffenden  WundrÀnder  möglichst 
aneinander  und  ließ  nur  einen  Gazestreifen  nach  unten  liegen. 
Der  große  Hautlappen  heilte  an,  mit  Ausnahme  des  obersten 
Teiles,  der  besonders  durch  den  Biß  gequetscht  worden  war. 
Unter  Adiplantin-Verband  reinigte  sich  die  große  Wunde  in 
8  Tagen,  irr  4  Wochen  war  sie  ganz  verheilt  und  das  MĂ€dchen 
wieder  arbeitsfĂ€hig.  —  In  diesem  wie  in  zahllosen  anderen  FĂ€l- 
len verlief  die  Wundheilung  ohne  jede  Reizung  und  so  gut  wie 
schmerzlos.  Alle  Wunden  zeigten  ausnahmslos  dasselbe  Aus- 
sehen: weiße  wie  gebleichte  WundrĂ€nder  und  frische  rote 
Granulationen. 

3.  Panaritien  und  Abszesse  heilten  nach  Inzision  und  Ein- 
legen eines  Gazestreifens  unter  Adiplantin-Verband  schnell,  da 
nach  der  Eröffnung  der  Wunde  bei  dem  durch  die  Adiplantin- 
Salbe  bedingten  „stĂ€ndigen  Zug  nach  außen"  die  Keime  und 
Eiteransammlungen  keine  Neigung  haben,  in  gesundes  Ge- 
webe vorzudringen,  sondern  in  den  Verbandstoff  aufgesaugt 
werden. 

4.  Furunkeln  heilten  meist  ohne  Einschnitt.  Bei  Karbun- 
keln wurden  nur  die  zwischen  den  einzelnen  Propfen  gele- 
genen HautbrĂŒcken  gespalten,  um  unter  Adiplantin-Verband 
schnell  zu  heilen. 

5.  Bei  der  Behandlung  von  Ulkus  krusis  hat  sich  die  Adi- 
plantin-Salbe  ganz  besonders  bewÀhrt.  Der  kranke  Unter- 
schenkel wird  mit  Kernseife  in  einem  Bade  grĂŒndlich  gewa- 
schen und  gesÀubert,  dann  verbunden.  Auf  diese  Weise  hab 
ich  z.  B.  drei  ganz  verrottete  kailöse,  mehrere  Jahre  beste- 
hende, allen  Behandlungen  trotzende,  handtellergroße  Bein- 
GeschwĂŒre  in  wenigen  Wochen  zur  soliden  UeberhĂ€utung  ge- 
bracht. Aus  der  Tiefe  entwickelten  sich  unter  dem  Adiplantin- 
Verband  sehr  rasch  gesunde,  rote  Granulationen,  welche  bald 
vom  Rand  her  oder  von  kleinen  Inseln  aus  mit  Epithel  ĂŒber- 
kleidet wurden. 


(>.  Bei  Verbrennungen  mit  tiefgehender  I  laulnekrose,  be- 
sonders durch  siedendes  Wasser  wurden  die  abnehmbaren 
Ilautfetzen  entfernt  und  die  Wunde  mit  Adiplantin-Verband 
bedeckt.  Ganz  besonders  fiel  hierbei  auf,  daß  diese  bekannt- 
lich sehr  schmerzhaften  Wunden  unter  Adiplantin-Salbe  in 
kĂŒrzester  Zeit  schmerzlos  wurden,  ohne  daß  ein  besonderes 
AnÀsthetikum  verwendet  wurde.  Bei  verschiedensten  Haut- 
krankheiten habe  ich  vorzĂŒgliche  Einwirkungen  beobachtet. 
Zusammenfassung. 

Die  von  der  Chemischen  Fabrik  Helfenberg  A.-G.  in  den 
Handel  gebrachte  Adiplantin-Salbe  zeichnet  sich  vor  den  ge- 
brÀuchlichsten Salbengrundlagen  nach  meinen  Erfahrungen  als 
praktischer  Arzt  durch  besondere  physikalische  Eigenschaften 
aus:  Das  VerhÀltnis  von  KohÀsions-  und  AdhÀsionsvermö- 
gen ist  derartig  geregelt,  daß  die  Adiplantin-Salbe  einerseits 
auf  nÀssenden  WundflÀchen  zu  haften  vermag,  andererseits 
in  sich  zusammenhÀngende  feine  HÀutchen  bildet,  welche 
einen  hochgradigen  Abschluß  der  Wunde  gegen  das  Eindrin- 
gen schÀdlicher  Elemente  aus  der  Luft  bildet. 

Adiplantin-Salbe  eignet  sich  ganz  vorzĂŒglich  zur  Behand- 
lung aller  Wunden  in  der  kleinen  Chirurgie,  namentlich  in  der 
Sprechstunde  des  praktischen  Arztes  und  in  Privatwohnungen. 

Die  Salbe  ist  Ă€ußerst  sparsam  im  Gebrauch,  da  bereits 
eine  sehr  dĂŒnne  Schicht  eine  Art  von  Luftabschluß  der  Wunde 
herbeifĂŒhrt  und  gleichzeitig  der  Adiplantin-Verband  dieselbe 
SaugfÀhigkeit  besitzt,  wie  der  trockene,  aseptische  Wund  ver- 
band. Infolgedessen  braucht  der  Verband  bei  weitem  nicht  so 
hÀufig  erneuert  zu  werden,  wie  die  gewöhnlichen  trockenen, 
feuchten  oder  Salben-VerbÀnde.  Hierdurch  ist  eine  wesent- 
liche Ersparnis  an  Salbe,  Verbandstoff  und  Zeit  bedingt.  Die 
Wunden  heilen  unter  Adiplantin  vollkommen  reizlos  und 
schmerzlos,  selbst  Brandwunden  bedĂŒrfen  keines  AnĂ€stheti- 
kums.  Das  Abnehmen  der  VerbÀnde  verursacht  keine  unange- 
nehmen Empfindungen. 


(Jeber  Erweiterungsinstrumente  mit  besonderer 
BerĂŒcksichtigung   einer   neuen  Konstruktion. 

Zur  Erweiterung  von  engen  KörperkanÀlen  bedient  man 
sich  im  allgemeinen  der  Boup-ies.  Insbesondere  zur  Erweite- 
rung des  Collum  uteri  werden  am  meisten  die  Hegar  Dikta- 
toren verwandt.  GegenĂŒber  allen  anderen  Konstruktionen  und 
Neuerungen  haben  sie  ihre  Beliebtheit  auf  Grund  ihrer  BewÀh- 
rung- beibehalten  können,  wÀhrend  die  Dilatator-Konstruktion 
nach  B  o  s  s  i  sich  als  verfehlt  erwiesen  hat.  Das  Instru- 
ment macht  durch  die  stumpfeinschneidenden  Branchen  auf 
die  Wandungen  des  Kanals  leicht  Zerreißungen,  ohne  die 
Muskulatur  und  das  elastische  Gewebe  zwischen  den  Branchen 
wesentlich  zu  dehnen,  sodaß  nach  Herausnahme  des  Instru- 
mentes wiedpr  eine  Zusammenziehunf  der  Muskulatur  statt- 
findet. Die  Dehnung  des  Gewebes  durch  seitliches  WegdrÀn- 
gen desselben  ist  immerhin  das  richtige  Prinzio;  nur  dĂŒrfen 
keine  GewebsbrĂŒcken  zwischen  den  dehnend  einwirkenden 
Branchen  vorhanden  sein.  Die  Hep-ar-Dilatatoren  dehnen  nach 
allen  Seiten  gleichmĂ€ĂŸig  und  bewĂ€hren  sirh  aus  diesem 
Grunde  besser.  Andererseits  stellen  sie  ein  umfangreiches  und 
besonders  heute  sehr  teures  Instrumentarium  dar.  Außerdem 
wirken  sjp  durch  Vorschieben  in  Richtung  auf  den  Uterus, 
also  eigentlich  nicht  rationell,  da  die  Hauptarbeit  axial  gerich- 
tet ist.  wÀhrend  quer  zur  LÀnge  des  Instrumentes  geweitet 
werden  soll. 

DemgegenĂŒber  scheinen  die  sogenannten  Ursano- 
Dilatatoren  (Ursano  G.  m.  b.  H.,  Berlin  W.  35) 
eine  Verbesserung  zu  bedeuten.  Das  ganze  Instru- 
mentarium besteht  nur  aus  2  Instrumenten.  Sie  sind  gekenn- 
zeichnet durch  ie  2  kegelförmige  EinfĂŒhrungsspitzen  mit  um- 
gebendem, stumpfen  Gewinde,  und  zwar  ist  die  EinfĂŒhrungs- 
spitze  jeweilig  lÀnger,  je  stÀrker  der  dazu  folgende  zylin- 
drische Schaft  gestaltet  ist.  Aus  den  Abbildungen,  die  etwa 
ein  Viertel  der  natĂŒrlichen  GrĂ¶ĂŸe  darstellen,  wird  dies  VerhĂ€lt- 


532 


Arzneimittelkommission   —    Standesfragen  und  soziale  Medizin     40.  Jahrg.  —  Nr.  38/3 1 


nis  ohne  weiterers  deutlich.  Bei  kleiner  GebÀrmutter,  die  nur 

wenig  erweitert  zu  werden  braucht,  findet  somit  die  EnfĂŒh- 
rungsspitze  stets  reichlich  Platz  in  der  GebÀrmutterhöhle.  So- 
nach wird  die  Gefahr  vermieden,  daß  die  Spitze  in  die  GebĂ€r- 
muttermuskulatur eindringen  könnte.  Die  Dehnung  erfolgt 
durch  direkte  Einwirkung  auf  das  umgebende  Gewebe,  die 
allmÀhlich  durch  Drehung  des  Instrumentes  von  dem  Kanal 
gleichmĂ€ĂŸig  in  querer  Richtung  fortgesetzt  wird. 

Die  exzentrische  Spitze  des  Dilatators  sucht  sich  selbst- 
tĂ€tig den  natĂŒrlichen  Weg  des  Kanals,  auch  wenn  dessen  Wan- 
dungen Falten,  Verengungen  und  Taschenbildungen  auf- 
weisen: 

Die  Gefahr,  in  die  Bauchhöhle  hineinzustoßen,  ein  hĂ€u- 
figes Vorkommen  bei  Behandlung  mit  Dilatatoren  nach  Hegar 
oder  Àhnlichen,  ist  damit  völlig  behoben. 

Die  Anwendung  von  Quellstiften  erĂŒbrigt  sich  bei  die- 
sem Patent  gÀnzlich.  Die  Arbeitsleistung  des  kegelförmigen 
Schraubengewindes  ist  selbst  bei  geringem  Kraftaufwand  der- 
art groß,  daß  selbst  starr  elastisches  Gewebe  und  widerstands- 
starke Schließmuskulatur  des  Kollum  ohne  Schwierigkeit 
schnell  zur  Seite  gedrÀngt  werden  kann.  Die  Quellstifte  sind 
stets  eine  große  Gefahrenquelle  fĂŒr  Infektionen.  Ihre  Nicht- 
anwendung behĂŒtet  stets  vor  großen  Gefahren 

Mit  den  beiden  Instrumenten  ist  eine  Erweiterung  von 
1  mm  bis  24  mm  ermöglicht.   Besondere  Vorteile  bietet  das 


Instrumentarium  dadurch,  daß  es  infolge  seines  kleinen  Ura- 
fanges  in  kleinen  BehÀltern  sterilisiert  werden  kann  und  die 
Behandlung  mit  demselben  durch  die  Uebersichtlichkeit  er- 
leichtert wird.  Bei  Anwendung  außerhalb  des  Sprechzimmers 
findet  eine  nur  geringe  Belastung  des  Arztes  mit  Instrumenten 
statt. 

Die  Konstruktion  dieses  neuen  Dilatators  weist  auch 
einen,  .ffanz  neuen  Weg  zur  VerkĂŒrzung  der  Austreibungszeit 
bei  Geburten.  Bei  genĂŒgender  Dicke  der  kegelförmigen  Ein- 
fĂŒhrungsspitze  bis  zu  etwa  10  bis  15  cm  beim  Uebergang  zum 
Griff  kann  eine  schnelle,  zweckmĂ€ĂŸige  Erweiterung  vorge- 
nommen werden,  sodaß  der  Durchtritt  des  Kopfes  eher  er- 
folgen kann. 

Bei  Verengungen  der  Harnröhre  oder  des  Mastdarms 
haben  sich  die  Ursano-Dilatatoren  auch  sehr  wirksam  gezeigt. 

Nach  zirka  einjÀhriger  vielfacher  Anwendung  der  Ur- 
sano-Dilatatoren kann  gesagt  werden,  daß  in  keinem  Falle 
eine  Verletzung  oder  Zerreißung  durch  die  Dehnung  vorge- 
kommen ist.  Eine  besondere  EinĂŒbung  erscheint  nicht  erfor- 
derlich, sodaß  die  Anwendung  ohne  besondere  Ausbildung  er- 
möglicht ist.  m  Auffallend  war  stets,  daß  bei  Behandlung  ohne 
Narkose  eine  sehr  schnelle  Dehnung  ohne  allzu  große  Schmel- 
zen seitens  der  Frau  gut  vertragen  wurde,  sodaß  sie  sich  in 
jedem  Fal'e  durch  das  abgekĂŒrzte  Verfahren  schnell  erholte 
und  bald  wieder  ihrer  BeschÀftigung  nachgehen  konnte. 

Nach  allem  scheint  die  weitere  NachprĂŒfung  dieses  In- 
strumentariums geboten  zu  sein. 

Dr.  med.  Sworowski,  Dresden. 

AuskĂŒnfte  der  Arzneimittelkommission 
der  Deutschen  Gesellschaft  fĂŒr  innere  Medizin. 

Anfrage  des  Stadtrats  einer  Großstadl. 
Es  wird  gefragt,  ob  der  Stadtrai  die  Grofihandelserlaubnis 
zum  Vertriebe  von  Arzneimitteln  der  A#kt.-Ges.  Hormona,  insbe- 
sondere mit  Veto-Tabletten  und  Satyrin  erteilen  soll. 

Antwort  der  Arzneimittelkommission  an  den 
Stadtrat. 

V  e  t  o  - T  a  b  1  e  1 1  e  n  :  Da  jegliche  Angabe  ĂŒber  die  Zusam- 
mensetzung fehlt,  handelt  es  sich  also  um  ein  empfÀngnisver- 
hinderndes Geheimmitte].  Der  Vertrieb  ist  unter  allen  Um- 
stÀnden zu  verbieten. 


S  a  t  y  r  i  n  ist  ein  Gemisch  von  KeimdrĂŒsensubstanz  und 
Yohimbin.  Zu  beanstanden  ist.  daß  im  Prospekt  eine  genaue  An- 
gabe der  Zusammensetzung  fehlt,  insbesondere  der  Gehalt  von 
Yohimbin,  eines  stark  wirkenden  Körpers,  verschwiegen  wird 
Außerdem  hat  die  Anpreisung  einen  ĂŒbertreibenden  Charakter. 
Der  Erlaubnis  zum  Großhandelsbetrieb  muß  entschieden  wider- 
raten werden. 

Antwort  der  A.-K.  auf  die  Anfrage  eines  Arztes. 

Die  von  Ihrer  Ortskrankenkasse  vorgeschlagenen  PrÀparate 
sind  der  A.-K.  bis  auf  Fejoprot  (ob  richtig  geschrieben?)  bekannt; 
die  TroponprÀparate  wohl  allgemein.  ,,Gupronat",  sojll  wohl 
heißen  „Cupronal".  isl  eine  Kupfereiweißverbindung,  die  als  An- 
thelmintikum  empfohlen  ist.  Am  meisten  interessiert  das'Jodtro- 
pon.  Ein  Röhrchen  mit  20  Tabletten  wurde  fĂŒr  M.  6,30  in  der 
Apotheke  gekauft  und  der  Inhalt  chemisch  untersucht.  Jede  Ta- 
blette soll  0,025  g  Jod  an  Eiweiß  gebunden  enthalten.  Die  Unterl 
suchung  ergal).  daß  die  Deklaration  im  ganzen  richtig  ist.  Eine 
Berechnung  des  Preises  lĂ€ĂŸt  aber  folgendes  erkennen.  In  20  Ta-, 
Wetten  sind  0,5  g  .Tod  enthalten;  10  g  Jod  kosten  nach  der  Arznei- 
laxe vom  1.111.1922  52  M.,  also  1  g  M.  5,20.  demnach  die  in  20  Ta- 
bletten Jodtropon  enthaltenen  0,5  g  Jod  M.  2,60.  Da  diese  aber  im 
Handel  M.  6,30  kosten,  so  kann  man  wohl  nicht  behaupten,  daß  Jod- 
tropon billiger  ist.  Daß  die  geringere  Jodmenge,  an  Tropon  gc- 
bunden,  mehr  leistet  als  die  gleiche  Menge  als  Jodkali,  ist  zunv 
mindesten  unbewiesen.  Daraus  folgt,  daß  die  Billigkeit  eben  nur 
eine  scheinbare  ist. 

A n  f  r a  g  e  d  e  r  O r  t  s  k  r a n  k e n k  a  s  s e  nver w  a 1 1  u  n  g  i 
einer  G  r  o  ß  s  t  a  d  t. 
„Der  Bund  fĂŒr  Dreigliederung  macht  in  der  hiesigen  Tagesj 
presse  zurzeit  eine  lebhafte  Propaganda1  fĂŒr  SpezialitĂ€ten  de* 
.kommenden  Tags'. 

Trotz  Ablehnung  der  genannten  SpezialitÀten  unserseits  ordi- 
nieren verschiedene  Inesige  Aerzte  immer  wieder  dieselben. 

Wir  wÀren  Ihnen  zu  Dank  verpflichtet,  wenn  Sie  uns  NÀheres 
ĂŒber  diese  PrĂ€parate  berichten  könnten." 

A  n  t  w  o  r  t  der  A.-K. 
..Die  Heilmittel  d.es  klinisch-therapeutischen  Instituts  .der  kom- 
mende Tag'  enthalten  nach  dem  Prospekt  wirksame  Substanzeri 
der  verschiedensten  Pflanzen,  sowie  einzelne  bekannte  Arznei- 
mittel. Eine  eigentliche  Deklaration,  d.  i.  die  genaue  Angabe  der 
Zusammensetzung  des  betreffenden  PrÀparats,  sowie  der  Gewichts- 
mengen fehlen.  Da  sowohl  unter  den  pflanzlichen  Mitteln  (z.  Bi 
Helleboreen,  Solaneen  etc.),  wie  unter  den  unorganischen  Arznei- 
mitteln (Quecksilber.  Blei  etc.)  giftige  Substanzen  genannt" 
werden,  ist  dieser  Mangel  einer  genauen  Angabe  der  Dosis  vofr 
schwerwiegendster  Bedeutu  n  g.  Die  Heilmittel  werden 
gegen  bestimmte  Krankheilen  empfohlen,  z.  B.  Bemedium  contra 
luberculosem  coli.  Die  behaupteten  Heilwirkungen  sind  entweder 
nicht  neu,  oder,  wenn  sie  neu  sind,  nicht  genĂŒgend  erprobt  und  naej,. 
unseren  jetzigen  Kenntnissen  unwahrscheinlich.  Direkt  nachteilig 
ist  z.  B.  die  Empfehlung  einer  Quecksilberverbindung  gegen  Tuber- 
kulose des  Dickdarms.  Die  Empfehlung  eines  QuecksilberprÀparats. 
Myrtaceen  und  Solaneen  in  Verbindung  mit  dem  DrĂŒsenextrakt 
einer  Biene  (!)  gegen  Diphtherie  kann  dadurch,  daß  die  wirksame 
Serumbehandlung  verhindert  wird,  gefÀhrlich  werden." 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Der  Ă€rztliche  Dienst  bei  der  DurchfĂŒhrung  des  Jugendamtgesetzes 
in  WĂŒrttemberg. 

Der  WĂŒrttembergische  Aerzteverband  hat  eine  Eingabe  an  die 
Landesregierung  gerichtet  ĂŒber  die  Beteiligung  der  Aerzte  an  der 
DurchfĂŒhrung  des  Jugendamtgesetzes.  In  WĂŒrttemberg,  wie  in 
anderen  deutsehen  LĂ€ndern,  ist  dem  Arzt  zwar  eine  Mitwirkung 
an  der  DurchfĂŒhrung  der  gesundheitlichen  Aufgaben  des  Gesetzes 
gesichert,  aber  nicht  eine  fĂŒhrende  Stellung.  Der  Aerzteverband' 
verlangt  nun,  daß  der  beamtete  Arzt,  der  „hauptamtliche  Oberamts- 
arzt" als  FĂŒrsorgearzt  mit  der  Leitung  aller  Ă€rztlichen  Angelegen? 
heiten  der  Jugend-  und  TuberkulosefĂŒrsorge  betraut  wird.  Kr 
ist  auch  leitender  Arzt  der  SĂ€uglingsfĂŒrsorgestellen.  Er  ist. den 
Vorgesetzte  der  BezirksfĂŒrsorgerinnen  und  ĂŒberwacht  deren 
Dienst.  Diesen  Forderungen  entsprechend  wird  eine  ErgÀnzung 
des  Oberamlsarztgesetzes  und  des  Jugendamtgesetzes  verlangt." 
Der  Medizinalbeamtenverein  hat  diese  Ausdehnung  der  amtlichen^ 
Funktionen  gebilligt  mit  der  Maßgabe,  daß  in  jedem  Bezirke  ein! 
Gesundheitsamt  errichtet  wird,  dessen  Leiter  der  Oberamts-I 
arzt  ist. 


I 


Ii).  Jahrg. —Nr.  33/34 


S  t  a  n  (I  e  a  I"  r  a  g  e  n  u  i»  <l  sozial  e  M  <■  d  i  z 


533 


GebĂŒhren  fĂŒr  Zeugen  und  SachverstĂ€ndige. 
Durch  Gesetz  vom  tO.  MĂ€rz  1922  sind  in  Deutschland  die  Ge- 
bĂŒhrcn  der  Zeugen  und  SachverstĂ€ndigen  erhöht  worden.  Der 
Zeuge  erhĂ€lt  eine  EntschĂ€digung  fĂŒr  die  Stunde  in  Höhe  von  1  his 
15  Mark,  je  nach  den  ErwerbsverhÀltnissen,  was  gegen  den  bis- 
herigen Satz  eine  Erhöhung  um  das  5-  bis  10  fache  ausmacht. 
Der  SachverstÀndige  einen  Beirag  bis  zu  20  Mark  die  Stunde, 
unter  UmstÀnden  bei  besonders  schwierigen  Leistungen  bis  zu 
30  Mark,  was  gegen  den  jetzigen  Zustand  eine  Erhöhung  um  das 
5-  bis  6  fache  bedeutet.  Die  Àrztlichen  SachverstÀndigen  können 
auch  fĂŒr  die  GutachtertĂ€tigkeit  nach  der  GebĂŒhrenordnung  der 
hĂ€nder  fĂŒr  AmtsĂ€rzte  liquidieren.  Alex  a  n  d  e  r. 

Beziehung  der  Aerzte  zu  den  Krankenpflegevereinen. 

Laut  Beschluß  der  wirtschaftlichen!  Abteilung  des  Groß- 
Bcrliner  Aerztebundes  haben  die  VertrÀge  mit  den  sog.  Kranken- 
pflegevereinen am  1.  April  1922  ihr  Ende  erreicht,  der  Abschluß 
neuer  VertrÀge  ist  unzulÀssig.  Die  Krankenpflegevereine,  die 
ihre  ersten  UrsprĂŒnge  bis  in  die, Mitte  des  vorigen  Jahrhunderls 
zurĂŒckdatieren,  sind  vor  Beginn  der  staatlichen  Sozialversiche- 
rung ursprĂŒnglich  dazu  geschaffen  worden,  kleinen  selbstĂ€ndigen 
Gewerbetreibenden  und  Beamten,  die  nicht  ĂŒber  mehr  als  ein  Exi- 
stenzminimum zu  verfĂŒgen  hatten,  die  Möglichkeit  einer  Versiche- 
rung zu  verschaffen,  nachdem  fĂŒr  die  Arbeiter  auf  dem  Wege 
freiwilligen  Zusammenschlusses  grĂ¶ĂŸere  Krankenkassen  errichtet 
worden  waren.  Die  GrĂŒndung  an  sich  war  berechtigt,  denn  durch 
einen  relativ  geringen  Beitrag  waren  die  Mitglieder  durch  Ge- 
wÀhrung freier  Àrztlicher  Behandlung  und  freier  Arznei  gegen 
die  finanziellen  NotstĂ€nde  der  Krankheit  geschĂŒtzt.  Leider 
stellten  sich  recht  bald  MißstĂ€nde  ein.  Der  Beitrag  war  so  gering 
bemessen,  daß  er  zu  einer  standeswĂŒrdigen  Honorierung  der  Aerzte 
nicht  ausreichte.  Es  wurden  deshalb  einzelne  Aerzte  angestellt, 
-die  ohne  RĂŒckendeckung  durch  eine  Ă€rztliche  Organisation  zu 
einer  minderwertigen  VergĂŒtung  ihre  Hand  bieten  mußten.  Dieser 
Mißstand  wurde  dadurch  verstĂ€rkt,  daß  die  Erwerbung  der  Mit- 

Dienstanweisung  fĂŒr  die  StadtĂ€rzte  in  Berlin. 

Der  Magistrat  hat  folgende  Dienstanweisung  erlassen: 
§  1.  Der  Stadlarzt  ist  hauptamtlich  angestellter  Gemeinde- 
beamter. Privatpraxis  ist  ihm  nicht  gestattet.  §  2.  Er  ist  der  Dienst- 
vorgesetzte aller  im  Gesundheitsdienst  des  Verwaltungsbezirks 
tÀligen  Personen,  soweit  sie  nicht  unmittelbar  dem  Stadtmedizinal- 
rat unterstehen.  §  3.  Der  Stadtarzt  bearbeitet  alle  Angelegen 
heilen  des  gesamten  Gesundheitswesens  des  Bezirks;  hierzu  ge- 
hören auch  die  Anstalten,  die  nicht  unmittelbar  vom  Magistrat  ver- 
galtet werden.  Er  hat  dem  Stadlmcdizinalrat  auf  Verlangen 
jederzeit  im  Benehmen  mit  den  Dezernenten  des  Bezirksamts 
schriftlich  oder  mĂŒndlich  Bericht  zu  erstatten.  Ueber  wichtige 
Vorkommnisse  hat  er  unaufgefordert  Mitteilung  zu  machen.  §  4. 
Er  bearbeitet  beim  Bezirksamt  nach  den  Richtlinien  des  Magi- 
strats die  Angelegenheiten  der  Sozialhygiene.  Ausgenommen 
sind  in  den  Bezirken  I — VII  diejenigen  Einrichtungen  der  Sozial- 
hygiene, die  in  den  Betrieb  der  zentral  verwalteten  Kranken- 
hÀuser eingegliedert  sind.  §  5.  Zu  seinem  TÀtigkeitsbereich  ge- 
hört die  Aufsicht  ĂŒber  die  Rettungsslellen  und  die  Ueberwachung 
der  von  der  Zentrale  angeordneten  Maßnahmen  zur  Seuchen- 
bekÀmpfung. In  dringenden  FÀllen  hat  er  selbst  die  erforderlichen 
Anordnungen  zu  treffen  und  sodann  sofort  dem  Hauptgesundheits- 
amt Mitteilung  zu  machen.  §6.  Ei'  bearbeitet  ferner  alle  Ange- 
legenheiten gesundheitlicher  Art,  die  zu  der  ZustÀndigkeit- anderer 
Deputationen  gehören.  §  7.  Soweit  seine  TĂ€tigkeit  es  zulĂ€ĂŸt,  hat 
er  sich  an  der  praktischen  DurchfĂŒhrung  der  gesundheilfĂŒrsorg- 
lichen  Arbeiten  Àrztlich  zu  beteiligen  und  vertrauensÀrztliche 
TĂ€tigkeit  zu  ĂŒbernehmen.  Alex  a  n  d  e  r. 

Anstellungsbedingungen  der  SozialÀrzte. 

Nach  eingehender  BegrĂŒndung  durch  Herrn  Dr.  HĂŒlzer  hat 
die  Rheinische  Aerztekammer  folgende  LeitsÀtze  angenommen-. 

1.  Die  Leitung  des  kommunalÀrztlichen  Dienstes  in  den 
Kreisen  und  selbstĂ€ndigen  grĂ¶ĂŸeren  StĂ€dten  muß  in  der  Hand 
des  damit  betrauten  angestellten  Arztes  liegen,  welcher  in  den 
Kreisen  Mitglied  des  Magistrats  sein  muß.  2.  Die  fĂŒr  die  einzelnen 


Aufgnben  der  Sozialhygiene  erforderlichen  SozialÀrzte  im  Haupl 
amle  oder  als  Beamte  anzustellen,  ist  im  Allgemeinen  weder 
nötig,  noch  zweckmĂ€ĂŸig.  3.  Die  hauptamtliche  Anstellung  der 
SozialĂ€rzte  bedingt  den  Verzieh!  auf  die  AusĂŒbung  der  Ă€rztlichen 
Praxis.  4.  FĂŒr  den  öffentlichen;  Gesundheitsdienst  ist  die  Mit- 
arbeit der  örtlichen  Aerztc-Organisationen  erforderlich. 

Man  vergleiche  hierzu  unsere  Bemerkungen  zu  dem  Aufsalze: 
Der  Ă€rztliche  Dienst  bei  der  DurchfĂŒhrung  des  Jugend.imlgeselzcs 
in  WĂŒrttemberg.  A  1  e  x  a  n  d  e  r. 

Richtlinien  fĂŒr  das  Zusammenarbeiten  von  HauptfĂŒrsorge- 
stellen und  Berufsgenossenschaften  bei  der  Unterbringung 
SehwerunfallbeschÀdigter. 

Die  Richtlinien  beziehen  sieb  auf  die  Zusammenarbeit,  die 
Meldung,  Berufsberatung,  Berufsausbildung  und  Umschulung, 
Arbeitsvermittlung,  Vertretung  der  Berufsgenossenschaften  (Ol 
Beirat  der  HauptfĂŒrsorgestellen  und  auf  das  Zusammentreffen 
von  KriegsbeschÀdigten-  und  .Unfallrente.     .  Alexander. 

Wie  eine  Àrztliche  Versorgung  nicht  aussehen  soll. 

Die  freie  SchwÀbische  Aerztekammer  errichtete  eine  frei- 
willige Sterbekasse,  die  am  1.  Juli  d.  J.  in  Kraft  getreten  ist. 
Jedes  Mitglied  der  betr.  Àrztlichen  Bezirksvereine  wird  bei  der 
GrĂŒndung  Mitglied  der  Sterbekasse.  Wer  aus  dem  Verein  aus- 
scheidet oder  verzieht  oder  die  .BeitrÀge  nicht  zahlt,  soll  aus  der 
Kasse  ausscheiden.  Jedes  Mitglied  zahlt  100  Mark  Eintrittsgeld 
und  bei  dem  Ableben  eines  Mitgliedes  je  25  Mark  als  Umlage.  Die 
Höhe  des  Sterbegeldes  ist  verÀnderlich.  Dies  die  Grundlage  der 
Kasse.  Was  soll  solch  eine  Kasse,  ohne  Bechtsgrundlage,  ohne 
bestimmte  Anwartschaft  und  mit  Fehlern  behaftet,  die  in  abseh- 
barer Zeit  die  Unmöglichkeil  ihres  Gedeihens  in  sich  birgt? 
Wissen  die  GrĂŒnder  nicht,  daß  eine  Kasse  nur  dann  lebensfĂ€hig 
ist,  wenn  das  Risiko  auf  ein  Mindestmaß  herabgesetzt  werden 
kann?  Wissen  sie  nicht,  da'ß  mit  der  Möglichkeit  des  freiwilligen 
Austritts,  besonders  jĂŒngerer  Mitglieder  das  Risiko  steigen  muß, 
da  die  zurĂŒckbleibenden  Ă€lteren  dem  natĂŒrlichen  Ableben  in 
relativ  kurzer  Zeit  verfallen  sind''  Daß  dann  die  Umlagen 
schließlich  so  groß  werden,  daß  diese  GrĂ¶ĂŸe  ein  neuer  Anreiz  zum 
Austritt  wird?  Also  ein  circulus  vitiosus!  Und  dabei  die  Un- 
sicherheit ĂŒber  die  Höhe  des  Sterbegeldes,  die  doch  der  sprin- 
gende Punkt  fĂŒr  jede  Lebensversicherung  sein  mĂŒĂŸte!  Die 
deutsche  Aerztcschaft  ist  bemĂŒht,  die  schwierige  Frage  der  Ver- 
sorgung der  Aerzte  auf  verschiedenen,  nicht  immer  zweifels- 
freien Wegen  zu  lösen.  Gerade  in  Bayern  sucht  man  den  Staat 
fĂŒr  diese  Frage  zu  interessieren,  und  in  diesem  selben  Lande 
unternimmt  eine  Aerztekammer  einen  Versuch  mit  untauglichen 
Mitlein.  ErklÀre  mir  . . .!  Alexander. 

Vorsintflutliche  ZustÀnde  auf  dem  Gebiete  der  Entlohnung 
Ă€rztlicher  Arbeit. 

Eine  Eingabe  des  WĂŒrttembergischen  Aerzteverbandes  an 
den  WĂŒrttembergischen  Landtag  enthĂŒllt  ein  Bild  von  RĂŒck- 
stÀndigkeit auf  dem  Gebiete  wichtiger  Àrztlicher  Leistungen,  die 
man  als  Atavismus  betrachten  wĂŒrde,  wenn  nicht  die  Betroffenen 
auch  heute  noch  unglĂŒckliche  Objekte  eines  solchen  Atavismus 
wĂ€ren.  Die  SeminarĂ€rzte  in  WĂŒrttemberg  bezogen  vor  dem 
Kriege  das  fĂŒrstliehe  Gehalt  von  600  Mark,  seit  dem  Jahre  1920 
von  1600  Mark  fĂŒr  das  Jahr.  Ihnen  liegt  ob:  die  gesamte  schul- 
Ă€rztliche TĂ€tigkeil  am  Seminar,  die  Behandlung  der  Seminaristen, 
unstÀndigen  Lehrer  und  Hausangestellten,  nicht  nur  in  den 
KrankenrÀumen  des  Seminars,  sondern  auch  in  der  Sprechstunde 
des  Arztes,  auch  fĂŒr  solche,  die  in  der  Stadt  wohnen  und  den 
Arzt  in  der  Sprechstunde  aufsuchen,  mehrmalige  Gesundheits- 
besichtigung ganzer  Klassen,  die  AusfĂŒllung  von  Gesundheits- 
bögen, die  LehrtĂ€tigkeit  ĂŒber  gesundheitliche  Fragen,  VortrĂ€ge 
usw.  usw.  In  noch  schwierigerer  Lage  befinden  sich  die  Aerzte 
an  den  Taubstummenanstalten,  auch  hier  ist  das  Jahrespauschale 
auf  etwa  800—1000  Mark  bemessen.  Geht  es  den  Aerzten  so 
schlecht,  daß  sie  nicht  auf  diese  Stellungen  lieber  ganz  verzichten, 
;ils  sich  mit  Honoraren  abfinden  zu  lassen,  die  heute  wohl  in  der 
ganzen  Welt  ohne  Beispiel  sind?  Alexander, 


534 


-  Referate 


10.  Jahrg.  —  Nr.  33/34 


REFERATENTEIL 


MĂŒnchener  medizin.  Wochenschrift. 

21.  April  1922,  Nr.  16. 

Indikationsstellung    und    Ergelbnisse    der    Auslese    fĂŒr  thorax-chirurgische 

Maßnnhmen.     B  u  r  c  k  Ts  a  r.  d  t.  575. 
Senkungsgeschwindigkeit    der    Erythrozyten.     B  ĂŒ  r  k  e  r.  577. 
Klinisches  ĂŒber  die  Fahraussche  Sehwangerseliaftsreaktion.    &  Ă€  n  s  s  Ă€  c.  578. 
Tiefenthermometrie.     Znndck.  579. 
♩Nrerenerkrankungen  nach  Angina.    K  a  y  s  e  r  -  P  e  t  e  r  s  e  n  u.  Sc.  h  w  a  h. 
580. 

Eigenharnroaktionen.    B  ii  m  i  n  g  h  a  u  s.  582. 

❖Essentionellp's  Hautjucken  als  klinisches  Symptom  der  multiplen  BlutdrĂŒsen* 
erkrankungen.     S  z  0  n  d  i  u.  Ha  a  s.  584. 
FÀrbungsversuchc  an  SyphilisspirochÀten.    K  r  a  n  t  z.  586. 
Erfahrungen  hei  der  einseitig  kombinierten  Cyarsal-Xeosalrarsa nkur.  Hess. 
587. 

Kropfprophylaxe.    B  1  e  y  e  r.  587. 
♩^Behandlung  der  UnteTschcnkelgcschwĂŒic.     S  i  m  o  n.  589. 
Ösophagusatresie-     E  1  1  e  r  b  r  o  e  k.  591. 
Varizellen  und  ultraviolette  Strahlen.    Sack.  591. 

HHfsapiparat  bei  der  Blutdruckmessung   am   Menschen.     K  1  e  i  n  k  n  e  c  h  t. 
592. 

Beleuchfungseinrichtung  fĂŒr  Bontgonzimmer.     H  a  c  g  e  r.  594. 
Schiene  zur  Behandlung  von  Oherarmfrnkturcn.     L  e  g  a  1.  594. 
„Neuland-Handgriff"  fĂŒr  ProthesentrĂ€ger.    S  t  r  D  tri  e  y  r  r.  596. 

I  cb«r  Nierenerkrankungen  nach  Angina.  Bei  479  Anginen 
traten  in  7,5  Proz.  Nierenerkrankungen  auf,  hiervon  28  %  hÀ- 
morrhagische Glomerulonephritiden  mit  Blutdrucksteigerung, 
34  %  Herdnephritiden  ohne  Bluldrucksteigerung,  38  %  leichte  vor- 
ĂŒbergehende Nierenreizung.  Beziehungen  zwischen  Schwere  der 
Angina  und  dem  Auftreten  der  Nierenerscheinungen  konnten  nicht 
festgestellt  werden.  Verff.  betonen  die  Wichtigkeit  der  hÀufigen 
Harnuntersuchung  bei  jeder  auch  scheinbar  noch  so  harmlosen 
Angina.  Bei  rechtzeitiger  Behandlung  ist  die  Prognose  im  allge- 
meinen gĂŒnstig  zu  stellen.  Eine  neu  hinzutretende  Angina  lĂ€ĂŸt 
den  Nierenprozeß  meist  wieder  aufflammen. 

Das  essentielle  Hautjucken  als  klinisches  Symptom  der  mul- 
tiplen BlutdrĂŒsenerkrankuhg.  Von  10  an  Pruritus  essentialis  lei- 
denden Kranken  fanden  Verff.  bei  6  typische  pluriglandulÀre 
Insuffizienz,  bei  den  ĂŒbrigen  4  Dysfunktion  von  mindestens  zwei 
DrĂŒsen.  Die  von  anderen  Autoren  erwĂ€hnten  GenitaldrĂŒsenver- 
Ă€nderungen  in  Verbindung  mit  Hautjucken  sind  nur  Teilerschei- 
nungen der  pluriglandulÀren  Insuffieienz.  In  Verf.  FÀllen  ist  das 
Jucken  bloß  eine  Teilerscheinung  der  endokrinen  Dysfunktion;  es 
wird  als  Folge  der  HypersensibilitÀt  der  peripheren  sensiblen 
Nerven  aufgefaßt,  als  Erregungszustand,  hervorgerufen  durch  in- 
folge endokriner  Dysfunktion  in  den  Blutstrom  gelangte  patholo- 
gische Stoffwechsclprodukte.  Zur  Entstehung  des  Pruritus  sind 
zwei  Faktoren  nötig;  1.  ein  endogener  Faktor,  der  aus  irgend  einer 
bestimmten  konstitutionellen  oder  erworbenen  AbnormitÀt  des 
BlutdrĂŒsensystems  besteht;  2.  ein  exogener  Faktor:  z.  B.  Fluor. 
Nodus,  Onanie,  Beiben  des  Kragens  usw.  Aetiologische  Therapie 
bisher  ohne  Dauererfolg.  Als  symptomatische  Behandlung  wird 
in  jedem  hartnÀckigen  Fall  Böntgenbestrahlung  empfohlen. 

Die  Behandlung  der  UnterschenkelgeschwĂŒre.  Uebersichts- 
vortrag  ĂŒber  Ergebnisse  des  Verfassers  mit  den  verschiedenen 
Methoden.    Muß  im  Original  nachgelesen  werden. 

F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Charlottenburg-Westend). 

28.  April  1922.  Nr.  17. 

Behandlung  d.  Magen-  und  Zwölffingordarmgeschwiirs.     C  r  ii  m  e  r.  615. 
Dichttherapie  d.  Tetanus,    v.  B  e  u  s  t.  618. 
Mastixreaktion.    S  a  h  1  g  1  v  ft.  RIÜ 

Entstehung   und   Bedeutung   von   NebengerÀuschen    bei    funktionell  geheilter 
Lungentuberkulose.     Ales  a  n  d  e  r.  619. 

Schwimmbadkon.junkti  vi/tis.     Best.  621. 
>f*G-on5orrhoische  Prostatitis.     Arnold.  B21. 
Gefahren  der  Ahortivbehandlung  der  Gonorrhoe.    F  u  c  h  s.  022. 
Stomatitis   mercurialiis.     H  e  e  r  m  a  n  n.  023. 
Böntgensarkom.    B  c  c  k.  623. 

Zentrale   Luxation  des  Schcnkelkopfcs.     K  e  b  m.  628. 
Chlortagessterilisafriori   v.  tuberkulösem  Sputum.    L  o  r  e  n  t  z.  625. 
Blutuntersnchung  bei  Bleiarbeitern.    E  n  g  e  1.  62G. 

Behandlung  des  MeningnkokkeMinatorials  bis  zur  Untersuchung.    H  u  n  d  e  s  - 
h  a  g  e  n.  627. 

Bad  Kissingen  und  seine  Heilmittel  fĂŒr  Blutkrankheiten.   Treuitlein.  628. 
Hy pnosciverbrechen:    S  p  e  e  r.  629. 
«S»Ampullen\vasser.    D  r  e  y  f  u  s.  631. 

I.enebtmarken.     Holz  k  n  e  C  b  t   Ii.  .7  a  h  n  v  a.  632. 


Tnfusionsapparat.    P  u  s  t.  633. 

Beseitigung   d.    d.    Palpation    störenden    Bauchmuskelknntraktion.     H  a  u  s  - 

m  an  n.  633. 
Wellcnschnitt.    K  o  t  z  c  b  o  r  n.  634. 
Beeinflussung  der  Laktation.    G  r  u  m  tn  e.  '634. 
70.  Geburtstag  v.  S.  RamÖD  y  Oa.jal.    Spatz.  635. 

Ueber  die  Heilung  der  gonorrhoischen  Prostatitis  mit  Arthi- 
gon  und  Terpentin.  Iniravenöse  Zufuhr  von  GC.-Vakzinen  (Arthi- 
gon  usw.)  kĂŒrzt  die  Krankheitsdauer  ab  hinsichtlich  des  Ver- 
schwindens  der  GC.  und  bezĂŒglich  der  entzĂŒndlichen  VerĂ€nderun- 
gen. Noch  gĂŒnstiger  wirkt  Terpentin  intramuskulĂ€r.  Gleichzeitige 
örtliche  Behandlung  ist  zweckmĂ€ĂŸig,  kann  aber  fĂŒr  viele  FĂ€lle 
auf  SpĂŒlungen  beschrĂ€nkt  werden. 

Ueber    den    Verwendungsbereich    des  „Ampullenwassers". 

Besprechung  der  vielseitigen  Verwendungsmöglichkeit  des  unbe- 
grenzt haltbaren  Ampullenwassers.    Einzelheiten  siehe  Original. 

F.  Loewcnhardt  (Charlottenburg-Westend). 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

22.  April  1922.   Nr.  17. 

«5»FrakturhehandIung  mit  einfachen  Mitteln.     E  w  a  1  d  t.  721. 

Siiuglingsernahrung.    X  o  b  e  1  .  E.  726. 
^‱VorlĂ€ufige   Mitteilung   ĂŒber  eine   chirurgische   Methode   des  akuten  Harn- 

röhrentrippers.    W  e  i  11  e  n  s  t  e  i  n  ,  O.  729. 
‱H'cbcr  operative  Myombehandlung.     (Schluß. 1     M  i  c  h  o  1  i  t  s  c  h.  790. 
‱f»Argnchrnm   in   der  Praxis.     Weil.  B.  741. 

‱^Verbesserung  des  EssigsĂ€ure-Tonerde- Verbandes.    Xagy.  A.  742. 
Zur  Frage  des  Àrztlichen  Ehekonsenses.    Schnopfhagen.  H.  743. 

Frakturbehandlung  mit  einfachen  Mitteln.    Besprechung  der 

Behandlung  der  Schenkelhalsfraktur,  der  Fractura  colli  humeri 
‱  und  der  Badiusfraktur. 

VorlĂ€ufige  Mitteilung  ĂŒber  eine  chirurgische  Methode  des 
akuten  Harnröhrentrippers.  Es  wird  empfohlen:  temporÀre 
Durchtrennung  der  Pars  bulbosa  der  Harnröhre,  bis  zum  Ablauf 
der  Erkrankung  in  der  Pars  anterior;  oder  Spaltung  der  Harn- 
röhre in  ihrer  LĂ€ngsrichtung  auf  etwa  3—4  cm,  um  die  nun  frei- 
liegende Schleimhaut  wirksam  therapeutisch  beeinflussen  zu 
können. 

Ueber  operative  Myombchandlung.     Auf  Grund  ausfĂŒhrlich 

dargelegter  Erfahrungen  wird  der  operativen  Behandlung  gegen- 
ĂŒber der  Böntgenbehandlung  der  Vorzug  gegeben. 

Argochrom  in  der  Praxis.  Sehr  guter  Erfolg  von  intrave 
nösen  Injektionen  von  Argochromlösung  Merck  (ca.  1  g  pro  die' 
bei  3  SepsisfÀllen. 

Verbesserung  des  Essigsaure-Tonerde-Verbandes.  Vorherige 
Anfeuchtung  des  Verbandstoffes  mit  Spiritus  vini  det. 

Reuß  (Wien  . 

29.  April  1922  Nr.  18. 

<f*Die  Anaphylaxie  in  ihrer  Beziehung  zu  Störungen  des  Verdauungsapparates. 

Pick.  E.  P.  761. 

‱Heber  die  Tagessehwankungen  im  Urobilinogengchalt  des  Harnes  bei  Ge- 
sunden und  Kranken.    Welt  m  a  n  n  .  O.  und  T  e  n  s  c  h  e  rt.  O.  766. 
Klimakterium  und  Gicht.    T  u  r  a  n  .  F.  770. 

Ueber  Diagnose  und  chirurgische  Therapie  des  chronischen  Kardiospasmns. 
(Schluß.)    H  e  y  r  o  v  s  k  y  ,  H.  773. 
❖SĂ€ug'lingsernĂ€hrung.     (Schluß.)     Nobel,   E.  779. 
Hie  cinzeitige   kombinierte  XeosalvarsaP-Xova-surolbehandluiig  der  Syphilid 
B  e,  i  n  e  r  ,  S.  791. 

Ueber  Tagesschwankungen  im  Urobilinogengchalt  des  Harnes 
bei  Gesunden  und  Kranken.  Zwecks  klinischer  Veiwertung  der 
Aldehydreaktion  als  Leersymptom  ist  es  notwendig,  die  Unter- 
suchungen in  Form  des  2-Stundenversuches  vorzunehmen,  da  die 
Urobinlinogenausscheidung  im  Laufe  des  Tages  nicht  gleichmĂ€ĂŸig 
ist;  sie  erfolgt  in  Form  einer  Kurve  mit  der  Basis  in  den  Morgen- 
stunden, dem  Gipfel  in  der  Nachmittagszeit. 

SĂ€uglingsernĂ€hrung.  Guter  Ueberblick  ĂŒber  die  derz.  an  der 
Wiener  Kinderklinik  ĂŒbliche,  auf  vorwiegend  quantitativem  Prin- 
zip aufgebaute  Methodik  der  ErnÀhrung  gesunder  und  kranker 
SÀuglinge,  wobei  auch  eine  neue  Einteilung  der  ErnÀhrungs- 
störungen nicht  fehlt.  Mit  Nachdruck  wird  auf  die  Differenzierung 


‱ID.  Jahr 


Nr.  33/34 


Aus   den    neuesten  Zeitschrifte 


585 


von  ErnÀhrungsstörung  und  UnterernÀhrung  hingewiesen  und  die 
fiberreichliche  Nahrungszufuhr  bei  nervösen  Brechern  und  Ru- 
minanten  mit  Recht  befĂŒrwortet.  Die  Behauptung,  daß  die  physi- 
ologische Gewichtsabnahme  des  Neugeborenen  nichts  Physiolo 
gisches  bedeute  und  durch  Verabreichung  gezuckerter  Vollmilch 
vermieden  werden  könne  oder  solle,  dĂŒrfte  wohl  nicht  nur  beim 
Rcf   auf  Widerspruch  stoßen.  Reuß  (Wien)". 

Wiener  klin.  Wochenschrift,  Wien. 

6.  April  1922.  Nr.  14. 

‱  ♩  Appendix  und  Adnexerkrankungen.    (Klinischer  Vortrag).    T  h  a  1  e  r  II.  311. 
‱{‱Die    individualisierende    Behandlung   des    fieberhaften    Abortus      M  a  u  t  h  - 

n  e  r  ,  E.  815. 
«Weber   N'eosilbersalvarsan.     I'  1  1  m  a  n  n  .    K.  316. 

Ein  neuer  Fall  von  Sarggelburt.     Straß  m  a  n  n  ,  F.  322. 
♩  I°eber  eine  einfache  und  ökonomische  Methode  der  Blutfftrbung.    II  i  e  k  I  .  .1. 

J  a  g  i  e  ,  X.  323. 

‱  ♩Meningitis  serosa  im  Verlaufe  von  Appendieitis  gangraenosa.  Steiger. 

VV.  324 

Altern  und  Krchshildung.    ()  r  thner,  F.  324. 

Appendix  und  Adnexcrkrankungen.  Erörterung  der  Diffe- 
rentialdiagnose  zwischen  Appendieitis  und  entzĂŒndlichen  Er- 
krankungen der  rechtsseitigen  Adnexe,  sowie  der  pathologisch- 
anatomischen  Beziehungen  zwischen  Appendix  und  Adnexen. 
Das  Uebergreifen  einer  Appendieitis  auf  die.  gesunden  Adnexe 
dĂŒrfte  nur  höchst  ausnahmsweise  vorkommen,  bei  Adhaerenzen 
zwischen  Appendix  und  Adnexen  sind  letztere  gewöhnlich  schon 
vorher  krank  und  handelt  es  sich  bei  Vereiterungen  von  der 
adhĂ€renten  entzĂŒndeten  Appendix  aus  immer  um  schon  patholo- 
gisch verÀnderte  Adnexe. 

Die  individualisierende  Behandlung  des  fieberhaften  Abortus, 
.feder  fieberhafte  Abortus  ist  sofort  auszurÀumen;  ausgenommen 
sind  jene  Falle,  wo  die  Infektion  den  Uterus  schon  ĂŒberschritten 
hat.  Die  Diagnose  erfordert  grĂŒndliche  fachliche  Erfahrung. 
Kann  ein  Arzt  die  Isolierung  der  Infektion-  auf  den  Uterus  nicht 
mit  Sicherheit  feststellen,  hat  er  die  Patientin  einer  Anstalt  zu 
ĂŒberweisen.  Statistische  Zusammenstellung  der  an  der  I.  Wiener 
Frauenklinik  bei  der  Behandlung  des  fieberhaften  Abortus  er- 
zielten Resultate.   Erörterung  der  Methodik. 

Ueber  Neosilbersalvarsan.    Eingehender  Bericht  ĂŒber  die  in 
,  1XA    Jahren   an  einem    großen   Luesmaterial    gesammelten  Er 
.fahrungen.    Silber-  und  Neosilbersalvarsan  wirken  ebenso  rasch, 
mitunter  sogar  rascher  als  Neosalvarsan  allein.    Nachhaltig  ist 
:  der  Einfluß  auf  das  Verschwinden  der  Wa-Reaktion,  wofĂŒr  der 
Silberkomponente   eine  gewisse  Rolle,  beizumessen   sein  dĂŒrfte. 
Das  Neosilbersalvarsan  fĂŒhrt  nicht  zu  stĂ€rkerer  lokaler  Gewebs- 
reizung,  hat  keinen  schĂ€digenden  Einfluß  auf  die  Nieren,  ist  gut 
löslich  und  in  Lösung  weniger  zersetzlich  als  Neosalvarsan.  Wo 
Hg.-PrÀparate  nicht  toleriert  werden  und  Salvarsan  allein  nicht 
ausreicht,  ist  Neosilbersalvarsan  unbedingt  indiziert.  Dosierung: 
0,2 — 0,5,  gewöhnlich  0,3  intravenös  in  2— ötĂ€gigen,  durch  schnitt- 
t lieh  3tĂ€gigen  Intervallen;  im  ganzen  10 — 12,  selten  mehr  Injek- 
'  tionen. 

Leber  eine  einfache  und  ökonomische  Methode  der  BlutfÀr- 
bung. Das  unfixierte,  zweckmĂ€ĂŸig  12 — 14  Stunden  lang  getrocknete 
DeckglasprÀparat  wird  mit  der  Blutsehicht  nach  unten  auf  einen 
ObjekttrÀger  gelegt,  auf  welchen  vorher  ein  Tropfen  einer  Tolui- 
dinblau-Lösung  gebracht  wurde.  (1,5  "//ige  Stammlösung  mit  aqu. 
des!  1:10  verdĂŒnnt.)  Das  PrĂ€parat  wird  sofort  mikroskopiert, 
oder  das  Deckglas  nach  3 — 5  Minuten  abgezogen,  an  der  Luft 
getrocknet  und  mit  Kanadabalsam  —  Blutschicht  nach  oben 
aufgeklebt. 

Meningitis  serosa  im  Verlaufe  von  Appendieitis  gangraenosa, 
gjÀhriger  Knabe,  3  Tage  nach  Beginn  der  Erkrankung  operiert: 
'"Appendix  perforata,  diffuse  Peritonitis.  Am  folgenden  Tag 
2  epilepliforme  Anfalle,  Benommenheit,  welche  5  Tage  anhÀlt, 
geringe  Nackenstarre,  positiver  Kernig,  Liquor  wasserklar. 
Heilung.  Beuss  (Wien). 


Meningitis  tunerculos«  discre?*. 


13.  April  1922.    Nr.  1."). 

♩Das     retikulo-endotheliaic     System.  (Klinischer 
g  e  r  ,  II.  333. 

Zur  Systematik  der  l'arathy phus-IJ-Hakterlcn.  FĂŒrth 

♩Zur  Kasuistik  der  Zwerchfellhernie.    P  1  e  n  k  .  A.  339. 

♩  Aorten;  urysina   vortĂ€uschender  Fall  von  Lungcnccliinokokkus,  röntgenolo- 
gisch diagnostiziert.     L  e  n  k  ,  R.  341. 

Uclher  die  Probe  mit  Natrium   nuclcinieum  bei  der  Malariabehaudlung  der 
Paralytiker.     Kogcrer,  H.  342. 


Vortrag. )       E  p  p  i  n 
.7.  337. 


Heinerkiiugon  zum   S  vmptomopkomplcx  der 
B  I  ii  t  t  .  N.  342. 

Zur  Technik   der   perin  viil«n  [njoktli  n   bei  IsohlAM.    Bemerkungen  /ui 

gleichnamigen  Mitteilung  von  l>r.  Qrtlnbaum  In  dieser  Wochenschrift  UP" 
Xr.  4.     II  ö  g  1  e  r  .   P,  848. 

Das  retikulo-endotheliiile  System.  Das  r.-c.-SysIcm  (A  s  c  Ii  o  f  f 
setzt  sich  aus  Zellen  zusammen,  welch«  sich  an  den  verschieden- 
sten Stellen  des  Organismus  finden,  u.zw.  besonders  reichlich  im 
lockeren  Bindegewebe,  in  Organen,  in  denen  sich  die  Retikulum 
zellen  synzytiumarlig  verbinden  (Milz,  LymphdrĂŒsen)  und  schließ- 
lich im  Kapillargebiet  der  Leber  (Kupffersche  Sternzellen).  Diese 
Zellgruppe  hat  die  Funktion,  gelöste  Farbstoffe  des  Blutes  in 
ihren  Granulis  zu  binden  und  zu  fixieren.  Es  wird  die  Pathologie 
des  retikulo-endothelialen  Stoffwechsels  erörtert,  welche  insbe- 
sondere auf  dem  Gebiet  des  Haemoglobinstoffwechsels  in  Er- 
scheinung tritt.  Als  krankhafte.  ZustÀnde  des  retikulo-endothelialen 
Systems  kommen  insbesondere  der  haemolytische  Ikterus  sowie 
die  perniziöse  und  aplastische  Anaemie  in  Betracht,  doch  gehören 
in  diesen  Rahmen  auch  die  Polyzythaemie,  die  Leberzirrhosen  und 
die  Ilaemochromatose.  Die  Therapie  hat  die  Aufgabe,  die  TĂ€tig- 
keit der  blutzerstörenden  Organe  zu  hemmen.  VorlÀufig  ist  es 
bloß  gelungen,  durch  Exstirpation  der  Milz  das  r.-e. -System  gleich- 
sam zuzustutzen,  was  nur  bei  jener  Erkrankung,  bei  der  eine  loka- 
lisierte Hyperfunktion  der  Milz  vorliegt,  dauernden  Erfolg  halte, 
nÀmlich  beim  haemolytischen  Ikterus.  In  geistreicher  Weise  er- 
öffnet Verf.  die  Perspektiven,  wie  man  das  ganze  System  pharma- 
kologisch beeinflussen  könnte. 

Zur  Kasuistik  der  Zwerchfellhernie.  44jÀhriger  Mann,  der 
bis  zum  32.  Lebensjahr  gesund  und  berufsfÀhig  war.  dann  mit 
Ulcusbeschwerden  erkrankte  und  an  Perforationsperitonitis  zu- 
grunde ging. 

Aortenaneurysma  vortÀuschender  Fall  von  Lungenechino- 
kokkus,  röntgenologisch  diagnostiziert.  37jÀhriger  Patient  mit 
Atembeschwerden.  Röntgenologisch:  kugelige  Bildung  im  rech- 
ten oberen  Thorax,  als  der  Lunge  angehörig  erkannt,  als  Echino- 
kokkus gedeutet.    Diagnose  durch  Operation  bestÀtigt. 

Reu  ss  (Wien). 

20.  April  1922.    Nr.  16. 

Zur  Eröffnung:  des  neuen  Institutes  fĂŒr  Embryologie.  .  F  i-SC  hei  ,  A.  835. 
('eher  Paratyphus.    Herz.  A.  360. 

Versuche  iiheir  Spezifische  Bakteriophagenwirkung.    BĂ€il.  0.  und  Wata- 
n  a  b  e  ,  T.  362. 

Oralsepsis  und  von  Zahnleiden  abzuleitende  Fernerkrankungen.  Hauer. 
A.  365. 

(Jeher    die    Behandlung    der    verschiedenen    Können    des  Sigmatismus. 
Stein.  L.  367. 
♩Zur  Frage   der   Angina    pectoris.     Groß  mann,   M.  368. 

♩  Ein  neuer  Erreger  des  Elcckf iehers ?    11  e  1  a  i  .  A.  368. 

♩Die    Behandlung    und    Prophylaxe    de«    endemischen    Kropfes.     W  a'g  n  e  r  - 
J  a  u  r  c  g  g.  369. 

♩  Eine    Befuftdstelle    fĂŒr    Kindertuberkulose.      P  e  y  r  e  r  .    K.  370. 

Zur  Frage  der  Angina  pectoris.  Die  echte  Angina  pectoris 
kommt  wahrscheinlich  geradeso  wie  die  A.  pectoris  vasomotoric.i, 
durch  einen  Spasmus  im  Anfangsleil  der  Aorta  zustande;  der 
Unterschied  liegt  nur  darin,  daß  hier  die  Aorta  intakt,  dort 
pathologisch  verÀndert  ist.,  So  erklÀrt  sich  die  prompte  Wirkung 
aefÀficrwcileim'der  Mittel  (Nitrite). 

Ein  neuer  Erreger  des  Fleckfiebers?  Hinweis  auf  den  von 
einem  russischen  Arzt,  Dr.  ,1.  P.  Schestopal  erhobenen  Befund 
von  Spirochaeten  im  Blut  aus  Exanthematieus-Roseolen.  Die  so- 
genannte Spirochaete  Emiliae  Schestopal  hÀngt  innig  mit  den  Exy- 
throzyten  zusammen. 

Die  Behandlung  und  Prophylaxe  des  endemischen  Kropfes. 
Man  soll  den  kropfverseuchten  Gegenden  ein  Kochsalz  zufĂŒhren, 
das  im  kg  etwa  2  mg  Jodkalium  oder  Jodnatrium  enthÀlt. 

Eine  Befundstelle  fĂŒr  Kindertuberkulose.  In  Anbetracht  der 
Schwierigkeit  einer  raschen  Diagnosestellung  bei  bloß  physikali- 
scher Untersuchung  wurde  an  der  Wiener  allg.  Poliklinik  eine 
Befundsteile  errichtet,  in  welcher  bei  den  von  FĂŒrsorgestellen, 
SchulÀrzten  usw.  zugewiesenen  Kindern  auf  Wunsch  Befunde 
aufgenommen  und  abgegeben  werden.  Der  Befund  umfaßt:  Anam- 
nese, klinischen  Befund,  Tuberkulinreaktion,  Röntgenbefund, 
Diagnose,  (tuberkulosefrei;  inaktive  Tuberkulose;  inaktive  Tuber- 
kulose mit  Neigung  zu  AktivitÀt;  aktive  Tuberkulose  mit  Nennung 
der  Lokalisation.)  Die  Stelle  soll  ein  Bindeglied  zwischen  Kinder- 
fĂŒrsorge und  TuberkulosefĂŒrsorge  bilden. 

R  e  u  s  s  (Wien). 


536 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  33/34 


Psychiatrisch-Neurologische  Wochenschrift. 

22.  April  1022.  24.  Nr.  :i-4. 

Gedanken  in  Entwicklung  ĂŒber  Bedeutung  des  Hirnbaues.     F  r  a  n  k  e.  13] 
❖  Heilerfolge       der       Epilepsiebehandiung       mittels  Xifalmik'bin.iektionen. 
Becker.    19.  ‱ 
Eine  Disputation  Uber  ..Okkultismus  und  Wissenschaft  '.    S  ĂŒ  n  Der,  P.  22. 
Oer  derzeitige  Stand  der  ErnÀhrung  in  den  Irrenanstalten.  (Fortsetzung.')  26. 

Heilerfolgt!  der  Epilepsiebehandlung  mittels  Xifalmilchinjefc- 
tionen.  Bericht  ĂŒber  ß  FĂ€lle,  die  sich  ĂŒberraschend  gut  besserten 
unter  dem  Einfluß  von  Xifalmilcbinjektionen.  Luminaldarreichung 
und  Regulierung  der  Kochsalzzufuhr.  Da  Luminal  allein  diese 
Erfolge,  wie  vorangegangene  Versuche  darlaten,  nicht  zu  zeitigen 
vermochte,  scheint  es,  als  wenn  Xifalmilch  in  neuer  Art  der 
Epilepsie  zu  Leibe  gehl. 

6.  Mai  1922.  24,  Nr.  3-ti. 

❖Neuere   Liquoi Probleme.     K  a  f  k  a  .  V.  30. 
Zur  Streitfrage  der  okkultistischen  Forschung.    S  Ü  n  n  e  r  .   I'.  :S2. 
Zur   Streitfrage   der   Okkultistischen   Forschung.     Flicdl  À  n  d  e  r,    A.  M. 
Geheimsueht.     B  r  e  s  1  e  r  ,  J.  :i". 

Neuere  Liquorprobleme.  Der  bekannte  Serologe  der  Ham- 
burger Staalsanstalt  Friedrichsberg  weist  darauf  hin,  daß  die 
Liquorprobleme  fĂŒr  den  Praktiker  keine  Veranlassung  geben,  die 
heutigen  Errungenschaften  der  Liquordiagnostik  anzuzweifeln. 
Im  Gegenteil,  durch  ihre  kritische  Betrachtung  wird  die  Deutung 
des  LiquorbĂŒdes  verfeinert,  es  werden  neue  Fragen  aufgerĂŒhrt, 
und  wir  befinden  uns  auf  den)  Wege  zum  Ausbau  der  patholo- 
gischen Physiologie  des  Liquors,  die  freilich  nur  durch  die  Zu- 
sammenarbeit des  Klinikers  und  des  Serologen  möglich  sein  wird. 

Wern.  H.  Becker. 

Allgemeine  Zeitschrift  fĂŒr  Psychiatrie  und  psychisch- 
gerichtliche  Medizin. 

20.  Januar  1922.  77.  6.  Heft. 

‱Schaffung  eines  neuen  Irrcngesetees.    Schult  z  e  .  K.  367. 
Schaffung  eines  ueuen  Irrengesetzes.     Kahl.  392. 
♩♩"Zur  Pathogenese  der  epileptischen  KrampfanfĂ€lle.    Kiienberge  r.  O.  408. 

Zur  Pathogenese  der  epileptischen  KrampfanfÀlle.  Verfasser 
verficht  mit  Eifer  die  von  Fischer  aufgestellte  Hypothese,  daß 
die  Epilepsie  durch  Nebennierenresektion  beilbar  wÀre.  ..Jeden- 
falls verdanken  wir  der  Fischer'schen  Hypothese  neue  Frage- 
stellungen, neue  Forschungsrichlungen  und  neue  Gesichtspunkte 
fĂŒr  die  Beurteilung  des  Wesens  der  Epilepsie  und  der  Krampf- 
anfĂ€lle, sowie  endlich  neue  Richtlinien  fĂŒr  ihre  Behandlung/' 
Zugegeben.  Aber  ist  es  nicht  bedenklich,  an  ein  so  wichtiges 
Organ,  wie  die  Nebenniere,  operativ  heranzugehen?  Und  hyper- 
tiophiert  nicht  die  eine,  wenn  ich  die  andere  exstirpiere?  —  Mir 
scheint,  die  auch  —  vielleicht  sichere  —  zum  Ziele  fĂŒhrende  Be- 
handlung mit  Xifalmilch,  Luminal  und  salzarmer  Kost  ist  doch 
wesentlich  harmloser.  Wern.  H.  Becker. 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

22,  April  1922.  52.  Nr.  17. 

❖Differenziialdiaguo.se    der    Schizophrenie.    F  a  n  k  h  ;i  u  s  e  r  .    E.  101. 

Die  Wirkung  der  tliromlioplastischen  Medikation  auf  die  Gerinnung  des  nor- 
mallen und  des  haemophilen  Blutes.    Feissly,  R.  404. 

Multiple  Thromben  von  Arterien  und  Venen  mit  Gangracn  nach  Grippe. 
Odermatl.  W.  411 

Kenntnis  der  GynÀkomastie.     T  Ohler,  Th.  412. 

l'a.von    und    l'anitiopon.      0  Ii  1  m  a  n  n  .    F.  116. 

Ueber  die  Differentialdiagnose  der  Schizophrenie.  Die  erste 
Gruppe  unter  den  Erscheinungen  der  Dem.  praecox  bilden  die 
Störungen  der  einfachen  Funktionen,  die  sogenannten  Grund- 
symptome. In  zweiter  Linie  steht  der  sogenannte  inadÀquate 
Affekt,  bei  dem  der  quantitativ  inadÀquate  und  der  qualitativ 
inadĂ€quate  auseinander  gehalten  werden  mĂŒssen.  Es  ist  die 
auch  als  Dissoziation  der  Affekte  bezeichnete  Erscheinung.  Ein 
weiteres  Grundsymptom  der  D.  p.  ist  die  Zerfahrenheit  des 
Denkens.  Unter  den  sekundÀren  Symptomen  sind  die  katatonen 
diagnostisch  die  wichtigsten;  auch  sie  tragen  einen  dissoziativen 
Zug  und  zwar  auf  dem  Gebiet  dies  Willens. 

So  leicht  die  Erkennung  einer  ausgesprochenen  D.  p.  ist, 
so  schwer  ist  die  Erkennung  der  leichtesten  Formen  und  damit 
die  Abgrenzung  der  Krankheit  gegenĂŒber  der  Norm.  Kretsch- 


m  e  r  ist  den  schftoiden  Naturen  mit  besonders  feinem  Tast-  . 
gefĂŒhl  nachgegangen  und  hat  gezeigt,  wie  das  Temperament 
dieser  Individuen  sich  zwischen  den  Polen  Reizbarkeit  und 
Stumpfheit  bewegt.  Im  Gegensatz  dazu  steht  der  zykloide  (Cha- 
rakter, der  Charakter  der  Manisch-Depressiven  außerhalb  der 
akuten  Phase. 

Schwer  ist  die  Abgrenzung  der  D.  p.  gegen  die  Hysterie. 
Nach  Aschaffeuburgs  Definition  ist  die  Hysterife  gekenn- 
zeichnet durch  das  MißverhĂ€ltnis  des  gefĂŒhlsbetonten  Reizes  zur 
Reaktion,  die  nicht  selten  die  Eigenart  zeigt,  Vorstellungen  und 
Empfindungen  in  körperliche  Erscheinungen  umzuwandeln.  Was 
die  Hysterie  bestimmt,  ist  die  bewußte  oder  auch  unbewußte 
Zweckbetonung  der  Symptome.  Die  ausgesprochene  Pseudologie 
mit  ihren  lebhaften  und  zweckhaften  Erfindungen  ist  der  Hysterie 
nur  verwandt.  Der  prinzipielle  Unterschied  zwischen  ihr  und 
der  D.  p.  ist  der,  daß  die  Hysterie  im  wesentlichen  der  normalen 
analoge,  nur  quantitativ  von  ihr  verschiedene  Reaktion  zeigt, 
die  D.  p.  inadÀquate  Reaktion,  meist  verbunden  mit  katatonen, 
paranoischen  oder  mechanisch-depressiven  Spontanprozessen. 

Die  Abgrenzung  der  D.  p.    gegen    die  Epilepsie   kann  da 
schwierig  werden,  wo  die  AnfĂ€lle  fehlen.    In  solchen  FĂ€llen  muß  ' 
das  Gesamtbild  entscheiden. 

Die  Psychopathie  ist  in  letzter  Zeit  zugunsten  der  D.  p.  be- 
deutend eingeengt  worden.    Der  privat  Praktizierende  vermeidet 
eher,  den  Kranken  und  che  Angehörigen  mit  der  Diagnose  D.  p._ 
zu  erschrecken  als  der  Arzt,, der  öffentlichen  Anstalt.    Daß  die 
D.  p.  simpl.  oft  die  Grundlage  zum  Alkoholismus  legt,  ist  allge- 
mein anerkannt.    Die  sichere  Trennung  der  I).  p.  von  der  pro-, 
gres^iven  Paralyse  besonders  in  den  Anfangsstadien  der  letzteren, 
grĂŒndet  sich  im  wesentlichen  auf  die  körperlichen  Begleiterschei- ; 
nungen,  wo  diese  nicht  eindeutig  sind,  kann  die  Diagnose  lange 
ungeklÀrt  bleiben. 

Die  Erweiterung  der  D.  p.  in  der  Richtung  der  Psychopathie 
und  namentlich  nach  der  Norm  hin  hat  ihre  großen  praktischen 
Konsequenzen,  z.  B.  im  MilitÀrdienst.  Die  Ausmusterung  solcher 
Elemente,  die  hÀufig  genug  der  MilitÀrversicherung  viel  zu  lange 
zur  Last  fallen,  findet  leichter  als  frĂŒher  statt. 

Dem  Gerichtspsychiater  erlaubt  che  Abgrenzung  des  schi- 
zoiden und  des  schizothymen  Charakters  eine  viel  feinere  Aus-, 
wertung  leichter  krankhafter  Symptome.  Der  Schizoide  oder 
D.  p.-Chrakter  bedingt  dabei  kaum  je  die  Annahme  völliger  AuM 
hebung  der  ZurechnungsfÀhigkeit,  sondern  meist  nur  der  gemin- 
derten. Durch  diese  Abstufung  ist  dem  Arzt  eine  neue,  oft  nicht 
leichte  Aufgabe  erwachsen.  Held  (Berlin). 

La  Presse  medicale,  Paris. 

25.  MĂ€rz  1922,  Nr.  24. 

❖Humoraler  Syndromenkomplex  der  Gicht,    Chauffard.  A.  253. 
❖Variation  akzessorischer  NĂ€hrstoffe  in  der  ErnĂ€hrung  des  Kindes.    G  o  d  - 

lewski,  H.  256. 

❖Xatriumzitrat  in  der  Behandlung   der   Kreislaufstörungen.  Chcinissc, 

L.  258. 

Das  humorale  Syndrom  der  Gicht.  WĂ€hrend  beim  Nicht- 
gichtiker  der  gegenseitige  Gehalt  von  Cholesterin  zwischen  roten 
Blutkörperchen  und  Serum  wechselt,  ist  dies  VerhÀltnis  beim 
Gichliker  konstant  und  zwar  erhöht.  Es  ist  möglich,  daß  sowohl 
der  örtliche  Gichtanfall  wie  ein  akuter  Anfall  im  ganzen  Körper 
auf  Àhnlichen  kolloidalen  VerÀnderungen  im  Serum  beruht  wie  die 
W idaische  Blutkrise. 

Die   Variierung  der  Minima lsubstanzen   in  der  ErnÀhrung 

des  Kindes.  Die  drei  Wachstum  fördernden  Vitamine  sind  das 
Cystin,  das  Lysin  und  das  Tryptophan,  die  auch  fĂŒr  den  SĂ€ugling 
eine  gemischte  Kost  notwendig  machen.  Die  Verwendung  einer 
Suppe  von  2  Teilen  Weizen  und  je  1  Teil  Hafer  und  Gerste  wie 
spĂ€terhin  einer  BrĂŒhe  aus  Kalbsknochenmark  erfĂŒllt  diesen 
Zweck.  Auch  der  Lebertran  enthÀlt  die  Vitamine,  wahrend  sie 
in  den  pflanzlichen  Oelen  nicht  vorhanden  sind.  Die  im  Handel 
befindliche  Lactose  ist  unrein  und  enthÀlt  ebenfalls  Stickstoff,  ist 
daher  mit  Vorteil  neben  oder  anstatt  der  Saccharose  in  den  Suppen 
der  Kinder  zu  verwenden. 

Die  Behandlung  der  GefĂ€ĂŸaffektionen  mit  Natrium  citrieum. 

Das  Natrium  citrieum  ist  wegen  seiner  gerinnungshemmenden 
Eigenschaft  mit  Erfolg  in  die  Therapie  der  GefĂ€ĂŸerkrankungen 
aufgenommen  worden.  Man  gibt  gewöhnlich  große  Dosen.  3-^1  g 
tÀglich,  in  schweren  FÀllen  1  g  alle  2  Stunden.  Je  nach  dem  Fall 
sind  zwischen  15—85  intravenöse  Injektionen  einer  2  proz.  Lösung 


40.  Jahrg. —  Nr.  33/34 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


587 


The  British  Tnedical  Journal,  London. 

20.  April  1922,  Nr.  :*20<). 


drksgcsundholt,  t.  Q 
Arthriitis  dlfformans 

It  e  i 


dei 


II  \V  II  II  ll  (1H7 

HĂŒftgelenkes 


Ii  H  w 


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F.  «77. 
uiul  G 


Der  RinfluU  der  Industrie  auf  die  \ 
Exzisjon  des  Caput    femozis  bei 
T  I  ii  t  I  .   U.  672. 

Ursache   und    Holland  Iuhk    dir  Zuckerkrankheil 

Faiicbrother.  T.  H.  r.74. 
Kranilitas  ossiuni  und  blaue  Sklerose  in  4  Geschlechtern 
J.  B.  677. 

Diagnose  und  Behandlung  von  ledchifceui  Fibrositis.  M  n  r  t  i  n  , 
Kin   Kall    von   Osteitis   difformans.     Paget,    Li  n  d  s  a  y  ,  .1 

(ton,  R.  G.  078. 
PernltlOse  AnÀemie.    Key.  J.  F.  i>"9. 
♩Lokale  Verwendung  von  Tuberkulinose.    C  rocket,  .1.  671). 

Ursache  und  Behandlung  der  Zuckerkrankheit.  Die  Verl 
ben  aus  dem  Kot  bei  der  Zuckerkrankheit  eine  Bakterie  (B. 
yloclasticus  intestinalis)  isoliert,  welche  StÀrke  zersetzt  unter 
ildung  von  Azeton,  DiazelsÀure,  0-oxy-ButtersÀure  und  Bulyl- 
kohol.  Bei  der  Zuckerkrankheit  kann  man  betrÀchtliche  Mengen 
zclon  im  Stuhl  finden.  Verf.  glauben,  daß  bei  Diabetes  Kohle- 
hydratgÀrungen im  Darm  bestehen,  welche  Toxine  bilden,  die 
die  Leberfunktion  schÀdigen. 

Lokale  Verwendung  von  Tuberkulin.  Verf.  beschreibt  gute 
Erfolge,  die  er  mit  örtlicher  Applikation  eines  Tuberkulinliniments 
gehabt  hat.  Es  scheint  sehr  schön,  bei  vergrĂ¶ĂŸerten  DrĂŒsen  zu 
wirken  Verf.,  der  ,,Lectured  on  Tuberculosis"  ist,  hat  „natĂŒrlich'' 
nie  von  Petruschky  gehört!).  Koopman  (Haag). 

I'he  Lancet,  London. 

29.  April  1922,  202.  Nr.  511$. 

♩  Der  Schlaf  der   Schulkinder.     Groß,  M.  836. 

♩  Die  VerĂ€ndern dk  der  Kuhmilch  als  SĂ€uglingsernĂ€hTuug.    P  r  i  t  e  h  a  r  d  .  K. 

838. 

♩Die  Behandlung   bösartiger  Erkrankungen    mit    „Vilttamin    A    freier"  Diiit. 
Wyard,  S.  840. 

Schwierigkeiten   beim    Harnlassen    durch    Erkrankung    deis  Blasenhalses. 

Irwin,  W,  K.  841. 
Phenolrot  als  Indykatnr  fĂŒr  Milch  und  ZuckernĂ€hrboden.  B  r  o  w  n  .  H.  C  Sil. 
Röntgenstrahlen  in  der  Geburtshilfe.    S  h  e  n  l  o  n  ,  K.  W    H.  860. 
Da«  Altertum.    Thompson,  R.  J.  C  und  T  o  d  d  ,  R.  E.  871 
Di«  „Fellows  of  tho  Royad  College  of  Surgeons  of  England".    Plavr,  G.  V. 

877. 

Der  Schlaf  der  Schulkinder.  Verl',  betont,  daß  die  Schulkinder 
im  Winter  nicht  lange  genug  schlafen.  Die  Kinder  sind  wÀhrend 
des  Tages  scinÀfrig.  Im  'Sommer  ist  es  noch  schlimmer,  woran 
die  Sommerzeit  auch  zum  Teil  schuld  ist.  FĂŒr  Kinder  sollte  keine 
Sommerzeit  bestehen.  Mari  mĂŒĂŸte  die  Eltern  lehren,  wie  nötig  es 
ist.  Kindern  viel  Schlaf  zu  gönnen. 

Die  VerÀnderung  der  Kuhmilch  als  SÀuglingsnahrung.  Verf. 
empfiehlt,  um  Kuhmilch  fĂŒr  SĂ€uglinge  verwendbar  zu  machen,  fol- 
gende Vorschrift:  Gute  Milch  10  Teile,  Rahm  (33  %)  1  Teil,  Zucker 
(erst  Milchzucker,  aber  spÀter  diese  gemischt  mit  Maltose,  und 
Saccharose)  1  Teil,  FleischbrĂŒhe  4  Teile  und  Wasser  bis  40. 

Die  Behandlung  bösartiger  Erkrankungen  mit  „Vitamin  A  freier 
DiĂ€t.  Die  Behandlung  hatte  gar  keinen  Einfluß  auf  das  Wachstum 
der  GeschwĂŒlste.  Es  scheint,  daß  in  einigen  FĂ€llen  die  Schmerzen 
etwas  abnahmen.  Lymphopenie,  die  bei  Tieren  beschrieben  ist, 
wurde  beim  Menschen  nicht  beobachtet.         Koopman,  Haag. 

6.  Mai  1922,  202,  Nr.  51 19. 

Schmerzen   in  der  Herzgegend.    IT  a  y  ,  J.  889. 

♩  Kautsymptome  als  Folgen  von  Zahninfoktionen.    S  e  m  o  n  .  H.C.  889. 

G  'sclwindigke.it  der  PulsĂŒbertragung  und  ElastizitĂ€t  der  GefĂ€ĂŸe.  Crigh- 
*  o  n  B  r  a  m  w  c  I  1  ,  J.  und  Hill.  A.V.  891. 

Ilautsymptomc  als  Folgen  von  Zahninfektionen.  Furun- 
kulosis,  Urticaria  Pruritus,  Erythema  multiforme  können  mit 
Zuhnkrankhcilen  kompliziert  sein  und  können  vrschwinden,  wenn 
die  Zahnkrankheiten  gut  behandelt  werden.  In  den  beschrie- 
benen FĂ€llen  schienen  Streptokokken  (vicidaffs  und  haemolyticus  ) 
die  Ursache  zu  sein.  NatĂŒrlich  soll  man  nicht  glauben,  daß  jede 
Hautkrankheit  in  den  ZĂ€hnen  anfĂ€ngt,  aber  man  muß  doch  auf 
die  ZĂ€hne  Acht  geben.  Koopman,  Haag. 

Brain,  London. 

November  1921.  44,  Nr.  :;. 

♩Studien  ĂŒber    die    Gebirnfunktion  beim    Kernen.    Die    motorische  Region. 
L  a  s  h  1  a  y.  255. 

❖Kim-  psychologische  Untersuchung  ĂŒber  die  Natur  der  kongenitalen  Wort- 
bliodheit.    Fildes.    286.  .   .  ' 


♩  Ein  proprloceptlvai  Roflex  und  OlonĂŒi  beim    plnaJen  Frosch,  Kanskl 
8  a  s  s  a.  808. 

♩Einige  Beobachtungen  Uber  Epilepsie.    Sargent,  (IS. 

Studien  Uber  die  Gehirnfunktionen  beim  Lei  nen.  Die  motorische 
Region.     L.  untersuchte)  ob  durch   Zerstörung  der  motorischen 

Region  EindrĂŒcke,  welche  durch  Lichtreize  hervorgerufen  wer- 
den, noch  weiter  bestehen  und  bestimmte  Reaktionen  auszu- 
lösen imstande  sind.  Er  kommt  bei  seinen  Untersuchungen  an 
Rallen,  denen  er  sowohl  die  motorisch  reizbare  Rinde  und  das 
Corpus  striatum  vollkommen  zerstörte,  wie  die  makroskopischen 
und  mikroskopischen  Schnitte  der  betreffenden  Gehirne  zeigten, 
zu  dem  Schluß,  den  durch  Lichtreize  frĂŒher  angelernte  Bewr- 
gungen,  z.  B.  Geben  zum  Futtertrog,  noch  weitei  bestehen  bleiben, 
daß  die  Tiere  sogar  ganz  komplizierte  Bewegungen  ausfĂŒhren 
können",  um  zur  richtigen  Futterstelle  zu  gelangen,  nachdem  eine 
bestimmte  Zeit  nach  der  LĂ€sion  vergangen  ist.  Die  vasomotori- 
schen und  somaesthetischeh  motorischen  Gewohnheiten,  die  vor 
der  Operation  anerzogen  waren,  werden  demnach  nicht  zerstört. 
Es  mĂŒssen  diese  Bahnen  also  andere  Wege  gehen.  Zerstörungen 
der  motorischen  Rindenregion  allein  macht  bei  Ratten  nur  vor- 
ĂŒbergehende LĂ€hmung.  Wird  der  Nucleus  caudatus  mit  zerstört, 
so  entsteht  eine  Hemiplegie,  Àhnlich  wie  bei  Affen.  Die  Rinden- 
region bei  der  Ratte  hat  daher  nur  eine  regulierende  Funktion 
auf  die  Bewegungen.  L.  glaubt,  daß  auch  beim  Menschen  nach 
Zerstörungen  der  motorischen  Rindenregion  andere  Stellen  des 
Gehirns  fĂŒr  '  Bewegungsimpulse  kompensatorisch  eintreten 
könnten. 

Eine  psychologische  Untersuchung  ĂŒber  die  Natur  der  kon- 
genitalen Wortblindheit.  Untersuchungen,  worauf  die  UnfÀhig- 
keit mancher  Kinder,  lesen  zu  lernen,  zurĂŒckzufĂŒhren  ist.  F. 
kommt  zu  folgenden  SchlĂŒssen:  Kinder,  welche  nicht  lesen  kön- 
nen, kommen  bei  allen  Intelligenzgraden  vor,  das  spricht  sehr 
gegen  eine  bestimmte  Lokalisation  der  FĂ€higkeit  zu  lesen.  Die 
Untersuchungen  ergaben  keinen  Anhaltspunkt  dafĂŒr,  daß  ein 
Zentrum  fĂŒr  die  gesehenen  Worte  existiere.  Zeichen  verschie- 
dener Formen  und  Figuren  können  die  sogen,  wortblinden  Kin- 
der schlechter  unterscheiden  wie  andere,  besonders  das  GedÀcht- 
nis fĂŒr  Ă€hnlich  aussehende  Figuren  ist  gestört.  In  Ă€hnlicher 
Weise  wurden  Àhnlich  lautende  Worte  von  den  schlecht  lesenden 
Kindern  im  allgemeinen  eher  verwechselt. 

Ein  propriozeptiver  Reflex  und  Clonus  beim  spinalen  Frosch 
Ein  kurzer,  schneller  Zug  an  der  Sehne  des  Semilendinosus  ruft 
bei  dem  decapitierten  Frosch  eine  Zusammenziehung  hervor,  die 
einem  -Reflex  Àhnelt.  Die  Form  der  Kontraktion  unterscheidet 
sich  am  Sphygmogramm  erheblich  von  einer  gewöhnlichen  Re- 
flexkontraklion.  Bei  mehrfachem  Zug  kann  eine  klonische  Kon- 
traktion des  Muskels  eintreten.  Der  Reflex  wird  besonders  be- 
gĂŒnstigt durch  den  Tonus,  der  nach  Dekapilation  vorhanden  ist. 

Einige  Beobachtung«!  ĂŒber  Epilepsie.  Auf  Grund  eingehender 
Studien  an  Verwundeten  nimmt  S.  an,  daß  die  epileptischen  An- 
fĂ€lle in  der  großen  Mehrzahl  der  FĂ€lle  ausgelöst  wĂŒrden  durch 
lokale  Beeinflussungen  der  Blutzirkulation  im  Gehirn-  Ganz  be- 
sonders spielt  bei  derartigen  Zirkulalionsbeeinflussungen  die 
Lage  eine  Rolle.  Plötzliche  Bewegungen  und  Aenderungen  des 
Schwergewichts,  wodurch,  Wenn  AdhÀsionen  vorhanden  sind, 
plötzliche  Reize  auf  die  GefĂ€ĂŸnerven  oder  Abknickungen  bestimm- 
ter GefĂ€ĂŸgebiete  hervorgerufen  werden  könnten,  geben  zum 
Krampfanfall  Veranlassung.  Bei  der  genuinen  Epilepsie  spielen 
aber  derartige  mechanische  Ursachen  kaum  eine  Rolle. 

D  o  r  n  e  r  (Leipzig). 

New  York  Medical  Journal,  New  York. 

15.  Februar  1922.  115.  Nr.  4. 

Angina  pectoris     A  I  1  b  u  t  t  .  C.  181. 
♩Die    periphere    Resistenz    bei    Zirkulationsstörungen.     Russell,    W.  188. 
♩■Beziehung  der  peripheren  Zirkulation  zu  Herzeirkrankungcn.    Barr.  J.  190. 
♩Facies  bei  Mitralstenose  und  Aortenregurgitation.  Russell -  Wells,  8. 
196. 

Bedeutung  der  Tachycanlie.    M  e  N  e  i  r  Wils  o  h  ‱  K.  i'uo. 
Die  vorzeitige  Kontraktion  und  ihre  Bedeutung.    S  t  r  i  c  k  1  a  n  il  —  Goo- 
d  a  1  1  ,  J.  204. 

CardiovasculÀre    Störungen     infolge     Erkrankung    des  Verdaaungstraktes. 
M  utoh,  N.  206. 

♩Das  Herz  bei  chronischer  Lungentuberkulose.    Lath\amj  A.  208. 
♩Paroxysmale  Tachycardie.    Price,  F.  W.  212. 

Infektiöse  Endokarditis.    Parsons-S  in  Ith.  B.  215. 

Die  Beziehungen  zwischen  Praecordialangst  und  extrai  ardialen  VerhÀltnissen. 
Reifen  st  ein,  E.  C.  219. 

Herz  und  Kropf.    Renner,  A.  E.  i'-Jy. 

Berechnung  des  intraperikardialeu  Druckes.    ĂŒJ  t  e  p  Ii  e  u  a  .  G.  A.  225. 


Aas   den    neuesten  Zeitschriften 


■10.  Jahrg.  —  Nr.  33/34 


Die  Bedeutung  des  peripheren  Widerstandes  bei  Zirkulations- 
störungen. Wenn  bei  Zirkulationsstörungen  von  einer  Ver- 
mehrung der  peripheren  WiderstĂŒnde  gesprochen  wird,  sd  wird 
dabei  noch  viel  zu  hÀufig  eine  Behinderung  des  Blutstroms  in 
den  Arteriolen  und  Kapillaren  gedacht.  Die  WiderstÀnde,  die  den 
Blutstrom  beeinflussen,  liegen  nach  des  Verf.s  Ansicht  viel  weiter 
zcnlralwÀrts  in  den  Arterien,  die  eine  ausgesprochene  Muskel- 
schicht besitzen  und  werden  bedingt  durch  das  „Spiel  des  Tonus". 
Dieser  Wechsel  zwischen  Kontraktion  und  Erschlaffung  der  Ge- 
f&flwand  wird  bestimmt  durch  zwei  Faktoren:  1.  einen  nervösen, 
teils  reflektorisch,  teils  vom  Gehirn  ausgehenden,  der  die  Blut- 
verteilung  beeinflußt.  2.  durch  die  Zusammensetzung  des  Blutes, 
der  ein  unmittelbarer  Einfluß  auf  die  Arterienwand  selbst  zu- 
geschrieben wird.  Unter  Hypertonus  versteht  Verf.  einen  Zu- 
stand, der  veranlaßt  ist  durch  ein  verengtes  Lumen,  verdickte 
Wandung,  Sinken  des  Blutdrucks  innerhalb  des  ĂŒberkontrahierten 
GefĂ€ĂŸes  und  Ansteigen  des  Aortendrucks. 

Die  Beziehung  zwischen  peripherer  Zirkulation  und  Erkran- 
kung des  Herzen*.  Allgemeine  pathologisch-physiologische  und 
klinische  Betrachtungen  ĂŒber  die  Beziehungen  zwischen  periphe- 
ren Kreislaufsstörungen  und  Herzerkrankung  unter  BerĂŒcksich- 
tigung des  Einflusses  von  BlutviskositÀt  der  ZirkulationsverhÀlt- 
nisse in  den  Venen  und  KoronargefĂ€ĂŸen  und  der  auf  Degene- 
ration und  Verkalkung  beruhenden  Vermehrung  der  WiderstÀnde 
in  der  Arterienbahn  und  ihre  klinisch-medikamentöse  und 
rebungstherapie.  Die  Arbeit  gipfelt  in  dem  Satze:  Das  beste 
Mittel,  einer  Erkrankung  des  Herzens  vorzubeugen,  besteht  in  der 
Gesunderhaltung  der  BlutgefĂ€ĂŸe  und  in  einer  zweckmĂ€ĂŸigen  Be- 
handlung peripherer  Kreislaufsstörungen. 

Facies  bei  Mitralstenose  und  Aortenregurgitation.  In  FĂ€llen 
von  Mitralstenose,  auch  wenn  das  Vitium  konpensiert  ist,  zeigen 
Lippen  und  SchleimhÀute  hÀufig  eine  kirseh-  bis  purpurrote 
Farbe,  die  Wangen  sind  blaßblaurot  mit  erweiterten  Venen,  die 
Augen  feucht,  die  Skleren  blaßrqsa.  Gel  inge  körperliche  Anstren- 
gung ruft  mehr  oder  weniger  ausgesprochene  Dyspnoe  hervor. 
Im  Gegensatz  hierzu  besieht  bei  der  Aorteninsuffizienz  keine 
Cvanose.  Das  Gesicht  ist  im  allgemeinen  blaß,  die  Augen 
glĂ€nzend  und  stier,  die  Skleren  blaß  oder  blĂ€ulich,  die  Lippen 
und  SchleimhĂ€ute  rot  oder  blaß,  aber  nicht  blau.  Die  Erschei- 
nungen sind  darauf  zurĂŒckzufĂŒhren,  daß  im  ersten  Falle  das  Blut 
im  ganzen  sauerstoffÀrmer  und  der  Blutstrom  verlangsamt  ist 
mit  Neigung  zur  Stauung  im  Venensystem.  Bei  der  Aorten- 
insuffizienz dagegen  ist  das  Blut  sauerstoffreicher,  die  Zirkulation 
ist  beschleunigt,  und  es  besteh!  Neigung  zur  Ansammlung  des 
Blutes  im  Arteriensystem. 

Herz  und  chronisch--  Lungentuberkulose.  Mangelhafte  Durch- 
blutung der  Lungen  wie  in  FĂ€llen  von  Pulmonalstenose  be- 
gĂŒnstigt die  Entwicklung  einer  Lungentuberkulose.  Patienten  mit 
Mitralstenose  dagegen  erkranken  sehr*  selten  an  Lungentuber- 
kulose und  fast  nie  mit  manifesten  Erscheinungen.  Verf.  betont 
die  HĂ€ufigkeit  des  Vorkommens  eines  kleinen  steilstehenden 
Herzens  bei  Lungenkranken,  und  stellt  in  diesen  FĂ€llen  eine 
ungĂŒnstige  Prognose  wegen  der  ungenĂŒgenden  Blutversorgung 
der  Lungen  und  der  dadurch  gegebenen  BegĂŒnstigung  zur  Ent- 
slehung  einer  bazillĂ€ren  Infektion.  Weiterhin  glaubt  er,  daß  die 
Entwicklung  einer  Lungentuberkulose  wesentlich  von  chemischen 
VerÀnderungen  des  Blutes  abhÀngig  ist  und  beruft  sich  dabei  auf. 
die  GasgangrĂ€n  und  die  Faktoren,  die  ihre  Entstehung  begĂŒnsti- 
gen Verminderung  der  Alkaleszenz  und  der  antitryptischen 
Kraft  des  Blutes  neben  Störungen  der  Zirkulation). 

Paroxysmale  Tachykardie.  Die  paroxysmale  Tachykardie 
stellt  eine  BbytmusÀnderung  der  Herzschlagfolge,  im  Sinne  einer 
Beschleunigung  dar.  hervorgerufen  durch  einen  an  abnormer  Stelle 
des  Herzens  entstehende*  Beiz.  Die  Aetiologie  der  P.  T.  ist 
dunkel  Ihr  Auftreten  ist  seilen  vor  einem  mittleren  Lebensalter. 
Hei  MÀnnern  ist  sie  hÀufiger  als  bei  Frauen.  Zeichen  einer  orga- 
nischen Herzerkrankung  werden  gewöhnlich  nicht  gefunden.  Als 
auslösende  Ursache  kommen  in  Betracht:  Körperliche  Ueber- 
austrengung.  GemĂŒtserregung,  Magendarmstörung,  insbesondere 
fiasauftreibung  von  Magen  und  Darm.  Zuweilen  werden  auri- 
kulÀre  und  ventrikulÀre  Extrasystolen  beobachtet.  Der  Blutdruck 
ist  wÀhrend  des  Anfalls  im  allgemeinen  herabgesetzt,  der  Spitzen- 
sloß  verstĂ€rkt.  Die  Krankheilserscheinungen  und  Beschwerden 
können  sehr  erheblich  sein.  Bemerkenswert  und  charakteristisch 
fĂŒr  das  Krankheitsbild  ist  der  meist  schnelle  BĂŒckgang  aller  Er- 
scheinungen zur  Norm.  Zur  Behandlung  des  akuten  Anfalls 
empfiehlt  Verfasser  intravenöse  Strophantininjektionen,  und  bei 
Versagen  Digitalis  per  os  bis  zum  Eintreten  normaler  HerztÀtig- 


keit. Zwischen  den  AnfÀllen:  Brom,  fortgesetzt  Verabfolgung  von 
Digitalis  und  Behandlung  bestehender  Magendarmstörungen. 

Stadelmann,  Frankfurt  a.  M. 

The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston. 

30.  MÀrz  1922,  18«,  Nr.  13. 

Theorie  der  Psychoanalyse.    Sleagjier,  .1.  F.  W.  40». 

❖  Arhylia   gastriea.     Fischbein.  E.  413. 

♩  Extraktion  nicht-magneti.scher  Fremtfkörpeir  au»  der  ronleren  Airgenkammer. 

()  'R  e  i  1  1-y  .  W.  F.  418. 

Achylia  gastriea.  PrimÀre  Achylia  gastrica  ist  ein  Typ 
funktioneller  Indigestion,  der  charakterisiert  wird  durch  Sekre- 
tionseinschrÀnkung in  Verbindung  mit  HypermotilitÀt.  Man  fin- 
det sie  fast  ausschließlich  bei  Neurotikern;  in  einzelnen  FĂ€llen 
können  die  vorherrschenden  Symptome  der  Neurasthenie  die  be- 
stehende Indigestion  verdecken.  Die  Verdauungsstörung  ist  das 
Resultat,  nicht  die  Ursache  der  allgemeinen  Neurose.  Die  Be- 
handlung ist  allgemein  (Psychotherapie'  diÀtetisch  und  medi- 
kamentös. 

Die  Extraktion  nichtmagnetischer  Fremdkörper  aus  der  vor- 
deren Augenkammer.  Es  ist  statistisch  festgestellt,  daß  20  bis; 
25  Prozent  aller  ins  Auge  eindringenden  Fremdkörper,  sich  in 
der  vorderen  Augenkammer  ansiedeln.  Kein  anderer  Teil  des 
Auges  —  mit  Ausnahme  der  Linse  —  toleriert  die  Anwesenheit 
eines  Fremdkörpers  so  gut  wie  die  vordere  Augenkammer :  des- 
wegen braucht  man  sich  mit  der  Entfernung  nicht  allzu  sehr  zu 
beeilen.  Ohne  die  Iris  wÀre  die  Extraktionstechnik  eine  Kleinig- 
keit, aber  die  Krypten  der  Iris  halten  den  eindringenden  Fremd- 
körper oft  hartnÀckig  fest.  In  solchen  FÀllen  können  alle  An-* 
strenglingen  zur  Entfernung  vergeblich  sein,  und  die  Iridektomie 
bleibt  dann  der  einzige  Ausweg.  Zur  BekÀmpfung  dieser  Schwie- 
rigkeiten hat  Verfasser  das  nachfolgende  Verfahren  ersonnen: 
Durch  eine  der  GrĂ¶ĂŸe  des  Fremdkörpers  entsprechende  Kerato- 
'  jmiewunde  geht  er  mit  einer  aus  Pferdehaar  gebildeten  Schlinge 
ein:  diese  umfaßt  den  Fremdkörper  und  befördert  ihn  nach  außen. 
Aseptisches  Vorgehen,  AnÀsthetisierung  mittels  Kokain  sind 
selbstverstĂ€ndlich  unerlĂ€ĂŸlich;  die  postoperative  Behandlung  ist 
nicht  anders  als  sonst.  Die  Vorteile  dieses  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  ein- 
fachen Verfahrens  sind  1.  die  Möglichkeit,  in  der  gefĂŒllten  vor- 
deren Augenkammer  zu  arbeiten;  2.  werden  die  vorderen  Zell- 
schichten  der  Iris  nicht  in  Mitleidenschaft  gezogen:  3.  fehlt  die 
operative  HĂ€morrhagie:  4.  ist  die  postoperative  Reaktion  mini- 
.  mal,  es  findet  kein  ungebĂŒhrlicher  Druck  auf  den  intraokulĂ€ren 
Inhalt  statt,  und  es  bedarf  keines  kostspieligen  Instruments. 

K.  Held  (BerlinV 

The  Journal  of  Infectious  Diseases,  Chicago. 

Februar  1922,  30,  Nr.  2. 

Stildien   ĂŒber  den   Stoffwechsel   der  Bakterien.    K  e  n  1  's  M  .    \.   I..   P.i  y 

A .  A .  und  Walker.  A.  W.  141. 
Quantitative  Bestimmung  des   K-Stoff ■.<r.\-tfisels  der   Fakterien.  «entfall 

A.  I.  21t. 

Studien    ĂŒber    den    Stoff weehsel     1er    Bakterien.     «  e  n  .1  p  l  I  .    A.    I.  und 

Hauer,    lt.  C  22."i. 
Der  N -Stoffwechsel  des'  Bazillus  coli.    K  entfall.  \.  I.  iiml  B  l  y  .  R.  S.  *?.*. 
"Oer    N-Stoffwe ebsel    des    Schmitz-Bazillus.     «entfall.    A.    I..    II  a  n  e  r  . 

R.  f.  und  B  l  y  .  R.  S.  245. 
Der    X-Stoffwechse]    de?    Bacillus    Alkalescens.     K  c  n  d  a  l  I  .    V.   I.  und 

Tay.   A.  A.  249. 

Der  N-Ptoffwerhsel  des  Bazillus  Proteus.    Kendall.  A .  I..  Cheethamj 

H.  C.  und  Hamilton.  C.  S.  251. 

The  American  Journal  of  Röntgenology,  New  York. 

Februar  1922,  9,  Nr.  2. 

Nachruf  auf  James  fi.   von  Zwaluwenburg.  12Ä. 

RoniLgcivlcistungon    bei    höchsten    Spannungen.     C  o  o  d  i  d  g  e  .    W.   D.  UM 
Kearsley,  W.  K.  77. 
«jVQuarzlichthehandlung  der  RöntRen WeaiiRiektasien.    Hasten.  H.  A.    101.  j 
♩Verhalten  des  Mairens  beim  bulbusfernen  Ulkus  und  Karzinom  des  Duodenum« 
('  r  a  n  e  ,  A.  W.  102. 
Radium-   untf    RĂŒntRenwirkung   auf  Blut)  und   blutbildend«!  Organe.  I<a 
v  i  n  .  i.    112.  1  '1 

Behandlung  der  DrĂŒsenmefrastnsen  des  Karzinoms.    Boggs.  R.  H.  HTM 

Quarzlichtbehandlung  der  Röntgenteleangiektasien.  Ver$ 
fasser  konnte  die  bereits  von  anderer  Seite  (u.  a.  Referent)  gel 
legenMich  beobachteten  guten  Resultate  der  Behandlung  von  in- 
folge langdiauernder  Röntgenbestrahlung  aufgetretenen  Telean- 
giektasien mit  der  K  r  o  m  a  y  e  r  sehen  Quarzlampe  bestÀtigen. 
Der  Erfolg  beruht  auf  der  Erzeugung  einer  Endarteritis  oblite- 
rans,  die  in  der  Regel  bereits  nach  zwei  Sitzungen  von  15   20  Mi- 


‱10.  Jahrg.  —  Nr.  33/34 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


nuten  Dauer  pro  Feld  erreicht  wird.  Die  landkarleuÀhnliche 
Pleckelung  der  Haut  schwindet  völlig,  die  Haiutatrophie  bleib) 
natĂŒrlich,  meist  unter  dem  Hilde  einer  zarten,  weißlichen, 
flachenartigen  Narbe,  bestehen. 

Verhalten  des  Magens  beim  bulbusfernen  Ulkus  und  Karzinom 
des  Duodenums'.  Beobachtungen  an  je  einem  Fall  von  Ulkus  und 
Karzinom  des  Duodenums  distal  vom  Bulbus  lassen  erkennen, 
daß  lange  persistierende  MotilitĂ€lsverzögerung  des  Magens  beim 
Karzinom,  erheblich  beschleunigte  Magenentleerung  heim  Ulkus 
duodeni  die  Regel  zu  sein  scheinen. 

K  autz  (Hamburg . 

The  Journal  of  Neurology  and  Psychopathologie,  Bristol. 

Februar  1922,  2,  Nr.  8. 

❖Die  Natur  der  geistigen  Defekte.     Treifgolil.  311. 

❖Eine  vergleichende  Studie  ĂŒber  3  eolloidale  Reaktionen  in  der  Cerebrospinal- 
flĂŒssigkeit.     R  i  d  d  e  1    und  Stewart.  325. 

❖Der  phylogenetische  Ursprung  des  Plantarreflexes   beim  Menschen.  Ru- 
dolf. 337. 

❖  iridoeyclitis,  ParotJtis.   Polyneuritis  ein  neues  klinisches   Syndrom.  Fie- 
lt n  g   und   V  i  n  e  r.  353. 

Die  Natur  der  geistigen  Defekte.  Th.  teilt  die  verschiedenen 
Stadien  der  GeistesschwÀche  ein  nach  dem  Stand,  wie  er  bei  pri- 
mitiven Wirbeltieren  bis  zum  Menschen  gefunden  wird.  Der  nied- 
rigste Grad  ist  das  Vorhandensein  von  nur  einfachen  Instinkten 
Der  2.  Grad  (entsprechend  den  höheren  Wirbeltieren)  Vorhanden- 
sein einfacher  AufnahmefÀhigkeiten,  Aufmerksamkeit  und  Ver- 
gleichsfĂ€higkeit und  Willen,  einfacher  GefĂŒhlsqualitĂ€ten  und  Er- 
wÀgungen. Der  3.  Grad  entspricht  dem  primitiven  Menschen,  ein- 
fache DenkfÀhigkeit  bestehend  aus  AufnahmefÀhigkeit,  Bildung  ab- 
strakter Ideen  und  einfacher  Symbole.  Intelligenz  bestehend  in 
einfacher  Vergleichung  von  Ideen  und  UrteilsfÀhigkeit,  Wille  und 
Voraussicht,  GefĂŒhlsqualitĂ€ten  in  einfacher  Form.  Der 
[4.  Grad  der  höchstentwickelte  Mensch,.  AufnahmefÀhigkeit  be- 
stehend in  zu  erlernenden  Eigenschaften,  komplizierte  Ideenbil* 
dung,  auch  abstrakter  Ideen,  komplizieter  Symbole.  Weisheil, 
UnterscheidungsfÀhigkeit  und  klare  Ueberlegung,  Wille  und  Ent- 
schlußfĂ€higkeit, Klugheit,  Schmieden  von  PlĂ€nen  und  Erfindungs- 
gabe. Schließlich  GeiuhlsqualitĂ€teh,  aesthehsche,  religiöse,  sozial- 
moralische GefĂŒhle. 

Bei  geistig  Defekten  können  nun  verschiedene  dieser  Quali- 
tÀten schwach  ausgebildet  sein  oder  vollkommen  fehlen.  Fehlt  die 
Apperception  (Weisheit),  so  entsteht  ein  Thor.  Fehlt  die  FĂ€higkeit 
zu  lernen  und  des  GefĂŒhls,  so  entsteht  ein  kriminell  veranlagter 
Mensch.  Ebenso  bei  einlachem  Fehlen  der  moralischen  QualitÀten. 
Fehlen  alle  höheren  Grade,  so  bildet  sieh  der  Schwachsinn.  Sind 
einzelne  FĂ€higkeiten  dann  noch  besonders  fehlerhaft,  so  kommt 
es  z.  B,  durch  moralischen  Schwachsinn.  Nur  Instinkte  besitz! 
der  Idiot.    Der  2.  Grad  entspricht  dem  Imbezillen 

Eine  vergleichende  Studie  ĂŒber  :{  eolloidale  Reaktionen  in  der 
OrebrospinalflĂŒssigkcit.  Verglichen  wurden  die  eolloidale  Goldsol 
reaktion,  die  eolloidale  Benzoinreaktion,  und  die  Mastixreaktion 
bei  den  verschiedensten  Gehirnerkrankungen,  Demenzia  paralv 
tica,   Tabes    dorsalis,    cerebrospi na  Irr    Syphilis,  disseminierter 
Sclcrose  und  nichtluetischen  Nervenerkrankungen.    Bei  30  FĂ€llea 
von  allgemeiner  Paralyse  gaben  die  Goldsol-  und  eolloidale  Ben 
/ciinreakiion  annÀhernd  gleiche  Resultate,  die  Mastixreaktion  weni 
gei  ĂŒbereinstimmende;  der  Ausfall  der  Flockungsreaktion  wurde 
bei  immer  steigenden  VerdĂŒnnungen  in  Kurvenform  dargestellt. 
Wahrend  die  eolloidale   Benzoinreaklion  bei   verschiedenen  Ver 
dĂŒnnungen  eine  fĂŒr  allgemeine  Paralyse,  charakteristische  Kurve 
nur  bei  dieser  Erkrankung  gab,  ergaben  sich  bei  den  anderen  Pro- 
ben auch  bei  einzelnen  anderen  Erkrankungen  Kurven,  die  sonsl 
nur  fĂŒr  Paralyse  als  charakteristisch  angesehen  wurden.  Soge- 
nannte  syphilitische  Kurven  wurden  auch  bei  nichtsyphilitischen 
Erkrankungen  gefunden.     Bei  der  colloidalen  Benzoinreaktion 
wurde  leichte  Praecipitation   bei   millleren   VerdĂŒnnungen  schon 
vom  normalen  Serum  gegeben.    Bei  den  anderen  Erkrankungen 
wurden  keine  charakteristischen  Kurven  erhalten. 

Der  phylogenetische  Ursprung  des  Plantarreflexes  beim 
Menschen.  Der  l,  Reflex,  der  bei  ganz  jungen  Individuen  und  nie 
Deren  Wirbeltieren  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  erhalten  wird,  isl 
ein  Beugereflex,  er  tritt  auch  bei  bestimmten  FĂ€llen  totaler  Quer- 
schnittslĂ€hmung des  RĂŒckenmarks  beim  Erwachsenen  auf..  Dieser 
Beugereflex  verwandeil  sieh,  wenn  das  Individuum  sieh  weiter 
I  enl  wiekell  'bei  kleinsten  Kindern  i  oder  bei  höheren  Tieren  in  einen 
l'Extensoneflex.  Aus  diesem  Extensorreflex  entwickelt  sich  dann 
beim  Menschen  in  den  ersten  Lebensjahren  ein  zweiler  Plantar- 


reflex. Die  Entwicklung  dieser  Reflexfolge  beim  Menschen  hÀngl 
nicht  ab  von  der  Entwicklung  der  Markscheiden  der  Pyramiden 
bahnen,  sondern  der  normale  Beugereflex  beim  Erwachsenen 
hĂ€ngt  ab  von  der  Gehirnkontrolle  ĂŒber  die  niederen  RĂŒcken 
niarkszentren. 

Iridoeyclitis  —  Parotitis  —  Polyneuritis  ein  neues  klinlscnes 
Syndrome.  Beschreibung  eines  Falles,  bei  welchem  doppelseitige 
Iridoeyclitis,  Facialisparese  und  Schwellungen  beider  ParotisdrĂŒsen 
sich  innerhalb  von  10  Tagen  entwickelten.  Die  Facialisparese 
war  von  perpherem  Typus.  Daneben  bestanden  noch  leichte  Ge- 
fĂŒhlsstörungen in  beiden  HĂ€nden  und  Fehlen  der  Palellarreflexe, 
ein  Ausschlag  sowohl  an  der  Streckseile  der  Beine  und  an  neu 
Waden,  der  aus  kleinen  erylhematösen  Flecken  bestand.  Der 
ganze  Zustand  dauerte  2  Monate,  es  kam  zu  erheblicher  Druck - 
Steigerung  in  beiden  Augen,  so  daß  eine  Paracenthese  gemach1, 
werden  mußte.  Die  Autoren  lehnen  die  Anschauungen,  daß  gs 
sich  bei  dieser  Krankheit  um  Mumps  mit  Komplikationen  handele, 
ab,  da  die  Facialisparese  der  Parotisschwellung  voranging  und 
außerdem  die  Parotisschwellung  nur  den  hinleren  Teil  der  Paro 
ĂŒsdrĂŒse  betraf.  In  der  Literatur  sind  bisher  G  Ă€hnliche  FĂ€lle  be- 
schrieben worden,  bei  welchen  gleichfalls  neuritische  Symptome 
von  Seiten  des  Gehirns  und  der  peripheren  Nerven  vorhanden 
waren.  Die  Ursache  der  Erkrankung  ist  bisher  vollkommen  un 
bekannt.  G.  Dorn  er  (Leipzig). 

The  American  Journal  of  Obstetries  and  Gynecology, 
St.  Louis. 

April  1922,  3,  Nr.  4. 

❖  Normale    Variationen    im    Typus    Ă€fts    weiblichen    Beckens.     Willi  a  m  3  . 
J.  T.  345. 

Basedowerkrankung   und    Schwangerschaft.     B  r  a  m  .   1.  352. 
Beobachtungen  ĂŒber  die  Verteilung  und  Funktion  des  uterinen  Cilienepithels 
beim  Schwein.     Syndsr,  F.  F.  und  C  o  r  n  e  r  .   G.   W.  358. 

❖Die  Beziehung  zwischen  KchwangersehaftstoxĂ€niLe  unil  uteriner  Sepsis.  Kol 
log,  F.  S.  366. 

LithopÀdionbilduug   bei  extrauterinen   fötalen   Bildungen.     D'  A  u  u  o  y  ,  R, 

und  King,  E.   L.  377. 

❖Die  vorzeitige  Lösung  der  normal  implanierten  Blaoenta.    Willis  m  s  i>  n  . 
A.  C.  385. 

❖GynĂ€kologische   Operationen   in   LokalanĂ€sthesie.     F  a  r  r  .   R.    1<>.  -wo. 
❖Ureterverlegung.     S  a  n  e  s  ,  K.   I.  405. 

❖SpinalanĂ€sthesie    in    Geburtshilfe.    GynĂ€kologie     und  ibdominailchiirurg-ie: 

Hu  ggins  ,   R.   R.  412. 
❖Sauerstoff  in  der  Peritonealhöhle,  mit  FĂ€llen.     B  a  i  n  B  C  i  d  g  e  ,  W.  S.  421. 
❖Rythmisclic  elektrische  Wellen  in  der  GynĂ€kologie.    M  n  a  s  e  y  .  G.  B,  f.'«. 
‱Plseudoa.ppendieitis.     V.o  g  e  1  e  n  639. 

Normale  Variationen  im  Typus  de»  weiblichen  Beckens  und 
ihre  geburtshilfliche  Bedeutung.  Verf.  unterscheide!  innerhalb 
der  normalen  weiblichen  Beckenformen  einen  femininen  und 
einen  muskulösen  Typus.  Der  ersterŸ  hat  Conjugnta 
externa  20,  Spinae  25,  Cristae  28  mit  leinen  Knochen  und  weitem 
Beckenausgang.  Der  zweite  hat  gröllere  Ă€ußere  Masse  aber  en- 
geren Beckenausgaug  und  spitzwinkligen  arcus  pubis,  schwerere 
Knochen,  dickeres  und  mehr  horizontales  os  pubis,  vermehrte 
Neiguiig  des  Beckens.  Bei  dem  muskulösen  Typus  ist  vorzeitiges 
Platzeri,  der  EihÀute  sowie  hintere  Hinterh&uptlage  hÀufiger. 

Die  Beziehung  zwischen  Seh  wanger  schaftstoxÀmie  und  uteriner 
Sepsis  auf  Grund  einer  Beobachtung  von  400  FÀllen  von  ToxÀmie. 
Verf.  sucht,  da  er  die  hinge  ToxĂ€mie  und  Sepsis  in  den  fĂŒhren- 
den englischen  und  amerikanischen  Lehr-  und  HandbĂŒchern  nur 
gestreift  fand,  zu  deren  KlÀrung  selbst  durch  Darleguni!,  seiner  Er- 
fahrungen an  100  FĂ€llen  des  Lyingin  Hospital  in  Boston  beizu- 
tragen. Die  amerikanische  GynÀkologie  unterscheidet  ToxÀmie  rriii 
und  ohne  Konvulsionen.  Die  erstere  isl  die  Eklampsie.  Die  Mor- 
talitÀt bei  ToxÀmie  mit  Konvulsionen  war  2.r>  %,  ohne  Konvul- 
sionen 2,5  %.  Warlen  ist  EĂŒr  den  Praktiker  in  allen  toxĂ€mischen 
FĂ€llen  verfehlt.  Es  muß  gehandelt  werden,  medizinisch  oder 
chirurgisch.  2K>  %  von  nicht  toxischen  FĂ€llen  werden  septisch, 
dagegen  14  %  von  toxischen  FĂ€llen  ohne  und  25  %  von  toxischen 
FÀllen  mit  Konvulsionen.  ToxÀmien  neigen  also  zu  Sepsis,  be- 
sonders wenn  Konvulsionen  dabei  sind.  Wegen  dieser  Gefahr  der 
Sepsis  isl  spontane  Geburt,  Zange  oder  Gummiballon  der  vaginalen 
oder  abdominellem  Schhlftentbindung  an  sieh  vorzuziehen.  Schnitt- 
entbindung  soll  also  nur  platzgreifen,  wenn  Untersuchung  und  Be- 
obachtung zeigen,  daß  die  Zervix  sich  nicht  dilatiert  Isl  die 
Wiederholung  der  Konvulsionen  mehr  zu  fĂŒrchten,  als  spĂ€terer 
starker  Blutverlust,  so  ist  Aderlaß  angezeigt.  ToxĂ€mische  Symp- 
tome in  der  Gra\  iditÀl  verlangen  also  stets  entschlossenes  Handeln. 

Die  vorzeitige  Lösung  der  normal  inserierten  Plaeenta.  Das 
Ereignis  ist  selten,  erfordert  aber  im  einzelnen  Falle  die  ganze 
diagnostische  und  technische  FĂ€higkeil  des  Geburtshelfers.  Der 


540 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  33/34 


Grund  scheint  oft  ToxÀmie  zu  sein,  da  zwar  oft  ToxÀmie  ohne  vor- 
zeitige Placentarlösung,  aber  nie  vorzeitige  Placentarlösung  ohne 
ToxÀmie  vorkommt,  ferner  kurze  Nabelschnur,  kurze  und  heftige 
oder  zu  lange  Wehen,  Trauma,  Lues,  dauernde  Temperatur- 
erhöhung. Behandlung  ist  Bettruhe  und  Morphium,  bei  starker 
Blutung  Entleerung  des  Uterus.  Meist  ist  das  Kind  bereits  tot.  Bei 
Multiparae  genĂŒgt  oft  Sprengung  der  Blase,  worauf  sich  der  Uterus 
kontrahiert  und  die  Blutung  beherrscht.  Durch  Ballon  sowie  durch 
Tamponade  der  Scheide  kann  dagegen  kostbare  Zeit  verloren 
gehen.  Sectio  ist  besonders  bei  Nulliparae  mit  rigider  Zervix  das 
beste.  Bei  ToxÀmie  sollte  wegen  der  erhöhten  Sepsisgefahr  nach 
Kellog  die  Schnittentbindung  vermieden  wierden.  Vaginale  Sectio 
empfiehlt  sich  bei  nicht  zu  großem  Kind.  Macht  man  abdominelle 
Sectio  und  zeigt  sich  der  Uterus  sehr  schlaff,  so  kommt  u.  U. 
Hysterektomie  in  Frage.  Verf.  gibt  10  ausfĂŒhrliche  Kranken- 
geschichten.  7  weitere  FĂ€lle  sind  nach  Publikation  hinzugekommen. 

GynÀkologische  Operationen  in  LokalanÀsthesie.  F.  empfiehlt 
ausgedehntere  Anwendung  der  LokalanÀsthesie  in  der  GynÀkologie. 
Den  Kaiserschnitt  in  LokalanÀsthesie  fand  er  ziemlich  einfach, 
auch  Tumoren  hat  er  so  entfernt.  Nur  darf  deren  BauchfellĂŒberzug 
nicht  etwa  durch  entzĂŒndliche  Prozesse  zu  empfindlich  geworden 
sein.  Am  einfachsten  ist  die  Infiltralionsmethode,  wesentlich 
schwieriger  die  sacrale  und  transsacrale,  besonders  bei  fetten  Per- 
sonen, deren  Organe  tief  liegen.  AnÀsthesierung  des  Uterus  ge- 
schieht bei  vaginalen  Operationen  durch  Infiltration  der  Ligamente 
vom  Scheidengewölbe  aus.  Es  empfiehlt  sich,  nach  vorheriger 
Gabe  von  Morphium  und  Magnesiumsulfat  jede  Operation  mit  Lo- 
kalanÀsthesie zu  beginnen  und  dann  mit  Inhalationsnarkose  weiter- 
zufĂŒhren und  schließlich  mit  Allgemeinnarkose  nur  noch  er- 
gÀnzend, soweit  nötig,  einzugreifen.  Auf  diese  Weise  können  die 
Operateure  sich  zwanglos  mit  der  LokalanÀsthesie  vertraut 
machen.  F.  machte  75  abdominelle  Hysterotomien,  in  Lokal- 
anÀsthesie. Bei  guter  LokalanÀsthesie  beobachtete  er  stets 
völliges  Stilliegen  der  Eingeweide  im  Gegensatze  zu  dem  hÀufigen 
Pressen  bei  nicht  genĂŒgend  tiefer  Inhalationsnarkose.  In  der  Dis- 
kussion sagt  Gellhorn,  daß  ihm  lokale  AnĂ€sthesie  an  der  Cervix 
gut,  dagegen  am  Perineum  schlecht  gelungen  sei.  Der  Einwand 
von  Bongy,  daß  die  inlentio  per  primam  durch  die  Infiltration  ge- 
fÀhrdet werde,  wird  durch  Bainbridge  widerlegt,  dem  alle  infil- 
trierten Gewebe  ebenso  gut  per  primam  als  die  nicht  infiltrierten 
geheilt  sind. 

Ureterverlegung.  Bei  Schmerzen  im  Abdomen  ist  nicht  nur 
an  Appendicitis,  Oophoritis,  AdhÀsionsbeschwerden  usw.  zu  den- 
ken, sondern  auch  an  Ureterverlegung.  Manche  Patienten  werden 
wegen  unbestimmter  Beschwerden  mehrmals  erfolglos  operiert, 
.  statt  daß  sofort  auch  an  die  Möglichkeit  einer  Uretererkrankung 
gedacht  wĂŒrde.  Verf.  gibt  drei  ausfĂŒhrliche  Krankengeschichten. 
Symptome  sind:  Schmerzen  im  Abdomen  seitlich  und  im  RĂŒcken, 
besonders  intermittierende  Schmerzattaken  in  der  Nieren-  und 
l  retergegend  mit  Ausstrahlung  nach  oben  oder  unten,  Dysurie, 
hÀufiger  aber  Pollakisurie,  die  bis  zur  Inkontinenz  steigen  kann. 
Diagnose  geschieht  durch  das  Zystoskop,  besonders  Betrachten  der 
EinmĂŒndung  der  Ureteren  in  die  Blase,  Ureterenkatheterismus, 
und  vor  allem  Pyelogramm,  wovon  Verf.  eine  ĂŒberaus  große  Zahl 
gesehen  hat,  und  dessen  praktischen  Wert  er  sehr  betont,.  In  der 
Diskussion  bemerkt  Polak,  daß  er  eine  Anzahl  derartiger  Er- 
krankungen durch  Parametritis  im  Wochenbett  entstehen  sah,  wo- 
durch Strikturen  des  Ureters,  Hydroureter  und  Hydronephrose 
verursacht  wurden. 

j  Indikationen  und  Gefahren  der  SpinalanÀsthesie  in  Geburts- 
hilfe, GynÀkologie  und  Abdominalchirurgie.  Postoperativer  Schock 
ist  leichter  bei  Inhalationsnarkose  denkbar,  da  besonders  Äether 
anfangs  vermehrte  AktivitÀt,  verstÀrkte  Atmung,  Schleimpro- 
duktion, Schweiß,  Erbrechen  bewirkt.  Erschöpfung  und  Schock 
können,  unter  Hinzutreten  des  operativen  Traumas,  leichter  ein- 
treten, wenn  der  Körper  des  Patienten  diesen  SchÀdigungen  nicht 
genĂŒgend  KrĂ€fte  entgegensetzen  kann.  Diese  Erscheinungen  fallen 
bei  SpinalanĂ€sthesie  weg.  Verf.  gibt  8—10  %  einer  wĂ€sserigen 
Lösung  Novokain,  3  mal  destilliert,  dazu  etwas  absoluten  Alkohol, 
die  Lösung  wird  frisch  bereitet  und  nochmals  gekocht.  Die  In-  ‱ 
slrumente  werden  in  destilliertem  Wasser  sterilisiert,  um  jede  " 
Reizung  zu  vermeiden.  Kopfschmerzen  kommen  von  nicht  ge- 
nĂŒgend peinlicher  Befolgung  dieser  Vorschriften.  Verf.  destilliert 
das  Wasser  in  einem  besonderen  kleinen  GlasgefĂ€ĂŸ,  nachdem  auch 
das  destillierte  Wasser  sich  als  nicht  ganz  zuverlÀssig  erwiesen 
hatte,  2  Stunden  vor  der  Operation  0,0003  Scopolamin  und  0,01  Mor- 
phium. 30  Minuten  vorher  nochmals  0,01  Morphium.  Die  Ohren 
werden  mit  Wolle  verstopft.  Mit  RĂŒcksicht  auf  das  oft  plötzliche 
Einsetzen  des  Schmerzes  nach  Aufhören  .der  AnÀsthesie  ist  auch 
nach  der  Operation  nochmals  Morphium  zu  geben.  Trendelburg- 


lagerung erhöht  die  Gefahr,  ist  daher  besser  zu  vermeiden.  Die 
SpinalanÀsthesie  erscheint  insbes.  indiziert  bei  Leuten  mit  hohem 
Blutdruck,  kontraindiziert  bei  alten  Leuten  mit  alleriertem  Ge- 
fĂ€ĂŸsystem. Unter  1500  FĂ€llen  hatte  Verf.  2  TodesfĂ€lle.  In  der 
Diskussion  erwĂ€hnt  Gellhorn,  daß  er  bei  zu  starkem  Absinken 
des  Blutdrucks  infolge  SpinalanÀsthesie  Adrenalin  gibt. 

Sauerstoff  in  der  Peritonealhöhle  mit  FÀllen.    Der  Schock! 

dessen  Wesen  noch  nicht  ganz  geklÀrt  ist,  tritt  zuweilen  nach 
Entfernung  großer  Tumoren  oder  von  viel  FlĂŒssigkeit  aus  der 
Bauchhöhle  auf.  Einbringen  von  Sauerstoff  in  die  Bauchhöhle 
bewirkt,  daß  die  Organe  nur  langsam  ihre  alte  Lage  wieder  ein- 
nehmen und  die  an  den  Druck  gewöhnt  gewesenen  GefĂ€ĂŸe  sich 
langsam  wieder  akkomodieren,  entsprechend  der  Resorption  des 
Sauerstoffs,  die  sich  in  30 — 48  Stunden  vollzieht.  Paralyse  der 
SpianchnicusgefĂ€ĂŸe  wird  dadurch  vermieden.  Das  Unbehagen 
der  Patienten  wĂ€hrend  der  Resorption  ist  nicht  groß.  Insbe- 
sondere bei  gynÀkologischen  FÀllen,  wo  der  Operationsbefund  zu- 
gleich Peritonealtuberkulose  ergab,  hatte  die  Sauersloffein- 
blasung  auf  lange  Jahre  ausgezeichneten  Erfolg.  Sie  wird  daher 
von  Verf.  neben  Bluttransfusion  und  Kochsalz-  und  Gummiarabi- 
cumlösunginjeklion  zu  weiterem  Ausbau  empfohlen.  In  der  Dis- 
kussion sagt  Rongy,  daß  er  durch  sie  einen  Collaps  auf  dem 
Operationstisch  hatte  und  deshalb  das  rascher  resorbierbare  Koh- 
lendioxyd verwendet.  Scherck  wendet  Sauersloffeinblasung  zur 
Röntgenuntersuchung  der  Bauchhöhlentumoren  an,  kontrolliert 
aber  den  Druck  mit  Manometer,  die  Nadel  bleibt  stecken,  so  das 
der  Sauerstoff  sofort  wieder  abgelassen  werden  kann.  Auch  hatte 
er  gute  Erfolge  bei  Fluoroskopie  mittels  15—25  %  Bromnatrium-'  I 
injeklion  in  Ureteren  und  Nierenbecken  in  Verbindung  mit  SauerH 
stoffeinblasung. 

Rhythmische  elektrische  Wellen  in  der  GynÀkologie.  Die 

Elektrotherapie  beschÀftigt  sich  neuerdings  mit  der  rhythmischen 
Anreizung  des  glatten  und  quergestreiften  Muskelgewebes.  Dift 
Zahl  der  Anreize  durch  den  Strom  soll  etwa  so  hÀufig  sein,  att 
die  betreffenden  Muskeln  sich  physiologisch  zu  kontrahieren  ver- 
mögen, also  etwa  25  mal  in  der  Minute.  Es  handelt  sich  sonach  um 
Ströme  von  geringer  Frequenz  im  Gegensatz  zur  Diathermie,  dm 
;.uch  ein  ganz  anderes  Anwendungsgebiet  hat.  Anwendbar  sinÂŁ 
der  langsame  sinusoidale  galvanische  Strom,  sowie  Wechselstrom 
von  4000—7000  Wechseln,  der  nochmals  in  langsamere  Form  ge- 
bracht werden  muß.  Der  galvanische  Strom  ist  vorteilhafter.  Denn 
die  Stromeinwirkung  wÀhrt  hinsichtlich  positiver  und  negativer 
PolaritĂ€t  eine  volle  Sekunde,  sie  drĂŒckt  sozusagen  dem  Gewebe 
ihren  Stempel  auf  und  gibt  ihm  Zeit,  sich  langsam  zu  kontrahieren 
und  langsam  zu  erschlaffen,  die  Einwirkung  des  Wechselstroms 
dagegen  dauert  nur  den  400.  Teil  einer  Sekunde.  Jedoch  hat  der 
galvanische  Strom  den  Nachteil  der  schwierigeren  Strombeschaf- 
fung  und  elektrolytischer  VorgÀnge  an  der  Elektrode.  Anwen- 
dungsgebiet: Wiederherstellung  der  ElastizitÀt  der  Muskeln  des 
Beckenbodens  nach  Zerreissungen,  Subinvolution  des  Uterus,  Pro- 
laps. Nur  vaginale,  nicht  intrauterine  Elektrode  ist  zu  emp- 
fehlen. Kuhn  (MĂŒnchen^. 

Long  Island  Medical  Journal,  Brooklyn. 

Februar  1922,  16,  Nr.  2. 

^‱Operative  und  mechanische  Behandlung  der  BeinverkrĂŒmmuneen.  H  u  n  t  e  r, 

G.  H.  V.  41. 

ErnÀhrungsmethode  "nach  v.  Pirquet.    A  £.!>],  H.  45. 
♩^Gastrische  Störungen  bei  Gastroptps.is.    Jansen,  C.  W.  öl. 
*J»Rohe  Milch.    Jloak,  H.  55. 

Fraktur  des  Schenkelhalses  im  Alter.    Fisher,  S.  L.  58. 
♩PrĂŒfung  der   Herzkraft.     C  o  m  s  t  o  c  k  ,    A.  61. 

Die  chirurgische  und  orthopÀdische  Behandlung  der  O-Beiue. 

Bei  Kindern  unter  zwei  Jahren  und  intelligenter  Mutter 
empliehlt  Verf.  Schienenbehandlung  der  O-Beine,  bei  Àlteren 
Kindern  Osteoklasie  oder  Keilosteotomie.  Neue  Gesichtspunkte 
bringt  die  Arbeit  nicht. 

Magenbeschwerden  bei  Gastroptose.  An  der  Hand  eines 
Falles,  der  bei  röntgenologisch  nachgewiesener  Gastroptose  ĂŒber 
heftige  anfallsweise  auftretende  Magenbeschwerden  klagte,  wird 
die  Frage  erörtert,  ob  die  Magensenkung  an  sich  die  Klagen  der 
Patientin  erklÀrt,  ob  es  sich  um  eine  Magenneurose  bei  be- 
stehender Ptose  handelt  oder  ob  die  Magensenkung  neurasthe- 
nisch'e  ZustÀnde  hervorgerufen  hat,  die  ihrerseits  zu  den  Magen- 
beschwerden gefĂŒhrt  haben.  Verf.  erklĂ€rt  sich  zur  letzten  An- 
nahme geneigt,  ohne  allerdings  Beweise  fĂŒr  seine  Auffassung 
beizubringen. 

} 


.Jahrg.  —  Nr.  33/M 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


54  I 


Rohe  Milch  als  Kiiulcrnnhruiig.  Bericht  ĂŒber  den  Beirieb 
der  Milchwirtschaft  in  den  der  „Medical  Society  of  the  County  of 
Kings"  unterstellten  Molkereien.  SĂ€mtliche  KĂŒhe  werden  vor 
ihrer  Einstellung  in  die  Betriebe  einer  Tuberkulinprobe  unter- 
zogen, in  halbjĂ€hrlichen  ZwischenrĂ€umen  wird  die  PrĂŒfung- 
regelmĂ€ĂŸig wiederholt.  Außerdem  werden  die  Tiere  jeden  Monat 
einer  grĂŒndlichen  tierĂ€rztlichen  Untersuchung  zugefĂŒhrt.  Fort- 
laufende Àrztliche  Untersuchung  aller  Angestellten  des  Betriebes. 
Die  Milch  jeder  einzelnen  Farm  sowie  jeder  Verteilungsstelle 
wird  jede  Woche  auf  ihre  Keimzahl  untersucht:  Ihm  der  Abgabe 
an  den  Verbraucher  darf  die  Zahl  der  im  cem  enthaltenen  Keime 
10000  nicht  ĂŒbersteigen.  Uieses  ward  durch  peinlichste  Sauber- 
keit beim  Melken  sowie  durch  sofortige  KĂŒhlung  erreicht.  Auf 
vorzĂŒgliche  Beschaffenheit  des  Kuhfutters  wird  besonders  ge- 
achtet.   Der  Dreis  des  Liters  stellt  sich  auf  28  cents. 

Eine  HerzfunktionsprĂŒfiingsmcthode.  Das  Verfahren  grĂŒndet 
sich  auf  die  Bestimmung  des  Blutdruckes  und  der  Pulsfrequenz 
im  Anschluß  an  körperliche  Anstrengung.  Die  individuell  ver- 
schiedene LeistungsfÀhigkeil  der  Patienten,  wie  sie  auch  ohne 
FunktionsprĂŒfung  aus  dem  allgemeinen  Verhalten  zu  beurteilen 
ist.  gestattet  es  nicht,  bei  allen  PrĂŒfungen  die  gleiche  körperliche 
Leistung  zugrunde  zu  legen;  hier  muß  von  Fall  zu  Fall  mit  dem. 
Arbeitsmaß  variiert  werden.  Nach  möglichst  vollkommener 
Ausschaltung  aller  psychischer  Erregungen  werden.  Blutdruck 
und  Pulsfrequenz  bestimmt,  darauf  wird  die  geeignet  erschei- 
nende Leistung  verrichtet,  unmittelbar  danach  und  in  AbstÀnden 
von  5  Minuten  bis  zum  Ablauf  einer  Viertelstunde  Wiederholung 
der  Bestimmungen;  die  erhaltenen  WTerte  werden  in  Form  einer 
Kurve  aufgezeichnet.  Blutdrucksteigerung  um  6  oder  mehr  mm 
mit  Abfall  zum  Ursprungswert  nach  5  Minuten  bei  geringer  Puls- 
besch leunLgung  deutet  auf  eine  gute  Reservekraft  des  Herzens. 
KĂŒrzere  Dauer  des  Druckanstiegs  und  besonders  Absinken  des- 
selben unter  die  Norm  entweder  unmittelbar  nach  Verrichtung 
der  Arbeit  oder  nach  vorĂŒbergehendem  Anstieg  sind  als  Zeichen 
einer  stÀrkeren  BeeintrÀchtigung  des  Herzens  aufzufassen.  Je 
stÀrker  der  Abfall  unter  die  Grundlinie,  desto  geringer  die  Herz- 
kraft.   Die  Probe  hat  sfeh  in  der  Praxis  gut  bewÀhrt. 

Wolff  (Hamburg). 

The  Journal  of  Metabolie  Research. 

Februar  1922.  1,  Nr.  2. 

PanereajĂŒitis  in  der  Actiologue  des  experimentellen  Diabetes.    Allen.  F.  lCö. 
Mikroskopisch«   Pancreas-Studien   bei    klinischen   DiabetesfÀllen.  Allen, 
F.  193. 

«frDie   pathologische  Histologie  1ler  BauchspeicheldrĂŒse  in  570  willkĂŒrlich  ge- 
wÀhlten KrankeinhauisfÀUen.     Allen;  F.  221. 
Die  Pathologie  der  Diabetes.  —  Literatur  und  Diskussion.    Allen,  F.  251. 

‱frAlkohod  in  der  DiabetesdiĂ€t.    Allen,  F.  und  W  i  s  h  a  r  t ,  M.  281. 

^UeberernÀhrung  mit  Fett  und  Alkohol  bei  schwerem  Diabetes.  Leclerq, 
F-  307. 

fr  ■  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  Fruchtbarkeit  und  ErnĂ€hruug.    I.  der  Ovu- 
lationisrythmus    bei    der    Ratte    unter    Verabreichung    einer  Standardkost. 
Evans,  H.  und  B  i  s  h  o  p  ,  C.  311. 

Die  pathologische  Histologie  der  BauchspeicheldrĂŒse  in  570 
■willkĂŒrlich  gewĂ€hlten  KrankenhausfĂ€llen.  Unter  570  FĂ€llen 
wurden  bei  48  %  derjenigen  FĂ€lle,  welche  nicht  diabetisch 
waren,  VerĂ€nderungen  der  BauchspeicheldrĂŒse  gefunden,  wĂ€h- 
rend sÀmtliche  DiabetesfÀlle  VerÀnderangen  dieses  Organs  auf- 
wiesen. VerhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  hĂ€ufig  fanden  sich  PankreaslĂ€sionen 
bei  Lebercirrhose,  Gallensteinen,  Lues  und  Arteriosklerose.  Die 
nichtdiabetischen  SchÀdigungen  des  Pankreas  stellen  sich  dar 
‱  als  Herdnekrosen,  akute  Pankreatitis,  Blutungen,  besonders  in 
den  Langerhansschen  Inseln,  Ablagerung  von  Fettgewebe, 
Pankreasfibrose.  —  Die  diabetischen  LĂ€sionen  sind  akute  Pan 
greatilis,  spez.  SchÀdigungen  der  Langerhans'schen  Inseln,  eines 
der  hÀufigsten  Merkmale  des  Diabetes,  allgemeine  Fibrose,  die 
gewöhnlichste  VerĂ€nderung  der  BauchspeicheldrĂŒse  bei  der 
Zuckerkrankheit. 

Alkohol  in  der  DiabetesdiÀt.  Die  Untersuchungen  an  2  Pa- 
tienten mit  schwerem  Diabetes  zeigten,  daß,  wie  bereits  bekannt 
war,  Aethylalkohol  im  menschlichen  Körper  nicht  in  Zucker 
verwandelt  wird.  Wmrde  aber  Alkohol  in  einer  Menge,  die  das 
Kalorien-Vermögen  des  Kranken  ĂŒberstieg,  gegeben,  so  wurde 
eine  RĂŒckkehr  der  Glykourie  bewirkt.  Hiernach  ist  es  also 
nur  erlaubt,  Alkohol  in  mĂ€ĂŸigen  Mengen  zu  verabreichen. 

UeberernÀhrung  mit  Fett  und  Alkohol  bei  schwerem  Di- 
abete«. Eine  durch  Verabreichung  von  Fett  und  Alkohol  außer- 
gewöhnlich kalorienreiche  DiĂ€t  fĂŒhrte  bei  zwei  Patienten  mit 
schwerem  Diabetes  zu  einer  ausgeprÀgten  Hyperglykaemie. 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 


The  American  Journal  of  the  Medical  scicnces. 

Januar  1922,  163,  Heft  1. 

Nierepfunktion.    R  i  c  h  a  r  d  s.  l. 

Quantitative    VerÀnderungen  der  Schwingungsempfindung.     Wood.  IB. 

Periphere  und  Wurzeltypon  der  epidemischen  Encephalitis.   Kennedy.  80. 
‱frlilutzuckertoleranz    als    Hilfsmittel    zur    Diagnose    de»  Mageudaruikrebus«. 
F  r  i  e  d  e  u  w  a  1  d   und  (i  r  o  v  c.  33. 

Appondiciitis.iymptomc  bei  akuter  Perikarditis.     P  uss  eil.  4». 

Pericarditis  bei  chronischer  Nephritis.    B  a  r  a  c  h.  U. 

Gallcntraktkraukhciteii.    Lyon,  Bastle,  Ellison.  CO. 

Viszerale  Verwachsungen  und  BĂ€nder.    B  r  y  an  t.  75. 

Halsrlppen.    C  o  1  o  n  n  a.  80. 
«Hlautprolien  mit  fremden  Proteinen1  bei  verschiedenen  ZustÀnden.  Racke- 
rn a  n  n.  87. 

Enzymniobilisieruiig  durch  RĂŒntgenrei'z.    P  e  t  e  r  s  o  n  und  S  a  c  1  h  o-f.  101. 
«I* Beziehung  der  Hypophyse  zur  Epilepsie.     Löwenstein.  120. 

Weitere  Beobachtungen  ĂŒber  die  Blutzuckertoleranz  als  Hilfs- 
mittel zur  Diagnose  des  Magendarmkrebses.  An  32  FĂ€llen  von 
sicherem  Karzinom  des  Gastrointestinaltraklus  hatten  Verfasser 
in  einer  frĂŒheren  Arbeit  ein  charakteristisches  Verhalten  der 
Blutzuckerkurve  bei  diesen  Kranken  festgestellt.  Die  NĂŒchtern- 
werte liegen  etwas  höher  als  in  der  Norm  (bei  etwa  0,15—0,16). 
1  Stunde  nach  Darreichung  von  100  g  Dextrose  steigen  die 
Werte  auf  0,22-4),23  (normal  0,16  %)  und  halten  sich  auf  dieser 
Höhe  bis  nach  Ende  der  2.  Stunde,  wÀhrend  normalerweise  die 
Zahlen  in  dieser  Zeit  schon  wieder  zur  Norm  abgesunken  sind. 

Hautproben  mit  fremden  Proteinen  bei  verschiedenen  Zu- 
stĂ€nden. Ueberblick  ĂŒber  die  Geschichte  der  Cutanprobe.  Ver- 
gleich neuer  Statistiken.  Die  cutane  Methode  (Walker)  ist  ein- 
fach und  erlaubt  gleichzeitige  PrĂŒfung  auf  eine  ganze  Proteinreihe, 
die  intradermale  dagegen'  umstĂ€ndlicher,  aber  dafĂŒr  leicht  und 
sicher  zu  beurteilen.  Eigene  Ergebnisse  (mit  20—30  verschiede- 
nen Proteinen)  an  928  Patienten.  245=26,4  reagierten  positiv. 
Heufieber  (118,  in  40  %  auch  Ueberempfindlichkeit  gegen  Nah- 
rungsstoffe oder  Tiere),  Pferdeasthma  (45,  in  33 Vi  %  weitere 
Ueberempfindlichkeit),  Staubasthma  (Tierstaub,  Mehlstaub,  Puder; 
31  FĂ€lle),  Nahruhgsasthma  (nur  in  19  von  648  waren  Nahrungs- 
proteine die  Ursache,  davon  10  mal  Eier),  vasomotorische  Rhini- 
lis  (198  FĂ€lle,  ca.  22  %  positive  Reaktion,  dann  in  50  %  isoliert), 
Lkzem  (40,  12  mal  positiv),  Urticaria  (35,  nur  6  positiv)  usw. 
Dem  Hautprobenausfall  ist  grĂ¶ĂŸter  diagnostischer  Wert  beizu- 
legen, jedoch  stets  zusammen  mit  der  Anamnese.  HĂ€ufig  besteht 
nicht  isolierte,  sondern  Gruppenempfindliehkeil,  meist  gegenĂŒber 
verwandten  Substanzen.  In  den  ungefÀhr  100  FÀllen,  bei  denen 
der  positive  Ausfall  der  Hautprobe  sich  nicht  mit  der  Anamnese 
vereinen  ließ,  erwies  sich  13  mal  dennoch  dieses  Resultat  fĂŒr  die 
Therapie  von  grĂ¶ĂŸter  Wichtigkeit. 

Die  Beziehung  der  Hypophyse  zur  Epilepsie.  Therapeutische 
Versuche  mit  Hypophysenextrakten  in  16  FĂ€llen  von  Epilepsie 
verschiedener  Aeliologie.  In  einem  Drittel  der  FĂ€lle  Besserung. 
Am  besten  wirkte  der  Extrakt  der  gesamten  DrĂŒse  bei  subcutaner 
Injektion.  Eine  Voraussage  ĂŒber  die  Wirksamkeit  des  PrĂ€pa- 
rates im  Einzelfalle  ist  nicht  möglich,  weder  auf  Grund  des 
physischen  Habitus,  noch  mit  BerĂŒcksichtigung  des  Röntgenbildes 
der  Hypophysenprobe. 

F.  Loewenhardt  (Charlollenburg-Westend). 

The  Journal  of  Medical  Research,  Boston. 

Januar-MĂ€rz  1922,  43,  Nr.  1. 

Untersuchungen  ĂŒbe*  L'raiivorgiftung.  V.  der  Einfluß  des  Uchtes  auf  die 
1 'ran  \  ergiftnng  bei  Meersehweinehcn.  Earsner,  H.T.,  Tsun  Chee 
Slicn  und  Wahl,  S.A.  1. 

^Untersuchungen  ĂŒber  das  Wesen  der  Wirkung  LUlispezifischen  Protfiins  auf 
Krankheiitsprozesse.  III.  Unspezifische  Proteine  und  lösliche  Toxine. 
H  u  r  c  a  j    i '  n  w  i  e  ,    D.   und   G  r  e  e  n  t  b  a  1  ,   R.M.  21. 

4»Expertinieiitelie  Untersuchung  der  Wirkungen  von  Proteininjektionen  auf  in- 
fektiöse Prozesse.    Kruss,  I,  29. 
Der   Einfluß   des   Tuberkulins  auf   die   AntiiikĂŒrperliildung.    T  h  o  m  p  s  o  n  , 
H.   L.  37. 

Experimentelle  Hodentubcrkulose  bei  Kaninchen.    Smith,  M.I.  4ö. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Bazillen  der  Puratyphus-Enteritidis-Grupiir. 
VII.  Enterale  Infektion  („Nahrungsimittelvergifltung")  nach  Genuß  eiiaiei 
mit  B.  Cholenae  suis  (B.  suipesfcifer)  infizierten  Tapiocapuddings.  K  r  u  m- 
w  i  e  d  e  ,  ('..  P  r  o  t  o  «  t  ,  D.J.  und  C  o  o  p  e  r  ,  G.M.  51?. 

Einige  Beobachtungen  ĂŒber  den  Unnu-Dueieysehen  Bazillus.  Teagne,  O. 
und  I)  m  i  h  e  r  t  ,  O.  81. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkung  nichtspezifischer  Proteine 
bei  Krankheitsprozessen.  III.  Nichtspezilische  Proteine  und  lös- 
liche» Toxin  (Diphtherie,  Tetanus).  Aus  der  getrennten  Unter- 
suchung normalen  l'ferdeserums,  des  aus  diesem  durch  Alkohol- 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  33/34» 


iÀllung  gewonnenen  Proteins  sowie  der  Albumin-  und  der  Glo- 
bulinfraktion  hinsichtlich  der  Schutzwirkung  gegen  Diphtherie- 
toxin,  ergibt  sich  der  Schluß,  daß  die  dem  normalen  Pferdeserum 
zukommende  Schutzwirkung  auf  dessen  natĂŒrlichen  Gehalt  an 
Antitoxin  zu  beziehen  ist.  Daß  es  sich  nicht  um  eine  ĂŒnspezi- 
fische  Proteinkörperwirkung  handelt,  wird  ferner  dadurch  be- 
wiesen, daß  durch  Injektion  anderer  Eiweißarten  (Milcheiweiß. 
Eiereiweiß}  keinerlei  Schutzwirkung  erzielt  wird. 

Experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkungen  von 
Proteinkörperinjektionen  auf  infektiöse  Prozesse.  Im  Tier- 
experiment konnte  kein  Anhalt  dafĂŒr  gewonnen  werden,  daß  die 
Injektion  von  Proteinkörpern  die  Resistenz  der  Versuchstiere 
gegen  MĂ€usetyphusbazillen,  gegen  septische  Peritonitis  und 
Pneumokokkeninfektion  zu  steigern  vermag.  Verf.  warnt  vor 
kritikloser  Anwendung  dieser  Therapie  und  mahnt  zur  Vorsicht 
und  BerĂŒcksichtigung  der  Gefahren  anaphylaktischer  Zwischen- 
fÀlle. (In  den  Tierversuchen  wurde  NukleinsÀure  verwandt, 
deren  Wirkung  doch  wohl  nicht  ohne  weiteres  mit  derjenigen 
von  Proteinkörperchen  zu  identifizieren  sein  dĂŒrfte.  Ref.) 

W  o  1  f  f ,  Hamburg 


Buchbesprechungen. 

Ludolf  Krehl:  Pathologische  Physiologie.  11.  Auflage. 
Leipzig.  F.  G.  W.  Vogel.  1921.  XIX  u.  695  S. 
Das  altbewÀhrte  Werk  liegt  nunmehr  in  neuer  Auflage  vor, 
wiederum  nach  dem  Stande  der  augenblicklichen  Forschungs- 
ergebnisse ergĂ€nzt.  Als  Schlußkapitel  ist  ein  Abschnitt  Patholo- 
gische Physiologie  und  Arzt  hinzugekommen,  der  eigentlich  als 
Sonderabdruck  jedem  Studierenden  in  die  Hand  gegeben  werden 
sollte.  Eine  Empfehlung  des  Werkes  ĂŒberhaupt  hieße  Eulen  nach 
Athen  tragen,  es  war  und  ist  bis  jetzt  das  Werk  ĂŒber  patholo- 
gische Physiologie. 

F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Charlottenburg-Westend). 

Ake  Akerlund:  Röntgenologische  Studien  ĂŒber  den 
Bulbus  duodeni  mit  besonderer  BerĂŒcksichti- 
gung der  Diagnostik  des  Ulkus  duodeni.  Supple- 
ment I.  der  Acta  Radiologica.  Stockholm  1921.  261  S.  159  Textfig. 
76  Abb.  a.  19  Tafeln. 

Das  vorliegende  Werk  ist  aus  den  grundlegenden  Arbeiten 
Goesta  Forssells  und  aus  den  in  verschiedenen  frĂŒheren 
vorlÀufigen  Mitteilungen  des  Verf.  veröffentlichten  röntgenolo- 
gische Beobachtungen  ĂŒber  den  Bulbus  duodeni  entstanden.  In 
geradezu  klassischer  Form  werden  ausfĂŒhrlich  die  normal-ana- 
tomischen Grundlagen  des  Röntgenbefundes,  die  Röntgentechnik 
der  Bulbusuntersuchung,  die  Röntgenologie  des  normalen  Bulbus 
duodeni  und  die  pathologische  Anatomie  des  Ulkus  duodeni  vom 
röntgenologischen  Standpunkt  besprochen.  Die  Kasuistik  umfaßt 
109  FĂ€lle  „sicheren"  Ulkus-duodeni-Materials,  von  denen  69  durch 
intravitale  oder  postmortale  Autopsie  bestÀtigt  wurden.  Die 
Röntgendiagnose  des  Ulkus  duodeni  stĂŒtzt  sich  auf  den  Nachweis 
von  VerĂ€nderungen  der  Form  des  Bulbusschattens  —  Nische,  De- 
fekt, Retraktion,  Ulkusdivertikel  —  und  VerĂ€nderungen  in  den 
GrĂ¶ĂŸen-,  Lage-,  Verschieblichkeits-,  MotilitĂ€ts-  und  Druckpunkt- 
verhÀltnissen des  Bulbus.  Vom  differentialdiagnostischen  Stand- 
punkt werden  noch  weitere  röntgenologische  BulbusverÀnderun- 
gen  bei  nicht  ulzerösen  ZustĂ€nden  —  abnorme  Schleifenbildung, 
pericholecystitische  Adhaesionen,  extrabulbÀre  Tumoren,  Diver- 
tikel und  spastische  Deformierung  des  Bulbus  (C  o  1  e  scher  Fern- 
spasmus) bei  verschiedenen  ReizzustĂ€nden  außerhalb  der  Duo- 
denalwand  —  behandelt.  Verf.  betont,  daß  bei  Verwertung  eines 
detaillierten  Bulbusstudiums  eine  bestimmte  Ulkusdiagnose  nie 
ohne  eine  lokale  VerÀnderung  im  Duodenum  zu  stellen  sei. 
Direkte  und  indirekte  Symptome  ergÀnzen  einander,  jedoch  nur 
die  direkten  lokalen  durch  die  VerÀnderung  in  der  Duodenalwand 
verursachten  Zeichen  können  von  entscheidendem  Wert  fĂŒr  die 
Diagnostik  des  Ulkus  duodeni  sein.  Durch  die  in  den  meisten 
FÀllen  erfolgte  autoptische  BestÀtigung  des  radioskopisch  ver- 
muteten Ulkus  duodeni  stellen  die  Beobachtungen  des  Verf.  und 
ihre  kritische  Auswertung  eine  wesentliche  UnterstĂŒtzung  der 
bisher  auf  schwankenden  FĂŒĂŸen  stehenden  röntgenologischen 
Diagnose  dar;  ihre  Aufzeichnung  in  einem  nach  Ausdruck  und 
Ausstattung  vorzĂŒglichen  Rahmen  lĂ€ĂŸt  dem  Buch  bei  Klinikern 
und  Radiologen  weiteste  Verbreitung  wĂŒnschen. 

Kautz,  Hamburg. 


Rudolf  Spuhl,  Dr.  med.  jur.,  rer.  pol.,  Berlin-Friedenau:  Gesetz-? 
geberische  Sexualdiktatur.    (Ort  und  Jahr  des  Er-g 

scheinens  sowie  der  Verleger  sind  nicht  angegeben.) 

In  mehr  als  temperamentvoller  Polemik  wendet  sich  Spuhl  inj 
seiner  kleinen,  13  Druckseiten  dicken  BroschĂŒre  gegen  den  Gesetz-! 
entwurf  zur  BekÀmpfung  der  Geschlechtskrankheiten,  da  dieser? 
gegen  die  Kurierfreiheit,  gegen  den  SchĂŒtz  der  Persönlichkeit  undS 
gegen  das  Selbstbestimmungsrecht  des  Individuums  gerichtet  ist. 
Sp.  ^bekĂ€mpft  dann  die  Beratungsstellen,  die  vollkommen  unnĂŒtz^ 
sind  und  die  Behandlung  der  Geschlechtskranken  durch  KasseÀrzte;* 
diese  soll  vielmehr  nur  durch  PrivatÀrzte  statthaben,  die  mehrr- 
Zeit  und  VerstĂ€ndnis  fĂŒr  ihre  Patienten  besitzen  als  jene:  hoch-- 
stens  sollten  die  Krankenkassen  zur  Bezahlung  der  Krankentage 
und  der  Medikamente  gehalten  sein.    Schließlich   ist  er  Ge^er 
jedes    Gesetzes    zur    BekÀmpfung    der    Geschlechlskran!  h.  a. 
Sollte   aber   ein   solches   Gesetz   unbedingt   eingefĂŒhrt  weiolenr 
mĂŒssen,  so  sollte  es  von  neuem  entworfen  werden  und  zwar  von*! 
einer  Kommission,  der  ein  Vertreter  der  Deutschen  Gesellschaft 
zur  BekĂ€mpfung   der  Geschlechtskrankheiten    angehört,  außer-' 
dem  je  ein  AnhÀnger  des  Dreuwschen  Diskretioni'smus,  der  ho-  , 
möopatischen   Schule,   einer   der   physikalischen  und  einer  der 
biologischen  Richtung,   die   nicht   der   Schulmedizin  angehören, 
dĂŒrfen,  und  ein  Vertreter  der  Nichtapprobiertert.    Ob  Verfasser 
ernstlich  annimmt,  daß  Vertreter  dieser  5  Richtungen  zu  irgend' 
einem  Resultate  kommen  können,  verrÀt  er  nicht.      Dr.  B  a  b. 

Dr.  Otto  Better.  Die  Geschlechtskrankheiten.  Ihr« 
Ueberwinxlung  und  VerhĂŒtung.  Eine  soziologische  Wegbahnungj 
zur  Volksgesundheit.    Verlag  der  Deutschen  Wirtschaf Ispoliti-: 

sehen  Gesellschaft,  Berlin  W35.    Preis  R  M. 

Das  BĂŒchlein  soll  den  gebildeten  Laien  ĂŒber  das  Wesen  der! 
Geschlechtskrankheiten  aufklÀren.   Es  gibt  zunÀchst  eine  ziemlich*.; 
eingehende  Darstellung  ĂŒber  den  Ablauf  der  drei  venerischen  Er-; 
krankungen.    Hierbei  wird  die  Therapie  meines  Erachtens  fĂŒÂ« 
ein  Werk,  das  fĂŒr  den  Laien  bestimmt  ist,  doch  schon  etwas  zu?, 
detailliert  angegeben,  und  es  wÀre  am  besten,  in  solchen  Heften! 
jede  Àrztliche  Kontroverse  zu  unterlassen.    Wenn  Verf.  die  Be-r 
handluhg  der  weiblichen  Gon.  durch  SpĂŒlungen  z.  B.  in  Grund  und 
Boden  verdammt,  so  weiß  er  doch  sicherlich  auch,  daß  wir  Aerzte 
ĂŒberhaupt  keine  Methode  besitzen,  die  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit hier  zum  Ziele  fĂŒhrt.    Auch  das  Kapitel  ĂŒber  Prophylaxe 
könnte  etwas  kĂŒrzer  gefaßt  sein,  hier  kommt  es  nicht  so  sehr.' 
darauf  an,  dem  Laien,  alles  mitzuteilen,  was  es  gibt,  sondern  er 
will  1—2  Methoden  erfahren,  die  ihm  den  relativ  besten  Schutz, 
gewĂ€hren    Einige  gute  Bemerkungen  ĂŒber  den  kurpfuschenden, 
annoncierenden  Arzt  und  Laien,  ĂŒber  das  Berufsgeheimnis,  ĂŒber 
die  soziale  Hebung    der  Geschlechtskrankheiten    schließen  das. 
Heftlein,  das  dem  intellektuellen  Teile  der  Patienten  mit  Vorteil 
fĂŒr  diese  empfohlen  werden  kann.  B  a  b. 

Coglievina  Benvenuto:  Die  homerische  Medizin.  Graz  - 
Wien  _  Leipzig;  Leuschner  u.  Lubensky 's  I'nivers.-Buch- 
handlung.    1922.    49  S. 

Immer  klarer  wird  es,  daß  Homer  keineswegs  am  Anfang 
unserer  Kultur  steht,  daß  er  vielmehr  den  Höhepunkt  einer  alten,, 
in  dunkle  Vorzeiten  zurĂŒckreichenden  kulturellen  Entwicklung 
darstellt.  In  sehr  netter,  anschaulicher  Weise  lĂ€ĂŸt  Verfasser  die 
Ilias  und  Odyssee,  an  denen  wir  uns  ja  alle  in  unserer  Jugend 
versuchten,  wiedererstehen  und  zeigt  an  'geschickt  gewÀhlten 
Beispielen,  daß  der  alte  Homer  keineswegs  ein  Phantast  gewesen 
ist,  sondern  ein  Mann  mit  hervorragender  Beobachtungsgabe 
und  soliden  Kenntnissen  auf  vielen  naturwissenschaftlichen  Ge- 
bieten. Wie  es  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  treten  in  der  Ilias 
die  Chirurgen  in  den  Vordergrund.  Die  erste  Hilfe  war  wohl 
organisiert,  aber  auch  penetrierende  Wunden  des  Herzens,  der 
Leber,  des  SchÀdels,  Oberschenkels  und  eine  schwere  Brustkorb- 
quetschung werden  mit  kurzen,  charakteristischen  Strichen  skiz- 
ziert. Mit  besonderer  Liebe  wird  der  Zauberin  Kirke  gedacht 
und  ihrer  narkotischen  Mittel.  Aber  alle  diese  amĂŒsanten  Dinge 
möge  der  Leser  im  Original  nachsehen.  Buttersack. 

Guthmann,  Job..  (Potsdam).    Durch  Wissen  zur  Schön- 
heit, eine  Kosmetik  fĂŒr  Leib  und  Seele.  Leipzig 
1922.  C.  Kalitzsch.    109  S.   16  M.  bezw.  20  M. 
FĂŒr  neue  Reiche  scheint  diese  mit  15  Abbildungen  pompös 
ausgestattete  BroschĂŒre  bestimmt  zu  sein.    In  23  kurzen  Auf- 
sÀtzen werden   die  primitivsten  Elementarkenntnisse   in  kosme- 
tischer Anatomie  und  Physiologie  dargeboten.    Wir  Aerzte  kön- 
nen daraus  nichts  entehmen.    Dringend  nötig  war  bei  der  allge- 
meinen Papiernot  diese  Drucklegung  nicht.  Buttersack. 

f  1 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  prakllschen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  öerlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm  ~  Sira&e  20  /  Fernsprecher:  Liitzow  9057 


Nr.  35/36 


Berlin,  den  13.  September  1922 


40.  Jahrgang 


Dar  Varlai  behÀlt  sieh  du  amsohtteBliche  Recht  dar  VervielfÀltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrÀge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutztritt  ver. 


Aus  der  Kinderklinik  der  stÀdtischen  Krankenanstalten 
und  dem  SĂ€uglingsheim  zu  Dortmund. 

Der  Rachitistod. 

Von  Professor  Dr.  St.  Engel. 

In  Anbetracht  der  starken  Zunahme  schwerer  Rachitis- 
formen  ist  es  von  besonderer  Wichtigkeit,  die  Folgen  ins 
Auge  zu  fassen,  welche  hieraus  entstehen.  Auf  alle  die  mög- 
lichen Komplikationen  und  Folgeerscheinungen  soll  hier 
nicht  eingegangen,  sondern  es  soll  nur  die  F  r  a  ge  e  r~ 
ö  r  t  e  r  t  werden,  ob  die  Rachitis  u  n  mittelbar 
z  u  m  T  o  d  e  f  ĂŒ  h  renkaun.  Daß  sie  mittelbar  die  Ursache 
des  Todes  fĂŒr  ungezĂ€hlte  Proletarierkinder  ist,  ist  eine  fest- 
stehende, lange  bekannte  Tatsache.  Gewöhnlich  sind  es 
Komplikationen  von  Seiten  der  Atmungsorgane,  Pneumonien, 
kapillÀre  Bronchitiden  und  dergleichen,  welche  den  Kindern 
gefÀhrlich  werden.  Auch  die  Masern  verlaufen  unter  den 
rachitischen  Proletarierkindern  viel  schwerer  als  bei  Kin- 
dern von  gutem  körperlichem  Zustande  Nund  bedingen  oft 
eine  ganz  erhebliche  MortalitÀt.  Die  sonst  so  harmlose 
Kinderkrankheit  wechselt  dann  den  Charakter  und  kann  eine 
Sterblichkeit  von  20  bis  30  %  unter  den  jĂŒngeren  Klein- 
kindern erreichen. 

WĂ€hrend  der  letzten  Jahre  sind  uns  nun  eine  Reihe  von 
FĂ€llen  zu  Gesicht  gekommen,  bei  denen  man  anfangs  auch 
erst  den  Eindruck  hatte,  daß  die  Rachitis  den  Zustand  nur 
mittelbar  beeinflußt  habe,  wo  sich  hinterher  aber  doch  fest- 
stellen ließ,  daß  sie  den  Tod  unmittelbar  herbeigefĂŒhrt 
hatte. 

Es  handelte  sich  um  Kinder,  bei  denen  der  Brustkorb 
besonders  stark  ergriffen  war.  Gewöhnlich  waren  sie  auch 
im  Wachstum  ganz  allgemein  beeintrÀchtigt.  Der  Brust- 
korb aber  erwies  sich  als  besonders  eng  und  in  seiner  Klein- 
heit noch  weiter  ungĂŒnstig  dadurch,  daß  er  verkrĂŒppelt  war. 
Er  war  durch  die  inspiratorischen  Einziehungen  seillich  ab- 
geflacht (HĂŒhnerbrust). 

Die  Kinder  erkankten  unter  dem  Bilde  einer  außer- 
ordentlich schweren  Atmimgsstörung,  ohne  daß  ein  ent- 
sprechender Befund  an  den  Lungen  zu  erheben  gewesen 
wÀre.    Klinisch  machte  es  den  Eindruck,  wie  wenn  eine 


Karl  N. 


Kyrtometer 

schwere  entzĂŒndliche  Erkrankung  der  Lungen,  eine  ausge- 
gedehnte  Kapillarbronchitis  oder  Pneumonie  vorhanden  sei. 
Bei  der  Obduktion  konnte  aber  ganz  regelmĂ€ĂŸig  festgestellt 


werden,  daß  entweder  gar  keine  oder  so  minimale  pneumo- 
nische Infiltrate  vorhanden  waren,  daß  hieraus  die  Todes- 
ursache keineswegs  hergeleitet  werden  konnte.  Auch  von 
einer  kapillÀren  Bronchitis  war  nichts  zu  finden. 


hinten 


Elisabeth  T 


Kyriometer 

Karl  N.,  2  Jahre.    Protokollnummer  503. 

Das  Kind  wurde  mit  schwerer  BeeintrÀchtigung  der  Atmung 
eingeliefert.  Es  war  blaß,  zyanotisch.  In  diesem  Zustand  hielt 
es  sich  etwa  14  Tage.  Außer  gelegentlichem  Knacken  auf  der 
Lunge  war  nichts  festzustellen.  Der  Tod  trat  unter  den  Erschei- 
nungen schwerster  Atemnot  ein. 

Der  Brustkorb  des  Kindes  war  seitlich  stark  eingezogen,  so 
daß  eine  ziemlich  starke  HĂŒhnerbrust  entstanden  war.  Sonst 
waren  am  Knochenbau  nur  Zeichen  mĂ€ĂŸiger  Rachitis  vorhanden. 
Die  Glieder  waren  nicht  verkrĂŒmmt,  Muskulatur  dĂŒrftig  und 
schlaff. 

Sektion  ergab  sehr  starken  inneren  Rosenkranz. 
Die  Rippen  sind  weich  und  schneidbar,  wie  etwa 
weiches  Holz.    Es  entsteht  beim  Schneiden  kein  Knirschen. 

Das  Herz  liegt  unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  groß  vor.  Die  Lungen  sind 
zurĂŒckgesunken  und  klein.  Auf  der  Pleura  sind  dunklere  blĂ€u- 
liche Flecke  unregelmĂ€ĂŸig  verteilt.  Der  Luftgehalt  des  Gewebes 
ist  vermindert.  Vereinzelte  kleine  pneumonische  Herdchen  lassen 
sich  feststellen.  Beiderseits  im  vorderen  Teil  der  Lungen,  nament- 
lich auf  der  rechten,  tiefe  Druckfurchen*)  v  o  m 
Rosenkranz. 

Epikrise:  Durch  die  Weichheit  des  Brustkorbes  und  die  da- 
durch bedingte  Einziehung  war  der  fĂŒr  die  Lunge    zur  Ver- 
fĂŒgung stehende  Raum  eingeengt.    GrĂ¶ĂŸere  Atmungseitensionen 
waren  nicht  möglich,  weil  der  Brustkorb  immer  wieder  ange 
saugt  wurde.   Tod  durch  Atmungsinsuffizienz. 

Elisabeth  J.,  VA  Jahr.    Protokollnummer  592. 

Das  Kind  wurde  blaß,  verfallen,  mit  jagender  Atmung  ein- 
geliefert. ZunÀchst  hatte  man  den  Eindruck  einer  Pneumonie, 
zumal  rechts  oben  etwas  Bronchophonie  und  auf  dem  Röntgen- 
bild eine  Verschleierung  festzustellen  war.  Zu  hören  war  nur 
etwas  Knistern,  nirgends  Zeichen  wirklicher  Verdichtung. 

Der  Brustkorb  stellt  eine  schwer  deformierte  HĂŒhnerbrust 
dar  und  war  im  ganzen  sehr  klein. 

Die  Sektion  ergab  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  lange  Rippenknorpel. 
Die  Knorpel-Knochengrenze  liegt  fast  in  der  hinteren  Axillar- 
linie und  ist  nach  außen  vollstĂ€ndig  glatt.  Nach  innen  springt 
ein  derber  Buckel  an  jeder  Rippe  vor  (innerer  Rosenkranz). 

Nach  der  Eröffnung  des  Brustkorbes  liegt  das  Herz  groß 
und  weithin  frei  da.  Die  Lungen  sind  ganz  nach  hinten  zurĂŒck- 
gesunken, sind  derb,  luftarm,  fleischig,  nirgends  infiltriert. 

*)  Die  Möglichkeit  dieser  von  uns  oft  beobachteten  Druck- 
furchen ist  bestritten  worden. 


544 


Schiff  u.  Benjamin:  Verdauungsleukozytose  beim  Kinde 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Mikroskopisch  ergibt  sich  Atelektase  verschiedenen 
Grades  mit  stellenweisem  Oedem.  Vereinzelte  miliare,  nur 
wenige  Alveolen  umfassende  zellulÀre  Pneumonien  sind  vor- 
handen. T 

Epikrise:  Der  gesamte  Zustand  des  Brustkorbes  in  seiner 
VerkrĂŒppelung  und  der  Zustand  der  Lungen  lassen  keinen 
Zweifel,  daß  es  sich  um  Tod  durch  Atmungsinsuffizienz  handelt. 

Friedrich  L.,  2  Jahre.    Protokollnummer  585. 

Es  handelte  sich  um  einen  elenden,  zwerghaften  Rachitikei 
mit  verkrĂŒppelter  eingezogener  Brust.  Er  entwickelte  sich  zu- 
nÀchst leidlich,  wurde  aber  bei  einer  Morbillen-Infektion  mit  er- 
griffen und  starb  wahrend  der  fieberhaften  Periode  unter  den 
Zeichen  der  Atemnot. 

Die  Sektion  ergab  einen  sehr  starken  inneren  Rosenkranz. 
Lungen  waren  klein,  schlaff,  zusammengezogen.  Im  rechten 
Oberlappen  war  ein  haselnußgroßer  pneumonischer  Herd,  sonst 
höchstens  noch  vereinzelte  kleinere. 

Epikrise:   Die  Lungen   waren  im  Brustkorb  stark  ein 
geengt  und  konnten  der  erhöhten  Inanspruchnahme  wÀhrend  des 
Fiebers  nicht  genĂŒgen.    Die   pneumonischen   Herde  waren  so 
klein,  daß  sie  ernstlich  als  Atmungshindernis  nicht  in  Frage 
kamen.    Tod    durch  Atmungsinsuffizienz. 

Es  ergab  sich  also  .  ein  ganz  einheitlicher,  regel- 
mĂ€ĂŸiger Befund  der  Art,  daß  die  Lungen  ganz  klein,  schlaff, 
zÀh,  derb  von  vermindertem  Luftgehalt  hinten  neben  der 
WirbelsĂ€ule  lagen,  wĂ€hrend  das  Herz  in  ganz  ungebĂŒhrlicher 
Ausdehnung  frei  vorlag.  Makroskopisch  schon  konnte  kaum 
ein  Zweifel  darĂŒber  entstehen,  daß  man  es  hier  mit  hoch- 
gradiger Atelektase  zu  tun  habe.  Mikroskopisch  ließ  der  Be- 
fund sich  bestÀtigen.  Gewöhnlich  war  der  Zusammenhang  so, 
daß  die  an  sich  sehr  elenden  Kinder  aus  irgend  einer  Ursache 

Ii  inten 


8  Monate 
behandelt 


bei  der 
Aufnahme 


Kyrtometer 


fieberhaft  erkrankten  und  wÀhrend  dieser  fieberhaften  Zeit  zu- 
nehmend dyspnöisch  wurden,  bis  schließlich  der  Tod  eintrat. 
'Bei  einigen  von  diesen  Kindern  waren  aber  auch  schon  in 
der  nicht  fieberhaften  Zeit  erhebliche  Atmungsbeschwerden 
vorhanden.  Gelang  es,  solche  Kinder  so  lange  und  ohne 
ZwischenfÀlle  zu  behandeln,  bis  die  Rachitis  leidlich  ausge- 
heilt war,  so  konnten  sie  gerettet  werden.  Jeder  Zwischen- 
fall aber,  der  zu  einer  Belastung  der  Atmung  fĂŒhrte,  nament- 
lich fieberhafte  Infektionen,  veranlaßte  den  Tod  binnen 
wenigen  Tagen. 

Wir  mĂŒssen  uns  demgemĂ€ĂŸ  den  Gang  der  Dinge  so  vor- 
stellen, daß  der  Thoraxraum  durch  das  ZurĂŒckbleiben  des 
Brustkorbes  im  Wachstum  und  durch  die  VerkrĂŒppelung 
stark  eingeengt  war.  Der  ErweiterungsfÀhigkeit  der  Lunge 
war  somit  von  vornherein  eine  Grenze  gezogen.  Ihr  Spiel- 
raum war  wesentlich  kleiner  als  er  es  hĂ€tte  sein  mĂŒssen. 
Eine  geringe  Atmungsbreite  war  nur  gegeben.  Immerhin 
konnte  die  aufgenommene  Luft  genĂŒgen,  um  dem  Kinde 
unter  sonst  friedlichen  VerhÀltnissen  sein  Dasein  zu  ermög- 
lichen. Wurde  nun  die  Atmung  stÀrker  in  Anspruch  ge- 
nommen, so  trat,  abgesehen  von  den  eben  geschilderten  un- 
gĂŒnstigen VerhĂ€ltnissen,  noch  eine  neue  Komplikation  hinzu. 
Die  vermehrten  Atmungsanstrengungen  konnten  nÀmlich  zu 
keinem  Ziele  fĂŒhren,  weil  die  weichen  und  nachgiebigen 


Rippen  sich  inspiratorisch  einzogen  und  damit  die  Ausdeh- 
nung der  Lunge  behinderten.  Es  wurde  also  genau  das 
Gegenteil  von  dem  erreicht,  was  durch  die  Inspirationsbe- 
wegung angestrebt  wird.  So  mußte  eine  immer 
stÀrkere  BeeintrÀchtigung  der. Atmung  ent- 
stehen. Die  Kinder  wurden  immer  dyspnöi- 
sch er  und  mußten  schließlich  an  Atmungs- 
insuffizienz zugrunde  gehen. 

Die  geschilderten  ZustÀnde  sind  von  einer  gewissen 
praktischen  Wichtigkeit  aus  zweierlei  GrĂŒnden.  ZunĂ€chst 
ergibt  sich  die  unmittelbare  große  GefĂ€hrlichkeit  der  Ra- 
chitis fĂŒr  das  Leben  der  Kinder.  Wir  selbst  haben  in  den 
letzten  Jahren  etwa  20  solche  FĂ€lle  von  Rachitistod  beob- 
achtet. Eine  wesentlich  grĂ¶ĂŸere  Zahl  wird  voraussichtlich 
außerhalb  unserer  Beobachtung  vorgekommen  sein.  Die  Zahl 
wĂŒrde  sich  noch  weiter  vergrĂ¶ĂŸert  haben,  wenn  wir  mit 
grĂ¶ĂŸeren  Epidemien  zu  tun  gehabt  hĂ€tten,  was  glĂŒcklicher- 
weise nicht  der  Fall  gewesen  ist.  Der  zweite  Grund,  welcher 
fĂŒr  die  Wichtigkeit  der  oben  angefĂŒhrten  Beobachtung 
spricht,  ist  die  RĂŒcksicht  auf  die  Diagnose.  Die  geschilder- 
ten Bilder  werden  fast  immer  als  Kapillarbronchitis  oder 
Pneumonie  wegen  der  hochgradigen  Atemnot  aufgefaßt.  An 
sich  ist  das  zwar  widersinnig,  da  die  meisten  kindlichen 
Pneumonien  nicht  entfernt  mit  so  starker  Aetmnot  und  Cya- 
nose  einhergehen,  wie  es  in  unseren  FĂ€llen  sich  darbot.  Im- 
merhin steht  die  außerordentlich  starke  Dyspnoe  der  Kinder 
so  im  Vordergrunde  und  macht  einen  so  liefen  Eindruck, 
daß  man  sich  nicht  leicht  dem  Eindrucke  einer  schweren  Er  - 
krankung der  Atmungsorgane  entziehen  kann.  Die  Kinder 
liegen  da,  blaß,  zyanotisch  mit  angstvoll  verzerrtem  Gesicht, 
mĂŒhsam  nach  Atem  ringend;  die  AtemzĂŒge  folgen  sich 
jagend  hintereinander,  der  Thorax  ist  tief  eingezogen.  Kurz 
und  gut,  es  ist  ein  Bild  von  Atemnot,  wie  man  es  sonst 
schwerlich  wieder  zu  sehen  bekommt. 

Sterben  solche  Kinder  und  ist  die  Obduktion  nicht  mög- 
lich, so  wird  das  Kind  offiziell  als  an  LungenentzĂŒndung  ge- 
storben gefĂŒhrt. 

Was  die  Behandlung  solcher  ZustÀnde  anbelangt,  so 
kann  es  sich-  zunÀchst  nur  darum  handeln,  die  schweren 
FĂ€lle  von  Rachitis  so  frĂŒhzeitig  zu  beeinflussen,  daß  keine 
ĂŒbermĂ€ĂŸig  starke  VerkrĂŒppelung  des  Brustkorbes  entsteht. 
Ist  sie  erst  vorhanden,  so  muß  versucht  werden,  die  Rachitis 
so  schnell  zu  heilen,  daß  das  Unheil  sich  ausgleichen  kann. 
Ein  derartiger  Ausgleich  ist  in  hohem  Maße  möglich,  wie 
auch  aus  der  nebenstehenden  Abbildung  hervorgeht.  Der 
Thorax  wÀchst,  wenn  die  Rachitis  erst  zum  Stillstand  ge- 
kommen ist,  sehr  gut  nach,  so  daß  der  gefĂ€hrliche  Zustand  im 
Laufe  einiger  Monate  ĂŒberwunden  werden  kann.  Besonders 
wichtig  ist  es  natĂŒrlich,  die  Kinder  vor  fieberhaften  Erkran- 
kungen, insbesondere  also  vor  Infektionen  zu  bewahren.  Die 
EindÀmmung  von  Masernepidemien  durch  Verwendung  von 
Rekonvaleszentenserum  nach  Deckwitz  kann  hier  viele 
Menschenleben  erhalten. 


Aus  der  UniversitÀts-Kinderklinik  in  Berlin. 

Weitere  Untersuchungen  ĂŒber  die  Verdauungs- 
leukozytose beim  Kinde.  Zugleich  ein  Beitrag 
zur  Frage  der  FunktionsprĂŒfung  der  Leber 
nach  Widal. 

Von  Priv.-Doz.  Dr.  Er.  Schiff  und  Dr.  C.  Benjamin. 

Wir  haben  mit  Stransky1)  bereits  darauf  hinge- 
wiesen, daß  SĂ€uglinge  auf  Milchzufuhr  nicht  mit  einer  Ver- 
mehrung, sondern  mit  einer  Venminderung  der  Leukozyten- 
zahl reagieren.  Wir  haben  auch  den  Nachweis  erbracht,  daß 
es  sich  hierbei  nicht  um  eine  eiweißspezifische  Reaktion 
handelt.  GleichgĂŒltig  ob  Eiweiß,  Fett  oder  Kohlehydrate 
dem  SĂ€ugling  zugefĂŒhrt  werden,  tritt  mit  einer  fast  kon- 
stanten RegelmĂ€ĂŸigkeit  die  Leukopenie  auf.    Allein  in  den 

l)  D.  M.  Wo.  Nr.  42.  1921.  Jahrb.  f.  Kinderheilkunde. 
Bd.  95.  1921. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/3G. 


Schiff  u.  Benjamin:  Verdauungsleukozytose  beim  Kinde 


545 


AminosÀuren  haben  wir  die  Substanzen  gefunden,  deren  per- 
orale  Zufuhr  eine  rasch  einsetzende  und  bald  vorĂŒber- 
gehende Leukozytose  zur  Folge  hat.  Wir  haben  aus  diesen 
Beobachtungen  den  Schluß  gezogen,  daß  beim  SĂ€ugling  das 
Physiologische  die  Verdauunigsleukopenie  ist. 
‱  Nach  W  i  d  a  1  sollen  Lebergesunde  Erwachsene  auf  Zu 
fuhr  von  200  rem.  Milch  mit  einer  Leukozytose,  leberkranke 
hingegen  mit  einer  Leukopenie  reagieren.  Wenn  so  ein  gegen- 
sÀtzliches Verhalten  zwischen  SÀuglingen  und  Erwachsenen 
tatsĂ€chlich  besteht,  so  war  zu  erwarten,  daß  der  Umschlag 
der  einen  Reaktionsweise  in  die  andere  in  einem  bestimmten 
Lebensalter  erfolgen  muß.  Aus  diesem  Grunde  stellten  wir 
unsere  Untersuchungen  auch  bei  Àlteren  Kindern  an.  Wir 
haben  als  eiste  darauf  hingewiesen,  daß  auch  diese  Kinder 
auf  Milchzufuhr  mit  einer  Leukopenie  reagieren.  Immerhin 
war  die  Zahl  der  untersuchten  FĂ€lle,  die  uns  damals  zur 
VerfĂŒgung  standen,  so  gering,  daß  sie  eine  Verallgemeinerung 
der  Untersuchungsbefunde  nicht  zuließen.  Wir  haben  nun 
diese  Versuche  wieder  aufgenommen  und  können  jetzt  ĂŒber 
Erfahrungen  berichten,  die  wir  in  34  FĂ€llen  gewonnen 
haben.  Die  zur  Untersuchung  herangezogenen  Kinder  be- 
fanden sich  im  Alter  zwichen  7 — 13  Jahren.  Wir  miter- 
suchten das  Verhalten  der  Leukozytenkurve  nach  Verab- 
reichung von  Milch  (200  gr),  Kasein  (5  gr),  Seiden 


W.  IL,  8  Jahre 
7650. 


II.    I  k  I  e  r  u  s  s  i  in  p  I.    8150      7056  8650 


pepton  (0,5—1  gr),  Gly  kokoll  (1—2  gr),  Butter 
(30  gr),  und  schließlich  von  Zucker  (15  gr).  Es  sind  so- 
wohl leberkranke  (Icterus  spl.,  Lebersarkom),  wie  auch 
solche  Kinder  zu  diesen  Untersuchungen  herangezogen  wor- 
den, bei  welchen  wir  nicht  den  geringsten  Grund  hatten, 
eine  Erkrankung  der  Leber  anzunehmen.  Auch  konnten 
3  Kinder  mit  haemolytischem  Ikterus  untersucht  werden. 
Bei  dem  einen  dieser  Kinder  wurde  ca.  6  Monate  vor  der 
Untersuchung  die  Milz  exstirpiert.  Als  wir  das  Kind  unter- 
suchten, war  die  GelbfÀrbung  der  Haut  schon  verschwunden. 
In  jedem  Falle  wurde  auch  das  Differentialbild  nach  der 
Methode  Schillings  untersucht.2)  Zur  Veranschau- 
lichung dieser  Versuche  möchten  wir  einige  unserer  Ver- 
suchs -Protokolle  wiedergeben. 

H.  J.,  12  Jahre  alt.  Lebersarkom.  Bei  der  Sektion:  Dif- 
fuses Sarkom,  das  die  Leber  fast  vollstÀndig  zerstört  hat.  (200 
gr  Milch.)    Leukozytenwerte:  13100  —  12000  —  11  800  —  10200. 

W.  U.,  8  Jahre  alt.  Ikterus  simpl.  (200  gr  Milch.  9500 
—  10050  —  8150  —  8100. 

L.  G.,  9  Jahre  alt.  Toxisches  Erythem,  Ikterus. 
(200  gr  Milch.)    6800  —  6400  —  6600  —  7000, 

W.  B.,  7  Jahre  alt.  H a  emoly  t  i  s  ch  er  I  k  t  e  f  u  s.  (200  gr 
Milch.)    7300  —  5200  —  6500  -  6800. 

B.  J.,  9  Jahre  alt.  Haemolytischer  Ikterus.  (200  er 
Milch.)    5000  —  5100  —  4200  —  4400. 

F.  B.,  7  Jahre  alt.  "HĂ€  emoly  t.  Ikterus.  Nach  S  p  1  e- 
n  e  k  t  o  m  i  e.    (200  gr  Milch.)    7800  —  6500  —  7200  —  7100. 

C  a  sein.   (5  gr.) 
E.  L.,  13  Jahre  all.  Pleuritis.   5750  —  1800  —  5200  —  5500. 


L.  H, 
7000  - 
IL  K., 
-  4750. 

E.  E, 
8000. 

K.  M., 


13  Jahre 
8800. 

7  Jahre  alt. 


Gly  kok  oll.  (1  gr.) 
alt.    E  r  y  t  h  e  m  a  n  o  d  o  s  u  m. 


1100  —  7400 

Ikterus  simpl.    5400  —  6350  —  5650 
13  Jahre  alt.    Nephritis.   7900  —  7600  —  720O  — 


6900 


6  Jahre  alt.    Arthritis    deform  ans.    7000  — 


E.  P 

—  4500. 

H.  S 

E.  L, 
5700. 

w.  u. 

—  8000. 


7060    -  0500. 
13  Jahre  alt 


Pepton.   (0,5  gr.) 
A  s  t  -h  m  a  b  r  0  n  c  h  . 


5250  —  3760  —  3600 


10  Jahre  alt.  S  t  omat  iti  s. 


13 


Jahre 
Jahre  alt 


6300  _  6460 

Butter.    (30  gr.) 
alt.    Nephritis.  6000 


6000  - 


5700 


4700 


I  k  t  e  r  u  s  s  i  m  p  L  8050 


7950 


6300 


Z  u  c  k  e  r. 
L.  M.,  13  Jahre  alt.  Lues. 


(15  gr.) 
8100  -  8350 


6850  -  3500. 


*)  Diese  Untersuchungℱ  haben  keine  eindeutigem  Ergebnisse 
ergeben.  ° 


Aus  unseren  Untersuchungen  ergibt  sich,  daß  auch  bei 
diesen  Ă€lteren  Kindein  auf  Zufuhr  von  Eiweiß,  Fett  odet 
Zucker   die  Leukopenie    mit   einer   fast    konstanten  Regel 
mĂ€ĂŸigkeil  auftritt.  D  i  <‱  V  e  r  d  a  u  u  n  g  s  I  e  u  kopenic  ist 
a  1  s  o  n  i  c  h  l  n  u  r  f  ĂŒ  r  das  S  Ă€  u  g  1  i  n  g  s  a  1  t  e  r  ,  son- 
d  e  r  n  f  ĂŒ  r  das  K  i  n  d  e  s  a  1 1  e  r  ĂŒ  b  e  r  h  a  u  p  t  als  das 
physiologische  zu  betrachten.  —  Nur  in  einem 
Punkte  stimmen   diese  Erfahrungen    mit   denen    an  SĂ€ug- 
lingen  gewonnenen   nicht   vollstĂ€ndig    ĂŒberein.  WĂ€hrend 
SĂ€uglinge   auf  perorale  Zufuhr  von  AminosĂ€uren  (geprĂŒft 
wurden  Glykokoll  und  Alanin)  fast  ausnahmslos  mit  einer 
vorĂŒbergehenden  Leukozytose  reagieren,  haben  wir  diese  Er- 
scheinung bei  grĂ¶ĂŸeren  Kindern  mehrfach  vermißt.   Es  gibt 
FÀlle,  die  auf  Zufuhr  vön  AminosÀuren  mit  einer  Leuko- 
zytose reagieren,  dann  auch  solche,  bei  welchen  die  Leuko- 
zytenkurve (iuf  Verabreichung  von   Glykokoll)   in  keiner 
Weise  beeinflußt  wird.    Wie  bekannt,  hat  Widal  fĂŒr  die 
Verdauungsleukopenie  —  von  ihm  haemoklasische  Krise  ge- 
nannt —  eine  gestörte  proteopexische  Funktion  der  Leber 
verantwortlich  gemacht.   Diese  Hypothese  wurde  von  uns  ab- 
gelehnt; ist  es  ja  kaum  anzunehmen,  daß  die  Leber  wĂ€hrend 
des    ganzen  Kindesalters    abnorm    funktionieren    soll.  Zu 
einem  ablehnenden  Standpunkt  mußten  wir  aber  auch  aus 
dem  Grunde  kommen,   weil  wir   in   der  Leukozytenkurve 
keine  linterschiede  beobachten  konnten,  gleichgĂŒltig,  ob  der 
Versuch  an  lebergesunden  oder  leberkranken  Kindern  ange- 
stellt wurde.    Ja,  wir  haben  z.  B.  bei  einem  Kinde  mit  Ik- 
terus infolge  kong.  Verschlusses  der  großen  Gallenwege  und 
hochgradiger  Leberzirrhose  eine  vorĂŒbergehende  Vermehrung 
der  Leukozytenzahl  beobachtet.    Es  ist  wohl   kaum  anzu- 
nehmen,  daß  die  Leber  gerade   bei  diesem  Kinde  jdchtig 
funktioniert  hat.    Daß  die  Verdauungsleukopenie,  der  po- 
sitive  Leukowidal,   ein   anaphylaktisches    Aequivalent  ist, 
scheint  uns  ebenfalls  recht  unwahrscheinlich  zu  sein.  Die 
Tatsache,  daß  beim  Kinde  die  Leukopenie  nicht  nur  nach 
Eiweiß,  sondern  auch  nach  Zufuhr  von  Fett  und  Zucker 
auftritt,  schließt  nach  dem  jetzigen  Stande  der  Anaphylaxie- 
forschung  eine  solche  Analogisierung  aus.    Es  sei  in  diesem 
Zusammenhange  nur  daran  erinnert,  daß  bei  der  sogenannten 
„Fleischintoxikation"  der  Eckfistel -Hunde  im  Blutbilde  keine 
VerĂ€nderungen  nachzuweisen  sind.    „Vor  allem  fehlt  jede 
Aenderung  im  prozentischen  MischungsverhÀltnis  der  Leuko- 
zyten.    Es    besteht    kein    Leukozytensturz,   keine  relative 
Lymphozytose,  was  wir  wegen  der  geĂ€ußerten  Ansicht,  daß 
die   Fleischintoxikation  eine   anaphylaktische  Erscheinung 
wĂ€re,  besonders  genau  prĂŒften."    (Fisch  ler,  Physiologie 
und  Pathologie  der  Leber.    S.  127.    Verl.  Springer.)  Wir 
mĂŒssen  uns  also  fragen,  auf  welchem  Wege  denn  die  Ver- 
dauungsleukopenie  entsteht.    Eigene  Untersuchungen,  wie 
auch   die  exakt   durchgefĂŒhrten  Tierversuche  von  Gold- 
scheider   und  Jako  b ,  ferner   die   von  Schwenke- 
b  e  c  h  e  r  und  Siegel  haben  uns  dazu  veranlaßt,  die  Ver- 
dauungsleukopenie als  eine  Verteilungsleukopenie,  die  Leuko- 
zytose hingegen  als  eine.  Reizerscheinung  seitens  des  Leuko- 
poetischen  Apparates  anzusehen.   Daß  es  sich  bei  der  hĂ€mo- 
klasischen  Krise  um  eine  Verteilungsleukopenie  handelt,  hat 
in  der  Diskussion  zu  dem  Vortrage  S  c  h  i  f  f  '  s  auch  Schil- 
ling vertreten.    In  diesem  Sinne  haben  sich  unlÀngst  auch 
Wor  m  s  und  Schreiber  ausgesprochen. 

Seit  unserer  ersten  Mitteilung  sind  eine  ganze  Anzahl 
von  Arbeiten  ĂŒber  diesen  Gegenstand  erschienen.  Man  ver- 
suchte die  Verdauungsleukopenie  bezw.  Leukozytose  auf  den 
verschiedensten  Wegen  zu  erklÀren.  An  Hypothesen  fehlt 
es  nicht.  Wir  wollen  auf  diese  nicht  eingehen.  Nur  exakte 
Versuche  können  ĂŒber  diese  Frage  entscheiden.  Solange  die 
Arbeiten  von  G  o  1  d  s  c  h  e  i  d  e  r  und  Jakob,  ferner  die 
von  S  c  h  w  e  n  k  e  b  e  c  h  e  r  und  Siegel  nicht  durch  neuere 
experimentelle  Untersuchungen  ĂŒberholt  sind,  sehen  wir  uns 
nicht  veranlaßt,  diese  Forschungsergebnisse  zu  vernach- 
lÀssigen und  uns  in  hypothetische  Spekulationen  zu  verlieren. 


546 


Weiß:  Latenz  der  Tuberkulose 


40.  Jahrg.  ^-  Nr.  35/36. 


Glaser,  der  unsere  Beobachtungen  an  Kindern  be- 
st;! t  igt  hat,  vertritt  die  Auffassung,  daß  die  physiologische 
Verdauungsleukopenie  des  Kindes  auf  die  in  diesem  Alter 
bestehende  physiologische  Vagotonie  zurĂŒckzufĂŒhren  ist. 

Trotz  der  recht  interessanten  Versuchsergebnisse  dieses 
Autors,  möchten  wir  den  Begriff  der  Vagotonie  nur  mit  einer 
großen  Vorsicht  verwenden.  Das  letzte  Wort  ĂŒber  diese 
Fragen  dĂŒrfte  wohl  kaum  noch  gesprochen  sein.  Die  Be- 
hauptung Glasers,  daß  die  Leukozytose,  die  wir  nach 
Zufuhr  von  AminosÀuren  beobachtet  haben,  auf  die  sympa- 
thomimetische  Wirkung  dieser  Körper  beruht,  erscheint  uns 
recht  unwahrscheinlich.  Glaser  beruft  sich  auf  die  Fest- 
stellung von  B  e  r  g  e  r  und  D  a  1  e  ,  daß  die  primĂ€ren  und  se- 
kundÀren aliphatischen  Amine  sympathomimetische  Sub- 
stanzen sind.  Das  ist  allerdings  richtig.  AminosÀuren  und 
Amine  sind  aber  verschiedene  Körper  und  die  sympatho- 
mimetische Wirkung  von  AminosÀuren  ist  uns  bisher  nicht 
bekannt  gewesen.  Es  ist  bisher  noch  nicht  entschieden,  ob 
die  AminosĂ€uren  ĂŒberhaupt  als  solche  diese  Wirkung  ent- 
falten. Es  ist  a  priori  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  daß 
vielleicht  erst  gewisse  Abbauprodukte  dieser  Körper  den  An- 
laß zum  Auftreten  der  Leukozytose  geben.  Diese  Frage 
könnte  durch  den  assymmetrischen  Abbau  i  sommerer  Amino- 
sÀuren im  kindlichen  Organismus  entschieden  werden.  So- 
bald uns  solche  Körper  zur  VerfĂŒgung  stehen  werden,  wollen 
wir  diese  Versuche  ausfĂŒhren. 

Die  VerÀnderungen,  die  in  der  zelligen  Zusammen- 
setzung des  Blutes  nach  erfolgter  Nahrungsaufnahme  auf- 
treten, hat  Widal  in  einer  spÀteren  Arbeit  auf  eine  Störung 
im  physikalisch-chemischen  Gleichgewichte  der  Blutkolloide 
zurĂŒckgefĂŒhrt.  (Kolloidiklasie.)  Von  dieser  Anschauung 
ausgehend  hat  J.  Bauer  Untersuchungen  in  dieser  Richtung 
angestellt  und  fand  bei  der  haemoklasischen  Krise  charak- 
teristische VerÀnderungen  in  der  Goldsolreaktion.  Das  Blut- 
serum zeigt  ein  herabgesetztes  FĂ€llungsvermögen  fĂŒr  die 
Goldlösung.  Untersuchungen  ĂŒber  die  physikalisch-chemi- 
schen VerĂ€nderungen  in  der  BlutflĂŒssigkeit  nach  der  Nah- 
rungsaufnahme bei  leberkranken  und  lebergesunden  Kindern 
wurden  von  Frl.  Dr.  Eliasberg  ausgefĂŒhrt.  Sie  verfolgte 
die  Beeinflussung  .der  Sedimentierungsgeschwindigkeit  der 
roten  Blutkörperchen  durch  die  Nahrungsaufnahme.  Ein 
regelmĂ€ĂŸiges  Verhalten  konnte  Eliasberg  nicht  nachweisen. 
Sie  wird  ĂŒber  diese  Untersuchungen  selbst  berichten. 

Schließlich  wĂ€ren  noch  einige  Worte  ĂŒber  die  W  i  d  a  1 ' 
sehe  Leukozytenreaktion  als  Zeichen  gestörter  LebertÀtigkeit 
zu  sagen.  Wir  haben  uns  ĂŒber  die  diagnostische  Verwert- 
barkeit dieser  Methode  meritorisch  nie  ausgesprochen.  Der 
Kinderarzt  hat  viel  zu  selten  mit  Leberkranken  zu  tun,  um  in 
dieser  Frage  Stellung  nehmen  zu  können.  Wenn  man  aber 
die  recht  angewachsene  Literatur  ĂŒbersieht,  so  macht  man 
eine  recht  eigentĂŒmliche  Erfahrung.  Wir  sehen  Mitteilungen, 
in  denen  ĂŒber  Erfahrungen  berichtet  wird,  die  nur  an  we- 
nigen FĂ€llen  gewonnen  worden  sind.  In  anderen  Arbeiten 
sind  die  VerhĂ€ltnisse  schon  an  einer  grĂ¶ĂŸeren  Anzahl  von 
FĂŒllen  verfolgt,  in  der  ĂŒberwiegenden  Mehrzahl  sind  aber 
zu  den  Untersuchungen  Leberkranke  herangezogen  worden. 
Einem  Chemiker  wĂŒrde  es  nie  [einfallen,  sich  ĂŒber  den  Wert 
z.  B.  einer  analytischen  Methode  zu  Ă€ußern,  bevor  er  in  zahl- 
reichen Kontrolluntersuchungen  die  LeistungsfÀhigkeit  der 
Methodik  nachgeprĂŒft  hat.  Unlersiu diungen  an  einer  grö- 
ßeren Anzahl  von  lebergesnnden  Erwachsenen,  ĂŒber  das  Ver- 
halten der  Leukozytenkurve  nach  der  Nahrungsaufnahme, 
stehen  aber  bis  zum  heutigen  Tage  noch  aus.  Immerhin 
gibt  es  auch  bei  einer  ganzen  Anzahl  von  sicheren  und 
schweren  Lebererkrankungen  der  Erwachsenen  reichlich 
Versager.  Und  wenn  ein  so  ausgezeichneter  Kenner  auf 
diesem  Gebiete  wie  Lepehne  in  seinem  Sammesreferate 
sich  kĂŒrzlich  dahin  ausgesprochen  hat,  daß  die  Widal'sche 
Prolx;  als  diagnostisch  eindeutige  FunktionsprĂŒfung  der 
Leber  nicht  angesehen  werden  kann,  so  glauben  wir,  daß  er 
mit  dieser  Ansicht  auch  Recht  behalten  wird. 


Aus  der  Chirurgischen  UniversitÀtsklinik  zu  Frankfurt  a.  M. 
(Direktor:  Prof.  Dr.  V.  S  c  h  m  i  e  d  e  n.) 

Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Latenz  der 
Tuberkulose  nach  erfolgter  kutaner  Infektion. 

Von  Hermann  Weiß.  » 

Welche  Forderungen  mĂŒssen  erfĂŒllt  sein,  um  beim  Auf- 
treten von  Tuberkulose  in  einer  Wunde  mit  Bestimmtheit  auf 
Impftuberkulose  schließen  zu  können? 

Über  den  gegenwĂ€rtigen  Stand  der  Frage  möchte  ich  zu- 
sammenfassend berichten. 

Der  Tuberkulosebazillus  kann  den  Organismus  auf  drei- 
erlei Weise  infizieren:  Inhalation,  FĂŒtterungs-  und  Impfmo- 
dus der  Infektion.  Die  hÀufigste  Art  der  Infektion  ist  bekannt- 
terweise  die  Inhalation  der  Bazillen.  Die  beiden  anderen  In- 
fektionswege kommen  weit  weniger  in  Betracht:  Die  Selten- 
heit einer  primĂ€ren  FĂŒtterungstuberkulose  ist  schon  durch  die 
große  dazu  erforderliche  Bazillenmenge  zu  erklĂ€ren.  S  e  1  - 
t  e  r  fand,  daß  man  zur  Erreichung  einer  FĂŒtterungsinfektion 
einem  Meerschwein  mindestens  3,5  mg  Bazillen  einverleiben 
mußte,  wĂ€hrend  schon  ein  Bazillus  einer  virulenten  Kultur 
(also  ca.  der  milliardste  Teil  des  oben  genanten  Infektionsmo- 
dus) genĂŒgte,  um  inhaliert  oder  intrakutan  bezw.  intravenös 
eingebracht,  ein  Tier  zu  infizieren. 

Die  zweite  der  selteneren  Infektionsarten,  die  Impftuber- 
kulose, findet  beim  Menschen  meist  durch  ein  Trauma  statt, 
das  eine  sichtbare  Verletzung  der  Haut  setzt.  Es  wurde  ver- 
schiedentlich auch  Tuberkuloseinfektion  beschrieben,  die 
durch  die  anscheinend  unverletzte  Haut  erfolgte.  Genauere 
Kenntnis  dieser  Infektionsart  ist  am  ehesten  im  Experiment 
möglich.  Courmont  und  L  e  s  i  e  u  r  fanden,  daß,  um  eine 
Infektion  durch  die  anscheinend  unverletzte  Haut  zu  erreichen, 
eine  stark  virulente  Kultur  notwendig  ist.  Die  Haut  verhÀlt 
sich  bei  erfolgreicher  Impfung  verschiedenartig.  Zum  Teil 
findet  man  bei  ihr  keine  Spur  der  erfolgten  Bazillenpassage, 
zum  Teil  wird  sie  eitrig  induriert.  In  anderen  FĂ€llen  bilden 
sich  lokale  Tuberkeln.  Bei  KĂ€lbern  und  Meerschweinchen 
wurden  die  nĂ€chsten  LymphdrĂŒsen,  auch  wenn  die  Haut  keine 
Erscheinungen  aufwies,  tuberkulös,  wÀhrend  sie  beim  Kanin- 
chen nicht  infiziert  wurden.  Die  Eingangspforten  der  Bazil- 
len durch  die  unverletzte  Haut  sind  die  Haarfollikel  sowie  die 
AusfĂŒhrungsgĂ€nge  der  HautdrĂŒsen. 

Wichtig  ist  in  jedem  Fall  beim  Zusammentreffen  von 
Trauma  mit  sichtbarer  Verletzung  der  Haut  und  Tuberkulose 
festzustellen,  ob  tatsÀchlich  auch  Impftuberkulose  vorliegt  oder 
ob  die  Wunde  auf  andere  Weise  infiziert  wurde.  Zu  scheiden 
von  Impftuberkulose  sind  solche  FĂ€lle,  bei  denen  in  einem  tu- 
berkulösen Organismus  die  Infektion  metastatisch  durch  auf 
dem  Blutweg  herbeigeschleppte  Bazillen  erfolgte. 

Impftuberkulose  ziehen  sich  meist  solche  Personen  zu,  die 
mit  infektiösem  Material  zu  tun  haben,  (Pflege-  und  Kranken- 
hauspersonal, Laboranten,  SchlÀchter).  HÀufig  erheben  diese 
alsbald  Anspruch  auf  EntschÀdigung.  Bei  dem  chronischen 
Verlauf  und  der  HartnÀckigkeit  der  Tuberkulose,  die  oft  radi- 
kale Operationen  notwendig  machen,  ist  es  naheliegend,  daß 
die  Versicherungsgesellschaften  vom  Gutachter  scharfes  Aus- 
einanderhalten von  Impftuberkulose  und  andersartig  erfolgter 
Infektion  verlangen 

Die  FĂ€lle  traumatischer  Impftuberkulose  sind  nun  weit- 
aus seltener,  als  es  den  Anschein  hat.  L  i  n  i  g  e  r  fand,  daß 
nur  5%  der  Ă€ußeren  Tuberkulose  traumatischen  Ursprungs 
waren.  Andere  geben  etwas  höhere  Zahlen  an  (bis  25^).  Die 
Frage  nach  dem  Zusammenhang  zwischen  Trauma  und  Tu- 
berkulose kann  noch  nicht  als  vollstÀndig  geklÀrt  bezeichnet 
werden. 

Welche  Bedingungen  mĂŒssen  erfĂŒllt  sein,  damit  einge- 
drungene Bazillen  eine  Infektion  erregen,  und  welcher  Art 

ist  diese? 

Wie  Lubarsch  in  seinen  pathologisch-anatomischen 
Untersuchungen  fand,  bedarf  es  hierzu  entweder  wiederholter 


10.  Jahrg.  —  Nr.  35/30. 


Weiß:  Latenz  der  Tuberkulose 


51 ; 


Infektionen  oder  einer  Infektion  mit  zahlreichen  virulenten 
|;  Bakterien.') 

Die  Infektion  von  Wunden  durch  die  Luft  ist  Ă€ußerst  sel- 
ten. Die  Herkunft  des  Infektionsmaterials  bei  Insektenstichen 
I  ist,  soweit  es  nicht  experimentell  ausgefĂŒhrt  wird,  schwer  zu 
bestimmen.  Diese  Infektionsart  gehört  nicht  zu  den  ganz  sel- 
tenen. So  beschreibt  A.  Cahn  folgenden  Fall:  Insekten- 
stich bei  einem  vierjÀhrigen  Knaben;  nach  Abheilung  der 
Papel  zeigt  sich  ein  tuberkulöses  GeschwĂŒr  mit  sekundĂ€rer 
Schwellung  der  zugehörigen  LymphdrĂŒsen.  Heilung  durch 
Operation.  Am  geeignetesten  zur  Impftuberkulose  sind  LĂ€sio- 
nen der  Haut  und  kleinere  Defekte.  GrĂ¶ĂŸere  Wunden  mit  stĂ€r- 
leren  Blutungen  bieten  durch  die  dadurch  erfolgte  Selbstdesin- 
fektion weniger  Gelegenheit  hierzu.  Von  Sinding  Lar- 
sen  wird  folgender  Fall  mitgeteilt:  Ein  Knabe  schnitt  sich  in 
den  Finger,  die  Wunde  zeigte  keine  Heilungstendenz,  zwei  Mo- 
nate spĂ€ter  schwollen  die  LymphdrĂŒsen  der  Achselhöhle  stark 
an  und  wurden  entfernt.  Sie  waren  tuberkulös.  Danach  tu- 
berkulöse Lymphangitis  mit  kleinen  Abszessen,  die  Fisteln  und 
Ulzera  zurĂŒckließen.  Nach  Heilung  traten  in  den  Narben  Lu- 
pusknoten  auf.  In  der  Fingernarbe  wurde  Tuberkulose  nach- 
gewiesen. Es  ist  dies  einer  der  wenigen  FĂ€lle,  bei  denen  sich 
mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  der  Zeitpunkt  der  Infektion  und 
derjenige  des  klinischen  Auftretens  von  Tuberkuloseerschei- 
nungen am  Orte  der  LĂ€sion  nachweisen  ließ. 

Nach  den  von  L  i  n  i  g  e  r  aufgestellten  Forderungen  zur 
Anerkennung  von  Impftuberkulose  muß  der  einwandfrei  fest- 
gestellte Unfall  von  direkten  Folgen  begleitet  sein.  Sehr  fĂŒr 
Tuberkulose  spricht  geringe  Heiltendenz  einer  Wunde.  In 
einiger  Zeit  (nach  L  i  n  i  g  e  r  nicht  spÀter  als  6  Monate)  ent- 
wickelt sich  dann  in  ihr  die  Tuberkulose. 

Scharf  von  diesen  FĂ€llen  traumatischer  Impftuberkulose 
sind  solche  von  Tuberkulose  nach  stumpfem  Trauma  zu  tren- 
nen. Die  dadurch  hervorgerufene  lokale  Tuberkulose  ent- 
steht direkt  durch  Aktivierung  eines  latenten,  schon  vorher  im 
Körper  befindlichen  Tuberkuloseherdes  am  Ort  des  Traumas 
oder  indirekt  durch  Aktivierung  eines  solchen  Herdes  an  ent- 
fernter Stelle;  die  Bazillen  gelangen  in  letzterem  Falle  auf 
dem  Blut-  oder  Lymphweg  nach  dem  durch  das  Trauma  ge- 
schaffenen locus  minoris  resistentiae.  Aeußerst  selten  werden 
durch  ein  stumpfes  Trauma  Bazillen  von  der  Haut  aus  in  die 
Tiefe  gepreßt. 

Das  fernere  Schicksal  eines  durch  Impftuberkulose  infi- 
zierten Körpers  hÀngt  von  verschiedenen  UmstÀnden  ab:  1. 
von  der  Menge  und  der  Virulenz  der  eingedrungenen  Erreger 
sowie  ihrer  AnpassungsfÀhigkeit  an  den  befallenen  Organis- 
mus, 2.  vom  Ort  der  Infektion  (ob  unter  UmstÀnden  eine  ra- 
dikale Operation  möglich  ist);  3.  von  der  Widerstandskraft 
des  befallenen  Organismus.  Im  gewöhnlichen  ist  eine  Allge- 
mein-Infektion  von  lokaler  Infektion  ausgehend  selten.  Eine 
individuelle  Disposition  wie  bei  dem  Inhalationsmodus  scheint 
zu  ihrem  Zustandekommen  nicht  zu  gehören. 

Aus  alledem  ist  ersichtlich,  daß  es  schwer  zu  entscheiden 
ist,  ob  ein  reiner  Fall  von  Impftuberkulose  vorliegt,  zumal  es 
meist  unmöglich  ist,  alle  dazu  nötigen  Faktoren  zu  erheben. 
Zu  diesen  Tuberkulosen  zweifelhafter  Herkunft  gehört  folgen- 
der Fall,  der  an  der  Abteilung  fĂŒr  chirurgische  Tuberkulose 
der  hiesigen  Klinik  zur  Beobachtung  gelangte.2)  Hier  konnte 
der  Zeitpunkt  der  Infektion  und  derjenige  des  Auftretens  tuber- 
kulöser klinischer  Erscheinungen  unter  den  Augen  des  Arztes 
(Dr.  Flesch-Thebesius)  beobachtet  werden. 

Emma  B.  73  Jahre. 

Patientin  stammt  aus  gesunder  Familie.  1911  doppelsei- 
tige LungenentzĂŒndung,  damals  anschließend  2  Jahre  Hals- 
drĂŒseneiterung. 


')  E.  Levy  hat  in  seinen  Versuchen  eine  Kultur  benutzt,  von  der 
1  400  000  mg  genĂŒgten,  um  nach  Rasieren  der  Haut  eine  Impftuber- 
kulose  hervorzurufen. 

-)  Rein  kasuistisch  wurde  der  Fall  bereits  in  einer  Arbeit  von 
Liniger  und  Flesch-Thebesius  in  der  Zeitschrift  fĂŒr  UnfĂ€ll- 
kunde und  OrthopÀdie  mitgeteilt. 


Seit  Januar  1<)20  Schmerzen  und  Schwellung  des  linken 
Knies.  Vom  Hausarzt  mit  StÀrke-  und  GipsverbÀnden,  Licht- 
bÀdern und  Punktionen  behandelt. 

Anfang  Mai  1921  kleine  Inzision,  anschließend  Stauung, 
Freiluft,  Sonnen-  und  Quarzlampenbestrahlung.  Einweisung 
auf  die  hiesige  Tuberkuloseabteilung. 
Befund  19.  Mai  1921. 

Alte  Frau,  hochgradige  spindelförmige  Auftreibung  des 
linken  Knies;  starker  Erguß,  geringe  BewegungsfĂ€higkeit, 
Dicht  unterhalb  der  Kniescheibe  eine  1  cm  breite  quere  Opera 
tionswunde,  aus  der  sich  auf  Druck  auf  die  Kniescheibe  dĂŒnn- 
flĂŒssiger, bröckliger  Eiter  entleert. 

Röntgenbild  zeigt  mehrere  Herde  an  der  Kniescheibe  und 
im  Tibiakopf. 

Lungenbefund:  (Prof.  A  1  w  e  n  s)  DĂ€mpfung  rechts  hin- 
ten oben,  bis  unterhalb  der  Skapula,  auch  unterhalb  hiervon 
Schall  etwas  schwĂ€cher  als  links.  Besonders  am  rechten  I  Ö- 
lus  vereinzelte  kleinblasige  GerÀusche  und  verschÀrftes  I  \- 
spirium.  Rechts  Zwerchfell  vorne  und  hinten  weniger  ver- 
schieblich als  links.  Herz  nach  rechts  verzogen.  Beurteilung: 
Pleura-Schwarte  rechts. 

Patientin  hat  nur  ganz  wenig  Auswurf.  Mehrfache  Un- 
tersuchungen ergaben  niemals  das  Vorhandensein  von  Tuber- 
kelbazillen im  Sputum. 

Mit  RĂŒcksicht  auf  das  hohe  Alter  wurde  am  2.  Juni  1921 
die  Resektion  des  linken  Kniegelenkes  ausgefĂŒhrt  und,  als  trotz- 
dem die  Fistelung  weiterbestand,  am  29.  Juli  1921  die  Ampu- 
tation angeschlossen. 

Die  Patentin  erholte  sich  sichtlich.  WĂ€hrend  zuvor  die 
Urochromogenreaktion  dauernd  positiv  gewesen  war,  wurde 
sie  in  der  Folgezeit  bei  14tÀgiger  Untersuchung  dauernd  nega- 
tiv. Patientin  nahm  an  Gewicht  zu.  (Gewicht  betrug  am  15. 
August  1921  34  kg,  am  12.  Januar  1922  41  kg.) 

WĂ€hrend  der  Rekonvaleszenz  ereignete  sich  folgender 
Zwischenfall.  Am  30.  November  1921  erlitt  Patientin  beim 
Einsteigen  in  die  Badewanne  dadurch  einen  Unfall,  daß  sie 
infolge  ihrer  Ungeschicklichkeit  durch  das  Fehlen  des  linken 
Beines  ausrutschte  und  sich  an  der  Streckseite  des  Grundge- 
lenkes des  linken  Daumens  eine  1  cm  große  SchĂŒrfwunde  zu- 
zog. Sie  machte  davon  bereits  den  nÀchsten  Tag  dem  Abtei- 
lungsarzt Mitteilung.  Es  ließ  sich  weiter  nichts  feststellen  als 
eine  kleine  AbschĂŒrfung  an  der  bezeichneten  Stelle,  welche  ge- 
jodet und  mit  einem  trockenen  Schutzverband  versehen  wurde. 
Der  Abteilungsarzt  war  dann  8  Tage  verreist  und  fand  bei  sei- 
ner RĂŒckkehr  am  9.  Oktober  1921  die  Verletzungsstelle  von 
einem  roten  empfindlichen  Hof  von  2  cm  Durchmesser  umge- 
ben und  druckempfindlich.  In  der  Annahme,  daß  sich  die 
Hautwunde  infiziert  habe,  wurden  feuchte  VerbÀnde  gemacht. 
Die  EntzĂŒndung  blieb  jedoch  dauernd  bestehen  und  da  sich 
an  dec  Stelle  der  ursprĂŒnglichen  HautabschĂŒrfung  in  ihrer 
Mitte  ein  linsengroßes  GeschwĂŒr  entwickelte,  erweckte  sie  be- 
reits am  20.  Oktober  1921  klinisch  durchaus  den  Eindruck 
eines  tuberkulösen  GeschwĂŒrs.  Am  29.  Oktober  1921  wurde 
die  Exzision  dieses  GeschwĂŒres  vorgenommen.  Professor 
Klose,  der  die  Untersuchung  der  exzidierten  Partie  vor- 
nahm, stellte,  ohne  etwas  ĂŒber  den  nĂ€heren  Sachverhalt  zu 
wissen,  sofort  eine  Diagnose:  Eindeutig  verkÀsende  Tuberku- 
lose. Unter  Röntgenbestrahlung,  SalbenverbÀnden  ist  die 
Wunde  dann  langsam  abgeheilt. 

Zusammenfassung. 
Eine  Patientin,  bei  welcher  vor  2  Monaten  der  linke  Ober- 
schenkel wegen  Tuberkulose  des  Kniegelenkes  amputiert  wer- 
den mußte,  und  welche  an  einer  Lungentuberkulose  leidet,'  bei 
der  aber  bei  hÀufig  vorgenommener  Untersuchung  niemals 
Tuberkelbazillen  im  Sputum  nachgewiesen  werden  konnten, 
befindet  sich  offensichtlich  auf  dem  Weg  der  Besserung.  (Ne- 
gativer Ausfall  der  Urochromogenreaktion,  Gewichtszu- 
nahme.) Durch  Anstreifung  an  der  Wand  zieht  sie  sich  eine 
oberflĂ€chliche  HautabschĂŒrfung  am  linken  Daumen  zu.  Drei 
Wochen  spÀter  macht  die  Wunde  den  Eindruck  eines  tuberku- 
lösen GeschwĂŒrs;  die  Diagnose  wird  durch  Probeexzision 
bestÀtigt. 


548 


fteuli:  Prognose  der  SĂ€uglingstuberkulose 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Es  ist  wohl  möglich,  daß  die  SchĂŒrfwunde  der  Patientin 
in  einem  Raum  der  Tuberkuloseabteilung  primÀr  infiziert 
wurde.  Doch  scheint  dies  an  sich  wenig  wahrscheinlich.  Wei- 
terhin kommt  eine  Infektion  durch  Aussaugen  der  Wunde  in 
Frage,  indem  hierbei  durch  bazillenhaltiges  Sputum  die  Bazil- 
len Engang  gefunden  haben  können.  Da  aber  niemals  bei  der 
Patientin  Tuberkelbazillen  im  Sputum  nachgewiesen  werden 
konnten  und  die  Patientin  bestritt,  die  Wunde,  die  sofort  mit 
einem  Verband  versehen  wurde,  jemals  an  ihre  Lippen  ge- 
bracht zu  haben,  spricht  auch  fĂŒr  diese  Annahme  wenig 
Wahrscheinlichkeit.  Endlich  muß  man  an  eine  Infektion  des 
primÀr  gesetzten  Gewebedefektes  auf  hÀmatogenem  Wege  den- 
ken. Die  Untersuchungen  Liebermeisters  an  Tuberku- 
losen aller  Art  haben  uns  gelehrt,  wie  hÀufig  bei  genauester 
Untersuchung  Tuberkelbazillen  im  Blut  nachgewiesen  werden 
können.  Nach  allem  scheint  uns  deswegen  dieser  Weg  der 
Infektion  in  vorliegendem  Falle,  wenn  auch  nicht  erwiesen, 
doch  als  der  wahrscheinlichste. 

Veranlassung  fĂŒr  die  Mitteilung  dieses 
Falles  war  weniger  die  Frage  nach  dem  Zu- 
standekommen .der  Infektion,  .als  .vielmehr 
die  Tatsache,  daß  hier  unter  den  Augen  des 
Arztes  ein  Ă€ußerer  Gewebsdefekt  entstan- 
den war  und  in  einer  genau  festzustellenden 
Zeitspanne  die  Entwicklung  der  Tuberku- 
loseinfektion bis  zur  EntstehungdesGe- 
schwĂŒrs  beobachtet  werden  konnte.  Soweit 
mir  bekannt,  sind  derartige  Beobachtungen  in  der  Literatur 
nur  in  geringer  Anzahl  niedergelegt  worden;  und  doch  mĂŒs- 
sen sie  registriert  werden,  weil  sie  geeignet  sind,  uns  in  der 
noch  nicht  geklÀrten  Frage  des  Zusammenhangs  zwischen 
Trauma  und  Tuberkulose  einen  Schritt  vorwĂ€rts  zu  fĂŒhren. 

Literatur: 

A.  C  a  h  n,  Naturwissenschaft!  Verein  Straßburg. 

Courmont    und    Lasieur,    Tuberkulose-Kongreß,  Washington 

E.  L  e  v  y,  Naturwissenschaftl.  Verein  Straßburg. 
Liniger,  Ärztl.  SachverstĂ€nd.-Zeitung,  1914/17. 
Lubarsch,  Zeitschrift  fĂŒr  Ă€rztl.  Fortbildung,  1918. 
Sinding-Larsen,  Norsk  Magazin  for  Laegevidenskoben,  1908. 


Aus  der  2.  Kinderabteilung  der  Wiener  Allg.  Poliklinik. 

Kasuistischer  Beitrag  zur  Prognose  der 
SĂ€uglingstuberkulose. 

Von  A.  Reuß. 

Vor  kurzem  berichtete  Oßwald1)  ĂŒber  Beobachtungen 
aus  der  Leipziger  Kinderklinik,  aus  denen  hervorgeht,  daß 
die  gefĂŒrchtete  FrĂŒhinfektion  mit  Tuberkulose  durchaus 
nicht  die  schlechte  Prognose  gibt,  die  man  ihr  gewöhnlich 
beimißt,  und  daß  insbesondere  die  erst  im  2.  Lebenshalbjahr 
infizierten  SĂ€uglinge  zu  einem  großen  Teil  mit  dem  Leben 
davonkommen. 

Auch  ich  habe  eine  Reihe  von  SĂ€uglingsinfektionen  ge 
sehen,  welche  entweder  ganz  latent  blieben  und  nur  durch 
die  positive  Tuberkulinreaktion  aufgedeckt  wurden,  oder 
nach  Bestehen  aktiver  Erscheinungen  in  ein  inaktives  Sta- 
dium ĂŒbergingen. 

Trotzdem  besteht  die  Tatsache  zu  Recht,  daß  die  Prognose 
der  Tuberkulose  beim  Kinde  bezĂŒglich  Heilung  oder  Ueber- 
gang  zur  InaktivitĂ€t  umso  ungĂŒnstiger  ist,  je  frĂŒher  die  In- 
fektion erfolgt.  Von  30  Kindern  des  Oßwald'  sehen  Ma- 
terials, welche  im  ersten  Lehenshalbjahr  infiziert  worden 
waren,  blieben  nur  zwei  am  Leben. 

Der  folgende  Fall  erscheint  mir  deshalb  mitteilenswert: 

Franz  K.,  am  27.  Juni  1919  geboren,  wurde  am  19.  September 
zum  ersten  Male  in  meine  Ambulanz  gebracht.  Gesundes  Brust- 
kind, 4890  g  schwer.  Am  2.  Janmur  1920  wurde  das  5  Monate 
alte  Kind  wieder  vorgestellt.  Die  Mutter  gab  an,  daß  es  seit  etwa 
5  Wochen  eigentĂŒmlich  keuchend  atme,  und  daß  diese  Atem- 
beschwerden in  allerletzter  Zeit  erheblich  zugenommen  hÀtten. 
Das  im  allgemeinen   gut  aussehende,  ĂŒber  7  kg  schwere  Kind, 

Mohatschr.  f.  Kinderheilk.  23.   1922.  S.  105. 


zeigte  in  klassischer  Form  das  Symptom  des  exspiratorischen 
Keuchens.  Pirquet  positiv.  Am  Stamm  vereinzelte  wie  Tuberku- 
lide aussehende  zenlralgedellte  Knötchen.  Hinten  oben  beiderseits 
verkĂŒrzter  Schall  und  scharfes  AtemgerĂ€usch,  besonders  rechts. 
Dieser  physikalische  Befund  deckte  sich  mit  dem  von  Dozent 
Bach  an  der  Kinderklinik  erhobenen  Röntgenbefund:  „Schatten 
rechts  oben  und  am  rechten  Hilus  wie  bei  DrĂŒsensch  welluni>  ". 

Die  Nachforschungen  nach  der  Infektionsquelle  ergaben,  dal 
es  sich  um  eine  extrafamiĂŸĂ€re  Infektion  handelte.  Im  Herbst 
1919  war  das  Kind  von  einem  MĂ€dchen  gepflegt  worden,  welches 
sich  spÀter  als  lungenkrank  erwies. 

Die  Erscheinungen  der  manifesten  BronchialdrĂŒsentuber- 
kulose  lueften  bis  Mitte  April  an.  Das  Kind  zeigte  anhaltend 
den  exspirationsstenotischen  Atmungslypus  mit  zeitweise  auf! 
tretenden  dyspnoischen  Attacken,  hustete  und  fieberte  öfters. 
Allgemeinbefinden  und  -aussehen  bald  besser,  bald  schlechter. 
Gewichtskurve  anfangs  ansteigend,  dann  wieder  abfallend,  s<g 
daß  das  Gewicht  am  ĂŒ.  4.  dasselbe  war  wie  am  2.  1.  Im  MĂ€rz  von 
das  AtemgerÀusch  rechts  oben  ausgesprochen  bronchial. 

Das  Kind  trank  wÀhrend  der  ganzen  Zeit  an  der  Brust  und 
wurde  von  der  sehr  sorgsamen  und  intelligenten  Mutter  tadellos, 
gepflegt.  Die  Behandlung  bestand,  von  symptomatischen  Se-| 
dalivmitteiln  abgesehen,  in  wochenlang  forlgesetzten  Bestrah- 
lungen mit  Quarzlicht.  Ob  die  nach  etwa  1  Monaten  eintretende 
Besserung  als  Folge  dieser  Therapie  zu  betrachten  ist,  wage  icH 
natĂŒrlich  nicht  zu  behaupten.  Tatsache  ist,  daß  etwa  vom  .Mai 
19'2()  an  ein  entschiedener  Umschwung  zum  Besseren  eintrat.  Die 
Symptome  der  BronchialdrĂŒsenerkrankung  schwanden,  das  Gel 
wicht  nahm  stetig  zu,  so  daß  das  Kind  mit  einem  Jahr  8750  0t 
wog. 

WĂ€hrend  der  folgenden  2  Jahre  entwickelte  sich  das  Kind 
trotz  mehrmaliger,  aber  durchweg  rasch  vorĂŒbergehender  kaj 
tarrhalischer  Erkrankungen  der  Atmungsogane  ungestört.  Im 
Oktober  1921  hatte  es  eine  leichte  Conjunctivitis  phlyctaenulosa. 
Das  nunmehr  3  Jahre  alte  Kind  wiegt  15  kg,  sieht  vorzĂŒglich  aus: 
und  darf  klinisch  als  gesund  bezeichnet  werden.  Röntgen-; 
ologLsch  ist  eine  VergrĂ¶ĂŸerung  der  rechtsseitigen  HilusdrĂŒsen 
noch  deutlich  naenweisbar. 

Wir  haben  also  einen  Fall  von  SĂ€uglingstuberkoluse  vor 
uns,  bei  welchem  der  Infeklionstermin  spÀtestens  auf  den  Be- 
ginn des  2.  Vierteljahres  zu  setzen  ist  und  die  klinischen  Er- 
scheinungen einer  BronchialdrĂŒsenerkrankung  bereits  im 
5.  Monat  bestanden.  Trotz  des  frĂŒhen  Iniektionstermins  trat 
nach  einigen  Monaten  —  was  die  klinischen  Erscheinungen 
betrifft  —  Heilung  ein.  Das  d.  z.  3  Jahre  alte  Kind  zeigt 
keinerlei  Zeichen  eines  aktiven  Prozesses.  Es  handelt  sich 
um  eine  extrafamiliÀre  Infektion  bei  einem  konstitutionell  be- 
sonders gĂŒnstig  veranlagten  Brustkind  aus  gesunder  Familie. 
Man  könnte  sich  versucht  fĂŒhlen,  den  gĂŒnstigen  Verlauf  der 
Tuberkulose  auf  die  gute  Konstitution  zu  beziehen,  wenn  man 
nicht  wĂŒĂŸte,  daß  letztere  gerade  auf  den  Verlauf  der  SĂ€ug- 
lingstuberkulose im  allgemeinen  keinen  ausschlaggebenden 
Einfluß  hat. 


Schulgesundheitspflege. 

Von  Dr.  Adolf  H.  Braun,  Stadtschularzt,  Aachen. 

Der  katastrophale  Ausgang  des  Krieges  und  der  politische 
Umsturz  haben  auch  abseits  liegende  Gebiete  in  GĂ€rung  und 
Unruhe  versetzt.  Die  schweren  Entbehrungen,  unter  denen 
unser  Volk  jahrelang  zu  leiden  hatte,  rÀumten  der  Wohlfahrts- 
und Gesundheitspflege  mit  einem  Male  eine'  wichtige  Stelle  in 
unserem  Gemeinschaftsleben  ein,  als  wir  erst  die  vorher  auf 
Löschen  des  Weltbrandes  gerichtete  Aufmerksamkeit  der  aus- 
gebrannten TrĂŒmmerstĂ€tte  und  den  AufrĂ€umungsarbeiten  zu- 
wenden konnten.  Diese  an  sich  schon  riesige  AufrÀumungs- 
arbeit wird  uns  noch  dadurch  erschwert,  daß  wir  sie  unter 
dem  hemmenden  Druck  einer  ungeheuren  Schuldenlast  ver- 
richten mĂŒssen,  und  daß  auf  der  BrandstĂ€tte  bald  hier  bald 
dort  immer  wieder  Flammen  emporschlagen  und  Explosionen 
stattfinden. 

Die  Schulgesundheitspflege,  welche  bei  uns  schon  lange 
vor  dem  Kriege  BĂŒrgerrecht  erworben  hatte,  sah  sich  durch 
die  Katastrophe  vor  gewaltige  neue  Aufgaben  gestellt;  liegt 
ihr  doch  die  Betreuung  eines  Volksteiles  ob,  der  besonders 
stark  unter  der  Blockade  gelitten  hat.   Es  ist  ihr  die  Aufgabe 


41).  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Braun:  Schulgesundheitspflege 


zugefallen,  nicht  nur  den  entstandenen  Schaden  abzuschÀtzen,! 
sondern  energisch  lindernd  und 'helfend  einzugreifen.  Hier-J 
zu  waren  die  bestehenden  Einrichtungen  vielfach  nicht  ausrei- 
chend, und  wir  sehen  daher  die  Nachkriegszeit  allenthalben 
an  der  Arbeit,  diesen  Zweig  der  GesundheitsfĂŒrsorge  fĂŒr  die 
von  ihm  leistenden  Aufgaben  instand  zu  setzen.  Da  die 
Schulgesundheitspflege  nur  ein  Teilgebiet  der  gesamten  Wohl- 
fahrts-  und  Gesundheitspflege  ist,  so  war  dazu  nicht  nur  eine 
Ausbesserung  und  Anpassung  des  schulÀrztlichen  Apparates 
nötig,  sondern  eine  Sammlung  der  gesamten  KrÀfte,  sowie 
Autorisation  derselben,  indem  man  die  Wohlfahrtspflege  aus 
einer  mehr  oder  minder  privaten  Angelegenheit  zu  einer  sol- 
chen des  Ganzen  erhob  und  dafĂŒr  Sorge  trug,  daß  nicht  nur 
das  eine  Rad  ins  Laufen  kam,  sondern  die  ganze  Maschine. 

Die  Schwierigkeit  der  Aufgabe  hat  den  kĂŒhnen  DraufgĂ€n- 
germut der  Anfangszeit  merklich  abgekĂŒhlt.  Wenn  aber  auch 
nicht  alles  so  schnell  und  in  den  Ausmaßen  zur  DurchfĂŒhrung 
gekommen  ist,  wie  es  manche  ertrÀumten,  so  wurde  doch  bis- 
her ein  gutes  StĂŒck  Arbeit  geleistet.  Das  ĂŒber  Deutschland 
gezogene  Netz  der  SĂ€uglings-  und  SchulfĂŒrsorge  ist  wesent- 
lich dichter  geworden  und  schon  vielfach  von  der  FĂŒrsorge 
fĂŒr  das  Kleinkinderalter  durchsponnen. 

Der  Kampf  zwischen  den  AnhÀngern  einer  Schulgesundheits- 
pflege im  Hauptamt  und  einer  solchen  im  Nebenamt  geht  noch 
unentwegt  weiter.  Mehrere  Ärztekammern  haben  sich  in  der 
letzten  Zeit  zu  dieser  Frage  geĂ€ußert  und  sich  gegen  eine  wei- 
tere Anstellung  hauptamtlicher  Ärzte  und  fĂŒr  eine  stĂ€rkere  Be- 
teiligung der  praktischen  Ärzte  an  der  FĂŒrsorgearbeit  ausge- 
sprochen. Auch  wir  halten  es  fĂŒr  unbillig,  die  Mitarbeit  eines 
beruflich  mit  der  Gesundheitspflege  aufs  innigste  verwachsenen 
Standes  durch  ausschließliche  Anstellung  von  hauptamtlichen 
Ärzten  fĂŒr  die  einzelnen  FĂŒrsorgesparten  zurĂŒckzuweisen,  wie 
das  in  einer  Reihe  von  StÀdten  geschehen  ist  oder  angestrebt 
wird.  GrĂ¶ĂŸere  StĂ€dte  werden  unter  den  heutigen  VerhĂ€ltnis- 
sen nicht  ohne  die  als  StĂŒtz-  und  VerstĂ€rkungspfeiler  dienenden 
hauptamtlichen  Ärzte  auskommen,  man  denke  nur  an  die  unbe- 
dingt notwendigen  Beratungsstunden,  an  die  ErholungsfĂŒr- 
sorge und  an  die  Attestierungen.  Sehr  wohl  lassen  sich  aber 
geeignete  Praktiker  heranziehen  und  so  die  Vorteile  eines 
hauptamtlichen  und  eines  nebenamtlichen  Systems  verbinden, 
ihre  Nachteile  ausgleichen. 

Die  Schulgesundheitspflege  steht  augenblicklich  im  Zei- 
chen der  Polypragmasie.  Po  eich  au  (Charlottenburg)  hat 
sich  im  „Ärztlichen  Vereinsblatt"  jĂŒngst  mit  v.  D  r  i  g  a  1  s  k  i, 
dem  Hauptvertreter  derselben,  auseinandergesetzt,  und  wir 
können  ihm  nur  zustimmen.  Wir  haben  in  unserer  bedrÀngten 
Lage  nur  Zeit  und  Kraft,  das  zu  tun,  was  wirklich  notwendig 
und  dringend  ist,  alle  Luxusleistungen  verstÀrken  die  Wirksam- 
keit der  schulÀrztlichen  TÀtigkeit  nicht,  sondern  schwÀchen  sie 
im  Gegenteil  ab.  Hierzu  gehören:  Urin-Massenuntersuchun- 
gen, Blutdruckmessungen  und  Pirquetisierungen.  Die  von 
G  a  s  t  p  a  r  bei  sÀmtlichen  Kindern  empfohlenen  Urinunter- 
suchungen sind  nutzlos.  Sie  beanspruchen  einen  großen,  kost- 
spieligen Apparat,  der  die  aufgewandte  MĂŒhe  nicht  lohnt.  Es 
ist  selbstverstĂ€ndlich,  daß  der  Schularzt  bei  jedem  verdĂ€chti- 
gen Kinde  eine  Untersuchung  des  Urins  vornehmen  wird, 
aber  schon  eine  einfache  Überlegung  macht  einem  klar,  daß 
eine  bloße  Untersuchung  auf  Eiweiß  herzlich  wenig  Nutzen 
hat.  Eine  einmalige  Urinuntersuchung  besagt  gar  nichts,  und 
manche  Nierenkrankheiten,  wie  z.  B.  die  im  Kindesalter  hÀufi- 
gen Pyelitiden,  können  durch  eine  Untersuchung  auf  Eiweiß 
nicht  festgestellt  werden. 

Welche  Stellungnahme  man  zum  Tuberkulin  einnehmen 
soll,  weiß  man  nach  den  vielen  widersprechenden  Meinungen 
ĂŒberhaupt  nicht  mehr,  und  man  lĂ€ĂŸt  es  deshalb  als  Schularzt 
am  besten  außer  Betracht.  Die  Medizin  neigt  immer  zum  Ex- 
tremen, und  wie  wir  heute  ĂŒber  die  Appendizitiszeit- spotten, 
so  wird  in  absehbarer  Zeit  ĂŒber  unsere  Tage  gelacht  werden, 
denen  alles  Tuberkulose  ist.  Es  soll  keinem  verwehrt  werden, 
zu  glauben,  was  er  will,  aber  er  soll  dann  nicht  aufdringlich 
so  tun,  als  wenn  nur  der  im  Stande  der  medizinischen  Gnade 
sei,  der  demselben  Glauben  anhÀngt.  Pirquetisierungen  sind 
—  wie  P  o  e  1  c  h  a  u  ganz  richtig  sagt  —  fĂŒr  den  Schularzt 


ĂŒberflĂŒssig,  denn  sie  geben  ihm  recht  unsichere  Anhaltspunkte 
und  machen  ihn  bei  seiner  Klientel  nicht  beliebt.  Massen- 
Pirquetisierungen  dienen  nur  dazu,  den  Schularzt  von  Nötige- 
rem abzulenken  und  manches  Mutterherz  mit  unnötiger  Be- 
sorgnis zu  erfĂŒllen.  Es  genĂŒgt,  wenn  die  Menschheit  von 
Krankheiten  gequÀlt  wird,  man  soll  sie  nicht  noch  mit  medizi- 
nischen Theoremen  quÀlen. 

GĂ€nzlich  ĂŒberflĂŒssig  sind  in  der  schulĂ€rztlichen  Praxis 
Blutdruckuntersuchungen.  Mit  derselben  Berechtigung  kann 
man  dann  auch  zu  Blut-,  Serum-  und  Stuhluntersuchungen 
schreiten.  Letztere  wĂŒrden  wegen  der  hĂ€ufigen  NX/urmkrank- 
heiten  entschieden  noch  am  nĂŒtzlichsten  sein.  Aber  wo  soll 
das  schließlich  hinfĂŒhren?  In  solchen  Forderungen  spricht 
sich  eine  Verkennung  der  schulÀrztlichen  Aufgaben  aus.  Der 
Schularzt  hat  das  Kind  nicht  unter  dem  einseitigen  Gesichts- 
winkel der  Krankheit  zu  betrachten,  sondern  es  von  verschie- 
denen Gesichtspunkten  aus  zu  werten;  als  normaler  oder 
anormaler,  als  gesunder  oder  kranker  Mensch,  als  Schulkind 
und  in  seinen  sozialen  ZusammenhÀngen.  Aus  dieser  vielseitigen 
Betrachtung  ergibt  sich  ihm  das  Bild  seiner  LeistungsfÀhig- 
keit, seiner  Eignungen  und  Nichteignungen,  sowie  gegebenen- 
falls die  Notwendigkeit,  in  zweckdienlicher  Weise  einzugrei- 
fen. Da  ihm  FĂŒrsorge,  nicht  Ă€rztliche  Behandlung  obliegt, 
so  ist  eine  genaue,  mit  Aufwendung  des  gesamten  diagnosti- 
schen Apparates  zu  erzielende  Krankheitsfeststellung  nicht 
seine  Sache.  Sie  ist  Hauptaufgabe  des  Praktikers,  nicht  des 
Sozialarztes. 

Was  den  schulÀrztlichen  Dienst  im  Einzelnen  angeht,  so 
soll  nur  auf  Weniges  hingewiesen  werden.  Eine  genaue  Buch- 
fĂŒhrung empfehlt  sich  aus  vielerlei  GrĂŒnden.  Der  Gesund- 
heitsschein ist  nur  dort  brauchbar,  wo  ausschließlich  in  den 
Schulen  untersucht  wird.  Finden  noch  an  anderer  Stelle  Un- 
tersuchungen statt  (z.  B.  in  Beratungsstunden),  so  ist  es  meist 
unmöglich,  ihn  auf  dem  Laufenden  zu  halten.  Dann  verwen- 
det man  besser  eine  Kartothek,  die  nach  allen  möglichen  Ge- 
sichtspunkten geordnet,  mit  Nebenkartotheken  ausgestattet 
und  vom  Schularzt  selbst  in  Ordnung  gehalten  werden  kann. 
Befunde,  welche  die  Schule  besonders  interessieren,  können 
vom  Lehrer  im  Klassenbuch  (bezw.  in  der  VersÀumnisliste)  in 
einer  besonderen  Spalte  gebucht  werden.  Ich  benutze  seit 
mehr  als  zwei  Jahren  ein  denkbar  einfach  ausgestattetes  Karto- 
thekkÀrtchen,  das  sich  ausgezeichnet  bewÀhrt  hat  und  vermöge 
dessen  ich  mich  sofort  ĂŒber  jedes  Kind  orientieren  kann. 
Neben  der  „Stammkartothek"  werden  noch  eine  Reihe  von 
Nebenkartotheken  gefĂŒhrt  (z.  B.  der  erholungsbedĂŒrftigen,  der 
tuberkulösen  usw.  Kinder).  Ohne  solche  Nebenkartotheken  ist 
keine  Ordnung  zu  halten.  Es  soll  nicht  verschwiegen  werden, 
daß  die  FĂŒhrung  einer  solchen  Kartothek  vom  Personal  sehr 
viel  Aufmerksamkeit  und  Genauigkeit  verlangt.  So  bequem 
eine  alphabetische  Ordnung  sÀmtlicher  Kinder  in  der  Kartothek 
ist,  so  lĂ€ĂŸt  sich  eine  solche  nicht  durchfĂŒhren,  da  sie  die  Arbeit 
des  BĂŒropersonals  an  der  Kartothek  ungemein  erschwert.  Die 
Kartothek  muß  vielmehr  nach  Schulen  geordnet  werden,  was 
natĂŒrlich  voraussetzt,  daß  der  Schularzt  von  allen  Umschulun- 
gen, Zu-  und  WegzĂŒgen  Kenntnis  erhĂ€lt. 

Es  macht  den  Eindruck,  als  wenn  die  Begriffssetzung 
und  Nomenklatur  der  modernen  Kinderheilkunde  von  der 
Schulgesundheitspflege  noch  vielfach  ignoriert  wurde.  So 
spukt  die  Krankheitsbezeichnung  „Skrofulöse"  noch  immer  in 
den  schulĂ€rztlichen  Statistiken  herum.  Die  bekannten  BĂŒcher 
von  v.  D  r  i  g  a  1  s  k  i  und  S  e  1 1  e  r  kennen  nur  den  Begriff 
Skrofulöse.  Vor  bald  zwanzig  Jahren  hat  C  z  e  r  n  y  auf  die 
GrĂŒnde  hingewiesen,  die  es  untunlich  erscheinen  lassen,  dieses 
Wort  noch  lÀnger  zu  verwenden,  nachdem  auch  französische 
Ärzte  festgestellt  hatten,  daß  in  den  Symptomenkomplex  der 
alten  Skrofulöse  eine  Menge  von  Erscheinungen  fallen,  die  mit 
Tuberkulose  garnichts  oder  doch  wenigstens  nicht  nachgewie- 
sener Maßen  etwas  zu  tun  haben.  Wo  man  der  Überzeugung 
ist,  daß  eine  wirkliche  Tuberkulose  vorliegt,  da  verwende  man 
auch  ruhig  ihren  Namen  (Tuberkulose  der  DrĂŒsen,  Knochen 
usw.),  bei  den  mannigfachen  ĂŒbrigen  Symptomen  der  Haut, 
der  SchleimhÀute  und  lymphoiden  Organe  die  nichts  suppo- 
nierende  Bezeichnung  „Exsudative  Diathese". 


Kuhn:  Hyperemesis  Gravidarum 


10.  Jahrg.  —  Nr.  3f>  36. 


Was  die  GesundheitsverhÀltnisse  der  Schuljugend  an- 
sieht, so  haben  die  bessere  ErnÀhrung  der  letzten  Jahre  und  die 
guten  Verdienstmöglichkeiten  der  Arbeiterkreise  unstreitig  zu 
einer  Besserung  gefĂŒhrt.  Wo  kinderreiche  Familien  nur  vom 
Verdienste  des&  Familienhauptes  leben  mĂŒssen,  oder  wo  es 
sich  um  Kinder  aus  den  zermalmten  Mittelschichten  handelt, 
stehen  die  Kinder  hÀufig  unter  recht  traurigen  Lebensbedin- 
gungen. Die  Entlohnung  der  vom  Staate  abhÀngigen  Festbe- 
soldeten ist  nicht  nur  ein  Problem  des  Finanzministeriums, 
sondern  auch  der  Wohlfahrtspflege.  Es  grenzt  an  PharisÀer- 
tu  !\  wenn  man  die  sozialen  Tiraden  unserer  VolksfĂŒhrer  hört 
und' dabei  sieht,  wie  sie  ihren  Angestellten  eine  sorgsame  Auf- 
zucht ihres  Nachwuchses  durch  jahrelange  Unterbesoldung 
unmöglich  machen.  Es  ist  das  um  so  tragischer,  als  gerade 
diese  Schichten  ihrem  Nachwuchs  imrrer  die  beste  FĂŒrsorge 
haben  angedeihen  lassen.  Die  in  den  schlimmsten  Kriegsjah- 
ren geborenen  Kinder,  von  denen  erst  ein  Teil  eingeschult  ist, 
zeigen  durchweg  eine  unterwertige  Körperverfassung,  wenn 
auch  chronische  KrankheitszustÀnde  (wie  z.  B.  Rhachitis)  bei 
ihnen  nicht  so  hÀufig  festzustellen  sind,  als  bei  den  Àlteren  Jahr- 
gĂ€ngen, was  wohl  darauf  zurĂŒckzufĂŒhren  ist,  daß  solche 
durch  die  bessere  ErnÀhrung  der  Nachkriegszeit  in  der  Ent- 
wicklung oder  Weiterentwicklung  aufgehalten  wurden. 

Die  schlechten  Wohnungs-,  WĂ€sche-  und  Sauberkeitsver- 
hÀltnisse der  Kriegsjahre  haben  in  allen  Gesellschaftskreisen 
zu  einer  enormen  Ausbreitung  der  Wurmkrankheiten  gefĂŒhrt. 
Bei  einem  nicht  unerheblichen  Prozentsatz  der  Kinder  ist  das 
schlechte  Aussehen,  der  mĂ€ĂŸige  ErnĂ€hrungszustand  und  das 
stark  beeintrÀchtigte  Allgemeinbefinden  auf  Darmparasiten, 
vor  allem  auf  Oxyuren  und  Askariden  zurĂŒckzufĂŒhren.  Die 
oft  erhebliche  Störung  des  Stoffwechsels  und  die  starken  ner- 
vösen Reizerscheinungen  machen  nicht  nur  bei  Askariden, 
sondern  auch  bei  Oxyuren  Toxinwirkungen  sehr  wahrschein- 
lich. Ich  selbst  habe  den  Eindruck,  als  wenn  die  SchÀdigung 
durch  Oxyuren  eine  stĂ€rkere  sei  als  durch  SpulwĂŒrrrer,  und 
ich  kann  Ochsenius  (MĂŒnch,  mediz.  Wochenschr.  1921, 
25)  nicht  beipflichten,  der  die  Oxyuren  im  Gegensatz  zu  Aska- 
riden und  Taenien  fĂŒr  ungefĂ€hrlich  hĂ€lt  und  sich  bei  ihnen 
therapeutisch  lediglich  auf  VerhĂŒtung  weiterer  Infektionen  be- 
schrĂ€nkt. Die  Behandlung  stĂ¶ĂŸt  bei  dem  nicht  seltenen  Ver- 
sagen der  gebrÀuchlichen  Mittel  und  bei  der  hÀufigen  Gele- 
genheit zu  Reinfektionen  leider  auf  große  Schwierigkeiten. 
SelbstverstÀndlich  hat  es  keinen  Sinn,  heruntergekommene  Kin- 
der, bei  denen  WĂŒrmer  fesgestellt  sind  oder  mit  Bestitrmtheit 
vermutet  werden,  in  ErholungsfĂŒrsorge  zu  nehmen,  solange 
nicht  eine  erfolgreiche  Kur  gemacht  ist. 

Was  die  ErholungsfĂŒrsorge  angeht,  so  sind  fĂŒr  dieselbe 
in  den  letzten  Jahren  enorme  Summen  bereitgestellt  worden.  Es 
muß  bezweifelt  werden,  ob  der  Nutzen  auch  nur  einigermaßen 
den  aufgewandten  Mitteln  entsprochen  hat.  Sie  ist  vielfach 
nur  ein  Tropfen  auf  einen  heißen  Stein,  da  wir  unsere  FĂŒrsorge 
nicht  am  Fundament,  d.  h.  den  schlechten  WohnungsverhÀlt- 
nissen, ansetzen  können.  Es  nĂŒtzt  den  Kindern  leider  nur 
vorĂŒbergehend,  wenn  sie  auf  sechs  bis  acht  Wochen  in  Licht, 
Luft  und  hygienisch  einwandfreien  Lebensbedingungen  leben 
dĂŒrfen,  falls  sie  darnach  wieder  in  ihre  dumpfen  und  engen 
Mietskatakomben  zurĂŒck  mĂŒssen.  Aber  da  wird  sich  leider 
noch  auf  viele  Jahre  nichts  Àndern  lassen.  Mit  neuen  HÀusern 
allein  ist  es  auch  nicht  getan.  Wenn  man  sieht,  wie  die  in  den 
letzten  Jahren  gebauten  HĂ€userkolonien  schon  nach  kurzem 
Bestand  unterwohnt  und  mit  Ungeziefer  erfĂŒllt  sind,  dann 
empfindet  man  schmerzhaft,  wieviel  zivilisatorische  Arbeit 
noch  an  unserem  Volke  zu  leisten  ist.  Die  unsichere  Zukunft 
bietet  ihr  recht  wenig  Aussicht.  Es  gehört  mehr  als  die  valuta- 
bedingte und  vielleicht  nur  kurzfristige  ScheinprosperitÀt  der 
arbeitenden  Klassen,  es  gehören  viele  in  Wohlstand  und  Ruhe 
verbrachte  Jahre  dazu,  eine  natĂŒrliche  Selbstzivilisation  dieser 
Kreise  herbeizufĂŒhren. 

Es  ist  selbstverstĂ€ndlich,  daß  die  ErholungsfĂŒrsorge  in 
der  Hand  des  Arztes  liegen  muß  und  daß  bei  der  Auswahl  der 
Kindel'  lediglich  gesundheitliche,  vorbeugende  und  soziale  Ge- 


sichtspunkte maßgebend  sein  dĂŒrfen.  Unbedingt  muß  auch 
an  dem  Grundsatz  festgehalten  werden,  daß  sich  die  Eltern 
an  den  entstehenden  Kosten  zu  beteiligen  haben.  Eine  FĂŒr- 
sorge, die  auf  dieses  Prinzip  keinen  Wert  legt,  wirkt  demorali- 
sierend. Ich  weiß  nicht,  ob  allenthalben  gleiche  Erfahrungen 
gemacht  worden  sind:  es  macht  mir  den  Eindruck,  als  wenn 
unsere  ErholungsfĂŒrsorge  durch  die  großen  Ausmaße  der  letz- 
ten Jahre  verwÀssert  worden  sei.  Nur  das  schwer  Erreichbare 
hat  fĂŒr  den  Menschen  Wert,  und  leider  zeigen  viele  Eltern  eine 
zunehmende  Interesselosigkeit  fĂŒr  die  Möglichkeit,  ihren  Kin- 
dern eine  Erholung  zuteil  werden  zu  lassen.  Nur  eine  Ein- 
schrĂ€nkung der  ErholungsfĂŒrsorge  kann  ihr  in  weiteren  Krei- 
sen wieder  Wert  und  SchÀtzung  verleihen. 

Das  große  Hilfswerk  der  QuĂ€ker  geht  seinem  Ende  ent- 
gegen. Da  es  uns  ungeheure  MĂŒhen  und  Lasten  aufbĂŒrden 
wird,  dasselbe  auch  nur  in  bescheidenster  Form  weiter  zu 
fĂŒhren,  so  wĂ€re  eine  haushĂ€lterische  Verwendung  der  von  den 
QuÀkern  gelieferten  NahrungsschÀtze  am  Platze  gewesen.  Man 
hĂ€tte  die  Speisungen  auf  die  kĂŒhle  Jahreszeit  beschrĂ€nken  sol- 
len/in  welcher  der  Stoffverbrauch  ein  viel  höherer  als  im  Som- 
mer ist.  Dann  wĂŒrden  wir  die  Speisungen  noch  einige  Winter 
in  grĂ¶ĂŸerem  Umfang  haben  durchfĂŒhren  können.  Daß  sich 
die  QuĂ€ker  vernĂŒnftigen  ErwĂ€gungen  und  VorschlĂ€gen  ver- 
schlossen haben  wĂŒrden,  ist  kaum  anzunehmen. 


(Aus  der  Privatfrauenklinik  von  Dr.  A.,  Bremen.) 

Zur  Ursache  der  Hyperemesis  Gravidarum.  . 

Von  Dr.  Robert  Kuhn. 

Im  Jahre  1921  suchte  in  Nr.  27  und  12  des  GynÀkologi- 
schen Zentralblattes  Schwab  die  Ursache  des  unstillbaren 
Erbrechens  der  Schwangeren  durch  die  Freud  sehen  Lehren 
zu  erklĂ€ren.  In  eingehender  Weise  legte  er  dar,  daß  Wider- 
willen der  Frau  gegen  die  Schwangerschaft,  im  tiefsten  Grunde 
auf  Abneigung  gegen  den  Vater  des  Kindes  beruhend,  der 
Grund  fĂŒr  den  eigentĂŒmlichen  Vorgang  sei. 

In  Nr.  23  des  GynÀkologischen  Zentralblattes  1022  fin- 
det sich  nun  eine  Erwiderung  von  Ranzel,  der  nicht  nur  in 
berechtigter  Weise  ausfĂŒhrt,  daß  sehr  viele  Konvenienzehen 
erst  durch  Kinder  fĂŒr  die  Frau  zu  einer  glĂŒcklichen  werden, 
sondern  auch  bemerkt,  daß  mehrere  FĂ€lle  zu  seiner  Beobach- 
tung kamen,  in  denen  die  Hyperemesis  bei  Frauen  eintrat, 
trotzdem  sie  sehnlich  ein  Kind  wĂŒnschten. 

Hierzu  sei  ein  weiterer  Beitrag  geliefert.  Vor  kurzem 
kam  die  wohlhabende  Frau  des  Siedelungsmeiste'rs  L.,  die  mit 
ihrem  Manne  in  vollkommener  Einsamkeit  in  glĂŒcklicher  Ehe 
und  im  GenĂŒsse  großen  Grundbesitzes  auf  dem  Lande  lebt,  in 
die  Klinik  mit  dauerndem  Erbrechen.  Der  Gesichtsausdruck 
war  vollkommen  der  einer  Verzweifelten.  Eine  VerlÀngerung 
der  3tÀgigen  Beobachtungsdauer  sowie  die  von  Verf.  ge- 
wĂŒnschte Hinzuziehung  eines  zweiten  Internisten  wurde  von 
dem  ersten  Internisten  wegen  der  in  der  Verzögerung  liegen- 
den Gefahr  abgelehnt.  Die  Schwangerschaft  wurde  unter- 
brochen, das  Erbrechen  hörte  jedoch  erst  am  3.  Tage  völlig 
auf.  Als  wir  an  diesem  Tage  der  Patientin  sagten,  daß  es  ihr 
nun  wieder  gut  gehe,  drehte  sie  sich  zur  Wand,  begann  bitter- 
lich zu  weinen  und  schluchzte:  „Ich  hatte  mir  so  sehr  ein 
MĂ€dchen  gewĂŒnscht."  Als  man  einwendete,  sie  sei  noch  jung 
und  könne  noch  Kinder  bekommen,  sagte  sie,  sie  sei  36  Jahre 
und  wolle  dies  auch  nicht  mehr  durchmachen. — Ks  ist  zu  hof- 
fen und  anzunehmen,  daß  der  Wille  zum  Kinde  wieder  er- 
starkt, jedenfalls  beweist  auch  dieser  Fall  die  rein  toxische 
Natur  der  Hyperemesis.  Vgl.  auch  S  ig  wart  in  Zentralbl. 
Nr.  20,  1919,  wonach  das  Erbrechen  als  primÀr  toxisch  an- 
zusehen ist.  Wenn  aber  S  i  g  w  a  r  t  zugleich  sagt,  es  sei  un- 
abhĂ€ngig von  jeder  psychischen  Einwirkung,  so  dĂŒrfte  dies 
doch  etwas  zu  weit  gehen,  da  wir  ja  wissen,  daß  das  Verbrin- 
gen der  Graviden  in  eine  andere  Umgebung  oft  das  Erbrechen 
ohne  weiteres  aufhebt. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  35/36 


Bruck:  Semmelweis 


Semmelweis, 
er  Entdecker  der  Kontaktinfektion  und  damit 
BegrĂŒnder  der  Anti-  und  Aseptik. 

011  SanitĂ€tsrat  Dr.  Franz  ßruck,  Berlin-SehÖnebe'rg. 


Es  gibt  ein  Dogma  in  der  Geschieht 
hier  unausrottbar  ist.   Das  ist  die 


dei 


Legende 


Medizin,  das 
eine  hislo- 


che  FĂ€lschung  grĂ¶ĂŸten  Stiks  — ,  daß  Li  stör  der  Be- 
rĂŒnder  der  Anti-  und  Aseptik  sei.  Und  doch  gab  dieser 
'orscher,   der   von   den    P  a  s  i  e  w  r  sehen   Unter* uchuingen 
usgegangen  war,  1N(>7  ein  Verfahren  bekannt,  das  nichls 
öderes  als  die   BekÀmpfung  der  L'u f t infektion  be- 
ieckte, das  also  nur  die  aus  der  L  u  l  l  auf  die  Wunde 
[lernten    Keime   zerstören  wollte.  Keime,   die  doch  nach 
serer  heutigen  Auffassung  bei  der  Wundinfektion  fast 
ar     keine     Holle     spielen.      LĂ€ngst     ist     diese  Irrlehre, 
der  Lister  nur  allzulange  festgehalten  hatte,  aus  dem 
dankenkreis    der    Aerzte    gesehwunden.     Trotzdem  wird 
i-  das.  was  namentlich  mit  Hille  den  (scher  Forscher 
is  der  ursprĂŒnglichen  Laster  sehen   Methode  geworden 
l.  und  was  mit  dieser  so  gut  wie  nichts  mehr  gemein  hat, 
Ă€mlich     die     heutige     Aseptik,     unhegreit'lieherweise  al- 
lster sehe  Schöpfung  gepriesen.    Denn  sobald  man  au] 
e  Anti-  und  Aseptik  zu  sprechen  kömmt,  wird  gleichsam 
flektorisch  der  Name  Lister,  und  nur  dieser,  ausgelöst. 

T  o  t  g  e  s  c  h  w  i  e  g  e  n  wird  aber  hierbei  auch  jetzt  noch 
er  Mann,  der  Schon  im  .Lahre  1847,  also  20  Jahre  vor 
Lister,  und  zwar  im  G  egenrs  Àtz  zu  diesem,  die  e  Lnz  i  g 
t  ch  t ig  e,  ji  o  c  h  h  e  u  t  e  g  e  1  U'  n  d  e  Vorslelhmg  von  dem 
ustandekommen  der  sepiischen  Infektion  hatte:  1  g  n  a  >. 
hilipp  Semmel  weis  (geboren  1818  in  Ofen*  ge> 
lonban  181),")),  der  Entdecker  der  Ufs'ache  und  VerhĂŒtung 
des  Kindbettfiebers,  der  „Retter  der  MĂŒtter",  wie  ihn  die 
enklafc]  seines  Gehurlshauses  nennt.  Denn  Semmel- 
eis  war  es,  der  zuerst  die  GefÀhrlichkeit  der  an  den 
Ă€ftden,  Instrumenten,  Verbandstoffen  usw.  haftenden 
;ime  in  ihrer  ganzen  Bedeutung  klar  erkannte  und. 
damit  der  Entdecker  der  K  o  n  t  Àk  t  infektion  wunde,  Er 
l  dadurch  nicht  nur  das  Puerperalfieber,  sondern  die 
uhdinf ekt iorien  ĂŒ;herhau"pt  Ă€tiologisch  aufge- 
lĂ€tr't  und  durch  seine  H  ĂŒ  n  d  e  d  e  s  i  n  f  e  k  t  i  o  n  den  Weg 
zeigt,  sie  zu  verhĂŒten.  Die  gĂŒnstigen1  therapeutischen 
folge,  die  er  hei  seinen  Opera  l  innen  erzielte,  schrieb 
er  ausdrĂŒcklich  nur  dem  UmstĂ€nde  zu,  daß  er  „mit  reinen 
HĂ€nden"  operierte.  Er  hat  daher  gefordert,  „die  Hand,  bevor 
ein  zersetzter  Stoff  berĂŒhrt  wird,  gut  zu  beÖlen,  damit  der 
zersetzte  Stoff  nicht  in  die  Poren  der  Hand  eindringen 
könne."  Die  verunreinigte  Hand  muß  aber  mit  ..Seife  ge- 
waschen und  dann  der  Einwirkung  eines  chemischen  Agens 
ausgesetzt  werden,  welches  geeignet  ist,  den  nicht  entfernten 
/ersetzten  Stoff  zu  zerstören;  wir  bedienen  uns  des  Chlor- 
kalkes und  waschen  uns  solange,  bis  die  Hand  schlĂŒpfrig 
wird." 

Nun  bat  man  aber  in  neuester  Zeil  eingesehen,  dall  die 
RĂ€ndedesinfektion  trotz  ihrer  mit  Hilfe  der  Bakteriologie 
erreichten  so  hohen  LeistungsfÀhigkeit  doch  nicht  jene  un- 
bedingte ZuverlÀssigkeil  beanspruchen  kann,  die  man  ver- 
langen muß.  Und  so  hat  man  die  X  o  n  infektion  gefordert, 
d.  h.  die  Vermeidung  der  BerĂŒhrung  der  HĂ€nde  mit 
infektiösen  Stoffen.  Ganz  besonders  hat  neuerdings 
Zweifel1)  (Leipzig)  diese  Forderung  zur  VerhĂŒtung  des 
Kindbetifiebcrs  wiederum  aufgestellt.  Dabei  kommt  er  auch 
auf  die  .ySel'bstinfektion"  zu  sprechen,  ein  Wort,  das  von 
Semmel  w  ei  s  herrĂŒhrt  und  worunter  dieser  die  verhĂ€lt- 
ftjPsmĂ€ĂŸig  seltenen  „unverluitharcn"  FĂ€lle  von  Kindhetlfiehei 
verstand  im  Gegensatz  zu  den  weit  hĂ€ufigeren  „verhĂŒtbaren", 
die  nach  der  inneren  Untersuchung  auftreten.  Hierbei  bemerkt 
Zweifel,  man  wisse  nicht,  ob  Semmel  weis  die  „Zu- 
verlĂ€ssigkeit der  Desinfektion  so  hoch  einschĂ€tzte,  daß  er 
annahm,  „ich  habe  mich  desinfiziert,  also  konnte  ich  nicht 


mehr  infizieren,  und  eine  Krankheil,  die  darauf  folgt,  1*1 
eine  Selbstinfektion."  Man  findet  keine  Stelle  in  seinem 
Buche,  wo  er  sich  eindeutig  Iii  der  letzteren  Richtung  ausge 
sprechen  hat.  Sicher  ist  jedoch  diese  letztere  Fassung  von 
SpÀteren  aufgestellt  worden,  und  sicher  haben  sich  diese 
spÀteren  Autoren  darin  schwer  geirrt." 

Es  ist  auffallend1,  daß  es  gerade  einem  Autor  wie 
Zweifel,  der  sich  um  die  Verbreitung  der  Semmel 
w  e  i  s  sehen  Lehre  so  große  Verdienste  erworben  hat,  ent- 
gangen ist,  daß  Semmel  weis  in  seinem  Hauptwerk  den 
noch  heute  ohne  jede  EinschrÀnkung  geltenden  klassischen 
Satz  ausgesprochen  hat,  daß  es  „sicherer  ist.  den  Finger  nicht 
zu  verunreinigen,  als  den  verunreinigten  wieder  zu  reini- 
gen2)," Damit  hat  er,  wie  ich  das  noch  kĂŒrzlich8)  betont 
habe,  den  springenden  Punkt  der  ganzen  Asep 
tl-k  mit  erstaunlichem  Scharfblick  erkannt.  Auch  hat  ei, 
gerade  weil  ihm  die  HĂ€ndedesinfektion  nicht  ansohlt  zuvei 
k'issig  erschien,  den  Erlaß  eines  (iese)zes  verlangt,  das 
„jedem  im  GebĂ€rhause  BeschĂ€ftigten  fĂŒr  dir  Datier  seiner 
BeschÀftigung  verbietet,  sich  mit  Dingen  zu  beschÀftigen, 
welche  geeignet  sind,  seine  HĂ€nde  mi|  zersetzten  Stoffen  /n 
verunreinigen".4) 

So  hat  Semmel  weis,  der  Entdecker  der  Kontakt - 
infektion,  zugleich  als  erster  in  der  eindeutigsten  Weise 
die  N  o n  infektion  als  das  Ideal  hingestellt  und  damit  un- 
anfechtbar den  Grundstein  zu  dein  heuligen  stolzen  Bau 
der  Anti-  und  Aseptik  gelegt5). 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Malina  Innen  der  Gesetzgebung  des  Deutschen  Reiches  auf  dein 
Gebiete  des  Gesundheitswesens. 

Von  S.  Alexander  (Berlin;. 

fWer  geglaubt  hat,  daß  der  unglĂŒckliche  Krieg  mit  den  daran 
sich  schließenden  StaatsumwĂ€lzungen  die  gesamte  Politik  nach  der 
Kichlung  der  Schaffung  neuer  verfassungsmĂ€ĂŸiger  ZustĂ€nde  in  An- 
spruch nehmen  wird,  befindet  sich  im  Irrtum.  Mit  Staunen  und 
nicht  immer  mit  Bewunderung  haben  wir  erlebt,  mit  welcher  Hast 
die  schwierigsten  Probleme  der  Gesetzgebung  auf  allen  Gebieter 
des  offentliehen  Lebens  durch  einige  Federstriche  gesetzgeberisch 
gestaltet  wurden,  und  daß  auch  auf  den  etwas  abseits  liegenden 
Gebieten  des  Gesundheitswesens  die  Geselzgebungsma sehine  mit 
Hochdruck  arbeitet.  Und  zwar  nicht  nur  auf  Anregung  der  Staats- 
leilung,  sondern  recht  intensiv  in  Bewegung  gesetzt  durch  partei- 
politische, mit  sozialem  Mantel  umkleidete  Interessen.  Die  FĂŒlle 
der  Gestalten,  die  auch  auf  den  neutralen,  wenn  auch  sachver- 
stÀndig eingestellten  Beobachter  eindringt,  beginnt  verwirrend  zu 
wirken,  und  bangend  sehnt  er  sich  zurĂŒck  nach  der  guten  allen 
Zeil,  wo  man  zwar  langsam  aber  sicher  marschieren  konnte.  Wei 
sich  von  dem  Umfang  der  Gesetzesvorlagen  der  Reichs- 
ver-waltung  auf  dem  Gebiete  des  Gesundheitswesens  ein  Bild 
machen  will,  sei  auf  die  PlĂ€ne  verwiesen,  die  fĂŒr  die  demnĂ€chstige 
Zukunft  von  dem  Reichsminister  des  Innern  eidhĂŒllt  werden.  Man 
muß  dem  Antragsteller  der  UnabhĂ€ngigen,  Dr.  M  oses,  beipflichten, 
daß  er  die  Errichtung  eines  selbstĂ€ndigen  R  e  i  c  b  s  m  i  n  i  s  I  e  - 


Werke,  herausgegeben  und 
ĂŒbersetzt    von   T  i  b  e  r  i  u  s 


D.  m.  W.  1922,  Nr.  23. 


-,  Semmelwftis'  Gesammelte 
zum  Teil  aus  dem  Ungarischen 
v.  G  y"  ö  r  y.    Jena  1905.    S.  26Q. 

;  Bruck,  Semmel  wc  Ls,  nicht  Ulster!  Zur  Fest- 
stellung der  historischen  Wahrheit.  Zenlralbl.  f.  Chirurg.  1922, 
Nr.  13.  Vergl.  auch  Bruck,  Semmelweis,  der  BegrĂŒnder 
der  Aull-  und  Aseptik.  Ein  Mahnruf  an  die  Chirurgen  Deutsch- 
lands.   1921.    Hans  l'uscb,  Berlin  SW,  Wilhelmslr.  28. 

»)  1.  c.  S.  2G0. 

■"')  Das  habe  ich  zu  wiederholten  Malen  nachgewiesen,  und 
/.war  unter  anderem  in  2  sehr  verbreiteten  FachblĂ€ttern  (MĂŒnch. 
Med.  Wochen  sehr.  1920  Nr.  21  i,  1922  Nr.  2(1,  Zenlralbl.  f.  Chirurg. 
1922  Nr.  13  .  Trotzdem  es  damit  zur  Kenntnis  zahlreicher  Aerzte 
besonders  Chirurgen!  gelang!  ist,  bat  man  niemals  auch  nur 
den  Leisesten  Versuch  gemacht,  mich  zu  widerlegen  der  beste 
Beweis  dafĂŒr,  daß  meine  Feststellung  unwiderleglich  ist. 
Andererseits  hat  mir  auch  bisher  niemand  aus  den  in  Betraehl 
kommenden  Kreisen  öffentlich  zugestimmt,  im  Gegenteil,  man 
spricht  nach  wie  vor  immer  mir  von  U  ist  er  ĂŒbt  also  dir 
bekannte  Methode  des  Totschweigens.  Und  darum  muß  der 
Kampf  fĂŒr  Scmni  clw  eis,  der  zugleich  einen  Kampf  fĂŒr  die 
historische  Wahrheit    bedeutet,  noch  weiter  gefĂŒhrt  werden. 


552 


Standesfragen    and    soziale  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


riumsfĂŒr  Volksgesundheit  unter  fachmĂ€nnischer  Leitung 
fordert,  denn  außer  anderen  GrĂŒnden,  auf  die  hier  einzugehen  r.) 
weit  fĂŒhren  wĂŒrde,  kann  ein  Programm,  wie  es  der  Minister  im 
Hauptausschuß  des  Reichstages  entwickelte,  unmöglich  sozusagen 
„im  Nebenamte'1  erfĂŒllt  werden,  selbst  wenn  es,  wie  gar  nicht  ge- 
leugnet werden  kann,  vom  Reichsgesundheitsamt  tatkrÀftig  ge- 
fördert wird.  Hierbei  darf  nicht  au'ßer  Acht  gelassen  werden,  daß 
die  Reichstagsparteien,  wie  natura  zeigt,  es  sich  absolut  nicht  neh- 
men lassen,  durch  InitiativantrĂ€ge  ihr  Interesse  fĂŒr  die  Volks- 
gesundheit, ja  sogar  fĂŒr  den  Ă€rztlichen  Stand  zu  bekunden. 

Wenn  wir  es  unternehmen,  einige  wichtige  Vorlagen  fĂŒr  die 
Gesetzgebung  des  Reiches  den  Lesern  dieser  Zeitschrift  vorzu- 
fĂŒhren, so  bitten  wir  um  Nachsicht,  denn  hart  im  RĂ€ume  stoßen 
sich  die  Sachen.  Aber  einigermaßen  muß  der  Arzt  auch  in  den 
Fragen  der  Gesundheitspolitik  bewandert  sein,  wenn  er  mit  Erfolg 
seine  Pflichten  als  sozialhygienischer  Berater  und  als  moderner 
Berufsgenosse  erfĂŒllen  will. 

Beginnen  wir  mit  einem  Antrage  der  Kommunistenpartei  des 
Reichstages  vom  23.  Januar  1922.  Er  bringt  den  Entwurf  eines 
Gesetzes  ĂŒber  Schwangeren-,  Wöchnerinnen-, 
SĂ€uglings-  und  KinderfĂŒrsorge.  Im  Gegensatz  zur 
Ueberschrift  hat  -er  den  Vorzug  der  KĂŒrze,  denn  er  löst  in  zehn 
Paragraphen  nahezu  die  ganze  soziale  Frage.  FĂŒr  Schwangere 
werden  vom  Reiche  Schwangeren-Beratungsstellen  errichtet.  Zur 
Unterbringung  von  Schwangeren  werden  vom  Reiche  Schwangeren- 
heime  errichtet,  in  denen  alle  Schwanger  en  bis  zur  Ent- 
bindung Aufnahme  und  Pflege  finden.  Pas  Reich  errichtet 
Unterweisungsstellen  fĂŒr  SĂ€uglingspflege.  Alle  erwerbs- 
tÀtigen Schwangeren  sind  mindestens  acht  Wochen  vor  un-J 
acht  Wochen  nach  der  Entbindung  von  jeglicher  Arbeit 
befreit.  WĂ€hrend  dieser  Zeit  zahlt  der  Arbeitgeber  den 
vollen  Lohn.  Im  Falle  der  Erwerbslosigkeit  erhalten  diese 
Schwangeren  die  SĂ€tze  der  ErwerbslosenunterstĂŒtzung.  Minder- 
bemittelte, nicht  erwerbstÀtige  Schwangere  erhalten  aus  Reichs- 
mitteln eine  UnterstĂŒtzung  in  gleicher  Höhe.  Solange  Schwan- 
gerenheime  in  genĂŒgender  Zahl  nicht  vorhanden  sind,  gewĂ€hrt 
das  Reich  an  Schwangere  und  Stillende  besondere  Zuwendungen 
an  Lebensmitteln  und  sonstigen  Bedarfsartikeln.  Das 
Reich  errichtet  Entbindungsheime,  in  denen  alle  Schwan- 
geren vom  Tage  der  Niederkunft  bis  nach  beendigtem  Wochenbett 
Aufnahme,  entsprechende  Verpflegung  und  Àrztliche 
Behandlung  finden.  Das  Reich  errichtet  MĂŒtter-  und 
SĂ€uglingsheime,  in  denen  alle  MĂŒtter  und  SĂ€uglinge. 
Pflege  und,  Behandlung  finden.'  FĂŒr  stillende  MĂŒtter  wird 
die  Arbeitszeit  auf  höchstens  sechs  Stunden  tÀglich  bei  unge- 
kĂŒrzter Bezahlung  des.  Arbeitslohnes  durch  den 
Arbeitgeber  festgesetzt.  Das  Reich  errichtet  Stillkrippen, 
obligatorische  Kinderhorte  und  Spielschulen,  in  denen  Kinder  vom 
3.  bis  8.  Lebensjahr  Verpflegung,  Àrztliche  Behand- 
lung, auch  Unterkunft  finden.  Durch  ein  besonderes  Gesetz 
soll  die  unentgeltliche  Lieferung  von  Lehr-  und  Barmitteln,  un- 
entgeltliche Schulspeisung  und  Schularztpflege  fĂŒr  Schulkinder 
gewÀhrleistet  werden.  Die  Benutzung  aller  Einrichtungen,  sowie 
die  Àrztliche  Behandlung  und  Verpflegung  ist  unentgeltlich. 

Die  Unterstreichung  der  Kraftstellen  macht  eine  Kritik  dieses 
Gesetzentwurfes  ĂŒberflĂŒssig.  Da  seine  Annahme  aussichtslos  ist, 
so  bedarf  es  wohl  auch  nicht  eines  etwaigen  Zusatzantrages  von 
dritter  Seite,  wonach  der  Finanzminister  des  Reiches  aus  den 
Reihen  der  Kommunistenpartei  entnommen  werden  muß.  Wie  sehr 
die  Antragsteller  von  der  Aussichtslosigkeit  ihres  Antrages  selbst 
ĂŒberzeugt  sind,  ergibt  sich  daraus,  daß  sie  fĂŒr  den  Fall  der  Ab- 
lehnung einen  anderen  Entwurf  beantragen,  der  den  Kern  ihrer 
Absichten  darstellt.  Der  Antrag  hat  den  Vorzug  der  KĂŒrze,  er 
besteht  nur  aus  einem  Paragraphen  und  lautet: 

Jede  Schwangere  hat  das  Recht,  .ihre  Leibesfrucht  in 
öffentlichen  Anstalten  von  zu  diesem  Zwecke 
staatlich  beamteten  Aerzten  unentgeltlich  a  u  I 
Kosten  des  Reiches  beseitigen  zu  lassen.  Anderen 
Personen,  als  den  zu  diesem  Zwecke  staatlich  beamteten  Aerzten 
ist  es  verboten,  fĂŒr  die  Beseitigung  der  Leibesfrucht  Eingriffe 
vorzunehmen. 

Gleichzeitig  ist  von  derselben  Partei  der  Antrag  eingegangen: 
die  §§  218  und  219  des  Reichsstrafgesetzbuchs  (Abtreibung)  werden 
außer  Kraft  gesetzt. 

Wir  haben  das  Zutrauen  zu  dem  Reichstage,  daß  er  beide  An- 
trÀge, gleichwie  die  der  sozialdemokratischen  und  der  UnabhÀngi- 
gen Fraktion  ablehnen)  wird.  Letzten  Endes  wĂŒrde  die  Durch- 
fĂŒhrung des  ersten  Antrages  doch  von  der  Geneigtheit  der  Aerzte 
abhĂ€ngen,  eine  neue  Fachspezies:  Beamteter  Arzt  fĂŒr  Abtreibung 
zuzulassen.    Ich  hoffe,  daH  kein  Arzt,  der  seine  Berufspflichten 


hochhÀlt,  sich  dazu  bereitfinden  wird.  Charakteristisch  aber  ist 
die  Logik  der  Antragsteller.  Auf  der  einen  Seite  die  Zulassung 
und  BegĂŒnstigung  von  Mitteln  fĂŒr  planmĂ€ĂŸige  Entvölkerung,  auf 
der  anderen  utopische  VorschlÀge  zum  Schutz  und  zur  Erhaltung 
der  Bevölkerung.  Dieser  Zwiespalt  der  Natur  wÀre  unerklÀrlich, 
wenn  nicht  ein  epikurÀisches  Moment  allen  AntrÀgen  gemeinsam 
wÀre:  die  Sucht,  den  Parteigenossen  das  irdische  Dasein  so  ange- 
nehm wie  möglich  zu  gestalten,  unbekĂŒmmert  um  jede  staatser- 
haltende Moral. 

Wie  bekannt,  gÀhrt  es  auch  sonst  gewaltig  in  den  Kreisen, 
die  durch  die  StaatsumwÀlzungen  zu  Macht  und  Ansehen  gelangt 
sind.  Die  Reichsversicherungsordnung,  wohl  das 
vornehmste  Geschenk,  das  jemals  einem  Stand  beschert  worden  ist, 
ist  Gegenstand  dauernder  VerbesserungsplÀne,  bei  denen  auch  die 
Aerzte  nicht  stumme  Zuschauer  sein  dĂŒrfen.  Denn  wenn  auch  die 
„VersicherungstrĂ€ger",  wenn  sie  unter  sich  sind,  einander  Liebens- 
wĂŒrdigkeiten erweisen,  wie  Hund  und  Katze,  wenn  auch  in  der 
Frage  der  Reform  und  Vereinheitlichung  der  Versicherungsord- 
nung nicht  nur  Berufsgenossenschaflen  mit  Krankenkassen,  sowie 
die  Krankenkassen  untereinander  sich  in  den  Haaren  liegen,  in 
einem  Punkte  sind  sie  einig,  in  einem  unversöhnlichen  Haß 
gegen  die  Aerzte.  Und  so  kommt  es,  wie  es  zu  erwarten 
war:  Wenn  man  den  bösen  Doktors  den  Standpunkt  der  Herren- 
moral nicht  beibringen  kann,  so  greift  man  zur  Klinke  der  Gesetz- 
gebung und  sorgt  fĂŒr  einen  Gesetzentwurf  zur  Regelung  des 
VerhÀltnisses  zwischen  Aerzten  und  Kranken- 
kassen. Der  Entwurf  ist  dankenswerterweise  auch  den  beteilig- 
ten Aerzteorganisationen  zur  Begutachtung  zugegangen  und 
schließlich  der  Oeffentlichkeit  ĂŒbergeben  worden.  Damit  ist  die 
Möglichkeit  einer  frĂŒhzeitigen  Kritik  gegeben.  Wenn  wir  trotz- 
dem von  einer  Kritik  dm  einzelnen  vorlÀufig  absehen,  so  geschieht 
dies,  abgesehen  von  Ă€ußeren  GrĂŒnden,  deshalb,  weil  der  Entwurf 
dem  Reichstage,  noch  nicht  zugegangen  ist,  also  in  seinen  Einzel- 
heiten noch  nicht  feststeht.  Das,  was  wir  aber  vorweg  jetzt  schon 
betonen  möchten,  ist,  daß  wir  die  Frage  fĂŒr  eine  gesetzliche 
Regelung  ĂŒberhaupt  nicht  als  reif  erachten.  Ein  jedes  Gesetz 
eines  konstitutionellen  Staatswesens  sollte  entweder  Ausfluß  der 
Volkssitte  oder  mindestens  des  Volkswillens  sein.  Von  einer 
Volkssitte  kann  hier  gar  keine  Rede  sein,  denn  die  Materie  ist  zu 
neu,  als  daß  sie  als  feststehende  Norm  in  Fleisch  und  Blut  des 
Volkes  ĂŒbergegangen  sein  könnte.  Auch  von  einem  Volkswillen 
kann  nicht  die  Rede  sein,  denn  weder  die  Aerzte.  noch  die  Ver- 
sicherten als  solche  haben  das  Verlangen  nach  einer  gesetz- 
lichen Regelung  empfunden.  Einzig  und  allein  die  Kassenv  o  r  - 
stÀnde  sind  die  treibenden  KrÀfte,  sie  haben  den  Ruf  nach  dem 
Gesetze  erhoben  und  ihm  leistet  die  Regierung  Folge.  Die  Kassen 
vorstÀnde  sind  aber  keineswegs  die  ReprÀsentanten. der  Versicher- 
ten, schon  deshalb  nicht,  weil  sie  nur  zum  Teil  aus  Arbeitnehmern 
bestehen.  Die  KassenvorstÀnde  sind  mit  dem  sogenannten  ..Ber- 
liner Abkommen",  einer  freiwilligen  Vereinbarung  zwischen  Aerz- 
ten und  Kassen,  unzufrieden,  weil  durch  dieses  die  Aerzte  nicht 
rechtlos  gemacht  werden  und  zeitgemĂ€ĂŸe  Honorarforderungen 
stellen.  Solche  Differenzen  wirtschaftlicher  Natur  sind  aber  in 
heutiger  Zeit  nicht  zu  vermeiden,  sie  ziehen  sich  wie  ein  roter 
Faden  durch  das  ganze  Arbeitsgebiet.  Hier  heißt  es  Geduld 
haben  und  die  mittlere  Linie  gehen,  die  einzuhalten  die  Aerzte  sich 
nie  gestrÀubt  haben.  Zu  einer  gesetzlichen  Regelung  ist  das  Ue- 
biet  noch  viel  zu  hÀufigen  Schwankungen  ausgesetzt.  Fast  tÀglich 
andern  sich  die  Bedingungen  fĂŒr  ein  Zusammenleben,  die  Hin- 
durch Verhandlungen  geregelt  werden  können.  Ein  starres  Gesetz, 
welches  diesen  Wandlungen  nicht  folgen  kann,  muß  zum  Unrecht 
fĂŒhren.  Es  ist  auch  wirkungslos,  wenn  der  eine  Kontrahent  seine 
Mitwirkung  versagt,  denn  es  gibt  keine  Strafe,  die  zur  Arbeit,  zu- 
mal zu  intellektueller  TÀtigkeit  zwingen  könnte.  Leider  hat  aer 
Leipziger  Verband  den  Versuch  gemacht,  den  Regierungsentwurt 
zu  verbessern,  leider,  denn  dadurch  macht  er  sich  an  der  gesetz- 
lichen) Regelung  einer  Materie  mitschuldig,  die  bei  beiderseitigem 
gutem  Willen  unschwer  durch  freie  Vereinbarung  erfolgen  kann. 
Wenn  je,  gilt  hier  prineipiis  obsta. 

Anders  liegen  die  VerhÀltnisse  bei  dem  Gesetzentwurf  zur 
BekÀmpfung  der  Geschlechtskrankheiten,  der  der 
Beratung  des  Reichstages  bereits  unterliegt.  Hier  liegt  unstreitig 
ein  dringendes  hygienisches  BedĂŒrfnis  vor.  Der  feste  Wille  aller 
einsichtigen  Bevölkerungskreise  hÀlt  die  Gefahr  der  Geschlechts- 
krankheiten fĂŒr  die  öffentliche  Gesundheit  fĂŒr  so  betrĂ€chtlich,  daß 
ihre  EindĂ€mmung  auf  gesetzlichem  Wege  versucht  werden  muß. 
Der  Entwurf,  an  dem  hervorragende  medizinische  SachverstÀndige 
mitgearbeitet  haben,  hat  den  Vorzug  der  Klarheit,  er  sagt,  was  er 
will,  deutlieh  und  bestimmt.  Er  will  die  Verbreitung  der  Ge- 
schlechtskrankheiten eindĂ€mmen  dadurch,  daß  er  die  Geschlechts- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


S t a n;d es f  r a g e n  und  soziale  Medizin 


Iranken,  einschließlich  der  VerdĂ€chtigen,  der  gesundheitlichen 
FĂŒrsorge  unterstellt  und  sie  zu  einem  Heilverfahren  zwingt.  Das 
ist  drakonisch,  aber  gerecht.  Wertvoll  ist  die  Bestimmung,  daß 
nur  der  wirklich  SachverstĂ€ndige,  der  approbierte  Arzt,  FĂŒrsorge 
und  Heilbehandlung  ausĂŒben  darf.  Die  Kurpfuscher  scheiden  also 
aus,  und  damit  ist  der  Besserung  der  VerhÀltnisse  an  sich  schon 
TĂŒr  und  Tor  geöffnet.  Auch  die  öffentliche  AnkĂŒndigung  der  Heil- 
verfahren wird  mit  Hecht  verboten.  Kann  man  sich  mit  diesen 
Bestimmungen  unbedingt  einverstanden  erklÀren,  so  sind  andere 
nicht  ganz  bedenkenfrei.  Hinzu  gehört  der  §  4,  der  mit  Strafe 
bedroht  den,  der  den  Beischlaf  ausĂŒbt,  obwohl  er  an  einer 
rihit  Ansteckungsgefahr  verbundenen  Geschlechtskrankheit  leidet 
und  dies  weiß  oder  den  UmstĂ€nden  nach  annehmen  muß.  Eine 
heikle,  kaum  erfĂŒllbare  Voraussetzung!  Welcjjer  Geschlechts- 
kranke, ja  welcher  Arzl  weiß,  ob  die  Ansteckungsgefahr  bei 
Gonorrhöe  oder  Lues  noch  vorhanden  ist?  Denn  daß  sie  nicht 
immer  vorhanden  ist,  lehrt  Wissenschaft  und  Erfahrung.  Es  wider- 
spricht doch  allen  Hegeln  des  Strafrechts,  einen  TĂ€ter  einer  straf- 
baren Handlung  zu  zeihen,  wenn  die  Schuld  nicht  nachgewiesen 
weiden  kann.  Wie  will  man  nun  nach trĂ€gl ich  —  unter  UmstĂ€nden 
weil  ĂŒber  sechs  Atonale  nach  Begehung  des  Deliktes  —  die  An- 
steckungsgefahr einer  Geschlechtskrankheit  nachweisen,  die  Ă€ußer- 
liche Symptome  zur  Zeit  des  Beischlafes  nicht  gezeigt  hat?  An 
dem  Delinquenten  nicht  und  an  dem  „Corpus  delicti"  einwandfrei 
auch  nicht,  denn  dieses  kann  ja  die  Krankheit,  wenn  sie  ĂŒber- 
tragen ist,  anderweitig  ĂŒberkommen  haben.  Man  vergesse  doch 
nicht,  daß  es  sich  meist  um  Anzeigen  von  Personen  handeln 
wird,  denen  man  außer  anderen  Schönheitsflecken  auch  eine  ander- 
weitig geholte  Geschlechtskrankheit  zutrauen  kann. 

Die  schwierige  Frage  der  Anzeigepflicht  durch  den 
Arzt  hat  man  durch  ein  Kompromiß  zu  lösen  versucht.  Der  Arzt 
soll  denjenigen  Kranken  anzeigen,  der  sich  der  Behandlung  ent- 
zieht. Woher  soll  denn  der  Arzt  das  wissen?  Dann  mĂŒĂŸte  er  ja 
ĂŒber' jeden  Geschlechtskranken  ein  Register  fĂŒhren.  Ist  denn  auch 
damit,  daß  der  Kranke  zur  bestellten  Zeit  nicht  zur  Behandlung 
kommt,  der  Beweis  geliefert,  daß  er  sich  der  Behandlung  ent- 
zieht? Wie  hÀufig  werden  leichte  Urethralaffektionen  oder 
Lues  im  Anfangsstadium  symptomlos  und  erfordern  keine 
weitere  Behandlung.  Soll  der  Kranke  deshalb  der  Unannehmlich- 
keit der  Anzeige  ausgesetzt  sein?  Schon  die  Möglichkeit  der  An- 
zeige wird  gerade  das  erzeugen,  was  man  durch  das  Gesetz  ver- 
hĂŒten will,  die  Behandlung  durch  Kurpfuscher,  denn  bei  dieser 
ist  ein  jeder  vor  der  Anzeige  geschĂŒtzt.  Im  ĂŒbrigen  ist  fĂŒr 
Unterlassung  der  Anzeige  keine  Strafe  vorgesehen  und  demnaen 
die  ganze  Vorschrift  illusorisch. 

Eine  sehr  harte  Nuß  wird  dem  Gesetzgeber  mit  der  Begelung 
der  Prostitution  zu  knacken  gegeben,  besonders  hart  deshalb, 
weil  von  den  gesetzgebenden  Faktoren  zwei  verschiedene  Ent- 
wĂŒrfe prĂ€sentiert  werden.  Die  Begierungsvorlage  verwirft  die 
Bestrafung  der  gewerblichen  Unzucht  und  stellt  nur  die  öffentliche 
Anslandsverletzung  unter  Strafe,  der  Reichsrat  will  außerdem 
die  Uebertretung  der  fĂŒr  die  gewerbsmĂ€ĂŸige  Unzucht  erlassenen 
Bestimmungen  bestrafen.  Letztere  Bestimmung  deckt  sich  mit  der 
des  gĂŒltigen  Strafgesetzbuches;  darĂŒber,  daß  eine  rein  polizeiliche 
Ueberwachung  der  Prostitution  vom  Uebel  ist  und  daß  mehr  ais 
bisher  eine  fĂŒrsoru;erische  TĂ€tigkeit  einereifen  muß,  ist  man  sich 
allerseits  einig.  Wenn  das  aber  der  Fall  ist,  dann  ist  die  polizei- 
liche Registrierung  oder  die  freie  FĂŒrsorge  allein  rein  Sache  der 
UtilitÀt.  Man  sollte  die  Regelung  dieser  mehr  technischen  An- 
gelegenheit den  Verwaltungsbehörden  der  LĂ€nder  ĂŒberlassen,  und 
sie  deshalb  aus  dem  Gesetzentwurfe  streichen. 

Im  großen  und  ganzen  ist  der  Entwurf  von  modernem  Geiste 
urlrankt,  und  verdient  die  UnterstĂŒtzung  des  Ă€rztlichen  Standes. 

Regelung  der  Facharztfrage  in  Sachsen. 

'  Das  sÀchsische  Landesgesundheitsamt  hat  eine  Reihe  von 
I. eil sÀtzen  aufgestellt,  die  das  Ministerium  des  Innern  den 
Standesorganisationen,  insbesondere  auch  fĂŒr  ehrengerichtliche 
Entscheidungen  zur  Nachahmung  empfiehlt.    Die  LeitsÀtze  lauten: 

Amtliehe  Nachrichten. 

I.  Obwohl  eine  besondere  PrĂŒfung  fĂŒr  FachĂ€rzte  weder  er- 
wĂŒnscht noch  nötig  ist,  soll  doch  die  Berechtigung,  sich  als 
Facharzt,  Spezialarzi  fĂŒr  eine  Krankheitsgruppe  oder  fĂŒr  eine 
Heilweise  und  Àhnliches  zu  bezeichnen,  an  bestimmte  Voraus- 
setzungen geknĂŒpft  sein. 

II.  Zurzeit  sind  folgende.  Vorbedingungen  zu  erfĂŒllen: 

1.   Der  Facharzt  muß  eine  genĂŒgende  Ausbildung  in  seinem 
Sonderfach  haben  und  soll  im  wesentlichen  seine  praktische 


Àrztliche  TÀtigkeit  auf  das  von  ihm  gewÀhlte  SonderTnrh 
beschrĂ€nken.  Die  Bezeichnung  als  „praktischer  Arzl  und 
Facharzt"  ist  daher  unzulÀssig.  Sie  kann  in  Ausnahme- 
fĂ€llen Unter  BerĂŒcksichtigung  örtlicher  VerhĂ€ltnisse  be- 
tĂ€tigt werden.  „Praktischer  Arzl,  WundarzI  und  Geburts- 
helfer" ist  keine  fachÀrztliche  Bezeichnung. 

2.  Die  FĂŒhrung  der  Facharzlbezcichiuing  fĂŒr  mehr  als  ein 
Fach  ist  im  allgemeinen  nicht  gestattet.  Nim-  ausnahms- 
weise und  unter  BerĂŒcksichtigung  der  örtlichen  VerhĂ€lt- 
nisse kann  sie  genehmigt  weiden,  wenn  es  sich  um  bereits 
eingebĂŒrgerte  Bezeichnungen  sowio  um  FĂ€cher  handelt,  die 
in  engerer  Beziehung  zueinander  stehen  und  wenn  genĂŒgende 
Ausbildung  in  jedem  Fache  vorliegt.  Nach  einer  be- 
stimmten Uebergangszeit  sollen  auch  die  Doppelbezeich- 
nungen  nicht  mehr  gefĂŒhrt  werden  dĂŒrfen. 

3.  Ein  Sonderfach  muß  als  ein  in  sich  abgeschlossenes  Gebiet 
der  Heilkunde  oder  als  Gruppe  von  zusammengehörigen 
derartigen  Gebieten  bereits  ungeteilte  Anerkennung  ge- 
nießen.und  muß  zu  seiner  AusĂŒbung  eine  besondere  wissen- 
schaftliche oder  technische  Vorbildung  voraussetzen  wie 
sie  das  medizinische  UniversilÀlsstudium  und  das  prak- 
tische Jahr  allein  nicht  zu  bieten  vermag. 

4.  Zurzeit  kommen  als  SonderfÀcher  in  Betracht: 

a)  innere  Medizin  einschl.  Nervenkrankheiten,  b)  Chirur- 
gie, c)  Frauenheilkunde  und  Geburtshilfe,  d)  Augenkrank- 
heiten, e)  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheiten,  f)  Haut- 
und  Geschlechtskrankheiten,  g)  Nerven-  und  Geisteskrank- 
heiten, h)  Kinderkrankheiten,  i)  Magen-,  Darm-  und  Stoff- 
wechselkrankheiten, k)  Lungenkrankheiten,  1)  Krankheiten 
der  Harnorgane,  m)  OrthopÀdie,  n)  Böntgen-  und  Lichtheil- 
kunde, o)  Zahn-  und  Mundkrankheiten  (Approbation  als 
Zahnarzt  erforderlich). 
III. 

1.  Als  genĂŒgend  ist  eine  Fachausbildung  ohne  weiteres  anzu- 
sehen, wenn  sie  nach  erlangter  Approbation  in  den  Haupt- 
fÀchern (innere  Medizin,  Chirurgie,  Frauenheilkunde  und 
Geburtshilfe)  wenigstens  vier,  in  den  ĂŒbrigen  SonderfĂ€chern 
wenigstens  drei  Jahre  betragen  hat,  wobei  die  TĂ€tigkeit 
in  einem  fĂŒr  das  Sondergebiet  wichtigen  anderen  Fache 
bis  zu  einem  Jahre  angerechnet  werden  kann.  Bei  Dopp"el- 
bezeichnungen  sind  wenigstens  sechs  Jahre  zu  verlangen. 

2.  Die  Ausbildung  soll  in  der  Regel  in  Assistentenstellen  von 
Kliniken  einer  UniversitĂ€t  oder  Akademie  fĂŒr  praktische 
Medizin,  an  von  anerkannten  FachÀrzten  geleiteten  geson- 
derten Abteilungen  grĂ¶ĂŸerer  KrankenhĂ€user,  an  HeilstĂ€tten, 
ausnahmsweise  auch  an  geeigneten  Privatkliniken  und  - 
besonders  bei  Kriegsteilnehmern  —  an  Fachabteilungen 
von  Lazaretten  erworben  sein.  Die  Ausbildung  in  soge- 
nannten VolontÀrstcllen  kann  angerechnet  werden,  wenn 
der  Nachweis  gefĂŒhrt  wird,  daß  der  VolontĂ€r  seine  TĂ€tig- 
keit in  gleichverantwortlicher  Stellung  wie  ein  Assistent 
ausgeĂŒbt  hat.  Ausnahmen  können  in  ganz  besonderen 
FĂ€llen  —  z.  B.  bei  Kriegsteilnehmern  —  unter  BerĂŒck- 
sichtigung der  örtlichen  und  persönlichen  VerhÀltnisse  im 
Einvernehmen  mit  der  etwra  bestehenden  örtlichen  Fach- 
arztgruppe gemacht  werden.  Diese  Biestimmungen  gelten 
fĂŒr  neue  Niederlassungen.  Den  örtlichen  Standesvertre- 
tungen steht  die  PrĂŒfung  der  Voraussetzungen  und  die 
Entscheidung  ĂŒber  Ausnahmen  zu. 

IV.  Der  Nachweis  der  Ausbildung  ist  durch  eingehende 
Zeugnisse  der  vorgesetzten  Direktoren,  leitenden  oder  ChefÀrzte 
ĂŒber  die  Art  und  Dauer  der  TĂ€tigkeit  zu  erbringen  und  unter- 
liegt der  PrĂŒfung  durch  den  Vorstand  des  zustĂ€ndigen  Ă€rzt- 
lichen Bezirksvereins.  In  zweifelhaften  FĂ€llen  ist  vor  einem 
etwaigen  Antrage  auf  ehrenrÀtliche  Entscheidung  eine  weitere 
Begutachtung  durch  einen  von  der  betreffenden  Aerztekammer 
aus  Fach-  und  AllgemeinÀrzten  des  Kammerbezirks  zu  wÀhlenden 
stĂ€ndigen  Ausschuß  herbeizufĂŒhren. 

V.  Hinsichtlich  bereits  unbeanstandet  gefĂŒhrter  fachĂ€rzt- 
licher Bezeichnungen  sollen  vorstehende  Bichtlinien  nicht  rĂŒck- 
wirkend angewendet  werden. 

Im  großen  und  ganzen  decken  sich  die  LeitsĂ€tze  mit  denen 
von  den  Slandesorganisationen  anderer  LĂ€nder  aufgestellten. 

Alexander. 

Anzeigen  von  Aerztcn  in  öffentlichen  BlÀttern. 

Der  Allgemeine  Àrztliche  Verein  in  Kissingen  hat  Bestim- 
mungen ĂŒber  die  Anzeigen  von  Aerzten  in  öffentlichen  BlĂ€ttern 
erlassen.    Bei  Niederlassungen  soll  eine  dreimalige  Anzeige  mit 


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Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35  36 


Angabe  ĂŒber  Ort  und  Zeit  etwa  vorausgegangener  Ausbildung 
zulÀssig  sein,  und  zwar  in  allen  BlÀttern  des  Ortes  gleichzeitig. 
Der  Wortlaut  der  Anzeige  ist  vorher  der  örtlichen  Àrztlichen 
Organisation  zur  PrĂŒfung  vorzulegen.  Eingehende  Bestimmungen 
regeln  die  Zahl  der  Anzeigen  bei  Wohnungswechsel,  bei  Unter- 
brechung  der  Praxis,  Verlegung  der  Sprechstundenzeit.  Sana- 
torien dĂŒrfen  weitere  Anzeigen  nur  nach  Genehmigung  durch  den 
Presseausschuß  veranlassen. 

Es  soll  zugegeben  werden,  daß  das  Anzeigewesen  der  Aerzte 
die  Aufmerksamkeit  der  Slandesorganisationen  erfordert.  Wir 
erachten  jedoch  auch  in  diesem  Falle  eine  Reglementierung  bis 
ms  kleinste  Detail  fĂŒr  abwegig.  Wir  dĂŒrfen  nicht  vergessen, 
und  auch  unser  Stand  hat  dem  Rechnung  zu  tragen,  daß  die  Er- 
fordernisse des  Verkehrs  sich  gewaltig  geÀndert  haben.  Wollen 
wir  die  bisherigen  Gepflogenheiten  ĂŒber  SChiMergrĂ¶ĂŸe,  Zahl  und 
Wortlaut  der  Anzeigen  und  andere  Aeußerlichkeilen  bis  auf  das 
Tz  aufrecht  halten,  so  werden  wir  nicht  ganz  mit  Unrecht  in  den 
Geruch  einer  mittelalterlichen  Zunft  geraten.  Die  neue  kriminali- 
stische Schule  hat  den  jetzt  allgemein  anerkannten  Satz  geprÀgt, 
(lall  bei  jedem  Delikt  in  erster  Linie  nicht  die  Handlung,  sondern 
die  soziale  Gesinnung  des  TĂ€ters  zu  prĂŒfen  ist.  Das  trifft  auch  lin- 
den vorliegenden  Kall  zu.  Beabsichtigt  der  anzeigende  Arzt  eine 
unerlaubte  Reklame,  einen  unlauteren  Wettbewerb  mit  seiner  An 
zeige,  so  soll  ihm  das  untersagt  werden.  Hierzu  aber  bedarf  es 
nicht  starrer  Regeln,  sondern  der  PrĂŒfung  des  Einzelfalles  Die 
Berliner  Aerztekammer  besitzt  ĂŒberhaupt  keine  Standesordnung 
und  —  es  gehl  auch  so?  A  1  e  x  a  n  d  c  f. 

Zur  Informationspflicnt  der  Aerzte  als  Zeugen. 

Die  „Berufsgenossenschaft**  vom  18.  5.  22  bring!  einen  Aufsatz 
ihres  juristischen   Schriftleiters,  in  dem  im  Gegensatz  zu  der 


Auffassung  der  „Aer/.tlichen  Mitteilungen"  nachgewiesen  wird, 
dall  der  als  Zeuge  vorgeladene  Arzt  verpflichtet  ist,  sich  ĂŒbet 
den  einschlÀgigen  Krankheilsfall  vor  der  Vernehmung  zu  infor- 
mieren. Nach  der  Reichsversicherungsordnung  sind  die  Berufs] 
genossenschaflen  berechtigt,  im  Falle  ein  Arzt  den  schriftliche! 
Bericht  ĂŒber  einen  Krankheitsfall  verweigert,  den  Arzt  vor  dem 
zustÀndigen  Amtsgericht  als  Zeugen  vernehmen  zu  lassen.  Im 
vorliegenden  Falle  hafte  der  Arzt  die  Vernehmung  dadurch  Inn 
fĂ€llig  gemacht,  daß  er  absichtlich  es  unterlassen  hatte,  aus  seinen 
BĂŒchern  sich  ĂŒber  den  Fall  zu  informieren.  Diese  Methode  bĂ€h 
der  Verf.  fĂŒr  unzulĂ€ssig.  Nach  der  Rechtsprechung  des  Reichs 
gerichls  haben  Zeugen  die  Pflicht,  vor  ihrer  Vernehmung  von 
den  ihnen  zu  Geböte  stehenden  Mitteln  zur  SchĂŒrfung  und  Auf- 
frischung ihres  GedÀchtnisses  Gebrauch  zu  machen,  soweit  sU 
dadurch  nicht  zu  schwierigen,  einen  außerordentlichen  Zeitauf- 
wand in  Anspruch  nehmenden  Nachforschungen  genötigt  werden. 
Zu  diesem  Zwecke  ist  in  der  Zivilprozeßordnung  die  Bestimmun 
getroffen,  daß  die  Zeugenlndung  die  Tatsachen  angeben  mĂŒsse, 
ĂŒber  welche  die  Vernehmung  erfolgen  soll,  und  das  ist  den  ..Mo- 
tiven" zufolge  geschehen,  „um  den  Zeugen  die  Mittel  zur  Vom 
bereitĂŒng  fĂŒr  das  abzulegende  Zeugnis  durch  SchĂ€rfung  seim-r 
Erinnerung  und  Einsicht  zu  gewÀhren  und  der  sonst  unvermei  I- 
lichen  Vereitelung  der  Beweislermine  vorzubeugen.'  Diese  l'i 
Stimmung  gilt  nicht  fĂŒr  die  Vernehmung  eines  Zeugen  im  SlraP 
verfahren;  im  Strafverfahren  ist  die  Mitteilung  des  Gegenstandes 
der  Vernehmung  in  der  ZeugeniadĂŒng  nicht  vorgeschrieben. 

Die  Herren  Kollegen  werden,  zur  Ersparung  von  Kosten  und 
Weilerungen  gut  Inn.  von  obigen  RechtsgrundsÀlzen  Vermcik  zu 
nehmen.  A  I  e  x  a  n  d  e  r. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften. 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

‱  5.  Mai  1922,  48,  Nr.  18. 

^Ejaeulatio  deficiens  iiitei  eongressuin  ('Funktioneller  Aspermatisnius).  FĂŒr- 
bringe  r,  .r>77. 

‱S» I > i < ■    Wirkung    der    AbfĂŒhrmittel    und    ihre  Verwendung    in    der  Ă€ratlioĂŒnu 

Praxis-    51  ĂŒ  1  1  c  r.  580. 
$»Uet).er    den    Verlauf     von     Infektionskrankheiten      bei     dauernder  Unter- 
ernÀhrung.    S  t  e  r  n  Ii  e  r  g.  581. 
Klinische  Erfahrungen  mit  Nonsilhersalvarsaii.    S  t  u  Ii  in  e  r.  584, 
Verhinderung  von   [n'toxikat'ouserscneinungen  nach  Neiosah  arsani^ijoktionen 
durch    gleichzeitige  Verabreichung  von  GaJc-rum  broniatuin  ■und  Calzium 
chloratum.    K  ei  n  e  d  y.  586. 
Aktinomykose  des  Ganglion  seniilunare  und  akliuonivkotisehe  eiterige  l.ep- 
tomen'ngitis.     S  t  a  h  r.  583. 
‹À*l'eher  die   Kaupsehe  Modifikation  der  W'a   1".     L  a  n  g  e  r.  588. 
‱M>or   Wert   der  Kaunschen   Modifikation   der   W  a   TJ   fĂŒr  die    Praxis,     L  e  V  J  - 
‱L  c  n  588. 

♩J»l'elier    l.ohcrerkrankiingnu    und    Magi'usaftsekretion.     M  o  c  v  e  s.  588, 
vZur    i'ntstehung     der     ..poptischon"      Cesehwiire     des  Vcrdauungskanils. 
MĂŒller.  589. 

Ueber  die  1  Iii  nioglohinbesti niniungeu  nach  Silbli  und  Autenrieth-Köuijjs- 
herger.     K  o  in  i  y  a  und  K  a  t  a  k  u  r  a  -  T  o  k  i  o.  581. 

De  orthopÀdische  Behandlung  der  rachitischen  DeformitÀten.  Wollen- 
h  e  r  g.  592. 

Lieber  ikterisehe  I la utschrift.    S  e  h  ii  r  e  r.  5.93. 

Kin  neues  Stethoskop  zur  Hlutdruekniessun^'  naeh  Karotkow-  Ii  a  m  - 
Ii  e  r  g  e  r.  59-1. 

Zur  PrÀge  der  RöntgensehÀdiigungeh.    M  ö  1  I  e  r.  595, 

Funktioneller  Aspermatisinus  beruht  in  einem  Teil  der  FĂ€lle 
ul  Abstinenz^  anerzogenen  Hemmungen,  ist  zum  Teil  auch  kon- 
genitalen Ursprungs.  Der  Anteil  der  Neurasthenie  und  der  Per- 
versitÀt dabei  ist  noch  nicht  geklÀrt.  In  vielen  FÀllen  ein  noch 
unbekannter  Ă€tiologischer  Faktor  außerdem.  Deshalb  trotz  reich- 
lichen therapeutischen  RĂŒstzeugs  wenig  Heilungen.  Aber  Hoff- 
nungen nicht  zerstören. 

Wirkung  der  AbfĂŒhrmittel:  Vom  Darm  selbst  produziert  das 

Cholia  Bei  aionischer  und  spastischer  Obstipalion:  Belladonna 
in  Nuppnsiiorien  oder  als  TrnusseaiTsche  Pillen  eventuell  mit 
Papaverin  kombiniert.  Naeh  Bauchopera I innen  bei  der  Darm- 
lÀhmung durch  Chloroforms  HormonaJ  und  Ncohormonal  (Cho- 
lin).  Pflanzen:  Rizinus  wirkt  nur  im  DĂŒnndarm,  deshalb  nicht 
In  i  Verdacht  einer  Appendizitis.  Keine  Gastroenteritis,  keine 
NiereUreizung  wie  auf  Kröten,  Jalappen-Harz,  Koloquinten  und 


l'ndophyllin.  Am  billigsten  jetzt  SennesblÀtter :  1  Teelöffel  auC 
1  Tasse  kalten  Wassers.  1'2  Stunden  stehen  lassen.  Dann  Faul 
baumrinde*  das  einzige  deutsche  AbfĂŒhrmittel.  Ebenso  das  syn- 
Ihetische  Istizin  (Bayer).  Phenolphthalein  (Purgen),  Laxin  un4 
Laxinkonfekt  wegen  Nierenreizung  nicht  dauernd  anwenden.; 
Als  Ersatz  fĂŒr  die  teueren  BitterwĂ€sser:  1—2  Esslöffel  Bittersalz 
in  warmem  Wasser.  Ferner  Magnesia  usta  oder  Magnesium^ 
perhydrol-Merck.  Bei  atopischer  chronischer  Obstipation:  Dial- 
regeln  ng. 

Verlauf  von  Infektionskrankheiten  bei  dauernder  Unter-; 
ernĂ€hrung:  Nach  den  Beobachtungen  in  Rußland  hat  eine  große 
Gruppe  von  akuten  Infektionen  sowohl  nach  klinischen  Ein- 
drĂŒcken wie  nach  statistischen  Daten  zweifellos  keinen  schlech- 
teren Verlauf  gehabt  als  in  frĂŒheren  Jahren.  Dysenterie,  Schar- 
lach jedoch  wies  eine  höhere  MortalitÀt  auf.  Die  (Lungen-)'1 
Tuberkulose  neigte  unter  der  Einwirkung  der  UnterernÀhrung 
merkwĂŒrdigerweise  nicht  zu  einem  schnelleren  oder  schlechteren. 
Verlauf.  Gerade  hier  sieht  man,  daß  es  sich  nicht  um  eine  er- 
worbene ImmunitĂ€t,  sondern  um  KnnstitutionseigenlĂŒmlichkeiten, 
die  vom  Lebensalter  abhÀngig  sind,  handelt,  also  um  eine  Lebend 
altersimmunitÀt.  Jedenfalls  ist  aber  die  landlÀufige,  einseilige 
Auffassung  dei  UnterernÀhrung  als  schwÀchender  Faktor  durch 
die  richtigere  zu  ersetzen,  daß  dauernde  UnterernĂ€hrung  ein  kon 
slilulionsÀndernder  Faktor  ist  Hypofunktion  der  Gesehlechls- 
und  SchilddrĂŒsen  —  funktionelles  Allern  . 

Die  Kaupseh:-  Modifikation  der  Wa.  R.:  MĂŒhevolle  Technik, 
kann  aber  neben  Wa.  R.  und  Sachs-Georgi  nicht  mehr  entbehrt 
werden.  In  vielen  FĂ€llen  ist  sie  frĂŒher  positiv  als  Wa.  R.  bei 
frischer  Lues,  kann  bei  behandelter  Lues  ausschlaggebenden  Werl 

gewinnen. 

Lebererkrankungen  und  Magcnsaftsekrt  tion:  Bei  der  Gallen- 

steinerkrankung  besteht  in  etwa  %  aller  Falle  eine  sekretorische 
Insuffizienz  der  MagentÀligkeil  (Hyp-  bis  AnaziditÀt).  gleich- 
gĂŒltig, ob  Choledochusverschluß  und  Ikterus  vorhanden  ist  oder 
nicht,  selbst  nach  Entfernung  der  Gallenblase. 

Entstehung  der  peptiselien  GeschwĂŒre  des  Verdauungskanals: 

Verfasser  versucht  eine  einheitliche  ErklÀrung  aller  oder  der 
meisten  peptiselien  GeschwĂŒre,  indem  er  fĂŒr  ihre  erste  Ent- 
stehung nicht  den  im  Lumen  befindlichen  Verdauungssafl,  son- 
dern das  schon  Innerhalb  der  DrĂŒsen  aktivierte  DrĂŒsenprodukt 


10.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


6Ö5 


(Selbstverdnuung)  verantwortlich  macht.    Im  Jejunum  gewinnen 
Hie    Magenschleimhaut-    und    Pankreasgewebeinseln   dafĂŒr  Be 
dculung.    im  letzteren  Kalle  nicht  peptische,  sondern  tryplischc 
cschwĂŒre.  v.  S  6  Ii  n  i  z  e  r. 

MĂŒnchener  medizin.  Wochenschrift. 

5.  Mal  1Q22,  Nr.  18. 

‱{‱Kiit/.iiniliiiigsbegril'l'e  und  KntzĂŒndunirsthoorien.    A  «  c  Ii  »  f  f.  Ruf). 
('liulcHtvrhiiiric  und  Indigourie.    D  o  r  n  e  r.  061'. 
Chronische  Appendizitis  und  Lebererkrankiing.    Saat  Ii  o  f  f.  602. 
»«‹Yatren  und  akut?  gelbei  Lcberatrophie.    /  i  p  I  e  r  u.  H  i  r  n  Ii  a  u  in.  tiĂŒi. 
Subakute  gelbe  Leberatrophic  mit  Ileus.    H  r  o  u  c  r.  B66. 
Lungeneyphllls.    W  i  n  k  I  e  r.  667. 

Zweimaliges  Neutorezidiv    nacb    kombiniert    behandelter  sorouegativer  Pri- 

niÀrlues.    K  r  ö  m  e  k  e.  668. 
„Arttfrlenilappeu"  und  „Epithelcinlagcn".    Ii  s  n  c  r.  B69. 
Direkte  Blulttransfusion.    B.o  n  1)  0  f  f.  671. 

Xeosalvarsanhehandluug  von  Mundhöblenwunden.    Kitt  e  r.  672. 
Nabelselwurzeichen  erfolgter  Plagentarablösung.    II  e  g  e  w  a  1  <l.  673. 
‱^Behandlung  cshron.  GeJejikerkrankungen  mit  Sehwefelöl.    W  e  s  k  o  f  f .  B74. 
K retzsc Ii nn  i  >  Körperbaulehre  uml  die  Anthropologie.  M  a  y  e  i  -  (I  r  o  s  s.  676. 

Heber  EntzĂŒndungsbcgriffe  und  EntzĂŒndungstheorien.  Fort- 
bildungsvortrag;  Nachlesen  im  Original  sehr  zu  empfehlen. 

Ueber  Yatren  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  zweier  FĂ€lle 
von  akuter  gelber  Leberatrophie  nach  dessen  intravenöser  An- 
wendung. Yatrenlösung  ist  in  grĂ¶ĂŸeren  Gaben,  zumal  intravenös, 
stark  gifUg.  Es  ist  deshalb  stets  auf  die  geringsten  Nebenerschei- 
nungen zu  achten,  besonders  von  Seiten  der  Leber.  Vor  und  wÀh- 
rend des  Behandlung  ist  der  Urin  auf  Urobilin,  Urobilinogen,  Leu- 
ein und  Tyrosin  zu  untersuchen.  Kranke  mit  Zeichen  einer  Le- 
bei  schwĂ€che  sind  von  der  Behandlung  auszuschließen,  da  schwere 
ZustÀnde  unvermittelt  auftreten  und  unter  dem  Bild  der  schwer- 
sten LeberschĂ€digung  zum  Tode  fĂŒhren  können.  Einzelgaben  von 
0,5  Yatren  sind  nicht  zu  ĂŒberschreiten.  FĂŒr  die  Wundbehandlung 
hat  sich  Yatren  auch  Verff.  bewÀhrt.  Die  intravenöse  Yalren- 
behandlung  des  Trippers  bietet  keine  besonderen  Vorteile. 

Zur  Behandlung  chronischer  Gelenkerkrankungen  mit 
Schwefclöl.  Ablehnung  der  Methode,  da  damit  keine  besseren 
Erfolge  zu  erzielen  seien,  als  mil  den  sonstigen  Methoden,  dagegen 
starke  Nebenwirkungen. 

F.  Loewenhardl  (Charloltenburg- Westend). 

Wiener  medizinische  Wochenschrift.* 

6.  Mai  1022,  Nr.  1-9. 

Moderne  Ttiberkulogefragen.    D  u  r-  f  g  ,  A.  805. 
‱{‱Das    Anwendungsgebiet    der    Psychotherapie    in    der    inneren  Nledizin. 
I>  p  u  t  s  c  b  ,  F.  «09. 

Beitrag  »ur  Kenntnis  der  VerÀnderungen  der  Kespjrationsorgane  bei  Leu- 
kÀmie.   E  n  d  e  r  ,  F.  816. 

Die  Anaphylaxie  in  ihrer  Beziehung  zu  Störungen  des  Verdauung»apparates. 
Piek,  E..  820. 

«H'etlogon,    <"i 1 1    neues    Baisatnikuna    fĂŒr    die    interne  G-onorrhoebehaiidlung. 
S  e  i  d  1 ',  A.  834. 

l)as  Anwendungsgebiet  der  Psychotherapie  in  der  inneren 
Medizin.  Es  können  einerseits  Krankheiten  ihr  Bild  durch  Bei- 
mengung neurotischer  Faktoren  verandern.  andererseits  können 
Neurosen  Krankheiten  vortÀuschen,  es  können  Aklualneurosen  zu 
organischen  Krankheilen  fĂŒhren,  es  können  OrgafineurosfiD  neben 
Organischen  Krankheilen  einhergeben.  Alle  diese  Krankheits- 
formen  sind  einer  Psychotherapie  zugÀnglich.  Es  werden  Kranken- 
geschichten angefĂŒhrt,  welche  das  (iesagle  beweisen  sollen. 

Pellogon,  ein  neues  Balsamikum  fĂŒr  die  interne  Gonorrhoc- 
behandlung.  Das  Mittel  entspricht  den  Anforderungen,  die  man 
an  die  Balsamika  in  der  Gonorrhoetherapie  zu  stellen  gewohnl  ist. 
VertrĂ€glichkeit  seitens  des  Darms  gegenĂŒber  anderen  Mitteln  an- 
scheinend etwas  hesser.    Preis  relativ  niedrig. 

Reufi  (Wien). 
Wiener  klin.  Wochenschrift,  Wien. 


27. -April  1922.    Nr.  17. 


Zur 


Pathogenc  der  [jeberzirrhose;.    (Klinischer  Vortragt.  Ch-vostek 
‱Pyrogallol,  Cignuliu  und  der  antipsoriatisehe   Effekt.    V  u  n  a  ,  P.  (!. 
(â–șUeber  die  Wirkung  der  GewebsdiĂŒrotika.  Moli  t  or,  ff.  u.  I 
Oelber  einen  Fall  mit  angeborener  Enge  der 
Pehlen  des  Parlefl  membraniM'eus  traehi 
k  o  1 1  ,  A.  M.  69t. 
‱{‱Kmlaehe  konservative  Behandlung  der  eitrigen  Bartholinitis  mit  weg 


.  88J. 
387. 
k  ,  K.  P.  389. 

rrachfta  und  der  Bronchien. 
Divertikelbildung  usw.    s  n  n  - 


‱Hntravenbse  Kieselsliuretberiiiiie  b«J  Pruritus  senilis.  L  u  i't  h  I  e  n  ,  I  NN 
❖  Heber     VerstĂ€rkung    der     Knkninwirkunn     ihirob     byperl  -eh.-  Trauben' 

«uckÀrlösung.  Z  o  m  a  n  n  ,  w.  :m. 

Heber  innere  Antisepsis.    K  r  a  u  |  ,  |{.  .m;,. 

Die  Zukunft  der   Wiener   Dermatologen,     T  ick.  3.  ;«»;,. 

Pyrogallol,  Cifcnolin  und  der  antipsoriatische  Effekt.  Di» 
Phenole  (Pyrogallol-Gruppe)  sind  vermöge  ihrer  Kombinalion 
von  reduzierender  und  schÀlender  Wirkung  die  gegebenen  Heil 
mittel  bei  allen  akanthosischen  Prozessen.  Sie  dringen  von  der 
llornschicht  durch  die  Kulis  selbst  bis  ins  Bit»  ĂŒberall  Sauerstoff 
absorbierend.  Bei  unachtsamer  Verwendung  komml  es  zu  Er- 
weichung und  Nekrose  der  Oberhaut,  tintenschwarzer  VerfÀrbung 
des  Harns,  selbst  tödlicher  Sauerstoffverarmung  des  Blutes.  Das 
Cignolin,  welches  die  wirksamste  Substanz  der  Anthrazen-  oder 
Anthranolgruppe  darstellt  —  es  ist  gleich  Chrysarobin  ein  Dioxj 
anthranol  —  hat  die  reduzierende  Kraft  der  Phenole,  aber  nicht 
die  FĂ€higkeit,  das  Eiweiß  der  llornschicht  ĂŒberzugreifen;  trotz- 
dem dringt  es  bis  in  die  Kulis  und  Subkutis  vor,  und  zwar  dan* 
seiner  AffinitÀt  zur  OelsÀure,  welche  ein  Bestandteil  aller  Haul- 
schichten  ist.  Das  Cignotfn  greift,  den  Q  der  OelsÀure 
ĂŒberall  aktivierend,  rasch  und  zugleich  stark  in  den  Krankheits 
prozeß  ein.  So  ist  es  imstande,  gleich  dem  Chrysarobin  dank  der 
hervorragenden  AffinitÀt  zu  der  mit  O  beladenen  OelsÀure 
einen  antipsoriatischen  Effekt  auszulösen. 

Einfache  konservative  Behandlung  der  eitrigen  Bartholinitis 
mit  wegsamem  AusfĂŒhrungsgang.  Eine  Pravaz-Spritze  wird  un- 
gefĂ€hr bis  zur  HĂ€lfte  mit  folgender  teigiger  Masse  gefĂŒllt.  Chole- 
val  2,5,  Cetacei  15,0,  Ol.  oliv.  30,0.  Durch  mehrmaliges  Durch- 
ziehen der  gelullten  Spritze  durch  heißes  Wasser  wird  die  Pasta 
verflĂŒssigt,  und  nun  nach  grĂŒndlichem  AusdrĂŒcken  des  Eiters 
0,1—0,2  g  mit  der  Anel'schen  Nadel  langsam  injiziert.  Eine  oder 
mehrere  Injektionen  in  3--5tÀgigem  Intervall.  Das  Verfahren  isl 
fast  schmerzlos.   Ueberraschendei  Erfolge. 

Intravenöse  KieselsÀuretherapie  bei  Pruritus   senilis.  0,5 

1— 2ccm  einer  l%igen  Lösung  von  Natrium  silicicum  pĂŒrissi- 
mum  Merck  werden  jeden  2.-3.  Tag  injiziert.  G  Injectionen  ge- 
nĂŒgen.   Erfolge,  auffallend  gut. 

Ueber  VerstÀrkung  der  Kokainwirkung  durch  hypertonische 
Traubenzuckerlösung.  Bei  lokaler  Applikation  einer  10% igen  K (> 
kain-  und  10%igen  Traubenzuckerlösung  aa  auf  die  Nasenschleim- 
haut wird  die  Kokainwirkung  verstÀrkt,  die  Dauer  der  Ahaesthssie 
verlÀngert,  die  anaemisierende  Wirkung  etwas  abgeschwÀcht. 
Nach  intravenös  verabreichter  Traubenzuckerlösung  wird  Kokain 
bei  OberflÀchenapplikation  rasch  resorbiert  und  erzeugt  Vergif- 
tungserscheinungen. Bei  VerdĂŒnnung  der  bei  Infiltrationsanaelhe- 
sie  verwendeten  0,5%igen  Novokain-Supsareninlösung  mit  der- 
gleichen oder  doppellen  Menge  10  %igcr  Traubenzuckerlösung 
wird  der  Beginn  der  Anaesthesin  zwar  verzögert,  die  Dauer  ah  ; 
verlÀngert.  Empfehlenswert  bei  Tonsillektomie  wegen  der  Nacli- 
schmerzen.  \  .  Reuss  (Wien). 

Zeitschrift  fĂŒr  Ă€rztliche  Fortbildung,  Jena. 


1.  April  1922,, 19.  Nr.  7. 
■^Behandlung  und  VerhĂŒtung  von  GebĂ€rmuttervorfĂ€JIeh.  M 


i  y  e  r  ,  A.  19;! 


»{â–șKenntnis    der    Osteochondritis    euxae    juvenilis.     (Pertbessebe  Krankheit. 

gynÀkologischen  Erkrankungen 
von  Zahnen  und  Zahnwurzel.  Bolstorff 


Schwellenreiztherapie  mit  Yat'reu-Kaseirj  bei 
A  bei,  K.  202. 


Ausl'iihrungsgang.     \\  e  i  t  .  g  a  s  s  e  r  ,  H.  393. 


AnÀsthesierung  bei  Entfera'uns 
M.  20ĂŒ. 

Entstehung,  Behandlung  und  VerhĂŒtung  von  GebĂ€rmutter- 
vorfÀllen. Da  die  Scheide  an  UterusvorfÀllen  fasl  slets  mehr  oder 
weniger  mitbeteiligt  ist  und  zwischen  Prolaps  und  Senkung  nur 
ein  gradueller  Unterschied  besteht,  so  sind  unter  „GebĂ€rmutter - 
VorfÀllen"  eigentlich  ScheidengebÀrmutlervorfÀlle  und  neben  den 
tatsÀchlichen  Prolapsen  auch  die  Senkungen  der  Organe  gemeint. 
Angeborene  VorfĂ€lle  sind  sehr  selten.  FĂŒr  die  Ursache  der  er- 
worbenen Prolapse  gibt  es  zwei  verschiedene  Ansichten:  die  einen 
beschuldigen  den  Druck  von  oben  (durch  Tumoren,  Eigengewicht, 
intra-abdominellen  Druck),  die  anderen  den  Zug  von  unten,  aus- 
gehend von  der  zuerst  vorfallenden  Scheide.  Die  heute  vorherr- 
schende Meinung  ist  die,  daß  ScheidengebĂ€rmuttervorfĂ€lle  durch 
einen  intraabdominellen  Druck  entstehen,  sobald  der  normale  Bl- 
Festigungsapparat  der  Organe  oder  Organabschnilte  versagt.  Ob 
dem  Halle-  oder  dem  StĂŒtzapparat  hierbei  die  dominierende  Rolle 
zukommt,  isl  noch  nicht  ganz  entschieden.  Es  ist  anzunehmen, 
daß  beide  zusammen  ein  organisches  Ganzes  bilden.  VorfĂ€lle 
kommen  am  hÀufigsten    vor  im  Klimakterium    oder  PrÀklimak- 


556 


Aas   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jalirg.  —  Nr.  35/36. 


terium  („Prolapsalter")  bei  Frauen,  die  durch  Geburten  und 
schwere  körperliche  Arbeit  geschĂ€digt  und  disponiert  sind.  FĂŒr 
die  Entscheidung  ĂŒber  die  traumatische  Entstehung  eines  Vorfalls 
kommen  drei  Punkte  in  Betracht:  1.  Vorhandensein  oder  Nicht- 
vorhandensein einer  Disposition,  2.  Beschaffenheit  des  Traumas, 
3.  Prolapsform.  Die  meisten  VorfÀlle  kommen  ohne  Trauma  zu- 
stande. Win  man  die  an  sich  sehr  seltene  rein  traumatische  Ent- 
stehung annehmen,  muß  eine  schwere  Gewalteinwirkung  voraus- 
gegangen sein  mit  örtlicher  Gewebezerreißung  und  mit  ent- 
sprechenden Allgemeinerscheinungen,  und  eine  Disposition  muß 
fehlen.  Viel  eher  als  zur  Entstehung  kann  ein  Trauma  zur  Ver- 
schlimmerung eines  Vorfalles  wie  VergrĂ¶ĂŸerung,  Gewebezer- 
reißung, Infektion  oder  Blutung  fĂŒhren. 

Zur  Behandlung  des  Prolapses  stehen  Binglherapie  oder  Ope- 
ration zur  VerfĂŒgung.  Der  Bing  soll  den  nötigen  Halt  finden,  er 
soll  bei  bestehenden  eitrigen  Scheidenkatarrhen  oder  etwaigen 
Wunden  der  Vaginalschleimhaut  möglichst  vermieden  werden  und 
darf  keine  Schmerzen  verursachen.  Alle  Vierteljahre  hat  Àrztliche 
Kontrolle  und  Bingwechsel  zu  erfolgen.  Die  Frage  der  operativen 
Prolapsmethoden  ist  in  manchen  Punkten  noch  im  Fluß.  Die  Ver- 
hĂŒtung von  VorfĂ€llen  hat  auf  Erhaltung  eines  funktionstĂŒchtigen 
Haft-  und  StĂŒtzapparates  abzuzielen. 

Zur  Kenntnis  der  Osteochondritis  coxae  juvenilis  (Perthessche 
Krankheit).  Bei  HĂŒftleiden  junger  Kinder,  besonders  Knaben, 
muß  man  an  die  Perthessche  Krankheit  denken,  wenn  neben  der 
charakteristischen  GangverÀnderimg  (Hinken  und  Einknicken  der 
erkrankten  Seite)  bei  geringfĂŒgigen  subjektiven  Beschwerden  Ein- 
schrÀnkung der  AbduktionsfÀhigkeit  und  positiver  Ausfall  des 
Trendelenburgschen  PhÀnomens  gefunden  wird.  Das  Böntgenbild 
zeigt  typische  VerÀnderungen  der  Femurepiphyse.  Linter  An- 
raten geeigneter  Vorsichtsmaßregeln  und  orthopĂ€discher  Maßnah- 
men ist  die  Prognose  stets  gĂŒnstig  zu  stellen.        L.  K  a  n  n  e  r. 

15.  April  1922,  19,  Nr.  8. 

❖Behandlung  der  tuberkulösen  Spondylitis.    W  i  e  t  i  n  g.  225. 

FrĂŒhdiagnostik  bei  der  Lungentuberkulose.    A  s  s  m  a  n  n  ,  H.  228. 
❖Nebenwirkungen  und  Vergiftungen  nach  Schlafmitteln.    Kenner.  A.  234. 

Entstehung,  Behandlung  und  VerhĂŒtung  von  GebĂ€rmulftervorfĂ€llen.  M  a  v  e  r  . 
A.  238. 

Einiges  ĂŒber  die  Behandlung    der    tuberkulösen  Spondylitis. 

Zur  Therapie  der  Spondylitis  tuberculosa  gehört  heben  der  Kli- 
matotherapie,  der  Bestrahlung  und  den  chirurgisch-orthopÀdischen 
Maßnahmen  auch  die  spezifische  immunbiologische  Behandlung. 
Eine  Böntgenaufnahme  des  Knochenherdes  ist  zur  genauen 
Diagnosestellung  unbedingt  erforderlich.  Zur  Kontrolle  der 
Gibbusbehandlung  empfiehlt  Verf.  die  „Gipsriemenmelhode".  Nach 
Markierung  der  DornfortsÀtze  mittels  Tintenstifts  wird  ein  etwa 
5  cm  breiter  Gipsriemen  der  WirbelsÀule  angelegt,  mit  der  Hand 
gut  angepaßt  und  nach  dem  Trockenwerden  abgenommen.  Das 
Modell  wird  mit  dem  Namen  des  Patienten  und  Datum  versehen 
und  bietet  so  ein  Kontrollobjekt  fĂŒr  spĂ€ter.  Das  Albeesche  Ver- 
fahren der  Knocheneinpflanzung  bietet  nach  Ansicht  des  Verf. 
keine  erheblichen  Vorteile;  es  als  eine  Methode  der  Wahl  zu  be- 
zeichnen, hĂ€lt  er  fĂŒr  unzulĂ€ssig.  Bestrahlung  ohne  Fixation  kommt 
nach  ihm  nur  fĂŒr  FrĂŒhfĂ€lle  ohne  wesentliche  lokale  Symptome 
und  fĂŒr  SpĂ€tfĂ€lle,  -die  schon  in  knöcherner  Ausheilung  begriffen 
sind,  in  Frage.  Sonst  hÀlt  er  den  Verzicht  auf  Ruhigstellung  stets 
fĂŒr  einen  Kunstfehler  und  ein  VersĂ€umnis  zum  Schaden  der  Pa- 
tienten. Hinsichtlich  der  Klimatotherapie  hÀlt  er  den  Aufenthalt 
an  der  See  fĂŒr  die  nicht  viszerale  Form  der  Tuberkulose  fĂŒr 
besonders  gĂŒnstig.    Die  Nordsee  ist  der  Ostsee  vorzuziehen. 

Nebenwirkungen  und  Vergiftungen  nach  Schlafmitteln.  Nach 
einigen  kurzen  allgemeinen  Betrachtungen  bespricht  der  Autor  die 
Nebenwirkungen  der  einzelnen  Hypnotica  und  die  bei  ihrem  Ge- 
brauch beobachteten  Vergiftungserscheinungen.  Hinsichtlich  der 
Einzelheiten  muß  auf  die  Arbeit  selbst  verwiesen  werden. 

L.  Kanne  r. 

Zeitschrift  fĂŒr  klinische  Medizin,  Berlin. 

19<  April  1922,  94,  Heft  1—3. 

❖Experimentelle    Beitrage    zur   Pathogenese    der   Gicht.     Gudzcut   u  u  <? 
K  e  e  s  e  r.  1. 

Polychemische     Urobilinrcaktion.     Chloroformcxtraktion     nach  Behandlung 
"des  Harns  mit  Schwermetallsalzen  öder  SÀuren.    II  a  u  s  m  a  n  n  .  Tb.  12. 
Der  Einfluß   angestrengter   körperlicher   Arbeit   auf   radiographische  Herz- 
grĂ¶ĂŸe, Blutdruck  und  Puls.    Bruns  und  Roemer,  G.  A.  22. 


Immunbiologie  des  Typhus.    Klinische  und  experimentelle  Untersuchungen. 

O  e  1  1  e  r  ,  H.  49. 

Die  Funktion  der  Milz  uniter  physiologischen  und   pathologischen  VerhÀlt- 
nissen.    W  e  i  c  k  s  e  1  ,  J.  90. 
❖Firn  Beitrag  zur  Frage    der  Bedeutung  der    pathologischen  Aminoacidurie. 

Z  a  n  d  r  6  n  ,  St.  101. 

Gestaltung  der  Stromkurve  des  Jugularvenenpulscis  durch  Arbeit  und  FĂŒl- 
lung des  Herzens  unter  normalen  und  pathologischen  VerhÀltnissen. 
Ohm.  R.  140. 

Neue  Gesichtspunkte  aus  der  physiologischen  Muskel-Physik  fĂŒr  die  physi- 
kalische und  physiologische  Therapie  des  Asthmas.  Stern  b  er  g,  W.  195. 

Experimentelle  BeitrÀge  zur  Pathogenese  der  Gicht.  II  Mit.) 
ZunĂ€chst  ermittelten  Verfasser  in  grĂ¶ĂŸeren  Untersuchungsreihen 
die  Werte  fĂŒr  den  HarnsĂ€uregehall  einzelner  Gewebsorgane  unter 
Mitbestimmung  des  Best.-N.,  an  Leichenorganen  und  an  frischen, 
durch  Operation  gewonnenen  Organen,  ferner  an  HĂŒhnerorganen. 
Außerdem  Versuche  ĂŒber  quantitative  Bestimmung  einiger  Vor- 
stufen der  HarnsÀure  zur  KlÀrung  des  intermediÀren  Purinstoff- 
wechsels. 

Ein  Beitrag  zur  Frage  der  Bedeutung  der  pathologischen 
Aminoacidurie.  Normale  AminosÀurenausscheidung  bei  hochgradi- 
gem Ikterus  deutet  auf  Stagnationsikterus,  der  Gegensatz  in  diesem 
Falle  auf  ernste  bepatitische  VerÀnderungen.  Die  Methode  kann 
also  ein  Hilfsmittel  bei  der  FrĂŒhdiagnose  einer  Hepatitis  oder 
einer  Leberatrophie  sein  in  den  FĂ€llen,  wo  die  klinischen  Symp- 
tome auf  Ikterus  catarrhalis  deuten.  Bei  Lungentuberkulose  gibt 
eine  AminosĂ€urebestimmung  im  allgemeinen  bessere  AufschlĂŒsse 
ĂŒber  den  Zustand  der  Leber,  als  die  Palpations-  und  Perkussions- 
methoden. Bei  Leberzirrhose  tritt  die  Hyperaminoacidurie  erst  im 
Schlußstadium  ein,  wenn  die  ĂŒbrigen  klinischen  Symptome  auf 
eine  Leberschrumpfung  hindeuten. 

.F.  Loewenhardt,  (Charlottenburg-Westend). 

Allgeni.  Zeischrift  f.  Psychiatrie  und  psychisch-gerichtliche 

Medizin. 

18.  April  1922,  78,  1.  u.  2.  Heft. 

Das  Verhalten  der  Körpergewichte  von  Geisteskranken  wÀhrend  der  Kriegs- 
zeit.   Lliw,  H.  1. 
❖Die  Sterblichkeit  der  Geisteskranken  in  den  sĂ€chsischen  Anstalten  wĂ€hrend 

des  Krieges.    1 1  b  e  r  g  ,  G.  58. 
❖Die  psychotischen  Bilder  der  UrĂ€mie,    v  a  n  H  a  u  t  h  ,  P.  64. 
Der    Kvmptomenkomplex    der    Ratlosigkeit    bei    einer  Involutionspsychoee. 
F  ĂŒ  n  ff  g  e  1  d  ,  E.  90. 
❖Antonius  und  Regression  in  modernen  Kuns*bestrebungen.  Bycbowski, 
G.  102» 

Ein  neues  Schema  zur  Aufnahme  des  geistigen  Inventars.  Schaeler,  F. 
122. 

Die  Sterblichkeit  der  Geisteskranken  in  den  sÀchsischen  An- 
stalten wÀhrend  des  Krieges.  Ueberblickt  man  die  erhöhte  Sterb- 
lichkeit der  Geisteskranken  in  den  Irrenanstalten  wÀhrend  des 
Krieges,  so  sind  die  großen  Todesopfer,  die  unsere  unschuldigen 
Kranken  darbringen  mußten,  selbstverstĂ€ndlich  schmerzlich  zu 
bedauern.  Unruhige  und  aufgeregte  Kranke  verbrauchen  in 
FriedeiisverhÀltnissen  hÀufig  mehr  Nahrungsmittel  als  Gesunde. 
Viele  Gesunde  konnten  sich  in  der  Freiheit  immer  noch  diese 
oder  jene  ExtraernÀhrung  verschaffen,  bei  den  in  den  Anstalten 
Internierten  war  dies  höchstens  in  beschrÀnktem  Umfang  der 
Fall.  Jedenfalls  war  es  nicht  möglich  und  nicht  berechtigt,  den 
Geisteskranken  mehr  Nahrungsmittel  zu  geben,  als  den  Gesunden. 
—  Gewiß!  unter  den  dem  Krieg  zum  Opfer  Gefallenen  haben  sich 
viele  befunden,  deren  Leben  weder  ihnen  selbst  noch  anderen 
von  Nutzen  war.  Aber  es  sind  auch  manche  vom  Tode  dahin- 
gerafft worden,  die  trotz  ihrer  Krankheit  noch  Freude  am  Leben 
hatten,  und  die  sich  nach  KrĂ€ften  ihren  Mitmenschen  noch  nĂŒtz- 
lich zu  machen  bemĂŒhten.  -  Jedenfalls  dĂŒrfen  sich  unsere  Feinde 
die  Abtötung  so  vieler  wehrloser  Menschen  durch  die  Blockade 
nicht  als  Heldentat  anrechnen!  Die  Gesamtzahl  der  im  Krieg 
verstorbenen  Geisteskranken  ist  natĂŒrlich  eine  grĂ¶ĂŸere  noch  als 
die  durch  die  Anstaltsstatistik  nachgewiesene.  In  Sachsen  waren 
allein  aus  den  Anstalten  7480  mehr,  als  dem  sonstigen  Prozent- 
satz entsprochen  hÀtte,  zu  buchen.  Wie  viel  Geisteskranke. 
Schwachsinnige  und  Epileptiker  außerdem  in  kleineren  Kranken- 
hÀusern und  in  der  Freiheit  infolge  unzureichender  ErnÀhrung 
erkrankten  oder  starben,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis.  Die 
Berichte  der  außersĂ€chsischen  Irrenanstalten  lehren,  daß  ganz 
entsprechend  viele  Kriegsopfer  in  den  anderen  deutschen  und 
auch  in  den  deutsch-österreichischen  Irrenanstalten  im  Weltkrieg 
gefallen  sind. 

Die  psychotischen  Bilder  der  UrÀmie.  Die  urÀmische  Psychose 
besieht  gewöhnlich  in  einer  akuten,  manchmal  delirösen  Ver- 
wirrtheit ohne  besonderes  Charakteristikum.    Urotoxische  (durch 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


»57 


Haruretention  hervorgerufene  apathische  Benommenheit)  und 
nephrotoxische  (durch  Nephrolysine  bewirkte  deliröse  Symptome) 
Psychosen  kommen  selten  rein  vor.  Die  gewöhnliche  urÀmische 
Psychose  ist  eine  Mischform  heider.  Bei  degenerativ  belasteten 
Kranken  kann  die  urÀmische  Psychose  AnklÀnge  an  genuine 
Psychosen  /.eigen.  Eine  Anzahl  der  Arteriosklerose  nahestehenden 
■alle  zeigt  einen  mehr  chronischen  Verlauf  und  ist  von  den  auf 
organische  Hirnerkrankungen  (Arteriosclerosis  cerebri,  Dementia 
nralytica,  Lues  cerebri)  beruhenden  Psychosen  vielfach  schwer 
tu  trennen.  Neuropathische  Konstitution  bezw.  Belastung  scheint 
das  Auftreten  psychotischer  Symptome  bei  UrÀmie  stark  zu  be- 
gĂŒnstigen. 

Antismus  und  Repression  in  modernen  Kunstbestrebungen. 
Die  hypermodernen  Kunstschöpfungen  widersprechen  den  Formen 
unseres  Schauens  und  Vorstellens,  sie  haben  keine  Beziehung  zu 
unserem  Weltbilde,  machen  vielmehr  durch  ihre  gewollte  Un- 
verslĂ€ndlichkeit  den  ungetrĂŒbten  Ă€sthetischen  Eindruck  unmög- 
lich, und  es  wird  dadurch  eine  weitgehende  Analogie  unverkenn- 
bar zwischen  den  Gebilden  der  hypermodernen  Plastik  und  Dich- 
tung und  den  Produkten  der  Geisteskranken,  wie  sie  jeder 
Psychiater  zu  Gesicht  bekommt.  Wern.  H.  Becker. 

BeitrÀge  zur  Klinik  der  Tuberkulose,  Berlin. 

15.  MĂ€rz  1922,  50. 

Kritische  Untersuchungen  ĂŒber  die  GrĂ¶ĂŸe  des  Luftwechsels  hei  kĂŒnstlicher 
Atmung.    Bruns,  0.  und  R  h  a  e  s  a  ,  P.  6. 
.  «^Respiratorischer  Gasaustausch  und  Lungendurchbluteng  unter  normalen  und 
krankhaften  ZustĂŒnden  der  Atmungsorgane.   Le  Blane,  E.  21. 
4*Das  Problem  der  Zyanose  und  der  Begriff  der  Pneumonose.  Schjer- 
n  in  g,  J.  96. 

j   4»Klimatotheraipie  im  Krankenhaus.     Kestner,  O.  121. 

Das  Vorkommen  von  Geiarosetten  hn  RĂŒckenmark  hei  Lungentuberkulose, 
insbesondere  bei  der  Polyneuritis  der  Tuberkulösen.  Wohlwill, 
F.  133. 

ErlÀuterungen  zur  Partigenlehre.    Much,  H.  138. 

Vergleichende  Untersuchungein  ĂŒber  die  Resistenz  der  Tuberkelbazillen  und 

verwandten   Bakterien   gegenĂŒber   entfĂ€rbenden    chemischen  EinflĂŒssen. 

Schloß  berger,  H.  144. 
4*I>io    Tuberkuloseansteekung.     Hamburger,    F.  162. 
Ucber  den  Locus  minoris  resistentiac  hereditarius  der  Lunge  heii  chronischer 

Tuberkulose.    Edel,  W.  167. 
Die  Beziehungen  des  Baues  des  Gcsichtsskolctlttes  zu.  dem  des  Brustkorbes  hei 

TuberkuJöseu.    Blumenfeld,  F.  180. 
4»Die  Desinfektion  mit  tuberkulösem  Auswurf  infizierter  WÀsche.    U  h  1  e  n  - 

h  u  t  h  ,  P.  und  Haider,  E.  208. 
«j'Ist    das    Perlsuchttuberkulin    zur    Kutandiiagnostik    erforderlich.  Klein- 

Schmidt,  H.  214. 
Kritik  der  physikalischen  Untersuchung  der  Lungen.    U  1  r  i  c  i  .  IL  221. 
DiiffcrenrtaMiagno.se  zwischen  extrem   großen  Kavernen  und  Pneumothorax 

■und  ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  Therapie.    Michels,  G.  232. 
Diei  Bewegungen  des  Brustkorbes  bei  2024  FĂ€llen  von  Lungentuberkulose. 

ScppĂ€nen,  V.    246.  «‹ 
Ductus  arteriosus  Botalli  persistens  mit  PrimĂ€rherden  in  der  Lunge.    M  ĂŒ  1  - 

1  e  r  ,  E.  v.  254. 

Der  Wert  der  Wildbolzschen  Eigcnharnreaktiou  fĂŒr  den  Nachweis  der  Tuber 
kuilose.    Landgraf,  Th.  258. 
t  4>Die  AVildbolzsche  Eilgenbarnreaktion.     S  t  u  b  b  e  ,  H.  262. 
Einteilung  der  Tuberkulose.     H  a  r  m  s.  271. 

^Prognostische    Bedeutung    der    Kaverne    bei    der    Lungenpliti.se.       De     1  a 
Camp.  281. 

t&Blu'teosinopbĂŒlie  als  Indikator  fĂŒr  die  jeweilige  ReaktionsfĂ€higkeit  des  Orgn 
nismus.    MĂŒller,  O.  und  B  r  ĂŒ  s  a  in  i  e  n  ,  O.  289. 
Zur   Dilfferentialdiagnose    hochfieberhafter    milt   Leukopenie  einhergehonder 

Erkrankungen.  "JĂŒlich,  W.   303.  , 
Welchen  Einfluß  haben  die  Nachwirkungen  der  Pleuritis  auf  den  Verlauf 
der  chronischen  Lungentuberkulose.    Block,  W.  311. 
‱^Prognose  der  offenen  Lungentuberkulose  im  Kindesalter.    Klare,  K.  318 
Kalktherapie  bei  Lungentuberkulose,   feuchten  berger,    R.  322. 
Behandlung  der  tuberkulösen  Pleuraexsudate.    Spengler,  L.  345. 
Klinische  Beobachtungen  an  Tuberkulösen  mit  kĂŒnstlichem  Pneumothorax. 
I  N  e  u  e  r  ,  I.   354.  , 

‱^Luftembolie   oder  Pleuraschock.     K  o  w  i  t  z  ,  H.  L.  374. 
Ein  seltener  FaJl  von  multiplen  Luugcnthoraxfisitieln.    Gehre  ke,  A.  38t. 
Beitrag  zur   Kavernen-Eröffnung.     T  h  e  y  s.  388. 

Beitrag  zur  ebiiairgi;selien  Beh'andJtang  der  ausgedehnten  einseitigen  Lungen- 
gangrÀn.    Z  i  e  gil  e  r  .  O.  395. 

Einige  Hirnventrikelpunktionen  und  Ventrikulographien    (Dandy)    bei  tuber- 
kulöser Meningitis.    Jacobaeus  ,H.  C.  403. 
Zur  Frage  der  Meningitis  tuberculosa.    S  e  c  k  e  r  ,  G.  408. 
♩Eine  eigenartige  Form  multipler  Knochentuberkulose  (Spina  ventosa  multi- 
ples   adultorum).     Fraenkel,    E.  441. 

Zur  Frage  der  Dosiierung' in  der  Röntgenbehandlung  tuberkulöser  Gelenke. 
JĂŒngling,  O.  452. 

Tuberkulöse  Lymphome  und  Lungentuberkulose.    W  a  1  1  g  r  c  n  ,  A.  461. 
Tuberkulose  und  Wohnungsnot.    Gruber,  G.  B.  478. 

SoziaĂŒ-hygienischc  Untersuchungen  an  325  offentuberkulösen  Kriegsinvaliden 
R  a  n  k  e  ,  K.  E.  und  Seiler,  E.  193. 

MĂŒn- 


MĂŒnchens. 


10.  u ml 

Die  Infektion  im  den  Familien  offentuberkulöser  Kriegsinvaliden  in 
ehen.    Ranke.  K.  E.  und   Seiler,  E.  496. 

Tuberkulose  in  den  Niederlanden  wÀhrend  des  Krieges  und  nachher.  P 
z  i  n  g.  505. 

Eine  seltene  Art  von  hÀmorrhagischer  Perikarditis.    Rabe,  F.  519. 
Lungeustreptoitrichoscn.    Peemöller,  F.  523. 


PrimĂ€res  LungenUarziiioni  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  schrumpfender 

l'rozessc.     0  I  a  n  s  .  F.  549. 
ErkÀltiingsUatarrbe.     (i  r  a  U  ,   II.  562. 

Respiratorischer  Gasaustausch  und  Lungendurchblutung 
unter  normalen  und  krankhaften  ZustÀnden  der  Atmungsorgane. 
Untersuchungen  am  arteriellen  und  venösen  Blut  von  Mensch 
und  Tier.  Die  als  Habilitationsschrift  erscheinende  Arbeil  Ge- 
faßt sich  mit  der  Entscheidung  der  fĂŒr  die  Physiologie  und  Pa- 
thologie der  Atmung  bedeutsamen  Frage,  in  welchem  Zustand 
die  Lunge  besser  durchblutet  ist,  WĂ€hrend  der  inspiratorischen 
BlÀhung  o4er  im  Kollaps.  Im  Tierversuch  wurde  zunÀchst  unter- 
sucht, welche  Folgen  der  Verschluß  eines  Hauptbronchus  fĂŒr  die 
Arlerialisierung  des  Blutes  hat.  Es  zeigte  sich,  daß  die  auf  diese 
Weise  erzielte  Ausschaltung  einer  Lunge  zu  einer  starken  Herab 
setzung  der  SauerstoffsĂ€ttigung  des  arteriellen  Blutes  fĂŒhrt,  die 
kompensatorisch  einsetzende  verstÀrkte  AtemtÀtigkeit  der 
anderen  Lunge  vermag  das  SĂ€ttigungsdefizit  nicht  zu  verringern. 
Diese  Tatsachen  berechtigen  zu  dem  Schluß,  daß  in  der  durch 
Verschluß  des  Hauptbronchus  ausgeschalteten  Lunge  die  gleiche 
Menge  Blut  fließt,  wie  unter  normalen  VerhĂ€ltnissen.  Im  Gegen- 
satz hierzu  stehen  die  Befunde  bei  Anlegung  eines  kĂŒnstlichen 
Pneumothorax:  hierbei  findet  sich  im  arteriellen  Blut  keine  sehr 
wesentliche  Herabsetzung  der  SauerstoffsÀtligung;  dieses  Ver- 
halten ist  dadurch  bedingt,  daß  die  kollabierte  Lunge  weniger 
durchblutet  ist,  als  die  normale  Lunge;  infolge  dieser  geringeren 
Durchblutung  der  Kollapslunge  fließt  der  normal  arbeitenden 
Lunge  reichlicher  Blut  zu;  hierdurch  wird  eine  genĂŒgende  Sauer- 
stofTsÀtligung  des  Gesamtblutes  erreicht.  Die  von  Sauer- 
brach  und  Cloetta  gemachte  Annahme  von  der  bessereu 
Durchblutung  der  kollabierten  Lunge  lĂ€ĂŸt  sich  auf  Grund  des 
Ergebnisses  dieser  Versuche  nicht  -aufrecht  erhalten.  Zum 
gleichen  Besultat  betreffs  der  Durchblutung  retrahierter  ode^ 
kollabierter  Lungenabschnitte  fĂŒhren  die  Untersuchungen  an 
Menschen,  bei  therapeutischem  Pneumothorax,  bei  Kompression 
einer  Lunge  durch  ein  Pleuraexsudat,  sowie  bei  krankhaften 
Prozessen  in  den  Lungen,  die  Teile  derselben  von  der  Atmungs- 
arbeit ausschalten:  durch  Abfluß  des  Blutes  aus  den  von  der 
Atmung  ausgeschalteten  in  die  atmenden  Lungenabschnitte  wird 
eine  genĂŒgende  Arterialisierung  des  Blutes  bewirkt.  Eine  starke 
SchÀdigung  des  respiratorischen  Gaswechsels  tritt  dann  ein, 
wenn  die  Ausschaltung  grĂ¶ĂŸerer  Lungenabschnitte  mit  unver- 
Ànderter Blutdurchströmung  einhergeht,  wie  es  bei  Lungenödem 
der  Fall  ist. 

Ucber  die  Tuberkuloseansteekung.  Durch  einwandfreie  Be- 
obachtungen im  frĂŒhen  Kindesalter  ist  der  Beweis  erbracht 
worden,  daß  die  Tuberkulose  in  den  allermeisten  FĂ€llen  durch 
Tröpfcheninfektion  erfolgt;  die  Uebertragung  durch  bazillenhal- 
ligen  Staub  spielt  eine  ganz  untergeordnete  Bolle.  FĂŒr  die  Pro- 
phylaxe ergibt  sich  daraus  die  Konsequenz,  daß  die  Husten- 
disziplin mindestens  ebenso  wichtig  ist  wie  die  Spuckdisziplin. 

Ueber  die  Desinfektion  mit  tuberkulösem  Auswurf  infizierter 
WĂ€sche.  Im  Gegensatz  zu  den  Schwierigkeiten  bei  der  Desinfek- 
tion frischer  tuberkulöser  Sputa  zeigte  es  sich,  daß  gegenĂŒber 
auf  WĂ€sche  angetrocknetem  Auswurf  eine  grĂ¶ĂŸere  Zahl  von 
antiseptischen  Lösungen  sich  wirksam  erweisen,  insbesondere 
Alkalilysol  und  Parol  in  3  bis  5  %  Lösung,  Kresol  in  2  %  wÀsse- 
riger Lösung,  Kresolseife  D.  A.  B.  5.  A.  in  2  bis  4  %  VerdĂŒnnung, 
Formaldehyd,  Lysoform  in  5  %  Lösung,  Sublimat  in  0,1  %  Lösung: 
Jedoch  möchten  Verf.  wegen  der  noch  geringen  Zahl  von  Ver- 
suchen einstweilen  außer  dem  Alkalilysol  bestimmte  andere 
Mittel  zur  praktischen  Verwendung  noch  nicht  vorschlagen. 

Ist  das  Perlsuchttuberkulin  zur  Kutandiagnostik  erforderlieh? 
Die  Kutanreaktion  auf  Perlsuchttuberkulin  gestattet  keinen  BĂŒck, 
schluß  auf  den  Erregertypus.  Die  Verwendung  des  Perlsucht- 
tuberkulinis  neben  dem  Alttuberkulin  findet  ihre  BegrĂŒndung  in 
der  öfters  festgestellten  stÀrkeren  Wirksamkeit  des  aus  Bazillen 
des  Typus  bovinus  gewonnenen  Tuberkulins.  Bei  getrennter  An- 
wendung des  Alttuberkulins  und  des  Perlsuchttuberkulins  ergeben 
sieh  in  einer  Reihe  von  FĂ€llen,  die  auf  Mischtuberkulin  negativ 
reagierten,  eine  positive  Beaktion  auf  Perlsuchttuberkulin,  in 
vereinzelten  FĂ€llen  auch  auf  Alttuberkulin.  Die  grĂ¶ĂŸte  Wirk- 
samkeit zeigte  in  vergleichenden  Versuchsserien  das  humane 
CuĂŒtuberkĂŒlin  (Höchst),  seine  Verwendung  macht  die  Proben  mit 
Perlsuchttuberkulin  unnötig.  Die  Beaktion  nach  Ponndorf 
in  ihrer  ursprĂŒnglichen  Form  mit  großen  Skarifikationen  ist 
wegen  der  hÀufig  eintretenden  Allgemeinreaktionen  nicht  zu 
empfehlen;  streng  wissenschaftlichen  Anforderungen  entspricht 
nur  die  subkutane  oder  intrakutane  Tuberkulininjeklion. 


558 


Aas   den   neuesten   Z  e  1 1  s  c  h  r  i  f  t  e  n 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Bluteosinophilie  als  Indikator  fĂŒr  die  jeweilige  Reaktions- 
fĂ€higkeit des  Organismus,  In  frĂŒheren  Untersuchungen  konnten 
Verf.  zeigen,  daß  ein  Ansteigen1  der  Eosinophilenkurve  nach 
Tubcrkulininjeklion  als  ein  prognostisch  gĂŒnstiges  Zeichen  -zu 
betrachten  ist.  Im  Verlauf  einer  Tuberkulinkur  gestattet  die  fort- 
laufende Beobachtung  der  Eosinophilen  RĂŒckschlĂŒsse  auf  die 
jeweilige  ReaktionsfÀhigkeil  des  Organismus  und  gibt  Anhalts- 
punkte fĂŒr  die  Dosierung.  Ein  entsprechendes  Verhalten  zeigt 
die  Eosinophilenkurve  auch  bei  der  ĂŒblichen  Vaccinetherapie. 
In  Ă€hnlicher  Weise  wirken  physikalisch-therapeutische  Maß- 
nahmen bei  Lungentuberkulose  Sonnenbestrahlungen,  kĂŒnstliche 
Höhensonne,  Röntgenbestrahlungen).  Auf  Grund  dieser  Befunde 
kann  die  Eosinophilenkurve  allgemein  als  Maßslab  fĂŒr  die  Reak- 
tionsfÀhigkeit des  Körpers  im  Kampf  gegen  Infektionen  ange- 
sehen werden. 

Die  prognostische  Bedeutung  der  Kaverne  bei  der  Lungen- 
phthise.  Die  Beurteilung  der  Kavernen  in  prognostischer  Hin- 
sicht hĂ€ngt  nicht  so  sehr  vön  der  Anzahl,  GrĂ¶ĂŸe  und  Beschaffen- 
heit der  HohlrÀume  als  von  dem  Charakter  des  vorliegenden 
Lungenprozesses  ab;  zu  dessen  EinschÀtzung  ist  fachmÀnnische 
Deutung  einwandfreier  Röntgenplatten  unbedingt  erforderlich. 
Bi  der  großen  Gefahr,  die  jede  Kaverne  FĂŒr  ihren  TrĂ€ger  be 
deutet,  sollte  von'  der  Kollapslherapie  (Pneumothorax,  Thorako- 
plastik)  möglichst  ausgiebiger  Gebrauch  gemach!  werden. 

Die  Wildbolzselle  Eigenharnreaktion.  Bericht  ĂŒber  die  in  der 
Literatur  niedergelegten  Erfahrungen  und  ĂŒber  die  Ergebnisse 
eigener  Untersuchungen  an  etwa  100  Patienten  des  Kranken- 
hauses Hamburg- Eppendorf.  Die  positive  Reaktion  gestaltet  die 
Annahme  eines  aktiven  tuberkulösen  Prozesses.  Das  Fehlen  der 
Allgemeinreaktion  und  der  Herdreaktion  bedeutet  einen  Vorzug 
vor  der  Tuberkulinreaktion. 

Zur  Prognose  der  offenen  Lungentuberkulose  im  Kindesalter. 

BestĂ€tigung  der  Erfahrungen  anderer  Autoren  ĂŒber  die  sehr  hohe 
MortalitÀt  der  offenen  Tuberkulose  im  Kindesaller.  Von  den  in 
den  Jahren  1916  bis  1920  in  der  KinderheilstÀtte  Scheidegg  (All- 
gÀu) behandelten  28  Kindern  waren  bei  Niederschrift  der  Arbeit 
18  =  64,2%  gestorben.  Der  Eintritt  der  PubertÀt  scheint  die 
Kinder  besonders  zu  gefÀhrden;  nur  ein  verschwindend  kleine; 
Prozentsatz  der  Kinder  ĂŒberschreitet,  auch  bei  monalelanger 
HeilstĂ€ttenbehandlĂŒng  die  Schwelle  der  PubertĂ€t.  Bei  dieser 
Sachlage  ist  eine  sehr  sorgfÀltige  Auswahl  der  an  offener 
Tuberkulose  leidenden  Kinder  bei  der  Einweisung  in  HeilstÀtten 
erforderlich.  Solange  wir  noch  nicht  ĂŒber  genĂŒgend  Kranken- 
hausbetten fĂŒr  diese  Kinder  verfĂŒgen,  mĂŒssen  jedoch  die  Heil- 
stÀtten zur   Isolierung  derselben  herangezogen  werden. 

Luftembolie  oder  Pleuraschock?  Unter  BerĂŒcksichtigung  der 
in  der  Literatur  niedergelegten  experimentellen  und  klinischen 
Erfahrungen  sowie  unter  Mitteilung  von  4  einschlÀgigen  FÀllen 
erörtert  Verf.  den  Entstehungsmechanismus  der  bei  Eingriffen  an 
der  Pleura  zur  Beobachtung  kommenden  ĂŒblen  ZufĂ€lle.  Die  Auf- 
fassung, daß  in  der  großen  Mehrzahl  der  FĂ€lle  die  Erscheinungen 
durch  Luftembolie  bedingt  sind,  stĂŒtzt  sich  besonders  auf  die 
Art  der  beobachteten  cerebralen  Erscheinungen,  auf  das  Auf- 
trete«] lokaler  Slasen  in  der  Haut  unter  dem  RĂŒde  roter  Mar- 
morierungen sowie  auf  den  Nachweis  ophthalmoskopisch  nach- 
weisbarer Gasembolien  in  der  Art.  centralis  retinae;  durch  In- 
jektion von  Luft  in  die  Karotiden  gelingt  es,  im  Tierversuch  die 
Erscheinungen  getreu  nachzuahmen. 

Leber  eine  eigenartige  Form  multipler  Knochentuberkulose. 
Spina  ventosa  multiplex  adultorum.  Beschreibung  eines  Falles 
einer  multiplen,  die  kleinen  und  kurzen  Knochen  der  Hand  und 
ilcs  Fußes  befallenden  eigenartigen  Form  von  Knochentuber- 
kulose, unter  Bezugnahme  auf  eine  entsprechende  Veröffent- 
lichung von  J  ĂŒ  n  g  1  i  n  g  (Förtschr.  a.  d.  Gebiet  d.  Röntgenslr. 
Bd.  27,  H.  4).  Die  Erkrankung  ist  prinzipiell  als  mit  der  Spina 
ventosa  identisch  aufzufassen,  unterscheidet  sich  jedoch  von  ihr 
durch  "das  Fehlen  oder  ZurĂŒcktreten  der  periostalen  Knochen- 
bildung, wie  sie  im  Röntgenbilde  deutlich  hervortritt.  Das 
Leiden  ist  chronisch  und  scheint  die  erkrankten  Skclettabschnitle 
nicht  ernstlich  zu  gefÀhrden.  Wolf f  (Hamburg'. 

Zeitschrift  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

15.  MĂ€rz  1922,  32,  Heft  1—2. 

❖  l'ir   BekĂ€mpfung  der  Grippe  in  KimteriiMlamstalten   durch  Freiluftbehand- 
lung'.    RothgicCcr,   0.  1. 

‱{♩Zur  Kenntnis  der  Kinflertuberkulose.    Z  i  ni  m  c  r  in  a  n  ri  ,  R.  15. 
Zur  Frage  der  aktiven  fmimunisiefung,  im  SĂ€nglingaalter,  II.  Mitteilaug:  Die 
PpckehvacoiueiminunitÀt.    F  r  a  u  k  e  u  s  t  c  i  n  .  ('.  25". 


‱^Klinische  und  radio-logische   Beobachtungen  an  ruminierenden  SĂ€uglingen] 

Bern  heim -  Karrer,  J.  M. 

Erytb,pma   ahnmlare.     Ein  typisches  Exanthem   bei    Endokarditis.     L  c  h  n  i 
d  o  r  f  f  .  U.  und  L  e  i  n  e  r  ,  ('.  V\. 

‱JPKiIiiiisch-pĂ€da^gog-ißche  Auswertung  der  Ergebuipsd  von  PrĂŒfungen  bei  Hilf« 
Schulkindern.    L  aza  r;  ÂŁ.  und  T  r  c  in  e  1  .  F.  54. 

Die     Wirkung     des     KaUumions     auf     die     SpaBmophiliC     der  Kinder. 
Wetz  cd  ,   A.  10.".. 

HereditÀre  O^ificsUionsdefektc  der  Scheitelbeine*    Neurath,  H.  n'l. 

lieber  die  BekÀmpfung  der  Grippe  in  Kinderheilanstalten 
durch  Freiluftbehandlung.    Die  Grippeinfektion  spielt  nicht  nur 

im  SĂ€uglingsalter,  sondern  auch  noch  im  Kleinkindesalter  eine 
große  Rolle.  Hier  lĂ€ĂŸt  sich  das  bei  SĂ€uglingen  bewĂ€hrte  Boxen- 
system nicht  durchfĂŒhren.  Einen  vollwertigen  Ersatz  stellt  nach 
R.  die  Freiluftbehandlung  dar,  wie  an  dem  klinischen  Material 
einer  Kleinkinder-Raohitik  er  Station  (192  FĂ€lle)  nachgewiesen 
wird.  Trotzdem  der  Kontakt  der  Kinder  ein  sehr  enger  ist,  sinkt 
der  Grippeindex  im  Laufe  der  Freiluftbehandlung  von  0,0  auf 
0,1  im  Monat,  d.  h.  pro  Kind  etwa  eine  Infektion  im  Jahr.  Daß 
dabei  die  Besserung  des  ErnÀhrungszustandes  und  die  fort- 
schreitende Heilung  der  Rachitis  ebensowenig  wie  die  Jahres-* 
zeit  einen  ausschlaggebenden  Faktor  darstellt,  wird  an  Hand 
einiger  Kurven  dafgelegt.  Es  wird  eine  direkte  aktive  Wirkung 
der  Fneiluftkur  angenommen,  die  einmal  eine  Vernichtung  der 
Rakterien  des  Nasenrachenraumes,  zweitens  eine  Erhöhung  der 
WiderstandsfÀhigkeit  des  Organismus  zur  Folge  haben  soll 
Daß  den  ultravioletten  Strahlen  dabei  eine  besondere  RollJ 
zukommt,  ist  wahrscheinlich,  wie  an  zwei  erfolgreich  mit  Höhen| 
■  sonne  behandelten  FĂ€llen  gezeigt  wird. 

Zur  Kenntnis  der  Kindertuberkulose.  An  vielen  Hunderten 
leicht  tuberkulöser  Kinder  wird  Material  zu  der  EigentĂŒmlichkeil 
der  kindlichen  Tuberkulose  gesammelt.  Sie  werden  nach  den 
drei  großen  Symptomgruppen  besprochen,  der  exsudativen 
Diathese,  der  Lungenerkrankung  und  der  HilusverÀnderung.  Am 
wichtigsten  erscheint  der  Hinweis,  daß  die  so  oft  diagnostizierte 
tuberkulöse  Lungenerkrankung  sich  meist  nicht  bestÀtigt.  Nu« 
bei  etwa  7  %  der  untersuchten  Kinder  fand  sich  ein  tubeS 
kulöser  Spitzenkatarrh  oder  eine  Tbc.  des  Unterlappens.  Etwas- 
hÀufiger ist  die  Beteiligung  des  intraklavikularen  Dreiecks  So 
relativ  selten  die  tuberkulöse  Lungenerkrankung  ist,  so  schwec' 
ist  fast  ausnahmlos  ihr  Verlatif.  Im  Mittelpunkt  des*  Interesses 
stehen  die  Hiluserkrankungen.  Auch  sie  sind  vorsichtig  zu  beur- 
teilen. In  kaum  V*  der  FÀlle  konnte  die  tuberkulöse  Natur  der 
Hiluserkrankung  einwandfrei  nachgewiesen  werden.  Da  die, 
HilusdrĂŒsen,  bei  jeder  entzĂŒndlichen  VerĂ€nderung  ihres  Quell-' 
gebiet  es  anschwellen,  so  ist  auch  bei  positiver  Tuberkulinprobe 
die  tuberkulöse  Natur  einer  VergrĂ¶ĂŸerung  der  HilusdrĂŒsen  noch' 
nicht  ohne  weiteres  sicher.  Im  ĂŒbrigen  wird  bemerkt,  daß  die 
einschlÀgigen  Tuberkulinproben  in  einer  Reihe  von  FÀllen,  auch 
bei  sicheren»  Erkrankungen  versagten.  Die  Feststellung  der 
Hiluserkrankung  leidet  weiter  darunter,  daß  sie  sich  nicht  nur 
klinisch,  sondern  auch  röntgenologisch  der  Diagnose  entziehen 
kann.  Die  indirekten  Folgen  der  raumbeschrÀnkenden  Wirkung 
im  Mediastinum  werden  selten  beobachtet,  und  zwar:  Venenj 
Zeichnung  bei  6  %,  Pupillendifferenz  bei  7  %,  D'Espine  bei  20  "/,. 
Aus  der  Menge  dieser  leichtkranken  Formen  rekrutieren  sich' 
spÀter  die  unheilbaren  Tuberkulosen.  Andererseits  scheint 
durch  das  Ueberstehen  einer  leichten  Tuberkulose  in  den  Kinder- 
jahren eine  gewisseSicherheit  fĂŒr  das  spĂ€tere  Leben  gegeben 
zu  sein. 

Klinische  und  radiologische  Beobachtungen  an  ruminierenden 
SĂ€uglingen.   Von  13  FĂ€llen  werden  3  ausfĂŒhrlich  besprochen  und 
Röntgenbilder  von  verschiedenen  Stadien  des  Ruminationsaktes 
abgebildet.    Abnorme  Lagen-  oder  GrĂ¶ĂŸenverhĂ€ltnisse  waren  nie 
vorhanden.    Der  Magen  entleert  seinen  Inhalt  nicht  durch  eine 
isolierte  Kontraktion  des  Tubus  gastricus,  sondern  durch  eine 
allgemeine   Tonuserhöhung.     Die  klinische  Beobachtung   zeigt.  < 
daß  die  SĂ€uglinge  erst  allmĂ€hlich  die  Technik  des  Ruminierens 
vervollkommnen.  AnfÀnglich  werden  nur  wenige  Kaubewegungen 
vorgenommen,   auch  kommt  es  zum  teilweisen   Ausfließen  der 
Nahrung.    In  diesen  Nahrungsverlusten  (bis  zu  100  g  und  mehr)! 
liegt  die   klinische  Bedeutung  des  Ruminationsaktes.     Als  aus- 
lösendes Moment  ist  das  habituelle  Erbrechen  von  grĂ¶ĂŸter  Be-j 
deutung.    Das  Kind  spielt  mit  dem  hochgestiegenen  Mageninhalt  j 
und  lernt  dann  willkĂŒrlich  durch  Luft  schlucken.  Auslösen  des! 
WĂŒrgereflex  es  oder  durch  leiebte  Hilfe  des  Zwerchfells  oder  der  j 
Rauchdecken   das  Hochsteigen  des  Mageninhalts  zu  bewirken.  ] 
Die  Rumination  heilt  mit  dem  Aelterwerden  des  Kindes  spontan, *j 
da  sich  dem  Spieltrieb  neue  Möglichkeiten  eröffnen',  so  daß  die'j 
Rumination  vergessen  wird. 


40.  Ja  Urft.  —  Nr.  ILr>/:U>. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


Die  klinisch-pÀdagogische  Auswertung  der  Ergebnisse  von 
PrĂŒfungen  bei  HiHsschulkĂŒulern.  Wie  sich  die  neuiroiagische 
Diagnose  aus,  einzelnen  zueinander  in  Beziehung  gebrachten 
tJnlersuchungsergebnissen  aufhaut,  su  können  die  einzelnen  Funk- 
Ionen,  ans  denen  sich  die  Intelligenz  zusammensetzt,  geprĂŒft 
weiden,  und  aus  den  Ergebnissen  dieser  PrĂŒfung  LĂ€ĂŸt  sich  ein 
Einblick  in  das  Wesen  der  zu  untersuchenden  Intelligenz  er- 
möglichen. Es  zeigt  sich  dabei,  daß  hĂ€ufig  isolierte  Defekte  vor- 
kommen, die  sich  bei  geeigneter  Analyse  gul  unterscheiden 
lassen.  Zu  diesem  Zweck  wird  ein  umfangreiches  Schema  von 
Tests  allgemeiner  und  spezieller  Natur  aufgestellt,  durch  welches 
es  gelingt,  die  Leistungen  so  zu  analysieren,  daß  die  Kalle  in 
gewisse  Gruppen  und  Untergruppen  eingeteilt  werden  können, 
wenn  auch  ausdrĂŒcklich  betont  wird,  daß  es  sich  nur  um  Aehn- 
Ichkeilen  handelt,  und  eine  völlige  Ueberednstimmung  zwischen 
zwei  FĂ€llen  nie  gefunden  wird.  Es  werden  Defekte  der  im 
■nessionalen  SphĂ€re,  und  zwar  rein  auditive  und  rein  visuelle, 
«trennt  vom  Defekten  der  lintentionalen  SphÀre,  ider  psychi- 
schen AktivitÀt.  In  jeder  Gruppe  lassen  sich  Untergruppen  ab- 
grenzen. Es  wird  darauf  hingewiesen,  daß  es  aussichtslos  er- 
scheint, den  Schwachsinn  durch  einen  gewissen  Funktionskoni- 
plex  zu  erklÀren.  Das  einzige,  was  mit  Hilfe  des  psycholo- 
gischen Experimentes  möglich  erscheint,  ist  die  gruppenmĂ€ĂŸige, 
Bestimmung  des  Einzelfalls.  Die  Untersuchungen,  die  sich  auf 
die  in  den  Hilfsschulen  eines  Großstadlbezirkes  vorkommenden 
gewöhnlicheren  Formen  beschrÀnken,  sollen  spÀter  auch  auf  ge- 
wisse typische  Krankheitsbilder  ausgedehnt  werden. 

Schall,  TĂŒbingen. 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

(5.  MĂ€i  1922,  49,  Nr.  18. 

■frAktinomycose.    B  a  r  a  c  z.  <i:u. 
‱H'-cinluappemlieitis.    V  o  g  e  1  e  r.  039. 
Pelottenverschluß  des  kĂŒnstlichen  Afters.    D  r  ii  n  e  r.  012. 

Die  Behandlung  der  Aktinomycose  mit  Kupfersult'at.  Ver- 
fasser hat  im  Verlauf  von  19  Jahren  35  FĂ€lle  von  Aktinomycose 
der  verschiedensten  Körperregionen  (hauptsÀchlich  Kopf  und  Hals ; 
in  folgende]  Weise  behandelt:  In  das  aktinomycolische  Infiltrat 
wird  elwa  20—40  cem  einer  1  %igen  Kupfersulfallösung  einge- 
spritzt. Die  Injektion  wird  in  AbstÀnden  von  einigen  Tagen  wie- 
Berholt,  bis  das  starre  Infiltrat  sich  erweicht  und  verflĂŒssigt  hat. 
Die  Abszelihöhlen  und  FistelgÀnge  werden  dann  nach  Entleerung 
des  Eiters  jodiert  und  mit  in  Kupfersulfallösung  getrÀnkten  Gaze> 
streifen  tamponiert.  (Das  Kupfersulfat  wird  seil  langem  beim 
Beizten  des  Getreides  zur  Vernichtung  der  Strahlenpilzsporen  b  : 
nutzt.)  Befindet  sich  der  Prozeß  im  BĂŒckgang,  so  werden  Abszeß- 
bohle und  FistelgÀnge  energisch  mit  dem  Lapisstift  behandeil. 
h-Von  den  35  FĂ€llen  sind  30  dauernd  geheilt. 

Ueber  Pscudoappendicitis,  hervorgerufen  durch  DĂŒnndarm- 
spasmen.  Bei  einem  Manne,  der  unter  der  Diagnose  Appendicitis 
operier!  wurde,  fand  sich  ein  normaler  Wurmforlsatz;  dagegen 
war  in  einer  Entfernung  von  10  cm  von  der  Bauhin'schen  Klappe 
eine  2  cm  breite  EinschnĂŒrung  der  Wand  des  Ileum  zu  sehen. 
Nach  Bepinselung  mit  10  %iger  Kokainlösung  löste  sich  diese  Ein- 
schnĂŒrung. Verfasser  hĂ€lt  es  fĂŒr  wahrscheinlich,  daß  ein  Schleim- 
bautulcus  (Ruhr?  Tuberkulose??-)  den  Spasmus  hervorgerufen 
hat.  K.  Wohlgemut  h  (Berlin). 

Archiv  fĂŒr  orthopĂ€dische  und  Unfall -Chirurgie. 

Marz  1922,  20,  lieft  2. 

❖  Dir  OberarmknochenbrĂŒche   au   der  ZĂŒrcher   chirurgischen    Klinik    in  den 
letzten  20  Jahren  (1899— 1!)19).    SchlĂŒpfer,  Karl.  ISA. 

♩Hei  trag     zur     Behandlung     veralteter     traumatischer  HĂŒftausrenkungcn, 
C  r  a  m  c  r  .  213. 

Der   Kollo-Diaphysen-    (Schenkelhals-,    NeSgungs*)    Winkel,  Dalentin, 
B  r  u  n  u.  219. 

i  rlirr   kongenitalen  Femiurdefek)   und   verwandte.   Mißbildipigcn.  Spiel.!, 

Paul  t-  234. 

♩lieber  schnellende  Kniegelenke.    Frosch,  Ii.  i36. 
Kommlnutivplaetik  der  Tibia  ljei  schweren  rachitischen   DeformitÀten  mit 
INendartliru.se.    Bebst   einigen    Bemerkungen    zur  KnoclienregeiueratiĂŒii. 
R  o  h  d  c  ,  Karl.  281. 
‱    ♩lieber  Iluhlf ußbehandJung.    Lacluicr,  Felix.  286. 

Ilallux     valgus     und     Metatarsalgie     (Pe.s     planus     anterior  transversus). 
H  a  1  r  i  c  h  t ,  Alfred.  814. 
,  Zur  Behandlung  des  Ilallux  valgus.    Mayer,  E.  ;tl8. 
Bin  Fall  von  Krb'seher   Ltthmung   nach   Schiet'halsuperatitiii.     U  1  e  n  c  k  e  , 
Hans.  821. 

Hammel referat  ĂŒber  Heilgymnastik  und  Massage  aus  dem  .labre  1920.  Bett- 
ln a  Ii  n  ,  H.  Ji  828. 
Besprechungen.  320, 


Die   ObecarmknochenbrĂŒcho  an  der  ZĂŒrcher  chirurgischen 
Klinik  in  den  letzten  2(1  Jahren.    Die  weitlÀufige  Arbeil  Kail 
SchlĂŒpfers  lallt  in  gedrĂ€ngtester  KĂŒrze  folgende  Tatsachen 
erkennen:    BrĂŒche   am   oberen    llumri  usendc    sind   hĂ€ufiger  al~ 
Scha II hr liehe  oder  distale  EndbrĂŒrhc    Die  RechtshĂ€ndigkeit  be- 
dingt ein  starkes  Ueberwiegen  der  LinksbrÀche.    Abrisse  der 
Tuberkula    finden    sich    nur    im    mittleren    und    höheren  Aller. 
Ebenso  ist  der  Bruch  im  anatomischen  Halse  eine  Bnuchform  des 
Allers.  Auch  de-  chirurgische  Hals  bricht  in  der  Jugend  seilen. 
Einkeilung  oder  geringe  Dislokation  lalll  bei  diesen  BrĂŒchen  so 
forlige  Bewegungen  zu  therapeutischen  Zwecken  zu.    Die  Exten 
sionsbehaudlung  auf  einer  Christen-Pfahner-Schiene  war  Therapie 
der  Wahl.  —  DiaphysenbrĂŒche  linden  sich  vornehmlich  bei  Jugend 
liehen  Individuen.   Bei  geringer  Disloka I i sa I ion  fixierende  Seine 
nung,  sonst  ExlensionszĂŒge  auf  Schiene  nach  Reposition  in  Nar- 
kose. Nach  3 — 4  Wochen  mobilisierende  Therapie.  Na  gelext  ension 
wird  verworfen.    SuprakondyJĂŒre  Frakturen  werden  dorsal  ge 
schient.  Abgesprengte  lose  StĂŒcke  werden  am  besten  exstirpierl, 
—  Betonung  der  Wichtigkeit  einer  BeschĂ€ftigungstherapie! 
Unter   114   DiaphysenbrĂŒche    3    Pseudarlhrosen.  Nervenver- 
letzungen  waren  . verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig   selten.    (Radialis   in  3,8%; 
l'lnaris  wird  oft    nach   Jahren  erst   geschÀdigt   durch  Knllus- 
unibau.)    Als  Todesursache  kommt   (sehr   selten;    Feltembolie  in 
Betracht.  —  Im  ĂŒbrigen  bildet  die  Arbeit  eine  Fundgrube  wert- 
voller Einzelbeobachtungen. 

Beitrag  zur  Behandlung  veralteter  traumatischer  HĂŒftaus- 
renkungen. Die  ĂŒberaus  schweren  Funktionsstörungen  bei  ver- 
alteten HĂŒftluxationen  rechtfertigen  gröllere,  auch  blutige  Ein- 
griffe. Gramer  behandelte  zwei  FĂ€lle  von  Luxatio  obturatoria 
durch  Osteotomie.  Die  Erfolge  waren  sehr  gut,  wenn  man  be- 
denkt, daß  Einrenkungen  meist  schon  nach  Wochen  unmöglich 
werden.  Die  Osteotomie  (linear)  wurde  zwischen  mittlerem  und 
unlerem  Drittel  vorgenommen,  das  Bein  in  seiner  Achse  gehfÀhig 
gestellt  und  gleichzeitig  verkĂŒrzt.  Der  gegen  das  Foramen  ob- 
turatum  sich  stemmende  Kopf  hat  guten  Halt.  Die  Kranken 
wurden  wieder  leistungsfĂ€hig.  Der  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  einfache  Ein- 
griff scheint  sich  in  Àhnlichen  FÀllen  zu  empfehlen. 

Ueber  schnellende  Kniegelenke.  Das  „Schnellen"  im  Knie 
gelenk  —  an  und  fĂŒr  sich  eine  seltene  Erscheinung  —  ist  nach 
Frosch  bedingt  entweder  durch  nervöse  Störungen  im  Gebiet 
der  Oberschenkelmuskulatur  (rhylmische  KrampfzustÀnde  im 
Semitendinosus  u.  s.  f.)  oder  durch  anatomische  Hindernisse  fĂŒr 
die  an  der  Kniebewegung  beteiligten  Sehnen  oder  endlich  durch 
krankhafte  VerÀnderungen  im  Gelenk  selbst.  Die  letzte  Eorm 
kann  hochgradige  diagnostische  Schwierigkeiten  bieten,  da  der 
palpierende  Finger  keinen  Zutritt  zum  Gelenkinnern  findet  und 
Röntgenbilder  nur  dann  Anhaltspunkte  geben,  wenn  es  sich  um 
knöcherne  Prozesse  handelt.  Der  Verfasser  beschreibt  eingehend 
einen  Fall  dieser  Art,  bei  dem  ersl  die  Autopsie  in  vivo  eine 
entzĂŒndliche,  tumorartige  Verdickung  der  Ă€ußeren  Menisken  er- 
gab, Die  Aeliologie  des  Leddens  isl  nicht  geklÀrt  worden.  Die 
Exstirpatibn  der  Zwischenknorpel  brachte  Heilung. 

Ueber  Hohlfußbehandlung.  Lack  ner  zeigt  an  einem  großen 
Material,  das  der  orthopÀdischen  UniversitÀtsklinik  Berlins  ent- 
stammt, in  Wort  und  Bild  die  Erfolge  einer  sachgemĂ€ĂŸen  Hohl- 
I  ullbehandlung.  Mit  Recht  weist  er  auf  die  Wichligkeil  der 
Diagnose,  da  hĂ€ufig  nur  die  Symptome  (HĂŒhneraugen,  Gehschwie- 
len, SchleimbeulelentzĂŒndiungen )  erkannt  und  behandelt  werden, 
was  natĂŒrlich  nicht  von  dauerndem  Erfolg  begleitet  sein  kann. 
Er  erwĂ€hnt  —  was  ebenfalls  wenig  bekannt  sein  dĂŒrfte  — ,  daß 
leichte  HohlfĂŒĂŸe  wĂ€hrend  lĂ€ngerer  Krankheilen  sich  sehr  ver- 
schlimmern können,  da  der  Druck  der  Bettdecke  den  Vorderfuß 
in  Spitzstellung  (hÀngt.  Eine  geeignete  Prophylaxe  erspart  den 
Kranken  spÀtere  Beschwerden.  Die  Therapie  richtet  sich  nach  der 
Schwere  des  Falles.  Stets  isl  eine  Repression  als  wichtigster  Teil 
der  Behandlung  anzusehen.  Einlagen  .sind  streng  abzulehnen,  be- 
sonders bei  Jugendlichen,  da  sie  den  Hohlfuß  zu  vermehren 
suchen.  Die  Ueberptflanzung  des  m.  extensor  hallucis  longus  auf 
die  Ansalzstelle  des  m.  libialis  anterior  ergab  gĂŒnstige  Resultate 
bei  mittelschweren  Formen;  die  schweren  mĂŒssen  durch  Keil- 
resektionen  aus  der  Fußwurzel  geheilt  werden.  Durch  die  dabei 
entstehende  VerkĂŒrzung  des  ganzen  Fußes  strecken  sich  auch  die 
klauenartig  gekrĂŒmmten  Zehen  wieder. 

Debr  u  n  n  e  r  (Berlin"). 
Zeitschrift  fĂŒr  urologische  Chirurgie,  Berlin. 

11.  April  1922,  9,  II.  X. 

Die  Dr&ninprobe.    Roe'dalius.  i. 
‱frNierenkarzinom    im  Kiiulesalteir.    P  e  i  c  i  c.  9. 


560 


Aus  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg. —Nr.  35/36. 


«^Operative  Behandlung  der  Sainenblasentuberkulose.    H  r  y  n  t  »  e  h  a  k.  17. 
Bedeutung     der     Cystoradioskopie     in     der     Blasenchirurgie.  Eisen- 

s  t  À  d  t  e  r.    38.  ' 
Wiener   urologische  Gesellschaft.  47. 

Nierenkarzinom  im  Kindesalter.  Bei  einem  11  jÀhrigen,  bisher 
gesunden  MĂ€dchen,  wird  ein  großer  linksseitiger  Nierentumor 
diagnostiziert;  Nephrektomie;  der  Tumor  mißt  14  cm  im  Durch- 
messer, das  ĂŒbrig  gebliebene  Nierenparenchym  erscheint  nur  wie 
ein  AnhÀngsel  des  Tumors.  Histologisch  handelt  es  sich  um  ein 
„tubulĂ€res  Adenokarzinom,  vom  exkretorischen  Anteil  der  fötalen 
Niere  herstammend." 

Operative  Behandlung  der  Samenblasentuberkulose.  Die  Er- 
krankungen der  Samenbiase  gehören  zu  den  „dunkelsten  und 
unklarsten  Krankheitsbildern  des  menschlichen  Körpers".  Die 
klinischen  Symptome  der  Samenblasentuberkulose  sind  meist  sehr 
geringfĂŒgig;  erst  Uebergreifen  auf  andere  Organe  (Bfase,  Hoden, 
Vas  deferens  usw.)  macht  grĂ¶ĂŸere  Beschwerden,  die  den  Kranken 
zum  Arzt  fĂŒhren.  Das  Wesentliche  in  der  Diagnostik  ist  der 
rektale  Tastbefund;  eine  normale  Samenblase  ist  ĂŒberhaupt  nicht 
zu  palpieren.  Eine  Cystoskopie  soll  nie  unterlassen  werden.  Da 
ĂŒber  ein  Drittel  der  an  Genitaltuberkuloise  Leidenden  an  Meningi- 
tistuberkulose oder  Miliartuberkulose  sterben,  ist  schnelle  und 
radikale  Entfernung  des  erkrankten  Organs  zu  fordern.  Vor  der 
Massage  der  Samenblase  ist  dringend  zu  warnen.  BezĂŒglich  der 
Technik  der  Spermatocystectomie  ist  der  ischiorektalen  Methode 
Voelkers  der  Vorzug  zu  geben. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Monatsschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Berlin. 

April  1922,  57,  Heft  5. 

Bedeutung  des  Blutdruckes  fĂŒr  die  Geburts  hĂŒlfet,    de  Snoo,  K.  235. 
Anatomie  und  Physiologie  der  Plazenta.    Franke,  0  .  244. 
‱^»Beitrag  zur  kongenitalen  Nierendystopie.    B  a  u  m  a  n  n  ,  Ii.  247. 
♩{‱Kurze  Mitteilung  ĂŒber  einen  Kaiserschnitt  nach  Vaginaefixatio  alta  Unter- 
position).    Hill  et.,  H.  252. 
Die  staatliche  Frauenklinik  mit   MĂŒtter-   und   SĂ€uglingsheim   in  Chemnitz. 
K  r  u  1 1  ,  W.  255. 

Beitrag  zur  kongenditalen  Nierendystopie.  Bei  der  28  jÀh- 
rigen Frau,  die  sich  im  5.  Schwangerschaftsmonat  befand,  wurde 
links  hinter  dem  Uterus  ein  Tumor  konstatiert,  der  den  Fundus 
uteri  um  2  Querfinger  ĂŒberragte  und  mit  seinem  unteren  Pol 
in  den  Douglas  hinabreichte.  Die  Diagnose  lautete  GraviditÀt  + 
Ovarialtumor.  Bei  der  Laparotomie  erwies  sich  der  „obere  Pol 
des  Tumors"  als  linkes  Horn  eines  Uterus  bicornis  gravidus,  der 
„untere  Pol"  als  Beckenniere.  Diese  wurde  ausgelöst  und  nach 
oben  verlagert.  Reaktionsloser  Verlauf.  6  Wochen  spÀter  Fehl- 
geburt. 

Eine  kurze  Mitteilung  ĂŒber  einen  Kaiserschnitt  nach  Vaginae- 
fixatio  alta  (Interposition).  Gelegentlich  eines  Kaiserschnittes, 
mit  dem  bei  einer  wegen  Uterusprolaps  mit  Vaginaefixur  nach 
Mackenrodt  vor  einigen  Jahren  behandelten  Frau  entbunden 
wurde,  zeigte  sich,  daß  die  AdhĂ€sionen  zwischen  Scheide  und 
GebĂ€rmutter  sich  in  der  Schwangerschaft  auflockern,  so  daß  der 
Geburtsverlauf  nach  Vaginaefixation  nicht  unbedingt  gestört  zu 
sein  braucht.  Jonas  (Berlin). 

Dermatologische  Wochenschrift. 

22.  April  1922,  Nr.  16. 

Erfahrungen  mit  der  Reaktion  des  kolloidalem  Benzoeharze»  in  der  RĂŒcken- 

marksflĂŒssigkeit.    Utas,  Fritz, 
lieber  einen  Fall  von  Rasierschanker.    Helle,  Hans. 
RĂŒckLaufkonus  fĂŒr  HarnröhrenspĂŒlung.    T  h  i  m  ,  I.  R. 
Alfred  Blaschko  +.     Galewsky,  E. 

29.  April  1922,  Nr.  17. 

Zur  Frage  der  Lues  des  vegetativen  Nervensystems.    S  k  1  a  r  z  ,  Ernst. 
»M>ie  strafrechtliche  Verwertung  der  Papillarlinienmuster.    D  e  h  n  o  w  ,  Fritz. 

Die  strafrechtliche  Verwertung  der  Papillarlinienmuster  Der 

wissenschaftliche  Nachweis,  daß  es  nicht  2  Finger  gibt,  die 
gleiche  Papillarlinienmuster  besitzen,  ist  zwar  bisher  noch  nicht 
geliefert  worden,  aber  da  man  andererseits  auch  niemals  bei 
verschiedenen  Fingern  ein  gleiches  Muster  gefunden  hat,  so  ist 
die  IdentitÀt  eines  daktyloskopischen  Monogramms  ein  stÀrkstes . 
Beweismittel  fĂŒr  die  IdentitĂ€t  der  Person.  RĂŒckschlĂŒsse  aus  dem 
Muster  auf  bestimmte  Rasse,  Familie,  Verbrechertyp  usw.  zu  , 
ziehen,  ist  bisher  nicht  gelungen.  B  a  b  (Berlin).  5» 


Archiv  fĂŒr  Augenheilkunde,  MĂŒnchen. 

Februar  1922,  90,  Heft  2/3. 

❖Ein  Fall  von  Starkstromverletzung  des  Auges.    S  p  i  r  ,  E.  127. 

Einige  FÀlle  interessanter  LinsenverÀnderungen.    Frey,  L.  135. 

Ueber  stenopÀische  Brillen  und  Apparate.    G  r  e  e  f  f  ,  R.  147. 

l)er  Einfluß  des  Vestibularapparates  auf  die  Innervation  der  Augenmuskel. 
K  ö  1  1  n  e  r  ,  H.   und  Hoff  m  a  n  u  ,  P.  17U. 
*$*Aus  der  Individualpathod.ogie  der  MotilitÀt.    L  o  h  ui  a  n  n  ,  W.  195. 

Zur  Genese  der  Pigmemtstreifen  der  Netzhaut.    L  o  h  m  a  n  n  ,  W.  203. 

Ueber  einen  Fall  von  Starkstromverletzung  des  Auges.  Em 

30  jÀhriger  Mann,  der  bis  dahin  auf  beiden  Augen  sehr  gut  ge- 
sehen halte,  fiel  mit  dem  Gesicht  auf  die  hochgespannten  Schienen 
der  elektrischen  Bahn,  wurde  bewußtlos  davongetragen  und 
zeigte  bei  der  Unteruschung  außer  tiefen  Brandwunden  eine. 
Schwellung  der  R.  GesichtshÀlfte  mit  starkem  Lidödem  R.  Das 
L.  Auge  war  nur  etwas  lichtscheu  und  leicht  gerötet.  Nach  dem 
Unfall  will  Patient  zunÀchst  nur  hell  und  dunkel  erkannt  haben, 
nach  2  Monaten  bestand  rechts  S  —  8/60,  links  S  —  6/8.  An  be- 
sonderem bot  das  R.  Auge  eine  streifige  TrĂŒbung  nahe  der  hin- 
teren Linsenkapsel,  eine  Folge  von  auf  mechanischem  oder; 
elektrolytischem  Wege  entstandenen  SchÀdigung  der  Kapsel- 
epit  hellen.  Diese  TrĂŒbung  blieb  bisher  stationĂ€r  (8  Monate).  -4 
Zarte  GlaskörpertrĂŒbungen  werden  vom  Verf.  als  feinste  Blutungen 
gedeutet,  gröbere,  hinter  der  Linsenkapsel,  als  mechanische  odei* 
elektrolytische  GewebsverÀnderungen.  In  der  R.  Macula  fand  sich; 
ein  Degenerationsherd,  der  zu  einem  absoluten  zentralen  Skotonr 
fĂŒhrte,  in  der  L.  nur  feine  PigmentpĂŒnktchen,  die  keine  nennen.s4 
werte  Sehstörung  verursachten.  Ein  unvollstĂ€ndiges  zurĂŒck- 
gehendes Ringskolom  und  leichte  UnschÀrfe  und  Abblassung  der 
R.  Papille  vervollstÀndigen  den  pathologischen  Befund. 

Aus  der  Individualpathologie  der  MotilitÀt.     Als  habituelle 

Besonderheiten  der  .MotilitĂ€t  fĂŒhrt  Verf.  aus  seiner  Beobachtung 
FĂ€lle  von  schlaffer  Ptosis  an,  die  durch  spontanen  einseitigen^ 
Abschluß  ohne  Inanspruchnahme  des  Orbikularis  allein  durch? 
Erschlaffung  des  Levator  hervorgebracht  wird.  —  Habitueller 
Nystagmus  (ein  solcher,  der  weder  durch  Nerven-  oder  Ohren-' 
leiden,  noch  optische  Daten  erklÀrt  wurde)  ohne  Scheinbewegung 
der  GegenstÀnde  verschwand  oder  verlangsamte  sich  bei  Kon- 
vergenzstellung der  Augen.  —  Eine  beim  Blick  nach  oben  auf4j 
tretende  deutliche  Konvergenzstellung  der  Augen    sei  bei  LĂ€h- 
mungen der  Blickhebung  zu  berĂŒcksichtigen   und  lasse  daran 
denken,   „daß   normalerweise   vielleicht   eine   SchwĂ€chung  des* 
Zentrums  fĂŒr  die  Bliokhehung  etwa  in  der  VierhĂŒgelgegend  vor- 
kommen kann."  Vielen  Menschen  ist  eine  willkĂŒrliche  Schließung 
nur  eines  Auges  nicht  möglich  oder  sie  besitzen  dies  Vermögen 
nur  auf  dem  einen  Auge,  wÀhrend  das  andere  allein  nicht  ge- 
schlossen werden  kann. 

Die  Fixation  mit  dem  gelÀhmten  Auge  wurde  bisher  durch 
bessere  Qualifikation  dieses  Auges  zum  Sehen  erklÀrt,  die  des 
nicht  qualifizierten  gelÀhmten  u.  a.  durch  Uebung  (JÀger,  Mikro- 
skopierende). Verf.  findet  eine  ErklÀrung  auch  in  dem  bei  ein- 
zelnen Personen  bestehenden  Unvermögen,  das  eine  Auge  zu 
schließen.  Ist  dieses  das  gelĂ€hmte,  so  können  die  entstehenden 
Doppelbilder  nur  durch  Schließung  des  ungelĂ€hmten  beseitigt 
werden,  das  gelÀhmte  Auge  wird  also  das  fixierende. 

M  a  s  s  u  r  (Berlin). 

Virchows  Archiv  fĂŒr  pathologische  Anatomie  und  Phy- 
siologie, Berlin. 

22.  April  1922,  238,  Heft  1. 

Anatomische  Studien  ĂŒber  die   Coronararterien  und  experimentelle  Unter-  , 

suchungen  ĂŒber  ihre  DurchlĂ€ssigkeit.    Crainicianu,  A.  l. 
Multiple  Capillarangiome  der  Milz.    M  ĂŒ  1 1  e  r  ,  H.  76. 
Dritter  Testikel  als  Darmanhang.    Q  u  i  d  e  n  d  a  1  ,  A.  J.  F.  82. 
«^Pathologie  des  Knochenwachstums.     M  a  a  ß  ,  H.  89. 

^â–șBeitrĂ€ge    zur   Physiologie    und   Pathologie   der  Nasen-,  und  Mundatmung. 
W,o  tzilka,  G.  105. 
Die  experimentelle  Infektion  des  Meerschweinchens  mit  dem  Bac.  melitensis  ; 

(Bruce)  und  dem  Bac.  abortus  (Bang).    Jaffe,  R.  H.  119. 
Die     RegeneratiousvorgÀnge     bei     tuberkulöser    Ulceration     des    Darms.  ^ 
S  c  h  ĂŒ  n  ei  m  a  n  n  ,  H.  135. 

Zur  Pathologie  des  Knoehenwachstums.  Ein  Beitrag  zur 
Pathogenese  der  SkelettdeformitÀten  und  der  rachitischen  Wachs- 
tumsstörung. Den  organischen  WachstumsvorgĂ€ngen  gegenĂŒber, 
die  sich  in  der  Apposition  neuer  Knochenlagen  seitens  des  Pe- 
riostes und  Wachstumsknorpels  an  der  KnochenoberflÀche 
Ă€ußern,  betont  Verf.  die  mechanische  Wachstumsenergie,  d.  h. 
die  Wachstumsrichtung  als  einen  fĂŒr  GrĂ¶ĂŸe  und  Gestalt  des  1 


40.  Jalug.  —  Nr.  35/36. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


Knochens  wichtigen  Faktor.  Das  Wesen  der  mechanischen  Wachs- 
tatasstörungen  liegt  nicht  in  krankhafter  Beeinflussung  der  or- 
ganischen WachstumsvorgÀnge,  sondern  nur  in  pathologi- 
seher  BeeintrÀchtigung  der  Wachstums  r  i  c  h  t  u  n  g ,  z.  B.  hemmt 
.örtlieh  gesteigerter  Druck  nicht  organisch  die  Knochenprolifera- 
tion  von  Knorpel  oder  Periost,  sondern  rein  mechanisch  die 
rĂ€umliche  Ausdehnung,  so  daß  der  weiter  wachsende  Knochen 
Eich  mehr  nach  der  druckfreien  Richtung  entfalten  muß,  also 
nur  eine  Aenderung  seiner  physiologischen  Wachstumsrichtung 
eintritt.  Diese  SĂ€tze  werden  am  skoliotischen  Keilwirbel  und  am 
skoliotischen  Rippenwachstum  bewiesen.  Im  Gegensatz  zu  den 
Ansichten  anderer  Autoren  fĂŒhrt  M.  die  Mehrzahl  aller  Schul- 
skoliosen auf  örtliche  Wachstumsstörungen  infolge  örtlicher  Ein- 
wirkung pathologischer  DrĂŒck-  und  Zugspannungen,  und  nicht 
auf  eine  pathologische  Knochenweichheit  zurĂŒck.  Diese  patho- 
tjpgischen  Druck-  und  Zugspannungen  können  durch  Ă€ußere  me- 
chanische Einwirkungen  auf  den  wachsenden  Knochen  zustande 
kommen  (.Klumpfuß,  angeborener  Schiefhals,  Coxa  vara,  genu 
valgum,  pes  planus)  oder  im  Knochen  seihst  gelegen  sein,  wie 
z.  B.  bei  der  Rachitis.  Auch  hier  liegt  das  Wesen  in  der  durch 
den  Kalkmangel  bedingten  reinmechanischen  Störung  des 
Knochenaufbaues;  der  rÀumliche  Knochenaufbau  an  sich  ist  nicht 
unterbrochen,  aber  er  kann  infolge  des  Kalkmangels  nicht  mehr 
in  der  physiologischen  Wachstumsrichtung  erfolgen.  Der  rachi- 
tische Köhrenknochen  bleibt  kĂŒrzer  als  der  gesunde,  weil  das 
w  (  ichbleibende  spongiöse  Gewebe  der  Metaphysen  dem  auf  ihm 
ruhenden  physiologischen  Wachstumsdruck  nachgibt  und  stÀrker 
in  die  Breite  wÀchst.  Hierdurch  entstehen  die  Epiphysenauf- 
Ireibungen.  Es  ist  hier  nicht  mehr  und  nicht  weniger  Gewebe 
gebildet  als  in  der  Norm,  nur  ist  die  Wachstumsrichtung  eine 
pathologische.  Auch  dem  Dickenwachstum  liegen  nur  VerÀnde- 
rungen der  rÀumlichen  Ausdehnung  zu  Grunde.  Die  an  der 
Knorpelknochengrenze  bei  der  Rachitis  sich  abspielenden  Ver- 
Ànderungen, wie  Verbreiterung  der  Knorpelwuchörungszone  und 
UnregelmĂ€ĂŸigkeit  der  Ossifikationslinie,  werden  vom  Verf.  eben- 
falls als  mechanischer  Effekt  des  Kalkmangels  aufgefaßt. 

BeitrÀge  zur  Physiologie  und  Pathologie  der  Nasen-  und 
Mundatmung.  Nach  einleitender  Besprechung  ĂŒber  die  Physiologie 
der  Nasenatmung  erörtert  Verf.  die-  Frage,  wie  Nase  und  Mund 
als  Atemweg  auf  die  BewegungsgrĂ¶ĂŸe  und  Bewegungsform  der 
Brustwandungen  und  der  Lunge  einwirken.  Da  hierzu  die  allei- 
nige Betrachtung  des  atmenden  Thorax  nicht  genĂŒgt,  weil  der 
Unterschied  der  Bewegungen  bei  den  beiden  Atmungsarten  zu 
gering  ist,  brachte  W.  die  Atmung  mittels  des  Gulzmannschen 
Pneumographen  zur  Darstellung  und  achtete  dabei  besonders 

1.  auf  das  VerhÀltnis  zwischen  Brust-  und  Bauchatmung, 

2.  auf  die  GrĂ¶ĂŸe  der  Atembewegungen, 

3.  auf  die  Form  derselben. 

Es  ergab  sich  dabei,  daß  die  Atmung  durch  die  normale  Nase 
tiefer  ist,  als  durch  den  Mund  und  daß  mit  zunehmender  Ver- 
engerung der  Nase  im  allgemeinen  die  Zwerchfellbewegungen 
grĂ¶ĂŸer,  die  Thoraxbewegungen  kleiner  werden.  Bei  den  am 
Röntgenschirm  beobachteten  Zwerchl'ellbewegungen  bei  einsei- 
tiger Nasenverengerung  zeigte  sich,  daß  jede  Nasense'ite  die 
Atmung  der  gleichen  Lungenseile  zumindest  mehr  beeinflußt  als 
die  der  anderen  Lungenseite. 

Der  Mundatmung  gegenĂŒber  bedeutet  die  Nasenatmung  eine 
intensivere  TĂ€tigkeit  der  Atmungsmuskulatur  und  dadurch  be- 
dingte Atemvertiefung,  VergrĂ¶ĂŸerung  der  Lungenbewegung  und 
Förderung  des  Blut-  und  Lymphstromes  der  ^unge,  was  fĂŒr  die 
oberen  Lungenteile  besonders  wichtig  ist.  An  Hand  zahlreicher 
Kurven  stellt  Verf.  fest,  daß  mĂ€ĂŸige  Verengerung  der  Nase  bei 
krĂ€ftiger  Muskulatur  lediglich  vergrĂ¶ĂŸerte  Atembewegungen  des 
Thorax  und  Zwerchfelles  hervorruft,  daß  dagegen  bei  hochgra- 
diger Nasenstenose  der  Thorax  nur  geringe  Atembewegungen 
macht,  wÀhrend  der  Hauptanteil  dem  Zwerchfell  zufÀllt.  Den 
grĂ¶ĂŸten  Nachteil  der  Mundatmung  gegenĂŒber  der  Nasenatmung 
erblickt  Verf.  in  der  geringeren  Bewegung  der  oberen  Lungen- 
teile mit  den  hieraus  sich  ergebenden  Folgen  fĂŒr  Blut-  und  Lymph- 
zirkulation. II  a  r  l  w  i  c  h  (Hamburg-Eppendorf). 

BeitrÀge  zur  pathoiog.  Anat.  u.  z.  allgem.  Pathologie,  Jena. 

1922,  70,  H.  1. 

«frlntraecllulÀre     Oxydation      und     Nadireaktion      (Indophenolblausy  nthese). 
-  Graft,  S.    1  . 
Die  EntzĂŒndung  in  ihren  Beziehungen  zum  nervösen  Apparat.    Groll,  II.  20. 
lieber  eystlsch  Xanthomatose  GeschwĂŒlste.    Kirch,  G.  75. 
MiischgeschwĂŒlste  des  Gerichtes.    P  a  u  3  ,  N.  96. 


Arteriosklerose  bei   Kind,  Pferd  und  Hund.    Krause,  C.  121. 
Zur  Aetiologie   der  Prostat.ihypei  trophie.     A  d  r  i  o  n  ,   W.  170. 
♩Ein  Pal]  von  malignem  Ganglioneurom.    Berfier,  J.  208. 

Dystopie  der  Ncurohypophj  sc.     I*  riet«  Vi,   A.  209. 

EigentĂŒmliche  eisenhaltige  Myelinmassen  in  der  Lunge.  \  i  s  s  e  n,  II.  212. 
Physikalische  VerÀnderungen  der  Markscheide.   8  p  Leget,  E.  219. 

IntrazellulÀre  Oxydation  und  Nadireaktion.  Das  farblose  Ge 
misch  der  beiden  Beagenlien:  o-Naphthol  (1%  Losung;  und 
Dimethyl-p-phenylendiaminchlorid  (1:2%,,  Lösung),  das  „N  a  d  i  - 
gern  i  seh",  gibt  in  Geweben,  bei  Vorhandensein  von  Oxydase 
und  in  Gegenwart  von  Sauerstoff  der  Luft  eine  BlaufÀrbung,  die 
[ndophenolblauisynthese  (Naddreaktion).  Nach  den  Versuchen  des 
Verf.  gestattet  der  Ausfall  der  Reaktion  einen  Schluß  auf  die 
oxydative  LeistungsfÀhigkeit  der  lebenden  Zelle,  deren  Grad  der 
StÀrke  der  Farbstoffbildung  parallel  geht.  Die  Indophenolblau- 
synthese  gestattet  auch  den  Nachweis  katalysatorisch  wirkenden 
Eisens  in  den  Zellen.  Die  Nadireaktion  ist  eine  biologisch  be- 
sonders" wertvolle  Reaktion;  sie  gestattet  den  histologischen  Nach- 
weis der  funktioneilen  Verschiedenheilen  der  Zellen  des  Organis- 
mus unter  gesunden  und  krankhaften  Bedingungen,  und  zwar 
auf  Grund  der  vitalen  oxydativen  FĂ€higkeilen  der  verschie- 
denen Zellarten. 

Ein  Fall  von  malignem  Ganglioneurom.  4'/,  jÀhriges  MÀdchen 
erkrankt  unter  den  Zeichen  einer  Tbc.  des  Peritoneums,  an 
Diarrhoen,  Abmagerung,  Fieber,  betrÀchtlicher  Zunahme  des 
Bauchwmfanges  und  stirbt  in  wenigen  Wochen  unter  den  Symp- 
tomen der  Äddissonschen  Krankheit:  Pigmentierung,  Adynamie, 
Sopor.  Bei  der  Obduktion  fand  sich  retroperitoneal  ein  großer 
Tumor  zwischen  oberem  Nierenpol  und  Milz,  der  sich  histologisch 
als  Ganglioneurom  erwies.  In  den  regionĂ€ren  LymphdrĂŒsen 
fanden  sich  Metastasen  mit  Ganglienzellen  und  Nervenfasern. 

Lehndorff  (Wien). 

Frankfurter  Zeitschrift  fĂŒr  Pathologie. 

26,  Heft  3. 

Lymphogranulomatosiis  inteistini.     de   Groot,  J.  383. 
^Tuberkulose  der  Herzklappen.    Dressier,  W.  401. 
Patholog.-anal.  Grundlagen  der  Influenza.    Mitlas  eh,  G.  406. 
Zur  Pathologie  der  BauchspeicheldrĂŒse.    Friescl,  A.  453. 
Untersuchungen   ĂŒber  Hirngewicht  u.   SchĂ€delkapazitĂ€t.    Panofsky,  W. 

und  H  a  e  u  s  1  e  r  ,  M.  519. 
Einteilung  und  Benennung  der  Lungenphthise.    S  c  h  ĂŒ  r  m  a  O  n  ,  P.  556. 
Zur  Kenntnis  der  Peritunealcysten.    G  ö  d  e  1  ,  A.  564. 

Tuberkulose  der  Herzklappen.  Bei  einem  5  jÀhrigen  Knaben, 
der  an  Miliartuberkulose  zugrunde  gegangen  war,  fanden  sich 
Verdickungen  und  Exkreszeinzen  an  der  Mitralklappe,  die  sich 
histologisch  als  ein  verkÀster,  stellenweise  ulzerierter  Kon- 
glomerattuberkel erwiesen,  der  streng  auf  das  Klappengewebe  be- 
schrĂ€nkt blieb.  Interessant  war,  daß  diese  tuberkulöse  Endo- 
carditis,  die  schließlich  zur  Entstehung  der  Miliartuberkulose 
Veranlassung  gab,  klinisch  vollkommen  symptomlos  verlaufen 
war. 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  experimentelle  Medizin,  Berlin. 

25.  MĂ€rz  1922,  27,  Heft  1—2. 

‹»♊Beeinflussung-  der  BlutkĂŒrperchensenkuugsgescbwindigkeit  durch  Reizstoffe. 
Lö  Ii  r  ,  H. 

Der  Einfluß  parentenal  verabreichter  Purinkörpcr  auf  die  Purinkörperaus- 
seheidung  beim  Menschen.  Schittenhelm,  A.  und  H  a  r  - 
p  u  d  e  r  ,  K.  14 

Resorption    u.    bakterielle   Zersetzung    der   Purinsubstauzen   im  Darmkanal. 

Schittenhelm,  A.  u.  H  a  r  p  u  d  e  r  ,  K.  29. 
Ueber  das  Schicksal  gebaut  injizierter  HarnsÀure.    Schittenhelm,  A. 

und  Harpuder,  K.  34. 
Gibt  es  beim  Menschen  eine  HarnsÀurezerstörung?    Schittenhelm,  A. 

und  Harpuder,  K.  43. 
HarnsÀuroumsatz   und   HarnsÀureausfuhr   bei  Akromegalie.  Sohitten- 

b  e  1  m  ,  A.  und  II  a  r  p  u  d  e  r  ,  K.  50. 
Die    Brauchbarkeit    der   kolorinietrischen   Methoden   zur   Bestimmung  vom 

Harnsiiuregehalt  des  Blutes.    H  a  r  p  u  d  e  r  ,  K.  und  M  o  n  d  ,  R.  54. 
McJthodik   zur   Bestimmung   der    Gerinnungszeit   des    Venenblutes.     W  ö  h - 

lisch,  E.  61. 

Methodik  zur  vergleichenden  Thrombusbestiininung  im  Serum.    W  ö  h  1  i  s  c  h, 
E.  lind  Dienst,  K.  82. 
‱frUeber  postoperativen  EiweißzerfaJl.    B  ii  r  g  ei  r  ,  M.  und  G  r  a  u  h  a  n  ,  M.  97. 
Ableitung  der  Aktionsströme  des  Herzens  vom  Thorax.    S  c  h  o  1  1  o  g,  F.  115. 

Beeinflussung  der  Blutkörperehemscnkungsgeschwindigkeit 
durch  Reizstoffe.  Durch  Beizkörper  aller  Art  lĂ€ĂŸt  sich  die  Sen- 
kuagsgeschwindigkeit    der    Blutkörperchen   ganz   erheblich  be- 


Buchbesprechungen 


10.  Jahrg.  —  Nr.  36/30. 


schleimigen.  Bei  intramuskulĂ€rer  Verablolgung  tritt  sie  frĂŒhestens 
nach  2  Stunden,  bei  intravenöser  nach  einer  Stunde  ein.  Die  Be- 
schleunigung wird  durch  8  Tage  beobachtet.  Am  promptesten  war 
dieselbe  bei  Eiweißkörpern  (Milch,  Caseosan  usw.)  zu  beobachten. 
Nicht  eiweißarlige  Körper  unterscheiden  sich  nur  durch  zeitlich 
spatere  Wirkung,  da  sie  erst  sekundÀr  infolge  parenteralen  Ab- 
baues arteigenen  Eiweißes  reizfĂ€hige  Spaltprodukte  bilden  mĂŒssen. 
Durch  OrganprĂ€parate,  durch  Adrenalin  und  auch  Pilokarpin  lĂ€ĂŸt 
sich  bei  parenteraler  Gabe  ebenfalls  die  Senkungsgeschwindigkeit 
beschleunigen.  Der  Vorgang  der  Beizbildung  geschieh!  auf  die- 
selbe Art  wie  bei  Nichteiweißkörpern.  Eine  nervöse  Beeinflus- 
sung (autonomes  Nervensystem)  ist  grundsÀtzlich  abzulehnen.  Es 
besieht  ein  weilgehender  Parallelismus  in  der  Beschleunigung  der 
Senkungsgeschwindigkeit  und  der  SteigerungsfÀhigkeit  von 
Typhusagglutininen  nach  Verabfolgung  von  Beizkörpern. 

In  fĂŒnf  Arbeiten  beschĂ€ftigen  sich  S  c  h  1  i  t  t  e  n  h  e  1  m  und 
IIa  r  p  uder  mit  Fragen  des  Purinsloffwechsels.  In  der  ersten 
Arbeit  wird  gezeigt,  daß  von  parenteral  verabreichten  Purinsuh- 
stanzen  nur  ein  Teil  im  Harn  wieder  erscheint.  In  der  folgenden 
Arbeit  wird  gezeigt,  daß  der  Einwand,  daß  der  im  Urin  nicht  er- 
scheinende Best  im  Darm  gar  nicht  resorbiert  worden  ist,  im  Dick- 
darm der  FÀulnis  anheimfalle  und  so  der  intermediÀren  Umsetzung 
in  HarnsÀure  entgehe,  nicht  zu  recht  besteht.  Die  weitere  Arbeil 
beschÀftigt  sich  mit  der  Frage  der  Belenlion  der  HarnsÀure  im 
Organismus.  Eine  dauernde  Anreicherung  des  Blutes  mit  Harn- 
sÀure findet  nicht  statt;  zur  Entscheidung,  ob  in  den  Organen 
grĂ¶ĂŸere  Mengen  HarnsĂ€ure  retiniert  werden,  wurde  die  Analyse 
von  Organen  von  Menschen  durchgefĂŒhrt,  die  kurz  vor  dem  Tode 
große  Mengen  von  HarnsĂ€ure  in  sich  aufgenommen  hatten.  Es 
ergab  sieh,  daß  immer  nur  ein  Teil  der  verabreichten  HarnsĂ€ure 
(hauptsÀchlich  in  der  Leber  und  im  Blute,  ferner  in  Knochen  und 
Knorpel  und  in  der  Niere)  wieder  gefunden,  ein  großer  Teil  aber 
verschwunden  war.  Diese  Arbeilen  sprechen  fĂŒr  die  von  Brugsch 
und  Schittenhelm  angenommene  Uricolyse  im  Nucleinstoffwechsel 
und  fĂŒr  die  Fermentslörung  des  Purinstoffwechsels  bei  der  Gicht. 
Die  neuen  Gichttheorien  von  TannhÀuser  (renale  Insuffizienz 
der  IlarnsÀureausscheidung)  wie  von  Gudzent  (Uratohistechie) 
werden  diskutiert  und  abgelehnt. 

Ueber  postoperativen  Eiweifizerfall.  Hei  einer  sehr  großen 
x\nzahl  von  Gesunden,  Kranken  aller  Art  wurde  der  antitryptische 
Titer  des  Serums  bestimmt.  Bei  normalen  Mensehen  (ohne  Ei- 
w  eißzerfall)  betrĂ€gt  der  A.  T.  nach  den  Untersuchungen  des  N  eri', 
ca.  H>,  bei  Patienten  mit  leicht  entzĂŒndlichen  Prozessen  55,  bei 
beginnenden  malignen  Tumoren  60,  bei  forlgeschritlenen  malignen 
Neubildungen  70,  bei  eitrigen  Prozessen  mit  Fieber  80 — 90.  Jeder 
operative  Eingriff  bewirkt  ein  Ansteigen  des  A.  T.  (besonders  hohe 
AusschlÀge  nach  Strumaoperationen).  Ist  die  als  Folge  des  ope- 
rativen Eingriffs  ‱einsetzende  Gewebseinschmelzung  nur  geringen 
l  mfanges,  so  kehrt  der  Titer  rasch  zur  Norm  zurĂŒck.  Prompte 
Entleerung  abgekapselter  Eiterherde  bedingt  nach  vorĂŒbergehen- 
den Anstieg  raschen  Abfall;  bei  SekundÀrinfektionen  weiteres  An- 
sieigen. Bei  Karzinomen  spricht  Abfall  des  vorher  erhöhten  Tilers 
und  dauerndes  Einhalten  von  Normalwerten  fĂŒr  geglĂŒckte  Radi- 
kaloperation; Hochbleiben  resp.  Ansteigen  fĂŒr  ZurĂŒckbleiben  von 
Metastasen.  Der  „Wundschock"  nach  Zerstörung  großer  Gewebs- 
massen  und  bei  Ausbildung  großer  WrundflĂ€chen  ist  nach  Ansicht 
('es  Verf.  als  „proteinogene  Kachexie"  au  betrachten. 

Lehndorf  f  (Wien !. 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

4.  Mai  1922,  52,  Nr.  18. 

SphygmoboIogra.phie  unter  Verwendung  der  graphischen  Arteriometrie  und 

ĂŒber  Volumbolographie.    Sabli,  II.  426. 
Oer  Einfluß  des  Höhenklimas  aal  den  Kapillarkreislauf  und  die  Beziehung 

des  letzteren  zu  der  in  Höhenlagen  beobachteten  Blutkörperchen-  und  HÀ- 

mogloblnvermehrung.    L  i  e  b  e  s  n  y  ,  P.  431. 
^♩Eigenartige  DĂ€mpfungisverhitltnisse  bei  Pericardiltiis  exsudativa!    A  t  t  i  n  g  e  r. 

435." 

^â–șKeuchhusten-Konvulsionen.    H  o  f  f  tu  a  n  n  .  W\  438. 

Ueber  eigenartige  DÀmpf  ungsverhÀltnisse  bei  Periearditis 
exsudativa,  Es  handelt  sich  in  dem  mitgeteilten  Falle,  wie  aus 
beigegebenen  Figuren  ersichtlich  ist,  um  eine  exsudative  Peri- 
earditis mit  maximaler  FĂŒllung  des  Perikards  und  extrem  starken 
VerdrÀngungs-  und  Kompressionserscheinungen  von  seiten  der 
Lungen.  Dabei  mußte  die  Differehtialdiagnose  zwischen  Lungen- 
kompression, pleuritischen  Exsudaten  und  pneumonischen  Ver- 
dichtungen gestellt  werden.  Dieselbe  stĂŒtzte  sich  auf  folgende 
Punkte:  FĂŒr  Pneumonie  fehlten  jegliche  Anhaltspunkte.  Gegen 


pleuritisChe  Exsudate  und  fĂŒr  Lungenkompression  sprach:  1.  der 
outerhaltene  Stimmlremitus  ĂŒber  den  gedĂ€mpften  Partien,  L  die 
Punctiö  sicca.  3.  der  Verlauf  der  oberen  DÀmpfungsgrenzen. 

Der  Angelpunkt  der  Arbeil  ist,  zu  behaupten,  daß  nach  phy- 
sikalischen Gesetzen  große  Pericardialexsudale  beidseitige  Lun- 
genkompressioneni  herbeifĂŒhren  mĂŒssen. 

Keuchhusten-Konvulsionon.  Eine  der  schwersten  Komplika- 
tionen des  Keuchhustens  bildet  das  Auftreten  von  eklamptisehen 
AnfÀllen,  die  besonders  das  SÀuglings-  und  Kleinkindalter  be- 
ireffen Was  die  Streitfrage  betrifft,  ob  Beziehungen  zur  Spasmo- 
bhĂŒie  bestehen,  so  konnte  bei  den  vom  Verf.  beobachteten  Kindern 
kein  derartiger  Zusammenhang  festgestellt  werden;  im  gleichen  j 
Sinne  spricht  auch  die  Erfahrung,  daß  eine  gegen  Spasmophihe 
gerichtete  Therapie  versagt.  Das  Aller  ,1er  betroffenen  Kinder 
lag  zwischen  1-  1  Jahren;  den  AnfÀllen  gingen  gelegentlich  Zu- 
stÀnde auffallender  psychischer  VerÀnderungen  voraus  Die  Kör- 
pertemperatur zeigl  meist  nur  geringe  Erhöhung.  Pathologisch- 
anatomisch  wird  eine  seröse  Meningitis  als  Grundlage  der  Kon- 
vulsionen angenommen,  doch  sind  die  VerÀnderungen  nicht  sicher 
festestem  'Therapeutisch  kommen  Chloralhydralklysmen  in  Be- 
tracht, noch  wirksamer  Luminal.  daneben  Bron.nah  mm.  In 
hartnÀckigen  Fallen  oder  bei  eingetretener  Somnolenz  Lumbal- 
punktion, wobei  man  15  -20  rem  entleert.  Großei  Wert  is  auf  die 
fortwÀhrende' Stimulierung  der  Herzkraft  durch  Kampler  und 
Digalen  zu  legen.  Davon  hĂ€ngt  es  sieher  zu  einem  großen  lul 
ab  ob  das-Xind  die  Anfalle  ĂŒbersteht.  Dem  Kampler  komm!  we- 
gen seiner  krampflosemlen  Eigenschaft  die  Hauplbedeujung  ^»J. 

Paris  medical. 

8.  April  1922,  Nr.  14.' 

Di,,  professionellen  Radiodermatiden  und  ihre  Behandlung.    P-grais.  29S. 
Der  Krebs  der  Radiologen.     L  e  d  O  U  C  -  Ii  C  b  8  f.d.  299. 
+Kin  Kall  von  Lipon,  des  Fingers.     Martin  und  G  o  m  .  e  r.  .10.1. 

Ein  Kall  von  Lipom  d.s  Fingers.  In  der  Literatur  11  lalle. 
Dieser  betrifft  eine  NĂ€herin,  bei  der  sich  der  rumor  an  der  Stell, 
des  Soherendrucks  entwickelte  Typisch:  Konstant  an ^de,  Hand 
Ilaehe.   langsame,  progressive   Entwicklung  J*hre>,  ohM 

Schmerzen,  ohne  Krepitation  ^ÄSJ*1  ^ 
stÀndig  exstirpierl,  an  der  Sehnenscheide  adhaiierend. 

n  v.  S  c  h  n  !  z  e  r. 


Buchbesprechungen. 


Do  Monte»:  Die  Grundprobleme  der  medizinischen 
Psychologie.     Bern-Leipzig,   Verlag   Ernst   B.rcher.  l.'-- 

Mark  30,00.  ... 
Nachdem  vor  kurzem  erst  die  ausgezeichnete  medizinische 
Psychologie  von  Kretschmer  erschienen  ist.  erörtert  dieselben 
Probleme,  wenn  auch  von  anderem  Gesichtspunkte  aus.  deMontel. 
Wenn  man  darĂŒber  auch  vielleicht  anderer  Ansicht  sein  kann, 
daß  die  Individal-Psvchologie,  von  der  Verfasser  nichts  wissen 
will  doch  gerade  fĂŒr  den  Ă€rztlichen  Psychologen  seine  grollen 
Vorteile  hat,  so  bringt  doch  dies  Buch  eine  Beihe  von  beachtens- 
werten psychologischen  Tatsachen,  versucht  mit  den  in  der  Àrzt- 
lichen Praxis  so  hÀufig  angewandten  unklaren  Begriffen  auf- 
zurÀumen und  den  Arzt  zu  einem  prÀzisen,  exakten  Denken  zu 
erziehen  worin  ich  den  Hauptwert  dieser  Schrift  erblicke.  Wenn 
auch  die  rein  praktischen  RatschlÀge  nur  gering  sind,  so  ver- 
spricht doch  Verfasser  diese  in  einem  weiteren  Buche  ausfĂŒhr- 
licher zu  behandeln.  L  11 J  (' 

Theodor  Friedrichs:     Zur  Psychologie  der  Hypnose  und 
Suggestion.    Kleine  Schriften  zur  Seelenforschung.  Herausge- 
geben von  Dr.  med.  et  phil.  Arthur  Kronfeld.    Heft  1.    Julius  PĂŒtt- 
mann, Verlagsbuchhandlung.    Stuttgart  1922. 
Das  vorliegende  Heft  leitet  mit  einem  der  interessantesten  psycholo- 
gischen Probleme  eine  von  Kronfeld  neu  begrĂŒndete  Sammlung  klei- 
ner Schriften  zur  Seelenforschung  ein.    Schon  der  Titel  zeigt  klar  die 
Problemstellung:    es  wird  nicht  unternommen,  die  Hypnose  und  Sug- 
gestion physiologisch  zu  erklÀren,  sicher  ein  vergebliches  Beginnen; 
einzig  und  allein  auf  das  psychologische  Erfassen  kommt  es  an.  Nur 
hier  fĂŒhrt  ein  Weg. 

Es  ist  zunĂ€chst  wichtig  zu  wissen,  daß  zwischen  dem  Bewußtseins- 
zustande des  Hypnotisierten  und  des  Suggerierten  nur  ein  gradueller 
Unterschied  besteht;  der  ihrem  Leiden  gemeinsame  Faktor,  die  Sug- 
gestibilitÀt,  zeigt  bei  dem  einen  und  dem  andern  .das  gleiche  psycholo- 
gische Verhalten.  Die  HerbeifĂŒhrung  des  verĂ€nderten  Bewußtseinzu- 
standes  in  der  Hypnose  wird  in  Anlehnung  an  Bleuler  aus  affek- 


Jahr: 


Nr.  35/30. 


B  u  c  I»  I)  <‱  s  |>  r  e  o  Ii  u  n  g  e  n 


563 


n  Quellen  hergeleitet.  Zwischen  Suggestor  und  Suggeriertem  findet 
»  affektive  Bindung  statt,  derart,  daß  bei  letzterem  eine  psychische 
Stellung  im  Sinne  eines  Unterworfenseins,  einer  AbhÀngigkeit,  eines 
nmachtsgefĂŒhls  gegenĂŒber  dem  Suggestor  erfolgt.  Die  gleiche  Re- 
ionsweise  —  ZurĂŒcktreten  des  Intellekts  und  freies  Schalten  der 
ekte  finden  wir  einerseits  in  der  Psychomechanik,  wie  wir  sie  bei 
i  Naturvölkern  ausgebildet  sehen,  andrerseits  in  den  Aeußerungeu 
Masseuseele. 

Als  besonders  suggestibel  erweisen  sich  die  Menschen  mit  beson- 
‱$  nachhaltiger  starker  Affektnachwirkung  (Bleuler)  und  einer  pri- 
r  leichten  Ausschaltbarkeit  des  SelbstgefĂŒhls,  einem  labilen  Persön- 
lkeitsbewußtsein  im  Sinne  von  Bonhoeffer,  also  Typen,  die 
retschmar  neuerdings  als  schizothyme  und  schizoide  geschil- 
pt hat. 

Wie  Krön  fei  d  in  der  Vorrede  der  Schrift  betont,  beginnen  Àhn- 
le Anschauungen  wie  die  vom  Verfasser  entwickelten  bereits  in  der 
ssenschaft  sich  durchzusetzen.  Trotz  alledem  muß  es  durchaus  als 
»en  Verdienst  anerkannt  werden,  daß  die  Bedeutung  der  affektiven 
wußtseinseinengung  fĂŒr  Hypnose  und  Suggestion  klar  und  ein- 
utig  herausgearbeitet  wurde.  Des  weiteren  erscheint  mir  der  Hin- 
te wertvoll,  daß  die  Reaktionsweise  bei  Hypnose  und  Suggestion  zum 
il  der  psychischen  Einstellung  der  Naturvölker  entspricht.  Wir  kön- 
n  hieraus  erkennen,  wie  unser  Seelenleben  sich  schichtweise  aufbaut, 
iwisse  uns  seltsam  erscheinende  psychische  Dispositionen  sind  hier- 
ch  nicht  als  Abartung  vom  normalen  Denken  und  FĂŒhlen  aufzu- 
isen,  sondern  sind  entwicklungspsychologisch  als  FrĂŒhformen  see- 
chen Geschehens  zu  begreifen.  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

mmas  Lewis:  Klinik  der  unregelmĂ€ĂŸigen  Herz- 
tÀtigkeit. Uebers.  von  Otto  Wuth.  2.  unverÀnderte  Aufl. 
98  S.  Verlag  C.  Kabitzsch,  Leipzig,  1922. 

Eine  Empfehlung  des  rĂŒhmlichst  bekannten  Werkes  des  eng- 
■hen  Forschers  erĂŒbrigt  sich.  An  dem  Buch  selbst  ist  nur  zu 
‱dauern,  daß  infolge  des  schlechten  Papiers  ein  großer  Teil 
t  Kurven  schlecht  zu  lesen  ist. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

hndorff,  Heinrich.  Kurzes  Lehrbuch  der  Kinderkrank- 
heiten. Zweite  umgearb.  und  verm.  Aufl.  Wien  und  Leipzig 
1922.    Jos.  Safar.    VIII.  und  276  Seiten.    Preis  geh.  120  Mark. 

Verf.  hat  es  verstanden,  im  vorliegenden  Buche  in  gedrÀngter 
ĂŒrze  das  Wesentliche  der  SĂ€uglings-  und  Kinderheilkunde  zur  Dar- 
:llung  zu  bringen.  Das  Buch  macht  schon  dem  Titel  nach  durchaus 
cht  den  Anspruch  absoluter  VollstÀndigkeit,  es  sollte  nur  das  Wich- 
fste  gebracht  werden,  um  dem  Studierenden  unterstĂŒtzend  an  die 
and  zu  gehen.  Dieser  Aufgabe  wird  das  Lehndorff  sehe  Lehr- 
ich voll  gerecht.  Aetiologie,  Symptomatologie,  Verlauf,  Diagnose, 
ifferentialdiagnose,  Prognose,  Prophylaxe  und  Therapie  werden  bei 
iem  Krankheitsbild  systematisch  abgehandelt.  Alle  Theorie  und  alle 
igeklÀrten  bezw.  noch  nicht  definitiv  entschiedenen  Fragen  sind  fort- 
lassen. Allerdings  fanden  leider  Untersuchungsmethoden  und  Tech- 
k  keine  BerĂŒcksichtigung,  ein  Mangel,  dem  in  Zukunft  doch  wohl 
»geholfen  werden  könnte,  ohne  den  Umfang  des^Buches  wesentlich 
i  vergrĂ¶ĂŸern,  wenn  sich  Verf.  auf  die  im  Kindesalter  von  den  bei 
rwachsenen  abweichenden  Methoden  beschrĂ€nken  wĂŒrde.  Im  all- 
»meinen  ist  das  Buch  den  Studierenden,  die  ja  heute  nicht  mehr  in 
sr  Lage  sind,  sich  die  bewĂ€hrten  großen  LehrbĂŒcher  anzuschaffen, 
ehr  zu  empfehlen,  als  die  jetzt  wegen  ihrer  Billigkeit  leider  so  seh'- 
Aufnahme  gekommenen  Kompendien.  Jeder  wird  sich  des  Lehn- 
orf 1  sehen  Lehrbuches  als  ErgÀnzung  zu  den  Vorlesungen  sicher 
it  Erfolg  gern  bedienen. 

KĂ€ckell  (Hamburg). 

ronfeld,  Robert.  Die  ZĂ€hne  des  Kindes.  Zweite  umgearb. 
und  erw.  Aufl.  Leipzig  1922.  Verlag  Arthur  Felix.  VII.  und 
16  Seiten.    Preis  geb.  100  Mark. 

Nach  dem  Geleitwort  von  Weiser  ist  das  Buch  in  erster  Linie  fĂŒr 
inderÀrzte  und  Praktiker  bestimmt,  doch  auch  ZahnÀrzten  und  Stu- 
ierenden  der  Zahnheilkunde  ist  es  aufs  beste  zur  LektĂŒre  zu  emp- 
hlen.  FĂŒr  Praktiker  und  PĂ€diater  dĂŒrfte  aber  wohl  ein  großer  Teil 
&  Buches,  z.  B.  die  Kapitel  ĂŒber  Therapie  der  Karies,  Therapie  der 
i  den  weichen  Zahngeweben  auftretenden  Erkrankungen,  Kronen  und 
rĂŒcken  an  KinderzĂ€hnen,  orthodontische  Behandlung  der  KinderzĂ€hne 
Ilm  von  großem  Nutzen  sein,  fĂŒr  deren  volles  VerstĂ€ndnis  das  zahn- 
rzlliche  Studium  Vorbedingung  ist.  Dagegen  ist  die  in  den  ĂŒbrigen 
bschnitten  zusammengestellte  Schilderung  der  normalen  und  patholo- 
ischen  VerhĂ€ltnisse  am  Milchgebiß  und  an  den  bleibenden  ZĂ€hnen 
es  Kindes,  sowie  deren  Diagnostik  fĂŒr  den  praktischen  Arzt  von  In- 
iresse und  es  ist  zu  begrĂŒĂŸen,  daß  ihm  durch  die  anschauliche  Schil- 
erung  Gelegenheit  gegeben  ist,  sich  mit  einem  Gebiet  zu  befassen, 
as  bisher  in  der  allgemeinen  Medizin  nur  zu  leicht  vernachlÀssigt 
mrde,  dessen  Bedeutung  aber  heute  immer  mehr  erkannt  wird.  Am 
/ertvollsten  dĂŒrfte  das  Buch  nach  der  Art  seiner  Fassung  wohl  fin- 


den Schulzahnarzt  sein.  Hervorgehoben  sei  besondere  die  ‱']<>'<■ 
Zahl  recht  guter  Bilder. 

KĂ€ckell  (Hamburg). 

<>r.  Julius  Misch,  Zahnarzt  in  Berlin:  Lehrbuch  der  Grenz 
g  e  biet  e  d  e  r  M  e  d  i  /.  i  n  u  n  d  Z  a  h  n  heil  k  u  n  d  e  fĂŒr  Stu 
dicrende,  ZahnÀrzte  und  Acrzle  unter  Mitarbeit  zahlreicher 
FachÀtzte  bearbeitet.  Zwei  BÀnde,  2.  Auflage.  Verlag  F;  C. 
W.  Vogel,  Leipzig  1922.  Preis  geheftet  100  M.,  gebunden  475  M 
In  den  letzten  Jahren  hat  in  dt  ‱  i  isensehafllichen  Zahnheil- 
kunde  mehr  und  mehr  der  Grundsatz  Fuß  gefallt,  daß  sie  nur 
dann  ihren  Aufgaben  gerecht  werden  kann,  wenn  zugleich  den  ge 
samten  ZustÀnden  in  der  Mundhöhle  und  deren  Beziehungen  zu  an 
deren  Teilen  des  Organismus  die.  gebĂŒhrende  Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt wird.  Auf  solchen  GedankengÀngen  aufgebaut  ist  das  vor- 
liegende Werk  entstanden,  das  sowohl  inhaltlich,  als  auch  was 
Ausstattung  —  Papier,  zahlreiche  gute  Abbildungen  usw.  be 
trifft,  den  weitgehendsten  Anforderungen  GenĂŒge  leistet.  In 
meinsam  bearbeiteten  Abschnitten  nehmen  Zahnarzt  und  der  be 
treffende  Facharzt  (z.  B.  der  GynÀkologe,  Dermatologe,  Otologe, 
Laryngologe,  Neurologe,  Internist,  PĂ€diater)  Stellung  zu  den  ge- 
samten Grenzfragen  ihres  Spezialfaches  und  der  .Zahnheilkunde. 
Ueberall  eine  Fundgrube  reichen  Materials,  wobei  auch  die  neu- 
eren Ergebnisse  der  Wissenschaft  schon  vermerkt  sind.  Abgesehen 
von  Einzelheiten  aus  dem  Abschnitt  der  Dermatologen  und  des 
Laryngologen  (z.  B.  akuter  Kehlkopfkatarrh  der  Kinder)  und  an- 
derer FĂ€cher,  sind  fĂŒr  den  PĂ€diater  von  besonderem  Interesse  die 
Abschnitte:  Innere  Krankheiten  von  Prof.  E.  F  u  1  d  und  E.  II  e  r  z- 
feld  in  Verbindung  mit  J.  Misch  und  Kinderkrankbeilen 
von  Gustav  Tugendreich  in  Verbindung  mit  J.  Misch. 
Nach  anatomischen  und  ‱  physiologischen  Vorbemerkungen 
weiden  Zahnung,  Beziehungen  der  Kinderkrankheiten  zu 
Zahn-  und  Mundkrankheiten  (Rachitis  ,  Spasmopbile  Diathese. 
Tuberkulose,  Scrofulose  und  exsudative  Diathese,  Lues. 
Barlow  ,  Akute  Osteomyelitis)  eingehend  abgehandelt.  Be- 
zĂŒglich der  Dentition  wird  die  Anschauung  vertreten:  ..Wenn 
also  auch  in  manchen  FĂ€llen  die  Zahnung  einigen  Einfluli 
auf  das  Allgemeinbefinden  der  SĂ€uglinge  ausĂŒbt,  so  ist  dieser  doch 
bei  weitem  nicht  so  hÀufig  und  so  schwer,  wie  die  Àltere  Lehre 
behauptete".  Weiterhin  werden  akute  Infektionskrankheiten,  ge- 
nuine Erkrankungen  des  Mundes,  Erkrankungen  der  Zunge,  Miß- 
bildungen, besprochen.  Besonders  hingewiesen  sei  noch  auf  den 
Anhang:  lieber  Mundpflege  im  Kindesalter,  wobei  auch  schulzahn- 
Ă€rztliche FĂŒrsorgemaßnahmen  erörtert  werden.  Einige  Hinweise 
ĂŒber  Narkose  im  Kindesalter  beschließen  den  Abschnitt.  —  Das 
reiche  Tatsachenmaterial  gestaltet  das  Buch  zu  einem  Nach- 
schlagewerk ersten  Ranges;  es  ist  als  eine  wesentliche  Bereiche- 
rung der  Fachliteratur  anzusehen.  G.  Stern. 

Leisewitz :      Kurzes    Repetitorium    der  GynÀkologie. 

Breitensteins     Repetitorium     24.     Leipzig,     Johann  Ambrosius 

Barth.  1922.  21  Mark. 
In  dem  allgemeinen  Teil  des  Repetitoriums  werden  gynÀkologisch? 
Untersuchung  und  Therapie  besprochen.  An  den  speziellen  Teil 
schließt  sich  eine  kurze  Operationslehre  an.  In  dem  Kapitel  ĂŒber 
entzĂŒndliche  Tubenerkrankungen  vermisse  ich  einen  Hinweis  auf  die 
so  sehr  wichtige  Differentialdiagnose  gegenĂŒber  der  Appendizitis. 
Die  ExtrauteringraviditÀt  mit  ihren  Konplikationen,  deren  Erkennung 
zu  den  wichtigsten  Aufgaben  des  Praktikers  gehört,  sollte  einheitlich, 
nicht  in  drei  verschiedenen  Abschnitten  (S.  91,  HO,  111)  besprochen 
werden.  Bei  Besprechung  der  Peritonitis  fehlt  ein  differentialdiagno- 
stischer Hinweis  zur  Unterscheidung  der  gonorrhoischen  von  der  Per- 
forationsperitonitis.  Ein  sehr  störender  Druckfehler  auf  Seite  114:  ,,Die 
Blase  muß  vor  jeder  Operation  entfernt  (soll  wohl  heißen  ent- 
leert, Ref.)  werden".  —  Als  „Katechismus  fĂŒr  die  PrĂŒfungen"  scheint 
mir  das  BĂŒchelchen  wohl  geeignet  zu  sein,  nicht  aber  als  „Vademekum 
fĂŒr  die  Klinik  und  Praxis". 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Schwalbe:  Körte:  Verletzungen  und  chirurgische 
Krankheiten  der  Leber,  der  Galle  nbla.se,  des  Pan- 
kreas und  der  Milz.  Diagnostische  und  therapeutische  IrrtĂŒ- 
mer und  deren  VerhĂŒtung.  Abt.  Chirurgie,  H.  3.  Leipzig.  Georg 
Thieme.  1922.  —  15  Mark. 

Kurz  und  knapp,  aber  mit  ausgezeichneter  Klarheit  bespricht 
Körte  die  diagnostischen  und  therapeutischen  IrrtĂŒmer  der  Erkran- 
kungen des  Lebergallensystems,  des  Pankreas  und  der  Milz.  Ganz  be- 
sonders instruktiv  ist  das  Kapitel  ĂŒber  die  entzĂŒndlichen  Erkrankungen 
der  Gailenwege.  Sehr  beherzigenswert  ist  die  öfter  wiederkehrende 
Mahnung  zur  vorsichtigen  Bewertung  des  Tatbefuudes:  „Der  Chirurg, 
der  zu  dieser  Selbstkritik  (bei  Operationen)  Gelegenheit  hat  und  sie 
benutzt,  wird  dadurch  einigermaßen  skeptisch  gegen  die  zuweilen  von 
anderer    Seite    „mit    apodiktischer    Sicherheit  festgestellten  Untersu- 


564 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  m 


chungsergebnisse".  Jeder  praktische  Arzt  sollte  sich  in  das  Studium 
dieses  Heftes  vertiefen,  er  wird  es  nur  mit  grĂ¶ĂŸtem  Nutzen  fĂŒr  sich 
und  seine  Patienten  wieder  fortlegen.  Auch  dem  Chirurgen  bietet 
es  eine  FĂŒlle  von  interessanten  Anregungen. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

E.  Seifert:  Chirurgie  des  Kopfes  und  Halses  fĂŒr  Zahn- 
Ă€rzte. Lehmanns  medizinische  LehrbĂŒcher.  Band  IL  I.  F.  Leh- 
mann Verlag,  MĂŒnchen  1922. 

Das  vorliegende,  202  Seiten  umfassende  und  mit  145  Abbildungen 
versehene  Werk  behandelt  die  Chirurgie  des  Kopfes  und  Halses  und 
zwar  unter  dem  besonderen  Gesichtspunkt,  die  Errungenschaften  der 
modernen  Chirurgie  dem  ZaTinarzte  zugÀnglich  zu  machen,  soweit 
solche  fĂŒr  ihn  in  Betracht  kommen.  Der  große  Aufschwung  der  zahn- 
Àrztlichen Kunst  und  ihr  tÀglich  zunehmender  Kontakt  mit  den  Diszi- 
plinen der  Medizin,  besonders  der  Chirurgie  —  grĂ¶ĂŸtenteils  eine  Folge 
des  Krieges  mit  seinen  schweren  SchÀdel-  und  namentlich  Kieferver- 
letzungen —  ließ  ein  derartiges  Unternehmen  schon  lange  als  erstre- 
benswert erscheinen  und  es  ist  dem  Verlage  unbedingt  zu  danken,  wenn 
er  keine  Kosten  und  MĂŒhe  zur  endlichen  Verwirklichung  gescheut  hat. 
Aus  dem  reichen  Inhalte,  der  ebenso  die  Krankheiten  des  Kopfes,  be- 
sonders des  Ă€ußeren  Gesichts,  wie  die  des  Halses  und  der  oberen  Luft- 
und  Speisewege  berĂŒhrt,  seien  als  besonders  wichtig  fĂŒr  den  Zahnarzt 
die  Kapitel  B,  4  und  5  (Plastische  Operationen  im  Gesicht,  Verletzun- 
gen der  Gesichtsknöchen  und  Kiefer),  sowie  C,  2  (Krankheiten  des 
Kiefers  und  Kiefergelenks)  genannt,  auch  der  Abschnitt  C,  4  (Krankhei- 
ten der  Mundhöhle)  enthĂ€lt  außerordentlich  viel  Lesenswertes.  Ver- 
stĂ€ndnis und  LektĂŒre  des  Buches  werden  ebenso  durch  die  einheitliche, 
klare  und  doch  kurze  Darstellung  wie  die  ĂŒbersichtliche  Anordnung 
des  Inhaltes  erleichtert;  hinzu  kommt  noch  die  große  Anzahl  recht  in- 
struktiver und  deutlicher  Abbildungen.  Die  mitgeteilten  pathologi- 
schen und  anatomischen  Daten  erscheinen  nicht  nur  im  Interesse  besse- 
ren Verstehens  der  therapeutischen  Maßnahmen,  sondern  auch  vom 
rein  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus  wertvoll.  So  kann  unseres  Er- 
achtens eine  kritiklose  und  daher  unsachgemĂ€ĂŸe  Anwendung  der  vor- 
geschlagenen Eingriffe  usw.  am  ehesten  verhindert  werden.  Der  Preis 
von  50  Mark  fĂŒr  das  geheftete  und  60  Mark  fĂŒr  das  gebundene  Exem- 
plar erscheint  in  Anbetracht  des  Gebotenen  als  durchaus  angemessen. 

L.  Frosch  (Berlin). 

H.  Th.  Schreus:  Röntgenbehandlung  in  der  Dermato- 
logie. Verl.  F.  Cohen,  Bonn.  1922.  99  S.  14  Fig.  10  Tab 
Pr.  geb.  32  M. 

Das  vorliegende  BĂŒchlein,  das  dritte  aus  der  Sammlung  rönt- 
genologischer Arbeiten  aus  den  Bonner  UniversitÀtskliniken,  ver- 
folgt den  doppelten  Zweck,  Aerzten  und  Studierenden  einen  leicht 
faßlichen  Ueberblick  ĂŒber  die  Grundlagen  und  Anwendung  der 
Röntgenstrahlen  in  der  Dermatologie  zu  geben  und  als  Nach- 
schlagewerk fĂŒr  den  Praktiker  zu  dienen,  in  dem  er  ĂŒbersichtlich 
geordnet  und  mit  praktischen  Winken  alles  das  findet,  was  die 
richtige  AusfĂŒhrung  der  Röntgenbestrahlung  erfordert.  Mag  man 
auch  in  Röntgenfachkreisen  der  Berechtigung  eines  kurzen  Leit- 
fadens fĂŒr  den  Praktiker  eines  röntgenologischen  Sondergebietes 
ablehnend  gegenĂŒberstehen,  so  wird  doch  jeder  Versuch,  immer 
weitere  medizinische  Kreise  fĂŒr  die,  hĂ€ufig  alle  anderen  Methoden 
an  Schnelligkeit  und  Sicherheit  des  Erfolges  ĂŒbertreffende  Rönt- 
gentherapie zu  gewinnen,  stets  dankbar  begrĂŒĂŸt  werden.  Diesen 
Zweck  erfĂŒllt  das  vorliegende  Buch  durchaus.  Die  Gliederung 
des  Stoffes  ist  geschickt  und  ĂŒbersichtlich,  textliche  und  bildliche 
Behandlung  geben  ein  klares  Bild  ĂŒber  das  an  Hand  der  in  der 
Bonner  Hautklinik  gewonnenen  Erfahrungen  Wissenswerte  ĂŒber 
Stand  und  Aussichten  der  modernen  Dermatoröntgentherapie. 
Eine  ĂŒbersichtliche  Zusammenstellung  des  Indikationsbereiches 
vervollstĂ€ndigt  das  BĂŒchlein  zu  einem  empfehlenswerten  Nach- 
schlagewerk fĂŒr  den  Allgemeinpraktiker.     Kautz,  Hamburg. 

Fr.  Dessauer:  Zur  Therapie  des  Carcinoms  mit  Rönt- 
ge n  s  t  r  a  Ii  1  e  n.  Vorlesungen  ĂŒber  die  physikalischen  Grund- 
lagen der  Tiefentherapie.  Dresden  und  Leipzig.  Th.  Steinkopff. 
1922.  70  S.  Pr.  12  M. 

Kurzgefaßte,  leichtverstĂ€ndliche,  bis  zum  heutigen  Stand  der 
Forschung  und  Technik  fortgefĂŒhrte  Darstellung  der  Grundlagen 
der  Röntgentiefentherapie,  die  aus  Vorlesungen  des  Verf.  an  der 
medizinischen  FakultÀt  der  UniversitÀt  Madrid  1921  entstanden 
ist.  In  einem  allgemeinen  Teil  werden  das  Problem  der  Be- 
kÀmpfung des  Karzinoms  mit  physikalischen  Mitteln  und  die 
Möglichkeit  seiner  Lösung,  die  elektrotechnischen  Grundlagen 
der  Tiel'entherapie  und  die  Gesetze  der  Wanderung  und  Vertei- 
lung der  Röntgenstrahlen  in  der  Materie  besprochen.  Es  folgen 
dann  Anleitungen  zur  praktischen  AusfĂŒhrung  des  physikalischen 
Teiles  der  Tiefentherapie  mit  BerĂŒcksichtigung  biologischer  Mo- 


mente nach  den  bekannten  vom  Verf.  seit  ĂŒber  einem  Jahrztl 
aufgestellten  Forderungen.  Ein  Anhang  enthÀlt  einen  Ueberbl 
ĂŒber  die  wichtigsten  tiefentherapeutischen  Arbeiten  des  Verfl 
den  Jahren  1905 — 1914  im  Auszug  und  ein  Verzeichnis  der  scit<! 
vom  Verf.  und  seinen  Mitarbeitern  erschienenen  Arbeiten  aus  I 
Gebieten  der  Röntgentechnik  und  Physik.     Kautz,  Hamburi! 

Friedrich  MĂŒller  und  Adolf  StrĂŒmpell:    Klinische    W  a  rl 

tafeln.  J.  F.  Lehmanns  Verlag,  MĂŒnchen,  500  M. 
Die  Wandtafeln  werden  jeden,  der  sie  sieht,  mit  Bewundert! 
der  hervorragenden  technischen  Leistung  erfĂŒllen.  Sie  sind  I 
eignet,  selbst  einem  sehr  großen  Auditorium  das  anschaulich! 
machen,  wras  beabsichtigt  ist.  Mit  Recht  heben  die  Herausge,! 
hervor,  daß  die  Tafeln  nicht  nur  fĂŒr  den  klinischen  Unterricl 
sondern  auch  fĂŒr  Krankenpflegekurse  und  allgemeinverstĂ€l 
liehe  medizinische  VortrÀge  gute  Dienste  leisten  können.  Fl 
will  es  scheinen,  als  ob  sie  fĂŒr  die  beiden  letzteren  Zwecke  m<! 
in  Betracht  kommen  als  fĂŒr  die  Klinik,  wenn  sie  auch  in  die:! 
fĂŒr  den  propaedeutischen  Unterrieht  manchem  Lehrer  willkomirl 
sein  werden.  Die  Auswahl  der  GegenstĂ€nde  lĂ€ĂŸt  sich  kaum  ;l 
ders  begrĂŒnden,  als  daß  es  sich  um  die  Wiedergabe  von  ZeiJ 
nungen,  Kurven  und  Zahlen  handelt,  die  recht  hÀufig  bei  den  obil 
genannten  Gelegenheiten  gebraucht  werden.  Ein  besonders  del 
lieh  hervortretendes  Programm  lĂ€ĂŸt  sieb  in  der  Auswahl  nĂŒl 
erkennen.  BerĂŒcksichtigt  ist  nur  die  Physiologie  und  PalholoJ 
des  Erwachsenen,  jeder  PĂ€diater  wĂŒrde  es  dankbar  begrCl 
haben,  wenn  dabei  auch  das  Kind  berĂŒcksichtigt  worden  wĂ€l 
Die  erste  Lieferung  enthalt  folgende  Tafeln:  1.  Situs  der  Bril 
und  Bauchorgane.  2.  Querschnitt  und  Sagittalschnitt  durch  (I 
Brustorgane.  .'!.  Blutkreislauf,  4.  Kurven  der  Kreislaufsorgall 
5.  Bluttafel,  6.  Bluttexttafel,  7.  Nierentafel  8.  Harnsedimenl 
9.  Augenhintergrund,  10.  Bazillentafel.  Besondere  Anerkennuj 
verdient  der  Verlag,  der  in  diesen  schweren  Zeiten  die  MĂŒhl 
und  großen  Opfer  nicht  gescheut  hat,  die  erforderlich  waren,« 
das  Erscheinen  der  Tafeln  möglich  zu  machen.  Ad.  Czer'n fl 

Werner  S  p  a  1 1  e  h  o  1  z  :    Handatlas  der  Anatomie  (Hfl 
Menschen.   Mit  1013  Abbildungen.   10.  Auflage.    Verlag.  m 
S.  Hirzel,  Leipzig  1921.    M.  264,—. 
Der  Atlas  ist  von  Auflage  zu  Auflage  besser  geworden,  stÀ 

dig  hat  der  Verfasser  an  Text  und  Abbildungen  gearbeitet,  so  d; 

heut   etwas  Vortreffliches  vorliegt,   und   der  Verlag   hat  de 

Ganzen  eine  ausgezeichnete  Ausstattung  gegeben.  Kelle« 

Paul  Mulzer.  Die  syphilitischen  E  r  k  r  a  n  k  u  n  g  e  n  i 
d  e  r  A  1 1  g  e  m  ei  n  p  r  a  x  i  s.  J.  F.  Lehmann,  MĂŒnchen  1922Ä 
Das  letzte  Jahrzehnt  hat  uns  in  ungeahntem  Maße  darĂŒbi 
Aufschluß  gegeben,  wie  weit  das  syphilitische  Virus  die  ■ 
sache  von  Erkrankungen  der  Eingeweide  und  der  Sinne; 
organe  ist.  Immer  neue  Beobachtungen  und  Mitteilungen  da 
ĂŒber  aus  allen  Sondergebieten  wurden  veröffentlicht,  so  daß  < 
dem  Allgemeinpraktiker  nicht  mehr  möglich  ist,  auch  nur  dl 
Wichtigste  herauszusondern  und  als  dauernden  Besitz  in  sie 
aufzunehmen.  Da  aber  bei  der  enormen  Zunahme  der  Syphib 
diese  Folgeerkrankungen  ihm  immer  hÀufiger  zu  Gesicht  koit 
men  und  daher  fĂŒr  ihn  ein  immer  erhöhtes  Interesse  erlange 
werden,  so  hat  es  Mulzer  unternommen,  eine  Darstellung  alle 
Erkrankungserscheinungen  zu  geben,  die  die  Lues  in  den  vffl 
schiedenen  Organen  hervorbringt.  Allerdings  ist  das  Gebiet  de 
Syphilis  zu  groß,  als  daß  es  selbst  ein  Spezialforscher  völlig  bellen 
sehen  könnte,  infolgedessen  hat  sich  M.  mit  einer  Anzahl  bt 
kannter  MĂŒnchener  Kliniker  zu  dieser  Aufgabe  vereinigt,  de 
sie  wohl  in  vollem  Umfange  gerecht  geworden  sind.  Den  erste 
allgemeinen  Teil  sowie  das  Kapitel  ĂŒber  syphilitische  Erkrar 
kungen  der  Haut  und  SchleimhÀute  behandelt  Mulzer  selbei 
wÀhrend  die  Spezialgebiete  wie  Eingeweide,  obere  Luft-  un 
Speisewege,  Ohr,  Augen,  Nerven.  Chirurgie  und  kongenitale  Sj 
philis  von  je  einem  Autor  gesondert  dargestellt  werden,  wobt 
die  Abhandlung  ĂŒber  Nervenkrankheiten  mir  besonders  gut  gc 
fĂ€llt.  Jeder  Autor  gibt  auch  Richtlinien  ĂŒber  die  einzuschlagend 
Therapie  an,  die  sich  je  nach  dem  Sondergebiet,  mehr  oder  mir 
der  von  den  Grundlagen  der  modernen  Luestherapie  entfernei 
die  M.  im  allgemeinen  Teil  umfassend  dargestellt  hat.  So  wir 
der  Praktiker  sich  aus  diesem  Buche  ĂŒber  alles,  was  mit  de 
Syphilis  zusammenhĂ€ngt,  Rat  holen  können  und  ĂŒber  manch 
dunkle  Krankheitsbilder  Aufschluß  erhalten.  Der  Preis  des  36 
Seiten  starken  Werkes  betrÀgt  90  bezw.  110  M.  B  a  b. 

Harald  Boas.    Die    Wassermannsche    Reaktion  ml 
besonderer    BerĂŒcksichtigung    ihrer    kl  i  n| 
sehen     Vorwerfbarkeit.     3.    Auflage.     Berlin  1925 

S.  Karger. 


fchrg,  —  Nr.  35/3ß. 


H  u  c  1»  I)  e  s  p  r  c  <  Ii  u  n  g  e  n 


Die  .:>  Auflage  hat  die  Ergebnisse  der  serologischen  For- 
ijpg,  die  seit  Erscheinen  der  2.  Auflage  im  Jahre  1913  ver- 
llicht worden  sind,  gebĂŒhrend  berĂŒcksichtigt.  Dar«  Ver- 
«r  neben  der  eigentlichen  Wa.  R.  auch  die  Flockungsreak- 
en  in  ihrer  Technik,  klinischen  und  sonstigen  Wertung  ein- 
Ă€nd  behandelt,  vergrĂ¶ĂŸert  die  Brauchbarkeit  des  Werkes,  das 
Laboranten  und  jedem,  der  sich  eingehend  mit  der  Wa- 
■ioii  beschĂ€ftigen  will,  die  besten  Dienste  leisten  wird. 

ß  a  b. 

Robert  Otto  Stein:  Geschlechtskrankheiten.  (Mit 
Varbdrucktafeln  nach  74  Moulagen  von  Dr.  Karl  Henning 
ld  Theodor   Henning  sowie  mit    15  Textabbildungen).  102*2. 
F.  Lehmann,  MĂŒnchen. 

Stein  versteht  recht  weitgehend  unter  Geschlechtskrankheiten 
Erkrankungen,  die  hÀufig  an  der  Haut  der  Genitalorgane 
feten;  daher  rechnet  er  die  Balanitis,  den  Herpes  genitalis, 
Molluscum  contagiosum  zu  ihnen.  FĂŒr  den  Praktiker  bietet 
den  Vorteil,  daß  TV  in  diagnostisch  schwierig  zu  erkennen- 
Erkrankungen  der  Genitalregion  nicht  in  mehreren  Werken 
ZuschlÀgen  braucht.  Der  Inhalt  selbst  zeichnet  sich  durch 
sige  prÀgnante  Darstellung  aus.  Alle  Fragen,  die  dem  Arzte 
‱der  Behandlung  dieser  Krankheiten  begegnen,  sind  klar  her- 
■axbeitet  und  prĂ€zis  beantwortet,  nur  vermisse  ich  ein 
itel  ĂŒber  die  so  wichtige  persönliche  Prophylaxe.  Die  grĂ¶ĂŸere 
fte  des  Werkes  beansprucht  die  Behandlung  der  Syphilis;  auch 
mr  wird  der  Hauptwert  auf  die  Erfordernisse  der  Praxis  ge- 
.  Theorien  werden  nur  soweit  erörtert,  als  es  zum  VerstÀnd- 
des  betreffenden  Themas  notwendig  ist,  wie  z.B.  beim  Ent- 
en des  Leukoderm,  das  St.  allerdings  im  Gegensatz  zu  den 
len  neueren  Autoren  als  depigmentierte  Flecke  bezeichnet, 
tech  syphilitischen  Effloreszenzen  zurĂŒckbleiben.  Die  Krank- 
Sbeschreibungen  werden  durch  zahlreiche,  farbige,  instruktive 
ler  unterstĂŒtzt,  die  von  grĂ¶ĂŸter  Naturtreue  sind  und  jeden 
§  daneben  ĂŒberflĂŒssig  machen.  Das  W7erk  wird  jedem  Prak- 
|von  grĂ¶ĂŸtem  Nutzen  sein  und  auch  dem  Spezialisten  vieles 
‱tvolle  bieten.  Der  Preis  von  90  respektive  110  M.  ist  schon 
lĂŒeksicht  der  FĂŒlle  der  Abbildungen  ein  minimaler  zu  nennen. 

Dr.  B  a  b. 

n.  Freud :  Drei  Abhandlungen  zur  S  e  x  u  a  1 1  h  e  o  r  i  e. 
922.    Franz  Deuhicke.    VI,  104.    M.  20,—. 

Es  ist  sehr  erfreulich,  daß  sobald  nach  Erscheinen  der  vierten 
lĂ€ge,  eine  neue  —  unverĂ€nderte  —  nötig  wurde;  ist  dies  doch 
beste  Beweis  dafĂŒr,  daß  auch  weitere  Kreise  die  Bedeutung 
er  kurzen,  aber  inhaltsreichen  Abhandlungen  erkannt  haben. 
ist1  sehr  zu  wĂŒnschen,  daß  gerade  die  praktischen  Aerzte,  die 
fjÀrzte,  die  die  Kinder  heranwachsen  sehen,  nicht  mehr  die 
en  verschließen  gegenĂŒber  der  Tatsache,  daß  auch  die  Kinder 
^Sexualleben  haben,  daß  Störungen  dieser  Entwicklung  — 
Shische  Traumen  —  fĂŒr  die  ganze  weitere  Entwickelung  des 
sehen  von  der  grĂ¶ĂŸten  Wichtigkeit  sind.  Lurje. 

ert  Moll:  Behandlung  der  HomosexualitÀt, 
loch  emi  sch  oder  psych  i  seh  ?  Abhandlungen  aus  dem 
gbiete  der  Sexualforschung.  Bd.  III,  Heft  .">.  A.  Marcus  und 
/Webers  Verlag,  Bonn,  1921. 

I>ie  Steinachschen  Forschungsergebnisse  haben  in  der  wissen- 
tlichen und  Laienwelt  betrÀchtliches  Aufsehen  erregt.  Auch 

Behandlung  der  HomosexualitÀt  schien  durch  sie  auf  eine 
tlich  neue  Grundlage  gestellt.  In  mehreren  FĂ€llen  wurden  in 
Tat  Hodentransplantationen  mit  gĂŒnstigem  Erfolg  ausgefĂŒhrt. 
Aussetzung  fĂŒr  das  Gelingen  waren  die  von  Steinach  ange- 
menen  spezifischen  VerÀnderungen  in  den  Hoden  Homosexuel- 
und  deren  Behebung  durch  ein  normales  Generationsorgan.  — 

allzu  hoch  gespannten  Erwartungen  sucht  Moll,  einer  der 
en  Kenner  des  Gebiets,  auf  das  richtige  Maß  zurĂŒckzufĂŒhren, 
e  die  Steinachschen  Ergebnisse  zu  leugnen,  zeigt  er,  daß  ein 
[Ă€bschlagender  Beweis  fĂŒr  die  operative  Heilung  der  Homosexu- 
it  noch  nicht  erbracht  sei.  Auf  der  andern  Seite  legt  er  unter 
nringung  interessanter  Kasuistik  dar,  daß  die  psychische  Be- 
dlung  fĂŒr  die  BekĂ€mpfung  der  HomosexualitĂ€t  speziell  in  der 

des  undifferenzierten  Geschlechtstriebs,  nicht  zu  entbehren  sei. 
lie  Hauptgefahr  sei  darin  zu  sehen,  daß  die  HomosexualitĂ€t 
eingeborene  Disposition,  der  nicht  beizukommen  sei.  aufgefaßt 
|e. 

Niemand  wird  sich  den  gewichtigen  Argumenten  Molls,  die  in 
Wicher  und  eindringlicher  Weise  vorgetragen  werden,  ver- 
leßen  können.  —  Allerdings  muß  auch  dabei  klar  hervor- 
Sben  werden,  daß  die  eine  Art  der  Behandlung  die  andere" 
Haus  nicht  ausschließt.    Wenn  man  sich  vorstellt,  daß  eine 


der  Bedingungen  der  HomosexualitÀt  die  zentrale  Einstellung 
ist,  so  kann  man  den  gĂŒnstigen  Erfolg  der  Psychotherapie  wohl 
\ erstehen.  Andererseits  ist  auch  begreiflich,  daß  die  Hormone 
des  Iransplanlierten  normalen  Hodens  das  Gehirn  im  Sinne  der 
mĂ€nnlichen  Triebrichtung  beeinflussen.  A.  MĂŒnser. 

Conrad  Stein,  Privatdozent  fĂŒr  Ohrenkrankheiten  an  der  Univer- 
sitÀt Wien:  Diagnostik  und  Therapie  der  Ohren- 
krankheitert.  Ein  Hilfsbuch  fĂŒr  den  praktischen  Arzt. 
Bonn  1922.  A.  Marcus  u.  E.  Webers  Verlag  (Dr.  jur.  Alberl 
Ahn).  276  S.  Preis  brosch.  48.—  M.,  geb.  55.-  M. 
Stein  will  „den  BedĂŒrfnissen  des  NichtSpezialisten  enge  an 
gepaßt,  ausschließlich  praktische  Winke  aus  der  Ohrenheilkunde 
bieten".  Um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  schildert  er  nicht  Krank- 
heitsbilder, sondern  geht  von  den  Symptomen  aus  und  fĂŒhrt  bei  # 
jedem  Symptom  vor  Augen,  durch  welche  verschiedene  Ur- 
sachen dasselbe  ausgelöst  sein  kann.  Seinen  ersten,  diagnosti- 
schen, Teil  zerlegt  er  in  die  Unterabteilungen:  Ohrenschmerzen, 
Ohrenfluß,  Schwerhörigkeit,  Subj.  Hörempfindungen,  Hörstörungen 
anderer  Art,  Schwindel  und  Gleichgewichtsstörungen,  Schwellung 
der  Weichteile,  Fieber,  Kopfschmerzen,  Zerebrale  Erscheinungen 
FazialislÀhmung,  AbduzenslÀhmung,  Sprachstörungen.  Diese  ' 
Abschnitte  sind  mit  Ă€  u  ß  er  sler  Anschaulichkeit  und 
Klarheit  dargestellt  und  die  bei  der  Einteilung  des  Stoffes 
unvermeidlichen  Wiederholungen  sind  bei  der  Zweckbestimmung 
des  Buches  sicher  von  Nutzen.  FĂŒr  die  Praktik  von  großer 
Wichtigkeit  ist  auch,  daß  Verf.  ĂŒberall  den  Zusammenhang  der 
Erscheinungen  am  Ohre  mit  Allgemeinerkrankungen  im  Auge 
behalten  und  dargestellt  hat.  In  einem  grundlegenden  Punkt 
weicht  meine  Anschauung  allerdings  weit  von  der  des  Verf. 
ab.  Stein  versucht  in  seinem  Buche,  dem  praktischen  Arzt,  der, 
wie  in  der  Einleitung  gesagt  wird,  „otoskopisch  unvollkommen 
oder  gar  nicht  geschult  ist,  jene  Krankheitserscheinungen  be- 
kanntzugeben, die  ihm  auch  ohne  (resp.  bei  nicht  verlĂ€ĂŸlicher) 
SpiegelfĂŒhrung  die  Diagnose  krankhafter  VorgĂ€nge  im  Ohre  zu 
vermitteln  imstande  sind".  Er  unternimmt  diesen  Versuch,  weil 
er  glaubt,  daß  bei  weitem  die  meisten  Aerzte  beim  Hinaustreten  in 
die  Praxis  nicht  genĂŒgend  otoskopisch  geschult  sind.  In  diesem 
Punkte  bin  ich  vollstÀndig  des  Verfassers  Ansicht  ich  glaube 
aber,  daß  diesem  Fehler  nur  durch  grĂŒndliches  Studium  der 
TrommelfellverÀnderungen  und  der  Technik  der  Otoskopie  ab- 
geholfen werden  kann,  daß  aber  eine  ohne  Besichtigung  der  dem 
Auge  zugÀnglichen  Teile  des  Gehörorganes  betriebene  Ohrenhei- 
lkunde unbedingt  mehr  Schaden  als  Nutzen  stiften  wird,  selbst 
wenn  man  dem  praktischen  Arzt,  wie  Stein  das  tut,  auf  alle 
Gefahren  und  auf  die  Grenzen  des  Könnens  hinweist.  —  Der  zweite 
Teil,  der  die  Therapie  des  Praktikers  behandelt  und  dement- 
sprechend sehr  richtiger  Weise  auf  Beschreibung  der  Ope- 
rationsmethoden und  anderer  rein  spezialistischer  Dinge  ver- 
zichtet, zeigt  dieselben  VorzĂŒge  der  Darstellung  wie  der  erste 
Teil.  Mit  großem  Geschick  unterzieht  sich  Verf.  der  schwierigen 
Aufgabe,  auch  hier  die  Stoffeinteilung  des  ersten  Abschnittes  bei- 
zubehalten. Die  empfohlenen  therapeutischen  Maßnahmen  halten 
sich  offenbar  eng  an  die  in  der  Wiener  UniversitÀtsklinik  ge- 
ĂŒbten, und  es  muß  bei  der  Bestimmung  des  Buches  als  Vorteil  an- 
gesehen werden,  daß  der  Verf.  ganz  bestimmte  Anweisungen  gibt, 
nach  denen  sich  der  Praktiker  auch  wirklich  richten  kann.  Viel- 
leicht hĂ€tte  man  wĂŒnschen  können,  daß  der  Verf.  bei  der  Wichtig- 
keit der  Therapie  den  fĂŒr  den  Kinderarzt  so  wichtigen  und  so 
außerordentlich  hĂ€ufigen  VerĂ€nderungen  an  der  Bachenmandel 
als  Aetiologie  der  akuten  und  chronischen  MittelohrentzĂŒndungen 
einen  etwas  breiteren  Baum  gegönnt  hÀtte. 

Wegen  seiner  K  1  a  h  r  h  e  i  t  und  GrĂŒndlichkeit 
halte  ich  das  Buch  fĂŒr  den  Praktiker,  der  zu  oloskopieren  ver- 
steht, fĂŒr  einen  vortrefflichen  und  sehr  empfehlens- 
werten Ratgeber;  den  Arzt,  der  die  Otoskopie  nicht 
beherrscht,  kann  das  Werkchen,  zusammen  mit  einem  Atlas  und 
mit  praktischer  Hebung  bei  Diagnostik  und  Therapie  von  Ohren- 
krankheiten sehr  fördern.  Auch  der  Student  wird  es  zur  Er- 
gÀnzung von  Kurs  und  Kolleg  mit  Nutzen  verwenden. 

Max  Meyer,  WĂŒrzburg. 

Guillain,  G.  Laroche  et  P.  Lechelle.  La  reaction  du,  Ben  join 
Colloidal  et  les  reaction  s  colloidales  du  liquide 
cephalo-rachidien.  Paris  1922.  146  Seiten.  Preis:  12  frs. 
(Die  Benzoeharzsolreaktion  und  die  Kolloidreaktionen  des  Liquor 
cerebrospinalis.) 

Besprechung  der  Technik  von  Goldsolreaktion  nach 
Lange,  Mastixsolreaktion  nach  E  m  a  n  u  e  1  und  der  Ber- 
linerblaureaktion nach  Kirchberg  und  deren  Modifi- 
kation e.n,  sowie  kritische  WĂŒrdigung  der  damit  erhaltenen  Ergeb- 
nisse.   Eigene  Erfahrungen  und  die  Zusammenstellung  der  in  der  Lite- 


öbö 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/i 


ralur  niedergelegten  Urteile  fĂŒhren  die  Verfasser  zu  dem  Schluß,  daß 
die  Deutung  der  ĂŒoiasolreaktiou  nach  Lange  zahlreichen 
lirtĂŒniern  unterliegt,  dali  jene  weder  fĂŒr  Paralyse  noch  ĂŒberhaupt  fĂŒr 
die  Syphilis  des  Zentralnervensystems  sichere  Ergebnisse  liefert.  „Die 
Uo.dsoireaktion  ist  sicher  von  großem  theoretischen  Interesse,'  aber  sie 
bietet,  vom  praktischen  Standpunkte  aus  technische  Schwierigkeiten. 
Der  Hauptnachteil  der  Reaktion  liegt  in  der  Möglichkeit,  Golusoie  von 
stets  gleichem  Flockungswert  herzustellen,  die  untereinander  vergleich- 
bare werte  ergeben".  —  Auch  die  Mastixsolreaktion  vermochte 
die  Verfasser  in  monatelanger  NachprĂŒfung  nicht  zu  befriedigen, 
^wenn  auch  die  Herstellung  des  Sols  wesentlich  einfacher  ist,  ais  die 
des  Goldsols,  so  macht  es  doch  auch  hier  Schwierigkeit,  Sole  von  glei- 
chem Flockungswert  zu  erhalten.  Das  Ablesen  der  Resultate  ist  in 
den  mittleren  GlÀsern  schwierig  und  meist  subjektiv.  Die  erhaltenen 
.  Kurven  sind  nicht  typisch.  Klinisches  Untersuchungsergebnis  und 
Liquorbefund  ergeben  mit  der  Mastixreaktion  keine  ausreichende 
Uebereinstimmung.  —  In  verstĂ€rktem  Maße  sollen  solche  Nachteile  der 
Berlinerblaureaktion  anhaften.  Diese  wird  deshalb  ab- 
gelehnt. 

Der  zweite  umfangreichere  Teil  des  Buches  ist  der  von  den  Verfas- 
sern ausgearbeiteten  Liquoruntersuchungsmethode  mit  Benzoe- 
harzsol  gewidmet.  Die  Herstellung  des  Sols,  zu  der  Mandelbenzoe 
aus  Sumatra  erforderlich  ist,  gestaltet  sich  ebenso  einfach,  wie  die  Tech- 
nik der  gesamten  Reaktion,  die  in  ihrer  einfachsten  Modifikation  nur 
5  GlĂ€ser,  einschließlich  einer  Kontrolle,  und  mit  1  ccm  Liquor  er- 
fordert. Die  Ablesung  des  Resultats  macht  keinerlei  Schwierigkeiten 
.  und  gibt  eindeutige  Ergebnisse,  die  nach  dem  Vorgange  Langes 
in  Kurvenform  oder  Zahlenreihen  ausgedrĂŒckt  werden.  Die  Hauptbe- 
deutung der  Reaktion  liegt  auf  dem  Gebiete  der  Diagnose  aller  Formen 
der  Syphilis  des  Zentralnervensystems  und  seiner  HĂ€ute,  wo  die  Re- 
aktion absolut  typischen  Kurvenverlauf  und  in  83%  aller  FĂ€lle  von 
Syphilis  (Paralyse,  Tabes,  Lues  cerebrospinalis)  Uebereinstimmung  mit 
der  Wa  Re  zeigte,  wÀhrend  11%  positive  Wassermannsche  Reaktion 
bei  negativer  Benzoeharzreaktion  und  6%  negative  Wa  Reaktion  bei 
positiver  Benzoeharzreaktion  boten.  Es  wird  aber  hervorgehoben, 
daß  die  B.  R.  keine  Möglichkeit  an  die  Hand  gibt,  zwischen  den  ein- 
zelnen Formen  der  Syphilis  des  Cerebrospinaltraktus  zu  unterscheiden, 
wie  dies  Lange  mit  seiner  Reaktion  irrtĂŒmlicher  Weise  tun  zu  kön- 
nen glaube.  Hingegen  soll  die  Reaktion  ĂŒber  das  Studium  des  Krank- 
heitsprozesses (akut,  subakut?)  Auskunft  geben  und  der  Prognostik 
wertvolle  Dienste  leisten.  —  Außerdem  wird  eine  Reaktion  vom  nie- 
ningitischen  Typus  unterschieden,  deren  Nachweis  allein  zwar  keines- 
wegs die  Diagnose  einer  tuberk.  Meningitis,  wohl  aber  meist  den  Aus- 
schluß einer  Syphilis  des  Zentralnervensystems  gestatten  soll.  —  FĂŒr 
die  eitrigen  Meningitiden  ist  die  Reaktion  nicht  brauchbar.  Nerven- 
krankheiten nicht  syph.  Aetiologie,  u.  a.  auch  Encephalitis  lethargica, 
ergaben  bei  insgesamt  200  FĂ€llen  mit  Ausnahme  einer  Multiplen  Skle- 
rose, einer  Myelitis  acuta  und  zwei  FĂ€llen  von  Epilepsie  immer  ne- 
gative Reaktion.  ‱ 

Zusammenfassend  stellen  die  Verfasser  auf  Grund  eigener  Versuche 
und  zahlreicher  anderer  (ausschließlich  französischer)  Kliniker  und  Se- 
rologen die  bedeutende  Ueberlegenheit  der  Benzoeharzreaktion  gegen- 
ĂŒber den  bisher  gebrauchten  Liquorkolloidreaktionen  fest  und  begrĂŒn- 
den dies  mit  der  einfachen  Technik,  leichter  Ablesbarkeit  und  der  Kon- 
stanz der  Resultate. 

Der  Versuch,  das  Wesen  der  Reaktion  durch  physikalisch-chemische 
Methoden  zu  klÀren,  ist  den  Verfassern  nicht,  gelungen.  Sie  kommen 
zu  dem  allgemeinen  Schluß:  „nach  diesen  Versuchen  scheint  das  ecMe 
Albumin  in  der  Benzoeharzreaktion  keinen  flockenden  Einfluß  zu 
haben,  den  vielmehr  die  Globuline  in  Verbindung  mit  den  Salzen  ĂŒber- 
nehmen. Diese  haben,  könnte  man  sagen,  dabei  lediglich  die  Aufgabe 
einer  Beize,  in  dem  sie  durch  Gegenwart  von  positiven,  zweiwertigen 
Ionen,  die  Entladung  der1  elektronegativen  Benzoeharzmicellen  be- 
gĂŒnstigen". 

T  h  o  e  n  e  s  (Leipzig). 

Karl  J  a  sp  er  s  :     S  t  r  i  n  d  b  e  r  g  u  n  d   van  G  o  g  h.  Ernst 
Bischer  Verla«,  Leipzig,  1922.    VIII,  131.  Mark  45,—. 

WĂ€hrend  man  sich  bis  vor  noch  nicht  langer  Zeit  begnĂŒgte, 
reiri  descriptiv  die  Merkmale  der  verschiedenen  Geisleskrank- 
heiten festzulegen,  ohne  sich  zu  bemĂŒhen,  tiefer  in  ihre  Psycho- 
logie einzudringen,  ist  durch  die  Arbeiten  der  ZĂŒricher  Schule 
eine  Wandlung  in  der  Betrachtungsweise  eingetreten:  man  sucht 
die  Erscheinungen,  die  bei  den  verschiedenen  Geisteskrankheiten 
manifest  werden,  vor  allem  bei  der  großen  Gruppe  der  Schizo- 
phrenien, z  u  verstehe  n.  Ein  Weg  zum  VerstÀndnis  dieser 
Kranken  geht  davon  aus,  daß  wir  aus  den  Arbeiten  geistig 
Hochstehender,  die  sich  selbst  gut  beobachten  können  und  die 
FĂ€higkeil  haben,  ihre  Erlebnisse  aufzuzeichnen,  einen  Einblick 
in  die  sonst  meist  schwer  zugÀngliche  Psyche  dieser  Kranken 
gewinnen.  Vor  kurzem  hat  erst  Storch  (TĂŒbingen)  uns  eine 
ausgezeichnete  Pnlhographie  von  Strindberg  geliefert  und  jetzt 


macht  Jaspers  den  Versuch,  an  Hand  der  Werke  von  Strindb« 
van  Gogh,  Höeldexlin  und  Swedenborg,  ihr  kĂŒnstlerisches  Sei 
Ten  in  Beziehung  zu  ihrer  geistigen  Erkrankung  zu  bringen, 
zeigen,  wie  durch  den  Ausbruch  der  Krankheit  sich  die  Persönli 
keit  und  damit  der  Charakter  ihrer  Werke,  schließlich  ihre  ga 
Weltanschauung  Ànderte.  Das  Interessanteste  bringt  Jaspers 
den  Schlußkapileln:  die  Beziehung  der  Schizophrenie  zum  W 
und  zur  Kultur  der  Zeit,  wÀhrend  in  vergangenen  Jahrhunder 
die  abnormen  Persönlichkeiten,  die  einen  großen  Einfluß 
ihre  Umgebung  ausĂŒbten,  Hysteriker  waren,  ist  es  eine  { 
fĂ€llige  Tatsache,  daß  heute  eine  Reihe  schizophren  geworde 
Menschen  durch  W  erke  aus  der  schizophrenen  Zeit  eine  Wirki 
haben.  — r  In  feiner  Weise  versteht  es  Jaspers,  ohne  irgendwel 
Werturteile  fÀllen  zu  wollen,  die  Entwicklung  dieser  Persönli 
keiten  darzulegen.  Nicht  nur  fĂŒr  den  Psychiater,  sondern 
jeden  gebildeten  Menschen  und  speziell  fĂŒr  den  Arzt  bietet  die 
Buch  eine  FĂŒlle  anregender  Gedanken;  es  ist  eine  Verkennt 
der  Tatsachen,  wenn  von  literarischer  Seite  protestiert  w 
gegen  eine  derartige  Betrachtungsweise  Strindbergs,  da  ger 
durch  diese  Arbeil  die  Psyche  Sirindbergs  —  und  damit  auch  s 
Werk  —  viel  tiefer  erfaßt  wird,  als  wenn  man  rein  vom  Ă€sthetis 
wertenden  Standpunkt  sich  mit  dem  Dichter  beschÀftigt. 

L  u  r  j  i 

Dannemann,  Friedrich:  Aus  der  W  e  r  k  s  t  a  1 1  g  r  o  ß  e  r  F  ( 
scher.   4.  Auflage.  Leipzig.   W.  Engelmann.  1922. 

Wfr  nehmen  jede  Gelegenheit  wahr,  unseren  großen  M 
nern  DenkmÀler  zu  errichten  oder  sie  mit  allerlei  GedÀchtnisre 
und  dergl.  zu  feiern.  Aber  sie  selbst  zu  Worte  kommen  zu  las* 
dem  zu  lauschen,  was  sie  der  Wissenschaft,  ihrem  Volke,! 
Menschheit  zu  sagen  hatten;  das  fÀllt  uns  nicht  ein.  Wir  jagen 
rolationspressenarliger  Geschwindigkeit  immer  dem  Neuesien! 
Allerneuesten!  —  nach  und  vergessen  ganz,  daß  in  der  Vergang 
heit  Geister  gesprochen  hatten,  an  denen  gemessen  die  gewalHj 
GrĂ¶ĂŸen  zu  PygmĂ€en  zusammenschrumpfen.  So  ganz  leicht  ist  e: 
freilich  nicht,,  sich  mit  historischen  GrĂ¶ĂŸen  zu  unterhallen.  T 
grĂŒndige  Gelehrsamkeit,  geniale  Konzeptionen  und  ungewoh 
Sprachen  halten  wie  Stacheldrahtverhaue  manche  ab,  sich 
Werke  zu  bemĂŒhen,  welche  wie  SchlĂŒssel  zum  VerstĂ€ndnis  lan| 
oft  ĂŒber  Jahrhunderte  hin  sich  erstreckender  Vorstellungsreil 
dienen. 

Da  ist  es  ein  wahrhaftes  Verdienst  von  Dannemann, 3 
er  eine  stattliche  Anzahl  von  maßgebenden,  weltbeherrscheni 
Naturforschern  reden  lĂ€ĂŸt,  indem  er  die  Quintessenz  ihrer  E 
deckungen  aus  ihren  Werken  herauszog.  Von  Aristoteles  bis 
Heinrich  Hertz  hören  wir  die  bahnbrechenden  MÀnner  mit  ih 
eigenen  Worten  in  flĂŒssigem  Deutsch.  Das  ist  von  hohem  R. 
Die  Jugend  kann  daraus  die  Begeisterung  schöpfen,  wie  eiser 
Fleill  auch  mit  bescheidenen  Mitteln  Großes  erreichen  kann,  i 
der  Erwachsene  lernt  aus  dem  Nachdenken  jener  Genies,  j 
ein  offenes  Auge  oft  durch  scheinbar  kleine  Beobachtungen  bl 
artig  zu  ganz  neuen  Wahrheiten  gefĂŒhrt  wird,  wenn  es  nicht  al 
sehr  von  den  mythischen  Vorstellungen  seiner  Zeit  umnebelt" 
und  daß  die  eigentliche  schwere  Arbeit  in  der  Ausbildung  i 
DurchfĂŒhrung  der  Erfindung  „(W.  Siemens)"  besteht.  „Die  1 
sung  habe  ich,  nun  muß  ich  noch  sehen,  wie  ich  dazu  komn 
(Gauß.)  Hat  Raffael  in  der  Schule  von  Athen  uns  die  groJ 
Philosophen  bildlich  vorgefĂŒhrt,  so  fĂŒhrt  Dannemann  uns. 
großen  Naturforscher  redend  vor.  Möge  ihm  ein  ebenso  gro 
Erfolg  beschieden  sein  wie  dem  Meisler  von  F'rbino! 

Butt  ersaci 

Haeckel,  Ernst:    Indische  Reisebriefe.    6.  Aufl.,  Leipzig; 
F.  Köhler  1922.  —  186  Seiten.  Mk.  90,—. 

Ich  erinnere  mich  noch  deutlich  des  Eindrucks,  welchen  Haec 
indische  Reisebriefe  bei   ihrem  ersten  Erscheinen  hervorriefen, 
meines  GlĂŒcks,  als  ein  freundlicher  Zufall  einen  Teil  des  Manuskr 
in  meine   Handschriftensammlung  fĂŒhrte.    Inzwischen   hat  sich 
vieles    geÀndert.    Aber    die    Unmittelbarkeit    und    frische  Dan 
lung   ĂŒben  heute  wie  einst  ihren  ganzen    Zauber  auf  den  L< 
aus.    Denn  Haeckel  war  ebenso  KĂŒnstler  wie  Forscher;    das  kor 
auch  in  den  4  Aquarellen  von  seiner  Hand  zum  Ausdruck,  welche 
Buch  schmĂŒcken.   Indessen  H.  war  keineswegs  ein  weltfremder  Gel« 
ter.  SĂ€tze  wie:    „Freilich,  was  an  der  Spree  nicht  blĂŒht,  das  darf  a 
in  Indien  nicht  existieren"  (S.  134)  zeigen,  daß  er  sich  auf  Mensc 
und  Völker  ebenso  gut  verstand,  wie  auf  Pflanzen  und  Tiere. 

Das  Wunderland  Ceylon   ist  uns  gegenwÀrtigen  Deutschen 
schlössen.    Aber  BĂŒcher  wie  das  von  Haeckel  und  das  Ă€hnliche 
Konr.  Guenther  (EinfĂŒhrung  in  die  Tropenwelt  1911)  tragen 
.auf  den  FlĂŒgeln  der  Phantasie  dorthin  und  erweitern  unseren  Gesic 
kreis,  als  ob  wir  dort  gewesei  wÀren. 

ButtersackÀ 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  öerlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  46,  Wilhelm- Sira&e  26  /  Fernsprecher:  LĂŒizow  9057 

Nr.  37/38  Berlin,  den  27.  September  1922  40. ) ahrgang 

Dar  Verlag  behĂ€lt  »ich  das  ausschließliche  Reoht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutztritt  ver. 


Aus  der  Poliklinik  fĂŒr  Lungenleiden  (Dr.  Felix  Baum)  und  dem 
Faboratoriuni  Schumann,  Berlin. 

BeitrÀge  zur  Serodiagnose  der  aktiven 
Tuberkolose. 

Von  F.  Baum  und  M.  Schumann. 
Die  Versuche,  Sera  von  Graviden  und  infektiösen  Kran- 
ken mittels  thermischer  oder  chemischer  Reize  zur  Ausflockung 
'  zu  bringen  sind  mannigfach  bekannt  (Sachs,  Oettingen 
u.  a.).  Zuletzt  hat  Daranyi  in  der  D.  med.  W.  Nr.  17, 
;  1922  eine  Ausflockungsmethode*)  beschrieben,  welche  die 
[KolloidlabilitÀt  des  Serums  bei  toxischen,  durch  Zellzer- 
^setzung  in  den  Geweben  bedingten  KrankheitsfÀllen  beweisen 
[soll.  Er  hat  diese  Methode  bei  4t0  FĂ€llen  angewendet.  Die 
[-Resultate  der  ausgezeichneten  Arbeit  D  a  r  a  n  y  i  s,  die  zwei- 
fellos die  Grundlage  fĂŒr  zahlreiche  weitere  Versuche  bilden 
[wird,  erschienen  so  verlockend,  daß  wir  uns  zu  einer  Nach- 
prĂŒfung bei  bis  jetzt  197  FĂ€llen  entschlossen.  Von  diesen 
l  waren  52  Tbk-FĂ€lle  mit  positivem  Bazillenbefund,  41  bazillen- 
[  freie  aktive  Tuberkulosen,  38  FĂ€lle  von  Tbk.  im  Stadium  des 
L,immunisierten  Infekts",  2mal  Pertussis,  12mal  akute  Bron- 
ichitis,  5  klinisch  gesunde  GraviditÀten,  1  Angina  follikularis, 
jfl  akute  Nephritis,  55  suspekte  FÀlle  aus  tuberkulösem  Milieu. 

Wir  können  die  Daranyischen  Angaben  im  wesent- 
lichen bestÀtigen.  Tuberkulosefreie  FÀlle  (Anaemie,  Pertussis, 
i  Angina,  Nephritis,  Bronchitis,  GraviditÀt)  reagierten  negativ 

*)  Daranyis  Vorschrift  lautet:  „0,2  cem  Serum  wird  mit 
11,1  cem  verdĂŒnntem  Alkohol  vermischt,  gut  aufgeschĂŒttelt  und  20  Min. 
Sin  ein  Wasserbad  von  60  Grd.  C.  getaucht.  Dann  werden  die  Röhrehen 
fcbei  Zimmertemperatur  aufbewahrt  und  '/*,  1,  2,  3  und  24  Std.  nach  der 
■ErwĂ€rmung  mit  freiem  Auge,  ohne  zu  schĂŒtteln,  in  schiefer  Lage  ge- 
Fgen  einen  dunklen  Hintergrund  (Plafond)  abgelesen.  Dabei  wird  eine 
\  in  "...  und  1  Std.  auftretende  Flockung  mit  +  +  +  +  ,  eine  in  2  Std. 
ÂŁmit  ++  f,  eine  in  3  Std.  mit  +  +  ,  eine  in  24  Std.  mit+,  und  wenn 
nach  25  Std.  die  Reaktion  homogen  bleibt,  dann  diese  mit  —  bezeichnet. 
lAls  Alkohol  nehme  man  96%  igen,  welchen  man  mit  2%iger  Koch- 
salzlösung verdĂŒnnt,  da  bei  Verwendung  von  destilliertem  Wasser  keine 
f  Flockungen  entstehen.  Eine  2% ige  Kochsalzlösung  kann  man  aus  einer 
?  10%  igen  Na  Cl-Stammlösung,  welche  haltbarer  ist,  immer  frisch  her- 
^stellen.  Die  AlkoholverdĂŒnnungen  mĂŒssen  immer  frisch  gemacht  wer- 
fden.  Zu  1  cem  Alkohol  nahm  ich  4,1  cem  2%  ige  "Na  Cl-Lösung.  Ich 
"  arbeitete  mit  geprĂŒftem,  genau  96%igem  Alkohol  und  mit  einem  Ther- 
mometer, bei  welchem  der  60.  Ord.  C.  mit  einem  PrÀzisionsthemo- 
I  meter  aus  Jenenser  Glas  verglichen  wurde.  Da  es  aber  nicht  innner 
■  möglich  ist,  mit  genau  96%igem  Alkohol  und  mit  PrĂ€zisionsthermo- 
'  metern  zu  arbeiten,  (gewöhnliche  Thermometer  zeigen  manchmal  auch 
eine  Differenz  von  2  Grd.  C.)  ist  es  notwendig,  die  zu  gebrauchende 
:  Alkohol  VerdĂŒnnung  einmal  auszutarieren.  Es  werden  zu  1  cem  Alko- 
hol steigende  Mengen:  3,8,  3,9,  4,0,  4,1,  4,2  cem  usw.  2%iger  NaCl- 
Lösung  hinzugesetzt  und  die  Reaktion  mit  diesen  VerdĂŒnnungen  bei 
ÂŁ4—5  negativen  Kontrollseren  ausgefĂŒhrt.  Bei  den  weiteren  Versuchen 
f.ist  die  niedrigste  VerdĂŒnnung,  wo  die  normalen  Sera  nach  24  Std.  alle 
"  noch  negativ  reagieren,  zu  verwenden.  Zu  dieser  Titrierung  bewÀhren 
Esich  vorzĂŒglich  von  gesunden  weiblichen  Individuen  stammende  Sera, 
Eda  diese  auch  physiologisch  etwas  höhere  SerumlabilitÀt  haben  als 
[die  von  MĂ€nnern.  Dieser  Unterschied  4st  aber  unbedeutend  im  Ver- 
f  hÀltnis  zu  der  Erhöhung  bei  aktiven  Krankheitsprozessen.  WÀhrend 
■der  ErwĂ€rmung  und  Aufbewahrung  verdunstet  der  Alkohol  einiger- 
kmaßen.  Um  dies  zu  verhĂŒten,  wĂ€hlt  man  zu  der  Reaktion  lange  (10 
Ibis  12  cm)  Eprouvetten  mit  engem  Lumen  (8 — 9  mm).  Die  Sera  werden 
Miicht  inaktiviert,  weil  sich  die  Flockung  hierdurch  deutlich  abschwÀcht. 
rDiese  dĂŒrfen  auch  keine  Verunreinigungen  (Blutkörperchen,  bakterielle 
^TrĂŒbungen)  enthalten.  Manche  Sera  sind  normalerweise  etwas  opak. 
I  Dies  stört  aber  die  Reaktion  nicht,  da  nicht  TrĂŒbungen,  sondern  nur 
Ider  Agglutination  Àhnliche  Flockungen  als  positiv  gelten.  Aeltere 
f-Sera  als  24  Std.  nach  der  Blutentnahme  untersuche  man  nicht,  weil  in- 
Siolge  der  Autolyse  sich  die  Menge  der  Abbauprodukte  vermehrt,  wo- 
Edurch  die  Teilchen  stabilisiert  (Herzfeld  und  Kling  er)  und 
;  die  Reaktion  deutlich  schwÀcher  werden". 


oder  nur  schwach  positiv.  Auffallend  war  der  stark  positive 
Ausfall  bei  schwerer  Phthisen  mit  positivem  Bazillenbefund. 
49  von  52  FĂ€llen  reagierten  positiv  mit  +  +  +  +  bis  +  +  . 
von  diesen  reagierten  unbehandelte  FĂ€lle  meist  mit  +  +  ++, 
in  Behandlung  befindliche  +  +  ‱ 


Negative  Reaktion  Negative  Reaktion  Positive  Reaktion  Positive  Reaktion 
ohne  Lupen-  m  i  t  Lupen-  ohne  Lupen-  m  i  t  Lupen- 

belrachlung  belrachtung  betrachtung  betiachtung 


Bei  drei  klinisch  und  röntgenologisch 
sichergestellten  aktiven  Tuberkulosen  mit 
amtlich  bestÀtigtem,  positivem  Bazillen- 
befund fiel  die  Reaktion  negativ  aus.  Zwei 
von  diesen  waren  unbehandelt,  einer  (mit  zahlreichen  Kaver- 
nen in  beiden  Oberlappen)  war  mehrere  Wochen  vor  der 
PrĂŒfung  mit  Krysolgan  behandelt  worden  (6  Injektionen  von 

0.  025 . 0,15).  Ein  technischer  Fehler  war  ausgeschlossen. 
Denn  erstens  richteten  wir  uns  auf  das  genaueste  nach  den 
Daranyischen  Vorschriften  und  zweitens  hatten  gleich- 
zeitig mehrere  andere  Sera  deutlich  positiv  reagiert.  Wegen 
dieser  3  Versager  haben  wir  versucht,  die  Daranyische 
Methode  folgendermaßen  zu  modifizieren: 

1.  5  ReagenzglÀschen  (wie  sie  seit  neuerer  Zeit  bei  der  Wa. 
R.  verwendet  werden),  etwa  7  cm  lang  und  1  cm  breit,  wer- 
den mit  folgenden  Serummengen  gefĂŒllt: 

I.  0,5  cem,  II.  0,4  cem,  III.  0,2  cem,  IV.  0,1  cem,  V. 
0,08  cem.  In  jedes  GlÀschen  werden  2,75  cem  des  von  D  a  - 
ranyi  vorgeschriebenen  Alkoholkochsalzgemisches**)  hin- 
zugefĂŒgt, zur  Vermeidung  der  Alkoholverdunstung  mit 
Gummistopfen  verschlossen  und  dreimal  vorsichtig,  ohne 
zu  schĂŒtteln,  umgewendet  (wie  beim  Extrahieren). 

2.  Wasserbad  von  .60  Grad  '/.‱  Stunde  lang.  Wir  haben  die 
Zeit  lĂ€nger  gewĂ€hlt,  da  es  sich  um  grĂ¶ĂŸere  FlĂŒssigkeitsmen- 
gen handelt  (vgl.  Originalwassermann  und  Mikroreaktion 

**)  1  cem  genau  96%igen  Alkohols  (Kahlbaum)  +  4,1  cem 
2%iger  frischer  Na  Cl-Lösung. 


56S 


Junius:  Augenheilkunde 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


« 

C.  S.  E  n  g  e  1).  Das  untere  Thermometerende  darf  den  Bo- 
den des  Wasserbades  nicht  berĂŒhren. 
3.  Vorsichtige  Herausnahme  der  Röhrchen  aus  dem  Bade  und 
Beobachtung  wÀhrend  der  nÀchsten  4  bezw.  nach  24  Std. 
Lupenbeobachtung  gegen  Tages-  bezw.  homogenes  kĂŒnst- 
liches Licht  (siehe  Abbildung). 

a)  Ausflockung  im  Röhrchen  V  oder  IV  (kleinste  Serum- 
men^e)  =  stark  positiv. 

b)  Ausflockung  im  Röhrchen  III  (mittlere  Serummenge) 
=  positiv. 

c)  Ausflockung  im  Röhrchen  I  oder  II  =  schwach 
positiv. 

Stark  positiv  reagierten  schwere  Tbk.-FĂ€lle  (exsudative, 
kavernöse,  ulzeröse,  pneumonische  Formen,  einschließ- 
lich der  3  oben  beschriebenen  Daranyi  sehen 
Versager). 

Positiv  reagierten  mittelschwere  FÀlle  (z.  B.  azinöse 
Formen). 

Schwach  positiv  reagierten  leichte  Hilustuberkulosen, 
beginnende  Spitzenkatarrhe  und  einige  nicht  tuberkulöse  In- 
fektionen. 

Zwei  tbk.-verdÀchtige  Gravide  reagierten  schwach  positiv 
(Unterbrechung  der  GraviditÀt  war  daher  nicht  indiziert),  die 
ĂŒbrigen  Graviden  (ohne  Tbk.-Verdacht)  negativ.***) 

Wir  haben  uns  zur  Veröffentlichung  unserer  Versuche, 
die  natĂŒrlich  noch  nicht  als  abgeschlossen  gelten  können  und 
fortgesetzt  werden  mĂŒssen,  deshalb  schon  jetzt  entschlossen, 
weil  wir  ĂŒberzeugt  davon  sind,  daß  sie  einen  kleinen  weiteren 
Fortschritt  auf  dem  vorerst  noch  schmalen,  von  Daranyi 
zuerst  beschrittenen  Wege  bedeuten. 

Von  grĂ¶ĂŸter  Wichtigkeit  wird  die  Beantwortung  folgen- 
der Frage  sein:  Welche .  positiv  reagierenden  Sera  stammen 
von  aktiven  Tuberkulosen,  welche  von  anderen  toxischen 
Prozessen? 

Tierversuche  darĂŒber  sind  im  Gange.  Wir  werden  spĂ€- 
ter davon  berichten. 


Augenheilkunde. 

(Uebersicht  aus  dem  1.  Halbjahr  1922.) 
Von  Prof.  Dr.  Junius-Bonn. 
In  einer  Arbeit  „RotgrĂŒnblindheit  als  Erb- 
eigenschaft" zeichnet  Ingolf  S  c  h  i  ö  t  z  (1)  noch  einmal  in 
besonders  klarer  Weise  (nach  einem  Vortrag  in  Christi- 
a  n  i  a)  die  großen  Linien  der  Vererbungsgesetze,  wie  wir  sie 
auf  Grund  der  Erkenntnisse  der  letzten  Jahre  sehen.  Die 
RotgrĂŒnblindheit  ist  als  Paradigma  einer  Erbeigenschaft  vor- 
zĂŒglich geeignet.  Die  tiefen  Kenntnisse  des  Verf.  ĂŒber  den 
Gegenstand,  die  er  auf  Grund  des  Studiums  der  Original-Mit- 
teilungen aus  der  Weltliteratur  und  eigener  reicher  Er- 
fahrungen, die  in  der  Univ.  -  Augenklinik  Christi- 
a  n  i  a  gesammelt  wurden,  sich  verschallte,  machen  ihn  zu 
einem  besonders  geeigneten  Interpreten  in  dieser  Frage.  Auf 
die  Einzelheiten  soll  hier  nicht  eingegangen,  nur  der  Schluß- 
satz hervorgehoben  werden,  „daß  angeborene  RotgrĂŒnblind- 
heit immer  und  ausnahmslos  als  rezessiv-geschlechtsgebun- 
dene Eigenschaft  vererbt  wird,  und  daß  bis  jetzt  noch  kei  ti  e 
Ausnahme  dieses  unbeugsamen  Prinzipes  nachgewiesen  ist." 
Wer  in  einer  lebhaften  Schilderung  sieh  ĂŒber  die  „Gene", 
die  Holle  der  Chrom  osen  bei  der  Vererbung,  domi- 
nante und  rezessive  E  r  1>  m  e  r  k  m  a  1  e  orientieren 
will,  Dinge,  ĂŒber  die  in  letzter  Zeit  viel  geschrieben  ist,  die 
aber  doch  vielleicht  nicht  jedem  Praktiker  gelÀufig  wurden, 
obgleich  sie  jetzt  fĂŒr  jede  Disziplin  von  grĂ¶ĂŸtem  Interesse 
sind  und  auch  die  Geschlechtsbestimmung  uns  in  neuem 
Licht  sehen  lassen,  sei  die  Mitteilung  des  Verfassers, 
Probleme  kurz  und  klar  darstellt,  ganz  besonders  empfohlen, 

***)  Nach  unserer  Modifikation  kommt  es  also  im  Gegensatz  zur 
Dar  anyi  sehen  Methode  nicht  so  sehr  auf  die  Zeit  der  Ausflockung 
nach  dem  Wasserbade  an,  wie  auf  den  Grad  der  Serumver- 
dĂŒnnung. Bei  je  stĂ€rkerer  VerdĂŒnnung  (IV  und  V)  ein  Fall  aus- 
flockt, um  so  schwerer  ist  er. 


der  immer  an  dem  konkreten  Fall  der  RotgrĂŒnblindheit  diese 
zumal  sie  an  leicht  zugÀnglicher  Stelle  veröffentlicht  ist  und 
wohl  auch  Sonderabdrucke  vom  Verf.  gern  abgegeben  werden. 

Eine  Mitteilung  ĂŒber  t  r  a  u  m  a  t  i  s  c  h  e  und  nicht- 
traumatische  rezidivierende  Epithel- 
erkrankung  de  r  Hornhaut  veröffentlichte  Sa  - 
lus(2)-Prag.  (Nach  einem  Vortrag  in  der  Deutschen 
Ophthalm.  Gesellschaft  in  der  Tschechoslowakei  er- 
weiterte Mitteilung.) 

Wie  allgemein  bekannt,  kommt  es  nach  Verletzung  der 
Cornea  durch  geringere  Traumen  nicht  immer  zur  rest- 
losen Wiederherstellung  des  normalen  Zustandes,  sondern  es 
bleibt  Lockerung  des  HornhautgefĂŒges  an  der  ehemals  ver- 
letzten Stelle  zurĂŒck  mit  Neigung  zu  Entartung  der  Deck- 
zellen und  rezidivierender  Erosion  bei  erneuter  Einwirkung 
von  SchÀdigungen  geringster,  oft  gar  rÀcht  genauer  zu  eru- 
ierender Art,  ein  sehr  lĂ€stiger  Zustand,  den  der  Arzt  fĂŒr 
die  Praxis  und  Unfallbegutachtung  kennen  muß.  Verf.  weist 
nun  auf  Grund  von  vier  klinischen  FĂ€llen  eigener  Beob- 
achtung, welche  seltene,  in  der  Fachliteratur  mitgeteilte  ein- 
schlÀgige Beobachtungen  zu  ergÀnzen  geeignet  scheinen,  dar- 
auf hin,  daß  es  neben  der  traumatischen  rezidivierenden 
Erosion  eine  klinisch  identische  Erkrankung  gibt,  die  ohne 
vorangegangene  LĂ€sion  auftritt.  Ihre  Kennzeichen  sind  im 
einzelnen:  Lokalisation  nach  abwÀrts  von  der  Hornhautmitte. 
HĂ€ufig  doppelseitiges  Auftreten,  dann  symmetrische 
Erkrankungsherde.  Verlauf:  Meist  schwerer  und  langwieriger 
als  die  traumatische  Form.  AnfÀlle  mit  Blasenbildung,  die 
bei  letzterer  selten  sind,  kommen  hĂ€ufiger  zur  Beobachtung.  — 
Die  Erkrankung  ist  in  beiden  Gruppen  von  FĂ€llen  nach  Verf. 
als  vasomotorisch-trophische  Neurose  des 
Kornealepithels  anzusehen.  Das  Trauma  ist  auch  in  der  an 
Verletzungen  sich  anschließenden  Gruppe  von  FĂ€llen  nicht 
Hauptursache,  sondern  nur  das  auslösende  Moment 
bei  vorhandener  vasomotorischer  Uebererregbarkeit.  —  Bei 
der  traumatischen  Form  genĂŒgt  meist  die  friedliche 
Behandlung.  Bei  der  spontanen  Form  ist  operatives 
Vorgehen  zu  empfehlen,  wobei  Abtragung  des  gesamten 
Epithels  bis  zum  Limbus  und  -  Pinselung  der  frei- 
gelegten Hornhaut  mit  Aqua  chlori  als  wirksam  sich 
erwiesen  hat. 

Die  Parazentese,  d.  h.  die  Ablassung  des  Inhaltes 
der  vorderen  Augenkammer  zu  therapeutischen  Zwecken  ist 
schon  immer  an  geeigneter  Stelle  gern  in  der  augenÀrztlichen 
Praxis  verwendet.  Sie  ist,  aseptisch  ausgefĂŒhrt,  unschĂ€dlich, 
wirkt  wrohl  im  „umstimmenden"  Sinne,  wie  manche  andere 
Heilmittel.  G  r  u  n  e  r  t  (3)  (Bremen)  will,  nach  Dar- 
legungen auf  der  diesjÀhrigen  Tagung  der  D.  Ophthalm.  Ges., 
das  bisher  sehr  beschrÀnkte  Anwendungsgebiet  sehr  erweitert 
wissen,  sprach  ĂŒber  ausgesprochene  Parazentese  kuren.,  die 
er  mit  Erfolg  durchfĂŒhrte,  um  die  von  ihm  angenommene 
therapeutische  Wirkung:  HyperÀmie  des  gesamten  Augapfels 
bis  in  die  tiefsten  Teile  der  Ader-  und  Netzhaut,  außerdem 
Anlockung  von  Schutzstoffen,  auszunutzen.  Nach  G  r  u  n  e  r  t 
eignen  sich  fast  alle  widerstrebenden  Krankheiten  des  inneren 
Auges  zu  dieser  Behandlung.  Es  wurde  das  in  der  Aus- 
sprache ĂŒber  die  Frage  als  zu  optimistisch  empfunden.  Aber 
der  Wert  der  Mitteilung  liegt  wohl  darin,  auf  den  Heileffekt 
des  Verfahrens  an  sich  hingewiesen  zu  haben.  Die  Methode 
kann  ĂŒberhaupt  nur  in  der  Hand  des  sehr  erfahrenen  Thera- 
peuten mit  Nutzen  geĂŒbt  werden.  Die  Kritik  des  wirklichen 
Erfolges  ist  naturgemĂ€ĂŸ  schwer,  z.  B.  fĂŒr  die  von  anderer 
Seile  gemachte  Mitteilung,  daß  man  Tuberkulose  der  Iris 
durch  reichliche  Parazentese  allein  (bis  zu  dreimal  an  einem 
Tage!)  zur  Heilung  bringen  konnte.  Es  mag  solche  FĂ€lle 
geben,  sie  beweisen  aber  nicht  den  Wert  der  Heilmethode, 
bezeugen  höchstens  ihre  UnschÀdlichkeit. 

Das  allgemeines  Interesse  verdienende  Krankheitsbild  der 
Keratitis  scrophulosa  (phlyctaenulosa)  i  n  - 
terstitialis,  welche  bei  der  enormen  Zunahme  skrophu- 
löser  Krankheiten  ĂŒberhaupt  neuerdings  an  Bedeutung  ge- 
winnt, behandelt  Kruse  (4),  Seine  Mitteilung  ĂŒber  nekro- 
tisierende PhlyktÀnen  ist  an  dieser  Stelle  erwÀhnt. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


Junius:  Augenheilkunde 


(Diese  Zeitschr.  1921,  Nr.  24/25.)  Tiefe  Infiltrationen  auch 
der  Hornhaut  auf  skrophulöser  Grundlage  sind  natĂŒrlich  seit 
langer  Zeit  bekannt  und  beschrieben.  Weniger1  gewĂŒrdigt 
sind  Infiltrationen  auf  dieser  Grundlage,  welche  in  der  Tide 
der  Hornhaut  heginnen,  dauernd  vollstĂ€ndig  oder  ĂŒber- 
wiegend interstitiell  bleiben  und  sieh  im  Gewebe  zurĂŒck- 
bilden können.  In  den  LehrbĂŒchern  ist  bisher  kaum  ge- 
nĂŒgend hierauf  hingewiesen.  Man  sieht  folgendes:  Neben  den 
allbekannten  skrophulösen  Aeußerungen  einschließlich  ober- 
flÀchlicher Keratitis  und  PhlyktÀnen  bildet  sich  zuweilen 
ganz  tief  in  der  Hornhaut,  zentral  oder  exzentrisch  ein  In- 
filtrat, welches  bald  deutlich  gelb  wird,  schnell  wÀchst,  mit- 
unter auch  mit  anderen  gleichartigen  Infiltraten  zusammen- 
fließt, ohne  daß  es  dabei  jedoch  zur  Einschmelzung  der  Horn- 
haut kommt  (was  diagnostisch  zu  beachten  ist!).  Das  Horn- 
hautgewebe quillt  aber  auf.  Man  muß  genau  zusehen,  um  es 
eben  nicht  mit  einer  Eiterung  zu  verwechseln,  zumal  ein 
kleines  Hypoyom  in  der  vorderen  Augenkammer  vorhanden 
sein  kann.  Der  Prozeß  kann  sich  rein  interstitiell  abspielen. 
Es  kann  aber  auch  spÀt  zu  einer  Lockerung  und  geringen 
Abstoßung  des  Epithels  kommen.  In  jedem  Falle  ist  der  in- 
dolente Charakter  der  ganzen  Affektion  auffÀllig  und  spricht 
auch  seinerseits  gegen  HornhautgeschwĂŒr.  Vaskularisation 
von  der  Peripherie  her,  „in  Epaulettenfonm"  pflegt  einzusetzen, 
aber  auf  die  Peripherie  beschrÀnkt  zu  bleibenj  derweilen  die 
Infiltration  in  der  Mitte  wieder  einschrumpft.  Alles  spielt  sich 
aber  immerhin  viel  schneller  ab,  als  bei  der  Keratitis  paren- 
chymaiosa  (nur  mit  luetischen  Prozessen  im  zeitlichen  Ver- 
lauf allenfalls  vergleichbar!).  Die  ganzen  Erscheinungen 
können,  so  bedrohlich  sie  zunÀchst  erscheinen,  sich  weit- 
gehend zurĂŒckbilden,  wenn  entsprechende  Behandlung  lokal 
und  allgemein  erfolgt.  Aetiologisch  sehen  wir  noch  nicht 
klar.  Die  Annahme,  daß  schuhweise  vom  Randschlingennetz 
her  Tuberkelbazillen  in  die  Mitte  der  Hornhaut  hineinge- 
langen könnten,  hat  jedenfalls  viele  Schwierigkeiten  gegen 
sich.  Um  ein  eigenbewegliches  Virus  kann  es  sich  nach  Auf- 
fassung der  Freiburger  Univ. -Klinik  (Prof.  A  x  e  n  f  e  1  d) 
!  nicht  handeln.  Analog  erscheinende  VerhÀltnisse  bei  der 
Lepra  können  nicht  zum  Vergleich  herangezogen  werden.  So- 
lange der  Begriff  der  Skrophulose  noch  hypothetisch  ist,  muß 
die  Deutung  dieser  eigenartigen  Hornhautprozes.se  eine  offene 
Frage  bleiben. 

BezĂŒglich  der  Pupillenphiinomene  im  epilep- 
tischen Anfall  ist  eine  Beobachtung  von  Herr- 
in a  n  n  (5)  (D.  psychiatr.  Univ.-Klinik  P  r  a  g)  bemerkenswert. 
Er  stellte  —  zunĂ€chst  mit  Sicherheit  fĂŒr  den  rinden-epilepti- 
schen  Anfall  —  fest,  daß  der  Eintritt  der  Pupillen- 
>  t  a  r  r  e  n  i  c  h  t  a  .u  f  b  e  i  d  e  n  A  u  g  e  n  g  1  e  i  c  h  z  e  i  t  i  g  er- 
folgt, sondern,  daß  ein  Auge  dem  anderen  folgt.  Ferner,  daß 
heim  RĂŒckgang  der  Pupillenstarre  auch  ein  ungleichzeitiges 
Nachlasse^  eintritt.  Die  Erscheinungen  waren  deutlicher  bei 
Beginn  als  bei  Nachlassen  des  epileptischen  Anfalles.  Bei 
einem  anderen  Kranken  wurde,  nachdem  nach  abgeklungenem 
Anfall  das  Bewußtsein  schon  zurĂŒckgekehrt  war,  gleichzeitig 
mit  der  Lichtstarre  Fehlen  der  Konvergenzreaktion  nachge- 
wiesen. Auch  die  Konvergenzreaktion  kehrte  ungleichzeitig 
wieder. 

B  i  o  1  o  g  i  s  c  h  e  D  i  a  g  ir  o  s  e  d  e  r  g  ö  n  o  r  r  h  o  i  s  c  h  e  n 
Iritis,  Bartels  (6)  (Dortmund)  empfiehlt  bei  Àtiolo- 
gisch-zweifelhaften FÀllen  von  Iritis  eine  intravenöse  Injek- 
tion von  0,1  bis  0,2  cem  Arthigon.  Er  sah  eine  lokale  Augen- 
reaktion und  hohes  Fieber  noch  in  FĂ€llen  auftreten,  bei  denen 
eine  Gonorrhoe  zum  Teil  Jahrzehnte  zurĂŒcklag.  Auch  der 
therapeutische  Erfolg  befriedigte. 

Die  K  u  t  an  i  m  p  f  u  n  g  n  a  c  h  P  o  n  n  d  o  r  f  fĂŒr 
augenÀrzlliche  Zwecke  fand  'in  Rindfleisch  (7)  (Wei- 
mar) einen  neuen  BefĂŒrworte]'.  Vor  der  Versammlung  der 
Deutschen  Ophthalmologischen  Gesellschaft  1922  trug  er  vor, 
daß  er  aus  einem  Skeptiker  zu  einem  Freunde  der  Methode  ge- 
worden sei.    Die  Aussprache  mit  350  AnhÀngern  der  Methode, 

3  die  sich  in  Weimar  im  November  1921  versammelten,  veran- 
laßte  ihn  zur  Aufnahme  des  Verfahrens.    Die  Erfolge  waren 

I  gut.    Skrophulose  widerspenstige  Lid-Bindehaul-Hornhaut- 


entzĂŒndiungen  bieten  ein  gĂŒnstiges  Feld.  Auch  Keratitis 
parenchymatös^  tuberkulösen  Ursprunges,  ferner  gewisse 
Iritiden  und  Chorioditiden  (bei  negativem  Wassermann).  Die 
Moglichkeil  der  ambulanten  Behandlung,  die  Gefahr- 
losigkeit der  Methode  empfiehlt  nach  Verfasser  die  Anwen- 
dung des  Verfahrens  fĂŒr  den  Praktiker.  Eine  geeignete  Tech- 
nik ist  Vorbedingung  jeden  Erfolges. 

In  der  Aussprache  traten  verschiedene  erfahrene  Prak- 
tiker f  ii  r  das  Verfahren  ein,  insbesondere  Francke- 
Naumburg  (frĂŒher  Hamburg).  Von  anderer  Seite  (Engel- 
brecht) wurde  hervorgehoben,  daß  die  Ponndorf-Methode 
zwar  im  wissenschaftlichen  Sinne  ein  „rohes"  Verfahren  dar- 
stelle. Die  Erfolge  sind  aber  bei  exsudativer  Diathese  und 
Skrophulose  bei  Kindern  besser  als  die  mit  den  bisherigen 
Behandlungsverfahren.  Weniger  gĂŒnstig  sind  die  Ergebnisse 
bei  Erkrankungen  der  Uvea. 

Jung  (Köln)  wies  darauf  hin,  daß,  wenn  man  die 
Tuberkulösen  vor  einem  Rezidiv  schĂŒtzen  will,  jahrelang 
das  Tuberkulin  in  den  Körper  eingefĂŒhrt  werden  muß,  wie 
es  Petrus  chky  in  seinem  Verfahren  angegeben  hat. 

Dieses  ist  gewissermaßen  ein  VorlĂ€ufer  des  Ponndorf- 
Verfahrens.  Das  Mittel  wird  einfach  in  die  Haut  eingerieben. 
Anfangsdosis:  1  :  100.  Die  PrÀparate  sind  von  der  Handels- 
gesellschaft Deutscher  Apotheker  zu  beziehen.  Milchinjek- 
tionen werden  von  anderen  Praktikern  bevorzugt.  I  g  e  r  s  - 
heimer  wies  auf  folgendes  hin:  Man  kann  den  Organis- 
mus nur  dadurch  schĂŒtzen,  daß  man  ihn  vorher  tuberku- 
lös macht.  Das  ist  also  ein  zweischneidiges  Schwert.  Die 
ImmunitĂ€tsverhĂ€ltnisse  spielen  eine  große  Rolle. 

Cords  (Köln)  empfahl  unter  gewissen  Voraussetzungen 
die  Entfernung  der  Rachenmandel  bei  Skrophulösen. 

Nowak  (W  i  e  n)  teilte  auf  Grund  der  großen  Erfahrun- 
gen der  Wiener  1.  Univ. -Augenklinik  mit,  daß  die  Exstir- 
pation  zwar  gĂŒnstig  zu  wirken  scheint,  aber  nur  in  einem 
Teil  der  FĂ€lle. 

Alle  Fragen  der  besten  Behandlung  der  Augen-Skrophu- 
lose  bleiben  demnach  noch  in  Fluß. 

In  diesem  Zusammenhang  werden  auch  die  folgenden 
Mitteilungen  interessieren. 

In  der  Berliner  Univ. -Augenklinik  wurden  im  Verlauf 
von  Wi  Jahren  34  FĂ€lle  verschiedener  Formen  der  Augen- 
tuberkulosc  nach  Friedmanns  Vorschriften  mit  dessen 
Mittel  behandelt.  Meisner  (8)  berichtete  hierĂŒber  vor  der 
Versammlung  der  I).  Ophthalm.  Ges.  1922  in  Jena.  Bei  der 
großen  Verschiedenheit  in  der  Schwere  der  Erkrankungen 
und  dem  vielfach  ĂŒber  Jahre  sich  erstreckenden  Verlauf  der 
Augentuberkulose,  der  die  Beurteilung  der  Wirkung  aller 
Heilmittel  erschwert,  ist  ein  endgiltiges  Urteil  ĂŒber  das 
F  r  i  e  d  m  a  n  n  -  Mittel  nicht  abzugeben.  Offenbare  SchÀdi- 
gungen wurden  nicht  gesehen.  Von  Vorteil  gegenĂŒber  der 
Injektionskur  mit  Tuberkulinen  anderer  Art,  die  sich  ĂŒber 
Monate  erstrecken  muß,  ist  die  einmalige  Anwendung. 
Trotzdem  ist  Verfasser  geneigt,  bei  den  Formen  ch-roni- 
s  c  h  e  r  Uveitis  und  Sklerokeratitis  die  alte  Behandlung  vor- 
zuziehen. (Alt-  Tuberkulin).  Dagegen  hÀlt  er  bei  ganz 
Iiis  c  h  e  r  knötchenförmiger  Iritis  und  frischer  Chorio- 
ditis  disseminata  und  bei  den,  der  bisherigen  Therapie 
Irolzenien  schweren  Formen  der  konglobierten  Iris-  ;ni 
Z  i  1  i  a  r  k  ö  r  p  e  r  -  T  u  b  e  r  k  ulos  e  der  Kinde  r  einen 
Versuch  mit  dem  F  r  i  e  d  m  a  n  n  -  Mittel  fĂŒr  gerechtfertigt. 
Keinesfalls  sollte  aber  auch  hierbei  die  spezifische  örtliche 
und  allgemein-physikalische  Behandlung  vernachlÀssigt 
werden. 

In  der  Aussprache  wurde  etwas  wesentlich  anderes  zur 
Sache  nicht  geltend  gemacht. 

Stock  (9)  (TĂŒbingen)  hat  die  Untersuchungsergehnisse 
von  Kabel  und  Voflrath  (Path. -Institut  Jena),  nach 
denen  Silizium  einen  gĂŒnstigen  Einfluß  auf  die  Tuber- 
kulose zu  haben  scheint  (bei  Porzellanarbeitern  in  ThĂŒrin- 
gen und  auch  bei  Versuchstieren  beobachtet!)  als  Grundlage 
fĂŒr  Versuche  beim  Menschen  benutzt.  Nachdem  Tierversuche 
ihm  ergeben  hatten,  daß  bei  Kaninchen  die  tuberkulösen 
Herde  dadurch  schneller  eingekapselt  zu  werden  scheinen, 


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Junius:  Augenheilkunde 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


wurde  Silistren  (ein  Silizium-PrÀparat)  auch  bei  Uveal- 
tuberkulose  des  Menschen  benutzt.  Die  Erfolge  waren  er- 
mutigend. Sonnen-  und  andere  Bestrahlungen  und  Tuber- 
kulinkuren  sind  daneben  voll  durchzufĂŒhren. 

GegenĂŒber  der  von  unbefriedigten  Therapeuten  geĂ€ußer- 
ten Ansicht,  daß  Tuberkulin  kein  wirksames  Mittel  bei  der 
Augentuberkulose  sei,  faßt  Martin  Görlitz  (10)  (Abt.  f.  ‱ 
Augenkranke  des  M  a  r  i  e  n  -  Krankenhauses  Hamburg) 
noch  einmal  in  großen  ZĂŒgen  die  dort  geĂŒbte  T  u  berku  - 
Ii  n -  Therapie  zusammen,  die  ihm  nicht  mehr  entbehr- 
lich erscheint.  Lieber  6 '  ausgesuchte  lehrreiche  klinische 
FĂ€lle  wird  berichtet.  G  e  s  a  m  t  -  U  r  t  e  i  1  :  Das  Ziel  unserer 
Behandlung  muß  sein,  eine  Lokalreaktion  zu  erreichen,  in  der 
die  Vorbedingungen  einer  wirksamen  Resorption  der  Krank- 
heitsprodukle  zu  liegen  scheinen.  Diese  soll  sich  aber  höch- 
stens Ă€ußern  in  Zunahme  der  Injektion  des  Auges  oder  der 
sichtharen  EntzĂŒndungsprodukte,  die  in  der  Fortsetzung  der 
Kur  nicht  irre  machen  dĂŒrfen,  denn  sie  sind  oft  gerade  Vor- 
lÀufer einer  schnellen  spÀteren  Resorption.  Nur  stÀrkere  All- 
gemeinreaktion, welche  zum  Abbrechen  der  Kur  zwingt,  ist  zu 
vermeiden.  Denn  lange  fortgesetzte,  dem  Individuum  angepaßte 
Behandlung  ist  Vorbedingung  des  Erfolges.  Die  Heilwirkung 
beruht  nicht  auf  Immunisierung,  sondern  auf  der  Herd- 
reaktion und  seiner  HyperÀmie  (U  h  1  e  n  h  u  t  h  1922).  Die 
aus  der  Erfahrung  wiedergegebenen  Einzelvorschriften  fĂŒr 
die  Behandlung,  die  aber  fĂŒr  Therapeuten  lesensweit  sind, 
können  hier  nicht  besprochen  werden.  Tuberkulinhehandlung 
ist  Heil  k  u  n  s  t  des  einzelnen  Arztes. 

Die  Kutanbehandlung  nach  Ponndorf  wird  als  die 
mildeste  Tuberkulinkur  gĂŒnstig  fĂŒr  geeignete  FĂ€lle,  d.  h.  die 
bei  gewöhnlicher  Behandlung  nicht  ausheilenden 
„s  k  r  o  p  h  u  1  ö  s  e  n"  Augenleiden  beurteilt.  Die  Furcht,  da- 
mit unkontrollierbare  Mengen  von  Tuberkulin  in  den  Körper 
zu  bringen,  wird  nicht  geteilt.  Die  Haut  ist  ein  Haupt- 
Immunisationsorgan  (insbesondere  auch  nach  den  Ergeb- 
nissen der  Hamburg-Eppendorf  er  Forschungen). 
Von  den  eigentlichen  Tuberkulinen  wird  vom  Verfasser  die 
Bazillenemulsion  zurzeit  bevorzugt,  weil  sie  die  ge- 
ringsten Temperaturreaktionen  hervorbringt,  am  stÀrksten  zu 
wirken  und  am  meisten  vor  Rezidiven  zu  schĂŒtzen  scheint. 
Aber  auch  Alt-  und  Neu-  Tuberkulin  werden  verwendet. 
Ein  Wechsel  des  Mittels  ist  hÀufig  angezeigt.  Alles  kommt 
auf  den  besonderen  Fall  und  seine  beste  Erfassung  an.  Einen. 
Fortschritt  sieht  Verfasser  in  der  Kombination  der 
T  u  b  e  r  k  u  1  i  n  b.  ehandlungmit  d  e  r  i  n  t  r  a  v  enösen 
Anwendung  von  K  r  y  s  o  1  g  a  n  (S  c  h  n  a  u  d  i  g  1).  Es 
scheint  dem  Tuberkulin  neue  AngriffsflĂ€chen  zu  schaffen.  — 
Negativer  diagnostischer  Ausfall  der  Tuberkulinreaktion  be- 
sagt nichts  gegen  die  Natur  des  Augenleidens,  wenn  das 
klinische  Bild  Anhaltspunkte  dafĂŒr  bietet,  ebenso  wie  posi- 
tiver Ausfall  der  diagnostischen  Reaktion  noch  nicht  besagt, 
daß  auch  das  Augenleiden  tuberkulöser  Art  sein  muß.  Ge- 
rade diagnostisch  tuberkulin-n  e  g  a  t  i  v  e  FĂ€lle  geben  oft  gute 
Heilresultate.  Die  schwersten  destruktiven  FĂ€lle  von  Tuber- 
kulose des  Ziliarkörpers  und  der  Sklera,  bei  denen  Neigung 
zum  Durchbruch  der  BulbushĂŒllen  und  zu  grĂ¶ĂŸeren  hyper- 
plastischen Wucherungen  besteht,  bieten  keine  Aussicht  fĂŒr 
die  Injektionsbehandlung.  Daß  aber  Tuberkulin  eines  der 
wertvollsten  Mittel  gegen  die  Augentuberkulose  vieler  Formen 
ist,  möchte  Verfasser  auf  Grund  reicher  praktischer  Erfahrun- 
gen gegenĂŒber  abweichenden  Meinungen  festgehalten  wissen. 
—  Auch,  diese  Arbeit  kann  nur  beim  Studium  des  Originals 
in  ihrem  Wert  fĂŒr  die  Praxis  erfaßt  werden.  Sie  enthĂ€lt 
viele  kleine,  aber  praktisch  sehr  wichtige  Bemerkungen  und 
Hinweise. 

Erfahrungen  ĂŒber  die  Heilwirkung  der  Glas- 
k  ö  r  p  c  r  a  b  s  a  u  g  u  n  g  teilte  Maria  R  o  s  e  n  s  t  e  i  n  (11)  mit. 
Verfasser  hat  bei  42  infektiösen  und  nichtinfektiösen  Glas- 
körpertrĂŒbungen, die  zuvor  auf  andere  Weise  vergeblich  be- 
handelt waren,  nach  der  Methode  von  z  u  r  N  e  d  d  e  n  den 
Glaskörper  abgesaugt.  Bei  allen  Kranken  besserte  sich  das 
Sehvermögen  erheblich.  Der  Glaskörper  war  immer  ver- 
flĂŒssigt, was  die  Absaugung  erleichterte.    SchĂ€dliche  Folgen, 


insbesondere  Netzhautablösung  wurden  nicht  beobachtet. 
Nach  jedem  Eingriff  war  der  Fundus  des  Auges  stark  hyperÀ- 
misch.    Diese  HyperÀmie  wird  als  ein  Heilfaktor  angesehen. 

Zur  Technik  der  Glaskörperabs augung 
machte  zur  Nedden  (12)  selbst  neuerdings  noch  einige 
Mitteilungen.  Menge:  Bei  Iridochorioidilis  und  spontanen 
Glaskörperblutungen  begnĂŒgt  man  sich  zunĂ€chst  mit  0,2  cem, 
bei  Ă€lteren  TrĂŒbungen  muß  mehr  entnommen  werden,  bis  zu 
0,7  als  Höchstgrenze,  im  Mittel  0,5  ccm.  Wiederholung  der 
Absaugung:  frĂŒhestens  nach  drei  Wochen.  Bei  Infektion  des 
Glaskörpers  ist  die  Absaugung  in  kĂŒrzeren  zeitlichen  Ab- 
stĂ€nden zu  wiederholen.  Kaliber  der  KanĂŒle:  je  nach'  Be-* 
schaffenheil  des  Falles.  Am  hĂ€ufigsten  kommen  KanĂŒlen  von 
0,6 — 0,7  mm  Kaliber  (doch  auch  dĂŒnnere  bis  zu  0,3  ccm)  in 
Betracht.  Der  direkte  Einstich  durch  die  Sklera  soll  die 
Regel  sein.  Sklerals  c  h  n  i  1 1  e  kommen  nur  im  Ausnahme- 
fall in  Betracht  (bei  stark  herabgesetzter  Tension  des  Auges 
zur  Schonung  von  Aderhaut  und  Netzhaut).  Bei  Aphakie  kann 
man  vom  Hornhautlederhautrand  aus  durch  das  Pupillarge- 
biet  hindurch  zum  Glaskörper  gelangen.  —  Bei  Verwendung 
dickerer  KanĂŒlen  muß  ein  kleiner  Einstich  mit  der  Lanze  dem 
Einstich  vorausgesandt  werden. 

lieber  einen  Fall  von  d  o  p  p  e  1  s  e  i  t  i  g  e  r  N  e  u  r  i  l  i  s 
optica  wÀhrend  der  Laktation  mit  tempo- 
rĂ€rer Erblindung  und  gĂŒnstigem  Ausgang 
nach  1 1- 1  À  g  i  g  e  r  Amaurose  berichtet  R.  Meiling- 
hb ff  (13)  (GĂŒtersloh).  Die  FĂ€lle  sind  sehr  selten.  Es 
handelte  sich  um  eine  30-jahrige  Frau  (primipara).  Etwa 
acht  Wochen  nach  der  Geburt  trat  das  Augenleiden  auf.  Die 
wenigen  bekanntgegebenen  FÀlle  werden  zur  Erörterung  her- 
angezogen. Es  wird  festgestellt,  daß  das  von  Groenouw 
auf  29K  Jahre  berechnete  Durchschnittsalter  fast  genau  auf 
den  Fall  paßt,  desgleichen  die  Bevorzugung  der  achten 
Woche  fĂŒr  die  Zeil  des  Auftretens  der  Krankheit.  Von  den 
möglichen  Ursachen  war  Rheuma,  Tub.,  Lues  auszuschließen, 
desgleichen  Gehirntumor,  Myelitis,  multiple  Sklerose.  Es 
bleiben  nur  schĂ€digende  EinflĂŒsse  bei  der  Laktation  zur  Er- 
klĂ€rung ĂŒbrig,  die  in  die  Gruppe  der  endogenen,  d.  h.  histio- 
genen  Auto-Intoxikationen  hineingehören  (Eiweißzerfalls- 
gifte), fĂŒr  die  der  N.  opticus  besonders  empfindlich  zu  sein 

scheint.  s         ,  .„ 

Tuberkulöse  Papillitis.  Bartels  (14)  (D  o  r  t- 
m  u  n  d)  konnte  fĂŒnf  FĂ€lle  von  tui>erkulöser  EntzĂŒndung  des 
Sehnervenkopfcs  mit  Blutungen  und  weißen  Plaques  beob- 
achten (mehrfach  doppelseitig).  Die  SehschÀrfe  verfiel  in 
wenigen  Tagen  hochgradig,  besserte  sich  aber  unter  Tuberku- 
lin —  und  allgemeiner  Behandlung  in  einigen  Monaten 
wieder  bis  fast  zur  Norm.  Viermal  entstand  in  der  Macula - 
gegend  wÀhrend  der  Genesung  eine  typische  Sternfigur  bei 
normal  bleibendem  Nierenbefund.  Einmal  entstand  drei 
Wochen  nach  der  Papillitis  eine  tuberkulös«  Iritis,  die  aber 
mit  der  Papillitis  ausheilte. 

Auf  der  diesjÀhrigen  Tagung  der  Deutschen  Ophthalm. 
Gesellschaft  wurde  von  Greeff-Berlin  (15)  auch  die 
Frage  der  tabischen  S  e  h n ervenatrophie  und 
i  h  r  e  B  e  h  a  n  d  1  u  n  g  erneut  erörtert.  Bekanntlich  liegen  die 
Dinge  in  der  Praxis  so,  daß  man  hĂ€ufig  ganz  schnellen  Verfall 
des  Sehvermögens  auf  einem  bislang  noch  sehtĂŒchtigen  Auge 
erlebt.  Wenn  nun  vorher  mit  Quecksilber,  Salvarsan  usw.  be- 
handelt wurde,  so  lag  — ,  nicht  nur  fĂŒr  den  Patienten  —  die 
Vermutung  nahe,  daß  diese  Behandlung  geschĂ€digt  habe.  Der 
Grundsatz  galt  daher  ziemlich  allgemein:  Bei  tabischer  Seh- 
nervenschÀdigung keine  Hg-Behandlung.  Salvarsan  mit 
Vorsicht,  möglichst  nur  JodprÀparate.  Nun  sieht  man  aber 
auch  denselben  rapiden  Verfall  eines  sehtĂŒchtigen  Auges, 
wenn  keinerlei  Behandlung  vorausging. 

Auf  Grund  mancher  wissenschaftlichen  Erfahrungen 
trat  auch  Zweifel  daran  hervor,  ob  die  Tabes  wirklich  Dege- 
neration, Metasyphilis  oder  eine  entzĂŒndliche  SpirochĂ€ten- 
Erkrankung  darstellt.  Der  gegenwÀrtige  Standpunkt  erfahren- 
ster Autoren  ist  wohl  der,  daß  die  FĂ€lle  nicht  einheitlich 
liegen.  Die  Tatsache  besteht,  daß,  was  hier  interessiert, 
SpirochÀten  in  Chiasma  und  C.  geniculatum  gefunden  sind. 
Aber:    Die  SpirochÀten  sind  verschieden  und  auch  die  be- 


iO.  Jahrg.  —  Nr.  37/88. 


.Inn ins:  Augenheilkunde 


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troffenen  Individuen.  Degeneration  geht  wohl  nebenher. 
Praktisch  liegt  die  Sachlage  nun  so:  Große  Kliniken,  haben 
unbefriedigt  von  dein  bisherigen  Laufenlassen  der  Dinge,  und 
nicht  beirrt  von  den  oben  erwĂ€hnten  BefĂŒrchtungen,  in  g  u  t 
ausgewÀhlten  FÀllen,  also  vor  allem  bei  Kranken,  die  nur 
Erscheinungen  am  Sehnerv,  sonst  aber  nichts  erweislich 
Krankhaftes  am  Körper  erkennen  ließen,  Quecksilber  und 
Salvarsan  wieder  mit  Vorsicht,  aber  doch  mit  der  nötigen  Kon- 
sequenz angewendet.  Die  Krgebnis.se  sprechen  unbedingt  da- 
fĂŒr, daß  eine  aktive  Therapie  dieser  Art  bei  einem  Teil  der 
FĂ€lle  am  Platze  ist.  Voraussetzung  fĂŒr  den  Praktiker  sollte 
sein,  die  Verantwortung  mit  einem  erfahrenen  Augenarzt  zu 
teilen  und  den  Patienten  ĂŒber  das  Risiko,  aber  auch  ĂŒber  die 
möglieben  Heilaussichten  vor  Beginn  einer  derartigen  Be- 
handlung zu  informieren,  und  nur  mit  seinem  EinverstÀnd- 
nis zu  verfahren. 

Das  Thema  Sehnerv  und  Nasennebenhöhlen 
war  im  letzten  Jahre  öfter  Gegenstand  der  Aussprache  in  ge- 
meinsamen Sitzungen  der  FachÀrzte  beider  in  Betracht 
kommenden  Disziplinen  in  den  angesehensten  wissenschaft- 
lichen Vereinigungen  der  Welt,  also  eine  Frage  des  allge- 
meinsten Interesse.  Ks  ist  das  schon  im  letzten  Referat  an  die- 
ser Stelle  erwÀhnt.  Prof.  J.  v  a  n  derHoewe-Leiden  (16) 
(Holland),  ein  anerkannter  Kenner  der  Materie  gibt  in  einer 
neuesten  Mitteilung  noch  einmal  eine  Zusammenfassung 
seiner  Erfahrungen  und  des  gesamten  gegenwÀrtigen 
Wissens.  (Erweiterte  Mitteilung  nach  einem  Vortrag  zur 
Eröffnung  der  post  graduate  course  for  ophthalmology  und 
Oto-Laryngology  in  P  h  i  1  a  d  e  1  p  h  i  a  vom  19.  Oktober  21.) 
Die  Arbeit,  klar  und  kurz  geschrieben,  gibt  jedem,' der  Be- 
hl innig  darĂŒber  wĂŒnscht,  möglichst  vollkommenen  Auf- 
schluß. Hier  ist  nur  in  Stichworten  hervorzuheben,  wie  er 
die  Arbeit  einteilt:  1.  Diagnose  der  Sehnerven- 
entzĂŒndung: Außer  den  ĂŒblichen,  nicht  zu  verkennenden 
Zeichen  (Stauungspapille,  Papillitis,  Atrophie  und  Neuritis 
refrobulbaris),  die  dem  erfahrenen  Okulisten  natĂŒrlich  keine 
Schwierigkeiten  machen  können,  kommen  Gesichlsfeldstö- 
i  imgen  verschiedener  Art  in  Betracht,  die  atypisch  und 
vielgestaltig  sein  können  (konzentrische  EinschrÀnkung, 
parazentrales  Skotom,  Ringskotom  und  als  besonders  ver- 
dĂ€chtig Erscheinungen  von  Zentralskotom  und  VergrĂ¶ĂŸe- 
rung des  sog.  blinden  Fleckes).  Die  Schlußfolgerung  ergibt 
sich  aller  vorerst  noch:  Der  Augenarzt  hat  aus  dem  Augenbe- 
fund  allein  keinen  Angriffspcnkt,  um  die  Ursache  der 
Neuritis  retrobulbaris  daraus  zu  bestimmen,  d.  h.  von  sich 
ans  eine  Nebenhöhlenerkrankung  als  vorliegend  zu  erachten. 
2.  Di  agnosederNeb  e  n  h  ö  h  1  e  n  e  r  k  r  a  n  k  u  n  g.  Dan. 
Mackenzie  sagt  (1920):  Die  Abwesenheit  von  jedem  Symptom 
einer  Erkrankung  innerhalb  der  Nase  genĂŒgt  nicht,  um 
Sinusitis  von  der  Diagnose  auszuschließen.  Verf.,  der  diesen 
Autor  zitiert,  schließt  sieh  ihm  an  mit  der  Schlußfolgerung: 
Der  Rhinologe  kann  nicht  mit  absoluter  Gewißheit  bestim- 
men, daß  ein  Patient  keine  Sinuserkrankung  hat.  3.  Z  u  - 
s  a  m  menhang  zwischen  Erkrankung  des  Seh- 
nerven und  der  Nebenhöhlen:  Nur  wenige  FÀlle 
sind  zur  geeigneten  Autopsie  gekommen.  Drei  wichtige  histo- 
logische Befunde  besitzen  wir  aber.  Aus  ihnen  und  den  klini- 
schen Erfahrungen  wissen  wir,  daß  die  anatomische  Dispo- 
sition von  großem  Einfluß  auf  die  Entstehung  der  Sehnerven- 
erkrankung im  Laufe  einer  NebenhöhlenafTektion  werden 
kann  (Onodis  Untersuchungen)  ferner,  daß  eine  kranke 
Nebenhöhle  den  Sehnerv  in  Mitleidensehaft  ziehen  kann 
durch  direkte  Fortleiturig  der  EntzĂŒndung,  durch  Druck, 
ausgeĂŒbt  durch  die  WĂ€nde  der  diktierten  Höhlen,  wohl  auch 
durch  Toxine,  Oedem,  Stauung.  —  Wir  mĂŒssen  unterschei- 
den: Reparable  Sehnervenaffektionen,  welche  viele 
Monate  bestehen  können.  Toxisches  Oedem,  leichtere  EntzĂŒn- 
dung, Stauung,  leichter  Druck)  und  irreparable  Seh- 
BervenÀnderungen  durch  Degeneration  und  Atrophie'  von 
Sehnervenfasern,  verursacht  durch  dieselben  Noxen.  — 
I.  B  e  b  a  n  d  1  u  ii  g  :  Ist  die  ‱Nebenhöhlenerkrankung  mani- 
fest, so  muß  sie  natĂŒrlich  behandelt  werden.  Verf.  rĂ€t  seiner- 
seits zunÀchst  konservative  Behandlung,  nur  nötigenfalls 


Operation.  Ist  aber  kein  Zeichen  fĂŒr  Sinusiiis  zu  linden,  so 
sind  zunĂ€chst  multiple  Sklerose  (angeblich  in  50 — 70  Proz. 
Ursache  von  retrobulbÀrer  Neuritis),  Lues,  Tuberkulose, 
Diabetes,  Rheumatismus  u.  a.  nach  Möglichkeit  auszuschlie- 
ßen. Verf.  steht  dabei  auf  dem  Standpunkt:  So  lange  ein 
Patienl  nur  eine  Seh  nerven  af  f  ektion,  sonst  aber 
keine  auf  multiple  Sklerose  verdÀchtigen  Erscheinungen 
aufweist,  hat  er  fĂŒr  das  augenĂ€rztliche  Urteil  kei  nc  M.  Ski. 
Einen  anderen  Standpunkt  einzunehmen,  wÀre,  wie  manche 
traurige  klinische  Erfahrung  dem  Okulisten  zeigt,  gefÀhrlich. 
Alles  ĂŒbrige  muß  in  intimer  Zusammenarbeit  mit  dem 
Rhinologen  vereinbart  und  unter  Mitwissen  des  zu  informie- 
renden Patienten  entschieden  werden.  Zu  beachten  ist  dabei 
die  Erfahrung  der  Praxis:  Oeffnung  der  Nebenhöhlen  gibt 
bisweilen,  auch  wenn  keine  Erkrankung  der  Nebenhöhlen 
Schleimhaut  gefunden  wird,  vorĂŒbergehende  oder  andauernde 
Besserung  des  Sehnervenleidens.  Ableitung  durch  Blutung 
oder  Aenderung  des  Lymphslromes  sind  dabei  wohl  wirkende 
Ursachen,  so  daß  der  Eingriff  wie  eine  Blutentziehung  wirkt. 
Zum  Schluß  wird  eine  interessante  Betrachtung  ĂŒber  die 
Skotome  und  den  Faserverkauf  im  Sehnerven  gegeben,  auf 
die  aber  aber  hier  nicht  eingegangen  werden  kann. 

Kortikale  Erkrankung  der  SehsphÀrc  nach  Enze- 
phalitis letharg"  ica,  also  eine  Lokalisation  des 
Krankheitsprozesses  im  Bereich  der  kortikalen  SehsphÀre,  ist 
auffallend  selten  beobachtet  trotz  der  sonstigen  Mannigfaltig- 
keit der  Symptome.  Es  sind  wohl  nur  fĂŒnf  FĂ€lle  von 
Hemianopsie  bei  E.  lethargica  in  der  Literatur  be- 
richtet worden.  A.  J  e  ß  (17)  (Gießen),  hatte  Gelegenheit, 
einen  Fall  von  kortikaler  Erblindung  nach  E.  1. 
mit  ungĂŒnstigem  Ausgang  zu  sehen.  Nach  dem  Befunde 
mĂŒssen  die  Rindenbezirke  der  linken  Pyramidenbahn  oder 
diese  selbst  und  beide  Occipitallappen  vorzugsweis  befallen 
gewesen  sein,  eine  nach  den  allgemeinen  Erfahrungen  höchst 
ungewöhnliche  Lokalisation.  Die  Einzelheiten  des  Falles 
mĂŒĂŸten  im  Original  eingesehen  werden. 

C.  H.  Sattler  (18)  (Königsberg)  macht  darauf 
aufmerksam,  daß  bei  Anwendung  von  Perhydrol- 
I  ö  s  u  n  g  zur  Blutstillung  bei  Operationen  in 
der  Nachbarschaft  des  Auges  Vorsicht  geboten  ist. 
Wasserstoffsuperoxyd  wird  von  den  AugenÀrzten  auch  in  ver- 
schiedener Weise  therapeutisch  verwertet  z.  B.  in  10-prozent. 
Lösung  auf  widerstrebende  oberflÀchliche  Hornhautge- 
schwĂŒre bestimmter  Formen.  Es  wirkt  Ă€tzend,  vor  allem  auf 
die  kokainisierte  Hornhaut,  wie  ein  Operationserlebnis 
zeigte  und  experimentelle  Versuche  an  Kaninchen  bestÀtigten. 

—  Die  therapeutische  Wirkung  des  Wasserstoffsuperoxydes, 
die  von  manchen  gerĂŒhmt  wird,  z.  B.  von  Pagen  Stecher 
fĂŒr  gewisse  Formen  der  HornhautgeschwĂŒre  u.  a.  bleibt  bei 
vorsichtiger  Anwendung  davon  natĂŒrlich  unberĂŒhrt. 

Einen  Fal  von  sog.  fulminier ender  Erblin- 
dung, die  bei  einem  Kinde  in  der  TĂŒbinger  Univ.  Augen- 
klinik beobachtet  wurde,  schildert  Seheerer  (19).  Die 
FÀlle  sind  sehr  selten;  A.  v.  GrÀfe  hat  das  Krankheitsbild 
‱gezeichnet  (1866),  das  aber  auch  heute  noch  wenig  geklĂ€rt 
ist.  Es  bandelt  sieh  um  Folgendes:  Vorwiegend  Kinder 
zwischen  drei  und  acht  Jahren  erblinden  innerhalb  weniger 
Stunden  oder  Tage  völlig.  Objektiv  zeigen  die  Augen  dann 
weite  lichtstarre  Pupillen  und  eine  alle  Stadien  der  EntzĂŒn- 
dung bis  zur  Stauungspupille  darstellende  Sehnervenscheibe, 
seltener  einen  normalen  Augenhintergrund.  Jede  Therapie 
bleibt  wirkungslos.  Im  Lauf  von  Wochen  kehren  aber  Pu- 
pillenreaktion und  Sehvermögen  wieder.  Letzteres  kann  so- 
gar normal  werden,  behÀlt  aber  meist  SchÀdigungen  des 
peripheren  oder  zentralen  Gesichtsfeldes.  Auch  endgiltige 
Erblindung  ist  beobachtet.  Ein  neuer  Fall  dieser  Art  wurde 
nun  klinisch  gesehen  (3-j.  Knabe).  Das  Bewerkenswerte  an 
dein  Falle  war,  daß  außer  HintergrundsverĂ€nderungen  (Un- 
scharfe Pupillen,  enge  NetzhautgefĂ€ĂŸe,  eigenartige  tumor- 
Ă€hnliche  Bildung  an  der  Netzhaut  peripher)  auch  hintere 
Synechien  und  flottierende  GlaskörpertrĂŒbimgen  bestanden. 

—  Nach  fĂŒnf  Tagen  lösten  sich  die  Synechien  spontan,  die 
Pupillenreaktion  kehrte  wieder,  die  GlaskörperverÀnderungen 


572 


Junius:  Augenheilkunde 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


und  die  Netzhautbildung  verschwanden.  Nach  zwei  weiteren 
Monaten  waren  auch  die  SehnervenverĂ€nderungen  zurĂŒck- 
gehildet  und  das  Sehvermögen  anscheinend  wiederherge- 
stellt. Die  Ursache  wurde  nicht  geklÀrt.  Das  Kind  hatte 
wegen  blassen  Aussehens  und  Wurmverdachtes  ein  Mittel,  an- 
scheinend Santonin,  erhalten.  Wurmeier  (Askaris) 
wurden  auch  im  Stuhl  gefunden.  Es  scheint  aber  doch  kein 
Medikamentschaden  vorgelegen  zu  haben.  Die  allgemeine 
Meinung  geht  dahin,  daß  in  diesen  FĂ€llen  alltĂ€gliche  Infek- 
tionskrankheiten, auch  solche  des  Darms  mit  der  Folge  von 
Autointoxikationen,  Einfluß  auf  Entstehung  der,  wie  gesagt, 
ganz  seltenen  Erkrankung  der  Augen  haben  mĂŒssen.  FĂŒr  die 
Therapie  sind  daher  Maßnahmen  zu  empfehlen,  die  eine  Ent- 
giftung des  Darmes  und  allgemeine  Anregung  des  Stoffwech- 
sels zum  Zweck  haben,  darunter  auch  parenterale  Eiweiß- 
Injektionen. 

Ueber  die  Erfahrungen  der  Chirug.  Station  des  Allg. 
Krankenhauses  St.  Georg  in  Hamburg  bezĂŒglich  Tumoren, 
Pseudotumoren  und  Fremdkörper  der  Orbita 
Ă€ußerte  sich  Ringel  (20).  Ueber  vier  lehrreiche  FĂ€lle  wird 
eingehend  berichtet:  Einmal  wurde  durch  schnelle  Ent- 
wicklung der  Protrusio  bulbi  der  dringende  Verdacht  auf 
malignen  Tumor  erweckt.  Bei  der  Operation  ergab  sich  ein 
kavernöses  HÀmangiom.  Es  wurde  volle  Heilung 
erzielt.  Im  zweiten  Fall  ergab  sich  an  Stelle  des  vermuteten 
Tumors  ein  Ostitis  fibrosa  der  Slirnhöhlengegend,  die 
erfolgreich  beseitigt  wurde.  In  einem  dritten  Falle  war  eine 
Pat.  mit  Kopfschmerzen,  Ptosis,  OculomotoriuslÀhmung  er- 
krankt. Dazu  trat  Protrusio  b'ulbi  und  Abnahme  des  Sehver- 
mögens. Das  Röntgenbild  ließ  einen  geringen  Schatten  in  der 
oberen  inneren  Orbita  erkennen.  Eine  Operation  wurde 
wegen  Verdachtes  auf  retrobul  b  À  r  e  n  Tumor  vorge- 
nommen, eine  Geschwulst  aber  nicht  gefunden.  Alle  Er- 
scheinungen gingen  spĂ€ter  zurĂŒck.  Die  Ptosis  wurde  durch 
einen  besonderen  Eingriff  beseitigt.  Es  handelte  sich  um  einen 
der  seltenen  FĂ€lle  von  Pseudotumor,  die  der  chirurgi- 
schen Beachtung  empfohlen  werden.  Der  vierte  Fall  bietet 
nichts  hier  ErwÀhnenswertes.  Aus  allen  Erfahrungen  geht 
aber  hervor,  daß  der  Entschluß  zu  einem  frĂŒhzeitigen  opera- 
tiven Eingriff  (Operation  nach  Krönlein)  fast  immer  ge- 
rechtfertigt ist.  Vor  allem  sollte  man  mit  Strahlenbehandlung 
keine  Zeit  versÀumen. 

Das  Thema:  Pathogenese  und  Behandlung  der 
Sehstörungen  nach  Blutverlusten  behandelte 
A.  Terson  (21)  ausfĂŒhrlich  in  einem  Bericht  fĂŒr  die  Pa- 
r  i  s  e  r  Ophthalmologische  Gesellschaft.  Hier  soll  nur  auf 
einige  Leitgedanken  des  Verfassers  eingegangen  werden:  Die 
Seltenheit  der  Beobachtung  von  Erblindung  nach  Blutver- 
lust im  Weltkriege,  die  öfter  zu  beobachtende  Einseitigkeit 
der  Erblindung,  die  verschiedenen  Formen  der  SchÀdigung 
des  Sehorgans  und  die  Gesamtheit  der  klinischen  Beobach- 
tungen weisen  nach  Verf.  darauf  hin,  daß  Blutleere  allein 
das  Krankheitsbild  nicht  zu  erklÀren  vermag,  wie  sehr  auch 
die  retinale  IschÀmie  im  Vordergrunde  stehen  mag.  Denn 
weder  das  Sinken  des  Blutdruckes  im  allgemeinen,  noch  des " 
Druckes  in  den  Netzhautarterien,  noch  die  zuweilen  vorhan- 
dene VerÀnderung  des  Blutbildes  weichen  in  diesen  FÀllen 
von  Sehstörung  von  dem  Befunde  ab,  den  man  auch  sonst 
nach  großen  Blutverlusten  sieht,  ohne  daß  eine  Sehstörung 
eintritt.  Es  ist  daher  auch  an  die  Mitwirkung  toxischer  Mo- 
mente und  einer  persönlichen  Ursache  (=  Disposition)  zu 
denken.  Die  gleichzeitig  vorhandene  Steigerung  der  Körper- 
wÀrme gibt  vielleicht  einen  Fingerzeig  nach  dieser  Richtung 
hin.  Es  muß  auch  auffallen,  daß  gerade  Blutungen  in  den 
Darm  und  die  großen  Körperhöhlen  öfter  Sehstörungen  zur 
Folge  haben.  Resorption  von  zerfallendem  Bluteiweiß  ist 
dabei  leichter  verstÀndlich,  als  nach  Blutung  aus  den  Ex- 
tremitÀten. 

Eine  Autointoxikation  wie  beim  anaphylaktischen 
Sc  hock  ist  denkbar,  zumal  die  Erblindung  in  vielen  FĂ€llen 
(  ist  Tage  oder  Wochen  nach  dem  Blutverlust  einsetzt.  Oef- 
lere  Wiederholung  der  Blutung,  wenn  auch  in  weniger  großer 
Menge,  schadet  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  mehr  als  einmaliger  starker 


Blutverlust.  HÀufigster  Termin  des  Eintrittes  der  Sehstörung 
zwischen  3.  und  16.  Tag. 

FĂŒr  die  Behandlung  werden  empfohlen:  Bluttransfu- 
sionen oder  reichliche  Serumeinspritzungen  subkutan.  Ter- 
son faßte  das  Ergebnis  der  Aussprache  in  einem  Schlußwort 
zusammen:  Die  IschĂ€mie  der  GefĂ€ĂŸe  am  Augenhintergrund 
kann  nicht  die  einzige  Ursache  in  der  Pathogenese  der  in 
Frage  kommenden  Affektion  sein.  Weitere  Forschungen 
sind  erforderlich.*) 

Die  „Verkupferung"  des  Auges.  HierĂŒber  sam- 
melte A.  J  e  s  s  (22)  (Gießen)  Erfahrungen.  Erst  der  Krieg 
hat  derartige  VerÀnderungen  hÀufiger  werden  lassen.  Die 
deletÀre  Wirkung  von  reinem  Kupfer  im  Auge  ist  allgemein 
bekannt.  Verletzungen  durch  KupferhĂŒtchen  im  Frieden, 
wie  sie  namentlich  auch  bei  Kindern  vorkamen,  die  unvor- 
sichtig spielten,  fĂŒhrten  meist  zum  Verlust  des  betroffenen 
Auges,  waren  jedenfalls  auch  bezgl.  Erregung  von  sympathi- 
scher EntzĂŒndung  des  zweiten  Auges  mit  besonderer  Vorsicht 
von  vornherein  zu  beurteilen.  In  der  Kriegszeit  sind  nun 
aus  Rohstoffmangel  und  anderen  GrĂŒnden  hĂ€ufig  messing- 
artige Legierungen  des  Kupfers  zu  GranatzĂŒndern,  ZĂŒnd- 
kapseln von  Handgranaten  und  Minen  verwendet  worden. 
Die  Wirkungen  von  abspringenden  kleinsten  Kupfersplitter  - 
chen  dieser  Art,  die,  oft  kaum  l>eachtet,  ins  Augemnnere 
gelangten,  ist  milder;  die  Verletzungen  erschienen  zunÀc  hst 
harmlos.  J  e  s  s  weist  nun  aber  nach,  daß  derartige  Augen 
zwar  viel  langsamer,  aber  doch  ziemlich  sicher  spÀt  zu 
Grunde  zu  gehen  pflegen  (durch  innere  EntzĂŒndung,  TrĂŒbung 
des  Glaskörpers  usw.).  Jede  Verletzung  auch  dieser  Art  ist 
also  vom  Arzt  als  ernst  zu  beurteilen  und  dem  Okulisten 
zuzufĂŒhren.  Das  Auftreten  von  einer  sc  hillernden  Erscheinung 
an  der  Linse,  grau-grĂŒne  sonnenblumartige  TrĂŒbung, 
die  im  auffallenden  Licht  zuweilen  sichtbar  wird,  wird  als 
ziemlich  sicheres  Zeichen  der  Anwesenheit  von  Kupfer  im 
Augeninnern  gewertet.  Sie  darf  aber  nicht  abgewartet  wer- 
den, wenn  andere  Anhaltspunkte  fĂŒr  die  Möglichkeit  einer 
Kupferverletzung  des  Auges  schon  sprechen.  Operative  frĂŒhe 
Behandlung  kann  in  Betracht  kommen. 

Diese  Art  von  Scheinkatarakt,  d.  h.  eine  nur  bei  "seitlicher 
Beleuchtung  des  Auges  sichtbare  zentrale,  in  diesem  Falle 
blau-graue  TrĂŒbung  der  Linse  (Linse  bei  Durchleuchtung 
voll  -  sonnenblumartige  vollkommen  klar!)  hat  ge- 
legentlich auch  noch  eine  andere  Bedeutung.  Stoffwechsel - 
Störungen  der  Linse  liegen  aber  immer  zugrunde.  S  i  e  m  e  r- 
1  i  n  g  und  O  1  o  f  f  (23)  berichteten  neuerlich  ĂŒber  einen  Fall 
von  sog.  Pseudosklerose  (nach  C.  W  e  s  t  p  h  a  1  - 
StrĂŒmpell)  und  doppelseitiger  Scheinkatarakt,  die  der 
nach  Verletzung  durch  Kupfersplitter  Àhnlic  h  aussah.  Diese 
Krankheit,  frĂŒher  als  Neurose  aufgefaßt,  ist  wahrscheinlich 
als  eine  juvenile  Lebercirrhose  aus  noch  unbe- 
kannter Ursache  aufzufassen.  Es  besteht  dabei  eine  RĂŒck- 
wirkung auf  bestimmte  Teile  des  Zentralnervensystems  und 
einige  Abschnitte  des  Sehapparates.  Bisher  war  nur  eine 
Hornhau  tverĂ€nderung  beobachtet  (brĂ€unlich-grĂŒne,  ring- 
förmige TrĂŒbung  in  den  tiefsten  Schichten  der  Cornea  —  sog. 
Fleischerscher  Ring),  zu  dem  nun  in  einem  neubeob- 
achteten Falle  die  LinsenverÀnderung  (doppelseitig!)  hinzu- 
kam. Beide  Symptome  sind  diagnostisch  wichtige  kleine 
Zeichen. 

Das  eigentĂŒmliche  Krankheitsbild  der  L  o  c  h  b  i  1  d  u  n  g 
an  der  Stelle  des  feinsten  Sehens  in  der  Macula  der 
Netzhaut  durch  Traumen  von  außen  her,  ist  den  Fach- 
Àrzten bekannt  und  infolge  der  Kriegstraumen  hÀufiger  be- 
obachtet, als  in  Friedenszeiten,  wo  es  eine  RaritÀt  darstellte. 
Hier  interessiert,  daß  ein  chinesischer  Arzt  T.  M.  L  i  (24),  von 
der  Medizin-Schule  in  Peking)  einen  bisher  einzigartigen 
Fall  d  o  p  p  e  lseitiger  Erkrankung  dieser  Art  durch  eine 

*)  FĂŒr  deutsche  Leser  wird  es  erwĂŒnscht  sein,  bei  diesem 
Anlaß  auf  die  beiden  bedeutendsten  Arbeiten  der  letzten  Jahre 
/um  Thema  aus  unserem  Lande  hinzuweisen:  Die  Abhandlungen 
von  Frdr.  Pincus  (1919)  und  M.  Görlitz  (1920),  welche  die 
gleichen  Fragen  auf  Grund  klinischer  Erfahrungen  und  patholo- 
gisch-anatomischer Befunde  eingehend  behandelt  und  auch  neue 
Gesichtspunkte  geltend  gemacht  haben. 


10.  Jahrg.  — Nr.  37/38. 


S  t  a  n  (1  e  a  t'  r  :i  g  e  n  und  soziale  M e  di  z  i  n 


Verletzung  beobachten  konnte.  Es  handelte  sich  um  einen 
Soldaten,  der  beim  Fußballspiel  vom  Bai]  gerade  ins  Gesicht 
mit  großer  Gewali  getroffen  wurde.  Die  besondere  Gesichts- 
bildung der  Chinesen  (flache  Nase,  leicht  vorstehende  AugenÀ 
niedriger  Knochenrand  in  der  Gegend  der  Augenbrauen),  be- 
gĂŒnstigte wohl  das  Zustandekommen  der  eigenartigen  SchĂ€di- 
gung, die  allemal  eine  starke  SchÀdigung  des  zentralen  Seh- 
vermögens zur  Folge  hat.  Es  gibt  auch  spontan  entstandene 
KrankheitsfÀlle  dieser  Art,  die  aber  nur  die  FachÀrzte  inter- 
essieren.*) 

Einen  Vorschlag  zur  Behandlung  der  bei  SchĂŒlern  nicht 
ganz  seltenen  Verletzung  der  Augen  mit  Tinte 
(meist  durch  Einspielten  einer  tintengefĂŒllten  Schreibfeder) 
macht  A.  Bourgeois  (25).  Da  Ausschabung  nicht  zum 
Ziel  fĂŒhrte,  versuchte  er,  nach  dem  Vorbild  der  WĂ€schereien 
Eau  de  Javel  zum  Entfernen  von  Tintenflecken  aus  Stoffen 
zu  benutzen,  dieses  Mittel  auch  am  Auge  (Hornhaut).  Bei  ' 
sehr  vorsichtiger  örtlicher  Anwendung  war  die  Beaktion  nicht 
groß,  die  Umgebung  wurde  nicht  unerwĂŒnscht  mitgeĂ€tzt. 
Der  Erfolg  bezgl.  Entfernung  des  Tintenstriches  war  ein  voller. 

Zur  Frage  der  SchÀdigung  des  Auges  durch 
Methylalkohol  berichtete  Schieck  (26)  (Halle) 
ĂŒber  drei  neue  lehrreiche  klinische  Beobachtungen.  Bemer- 
kenswert sind  die  allgemeinen  Erörterungen,  die  er  daran 
knĂŒpft.    Allgemein  bekannt  sind  einzelne  VergiftungsfĂ€lle 
geworden,   z.B.   die   Massenvergiftungen   im  Berliner 
Asyl  fĂŒr  Obdachlose  in  der  Weihnachtswoche  1911  und  ein 
Vorfall  im  Kriege,  bei  dem  200  Soldaten  diesen  Alkohol  als 
Schnaps  getrunken  hatten,  aber  nur  50  davon  erkrankten. 
Bekannt  ist  ferner  aus  verschiedenen  LĂ€ndern,  daß  in  ein- 
zelnen Gegenden  die  Bewohner  regelmĂ€ĂŸig  reinen  Holzgeist 
zu  trinken  pflegen,  aber  nur  BauschzustÀnde  wie  nach  Methyl- 
alkohol davontragen,  ohne  SchÀdigung  des  Sehorgans.  Die 
Wirkung  ist  uns  also  noch  rÀtselhaft.   Von  den  ErklÀrungs- 
möglichkeiten    kommt    insbesondere    in    Betracht:  Nach 
Schmiedeberg  liegt  die  Vergiftungsgefahr  nicht  in  der 
Besorption  des  Methylalkohols  selbst,  sondern  in  der  Amei- 
sensÀure, die  bei  der  Oxydation  des  M.  A.  entsteht  und 
unter  UmstÀnden  lÀngere  Zeit  als  solche  im  Körper  verbleibt. 
(Mit  dem  4.  Tage  erscheinen  nach  M.  A. -Vergiftung  grĂ¶ĂŸere 
Mengen  AmeisensÀure  im  Harn.  Die  Ausscheidung  hÀlt  einige 
Zeit  an.)   Die  auffallenden  Unterschiede  in  der  Wirkung  des 
.  Giftes  werden  möglicherweise  verstÀndlicherer  durch  eine 
Differenz  in  der  Verdauung  des  M.  A.  und  durch  das  ver- 
schieden lange  Verweilen  der  AmeisensÀure  im  Körper  (z.  B. 
Trinker,  elende  Personen).    Damit  wĂŒrde  die  immer  wieder 
gemachte  Erfahrung  in  Einklang  stehen,  daß  die  verderbliche 
Wirkung  fĂŒr  das  Sehorgan  selten  schnell  nach  dem  GenĂŒsse 
eintritt,  meistens  in  SchĂŒben  nach  Tagen   oder  Wochen. 
Warum  nun  gerade  Sehnerv  und  Netzhaut  befallen  werden, 
ist  verstÀndlicher.    Wenn  auch  im  groben  die  SchÀdigung 
(ies  Sehnervenstammes    auffÀllig  wird,    so  sprechen  doch 
klinische  Zeichen  dafĂŒr,  daß  das  zur  Makula  fĂŒhrende  Seh- 
nervenbĂŒndel und  der  ganze  Aufnahmeapparat  in  der  Netz- 
haut zuerst  und  hauptsÀchlich  befallen  werden.  Dieses  sind 
die   Teile,  welche  funktionell  am  meisten  in  Anspruch  ge- 
nommen werden,  daher  den  grĂ¶ĂŸten  Stoff umsatz  haben  und 
nach  der  Edingerschen  Aufbrauchtheorie  am  meisten  ver- 
letzlich sind.    F.  Schanz  hat  noch  ein  anderes  Moment 
hervorgehoben.    Er  glaubte  nachweisen  zu  können,  daß  der 
Methylalkohol  erst  auf  dem  Umwege  der  erhöhten  „Sensibi- 
lisierung" der  Netzhautelemente  gegen  Licht  zur  Wirkung 
kommt  und  durch  eine  Art  Ueberblendung  diese  feinen  Ele- 
mente zum  Erliegen  bringe.    Tatsache  der  klinischen  Beob- 
achtung ist  es  auch  fĂŒr  S  c  h  i  e  c  k ,  daß  sehr  auffĂ€lligerweise 
diese  am  Sehnerv  geschĂ€digten  Kranken  'stark  ĂŒber  Blen- 
dungserscheinungen    klagen,    obgleich    sie  schwachsichtig 
sind.    In  jedem  Fall  scheint  es  ihm  empfehlenswert,  das  be- 

*)  FĂ€lle  von  doppelter  Lochbildung  spontanen  Ur- 
sprunges sind  mehrfach  berichtet.  Vgl.  W.  Reis,  Zur  Aetio- 
I  o  gi  e  u  n  (I  (;  e  n  e  s  c  d  er  L  o  c  h  b  i  1  d  u  n  g  i  n  d  e  r  M  a  c  n  1  a 
lutea.  Zeilschr.  f.  Aughkd.  15.  191(1  und  Th.  Leber:  Zer- 
reißungen und  Lochbildungen  in  der  Netzhaut. 
Handbuch  der  ges.  Augenhkd.,  2.  Auflage,  1916.  (Bd.  VII,  2  HĂ€lfte.) 


troffene  Auge  mit  Laicht abschl uß  zu  behandeln,  was 
auch  fĂŒr  verminderten  Aulbrauch  von  Stoffen,  die  zur  Funktion 
nötig  sind,  nur  gĂŒnstig  wirken  kann.  Von  L  u  m  b  a  I  p  u  n  k- 
t  i  o n  e  n  wie  sie  Z  e  t  h  el  i  u  s  und  W  c  r  s  e  n**)  sowie  Frdr. 
P  i  n  k  n  s  aus  anderen  Erfahrungen  heraus  empfohlen  haben, 
verspricht  sich  Verfasser  keinen  wirksamen  Erfolg. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Wirtschafts-  und  Medizinalstatistik. 

Dem  Hefte  Nr.  10  der  vom  Statistischen  Redchsamt  heraus- 
gegebenen Zeitschrift  „Wirtschaft  und  Statistik"  entnehmen  wir 
einige  den  Mediziner  interessierende  Angaben.  Der  Lebenshal- 
lungskostenindex  ist  von  August  1921  bis  April  1922,  wenn  man  den 
Index  fĂŒr  1913/1914  mit  100  annimmt,  gestiegen  vonl  1045  auf  3175, 
d.h.  etwa  auf  das  3fache.  Der  amtliche  Brotpreis  in  Berlin  ist 
von  August  1921  bis  April  1922  von  366  (Pf.  f.  1  kg)  gestiegen  auf 
760,  d.h.  auf  etwas  mehr  als  das  Doppelte.  In  Nr.  24/25  d.  Z. 
hatten  wir  gegenĂŒber  dem  Beschluß  der  Leipziger  Aerzte,  den 
Brotpreis  als  Zuschlagsindex  zu  verwerten,  vor  diesem  Index  ge- 
warnt, weil  der  Brotpreis  nicht  selten  durch  behördliche  Maß- 
nahmen beeinflußt  ist.  Die  obigen  Angaben  beweisen,  daß  unsere 
Warnung  nicht  unberechtigt  ist,  denn  der,  Brotpreisindex  verlÀuft 
nicht  parallel  zu  dem  Lebenshaltungsindex. 

Die  Geburtenziffer  der  deutschen  GroßstĂ€dte  im  ersten  Viertel- 
jahr 1922  weist  eine  Verminderung  von  2,4  v.  H.  der  Bevölkerung 
gegenĂŒber  der  gleichen  Zeit  des  Vorjahres  nach.  Immerhin  ist 
sie  nicht  geringer  als  die  der  beiden  letzten  Monate  des  Jahres 
1921.  Die  Sterbezahl  in  dem  gleichen  Zeitraum  war  großen 
Schwankungen  unterworfen.  Sie  betrug  im  Durchschnitt  16,9 
v.  H.  gegen  das  Vorjahr,  eine  Zunahme  von  2,7.  Leider  ist  die 
Statistik  der  Todesursachen  nichts  weniger  als  einwandfrei 
Denn  wenn  z.  B.  die  Sterbetafel  einzelne  Abteilungen  ĂŒber  Tuber- 
kulose, LungenentzĂŒndung,  Influenza  und  Krankheiten  der 
Atmungsorgane  enthĂ€lt,  so  weiß  jeder  Mediziner,  daß  er  mit  einer 
solchen  Differenzierung  nichts  anfangen  kann.  Ebenso  fraglich 
sind  die  Versuche  der  hohen  Sterblichkeit  zu  erklÀren.  Es  mutet 
nicht  genĂŒgend  wissenschaftlich  an,  die  Vorkommnisse  vorzugs- 
weise auf  die  TemperaturverhÀltnisse  zu  beziehen.  Wissen  wir 
doch,  welchen  Einfluß  auf  die  Sterblichkeit  nicht  nur  Epidemien, 
wie  z.  B.  .Influenza,  an  sich,  sondern  auch  die  Art  ihres  Auf- 
tretens, Komplikationen  und  Nachkrankheiten  ausĂŒben. 

Alexander. 

Die  Wahlen  zur  Aerztekammer. 

Die  Neuwahlen  fĂŒr  die  preußischen  Aerztekammern  werden 
den  gesetzlichen  Bestimmungen  entsprechend,  Anfang  Novem- 
ber in  allen  Teilen  des  preußischen  Staates  vor  sich  gehen.  Der 
vorgeschriebene,  dreijÀhrige  Turnus  ist  nur  einmal  wÀhrend  des 
Krieges  unterbrochen  worden;  die  Neuwahlen  werden  sich  dies- 
mal unter  leider  verÀnderten  VerhÀltnissen  vollziehen.  Sie 
fallen  naturgemĂ€ĂŸ  aus  in  allen  abgetretenen  Gebieten,  die,  es  sei 
nur  an  Danzig,  Oberschlesien,  Posen  und  Westpreußen  erinnert, 
eine  Reihe  hervorragender  Kollegen  zur  Mitarbeit  entsandt  haben. 
Auch  eine  anderweitige  Gruppierung  hat  sich  infolgedessen  mehr- 
fach als  notwendig  erwiesen.  Einen  kleinen  Zuwachs  haben  wir 
dadurch  zu  verzeichnen,  daß  der  Gebietsteil  von  Pyrmont  an 
Preußen  gefallen  ist.  Er  ist  dem  Wahlbezirke  Hannover  zuge- 
teilt worden.  In  Berlin  haben  die  Vorbereitungen  zur  Wahl  be- 
gonnen. Aller  Voraussicht  nach  werden  die  örtlichen  Standes* 
Organisationen  und  die  Gruppe  der  Standesvereine  sich  auf  eine 
gemeinsame  Wahlliste  einigen.  Alexander. 

Bewertung    von    Ă€rztlicher   und    VerwaltungstĂ€tigkeit  fĂŒr 
Krankenkassen. 

In  einem  Aufsatz  der  Berliner  Aerztekorrespondenz  Nr.  17 
gibt  Herr  Dr.  Th  ei  1  h  a  b  e  r  eine  dankenswerte  Zusammen- 
stellung der  Ausgaben  fĂŒr  Ă€rztliche  Behandlung  und  fĂŒr  Verwal- 
tungszwecke an  der  Hand  des  Rechnungsabschlusses  der  Allge- 
meinen Ortskrankenkasse  Berlin.  Diese  Kasse  ist  eine  der 
grĂ¶ĂŸten  und  bestfundierten  Kassen  Deutschlands  und  kann  den 
Anspruch  einer  sorgsamen  FĂŒhrung  ihrer  GeschĂ€fte  erheben. 
Folgende  Daten  erscheinen  fĂŒr  unsere  Zwecke  besonders  wert- 
voll.   Auf  die  Mitglieder  berechnet  stellt  sich 

**)  Vgl.  diese  Zeil  schrill  1921  Nr.  24/25,  Referat  ĂŒber  Augen- 
heilkunde. 


Ans   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


1916    1919  1920 

der  Beitrag  auf  ‱  51,3  100      240  M. 

die  Ausgabe  fĂŒr  die  Aerzte  auf   5,4   10,7      28,6  M. 

die  Ausgabe  fĂŒr  Krankengeld    13,4   35,6      88,0  M. 

die  Ausgabe  fĂŒr  persönliche  Verwaltungen     5,5   14,01     31,8  M. 

Daraus  ergibt  sich,  daß  die  Kosten  fĂŒr  die  Aerzte  nicht  im 
VerhÀltnis  zu  den  persönlichen  Verwaltungskosten  gewachsen 
sind.  Die  nackten  Zahlen  beleuchten  aber  die  Situation  noch  nicht 
einmal  genĂŒgend,  denn  die  Vergleichsobjekte  sind  keineswegs 
kommensurabel.  Einmal  gehört  die  TÀtigkeit  der  Aerzte  durch- 
weg zu  den  höheren  Dienstleistungen),  wĂ€hrend  dies  fĂŒr  die  Ver- 
waltungsbeamten in  viel  geringerem  Maße  zutrifft.  Sodann  sind 
die  Ă€rztlichen  VergĂŒtungen  von  jeher  unter  dem  Existenzniveau 
bemessen  gewesen,  was  bei  den  Beamten  nicht  der  Fall  war.  So- 
dann sind  vorn  den  Ă€rztlichen  Einnahmen  mindestens  25 — 30  % 
Werbungskosten  in  Abzug  zu  bringen,  die  bei  den  Beamten  so  gut 
wie  ganz  fortfallen.  Und  endlich  kommen  die  persönlichen  Vor 
teile  der  Beamten,  die  in  Begrenzung  der  Arbeitszeit,  Urlaubs - 
gewÀhrung,  Vorsorge  gegen  Krankheit  und  InvaliditÀt  bestehen, 
in  Frage,  die  dem  Kassenarzt  nicht  gewÀhrleistet  sind.  Man  sollte 
meinen,  daß  die  KassenvorstĂ€nde,  wenn  man  ihnen  an  der  Hand 
ihrer  eigenen  Zahlen  einen  Spiegel  vorhÀlt,  sich  den  Argumenten 
fĂŒr  eine  außergewöhnliche  Erhöhung  der  Ă€rztlichen  Honorare 
nicht  verschließen  können.  Alexander. 

Die  GrĂŒndung  von  PraktikerverbĂ€nden. 

Die  Bildung  fachÀrztlicher  Vereinigungen  und  die  Feststel- 
lung von  Richtlinien  fĂŒr  die  Bezeichnung  als  Facharzt  ist  in 
erster  Linie  die  Folg©  der  VertrÀge  der  Kassen  mit  den  Àrzt- 
lichen Organisationen.  Es  war  notwendig  hier  Klarheit  zu 
schaffen  und  einem  Mißbrauch  vorzubeugen,  der  fĂŒr  Kranke, 
Kassen,  aber  auch  fĂŒr  die  Gesamtheit  des  Standes  einwurzeln 
konnte.  Neben  diesen  BedĂŒrfnissen  haben  auch  unsere  wirtschaft- 
lichen Gesichtspunkte  gemeinsame  BerĂŒhrungsflĂ€chen,  so  Ein- 
kauf, Verkehrsfragen,  GebĂŒhrenordnung.  Nicht  in  Frage  kam 
das  kollegiale  oder  wissenschaftliche  VerhÀltnis  zu  den  Prak- 
tikern, denn  hier  mußten  hĂŒben  wie  drĂŒben;  die  gleichen  Richt- 
linien gelten.  Im  allgemeinen  sind  diese  Scheidungsgrenzen 
innegehalten  worden  und  um  sie  nicht  zu  vertiefen,  waren  die 
Ă€rztlichen  wirtschaftlichen  Organisationen  bemĂŒht,  die  Fachver- 
einigungen als  Gruppen  in  die  Organisation  einzugliedern  und  sie 
von  einer  selbstÀndigen  BetÀtigung  ihrer  Interessen  möglichts  fern 
zu  halten.  Wo  dies  gelungen  ist,  arbeiten  Praktiker  und  Fach- 
arzt Hand  in  Hand  und  betÀtigen  sich  dieselben  an  den 
gegenseitigen  Interessen.  Wo  es  aber  nicht  gelungen  ist,  machle 
sich  recht  bald  ein  Widerstreit  der  kollegialen  Interessen  be- 
merkbar. Besonders  in  Orten,  in  denen  die  Organisation  ihren 
Sitz  nicht  hatte  oder  wohin  ihr  Einfluß  nicht  reicht,  ist  das 
gegenseitige  VerhĂ€ltnis  nicht  immer  ideal  und  fĂŒhrt  zu  Hand- 
lungen unlauteren  Wettbewerbes.  Abgesehen  von  der  Fach- 
gruppierung ĂŒberhaupt  haben  gerade  diese  Vorkommnisse  zu 
dem  Rufe  nach  Bildung  von  PraktikerverbĂ€nden  gefĂŒhrt.  Wird 
diesem  Rufe  Folge  geleistet,  so  kann  die  Folge  nur  die  einer 
Oppositionsstellung  gegen  die  Fachkollegen  sein,  und  dann  wÀren 
wir  glĂŒcklich  wieder  zu  der  Zerrissenheit  gelangt,  die  uns  Jahr- 


zehnte lang  verhindert  hat,  die  gemeinsamen  Interessen  nach 
außen  zu  vertreten.  Dies  kann  nur  eine  einzige  Organisation. 
Wenn  sie  richtig  geleitet  ist,  muß  sie  imstande  sein,  den  BedĂŒrf- 
nissen der  Praktiker  und  Fachgenossen  in  gleicher  Weise  ge- 
recht zu  werden.  Jede  itio  in  parten  erweitert  die  Kluft,  anstatt 
sie  einzuebben.  Deshalb  wÀre  es  wohl  getan,  wenn  die  Kollegen 
dem  Rufe  nach  PraktikerverbÀnden  keine  Folge  leisten,  sondern 
sich  bemĂŒhen,  die  Fachvereinigungen,  wenn  sie  SeitensprĂŒnge 
machen,  auf  den  richtigen  Weg  zu  leiten. 

Alexander. 

Zusammenarbeit  der  Gemeinden  und  der  VersicherungstrÀger 
in  der  sozialen  Hygiene. 

An  dem  Beispiele  Kölns  erörtert  Prof.  Krautwig  in  der  Zeit- 
schrift fĂŒr  soziale  Hygiene  vom  April  1922,  in  welcher  Weise  eine 
planmĂ€ĂŸige  Zusammenarbeit  der  interessierten  öffentlichen  Kor- 
porationen erfolgen  kann.  An  der  Arbeitsgemeinschaft  beteiligt 
sind  die  Landesversicherungsanstalt  der  Rheinprovinz,  die  Kran- 
kenkassen und  das  stÀdtische  Gesundheitsamt  von  Köln.  Ein 
seit  lange  bestehender  Verein,  der  „Verein  zur  Verpflegung  Ge- 
nesender" verrichtet  mit  Hilfe  des  stÀdtischen  Gesundheitsamts 
und  der  L.  V.  A.  C.  fĂŒrsorgeĂ€rztliohe  Bezirke  fĂŒr  Lungenkranke, 
die  ĂŒber  60  FĂŒrsorgerinnen  verfĂŒgen.  Die  L.  V.  A.  erkennt  das 
Kölner  GesundheitsfĂŒrsorgeamt  als  Nachuntersuchungsstellc  an. 
Die  NachprĂŒfung  erfolgt  dĂŒrch  die  StadtĂ€rzte  des  Amtes.  Die 
BĂŒros  der  beteiligten  Korporationen  grenzen  aneinander,  so  daß 
die  schnelle  Abfertigung  möglich  ist.  Durch  finanzielle  Unter- 
stĂŒtzung seitens  der  Stadt  ist  dem  Verein  auch  die  FĂŒrsorge  fĂŒr 
nichtversicherte  Bevölkerungskreise,  fĂŒr  den  kleinen  Mittelstand 
ĂŒbertragen.  Ein  zweites  gemeinsames  Gebiet  umfaßt  die  Kinder- 
hilfe. Diese  wird  erreicht  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  durch  den  Ausbau 
der  Familienversicherung  seitens  der  Krankenkassen.  Auch  hier 
wird  fĂŒr  die  Mitbeteiligung  nicht  versicherter  Familien  durch 
stÀdtische  Beihilfe  Sorge  getragen.  In  Betracht  kommt  Schul- 
speisung und  die  Entsendung  in  lÀndliche  ErholungsheilstÀtten 
fĂŒr  Schulkinder,  die  durch  die  SchulĂ€rzte  vermittelt  werden  und 
die  Zuwendung  von  Milch  und  StÀrkungsmitteln  an  Kleinkinder 
unter  Mitwirkung  der  KassenÀrzte. 

Hier  ist  eine  großzĂŒgige  Arbeitsgemeinschaft  auf  dem  Ge- 
biete der  öffentlichen  FĂŒrsorge  durchgefĂŒhrt,  die  durch  ihre 
praktische  Handhabung  unbedingt  Nutzen  stiften  muß.  wenn  sie 
vereinheitlicht  gleichartige,  bisher  gesondert  gefĂŒhrte  Einrich- 
tungen und  bedingt  hierdurch  Ersparung  von  Kosten  und  gerechte 
Verwendung  der  Mittel.  Besonders  anzuerkennen  und  zu  loben 
ist,  daß  der  Staat,  Stadt  und  öffentlich-rechtliche  Einrichtungen 
um  des  großen  Zieles  wegen  von  ihren  Gerechtsamen  opfern 
und  die  BĂŒrokratie  aus  der  Verwaltung  verschwindet.  Man  sollte 
annehmen,  daß  dieser  Versuch  auch  anderweitig  durchgefĂŒhrt 
werden  könnte,  wie  —  ja  wenn  die  Eigenbrödelei  zu  Grabe  ge- 
tragen wird.  Wichtig  wÀre  dann  noch  die  Beteiligung  von  Ein- 
richtungen der  freien  LiebestÀtigkeit.  Ob  es  je  gelingen  wird, 
eine  solche  Arbeitsgemeinschaft,  wie  es  geplant  ist,  gesetzlich 
festzulegen,  steht  dahin,  durchfĂŒhrbar  ist  sie  mit  und  ohne  Gesetz. 

Alexander. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 

Klinische  Wochenschrift,  Berlin. 

6.  Mai  1922,  1,  Nr.  19. 

Neue  Untersuchungen  ĂŒber  IsohĂ€magglutinine.    V  e  r  %  &  r.  929. 

Deir  derzeitige  Stand  der  Vitaminlehre  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  ihrer 

Bedeutung  fĂŒr  die  klinische  Medizin.    Stepp.  931. 
Beziehungen    der    Influenzaagglutinine    zur    Klinik    der    Grippe.  Gott- 

schalk.  935. 

Dit'ferentialdiagnose  der  Lungentuberkulose  vermittels  der  Bestimmung  der 

Sedimentierzeit  der  Erythrocyten.    GrÀfe.  937. 
Einfluß  der  Kollapstherapie  der  Lungentuberkulose  auf  Form  und  Wachstum 

des  Thorax..    U  h  v  c  r  r  i  c  h  t.  938. 
^Mechanische  Behandlung  der  Rachitis.    Frosch.  940. 
Mikrocapillarbeobachtungen  ĂŒber  die  Wirkung  einiger  GefĂ€Bmittel.    M  o  o  g 

und»A  m  b  r  o  s  i  u  s.  944. 
Die  Sauerstoffzehrung  der  roten  Blutkörperchen  dei  Graviden.    D  ehec  k  e\ 

und  R  ĂŒ  b  e  r  g.    947.  ; 
Intrakardiale  Injektion.    Herlitzka.  949, 


Doppelimmunisierung  mit  Euglobulin  und  Albumin  (dargestellt  aus  demsel- 
ben Blutserum).    D  o  e  r  r  und  B  e  r  g  e  r.  949. 

Bakterienflora,  des  DĂŒnndarms  und  des  Coeeums  bei  Erwachsenen  unter  nor- 
malen und  pathologischen  VerhÀltnissen,    van  der  Reiss.  950. 

Mitteilung  eineis  'Falles  von  amyostatischem  Symptomenkomplex  nac«h  Sal- 
varsan.    Matzdorff.  951. 
❖Fehlerquellen  bei  der  Diagnose  der  thorakalen  und  abdominalen  Tuberkulose 
im  KindesaJter.    K  1  e  i  n  s  e  h  m  i  d  t.  952. 

Zur  mechanischen  Behandlung  der  Rachitis.  FĂŒr  die 
Behandlung  der  Rachitis  bilden  intern-pĂ€diatrische  Maßnah- 
men, die  in  der  Verabreichung  einer  geeigneten  DiĂ€t  —  insbe- 
sondere vitaminhaltiger  Nahrungsmittel  —  Phosphor-Lebertran, 
grĂŒndlicher  Hautpflege  sowie  reichlicher  Zufuhr  von  Luft  und 
Licht  bestehen,  die  Grundlage.  Sie  werden  in  vorteilhafter  Weise 
durch  mechanische  Behandlung  ergÀnzt.  Massage,  aktive  und  pas- 
sive Gymnatsik,  methodische  MuskelĂŒbungen.  BĂ€der  und  manuelle 
redressierende  Maßnahmen.    —   Mitteilung  entsprechender  FĂ€lle. 

Fehlerquellen     bei     der    Diagnose    der    thorakalen  und 

rihdominalen    Tuberkulose   im    Kindesalter.     Die  Initialerschei- 


I).  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


075 


linken  der  Tuberkulose  sind  .dem  Kinde  zumeist  nicht  an- 
uselien.  —  Subjektive  Beschwerden:  BlĂ€sse.  Appetitlosigkeit,  Mat- 
gkeit,  Abmagerung.  Objektive  Zeichen  der  eingetretenen  [nfek 
on :  Fieber,  lĂ€nger  dauernder  Husten,  Hauttuberkulide.  —  Bei 
er  physikalischen  Untersuchung  der  Thorax  ist  darauf  hinzu- 
weisen, daß  das  AtemgerĂ€usch  ĂŒber  der  rechten  Spitze  schon  in 
er  Norm  vielfach  hinter  und  schÀrfer  klingt  als  links.  Harl 
Ă€ckigc  Bronchialkatarrhe  sowie  einseilige  Bronchitis  sprechen 
urchaus  nicht  immer,  wie  hĂ€ufig  angenommen,  fĂŒr  Tuberkulose, 
ironische  Lungeninfiltrationen  nichttuberkuloser  Natur  sind 
eim  Kinde  nicht  selten.  —  Ein  unentbehrliches  Hilfsmittel  fĂŒr  die 
Jrkennung  der  Lungentuberkulose  ist  die  Tuberkulindiagnostik, 
ei  es  als  sukutane  oder  intracutane  Injektion  oder  als  Culan- 
eaktion.  Das  Röntgenbild  ist  erst  in  zweiter  Linie  zu  verwerten, 
â–șie  Spulumuntersuchung  darf  niemals  vergessen  werden. 

A.  MĂŒnze  r. 

Medizinische  Klinik,  Berlin. 

7.  Mai  1922,  18,  Nr.  19. 

Kutane  Diphtherietoxinrcaktion.    Cierny,  Ad.  587. 
"‱frSerumtherapie  der  Diphtherie.    F  r  i  e  d  e  m  a  u  u  ,  U.  588. 
I  Untersuchung  von  Kantharidcnblaseii.    B  u  s  c  h  k  e  ,  A.  583. 

Pblogetische  Leukozytoseltherapie.    Fischer,  0  .  594. 

Trypaflavinbehandlung  der  chron.  Urticaria.    Strassen,  0.  597. 
t  Vitanol.    Bruck,  F.    597.  , 

.  Einfluß  der  Erkrankungen    a\if  die  Adrcnalinbildung    in  den  Nebennieren. 

P  e  i  s  e  r  ,  B.  597. 
«fMeningitis  im  SĂ€uglings-  und  Kindesalter.    B  1  ĂŒ  h  d  o  r  n  ,  K.  601. 
f  Erkrankungen  der  Harnröhre.    P  o  r  t  n  c  r  ,  P.  603. 
i  FĂ€lle  von  sogenannten  „traumatischen"  Neurosen.    En  gel,  H.  604. 

Serumtherapie  der  Diphtherie.  Besonders  französische  und 
merikanische  Autoren,  aber  auch  Pospischill  in  Oesterreich, 
jfckart  und  Fritz  Meyer  in  Deutschland,  Bie  in  Kopenhagen, 
mpfehlen  Einzeldosen  von  30  000  bis  40  000  I-E,  Gesamtdosen  von 
00  000  bis  200000  I-E.  Bingels  Standpunkt,  daß  Leerserum  (nor- 
lales  Pferdeserum)  in  seiner  Heilwirkung  dem  Antitoxin-haltigen 
erum  gleichwertig  sei,  wurde  bei  NachprĂŒfungen  an  der  StrĂŒm- 
elschen  Klinik  und  von  Feer  widerlegt.  Die  ErklÀrung  der 
lingelschen  Ergebnisse  liegt  in  der  allzuniedrigen  Dosierung 
2 — 3000  IE)  des  Diphtherieserums.  F.  kann  wegen  des  hohen 
erumpreises  die  ganz  großen  Dosen  nicht  verabreichen;  er  gibt 
hne  RĂŒcksicht  auf  das  Alter  in  leichten  FĂ€llen  3000  bis  4000  IE, 
nd  bei  mittelschweren  6000  bis  8000  IE  intramuskulÀr;  in 
chweren  FĂ€llen  und  bei  Larynxkomplikationen  20  000  IE  intra- 
enös  als  erste  Dosis,  die  nur  bei  SÀuglingen  unter  einem  Jahre 
twas  geringer  gewÀhlt  wurde.  Bei  den  toxischen  FÀllen  werden 
m  zweiten  Tage  10  000  IE,  an  den  folgenden  je  5000  bis  6000  IE, 
to  infolge  des  schweren  Verlaufes  postdiphtherische  LĂ€hmungs- 
rscheinungen  zu  befĂŒrchten  sind,  drei  Wochen  hindurch  noch 
Ă€glich  1000  IE  verabfolgt.  Nachteilige  Folgen  kamen  nie  zur  Be- 
bachtung, dagegen  darf  eine  intravenöse  Injektion  selbst  nach 
Hehreren  Jahren  ohne  Gefahr  eines  schweren  Kollapses  nicht 
Wiederholt  werden. 

F.  unterscheidet  bei  schweren  DiphtheriefÀllen  die  ödematöse 
'orrn  mit  starkem  Oedem  des  Rachenringes,  hochgradiger 
)rĂŒsenschwellung  sowie  Schwellung  des  umgebenden  Gewebes 
ind  die  nekrotische  Form  mit  ulzerierenden  Rachenprozessen. 
>ie  „ödematösen"  FĂ€lle,  die  sonst  sehr  infauste  Prognose  haben. 
:önnen  durch  große  Serumdosen  meist  gerettet  werden. 

Die.  Statistik  des  Autors  umfallt  3421  FĂ€lle,  von  denen  aller- 
lings  eine  ganze  Reihe  kleine  Dosen  erhielt,  mit  einer  MortalitÀt 
on  6  %,  die  unter  BerĂŒcksichtigung  dtr  wirklich  mit  großen 
)osen  behandelten  FĂ€lle  auf  4,3  %  herabsinkt.  Anderweitige 
[rankenhausstatistiken  schwanken  zwischen  11  und  15  %  Sterb- 
fchkeit.  Die  Anwendung  der  großen  Serumdosen  scheint  SpĂ€t- 
ode  an  LĂ€hmungserscheinungen  und  HerzschwĂ€che  zu  verhĂŒten. 
?.  fordert  vom  Staate  und  von  den  großen  Serumfabriken  im 
nteresse  der  Volksgesundheil  Verbilligung  der  hohen  Einzeldosen 
'on  etwa  20  000  IE. 

Meningitis  im  SĂ€uglings-  und  Kindesalter.  Da  Kernigsches 
Seichen  und  Nackensteifigkeit  bei  der  Meningitis  des  FrĂŒhkindes- 
Iters  oft  fehlen,  mĂŒssen  zur  Diagnose  andere  Hilfsmittel  heran- 
gezogen werden.  Neben  dem  verÀnderten,  somnolenten  Wesen 
ind  der  Ueberempfindlichkeit  ist  bei  noch  genĂŒgend  großer 
Fontanelle  deren  vermehrte  Spannung  und  Vorwölbung  /.u  ver- 
werten. Auch  die  grelle  Stimme,  Erbrechen,  eingesunkener  Leib. 
KrÀmpfe  und  LÀhmungen,  besonders  der  Augennerven,  auch 
Stauungspapille  sind  kennzeichnend. 


Das  verlĂ€ĂŸlichste  Unterscheidungsmitlel  zwischen  der  tuber- 
kulösen, epidemischen,  citrigen  und  serösen  Form  ist  die  Lumbal 
punktion,  deren  Technik  sowie  die  Untersuchung  des  Lumbal- 
punktates  genau  beschrieben  werden. 

Zur  Behandlung  der  Pneumokokken-Meningilis  empfiehlt  B. 
Optocbln  und  Pncumokokkenserum,  gegen  die  Meningokokken- 
bezichungsweise  Streptokokken  Meningitis  die  entsprechenden 
Sera  und  zwar  intralumbal  an  drei  bis  vier  aufeinanderfolgenden 
Tagen.  Nach  Abfluß  von  10  -20  ccm  Liquor-  lĂ€ĂŸt  man  ebensoviel 
körperwarmes  Serum  oder  2  pro  mille  Oplochin-hydrochlor.  lang- 
sam einfließen,  dann  fĂŒr  einige  Stunden  Erhöhung  des  unteren 
Bettendes.  Wiederholte  Lumbalpunktion  wirkt  zumindest  sub- 
jektiv sehr  gĂŒnstig.  Gegen  Kopfschmerzen  0,05  0,3  Pyramidon, 
gegen  das  Erbrechen  4—10  gtt  einer  Atropinlösung  1  : 1000,  gegen 
KrĂ€mpfe  Chloralhydrat.  Daneben  heiße  BĂ€der,  feuchte  Packungen, 
ausreichende  ErnÀhrung  und  besonders  Wasserspeisung,  Haut- 
und  Augenpflege,  wenn  nötig  Schlundsonden-  oder  rektale  Nah- 
rungszufuhr. 

Bei  Hydrozephalie  ist  Lumbal-  oder  Ventrikel  punktion,  unter 
UmstÀnden  Balkenstich  zu  versuchen. 

Prognose:  quoad  vitam  bei  der  serösen  Form  von  der  Grund- 
krankheit abhÀngig,  sonst  quoad  vitam  el  quoad  sanationem  cöm- 
pletam  infausta.  Low  (Döberitz). 

14.  Mai  1922,  18,  Nr.  20. 

❖GeburtsleitullK  ohne  vaginale  Untersuchung.    Kupfer  berg,  H.  617. 
Differenzierung  von  SpirochÀta  pallida  und  SpirochÀta  Cunicull  Im  Kaninchen. 
K  o  1  1  ei ,  W.,  und  R  u  p  p  e  r  t ,  F.  620. 

«frMenstruationsstörungen  bei  lungenkranken  Frauen.    G  u  t  h  ,  E.  622. 

Deutung  des  gespaltenen  ersten  Herztones.    Sachs,  H.  6Jj. 

Askaridenintoxikation.    W  e  b  e  r  ,  E.  626. 

Lijrnosulfit-Inhalationen.    G  i  e  s  b  e  r  t  ,  R.  626. 
*J*Xeosilbersalvarsan.    H  a  n  n  e  in  a  n  n  ,  Fr.  627. 

Scabisapou.    L  e  w  iusk  i.  628. 

Graswechseluntersuchung  beim  Menschen.    L  i  e  b  e  s  n  y  ,  P.  628. 
Erkrankungen  der  Harnröhre..  P.o  t  t  n  e  r  ,  P.  632. 
Traumatische  Neurosen.    Engel,  H.  634. 

H.  Kupferberg:  Geburtsleitung  ohne  vaginale  Untersuchung. 
Trotz  Semmelweiß  sterben  jĂ€hrlich  noch  etwa  12  000  Frauen  an 
Kindbettfieber.  Anzuschuldigen  sind:  Zunahme  der  eitrigen  und 
septischen  Erkrankungen  im  allgemeinen,  Wohnungsnot,  WĂ€sche- 
mangel, Vermehrung  der  Geschlechtskrankheiten  und  die  Entsitt- 
lichung (Aborte). 

Zur  Prophylaxe  empfiehlt  K.  die  Àrztliche  Geburtsleitung  ohne 
vaginale  Untersuchung.  Eine  exakte  vaginale  Exploration  zwei 
bis  drei  Wochen  vor  der  Niederkunft  macht  eine  spÀtere  innere 
Untersuchung  ĂŒberflĂŒssig.  Intra  partum  geben  die  vier  Ă€ußeren 
Leopotd-Zweifel-Schullzeschen  Handgriffe  ĂŒber  den  voraussicht- 
lichen Geburtsverlauf  und  ĂŒber  das  Fortschreiten  der  Geburl 
NollstĂ€ndigen  Aufschluß.  Einen  wichtigen  Aufschluß  gibt  auch 
die  Messung  des  grĂ¶ĂŸten  Leibesumfanges  im  Vergleiche  zum 
grĂ¶ĂŸten  Oberschenkelumfange,  ferner  das  Abhorchen  der  kind- 
lichen Herztöne  und  die  Art  und  der  Ort  des  Wehenschmerzes. 

Zur  AusfĂŒhrung  der  rektalen  Untersuchung  rĂ€t  K.,  den  mit 
einem  Gummifingerling  bekleideten  Zeigefinger  durch  ein  geloch- 
tes, taschentuchgroßes,  in  Sublimat-  oder  Lysollösung  getauchtes 
LeinenlÀppchen  zu  stecken,  um  die  Finger  sicher  vor  Verunreini- 
gung mit  Kot  zu  schĂŒtzen.  Diese  Untersuchung  ist  jederzeit 
schnellstens  ausfĂŒhrbar  und  ermöglicht  in  Verbindung  mit  den 
vier  Ă€ußeren  Handgriffen  vollstĂ€ndige  Orientierung  ĂŒber  alles 
Wissenswerte. 

Am  SchlĂŒsse  der  sehr  lesenswerten  Arbeit  gibt  der  Autor  noch 
einige  wertvolle  diagnostisch-therapeutische  Winke.  Bei  Inversio 
uteri  empfiehlt  er  vor  Abstreifung  der  Plazenta  Beckenhochlage- 
rung und  T-Verband,  zur  Vermeidung  eines  neuerlichen  schweren 
Schocks  erst  nach  1 — 2  Tagen  Reposition.  Statt  ĂŒberflĂŒssiger 
Beckenausgangszangen  rÀt  K.  den  Kristellerschen  oder  Ritgen- 
schen  Handgriff  oder  den  von  ihm  1913  in  der  „Deutschen  medizi- 
nischen Wochenschrift"  veröffentlichten:  „Mit  fußwĂ€rts  gerichtetem 
Gesicht  zur  Linken  des  Kreißbettes  stehend  umgreift  man  nun  mit 
der  rechten  Hand  von  außen  den  rechten  Oberschenkel  der  Frau, 
mit  der  linken  Hand  ebenso  den  linken  Oberschenkel  und  preßt 
nun  mit  rechter  Axilla  und  rechtem  Muse,  pectoral.  maj.  den  fun- 
<lus  uteri  wĂ€hrend  der  Preßwehe  beckenwĂ€rts". 

Zur  Entwicklung  von  Armen  und  Kopf  bei  Beckenendlagen  ist 
der  sogenannte  „MĂŒllersche  Handgriff"  anzuwenden.  Die  manuelle 
Plazenta-Lösung  lĂ€ĂŸt  sich  mittels!  des  Credeschen  Handgriffes 


576 


Aus   den    neuesten  Zeitschrilten 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38.: 


nach  Gebastonscher  AuffĂŒllung  der  Nachgeburt  (von  der  Nabel- 
vene aus  200—300  Gramm  steriles  Wasser  einlaufen  lassen)  fast 
immer  vermeiden.  Vor  vaginaler  Untersuchung  und  intravaginalen 
oder  intrauterinen  Eingriffen  in  den  ersten  acht  Tagen  des 
Wochenbettes  warnt  K.  Schließlich  zwei  praktische  RatschlĂ€ge: 
Wird  man  abends  zu  einer  Kreißenden  in  der  Eröffnungsperiode 
gerufen,  so  kann  man  durch  eine  Laudanon-,  Morphin-  oder 
Narkophinspritze  die  Geburt  bis  zum  Morgen  verzögern;  gegen- 
teilige Wirkung  erzielen  HypophysenprÀparate  oder  Chinin. 

E.  Guth:   Menstruationsstörungen  bei  lungenkranken  Frauen. 

Auf  Grund  seiner  Beobachtungen  an  210  Frauen  und  MĂ€dchen 
zwischen  16  und  64  Jahren  nimmt  G.  eine  Menstruationsdauer  von 
3  .bis  4  Tagen  als  normal  an.  Chronische  Vergiftungen,  AnÀmie 
und  Chlorose  vermehren  und  verlÀngern  die  Monatsblutung,  akute 
Infektionskrankheiten  (Cholera,  Scharlach,  Abdominaltyphus)  fĂŒh- 
ren zur  Amenorrhoe.  Analog  zeigen  3/.  der  lungenkranken  Frauen 
und  zwar  die  an  chronischer  Tuberkulose  leidenden,  verlÀngerte 
Menstrualblutung,  die  relativ  frischen  Erkrankungen  normalen 
Typus,  die  fiebernden  und  akut  exazerbierten  FĂ€lle  VerkĂŒrzung 
oder  Ausbleiben  der  Blutungen.  PrÀmenstruelle  oder  menstruelle 
Temperatursteigerungen  sind  prognostisch  ungĂŒnstig,  gĂŒnstig  ist 
eine  AbkĂŒrzung  der  frĂŒher  langen  Blutung. 

Fr.  Hanemann:  Neosilbersalvarsan.  Neosilbersalvarsan,  von 
Kolle  in  Form  eines  stabilen  Metallsalvarsans  chemotherapeutisch 
aktiviert,  hÀlt  sich  in  Röhrchen  eingeschmolzen  unverÀndert,  ist 
mit  ichthyolbrauner  Farbe  sehr  leicht  löslich  und  ist  chemisch 
so  weit  stabilisiert,  daß  es  sich  auch  in  Lösung  bei  Luftzutritt 
innerhalb  einer  Stunde  nicht  zersetzt. 

Die  Lösung  ist  einwandfrei,  wenn  bei  mikroskopischer  Unter- 
suchung mit  starker  VergrĂ¶ĂŸerung  das  Gesichtsfeld  leer  erscheint. 
Als  Lösungsmittel  dient  0,4  %  redestillierte  NaCl-Lösung  in  einer 
Menge  von  40 — 20  ccm.  Gegeben  wurden  12  Einspritzungen  mit 
einer  Gesamtmenge  von  4,1—5,7  g.  Anfangsdosis:  0,2—0,35  sonst 
durchschnittlich  0,45  bei  Frauen,  0,5  bei  MĂ€nnern. 

Bei  Kombination  mit  Hg-PrÀparaten  wird  die  Wa-R  an- 
scheinend schneller  negativ. 

Unter  905  Einspritzungen  an  154  Kranken  1  Kollaps,  2  Ikterus, 
8  Salvarsanexantheme  bzw.  Dermatitiden,  kein  Todesfall,  keine 
BeeintrÀchtigung  des  Wohlbefindens  oder  der  ArbeitsfÀhigkeit.  In 
%  der  FĂ€lle  nach  12  Injektionen  negativer  Wassermann.  Neosilber- 
salvarsan kann  dem  allgemeinen  Praktiker  empfohlen  werden. 

Low,  (Döberitz). 

Zentralblatt  fĂŒr  innere  Medizin. 

15.  April  1922,  43,  Nr.  15. 

❖Ein    einfacher    Apparat    zur    mĂŒhelosen  Herstellung  von  mikroskopischen 
feuchten  DauerprÀparaten.,    K  o  v  À  c  s  ,  N.  249. 

Ein  einfacher  Apparat  zur  mĂŒhelosen  Herstellung  von  mikro- 
skopischen feuchten  DauerprÀparaten.  Wenn  man  eine  gewöhn- 
liche, nicht  zu  dĂŒnnwandige  Eprouvette  am  Ă€ußersten  Teil  der 
Kuppe  vorsichtig  ĂŒber  einer  Gasflamme  erwĂ€rmt  und  gleich- 
zeitig vom  Innern  der  Eprouvette  aus  mittels  einer  dĂŒnnen  PrĂ€- 
parier- oder  Stricknadel  ganz  an  der  Seite  der  Kuppe  auf  die- 
selbe einen  leichten  Druck  ausĂŒbt,  so  bildet  sich  daselbst  eine 
AusstĂŒlpung.  Diese  wird  nun  durchbohrt»  wobei  nur  zu  beachten 
ist,  daß  das  Bohrloch  nicht  mehr  als  1  mm  Durchmesser  hat.  Falls 
die  Oeffnung  etwas  zu  groß  geworden  ist,  lĂ€ĂŸt  sie  sich  in  der 
Flamme  wieder  einschmelzen.  Die  so  umgearbeitete  Eprouvette 
wird  mit  der  Einschlußmasse  gefĂŒllt  und  diese  behufs  gleich- 
mĂ€ĂŸiger Verteilung  flĂŒssig  gemacht;  beim  folgenden  Erstarrungs- 
prozeß soll  das  Paraffin  die  WĂ€nde  möglichst  gleichmĂ€ĂŸig  aus- 
kleiden, was  durch  Drehen  der  schief  gehaltenen  Eprouvette  ohne 
weiteres  möglich  ist.  Eine  Abbildung  veranschaulicht  die  neue 
Methode.  Wern.  H.  Becker. 

Zeitschrift  fĂŒr  physikalische  und  diĂ€tetische  Therapie, 
einschl.  Balneologie  und  Klimatologie. 

April  1922,  26,  Heft  4. 

❖lieber  dein  Muskelrho  imatismus.  II.  G  ol  d  g  c  h  n  e  i  il  e  r.    121 — 126. 

Ueber  die  W!xkungen  der  physikalischen  —  speziell   balneo-  und  klima- 
tologLschen  —  Therapie,  hei  Stoffweehselerkrankung.  Strauß.  126—131. 
Die  Keilsche  Badeanstalt  in  Halle  mit  ihrem  Kur-  und  Badebetrieib.    M  a  1  ‱ 
tin  ,   .VI  f.  131—138. 

Ueber  den  Muskelrheuniatismus.  „Es  gehört  zu  den  schwie- 
rigsten Aufgaben,  zu  bestimmen,  was  man  als  rheumatische  Af 


fektion  bezeichnen  soll."  Auf  diesen  Satz  des  großen  Klinikers' 
W  und  er  lieh  von  1856  ist  auch  1922  die  Arbeit  Goldschei- 
de r  (vergl.  Heft  3)  gestimmt.  Mit  großem  Scharfsinn  sucht  er 
sich  der  schon  von  Cruveilhier  abgelehnten  Vorstellung  von 
lhomme  fragmente  zu  entziehen,  welche  im  Verfolg  minutiöser 
histologischer  Forschungen  den  Organismus  in  ein  Mosaik  fein 
sÀuberlich  differenzierter  Gewebsarten  zerlegte  und  nun  in  einer 
davon  die  sedes  morbi  des  seligen  Morgagni  suchte.  Gold- 
scheid er  bringt  das  auf  diese  Weise  fertig,  daß  er  von  patho- 
logisch-histologischen  VerĂ€nderungen  absieht  und  den  „Muskel^ 
iheumatismus"  in  eine  allgemeine  TiefensenisdbilitÀt  (de» 
Knochen,  Gelenke,  Faszien,  Sehnen,  Nerven  und  Muskeln)  aufj 
löst.  Die  Muskeln  sensu  striotiori  sind  am  wenigsten  beteiligt.' 
In  erster  Linie  handelt  es  sich  um  eine  Hyperalgesie  der  Nervei* 
und  Nervenenden  Die  Myalgie  wÀre  dann  nur  eine  Irradiations4 
erscheinung.  Die  Bedeutung  der  Subcutis  streift  er  nur.  Aul 
die  von  Froriep  1843  und  neuerdings  von  S  t  i  c  k  e  r  wieder-*' 
erwĂ€hnte  „rheumatische  Schwiele"  geht  er  nicht  weiter  ein. 

Dagegen  lehnt  er  die  Gelose-Theorie  von  Schade  ab.  Die 
Therapie  muß  die  krankhaft  ĂŒberempfindliche  Substanz  beseitigen 
und  wieder  normale  ReaktionsverhĂ€ltnisse  herbeifĂŒhren:  dazu 
dient  Hyperaemie,  Massage,  Bewegungsbehandlung;  immer  soll' 
eine  Kaltwasserprozedur  die  Kur  abschließen. 

Buttersack.  1 

Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  Neurologie  und  Psychiatrie,  Berlin. 

25.  April  1922.  76,  Heft  1/2. 

Bild  und  Gedanke.    A  1  1  e  r  s  .  R.  ]. 

Zur  Krage  nach  der  Wahrnehmung  der  Schailrichtung.    A  1  1  e  r  s  .  Ii.  uu$ 

B  e  n  e  s  i  ,  O.  18. 

❖  Der  periphere   und   zentrale   Vestibularapparat  hei  der   multiplen  Sklerose. 

Fischer,    B.  42. 
Be  trage  zur  Pathologie  und  Therapie  der  RĂŒckenmarkstiimorcii,  (Röntgen» 

thera.pie,    Tumorzellen  im  Liquor,  Anordnung  der  Sens ilrlitÀtsfasei  n  im 

Seitenstrang,  Bedeutung  der  Bauehreflexe.    Fischer,  O.  81. 
Zur  Frage   des    cerebralen   und   des   „halbseitigen"    Fiebers.     Fische  rl 

O.  131. 

❖s.vmtomatologic  der  Tumoren  des  linken  SchlĂ€fclappens.     Herr  m  a  n  n  , 
G.  145. 

Das  Vorkommen  abnormer,  regenerierter  Markfasern  in  dem  Meningen  det 
Ruckenmarkea.    Hirsch.  E.  152. 
❖Das   Problem    der   progressiven   Paralyse.     J  a  h  n  e  1  ,  F.  166. 

Hamolysinreaktion  des  Liquor  cerebrospinalis  mit  besonderer  BerĂŒcksichti- 
gung der  FrĂŒhsyphilis.    Kafka.  V.  183. 

Geschlechtliche  Hörigkeit  des  Weibes  als  Verbrechenursache.  Kalmus,. 
E.  191. 

❖Wiahnbildung.    L  b  w  y  ,  M.  206. 

Preshyophrene  Sprachstörungen.    R  n  i  n  h  o  1  d  ,  J.  220. 
CorticaJe  Sciisibilitatsstörungen.     S  i  1 1  i  g,  O.  265. 

Der  periphere  und  zentrale  Vestibularapparat  bei  der  multip- 
len Sklerose.  Der  Nystagmus  vestibulĂ€ren  Charakters  ist  eine  fĂŒr 
die  multiple  Sklerose  typische  Erscheinung  (67  %),  wÀhrend  der 
undulatorische  Nystagmus  selten  ist;  der  Nystagmus  ist  in  der' 
Mehrzahl  der  FÀlle  horizontal  und  rotatorisch  und  hÀufig  mit  dem 
vertikalen  kombiniert.  Der  Nystagmus  beim  Blick  nach  rechts 
ist  hÀufiger  als  der  nach  links,  der  vertikale  nach  oben  hÀufiger  als 
der  nach  unten.  Seitliche  Kopfneigung  ruft  meist  eine  VerstÀr- 
kung des  der  Neigung  entgegengesetzten  spontanen  Nystagmus 
hervor.  Spontanes  Vorbeizeigen  ist  meist  nur  passager  (28  %), 
am  hÀufigsten  ist  Vorbeizeigen  nach  innen  im  Schnllergelenk, 
namentlich  links;  eine  Beziehung  des  spontanen  Vorbeizeigens  be- 
steht weder  zu  Ataxie  noch  zu  Intenlionstremor,  wÀhrend  das 
hÀufige  Zusammentreffen  von  Vorbeizeigen  und  Adiadochokinese 
auf  einen  Zusammenhang  hinweist.  Romberg  besteht  in  67  % 
der  FÀlle,  am  hÀufigsten  Schwankungen  nach  links.  Beziehungen 
zwischen  SchwindelanfÀllen  und  StÀrke  des  spontanen  Nystagmus 
bestehen  nicht,  indem  auch  bei  Fehlen  des  letzteren  heftigste  Be- 
schwerden auftreten  können.  Der  kalorische  Nystagmus  ist  etwa 
in  der  HÀlfte  der  FÀlle  ganz  normal,  in  31,5  %  krÀftiger  als  nor- 
mal, selten  von  geringerer  IntensitÀt  oder  fehlend.  Die  experi- 
mentellen Zeigereaktionen  sind  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  nor-j 
mal;  die  experimentellen  Fallreaktionen  waren  in  94  %  der  Falls j 
typisch.  Als  Begleiterscheinungen  des  experimentellen  Nystag-J 
ir.us  treten  in  70%  der  FĂ€lle  Klagen  ĂŒber  Schwindel  und  t'ebcl- 
keil  auf,  anscheinend  proportional  der  StÀrke  des  experimentellen] 
Nystagmus.  Augenmuskelparesen  wurden  in  ,">8  %  der  FĂ€lle  Del 
(buchtet;  die  vestibulÀre  Reizung  derselben  wies  in  6  Fallen  auf 
supranukleÀren  Silz  der  LÀsion  hin.  In  einem  Fall  trat  statt  des 
kalorischen  Nystagmus  eine  Deviation  der  Augen  auf:  dabei 
waren  die  spontanen  Blickbewegungen  auffallend  verlangsam! 
SupranukleÀre  Blickparese 


Hl  Jahrg.  — Nr.  37/38. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


577 


Zur  Symptomatologie  der  Tumoren  des  linken  SchlÀfen- 
lappens. Das  Symptom  der  amnestischen  Aphasie  ist  ein  Lokal- 
svmptom.  Vor  allen  sprachlichen  Funktionen  ist  die  Wortfindung 
von  einem  gegebenen  Begriff  aus  die  empfindlichste  und  wird  am 
ehesten  geschÀdigt.  Dementsprechend  findet  sich  bei  SchlÀfen- 
lappcntumoren  nicht  selten  als  erstes  Symptom  die  amnestische 
Aphasie  auch  bei  verschiedenartiger  Lokalisation  derselben, 
offenbar  als  Ausdruck  von  Nachbarschaftswirkungen.  Eine  beson- 
dere Bedeutung  gewinn!  aber  das  Symptom  als  unmittelbare  Herder- 
scheinung,  die  man  auf  die  mittlere  Partie  der  3.,  evtl.  teilweise 

.  auch  der  2.  SchlÀfenwindung  beziehen  kann.  Dies  kommt  be- 
sonders in  Frage  in  Fallen,  in  denen  der  Tumor  von  der  SchÀdel- 
basis aus  in  den  SchlÀfenlappen  hinaufwÀchst  oder  sieh  in  den 
genannten  Windungen  entwickelt.  In  einem  hier  mitgeteilten  Tu- 
Biorfall  hat  die  Reihenfolge  des  Auftretens  der  Symptome:  Am- 
nestische Aphasie,  Paraphasie,  senorische  Aphasie,  im  Verein 
mit  den  jeweiligen  Fernsymptomen  eine  genaue  Lokaldiagnose 

'innerhalb  des  SchJÀfenlappens  ermöglicht. 

Die  Reihenfolge:  Amnestische  Aphasie.  Paraphasie  und  evtl. 
spater  einsetzende  Worttaubheit  neben  den  allgemeinen  Tumor- 
symptomen entspricht  einem  in  den  tiefsten  Abschnitten  des  lin- 
ken SchlÀfenlappens  sich  entwickelnden  Tumor. 

Das  Problem  der  progressiven  Paralyse.  Es  werden  die  ver- 
schiedenen Theorien  ĂŒber  die  Entstehung  der  Paralyse,  die  Ur- 
sachen der  Latenzzeit  zusammengestellt  und  gezeigt,  daß  auch  die 
immunbiologischen  ErklĂ€rungsversuche  nicht  befriedigen,  daß  wir 
ĂŒber  die  Beziehungen  des  Krankheitserregers  zum  paralytischen 
.  Krankheitsvorgang  bisher  im  Grunde  nichts  wissen. 

Leber  Wahnbildung.  Hinsichtlich  der  Genese  sind  zwei  große 
Gruppen  von  Wahnideen  zu  unterscheiden:  1.  Die  große  Gruppe 
der  wahnhaften  Ideen  Jaspers,  die  oberschwelligkatathymen, 
die  ĂŒberwertigen,  die  primĂ€r  aus  bewußtem  Affekt  geschalteten 
Wahnbildungen  bei  pathologischen  Erlebnisreaktionen  und  patho- 
logischen Charakterentwicklungen  im  Sinne  von  Wilma  nns, 
einschließlich  der  Wahnbildungen  der  Manischdepressiven: 
Wahnbildungen  aus  primĂ€rem  WahnbedĂŒrfnis,  d.  h.  aus  ober- 
schwelligem  Affekt.  2.  Die  große  Gruppe  der  symbolisierenden 
Wahnbildungen  aus  SymbolbedĂŒrfnis  als  Kompromiß-  und  Er- 
satzbildungen im  Sinne  Freuds:  -die  unterschwellig-katathyme, 
die  larvierte  EntĂ€ußerung  verpönter  Regungen  in  Wahnform  bei 

-  Bilanzierungs-  und  AbschlußunfĂ€higkeit  eines  unfertigen,  oder 
widersprochenen  Denkens;  auch  der  hypochondrische  Wahn  und 
der  körperliche  Beeinflussungswahn  gehört  wohl  dazu,  soweit 

I  er  nicht  rein  somatisch-halluzinatorisch  erzeugt  ist  (paraphrene 

\  und  schizophrene  Wahnideen).  Dazwischen  3.  die  kleine  und  sel- 
tene Gruppe  des  echten  Wahnwahrnehmens  und  Wahneiiebens: 
aus  VerÀnderung  der  Ichgerich tetheit,  d.  i.  des  intentionalen 
meinenden  Aktes  und  Projektion  dieser  AktverÀnderung  auf  die 

'gemeinten  GegenstÀnde.  W.  Misch  (Berlin). 

Deutsche  Zeitschrift  fĂŒr  Nervenheilkunde,  Leipzig. 

MĂ€rz  1922,  73,  Heft  5—6.* 

Ein  Fall   von  akuter  multipler  Sklerose,  betiinjrt  durch   den  KntzĂŒtidungs- 
prozeß  einer  Encephalitis  lethargita.    Bill,  E.  261. 
❖Zur  Kenntnis  der  StrangentĂ€rtung  des  RĂŒckenmarks  bei  perniziöser  VnĂ€iuie 
Theenes,  F,  280. 

❖Zur  Lehre  von  den  „zentral  entstellenden  Schmerzen".    HĂ€user,  A.  :wi. 

Einteilung  der  Unfallneurosen.    Horn.   1'.  312. 
‱$*., Hysterisches  Oedein".    B  o  1  t  e  n  ,  G.  C.  .119. 

Zur  Kasuistik  aufsteigender  LĂ€hmungen.    K 1  feit.,  O.  829. 
❖Schwere  parorysmale  LĂ€hmung  sĂ€mtlicher  Glieder  als  Brotverfeiffuagserschoi- 
nung  (Bariumintoxika.tion)  und  deren  Pathogenese.    Higier,  H.  344. 
Studien    ĂŒber  GefĂ€ĂŸreflexe    bei    Erkrankungen    des  Zentralnervensystems. 
D  e  n  n  ijf  ,  H.  350. 

Zum  (iesetz  der  LÀhmungsty  pen.    S  c  Ii  w  a  b  ,  ().  :t«9. 

Zur  Kenntnis  der  Strangentartung  des  RĂŒckenmarks  bei  per- 
niziöser AnÀmie.  Es  werden  zwei  FÀlle  mitgeteilt,  von  denen 
beim  ersten  die  perniziöse  AnÀmie  erst  bei  der  Obdukution  nach- 
gewiesen und  eine  sekundÀre  aufsteigende  Degeneration  der  Klein- 
hirnseitenstrÀnge gefunden  wurde,  wahrscheinlich  infolge  einer  Un- 
terbrechung der  von  den  Glarkeschen  SĂ€ulen  kommenden  nach  den 
&eitenstrÀngen  ziehenden  Fasern  in  dem  ausgiebig  zerstörten  Areal 
der  PyramidenseitenstrÀnge,  die  von  oben  nach  unten  zunehmend, 
reichlich  fleckig  herdförmigen  Faserausfall  zeigten.  Im  zweiten 
ball,  der  ebenfalls  klinisch  nicht  eindeutig  als  perniziöse  AnÀmie 
jSharakterisierl  war   und  bei  der  Sektion1  die  fĂŒr  Perniziosa  lypi- 

sehen  VerĂ€nderungen  vermissen  ließ,  bestanden  herdförmige  Ver- 
inderungeli  in  den  Hinter-  und  VorderstrÀngen,  auf  Grund  deren 

1  '  :'  ‱ 


sekundĂ€re  Strangdegeneration  eingetreten  war,  so  daß  das  typi- 
sche Bild  der  SpinalverÀnderungen  bei  l'unikulÀrer  Myelitis  ent- 
stand. Verf.  neigt  auf  Grund  dieser  Beobachtungen  zu  der  Ar 
sieht,  daß  es  sich  bei  diesen  FĂ€llen  nicht  um  eine  primĂ€re  Syslem- 
degenerÀtion  handelt,  sondern  bekennt  sich  zu  den  Anschauungen 
Hennebergs;  nach  dem  die  VerÀnderungen  als  akute  PÀren- 
chymdegenerationen  toxischer  Genese  aufzufassen  sind,  die  da  auf- 
treten, wo  die  Versorgung  durch  die  toxisch  ebenfalls  geschÀdig 
ten  GefĂ€ĂŸe  am  schlechsten  ist. 

Zur  Lehre  von  den  zentral  entstehenden  Schmerzen.  Bei  <  Inem 
Fall  von  Hypernephrom  machte  eine  in  der  rechten  hinteren  Zen 
Ii  alwindung  nahe  der  Falx  gelegene  Metastase  heftige  Schmerzen, 
die  umschrieben  lokalisiert  strumpf-,  manschettenartig  im  oberen 
Drittel  des  Oberschenkels  Àhnlich  manchen  hysterogenen  Zonen 
auftraten,  ohne  daß  SensibilitĂ€tsstörungen  bestanden.  Es  gehl 
daraus  hervor,  daß  auch  von  dem  letzten  Endpunkt  sensibler  Bah- 
nen zentral  Schmerzen  ausgelöst  werden  können.  Es  muß  also 
stets  bei  örtlichen  und  vagen  unklaren  Schmerzerscheinungen  an 
zentrale,  eventuell- Bindenprozesse  gedacht  werden. 

Vom  „hysterischen  Oedem".  Dem  ,, hysterischen  Oedem", 
worunter  Verf.  die  ganze  Reihe  der  neurogenen  Oedeme  versteht, 
liegt  eine  Vasomotoreninsuffizienz  zu  Grunde,  die  angeboren  ist 
und  zugleich  die  Ursache  zu  einer  Verlangsamung  des  Stoff- 
wechsels und  dadurch  von  leichter  chronischer  Autointoxikation 
bildet.  Dieser  Faktor  spielt  bei  der  Entstehung  des  Oedems  eine 
sehr  große  Rolle,  sowohl  bei  den  mehr  permanenten  Formen 
Trophödem,  hysterisches  Oedem,  neuropathisches  Oedem)  wie  bei 
dem  flĂŒchtigen  (angioneurotischen)  Hautödem.  Die  Vasomotoren- 
insuffizienz ist  uni-  oder  pluriglandulÀren  Ursprungs  und  beruht 
auf  einer  leichten  Funktionsreduktion  der  SchilddrĂŒse  oder  des 
chromaffinen  Systems. 

Schwere  paroxysmale  LÀhmung  sÀmtlicher  Glieder  als  Brot- 
vergiftungserscheinung (Bariumintoxikation)  und  deren  Patho- 
genese. In  Warschau  wurde  1921  eine  große  Anzahl  von  Vergif- 
tungen beobachtet,  die  auf  den  Genuß  von  Brot  zurĂŒckgefĂŒhrt 
wurden,  das  einerseits  deutliche  Spuren  von  VerfÀlschung  mit 
schweren  anorganischen  Salzen  (kohlensaurem  Barium)  erkennen 
ließ,  anderseits  durch  den  Gehalt  von  faulenden,  schimmelnden 
KartoffellÀppchen  verdÀchtig  war.  Der  Verlauf  der  Erkrankung, 
die  in  einigen  FÀllen  unter  KrÀmpfen  letal  endete,  war  gewöhnlich 
der,  daß  sich  schon  nach  y,  bis  2  Stunden  UebelkeitsgefĂŒhl,  Druck- 
schmerz im  Epigastrium,  GesichtsblÀsse,  gefolgt  von  Erbrechen 
oder  Durchfall  einstellten.  Es  bestand  Kribbeln  im  Gesicht  und 
eine  Art  peinlichen  Ziehens  und  ZusammengeschnĂŒrtseins  der 
Haut,  besonders  in  Stirn-  und  Nasengegend,  seltener  an  den  HĂ€n- 
den; dabei  bestand  fast  konstant  Bradykardie  und  harter  Tills, 
seltener  undeutliches  Sehen,  auf  leichte  Akkpmodalionsparese 
zurĂŒckfĂŒhrbar.  In  einem  Fall  wurde  eine  ĂŒber  24  Stunden  anhal- 
tende vollstÀndige  schlaffe  LÀhmung  sÀmtlicher  ExtremitÀten  mit 
Aufhebung  der  elektrischen  Erregbarkeit  sowie  Akkomodations- 
pÀrese  beobachtet.  In  der  Umgebung  dieses  Kranken  sollen  ganz 
gleichverlaufende  FĂ€lle  von  z.  T.  nur  wenige  Stunden  anhaltender 
ExtremitĂ€tenlĂ€hmung  aufgetreten  sein.  Es  ist  zu  vermuten,  daß 
es  sich  um  eine  Bariumintoxikation  handelte. 

W.  Misch  (Berlin). 

Tuberkulose-FĂŒrsorge-Blatt. 

9,  Heft  5. 

❖Tuberkulose  und  Kleingarten.  Bielefeldt. 
Die   Anforderungen   an    den   TuberkiuloseJursorgearzt.     .7  À  nicke. 

❖Hat  die  subkutane  Tuberkulinprobe  fĂŒr  die  Feststellung  der  Behandlungs- 
bediirftigkeit  einer  beginnendem  Lungentuberkulose  und  im  Dienste 
der  TuberkulosebekĂ€mpfung  durch  die  FĂŒrsorgestcllen  einen  entschei- 
denden Wert?    .1  a  n  k  e  r. 

Tuberkulose  und  Kleingarten.  Bielefeldt  sieht  in  der 
Bewirtschaftung  der  KleingÀrten  ein  starkes  Kampfmittel  und 
Heilmittel  der  Tuberkulose.  „Denn  die  unglĂŒcklichen  Tuber- 
kulösen und  ihre  Familien  in  den  Groß-  und  MittelstĂ€dten  WĂ€ren 
dem  Untergange  geweiht,  wenn  ihnen  nicht  in  dem  Kleingarten 
ein  guter  Freund  und  eine  wesentliche  Hilfe  erwĂŒchse."  Wer 
seinen  Patienten  von  den  gesundheitsfördernden  VorzĂŒgen  eines 
Kleingartens  ĂŒberzeugen  will,  dem  empfehle  ich  das  lustige 
BĂŒchlein:  „Familie  Hahnekamp  und  ihr  Freund  Schnurrig"  (Verl. 
A.  Jansen,  Hamburg-Berlin). 

Hat  die  subkutane  Tuberkulinprobe  fĂŒr  die  Feststellung  der 
BehandlungsbcdĂŒrftigkeit  einer  beginnenden  Lungentuberkulose 
einen  entscheidenden  Wert?   Junker  legt  mit  Recht  dem  posi- 


578 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


tiven  Ausfall  dieser  Probe  keinen  entscheidenden  Wert  bei,  viel- 
mehr muß  sich  die  Feststellung  der  BehandlungsbedĂŒrftigkeit 
einer  beginn  enden  Lungentuberkulose  auf  die  Deutung  und  ge- 
genseitige AbwÀgung  eines  ganzen  Komplexes  klonischer  Fak- 
toren, gewonnen  aus  Anamnese.  Lungenbefund  und  Reaktion 
des  Ällgemeinkörpers.  Michaelis  (Bitlerfeld). 

Zeniralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

20.  Mai  1922.    49.    Nr.  20. 

Rektumprolapsoperation.    S  u  il  e  e  k.  ww. 

Beziehungen  der  KnoehengefĂ€ĂŸe  zur  akuten  Osteomyelitis.    Nußbaum.  7;;G. 
Diffuse  Peitonitls.    )U  1  n  a  r.    701 . 
^Verpflanzung   der  NebenschilddrĂŒse.     M  a  d  I  e  n  e  r.  708; 
InstruinenteHe  Notizen.    B  i  r  c  Ii  e  r.  706. 

Ueber  die  Verpflanzung  der  NebenschilddrĂŒse  im  allge- 
meinen und  als  Mittel   gegen  Paralysis  agitans  im  besonderen. 

Die  Hauptschwierigkeit  bei  der  hf/inopiasuschen  Uebertragung 
von  Epithelkörperchen  liegt  in  der  sicheren  Erkennung  dieser 
kleinen  Organe;  sie  sind  hÀufig  gar  nicht  zu  finden,  andrerseits 
erweisen  sich  oft  als  solche  angesprochene  Gebilde  mikro- 
skopisch als  etwas  anderes.  Unter  lfi  GewebsstĂŒckchen,  die  Ver- 
fasser als  Epithelkörperchen  entfernte,  befanden  sich  nur  5,  die 
mikroskopisch  als  solche  identifiziert  werden  konnten;  6  waren 
accessorische  SchilddrĂŒsen.  3  LymphdrĂŒsen.  1  FettklĂŒmpchcn 
Es  sollte  also  keine  NebenschilddrĂŒse  transplantiert  werden,  die 
nicht  durch  das  Mikroskop  zweifelsfrei  als  solche  erkannt  ist.  - 
Außer  in  mehreren  FĂ€llen  von  postoperativer  Tetanie  hat  Verf. 
die  Ueberpflanzung  eines  Epithelpörperchens  in  einem  Teil  von 
Paralysis  agitans  ausgefĂŒfhrt,  deren  Aetiologie  von  manchen 
Autoren  in  einer  Störung  der  inneren  Sekretion  gesucht  wird. 
Einem  52  jÀhrigen  Patienten,  der  mit  7  Jahren  an  P.  a.  litt  und 
seit  3  Jahren  fast  ganz  hilflos  war,  verpflanzte  er  ein  Epithel- 
körperchen in  die  Bauchmuskulatur.  Bald  nach  der  Operation 
t-rat  eine  deutliche  Besserung  (Nachlassen  der  Muskelstarre)  ein, 
die  nach  3  Wochen  ihren  Höhepunkt  erreichte;  nach  6  Wochen 
war  aber  der  alte  Zustand  wieder  zurĂŒckgekehrt.  —  Verf.  nimmt 
keinen  spezifischen  Einfluß  der  Operation  an,  sondern  nur  eine 
psychische  Wirkung.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

27.  Mai  1922.  49,  Nr.  21. 

^Injektionsepithelisierung.    B  e  s  c  b  k  e.  730. 
‱Hleus.     Hiifcr.  733. 

♩frililzbestraiilung.    W  a  s  s  o  r  t  r  ĂŒ  d  i  n  g  e  r.  734. 

Beseitigung  des' Anus  praeter,     v.  S  e  y  ei,  737. 
❖Beziehungen   der  Leistenhernie   zur  Harnblase.     FUrcK-e  n.  738. 

Belloeciue-Katheter.       N  e  u  d  ii  r  f  e  r.  740; 

Infolge  von  Knebeln  entstandenes  Corpus  mobile.    Linde.  741. 
Unterbindung  der  A.  tihialis.    Spanne  r.  745. 

Injektionsepithclisierung  nach  Pels-Leusden.  Zur  Epitheli- 
sierung  granulierender  WundflÀchen  hat  Pels-Leusden  folgendes 
Verfahren  angegeben:  An  der  Entnahmestelle  (meist  Ober- 
schenkel) wird  das  Stratum  corneum  der  Haut  grĂ¶ĂŸtenteils  mit 
einem  gewöhnlichen  Skalpell  abgekratzt.  Bei  weiterem  Kratzen 
tritt  Blut  und  Serum  aus  und  mischt  sich  mit  dem  Epithel  zu  einem 
Brei.  Dieser  Brei  wird  gleich  vom  Messer  aus  in  eine  (zu  diesem 
Zweck  besonders  konstruierte)  Spritze  gefĂŒllt  und  direkt  in  die 
Granulationen  hineingespritzt.  Der  besondere  Vorzug  dieser 
Methode  vor  anderen  (Thierseh,  Braun)  liegt  vor  allem  in  dem 
Umstand,  daß  selbst  die  schwierigsten  Ulcerationen  in  kĂŒrzester 
Zeit  in  ganz  saubere  GranulationsflÀchen  verwandelt  werden. 
Die  Verschieblichkeil  und  die  WiderstandsfÀhigkeit  der  neuen 
Haut  ist  sehr  groß. 

Beitrag  zur  Diagnose  des  Ileus.  Die  mit  Gas  und  FlĂŒssigkeit 
gefĂŒllten  Darmschlingen  sind  gute  Schalleiter  und  vermitteln  da- 
her dem  auskultierenden  Ohr  gul  den  Puls  der  Aorta  abdominalis. 
An  3  FĂ€llen  von  Ileus  zeigt  Verfasser,  daß  sogar  die  lokale  Dia- 
gnose des  Darmverschlusses  mit  diesem  Hilfsmittel  gestellt  wer- 
den kann. 

Milzbestrahlung  und  Blutgerinnung.  Leber  den  Wert  der 
Röntgenbestrahlung  der  Milz  zur  Beschleunigung  der  Blutgerin- 
nung herrschen  sehr  verschiedene  Ansichten.  Bei  einer  Beihe  ver- 
schiedenartiger Operationen  '  Slrumeklomie.  Salpingektomie. 
Gurettage)  konnte  Verfasser  keine  wesentliche  Beeinflussung  der 
Blutgerinnungszeil  nach  der  Bestrahlung  feststellen. 

Beziehungen  der  Leistenhernien  zur  Harnblase.  Verfasser 
macht  darauf  aufmerksam,  daß  bei  der  Operation  der  indirekten 
Leistenhernie  am  Bruchsackhals  relativ  hĂ€ufig  ein  StĂŒck  Blasen- 
wand angetroffen  wird  (unter  83  FÀllen  11  mal).  Die  sorgfÀltigste 
AbprÀparierung  des  Bruchsacks  in  diesem  Blasenzipfel  ist  not- 


wendig, da  erstens  nur  die  restlose  Exstirpation  des  Bruchsacks 
vor  Rezidiven  schĂŒtzt,  und  zweitens  eine  Verletzung  der  Blase 
ein  Ă€ußerst  unangenehmer  Zufall  mit  sehr  hoher  MortalitĂ€ts- 
ziffer ist.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Dermatologische  Wochenschrift. 

6.  Mai  1922.  Nr.  18. 

leber  gewerbliche  Formalindermatitiden  und  -Ekzeme.    B.  Obajej. 
❖stellen    Karbunkel    und    Furunkel    eine    klinische)  Einheit  dar?  Joseph 

S  e  h  ĂŒ  t  z. 

^(‱onnrrhochehnndlung  mittels  Impfungen  nach  Ponndorfs  Methode.  Eduard 
Well  m  an  n. 

Stellen  Karbunkel  und  Furunkel  eine  klinische  Einheit  dar? 

Karbunkel  und  Furunkel  sind  zwar  Àtiologisch  derselben  Her- 
kunft, sie  sind  aber  klinisch  und  prognostisch  total  und  nicht  nur 
etwa  graduell  verschieden.  WĂ€hrend  der  Furunkel  an  jeder 
Stelle  des  Körpers  und  in  jedem  Alter  des  Patienten  vorkommt, 
entsteht  ein  Karbunkel  erst  nach  dem  10  Jahre  und  sitzt  nur  im 
Nacken.  Es  beginnt  im  Gegensatz  zum  Furunkel  gleich  am 
ersten  Tage  mit  erheblichen  örtlichen  Schmerzen  und  Allgemein- 
beschwerden,  die  in  typischer  Weise  durch  jede  Kongestion  wie 
Essen  etc.  vermehrt  werden.  Bereits  in  den  ersten  Stunden  trifft 
man  den  charakteristischen  harten,  wrallartigen  Rand,  der  selbst 
dann  weiterschreitet,  wenn,  der  Eiter  guten  Abfluß  hat.  Di 
rein  chirurgische  Therapie  wird  am  besten  im  Operationssaal 
vorgenommen,  da  die  Infiltralionsanacsthesic  kaum  durchzufĂŒhren 
ist,  und  daher  stets  eine  Allgemeinnarkose  notwendig  wifd.  in  der 
sehr  energisch  vorgegangen  werden  muß,  da  der  Eingriff  sonst 
nicht  genĂŒgt  und  wiederholt  werden  muß.  Die  Nachbehandlung 
zieht  sich  stets  ĂŒber  Wochen  und  Monate  hinaus.  Im  Gegen- 
satz dazu  ist  beim  Furunkel  eine  chirurgische  Behandlung  nur 
selten  notwendig;  in  den  wenigen  FĂ€llen,  in  denen  sie  erforder- 
lich ist,  genĂŒgt  eine  kleine  Erweiterung  der  Oeffnung,  wĂ€hrend 
der  bisweilen  angewandte  Kreuzschnitt  hierbei  stets  ĂŒberflĂŒssig 
ist  und  nur  unnötige,  hĂ€ĂŸliche  Narben  verursacht. 

Gonorrhoebehandlung    mittels    Impfungen    na«  h  Ponndorfs 

Methode.  Die  perkutane  Einverleibung  von  Gonargin  Nr.  III  bis 
.  Nr.  V  analog  der  Ponndorf-Impfung  hat  auf  den  Verlauf  der  Go- 
norrhoe keinen  Einfluß.  Dagegen  kann  sie  als  Provokations- 
melhode  neben  anderen  Methoden  brauchbarerweise  angewandt 
werden.  Bab  (Berlin). 

13.  Mai  1922.  Nr.  19. 

Ileus  nudle  mit  Metastase  nbildung  und  SeptikopyÀmie.  Robert  Arn  Statt! 
♩Heber  die  endokrine  Wirkung  und  die  praktische  Bewertung  des  Thalliums 

A.  B  u  s  c  h  k  e  und  Bruno  P  e  i  s  e  ri 
«Sm;>u'  PsoriasisfÀlle.    A  r  t  h  u  r  .1  o  r  d  a  n. 

Leber  die  endokrine  Wirkung  und  «Iii  praktische  Bewertung 
des  Thalliums.  Durch  VerfĂŒttern  von  Thallium  an  Ratten  werden 
Wachstums-  und  Entwicklungshemmungen  hervorgebracht  sowie 
gelegentlich  Fehlen  des  Hodens  und  Adrenalinmangel  in  den- 
Nebennieren,  also  Zeichen  gestörter  Funktion  des  endokrinen 
Ringes.  Auch  die  bei  lokaler  Anwendung  des  Thalliums  ent- 
stehende lokale  Alopecie  ist  wahrscheinlich  auf  direkte  SchÀdigung 
sympathischer  Nervenendigungen  im  Follikelapparat  zu  beziehen, 
denn  in  allen  FĂ€llen  wurde  stets  ein  starker  Ausfall  der  Kopf- 
haare beobachtet,  der  selbst  dann  auftrat,  wenn  lokal  die  Alopecie 
ausblieb. 

150  PsoriasisfĂ€lle.  1.  macht  darauf  aufmerksam,  daß  die 
jĂŒdische  Rasse  ganz  besonders  fĂŒr  Psoriasis  praedisponiert  ist. 

Bab  (Berlin). 

Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 

29,  Heft  2. 

❖  l'eber  den  diagnostischen   Pneumothorax.     S  f  a  Ii  1  .   Ii.  IĂŒ9. 

Beitrag  zur  Köhlerschen  Erkrankung  des  II.  Motatarso-Phalangealgelenkf  s. 

Valentin,  B.  173. 

Duodena1  Stenose  infolge  alter  Peritonitis  tuherculosa.    II  o  e  b  s  t  o  I  t  c  r  .  K. 

176. 

Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Vorrichtungen  zur  Erzeugung  hochgespannter 
elektrischer  ströme  fĂŒr  den  Betrieb  vön  Röntgenröhren.  Zacher.  F.  179. 
*H>as  Foramen  supratroehloare  humeri.    s  <‱  h  i  n  z  .  Hl  R.  193. 

Zur  röntgenologischen  Differentaalfliagnose  zwischen  Hernia  diaphragwiatic* 
und  Eventratio  diaphiagmatica  und  zur  rechtsseitigen  Eventratio  dia- 
phiagmatica.   Freud.  ,7.  und   E.  II  o  r  n  e  r.  201 

l  eber  eine  1  rrrunisquelle  bei  der  Röntgenaufnahme  der  obersten  Halswirbel 
durah  den  offenen  Mund,    d  ej  Quervain.  F.  209. 

Scheinbare  Spaltbildung  der  WirbeJkorper  in  der  Adoleszenz.  Hahn.  0/21(3 

Ein  Vorschlag  zur  Charakterisierung  der  Röntgenstrahlungen.  S  t  a  u  n  i  g  . 
K.  212. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


571) 


Kin  neues  Trodiosko|i.     Ii  o  r  r  n  z.  210. 

Zum  Ausbau  der  s po k t runn-t rix- ln> n  Kichungsmclliode.     Fritz,  0.  2!*. 
Das  Milliamperemetor  als  Mali  dar  StrahlungsintensitĂ€t.    V  t  i  t  ■/.  .  o.  223. 
Zur  Entladung  in  der  Lllicnfeldröhre.    Fritz.  O.  228. 
Zur  Encrgievertoilung  im  Bremnflccka.    F  r  i  t  z  ,  O.  280. 
I  "  Zur  Homogenisierung  der  Kntladung  in  der  LilionfcldrĂŒhre.  F  ritz,  U.  2,13, 
Zur  Aetiologic  des  Kaskadenmagens.    F  0  i  B  I  y  .  R.  und  A.  F  r  i  e  d.  237. 
«frZur  Frage   des   Studentenuntorrichtes    in   der   medizinischen  Röntgenologie. 

Weber,  Eug.  240. 
Ein  einfache.«  Verfahren  zur  Herstellung  von  riuriOzeichiiungcn  von  Original- 

röntgenplatteu  und  deren  zeichnerischer  Wert.    B  e  t  t  m  a  n  11.  246. 

leb  er    den    diagnostischen    Pneumothorax.    St  ah]  macht 
"darauf  aufmerksam,  daß  man  die  Anlegung  eines  Pneumothorax 
sehr  gut  zu  differentialdiagnostischen  Zwecken  verwenden  könne 
und  in  speziellen  Fallen  auch  mĂŒsse,  da  eventuell  nur  hierdurch 
die  Feststellung  der  vorliegenden  Krankheit  möglich  sei. 

I>hs  Foramen  supratrochleare  hĂŒmeri.  Die  Wand  /.wischen 
'ÜFossa  olecrani  humer i  und  Fossa  coraeoidea  humeri  ist  nor- 
malerweise sehr  dĂŒnn;  in  nicht  seltenen  FĂ€llen  ist  sie  ge- 
schwunden und  es  hat  sich  eine  Perforationsöffnung- gebildet: 
roramen  supratrochleare  humeri;  so  daß  eine  Kommunikation 
/.wischen  Fossa  olecrani  und  Fossa  coraeoidei  entsteht.  Beim 
Kinde  unter  7  Jahren  wurde  es  nie  beobachtet.  Das  Auftreten" 
eines  Foramen  supratrochleare  bedeutet  eine  Erweiterung  des 
Bewegungsumfanges  des  Ellenbogengelenkes.  Sein  familiÀr-here- 
ditĂ€res Vorkommen  wurde  konstatiert.  Im  Anschluß  an  supra- 
kondvlÀre  Frakturen  des  Humerus  scheint  durch  Störung  des 
Ossifikalionsprozesses  gelegentlich  ein  kleines  rudimentÀres  ein- 
seitiges Foramen  supratrochleare  zu  resultieren. 

Zur  Frage  des  Studentenunterrichts  in  medizinischer  Rönt- 
genologie. Der  ordentliche  Professor  der  medizinischen  Rönt- 
genologie der  Kiewer  UniversitĂ€t  zeigt  uns  in  einem  ausfĂŒhr- 
lichen Programme  wie  eingehend  und  tief  die  Studenten  in  Kiew 
in  die  Röntgenologie  eingefĂŒhrt  werden.  Wenn  derartiges  wirk 
lieh  in  Moskau,  Petersburg  und  Kiew  eingefĂŒhrt  und  auch  wirk- 
lich frequentiert  wird,  dann  wird  es  endlich  Zeit,  daß  wir  —  das 
Volk  der  Denker  —  diese  Fortschritte  der  Sowjeiregierung  auch 
bei  uns  zur  Geltung  bringen.  Michaelis  (Bitterfeld). 

Klinische  MonaisblĂ€iier  fĂŒr  Augenheilkunde. 

MĂ€rz  1922. 

$Ein  Fall  ron  doppelseitigem  indolenten  KandfurcbengesehwĂŒr  der  Hornhaut 
(Dystrophia  marginalis  corneae)  mit  traumatischer  Entbindung;  der  Linse 
auf  beiden  Augen  durch  den  Patienten  selbst.  V  h  t  h  0  f  f  .  W.  289. 
Ueber  den  experimentellen  Nachweis  des  FlĂŒssigkeitsabflusses  aus  der  vor- 
deren Augenkammer  des  lebenden  Tieres  bei  normalem  und  subnormalem 
Augeindrucke.     Seidel.  E.  291. 

Kokain-Alkoholinjektiou  am  Ganglion  sphenopalatiimm.  E  1  s  C  h  n  i  g,  A.  295. 
Zur  Stumpfbildung  nach  operativer  Entfernung  des  Auges.    H  a  n  s  s  e  n,  R. 
■p:  ‱  800. 

I  4>Doppplkatarnkt  entfernt  aus  einem  Auge.  M  À  r  q  u  e  z.  305. 
I   4*Tuberkulin    bei    Augcnerkrankungen.     Goerlitz.    M.  306. 

‱  Die  klinische  Bedeutung  des  optischen  Drchnystagnius.    O  h  m  .  J.  .123. 
‱    <J»Da.«   Verhalten  der  Augen   im  .Schlafe.     I'  i  e  t  r  11  s  k  y  ,   F.  3.V>. 
Ueber  IschÀmie,  der  Netzhaut.    K  u  h  i  k,  J.  361. 

Doppelseitige  Neuritis  optica  wÀhrend  der  Laktation  mit  temporÀrer  Er- 
blindung und  gĂŒnstigem  Ausgang  links  nach  I  I  tagiger  Amaurose. 
Meiling  hoff,  R.  371. 

Eine  seltene  Mißbildung  des  inneren  I.idwinkels.    P  i  c  h  1  e  r  .  A.  378. 

Ein  Fall  von  doppelseitigem  indolenten  RandfurchengeschwĂŒr 
der  Hornhaut  (Dystrophia  marginalis  corneae)  mit  traumatischer 
Entbindung  der  Linse  auf  beiden  Augen  durch  den  Patienten 
selbst.  Das  Wesentliche  des  einzig  dastehenden  Falles  ist  in  der 
Ueberschrift  gesagt.  Die  Keratitis  bestand  jahrelang.  Durch 
einen  unvorsichtigen  Stoß  mit  dem  Finger  ins  Auge,  stĂ¶ĂŸt  sich 
infolge  Zerreißens  der  verdĂŒnnten  Randteile  der  Hornhaut  erst  die 
jjLinse  der  rechten  und  nach  12  Jahren  auf  gleiche  Weise  des 
Rinken  Auges  ab.  Die  Hornhauterkrankung  ist  seit  vielen  Jahren 
bekannt.    Sie  befÀllt  das  spÀtere  Lebensalter. 

Doppclkatarakt  entfernt  aus  einem  Auge.  Nach  regelrechter 
Entbindung  einer  getrĂŒbten  Linse  durch  einfache  Extraktion  blieb 
die  Pupille  durch  eine  trĂŒbe  Masse  weiter  dunkel.  Bei  Druck 
auf  die  Hornhaut  kam  ein  zweiter  Star  zu  Tage.  Es  waren  zwei 
'Plankonvexe  Linsen  verbunden  durch  die  flache  OberflÀche. 
Diese  Trennung  der  Linse  wurde  durch  eine  frontale  FlÀche  her- 
beigefĂŒhrt in  zwei  Abschnitten,  einem  "vorderen  und  einem  hinte- 
ren.      Die  FĂ€lle  sind  sehr  seilen,  aber  nicht  unbekannt. 

Tuberkulin  bei  Aug  ener  krank  ungen.  Dem  Tuberkulin  komml 
ein  großer  Heilwert  bei  tuberkulösen  Augenerkrankungen  zu. 
fc.  hat  entweder  nur  nach  Sonndorf  geimpft  oder  mit  verschiedenen 


TuberkulinprÀparaten  eingespritzt.  Unangenehme  Nebenwirkun- 
gen lassen  sich  durch  vorsichtige  Dosierung  vermeiden  Siels 
muß  wie  bei  allen  Behandlungsarten  individualisier!  werden  Man 
kommt  bei  dem  einen  Kranken  besser  mit  Alttuberkulln,  bei  dein 
anderen  mit  Neutuberkulin  oder  Bazillenemulsion  vorwÀrts;  bei 
manchem  fĂŒhrt  erst  ein  Wechsel  der  PrĂ€parate  zum  Ziel,  be- 
sonders auch  beim  Auftreten  von  BĂŒck  fĂ€llen.  Oft  fĂŒhrl  die  ver- 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸig einfache  Impfung  nach  Ponndorf  ZU  einem  guten 
Ergebnis.  -  Die  Möglichkeit  einer  Auslosung  in  Lokalreakliom  n 
an  unerwĂŒnschter  Stelle,  z.  B.  an  der  Lunge,  besieht  bei  jede: 
Art  von  Tuberkulinbehandlung.  Deshalb  sollen  nur  solche  FĂ€lle 
dieser  Behandlung  unterzogen  werden,  bei  denen  neben  der  ört- 
lichen Indikation,  also  dem  erhofften  Nutzen  am  Auge  auf  die 
Möglichkeit  weiterer  örtlicher  Reaktionen  (denen  Gefahr  gewöhn- 
lich gering  ist!)  mit  in  Kauf  genommen  werden  kann.  Dahin  ge- 
hört nicht  die  skrophulöse  Augenerkrankung,  die  im  allgemeinen 
auch  ohne  diese  spezifische  Therapie  ausheilen.  Sollte  sie  doch 
aus  bestimmten  GrĂŒnden  angezeigt  sein,  dann  empfiehlt  sich  das 
Verfahren  nach  Ponndorf.  Im  allgemeinen  lĂ€ĂŸt  sich  sagen,  daß 
man  bei  jeder  Art  von  Tuberkulinbehandlung  dieselben  Erfolge 
und  dieselben  Mißerfolge  haben  kann,  ebenso  bei  jeder  Art  von 
angewandtem  TuberkulinprÀparat.  Je  stÀrker  die  lokale  Reaktion 
an  der  Impfstelle  bei  dem  Ponndorfschen  Verfahren,  um  so  star- 
ker die  Wirkung  auf  das  Augenleiden.  Eine  nochmals  mehrere 
Monate  nach  der  Heilung  festgesetzte  Impfung  scheint  geeignet, 
den  Dauererfolg  zu  befestigen.  Vor  den  TuberkulinprÀparaten  be- 
vorzugt G.  die  Bazillenemulsion.  Sie  macht  die  geringste  Tempe- 
raturreaktion,  sie  wirkt  am  stĂ€rksten  —  scheint  am  meisten  vor 
BĂŒckfĂ€llen  zu  schĂŒtzen.  Man  darf  sich  durch  anfĂ€nglich  schein- 
bare Mißerfolge  nicht  abschrecken  lassen,  in  der  Behandlung  fort- 
zufahren. Die  Technik  der  Anwendung,  die  niemals  Schablonen, 
haft  gehandhabt  werden  darf,  spielt  eine  große  Bolle.  Im  allge- 
meinen wird  folgendermaßen  vorgegangen:  1/B00  mg  der  Trocken- 
substanz bei  Bazillenemulsion,  möglichst  '2— .'1  Einspritzungen 
zwischen  die  SchulterblÀtter,  jedesmal  in  1j600,  spÀter  1  und 
schließlich  V10  mg  steigend;  bei  Temperatursteigung  nach  acht 
Tagen  noch  einmal  dieselbe  Dosis;  erst  steigen,  wenn  diese  reak- 
tioneller  vertragen  ward.  Im  allgemeinen  nicht  ĂŒber  1  mg  hinaus- 
gehen. Diese  Dosis  dann  zunÀchst  alle  acht  Tage,  dann  alle  1 1 
Tage  und  schließlich  mehrere  Monate  lang  alle  vier  Wochen.  — 
RegelmĂ€ĂŸige  Gewichtskontrolle  ist  wichtig;. bei  stĂ€rkerer  Ab- 
nahme ist  die  Kur  zu  unterbrechen  oder  aufzugeben.  -  Ein  großer 
Fortschritt  ist  die  gleichzeitig  durchgefĂŒhrte  intravenöse  Ein- 
spritzung von  Krysolgan. 

Das  Verhalten  der  Augen  im  Schlafe.  Die  Hornhaut  ist  im 
Schlafe  hĂ€ufig  trĂŒbe.  Die  TrĂŒbung  wird  durch  abgestoßene  Epi- 
thelien  vermischt  mit  Konjunktivalsekret  hervorgerufen.  —  Die 
am  hÀufigsten  beobachtete  Schlafstellung  der  Augen  ist  die  Diver- 
genz nach  oben.  —  Im  Schlafe  bewegen  sich  die  Bulbi  und  zwar 
oft  einzeln  und  ungleichsinnig.  Auch  radförmige  Bewegungen 
treten  auf.  —  Die  Enge  der  Pupillen  im  Schlafe  ist  ein  Gradmesser 
fĂŒr  dessen  Tiefe.  Bei  SĂ€uglingen  unter  3  Monaten  ist  die  Pupille 
im  tiefsten  Schlafe  deutlich  weiter  als  bei  Erwachsenen.  Die  bei 
Erwachsenen  im  Augenblicke  des  Erwachens  plötzlich  auftretende 
starke  Pupillenerweiterung  ist  bei  SĂ€uglingen  langsamer  und 
weniger  ausgiebig.  Die  Lichtreaktion  ist  umso  deutlicher,  je 
oberflÀchlicher  der  Schlaf  ist,  ebenso  die  Reaktion  auf  sensible 
und  akustische  Beize.  Bei  lÀngerem  Beobachten  tritt  ein  Schwan- 
ken der  Pupillen  ein.  Enslin  (Berlin-Steglitz). 

Zeitschrift  fĂŒr  soziale  Hygiene,  FĂŒrsorge-  und  Krankenhaus- 
wesen. 

3,  Nr.  11. 

❖  Was  können  wir  fĂŒr  Deutschland  den  schwedischen  Erfahrungen   mit  der 
Lex  veneris  entnehmen?  Haustein. 

‱frDie     Untersuchung«-     und     UcberwaehungsĂ€rzte      der  Gewerbeordnung. 
H  a  n  a  u  e  r. 

Wird   uns  diei  Meldepflicht  fĂŒr  Tuberkulose    in   ihrer   BekĂ€mpfung  weiter- 
bringen?    P  a  e  t  s  c  h. 
Nachruf  fĂŒr  Professor  Blaschko.    C  h  0  j  6  s. 

Was  können  wir  fĂŒr  Deutschland  den  schwedischen  Er- 
fahrungen mit  der  Lex  veneris  entnehmen?  Die  namenlose 
Meldung  aller  in  Behandlung  kommender  Geschlechtskranker  hat 
keinen  Vorteil  und  hat  nur  statistisches  Interesse.  Eine  Er- 
fassung der  Infektionsquellen  wird  fĂŒr  grĂ¶ĂŸere  StĂ€dte  immer 
illusorisch  bleiben.  Wir  mĂŒssen  uns  darauf  beschrĂ€nken,  eine 
Meldepflicht  derjenigen  Kranken  einzufĂŒhren,  die  ihre  Behand- 
lung vernachlÀssigen. 

Die  Untersuchungs-  und  UeberwÀchungsÀrztc  der  Gewerbe- 
ordnung.   Nachdem    Hanauer    alle    Betriehe    angefĂŒhlt  hat, 


580 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


welche  einer  gesetzlichen  Àrztlichen  Untersuchung  und  Ueber- 
wachung  unterstehen,  beleuchtet  er  die  —  seiner  Ansicht  nach  — 
bestehenden  MĂ€ngel  des  heutigen  Fabrikarztsystems.  Seine  Vor-, 
wĂŒrfe  gegen  die  oft  recht  undankbare  TĂ€tigkeit  dieser  Kollegen 
sind  in  ihrer  vorgebrachten  Allgemeinheit  vollstÀndig  unzu- 
treffend, er  begeht  den  Fehler,  vereinzelte  bedauerliche  Vor- 
kommnisse zu  verallgemeinern;  soweit  ich  es  beurteilen  kann, 
betreffen  diese  Vorkommnisse  wohl  Kollegen,  welche  nur  neben- 
amtlich die  Untersuchung  der  Arbeiter  ausfĂŒhrten;  Kassenlöwen, 
welche  mit  der  bekannten  Fixigkeit  ihre  hundert  Patienten  in 
der  Sprechstunde  erledigen.  Es  muß  den  FabrikĂ€rzten  eine  voll- 
stĂ€ndig —  nach  oben  sowie  nach  unten  —  unabhĂ€ngige  Stellung 
gesichert  werden;  dies  kann  nur  durch  staatliche  Anstellung  er- 
folgen, wodurch  auch  die  Besoldnngsfrage  sich  erledigt,  sowie 
die  E-ntlassungs-  bezw.  die  Altersversorgungsfrage.  Denn  in- 
folge der  kurzfristigen  AnstellungsvertrĂ€ge  schwebt  immer  ĂŒber 
diesen  Kollegen  das  Damoklesschwert  der  Entlassung;  sie  haben 
in  der  FabriktÀtigkeit  ihre  besten  Jahre  verbracht  und  finden 
dann  schwer  eine  entsprechende  TĂ€tigkeit.  Eine  baldige  gesetz- 
liche Regelung  dĂŒrfte  sich  in  nĂ€chster  Zeit  nicht  umgehen  lassen. 

Michaelis  (Bitterfeld). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

11.  Mai  1922,  52,  Nr.  19. 

Neurologische  Skizzen.    V  e  r  a  g  u  t  Ii  .  0.  44."i. 
❖Digitalis  und  intravenöse  Strophanthintherapio.    Staub.  H.  417. 

Differentialdiagnose  der  Fettembnlie  des  Gehirns.    T  o  b  1  e  r  ,  J.  452. 

PrĂŒfung  der  SehschĂ€rfe.    Strebet',  I.  45fi. 
❖Ersatz   der   DĂŒhrsentaniponade.     S  c  h  r  e  i  b  e  r  ,   E,  4;">8. 
» 

Ueber  Digitalis  und  intravenöse  Strophantin-Therapie.  Die 
Indikationen  zur  Strophantin-Therapie  sind  nur  aus  der  allge- 
meinen Kenntnis  der  Wirkung  der  Digitaliskörper  heraus  richtig 
zu  beurteilen. 

Aus  den  AusfĂŒhrungen  des  Verfassers  geht  hervor,  daß  kleine 
Dosen,  wie  sie  vorwiegend  therapeutisch  gebraucht  werden,  vor- 
nehmlich Herzwirkung,  grĂ¶ĂŸere  Dosen  (ĂŒber  0,5  mg  intravenös) 
daneben  ausgesprochen  vasokonstriktoriscbe  Wirkung  ausĂŒben. 
Das  gilt  besonders  fĂŒr  die  amorphen  Strophantine,  welche  ĂŒber- 
haupt die  fĂŒr  die  Praxis  gĂŒnstigeren  PrĂ€parate  darstellen.  Die 
Resorption  peroral. zugefĂŒhrter  Digitaliskörper  erfolgt  ausschließ- 
lich im  Darm.  Bleibt  ein  DigitalisprÀparat  lange  im  Magen  liegen, 
so  wird  seine  Wirksamkeit  durch  die  Verdauungsfermente  herab- 
gesetzt. Die  einzelnen  DigitalisprĂ€parate  sind  gegenĂŒber  den  Fer- 
menten verschieden  resistent.  So  wird  z.  B.  die  Wirkung  des 
wasserlöslichen  Strophantins  im  Magen  erheblich  abgeschwÀcht 
und  die  orale  Medikation  ist  deshalb  wenig  erfolgreich. 

Wenn  wir  zur  intravenösen  Therapie  Herzkranker  greifen, 
so  tun  wir  es  meist  der  schnellen  Wirkung  wegen;  hierfĂŒr  kommt 
einzig  Strophantin  in  Betracht.  Die  Herzwirkung  der  Digitalis- 
körper tritt  erst  ein,  wenn  eine  gewisse  Menge  im  Herzmuskel 
gespeichert  ist,  wÀhrend  Strophantin  momentan  nach  dem  Ein- 
bringen einer  genĂŒgenden  Dosis  in  den  Kreislauf  zu  wirken  be- 
ginnt. Wie  Gottlieb  nachwies,  kann  auch  die  intravenöse  Digi- 
talisanwendung brecherregend  wirken.  Strophantin  zeigt  diese 
zentrale  Wirkung  nicht  oder  nur  in  geringem  Grade.  Strenge 
Indikationen  fĂŒr  intravenöse  Strophantininjektionen  sind  die 
akute  HerzschwÀche  und  die  Herzinsuffizienz,  die  DigitalisprÀpa- 
rate oral  und  intravenös  nicht  vertragen.  Allzu  Aengstliche  be- 
schrÀnken sich  auf  diese  beiden  Anwendungsgebiete. 

FĂŒr  die  Dosierung  des  Strophantins  ist  es  wichtig  zu  wissen, 
ob  der  Patient  in  den  beiden  dem  Anfall .  voraufgehenden  Tagen 
Digitalis  bekommen  hat.  In  "letzterem  Fall  soll  die  Dosis  nicht 
mehr  als  0,3  mg  betragen,  darf  aber  im  Verlauf  von  12 — 24 
Stunden  wiederholt  werden,  wenn  sich  keine  Intoxikalions- 
erscheinungen,  z.  B.  Bigeminie,  zeigen. 

Strophantin  kumuliert  wie  jedes  DigitalisprÀparat,  nur  we- 
niger stark,  deshalb  sollen  0,5  mg  nicht  mehr  als  3  Tage  hinter- 
einander gegeben  werden.  Bei  herzkranken  Nephritikern  soll 
man  kleine  Dosen,  im  Anfang  vielleicht  2  mal  tÀglich  0,2  mg, 
nicht  ĂŒberschreiten,  da  eine  Ueberempfindlichkeit  der  Nieren- 
gefĂ€ĂŸe anzunehmen  ist  und  eine  vasokonstriktorische  Wirkung 
die  erwĂŒnschte  Diurese  verhindern  wĂŒrde.  Die  Aortitis  luetica 
mit  Herzinsuffizienz  lĂ€ĂŸt  sich  sehr  gut  mit  kombinierten  Sal- 
varsan-Strophantininjektionen  behandeln.  Arythmien  sind  allge- 
mein durch  Digitalis  wenig  beeinflußbar. 

Zur  Technik  der  Injektion  gehört  ein  tadelloses».  Instrumen- 
tarium. Die  Reizwirkungen  der  paravenösen  Injektionen  sind 
fĂŒr  den  Arzt  wie  fĂŒr  den  Patienten  gleich  unangenehm. 

Held  (Berlin). 


Revue  Medicale  de  la  Suisse  Romande,  Lausanne-Genf. 

April  1922,  42,  Nr.  4. 

❖Wirkung  von  Chinin  und  Chinidin  auf  das  Herz.    Turrettini,  G.  209* 

❖Syphilis  hereditaria  tarda  heim  Erwachsenen.    Du  Bois,  Ch.  219. 

Besserung  von  GlycÀmie  und  Glycosurie  beim  Dia-betiker  infolge  von  Lumbal- ' 

ptunktion.   B  i  c  k  e  1  ,  G.  231. 

❖Darminvagination  durch  Darmparasiten.    Duiunt,  R.,  und  K  o  e  C  h  1  i  n  ,' 

H.  233. 

❖Beitrag  zum  Studium  der  Amöbenhepatitis.    Morin,  J.  23  j. 
Kongenitale  Herzerkrankungen;  klinische'  Diagnose.    Saloz,  Ch.     243.  1 

Chinin  und  Chinidin  in  ihrer  Wirkung  auf  das  Herz.   Die  An* 

Wendung  des  Chinins  bei  der  totalen  Arythmie  geht  auf  einen  Zu- 
fall zurĂŒck.  Ein  Patient  von  Wenckebach  teilte  ihm  mit,  daß  1  g 
Chinin  ihm  regelmĂ€ĂŸig  seine  Herzkrisen  coupierte.  Wenckebach 
ĂŒberzeugte  sich  von  der  Richtigkeit  dieser  Beobachtung  und  sah 
den  Erfolg  des  Chinins  nunmehr  bei  einer  Reihe  anderer  Patien- 
ten sich  bestÀtigen.  Seitdem  ist  das  Chinin  und  sein  Isomer,  das 
Chinidin,  von  einer  großen  Zahl  von  Aerzten  angewandt  worden. 
Seit  mehreren  Jahren  bemĂŒht  sich  die  experimentelle  Medizin,  die 
Wirkung  des  Chinins  auf  das  Tierherz  zu  prÀzisieren.  Auf  Grund 
persönlicher  Untersuchungen,  ebenso  wie  auf  den  Erfahrungen 
anderer  basierend,  hÀlt  Verf.  die  genannten  Medikamente  nur  dort 
fĂŒr  angebracht,  wo  der  Herzmuskel  ausreichend  resistent  ist.  Das 
Chinin  setzt  vor  allem  die  KontraktilitÀt  des  Herzens  herab,  was 
seinen  Ausdruck  findet  in  der  Verminderung  der  Pulsamplitude 
und  in  einer  leicht  festzustellenden  Senkung  des  arteriellen  Blut- 
drucks. Da  bei  Patienten  mit  Vorhofflimmern  hÀufig  keine  Herz- 
insufficienz  besteht,  so  kann  man  bei  ihnen  die  Chininkur  einlei- 
ten, ohne  daß  Herztonika  voraufgegangen  sind.  Ist  der  Zustand 
des  Myokards  zweifelhaft,  so  muß  selbstverstĂ€ndlich  der  Anwen- 
dung des  Chinins  der  Gebrauch  von  herzkrÀftigenden  Mitteln  vor- 
aufgehen, um  die  bestmöglichen  Zirkulationsbedingungen  zu  schaf- 
fen. In  der  gleichzeitigen  Verabreichung  von  Chinin  und  Digitalis 
besteht  ein  gewisses  Risiko,  denn  beide  Alkaloide  haben  eine 
negative  Wirkung  auf  die  LeitfĂ€higkeit  des  Hisschen  BĂŒndels. 
Diese  parallele  Wirkung  kann  zum  Herzblock  fĂŒhren.  Chinin 
bzw.  Chinidin  sind  die  einzigen  bisher  bekannten  Mittel,  die  das 
Vorhofflimmern  zu  unterdrĂŒcken  imstande  sind.  Am  wirksamsten 
ist  die  Kur  dort,  wo  das  Flimmern  noch  nicht  lange  besteht.  Miß- 
erfolge beziehen  sich  meist  auf  solche  Pat.,  bei  denen  die  Aryth- 
mia  perpetua  schon  lange  besteht  und  bei  denen  die  Störungen  des 
Herzens  zweifellos  schon  zu  anatomischen  VerĂ€nderungen  gefĂŒhrt 
haben.  Abgesehen  von  den  ausgezeichneten  Resultaten  bei  der 
Arythmia  perpetua  verdient  das  Chinin  in  geringerer  Dosis  in  die 
Therapie  aller  Aeußerungen  von  Uebererregbarkeit  des  Herzens 
aufgenommen  zu  werden. 

Syphilis  hereditaria  tarda  beim  Erwachsenen.  Die  praktischen 

Tatsachen  und  Ergebnisse  der  vorliegenden  Studie  lassen  sich 
folgendermaßen  zusammenfassen:  Die  Syphilis  hereditaria  tarda 
ist  hÀufiger  als  man  vermutet.  Sie  manifestiert  sich  zu  einem  be- 
liebigen Lebensabschnitt,  ohne  indessen  stets  diejenigen  Stigma te 
zu  tragen,  die  man  als  klassisch  bezeichnet  hat.  Bis  zum  Moment 
ihres  Erscheinens  kann  der  Gesundheitszustand  des  TrÀgers  unge- 
trĂŒbt sein,  sodann  aber  tĂ€uscht  sie  eine  vorgeschrittene  Syphilis 
vor.  Leider  trÀgt  die  Serumreaktion,  die  meist  negativ  ist,  dann 
auch  nicht  zur  KlĂ€rung  der  Diagnose  bei.  FĂŒhrt  eine  peinlich 
genaue  Anamnese  nicht  zu  ihrer  Aufdeckung,  so  bleibt  oft  nur  der 
therapeutische  Effekt  als  vollgĂŒltiger  Beweis  fĂŒr  das,  worum  es 
sich  gehandelt  hat.  Von  allen  Medikamenten  wirkt  das  Salvarsan 
am  besten  und  am  schnellsten,  doch  wirft  die  Heilwirkung  dessel- 
ben kein  Licht  auf  die  intime  Natur  der  syphilitischen  Manifesta- 
tionen. 

Darmparasiten  als  Ursache  der  Imagination;  kasuistischer 
Beitrag.  Daß  auch  ein  Parasit,  im  vorliegenden  Falle  Ascaris, 
eine  Darminvagination  verursachen  kann,  darauf  ist  schon  mehr- 
fach in  der  Literatur  hingewiesen  worden.  Die  Verff.  teilen  den 
hierhergehörigen  Fall  mit  und  fĂŒgen,  an  Hand  des  Operationsbe- 
fundes, noch  einige  Bemerkungen  ĂŒber  den  Mechanismus  des  Zu- 
standekommens hinzu. 

Beitrag  zum  Studium  der  Amöbenhepatitis.  Mitteilung  eines 
Falles,  der  aus  verschiedenen  GrĂŒnden  der  Veröffentlichung  wert 
zu  sein  scheint.  In  der  Anamnese  fehlte  die  Dysenterie,  die  Darm- 
symptome zu  Beginn  der  Hepatitis,  Amoeben  und  Cysten  im  Stuhl, 
der  von  harter  Beschaffenheit  war.  Die  LeukocytenzÀhlung  wir 
diagnostisch  nicht  verwertbar.  Dagegen  lenkte  die  VergrĂ¶ĂŸerung 
der  Leber,  ihre  Druckempfindlichkeit,  die  durch  Röntgenbild  fest- 1 
gestellte  herabgeminderte  Beweglichkeit  des  Zwerchfells  und  die  I 
Urobilinurie    die  Aufmerksamkeit  auf    dieses  Organ;    aber  derl 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  37/38. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


:,si 


scharl'  lokalisierte  Schmerz,  der  die  Stelle  der  Probepunktion  be- 
sliinml,  fehlte;  allerdings  tritt  dieser  Schmerz  hauptsÀchlich  in  den 
Badostadien  auf,  wenn  es  sich  um  einen  rentablen  Abszeß  handelt. 
Die  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  w  inde  bestÀtig!  durch  den  thera- 
Kutischen  Effekt.  Angesichts  eines  Kranken,  der  sich  in  LĂ€ndern 
aufgehalten  hat,  wo  die  Amöbenruhr  herrscht,  muh  man  also  heim 
Auftreten  langdauernden  Fiebers  an  eine  Amoehenhepatitis  den- 
ken, selbst  wenn  alle  charakteristischen  Symptome  der  Infektion 
fehlen.  Der  therapeutische  Beweis  durch  das  sal/.saurc  Kundin 
—  das  spezifische  Medikament  der  Amoebenerkrankung  —  ge- 
stattet dann,  die  Diagnose  zu  bestÀtigen  oder  sie  fallen  zu  lassen. 

Held  (Herlin). 

Nederlandsch  Tijdschrift  voor  Geneeskunde. 

4.  Marz  1922,  1,  Nr.  9. 

lieber    die    Behandlung    der    Netzhaut-Ablösung    mit    kochsalzarmer  DiÀt. 
Marx.  E.  834. 

‱Heber  die  Diagnosei  und  Prophylaxe  der  Diphtherie.    Facce  Schacffer. 
K~'     N.  J.  M.  841. 
t    Ueher  die  Gerinnung  des  Blutes  in  der  Brusthöhle.    Herwerden,  M.  A. 
van.  847. 

;    Die  Krankenhauspflege  der  Tuberkulosekranken.  Wort  m  a  n  n,  J.  L.  C.  849. 

Ueber  die  Diagnose  und  Prophylaxe  der  Diphtherie.  Bisweilen 
ist  der  bakteriologische  Befund  nicht  in  Uebereinstimmung  mit 
den  klinischen  Erscheinungen.  So  wurden  in  einem  Falle  keine 
Bazillen  gefunden,  wÀhrend  die  Krankheit  doch  Diphtherie  war 
und  nach  Anwendung  des  Heilserums  heilte.  In  der  Prophylaxe 
sind  wir  oft  zu  streng.  Die  BazillentrÀger  und  die  gesunden  Leute, 
die/  mit  dem  Kranken  in  Kontakt  gewesen  sind,  brauchen  nicht 
streng  isoliert  zu  werden,  sondern  sie  mĂŒssen  sich  nur  in  acht 
nehmen.  Enneking  (Amsterdam). 


wiedci-  normal.  Wir  wissen,  daß  der  Ausgang  einer  akuten  lym- 
phatischen LeukÀmie  immer  tödlich  ist. 

E  n  neking  'Amsterdam). 

Mospitalslidende.  # 

1.  MĂ€rz  1922,  Nr.  9. 

‱Heber  den   Einfluß   der   Belegungen   auf  die  Temperatur   besonderi  bei 
Tuberkulösen.   (Schluß.)    w  u  r  1 1  e  n   und  Holte  u. 

Ueber  den  Einfluß  der  Bewegungen  auf  die  Temperatur,  be- 
sonders hei  Tuberkulösen.  Selbst  bei  kurzdauernden  Bewegungen 
wurden  oft  Temperatursteigungen  sowohl  bei  Normalen  als  bei 
Tuberkulosen  konstatiert;  die  letzten  bekamen  hĂ€ufiger  grĂ¶ĂŸere 
und  in  der  Begel  auch  lÀngerdauernde  Temperatur-Steigungen 
als  die  Normalen.  Als  Diagnoslicum  hat  die  Probe  Bewegungs- 
temperatur keinen  Wert,  da  sie  ein  sehr  launenhaftes  PhÀno- 
men ist. 

8.  MĂ€rz  1922,  Nr.  10. 
♩M'eher  die  Vaceraebehandlung  bei  Infektion  der  Hainwege.    W  ttlff ,  Ove. 

Ueber  die  Vaccincbehandlung  bei  Infektion  der  Harnwege. 

Von  1911—1920  sind  an  „Bigshospitalets'-  Abt.  C.  100  Patienten 
mit  infektiösen  Leiden  in  den  Harnwegen  mit  Vaccine  behandelt. 
45  %  wurden  geheilt,  39  %  besserten  sich,  und  IG  %  blieben  un- 
verÀndert. 

15.  MĂ€rz  1922,  Nr.  11. 

Untersuchungen   ĂŒber   den  Rauminhalt  der   Lungen   II.     L  u  n  d  s  g  a  a  r  d  , 

Chr.  und  Schierb  eck,  Kn. 
Dystrophia  elastica  follicularis    thoracis    Ojaevus   elasticus  Lewandowsky) 

W  i  t  h".  Carl  und  Kissmeyer,  Arne. 


11.  MĂ€rz  1922,  1,  Nr.  10. 

BeitrĂ€ge  zur  Pathologie  der  ersten  LßbeiLswdcheu.    C.  de  Lange  und  J. 
C.  Schippers.  950. 
4*Die  qualitative  und  quantitative  anatomische  Diagnose  der  Lungentuberku- 
lose.   Brachhorst,  W.  964. 

Die  qualitative  und  quantitative  anatomische  Diagnose  der 
Lungentuberkulose.  Es  ist  sehr  schwierig,  sich  aus  dem  rönt- 
genologischen Befund  eine  gute  Vorstellung  zu  machen  von  den 
pathologischen  Prozessen  in  der  Lunge.  Die  Untersuchungen  von 
GrĂ€ff  und  KĂŒpferle  werden  besprochen,  die  ihre  Aufnahmen 
kurz  vor  dem  Tode  der  Patienten  gemacht  haben  und  diese  nach- 
her studiert  und  mit  den  pathologisch-anatomischen  PrÀparaten 
verglichen  haben.  Als  erste  Folge  der  tuberkulösen  Infektion 
können  wir  zwei  Fonmen  unterscheiden,  nÀmlich  den  produktiven 
und  den  exsudativen  Prozeß,  die  spĂ€ter  in  VerkĂ€sung,  Induration 
und  Zirrhose  ĂŒbergehen  können.  Diese  verschiedenen  tuber- 
kulösen VerĂ€nderungen  kann  man  nun  mit  großer  Wahrschein- 
lichkeit auf  der  Platte  feststellen.  Man  darf  natĂŒrlich  auch  der 
Köntgenologie  nicht  eine  allzu  große  Wichtigkeit  zuerkennen.  Sie 
ist  ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel  neben  den  anderen  klinischen 
Untersuchtungsmethoden.  Enneking  (Amsterdam). 

18.  MĂ€rz  1922,  1,  Nr.  11. 

„Jriido-Cyklltis  tuherculosa"  und  Sarkoid  nach  Boeck.  A.  .1.  de  Parange- 
B  u  Ii  z  e  1.  1061. 

[et  das  Vcstibular-Organ  ein  Gleichgewichtissinn?    F.  II.  Q  u  i  x.  1071. 
Ein  einfacher  Kolorimeter  fĂŒr  klinische  Diagnostik.    .1.  d  e  II  a  a  n. 
Schutz-Impfungen  gegen  Diphtherie.    L.  A.    W  e  s  b  y.  1082. 

25.  MĂ€rz  1922,  1,  Nr.  12. 
Erforderungen  in  der  Kenntnis' der  TrĂŒpenkrankheiten.    W.  Tb.  de  Vogel. 

1157. 

‱H-ymphatischcs    Blutbild    bei    einer   akuten   Infekjrion.     .1.    S  n  a  p  p  e  r,  R. 
R  y  k  e  n  s  und  A.  F  e  r  m  e  n.  1168. 
Die  Malaria.    L.  A.  Filier.  1172. 

Lymphatisches  Blutbild  bei  einer  akuten  Infektion.  Nur 
wenige  FĂ€lle  sind  bekannt,  in  welchen  eine  akute  Infektion  un- 
bekannter Art  durch  ihre  ausgesprochene  Lymphocytose  den  Ein- 
druck einer  akuten  lymphatischen  LeukÀmie  macht.  Ein  23  jÀh- 
riges MÀdchen  erkrankt  plötzlich  mit  Kopfschmerzen  und  Fieber. 
Man  findet  eine  Pharyngitis  mit  leichten  LymphdrĂŒsenschwellun- 
tpn  am  Halse  und  nach  einigen  Tagen  eine  Angina  lacunaris, 
aber  ohne  nekrotische  VerÀnderungen.  Die  Patientin  zeigte  25  000 
Leukocyten  mit  85  %  Lymphocyten;  leichter  Ikterus  und  geringe 
Leberschwellung.  Das  Fieber  war  in  den  ersten  14  Tagen  hoch, 
sank  dann  lytisch,  und  ein  Monat  nach  dem  Anfang  der  Krankheil 
wai    die  Patientin    vollkommen    geheilt  und  das  Blutbild  war 


22.  MĂ€rz  1922,  Nr.  12—14. 

Ueber  Ileus  infolge  gewisser  angeborenen  Mißbildungen.  D  a  h  1  -  I  v  e  r  s  e  n. 

12.  Mai  1922,  Nr.  15. 

«|»Ueber  Ileus  infolge  gewisser  angeborenen  Mißbildungen.    (Schluß.)  Dahl- 
1  v  e  r  s  e  u. 

Ueber  die  Stellung  des  Röntgen-Rohrs.     W  o  I  f  f  A  a  g  e  r  s  e. 

Ueber  Ileus  infolge  gewisser  angeborenen  Mißbildungen  an 
dÀnischen  FÀllen  beleuchtet.  Der  Verfasser  hat  im  ganzen  36 
veröffentlichte  dÀnische  FÀlle  gesammelt;  bei  29  sind  die  Occlu- 
sions-Symptome  gleich  nach  der  Geburt  oder  in  den  ersten 
Lebensmonaten  aufgetreten,  wÀhrend  bei  7  die  Symptome  erst 
von  den  3 — 56  Jahren  begonnen  sind.  In  der  ersten  Gruppe  wurde 
nur  einer  bei  der  Operation  gerettet;  es  handelte  sich  um  ein 
11  Tage  altes  Kind  mit  Altresia  infrapapil.  duod.  cong.  bei  dem 
eine  Duodeno-enteroanastomosis  anterior  angelegt  wurde  (das 
Kind  ist  jetzt  6  Jahre  alt  und  ganz  normal).  In  der  2.  Gruppe 
genasen  2  bei  Operation,  ein  6jÀhriges  MÀdchen  mit  Stenosis 
duod.  cong.  und  ein  20jÀhriges  Weib  mit  Betroposition  des  Colons. 
In  10  FĂ€llen  war  die  Stenose  bei  Kompression  von  außen  aufge- 
treten; bei  dfen  restierenden  saßen  die  VerĂ€nderungen  im  Darm- 
rand: 14  FĂ€lle  Maren  Duodenalstenosen  oder  Atresien,  7  FĂ€lle 
DĂŒnndarmsatresien  und  3  FĂ€lle  waren  Retroposition  des  Colons. 
Die  meisten  von  den  Kindern  starben  binnen  14  Tagen,  aber  meh- 
rere wurden  doch  viel  Àlter,  der  Àlteste  SÀugling  war  beim  Tod 
7  Monate  alt. 

19.  April,  26.  April  1922,  Nr.  16—17. 

Ueber    Fibroadenom.-!,   mammae    ben    MĂ€nnern.     Rud.  Holser. 


3.  Mai  1922,  Nr.  18. 

2  FĂ€lle  von  Krankheit  des  RĂŒckenmarks  mit  besonderem  Verlauf.    N  e  e  1 
Axel. 

Ein  Fall   von  Ruptura  intraperitoncalis  vesicae   nach  Expression  in  Puer- 
perium. Zachoriae. 

P  o  v  1  Hertz  (Kopenhagen). 

El  Siglo  medico,  Madrid. 

22.  April  1922,  69,  Nr.  3567. 

Cajal,     seine     Persönlichkeit,     sein     Werk,     seine    Schule.     C  o  r  t  e  z  o  . 
C.  M.  421. 

Diagnostische  Bedeutung  der  verschiedenartigen  Schmerzen  und  ihre  Bedeu- 
tung als  Grundlage  fĂŒr  chirurgische  Eingriffe.    Salazar.  R.  A.  424. 
❖Injektionen  von  sterilisierter   Milch   in  der  Therapie.     M  a  r  i  n  A  1 1 1  a  t  .  M. 
428. 

GegenwÀrtiger   Stand   der    Lehrei  VOU   der   inneren   Sekretion.  Maranon. 
Y.  und  P  o  s  a  d  i  1  1  o.  431. 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  37/38. 


Injektionen  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie.  Ver- 
fasser berichtet  ĂŒber  300  FĂ€lle  von  Keratitis  der  verschiedensten 
denese,  die  von  ihm  mit  sehr  gutem  Erfolge  mit  Injektionen  - 
intramuskulĂ€r,   subkutan    oder    subkonjunktival   —   von  sterili- 
si^ter  Milch  in  Dosen  von  höchstens  4  rem  behandelt  wurden. 

Lurje. 

29.  April  1922,  69,  Nr.  3568. 

Cajal,  seine  Persönlichkeit,  sein  Werk,  seine  .Schul*.  Cortezo',  CM.  449. 
^Behandlung    der    Dakryozystitis    mit   JoddÀmpfen.      P  e  d  r  a  j  a.  453. 

Hkignost/ische  Bediiutung  der  verschiedenartigen  Schmerzen  und  ihre  Be- 
deutung als  Grundlage  FĂŒr  chirurgische  Eingriffe.    Salazar,  R.A.  453. 

Injektionen  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapi«.  Mari  n  A  m  a  t  ,  M.  45C. 

GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Secretion.  M  a  r  a  fi  0  n  Y 
Posadillo,  D.G.  459. 

Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien.  Antufiano.  L.M.  463. 

Behandlung  der  Dakryoeystitis  mit  JoddÀmpfen.  Verlasser 
berichtet,  daß  er  in  vieicn  FĂ€llen  von  Dakryoeystitis,  bei  denen 
man  sonst  zur  Exstirpation  des  TrÀnensackes  hÀtte  schreiten 
mĂŒssen,  mit  Behandlung  mittels  JoddĂ€mpfen  volle  Heilung  er- 
zielt habe.  Lurje. 

6.  Mai  1922,  69,  Nr.  3569. 

Klinische  Chirurgie.    Fort  »ein,  X.  B.  477. 

Mastoiditis  hei  einem  Kind  von  7  Monaten.  B  a  r  a  j  n  s  .  .1.  M.  47». 
Injektionen  von  Milch  in  der  Therapie.  M  a  r  i  u  A  m  a  t  .  M.  482. 
GegenwÀrtiger  stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.    M  a  ra  n  o  n  'i 

Posadillo.  485. 
Verbesserung  des  Gesundheitszustandes  in  Spanien,    M  u-n  »  /.  A  h  t  n  n  a  n  <>. 

1..  489. 

13.  Mai  1922,  69,  Nr.  3570. 

Cajal.  sein  W  erk  und  seine  Schule.     C  n  r  t  e  z  o  .  C.   M.  :>0G. 
l'cher  einen  Fall  von  akuter  Osteomyelitis.    Cejudö;  .1.   \.  506. 
Ileus  und  Lagerung  nach  Trendelenburg.    C  a  r  ra  SCO,  .T.  511. 
Injektionen  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie..  M  a  r  i  D  A  m  a  t  .  M.  MS. 
GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.    M  a  rann  n  V 
I"  O  s  ;|  (l  i  |  lo.  516. 

Rivista  Ospedaliera,  Rom. 

31.  Januar  1922,  12,  Nr.  2. 

❖  Maligne  Endokarditis  mit  langsamem  Veirlauf.    Alessandxi,  0.  21. 

Fraktur  der  Diaphyse  des  Radius  mit  Luxation  der  Ulna.    Ott.  I.  29. 
^Einfache  Behandlung  der  Pleuritis  puruleuta  beim  Kinde.  R  a  n  u  c,  c  i  ,  F.  33. 

Ueber  Endocarditis  lenta.  Im  ersten  Abschnitt  der  Arbeil, 
die  in  der  folgenden  Nummer  fortgesetzt  werden  soll,  werden 
vier  FĂ€lle  von  Endocarditis  lenta  ausfĂŒhrlich  beschrieben. 

Heber  eine  einfache  Behandlungsmethode  der  Pleuritis  puru- 
lenta  bei  Kindern.  Verfasser  empfiehlt  in  allen  FĂ€llen  von 
eitrige)'  Pleuritis  im  Kindesalter  die  Vornahme  einer  Rippen- 
resektion mil  anschließender  Injektion  flĂŒssiggemachter  steriler 
Vaseline  in  die  Pleurahöhle.  Das  innerhalb  des  Körpers  wieder 
hartwerdende  Medikament  wird  vom  Organismus  gut  vertragen 
und  verhindert  den  Kontakt  zwischen  den  PleurablĂ€ttern,  so  daß 
das  Zustandekommen  von  AdhÀsionen  verhindert  wird.  Die  Eiter- 
bildung' hört  bald  nach  der  Einverleibung  der  Vaseline  auf.  In 
vier  FÀllen  hat  das  Verfahren  innerhalb  kurzer  Zeit  zur  völligen 
Heilung  gefĂŒhrt.  F.  Kann  er. 

Paris  medicale. 

29.  April  1922,  12.  Nr.  17. 

I  In  nmphroditismus  und  seine  Verschiedenheiten.     M  0  u  c  Ii  8  t.     345.     %  . 
♩FrĂŒhdiagnose   des  Uteruskrebses.     S  i  c  e  d  e  y.  351. 

.❖Kitragenitale,  Bubonen   bei   weichem   Schanker.     U  a  i  ■  i  >   und   L  *  c  a »  - 

s  e  y  n  e.  356. 

FrĂŒhdiagnose  des  Uteruskrebses.  Die  ganze  Prophylaxe  liegt 
in  der  richtigen  Interpretation  der  initialen  Blutungen,  die  Aerzte 
und  Frauen  mĂŒssen  wissen,  daß  Krebs  in  jedem  Alter  und  bei 
jedem  Gesundheitszustand  vorkommen  kann,  es  ist  besonders  auf 
Blutverluste  zu  achten,  die  außerhalb  der  Regel  die  Neigung 
haben  hĂ€utiger  und  lĂ€nger  zu  werden  und  schließlich  anzu- 
dauern. 

Fxtragenitale  Bubonen  bei  weichem  Sehanker.  Im  ganzen 
sehr  selten,  hauptsÀchlich  an  den  Fingern,  namentlich  am  Zeige- 
finger, v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

The  Lancet,  London. 

13.  Mai  1922,  202,  Nr.  5150. 
Moderne  Untersuchungsmethoden  de«  Herzens.    Har  r  is  ,  .1.  831. 


Adrenalin   beim  Stokes-Adam'schen  Syndrom.     Phear.  A.  G.  und  Par- 
kinson, J.  933. 
^Schwierigkeiten  beim  SĂ€ugen  der  Kinder.    CametOĂŒ,  IL  C.  9.'S(i. 
Subakute   und   chronische   Arthritis:   d  is    Blutbild   bei   Gicht.     M  u  u  r  D  . 

M.  H.  93«. 

Was  ist  Stottern  V     K  u  m  s  e  y  ,  IL  S.  .1.  960. 

Schwierigkeiten  beim  SĂ€ugen  der  Kinder.  Verf.  bespricht  die 
verschiedenen  Ursachen,  warum  Kinder  nicht  sÀugen  wollen. 
Diese  Ursachen  sind:  Mangelnder  Appetit  /..  B.  bei  Infektionen  oder 
Intoxikationen;  Dyspnoe  (Nasenkatarrh,  Bronchitis,  Pneumonie,. 
Atelektase,  Herzfehler  usw.),  lokale  VerÀnderungen  in  Mund  und 
Lippen  (Hasenscharte,  Fazialisparalvse.  Ranula  usw.  .  Geburt« 
Iraumen  (Gehirnblutung,  Knochenfrakturen  am  Kopfe),  schwere 
SchlÀfrigkeit   und  nervöse  Reizbarkeit. 

Koopman  (Haag).  .1 


Buchbesprechungen. 

Romberg,    Ernst:    Lehrbuch    der    Krankheiten  des 
Herzens  und  der  BlutgefĂ€ĂŸe.  3.  Auflage.  Stuttgart  1921.. 
F.  Enke.    765  Seiten. 
WĂ€hrend   wir  eine   ganze  Anzahl   vorzĂŒglicher  Einzeldar- 
stellungen aus  dem  Gebiet  der  Pathologie  des  Hei  zens  und  der  Ge- 
fĂ€ĂŸe haben,  ist  die  Zahl  der  LehrbĂŒcher  der  Herz-  und  GefĂ€ĂŸkrank- 
heiten nicht  gerade  groß.    Unter  den   vorhandenen  nimmt  das* 
Romberg' sehe  Buch  wohl  unbestritten  den  ersten  Rang  ein. 
Die  erste  Auflage  hatte  das  Verdienst,  die  erste  zusammen- 
fassende Verarbeitung  der  von  der  Curschmann'schen  Schule  aiM 
fĂŒhrender  Stelle  geschaffenen  neuen  Erkenntnisse  von  der  Be4 
deutung  des  Herzmuskels  nicht  nur  bei  Klappenfehlern,  sondern 
darĂŒber  hinaus  bei  einer  FĂŒlle  von  Kreislaufstörungen  anderen 
Ursprungs  zu  bringei.  In  der  neuen  Auflage  sind  die  Fortschritte 
auf  diesem  Gebiet,  wie  sie  nicht  zum  wenigsten  der  Schule  des 
Lehre  von  den  Rhythmusstörungen  des  Herzens  hat  diesmal  eine 
eingehendere  BerĂŒcksichtigung  gefunden.   Einen  besonderen  Vor-:, 
Verfassers  izu  verdanken  sind,  verwertet  worden.   Aber  auch  die, 
zug  des  Buches  bildete  von  jeher  die  sorgfÀltige,  auf  Kritik  und* 
Erfahrung  begrĂŒÂ»dete  Darstellung  der  Behandlung.     H.  Vogt. 

Victor  Klein.    Krankheit.    Vererbung    u  n  d  E  h  e.  Eine" 
medizinisch-sozialwissenschaftliche  Studie  mit  bes.  BerĂŒcksichJ 
tigung  des  Geschlechtslebens..  Leipzig  und  Wien.  1921. 
Klein  stellt  in  volkstĂŒmlicher  Weise  die  wichtigen  Fragen 
dar,  die  sich  aus  dem  Stande  der  Vererbungslehre  und  der  Rassen-^ 
hygiene  fĂŒr  das  Geschlechtsleben  ergeben.    Er  gibl  zunĂ€chst  ein« 
Uebersicht  ĂŒber    die  GrundzĂŒge  der  Vererbungslehre  und  ihrert 
Anwendung  auf  den  Menschen.    Dann  erlÀutert  er  die  einzelnen^ 
Krankheilen  und    bespricht    die  Wechselbeziehungen  zwischen 
Krankheit,  Vererbung  und  Geschlechtsleben.    Schließlich  werden 
rassenhygienische  und  soziologische  Fragen  im  Widerstreit  derij 
Tagesmeinungen  dargestellt. 

Es  ist  sehr  wĂŒnschenswert,  daß  sich  auch  der  Laie  mit  die-^ 
sen  so  wichtigen  Fragen  vertraut  macht,  das  vorliegende  Buch] 
wird  ihm  dabei  von  Nutzen  sein.   Die  Beziehungen  zwischen  Ehej 
und  Krankheit,  die  den  Hauptteil  des  Buches  bilden,  werden  ein^ 
dringlich  und  klar  geschildert.   Der  theoretische  Teil  im  Beginne" 
des  Buches  leidet  daran,  daß  mancherlei  Dinge  als  sicher  hingen 
stellt  werden,  ĂŒber  die  noch  durchaus  nicht  das  letzte  Wort  ge-} 
sprochen  ist.    Die  SchlĂŒsse,  die  Klein  aus  seinen  Anschauungen 
zieht,  gehen  manchmal  recht  weit  und  werden  vielfach  Wider- 
spruch erregen.    Im  allgemeinen  aber  ist  zu  wĂŒnschen,  daß  das' 
Buch  von  denen  gelesen  wird,    fĂŒr  die  es  bestimmt  ist.  Leider 
pflegen  die  Kreise,  die  es  nötig  hĂ€tten,  keine  großen  literarischen  J 
Neigungen  zu  haben. 

An  Einzelheilen,  denen  widersprochen  werden  muß,  sei  er- 
wĂ€hnt, daß  Klein  Farbenblinde  von  der  Fortpflanzung  aus-Ă€ 
schließen  will  (S.  34),  daß  er  den  Skorbut  fĂŒr  eine  Infektions-« 
krankheit  mit  unbekanntem  Erreger  hĂ€lt  (S.  71)  und  daß  er  Bron-3j 
ehialasthma  mit  Rachitis  in  ursÀchlichen  Zusammenhang  bringt j 
(S.  87).  A.  Peip.er,  Berlin. 

Ludwig  Pineussen:  Mikromethodik:  Verlag  Georgl 
Thieme,  Leipzig,  1921.  Pr.  Geh.  14.40  M.  116  S.  mit  19  Abb.>j 
Das  BĂŒchlein  enthĂ€lt  in  kurzen  und  klaren  Angaben  die  ge- 
brĂ€uchlichen Mikromethoden  fĂŒr  das  medizinisch-chemische  La- 
boratorium (Harn,  Blut,  Gasanalyse  und  Bestimmung  der  H-Ionen-^ 
konzentration).  Es  ist  zur  schnellen  Orientierung  sehr- geeignet  ^ 
und  kann  fĂŒr  jeden,  der  auf  diesem  Gebiete  arbeitet,  warm  empfoh-) 
len  werden.        F.  L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Charlottenburg-Westend). 


ortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrlfl  des  prekkjtlscl\erk  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm-Sfra&e  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  39/40  Berlin,  den  11.  Oktober  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Vorlag  behĂ€lt  sieh  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  var. 


Die  Kohlenoxydvergiftung. 

Von  Dr.  Paul  M  i  c h  a  e Ii  s  -  Bitterfeld.  ^ 

Wohl  niemals  sind  so  zahlreiche  FĂ€lle  von  Kohlenoxyd- 
svergiftungen  vorgekommen,  wie  in  den  letztverflossenen 
'  ren,  und  auch  jetzt  noch  hören  wir  aus  den  Tages- 
itungen  last  tÀglich  von  neuen  Opfern  dieses  tötenden 
ases.    Eine  Statistik  ĂŒber  die  HĂ€ufigkeit  der  TodesfĂ€lle 
"zw.  Erkrankungen  durch  dieses  Gas  gibt  es  z.  Zt.  nicht; 
ach  das  neuerschienene  Buch  von  Lew  in:  „Die  Kohlen - 
xydvergiftung"  kann  hierĂŒber  nichts  Bestimmtes  berichten. 

Dieses  klassische  Werk  L  e  w  ins,  wrelches  unser  ge- 
mtes  Wissen  ĂŒber  diese  Vergiftimg  zusammenfaßt,  wird 
r  alle  kĂŒnftigen  Arbeiten,  wie  auch  fĂŒr  die  vorliegende,  die 
undlage  bilden. 
Jedenfalls  sind  gerade  die  TodesfÀlle  erschreckend 
hÀufig,  ist  doch  auch  die  Entstehungsmöglichkeit  eine  selten 
hĂ€ufige.  L  e  w  i  n  fĂŒhrt  das  Vorkommen  des  Kohlenoxyd- 
gases  in  folgenden  FĂ€llen  an:  Ofengase,  Gase  aus  glimmen- 
den Balken  und  Schlacken,  Leuchtgas,  offene  Kohlenfeuer 
zur  Heizung,  offene  Kohlenfeuer  im  Gewerbe,  offene  Koks- 
körbe, Vergiftung  bei  der  Herstellung  von  Koks  und  Holz- 
kohle, Vergiftung  durch  kohl enoxydhalti gen  Staub,  offene 
Oefen  in  Metallgießereien,  Vergiftung  durch  Kohlenoxyd  in 
chemischen  Betrieben,  Vergiftungen  durch  Rauch,  Brand- 
gase, Vergiftung  durch  Abgase  bei  Benzin-  und  Petroleum- 
motoren, Hinderungen  im  Entweichen  der  Heizgase  durch 
Gegenwirkungen  oder  Verschluß  des  Abzugsweges,  Hin- 
derungen im  Gasabzug  durch  atmosphĂ€rische  EinflĂŒsse, 
falsche  Wege  durch  Undichtigkeiten  oder  DurchlÀssigkeiten 
in  Heizvorrichtungen,  konstruktive  Fehler  in  der  Heizanlage 
hezw.  des  Rauchabzuges,  UnglĂŒcksfĂ€lle  bei  Dauerbrandöfen 
und  Oefen  ohne  Abzug,  Giftigkeit  von  Gasen  der  Mineralöl- 
und  Harzdestillation,  Hochofengase,  Wassergas,  Generatoren- 
gas,  Mischgas,  Gasvergiftung  durch  Zelluloidexplosion,  Ver- 
giftungen durch  Sprengstoffgase,  Kohlenoxydvergiftung  in 
Minen  und  bei  anderen  Sprengungen,  Schlagende  Wetter, 
Kohlenoxydvergiftung  durch  Kriegs-Sprengstoffe. 

Das  Kohlenoxyd  ist  ein  brennbares  Gas,  welches  sich 
durch  seine  Geschmack-,  Geruch-  und  Farblosigkeit  aus- 
zeichnet; es  weist  57,13  %  Sauerstoff  und  42,87  %  Kohlenstoff 
auf.  Es  ist  schwerer  als  die  atmosphÀrische  Luft. 

Der  Kohlenoxydgehalt,  welcher  in  den  oben  erwÀhnten 
Verbrennungsgasen  enthalten  ist,  ist  verschieden.  So  enthÀlt 
der  Lokomotivrauch  bis  zu  3,6  %;  Kohlendunst  aus  Stein- 
kohlen 0,62  %,  aus^  Braunkohlen  28,56  %;  die  Auspuffgase  der 
Benzinmotoren  3,7%;  das  Leuchtgas  3%  Kohlenoxyd.  In- 
teressant ist  die  Zusammensetzung  des  Zigarrenrauches. 
Nach  Habermann  liefert  1  g  kĂŒnstlich  verrauchte  Zigarre 
bei  verschiedenen  Sorten  im  Mittel:  Havanna  13,1  cm2, 
Kuba  13,6  cm2,  Portoriko  19,3  cm2,  Virginia  17,4  cm2;  100  g 
Zigarettentahak  —  normal  geraucht  —  ergibt  4124  cm2 
Kohlenoxyd.  Die  Explosionsgase  der  Sprengstoffe  enthalten 
26  bis  33  %  dieses  Gases. 

Daß  die  Giftigkeit  unseres  Gases  schon  in  den  frĂŒhesten 
Zeiten  bekannt  war,  geht  aus  zahlreichen  Stellen  der  alt- 
römischen und  altgriechischen  Schriftsteller  hervor. 
Römische  Imperatoren  benutzten  es,  um  sich  von  unlieb- 
samen Mahnern  zu  befreien;  zu  Selbstmordzwecken  diente  es 
fiĂŒher  wie  auch  jetzt. 


Worauf  beruht  nun  die  hohe  Giftigkeit  des  Kohlen- 
oxyds? Das  Kohlenoxyd  geht  mit  dem  HĂ€moglobin  eine 
schwer  trennbare  Verbindung  ein,  es  bildet  sich  das  Kohlen- 
oxydhÀmoglobin; seine  AffinitÀt  zum  HÀmoglobin  ist  etwa 
das  200  fache  des  Sauerstoffs.  Hierdurch  ist  es  leicht  er- 
klĂ€rlich, daß  schon  kleinste  Mengen  Kohlenoxyd  schnell  und 
leicht  im  Blute  gebunden  werden.  Das  Blut  erhÀlt  infolge- 
dessen eine  kirschrote  Farbe  und  bĂŒĂŸt  seine  normalen  Funk- 
tionen ein.  Wir  beobachten  dann  einen  ausgesprochenen 
Sauerstoffmangel.  Ein  Zerfall  der  roten  Blutkörperchen 
findet  nicht  statt.  Die  Ausscheidung  erfolgt  dann,  wenn  auch 
nur  langsam,  durch  die  Lungen.  Die  Schnelligkeit  dieser 
Ausscheidung  ist  sehr  verschieden,  im  Anfange  der  Ver- 
giftung erfolgt  diese  relativ  schnell.  In  einem  schweren 
Falle  hat  man  schon  nach  6  Stunden  eine  völlige  Ausschei- 
dung feststellen  können. 

Hier  spielt,  wie  ja  bei  allen  Erkrankungen,  die  persön- 
liche Disposition  und  Konstitution  eine  große  Rolle. 

Außerdem  wirkt  auch  das  Kohlenoxyd  sicher  direkt  auf 
das  Zentralnervensystem;  auch  soll  es  gerade  hier  zu  Bildung 
von  Blutgerinnseln  Veranlassung  geben. 

Wie  können  wir  im  Blute  das  Kohlenoxyd  nachweisen? 
Als  bester  Nachweis  auf  chemischem  Wege  hat  sich  folgende 
Methode  erwiesen: 

Man  verdĂŒnnt  das  Blut  1  : 4  und  fĂŒgt  ihm  die  dreifache 
Menge  einer  eihprozentigen  Tanninlösung  hinzu.  Es  tritt  eine 
Rosa-  bis  KirschrotfÀrbung  auf,  welche  nach  24  Stunden  am 
deutlichsten  ist. 

Kohlenoxyd  in  der  Luft,  lĂ€ĂŸt  sich  mit  Hilfe  von  Palla- 
diumpapier nachweisen.  Bei  0,5  °/oo  Kohlenoxydgehalt  bildete 
sich  sofort  ein  glÀnzend-schwarzes  HÀutchen;  noch  Mengen 
von  0,1  °/oo  lassen  sich  so  nach  etwa  3  Stunden  nachweisen. 

Der  spektroskopische  Nachweis  im  Blute  beruht  darauf, 
daß  das  KohlenoxydhĂ€moglobin  2  Absorptionsstreifen 
zwischen  den  Frauenhoferschen  Linien  D  und  E  zeigt.  Der 
helle  Zwischenraum  zwischen  beiden  Streifen  ist  schmÀler 
als  beim  normalen  Blut.  Da  durch  die  einfache  Beobachtung 
mit  dem  Spektroskop  diese  feinen  Unterschiede  nur  schwer 
erkennbar  sind,  so  bedient  man  sich  eines  Reduktionsmittels, 
Wie  des  Schwefelammoniums. 

Andere  Methoden  können  hier  als  weniger  genau  und 
umstĂ€ndlich  ĂŒbergangen  werden. 

Schon  geringe  Mengen  Kohlenoxyd  in  der  Luft  wirken 
schĂ€dlich.  So  rufen  0,15 — 0,2  %,  der  Atemluft  beigemischt, 
recht  bedrohliche  Vergiftungserscheinungen  hervor.  0,37  % 
fĂŒhrten  nach  2  Stunden  zum  Tode.  Ist  4—5  %  etwa  30  Mi- 
nuten lang  eingeatmet,  —  es  sind  dann  etwa  7  %  des  HĂ€mo- 
globins durch  KohlenoxydhĂ€moglobin  ersetzt  —  so  tritt  der 
Tod  sicher  ein. 

Das  klinische  Bild  der  Kohlenoxydvergiftung  ist  ein 
recht  wechselndes.  Betrachten  wir  zunÀchst  einen  typisch 
ve  rl  auf  enden  Ver  g  i  f  t  ungsf  a  1 1 : 

Als  erste  warnende  Zeichen,  wie  sie  L  e  w  i  n  aufzÀhlt, 
stellen  sich  ein:  Unlust  zum  Essen,  Ekel  vor  Speisen,  Druck 
am  Magen  und  den  Praecardien,  brennendes  GefĂŒhl  an  der 
Gesichtshaut,  zumal  der  Backen,  bisweilen  auch  bei  Kohlen- 
dunst- und  Rauchvergiftungen:  Husten,  AtigentrÀnen, 
Nasenlaufen,  ferner  Brausen  vor  den  Ohren,  stÀrkeres  Pul- 
sieren der  Temporalarterien,  allgemeine  Unruhe,  AngstgefĂŒhl. 
Zittern  im  Körper  und   in  den  Armen,   Flimmern  und 


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Michaelis:  Kohlenoxydvergiftung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Schwarzweiden  vor  den  Augen,  Störungen  in  der  Empfin- 
dung mit  anÀsthetiscnem  Charakter,  Druck  oder  Klopfen  in 
den  SchlÀfen,  Schwere  und  Eingenommensein  des  Kopfes 
oder  ein  ZangengefĂŒhl  um  denselben,  und  vor  allem,  fast 
konstant,  Kopfschmerzen  in  der  SchlÀfen-  oder  noch  hÀufi- 
ger in  der  Stirngegend,  die  auch  intermittieren  und  so  stark 
werden  können,  daß  sie  nach  den  Angaben  von  Vergifteten 
den  Kopf  auseinanderzutreiben  scheinen.  Seltener  sind 
Schmerzen  im  RĂŒcken,  allgemeine  Gliederschmerzen  oder 
Schmerzen  in  den  Kniescheiben.  Ziemlich  konstant  ist 
Schwindel,  nicht  oft  entstehen  Gehör-  und  Gesichtshalluzi- 
nationen. Ferner  kommen  vor:  Beklemmung  beim  Atmen 
oder  das  GefĂŒhl  des  Luftmangels  ohne  Dyspnoe  und  ge- 
legentlich auch  ein  retrosternaler  oder  ein  unertrÀglicher 
Schmerz  in  der  Herz-  und  Magengegend.  Der  Puls  wird 
schneller,  kleiner,  auch  unregelmĂ€ĂŸig.  Bei  manchen  stellt 
sich  Schlummersucht,  bezw.  ein  GefĂŒhl  der  Ohnmacht  oder 
BetÀubung  bei  blassem,  fahlem  Gesicht  ein,  auch  ziemlich  oft 
Uebelkeit  und  Erbrechen  und  gelegentlich  Speichelfluß. 

Hieran  schließt  sich  das  Stadium  der  LĂ€hmung,  sodaß 
es  dann  dem  VerunglĂŒckten  nicht  mehr  möglich  ist,  aus  der 
Gefahrzone  zu  entrinnen.  Ist  es  doch  gar  nicht  so  selten, 
daß  wir  den  VerunglĂŒckten  direkt  vor  der  rettenden  TĂŒr  oder 
dem  Fenster  liegen  sehen.  Die  LÀhmung  hat  es  ihm  unmög- 
lich  gemacht,  das  Schloß  zu  öffnen.  Hierbei  schwindet  das 
Bewußtsein  bald. 

An  dieses  Stadium  sieht  man  sich  das  Stadium  dei 
motorischen  Erregung  anschließen.  Starkes  Zittern,  klonische 
KrÀmpfe,  welche  sich  zum  Tetanus  steigern. können,  Opisto- 
tonus,  Trismus  treten  auf. 

In  diesem  Stadium  habe  ich  nicht  selten  psychische  Er- 
regungszustĂ€nde —  sowohl  leichtester  als  auch  schwerster 
Art  —  hinzutreten  sehen,  oft  mit  lebhaftem  Rededrange. 

Das  Stadium  der  Dyspnoe  bildet  den  Schlußakt  dieser 
Tragödie.  WÀhrend  die  Gesichtsfarbe  im  ersten  Stadium  rot 
oder  blÀulich-rot  verfÀrbt  zu  sein  pflegt,  gewinnt  jetzt  das 
Gesicht  eine  cyanotische  Farbe;  es  wird  gedunsen,  die  Backen 
blasen  sich  oft  auf.  Schaum  tritt  vor  den  Mund,  die  Pupillen 
verlieren  ihre  ReaktionsfÀhigkeit,  die  Reflexe  erlöschen.  Die 
Asphyxie  nimmt  bis  zum  Tode  zu.  Charakteristisch  ist,  daß 
die  HerztÀtigkeit  lÀnger  anhÀlt  als  die  Atmung. 

Alle  diese  geschilderten  Symptome  finden  wir  selten  in 
einem  Fall  vereint.  Die  Prodom  alsymptome  können  voll- 
stÀndig fehlen.  Der  Betreffende  kann  so  schwer  reagieren, 
daß  er  sofort  hinfĂ€llt  und  stirbt. 

Die  Prognose  ist  mit  Vorsicht  zu  stellen.  Es  kann  in 
jedem  Stadium  wieder  vollstÀndige  Genesung  eintreten.  An- 
dererseits können  auch  leichtere  FÀlle,  welche  anscheinend 
glatt  abgeheilt  sind,  noch  nach  Tagen  und  Wochen  mit  töt- 
lichem  Ausgange  enden.  Insbesondere  ist  daran  zu  erinnern, 
daß  noch  nach  lĂ€ngerer  Zeit  Pneumonie  und  bei  einem  be- 
sonders disponierten  Individuum  Tuberkulose  auftreten 
kann. 

Daß  eine  Unfallneurose  sich  anschließen  kann,  und  zwar 
recht  hÀufig,  brauche  ich  wohl  nicht  zu  erwÀhnen. 

Haben  wir  im  Vorstehenden  ein  Allgemeinbild  der 
Kohlenoxydvergiftung  gegeben,  so  wollen  wir  im  folgenden 
noch  etwas  bei  den  einzelnen  Symptomen  verweilen. 

An  der  Ă€ußeren  Haut  sehen  wir  Oedeme  und  Aus- 
schlÀge auftreten,  in  der  Art  ihrer  Entstehung  noch  unge- 
klÀrt.' 

Ausgedehnter  sind  Erscheinungen  am  Respirations- 
traktus.  Blutungen  aus  Nase  und  Lungen  können  wir  nicht 
selten  beobachten.  Kehlkopf  und  Trachea  bieten  die  Zeichen 
der  EntzĂŒndung;  Glottisoedem  tritt  hinzu,  wie  auch  crou- 
pöse  Membranbildung. 

Der  Katarrh  der  Luftwege  kann  bis  in  die  feinsten 
Bronchiolen  sich  fortsetzen  und  zu  schwerem  Asthma  fĂŒhren. 
Lungenoedem  ist  nicht  selten. 

Nicht  als  ZufÀlligkeiten  können  wir  die  relativ  hÀufig 
auftretenden  Pneumonien  bezeichnen,  welche  eine  besonders 
schlechte  Prognose  haben,  wenn  sie  einen  tuberkulösen 
Menschen  befallen.   Andererseits  muß  man  sich  hĂŒten,  bei 


einem  Manne,  welcher  nach  einem  Kohlenoxydunfalle  an 
Lungentuberkulose  erkrankt,  immer  diesen  Unfall  Àtiologisch 
verantwortlich  zu  machen  und  immer  die  Lungentuberkulose 
als  Unfallfolge  zu  bezeichnen. 

Als  HerzschÀdigung  kennen  wir  Tachykardie  und  Puls- 
unregelmĂ€ĂŸigkeit erwĂ€hnen,  Herzbeschwerden  ohne  objek- 
tiven Befund  dĂŒrften  oft  psychogen  sein? 

Als  Störungen  des  Magen-Darmkanals  sind  Erbrechen 
und  unfreiwilliger  Stuhlabgang  zu  erwÀhnen,  ebenso  Blutun- 
gen in  Magen-  und  Darmschleimhaut. 

NierenschÀdigungen  schwererer  Art  sind  nicht  mit 
Sicherheit  auf  das  Kohlenoxyd  zurĂŒckzufĂŒhren. 

Zu  erwÀhnen  ist  ferner  hepatogener  Ikterus  und  der 
Diabetes,  »dessen  genaueres  Entstehen  noch  völlig  unge- 
klÀrt ist. 

Die  Störungen  am  Gesamtnervensystem  sind  recht  zahl 
reich.    Die  schon  erwĂ€hnten  Kopfschmerzen  sind  Ă€ußerst 
variabel,  bald  treten  sie  sofort  nach  dem  Einatmen  des  Gases 
ein,  bald  auch  erst  nach  verschieden  langer  Zeit. 

Neuritis  und  Neuralgie  in  den  peripheren  Nerven  — 
einfach  oder  multipel  —  zeigen  das  gleiche  Verhalten. 
HyperÀsthesie,  Hyperalgesie  sind  selten,  AnÀsthesie  wurde 
hÀufiger  beobachtet. 

Bekannt  ist  die  MuskelschwÀche,  das  LÀhmungsartige 
GefĂŒhl  in  den  ExtremitĂ€ten,  welche  die  UnglĂŒcklichen  noch 
an  der  rettenden  TĂŒr  oder  dem  Fenster  befĂ€llt  Bei  den  aus- 
gesprochenen LĂ€hmungen  ist  wohl  in  den  meisten  FĂ€llen 
eine  zentrale  Gehirn -RĂŒckenmarkslĂ€sion  anzunehmen.  Ana- 
tomisch hat  man  Erweichungsteile  im  Gehirn  und  RĂŒcken- 
mark gefunden. 

Es  kann  eine  typische  Hemiplegie  —  meist  rechts  — 
eintreten;  viel  seltener  sind  FĂ€lle  von  Paraplegie. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  LĂ€hmungen  mit  ihren  Folge- 
zustÀnden beobachtet  man  auch  schwere  Zittererscheinun- 
gen gleich  der  multiplen  Sklerose  mit  Intensionstremor, 
ferner  fibrillÀrc  Zuckungen  an  einzelnen  Muskelgruppen, 
sowie  im  Bereich  einer  ganzen  ExtremitÀt. 

Schließlich  seien  noch  die  klonischen  und  tonischen 
KrÀmpfe,  Bilder  einer  Chorea  und  Epilepsie  erwÀhnt. 

Was  nun  die  Vergiftungserscheinungen  an  den  Sinnes- 
organen betrifft,  so  sei  folgendes  hervorgehoben: 

Nystagmus  und  LĂ€hmungserscheinungen  der  Augen- 
muskulatur als  Folgekrankheit  ist  nicht  selten,  ferner  Er- 
weiterung der  Pupillen,  Pupillenstarre,  Ungleichheit  der  Pu- 
pillen, paradoxe  Pupillenreaktion,  sowie  Accommodations- 
störungen.  Die  Herabsetzung  des  Sehvermögens  ist  eine  schon 
lange  bekannte  Folgeerscheinung,  desgleichen  Blutungen  in 
der  Retina. 

Am  Ohr  macht  sich  Ohrsausen.  Ohrenschmerzen  und 
Herabsetzung  des  Gehörs  geltend. 

Geruchs-  und  Geschmacksstörungen  sind  keine  seltenen 
Erscheinungen. 

Tief  eingreifend  sind  die  Störungen,  welche  wir  am 
Zentralnervensystem  beobachten.  Der  Eintritt  der  Bewußt- 
losigkeit sowie  die  AnÀmie  wurden  bereits  oben  erwÀhnt: 
motorische  und  sensorische  Aphasie  werden  relativ  selten 
beobachtet. 

Die  klinisch"  interessanten  Kohlenoxydpsychosen  können 
—  als  allgemein  bekannt  —  nur  gestreift  werden. 

Wir  beobachten  ausgesprochene  manische  Erregungs- 
zustÀnde mit  Halluzinationen  und  TobsuchtsanfÀllen.  Diese 
können  sowohl  im  Begiime  der  Vergiftung  als  auch  spÀter 
noch  (bis  12  Tage  nach  dem  UnfÀlle)  auftreten.  Haben  diese 
ErregungszustÀnde  im  allgemeinen  eine  gute  Prognose,  so 
kann  dies  von  den  DepressionszustÀnden  nicht  gesagt  werden. 
Krankheitsbilder  Àhnlich  der  Korsakowschen  Krankheit, 
ausgesprochene,  meist  unheilbare  Demenz,  Pseudoparalyse, 
gleichend  der  Paralysis  progressiva,  sowie  Erscheinungen 
einer  multiplen  Skieröse,  sehen  wir  als  Folgen  der  Kohlen- 
oxyd vergi f tun g  auftreten.^ 

Haben  wir  bei  der  akuten  Form  der  Kohlenoxydvergif- 
tung ein  scharf  umschriebenes,  wohl  charakterisiertes,  wenn 
auch  sehr  variables  Krankheitsbild,  so  zeigt  die  chronische 


tirimme:  Bismogenol  585 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Form  dieser  Vergiftung  ein  wenig  charakteristisches  Aus- 
sehen. In  Betracht  kommen  alle  die  Arbeiter,  welche  in  den 
oben  charakterisierten  Betrieben  beschĂ€ftigt  sind,  außerdem 
rlĂ€tterinnesn,  KĂŒchenpersonal,  Schneider,  Heizer,  Gruben- 
arbeiter, Laboratorimnschemiker  und  Àhnliche  Berufe. 

Die  Befallenen  klagen  nur  ĂŒber  Kopfschmerzen,  Ohren- 
Busen,  Schwindel,  Uebelkeit,  Erbrechen,  Appetitmangel  und 
SchwÀche  in  den  Gliedern.  Verschieden  hoher  Grad  von 
Chlorose  und  AnÀmie  kann  konstatiert  werden.  Die  bis- 
weilen festgestellte  Albuminurie  ist  Àtiologisch  noch  nicht 
vollkommen  geklÀrt.  Das  Auftreten  allgemeiner  nervöser 
■rscheinungen  braucht  nach  den  obigen  AusfĂŒhrungen  nicht 
nĂ€her  begrĂŒndet  zu  werden. 

Als  Therapie  der  Kohlenoxydvergiftung  hat  sich  folgen- 
des bewÀhrt: 

Zuerst  bringe  man  den  VerunglĂŒckten  in  frische  Luft. 
Leichtere  FĂ€lle  von  Bewußtlosigkeit  reagieren  prompt  auf 
mechanische  Haut-  und  Schleimhautreize.  Begießen  mit 
kaltem  Wasser,  riechen  von  konzentrierter  EssigsÀure, 
kĂŒnstliche  Atmung,  Sauerstoffzufuhr  mit  Pulmotor  und 
Inhalat. -Apparat  haben  mir  in  zahlreichen  schweren  FĂ€llen 
ausgezeichnete  Dienste  geleistet;  daß  natĂŒrlich  auch  Ver- 
sager vorkommen,  darf  diese  Methode  nicht  verwerfen  lassen. 
In  schwersten  FĂ€llen  soll  sich .  ein  Aderlaß  mit  folgender 
Kochsalzinfusion  anschließen. 

Die  Muskelstarre,  besonders  der  Trismus,  löst  sich  nach 
einer  kurzen  Aethernarkose  dauernd. 

Alle  anderen  Gegenmittel  —  Ă€lteren  und  jĂŒngeren 
Datinns  —  haben  die  praktische  Probe  nicht  bestanden. 


Aus  dem  UniversitĂ€ts-Laboratorium  fĂŒr  Warenkunde, 
Hamburg. 

Allgemeines  ĂŒber  Bismogenol. 

Von  Dr.  Cl.  Grimme, 
Vorstand  der  chemischen  Abteilung. 

Die  Einreihung  des  Wismutmetalls  in  die  Reihe  der 
Antiluetica  erregt  sicherlich  allgemeines  Interesse,  zumal 
diese  neue  Therapie  zum  Teil  schon  recht  erfreuliche  Erfolge 
aufzuweisen  hat. 

Ich  hatte  Gelegenheit,  das  neue  Wismut-PrÀparat  Bis- 
mogenol*) nÀher  zu  studieren,  sowohl  in  seiner  Ursubstanz 
Äls  auch  in  der  gebrauchsfertigen  Injektionsform.  Erstere 
erkannte- ich  als  amorphes,  fĂŒhlloses  Pulver,  welches  frei 
war  von  scharfen  Kristallkanten.  Ich  erwÀhne  dies  letztere 
Tatsache,  weil  infolge  dieses  Vorzuges  mechanische  Reizun- 
gen bei  Injektionen  vermieden  werden.  Der  Gehalt  an  metal- 
lischem Wismut  belief  sich  auf  58—59  %.  In  chemischer  Be- 
ziehung spreche  ich  das  Bismogenol  als  Bismutbyl - Verbi n- 
dung  einer  OxybenzoesÀure  an.  Infolge  besonderer  Lagerung 
des  Wismut-Restes  (Bismuthyl  ==  BiO)  und  bedingt  durch 
den  Fabrikationsgang  ist  die  Verbindung  eine  so  komplexe 
und  voluminöse,  daß  diese  Tatsache  sicherlich  dazu  beitrĂ€gt, 
gute  VertrÀglichkeit  zu  erzielen. 

In  toxikologischer  Beziehung  stellt  Bismogenol  eine 
völlig  ungiftige  Verbindung  dar. 

Die:  gebrauchsfertige  Injektionsform  ergab  bei  makro- 
skopischer PrĂŒfung  eine  fein  verteilte  emulsionsartige  Masse 
Ohne  Bindungsmittel.  Als  TrÀger  war  bestes  Olivenöl  nach- 
weisbar, das  durch  ein  besonderes  Verfahren  entsÀuert  ist, 
so  daß  auch  hierdurch  jegliche  Reizwirkung  unmöglich  ist. 

Meines  Erachtens  hat  das  Bismogenol  vor  der  Tartrat- 
■erbindung  der  Franzosen  (PrĂ€parat  Trepol)  große  VorzĂŒge. 
Im  Vergleich  zu  der  spezifisch  schweren  und  kristallinischen 
Wismut-Form  des  Trepols  kommt  dem  Bismogenol  unstreitig 
die  amorphe  und  voluminöse  Eigenschaft  außerordentlich  zu- 
statten. 

Hoffentlich  ist  es  der  deutsehen  Wissenschaft  vergönnl, 
auf  dem  jĂŒngst  beschriltenen  neuen  Wege  rĂŒstig  fortzu- 
schreiten.   Nach  den  *mir  vom  Verfasser  der  Arbeit  ĂŒber 

*)Hersteller:  E.  Tosse  &  Co.,  Hamburg."" 

k   :  " 


Bismogenol-Anwendung  zur  VerfĂŒgung  gestellten  Unterlagen 
ist  das  neue  PrÀparat  Bismogenol  selir  wohl  imstande,  in 
der  neuen  Therapie  eine  Hauptrolle  zu  spielen. 

Überoiick  ĂŒber  die  geschichtliche  Entwicklung 
der  Hsycaiatrie  im  klassischen  Altertum. 

Von  relix  Keinhard,  DĂŒsseldorf 

FĂŒr  prĂ€historische  leiten,  deren  ZustĂ€nde  wir  im  Wesent- 
nuien  aus  ĂŒenen  uer  Heutigen  primitiven  erschhenen,  ist  es 
typisen,  uan,  wie  ane  inneren  Krankheiten,  so  besonders  aie 
ueisie&iaanAiieuen,  iur  uamonenweik,  „besessenneif,  gehal- 
ten weruen.  nntspiecnend  ist  aie  merapie  aoergiauoiscn  una 
mystisch  una  verwendet  nur  gelegentlich  aucn  ernpiriscne  Mit- 
tel. Aunanena  ist  aas  vorkommen  in  vivo  trepanierter  bena- 
aei  in  anesten  runastatten;  sie  sind  zeugen,  oan  in  frĂŒher 
urzeit  der  Mensen  den  rvopi  seines  Mitmenscnen  wegen 
Kopisciimerzen,  wanrscneiniiui  aDer  auch  wegen  ueistessto- 
rungen  (tpuepsie  z.  ö.)  operativ  zu  öttnen  wagte.  —  Die  irren 
wurden  von /primitiven  voiKern  im  angemeinen  rĂŒcksichtsvoll, 
„nĂŒman",  benandelt. 

in  den  alten  orientalischen  Kulturstaaten,  wie  Babylon 
und  Ägypten,  entwickelten  sien  neben  den  der  Lnmitiven  ana- 
logen, aamonistischen  Anschauungen  die  Anlange  wissen- 
scnaniicner  betracntungsweise.  in  beiden  Landern  galt  als 
bitz  der  ueistesKrankneiten  das  Merz,  da  man  giauote,  uan"  die 
„beete"  sien  vom  nerzen  aus  ais  Blut  (Babylon;  oder  Luit 
Ȁgypten)  durch  die  Adern  bewege. 

in  onechenland  herrschte  der  Glaube  an  Besessenheit 
auch  noch  in  historischer  z.eit;  rieilung  brachte  die  LhtsĂŒn- 
nung  ourch  zauderkundige  Magier,  an  neingen  Urten,  auich 
mester  und  Mystenenkuite.  Griechenland  ist  aber  zugleich 
die  Wiege  der  abendlÀndischen  Wissenschaft,  die  in  gerader 
Linie  dorther  stammt.  Die  Àlteste  Blute  oer  praktischen  wis- 
senschaftlichen Medizin,  der  nippokratismus  (rirppocrates 
lebte  von  40U — Sit  v.  Our.)  braente  auch  sogieien  eine  völlig 
geistig  neie,  wissenschaftliche  Auffassung  uer  ueisteskrankhei- 
ten.  uas  ist  das  grone  Verdienst  des  nippokratismus  in  der 
oeschichte  der  Psychiatrie  —  die  Lrkenntnis,  daii  auch  die 
Geisteskrankheiten,  wie  alle  Krankheiten,  natĂŒrliche  VorgĂ€nge 
sind,  nicht  mehr  und  nicht  weniger  göttlich  ooer  nichtgottheh 
ais  jede  andere  Krankheit.  Mit  scharfer  Ablehnung  aller 
superstitiösen  Ätiologie  und  lherapie  wird  das  im  hippokra- 
tischen  Korpus  ausfĂŒhrlich,  mit  aller  Deutlichkeit  und  ohne 
jede  Konzession  ausgesprochen  (bes.  in  „Heil.  Krkh.").  Es  ist 
geradezu  eine  Àrztliche  Weltanschauung,  acr  der  Hippokratis- 
mus  mit  dieser  Erkenntnis  und  ihrer  VerkĂŒndigung  die  Bahn 
gebrochen  hat.  Alles  Erkranken,  auch  das  psychische,  ist  ein 
rein  naturgemĂ€ĂŸes  Geschehen,  aber  niemals  irgend  eine  Stö- 
rung der  Ordnung  der  Natur  durch  wie  auch  immer  beschaf- 
fene ĂŒbernatĂŒrliche  KrĂ€fte.  Wie  natĂŒrliche  VerhĂ€ltnisse  die 
Krankheiten  heilen,  so  erzeugen  auch  natĂŒrliche  Ver- 
hĂ€ltnisse die  Krankheiten.  So  kann  man  das  berĂŒhmte  Hippo- 
kratische  Wort,  vovgoov  yvoug  i^goi,  sinngemĂ€ĂŸ  erweiternd, 
umschreiben.  Geisteskrankheit  ist  gleich  Körperkrankheit; 
Störungen  der  SÀfte  und  QualitÀten  des  Körpers  sind  ihre  Ur- 
sachen. Das  ist  allgemeine  Überzeugung  der  „Asklepiaden"; 
die  Frage  aber,  was  denn  der  „Geist",  wenn  er  nichts  DĂ€moni- 
sches, UbernatĂŒrliches  ist,  eigentlich  sei,  gebiert  in  Griechen- 
land zum  ersten  Male  ein  heißes  Ringen  um  Erkenntnis  des 
innersten  Wesen  der  Natur  und  des  Menschen,  ein  Ringen, 
aus  dem  auch  die  AnfÀnge  der  wissenschaftlichen  Psychologie 
erwuchsen. 

Zwei  Begriffe  hatten  zur  Zeit  beginnender  Wissenschaft 
Mythologie  und  Volks  Vorstellung  entwickelt:  die  vom  Körper 
und  Körperstoffe  verschiedene,  schattenhafte  „Psyche",  die 
nach  dem  Tode  als  selbstÀndiges  Wesen,  aber  ziemlich  be- 
wußtlos, im  „Reiche  der  Schatten"  weitervegetiert,  im  leben- 
digen Menschenleibe  aber,  außer  im  Traume,  sich  durchaus 
inaktiv  verhÀlt;  daneben  den  'h'fiug  =  Begriff,  die  fetisch- 
istisch gefÀrbte  FunktionsfÀhigkeit  aller  Organe,  allen  Kör- 


Reinhard:  Entwicklung  der  Psychiatrie  im  klassischen  Altertum 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


pergewebes,  durch  die  das  GefĂŒhl  in  das  „Fleisch"  des  ganzen 
Körpers,  das  Sehen  in  die  Augen,  das  Denken,  FĂŒhlen  und 
Wollen  aber,  also  die  „seelischen"  Funktionen  des  lebendigen 
Menschen,  in  das  Zwerchfell  verlegt  werden. 

Der  wissenschaftlich  denkende  Grieche  neigte  von  vorn- 
herein dem  ĂŒ-vfiög- Begriffe  zu:  es  war  ihm  einleuchtend,  daß 
das  Geistige  eine  Eigenschaft  aller  Materie,  und  die  materielle 
Bewegung  das  Wesen  dieses  Geistigen  sei  bezw.  offenbare. 
Ein  Rest  des  Psyche-Begriffes  erhielt  sich  einzig  vielleicht  in 
dem  Bestreben,  einen  bestimmten,  Stoff  als  spezifischen 
Seelen-  und  Weltenstoff  zu  finden,  wobei  man  auch  bald  auf 
die  Luft,  als  das  Analogon  der  „hauchartigen"  Psyche  verfiel. 

In  der  frĂŒhesten  medizinischen  Wissenschaft  traten 
schließlich  zwei  Ansichten  hervor  und  einander  gegenĂŒber: 
die,  von  Empedokles  inaugurierte,  von  der  Blutseele  mit  dem 
Herzen  als  Zentrum,  der  die  knidische  Schule  sich  anschloß, 
und  die  durch  Diogenes  von  Apollonia  populÀr  gewor- 
dene, von  der  Luftseele  mit  dem  Sitze  im  Gehirn,  von  alters- 
her  koische  Doktrin.  Das  Gehirn  zuerst  als  Seelensitz,  als 
Zentralorgan  aller  geistigen  TÀtigkeit  erklÀrt  zu  haben,  ist 
die  wissenschaftliche  Tat  des  alten  Arztes  A 1  k  m  a  e  o  n  von 
Kroton  (za.  500  v.  Chr.).  SpÀter  bekehrten  sich  unter  dem 
Zwang  der  allgemeinen  wissenschaftlichen  Anerkennung  auch 
die  jĂŒngeren  Knider  zur  „Pneumaseele",  beließen  aber  das 
Herz  als  Zentrum.  —  Das  ist  in  groben  Umrissen  die  wissen- 
schaftliche Psychologie,  auf  deren  Boden  z.  Zt.  des  H  i  p  p  o  - 
k  r  a  t  e  s,  ja,  man  kann  wohl  sagen  das  ganze  klassische 
Altertum  hindurch,  Psychiatrie  betrieben  wurde. 

Die  koische  Schule  hat  das  Verdienst,  alle  Zeit  den  Grund- 
satz vertreten  zu  haben:  Das  Gehirn  ist  das  Organ  der  Geistes- 
tÀtigkeit, und  Geisteskrankheiten  sind  daher  Gehirnkrankheiten. 
Schriften  dieser  Schule  sind  es  auch,  in  denen  sich  zweifellos 
als  Folge  des  durch  die  stÀndige  Voranstellung  exakter  Kran- 
kenbeobachtung geschÀrften  klinischen  Blickes  die  besten  Be- 
schreibungen einiger  Zustandsbilder  echter  Psychosen  finden. 
Das  ist  in  der  hellenischen  Medizin  selten,  da  man  —  wohl 
durch  die  Entschiedenheit,  mit  der  man  an  der  rein  somatischen 
Natur  der  geistigen  Störungen  als  Errungenschaft  festhielt  — 
reine  Psychosen,  primÀre  Hirnstörungen,  und  psychische 
Symptome  bei  primÀr  anders  bedingten  Krankheiten  noch 
nicht  scharf  sonderte. 

Sprachstörungen,  Halluzinationen,  Delirien  und  sonstige 
Bewußtseinsstörungen  werden,  namentlich  von  den  Koern  in 
der  ihnen  gelÀufigen  Weise,  hinsichtlich  ihrer,  hÀuptsÀchlich 
prognostischen,  Beziehungen  zu  allen  möglichen  sonstigen, 
somatischen  Symptomen  abgehandelt.  —  Bis  in  die  neueste 
Zeit  hinein  Jiat  die  Medizin  zwei  Krankheitsschilderungen 
als  selbstĂ€ndige  „Psychosen"  mitgeschleppt,  deren  Aufstellung 
der  Konfundierung  von  psychischer  Grundkrankheit  und  psy- 
chischem Symptom  entsprungen  ist,  den  Lethargus,  einen  so- 
porösen  Zustand  beliebiger  Ätiologie,  und  die  Phrenitis,  im 
wesentlichen  das  Bild  schwerer  agitierter  Fieberdelirien,  wie 
sie  namentlich  bei  Pneumonien,  Abdominaltyphus,  schweren 
Malariaformen  u.  a.  vorkommen  können.  —  Auch  die  Epilep- 
sie wurde  ihrem  Wesen  nach  den  ĂŒbrigen  Geistesstörungen 
gleichgestellt,  galt  doch  gerade  sie  den  Koern  als  eine  ausge- 
sprochene Affektion-  des  Gehirns  durch  kalten  Schleim,  den 
Knidiern  aber,  entsprechend  ihren  psychologischen  Anschau- 
ungen, als  Affektion  ihres  supponierten  Seelenstoffes  bezw. 
-Sitzes.  Ja,  gerade  dieses  Leiden  mit  seinem,  wenn  auch  nur 
vorĂŒbergehenden,  doch  totalen  Bewußtseinsschwund  und  den 
sinnlos  zappelnden,  rasenden  Gliederverrenkungen  scheint  den 
Griechen  als  Seelenstörung  Kat'  dxtfp  gegolten  zu  haben,  wie 
auch  die  Benennung  „heilige  Krankheit"  andeutet.  Grund- 
sÀtzlich in  derselben  Weise  wird  auch  die  Apoplexie  als  Stö- 
rung der  „Zentralorgane"  angesehen  und  Ă€tiologisch  (Potus 
usw.)  und  klinisch  (Kreuzung!)  gut  erfaßt. 

Bei  dieser  rein  somatischen,  pathologischen  und  klini- 
schen Krankheitsauffassung  gelang  den  Flippokratikern  nur 
einio-ermaßen  die  Herausarbeitung  zweier  Krankheitsbilder, 
die  echte  Fsychosen  im  modernen  Sinne  darstellen;  es  sind 
das  die  beiden,  durch  ihre  GegensÀtzlichkeit  und  ihre  extremen 


Erscheinungen  selbst  der  laienhaften  Beobachtung  als  Typen 
auffallenden  Bilder  der  Manie  und  Melancholie  —  die  „Tob- 
sucht" und  die  „Schwermut".  Erstere  reprĂ€sentiert  den  un- 
ruhigen, aktiv  erregten  abnormen  Seelenzustand,  letztere  die 
tieftraurige  und  Àngstliche,  passive  Niedergeschlagenheit:  die 
extreme  normale  Freude  und  Traurigkeit  oder  im  Sinne  der 
griechischen  Temperamentenlehre  die  extremen  Grade  des 
vereinigten  cholerischen  und  sanguinischen,  bezw.  melancholi- 
schen und  phlegmatischen  Temperamentes.  Da  nirgends  im 
Korpus  eine  zusammenhÀngende  Darstellung  grundsÀtzlicher 
psychiatrischer  Gesichtspunkte  oder  psychiatrischer  Systematik 
gegeben  wird,  sondern  nur  gelegentlich  psychische  Krankheits- 
erscheinungen unter  den  gewöhnlichen  Bildern  innerer  Krank- 
heiten erwÀhnt  oder  eingereiht  werden,  so  lassen  sich  auch 
keine  scharf  umrissenen  Typen  dieser  beiden  Krankheiten  her- 
ausschĂ€len, ja,  es  ist  sogar  wahrscheinlich,  daß  die  Hippokra- 
tiker  selbst  unter  den  beiden  Formen  noch  nicht  durchaus  Ein- 
heitliches begriffen.  Am  meisten  noch  nÀhert  sich  die  Melan- 
cholie dem  modernen  Begriff.  —  Von  den  ĂŒbrigen  psychischen 
Erkrankungen  im  modernen  Sinne  gilt  prinzipiell  dasselbe: 
nirgends  hört  man  etwas  von  einer  geschlossenen  Sondergruppe 
der  „Psychosen"  innerhalb  der  Gesamtheit  der  inneren  Leiden, 
wo  aber  gelegentlich  ein  reines  psychisches  Krankheitsbild 
gegeben  wird,  ĂŒberrascht,  namentlich  bei  den  Koern,  die 
Sicherheit,  mit  der  der  Àrztliche  Beobachter  das  Charakteris- 
tische des  Zustandsbildes  erfaßt  hat;  so  vor  allen  bei  den,  lei- 
der nur  ganz  wenigen,  schönen  Beschreibungen,  die  die  mo- 
derne Systematik  als  Zwangsirresein  und  akute  Demenz  be- 
.zeichnen  wĂŒrde,  und  einigen  anderen. 

Die  psychiatrische  Therapie  ist  bei  den  Hippokratikern 
noch  wenig  charakteristisch,  symptomatologisch  bedient  man 
sich  der  ĂŒblichen  Mittel  und  Methoden;  medikamentös  spielt 
seit  altersgrauer  Zeit  der  Helleborus  eine  Rolle.  WĂ€hrend  er- 
zĂ€hlt wird,  daß  schon  die  Pythagoreer  (Pythagoras  lebte 
zwischen  600  und  500  vor  Christi),  die  freilich  in  der  Heil- 
praxis der  Mystik  stark  ergeben  waren,  und  auch  Demo- 
k  r  i  t  o  s  (ca.  470—370  v.  Chr.)  die  Musik  als  Heilmittel  fĂŒr 
Seelenkranke  rĂŒhmten,  hören  wir  von  den  Hippokratikern 
nichts  ĂŒber  psychische  Irrenbehandlung,  vielleicht  eine  be- 
greifliche, einseitig  ĂŒbers  Ziel  schießende  Reaktion  der  gerade 
jung  errungenen  freien  Einstellung  gegen  alles  Mysteriöse. 

An  den  grundsÀtzlichen  psychiatrischen  Anschauungen 
der  Hippokratiker  wurde  das  ganze  Altertum  hindurch  fest- 
gehalten, wie  ja  die  ganze  antike  griechische,  die  hellenistische 
und  die  römische  Medizin  nur  eine  Ausgestaltung  der  hippo- 
kratischen  in  die  Breite  und  Tiefe  ist.  Wohl  werden  mit 
Wachsen  der  realen  Erfahrungen  die  Krankheitsbilder  schÀrfer 
erfaßt,  auch  wechselnde  Versuche  zu  systematischer  Eintei- 
lung auf  der  Grundlage  theoretischer  Vorstellungen  ĂŒber  das 
pathologische  Geschehen  sowohl,  wie  an  Hand  der  Zusam- 
mengehörigkeit der  klinischen  Bilder  versucht,  aber  das  We- 
sentliche, die  rein  somatische  Natur  der  Geistesstörungen, 
wird  dauernd  festgehalten,  die  Abneigung,  ihnen  irgendwelche 
Sonderstellung  im  System  der  inneren  Krankheiten  einzurÀu- 
men, erst  gegen  Ende  der  Antike  nur  teilweise  ĂŒberwunden. 

Die  Dogmatik  nach  Hippokrates  bringt  nichts  we- 
sentlich Neues;  das  Pneuma  wird  allgemein  als  Seelenstoff 
anerkannt,  doch  der  Seelensitz  schwankt  noch,  sodaß  von  den 
beiden  grĂ¶ĂŸten  Philosophen  der  Zeit,  Aristoteles  (384 
bis  322)  sich  fĂŒr  das  Herz,  P  1  a  t  o  n  (427—347)  fĂŒr  das  Hirn 
entscheidet.  Letzterer  Ă€ußerte  auch  einige  selbstĂ€ndige  Ge- 
danken ĂŒber  geistige  Krankheiten;  bei  seiner  starken  dichteri- 
schen und  mystischen  Veranlagung  unterscheidet  er  die  mysti- 
sche Ekstase  von  der  krankhaften.  Er  nÀhert  sich  bereits  einer 
Sonderauffassung  der  seelischen  Störungen  als  Störungen 
ohne  nachweisbares  somatisches  Korrelat,  wenn  er  ihre  Ver- 
wandtschaft mit  den  Leidenschaften  und  Lastern  betont.  Außer- 
dem betont  er  aber  auch  den  Zusammenhang  von  körperlicher 
und  geistiger  Gesundheit  im  Sinne  des  „mens  sana  in  corpore 
sano".  Die  psychische  Behandlung  hebt  er,  der  Kenner  pytha- 
goreischer Weisheit  und  Praxis,  hervor  und  preist  als  beste 
DiÀtetik  der  Seele  und  Prophylaktikum  gegen  geistiges  Er- 
kranken die  BeschÀftigung  mit  Musik  und  Philosophie. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/10. 


Standes  fragen  und  soziale  Medizin 


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IP-     Die  Alexandriner,  H  e  r  o  p  h  i  1  o  s   und  Erasistra- 
jlt  os  (beide  zwischen  300—200  v.  Chr.  lebend),  sind  bedeut- 
j!  sam  als  die  ersten  und  sogleich  grundlegenden  Bearbeiter  der 
!?fAnatomie  und  Physiologie  des  Nervensystems.    Man  sucht 
den  Seelensitz  im  Gehirn,  kann  ihn  natĂŒrlich  nicht  finden  und 
schwankt  zwischen  Groß-  und  Kleinhirn,  HirnhĂ€uten,  -Win- 
dungen und  -Ventrikeln.  Reeller  war  die  exakte  Erkenntnis  der 
Nerven  durch  ihre  definitive  Abtrennung  von  Sehnen  und  Ge- 
fĂ€ĂŸen, so  wie  die  Unterscheidung  von  Empfindungs-  und  Be- 
wegungsnerven. 

Asklepiades  (geb.  120  v.  Chr.),  der  die  hellenisti- 
j  sehe  Medizin  ca.  90  v.  Chr.  nach  Rom  brachte  und  zum  ersten 
!  Male  den  atomistischen  Materialismus  konsequent  als  grund- 
;  legende  Theorie  der  Heilkunde  ausbaute,  der  Vater  der  Àrzt- 
j  liehen  Sctu^le  der  Methodiker,  stand  natĂŒrlich  streng  auf  dem 
Standpunkte,  Geisteskrankheit  ist  Körperkrankheit.   Im  Gegen- 
satz zu  der  hippokratisch-dogmatischen  Periode  schwinden 
:  mit  Asklepiades  alle  Betrachtungen  ĂŒber  SĂ€ftedyskrasien 
)  und  Pneuma-Anomalien  aus  der  Pathologie  und  höchstens  der 
ĂŒbermĂ€ĂŸig  aktive  Zustand  des  allgemeinen  Körpertonus,  der 
|  Status  striktus  oder  die  Spannung,  und  andererseits  der  ĂŒber- 
mĂ€ĂŸig passive,  der  status  laxus  oder  die  Schlaffheit  der  Ge- 
webe, gelten  als  Einteilungsprinzip;  der  Vorteil  dieses,  schon 
von  den  alexandrinischen  Empirikern  auf  dem  Boden  der  phi- 
losophischen Skepsis  vorbereiteten  Standpunktes  war  die  desto 
sorgfÀltigere  BeschÀftigung  mit  der  Klinik  der  Krankheiten, 
einschließlich  der  Therapie.     Des  Asklepiades  unge- 
wöhnliches VerstĂ€ndnis  fĂŒr  das  BedĂŒrfnis  der  lebendigen 
Praxis  ließ  ihn  auch  zum  ersten  Male  neben  der  somatischen 
den  hohen  Wert  der  psychischen  Behandlung  der  Geistes- 
kranken erkennen.    Individualisieren,  diesen  echt  hippokrati- 
schen  Grundsatz,  betÀtigte  er,  der  sonst  den  Hippokrates 
so  sehr  verachtete,  da  er  ihn  mit  seinen  dogmatischen  SchĂŒ- 
lern verwechselte.    Der  große  Wert  aller  hygienisch-diĂ€teti- 
schen Maßnahmen  gerade  fĂŒr  Nerven-  und  Geisteskranke  v/ar 
ihm  klar:  Massage,  BÀder,  SpaziergÀnge,  warme  und  kalte 
Abreibungen  wandte  er  an,  wÀhrend  er  den  bei  den  Kollegen 
beliebten  Aderlaß  verwarf;  auch  um  die  Auswahl  der  Speisen 
-und  die  Regelung  des  Beischlafes  kĂŒmmerte  er  sich.  Durch 
die  spezifisch  psychische  Therapie  hoffte  er  die  Zwangsmittel, 
die  die  damalige  psychiatrische  Praxis  noch  nicht  entbehren 
zu  können  glaubte,  möglichst  einschrÀnken  zu  können.  Er 
berĂŒcksichtigte  die  Wirkung  einer  hellen  oder  dunklen  Um- 
gebung auf  die  kranke  Psyche,  versuchte  die  Seele  durch  Mu- 
sik und  Gesang  gĂŒnstig  zu  beeinflussen  usw.    Freilich,  zur 
völligen  Aufgabe  der  Zwangsmittel  konnte  auch  er  sich  noch 
nicht  entschließen.  (Schluß  folgt.) 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Erhöhung  der  SĂ€tze  der  Preußischen  GebĂŒhrenordnung. 

Die  preußische  GebĂŒhrenordnung  vom  15.  MĂ€rz  1922  sieht  im 
§  13  der  Allgemeinem  Bestimmungen  einen  Ausschuß  vor,  Welcher 
in  jedem  Vierteljahr,  erstmalig  im  September  1922,  nachprĂŒft, 
ob  die  GebĂŒhrensĂ€tze  dem  jeweiligen  Teuerungszustand 
entsprechen.  Die  4  Àrztlichen  Mitglieder  des  Ausschusses  werden 
vom  Aerztekammeraussch>uß  ernannt,  3  weitere'  stellen  die  Ver- 
sicherungstrĂ€ger, und  ein.  viertes  der  Minister  außer  dem  Vor- 
sitzenden. Die  sprunghafte  Teuerung  hat  es  zuwege  gebracht, 
daß  der  Septembertermin  fĂŒr  die  Sitzung  des  Ausschusses  nicht 
innegehalten  werden  konnte.  Die  Sitzung  fand  schon  am  30.  Juni 
Statt,  und  zwar  unter  Zubilligung  von  5  Mitgliedern  fĂŒr  den 
Kammerausschuß  und  von  4  fĂŒr  die  VersicherungstrĂ€ger.  Eine 
Einigung  konnte  in  dieser  Sitzung  noch  nicht  erzielt  werden. 
'Auch  nicht  in  einer  zweiten  Sitzung  am  14.  Juli.  Das  letzte  Wort 
hatte  sodann  der  Minister  fĂŒr  Volkswohlfahrt,  der  unter  dem 
20.  Juri  die  Verordnung  herausgab,  wonach  vom  1.  Juli  1922  ab 
Zu  den  SĂ€tzen  der  GebĂŒhrenordnung  ein  Teuerungszuschlag  von 
45%  tritt. >  Von  sonstigen  Aenderungen,  ist  noch  die  Zusammen- 
setzung des  Ausschusses  zu  erwÀhnen,  die  in  dem  Sinne  erfolgte, 
daß  sich  der  Ausschuß  in  Zukunft  zusammensetzt  aus  einem  vom 
Minister  zĂŒ  ernennenden  Vorsitzenden,  aus  vier  von  den  großen 
HauptverbÀnden  gewÀhlten  Vertretern  der  Reichversicherungs- 
trÀger, aus  einem  von  Minister  zu  bestimmenden  Mitgliede,  ferner 
aus  5  vom  Acrzlekarnmcrausschjuß  zu  benennenden  Aerzten. 


Der  große  Fehler  der  GebĂŒhrenordnung  besteht  darin,  daß  (Iii- 
SĂ€tze  den  Ereignissen  nachhinken.  Die  neubcstimmlen  GebĂŒhren 
sind  durch  die  sprunghafte  Teuerung  der  letzten  Wochen  lÀngst 
ĂŒberholt,  der  Teuerlingszuschlag  ist  also  lĂ€ngst  veraltet.  Tritt 
nun,  was  allerdings  nicht  zu  erwarten  ist,  eine  ErmĂ€ĂŸigung  des 
Lebenshallungsindex  ein,  dann  ist  zu  befĂŒrchten,  daß  der  Ausschuß 
oder  der  Minister  diese,  und  nicht  die  vorangegangene  Teuerung 
zur  Festsetzung  der  GebĂŒhren  verwertet.  Dadurch  gehen  uns 
Werte  verloren,  die  fĂŒr  den  kĂŒmmerlichen  Haushalt  des  Arztes 
nicht  ohne  Bedeutung  sind.  Bichtiger  wÀre  die  automatische  Re- 
gulierung  nach  dem  Monatsindex,  wie  das  vielfach  schon  jetzt 
fĂŒr  die  kassenĂ€rztlichen  Honorare  und  fĂŒr  die  ortsĂŒbliche  Rege- 
lung der  Privathonorare  gilt.  Alexander. 

Das  Rote  Kreuz  in  der  Krankenpflege. 
Das  Rote  Kreuz  hat  angesichts  der  vollstÀndigen  VerÀnde- 
rung und  des  Abbaus  des  deutschen  HecressanitÀtswesens  seine 
ursprĂŒnglichen  Ziele,  nĂ€mlich  die  FĂŒrsorge  fĂŒr  die  Verwundeten 
und  die  Vorsorge  fĂŒr  die  dazu  nötigen  Einrichtungen  auf  ein 
Mindestmaß  reduzieren  mĂŒssen.  Es  hat  zwar  stets  in  Friedens- 
zeiten auch  in  allen  Zweigen  der  Wohlfahrtspflege  eine  segens- 
reiche TĂ€tigkeit  entfaltet,  doch  erschien  diese  mehr  als  eine 
nebenamtliche.  Nun  hat  das  Rote  Kreuz  seit  dem  Frieden  ver- 
sucht, sich  auf  die  öffentliche  Wohlfahrtspflege  mehr  als  bisher 
umzustellen,  aber  innerhalb  der  Reihen  der  Organisation  ent- 
standen Differenzen  und  Abbröckelurigen.  Da  nun  das  A  b  - 
zeichen  des  Roten  Kreuzes  staatlich  geschĂŒtzt  war,  entstand 
die  Gefahr,  daß  die  dissentierenden  Elemente,  besonders  auf  dem 
Gebiete  der  Krankenpflege,  mit  dem  staatlichen  Schutze 
Mißbrauch  trieben.  Auf  Grund  dessen  hat  sich  eine  neue  Verein- 
barung ĂŒber  die  Erteilung  der  Erlaubnis  zum  Gebrauche  des  Ab- 
zeichens fĂŒr  die  freiwillige  Krankenpflege  als  notwendig  er- 
wiesen. Der  Reichsminister  des  .  Innern  hat  deshalb  im  Einver- 
nehmen sÀmtlicher  Landesregierungen  angeordnet,  die  Erlaubnis 
nur  denjenigen  Vereinen  einschließlich  der  Ritterorden  und  geist- 
lichen Orden  zu  erteilen,  welche  sich  im  deutschen  Reiche  der 
Krankenpflege  widmen  und  durch  eine  Bescheinigung  des  Reichs- 
ministeriums des  Innern  nachweisen,  daß  sie  zur  UnterstĂŒtzung 
des  amtlichen  SanitÀtsdienstes  bei  öffentlichen  NotstÀnden  und 
bei  inneren  Unruhen  zugelassen  sind.  Zur  Entscheidung  ĂŒber  die 
Zulassung  sind  folgende  GrundsÀtze  aufgestellt:  Die  Vereinigung 
hat  sich  zu  verpflichten,  im  Bedarfsfalle  zur  UnterstĂŒtzung  des 
amtlichen  SanitÀtsdienstes  mindestens  die  HÀlfte  ihres  Personal  , 
zur  VerfĂŒgung  zu  stellen.  Die  Vereinigung  muß  mindestens  10 
Mitglieder  und  einen  Vorstand  haben,,  der  der  Ortspolizeibehörde 
und  dem  zustÀndigen  beamteten  Arzt  einwandsfrei  erscheint.  Die 
Mitglieder  mĂŒssen  unbescholten  sein.  Das  Personal  muß  körper- 
lich leistungsfÀhig  und  technisch  vorgebildet  sein  durch  min- 
destens einjÀhrige  PflegetÀtigkeit  in  einem  Krankenhause  und 
eine  besondere  PrĂŒfung.  Die  Vereinigung  hat  fĂŒr  Wiederhol'rings- 
kurse  Sorge  zu  tragen.  Sie  hat  die  Dienstkleidung  zu  stellen. 

Alexander. 

Der  Bayrische  Aerztetag  (LandesÀrztekammer). 
Auch  der  4.  Bayrische  Aerztetag,  der  am  8.  und  9.  Juli  in 
NĂŒrnberg  abgehalten  wurde,  hatte  eine  ĂŒber  die  lokalen  Ver- 
hÀltnisse hinausragende  Bedeutung.  Nach  dem  vorliegenden  Be- 
richt hatten  besonders  die  neue  Standesgerichtsordnung 
und  der  Stand  der  A  e  r  z  t  e  v  c  r  s  o  r  g  u  n  g  lebhaftes  Interesse 
erweckt.  Bayern  entbehrt  noch  einer  gesetzlich  festgelegten  staat- 
lichen Standesorganisation.  Die  bayerischen  Aerztekammern.  die 
auf  Wahlen  der  Bezirksvereine  aufgebaut  sind,  sind  zwar  vom 
Staate  anerkannt,  haben  aber  keine  Zwangsbefugnisse,  insbes. 
kein  auf  die  Gesamtheit  der  Aerzte  zutreffendes  Umlagerecht,  und 
keine  mit  staatlichen  Hoheitsrechten  ausgestaltete  Ehrengericht s- 
barkeit.  Da  die  Aussichten,  dieses  Ziel  zu  erreichen,  gering  zu 
sein  scheinen,  ist  nun  eine  alle  Bezirksvereine  bindende  St  an 
desgerichtsordnung  von  kundiger  Seite  ausgearbeitet  und 
vom  Aerztetage  beschlossen  worden.  Die  Gerichtsverfassung  ist 
bis  in  die  kleinsten  Einzelheiten  durchgefĂŒhrt,  und  betrifft  das 
Vermittlungs-  und  das  eigentliche  Ehrengerichtsverfahren.  Letzte- 
rem fehlt  natĂŒrlich  die  Pflicht  der  Zeugenaussage  und  der  Slraf- 
befolgung  durch  diejenigen  Kollegen,  die  außerhalb  der  Bezirks- 
vereine stehen,  und  das  sind  meist  diejenigen,  die  durch  das  Ver- 
fahren am  ersten  getroffen  werden  sollen.  Es  fehlt  auch  das 
Recht  der  Beeidigung.  Ob  hiernach  es  nicht  mehr  opportun  ge- 
wesen wÀre,  auf  die  Ordnung  zu  verzichten  und  den  Staat  immer 
und  immer'wieder  zu  einer  gesetzlichen  Regelung  zu  drÀngen,  sei 
dahingestellt.  MerkwĂŒrdigerweise  ist  gerade  dieser  Weg  fĂŒr  die 
Versorgung  der  Aerzte  eingeschlagen  worden.. Nach  eingehen- 
den Beratungen  hat  man  sich  entschlossen,  den  Staat  um  eine 


588 


Standesfragen  und  soziale  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Zwangsversicherung  aller  bayerischen  Aerzte  anzugehen  und  das 
Ministerium  scheint  nicht  abgeneigt  zu  sein,  diesen  Weg  zu  be- 
treten. Hiermit  wird  ein  neuer  Typ  der  Versicherung  geschaffen 
werden,  nÀmlich  der  der  Zwangsversicherung  der  freien  Berufe. 
Die  staatliche  Zwangsversicherung  des  Reiches  hat  bisher  be- 
wußt nur  die  unselbstĂ€ndigen  StĂ€nde  in  seine  Sozialversicherung 
einbezogen  und  die  freien  Berufe  ausgeschlossen,  weil  vorausge- 
setzt wurde,  daß  deren  Mitglieder,  sei  es  als  Einzelpersonen,  sei 
es  von  Standeswegen,  die  notwendigen  Vorkehrungen  selbst  tref- 
fen werden.  Mit  der  Zwangsversicherung  eines  bestimmten  Be: 
rufes  wĂ€re  der  allgemeinen  Volksversicherung  TĂŒr  und  Tor  ge- 
öffnet. Das  gibt  zu  denken.  Auf  Einzelheiten  des  Entwurfes, 
der  in  seinen  GrundzĂŒgen  auf  dem  Aerztetag  vorgetragen  wurde, 
hier  einzugehen,  erscheint  verfrĂŒht,  solange  der  staatliche  Entwurf 
nicht  veröffentlicht  ist.  Alexander. 

Der  WĂŒrttembergische  Aerztetag  in  Ulm. 

Der  WĂŒrttembergische  Aerztetag  in  Ulm  bot  eine  Reihe  inter- 
essanter Erörterungen  ĂŒber  Standesfragen,  die  weit  von  Bedeutung 
ĂŒber  die  Landesgrenzen  hinausragen.  Ein  deutscher  Aerzte- 
tag findet  in  diesem  Jahre  nicht  statt.  Die  GrĂŒnde  fĂŒr  diese  Zu- 
rĂŒckhaltung mögen  stichhaltig  sein;  die  Gefahr  ist  aber  nicht  von 
der  Hand  zu  weisen,  daß  durch  das  AufblĂŒhen  der  Landesorgani- 
sationen der  Gedanke  des  Zusammenschlusses  der  deutschen 
Aerzteschaft  allmĂ€hlich  verblaßt.  Es  verdient  deshalb  hervorge- 
hoben zu  werden,  daß  der  so  heftig  als  partikular  istisch  ver- 
schriene preußische  Aerztestand  trotz  seiner  weit  ausgebilde- 
ten örtlichen  Organisationen  noch  keinen  eigenen  Aerztetag  besitzt. 

Neben  einer  erfreulichen  Regelung  der  Kassenarztfrage  und 
dem  Berichte  ĂŒber  das  Gedeihen  der  neuen  Versorgungskasse 
weckte  das  grĂ¶ĂŸte  Interesse  das  Thema  der  Ă€rztlichen 
Niederlassungsmöglichkeiten,  weil  der  gefaßte  Be- 
schluß frei  von  allen  lokalen  Tendenzen  in  großzĂŒgiger  Weise  den 
Interessen  der  gesamten  deutschen  Aerzteschaft  Rechnung  trÀgt. 
Der  Beschluß  lautet:  Der  W.  A.  V.  verlangt  vom  Leipziger  Ver- 
band, daß  durch  gleichmĂ€ĂŸige  EinfĂŒhrung  der  organisierten  freien 
Arztwahl,  durch  Aufhebung  der  Karenzzeit  und  durch  Errichtung 
von  Wohlfahrtseinrichtungen  ĂŒberall  im  Deutschen  Reich  Ă€hn- 
liche Bedingungen  geschaffen  werden  wie  sie  WĂŒrttemberg  fĂŒr  die 
Niederlassung  von  Aerzten  hat.  Zur  Erreichung  dieser  Ziele  er- 
wartet der  W.  A.  V.  die  rascheste  DurchfĂŒhrung  der  Reorganisa- 
tion des  L.  V.  und  Schaffung  eines  Reichsarbeitsnachweises,  der 
mittelst  einer  periodisch  wiederkehrenden  Statistik  ĂŒber  die  Be- 
zirke  mit  freier  Arztwahl  und  mit  fixiertem  Kassenarztsystem, 
ĂŒber  das  kassenĂ€rztliche  Durchschnittseinkommen,  sowie  ĂŒber  die 
Arztdichte  ein  Rild  ĂŒber  die  wirtschaftliche  Lage  der  Aerzte  an 
die  einzelne  Gaue  gibt.  Der  Vorstand  des  W.  A.  V.  wird  ermÀch- 
tigt, nach  §  2  Z  10  a  des  WĂŒrttembergischen  LandesĂ€rzteverlnmes 
an  Orten,  an  welchen  durch  UeberfĂŒllung  mit  Aerzten  die  Existenz 
der  insherigen  Aerzte  bedroht  ist.  fĂŒr  neuzuziehende  Aerzte  im 
EinverstÀndnis  mit  dem  L.  V.  eine  Wartezeit  festzusetzen. 

Hiermit  ist  der  Theorie  und  Praxis  in  gleicher  Weise  Rech- 
nung getragen.  Fraglich  ist  nur,  ob  die  Vorbedingungen  fĂŒr  die 
erfolgreiche  AusfĂŒhrung  nach  Lage  der  VerhĂ€ltnisse  in  abseh- 
barer Zeit  erfĂŒllt  werden  können.  In  Rezug  hierauf  sind  berech- 
tigte Zweifel,  soweit  ganz  Deutschland  in  Frage  kommt  am  Platz. 
Noch  ist  der  L.  V.  in  seinen  Einzelorganisationen  nicht  genĂŒgend 
ĂŒberall  gefestigt,  noch  fehlt  die  Möglichkeit,  ĂŒberall  die  freie 
Arztwahl  durchzufĂŒhren.  Ganz  im  argen  liegt  die  richtige  Aus- 
bildung der  Arbeitsnachweise  und  ganz  unmöglich  ist  infolge- 
dessen die  gleichmĂ€ĂŸige,  den  BedĂŒrfnissen  entsprechende  Ver- 
teilung der  Aerzte  ĂŒber  Stadt  und  Land.  Erfreulich  aber  ist,  daß 
trotz  dieser  Hindernisse  den  alten  LadenhĂŒtern:  numerus  clausus 
und  Karenzzeit  der  Laufpaß  gegeben  ist. 

Zur  rechten  Zeit  erschien  in  den  letzten  Tagen  ein  Rechen- 
schaftsbericht des  Leipziger  Verbandes.  Den  allgemeinen 
Forderungen,  wie  sie  in  Ulm  aufgestellt  worden  sind,  schließt  er 
sich  rĂŒckhaltlos  an,  aus  dem*  Rericht  ĂŒber  den  Stand  des  Orga- 
nisationswesens ergibt  sich  jedoch,  daß  die  Verwirklichung  der 
Forderungen  noch  recht  viel  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig  lĂ€ĂŸt.  Auffallend 
ist,  daß  der  L.V.  die  Reorganisation  der  Stellenvermittlung 
mit  keinem  Worte  erwÀhnt,  und  doch  ist  er  beinahe  der  Eckstein 
fĂŒr  alle  Maßnahmen  zur  DurchfĂŒhrung  der  anderen  Forderungen. 

Alexander. 

Luftbadkuren  fĂŒr  Kinder. 

In  einem  Aufsatze  der  Deutschen  Medizinischen  Wochen- 
schrift Nr.  22  berichtet  Frau  Dr.  JEdinger  ĂŒber  Erfolge  halb 


tÀgiger  Luftbadkuren  bei  Kindern.  Die  seit  15  Jahren  bestehende 
Einrichtung  in  Frankfurt  a.  M.  bezweckt;  schwÀchliche  Kinder 
wÀhrend  6  Stunden  auf  einem  frei  gelegenen  Platze  der  Ein- 
wirkung von  LuftbÀdern  auszusetzen.  Die  Kinder  erhalten  auch 
eine  nahrhafte  Mahlzeit,  werden  außerdem  abgewaschen  und  ge- 
duscht. Die  Eingewöhnung  an  die  Luftströmungen-bei  unbeklei- 
detem Körper  erfolgt  leicht.  Die  Kur  dauert  mindestens 
4  Wochen,  ĂŒber  etwaige  VerĂ€nderungen  entscheidet  der  Y,  r 
trauensarzt.  Die  Erfolge  bei  Rachitis,  Skrophulose,  Blutarmut 
und  Dyspepsie  waren  sehr  gute,  obwohl  die  Gewichtszunahme 
im  Durchschnitt  nicht  mehr  als  1  Kilo  betrÀgt. 

Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  daß  die  FreiluftbĂ€der 
auch  fĂŒr  Erwachsene  ein  sehr  wirksames  Anregungsmittel, 
und  zwar  im  Sommer  und  Winter,  darstellen.  Die  Indikationen 
mĂŒssen  Ă€rztlich  gestellt  werden,  in  Frage  kommen  insbesondere 
solche  Personen,  die  berufsmĂ€ĂŸig  vom  Genuß  frischer  Luft  abge- 
schnitten sind.  Die  DurchfĂŒhrung  ist  höchst  einfach,  sie  kann 
selbst  in  der  Wohnung  durchgefĂŒhrt  werden,  nötig  ist  nur  ein 
weit  geöffnetes  Fenster  bei  absoluter  Dunkelheit  und  Vorkehrung 
fĂŒr  Luftströmung.  Neben  anderen  Vorteilen  bedingt  diese  prl 
mitive  Kur  einen  erfrischenden  Schlaf  und  erspart  Narkotika. 

Alexander.  1 

Badekuren   nach  dem  Reichsversorgungsgesetz. 

Die  Reichsverwaltung  hat  eingehende  Richtlinien  heraus- 
gegeben, von  denen  wir  einige  wegen  ihres  allgemeinen  In- 
teresses anfiih.en.  Die  Kuren  dĂŒrfen  nur  in  bestimmten  Kurorten 
und  LungenheilstĂ€tten  durchgefĂŒhrt  werden.  Die  Kur  darf  nur 
bei  solchen  Leiden  gewÀhrt  werden,  die  auf  eine  Dienst-  oder 
KriegsdienstbeschĂ€digung  zurĂŒckzufĂŒhren  sind.  Voraussetzung  ist; 
daß  entweder  das  Rentenverfahren  abgeschlossen  oder  wenigstens 
die  DienstentschÀdigung  festgestellt  ist.  Voraussetzung  ist, 
daß  andere  Behandlungsverfahren  keinen  genĂŒgenden  Erfolg 
halben  oder  in  absehbarer  Zeit  erwarten  lassen.  Gewohnheits- 
kuren sind  nicht  gestattet.  FĂŒr  die  Auswahl  des  Kurortes  sin| 
nur  Ă€rztliche  Gesichtspunkte  maßgebend.  Badekuren  werden 
grundsĂ€tzlich  nur  fĂŒr  4  Wochen  bewilligt.  VerlĂ€ngerungen  sinfl 
nicht  zu  genehmigen,  da  bei  einer  grĂŒndlichen  AusnĂŒtzung  der 
Kurmittel  die  Wirkungen  in  der  Regel  sich  nicht  mehr  steigern 
lassen  und  ein  weiterer  Erfolg  kaum  erzielt  werden  kann  (?  Ref.V 
Es  folgen  dann  noch  Anweisungen  ĂŒber  die  Jahreszeit  def 
Kuren,  ĂŒber  kurgemĂ€ĂŸe  Lebensweise,  ĂŒber  Art  der  Unterbringung 
ĂŒ.  dgl.  Alexander,  i. 

Stellung  des  Kreisarztes  zur  FĂŒrsorge. 

In  der  Hauptversammlung  des  Preußischen  Medizinal- 
beamtenvereins  stellte  der  Berichterstatter  ĂŒber  dieses  Thema 
mehrere  LeitsÀtze  auf,  von  denen  einige  hier  Platz  finden  mögert: 

1.  Die  Wahl  des  Leiters  des  GesundheitsfĂŒrsorgewesens  in  GrofÂŁ 
und  MittelstĂ€dten  muß  sich  ausschließlich  nach  den  örtlichen 
VerhĂ€ltnissen  und  BedĂŒrfnissen  richten;  es  ist  aber  auch  hieu 
nach  den  Erfahrungen  der  Praxis  möglich,  den  staatlichen 
Medizinalbeamten  im  Nebenamt  mit  der  Leitung  zu  betrauen! 

2.  Der  Kreisarzt  ist  in  den  Landkreisen  der  gegebene  Leiter  deg| 
Kreiswohlfahrtsamts  oder  des  selbstÀndigen  Kreisgesundheits- 
amts, sei  es  in  der  Form  des  nebenamtlichen  Kreiskommunal-' 
arztes,  sei  es  lediglich  als  Leiter  des  FĂŒrsorgewesens,  Berater 
und  Mitarbeiter  des  Kreisausschusses  bezw.  des  Kreiswohlfahrts- 
amts. 3.  Tn  Landkreisen  ist  zur  ausĂŒbenden  FĂŒrsorge  auf  allen 
Gebieten  in  erster  Lijiie  der  praktische  Arzt  berufen,  erst  in 
zweiter  Linie  kommt  die  Anstellung  von  hauptamtlichen  FĂŒr- 
sorgeĂ€rzten in  Frage.  4.  An  der  praktischen  FĂŒrsorge  soll  sich 
der  Kreisarzt  prinzipiell  nur  in  beschrÀnktem  Umfange  neben 
anderen  Aerzten  beteiligen,  und  zwar  auch  in  solchen  Kreisen,  in 
denen  er  an  und  fĂŒr  sich  in  der  Lage  wĂ€re,  erstere  allein  zu 
leisten.  5.  Der  Kreisarzt  bat  mit  der  Aerzteorgnnisation  seines 
Kreises  in  allen  prinzipiellen  FĂŒrsorgeangelegenheiten  enge 
FĂŒhlung  zu  halten. 

Diesen  LeitsÀtzen  kann  man  unbedingt  zustimmen.  Sie 
wandeln  die  goldne  Mittelstraße,  fragen  dem  praktischen  Be4 
dĂŒrfnisse  und  der  Neuheit  der  Einrichtung  Rechnung  und  unter- 
scheiden sich  dadurch  vorteilhaft  von  der  Stellungnahme  des 
WĂŒrttembergischen  Landesausschusses  und  der 
dortigen  AmtsÀrzte,  welche  die  unbedingte  Uebertragung  des  ge- 
samten FĂŒrsorgewesens  an  die  AmtsĂ€rzte  fordern. 

Alexander.  1 


Ib.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


589 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 

Medizinische  Klinik,  Berlin. 

21.  Mai  1922,  Nr,  21. 

Bio   kongenitale  .Pylorusstenose.    Borchardt,  M.  6.r>l. 
Wundbehandlung.    Sonntag.  605. 

Kombinierte    Arzncibehandlung    der    Kopfschmerzen.     K  ion  k  a  .    II.  8S7. 
l'eber  pleuroperikardiales  Reiben.    Frey,  K.  659. 
M utti plo  Mutdriisenskleirose.    Hochs  tetter,  F.  S6l. 
L'eber  Frauklinisation.    H*orwitz,  E.  66-1. 

Ein  Fall  von  kongenital  angelegter  Pneumatocele  parotidis.  R  u  d  i  c  h,  J.  6BR. 
♩Eine    einfache    Methode    zum    Nachweise    pathologischer  BĂŒirubinamie. 
V  o  g  1  ,  A.  und  Zins,  B.  667. 
Erkrankungen  der  Harnröhre.    P  o  r  t  n  e  r  ,  E.  669. 

Ueber  die  Behandlung  bösartiger  GeschwĂŒlste  mit  einer  von  Vitamin  freien 
Kost.    Wo  1  f  f  ,  W.  670. 

Kombiniertc  Arzncibehandlung  der  Kopfsehmerzen.  Die  gegen 
Kopfschmerz  verwendeten  Substanzen  wirken  auf  die  HirngefĂ€ĂŸe 
teils  erweiternd,  teils  verengernd.  Bei  gleichzeitiger  Anwendung 
mehrerer  solcher  Mittel    tritt  keine  summative  Wirkung  gleich 

t  sinniger  oder  subtraktive  Wirkung  entgegengesetzter  Komponenten 

tauf,  sondern  Potenzierungen  nach  der  einen  oder  anderen  Seite. 
SalizylsÀure  in  Form  des  gut  löslichen  Natrium  salicylicum  zeigte 
im  Tierversuche  vorwiegend  gefĂ€ĂŸerweiternde  Wirkung,  ebenso 

â–șdas  Antipyrin  als  ein  Pyrazolon-Derivat  und  das  Koffein.  Das 
an1  Stelle  des  schwer  löslichen  Phenazetins  verwendete  Pheno- 

n  Collum  hydrochloricum  erzielte  eine  Verengerung  der  HirngefĂ€ĂŸe. 

Die  Kombination  der  geprĂŒften  Arzneistoffe  ergab  teils  Er- 
weiterung, teils  Verengerung  der  intrakraniellen  GefĂ€ĂŸe.    Es  ist 
anzunehmen,  daß  verschiedene  Menschen,  und  auch  die  gleichen 
Menschen  bei  verschiedenen  KrankheilszuslÀnden  auf  die  einzel- 
nen und  kombinierten  Vasomotorenmittel  ungleich  reagieren.  Es 
muß  in  der  Praxis  als  das  ZweckmĂ€ĂŸigste  erscheinen,  zur  Be- 
kÀmpfung der  Kopfschmerzen  Arzneien  möglichst  aus  allen  ange- 
fĂŒhrten Gruppen  zusammenzusetzen.    Solche  Kombinationen  sind: 
das  Overlach'sche  MigrĂ€nin,  die  „Gelonida  antineuralgica"  von 
I  Goedecke  und  Co.,    die  Treupelschen  Tabletten,    die  Comprettae 
Phenacetini  compositae  (M.  B.  K.)  und  die  Helontabletten. 

Einfache  Methode  zum  Nachweise  pathologischer  Biliru- 
bi  nÀmie.   Etwa  Y>  cem  möglichst  klares  Blutserum  wird  in  einem 

'  kleinen!  flachen  UhrschÀlchen  mit  der  doppelten- Menge  20  %  Tri- 
chloressigsÀure    gefÀllt,    der  sich    bildende  dicke  Niederschlag 

Isofort  mit  einem  GlasslĂ€bchen  gleichmĂ€ĂŸig  verrĂŒhrt  und  durch 
ein  kleines  Faltenfilter  filtriert.  Das  Filter  mit  dem  FilterrĂŒck- 
stande wird  durch  gelinde  ErwÀrmung  in  einem  PorzellanschÀl- 
chen  in  wenigen  Minuten  getrocknet  und  zeigt  bei  positivem  Aus- 
fall der  Probe,  abhÀngig  von  der  Bilirubinkonzentration,  von 
bellem  GrasgrĂŒn  bis  zum  sattesten  BlaugrĂŒn  reichende  GrĂŒnfĂ€r- 
bung, bei  negativem  Ausfalle  gelbliche  bis  schmutzig  weiße  Farbe. 
Die  Probe  ist  viel  empfindlicher  als  die  v.  d.  Bergh'sche  kolori- 
gietrische  Methode  (Azobilirubinwerte  von  1:400  000—1:800  000 
noch  positiv),  lĂ€ĂŸt  sich  mit  dem  Serum  oder  Exsudate  noch  nach 
Tagen  anstellen  und  ermöglicht,  die  getrockneten  und  durch 
dĂŒnne  Kollodiumschicht  auf  dem  Filter  fixierten  FilterrĂŒck- 
stÀnde  im  Verlaufe  einer  Erkrankung  jederzeit  miteinander  zu 
vergleichen.  Low  (Döberitz). 

28.  Mai  1922,  Nr.  22. 

♩Behandlung  der  Myopie.    E  I  s  c  h  n  i  g  ,  A.  683. 
Wundbehandlung.    Sonntag.  685. 

Tonusschwankungen    bei   der    Reizkörpertherapie.     Glaser,   F.  68J. 
Sulfoxylatsalvarsanbehandlung  der  Syphilis.    Fabry,  J.  «90. 
♩Bedeutung  o-oher  Blutdruckwerfe.    K  i  s  c  Ii  .  V.  691. 
Syphilis-Kalomelölbchandlung.     MĂŒller,  E.  694. 
Kohlenbogenlichtbcbandlung  des  Lupus.     Fried.  A.  695. 
TastlÀhmung.    H  i  1  b  ei  I.  697. 

Keuchbustenbchandlung   mit  Aetherinjektionen.     Reim,  688. 
Röntgentiefendosierung.    N  a  g  e  1  s  c  h  in  i  d  t  ,  F.  698. 
Bioskopische  Methoden.     Munterm.   F.  698 
Erkrankungen  der   Harnröhre.     P  o  r  t  n  e  r  ,   E.  700. 

Was  muß  der  praktisch»  Arzt  ĂŒber  die  Ursachen  und  die  Be- 
handlung der  Myopie  wissen?  Die  Ursache  der  Myopie  liegt  in 
der  angeborenen  Disposition  zum  abnormen  GrĂ¶ĂŸenwachstume 
des  Alices  („a iiffeborene  Disposition  zum  erworbenen  Staphyloma' 
posticiun",  Schnabel).    Die  angeborenen  Formen  des  Staphyloma 


posticum  zeigen  sowohl  dominante  als  rezessive,  als  auch  ge- 
schlechtsgebundene HereditÀt.  Elschnig  halt  viele  FÀlle  von  Myo- 
pie fĂŒr  in  der  Kindheit  bereits  aufgetretenes,  milde  verlaufendes 
oder  abortives  Glaukom.  Der  Akkomodationskrampf  ist  nicht  als 
Ursache  der  Myopiezunahme  anzusehen. 

Im  spĂ€teren  Alter  kann  Myopie  durch  KrĂŒinmungszunahme 
der  Hornhaut  (Keratokonus)  sowie  jenseits  des  40.  Lebensjahres 
durch  die  gerade  im  myopischen  Auge  nicht  so  seltene  Sklerosie 
rung  der  Kristallinse  (Kernsklerose,    Kernstar,  Katarakta  bru- 
mseeiis  und  nigra)  erworben  werden,  ferner  durch  Diabetes. 

Myope  bis  etwa  8  Dioptrien  und  schon  von  etwa  0,75  Dioptrien 
angefangen  sollen,  wenn  sie  durch  GlÀserkorreklur  annÀhernd 
normale  SehschÀrfe  erzielen,  ein  die  ganze  nachweisbare  Myopie 
voll  korrigierendes  Glas  stĂ€ndig  fĂŒr  Ferne  und  NĂ€he  tragen. 

Myope,  die  Staphyloma'  posticum  haben,  deren  SehschÀrfe 
holz  des  korrigierenden  Glases  vermindert  bleibt,  bekommen  ein 
schwÀcheres  Nahglas  und  ein  nur  annÀhernd  voll  korrigierendes 
Glas  fĂŒr  die  Ferne. 

Biei  Neigung  zu  Strabismus  divergens  sind  PrismenglÀser,  bei 
periodischem  Divergenzschielen  Operation  zu  empfehlen.  Schwan- 
kende Myopie  ist  auf  Diabetes  verdÀchtig. 

Die  Zunahme  der  Myopie  sucht  E.  durch  abendliche  Pilokar- 
pin-EintrĂ€ufelungen  (2 — 3mal  wöchentlich)  zu  verhindern. 

Bei  16  bis  18  Dioptrien  rÀt  E.  zur  Linsenextraktion  nach 
Fukala. 

Bemerkungen  zur  diagnostischen  und  prognostischen  Bedeu- 
tung hoher  Blutdruckwerte.  Bei  mittelkrĂ€ftigen  und  mittelgroßen, 
40 — 45jĂ€hrigen  MĂ€nnern  ist  ein  systolischer  Blutdruck  von  140  mm 
Hg,  bei  krÀftigen  Sportsleuten  auch  150  mm  Hg  noch  normal,  bei 
MĂ€nnern  ĂŒber  50  Jahren  15.0  mm  Hg  als  Maximaldruck  anzusehen. 
Bei  Frauen  bis  zum  Klimakterium  und  bei  Jugendlichen  ist  ein 
systolischer  Blutdruck  ĂŒber  130  mm  Hg  nicht  mehr  physiologisch. 

VorĂŒbergehende  Hypertonien  sind  physiologisch  nach  phy- 
sischer oder  psychischer  Anstrengung,  ErregungszustĂ€nden,  FlĂŒs- 
sigkeits-  oder  Nahrungsaufnahme.  Bei  UebermĂŒdung  tritt  Blut- 
drucksenkung ein. 

Bei  akuter  hĂ€morrhagischer  Glomerulonephritis  muß  der  ge- 
steigerte Blutdruck  als  FrĂŒhsymptom  gewertet  werden.  Plötzliche 
Blutdrucksenkung  bei  bestehender  Erkrankung  ist  prognostisch 
sehr  ungĂŒnstig. 

Auch  bei  schmerzhaften  KrankheilszustÀnden  kommen  oft 
erhebliche  Blutdrucksteigerungen  vor.  Ebenso  nach  manchen 
Arzneimitteln  wie  Adrenalin,  Digitalis  und  Pituitrin. 

Die  PubertÀts-Blutdrucksteigerungen  sind  auf  inkretorische 
EinflĂŒsse  zurĂŒckzufĂŒhren,  eine  reine  klimakterische  Hypertonie 
ist  unwahrscheinlich.  Auch  der  Basedow  und  die  Pal'schen 
„GefĂ€ĂŸ-Krisen"  (UrĂ€mie,  Eklampsie,  Angina  pectoris  usw.),  fer^ 
ner  Stauungen  im  Pfortadepgebiete  gehen  meist  mit  Blutdruck- 
erhöhung einher.    Beine  „nervöse"  Hypertonien  gibt  es  kaum. 

Dauernde  Hypertonien  kommen  bei  Aorteninsuffizienz,  Herz- 
block (Adams-Stockes-Morgagnische  Krankheit),  chronischer  Ne- 
phritis und  bei  den  Nephrosklerosen  vor;  bei  letzteren  bis 
340  mm  Hg. 

Bei  der  „essentiellen"  Hypertonie,  dĂŒrfte  es  sich  um  eine 
renale  Affektion  handeln.  Bei  Nephrosen  weist  der  Blutdruck  im 
Gegensatze  zu  den  Nephritiden  regelmĂ€ĂŸig  niedrige  Werte  auf. 

Bei  atheromatösen  Prozessen  der  Aorta  ĂŒbersteigt  der  systo- 
lische Bltudruck  lfiO — 170  mm  nur  selten,  bei  Arteriosklerose  der 
peripheren  GefĂ€ĂŸe  sind  Werte  von  180  bis  200  mm  Hg  nicht  selten. 

Schließlich  gibt  es  auch  Formen  des  Bronchialasthma  und 
Diabetes  mellitus,  bei  denen  dauernde  Hypertonien  beobachtet 
werden.  L  ö  w ,  Döberitz. 

Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

12.  Mai  1922,  48,  Nr.  19. 

‱{‱Porphyrinurie   mit  und  ohne  Koliken.     S  n  a  p  p  e  r.  619. 

Ueber  den  Blutdruck  bei   der  Dyspnoe  der  Herzkranken.     F  r  e  h  s  e.  621. 

‱MDas  neue  Wundstreupuder  „Albertan"  (ein  Jodoformersatz).  BrĂŒning.  622. 

‱J^Keilturnen    mit    schulturnbefreiten    und    asthenischen    Kindern.  Kohl- 
rausch.  623. 

lieber  AU-  und  Neosilbersalvarsan.     H  ĂŒ  b  n  e  r  und  M  a  r  r.  624. 
TMc   klinische    Bedeuturig   der  Weiolihrodtschon    ..einfachen  Liquorreaktiori" 
(Sublimatreaktion).     Götz.     626.  , 

❖  Akut    entstandene   Pylorusstenose    nach   Benzol  Vergiftung.     Hetzer.  627. 
Ueber    die    Behandlung    der     hÀmolytischen     AnÀmie     mit  Elektroferrol. 
Steinbrink.  628. 


Aas   deu   neuesten  Zeilschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


❖Die  rigorose  AbfĂŒhrbehandlung  der  Dysenterie,  insbesondere  durch  medi- 
kamentös erzeugten  osmotischen  Traussudationsstrom  in  den  Darm. 
Hausmann.  628. 

Porphyrinurie.  Die  akute  Porphyrinurie  kommt  toxisch  als 
Folge  von  chronischer  Sulfonal-,  Trional-  "und  Bleivergiftung 
vor,  auch  angeboren  mit  Ueberempfindlichkeit  fĂŒr  Licht,  mit 
Blasen-  und  Narbenbildung  und  Porphyrin  im  Skelett.  Es  können 
dabei  heftige  Bauchkoliken  auftreten,  und  nach  einigen  solchen 
unter  neuritischen  Erscheinungen  der  Tod.  Verfasser  nimmt  an, 
daß  in  solchen  FĂ€llen  eine  chronische  Vergiftung  zunĂ€chst  die 
retroperitonealen  Nervengeflechte  schÀdigt,  wodurch  in  den 
Leberzellen  der  Blutfarbstoff  zu  Porphyrin  statt  zu  Gallenfarb- 
stoff abgebaut  wird.  Tritt  diese  Vergiftung  auch  auf  das  ĂŒbrige 
Nervensystem  ĂŒber:  Exitus.  Beschreibung  zweier  FĂ€lle  mit  kon- 
tinueller  Porphyrinurie  ohne  Koliken,  aber  mit  den  genannten 
retroperitonealen  VerÀnderungen. 

Albertan.  Ein  billiges,  unschÀdliches,  geruchloses  Wund- 
slreupulver  mit  ausgezeichneten  desodorierenden  und  absor- 
bierenden Eigenschaften. 

Heilturnen.  Es  ist  ein  grober  Fehler,  asthenische  Kinder 
vom  Schulturnen  zu  befreien,  ohne  eine  geeignete  Gymnastik  an 
dessen  Stelle  treten  zu  lassen,  wleil  damit  ihre  Körperbeschaffen- 
heit gĂŒnstig  zu  beeinflussen  ist. 

Akut    entstandene    Pylorusstenose    nach  Benzolvergiftung. 

Entwicklung  in  13  Tagen  aus  einer  einfachen  akuten  Gastritis 
nach  Einnahme  einiger  Schluck  reinen  Benzols.  Patient  unter- 
hĂ€lt bzw.  steigert  die  Erscheinungen  durch  eine  unvernĂŒnftige 
DiÀt. 

Die  rigorose  AbfĂŒhrbehandlung  der  Dysenterie.  Die  einzig 
rationelle  Behandlungsmethode.  Mit  15 — 20  g  Natrii  Sulfurici 
Sicci  1 — 3  mal  wird  vollstĂ€ndigste  Entleerung  des  Dickdarmes 
erfĂŒllt,  durch  gewaltige  Transsudaten,  dadurch  DauerspĂŒlung 
unter  Aufhebung  des  Spasmus  der  Darmmuskulatur.  Vor  der 
ersten  Glaubersalzgabe  eine  krÀftige  Dosis  Kalomel.  Kein 
Opium,  ĂŒberhaupt  keine  Stopfmittel,  ebenso  nicht  die  ĂŒberflĂŒssi- 
gen Adstringentien.  Bolus  und  Tierkohle  sind  unsicher,  auch 
ĂŒberflĂŒssig  bei  Glaubersalz.  Atropin:  ein  vorzĂŒgliches  symp- 
tomatisches Mittel.  Durch  Einschaltung  einiger  Hungertage  wird 
der  Krankheitsverlauf  abgekĂŒrzt.  Klysmen  sind  im  akuten  Sta- 
dium zwecklos.  Da  die  Erfolge  der  Serumtherapie  unsicherer 
sind,  als  die  der  AbfĂŒhrbehandlung,  ist  davon  abzusehen. 

v.  Schnizer. 

19.  Mai  1922,  48,  Nr.  20. 

❖Die     Vitamine     in     der     ErnĂ€hrungsbehandlung     bei  Kinderkrankheiten. 
Schiff.  051. 

Vererbung   und   Konstitution.     Bauer.  653. 

Ueberempfindliehkeitsversuebe  an  Bakterien.    Schnabel.  654. 
❖Zwei  Falle  von  chronischem  Hydrozephalus  bei  Kindeirn.    Cassel.  .  655. 
Zur  Kropffrage.     M  i  e  s  b  a  c  h.  657. 

Die  multiple  Neuritis  in  und  nach  dem  Kriege.     Knap  p.  659. 

Ein  geheilter  Fall  von  HomosexualitÀt  durch  Hodentransplantation. 
Pfeiffer.    660.  ‱  «J 

Palliativverfahren  bei  Heufieber.    Dietsch.  662. 

Entwicklungsmcchianik  und  praktische  Medizin.    II.  E  1 1  i  s  c  h.  662. 

Chirurgische  RatschlĂ€ge  fĂŒr  den  Praktiker.  XIX.:  Gallensteine  und  Magen- 
geschwĂŒr.   Ledderhose.  664. 

Kursus  der  gynÀkologischen  Technik.  III.  Intrauterintechnik  der  Diagnose 
und  Therapie.    Freund.  666. 

Die  Vitamine  in  der  ErnÀhrungsbehandlung  bei  Kinderkrank- 
heiten. Ihre  Bedeutung  fĂŒr  die  SĂ€uglingsernĂ€hrung  ist  noch  gar 
nicht  abzusehen,  da  die  Grundlagen  der  ganzen  Lehre  noch  nicht 
feststehen.  Es  ist  noch  nicht  entschieden,  ob  es  sich  bei  der  För- 
derung des  Kalkansatzes  durch  Vegetabilien  um  Vitaminwirkung 
handelt,  Man  darf  jedenfalls  Hypothesen  nicht  fĂŒr  bare  MĂŒnze 
nehmen,  sonst  entsteht,  wie  Abderhalden  richtig  bemerkt,  nur 
Verwirrung  und  Unsicherheit. 

Zwei  FĂ€lle  von  chronischem  Hydrozephalus  bei  Kindern. 
Im  ersten  Falle,  einem  einfachen  chronischen  Hydrozephalus, 
wurde  durch  Lumbalpunktion  (2560  cem  in  41  Sitzungen)  ein  ganz 
befriedigendes  Kesultat  erreicht. 

Im  zweiten  Falle,  einem  chronischen  syphilitischen  Hydro- 
zephalus, trat  die  VergrĂ¶ĂŸerung  des  Kopfes  erst  spĂ€t,  im  9.  Mo- 
nat ohne  sonstige  Erscheinungen  der  Lues  auf.  Hier  hat  die 
spezifische  Behandlung  auch  hinsichtlich  der  Intelligenz  recht  Er- 
freuliches gezeitigt.  v.  Schnitzer. 

MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift. 

12.  Mai  1922,  69,  Nr.  19. 

Uebcr  den  funktionellen  Begriff  Disposition  und  den  morphologischen  Begriff 


Konstitution  vom  medizinischen  Standpunkte  aus.    Hering.  691. 
Nystagmusproblem.    Cords.  693. 

Intravenöse  Normosalinfusion  in  der  Chirurgie.    B  r  ĂŒ  1  1.  696. 

Allgemeine  Gesichtspunkte    fĂŒr    die  SchmerzbetĂ€ubung    in    der  operativen 

Chirurgie.    Schmidt.  697. 

Die  Anwendung  der  LokalanÀsthesie  bei  sÀmtlichen  gynÀkologischen  Opera- 
tionen.   F  r  i  g  y  e  s  i.  699. 

Erfahrungen  mit  dir  Kiellandsehen  Zange.    Zimmermann.  700. 

Orale  Behandlung  und  Prophylaxe  der  Trypanosomenkrankheiten  mit  ..Bayer 
205".    Mayer.  702. 

Zur  Klinik  der  Periarteriitis  nodosa.    Brinkmann.  703. 

Einige  Bemerkungen  zur  Kapillaranalyse  des  Magensaftes  nach  Holmgren. 
Lasch.  705. 

❖Blasendrainage  mit  Troikart.    N  a  t  h  e  r.  706. 
Unerwartete  Wiederbelebung  eines  scheinbar  totgeborenen  Kindes.  Klein. 
707. 

Ein  Fall  von  erfolgreicher  Pfropfung  des  Nervils  hypoglossus  auf  den  Nervus 
fac^lis.    Schmidt.  708. 

DurchfĂŒhrung  des  Ueberganges  vom  Dunkel-  zum  Hellfelde  mit  dem  Spiegel- 
kondensor fĂŒr  Dunkelfeldbeleuchtung  der  Firma  Leitz  in  Wetzlar. 
Rock.  709. 

Entsteht  bei  der  Mischspritze  nach  Linser  kolloidales  Hg.?    Förster.  709. 
Das  Wesen  der  Konstitutionsanomalien  —  in  eigener  Sache.    M  a  t  h  e  s.  709. 
❖Behandlung    der    weiblichen  Gonorrhöe    mit    Zelluloidkapseln    nach  Pust. 
L  ö  b  er  .  710. 

Zur  Blasendrainage  mit  dem  Troikart.  Nach  Verf.  ist  es 
ĂŒbertrieben,  die  Blasenpunktion  wegen  ihrer  Gefahren  von  vorn 
herein  zu  verwerfen.  Sie  stellt  ein  geringeres  Risiko  fĂŒr  den 
Pat.  dar  als  die  Blasenruptur,  wenn  der  Arzt  "sich  zu  einem 
grĂ¶ĂŸeren  Eingriff  als  mit  dem  Troikart  aus  Ă€ußeren  oder  inneren 
GrĂŒnden  nicht  entschließen  kann.  Allerdings  hat  baldmöglichst 
dann  die  offene  Freilegung  der  Blase  zu  erfolgen,  deren  Dring- 
lichkeit proportional  1.  zur  Dauer  der  Harnverhaltung,  2.  zur 
Dilatation  der  Blase,  und  3.  zur  InfektiositÀt  des  angetroffenen 
Harns  steigt. 

Zur  Behandlung  der  weiblichen  Gonorrhoe  mit  Zelluloid- 
kapseln nach  Pust.  (Artikel  Pust  M.  m.  W.  42,  1921.)  Nach  Er- 
fahrungen Verf.  ist  die  Anwendung  der  Pustschen  Zelluloid- 
kapseln bei  nichtgonorrhoischem  Zervikalkatarrh  zu  empfehlen: 
bei  Gonorrhoe  waren  keine  Erfolge  zu  verzeichnen. 

F.  Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend  . 

19.  Mai  1922,  69,  Nr.  20. 
Diabetes  in  moderner  Beleuchtung.    H  e  i  b  e  r  g.  731. 

lieber  Aufgaben,  Hilfsmittel  und  Erfolge  der  Urologie.    P  f  1  a  u  m  e  r.  733. 
❖Zur  intravenösen  Salizylthejapie.    H  e  r  z  f  e  1  d.  735. 
❖Behandlung  der  Lues  mit  Neosilbersalvarsan.    Z  e  1 1  e  r.  737. 

Die  Cyarsal-Misehsj>ritze  in  der  ambulanten  Frauenpraxis.    O  c  1  z  e  ,  R.  738. 

Beitrag  zur  Operation  des  Mastdarmkrebses.    Köhler.  738. 

Hypophysenbestrahlungen  bei  Hypophysentumoren  und  bei  gynÀkologischen 
Erkrankungen  hypophysÀren  Ursprungs.    B  1  u  m  b  e  r  g.  739. 
❖KieselsĂ€uretherapie  der  kindlichen  Tuberkulose.    K  1  a  j  e  und  Budde.  741. 

Pepsinbehandlung  bei  Leukoplakie  und  anderen  Verhornungsprozepsen  in  der 
Mundhöhle  sowie  ihre  Anwendung  bei  Hals-,  Nasen-  und  Ohrenkrank 
heiten.    Traut  mann.  742. 

Albusol,  ein  neues  PrÀparat  zur  Proteinkörpertherapie.    S  i  g  1.  743. 

Apochin,  eine  Verbindung  von  AzetylsÀure  und  Chinin."    May",  W.  745. 

Adonigen,  ein  neueres  Herzmittel.    N  o  o  r  d  e  n  ,  v.  745. 

Ein  Fall  von  Zungenstruma.    Zehner.  747. 

Drei  FĂ€lle  von  extragenitaler  Lues.    Schardon.  748, 

Kontrastspeise  im  Bronchialbaum.    Förster.  748. 

Methodik  der  Vererbungsstatistik  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  des  Ge- 
bietes der  Psychiatrie.    Weinberg.  748. 

Zur  intravenösen  Salizyltherapie.  Empfehlung  der  Anwen- 
dung des  Attritins  (17,5  %  Natrium-Salizylikumlösung  mit  Cof- 
feinzusatz) in  Einzeldosen  von  4  cem,  mit  dem  in  vielen  FĂ€ll  n 
gute  Erfolge  erzielt  wurden.  (Als  Kezept  ist  zu  empfehlen:  Natr. 
salicyg.  4,7,  Coffein  0,2  Aq.  ad.  30,0;  hiervon  5  cem  pro  Dosis. 
Ref.) 

Die  Behandlung  der  Lues  mit  Neosilbersalvarsan.  Nss.  ist 
an  Wirksamkeit  auf  manifeste  mische  Erscheinungen  dem  Neo- 
salvarsan  gleichwertig,  dem  Silbersalvarsan  hinsichtlich  der- 
Schnelligkeit  des  Verschwdndens  der  luischen  Symptome  wohl 
etwas  unterlegen.  Die  Beeinflussung  der  Seroreaktion  ist  beson- 
ders im  FrĂŒhstadium  als  durchaus  gĂŒnstig  zu  bezeichnen.  Dias 
Nss.  wird  gut  vertragen  und  seine  Anwendung  bietet  technisch 
keine  grĂ¶ĂŸeren  Schwierigkeiten. 

Zur  KieselsÀuretherapie  der  kindlichen  Tuberkulose.  Die 

KieselsÀure  leistet  bei  Behandlung  der  Lungentuberkulose,  zumal 
der  produktiven  Formen,  gute  Dienste  ohne  schÀdliche  Neben- 
wirkungen. Empfehlung  des  Silistrens  (Leverkusener  Farben- 
fabrikat) (=r  18—20  %  Si  O,:  2—3  X  tgl.  10  Tr.  in  Wasser  V  Verff. 
warnen  vor  der  VernachlĂ€ssigung  der  ĂŒbrigen  geeigneten  Be- 
handlungsmethoden und  bezeichnen  die  Anpreisung  der  Guajacol- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


■eselsĂ€ureverbindungen  als  Heilmittel  der  Tuberkulose,  als  irre- 
fĂŒhrend und  geradezu  gefĂ€hrlich. 

F.  Loewenhardt  (Charlotfenburg-Westend). 

26.  Mai  1922,  69,  Nr.  21. 

Boiicbt   Uber   26(1   Fftlle    von   primÀrem    Karzinom    der  Mundschleimhaut. 
K  ii  t  t  n  c  r.  771. 

Weshalb  ist  bei  tiefer  Narkose  das  ausfließende  Blut  dunkel  gefĂ€rbt?  Rost 
und  E  1  1  i  n  g  o  r.  772. 

Nachbehandlung  der  Osteomyelitis  mit  dem  Luft  abschließenden  Verband 
nach  Bier.    H  o  f  m  a  n  n.  773. 
‱{»Ph   Bedeutung  der  Senkungsprobe  der  roten  Blutkörperchen  fĂŒr  die  progno- 
stische Beurteilung  der  chronischen  Lungentuberkulose.    Dreyfus  und 
II  0  O  h  t.  775. 

Wirkung  des  Sauerstoffmangels  in  grĂ¶ĂŸeren  Höben  beim  Fliegen.  Noltc- 
■         n  i  us.  776. 

Das  Vorkommen  einer  ephemeren  Roseoea  beim  RĂŒckfallficber.    0^  1 1  i  n - 
15 er  und  Halbreich.  778. 
I   Punktion  des  prÀvertebralen  Abszesses.    Schede.  779. 
>    Rotation  der  Wange.    Esser.  780. 
!    Ueber  die  „Sprache"  der  Bienen.    F  r  i  e  s  c  h  ,  v.  781. 

SensibilitÀt  und  Sensibilisierung  in  der  Strahlentherapie.    V  o  1  t  z.  782. 
Immuniliquor-Transfusion  bei  Meningitis  cerebrospinalis.     Thomas.  783. 
<*>Seinfölpriessnitz  als  Ersatz   des   Heubnerschen   Senfwickels   und   der  Noeg- 
gerath-Meitzschen  Senfboluspackung.    Rohr.  784. 
Behandlung  des  endemischen  Kropfes.    G  r  a  s  s  e.  785. 

Ein  Fall  von  vollkommener  Luxation  der  LendenwirbelsÀule    durch  Unfall. 

Förster.  786. 
Appendizitis  bei  Situs  inversus.    Franke.  78C. 

Zwei  Falle  von  chronischer  ankylosierender  Wirbelversteifung.  Brenn- 
s  o  h  n.  787. 

Ueber  die  Bedeutung  der  Senkungsprobe  der  roten  Blut- 
körperchen fĂŒr  die  prognostische  Beurteilung  der  chronischen 
Lungentuberkulose.  Die  Senkungsprobe  ist  ein  Hilfsmittel  zum 
riusschluß  einer  auf  Grund  unsicherer  Untersuchung  irrtĂŒmlich 
angenommenen  Lungentuberkulose.  FĂŒr  die  Prognose  einer 
Lungentuberkulose  ist  sie  verwertbar,  da  sie  der  Bösartigkeit 
Jes  anatomischen  Prozesses  parallel  geht.  AnfÀnge  chronischer 
Lungentuberkulose  bieten  geringe  Sedimentierungsbeschleuni- 
gung.  Zirrhötische  Prozesse  haben  Werte  von  ca.  100 — 160  Min., 
jxsudative  ca.  15 — 30  Min.  Senkungszeit.  Produktive  Formen 
sind  als  gutartig  anzunehmen,  wenn  sich  Mittelwerte  finden  oder 
bei  lÀngerer  Beobachtung  die  Sedimentierungszeit  ansteigt  (aus- 
zuschließen sind  seröse  Pleuritiden  im  Verlauf  der  Tbc).  Kaver- 
nöse Prozesse  zeigen  stÀrkere  Beschleunigung  als  die  ent- 
sprechenden Formen  ohne  Höhlenbildung.  Eine  interkurrierende 
Erkrankung  im  Verlauf  der  Tuberkulose  beeinflußt  die  Senkungs- 
probe wie  eine  akute  Verschlimmerung.  Beim  Abklingen  der 
Erkrankung  folgte,  falls  keine  Verschlimmerung  der  Tbc.  erfolgt 
st.  Wiederanstieg  zu  den  frĂŒheren  Werten. 

Der  Senfölprießnitz  als  Ersatz  des  Heubnerschen  Senfwickels 
ind  der  Noeggerath-Mertzschen  Senfboluspackung.  Empfehlung 
Ă€es  vom  Verf.  angegebenen  Senfölprießnitz,  der  eine  Modifikation 
der  Senfboluspackung  ist.  Wirkung  die  gleiche  wie  bei  den  beiden 
ihderen  Methoden;  exakte  Dosierbarkeit,  absolute  UngefÀhrlich- 
keit  und  bedeutend  billigerer  Preis  als  VorzĂŒge.  Methodik: 
i  Tropfen  Senföl  auf  100  g  Wasser,  das  fĂŒr  den  Prießnitz  be- 
stimmte Leinentuch  hierin  gleichmĂ€ĂŸig  ausdrĂŒcken;  Dauer  der 
Packung  3 — 4  Min.  fĂŒr  SĂ€uglinge  und  fĂŒr  Ă€ltere  Kinder. 

F   Loewenhardt  (CharlottcnburgV 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

13.  Mai  1922,  Nr.  20. 

Chirurgische  Behandlung  der  Magen-  und  Darmblutungen.  Finsterer 
H.  845. 

♩Varizen  deis  ligamentum  latum.    D  i  t  t  e  1  .  G.  849. 
♩Ueber  Rektal narkosq  und  deren   Anwendung.     Hörner,  E.  851. 
Die     Anaphylaxie    in    ihrer    Beziehung    zu    Störungen    des  Verdauungs- 
apparates.    (Schluß.)     Pick.  E.  P.    858.  / 
Die   rationelle!  Behandlung  der  chronischen  Obstipation.  Bodenstein, 
Y-.  869. 

Erfahrungen   ĂŒber   Novatropin   in    der   Augenheilkunde.     S  t  i  a  s  n  y.  87. 

Varizen  des  ligamentum  latum,  eine  ektopische  Schwanger- 
schaft vortÀuschend.  Neben  dem  graviden  Uterus  konnte  ein 
linksseitiger  im  Verlauf  der  Schwangerschaft  wachsender  Tumor 
getastet  werden,  welcher  bei  der  Laparotomie  sich  als  ein  Paket 
erweiterter  Venen  im  lig.  latum  erwies.  4  Wochen  nach  Unter- 
brechung der  Schwangerschaft  war  das  Varixpaket  verschwunden. 

Ueber  Rektalnarkose  und  deren  Anwendung.  Einen  Tag  vor 
der  Operation  AbfĂŒhrmittel  oder  Irrigation.  Am  Tage  der  Ope- 
ration DarmspĂŒlung;  subkutane  Morphium-,  Skopolamin-  oder 
Pantoponinjektion;  15  Min.  spÀter  Einspritzung  einer  Aether-Oel- 
lösung  ins  Beklum:  2  cm3  Aether  pro  narkosi  und  1  cm3  ol.  oliv, 
toro  Kilogramm  Körpergewicht  (maxim  120 — 150  g  Aether,  60 
bis  70  g  Oel).    Nach  entsprechenden  Tierversuchen  wurde  die 


Bcktalnarkose  bei  83  Operationen  mit  sehr  zufriedenstellendem 
Eriolg  angewendet.  Narkosewirkung  nach  30-  40,  mitunter  schon 
nach  10  Minuten,  Dauer  I  3  Munden.  Bei  ungenĂŒgender  Wirkung 
reichen  wenige  cm»  Aether  mittels  Maske  aus,  um  Narkose  y.u 
erzielen.  Heu  ß  (Wien). 

20.  Mai  1922,  Nr.  21. 

Die     nervöse     und     humorale     Beeinflussung     der  Vordauungstiiriglieit. 
B  i  e  d  I  ,  A.  885. 

â–șMleber   eine    leicht   herstellbare    Hiwcißmilch    «'»d    ihre    therapeuti-ebe  An- 
wendung.    Moll,   L<  «90. 
'♩lieber   Operative   Myombehandlung.      Bemerkungen    zur    gleichnamigen  Ar- 
beit Th."  Mjeholilsch  in  Nr.  15  und  17  dieser  Wochenschrift.     Liter  a  - 
turaussch  u  ß   der   Wiener   R  ö  n  t  g  e  n  v  e  r  e  i  n  i  g  u  n  g.  896. 

Chirurgische     Behandlung     der     Magen-     und     Darmblutungen,  (Forts.) 
Finsterer,  H.  896. 

Ueber  eine  leicht  herstellbare  Eiweillmilch  und  ihre  therapeu- 
tische Anwendung.  Das  Bezept  fĂŒr  %  1  der  Moll'schen  Eiweiß- 
milch lautet:  %  1  Vollmilch  +  X  1  Wasser  +  2  g  Calc.  lactic,  lang- 
sam erhitzen,  bis  Gerinnung  eintritt.  Topf  in  der  KĂ€lte  stehen 
lassen.  Nach  einer  Viertelstunde  Molke  durch  ein  Seihtuch  ab- 
gießen. KĂ€seklumpen  auf  ein  feines  Haarsieb  bringen  und  in  das 
erste  GefĂ€ĂŸ  zurĂŒckpassieren.  Auf  das  passierte  Gerinnsel  gießt 
man  X  1  Molke,  1/8  1  Vollmilch,  3/8  1  Wasser  und  fĂŒgt  15  g  Mehl, 
am  besten  Maismehl,  zu.  Unter  intensivem  BĂŒhren  oder  Schlagen 
aufkochen.  NĂ€hrwert "  500  Kai.  pro  1  1.  Bei  4  %  Zuckerzusalz 
Gleichnahrung.  Indikation:  ZufĂŒtterung  bei  Dyspepsie  der  Brust- 
kinder und  bei  FrĂŒhgeborenen,  besonders  aber  bei  Dyspepsie 
(Dystrophie)  des  kĂŒnstlich  genĂ€hrten  Kindes.  Bei  stark  gestörten 
Kindern  empfiehlt  es  sich,  neben  der  Eiweißmilch  bald  1 — 2  Mehl- 
mahlzeiten einzuschalten.  Mißerfolge  lassen  sich  verringern,  wenn 
man  vor  der  Verabreichung  milchhaltiger  Nahrung  nach  der 
12  stĂŒndigen  TeeditĂ€t  einige  wenige  Tage  milchlose  Kost  ein- 
schaltet (Beis-  oder  Kakespudding).  Zusatz  von  Calc.  lact.  (1  g 
pro  Yn  1  Vollmilch)  bewÀhrt  sich  auch  bei  gewöhnlichen  Milch- 
mischungen als  antidyspeptische  Maßnahme.  Bei  grĂ¶ĂŸeren  Ge- 
wichtsabnahmen und  toxischen  Erscheinungen  gelingt  die  Bepa- 
ration  am  besten  mit  Frauenmilch-Kuhmolkegemisch  (2  :  1),  oder 
Molke  mit  Pudding.  Eiweißmilch  kann,  in  solchen  FĂ€llen  mit- 
unter schĂ€digend  wirken.  Schaltet  man  das  Kasein  fĂŒr  einige 
Tage  aus,  so  wirkt  es  spÀter  wieder  als  Therapeutikum. 

Ueber  operative  Myombehandlung.  Entgegen  der  Behauptung 
von  Micholitsch  wird  die  Böntgenbehandlung,  welche  percentuell 
mindestens  ebenso  gute  Besultate  gibt  wie  die  Operation,  als  die 
Methode  der  Wahl  bezeichnet.  Beuß  (Wien). 

Zentralblatt  fĂŒr  innere  Medizin. 

13.  Mai  1922,  Nr.  19. 
♩Ueber  Blutnachweis  mit  Pyramidon.  F  o  r  t-w  a.  e  n  g  1  e  r  ,  A.  313. 
Ueber  Blutnachweis  mit  Pyramidon.  Die  Pyramidonprobe 
erwies  sich  in  allen  einschlÀgigen  FÀllen  und  bei  den  verschie- 
densten Untersuchungsobjekten  als  zuverlÀssig.  Sie  wurde  als 
Schichtprobe  ausgefĂŒhrt,  indem  man  die  Pyramidonlösung  ĂŒber 
die  mit  Eisessig  angesĂ€uerte  FlĂŒssigkeit  schichtete,  und  Vor- 
sichtig Wasserstoffsuperoxyd  zufließen  ließ,  wobei  im  Falle 
einer  positiven  Beaktion  ein  lila  Bing  entstand.  FĂŒr  den  Stuhl 
erwies  sich  als  geeignetes  Extraktionsverfahren  die  Extraktion 
mit  neutralem  Aether,  den  man  vom  Stuhle  abgoß  und  abdunsten 
ließ.  Der  in  Wasser  aufgenommene  BĂŒckstand  bildete  dann  das 
Substrat,  in  welchem  sich  die  Beaktion  leicht  und  eindeutig  :UI" 
stellen  ließ.  Wem.  H.  B  e  c  k  e  r. 

Deutsches  Archiv  fĂŒr  klinische  Medizin,  Leipzig. 
21.  Februar  1922,  138,  Heft  5  und  6. 

♩EnergometrisChe  Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkung  des  Adrenalins  auf  den 
Kreislauf,  nebst  Bemerkungen  ĂŒber  den  Wanddruck  der  Arterien. 
Hotz.  257. 

♩Ueber  Austauschvorgange  zwischen  Blut  und  Geweben.  Bauer  und 
A  s  c  h  n  e  r.  270. 

Endothelhyperplasie  als  Systemerkrankung  des  himatopoetischen  Apparates 
(zugleich  ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Splenomegalie.)  Goldschmid 
und  I  s  a  a  c.  281. 
♩Urohilin.     Adler.  309. 

♩Der  Einfluß  deir  Nahrungsaufnahme  auf  den  Bluthllirubingehalt.  Meyer 
und  KnĂŒpfte  r.  321. 
Herkunft   der   im   strömenden   Blut  hei   Endokarditis  lenta  vorkommenden 
Endothelien.    Heß.  330. 
♩HarnsĂ€ureigehalt  des  Blutes  hei  Erkrankungen  der  Niere  im  Vergleich  zum 
Reststickstoff  und"  Kreatinin.    K  r  a  u  ß.  3<0. 
Akute  Monocyten-  und  StanimzellenleukÀmien.    F  r  e  h  s  e  ,  E.  und  II  e  n  n  i  g. 
353. 

♩Die  Beurteilung  der  Knoehenmarksfunktion  bei  AnĂ€mien.  R  o  e  s  s  i  n  g  h.  367. 


592 


Ans   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Energometri^che  Untersuchungen  ĂŒber  die  Wirkung  des 
Adrenalins  auf  den  Kreislauf,  nebst  Bemerkungen  ĂŒber  den 
Wanddruck  der  Arterien.  Verf.  sucht  mit  Hilfe  der  energo- 
metrischen  Methode  von  Christen  die  unter  Wirkung  von 
Adrenalin-Injektionen  beim  Menschen  eintretende  Blutdruck- 
steigerung an  der  Art.  brachialis  zu  analysieren.  Höchstwirkung 
tritt  bei  seinen  Kindern  in  10 — 30  Min.  ein.  Die  Befunde  Ă€lterer 
Autoren  werden  z.  T.  bestÀtigt,  z.  T.  durch  eingehendere  Messun- 
gen erweitert;  und  zwar  zeigt  sich  das  Pulsvolumen  lange  Zeil 
vergrĂ¶ĂŸert,  der  Blutdruck  sowie  der  Wanddr'uck  der  Arterien 
kehren  nach  anfĂ€nglicher  Steigerung  bald  zur.  Norm  zurĂŒck,  die 
Pulsfrequenz  steigt  an  (nur  bei  struma-kranken  Kindern  kommt 
es  zu  einer  Pulsverlangsamung'),  es  findet  eine  Zunahme  der 
Bruttoenergie,  und  Leistung  statt,  der  diastolische  Druck  sinkt 
in  den  meisten  FĂ€llen. 

In  ausfĂŒhrlichen  Darlegungen  analvsiert  Verf.  die  Brutto- 
energie, die  sich  aus  ca.  18%  Energie  des  Wanddrucks  und  der 
Nettoenergie  zusammensetzt.  Die  Schwankungsbreite  der  erste- 
ren  bei  der  Zunahme  betrĂ€gt  ungefĂ€hr  30—80%. 

Die  Blutdrucksenkung  in  der  Diastole  kommt  nach  seiner 
Ansicht  durch  vermehrten  Abfluß  von  Blut  nach  dem  rechten 
Herzen  zustande,  wobei  eine  passive  Dilatation  der  GefĂ€ĂŸe,  viel- 
leicht auch  die  UnterstĂŒtzung  durch  eine  aktive  Komponente,  nicht 
auszuschließen  sind. 

Ueber  AustauschvorgÀnge  zwischen  Blut  und  Geweben:  Der 
Einfluß  der  Diuretica.  Die  Untersuchungen,  die  zur  weiteren 
KlĂ€rung  dieser  Frage  fĂŒhren  sollen,  bauen  sich  auf  Versuchen 
auf,  bei  denen  nach  intravenöser  Verabreichung  des  Diureticum 
der  Eiweißgehalt  des  Serums  mit  dem  Pulfrichschen  Eintauch- 
refraktometer, der  NaCl-Gehalt  nach  der  jodometrischen  Methode 
von  McLean  und  van  Slyke  bestimmt  wurde. 

Theocin,  Theophyllin  und  Euphyllin  zeigten  ein?  Fiweiß- 
zunahme,  also  Bluteindickung,  infolge  Beeinflussung  des  FlĂŒssig- 
keitsaustausches  an  den  Kapillarendothelien  der  Gewebe.  Bei 
den  beiden  ersteren  fand  eine  initiale  Zunahme  des  NaCl-Gehalfs 
im  Serum  statt,  die  mit,  der  Abnahme  in  der  GewebsflĂŒssigkeit 
ĂŒbereinstimmte:  bei  Enohvllin  trat  Hn  Kochsalzverarmung  des 
Serums  ein.  Ganz  anders  wirkte  Diuretin,  das  vor  allem  eine 
HydrÀmie  verursachte,  bei  fast  gleichbleibendem  NaCl-Gehalt.  Tm 
Gegensatz  zu  Volhard  und  Spiro  fanden  Verf.  keinen  unmittel- 
baren Zusammenhang  zwischen  der  extrarenalen  Wirkung  der 
Diuretica  und  dem  diuretischen  Effekt  ĂŒberhaupt.  Auf  das  Zu- 
standekommen der  extrarenalen  Wirkung  wird  auch  nicht  nÀher 
eingegangen,  nur  an  der  Tatsache  festgehalten  und  die  Ver- 
mutung ausgesprochen,  daß  es  sich  dabei  um  eine  SDezifisch 
sekretorische  Beeinflussung  der  Kanillarendothelien  oder  des 
nervösen  Begulationsapparates  handele. 

Wie  den  Purinkörpern.  wird  auch  dem  Strophantin  und 
Cnlo>mel  eine  extrarenale  Wirkung  zugesprochen,  wobei  die 
Eiweiß-  und  NaCl-Werte  ein  schwankendes  Verhalten  zeigen 
können,  das  nicht  von  der  extrarenalen  Wirkung  der  Substanzen, 
sondern  auch  von  dem  Eiweiß-  und  NaCl-Gehalt  des  Blutes  und 
der  Gewebe,  nebst  anderen  Momenten  abhÀngig  ist. 

Ueber  Urohilin.  Aussehend  von  den  Uebcrlegunsen.  daß 
.■ine  verwertbare  quantitative  Bestimmung  des  Urobilingehnlts 
im  Urin  und  Stuhl  auf  große  Schwierigkeiten  stĂ¶ĂŸt,  da  1.  eine 
fĂŒr  die  Klinik  möglichst  einfache  und  genaue  Methode  fehlt 
2  die  Urobilinausscheidung  Ă€ußerst  mannigfaltig  ist.  3.  sowohl 
im  Stuhl  als  auch  im  ITrin  dieser  Farbstoff  auftritt.  4.  die  ein- 
zelnen Urinnortionen  im  Laufe  des  Tages  verschiedenen  Gehalt 
zeigen,  und  5.  diese  Gallenfarbstoffe  nicht  nur  als  Urohilin.  son- 
dern z.  T.  auch  als  Bilirubin  ausgeschieden  werden,  wurden  mit 
Hilfe  einer  Modifikation  der  Schleßingerschen  Probe  Bestimmun- 
gen vorgenommen,  wobei  StÀndardlösunfen  von  verschiedenem 
VerdĂŒnnungstirade-  als  Vergleich sobjekt  dienten. 

Nach  sehr  ausfĂŒhrlicher  Beschreibung  der  Methodik  bei 
Urinuntersuchungen  geht  Verf.  auf  die  Technik  der  Urobilin- 
hestimmung  im  Stuhl,  Duodenalsaft  und  Blut  ein.  Besonders  im 
Duodenalsaft  fand  er  unter  natbolosrischen  VerhÀltnissen  eine 
Vermehrung  des  Urobilins,  die  das  146  fache  des  "Normalen  er- 
reichen konnie.  —  Weitere  Abhandlung  soll  folgen. 

Ueber  den  Einfluß  der  Nahrungsaufnahme  auf  den  Blut- 
bilirubingehalt.  Unter  Benutzung  der  Ehrlichschen  Diazoreaktion 
haben  die  Verff.  den  Wechsel  des  Bilirubin  geh  alt  s  durch  die 
Nahrungsaufnahme  untersucht.  Fast  200  Personen  wurden  in  den 


Kreis  der.  Betrachtungen  gezogen  und  besonders  an  Gesunden 
interessante  Feststellungen  gemacht.    Bei  diesen  trat  innerhalb  3 
2 — 5  Stunden  eine  Abnahme  des  Bilirubingehalts  ein,  die  nach 
8  Stunden  wieder  einer  Zunahme  Platz  machte.   Bei  Nahrungs-  i 
enthaltung  trat  im  Laufe  des  Tages  eine  Zunahme  des  Bilirubins 
ein.   Diese  ist  besonders  dadurch  zu  erklĂ€ren,  daß  die  Gallen- 
sekretibh  ins  Duodenum  nach  der  Nahrungsaufnahme  erheblich- 
gefördert  wird  und  daher  die  Leberzellen  das  Bilirubin  aus  dem -9 
Blut  aufnehmen  können  oder  weniger  ins  Blut  sezernieren.  Einzig  j 
die  ZufĂŒhrung  von  einem  Liter  Wasser  hat  sich  ohne  Einfluß 
auf  das  Blutbilirubin  erwiesen. 

Bei  Personen  mit  LeberschĂ€digungen  zeigte  eine  große  Zahl  ] 
normales  Verhalten,  ein  Teil  weist  nach  der  Nahrungsaufnahme 
eine  Zunahme  des  Blutbilirubins  auf,  was  wohl  darauf  zurĂŒck- 
zufĂŒhren ist,  daß  das  aus  dem  Darm  wieder  resorbierte  Bilirubin 
die  geschÀdigte  Leber  passiert.  Dies  wurde  auch  bei  Diphtherie, 
Scharlach,  Typhus  und  kruppöser  Pneumonie  beobachtet. 

Der  HarnsÀureerehalt  des  Blutes  bei  Erkrankungen  d<*r  Niere 
im  Vergleich  zum  Reststickstoff  und  Kreatinin.    Mittels  der  kolo- 
rimetrisehen  Methoden  von  Folin  und  Denis  wurde  in  dem  Harn- 
sÀuregehalt  des  Blutes  ein  guter  Indikator  gefunden,  der  die  BeS 
Erteilung  der  Nierenerkrankungen  erleichtert  und  die  Bestimmung! 
der  ĂŒbrigen  N-Komponenten  erĂŒbrigt.    Besonders  bei  den  Nephri-" 
tiden  trat  eine  Erhöhung  des  U-Wertes  wesentlich  frĂŒher  ein  und] 
blieb  in  der  Ausheilungsperiode  lÀnger  bestehen  als  die  Erhöhung 
des  Harnstoff-  und  Kreatiningehaltes  sowie  des  BeststickstoffesJ 
Das  Vorkommen  einer  U-Vermehrung  im  Blut  bei  Nenhroscn, 
genuiner  Schrumpfniere  und  Hvpertonien  ohne  NierenschÀdigun- 
gen wurde  ebenfalls  geprĂŒft  und  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Prog- 
nose wertvolle  Befunde  erhoben. 

Die  Beurteilung  d«r  Knochenmarksfunktion  bei  AnÀmien.  An 

einer  kleinen  Anzahl  FĂ€lle  wird  die  Sauerstoff.zehrung  der  Ery- 
throevten  festgestellt  und  mittels  der- vitalen  FĂ€rbung  die  ge- 
tĂŒnfelten  roten  Blutkörperchen  zahlenmĂ€ĂŸig  bestimmt.  Die  Be- 
sĂŒltate  lassen  eine  gewisse  Einheitlichkeit  z.T.  noch  vermissen, 
doch  erscheinen  die  Versuche  nachprĂŒfungswert,  wenn  auch  die 
Bestimmung  der  O-Zehrung  ziemliche  Schwierigkeiten  bereitet. 

Liebenow  (Gießen).  \ 

Psychiatrisch-Neurologische  Wochenschrift. 

8.  April  1922.  24,  Nr.  1-2. 

Wissenschaftliche    Neuorientierung:    in    der    Anstaltspsvrhiatric.     Fuchs  I 

W.  5. 

❖Per  derzeit:ge  Stand  der  ErnĂ€hrung  in  den  Irrenanstalten.    Brest  er,  J.  8.J 

Der  derzeitige  Stand  der  ErnÀhrung  in  den  Irrenanstalten. 

Diese  wichtige  Frage  wird  von  dem  Herausgeber  der  Zeitschrift 
angeschnitten,  soll  zu  einer  möglichst  vielseitigen  Aussprache 
fĂŒhren  —  eine  Anzahl  Anstalten  sind  mit  einem  Fragebogen  be- 
dacht worden  —  und  setzt  sich  noch  durch  die  folgenden  Nummern 
fort.  Wem.  H.  Becker. 

Jahrhuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

April  1922,  98,  Heft  1/2, 

❖Studien  ĂŒber  Oxyuriasis.    Heubner,  O.,  1. 
Hypokolasie.     Karger,  P.  22. 

Die  zeitliche  Bedingtheit  des  Endothel-Symptoms  (Kumpel  T.eed»  im  SÀug- 
lingsalter.    H  o  f  f  m  a  n.  n  ,  P.  39. 
❖Zur  Kenntn;s  des   Vorstadiums  der  Barlowsehen  Krankheit.    Nassau.  E. 
und  Singer.  M.  J.  4*. 
AVeitere  BeitrÀge  zur  Nierenfunktion  im   SÀuglingsalter.    Stransky.  E. 

und  Kochmann.  R.  88. 
Die  Blutzusammensetzung  bei  GewichtsstĂŒrzen  im  SĂ€uglingsalter.    B  A  1  i  n  t. 
A.  und  Peiper,  A.  74. 
❖Weitere  Indikationen  zur  BreiverfĂŒtternng  bei  SĂ€uglingen.  Epstein.  B.  85. 

Studien  ĂŒber  Oxyuriasis.  Heubner  war  selbst  an  Oxyuren 
erkrankt  und  benutzte  diese  Gelegenheit  fĂŒr  eingehende  Unter- 
suchungen. Die  Erkrankung  verlief  in  SchĂŒben  von  6— 7  wöchent- 
licher Dauer,  deren  Wiederholung  durch  das  jedesmalige  Auf- 
treten einer  neuen  Generation  bedingt  war.  Wahrscheinlich 
nimmt  diese  neue  Generation  von  im  Darm  abgesetzten  Eiern 
ihren  Ausgang  und  ist  nicht  durch  zufÀllige  Selbstinfektion  be- 
dingt. Die  Behandlung  hat  daher  die  Aufgabe,  die  neue  Gene- 
ration womöglich  vor  ihrer  völligen  Entwicklung  zu  treffen  und 
zu  vernichten.  Die  mehrtÀgige  Zufuhr  von  .frischgewiegten 
ZwiebelgewÀchsen  vor  einer  Wurmkur  bildet  eine  wirksame 
UnterstĂŒtzung.  Von  einer  Heilung  der  Oxyurenkrankh'eit  sollte 
nicht  gesprochen  werden,  wenn  die  völlige  Wurm-  und  Wurm- 
eifreiheit  nicht  2  Monate  lang  durch  fortlaufende  Beobachtung 
gesichert  ist. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Ans   den   neuesten   Z  e  1 1  s  c  h  r  i  f  I  e  n 


Zur  Kenntnis  das  Voretadiumfl  der  Barlow'sehen  Krankheit. 
Vor  Ausbruch  der  eigentlichen  Barlow'sehen  Krankheil  fin- 
den sich  oft  kleinste  Hautblutungen,  besonders  im  Gesicht. 
Nierenbjutungcn  und  blutiger  diphtherischer  Schnupfen.  Sie  sind 
die  Zeichen  einer  Angiodvstrophic.  Ein  weiteres  Zeichen  des  la- 
tenten Skorbuts  ist  die  Appetitlosigkeit.  Wichtig  sind  ferner 
recidivierende  Fiebersteigerungen,  fĂŒr  die  die  klinische  Unter- 
suchung nicht  immer  einen  krankhaften  Befund  nachweisen  kann. 
Eine  Senkung  der  ImmunitÀt  (hÀufigere  Infekte)  und  der  Resi- 
stenz (mehr  Fiebertage,  höhere  Durchschnittstemperatur'),  be- 
gleiten den  latenten  Skorbut.  Gewichtszunahme  und  LĂ€ngenwachs- 
tum  werden  hÀufig  gestört.  Das  Vorstadium  bis  zum  Ausbruch 
der  Krankheit  dauert  1 — 3  Monate.  Es  fĂ€llt  in  die  Halhjahrs- 
wende  des  SĂ€uglings.  Es  empfiehlt  sich  daher,  vom  4.  Lebcns- 
monat  ab  antiskorbutische  Nahrungsmittel  zu  geben.  ‱ 

Weitere  Indikationen  zur  BreivcrfĂŒtterunc  bei  SĂ€uglingen.  Die 
BreiverfĂŒtterĂŒng  vor  der  eigentlichen  Milchmahlzeit  wurde  nr- 
snrĂŒnglich  zur  Behandlung  des  habituellen  Erbrechens  der 
SĂ€uglinge  empfohlen.  Verfasser  wandte  sie  nun  auch  erfolgreich 
bei  schlecht  gedeihenden  Brustkindern,  exsudativer  Diathese  und 
Neuropathie  an.  außerdem  in  solchen  FĂ€llen,  wo  nicht  genĂŒgend 
Muttermilch  vorhanden  war.    „  .  A.  P  e  i  p  e  r  (Berlin). 

Dermaiologische  Wochenschrift. 

20.  Mai  1922.  Nr.  20. 

BeitrÀge    zur    experimentellen    Pharmakologie    des    mÀnnlichen  Genitales. 

Alfred  Perutz  und  Erwin  Taifner. 
I'eher    den    Weiteren    Verlauf    der    Hannoverschen  Mikro5porieep:demie. 

Oustav  S  t  n  m  p  k  e. 

27.  Mai  1922,  Nr.  21. 

Wind-  und  KĂ€lteurtikaria  bei  Lues  hereditaria.    Riehard  W  a  g  n  e  r. 

♩Erfahrungen  mit  der  Triibungs-Flockungsreaktion  naeh  Dold.    F.  Jacob- 
s  soh«. 

Erfahrungen  mit  der  TrĂŒbungs-Flockungsreaktion  nach  Dold. 
Die  Doldsche  Beaktion,  die  lediglich  eine  modifizierte  Sachs-Georgi 
Beaktion  ist,  hatte  angeblich  den  Vorteil,  eine  FrĂŒhablesung  zu  er- 
möglichen —  etwa  4  Stunden  nach  Anstellung  der  Reaktion.  Diese 
Absicht  wird  nicht  ganz  erreicht,  da  die  Besultate  nach  4  Stun- 
den noch  nicht  endgĂŒltig  sind,  und  da  vielmehr  noch  hĂ€ufig  in  den 
nĂ€chsten  12  Stunden  TrĂŒbungen  der  bis  dahin  klaren  Seren  ein- 
treten. Im  ĂŒbrigen  scheinen  die  Besultate  der  Doldschen  Beak- 
tion denen  der  Wa.  R.  gleichwertig,  denen  der  Sachs-Georgi  ĂŒber- 
legen zu  sein.  Bab  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  die  ges.  experim.  Medizin,  Berlin. 

27,  Heft  3/4. 

♩Calciumgehalt  des  Blutes  bei  der  Guanidinvergiftung.     Bayer,  R.  118. 

Funktionelle  Eigenschaften  der  BlutgefĂ€ĂŸe  isolierter  Organe.  Krakow.  1S7. 
❖Desinfektionsleistung  von  Akridiniumfarbstoffen.    Langer.  H.  174. 
♩  AustiauscbvorgĂ€nge  zwischen  Blut  und  Gewebe.    Bauer,  .T..  und  A  s  c  h  - 
n  e  r  ,  B.  191. 

Pharmakologie  des  Strontium.    C  o  r  u  1  1  a  ,  H.  und  G  r  a  s  s  h  e  i  m  ,  K.  IIS. 
♩Störungen-  der  Adrenalinbildung  in  den  Nebennieren.    P  e  i  »  e  r  ,  B.    2J4.  ' 

Calciumgehalt  des  Blutes  bei  der  Guanidinvergiftung.  Die 
Untersuchungen  liefern  einen  interessanten  Reitrag  zur  Te- 
ta  niefrage.  Guanidinvergiftung  fĂŒhrt  bei  Kaninchen,  Katzen 
und  Meerschweinchen  bereits  nach  einer  Stunde  zu  einer  deut- 
lichen Verarmung  des  Serums  an  Calcium-Ionen.  Die  Ergebnisse 
bilden  eine  RestÀtigung  der  Theorie  von  Noel  Paton  und 
seinen  Mitarbeitern  (Quarterly  journ.  of  physiolog.  1917),  die  die 
Tetanie  durch  AnhÀufung  von  Guanidin  in  der  Zirkulation  er- 
klÀren, entstanden  durch  den  Ausfall  einer  normalerweise  von 
den  Epithelkörperchen  ausgehenden  Stoffwechselregulation.  Verf. 
stellt  sich  die  Entstehung  der  Kalziumverarmung  folgendermaßen 
vor:  Durch  die  ĂŒbermĂ€ĂŸige  Zufuhr  von  Guanidin,  das  die  Epithel- 
körperchen  zu  Kreatinin  verarbeiten  mĂŒssen,  sind  sie  mit  dieser 
Funktion  so  ĂŒberbĂŒrdet,  daß  sie  ihrer  anderen  Aufgabe,  der 
Kalziumregulation  nicht  entsprechen  können. 

Dcsinfektionsleistung  von  Akridiniumfarbstoffen.  Aus  diesen 
Untersuchungen  seien  besonders  die  Erfahrungen  ĂŒber  das  F  1  a  - 
v  i  c  i  d  erwÀhnt.  Dieses  tötet  nach  kurzer  Einwirkung  in  starker 
VerdĂŒnnung  Raktericn  ab.  (Staphylokokken  in  1  h  in  VerdĂŒnnung 
bis  1  : 1000000.)  Die  Wirkung  auf  gramnegalive  Razillen  ist  ge- 
ringer als  auf  gi -ampositive;  am  deutlichsten  ist  die  Wirksamkeit 
auf  Eitererreger  und  Diphtheriebazillen.  Die  ĂŒberlegene  Wirkung 
des  Flavizids  im  Reagensglas  tritt  auch  im  Tierversuch  deutlich 
hervör.    Noch  in  einer  VerdĂŒnnung  von  1:100000  werden  die 


durch  intramuskulÀre  Injektion  lebender  Staphylokokken  erzeug 
len  lokalen  Eiterungen  unterdrĂŒckt,  bezw.  die  bereits  entstan- 
denen zur  Ausheilung  gebracht".  Die  bei  subkutaner  Injektion 
auftretenden  Reizerscheinungen  fallen  bei  intravenöser  Einver- 
leibung fort.  Rei  Kaninchen  hetrÀgt  die  Dosis  letalis  0,03  pro  kg 
Körnergewicht;  die  therapeutische  Dosis  betrÀgt  1  3  (  5)  mg 
pro  Kilo. 

AustausehvorgÀnge    zwischen    Blut    und    Gewebe.     In    I  orl 

Petzung  frĂŒherer  Arbeiten  Wurden  die  BlutverĂ€nderungen  nach 
subkutaner  Injektion  von  BlutdrĂŒsenextrakten  untersuchl  Be 
stimmt  wurde  Refrakfoureterwert.  Eiweißkonzentration.  Koch- 
salzgehalt des  Serums,  ferner  Blutdruck.  Pulszahl,  Ervthrocytc.n- 
zahl  usw.  Adrenalin  (1  mg  Tonogen)  verursacht  hÀufig  Ver- 
Ă€nderungen der  Eiweißkonzentration  im  Blutserum.  Die  Arl  der 
KonzentrationsĂ€nderung  fEindickung  oder  VerdĂŒnnung)  ist  nicht 
abhÀngig  von  der  nach  der  Adrenalininjekfion  verflossenen  Zeit. 
Schwankungen  der  Ervthrozvtenzahl  gehen  nicht  immer  parallel, 
sie  sind  auch  unabhÀngig  von  den  Schwankungen  des  arteriellen 
Blutdruckes.  Beziehungen  zwischen  Kochsalzschwiankungen  im 
Serum  zu  den  Schwankungen  des  Eiweißgehaltes  lassen  sich  nicht 
feststellen,  auch  nicht  Beziehungen  zu  arteriellen  BlutdruckÀnde- 
rungen. Rei  der  Mannigfaltigkeit  der  Anariffspunkte  und  Wir- 
kungen des  Adrenalin  im  Organismus,- bei  der  individuell  diffe- 
renten  Bereitschaft.  Reaktionsart  und  ReaktionsgrĂ¶ĂŸe  der  ein- 
zelnen Organe,  ist  eine  gleichartige  Wirkung  des  Adrenalins  auf 
Blutkonzentration  und  Kochsalzaehalt  des  Rlutes  gar  nicht  zu 
erwarten.  Geringer  und  undeutlicher  ist  die  Wirkung  von  Hypo- 
physenexfrakt  und  anderen  RlutdrĂŒsenextrakten. 

Störungen  der  Adrenalinbildung  in  den  Nebennieren.  Unter- 
sucht wurde  der  Adrenalingehalt  menschlicher  Nebennieren  (158 
FĂ€llet  von  Individuen  verschiedenen  Alters.  Es  ergab  sich  die 
auffallende  Tatsache,  daß  der  Adrenalingehalt  um  mehr  als  % 
unter  den  in  frĂŒheren  Zeiten  gefundenen  Durchschnittswert  ge- 
sunken ist.  (Rei  Kindern  noch  stÀrker  als  bei  Erwachsenen.') 
Hierdurch  ist  auch  fĂŒr  die  Nebenniere  der  Reweis  einer  schweren 
FunktionsschÀdiaung  durch  die  schlechte  ErnÀhrung  der  Kriegs- 
und Naehkriegszeit  erbracht  Die  durch  UnterernÀhrung  bedingte 
SchĂ€digung  der  Nebennierenfunktion  muß  ebenso  wie  die  der 
Funktionen  anderer  innersekretorischer  Organe  die  gesamte 
Körnerverfassung  schwer  beeintrÀchtigen.  Sneziell  die  SchÀdi- 
gung des  chromaffinen  Svstems  dĂŒrfte  in  einer  allgemeinen  TT-  - 
absetzung  der  WiderstandsfÀhigkeit  und  Energie  sich  geltend 
machen.  Lehndorff  (Wien). 

Zeitschrift  fĂŒr  Ohrenheilkunde  und  fĂŒr  die  Krankheiten  der 

Luftwege. 

1922,  82,  Heft  1-4. 

Ein  neues  Eabyrinthmodell  des  menschlichen  Gehörorgans.  Riehen- 
mann,  F.  1. 

Nekrotisierende  EntzĂŒndung  in  dflr  linken  N.-isenhĂ€lfte.  der  linken  Kiefer- 
höhle und  dem  linken  ,  Sieblieim  mit  septischer  Neuritis  der  rechten 
Nervus  trochlearis  und  der  motorischen  Nerven  de*  Gaumensegels 
Arndt,    Georg.  5. 

♩Urobillinogennaehweis  im  Harn  (Ehrlichsche  A ldehydprobel  als  Hilfsmittel  bei 
der    Erkennung    von    Hirnblutleitererkrankungen     im     Verlaufe  eitri- 
ger MitMelohrentzĂŒndurigen.    Lange.  J.  9. 
Zur  Klinik  der  Kondyloideenthrombose.    G  r  o  o  S  ,  Fritz.  1». 
♩lieber   die,  Behandlung  der  Verengerung   des   Kehlkopfes  mit  der  BrĂŒgse- 
mannschen  Bolzenkaniile.    Eich,  A.  J6. 
Uebclr  den  Oesophagusmund  und  seine  Spasmen.    Beck,  Karl.  S7. 
4<Ziir  BekÀmpfung  der  Kokainvergiftung.    Mayer,  Karl.  4?. 

Findet  sich  die  Macula  neglecta  auch  beim  Menschen?    Sakai,  K.  !>0. 
♩Die  Gefahren  der  operativen  Freilegung  des  Sinus.    L  e  i  c.  h  s  e  n  r  i  n  g.  U. 
Neue  Untersuchungen  zur  Otosklerosenfrage.    M  a  n  a  s  s  e  ,  P  a  u  1.  76. 
lieber  das  Anwendungsgebiet  des  Kehlkopfkugelvcrfahrens.  M  u  c  k,  Dr.  O.  97. 
♩  Beitrag  zur  Genese  der  Nasenrachenfibrome.    Gussow,  Dr.,  M.  10». 
Schußfraktur  des  Feilsenhe:ns   mit  EiterTerha.ltung   im   Zusammenhang  mit 

La.ndryseher  Paralyse.    Bloedhorn,  Dr.,  E.  113. 
Zur    Mechanik    des    Drelinysltlagmu«.      ('em  »eh,    A..T.    und  Kesten- 
baum. 117. 

Eine    neue    Spritze    fĂŒr    submuköse    Injektionen    zur    AnĂ€stbesieirung  des 

Ohres,  der  Nase  und  deT  Mundhöhle.    Mii  1  I  e  r  ,  Fried.  125. 
Felix   Semon  f  Nekrolog.    Eicken,   ('.  von.  ISO. 

Urobilinogennachweis  im  Harn  (Ehrlieh'schc  Aldehydprobe) 
als  Hilfemittel  bei  der  Erkennung  von  Hirnblutleitererkrankungen 
im  Verlaufe  eitriger  MittelohrentzĂŒndungen.  Eine  vermehrte 
Urobilinogenausscheiduing  im  Harn  wird  beobachtet  bei  Leber- 
erkrankungen, die  mit  ParenchymschĂ€digungen  verknĂŒpft  sind, 
sowie  bei  Krankheiten,  die  mit  erhöhtem  Rlutzerfall  im  Körper 
einhergehen.  Unter  diesen  Gesichtspunkten  ist  eine  vermehrte 
Urobilinogenausscheidung  im  Harn  denkbar  auch  bei  infektiösen 


594 


Aas  den   neuesten  Zettschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Hirnblu  Heiter  erkrankungen  im  Verlauf«  von  akuten  und  chro- 
nischen Mittelohreiterungen,  namentlich  :  wenn  diese  mit 
Thrombenbildung  und  so  mit  starkem  Blutzerfall  verbunden  sind. 
Verf.  hat  in  einer  Reihe  von  FĂ€llen  mittels  der  Ehr  Men- 
schen Aldehydprobe  entsprechende  Harnpriifungen  vorgenommen 
und  zwar  erstens  bei  solchen  Erkrankungen  des  Ohres,  die  kli- 
nisch eine  Miterkrankung  der  .  Hirnblutleiter  bestimmt  aus- 
schließen ließen,  und  zweitens  hei  solchen,  bei  denen  wahr- 
scheinlich oder  sicher  eine  infektiöse  Hirnblutleitererkrankung 
bestand.  Das  Ergebnis  war  fast  regelmĂ€ĂŸig  negatiyer  Ausfall 
der  Aldehydprobe  bei  FĂ€llen  der  ersten,  und  umgekehrt  posi- 
tiver Ausfall  bei  FĂ€llen  der  zweiten  Art.  Hiermit  scheint  ein 
ursÀchlicher  Zusammenhang  zwischen  Hirnleitererkrankung  und 
vermehrter  Urobilinogenaaisscheidung  im  Harn  möglich,  ja  wahr- 
scheinlich. ‱  ■ ,  ■  , .     .    '  ‱  X 

Ueber  die  Behandlung  der  Verengung  des  Kehlkopfes  mit 

der  BrĂŒggemannschen  Bol.zenkanĂŒle  Zur  mechanischen  Be- 
ll andlung  der  narbigen  Kehlkopf  Stenosen  dienen  vorzĂŒglich  die 
Thost'sohe  BolzenkanĂŒle,  bezw.  die  T-KanĂŒle  mit  ihren  ver- 
schiedenen Modifikationen.  Eine  Vereinigung  beider  stellt  die 
BrĂŒggemann'  sehe  BolzenkanĂŒle  dar^  ĂŒber  deren  Gebrauchs- 
fÀhigkeiten Verf.  berichtet.  Hiernach  sind  in  3  FÀllen  schwer- 
ster Narbenstenose  des  Kehlkopfes  mittels  des  angegebenen  In- 
strumentes schöne  Dauererfolge  erzielt  worden  bei  leichter  und 
bequemer  Anwendung  der  KanĂŒle. 

Zur  BekÀmpfung  der  Kokainvergiftung.  Ein  vollwertiger 
Ersatz  des  therapeutisch  so  unentbehrlichen,  jedoch  in  seiner 
Anwendung  nicht  gefahrlosen  Kokains  ist  bisher  noch  nicht  ge- 
funden worden.  Um  so  mehr  ist  eine  zweckmĂ€ĂŸige  Behandlung 
eingetretener  Vergiftungen  zu  erstreben.  Die  Vergiftung  selbst 
Ă€ußert  sich  zunĂ€chst  in  Flimmern  vor  den  Augen,  PrĂ€kordial- 
angst, Uebelkeit,  BlÀsse;  ferner  kommen  Exaltationen,  ja  epi- 
leptiforme  KrĂ€mpfe,  schließlich  allgemeine  LĂ€hmungen  und  LĂ€h- 
mung des  Atemzentrums  und  damit  TodesfÀlle  vor.  Verf.  gibt 
auf  Grund  von  Tierversuchen  und  Erfahrungen  an  Kokainver- 
giftungen folgende  therapeutische  VorschlÀge  an:  1.  Nach  bezw. 
bei  eingetretener  Kokainintoxikation  ist  die  Anwendung  von  Mor- 
phium zu  vermeiden.  2.  Galcium  ist  ein  Antagonist  des  Kokains 
und  wirkt  im  Tierversuch  entsprechend.  Verf.  rat  beim  Men- 
schen 5—10  cem  einer  lO'proz.  Lösung  vorsichtig  intravenös  zu 
injizieren. 

Die  Gefahren   der  operativen  Freilegung  des  Sinus.  Auf 

Grund  der  Beobachtungen  an  mehreren  FĂ€llen  von  Sinusthrom- 
bose im  Anschluß  an  Operationen,  bei  denen  ein,  allerdings  ge- 
wöhnlich nur  geringer  Teil  des  Sinus  sigmoideus  (z.  B.  bei  der 
Radikaloperation)  freigelegt  wurde,  werden  die  Gefahren  solcher 
Sinuseröffnung  erörtert.  Die  scheinbar  unwesentliche  Ver- 
letzung hat  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  oft  ganz  außerordentlich 
schwere  Folgen  gezeitigt:  in  sechs  von  17  bisher  fest- 
gestellten Fallen  kam  es  zum  Exitus  letalis  infolge 
schwerster  Infektion;  aber  auch  in  den  ĂŒbrigen  11  FĂ€llen 
trat  eine  erhebliche  Verzögerung  des  Krankheitsverlaufes  —  es 
handelte  sich  gewöhnlich  um  Ohrerkrankungen,  die  eine  Radi- 
kaloperation erforderten  —  sowie  Komplikation  desselben  und 
weiter  notwendig  werdende  Eingriffe  ein.  Zur  Vermeidung  der 
beschriebenen  unangenehmen  Operationsfolgen  wird  empfohlen, 
zunÀchst  von  ausgedehnten  WeichteilnÀhten,  besonders  im  Ge- 
riete des  freigelegten  Sinus,  abzusehen.  Ferner  wechsele  man 
den  Verband  frĂŒhzeitig,  um  etwaigen  Sekretstauungen  vorzu- 
beugen. Vor  allem  ist  jedoch  die  zufÀllige  Sinusfrei]  egung  mög- 
lichst auszuschließen,  und  wenn  es  doch  dazu  gekommen  sein 
sollte,  dies  Ereignis  nicht  als  belanglos  zu  betrachten. 

Beitrag  zur  Genese  der  Nasenrachenfibrome.  Die  Nasen- 
rachenfibrome zeigen  eine  Reihe  bemerkenswerter  Eigenschaften, 
die  in  der  vorliegenden  Abhandlung,  z.  T.  an  der  Hand  patholo- 
gischer PrÀparate  besprochen  werden.  ZunÀchst  ist  fast  aus- 
schließlich das  mĂ€nnliche  Geschlecht  befallen,  vermutlich  auf 
Grund  der  entwicklungsgeschichtlichen  Tatsache,  daß  der  mĂ€nn- 
liche SchÀdel  sich  zu  einer  Zeit  noch  weiterentwickelt,  in  der 
der  weibliche  bereits  sein  Wachstumsende  erreicht  hat.  Weiter- 
hin beschrÀnken  sich  die  Nasenrachenfibrome  auf  die  Entwick- 
lungsperiode  vom  10. — 25.  Lebensjahr.  Alle  bisherigen  ErklĂ€- 
rungsversuche dieses  Umstandes  stimmen  darin  ĂŒherein,  daß 
hier  eine  irregeleitete  Entwicklung  des  SchÀdels  vorliege.  Die 
auffallende  Tatsache  einer  RĂŒckbildungsfĂ€higkeit  der  in  Frage 
stehenden  Tumoren  soll  ihren  Grund  vornehmlich  in  einer 
hyalinen  Entartung  der  GeschwulstgefĂ€ĂŸe,  bezw.  des  Geschwulst- 
parenehyms  haben,  wie  B  a  1 1  o  zuerst  angegeben  hat  und  wie 


es  auch  durch  die  Untersuchungsbefunde  der  Breslauer  Uni- 
versitÀtsklinik bestÀtigt  scheint;  Die  Frage  nach  dem  Ent- 
stehungsort der  Nasenrachenfibrome  erfÀhrt  durch  die  Mit- 
teilung eines  beobachteten  Falles  eine  weitere  Beleuchtung:  bier- 
nach  scheint  der  ursprĂŒngliche  Sitz  der  GeschwĂŒlste  die  Fibro- 
cartilago  basilaris  zu  sein.  Zum  Schluß  wird  empfohlen,  das 
nach  der  Operation  noch  vorhandene  Tumorgewebe  mittels  kom- 
binierter Radium-Röntgenbestrahiung  zum  Absterben  zu  bringen, 
um  ein  Nachwachsen  zu  vermeiden.  L.  Frosch  -  Berlin. 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

18.  Mai  1922,  52,  Nr.  20. 

❖Die  Basier  Pockenepidemie  von  1921  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 
Verbreitung  der  Pocken  durch  Fliegen.   H  u  n  z  i  k  e  r  ,  H.  und  Reese 

■H.  469. 

Neurologische  Skizzen.    Veraguth,  O.  476. 

❖Mitteilungen  ĂŒber  Erfahrungen  mit  „Tebecin"  gegen  Tuberkulose,  H  a  e  b  e  r  - 
1  l  n  ,  A.  478. 

Beitrag  zum  akuten  mechanischen  Magen-  und  Duodenalverschluß  Bau- 
m  a  n  n  ,  E.  479. 

Die  Basler  Pockenepidemie  von  1921  unter  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung der  Verbreitung  der  Pocken  durch  Fliegen.  Ob 

wohl  die  mitgeteilten  Beobachtungen  sich  nur  ĂŒber  eine  relativ 
kleine  Epidemie  erstrecken,  so  ergeben  sich  doch  aus  ihnen 
einige  wichtige  epidemiologische  Tatsachen.  Der  Umstand,  daß 
unter  45  Erkrankungen  trotz  genauester  Nachforschung  in  21 
FĂ€llen  keine  Erkrankten,  keine  Mittelspersonen  und  keine  Ge- 
brauchsgegenstĂ€nde als  UebertrĂ€ger  eruierbar  waren,  fĂŒhrte 
dazu,  die  Frage  zu  prĂŒfen,  ob  nicht  Fliegen  die  Verbreitung  der 
Seuche  verursachten.  Die  Verff.  sind  geneigt,  diese  Ueber- 
tragungsart  als  Ă€ußerst  wahrscheinlich  anzunehmen.  Aus  diesem 
Grunde  sollte  kein  Absonderungsspital  fĂŒr  Pocken  ohne  Fliegen- 
fenster sein.  Ferner  bestÀtigte  sich  im  Verlaufe  der  Epidemie 
in  sehr  deutlicher  Weise  die  lÀngst  bekannte  weitgehende  Schutz- 
wirkung der  Impfung.  Von  praktischer  Wichtigkeit  fĂŒr  die 
DurchfĂŒhrung  der  sanitĂ€tspolizeilichen  Maßnahmen  bei  Pocken 
ist  schließlich  die  Tatsache,  daß  keiner  der  gemeldeten  FĂ€lle 
sich  im  Inkubationsstadium,  wÀhrend  der  Prodromo  und  wÀh- 
rend des  kleinpapulösen  Stadiums  des  Exanthems  als  ansteckend 
erwies,  trotzdem  es  sich  um  eine  recht  virulente  und  gefÀhr- 
liche Form  echter  Pocken  handelte. 

VorlĂ€ufige  Mitteilungen  ĂŒber  Erfahrungen  mit  Tebecin.  Die 

Suspension  bisher  unbekannter  Neuformen  des  Bazillus,  wie  sie 
das  Tebecin  des  Wiener  Arztes  D  o  s  t  a  1  darstellt,  ist  eine  Vak- 
zine, die  mit  den  Tuberkulinen  der  alten  Aera  gar  nichts  gemein 
hat.  Offenbar  ist  Dostal  durch  seine  „biologische"  Methode  dem 
erstrebten  Ziel  viel  nÀher  gekommen  als  seine  VorgÀnger;  denn 
nach  Ansicht  des  Verf.  hat  das  PrÀparat  bei  Tuberkulose  aller 
Art  erstaunlich  viel  Erfolge  aufzuweisen.  Die  subkutanen  In- 
jektionen —  meist  am  L  Unterarm  ausgefĂŒhrt  —  wurden  meist 
mit  0,1  cem  Tebecin  begonnen,  um  in  Intervallen  von  5  bis 
10  Tagen  allmÀhlich  bis  auf  1,0  cem  zu  steigen.  Die  Injektionen 
wurden  ca.  3 — 4  Monate  durchgefĂŒhrt,  um  dann  ebensolange  zu 
unterbleiben.  WĂ€hrend  der  Dauer  der  Kur  ist  genaue  Kontrolle 
der  Temperatur  geboten.  Bei  der  ambulatorischen  Behandlung 
muß  man  sich  auf  kleine  Dosen  beschrĂ€nken,  doch  bringt  die 
langsame  Wiederholung  derselben  hier  auch  den  Erfolg. 

Bei  DrĂŒsentuberkulose  verkleinerten  sich  die  DrĂŒsen  schnell, 
erweichte  kamen  rasch  zur  Abszedierung;  auch  Knochenfisteln 
schlössen  sich  unter  Tebecinbehandlung  in  ĂŒberraschend  kurzer 
Zeit.  -  ‱ 

Verf.  möchte  dem  Mittel,  das  ihm  gute  Dienste  geleistet,  Ein- 
gang in  die  Schweiz  verschaffen,  wo  seine  Verwendung  bisher 
noch  nicht  bekannt. 

Ersatz  der  DĂŒhrssentamponade.  Verf.  empfiehlt  ein  Mittel 
zur  Anwendung,  das  nicht  nur  bei  atonischen  Blutungen  nach 
Geburten  und  Kaiserschnitten  wertvolle  Dienste  leistet,  sondern 
das  auch  bei  parenchymatösen  Blutungen  mannigfachen  Ur- 
sprungs und  der  verschiedensten  Organe  es  dem  Arzte  ermög- 
licht, prompte  Hilfe  zu  leisten.  Es  handelt  sich  um  die  wohl- 
bekannte Solutio  aluminii  subacet.  tartarici.  Ein  mit  Watte  ar- 
miertes AkiminiumstĂ€bchen,  in  eine  20 — 30%ige  Lösung  von 
essigsaurer  Tonerde  getaucht  und  in  das  Cavum  uteri  eingefĂŒhrt, 
bewirkt  unmittelbar  Kontraktion  und  Blutstillung.  Das  Ver- 
fahren hat  vor  der  DĂŒhrssentamponade  den  Vorzug,  daß  es  viel 
schneller  und  leichter  von  jedem  Geburtshelfer  ohne  großen 
Apparat  ausgefĂŒhrt  werden  kann  und  man  sich  ĂŒber  die  Wirkung 
sofort  orientieren  kann  und  nicht  erst  abwarten  muß.  wie  bei 
der  Tamponade,  ob  nicht  nach  deren  DurchtrÀnkung  die  Blutung 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Aas  den  neuesten  Zeitschriften 


695 


von  neuem  beginnt,  auch  fĂŒllt  die  spĂ€tere  Entfernung  der  Tam- 
ponnde  weg  und  der  Abfluß  der  Lochien  ist  von  Anfang  an 
unbehindert.  Verf.  sah  genug  schwere  und  schwerste  Atonien, 
bei  denen  er  sein  Verfahren  als  lebensrettend  erproben  konnte, 
darunter  Falle  unter  so  mißlichen  VerhĂ€ltnissen*  bei  denen  eine 
DĂŒhrssentamponade  kaum  möglich  gewesen  wĂ€re.  Die  offizinelle 
Losung  der  essigsauren  Tonerde  ist  keimfrei,  da  in  derselben 
keine  Mikroben  gedeihen  und  fast  unbegrenzt  haltbar.  Bei 
extragenitalen  Blutungen  leistet  das  Mittel  ebenfalls  wertvolle 
Dienste,  doch  sind  die  persönlichen  Erfahrungen  des  Verf.  hier 
weniger  zahlreich.  Deshalb  erwĂ€hnt  er  nur  kurz,  daß  das 
Mittel  bei  einem  Fall  von  Prostatektomie  mit  guter  Wirkung 
angewendet  wurde,  ferner  2  mal  intern  bei  profaner  Magen- 
blutung. Held  (Berlin). 

Ugeskrift  for  Laeger. 

Nr.  13,  30.  MĂ€rz  1922. 

lieber  Uaesionen  an  den  Nerven  der  OberextremitÀt.  Abrtbamsen, 
Harald. 

Dysreguiation  und  ihre  Bedeutung.    Bisgaard,  Axel. 

Nr.  14,  6.  April  1922. 

D'Herelles  Princip.  Pock-Steen. 
❖Zwei  seltene  FĂ€lle  von  multiplen  Ureter-Konkrementen.    Wegge,  Kai. 
‱  ❖Röntgenologische  Untersuchungen  ĂŒlier  die  Eut.lcerungszcit  des  Magens  in 
Ruhe  und  unter  Bewegung  bei  .magengesundeii  Menschen.  Als- Nie  1- 
s  e  n  ,  A  a  g  e. 

Zwei  seltene  FĂ€lle  von  multiplen  Ureter-Konkrementen.  Bei 
zwei  Patienten^  (55  und  16  jÀhrigen  MÀnnern),  die  Schmerzen 
bei  Urinierung  gehabt  hatten,  wurden  bei  Röntgenaufnahme 
zahlreiche  grĂ¶ĂŸere  und  kleinere  Konkremente,  den  ganzen 
rechten  Ureter  ausfĂŒllend,  konstatiert. 

Röntgenologische  Untersuchungen  ĂŒber  die  Entleerungszeit 
des  Magens  in  Ruhe  und  unter  Bewegungen  bei  magengesunden 
Menschen.  Der  Verfasser  hat  10  MĂ€nner  und  10  Frauen  nach 
dem  Einnehmen  von  300  g  ReismehlgrĂŒtze  +  100  g  Baryum  sul- 
fur.  untersucht  und  konstatierte:  1.  Daß  der  Magen  sich  schneller 
bei  Bewegung  als  in  Ruhe  entleert.  2.  Daß  die  Frauen  den  Magen- 
inhalt sowohl  bei  Bewegung  als  in  Ruhe  etwas  langsamer  als  die 
MĂ€nner  entleeren.  3.  Daß  der  Magen  selbst  in  Ruhe  binnen  fĂŒnf 
Stunden  sich  entleert  hat. 

13.  April  1922,  Nr.  15. 

Rontgen-Therapie  bei  Morbus  Basedowii.    Fischer,  J.  F. 
Zwei  eigentĂŒmliche   Röntgenbilder   des   Magens    mit  unsicherm  Auslegen. 
BorbjÀrg,  Axel. 
❖Exanthem  von  gefĂ€rbtem  Pelzwerk  hervorgerufen.     Rasch,  C. 

Exanthem  von  gefÀrbtem  Pelzwerk  hervorgerufen.  Der 
Verfasser  hat  in  den  letzten  zwei  Monaten  das  Exanthem,,  das 
immer  vom  Nacken  rund  um  den  Hals  und  den  untersten  Teil  des 
Gesichts  bis  zum  Kinn  sich  ausdehnte,  beobachtet.  Das  Exan- 
them war  bald  erythem-  bald  ekzemÀhnlich  und  oft  stark  juckend. 
Die  Patienten  (im  ganzen  9)  waren  alle  jĂŒngere  Damen;  und  bei 
nĂ€herer  Untersuchung  zeigte  es  sich,  daß  sie  alle  einige  Wochen 
oder  Monate  vor  dem  Auftreten  des  Exanthems  neue  MĂ€ntel,  alle 
mit  derselben  Art  von  braunem  Pelz  besetzt,  bekommen  hatten, 
sehr  wahrscheinlich  mit  „Ursol"  (Paraphenylendiamin),  das 
eine  sehr  reizende  Wirkung  auf  die  menschliche  Haut  hat,  gefÀrbt. 

Pool  Hertz  (Kopenhagen). 

Acta  Medica  Scandiinavica,  Stockholm. 
4.  April  1922,  56,  Nr.  3. 

❖Positive  Wassermann-Reaktion,  —  aktive   Syphilis.     Hess  Thayseu, 
-  Tb.  E.  195. 

Ein  Fall  von  Embolus  in  der  Valvula  mitralis  mit  plötzlichem  Tod.  Batk- 
m  a  n  n  ,  A.  225. 

Positive  Wassermann-Reaktion  —  aktive  Syphilis.  Verfasser 
prĂŒft  an  283  Syphilitikern  die  Wassermann-Reaktion  nach,  d.  h., 
er  forscht,  ob  mit  Abklingen  oder  schwÀcher  werden  der  Er- 
scheinungen immer  die  Reaktion  StÀrkeverÀnderungen  zeigt.  Er 
konnte  JĂŒr  diese  Annahme  keine  völlig  gleichbleibenden  Ergeb- 
nisse finden,  d.  h.,  die  fnfektion  mit  offenen  klinischen  Erschei- 
nungen zeigte  keinen  stÀrkeren  positiven  Ausfall,  als  die  mit 
abklingenden  oder  ohne  Symptomen.  Er  leitet  auf  Grund  seiner 
Untersuchung  ab,  daß  die  positive  Wassermann-Reaktion  nicht 
immer  das  Zeichen  einer  demnÀchst  aktiv  in  Erscheinung  tre- 
tenden Syphilis  ist,  vielmehr  ist  z.  B.  bei  FĂ€llen,  die  25  Jahre 
zurĂŒckliegen,  ein  positiver  Befund  der  Reaktion  auf  eine  nicht 
aktive  Syphilis  im:  klinischen  Sinn  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  be- 
zogen werden  muß.  Ob  und  wie  weit  die  therapeutischen  Maß- 
nahmen dadurch  beeinflußt  werden  sollen,  gibt  Verfasser  nicht  an. 
tf  Cordes  (BerlinV 


Verhandlungen  der  Aeiv.legescllschai 1,  Upsala. 

Neue  Folge,  Bd.  27,  Hell  1  und'  2. 

Aufzeichnungen   von  einer    Studienreise   un  die   UuivcntiUHskiiidrrklinik  in 

Wien.     W'allgren,  Arvid. 
Ein  Fall  von  Poröse  ceröbrale.    M  ö  r  t  D  e  r  g  ,  Anttl. 
❖Der  Arzt  als   BazillentrĂ€ger    bei    Poftomyetttta!     Wallgtea,  Arvid. 
Ueber  die  ErnÀhrungslehre   Pirquets.     W'allgren,  Arvid. 
Weiterer  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Chemie  der  HomogcntisinsĂŒuro,   II,  III. 

M  ö  r  n  e  r  ,  Carl  Th. 
Ein   Fall   von    bilateraler,    vollstÀndiger    Uretcrverdopplutiic   "iit  multlpoU) 

NierengefĂ€ĂŸen   bei    einem    menschlichen    Embryo    von   290   mm  Stand- 

höhe.     J  o  n  s  s  o  n  ,  Klön. 
Ein   Hirusektions-    und    Prilparationsmethodo.     Syk,  Ivan. 
❖Ueber  Gasbazilienkomplikationcu   bei   Typhus    abdominalis.     Ekvall,  S. 

Der  Arzt  als  BazillentrÀger  bei  Poliomyelitis?  Verl,  berichtet 
ĂŒber  eine  nosokomiale  Infektion,  die,  wie  er  annimmt,  durch  seine 
Person  als  BazillentrÀger  zustande  gekommen  ist.  Er  war  wÀh- 
rend einer  kleinen  Epidemie  am  Epiderniespital  tÀtig  und  nahm 
unmittelbar  nach  seinem  Abgang  den  Dienst  an  der  Klinik  iĂŒr 
innere  Erkr.  und  Kinder  auf.  17  Tage  spÀter  erkrankte  ein 
l^jÀhr.  Knabe  an  letzterer  Klinik  an  Poliomyelitis,  der  bereits 
seit  5  Monaten  wegen  Tuberkulose  auf  dieser  Abteilung  lag. 
Hausinfektion  war  ausgeschlossen,  und  auch  die  Pflegerinnen 
waren  auch  außer  Haus  nicht  mit  Poliomyelitiskranken  in  Be- 
rĂŒhrung gekommen.  WĂ€hrend  der  letzten  3  Wochfti  hatte  kein 
Besuch  das  beti\  Krankenzimmer  betreten,  und'  zu  dem  Knaben 
selbst  war  seit  Monaten  keim  Besuch  von  außen  'gekommen.  Vf. 
glaubt  nicht  an  die  Möglichkeit,  daß  der  Knabe  schon  bei  seiner 
Aufnahme  infiziert  gewesen  und  daß  die  Krankheit  5  Monate  bei 
ihm  latent  geblieben  wĂ€re.  Verf.  betont  ferner,  daß  er  mit  dem 
Kinde  selbst  noch  nicht  in  nĂ€here  BerĂŒhrung  gekommen  war, 
was  zeigen  wĂŒrde,  wie  elektiv  das  Virus  oder  die  Disposition  fĂŒr 
diese  Krankheit  sein  kann. 

Ueber  Gasbazillenkomplikationen    bei    Typhus  abdominalis. 

Fall  von  Typhus  abdominalis,  bei  dem  wÀhrend  des  Ulzerations- 
stadiums  eine  Komplikation  mit  Gasödem  eintrat.  Es  brach  am 
18  Tage  des  Typhus  aus,  nach  3  Tage  vorausgehenden  Zeichen 
einer  Gasbazillensepsis.  Die  Sepsis  war  wahrscheinlich  durch 
,  eine  Lymphangitis  in  der  NĂ€he  der  großen  typhösen  Ulzerationen 
des  Darms  veranlaßt,  die  Ulzerationen  dĂŒrften  das  Durchdringen 
der  Gasbazillen  vom  Darmkanal  befördert  haben.  Das  Gasödem 
ging  vom  Oberschenkel  aus,  rĂŒhrte  wahrscheinlich  von  einem 
metastatischen  Prozeß  her.  Keine  Ă€ußere  Verwundung,  keine  In- 
jektion vorausgegangen.  Tod  12  Stunden  nach  OedemeintriĂŒ. 
Erreger  Bazillen  vom  Welch-Fraenkel'schen:  Typus.  Die  Typhus- 
diarrhöe wird  nicht  von  anaeroben  Gasbazillen  hervorgerufen,  sie 
fördert  jedoch  das  Wachstum  dieser  Bazillen,  die  fĂŒr  das  Ent- 
stehen des  Meteorismus  und  der  Ulzerationen  eine  große  Rolle 
spielen  dĂŒrften.  Die  typhösen  DarmverĂ€nderungen  beförderten 
die  Gasbazilleninflammalion  der  Darmwand,  die  ohne  Perfora 
tion  von  den  Gasbazillen  durchdrungen  werden  kann.  Auch  auf 
diesem  Wege,  nicht  nur  durch  Perforation,  kann  Peritonitis  her- 
vorgerufen werden.  Die  typhösen  Ulzerationen  dĂŒrften  die  Ent- 
stehung einer  GasbazillenÀmie  fördern.  Diese  kann  dann  septische 
Symptome  und  Metastasen  geben,  von  denen  aus  sich  Gasödem 
entwickeln  kann,  wenn  die  Bazillen  im  Blut  auch  nicht  immer 
Symptome  verursachen. 

Dem  Wachstum  der  anaeroben  Gasbazillen  im  Darmkanal,  un- 
ter denen  die  des  Welch-Fraenkel'schen  Typus  in  den  meisten  # 
FĂ€llen  die  Komplikationen  verursachen,  kann  man  durch  geeig- 
nete DiÀt  entgegenwirken.  Vf.  betont  die  Notwendigkeit  hÀufiger 
LageverÀnderung  des  Pat.  und  die  Wichtigkeit  besonderer  Vor- 
sicht bei  Injektionen.  Popper  (Stockholm). 

27,  Heft  3  u.  4. 

Seved  Ribbing,  Nekrolog.    Petrin,  Gustav. 

Einige  endokrine  Gesichtspunkte  bezĂŒglich  des  Seelenproblemcs.  H  a  m  m  a  r. 
J.  Aug. 

Vier  FĂ€lle  von  „PfĂ€hlung".    Ein  weiterer  Fall  von  „PfĂ€hlung".  HĂ€gg- 
8  t  r  ö  m  ,  P. 

❖Ueber  Diphtherie-ImmunitĂ€t  und  Schicks  Reaktion.    E  k  w  a  1 1  ,  8. 

Wilhelm  Geschwind,  Nekrolog.    Quensel,  U. 
❖Studien  ĂŒber  die  Weil-FeĂŒx'sche  Reaktion.    N  Ă€  s  1  u  n  d  ,  Carl. 

Ueber  DiphtherieimmunitÀt  und  Schicks  Reaktion.  Nach 
einer  Uebersicht  des  Standes  unserer  Kenntnisse  ĂŒber  die  ein- 
schlĂ€gigen Fragen  berichtet  Verf.  ĂŒber  eigene  Versuche  an  109 
FĂ€llen  (Diphtheriepatienten,  Pat.  unter  Observation,  Pflegerinnen 
und  andere  Personen).  Alle  Individuen  mit  klinischer  Diptherie, 
die  kein  Serum  erhalten  hatten^  zeigten  positive,  diejenigen,  die 
Serum  erhalten  hatten,  negative  Reaktion.    Unter  30  Bazillen- 


59b 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40\ 


trÀgern  ^darunter  allerdings  mehrere  Rekonvaleszenten)  37% 
positive  Schickreaktion.  Verf.  schließt  aus  seinen  Beobachtungen 
ĂŒber  den  Verlauf  der  Reaktion,  daß  die  StĂ€rke  derselben  nicht 
nach  ihrer  FlĂ€chenausdehnung,  sondern  nach  ihrem  EntzĂŒn- 
clungsgrad  beurteilt  werden  mĂŒssen.  Die  Untersuchung  ist  am 
besten  72  Stunden  nach  Anstellung  der  Probe  vorzunehmen.  Re- 
konvaleszenten mit  schwÀcherer  Schickreaktion  scheinen  rascher 
bazillenfrei  zu  werden,  als  solche  mit  stÀrkerer  Reaktion. 

Studien  ĂŒber  die  Weil-Felixsche  Reaktion.  (Die  spezifische 
und  konstant  auftretende  Agglutination  des  \\  eil-Felixscnen  bak- 
teriumtypus  Proteus-x  19  durch  das  Serum  von  Fleckfieber- 
kranken.;  Eingehende  Besprechung  der  Literatur  und  der  Hypo- 
thesen ĂŒber  diese  Reaktion.  Eigene  (auf  der  Ambulanz  des 
schwedischen  roten  Kreuzes  in  Minsk  ausgefĂŒhrte  Versuche  des 
Verf.  suchen  die  Frage  zu  beantworten,  ob  andere  Antikörper 
gegen  dieses  Bakterium  im  Fleckfieberserum  vorkommen  oder 
nicht.  Als  Resultat  derselben  ergibt  sich,  daß  es  nicht  möglich 
war,  das  Vorkommen  von  spezifischen  Immunkörpern  gegen 
Proteus-x  19  im  Serum  von  Fleckfieberkranken  nachzuweisen, 
weder  durch  Bakteriotropin,  resp.  durch  Öpsoninuntersuchungen, 
noch  durch  Bakterizidieversuche.  —  Bei  der  anschließenden  Dis- 
kussion ĂŒber  das  Wesen,  der  Reaktion  kommen  die  Verf.  zum 
SchlĂŒsse,  daß  die  bei  der  Weil-Felixschen  Reaktion  wirksamen 
Agglutinine  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  gegen  das  Virus  des 
Fleckfiebers  gerichtet  sind  und  nicht  durch  die  «Gegenwart  von 
Proteus-x  19  im"  Körper  hervorgerufen  werden.  Die  Agglutina- 
tion von  Proteus-x  19  durch  Fleckfieberserum  ist  also  als  fleck- 
fieberspezifisch  und  nicht  als  proteusspezifisch  zu  betrachten. 
Dagegen  kann  man  nicht  entscheiden,  ob  die  Weil-Felixsche  Re- 
aktion als  ein  Paraglutinationsprozeß  aufzufassen  ist  oder  nicht; 
dazu  seien  unsere  Kenntnisse  in  den  hierhergehörigen  Fragen 
zu  gering.  Popper  (Stockholm). 

The  British  Journal  of  Children's  Diseases,  London. 

Januar— MĂ€rz  1922,  19.  Nr.  217—219. 

Symptome  bei  chronischen  Herzkrankheiten.    S  u  t  h  e  r  i  a  n  d  ,  (i.  A.  1. 
Harninkontiuenz.    Thompson,  A.  R.  10. 

Ein  Fall  von  Erythroedem  („Pink  Disease"):  und  das  Problem  der  Aerodynie 

(„Epidemisches  Erythem").    W  eher,  F.  P.  17. 
Dermato-Polyneuritis  (Aerodynie,    Erytbroedem).    T  h  u  r  »  f  i  e  1  d  ,    H.  und 

Paterion,  D.  H.  27. 

Akuter  Darmverschluß  durch  eingedicktes  Mekonium.  Hughes.  E.  K.  32. 


Buchbesprechungen. 

Uhlmann  (Bern):  Lehrbuch  der  Pharmakotherapie. 
Mit  einem  Anhang:  Arzneidispensierkunde  von  R. 
Burow.  Leipzig  bei  F.  C.  W.  Vogel.  450  Seiten,  100  M.. 
geb.  120  M. 

Dieses  neue  pharmakologische  Lehrbuch  ist  ein  Mittelding 
zwischen  den  RezepttaschenbĂŒchern  nach  Art  des  Rabow  und 
den  alten,  ausfĂŒhrlicheren  LehrbĂŒchern.  Es  bringt  vor  jedem 
Kapitel  nur  eine  kurze,  aber  ausreichende  Erörterung  der  Wir- 
kungsweise der  einzelnen  Arzneimittelgruppen  und  lĂ€ĂŸt  dann  die 
Medikamente  mit  kurzer  Charakteristik  folgen.  In  dieser  Form 
erscheint  es  als  ein  brauchbares  und  zeitgemĂ€ĂŸes  Lehrbuch,  das 
gewiß  seinen  Weg  machen  wird.  Sein  Wert  wird  noch  dadurch 
erhöht,  daß  es  auch  ein  Kapitel  ĂŒber  pharmazeutische  Technik 
bringt,  und  daß  es  ferner  die  Pharmakopoen  des  ganzen  deut- 
schen Sprachgebietes  (deutsche,  österreichische  und  schweize- 
i  ische)  berĂŒcksichtigt. 

Es  wĂ€re  nur  zu  wĂŒnschen  gewesen,  daß  sich  die  KĂŒrze  der 
Darstellung  auch  auf  die  Medikamente  erstreckt  hÀtte,  die  es  in 
einer  VollstÀndigkeit  bringt,  die  wirklich  nicht  nötig  ist,  weder 
fĂŒr  den  Praktiker,  noch  fĂŒr  den  Studenten.  Wenn  die  pharmako- 
logische Wissenschaft  nicht  auf  „Wollblumen"  und  „Wegerich'', 
„Grassamen",  „Queckenwurzel"  und  andere  gleichwertige  „Heil- 
mittel" verzichten  zu  können  glaubt,  so  sollte  sie  sie  doch  we- 
pigstens  nur  im  Kleindruck  und  an  möglichst  versteckter  Stelle 
wuchern  lassen.  Birk. 

K.  Nieny:   Die  Versorgung  und  AusrĂŒstung  der  Ampu- 
tiert en  in  der  Marine.    Heft  3  der  „MarineĂ€rztlichen  Kriegs- 
erfahrungen".  Jena,  Verlag  von  Gustav  Fischer,  1921. 
Das  III.  Heft  der  „marineĂ€rztlichen  Kriegserfahrungen"  gibt  in 
anschaulicher  Weise  einen  Ueberblick  ĂŒber  die  Ă€rztliche  Versorgung 
Amputierter  der  Deutschen  Flotte  im  Marinelazarett  Hamburg.  Die 


AusfĂŒhrungen  des  Verfassers  gewinnen  noch  besonders  an  Interesse, 
namentlich  fĂŒr  den  nicht  speziaiĂ€rztiichen  Praktiker  durch  aie  chi  ono- 
logische Schilderung  des  allmÀhlichen  Entstehens  und  Ausbaues  der 
seit  I9i5  im  Marinelazarett  Hamburg  angewandten  Prothetik,  die  an- 
fÀnglich verschiedenen  Schwierigkeiten  (fehlen  ausgebildeten  Arbetts- 
personals,  Materialmangel  usw.)  unterlag.  Ein  weiterer  Vorzug  der 
Arbeit  liegt  in  der  sachlichen  Kritik  der  eingeschlagenen  Mabnahmen, 
die  sich  nicht  scheut,  Mißerfolge  und  MĂ€ngel  derselben  zu  erwĂ€hnen, 
die  zum  Teil  ĂŒbrigens  nur  anderwĂ€rts  beobachtetes  bestĂ€tigen;  z.  b. 
die  UnzulÀnglichkeit  der  Armprothese,  deren  dauernde  Benutzung 
verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  selten  gefunden  wird.  Auf  genaue  Einzelheiten  des 
Inhalts  naher  einzugehen,  wĂŒrde  zu  weit  fĂŒhren.  Die  mitgeteilten  lat- 
sachen  decken  sich  grĂ¶ĂŸtenteils,  namentlich  was  die  chirurgische  Ver- 
sorgung der  StĂŒmpie  usw.  angeht,  mit  den  auch  sonst  gemachten  Er- 
fahrungen, wie  denn  naturgemĂ€ĂŸ  ein  Unterschied  zwischen  der  Pro- 
thetik bei  Landheer  und  Marine  nicht  bestehen  dĂŒrfte.  Als  prinzipiell 
wichtig  seien  folgende  Forderungen  des  Verfassers  erÀwhnt:  be- 
lastungsfĂ€hige StĂŒmpfe  in  jedem  rall,  ferner  Hilfsprothesen  sofort  nach 
erfolgter  wundheilung  des  Stumpfes,  schließlich  energische  und  bal- 
digste EinĂŒbung  der  Amputierten  mit  ihren  Prothesen. 

L.  Frosch  (Berlin). 

Liesegang,  Raphael  Ed. :  BeitrÀge  zu  einer  Kolloidchemie 
des  Lebens  (biologische  Diffusionen).  2.  Auflage,  Dresden  und 
Leipzig,  1h.  Steinkopff,  1922,  39  S.  Mk,  10,—. 
Kolloide,  Gallerte,  Gele  spielen  eine  immer  grĂ¶ĂŸere  Rolle.  Da 
liegt  es  nahe,  das  neue  Wissen  auch  auf  die  VorgÀnge  des  Lebens  an- 
zuwenden im  Anschluß  an  frĂŒhere  Versuche  mit  der  Statik,  Chemie, 
ElektrizitÀt,  Energetik  usw.  Was  Liesegang  an  Analogien  be- 
zĂŒglich der  Diffusion,  KalkniederschlĂ€ge,  Schichtungen,  Membranwir- 
kungen usw.  zwischen  Gelatineschichten  und  histologischem  Aufbau 
bringt,  ist  in  der  Tat  ĂŒberraschend.  Aber  vorlĂ€ufig  wirkt  das  Aus- 
malen der  unzÀhligen,  sich  durchkreuzenden,  verschlingenden,  verstÀr- 
kenden, aufhebenden,  ewig  bewegten  Prozesse  mehr  verwirrend  als 
klÀrend.  Der  teilnehmende  Zuschauer  kann  noch  nicht  erkennen,  wie 
des  RĂ€tsels  Lösung  gefunden  werden  könnte,  zumal  ja  —  was  Verfasser 
nicht  einmal  berĂŒhrt  —  TemperaturĂ€nderungen  das  ganze  Spiel  tief- 
gehend beeinflussen  dĂŒrften. 

Immerhin  sind  diese  Studien  beherzigenswert  fĂŒr  jeden,  der  da 
*  meint,  mit  seinem  Partialwissen  den  SchlĂŒssel  der  Erkenntnis  in  HĂ€n- 
den zu  halten. 

Buttersack. 

Achard:  L'encephalite  lethargique.  Paris  1921.  J.  P. 
Baillere&Fils.  324  Seiten. 
Auf  Grund  einer  großen  Reihe  klinisch  mustergĂŒltig  beobachteter 
FĂ€lle  sowie  unter  grĂŒndlicher  BerĂŒcksichtigung  der  ins  Riesenhafte 
angewachsenen  internationalen  Literatur  entwirft  Verf.  ein  klassisch 
zu  nennendes  Bild  der  Encephalitis  lethargica.  Von  einer  genauen  Be- 
schreibung der  einzelnen  Symptome  ausgehend,  fĂŒhrt  er  zu  einer  höchst 
anschaulichen  Schilderung  der  verschiedenen  rormen  und  Verlaufs- 
arten. Hierbei'  wird  eine  schematische  Einteilung  auf  Grund  eines 
fĂŒhrenden  Symptoms  (somnolente,  myoklonjsche,  choreatische,  athe- 
totische  Form)  abgelehnt,  da  im  einzelnen  Fall  hÀufig  entweder  gleich- 
zeitig oder  nacheinander  im  Verlauf  der  Krankheit  die  verschiedenen 
typisch  fĂŒr  die  Encephalitis  lethargica;  fĂŒr  diese  Tatsache  scheint  der 
Symptome  zur  Beobachtung  gelangen.  Der  rasche  Wechsel  der  Er- 
scheinungen, das  Proteusartige,  Unberechenbare,  erscheint  geradezu 
histologische  Befund  eine  ErklÀrung  zu  liefern:  die  lymphocytÀre  Um- 
scheidung  der  kleinsten  GefĂ€ĂŸe  fĂŒhrt  zu  Zirkulationsstörungen  in  ver- 
schiedenen Gebieten  des  in  erster  Linie  befallenen  Mittelhirns.  Der 
Prozeß  ergreift  sprunghaft  bald  dieses,  bald  jenes  GefĂ€ĂŸterritorium 
und  bedingt  bald  diese,  bald  jene  Reiz-  oder  Ausfallserscheinung.  Die 
SchÀdigungen  sind  reparabel,  es  kommt  im  Gegensatz  zur  Poliomye- 
litis akuta  kaum  zu  schweren,  endgĂŒltigen  Laesionen  der  Nervenele- 
mente;  daher  das  Fehlen  bleibender  LĂ€hmungen,  das  nur  vorĂŒber- 
gehende Erlöschen  der  Reflexe.  Auch  die  entgegen  den  ersten  An- 
gaben von  Economos  zur  Beobachtung  kommende  Lymphozytose  im 
Liquor  zeigt  diesen  wechselnden  Charakter,  was  bei  der  Differential- 
diagnose gegen  Meningitis  von  Bedeutung  sein  kann.  Die  Abgren- 
zung gegen  andere  ebenfalls  im  Mittelhirn  zu  lokalisierende  patholo- 
gische Proresse  wird  sehr  ausfĂŒhrlich  erörtert.  Der  betreffende  Ab- 
schnitt bildet  einen  kurzen  Abriß  der  Neurologie  des  Mittelhirns;  ein- 
leitende Bemerkungen  ĂŒber  die  normale  Anatomie  und  Physiologie  der 
dort  lokalisierten  Zentren  erleichtern  dem  nicht  speziell  neurologisch 
Vorgebildeten  das  VerstĂ€ndnis  der.  ĂŒbrigens  hervorragend  klar  darge- 
stellten Materie.  Der  Verlauf  des  Leidens,  insbesondere  die  hÀufig  zur 
Beobachtung  kommenden  NachschĂŒbe  bis  tief  in  die  Rekonvaleszenz 
hinein,  die  hÀufigen  psychasthenischen  ZustÀnde  im  Gefolge  der 
Krankheit  fĂŒhren  Verf.  zu  der  Annahme,  daß  das  noch  unbekannte, 
mit  dem  Grippeerreger  nicht  zu  identifizierende  Virus  sehr  lange  im 
Gehirn  virulent  bleibt.    Das  Studium  des  fesselnd  und  elegant  ge- 


40.  Jahrg.— 


Nr.  39/40. 


11  u  c  h  h  e  s  p  r  e  c  h  u  n  g  c  11 


507 


»chriebeuen  Werkes  kann  auf*  WÀrmste  empfohlen  werden.  Das  um- 
fangreiche Literaturverzeichnis  verdient  besonders  hervorgehoben  zu 
werden. 

Wolff  (Hamburg). 

S.   Freud.    Ueber    Psychoanalyse.    FĂŒnf  Vorlesungen. 

Verlag  Franz  Deuticke,  Leipzig  und  Wien.    19*22.  t>.  Auflage, 
f-'  62  Seiten.   16  M. 

Als  Freud  im  Jahre  1909  diese  Vorlesungen  zur  20jÀhrigen 
GrĂŒndungsfeier  der  LniversilĂ€t  in  Woroester  hielt,  war  er  bei  unsi 
in  Deutschland  auch  nicht  anerkannt,  im  Gegenteil,  er  wurde  von 
den  offiziellen  Vertretern  der  Wissenschalt  auts  heftigste  be- 
fehdet, wahrend  das  Ausland  seine  Bedeutung  schon  frĂŒh  erkannt 
hatte.  Im  Laufe  der  Jahre  hat  er  nun  auch  bei  uns  ĂŒberall  Aner- 
kennung gclunelcn,  und  die  neuen  Erkenntnisse,  die  er  uns  gegeben 
hat,  bilden  die  Grundlage  einer  ganz  neuen  Betrachtungsweise, 
ohne  die  die  moderne  Psychiatrie  nicht  mehr  zu  denken  ist.  In 
diesen  Vorlesungen  gibt  Freud  in  gedrÀngter  Ueber  sieht  die  i 
Hauptpunkte  seiner  Lehre,  so  daß  sie  vganz  besonders  geeignet 
sind,  Kollegen,  die  nicht  die  Zeit  haben,  sich  mit  grĂ¶ĂŸeren  SpeziaJ- 
werken  zu  befassen,  einen  Einblick  in  die  Psychoanalyse  zu 
geben.  L  u  r  j  e. 

Max  Kauffmann:  Die  BewußtseinsvorgĂ€nge  bei  Sug- 
gestion und  Hypnose  mit  drei  Mguren,  darunter  einer  far- 
bigen. Carl  Marhold,  Halle  a.  S.,  1921.  —  36  S. 
So  greifbar  auch  die  Ergebnisse  der  Hypnose  und  Suggestion  vor 
unsern  Augen  stehen,  so  schwierig  ist  es,  in  ihr  Zustandekommen  hin- 
einzuleuchten. Der  Verfasser  des  vorliegenden  BĂŒchleins  hat  sich  die 
Aufgabe  gestellt,  die  Bewur.tseinsvorgÀnge  bei  Hypnose  und  Suggestion 
zu  erlÀutern.  Er  trifft  hiermit  auf  ein  Problem,  dessen  Lösung  die 
gröbten  Schwierigkeiten  bietet.  Eine  grundsĂ€tzliche  Annahme  fĂŒr  die 
ErklÀiung  der  in  Rede  stehenden  VorgÀnge  ist  das  Vorhandensein  eines 
Unterbewußtseins.  In  ihm  ist  unser  ganzes  Innenleben,  sind  Vorstel- 
lungen, GefĂŒhle,  Phantasie,  Triebe  aufgespeichert,  in  ihm  spielen  sich 
auch  die  VorgĂ€nge  der  Hypnose  und  Suggestion  ab.  Ihm  gegenĂŒber 
steht  das  Wachbewubtsein,  das  Bewußtsein  der  Außenwelt.  Die  Ge- 
samtheit der  BewußtseinsvorgĂ€nge  wird  schematisch  in  einzelnen  Be- 
wußtseinskreisen dargestellt;  und  zwar  in  der  Weise,  daß  das  Waeh- 
bewußtsein  in  den  Ă€ußersten  Kreis,  die  unbewuLten  VorgĂ€nge  in  die 
Inneukreise  verlegt  werden.  Es  wird  ein  mÀnnlicher  Typus,  ein  kind- 
licher und  ein  Greisentypus  der  BewußtseinsvorgĂ€nge  aufgestellt.  Zum 
VerstĂ€ndnis  der  AusfĂŒhrungen  des  Vei  fassers  gehört  das  Studium  der 
beigegebenen  Figuren. 

‱  Man  wird  dem  Autor  unbedingt  darin  recht  geben,  daß  fĂŒr  die 
Genese  hypnotischer  VorgĂ€nge  die  Annahme  eines  besonderen  Bewußt- 
seinszustandes erforderlich  ist.  Ob  man  diesen  als  Unterbewußtsein 
bezeichnet,  ist  gleichgĂŒltig.  —  Dabei  sind  ĂŒbrigens  unbewuLte  Vor- 
gĂ€nge ebenso  gut  als  psychische  zu  werten  wie  bewußte.  Der  Verfasser 
wehrt  sich  mit  vollem  Hecht  dagegen,-  daß  man  nur  das  Bewußte  als 
psychisch  auffaßt. 

Die  Einteilung  in  verschiedene  Bewußtseinskreise  ist  gewiß  didak- 
tisch von  Nutzen  und  bringt  als  Arbeitshypothese  manchen  Vorteil, 
Aber  es  wird  sich  wohl  der  eine  oder  andere  gegen  das  Schematisie- 
ren seelischer  VorgÀnge  wehren.  Denn  nirgend  ist  je  ein  feineres  We- 
ben und  geheimnisvolleres  Walten  als  gerade  in  der  Psyche.  Ein  indi- 
viduelleres Geschehen  als  das  seelische  gibt  es  nicht.  Jedoch  wird  man 
gegenĂŒber  diesem  mehr  Ă€ußeren  Einwand  das  wichtige  Fazit  der  vor- 
liegenden Arbeit,  die  Gliederung  der  verschiedenen  Bewußtseinsstu- 
fen, nicht  unterschĂ€tzen  dĂŒrfen. 

A.  MĂŒnzer. 

Hans  Theodor  Sanders:  Hypnose  und  Suggestion,  Stuttgart, 
t-  —  Kosmos,  Gesellschaft  der  Naturfreunde.  1921/77  S. 

Das  namenlose  Leid,  das  der  Krieg  ĂŒber  uns  gebracht,  hat  den 
Hang  zur  Mystik  im  Volk  geweckt,  und  allerorten  sehen  wir  die  Nei- 
gung zur  BeschĂ€ftigung  mit  der  ĂŒbersinnlichen  Welt  sich  ausbreiten. 
Die  Probleme  des  Hypnotismus,  Okkultismus  und  Spiritismus  lenken 
die  Aufmerksamkeit  weiter  Kreise  auf  sich,  und  mancher,  der  frĂŒher 
diesen  Bestrebungen  völlig  ferngestanden,  wird  heute  in  den  Strudel 
mithineingezogen.  —  Leider  haben  aber,  die  gegebene  Situation  aus- 
nĂŒtzend, eine  ganze  Reihe  von  gewissenlosen  Spekulanten  sich  des  in- 
teressanten Forschungsgebietes  bemÀchtigt;  Wanderhypnotiseure  durch- 
ziehen das  Land,  Spiritisten  und  Okkultisten  aller  Schichten  veranstal- 
ten ihre  Sitzungen,  und  die  kritiklose  Menge  schaut  erstaunt  auf.  die 
Wunder,  die  sich  vor  ihren  Augen  entfalten.  —  Da  ist  es  nur  zu  be- 
grĂŒĂŸen, wenn  ein  Fachmann  zu  rechter  Zeit  die  Feder  ergreift  und  in 
geschickter,  leicht  faßlicher  und  anregender  Weise  dem  Laien  die  Be- 
deutung und  das  Wesen  der  Hypnose  klar  macht.  Das  vorliegende 
BĂŒchlein  erfĂŒllt  durchaus  seinen  Zweck  und  kann  jedem,  der  sich  ĂŒber 
die  schwebenden  Fragen  orientieren  will,  empfohlen  werden. 

A.  MĂŒnze  r. 


Beyer,   Wilh.    (Pforten  N.-L.)     Gibt    es    Heilungen  von 
körperlicher    K  r  a  n  k  h  e  i  l    durch  Geisteskraft'/ 
Carl  Hilter  Verlag,  Althoinaß  bei  Breslau.    1921.    19  S. 
Nur  mit  Wehmut   kann  man    diese  kleine  BroschĂŒre  lesen. 
Nicht  als  ob  an  der  Wirksamkeit  dessen,  was  man  so  gemeinhin 
Geist  nennt,  gezweifelt  werden  sollte.    Allein,  wenn  man  schon 
Heilungen    durchl  Geisteskraft   als   „selbseriebte  Tatsachen,  an 
denen  mich  nichts  irre  machen  kann",  als  Novum  in  die  Me- 
dizin einfĂŒhren  will,  darf  man  sich  nicht  mit  summarischen,  dog 
malisch  gehaltenen  AusfĂŒhrungen  begnĂŒgen;  man  muß  vielmehr 
den  konkreten  Fall  so  ausfĂŒhrlich  als  möglich  berichten.  Aber 
gerade  davon  findet  sich  nichts  bei  Beyer.   Wir  erfahren,  v.  ...  .. 

einen  geistigen  Heiler,  einen  HellfĂŒhler  kennen  gelernt  hat, 
welcher  ohne  RĂŒcksicht  auf  Entfernung  und  dazwischen  liegende 
körperliche  Hindernisse  („durch  verschlossene  TĂŒren  und  dicke 
WĂ€nde  hindurch";  seinen  Patienten  aufspĂŒrt,  „einerlei,  ob  er  im 
.Nebenzimmer  sitzt,  wie  wenn  er  sich  in  Amerika  beiludet",  und 
vermittelst  seiner  Helioda  heilt.  Wie  es  kommt,  daß  der  Hell 
fĂŒhler  von  allen  den  vielen  toten  und  lebendigen  Körpern,  welche 
zwischen  ihm  und  dem  gerade  angemeldeten  Kranken  liegen, 
unaffiziert  hindurchfĂŒhlt  und  „auch  nicht  zu  wissen  braucht,  wo 
sich  der  Betreffende  aufhÀlt,  den  er  untersucht",  erfahren  wir 
leider  nicht;  nicht  einmal  die  drahtlose  Telegraphie  wird  zu  illu- 
strierendem Vergleich  herangezogen.  GegenĂŒber  solchen  Un- 
vorstellbarkeiten betont  Beyer,  daß  der  HellfĂŒhler  eben  nur  den 
geistigen  Gehalt  fĂŒhlt.  Indessen,  so  ganz  stofflos  geht  es  eben 
doch  nicht  ab.  Der  HellfĂŒhler  fĂŒhlt  die  „Krankheits  oder  Me- 
dizin-Gifte als  scharf  oder  brennend  oder  dumpf  oder  weich  oder 
hart  in  den  verschiedensten  Abstufungen  und  Mischungen",  kann 
sogar  „bei  Kindern  und  Enkeln,  die  selbst  nie  krank  waren,  das 
von  den  Voreltern  ererbte  Krankheitsgift  herausfĂŒhlen". 

Auch  die  Therapie  bewegt  sich  in  recht  materiellen  Gleisen. 
„Ist  Krankheit  jede  Verunreinigung  des  Körpers  (!)  mit  ihm 
Hemden  Bestandteilen,  die  die  Durchstrahlung  mit  Lebenskraft 
mehr  oder  weniger  beeintrÀchtigen,  so  ist  dementsprechend  der 
Genesungsvorgang  ein  Reinigungsprozeß  durch  Abstrahlen  und 
Ausscheiden  der  eingedrungenen  Fremdstoffe".  Da  schimmert 
unverkennbar  die  Lehre  des  Hippokrates  von  der  Eukrasis  und 
der  Dyskrasis  hindurch. 

Beyer  macht  sich  zum  Propheten  des  HellfĂŒhlers  Carl 
H  u  l  e  r,  welcher  „in  kommenden  Tagen  von  der  dann  herrschen- 
den Lehrmeinung  als  einer  der  grĂ¶ĂŸten  gefeiert  werden  wird". 
Ob  diese  Prophezeiuung  von  Beyer  stammt  oder  ein  Produkt 
hellseherischer  KĂŒnste  ist,  bleibt  unentschieden,  ebenso,  ob  dieser 
CarlHuter  identisch  ist  mit  dem  Verleger  der  BroschĂŒre. 

Buttersack. 

A.  Weil:  Se  x  u  a  1  r  et  or  m  und  S  e  x  u  a  1  w  i  s  s  e  u  s  c  h  a  f  t. 
Verlag  Julius  PĂŒttmann,  Stuttgart.  1922.  284  Seiten.  165  M. 
Im  vergangenen  Herbst  fand  in  Berlin  die  erste  Tagung  fĂŒr 
Sexualreform  auf  sexuahvissenschaftlicher  Grundlage  statt;  ein- 
berufen war  sie  durch  das  Institut  fĂŒr  Sexualwissenschaft  (Leiter 
Dr.  Magnus  Hirschfeld).  Diese  Tagung  hatte  schon  dadurch 
eine  besondere  PrĂ€gung,  daß  zum  ersten  Male  nach  dem  Kriege 
viele  auslĂ€ndische  Gelehrte  —  darunter  auch  aus  den  ehemals 
feindlichen  Landern  —  anwesend  waren;  darĂŒber  hinaus  aber 
von  Bedeutung  war  es,  daß  hier  zum  ersten  Male  ein  Gebiet  in 
aller  Oeffentlichkeit  vom  wissenschaftlichen  Gesichtspunkte  aus 
behandelt  wurde,  das  bisher  von  der  offiziellen  Wissenschaft 
wenig  Beachtung  gefunden  hatte.  Jetzt  liegen  die  dort  gehaltenen 
VortrĂ€ge  im  Drucke  vor,  so  daß  es  auch  einer  breiteren  Masse 
möglich  ist,  sich  ĂŒber  dies  Gebiet  zu  orientieren.  Gerade  der 
praktische  Arzt  wird  sich  hier  an  Hand  der  VortrÀge  von  L.ip- 
s  c  h  ii  l  z  -  Dorpat  und  B  i  e  d  1  -  Prag  ĂŒber  den  augenblicklichen 
Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion  und  ihrer  Beziehung 
/ u  den  sexuellen  Trieben  unterrichten  können;  aber  nicht  nur 
diese  mehr  fachwissenschaftliche  Frage  —  das  ganze  weite  Ge- 
biet der  Sexualreform  ist  auf  dem  Kongreß  von  berufenen  Ver- 
tretern behandelt  worden,  so  daß  uns  Aerzten,  die  neben  dem 
Beruf  nicht  viel  Zeit  haben,  mit  andern  —  nicht  minder  wichti- 
gen —  Fragen  des  tĂ€glichen  Lebens  sich  zu  beschĂ€ftigen,  Gelegen- 
heit geboten  ist,  in  kurz  gedrÀngter  Fassung  alles  Wissenswerte 
dieses  großen  Gebietes  kennen  zu  lernen.  Aus  dem  reichen  In- 
halt nenne  ich  nur  einige  wenige  Themen,  die  dort  behandelt  wur- 
den: Die  klinischen  Wirkungen  der  Vasoligatur  (Dr.  Peter 
S c hm idt  -  Berlin»);  Kulturelle  und  eugenische  Sexualmoral  (Dr. 
von  E  h  renfei  s  -  Prag  ;  Das  psychophysische  Problem  in  der 
Sexualpathologie  (Dr.  S  c  h  w  a  r  z  -  W  ien);  SexualitÀt  und  Gesetz- 
gebung (Juslizrat  Dr.  W  e  r  t  h  a  u  e  r  -  Berlin);  Recht  und  sexuelle 
Minderheiten  (Dr.  Kurt  H  i  1 1  e  r  -  Berlin).  Die  psychologischen 
Ursachen    fĂŒr  die  abnehmende  Fruchtbarkeit    der  berufstĂ€tigen 


598 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40T 


Frau  (E.  Brauer-  Hamburg).  Das  Problem  der  Strafbarkeit 
tier  Abtreibung  (Justizrat  Dr.  R  o  s  e  n  t  h  a  1  -  Breslau).  Die 
SexualitÀt  des  Kindes  (Dr.  A.  K  r  o nf  e  1  d -  Berlin).  Jugendliche 
Zeugen  in  Sexualprozessen  (Döring-  Leipzig).  L  u  r  j  e. 

rlaczek:  Das  Geschlechtsleben  der  Hysterischen.  Bonn 
A.  Marcus  und  E.  Webers  Verlag. 

Seltsame  Anschauungen  ĂŒber  das  Wesen  der  Hysterie  waren  im 
klassischen  Altertum  verbreitet  W  ie  abenteuerlich  mutet  uns  heute  z. 
b.  der  Glaube  an  den  im  Körper  herumwandernden  und  nach  sexuener 
uefnedigung  sich  sehnenden  Uterus  an!  .Wenn  nun  auch  so  naiv-kind- 
liche Aulfassungen  seit  den  Zeiten  der  (Jalen  ĂŒberwunden  sind  (b  i  n  s  - 
wauger),  so  hat  man  doch  bis  in  neuere  Zeiten  hinein  in  der  Geni- 
talsphÀre  den  Ursprung  des  Leidens  gesucht,  Eine  wie  einschneidende 
bedeutung  die  f  reud sehen  Arbeiten  der  SexualitÀt  zuerkennen,  ist  ja 
allgemein  bekannt.  Allerdings  ist  dieser  gewio  einseitige  Standpunkt 
durchaus  nicht  Allgemeingut  der  Wissenschaft  geworden,  und  gerade 
die  Forschungen  der  letzten  Jahre  sind  unaulĂ€ssig  bemĂŒht  gewesen,  das 
Problem  von  allen  Seiten  anzupacken  und  durchzufĂŒhren.  —  So  wert- 
volle SchĂ€tze  aber  auch  unser  Graben  und  SchĂŒrfen  zu  l  Ă€ge  gefördert, 
die  Hysterie  bleibt  deshalb  doch  noch  fĂŒr  uns  immer  die  rĂ€tselhafte 
bpinx,  die  sie  von  jeher  gewesen. 

wenn  wir  uns  nun  auch  in  kritischer  WĂŒrdigung  der  Sachlage  nicht 
entschließen  können,  die  .SexualitĂ€t  als  das  Zentrum,  von  dem  aus  sich 
die  hysterischen  Erscheinungen  ausbreiten,  anzuerkennen,  so  wird  doch 
kein  unbefangener  Beobachter  leugnen  können,  daß  das  Geschlechtsleben 
beim  Hysteriker  eine  bedeutsame  Rolle  spielt  und  daß  viele  hysterische 
Manifestationen  mit  der  SexualitÀt  in  ursÀchlichem  Zusammenhang  ste- 
hen. TagtÀglich  begegnet  der  Arzt  diesen  Beziehungen  und  wertet  sie 
als  lĂ€ngst  Bekanntes.  Das  ĂŒberreiche  Material,  das  aus  Praxis,  klini- 
scher Beobachtung,  forensischer  Begutachtung  und  historischer  Ueber- 
lieferung  quillt,  hat  P  1  a  c  z  e  k  gesammelt,  gesichtet,  durch  seine  eige- 
nen wertvollen  Erfahrungen  ergĂ€nzt  und  in  flĂŒssiger  Darstellung  dem 
Leser  dargeboten.  Voller  Interesse  folgen  wir  den  AusfĂŒhrungen  des 
vielbewanderten  Autors.  Wir  lernen  die  Mannigfaltigkeiten  der  Pseu- 
dologia phantastica  kennen,  wir  schauen  hinein  in  die  seltsamen  Bezie- 
hungen; zwischen  Geschlechtsleben  einerseits  und  Stehltrieb,  Kauftrieb, 
Brandstiftungstrieb  andrerseits,  wir  vertiefen  uns  in  die  Lebensge- 
schichte einer  Lina  Hau,  Marguerite  Steinheil,  Antonie  v.  Schönebeck 
u.  a.,  und  ĂŒberall  und  immer  wieder  sehen  wir  die  dominierende  Stel- 
lung der  SexualitÀt,  ihre  tief  einschneidende  und  umformende  Gestal- 
tungskraft. Den  ZusammenhÀngen  zwischen  Hexenwahn  und  Ge- 
schlechtsleben gilt  ein  eingehendes  Kapitel.  Und  die  Erörterungen  ĂŒber 
das  Geschlechtsleben  der  Hysterischen  in  forensischer  Beziehung  be- 
leuchten grell  die  verwickelten  Aufgaben,  denen  sich  der  Neurologe  und 
Psychiater  vor  Gericht  gegenĂŒber  sieht. 

P 1  a  c  z  e  k  hat  hier  ein  wirklich  lebensvolles  Werk  geschaffen,  aus 
dem  wir  reiche  Belehrung  schöpfen.  Gewiß  gehört  die  Hysterie  zu  den 
interessantesten  Wissensgebieten  der  Medizin  ĂŒberhaupt,  und  man  fin- 
det immer  etwas  Neues,  wenn  man  nur  sucht.  Aber  ein  planloses  Um- 
herirren auf  diesem  weiten  Felde  bringt  uns  nicht  weiter.  Hingegen 
kann  uns  ein  so  straff  gegliedertes  und  anschaulich  geschriebenes  Buch 
wie  das  vorliegende  ĂŒber  das  in  Betracht  kommende  Thema  wohl  orien- 
tieren, sein  Studium  bringt  wirklichen  Nutzen. 

Das  Gesamtproblem  „Hysterie"  ist  freilich  noch  lĂ€ngst  nicht  gelöst. 
Dazu  ist  vielleicht  unsere  Zeit  noch  nicht  reif.  Gibt  es  ĂŒberhaupt  eine 
Kra.ikheit  „Hysterie"  oder  gibt  es,  wie  viele  wollen,  nur  eine  hyste- 
rische Reaktionsweise?  Wer  vermöchte  das  heute  mit  Sicherheit  zu 
entscheiden!  Vorerst  gilt  es  im  Kleinen  zu  schaffen,  unverdrossen  und 
rastlos,  Steinchen  auf  Steinchen  zu  setzen,  bis  einstmals  der  mÀchtige 
Bau  fest  gegrĂŒndet  stehen  wird. 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Dr.  <B.  Goldberg,  Leipzig.  Kleine  Urologie.  Verlag  von  Curt 
Kabitzsch.  1922. 

Das  Buch  will  den  Praktiker  ĂŒber  alle  urologischen  Fragen 
orientieren,  die  in  der  Sprechstunde  vorkommen,  ohne  auf  Theo- 
rien oder  Beschreibung  klinischer  Operationen  einzugehen.  Der 
erste  Teil  des  Buches  gibt  -die  Technik  der  urologischen  Unter- 
suchungs-  und  Behandlungsmethoden,  wÀhrend  der  zweite  Teil 
die  urologischen  Erkrankungen  —  ziemlich  im  Telegrammstil 
und  infolgedessen  etwas  schematisch  —  selber  behandelt.  Gold- 
berg gibt  nur  in  eigener  Praxis  gesehenes  und  erprobtes,  eine 
BeschrĂ€nkung,  die  fĂŒr  die  Absicht,  in)  der  das  Buch  geschrieben 
ist,  von  Vorteil  ist.  Der  Preis  stellt  sich  auf  70  bzw.  88  M.,  und 
ist  fĂŒr  heutige  VerhĂ€ltnisse  bescheiden  zu  nennen.       Dr.  B  a  b. 

Dr.  F.  Thedering:  Haarkrankheiten  und  Glatze. 
Ihre  VerhĂŒtung  und  Behandlung  mit  Licht  und 
Röntgenstrahlen.  FĂŒr  Aerzte  und  Laien  dargestellt. 
Preis:  M.  88.  Oldenburg  i/O./Berlin.  1922.  Verlag:  Gerhard 
Stalling. 


Thedering  sucht  durch  sein  Buch  Aerzte  und  Laien  davon  zu 
ĂŒberzeugen,  daß  die  Glatze,  die  nicht  nur  eine  kosmetische,  son- 
dern auch  eine  allgemein  gesundheitliche  Bedeutung  hat,  verhĂŒtet 
werden  kann  und  muß.  Ihre  Grundursache  ist  die  vom  Vater 
ererbte  Anlage  zur  Seborrhoe;  diese  wird  wahrscheinlich  durch 
einen  parasitĂ€ren  Erreger  verursacht,  durch  unzweckmĂ€ĂŸige 
Kopfbedeckungen,  die  die  AusdĂŒnstung  des  Kopfes  verhindern, 
begĂŒnstigt,  und  macht  sich  bereits  am  Ende  des  ersten  Jahr^ 
zehntes  als  Schinnenbildung  bemerkbar.  Schon  in  dieser  Zeit 
muß  die  prophylaktische  Behandlung  mit  Höhensonne  kombiniert 
mit  Röntgen  beginnen.  Diese  Behandlung  —  unterstĂŒtzt  von  20  % 
Thigenol-Glycerineinreibung  —  ist  gleichfalls  geeignet,  mĂ€ĂŸigend 
Haarausfall  und  daraus  resultierender  Glatzenbildung  Einhalt 
zu  gebieten.  Bei  dem  Skepticismus,  der  im  allgemeinen  der  Be- 
handlung von  Haarausfall  bei  Aerzten  und  Laien  der  Therapie 
entgegengebracht  wird,  wirkt  der  Optimismus,  mit  dem  das  Buch 
geschrieben  ist,  aufrĂŒttelnd.  Das  Buch  erfĂŒllt  daher  vollkommen 
seinen  Zweck,  die  Aufmerksamkeit  von  Laien  und  Aerzten  auf  die 
Bedeutung  und  Behandlung  dieses  weit  verbreiteten  Leidens  zu 
lenken.  Dr.  B  a  b.  1 

Neuburger:   „Die   Wiener  ^Medizinische   Schule  im 
V  o  r  m  À  r  z".   Rikola-Verlag,  Wien  1921. 

Eine  wĂŒrdige  Fortsetzung  gibt  der  tĂ€tige  Rikolaverlag  seiner 
Sammlung  von  Aerztebiographien  in  dem  neuerschienenen  Bande 
„Die  Wiener  Medizinische  Schule  im  VormĂ€rz".  Prof.  Neubur- 
gers kundige  Hand  hat  es  meisterlich  verstanden,  aus  verstaub- 
ten und  schon  halb  vergessenen  Briefen,  TagebĂŒchern  und  Reise- 
schilderungen SchÀtze  zu  heben,  die  in  bunter  Ordnung  von  allen 
Seiten  Licht  ausstrahlen  auf  die  im  Dornröschenschlaf  liegende 
Wiener  Medizinische  Schule  in  der  Zeit  des  Biedermeier  und  des 
VormÀrz,  in  der  Epoche  zwischen  den  Ruhmestagen  der  Àlteren 
und  jĂŒngeren  Wiener  Schule.  Daß  dieses  Interregnum  nicht  gĂ€nz- 
lich bar  jeder  tĂŒchtigen  Leistung,  daß  auch  in  ihm  verdienstvolle  | 
MĂ€nner  wirkten,  wenngleich  sie  vom  Geist  der  Zeit  befangen  und 
gehemmt,  ihre  VorgÀnger  wie  van  Swieten,  St  oll,  Peter 
Frank,  Valent.  v.  Hilden  brand  nicht  erreichen  konnten, 
geht  aus  diesen  teils  warmherzigen,  teils  scharf  kritisierenden 
Berichten  der  Zeitgenossen  impulsiver  und  unbefangener  hervor, 
als  es  je  ein  noch  so  unparteiischer  Geschichtsschreiber  hÀtte  auf- 
zeichnen können.  Menschliche  SchwÀchen,  Àrztliche  Sorge  und 
GĂŒte,  kleinliches  Bureaukratentum,  Diktatur  und  Nepotismus 
andererseits  großzĂŒgige  Förderung  wissenschaftlicher  Probleme, 
das  AufblĂŒhen  der  Augenheilkunde  unter  Beer  und  JĂ€ger,] 
Dokumente  aus  der  Cholerazeit  und  Berichte  ĂŒber  die  erste  Ver- 
sammlung deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Wien  ziehen  in 
buntem  Wechsel  an  unserem  Auge  vorĂŒber,  bis  die  aufgehende 
Sonne  der  jungen  Wiener  medizinischen  Schule  unsere  Blicke  auf 
MÀnner  wie  Rokitansky,  Skoda,  Hebra,  K  o 1 le  t  s«  h  ka 
und  Semmelweiß  lenkt.  ‱ 

An  dem  mit  sechs  Bildnissen  hervorragender  Aerzte  aus- 
gestatteten Werke  wird,  auch  der  gebildete  Laie  seine  Freude  | 
haben.  M  a  s  s  u  r  (Berlin),  c 

M.Roth   (Oldenburg):    AufsÀtze    zur    Geschichte  der 
Medizin  im  Herzogtum  Oldenburg.    Ad.  Littmann. 
1921.    352  Seiten. 
„Die  Geschichte  der  Medizin  eines  Landes  ist  nur  ein  StĂŒck 
seiner  "Kulturgeschichte",  sagt  der  Verfasser  im  Vorwort.  Das 
ist  fĂŒrwahr  richtig;  drum  wird  der  nicht  bodenstĂ€ndige  Kultur- 
historiker mit  besonderem  Behagen  die  liebevolle  Schilderung 
des  „RiarMeratmts"  und  die  „Volksmedizin"  in  Oldenburg  lesen. 
Wir,   die  wir  in  dem  immerhin  engen  Ausschnitt  der  Vorstel- 
lungen  unserer   damaligen  Wissenschaftsphase  leben,  erkennen 
daraus  mit  Erstaunen,  wie  grĂŒndlich  verschieden  der  Ideenkreis 
unserer  UrgroßvĂ€ter  bezw.  unseres  Landvolks  von  dem  unserigen 
ist.    Man  könnte  versucht  sein,  jenen  mit  dem  ewig  gleichen  I 
Niveau  des  Meeres  zu  vergleichen,  auf  welchem  die  Wellen  der) 
Wissenschaften  wie  Wellen  dahineilen. 

Es  ist  bedauerlich,  daß  so  wenige  eine  Ahnung  haben  von 
dem  Geistesleben,  in  dem  wir  alle  letzten  Endes  wurzeln,  und 
noch  viel  weniger  ein  VerstÀndnis  und  eine  Art  von  Verehrung 
fĂŒr  die  Weltanschauung  unserer  sog.  einfachen  Leute;  und  doch 
stellt  sie  die  BrĂŒcke  dar  zu  dem  primitiven  Denken  in  einer 
kaum  auszudenkenden  prÀhistorischen  Vergangenheit.  Viel- 
leicht haben  gerade  die  Oldenburger  das  Erbe  der  Ur-Indo- 
germanen,  bezw.  der  Ellerbeckleute,  treu  bewahrt.  Mehr  in  die 
neuere  Zeit  fĂŒhren  die  AufsĂ€tze  ĂŒber  einzelne  Aerzte  (Gram- 
berg, Goldschmidt,  SchĂŒĂŸler)  und  Krankenanstalten: 
alle  sind  mit  leicht  flĂŒssiger  Feder  geschrieben.  Buttersac k.% 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrlfi  des  prakllschen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS*PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm -Strafte  20  /  Fernsprecher:  l.ĂŒtzow  9057 

Nr.  41/42  Berlin,  den  25.  Oktober  1922  40.  Jahrgang 

Dir  Vorlag  behĂ€lt  »ich  das  ausschließliche  Recht  der  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  OriginalbeitrĂ€ge  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutztrist  ver. 


Lokalisten  und  Generalisten. 

Von  Dr.  v.  Criegern,  Oberarzt  der  Inneren  Abteilung  des 
StÀdtischen  Krankenhauses  in  Hildesheim. 

"Wenn  man  die  Neurotiker  einteilt  in  Congenrwde  und  Er- 
schöpfte, so  hat  man  eigentlich  bereits  alles  gesagt.  Man  hat 
vor  allem  zum  Ausdruck  gebracht,  daß  jede  Einteilung  nicht 
auf  einem  fundamentalen  Unterschiede  beruht,  sondern  nur 
auf  einem  graduellen,  daß  mithin  die  Veranlagung  alles  be- 
deutet: sie  kann  bei  dem  einen  so  stark  sein,  daß  sie  sich  un- 
abhĂ€ngig von  Ă€ußeren  Ursachen  selbst  unter  den  gĂŒnstigsten 
VerhÀltnissen  durchsetzt,  wÀhrend  bei  anderen  erst  ein  ge- 
wisser Verlust  von  KrÀften  nötig  ist,  um  ihr  zum  Durchbruch 
zu  verhelfen.  Die  Erschöpfung  kann  vorĂŒbergehend  oder 
dauernd  sein,  sie  kann  auf  Sperrung  des  Ersatzes  oder  auf 
Steigerung  des  Aufbrauchs  beruhen,  das  bedeutet  hier  keinen 
einschneidenden  Unterschied.  Diese  Einteilung  zeigt  zu- 
gleich, daß  zwischen  beiden  Gruppen  scharfe  GegensĂ€tze  nur 
auf  den  FlĂŒgeln  bestehen,  wĂ€hrend  in  der  Mitte  ein  fließen- 
der Uebergang  stattfindet,  und  dasselbe  findet  sich  bei  jeder 
anderen  Gruppierung  und  muß  daher  im  Folgenden  immer 
wieder  begegnen. 

Von  einem  anderen  (phÀnomenologischen)  Gesichts- 
punkte aus  pflegt  man  in  der  Praxis  die  Neurotiker  in  Noso- 
phrone  und  Somatiker  zu  ordnen.  Als  Nosophrone  vereinigen 
wir  diejenigen,  deren  Denken  und  Klagen  sich  um  Krank- 
heitszustĂ€nde  bewegt,  fĂŒr  welche  ihnen  jede  körperliche  Ver- 
Ă€nderung fehlt.  Im  Gegensatz  zu  ihnen  stehen  daher  die 
Somatiker,  bei  denen  neben  der  allgemeinen  Neurose  ein 
somatisches  Leiden  nachweisbar  ist. 

Die  Nosophronen  zerfallen  in  die  beiden  Unterabteilungen 
der  Nosophilen  und  der  Nosophoben.  Die  Nosophilen  voll- 
ziehen die  Flucht  in  die  Krankheit  im  allgemeinen  aus  dem 
BedĂŒrfnis  nach  Schonung  und  VerhĂ€tschelung.  Aeußerlich 
besehen,  bedingen  da  die  sozialen  UmstÀnde  anscheinend 
große  Unterschiede;  wir  treffen  hier  die  Hysteriker  aus 
BeachtungsbedĂŒrfnis,  die  Rentenneurotiker,  die  Schul- 
end BerufsschwÀnzer,  die  FamilienpflichtenschwÀnze- 
rinnen,  die  verflossenen  MilitÀrsimulanten,  die  Justizsimulan- 
ten und  StrafflĂŒchter  e  tutti  quanti.  Die  Nosophoben  dagegen 
sind  die  eigentlichen  malades  imaginaires;  sie  möchten  von 
ihrem  Leiden  geheilt  sein,  so  die  Tabophoben,  die  Phthi- 
seophoben,  die  Syphilidophoben.  (Nur  nebenbei  sei  bemerkt, 
daß  die  sonst  so  verdienstlichen  aufklĂ€renden  VortrĂ€ge  ĂŒber 
sexuelle  Hygiene  eine  neue  SpezialitÀt  der  Nosophobie  ge- 
bracht haben:  junge  MĂ€dchen,  die  sich  auf  die  Station  fĂŒr 
Geschlechtskranke  aufnehmen  ließen,  ohne  Veranlassung  dazu 
zu  haben,  indem  sie  fĂŒrchteten,  ein  chlorotischer  Fluor  könne 
durch  Infektion  auf  dem  Abort  entstanden  sein.)  —  So  gegen- 
sÀtzlich sich  die  Nosophoben  und  Nosophilen  auch  auf  dem 
Papier  ausnehmen,  die  Praxis  lehrt,  daß  die  Nosophobie  oft, 
die  Nosophilie  wenigstens  mitunter  in  ihr  Gegenteil  ĂŒber- 
gehen, letztere  dann,  wenn  der  Simulant  schließlich  selbst 
glaubt,  was  er  andere  glauben  machen  wollte  und  er  nun  die 
Geister,  die  er  rief,  nicht  mehr  los  wird.  Aber  auch  das  lehrt 
die  Praxis,  daß  beide  AusprĂ€gungen  der  Nosophronie  am 
besten  gedeihen,  wenn  wenigstens  der  Anflug  eines  körper- 
lichen Leidens  mitwirkt,  und  so  haben  wir  den  Uebergang  zu 
den  Somatikern  gewonnen. 

Diese  sind  das  eigentliche  Kreuz  des  Arztes  und  ihre 
richtige  Behandlung  und,  gegebenenfalls,  Begutachtung,  hat 


von  jeher  als  PrĂŒfstein  der  Ă€rztlichen  Reife  gegolten.  Auch 
bei  den  Somatikern  unterscheidet  man  zweckmĂ€ĂŸig  wieder 
zwei  gegensÀtzliche  AusprÀgungen,  die  Lokalisten  und  die 
Generalisten.  Die  Namen  sollen  bereits  besagen,  daß  die 
Lokalisten  von  einem  geringfĂŒgigen  örtlichen  Leiden  aus  ner- 
vös werden,  dasselbe  â€žĂŒberbewerten",  wie  man  auch  sagt,  und 
nur  durch  die  erfolgreiche  Behandlung  der  Lokalaffektion 
gesund  zu  machen  sind,  wÀhrend  die  Generalisten  ein  orga- 
nisches Leiden,  das  oft  genug  recht  ernst  sein  kann,  hinter 
einem  Strauchwerk  allgemeiner  und  fortgeleiteter  Beschwer- 
den verbergen.  So  kann  es  vorkommen,  daß  sie  lange  in 
Ă€rztlicher  Behandlung  stehen,  ihre  Klagen  aber  den  Arzt 
s*ets  von  ihrem  organischen  Leiden  fortleiten;  alles  andere 
bringen  sie  vor,  nur  das  nicht,  was  ihrem  Leiden  entspricht 
—  bemerken  sie  es  nicht  oder  wollen  sie  es  verschleiern?  — 
so  daß  dasselbe  erst  spĂ€t,  oft  zu  spĂ€t  entdeckt  wird.  Bei  beiden 
Arten  der  Somatiker  können  alle  Organe  in  Betracht  kommen: 
Auge,  Ohr,  obere  Luftwege,  auch  die  SchilddrĂŒse,  (denn  nicht 
alle  nervösen  Beschwerden  bei  Kropfigen  sind  innersekreto- 
risch bedingt),  seltener  die  tiefen  Luftwege,  Herz  und  GefĂ€ĂŸe, 
recht  hÀufig  Verdauungsorgane,  Gallenwege,  Generations- 
organe und  untere  Harnwege. 

Die  beiden  Reihen  von  Einzelbildern  der  Somatiker,  die 
wir  eben  betrachtet  haben,  sagen  uns  etwa  folgendes:  der 
Nichtneurotiker  reagiert  auf  eine  Erkrankung  seines  Körpers 
in  einer  Form,  die  grundsÀtzlich  durch  die  Besonderheit  der 
gesetzten  VerÀnderungen  bedingt  ist,  also  krankheitsspezifisch, 
(wodurch  ja  ĂŒberhaupt  erst  die  Diagnose  von  Krankheiten  aus 
den  subjektiven  Symptomen  ermöglicht  wird).  Die  Reaktion 
des  Somatikers  entspricht  dagegen  seiner  Neurose,  sie  ist  neu- 
rosespezifisch; es  ist  gleichgĂŒltig,  was  vorliegt,  es  fĂŒhrt  bei 
dem  Lokalisten  zur  peripheren  Perseveration,  beim  Genera- 
listen zur  Allgemeinreaktion.  (Vergleichbar  ist  etwa  das 
physiologische  Verhalten  peripherer  Nerven,  welche  sowohl 
mechanisch,  als  elektrisch,  als  thermisch  und  endlich  che- 
misch reizbar  sind:  nur  von  der  Art  des  betroffenen  Nerven 
hÀngt  es  ab,  ob  als  Endeffekt  eine  Muskelzuckung  oder  ein 
LichtphÀnomen  hervortritt).  Die  Konsequenz  dieser  Auf- 
fassung verlangt  weitgehende  Aehnlichkeit  der  Symptomen- 
bilder selbst  bei  Nosophronen  und  Somatikern,  die  bekannt- 
lich am  zwingendsten  wird,  wenn  die  Ă€ußere  Situation,  unter 
der  die  Auslösung  erfolgt,  die  gleiche  ist:  Trauma,  Renten- 
Kampf,  Haft,  Heimweh,  Schulweh,  Kriegsfurcht  usw.  FĂŒr 
Begutachtungszwecke  kommt  ja  freilich  wenig  auf  die  genaue 
Differenzierung  der  Neurose  an,  um  so  mehr  fĂŒr  die  Behand- 
lung: denn  ein  Somatiker  muß  anders  angepackt  werden  als 
ein  Nosophroner,  ein  Lokalist  anders  als  ein  Generalist.  Man 
sieht  ohne  weiteres,  die  hier  entwickelte  Anschauung  gewÀhrt 
einen  tieferen  Einblick  in  die  vorliegende  Neurose,  als  es  die 
Einteilung  lediglich  nach  den  Ă€ußeren  Veranlassungen  tun 
könnte.  Noch  mehr:  bei  jedem  organisch  Kranken  muß  sich 
der  Arzt  klar  werden,  ob  er  einen  Neurotiker  vor  sich  hat  oder 
nicht;  im  letzteren  Falle  genĂŒgt  einfache  Behandlung  lege 
artis,  im  ersteren  bedarf  es  eines  Mehr  fĂŒr  die  Neurose,  um  den 
Patienten  zufrieden  zu  stellen. 

Lokalisten  reagieren  also  ĂŒberwertig  auf  ein  geringfĂŒgiges 
(zumeist  lokales)  Leiden.  Zwei  Straßenpassanten  bekommen 
je  ein  Staubkörnchen  aus  der  gleichen  Esse  ins  Auge.  Der 
eine  gewöhnt  sich  an  den  Reiz,  die  TrĂ€nenflĂŒssigkeit  spĂŒlt 
den  Fremdkörper  von  selbst  hinaus,  spÀtestens  wÀhrend  der 
nÀchsten  Nacht.   Der  andere  aber  kann  ohne  Àrztliche  Hilfe 


600  v.  Criegern,  Lokalisten  und  Generalisten.  40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


nicht  fertig  werden:  ja  sogar  am  Tage  nach  der  Entfernung 
durch  den  Arzt  kommt  er  wieder  und  bittet  um  etwas  Cocain, 
weil  ihn  der  Reiz  noch  zu  sehr  stört.  Oder:  der  dankbare 
Patient  mit  dem  Rachenkatarrh:  er  ist  schon  bei  ""vielen 
Aerzten  gewesen,  keiner  hat  ihm  den  quÀlenden  Husten  be- 
seitigen können:  jedesmal  der  Zuletztkonsultierte  ist  der  rich- 
tige Mann:  er  hat  genau  die  empfindliche  Stelle  touchiert! 
Solche  Erfolge  verfĂŒhren  nun  leicht  zur  UeberschĂ€tzung  des 
Zusammenhanges  von  Eingriff  und  Wirkung,  wie  z.  B.  bei 
der  Trigeminusneuralgie.  In  einer  ganzen  Anzahl  von  FĂ€l- 
len weicht  sie  der  zahnÀrztlichen  Behandlung;  aber  dann  be- 
gegnen uns  doch  wieder  Kranke,  die  alle  in  Betracht  kom- 
menden ZĂ€hne  geopfert  haben,  und  nun  doch  durch  die  fort- 
bestehende Neuralgie  dazu  getrieben  werden,  sich  eingreifen- 
den und  lebensgefÀhrlichen  Operationen  zu  unterwerfen. 
Man  kann  diesen  Faden  noch  fortspinnen,  indem  man 
manche  Nasen-,  Ohren-  und  Tonsillenerkrankungen  mitein- 
bezieht. Noch  lehrreicher  sind  vielleicht  die  Patienten  mit 
Hernia  epigastrica,  Fibrom  oder  Lipom  der  linea  alba,  ĂŒber- 
schnappender Rippe,  hakenförmig  eingebogenem  Schwert- 
fortsatz u.  dgl.  In  der  Mehrzahl  erhebt  man  diese  Befunde 
nebenbei,  in  einer  Minderzahl  bilden  sie  den  Ausgangspunkt 
hartnÀckiger  Beschwerden,  die  nicht  eher  weichen,  als  bis 
das  Üebel  operativ  entfernt  ist.  Staunend  betrachtet  man 
dann  die  Narbe,  und  fragt  sich,  inwiefern  man  dieser  einen, 
so  wesentlich  gĂŒnstigeren  Einfluß  auf  das  Wohlbefinden  zu- 
trauen soll,  als  der  frĂŒheren  AbnormitĂ€t.  Aber  wehe,  wenn 
man 'nicht  bedenkt,  daß  man  Lokalisten  vor  sich  hatte,  und 
bei  anderen  den  Eingriff  vornehmen  lĂ€ĂŸt:  völliger  Mißerfolg 
wird  das  Ergebnis  sein.  Auch  manche  chronisch  entzĂŒnd- 
lichen ZustÀnde  der  Bauchhöle  reihen  sich  hier  an:  manche 
peritonischen  Verwachsungen  werden  gelöst,  die  bei 
anderen  Patienten  vsymptomlos  bleiben,  und  neue  strittige 
Krankheitsbilder  erwachsen  auf  diesem  Boden,  z.  B.  das  der 
primÀr-chronischen  Appendicitis.  Gastroptosen  und  Entero- 
ptosen  werden  mitunter  durch  die  Behandlung  glÀnzend 
wieder  hergestellt,  wÀhrend  recht  oft  kein  Erfolg  erzielt  wird. 
Daß  man  im  gĂŒnstigen  Falle  eben  Lokalisten  vor  sich  ge* 
habt  hat,  beweist  die  große  Anzahl  der  symptomlos  be- 
stehenden Eijigc  w<iideser Jturi  <$ei > ‱  Die  Behandlung  mancher 
LageverÀnderungen  der  GebÀrmutter  nimmt  heute  lÀngst 
nicht  mehr  den  breiten  Raum  ein,  wie  noch  vor  25  Jahren:  es 
hat  sich  ebenfalls  gezeigt,  daß  vorwiegend  nur  den  Loka- 
listinnen damit  geholfen  werden  konnte.  Hierher  gehören 
auch  die  nicht  so  seltenen  Kranken,  denen  ein  ganz  falsch 
sitzendes  Bruchband  die  örtlichen  Beschwerden  dennoch  tat- 
sĂ€chlich nimmt;  Leute,  die  von  „weiten"  Strikturen  Be- 
schwerden haben,  die  erst  nach  örtlicher  Behandlung  ver- 
schwinden, wÀhrend  solche  doch  meistens  ganz  anstandslos 
vertragen  werden.  Schließen  wir  die  Reihe  ab;  denn  um  sie 
zu  vervollstĂ€ndigen,  dĂŒrften  wir  kein  Gebiet  der  Medizin 
außer  Betracht  lassen! 

Aber  was  soll  diese  Erörterung  ĂŒberhaupt?  Soll  sie  die 
Behandlung  der  einschlÀgigen  Kranken  bekÀmpfen?  Nein, 
durchaus  nicht!  Sondern  sie  soll  zutreffendenfalls  zu  der 
Betrachtung  anfegen,  ob  wir  einen  Lokalisten  vor  uns  haben 
oder  nicht.  Das  können  wir  recht  gut  entscheiden,  wenn  wir 
bedenken:  das  vorliegende  Leiden  muß  eines  sein,  das  bei  der 
Mehrzahl  de*r  Menschen  keine  oder  nur  ganz  geringfĂŒgige 
Beschwerden  macht:  der  Kranke  muß  ein  Neurotiker  sein,  der 
dasselbe  ĂŒberwertig  und  besonders  nachhaltig  empfindet. 
Der  Uebergang  zur  reinen  Nosophilie  drÀngt  sich  auf,  und 
zeigt,  in  welcher  Richtung  Fehlgriffe  zu  befĂŒrchten  sind: 
Nosophilie  wĂŒrde  jede  eingreifende  Behandlung  kontraindi- 
zieren. Auch  den  Arzt  selbst  soll  diese  ErwĂ€gung  vor  ĂŒber- 
wertigen Ideen  schĂŒtzen,  vor  der  naheliegenden  Autosug- 
gestion, daß  es  sich  im  Erfolgsfalle  um  ein  zu  wenig  be- 
achtetes Krankheitsbild  sui  generis  gehandelt  habe;  die  Ge- 
schichte der  Medizin  kennt  Beispiele  genug  fĂŒr  diese  Ge- 
fahr! 

Im  Gegensatz  zu  den  eben  betrachteten  stehen  die  Gene- 
ralistcn,  also  Neurotiker,  die  keine  organspezifischen,  sondern 
nur  allgemein-nervöse  Beschwerden  von  solchen  Leiden  be- 


kommen, welche  bei  der  Mehrzahl  der  Menschen  ganz  ein- 
deutige  Funktionsstörungen  hervorrufen.  Auch  hier  gehen 
wir  vom  AlltĂ€glichen  aus.  ‱  Bei  gar  nicht  so  wenigen  Men- 
schen meldet  sich  der  Hunger  nicht  in  seiner  gewöhnlichen 
Weise,  sondern  sie  reagieren  mit  Kopfschmerz,  GĂ€hnen,  Zer- 
streutheit u,  dgl.  und  mĂŒssen  erst  von  ihrer  Umgebung  darauf 
aufmerksam  gemacht  werden*  wo  es  ihnen  eigentlich  fehlt.  — 
Wenn  sich  jemand  auf  dem  Marsche  fußkrank  lĂ€uft,  soll  er 
das  örtlich  empfinden;  aber  in  jedem  Regimente  waren  Leute 
zu  beobachten,  die  statt  dessen  Stimmungsumschlag,  Abspan- 
nung und  AufsÀssigkeit  zeigten  und  ihren  Schaden  erst  zu 
ihrem  Erstaunen  im  Quartier  bemerkten.  —  Eine  Dame  be- 
kommt in  Gesellschaft  Abgeschlagenheit,  RĂŒckenschmerz, 
Gereiztheit;  örtliche  Empfindungen  hat  sie  nicht;  erst  eine 
zufÀllige  Veranlassung,  unbeobachtet  die  Blase  zu  entleeren, 
lĂ€ĂŸt  ihre  frĂŒhere  Stimmung  und  Frische  wiederkehren.  — 
Der  rein  psychogene  Charakter  dieser  Reaktionen  liegt  auf 
der  Hand;  der  Vergleich  drÀngt  sich  auf  mit  den  trivialen  re- 
gionÀren AnÀsthesien  und  HypÀsthesien  der  Hysterischen;  es 
handelt  sich  offenbar  um  dasselbe,  um  hypÀsthetische  Zonen, 
die  den  Krankheitsherd  decken,  ja,  vielleicht  von  ihm  hervor- 
gerufen werden.  Verfolgen  wir  das  an  einigen  typischen  So- 
matikern,  z.  B.  einem  Patienten,  der  jahrelang  an  Kopf- 
schmerz und  Leistungsminderung  leidet  und  schließlich 
durch  die  Korrektion  des  „latenten"  Höhenschielens  dauernd 
geheilt  wird.  Der  gewöhnliche  Mensch  empfindet  doch 
Fusionsstörungen  als  solche  des  Sehvermögens,  wenn  er  auch 
ĂŒber  die  Art  derselben  sich  meist  keir.°  Vorstellung  wird 
bilden  können;  das  pathognomonische  bei  unserem  Neuro- 
tiker liegt  eben  darin,  daß  er  an  ein  Augenleiden  nicht  ein-- 
mal  denkt,  sondern  nur  Allgemeinbeschwerden  hat.  Nun  er- 
innern wir  uns  noch  der  vielen  „latenten",  d.  h.  durch  Ver- 
nachlĂ€ssigung der  Beachtung  entrĂŒckten,  durch  Gewöhnung 
als  nebensÀchlich  gewerteten  Erkrankungen  der  Nase  und 
des  Ohres,  von  denen  besonders  die  SchulÀrzte  zu  sagen 
wissen!  Doch  auch  die  inneren  Organe  kommen  in  Betracht 
z.  B.  gegen  Ende  der  Periode  des  landwirtschaftlichen  Hoch- 
betriebes organische  Herzfehler  auf  dem  Boden  ĂŒberstan- 
dener  Rheumatismen.  Sie  klagen  nicht  ĂŒber  Herz- 
klopfen, Kurzatmigkeit  u.  dergl.,  sondern  ĂŒber  RĂŒc  ken - 
imd  Kopfschmerz,  ErmĂŒdbarkeit  am  Tage,  Schlaflosig- 
keit des  Nachts,  Appetitlosigkeit  und  MagendrĂŒcken,  so  daß 
man  beim  Zuhören  eher  an  die  Magensonde  denkt  als  an 
das  Stethoskop.  Dann  die  FĂ€lle  der  latenten  Magenleiden! 
Nur  ein  Beispiel  fĂŒr  viele.  Eine  Hysterica  mit  allerhand 
Allgemeinbeschwerden  und  psychischen  Erregungen  wehrte 
sich  heftig  gegen  die  mittels  Magensonde  gestellte  Diagnose: 
Magenkrank  sei  sie  bestimmt  nicht,  sie  vertrage  die  schwer- 
sten Speisen;  nur  wenn  sie  ihre  Nerven  haben,  bekÀmen  ihr 
auch  ĂŒie  leichtesten  nicht.  Eine  schwere  Influenzapneumo- 
nie  ergab  die  Gelegenheit  zur  Autopsie:  ein  großes  tiefes 
MagengeschwĂŒr  an  der  kleinen  Curvatur  hatte  nur  noch  eine 
dĂŒnne  Serosaschicht  zwischen  sich  und  dem  Pankreas  gelassen. - 
Die  Gallenleiden:  Da  erinnere  ich  mich  sogar  eines  hochver- 
ehrten, wohlerfahrenen  Kollegen,  der  Brom  schluckte,  ehe  ihn 
die  geduckte  Hand  des  Chirurgen  von  seinem  Gallenstein 
befreite.  Unter  den  beginnenden  noch  in  kompletten  Harn- 
verhaltungen aus  mechanischen  Ursachen  finden  sich  gleich- 
falls  nicht  ganz  wenige  hierher  gehörige  FÀlle.  Auch  auf  gynae- 
kologischem  Gebiete  erwartet  uns  eine  reiche  Ausbeute;  gab 
es  doch  einmal  eine  Zeit,  in  der  die  Hysterie  ihren  Namen 
empfing,  im  Sinne  von  Generalisation  bei  latenten  Frauen- 
leiden. Und  von  der  SexualsphÀre  wollen  wir  nicht  Ab- 
schied  nehmen,  ohne  einer  hÀufigen  Ursache  des  gesteigerten 
Sexualismus  und  eventuell  allgemeiner  Neurose  zu  ge- 
denken: der  banalen  Balanitis  und  Vulvitis,  deren  Beziehung 
zur  Allgemcinreaktion  meist  ĂŒber  den  Umweg  „psychischer"  j 
Masturbation  oft  genug  verkannt  wird.  Diese  Uebersicht  soll, 
aus  demselben  Grunde,  wie  die  der  Lokalisten,  nur  lĂŒcken- 
haft sein,  jeder  Arzt  kann  sie  leicht  vervollstÀndigen. 

Aul  der  Hand  liegt  die  Verwandtschaft  der  Generalisten 
mit  den  Erschöpften  ĂŒberhaupt;  denn  fĂŒr  die  Verbrauchtheit  ^ 
ist  es  gleichgĂŒltig,  ob  sie  auf  allgemeinen  oder  örtlichen  Ur-  , 


40.  Jahrgang  — Nr.  41/42. 


Mull,  Rißpilzvergiftungen. 


<>()! 


Sachen  beruht.  FĂŒr  den  Arzt  bedeuten  aber  die  GenerĂ€listen 
eine  gewisse  Gefahr;  sie  sind  organisch  Kranke,  aber  sie  dis- 
simulieren gewissermaßen  ihre  Krankheit  und  eröffnen  da- 
mit die  Möglichkeit,  dieselbe  zu  ĂŒbersehen.  Ueble  Erfah- 
rungen in  dieser  Richtung  können  dann  umgekehrt  dazu 
fĂŒhren,  daß  man  alle  Neurotiker  fĂŒr  Somatiker,  und  zwar  fĂŒr 
Generalisten  hÀlt  und  viel  unnötige  diagnostische  und  the- 
rapeutische Arbeil  verschwendet.  Aus  der  FrĂŒhzeit  der  Ent- 
wicklung der  SpezialitĂ€ten  fĂŒr  Verdauungskrankheiten  und 
der  fĂŒr  Herzkrankheiten  lassen  sich  genĂŒgend  Beispiele  da- 
fĂŒr finden.  Das  ist  wohl  verstĂ€ndlich,  wenn  man  die  So- 
matiker von  den  einfach  organisch  Kranken  dadurch  schei- 
det, daß  man  eine  von  der  Mehrzahl  abweichende  Reaktion 
auf  die  Krankheit  als  Kennzeichen  verlangt,  eine  ĂŒberwertige 
bei  den  Lokalisten,  eine  psychogen-hypaesthetische  bei  den 
Generalisten.  Beide  können  sie  Objekt  der  Lokaltherapie 
sein,  und  zwar  erfolgreiches. 

Kurz  zu  gedenken  ist  noch  die  Verwendbarkeit  der  ab- 
normen ReaktionsfÀhigkeit  in  der  Therapie.  Verbrauchte 
und  Neuropathien  werden  oft  von  geschickten  Therapeuten 
dadurch  ĂŒber  Wasser  gehalten,  daß  ihnen  eine  harmlose 
organische  Sache  in  den  Vordergrund  gerĂŒckt  wird,  z.  B.  die 
Regelung  des  Stuhlganges.  Wie  dieselbe  bei  einiger  Sorgfalt 
meist  zu  erreichen  ist,  so  bildet  sie  eine  befriedigende  Ab- 
lenkung. Bei  einer  Gerichtsverhandlung  gegen  einen  Laien- 
praktiker, einen  ausgeprÀgten  Neuropathien,  hörte  ich  die 
liier  interessierende  Autobiographie:  er  sei  immer  nervös  und 
unbrauchbar  gewesen,  bis  schließlich  ein  Arzt  herausgefun- 
den habe,  daß  das  alles  gar  nicht  an  den  Nerven  gelegen ' 
habe,  sondern  am  schlechten  Stuhlgang.  Der  Mann  habe 
zwar  recht'  gehabt,  ihm  aber  doch  nicht  helfen  können 
(„wegen  der  naturwidrigen  Gifte  der  Schulmedizin").  So 
habe  er  die  Sache  selbst  in  die  Hand  genommen,  habe  erst . 
sich  seihst  („naturgemĂ€ĂŸ")  geheilt,  dann  andere  beraten  und 
sei  so  Krankenheiler  geworden.  Gerade  auf  die  naturgemĂ€ĂŸe 
Regelung  des  Stuhlganges  werde  noch  viel  zu  wenig  Gewicht 
gelegt;  er  weise  alle  seine  Patienten  darauf  hin  usw.  usw. 
Dem  pikanten  Reiz  dieser  völlig  unbewußt  gegebenen  Patho- 
graphie  konnten  sich  auch  die  Nichtmediziner  in  jener  Ver- 
handlung nicht  völlig  entziehen.  Umgekehrt  vermag  ja  auch 
die  Psychotherapie  mitunter  bei  entsprechend  veranlagten 
Organisch-Kranken  eine  nachhaltige  Ablenkung  von  ihrem 
unheilbaren  Leiden  zu  erreichen.  Also  hat  von  jeher  die 
Praxis  gewußt,  die  vorhandene  Anlage  auszunutzen,  und  im 
Neurotiker,  je  nachdem  den  latenten  Lokalisten  oder  Gene-« 
ralisten  zu  erwecken. 

Wesentlich  neues  hat  diese  kleine  Studie  nicht  bringen 
können,  aber  wertvolles  alte  von  einem  besonderen  Gesichts- 
punkte aus  betrachten  sollen.  Wer  sich  viel  mit  Begutach- 
tung zu  beschÀftigen  hat,  wer  in  den  Fachzeitungen  die  Erfin- 
dung neuer  Behandlungsmethoden  und  die  Kreirung  neuer 
Svmptomenkrankheiten  verfolgt,  wird  den  Nachweis  auf 
diese  ZusammenhĂ€nge  von  Zeit  zu  Zeit  fĂŒr  angebracht 
halten.  Dem  Kranken  ist  es  wesentlich,  daß  er  als  Generalist 
nicht  der  Behandlung  seines  organischen  Leidens  verlustig 
geht,  dem  Arzte,  daß  er  bei  GlĂ€nzenden  Heilerfolgen,  durch 
Beseitigung  von  sonst  bedeutungslosen  Leiden  nicht  einer 
UebersehÀtzung  solcher  verfÀllt,  sondern  bedenkt,  ob  er 
nicht  nur  zufÀllig  einem  Lokalisten  aufgeholfen  hat.  Denn 
I  er  soll  wissen,  was  er  tut,  und  auf  seinem  hindernisreichen 
Wege  nicht  noch  die  cappa  d'oro  (Inferno  XXIII,  61)  falsch 
J  gedeuteten  Eigenerfahrungen  tragen. 


Aus  der  inneren  Abteilung  des  Stadt.  Krankenhauses  in 
Hildesheim.    (Oberarzt  Dr.  v-o  n  C  r  i  e  g  e  r  n.) 

Ueber  Rißpilzvergiftungen. 

Von  Dr.  W  i  1  Ii  e  t  m  M  ull. 
Obwohl  in  der  letzten  Zeit  in  der  mykologischen  wie  in 
der  klinischen  Literatur  BeitrĂ€ge  ĂŒber  Rißpilzv6rgiftungen 
erschienen,  sind  die  beiden  FĂ€lle,  die  wir  im  Sommer  1921 
beobachteten,  doch  der  Veröffentlichung  wert,  da  sie  ein 


m.  W.  bisher  noch  nicht  beschriebenes  Symptom  neben  den 
bereits  gelÀufigen  Vergiftungserscheinungen  darboten. 

Am  4.  7j  1921  erkrankt  das  Ehepaar  Hr.  aus  Ilildesheim  etwa 
%  Stunden  nach  dem  Genuß  von  tags  zuvor  auf  dein  Galgenberg 
gesammelten  filzen,  die  der  Ehemann,  der  angeblich  Pilzkenner 
ist,  fĂŒr  Champignons  hielt.  Bei  beiden  setzen  die  Erscheinungen 
stĂŒrmisch  ein  mit  starken,  besonders  am  Kopf  auftretenden 
Schweißen,  Speichelfluß,  SchĂŒttelfrost,  LeibkrĂ€mpfen  und  Durch- 
fall, bei  großem  SchwĂ€chegefĂŒhl.  Der  sofort  gerufene  Arzt  gibt 
Apomorphin,  Atropin  und  Coffein.  Bei  der  Aufnahme  wird  fol- 
gender Befund  erhoben:  Frau  Br.  klagt  ĂŒber  verschleierte  Augen, 
Durchfall  und  wundes  GefĂŒhl  im  Leib.  Sensorium  frei.  Maut  sehr 
feucht.  Pupillen  reagieren  etwas  trÀge.  Lungen  und  Herz  ohne 
Besonderheiten  Puls  70,  regelmĂ€ĂŸig,  weich  Diffuse  Druckemp- 
findlichkeit des  ganzen  Leibes.  Urin:  kein  Eiweiß,  kein  Zucker, 
Sediment:  ohne  Besonderheit.  Mageninhalt:  reagiert  alkalisch, 
enthĂ€lt  Blut.  Es  bestehen  Menses.  Sofort  MagenspĂŒlung  und 
Oleum  Bicini.  Danach  starke  wÀssrige  Entleerungen,  in  denen 
reichlich  unverdaute,  grĂŒnlich  gefĂ€rbte  Pilzreste  schwimmen. 
Stuhl  enthÀlt  Blut.  Am  5.  7.  leidliches  Befinden.  Noch  geringe 
Sehstörungen,  Leibschmerzen  und  DurchfĂ€lle.  In  den  StĂŒhlen 
ist  makroskopisch  Blut  vorhanden.  14.  7.  Trotz  Styptol  dauern 
die  Menses  schon  13  Tage  lang  sehr  heftig  an,  erst  nach  Ergotin 
stehen  die  Blutungen.  GynÀkologische  Untersuchung:  normale 
Genitalorgane,  Abort  liegt  nicht  vor.  20.  7.  Gutes  Allgemein- 
befinden. Auf  Wunsch  Entlassung.  Hat  noch  mehrere  dĂŒnne  Ent- 
leerungen am  Tage.  Katheterurin:  kein  Eiweiß.  Sediment:  einige 
Erythrocyten.  Mageninhalt  nach  ProbefrĂŒhstĂŒck:  GesamtaciditĂ€t: 
6  cem,  freie  SalzsÀure  fehlt. 

Herr  Br.,  65  Jahre  alt.  Ist  sehr  erregt  und  verÀngstigt,  hat 
OhnmachtsgefĂŒhl  und  stöhnt  ĂŒber  Leibschmerzen.  Ist  am  ganzen 
Körper  naß  von  Schweiß.  Pupillen  eng,  reaktionslos,  ĂŒbrige  Re- 
flexe ohne  Besonderheiten.  HĂ€nde  und  FĂŒĂŸe  kĂŒhl.  Tremor  der 
Beine.  Ueber  den  Lungenunterlappen  feuchter  Katarrh.  Atmung 
beschleunigt,  26  in  einer  Minute.  Herz:  ohne  Besonderheit.  Ar- 
terienrohr rigide.  Puls  68  in  einer  Minute.  Blutdruck:  160  mm. 
Quecksilber  (nach  Riva-Rocci)  Leib:  eingezogen,  stark  gespannt, 
dnickschmcrzhaft.  Urin:  Spur  Eiweiß,  kein  Zucker,  Sediment: 
Cvlinder,  Erythrocvten.  Therapie  wie  oben.  5.  7.  P.  noch  sehr 
unruhig-.  7.  7.  Gutes  Allgomeingefinden.  Die  Funkt jonsnrĂŒfung 
der  Nieren  ergibt:  mangelhafte  KonzentrationsfÀhigkeit  und 
mĂ€ĂŸige  Koehsalzretention;  die  Zulage  von  10  g  Kochsalz  wirkte 
diuretisch.  20.  7.  Entlassung.  Urin:  kein  Eiweiß,  Sediment:  Erv- 
throevten.  2  Cylinder.  Mageninhalt  nach  ProbefrĂŒhstĂŒck:  Gesamt- 
aciditÀt 56  cem,  freie  SalzsÀure  38  cem. 

Die  aus  den  Faeces  isolierten  Pilzreste  wurden  von  der 
Pilzbestimmungsstelle  in  Hildesheim  als  Inocybe  late- 
r  a  r  i  a  —  ziegelroter  R  i  ß  p  i  1  z  —  identifiziert.  Die  Dia- 
gnose wurde  von  Prof.  Falck,  dem  Leiter  des  mykologi- 
schen Institutes  der  Forstakademie  in  Hannoversch-MĂŒnden 
bestÀtigt*).  Die  Inocybe  lateraria  wird  von  Ricken  folgen- 
dermaßen beschrieben:  Hut  geglĂ€ttet-faserig,  zuletzt  lĂ€ngs- 
rissig trocken,  glockig  gewölbt,  4 — 8  cm  Durchmesser, 
fleischig.  Stiel:  faserig  gestreift,  öfter  mit  gerandeter  Basis, 
kurz,  voll,  2 — 8  cm  lang,  5—13  mm  dick.  Lamellen:  weiß, 
zuletzt  otivbraun,  mit  weißer  Schneide,  gedrĂ€ngt  ver- 
schmÀlert angeheftet.  Fleisch:  rötet  gleichfalls,  Geruch  nicht 
aufdringlich.  Spören':  fast  nierenförmig  10 — 12/6 — 7/'. 

Durch  den  Genuß  dieses  Pilzes,  der  von  Mitte  Mai  bis 
Anfang  Juli  mit  Vorliebe  in  BuchenwÀldern  wÀchst,  er- 
kranken alljÀhrlich  zahlreiche  Menschen,  die  ihn  mit 
Champignons  und  MaischwÀmmen  verwechseln,  was  bei 
den  Jugendformen  möglich  ist.  Lange  Zeit  war  die  Frage  " 
strittig,  ob  die  Inocybe  ĂŒberhaupt  zu  den  Giftpilzen  zu  zĂ€h- 
len sei,  aber  die  zahlreichen  Beobachtungen,  die  außer  vielen 
teils  schweren  Erkrankungen  bisher  nur  einen  Todesfall 
melden  (Aschersleben)  haben  diese  Frage  endgĂŒltig  geklĂ€rt. 
Das  klinische  Bild  der  Inocybever  giftung  ist:  1.  sehr 
schnelles  Auftreten  der  Vergiftungserscheinungen  im  Gegen- 
satz zu  KnollenblÀtterschwammvergiftungen,  die  erst  nach 
zehnstĂŒndiger  Inkubationszeit  sich  bemerkbar  machen. 
2.  Starker  Speichelfluß.  3.  Schwitzen,  SchĂŒttelfrost,  heftige 
LeibkrÀmpfe  und  DurchfÀlle.  4.  Nachlassen  der  Sehkraft. 
Diese  Symptome  sind  nur  dieser  Pilzart  eigen  und  so  cha- 
rakteristisch, daß  daraus  allein  schon  die  Diagnose  gestellt 
werden  kann.   Das  wirksame  Prinzip  der  Inocybe  scheint 

*)Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  FrÀulein  Clara  Grobe, 
der  Le  iterin  der  Pilzbestimmnngsstello  in  Ilildesheim  sowie  Herrn 
Prof.  Falck  fĂŒr  die  werfvolle  UnterstĂŒtzung  durch  exakte 
Diagnosenstellung  auch  an  dieser  Stelle  meinen  Verbindlichsten 
Dank  auszusprechen. 


602 


Lippert,  Erfahrungen  mit  Duploferrin. 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42/ 


Muskarin  zu  sein,  wie  Fahrig  durch  Experimente  an 
Fröschen  und  Katzen  feststellte.  Er  benutzte  zu  seinen  Ver- 
suchen eine  Lösung,  von  der  1  ccm  der  Lösimg  1  g  frischer 
Pilzsubstanz  entsprach.  Durch  subkutane  Injektion  von 
0,1  ccm  der  Lösung  erzeugte  er  bei  Fröschen  Puls  verlang  - 
samung  und  vorĂŒbergehenden  Herzstillstand;  durch  0,7  ccm 
einen  Herzstillstand  von  68  Minuten,  der  durch  einen  Tropfen 
einer  1  promilligen  Atropinlösung  sofort  behoben  wurde.  Bei 
Katzen  kam  es  nach  Injektipn  von  0,1  ccm  zu  Speichelfluß, 
Schweißausbruch,  Pupillenverengerung,  WĂŒrgbewegungen, 
Durchfall  und  Dypsnoe.  Alle  Erscheinungen  ließen  allmĂ€h- 
lich nach  und  verschwanden  nach  3  Stunden.  Bei  0,6  ccm 
dieselben  Erscheinungen,  die  nach  10  Stunden  zum  Tode 
fĂŒhrten.  Die  Injektion  von  1,5  ccm  fĂŒhrte  schon  nach  13  Mi- 
nuten zum  Tod  durch  AtemlÀhmung.  Behandelte  man  die 
Tiere  vorher  mit  Atropin,  so  vertrugen  sie  die  mehrfach 
tödliche  Dosis,  ohne  zu  erkranken.  Nach  Fahrig  enthalten 
100  g  frische  Pilze  der  Gattung  Inocybe  366  mg  reines  Mus- 
karin, das  heißt  der  Muskaringehalt  des  Rißpilzes  ist  zwan- 
zigmal so  groß,-  als  der  des  Fliegenpilzes.  Außer  Muskarin 
enthÀlt  die  Inocybe  anscheinend  keine  andern  Giftstoffe,  ins- 
besondere kein  Muskaridin  (Pilzatropin),  das  rauschÀhnliche 
ZustĂ€nde  mit  Pupillenerweiterung  hervorruft,  die  ja  fĂŒr 
Fliegenpilzvergiftungen  so  charakteristisch  sind.  Cholin  und 
Neurin  dĂŒrften  höchstens  in  so  geringen  Mengen  vorkommen, 
daß  sie  durch  den  Tierversuch  nicht  nachweisbar  sind.  Die 
Sektion  der  vergifteten  Tiere  ergab  außer  entzĂŒndlichen  Ver- 
Ă€nderungen des  Magen-Darmkanals  keinen  besonderen  Be- 
fund. 

Unsere  beiden  FĂ€lle  zeigten  das  klassische  Bild  der 
Inocybevergiftung.  Außerdem  konnten  wir  die  von  Fahrig 
im  Tierexperiment  festgestellte  Pulsverlangsamung  auch 
klinisch  beobachten  —  68  bezw.  70  SchlĂ€ge  in  der  Minute  bei 
der  hochgradigen  Erregung  und  trotz  der  vorausgegangenen 
Darreichung  von  Atropin!  —  und  eine  Neigung  zu  HĂ€mor- 
rhagien feststellen,  die  sich  beim  Manne  in  einer  hÀmorrha- 
gischen Nephritis,  bei  der  Frau  in  einer  13  Tage  dauernden 
Menorrhagie  zeigte.  Von  HĂ€morrhagien.  außerhalb  des  Ma- 
gen-Darmkanals wurde  m.  W.  bisher  noch  nicht  berichtet. 
Bei  der  Frau  handelte  es  sich  nicht  um  die  xAuslösung  einer 
Blutung,  sondern  um  die  VerstÀrkimg  der  bestehenden 
Menses,  wobei  auch  das  Alter  der,  Frau  (Beginn  des  Klimak- 
teriums) eine  Rolle  spielte.  Beim  Manne  konnte  nicht  sicher 
entschieden  werden:  war  es  eine  durch  das  Gift  der  Inocybe 
verursachte  hÀmorrhagische  Nephritis  oder  war  die  HÀ- 
maturie nur  die  Antwort  der  arteriosklerotischen  Niere  des 
Hypertonikers  auf  eine  stattgehabte  Noxe?  Immerhin  zwingen 
uns  diese  Beobachtungen,  in  Zukunft  bei  Rißpilzvergiftun- 
gen solchen  HĂ€morrhagien  mehr  als  bisher  unsere  Aufmerk- 
samkeit zu  schenken. 

Ich  fasse  zusammen:  1.  Die  Inocybearten,  insbesondere 
der  ziegelrote  Rißspilz  —  Inocybe  lateraria  Rickenii  —  sind 
giftig.  Die  Vergiftungen  fĂŒhren  nur  selten  zum  Tode,  da  die 
Erscheinungen  so  schnell  auftreten,  daß  eine  energische 
Therapie  noch  Erfolg  hat. 

2.  Die  Symptome  sind:  schnelles  Auftreten,  Speichel- 
fluß, Schweiße,  SchĂŒttelfrost,  LeibkrĂ€mpfe,  DurchfĂ€lle,  Seh- 
störungen, HÀmorrhagien  des  Magen-Darmkanals  und  an- 
derer besonders  disponierter  Organe.  Kein  spontanes  Er- 
brechen. Pulsverlangsamung. 

3.  Der  wirksame  Bestandteil  ist  Muskarin,  dessen  Menge 
zwanzigmal  so  groß  ist,  als  die  im  Fliegenpilz  enthaltene. 

4.  FĂŒr  die  Therapie  ergibt  sich  aus  den  Tierversuchen 
die  Wirksamkeit  des  Atropins.  Daß  durch  MagenspĂŒlungen, 
Brech-  und  AbfĂŒhrmittel  noch  gewaltige  Mengen  unverdauter 
Pilze  herausbefördert  werden  können,  konnten  wir  bei 
unsern  FĂ€llen  sehen.  Eine  energische  Anwendimg  dieser 
Mittel  ist  also  durchaus  am  Platze. 

Zum  Schluß  noch  eine  Anregung!  Die  schweißtreibende 
Wirkung  des  Pilzes  ist  so  enorm,  daß  man  nur  wĂŒnschen 
möchte,  diese  QualitÀt  therapeutisch  zu  verwerten.  Dazu 
bedarf  es  allerdings  noch  sorgfÀltiger  experimenteller  Ar- 
beiten in  geeigneten  Instituten. 


Literatur. 

1.  Fahrig:  Archiv  fĂŒr  experimentelle  Pathologie  und  Pharma- 
kologie.   Band  88.    Heft  5  und  6.  1920. 

2.  Meusburger.   Pilz-  und  KrÀuterfreund.   1920.   Heft  8/9. 

3.  Port.  MĂŒnchener  medizinische  Wochenschrift.  1921.  Nr.  Ml. 

4.  Ricken.    Vademecum  fĂŒr  Pilzfreunde.   2.  Auflage.  1920. 


Aus  dem  Frauengenesmigsheim  Zitzschewig  der  Allg. 
Ortskrankenkasse  Dresden. 

Erfahrungen 

mit  Duploferrin  in  der  Rekonvaleszenz. 

Von  Dr.  W.  Lippert,  Leiter  der  Anstalt. 
Duploferrin  ist  eine  Eiseneiweiß-Doppelverbindung 
vegetabilischen  Ursprungs,  in  der  sich  das  Eisen  maskiert,; 
d.  h.  in  organischer  Bindung,  befindet.  Dadurch  ist  ein$ 
leichte  Resorption  und  Assimilation  durch  die  blutbildenden 
Organe  ermöglicht.  Außer  dem  an  NucleinsĂ€ure  und  Eiweiß 
gebundenen  organischen  Eisen  enthÀlt  es  noch  Eisen  in  an^jj 
organischer  Form,  das,  soweit  es  nicht  resorbiert  wird,  die. 
blutbildenden  Organe  zu  erhöhter  TÀtigkeit  anregt. 

Die  Duploferrintabletten  (Hersteller  Johann  A.  WĂŒlfing, 
Chemische  Fabrik,  Berlin  SW  48)  enthalten  je  0,0065  g 
Eisen  und  0,005  g  NucleinsÀure. 

Ich  habe  dasselbe  bei  20  Frauen  und  MĂ€dchen  in  dem 
von  mir  geleiteten  Frauengenesungsheim  der  Allgemeinen^ 
Ortskrankenkasse  Dresden  in  Zitzschewig  angewandt  uncö 
bin,  um  das  Resultat  vorwegzunehmen,  mit  den  dadurch: 
-  erzielten  Erfolgen  sehr  zufrieden.  Das  Aussehen  der  Kranken, 
wurde  ein  wesentlich  frischeres,  da  sich  schon  nach  wenigen 
Tabletten  der  Appetit  hob.  Nach  vierwöchiger  Kurl 
konnte  eine  Gewichtszunahme  von  7 — 15  Pfund  festgestellt 
werden.  Der  HĂ€moglobingehalt  des  Blutes  stieg  in  dieseijj 
kurzen  Zeit  um  10 — 30  %  und  betrug  am  Ende  der  Kur  in" 
der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  90 — 100  %.  Auch  eine  wesentliche 
Vermehrung  der  roten  Blutkörperchen  konnte  festgestellt 
werden  und  betrug  die  Zunahme  4 — 500  000.  Besondere 
VorzĂŒge  des  Duploferrins  sind  sein  angenehmer  Geschmackl 
und  seine  gute  Bekömmlichkeit;  sÀmtliche  Patientinnen 
nahmen  das  PrÀparat  sehr  gern.  Es  stellten  sich  keinerlei 
Magenbeschwerden  ein,  trotzdem  einige  Patientinnen  vorher 
Erscheinungen  eines  anĂ€mischen  MagengeschwĂŒrs  gezeigt^ 
hatten.  Ein  ungĂŒnstiger  Einfluß  auf  die  ZĂ€hne  wurde 
gleichfalls  in  keinem  Falle  beobachtet. 

Die  20  MĂ€dchen  und  Frauen  —  Rekonvaleszenten  der 
Allgemeinen  Ortskrankenkasse  Dresden  —  gehörten  den  ver- 
schiedensten Berufen  an.  Es  waren  Kontoristinnen,  Schnei- 
derinnen, VerkÀuferinnen,  Friseusen,  Köchinnen,  Arbeite- 
rinnen der  Chokoladen-,  Zigaretten-  und  Kartonnagen- 
branche und  1  Aufwartefrau.  Die  meisten  litten  an  ausge- 
sprochener AnÀmie,  Chlorose,  sekundÀrer  AnÀmie  nach 
Abort  und  Leiboperationen,  MagengeschwĂŒr,  Neurasthe- 
nie, Morb.  Basedow,  und  anÀmischen  Herzbeschwerden. 
Das  Alter  betrug  16  bis  29  Jahre,  nur  eine  Àltere 
Frau  von  54  Jahren  befand  sich  darunter.  Wenn  auch 
sicherlich  schon  die  lÀndliche  Ruhe,  die  gute  Luft,  die  zweck- 
mĂ€ĂŸige Verpflegung  fĂŒr  die  meist  abgearbeitete  Patientin 
ĂŒberaus  nĂŒtzlich  war,  so  lĂ€ĂŸt  sich  trotzdem  ein  erheblicher 
Teil  der  objektiven  Besserung  auf  die  gleichzeitige  regel- 
mĂ€ĂŸige Darreichung  des  Duploferrins  zurĂŒckfĂŒhren. 

HierfĂŒr  fĂŒge  ich  einige  besonders  beweiskrĂ€ftige  Krau- 
kengeschichten  ein: 

1.  Frl.  L.,  Arbeiterin,  28  Jahre  alt:  Anaemie,  Asthma.  Bei  j 
Beginn  der  Kur  sehr  blasses  Aussehen,  Gewicht  48,2  Kilo,  Hae-J 
moglobingehalt  des  Blutes  65  %,  Zahl  der  roten  Blutkörperchen! 
3  800  000.  Erfolg  nach  vierwöchiger  Darreichung  von  Duploferrin: 
Aussehen  viel  frischer,  KrÀftezustand  bedeutend  gehoben,  Gewicht: 
52  Kilo,  Haemoglobin  90  %,  rote  Blutkörperchen  4  300  000. 

2.  Frl.  H.,  Kontoristin,  27  Jahre  alt:  SekundÀre  Anaemie  nach' 
Fehlgeburt.  Gewicht  48  Kilo,  Haemoglobingehalt  70  %,  rotel 
Blutkörperchen  4100  000.  Nach  vierwöchiger  Kur  sehr  gebesser- j 
tes  Wohlbefinden,  Gewichtszunahme  3,1*  Kilo,  Haemoglobin  100"  %,{ 
rote  Blutkörperchen  4  500  000. 

3.  Frl.  R.,  NÀherin,  28  Jahre  alt:  Operierte  Bauchhöhlen-i 
Schwangerschaft,  Gewicht  60  Kilo,  Haemoglobingehalt  80  %,  rote] 
Blutkörperchen    4  000  000.   Nach    vierwöchiger    Kur  bedeutend! 


40.  Jahrgang  — Nr.  41/42. 


Reinhard:  Entwicklung  der  Psychiatrie  im  klassischen  Altertum. 


003 


besseres  Aussehen  und  Wohlbefinden,  Gewichtszunahme  10  Pfd., 
]  'Haemoglobingehnll  100  %,  rote  Blutkörperchen  4400000. 

4.  Frl.  D.,  Kontoristin,  1!)  Jahre  alt:  Morbus  Basedowi.  Ge- 
wicht 50  Kilo,  HÀmoglobin  70%,  rote  Blutkörperchen  4  000  000. 
Nach  vierwöchiger  Kur  Tachykardie  wesentlich  gebessert,  Ge- 
wĂŒhl 53,5  Kilo,  HĂ€moglobin  90%,  rote  Blutkörperchen  4  350  000. 

5.  Frl.  II.,  Köchin,  28  Jahre  alt:  Magenulcus,  AnÀmie,  Unter- 
leibsleiden. Gewicht  55  Kilo,  HÀmoglobin  60  %,  rote  Blutkörper- 
chen 3  700  000.  I>er  Magen  nahm  das  Duploferrin  ohne  jedes  Ge- 
fĂŒhl von  DrĂŒcken  oder  Aufstoßen  an,  so  daß  nach  Beendigung 
der  Kur  nach  4  Wochen  das  Gewicht  59  Kilo  betrug,  HĂ€moglobin- 
gehalt 90%,  rote  Blutkörperchen  4  200000. 

Die  Darreichung  der  Duploferrin-Tahletten  geschah  in 
der  Weise,  daß  jedesmal  nach  den  3  Mahlzeiten  in  der  ersten 
Woche  2  Tabletten,  in  der  2.  und  3.  Woche  je  3  Tabletten, 
und  in  der  vierten  Woche  wieder  je  2  Tabletten  verabreicht 
wurden.  Irgendwelche  BeschweftuTi  oder  Nachteile  wurden 
■nicht  beobachtet,  auch  der  empfindlichste  Magen,  der  z.  B. 
Schwarzbrot  und  Kartoffeln  nicht  vertragen  konnte,  nahm 
das  PrĂ€parat,  ohne  DruckgefĂŒhl  zu  erzeugen,  gut  auf. 

Nach  diesen  Erfahrungen  ist  das  Duploferrin,  das  ĂŒbri- 
gens noch  den  Vorteil  der  relativen  Billigkeit  besitzt,  als  ein 
Mittel  zu  empfehlen,  das  bei  vielen  anÀmischen  und  chlo-, 
rotischen  ZustĂ€nden  —  primĂ€ren  und  sekundĂ€ren  —  in 
kurzer  Zeit  das  Allgemeinbefinden  sichtlich  hebt  und  auch 
objektiv  eine  bedeutende  Besserung  des  Blutbildes  zur  Folge 
"hat. 


Uberblick  ĂŒber  die  geschichtliche  Entwicklung 
der  Psychiatrie  im  klassischen  Altertum. 

Von  Felix  Reinhard,  DĂŒsseldorf. 
(Schluß.) 

Die  gleichen  GrundsÀtze  entwickelte  der  Methodismus 
weiter,  unterstĂŒtzt  durch  die  reiche  Erfahrung,  die  die  großen 
VerhÀltnisse  des  Römerreiches  zu  sammeln  erlaubten,  und 
durch  die  therapeutische  Erfindungsgabe  der  immer  mehr  um 
sich  greifenden  reinen  Empirik  der  Krankenbehandlung.  Die 
Sorge  fĂŒr  geeignete  Lagerung  des  Kranken  ging  bis  zur  Ver- 
ordnung des  Umhertragens  in  einer  SĂ€nfte  und  der  Unter- 
bringung Schlafloser  in  hÀngenden,  schaukelnden  Betten.  Man 
sorgte  fĂŒr  frische,  von  schĂ€dlichen  und  belĂ€stigenden  Ge- 
rĂŒchen freie  Luft  und  Fernhaltung  jeglichen  LĂ€rmes  von  der 
Umgebung  des  Kranken.  Man  gab  Vorschriften  ĂŒber  die  Art 
des  Inhaltes  der  beruhigenden  oder  erheiternden  Reden,  die 
etwa  bei  dem  Kranken  angebracht  waren,  fĂŒhrte  nötigenfalls 
auch  Weib  und  Kind  ans  Lager,  des  Patienten,  um  heilsam  auf 
sein  GemĂŒt  zu  wirken.  Freilich  behielt  man  sich  fĂŒr  bestimmte 
FĂ€lle  immer  noch  die  Zwangsbehandlung  vor,  absichtliches 
Erschrecken  des  Kranken,  absichtliches  Betrunkenmachen;  ja, 
Titus  Aufidius,  z.  Zt.  Neros  lebend,  hielt  sogar  das 
Auspeitschen  in  gewissen  FĂ€llen  fĂŒr  zulĂ€ssig  und  heilsam. 
Fesseln  der  Kranken,  auch  Festbinden  im  Bett,  war  bei  großer 
Unruhe  ganz  allgemein  und  galt  sogar  als  besonders  human, 
da  es  Selbstverletzungen  der  Patienten  verhĂŒtete.  Die  Prin- 
zipienlosigkeit in  der  Wahl  des  Heilsamen  macht  sich  schon 
bei  dem  BegrĂŒnder  der  methodischen  Schule,  T  h  e  m  i  s  o  n, 
darin  bemerkbar,  daß  er  den  Arzneitrank  unter  UmstĂ€nden 
unter  Gebet  reichen  lĂ€ĂŸt,  eine  spĂ€ter  ĂŒbel  ausgeartete  Kon- 
zession an  die  Geistesverfassung  der  Masse. 

Ein  echter  Vertreter  der  Zeit  der  Methodik,  Empirik  und 
Eklektik,  und  zwar  ein  Vertreter  ihrer  guten  Seite,  ist  der  kurz 
nach  Christi  Geburt  literarisch  medizinsch  tÀtige  Nichtarzt 
C  e  I  s  u  s  ;  er  verschmÀhte  auch  das  Gute  theoretischer  wis- 
senschaftlicher Arbeit  nicht.  Sein  Werk  ist  eine  eingehende" 
Zusammenstellung  des  Besten  aus  Klinik  und  Therapie  der 
Vergangenheit  und  Gegenwart,  ohne  wesentlich  Neues  zu 
bringen.  Die  psychische  Therapie  der  Irren  bewerfet  auch  er 
hoch,  hĂ€lt  aber  Zwangsmittel,  selbst  einige  ĂŒberraschend  dras- 
tische, bisweilen  fĂŒr  unumgĂ€nglich. 

Ein  Fortschritt  in  der  Psychiatrie  des  Altertums,  der  ge- 
radezu einen  WendepunkT  bedeutet,  ist  an  das  Wirken  des 
GrĂ¶ĂŸten  der  Methodiker,  Soranos,  (100—150  nach  Chr. 
ca.)  geknĂŒpft.    Und  zwar  war  das  ein  Fortschritt  nach  zwei 


Seiten,  in  der  Therapie  und  in  der  KrankhcitsaiilTassimg.  In 
der  Irrentherapie  lehnt  Soranos  als  erster  jede  Art  von 
Zwangsbehandlung  grundsÀtzlich    ab!    Damit    hatten  die 
Alten  den  modernen  Standpunkt  erreicht,  der  in  gleicher  Weise 
der  Kritik  des  humanen  wie  wissenschaftlichen  Denkens  ge- 
nĂŒgt. Ganz  modern  ist  auch,  was  er  an  die  Stelle  der  Zwangs- 
mittel setzt:  die  Isolierung  des  Kranken  unter  Aufsicht  ge- 
schulter WĂ€rter;  im  ĂŒbrigen  aber  dringt  er  auf  weitestgehende 
BerĂŒcksichtigung   der   IndividualitĂ€t   des  Erkrankten.  Das 
Neue,  das  Soranos  in  der  Krankheitslehre  leistete,  besteht 
darin,  daß  er  als  erster  die  selbstĂ€ndige  Existenz  eines  rein 
psychischen  Erkrankens  erkannte  und  seine  klinischen  Er- 
scheinungsformen festzustellen  suchte.   Es  ist  fĂŒr  die  Konti- 
nuitĂ€t des  menschlichen  Erkennens  charakteristisch,  daß  sich 
ihm  dabei  die  beiden  uralten,  vom  Volksbewußtsein  eigentlich 
immer  als  die  beiden  einzigen  und  entgegengesetzten  Formen 
der  „VerrĂŒcktheit"  bezeichneten  Bilder   der  Manie  und  Me- 
lancholie auch  als  die  beiden  wissenschaftlich  berechtigten 
klinischen  Sonderformen  aufdrÀngten.   Zur  Manie  rechnete  er 
auch  die  „fixen  Ideen"  und  die  „Narrheit"  schlechthin;  die 
Melancholie  bringt  auch  er,  in  der  Theorie  doch  noch  keines- 
wegs frei  von  der  somatischen  Betrachtungsweise   auch  der 
Psychosen,  mit  Störungen  der  Verdauung  in  Zusammenhang! 
Uralte  Nachwirkung  der  Idee' von  der  „Schwarzgalligkeit"  als 
einem  Milzleiden.-  Durch  die  AutoritÀt  Soranos'  und  auch 
G  a  1  e  n  s  bĂŒrgerte  sich  die  Überzeugung  von  sympathischen 
Beziehungen  zwischen  den  Unterleibsorganen  und  —  nament- 
lich depressiven  —  Störungen  des  Seelenlebens  erneut  und 
festwurzelnd  fĂŒr  alle  Folgezeit  in  der  Medizin  ein.  Die  Lehre, 
daß  Manie  und  Melancholie  die  beiden  Grundformen  des  psy- 
chischen Erkrankens  seien,  schwand  seit  Soranos  nicht 
mehr  aus  der  Psychiatrie. 

Mit  den  Pneumatikern,  deren  BlĂŒte  in  die  ersten  eineinhalb 
vorchristlichen  Jahrhunderte  fÀllt,  kommt,  als  Reaktion  gegen 
den  reinen  Utilitarismus  der  Empirik  und  Methodik,  wieder 
die  Krankheitstheorie  zur  Geltung;  Spekulationen  ĂŒber  SĂ€fte 
und  Pneuma  sollen  wieder  zur  Einsicht  in  das  pathologische 
Geschehen  und  zur  Abgrenzung  der  Krankheitsformen  auch 
in  der  Psychiatrie  verhelfen.  Wesentlich  Neues  leistet  man 
damit  nicht,  einzig  breiter  und  theoretischer  wird  die  wissen- 
schaftliche Erörterung;  in  der  Therapie  aber  sind  die  Pneu- 
matiker vernĂŒnftigerweise  Eklektiker. 

Auch  Galen  (130—204  n.  Chr.)  bringt  nicht  grund- 
sÀtzlich Neues;  in  sein  medizinisches  PrunkgebÀude  verarbeitet 
er  das  gesamte  Wissen  und  Können  seiner  Zeit  auf  Grund  der 
wiedergeborenen  Pneumato-Humoraltheorie  unter  dem  Ge- 
sichtspunkte einer  allgemein  in  der  Natur  verwirklicht  ge- 
dachten göttlichen  Teleologie.  Das  reale  Wissen  vom  Nerven- 
system hat  sich  natĂŒrlich  in  den  seit  der  Zeit  der  ersten  Ale- 
xandriner verflossenen  Jahrhunderten  gemehrt.  Die  Hirn- 
substanz ist  das  Organ  der  Seele,  des  Denkens,  Empfindens 
und  Bewegens;  in  den  Nerven  wie  in  BĂ€chen  strömend,  ĂŒbt 
das,  in  Herz,  Leber  und  Hirnventrikeln  dreifach  differenzierte 
Pneuma  unter  Direktion  des  Hirns  die  geistigen  und  lebendi- 
gen Funktionen  an  allen  Stellen  des  Körpers  aus.  Das  RĂŒcken- 
mark ist  bloßer  Leiter  der  Empfindung  und  Bewegung,  der 
Sympathikus  Nerv  der  Bauchorgane.  Auch  G  a  I  e  n  s  Klinik 
und  Pathologie  der  psychischen  Krankheiten  haben  nichts 
Originelles;  auch  er  betont  die  Möglichkeit,  daß  Geistesstö- 
rungen, z.  B.  „Schwindel",  der  ihm  im  allgemeinen  als  pri- 
mÀre Hirnaffektion  gilt,  bisweilen  sekundÀr  vom  Magenmund 
aus  entstehen  können.  Im  echten  hippokratischen  Geiste  sind 
die  Arbeiten  des  Pneumatikers  A  r  e  t  a  e  u  s  (ca.  100—150  n. 
Chr.)  gehalten.  In  der  Ätiologie  der  Psychosen  berĂŒcksichtigt 
er  eingehend  Temperament,  soziale  Stellung,  Beruf  und  geis- 
tige BeschÀftigung;  an  der  sympathischen  Verbindung  von 
Geist  und  Abdomen  hÀlt  auch  er  fest.  GrundsÀtzliche  Be- 
deutung fĂŒr  die  Psychiatrie  hat  er  aber  dadurch,  daß  er  als 
erster  Melancholie  und  Manie  als  zwei  bloß  verschieden  sich 
Ă€ußernde  Formen  des  gleichen  pathologischen  Grundvor- 
ganges, der  seinen  Sitz  in  den  Hypochondrien  habe,  bezeichnet. 
Die  Melancholie  ist  ihm  diese  Grundform  alles  psychischen 
Erkrankens,  die  das  klinische  Bild  der  Manie,  Epilepsie,  des 


604 


Standesfragen  und  soziale  Medizin 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


Blödsinns,  von  KrampfanfÀllen  und  HemmungszustÀnden  zei- 
gen kann.  Sein  Standpunkt  ist  also  nicht  nur  das  Vorbild  der 
modernen  Lehre  vom  manisch-depressiven  Irresein,  sondern 
auch  des  der  Moderne  ebenfalls  nicht  fremd  gebliebenen  Ge- 
dankens einer  einheitlichen  Grundform  alles  psychischen  Er- 
krankens, der  psychischen  Einheitskrankheit.  —  In  Konse- 
quenz seiner  streng  hum oralpathologischen  Anschauungen 
vom  rein  körperlichen  Bedingtsein  der  seelischen  Störungen 
vernachlĂ€ssigt  Aretaeus  —  gleich  den  Hippokratikern  — 
die  psychische  Therapie  der  Irren.  Andererseits  aber  tritt  er 
dem  exzessiven  „Helleborismus",  der  in  der  arzneifrohen  Zeit 
der  letzten  römischen  Epoche  in  der  Psychiatrie  wieder  Mode 
geworden  war,  entgegen.  Großen  Wert  legt  er  dagegen  auf 
hygienisch-diĂ€tetische  Maßnahmen,  Aufenthalt  in  schöner  Ge- 
gend, Seereisen,  Therm  engebrauch  usw. 

Aus  der  nach^alenischen  Zeit  ist  noch  Poseidonios 
(ca.  350 — 400  n.  Chr.)  hervorzuheben  wegen  seiner  I  ehre  von 
der  Lokalisation  der  einzelnen  geistigen  „Vermögen"  —  Ver- 
stand, GedĂ€chtnis,  Phantasie  —  in  verschiedenen  Hirnteilen, 
die  im  Mittelalter  sehr  lanp-e  in  Geltung  war.  —  Klinisch  ist 
dieser  Autor  beachtenswert  wegen  seiner  gut  gesehenen  bei- 
den tvpischen  Zustandsbilder  der  „heiteren"  und  „zornigen" 
Manie. 

Damit  war  es  mit  der  wissenschaftlichen  Medizin  und  also 
auch  der  Psychiatrie  der  Antike  zu  Ende,  so  sehr  zu  Ende, 
daß  Poseidonios  als  wissenschaftliches  Glaubensbe- 
kenntnis ausdrĂŒcklich  die  Ansicht  betonen  mußte,  DĂ€monen 
besĂ€ĂŸen  keine  Macht  ĂŒber  den  Menschen  und  machten  ihn 
nicht  geisteskrank.  Auch  Caelius  Aurelianus  (ca. 
450 — 500  n.  Chr.),  einer  der  letzten  wissenschaftlichen  Ar- 
beiter der  Antike,  der  sich  dem  S  o  r  a  n  o  s,  insbesondere 
auch  in  der  Lehre  von  den  beiden  psychischen  Krankheitstypen 
Manie  und  Melancholie,  anschloß,  bewies  „wissenschaftlichen 
Mut",  indem  er  Amulette  und  Inkantationen  der  Magier  als 
nutzlos  aus  der  Therapie  der  Geisteskrankheiten  verwies. 
Denn  in  der  Zeit  der  sterbenden  Antike  war  „die  Luft  von 
solchem  Spuk  so  voll",  daß  Mystik  und  Aberglaube  geradezu 
als  die  „natĂŒrliche"  Anschauungsweise  galt.  Des  sind  zwei 
tvpische  Schriften  aus  dem  untergehenden  römischen  Imperium 
Zeugen,  die  des  Serenus  Sammonicus  (gest.  210  n. 
Chr.)  und  des  Marcellus  E  m  p  i  r  i  c  u  s  (410  n.  Chr.).  Diese 
beiden  Autoren  haben  die  geistigen  Errungenschaften  eines 
Jahrtausends  schon  zum  großen  Teil  vergessen  und  vermen- 
gen, bezw.  verwechseln  selbst  bereits  medizinische  Wissen- 
schaft mit  medikasterndem  Volks-  und  Aberglauben.  Ihre  Fort- 
setzung aber,  die  hauptsÀchlich  in  einer  Aufbewahrung  be- 
stand, fand  die  klassische  Medizin  in  Byzanz. 


Standesfragen  und  soziale  Medizin. 

Sozialversicherung  oder  Versorgung. 

Die  uferlose  Ausdehnung  der  Grenzen  der  Krankenversiche- 
rung, die  in  diesen  Tagen  auf  ein  Einkommen  von  200  000  Mark  aus- 
gedehnt worden  ist  und  Bevölkerungskreise  einbegreift,  die  ĂŒber 
die  ursprĂŒnglichen  Grundlagen  der  Sozialversicherung  weit  hin- 
ausragen, hat  verschiedentlich  zu  ErwĂ€gungen  Anlaß  gegeben,  ob 
nicht  am  besten  die  Versicherung  durch  eine  Versorgung  zu  er- 
setzen ist.  Der  Unterschied  liegt  darin,  daß  die  Versicherung  die 
Beteiligung  des  Versicherten  an  den  Kosten  seiner  Versicherung 
wenigstens  teilweise  erfordert,  wÀhrend  die  Versorgung  aus- 
schließlich aus  Staatsmitteln  erfolgt,  die  aus  Besteuerung  der  All- 
gemeinheit bestritten  werden  mĂŒĂŸten.  Damit  wĂ€re  glĂŒcklich  die 
Frage  der  Sozialisierung  in  die  Praxis  umgesetzt.  Daß  sich  der 
Aerztestand  im  eigensten  Interesse  gegen  diese  Verallgemeine- 
rung zur  Wehr  setzen  wĂŒrde,  ist  sonnenklar  und  braucht  an  dieser 
Stelle  nicht  nĂ€her  ausgefĂŒhrt  zu  werden.  GlĂŒcklicherweise  er- 
heben sich  aber  auch  gewichtige  Stimmen  aus  dem  Lager  der  nicht- 
Àrztlichen SachverstÀndigen  gegen  diese  utopistischen  Ideen.  In 
der  Zeitschrift  fĂŒr  die  gesamte  Versicherungswissenschaft  fĂŒhrt 
Prof.  Moldenhauer  die  fundamentalen  Unterschiede  zwischen 
Versicherung  und  Versorgung  ins  Feld.  Die  Versicherung  ist 
gegrĂŒndet  auf  den  Gedanken  der  Selbsthilfe.  Der  einzelne  muß. 
wenn  auch  zwangsweise,  durchdrungen  werden  von  der  Pflicht, 
fĂŒr  sich  und  seine  Angehörigen   gegen   die  WechselfĂ€lle  des 


Lebens  Vorsorge  zu  treffen.  UeberlĂ€ĂŸt  er  dem  Staat  die  Sorge 
um  seine  Zukunft,  so  verliert  er  den  Trieb  zum  Schaffen  und 
zum  Fortschritt.  Die  StaatsfĂŒrsorge  ist  durch  Verwaltung  und 
Schematisierung  teurer  als  die  Versicherung,  die  jeden  einzel- 
nen zur  Sparsamkeit  erziehen  sollte.  Durch  die  individuellen 
Formen  der  Versicherung  kann  auch  den  BedĂŒrfnissen  der  Ver- 
sicherungsarten besser  Rechnung  getragen  werden.  Die  Ver- 
sicherung nach  Maßgabe  der  Höhe  der  Leistungen  reizt  zur  An- 
spannung der  KrÀfte  an;  dementsprechend  hat  der  deutsche  Ver- 
ein fĂŒr  Versicherungswissenschaft  sich  in  seiner 
Mehrheit  dahin  ausgesprochen,  daß  an  dem  Versicherungsprinzip 
und  der  Sozialversicherung  festzuhalten  sei.  Der  Reichsarbeits- 
minister hat  im  Hauptausschusse  des  Reichtages  sich  dahin  aus- 
gesprochen, daß  bei  den  heutigen  wirtschaftlichen  VerhĂ€ltnissen 
sich  nicht  ĂŒbersehen  lasse,  was  der  Gesamtwirtschaft  und  den 
öffentlichen  KrÀften  zugemutet  werden  kann. 

Diese  Absage  an  eine  Sozialversorgung  schließt  nicht  aus, 
daß  die  Sozialversicherung  nicht  mit  verwandten  Gebieten  der 
einzelnen  Versicherungsgebiete  und  mit  den  gleichen  Aufgaben 
der  staatlichen  kommunalen  und  privaten  Wohlfahrtspflege  Hand 
in  Hand  gehen  und  in  Form  einer  Arbeitsgemeinschaft 
veranker^  werden  kann.  Auch  die  Beteiligung  einzelner  Zweige 
der.  Sozialversicherung  an  den  Aufgaben  der  öffentlichen  Wohl- 
fahrtspflege empfiehlt  sich  nicht  nur,  sondern  ist  auch  durch  Ge- 
setz schon  vorgesehen.  Bekannt  ist  ja  die  vorbeugende  TĂ€tigkeit 
der  Kranken-,  Invaliden-  und  Angestelltenversicherung  an  der 
BekÀmpfung  der  Tuberkulose  und  Geschlechtskrankheiten  und 
deren  Beteiligung  an  der  Wochen-  und  SĂ€uglingsfĂŒrsorge.  Auf 
diesem  Gebiete  bewegt  sich  auch  die  Anregung  von  Gottstein 
in  der  Zeitschrift  fĂŒr  soziale  Hygiene,  wonach  die  Krankenkassen 
sich  an  der  Schulgesundheitspflege  beteiligen  mögen. 
In  WĂŒrttemberg  und  in  Köln  untersteht  die  AusfĂŒhrung  der  vom 
Schularzt  fĂŒr  erforderlich  gehaltenen  gesundheitlichen  Maßnahme 
den  Krankenkassen.  Die  Schulzahnpflege  erfreut  sich  vielfach 
schon  der  Mitwirkung  der  Krankenkassen.  Gottstein  wĂŒnscht  nun, 
daß  die  vom  Schularzt  auserlesenen  UeberwachungsschĂŒler,  die  an 
AnfÀngen  gefahrdrohender  Krankheiten  leiden,  den  Krankenkassen, 
die  Familienhilfe  gewĂ€hren,  zur  Behandlung  ĂŒberwiesen  werden. 

Alexander. 

Der  Achtstundentag  in  der  Krankenpflege. 

In  einem  lĂ€ngeren  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  fĂŒr  soziale  Hy- 
giene bespricht  Becker  die  SchÀdigungen,  die  in  den  Bres- 
lauer  KrankenhÀusern  durch  den  Achtstundendienst  herbei- 
gefĂŒhrt worden  sind,  und  macht  VorschlĂ€ge  fĂŒr  die  kĂŒnftige  Re- 
gelung der  Frage.  Eine  Verbesserung  der  Arbeitsbedingungen 
der  Schwestern  und  des  niederen  Ileilpersonals  gegenĂŒber  den 
VorkriegsverhÀltnissen  ist  nötig.  Bei  den  Schwestern  ist  eine  Be- 
grenzung der  Arbeitszeit  nicht  möglich,  ebensowenig  eine  sche- 
matische Festsetzung  der  Dienstbereitschaft.  Als  EntschÀdigung 
soll  ein  jÀhrlicher  Urlaub  von  4  Wochen  gewÀhrt  werden,  neben 
guten  WohnungsverhĂ€ltnissen  und  guter  Verpflegung.  Zu  wĂŒn- 
schen wÀre  die  Abschaffung  der  Halbnachtwachen  und  die  Be- 
freiung von  grober  Nebenarbeit.  FĂŒr  WĂ€rter  und  WĂ€rterinnen 
ist  eine  zehnstĂŒndige,  durch  zweistĂŒndige  Mittagspause  unter- 
brochene Arbeitszeit,  zu  empfehlen.  Zur  Erleichterung  der  Ar- 
beit bedarf  es  der  Vermehrung  des  Personals.  Von  großem 
Werte  ist  die  GewÀhrung  eines  freien  Nachmittags  in  der  Woche, 
sowie  eines  jÀhrlich  vierwöchigen  Erholungsurlaubs.  Die  An- 
stellung des  Personals  sollte  zunÀchst  nur  auf  Y%  Jahr  zur  Probe 
erfolgen.  Die  Ausbildung  in  der  Krankenpflege  muß  in  die 
Dienstzeit  eingerechnet  werden.  Alexander. 

Reiehsgesetz  fĂŒr  Jugendwohlfahrt. 

Nach  lebhafter  Diskussion  in  der  Öffentlichkeit  und  nach 
langen,  eingehenden"  Beratungen  der  gesetzgebenden  Körperschaf- 
ten ist  am  9.  Juli  das  Gesetz  fĂŒr  Jugendwohlfahrt  verabschiedet 
worden.  Die  Bestimmungen  des  Gesetzes  waren  deshalb  viel 
umstritten,  weil  einmal  mit  gegebenen  lokal  eingebĂŒrgerten  Ver- 
hĂ€ltnissen gerechnet  werden  mußte  und  die  Aufgaben  der  Jugend- 
pflege bei  ihrer  Vielseitigkeit  in  die  verschiedensten  Gebiete  der 
öffentlichen  Wohlfahrt  eingreifen.  Eine  kurze  AufzÀhlung  der 
Aufgaben  des  Jugendamtes  wird  diese  Vielseitigkeit  beweisen  und 
gleichzeitig  den  Zusammenhang  mit  der  öffentlichen  Gesundheits- 
pflege dartun.  Das  Jugendamt  hat  zur  Aufgabe:  Schutz  der 
Pflegekinder,  Mitwirkung  im  Vormundschaftswesen,  FĂŒrsorge  fĂŒr 
hilfsbedĂŒrftige  Minderbemittelte,  Mitwirkung  bei  der  FĂŒrsorge- 
erziehung und  Jugendgerichtshilfe,  bei  der  Beaufsichtigung  der  Kin- 
derarbeit, bei  der  FĂŒrsorge  fĂŒr  Kindei^aisen,  in  der  Jugendhilfe 
bei  den  Polizeibehörden,  Berufsberatung,  Mutterschulz  vor  und 
nach  der  Geburt,  Wohlfahrt  der  SĂ€uglinge,  Wohlfahrt  der  Klein- 


40.  Jahrgang  —  Nr.  11/12. 


Kongreßberichte 


005 


Hnder,  Wohlfahrt  der  Schulkinder  außerhalb  des  Unterrichts, 
wohlfahrl  der  schulentlassenen  Jugend.  Man  ersieht  aus  dieser 
JufzÀhlung,  welche  Wichtigkeit  die  Aufgaben  der  Jugendpflege 
fĂŒr  die  öffentliche  Gesundheil  besitzen.  Nichtsdestoweniger  ist  den 
Aerzten  als  den  TrÀgern  der  Gesundheitspflege  keine  Rolle  im 
Gesotz  zugewiesen,  weder  fĂŒr  die  Verwaltung  noch  fĂŒr  die  Durch- 
fĂŒhrung, und  es  hat  erst  geharnischter  Vorstellungen  bedurft,  um 
die  fakultative  Bestimmung  in  das  Gesetz  zu  bringen,  daß,  wenn 
ĂŒr  einen  Bezirk  ein  Gesundheitsamt  besteht,  diesem  die 


fĂŒr  ( 


gesundheitlichen  Aufgaben  ĂŒbertragen  werden  können.  Diese 
VernachlÀssigung  hygienischer  Erfordernisse,  hat  schon  jetzt  zu 
der  Absonderlichkeit  gefĂŒhrt,  daß  die  FĂŒrsorgeabteilung  fĂŒr  SĂ€ug- 
linge, an  der  viele  Aerzte  mitwirken,  nicht  selten  nicht  von  einem 
Arzt,  sondern  von  Laien  geleilet  wird,  daß  zur  Berufsberatung 
zwar  Techniker  und  PĂ€dagogen,  aber  nicht  Aerzte  zugezogen 
werden  u.  dgl.  m.  Sollte  die  weise  Lchrmeislerin,.  die  Praxis 
hier  nicht  Wandel  schaffen,  so  wird  das  Gesetz  recht  bald  ver- 
bessert werden  mĂŒssen.  Alexander. 


Hundertjahrfeier  Deutscher  Naturforscher  und 
Aerzte,  Leipzig,  17.  bis  24.  September  1922. 

Berichterstatter:  Dr.  L.  Pincussen  (Berlin). 

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Nachdem  bereits  am  Sonnabend  und  Sonntag  Sitzungen  des 

Vorstandes  und  des  wissenschaftlichen  Ausschusses  stattgefunden 
hatten,  wurde  am  Montag,  den  18.  IX.,  der  Kongreß  offiziell  er- 
öffnet. 

Den  BegrĂŒĂŸungsansprachen  v.  StrĂŒmpells,  der  Vertreter 
des  Staates,  der  Stadt,  der  Behörden  und  der  Deputationen  folgte 
die  offizielle  Eröffnungsrede  des  Ersten  Vorsitzenden  der  Gesell- 
schaft, Prof.  M  a  x  P  1  a  n  c  k  (Berlin).  Trotz  alles  Schweren,  das  uns 
der  Krieg  gebracht  hat,  sind  uns  doch  kostbare  GĂŒter  bewahrt  ge- 
blieben: Die  deutsche  Einheit,  die  deutsche  Arbeit  und  vor  allem 
der  Glaube  an  Deutschlands  Zukunft.  Eine  Gesundung  unseres 
Volkes  und  eine  Wiederherstellung  der  allgemeinen  Wohlfahrt  ist 
nicht  denkbar  ohne  eine  sorgfÀltige  Pflege  der  reinen  Wissen- 
schaft. Gerade  in  Deutschland  verdankt  die  Industrie,  die  Land- 
wirtschaft, die  Heilkunde  ihre  reichen  Erfolge  in  sehr  wesent- 
lichem Maße  dem  Umstand,  daß  sich  eine  selbstĂ€ndige,  von  wirt- 
schaftlichen Interessen  nicht  gebundene  Wissenschaft  entwickeln 
konnte.  Es  darf  nicht  vergessen  werden,  daß  z.  B.  die  Wullen 
der  Funkentelegraphie,  die  Röntgenstrahlen,  die  Methoden  der 
Stickstoffgewinnung,  der  Milzbrandbazillus  und  viejes  andere  aus 
den  verschiedenen  Gebieten  in  rein  wissenschaftlichen  Forschungs- 
instituten entdeckt  wurde.  Man  muß  daher  immer  von  neuem 
sowohl  der  breiten  Öffentlichkeiten  als  auch  vor  allem  den  ver- 
antwortlichen Stellen  im  Reich  und  in  den  LĂ€ndern  das  Gewissen 
dafĂŒr  schĂ€rfen,  daß  der  Betrieb  der  reinen  Wissenschaft  fĂŒr 
ein  Kulturvolk  wie  das  deutsche  genau  ebenso  zu  den  Lebens- 
notwendigkeiten gehört,  wie  die  Arbeit  in  den  Fabriken  und  in 
den  Bergwerken.  Ein  Versagen  der  Wissenschaft  wirkt  auf  den 
Volkskörper  zwar  nicht  unmittelbar  akut,  wie  eine  Ă€ußere  Ver- 
letzung, sondern  wie  ein  schleichendes,  aber  deshalb  um  so  ge- 
fÀhrlicheres Gift.  Was  bisher  seitens  der  Regierung  geschehen 
ist,  ist  durchaus  anzuerkennen,  doch  reicht  es  bei  weitem  nicht 
aus.  Die  Wissenschaft  ist  international,  daran  kann  kein  Krieg 
und  kein  Völkerhaß  etwas  Ă€ndern;  in  ehrlich  entgegengestreckte 
HĂ€nde  werden  die  deutschen  Gelehrten  einschlagen,  sie  denken 
■  aber  durchaus  nicht  daran,  an  solchen  Stellen  um  Zulassung  zu 
werben,  wo  man  vermeint,  besser  ohne  sie  auszukommen. 

Die  erste  allgemeine  Sitzung  hatte  als  Thema  die  RelativitÀts- 
theorie, ĂŒber  die  v.  L  a  u  e  (Berlin)  vom  Standpunkt  des  Physikers, 
Schlick  (Kiel)  vom  Standpunkt  des  Philosophen  referierte.  Es 
sei  bemerkt,  daß  ein  von  einer  Anzahl  von  Physikern,  darunter 
Lenard  (Heidelberg)  unterzeichnetes  Flugblatt  gegen  die  Wahl 
der  RelativitÀtstheorie  als  Verhandlungsthema  protestierte,  da  sich 
eine  große  Zahl  von  Fachgelehrten  der  Theorie  durchaus  ablehnend 
gegenĂŒber  stellen.  —  Wie  v.  Laue  (Berlin)  ausfĂŒhrte,  handelt 
es  sich  bei  der  RelativitÀtstheorie  um  Fragen,  welche  so  alt  sind 
wie  die  Physik  ĂŒberhaupt.  Die  Antwort  auf  die  Frage,  ob  es 
fĂŒr  die  fortschreitende  Bewegung  eine  absolute  Geschwindigkeit 
gibt,  beantwortet  sich  logisch  sehr  leicht,  und  zwar  im  nega- 
tiven Sinne.  Die  Angabe  einer  Geschwindigkeit  muß  stets  die 
AngÀbe  enthalten,  in  bezug  worauf  diese  Geschwindigkeit  ge- 
messen wird,  so  daß  rein  logisch  betrachtet  eine  absolute  Ge- 
schwindigkeit ohne  Sinn  erscheint.  Es  wÀre  jedoch  physikalisch 
denkbar,  daß  man  aus  VerĂ€nderungen  des  bewegten  Körpers  auf 
absolute  Bewegung  und  Geschwindigkeit  schließen  könne.  Man 
hat  zum  VerstÀndnis  der  Ausbreitung  des  Lichtes  und  der  elektro- 
magnetischen Erscheinungen  auch  im  leeren  Raum  zu  der  Hypo- 
these des  sogenannten  „Aethers"  gegriffen,  und  man  hat  nun 
auch  versucht,  die  Geschwindigkeit  bewegter  Körper,  besonders 
der  Erde,  gegenĂŒber  diesem  Aether  festzustellen.  Alle  Versuche 
in  dieser  Hinsicht  sind  gescheitert.  Die  RelativitÀtstheorie  macht 
die  Annahme  des  Aethers  ĂŒberflĂŒssig.  Ihr  Hauptprinzip  ist  das, 
daß  sie  eine  Bevorzugung  irgendeines  Bezugssvstemes  gegenĂŒber 
irgendwelchen  anderen  grundsĂ€tzlich  ausschließt;  so  gibt  es 
auch  keine  absolute  Geschwindigkeit,  sondern  nur  Geschwindig 
keil  lĂŒr  ein  bestimmtes  Bezugssystem.  Die  spezielle  Relativi- 
‱  tĂ€tstheorie  hat  allgemein  Anerkennung  gefunden.  Bedeutend 
grĂ¶ĂŸer  sind  die  Schwierigkeiten  mit  der  allgemeinen  RelativitĂ€ts- 
theorie, die  sich  besonders  auch  mit  dem  RĂ€tsel  der  Schwerkraft 


KONGRESSBERICHTE 


befaßt.  Hier  bestehen  freilich  noch  große  Schwierigkeiten  und 
viele  Divergenzen.  Zum  mindesten  bewÀhrt  sie  sich  aber  als  eine 
starke  Triebkraft  fĂŒr  die  Forschung.  Der  Philosoph  M.  Schlick 
(Kiel)  schildert  darauf,  wie  die  Theorie  zwar  als  physikalische 
entstand,  daß  sie  aber  auch  philosophisch  von  erheblicher  Trag- 
weite sei:  wer  dies  leugnen  wolle,  verkenne  vollstĂ€ndig,  daß  die 
physikalische  und  philosophische  Betrachtungsweise  ineinander 
ĂŒbergehen,  sobald  sie  sich  der  Bearbeitung  der  höchsten  allge- 
meinen Grundbegriffe  der  Phsik  zuwenden.  In  diesem  Sinne 
unterwirft  die  RelativitÀtstheorie  die  fundamentalen  Begriffe  des 
Raumes,  der  Zeit  und  der  Substanz  einer  kritischen  Zergliede- 
rung und  dringt  damit  in  die  Philosophie  ein.  Es  geht  durch- 
aus nicht  an,  die  moderne  RelalivilÀtslehre  einfach  als  eine  Fort- 
setzung und  natĂŒrliche  Konsequenz  philosophischer  RelativitĂ€ts- 
gedanken zu  betrachten.  Die  philosophischen  Tendenzen,  von 
denen  Einstein  ausgeht,  und  die  in  der  RelativitÀtstheorie 
zum  Ausdruck  kommen,  liegen  in  der  Richtung  des  sogenannten 
Positivismus,  der  Philosophie  der  reinen  Erfahrung,  die  von  den 
„Dingen"  vollstĂ€ndig  absieht  und  an  deren  Stelle  als  letztes 
Element  des  Weltbildes  die  beobachteten  Geschehnisse  und  Er- 
eignisse selbst  setzt.  Die  Zeit  der  Trennung  von  Philosophie  und 
Naturforschung  ist  vorĂŒber:  die  Natur forschung  ist  wieder  philo- 
sophisch geworden  und  die  Philosophie  findet  sich  auf  den  Boden 
der  exakten  Forschung  zurĂŒck.  Das  ist  nicht  in  letzter  Linie  der 
Einsteinschen  Theorie  zu  danken. 

In  der  Sitzung  der  Medizinischen  Hauptgruppe  am  Montag 
nachmittag  wurde  die  Wiederherstellungschirurgie  behandelt.  Als 
Erster  berichtete  A.  Bier  (Berlin)  ĂŒber  Regenerationen,  ins- 
besondere beim  Mensehen.  WĂ€hrend  wir  bisher  schon  wußten,  daß 
bei  niederen  Tieren  zerstörte  Organe  sich  wieder  neu  bilden  kön- 
nen, wurde  bis  vor  kurzem  angenommen,  daß  der  Mensch  und 
das  höhere  SÀugetier  keine  Organe  wiederbilden  kann;  abgesehen 
von  kleinen  Ausnahmen  trÀte  eine  Heilung  nur  durch  Narben- 
bildung ein.  Bier  hat  in  langjÀhrigen  Versuchen  nachweisen 
können,  daß  es  auch  beim  Menschen  wirkliche  Wiederherstellun- 
gen gibt,  wenn  die  Vorbedingungen  dazu  gegeben  sind.  Es  gelang 
ihm,  große  LĂŒcken  in  Sehnen,  Knochen,  Bindegewebe  und  Muskeln 
durch  vollstÀndig  formgleiche  und  leistungsfÀhige  Neubildungen 
zu  ersetzen;  auch  Schleimbeutel  und  Gelenke  konnten  neu  ge- 
bildet werden.  Die  beiden  Bedingungen  fĂŒr  das  Gelingen  sind 
erstens  die  Schaffung  und  Erhaltung  der  LĂŒcke,  in  die  das  Organ- 
stĂŒck hereinwachsen  kann,  und  zweitens  die  Schaffung  von  rege- 
nerationsfördernden  Reizen,  zugleich  die  Fernhaltung  von  Störun- 
gen seitens  der  Außenwelt,  wozu  auch  abgestorbene  Körperteile 
gehören.  Unter  diesen  Bedingungen  können  die  von  den  ver- 
letzten Organen  ausgehenden  Reize,  von  Bier  Regenerations- 
hormone genannt,  in  Wirksamkeit  treten.  Eine  große  Rolle 
kommt  der  Metaplasie  zu.  So  kann  unter  dem  Einfluß  des  form- 
bildenden Reizes,  der  von  dem  Rest  der  zerstörten  Sehne  aus- 
geht, sich  aus  dem  zarten  Unterhautzellgewebe  richtiges  Sehnen- 
gewebe bilden.  Durch  die  Untersuchungen  Biers  wird  die 
Theorie  von  der  Entstehung  gewisser  neuer  Gewebe  durch  grob 
mechanische  EinflĂŒsse  hinfĂ€llig.  Eine  Ueberlragung  der  For- 
schungen auf  die  Praxis  darf  vorlÀufig  nur  mit  Vorsicht  ge- 
schehen. An  vielen  Lichtbildern  und  Röntgenaufnahmen  werden 
die  erzielten  Regenerationen  demonstriert.  Zum  Schluß  stellte 
Bier  die  Forderung  auf,  daß  man  bezĂŒglich  der  alten  Anschauung 
ĂŒber  Vernarbung  recht  bald  umlernen  mĂŒsse. 

Als  zweiler  Referent  sprach  L  e  x  e  r  (Freiburg)  ĂŒber  Trans- 
plantation und  Plastik.  Ausgehend  von  den  Untersuchungen  von 
March  and,  den  er  als  GrĂŒnder  der  Lehre  von  der  Transplan- 
tation und  Plastik  bezeichnete,  schilderte  er,  unterstĂŒtzt  durch  eine 
große  Reihe  ausgezeichneter  Bilder,  besonders  Röntgenaufnah- 
men, die  Erfolge  in  der  Heilung  von  Defekten  verschiedenster 
Art.  Er  zeigte,  wie  es  gelingt,  selbst  große  Knochendefekte  zur 
Heilung  zu  bringen,  durch  Ueberpflanzung  von  Knochenteilen  des- 
selben Individuums,  durch  Autotransplantationen.  So  konnten 
große  Defekte  des  Humerus  durch  Transplantation  eines  StĂŒckes 
Tibia  mit  Periost  vollstÀndig  repariert  werden:  Röntgenbilder 
zeigten  anschaulich  die  verschiedenen  Stadien  des  Prozesses,  bis 
zuletzt  ein  fast  ganz  normaler,  kaum  von  anderen  zu  unter- 
scheidender Knochen  resultierte.  Neben  diesen  Knochentransplan- 
tationen, die  z.  B.  auch  beim  Kiefer  ausgezeichnete  Resultate  er- 
gaben, zeigte  Lexer  auch  die  Erfolge  der  Ueberpflanzungen  von 
Muskeln,  Ersatz  fehlender  Muskeln  durch  andere,  z.  B.  des  Bizeps 


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Kongreßberichte 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


durch  Muskulatur  der  Brust,  Reparation  von  GesichtslÀhmungen 
durch  Muskelumpflanzung,  endlich  auch  die  etappenweise  er- 
folgende Reparation  schwerer  und  komplizierter  Gesichlsver- 
letzungen.  Solche  Herstellung  gelingt  nur  aus  eigenem  Material; 
irgendwelche  Fremdkörper  fĂŒhren  niemals  zu  Heilungen,  im 
Gegenteil  hÀufig  zu  schweren  und  schwierig  reparablen  SchÀdi- 
gungen Endlich  wurde  noch  die  Wiederherstellung  von  Gelenk- 
funktionell  geschildert.    Beide  VortrÀge  fanden  reichen  Beifall. 

Der  Vormittag  des  19.  IX.  brachte  in  der  zweiten  allgemeinen 
Sitzung  die  Behandlung  der  Vererbungslehre  durch  Johannsen 
(Kopenhagen),  Meisenheim  er  (Leipzig)  und  Lenz  (MĂŒn- 
chen). Johannsen  gab  in  seinem  Vortrag:  Hundert  Jahre 
der  Vererbungsforschung  einen  historischen  RĂŒckblick. 
Vor  hundert  Jahren  beherrschte  die  Naturphilosophie  das  natur- 
wissenschaftliche Denken.  Die  Auffassung  war  ungefÀhr  die  in 
Goethes  „Wahlverwandtschaften".  Das  Kind  Ă€hnelt  nicht  den 
Eltern,  sondern  den  Personen,  deren  Bilder  jedem  der  Eheleute 
intensiv  vorgeschwebt  haben.  Damals  fanden  sich  wirkliche 
Erfahrungen  nur  bei  den  TierzĂŒchtern.  Langsam  erst  fing  die 
Medizin  dann  an,  die  wissenschaftliche  Vererbungslehre  rationell  zu 
berĂŒcksichtigen.  Johannsen  bespricht  dann  kurz  die  Ar- 
beiten Hofackers,  skizziert  die  Leistungen  Darwins, 
H  a  e  c  k  e  1  s  und  kommt  ĂŒber  W  e  i  s  m  a  n  n  und  Mendel  bis  zu 
den  Arbeiten  der  neuesten  Zeit  von  Correns  und  Tschermak. 
Er  gelangt  zu  dem  Ergebnis,  daß  fĂŒr  die  große  Frage  der  Ent- 
stehung der  Arten,  die  Evolution,  die  Vererbungsforschung  fast 
nichts  Positives  zuwege  gebracht  hat.  Dagegen  hat  sie  etwas 
sehr  wichtiges  Negatives  geleistet;  sie  hat  den  Boden  von  unrich- 
tigen Vorstellungen  gereinigt,  die  schon  vom  Altertum  her- 
stammen und  die  noch  vielfach  in  den  Köpfen  spuken.  Sie  hat 
eine  vernichtende  Kritik  geĂŒbt,  sowohl  an  dem  Darwin  sehen 
Selektionsgedanken  wie  an  den  Lamarck  sehen  Gedanken  einer 
allmÀhlich  eintretenden  erblichen  Fixierung  der  durch  Anpassung 
der  Individuen  fĂŒr  ihre  Lebenslage  erworbenen  Eigenschaften. 

Meisenheim  er  (Leipzig)  sprach  ĂŒber  Ă€ußere  Erschei- 
nungsform und  Vererbung.  Die  moderne  Lehre  von  der 
Vererbung  der  Ă€ußeren  Erscheinungsformen  ist  gegrĂŒndet  auf  das 
ZĂŒchtungsexperiment,  das  in  Rassen-  und  Artkreuzungen  die 
gegensÀtzlichen  Merkmale  verschiedener  Rassen  und  Arten  im 
Wechselspiel  zueinander  setzt.  Diese  Merkmale  können  sich  bei 
der  Vererbung  dreifach  verschieden  verhalten.  Es  können  beide 
Merkmale  gleichwertig  nebeneinander  treten  in  der  Mosaikver- 
erbung, sie  können  in  ihrem  Vererbungswert  ungleichwertig  sein 
im  Dominanztypus  der  Vererbung,  sie  können  sich  gegenseitig  aufs 
innigste  durchdringen  in  der  intermediÀren  Vererbung.  Der 
Schwerpunkt  der  modernen  Erblichkeitsforschung  liegt  in  dem 
Studium  der  nÀchstfolgenden  Tochtergeneration.  Hier  sind  zwei 
Möglichkeiten  zu  unterscheiden.  Die  eine  umfaßt  die  Regeln  der 
Mendel  sehen  Vererbung,  beruhend  auf  einer  stÀndigen  Lösung 
oder  Spaltung  der  in  der  ersten  Tochtergeneration  zusammen- 
getretenen Erbanlagen,  die  zweite  fĂŒhrt  zur  Bildung  eines  kon- 
stanten unlöslichen  Mischtypus  beider  gegensÀtzlicher  Anlagen. 
Ersterer  Vererbungstypus  erscheint  völlig  geklÀrt  in  seinem  Ver- 
laufe bei  Rassenkreuzungen,  letzterer  ist  vielfach  umstritten  und 
wird  im  besonderen  unter  Zuhilfenahme  der  Theorie  von  der 
Wirkung  gleichsinniger  Faktoren  ebenfalls  auf  Mendel  sehe 
SpaltungsvorgĂ€nge  zurĂŒckgefĂŒhrt,  was  eine  stark  angreifbare 
Hypothese  darstellt.  Spaltung  und  Nichtspaltung  werden  in  ihrem 
gegensÀtzlichen  Wesen  vor  allem  verstÀndlich  bei  Zugrunde- 
legung der  Annahme,  daß  die  Chromosomen  die  TrĂ€ger  der  Ver- 
erbungssubstanz sind.  Es  lassen  sich  dann  die  Erscheinungen 
der  Spaltung  der  Erbanlagen  leicht  durch  die  VorgÀnge  bei  der 
Geschlechtszellenbildung  und  Befruchtung  erklĂ€ren,  und  es  lĂ€ĂŸt 
sich  durch  sie  auch  die  Möglichkeit  der  Nichtspaltung  der  gleichen 
Anlagen  verstehen.  Es  muß  Aufgabe  kĂŒnftiger  experimenteller 
Forschung  sein,  diese  GegensÀtze  in  ihrem  VerhÀltnis  völlig  zu 
klÀren. 

Als  letzter  Referent  sprach  Lenz  (MĂŒnchen)  ĂŒber  die  Ver- 
erbungslehre beim  Menschen.  Die  menschliche  Erblich- 
keitslehre grĂŒndet  sich  neben  AnalogieschlĂŒssen  auf  die  Erfahrun- 
gen an  Tieren  und  Pflanzen,  vor  allem  auf  statistisch-genealogische 
Tatsachen.  Die  Geltung  des  Mendel  sehen  Gesetzes  ist  auch  fĂŒr 
den  Menschen  sichergestellt.  Ebenso  ist  es  zweifellos,  daß  es  auch 
beim  Menschen  eine  Vererbung  erworbener  Eigenschaften  nicht 
gibt,  lieber  die  erbliche  Beschaffenheit  von  Kindern  können  wir 
heute  bereits  Voraussagungen  machen.  Eine  Entartung  von  innen 
heraus  gibt  es  nicht,  auch  kein  von  selbst  auftretendes  Altern 
einer  Rasse.  Dagegen  kann  die  Erbmasse  durch  Ă€ußere  EinflĂŒsse, 
so  durch  Gifte,  wie  den  Alkohol,  geschÀdigt  werden.  -Die  un- 
genĂŒgende Fortpflanzung  der  TĂŒchtigen  im  Volke  bedroht  die 
TĂŒchtigkeit  unserer  Rasse  und  den  Bestand  unserer  Kultur.  Um- 
gekehrt ist  es  auch  möglich,  die  Menschheit  nicht  nur  vor  Ent- 
artung zu  bewahren,  sondern  sie  auf  eine  noch  nie  erreichte 
Höhe  zu  fĂŒhren.  Nötig  sind  fĂŒr  diese  Fortsein  ittc  staatliche  For- 
schungsinstitute fĂŒr  Rassenbiologie.  Aus  diesem  Grunde  bekĂ€mpft 
der  Redner  scharf  die  geplante  Aufhebung  des  v.  Luschan  sehen 
Institutes  fĂŒr  Anthropologie  in  Berlin. 

Die  Sitzung  der  naturwissenschaftlichen  Haupt- 
gruppe brachte  zunÀchst  einen  Vortrag  von  Johannes 
W  a  1 1  h  e  r  (Halle)  ĂŒber  Fortschritt  und  RĂŒckschritt  im  Lauf  der 
Erdgeschichte.    Der  geologische  Aufbau  der  Erdrinde  mit  den 


in  ihnen  erkennbaren  Resten  vorzeitlichen  Lebens  gibt  einen 
Üeberblick  ĂŒber  ungefĂ€hr  800000  000  Jahre,  wĂ€hrend  die  darunter- 
liegenden Schichten  mit  einer  gleichen  MÀchtigkeit  von  ungefÀhr 
20  km  infolge  UmÀnderungen  in  dieser  Beziehung  nicht  mehr 
analysierbar  sind;  aus  diesem  Grunde  ist  die  Àlteste  Lebwelt  einer 
Untersuchung  nicht  zugÀnglich.  Die  Fauna  des  Cambrinus  besteht 
aus  hochentwickelten  Gruppen,  die  zum  großen  Teil  am  Ende 
dieser  Àltesten  Periode  ausgestorben  sind,  wÀhrend  einige  Arten 
zur  nachfolgenden  Silurzeit  ĂŒberleiten.  Hier  tritt  uns  eine  völlig 
neue  Tierwelt  entgegen,  die  sich  ohne  Unterbrechung  durch  die 
ganze  folgende  Erdgeschichte  verfolgen  lĂ€ĂŸt,  wenn  natĂŒrlich  auch 
bestÀndig  Aenderungen  stattfinden.  Die  von  Darwin  vermute- 
ten 1  ebergÀnge  zwischen  den  einzelnen  Arten  existieren  nicht. 
Auch  ein  Fortschritt  von  niederen  zu  höheren  Formenkreisen  lĂ€ĂŸt 
sich  bei  der  Lebewelt  im  Laufe  der  Weltgeschichte  nicht  er- 
kennen. Anders  verlÀuft  die  Entwicklung  der  Athropoden  und 
Wirbeltiere,  die  in  den  UrwĂŒsten  der  Devonzeit  gezwungen  wur- 
den, den  Schritt  vom  Leben  im  Meere  zur  Besiedelung  des  Fest- 
landes zu  unternehmen.  Hier  sehen  wir  eine  fortlaufende  Reihe 
bestÀndig  höher  organisierter  Formenkreise,  die  mit  den  Amphi- 
bien und  Reptilien  beginnen,  welche  die  Fauna  der  Mittelzeit  be- 
herrschen, und  mit  den  SÀugetieren  enden,  welche  ihre  höchste 
BlĂŒte  am  Schluß  der  Kreideperiode  entfalten.  Besonders  inter- 
essant ist,  daß  die  wieder  in  das  Wasser  zurĂŒckwandernden  Rep- 
tilien und  SĂ€ugetiere  das  Stelzbein  der  Landtiere  wieder  ver- 
lieren und  fischĂ€hnlich  werden,  um  meist  nach  kurzer  BlĂŒte 
auszusterben.  Verschieden  ist  das  Schicksal  der  in  die  Luft  auf- 
steigenden Flugsaurier  und  Vögel.  WÀhrend  die  ersteren  verhÀlt- 
nismĂ€ĂŸig bald  ausstarben,  erreichen  die  Vögel  eine  stĂ€ndig  zu- 
nehmende Differenzierung.  Ganz  langsam  entwickeln  sich  die 
SĂ€ugetiere.  Erst  mit  der  Entwicklung  der  BlĂŒtenpflanzen  und  der 
großzĂŒgigen  VerĂ€nderung  der  Ozeane  und  Kontinente  und  den 
damit  geschaffenen  neuen  Existenzbedingungen  entfaltete  sich  die 
ĂŒberraschende  BlĂŒtezeit  der  SĂ€ugetiere,  und  zwar  in  zahlreichen 
parallel  emporsteigenden  Linien,  die  dann  wÀhrend  der  Folgezeit 
durch  bestÀndige  Selektion  ausgejÀtet  und  ausgelesen  wurden. 
Charakteristisch  ist  die  Entwicklung,  welche  wÀhrend  der  dilu- 
vialen Schneezeit  dem  Zweig  des  SĂ€ugetierstammes  aufgezwungen 
wurde,  der  aus  tierischen  Ahnen  zum  Menschengeschlecht  fĂŒhrt. 
WĂ€hrend  der  grĂ¶ĂŸten  Ausdehnung  der  Eisdecke  erscheinen  die 
ersten  feuerhĂŒtenden  Promethiden,  deren  Aehnlichkeit  mit  den 
heutigen  Australiern  sehr  groß  ist,  aus  denen  dann  die  Entwick- 
lung bis  zu  der  heutigen  Kulturhöhe  erfolgt. 

G.  Hellmann  (Berlin)  sprach  darauf  ĂŒber  Deutschlands 
Klima.  Untersuchungen  ĂŒber  das  Klima  sind  bekanntlich  sehr 
alt:  schon  Hippokrates  kannte  die  medizinische  Wichtigkeit 
des  Klimas.  Hellmann  hat  das  dichte  Netz  von  meteorologi- 
schen Stationen  Deutschlands  benutzt,  um  die  Ergebnisse  von  30 
-  Jahren  aus  300  Stationen  mit  seinen  Mitarbeitern  zu  einem  zu- 
sammenhĂ€ngenden Bilde,  einem  großen  klimalologischen  Atlas, 
zu  verarbeiten.  An  Hand  von  Diagrammen,  welche  diesem  Atlas 
entnommen  sind,  fĂŒhrte  der  Redner  die  Hauptergebnisse  seiner 
Untersuchungen  vor.  BezĂŒglich  der  Himmelsbewölkung  zeigte  er, 
daß  fast  wĂ€hrend  des  ganzen  Jahres  das  mittlere  Deutschland 
zwischen  der  mittleren  Elbe  und  der  mittleren  Oder  geringere 
Bewölkung  zeigt,  als  die  östlich  und  westlich  anstoßenden  Land- 
schaften. BezĂŒglich  der  zeitlichen  VerhĂ€ltnisse  ergab  sich,  daß 
der  Himmel  im  Dezember  bis  Februar  am  heitersten  in  den 
bayerischen  Alpen  ist,  im  Mai  und  Juni  an  der  hinterpommer- 
schen  KĂŒste.  Letztere  Tatsache  ist  auch  in  das  Bewußtsein  des 
Volkes  ĂŒbergegangen:  Teile  der  Kreise  Lauenburg,  BĂŒtow  und 
Rummelsburg  fĂŒhren  im  Volksmund  den  Namen:  das  blaue  LĂ€nd- 
chen. Was  die  NiederschlagsverhÀltnisse  anbelangt,  so  befinden 
sich  regenarme  Gebiete  hauptsÀchlich  im  mittleren  und  östlichen 
Norddeutschland.  Von  wenigen  Ausnahmen  abgesehen,  schwankt 
die  jÀhrliche  Zahl  der  Niederschlagstage  zwischen  rund  150  im 
sĂŒdlichen  Oberrheintal  und  205  in  Nordwestdeutschland.  Di 
Klimaschwankungen  sind  in  Deutschland,  besonders  im  ostdeut 
sehen  Binnenland  infolge  seiner  Lage,  ziemlich  erheblich.  FĂŒr 
einzelne  Orte  Mittel-  und  Nordeuropas,  besonders  fĂŒr  Wien  ist 
nachgewiesen,  daß  bis  ungefĂ€hr  zur  Mitte  des  vorigen  Jahrhun 
derts  die  Winter  durchschnittlich  kÀlter  und  die  Sommer  wÀrmer 
gewesen  sind,  daß  also  das  Klima  eines  großen  Teils  von  Europa 
ozeanischer  geworden  ist. 

Darauf  hielt  Sven  Hedin  seinen  Vortrag  ĂŒber  das  Hoch 
land  von  Tibet  und  seine  Bewohner.    Er  schilderte  das  abfluß 
lose  Hochland;   an  Hand  zahlreicher  Lichtbilder  gab  er  einen 
Üeberblick   ĂŒber   den  physiognomonischen  und  orographischen 
Bau  dieses  Landes,  seine  Entstehung  durch  Faltungen  und  He 
bung  der  Falten,  wodurch  das  sĂŒdliche  Grenzgebirge,  der  Hima 
laya,  entstanden  ist.    Parallel  damit  verlaufen  andere  Faltungen 
eine  große  Zahl  von  Seen  ohne  jeden  Abfluß  finden  sich  daselbst 
ferner  ĂŒber  150  grĂ¶ĂŸere  und  viel  zahlreichere  kleinere  Becken 
und  endlich  1000  ganz  kleine  Seen,  die  sÀmtlich  im  Austrocknen  be 
griffen  sind.    Viele  Anzeichen  sprechen  dafĂŒr,  daß  manche  der 
in  den  Gebirgsspalten  sich  hinziehenden  TĂ€ler  frĂŒher  einmal  von 
mĂ€chtigen  fließenden  Wassermassen  erfĂŒllt  waren.    Die  gegen 
wĂ€rtige  Austrocknungsperiode  hĂ€lt  Hedin  fĂŒr  vorĂŒbergehend 
er   glaubt,    daß   es   sich  um   periodische  Klimaschwankungen 
handelt. 


40.  Jahrgang  —  Nr.  II  12. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 

Medizinische  Klinik,  Berlin. 

4.  Juni  1922,  Nr.  23. 

SĂ€uglings-Magoii-Dnrmorkrankungon.    Kcuss,  A.  717. 
SterilitÀt  der  Frau.    S  c  h  m  i  d  t ,  H.  If.  722. 
Ulkus-Initial-KrÀuipfe.     Jonas,   S.  723. 
Quee.ksilbersalioylat  „Depogen".    Kall  m  n  n  n  ,  K.  725. 
Haut„Iuiopf  iocher..    S  a  c  Ii  s  ,  E.  727. 
♩Schwcinerotlauf  beim  Menschen.    6  e  s  t  e  w  i  t  z.  729. 
Linimentum    anticatarrhale    Petruschky.     G  r  o  s  s  m  a  n  n  ,    F.  729. 
Zur  Frage  der  Gicht.    G  u  d  z  e  n  t.  730. 
Entgegnung  hierzu.     B  r  u  g  s  c  h  ,  Th.  730. 

Tuberkelbazillennachwcis.     Meyer,   K.  und  Kitschen,   E.  730. 
Beeinflussung  des  endokrinen  Systems  durch  Thallium.    Bus  <‱  h  k  e  ,  A., 
und  Peiser,  B.  731. 

^â–șSĂ€uglingskrĂ€mpfe.    BlĂŒhdorn,  K.  733. 
Erkrankungen  der  Harnröhre.    Portner,  E.  734. 

Schweinerotlauf  beim  Menschen.  Schweinerotlauf  beim  Men- 
schen bleibt  im  allgemeinen  lokal  und  heilt  in  den  meisten  FĂ€llen 
bei  Anwendung  Ă€ußerer  Mittel,  wie  KĂŒhlsalben,  Thiol.  liquid, 
usw.  Wenn  nicht,  injiziert  G.  6  ccm  Schweinerollaufserum  sub- 
cutan in  Brust  oder  Arm.  In  einem  Falle  trat  darnach  ein  Exan- 
them auf,  das  vielleicht  als  Serumreaktion  aufzufassen  war. 

SÀuglingskrÀmpfe.  In  der  ersten  SÀuglingszeit  kommen  haupt- 
FÀchlich  organisch  bedingte  KrÀmpfe  vor:  bei  Meningitis,  Hirn- 
und  Hirnhautblutungen,  Gehirnmißbildungen,  Embolien,  Throm- 
bosen, Hydrozephalie  und  akuten  enzephalitischen  Prozessen. 
Nach  den  ersten  drei  Lebensmonaten  sind  spasmophile  KrÀmpfe 
hĂ€ufiger,  die  besonders  im  Winter  und  FrĂŒhling  bei  kĂŒnstlich  ge- 
lahrten, rachitischen  und  meningitischen  Kindern  auftreten.  Pa- 
thognomonisch  sind  StimmritzenkrÀmpfe  und  manifeste  Tetanie. 
Andere  Krampfformen  sind  die  initialen  KrÀmpfe  im  Beginne 
fieberhaft-infektiöser  Erkrankungen  und  die  terminalen  ante  exi- 
tum,  die  toxisch-infektiö  ser  Natur  sein  dĂŒrften;  auch  bei  ungenĂŒ- 
gender AbdĂŒnstung  oder  allzu  reichlicher  Wasserabgabe  werden 
infolge  WÀrmestauung  KrÀmpfe  beobachtet. 

Behandlung:  Als  krampfstillendes  Narkotikum  Chloralhydrat 
rektal  0,07—0,1  pro  dosi  und  Lebensmonat.  Rezept  fĂŒr  ein  halb- 
jÀhriges Kind:  Sol.  Chloralhydrati  1,0:100,0.  D.  S.  Die  HÀlfte  zum 
Klystier.  Bei  ausbleibender  Wirkung  nach  kurzer  Zeit  zu  wie- 
derholen, unter  UmstÀnden  Lumbalpunktion.  Zur  Beseitigung 
weiterer  Krampfgefahr  wird  dem  noch  bewußtlosen  Kinde  0,2 
Magnesium  sulfur.  pro  kg  Körpergewicht  in  8%  Lösung  subcutan 
oder  intramuskulÀr,  dann  Kalk  in  folgender  Verschreibung  in 
fallenden  Dosen  gegeben:  Rp.  Calcii  chlorati  sicci  10,0,  Liqu. 
ammon.  anis.  2,0,  Gummi  arab.  1,0,  Saccharini  qu.  s.,  Aqu.  ad  200,0. 
M;  D.  S.  8-  bis  3mal  tÀglich  10  ccm.  Bei  gleichzeitiger  Darreichung 
von  Lebertran  kann  man  die  Kalkariwendung  rasch  verringern. 
ErnÀhrung  nach  dem  jeweiligen  Zustande;  Vermeidung  von  Milch 
ist  ĂŒberflĂŒssig.  Daneben  Licht  und  Sonne,  im  Winter  kĂŒnstliche 
Höhensonne.  Prophylaktisch  sollen  im  Winter  alle,  besonders 
rachitische  SĂ€uglinge  auf  Latcnzsymptome  der  Spasmophilie 
(FazialisphÀnomen)  untersucht  und  gegebenen  Falles  durch 
zweckmĂ€ĂŸige  ErnĂ€hrung,  Lebertran  und  Kalk  (Messerspitzen- 
weise  Calcium  phosphor.  tribas.)  geschĂŒtzt  werden. 

11.  Juni  1922,  Nr.  24. 

Beziehungen    der   Geburtshilfe    und    GynÀkologie   zum   Kriege    und   zu  den 
KriegsvorhÀltnissen.    Mayer,  A.  749. 
«frlnjektionsbehandlung  der  HÀmorrhoiden.    Boas,  I.  753. 
Umfrage  ĂŒber  Proteinkörpertherapie.  750. 

*Das  Wesen  und  'Ue  physikalische  Behandlung    des  Muskelrheumatisniu.s. 
Tobias,  E.  760. 

InitialkrÀmpfe  des  Dlkus.    Jonas.  S.  761. 
❖Behandlung  von  akuten  FingerentzĂŒndungen.    Henrichs.  R.  704. 
Neuere  Anschauungen  ĂŒber  Atombau  und  chemische  Bindung.  Lies  che, 
m.         O.  765. 

Prakt.  Fragen  der  Geburtshilfe.    Runge,  E.  767. 

Injektionsbehandlung  der  HĂ€morrhoiden.  Injiziert  wird 
96%  Alkohol  in  einer  Menge  von  10  bis  20  Tropfen  in  dite  intra- 
rektalen  Knoten.  Die  Heilung  erfolgt  durch  aseptische  Throm- 
bose, dabei  manchmal  Fieber  bis  40  Grad,  selten  Proktitis  oder 
Blutungen.    Rezidive  sind  möglich.   Technik:  Vorbereitung  durch 


AbfĂŒhrmittel  und  SeiferjiwassereinlĂ€ufe  mit  Lysoform.  Kniebrust- 
lage, Rasieren,  Jodtinkturanstrich,  örtliche  BetÀubung  mit  0,.r>  "/, 
Novokain-Suprarenin-Lösung.  Eine  halbe  Stunde  spÀter  exlra- 
anale  Entwicklung  der  Knoten  durch  Ansaugung  mit  Bier'schen 
SaugnÀpfen.  Injektionen  in  die  Kuppen  sÀmtlicher  Knoten,  wobei 
die  KanĂŒlenspitze  zur  Vermeidung  von  Nekrosen  und  Eiterungen 
keine  Spur  von  Alkohol  enthalten  darf.  Rasche  Reposition  'Ii  i 
Knoten  mit  flĂŒssigem  Paraffin,  Bettruhe,  flĂŒssige  Kost,  ev.  Opium. 
Am  4. — 5.  Tage  Oeleinlauf  und  Magnesia  oder  Bitterwasser.  Nach 
dem  ersten  Stuhl  fĂŒr  einige  Stunden  Verlassen  des  Bettes,  am 
7. — 8.  Tage  erster  Spaziergang.  Bei  Blutungen  infolge  Ansaugens 
einige  Tage  vor  der  Injektion  wiederholte  Rektaleinspritzungen 
von  10  ccm  Calc.  chlorat.  cristall.  10:200.  Knotenprolaps,  Ein- 
klemmungscrscheinungen  und  inlraanale  Knoten  indizieren 
ebenso  wie  Blutungen  radikale  Behandlung. 

*  Das  Wesen  und  die  physikal.  Behandlung  des  Muskelrhcu- 
matismus.  Eine  prÀzise  Definition  des  Muskelrheumatismus  ist 
sehr  schwer  zu  geben;  Schmidt  spricht  von  einer  Neuralgie  der 
sensiblen  Muskelnerven,  die  er  —  bei  prĂ€disponierender  Ursache 
der  ErkĂ€ltung  —  auf  Infektion  zurĂŒckfĂŒhrt  und  in  die  hinteren 
Wurzeln  verlegt.  Goldscheider  hebt  als  gemeinsames  Symptom 
verschiedener  peripherischer  ReizzustÀnde,  bedingt  durch  allge- 
meine oder  örtliche  KÀlteschÀdigung  oder  durch  konsekutive  In- 
fektion, die  Myalgie  hervor.  Bittorf  fand  als  objektives  Zeichen 
Eosinophilie  des  Rheumalikerblutes. 

Als  Ursache  werden  ErkÀltungen,  SchwÀchezustÀnde,  Ueber- 
anstrengungen  und  verschiedene  Erkrankungen  angefĂŒhrt. 

Die  Behandlung  soll  womöglich  ursÀchlich  sein.  Bei  allge- 
meiner Anwendung  empfiehlt  T.  trockene  Hitze  im  Kaslenbad,  bei 
örtlicher  feuchte  WÀrme;  letztere  bei  Lumbago  und  Torticollis 
als  Dampf  dusche  mit  Massage.  Daneben  unter  UmstÀnden:  Blau- 
licht, Fango-  und  MoorumschlÀge,  Diathermie,  schottische  Wasser- 
duschen und  Faradisation. 

Behandlung  von  akuten  FingerentzĂŒndungen.  Bei  oberflĂ€ch- 
lichen EntzĂŒndungen  in  LokalanĂ€sthesie  oder  Bausch  Einschnitt 
an  der  Stelle  grĂ¶ĂŸter  Druckschmerzhaftigkeit,  bzw.  Erweichung, 
Ruhigstellung,  feuchter  Verband,  SeifenlaugenbÀder. 

Bei  tiefsitzenden,  volaren  Prozessen  zunÀchst  kleine  mediane 
Inzision,  bei  Erfolglosigkeit  baldigst  seitliche  Schnitte  nach  Klapp 
und  Bier'sche  Stauung.  Ein"allfÀlliger  Sequester  ist  nach  völliger 
Lösung  mit  Schonung  der  Sehne  und  der  Knochenhaut  durch  seit- 
liche Inzision  zu  entfernen.  Bei  Gelenkspanaritien  frĂŒhzeitige 
Kapselspaltung.  Hauptziel  der  Behandlung  ist  Erhaltung  der 
Sehne.  Wichtig  ist  Offenhalten  der  Einschnitte.  H.  rĂ€t  zu  SpĂŒ- 
lungen mit  Hydrogen.  peroxyd.  und  warnt  vor  Sublimat,  Jodoform 
usw.  Bei  mazerierter  Haut  weiche  Zinkpaste,  sonst  keine  Salben- 
verbĂ€nde. Schon  bei  Abklingen  der  EntzĂŒndung  aktive  und  passive 
Bewegungen.  Aehnlich  sind  die  weniger  gefÀhrlichen  dorsalen 
Prozesse  zu  behandeln.  Hohlhand-  und  Vorderarmphlegmonen 
sind  dem  Chirurgen  zu  ĂŒberweisen.  Low  (Döberitz). 

MĂŒnchener  Medizinische  Wochenschrift. 

2.  Juni  1922,  69,  Nr.  22. 

KĂŒnstliche  ein-  und  doppelseitige  LĂ€hmung  des  Zwerchfells.  Krön.  807. 
Vorbeugende  Salvarsanbehandlung.    S  c  h  ö  n  f  e  1  (1.  811. 

Tntravenij.se  Mentliol-Eukalyptol-In.jektioncn  bei  Tuberkulose  und  der  Ein- 
fluß intravenöser  Oelinjektionen  auf  das  Lungengewebe.    Fischer.  814. 

FamĂŒiengesehiohtliche  Erhebungen  in  Kreisen  gelernter  Industriearbeiter 
Mittelfrankeus.    W  eichardt  und  Steinbacher.  816. 

SchnrttfĂŒhrungen  in  der  struktiven  Chirurgie.    Esser.  818. 

Der  Kropf  im  SĂ€uglingsalter.    Hamburger.  819. 

Darmzerreißung  durch  eigenhĂ€ndige  Reposition  eines  freien  Leistenbruches. 

Hilgenrcincr.  820. 
Ein    neues    direkt    zeigendes    und    registrierendes  RöntgenstrahleinmeßgerĂ€t 

(Siemens-Röntgon-Dosismesser.)  J  a  e  g  e  r.  , 821. 
Verbreitung  der  Lungentuberkuloseinfektion  auf  dem  Lande.    S  a  n  d  r  o  c  k. 

824. 

Erfahrungen  mit  der  Kiellandsehen  Zange.    S  À  n  g  e  r.  824. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

4.  Mai  1922,  Nr.  18. 

Die    Spaltlampenmikroskopie    und    die   Augenspiegelunteirsuchung   im  roten 

Licht.   L  auber,  H.  407. 
Zur  Pathogenese  der  Lebcrcirrhose.    (Schluß.)     Clivostck.  408. 
Intrauterine  KcimliugsschÀdigung.    Greil,  A.  412. 


Aas   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


«HJeber  das  Verhalten    des    Blutzuckers    nach    Einnahrae    von  Galaktose. 

Kahler,  H.  und  Machold,  K.  414. 
«frBlutverĂ€nderungein  bei  Stenosen  der  oberen  Luftwege.    K  r  a  ß  n  i  g,  M.  417. 
Praktische    Erfahrungen   ĂŒber   die   Bedeutung   der   kolloidalen  Benzoeharz- 

reaktiou  im  Liquor  cerebrospinalis.    M  r  a  s  ,  P.  417. 
Fleckfiebergeiahr.    E  e  d  e  r  ,  J.  418. 

Ueber  das  Verhalten  des  Blutzuckers  nach  Einnahme  von 
Galaktose.  Nach  Einnahme  von  40  g  Galaktose  stieg  der  Blut- 
zuckergehalt bei  gesunden  Individuen  um  höchstens  0,03  %,  bei 
Morbus  Basedowi  bis  zu  0,08  %  Differenz,  ebenso  bei  Nieren- 
orkrankungen.  Bei  Leberkrankheiten,  besonders  Cirrhosen,  Hepa- 
titis luetica  und  malignen  Tumoren  wurde  gegenĂŒber  dem 
NĂŒchternwert  eine  Differenz  von  0,05 — 0,12  %  festgestellt.  Die 
Blutuntersuchung  hat  bei  Lebererkrankungen  viel  hÀufiger  ein 
positives  Ergebnis  als  die  Harnuntersuchung.  Das  Ausbleiben 
pathologischer  Galaktosurie- bei  bestehender  hochgradiger  „Galak- 
tosaemie"  dĂŒrfte  durch  eine  Funktionsstörung  der  Niere  zu  er- 
klÀren sein.  Pathologische  Galaktosurie  ohne  stark  erhöhten 
Blutzucker  wert,  findet  man  dort,  wo  keine  ausgesprochene  Leber- 
schĂ€digung, sondern  nur  eine  geringfĂŒgige  konstitutionelle  Ano- 
malie der  Leberfunktion  anzunehmen  ist. 

BlutverÀnderungen  bei  Stenosen  der  oberen  Luftwege.  Bei 
6  FÀllen  verschiedener,  lÀngere  Zeit  bereits  bestehender  Stenosen 
wurde  ausnahmslos  eine  Erhöhung  der  Erythrozytenzahl  gefunden 
Die  Ursache  dĂŒrfte  in  der  verminderten  O- Aufnahme  liegen;  viel- 
leicht haben  wir  in  diesen  AnpassungsvorgÀngen  eine  Art  Selbst- 
hilfe der  Natur  zu  erblicken.  R  e  u  ß  (Wien). 

11.  Mai  1922,  Nr.  19. 
Die  Tuberkulose  des  Aligses.    D  i  in  m  e  r  ,  F.  431. 

Ueber  Urochromogenausseheidung  bei  Frauenkrankheiten.  K  1  ai  t  e  u  .  E. 
435. 

Ueber  die  Einwirkung  einiger  Diuretica  auf  das  Fibrinogen.    Kollert,  V. 
und  Starlinger,  W.  439. 
♩♩♩Die  Behandlung    der  Myoklonien    und    des    Parkinsonschen  Symptomen- 
komplexes  nach  Encephalitis   epidemica  mit    intravenösen  Injektionen 
von  eigener  LumbaiflĂŒssigkeit.    P  i  t  i  c  a  r  i  n  ,  J.  441. 

Zur  Arbeit  von  Saxl  u.  Sehen:  Ueber  Ausscheidung  von  Farbstoffen  durch 
den  Magensaft  und  die  Galle.  R  o  s  e  n  t  h  &  1  /  F.  und  v.  F  a  I  U  <‱  n- 
hausen,  M.  442. 

Bemerkungen  zu  den  AusfĂŒhrungen  von  F.  Rosenthal  und  M.  Freih.  v. 
Falkenhausen.    Saxl.  P.  und  Schorf,  D.  444. 

Die  Behandlung  der  Myoklonien  und  des  Parkinsonschen 
Symptomenkomplex  nach  Encephalitis  epidemica  mit  intravenösen 
Injektionen  von  eigener  LumbaiflĂŒssigkeit.  10  cm!  mit  Rekord- 
spritze extrahierter  LumbaiflĂŒssigkeit  werden  unverzĂŒglich  in  die 
Kubitalvene  injiziert.  Wiederholung  nach  je  5 — 7  Tagen,  4 — 7  In- 
jektionen. Gute  Erfolge;  bedeutende  Besserung  meist  schon  nach 
der  1.  Injektion.  R  e  u  ß  (Wien). 

18.  Mai  1922,  Nr.  20. 

Die  Proteinkörpertherapie  und  Vakzinebehandlung.  Bussen.  B.  451. 
Arsenwirkung,  Arsengewöhnung  und  Aesenvergiftung.  Uli  ra  a  n  n  .  K.  i.v,. 
Ueber  die  Erzeugung  von  inapparenten  zu   aktiver   ImmunitĂ€t  fĂŒhrenden 

immunisierten  Meerschweinchen. 

Miriuu.     B  r  u  - 


Fleckfieberinfektionen     heil  passiv 

Weil,  E.  und  Brcinl,  F. 
‱JttJeiber  die  Behandlung   gonorrhoischer  Komplikationen  mit 

n  a  u  e  r  ,  St.  R.  459. 
<$*Ein   prophylaktischer  Kunstfehler.     Stein,  L.  461. 
Das  Ionometer.     Christiansen,  J.  461. 

Ueber  die  Behandlung  gonorrhoischer  Komplikationen  mit 
Mirion.  Die  Behandlung  mit  intramuskulÀren  Mirioninjektionen 
ist  bei  subakuten  FĂ€llen  indiziert,  bei  ganz  frischen  FĂ€llen  kon- 
traindiziert, bei  ganz  veralteten  ohne  Erfolg.  Es  wird  empfohlen, 
akute  FĂ€lle  einer  kurzen  antiphlogistischen  Lokalbehandlung  und 
dann  einer  Vakzinetherapie  zuzufĂŒhren,  welcher  mehrere  Mirion- 
injektionen von  5  cm3  Mirion  nachgeschickt  werden. 

Ein  prophylaktischer  Kunstfehler.  Bei  einem  3  jÀhrigen  Kinde 
wurde  gegen  das  Stottern  von  einem  Arzt  empfohlen,  die  fehler- 
haft ausgesprochenen  SĂ€tze  so  lange  wiederholen  zu  lassen,  bis 
sie  richtig  ausgesprochen  wĂŒrden.  Dieses  durchaus  kontra- 
indizierte Verfahren  fĂŒhrt  dazu,  daß  das  klonische  Stottern  nach 
kurzer  Zeit  deutlichen  Tonus  aufwies,  wie  er  sonst  erst  nacli 
Jahren  eintritt.  Man  soll  sich  einem  stotternden  Kind  gegenĂŒber 
eines  langsamen  Sprechtempos  befleißigen;  jede  wie  immer  ge 
artete  Korrektur  ist  zu  vermeiden. 

Reuß  (Wien). 
Zentralblatt  fĂŒr  innere  Medizin. 

20.  Mai  1922,  Nr.  20. 

^â–șDie  Adrenalinblutdrucksreaktion  bei  Hypertonisteu.  K  y  1  i  n  ,  E.  329. 

Die  Adrenalinblutdrucksreaktion  bei  Hypertonisten.  Fort- 
setzung der  Unter suchiungen,  wie  sie  in  Nr.  22,  1921  desselben 


Zentralblattes  besprochen.  Verfasser  fand,  daß  bei  Patienten,  die 
an  benigner  Nephrosklerose  leiden,  sich  eine  paradoxe  Adre- 
nalinreaktion und  Ausbleiben  der  sonst  ĂŒblichen  subjektiven 
Beschwerden  ergab.  W  e  r  n.  H.  Becker. 

Monatschrift  fĂŒr  Fsychiatrie  und  Neurologie,  Berlin. 

MĂ€rz  1922,  51,  Heft  3. 

❖Zur  Kenntnis  der  LagegefĂŒhlsstörungen    an  der  Hand   bei   der  Zerebralen 
Hemiplegie.    Redlich,  E.  125. 
Sehußverletzungen  der  peripheren  Nerven.    K  r  a  m  e  r  ,  F.  129. 
Hydranenzephalie.   P  a  g  e  1  ,  W.  161. 

Pathologisch-anatomischer  Befund  des  Falles  von  Beitrag  zur  Lokalisation 
der  bilateralen  Apraxie,  der  Gesichts-  und  Spreehmuskulatur  auf  Grund 
eines  lÀngere  Zeit  hindurch  beobachteten  Falles.  Stanojevic,  L.  188.1 

Zur  Kenntnis  der  LagegefĂŒhlsstörungen  an  der  Hand  bei  der 
zerebralen  Hemiplegie.  Bei  Hemiplegien  können  LagegefĂŒhls- 
slörungen  an  der  Hand  bestehen,  die  erst  nachweisbar  sind,  wenn 
man  die  Hand  auf  die  RĂŒckseite  des  Körpers  bringt,  die  aber  bei 
der  gewöhnlichen  Haltung  der  Hand  vor  der  Brust,  auch  wenn 
die  Augen  geschlossen  werden,  nicht  vorhanden  sind.  Es  ist  dies 
so  zu  erklĂ€ren,  daß  in  Stellungen  der  Hand,  die  meist  unter  Kon- 
trolle des  Gesichtssinns  stehen,  das  LagegefĂŒhl  bei  leichten  Störun- 
gen noch  ausreicht,  daß  aber  dort,  wo  diese  Hilfe  fehlt,  schon 
die  leichteste  Störung  des  LagegefĂŒhls  einem  deutlichen,  nach- 
weisbaren Defekt  bedingt.  W.  Misch  (Berlin  . 

Jahrbuch  fĂŒr  Kinderheilkunde,  Berlin. 

Mai  1922,  48.    Heft  3/4. 

Hauptpigment  "hei  Kindern  und  menschlichen  Föten.  G  o  n  n  e  1  1  a  .  4L  123. 
Eiweiß-Verdauung  beim  SĂ€ugling.    Heller,  O.  129. 

Untersuchungen  ĂŒber  die  IntensitĂ€t  der  Herztöne  im  Kindesaltcr  mit  Hilfe 

des  BocKschen  Differenthalstethos"kops.    Kaulen,  G.  141. 
Die  Stellung    der  Ruhr    unter    den    ErnÀhrungsstörungen    im  Kindesalter.  < 

Piltz,  G.  153. 

Der  Einfluß  des  Atropins  auf  die  renale  Wasser-  und  Knchsalzausscheidung '. 

beim  Kinde.  S  t  o  b  o  z  i  a  n  u  ,  H.  176. 
Die  sympathische  Darmneurose  der  SĂ€uglinge.    S  t  a  r  g  a  r  d  t  e  r.  189. 
Die   regulatorische  Dysfunktion  des  thermogenetischen  Apparates  hei  miß-j 

bildeten  Neugeborenen.    Mader,  A.  195. 
Das  Vorexanthem  bei  Masern.    Nöthen,  F.  S.  211. 

Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

3.  Juni  1922,  4<J,  Nr.  22. 
‱ffVaricenbehandluHg.    L  o  t  h  e  i  ß  e  n.  77B. 

^‱Verschluß  der  Duodenalfistel  nach  Magenresektion.    Kelling.  TT». 

Arthrodese  bei  Gelenktuberkulose.    Nußbaum.  780. 

RegenerationsfÀhigkeit   des   Colon   ascendens.     de   Gironcoli.  782. 

Spanbildung  nach  ATbee  bei  Spondylitis  tuberculosa.    G  ö  r  r  c  s.  784. 
<f»Singultus  bei   Harnretention.     S  c  h  o  e  n.  785. 

Zur  Varicenbchandlung.    Verfasser  empfiehlt  das  Verfahren 
von  Schiassi  (Bologna):  Die  V.  saphena  wird  dicht  vor  der  Ein-, 
mĂŒndung  in  die  V.  femoralis  durch  einen  kleinen  Schnitt  frei- 
gelegt, zwischen  Klemmen  durchtrennt  und  das  proximale  Endei 
sofort'  abgebunden.    Zweiter  Schnitt  zur  Freilegung  der  Saphena' 
je  nach  Ausdehnung  der  Varicen  am  oberen  Ende  des  Unter-' 
schenkeis   oder  oberhalb   der  Knöchel.    In  das  zentrale  Ende 
dieses  tieferen  Schnittes  wird  eine  Lösung  von  Jod  1,0,  Kai.  jodat 
1,1,  Aqu.  dest.  100,0  eingespritzt,  bis  sie  am  oberen  Ende  wieder 
herauslÀuft.    Dann  wird  oben  und  unten  abgebunden.  Einwick- 
lung  des  Beins   mit  elastischer  Binde.    Heilung  in  etwa  acht! 
Tagen. 

Verschluß  der  Duodenalfistel  nach  Magenresektion.    12  Tage 

nach  ausgedehnter  Magenresektion  wegen  Carcinom  trat  eine 
Duodenalfistel  auf.  Nachdem  diese  6  Tage  bestanden  hatte  und. 
alle  anderen  ErnÀhrungsversuche  gescheitert  waren,  legte  Ver- 
fasser eine  Jejunumfisiel  1  m  aboralwÀrts  von  der  Flexura; 
duodeno  jejunalis  an.  Durch  diese  wurde  Patient  mit  Tropf- 
klistieren' ernÀhrt,  die  in  der  Hauptsache  aus  Mehlsuppe  be- 
standen und  denen  zur  Verminderung  der  Pankreassekretion  Na-, 
triumkarbonat  zugesetzt  war.  Nach  12  Tagen  Heilung  der 
Duodenalfistel. 

SingĂŒMus  bei  Harnretention  infolge  Prostatahypertrophie.  Be 

einem  80jÀhrigen  Mann  trat  plötzlich  aus  voller  Gesundheit  ei 
Ă€ußerst  heftiger  Singultus  auf,  der  zunĂ€chst  durch  keinerle 
Maßnahmen  zu  beheben  war.  Er  schwand  sofort  nach  Entleerung 
der  Blase  durch  Katheterismus  (Prostatahypertrophie). 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 


10.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


Ans   den   neuesten  Zeitschriften 


Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

25.  Mai  1922,  52,  Nr.  21. 

Behandlung  der  Ozaena     mit     submucĂŒsen   P^iraifin-Injektioneu.     Bau  in  - 

KĂ€rtncr,  Ch.  490. 
Beitrag  zur  DifferentialdiaKiiosc  der  retiopharynjrealen  GeschwĂŒlste.  B  ti  c  h- 

m  a  n  n  ,  E.  492. 

Ein  Psammom  des  Siebbeins  und  der  KeilbeinliĂŒlile.    Eicken,  t.  405. 

Behandlung  der  l'hoanalatresie.    Elmiger,  U.  497. 

Kongenitale  Stenose  dct  Oesophagus.    Frey.  G.  498. 

FĂŒnf  Jahre  Oto-Rhino-Chirurgio  im  Salemspital.    Haag,  H.  498. 

Knoelienbildunjr  am  GerĂŒst  der  Nase,  mit  fast  völligem  Verschluß  der  Nasen- 
höhlen als  SpÀtfolge  der  Lues.    H  o  p  m  a  n  n  ,  E.  604. 

Diagnose  und  Therapie  der  Zenker'schen  Oesophagus  resp.  Hypopharrni^ 
divertikel.   H  u  g  ,  Th.  505. 

Die  primĂ€ren  bösartigen  GeschwĂŒlste  des  Mittelohres.    J  u  n  o  d  ,  A.  510. 

Wirkung  der  SÀuren  als  örtliche  Aetzmittel.    Mayer,  K.  514. 

Kasuistik. der  Brouchoskopie.    Minder,  E.  515. 

Intranasale  Encephalocclen.    Nager,  F.  R.  516. 

Fremdkörper  der  Speiseröhre,  diagnostiziert  und  eutfernt  mit  Hilfe  der  Oeto- 

phagoskopie.    Oppikofer,  E:  519. 
AurikulÀrci  Komplikationen  bei  einer  Grippe-Epidemie.    Röeh,  M.  E.  »18. 
Ueber  Struma  maligna  oesophagi  et  tracheae.    Ruppanner,  E.  533. 
Die  Diagnose  des  Empyems  der  Warzenzellen  (Mastoiditis)  und  ĂŒber  die  sog. 

genuine  (primÀre)  und  sekundÀre  Otitis  media.    Schlittler,  E.  535. 
Casuistischer  Beitrag  zum   plastischen  Wiederaufbau  dei  Laryngotrncheal- 

rohrs.    Schmidt,  Ch.  539. 
Zur  Tamponade  der  Nase.    Schmidt,  Ch.  540. 
Die  Nasenrachenfibrome.    S  t  u  d  e  r  ,  W.  541. 

Ueber  Vagus-Facialis-  und  Acustieus- Verletzungen.    Ulrich.  K.  545. 
Revue  M^dicale  de  la  Suisse  Romande,  Laueanne-Genf. 
r  Mai  1922,  42,  Nr.  5. 

^Klassifikation  und  Thera.pic  des  Diabetes  mellitus.    L  a  b  b  6.  J7S. 
4"Epileps'e  und  ihre  Behandlung.    Machon,  F.  283. 
«^Funktionsstörung  der  Leber  und  die  Salicylatprolie.    Roch,  M.  291. 
Driisenerkfankung  syphilitischen  Ursprungs.    Golay.  J.  296. 
Elektrolvt!sche  Behandlung  (Tontophorese)  in  der  Ophthalmologie.  F  i-e  1 1  a, 
*        P.  »98. 

Klassifikation  und  Therapie  des  Diabetes  mellitus.  Auf  Grund 
einer  phvsiopathologischen  Untersuchungen  teilt  Verf.  den  DiÀ- 
tstes in  2  Gruppen  ein:  1.  Diabetes  ohne  Acidosis  mit  reiner 
llörung  des  Kohlehydratstoffwechsels,  2.  Diabetes  mit  Acidosis, 
vobei  auch  der  Eiweiß-  und  Fettstoffwechsel  mit  gestört  sind. 
Kirch  den  Toleranzsrad  mißt  man  die  GrĂ¶ĂŸe  der  glvkoregulatori 
chen  Störung.  Derselbe  hÀlt  sich  bei  ein  und  demselben  Patienten 
nonate-  ja  selbst  jahrelang  auf  der  gleichen  Höhe,  kann  aber  durch 
ntercurrente  Krankheiten,  besonders,  wenn  solche  die  Leber  an- 
keifen, vorĂŒbergehend  oder  auch  dauernd  herabgesetzt  werden. 
Seim  Diabetes  mit  Azetonbildung  betrÀgt  die  ausgeschiedene 
'uckermenee  tÀglich  mehrere  hundert  Gramm,  bisweilen  sogar 
«ehr  als  1000  g,  sie  schwankt  je  nach  der  Menge  der  zugefĂŒhrten 
[ohlehydrale,  ist  aber  immer  grĂ¶ĂŸer  als  dieselbe.  In  diesen  FĂ€llen 
lat  der  Körper  völlig  die  FÀhigkeit  verloren,  die  Kohlehydrate 
ler  Nahrung  und  der  eigenen  Gewebe  zu  verbrennen;  hier  erreicht 
lie  glykogene  Störung  ihr  Maximum. 

Die  benigne  Form  des  Diabetes  zeigt  sich  bei  Fettleibigen  als 
■"olge  jahrelanger  UeberernĂ€hrung;  HyperglykĂ€mie  und  Glykos- 
rie  sind  bei  ihnen  reduzierbar.  Die  schwere  Form  ist  bisweilen 
ereditĂ€r,  entwickelt  sich  in  successiven  SchĂŒben  und  treibt  rasch 
inem  verhÀngnisvollen  Ende  zu.  Zur  Störung:  des  Kohlehvdral- 
toffwechsels  gesellt  sich  eine  solche  des  Fett-  und  Eiweißstoff- 
vechsels  und  ein  Zustand  von  Acidosis.  Die  diÀtetische  Behand- 
ung ist  die  einzig  wirksame,  wobei  aber  jeder  Fall  streng  zu  indi- 
idualisieren  ist.  Die  EinschrĂ€nkung  der  Kohlehydrate  gilt  fĂŒr 
franke  mit  wenig  ausgeprÀgter  Acidosis.  Milchkuren  geben  gute 
iesultate  bei  vorĂŒbergehenden  Acidosen.  vermehren  aber  die 
rlykosurie.  Dasselbe  tun  die  Kartoffelkuren.  Die  von  Noorden 
mpfohlene  Haferkur  leistet  zuweilen  gute  Dienste  bei  den  vom 
!oma  bedrohten  Patienten.  GemĂŒsekuren  alkalisieren  den 
)rganismus  und  befriedigen  in  Mengen  von  12 — 1500  g  pro  Tag 
en  Appetit;  man  kann  sie  durch  Feltbeigaben  verstÀrken  oder 
Ich  durch  geringe  Beigaben  von  Eiern,  KĂ€se,  Milch  ein  bischen 
tickstoff reicher  machen;  jedenfalls  sind  sie  eine  ausgezeichnete 
irundlage  fĂŒr  eine  DiĂ€t.  VorĂŒbergehende  Hungerkuren  können 
if  Patienten^  die  von  Corha  bedroht  sind,  einen  guten  Eibfluß 
aben;  zu  hantige  Wiederholung  schadet.  Auf  die  diÀtetische  Be- 
andlung  reagieren  nicht  nur  Erwachsene,  sondern  auch  Kindel', 
bwolil  der  jugendliche  Diabetes  doch)  in  so  schlechtem  Ansehe, i 
teht.  Den  Optimismus  amerikanischer  Autoren,  welche  an  die 
(öglichkeil  einer'  völligen  Heilung  glauben,  teilt  Verfasser  nicht, 
fach  dem  heutigen  Stand  unserer  Kenntnisse  können  wir  hoch- 
tens  die  Schwere  der  Erkrankung  mildern. 


Beitrag  zur  Epilepsiebehandlung,  Aul  der  Suche  nach  einer 
Behandlungsart,  die  der  Bromthcrapio  ĂŒberlegen  ist,  wandte  Verf. 
bei  einer  Reihe  von  Epileptikern  Kaliumboricumtartrat  an.  Be- 
vorzugt waren  jene  Kranken,  die  trotz  jahrelanger  Broinbehand 
hing  unvermindert  viel  AnfÀlle  aufwiesen.  Leider  sah  er  die 
Hoffnungen,  die  er,  durch  frz.  Autoren  angeregt,  auf  dieses  Medi- 
kament gesetzt  halte,  nicht  erfĂŒllt.  Dagegen  erzielte  Verf.  einen 
RĂŒckgang  der  nervösen  Symptome,  wenn  er  bei  bestehender 
HyperaciditÀt  ein  Alkali,  vorzugsweise  Natriumeitrat  gab.  Fan- 
den sich  neben  der  HyperaciditÀt  auch  anormale  Mengen  Aceton, 
flĂŒchtige  FettsĂ€uren  und  Ammoniak,  sa  wurde  die  Menge  der  zu- 
gefĂŒhrten Fette  gekĂŒrzt,  Schokolade  und  Eier  aus  dein  DiĂ€tzettel 
gestrichen.  Die  Acidosis,  die  sich  bei  der  AcelonÀmie  des  jugend- 
lichen Alters  feststellen  lĂ€ĂŸt,  wird  auch  bei  der  kindlichen  Spas- 
mophilie  angetroffen,  ebenso  bei  einer  Beihe  nervöser  ZustÀnde 
im  Gefolge  von  Schwangerschaft,  Infektionskrankheiten,  Syphilis, 
Diabetes,  kurzum  bei  allen  jenen  Erkrankungen,  bei  denen  die 
Nierenfunktion  insufficient  wird.  Der  wohltĂ€tige  Einfluß,  den  die 
ZufĂŒhrung  von  Alkalien  in  den  genannten  FĂ€llen  ausĂŒbt,  erklĂ€rt 
zugleich  die  guten  Besultate  gewisser  Mineralwasserkuren. 
Klinische  Erfahrung  hat  schon  lange  zu  der  Ueherzeugung  gefĂŒhrt, 
daß  die  sogenannte  essentielle  Epilepsie  keine  Einheit  ist,  sondern 
nach  Aetiologie,  Entwicklung  und  oft  auch  nach  Symptomatologie 
recht  verschieden.  Neben  Epilepsien  traumatischen  Ursprungs 
gibt  es  solche  auf  Grund  von  LÀsionen  nervöser  Zentren  im  Ge- 
folge von  Syphilis,  Scharlach,  Typhus  usw.,  d.  h.  LĂ€sionen  entzĂŒnd- 
licher Natur,  deren  Entwicklung  oft  noch  begĂŒnstigt  wird  durch 
gewisse  angeborene  Mißbildungen  oder  durch  AlkoholhereditĂ€t, 
die  gerade  bei  der  Epilepsie  eine  wichtige  Rolle  spielt.  Unter 
dem  Einfluß  von  Giften,  die  im  Organismus  kreisen,  kommt  es 
zu  Krisen,  wobei  die  Wirkung  auf  die  Nervenzellen  wesentlich 
abhÀngt  vom  Fehlen  oder  Vorhandensein  gewisser  chemischer 
Substanzen.  Die  Manifestationen  der  Epilepsie  setzen  fast  immer 
vor  dem  20.  Lebensjahr  ein,  d.  h.  zu  einer  Zeit,  wo  die  DrĂŒsen 
mit  innerer  Sekretion  auf  der  Höhe  ihrer  TÀtigkeit  stehen.  Es 
besteht  die  Meinung,  daß  unter  dem  Einfluß  von  Störungen  endo- 
kriner DrĂŒsen  der  gesamte  Stoffwechsel  leidet,  toxische  Abfall- 
stoffe sich  ansammeln,  deren  Folgeerscheinung  dann  die  Epilepsie 
ist.  Diese  Auffassung  gewinnt  sehr  an  BealitÀt,  wenn  man  be- 
obachtet, daß  ĂŒbererregte  Kranke  in  einem  Zustand  verharren, 
der  jeder  Behandlung  trotzt  ĂŒnd  dann  durch  eine  Krise  in  zauber- 
haft schneller  Weise  davon  befreit  werden.  Diese  Àngstlich  er- 
wartete Krise  stellt  sich  als  eine  wohltÀtige  Entladung  dar,  eine 
Art  katalytische  Wirkung,  deren  Mechanismus  wir  hoffentlich 
noch  einmal  aufdecken  werden. 

Bei  der  Behandlung  von  Anstaltskranken  sind  folgende  Fak- 
toren von  großer  Wichtigkeit:  die  Trennung  von  der  Familie, 
die  Anstaltsdisziplin,  die  Erziehung  zur  Arbeit,  eine  Art  von 
Massensuggestion,  der  wohltĂ€tige  Einfluß  der  persönlichen 
Leitung,  die  frugale  wohl  abgemessene  DiÀt.  Es  sind  besonders 
die  Hystero-Epileptiker,  die  auf  diese  Faktoren  gut  ansprechen. 
Was  bisher  mit  der  medikamentösen  Beeinflussung  der  Enilepsie 
geleistet  wurde,  ist  und  bleibt  symptomatisch;  daher  bleibt  die 
Forderung  bestehen,  dasjenige  herauszusuchen,  was  sich  gegen  die 
Ursachen  des  Uebels  richtet.  Davon  sind  wir  bisher  noch  entfernt. 

Das  Problem  der  Leberinsufficienz  und  die  Salicylatprobe. 

Die  Hauplfunktionen  der  Leber  sind  folgende:  1.  die  gallen- 
erzeugende, 2.  die  glykogenetische,  3.  die  proteolytische,  4.  die  zir- 
kulatorische.  Als  weniger  wichtig  kann  man  beiseite  lassen:  die 
thermogenetische  Funktion,  die  Wirkung  auf  den  Schwefel-Eisen- 
Fettumsatz,  die  Fibrinogenbildunff,  die  HĂ€matolvse  und  die  HĂ€ma- 
topoese,  die  Abwehr  von  Infektionen  usw.  Bemerkenswert  ist, 
daß  trotz  der  vielseitigen  Arbeiten,  die  sie  verrichtet,  die  Leber- 
zelle physiologisch  wenig  differenziert  ist.  Hat  die  Leberinsuffi- 
cienz  einen  betrÀchtlichen  Grad  erreicht,  so  tritt  dem  Arzt  jenes 
bekannte  Krankheitsbild  des  Ikterus  gravis  entgegen.  Die  Be- 
handlungsmöglichkeiten sind  dann  gleich  Null,  die  Prognose 
Ă€ußerst  schlecht,  die  Diagnose  zwar  leicht,  aber  ohne  großes  prak- 
tisches Interesse.  Viel  wichtiger  wÀre  es,  die  Leberinsufficienz 
in  ihrem  Beginn  zu  erkennen.  Viele  FunktionsprĂŒfungen,  die  den 
Anspruch  erheben,  sich  mit  der  Leber'  ausschließlich  zu  befassen, 
leiden  darunter,  daß  die  Leber  eingeschaltet  ist  zwischen  dem 
Verdauungstrakt,  der  absorbiert,  und  der  Niere,  welche  aus- 
scheidet. Der  Verf.  hat  eine  Substanz  gefunden,  die  bei  großer 
Einfachheit  der  Anwendung  und  völliger  UnschÀdlichkeit  doch 
brauchbare  Besultate  geliefert  hat.  Er  geht  dabei  folgender-  - 
maßen  vor:  Eine  Stunde  nach  dem*  1.  FrĂŒhstĂŒck  fĂŒhrt  er  0,04  g 
salizylsaures  Natron  ein  und  prĂŒft  den  zwischen  9—11  Uhr  und 


610 


Aas  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrgang  — Nr.  41  42; 


den  von  11—3  Uhr  gelassenen  Urin.  Der  Urin  wird  tropfenweise 
einer  einprozenligen  Eisenperchlorirlösung  zugesetzt.  Eine  vio- 
lette  Farbwolke,  die  sich  beim  Kontakt  der  beiden  FlĂŒssigkeiten 
bildet,  zeigt  den  positiven  Ausfall  an.  Eine  normale  Leber  ist 
imstande,  die  Gesamtmenge  des  Salicylats  zurĂŒckzuhalten  oder 
mir  so  kleine  Mengen  durchzulassen,  daß  sie  die  Farbreaktion 
nicht  beeinflussen.  Erkrankte  Lebern  lassen  soviel  von  der 
eingefĂŒhrten  Substanz  passieren,  daß  die  Farbreaktion  im  Urin 
bald  deutlich  wird.  Held  (Berlin). 

Ugeskrift  for  Laeger. 

20.  April  1922,  Nr.  16. 

Zwei    FĂ€lle    von    Gastritis    chronica    gravis    bei    Operation  verifioiert. 
BorbjÀrg,  Axel. 
❖Röntgentherapie  hei  Mb.  Basedowii  (Schluß).    Fischer,  I  F. 

Röntgentherapie  bei  Mb.  Basedowii.  Der  Verfasser  hat  im 
ganzen  ca.  500,  sowohl  schwere  als  leichtere  FĂ€lle  von  Mb.  Base- 
dowii, mit  Röntgenstrahlen  in  Serien  behandelt.  In  4/s  der  FÀlle 
ist  entweder  ein  vollstÀndiger  Wegfall  aller  Symptome  oder  eine 
langdauernde  Besserung  konstatiert.  In  keinem  Fall  Ver- 
schlimmerung. Die  Tachycardie  wird  im  allgemeinen  am  wenig- 
sten von  der  Röntgenbehandlung  beeinflußt. 

27.  April  1922,  Nr.  17. 

Untersuchungen  ĂŒber  CholelithiasLS.    Hansen,  S  v  e  n  d. 

4.  Mai  1922,  Nr.  18. 
Studien  ĂŒber  Tuberkulosekost.    Hindhede,  M. 

Methode    zu    Microchlorbestimmung    in    Blut.      I  v  e  r  s  e  n    Povl  und 
Schierbeck,  N.  J. 

11.  Mai  1922,  Nr.  19. 

❖Ueber  das  VerhĂ€ltnis  zwischen  der  Form  des  Thorax  und  Form  und  Lage 
des  Magens.    FĂ€he  r  ,  K  n  u  d. 

Ueber  das  VerhÀltnis  zwischen  der  Form  des  Thorax  und  der 
Form  und  Lage  des  Magens.    Zur  Beurteilung  der  Thorax-Form 

.    a  >.  100 

ist  ein  neuer  Indexe  (der  epi^astrische  Index)  r   ange- 
geben; b  ist  der  LĂ€ngen- Abstand  zwischen  dem  untersten  Rand 
des  Proc  ensiformis  und  dem  Umbilicus;  a  ist  der  Abstand 
zwischen  den  zwei  Kurvaturen  an  einer  Querlinie  durch  den 
Mittelpunkt  von  b  gemessen.  Bei  Röntgenuntersuchungen  wird  ge- 
zeigt, daß  Form  u.  Lage  des  Magens  im  wesentlichen  Grad  bei 
MĂ€nnern  und  bei  Frauen,  die  nicht  geboren  haben,  von  der  Form 
und  den  Demissionen  des  Thorax  und  der  daraus  folgenden  Form 
des  Bauches  bestimmt  werden.  Mit  großer  Thoraxweite  und 
großem  epigastrischem  Index  folgt  ein  kurzer  und  hochliegender 
Magen;  mit  schmalem  Thorax  und  kleinem  epigastrischem  Index 
folgt  eine  lange  Magenform,  die  tief  in  den  Bauch  reicht.  Bei 
Frauen,  die  geboren  haben,  macht  sich  ein  anderer  Àtiologischer, 
ein  rein  exogener,  ‱  oft  sehr  dominierender  Faktor  geltend,  nĂ€m- 
lich der  Mangel  an  der  UnterstĂŒtzung  des  Magens  in  der  Bauch- 
höhle wegen  der  Schlaffheit  der  Bauchdecke.  Dieser  Faktor 
wird  eine  VerlÀngerung  des  Magens  bewirken.  In  derselben 
Weise  können  Abmagerung  zur  VerlÀngerung  und  starkes  Zu- 
nehmen des  Fettpolsters  zur  VerkĂŒrzung  und  Heben  des  Magens 
beitragen. 

18.  Mai  1922,  Nr.  20. 

Ein  Respirationsapparat  zur  klinischen  Bestimmung  des  menschlichen  Ener- 
gieumsatz.   K  r  o  g  h  .  Arnold. 

25.  Mai  1922,  Nr.  21. 

Ueber  die  Schicksche  Reaktion  und  aktive  Immunisierung  bei  Diphtherie. 
J.u  u  1  ,  L.  . 
❖Konstantes  Verschwinden  von  orthotischer  Albuminurie  wĂ€hrend  der  Gra- 
viditÀt.   iS  y  1  v  e  s  t  ,  E  i  n  a  r. 

Konstantes  Verschwinden  von  orthotiseher  Albuminurie  wÀh- 
rend der  GraviditĂ€t.  WĂ€hrend  3  GraviditĂ€ten  vom  19. — 27.  Jahre 
verschwand  das  Albumen  im  Harn,  aber  es  zeigte  sich  gleich 
wieder  nach  der  Geburt.  Die  Albuminurie,  die  zum  1.  Mal  kon- 
statiert war  als  die  Patienten  10  Jahre  alt  war,  war  immer  vom 
orthotischen  Typus.  Pool  Hertz  (Kopenhagen). 

El  siglo  medico,  'Madrid. 

20.  Mai  1922,  69.  Nr.  3571. 

Die    praktische    AusnĂŒtzung    der    Streustrahlung    in    der  Tiefenthe'iapie. 
R  a  t  e  r  a.  537. 

Paraplegie  nach  Grippe,  hervorgerufen  durch  umschriebene  seröse  Menin- 
gitis. Lafora,  G.  R.  r.10. 
❖Die  einsilbige  Antwort  als  Symptom  der  Paralyse.    Montesino,  V.  D.  542. 

Die  Injektion  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie.    Marin  Amat, 
M.  542. 

GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.    M  a  r  a  ii  o  n  Y 
P  o  s  a  d  i  1  1  o  .  D.  G.  545. 


Die  einsilbige  Antwort  als  Symptom  der  Paralyse.  Verfasserl 
macht  darauf  aufmerksam,  daß  als  FrĂŒhsymptom  der  Paralys« 
oft  auf  Fragen,  die  mit  einer  Bejahung  oder  einer  Verneinung! 
beantwortet  werden  mĂŒssen,  mit  einem  einfachen  ja  oder  nein  ge>l 
antwortet  wird  (im  spanischen  si  oder  no)  anstatt,  wie  es  alli 
gemein  bei  allen  StĂ€nden  ĂŒblich  ist:  Ja,  Herr  resp.  nein,  Herr  (Sa 
.seĂŒor  resp.  No  senor).  Lurje.  | 

27.  Mai  1922,  69,  Nr.  3572. 

Cajal,  seine  Persönlichkeit,  ßein  Werk,  seine  Schule.   Cortezo,  C.  M.  562^ 

❖Die  Autovaccine  bei  der  Kataraktoperation.    Catresana,  B.  565. 
Die   praktische    Ausnutzung    der   Streustrahlung    in     der  Tiefcntherapiℱ 

Eatera.  568. 

Di«  Injektion  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie.    Marin  Amat,  ifl 

571. 

❖Paraplegie  nach  Grippe,  hervorgerufen  durch  umschriebene  seröse  MeninJB 

gitis.    Lafora,  G.  R.  572. 
GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  innereai  Sekretion.    Maratio  n4 

P  o  s  a  d  i  1  1  o  ,  D.  G.  574. 

Die  Autovaccine  bei    der  Kataraktoperation.    Verfasser  be-S 
richtet  ĂŒber  25  FĂ€lle  von  Kataraktoperationen,  bei  denen  er  zur 
VerhĂŒtung  von  Infektionen  und  nachfolgender  Panophthalmitial 
eine  Behandlung  mit  Autovaccine  anwandte.   Es  waren  dies  alles 
FÀlle,  bei  denen  schon  lÀnger  eine  Conjunktivitis  bestand  und  in 
dem  Sekret  Streptokokken,  Pneumokokken  usw.  gefunden  wuri 
den.    Die  Behandlung  bestand  darin,  daß  eine  Autovaccine  her-1 
gestellt  wurde;    dann  erfolgten  7  Injektionen  subkutan;  zuersfl 
0,5  cem  (50  Millionen  Keime)  die  nĂ€chsten  Male  um  2 — 3  Teilstriche^ 
steigend,  in  AbstĂ€nden  von  2 — 3  Tagen.   Unmittelbar  im  Ansehlußr 
an  die  7.  Injektion  wurde  operiert.    Der  Erfolg  war,  daß  miß 
Ausnahme  von  2  FĂ€llen  —  die  allerdings  auch  nicht  nach  diese» 
Vorschrift  behandelt  waren  und  bei  denen  eine  leichte  EntzĂŒn- 
dung eintrat  —  alle  reaktionslos  heilten. 

Paraplegie  nach  Grippe  hervorgerufen    durch  umschriebene 
seröse  Meningitis.   Frau  von  35  Jahren  erkrankt  im  Februar  192(8 
an  Gripp«.   Beim  Aufstehen  aus  dem  Bette  kann  sie  nur  mit  Hilfet 
eines  Stockes  gehen;  auch  verspĂŒrte  sie  eine  HyperĂ€sthesie  des! 
unteren  Teiles  des  Rumpfes  und  der  Beine.   Die  SchwÀche  in  den 
Beinen  nahm  zu,  so  daß  sie  von  April  1920  an  nicht  mehr  laufe» 
konnte.    Dann  machte  sich  auch  Urinretention  bemerkbar.  Sie 
bekam  ParĂ€sthesien  in  den  Beinen  und  den  Fußsohlen  und  da« 
linke  Bein  schwoll  an.   Sie  hatte  starke  Schmerzen  in  der  Regio* 
lumbosacralis,  dagegen  keine  in  den  Beinen.    Im  MĂ€rz  1921  kam-" 
sie  zur  Behandlung. 

Die  neurologische  Untersuchung  ergab:  gesteigerte  PatellarS 
reflexe,  besonders  links,  ebenso  gesteigerte  Achillessehnenreflexei 
Fußklonus  links.  Keine  pathologischen  Großzehen-  und  Fuß^« 
sohlenreflexe,  HyperÀsthesie,  entsprechend  den  Wurzeln  dors." 
12,  lumb.  1-3,  sacr.  4  und  5.  Keine  Dissoziation  der  SensibilitÀt^ 
Lumbalpunktion,  bei  der  20  cem  Liquor  abgelassen  wurden.^ 
13  Tage  spÀter  hatten  die  Schmerzen  sehr  nachgelassen,  Patellar-* 
reflex  rechts  normal,  links  nur  noch  wenig  gesteigert.  Die  hypeng 
Ă€sthetischen  Zonen  sind  kleiner  geworden.  Die  Kranke  kann| 
etwas  das  linke  Bein  bewegen.  5  Tage  spÀter  erneute  Punktion: 
es  wurden  15  cem  Liquor  abgelassen.  10  Tage  spÀter:  normal^ 
SensibilitÀt.  Urinretention  verschwunden.  Bewegung  der  Beine? 
besser,  linker  Patellarreflex  noch  etwas  gesteigert.  Einige  Tage 
spÀter  fÀngt  Patientin  an  zu  gehen;  im  August  1921  völlig  wieder^ 
hergestellt.  Verfasser  schreibt  die  Heilung  der  Lumbalpunktion 
zu.  Lurje. 

Archivos  Esparioles  de  Pediatria,  Madrid. 

MĂ€rz  1922,  6,  Nr.  3. 

❖Encephalitis  epidemica  und  jugendliche  Chorea.    A  1  f  a  r  o  ,  G.  A.  130. 
Hypernephrom  bei  einem  Kinde.    Juaristi  und  Airaiza.  142. 
Toleranz  des  Kindes  gegen  Suprarenin.    S  o  1  e  r  ,  B.  147. 

Encephalitis  epidemica  und  jugendliche  Chorea.  Zu  den  FĂ€l- 
len von  Encephalitis  sind  auch  die  sporadisch  auftretenden  FĂ€lle: 
von  Chorea  electrica,  Chorea  Dubini  und  von  der  konvulsiveℱ 
Form  des  Gehirntyphus  zu  rechnen.  Weiter  auch  die  fieberhaften! 
FÀlle  von  Chorea.  Die  Chorea  von  Sydenham  ist  eine  leicht« 
Encephalitis  mit  der  Hauptbeteiligung  des  Corpus  striatum. 

Lurje. 

II  Policlinico,  Rom,  Sezione  Pratica. 

24.  April  1922,  29,  Nr.  17. 

Ueber  den  Eiweißabbau  in  der  ZerebrospjnalflĂŒssigkeit.    A  i  e  1 1  o  ,  G.  037. 
Teno-Synovial-Zysten  und  Tuberkulose.    Antongiovanni,  G.  B.  5ĂŒM 
❖Ueber  einen  schweren  Fall  von  eitriger  Gonokokkenarthritis.    B  a  s  i  1  i  o  ,  5f«B 

544. 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


lieber  einen  schweren  Fnll  von  eitrigem  <*onoknkkcnrlieuma- 
tismus.     Arthritis  gonorrhoica   des  carpo-radial  Gelenkes  mit 
schwei-  eitrigem   Verlauf,  daran  anschließend  septische  Allge- 
Uneininfcktion.    Trotz   AusrÀumung    des    Gelenks  langdauernde 
RĂŒckfĂ€lle  und  erst  nach  Monaten  Heilung.     Cordes  (Berlin). 


1.  Mai  1922,  29,  Nr.  18. 

Dio  auf  Asthma  beruhend« 
der  Kinder.    S  q  u  a  r  ti, 


♩Ueber  zwei  Falle  pleurigencr  AsthmaanfĂ€lle 
Pleuritis.    Baccaranl,  U.  060. 

♩Seltene  .nervöse  Begleiterscheinungen  bei  Malaria 
G.  571. 


Ueber  zwei  FÀlle  pleurigener  AsthmaanfÀlle.  Dio  auf 
Asthma  beruhende  Pleuritis.  Zwei  heftige  AsthmaanfÀlle  im 
Anschluß  einer  Probepunktion  der  Pleura  wegen  Pleuritisver- 
dacht. Warnung  der  Vornahme  einer  solchen  bei  Asthmakranken. 

Wenig  bekannte  nervöse  Begleiterscheinungen  bei  Malaria 
der  Kinder.  Die  verschiedenen  Formen  der  Malaria  verschonen 
Kinder  jeglichen  Alters  nicht.  Es  zeigen  sich  dabei  eklamptische 
lind  comatöse  AnfÀlle,  ebenso  von  den  Meningen  ausgehende  Er- 
scheinungen in  Form  des  Meningismus,  sowie  der  Meningitis. 
»Verfasser  belegt  seine  AusfĂŒhrungen  mit  FĂ€llen.  Die  Therapie 
ist  die  gebrÀuchliche.  Cordes  (Berlin). 


8.  Mai  1922,  29,  Nr.  19. 

Die  unspezifische  Protointherapie  in  Praxis  und  Theorie.  B  e  1  f  a  n  t  i,  S.  601. 
Kasuistik  der  Patellarfrakturcn.    Tessier,  G.  609. 


15.  Mai  1922,  29,  Nr.  20. 

♩Die  unspezifische  Proteintherapie  in  Praxis  und  Theorie.   B  e  1  f  a  n  t  i,  S.  637. 

Interne  Behandlung  hei  Leberabszeß  durch  Amoeben.    F  a  I  z  i  ,  O.  648. 
♩Vereinfachung   und  praktische    Gestaltung    der    Indikanuntersuchung  dos 
Urins.    S  e  b  a  s  t  i  a  n  i  ,  V.  653. 

Die  unspezifische  Proteintherapie  in  Praxis  und  Theorie. 
Die  Proteine,  hauptsÀchlich  bakteriellen  Ursprungs,  sind  vor- 
treffliche Waffen  in  den  HĂ€nden  dessen,  der  sie  zu  gebrauchen 
versteht.  Sie  genĂŒgen  aber  nicht  immer  den  Anforderungen. 
Es  ist  nötig  zu  wechseln,  um  dasjenige  zu  finden,  das  fĂŒr  den 
betreffenden  Fall  das  nĂŒtzlichste  und  sich  best  bewĂ€hrende  ist. 

Eine  Vereinfachung  und  praktische  Gestaltung  der  Indikan- 
untersuchung im  Urin.  SchlÀgt  vor,  an  Stelle  der  reinen  Salz- 
sÀure die  im  Handel  befindliche  gewöhnliche  zu  verwerten,  und 
land  bei  deren  Bewertung  durchaus  eindeutige  Resultate. 

Die  SalzsÀure  wurde  vor  Benutzung  mit  mindestens  2  pro 
Mille  pulverisierten  Rost  oder  EisenspÀnen  versetzt.  In  letzterem 
Falle  mĂŒssen  mehrere  Tage  vor  Anwendung  des  Reagens  ver- 
gehen. Man  mischt  V3  Urin  mit  %  der  Lösung  und  wartet  5  bis 
10  Minuten  und  fĂŒgt  alsdann  2—3  cem  Chloroform  unter 
SchĂŒtteln  zu.  Nach  der  Waschung  vor  dem  Eisenchlorid  erscheint 
das  Chloroform  blau  oder  violett.  Cordes  (Berlin). 

La  Clinica  Pediatrica,  Modena. 
4,  Nr.  1. 


Osteosarkom  des  Wadenbeins.    B  e  r  g  a  m  i  n  i  ,  Mi  l. 

Statistisches  ĂŒber  Poliomyelitis  anterior  acuta  in  Italien. 
11. 


H  i  m  o  n  i  n  i  .  11. 


Rivista  Ospedaliera,  Rom. 

15.  Februar  1922,  12,  Nr.  3. 

♩Endocardltis  lenta.   Alessandri,  C.  61. 
..♩Indikationen  zur  diagnostischen  Cystoskopie.    Pirondini,  E.  59. 

Ueber  Endokarditis  lenta.  Im  Anschluß  an  vier  in  der  vorigen 
Nummer  veröffentlichte  FÀlle  bespricht  der  Autor  zunÀchst  die 
Geschichte  der  Endokarditis  im  allgemeinen  und  geht  dann  auf 
den  Symptomenkomplex  der  Endokarditis  lenta  im  besonderen 
ein:  Allgemeine  vage  Schmerzhaitigkeit  in  den  Gelenken  und  in 
der  Muskulatur,  rapid  fortschreitende  und  schwere  AnÀmie,  an- 
haltendes remittierendes  oder  intermittierendes  Fieber  ohne 
SchĂŒttelfrost,  teils  spontan,  teils  auf  Druck  schmerzhafte  Milz, 
sahireiche  Komplikationen  (Embolien,  Pleuritiden,  Pneumonien, 
Nephritiden)  und  die  Anwesenheit  des  Streptokokkus  viridans  im 
Blute.'  Der  Tod  tritt  nach  einem  bis  zwei  Jahren,  oft  schon 
innerhalb  von  vier  bis  sechs  Monaten  ein.  Ueber  die  spezifische 
Bedeutung  des  SchotlmĂŒllerschen,  Streptokokkus  besteht  noch 
ceine  Einigkeit,  da  es  auch  maligne  Endoka rditiden  von  schleichen- 
lem  Verlaufe  gibt,  die  durch  andere  Keime  verursacht  werden 
cönnen.  Alessandri  schlĂ€gt  deshalb  fĂŒr  alle  FĂ€lle,  in  denen  dieser 
Vlikroorganismus  mit  Bestimmtheit  nachgewiesen  werden  kann, 
lie  Bezeichnung  vor:  „Endokarditis  maligna  subacuta  vom  Slrep- 
okokkus  viridans." 


Die  DringUchkeitsindikationea  der  diagnostischen  CystöBkopie. 
Bei  HĂ€maturien  ohne  sonst  igen  klinischen  Befund,  ohne  mikro- 
skopische Pyurie  oder  Zylindruric  bilde!  die  Cystoskopie  ein  wert- 
volles "diagnostisches  Hilfsmittel.  Freilich  ist  eine  einwandfreie 
Technik  erforderlich  und  die  Vermeidung  diagnostischer  InlĂŒmer. 
So  können  Blutgerinnsel  in  der  Harnblase  dem  UngeĂŒbten  Ulzera- 
tionen  oder  gar  Tumoren  vortÀuschen  Bei  der  Kombination  von 
Cystoskopie  mit  Ureterenkalheterisnius  ergeben  sich  die  folgenden 
fĂŒr  die  Beurteilung  der  HĂ€maturie  entscheidenden  Möglichkeiten: 

1.  Die  Cystoskopie  ist  negativ,  der  Kalhelerismus  beider  Ure- 
teren  ergibt  eine  einseitige  renale  HĂ€maturie; 

2.  Die  Cystoskopie  ist  negativ,  und  der  Kalheterismus  beider 
Ureteren  ergibt  eine  beiderseitige  renale  HĂ€maturie. 

3.  Die  Cystoskopie  ermittelt  einen  ausreichenden  Grund  fĂŒr 
die  HĂ€maturie. 

4.  Man  sieht  eine  leichte  HĂ€maturie  aus  der  Halsgegend  am 
Cystoskop  allein  bei  negativem  Befund  des  Ureterenkatheterismus. 

L.  K  a  n  n  e  r. 

Paris  niedicai. 

6.  Mai  1922,  12,  Nr.  18. 

Die  ErnÀhruugskraukheiten  1922.    Linossier  u.  Mourd.  361. 
Der  infantile  Diabetes  und  seine  Behandlung.    L  a  b  b  e.  371. 
Einige    Bemerkungen    ĂŒber    die     Behandlung    des     schweren  Diabetes. 
B  1  u  in.  378. 

Das  Gleichgewicht  in  der  DiÀt.    Anwendung  auf  den  Diabetes.    B  i  e  r  r  y 
u,  Eethcry.  381. 

♩Kindliche  Fettsucht  und  endokrine  DrĂŒsen.    Lereboullet.  386. 

Kindliehe  Fettsucht  und  endokrine  DrĂŒsen.    Der  thyreogenen 
und  hypophyseogenen  Fettsucht  mit  mangelhafter  Genitalentwick- 
lung .  steht    die    epiphysĂ€re    gegenĂŒber    mit    rapidem  Wachs- 
tum   frĂŒhzeitiger    abnormer   Entwicklung    der   Genitalien  und 
Zunahme  des  Haarwuchses.    Neben  den  Symptomen  eines  Hirn- 
tumors kann  dabei  allerdings  die  Fettsucht  vollkommen  fehlen, 
sie  scheint  sekundÀrer  Natur  zu  sein,  indem  die  Alteration  der 
ZirbeldrĂŒse  auf  den  dritten  Ventrikel  und  damit  auf  die  darunter- 
liegende Hypophyse  ĂŒbergreift.    Ebenso  selten  ist  die  adrenale 
Fettsucht,  die  sich  von  den  anderen  lediglich  durch  frĂŒhzeitige 
abnorme  Genitalentwicklung  und  allgemeine  Hypertrichose  unter- 
scheidet.   Genitale  Fettsucht:  bei  kleinen  Knaben  nach  Mumps 
oder  als  Folge  der  Syphilis  und  der  Tuberkulose,  wenn  sich  eine 
bilaterale  Atrophie  des  Hodens  entwickelt  oder  nach  zufÀlliger 
oder  freiwilliger  Kastration,  auch  nach  Kryptorchismus.  HĂ€ufi- 
ger bei  MÀdchen  in  der  NÀhe  der  PubertÀt,  wenn  die  normal  ein- 
gesetzte Regel  plötzlich  ausbleibt.   In  fast  all  diesen  FÀllen  sind 
stets  mehrere  innere  DrĂŒsen  beteiligt  vielleicht  manchmal  unter 
PrĂ€donĂŒnanz  der  Thyreoidea   oder   der  Hypophyse.  Außerdem 
spielen  noch  andere  Faktoren  mit:   exzessive  ErnÀhrung,  sitzende 
Lebensweise,  HereditÀt,  dann  toxische,  infektiöse,  so  die  Tuber- 
kulose namentlich  die  chirurgische,  die  angeborene  Syphilis.  End- 
lich spielt  noch  der  nervöse  Faktor  mit.  Die  myxödematöse  Idiotie 
weist  nach  Brissaud  auf  das  Gehirn  hin  als  großes  trophisches  die 
WachstumsphÀnomene  dominierendes  Zentrum.    Dies  kann  auch 
bei  allen  Hydrocephalen  angezogen  werden.     Man  weiß  jedoch 
noch  wenig  hierĂŒber.    Hinsichtlich  der  Diagnose:  die  allgemeine 
Fettsucht  ist  im  Gegensatz  zur  endokrinen  diffus,  lĂ€ĂŸt  HĂ€nde  und 
FĂŒĂŸe  grazil,  wĂ€hrend  letztere  mehr  zirkumskript  ist:  subclavicu- 
lÀre  Pseudolipome  mit  Schmerzen,  was  allerdings  auch  bei  der 
diffusen  Form  vorkommen  kann.  Endokrinen  Ursprungs  ist  auch 
die  Lipodystrophia  progressiva  (obere  Körperpartie  bleibt  mager). 
Sonst  sind  die  einzelnen  Erscheinungen  von  Seiten  der  einzelnen 
DrĂŒsen  zu  berĂŒcksichtigen.    Therapie:  Opotherapie,  daneben 
J,  P,  spezifische  Behandlung,  wo  nötig. 

Am  SchlĂŒsse. 

Nach  Clouet  ist  die  Behandlung  der  Gicht  leicht.  Es  genĂŒgt: 
%  Pfund  GleichgĂŒltigkeit,  ebensoviel  Entschluß,  davon  mit  dem 
Saft  Geduld  eine  Infusion.  Kein  Prozeß,  viel  Frohsinn,  2  Unzen 
Geselligkeil  mit  2  Drachmen  Bewegung,  keine  Sorge,  kein  Neid, 
S  gute  Gramm  -Ergebenheit,  keine  neue  Meinung.  Das  ganze 
mischen  und  davon  nach  GutdĂŒnken  morgens  und  abends  mit  einem 
SchlĂŒckchen  Wein,  wirst  Du  damit  dem  Arzt  ein  Schnippchen 
schlagen.  v.Schnitzer. 

Lyon  Medical,  Lyon. 

25.  MĂ€rz.  1922,  131,  Nr.  o. 

♩Arthrodese    der  HĂŒtte    bei    chronischer  nicht  tuberkulosei-  Arthritis.  Du- 
rand, M.  235. 


612 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


Die  Arthrodese  der  HĂŒfte  bei  gewissen  chronischen,  nicht- 
tuberkulösen Arthritiden.  Gewisse  chronische,  nicht  tuberkulöse 
Arthritiden  der  HĂŒfte  können  infolge  der  auftretenden  Schmer- 
zen und  der  FunktionsuntĂŒchtigkeit,  die  sich  danach  einstellt,  eine 
operative  Behandlung  rechtfertigen.  Wenn  man  entschlossen  ist, 
bei  solchen  Kranken  die  Befreiung  von  ihren  ernsten  Störungen 
durch  Ankylosierung  zu  erreichen,  so  kann  man  versuchen,  diese 
Ankylose  durch  Arthrodese  zu  bewirken.  Verfasser  hat  dieses 
Verfahren  bei  einem  55  jÀhrigen  Manne  angewandt,  der  seit 
seinem  24.  Lebensjahre  durch  eine  chronische  Arthritis  in  fort- 
schreitendem Maße  behindert  wurde.  Konservative  Behandlung 
hatte  ihm  keine  Erleichterung  gebracht;  auch  die  Ruhelage 
brachte  die  Schmerzen  nicht  zum  Verschwinden.  Das  Resultat 
der  Arthrodese,  deren  Technik  ausfĂŒhrlich  beschrieben  wird,  wai- 
in  jeder  Beziehung  befriedigend:  der  Kranke  ĂŒbt  heute  den  Be- 
ruf eines  KohlentrÀgers  aus.  Held  (Berlin). 

10.  April  1922,  131,  Nr.  7. 
Technik  der  »wei«*atig*n  Prostatektomie.    G  a  y  e  t ,   G.  181. 

The  British  medical  Journal,  London. 

6.  Mai  1922,  Nr.  3201. 

Behandlung  der  Paralyse  bei  Kindern.    Jones,  R.  705. 
Einfluß  der  Industrie  auf  die  Gesundheit.    G  r  e  e  n  w  o  o  d.  7Ü8. 
♩Der  Wert  der  Vakzinbehandlung  des  Keuchhustens.    Paterson,  D.,  und 
Smellie,  J.  Jf.  713. 
Arteriovenöses  Aneurysma,  behandelt  mit  Unterbindung  der  linken  A.  subcla- 
via.   Noon,  C.  714. 
ron  den  Bergh's  Gallenfarbstoffprobe.    Me.  Nee,  J.  W.  716. 
❖Aetherextrakt  von  Erdbeeren  bei  der  Spruebehandlung.    C  a  s  t  e  1 1  a  u  i  ,  A. 
und  Bowening,  K.  C.  718. 
Hydrone'phrose  durch  aberrierende  Art.  renalis.    B  e  v  e  r  s  ,  E.  0.  718. 

Der  Wert  der  Vakzinbehandlung  des  Keuchhustens.  Verf. 
haben  eine  Anzahl  Kinder  mit  einem  gemischten  Vakzin  aus 
Keuchhusten  und  Pfeiffers  Influenzabazillen  und  Pneumokokken 
behandelt.  Die  Injektionen  sind  ziemlich  schmerzhaft  und  der 
Effekt  so  minimal,  daß  die  Verf.  empfehlen,  diese  Behandlung 
nicht  anzuwenden.   Ohne  Vakzin  geht  es  ja  gerade  so  gut. 

Aetherextrakt    von    Erdbeeren    bei    der  Spruebehandlung. 

Frische  Erdbeeren  werden  mit  x/„n  des  Gewichtes  absoluten  Alko- 
hols verrieben  und  filtriert;  das  Filtrat  wird  mit  Aether  wÀhrend 
einigen  Tagen  extrahiert;  der  Aether  wird  in  Vacuo  ĂŒber  P205 
abgedampft  und  der  Rest  mit  etwas  StÀrke  oder  Laktose  gemischt. 
Man  erhÀlt  dann  eine  rote  Masse,  die  intensiv  nach  Erdbeeren 
riecht.  In  einigen  FĂ€llen  von  Sprue  hatte  die  Verabreichung  die- 
ser Masse  einen  guten  Erfolg.  Da  aber  noch  ganz  vereinzelte 
FĂ€lle  auf  diesem  Wege  behandelt  sind,  betrachten  Verf.  ihren 
Aufsatz  als  eine  vorlÀufige  Mitteilung.         K  o  o  p  m  an  ,  Haag. 

13.  Mai  1922,  Nr.  3202. 

♩Das  Humoralsyndrom  bei  Gicht.    Chauffard,  A.  745. 
Pyelographie.    K  i  d  d  ,  T.  748. 

Der  Einfluß  der  Industrie  auf  die  Gesundheit.     G  t  e  ■  ■>  \v  o  Ö  d.  752. 
Aneurysmen  der  Brustaorta.    E  r  a  n  n  i  n  g  ,  J.  758. 

Eine  modifizierte  Whiteheadsche  HĂ€morrhoidenoperatiou.   O  '  C  o  n  o  r,  J.  759. 

Das  Humoralsyndrom  bei  Gicht.  Wenn  man  bei  Hunden  den 
HarnsÀuregehalt  des  Blutes  in  der  Vena  portae  und  hepatica 
I  estimmt,  findet  man,  daß  nur,  wenn  die  Tiere  eine  purinreiche 
Nahrung  erhalten,  die  Vena  portae  mehr  HarnsÀure  enthÀlt,  als 
das  Blut  in  der  V.  hepatica.  Chauffard  glaubt,  daß  bei  Gicht 
eine  Funktionsstörung  der  Leber  vorliegt,  und  daß  die  Leber 
die  HarnsĂ€ure,  die  ihr  aus  dem  Darme  zugefĂŒhrt  wird,  nicht 
verarbeiten  kann,  also  daß  eine  Insuffizienz  der  Urikolyse  in  der 
Leber  besteht.  Es  gibt  nicht  nur  eine  große  Menge  HarnsĂ€ure 
im  Blute,  sondern  auch  in  den  Geweben.  (Gudzents  Uratphistechie 
wird  natĂŒrlich  nicht  erwĂ€hnt.  Die  ganze  betrĂ€chtliche  deutsche 
Gichtliteratur  scheint  dem  Verf.  unbekannt  zu  sein.) 

K  o  o  p  m  a  n  (Haag). 

The  Lancet. 

20.  Mai  1922,  202,  Nr.  5151. 

Ein  Fall  von  intermittierendem,  komplettem  Herzbloek,  wahrend  12  Jahren 
beobachtet.    Russell  Wells,  S,  und  Wiltshire,  H.  W.  984. 

Acht  Falle  von  Laesionen  des  His'schen  BĂŒndels.  Fangeres  Bishop. 
L.  987. 

Cardiospasmus.    Scott.    G.  E.  988. 
❖Eine  Methode  zur  Behandlung  von  Abszessen.    K  e  1  1  o  e  k  ,  T.  H.  990. 
Ein  Fall  von  latentem  Abszess  im  SchÀdel.    Uasto,  M.,  und  O  w  e'n',  S.  A. 
992. 

Neuritis,  durch  ein  Pulshorlpge  verursacht.    S  t  o  p  f  o  r  d.  993. 


Eine  Methode  zur  Behandlung  von  Abszessen.  Im  allgemeinen 

öffnet  man  den  Abszess  im  tiefsten  Punkt.  Verf.  empfiehlt  dagegen, 
den  Abszess  so  hoch  wie  nur  möglich  zu  öffnen  und  zu  drainieren 
und  durch  diese  Oeffnung  die  Höhle  wiederholt  mit  einer  anti- 
septischen  Lösung  zu  fĂŒllen.  Wenn  man  Streptokokken  oder 
Staphylokokken  findet,  soll  man  eine  Flavinlösung  1:1000  verwen- 
den, aber  nicht  lĂ€nger  als  6 — 7  Tage,  da  sonst  die  Heilung  ver- 
langsamt wird.  K  o  o  p  m  a  n  ,  Haag. 

27.  Mai  1922,  202,  Nr.  5152. 

❖Syphilis  in  der  allgemeinen  Praxis,    d  '  A  r  e  y  P  o  w  e  t.  1085. 

❖SchilddrĂŒse  und  weibliehe  Beckcnergane.    AV  i  1  s  n  n  ,  C.  M.   und  1>  o  u  r  n  c'i 
A.  W.  1038. 

Prognose  bei  der  Zuckerkrankheit.    Lyon,  D.  M.  104a. 
Aneurysma  suhclaviae  mit  Halsrippen.    Moore,  C.  A.  1045. 
Die  Blutversorgung  des  Xucl.  dentatus  im  Kleinhirn.    S  h  e  1  1  s  h  e  a  r  .  J. 
L.  1046. 

Syphilis  in  der  allgemeinen  Praxis.  Verfasser  hat  eine  ĂŒber- 
aus große  Erfahrung.  Es  ist  ihm  aufgefallen,  daß  viele  FĂ€lle  von 
Syphilis  verkannt  werden,  weil  der  Arzt  meint,  die  Person  oder 
die  Stellung  des  Kranken  mache  Syphilis  unwahrscheinlich.  Weiter' 
wird  die  Syphilis  oft  verkannt,  wenn  eine  sehr  lange  Latenz 
zwischen  Infektion  und  Svmptomen  besteht.  Außerordentlich 
hÀufig  sieht  man  das  bei  der  heriditÀren  Svphilis.  Diese  Kranken 
haben  oft  gar  keine  Erscheinungen,  bis  ein  kleines  Trauma  mit 
einemmal  eine  sehr  schwere  Erkrankung  hervorruft.  Auch  ganz 
unbedeutende  Infektionen  können  eine  latente  Lues  zum  Ausbruch 
bringen. 

SchilddrĂŒse  und  weibliche  Beekenorsane.  Bei  der  Stoffwechsel- 
Untersuchung  der  Schwangeren  findet  man  in  vielen,  aber  nicht  in 
allen  FÀllen  einen  erhöhten  Grundumsatz.  In  vielen  FÀllen  ver- 
schwindet diese  Steigerung  des  Stoffwechsels  sehr  bald  nach  der 
Geburt,  aber  es  gibt  FĂ€lle,  wo  der  Stoffwechsel  sehr  lange  er- 
höht bleibt.  In  diesen  FÀllen  findet  man  oft  Menorrhagien  und 
Ueberfunktion  der  SchilddrĂŒse.  Es  gibt  FĂ€lle  von  Menorrhagien^ 
wo  keine  gvnÀkoloeische  Erkrankungen  gefunden  werfen  und  wo 
keine  einzige  Behandlung  hilft.  Nur  wenn  man  die  SchilddrĂŒse 
mit  X-Strahlen  behandelt,  hören  die  Blutungen  auf.  Man  sieht  dann 
auch  den  erhöhten  Grundumsatz,  wenn  dieser  besteht,  zur  Norm 
zurĂŒckfallen.  Koopman  (Haag). 

The  Journal  of  Neurology  and  Psychopathology,  Bristol. 

1922.  3.  Nr.  9. 

❖Ueber    Kausalgie    und    verwandte    schmerzhn.fte    ZustĂ€nde,    die  entsteh 
durch  Verletzung  peripherer  Nerven.  Carter. 

❖Hemmung   und   Erregung    im    Zentralnervensystem.     Graham  Brow 

❖Psychopathologie    und   die   Theorie   der   psychopathischen  Vererbung. 
"  S  u  t  t  y. 

❖Betrachtungen  ĂŒber  die  Behandlungen  der  spastischen  Paralyse.    G.  Gor 

d  o  n. 

❖Erythromela!g;e,  Causalgie  und  verwandte  ZustĂ€nde.    S.  C  e  1 1  y. 
Suggestion,  Autosuggestion  und   Psychoanalyse.    William  Brow  n. 

Kausalsrie  und  verwandte  schmerzhafte  ZustÀnde,    die  ent- 
stehen   durch  Verletzung    peripherer    Nerven.    Unter  Causalgi 
(Thermaleie"!  versteht  man  einen  Ă€ußerst  schmerzhaften  Zustan 
der  nahezu  völlig  beschrÀnkt  ist  auf  die  sensoTisch^n  Gebiete  de 
Nervus  medianus  und  Ischiadicus.    Es  werden  6  FĂ€lle  unter  30" 
untersuchten    Nervenverletzungen    zusammengestellt.  Leichte 
VerÀnderungen  von  Nervenschmerzen    kommen    aber  bedeute 
hĂ€ufiffer  vor.   Die  Causalgie  schließt  sich  meistens  an  unvollstĂ€n 
dige  Nervenunterbrechung  und  ausgedehnte  Narbenbildung  in  de 
NĂ€he  des  Nerven  an.  Die  Symptome  sind  Ă€ußerst  heftiger  brennen- 
der unertrĂ€glicher  Schmerz  im  Fuß  oder  in  der  Hand,  besonders  bei 
der  leichtesten  BerĂŒhrung,  Unmöglichkeit  das  Glied  zu  benutzen. 
HĂ€ufiger  leichte  Paresen  in  einzelnen  Muskelgrupnen  und  Muskel- 
atrophie,  besonders  infolge  UntÀtigkeit,  vereinzelt  auch  Muskel- 
kontrakturen, Vasomotorische  VerÀnderungen  sind  stets  in  erheb- 
licher Ausdehnung  vorhanden,  vermehrte  Schweißsekretion,  tro- 
phische  VerÀnderungen  besonders  an  den  NÀgeln.  Knochen  und 
Haut.    SensibilitĂ€tsverĂ€nderunsen    besonders  auf  leichte  BerĂŒh- 
rung und  Schmerz.    Die  Glieder  waren  zum  Teil  sehr  heiß,  in 
anderen  FÀllen  ganz  kalt.   Sehnenreflexe  meist  etwas  erhöht.  Die 
Ursache  dieser  Causalgie  ist  eine  intraneurale  und  perineurale 
Sklerose,  durch  welche  afferente  Impulse  der  Subcortex  und  der 
Cortex  zugefĂŒhrt  werden,  die  efferente  Reaktionen  auslösen,  vaso- 
dilatorischen,  sekretorischen  und  trophischen  Charakters,  welche 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


Buchbesprechungen 


dann  sekundÀr  als  Schmerz  empfunden  werden.  Die  Ursache,  dall 
fiur  im  Nervus  ischiadicus  und  medianus  die  schweren  Erschci- 
tungen  ausgelöst  werden,  beruht  wahrscheinlich  auf  der  innigen 
.Verbindung  von  sympathischen  Fasern  mit  diesen  Nerven.  Die 
Behandlung  der  Causalgie  ist  nur  erfolgversprechend  Ihm  chirur- 
gischem \  orgehen.  Resektion  des  erkrankten  Abschnittes  mit  se- 
kundÀrer Naht  zeitigt  die  besten  Erfolge.  Alkoholinjektionen  sind 
nur  von  vorĂŒbergehenden  Besserungen  begleitet,  ebenso  Neuro- 
lyse.  Sehr  gute  Abbildungen  sind  der  ausfĂŒhrlichen  Arbeit  bei- 
gegeben. 

Hemmung  und  Erregung  im  Zentralnervensystem.  Die  Frage, 
ob  Reizung  und  Hemmung  in  antagonistischen  Aiuskein  bei  Bewe- 
gungen in  vollkommen  gleicher  \Veise  erfolge,  wie  Sherringlon 
Beinte,  beantwortet  B.  nach  Untersuchungen  an  geeigneten  Indi- 
viduen dahin,  dal)  der  Hemmungsimpuls  bei  starker  beugung  grö- 
ßer ist  als  solcher  bei  leichter  beugung  und.  umgekehrt,  so  daß 
also  mit  der  IntensitÀt  der  Bewegung  einerseits  aer  Hemmungs- 
impuis wĂ€chst,  andererseits  der  beiz  fĂŒr  Beugung  nachlĂ€ĂŸt. 

Psychopathologie  und  die  Theorie  der  psychopathischen  Ver- 
erbiuig.  S.  betont  den  Wert,  der  Vererbung  bei  Geisteskrankheiten. 

Betrachtungen  ĂŒber  die  Behandlungen  der  spastischen  Paral- 
yse. G.  wendet  sich  gegen  die  wahllose  Applikation  von  Elektri- 
zitÀt und  Massage  bei  Nervenkrankheiten  besonders  bei  spasti- 
scher Paralyse,  zumal  nach  den  neueren  Theorien  gerade  der  Mus- 
kellonus  bei  spastischen  Zustanden  sehr  gesteigert  ist  und  durch 
ElektrizitĂ€t  das  Gegenteil  vom  gewĂŒnschten  Effekt  erzeugt  wird. 
:Er  empfiehlt  dagegen  iĂŒr  die  angespannten  Muskeln  geeignete 
Schienen,  um  die  atonischen  Muskeln  zu  entlasten.  Weiterhin  ha- 
lben sich  ihm  ausgezeichnet  heiße  BĂ€der  bewĂ€hrt,  in  welche  die 
Patienten  in  liegender  Stellung  gebracht  werden,  entsprechend 
unterstĂŒtzt  am  köpf,  Rumpf  und  HĂŒften.  In  diesem  Bade  machen 
sie  geeignete  Uebungen,  können  nach  einigen  Sitzungen  meist  im 
bade  schon  laufen  mit  leichter  LnterstĂŒtzung,  da  das  Schwerge- 
wicht dem  Körper  genommen  ist.  Auch  die  aligemeine  FÀhigkeit 
zu  laufen  stellt  sich  dann  völlig  wieder  her.  Besonders  gute  Er- 
folge hat  er  bei  disseminierter  Sklerose  gesehen. 

Erythromelalgie,  Causalgie  und  verwandte  ZustÀnde.  Die 
.Erkrankung  bstand  in  hochgradiger  Schmerzhaftigkeit,  Cyanose 
und  trophischen  Störungen  in  HĂ€nden  und  FĂŒssen  nach  lĂ€ngerer 
KĂ€lteeinwirkung  bei  abgeschnĂŒrten  Gliedern.  Durch  Suggestiv- 
behandlung und  Hypnose  wurden  die  Schmerzen  in  den  HĂ€nden 
und  Beinen  nahezu  gehoben.  G.  Dorn  er  (Leipzig). 


Buchbesprechungen. 

Zappert,  Julius.  Krankheiten  des  Nervensystems  im 
Kindesalter.  Leipzig  1922.  Georg  lhieme.  152  Seiten. 
Preis  geh.  36  Mark. 

Das  erste  Heft  der  von  Schwalbe  herausgegebenen  „Diagno- 
stischen und  therapeutischen  IrrtĂŒmer  und  deren  VerhĂŒtung"  in  der 
Kinderheilkunde  liegt  vor.  Neben  den  HirnhautentzĂŒndungen  werden 
die  Heine-Medin sehe  Krankheit,  chronische  Gehirnkrankheiten, 
Epilepsie  und  Spasmophilie  und  psychogene  Erkrankungen  im  Kindes- 
alter abgehandelt.  Die  reiche  persönliche  Erfahrung  des  Verf.  ist  dem 
Buche  sehr  zugute  gekommen  und  zahlreiche  Beispiele  legen  beredtes 
Zeugnis  fĂŒr  die  vorzĂŒgliche  Beobachtung  Zapperts  ab.  Die  teil- 
weise sehr  schön  wiedergegebenen  Bilder  erhöhen  den  Wert  des 
Buches.  Warum  der  Inhalt  allerdings  in  Vortragsform  wiedergegeben 
wird,  ist  nicht  recht  einzusehen,  desgleichen  muten  die  fast  durchweg 
etwas  langschweifigen  und  ĂŒberflĂŒssigen  Einleitungsworte  bei  den  wie- 
dergegebenen Krankengeschichten  etwas  eigentĂŒmlich  an..  Mit  Aus- 
nahme dieser,  als  Schönheitsfehler  wirkenden  Kleinigkeiten  ist  das 
Buch  flott  geschrieben  und  wird  sich  sicherlich  viele  Freunde  erwerben. 

K  À  c  k  e  1 1  (Hamburg). 

ßcholz-Grcgor.  Anomale  Kinder.  III.  Aufl.  S.  Karger.  1922 
VII;  312  Seiten.  Geh.  72  M.,  geb.  96  M. 
Dieses  Buch,  das  fĂŒr  Aerzte  und  Erzieher  geschrieben  ist, 
muß  unter  diesem  Gesichtspunkte  natĂŒrlich  vieles  in  auch  dem 
Laien  fasslicher  Form  bringen.  Trotzdem  darf  man  es  nicht  als 
«in  sogenanntes  „populĂ€r-wissenschaftliches"  Buch  betrachten  — 
sondern  es  genĂŒgt  in  jeder  Hinsicht  wissenschaftlichen  An- 
sprĂŒchen.  Es  werden  zuerst  leicht  faßlich  die  einzelnen  Abarten 


der  anomalen  Kinder  geschildert,  um  dann  zu  dem  wichtigsten 
Teile:  der  Behandlung  ĂŒberzugehen;  auf  reiche  Erfahrung  ge- 
stĂŒtzt, sind  die  AusfĂŒhrungen  Gregors  durchaus  anzuerkennen 
und  haben  sich  in  praxi  vielfach  bewÀhrt.  Besonders  dankenswert 
ist  es,  daß  Verfasser  sich  ausfĂŒhrlich  mit  der  sozialen  FĂŒrsorge  - 
—  diesem  wohl  wichtigsten  Teile  —  beschĂ€ftigt  hat  und  alles 
Wissenswerte  in  klarer  Form  bietet.  L  u  r  j  e. 

Gertrud  BĂ€umer  u.  Lili  Droescher:  Von  der  Kinderseele. 
BeitrÀge  zur  Kinder psychologie  aus  Dich- 
tung und  Biographie.  4.  Auflage.  R.  VoigtlÀnder- 
Verlag,  Leipzig. 

Die  Verfasserinnen  haben  mit  großem  VerstĂ€ndnis  alle  psy-  - 
chologischen  VorgÀnge  im  Kinde  beobachtet  und  feinsinnigst  aus 
dem  Besten  der  Literatur  geschöpft.  Ein  reiches  Material  aus 
dem  Leben  des  Kindes  steht  zur  VerfĂŒgung,  so  daß  es  nutzbrin- 
gend zu  verwerten  ist.  Eltern,  Lehrer  und  Erzieher  sollen  das 
Buch  lesen;  es  ist  eine  Bereicherung  fĂŒr  alle. 

E  1  s  e  S  o  1  m  s. 

O.  Mönkemöller:  Die  geistigen  KrankheitszustÀnde 
des  Kindesalters.  B.  G.  Teubner.  Aus  Natur  und 
Geisteswelt.   Bd.  505. 

In  knapper  Form  wird  das  ganze  Gebiet  dargestellt  und 
jedem,  der  mit  der  Jugend  in  BerĂŒhrung  kommt,  den  Eltern,  Leh- 
rern, Richtern,  selbst  dem  nicht  fachbeschlagenen  Arzt  wird 
W  issenswertes,  aber  nur  zu  oft  nicht  Beachtetes  gesagt.  Das  127 
Seiten  umfassende  Buch  dĂŒrfte  den  Vergleich  mit  jedem  anderen, 
das  den  gleichen,  heute  besonders  zeitgemĂ€ĂŸen  Stoff  behandelt, 
besLehen  und  kann  sogar  Scholz-Gregors  klassischen  „Anomalen 
Kindern"  an  die  Seite  gestellt  werden.  Held. 

MĂŒller,  Erich.  Briefe  an  eine  Mutter.  2.  und  3.  durchges. 
Auflage.  Stuttgart  1922.  Ferd.  Enke.  329  Seiten.  Preis  geh. 
60  Mark. 

Die  allgemein  verstĂ€ndlichen  „RatschlĂ€ge  fĂŒr  die  ErnĂ€hrung  von ' 
Mutter  und  Kind,  sowie  die  Pflege  und  Erziehung  des  Kindes"  haben 
sich  im  Laufe  der  Jahre  einen  gioßen  Leserkreis  erworben  und  sind 
ĂŒberall  gut  aufgenommen  worden.  Die  vorliegende  neue  Auflage  be- 
rĂŒcksichtigt alle  neueren  Erfahrungen  auf  diesem  Gebiete,  die  an  den 
entsprechenden  Textstellen  hineingearbeitet  sind.  Richtige  und  sach- 
gemĂ€ĂŸe ErnĂ€hrung,  Pflege  und  Erziehung  des  Kindes  sind  durchaus 
noch  nicht  so  Allgemeingut  des  Volkes  geworden,  wie  es  wĂŒnschens- 
wert erscheint  und  wenn  das  Buch  hier  mithilft,  bestehende  Unwissen- 
heit zu  beseitigen,  so  erfĂŒllt  es  damit  seine  vornehmste  Aufgabe.  Die 
klare,  fĂŒr  den  Laien  leicht  verstĂ€ndliche  Darstellung  der  Materie,  die 
Einteilung  in  kurze,  in  sich  abgeschlossene  Kapitel  und  die  BerĂŒck- 
sichtigung und  Darlegung  auch  von  scheinbar  nebensÀchlichen  Dingen 
verdienen  besonders  hervorgehoben  zu  werden.  Das  Buch  gibt  jedem 
Ratsuchenden  bereitwilligst  Auskunft  und  kann  nicht  nur  Eltern,  son- 
dern auch  Aerzten  zum  Studium  bestens  empfohlen  werden. 

K  À  c  k  e  1 1  (Hamburg). 

Krasemann,  Erich:  SĂ€uglings-  und  Kleinkinderpflege  in  Frage 
und  Antwort.  Verlag  von  Georg  Thieme,  Leipzig.  1922.  Preis: 
15  Mark.  2.  verbesserte  Auflage. 
Die  Tatsache,  daß  das  kleine  Buch  nach  knapper  Jahresfrist 
in  zweiter  Auflage  erscheint,  beweist  am  besten,  daß  es  in  den 
Kreisen,  fĂŒr  die  es  bestimmt  ist,  bei  den  SchĂŒlerinnen  der  SĂ€ug- 
lingspflegeschulen sich  schnell  eingebĂŒrgert  hat;  die  Form  des 
Compendiums  in  Frage  und  Antwort  hat  ohne  Zweifel  große 
mnemotechnische  VorzĂŒge,  allerdings  begĂŒnstigt  gerade  diese 
Form  das  gedankenlose  Auswendiglernen  in  hohem  Maße;  diese 
Gefahr  kann  nur  dadurch  beseitigt  werden,  daß  die  Examina- 
toren gerade  an  den  Anstalten,  an  denen  das  Buch  benutzt  wird, 
sich  davor  hĂŒten,  bei  den  PrĂŒfungen  sich  an  die  Fragen  des 
Compendiums  zu  halten.  Inhaltlich  ist  das  Buch  nur  zu  empfeh- 
len. Der  Abschnitt  ĂŒber  Kochrezepte  und  Desinfektionsmittel 
ist  auch  zum  Nachschlagen  in  der  Praxis  der  ausgebildeten  SĂ€ug- 
lingsschwester sehr  brauchbar.  W  o  1  f  f  (Hamburg). 

v.  Pirquet.  Pe'idisi-Tafel.  Wien  und  Leipzig  1921.  Jos. 
Safar.    Preis  3  Mark. 

Die  Tafel  ermöglicht  es  ohne  den  jetzt  sehr  teueren  Rechenschieber 
schnell  und  fehlerfrei  aus  Gewicht  und  Sitzhöhe  Pelidisi  nach  Art 
einer  einfachen  Logaritmentafel  zu  bestimmen  und  abzulesen  und  kann 
Aerzten,  die  nach  dem  Pirquet  sehen  System  zu  arbeiten  wĂŒnschen, 
nur  wÀrmstens  empfohlen  werden. 

KĂ€ckell  (Hamburg). 


614 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrgang  —  Nr.  41/42. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Offener  Brief  von  Medicus  pater  an  Medicus 
filius  et  Medicus  gener. 

Von  Dr.  K.  D. 

(Schluß.) 

Wer  von  der  klinischen  KrankenhaustÀtigkeit  in  die  pri- 
vatĂ€rztliche TĂ€tigkeit  ĂŒbertritt,  ist  in  mancher  Beziehung  recht 
verwöhnt  und  wird  sich  vor  mancherlei  UmstÀndlichkeiten 
und  Schwierigkeiten  gestellt  sehen,  die  er  zuvor  nicht  gekannt 
hat.  Wenn  Du  in  Deinen  KrankensÀlen  Visite  machst,  herrscht 
Ruhe  und  Aufmerksamkeit.  Im  Privathaus  wirst  Du  Dir  das 
gegen  bellende  Hunde,  schmetternde  Kanarienvögel,  lÀrmende 
Kinder  oder  aufgeregt  hin  und  her  rennende  Angehörige  oft 
erst  erkĂ€mpfen  mĂŒssen.  Wenn  Du  Dich  zur  Untersuchung 
Deines  Kranken  anschickst,  kann  die  Sache  kritisch  werden. 
ZunÀchst  wird  sich  beim  Herantreten  an  das  Bett  zu  Deiner 
Ueberraschung  hÀufig  ein  heller,  lauter  Glockenton  verneh- 
men lassen.  Wisse,  daß  ein  gewisses  unentbehrliches  Ge- 
fĂ€ĂŸ, fĂŒr  dessen  Inhalt  Du  Dich  hĂ€ufig  zu  interessieren  hast, 
genau  da  zu  stehen  pflegt,  wo  Du  mit  Deiner  Stiefelspitze 
unter  das  Bett  stoßest.  Eine  ganz  besondere  Störung  pflegt 
sich  allerdings  nur  im  Winter  zu  ereignen.  In  dem  Augen- 
blick nÀmlich,  wo  Du  die  physikalische  Untersuchung  der 
Brust  beginnst,  zwingt  eine  innere  Notwendigkeit  eine  der 
umstehenden  Personen,  mit  großem  GerĂ€usch  und  Geklapper 
den  Ofen  zu  schĂŒren.  Mit  einem  gewissen  ingrimmigen  Hu- 
mor habe  ich  diesen  Vorgang  als  Ofenreflex  den  sonst  in  der 
Medizin  bekannten  Reflexen  angereiht.  Zum  Zweck  der  Un- 
tersuchung wirst  Du  Dir  dann  den  Kranken  zunÀchst  nÀher 
zu  Dir  an  den  Bettrand  heran  bitten  mĂŒssen,  denn  es  fehlt 
ihm  jede  Empfindung  dafĂŒr,  daß  sich  der  untersuchende  Arzt 
unmöglich  ĂŒber  die  halbe  oder  die  ganze  Breite  des  Bettes  hin- 
wegbĂŒcken kann.  MerkwĂŒrdigerweise  ist  diese  Empfindung 
bei  ihm  so  gering  entwickelt,  daß  Du  diese  Bitte  allermeist  bei 
jedem  weiteren  Besuch  wiederholen  mußt.  Wenn  Du  dann 
den  Patienten  noch  aufforderst,  sich  gerade  auf  den  RĂŒcken  zu 
legen,  so  hat  das  eine  merkwĂŒrdige  Wirkung,  die  ich  nur  als 
Kontrastwirkung  auffassen  kann.  Er  wird  nÀmlich,  soweit' es 
sein  Zustand  erlaubt,  unter  allerhand  schnellenden  Bewegun- 
gen Anstalten  machen,  sich  in  höchst  unbequemer  Weise  in 
Brust-Bauchlage  zu  begeben.  Wenn  Du  ferner  Deinen  Kran- 
ken aufforderst,  fĂŒr  die  Brustuntersuchung  das  Hemd  oder  was 
gr  sonst  im  Bett  an  hat,  zu  öffnen,  so  wirst  Du  einen  höchst 
merkwĂŒrdigen  Geschlechtsunterschied  konstatieren  können. 
MÀnner  pflegen  das  Aufknönfen  in  der  Reihenfolge  von  oben 
nach  unten  vorzunehmen,  Frauen  umgekehrt  von  unten  nach 
oben.  Dabei  lassen  die  letzteren  stets  zunÀchst  den  obersten 
Knopf  zu.  Offenbar  klammert  sich  ihr  naturgemĂ€ĂŸ  stĂ€rker 
ausgeprĂ€gtes  SchamgefĂŒhl  gleichsam  symbolisch  an  diesen 
obersten  Knopf,  der  das  Gewand  am  Hals  noch  zusammen- 
hĂ€lt. Wenn  Du  dann  glĂŒcklich  so  weit  bist,  nach  beendeter 
Untersuchung  der  Mutter  oder  der  Gattin  Deines  Patienten 
Deine  Verordnungen  zu  erlÀutern,  so  darf  es  Dich  nicht  ner- 
vös machen,  wenn  sie  Dir  weglaufen  will',  weil  ausgerechnet 
jetzt  die  Milchfrau  oder  der  Kohlenmann,  oder  der  BriettrÀger 
mit  einem  eingeschriebenen  Brief  kommt  oder  weil  ihr  plötz- 
lich einfĂ€llt,  daß  ein  Kochtopf,  den  sie  auf  dem  Herdfeuer 
stehen  hat,  ĂŒberlaufen  könnte. 

Schließlich  noch  etwas  aus  der  Sprechstunde.  Wenn  sich 
hier  ein  Patient  zur  Untersuchung  entkleidet,  so  wird  er  sich 
hĂ€ufig  zunĂ€chst  bemĂŒhen,  sich  mit  Brust  und  Armen  nach 
oben  aus  dem  Hemd  heraus  zu  zwÀngen.  Erst  wenn  er  merkt, 
daß  das  ohne  Zerreißungsgefahr  nicht  geht,  wird  er,  so  wie 
er  das  beim  abendlichen  Auskleiden  sicher  immer  macht,  das 
Hemd  nach  oben  ĂŒber  den  Kopf  streifen.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit pflegen  dann  einige  Hemdknöpfe  sich  aus  ihren  Knopf- 


löchern zu  lösen  und  prasselnd  auf  den  Boden  zu  fallen.  Ver- 
möge der  ihnen  innewohnenden  TĂŒcke  des  Objekts,  vielleicht 
auch  durch  eine  noch  unerforschte  Kraft  angezogen,  rollen 
sie  unter  die  Möbel.  Dein  Patient  wird  sich  nun  auf  die  Knie 
niederlassen,  um  die  Entflohenen  wieder  zu  greifen.    In  all-: 
gemeiner  Hilfsbereitschaft  wirst  Du  geneigt  sein,  dasselbe  zu| 
tun  und  mit  einem  Lineal  oder  sonstigen  lÀnglichen  Gegen4 
stand  unter  den  Möbeln  nach  den  Ausreißern  zu  fischen.  Tul 
das  lieber  nicht,  ich  rate  Dir  dringend  ab;  vielmehr  hat  sich; 
mir  folgendes  Verfahren  durchaus  bewÀhrt.    Man  halte  sich 
in  einer  bequem  greifbaren  Schachtel  einen  kleinen  Vorrat  sol- 
cher Hemdknöpfe  parat.  Der  Vorrat  ergÀnzt  sich  immer  wie-3 
der  von  selbst  durch  die  Exemplare,  welche  beim  Reinmachen{ 
im  Sprechzimmer  zu  Tage  gefördert  werden.   Wenn  Du  dann; 
Deinem  Klienten  zum  Ersatz  fĂŒr  die  verlorenen  Deinen  Vor-] 
rat  zur  Auswahl  ĂŒberreichst,  so  wird  er  ob  Deiner  fĂŒrsorg-! 
liehen  Aufmerksamkeit  tief  gerĂŒhrt  sein.  Du  selbst  aber  sparst^ 
Zeit  und  schonst  Deine  Hosen. 

In  einem  Punkt  ĂŒbrigens  scheint  der  Krieg  fĂŒr  uns  eine 
Besserung  herbeigefĂŒhrt  zu  haben.  Seitdem  auch  die  „gnĂ€-J 
dige  Frau"  und  zwar  nicht  zu  ihrem  Schaden  genötigt  ist,  inj 
ihrem  Haushalt  selbst  tÀtig  mit  anzugreifen  und  seit  mancherlei! 
ToiletteumstĂ€ndlichkeiten  weggefallen  sind,  lĂ€ĂŸt  man  una 
nicht  mehr  so  oft  warten.  Das  ist  so  zu  verstehen:  wenn  man! 
frĂŒher  zu  einem  Krankenbesuch  in  ein  sogenanntes  vornehmes* 
Haus  kam,  so  wurde  man  in  die  gute  Stube  gefĂŒhrt  und  die^ 
dienstbare  Zofe  pflegte  mit  verschmitzt-ironisch  lÀchelnder^ 
Miene  zu  sagen:  „die  gnĂ€dige  Frau  lĂ€ĂŸt  bitten,  einen  Augen-] 
blick  Platz  zu  nehmen,  sie  zieht  sich  gerade  an"  —  und  das 
zu  jeder  beliebigen  Zeit  am  Tage.  Wenn  ich  mir  dann  wÀh-^ 
rend  dieses  manchmal  recht  langen  Augenblicks  die  mir  lÀngs^ 
bekannten  Bilder  in -der  guten  Stube  betrachtete,  legte  ich  miil 
oft  die  Frage  vor:  Welch'  schwere  Schuld  mag  doch  die? 
Aermste  auf  sich  geladen  haben,  daß  sie  dazu  verurteilt  istj 
sich  von  morgens  bis  abends  immerzu  aus-  und  anziehen  zu] 
mĂŒssen.  Eine  hĂ€rtere  Buße  kann  ich  mir  kaum  denken.  Dieses] 
Problem  zu  ergrĂŒnden,  ist  mir  nicht  gelungen.  Der  Krieg  mit 
seinen  Folgen  scheint  es  erfreulicherweise  aus  der  Welt  ge-j 
schafft  zu  haben. 

Du  siehst  also,  mancherlei  kleine,  teils,  störende  und  Àr-J 
gerliche,  teils  amĂŒsante  Vorkommnisse,  die  geeignet  sind,  unSj 
in  der  Tugend  der  Geduld  zu  ĂŒben  und  unsere  Nerven  ab-> 
zuhÀrten. 

Ich  merke  zu  meinem  Schrecken,  daß  sich  meine  Weih-i 
nachtsepistel  zu  einer  ganzen  Abhandlung  ĂŒber  dies  und  das 
und  sonst  noch  einiges  ausgewachsen  hat.    Es  tut  einem  ja- 
manchmal  selbst  gut,  Dinge,  die  man  in  Gedanken  mit  sich] 
herumgetragen  hat,  sich  einmal  von  der  Seele  zu  schreiben. 
Wenn  mein  Bericht  auch  die  Schattenseiten  unseres  Berufes 
gestreift  hat,  so  geschah  es  jedenfalls  nicht,  um  Dir  die  Freude 
an  ihm  zu  verderben.   Im  Gegenteil.  Du  wirst  Dich  ja  auch 
an  meinen  Standpunkt  erinnern,  den  ich  gegenĂŒber  Deiner  er- 
klÀrten Absicht,  Medizin  zu  studieren,  seiner  Zeit  einnahm. 
Ich  sagte  Dir  damals:  „ich  rate  Dir  dringend  davon  ab.  Du 
hast  ja  die  Beschwernisse  dieses  harten  Berufes  tagtÀglich  vor 
Augen.   Tust  Du  es  trotzdem,  so  soll  es  niemand  mehr  freuen 
wie  mich".   Dabei  hatte  ich  von  vornherein  die  feste  Zuver- 
sicht, daß  Du  kein  Nur-Arzt  werden  wĂŒrdest.   Dein  lebhaftes 
Interesse  und  VerstĂ€ndnis  fĂŒr  andere  Gebiete,  fĂŒr  Natur,  Kunst,' 
Musik  und  Literatur  werden  Dich  davor  bewahren,  im  Beruf 
unterzugehen.    Und  als  höchstes  Gut  besitzest  Du  in  einer 
köstlichen  HĂ€uslichkeit  —  ich  darf  auch  noch  beifĂŒgen,  inv 
beiderseitigen  Elternhaus  —  ein  allezeit  offenes  Refugium  von 
allen  MĂŒhen  und  Verdrießlichkeiten  des  beruflichen  Alltags. 
So  dĂŒrfen  wir  getrost  Deiner  Zukunft  entgegensehen. 

Mit  herzlichen  WĂŒnschen  fĂŒr  frohe  Weihnachtstage 

Dein  allezeit  getreuer  Vater. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Woctiensctirlfl  des  pralcllscheii  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH.  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm  -  Stra&e  20  /  Femsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  43  44  Berlin,  den  9.  November  1922  40.  Jahrgang 

Dir  Verlag  befallt  sich  das  aiusoWwBliohe  Recht  4er  VervielfÀltigung  und  Verbreitung  der  Originalbeitrige  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutztritt  ver. 


BeitrÀge  zur  Therapie 
und  Prophylaxe  im  SÀuglings»  und  Kindesalter. 

Von  Dr.  Wilhelm  Ko elzer 

Kinderarzt  f.  d.  stÀdt.  Waisenpflege,  Braunschweig. 

i.  lieber  die  zuweilen  ungĂŒnstige  Wirkung  auch  kleiner 
Mehlgaben  hei  erkranktem  SĂ€uglingsdarm. 

Die  einlachen  Mehle  orfreuten  sich  frĂŒher  in  der  Behand- 
lung der  akuten  Darmerkrankungen  des  SĂ€uglings  der  grĂ¶ĂŸ- 
ten Beliebtheit.  Nicht  zu  Unrecht,  da  -in  sehr  zahlreichen 
leichteren  fieherlosen  Erkrankungen  mit  DurchfÀllen  das 
einlache  Fortlassen  der  Milch  und  die  Darreichung  einer 
dĂŒnnen  Mehlabkochung  genĂŒgte,  um  sehr  schnell  die  krank- 
halten Erscheinungen  zum  Schwinden  zu  bringen.  Diese 
Verordnung  ist  daher  auch  jetzt  noch  derart  populĂ€r,  daß  im 
Publikum  sehr  hÀufig  die  akuten  Darmstörungen  auf  diese 
Art  ohne  Zuziehung  eines  Arztes  mit  Erfolg  behandelt  wer- 
den, wobei  allerdings  oft  die  falsche  Auffassung  mit  unter- 
lĂ€uft, daß  eine  Mehlabkochung  um  so  besser  stopfend  wirke, 
je  dicker  sie  sei,  ein  Irrtum,  von  dem  sich  jeder  Arzt  leicht 
ĂŒberzeugen  kann.  Ferner  wird  ein  wichtiger  Fehler  oft  von 
Laien  und  zuweilen  auch  von  Aerzten  dadurch  gemacht,  daß 
Her  Mehrabkochung  Zucker  statt  allenfalls  Saccherin  zuge- 
setzt wird,  wodurch  der  Erfolg  oft  ausbleibt. 

Wenn  nun  auch  die  zuckerfreie  2 — 3  prozentige  Mehlab- 
kochung eine  sehr  oft  erfolgreiche  Verordnung  darstellt,  so 
ist  sie  dennoch  keine  eigentliche  Heilnahrung;  ihre  heilende 
Wirkung  beruht  in  der  Hauptsache  auf  der  Nahrungsent- 
Ejehung,  indem  es  natĂŒrlich  fĂŒr  den  kranken  Darm  eine  ganz 
außerordentliche  Entlastung  bedeutet,  wenn  er  statt  z.  B. 
|50  gr  Milch,  25  gr  Mehl,  30  gr  Zucker  in  einem  bezĂŒglich 
des  Salzgehaltes  oft  ungĂŒnstigen  Medium  und  vielleicht  noch 
mannigfacher  Beikost  nunmehr  nur  25  gr  Mehl,  gekocht  in 
Wasser,  zu  verarbeiten  hat,  was  in  —  hierbei  allerdings  nicht 
allein  maßgebenden  —  Kalorien  berechnet  eine.  Verminderung 
des  Nahrungsangebots  auf  höchstens  den  6  ten  Teil  darstellt. 
Banz  auffallend  spĂ€t  aber  hat  man  erst  die  großen  Gefahren 
Erkannt,  welche  dem  SĂ€ugling  bei  Behandlung  von  Ver- 
dauungs-  und  ErnÀhrungsstörungen  durch  eine  zu  lange 
Nahrungsentziehung  oder  UnterernÀhrung,  also  durch  den 
Hunger,  drohen,  und  es  ist  eine  der  grĂ¶ĂŸten  Errungenschaften 
der  Kinderheilkunde,  daß  wir  jetzt  gelernt  haben,  auch  bei 
krankem  Darm  nach  möglichst  kurzer  Nahrungsentziehung 
so  schnell  als  möglich  eine  ErnÀhrung  von  solcher  Zu^- 
sauunensetzung  (durch  Eiweißmilch  u.  A.)  zu  geben,  daß 
nicht  nur  durch  eine  ausreichende  Nahrungszufuhr  die 
schwere  Gefahr  des  Hungers  vermieden  wird,  sondern  auch 
der  kranke.  Darm  und  die  Allgemeinstörung  in  genĂŒgend 
schneller  Zeit  dabei  "ausheilen  können.  Die  Àrztliche  Kunst 
besteht  also  nicht  mehr  darin,  durch  Hunger  zu  heilen,  son- 
dern darin,  die  Heilnahrung  ihrer  QualitÀt  und  besonders 
auch  ihrer  QuantitĂ€t  nach  so  festzusetzen,  daß  einerseits  der 
Toleranz  des  kranken  Darms  Rechnung  getragen  wird,  an- 
dererseits aber  eine  möglichst  genĂŒgende  WeiterernĂ€hrung 
der  Körperzelten  dabei  durchgefĂŒhrt  wird.  Seitdem  sind 
lĂ€nger  dauernde  Verordnungen  dĂŒnner  Mehlabkochungen 
aus  der  Therapie  der  Darnierkrankungen  des  SĂ€uglings  ver- 
schwunden, oder  sie  sollten  es  wenigstens  sein,  und  man  be- 
kommt sie  nur  dann  noch  zu  Gesicht,  wenn  ein  Arztjn  irr- 
tĂŒmlicher alter  Anschauung  in  ĂŒbertriebener  Furcht  vor  der 
verschlimmernden  Gefahr  eines  Milchzusatzes  so  behandelte, 


oder  wenn  Eltern  bei  unbehandelten  SĂ€uglingen  aus  ahn 
ĂŒchem  Gedankengang  heraus  verfuhren. 

Die  frĂŒher  einmal  von  manchen  Autoren  vertretene  An- 
schauung, daß  die  Mehle  fĂŒr  den  SĂ€ugling  und  besonders  in 
ersten  Monaten  ganz  abzulehnen  seien,  muß  als  widerlegt  und 
irrig  bezeichnet  werden;  im  Gegenteil  sind  die  Mehle  ein 
sehr  wertvolles  Hilfsmittel  als  Zusatz  zur  SĂ€uglingsnahrung 
und  können  auch  in  den  ersten  Monaten  schon  mit  Erfolg 
verwendet  werden,  jedoch  ist  dann  wegen  der  noch  be- 
schrĂ€nkten VerdauungsfĂ€higkeit  fĂŒr  dieselben  eine  grĂ¶ĂŸere 
Vorsicht,  besonders  bezĂŒglich  der.  Dosierung,  am  Platze. 

Die  Mehlabkochungen  galten  nun  im  allgemeinen  als  ein 
relativ  harmloses  Nahrungsmittel  bei  erkranktem  Darm. 
Wenn  die  Mehle  auch  ein  gÀrfÀhiges  Material  darstellten,  so 
daß  besonders  bei  zu  starker  Dosierung  eine  schĂ€dliche  Wir- 
kung durch  vermehrte  GÀhrung  und  SÀurebildung  möglich 
war  (Czzerny,  Finkelstein  u.  a.),  so  war  es  andererseits  doch 
eine  feststehende  Tatsache,  daß  sehr  hĂ€ufig  die  akuten  Darm- 
störungen bei  gesundheitlich  nicht  wesentlich  geschwÀchten 
SĂ€uglingen  bei  Anwendung  2 — 3  prozentiger  zuckerfreier 
Mehlabkochuhgen  —  noch  etwa  6 — 12  stĂŒndiger  Teepause  — 
schnell  abheilten,  d.  h.  daß  die  StĂŒhle  in  1 — 2  Tagen  selten 
und  gebunden  wurden,  und  ein  vorsichtig  gesteigerter  Milch- 
zusatz dann  glatt  und  ohne  RĂŒckfall  vertragen  wurde.  (Solche 
FÀlle  sah  man  allerdings  in  der  Privatpraxis  hÀufiger  als  in 
der  Klinik,  da  in  letzterer  durchweg  schwerere  FĂ€lle  behan- 
delt wurden,  bei  denen  akute  Darmerscheinungen  meist  nur 
ein  Teilbild  einer  chron.  ErnÀhrungsstörung  waren,  und  die 
Reparation  somit  von  ganz  anderen  Voraussetzungen  be- 
herrscht wurde.)  In  jenen  leichten  akuten  FĂ€llen  aber  lag 
die  Sache  also  durchweg  so,  daß  die  GĂ€rfĂ€higkeit  des  Mehls 
n  i  c  h  t  schÀdlich  wirkte  und  die  schnelle  Heilung  der 
Störung  nicht  beeintrĂ€chtigte.  Eine  dĂŒnne  zuckerfreie  Mehl- 
abkochung  bleibt  also  durchweg  fĂŒr  den  erkrankten  Dann 
ein  harmloses,  schonendes  Nahrungsmaterial,  das  aber  we- 
gen der  damit  verbundenen  UnterernĂ€hrung  nur  fĂŒr  ganz 
kurze  Zeit  (etwa  1 — 2  Tage)  verordnet  werden  darf  und  aus 
gleichem  Grunde  bei  schon  bestehender  HungerschÀdigung 
sogar  als  ausschließliche  Nahrung  kontraindiziert  sein  kann. 

Ich  habe  nun  einige  Beobachtungen  machen  können,  bei 
denen  kleine  Mehlgaben  als  ausschließliche  Nahrung  nicht 
nur  auffallend  schlecht  von  dem  erkrankten  Darm  vertragen 
wanden,  sondern  sogar  —  bei  einem  Teil  der  FĂ€lle  —  der  un- 
vermittelte Uebergang  zu  ein  Drittel  Milch  ohne  Zucker  sich 
ĂŒberlegen  zeigte  und  eine  schnelle  Besserung  und  Heilung 
erzielte.  Diese  FĂ€lle  erschienen  mir  aus  zwei  GrĂŒnden  mit- 
leilenswert.  Erstens  verdient  es  unsere  Aufmerksamkeit,  daß 
man  mit  der  sonst  als  harmlos  angesehenen  Darreichung 
einer  dĂŒnnen  zuckerfreien  Mehlabkochung  ausnahmsweise 
auch  einmal  ungĂŒnstig  wirken  und  einen  Darmkatarrh  ge- 
radezu fortzĂŒchten  kann.  Zweitens  mĂŒĂŸte  bei  der  Beurtei- 
lung einer  ungĂŒnstigen  Wirkung  von  Milchmehlmischungen 
dem  Faktor  Mehl  mehr  Beachtung  geschenkt  werden,  wÀh- 
rend man  durchweg  geneigt  ist,  den  schÀdigenden  Faktor  in 
anderen  Nahrungsbestand teilen  zu  suchen.  Es  erscheint  mir 
dies  von  besonderer  praktischer  Bedeutung  bei  der  Beurtei- 
lung der  Buttermehlnahrung,  deren  oft  auflallend  gĂŒnstige 
Erfolge  bei  FÀllen,  die  mit  den  gewöhnlichen  Milchmischun- 
gen nicht  gedeihen  wollten,  ich  durchaus  bestÀtigen  kann. 
Ich  glaube,  daß  die  oft  beschriebene  Durchkreuzung  des  Er- 
folges durch  Darmstörungen  mehr,  als  man  bisher  annahm, 
durch  den  hohen  Mehlgehalt  bedingt  sein  kann. 


016 


Kölzer,  BeitrÀge  zur  Therapie. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


uie  beobachteten  FĂ€lle  sind  folgende: 

r  all  1:  A.  S.,  4  iUon.  all,  zartes  hiM,  Gew.  5630,  Haut  elwas 
\se±k,  Gesamteinuruck  sonst  nicht  ungunstig.  Vor  8  lagen  mit 
starken  iHirchlalien  (etwa  10 mal  tgl.;  erkrankt.  Vom  Arzt 
waren  25  g  llaiermeiu  aul  1  1  Wasser  mit  Saccharin  verordnet. 
Die  nach  'l  lagen  zum  Arzl  wiederbestellle  Mutter  ging  nicht 
wieder  hin,  sonĂŒern  gab  die  Mehlahkochung  8  Tage  weiter.  Am 
13.  6.  1914  war  der  Stuhl  noch  0 — 7  mal  tgl.,  dĂŒnn,  z.  T.  spritzend. 
Ther.:  absichtlich  um  ermittelter  Uebergang  zu  750  g,  A  Milch 
und  Saccharin.  15.  ĂŒ.:  StĂŒhle  3 — 4  igl.  ĂŒĂŒnnbreiig.  i'her.:  1  1, 
Vi  Aiiich  und  Saccharin.  17.  0.:  Stuhl  1 — 2  tgl.,  uickhreiig.  Ther.: 
dieselbe.  20.  13.:  Stuhl  gebunden,  1 — 2  tgl.  Aul  Steigerung  dkl 
AJiich  und  Zusatz  von  NĂ€hrzucker  kein  RĂŒckfall,  Erholung  und 
befriedigende  Gewichtszunahme. 

Fall  2:  Gerhard  L».,  geb.  23.  0.  1921.  Seit  15.  9.  (6  Tagen) 
stark  durchfĂ€ltige  StĂŒhle,  durchschnittlich  6  mal  tgl.  Kind  bekam 
seil  5>i>  Tagen  nur  Hafermehlsuppe,  4  gehÀufte  Teelöffel  (28  g) 
auf  1  1  Wasser.  Am  21.  9.  21  Gew.  4360,  zierliches  Kind  (klein,  s 
Geburtsgewicht;,  Leib  ganz  wenig  aufgetrieben,  am  Körper  nur 
geringe  Zeichen  von  Wasserverlusl.  Ther.:  unvermittelt  Ueber- 
gang zu  800  g,  Vi  Milch  und  Saccharin  ohne  Mehl.  23.  9.:  Inner- 
halb 2  Tagen  3  StĂŒhle,  Stuhl  heule  gebunden.  Ther.:  1  1,  MS  Milch 
und  Saccharin,  ab  26.  9.:  400  Milch,  600  Wasser.  28.  9.':  Stuhl  gut 
geblieben,  1 — 2  mal  tgl.  Weitere  Steigerung  und  ZusĂ€tze  gut  vci 
tragen. 

Fall  3:  Ursula  M.,  gel).  30.  10.  1920.  Seit  8  Tagen  Ü— 8  mal 
tgl.  WĂ€sserige  StĂŒhle,  kein  Erbrechen;  bekam  ebenso  lange  45  g 
Hafermehl  auf  1  1  Wasser  ohne  Zucker.  26.  5.  1921:  Gew.  7600. 
Kein  wesentlicher  Wasserverlust,  Leib  nicht  deutlich  aufge- 
trieben. Ther.:  24  Sfd.  1  1  A  Milch  (ohne  Mehl  und  Zucker;, 
dann  1  1  A  Milch.  28.  5.:  Stuhl  seltener  und  nicht  mehr  so  dĂŒnn, 
dĂŒnnbreiig.  Ther.:  dieselbe.  1.  6.:  Seit  gestern  Stuhl  gebunden, 
bleibt  auf  Steigerung  der  Milch  und  Zulagen  in  Ordnung. 

F  a  11  4:  Ilellmut  H.,  geh  11.  8.  1918,  Zwilling.  Seit  10  Tagen 
DurchfÀlle,  etwa  15  mal  tgl.,  Erbrechen  etwa  6  mal  tgl.,  bekam 
1  1  3  %  ige  Mehlabkochung  ohne  Zucker.  18.  7.  1919:  Gew.  7810. 
Haut  etwas  schlaff,  Leib  etwas  eingesunken;  im  ganzen  kein 
schwerkranker  Eindruck.  Ther.:  zweistdl.  2  Eßl.  'A  Milch  ohne 
Mehl,  ohne  Zucker,  bei  12  stĂŒnd.  Nachtpause;  19.  7.:  ab  mittags: 
zweistĂŒndl.  3  Eßl.  dasselbe;  20.  7.:  600  g  A  Milch  und  Saccharin, 
5  mal  120  g.  21.  7.;  Stuhl  normal,  kein  Erbrechen.  Stuhl  bleibt 
auf  weitere  Steigerung  normal. 

Fall  5:  Herbert  K.,  geb.  5.  4.  1913.  Seil  24.  6.  1913  wegen 
vermehrter,  etwas  dĂŒnner  StĂŒhle  Nahrungseinsc'hrĂ€nkung  bis  auf 
350  entfettete  Milch,  550  Wasser,  20  g  Knorr's  Hafermehl  und 
Saccharin.  29.  6.  1913:  Gew.  5060.  StĂŒhle  dĂŒnn,  brĂ€unlich,  2  bis 
4  mal  tgl.  LeLb  nicht  aufgetrieben.  AUgemeinzusfand  wenig  ge- 
stört. Von  4  Uhr  nachm.  ab  Milch  ausgesetzt.  20  g  Knorfs 
Hafermehl,  800  g  Wasser  und  Saccharin,  5  mal  tgl.  160  g,  9  Std. 
Nachtpause.  30.  6.  StĂŒhle  unverĂ€ndert,  werden  nachmittags  noch 
elwas  dĂŒnner  und  hĂ€ufiger,  in  6  Std.  3  mal,  Leib  wird  etwias  auf- 
getrieben. Ther.:  Mehl  aussetzen,  von  6  Uhr  nachm.  ab  175  Milch, 
500  Wasser  und  Saccharin,  5  mal  135  g,  nach  24  Std.  250  Milch, 
500  W?asser.  1.  7.:  Stuhl  seltener  und  besser,  dĂŒnnbreiig.  3. 
In  24  Std.  1  dĂŒnnbreiiger  Stuhl.  Ther.:  300  Milch,  600  Wasser. 
4.  7.:  Stuhl  dickbreiig.  5.  7.:  dasselbe.  11,%  Milch.  7.  7.:  Stuhl 
dickbreiig,  1—2  mal  tgl.,  Gew.  5090  g.  400  Milch,  600  W7asser. 
10.  7.:  Stuhl  dickbeiig  bis  gebunden,  bleibt  unter  Steigerung  der 
Milch  mit  NĂ€hrzuckerzusatz  gut.  Erholung.  17.  7.:  Gew.  5210  g. 
2.  8.:  Gew.  5530  g. 

F  a  1 1  6.  Horst  K.,  geb.  23.  8.  1919.  Seit  14  Tagen  stark  durch- 
fĂ€llige  StĂŒhle,  5 — 7  mal  tgl.  Kind  bekam  in  ersten  4  Tagen  Hafep- 
schleim  und  Reisschleim,  etwa  5  %  ig,  mit  Saccharin,  ohne  Besse- 
rung der  StĂŒhle;  dann  3  Tage  800  g  derselben  Nahrung  und  200 
Milch,  ebenfatls  ohne  Einfluß;  dann  seit  7  Tagen  1  1  3,5  %  igö 
Weizenmehlabkochung  und  Saccharin. 

21.  4.  1920  (Beginn  der  Behandlung):  Stuhl  nach  wie  vor 
dĂŒnn,  etwa  6  mal  tgl.,  z.  T.  spritzend,  Menge  durchschnittlich 
nicht  reichlich.  Gew.  7230  g,  angegriffener  Gesamteindruck,  Leib 
elwas  eingesunken,  deutlicher  Wasserverlust,  besonders  am  Ab- 
domen, Haut  der  ExtremitÀten  wTelk.  Ther.:  15  g  Larosan,  %  I 
Milch,  %  1  Wasser  und  Saccharin.  Nach  3  Std.  noch  ein  dĂŒnner 
Stuhl,  nÀchster  Stuhl  erst  nach  weiteren  26  Stunden,  gebunden. 
Am  2.  Tag  Oedeme,  bes.  der  Unterschenkel,  die  in  2  Tagen  wieder 
zurĂŒckgehen.  Stuhl  bleibt  gebunden,  auf  Nahrungszulage  und 
Larosaneutziehung  (am  6.  Tage)  kein  RĂŒckfall,  schnelle  Erholung. 

'Fall  7.  GĂŒnter  W.,  geb.  18.  7.  1918.  SchwĂ€chliches  Kind, 
Gew.  6300  g.  Kind  war  vor  7  Tagen  mit  starken  DurchfÀllen 
ohne  Erbrechen  erkrankt.  Bei  Milchentziehung  und  Darreichung 
einer  dĂŒnnen  zuckerfreien  Mehlsuppe  waren  die  StĂŒhle  schnell 
besser  geworden.  Seit  3  Tagen  war  bei  breiigen  StĂŒhlen  (2— 3  mal 


igi.)  1  1  A  Milch  +  20  .Weizenmehl  ohne  Zucker  und  Saccharin 
gegeben  worden.  31.  7.  1919:  StĂŒhle  wieĂŒer  dĂŒnner  und  hĂ€uliger, 
c — /mal,  etwas  schleimig.  Ther.:  Fortlassen  des  Mehls, 
1  1  A  Milch  und  Saccharin.  Hieraul  werden  die  S>lĂŒnle  in  2  Tagen 
wieder  seltener  (3  mal  tgl.)  und  dickbreiig,  naen  weiteren  5  Tagen 
gebunden  und  bieiuen  auf  Nahrungszulage  gul. 

Fall  8.  Walter  K.,  geb.  14.  3.  1919,  war  am  20.  7.  1919  mit 
heftigen  DurchfÀllen  (etwa  20mal  tgl.;  erkrankt.  Kralliges  Kind, 
Gew.  7340  g.  Nach  42  stĂŒndiger  Miichpausc  (6  Std.  Tee,  dann 
3  %  Mehlabkocbung  und  Saccharin)  war  schnelle  Besserung  er* 
tolgt.  Bei'  steigendem  Milchzusalz  bis  zu  330  Milch,  670  Wasser, 
20  Weizenmehl  und  Saccharin,  tritt  ein  Stillstand  in  der  Besse- 
rung ein.  StĂŒhle  sind  am  28.  7.  noch  5  mal  tgl.,  dĂŒnnbreiig, 
liier.:  Mehl  weglassen.  330  Milch,  070  Wasser  und  Saccha- 
rin; 30.  7.:  Stuhl  breiig,  2 — 3  mal  tgl.  Ther.:  dieselbe.  1.  8.:  Stuhl 
gut,  Gew.  7590  g  Auf  Milchsteigerung  und  allmÀhliche  Zulagen 
bieibt  Stuhl  und  Gesamlzustand  gut.   3.  9.:  Gew.  8290  g. 

F  a  1 1  9.  Reinhard  B.,  geb.  18.  7.  1921,  ZwillingskinĂŒ,  etwu 
3  Mon.  mit  Zwiemilch,  dann  kĂŒnstlich  ernĂ€hrt.  Bis  zur  Erkran- 
kung gut  gediehen,  normales  Gewicht. 

Am  15.  12.  1921  mit  DurchfÀllen  (6  mal  tgl.)  ohne  Erbrechen 
erkrankt.  Nach  36  Std.  Milchentziehung  (6  Std.  Tee,  30  Std.  2  % 
.Mehlabkochung  und  Saccharin)  schnelle  Besserung.  17.  12.:  15  g 
Larosan,  A  1  Milch,  %  1  W:asser  und  Saccharin.  18.  12.:  Stuhl 
gebunden,  1  mal  in  24  Std.  19.  12.:  Stuhl  gebunden.  15  g  Larosan, 
y,  1  Milch,  V,  1  Wasser  und  Saccharin.  21.  12.:  Stuhl  gut,  ge- 
bunden, 1—2  mal  tgl.  15  g  Larosan,  lA  1  Milch,  A  1  Wasser,  20  g 
Weizenmehl  und  Saccharin.  22.  12.:  Stuhl  dĂŒnner,  wechselnd, 
hÀufiger,  z.  T.  zerfahren.  Nach  Weglassen  des  Mehls  wird  Stuhl 
sofort  wieder  gebunden  und  gut.  Auf  allmÀhliche  Larosan- 
enlziehung  und  Milchsleigerung  bleibt  Stuhl  gul.  SpÀtere  ZusÀtze 
gut  vertragen. 

Die  Durchsicht  der  9  FĂ€lle  ergibt,  daß  auch  geringe 
Mehlgaben  zuweilen  beim  kranken  Dann  ungĂŒnstig  wirken 
können.  Sie  können  die  Reparation  verschleppen,  und  sie 
können  den  ungĂŒnstigen  Status  quo  im  Darme,  der  die 
dĂŒnnen  StĂŒhle  verursacht,  auch  einmal  —  wenn  auch  aus- 
nahmsweise —  kĂŒnstlich  geradezu  weiterzĂŒchten.  Als  Er- 
klĂ€rung scheint  mir  am  wahrscheinlichsten  zuzutreffen,  daß 
die  dĂŒnnen  Mehlabkochungen  zuweilen  in  ihren  bakteriellen 
und  fermentativen  Umwandlungen  einen  gĂŒnstigen  NĂ€hr- 
boden fĂŒr  die  Verursacher  der  krankhaften  Zersetzungen  und 
GĂ€hrungen  (Bact.  coli  und  andere  GĂ€hrungserreger)  sein 
können.  Dies  kann  so  ausgesprochen  der  Fall  sein,  daß  so- 
gar eine  A  Milch  trotz  1,5  %  Milchzucker  das  Aufhören  der 
GĂ€hrungen  beschleunigen  kann  (Wirkung  des  Eiweiß- 
gehalts?). Dabei  möchte  ich  betonen,  daß  ich  die  A  Milch 
hierbei  mehr  experimenti  causa  angewandt  habe  und  sie 
keineswegs  fĂŒr  eine  sonst  angezeigte  Therapie  halte;  man 
kann  ebensowohl  von  ihr  auch  eine  Verschlimmerung  sehen, 
und  ich  habe  diese  auch  wiederholt  gesehen.  Zur  wirksamen 
Behand'ung  stehen  uns  geeignetere  Nahrungsmischungen 
zur  VerfĂŒgung.  Immerhin  aber  gibt  es  FĂ€lle,  in  denen  —  be- 
sonders bei  stĂ€rkerer  Mitbeteiligung  des  Magens  —  z.  B.  die 
Behandlung  mit  Eiweiß-  oder  Larosanmilch  Schw  iei  igkeiten 
macht,  und  dann  verdienen  m.  E.  stÀrkere  me  hl  freie 
MilchverdĂŒnnungen,  eventl.  mit  anderen  ZusĂ€tzen,  mehr  als 
bisher  die  Aufmerksandveit  des  behandelnden  Arztes.  Jeden? 
falls  erscheint  es  mir  beachtenswert,  daß  das  Mehl  nicht  so 
harmlos  ist,  als  man  gemeinhin  annimmt,  und  daß  bei 
Schwierigkeiten  in  der  Beseitigung  der  GĂ€hrungen  und 
DurchfÀlle  das  Mehl  in  der  Nahrung  mehr  als  bisher  unsere 
Aufmerksamkeit  verdient,  wÀhrend  man  sonst  durchweg^  ge- 
neigt war,  den  schÀdigenden  Faktor  in  einem  anderen  Nah- 
rungsbestandteil zu  suchen. 

Interessant  war  es  mir,  daß  Bessan  und  B  o  s  s  e  r  t 
in  ihrer  Arbeit  ĂŒber  die  Bakteriologie  des  DĂŒnndarms  und 
Ascension  der  Bakt.  der  Coli-  und  lactis  aerogenes-Gruppe 
(Jahrb.  f.  Kinderheilk.)  2  FÀlle  bei  schwer  hungergeschÀdig- 
ten SÀuglingen  erwÀhnen  (Fall  30  u.  31),  bei  denen  trotz  10- 
resp.  28tĂ€giger  UnterernĂ€hrung  mit  dĂŒnnen  Schleim-  oder 
Mehlabkochungen  sich  immer  noch  durchfĂ€llige  StĂŒhle 
fanden.  Sie  werfen  die  Frage  auf,  ob  es  eine  FĂ€ulnis- 
dyspepsie ex  inanitione  gibt,  als  Folge  einer  Eiweiß- 
zersetzung durch  FĂ€ulnis  der  Darmsekrete.  Ich  glaube,  daß 
diese  DurchfÀlle  allein  durch  das  Mehl,  oder  den  Schleim 


10.  Jahrg.  — Nr.  43/44. 


Doli.  Johann  Baptista  Morgagni, 


ÜlHverĂ€ndert  unterhalten  wurden;  das  Wasser  der  StĂŒhle 
stammt  z.  T.  von  der  infolge  vermehrter  Peristaltik  mangel- 
haften Eindickung  des  Darminhalts,  z.  T.  aus  den  GefĂ€ĂŸen 
der  Darmwand,  die  durch  die  bakteriellen  GĂ€hrungen  (im 
DĂŒnndarm,  ohne  FĂ€ulnis)  zur  Transudation  gereizt  wurden. 

(Forlsetzung  folgt.) 


Nucleogen  zur  UnterstĂŒtzung  der  Behandlung 
von  Hauterkrankungen. 

Von  Dr.  Eugen  Ostwald,  Haularzl,  Herlin. 

Bekanntlich  spielt  die  ErnÀhrung  und  der  gesamte  Stoff- 
wechsel bei  der  Entstehung  und  Behandlung  verschiedener 
Hauterkrankungen  hÀufig  eine  sehr  wichtige  Rolle.  Ja,  wir 
wissen,  daß  es  eine  ganze  Reihe  von  Dermatosen  gibt,  die 
einzig  und  allein  auf  irgendwelche  Störungen  im  Stoff- 
wechselhaushalt des  menschlichen  Organismus  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren sind. 

Ich  habe  nun,  angeregt  durch  die  gĂŒnstigen  Erfolge, 
die  man  auf  anderen  Gebieten  der  Medizin  mit  Nucleogen  ge- 
macht hat,  versucht,  dieses  PrÀparat,  das  stets  als  sehr  be- 
kömmlich geschildert  wurde,  regelmĂ€ĂŸig  bei  solchen  Haut- 
erkrankungen zu  geben,  bei  denen  es  darauf  ankam,  den  All- 
gemeinzustand des  Patienten  zu  heben  und  eine  Anregung 
des  Gesamtstoffwechsels  und  der  Blutbeschaffenheit  zu  er- 
zielen. » 

Da  wir  ja  in  der  Dermatologie  bei  sehr  vielen  Erkran- 
kungen an  sich  Arsen  in  irgend  einer  Form  zu  geben  gewohnt 
sind,  und  dies  oft  auch  in  Kombination  mit  Eisen  zu  ver- 
ordnen pflegen,  bot  sich  gerade  in  dem  Nucleogen,  das  so- 
wohl Arsen  wie  Eisen  und  außerdem  auch  Phosphor  enthĂ€lt, 
ein  sehr  geeignetes  und  bequemes  Mittel  fĂŒr  die  Behandlung. 
Das  Nucleogen  wird  in  Tablettenform  in  den  Handel  ge- 
bracht. Jede  Tablette  enthÀlt  lt.  Angabe  der  Hersteller 
0,0012  g  Arsen  und  0,05  g  Eisennucleinat,  eine  Verbindung, 
in  der  das  Eisen  an  die  phosphorhaltige  NucleogensÀure  ge- 
bunden ist,  und  die  ca.  15  %  Eisen  und  ca.  7  %  Phosphor 
enthÀlt. 

Im  ganzen  habe  ich  30  Patienten  lÀngere  Zeit  mit  Nu- 
cleogen behandelt,  gab  bei  einzelnen  Patienten  natĂŒrlich  das 
PrĂ€parat  nur  als  unterstĂŒtzendes  Mittel,  wĂ€hrend  es  bei 
einigen  ganz  allein  ohne  irgendwelche  Ă€ußere  Therapie  ge- 
geben wurde.  Ich  beschrÀnke  mich  darauf,  nur  summarisch 
die  Resultate  der  Behandlung  mitzuteilen,  ohne  dabei  die 
ganzen  Krankengeschichten  wiederzugeben  und  die  bei  sÀmt- 
lichen FĂ€llen  zu  beobachtende  Besserung  des  Blutbildes  im 
einzelnen  aufzufĂŒhren. 

Bei  9  FĂ€llen  von  sehr  starkem  Haarausfall,  der  teils  auf 
anĂ€mische  ZustĂ€nde  und  UnterernĂ€hrung  zurĂŒckgefĂŒhlt 
werden  konnte,  teils  in  vorausgegangenen  mehr  oder  weniger 
schweren  Erkrankungen  seine  Ursache  hatte,  konnte  ich  eine 
auffallende  Hebung  des  Allgemeinbefindens  beobachten  und 
damit  auch  eine  sehr  schnelle  Besserung  des  Haarausfalls. 
Den  gleich  guten  Erfolg  erzielte  ich  bei  einer  Furunkulose 
mit  starker  Abmagerung  und  starkem  Gewichtsverluste  und 
einer  Akne  indurata  des  RĂŒckens.  Auch  bei  einem  Fall  von 
Herpes  progenitalis  bei  einer  Patientin,  bei  der  sich  außer- 
dem noch  Symptome  einer  hochgradigen  NervositÀt  fanden, 
konnte  ich  sehr  schnelle  Heilung  beobachten.  Eine  DrĂŒsert- 
' tuberkulöse  der  HalsdrĂŒsen  besserte  sich  gut,  wĂ€hrend  drei 
FĂ€lle  Erythema  pernio  der  Unterschenkel  zwar  alle  Gewichts- 
zunahmen, aber  keine  wesentliche  Besserung  des  Erythems 
zeigten.  Nicht  sehr  befriedigend  waren  auch  die  Erfolge 
die  die  Nucleogenbehandlung  bei  Psoriasis  vulgaris  und  bei 
zwei  FĂ€llen  von  ausgedehntem  Liehen  ruber  planus.  Diese 
FĂ€lle  waren  allerdings  anfangs  nur  mit  Nucleogen  behandelt 
worden,  ohne  jede  Lokallherapie.  Als  dann  spÀter  auch  zur 
Salbenbehandlung  ĂŒbergegangen  wurde  und  diese  gemeinsam 
mit  den  Nucleogengaben  durchgefĂŒhrt  wurde,  trat  allerdings 
sehr  schnelle  RĂŒckbildung  der  Efflorescenzen,  besonders  bei 
den  PsoriasisfÀllen  auf.  Besonders  bemerkenswert  war  hier- 
bei noch,  daß  es  sich  in  4  FĂ€llen  um  Patientinnen  gehandelt 


hat,  die  vordem  von  anderer  Seite  schon  lange  behandelt 
worden  waren  und  bei  denen  damals  die  interne  Ai  senbehainL 
lung  abgebrochen  werden  mußte,  da  sie  Arsen  in  keiner  Form 
hatten  vertragen  können,  wÀhrend  sie  jetzt  Nucleogen  0,  7 
und  8  Wochen  lang  nehmen  können,  ohne  ĂŒber  die  gering- 
sten Beschwerden  zu  klagen. 

Ganz  besonders  gute  Resultate  wurden  mit  Nucleogen 
bei  der  Behandlung  der  Verrucae  planae  juveniles  erzielt.  Es 
wurden  insgesamt  10  FĂ€lle  behandeil  und  zwar  hier  stets 
immer  unter  Fernhaltung  jeglicher  anderen  Therapie.  In 
allen  FĂ€llen  trat  schon  nach  einigen  Tagen  eine  deutliche 
RĂŒckbildung  der  Efflorescenzen  auf,  die  so  schnell  weitere 
Fortschritte  machte,  wie  man  es  bei  der  sonst  ĂŒblichen  As.- 
Darreiehung  fast  nie  beobachten  kann.  Auch  hier  trat  mit 
der  Hebung  des  Allgemeinbefindens  auch  eine  starke  Ge- 
wichtszunahme ein,  in  einem  Falle  im  Verlauf  von  0  Wochen 
um  7  Pfund. 

Zusammenfassung. 
Im  Nucleogen  bietet  sich  uns  ein  wertvolles  PrÀparat  dar, 
daß  infolge  der  Hebung  des  Allgemeinbefindens  und  Besse- 
rung des  Blutbildes  einerseits  und  infolge  seiner  bequemen 
Darreichungsweise  und  seiner  guten  VertrÀglichkeit  anderer- 
seits sehr  geeignet  erscheint,  in  der  Dermatologie  zur  Unter- 
stĂŒtzung der  lokalen  externen  Therapie  eine  Rolle  zu  spielen. 


Johann  Baptista  Morgagni,  der  BegrĂŒnder 
der  pathologischen  Anatomie  als  Wissenschaft 
und  seine  VorlÀufer  Bonet,  .Wepfer  u.  Schenk. 

Von  Geh.  Hofrat  D  r.  D  o  1 1,  Karlsruhe. 

Es  gewÀhrt  einen  eigenen  Reiz,  sich  einmal  zur  Abwechs- 
lung in  Àlteres  medizinisches  Schrifttum  zu  vertiefen  und  damit 
zugleich  zu  einem  genaueren  VerstÀndnis  der  Geistes-  und  Ge- 
schmacksrichtung einer  bestimmten  Zeitepoche  zu  gelangen. 
Als  persönliches  Andenken  an  einen  verstorbenen  Kollegen 
ging  aus  dessen  Bibliothek  eine  hervorragend  schöne  Ausgabe 
von  Morgagnis  berĂŒhmtem  Werk:  De  sedibus  et  causis 
morborum  in  meinen  Besitz  ĂŒber.  Dies  gab  mir  die  Ă€ußere 
Veranlassung  zu  eingehenderer  BeschÀftigung  mit  dem  Be- 
grĂŒnder der  pathologischen  Anatomie,  wie  man  Morgagni 
zu  bezeichnen  pflegt,  und  wies  den  Weg  zu  seinen  in  der 
Ueberschrift  genannten  VorgÀngern.  Die  BeschÀftigung  mit 
jenen  MÀnnern  nötigt  uns  Bewunderung  und  Hochachtung 
ab  vor  ihrem  enormen  Fleiß,  ihrer  Genauigkeit  und  PĂŒnkt- 
lichkeit, wie  vor  ihrem  redlichen  Ringen  nach  Klarheit  und 
Wahrheit  zumal  im  Hinblick  auf  ihre  unzureichenden  Grund- 
lagen und  ihre  mangelhaften  Hilfsmittel.  Vielleicht  ist  es  auch 
unserer  da  und  dort  etwas  superklugen  und  neunmalweisen 
Gegenwart  ganz  nĂŒtzlich  als  eine  Mahnung  zur  Bescheiden- 
heit daran  erinnert  zu  werden,  daß  es  auch  frĂŒher  schon  kluge, 
kritische  und  vorurteilslose  Köpfe  gegeben  hat. 

Joh.  Bapt.  Morgagnis  oben  erwÀhntes  Werk:  De 
sedibus  et  causis  morborum  per  Anatomen  indagatis  —  ĂŒber 
Sitz  und  Ursachen  der  Krankheiten  erforscht  durch  die  Ana- 
tomie —  erschien  erstmals  i.  J.  1761.  Es  war  des  Verfassers 
Lebenswerk,  denn  derselbe  stand  damals  schon  im  79ten  Le- 
bensjahr. Das  Jahr  1761  ist  noch  durch  eine  andere  Großtat 
in  der  Medizin  denkwĂŒrdig,  nĂ€mlich  durch  die  Erfindung  der 
Perkussion.  In  demselben  Jahr  gab  der  Wiener  Arzt  Leopold 
Auenbrugger  (geb.  1722,  gest.  1809)  seine  kleine  Schrift 
heraus:  Inventum  novum  ex  percussione  thoracis  humani  ut 
signo  obstrusos  interni  pectoris  morbos  detegendi.  Doch 
habent  sua  fata  libelli!  Morgagnis  Werk  fand  sofort 
ĂŒberall  Bewunderung  und  Anerkennung  und  wurde  in  die 
deutsche,  englische  und  französische  Sprache  ĂŒbersetzt. 
Auenbruggers  Schrift  dagegen  blieb  unbeachtet.  Selbst 
an  direkter  Mißgunst  und  verkleinerndem  Neid  hat  es  ihrem 
Verfasser  nicht  gefehlt.  Die  Perkussion  fand  erst  allgemeine 
WĂŒrdigung  durch  Nikolaus  Corvisart  (geb.  1755,  gest. 
1821),  den  Leibarzt  Napoleons  des  L,  der  im  Jahre  1808 
Adenbruggers  Arbeit  mit  ZusÀtzen  und  Anmerkungen 


618 


Doli.  Johann  Baptista  Morgagni. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


versehen,  ĂŒbrigens  unter  ausdrĂŒcklicher  Wahrung  von  dessen 
PrioritÀt,  in  französischer  Sprache  neu  herausgab. 

Die  mir  vorliegende  Ausgabe  von  de  sedibus  et  causis 
morborum,  3  BĂ€nde  in  Großquart  in  hervorragend  schönem 
und  sauberem  Druck  und  mit  kĂŒnstlerischem  Buchschmuck  ist 
vom  Jahre  1779.  Der  Verlagsort  ist  Ebrodunum  (=  Yverdon) 
in  Helvetia.  In  diesem  am  Neuenburg  er  See  gelegenen  StÀdt- 
chen, sonst  auch  bekannt  als  Wohnsitz  des  PĂ€dagogen 
Pestalozzi,  befand  sich  eine  Verlagsdruckerei  von  euro- 
pĂ€ischem Ruf.  Sie  war  i.  J.  1762  von  dem  italienischen  FlĂŒcht- 
ling Fortune  Barthelemy  de  F  e  1  i  c  e  begrĂŒndet.  Im  Auftrag 
dieser  Verlagsfirma  wurde  diese  Neuauflage  durch  den  waadt- 
lÀndischen  Arzt  Simon  Andree  Tissot  (geb.  1728,  gest. 
1797)  besorgt.  Tissot  war  wÀhrend  einiger  Jahre,  bis 
1785,  Professor  der  Medizin  in  Pavia  gewesen  und  prakti- 
zierte dann  als  Arzt  in  Lausanne.  Sein  Nachfolger  auf  diesem 
Lehrstuhl  wurde  der  wohl  bedeutendste  Arzt  seiner  Zeit  und 
der  BegrĂŒnder  der  Medizinalpolizei  und  der  Hygiene  als  Wis- 
senschaften Johann  Peter  Frank  (geb.- 1745,  gest.  1821)*) 

Als  Einleitung  der  von  ihm  besorgten  Ausgabe  gibt  Tis- 
sot eine  ausfĂŒhrliche:  „Historia  vitae  et  operum  JB.  Mor- 
g  a  g  n  i."  Wir  entnehmen  derselben  kurz  Folgendes:  Mor- 
gagni ist  geboren  am  25.  Februar  1682  in  Forum  Livii 
(Forli  im  Kirchenstaat).  Kaum  7jÀhrig,  verlor  er  seinen  Va- 
ter, und  seine  Mutter  leitete  mit  großer  Umsicht  und  Sorgfalt 
die  Erziehung  ihres  einzigen  Kindes.  Der  Knabe  war  von 
zarter  Konstitution  und  seinem  jungen  Leben  drohten  zwei 
schwere  Gefahren:  einmal  ein  heftiges  Fieber  und  sodann  der 
Sturz  in  einen  Kanal.  Durch  die  mutige  Tat  eines  Mannes, 
der  ihm  in  das  Wasser  nachsprang,  wurde  er  vom  Tod  des 
Ertrinkens  gerettet.  Auf  der  Akademie"  seiner  Vaterstadt  er- 
hielt er  Unterricht  in  Sprachen  und  in  schönen  Wissenschaf- 
ten. Mit  16  Jahren  bezog  er  zum  Studium  der  Medizin  die 
Hochschule  zu  Bologna.  In  dem  klassizistisch-poetisierenden 
Stil  jener  Zeit,  dem  wir  noch  mehrfach  begegnen  werden,  be- 
zeichnet diese  der  Chronist  T  i  s  s  o  t  als  celebrem  artis  Macha- 
onicae  nutricem.  M  a  c  h  a  o  n  war  bekanntlich  Arzt  im  Heer 
der  Griechen  vor  Troja.  Der  junge  Student  tritt  dort  alsbald 
in  Beziehung  zu  den  TrĂ€gern  berĂŒhmter  „Namen:  M  a  1  p  i  g  h  i, 
Sandrio,  Albertini  und  vor  allen  zu  Antonio  Maria 
V  a  1  s  a  1  v  a  (geb.  1666,  gest.  1723).  Der  letztere,  jedem  Me- 
diziner bekannt  durch  den  sog.  V  a  1  s  a  1  v  a  sehen  Versuch, 
n.  die  sinus  Valsalvae,  war  sein  Lehrer  in  der  Anatomie  und 
blieb  ihm  zeitlebens  ein  hochgeschÀtzter  vÀterlicher  Freund. 
Im  Jahr  1701,  also  mit  19  Jahren,  erwirbt  sich  Morgagni 
mit  großer  Auszeichnung  den  Doktorgrad  der  Medizin  und 
der  Philosophie.  Weiterhin  wurde  er  Assistent  und  Prosektor 
bei  V  a  1  s  a  1  v  a  und  unterstĂŒtzte  diesen  bei  der  Fertigstellung 
seines  berĂŒhmten  Werkes  vom  Jahr  1705  ĂŒber  das  Gehöror- 
gan: De  aure  humana  tractatus,  in  quo  integra  ejusde.n  auris 
fabrica  multis  novis  inventis  et  iconismis  illustrata  describitur. 
Hier  fndet  sich  auch  ĂŒbrigens  erstmals  der  Nachweis,  daß  bei 
halbseitigen  LÀhmungen  und  KrÀmpfen  der  ursÀchliche  Er- 
krankungsherd im  Gehirn  stets  in  der  entgegengesetzten  Seite 
lokalisiert  ist.  Nebenbei  trieb  Morgagni  lateinische  und 
griechische  Sprachstudien  und  beschÀftigte  sich  mit  Poesie, 
Botanik,  Geometrie,  Hydraulik,  Mechanik  und  Astronomie. 

Sein  erstes  selbstĂ€ndiges  Werk  verfaßte  er  mit  24  Jahren 
i.  J.  1706.  Sein  Titel  lautet:  Adversaria  (—  Handbuch)  ana- 
tomica  prima.  Es  handelt  de  larynge  vicinisque  partibus,  de 
viis  lacrymalibus  et  de  foemineis  generationis  organis.  Die 
nÀchsten  2V2  Jahre  setzte  Morgagni  seine  Studien  in  Ve- 
nedig und  Padua  fort.  Er  beschÀftigte  sich  hier  besonders  mit 
der  Zergliederung  von  Tieren,  insbesondere  Fischen,  und  be- 
trieb außerdem  chemische,  pharmazeutische  und  physikalische 
Studien.  Sodann  in  seine  Heimat  Forli  zurĂŒckgekehrt,  wid- 
mete er  sich  der  Àrztlichen  Praxis  und  gewann  in  kurzer  Zeit 
großes  Ansehen,  sodaß  er  auch  von  Ă€lteren  Aerzten  hĂ€ufig  zu 
Konsilien  gebeten  wurde.  Sein  Biograph  Tissot  rĂŒhmt  von 
ihm,  er  sei  aufmerksam  in  der  Beobachtung,  vorsichtig  in  der 


*)  Dr.  Johann  Peter  Frank,  ein  Lebensbild,  von  Hofrat  Dr.  K. 
Doli  1909. 


Prognose,  glĂŒcklich  in  der  Therapie  gewesen  —  in  observando, 
attentus,  in  praedicendo  cautus,  in  curando  felix.  Auf  die 
Dauer  wurde  ihm  jedoch  die  Àrztliche  TÀtigkeit  zu  anstren- 
gend und  so  entschloß  er  sich  gerne,  Ende  1711  einem  Ruf 
nach  Padua  auf  den  Lehrstuhl  der  theoretischen  Medizin  zu 
folgen  als  Nachfolger  des  V  a  1 1  i  s  n  e  r  i  u  s,  der  nach  Bo- 
logna berufen  war.  Antonio  V  a  1 1  i  s  n  i  e  r  i,  geb.  1661,  gest. 
1730,  ein  SchĂŒler  des  Malpighi,  hat  sich  als  mikrosko- 
pischer Forscher  einen  Namen  gemacht.  Er  war  zuerst  Arzt 
in  Scandiano,  dann  seit  1700  Professor  der  theoretischen  Me4 
dizin  in  Padua,  seit  1712  in  Bologna.  Bekannt  ist  er  auch 
durch  entwicklungsgeschichtliche  Arbeiten,  in  denen  er  u.  a| 
die  Bedeutung  des  Eies  fĂŒr  die  Entwicklung  der  Frucht  aus-v 
einandersetzt.  Auch  stammen  von  ihm  wertvolle  BeitrÀge  zur 
Entomologie  und  Botanik.  Ihm  zu  Ehren  ist  eine  Pflanzenart 
aus  der  Familie  der  Hydrocharideen  (Froschbiß)  vallisneria 
benannt. 

Am  16.  April  1712  hielt  Morgagni  in  Padua  in  latei- 
nischer Sprache  seine  Antrittsrede.  Sie  handelte  von  der  rich- 
tigen Vorbildung  zum  Studium  der  Medizin  und  von  der  rich- 
tigen Ausbildung  in  derselben.  Dieses  Thema  war  also  auch 
frĂŒher  schon  aktuell.  So  sprach  auch  J.  P.  F  r  a  n  k  in  seiner 
Antrittsvorlesung  in  Göttingen  am  25.  Mai  1784:  De  insti- 
tuendo  ad  praxim  medico. 

In  Padua,  wo  M  o  r  g  a  g  n  i  bis  an  sein  Lebensende  ver- 
blieb, entfaltete  er  eine  reiche  schriftstellerische  TĂ€tigkeit.  Seine 
sÀmtlichen  Werke  aus  den  verschiedensten  Gebieten,  insbeson- 
der  aus  dem  der  normalen  und  der  pathologischen  Anatomie, 
sind  am  Schluß  der  Tissot  sehen  Biographie  einzeln  aufge- 
fĂŒhrt. Die  meisten  von  ihnen  sind  in  Form  von  Briefen  an 
zeitgenössische  Aerzte,  Anatomen  und  SchĂŒler  abgefaßt.  So 
auch  die  Krönung  und  Zusammenfassung  seiner  literarischen 
TĂ€tigkeit,  sein  Hauptwerk  de  sedibus  et  causis  morborum  in 
70  Briefen. 

In  breiter  AusfĂŒhrlichkeit  berichtet  dann  noch  Tissot 
ĂŒber  die  literarischen  Fehden,  in  die  M  o  r  g  a  g  n  i  mit  seine» 
Kollegen  B  i  a  n  c  h  i  undM  a  n  g  e  t  u  s  verwickelt  war.  Eben- 
so sind  eine  Reihe  auslÀndischer  Akademien  erwÀhnt,  die  ihn 
zu  ihrem  Mitglied  ernannten.  Auch  sonst  hat  es  ihm  an  An- 
erkennung bei  Lebzeiten  nicht  gefehlt.  Im  Jahr  1763  ehrte 
ihn  seine  Vaterstadt  Forli  durch  Aufstellung  seiner  Marmor- 
bĂŒste in  einem  öffentlichen  GebĂ€ude.  Neben  einer  schwung- 
vollen Widmungsinschrift  war  dort  folgendes  Distichon  als 
Epigramm  zu  lesen: 

Hic  est  ut  perhibent  doctorum  corda  virorum 

Primus  in  humani  corporis  historia. 

Dieser  ist,  wie  es  die  Herzen  der  lebenden  Gelehrten  be- 
zeugen, der  erste  in  der  Beschreibung  des  menschlichen 
Körpers. 

Ueber  Morgagnis  Persönlichkeit  erfahren  wir  Fol- 
gendes: In  seiner  Lebenshaltung  liebte  er  Einfachheit  und 
RegelmĂ€ĂŸigkeit.  Auch  seine  Therapie  bevorzugte  das  Ein- 
fache und  UngekĂŒnstelte.  Er  lebte  ja  in  der  blutigsten  Ader- 
laßzeit, hat  andere  hĂ€ufig  damit  behandelt  und  ausgiebige 
Blutentziehungen  am  Hinterkopf  durch  Schröpfköpfe  bei  ge- 
wissen bedrohlichen  Gehirnerscheinungen  neuerdings  wieder 
empfohlen  (Epist  II.  10).  Es  wird  aber  ausdrĂŒcklich  von  ihm 
berichtet,  daß  er  an  sich  selbst  niemals  einen  Aderlaß  vorneh- 
men ließ.  Wir  werden  diesem  eigentĂŒmlichen  Zug  noch  bei 
einem  seiner  VorlÀufer  (W  e  p  f  e  r)  begegnen. 

Morgagni  hatte  15  Kinder:  3  Söhne  und  12  Töchter. 
Ein  Sohn  starb  im  Knabenalter,  4  Töchter  als  kleine  Kinder. 
Ein  Sohn  starb  als  verheirateter  Mann  und  hinterließ  seinem 
Vater  noch  die  Sorge  fĂŒr  mehrere  Enkel.  Der  dritte  Sohn 
trat  in  die  Gesellschaft  Jesu  ein  und  die  noch  ĂŒbrigen  8  Töch- 
ter gingen  ins  Kloster.  Morgagni  wird  geschildert  als 
großer,  stattlicher  Mann  von  freundlichem  und  heiterem  Ge- 
sichtsausdruck, als  blondhaarig  und  blauÀugig.  Nach  W  o  1  tj 
mann:  „Die  Germanen  und  die  Renaissance  in  Italien" 
(1905)  war  Morgagni,  wie  noch  eine  große  Reihe  her- 
vorragender Italiener  jener  Zeiten,  KĂŒnstler,  Gelehrte,  Staats- 
mÀnner, nach  körperlichen  Merkmalen  und  nach  der  Ablei- 
tung ihrer  Namen  zu  schließen,  germanischer  (langobardi- 


scher)  Herkunft.  Der  Name  Morgagni  soll  sich  von  dem 
deutschen  Morgan  d,  Mor  gante  herleiten.  So  ist  ja 
auch  noch  aus  spaterer  Zeit  fĂŒr  Italiens  Bismarck,  den  Grafen 
Ca  vö  u  r  (1810— 1861)  durch  Treitschke  die  Abstam- 
mung von  einem  deutschen  Richter  namens  Benz,  der  mit 
Barbarossa  nach  Italien  gekommen  war,  nachgewiesen. 

Morgagnis  Todestag  ist  der  5.  Dezember  1771 .  Er 
erreichte  also  das  hohe  Alter  von  ĂŒber  89  Jahren.  Sein  in 
Kupfer  gestochenes  Brustbild,  in  feierlicher  Amtstracht  mit 
mĂ€chtiger  AllongeperĂŒcke  ist  der  oben  erwĂ€hnten  Ausgabe 
Vom  Jahr  1779  vorgeheftet. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einer  kurzen  Betrachtung  seines 
Hauptwerkes:  De  sedibus  et  causis  morborum.  Der  Verfas- 
er  bezeichnet  es  als  dessen  Aufgabe,  die  anatomischen  VerÀn- 
derungen jeder  Art  und  jeden  Grades  in  allen  und  in  jeden 
Krankheiten  zu  schildern.  Dabei  tritt  ĂŒberall  das  Bestreben 
hervor,  die  in  der  Leiche  festgestellten,  von  der  Norm  ab- 
weichenden Befunde  mit  den  wÀhrend  des  Lebens  beobachte- 
ten Krankheitserscheinungen  in  richtige  Beziehung  zu  setzen. 
Morgagni  verfÀhrt  dabei  vorsichtig  und  kritisch,  wenn  es 
ihm  naturgemĂ€ĂŸ  auch  nicht  immer  gelingt,  bloße  Leichenver- 
Ànderungen von  wÀhrend  des  Lebens  entstandenen  richtig  zu 
trennen.  Die  Anordnung  des  Stoffes  in  den  insgesamt  70 
Briefen  ist  derart,  daß  von  jedem  Fall  zunĂ€chst  eine  kurze 
Krankheitsschilderung,  hĂ€ufig  von  ĂŒberraschender  PrĂ€gnanz 
und  Anschaulichkeit  gegeben  wird.  Dabei  ist  zu  bedenken, 
daß  es  sich  bei  dem  völligen  Mangel  fast  aller  Untersuchungs- 
rrethoden  immer  nur  um  Symptomdiagnosen,  nicht  um  Be- 
funddiagnosen handelt.  An  den  Krankheitsbericht  schließt 
sich  der  Sektionsbericht,  wobei  die  PĂŒnktlichkeit  und  einge- 
hende Genauigkeit  der  Autopsien  vollste  Bewunderung  er- 
weckt. Als  drittes  folgt  dann  eine  eingehende  kritische  Betrach- 
tung unter  GegenĂŒberstellung  von  1  und  2,  und  ausgiebigster 
Bezugnahme  auf  andere  Autoren.  In  dieser  Weise  abgehan- 
delt sind  neben  FĂ€llen  eigener  Beobachtung  noch  solche  sei- 
nes Lehrers  V  a  1  s  a  1  v  a  und  einiger  befreundeter  Aerzte. 

Das  ganze  Werk  ist  in  5  BĂŒcher  eingeteilt.  Das  erste 
handelt  von  den  Krankheiten  des  Kopfes,  das  zweite  von  denen 
der  Brust,  das  dritte  von  denen  des  Bauches.  Das  vierte  be- 
faßt sich  mit  chirurgischen  Affektionen  und  mit  solchen,  die 
sich  auf  den  ganzen  Körper  beziehen.  Das  fĂŒnfte  endlich  ent- 
hÀlt ErgÀnzungen  zu  den  vier  ersten. 

Jedes  der  fĂŒnf  BĂŒcher  ist  in  schwungvoller  Widmung 
einem  hervorragenden  Mediziner  zugeeignet.  Darunter  sind 
drei  Deutsche,  ein  EnglÀnder  und  ein  Franzose,  auffallender 
Weise  kein  italienischer  Landsmann,  vielleicht  deshalb,  weil 
Morgagni,  wie  schon  erwÀhnt,  mit  seinen  italienischen  Fach- 
genossen vielfach  in  erbitterter  literarisch-wissenschaftlicher 
Fehde  lag.  Auch  sonst  fĂ€llt  bei  Durchsicht  der  angefĂŒhrten 
Autorennamen  ein  außerordentlicher  internationaler  Zug  der 
damaligen  medizinischen  Wissenschaft  auf.  Dies  trifft  be- 
sonders auch  fĂŒr  das  spĂ€ter  noch  zu  besprechende  Sepulchre- 
tum  des  Bonetus  zu.  Die  Gelehrten  der  KulturlÀnder  Eu- 
ropas sehen  wir  in  lebhaftem  brieflich-literarischem  Verkehr 
unter  einander.  Was  heute  die  Kongresse  sind,  war  damals 
der  briefliche  Gedankenaustausch.  Und  es  ist  nicht  zu  ver- 
kennen, daß  die  BrĂŒcke,  die  diesen  Verkehr  erleichterte,  der 
Gebrauch  des  Lateinischen  als  internationaler  Gelehrtensprache 
war. 

Die  drei  Deutschen,  denen  Morgagni  durch  Widmung 
je  eines  Buches  Ehre  erweist,  sind  Trew  (Treu),  Schrei- 
be r  und  Meckel. 

Christ.  Jak.  Trew  (Treu),  geb.  1695,  gest.  1769,  Arzt, 
Anatom  und  Botaniker  in  NĂŒrnberg,  war  Mitglied,  spĂ€ter 
Senior  und  Dekan  des  Collegium  medicum,  d.  h.  der  obersten 
Gesundheitsbehörde  der  freien  Reichsstadt  NĂŒrnberg. 

Joh.  Friedr.  Schreiber,  geb.  1705,  gest.  1760,  ge- 
burtig aus  Königsberg,  war  in  russischen,  zuerst  militÀrÀrzt- 
lichen Diensten,  dann  Lehrer  der  Anatomie  und  Chirurgie  an 
der  Hospitalschule  (Chirurgenschule)  in  St.  Petersburg. 

Joh.  Friedr.  M  e  c  k  e  1  d.  Ae.,  geb.  in  Wetzlar  1714,  gest. 
in  Berlin  1774.  Er  war  daselbst  Professor  der  Anatomie,  Ge- 
burtshilfe und  Botanik  und  ist  bekannt  als  der  Entdecker  des 


Ganglion  sphenopalatinum  (Ganglion  Meckelii)  und  des 
Ganglion  submaxillare. 

Der  Franzose  ist  Petrus  Senac,  geb.  1693,  gest. 
1770,  Leibarzt  des  Königs  von  Frankreich  (I  udwigs 
XV.),  bekannt  durch  ein  Werk  ĂŒber  die  pathologische 
Anatomie  und  Physiologie  des  Herzens:  „Traite  de  la  struc- 
ture  du  coeur,  de  son  action  et  de  ses  maladies"  (Paris  1749). 
Als  Beweis  fĂŒr  den  kritischen  Geist,  der  auch  dieses  Werk  aus- 
zeichnet, sei  eine  Aeußerung  aus  demselben  ĂŒber  das  vielum- 
strittene Kapitel  der  Herzpolypen  angefĂŒhrt.  Das  Zitat  ist 
dem  spÀter  genauer  angegebenen  Buch  von  W  i  c  h  m  a  n  n 
entnommen:  „II  arrive  quelquefois  que  les  Polypes  sont  flot- 
tants,  et  queleurs  surface  est  unie;  il  paroit  donc,  que  de  tels 
polypes  s'ils  se  formoient  dans  des  corps  vivants,  pourroient 
tres  souvent  changer  de  place,  boucher  les  grandes  arteres, 
s'opposer  À  l'entree  du  sang  dans  les  ventricules  et  par  conse- 
quent  deranger  le  pouls;  reste  a  savoir,  si  cescon- 
jectures  sont  confirmees  par  quelque  fai  t". 
Die  Frage  von  der  pathologischen  Bedeutung  der  beweglichen 
Kugelthromben,  wie  man  sie  dann  nannte,  ist  auch  spÀter 
noch  erörtert  worden.  W.  Hertz  hat  ihnen  in  einer  Ab- 
handlung: „Ueber  Ă€ltere  Thrombenbildungen  im  Herzen"  (D. 
Archiv  f.  KHn.  Med.  Bd.  XXXVII)  Àhnliche  Eigenschaften  und 
Wirkungen,  wie  sie  Senac  vermutete,  zugeschrieben.  Da- 
gegen spricht  ihnen  v.  Recklinghausen  in  einer  Er- 
widerung in  demselben  Band  des  Archivs  eine  wesentliche 
und  selbstÀndige  pathologische  DignitÀt  ab. 

Endlich  der  EnglÀnder  William  B  r  o  m  f  i  e  1  d  ,  geb. 
1712,  gest.  1792,  chirurgischer  Leibarzt  des  Königs  von  Eng- 
land (Georgs  II.).  Sein  bekanntestes  Werk  nennt  sich  Sylla- 
bus  anatomicus.  Aus  dem  Widmungsbrief  ersehen  wir  noch, 
daß  ein  Sohn  dieses  EnglĂ€nders  Bromfield  bei  Mor- 
gagni studierte,  in  seinem  Haus  verkehrte  und  bei  ihm  zum 
Doktor  der  Medizin  und  der  Philosophie  promovierte.  Auch 
dies  ein  Zeichen  damaliger  wissenschaftlicher  InternationalitÀt. 

Es  mag  hier  erwĂ€hnt  werden,  daß  von  den  vielen  SchĂŒlern 
Morgagnis  nur  einer  es  zur  BerĂŒhmtheit  gebracht  hat. 
Das  ist  Antonio  Scarpa,  geb.  1752,  gest.  1832.  Er  war 
Anatom  und  Chirurg  in  Pavia  und  verfaßte  mit  20  Jahren 
(1772)  sein  berĂŒhmtes  Werk:  „De  struetura  fenestrae  rotundae 
auris  et  de  tympano  secundario  anatomicae  observationes". 
Er  ist  außerdem  bekannt  durch  die  Entdeckung  des  Nervus 
nasopalatinus  und  die  Beschreibung  des  nach  ihm  benannten 
Dreiecks  an  der  Vorderseite  des  Oberschenkels. 

Um  von  dem  wissenschaftlichen  Gehalt  von  Morgag- 
nis de  sedibus  et  causis  morborum  einigen  'Betriff  zu  geben, 
mö^en  wenige  Beispiele  kurz  angefĂŒhrt  werden:  Eine  von 
Valsalva  stammende  Beobachtung  (Epist.  I  2)  ist  in  freier 
Uebersetzung  des  Wesentlichen  die  folgende:  Ein  13jÀhriger 
Knabe,  hervorragend  begabt,  dessen  Schwester  und  Bruder 
an  Phthise  gestorben  waren,  wÀhrend  er  selbst,  ein  Jahr  zuvor 
an  einer  EntzĂŒndung  der  linken  Lunge  gelitten  hatte,  wird  von 
Kopfschmerzen  ĂŒber  den  Au.^en  befallen.  Auch  diese  schmerz- 
ten und  sonderten  eine  klebrige  FlĂŒssigkeit  ab.  Am  folgenden 
Tag  deliriert  er.  starrt  die  Umstehenden  an,  erbricht  schleimige 
Massen.  Darauf  wird  er  plötzlich  von  Konvulsionen  befallen, 
aus  denen  er  in  einen  soporösen  Zustand  verfÀllt.  Mehrfach 
wird  er  noch  von  KrÀmpfen,  verbunden  mit  erschwerter 
Atmung  durchrĂŒttelt.  Endlich  stirbt  er.  Aus  dem  Sektions- 
bericht sei  angefĂŒhrt:  In  der  Brust  war  die  rechte  Lunge  mit 
der  Pleura  nicht  verwachsen.  Aber  in  ihrem  oberen  Teil, 
nach  dem  SchlĂŒsselbein  zu,  enthielt  sie  einen  Knoten  (tuber- 
culum).  von  der  ungefĂ€hren  GrĂ¶ĂŸe  einer  Walnuß,  in  der 
kleine  HohlrĂ€ume  si>h  befanden,  angefĂŒllt  mit  einer  Materie, 
die  nach  Farbe  und  Weichheit  der  Marksubstanz  des  Gehirnes 
glich  und  von  hier  hÀtte  vielleicht,  wenn  der  Knabe  lÀnger 
gelebt  hÀtte,  die  Krankheit,  der  seine  Geschwister  erlegen 
waren,  ihren  Anfang  genommen.  Die  linke  Lunge  aber,  die, 
wie  erwĂ€hnt,  vor  einem  Jahr  eine  EntzĂŒndung  durchgemacht 
hatte,  war  am  RĂŒcken  mit  der  Pleura  verwachsen.  —  Als  der 
SchÀdel  geöffnet  war,  fand  sich  die  harte  Hirnhaut  auf  der 
Seite  der  blutfĂŒhrenden  GefĂ€ĂŸe  dunkel  verfĂ€rbt. 

(Fortsetzung  folgt.) 


620 


AuskĂŒnfte  der  Arzneimittelkommission. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


AuskĂŒnfte  der  Arzneimittelkommission  der  D.  Ges.  f.  i.  Med., 
unterstĂŒtzt  vom  D.  Aerztevereinsbunde. 

1.  Anfrage  eines  Arztes  ĂŒber  das  „Wassersuchtpulver 
Nephrisan". 

Antwort  der  A.  -K. 
Nephrisan  besteht  angeblich  aus  Extract.  Ononidis,  Cort.  Sam- 
buci,  Scilla  maritima,  Arum  maculatum,  Natr.  sulfuric.  und  bicar- 
honic.  Indiziert  soll  es  sein  bei  Aszites,  allgemeinem  Hydrops 
und  Folgen  von  Nephritis.  Die  diuretische  Wirkung  des  Mittels 
ist  auf  Grund  dieser  Zusammensetzung  verstÀndlich.  Ihre  Be- 
obachtung einer  Herzexzitation  ist  eine  sehr  richtige,  da  das  Gly- 
kosid Scillain  (Scillatoxin,  Scillaren)  in  der  Meerzwiebel  zu  den 
Körpern  der  Digitalinreihe  gehört  und  die  Scilla  bereits  das  Herz- 
mittel der  alten  Aegypter  gewesen  ist.  Sie  werden  aber  mit 
anderen  Diuretizis  besser  fahren,  weil  die  Scilla  nieren- 
reizend wirkt. 

2.  Anfrage  eines  Arztes  ĂŒber  das  Olpe-Heilverfahren  bei 
Asthmaleidenden. 

Antwort  der  A.-K. 
Die  Toko-Marah-PrÀparate,  die  als  spezielle  Heilmittel 
gegen  Asthma  bezeichnet  werden-,  sind  in  keinem  der  Àlteren  und 
neueren  HandbĂŒcher  erwĂ€hnt.  Ein  sehr  erfahrener  Regierungs- 
apotheker hat  nie  davon  gehört.  Da  keine  Deklaration  gegeben 
wird,  muß  das  Heilverfahren  als  ein  geheimes  bezeichnet  werden. 
Die  Anpreisung  ist  ĂŒbertrieben  und  irrefĂŒhrend.    Dabei  ist  nicht 


ausgeschlossen,  daß  das  Heilverfahren  bekannte  Mittel  gegen  I 
\sthma  verwendet  und  Erfolg  haben  kann. 

3.  Anfrage  eines  Arztes  ĂŒber  die  Verwendbarkeit  des  Mittels 
Herniol. 

Antwort  der  A.-K. 

Extrakte  von  Herniaria  glabra  (Herniol)  sind  ebenso  wie- 
Extr.  Uvae  ursi  außer  bei  Blasenkatarrhen  bei  Cholelithiasis 
verwandt  worden.    Eine  Einwirkung  auf  die  Konkretionen  ist] 
ausgeschlossen,    die    gĂŒnstige    Beeinflussung    der    lilhogenen  i 
Katarrhe  zweifelhaft. 

4.  Anfrage  eines  Arztes  ĂŒber  das  mit  „riesenhafter  Reklame 
vertriebene  Mittel  Gichtosint". 

Antwort  der  A.-K. 

Die  Zusammensetzung  der  Gichtosintsalbe  ist  folgende:  Salizyl-" 
sÀuremethylester,  Menthol,  Kampfer,  Borax,  Ichthyol.  Die] 
Gichtosintseife  ist  eine  nach  SalizylsÀuremethylester  riechende 
Toilettenseife.  Die  Gichtosinttabletten  bestehen  aus  70  Prozent! 
Chlornatrium,  Natriumsulfat,  Natriumkarbonat,  Kalziumkarbonat, 
Magnesiumsalz  und  Spuren  eines  Lithiumsalzes.  Die  Salbe  hat] 
wegen  des  Mesotangehalts  einen  Schein  von  Berechtigung,  die^ 
Tabletten  wohl  kaum. 

Die  Auskunftsstelle  der  A.-K.  unter  Leitung  von  Prof.  Dr. 
Holste-  Jena,  Neugasse  23,  erteilt  jedem  deutschen  Arzte  unent-^ 
geltliche  Auskunft  ĂŒber  Arzneimittel. 


KON  G  RE  SSBERI CHTE 


Hundertjahrfeier  Deutscher  Naturforscher  und 
Aerzte,  Leipzig,  17.  bis  24.  September  1922. 

fS  -Muß) 

Berichterstatter:  L.  Pincussen  (Berlin). 

Der  21.  IX.  brachte  im  Rahmen  der  verschiedenen  Chemischen 
Abteilungen  im  Auditorium  maximum  der  UniversitÀt  vier  be- 
deutende VortrĂ€ge  ĂŒber  die  Beziehungen  der  physikalischen 
Chemie  zu  den  anderen  Naturwissenschaften.  Die  Sitzung  wurde 
eingeleitet  von  Wilhelm  Ostwald,  der  außerdem  In  sein 
spezielles  neues  Arbeitsgebiet  die  messende  Farbenlehre,  ein- 
fĂŒhrte, deren  Ergebnisse  uns  ganz  neue  Perspektiven  eröffnen. 
WĂ€hrend  die  Farbenlehre  frĂŒher  eine  qualitative  Lehre  war,  ist 
sie  nun,  durch  die  Forschungen  Oslwalds,  zu  einer  quan- 
titativen geworden,  die  uns  erlaubt,  an  Hand  der  von  ihm  aul- 
gestellten Farbentafeln  jede  Farbe  durch  gewisse  Symbole  ein- 
deutig zu  bezeichnen.  (Diese  Erfahrung  ist,  wie  hier  bemerkt 
sei,  bereits  auf  die  Pathologie  und  Histologie  von  Christeller 
und  Poll  ĂŒbertragen  worden.)  Nach  O  s  t  w  a  1  d  haben  wir  nicht 
mehr  6,  sondern  8  Hauptfarben  anzunehmen;  gelb,  kreß  (die 
Orangefarbe  der  Kresse),  rot,  veil  (das  Violett  des  Veilchens), 
ublau  (Ultramarinblau),  eisblau,  seegrĂŒn  und  laubgrĂŒn.  Jede 
Farbe  ist  genau  bestimmt  durch  den  Farbton,  ihren  Weißgehalt 
und  ihren  Schwarzgehalt.  Die  Zahl  der  möglichen  Farben  gehl 
in  die  Millionen,  und  so  war  es  unbedingt  nötig,  eine  Normung 
einzufĂŒhren,  welches  Problem  von  O  s  t  w  a  1  d  restlos  gelöst 
wurde.  Die  Grundlage  ist  das  Fechnersche  Gesetz,  das  die  Grund- 
lage jeder  Normung  ĂŒberhaupt  ist. 

S  v  a  n  t  e  A  r  r  h  e  n  i  u  s  (Stockholm)  sprach  ĂŒber  die  physi- 
kalischen GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  bei  den  kosmisch-chemischen  Vor- 
gÀngen. WÀhrend  etwa  1000  Millionen  Jahren  beherbergt  die 
Erde  Organismen.  WĂ€hrend  dieser  Zeit  muß  auch  die  Sonne 
ziemlich  unverĂ€ndert  zur  Außenwelt  WĂ€rme  gestrahlt  haben. 
Aeltere  Versuche,  diese  enorme  WÀrmestrahlung  verstÀndlich  zu 
machen,  gaben  ungenĂŒgende  Resultate.  In  der  letzten  Zeit  sind 
zwei  Energiequellen  nÀher  untersucht  worden,  welche  die  Er- 
klÀrung dieses  PhÀnomens  geben  könnten.  Die  eine  ist  die 
Wiedervereinigung  der  Elektronen  mit  den  positiven  Atomkernen, 
wodurch  der  WÀrmeverlust  der  Sonne  wÀhrend  J000  bis  2000  Mil- 
lionen Jahren  gedeckt  werden  könnte.  Die  zweite  ist  die  Ge- 
wichtsabnahme des  Wasserstoffs  bei  seiner  Zusammenschließung 
zu  schwereren  Atomen  nach  der  Proutschen  Hypothese.  Bei  der 
Annahme,  daß  die  Sonne  ursprĂŒnglich  nur  aus  Wasserstoff  be- 
standen hĂ€tte,  wĂŒrde  diese  Energiequelle  den  jetzigen  WĂ€rme- 
verlust wÀhrend  vieler  Milliarden  Jahre  ersetzen  können;  man 
muß  annehmen,  daß  der  grĂ¶ĂŸte  Teil  dieser  Zeitspanne  bereits  ab- 
gelaufen ist.  —  Die  Hypothese,  wonach  die  Stei  ne  ihre  Temperatur 
bei  WĂ€rmeausstrahlung  erhöhen  können,  ist  nicht  richtig,  sodaß 
die  Russell-Eddingtonsche  Theorie  von  den  Riesen-  und  Zwerg- 
sternen erheblich  modifiziert  werden  muß.  Die  Wiederauf- 
speicherung der  strahlenden  Energie  in  den  sehr  niedrig  tempe- 
rierten Gasnebeln  geschieht  dagegen  unter  Ausdehnung  und  Ab- 
kĂŒhlung. Nach  der  Theorie  von  Seeliger  ist  hiermit  die 
Bildung  neuer  Sterne  verknĂŒpft,  indem  leuchtende  oder  dunkle 
Sterne  in  die  Nebclmasse  hereinwandern. 


Viktor  Moritz  Goldschmidt  (Kristiania)  sprach  ĂŒber 
den  Stoffwechsel  der  Erde.  Unter  dem  Einfluß  der  Schwerkraft; 
ist  das  verschiedenartige  Material  der  Erde  in  konzentrischem 
Schalen  angeordnet.  Die  innerste  Schicht  besteht  aus  einem 
metallischen  Kern,  wahrscheinlich  aus  Nickel-Eisen.  Es  folgte 
dann  eine  hauptsÀchlich  aus  Sulfiden  und  Oxyden  des  Eisens  be-' 
stehende  Schale,  darauf  eine  innere  und  eine  Ă€ußere  Silikatschicht. 
Die  Stoffsonderung  in  ihnen  wird  durch  die  Kristallisationsbahnen^ 
von  SilikatschmelzflĂŒssen  geleitet.  In  großen  Tiefen  bilden  sich] 
besonders  dichte  Kristallarten:  so  gehört  auch  der  Diamant  zw 
den  Bildungen  großer  Tiefen.  Im  ganzen  betrachtet,  fĂŒhrt  der; 
Stoffwechsel  der  Erde  zu  einer  stÀndig  fortschreitenden  Son-j 
derung,  zu  einer  chemischen  Differenzierung  des  Erdballes. 

W.  Nernst  (Berlin)  behandelte  in  seinem  Vortrag  die  An-" 
Wendungen  der  Quantenlehre  auf  photochemische  Prozesse.  Aus 
den  Untersuchungen  der  letzten  Jahre  hat  sich  ergeben,  daß  das" 
Einsteinsche   photochemische  Aequivalenzgesetz  nur  prinzipiell 
als  absolut   gĂŒltig  anzusehen   ist.    Der  photochemische  Prozeß 
stellt  einen  Uebergang  eines  Stoffes  in  eine  energiereichere  Form ; 
dar.    PrimÀr   bewirkt  das  Licht  lediglich  eine  Aufnahme  von! 
Energie;  die  daran  anschließenden  Prozesse  haben  mit  dem  Licht, 
direkt  nichts  mehr  zu  tun,  sondern  sind  reine  Dunkelreaktionen. 
Was  die  VorgÀnge  in  der  photographischen  Platte  betrifft,  sol 
ergibt  sich  aus  den  Untersuchungen,  daß  wir  bei  weitem  noch: 
nicht  das  Maximum  der  Empfindlichkeit  erreicht  haben,  und  daß, 
wir  bei  Auswertung   der  neuen   Versuchsergebnisse  erheblich! 
mehr  erreichen  können.  Unsere  besten  photographischen  Platten] 
haben  nur  den  600.  Teil  der  möglichen  Empfindlichkeit.  Jn  Zu-i 
kunft  ist  eine  unmittelbare  PrĂŒfung  der  Platten  möglich.  Nernst] 
geht  dann  speziell  auf  die  Anwendung  der  Quantentheorie  bei  der 
photographischen  Platte  ein  und  ventiliert  die  Schwierigkeiten  inj 
dieser  Beziehung. 

In  einer  gemeinsamen  Sitzung  einer  Reihe  chemischer  und 
medizinischer  Abteilungen  wurde  zusammenfassend  der  jetzigem 
Stand  der  Fermentlehre    behandelt.     Als  erster  sprach  W  i  11- 
s  t  Ă€  1 1  e  r  (MĂŒnchen)  ĂŒber  die  Gewinnung  von  Enzymen.  In  ein- 
dringlicher Art  legte  er  die"  Schwierigkeiten  dar,  zu  reineren] 
EnzymprĂ€paraten    zu    gelangen,    und  geißelte  scharf  die  von! 
manchen  Seiten  ausgesprochene  Ansicht,  daß  die  Natur  der  Fer-j 
mente  uns  bereits  bekannt  sei,  sodaß  wir  sie  schon  bestimmten 
Gruppen  einordnen  können.  Vor  allem  wandte  er  sich  gegen  die. 
Ansicht,  die  Enzyme  einfach  als  Kolloide,  zu  reklamieren.  Der; 
Weg,  der  uns  zu  einer  genaueren  Kenntnis  der  Fermente  fĂŒhrend 
kann,  ist  nach  WillstÀtters  Meinung,  wenigstens  zunÀchst] 
einmal,  der  rein  chemische.  Wir  mĂŒssen  versuchen,  wie  es  den 
Vortragende  ja  in  seinen  Arbeiten  gezeigt  hat,  die  zunÀchst  mit" 
zahlreichen  Ballaststoffen  belasteten  Fermente  mehr  und  mehr 
von  diesen  zu  befreien  und  zu  gleicher  Zeit  die  Wirksamkeit  der 
so    erhaltenen  PrÀparate  dauernd  zu  kontrollieren.     Auf  diese 
Weise   gelangt   man   bei  exakter  Arbeit  zu  PrÀparaten,  derenl 
Wirkung  die  der  AusgangsprÀparate  um  das  Vielhundertfache; 
ĂŒbersteigt.  Auf  diesem  Wege  muß  weiter  geschritten  werden:  era 
bringt  uns  vielleicht  einmal  schließlich  das  reine  Ferment. 

v.-Euler  (Stockholm)  sprach  ĂŒber  Ergebnisse  und  Ziele  der: 
allgemeinen  Enzymeheinie.   Alle  Beobachtungen  und  Messungen 
an  Enzymen   mĂŒssen   sich  auf  die  Kinetik  der  Enzymreaklionl 


40.  Jahrg. —  Nr.  43/44. 


Kongreß  berichte 


621 


StĂŒtzen.  FĂŒr  diese  Untersuchungen  ist  eine  grĂŒndliche  chemtsch- 
nrÀparative  Vorbereitung,  Reinigung  und  Anreicherung  des 
Enzvmmaterials  von  außerordentlicher  Bedeutung.  Durch  physi- 
kalisch-chemische Messungen  konnte  eine  angenÀherte  Beziehung 
zwischen  absolutem  Enzymgehall  und  absoluter  Wirksamkeit  auf- 
gestellt werden.  Euler  erörtert  dann  die  Ziele,  welche  sich  aus 
den  neuen  Ergebnissen  und  Methoden  fĂŒr  die  Physiologie  er- 
leben. So  kann  im  Gebiet  der  Mikrobiologie  das  Problem  der 
Anpassung  und  VariabilitÀt  exakt  angegriffen  werden.  An  Er 
^einrissen  aus  dem  Stockholmer  Laboratorium  zeigte  der  Redner 
Art  und  Bedingung  des  zeitlichen  Verlaufes  von  Anpassung  und 
Fnzvmbildung. 

C.  Neuher  g  (Berlin")  begann  seinen  Vortrag  ĂŒher  Ergeb- 
nisse der  neueren  GĂ€rungsforschung  mit  der  Feststellung,  daß  das 
Jahr  1922  auch  fĂŒr  die  GĂ€rungsforschung  eine  JubilĂ€um szeit  be- 
deute, da  gerade  vor  100  Jahren  Döb  bereiner  die  bedeutungs- 
volle Beziehung  zwischen  Alkohol  und  Azetaldehyd  auffand  und 
A  v  o  g  a  d  r  o  die  richtige  Formel  des  Weingeistes  entdeckte. 
Vor  50  Jahren  stellte  W  i  s  1  i  c  en  u  s  fest,  daß  die  Kohlenhydrate 
die  Quelle  aller  Muskelkraft  und  aller  energetischen  Leistunsen 
Bilden.  Die  Frage  nach  dem  Umsatz  der  Zuckerarten  ist  ein 
Zentralproblem  der  Biochemie.  Die  Forschungen  ĂŒber  den 
Kohlenhydratumsalz  sind  zum  großen  Teil  an  Mikroorganismen, 
besonders  an  der  Hefe,  studiert  worden.  In  100  jÀhriger  Arbeit, 
die  besonders  an  die  Namen  Gay-Lussac,  Liebig. 
Pasteur  und  Biichne  r  anknĂŒpft,  wurden  die  qualitativen 
und  quantitativen  Prozesse  bei  der  GĂ€rung  geklĂ€rt,  ohne  daß 
jedoch  ĂŒber  den  eigentlichen  Chemismus  des  GĂ€rungsvorganges 
etwas  bekannt  geworden  wÀre.  Die  weiteren  Forschunsen  sind 
zum  großen  Teil  dem  Vortragenden  zu  verdanken.  Er  zeigte  zu- 
erst, daß  durch  ein  besonderes  Ferment,  die  Karboxylase.  Brenz- 
traubensÀure von  der  Hefe  ebenso  wie  Zucker  vergoren  wird. 
Abwechselnd  finden  Oxydationen  und  Reduktionen  am  Zucker- 
molekĂŒl  statt.  Durch  das  sogenannte  Abfangverfahren  wurde  als 
Zwischenstufe  Azetaldehyd  festgestellt  unter  gleichzeitiger 
Bildung  von  Glyzerin.  An  diese  zweite  GĂ€rungsform  schließt 
sich  eine  dritte  an,  die  bei  Gegenwart  von  Alkalien  verlÀuft:  der 
Zucker  zerfÀllt  in  EssigsÀure,  Glvzerin,  Alkohol  und  Kohlen- 
sÀure. Eine  vierte  GÀrungsmöglichkeit  ist  in  der  Bildung  von 
RuttersĂ€ure  gegeben,  einer  Reaktion,  die  gleichfalls  ĂŒber  die 
Stufe  der  BrenztraubensĂ€ure  und  des  Azelaldehvds  fĂŒhrt.  Endlich 
konnte  noch  eine  fĂŒnfte  VersĂ€rungsmöglichkeit  festgestellt 
werden,  indem  durch  ein  von  Neuberg  und  Hirsch  ont 
decktes  Ferment  Karboligase,  das  sich  gleichfalls  in  der  Hefe 
findet,  das  bei  der  GĂ€rung  entstehende  Azetaldehvd  an  zugesetzte 
fremde  Aldehyde  zu  Produkten  mit  lÀngerer  Kohlenstoffkette  se- 
bunden  wird.  FĂŒr  alle  GĂ€rungswege  ist  die  Azetaldehydstufe 
charakteristisch:  von  hier  ab  geht  die  weitere  Umsetzung  ver- 
schiedene Wege,  teils  zu  tieferen,  teils  zu  höheren  Produkten. 

Als  letzter  Redner  sprach  Wieland  (Freiburg)  ĂŒber  den 
Mechanismus  der  OxvdationsvorgÀnge. 

In  einer  kombinierten  Sitzung  der  Chirurgischen  Abteilung; 
mit  anderen  Sektionen  sprach  H.  Schade  (KieP  ĂŒber  die  Be- 
deutung der  physikalischen  Chemie  fĂŒr  die  Chirurgie.  Nach  einem 
Ueberblick  ĂŒber  die  Grundbegriffe  der  kolloidalen  Lösungen 
skizzierte  er  die  praktischen  Beziehungen,  die  fĂŒr  den  Chirurgen 
von  Wichtigkeit  sind.  Der  erste  BerĂŒhrungspunkt  war  vor  unffe- 
fÀhr  20  Jahren  die  Kryoskopie  des  Harnes  und  des  Blutes  zwecks 
Indikationsstellung  zur  Nephrektomie.  Die  Ansichten  ĂŒber  den 
Wert  der  Methode  waren  bekanntlich  sehr  geteilt,  und  der  Kamnf 
wurde  in  beiden  Lagern  mit  großer  Hitze  gefĂŒhrt.  Es  stellt  sich 
jetzt  heraus,  daß  die  Wahrheit  ungefĂ€hr  in  der  Mitte  liest.  Auch 
bei  normalem  Gefrierpunkt  des  Blutes  kann  eine  erhebliehe  se- 
samte  Insuffizienz  der  Nieren  vorhanden  sein,  indem  das  Plus 
an  osmotischem  Material  durch  Aufnahme  ins  Bindegewebe  oder 
durch  HydrÀmie  verdeckt  ist.  Anderseits  braucht  eine  Gefrier- 
punklserhöhung  ĂŒber  f  —  0,59  noch  keine  strikte  Gegenindikalion 
zu  Nephrektomie  zu  bedeuten,  da  bei  Kreislaufstörungen  im 
Nierengebiel,  z.  B.  bei  großen  Tumoren  im  Leibe,  bei  Nierenstein- 
koliken  wĂ€hrend  des  Anfalls  der  Gefrierpunkt  weit  ĂŒber  0,60  an- 
steigen kann.  Die  Kryoskopie  behÀlt  trotzdem  ihren  Wert,  sie  ist 
jedoch  durch  andere  Methoden  zu  ergÀnzen,  so  durch  gleich- 
zeilige  Bestimmung  des  Eiweißgehaltes  mit  Hilfe  der  Refrak- 
tometrie.  Besonderes  Interesse  verdient  die  Methode  von 
E-lfeldt,  die  Blutkryoskopie  wÀhrend  der  Volhardschen 
Wasser-  und  DĂŒrstbelastung  durchzufĂŒhren. 

Vortragender  streift  dann  die,  Wichligkeil  der  Kolloidchemie 
fĂŒr  den  Prozeß  der  Wundheilung  und  gehl  dann  auf  die  Reden 
hing  der  physikalischen  Chemie  fĂŒr  die  EntzĂŒndung  ein,  im 
wesentlichen  auf  Grund  der  Versuche  von  Eden.  Das  funda- 
mentale physiko-chemischc  Kennzeichen  der  EntzĂŒndung  ist  die 
lokale  Steigerung  des  Gewebsstoffwechsels.  Hier  ist  der  oxy- 
dative  Abbau  erheblich  gesteigert,  die  Zahl  der  Lösungs- 
teilchen im  EntzĂŒndungsherd  nimmt  zu  und  damit  der  osmotische 
Druck.  Dieser  kann  enorme  Höhen  erreichen:  im  Eiter  der 
akuten  EntzĂŒndung  wurde  Gefrierpunktserniedrigung  bis  /i  —  1,4 
gefunden.  Vom  Zentrum  zur  Peripherie  findet  sich  ein  steiles 
osmotisches  GefÀlle.  Die  Wege,  welche  die  Therapie  beschreitet, 
erzielen  einen  Ausgleich  dieser  VerhÀltnisse.  Wird  bei  der  In- 
zision  der  Zentralherd  der  Stoffwechselsteigerung  aus  dem  Ge- 
webe entfernt,  so  versiegt  wie  mit  einem  Schlage  die  Quelle  des 


schÀdlichen  Zustromes  und  das  Blut  kann  mit  Leichtigkeit  das 
osmotische  Gleichgewicht  wiederherstellen  und  die  damit  Hand 
in  Hand  gehende  Azidose  zum  Schwinden  bringen.  In  ganz  ent- 
gegengesetzter Weise  wirkt  die  llypcrÀmiebchandlung,  die  von 
der  Peripherie  her  die  erforderliche  Entlastung  bringt  und  auf 
diese  Weise  eine  Nivellierung  der  physiko-chemischen  Störung 
erreicht.  Auf  beide  Weise  kann  der  „osmotische  und  ionische 
Stausee"  des  EntzĂŒndungsherdes  reguliert  werden.  Ein  weiteres 
den  Chirurgen  sehr  interessierendes  Problem  isl  das  der  Gewebs- 
quellung,  auch  die  Bildung  und  Lösung  von  AdhÀsionen  lassen 
sich  kolloidchemisch  definieren  und  diese  Kenntnis  lĂ€ĂŸt  sich  fĂŒr 
praktische  Methodik  ausbauen. 

Die  Entstehung  der  Steine  der  'lalle  und  der  Niere  i-,1  durch 
die  physikalische  Chemie  in  ihren  HauptzĂŒgen  geklĂ€rt,  sodaß 
sich  aus  der  Struktur  des  Steines  gute  RĂŒckschlĂŒsse  auf  die  Be- 
dingungen zur  Zeit  seines  Entstehens  und  Wachsens  gewinnen 
lassen.  Besonders  interessiert  noch  die  Bruchfestigkeit  der 
Knochen,  die  vor  allem  auf  dem  kolloiden  GerĂŒst  aufgebaut  ist, 
wĂ€hrend  die  anorganische  Substanz  nur  fĂŒr  die  HĂ€rle,  nicht  aber 
fĂŒr  die  Festigkeit  maßgebend  ist.  Die  ElaslizitĂ€t  d^s  Knochens 
ist  eine  Funktion  seiner  kolloiden  Natur;  sie  ist  vollkommen  nur 
bei  völlig  normalen  VerhÀltnissen  und  wird  schon  bei  leichten 
EntzĂŒndungen  stark  gestört,  sodaß  als  Ergebnis  Deformierungen, 
bisweilen  sehr  langsam  sich  ausbildende,  entstehen.  Zum  Schluß 
streift  der  Redner  noch  kurz  die  Beziehungen  der  physikalischen 
Chemie  zur  Desinfektion,  zur  LokalanÀsthesie,  zur  Narkose,  so- 
wie zu  manchen  therapeutischen  Eingriffen,  z.  R.  der- Magnesium- 
therapie bei  Tetanus. 

In  einer  gemeinsamen  Sitzung  „Ueber  Elektrolytwirkungen  im 
Organismus"  sprach  zuerst  Wo.  Ostwald  (Leipzig)  ĂŒber  Kol- 
loide und  Elektrolyte,  indem  er  die  Wechselwirkung 
dieser  beiden  Klassen  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 
Kolloidchemie  beleuchtete. 

Als  zweiter  Redner  sprach  R.  H  ö  b  e  r  (Kiel)  ĂŒber  die 
Wirkungen  der  Ionen  an  physiologischen  GrenzflÀchen.  Er  gab 
ein  Bild  von  den  Theorien  der  physiologischen  Ionenwirkungen, 
das  sich  in  den  letzten -drei  Jahrzehnten  im  Anschluß  an  die 
Theorie  von  Arrhenius  herausgebildet  hat.  Wir  wissen  heule, 
daß  kein  Organ  unseres  Körpers,  ĂŒberhaupt  kein  Lebewesen, 
normal  reagieren  kann,  wenn  nicht  die  richtige  lonenmischung 
vorhanden  ist,  daß  schon  kleine  Abweichungen  zu  erheblichen 
Störungen  Anlaß  geben  können.  Beispiel swreise  stören  schon 
geringe  Abweichungen  des  Kalium-  oder  Kalziumgehaltes  die 
HerztÀtigkeit  ganz  erheblich.  Als  TrÀger  elektrischer  Ladungen 
sind  die  Ionen  der  wesentliche  Faktor  bei  der  Beizung  durch  elek- 
trischen Slrom,  anderseits  ist  ihre  Bewegung  Ursache  fĂŒr  die 
Hervorbringung  elektrischer  Ströme. 

Zur  Entfaltung  ihrer  Wirkung  brauchen  die  Ionen  nicht  in 
die  Zellen  einzudringen;  sie  treten  mit  der  OberflÀche  der  Zellen, 
der  physiologischen  GrenzflÀche  in  Aktion.  Aus  der  Tatsache, 
^laß  die  Zellen  selbst  TrĂ€ger  elektrischer  Ladungen  sind,  und  daß 
diese  mit  denen  der  Ionen  in  Wechselwirkung  treten,  resultieren 
LadungsverÀnderungen,  die  sich  z.  B.  bei  Blutkörperchen  in 
A ggl u I i na I i on ser scheinungen  Ă€ußern  können.  Hierzu  gehört  auch 
die  neuerdings  viel  studierte  Erscheinung  der  Senkungsgeschwin- 
digkeit der  Blutkörperchen  bei  der  Schwangerschaft.  Ferner  er- 
geben sich  aus  der  Wechselwirkung  von  Ionen  und  Zellgrenz- 
flÀchen die  bioelektrischen  Ströme,  eine  Erscheinung,  welche  man 
modellmĂ€ĂŸig  durch  Verbindung  von  Salzen  mit  „Oelen",  wasser- 
unlöslichen Substanzen  nachahmen  kann.  Endlich  wird  durch  eine 
Aenderung  der  normalen  Ionenmischung  eine  Aenderung  der 
DurchlÀssigkeit  der  an  diese  Mischung  grenzenden  ZelloberflÀche 
hervorgerufen,  was  natĂŒrlicherweise  eine  Aenderung  des  Stoff- 
wechsels zwischen  Zellinnerem  und  Zellumgebung  zur  Folge  hat. 
Bei  der  außerordentlichen  Bedeutung,  welche  diesen  Studien  fĂŒr 
die  Erkenntnis  der  GrundphÀnomene  des  Lebensprozesses  zu-  ' 
kommt,  ist  es  heule  eine  Hauptaufgabe  der  Physiologie,  die  Er- 
gebnisse der  physikalischen  Chemie  der  Zellphysiologie  nutzbar 
zu  machen. 

Als  driller  sprach  Spiro  (Basel)  ĂŒber  die  Wirkung  der 
Ionen  auf  die  Zellen  und  Gewebe.  Die  Wichtigkeit  der  Arrhenius- 
schen  Theorie  lĂ€ĂŸt  sich  auch  am  Tierversuch  in  sehr  einfacher 
Weise  zeigen.  Von  den  im  Organismus  hauptsÀchlich  vorkom- 
menden Stoffen  ist  in  den  letzten  Jahren  eigentlich  von  allen 
eine  ausgesprochene  Wirkung  festgestellt  worden,  in  dem  Sinne, 
daß  jeder  dieser  Elektrolyte  im  Organismus  eine  spezielle  Bolle 
zu  spielen  scheint.  Besondere  Aufmerksamkeit  ist  den  Ionen  des 
Wassers  geschenkt  worden.  Man  hat  die  Wirkung  der  Ionen  als 
Synergismen  und  Antagonismen  aufgefaßt,  Vorstellungen,  an 
denen  grundsĂ€tzlich  Kritik  geĂŒbt  werden  muß.  Der  Organismus 
besitzt  Regulationsvorrichtungen,  um  Verteilung  und  Ausschei- 
dung der  Elektrolyte  zu  regeln.  Ferner  kommt  ihm  das  Ver- 
mögen zu,  die  Ionen  teilweise  in  komplexe  Körper  ĂŒberzufĂŒhren 
und  sie  damit  auszuschalten.  Praktisch  wichtig  ist  die  Lehre  von 
dem 'Zusammenwirken  der  Ionen,  dem  sogenannten  Ionengleich- 
gewicht fĂŒr  die  Herstellung  von  NĂ€hrböden,  NĂ€hrlösungen  usw. 
geworden.  Andererseits  fĂŒhrt  auch  eine  RrĂŒcke  zur  Klinik,  indem 
die  Bedingungen  pharmakologischer  Wirkungen  hierdurch  einer 
exakteren  Analyse  zugÀnglich  wurden.  Die  rein  physikalisch- 
chemische Vorstellung  reicht  fĂŒr  die  Lösung  des  Problems  der 
SpezifitĂ€t  zwar  nicht  aus,  sie  muß  aber  allen  Annahmen  ĂŒber 
reversible  pharmakologische  Wirkungen  zugrunde  gelegt  werden. 


l>22 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


Anschließend  sprach  Martin  Mayer  (Hamburg)  ĂŒber  das 
neue  Trypanosomenheilmittel  Bayer  205  und  seine  Bedeutung  fĂŒr 
die  chemotherapeutische  Forschung.   (Der  Vortrag  ist  in  D.  m.  W. 

Nr.  39  erschienen.) 

Der  22.  IX.  brachte  eine  gemeinsame  Sitzung  der  Pathologi- 
schen, Anatomischen,  Inneren,  Chirurgischen  und  Röntgenologi- 
echen Gruppe  ĂŒber  das  Thema  Ulcus  duodeni. 

Als  erster  sprach  v.  Bergmann  Frankfurt):  Er  gab  eine 
EinfĂŒhrung  in  die  Materie  sowie  eine  Uebersicht  ĂŒber  Dia- 
gnostik und  Therapie  vom  Standpunkt  der  In- 
neren Medizin. 

Als  zweiter  sprach  Georg  R.  Gruber  (Mainz)  ĂŒber  die 
Pathologische  Anatomie.  Das  peplische  Duodenalge- 
schwĂŒr ist  absolut  hĂ€ufiger,  als  man  frĂŒher  auf  Grund  anatomi- 
scher Feststellungen  annahm.  Es  steht  an  HĂ€ufigkeit  dem  Ma- 
gengeschwĂŒr nur  wenig  nach,  tritt  auch  bisweilen  vereint  mit 
dem  MagengeschwĂŒr  auf  und  findet  sich  bei  allen  Altersklassen, 
jedoch  in  zunehmender  Zahl  bei  zunehmendem  Alter.  Die  Ge- 
schwĂŒre des  Zwölffingerdarms  haben  ihren  Sitz  ganz  ĂŒberwie- 
gend in  dem  oberen  QuerstĂŒck,  und  zwar  knapp  hinter  dem 
Magenpförtner  an  der  RĂŒckwand.  WĂ€hrend  diese  vielfach  unbe- 
merkt getragen  werden,  machen  die  selteneren  GeschwĂŒre  der 
Vorderwand  in  der  Regel  ernstere  Krankheitssymptome.  Sie  sind 
spontan  ebenso  leicht  heilbar  wie  die  MagengeschwĂŒre;  auch  die 
Komplikationen  des  Duodenalulkus  sind  nicht  hÀufiger  und 
ernster  als  die  des  Magens.  Zu  katastrophaler  Blutung  fĂŒhren 
sie  selten.  Krebsbildung  auf  dem  Boden  eines  GeschwĂŒres  kommt 
fast  nicht  in  Frage.  FĂŒr  die  Entstehung  kommen  außer  der  pep- 
tischen  Wirkung  des  Magensaftes  ErnÀhrungsstörungen  der 
Duodenalschleimhaut  in  Frage  auf  Grund  von  Zirkulationsstörun- 
gen verschiedener  Art.  Prognostisch  ist  das  DuodenalgeschwĂŒr 
nicht  anders  zu  beurteilen  als  das  peplische  MagengeschwĂŒr:  es 
ist  durchaus  nicht  bösartiger  als  dieses.  Die  AusfĂŒhrungen  von 
Akerlund  (Stockholm)  und  Haudek  Wien)  ĂŒber  die  Rönt- 
gendiagnostik befaßten  sich  mit  dem  Spezialstudium  des 
Bulbus,  dem  eine  außerordentliche  Wichtigkeit  zukommt.  Das  Lo- 
kalstudium gibt  eine  Möglichkeit  fĂŒr  das  bessere  VerstĂ€ndnis  un- 
geklÀrter Fragen,  so  der  initialen  HypermotilitÀl,  der  paradoxalen 
Retention,  der  Hungerschmerzeh  und  der  PeriodizitÀt  der  sub- 
jektiven Beschwerden.  Vortragende  haben  fĂŒr  diese  Unter- 
suchungen eine  besondere  Technik  ausgebildet.  Eine  Reihe  von 
Bemerkungen  zur  Diskussion  geben  weitere  Einzelheiten  zu  der 
behandelten  Frage. 

W  e i  g  e  1  d  t  (Leipzig)  zeigte  die  W  i  r  k  u  n  g  der  L  u  f  t  e  i  n- 
blasung  in  den  W  i  r  b  e  1  k  a  n  a  1  nach  dem  Bingelschen 
Verfahren.  In  einer  großen  Reihe  von  FĂ€llen  konnten  Ge- 
schwĂŒlste und  andere  VerĂ€nderungen  festgestellt  werden,  deren 
Diagnose  sonst  nicht  möglich  war. 

Aus  der  Physiologischen  Sektion  ist  ein  Vortrag  von  Win- 
ter st  ein  (Rostock'  ĂŒber  die  Physiologie  der  Totenstarre  zu 
erwÀhnen.  Einige  Zeit  nach  dem  Aufhören  des  Blutkreislaufes 
tritt  bekanntlich  eine  allgemeine  Muskelstarre  auf,  die  sich  spÀter 
wieder  löst.  Von  den  frĂŒher  aufgestellten  Theorien  hat  sich  keine 
als  stichhaltig  erwiesen;  neue  Forschungen  sprechen  dafĂŒr,  daß 
es  sich  um  einen  Vorsang  handelt,  der  der  Muskelkontraktion 
fast  identisch  ist:  es  bildet  sich  hier  wie  da  MilchsÀure,  die  zu 
einer  Quellung  der  Muskelfasern  infolge  Wasseraufnahme  und 
damit  zu  einer  Zunahme  der  Spannung  fĂŒhrt.  Dieser  Prozeß  ist 
bei  der  Totenstarre  sehr  stark  ausgeprÀgt:  der  erheblichen  Span- 
nungszunahme folgt  mit  einer  Lösung  der  Struktur  der  Muskel- 
fasern sodann  eine  Lösung  der  Starre. 

Ein  schönes  zusammenfassendes  Bild  ĂŒber  die  physiologische 
Umformung  von  Eiweißkörpern  gab  der  Referat  Vortrag  von  A. 
Kos  sei  (He<delb"rg\  der  infolge  Abwesenheit  des  berĂŒhmten 
Physiologen  von  F.  v.  MĂŒller  mit  manchen  ZusĂ€tzen,  die  der 
Denkweise  MĂŒllers  entsprechen,  verlesen  wurde.  Anschließend 
daran  referierte  Knoop  (Freiburg)  ĂŒber  oxvdativen  Abbau  und 
wechselseitigen  Umbau  der  HauptnÀhrstoffe  unter  besonderer  Be- 
tonung des  von  ihm  gefundenen,  wenn  auch  nicht  allgemein  an- 
erkannten Prinzipes  der  ß  Oxydation  beim  Abbau  der  aus  dem 
EiweißmolekĂŒl  und  aus  anderen  Substanzen  hervorgegangenen 
FettsÀuren.  Ueber  die  Lehre  vom  Farbensehen  auf  Grund  neuerer 
Untersuchungen  referierte  v.  II  e  ß  (MĂŒnchen).  Er  ging  von  der 
Blau-gelb-Unterwertigkeit  aus,  von  der  UebergÀnge  zur  totalen 
Farbenblindheit  fĂŒhren.  Seine  AusfĂŒhrungen',  die  von  K  r  i  e  s 
'Freiburg)  scharf  angegriffen  wurden,  gipfelten,  was  das  Prak- 
tische anbetrifft,  darin,  daß  die  Untersuchungen  auf  FarbentĂŒch- 
tigkeit nach  der  Methode  von  S  t  i  1 1  i  n  g  und  Nagel  ganz  wert- 
los sind,  daß  ebenfalls  die  PrĂŒfung  mit  dem  Anomaloskop  und 
die  perimetrischc  Untersuchung  ganz  zwecklos  sind.  Hof  mann- 
(Bonn;)  referierte  auf  Grund  eigener  Versuche  ĂŒber  die  Grund- 
lagen der  egozentrischen  (absoluten)  optischen  Lokalisation  und 
gab  sehr  interessante  Einzelheiten  ĂŒber  die  Orientierung  im 
Baum,  indem  er  die  egozentrische  Lokalisation  als  einen  Spezial- 
fall hinstellte.  In  der  gleichen  Sitzung  sprach  Kohlrausch 
(Berlin)  ĂŒber  die  Acquivalenz  der  Farbschwellen.  Schanz 
^Dresden),  von  verschiedenen  Seiten  scharf  angegriffen,  ĂŒber 
biologisch"  Lichtwirkungen,  unter  anderem  auch  ĂŒber  eine 
Theorie  des  Sehens  auf  der  Grundlage  des  Hallwachs-Fffektes 
Endlich  zeigte  Pincussen  (Berlin),  daß  die  vielumstrittene 
Lichtwirkung  auf  Fermente    (Diastase,  Urease),   abhÀngig  von 


einer  Reihe  von  Faktoren  ist,  deren  vielleicht  wichtigster  die 
Wasserstoffionenkonzentration  ist.  Den  grĂ¶ĂŸten  schĂ€digenden 
Einfluß  ĂŒbt  das  Licht  auf  die  Fermente  bei  einer  Reaktion  aus. 
die  fĂŒr  ihre  Wirkung  sonst  die  gĂŒnstigste  ist. 

Die  Pharmakologische  Sektion  brachte  unter  anderem  eine 
Mitteilung  von  Gottlieb  (Heidelberg)  ĂŒber  die  Wirkung  der 
Digitalis.  Auf  Grund  von  Froschversuchen  konnte  er  zeigen,  daß 
bei  Gaben  von  therapeutischen  Dosen  eine  Anreicherung  der 
Digitalissubstanzen  im  Herzen  stattfindet,  und  zwar  in  wirksamer 
Form,  woraus  eine  langdauernde  Wirkung  resultiert. 

In  der  Pharmazeutischen  Sektion  erörterte  Thoms  (Berlin 
die  chemische  Vererbung  in  Pflanzenfamilien  an  Beispielen  aus 
der  Familie  der  RautengewĂ€chse.  In  den  BlĂŒten  und  FrĂŒchten 
der  Vertreter  dieser  Familie  finden  sich  spezifische  chemische 
Bestandteile  —  Ketone  und  Kumarinderivate  — ,  sodaß  die  Ver- 
wandtschaft schon  dadurch  offensichtlich  ist.  Aehnliche  Bestand- 
teile finden  sich  auch  in  nahestehenden  Familien,  z.  B.  in  den 
Orangen,  BergamottefrĂŒchten  und  Zitronem.  Die  Erforschung 
dieser  VerhĂ€ltnisse  ist  chemisch  von  großer  Wichtigkeit,  insbe- 
sondere auch,  wie  weit  Ă€ußere  EinflĂŒsse,  wie  Klima,  Licht,  Luft 
und  BodenverhÀltnisse  hierbei  eine  Rolle  spielen. 

Die  innere  Sektion  brachte  u.  a.  einen  Vortrag  von  G  u  d  z  e  n  I 
(Berlin)  ĂŒber  BeitrĂ€ge  zum  Gichtproblem,  in  welchem  der 
Vortragende  seine  Ansicht  ĂŒber  die  ZurĂŒckhaltung  der  Harn- 
sÀure in  den  Geweben  durch  neue  Versuche  erweiterte.  Dresel 
(Berlin)  sprach  ĂŒber  experimentelle  Untersuchungen  ĂŒber  die 
zentrale  Regulation  des  Blutdruckes  und  Blutzuckers.  Wird  der 
Hirnstamm  des  Kaninchens  zwischen  verlÀngertem  Mark  und  den 
subthalamischen  vegetativen  Zentren  durchschnitten,  so  tritt 
neben  der  Störung  der  WÀrmeregulation  eine  Störung  sowohl 
der  Regulation  des  Blutzuckers  wi"  des  Blutdruckes  ein.  Die 
Vaguspulse  werden  primÀr  vom  Blutdruckregulationszentrum  im 
Zwischenhirn  und  nicht,  wie  bisher  angenommen,  vom  Vagus- 
zentrum in  der  Medulla  oblongata  ausgelöst.  Ferner  winde 
gezeigt,  daß  die  Höhe  des  von  den  subthalamischen  Zentren  regu- 
lierten Blutdruck-  und  Blutzuckerspiegels  vom  Striatum  aus  ein- 
gestellt wird. 

Pincussen  (Berlin)  sprach  ĂŒber  das  Verhalten  der  Harn- 
sĂ€ure im  Blut  und  Harn  und  zeigte,  daß  die  mit  der  ĂŒblichen 
Methodik    im    Blute   nicht    nachweisbare   HarnsÀure    ganz  ver- 
schieden gebunden  sein  kann,  und  daß  sie  je  nach  der  Bindung 
durch  verschiedene  Mittel,  z.  B.  Fermente  oder  Sinn  en,  in  Freiheit 
gesetzt  werden  muß.   Ueber  das  Verhalten  des  Reststickstoffes 
im  Blute  bei  der  Reizkörpertherapie  sprach  Locwe    Leipzig  . 
Unmittelbar  nach  der  Injektion  fand  sich  ein  deutlicher  Anstieg 
des  Reststickstoffs,  der  aber  nach  einiger  Zeit  wieder  abklang. 
Die  Schwierigkeiten,  welche  bei  der  Deutung  der  VerÀnderungen 
des  Reststickstoffs   sich    ergeben,  wurde  in  einer  kurzen  Dis- 
kussionsbemerkung von  IL  Strauß    Berlin    beleuchtet.  II  ein. 
(Erlangen)    sprach    ĂŒber    die  Giftigkeit  des  Pfeifentabaks,  des 
Zigarren-  und  Zigarettenrauches.     Der  Nikotingehalt  der  Ziga- 
retten    ist    verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  am   grĂ¶ĂŸten:  FĂŒr   die  Giftwirkun" 
kommt  vor  allem  die  Resorption  des  Nikotins  in  Frage,  die  l>e' 
dem    sogenannten  Lungenrauchen  weitaus  am  grĂ¶ĂŸten  ist.  Z 
dem  gleichen  Thema  gehört  ein  anderweitig  gehaltener  Vortrag 
von  Sattler  (Königsberg),  der  bei  Sehstörungen  durch  Tabak- 
und  Alkoholvergiftung  erweisen  konnte,  daß  die  Mehrzahl  de 
Patienten    selbstgebauten,    nur  einfach   getrockneten  Tabak  ge- 
raucht bezw.  gekaut  hatten,  der  ungefÀhr  die  doppelle  Meng 
Nikotin  wie  der  richtig  zubereitete  Handelstabak  enthÀlt.  Aue 
er  hÀlt  das  Einatmen  des  Rauches  in  die  Lunge  und  auch  sonstig 
unhygienische  Art  des  Rauchens  fĂŒr  besonders  schuldig  an  den 
Vergiftungen.   Piorkowski  (Berlin)  sprach  in  der  Derma  to» 
logischen  Abteilung  ĂŒber  ein  neues  Prinzip  der  Gonorrhoetherapie 
mit  Hilfe  einer  Kombination  von  Kobalt-  und  Eisensalzen  unte 
Zusatz  von  sauerstoffabgebenden  Verbindungen. 

Ein  reichhaltiges  Programm  wies  die  Sektion  fĂŒr  Tierheil 
kuhde  auf.  v.  0  s  t  e  r  t  a  g  (Stuttgart)  sprach  ĂŒber  ..Die  Tier 
heilk  unde  und  der  Wiederaufbau'".  Er  schilderte,  wi 
die  Tierheilkunde  als  Helferin  der  tierhaltenden  Landwirtschaff 
deren  Erzeugung  vor  allem  durch  veterinĂ€rhygienische  Maß 
nahmen  und  durch  die  kurative  TĂ€tigkeit  des  einzelnen  Ar/1 
steigern  könne.  Durch  Lockerung  des  VeterinÀren  Grenzschutz^ 
wÀhrend  des  Krieges  seien  die  BeschÀlseuche  und  die  Lungen- 
seuche in  das  Deutsche  Reich  eingeschleppt  worden,  und  di 
Tollwut  habe  eine  Verbreitung  erlangt  wie  nie  zuvor.  Dcshal 
mĂŒsse  der  Grenzschutz  wieder  straffer  gehandhnht  werden.  Di 
Fleischbeschau-Gesetzgebung  mĂŒsse  die  Erhaltung  möglichs 
allen  Fleisches  anstreben,  das  fĂŒr  die  menschliche  Gesundhei 
nicht  direkt  nachteilig  sei.  Solange  es  in  Deutschland  ein 
Fleischnot  gĂ€be,  mĂŒssen  die  Auslondsfleischbesehaubestimmun 
gen  in  so  entgegenkommender  Weise  gehandhabt  werden,  wi 
es  der  Schutz  der  menschlichen  Gesundheit  zulasse.  Von  de 
wiederaufbauenden  TÀtigkeit  des  Tierarztes  erwÀhnte  der  Redne 
das  planmĂ€ĂŸige  operative  Vorgehen  gegen  die  SterilitĂ€t  de 
Rinder,  durch  das  mehr  als  50%  der  Tiere  der  Zucht  erhalle 
werden  können,  den  Gebrauch  zuverlÀssiger  Impfstoffe  gesfe 
Seuchen,  die  Ausmerzung  der  mit  offener  Tuberkulose  behaftete 
Rinder,  die  DurchfĂŒhrung  hygienischer  und  anderer  Maßnahme 
gegen  das  seuchenhafte  Verkalben  und  Verfohlen  und  gegen  viel 
andere  Krankheiten. 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  43/44. 


Referate 


623 


l.ĂŒhrs  (Berlin")  berichtete  ĂŒber  die  ansteckende  Blutarmut 
der  Pferde,  eine  leider  jetzt  auch  in  Deutschland  auftretende  ver- 
heerende Seuche,  die  wahrscheinlich  durch  stechende  Insekten 
ĂŒbertragen  wird,  und  zwar  nicht  nur  durch  den  Stich  des  In- 
sektes, sondern  auch  vor  allem  durch  Futterinfektionen.  Bei  der 
Schwierigkeit  der  Diagnose  vor  allem  ist  es  unbedingt  notwendig, 
Heil  und  Schutzsera,  die  vom  Pferde  stammen,  weilgehendst  zu 
prĂŒfen. 

In  der  am  20.  IX.  abgehaltenen  GeschÀftssitzung  wurden  die 
Wahlen  fĂŒr  den  Vorstand  und  den  wissenschaftlichen  Ausschuß 
Vorgenommen,  /.um  stellvertretenden  Vorsitzenden  wurde  W.  Iiis 


(Berlin)  gewÀhlt,  als  Ort  der  nÀchsten  Versammlung  1(t'2l  wurde 
Innsbruck  in  Aussicht  genommen.  Di°  Grsell*cnafl  beschloß 
ferner,  sich  in  zwei  Eingaben  an  das  Beichsininisleriiim  des 
Innern,  zu  wenden.  In  der  einen  wurde  die  Notwendigkeit  betont, 
die  der  Notgemeinschaft  der  deutschen  Wissenschaft  bereits  ge- 
wahrte UnterstĂŒtzung  in  einem  der  neuerdings  eingetretenen 
Qeldentwertung  entsprechenden  VerhÀltnis  zu  erhöhen.  In  der 
anderen  empfiehlt  die  Gesellschaft  aufs  wĂ€rmste  jede  Maßregel, 
die  geeignet  erscheint,  die  Wirksamkeil  der  Beichszenli  ale  fĂŒr 
naturwissenschaftliche  Berichterstattung  zu  immer  weiterer  Eni 
faltung  zu  bringen. 


REFERATENTEIL 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 

Medizinische  Klinik,  Berlin. 

18.  Juni  1922,  Nr.  25. 

Rheumat  «miis  und  Erkaltung.    Rods,  IC.  78:i. 

Beziehungen   der   Geburtshilfe    und    GynÀkologie    zum    Krieg    und    zu  den 

KricgsyorhÀltnissen.    M  a  y  e  r  ,  A.  787. 
❖KĂŒnstliche   M  uskclerscblaffung.     Moser,   IC.  791, 
Artenenhinpen,  Epitheleinlagen,  verschließbarer  Anus  praenaturalis  und  Re- 

ser\ eknorpel  In  der  stfuktiven  Chirurgie.    Esser.  .1.  F.  8.  79.1. 
InitialkrĂ€inpfe  des  Ulcus.    Jonas,  S.  79ß. 

❖  Erfahrungen  mit  Verodigcn.    P  1  e  n  g  e  .  K.  79s. 
❖Wirkung  des  Humagsolan  Zuntz.     S  e  h  a  r  1  a  in  .  79s. 

Waasermannaches  Aggregat.    Otto  und  W  i  n  k  1  e  r.  799. 
Praktische  Kragen  der  Geburtshilfe.     R  u  n  g  e  ,   E.  R00. 

KĂŒnstliche  Miiskelersehlaffung.  Moser  empfiehlt  Ihm  Gelenk- 
kontrakturen  Einspritzungen  von  Novokain  oder  Eukain  in  die 
Muskulatur.  Sie  erleichtern  oft  betrÀchtlich  die  Redression  bei 
Klump-  und  SpitzfĂŒĂŸen  usw.  Die  im  Gefolge  narbiger  und  arthro- 
gener  Kontrakturen  oft  auftretenden  spastischen  MuskelverkĂŒr- 
Sungen  lassen  sich  durch  intramuskulÀre  Eukaineinspritzun:;  n 
innerhalb  weniger  Minuten  auffallend  bessern.  Bei  Frakturen 
laßt  sich  durch  die  Muskelersehlaffung  oft  von  der  Extensionsbe- 
hnndlung  absehen,  bei  Luxationen  von  der  Narkose.  Auch  bei 
angeborener  Htittverrerikung,  bei  schwierigen  BauchdeckennÀhten, 
bei  klonischen  GesichlskrÀmpfen  nach  SchÀdelfraktur  und  zur 
PhrenikuslÀhmung  bei  posloperativem  Singullus  hat  M.  die 
%  %  Eukain-Injektionen  mit  Erfolg  angewendet,  ebenso  bei  Pylo- 
rospasmus.  Durch  parametrane  LeituagsanÀsthesie  des  Uterus 
wird  die  Erweiterung  des  Zervikalkanales  sehr  erleichtert.  PrÀ- 
sakralanÀsthesie erzeugt  gleichzeitig  durch  Lösung  der  Darm- 
spasmen  Heilung  oder  Linderung  bei  chronischer  Stuhlverstop- 
fung. „Akut  entzĂŒndliche  Erkrankungen  bilden  keine  Gegenan- 
zeige  gegen  die  Injektionen." 

Erfahrungen  mit  Verodigen.  Menge  empfiehlt  auf  Grund 
seiner  Erfahrungen  bei  ZustÀnden  schwerer  Herzdekompensation 
‱unzureichende  Diurese,  Atemnot,  Oedeme,  Pulsus  irregularis 
perpetuus)  Digitalis  in  Form  der  Böhringerschen  Verodigen-Ta- 
bletten,  deren  jede  0,1  Fol,  Dig.  tilr.  entspricht.  Die  Kumulations- 
und Nebenwirkungen  sind  gering.  Dosis:  WĂ€hrend  der  ersten 
2—3  Tage  je  3  Tabletten,  dann  3,  spĂ€ter  2  halbe  Tabletten. 

Wirkung  des  Humagsolan  Zuntz.  Bericht  des  61jÀhrigen 
Autors  ĂŒber  erfolgreiche  Selbstversuche  mil  dem  Mittel. 

Low  (Döberitz 

Deutsche  medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

26.  Mai  1922,  48.  Nr.  21. 

Die   Bedeutung  der  tuberkulösen   Allergie  fĂŒr  das   KiitzĂŒndungsproblrm  und 

die   I'roteinkörpcitherapio.     Ziel  e  r.  (185. 
Erwiderung  auf  Zielers  Bemerkungen.    .Seile  r.  «8«. 

❖  Uetrachtungen     eines     alten     Praktikers     ĂŒber    .Salvarsan    und  Quecksilber. 

K  r  o  m  a  y  e  r.  086. 

Anatomisch-physiologische  Grundlagen  der  Bogenunterteilungen  des  Zwerch- 
fells im  Röntgenbilde.    Thomas.  688. 

❖Zur  Behandlung   der  EungengangrĂ€n   mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 
Salvarsantherapie.     1'  e  e  m  ö  1  1  e  r.  fi!)0. 

❖  llcnzbkaltuhorkulose  mit  Perforation  in  die  Blase.  Reh.  692. 
Die  multiple  Neuritis  in  und  nach  dein  Kriege.  Knapp.  692. 
Ganglion  der  Nervenscheide  des  N.  ulnaris.    zum'Busch.  694. 

❖Vereisung  bei  Staphylokokkenlnfektlonen.    B  o  e  k  e  n  h  e  1  nie  r.  Hin. 

❖  Ueher   die   antipyretische   Wirkung  des  Dulcius.     T  a  s  c  h  o  n  b  o  r  g.  695. 
Hin  einfacher,  wenig  hekannter  Leukozvtennachweis  im  Harn,    T  a  n  u  e  n- 

b  a  u  m.  695. 


❖  Die    Behandlung    der    Anginen    mit    Argaldun.     Schlesinger.  696. 
I'eher   einige   Verwendungsmöglichkeiten    von   Quarzglas    und  Bergkristull 

im    bakteriologischen    Laboratorium.     .1  u  n  g  e  b  1  u  t.  696. 
Xouo    Gedanken'  zur   Therapie   des   Karzinoms.     Wulff.  697. 

Betrachtungen  eines  alten  Praktikers  ĂŒber  Salvarsan  und 
Quecksilber.  Das  Hg  beseitigt  die  syphilitischen  Erscheinungen 
schneller  und  sicherer  als  einfache  diĂ€tetische  Maßnahmen,  folglich 
ist  es  ein  Fehler,  wenn  man  aus  irgendwelchen  unsubstanzierten 
theoretischen  ErwÀgungen  heraus  Hg  nicht  verwendet.  Das 
gleiche  gilt  fĂŒr  Salvarsan.  Also,  falls  nicht  besondere  Kontraindi- 
kationen vorliegen,  in  jedem  Syphilisfalle  sowohl  Hg  wie  Salvar- 
san, und  zwar  in  hÀufigen  kleinen  Dosen  und  zeitlich  getrennt, 
so  daß  die  Hgkur  der  Salvarsankur  vorangeht  oder  umgekehrt. 

Wesentlich  ist.  nicht  möglichst  viel  Hg  oder  Salvarsan  zu 
geben,  sondern  mehrere  Wochen  hindurch  eine  möglichst  gleich- 
mĂ€ĂŸige Wirkung  beider  in  einer  erfahrungsgemĂ€ĂŸ  zum  raschen 
Verschwinden  der  Syphilis  fĂŒhrenden  StĂ€rke  zu  erzielen.  Des- 
halb Schmierkur  besser  als  die  intravenösen  Injektionen.  Die 
modernen  intravenösen  Mischinjektionen  sind  kontraindiziert. 

Zur  Behandlung  der  LungengangrĂ€n  mit  besonderer  BerĂŒck- 
sichtigung der  Salvarsantherapie.    Die  frĂŒheren  internen  Metho 
den  wiesen  eine  MortalitĂ€t  von  75 — 80  %  auf,  die  die  chirurgische 
Behandlung  auf  etwa  die  HĂ€lfte  herunterdrĂŒckte. 

Feberraschende  Erfolge  gab  das  Salvarsan  aber  nicht  immer. 
Es  hilft,  wenn  die  Symptome  rasch  durch  die  Injektionen  beein- 
flußt werden,  sonst  liegt  Verdacht  auf  einen  Fremdkörper  vor. 

Die  embolischen  FĂ€lle  scheiden-  fĂŒr  die  Salvarsanbehandlung 
aus.  Am  besten  zu  bceiitflussen  ist  damit  die  broncliogene  diffuse 
GangrĂ€n,  die  auch  operativ  recht  ungĂŒnstig  liegt. 

Ileozökaltuberkulose  mit  Perforation  in  die  Blase.  UnverzĂŒg- 
liches operatives  Eingreifen  und  ausgedehnte  Besektion  in  allen 
FÀllen  tuberkulöser  DÀrmerkrankungen  ohne  fortgeschrittene 
Lungentuberkulose,  wenn  Fieber  und  DurchfÀlle  vorliegen.  Mög- 
lichst kurze  Operationsdauer.  Röntgenliefehbesltahlung  nur,  wenn 
kein  hohes  Fieber  vorliegt,  auch  bei  starken  DurchfÀllen,  aber  so- 
fort aussetzen,  wenn  nach  zwei  Bestrahlungen  die  DurchfÀlle  nicht 
sistieren  und  das  Allgemeinbefinden  sich  nicht  hebt. 

Vereisung  bei  Staphylokokkeninfektionen.  Bei  Furunkel. 
Karbunkel  (Schutz  der  Umgebung  durch  WattekrÀnz)  rasches 
Kupieren  der  Infektion,  Abstoßen  der  nekrotisch  gewordenen  Teile. 
Vorteilhaft  namentlich  im  Gesicht,  wo  Inzisiönen  oft  zur  Allge- 
meininfektion  fĂŒhren.  Oft  starke  Reaktion  ‱  Fieber,  SchĂŒttelfrost  ‱. 
dann  auffallend  rasche  Besserung.   Schindle  Heilung,  keine  Narben. 

Ueber  die  antipyretische  Wirkung  des  Duleins.  Dieses  hoch- 
bestĂ€ndige Ersatzmittel  fĂŒr  Sacharin,  ein  naher  Verwandter  des 
Phenacetin  hat  keine  antipyretische  Wirkung  in  den  zum  SĂŒĂŸen 
verwandten  Gaben. 

Die  Behandlung  der  Anginen  mit  Argaldun.  Eine  Synthese 
von  Silbereiweiß  mit  Hexamelhylenlelramin.  Anwendung  in  10  % 
Stammlösung  zum  Bepinseln  oder  Betupfen  oder  als  Gurgelwasser 
0,3— 0,5  %.  Basche  Entfieberung  nach  1—2  Tagen,  rapides  Schwin- 
den der  BelÀge  oft  schon  nach  24  Stunden,  geringe  SchÀdigung 
des  Allgemeinbefindens.  v.  Schnize  r. 

Wiener  klinische  Wochenschrift. 

25.  Mai  1922.  Nr.  21. 

❖  Zur  Therapie  des  Kardiospasmus  und  der  Karrliostertose  (Oesophago-Gastro- 

anastomose).    F  i  n  s  t  e  r  e  r  ,  II.  -171. 
❖Zu    Funktionsnaehu  eis    und    FunktionsprĂŒfung    der   SchilddrĂŒse.  StĂ€r- 
linge r ,  F  473. 


QU 


Aas  den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


❖Ueber  Echinokokkenanaphylaxie.     Botteri,   J.   H.  473 

Ein  Fall  von  Scheinkatarakt  nach  Kupfersplitterverletzung.  Hinge  r,  A.  474. 
❖  Leber  den  ursĂ€chlichen  Zusammenhang  der  Gallensteine  mit  dem  Gallen- 
blasenkrebs,   v.  A  1  d  o  r  ,  L.  475. 
Zur  Frage  der  tuberkulotoxisckem  Meningitis.    Bemerkungen  zu  dör  Arbeit 
von  Dr.  N.  Blatt  in  dieser  Wochenschrift  1922,  Nr.  15.  Hersch- 
mann,  H.  478. 

Arsenwirkung,    ArsengewöhnĂŒng    und    Arsenvergiftung.      (Forts.)      U 1 1  - 
mann,  K.  479. 

Zur  Therapie  des  Kardiospasmus  und  der  Kardiostenose  (Oeso- 
phago-Gastroanastomose).  Mitteilung  zweier  durch  Operation  ge- 
heilten FĂ€lle  von  z.  T.  narbiger,  z.  T.  hypertrophischer  Kardio- 
stenose. Es  werden  die  Vorteile  des  von  Heyrovsky  einge- 
fĂŒhrten operativen  Verlahrens  dargelegt. 

Zu  Funktionsnachweis  und  FunktionsprĂŒfung  der  SchilddrĂŒse. 

Bestimmungen  des  Fibrinogenspiegels  im  SchilddrĂŒsenarterien- 
und  -venenblut.  Bei  hyperfunktionellen  DrĂŒsen  Verminderung  des 
Fibrinogens,  bei  Hypothyreose  umgekehrtes  Verhalten. 

Ueber  Echinokokkenanaphylaxie.  Mit  HytatidenflĂŒssigkeit 
lĂ€ĂŸt  sich  leicht  eine  Sensibilisierung  hervorrufen,  welche  nach 
8—10  Tagen  durch  intrakutane  Impfung  leicht  nachweisbar  ist. 
Bei  echinokokkenkranken  Menschen  ist  die  Intrakutanreaklion 
eine  imposante;  zuweilen  handtellergroße  Bötung  und  Schwellung 
der  Haut."  TemporÀre  Anergie  hauptsÀchlich  bei  Vereiterung  des 
Echinokokkus.  Mit  Hilfe  der  Intrakutanreaktion  gelingt  es  mit- 
unter ganz  kleine  Zysten  zu  diagnostizieren.  Durch  subkutane  In- 
jektion von  100—200  cc  Serum  eines  Echinokokkenkranken  lĂ€ĂŸt 
sich  die  Anaphylaxie  passiv  ĂŒbertragen.  Eine  Desensibilisierung 
gegen  die  Intrakutanreaktion  lĂ€ĂŸt  sich  durch  intravenöse  Injek- 
tion erreichen,  wenn  dieselbe  einen  leichten  Chock  ausgelöst  hat. 

Ueber  den  ursÀchlichen  Zusammenhang  der  Gallensteine  mit 
dem  Gallenkrebs.  Ueber  Jahre  und  Jahrzehnte  sich  erstreckende 
Beobachtungen  (an  300  FĂ€llen  von  chronischer  Cholelithiasis) 
sprechen  dagegen,  daß  zwischen  Steinen  und  Krebs  irgendein  ur- 
sĂ€chlicher Zusammenhang  besteht.  Reuß  (Wien). 

1.  Juni  1922.    Nr.  22. 

Moderne  Therapie  der  Frakturen  und  Luxationen.    E  \v  a  1  d  ,  C.  493. 
Ueber  Wesen  und  Ursache  der  Leukozytosen.    Holler,  G.  497. 
❖Ein   latentes   Pleuraempyem   mit   akuten   Peritonealerseheinungen.  Gold- 
schmidt, W.  499. 

♊♊«Ein  Fall  von  Little'scher  Krankheit  nach  Kaiserschnitt.  Tauber,  K.  499. 
❖Ueher  ein  neues   Symptom   bei   Lungen-   und  Pleuracrkrankungen.     F  r  ö  - 

sclels,  F.  und  S  t  o  c  k  e  r  t  ,  F.  G.  500. 
Arsenwirkung-,   Arsengewöhnung    und    Arsenvergiftung.      (Schluß".)  Ull- 

m  an,  K.  502. 

Ein  latentes  Pleuraempyem  mit  akuten  Peritonealerseheinun- 
gen. 59jÀhr.  Mann,  unter  den  Symptomen  einer  Perforationsperi- 
tonitis  erkrankt;  Operation:  alte  Adhaesion,  Erweiterung  des  Co- 
lon asc,  keine  Peritonitis,  Wahrscheinlichkeitsdiagnose  Knickungs- 
ileus.  Obduktion  (nach  einer  Woche)  ergibt  rechtsseitiges  Pleu- 
raempyem. 

Ein    Fall    von    Little'scher  Krankheit    nach  Kaiserschnitt. 

2850  g  schweres  Kind.  Typische  Sectio  cervicalis  transperitone- 
alis  nach  plötzlich  eingetretener  Verlangsamung  der  kindlichen 
Herztöne.  Keine  Asphyxie.  Am  Tage  nach  der  Geburt  wurde  all- 
gemeine Starre  festgestellt,  welche  in  den  folgenden  Tagen  zu- 
nahm. Liquor  cerebrospin.  leicht  gelb  gefĂ€rbt.  Es  muß  eine,  be- 
reits in  der  Eröffnungsperiode  eingetretene  intrakranielle 
Blutung  angenommen  werden.  Die  Starre  ging  im  Lauf  "des  ersten 
Jahres  vollkommen  zurĂŒck. 

Ueber  ein  neues  Symptom  bei  Lungen-  u.  Pleuracrkrankungen. 

Bei  mehreren  FĂ€llen  von  Pneumonie  und  Pleuritis  konnte  fest- 
gestellt werden,  daß  vom  Patienten  ausgesprochene  Vokale  beim 
Auskultieren  mit  andern  verwechselt  werden;  es  klingt  z.  B.  U 
wie  I,  O  wie  E.  Die  verschiedenen  FĂ€lle  verhalten  sich  nicht 
gleich.  Das  Symptom  dĂŒrfte  durch  das  Entstehen  und  Ausfallen 
von  Teiltönen  (Formanten)  zu  erklĂ€ren  sein,  und  wĂ€re  als  „For- 
mantensymptom" zu  bezeichnen.  Reuß  (Wien). 

Wiener  medizinische  Wochenschrift. 

27.  Mai  1922.  Nr.  22. 

AnĂ€sthesierungsmethoden   in    der   Chirurgie   des   praktischen   Arztes.  BĂŒ- 

d  i  n  g  e  r  .  K.  925. 
Eine  seltene  VarietÀt  von  Mumps  epidemica.    Schwarzkopf,  E.  933. 
Die  nervöse   und  hormonale  Beeinflussung  der  VerdauuugssĂ€fte.  (Schluß.) 

B  i  e  d  1 ,  A.  935. 

^Chirurgische    Behandlung    der    Magen-     und     Darmblutungen.  (Schluß.) 
Finsterer,  H.  940. 


Chirurgische  Behandlung  der   Magen-  und  Darmblutungen. 

Verfasser  tritt  mit  Entschiedenheit  fĂŒr  die  FrĂŒhoperation  ein,  lehnt 
jedoch  die  Operation  auch  bei  schwerer  Anaemie  vorgeschritte- 
ner FĂ€lle  niemals  ab.  Reuß  (Wien). 

Psychiatrisch-Neurologische  Wochenschrift. 

20.  Mai  1922,  Nr.  7/8. 

Die  Krankheiten  des  Denkens.    Begriffe  und  Einteilung.    P  k  n  d  y  ,  K.  <a 

Ueber  die  UnschĂ€dlichmachung    der    sogenannten   „geisteskranken"  Ver- 
brecher.   A  d  1  e  r  ,  A.  46. 

Einseitiger  Intentionstumor    als  einziges    Residuum  einer  zerebralen  Kinder- 
lÀhmung.   J  a  k  o  b  i.  47. 

Der  derzeitige  Stand  der  ErnÀhrung  in  den  Irrenanstalten  (Fortsetzung). 
B  r  e  s  1  e  r  ,  J.    48.  ‱ 

3.  Juni  1922,  Nr.  9/10. 

❖  BeitrĂ€ge  zur  Psychologie  der  Aussage.    Rittershaus,  E.  59. 
Was  bringt  die  neue  preußische  GebĂŒhren-Ordnung  vom  15.  MĂ€rz  1922  den 
Neurologen  und  Psychiatern?    R  e  i  n  ,  O.  65. 

Zur  Anwendung  des  Sperrgesetzes  auf  die  Besoldung  der  beamteten  Irren- 
Ă€rzte.   Becker,  W.  69. 

BeitrĂ€ge  zur  Psychologie  der  Aussage.  AnfĂŒhrung  mehrerer 

FĂ€lle,  in  denen  meist  Aussage  gegen  Aussage  stand.  Besprechung 
der  Frage  interessanter  ErinnerungstÀuschungen. 

W  e  r  n.  H.  Becker. 

17.  Juni  1922,  Nr.  11/12. 

â–ș♩♩Begutachtung  eines  Falles  von  Encephalitis  lethargica  unter  besonderer  Be- 
rĂŒcksichtigung der  Differentialdiagnose.    G  o  t  t  h  n  1  d.  71. 
❖Zur  Frage    der  Chininbehandlung    von    progressiver  Paralyse    und  Tabes. 

P  f  i  s  t  c  r.  76. 

FlĂŒstersprache.    S  ĂŒ  n  n  e  r  .  P.  77. 

Begutachtung  eines  Falles  von  Encephalitis  lethargica  unter 
besonderer  BerĂŒcksichtigung  der  Differentialdiagnose.  ZunĂ€chst 

Darlegung  des  Falles  nach  Vorgeschichte  und  eigener  Beobach 
tung  bis  zum  Exitus  des  Patienten. 

Zur  Frage  der  Chininbehandlung  von  progressiver  Paralyse 

und  Tabes.    Erwiderung  auf  Adlers  in  der  gleichen  Wochen 
schrift  gegebenen  Anregung.   Verfasser  erinnert  daran,  daß  wir 
oft  massenweise  Chinin  reichen,  z.  B.  den  Kolonialtruppen,  und 
trotzdem  keine  geringere  MorbiditÀt  an  Lues  zu  konstatieren 
war,  auch  kein  milderer  Verlauf  etwa.     Wem.  II.  Becker. 

Zentralhlatt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

13.  Mai  1922,  46,  Nr.  19. 

❖Karzinom  und  Schwangerschaft.    W  o  1  f  f  ,  F.  743. 

❖Beitrag    zur    Frage    der    W'achstumsschnelligkcit    des  Uterus-Karzinom 
Forst,  W.  747. 
50  Geburten  in  Hypnosei.    Heberer.  H.  749. 
❖Anschwellung  und  Ausdehnung  des  Warzenhofes  wĂ€hrend  der  Schwanger- 
schaft, ihre  Entstehung  und  ihr  klinischer  Wert.    Sfamani,  P.  752 
Zur  Aetiologie  der  ektopischen  Schwangerschaft.   Poorten,  G.  756. 
Ist  die   Wirkung  des  Kollargols  und  Elektrokollargols  auf  seinen  Geha 
an  Schutzkolloid  zurĂŒckzufĂŒhren?    Böttner.  A.  760. 
❖Bemerkungen  ĂŒber  den  Einfluß  der  Lebensmittel  auf  die  Entstehung  d 
Eklampsie  und  Albuminurie.    Ruiz-Contreras,  J.    Ma.  764. 

Karzinom  und  Schwangerschaft.    Zur  KlÀrung  der  Frage,  o 
die  Schwangerschaft  den  GebĂ€rmulterkrebs  in  gĂŒnstigem  oder  un 
gĂŒnstigem  Sinne  beeinflußt,  hat  Verf.  das  Karzinommaterial  de 
Breslauer  Aller-Heiligen-Hospitals  durchgesehen  und  kommt  zu 
folgendem  SchlĂŒĂŸ:  Die  Schwangerschaft  scheint  nur  eine  unter 
geordnete,  vielleicht  sogar  gar  keine  Rolle  bei  der  Entwicklung 
des  Uterus-Karzinoms  zu  spielen.    Es  wurden  anscheinend  gan 
gleichartige  FÀlle  beobachtet  mit  völlig  entgegengesetztem  Aus 
gang,  so  daß  man  weder  von  einem  gutartigerem  noch  von  eine 
bösartigerem  Verlauf  des  Karzinoms  in   der  Schwangerschaf 
sprechen  kann.   Wenn  zusammenfassende  Statistiken  zu  dem  Er 
gebnis  gelangen,  daß  bei  der  Kombination  von  Karzinom  un 
Schwangerschaft  die  gĂŒnstigen  FĂ€lle  ĂŒberwiegen,  so  muß  man  b 
denken,  daß  Frauen  mit  Blutungen  wĂ€hrend  der  Schwangerscha 
oder  im  Wochenbett  viel  eher  einen  Arzt  oder  eine  Hebamme  z 
Rate  ziehen,  so  daß  man  wohl  annehmen  kann,  daß  Karzinom 
in  diesem  Lebensabschnitt  in  einem  noch  frĂŒhen  Zeitpunkte  e 
kannt  werden  und  darum  eine  gĂŒnstigere  Prognose  bieten. 

Beitrag  zur  Frage  der  Wachstumsschnelligkeit  des  Uteru 
Karzinoms.   Bei  einer  49  jÀhrigen  Frau,  die  nach  2  jÀhriger  Men 
pause  wieder  blutete,  wurde  wegen  Karzinom-Verdachtes  ein 
Abrasio  und  eine  Probeexzision  auf  der  blutenden  Portioerosio 
gemacht,  die  jedoch  keinen  Anhaltspunkt  fĂŒr  Karzinom  ergĂ€be 
Die  Frau  wurde  genau  weiter  beobachtet.   Etwa  6  Wochen  na 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/11. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


dieser  Untersuchung  war  weder  palpatorisch  noch  Im  Spekulum 
etwas  karzinomverdÀchliges  festzustellen.  Einige  Tage  spÀter 
traten  erneute  Blutungen  auf  und  4  Wochen  nach  der  letzten 
Untersuchung  war  die  Portio  in  einen  fast  faustgroßen,  höcke- 
rigen, bröckligen  Tumor  umgewandelt,  der  zum  Teil  auf  die 
Scheide  uberging,  und  dessen  mikroskopische  Untersuchung  ein  in 
Zerfall  begriffenes  Platten-Epithel-Karziriom  zeigte.    Der  Tumor 

halle  also  y\\  seiner  Entwicklung  höchstens  die  Zeit  von  4  Wochen 
gebraucht.  Der  weitere  Krankheitsverlauf  erwies  die  besondere 
Bösartigkeit  der  Geschwulst,  die  man  nach  der  Schnelligkeit  des 
Wachstums  vermutet  halle. 

Anschwellung  und  Ausdehnung  des  Warzenhofes  wÀhrend  der 
Schwangerschaft,  ihre  Entstehung  und  ihr  klinischer  Wert.  S.  laßt 
seine  Befrachtungen  in  folgenden  SĂ€tzen  zusammen:  1.  Die  An- 
schwellung des  Wrarzenhofes  hÀngt  weder  von  einer  ödematösen 
Infiltration,  noch  von  anderen  analogen  UmstÀnden  ab.  Diese, 
sowie  die  grĂ¶ĂŸere  Ausbreitung  an  der  OberflĂ€che  sind  von  der 
BrustdrĂŒsenhypertrophie  abhĂ€ngig.  2.  Die  diagnostische  Bedeu- 
tung der  Anschwellung  des  Warzenhofes  und  der  vermehrten  Aus- 
dehnung ist  erheblich  fĂŒr  die  Schwangerschaftsdiagnose  (falls 
man  imstande  ist,  das  Stillen,  die  Menstruation  "usw.  auszu- 
schließen). 3.  Die  Anschwellung  und  Ausdehnung  des  Warzen- 
hofes an  seiner  OberflÀche  haben  auch  einen  prognostischen  Wert, 
da  sie  ihre  Herkunft  einer  intensiven  hypertrophischen  TĂ€tigkeit 
der  BrustdrĂŒse  verdanken.  TatsĂ€chlich  können  wir  daraus  den 
Schluß  ziehen,  daß  die  Funktion  der  BrustdrĂŒse  wĂ€hrend  der 
Laktationsperiode  sehr  reichlich  sein  wird. 

Bemerkungen  ĂŒber  den  Einfluß  der  Lebensmittel  auf  die  Ent- 
stehung der  Eklampsie  und  Albuminurie.  WĂ€hrend  man  in 
Deutschland  das  Abnehmen  der  Eklampsie  in  den  letzten  Kriegs- 
jahren der  geringeren  Aufnahme  von  Fett  zuschreiben  zu  mĂŒssen 
glaubte,  ist  Verf.  auf  Grund  seiner  Beobachtungen  der  Ansicht, 
daß  eine  möglichst  geringe  Aufnahme  von  stickstoffhaltigen 
Nahrungsmitteln  (Fleisch,  Eier)  den  besten  Schutz  gegen  die 
Eklampsie  und  die  Albuminuria  gravidarum  bildet.  WĂ€hrend  er 
in  der  Privatpraxis  immer  eine  grĂ¶ĂŸere  Anzahl  von  Eklampsien 
und  Albuminurien  feststellen  konnte,  fand  er  in  der  Poliklinik, 
die  von  den  Àrmsten  Frauen  der  Bevölkerung  aufgesucht  wird, 
diese  Erkrankung  fast  garnicht.  Der  Unterschied  in  der  Er- 
nÀhrung der  poliklinischen  Frauen  und  derjenigen  der  gulgestell- 
ten  Klassen  bestand  jedoch  nicht  in  der  kleineren  Aufnahme  von 
Fett,  sondern  in  der  außerordentlich  geringen  Zufuhr  von  Fleisch 
und  Eiern  bei  den  Armen.  Als  mit  dem  Ende  des  europÀischen 
Krieges  auch  in  Spanien  eine  enorme  Steigerung  der  Löhne  ein- 
setzte, und  dadurch  die  ErnÀhrung  der  unteren  Bevölkerungs- 
schichten eine  bedeutend  bessere  und  reichlichere  wurde,  konnten 
auch  bald  in  dem  poliklinischen  Material  sowohl  Eklampsien  wie 
Albuminurien  beobachtet  werden.  Speyer  (Berlin). 

20.  Mai  1922,  46,  Nr.  20. 

❖Gehört  die  Kielland'sche  Zange  in  die  Hand,  des  praktischen  Arztes?  Hoff- 
mann, K.  786. 

«MJebcr  die  Berechtigung  des  Rates  zum  Pritventivverkehr  iji  einem  Fall  von 
idiopathischer  amaurotischer  Idiotie.    Sachs,  E.  789. 
Zur  Varikokele  des  ligamentum  latum.    J  a  h  r  e  i  s  s  ,  R.  795. 
❖Lieber  Kriegsneugeborene.    David,  M.  795. 
Die  therapeutische  und  prophylaktische  CbhiinumsprltssunK  der  Brustwarzen. 
(Ein   Beitrag  zur  praktischen  Stillpropaganda  und  zur  VerhĂŒtung  der 
puerperalen  Brustinfektionen).    K  r  i  t  z  1  e  r  ,  H.  802. 

Gehört  die  Kiellandsche  Zange  in  die  Hand  des  praktischen 
Arztes?  In  Nr.  9  des  Zentralblattes  hatte  Meumann  (Leipzig) 
vor  Anwendung  der  Kicllandschen  Zange  in  der  Allgemeinpraxis 
gewarnt.  Dem  tritt  Verf.  auf  Grund  seiner  an  94  FĂ€llen  ge- 
machten gĂŒnstigen  Erfahrungen  mit  der  Kiellandschen  Zange 
entgegen.  Er  glaubt  danach,  die  Zange  fĂŒr  die  Praktiker  als 
alleinige  Zange  empfehlen  zu  dĂŒrfen.  Voraussetzung  ist 
natĂŒrlich,  daß  man  sich  vorher  ĂŒber  die  Anlegung  sowie  die 
Wirkungsweise  dieser  Zange  genau  unterrichtet  hat.  H.  empfiehlt 
deshalb,  die  Kiellandsche  Zange  an  allen  geburtshilflichen  Lehr- 
instituten in  den  Lehrplan  des  geburtshilflichen  Operationskursus 
aufzunehmen. 

Uebcr  die  Berechtigung  des  Rates  zum  PrÀventivverkehr  in 
einem  Fall  von  idiopathischer  amaurotischer  Idiotie.  Die  seit 
1881  bekannte  und  nicht  so  ganz  selten  beobachtete  Erkrankung 
tritt  meist  im  1.  Lehensjahre  auf,  gehl  mit  progressivem  Zerfall 
der  geistigen  FÀhigkeilen,  des  Sehvermögens  und  der  Muskel- 
kraft einher  und  fĂŒhrt  in  der  Regel  im  Verlaufe  des  2.  Lebens- 


jahres /.um  Tode.  Die  Erkrankung  tritt  fast  stets  hei  Kindern 
jĂŒdischer  Eltern  auf  und  kann  ohne  jede  erkennbare.  Ursache 
mehrere  Kinder  derselben  Familie  befallen.  Ein  Teil  der  Kinder 
derselben  Ehe  kann  jedoch  vollkommen  gesund  sein.  Die  Aelio- 
logie  der  Erkrankung  isl  unbekannt.  Pathologisch-anatomisch 
stellt  sich  der  Prozeß  als  eine  ausgebreitete  Degeneration  des 
gesamten  Zentralnervensystems  dar  mit  sekundÀrer  Atrophie  der 
davon  ausgehenden  Gehirn  und  BĂŒekcnmarksnerven.  Soll  der 
Arzt  in  solchem  Falle  die  Eltern  vor  weiterer  Nachkommen- 
schaft warnen?  Verf.  verneint  die  Frage,  empfiehlt  vielmehr, 
unter  genauer  Klarlegung  der  VerhĂ€ltnisse  —  unter  Hinweis  auf 
die  Möglichkeit,  daß  sich  das  Mißgeschick  wiederholen  kann,  daß 
aber  auch  die  Möglichkeit  besteht,  gesunde  Kinder  zu  be- 
kommen —  es  dem  Wunsch  der  Eltern  zu  ĂŒberlassen,  wie  sie 
sich  verhalten.  Besteht  allerdings  große  Furcht  vor  weiterer 
Nachkommenschaft,  so  isl  der  Arzt  berechtigt,  RaischlÀge  zu 
geben,  wie  weitere  Kinder  zu  verhĂŒten  sind. 

Ueber  Kriegsneugeborene.  Zur  KlÀrung  der  trotz  vielseitiger 
Bearbeitung  nicht  abgeschlossenen  Frage,  ob  die  mangelhafte 
ErnĂ€hrung  der  Mutter  einen  Einfluß  auf  die  körperliche  Ent- 
wicklung der  Frucht  ausĂŒbt,  hat  Verf.  das  Material  der  2.  Unl- 
versilĂ€ls-Frauen-Klinik  in  Budapest  einer  genauen  PrĂŒfung 
unterzogen  und  kommt  zu  folgenden  Ergebnissen:  1.  Die  Zahl 
der  FrĂŒhgeburten  ist  im  Kriege  nicht  gewachsen.  2.  Die  Zahl 
der  Totgeborenen  hat  sich  wÀhrend  des  Krieges  kaum  verÀndert. 
3  Im  Kriege  wurden  nicht  mehr  Knaben  geboren,  als  es  dem 
FriedensverhÀltnis  entspricht.  4.  Die  Sterblichkeit  der  Neuge- 
borenen in  den  ersten  Lebenstagen  vergrĂ¶ĂŸerte  sich  nicht.  5.  Die 
Körpermasse  der  Neugeborenen  zeigen  im  Durchschnitt  wÀhreno 
des  Krieges  eine  Abnahme,  die  sich  in  den  letzten  3  Kriegsjahren 
steigerte.  Die  Abnahme  ist  an  den  Knaben  ausgeprÀgter.  Die 
grĂ¶ĂŸte  Abnahme  besteht  im  Gewicht  (3 — 3,75  %),  in  zweiter  Reihe 
in  der  LĂ€nge  (2,5 — 3,2  %)  und  ist  am  wenigsten  im  Kopfumfange 
(0,9  %)  ausgesprochen.  6.  Die  Verminderung  der  Maßdurch- 
schnitte ist  nicht  durch  die  VerkĂŒrzung  der  Schwangerschaft  be- 
dingt. Wir  haben  es  also  mit  einer,  wenn  auch  nur  geringen 
Verkleinerung  der  Kinder  zu  tun,  die  sicherlich  in  der  Haupt- 
sache auf  die  mangelhafte  ErnĂ€hrung  der  MĂŒtter  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren ist.  Speyer  (Berlin). 


27.  Mai  1922,  46,  Nr.  21. 

Hypnose  in  der  Geburtshilfe  und  GynÀkologie.    Siemerl  ing,  E.  83!. 
Ueber  Hypnosegeburten  und  Hypnonarkose.     Hirstein,  F.  843. 
^Phloridzinglykosurie    und    SchwÀngerst- ha  l'tsdiagnose.     Zondek.    B.  851. 
Ist  die  Bezeichnung  ,,Hypomochlion"  in  der  Lehre  vom  Geburtsmechanismus 
berechtigt?    Meyer-B  ĂŒ  egg,  H.  853. 
^Ueber   Ursache    und   Bedeutung   des   physiologischen   Ascites   beim  Weibe. 
N  o  v  a  k  ,  J.  854. 

♩♩♩Zwei  Drillingsgehurten.     Beobachtung    einer    Geburtspause    von    4  Tagen 
8  Stundein.    U  t  h  m  ö  1  1  e  r,  A.  859. 

Phloridzinglykosurie  und  Schwangerschaftsdiagnose.  Schon 
in  den  ersten  Schwangerschaflswochen  tritt  eine  VerÀnderung  im 
Kohlehydratestoffwechsel  auf,  die  sich  in  einer  erhöhten  Neigung 
zur  alimentĂ€ren  und  zur  Phloridzinglykosurie  Ă€ußert.  Die  Glykos- 
urie  kann  zur  Schwangerschaftsdiagnose  verwertet  werden. 
Die  optimale  Dosis,  die  die  empfindliche  Niere  der  Schwangeren 
bereits!  zur  Hergabe  von  Zucker  veranlaßt,  ist  2  mgr  Phloridzin. 
Die  Glykosurie  nach  dies'er  Dosis  weist  mit  Wahrscheinlichkeit 
auf  eine  Schwangerschaft  hin,  wÀhrend  der  negative  Befund  eine 
GraviditĂ€t  ausschließt.  Nach  den  Untersuchungen  des  Verf.  ist 
die  Reaktion  nur  bei  vollstÀndig  erhaltenem  Placentarkreislauf 
zu  verwerten;  bei  Abort  fÀllt  die  Probe  negativ  aus;  aus  dem- 
selben Grunde  ist  die  Reaktion  fĂŒr  die  Diagnose  der  Extrauterin- 
graviditÀt mit  Vorsicht  zu  gebrauchen. 

Ueber  Ursache  und  Bedeutung  des  physiologischen  Ascites 
beim  Weibe.  Daß  man  bei  Frauen  hĂ€ufig  eine  mehr  oder  weniger 
Teichliche  Menge  freier  FlĂŒssigkeit  im  kleinen  Becken  vorfindet, 
die  nicht  durch  Erkrankungsprozesse  der  Bauch-  oder  Becken- 
organe bedingt  sind,  legt  Verf.  die  Annahme  nahe,  daß  der  frisch 
gesprungene  Follikel  und  das  junge  Corpus  luteum  einen  Reiz 
auf  das  Peritoneum  ausĂŒben  und  es  zu  einer  FlĂŒssigkeitsabson- 
derung veranlassen.  Verf.  glaubt,  daß  dieser  FlĂŒssigkeitserguß 
eine  bedeutungsvolle  Rolle  bei  der  Aufnahme  des  Eies  in  die 
Tube  und1  bei  dessen  Fortbewegung  in  derselben  spielt. 

Zwei  Drillingsgeburten.  Beobachtung  einer  Geburtspause  von 
4  Tagen  8  Stunden.  I.  Fall:  Bei  einer  26  jÀhrigen  I  para  wird 
wegen    starker    Albuminurie    und    Eklampsiegefahr    in  der 


686 


Aas   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


36.  Schwangerschaftswoche  die  FrĂŒhgeburt  durch  Blasenstich 
eingeleitet.  Nach  48  Stunden  wird  wegen  Fieber  die  Entbindung 
kĂŒnstlich  vollendet,  das  erste  Kind  mit  der  Zange  entwickelt,  das 
zweite  nach  Wendung  am  Fuß  extrahiert.  Bei  der  darauf  vorge- 
nommenen manuellen  Lösung  der  Placenta  wird  eine  3.  Blase  ge- 
fĂŒhlt, diese  gesprengt  und  ein  3.  Kind  herausgeholt.  II,  Fall: 
38 jÀhrige  VI  para.  Das  erste  Kind  wurde  spontan  geboren; 
da  die  Wehen  danach  vollkommen  aufhörten,  wurde  abgewartet. 
Erst  nach  4  Tagen  und  8  Stunden  wird  das  2.  Kind  in  hoher  Öe-- 
sichtslage  mit  der  Zange  entwickelt  und  ist  vollkommen  lebehs- 
frisch.  Die  Betastung  des  Leibes  ergibt,  dal!  noch  ein  3\  Kind 
vorhanden  ist.  das  nach  Sprengung  der  Blase  gewendet  und  extra- 
hiert wird.  Das  Kind  ist  mazeriert,  anscheinend  schon  lÀnger 
abgestorben.  Auch  im  ersten  Fall  starb  das  letzte  Kind  am 
10.  Tage  p.  p.  Die  beiden  ersten  Kinder  sind  in  beiden  FĂ€llet! 
am  Leben  geblieben.  Speyer  (Berlin;. 


3.  Juni  1922,  46.  Nr.  '22. 

^Perforation  des  lebenden  Kindes  oder  extraperitonealer  Kaiserschnitt, 
n  e  r  .  ().  882-. 

*r»er  Kaiserschnitt  am  wehenlosen  Uterus.    P  r  i  n  7.  i  11  g  ,  O.  600. 
Einige    interessante    angeborene    Mißbildungen;     Kilo  r  h  r  0  c  k  . 

‱{â–șBeitrag  zur  VerhĂŒtung  postoperntiver  AdhĂ€sibnsbildĂŒng.    t?  I  c  k  1 
Isoliert  torquiertc  normale  Tube.    M  i  c  h  e  t ,  B.  B05', 
Ein  Fall  von  zirkulĂ€rem  ScFieldenriß.    K  e  s  i  1  y  .  K.  (nu. 


K  ii  s  I 


X. 
F. 


SUR. 


Perforation  des  lebenden  Kindes  oder  extraperitonealer 
Kaiserschnitt.  Bis  Marz  d.  J.  wurde  an  der  Breslauer  Lniversi- 
lÀts-FraUenklinik  200  mal  der  extraperitoneale  Kaiserschnitt  aus- 
gefĂŒhrt, Dieses  OperationsjubilĂ€um  gibt  K.  Veranlassung,  die 
i  eistungsfĂ€higkeif  der  Operationsmetkode  nachzuprĂŒfen:  insbc> 
sondere  prĂŒft  er  die«  Frage,  ob  die  Operation  die  Perforation"  des 
lebenden  Kindes  entbehrlich  gemacht  hat.  In  der  Klinik  wurde 
jedenfalls  seit  EinfĂŒhrung  der  extraperitonealen  Schnittentbindung 
kein  lebendes  und  auch  kein  anscheinend  schwer  gefÀhrdetes 
Kind  mehrl  perforiert.  Von  den  200  operierten  MĂŒttern  sind  2  an 
peritonealer  Sepsis  gestorben.  Aber  auch  bei  der  Perforation 
kommen  TodesfĂ€lle  vor  und  zwar  dann,  wenn  die  Kreißende  be- 
reits schwer  infiziert  ist.  In  solchen  Fallen  heilt  eben  weder  der 
extraperitoneale  Kaiserschnitt  noch  die  alsbaldige  Entbindung  mit 
Perforation  des  Kindes.  —  Von  den  lebend  aus  der  Klinik  ent- 
lassenen Wöchnerinnen  hat  keine  durch  die  Operation  eine 
«lauernde  SchÀdigung  davongetragen.  Zwar  traten  in  einigen 
FĂ€llen  Hernieabildungen  im  Bereiche  der  Narbe  auf,  verursach- 
ten aber  den  Frauen  keine  nennenswerten  Beschwerden.  Nebcn- 
verletzungcn  der  Harnwcge  kamen  wohl  in  einzelnen  FĂ€llen  vor. 
Wurden  jedoch  durch  spÀtere  Operationen  sÀmtlich  wieder  zur 
Heilung  gebracht.  —  Was  die  Kinder  anbelangt,  so  stellt  fĂŒr  sii 
der  extraperitoneale  Kaiserschnitt  keinen  schwerer  wiegenden 
griff  dar  als  eine  typische  Beckenausgangszange.  Manchmal  ist 
es  allerdings  nicht  leicht  zit  entscheiden,  wie  weit  die  SchÀdigung 
ilcs  Kindes  schon  vorgeschritten  ist,  und  deshalb  ist  auch  bei 
ungĂŒnstigem  Ausgang  fĂŒr  das  Kind  die  Indikationsstellung  fĂŒr 
die  Operation  doch  zu  rechtfertigen. 

Der  Kaiserschnitt  am  wehenlosen  Uterus.  Die  meisten  Opera- 
teure fĂŒhren  den  Kaiserschnitt  erst  dann  aus,  wenn  schon  richtige 
Wehen  vorausgegangen  sind,  die  den  Mutlermund  etwas  eröffnet 
liaben,  weil  erstens  das  Loehialseerel  besser  abfließen  kann  und 
zweitens  die  Gefahr  der  Alonie  viel*  kleiner  ist.  An  der  von 
Baisch  geleiteten  Stuttgarter  Frauenklinik  wurde  jedoch  in  zahl- 
reichen FĂ€llen  der  Kaiserschnitt  mit  bestem  Erfolge  ausgefĂŒhrt, 
loch  ehe  Wehen  eingetreten  waren.  Daß  bei  Komplikationen  wie 
vorausgegangene  Myomenuctealion,  frĂŒherer  Kaiserschnitt  und 
Placenta  prĂ€via  ein  möglichst  frĂŒhzeitiger  Eingriff  im  Interesse 
der  Mutter  notwendig  ist,  isl  ohne  weiteres  klar.  Aber  auch 
bei  anderen  Indikationen,  wie  beim  engen  Becken  und  beim  ., pro- 
phylaktischen Kaiserschnitt  '  nach  Martius,  bei  denen  von  vorn- 
herein die  Notwendigkeit  des  Kaiserschnittes  feststand,  wurde  in 
einigen  FĂ€llen  am  wehenlosen  Uterus  operiert.  Die  gefĂŒrchtelen 
Komplikationen  sclnvere  Atonie  und  Lochialverhaltung  — 

wurden  niemals  beobachtet.  Es  wird  empfohlen,  im  Augenblick 
der  Eröffnung  des  Uterus  2  cem  Hypophysin  intravenös  und  gleich- 
zeitig 2  cern  Seeacornin  intramusculĂ€er  zu  injizieren.  Die  VorzĂŒge 
der  Operation  dĂŒrfen  natĂŒrlich  nicht  dazu  verleiten,  die  Strenge 
der  Indikation  zum  Kaiserschnitt  an  sich  irgendwie  zu  mildern. 

Beitrag    zur    VerhĂŒtung    postoperativer  AdhĂ€sionsbildung. 

Verf.  empfiehlt  vor  völligem  Schluß  des  Peritoneums  Y>—  1  Liter 
etwa  39°  C  warme,  sterile,  physiologische  Kochsalzlösung  bei  leich- 
ter Reckenhochlagerung  in  das  Epigastrium  einzugießen.    Er  hat 


in  11  FĂ€llen,  von  den  7  schwere.  Verwachsungen  zeigten,  bei  den 
Nachuntersuchungen  niemals  Klagen  gehört,  die  darauf  schließen 
ließen,  daß  neue  Verklebungen  entstanden  seien,  auch  niemals 
bimanuell  nachweisbare  AdhÀsionen  gefunden.  (Da  Beschwerde- 
freiheit  nicht  Freibleiben  von  AdhĂ€sionen  bedeuten  muß,  sind  Er- 
folge schwer  zu  beurteilen.    Bef.)).  Speyer  (Berlin). 

Monatsschrift  fĂŒr  Geburtshilfe  und  GynĂ€kologie,  Berlin. 

Mai  1922,  57;  Heft  ffc 

♩HXe  Zange  am  nachfolgenden  Kopf.    NĂŒrnberger,  L.  :iÖ;>. 
Ein  Beitrag  zum  Kapitel  der  Blascnhcmicn  und  Fremdkörper  in  der  Blase. 


E-llerbroek.  N.  341. 
❖  Synthetische  ErsatzprĂ€paratc  des  Mutterkorns. 


Z  o  ii  d  e  k  ,  B. 


Die  Zange  am  nachfolgenden  Kopf.  In  dem  historische»  Teil 
seiner  ausfĂŒhrlichen  Arbeit  schildert  Verf.;  welch  Schicksal  die 
von  Snellie  inaugurierte  Methode  der  Zange,  am  nachfolgenden 
Kopf  gehabt  hat,  speziell  wie  sie  in  Deutschland  durch  die  AutoritÀt 
der  Schrödcrschen  Schule  im  Laufe  der  letzten  Jahrzehnte  zu 
Gunsten  manueller  Handgriffe  verlassen  und  erst  in  allerletzter 
Zeit  durch  Dnderlein  wieder  in  Erinnerung  gebracht  wurde.  Im 
klinischen  Teil  werden  die  ausgezeichneten  Erfolge  an  der  MĂŒn- 
ehenef  und  Hamburger  Klinik  mitgeteilt  Und  genaue  Bichllinicn 
fĂŒr*  die  Methode  angegeben.  Verf.  hĂ€lt  die*  Zange  am  nachfolgen- 
den Kopf  dann  fĂŒr  indiziert,  wenn  die  manuellen  Methoden  nicht 
sicher  oder  nicht  rasch  genug  die  Entwicklung  eines  lebenden 
und  unverletzten  Kindes  gestalten.  Von  den  Schwierigkeiten 
seitens  des  Geburtsobjekles  sind  es  vor  allem  die  Deflexion  des 
Kopfes  und  die  Rotation  des  Kinnes  nach  vorn,  bei  denen  die 
Zangenapplikation  ratsam  erscheint.  Die  von  der  Geburtsbahn 
ausgehenden  Schwierigkeiten  sind  leichte  Verengungeil  deirj 
Bcekeneingangs  und  Beckenausgangs  sowie.  Weichteilschv  ierlg- 
keiten.  —  Die  Zange  soll  in  jedem  Falle  von  Beckenendlage  schon 
steril  bereilliegen.    Sie  wird  stels  unter  dem  Kinde  angelegt. 

Ueber  synthetische  ErsatzprÀparate  des  Mutterkorn;».  Die 
biologischen  Untersuchungen  mit  Tenosin  und  Sekakornin  er 
gaben  qualitativ  gleiche  Wirkung.  Quantitativ  erwies  sich  das 
Sekakornin  doppelt  so  slark  wie  das  Tenosin  (Versuch  am  Frosch- 
herz). Die  Untersuchungen  am  ĂŒberlebenden  Meerschweinchen» 
Uterus  zeigten  quantitativ  beim  Sekakornin  und  Tenosin  die 
gleiche  Wirkung.  Beim  Tenosin  war  die  Reaktionszeit  etwas 
kĂŒrzer.  Jona  s. 

Archiv  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Berlin. 

Mai  1922,  116,  Heft  1 

‱{"Beitrage  zur  Kenntnis  und  zur  ehirurgischeu  Behandlung  der  puerperalun 

Gasbrandinfektion  des  Uterus  (Pbysometra).    r  o  n  BrĂŒll,  H.  l. 
‱{»Chirurgische   Behandlung  der  Geburten  bei  engen  Becken.     W  o  1  1  i)  e  r , 

Anton, 

Ueber  ZĂ€hne  in  Ovarialteratomen.    S  t  ei  n  h  o  ÂŁ  t ,  Julius.  53. 
‱J»FunktionsprĂŒfuug  der  Leber  in  Gravidiatc,  sub  partu,  im  Wochenbett  und 
bei  Eklampsie.  —  Ein   Beitrag  zur   Frage   der  Scbwangerscbaftsleber. 
W  a  1  t  h  a  r  d  ,  B.  68. 
«{â–șHumoralpathologischc    Studien    zu    den    Einwirkungen    kolloidalen  Silber» 
‱   (Dispargen)  und  der  Preglschcn  Jodlösung  bei  puerperalscptisehcn  Pro 
zesseu.    Mahnert,  A._  und  Saut  n  ei ,  A.  98. 
.  Untersuchungen  ĂŒber  OvarialhĂ€matoine.    Runge,  Plans.  116. 
‱{â–șUeber  die  Bedeutung  des  Aneurysmas  der  UteringefĂ€Ue  nach  der  Beobach- 
tung eines  Aneurysma  arteriovenosum  der  A.  und  Vena  uterina  infolge 
Fliegerbomben  Verletzung.  129. 
Kann  eine  Schwangerschaft  ĂŒber  aui!  Tage  dauern?    Zweifel,  Erwin.  14 
‱{‱Ucbcr   d?n    Metranoikter   als   Dilatationsinstrument    und   seine  anatomisch* 
Wirkungsweise.    Stephan,  Siegfried.  161. 
Ueber  die  Cei  vLxtorsion  des  myoniatösen  Uterus.    E  1  1  e  n  b  r  o  e  k  ,  M.  171* 
Interpositio  vejameutosa  funiculi  umbilicalis,  eine  bisher  ĂŒbersehene  X.Uicl- 
schnuranomalie,  ,ihrc  Entstehung  und  klinische  Bedeutung.  Ottow 
176. 

Bemerkungen  zu  der  \rbcit  von  X.  TemesvÀry:  Ueber  ein  junges  mensch- 
liches Ei  in  situ,  in  diesem  Archiv,  Bd.  110.  S.  184—198.  v  o  n  M  ö  1  1  B  n  ■ 
d  o  r  f  .  W.  180. 

BeitrÀge  zur  Kenntnis  und  zur  chirurgischen  Behandlung  der 
puerperalen  Gasbrandinfektion  des  Uterus  (Physometra).  Be- 
sonders bei  kriminellem  Abort  findet  sich  hÀufig  puerperale  In- 
fektion durch  den  Fraenkelschen  Gasbrandbazillus.  In  die  Blut- 
bahn  tritt  er  oft  vorĂŒbergehend  ohne  ernstere  Folgen,  befallt  er 
aber  den  Uterus,  so  entsteht  Physometra  mit  ungĂŒnstiger  Pro- 
gnose. Klinisch  zeigt  sich  Cyanose  und  namentlich  peritonitisclu 
Symptome,  die  zu  chirurgischem  Vorgehen  berechtigen.  Ir 
Cervixabstrich  findet  man  leicht  den  Bazillus,  der  Uterus  zeit 
zuweilen  Gasknistern.  Ist  der  Uterus  nicht  befallen,  so  kann  manj 
ihn  belassen  und  nur  ausgiebig  drainieren,  andernfalls  exstirpiert 
man.  Von  C  so  behandelten  FĂ€llen  wurde  einer  geheilt.  Verf. 
möchte  das  chirurgische  Vorgehen  bei  solchen  FÀllen  immerhir 
in  ErwÀgung  gezogen  wissen. 


40.  Jahrg.  — Nr.  43/44. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


ti'27 


<  liirurgisehe  Behandlung  der  Geburten  bei  mg»  in  Heekin. 
Die  relative  Indikation  zu  cnirurgischt r  tnendigung  uer  Gjimri 
Iriti  jetzt  mehr  in  den  Vordergrunu.  uer  klnssiscne  ivaiserscnnill 
Dei  engem  Becken  ist  einzusenranken  und  der  zervikale  als  UK 
Operation  Uer  Zukunlt  anzuseilen.  Die  extra-  und  die  trans- 
ßpritoneaie  Methode  hallen  sieh  die  \\age,  Verl.  neigt  .(was 
mein  zur  transperitonealtn,  die  ihm  auch  hei  nicht  reinen  1- allen 
ei>enso  gute  hesuitate  gao  wie  ĂŒie  extraperitoneale.  Die  Ver 
Regung  des  Schnittes  in  die  Cervix  ist  besser,  weil  das  hinströmen 
von  i  terusinhall  in  die  Bauchhöhle  leichter  zu  vermeinen  ist,  die 
Lerdonisierung  aer  \\untlilÀche  besser  gelingt  und  keine 
AdhÀsionen  zwischen  Narbe  und  Bauchfell  entstellen.  Aus  der 
Statistik  ist  als  wesentlich  zu  entnehmen:  Der  klassische  Kaiser- 
schnitt mit  44  FĂ€llen  hatte  0%  mĂŒtterliche  MortalitĂ€t,  der  extra 
peritoneale  mit  33  FĂ€llen  3%,  der  transperitoneale  mit  12  FĂ€llen 
G  %,  kindliche  ĂŒberall  o  %.  Den  beckenerweiternden  Operationen 
stehen  zu  viele  Nachteile  entgegen. 

FunktionsprĂŒfung  der  Leber  in  graviditate,  sub  partu,  im 
Wochenbett  und  bei  Eklampsie.  (Beitrag  zur  Frage  der  Sehwan- 
gerschaftsleber.)    In    der   GraviditÀt   ist   der  Blutzuckergehalt 

normal,  eher  tief,  Traubenzucker  wird  restlos  gespeichert,  aul 
Injektion  von  Adrenalin  zeigt  sich  keine  Abw  eicnaing  vom  \  er 
halten  bei  Nichtschwangeren.  Urobilin  ist  in  der  zweiten  HĂ€lfte, 
der  Schwangerschalt  hÀufig  vermehrt.  Best-N  ist  nicht  erhöht. 
Nur  die  Vermehrung  des  IroLilins  deutet  auf  Leberinsuffizienz. 
Aber  unmittelbar  vor,  unter  und  nach  der  Geburt  Àndern  sich  die 
VerhĂ€ltnisse.  Der  Blutzuckergehalt  steigt  sĂŒb  partu  ĂŒber  die 
Norm,  die  Leber  spricht  in  dieser  Zeit  auf  Adrenalin  nicht  gm 
an.  Injektion  bewirkt  keine  vermehrte  AusschĂŒttung,  es  kann 
sogar  weniger  ausgeschieden  wrerden  als  in  der  Zeit  vor  der  In- 
jektion. Kurz  vor  der  Geburt  wird  also  die  Leber  zunehmend 
insuffizient,  der  Begriff  der  Schwangerschaftsleber  besteht  so 
nach  zu  recht,  er  ist  aber  zeitlich  eng  zu  begrenzen. 

Humoralpathologische  Studien  zu  den  Einwirkungen  kolloi- 
dalen Silbers  (Dispargen)  und  der  Preglsehen  Jodlösung  bei 
puerperalseptisehen  Prozessen.  Der  Cholesteringehalt  des  Blutes 
ist  bei  puerperalseptischen  Prozessen  erhöht,  wÀhrend  allerdings 
bei  fieberhaften  Erkrankungen  wie  Malaria,  Typhus,  Scharlach, 
Erysipel  die  meisten  Autoren  im  Blut  Lipoidminderung  fanden. 
Es  ist  anzunehmen,  daß  die  Lipoidvermehrung  bei  der  Puerperal- 
sepsis  giftablenkend  wirken  soll.  Da  nun  auch  Dispargen  und 
Preglsche  Jodlösung  den  Cholesteringehalt  des  Blutes  vermehren, 
gehen  sie  in  der  gleichen  Richtung  wie  die  Natur.  Die  Injektion 
dieser  Lösungen  bewirkt  einen  Reiz  und  dieser  löst  Abwehr- 
reaktion des  Organismus  aus.  Es  kann  aber  auch  nebenher  noch 
an  eine  spezifische  Wirkung  von  Silber  und  Jod  gedacht  werden 
Die  Erfahrungen  der  Verff.  grĂŒnden  sich  auf  Behandlung  von 
35  fiebernden  Wöchnerinnen,  von  denen  25  Dispargen  und  10 
Preglsche  Jodlösung  erhielten.  Durch  Wiederholung  konnte  eine 
Steigerung  der  Wirkung  nicht  erzielt  werden. 

I  eher  die  Bedeutung  des  Aneurysma  der  UteringefÀltc  muh 
der  Beobachtung  eines  Aneurysma  arterio-venosum  der  A.  und 
Vena  uterina  infolge  Fliegerbombenverletzung.  Seillich  vom 
Uterus  fand  sich  eine  hĂŒhnereigroße  Schwellung,  die  stark  pul- 
sierte, das  vordere  Scheidengewölbe  vorwölbte  und  wegdrĂŒckbar 
war.  Die  Pulsation  war  synchron  mit  dem  Herzschlag.  Schwirren 
und  Reiben  waren  bei  vaginaler,  noch  mehr  bei  rektaler  Unter- 
suchung feststellbar.  Wegen  Gefahr  der  VergrĂ¶ĂŸerung  und  SchĂ€- 
digung des  Ureters  erfolgte  Entfernung  mitsamt  dem  Uterus 

lieber  den  Metranoikter  als  Dilatationsiustrument  und  seine 
ĂŒ  natomische  Wirkungsweise.  Verf.  beschreibt  ein  ursprĂŒnglich 
von  Schatz  konstruiertes  und  jetzt  wieder  an  der  Rostockcr 
Klinik  seit  2'A  Jahren  erprobtes  Instrument  zur  Erweiterung  des 
graviden  Uterus.  Es  besteht  aus  einer  Stahlfeder  mit  kreisförmig 
gebogenem  Kopf  und  zwei  Branchen,  die  geschlossen  in  die 
Cervix  eingefĂŒhrt  werden  und  sich  durch  die  Federkraft  all- 
mÀhlich von  einander  entfernen,'  so  etwa  wie  wenn  man  zwei 
Finger  spreizt.  .Die  Cervix  wird  infolgedessen  in  physiologischer 
Weise  erweitert,  indem  der  innere  Muttermund  etwas  mehr,  der 
Ă€ußere  etwas  weniger  dilatiert  wird.  Zu  diesem  Vorzug  tritt  der 
weitere  eines  ungehinderten  Abflusses  im  Gegensatz  zu  der  Be 
hinderung  desselben  bei  Dilatation  durch  Laminar ia  oder  Cer- 
vixtamponade.  (Es  muß  jedoch  darauf  geachtet  werden,  daß  das 
Instrument  völlig  in  die  Cervix  eingefĂŒhrt  wird,  damit  sich  nicht 
seine  Spitzen  vor  dem  orificium  internum  in  die  Wand  der  Cervix 
einbohren.)  .  Kuhn  (MĂŒnchen). 


Dermatologische  w  ochenschrift 

3;  Juni  1922,  Nr.  22. 

Schleimhaut-    und    BlutbilrierhesoiKlerhelten    bei    DÀrlericbei  Dermal»»«. 
Skiatz,  Ernst. 

Die    Kricchkrankheit    (Creeping    Disease)    QaatropbMoaii    cutis.  Bor- 
s  0  «' ,  8,  l.. 

Neue  Erfahrungen  in  tlei   Behandlung  niH  Neosilbersalvftrsan,  Weiter, 
Hannes. 

10.  Juni  1922,  Nr.  23. 

«HJeiber  die  Blutkörpercheiisenkungsgeschwindigkeit    P  <‱  n  u  y  .  WaHber. 
Neuere  Forschungen  ĂŒber  die  kongenitale  KnochcnayphUis.    Pick.  Ludwig. 

Ucbcr  die  Blutkörperehcnsenkungsgesehw  indigkeit.  FĂŒr  die 
Senkungsgeschwindigkcil  sind  in  erster  Linie  das  Plasma,  in 
zweiter  die  Blutkörperchen  von  Bedeutung.  Bei  Lues  ist  zwar 
hÀufig  eine  Senkungsbeschleunigung  vorhanden,  doch  ist  sie  nicht 
so  regelmĂ€ĂŸig,  daß  sie  zur  Differentialdiagnose  herangezogen 
werden  könnte.  B  a  b  Berlin). 

17.  Juni  1922,  Nr.  24. 

Soormykose  der  Haut.    Rayka,  Edmund. 

Liehen  ruber  pemphigoides.    T  r  y  b  ,  A. 

4*15ebandlung  der    Scabies   mit   AmeisensiiurcdÀmpfcn.     R  n  t  h  in  an  n  ,  Ste- 
phan, S  c  h  À  f  f  e  r,  Jean  und  W  e  s  t  c  r  h  c  r  g. 

Behandlung  der  Scabies  mit  AmeisensÀuredÀnipfen.  Die  Pa- 
tienten werden  in  abgedichtete  HolzkÀsten  gesetzt,  in  denen 
ameisensĂ€uregetrĂ€nkte  TĂŒcher  hĂ€ngen.  Die  Methode  zeichnet  sich 
besonders  infolge  von  WĂ€scheersparnis  durch  ihre  Billigkeit  und 
daneben  durch  ihre  Sauberkeit  aus,  ist  jedoeb  infolge  der  verhÀlt- 
nismĂ€ĂŸig großen  Zahl  von  Recidiven  noch  unbefriedigend;  sie 
verdient  jedoch  wegen  der  genannten  VorzĂŒge  weiter  probiert 
und  ausgebaut  zu  werden.  Bab  (Berlin). 

24.  Juni  1922,  Nr.  25. 

Ichlyosis  congenita  sive   t'oetalis.    Jordan.  A. 

Ein   Fall   der  Fox-Fordyceschen   Krankheit.     Walter,  Franz. 
‱{‱Kritische     Bemerkungen     zum    Gesetzentwurf     zur    BekĂ€mpfung     der  Ge- 
schlechtskrankheiten.    II  e  1  b  a  n  c  o  ,  Ernst. 

Kritische  Bemerkungen  zum  Gesetzentwurf  zur  BekÀmpfung 
der  Geschlechtskrankheiten.  Delbanco  verlangt  Slrafbestimmun- 
gen  fĂŒr  den  Arzt,  der  der  Meldepflicht  nicht  nachkommt,  da  diese 
sonst  illusorisch  wird,  ferner  wendet  er  sich  dagegen,  daß  ĂŒber 
S  .'ttil  Abs.  G  —  „wer  gewerbsmĂ€ĂŸig  Unzucht  treibt  und  die  zur 
Ueberwachung  der  gewerbsmĂ€ĂŸigen  Unzucht  erlassenen  Bestim- 
mungen ĂŒbertritt"  —  die  Reglementierung  bestehen  bleibt,  die  ein 
grausames,  unhaltbares  System  bedeutet,  das  in  hygienischer  Be- 
ziehung mehr  Schaden  als  Nutzen  bringt.  Bab  (Berlin). 

BetrÀge  zur  patholog.  Anatomie  u.  z.  allg.  Pathologie.  Jena. 
1922,  70,  Heft  2. 

❖  Herkunft  der   Phagozyten   in  der  Einige.     WestUUeS,  H. 

-{‱En    bisher    unbekanntes     eisenhaltiges      Pigment     in     der  menschlichen 

Milz.    K  r  a  n  s  ,  E.  J.  234.. 
❖Zur  HamosideroseJragc.    A  r  a  s  s  e  r  ,  U.  24«. 

Experimentelle  Atherosklerose  der  Aorta  beim  Meerschweinchen.    A  n  i  t.s  c  h- 

k  o  w  ,  N.  26f>. 

Die  Stadien  der  Sublimatuiere  des  Menschen.    Nakata.  T.  282. 
Wachstum    des    SchÀdels    unter    physiologischen    und    pathologischen  Ver- 
hÀltnissen     W  e  i  n  h  o  l  d  t  .   H  e  d  d  a.  311. 
Malaknplakie  der  Harnblase.     Oestreich.  R.  .147 

Herkunft  der  Phagozyten  in  der  Lunge.  Versuche  an  Kanin 
eben  und  Meerschweinchen,  denen  verdĂŒnnte  Tusche  und  Karmin 
in  verschiedener  Variation  intraveuös  oder  intratracheal  injiziert 
wurde,  ergaben,  daß  die  Hauptmasse  der  phagozytierenden  Zellen 
Alveolarepithelien  und  nicht  Ilisticzyten  sind.  Durch  Phagozytose 
werden  die  Zellen  nicht  nur  in  ihrer  Funktion  gehemmt,  sondern 
aueh  in  ihrer  VitalitÀt  geschÀdigt. 

Ein  bisher  unbekanntes  Pigment  in  der  menschlichen  Milz.  In 
der  Milz  eines  von  mit  Röntgenbestrahlungen  behandelten  Falles 
von  lymphatischer  LeukÀmie  wurde  ein  bisher  noch  nicht  be- 
schriebenes hellgrĂŒnes  Pigment  gefunden,  das  sich  bei 
mikrochemischer  Untersuchung  als  Eisenphosphat  (rein  oder  in 
lockerer  Bindung)  erwies.  Dieses  Pigment  fand  sich  bisher  nur 
in  der  Milz  und  nur  unter  bestimmten  pathologischen  Bedingungen. 
Untergang  des  Milzgewebes  durch  anÀmische  Nekrose,  HÀmo-- 
rhagie  und  Atrophie. 


628 


Aas  den   neuesten  Zeltschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


Zur  HĂ€mosiderosefrage.  Durch  neue  Untersuchungen  wird 
die  Wahrscheinlichkeit,  daß  es  sich  bei  der  HĂ€mosiderose  um 
Eisenoxyd  handelt,  gestĂŒtzt  auf  Grund  zahlreicher  histologischer 
Untersuchungen  von  Milzlumoren  wird  folgende  Einteilung  der 
Milzhyperplasien  aufgestellt: 
f.  Einfache  Hyperplasien. 

f.  physiologischen,  (bei  der  Verdauung), 
2.  defensiven. 

a)  akut. 

1.  follikulÀr  (Diphtherie), 
1.  pulpös-mycloisch    (Sepsis),    reticuloendothelial  (Recur- 
rens, Syphilis); 

b)  chronisch  (Malaria,  Banti). 

L  ehn  dor  f  f  (Wien). 
Zeitschrift  fĂŒr  urologische  Chirurgie,  Berlin. 

12.  Juni  1922,  9,  Heft  3. 

«S»Zur  Pneumoradiographie  des  Nierenlagers.    Boeminghaus.  51. 
«^Angeborene  BÀnder  und  Klappen  der  hinteren  Hannöhre.    Giingar.  75. 

Tuberkulöse  Erkrankung  kongenital  abnormer  Nieren.    Reil.  82. 

Doppelbildungen  des  Nierenbeckens  und  Harnleiters.    Hryntscbak.  87. 

Subkutane  Zerreißung  der  Vena,  cava  inlt  R  o  s  e  n  s  t  e  i  n.  102. 

Leukoplakie  des  Nierenbeckens.    Kraul.  117. 

Zur  Pneumoradiographie  des  Nierenlagers.  Die  von  Ro- 
senstein angegebene  Luftaufblasung  des  Nierenlagers  (Pneu- 
moradiographie) zur  röntgenologischen  Darstellung  dieses  Organs 
hat  Verf.  in  38  FĂ€llen  angewandt  und  empfiehlt  diese  Methode 
als  einen  absolut  harmlosen,  einfachen  und  fĂŒr  die  Diagnostik 
sehr  werlvollen  Eingriff.  Durch  Leichenversuche  stellte  Verf. 
lest,  daß  das  eingeblasene  Gas  nicht  eine  einzige  große  Gasblase 
darstellte,  sondern  sich  in  der  Art  eines  interstitiellen  Emphysems 
verbreitete.  —  Das  Einstechen  der  KanĂŒle  ist  bei  guter  Chlor- 
Ă€thylvereisung nicht  schmerzhaft.  Nach  Einblasen  von  200  bis 
300  com  Sauerstoff  klagen  die  Patienten  ĂŒber  ein  schmerzhaftes 
SpannungsgefĂŒhl,  das  sich  bald  mildert.  Im  allgemeinen  genĂŒgen 
300—100  cem  Gas  zur  Darstellung  normaler  Nieren.  Beschwerden 
nach  beendeter  Untersuchung  sind  im  allgemeinen  unbedeutend. 
In  einigen  FĂ€llen  war  ein  subkutanes  Emphysem  am  Hals  am 
nÀchsten  Tage  vorhanden.  Einmal  erlebte  Verf.  einen  schweren 
Zwischenfall  durch  Sauerstoffembolie  ins  rechte  Herz;  kĂŒnst- 
liche Atmung  und  Herzmassage  konnten  den  Patienten  noch 
retten.  Anatomische  Betrachtungen  zeigen,  daß  nur  eine  abnorme 
GefĂ€ĂŸversorgung  an  diesem  UnglĂŒcksfall  Schuld  sein  kann,  da 
normal  verlaufende  GefĂ€ĂŸe  bei  der  Technik  des  Verf.s  nicht  ge- 
troffen werden  können.  —  Kontraindiziert  ist  die  Methode  bei 
akut  entzĂŒndlichen  oder  eitrigen  Prozessen  im  Nierenlager. 
Hauptanwendungsgebiet  sind  Tumoren,  Mißbildungen,  Lage- 
anomalien und  Steinbildungen  der  Niere. 

Angeborene  BÀnder  und  Klappen  der  hinteren  Harnröhre. 

Ein  40 jĂ€hriger  Mann  klagt  ĂŒber  erschwertes  Urinieren.  Urin 
und  Prostata  normal.  Katheterismus  unmöglich.  Urethroskopie 
ergibt  eine  breite  kompakte  GewebsbrĂŒcke  in  der  hinteren  Harn- 
röhre, die  von  der  Gegend  des  SamenhĂŒgels  zur  oberen  Wand 
der  Harnröhre  zieht.  Kaustische  Zerstörung  unter  Leitung  des 
Endoskops.  Katheterismus  gelingt  nunmehr  leicht.  —  2  Ă€hnliche 
FĂ€lle  werden  noch  kurz  beschrieben.  —  die  meisten  Mißbildungen 
der  hinteren  Harnröhre,  die  beschrieben  sind,  stellen  klappen- 
artige Gebilde  dar.  Man  erklÀrte  sie  meist  als  persistierende 
Reste  normaler,  im  embryonalen  Leben  vorgebildeter  Organe 
(MĂŒllerscher  und  Wölfischer  Gang?).  Verf.  glaubt  eher,  daß  es 
sich  um  Wachstumsstörungen  handelt. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Klinische  MonatsblĂ€tter  fĂŒr  Augenheilkunde. 

April -Mai  1922,  68. 

«fr  Das  histologische  Bild  der  KupfertrĂŒlmng  der  Linse,  ein  Beitrag  zur  Frage 

der   LiiLsencrniilirung.     Jesu,   A.  433. 
Detter  knötchenförmige  Erkrankung  der  Bindehaut  durch  Raupenhaare  mit 

tiefen    VerÀnderungen    in   der   Haut.     Mit   3   Textabbildungen.  Mar- 

c  o  t  t  y  ,  A.  H.  443. 
Detter  einen    Hpaltlampenbefund   an   den   Hornhautnerven   hei   einem  Fall 

von   degencrativer   llornhautverÀnderung.     Er  aap»,  E.  448. 
ĂŒeber  einen  Fall  von  postlentikulĂ€rer  Blutung.    M  a  n  s  ,  R.  450. 
Ueber  die  doppelseitige  TrochlearislÀhmung.    F  r  e  y  t  a  g  .  Th.  G.  452. 
Zur  Frage  der  experimentellen  Hal«nympathikusreizung.  W  ö  1  f  f  1  i  n  ,  E.  4(i0. 
Ueber  einen  Fall  von  angeborenem  Fehlen  des  Musculus  dilatator  pupillae 

selbst  oder  seiner  Inncrvierung.    Saupc,  K.  464. 
‱frZur  Pathogenese  des  Glaukoms.    Levinsohn,  G.  471. 
Ueber  die   pathologisch-anatomischen    VerÀnderungen    der  juvenilen  rezidi- 
vierenden   Netzhai.tglaskorperblutung.     Mit    2    Textabbildungen.,  Sil- 

g  a  u  u  m  a  ,  S.  481. 


Netzhnutblutungcn     bei     eiueip     Falle     von     essentieller  Thrombopenie. 
Schal],  ÂŁ.  486. 
«fr-SchÀdigungen  des  Auges  durch  Licht,  van  der  Hoeve,  J.  492. 
«frRotgrĂŒnblindheit  als  Erbeigenschaft.    Schiötz,  I.   (Kristiania).  49S. 
Ueber   die    Initialstadien   des   Naphthalinstares    im   Kan.inchenauge.  Spielt 
die  Iris  eine  Rolle  bei  der  Ausbreitung  des  Stares  im  vorderen  Linsen- 
kortex?    Lindberg,  G.  J.  527. 
■^Klinisch-bakteriologische   Studien  ĂŒber   den  Pneumokokkenkatarrh.     P  i  1  - 
1  a  t ,  A.  533. 

Streptococcus  mucosus,  als  Erreger  einer  chronischen  ulzerösen  Konjunk- 
tivitis.   Fischer,  E.  553. 

Zur  Frage  der  Plastik  mit  einem  wandernden  Stiel.  F  i  1  a  t  o  w  ,  W.  557.  \ 
❖Zur  Vererbung  der  Myopie.    .1  a  b  1  o  n  s  k  i  ,  W.  560. 

Kurze  Bemerkungen  ĂŒber  SehnervenschlĂ€ngeluug  und  Myopiegenese.    L  e  -  \ 
v  i  n  s  o  h  u  ,   G.  574. 

Ueber  Entrundung  der  Hornhaut  und  angeborene  Irisanomalien.  Trieben- 
stein, O.  578. 

Zur  Frage  von  den  schematischen  und  reduzierten  Augen.  Wcrbitikjr, 

K.  W.  588. 

«frUeber  die  TrĂ€nenflĂŒssigkeit.    v.  R  ö  1 1  h  ,  A.  598. 
Blennorrhoe  der  Tr&neniöhrchen.   Hoitasch,  B.  «1)5. 

Ueber  einen  geheilten  Fall  von  hochgradigem  kongenitalen  Enophthalmus 

mit  Retraetio  bulbi.    C  laus  e  n  ,  W.  fi07. 
Bemerkungen    zur    Arbeit    O.    Lindenmeyers    „Ueber    Exophthalmus  inter- 

mittens  mit  angeborener  Jugularisstenose".     Enroth,  E.  613: 
Zur  Indikation   der   Blliotschen   Skleraltrepauation.     v.   Lieber  mann,; 

L.  614. 

Kaustische  Resektion  der  Tarsalbindehaut  bei  Conjunctivitis  vernalis 
v.   L  i  e  b  e  r  m  a  n  n  ,   L.  617. 

Bemerkung  zu  meiner  Arbeit  „Die  Tarsektomie  und  ihr  Heilwert  bei 
Trachom  und  Trichiasis".    Feigenbaum,  A.  617. 

Eine  neue  Operation  gegen  Entropium  (ohne  Belastung  der  Lidhaut,  Be- 
merkungen  Uber  Tarsektomienaht.     Raubitschek,  E.  618. 

Beitrag  zur  Elliot-Operation.     Ticho   (Jerusalem).  624. 

Zwei  FĂ€lle  von  Pilzkonkrementeu  im  TrĂ€nerirĂŒhrchen.    Ginzburg,  J.  623. 

Ein  Beitrag  zum  Bilde  des  Zystizerkus  subretinalis.  S  c  h  w  a  r  z  k  o  p  f  , 
G.  632. 

Urkunde  ĂŒber  Ă€lteste  Ă€gyptische  AugenĂ€rzte.     W  ö  1  f  ÂŁ  1  i  n  ,  E.  635. 
Zur  Haarnaht.    Merz-Weigandt,  Chr.  637. 
Die  Dreirillenbrille.    W  e  c  k  e  r  t.  638. 

Das  histologische  Bild  der  KupfertrĂŒbung  der  Linse.  Die 

Arbeit  ist  deshalb  von  allgemeiner  Bedeutung,  weil  sie  Hinweise 
auf  die  LinsenernÀhrung  gibt.  Der  Fall  beweist  nÀmlich  eindeutig, 
(was  von  anderer  Seite  bestritten  wird)  daß  auch  durch  die  vor- 
dere Linsenkapsel  ein  stÀndiger  Diffusionsstrom  in  die  Linse 
eindringt  und  daß  vor  allem  das  Pupillargebiet  der  vorderen 
Kapsel  fĂŒr  die  Aufnahme  von  FlĂŒssigkeiten  und  diffusiblen  Stoffen 
in  Betracht  kommt.  Er  zeigt  weiter,  wie  das  Linsenepithel  eine 
auswĂ€hlende  und  schĂŒtzende  Wirkung  gegenĂŒber  den  von  vorn 
eindringenden  Stoffen  ausĂŒbt  und  schĂ€dliche  wenigstens  fĂŒr  lĂ€n- 
gere Zeit  zurĂŒckhĂ€lt,  so  daß  sie  im  subkapsulĂ€ren  Spalt  ange- 
reichert werden. 

Zur  Pathogenese  des  Glaukoms.  L.  unterscheidet  4  Ursachen 
fĂŒr  das  Zustandekommen  eines  Glaukom.  1.  die  eigentlich  patho- 
genetische Hierher  rechnet  er  besonders  die  Ueberschwemmung 
der  vorderen  Abflußwege  mit  den  zertrĂŒmmerten  Zell-Leibern 
des  hinteren  Pigmenlepithels.  Diese  Theorie  hat  durch  die  Unter- 
suchungen an  der  Spaltlampe  eine  neue  StĂŒtze  bekommen.  2.  die 
disponierenden  Ursachen,  Hierher  gehören  alle  AffektioneiL  bei 
denen  der  Zerfall  des  Irispigmentes  besonders  hÀufig  beobachtet 
wird  (Diabetes,  Lues,  Hesterochronia).  3.  die  auslösenden  Ur- 
sachen: psychischer  Affekt,  vielleicht  infolge  der  dabei  oft  aut- 
tretenden Pupillenerweiterung.  4.  die  unterstĂŒtzenden  Ursachen: 
die  örtliche  Blutverteilung  und  besonders  die  Blutbeschaffenhei t. 
StÀrkerer  Salzgehalt  des  Blutes  setzt  den  intraokularen  Druck 
wesentlich  herab.  Auch  SchilddrĂŒse  und  Hypophysis  wirken  aui 
den  Augendruck  ein. 

SchÀdigungen  des  Auges  durch  Licht.  Die  SchÀdlichkeit  des 
normalen  Lichtes  wird  oft  ĂŒbertrieben.  Andererseits  ist  nicht  zu 
bestreiten  daß  Alterstar  und  vielleicht  auch  Netzhautverande- 
rungen durch  die  ultravioletten  Strahlen  des  Tageslichtes  und  der 
Beleuchtungsquellen  verursacht  werden  können.  Vollige  tern- 
haltung  der  ultravioletten  Strahlen  ist  unnötig  und  vielleicht 
schĂ€dlich.  Es  wird  genĂŒgen,  die  Augen  nur  dann  zu  schĂŒtze», 
wenn  sie  mehr  als  gewöhnlich  dem  Einfluß  dieser  Strahlen  aus- 
gesetzt sind. 

RatgrĂŒnblindheit  als  Erbeigenschaft.  Auf  Grund  eigener,  sehr 
genauer  Untersuchungen  und  unter  sorgfĂ€ltiger  NachprĂŒfung  aller 
bisher  veröffentlichter  StammbĂ€ume  kommt  Verf.  zu  dem  Schluß, 
daß  angeborene  l^lgrĂŒnblindheil  immer  und  ausnahmslos  als  eine 
rezessiv-geschlechtsgebundene  Eigenschalt  vererbt  wird  und  daß 
bis  jetzt  noch  keine  Ausnahme  dieses  unbeugsamen  1  rinzips 
nachgewiesen  worden  ist. 


R).  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


Klinisch-bakteriologische  Studien  ĂŒber  den  Pneumokokken? 
katarrh.    Die  Pn.katarrhe  sind*  —  wenigstens  in  Wien  -  viel 
hÀufiger,  als  bisher  angenommen  wurde  (22  %  aller  Irischen  Ka- 
tarrhe).  Es  gibt  klinisch  ganz  leichte  Pn.katarrhe,  die  der  Unter- 
suchung wegen  der  geringen  subjektiven  und  objektiven  Erschei- 
1  nungen  sehr  leicht  entgehen,  besonders  bei  Kindern.   Die  charakte- 
I  ristischen  VerĂ€nderungen  (gelblich  eingescheidete  BlutgefĂ€ĂŸe  auf 
der  sonst  blassen  Bindehaut,  leine  Schleimschimmer,  fast  fehlende 
Sekretion)  sind  im  Alter  weniger  deutlich.    Klinisch  leichte  FĂ€lle 
Beigen   bakteriologisch  oft  massenhaft  Pneumokokken,  wÀhrend 
ganz  schwere  FÀlle  gelegentlich  nur  spÀrlichen  Pn.befund  auf- 
weisen.  Die  bakteriologische  Diagnose  hÀngt  besonders  vom  Er- 
krankungslage ab;  den  besten  Erfolg  verspricht  sie  zwischen  dem 
1     1.  Tage.    Die  Pn.-Conjunktivitis  ist  gutartig;  selten  fĂŒhrt  sie 
»zur  Mitbeteiligung  der  lieferen  Teile.    Unverwertbar  fĂŒr  die  bak- 
I  teriologische  Diagnose  ist  nur  das  Wachstum  auf  normalen  Epi- 
thclzellen.    Im  Sekret  finden  sich  Pn.  auch  bei  anderen  Binde- 
haut-EntzĂŒndungen und  sind  oft  schon  verschwunden,  wĂ€hrend 
sie  an  der  Bindehaut  des  Augapfels  noch  reichlich  zu  finden  sind. 
Kulturelle  ZĂŒchtung  ist  werllos,  weil  auch  saprophytĂ€r  vorhandene 
SrPn.  angehen  und  so  eine  falsche  Diagnose  vortÀuschen  können. 

‱  Zur  Vererbung  der  Myopie.   An  Hand  einer  sich  ĂŒber  4  Gene- 
rationen erstreckenden  Ahnentafel  wird  die  Erblichkeit  der  hoch- 
gradigen Kurzsichtigkeit  wahrscheinlich  gemacht.    Ein  zweiter 
^Stammbaum  lĂ€ĂŸt  die  hochgradige  Kurzsichtigkeit  als  rezessives 
Merkmal  erkennen.  Außerdem  zeigt  dieser  Stammbaum  eine  merk 
wĂŒrdige  Verbindung  der  Kurzsichtigkeit  mit  dem  weiblichen  Ge- 
sehiecht  (geschlechtsgebunden").    Die  Erkrankung  ist  mit  hoch- 
gradiger Wahrscheinlichkeit  als  rezessives  Leiden  gemĂ€ĂŸ  den 
iMendelschen  Lehren  vererbt. 

Uebcr  die  TrĂ€ncnflĂŒssigkeit.  Der  Brechungsindex  der  aut 
denselben  Reiz  hervorgerufenen  TrĂ€nenflĂŒssigkeit  bewegt  sich  in 
breiten  Grenzen  bei  denselben  wie  bei  verschiedenen  Individuen. 
Dieser  Unterschied  beruht  mit  grĂ¶ĂŸter  Wahrscheinlichkeit  auf 
der  Beimischung  mit  verschiedener  Menge  ßindehautabsonderung. 
Wenn  die  Proben  bei  blutleerer  Bindehaut  genommen  werden,  so 
-ist  das  Ergebnis  einheitlicher;  der  Index  im  Durchschnitt  niedriger. 
Es  kommt  nĂ€mlich  last  nie  die  Absonderung  der  TrĂ€nendrĂŒse 
in  Betracht. 

Der  Brechungsindex  jener  Proben,  die  nach  verschiedenen 
Reizen  genommen  werden,  ist  auch  ziemlich  verschieden,  die  Durch- 
schnittswerte decken  sich  aber  ganz  auffallend.  Es  ist  also  das 
auf  verschiedene  Reize  hervorgerufene  TrĂ€nendrĂŒsensekret  sonst 
gesunder  Augen  chemisch  unverÀndert. 

E  u  s  1  i  n  (Berlin-Steglitz). 
Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

1.  Juni  1922,  52,  Nr.  22. 

;   .«tCxeiiietjscife     Bedeutung     des     Nervensystems     fĂŒr  Organerkrankunsgen 
Oswald,  A.  553. 

Refraktometrische    und    viscosimetrische     Untersuchungen    am  Blutseruni. 
R  o  Ii  r  e  r  ,  F.  555. 

«^Bulbus  Scillae.    Mark  walder,  J.  560. 

i    Pharmakologie  der  Scilla.    Jenny,  E.  562. 

Pneumothoraxapparatc.    Frey,  II.  564. 

Zur    Frage    der    geographischen    Verbreitung    und    poliklinischen  Behand- 
lung der  Epilepsie.    W  y  r  s  c  h  ,  J.  565. 

Die  genetische  Bedeutung  des  Nervensystems  fĂŒr  die  Organ- 
pkrankungen.  In  der  Pathologie  spielt  das  Nervensystem  eine 
weil  grĂ¶ĂŸere  Rolle,  als  man  gemeiniglich  anzunehmen  pflegt; 
nicht  nur  fĂŒr  die  funktionellen  Erkrankungen,  sondern  auch  fĂŒr 
die  Organleiden.  Schon  beim  einfachen  EntzĂŒndungsprozeh 
Kommt  dem  Nervenapparat  eine  genetische  Bedeutung  insofern  zu, 
als  die  begleitende  HyperÀmie  auf  einer  Vasodilatalion  beruht. 
Menschen,  die  durch  anhaltende  geistige  und  körperliche  Er- 
mĂŒdung geschwĂ€cht  sind,  neigen  leicht  zu  katarrhalischen 
EntzĂŒndungen,  die  der  örtlichen  Behandlung  trotzen.  Wohl  abei 
genĂŒgt  es,  dem  N.  S.  Ruhe  zu  verschaffen,  um  diese  Katarrhe 
zum  Seilwinden  zu  bringen. 

Als  weiteres  Organleiden  mit  nervöser  Grundlage  wÀre  das 
|Jlcus  ventriculi  und  duodeni  zu  nennen.  Die  große  Mehrzahl 
der  Befallenen  sind  Vagotoniker.  In  das  gleiche  Gebiet  gehört 
die  Colitis,  ferner  wÀren  die  Frostbeulen  zu  nennen.  Auch  bei 
ler  Raynaudschen  Krankheit  sind  die  primÀren  Störungen  im 
Nervenapparat  zu  suchen.  Sehr  Lehrreich  ist,  daß  im  Verlaul 
eilirr  Hemicranie  echte  flerpeseffloreszenzen  auftreten  können. 


Diese  sind  rein  neurogenen  Ursprungs;  man  denkl  sie  sich  als 
durch  Sensibilisierung  der  GefÀBnerven  entstanden.  Der  Herpes 
zoster,  der  Herpes  simplea  der  Hanl  sind  genetisch  ebenfalls  an 

die  MitwiTkung  des  N.S.  gebunden. 

Eine.  Erscheinung,  die  heute  auch  in  der  Laienwelt  viel  Be- 
fehl ung  findet,  ist  das  ĂŒbermĂ€ĂŸige  LĂ€ngenwachstum  unter  der 

heuligen  Jugend.  Ks  liegl  nahe,  dasselbe  so  zu  erklÀren,  dal) 
infolge  Ueberreizung,  resp.  Sensibilisierung  des  Nervensystems 
die  WachstumsdrĂŒsen  einen  stĂ€rkeren  Effekt  auslösen.  Insofern 
ist  dieses  ĂŒbermĂ€ĂŸige  Wachstum  nicht  etwa  als  Verbesserung 
der  Hasse  zu  bewerten,  sondern  als  auf  ('.rund  einer  Minder- 
wertigkeit im  vegetativen  N.S.  entstanden  zu  denken. 

Den  Einfluß  des  N.S.  auf  die  OrgamtĂ€tigkeit  sehen  wir  sehr 
deutlieh  bei  den  sogen.  Stoffwechselkrankheiten,  dem  Diabetes 
mellitus  zuvorderst.  Es  ist  allgemein  bekannt,  daß  der  Diabe- 
tiker nach  psychischen  Alterationen  mehr  Zucker  ausscheidet 
als  bei  ruhigem  Verhallen.  Wir  haben  Grund,  anzunehmen,  daß 
der  ganze  Metabolismus  unter  dem  unmittelbaren  Einfluß  des 
N.S.  steht. 

Die  gemachten  Darlegungen  erklÀren  uns,  warum  viele  der 
herangezogenen  Leiden  durch  lokale  Behandlung  nicht  geheilt 
werden;  wÀhrend  die  Ruhiglegung  des  N.S.  oft  Wunder  wirkt. 
Diese  Behandlungsweise  ist  erfolgreich,  weil  sie  kausal  ist. 
Hierauf  zu  achten,  ist  Aufgabe  des  Arztes. 

Ueber  Bulbus  Scillae.  In  unserer  Zeit  steht  die  Meerzwiebel, 
eines  der  Àltesten  Herzmittel,  das  uns  die  Geschichte  der  Heil- 
kunde ĂŒberliefert,  als  Arzneimittel  nicht  mehr  in  hohem  Ansehen. 
■Bestenfalls  widerfĂ€hrt  ihr  das  Schicksal,  als  untergeordnete  Be- 
gleitsubstanz in  den  verschiedensten  Arzneikomponenten  unter- 
gebracht zu  werden.  Im  Jahre  1918  inaugurierte  F.  Mendel 
bewußt  und  systematisch  die  Herztherapie  durch  ausschließliche 
Verwendung  von  Scilla,  und  zwar  durch  Darreichung  der  ge 
trockneten  Rohdroge.  Auf  Grund  seiner  Erfolge,  besonders  bei 
digitalisrefraktÀren  Herzen  gelangte  Mendel  zum  Postulat  einer 
spezifischen  Scillawirkung  auf  die  diastolische  Phase  und  auf 
diesem  Wege  zu  einer  Besserung  des  darniederliegenden  Kreis- 
laufs und  der  Diurese.  Auch  der  Verf.  konnte  feststellen,  daß  in 
Bulbus  Scillae,  mit  einem  gebrĂ€uchlichen  MaßstĂ€be  gemessen, 
sehr  große  Wirksamkeiten  enthalten  sind.  Diese  Wirksamkeit 
im  Verein  mit  einer  spezifischen  Eigenart  der  qualitativen  Wir- 
kung drÀngt  dazu,  Bulbus  Scillae  als  therapeutischen  Selbst- 
zweck anzuerkennen.  Nachdem  es  weiter  gelungen  ist,  das  wirk- 
same Herzglykosid  in  Form  von  Scillaren  vollkommen  frei  von 
Ballaststoffen  aus  der  Meerzwiebel  zu  isolieren,  sind  die  Vor- 
aussetzungen geschaffen  fĂŒr  eine  rationelle  konsequente  Therapie 
mit  Bulbus  Scillae,  denn  dadurch  ist  ein  rein  glykosidisches  PrÀ- 
parat zugÀnglich  geworden,  und  es  entfÀllt  damit  die  letzte 
Möglichkeit,  daß  die  MiserabilitĂ€t  der  bisher  im  Handel  befind- 
lichen Galenika  einer  reellen  Scillatherapie  noch  lÀnger  den  Weg 
versperrt.  'Held  (Berlin). 

Schweizerische  Medizinische  Wochenschrift,  Basel. 

8.  Juni  1922,  52,  Nr.  23. 

VerstÀrkte  Durchblutung  tÀtiger  Organe.    Fleisch,  A.  581. 

Eine  einfache  Urobilinbestimmungsmethode.    Herzfeld,  E.  585. 

Pap  il  litis  mit  Ausgang  in  Atrophie  bei  TĂ€nia  solium.  —  Diagnose  des  sub- 
retinalen  Zystizerkus.    Strebel,  J.  586. 

Spiitresultate  der  Unterbrechung  der  Schwangerschaft  gefolgt  von  Kastra- 
tion wessen  Lungentuberkulose.    H  o  c  bedien,  W.  588. 

Kl  siglo  Medico,  Madrid. 

10.  Juni  1922,  69,  Nr.  3574. 

Cajal,  seine  Persönlichkeit,  sein  Werk,  seine  Schule.    Cortezo,  C.  M. 

Die  parenterale  Protciukörpcrthcrapic  hei  Erkrankungen  des  VcrdauungS- 
apparates.    Ii  o  s  e  1  1  ,  J,  M . 

Ueber  UrÀmite,  (Jedem  und  seine  Behandlung.  Schlayer. 

Antitoxische  Sera.    M  a  r  za  1  ,  T. 

GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.  M  a  r  a  n  o  n  Y 
P  o  s  a  d  i  1  1  o  .  D.  G . 

17.  Juni  1922,  69,  Nr.  3575. 

Cajal,  seine  Persönlichkeit,  sein  Werk,  seine  Schule.    Cortezo,  C.  M, 
Nephrektomie   bei   beginnender  Nierentuberkulose.     Martin,  A.  P. 
Hyperchlorhydrie  bei   mangelnder  Ovarjaltiitigkeit.    B  e  r  m  e  j  i  1  1  o  ,  M. 
Die  parenterale  Proteintherapie  bei  Erkrankungen  des  Verdauungsapparates. 
R  o  s  e  11  ,  J.  M. 

GegenwÀrtiger  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.    MarÀfion  y 

P  0  s  a  (1  i  1  1  o. 


630 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg. —  Nr.  43/44. 


Buchbesprechungen. 

jakob  KlÀsi:  lieber  die  Bedeutung  und  Entstehung  der 
Stereotypien.  ADhanĂŒumgen  aus  aer  i\eurOiĂŒgie,  rsycmatne, 
r-sjchoiogie  und  ihien  Grenzgeoieten.  Heft  Ib.  bei  im  19/.Z,  venag 
S.  tvarger. 

in  uer  Psychiatrie  ist  in  den  letzten  Jahren  ein  rastios  Suchen  und 
i  ĂŒi sehen,  ein  unablĂ€ssig  SchĂŒrten  und  ^uaoen.  i\och  ist  es  nicht  lange 
her,  dao  wir  uns  mit  dem  einfachen  registrieren  der  klinischen  Eiscnei- 
liihigen  begnĂŒgten.  Galt  es  doch  ĂŒbernaupt  zue/st  einmal,  das  Seiende 
zu  erfassen,  die  ZusamenhÀnge  zu  erkennen  und  die  Krankheitse.nhei- 
ten  zu  schaffen.  Aber  kaum  war  man  uoer  das  Schauen  und  Einteilen 
hinaus,  da  erhob  sich  schwer  und  dringend  die  trage  nach  dem  wie 
und  "warum.  Man  suchte  in  das  Wesen  der  Erscheinungen  sich  zu 
vertiefen  und  sie  «nserem  VeistÀndnis  nÀher  zu  bringen,  vie.es,  was 
wir  bei  unseren  Kranken  beobachten,  scheint  auf  den  ersten  blick  so 
sinnlos  und  jeder  Vernunft  bar,  daß  man  an  einer  ErklĂ€rung  wohl  ver- 
zweifeln möchte,  und  doch  zeigt  die  vorliegende  Studie  ĂŒber  die 
Stereotypien,  daß  auch  dem  scheinbar  UnverstĂ€ndlichsten  ein  tieferer 
Sinn  innewohnt. 

Den  Untersuchungen  des  Autors  liegt  ein  Material  von  31  genau 
durchgearbeiteten  FĂ€hen  zu  Grunde.  Ais  wichtigstes  Ergebnis  ist  die 
i  eststeilung  zu  betrachten,  daß  die  Stereotypien  durchweg  sinnvoll 
begrĂŒndet  sind.  Sie  slellteu  sich  entweder  als  Äbwehrhandlungen 
gegen  Halluzinationen  der  Körperempfindimg  heraus,  oder  es  han- 
delte sich  um  Harmonien  zur  rieschwörung  von  SinnestÀuschungen 
oder  zur  BekrÀftigung  oder  Versinnbildlichung  einer  Weihe  oder  Bur.e, 
schließlich  waren  sie  als  Ueberbleibsel  frĂŒherer  Bei  ufsbewegungen 
bezw.  anderer  Handlungen,  die  auf  die  Wirklichkeit  abzielten,  zu  deuten. 
Diese  sehr  wertvollen  Resultate  waren  nicht  mĂŒhelos  zu  gewinnen, 
sondern  sind  nur  einer  zĂ€hen  und  unermĂŒdlichen  Exploration  zu  ver- 
danken. 

Immer  deutlicher  drÀngt  sich  uns  die  Einsicht  auf:  nicht  ein 
wirres,  zusammengewĂŒrfeltes  Durcheinander  sind  die  Erscheinungen 
der  Geisteskrankheit,  sondern  sie  entspringen  nur  einer  „VerrĂŒckung" 
des  Niveaus,  auf  welchem  das  Individuum  steht,  einem  von  Grund  aus 
verĂ€nderten  Denken,  FĂŒhlen  und  "Wollen.  Wir  als"  Gesunde  können 
uns  niemals  in  eine  solche  Anschauungsweise  einfĂŒhlen,  aber  es  ge- 
lingt doch  —  wie  die  AusfĂŒhrungen  des  Verfassers  zeigen  —  sie  un- 
serem VerstÀndnis  nÀher  zu  bringen. 

A.  MĂŒnze  r. 

J.   H.  Schultz.     GesundheitsschÀdigungen   nach  Hyp- 
nose.   Sammlung  zwangloser  Abhandlungen  auf  dem  Gebiete  der 
Nerven-  und  Geisteskrankheiten.   Neue  Folge,  Heft  1.   Carl  Marhold, 
zweckt,   ĂŒber  ^die  nach   Hypnose  auftretenden  Gesundheitsstörungen 
sichere  AufschlĂŒsse  zu  gewinnen.    Eine  Zusammenstellung  der  be- 
richte, die  von  Irrenanstalten,  Irren-  und  Nervenkliniken,  NervenÀrzten 
usw.  einliefen,  ergab  ĂŒber  100  GesundheitsschĂ€digungen  nach  Hypnose; 
Verlagsbuchhandlung,  1922. 
Verfasser  legt  die  Ergebnisse  einer  Sammelforschung  vor,  die  be- 
charakteristischer Weise  fallen  diese  fast  sÀmtlich  den  Laienschauhyp- 
nosen  oder  hypnotischen  Laienzirkeln  zur  Last.    Klinisch  handelt  es 
sich  der  Hauptsache  nach  um  hysterische  und  schizophrene  Psychosen. 

Die  AusfĂŒhrungen  des  Verfassers  verdienen  unten  uns  Aerzten  die 
aufmerksamste  Beachtung.  Wir  können  garnicht  oft  und  eindringlich 
genug  unserem  Publikum  vor  Augen  fĂŒhren,  daß  die  Hypnose  einen 
ernsten  Eingriff  bedeutet,  dessen  AusfĂŒhrung  nur  dem  Berufenen 
gebĂŒhrt,  der  aber,  in  unrechtmĂ€ĂŸige  HĂ€nde  gelegt,  nicht  wieder  gut- 
zumachenden Schaden  anrichtet. 

Daß  hier  auf  gesetzlichem  Wege  etwas  erreicht  wird,  ist  vorlĂ€ufig 
noch  zweifelhaft.  Deshalb  gehört  um  so  mehr  der  Arzt  auf  den  Plan; 
sein  Mahnruf  darf  nicht  wirkungslos  verhallen. 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

M.  Vaerting:  Physiologische  Ursachen  geistiger 
Höchstleistungen  bei  Mann  und  Weib.  Bonn  1 922,  A. 
Marcus  und  E.  Webers  Verlag. 
Das  schöpferische  Arbeitsvermögen  unterliegt  Schwankungen.  Bei 
der  Frau  beginnt  die  produktive  LeistungsfÀhigkeit  etwa  14  Tage 
nach  Einsetzen  der  Menstruation  und  erreicht  im  Praemenstruum  ihren 
Höhepunkt,  beim  Manne  nach  dem  normalen  und  nicht  zu  hÀufigen 
Sexualverkehr  sowie  in  geringerem  Grade  nach  Pollutionen.  Die 
höchste  ProduktivitÀt  fÀllt  hiernach  in  eine  Zeit,  in  der,  wie  die  Erfah- 
rung lehrt,  die  Libido  nach  befriedigtem  Geschlechtstrieb  auf  ein  Mini- 
mum herabgesetzt  ist.  —  Die  Ursache  fĂŒr  diese  Schwankungen  ist  in 
Wirkungen  der  inneren  Sekretion  zu  suchen.  Bei  der  Frau  spielt  hier- 
bei das  Corpus  iuteum  die  Hauptrolle;  seine  Reifezeit  fÀllt  gerade  in 
die  Periode  der  gesteigerten  LeistungsfÀhigkeit.  Beim  Manne  sind  es 
die  reifenden  Keimzellen  selbst,  deren  Hormone  die  geistige  Leistungs- 
fÀhigkeit beherrschen. 


Dies  der  Exßakt  aus  den  AusfĂŒhrungen  des  Verfasseis.  —  Ich 
giauoe,  da.,  man  Sie  nicht  ohne  eiheonchen  Widerspruch  hinnehmen 
wird.  LÀ\A  sien  wiiklich  eine  GegensÀtzlichkeit  zwischen  Geschiecms- 
tueb  und  pioduktiver  ^eistungsfanigkeit  konstituieren.-'  Man  mag  ja 
zugeoen,  dan  nach  der  t-efneoigung  des  Iriebes  aas  Arbeitsvermögen 
sich  steiget.  Das  ist  a^er  weniger  ins  Gewicht  fallend  ais  die  iat- 
sache,  dao  geistige  FtoduktivitÀt  mit  rege  entwickeltem  Geschlechts- 
tneo  fast  stets  nand  in  Hand  geht.  Ja,  man  könnte  versucht  sein  zu 
sagen,  daß  gerade  der  stark  entwickelte  Irieb  eine  der  Ursachen  fĂŒr 
hochwertige  ueisiesarbeit  sei.  In  diesem  Sinne  sprechen  die  vom 
Vei  fasser  fĂŒr  seine  eigene  l  heorie  ins  Feld  gefĂŒhrten  Phasen  gestei- 
gerter ProduktivitÀt.  Die  PubertÀt,  der  Brautstand,  die  Höchstleistung 
der  Genies  bis  zum  30.  Lebensjahre.  —  Warum  zu  der  fernliegenden 
ErklĂ€rung  greifen,  dao  bei  verringerter  AusĂŒbung  der  SexualtĂ€tigkeit 
die  innere  bekretion  der  KeimdrĂŒsen  begĂŒnstigt  sei  und  hierdurch  ltue 
Wirkungen  entfalte?  Ist  es  nicht  viel  natĂŒrlicher  zu  sagen,  daß  Ă€ußere 
und  innere  Sekretion  Hand  in  Hand  gehen,  daß  also  unter  dem  mĂ€chtig 
anwachsenden  Triebe  auch  das  geistige  Leistungsvermögen  gefördert 
wird? 

Die  Hypothese  von  einer  den  Keimzellen  selbst  zukommenden  in- 
neren Sekretion  scheint  mir  nicht  gerechtfertigt.  Es  liegt  kein  Anlaß 
vor,  die  bisher  den  interstitiellen  Zellelementen  vindizierten  Funktionen 
auf  die  Keimzellen  zu  ĂŒbertragen. 

Schließlich  glaube  ich,  daß  bei  einer  Erörterung  der  physiologi- 
schen Ursachen  fĂŒr  geistige.  Höchstleistungen  das  Zentralorgan  nicht 
außer  Acht  gelassen  werden  darf.  Seit  Gall  wissen  wir  von  der 
Existenz  eines  zerebralen  Geschlechtstriebes.  Bringt  man  ĂŒberhaupt 
einmal  die  GenitalsphÀre  mit  der  geistigen  Arbeitsleistung  in  Zusam- 
menhang, so  darf  die  zerebrale  Einstellung  nicht  außer  Acht  gelassen" 
werden. 

A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Prof.  Stock  (TĂŒbingen).    Augenheilkunde:  Erkrankungen 
der  Iris,  der  Linse  und  des  Glaskörpers.  Diagnostische 
und  therapeutische  IrrtĂŒmer  und  deren  VerhĂŒtung.    Leipzig  1921 
Georg  T  hi  e  m  e. 
Aus  den  fesselnden  und  klar  geschriebenen  AusfĂŒhrungen,  die  dem 
Praktiker  wertvolle  Fingerzeige  geben,  sei  hier  folgendes  hervorge- 
hoben.   Der  graue  Reflex  auf  der  Pupille  ist  bei  alten  Leuten  nicht  im- 
mer gleich  Altersstar.    Oft  wird  ein  Glaukoma  simplex  (d.  h.  ei 
Glaukom  ohne    entzĂŒndliche  Erscheinungen)  fĂŒr  einen  gewöhnlich 
Altersstar  gehalten.    Hier  schĂŒtzt  vor  IrrtĂŒmern  nur  die  Gesicht 
leldprĂŒfung     (nasale     Einengung     beim     Glaukom!)      Die  seni 
Makulaerkrankung,  deren  Feststellung  durch  den  Augenspiegel  tu 
immer  leicht  ist,  wird  ebenfalls  durch  die  GesichtsfeldprĂŒfung  (zentral 
Skotom)  diagnostiziert.  —  Beim  Auftreten  von  Kurzsichtigkeit  na 
dem  30.  Lebensjahre  denke  man  stets  an  Diabetes;  die  Myopie  i 
in  diesen  FĂ€llen  das  erste  Zeichen  einer  beginnenden  diabetischen  Li 
sentrĂŒbung.  —  Einseitige  LinsentrĂŒbung  lĂ€ĂŸt  immer  an  Komplikatio 
im  Auge  (Iritis)  denken.  —  Heilung  des  Altersstars  ohne  Operati 
ist  nicht  möglich,  denn  die  abgestorbenen  Linsenzellen,  die  die  U 
sache  der  TrĂŒbung  sind,  können  nicht  wieder  lebendig  werden.  D 
Möglichkeit  eines  Stillstandes  ist  nicht  ganz  ausgeschlossen.  Der  S 
ist  vielleicht  keine  Krankheit,  sondern  eine  physiologische  Alterse 
scheinung.    Operiert  soll  nicht  erst  werden,  wenn  der  Star  reif  i 
sondern  wenn  das  Sehvermögen  nicht  mehr  ausreicht  (also  abhÀngi 
von  der  BeschĂ€ftigung).  —  Bei  Iritis  nicht  mit  Anwendung  von  1 
Atropin  zögern,  weil  sonst  Verwachsungen  und  als  deren  Folgen  -1 
kundÀrglaukome  eintreten  können.    Bei  rheumatischer  Iritis  am  best 
eine  Stunde  nach  nicht  geringer  Salicyldosis  Atropin  eintrÀufeln. 
Bei  akuter  Iritis  ist  an  Syphilis,  bei  chronischer  an  Tuberkulose 
denken.    Nach  durchbohrender  Verletzung,  die  mit  chronischer  Uvei 
tis  verbunden  ist,  besteht  stets  die  Gefahr  einer  sympathischen  EntzĂŒ 
dĂŒng  des  anderen  Auges.  Mit  einer  anderen  Entstehungsursache  fĂŒr  sy 
pathische  Ophthalmie  ist  nicht  zu  rechnen.    Ein  Auge,  das  erblind 
ist,  (d.  h.  kein  Lichtschein)  oder  bei  dem  der  Lichtschein  falsch  pr 
jiziert  wird,     ist  zu  entfernen,  ganz  besonders,  wenn  der  Aug 
stumpf  gereizt  und  schmerzhaft  ist.    Die  Inkubationszeit  der  s 
pathischen  Ophth.  betrÀgt  14  Tage  nach  Auftreten  der  Uveitis.  E' 
spÀter  auftretende  ist  nicht  mehr  als  Unfallfolge  zu  betrachten!  ° 
starken  Kopfschmerzen,  auch  in  Verbindung  mit  „Grippe",  ist  sJ 
an  Glaukom  zu  denken.    ProdromalanfÀlle  von  Glaukom  kommen 
des  Abends  (Pupillenerweiteruig  —  Zirkulationsstörung!)  — 
körpertrĂŒbungen  sind  nicht  selten  die  Ursache  diagnostischer  Irrtum 
da  sie  oft  diagnostiziert  werden,  wenn  sie  nicht  vorhanden  sin 
(„Fliegende  MĂŒcken"!)    TrĂŒbungen  sind  beim  Durchleuchten  mit  d 
Planspiegel  leicht  als  dunkle  Wolken  oder  FĂ€den  zu  sehen.  Sta 
Kurzsichtige  haben  stets  erst  feine  TrĂŒbungen,  die  als  formlos  an 
sehen  sind.    Beim  Normalsichtigen  bedeuten  sie  fast  stets  einen  En 
zĂŒndungsprozeß  —  Ziliarkörper  —  sind  somit  das  Zeichen  ein 
schweren  Erkrankung. 

E  n  s  1  i  n  (Berlin-Steglitz). 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm  -  Stra&e  20  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 

Nr.  45/46  Berlin,  den  25.  November  1922  40.  Jahrgang 

Dar  Verlag  bebalt  sieb  das  ausschließliche  RĂ€cht  dar  VervielfĂ€ltigung  und  Verbreitung  der  Originalbeitrage  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  ver. 


Aus  dem   Strahlentherapeutischen   Institut  Dr.   Jean  und 
Dr.  Elsa  Kottmaier-  Mainz. 

Die  Röntgenbehandlung  von  Ohren-,  Nasen- 

und  Kehlkopfkrankheiten. 

Von  Dr.  Jean  Kottmaier. 

Abgesehen  von  rein  Ă€ußerlichen  Erkrankungen  (Rhino- 
plegma)  und  von  Leiden  tuberkulöser  Natur,  wird  von  der 
therapeutischen  Wirksamkeit  der  Röntgenstrahlen  auf  dem 
Gebiet  der  Ohren-,  Nasen-  imd  Kehlkopfkrankheiten 
so  gut  wie  kein  Gebrauch  gemacht.  Trotz  der  gĂŒnsti- 
gen Erfahrungen,  die  man  mit  der  Heilwirkimg  der 
Röntgenstrahlen  auf  anderen  Gebieten  tausendfach  ge- 
macht hat,  werden  die  Röntgenstrahlen  bei  analogen 
chronischen  Erkrankungen  des  in  Rede  stehenden  Spe- 
zialgebietes kaum  herangezogen.  Es  ist  dies  um  so  merk- 
wĂŒrdiger, als  die  jetzt  ĂŒbliche  Therapie  mancher  dieser 
oto-,  rhino-  und  laryngologischen  Erkrankungen  keineswegs 
so  ideal  vollendet  ist,  daß  man  nicht  streben  mußte,  sie 
rationeller  zu  gestalten.  Man  denke  nur  beispielsweise  an  die 
hyperplastischen  Prozesse  des  lymphatischen  Rachenrings. 
Die  allbekannte  SensibilitÀt  dieser  Gewebsart  gegen  Röntgen- 
strahlen wird  kurativ  nicht  ausgenutzt.  Freilich  muß  die 
Hyperplasie  des  Rachenrings  als  eine  mehr  oder  weniger 
konstitutionelle  Veranlagung  betrachtet  und  demgemĂ€ĂŸ  vor- 
nehmlich immer  auch  -allgemein  behandelt  werden.  Aber 
die  pathologische  Natur  des  lymphatischen  Gewebes  wird 
durch  das  lokale  chirurgische  Vorgehen  zweifellos  weit 
weniger  beeinflußt,  als  durch  die  Einwirkung  der  Röntgen- 
strahlen auf  jede  kranke  Zelle.  Zwar  fĂŒhren  Ringmesser, 
Tonsillotom  oder  Conchotom  meist  ohne  Gefahr  rasch  zum 
Ziele,  aber  wie  oft  ist  dieses  nur  vorlÀufig.  Wie  hÀufig  sind 
zum  Beispiel  bei  buchtigen  Gaumenmandeln  Nachoperationen 
nötig,  wenn  man  nicht  vorzieht,  die  ganze  Mandel  ihrer 
physiologischen  Bestimmung  durch  gÀnzliche  Entfernung  zu 
entziehen.  Anders  die  Röntgenstrahlen!  Zwar  arbeiten  sie 
nicht  so  schnell,  aber  sie  wirken  rationeller.  So  wenig  man 
alle  hypertrophisch  gewordenen  Mandeln  ein  Objekt  der 
Röntgenbehandlung  sein  werden,  so  sicher  wird  man  sagen 
dĂŒrfen,  daß  sie  bis  jetzt  nur  deshalb  so  hĂ€ufig  dem  Messer 
verfielen,  weil  eben  keine  zweckmĂ€ĂŸigere  Behandlung  ĂŒblich 
war.  Warum  wohl  wunden  die  Röntgenstrahlen  therapeutisch 
bei  den  Ohren-,  Nasen-  und  Kehlkopfkrankheiten  bis  jetzt 
so  auffĂ€llig  ignoriert?  Vielleicht  fĂŒrchtete  man  das  bisweilen 
aufgetretene  Kehlkopfödem,  vielleicht  hielt  man  auch  die 
Applikationstechnik  fĂŒr  schwierig  oder  unangenehm.  Schließ- 
lich hat  man  wohl  auch  den  hemmenden  Einfluß  der  Rönt- 
genstrahlen aus  das  Wachstum  von  Haaren  und  Knochen 
gescheut,  besonders  da  es  sich  hÀufig  um  jugendliche  Pa- 
tienten bandelt.  Aber  alle  diese  GrĂŒnde  sind  nicht  stich- 
haltig. Geht  man  nicht  perical  vor,  sondern  bestrahlt  man 
unter  geeigneter  Schwerfilteruno  und  unter  Verwendung 
passender  Tuben  die  ProjektionsflÀche  der  Mandeln  auf  den 
aufsteigenden  Unterkieferast,  so  fÀllt  die  BelÀstigung  des 
Patienten  wÀhrend  der  Bestrahlung  weg.  Behandelt'  man 
ferner  jeweils  immer  nur  eine  Seite  mit  kleinen  Dosen  und 
in  gehörigen  ZeitabstÀnden,  so  vermeiden  wir  nicht  nur  die 
reakliven  Oedeme,  sondern,  wenn  wir  im  Ganzen  jeder  Haut- 
stelle nflm  mehr  wie  deines  Hauterythems  zumuten,  auch 
jede  dauernde  SchÀdigung  des  Haar-  und  Knochenwachs- 
tums. 


Die  Röntgenbehandlung  der  Hyperplasie  des  lymphati- 
schen Rachenrings  erscheint  deshalb  noch  besonders  ange- 
ln acht,  weil  bekanntlich  hĂ€ufig  alle  4  Mandeln  gemĂ€ĂŸ  ihrer 
histologischen  Einheit  zugleich  chronisch  verÀndert  sind. 
Indem  wir  in  solchen  FĂ€llen  noch  vom  Nacken  aus  be- 
strahlen, unterwerfen  wir  den  ganzen  Rachenring  dem  Ein- 
fluß der  Röntgenstrahlen.  Nebenbei  treffen  wir  dann  auch 
noch  jene  praevertebralen,  vergrĂ¶ĂŸerten  DrĂŒsen,  wie  sie  so 
hÀufig  beim  Status  lymphaticus  vorkommen.  Es  sei  noch 
erwĂ€hnt,  daß  natĂŒrlich  die  Mitbestrahlung  des  RĂŒckenmarks 
mit  seiner  geringen  SensibilitÀt  gegen  Röntgenstrahlen 
durchaus  bei  den  in  Betracht  kommenden  Strahlenmengen 
bedeutungslos  ist.  Als  einziger  Nachteil  der  Röntgenbehand- 
lung ist  ihre  Dauer  eventl.  ĂŒber  viele  Wochen  zu  werten. 
Auf  der  anderen  Seite  liegen  die  Ă€ußeren  Vorteile  dieser  Be- 
handlung klar  zutage.  Ist  die  erste  Scheu  ĂŒberwunden,  so 
werden  wir  im  Gegensatz  zu  den  eventl.  öfteren  operativen 
Eingriffen  nur  selten  immer  wieder  mit  seelischen  Emotionen 
unserer  meist  jugendlichen  Patienten  rechnen  mĂŒssen.  Auch 
sind  die  Indikationen  der  Röntgenbehandlung  der  Raehen- 
ringisgebilde  weiter  gesteckt,  wie  die  der  chirurgischen 
Methoden.  Chirurgische  Kontraindikationen  wie  HĂ€mo- 
philie, schwere  AnÀmie  und  Chlorose,  wegen  der  Nach- 
blutungen gefĂŒrchtet,  sind  fĂŒr  die  Anwendung  der  Röntgen- 
strahlen bedeutungslos.  Bei  akuten  EntzĂŒndungen  an  den 
Mandeln  oder  im  Rachen  wind  man  selbstredend  nicht  be- 
strahlen, wÀhrend  Zahnkaries  und  Zahnfisteln,  die  einen 
chirurgischen  Eingriff  im  Munde  unerwĂŒnscht  machen,  fĂŒr 
gewöhnlich  keine  Gegenanzeige  fĂŒr  Röntgenbehandlung  sind. 

Nach  dieser  Methode  gelang  es  mir,  bei  einer  Anzahl 
hyperplastischer  Gaumenmandeln  normal  erscheinende  Ver- 
hĂ€ltnisse, besonders  bei  Jugendlichen,  herbeizufĂŒhren. 

Eine  Ă€hnliche  gute  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  dĂŒrfen 
wir  m.  E.  bei  den  hypertrophischen  Erkrankungen  der 
Nasenschleimhaut  mit  ihren  Folgen  erwarten.  Die  erfolg- 
reiche Behandlung  der  Rhinitis  hypertrophica  mit  ihrer 
hĂ€aifigen  Mundatmung  ist  fĂŒr  den  Gesamtkörper  von  grĂ¶ĂŸter 
Bedeutung.  Nun  sind  die  chirurgischen  Methoden  bei  den 
höheren  Erkrankungsgraden  keineswegs  immer  leicht  aus- 
fĂŒhrbar und  sicher  wirkend.  Denn  es  ist  in  manchen  FĂ€llen 
schwer  zu  erkennen,  welche  Teile  der  Schleimhaut  normal 
und  welche  abnorm  geschwollen  sind;  ferner  sieht  man  recht 
hÀufig  als  Folge  therapeutischer  Eingriffe  Verwachsungen 
zwischen  Muschel  und  Septum,  (die  nur  wieder  durch  aus- 
gedehnte Resektionen  am  Septum  dauernd  zu  beseitigen  sind': 
Eine  weitere  Crux  der  Rhinitis  hypertrophica  bezw.  der 
Nebenhöhlenaffektionen  sind  die  hÀufig  rezidivierenden 
Nasenpolypen,  welche  bekanntlich  meist  an  den  'Aus- 
mĂŒndungsstellen der  Stirn-  und  Kieferhöhlen  ihren  Ursprung 
nehmen.  Gelingt  es,  nach  Entfernung  der  Nasenpolypen 
durch  Röntgenbehandlung  das  Ursprungsgebiet,  die  hyper- 
trophische Schleimhaut  durch  Herabsetzung  der  kapillÀren 
Blutversorgung  (Strahlenwirkung)  grĂŒndlich  zu  beeinflussen, 
so  kann  eventl.  das  Sekret  der  betreffenden  kranken  Nasen- 
nebenhöhle dauernd  frei  abfließen,  die  erste  Vorbedingung 
eines  konservativen  Erfolges.  Ein  Versuch  mit  wiederholten 
kleinen  Dosen  von  Röntgenstrahlen  erscheint  durchaus  er- 
folgversprechend und  ungefÀhrlich,  wie  mir  ein  an  Rhinitis 
hypertrophica  leidender  Patient,  der  wegen  Akne  rosacea  be- 
strahlt werden  mußte,  bewies. 

Auf  dem  Gebiete  der  Erkrankungen  des  Ohres  dĂŒrften 
sich  vorzĂŒglich  manche  FĂ€lle  von  chronisch-infiltrativem 


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Kölzer,  BeitrÀge  zur  Therapie. 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Tubenversrhluß  ebenso  zur  Röntgenbehandlung  eignen  wie 
jene  chronischen  Schwellungen  der  Tubenwand,  die  ihren 
pharyngealen  Teil  in  ein  dauernd  offenstehendes  Rohr  ver- 
wandeln. Die  Bestrahlungen,  die  mit  kleinen  wiederholten 
Dosen  in  der  Gegend  der  Ă€ußeren  Ohröffnungen  vorge- 
nommen werden,  sind  fĂŒr  das  Gehörorgan  gefahrlos. 

Es  ist  auf  diesem  etwas  vernachlÀssigten  Gebiet  erforder- 
lich, daß  Hausarzt,  Spezialarzt  und  Röntgenologe  in  gemein- 
samer Arbeit  zusammenwirken,  damit  auch  auf  dem  Spezial- 
gebiet der  Erkrankungen  von  Ohren,  Nasen  und  Hals  die 
segensreichen  Wirkungen  der  Röntgenstrahlen  unseren 
Patienten  zugute  kommen  können. 


BeitrÀge  zur  Therapie 
und  Prophylaxe  im  SĂ€uglings=  und  Kindesalter. 

Von  Dr.  Wilhelm  K  o  e  1  z  e  r 
Kinderarzt  f.  d.  stÀdt.  Waisenpflege,  Braunschweig. 
(Schluß) 

2.  Ein  Fall  von  lebensrettender  Wirkung  der  Kochsalz- 
infusion bei  einer  toxischen,  mit  mĂ€ĂŸigem  Wasserverlust 
durch  den  Darm  komplizierten  GefĂ€ĂŸschwĂ€che  bei  einem 

SĂ€ugling. 

Ulrich  K.,  geb.  14.  3.  1921,  bekam  4  Mon.  Brust,  dann  Zwie- 
milch,  seit  kurzem  nur  kĂŒnstlich  genĂ€hrt  mit  %  1  Milch  und  Bei- 
kost. Vater  Jurist,  nervöse  Eltern,  in  Familie  des  Vaters  sollen 
tbc.  Erkrankungen  vorgekommen  sein,  ein  Bruder  des  Vaters 
leidet  an  Lungentbc. 

Am  20.  9.  1921  Beginn  der  Behandlung.  Seit  einigen  Tagen 
Husten,  Fieber  und  etwas  dĂŒnne  StĂŒhle,  2—3  mal  tgl.  Kind 
Vi  Jahr  alt,  Gew.  7050  g,  ein  wenig  blaß  und  etwas  zart,  Mus- 
kulatur und  Fettpolster  aber  sonst  gut,  Haut  prall.  Kein  schwer- 
kranker Eindruck.  Darmtemp.  38,2,  P.  130,  Atm.  30,  Lunge  ver- 
streut bronchit.  GerÀusche,  Schall  und  Atmung  normal,  1.  h.  unten 
etwas  feines  Rasseln  und  an  einer  Stelle  Knisterrasseln.  Stuhl 
dĂŒnn  bis  dĂŒnnbreiig,  hell,  gelbweißlich,  in  24  Std.  3  mal.  Hals, 
andere  Organe  o.  B.  Diagnose:  Bronchitis  mit  vereinzelten 
kleinen  bronchopneumonischen  Herden,  vielleicht  Grippe, 
Darmkatarrh  (vielleicht  rein  infektiösen  Ursprungs).  Ther.:  Bett, 
zeitweise  Prießnitz,  Bad  28°,  falls  Temp.  abends  ĂŒber  38,5, 
Senega  1  : 100,  3  stdl.  1  Teel.,  6  Std.  Tee,  dann  18  Std.  4  stdl. 
170  g  2,5  %  Weizenmehlabkochung  und  Saccharin,  dann  Y\  1  Milch, 
%  1  Wasser,  20  Mehl.  21.  9.:  T.  mg.  37,7,  ab.  38,3.  Stuhl  seltenei 
und  besser.  22.  9.:  T.  mg.  39,0,  ab.  38,8.,  Stuhl  seit  18  Std.  1  mal, 
gebunden.  Lunge  auch  r.  h.  u.  etwas  feines  Rasseln,  sonst  im 
wesentlichen  ungeÀndert,  P.  150,  Atm.  40.  Kind  etwas  blasser, 
krÀnkerer  Gesamteindruck.  Nahrung:  %  1  Milch,  Y<  1  Wasser, 
25  Mehl.  23.  9.:  Nacht  war  unruhig.  Kind  nimmt  heute  schlecht 
Nahrung,  höchstens  30—50  g  auf  einmal,  so  daß  Mutter  aus 
eigenem  Antrieb  3  stdl.  kleine  Mengen  Vollmilch  gibt.  Nachm. 
etwa  4  Uhr  zeigt  das  Kind  auf  einmal  auffallenden  Durst.  Die 
Mutter  lĂ€ĂŸt  sich  dazu  verleiten,  dem  Kinde  etwas  ĂŒber  250  g 
Vollmilch  auf  einmal  zu  geben,  die  dasselbe  mit  auffallender  Gier 
trinkt.  Y\  Std.  spÀter  wird  ziemlich  die  ganze  Nahrung  wieder 
ausgebrochen,  zugleich  erfolgt  ein  sehr  reichlicher,  stark 
wÀsseriger  Stuhl,  der  erste  an  diesem  Tage;  von  dann  ab  tritt 
ein  kollapsartiger  Zustand  ein,  der  zunÀchst  nicht  wieder  ver- 
schwindet. Ich  sehe  das  Kind  erst  abends  gegen  8  Uhr:  schwer- 
kranker Eindruck,  auffallende  BlÀsse,  balonierte  Augen.  Ab- 
domen ein  wenig  eingesunken,  beim  Streichen  ĂŒber  die  etwas 
schlaffe  Haut  des  Abdomens  entsteht  eine  feine  Runzelung'  der- 
selben (Zeichen  von  Wasserverlust),  der  Turgor  der  ĂŒbrigen  Maut 
zeigt  keine  deutliche  VerÀnderung.  T.  38,5  (mg.  war  38,2),  Atm. 
40,  oberflĂ€chlich  mit  relativ  vergrĂ¶ĂŸerter  Pause.  P.  150,  etwas 
schwach  und  klein.  Herz  keine  deutliche  VerÀnderung,  Herztöne 
leise,  keine  Cyanose,  ExtremitĂ€ten  ein  wenig  kĂŒhl.  Sejisorium 
erscheint  frei,  Pupillen  reagieren  ein  wenig  trÀge,  Facialis  nega- 
tiv, Patellarreflex  normal.  Auffallender  Dursf,  der  in  den  letzten 
Stunden  gegebene  Tee  wird  sehr  gierig  getrunken.  Erbrechen 
oder  Stuhl  ist  von  4 — 8  Uhr  nicht  mehr  erfolgt.  Warmes  Bad 
war  nachm.  gemacht.  Ol.  campt,  fort.  subc.  0,5,  Digalem  3  stdl. 
3  Tropfen;  schwarzer  Tee  mit  Saccharin  bis  mehrere  Eßl.  stdl.  — 
Am  nÀchsten  Morgen  8  Uhr  ist  das  Bild  nicht  geÀndert,  Kind  hat 
ab  und  zu  etwas  geschlummert,  T.  38,2,  P.  1(50  wie  gestern,  Atm. 
40  ebenso,  BlÀsse  und  halonierte  Augen  unverÀndert,  Gesichts- 
ousdruck  etwas  Àngstlich,  unruhige  Bewegungen.  Kein  Erbrechen 
und  kein  Stuhl  erfolgt,  Herz-  und  Lungenbefund  derselbe,  auf- 


fallender Durst  unvermindert,  FĂ€ltelung  bei  Streichen  ĂŒber  Haut 
des  Abdomens  dieselbe  (Falte  bleibt  nicht  stehen).  Ther.: 
Campherinj.,  Kochsalzinfusion.  Nahrung  3  %  Mehlabkochung.  Die 
um  11  Uhr  ausgefĂŒhrte  subkutane  Infusion  von  225  g  0,6  %  Koch- 
salzlösung fĂŒhrt  in  2  Std.  zu  vollkommener  VerĂ€nderung  des 
Bildes.  Der  Durst  verschwindet  vollkommen,  die  Gesichtsfarbe 
des  Kindes  wird  besser,  der  Puls  ist  nach  4  Std.  120,  krÀftiger, 
die  Herzaktion  besser,  die  Atmung  wird  ruhiger .  und  gleich- 
mĂ€ĂŸiger, 32,  das  Kind  macht  wieder  einen  leichten  kranken,  nicht 
gefÀhrdeten  Eindruck,  keine  Unruhe  mehr,  ExtremitÀten  wÀrmer, 
nachm.  erfolgt  tieferer  Schlaf.  Mittags  etwas  dĂŒnner  Stuhl.  Be- 
fund bleibt  gĂŒnstig.  Temp.  sinkt  am  27.  9.  zur  Norm,  der  krank- 
hafte Lungenbefund  verschwindet  innerhalb  8  Tagen.  Vom  25.  9. 
ab  Yi  Milch  mit  Larosanzusatz.  Heilung  des  Darms  innerhalb 
6  Tagen.  Urin  o.  B.  Alsbald  gute  Erholung.  Verdacht  auf  Tuber- 
kulose ergab  sich  weiterhin  nicht,  Pirquet  konnte  noch  nicht  aus- 
gefĂŒhrt werden. 

Der  Erfolg  der  Kochsalzinfusion  war  in  diesem  Fal 
ein  derart  schneller,  und  die  gefÀhrliche  Lage  wurde  . 
radikal  beseitigt,  wie  man  es  wohl  nur  selten  zu  Gesicht 
bekommt.  Das  Krankheitsbild  bot  bemerkenswerte  Zug 
Wenn  auch  der  gefÀhrliche  Zustand  durch  einen  alimentÀre 
Faktor  ausgelöst  wurde,  so  lĂ€ĂŸt  sich  das  Bild  doch  nicht  a 
rein  alimentÀr  toxisch  bedingt  deuten.  Dagegen  spreche 
die  zu  geringen  vorausgegangenen  Magendarmerscheinungen 
(2  Tage  vorher  normaler  Stuhl  ohne  Erbrechen),  ferner  die 
schnelle  Entleerung  der  schÀdlichem  Nahrung  durch  Er- 
brechen, das  nur  einmalige  Auftreten  eines  stÀrkeren  Durch- 
falls, ferner  die  Einleitung  der  Verschlimmerung  durch 
schlechte  Nahrungsaufnahme  und  der  plötzlich  auffallend 
gesteigerte  Durst  vor  EinfĂŒhrung  der  schĂ€dlichen  Nahrung, 
endlich  auch  der  zu  prompte  Erfolg  der  Kochsalzinfusion., 
Andererseits  ist  eine  alimentÀr-toxische  Mitwirkung  (vaso- 
motorisch) als  Teilfaktor  als  möglich  zugegeben.  Der 
Wasserverlust  spielte  in  dem  Bilde  sicher  eine  große  Rolle; 
und  dennoch  könnte  er  allein  den  schweren  Zustand  nicht 
verursachen;  dazu  war  er  im  ganzen  zu  gering.  Als  Haupt- 
ursache muß  vielmehr  eine  toxische,  durch  die  Allgemein- 
infektion des  Körpers  von  der  Lunge  und  z.  T.  auch  vom  Darm 
aus  bedingte  GefĂ€ĂŸschwĂ€che  angenommen  werden,  wie  sie* 
von  den  Forschungen  der  inneren  Medizin  (N  a  u  n  y  n  , 
Romberg,  PĂ€ĂŸler  u.  a.)  zuerst  klinisch  und  experi- 
mentell erwiesen  worden  ist.  Einer  solchen  GefĂ€ĂŸschwĂ€che 
entspricht  da*  obige  klinische  Bild,  dafĂŒr  sprechen  besonders 
die  starke  BlÀsse,  der  kleine  schwache  Puls  und  die  Art  der 
Dyspnoe:  Atmung  beschleunigt,  oberflÀchlich,  aber  frei,  nicht 
mĂŒhsam.  Gewiß  kann  auch  das  Herz  geschĂ€digt  gewesen 
sein,  aber  gegen  eine  richtige  HerzschwÀche  sprechen  das 
Fehlen  von  C3^anose,  von  Stauungserscheinungen,  von  nach- 
weisbaren VerĂ€nderungen  am  Herzen,  von  mĂŒhsamer 
Atmung.  Bei  der  typischen,  bei  Infektionskrankheiten  auf- 
tretenden GefĂ€ĂŸschwĂ€che,  deren  Auffassung  als  SchĂ€digung 
des  vasometrischen  Zentrums  experimentell  gestĂŒtzt  ist,  sam- 
melt sich  das  Blut  in  den  schlaffen  Arterien,  besonders 
denen  des  Abdomens,  das  Herz  schlÀgt  fast  leer,  der  Zustand 
gleicht  dem  der  Ohnmacht;  man  sprach  vergleichsweise  von 
einem  Verbluten  'des  Körpers  in  seine  eigenen  GefĂ€ĂŸe.  FĂŒr 
die  Diagnose  GefĂ€ĂŸschwĂ€che  spricht  auch  besonders  in 
obigem  Falle  die  sehr  prompte  Wirkung  der  Kochsalz- 
infusion; denn  gerade  diese  ist  bei  der  toxischen  GefĂ€ĂŸ- 
schwÀche ein  oft  ausgezeichnetes  und  schon  erprobtes  Mittel. 
ErklĂ€rt  wird  die  Wirkung  dadurch,  daß  durch  die  Ver- 
mehrung der  Blutmenge  es  gelingt,  den  brachliegenden,  in 
den  Arterien  ungĂŒnstig  und  unverwertbar  gespeicherten  An- 
teil des  Blutes  dem  Herzen  und  dem  Gesamtkreislauf  wieder 
zuzufĂŒhren.  In  dem  mitgeteilten  Falle  wurde  die  Wirkung 
der  GefĂ€ĂŸschwĂ€che  wesentlich  durch  den  vom  Darm  aus- 
gehenden Wasserverlust  verschlimmert,  indem  die  Blut- 
menge  hierdurch  noch  mehr  eingeengt  und  vielleicht  auch 
die  Giftkonzentration  im  Blute  erhöht  wurde.  Möglic  herweise 
wirkte  ferner  ein  alimentÀrer  toxischer  Faktor  summierend.; 

Unsere  Kenntnisse  ĂŒber  die  toxische  GefĂ€ĂŸschw^che,  %ö\ 
wie  auch  die  oft  sehr  gĂŒnstige  BekĂ€mpfung  durch  Infusionen' 
von  Kochsalz-  oder  Ringerscher  Lösung  (wie  auch  dureffi 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Kölzer,  BeitrÀge  zur  Therapie. 


Adrenalin  u.  a.)  sind  in  die  Praxis  noch  nicht  sehr  einge- 
drungen. Die  GefĂ€ĂŸschwĂ€che  wird  oft  als  HerzschwĂ€che 
Bedeutet;  die  BekÀinpfungsmittel  der  letzteren  können  dann 
aher  sehr  wohl  versagen.  Die  Anwendung  von  Kochsalz- 
infusionen gegen  Wasserverlust  bei  Infektionskrankheiten 
ist  schon  lange  gebrĂ€uchlich,  bei  GefĂ€ĂŸschwĂ€che  dagegen  ersl 
neueren  Datunis.  Der  obige  Fall  erschien  mir  milteilcnswcrt, 
da  gerade  bei  Kindern  mit  ihrem  labileren  Nervensystem  die 
Gei'Ă€ĂŸschwĂ€ehe  mehr  als  bisher  die  allgemeine  Beachtung 
verdient.  Komplikationen  mit  Wasserverlust  durch  gleich- 
zeitige Darmerkrankung  sind  durchaus  hÀufig.  In  manchen 
FĂ€llen  kann  ein  auffallender  Durst  oder  bei  Kindern  in 
ziemlich  gutem  ErnÀhrungszustand  die  feine  Runzelung  der 
Haut  des  Abdomens  beim  Streichen  ĂŒber  dieselbe  einen  Hin- 
weis fĂŒr  den  Wasserverlust  und  fĂŒr  die  Indikation  zur  sub- 
kutanen Infusion  geben. 

3.  Zur  Prophylaxe  der  Coli-Cystitis  und  Pyelitis. 

Eine  Erörterung  ĂŒber  die  Prophylaxe  der  Cystitis  und 
Pyelitis  lĂ€ĂŸt  naturgemĂ€ĂŸ  zuerst  die  Frage  nach  ihrer  Aetio- 
logie  aufwerfen.  Es  wurden  verschiedenartige  Erreger  der 
EntzĂŒndung  gefunden;  jedoch  ist  man  sich  einig,  daß  das 
Bacterium  coli  weitaus  am  hÀufigsten  der  Urheber  ist. 
Daraus  folgt,  daß  die  Infektion  meist  vom  Darm  aus  erfolgt. 
WĂ€hrend  man  nun  frĂŒher  allgemein  annahm,  daß  die  Infek- 
tion der  Blase  durch  das  Bacterium  coli  von  außen  erfolge, 
ist  spÀter  öfter  die  Infektion  durch  die  Blutbahn  sicher  nach- 
gewiesen und  auch  diejenige  auf  dem  Lymphwege  als  mög- 
lich erwiesen  worden;  einige  Autoren  neigen  sogar  dazu,  die 
Infektion  auf  dem  Blutwege  als  die  hÀufigste  anzusehen. 
Die  Auffassung  einer  durchweg  stattfindenden  Infektion  von 
außen  her  stĂŒtzt  sich  besonders  darauf,  daß  fast  nur  MĂ€d- 
chen von  der  Coli-Cystitis  und  Pyelitis  befallen  werden 
sollten,  ein  Satz,  der  nach  neueren  statistischen  Erhebungen 
eingeschrĂ€nkt  werden  muß.  Es  ist  aber  sehr  auffallend,  daß 
Heubner  bei  seiner  großen  Erfahrung  und  in  Ueberein- 
stimmung  mit  anderen  Autoren  frĂŒher  in  seinem  Lehrbuche 
das  fast  ausschließliche  Erkranken  von  MĂ€dchen  an  Cystitis 
und  Pyelitis  angab,  wÀhrend  einige  neuere  statistische  Auf- 
stellungen ĂŒber  25  %  Knaben  (Finkelstein,  Metten  - 
heim, A.  Meyer),  K  o  w  i  t  z  sogar  bei  40  FĂ€llen  42,5  % 
Knaben  fanden.  Dieser  Widerspruch  ist  schwer  zu  deuten; 
vielleicht  kann  der  Grund  fĂŒr  den  großen  Prozentsatz  Kna- 
ben bei  letzteren  Statistiken  an  einem  gesundheitlich  sehr 
ungĂŒnstigen  Material  der  Betreffenden  liegen,  bei  welchem 
eine  Infektion  der  Blut-  oder  Lymphbahnen  vom  Darm  aus 
wohl  hÀufiger  sein  kann;  vielleicht  spielen  auch  endeinio- 
logische  Faktoren  eine  Rolle.  Ob  aber  ein  solches  relatives 
ZurĂŒcktreten  der  Erkrankungen  der  MĂ€dchen  auch  fĂŒr  die 
Privatpraxis  und  fĂŒr  alle  die  FĂ€lle,  welche  aus  guter  Ge- 
sundheit heraus  oder  bei  gutem  Gesamtzustand  nach  kurzer 
Erkrankung  mit  DurchfÀllen  von  der  Pyelo-Cystitis  wie  von 
einer  akuten  Infektionskrankheit  befallen  werden,  aufrecht 
zu  erhalten  ist,  möchte  ich  doch  stark  bezweifeln.  Ich  selbst 
habe  nicht  den  Eindruck  gewonnen.  Ich  habe  die  mir  noch 
zugĂ€ngigen  Aufzeichnungen  der  letzten  Jahre  ĂŒber  meine 
FĂ€lle  von  Pyelo-Cystitis  aus  der  Privatpraxis  nachgesehen 
und  fand  unter  50  FĂ€llen  nur  3  Erkrankungen  bei  Knaben. 
Ich  habe  daher  die  Auffassung,  daß  die  Cysto-Pyelitis  in  der 
Privatpraxis  ganz  vorwiegend  nur  MÀdchen  befÀllt,  und  bin 
daher  auch  —  unbeschadet  eines  öfteren  Vorkommens  der 
Infektion  vom  Blut-  oder  Lymphwege  aus  —  nach  wie  vor 
der  Meinung,  daß  die  Infektion  weitaus  am  hĂ€ufigsten  ihren 
Weg  von  außen  her  von  der  Urethra  aus  ascendierend 
nimmt.  Zugegeben  sei  aber,  daß  der  Prozentsatz  sich  in 
Kliniken  mit  ungĂŒnstigem  Material  im  Sinne  der  höheren 
Beteiligung  der  Knaben  etwas  verschieben  kann.  Ich  selbst 
kann  mich  auch  von  frĂŒher  her  einer  Erkrankung  von 
Knaben  nur  als  eines  seltenen  Vorkommnisses  zu  entsinnen. 
Daß  beim  Zustandekommen  einer  Cysto-Pyelitis  eine  andere 
schwÀchende  Erkrankung  oder  eine  ErkÀltung  eine  Rolle 
mitspielen  kann,  ist  eine  Sache  fĂŒr  sich. 


Die  Frage  nach  der  Entstehung  ist  nun  bezĂŒglich  der 
Möglichkeit  einer  Prophylaxe  sehr  wichtig.  Bei  einer  Ent- 
stehung der  Krankheit  durch  Infektion  vom  Blut-  oder 
Lymphwege  aus  wÀre  eine  direkte  Prophylaxe  kaum  mög- 
lich; bei  einer  Infektion  von  außen  her  dagegen  ist  eine 
wirksame  Prophylaxe  in  den  meisten  FĂ€llen  sehr  wohl  denk- 
bar, indem  es  gelÀnge,  die  infizierenden  Stuhlentleerungen 
von  der  Urethra  fern  zu  halten.  Es  wird  deshalb  auch  in 
den  Anweisungen  fĂŒr  SĂ€uglingspflege  darauf  aufmerksam 
gemacht,  daß  man  besonders  bei  MĂ€dchen  die  BerĂŒhrung  des 
Stuhls  mit  der  Urethra  verhindern  mĂŒsse,  und  daß  man 
deshalb  auch  nur  von  vorn  nach  hinten  wischen  solle.  Es 
verdient  weiterhin  betont  zu  werden,  daß  der  abwaschende 
Schwamm  ĂŒberhaupt  nicht  mit  der  Schleimhaut  der  Vulva 
in  BerĂŒhrung  kommen  soll;  ein  etwa  notwendiges  Aus- 
waschen derselben  geschieht  am  besten  mit  besonderem 
Wattebausch  (beste  Verbandwatte).  Auch  wÀre  meines  Er- 
achtens beachtenswert,  daß  die  SĂ€uberung  von  Stuhl  nie  im 
Bade  geschehen  darf,  sondern  daß  das  Kind  grĂŒndlich  vom 
Stuhl  gereinigt  wird,  bevor  es  ins  Bad  gesetzt  wird. 

Ich  halte  nun  ferner  eine  einfache  praktische  Anweisung 
fĂŒr  vorteilhaft,  die  mir  fĂŒr  die  Prophylaxe  in  der  Praxis 
wertvoll  erscheint.  Jeder  Kinderarzt  wird  bei  dem  Entklei- 
den der  SĂ€uglinge  zur  Untersuchung  oft  gefunden  haben,  daß 
zufĂ€llig  gerade  vorhandene  dĂŒnne  StĂŒhle  die  Vulva  und  ihre 
Umgebung,  ja  zuweilen  die  Bauchhaut  bis  fast  in  Nabelhöhe 
stark  verunreinigt  hatten.  Es  kommt  dies  durch  das  Durch- 
ziehen der  .Windeln,  auch  wenn  diese  beim  Anlegen  um  die 
Beine  gelegt  wenden,  und  ferner  duch  die  starken  Schenkel- 
bewegungen des  SĂ€uglings.  Ich  gebe  daher  stets  die  An- 
weisung, daß  bei  dĂŒnneren  StĂŒhlen  die  un- 
teren Zipfel  der  dreieckig  gefalteten  Windel 
nicht  zwischen  den  Beinen  durchgezogen 
werden  sollen,  sondern  einfach  nach  unten  zu  liegen 
bleiben.  Dies  hat  sich  mir  praktisch  bewÀhrt,  und  die  Ge- 
fahr der  Verunreinigung  der  Vulva  wird  dadurch  wesentlich 
verringert.  Ich  wĂŒrde  es  fĂŒr  richtig  halten,  wenn  diese  An- 
ordnung auch  in  die  LeitfĂ€den  fĂŒr  SĂ€uglingspflege  aufge- 
nommen wĂŒrde.  Daß  die  Windel  bei  DurchfĂŒhrung  der  An- 
ordnung etwas  lockerer  liegt,  ist  ohne  Belang;  zur  Not  kann 
man  die  oberen  zusammengelegten  Zipfel  aneinander  be- 
festigen. 

Die  Anordnung  wĂŒrde  nicht  nur  fĂŒr  dĂŒnne  StĂŒhle 
Geltung  haben,  sondern  auch  dann,  wenn  dĂŒnnbreiige  oder 
salbenartige  StĂŒhle  so  voluminös  sind,  daß  eine  Verunreini- 
gung der  Vulva  zu  fĂŒrchten  ist.  Besonders  beachtenswert 
sind  auch  die  dĂŒnnen  StĂŒhle  der  Brustkinder,  da  die  Coli- 
Cystitis  durchaus  nicht  selten  bei  ganz  jungen  SĂ€uglingen 
(MĂ€dchen)  auftritt,  die  nur  die  Brust  bekommen.  Man  kann 
nach  Analogie  der  Ergebnisse  von  Tierversuchen  wohl  auch 
annehmen,  daß  bei  den  —  immerhin  etwas  pathologisch  — 
gesteigerten  GĂ€hrungen  bei  manchen  Brustkindern,  deren 
Ausdruck  eben  die  dĂŒnnen  StĂŒhle  sind,  auch  die  Virulenz 
des  Bact.  coli  erhöht  wird. 

(Nebenbei  möchte  ich  bemerken,  daß  die  Anordnung,  die 
Windel  nicht  zwischen  den  Beinen  durchzuziehen,  sich  mir 
praktisch  auch  sehr  gut  bei  starkem  Intertrigo  bewÀhrt  hat, 
besonders  dann,  wenn  breite  rote  Streifen  an  der  InnenflÀche 
der  Haut  der  Oberschenkel  den  Einfluß  der  WTindel  kenn- 
zeichnen.) 

Ob  sich  die  obige  Anordnung  zur  VerhĂŒtung  der  Coli- 
Cystitis  und  Pyelitis  oft  wirksam  und  wesentlich  erweist, 
kann  ich  natĂŒrlich  nicht  beweisen;  bei  den  SĂ€uglingen,  bei 
denen  die  Anordnung  durchgefĂŒhrt  winde,  habe  ich  zu- 
fÀllig noch  keine  Cystitis  auftreten  sehen,  jedoch  will  das 
selbstverstÀndlich  noch  nicht  viel  besagen.  Ein  derartiger 
Beweis  fĂŒr  die  Wirkung  der  Maßnahme  wĂ€re  auch  wohl 
schwer  zu  fĂŒhren;  jedenfalls  stellt  die  Anordnung  ein  Hilfs- 
mittel dar,  um  die  Verunreinigung  der  Urethra  mit  Stuhl 
einzuschrĂ€nken,  sowohl  quantitativ  als  bezĂŒglich  der  HĂ€ufig- 
keit; die  Verunreinigung  g  a  n  z  zu  vermeiden,  wird  allerdings 
schwerlich  gelingen. 


4 


Kölzer,  BeitrÀge  zur  Therapie. 


10.  Jahrgang.  —  Nr.  (5/ 16. 


4.    Die  BrustdrĂŒsenschwellung  des  Neugeborenen  und  die 
VerhĂŒtung  ihrer  Vereiterung. 

In  den  LehrbĂŒchern  der  SĂ€uglings-  und  Kinderkrank  - 
heiten (Heubner,  Finkelstein  Aufl.  1921,  Feer  u.  a.) 
wird  geraten,  die  BrustdrĂŒsenschwellung  der  Neugeborenen 
ganz  in  Ruhe  zu  lassen.  Eine  dementsprechend«  Anweisung 
ist  auch  in  die  LeitfĂ€den  fĂŒr  Kinderpflege  ĂŒbergegangen. 
Bei  stÀrkerer  Schwellung  wird  ein  Schutzverband  mit  Watte 
empfohlen,  um  eine  schĂ€dliche  Verletzung  von  außen  her 
zu  verhĂŒten.  H  e  n  o  c  h  lobte  frĂŒher  sehr  das  Auflegen  eines 
ölgetrÀnkten  WÀttebausehs  bei  starker  Schwellung  als  von 
ganz  auffallender  Wirkung;  diese  Wirkung  rĂŒhrte  vielleicht 
davon  her,  daß  das  in  die  AusfĂŒhrungsgĂ€nge  der  DrĂŒse  etwa 
eindringende  Oel  die  beginnenden  entzĂŒndlichen  Verklebun- 
gen noch  löste  und  dadurch  der  gestauten  Milch  noch  Abfluß 
verschaffte.    Uebereinstimmend  wird  aber  gegenwÀrtig  das 
Auspressen  der   geschwollenen   DrĂŒse   als   schĂ€dlich  ver- 
worfen; es  nĂŒtze  nichts,  da  es  erst  recht  den  Anreiz  zur 
Wiederansammlung  des  Sekrets  gebe;  besonders  in  Laien- 
hand   sei    es    abei    sogar    gefÀhrlich,    indem    durch  die 
Quetschung  und  Verletzung  der  MilchgÀnge  das  empfindliche 
und  gereizte  Gewebe  geradezu  erst  zur  Vereiterung  gebracht 
wĂŒrde.   Dabei  geben  alle  Autoren  zu,  daß  bei  einfach  ab- 
wartendem Verfahren  ab  und  zu  mit  einer  Vereiterung  der 
Schwellung  gerechnet  werden  muß,  die  dann  dtur'ch  Inzision 
zu  behandeln  ist. 

Ich  kann  auf  Grund  meiner  Beobachtungen  die  obige 
Auffassung  der  Autoren  nicht  teilen,  und  möchte  in  folgen- 
dem auseinandersetzen,  daß  die  von  einem  Arzt  ausgefĂŒhrte 
m  Expression  der  Milch  aus  der  geschwollenen  DrĂŒse  hei  rich- 
tiger Technik,  bei  Vorsicht  und  großer  Sauberkeit  ein  durch- 
aus brauchbares  Verfahren  darstellt,  um  der  Vereiterung  vor- 
zubeugen. 

Der  Ablauf  der  BrustdrĂŒsenschwellung  und  der  Hergang 
bei  ihrer  Vereiterung  ist  folgender:  Kleine  Ansammlungen 
von  Milch  werden  durchweg  entweder  nach  außen  entleert 
oder  ohne  sichtbare  Reaktion  resorbiert.  Bei  grĂ¶ĂŸeren  An- 
sammlungen, bei  denen  sich  die  DrĂŒsenschwellung  tumor- 
artig vorwölbt,  tritt  bald  eine  schmerzhafte  Empfindlichkeil 
ein.  Bemerkenswert  ist,  daß  die  Ausdehnung  der  DrĂŒse  durch 
die  gestaute  Milch  ganz  unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  viel  grĂ¶ĂŸer  ist, 
als  dies  bei  Milchstauung  in  der  Mamma  der  Erwachsenen 
vorkommt.  Die  Empfindlichkeit  kann  allein  durch  die  Deh- 
nung der  MilchgĂ€nge  bedingt  sein;  außerdem  ist  aber  auch  an- 
zunehmen, daß  dieUeberdehnung  einen  gewissen  entzĂŒndlichen 
Reiz  nach  Art  eines  Traumas  setzt.  In  vielen  FĂ€llen  tritt 
nun  durch  den  Druck  der  gestauten  Milch  eine  allmÀhliche 
Entleerung  derselben  nach  außen  und  eine  Resorption  des 
nicht  entleerten  Restes  ein.  In  weiteren  zahlreichen  FĂ€llen 
hört  die  Entleerung  nach  außen  auf;  gleichwohl  verkleinert 
sich  die  starke  Schwellung  allmÀhlich  durch  Resorption  unter 
Hinterlassung  eines  mehr  oder  weniger  harten  Knotens,  der 
dann  auch  mit  der  Zeit  verschwindet.  In  einigen  —  wenn 
auch  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  wenigen  —  FĂ€llen  aber,  in  denen  eben- 
falls eine  Absonderung  nach  außen  zum  mindesten  tagelang 
vor  der  sichtbaren  entzĂŒndlichen  Infiltration  vermißt  wird, 
tritt  Vereiterung  ein.  In  diesem  vollkommenen  oder  bei  ge- 
ringfĂŒgiger zeitweiser  Entleerung  doch  fast  vollkommenen 
Abschluß  der  gestauten,  auf  die  Umgebung  drĂŒckenden  Se- 
krets sehe  ich  das  wesentliche  Moment,  welches  das  Gewebe 
der  Vereiterung  zufĂŒhrt.  Mögen  die  ersten  Schwierigkeiten 
fĂŒr  die  Entleerung  des  Sekrets  in  dem  Bau  der  AusfĂŒhrungs- 
gĂ€rige der  DrĂŒse  oder  in  einer  weiterhin  sich  ergebenden, 
die  GĂ€nge  komprimierenden  Druckwirkung  des  Inhalts  be- 
grĂŒndet sein,  so  ist  fĂŒr  den  weiteren  Verlauf  doch  die  An- 
nahme berechtigt,  daß  die  relativ  erhebliche  Sekretmenge 
Ă€hnlich  einem  Fremdkörper  einen  EntzĂŒndungsreiz  fĂŒr  die 
Umgebung  setzt  und  dadurch  auch  zu  einer  entzĂŒndlichen 
Verklebung  der  AusfĂŒhrungsgĂ€nge  fĂŒhrt,  die  den  Abschluß 
nach  außen  vollenden  hilft.  Daß  eine  Sekretmenge  von  solch 
relativer  GrĂ¶ĂŸe  dann  vereitern  kann,  ist  nichts  Auffallendes, 
wenn  man  sich  der  Vereiterungen  unter  viel  komplizierteren 
VerhÀltnissen  erinnert  (z.  B.  Kephalhaematom,  Eiterung  nach 


traumatischer  SchÀdigung  ohne  Haulverletzung).  Bei  der 
BrustdrĂŒsenschwellung  ist  aber  die  BerĂŒhrungsmöglichkeit 
mit  Eitererregern  von  vornherein  durch  die  Verbindung  mit 
der  HautoberflÀche  gegeben.  Nun  möchte  mancher  wohl 
sagen,  daß  es  sich  stets  nur  um  eine  zufĂ€llige  Infektion  mit 
virulenten  Eitererregern  handle.  Die  Möglichkeit  ist  in  ver- 
einzelten FĂ€llen  und  besonders  dann,  wenn  vorher  schon 
Eiterungen  am  Körper  bestanden,  nicht  abzustreiten.  In  den 
meisten  FĂ€llen  aber  und  namentlich  dann,  wenn  es  sich  um 
gesunde  SĂ€uglinge  mit  intakter  Haut  handelt,  halte  ich  — 
in  Uebereinstimmung  mit  neueren  Anschauungen  ĂŒber  das 
Zustandekommen  der  Gewebsinfektion  —  die  GewebsschĂ€di- 
gung fĂŒr  das  primĂ€re  und  glaube,  daß  es  sich  um  fakultative 
Eitererreger  handelt,  d  h.  solche,  die  normaler  Weise  im  ge- 
sunden menschlichen  Gewebe  keine  Eiterung  erzeugen,  die 
dagegen  im  geschÀdigten  Gewebe  sich  gern  ansiedein  und 
vermehren  und  dabei  eine  steigende  Virulenz  erwerben.  Die 
BrustdrĂŒse  des  Neugeborenen  wĂŒrde  also  trotz  der  unver- 
meidbaren Anwesenheit  von  Eitererregern  —  von  oben  er- 
wĂ€hnten Ausnahmen  abgesehen  —  nicht  eitrig  infiziert 
werden,  wenn  nicht  die  gestaute  Milch  bei  Versagen  der  Re- 
sorption eine  GewebsschÀdigung  erzeugte.  Bei  dieser  Hinde- 
rung der  Resorption  ebenso  wie  bei  der  GewebsschÀdigung 
spielt  sicher  die  durch  die  Schwellung  und  den  Druck  er- 
zeugte Verschlechterung  der  Blut-  und  Lymphzirkulation 
in  der  Umgebung  eine  Rolle. 

Tritt  die  obige  Deutung  des  Hergangs  bei  der  Ver- 
eiterung der  BrustdrĂŒsenschwellung  zu,  so  mĂŒĂŸte  es  gelingen, 
die  Vereiterung  zu  verhĂŒten,  indem  man  frĂŒhzeitig  genug  die 
gestaute  Milch  aus  der  DrĂŒse  entfernte,  und  ich  möchte  gleich 
Vorwegnehmen,  daß  nach  meinen  Erfahrungen  eine  Ver- 
hĂŒtung auf  diesem  Wege  bei  richtiger  Technik  tatsĂ€chlich' 
gelingt  (s.  unten).  Zur  Entleerung  der  DrĂŒserischwellung 
steht  uns  —  leider  —  nur  die  Expression  zur  VerfĂŒgung; 
ein  wenig  erfreuliches  Mittel,  weil  es  immer  einen  gewissen 
traumatischen  Reiz  erzeugt.  Gelingt  die  Expression  mĂŒhelos 
unter  ganz  leichtem  Druck,  wobei  sich  die  Milch  meist  in 
dĂŒnnem  Strahl  entleert,  so  ist  eine  SchĂ€digung  nicht  zu  be- 
fĂŒrchten. Ist  aber  —  wie  oft  bei  lĂ€nger  bestehenden  starken 
Schwellungen  —  die  Expression  schwierig,  so  daß  sich  die 
Milch  bei  stÀrkerem  Druck  nur  langsam  in  kleinen  Tropfen 
entleeren  lĂ€ĂŸt,  so  ist  sie  sicher  eine  zweischneidige  Maß- 
nahme, die  bei  schlechter  DurchfĂŒhrung  schaden  und  die 
Vereiterung  sogar  begĂŒnstigen  kann.  Wenn  ich  trotzdem 
die  Expression  auch  fĂŒr  diese  FĂ€lle  empfehle,  so  ist  deshalb, 
weil  ich  bei  der  von  mir  angewandten  Technik  bei  keinem 
einzigen  solcher  FĂ€lle  eine  Vereiterung  habe  nachfolgen 
sehen.  Es  ist  dazu  nötig,  daß  man  nur  soviel  Druck  an- 
wendet, wie  gerade  nötig  ist,  und  daß  man  langsam  und 
schonend  verfÀhrt,  auch  wenn  eine  Viertelstunde  benötigt 
wird.  Die  Entleerung  muß  soweit  erfolgen,  daß  eine  wesent- 
liche Entspannung  erfolgt.  Es  ist  oft  vorteilhaft,  die  DrĂŒs| 
nach  der  Tiefe  zu  zu  umfassen  und  dann  von  unten  her  einen 
Druck  auszuĂŒben,  wobei  die  Haut  in  Gegend  der  AusfĂŒbJ 
rungsgĂ€nge  der  DrĂŒse  etwas  gespreizt  wird.  Ueber  die  wich- 
tige Frage  der  Wiederholung  der  Expression  s.  unten« 
Ich  möchte  hier  noch  folgende  Einzelvorschriften  anfĂŒgen. 
Die  Expression  soll  nur  durch  einen  Arzt  erfolgen.  Der  Arzl 
muß  die  HĂ€nde  sorgfĂ€ltig  waschen  und  kurz  desinfizieren: 
das  Desinfektionsmittel  ist  zum  Schluß  wieder  mit  abge 
kochtem  Wasser  (oder  allenfalls  Leitungswasser)  zu  errt 
fernen.  Die  Brust  des  SĂ€uglings  ist  mit  abgekochtem  Wasser 
(oder  Leitungswasser)  mittels  Wattebausch  (beste  weiße 
Watte)  abzuwaschen;  ein  Desinfizienz  ist  nicht  am  Platze 
WĂ€hrend  der  Expression  ist  zu  starke  EntblĂ¶ĂŸung  oder  Ab 
kĂŒhlung  zu  vermeiden.  Ein  Verband  nachher  ist  zu  wider 
raten  (wegen  eventuell  ungĂŒnstiger  Wirkung  der  .trockenen 
WÀrm»). 

Nun  zur  Frage  der  Wiederholung  der  Expression.  Die 
Meinung,  daß  die  Expression  nichts  nĂŒtze,  weil  sieh  die  An- 
sammlung doch  schnell  wieder  neu  bilde  und  daß  auch  eine 
vermehrte  Milchbildung  und  VerlÀngerung  der  Absonderung 
erzielt  wĂŒrde,  kann  ich  nicht  teilen.    In  den  meisten  FĂ€lle 


f 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Doli.  Johann  Baptisla  Morgagni. 


pflogt  die  Ansammlung  die  frĂŒhere  StĂ€rke  nicht  wieder  zu 
erreichen.  Im  ĂŒbrigen  kommt  es  auch  hierbei  ailf  die  Tech- 
nik an.  Eine  gewisse  Stauung  in  der  DrĂŒse  ist  vorteilhaft, 
um  die  Absonderung  zum  Versiechen  zu  bringen;  deshalb 
pflege  ich  die  Expression  erst  nach  6  Tagen  zu  wiederholen. 
Ein  lĂ€ngeres  Abwarten  wĂŒrde  aber  die  Gefahr  der  Vereite- 
rung wieder  nĂ€her  zu  rĂŒcken,  deshalb  halle  ich  es  nicht  fĂŒr 
ratsam,  lÀnger  zu  warten.  Ich  bin  mit  der  Methode  der  Ex- 
pression mit  6tÀgigcn  Intervallen  stets  gut  ausgekommen, 
und  erinnere  mich  nicht,  mehr  als  4  Expressionen  gebraucht 
zu  haben.  Meist  war  die  Sache  mit  1—3  Expressionen  er- 
ledigt. 

Ich  möchte  noch  erwÀhnen,  wie  die  von  mir  beobachte- 
ten —  keineswegs  seltenen  —  eitrigen  Mastitiden  bei  Neu- 
geborenen zustande  kamen,  die  vorher  nicht  Àrztlich  behan- 
delt waren.  Ein  Auspressen  der  BrustdrĂŒsenschwellung 
durch  Laien  ist  im  braunschweigischen  Gebiet  nicht  ĂŒblich, 
und  ich  erinnere  mich  daher  keines  Falles,  in  dem  die  Ver- 
eiterung dadurch  bedingt  gewesen  wÀre.  Dagegen  findet 
man  hier  hĂ€ufig  die  abscheuliche  —  auch  von  Hebammen 
empfohlene  —  Methode,  ein  Milchpflaster  aufzukleben,  wo- 
durch natĂŒrlich  der  Abschluß  nach  außen  und  die  EntzĂŒn- 
dung besonders  begĂŒnstigt  werden.  Die  Vereiterang  fand  am 
hÀufigsten  in  diesen  FÀllen  statt.  HÀufig  aber  auch  fand  ich 
die  Vereiterung  in  solchen  FĂ€llen,  in  denen  die  DrĂŒsen  ganz 
in  Ruhe  gelassen  waren. 

Ich  habe  die  Expression  mit  der  oben  angegebenen  Vor- 
sicht und  mit  6  tÀgigen  (oft  auch  7  tÀgigen)  Intervallen  in 
einer  Reihe  von  Jahren  in  schÀtzungsweise  mehr  als  200 
FĂ€llen  angewandt  und  habe  bei  diesen  FĂ€llen  kein  einziges 
Mal  eine  Vereiterung  gesehen.  Ich  will  keineswegs  bestrei- 
ten, daß  bei  schwieriger  Entleerang  der  DrĂŒse  doch  wohl 
einmal  eine  Vereiterung  vorkommen  kann,  doch  muß  meines 
Erachtens  der  Prozentsatz  der  Erkrankungen  ganz  auffallend 
niedriger  sein  als  bei  den  FĂ€llen,  die  man  unbehandelt  lĂ€ĂŸt. 
Ich  habe  es  deshalb  gewagt  ein  schon  diskreditiertes  Ver- 
fahren mit  besserer  Technik  nochmals  als  empfehlenswert 
hinzustellen;  es  wĂ€re  erwĂŒnscht,  wenn  das  Verfahren  noch- 
mals eine  systematische  NachprĂŒfung  an  einem  SĂ€juolings- 
heim  erfĂŒhre. 


Johann  Bapttsta  Morgagni,  der  BegrĂŒnder 
der  pathologischen  Anatomie  als  Wissenschaft 
und  seine  VorlÀufer  Bonet,  Wepfer  u.  Schenk 

Von  Geh.  Hofrat  D  r.  D  o  1 1,  Karlsruhe. 
(Schluß) 

Als  diese  aber  von  der  sog.  crista  galli  abgelöst  wurde,  er- 
goß sich  eine  geringe  Menge  eitrigen  Serums.  Und  da,  wo  die 
Sehnerven  verlaufen,  kam  etwa  eine  Unze  klaren  Serams  zum 
Vorschein.  Das  ganze  Gehirn  wurde  gesund  befunden,  nur  die 
ungewöhnliche  GrĂ¶ĂŸe  der  Glandula  pinealis  fiel  auf.  Die  daran 
sich  anschließende  kritische  Deutung  des  Falles,  den  wir  wohl 
als  tuberkulöse  Basilarmeningitis  ansprechen  dĂŒrfen,  lĂ€ĂŸt  noch 
die  UnzulÀnglichkeit  damaliger  pathologischer  Einsicht  er- 
kennen. Der  Begriff  des  Tuberkels  in  unserem  Sinne,  wie  er 
erst  durch  Laennec  im  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  auf- 
gestellt wurde,  existiert  noch  nicht.  Klinisch  gekannt  war 
nur  die  Phthisis,  die  allgemeine  Abzehrung,  verbunden  mit 
Husten,  Auswurf  und  Fieber.  Das  ursÀchliche  VerhÀltnis 
zum  Tuberkelknoten  war  noch  völlig  unklar.  Die  Epikrise 
lĂ€ĂŸt  auch  die  Frage  offen,  ob  das  Exsudat  an  der  Gehirnbasis 
Ursache  oder  Folge  der  Konvulsionen  und  des  Sopors  ge- 
wesen sei.  Schließlich  wird  noch  im  Hinblick  auf  die  unge- 
wöhnlich große  ZirbeldrĂŒse  und  die  hervorragende  Intelli- 
genz des  Knaben  darauf  hingewiesen,  daß  von  Vielen  dieser 
Hirnanhang  fĂŒr  den  Sitz  des  Verstandes  (sedes  animae 
(  cogitantis)  gehalten  werde.  Alles  in  allem  ein  Beispiel  dafĂŒr, 
i  daß  auf  manchen  Gebieten  der  Erkenntnis  pathologischer  Vor- 
i  gÀnge  doch  noch  enge  Grenzen  gezogen  waren. 


Unter  den  Kopfkrankheiten  des  ersten  Buches  werden 
auch  die  Augenkrankheiten  abgehandelt.  Hier  ĂŒberrascht  die 
bessere  Anschauung  von  mancherlei  feineren  VerhÀltnissen. 
So  weist  Morgagni  darauf  hin  (Epist.  XIII.  19),  daß  im 
kurzsichtigen  Auge  der  Abstand  der  Linse  von  der  Netzhaut 
grĂ¶ĂŸer  und  im  weitsichtigen  Auge  kleiner  sei  als  in  der  Norm. 
Sodann  bestreitet  er  die  alte  Auffassung,  daß  die  Katarakt  der 
Linse  vom  Herabfließen  —  daher  die  Bezeichnung  Katarakt  — 
einer  eingedickten  FlĂŒssigkeit  aus  dem  Gehirn  in  das  Auge 
herkomme  (Epist.  XIII.  14).  Vielmehr  erklÀrt  er  die  Bildung 
des  grauen  Stares  durch  einen  auf  ErnÀhrungsstörung  beru- 
henden Austrocknungsprozeß,  wodurch  sie  undurchsichtig 
werde,  wie  dies  bei  der  extrahierten  Linie  auch  der  Fall  sei. 
Die  mouches  volantes,  die  culices,  wie  er  sie  nennt,  hÀlt  er 
fĂŒr  kleine,  im  humor  aqueus  schwimmende  Körperchen  (Epist. 
XIII.  14).  Ebenso  wie  das  Wort  Katarakta  beruht  auch  die  Be- 
zeichnung Katarrhus  bekanntlich  auf  der  alten  Vorstellung  vom 
Herabfließen  flĂŒssiger  Materien  aus  der  SchĂ€delhöhle  bezw. 
vom  Gehirn  her  in  andere  Körperteile.  Morgagni  spricht 
sich  darĂŒber  in  seinem  15ten  Brief  aus.  Er  betont,  daß  aus- 
schließlich der  Wirbelkanal  mit  der  SchĂ€delhöhle  in  offener 
Verbindung  stehe  und  verweist  die  Auffassung  der  Alten,  daß 
FlĂŒssigkeiten  aus  dem  cavum  cranii  außerdem  in  die  Augen, 
die  Ohren,  Nase,  Mund,  Brust,  Bauch  und  in  die  Gelenke  ge- 
langen können,  in  den  Bereich  der  Fabel.  Am  lÀngsten  hat 
sich  diese  Vorstellung  fĂŒr  die  katarrhalische  Absonderung  aus 
der  Nase  gehalten.  Sie  beruhte  darauf,  daß  am  skelettierten 
SchÀdel  die  lamina  cribrosa  tatsÀchlich  als  ein  durchlÀssiges 
Sieb  erscheint.  Noch  heute  fragt  uns  gelegentlich  ein  Àngst- 
licher Patient,  ob  denn  der  viele  Schleim,  den  seine  Schnupfen- 
nase produziert,  nicht  aus  dem  SchÀdel  stamme,  zumal  wenn 
er  dabei  von  Kopfschmerzen  geplagt  ist.  Der  Franzose  spricht 
heute  noch  vom  rhume  de  cerveau.  Morgagni  weist  dem- 
gegenĂŒber nach,  daß  am  Lebenden  das  Siebbein  membranös 
fest  verschlossen  ist.  Die  Rolle,  welche  die  Nebenhöhlen  der 
Nase  bei  Eiterungen  aus  derselben  spielen  können,  war  da- 
mals schon  bekannt  und  gewĂŒrdigt.  Wie  Morgagni  er- 
wÀhnt, verstand  man  es,  Medikamente  in  dieselben,  speziell  die 
Kieferhöhlen  einzubringen,  und  zwar  ging  der  Weg  dazu 
durch  die  ZahnfĂ€cher  —  per  evulsorum  dentium  alveolos 
(Epist.  XIV.  22). 

In  welch  großem  Abstand  die  anatomische  Be- 
urteilnng  der  klinischen  vorausgeeilt  war,  zeigt  sich 
namentlich  bei  den  Herzkrankheiten.  So  wird  der  ana- 
tomische Befund  bei  einer  angeborenen  Pulmonalstenose 
(Epist.  XVII.  12  und  13)  durchaus  zutreffend  und  anschaulich 
geschildert.  Ebenso  finden  die  zu  Lebzeiten  beobachteten  Er- 
scheinungen, insbesondere  die  allgemeine  Zyanose,  ihre  rich- 
tige ErklÀrung.  Des  weiteren  ein  Fall  von  Mitralstenose 
(Epist.  XVII.  13),  bei  dem  auf  die  fehlende  Dilatation  und  Hy- 
pertrophie des  linken  Ventrikels  im  Gegensatz  zu  der  Erwei- 
terung und  Muskelverdickung  der  vor  dem  stenosierten  Ostium 
gelegenen  Herzteile  mit  Nachdruck  und  unter  voller  WĂŒrdi- 
gung der  ursÀchlichen  pathologisch-physiologischen  Zirkula- 
tionsverhĂ€ltnisse hingewiesen  wird.  Auch  der  dĂŒnne  schwache 
Puls  (exiles  debilesque  pulsus),  der  an  dem  betreffenden  Kran- 
ken beobachtet  war,  wird  zutreffend  erklĂ€rt.  Kaum  fĂŒhlbarer 
Puls  (Epist.  XXIV.  2)  und  die  Unmöglichkeit  auf  der  linken 
Seite  zu  liegen,  wird  hervorgehoben  bei  einem  Kranken,  des- 
sen Sektion  ein  serös-eitriges  Exsudat  im  Herzbeutel  ergab. 
Daneben  fanden  sich  dicke  und  feste  VerwachsungsstrÀnge 
zwischen  Herz  und  Herzbeutel.  Die  dadurch  geschaffene  hem- 
mende Wirkung  auf  die  Herzbewegung  und  auf  die  ganzen 
ZirkulationsverhÀltnisse  wird  auch  in  der  Epikrise  vollauf 
gewĂŒrdigt. 

Sehr  kleine  Pulse  (pulsus  humillimi)  wurden  auch  beob- 
achtet bei  einem  Kranken  (Epist.  XXIV.  18).  dessen  Sektion 
eine  anschaulich  beschriebene  Stenose  des  Aortenostiums  auf- 
deckte. Die  Epikrise  gibt  die  richtige  ErklĂ€rung,  daß  jeweils 
nur  eine  verringerte  Menge  Blutes  durch  das  verengerte 
Ostium  (per  viam,  a  valvulis  angustiorem  factam)  in  die  Aorta 
ĂŒbertreten  konnte. 


Doli,  Johann  Baptiste  Morgagni. 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  !,">  Iii. 


Sehr  anschaulich  ist  auch  die  Beschreibung  (Epist.  XXIV. 
16)  von  Sklerose  der  Koronararterien  und  ihrer  Aeste,  von 
Verknöcherung  der  Aortenklappen  und  von  hochgradiger  Ver- 
kalkung der  Aorta  und  anderer  großer  Arterien,  ein  Befund, 
der  bei  einem  an  eingeklemmtem  Bruch  verstorbenen  alten 
Mann  erheben  wurde.  Die  sklerotische  Kranzarterie  wird 
treffend  mit  einen  dĂŒnnen  Schilfrohr  mit  seinen  quergestellten 
verdickten  Knoten  verglichen. 

Wie  Morgagni  auch  auf  die  BeschÀftigung  als  Ur- 
sache von  Zirkulationsstörungen  achtete,  mag  folgender  Satz 
beweisen  (Epist.  XVIII.  4):  „die  Schuster,  wie  auch  andere 
sitzende  Handwerker  beugen  die  großen  unteren  ArterienĂ€ste 
nicht  nur  an  einer  Stelle  zum  Winkel  und  beharren  in  dieser 
Beugestelung,  sondern  je  mehr  sie  sich  außerdem  nach  vorne 
bĂŒcken,  drĂŒcken  sie  ihren  Unterleib  und  die  mit  Speise  und 
Trank  angefĂŒllten  Eingeweide,  durch  diese  auch  das  Zwerch- 
fell zusammen,  so  daß  die  Blutbewegung  durch  den  Unterleib 
und  den  Thorax  behindert  wird." 

Geradezu  klassisch  zu  nennen  sind  die  Betrachtungen,  die 
Morgagni  ĂŒber  die  Pulsation  der  Vena  jugularis  ext.  -an- 
stellt (Epist.  XVIII.  9  ff).  Er  möchte  damit  die  Frage  klÀren,  ob 
diese  Pulsation  wirklich  ein  pathognomonisches  Zeichen  (Sig- 
num pathegnomonicum)  sei  fĂŒr  die  Erweiterung  des  rechten 
Herzens.  ZunĂ€chst  macht  er  sich  klar,  daß  in  ĂŒbermĂ€ĂŸig  er- 
weiterten Venen  deren  Klappen  die  RĂŒckstauung  des  Blutes 
nicht  mehr  aufhalten  können.  Er  macht  auch  darauf  aufmerk- 
sam, daß  man  die  von  der  Art.  carotis  ĂŒbertragenen  ErschĂŒtte- 
rungen nicht  fĂŒr  eine  Pulsation  der  darĂŒber  liegenden  Vena 
jugularis  ext.  halten  dĂŒrfe.  Er  weiß  auch,  daß  bei  Fingerdru^k 
auf  die  Vene  unter  normalen  VerhĂ€ltnissen  —  ut  circumitionis 
sanguinis  requirunt  leges  —  wie  es  die  Gesetze  des  Blutum- 
laufes erheischen,  der  zentralwÀrts  gelegene  Teil  derselben 
.abschwellen,  der  peripberwĂ€rts  gelegene  anschwellen  muß. 
Er  weiß  ferner,  daß  bei  heftigen  Inspirations-  und  Evspira- 
tiousbewegungen  ein  wechselndes  Ab-  und  Anschwellen  (tur- 
gentia  quaedam  alterna)  der  JugulÀrvenen  stattfindet.  Man 
mĂŒsse  deshalb  darauf  achten,  ob  dies  mit  der  Atmung"  oder  mit 
dem  Puls  korrespondiere.  Es  rrĂŒsse  auch  festgestellt  werden, 
ob  der  Venenpuls  mit  dem  Arterienpuls  zeitlich  zusammen- 
falle oder  nicht.  Im  ersteren  Falle  mĂŒsse  er  von  der  Kontrak- 
tion der  rechten  Kammer,  im  letzteren  von  der  des  rechten 
Vcrhofes  fĂŒr  diesen  Herzte-)  wird  stets  die  Bezeichnung 
auricula  gebraucht  —  herrĂŒhren.  Er  zieht  dann  folgerichtig 
den  Schluß,  daß  im  ersteren  Fall  d  h  bei  fiemhzeitr  er  Veren- 
und  Arterienpulsation  eine  Schlußunf?higkeit  der  Trikusoidal- 
klappe,  bedingt  durrb  Erweiterung  des  re°Men  Herzens  vor- 
liegen mĂŒsse.  Dabei  lĂ€ĂŸt  er  nur  d*e  Möglichkeit  offen,  daß 
auch  eine  besonders  heftige ErschĂŒtterung  der  s"hlußfshir>eu 
Trikuspidalis  bei  der  KĂ€tnfrerkcntraktion  eine  rfi  kJaufi^e 
Welle  in  der  jugularis  externa  erzeugen  könne  Schließlich 
merkt  er  noch  an.  daß  bisweilen  airb  bei  blerhsĂŒ'Titipen  MĂ€d- 
chen eine  auffallende  Halsvenenpulsatk  n  beobachtet  werde, 
welche  nHit  auf  einem  organischen  Herzleiden  beruhe  — 
quae  in  organico  vitio  cordis  necdu.m  ^onsistat. 

Man  findet  bisweilen  der  sog.  Adam-Stokesschen  Krankheit 
noch  den  Namen  Morgagnis  beigefĂŒgt.  So  spricht  Franz 
Kisch  in  einer  Abhandlung:  ..Pemerkungen  zur  diagnosti- 
schen und  prognostischen  Bedeutung  hoher  Blutdruckwerte" 
(Med.  Klinik  1922,  Nr.  22)  von  Adam-Stokes-Morgagnis^ber 
Krankheit.  Dies  geschiebt  mit  vollem  Pe^bt.  Denn  es  unter 
lie^t  keinem  Zweifel  daß  Morgagni  mehrere  zu  diesem 
merkwĂŒrdicen  Krankheitsbild  ?  ebörige  FĂ€lle  richtig  beobach- 
tet hat.  Er  beschreibt  die  außerordentliche  PuJsverlang- 
san-ung  bis  auf  22  SchlÀge  herab  und  die  ementi'nnlichen  hÀu- 
fig auftretenden  ZufĂ€lle  von  Ohnmacht  mit  Bewußtseinsverlust 
intercentio  senSuum  omnium  und  mit  epilepsieartigen 
krampfhaften  Bewegungen  -  -  motibus  convulsivis.  Der  am 
eingehendsten  geschilderte  Fall  von  IS  Monaten  Dauer  findet 
srh  in  F.nist.  I  XIV.  5.  Dem  Kranken  ''ĂŒnditrten  sich  die 
AnfĂ€lle  durch  eine  Art  Aura  an.  Fr  hatte  dabei  das  GefĂŒhl 
eines  von  den  Hvnochondrien  aufsteigenden  Panrhes  —  sensus 
fumi  quasi  cuiĂŒsdam  ab  Hypochondriis  ascendentis.  Auch  von 
Krehl  werden  fliese  auraartigen  Vorboten  in  Gestalt  von 


eigentĂŒmlichen  Geruchs-,  Geschmacks-,  Gehörs-  und  Tast- 
empfindungen erwÀhnt.  -(Die  Erkrankungen  des  Herzmuskels 
und  die  nervösen  Herzkrankheiten  in  Nothnagels  Handbuch, 
Bd.  XV  1,  S.  352.)  Bei  dem  Kranken  Morgagnis  konnte 
jeweils  von  den  Aerzten  bei  zunehmender  Pulsverlangsamung 
das  Eintreten  eines  Anfalles  vorhergesagt  werden.  Als  einzi- 
ges Mittel,  welches  einigermaßen  Linderung  zu  schaffen  ver- 
mochte, rĂŒhmt  Morgagni  den  lĂ€n  er  fortgesetzten  Ce-* 
brauch  von  Opium.  Eei  der  Sektion  fand  sich  lediglich  Dila? 
tatien  des  Herzens  und  der  Aorta.  Morgagni  ĂŒberlegt 
sich  sofort,  daß  darin  eine  ErklĂ€rung  der  PulsverlangsamrnJ 
und  der  anderen  ZufÀlle  nicht  gefunden  werden  könne,  c'enrft 
er  habe  viele  wesentlich  erheblichere  Erweiterung  en  gesehen, 
bei  denen  nrbts  derart  auftrat.  Es  mĂŒsse  also  noch  etwas 
anderes  dabei  im  Spie'e  sein  und  obwohl  ia  fĂŒr  ihn  der  Begriff 
des  Herzblocks  noch  nicht  existiert,  fĂŒhrt  ihn  doch  eine  richtige 
Vorahnung"  zu  der  Annahme,  es  mĂŒsse  noch  irgend  eine  SchĂ€- 
dig ung  der  das  Flerz  versorgenden  Nerven  dabei  vorliegen. 

Aus  der.  AngefĂŒhrten  geht  hervor,  daß  Morgagni 
vermöge  seiner  scharfen  Beobachtungsgabe  und  auf  Grund 
seiner  I  eichenbefunde  vom  Blutkreislauf  unter  normalen  und 
pathologischen  VerhÀltnissen  sehr  gute  Kenntnisse  hatte.  Wie 
kĂŒmmerlich  war  es  dagegen  mit  der  diagnostischen  Erkenntnis 
dieser  Dinge  am  Krankenbett  bestellt.  Das  diagnostische 
RĂŒstzeug,  speziell  fĂŒr  Hie  Erkrr^kungen  der  Brustorgane 
beschrÀnkte  sich  auf  die  Beobachtung  des  Aussehens  des  Kran- 
ken, der  von  ihm  eingenommenen  Lare  und  Stellung,  seiner. 
Atmung,  seines  Hustens  und  seines  Auswurfs  unter  eingehen- 
der Verwertung  seiner  subjektiven  Empfindungen  und  Klagen. 
Dazu  kam  noch  die  Beachtung  dessen,  was  Ă€ußerlich  von  der 
HerztÀtigkeit  des  Kranken  wahrnehmbar  war.  Dabei  wurde 
gelegentlich  auch  von  der  Pa'pation  Gebrauch  gemacht.  So 
ist  es  Morgagni  nicht  entgangen,  daß  in  einem  Fall,  den 
er  im  XVI.  Brief  unter  Nr.  ?0  schildert,  der  Herzstoß,  den  er 
palpatorisch  —  manu  admota  —  feststellte,  viel  frequenter  war 
als  der  Radialpuls.  Eine  ErklÀrung  dieses  PhÀnomens  wird 
nicht  versucht.  Die  PrĂŒfung  des  Pulses  war  ja  ĂŒberhaupt  eine 
außerordentlich  feine  und  differenzierte.  Sie  verlor  sich  in 
weitgehenden  Spitzfindigkeiten,  fĂŒr  die  uns  heute  das  Ver-' 
stÀndnis,  "ielleicbt  auch  die  Geduld  und  FÀhigkeit  abgehen. 
Erst  durch  Laennecs  berĂŒhmtes  Werk  ĂŒber  die  mittelbare 
Auskultation  vom  Jahr  1819  und  durch  die  schon  erwÀhnte 
Neuherausgabe  von  Auenbruggers  Novum  inventum  durch 
Corvisart  im  Jahre  1808  trat  hier  ein  Umschwung  ein. 
Eine  nur  einigermaßen  verlĂ€ĂŸliche  Diagnostik  auf  dem  Gebiet 
der  Herz-  und  Lungenkrankheiten  gab  es  vorher  nicht. 

Wie  es  mit  der  klinischen  und  anatomischen  Diagnostik 
der  I.ungenphthise  zu  Morgagnis  Zeiten  bestellt  war,  mö- 
pen  noch  zwei  kasuistische  Mitteilungen  aus  seinem  XXII.  Brief 
Nr.  14  und  15  in  gekĂŒrzter  Uebersetzung  zeigen:  „Ein  Musi- 
ker hatte  vor  drei  Jahren  Blutspeien,  woran  Husten  mit  katar- 
rhalischem Auswurf  sich  anschloß.  Nach  vielen  Monaten 
kehrte  der  Bluthusten  wieder,  worauf  der  Auswurf  reichlicher, 
konsistenter  und  von  schlechterer  Beschaffenheit  wurde.  Per 
Kranke  konnte  leicht  auf  beiden  Seiten  liegen*)  und  hatte  keine 
Brustschmerzen.  Der  Husten  war  in  der  Nacht  und  nach  dem 
Essen  besonders  lÀstig.  Die  Atmung  war  erschwert  nament- 
lich bei  Bewegung.  Dazu  kam  starker  Durst  und  Magenbe- 
schwerden nach  den  Essen.  Endlich  Nachtschweiße,  Art- 
schwellung der  FĂŒĂŸe  und  DurchfĂ€lle." 

Aus  dem  Sektionsprctokoll:  ,.Die  Lungen  waren  bei  die- 
sem Menschen  mit  vielen  Knoten  (tuberculis)  angefĂŒllt.  Der 
Oberlappen  der  linken  Lunge,  besonders  in  seinem  oberen 
Teil  nach  dein  Sternum  zu,  war  Ă€ußerlich  hart,  enthielt  innen 
ein  grĂ¶ĂŸeres  GeschwĂŒr,  in  dem  dickbreiiger  Eiter  sich  befand. 
Endlich  in  der  rechten  Brusthöhle  ein  halbes  Pfund  seröser 


*)  Auf  diesen  hĂ€ufig  erwĂ€hnten  Punkt  wurde  groĂŒe  ‱  diagnostischer 
Wert  gelegt.  Die  Unmöglichkeit  auf  der  rechten  oder  linken  Seite  zug 
liegen,  wurde  als  Zeichen  einer  dort  lokalisierten  l  ungenerkrankun«^ 
oder  einer  Peripuaimonie  (Pleuritis  mit  Exsudat)  gedeutet.  Bekanntlica 
'st  das  Zeichen  unsicher.  Kranke  mit  großem  Pleuraexsudat  habe« 
sogar  meist  weniger  Beschwerden,  weun  sie  auf  der  kranken  Seit« 
liegen. 


Jahrgang.  — 


Nr.  I.")  Il>. 


Doli.  Johann  Baplista  Morgagni. 


«37 


!  lĂŒssigkeit,  ebensoviel  im  Herzbeutel.  Dieses  perikardiale  Se- 
Kim  verflĂŒchtigte  sich  ganz,  als  man  es  auf  das  Feuer  setzte, 
bis  auf  ein  kleines  HĂ€utchen  am  Grund  des  GefĂ€ĂŸes."  Also 
hier  wie  auch  an  anderen  Stellen,  der  Versuch,  KörperflĂŒssig- 
keiten physikalisch-chemisch  zu  untersuchen.  AngefĂŒhrt  ist 
hier  auch  noch  eine  Bemerkung  von  V  a  1  s  a  1  v  a.  daß  er  bei 
den  Phthisikern,  die  er  seither  seziert  habe,  die  Erkrankung 
und  Zerstörung  im  oberen  Teil  der  Lunge  angetroffen  habe. 

Der  zweite  Fall:  „Eine  etwa  20  Jahre  alte  öffentliche 
Dirne  hatte  schon  mehrere  Monate  an  schleichendem  Fieber, 
Husten,  Auswurf  von  schlechter  Beschaffenheit  und  allgemei- 
ner Abmagerung  gelitten.  Sie  klagte  ĂŒber  Schmerz  in  der  lin- 
ken Brustseite,  auf  der  zu  liegen  ihr  sehr  beschwerlich  war. 
Sie  wurde  von  Atemnot  gequÀlt.  Dazu  kam  ein  Blutsturz, 
dem  sie  nach  zwei  Tagen  erlag".   Aus  dem  Sektionsprotokoll: 

„Die  rechte  Lunge  war  nur  wenig  adhĂ€rent.  Beide  Lun- 
gen waren  voll  von  harten,  weißlichen  Knoten  (tuberculis),  die 
drĂŒsigen  Gebilden  tĂ€uschend  Ă€hnlich  sahen.  Beide  Lunken 
waren  im  oberen  Teil  ihrer  Oberlappen  schwer  verÀndert.  Die 
rechte  enthielt  nach  dem  Brustbein  zu  eine  große  eitergefĂŒilte 
Höhle,  die  linke  dagegen,  mehr  seitlich,  eine  harte  Substanz 
von  der  Ausdehnung  einer  grĂ¶ĂŸern  Birne,  Ă€hnlich  verhĂ€rtetem 
Pankreasgewebe  und  in  deren  Mitte  ein  kleines,  eitergefĂŒlltes 
GeschwĂŒr." 

Beobachtungen  aus  dem  Bereich  der  Tierpathologie  wur- 
den von  den  Aerzten  damals  mit  großem  Eifer  verfolgt.  So 
wird  z.  B.  von  Morgagni  folgende  Beobachtung  des  Val- 
salva  angefĂŒhrt  (Epist.  I.  6):  Dieser  bemerkt  zufĂ€llig,  daß 
von  einer  Schafherde  ein  Tier  sich  abseits  von  den  andern  hÀlt, 
daß  es  sich  hĂ€ufig  um  sich  selbt  dreht,  und  daß  es  sich  jedem 
Versuch,  seinen  Kopf  zu  berĂŒhren  und  zu  betasten,  Ă€ngtslich 
entzieht.  V  a  1  s  a  1  v  a  kauft  das  Tier  und  findet  bei  der  Sek- 
tion in  seinem  Gehirn  eine  große  Zyste,  wohl  das  Produkt 
eines  Zystizerkus.  Zum  Vergleich  damit  und  im  Anschluß 
daran  wird  ein  Fall  des  B  o  r  e  1 1  u  s*)  angefĂŒhrt.  Ein  MĂ€d- 
chen hatte  an  andauerndem,  heftigem  Scheitelkopfschmerz  ge- 
litten Bei  der  Sektion  fand  sich  im  Gehirn  ein  Hohlraum,  der 
2  Pfund  (?)  klarer  FlĂŒssigkeit  enthielt. 

In  spÀterer  Zeit  hat  namentlich  I.  P.  F  r  a  n  k  auf  den  gro- 
-  ßen  didaktischen  Wert  einer  vergleichenden  Menschen-  und 
Tierpathologie  hingewiesen.  Aus  dem  Jahr  1780  haben  wir 
von  ihm  die  Beschreibung**)  einer  tierischen  Mißgeburt  und  in 
einer  akademischen  Rede  vom  Jahre  1790  „de  morbis  pecu- 
duin  a  medentibus  nequaquam  praetervidendis"  entwickelt 
er  die  GrundzĂŒge  dieser  wichtigen  Disziplin.  Man  hat  ihm 
das  Verdienst  zugeschrieben,  als  erster  und  bahnbrechend  auf 
diesem  Gebiet  wie  auch  auf  dem  der  experimentellen  Pharma- 
kologie und  Toxikologie  vorgegangen  zu  sein.  Das  ist  nach 
dem,  was  oben  aus  Morgagni  angefĂŒhrt  wurde  und  was 
spĂ€ter  noch  aus  des  Bonetus  Sepulchretum  anzufĂŒhren  sein 
wird,  nicht  zutreffend.  Er  hat  in  diesen  Disziplinen  zahl- 
reiche und  eifrige  VorgÀnger  gehabt. 

Morgagni  war  unstreitig  ein  kritischer  Kopf.  Man 
merkt  bei  ihm  ĂŒberall  das  ernste  Bestreben,  auf  Grund  objek- 
tiver Befunde  mit  alten  Vorurteilen  und  mit  alten  IrrtĂŒmern 
aufzurÀumen.  Die  Herzpolypen,  concretiones  polyposae, 
spielten  in  alten  Sektionsberichten  eine  große  Rolle.  So  wur- 
den die  Fibringerinnsel  genannt,  die  sich  in  den  Herzhöhlen 
und  in  den  großen  GefĂ€ĂŸen  fanden.  Man  glaubte,  daß  sie 
wÀhrend  des  Lebens  schon  vorhanden  gewesen  seien  und  sah 
in  ihnen  die  Ursache  schwerer  Herz-  und  Zirkulationsstörun- 
gen. Der  Polypus  cordis  galt  fĂŒr  eine  eigene  Krankheit  und 
fĂŒr  eine  hĂ€ufige  Todesursache.  So  glaubte  u.  A.  auch  Rous- 
seau an  einem  Herzpolypen  zu  leiden.  H.  V  i  e  r  o  r  d  t 
nennt  in  seinem  Buch:  Medizinisches  aus  der  Geschichte  (TĂŒ- 
bingen 1010)  diese  Affektion  die  gewöhnliche  Herzkrankheit 
jenes  Zeitalters.  Nach  demselben  Autor  wurde  noch  bei  der 
Konigin  Luise  von  Preußen  (gest.  1810)  durch  die  Aerzte 


*)  B  o  r  e  I  1  u  s  -  B  o  r  e  1,  geb.  1620,  gest.  168«,  hatte  in  Montpellier 
promoviert  und  war  Arzt  in  Chartres,  spÀter  in  Paris. 

**)  In  Reinhards  mediz.  Wochenblatt  fĂŒr  Aerzte,  WundĂ€rzte 
uik!  Apotheker  (I.  Jahrg.). 


Heim  und  H  u  f  e  1  a  n  d  als  besonderes  Sektionsergebnis  ein 
derartiger  Herzpolyp  festgestellt.  Ja  phantasiehegabte  Obdu- 
zenten  sahen  in  solchen  weißlichgelben  und  lĂ€ndlichen  Gebil- 
den sogar  mit  Augen,  Ohren  und  einem  RĂŒssel  ausgestattete 
WĂŒrmer.  Morgagni  fragt  (Epist.  XXIV.  23  ff.)  dazu  spöt- 
tisch, wozu  sie  wohl  Augen  gebrauchten,  da  doch  ihr  Aufent- 
haltsort stockfinster  war,  oder  ob  ihnen  dort  vielleicht 
ein  LebensflÀmmchen  (Vitalis  flammula)  geleuchtet  habe. 
Jene  WĂŒrmer  seien  nichts  anderes  gewesen  als  fadenför- 
mige Gerinnsel,  am  einen  Ende  rĂŒsselförmig  verjĂŒngt.  Die 
Augen  und  Ohren  seien  vorgetÀuscht  worden  durch  kleine 
Partikel  dunklen  Blutes,  die  ihnen  da  und  dort  anhafteten. 
Morgagni  wundert  sich  mit  Rclit  darĂŒber,  daß  die  Aerzte 
nicht  schon  lange  durch  die  tĂ€glich  am  Aderlaßblut  beobach- 
teten Gerinnungserscheinungen  darauf  gekommen  seien,  daß 
jene  sog.  Herzpolypen  nur  im  ruhenden  und  erkaltenden  Blut, 
also  als  Leichenerscheinung  sich  bilden  können.  Uebrigens 
macht  Morgagni  einen  richtigen  und  grundsÀtzlichen  Un- 
terschied zwischen  frei  in  den  Herzhöhlen  und  den  großen 
GefĂ€ĂŸen  liegenden  Gerinnseln  und  zwischen  festhaftenden, 
wÀhrend  des  Lebens  enstandenen  Auflagerungen,  dem,  was 
man  heute  Herzthromben  nennt. 

In  einem  interessanten  Buch,  in  dem  wertvolle  differen- 
tialdiagnostische BeitrĂ€ge  enthalten  sind:  „Ideen  zur  Dia- 
gnostik" von  Johann  Ernst  W  i  c  h  m  a  n  n,  Königl.*)  Groß- 
britann. Leibmedikus  (Hannover  1794)  wird  der  Versuch  ge- 
macht, den  Herzpolypen  als  eigenes  und  selbstÀndiges  Krank- 
heitsbild aufzustellen.  Es  wird  dabei  zwischen  falschen  und 
echten  Herzpolypen  richtig  unterschieden  und  nur  fĂŒr  die  letz- 
teren, also  fĂŒr  die  Thrombenbildung  im  Herzen,  die  differen- 
tialdiagnostische Unterscheidung  von  der  echten  Angina  pec- 
toris versucht.  WĂ€hrend  deren  symptomatologische  Schilde- 
rung oder  der  BrustbrĂ€une,  wie  sie  damals  auch  hieß,  eine 
ganz  vorzĂŒgliche  ist,  gelingt  naturgemĂ€ĂŸ  die  Abgrenzung  der 
durch  den  sog.  Herzpolypen  angeblich  hervorgerufenen  Er- 
scheinungen von  denen  der  allgemeinen  Herzinsuffizienz  nicht. 
Wie  wir  von  W  i  c  h  m  a  n  n  erfahren,  stammt  die  erste  Be- 
schreibung der  Angina  pectoris  aus  dem  Jahre  1772  von  dem 
englischen  Arzt  H  e  b  e  r  d  e  n.  Der  Name  ist  bekannt  durch 
die  nach  ihm  benannten  gichtartigen  Knoten  an  den  Fingern. 
Jene  Veröffentlichung  findet  sich  in  den  Medical  transactions 
published  by  the  colleg  oF  physic.  in  London,  Bd.  2,  S.  59. 
Ueber  die  Àtiologische  Rolle  der  Koronarsklerose  bei  der  An- 
gina pectoris  war  man  sich  damals  noch  keineswegs  klar. 
Heb  erden  selbst  hielt  sie  fĂŒr  eine  Nervenkrankheit  und  ein 
anderer  englischer  Arzt  namens  Butter  (1791)  fĂŒr  eine  auf 
das  Zwerchfell  versetzte  Gicht. 

Bekanntlich  legte  man  frĂŒher  auf  die  Beobachtung  von 
Art  und  Schnelligkeit  der  Gerinnung  und  der  Fibrinabschei- 
dung  im  Aderlaßblut  großen  Wert.  SĂŒeziell  die  sog.  Crusta  in- 
f'ammatoria  spielte  eine  große  Rolle.  Johannes  MĂŒller 
sayt  in  seinem  Handbuch  der  Physiologie  des  Menschen  vom 
Jahre  1838  (S.  102)  darĂŒber  folgendes:  „Bei  Schwangeren, 
Wöchnerinnen,  im  akuten  Rheumatismus  und  in  EntzĂŒndun- 
gen, ĂŒberhaupt  aber,  wenn  das  Blut  langsamer  gerinnt,  senken 
sich  die  roten  Körperchen  öfters  schon  vor  dem  Gerinnen 
unter  das  Niveau  der-FlĂŒssigkeit;  da  nun  aber  doch  die  ganze 
A^asse  gerinnt,  so  ist  der  obere  Teil  des  Gerinnsels  weiß,  Crusta 
inflammatoria,  der  untere  rot."  In  jĂŒngster  Zeit  scheint  ja  die 
Feststellung  der  Senkungsgeschwindigkeit  der  roten  Blutkör- 
perchen klinisch-diagnostische  Bedeutung  zu  gewinnen.  Schon 
Johannes  MĂŒller  hat  dahingehende  Beobachtungen  ange- 
stellt. Er  berichtet  darĂŒber  auf  S.  108  und  109  seines  oben 
angefĂŒhrten  Handbuches.  Es  drĂ€ngt  sich  da  die  Vermutung 
auf,  ob  nicht  doch  in  jenen  alten  und  primitiven  Feststellungen 
am  Aderlaßblut  schon  ein  gewisser  richtiger  Kern  enthal- 
ten war. 

Morgagnis  gesunde  und  seiner  Zeit  vorauseilende 
Kritik  zeigt  sich  auch  in  der  Scabiesfrage.  In  seinem  55.  Brief, 


*)  König  Georg  III.,  1760--1820.  Hannover  war  seit  1714  in  Per- 
sonalunion hui  Großbritannien. 


8 


Doli.  Johann  Baptista  Morgagni. 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Absatz  4  ff.,  stellt  er  ausfĂŒhrliche  Betrachtungen  ĂŒber  dieselbe 
an.  Die  Scabies  hat  ja  ihre  eigene  merkwĂŒrdige  Geschichte. 
Diese  ist  zugleich  ein  Beispiel  dafĂŒr,  wie  schwer  manchmal 
festgewurzelte  Lehrmeinungen  auszurotten  sind.  Die  KrÀtz- 
milben waren  den  arabischen  Aerzten  schon  bekannt.  Mor- 
gagni zitiert  von  ihnen  die  folgende  Beschreibung  des  Abin- 
zoar.*)  „Es  sind  lausartige  WĂŒrmchen  —  Syrones  pede- 
celli  —  von  den  Arabern  assoabat  genannt,  welche  unter  der 
Cutis  an  den  HĂ€nden  und  an  den  Beinen  hinkriechen  und 
v\  assergefĂŒllte  BlĂ€schen,  in  denen  sie  sich  verbergen,  hervor- 
rufen. Nach  deren  Eröffnung  kriechen  so  kleine  Tierchen 
(animalcula  tarn  parva)  hervor,  daß  sie  kaum  mit  dem  schĂ€rf- 
sten Auge  wahrgenommen  werden  können." 

Die  Worte  Syrones  (an  anderer  Stelle  auch  Sirones)  und 
pedecelli  bieten  der  Uebersetzung  und  Deutung  einige 
Schwierigkeiten.  Da  sie  in  keinem  der  mir  zugÀnglichen  la- 
teinischen und  griechischen  WörterbĂŒcher  zu  finden  sind, 
wandte  ich  mich  an  die  Heidelberger  UniversitÀtsbibliothek 
und  erhielt  von  dort  die  folgende  dankenswerte  Auskunft:  Zu 
Syrones  sagt  das  alte  Universallexikon  von  Zedier**),  Bd.  41, 
S.  1078:  Syrones  siehe:  Reitliesen  und  Bd.  31,  S.  407  unter 
Reitliesen  Sirones,  Sirenes,  Cirones,  Chirones,  Seurn  sind 
BlĂ€tterlein,  welche  in  der  hohlen  Hand  und  auf  den  Fußsohlen 
auffahren  und  inwendig  ein  kleines  WĂŒrmlein,  fast  wie  eine 
Laus,  unter  ihrem  HĂ€utlein  liegend  haben.  Das  WĂŒrmlein 
wird  auch  Reitlicae  und  im  Lateinischen  Acarus  genannt.  Der 
Oberbibliothekar,  Herr  Dr.  F  i  n  k  e,  fĂŒgt  dem  persönlich  noch 
bei:  „Mir  ist  erinnerlich,  daß  im  Elsaß  EiterpfĂŒtzchen  (Eiter- 
blÀschen)  vom  Volke  Sirele  genannt  werden".  Bei  Mor- 
gagni sind  mit  dem  Ausdruck  Syrones  nicht  nur  die  er- 
zeugten BlĂ€schen,  sondern  auch  ĂŒbertragen  die  sie  hervor- 
rufenden Tierchen  gemeint.  Dies  geht  unzweideutig  aus 
einer  anderen  Stelle  hervor,  wo  von  ihrem  Aussehen  bei  Be- 
trachtung unter  dem  Mikroskop  (microscopii  auxilio)  die 
Rede  ist.  Es  heißt  hier  von  ihnen:  „Sie  boten  das  Bild  von 
Schildkröten  dar  —  Sirones  testudinum  effigies  repraesentar- 
unt".  Das  Wort  pedecellus,  das  sich  in  dieser  Schreibweise 
nirgends  nachweisen  lĂ€ĂŸt,  dĂŒrfte  von  pediculus,  die  kleine 
Laus,  abzuleiten  sein.  In  dem  Romanischen-Etymologischen 
Wörterbuch  von  Meyer-LĂŒbke  (Heidelberg.  1911)  ist 
ĂŒbrigens  pedicellus  mit  KrĂ€tzmilbe  ĂŒbersetzt. 

Jedenfalls  wurde  im  16.  und  17.  Jahrhundert  das  soge- 
nannte Milbengraben,  d.  h.  die  mechanische  Entfernung  der 
Milben  in  Frankreich  und  in  Deutschland  von  Laien  geĂŒbt. 
Trotzdem  hat  niemand  ernstlich  gewagt,  an  der  alten  Lehr- 
meinung von  der  Entstehung  der  KrÀtzekrankheit  auf  konsti- 
tutioneller Grundlage  und  von  der  GefÀhrlichkeit  ihrer  Ver- 
treibung durch  bloße  Ă€ußerliche  Mittel  zu  rĂŒtteln.  Durch 
den  KrÀtzeausschlag  sollten  angeblich  schÀdliche  SÀfte  aus- 
geschieden werden  und  man  fĂŒrchtete,  durch  dessen  Beseiti- 
gung ihrem  ZurĂŒckschlagen  auf  innere  Organe  Vorschub  zu 
leisten.  Ganz  Àhnlich  verhielt  es  sich  auch  mit  der  plica  po- 
lonica,  dem  Weichselzopf.  Morgagni  war  nun.  einer  der 
‱wenigen  Aerzte  seiner  Zeit,  die  von  der  parasitĂ€ren  Entste- 
hung der  Scabies  ĂŒberzeugt  waren  Er  beschreibt  einen  Fall, 
wo  er  die  aus  den  HautblÀschen  entfernten  Tierchen  (animal- 
cula) selbst  lebend  unter  dem  VergrĂ¶ĂŸerungsglas  gesehen  hat. 
Er  tritt  der  Auffassung,  daß  die  KrĂ€tzmilben  aus  der  FĂ€ulnis, 
also  durch  eine  Art  von  generatio  aequivoca  entstehen  könn- 
ten, ausdrĂŒcklich  entgegen.  Daß  sie  vermöge  ihrer  großen 
Fruchtbarkeit  sich  rasch  vermehren,  ist  ihm  wohl  bekannt, 
ebenso  1  ihre  gewöhnliche  Uebertragungsweise  durch  Bett- 
wÀsche und  Kleider. 

Daß  es  trotz  alledem  noch  bis  in  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts gedauert  hat,  bis  der  Glaube,  es  liege  der  KrÀtze- 
krankheit nicht  die  Milbe,  sondern  eine  SchÀrfe  der  SÀfte  zu 
Grunde,  endgĂŒltig  ausgetilgt  war,  ist  von  K  u  ß  m  a  u  1  in 
seinen  „Jugenderinnerungen  eines  alten  Arztes"  (Seite  217) 

6)  Abinzoar,  auch  Avcnzonr,  geb.  1113,  gest.  1162.  aus 
P<'n(aflor  bei  Sevilla.  Sein  voller  Name  ist:"  Abd-el-Malik  Abn 
Merwan  i  b  n  Z  o  h  r. 

**)  Halle  und  Leipzig:  Bd.  31  vom  Jahr  1742,  Bd.  41  vom  Jahr 
1744. 


mit  dem  ihm  eigenen  feinen  Humor  dargelegt.  Warum  war 
wohl  dieser  Glaube  von  einer  so  unglaublich  zÀhen  Lebens- 
kraft? Theorien  haben  diese  Eigenschaft  manchmal  in  her- 
vorragendem Maße,  und  jener  Glaube  war  eine  HauptstĂŒtze 
der  nicht  umzubringenden  Hutnoralpathologie  alten  Stils. 
Diese  brach  im  Bewußtsein  der  Aerzte  hauptsĂ€chlich  auch 
und  erst  dadurch  zusammen,  daß  ihr  jene  HauptstĂŒtze  ge- 
nommen wurde. 

Schließlich  sei  noch  ein  Blick  auf  Morgagnis  sons- 
tige anatomische  Arbeiten  geworfen.  Sie  sind  in  einem  statt- 
lichen Quartband  unter  der  Bezeichnung:  Adversaria  ana- 
tomica  omnia  zusammengefaßt.  Eine  Editio  nova  et  aueta 
derselben  vom  Jahre  1741  stand  mir  aus  der  Karlsruher  Lan- 
desbibliothek zur  VerfĂŒgung.  Sie  ist  gedruckt  in  Leyden 
(Lugduni  Batavorum)  bei  Johannes  Arnoldus  Langerak. 
In  sauberem  Kupferstich  zeigt  das  Titelblatt  ein  PortrÀtme- 
daillon Morgagnis.  Er  ist  im  jugendlichen  Alter  von 
36  Jahren  dargestellt,  hier  im  Profil  und  gleichfalls  in  Amts- 
tracht und  PerĂŒcke.  Darunter  ein  zweites  Medaillon  mit 
einer  allegorischen  Darstellung.  Der  jugendliche,  lebhaft 
schreitende  Gelehrte  wird  von  einer  weiblichen  Gestalt,  ver- 
mutlich einer  Verkörperung  der  anatomischen  Wissenschaft, 
an  der  Hand  gefĂŒhrt.  In  ihrer  freien  erhobenen  Linken  hĂ€lt 
sie  ein  Seziermesser.  Den  Beiden  voraus  schwebt  ein  kleiner 
geflĂŒgelter  Genius,  der  auf  dem  rechten  Arm  ein  Buch  trĂ€gt 
und  mit  der  linken  Hand  einen  Oberschenkelknochen  schwingt. 
DarĂŒber  die  etwas  unklare  Ueberschrift:  Primus  Ego  In  Pa- 
triam. 

Der  Band  enthÀlt  im  ganzen  6  Adversaria  (Abhandlun- 
gen), von  denen  sich  jede  aus  einer  großen  Anzahl  von  Anim- 
adversiones  d.  h.  Untersuchungen  oder  Beobachtungen  zu- 
sammensetzt. Der  Inhalt  erstreckt  sich  ĂŒber  große  Teile  der 
menschlichen  (und  tierischen)  normalen  Anatomie,  daneben 
noch  mancherlei,  was  in  das  Gebiet  der  pathologischen  Ana- 
tomie und  der  Physiologie  gehört.  Dazwischen  ist  wissen- 
schaftliche Korrespondenz  mit  Fachgenossen  eingestreut 
Ueberall  tritt  auch  hier  das  eifrige  Bestreben  hervor,  alte  Irr- 
tĂŒmer aufzudecken  und  auszumerzen.  Den  sechs  Abschnitten 
sind  Kupfertafeln  angefĂŒgt,  welche  in  sauberer  AusfĂŒhrung 
und  guter,  naturgetreuer  Wiedergabe  anatomische  PrÀparate 
darstellen. 

Als  Anhang  enthÀlt  der  Band  dann  noch  in  schwung- 
voller lateinischer  Rede  eine  Abhandlung  ĂŒber  Ă€rztliche  Vor- 
bildung und  Ausbildung  mit  dem  Titel:  Nova  Institutionum 
medicarum  Idea,  Medicum  perfectissimum  adumbrans  — 
neue  Idee  des  medizinischen  Unterrichts  mit  der  Darstellung 
des  vollendeten  Arztes.  Aus  den  mancherlei  vortrefflichen 
Lehren  und  RatschlÀgen,  die  dem  angehenden  Arzt  hier  auf 
den  Berufsweg  mitgegeben  werden,  seien  nur  zwei  SĂ€tze  her- 
ausgehoben: „Non  vetustatem,  non  novitatem,  non  consue- 
tudinem  admirari  et  sequi,  sed  unam,  ubi  ubi  fuerit,  veritatem" 
—  nicht  Altes,  nicht  Neues,  nicht  Hergebrachtes  bewundern 
und  befolgen,  sondern  allein  die  Wahrheit,  wo  immer  sie  auch 
sei,  und  ferner:  „sed  domina  Natura  est"  —  doch  die  Natur 
ist  die  Herrin.  In  diesen  zwei  AussprĂŒchen  ist  der  ganze 
Morgagni  begriffen.  Der  vielzitierte  Satz:  Man  soll  die 
FÀlle  nicht  nur  zÀhlen,  sondern  auch  wÀgen,  soll  auch  von 
Morgagni  stammen.  Ich  habe  ihn  in  seinen  Schriften,  so- 
weit sie  mir  zugÀnglich  waren,  indessen  nirgends  feststellen 
können.  Er  sollte  als  Motto,  man  könnte  auch  sagen  als 
Warnungstafel  vor  jeder  statistischen  Zusammenstellung  sei- 
nen Platz  haben. 

Morgagni  bezeichnet  in  der  Vorrede  und  auch  sonst 
an  vielen  Stellen  seines  Werkes  de  sedibus  et  causis  morborum 
dieses  als  Fortsetzung,  ErgÀnzung  und  Verbesserung  von 
B  o  n  e  t  s  Sepulchretum.  Wir  mĂŒssen  diesem  daher  eine  kurze 
Betrachtung  widmen.  Sepulchretum  heißt  BegrĂ€bnisplatz 
oder  Friedhof.  Das  Wort  ist  also  eine  ĂŒbertragene  Bezeich- 
nung fĂŒr  eine  Sammlung  pathologisch-anatomischer  Beob- 
achtungen und  Befunde.  Auch  spÀter  noch  waren  derartige 
literarische  Titel  beliebte  Mode.  So  lautet  die  Ueberschrift 
von  I.  P.  Franks  Doktordissertation,  die  er  im  Jahre  1766 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Doli.  Johann  Raptista  Morgagni. 


der  medizinischen  FakultĂ€t  in  Heidelberg  vorlegte,  „de  cunis 
infantum"  (cunae  =  die  Wiege).  Der  Inhalt  derselben  handelt 
„de  educatione  infantum  physica",  ist  also  eine  DiĂ€tetik  des 
ersten  Kindesalters.  Der  volle  Titel  des  Sepulchretums  lautet: 
Sepulchretum  sive  Anatomia  Practica  ex  Cadaveribus  Morbo 
Denatis  proponens  Historias  et  Observationes  Omnium  Hu- 
mani  Corporis  Affectuum,  ipsorumque  Causas  reconditÀs  re- 
velans  (reconditus  =  verborgen,  revelare  =  aufdecken). 

Der  Verfasser  Theophilus  Bonetus,  geb.  1620,  gest. 
1689,  der  als  Pfadfinder  des  topisch-pathologisch-anatomischcn 
Forschens  und  damit  als  VorlÀufer  Morgagnis  bezeichnet 
wird,  stammte  aus  einer  französisch-schweizerischen  Arzt- 
familie. Er  hatte  das  tragische  Schicksal,  an  Hydrophobie 
zu  sterben.  Die  erste  Ausgabe  seines  Sepulchretum  erschien 
in  Genf  im  Jahre  1673.  Mir  liegt  aus  der  Karlsruher  Landes- 
bibliothek eine  spÀter,  im  Jahre  1700  in  Lugdunum  (Lyon) 
bei  C  r  a  m  e  r  und  Perachon  gedruckte,  von  Joh.  Jak. 
Mangetus*)  vermehrte  und  verbesserte  Auflage  vor.  Es 
sind  zwei  dicke,  mit  mancherlei  kĂŒnstlerischem  Buchschmuck 
ausgestattete  FoliobÀnde.  Im  ersten  Band  findet  sich  vor. 
dem  Titelblatt  ein  Bildnis  des  Verfassers  in  Kupferstich.  Er 
ist  dargestellt  im  faltigen  Talar  des  Gelehrten  mit  mÀchtiger 
kunstvoll  gekrĂ€uselter  AllongeperĂŒcke.  Die  rechte  Hand  fĂŒhrt 
ĂŒber  einem  aufgeschlagenen  Buch  die  Schreibfeder,  die  linke 
hÀlt  ein  Stundenglas.  Durch  ein  halbgeöffnetes  Fenster,  das 
einen  Ausblick  auf  eine  Phantasielandschaft  gestattet,  schaut 
ein  menschliches  Gerippe  als  Sensenmann  herein. 

Das  Sepulchretum  enthÀlt  nur  wenige  Beobachtungen 
von  Bonetus  selbst.  Es  ist  in  der  Hauptsache  ein  Sam- 
melwerk, in  dem  das  dem  Verfasser  erreichbare,  seit  dem 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  publizierte  pathologisch-anato- 
mische Material  zusammengetragen  ist.  Als  Zeugnis  fĂŒr  den 
Fleiß  und  die  Belesenheit  des  Verfassers  sei  hervorgehoben, 
daß  das  Verzeichnis  der  zitierten  Autoren  470  Namen  an- 
fĂŒhrt und  daß  die  Gesamtzahl  der  Beobachtungen  (Observa- 
tiones) 2934  Nummern  umfaßt.  Von  einer  selbstĂ€ndigen  kri- 
tischen Betrachtung,  wie  wir  sie  bei  Morgagni  fanden, 
ist  hier  allerdings  weniger  zu  spĂŒren.  Ebenso  bringt  es  der 
Charakter  als  Sammelwerk  mit  sich,  daß  alter  Unsinn  und 
alter  Aberglauben  in  nicht  geringer  Menge  hier  zusammen- 
gehÀuft sind.  Interessant  sind  die  beiden  BÀnde  vor  allem 
aber  als  Dokumente  zeitgenössischer  Geistes-  und  Geschmacks- 
richtung. In  ihrer  antik-poetischen  Ausdrucksweise  und  ihren 
vielen  Beziehungen  zum  klassischen  Altertum  sind  sie  echte 
Kinder  ihrer  Zeit,  der  des  Humanismus  und  der  Renaissance. 
Es  war  die  Epoche,  die  auch  auf  naturwissenschaftlichem 
und  medizinischem  Gebiet  schon  manche  Fessel  mittelalter- 
licher Dogmatik  und  Scholastik  gesprengt  hatte. 

Auf  eine  etwas  schwĂŒlstige,  mit  allerhand  antik-klassi- 
schen AnfĂŒhrungen  gespickte  Vorrede  folgt  ein  merkwĂŒrdiges 
<apitel:  Monitoria  et  Hortatoria  Clarissimorum  Virorum.  Es 
;ind,  vielfach  in  ĂŒberschwĂ€nglichem  Stil  und  in  schwungvollen 
Zersen  abgefaßte  Dank-  und  Anerkennungsschreiben  hervor- 
ragender Fachgenossen,  denen  der  Verfasser  Probebogen  des 
Sepulchretum  ĂŒbersandt  hatte,  so  wie  der  moderne  Schrift- 
teller an  befreundete  Kollegen  Separat- AbzĂŒge  verschickt. 
Vus  der  verschiedensten  Herren  LĂ€nder  sind  diese  Dank- 
chreiben eingelaufen:   aus  Heidelberg,  Augsburg  (Augusta 
l'indelicorum),  Basel,  Paris,  Padua,  Mömpelgard  (Montbel- 
j  ardum),  London,  DĂ€nemark,  Lyon  (Lugdunum  Gallorum), 
j/letz  (Diviodunum),  Leyden  (Lugdunum  Batavorum)  Turin 
Augusta  Taurinorum),  Schaffhausen  (Scaphusium)  und  Frank- 
jrt.    Als  auch  heute  noch  bekannte  Verfasser  solcher  Dank- 
chreiben seien  nur  B  a  u  h  i  n  (Basel),  Bartholinus  (DĂ€- 
emark)  und  P  e  y  e  r  (Paris)  genannt.    Wir  haben  hier  wie- 
er  ein  Zeichen  fĂŒr  die  weitverzweigten  internationalen  Be- 
iehungen,  in  denen  die  damalige  Gelehrtenwelt  untereinander 
tand.  Wir  finden  dafĂŒr  den  bezeichnenden  Ausdruck  Res- 


*)  M  a  n  g  e  t  u  s  -  M  a  ng  e  t,  Jean  Jacques,  geb.  1652  in  Genf,  gest. 
>  Jahre  alt  1742.  Er  hatte  1678  in  Valence  (Dauphine)  promoviert  und 
bte  als  Arzt  in  Genf.  Er  ist  der  Verfasser  mehrerer  großer  Saminel- 
erke,  die  fast  alle  Zweige  der  Heilkunde  umfassen. 


publica  literaria,  Gelehrtenrepublik,  auch  Respublica  medica, 
Aerzterepublik  gebraucht.  Am  Kopf  dieses  Kapitels  findet 
sich  ein  merkwĂŒrdiges  Motto:  „rumpantur  ut  ilia  Codro". 
Es  ist  die  zweite  HĂ€lfte  eines  Hexameters,  offenbar  ein  Zitat. 
Woher,  konnte  ich  nicht  feststellen.  Möchten  dem  C  o  d  r  u  s 
die  GedĂ€rme  platzen  —  nĂ€mlich  aus  Neid.  C  o  d  r  u  s  war 
ein  schlechter  Dichter,  Neider  und  Verkleinerer  des  V  e  r  g  i  1. 
Bonetus  wĂŒnscht  also  damit  offenbar  in  verblĂŒmt-freund- 
licher Weise  allen,  die  ihm  den  Erfolg  seines  Werkes  miß- 
gönnen, daß  sie  vor  Neid  platzen  möchten. 

Auch  aus  dem  Sepulchretum  mögen  einige  ausgewÀhlte 
Beispiele  Schlaglichter  auf  den  Stand  und  den  Geist  der  da- 
maligen Medizin  werfen.  Die  44.  Observatio  handelt  unter 
der  symptomatischen  Sammelrubrik  vom  Bauchschmerz  (De 
ventris  dolore)  von  einer  Tubenschwangerschaft.  Der  Fall 
spielte  in  Paris  im  Mai  1638.  Seiner  Beschreibung  liegt  die 
Beobachtung  der  königlichen  LeibÀrzte  Petrus  S  e  g  u  i  n  u  s 
und  P.  Y  v  e  1  i  n  zu  Grunde.  Die  betreffende  Kranke  war 
die  LeibweißzeugwĂ€scherin  der  Königin  (lotrix  linteorum 
eubiculi  Reginae).  Sie  kam  bis  in  den  7.  Monat  der  Gravidi- 
tÀt, nachdem  sie  4  Monate  lang  von  Leibschmerzen  gequÀlt 
war.  Dr.  Y  v  e  1  i  n  wurde  gerufen,  als  sie  eines  Morgens 
von  den  heftigsten  KrÀmpfen  befallen  wurde.  Dieser  Arzt 
wußte  nichts  Besseres,  als  bei  der  in  VerblutungskrĂ€mpfen  lie- 
genden Patientin  einen  Aderlaß  anzuordnen,  damit  nicht,  wie 
er  sich  ausdrĂŒckt,  in  dem  plethorischen  Körper  durch  jene 
heftige  Anspannung  ein  GefĂ€ĂŸ  platzen  möchte.  Der  Aderlaß 
wurde  noch  aufgeschoben  bis  zur  Ankunft  des  gleichfalls 
gerufenen  Dr.  Seguinus.  Inzwischen  entzog  sich  aber 
die  Kranke  der  weiteren  Hilfe  der  Beiden  durch  schleunigen 
Tod.  Bei  der  Obduktion  fand  sich  in  der  Bauchhöhle  eine 
große  Menge  Blut.  Nachdem  dasselbe  mit  einem  Schwamm 
entfernt  war,  wurden  die  inneren  Genitalien  nachgesehen.  Die 
linke  Tube  prÀsentierte  sich  als  ungewöhnlich  ausgedehnt,  und 
als  dieselbe  eröffnet  war,  kam  ein  wohlausgebildeter,  mehr  wie 
2  Monate  alter,  in  einer  fleischigen  HĂŒlle  eingebetteter  Foetus 
zum  Vorschein.  Dieses  Wunder  (istud  prodigium)  wurde,  so 
heißt  es  zum  Schluß,  der  Königin  und  dem  ganzen  könig- 
lichen Hofstaat  vorgezeigt.  Die  Königin  war  die  Gemahlin 
Ludwigs  XIII.  geb.  Infantin  Anna  von  Oesterreich.  Sie  be- 
fand sich  damals,  wie  leicht  festzustellen,  selbst  etwa  im  5. 
Schwangerschaftsmonat,  denn  der  Dauphin,  der  spÀtere  Lud- 
wig XIV.  ist  am  5.  September  1638  geboren. 

Wie  aus  Webster:  „Ektopische  Schwangerschaft"  (Edin- 
burgh) zu  entnehmen  ist,  wurde  im  Jahre  1604  erstmals  eine 
einwandfreie  TubargraviditÀt  beobachtet.  Sie  ist  beschrie- 
ben von  Joh.  R  i  o  1  a  n  u  s  in  seiner  Anthropographia  und 
Osteologia,  Paris  1626.  Riolanus,  geb.  1580,  gest.  1657, 
war  Professor  der  Anatomie  und  der  Botanik  in  Paris.  Er 
hat  sich  dadurch  einen  wenig  rĂŒhmlichen  Namen  gemacht,  daß 
er  die  Lehre  vom  Blutkreislauf,  welche  Harvey  (geb.  1578, 
gest.  1657)  in  seiner  1628  erschienenen  Schrift:  Exercitatio 
anatomica  de  motu  cordis  et  sanguinis  in  animalibus  nieder- 
gelegt hatte,  heftig  bekÀmpfte.  Als  Curiosum  ist  von  ihm 
noch  zu  erwĂ€hnen,  daß  er  zweimal,  in  den  Jahren  1641  und 
1642,  durch  Sectio  alta  an  Blasensteinen  mit  GlĂŒck  operiert 
wurde. 

Im  dritten  Buch,  Sectio  XXI,  §  24  wird  die  Krankenge- 
schichte des  KurfĂŒrsten  Friedrich  III.,  genannt  der  Fromme 
von  der  Pfalz  und  bei  Rhein  aus  dem  Hause  Pfalz-Simmern 
(Regierungszeit  1559—1576),  des  Nachfolgers  Ott'  Heinrichs, 
gegeben  Aus  den  gut  beobachteten  und  anschaulich  beschrie- 
benen Einzelheiten  ist  zu  entnehmen,  daß  der  reichlich  kor- 
pulente, 62jĂ€hrige  KurfĂŒrst  an  einem  Herzleiden  mit  asthma- 
tischen Beschwerden,  mit  unregelmĂ€ĂŸigem  und  ungleichem 
Puls,  schließlich  mit  Hydrops  anasarca  und  Ascites  gestorben 
ist.  Aus  dem  Sektionsbericht  ist  Folgendes  von  Interesse: 
„Das  Herz  enthielt  in  seinen  beiden  Höhlen  eine  lĂ€nglich- 
runde weiche,  weißgelbliche  zĂ€h-biegsame,  erwĂ€rmtem  Kno- 
chenmark Àhnliche  Masse.   Von  der  Dicke  eines  Fingers,  war 


*)  Deutsch  von  Eiermann,  Berlin  1896. 


<uo 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


sie,  mit  einigen  AnhÀngseln  versehen,  im  rechten  Herzen  7 
(Quer)  Finger  lang,  im  linken  wesentlich  kĂŒrzer.  Es  ist  sehr 
wahrscheinlich,  daß  die  an  diesen  Stellen  enthaltene  Substanz 
die  Ursache  war  der  ungleichen,  ungeordneten  und  aussetzen- 
den Pulse,  vielleicht  auch  des  Herzklopfens,  das  ihn  hÀufig 
quĂ€lte."  Wir  haben  hier  also  wieder  die  alte  irrtĂŒmliche 
Auffassung  von  der  Bedeutung  der  agonal  und  postmortal  ent- 
standenen Fibringerinnsel  im  Herzen. 

Der  §  10  des  4.  Buches,  Sectio  X  gibt  eine  mÀrchenhafte 
Geschichte:  ,,Als  in  Benivent  viele  Menschen  an  einer  unbe- 
kannten Krankheit  starben,  sezierten  endlich  die  Aerzte  eines 
der  Opfer.  In  seinem  Gehirn  fanden  sie  einen  kurzen  brom- 
beerfarbenen  Wurm,  den  sie  mit  den  verschiedensten  wurm- 
tötenden Mitteln  nicht  umbringen  konnten.  Schließlich 
kochten  sie  RettichstĂŒcke  in  Malvenwein,  wodurch  der  Wurm 
abstarb.  Und  mit  diesem  selben  Mittel  heilten  sie  dann  alle 
an  dieser  Epidemie  Erkrankten."  Eingebildete  und  wirkliche 
WĂŒrmer  spielten  ja  in  der  alten  Pathologie  eire  hervorragende 
Rolle. 

Tabakrauchen  und  Schnupfen  war  damals  schon  sehr 
im  Schwange.  Offenbar  um  die  SchÀdlichkeit  dieses  Lasters 
darzutun,  wurden  nun  höchst  phantasievoĂŒe  und  abenteuer- 
liche Sektionsbefunde  bei  Rauchern  und  Schnupfern  (Tabaci 
sugi  und  Tabaci  pulverem  per  nares"  attrahentes)  erhoben. 
Zunge,  Luftröhre  und  Arterien  waren  von  Ruß  schwarz  ge- 
fÀrbt, das  Gehirn  ausgetrocknet  und  zusammengeschrumpft, 
ein  ander  Mal  wird  es  als  russig  schwarz  bezeichnet  (Lib.  IV. 
Sect.  XL  Observ.  L).  Es  kann  hier  nachgeholt  werden,  daß 
Morgagni  (Epist.  I,  8,  9  und  15)  die  Möglichkeit,  es  könne 
Tabakrauch  oder  Schnupftabak  in  die  SchÀdelhöhle  gelangen, 
aus  frĂŒher  erwĂ€hnten  GrĂŒnden  lebhaft  bestreitet. 

Von  besonderem  Interesse  sind  im  4.  Buch  von  B  o  n  e  t  s 
Sepulchretum  niedergelegte  Berichte  ĂŒber  Vergiftungen,  so 
z.  B.  durch  Vipernbiß  und  mit  Schierlingswurzel  (Conium 
maculatum  s.  Cicuta  aquatica  und  terrestris).  Die  Observatio 
III.  lib.  IV.  Sectio  X.  gibt  die  eingehende  und  genaue 
Schilderung  einer  Schierlingsvergiftung  bei  sieben  Kindern, 
die  auf  einer  Wiese  von  der  Wurzel  genossen  hatten.  Zwei 
davon  erlagen  der  Vergiftung.  Im  Anschluß  daran  wird  ĂŒber 
toxikologische  Versuche  berichtet.  Diese  Versuche  an  Tieren, 
-  zum  Teil  sind  es  Vivisektionen  -  -  ĂŒber  die  ausfĂŒhrliche 
Protokolle  wiedergegeben  sind,  erstrecken  sich  auf  Schlangen- 
(Vipern)gift,  Schierlingsgift  (Ccnium  maculatum),  Aconit 
(Aconitum  Napellus,  Eisenhut),  sog.  Kokkelskörner  (von  Me- 
nispermum  cocculus,  Kckkulin-Pikrotoxin),  Nux  vomica 
(Strychnin),  Veratrum  album  (weiße  Nießwurz-Veratrin),  bit- 
tern Mandeln  (BlausÀure),  Nikotin,  endlich  auf  anorganische 
Gifte  wie  Antimon,  Arsenik,  Quecksilber  und  manches  andere. 
Als  Versuchstiere  wurden  benutzt  Hunde,  Wölfe,  Katzen,  Tau- 
ben, Störche,  Frösche,  Schlangen,  Eidechsen  und  Schnecken, 
Kaninchen  und  Meerschweinchen,  so  weit  ich  feststellen 
konnte,  noch  nicht. 

Ein  im  Sepulchretum  hÀufig  zitierter  GewÀhrsmann  ist 
Job.  Jak.  W  e  p  f  e  r.  Er  ist  nicht  Kompilator  wie  B  o  n  e  t , 
sondern  eine  durchaus  selbstÀndige  und  originelle  Persönlich- 
keit. Er  ist  geboren  in  Sehaffhausen  (Scaphusium)  in  der 
Schweiz  i.  J.  1020.  Er  studierte  8  Jahre  lang  in  Basel  und  in 
Stoßburg  und  hielt  sich  dann  noch  2  Jahre  an  italienischen  Uni- 
versitÀten auf.  Zum  Doktor  der  Medizin  promovierte  er  in 
Basel  im  Jahre  1047  und  fand  dann  Anstellung  als  Stadt- 
physikus  in  seiner  Vaterstadt.  Er  blieb  derselben  auch  treu 
bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  1005.  Neben  seiner  amtlichen 
TĂ€tigkeit  ĂŒbte  er  eine  ausgedehnte  Ă€rztliche  Praxis  aus  und  war 
namentlich  als  gewiegter  Diagnostiker  weit  und  breit  ge- 
schĂ€tzt. Er  legte  großen  Wert  auf  DiĂ€tvorschriften  und  war 
ein  Apostel  der  MĂ€ĂŸigkeit  gegenĂŒber  den  Freuden  der  Ta- 
fel, denen  ja  in  jener  Zeit  ausgiebig  gehuldigt  wurde.  Merk- 
wĂŒrdigerweise wird  auch  von  ihm  wie  von  Morgagni 
berichtet,  daß  er  an  sich  selbst  niemals  efrwn  Aderlaß  vor- 
nehmen ließ.  Noch  als  71jĂ€hriger  (im  Jahre  1691)  unterzog 
er  sich  den  Beschwernissen  einer  Reise  zum  Herzog  Karl 
Friedrich  von  WĂŒrttemberg,  den  er  an  einer  schweren  Krank- 
!  eit  erfolgreich  behandelte.    Auch  wurde  sein  Rat  und  seine 


Hilfe  in  Anspruch  genommen  bei  einer  schweren  Fieberepide- 
mie, von  der  die  Truppen  des  Kaisers  Leopold  ergriffen  waren. 
Diesen  Strapazen  war  der  alternde  Mann  nicht  mehr  ge- 
wachsen. Er  kehrte  als  Kranker  in  seine  Heimat  zurĂŒck.  Er 
litt  schwer  an  Atembeschwerden  und  an  wassersĂŒchtigen  An- 
schwellungen und  stellte  an  sich  selbst  die  Diagnose  auf  Ver- 
kalkung der  Aorta.  Einer  letztwilligen  Bestimmung  ent- 
sprechend wurde  die  Sektion  seiner  Leiche  vorgenommen. 
Seine  Diagnose  fand  sich  bestÀtigt. 

Die  vorstehenden  Daten  aus  seiner  Lebens-  und  Krank- 
heilsgeschichte sind  entnommen  seiner  Lebensbeschreibung, 
die  seinen  ,  Observationes  medicc-practicae  de  affectibus  Ca-1 
pitis  internis  et  externis"  rrit  der  Ueberschrift  „Merroria 
Wepferiana"  vorangestellt  ist.  Diese  Observationes  sind  nach 
ra'hgelassenen  Schriften  W  e  p  f  e  r  s,  darunter  auch  brief- 
liche Konsultationen,  im  Jahre  1720  von  seinen  beiden  En- 
keln, die  gleichfalls  Aerzte  waren,  Bernhard  und  Georg  Mi- 
chael Wepfer,  herausgegeben.  Diese  Memoria  Wepferiana 
enthÀlt  auch  eine  Abbildung  von  W  e  p  f  e  r  s  Aorta,  auf  der 
zahlreiche  und  ausgedehnte  Kalkeinl?gerungen  und  Atherom- 
geschwĂŒre  zu  sehen  sind.  Von  den  letzteren  sagt  die  dabei 
stehende  Besch reibuntr,  daß  sie  „non  citra  ruptionis  peri- 
( ulum"  gewesen  seien  —  daß  ihre  Ruptur  gedroht  habe.  Auch 
W  e  p  f  e  r  s  Bildnis  fehlt  hier  nichi.  Es  ist  ein  ausdrucksvolles 
Gesicht  mit  Vollbart  und  mÀchtigem  kahlem  SchÀdel  ohne 
PerĂŒ'ke,  das  den  Eindruck  großer  PortrĂ€tĂ€hnlichkeit  macht, 
im  Gegensatz  zu  den  frĂŒher  erwĂ€hnten  Bildnissen  von  M  o  r- 
"  a  p  n  i  und  B  o  n  e  t,  die  glattrasierte  Gesichter  unter  mÀch- 
tigen kĂŒnstlichen  LockengebĂ€uden  zeigen.  ErwĂ€hnenswert 
ist  noch  eine  feingestochene  Vignette  auf  dem  Titelblatt  der 
Observationes  als  der  Ausdruck  damaligen  poetisch-symboli-^ 
sierenden  Gesclurackes.  Sie  trÀgi  als  Ueberschrift  die  Worte: 
Concordia  cordis  et  oris  —  Uebereinstimmung  von  Herz  und 
Mund,  und  unten  folgendes  Distichon: 

Persea  fert  cordis  fruetus,  folia  aemula  linguae 

O  tttinÀm  in  cunetis  haec  bene  juneta  forent. 

Der  Pfirsich  trĂ€gt  FrĂŒchte  Ă€hnlich  dem  Herzen  und 

BlÀtter,  Àhnlich  der  Zum  e 
O  daß  doch  in  allen  Dingen  diese  beiden  wohl  vereint 

sein  möchten. 

In  der  Mitte  ist  ein  Bauin  abgebildet,  der  an  einem  Ast 
eine  Pfirsichfrucht  und  ein  ebensolches  Blatt  trÀgt.  Darunter 
eine  Schale  mit  denselben  GegenstĂ€nden  angefĂŒllt,  im  Hinter- 
grund eine  bergre  Landschaft. 

Ein  Anhang  enthÀlt  eine  kleine  interessante  Sammlung 
von  Rezepten.  Irn  Vergleich  mit  der  darraligen  ist  unsere 
heutige  Rezeptur  ein  recht  kĂŒmmerliches  GewĂ€chs.  FĂŒr  die 
UmstÀndlichkeit  unserer  Àrztlichen  Vorfahren  in  diesem  Punkt 
diene  als  Beispiel  eine  Vorschrift  fĂŒr  AbfĂŒhrpillen,  die  neben 
Aloe  und  Rhabarber  noch  28  andere  Ingredienzien  anfĂŒhrt. 

Mehr  noch  wie  auf  den  obigen  Observationes  beruht 
W  e  p  f  e  r  s  wissenschaftliche  Bedeutung  auf  einem  kleinen 
Werkchen,  das  er  im  Jahre  1058  herausgab.  Dieses  wie  das 
vorhergehende  war  mir  aus  der  Karlsruher  Landesbibli'  thek 
zugÀnglich.  Sein  Titel  lautet:  Observationes  anatomicae  ex 
tadaveribus  eorum,  quos  sustulit  Apoplexia,  cum  exercitatione 
de  ejus  loco  affecto.  Das  Werkchen  enthÀlt  sehr  gute  Unter- 
suchungen ĂŒber  den  Bau  des  Gehirns,  insbesondere  auch  ĂŒher 
die  Verteilung  seines  GefĂ€ĂŸsystems.  Die  Krankengeschichten 
zeichnen  sich  durch  große  Anschaulichkeit,  die  Gehirnsektio- 
nen durch  große  Genauigkeit  aus.  Die  Gehirnzysten  hat 
Wepfer  als  Residuen  frĂŒherer  Blutungen  richtig  erkannt. 
Die  Blutung  aus  dem  Ohr  wĂŒrdigt  er  als  Syrrptom  der  SchĂ€- 
delbasisfraktur. Die  Lockerung  der  SchÀdelnÀhte  und  das 
Einsinken  der  großen  Fontanelle  als  Signum  mali  ominis  bei 
SĂ€uglingen  ist  ihm  bekannt.  Schließlich  noch  eine  KuriositĂ€t: 
Wepfer  erwÀhnt  eine  von  den  TierÀrzten  in  der  Schwei/ 
geĂŒbte  Methode,  um  Zystizerken  im  Gehirn  von  Schafen  nach- 
zuweisen. Sie  bestand  in  der  Perkussion  des  SchÀdels  mit 
einem  Hammer. 

Auch  auf  dem  Gebiet  der  experimentellen  Toxikologie  hat 
sich  Wepfer  hervorragend  betĂ€tigt.    Versuche  ĂŒber  das 


Doli,  Johann  Baptiste  Morgagni. 


MI 


10.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Schierlingsgift  sind  niedergelegt  in  seiner  Schrift:  Cicutae 
aqnaticae  historia  et  noxae.  Dieselbe  ist  abgedruckt  im  Se- 
pulchretum  Lib.  IV,  Sect.  X,  Obsery.  III.  Außerdem  hat  er 
noch  Mitteilungen  aus  der  Botanik,  Zoologie  und  Chemie  her- 
aus« egeben. 

Als  vierter  und  Ă€ltester  möge  nun  noch  ein  sĂŒddeutscher 
1  andsmann,  Johannes  Schenck,  den  Reigen  beschließen, 
nachdem  wir  uns  seither  mit  einem  Italiener  und  zwei  Schwei- 
zern beschĂ€ftigt  haben.  Es  gibt  ĂŒber  ihn  eine  historisch-me- 
dizinische Skizze  von  Dr.  Rudolf  M  a  i  e  r  ,  Professor  der  all- 
gemeinen Pathologie,  pathologischen  Anatomie  und  der 
Staatsarzneikunde  und  damaligem  Prorektor  der  Albert-Lud- 
wigs-UniversitÀt  Freiburg  i.  Br.  vom  Jahre  1878.  Die  Ab- 
handlung ist  enthalten  in  dem  Programm  zur  Feier  des  Ge 
burtsfestes  des  Großherzogs  Friedrich  I.  von  Baden.  Johann 
Schenck  von  Grafenberg,  ist  geboren  im  Jahre  1531. 
Von  Grafenberg  ist  nicht  etwa  eine  Adelsbezeichnung,  son- 
dern gibt  seinen  Geburtsort  an.  Grafenberg  ist  ein  kleines 
StĂ€dtchen  im  wĂŒrttembergischen  Oberamt  NĂŒrtingen.  Seine 
Studien  machte  Schenck  in  TĂŒbingen  und  wurde  dort 
Laureatus  im  Jahre  1555.  Nach  absolvierten  Studien  prak- 
tizierte er  in  Straßburg,  bis  ihm  nach  etwa  5  Jahren  die  Stelle 
als  erster  Stadtarzt  und  Physikus  in  Freiburg  im  Breisgau 
ĂŒbertragen  wurde.  In  dieser  Stellung  verblieb  er  bis  zu 
seinem  im  Jahre  1598  erfolgten  Tod.  Schenck  hatte  meh- 
rere Söhne  (wie  viele  ist  nicht  bekannt),  von  denen  ein  Teil 
den  Beruf  des  Vaters  ergriff.  Der  Àlteste  derselben,  Johann 
Georg,  ist  nÀchst  de  n  Vater  am  meisten  bekannt  geworden. 
Er  gab  neben  eigener  schriftstellerischer  TĂ€tigkeit  die  Werke 
seines  Vaters  heraus,  sowohl  die  schon  edierten  als  auch  Viele, 
die  beim  Tode  des  Vaters  als  Manuskripte  vorhanden  waren. 

Schenck  genoß  als  tĂŒchtiger  Arzt  und  als  Gelehrter 
und  Schriftsteller  großes   Ansehen.      Um  seine  MitbĂŒrger 
machte  er  sich  hervorragend  verdient  wÀhrend  der  schweren 
Pestepidemien,  die  Freiburg  in  den  Jahren  1564,  76,  83,  92 
und  94  heimsuchten.    Seine  Grabschrift  nimmt  darauf  Bezug 
in  dem  Distichon: 
^     Pestiferos  morbos  sanavit  Schenckius,  ingens 
arti  asclepiadum  sie  tulit  auetor  opem. 
Er  entwickelte  einen  unermĂŒdlichen  Sammeleifer  und 
war  von  einer  ungewöhnlichen  Belesenheit  und  I  iteratur- 
kenntnis.   Sein  Sohn  nennt  ihn  einen  librorum  heluo  et  magna 
bibliotheka  -    Schwelger  in  BĂŒchern  und  große  Bibliothek. 
Schenck  besaß  eine  Sammlung  wertvoller  Manuskripte 
alter  und  Àlterer  medizinischer  Schriftsteller,  darunter  auch 
7  arabische  Handschriften. 

Der  volle  Titel  seines  Hauptwerkes  lautet:  Observatio- 
num  iredicafĂŒm,  rararum,     novarum,  admirabilium  et  mon- 
strosarum  volumen.    Es  kann  kurz  bezeichnet  werden  als 
eine  Zusammenstellung  Her  wichtigsten  seit  H  i  p  p  o  k  r  a  - 
tes  veröffentlichten  Beobachtungen  ĂŒber  die  Krankheiten  der 
einzelnen  Körperteile.    HinzugefĂŒgt  sind  viele  eigene  Beob- 
achtungen und  solche  befreundeter  Aerzte.    Dabei  ist  den  pa- 
thologisch-anatomischen Befunden  besondere  Aufmerksamkeit 
gewidmet.    Also  ein  weitgestecktes  Programm!    Dem  ent- 
spricht auch  der  Umfang  des  Werkes.    In  der  mir  aus  der 
Karlsruher  I  andesbibliothek  zur  VerfĂŒgung  stehenden  Aus- 
gabe aus  den  Jahren  1589  bis  1597  umfaßt  es  7  OktavbĂ€nde. 
Es  ist  eingeteilt  in  6  BĂŒcher,  von  denen  das  dritte  2  BĂ€nde 
fĂŒllt.    Das  erste  Buch  handelt  vom  Kopf  des  Menschen,  das 
I  zweite  von  den  im  Thorax  enthaltenen  Organen,    das  dritte 
1  in  seinem  ersten  Teil  von  den  der  ErnÀhrung  dienenden  Or- 
j  ganen  des  Unterleibes,  in  seinem  zweiten  von  Leber,  Milz, 
I  Nieren  und  Harnblase,  das  vierte  Puch  von  den  mÀnnlichen 
B  Ă€nd  weiblichen  Geschlechtsorganen,  das  fĂŒnfte  von  den  Ă€uße- 
Ijfen  Teilen  (Gliedmaßen,  I  laut,  GeschwĂŒlste,  Wunden,  Kno- 
I  glicnbrĂŒche),  und  das  sechste  ĂŒber  die  Fieber,  epidemische, 
I  pestartige  und  ansteckende  Krankheiten.    Die  spÀteren  Aus- 
I  gaben  enthalten  noch  ein  7.  Buch  de  venenis      ĂŒber  Vergif- 
|  hingen.    Als  GewĂ€hrsmĂ€nner  sind  ĂŒber  500  Autoren  zitiert. 
I  In  dem  jedem  Buch  vorangestellten  Catalcgus  Autorum  wer- 
I  den  sie  eingeteilt  in  Griechen,  Römer  (Latini  veteres),  Araber, 
iiatinobarbaren,  JĂŒngere  (Recentiores)  und  Gemischte  (Mixti). 


Das  aus  diesen  Quellen  Geschöpfte  wird  grĂ¶ĂŸtenteils 
kritiklos  wiedergegeben  und  so  kann  es  uns  nicht  wundern, 
wenn  eine  Menge  von  Unsinn,  Aberglauben  und  Altweiberge- 
schichten da  kunterbunt  aufgetischt  werden.  Als  Kind  seiner 
Zeit  steht  Schenck  noch  auf  dem  Boden  der  durch  Ga- 
1  e  n  ausgearbeiteten  Humoralpathologie.  Seine  biologische 
Auffassung  bewegt  sich  im  Sinne  des  sog.  Animismus.  So 
sagt  er  in  der  Vorrede  zum  ersten  Buch  (de  capite  humano): 
Est  enim  in  capite  rationalis  animae  sedes,  juxta  Piatonis  et 
Caleni  sent  entiam,  qua  intellectus,  cognitio,  sensus  motusque 
continentur,  quorum  ope  universa  corporis  nostri  respublica 
gubernatur.  Andererseits  findet  sich  wieder  manche  ĂŒber- 
raschend gute  Beobachtung  und  ErklÀrung.  So  werden  in 
Observ.  54  und  55  nach  P  a  r  e  u  s  (Ambroise  Pare,  geb. 
1510,  gest.  1590,  der  „Vater  der  modernen  Chirurgie")  Bei- 
spiele von  sog.  Gegenfissuren  bei  SchÀdelverletzungen  ge- 
bracht, ferner  in  den  Observ.  55 — 57  solche  von  Bruch  und 
Fissur  der  lamina  interna  eines  SchÀdelknochens  bei  unver- 
sehrter Ă€ußerer  Lamelle.. 

Aus  eigener  Beobachtung  und  narh  der  von  Dona- 
t  h  s*)  beschreibt  Schenck  (Lib.  III,  Obs.  97)  sehr  anschau- 
lich zwei  FĂ€lle  von  E^pyema  necessitatis,  die  zur  Heilung 
kamen.  Im  zweiten  Fall  wurde  die  spontane  AbszeĂŸĂ¶ffnung 
erweitert  und  durch  Einlegen  einer  silbernen  KanĂŒle  offen  ge- 
halten. Nach  Versiegen  der  Eiterun?  —  auch  Medikamente 
waren  durch  die  Oeffnung  eingespritzt  worden  —  wurde  die 
KanĂŒle  weggelassen  und  die  Oeffnung  schloß  sich  von  selbst. 
Die  in  solchen  FĂ€llen,  namentlich  bei  iutrendlichen  Personen 
sehr  rasche  und  völlige  Erholung  ist  mit  den  folgenden  prÀg- 
nanten Worten  wiedergegeben:  puer  impinguatus.  pristinnam 
sanitatem  non  solum  reeepit.  sed  et  habitum  r-  eliorem  adeptus 
est  -  -  der  Knabe  wurde  dirk  und  rund  und  gewann  nicht 
a"ein  seine  frĂŒhere  Gesundheit  wieder,  sondern  erlanrte  eine 
bessere  körperliche  Beschaffenheit. 

Obs.  XU.  im  3.  Buch,  erste  Abteilung  belehrt  uns,  daß 
man  der  Unwegsan-keit  der  Speiseröhre  damals  sr'hon  durch 
EinfĂŒhren  eines  Rohres  (Schlundsonde)  zu  begegnen  wußte 
und  daß  man  flĂŒssire  Nahrungsmittel  durch  dasselbe  eingoß. 
Aus  den  Obs.  15  und  17  desselben  Buches  erfahren  wir,  daß 
NÀhrklystiere  bei  UnfÀhigkeit  zu  schlucken  von  alters  her 
im  Gebrauch  waren.  Man  benutzte  dazu  Milch  mit  Eigelb 
oder  Eier  in  Wein  gekocht.  .  Daß  man  sich  dieser  Methode 
als  eines  nur  fĂŒr  beschrĂ€nkte'  Zeit  ausreichenden  Notbehelfes 
bewußt  war.  beweist  folgender  Schlußsatz:  Habemus  ergo, 
cum  gula  est  obturata,  modum  ut  homo  servetur,  etia*rsi  per 
aliquod  dies  deglutire  non  possit  —  Wir  haben  also,  wenn 
der  Schlund  verschlossen  ist,  ein  Verfahren,  den  Menschen  zu 
erhalten,  auch  wenn  er  einige  Ta<'e  nicht  schlucken  kann.  Es 
wird  noch  erwĂ€hnt,  daß  dieses  Verfahren  schon  dem  Cor- 
nelius C  e  1  s  ii  &**),  ferner  dem  frĂŒher  schon  erwĂ€hnten  arabi- 
schen Arzt  Abinzoar  und  den  Mauritanischen  Aerzten  be- 
kannt gewesen  sei. 

In  der  Obs.  102  desselben  Buches  schildert  Ba  u  hin***) 
kurz  und  treffend  eine  Perforationsperitonitis,  die  er  im 
Jahre  1566  beobachtete:  „Die  18  Jahre  alte  Frau  eines  Arztes, 
noch  hie  menstruiert,  Hie  viele  Monate  zuvor  an  Quartan- 
fieber  erkrankt  gewesen  war,  hatte  eine  große  Milz.  Der  Leib 
schwoll  ihr  etwas  an  wenn  sie  auch  ĂŒber  nichts  zu  klagen 
hatte,  so  daß  es  zweifelhaft  war,  ob  sie  schwanger  sei.  Am 

*)  Donatus  Marcellus,  Leibarzt  des  FĂŒrsten  von  Mautua,  lebte 
in  der  zweiten  HĂ€lfte  des  16.  Jahrhunderts.  Sein  Hauptwerk  „de  me- 
diana historia"  (158b)  ist  bemerkenswert  durch  eine  darin  enthaltene 
begeisterte  Lobrede  auf  den  Wert  der  Leichenöffnungen. 

Cornelius  Cel  su  s  lebte  in  Rom  um  die  Zeil  von  Christi  Ce- 
burt.  Er  ist  der  Verfasser  des  berĂŒhmtesten  medizinischen  Werkes  de" 
römischen  Literatur  in  7  BÀnden.' 

***)  Caspar  B  a  u  h  i  n.  geb.  1560,  gest.  1624,  ist  das  bekannteste 
Glied  einer  Basier  Ae'\zte-  und  Naturfor'scherfamĂŒe  von  6  Oenerat'onen. 
Im  Jahr  '57Q,  a'so  10  Jahre  alt,  fand  und  beschrieb  er  die  nach  ihm  be- 
nannt? Iliocoecalklappe.  Er  war  Professor  der  Anatomie  und  Botanik 
in  Basel  und  sein  Verdienst  auf  ersterem  Gebiet  beruht  vor  allem  in  der 
EinfĂŒhrung  eine  -  zweckmĂ€ĂŸigeren  Nomenklatur  besonders  bei  den  Mus- 
keln, die  zum  Teil  heule  noch  im  Gebrauch  ist.  Er  wÀhlte  deren  Be- 
nennungen weniger  nach  ihrer  Funktion  als  nach  ihrem  Ursprung  und 
Ansatz. 


042 


Doli,  Johann  Baptiste  Morgagni. 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


25  Oktober  befiel  sie  ein  heftiger  Schmerz  am  linken  Schul- 
terblatt, sie  konnte  sich  kaum  bewegen,  fieberte,  klagte  ĂŒber 
Schmerzen  in  den  Hypochondrien,  besonders  links,  bekam  Er- 
brechen und  Aufstoßen,  der  Leib  schwoll  mĂ€chtig  an,  es  stellte 
sich  plötzlich  Atemnot  ein,  bisweilen  knirschte  sie  (?)  mit  den 
ZĂ€hnen  (dentibus  stridebat),  die  Weichen  waren  schmerzhaft, 
sie  verlangte  nach  GetrÀnke,  das  sie  selten  verschmÀhte.  Die 
KrĂ€fte  gingen  rasch  zurĂŒck  und  sie  starb  in  der  FrĂŒhe  des  29., 
stets  bei  klarem  Bewußtsein.  Bei  der  Leichenöffnung  fand 
sich  in  der  Bauchhöhle  viel  mit  Speiseresten  vermischte  FlĂŒs- 
sigkeit und  in  der  Magenwand  eine  fingerdicke  Oeffnung  an 
seinem  mittleren  Teil,  nach  dem  Fundus  zu,  wo  sich  das  Epi- 
ploon  mit  dem  Magen  verbindet  auf  der  linken  Seite  nach  dem 
Kolon  zu.  Das  Epiploon,  die  dritte  Haut  des  Magens  (ven- 
triculi  tunica  tertia  —  damit  dĂŒrfte  der  PeritonealĂŒberzug  ge- 
meint sein),  die  Haut  der  Leber  (hepatis  tunica  —  deren  Peri- 
tonealĂŒberzug) und  das  ligamentum  suspendens  waren  eitrig. 

In  den  Obs.  142—155  wird  drc  Ruhr  (Dysenteria)  abge- 
handelt. Der  Abgang  von  membranösen  Massen  mit  Blut 
und  Eiter  und  der  charakteristische  Tenesmus  waren  wohl  be- 
kannt, ebenso  der  nicht  seltene  Ausgang  in  chronische  Colitis. 
Die  VerÀnderungen  der  Darmschleimhaut  durch  tiefgehende 
GeschwĂŒrsbildungen  waren  durch  Sektionen  festgestellt. 

Bei  einer  in  Obs.  92  (Lib.  III.,  Sekt.  2)  wiedergegebenen 
Leichenöffnung  fand  sich  eine  fast  die  ganze  Bauchhöhle  aus- 
fĂŒllende Milz  von  23  Pfund  Gewicht  und  eine  11  Pfund 
schwere  vergrĂ¶ĂŸerte  Leber.  Da  dabei  auch  das  Blut  auf- 
fallend hellweißlich  (subalbidus)  befunden  wurde,  dĂŒrfte  der 
Fall  unschwer  als  LeukÀmie  zu  deuten  sein. 

Besonders  eingehend  wird  in  den  Obs.  268 — 292  das 
Blasensteinleiden  behandelt,  das  damals  ungewöhnlich  hÀu- 
fig gewesen  zu  sein  scheint.  Ueber  die  mögliche  Entstehung 
der  Blasensteine  aus  herabgewanderten  Nierenkonkrementen 
war  man  sich  völlig  klar,  auch  der  hÀufig  schichtweise  Auf- 
bau der  Steine  blieb  nicht  unbeachtet. 

Als  chirurgische  Eingriffe  wurden  der  Dammschnitt,  der 
Bauchschnitt  und  die  Extraktion  nach  intravesikaler  ZertrĂŒm- 
merung, letztere  vorzugsweise  bei  Frauen,  geĂŒbt.  Von  uner- 
wĂŒnschten Operationsfolgen  werden  die  Inkontinenz  und  die 
Urinfistel  erwÀhnt.  Mehrfach  wird  von  Steinen  berichtet,  die 
in  eine  Haut  eingeschlossen  gewesen  seien  und  sich  dadurch 
dem  Nachweis  durch  den  Katheter  entzogen.  Es  dĂŒrfte  sich 
dabei  um  Divertikelsteine  gehandelt  haben.  Leiden  und  Tod 
durch  Blasensteine  wird  als  das  qualvollste  bezeichnet,  was 
einem  Menschen  zustoßen  könne. 

Mehrere  der  hierhergehörigen  Krankengeschichten  und 
Sektionsbefunde  beziehen  sich  auf  hervorragende  Persönlich- 
keiten. Bekanntlich  litt  auch  Martin  Luther  an  schweren 
Steinbeschwerden  (Nierenkoliken).  So  fand  sich  bei  dem  am 
5.  Mai  1525  verstorbenen  (geb.  1463)  Friedrich  III.,  dem 
Weisen,  KurfĂŒrsten  von  Sachsen,  ein  ungewöhnlich  großer 
Blasenstein  neben  einem  großen  Konkrement  im  rechten  Nie- 
renbecken, der  mit  einem  spitzen  Fortsatz  in  den  Blasenhals 
hineinragte.  Der  Bericht  stammt  von  seinem  Chirurgus  Joh. 
T  r  a  u  t  m  a  n  n.  Bei  dem  Bruder  (Albertus)  des  Hierony- 
mus Savonarola*)  fanden  sich  10  taubeneigroße  Blasen- 
steine. Sie  wurden  in  Gold  gefaßt  als  perpetuum  monumen- 
tum  aufbewahrt,  und  es  wird  von  ihnen  hervorgehoben,  daß 
sie,  auf  den  Boden  geworfen,  wie  BĂ€lle  zurĂŒckgesprungen 
seien.  Es  dĂŒrften  also  harte  Oxalatsteine  gewesen  sein. 

Aus  eigener  Beobachtung  berichtet  S  c  h  e  n  c  k  ĂŒber 
Philipp  Engelbrecht  von  Engen  (im  badischen  Hegau) 
Philippus  Engelbrechtus  Engentinus.  E  mg  e  1  b  r  e  c  h  t 
war  Magister  der  freien  KĂŒnste  in  Wittenberg  —  poeta  sui 
temporis  celeberrimus  — ,  wie  ihn  S  c  h  e  n  c  k  nennt,  und  kam 
von  dort  als  Nachfolger  Caspar  B  a  1  d  u  n  g  s  nach  Freiburg. 
Er  war  ein  eifriger  AnhÀnger  und  Förderer  der  Reformation. 
Im  Jahre  1528  mußte  er  sich  in  Straßburg  dem  Steinschnitt 
unterziehen.  Dabei  fand  sich  ein  mehr  wie  4  Unzen  schwerer, 


*)  Savonarola,  Girolamo,  geb.  1452  zu  Ferrara,  Dominikaner- 
mönch und  Bußprediger,  VorlĂ€ufer  der  Reformation,  im  Jahre  1492  in 
Florenz  als  Ketzer  verbrannt. 


glatter  und  harter  Blasenstein  von  ungewöhnlicher  Gestalt. 
Seine  Entfernung  gelang  bei  der  Operation  nicht  und  der 
Kranke  starb  bald  danach.  Seine  in  lateinischen  Distichen  ab- 
gefaßten Grabschriften  im  Chor  der  Marienkirche  zu  Kilch- 
ofen*),  die  Schenk  widergibt,  sind  ein  interessantes  Do- 
kument damaligen  Geschmacks.  Als  Todesursache  sind  darin 
seine  Harnbeschwerden  und  seine  kleine  Blase  angefĂŒhrt,  die, 
aufgeschnitten,  sich  geweigert  habe,  den  harten  Stein  herzu- 
geben.   Der  Schluß  lautet: 

Quem  mare  nec  tellus,  ignis  nec  pestifer  aer 
Sustulit,  at  talis,  quem  tibi  pingo,  lapis. 
Den  weder  Meer,  noch  Erde,  noch  Feuer,  noch  verpestete 
Luft  dahinraffte,  sondern  ein  solcher  Stein,  den  ich  Dir  bild- 
lich darstelle.  Darunter  war  sein  Blasenstein  in  natĂŒrlicher 
Form  und  GrĂ¶ĂŸe  abgebildet  mit  der  Inschrift:  Philippi  En- 
gentini, Poetae  celeberrimi,  vesicae  lapidis,  effigies,  und  seine 
LĂ€nge,  Breite  und  Dicke  noch  besonders  dargestellt. 
S  c  h  e  n  c  k  gibt  diese  Abbildungen  auf  Seite  485  (Lib.  III, 
2)  wieder  und  danach  lassen  sich  die  betr.  Maße  zu  7,8,  5,6 
und  3,7  cm  feststellen.  Es  fĂ€llt  einem  da  unwillkĂŒrlich  als 
GegenstĂŒck  eine  Tiroler  Grabschrift  ein  von  derber  UrwĂŒch- 
sigkeit.   Sie  lautet: 

Hier  ruht  der  Pfarrer  Rain, 
Er  litt  am  Gries  und  Stein, 
Er  war  von  je  ein  schlechter  Brunser**), 
Wanderer  bet'  fĂŒr  ihn  ein  Vaterunser. 
FĂŒr  den  GynĂ€kologen  von  Interesse  sind  die  Obs.  291 
bis  302  des '4.  Buches,  in  denen  der  GebÀrmuttervorfall  und 
die  Anwendung  von  Pessaren  besprochen  wird.    Man  ver- 
wendete als  solche  FadenknĂ€uel  oder  leere  WallnĂŒsse  mit 
Wachs  ĂŒberzogen.    Die  Obs.  302  berichtet  von  einer  Frau, 
die  14  Jahre  lang  ein  kugelförmiges,  mit  Wachs  ĂŒberzogenes 
StĂŒck  eines  gebrannten  Ziegels  als  Pessar  bei  sich  trug.  Als 
dasselbe  schließlich  sehr  schlimme  EntzĂŒndungserscheinungen 
hervorrief,  konnte  es  nur  mit  MĂŒhe  entfernt  werden.  Auch 
ringförmige  Pessare  wurden  benutzt,  die  man  aus  der  Wurzel 
der  Waldrebe  sich  zurechtschnitt  und  die  in  eine  Mischung 
von  Wachs,  Harz  und  Terpentin  zuvor  eingelegt  wurden. 
B  a  u  h  i  n  ließ  derartige  Ringe  auch  aus  Silberdraht  (ex  filo 
argenteo  rotundo)  anfertigen.    Als  zweckmĂ€ĂŸige  Lagerung 
zum  ZurĂŒckschieben  der  vorgefallenen  GebĂ€rmutter  und  zum 
Einbringen  des  Pessars  wird  angegeben:    die  Kranke  ist  (mit 
dem  Oberkörper)  tief  zu  legen  mit  erhöhtem  Steiß  und  Ober- 
schenkeln und  zurĂŒckgebeugten  Beinen  —  also  Steinschnitt- 
lage.   Dieselbe  Position  war  auch  bei  der  Geburt  und  Ent- 
fernung der  Nachgeburt  ĂŒblich.   Obs.  303 — 306  handelt  von 
der  operativen  Entfernung  des  prolabierten  Uterus  bei  Ver- 
eiterung  oder  Brand.   Welche  Rolle  dabei  die  Inversio  Uteri 
—  der  wie  ein  Sack  umgestĂŒlpte  Uterus  —  totus  uterus  in 
modum  sacci  inversus  —  spielt,  war  wohl  bekannt. 

Daneben  wird  aber  auch  gelegentlich  ohne  jede  kritisch 
Anmerkung  der  krasseste  Blödsinn  aufgetischt,  so  in  der 
Obs.  161,  die  de  Partu  numeroso  —  von  den  Mehrgeburte 
handelt.   Wenn  hier  nicht  nur  von  Zwillings-  und  Drillings 
geburten,  sondern  sogar  von  FĂŒnf-,  Sechs-  und  Zwölflingen, 
die  sogar  lebensfÀhig  gewesen  sein  sollen,  berichtet  wird,  s 
ist  das  der  GlÀubigkeit  des  Lesers  doch  etwas  viel  zugemute 
Den  Vogel  schießt  aber  eine  glĂŒckliche  Mutter  in  der  Gegen 
von  Krakau  ab,  die  im  Jahre  1270,  am  20.  Januar,  36  lebend 
Knaben  auf  einmal  zur  Welt  bringt.    Auch  der  Name  d 
trefflichen  Dame  wird  der  Nachwelt  nicht  vorenthalten.  Si 
hieß  Margarita  und  war  die  Gattin  des  Grafen  V  i  r  b  o  s  1  a  ' 
Von  besonderem  Wert  fĂŒr  die  Geschichte  der  Seuche 
und  ansteckenden  Krankheiten  ist  dann  das  sechste  Buch.  D 


*)  Kilchofen,  auch  Kilchoven,  ist  das  heutige  Dorf  Kirchhofe 
bei  Freiburg.  Im  DreißigjĂ€hrigen  Kriege  am  19.  Januar  1633  wurd 
das  Dorf  samt  Kirche  und  Schloß  von  den  Schweden  vollstĂ€ndig  zer 
stört.  Dreihundert  BĂŒrger,  welche  das  Schloß  verteidigten,  wurde 
niedergemacht.  Ihre  SchÀdel,  zum  Teil  mit  den  Spuren  der  tödlich 
Verletzungen  waren  noch  bis  in  den  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  l 
einer  dem  Erzengel  Michael  geweihten  Kapelle  aufgeschichtet.  (K  o  1 
Lexikon  von  dem  Großherzogtum  Baden,  Karlsruhe  1814). 

**)  Brunsen,  ein  sĂŒddeutscher  Volksausdruck  fĂŒr  Pissen. 


pß.  Jahrgang.     Mr. -15/40.  Slandesf  ragen  und  sozial«  Medizin  R48 


Ii».  Jahrhundert  war  ja  dann  schwer  heimgesucht.  Wechsel- 
fieber,  typhöse  Fieber,  Beulenpest,  Pocken,  Masern,  der  hos 
artige  Schweißfriesel,  sog.  englischer  Schweiß,  Influenza,  der 
Flecktyphus,  damalf  ungarische  Krankheit  genannt,  epidemi- 
sche Pleuropneumonien  (Grippepneumonien?)  haben  damals 
in  Furopa  wiederholt  und  in  großer  Ausdehnung  gehaust 
Dazu  kamen  dann  die  chronisch  verlaufenden:  Aussatz,  Sy- 
philis, Ergotismus  (Kriebelkrankheit)  und  Skorbut.    FĂŒr  die 

:  meislen  dieser  Krankheiten  fnden  sich  bei  Sehen  c  k  inter- 
essante und  wertvolle  Belege.  Aus  dem  Vielen  kann  nur  Eini- 
ges herausgegriffen  werden.  In  der  Obs.  159  erwÀhnt  er 
die  Pestepidemie  in  Freiburg  vom  Jahre  1564,  die  fast  ein  Vier- 
tel  der  BĂŒrgerschaft  dahinraffte.  Die  Krankheit  trat  hĂ€ufig 
unter  heftigem  Nasenbluten  auf,  so  daß  im  Anfang  ihre  wahre 
Natur  verdeckt  wurde.  Dabei  sei  der  Tod  oft  so  schnell  ein- 
getreten, daß  kein  anderes  Symptom  zur  Entwicklung  kam. 
In  besonders  bösartigen  Epidemien  sollen  bisweilen  Menschen 
ohne  vorherige  Krankheitszeichen,  wie  vom  Blitz  erschlagen 
oder  wie  durch  ein  raschwirkendes  Gift  plötzlich  gestorben 
sein.  Daß  dies  nicht  sehr  ĂŒbertrieben  ist  und  daß  es  tatsĂ€ch- 
lich in  wenig  Stunden  tötlich  verlaufende  FÀlle  von  sog.  Pestis 
sicerans  fibt,  bestÀtigen  neuere  einwandfreie  Beobachtungen 
fVergl.  MĂŒller  und  Poch:  „Die  Pest"  im  5.  Band  von 
Nothnagels  spez.  Path.  und  Ther.,  S.  264). 

Die~t)bs.  142 — 180  bringen  sehr  n  eikwĂŒrdige  Notizen 
ĂŒber  das  lange  Haften  des  Pestkentag iums  an  Gebrauchsge- 
genstÀnden. So  soll  in  einem  Fall  durch  eine  Matratze,  auf 
der  ein  Pestkranker  gelegen  hatte,  andere  Male  durch  Kleider 
von  Pestkranken  oder  durch  Seile,  mit  denen  Pestleichen  be- 
stattet wurden,  noch  nach  Jahren  die  Ansteckung  vermittelt 
worden  sein.  Nach  neueren  zuverlÀssigen  Feststellungen 
kann  allerdings  das  Pestvirus  an  Kleidern  und  Aehnliche.il,  zu- 
mal wenn  sie  fest  verpackt  sind,  eine  Reihe  von  Wochen  in- 
fektionstĂŒchtig bleiben.  Da  aber  die  WiderstandsfĂ€higkeit  des 
Pestbazillus  eine  relativ  geringe  ist  und  da  er  keine  Dauer- 
formen bildet,  dĂŒrften  jene  angefĂŒhrten  langen  ZeitrĂ€ume  wohl 
auf  Beobachtung  sfehlern  beruhen  (Vergl.  Nothnagel 
1.  c,  S.  85).  Die  Therapie  bei  der  Pest  ist  hier  natĂŒrlich  ein 
sehr  dunkles  Kapitel.  Bei  ihrer  völligen  Ohnmacht  spielt  die 
Anpreisung  von  allerhand  Wundermitteln  eine  große  Rolle. 
Ebenso  verhÀlt  es  sich  mit  der  Prophylaxe.  Es  wurde  das 
Tragen  von  Amuletten  empfohlen.  Einige  rĂŒhmten  das  Rie 
chen  an  Böcken.  Andere  priesen  den  Gestank  toter  Hunde 
oder  den  Pulvergeruch  beim  Abfeuern  schwerer  GeschĂŒtze. 
Dem  lag  natĂŒrlich  die  Vorstellung  zugrunde,  daß  die  Luft  die 
Ansteckung  vermittle.  Man  wollte  eine  in  derselben  enthal- 
tene SchĂ€dlichkeit  durch  eine  stĂ€rkere,  sinnfĂ€llige  ĂŒbertĂ€uben. 

In  auffallendem  Gegensatz  hierzu  ergibt  die  Durchsicht 
der  Obs.  243,  welche  vom  Skorbut  handelt,  wie  von  alters 
her  der  Mangel  an-  frischen,  nicht  irgendwie  konservierten 
oder  verdorbenen  Nahrungsmitteln  als  Ursache  dieser  Krank- 

;  heit  genau  bekannt  war.  Dem  entsprechend  ist  auch  die  Be- 
handlung eine  durchaus  rationelle,  indem  sie  neben  sonstiger 
zweckmĂ€ĂŸiger  DiĂ€t  vorzugsweise  auf  die  Zufuhr  frischer 
Pflanzenkost  abhebt. 

In  den  vorstehenden  AusfĂŒhrungen  konnten  nur  kurze 
und  fragn. entarische  Flinweise  auf  den  reichen  und  interessan 
teu  Inhalt  der  Werke  von  Morgagni,  B  o  n  e  t,  W  e  p  f  e  r 
und  S  c  h  e  n  c  k  gegeben  werden.  Wer  sich  einmal  in  diese 
ergiebigen  Fundgruben  merkwĂŒrdiger  Einzelheiten  unter  Ue- 
berwindung  der  Sprachschwierigkeiten,  welche  die  spÀte  La- 
tinitÀt  nicht  selten  bietet,  und  der  Sprödigkeit  des  vielfach  mit 
behaglicher  Breite  vorgetragenen  Stoffes  vertieft  hat,  den 
lassen  sie  so  rasch  nicht  wieder  los.  Ueberblickt  man  die 
Leistungen  der  vier  Autoren  vergleichend,  so  bilden  sie  eine 
Aufsteigende  Entwicklung  aus  erstarrter  und  unfruchtbarer 
Scholastik  zu  der  unvoreingenommenen  Kritik  naturwissen- 
schaftlicher Denk-  und  Betrachtungsweise.  Dabei  war  die 
Zeit,  in  der  jene  vier  Aerzte  lebten,  das  Ib.,  17.  und  18.  Jahr- 
hundert still-geruhsamem  Gelehrtentum  Ă€ußerlich  sicher  nirht 
gĂŒnstig.  Es  sei  nur  an  die  mit  seltener  und  aufregendster  Ur- 
bitterung  mit  den  Waffen  des  Geistes  und  mit  den  Schwert 


gefĂŒhlten  ReligionskĂ€mpfe  im  16.  und  an  die  furchtbare  Ka- 
tastrophe des  '30jÀhrigen  Krieges  im  17.  Jahrhundert  erinnert. 
Selbst  die  letztere,  die  sich  in  ihren  Folgen  nur  mit  denen  des 
letztverflossenen  Weltkrieges  vergleichen  lĂ€ĂŸt,  hat  das  Geisles- 
lebeif  der  europÀischen  Kulturvölker  namentlich  auch  in  ihren 
internationalen  Beziehungen,  auf  die  in  unseren  AusfĂŒhrungen 
mehrfach  aufmerksam  gemacht  wurde,  nicht  auszutilj  en  ver- 
i.  ocM  Mögen  wir  daraus  fĂŒr  unsere  trĂŒbe  Gegenwart  iiost 
und  Hoffnung  schöpfen. 


Standeslragen  und  soziale  Medizin. 

Erhöhung  der  Versicherungsgrenze  und  der  Grundlöhne  fĂŒr 
die  Krankenversicherung. 

Mit  Wirkung  vom  22.  September  1922  ist  die  Verdienst; 
grenze  fĂŒr  die  der  Versicherung  unterliegenden,  nicht  zu  den 
mit  dem  Hauspersonal  zÀhlenden  Beamten  und  Angestellten  auf 
204000  Mark  erhöht  worden.  Dementsprechend  sind  vom 
1.  Oktober  die  fĂŒr  die  BeitrĂ€ge  und  Leistungen  maßgebenden 
Grundlöhne  auf  500  Mark  erhöhl  worden.  Die  Ortskrankenkasse 
Berlin  hat  jetzt  20  Lohnstufen,  der  Beilrag  sehwankt  von  0,15  bis 
35  Mark  fĂŒr  den  Arbeitstag,  das  Krankengeld  von  3  bis  250  .Mark 
lĂ€glieh.  Der  Werl  freier  Station  wird  angesetzt  fĂŒr  Angestellte 
auf  1800  Mark,  fĂŒr  gewerbliche  Arbeiter  und  Dienstboten  auf 
1500  Mark,  fĂŒr  jugendliche  Arbeiter  und  Lehrlinge  auf  1200  Mark 
monatlich.  Dementsprechend  mußten  auch  die  Ă€rztlichen  Standes 
Organisationen  in  eine  Bewegung  zugunsten  einer  Erhöhung  der 
GebĂŒhren  eintreten.  Durch  Schiedsspruch  ist  am  21.  Oktober  ein 
Teuerungszuschlag  von  225  %  der  SĂ€tze  der  preußischen  GebĂŒhren- 
ordnung Festgesetzt  worden,  den  der  Leipziger  Verband  an- 
genommen hat,  wÀhrend  die  ErklÀrung  der  Kassen  noch  aus- 
sieht. Der  Satz  entspricht  bei  weitem  nicht  den  heutigen 
Teuc rungsverhĂ€l Ini ssen  und1  mĂŒĂŸte  immer  zu  niedrig  bleiben,  so- 
lange die  FriedenssÀtze,  die  den  damaligen  VerhÀltnissen  absolut 
nicht  entsprachen,  zur  Grundlage  genommen  wĂŒrden.  Die  Not 
der  Aerzte  ist  umso  bedrohlicher,  weil  die  Auszahlung  der  er- 
höhten Honorare  durch  die  Kassen  in  vielen  FÀllen  zu  spÀt, 
monatelang  nach  der  Leistung  erfolgt.  Die  Kassen  sind  momentan 
notleidend,  weil  sie  die  erhöhten  Anforderungen  an  den  Betrieb 
nicht  rechtzeitig  vorgesehen  hatten  und  die  Erhöhung  der  Grund- 
löhne, die  Erhöhung  der.  BeitrÀge  erst  in  gegebener  Zeit  nach  sich 
zieht.  Wenn  jedoch  die  Kassen  erklĂ€ren,  daß  sie  vor  einem 
Abgrund  stehen  und  ihre  Existenz  gefÀhrdet  ist,  so  ist  das  tine 
arge  Uebertreibung,  da  sie  meist  ĂŒber  erhebliche  Reserven  und 
Sachwerte  verfĂŒgen.  Ohne  Zweifel  verfolgen  diese  t'ebertreibun- 
gen  den  Zweck,  die  Aerzte  einzuschĂŒchtern  und  die  Gesetzgebung 
zu  Maßnahmen  zu  bewegen,  die  ihnen  ein  bedeutendes  l  e-ber- 
gv wicht  ĂŒber  die  Ă€rztliche  Bewegung  verschaffen  sollen.  Hierhin 
gehört  auch  das  Verlangen  nach  Ausschaltung  der  Àrztlichen 
Behandlung  in  natura  und  ihrem  Ersatz  durch  unzureichende 
Barleistungen.  Hoffentlich  werden  sich  die  Aerzte  durch  Schlag- 
worte wie  Wiederherstellung  der  Àrztlichen  Berufsfreiheit  nicht 
betören  lassen  und  zur  ZertrĂŒmmerung  ihrer  Organisation  die 
Hand  bieten.  S.  Alexander. 

Aerzfliche  Erholungsheime. 

Auf  dem  WĂŒrttembergischen  Aerzletage  hat  Herr  Dr.  Riess  die 
Anregung  gegeben,  fĂŒr  erholungsbedĂŒrftige  Kollegen  StĂ€tten  be- 
reitzustellen, in  denen  Aerzte  und  deren  Angehörige  Unterkunfl 
finden  können.  Es  wurde  dem  VerbÀnde  Vollmacht  gegeben,  die 
Erwerbung  eines  eigenen  Heims  in  die  Wege  zu  leiten.  Es  ist 
nicht  unmöglich,  dal'  ein  geschlossener  Verband,  wie  der 
WĂŒrttembergische,  der  ĂŒber  bedeutende  Mittel  verfĂŒgt  und  auch 
die  Versicherung  der  Aerzte  kraftvoll  fordert,  zumal  in  einem 
Lande,  wo  Grund  und  Boden  und  Verpflegung  noch  zu  erschwing- 
lichen Preisen  zu  erlangen  ist,  dieser  gewiß  wĂŒnschenswerten 
Idee  naher  treten  kann.  FĂŒr  den  grölleren  Teil  Deutschlands 
ist  sie  der  Kosten  wegen  unausfĂŒhrbar.  Deshalb  verdient  ein  ein- 
facher Plan  des  Antragstellers  ernstere  BerĂŒcksichtigung,  nĂ€m- 
lich Aerzle  auf  dein  Lande  oder-  in  kleineren  LandstÀdten  dazu  zu 
bewegen.  Aerzte  oder  deren  Familien  bei  sieh  aufzunehmen.  Das 
braucht  und  sollte  nicht  ohne  Ersatz  der  Kosten  geschehen, 
die  von  dein  Nutznießer  oder  in  FĂ€llen  der  BedĂŒrftigkeit  von 
einer  Àrztlichen  Organisation  unschwer  aufgebracht  werden 
wĂŒrden,  da  sie  sich  nicht  hoher  stellen  wĂŒrden  als  der  Lebens- 
unterhalt am  stÀndigen  Wohnsitz.    Die  Vermittlung  solcher  Er- 


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Aus   den   neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


holungsstÀllen  könnte  durch  den  Arbeitsnachweis  des  Leipziger 
Verbandes  oder  durch  lokale  Vermittlungsbureaus  erfolgen.  In 
Berlin  ist  die  Bildung  einer  Organisation  fĂŒr  Entsendung  schwĂ€ch- 
licher Arztkinder  in  der  Bildung  begriffen,  die  ihre  TĂ€tigkeit  in 
obigem  Sinne  leicht  erweitern  könnte.  Hervorzuheben  ist,  daß 
solche  ErholungsstÀtten  nicht  auf  völlig  Unbemittelte  beschrÀnkt 
werden  dĂŒrfen,  denn  auch  der  Arzt  mit  mittlerem  Einkommen  ist 
nicht  mehr  imstande,  die  Kosten  einer  Sommerreise  fĂŒr  sich  und 
die  Seinigen  zu  erschwingen.  S.  Alexander. 

Not  der  Aerzte. 

In  einer  feierlichen  Kundgebung  hat  am  14.  Oktober  die 
Aerztekammer  Berlin-Brandenburg  die  Not  der  Aerzte  klargelegt 
und  der  Oeffenllichkeit  eine  Schilderung  der  Folgen  geliefert,  die 
bei  Fortdauer  oder  Verschlimmerung  der  jetzigen  VerhĂ€ltnisse  fĂŒr 
die  Gesundheitspflege  eintreten  wĂŒrden.  In  acht  SĂ€tzen  wurden 
die  Nachteile  von  Vertretern  Àrztlicher  Kunst  und  Wissenschaft 
geschildert  und  durch  eingehende  Darlegungen  begrĂŒndet.  Der 
erste  Satz  betont  die  Notwendigkeit  einer  ausgiebigen  Erhöhung 
der  Honorare,  die  bisher  mit  der  Teuerung  nicht  gleichen  Schritt 
gehalten  haben;  daß  eine  angemessene  RĂŒcksichtnahme  auf  min- 
derbemittelte Kreise,  insbesondere  auf  die  Angehörigen  des  ver- 
armten Mittelstandes  genommen  wird,  ist  selbstverstÀndlich.  Der 
zweite  Satz  befaßt  sich  mit  der  UnzulĂ€nglichkeit  der  Kassen- 
honorare. Die  zugrundegelegten  MindestsĂ€tze  der  preußischen 
GebĂŒhrenordnung  stehen  in  einem  krassen  MißverhĂ€ltnis  zur 
Teuerung,  indem  die  Aerzte  im  3.  Quartal  1922  gegenĂŒber  einer 
80  fachen  Teuerung  nur  das  13 J4  fache  der  MindestsÀtze  in  der 
Vorkriegszeit  erhielten.  Daß  die  Aerzte  auf  dem  Lande  nicht 
besser  daran  sind  und  besonders  unter  der  Verkehrsnot  zu  leiden 
haben,  beweist  der  dritte  Satz.   Nicht  minder  groß  ist  die  Not  der 


Krankenanstalten.  Außer  der  Verteuerung  der  sachlichen  Be- 
triebskosten hat  die  EinfĂŒhrung  des  Achtstundentages  fĂŒr  das 
Pflege-  und  Wartepersonal  und  die  Erhöhung  der  GehÀlter,  die 
meist  höher  sind  als  die  der  Aerzte,  geradezu  verheerend  gewirkt. 
FĂŒr  Minderbemittelte,  falls  sie  nicht  versichert  sind,  ist  die  Be- 
nutzung des  Krankenhauses  kaum  noch  erschwinglich.  In  gleicher 
Weise  ist,  wie  Satz  5  ausfĂŒhrt,  die  Aufrechterhaltung  der  Privat- 
kliniken gefÀhrdet.  Und  doch  ist  sie  notwendig  im  Interesse  der 
Fortbildung  der  Aerzte,  im  Interesse  der  leidenden  Menschheit, 
soweit  sie  ein  VertrauensverhÀltnis  zu  bestimmten  Aerzten  be- 
ansprucht, in  FĂ€llen  von  Epidemien' bei  UeberfĂŒllung  der  öffent- 
lichen KrankenhÀuser.  Satz  G  behandelt  die  Gefahren,  die  der 
medizinischen  Wissenschaft,  Satz  7  die  Gefahren,  die  der 
Ă€rztlichen  Fortbildung  drohen.  Beide  stehen  vor  einem  Zusammen- 
bruch, wenn  nicht  grĂ¶ĂŸere  öffentliche  Mittel  bereitgestellt  werden. 
Wenn  es  noch  eines  Beweises  fĂŒr  die  Verarmung  der  Aerzte  be- 
dĂŒrfte, so  lieferte  diesen  der  Vorsitzende  der  UnterstĂŒtzungs- 
kasse der  Kammer  bei  BegrĂŒndung  des  Satzes  8.  Die  Unter- 
stĂŒtzungssummen sind  gegen  das  Jahr  1914  um  das  FĂŒnffache 
gestiegen,  aber  sie  reichen  bei  weitem  nicht  aus,  um  auch  nur  die 
allerdringendsten  BedĂŒrfnisse  zu  decken. 

Die  Kammer  nahm  von  diesen  eingehenden  Darlegungen 
ohne  Debatte  Kenntnis,  ist  doch  ein  Einwand  nicht  möglich. 
Hoffentlich  wird  durch  eine  Anfrage  im  Reichstage  eine  Aus- 
sprache daselbst  ermöglicht  werden,  wie  der  Not  abgeholfen 
werden  kann.  Bei  dieser  Gelegenheit  wird  auch  die  ungeheuerliche 
Verteuerung  des  Fernsprechers  und  die  aus  . ihr  sich  ergebende 
Gefahr  fĂŒr  die  Volksgesundheit  berĂŒhrt  werden  mĂŒssen.  Die 
Aerzte  sind  nicht  mehr  in  der  Lage,  die  Kosten  des  Fernsprechers, 
der  doch  wesentlich  zum  Nutzen  des  Publikums  dient,  auf- 
zubringen. S.  Alexander. 


REFERATENTEIL 


Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

2.  Juni  1922,  48,  Nr.  22. 

♩M7eber  Hypertonien.    K  ĂŒ  1  b  s  ,  717. 
Zur  Operation  des  Oesophagusdivertikels.     K  ö  n  i  g.  719. 
2Y2     Jahre     zurĂŒckliegende     Heilung     eines     Oesophaguskarzinoms  nach 

Radiumbestrahlung.    Beck.  720. 
Ueber  die  Vergleiehbarkeit  von  Lungenröntgeuosraminen.    Peltason.  721. 
>}*Zur   Röntgenbehandlung   der  Hypophysistumoren.  Kontschalowsky 

und  Eisenstein.  722. 
Vorkommen  und  Bedeutung  der  Gitterfasern  bei  syphilitischen  und  anderen 

Hautkrankheiten.     Ein  Beitrag  zur   ErklÀrung   der  HÀrte   des  PrimÀr- 

aifek'fes.    Z  u  r  h  e  1  1  e.  724. 
Volvulus  des   gesainten   DĂŒnndarms.     Hey  111  a  n  n.  725. 
Frakturheilung  und  Pseudarthrose.    Z  0  n  d  e  k.  727. 
Kieferankylosen  und  ihre   Behandlung.     Bocken  Ii  eimer.  729. 
Die  Kanipfcrtherapie  der  Enuresis.    P  o  t  o  t  z  k  y.  730. 
Zur  Technik  der  intravenösen  Salvarsan-Novasurolinischung.    B  a  b.  731. 

Ueber  Hypertonien.  Material  288  FÀlle,  nÀmlich  172  MÀnner, 
116  Frauen.  Objektiv:  Blutdruckwerte  nicht  unter  170—180  mm  Hg, 
im  Urin  kein  Eiweiß,  keine  Formelemente  im  Zentrifugal.  Sub- 
jektive Beschwerden:  bei  etwa  1/5  keine.  Sonst  Herzklopfen, 
Kurzatmigkeit,  Schlaflosigkeit,  Druck  im  Kopf,  Blutungen  aus 
Nase,  HĂ€morrhoiden.  In  sehr  wenigen  FĂ€llen  stenokardische  An- 
fĂ€lle. Im  Vergleich  zu  frĂŒheren  Untersuchungen  scheinen  diese 
Hypertonien  zuzunehmen.  Sie  sind  verbreiteter  in  den  Kreisen 
der  Gebildeten,  als  bei  den  Arbeitern.  Aetiologisch  wichtig  sind 
psychische  Erregungen  des  Klimakterium  (Syphilis,  Nikotin). 

Zur  Röntgenbehandlung  des  Hypophysistumoren.  Vor  dem 
ultimum  refugium  der  eine  sehr  hohe  MortalitÀt  aufweisenden 
Operationen  empfiehlt  sich  ein  Versuch  mit  Röntgenbehandlung. 
Aber  nicht  die  heute  beliebte  Intensivtherapie,  die  schÀdlich 
wirkt:  es  ist  zum  mindesten  zweifelhaft,  ob  das  Gehirn  Röntgen- 
strahlen gegenĂŒber  unempfindlich  ist.  Die  Adenome  der  Hypo- 
physis  sind  jedenfalls  stark  sensibel.  Ueberdosierung  fĂŒhrt  zu 
Gehirnreizung.   Beschreibung  eines  Falles. 

v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 
Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

10.  Juni  1922,  49,  Nr.  23. 

Interessanter  Brief  Langenbecks.    K  ĂŒ  1 1  n  e  r.  826. 
»KTlierapiei  des  MagengeschwĂŒrs.    O  r  a  t  0  r.  827. 

Wundschluß  oder  Drainage  nach  Kropfoperation?    P  r  0  p  p  i  n  g.  829. 


♩Frage  des  Narkotikums,    v.  d.  Porten.  830. 
SauerstoffĂŒllung  der  Hiruventrikel.    JĂŒngling.  833. 
LeitungsanÀsthesie  der  unteren  ExtremitÀt.    Wiedhopf.  836. 

GrundsĂ€tzliches  zur  kausalen  Therapie  des  MagengeschwĂŒrs. 

Untersuchungen  an  300  MagenresektionsprÀparaten  haben  gezeigt, 
daß  die  ĂŒberwiegende  Zahl  der  Magenulcera  in  der  „Magen- 
straße" am  Anfang  und  Ende  der  pars  pylorica  (des  „Magen- 
motors") gelegen  sind.  Dieser  Sitz  erklÀrt  sich  aus  einer  Summe 
miatomisch-funktioneller  Bedingungen,  im  wesentlichen  einer 
Muskelwirkung.  Die  in  letzter  Zeit  hÀufig  in  verschiedenen 
Formen  vorgeschlagene  „Excision  der  Magenstraße"  ist  daher 
nicht  zu  empfehlen.  Die  wichtigste  Forderung  fĂŒr  jede  Therapie 
ist  Ruhigstellung  oder  Ausschaltung  des  Magenmotors,  der  pars 
pylorica.  Die  bewÀhrteste  Methode  ist  die  Resektion  nach 
ßillroth  I. 

Zur  Frage  de9  Narkotikums.  Verfasser  stellt  folgende  For- 
derungen auf:  1.  Genaues  Vertrautsein  des  Narkotisierenden  mi 
der  Theorie  und  Praxis  der  Narkose.  2.  Fort  mit  dem  reine 
Chloroform!  Chloroform  zu  Narkosezwecken  soll  in  den  Apo- 
theken nur  in  Mischung  mit  Aether  (mindestens  1  : 1)  abgegebe 
werden.  3.  ChlorĂ€thyl  darf  zur  Vollnarkose  ĂŒberhaupt  nicht  ge 
braucht  werden.  —  Am  bebten  ist  die  Chloroform-Aether -Misch 
narkose  im  VerhÀltnis  1  : 3  bis  1:1. 

Wohlgemuth  (Berlin). 
17.  Juni  1922,  49,  Nr.  24. 

❖Navikulare  Fraktur.    S  c  h  i  n  z.  857. 
Einfacher  Hebeapparat.    Schönbauor.  862. 
Peptische  GesdrwĂŒrsbildung  im  Jejunuin.    Holzweißig.  864. 

Navikulare-Fraktur  mit  Höhlenbildung.  Frakturen  des  Kahn 
beins  sind  ziemlich  hĂ€ufig.  Die  BrĂŒche  des  Kahnbeinkörper 
(intraartikulÀre  Fraktur)  heilen  stets  unter  Bildung  eine 
Pseudarthrose,  im  Gegensatz  zu  den  Abrißfrakturen  der  Tuber 
sitas  vom  Körper  (extrakapsulÀre  Fraktur),  die  oft  knöcher 
heilen.  Der  Grund  fĂŒr  die  Pseudarthrosenbildung  bei  der  erst 
Form  ist  vielleicht  in  dem  Eintreten  von  SynovialflĂŒssigkei 
zwischen  die  Bruchenden  zu  suchen.  Bisher  hat  keine  Art  de 
Therapie  eine  knöcherne  Heilung  erzielen  können. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 


40.  Jahrgang.  — Nr.  45/46. 


Aus   den    neuesten  Zeitschriften 


616 


Zcutralhlntt  fĂŒr  GynĂ€kologie,  Leipzig. 

10.  Juni  1922,  46,  Nr.  23. 

lieber  einen  Fall  von  Ueoisehiopagus  und  ĂŒber  die  formnlgenrtisehe  Be- 
deutung: <\ps  einseitigen  NalielarterienmangelH  bei  Mißbildungen. 
Meyer,  R.  930. 

‱fl'eber  postoperative  AdhĂ€sionen  in  der  Bauchhöhle.    M  a  y  c  r  ,  A.  940. 
Erfahrungen  mit  der  Pregl'schen  Jodlösung  b.  Laparotomien.  V  o  g  t  .  R.  947 
Erfahrungen   mit   Bazillosan.     H  a  11  a  k  ,   F.  949. 

Die  Ursache  des  unstillbaren  Erbrechens  in  der  Schwangerschaft.  K  a  u  - 
z  e  1  ,'  F.  951. 

<i*Soll  man  einen  eitrigen  .Adnextumor  operieren  oder  nicht?    Katz,  G.  9.V). 

Ucber  postoperative  AdhÀsionen  in  der  Bauchhöhle.  Um  sich 
ein  Urteil  zu  bilden,  wie  oft  nach  inlraperilonealen  Eingriffen 
AdhÀsionen  entstehen,  hat  Verf.  eine  Zusammenstellung  von 
60  Relaparotomien  der  letzten  Jahre  gemacht,  wobei  es  sich 
fast  immer  um  gynÀkologische  Eingriffe  gehandelt  halte.  Das 
Ergebnis  war,  daß  in  87  %  der  FĂ€lle)  AdhĂ€sionen  gefunden  wur- 
den, und  zwar  zeigten  die  zum  ersten  Mal  außerhalb  der  Klinik 
operierten  FÀlle  ohne  Ausnahme  Verwachsungen,  wÀhrend  bei 
den  in  der  Klinik  zum  ersten  Mal  operierten  in  65  %  Verwachsun- 
gen sich  bildeten.  Den  Unterschied  zwischen  Klinik  und  Nichl- 
klinik  erklÀrt  Verf.  durch  mangelnde  Asepsis,  weniger  exakte 
Blutstillung  und  Peritonisierung  der  StĂŒmpfe.  Diese  3  Faktoren 
spielen  sicherlich  zur  VerhĂŒtung  der  postoperativen  AdhĂ€sionen 
eine  große  Rolle.  An  sonstigen  Mitteln  zur  Vermeidung  post- 
operativer AdhĂ€sionen  werden  angefĂŒhrt:  i.  Verzicht  auf  den 
Jodanstrich  der  Bauchdecken  —  Verf.  hat  gegen  den  Jodanstrich 
keine  Bedenken;  2.  Eingießen  von  Humanol  —  ein  abschließendes 
Urteil  ĂŒber  den  Wert  ist  vorerst  nicht  möglich;  3.  Pneumoperi- 
toneum —  Verf.  hĂ€lt  es  nicht  fĂŒr  ausgeschlossen,  daß  die  Ein- 
blasung von  Luft  die  AdhÀsionsbildung  verhindern  kann,  besitzt 
aber  noch  keine  eigenen  Erfahrungen.  —  Die  Diagnose  der  posl- 
operativen  AdhÀsionen  ist  nicht  leicht,  aber  durch  Röntgenauf- 
nahmen vom  Pneumoperitoneum  wesentlich  gefördert  worden.  — 

Soll  man  einen  eitrigen  Adnextumor  operieren  oder  nicht? 
Verf.  tritt  entschieden  fĂŒr  die  operative  Behandlung  eitriger  Ad- 
nextumoren  ein.  Er  teilt  3  FĂ€lle  mit,  die  alle  das  gleiche  Bild 
zeigen,  langes  Krankenlager  mit  mehr  oder  weniger  intensiver 
konservativer  Behandlung,  die  jedoch  zu  keinem  Besultat  fĂŒhrte. 
Erst  die  Laparotomie  brachte  in  relativ  kurzer  Zeit  endgĂŒltige 
Heilung.  Verf.  operiert  auch  im  akutem  Stadium,  sowie  bei  frisch 
exazerbierten  FÀllen,  wenn  es  die  UmstÀnde  erfordern,  stets  mit 
gutem  Erfolge.  Speyer  (Berlin). 

17.  Juni  1922,  46,  Nr.  24. 

♩Heilerfolge    und  Wirkungsweise    der    intravenösen   Therapie    bei    der  un- 
komplizierten weiblichen  Gonorrhoe.    Gauss,  C.  J.  977. 

♩Prinzipielles  zur  Behandlung  der  Retroversio-flexio  uteri,     v.  J  a  s  c  Ii  k  e  , 
R.  Th.  986. 

♩Zerreißung   der  GebĂ€rmutter  unter  der   Geburt  ohne   ersichtliche  Ursache. 
Schwab,  M.  989. 
Zur  Frage  der  Trichomonaskolpitis.    Stephan,  S.  992. 
Seltenere  Kasuistik.    Hof  bauer,  I.  994. 

Zur  Verbesserung  der  Wundvereinigung  mit  Hecffs  Klammern.  Hellen- 
I  _     d  a  1 1 ,  H.  999. 

Heilerfolge  und  Wirkungsweise  der  intravenösen  Therapie  bei 
der  unkomplizierten  weibliehen  Gonorrhoe.  Mitteilung  der  Er- 
fahrungen, die  ini  einem  vom  Verf.  wÀhrend  des  Krieges  im  be- 
setzten Gebiet  geleiteten  Frauenlazarelt  gemacht  wurden.  Es  win  - 
den bei  135  gonorrhoischen  Frauen  Versuche  mit  verschiedenen 
intravenös  gegebenen  Mitteln  gemacht;  die  Untersuchungen  be- 
zogen sich  nur  auf  die  unkomplizierte,  offene  Schleimhaut- 
gonorrhoe der  Urethra  und  des  Uterus;  komplizierte  Gonorrhoe- 
fÀlle (Pyosalpinx)  wurden  ausgeschlossen.  Folgende  Mittel  wur- 
den verwandt:  a)  zur  Vaccinelherapie:  1.  Gonargin,  2.  Gono- 
tropin,  3.  Autovaeeime;  b)  zur  chemotherapeutischen  Behandlung: 
1.  Collargol,  2.  Silber-Kupfer,  3.  Gold-Quecksilber.  Die  Unter 
suchungen  ergaben,  daß  es  entgegen  der  bisher  fast  allgemein 
vertretenen  Ansicht  möglich  ist,  alKein  mit  den  verschiedenen 
(Spezifischen  Vaccinen,  resp.  den  chemotherapeutischen  Mitteln 
die  offene  Schleimhautgonorrhoe  der  Frau  zu  heilen.  Die  ver- 
schiedenen angewandten  Mittel  können,  nach  dem  Erfolg  beurteilt, 
als  ungefÀhr  gleichwertig  angesehen  werden.  Bei  allen  Methoden 
zeigten  die  akuten  FĂ€lle  die  geringste  (55,1  %),  die  subakuten  eine 
etwas  bessere  (63,3%),  die  chronische  die  beste  (80%)  Heil- 
wirkung. Das  Gonargin  scheint  die  grĂ¶ĂŸte»  Heilwirkung  zu  haben 
(durchschnittlich  73  %).  Die  Behandlungsdauer  schwankte  zwischen 
5  und  12  Wochen  (durchschnittlich  6 — 7  Wochen).  Von  wesent- 
lichen Nebenwirkungen  war  nur  die  Autovaccine  frei;  bei  allen 
»anderen  Mitteln  traten  Kopfschmerzen,  Fieber,  Uebelkeit  auf,  am 


meisten  heim  Collargol.  Verf.  versucht  zum  SchlĂŒsse,  die  Wir- 
kungsweise der  Intravenös  erzielten  Heilerfolge  zu  erklÀren. 

Prinzipielles  zur  Behandlung  der  Retroversio-flexio  uteri.  Diel 
unkomplizierte  mobile  Retroversio-flexio  uteri  bedarf  hÀufig  gar 
keiner  Behandlung.  Ist  aber  eine  Behandlung  notwendig,  wie  bei 
SterilitÀt  oder  habituellem  Abort,  so  lehn!  Verf.  die  Alexander 
Adamssche  Operation  ab,  weil  er  eine  genaue  Inspektion  der 
Bauchhöhle  wegen  der  außerordentlich  oft  bestehenden  Komplika- 
tionen von  Seilen  des  Darmes  usw.  fĂŒr  den  Dauererfolg  der  Ope- 
ration fĂŒr  unbedingt  erforderlich  erachtet.  Die  vom  Verf.  bevor 
zĂŒgte  Methode  nach  Dolcris-Schaula  gibt  vorzĂŒgliche  Resultate. 

Zerreißung  der  GebĂ€rmutter  unter  der  Geburt  ohne  ersicht- 
liche Ursache.  Bei  einer  gesunden  ZweitgebĂ€renden  mit  großem 
Becken  und  normalem  Kinde  in  SchĂ€dellage  zerreißt  die  GebĂ€r- 
mutter 9  Stunden  nach  Geburtsbeginn,  bei  weder  besonders 
hÀufigen,  noch  besonders  krÀftigen  oder  schmerzhaften  Wehen, 
und  ohne  daß  sich  ein  Konlraklionsring  ausgebildet  hatte.  Der 
herausgeschnittene  Uterus  erweist  sich  als  normal.  Kurz  vor  der 
Zerreißung  war  eine  Injektion  von  2  Ampullen  Pituglandol  ge- 
macht worden.  (Es  wÀre  daran  zu  denken,  ob  nicht  doch  die 
Buptura  uteri  damit  zusammenhÀngen  könnte.  Bef.) 

Speyer  (Berlin). 

24.  Juni  1922,  49,  Nr.  25. 

»^Pneumoperitoneum.    P  a  r  t  s  c  h.  905. 

Drainage  nach  Cholezystcktomie.    Hollenbach.  907. 

Peri jbolezystitische  AdhÀsionsstenose  des  Duodenum.    Gl  all.  909 
♩Empyembehandlung.    Schlesinger.  912. 

♩Periarterielle   Sympathektomie.     B  r  ĂŒ  n  i  n  g  und  F  0  r  s  t  e  r.  913. 

Zur  Indikation  des  Pneumoperitoneum.  Die  Anlegung  eines 
Pneumoperitoneum  (Luftaufblasung  der  Bauchhöhle)  ist  von 
großer  Wichtigkeit  bei  der  Beurteilung  der  Frage,  ob  ein  Milz- 
tumor operabel  ist  oder  nicht.  Die  Schwierigkeit  dieses  Ein- 
griffes ist  abhÀngig  von  dem  Grade  der  Verwachsungen  des 
oberen  Pols  mit  dem  Zwerchfell.  Diese  Verwachsungen  können 
röntgenologisch  nach  Anlegung  eines  Pneumoperitoneum  sehr 
gut  dargestellt,  und  somit  eine  aussichtslose  Laparotomie  even- 
tuell unterlassen  werden. 

Zur  Empyembchandlung.  Bei  der  ĂŒblichen  Art  der  Empyem- 
bebandlung  ist  die  plötzliche  Druckschwankung  im  Thoraxraum 
durch  das  schnelle  Abfließen  des  < Exsudats  fĂŒr  geschwĂ€chte 
Kranke  ein  höchst  gefÀhrliches  Moment.  Verf.  macht  daher  nur 
eine  feine  Stichöffnung  in  die  Pleura  und  tamponiert  die 
Wunde,  sodaß  der  Eiter  langsam  heraussickert.  Wenn  nötig, 
kann  die  Oeffnung  nach  24  Stunden  erweitert,  werden;  dann  sind 
die  intrathorakalen  DruckverhÀltnisse  schon  den  verÀnderten  Be- 
dingungen angepaßt. 

Die  periarteriellc  Sympathektomie  in  der  Behandlung  der 
vasomotorisch-trophisehen  Neurosen.  Die  vasomotorisch-trophi- 
schen  Neurosen  (Reynaudsche  GangrÀn,  AkroparÀsthesie,  Ery- 
thromegalie,  Sklerodermie  usw.)  sind  als  Folgen  eines  Beiz- 
zuslandes des  Sympathikus  anzusehen.  Diese  Erkrankungen,  die 
oft  jeder  Behandlung  spotten,  können  geheilt  werden  durch  Aus- 
schaltung des  Sympathikus,  durch  periarterielle  Sympathektomie. 
Mitteilung  eines  Falles  von  Akroparaesthesie  der  rechten  Hand 
—  die  Hand  war  völlig  unbrauchbar  geworden  — ,  der  ĂŒber  1  Jahr 
mit  allen  erdenklichen  Mitteln  erfolglos  behandelt  war;  nach  Ent- 
blĂ¶ĂŸen der  Art.  bracchialis  in  der  Achselhöhle  von  ihrer  Adven- 
titia  auf  eine  Strecke  von  etwa  8  cm  trat  im  Verlauf  von  4  Mo- 
naten völlige  Heilung  ein.  K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Zeitschrift  fĂŒr  ImmunitĂ€tsforschung,  Jena. 

11.  Mai  1922,  34,  Heft  3. 

Lieber    das  Verhalten    der  Profeine,    Fermente,    Toxine    und  Sera  gegen 

Adsorption  mittels  ÄluTniniumhydroxyd.    R  a  le  u  s in ,  A.  M.    155.  . 
Der  Einfluß    der    Alkalttnt    auf    die    Wirksamkeit    der  Chininalkaloide. 

Michaelis,  L.,  und  Dem  1.  y  ,  K.  G.  194. 
BeitrĂ€ge  zur  Frage  der    unspozifisclien  Beeinflussung    der  ImmunkĂŒrperbil- 
dung.    Hajos,  K.,  und  Sternberg,  F.  218. 
^^HlÀmagglutininvermehrung   und    HÀmagglutiuntion    fordernde  Wirkung  bei 
~      menschlichen  Seren.    Meyer,  K.  229. 

Das  Verhalten  der  Hammellilutinimunscra  gegenĂŒber  den  Lipoiden  aus  Orga- 
nen vom  heterogenetraehen  Typus.  Ueher  antigene  Eigenschaften  von 
Lipoiden.    Meyer,  K.  235. 

Das  Wesen  der  Tuberkulinrcaktion.    Zitier,  K.  240. 

Analyse  des  PrÀzipltationsphÀnomens  mit  Hilfe  der  anaphylaktischen  Reak- 
tion unter  BerĂŒcksichtigung  der  Konkurrenz  der  Antigene.  1. 11  s  i  11  ‱ 
Ii  11  Ii  I  ,  M.  246. 


646 


Ans  den   neuesten  Z e 1 t s c h r i f t e n 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Zeitschrift  fĂŒr  physikalische  und  diĂ€tetische  Therapie  ein- 
schließlich Balneologie  und  Klimatologie. 

XXVI.  Band,  1922,  Heft  5. 

Der  heutige  Stand  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.    R  e  m  u  s  ,  I.  169. 
❖Einfluß  des  Saccharin»  auf  einige  Fuuktion  des  Verdauungsapparates  und 

der  Nieren.    Katsumi,  Haramaki   (Sagaken).  183. 
❖Der  klinische  Wert  des  Carnolacthns.    Lcwin,  C.  187. 
Proteinkörpertihera.pie,    Esophylaxie    und   Wildbader   ThermalbÀder.  Gni- 
n  o  w.  189. 

Der  Einfluß  des  Saccharins  auf  die  Magensaftbildung.  Die  Ver- 
weildauer im  Magen,  sowie  auf  die  Harnausscheidung  ist  =.  u. 
Nur  bei  Hunden,  denen  2  %,  Lösungen  in  Mengen  von  100,  150, 
200  ccm  gegeben  wurde,  wurden  kleine  Abweisungen  beobachtet. 
Allein  7 — 28  g  Saccharin  nimmt  ja  kein  Mensch. 

Der  klinische  Wert  des  Carnolactins  eines  neuen  NÀhrprÀpa- 
rates (Firma  Fries  u.  Cie.,  Probsteierhagen  in  Holstein)  ist  vor- 
trefflich, weil  es  gleichzeitig  ein  EiweißnĂ€hrprĂ€parat  und  ein 
Slomachicum  darstellt.  Indikationen:  Tuberkulöse,  Krebskranke 
mit  SubaziditÀt,  AnÀmieen,  Appetitlosigkeiten,  Rekonvaleszenz. 
Der  Preis  kommt  nicht  mehr  in  Betracht,  seitdem  Fleisch,  Eier, 
Milch  usw.  an  sich  schon  unerschwinglich  teuer  geworden  sind. 

Dr.  Buttersack. 

Acta  Medica  Scandinavia,  Stockholm. 

22.  April  1922,  56,  Nr.  4. 

❖Psychotechnik  des  Klavierspiels.    Tigerstedt,  R.  334. 
❖Arterien  der  Niere  und  der  Blutdruck.    W  a  1  1  g  r  e  n  ,  A.  356. 

Das  schwedische  Staats-Institut  fĂŒr  Rassen-Biologie.    Lundborg,  H.  371. 

Zur  Methodik  des  Mendelismui  in  Bezug  auf  den  Menschen.    F  e  d  e  r  1  e  y  . 
H.  393. 

❖Erblichkeit  und  perniziöse  AnĂ€mie.    M  u  s  t  e  1  i  n  ,  O.  411. 
❖Perniziöse     AnĂ€mie     mit     ungewöhnlichem     Remissionsstadium.  Wille- 
b  r  a  n  d  ,  E.  A.  v.  419. 

DĂŒnndarmstrikturen    und    perniziöse    AnĂ€mie,    Darmresektion.  Heulen- 
g  r  a  c  h  t  ,  E.  432. 

Kappillarstudien   bei  perniziöser  AnÀmie   und   einigen   anderen  Blutkrank- 
heiten.   Hisinger-JÀgerskiö'ld,  E.  443. 

Versuche     mit     der     Sachs-Georgi-Reaktion     an  BothrioccphalustrÀgern. 
Becker,  G.  453. 

Chronische  Magenkrankheiten.    Ehntröm.  R.  461. 

Die  Rolle   des   Geschlechts   in   der   Aetologie    der   Appendizitis.  Back- 
mann, W.  478. 

Beitrag  zur  Frage  von  dem  Diabetes  renalis.    Johnsson,  A.  485. 
Aetiologie  der  transitorischen  Refraktionsabnahme    bei  Diabetes  mellitus. 

E  n  r  o  t  h  ,  E.  500. 
Wassermangel  der  Gewebe  und  Ausscheidung  von  Azetonkörpern.    E  h  r  - 

ström,  R.  507. 
❖Herzfrequenz   und  Minutenvolumen.    Tigerstedt,   C.  510. 

Zur  Kenntnis  der  Akromegalie.    S  a  1  i  z  m  a  n  ,  F.,  und  O  1  i  n  ,  3.  523. 

Zur  Psychotechnik  des  Klavierspiels.  Versuche  ĂŒber  die 
Schnelligkeit,  resp.  die  feineren  Bewegungen  der  Hand  beim 
Klavierspiel  unter  Zuhilfenahme  einer  Klaviatur  mit  elektrischen 
Signalen  und  Taktmesser.  Die  Bewegungen  der  Finger  ver- 
laufen weniger  gleichmĂ€ĂŸig  als  die  der  Hand.  Das  kleinste  ge- 
fundene Zeitmaß  fĂŒr  eine  willkĂŒrliche  Bewegung  war  0,03  Se- 
kunden. Verfasser  hofft' auf  den  angestellten,  nur  noch  nicht 
ausgefĂŒhrten  Versuchen  zu  zeigen,  wie  auch  das  Klavier  spiel 
Gegenstand  psychotechnischer  Untersuchung  sein  kann. 

Die  Arterien  der  Niere  und  der  Blutdruck.  Verfasser  betont, 
wie  schwierig  die  Frage  vom  Blutdruck  und  den  Arterien  der 
Niere  ist  und  gibt  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  der  Ueber- 
zeugung  Ausdruck,  daß  die  sog.  primĂ€ren  Hypertonien  stets  oder 
beinahe  stets  auf  einer  organischen  Verengerung  der  feinen 
Nierenarterien  beruhen,  und  auch,  daß  es  keineswegs  erwiesen 
ist,  daß  die  Arterolensklerose  in  der  Niere  im  VerhĂ€ltnis  zur 
Hypertonie  das  PrimÀre  ist. 

Erblichkeit  und  pernieiöse  AnĂ€mie.  Bericht  ĂŒber  eine  Fa- 
milie, in  der  drei  Generationen  (Mutter,  Tochter  und  Enkelin) 
pernieiöse  AnÀmie  zeigten.  Verfasser  hÀlt  die  Erbanlage  von 
dominanter  Natur  und  abhÀngig  von  mehr  oder  wenig  ver- 
schiedenen Erbfaktoren. 

Pernieiöse  AnÀmie  mit  ungewöhnlichem  Remissionsstadium. 

Bei  einer  Frau  mit  Morbus  Biermer  blieb  das  Krankheitsbild;  die 
Patientin  lebt  noch.  Das  anfĂ€ngliche  Bild,  das  typisch  war  fĂŒr 
pernieiöse  AnÀmie  Ànderte  sich  im  Laufe  der  Zeit  in  das  einer 
einfachen  AnÀmie.  Verfasser  sieht  mit  Zadek  das  Zustande- 
kommen in  einem  vorĂŒbergehenden  völligen  Versagen  der  Toxin- 
quelle.  Als  Ursache  denkt  er  sich  eine  verschiedene  biologisch- 
funktionelle  ReaktionsfÀhigkeit  des  Einzelin dividnums  der  hypo- 
thetischen Noxe  gegenĂŒber. 

Herzfrequenz  und  Minutenvolumen.  Das  Minutenvolumen 
des  Herzens  ist  bei  genĂŒgend  zur  VerfĂŒgung  stehender  Blutmenge 
in  den  zentralen  Venen  unabhÀngig  von  der  Schlagfrequenz.  Bei 


Ueberschreiten  dieser  Grenzen  nach  oben  oder  unten  nimmt  das 
Minutenvolumen  ab,  grundlegend  hierfĂŒr  ist  die  begrenzte  FĂ€hig- 
keit des  Herzens,  sich  in  der  Diastole  zu  erweitern. 

Cordes  (Berlin). 

Finska  LÀkaresÀllskapets  Handlingar,  Helsingfors. 

MĂ€rz-April  1922,  64. 

Zur  Kenntnis  der  sogenannten  Xanthosarkome  der  Sehnenscheiden.    K  r  o 

g  i  u  s  ,  A.  102. 
Die  chronischen  Magenkrankheiten.    Ehrström,  R.  122. 
Die  Arterien  der  Niere  und  der  Blutdruck.    Wallgren,  A.  138. 

Wassermangel  der  Gewebe  und  Ausscheidung  von  Azetonkörpern.     E  h  r  - 
ström,  R.  152. 

Die  PÀdiatrie  als  selbstÀndige  medizinische  Disziplin.    P  i  p  p  i  n  g  ,  W.  155. 
❖Die  Influenza  in  Helsingfors  in  den  Jahren  1918 — 1921.  Sundelius,  H.  172. 

Die  Influenza  in  Helsingfors  in  den  Jahren  1918 — 1921.  Verf. 
bringt  zwei  Tabellen,  die  auf  Grundlage  der.  Mitteilungen  des 
stÀdtischen  Gesundheitsamtes  das  Vorkommen  der  Influenza  in 
Helsingfors  veranschaulichen.  Die  Tabelle  I  zeigt  das  Auftreten 
der  Influenza  in  den  verschiedenen  Monaten  der  Jahre  1918 
bis  1921,  die  Tabelle  II  wiederum  in  den  einzelnen  Wochen  des 
Jahres  1918 — 1921.  Die  Anzahl  der  FĂ€lle  von  epidemischer  Enze- 
phalitis wĂ€hrend  des  Winters  1920 — 1921  finden  sich  in  Tabelle  II 
besonders  angegeben. 

Verf.  gibt  ferner  eine  kurze  Darstellung  der  eigenartigen 
Symptomatologie  der  Influenza  wÀhrend  der  Jahre  nach  1918,! 
wo  die  Krankheil  in  ihrer  pandemischen  Form  auftrat.  U.  a. 
macht  er  in  dieser  Darstellung  die  Auffassung  geltend,  daß  die 
„Schlafkrankheit",  die  epidemische  Enzephalitis,  als  eine  spe 
zielle  Lokalisation  des  Influenza-Virus  im  zentralen  Nerven 
system  anzusehen  sei. 

Verhandlungen  der  Schwedischen  Aerztegesellschaft, 
Stockholm. 

Bd.  48,  Heft  1. 

❖Morbus     Basedowii.     diagnostische     und     prognostische  Geskihts^Mink 
A.  T  r  o  e  1 1  ,  Stockholm. 
Ucber  Twort-d'Herelles  PhÀnomem.     Hilding  Bergstrand. 
Ein  Fall  von  Kiefertumor.    R'olf  Roman. 

Morbus  Bascdowi.  diagnostische  und  prognostische  Gesichts- 
punkte. Die  meisten  Patienten  mit  mĂ€ĂŸigen  thyreotoxischen, 
Symptomen  zeigten  eine  adenomatöse  Struma,  die  meisten  hoch^ 
gradigen  FĂ€lle  des  Materials  eine  diffuse  Struma.  Die  Pat.  mil 
diffuser  Struma,  die  zur  Operation  kamen,  waren  relativ  jungj 
durchschnittlich  34  Jahre,  Symptome  durchschn.  seit  5  Jahren] 
Thyreotoxische  Adenome  kamen  zur  Operation  an  Pat.,  dia 
ca.  10  Jahre  Àlter  waren,  die  Symptome  halten  durchschnittlich 
durch  14  Jahre  bestanden.  Bei  diffusen  Strumen  meist  ein  er-i 
höhter  Blutdruck  und  herabgesetzte  Kohlehydrat-T oleranz,  bei 
thyreot.  Adenomen  wurden  diese  Symptome  in  der  Regel  nichH 
konstatiert.  —  Die  Pat.,  die  Hyperthyreodismussymptome  aufl 
wiesen,  haben  im  allgemeinen  positive  Adrenalinreaktion  gel 
zeigt,  d.  h.  nach  subkut.  Inj.  von  0,5  mg  mit  einer  absoluten 
Steigerung  von  Puls-  und  Blutdruckkurve  von  mindest  10  (15)  W 
des  Grundwertes  reagiert.  Absolut  verlĂ€ĂŸlich  fĂŒr  die  Diagnosa 
Hyperthyreodismus  ist  aber  die  Adrenalinprobe  nicht.  Ein« 
pharmakodynamische  /Reaktion  auf  eine  erhöhte  ErregbarkeiF 
autonomer  Nervengebiete  (Vagus)  oder  auf  einen  Vagotonus 
konnte  Verf.  bei  Versuchen  mit  Pilokarpin  und  Pituitrin  nicht 
nachweisen.  Auch  war  auf  pharmakologischem  Weg  kein  mar- 
kanter Antagonismus  zwischen  s.  g,  sympathicotonen  und  \-.\iin 
tonen  KrankheitszustÀnden  nachzuweisen.  Eine  strenge  Ei 
leilung  der  BasedowfĂ€lle  in  diese  beiden  Gruppen  lĂ€ĂŸt  sich  ni 
durchfĂŒhren.  Doch  ist  es  berechtigt,  eine  gewisse  Gruppieru 
des  thyreotoxischen  Symptomenkomplexes  (Alter  des  Pa 
Dauer  und  IntensitÀt  der  Symptome,  Blutdruck  und  Kohlehydr 
toleranz  sowie  Morphologie  der  Struma)  vorzunehmen:  di 
nicht  nur  vom  diagnostischen,  sondern  auch  vom  prognostisch 
Gesichtspunkt.  Mindestens  ein  großer  Teil  der  vom  ehirurgi 
operativen  Standpunkt  ominösen  BasedowfÀlle  ist  unter  den  P 
zu  finden,  die  einen  fĂŒr  ihr  Alter  sehr  hohen  Blutdru 
und  eine  diffuse  Struma  haben.  Nach  den  Ergebniss 
des  klinischen  Studiums  muß  man  annehmen,  daß  an 
tomische  VerĂ€nderungen  in  der  SchilddrĂŒse  eine  wcsentli"' 
Rolle  fĂŒr  die  Entstehung  der  Symptome  spielen.  So  wie  m 
vom  klinischen  Standpunkt  von  gemischten  Krankheitsform 
sprechen  kann  (wenn  sie  auch  aus  ZweckmĂ€ĂŸigkeitsgrĂŒnden  si 
ofl  nach  den  zwei  klinischen  Syndrombildern  gruppieren  lasse 
so  sprechen  auch  die  pathologisch-anatomischen  Untersuchung 
stark  dafĂŒr,  daß  sich  beim  Morbus  Basedowi  oft  nicht  blo 
Hyperthyreodismus,  sondern  auch  Dysthyreodismus  findet. 

Popper  (Stockholm). 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrift  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER,  Berlin  W  50 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW4Ö,  Wilhelm-Sira&e  20  /  Fernsprecher:  Liitzow  9057 

Nr.  47  48  Berlin,  den  9.  Dezember  1922  40.  Jahrgang 

Dir  Vorlag  behÀlt  sieb  das  aussoniieBliche  Recht  4er  VervielfÀltigung  und  Verbreitung  der  Originalbeitrage  innerhalb  der  gesetzlichen  Schutzfrist  ver. 


Der  Entwurf  zu  dem  preußischen 
Tuberkulosegesetz. 

Schon  bei  Gelegenheit  der  Beratung  des  Gesetzes  ĂŒber  die  Be- 
mpfung  ĂŒbertragbarer  Krankheiten  war  die  Einbeziehung  der 
ronischen  ĂŒbertragbaren  Krankheiten  zur  Diskussion  gestellt 
>rden.   Die  Reichsgesetzgebung  beschrĂ€nkte  sich  schließlich  auf 
»nahmen  gegen  die  pandemischen  Seuchen  und  ĂŒberließ  die  Be- 
mpfung  der  akuten,  mehr  endemischen  Erkrankungen  der  Lan- 
sgesetzgebung.  Von  den  chronischen  ĂŒbertragbaren  Krankheiten, 
Ă€besondere  der  Tuberkulose  und  den  Geschlechtskrankheiten 
jnle  es  ganz  still,  weil  die  Unmöglichkeit,  die  Kranken  und  ihre 
Igebung  zu  erfassen,  offen  zutage  lag.     Erst  der  Krieg  mit 
inen  FolgezuslÀnden,  die  eine  furchtbare  Ausbreitung  dieser 
Ekskrankheiten  herbeifĂŒhrten,  ließ  den  Gedanken  einer  aktiven 
»kĂ€mpfung  auf  dem  Wege  gesetzlicher  Maßnahmen  wieder  in 
n  Vordergrund  treten.    Die  Frucht  dieser  ErwÀgungen  ist  der 
n  veröffentlichte  Entwurf.    Man  merkt  auch  ihm  deutlich  die 
hwierigkeiten  an,  die  einer,  strengen  DurchfĂŒhrung  im  Wege 
}hen.    Die  wichtigste  Bestimmung  ist  die  Anzeigepflicht.  Jede 
steckende  Erkrankung  und  jeder  Todesfall  an  Lungen-  und  Kehl- 
pftuberkulose  ist  anzeigepflichtig.    Anzeigepflichtig  ist  der  Arzl 
er,  sofern  kein  Arzt  zugezogen  ist,  der  Haushaltungsvorstand, 
fort  taucht  die  Frage  auf,  welche  Erkrankung  ist  ansteckend?" 
t  ein  Arzt  zugezogen,  so  wird  die  Frage  zwar  nicht  sicher, 
er  in  vielen  FĂ€llen,  besonders  in  FĂ€llen  von  positivem  Bazillen- 
fund zu  beantworten  sein.    Sie  ist  aber  hÀufig  auch  von  dem 
‱zt  nicht  zu  beantworten,  wenn  der  Befund  negativ  ist.  Wird 
n  der  Arzl  zur  Erhebung  des  Befundes  in  jedem  Falle  zur  Unter- 
chung  des  Sputum  verpflichtet  sein?    Und  wenn  kein  Arzt  zu- 
zogen  ist,   welche   Kriterien   hat   der  Haushaltungsvorstand 
r  das  Bestehen  einer  Ansteckungsgefahr,  ja  auch  nur  fĂŒr  das 
stehen  einer  Lungenerkrankung  ĂŒberhaupt?    §  2,  3,  4,  die  vom 
ohnungswechsel  Erkrankter,  von  der  Anzeigepflicht  der  Kran- 
nhÀuser,  von  der  Ausgabe  von  Meldkartcn  handeln,  geben  zu 
merkungen. keinen  Anlaß.  §  5  bestimmt,  daß  die  FĂŒrsorgestellen 
[ßnahmen  im  Benehmen  mit  den  behandelnden  Aerzten  zu  tref 
i  haben.   So  wĂŒnschenswert  die  DurchfĂŒhrung  dieser  Maßnahme 
re,  so  schwer  dĂŒrfte  sie  in  Wirklichkeit  sein.    Man  denke  sich 
!  TĂ€tigkeit  des  vielbeschĂ€ftigten  Kassenarztes  der  Großstadt, 
e  soll  hier  dieses  Benehmen  hergestellt,  wie  soll  der  be- 
idelnde  Arzt  an  der  DurchfĂŒhrung  der  FĂŒrsorgemaßnahmen, 
recht  umfangreich  und  kompliziert  sind,  beteiligt  werden?  Ist 
ne  FĂŒrsorgestelle  vorhanden,  so  soll  der  beamtete  Arzt  das 
lehnten  mit  dem  behandelnden  Arzt  herstellen.    Der  beamtete 
zt  mit  der  FĂŒlle  seiner  bisherigen  AmtsgeschĂ€fte  und  seiner 
ten  Aufgaben!   Die  Bestimmung  ist  von  der  sehr  richtigen  Er- 
gung  ausgegangen,  daß  der  behandelnde  Arzt  bei  der  FĂŒrsorge 
den  Kranken  und  seine  Umgebung  nicht  ausgeschaltet  wer- 
darf,  leider  aber  wird  die  rauhe  Wirklichkeit  mit  den  guten 
‱SĂ€tzen  nur  selten  in  Einklang  zu  bringen  sein.    Und  nun  noch 
i  bescheidene  Anfrage    Wer  entlohnt  den  Arzt  fĂŒr  die  MĂŒhe- 
.tung,  falls  er  sich  an  der  FĂŒrsorge  beteiligt?   Die  Kosten,  die 
ch  die  AusfĂŒhrung  des  Gesetzes  durch  den  beamteten  Arzt  ent- 
ten,  sollen  nach  §  10  der  Staatskasse  zur  Last  fallen,  ĂŒber  die 
kung  der  Kosten,  die  durch  den  behandelnden  Arzt  entstellen, 
weigt  das  Gesetz.    Uebernimmt  der  Staat  nicht  auch  diese 
ten,  dann  dĂŒrfte  ein  anderer,  der  zahlungspflichtig  wĂ€re,  kaum 
inden  sein_—  und  der  Arzt  hat  das  Nachsehen.  §  9  u.  10  handeln 
der  Desinfektion  und  der  dadurch  entstehenden  Kosten,  §  11 
lÀlt  die  Strafbestimmungen.    Bestraft  wird,  wer  die  Anzeige- 
cht „schuldhaft"  unierlĂ€ĂŸt.   Da,  wie  oben  ausgefĂŒhrt,  der  Laie 
selten  in  der  Lage  sein  dĂŒrfte,  die  ansteckende  Natur  der  Er- 
lkung  zu  erkennen,  so  wĂŒrde  er  bei  Unterlassung  der  Anzeige 
It  schuldhaft  handeln/also  straffrei  sein.   Aus  alledem  ist  er- 
tlich, daß  eine  wirksame  BekĂ€mpfung  der  Tuberkulose  auf 
I    Wege  des  Entwurfes  kaum  erhofft  werden  darf.    Wird  er 
jlz,  so  wird  dieses  die  Zahl  der  kleinen  Mittel  gegen  den  furchf- 
!n  Feind  der  Menschheit  um  eines  vermehren  und  muß  als 


solches  anerkannt  und  verwertet  werden;  großen  Illusionen  wer 
den  sich  auch  seine  Verfasser  kaum  hingeben.      Alex  a  n  d  e  r. 


Das  Arbeitsnachweisgesetz. 

In  Nr.  17  dieser  Zeitschrift  vom  15.  September  1921  hatten  wil- 
den Entwurf  eines  Arbeitsnachweisgesetzes  zu  einem  Berichte 
benutzt  und  hierbei  die  Frage  erörtert,  ob  dieses  Gesetz  die 
Aerzteschaft  berĂŒhrt  und  welche  Nutzanwendung  wir  gegebenen- 
falls aus  ihr  ziehen  könnten.  Es  wurde  darauf  hingewiesen,  daß, 
obwohl  die  Frage  der  Arbeitsvermittlung  wesentlich  die  gewerb- 
lichen Kreise  trifft,  auch  der  Aerztestand  nicht  unbeteiligt  bleibt, 
einmal  deshalb,  weil  er  dieser  Vermittlungsmöglichkeit  dringend 
bedarf  und  sodann,  weil  der  Gesetzentwurf  zweifellos  auch  unsere 
Einrichtungen  mit  umfaßt.  Indem  wir  in  Betracht  der  Einzelheiten 
auf  den  genannten  Aufsatz  verweisen,  möchten  wir  hier  kurz 
unsere  Beziehungen  zu  dem  nun  verabschiedeten  Gesetz  klarlegen. 
Der  Entwurf  unterschied  von  der  Gemeinde  zu  errichtende  und 
ihrer  Aufsicht  unterstehende  Arbeitsnachweise  von  solchen  nicht 
gewerbsmĂ€ĂŸigen  fĂŒr  wirtschaftliche  Vereinigungen  und 
von  nicht  gewerbsmĂ€ĂŸigen  sonstigen  (Arbeitsnachweisen  ge- 
meinnĂŒtziger Vereine  und  Behörden).  Von  diesen  Kategorien 
wĂŒrde  der  Stellennachweis  des  Leipziger  Verbandes  zu  den  wirt- 
schaftlichen Nachweisen,  andere  wie  der  des  GeschÀftsausschusses 
des  Berliner  Ă€rztlichen  Standesvereins  zu  den  gemeinnĂŒtzigen  zu 
rechnen  sein.  Der  Entwurf  verlangte  nun,  daß,  soweit  der  Reichs- 
arbeitsminister nicht  Ausnahmen  zulĂ€ĂŸt,  die  erste  Kategorie 
innerhalb  einer  Frist  von  2  Jahren  als  Fachabteilung  auf  den 
allgemeinen  Arbeitsnachweis  ĂŒbergeht,  wĂ€hrend  die  zweite  Kate- 
gorie zwar  dem  Landesarbeitsamt  untersteht  und  einigen  Be- 
stimmungen des  Gesetzes  unterworfen  ist,  im  ĂŒbrigen  aber  ihre 
eigene  Verwaltung  behÀlt  und  von  der  Gemeinde  unabhÀngig 
ist.  Das  Gesetz  hat  diese  Zweiteilung  beseitigt.  §  44  bestimmt, 
daß  die  nicht  gewerbsmĂ€ĂŸigen  Arbeitsnachweise,  die  nicht  Ar- 
beitsnachweisÀmter im  Sinne  des  Gesetzes  sind,  der  Aufsicht  des 
Landesamts  unterstehen,  in  dessen  Bezirk  sie  ihre  TĂ€tigkeit  aus- 
ĂŒben. Das  gibt  die  Möglichkeit,  die  Stellenvermittlung  des  Leip- 
ziger Verbandes  so  auszubauen,  daß  sie  den  Bestimmungen  des 
Gesetzes  genĂŒgt  und  nicht  der  Gemeindeverwaltung  zu  unter- 
stehen braucht.  Hauptbedingung  ist  die  Dezentralisation,  denn 
wenn  die  Arbeitsnachweise  von  den  LandesÀmtern  beaufsichtigt 
werden  sollen,  mĂŒssen  soviel  Arbeitsnachweise  vorhanden  sein 
wie  LandesĂ€mter,  d.  h.  nach  §  16  im  allgemeinen  fĂŒr  LĂ€nder,  Pro- 
vinzen oder  andere  grĂ¶ĂŸere  Bezirke  je  eins.  Diese  Teilung,  die 
unbeschadet  eines  weiteren  Zusammenschlusses  und  gemeinsamer 
Richtlinien  eintreten  muß,  liegt  auch  im  Interesse  des  Standes, 
denn  nur  auf  Grund  genauester  Kenntnis  oder  der  BedĂŒrfnisse 
kann  die  Vermittlung  zu  einer  gerechten  Verteilung  der  Aerzte 
fĂŒhren,  auf  die  auch  die  Kassen  mit  Recht  großes  Gewacht  legen. 
Fraglich  ist,  ob  die  LandesÀmter  noch  weitere  Vorschriften 
machen,  die  das  Gesetz  fĂŒr  die  öffentlichen  ArbeitsĂ€mter  macht, 
z.  B.  die  paritÀtische  Zusammensetzung  des  Verwaltungsaus- 
schusses, die  Unentgeltlichkeit  der  Vermittlung  und  die  Auf- 
bringung der  Kosten.  Sollte  der  Leipziger  Verband  an  seinem 
zentralistischen  System  festhalten,  so  wÀren  die  Aerztekammern 
oder  andere  lokale  Standesorganisationen  geeignete  TrĂ€ger  fĂŒr 
die  Errichtung  von  ArbeitsĂ€mtern  und  fĂŒr  die  Aufbringung 
der  Mittel. 

Im  ĂŒbrigen  bietet  das  Gesetz,  welches  am  1.  Oktober  1922  in 
Kraft  getreten  ist,  keine  wesentlichen  Aenderungen  gegen  den 
Entwurf.  S.Alexander. 


648 


Standesfragen  und  soziale  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/41 


Die  Milchnot  in  Berlin. 

Die  unzureichende  Menge  und  schlechte  Beschaffenheit  der 
Milch  fĂŒr  Kinder  hat  in  Berlin  einen  solchen  Grad  erreicht,  daß 
sich  die  pĂ€diatrische  Abteilung  des  Vereins  fĂŒr  innere 
Medizin  veranlaßt  gesehen  hat,  mit  ihren  Forderungen  an  die 
Oeffentlichkeit  zu  treten.  .Sie  fordert  WiedereinfĂŒhrung  der  frĂŒhe- 
ren Reinlichkeit  bei  der  Gewinnung  und  dem  Transport  der  SĂ€ug- 
lingsmilch sowie  Beachtung  der  bereits  bestehenden  gesundheils- 
polizeilichen  Vorschriften,  Verbot  der  konservierenden  ZusÀtze. 
BekÀmpfung  der  MilchverfÀlschung,  besonders  der  Entrahmung. 
Auf  die  Folgen  der  dauernden  Verminderung  der  Milchmengen 
wird  hingewiesen.  Empfohlen  wird  die  Bereitstellung  guter 
Trockenmilch,  die  bei  knapper  Milchversorgung  zweckmĂ€ĂŸig  ist. 
Reich,  Staat  und  Gemeinden  mĂŒssen  auf  einen  erschwinglichen 
Preis  der  Milch  hinwirken.  Alexander. 


KriegsheilbÀder. 

In  einem  Rundschreiben  fordert  ein  Syndikat,  welches  unter 
dem  Ehrenprolektorat  des  Feldmarschalls  v.  Hindenburg  steht, 
zur  Zeichnung  von  Aktien  behufs  GrĂŒndung  einer  Aktiengesell- 
schaft auf,  welche  den  Zweck  verfolgt,  den  Erwerb  und  Betrieb 
zu  bewirken  von  HeilbÀdern,  HeilstÀtten,  Sanatorien  und  ande- 
ren Anlagen  in  Nord-,  Mittel-  und  SĂŒddeutschland,  die  bei  mĂ€ĂŸigen 
Preisen  auch  den  Minderbemittelten  Genesung  bringen  sollen.  Das 
Syndikat,  dem  auch  fĂŒhrende  MĂ€nner  der  Ă€rztlichen  Wissenschaft 
zur  Seite  stehen,  hofft,  daß  nicht  nur  den  KurgĂ€sten  mit  ihren 
Familien  zu  billigen  Preisen  im  Sommer  oder  Winter  Unterkunft, 
Verpflegung,  Erholung  und  fachkundige  Behandlung  finden,  son- 
dern daß  auch  die  AktionĂ€re  eine  gute  Verzinsung  ihres  Anlage- 
kapitals erhalten. 

Es  wĂ€re  ein  Ziel,  aufs  innigste  zu  wĂŒnschen. 

S.  Alexander. 


Geheimmittel. 


FĂŒr  die  Zwecke  des  Umsatzsteuergesetzes  hat  der  Reichsrai 
folgende  Definition  des  Begriffes  Geheimmiltel  gegeben.  Unter 
Geheimmittel  sind  Stoffe  oder  Zubereitungen  zu  verstehen,  die  zur 
VerhĂŒtung,  Heilung  oder  Linderung  von  Krankheiten,  Leiden  oder 
KörperschÀden  aller  Art,  zur  Vermehrung  oder  Verminderung 
körperlicher  Leistungen  oder  zur  Förderung  oder  Erleichterung 
der  Geburt  bei  Menschen  oder  Tieren  bestimmt  sind,  wenn  1.  ihre 
Bestandteile  nach  Art  und  Menge  dem  Erwerber  gegenĂŒber  ge- 
heim gehalten  werden  oder  2.  die  Mittel  in  der  vorgeschriebenen 
oder  ĂŒblichen  Anwendung  geeignet  sind,  gesundheitsschĂ€dlich  zu 
wirken,  insbesondere  auch  dadurch,  daß  sie  von  dem  Gebrauch 
geeigneter  Heilmittel  oder  Àhnlicher  Hilfe  abhalten,  oder  3.  als 
Mittel  zur  Ausbeutung  oder  zur  IrrefĂŒhrung  durch  die  Art  ihrer 
AnkĂŒndigung  oder  Anpreisung  dienen  können. 

Nicht  als  Geheimmittel  sind  solche  Zubereitungen  oder  Stoffe 
anzusehen,  die  in  das  Arzneibuch  fĂŒr  das  deutsche  Reich  auf- 
genommen sind  und  unter  der  dort  angewandten  Bezeichnung  an- 
geboten werden,  sowie  diejenigen,  die  in  der  medizinischen 
Wissenschaft  und  Praxis  als  Heilmittel  allgemeine  Anerkennung 
gefunden  haben.  Alexander. 


Die  Indexziffern   fĂŒr   einige   wichtige  Lebenshaltungskosten. 

Die  bisher  der  amtlichen  Statistik  zugrunde  liegenden  Kosten 
fĂŒr  die  Lebenshaltung  betrafen  in  erster  Linie  die  ErnĂ€hrungs- 
kosten, erst  in  den  letzten  Monaten  ist  der  Versuch  gemacht,  auch 
andere  unentbehrliche  Lebenshaltungskosten  fĂŒr  den  Index  zu  ver- 
werten. FĂŒr  uns  Aerzte  haben  diese  Feststellungen  den  besonde- 
ren Wert,  weil  sie  Kosten  betreffen,  die.  soweit  sie  fĂŒr  Berufs- 
zwei kr  tatsÀchlich  verausgabt  worden  sind,  als  sogenannte 
„Werbungskosten"  fĂŒr  die  Zwecke  der  Reichseinkommensteuer  von 
dem  Berufseinkommen  abgezogen  werden  können.  Es  handelt 
sich  um  die  Preise  der  Heiz-  und  Leuchtstoffe  und  um  die  Mieten. 
Die  Ausgaben  fĂŒr  Heizung  und  Beleuchtung,  die.  im  Juli  1921  eine 
12,8fache  Steigerung  aufwiesen,  sind  im  Mai  1922  auf  das  44fache 
gestiegen.     Die   Mietspreise   sind  durchschnittlich  nur  um  das 


.'dache  gegen  die  Friedenszeit  gestiegen,  offenbar  in  Folge 
gesetzlichen   Zwangsbestimmungen.      Nach  dem  neuen  Reicl 
mietengesetz  ist  aber  auch  fĂŒr  die  Mieten  eine  wesentliche  Stc 
gung  zu  erwarten,  da  alle  Steuern,  Abgaben  und  sonstigen  W| 
bungskosten  fĂŒr  das  GrundstĂŒck  der  Miete  zugeschlagen  werde 
Wenn  deshalb  fĂŒr  die  kassenĂ€rztlichen  Honorare  und  GebĂŒhre 
Ordnungen  ein  Zuschlag  nach  Maßgabe  der  Reichsindexziffer 
‱in  "Aussicht  genommen  ist,  so  darf  der  Fehler  nicht  unberĂŒcfi 
sichtigt  bleiben,  der  darin  liegt,  daß  in  der  Indexziffer  eine  A| 
zahl  wichtiger  Lebensunterhaltungskosten  nicht  enthalten  ist 

Alexander. 


Die  WeiterfĂŒhrung  der  Kinderspeisung. 

Nach  einem  Bericht  der  MinisterialrÀte  Dr.  Pokrants 
König  vom  preußischen  Wohlfahrtsministerium  ist  die  sogenanr 
QuĂ€kerspeisung  auf  den  Deutschen  Zentralausschuß  fĂŒr 
Auslandhilfe  E.  V.   als   Beauftragten  der  Kinderhilfskor 
mission  und  des  Rcichsministers  fĂŒr  ErnĂ€hrung  und  Landwir 
schaft   ĂŒbergegangen.     Dem    Ausschuß   gehören  Vertreter 
amerikanischen  Spender,  der  deutschen  Behörden  der  freien  Woli 
fahrtspflege,  der  Lehrerschaft,  der  Aerzteschaft  und  der  fĂŒr 
DurchfĂŒhrung  geschaffenen  Mittelstellen  der  LĂ€nder  an.  Unt 
diesen  stehen  die  Speisungsorte,  in  denen  die  Gemeinden  die  Traf 
der  Speisung  sind.    FĂŒr  die  Speisung  kommen  wesentlich  Schi 
kinder  in  Betracht.    Die  Schulspeisung  bezweckt  die  GewÀhri 
einer  Zusatzmahlzeit.    Die  Auswahl  der  Kinder  erfolgt  dui 
Aerzte,  und  zwar  erfolgt  die  Aussonderung  durch  die  Vorausws 
und  die  engere  Wahl.    Die  Vorauswahl  erstreckt  sich  auf 
Schulkinder.    Sie  geschieht  durch  Aufnahme  der  Vorgeschich 
Messung,  Gewichtsfeststellung  und  Besichtigung.   Hierbei  werd 
die  Kinder  in  drei  Gruppen  geteilt:  in  solche,  die  nicht  spei 
bedĂŒrftig  sind,  in  solche,  bei  denen  eine  Zusatznahrung  erwĂŒns 
ist,  und  im  Gewicht  und  ErnĂ€hrung  durch  Krankheit  zurĂŒ 
gebliebener  Kinder.  Ein  bestimmtes  System  als  Grundlage  fĂŒr 
Beurteilung  der  Körperbeschaffenheit  der  Kinder  ist  nicht  \< 
geschrieben.     Falls   nicht   alle  drei  Gruppen   gespeist  werdH 
können,  findet  eine  engere  Auswahl  statt.  Alexande raJ 


Entscheidungen  des  Reichsversicherungsamts. 

Der  Unfall  eines  Arbeiters  außerhalb  der  BetriebsstĂ€tte J 
einer  Betriebsversammlung,  die  vom  Betriebsrat  eine 
gewerblichen  Betriebes  einberufen  ist.  gilt  nicht  als  Betrica 
unfall  im  Sinne  des  §  544  RVO.,  weil  die  Teilnahme  an  der  Ver 
Sammlung  höchstens  als  geschÀftsleitende  TÀtigkeit,  die  nicht  be 
triebstechnischen  Zwecken  dient  und  daher  unversichert  ist,  an 
gesehen  werden  könnte. 

WĂ€hrend  der  ganzen  Zeit,  fĂŒr  die  eine  Wöchnerin  Wochen 
geld  nach  §  195a,  Nr.  2,  RVO.  bezieht,  sind  fĂŒr  sie  nach  §  38 
Abs.  2  der  RVO.  KrankenkassenbeitrÀge  nicht  zu  entrichten 
gleichgĂŒltig,  ob  sie  arbeitsunfĂ€hig  im  Sinne  des  §  182,  Nr.  2  a 
ist  oder  nicht. 

Da  der  Wochengeldbezug  sich  auf  mehrere  Wochen  erst 
ist  demnach  die  Wöchnerin  trotz  etwaiger  BeschÀftigung 
Entgelt  von  der  Beitragspflicht  befreit. 

Die  Schwestern  vom  Roten  Kreuz  sind  nicht  inval 
versicherungspflichtig. 

Aus  der  BegrĂŒndung  entnehmen  wir:  WĂ€hrend  der  Aus- 
bildung sind  die  Schwestern  von  niederen  Diensten  befreit,  sie 
sind  den  Vollschwestern  nachgeordnet  und  ĂŒben  keine  selbstĂ€ndige 
TĂ€tigkeit  aus.  Außer  freiem  Unterhalt  beziehen  sie  nur  ein 
Taschengeld,  sie  sind  daher  mangels  Bezugs  eines  Barlohnes  ver- 
sicherungsfrei. Die  Vollschwestern  besitzen  eine  höhere, 
auf  selbstÀndigem  Denken  beruhende  Verantwortlichkeit,  ihre 
TĂ€tigkeit  reiht  sie  in  den  Kreis  der  Angestellten  in  gehobener 
Stellung  ein.  Sie  unterliegen  der  Angestelltem  ersiehcrung.  In 
diese  Gruppe  gehören  die  Stationsschwestern.  Pflege  und  Ge- 
meindeschwestern. Die  fĂŒr  ihre  MĂŒhewaltung  gezahlte  (iel)ĂŒhr 
wird  an  das  Mutterhaus  abgefĂŒhrt.  Die  Schwestern  erhalten  außer 
freier  Station  Geldvergiitungen.  die  ĂŒber  den  Begriff  des  Taschen- 
geldes und  ĂŒber  die  Grenze  von  2000  Mark  hinausgehen.  Sie  u 
liegen  demnach  der  Angestelltenpflicht.  S.  Alexande; 


a.  a.  0. 
.1  reckt, 

„Uta- 


JO.  Jahrg.     Nr. 47/48  Aus  den  neuesten  Zeitschriften  i;i  i 

REFERATENTEIL 


Deutsche  Medizinische  Wochenschrift,  Leipzig. 

9.  Juni  1022.  48,  Nr.  23. 

❖Die  VerhĂŒtung  n&s  Kindbcttfiebers.    '/.  w  e  i  f  e  1.  7Ă€9 
roher     Erfolge     der     Strahlenbehandlung     des  Uteruskollumli&i'ziuonu. 

Zweite  1.  762. 
Zur  Aetiologie  der  Psoriasis.    B  e  t  t  in  a  n  n.  762. 

❖Atypische  FĂ€lle  von  eitriger  Peritonitis,  festgestellt  zuerst  durch  ihr  Blut- 
biid.    S  O  i  1 1  i  n  g.  764. 

❖Ueber  Temperatur  und  Schlaf.    L  i  n  d  i  g.  7fiö. 

Zur  Frage  der  Salvarsaiideimatitis.     H  e  j  n.  767. 

❖Versuehe  mit  Rivanol  bei  Gonorrhoe  und  Pyodermien.    Bibers  tein.  7ii9. 

❖Zum    Kohlenhydratstoffwechsel    der    Leberkranken.     II.     Die  alimentĂ€re 
HypoglykÀmie  und  fil-ykosuiie.    II  e  t  o  u  y  i.  770. 
Zur  lirĂŒhdiagnose  der  fistula  gastro-colica.    A  r  o  n  s.  771. 
Zur  Serumbehandlung  primÀrer  und  sekundÀrer  AnÀmien.    Wettere  r.  772. 
Röntgenologische  Fortschritte  mit  der  Kadio-Sile*.- Apparatur.    Schoe  n.  Y73. 

Die  VerhĂŒtung  des  Kindbettfiebers.  Wer  seine  HĂ€nde  mit 
Streptokokken-  und  Staphylokokkeneiter  in  BerĂŒhrung  gebracht 
hat,  kann  durch  kein  Desinfektionsmittel  seine  HĂ€nde  wieder  so 
reinigen,  da'ß  er  bald  darauf  wieder  eine  geburtshilfliche  oder 
gynÀkologische  Operation  unternehmen  darf.  Also  keinen  Eiter  be- 
rĂŒhren oder  Gummihandschuhe.  Die  HĂ€lfte  der  schweren  fieber- 
haften Erkrankungen  des  Wochenbetts  kommt  bei  solchen  Frauen 
‱yon  sterilen  Handschuhen  beim  Touchieren,  mehr  Untersuchung 
hallen  und  nicht  mehr  genĂŒgend  lange  prophylaktisch  gespĂŒlt 
werden  konnten.  Dagegen  wiesen  die  mit  SpĂŒlungen  prophylak- 
tisch Behandelten  (lCh-17  Tage  lang)  in  90—93  %  sowohl  hin 
sichtlich  des  Verlaufs  des  Wochenbetts  als  hinsichtlich  Ausstrich- 
prÀparat  und  Kulturproben  normale  VerhÀltnisse  auf.  Auch  der 
vorzeitige  Blasensprung,  wenn  er  ĂŒber  2  Stunden  dauert,  kann 
in  dieser  Hinsicht  bedeutungsvoll  werden.  Endlich  Gebrauch 
\  on  sterilen  Handschuhen  beim  Tauchieren,  mehr  Untersuchung 
per  rectum.  Bisher  starben  alljĂ€hrlich  mehrere  Tausend  MĂŒtter 
an  einer  vci  hĂŒtbaren  Krankheit,  weil  die  Vorschriften  fĂŒr  die 
Hebammen  die  hÀufigste  Gelegenheit  zum  Anstecken  unbeachtet 
lassen. 

Atypische  FĂ€lle  von  eitriger  Peritonitis.  Der  prinzipielle 
Gebrauch  des  Blutbildes  hat  eine  wichtige  diagnostische  und 
prognostische  Bedeutung.  Das  Blutbild  wird  instruktiver  durch 
EinfĂŒhrung  der  Klasse  der  Jugendlichen,  die  bei  Fehlen  von 
Myelocyten  den  mehr  oder  weniger  akuten  Charakter  des  Pro- 
zeses  und  seine  Verschlimmerungen  gut  illustrieren  und  die 
Mitbeachtung  der  anderen  Zeilen  das  Ganze  auf  eine  breitere 
Basis  stellt. 

Ucber  Temperatur  und  Schlaf.  Die  kausale  Verquickung  von 
Temperatur  und  Schlaf,  als  Reaktion  durch  parenterale  Eiweiß- 
zufĂŒhr  ausgelöst,  ist  in  dem  Sinne,  daß  der  Schlaf  durch  die 
Temperatur  bedingt  wĂŒrde,  abzulehnen.  Beide  Erscheinungen  sind 
als  selbstÀndige,  einmal  neben-,  einmal  nacheinander  ablaufende 
ProteiiikörperreakĂŒohen  aufzufassen. 

Versuche  mit  Rivanol  bei  Gonorrhoe  und  Pyodermien.  Ri- 
vahol ist  zu  empfehlen.  Zur  Behandlung  der  Gonorrhoe  der 
mÀnnlichen  Harnröhre  (Injektionen,  Irrigationen,  Guyon'sche 
Einspritzungen),  sowie  bei  verschiedenen  Pyodermien  (Impetigo 
contagiosa,  Ekthyma,  posl  scabiem,  bei  der  Pyocyaneusinfektion 
der  Ulcera  cruris). 

Zum  Kohlehydratstoffwecb.se]  der.  Leberkranken.  Die  pero- 
rale Zufuhr  von  100  gr  Dextrose  fĂŒhrt  auch  beim  Gesunden  zu 
einem  Anstieg  des  Blutzuckers.  Bei  verschiedenen  Lebererkran- 
kungen isl  diese  Erhöhung  viel  stÀrker.  Ein  geringerer  Anstieg 
dies  Blutzuckers  spricht  entschieden  gegen  eine  Lebererkrankung 
(unter  10  %  ,.  Die  positiven  FÀlle  bei  Gesunden  können  teilweise 
auf  eine  durch  den  Krieg  verursachte  TolernnzschÀdigung,  teil- 
weise auf  den  individuell  verschiedenen  Funktionsgrad  der  Leber 
ZUFÜckgefĂŒhrt  werden.  Beim  Zustandekommen  der  alimentĂ€ren 
Glykosurie  ist  auch  der  Zustand  der  Nieren  von  eminenter 
Wichtigkeit.  Sie  ist  also  als  spezifische  Methode  der  Leber- 
funktionsprĂŒfung zu  verwerfen. 

Zur  FrĂŒhdiagnose  der  Fistula  gastrocolica.  Beschreibung 
eines  Falles.  Bei  Fell  stuhlen  ohne  Sichersteilling  bisher  bekannter 
Ursachen  mit  Magenierscheinungen  (Schmerzen  unabhÀngig  vom 
Essen),  LJebelkeil  nach  dem.  Essen,  u,  U.  Magen-Darmblutungen, 


(DurchfÀlle)  isl  an  eine  Fistula  gastrocolica  zu  denken.  Der 
Kohleversuch  (even.ll  auch  Karmin)  stĂŒtzen  die  Diagnose.  Auch 
der  Einhorn'sche  Duodcnalschlauch,  wenn  er  schon  nach 
kurzer  Entfernung  von  der  Zahnreihe  im  Rektum  oder  außerhalb 
d<  sselben  erscheint. 

Zur  Serumbehandlung    primÀrer    und  sekundÀrer  AnÀmien. 

W  e  t  t  e  r  e  r  macht,  ausgehend  von  seiner  Serumbehandlung  des 
Karzinoms,  den  recht  plausibeln  Vorsehlag,  die  Tuberkulosen 
mit  Serum  zu  behandeln  undzwar  nicht  mit  artgleichen,  son- 
dern mit  dem  gesunder  krÀftiger  Outsider.  Die  verschiedene 
WiderstandsfÀhigkeit  gegen  Tuberkulose  beruht  letzten  Endes 
mit  auf  der  individuell  verschiedenen  ehemischen  Beschaffenheit 
des  Blutserums,  ebenso  wohl  auch  die  Vererbung  der  Dis- 
position zur  Tuberkulose.  Er  hÀlt  auch  andere  AnÀmien,  die  der 
Erschöpfung  nach  Syphilis,  die  bei  Chlorose  fĂŒr  zugĂ€nglich  dieser 
Behandlung. 

v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

16.  Juni  1922,  48,  Nr.  24. 

lieber  DigetÀlisstof  fe  und  Digitalismedikamente.    S  t  r  mi  Ii.  791. 
Ueber  die  Aufnahme  von  Quecksilberchlorid  und  Trypaflavin  durch  Bakterien 
und  Körnerzellen.     H  a  Ii  u  und  Ii  e  m  y.  793. 
❖Ueber  die   ,,lipnklspaltende"   Funktion    der   Lymphozyten.     A  »  c  Ii  o  f  f  und 
Kami  y  a.  794. 

Ueber  die  MĂŒgliciTke  ten  weiterer  Vereinfachungen  meiner  TrĂŒbungareaktion. 
Do  ld.  797. 

❖  Appendizitis  und  Gonorrhöe,  die  beiden  hĂ€ufigsten  Ursachen  der  chronischen 
EntzĂŒndungen    der   Tuben   und   Ovarien.     M  u  e  1  1  e  r.  798. 

Darmruptur  bei  Selbstrepositio  eines  eingeklemmten  Bruche».  S  e  Ii  in  i  d  t. 
800. 

Ein   Beitrag    zur    primÀren    Eungenaktinomykose.     L  i  e  h  t  e  r  f  e  1  d.  801. 
Weiterer  Beitrag-  zu  NovokainschÀdeu.    Decker.  802. 
Rivanol  als  granulationsliemmendes  Mittel.    Blaß.  803. 
❖Ueber  ungewöhnlich  lokalisierte  extragenitale  PrimĂ€raffekte.    M  IUI  e  r  ,  O. 
803. 

❖Ueber  „fSultobadin",  ein  neue«  Schwefelprap.arat  zur  Herstellung  von  BĂ€dern. 
6  t  ĂŒ  m  p  k  e.~  804. 

Die  Nebenwirkungen  des  Xeosalvarsans  und  ihre  BekÀmpfung  unter  be- 
sonderer BerĂŒcksichtigung-  des  Suprarenins.  K  o  i  n  h  a  r  d  -  E  i  c  Ii  e  1  - 
b  a  u  in.  804. 

Salvarsan  bei  chirurgischen  Eingriffen  in  sepltischen  Wunneu.    (i  e  y  e  r.  806. 

Ueber  die  lipoidspaltende  Funktion  der  Lymphozyten.  Die 
Voraussetzung .  von  Wassermann  und  Berget,  daß  die  Makro- 
phagen von  den  echten  Lymphozyten  abstammen,  isl  bis  jetzt 
nicht  bewiesen.  Auch  ihre  Annahme,  daß  den  echten  Lymphozyten 
eine  phagozytÀre  FÀhigkeit  zukÀme,  ist  nicht  zu  stutzen.  Viel- 
mehr bleiben  die  dies  ablehnenden  Anschauungen  Matschuckoffs 
und  Ehrlichs  bestehen.  Auch  wenn  man  die  Makrophagen  (Hislio- 
zyten)  ohne  weiteres  mit  den  Lymphozyten  identifizierte,  wie  die 
obigen  Forscher,  so  ist  doch  von  einer  spezifischen  Reaktion  der- 
selben auf  lipoide  Antigene  keine  Rede. 

Appendizitis  und  Gonorrhoe,  die  beiden  hÀufigsten  Ursachen 
der   chronischen    EntzĂŒndungen   der    Tuben    und    Ovarien.  Die 

chronische  Appendizitis  ist  ein  eminent  langwieriges,  oft  aus  der 
ersten  Lebenszeit  stammendes  Leiden,  das  alie  Bauchorgane 
schÀdigen  und  das  ganze  Allgemeinbefinden  in  schwerster  Weise 
beeintrÀchtigen  kann,  ja  dlie  Entwicklung  der  Kinder  hemmen, 
die  Heilung  anderer  Krankheiten  erschweren  kann.  Beginn  der 
Erkrankung  durch  Obstipatio  chronica,  Ruhr,  SĂ€uglingsdiarrhoe 
im  Sromanum,  als  Kolitis  dann  durch  Querdarm  und  Colon 
aszendems  ins  Typhtan  und  in  den  Vermis  vondringend,  wird  die 
EntzĂŒndung  durch  das  Exsudat  auf  alle  Bauchorgane  ĂŒbertragen. 
Man  bat  also  nicht  die  lokale  EntzĂŒndung  eines  entbehrlichen, 
wenn  auch  nicht  ganz  funktionslosen  Organs  vor  sich,  sondern 
ein  großes  Krankheitsbild,  das  den  gesamten  Körper  dauernd 
»chÀdigt.  Der  akute  Ausfall  ist  nur  eine  lebensgefÀhrliche  Steige- 
rung der  an  sich  stets  ernsten  Erkrankung.  Auch  SterilitÀt  kann 
daraus  entstehen.  Aehnliches  gilt  von  der  Gonorrhoe.  FĂŒr  die 
Diagnose  drei  Punkte:  McBĂŒrna  ĂŒber  dem  Typhlon,  Lanz  ĂŒber 
dem  Ausgang  der  Vermis,  KĂŒmmell  2  cm  unter  und  rechts  vom 
Nabel. 

Im  allgemeinen  isl  aber  jeder  Druckschmerz  im  unteren 
1  echten  Abdomen  verdÀchtig  auf  Appendizitis  wie  auf  Oophoritis. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/48 


Nach  KĂŒmmell  sind  die  o  klassischen  Punkte  nicht  selten  schmerz- 
los. Viel  hÀufiger  liegen  die  Schmerzen  in  den  empfindlicheren 
Adnexen,  namentlich  hei  der  Periode.  Die  Frage,  Appendizitis 
(oder  Gonorrhoe)  oder  Oophoritis,  ist  also  diagnostisch  falsch 
gestellt,  es  sind  nicht  zwei  Krankheiten,  sondern  meist  nur  eine. 

Darmruptur     bei      Selbstreposition     eine*  eingeklemmten 
Bruches.    Di«  unblutige  Reposition  einer  eingeklemmten  Hernia 
-  Beschreibung  eines  fatalen  Falles  —  ist  im  allgemeinen  mit 
weit  grĂ¶ĂŸeren  Gefahren  verknĂŒpft,  als  eine  rechtzeitige  Hernio- 
tomie  und  deshalb  besser  zu  unterlassen. 

Weiterer  Beitrag  zu  NovokainschÀden.  Totalamaurose  nach 

50  cem  einer  1  %  Losung,  die  nach  5  Tagen  ohne  Folgen  wieder 

schwand.   Bei  bestehenden  oder  frĂŒheren  Gehirnerkrankungen  ist 

Novokain  in  erhöhtem  Grade  gefÀhrlich,  nur  dann  indiziert,  wenn 

Allgemeinnarkose  absolut  kontraindiziert  ist. 

t  '■' 
Ueber  ungewöhnlich  lokalisierte  extragenitale  PrimÀraffekte. 

Einer  an  der  Nasenspitze  infolge  AusdrĂŒcken  eines  Pickels  durch 
den  infizierten  Ehemann,  dann  bei  zwei  BrĂŒdern  am  Daumen  mit 
unbekannter  Entstehungsursache,  und  ein  recht  schwer  verlaufen- 
der Fall  bei  dem  der  linke  Zeigefinger  infolge  eines  schlecht 
heilenden  GeschwĂŒrs,  eben  des  PrimĂ€raffektes,  amputiert  worden 

war-  .    ‱ \  _   _  '  .J.  ~ijft. 

Ueber  Sulfobadin:  EnthÀlt  in  einem  sehr  schwefelreichen 
Lösungsmittel  ein  geschwefeltes  Oel,  das  mit  dem  Lösungsmittel 
in  chemische  Verbindung  tritt  (Helfenberg).  Ersatz  fĂŒr  Solutio 
Vlemingkx.  VorzĂŒge:  Wird  angenehm  empfunden,  ohne  Geruch 
und  W  annenbeschmutzung,  von  guter  Wirksamkeit  und  billig. 
Indikation:  Postskabiöse  und  chronische  Ekzeme,  Impetigo, 
Akne,  Pruritus,  Psoriasis,  Liehen  ruber,  Dermatitis,  herpetiformis, 
Pemphigus.  v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

'  Zentralblatt  fĂŒr  Chirurgie,  Leipzig. 

1.  Juli  1922,  49,  Nr.  28. 

Autoplastische  Knoehenverpflanzung  bei  Ex.articula.tio  coxae.    t.  S  tu  Ii  e  ii  ‱ 
r  a  u  c  h.  938. 

^Peritonealverschluß     ohne     Kanalnaht    oder    Bassini  beiun  Leistenbruch? 
H'offmann.  939. 

Sterilisation  des  Elfenbeins.  B  a  b.  943. 
Peritonealversehluß  ohne  Kanalnaht  oder  Bassini  beim  schrĂ€- 
gen Leistenbruch?  Der  schrÀge  Leistenbruch  ist  stets  angeboren 
und  bedingt  durch  einen  mehr  oder  weniger  unvollkommenen  Ab- 
schluß des  Processus  vaginalis  pertonei.  Bei  der  Operation  legt 
Verfasser  keinen  \\  ert  auf  „die  Wiederherstellung  des  Leisten- 
kanals  durch  eine  systematische  Naht"  wie  bei  Bassinis  Methode; 
es  genĂŒgt  nach  seiner  Meinung  das  Auslösen  des  Bruchsacks  bis 
zum  Uebergang  in  das  parietale  Peritoneum,  Abtragen  des  Bruch- 
sacks und  sorgfĂ€ltigen  PerUoiH'alverschluß;  es  ist  großes  Gewicht 
darauf  zu  legen,  daß  kein  Bruchsacktrichter  zurĂŒckbleibt  und  daß 
die  Gebilde  des  Samenstrangs  weit  abprÀparierl  werden.  Vor  die 
Peritonealnaht  wird  am  inneren  Leistenring  eine  einzige  StĂŒtz- 
naht gelegt.  Diese  Methode  genĂŒgt  nicht  nur  bei  Kindern,  sondern 
auch  bei  Erwachsenen.  Verfasser  hat  kein  eigentliches  Becidis 
beobachtet,  wohl  aber  in  2  %  der  FĂ€lle  das  Auftreten  eines  ge- 
raden Leistenbruchs  an  der  Operationsstelle.  Er  empfiehlt  daher 
noch  eine  VerstĂ€rkungsnaht  der  Externusaponeurose  ĂŒber  der 
ganzen  LĂ€nge  des  Leistenkanals  hinzuzufĂŒgen. 

K.  Wohlgemulh  (Berlin  . 

Acta  Chirurgica  Scandinavica,  Stockholm. 

29.  April  1922,  54,  Nr.  5. 
â–șMĂŒ'trograde  DUnndarminYagination  nach  Gastroenterostomie.     L  u  n  d  b  e  r  g, 

S.  423. 

Hematom  in  der  Schirde  des  Musculus  Rectus  Abdominis.  P  e  r  m  an.  E.  43-t. 
«HJeber  Kindeschirurgie.     J  o  h  a  n  s  s  o  n  ,   S.  4i5. 

‱MOin    Fall     von    spontaner    Harnblasenruptur,     geheilt     ohne  Operation. 
Aars  N  i  c  o  1  a  y  s  e  n  .  X.  ;"i07. 

DĂŒnndarminvagination  naeh  Gastroenterostomie.  Als  haupt- 
sĂ€chlichstes Moment  fĂŒr  die  Erkrankung  glaubt  Verfasser  mit  an- 
dern eine  Antiperistaltik  annehmen  zu  sollen,  glaubt  indes  auf 
Grund  der  wenigen  bekannten  FĂ€lle  keine  SchlĂŒsse  ziehen  zu 
dĂŒrfen,  betont  nur,  daß  auf  die  Komplikation  bei  der  chirurgi- 
schen Behandlung  der  MagengeschwĂŒre  RĂŒcksicht  genommen 
werden  muß. 

l'eber  Kinderchirurgie.  Verfasser  berĂŒcksichtigt  in  ausfĂŒhr- 
licher, reichlich  mit  Abbildungen  versehener  Arbeit  hauptsÀch- 
lich die  dem  Kindesalter  vorbehaltenen  chirurgischen  Erkran- 
kungen, so  Geburtsanomalien  usw. 


Ein  Fall  von  spontaner  Harnblascnruptur  geheilt  ohne  Ope- 
ration. Genau  geschilderter  Fall  einer  Spontanruptur  in  eigent- 
lichem Sinne,  deren  Ursache  in  Störungen  der  Blasenfunktion 
zentralnervösen  Ursprungs  und  luetischer  Natur  zu  suchen  ist. 
Heilung  auf  konservativem  Wege.  Bei  derselben  eine  solche 
Harnstoffretention  im  Serum,  daß  nach  allgemeiner  urologischer 
Ansicht  eine  schwerwiegende  Kontraindikation  gegen  einen 
grĂ¶ĂŸeren  operativen  Eingriff  geltend  gemacht  werden  kann. 

Cordes  (Berlin). 

El  siglo  Medico,  Madrid. 

S.  Juni  1922,  69,  Nr.  3573. 

Cajal,  seine  Persönlichkeit,  sein  Werk,  seine  Schule.    Cortezo,  CM. 

■^Organisation  einer  Gesellschaft  zur  Verbesserung  der  geistigen  Gesundheit 
in  Spanien  und  zum  Schutz  der  Geisteskranken.    S  a  n  z  ,  E.  F. 
Klinische    Studien    ĂŒber    Elektrotherapie    in    der    Augenheilkunde.     S  a  n  - 
c  h  e  z  .  I?. 

Die    praktische   Ausnutzung    der  Streustrahluug     in    der  Tiefentherapie. 
Chaul. 

Injektionen  von  sterilisierter  Milch  in  der  Therapie.    Marin  A  in  a  t  ,  M. 
GegenwÀrtiger  Staad  der  Lehre  von  der  inneren  Sekretion.  Marafion  Y 

P  o  s  a  d  i  1  1  o  ,  G. 

Organisation  einer  Gesellschaft  zur  Verbesserung  der  geisti- 
gen Gesundheit  in  Spanien  und  zum  Schutz  der  Geisteskrankhei- 
ten.   Verfasser  tritt  energisch  fĂŒr  Bildung  einer  Gesellschaft  im 
oben  genannten  Sinne  ein  und  fĂŒhrt  als  Vorbilder  die  schon  in 
anderen  LĂ€ndern     bestehenden  Gesellschaften  an.     In  den  Ver- 
einigten Staaten  besteht  eine  Gesellschaft,  deren  erste  Tat  die 
Schöpfung  mehrerer  Institute  zur  Behandlung  von  Geisteskrank 
heiten  war,  und  zwar  folgender:  KrankenhĂ€user  fĂŒr  akute,  heil- 
bare geistige  Erkrankungen:  Anstalten  fĂŒr  Alkoholiker  und  an- 
dere Toxikomanien;  Sanatorien  fĂŒr  Neurotiker  usw.  Die  hervor- 
stechendste Eigenschaft  dieses  Systemes  ist  die  Verteilung  der 
Kranken  in  verschiedene  Gruppen  und  die  gesonderte  Behandlung 
derselben.    Eine  weitere  wichtige  Einrichtung  ist  die  psychiatri- 
sche Beratungsstelle  fĂŒr  Leichtkranke,  die  keine  Krankenhaus- 
behandlung benötigen;  ferner  FĂŒrsorge  fĂŒr  die  in  den  Irrenan 
stalten  Untergebrachten  und  Schutz  und  "Beratung  derselben  beim 
Eintritt  in  das  bĂŒrgerliche  Leben.    In  Frankreich  wurde  192 
eine  Gesellschaft  gegrĂŒndet,  die  9  Kommissionen  umfaßt;  di</> 
befassen  sich  mit  den  Geisteskrankheiten  im  allgemeinen:  mit  dem 
Alkoholismus;  den  Schulen;  der  professionellen  Arbeit;  den  anti- 
sozialen Individuen;  der  Verteilung  der  Geisteskranken;  der  Bei 
hilfe  bei  der  Gesetzgebung;  bei  Heer  und  Flotte:  der  psychiatri 
sehen  Unterweisung;    der  Organisation    und    Propaganda  und 
wissenschaftlichen  Untersuchungen.    In  England  besteht  eine  Ge 
Seilschaft  mit  folgenden  Zielen:  Untersuchung  ĂŒber  die  Natur  un 
die  Ursache  der  geistigen  Erkrankung:  Untersuchung  der  gegen 
wĂ€ltigen  FĂŒrsorge  und  Behandlung  der  Kranken;  Untersuchun0 
der   am  meisten  aussichtsreichen   Behandlungsmethoden;  FĂŒr- 
sorge fĂŒr  die  individuelle  Freiheit:  Verminderung  der  Ausgabe 
der  IrrenhĂ€user:  Unterweisung    der  BevölkerĂŒng    ĂŒber  geistig 
Erkrankungen   und  deren  Behandlung.    In  Belgien  besteht  ein 
Gesellschaft  mit  folgenden  Zielen;  Erziehung  und  Unterweisun 
der  normalen  und  der  anormalen  Kinder;  Behandlung  und  Er- 
ziehung der  Anormalen  und  der  Psychopathen;    VerhĂŒtung  vo 
Verbrechen;    Organisation  der  IrrenhĂ€user:    Aulsicht  ĂŒber  ent 
Lassene  Psychopathen,  Verbrecher  und  Vagabunden:  Ausseht! 
fĂŒr  berufliche  Beratung;  Schöpfung  von  psychiatrischen  Bera 
tungsstellen.    In  Àhnlicher  Weise  gibt  es  noch  in  anderen  Staate 
Organisationen.    Verfasser  schlÀgt  nun  vor.  in  Spanien  ebenfall 
eine  Gesellschaft  mit  folgenden  Zielen  zu  grĂŒnden:    Schulz  de 
geistig  Erkrankten;  Beform  der  IrrenhÀuser;    Schaffung  offen 
lieber  Beratungsstellen;  Vervollkommnung  der  FĂŒrsorge  fĂŒr  d' 
Geisteskranken;    Vermehrung    der  Unterrichtsinstitute;  Anor 
nung,  daß  die  Psychiatrie  PrĂŒfungsfach  an  den  UniversitĂ€ten  wir 

L  u  r  j  e. 

La  Pediatria  Kspanola,  Madrid. 

31.  MĂ€rz  1922,  2..  Nr.  114. 

Das   Vorgehen    ton   Beck    und   von    Hacker   zur    Behandlung  angeboren! 
Hypospadie.    Ar  quell*  da,  k.  Ii.  63. 
♩{â–șVerschiedene  FĂ€lle  von  kindlicher  Hysterie.     (  avengt.  S.  66 
Tuberkolom  de«   Kleinhirns.     O  p  s  a  1  0  .   E.  HO. 
Ein  merkwĂŒrdiger  Fall  von  hereditĂ€rer  Syphiilis.    Pajares,  J.V. 

Verschiedene      FĂ€lle      von      kindlicher     Hysterie.  Ve 

fasser  berichtet  ĂŒber  10  FĂ€lle,  von  denen  folgende  interessier- 
dĂŒrften: Kind  von  sieben  Jahren,  das  im  ersten  Lebensjahre  au 
schließlich  mit  Milch  ernĂ€hrt  wurde,  als  dann  mit  anderer  Na 
rung  begonnen  werden  sollte,  widerstrebte  das  Kind  und  da  df 


10.  Jahrg.  —  Nr.  47/18 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


Eltern  sehr  indolent  waren,  hatte  es  bis  zur  Aufnahme  in  die 
Klinik  ausschließlich  von  Milch  gelebt.  In  der  Klinik  weigerte 
es  sich  zuerst,  irgend  welch  andere  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen, 
als  es  aber  zwei  Tage  gehungert  hatte,  begann  es  am  dritten 
Tage  zu  essen  und  war  nach  wenigen  Tagen  geheilt.  Kind  von 
12  Jahren,  das  wegen  BettnÀssen  in  die  Klinik  kam;  kurze  Zeit, 
nachdem  es  geheilt  entlassen  war,  kam  es  erneut  zur  Aufnahme, 
wegen  hysterischen  Erbrechens.  Verfasser  macht  im  Anschluß 
au  diesen  Fall  darauf  aufmerksam,  daß  BettnĂ€ssen  oft  ein  hy- 
sterisches Symptom  .sei.  L  u  r  j  e 

II.  Polielinico,  Rom,  Seaione  pralle*. 

22.  Mai  1922,  2»,  Nr.  21. 

♩IntermediĂ€rer  Stoffwechsel    hei    Athrepsie    und    Ernabrungsstörung-en.  D« 
Villa,  S.  und  Aiello.  G.  «73. 
Seltene  Lokalisation  einer  Ecbinokokkentytte.    Baccarlni,  L.  «7». 
Seltene  Lokalisation  des  Echinokokkus.    Romano,  G.  878. 
Singultus-Epjdemie  all  Aequiralent  der  Influenza.    Buffona,  F.  Mi. 
Meterorismus   bei  Peritonitis.     C  e  r  i  o  1  i  ,  A.  883. 

Untersuchungen  ĂŒber  den  Zwischenttoffweehsel  bei  Atrophie 
und  den  verschiedenen  UnterernÀhrungszuatÀnden.  Die  Unter- 
suchungen ergaben  Vermehrung  des  Blutzuckers,  die  Verfasser 
als  durch  Leber-  und  PankreasschÀdigungen  infolge  Unter- 
ernÀhrung bedingt  ansahen.  Auch  ist  bei  den  gleichen  Patien- 
ten der  Reststickstoff  vermehrt,  was  auf  eine  intra-  oder  extra- 
renal gelegene  toxische  Vermehrung  der  EiweiBabbauprodukte 
oder  ebensolche  Zellprodukte  bezogen  wird.  Neben  dieser  Hyper- 
glykÀmLe  kann  an  Endstadien  dieser  KrankheitszustÀnde  eine 
HypoglykÀmie  vorkommen.  Cordes  (Berlin). 

29.  Mai  1922,  28,  Nr.  22. 

♩Die    Beziehungen    zwischen    Asthma    bronchiale    und  Lungentuberkulose. 

B  u  f  a  1  i  n  i  ,  E.  709. 
♩Epidemische  inguino-crurale  LymphdrĂŒsenerkrankung.    Sali,  A.  717. 

Klinischer  Beitrag  zur  Studie  ĂŒber  die  Beziehungen  de§  Bron- 
chial- und  des  tuberkulösen  Bronchialasthmas.  Das  wirkliche 
Entstehen  des  Asthma  bronchiale  durch  Tuberkulose  hÀlt  Verf. 
nicht  fĂŒr  bewiesen.  Gleicherweise  auch  nicht  das  Entstehen 
eines  anaphylaktischen  Asthmas.  Andererseits  finden  sich  frei- 
lich hÀufig  beim  Asthma  bronchiale  irgendwelche  spezifischen 
LĂ€sionen  der  Luftwege  von  latentem  Charakter,  aber  auch  hier 
entsteht  Asthma  nur  bei  PrÀdisposition. 

Ueber  20  FĂ€lle  von  der  LeistendrĂŒse  mit  epidemischer  Ver- 
breitung. Es  handelte  sich  um  eine  von  den  ĂŒbrigen  Leisten- 
di  ĂŒsenentzĂŒndungen  wesentlich  verschiedene,  sehr  schmerzhafte, 
hypoplastische  subakute  EntzĂŒndung,  fĂŒr  die  sich  immer  der 
gleiche  Erreger  ergab.  Die  FĂ€lle  traten  epidemisch  auf.  Die 
Krankheit  dauerte  3—4  Monate,  ging  immer  in  Heilung  aus. 

Cordes  (Berlin). 

5.  Juni  1922,  2»,  Nr.  23. 

♩Chinidin  bei  Vorhofflimmern,    .Sebastiani,  A.  741. 

Chirurgische  Behandlung  der  primÀren  Epitheliome  der  Finger.    M  »  n  n  *  , 
A.  753. 

Bas  Ranzigweiden  der  Butler.    F  i  1  i  n  p  i  n  1  ,  A.  755. 

Chinidin  bei  Auricularflimmern.  10  FĂ€lle  von  Auricular- 
flimmern,  die  zur  Norm  zurĂŒckgefĂŒhrt  wurden  durch  Chinidin- 
gaben.  Im  Elektrocardiodiagramm  zeigten  sich  die  allmÀhlichen 
Wirkungen  des  Mittels.  Bei  einem  Fall  entstand  eine  Embolie, 
sonst  keine  bei  Nebenerkrankungen.    In  einem  Fall  ein  RĂŒckfall. 

Cordes  (Berlin). 

Rivista  di  Clinica  Pediatrica,  Florenz. 

MĂ€rz,  1922,  20,  Nr.  3. 

♩  MilchsĂ€ure«  Natrium  in  der  Behandlung  der  Azetonintoxikation.  Modi- 
gliani, E.  129. 
Zwei  FĂ€lle  Ton  kongenitaler  Ptosis.    Squarti,  G.  148. 

♩Darminvagination     geheilt    durch     manuelle     Taiis     Tom     Rektum  aus. 
I  a  c  e,  h  i  a  ,  P.  159. 

Das  milchsaure  Natrium  in  der  Behandlung  der  Azetonvergif- 
tung in  der  Kindheit  Das  milchsaure  Natrium  wirkt  bei  AcetonÀ- 
mie  gĂŒnstig,  weil  es  auch  in  großer  Menge  gut  vertragen  wird, 
weil  es  ein  normaler  Bestandteil  des  Blutes  ist,  der  wahrschein- 
lich in  der  SĂ€urevergiftung  abnimmt,  weil  es  sehr  rasch  oxydiert 
und  in  Natriumbicarbonat  umgewandelt  wird,  weil  es  einerseits 
die  SĂ€uren  neutralisiert  und  andererseits  die  Oxydationen  be- 
gĂŒnstigt und  so  die  Azetonbildung  hemmt.  Bei  AnfĂ€llen  von 
cyklischem  Erbrechen  mit  AcetonĂ€mie  wirkt  es~  abkĂŒrzend  (bis 


30  g  tÀgl.);  auch  kann  man  weiteren  AnfÀllen  vorbeugen,  wenn 
man  jedem  Monat  durch  eine  Woche  tÀglich  10g  verabreicht;  da- 
bei muß  fettarme  DiĂ€t  eingehalten  werden.  Man  kann  es  auch 
selbst  herstellen,  durch  Mischen  von  gleichen  Teilen  einer 
10  %igen  MilchsÀurelösung  und  einer  7.r>  %jgen  Natriumbicarbonat- 
lösung. 

Ein  Fall  von  C'oloninvagination,  durch  Taxi«  vom  Rectum 
geheilt.  Ein  neunmonatiges  Kind  erkrankte  plötzlich  mit  heftigen 
Koliken  und  Erbrechen;  der  Stuhl  war  fÀculent,  mit  Blut  ge- 
mischt (auf  Einlauf).  Temp.  normal.  Rektal  war  ein  invaginiertes 
DarmstĂŒck  als  vorspringender,  kurzer  Zylinder  deutlich  zu  tasten. 
In  verschiedenen  Taxisversuchen  gelang  es,  das  Darmstuck 
immer  weiter  zurĂŒckzuschieben  und  endlich  die  Invagination  zu 
lösen.   Das  Kind  wurde  geheilt.  Tezner  (Wien). 

La  Pediatria,  Neapel. 

15.  April  1922,  30,  Nr.  8. 

♩Typhus-  und  Parathyphusbazillen  in   der  ZerebrospinalflĂŒssigkeirt.     (I  a  r  o  - 

n  i  a ,   G.   und   Auricchio,   L.  337. 
♩Klinische  und  pathologisch-anatomische  Studien  bei  epidemischer  Enzepha- 
litis im  KindesaJter.    M  e  n  s  i  ,  E.  343. 
Ein  Fall  von  Parrotscher  Pseudoparalyse.    Castorina,  G.  356. 
Untersuchung  der  FĂ€zes  beim  KiindÂŁ.    V  a  g  1  i  o  ,  R.  359. 

Die  Anwesenheit  von  Typhus  und  Paratyphusbazillen  im  Liquor. 

Es  gelingt  in  93  %  aller  FĂ€lle,  Typhus-,  respektive  Paratyphus- 
bazillen aus  dem  Liquor  zu  zĂŒchten  bei  Formen  mit  und  ohne 
nervöse  Erscheinungen  vom  8.  bis  zum  30.  Tage;  daraus  ist  er- 
sichtlich, daß  der  Typbusbazillus  allein  nicht  geeignet  ist,  bei 
Eindringen  in  den  Liquor  eine  Meningitis  zu  erzeugen.  Die 
Liquorkultur  gelingt  öfter  als  die  Blutkultur,  weil  in  den  Liquor 
weniger  bakterienschĂ€digende  Antikörper  ĂŒbergehen  und  außer- 
dem der  Liquor  selbst  nach  24  stĂŒndiger  BebrĂŒtung  ein  An- 
reicherungsmittel der  Bakterien  darstellt;  die  Methode  ist  fĂŒr  die 
Praxis  zu  empfehlen. 

Klinische  und  anatomisch-histo-pathologische  Studien  zur 
kindlichen  Encephalitis  epidemica.  Es  bestand  der  amyostatische 
Komplex,  der  sich  in  unsicherem  Stehen  und  schwankendem 
Gang  Ă€ußerte,  dabei  eine  Hypertonie,  die  in  Steifheit  des  Ganges, 
in  krampfhafter  Beugung  des  linken  Unterarms  usw.  zum  Aus- 
druck kam,  eine  linksseitige  Hemiparese  mit  Athetose  und  Ba 
binsky,  dabei  aber  normale  Reflexe,  ein  Symptomen- 
komplex, auf  den  Verfasser  schon  wiederholt  hingewiesen  hat; 
von  d.  Trias  n.  Economo  war  nur  der  negative  Liquorbefund 
■vorhanden;  dazu  bestand  psychomotorische  Erregung  und  Schlaf- 
losigkeit. Das  Kind  starb  nach  kurzer  Zeit.  Die  Sektion  ergab 
eine  diffuse  HyperÀmie,  der  mikroskopische  Befund  eine  Me- 
ningoencephalitis  (Blutungen  und  perivaskulÀre  Infiltrate  in  der 
grauen  Substanz);  die  Beteiligung  der  Rinde  und  der  Meningen 
erklÀrt  die  psychomotorische  Erregung;  die  Athetose  und  die 
amyostatischen  Erscheinungen  sind  auf  LĂ€sionen  des  Corpus 
slriatum  zurĂŒckzufĂŒhren:  die  linksseitige  Hemiparese  entweder 
auf  LĂ€sion  des  Linsenkernes  allein  (nach  Minga  zzini)  "odier 
auf  Kompression  der  Pyramidenbahn  durch  das  benachbarte 
entzĂŒndliche  Oedem;  so  ist  auch  der  positive  Babinsky  zu  er- 
klĂ€ren. Die  Encephalitis  im  Kindesalter  ist  ĂŒberaus  vielgestaltig; 
eine  Einteilung  in  verschiedene  Formen  hat  keinen  Sinn. 

Tezner  (Wien). 

1.  Mai  1922,  30,  Nr.  9. 

Beitrag  zur  Kenntnis  der  Aetiologie  und  Pathogenese  der  splenischen  Anae 

mien   dets  Kindesalters.     De  Stefano,  S.  385. 
Leber  die   hÀmoklasische  Krise   von   Widal    in   der   klinischen  Pathologie. 

M  i  »  a  s  i  .  M.,  und  Aiello,  G.  408. 

Paris  meĂŒical. 

13.  Mai  1922,  12,  Nr.  19. 

♩Nifcritoide  viszerale  Krisen  nach  intravenösen  Injektionen  von  914.  Gou- 
gerot. 393. 

♩  Indikationen  und  Schwierigkeiten  bei  den  Ruhekuren  und  der  KrĂ€ftigung  der 

abgemagerten  Dyspeptiker.    M  o  u  t  i  e  r.  397. 
♩Kontrolle     der     intrachealen     Injektionen     mittels     Oleum     jodetum  und 

X-Strahlen.   Forytier  u.  Leroux.  403. 

Nitritoide  viszerale  Krisen.  Man  nimmt  gewöhnlich  an,  daß 
sie  nur  den  Kopf  betreffen:  Rötungen  und  Oedeme  im  Gesicht,  an 
den  BindehÀuten,  im  Kehlkopf  usw.  und  die  Eingeweide  nur  in- 
sofern berĂŒhren,  als  sie  die  Ursprungsstellen  ihrer  Nerven  er- 
regen. Aber  die  vasodilatatorischen  Chockerscheinungen  können 
auch  die  Eingeweide  selbst  und  zwar  in  einem  höheren  Grade 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/48 


unter  recht  schweren  Erscheinungen  treffen.  Die  cephale  Krise 
kann  schwach  oder  stark  sein,  in  der  Hauptsache  ist  der  Uterus 
und  die  Plazenta  betroffen:  Kleine  Blutungen,  Kontraktionen, 
Abort.  2  FĂ€lle.  Dann  eine  pseudorheumatische  Form,  die  wenige 
Minuten  nach  der  Injektion  auftritt,  erst  eine  leichte  cephale 
Krise,  dann  etwa  5  Minuten  nach  der  Injektion  Schmerzen  in  allen 
grĂ¶ĂŸeren  Gelenken,  nach  \lA  Stunden  Schwellung  in  Knie-  und 
Handgelenken,  die  2  Tage  anhalten.  Gichtische  Belastung.  Nach 
8  Tagen  bei  der  2.  Injektion  dieselben  Erscheinungen  von  Seiten 
der  Gelenke. 

Bei  einem  15jÀhrigen  traten  sie  in  der  Form  einer  Radikulitis 
und  Paraplegie  auf.  In  einem  weiteren  Falle  bei  einem  Tuber- 
kulösen (SyphilophoDen)  traten  mit  der  Krise  starke  Schmerzen 
in  der  Nierengegend  und  eine  12  Stunden  anhaltende  HĂ€ma- 
turie auf:  Iiier  war  die  Niere  der  locus  minoris  resitentiae. 

Indikationen  und  Schwierigkeiten  bei  den  Ruhekuren  und  der 
KrÀftigung  der  abgemagerten  Dyspeptiker.  Alle  Affektionen 
des  Verdauungstraktus  können  zu  Ptose  und  Abmagerung  fĂŒhren. 
Alle  diese  Kranken  sind  mehr  oder  weniger  Psychopathen.  Meist 
sind  es  junge  Frauen,  bei  denen  wiederholte  Geburten,  gemĂŒt- 
liche ErschĂŒtterungen  mitspielen,  bei  jĂŒngeren  MĂ€nnern  rasches 
Wachstum  und  das  Examen,  bei  Àlteren  die  Sorge  und  Hast  des 
GeschÀfts.  Ursachen  des  Abmagerns:  Abgesehen  von  den  ma- 
teriellen Stenosen  eine  unzweckmĂ€ĂŸige  DiĂ€t.  Die  meisten  halten 
verschieden  essen  und  weniger  essen,  DiÀt  halten  und  abmagern 
fĂŒr  Ă€quivalent.  Auch  die  Aerzte  trifft  dabei  insofern  eine  Schuld, 
als  sie  keine  genauen  Instruktionen  geben.  Sie  vergessen  ge- 
wöhnlich, daß  der  normale  Erwachsene  meist  zu  viel,  der  Dys- 
peptiker zu  wenig  ißt.  Meist  sind  die  Beschwerden  der  Ptose 
die  viszerale  Hypolonie  die  Ursachen,  die  oft  recht  plötzlich 
auftreten  können.  Psychisch  liegen  meist  Àsthetische  oder  pho- 
bische GrĂŒnde  vor.  Hauptzweck:  Fettansetzen.  Schwierig,  weil 
die  meisten  Dyspeptiker  unbelehrbare  Skeptiker  sind,  vergeblich 
schon  viele  Heilungsversuche  oft  unternommen  haben  und  schwer 
zu  einer  Kur  fern  vom  Haushalt  zu  bringen  sind.  BekÀmpfung 
des  Gemeinplatzes:  Bettruhe  schwÀcht  (nur  die  Krankheit),  der 
psychischen  Hindernisse,  die  oft  einer  Kur  im  Wege  stehen 
(Eifersucht),  von  vorn  herein  eine  genĂŒgende  LĂ€nge  der  Kur 
verabreden  und  vorher  mit  allen  Mitteln  Neubildungen  und  son- 
stige in  Betracht  kommende  Krankheiten  ausschließen,  sind  wich- 
tige Punkte.  VollstÀndige  Isolierung,  in  den  ersten  Wochen 
Bettruhe  (Lesen  oder  Nadelarbeiten,  aber  nicht  zu  viel  Briefe 
schreiben).  Nach  der  Mittagsmahlzeit  bis  zur  2.  Viertelstunde 
einschließlich  decubitus  abdominalis,  weil  dies  selbst  beim  ato- 
nischsten Magen  Kontraktionen  auslöst.  Medikamente:  Keine 
Hypnotica,  Malz,  Pepsin,  Natrium  citricum  mit  Vorsicht,  ebenso 
tonische  Injektionen,  u.  U.  Bismuth,  Kaolin,  Eserin.  Zwei 
wöchentliche  WÀgungen,  aber  unter  keinen  UmstÀnden  dem 
Kranken  das  Gewicht  verschweigen.  Im  Anfang  bei  Frauen  oft 
Heimweh,  was  eine  weitere  Abnahme,  jedenfalls  keine  Zu- 
nahme voraussetzen  kann.  Auch  Langeweile,  Schlaflosigkeit  oft 
Folgen  der  Nahrung  (AlpdrĂŒcken),  mangelhaftes  Essen  Er- 
brechen können  dieselbe  Wirkung  ausĂŒben. 

Kontrolle  der  intratrachealen  Injektionen  mittels  oleum  jo- 
datum und  X-Strahlen.  Die  Verfasser  haben  die  Methode  Sicardv, 
die  HohlrÀume  der  Lunge  besonders  bei  Bronchien  durch  intra- 
tracheale Injektionen  eines  40  %  Jodöls  radiographisch  sicht- 
bar zu  machen,  nachgeprĂŒft.  Dieses  Jodöl  (Lipiodol)  ist  völlig 
unschÀdlich  und  schon  sehr  kleine  Mengen  sind  auf  dem  Schirm 
sichtbar.  Die  Dosis  betrÀgt  10  cem,  die  Technik  ist  nach  ihrer 
Ansicht  sehr  einfach,  fĂŒr  jeden  erlernbar.  Man  kann  beide  Lun- 
gen gleichzeitig  oder  auch  nur  eine  injizieren.  Bis  jetzt  ist  ihnen 
allerdings  nur  die  Injektion  der  unteren  Lappen  gelungen. 

v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

25.  Mai  1922,  12,  Nr.  20. 

Die  Kr.inkhrit  der  Leber,  des  Pankreas  und  der  Milz.  (JahresĂŒbersicht.) 
Chabrol.  408. 

❖Diagnose  der  gastrischen  Manifestationen  der  Lithiasis.    II  a  r     i  e  r.  42ö. 
Fernfolgen   der   Lithiasisoperationen.     M  a  t  h  i  e  u.  428. 

Diagnose  der  gastrischen  Manifestationen  der  Lithiasis.  Magen 
und  Gallenblase  gehören  physiologisch  zusammen.  Wenn  sich 
der  erstere  entleert,  kontrahiert  sich  letzterer,  bei  Steinen  mit 
Schmerzen.  Gallensteine  beeinflussen  auch  den  Magen:  Verwach- 
sungen, Druck  auf  Zweige  des  Pneumogastricus,  Reizung  der 
IMasennerven  und  damit  des  Plexus  solaris,  Störungen  der  Ent- 
leerung, der  Sekretion.  Typisch  ist  die  Lokalisation  der  Schmer- 
zen in  der  Magengrube  und  die  Manifestation  der  Lithiasis  durch 
gastralgische  und  dyspeptische  Symptome. 


Man  unterscheidet  die  vorĂŒbergehenden  schmerzhaften  Krisen 
gastrisch  orientiert,  sehr  hĂ€ufig,  plötzlich  3 — 4  Stunden  nach  der 
Mahlzeit,  ohne  Grund  oder  nach  einer  Erregung  oder  ErmĂŒdung 
ohne  objektive  Symptome,  auch  wenn  der  heftige  Schmerz  mit 
Nausea  und  Erbrechen  vorbei  ist,  ein  Aequivalent  der  Leberkolik. 

Dann  dyspeptische  Störungen  als  Folge  der  Steine,  bald  sofort 
nach  der  Nahrungsaufnahme  oder  wÀhrend  der  Verdauung  auf- 
li  elend  als  GefĂŒhl  der  Schwe.e,  der  Schwellung,  des  Ziehens  im 
Magen,  also  lediglich  die  Erscheinungen  einer  Hyperaesthesia 
gastrica.  Seltener  Erscheinungen  eines  Cardiospasmus  oder  als 
Empfinden  der  SĂ€ure,  des  Brennens,  von  Eruktationcn  mit  großer 
Empfindlichkeit  im  Epigastrium,  was  nach  3—4  Stunden  ver- 
sehwindet. Oder  5 — 6  Stunden  nach  der  Mittags-  oder  Abendmahl- 
zeit als  Schmerzen  ausstrahlend  in  Schulter  und  RĂŒcken.  Manch- 
mal findet  man  auch  kontinuierliche  zeilweise  exazerbierende 
Scmmerzen  und  endlich  oft  gleich  nach  dem  Einsetzen  der  Schmer- 
ze n  Erbrechen,  eventuell  das  Bild  einer  ulzerösen  Stenose. 

Die  Diagnose  ist  manchmal  schon  allein  durch  die  Anamnese 
gegeben,  oft  suggeriert  sie  eine  Schwellung  am  unteren  Leber- 
rand. 

Charakteristisch  ist  das  dyspeptische  Syndrom:  hÀufig  nÀcht- 
liches Auftreten  der  Schmerzen,  die  bei  tiefen  Einatmungen,  Er- 
schĂŒtterungen, ErmĂŒdungen  zunehmen,  nach  gewissen  Speisen 
(Eiern)  vor  der  Regel  2—3  Tage.  All  dies  ist  aber  inkonstant 
und  deshalb  ohne  absoluten  Wert. 

Wichtig  ist  aber  der  typische  Schmerz  ĂŒber  der  Gallenblase, 
wenn  noch  andere  Anzeichen  fĂŒr  diese  Affektion  sprechen.  So 
Murphys  Zeichen:  Schmerzhafte  Respiration,  wenn  man  den 
Zeigefinger  in  die  Blasenregion  bohrt;  Ramond.  Verminderung 
des  vesikultÀren  GerÀusches  an  der  Basis  der  rechten  Lung<>. 
Leichtes  Fieber  wÀhrend  der  AnfÀlle,  Urin:  Pigment,  Gallensalze, 
ziemlich  Urobilin.  —  In  der  Anamnese  spielen  das  hereditĂ€re 
Moment  und  der  Typhus  eine  große  Rolle. 

Die  Chemie  des  Magens  gibt  keinen  sicheren  Aufschluß.  La- 
tente HÀmorrhagien  können  bei  Lithiasis  vorkommen,  aber  die 
Regel  bildet  Blut  im  Stuhl  dabei  nicht.  Dagegen  ist  Hyperchole- 
slcrinaemie  regelmĂ€ĂŸig.  Die  Radiologie  gibt  auch  keine  direkt 
pathognomonischen  Anzeichen.  Wichtig  ist  der  palpatorische 
Schmerz  unter  dem  Schirm. 

Sehr  hĂ€ufig  ist  die  Diagnose  auf  Wahrscheinlichkeit  gegrĂŒndet, 
oft  ist  eine  Cholelithiasis  von  einem  Ulcus  pyloroduodenalis 
klinisch  nicht  zu  unterscheiden.  v.  Schnizer. 

27.  Mai  1922,  12.  Nr,  21. 

Antrittsverlegung  in  der  Klinik  der  Geisteskrankheiten.     Claude.  433. 

Ueber  das  Problem  der  Zyanose  und  den  Begriff  der  Pneu- 

monose.   Die  eigentliche,  primÀre  Ursache  der  Zyanose  ist  die 
Vermehrung  des  reduzierten  HĂ€moglobins  in  der  Volumeinheit. 
Es  werden  die  verschiedenen  Bedingungen  erörtert,  unter  denm 
es  zum  Anstieg  der  Werte  des  reduzierten  HĂ€moglobins,  meßbar 
am  Sauer stoff SĂ€ttigungsdefizit,  kommen  kann.  Ausgehend  von  de 
Beobachtung  an  schweren  GrippefĂ€llen,  bei  denen  es  im  FrĂŒh- 
sladium.  bei  intaktem  Kreislauf,  bei  Fehlen  von  Bronchopneu- 
monien zu  einer  deutlichen  Zyanose  kommen  kann,  wurde  durc 
Tierversuche  die  von  Brauer  gemachte  Annahme  zu  erhÀrten 
gesucht,  daß  es  eine  toxische  SchĂ€digung  der  Alveolarepitheli  m 
gibt,  gewissermaßen  ein  Vorstadiium  des  Oedems,  die  zu  eine 
Krschwerung    des    Gasaustausches    fĂŒhrt.     (Pneumonose.)  In 
einigen  wenigen  Versuchen  mit  Chlorinhalationen  glaubt  Verf. 
eine  StĂŒtze  dieser  Annahme  sehen  zu  können. 

Klima totherapie  im  Krankenhaus.   Die  vermehrte,  intensivere 
Sonnenbestrahlung    stellt    den  allen  klimatotherapeutischen  Be- 
strebungen   im   Kampf    gegen    die    Tuberkulose  gemeinsamen 
Faktor  dar.    In  der  Tiefebene  gelingt  es,  durch  Bestrahlung  mit 
der  gewöhnlichen  Bogenlampe,  die  im  Gegensatz  zur  „kĂŒnstliche  ~ 
Höhensonne"  auch  die  fĂŒr  die  vermehrte  Durchblutung  der  Hau 
wesentlichen  langwelligen  Strahlen  enthÀlt,  die  Blutregeneratioi 
gĂŒnstig  zu  beeinflussen.    Es  scheint,  daß  die  Luft,  die  man  \o 
einer   Bogenlampe  absaugt,  eine  Ă€hnliche  Wirkung  auszuĂŒbe 
vermag,  wie  sie  durch  Bestrahlung  erzielt  wird.    Die  Wirkun 
der  natĂŒrlichen  Sonnenstrahlung  kann  auch  bei  kalter  Witterun 
ausgenutzt  werden,  wenn  man  die  Kranken  in  Liegehallen,  di 
vorn  und  oben  mit  Glasscheiben  aus  Uviolglas  geschlossen  sind 
unterbringt. 

v.  Schnizer. 

3.  Juni  1922,  12,  Nr.  22. 

Die  Infektionskrankheiten  1922.    D  o  p  t  e  r.  AM 
»Hmpfung  per  os.    Bcsrcdka.  460. 
Die  Infektionskrankheiten  in  Rußland  in  den  letzten  Jahren.   Dopter.  463 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/18 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


‱frriisospirocliĂ€tcn-Syinbioso  und  Dysenterie,    il  0   I.  n  v  e  r  g  ii  c.    4t>7 . 

♩Beitrag  z.ur  pathologischen  Anatomie  des  Mumps.  U  e  v  o  1  o  Ii  o  n.  \V  o  r  in  ? 

uud  Di'lalc«.  471. 
♩  Heilung  der  Grippe  durch  subkutane  Injektionen  von  Rekouvaleszentenblut. 

Si  m  i  c  i.  474. 

♩Krankheitserscheinungen   bei   ZelluloHlarboItOrt).  Ii  a  i  m  e,   A  n  a  s  s  e  -  L  a- 
f  o  u  t  und  F  e  i  1.  477. 

,  —  Impfung  per  »s.  Praktisch  durchgefĂŒhrt,  indem  man  123G 
Einwohnern  eine  Pille  aus  Gallo  mit  einem  Gemisch  von  Typhus- 
Paralyphus  A-  und  B-Bazillen  (durch  Hitze  abgetötet)  gab.  In 
keinem  Falle,  auch  nicht  bei  Schwangeren  oder  Menstruierenden, 
traten  irgendwelche  Nebenerscheinungen  ein,  die  so  dramatisch 
aufzutreten  pflegen  bei  der  subkutanen  Impfung.  Ks  gibt  also 
fĂŒr  diese  Art  der  Impfung  keine  Gegenindikation,  die  erreichte 
Immunital  Isl  zum  mindesten  gleich  der  durch  die  subkutane 
Methode  erreichten.  Man  kann  also  auch  Kranke  (Nephritiker, 
Hepatiker,  Pulmoniker)  ohne  irgend  welche  Nachteile  impfen. 
Die  so  erreichte  ImmunitÀt  ist  strikt  lokal,  d.  h.  intestinal,  ohne 
Anteilnahme  irgendeines  andtren  Organes  dabei. 

Fiiso-SpirochÀten-Symbiosen  und  Dysenterie.  Nicht  jeder  in- 
testinale SpirochÀtose  entspricht  einer  Recto-Colon-Lokalisation 
mit  Fuso-SpiroehÀtcn-Symbiose.  Wohl  war  dies  der  Fall  bei 
4  FÀllen  chronischer  Amöbendysenteriker,  die  Verfasser  be- 
obachtet hat.  Die  Bedeutung  der  intestinalen  SpirochÀtosen  ist 
noch  nicht  klar.  Die  Recto-Colon-LĂ€sionen  mit  Fuso-Spirillen- 
Infektion  stellen  zweifellos  nur  eine  der  vielen  .ModalitÀten  des 
intestinalen  SpirochÀtosen  dar. 

Beitrag  zur  pathologischen  Anatomie  des  Mumps.  Beschrei- 
bung des  seltenen  Falles,  daß  im  Verlaufe  des  Mumps  durch 
das  Virus  von  den  Submaxillar-  und  SubtingualdriĂŒsen  aus  eine 
starke  Leukozytenreaklion  zu  einem  entzĂŒndlichen  bis  zum  Kehl- 
kopf fortschreitenden  Oedem  fĂŒhren  kann. 

Heilung  der  Grippe  durch  Rckonvaleszentenblut.  Es  werden 
einem  4 — 5  Tage  schon  fiebei  freien  Grippekranken,  der  Ă€hnliche 
Erscheinungen  und  Komplikationen  aufweist,  wie-  der  zu  be- 
handelnde, 10—20  cem  aus  der  Vene  entnommen  und  in  das  Zell- 
gewebe des  Abdomens,  der  Oberschenkel  oder  der  Glutaei  unter 
den  entsprechenden  Vorsichtsmaßregeln  injiziert,  und  zwar 
tÀglich,  solange  als  die  Hyperthermie  besteht.  Material  an 
schweren,  komplizierten  FĂ€llen:  20  genasen.  Die  gĂŒnstige 
Wirkung  tritt  fast  sofort  ein:  Temperaturabfall,  gute  Beein- 
flussung des  AllgemeJinzustandes,  gĂŒnstige  Wirkung  auf  die 
Lungenkomplikationen  und  auf  die  anderen  Organe.  Verminde- 
rung der  Dyspnoe  und  der  pleuralen  Komplikationen,  Vermehrung 
der  Diurese. 

Krankheitserscheinungen  bei  Zelluloidarbeitern.  Man  findet 
Kopfschmerzen  infolge  des  Kampfergeruchs,  aber  meist  nur  im 
Anfang.  Wichtig  isl  aber  eine  toxische  Eosinophilie,  verursacht 
durch  Azeton  und  Amylumazetat,  das  auch  in  der  Filmindustrie 
verwandt  wird  und  die  dem  professionellen  Benzinismus  gleich- 
zustellen ist.  Diese  Eosinophilie  könnte  zu  diagnostischen  Irr- 
tĂŒmern fĂŒhren  bei  intestinalen  Parasiten  oder  Hydatiden-Cysten, 
die  zufÀllig  bei  solchen  Arbeitern  auftreten  könnten. 

v.  S  c  h  n  i  z  e  r. 

16.  Juni  1922,  12,  Nr.  23. 

♩Zona  und  Fazialisparalyse.    W  o  r  ni  s  und  de  L  a  v  p  r  g  i  n.  481. 
Serodiagnostik    der    Tuberkulose    mittels    des    BesredkÀ'sehen  Antigen'«. 
I  c  h  o  k.  485. 

Resektion  der  2  Knochen  des  Vorderarms  ohne  Kjiochennaht  bei  VerkĂŒrzung 
der  Sehnen  der  Fingcrbeuger  durch  IschÀmie.    fS  o  n  1)  e  y  r  a  u.  490. 

Zona  und  Fazialisparalyse.  Die  Zosterdnfektion  entsteht 
wenigstens  auf  der  Basis  einer  gewissen  Anzahl  sogenanntei 
Fazialisparalysen  infolge  ErkĂ€ltung.  Dabei  ist  zu  bemerken,  daß 
das  vollstÀndige  Genioulatumsyndrom,  die  Manifestation  des 
Zosters  bei  der  Fazialisparalyse,  die  Hörslörungen,  die  charak- 
teristische BlÀscheneruption  auf  der  Schleimhaut  und  dem  Tegu- 
ment  im  Bereich  des  VII.  Nerven  ziemlich  selten  ist.  HĂ€ufiger 
ist  das  unvollstÀndige  Syndrom:  Lediglich  die  motorische  Affek- 
tion des  Fazialis,  die  episodisch  hinzutritt  zu  einer  Zosteraffek- 
tion,  in  einem  nÀheren  oder  entfernteren  Gebiet:  die  Trigeminus- 
Fazialis-,  die  Zervico-Facialis-eone  oder  die  Zona  À  distance. 

Die  charakteristische  Eruption  kann  sich  auf  die  Zungen 
oder  velopalatine  Sehieimhaui  beschrÀnken,  wo  die  BlÀschen 
rasch  welken  oder  ulzerieren,  sich  sekundÀr  infizieren  und  in 
nichts  mehr  an  ihre  wahre  Natur  erinnern.  Dann  kann  die  Àtio- 
logische Diagnose  sehr  schwer  sein.  Das  komplette  Geniculatum- 
syndro.ni  isl  leicht  zu  diagnostizieren:  Neuralgien.  Hörslörungen, 
Eruption  in  der  Ramisay-Hunt'schen  Zone  (einem  Teil  der  inneren 
Ohrmuschel)  mil  Ausdehnung  hinter  die  Ohrmuschel  auf  die 
Zunge  und  die  Mandeln.  Liegen  keine  Hauleruptionen  vor,  so  isl 


immer  nach  den  BlÀschen  im  Gehörgang,  au!  dei  Mundschleim 
haut  oder  nach  dyphagisohen  Erscheinungen  als  ihre  Folge  EU 
forschen.  Uebrigens  ist  die  Fazialisparalyse  fast  immer  von  Sen 

sibililÀtsstörungen   (Otalgie  .   von  Schmerzen   in  der  Gegend  des 

Ohres  oder  der  Orbila,  von  an  oder  hyperÀsthetischen  Erschei- 
nungen begleitet.  Das  Lumbalpunklal  hat  eine  diagnostische  Be- 
deutung, vermehrte   Lymphozystose,   Hyperalbuminose,  Hyper 
glycorrhachie    die  immer   in  klaren  FĂ€llen   zu   linden  sinn. 

v.  SC'h  n  i  z  e  i 

La  Presse  medicale,  Paris. 

29.  MĂ€rz  1922,  Nr.  25. 

♩Di«  Fette  in  der  ErnĂ€hrung  und  Behandlung  der  Diabetiker.  Physiologisch« 
ErklÀrung   der    Erfolge    von    Entziehungskuren.     M  a  i  g  n  o  n  .    F.  2fl'>. 
♩Traumatische    Ophthalmoplegien.     T  e  r  r  i  c  ii  .    F.  -'1)7. 
♩Schmerzhafter  fcnueissus  anterior  der  Tibia.    F  e  u  t  e  t  a  i  s  ,  p.  27n. 

Die  Fette  in  der  ErnÀhrung  und  Behandlung  der  Diabetiker: 
Physiologische  Interpretation  der  Wirkung  der  Fastentherapie. 

Die  großen  Richtlinien  fĂŒr  die  Fettherapie  in  der  Behandlung  des 
Diabetes  bestehen  im  "wesentlichen 

1.  im  mehr   oder   weniger   vollstĂ€ndiger    UnterdrĂŒckung  der 
Kohlehydrate  in  der  ErnÀhrung. 

2.  Reduktion  des  alimentĂ€ren  Eiweiß  auf  das  zur  Reparation 
des  Organverbrauches  nötige  Minimum. 

3.  "  Ersatz  der   Kohlehydrale  durch  ein  leicht  assimilierbares 

Fett  (Emulsionierte  und  zum  Teil  saponierte  Oele;  nötigen 
falls  Naturöle). 

1    Erhaltung  der  normalen  HarnsĂ€ure  durch   ZufĂŒhrung  von 
Natrium  bicarb. 

Das  Resultat  bestand  immer  im  raschen  Verschwinden  des 
Zuckers  und  des  Azetons,  Wiederherstellung  der  Muskelkraft  und 
Potenz,  Hebung  des  Allgemeinzustandes. 

Eine  Kontraindikation  besteht  bei  schwerer  Pankreaserkran 
kung,  wenn  der  Organismus  nicht  imstande  ist,  das  Fett  zu  ver- 
werten. 

Betreffs  der  Fastentherapie  erklĂ€rt  Labbe.  daß  bei  FĂ€llen 
ohne  UnterernÀhrung  HyperglykÀmie,  Glycosurie  und  Acidose 
unterdrĂŒckt  wird  und  meist  ganz  verschwindet;  bei  FĂ€llen  mit 
UnterernÀhrung  aber  die  Glykosurie  und  Acidose  nur  vermindert, 
die  GlykĂ€mie  ebenfalls,  aber  nicht  auf  das  Normalmaß  zurĂŒck- 
fĂŒhrt; das  erklĂ€rt  sich  daraus,  daß  die  Kohlehydrate  garnicht 
verbrannt  werden,  der  Energiebedarf  also  durch  das  Eiweiß  be- 
stritten wird,  das  bei  seiner  Desintegration  Glukose  ergibt,  die  der 
Organismus  nicht  verbrennt  und  die  Glykosurie  unterhÀlt. 

Die  traumatischen  Ophthalmoplegien.  Verf.  rechnet  unter  die 
Ophthalmoplegien  nur  die  multiplen  Paralysen  der  motorischen 
Augennerven  oder  wenigstens  zweier  Augenmuskeln,  die  von  zwei 
verschiedenen  Nerven  inneviert  werden.  Die  Symptomatologie  isl 
verschieden,  je  nach  dem  Orte  des  Traumas  und  dem  Sitz  der 
LÀsion.  Bei  LÀsion  der  OrbitawÀnde  oder  der  Muskeln  tritt  selten 
eine  wirkliche  Ophthalmoplegie  auf,  sie  betrifft  meist  nur  den 
Levalor  palpebrae  und  den  Rectus  superior.  Bei  LĂ€sion  des 
Trichterdaches  tritt  hÀufig  eine  totale  Ophthalmoplegie  ein,  da 
durch  die  issura  orbit.  rup.  die  meisten  Augennerven  eintreten. 
Es  besteht  totale  Unbeweglichkeit  des  Bulbus,  Ptsis,  AnÀthesie 
der  Cornea,  Conjunktiva,  des  oberen  Lides  , 'und  der  Frontalregion*. 
Bei  intrakraniellen  LĂ€sinen  besteht  meist  außer  MuskellĂ€hmungen 
Exophthalmus  mit  Pulsationen,  die  dem  Puls  isochron  sind.  Kern- 
lnsionen  infolge  von  Blutungen  sind  prognostisch  gĂŒnstig,  da  sie 
mit  der  Resorption  der  Blutung  zu  verschwinden  pflegen.  Tritt 
Diabetes  auf,  weist  dieser  meist  auch  eine  KernlÀsion  auf. 

Schmerzhafte  Apophysitis  auf  der  Vorderseite  der  Tibia.  Die 
röntgenologische  Untersuchung  eines  Falles  von  Schlatterscher 
Krankheit  ergab,  daß  nicht  nur  die  rechte  Tuberositas  Tibiae,  an 
der  sich  infolge  eines  Falles  mehrfach  Schmerzen  zeigten,  anormal 
vergrĂ¶ĂŸert  war,  sondern  daß  auch  die  linke  Seite,  an  der  weder 
Trauma  noch  Schmerzen  gewesen  waren,  dieselbe  VergrĂ¶ĂŸerung 
aufwies.  Es  handelt  sich  also,  wie  schon  öfter  beschrieben  ist. 
um  eine  Entwicklungsstörung  der  Tuberositas,  die  sich  im  Wachs- 
tumsalter hÀufig  durch  Schmerzen  kenntlich  macht  und  bei  der 
ein  Trauma  nur  eine  sekundÀre  Rolle  in  der  Aetiologie  spielt 

1-1  a  b  e  r. 


(>r>4  Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


La  Presse  Medicale,  Paris. 

5.  April  1922,  Nr.  27. 

♩Syndrome    lies    Corpus    striatum    syphilitischen    Ursprungs    heim  Greise 

Lbermitte,  J.  und  Cora'il,  L.  289. 
♩  Wert  der  Salvaneschischen  Methode  hei  Orchitis.    G  ar  r  i"e  Ä  ,  E.  292. 

Die  Syndrome  syphilitischen  Ursprungs  im  Corpus  striatum 

beim  Greise.  Bei  Beobachtung  eines  Falles  von  Parkinson  bei 
einem  Mann  von  72  Jahren,  der  zur  Autopsie  kam,  fanden  sich 
betrÀchtliche  ZellverÀnderungen  im  Globus  pallidus  und  vor  allem 
in  den  großen  Zellen  des  Striatum,  Reduktion  an  Zahl  und  GrĂ¶ĂŸe, 
pigmentÀre  Atrophie,  lipoide  Degeneration.  Im  Pallidum  besteht 
eine  Gliawucherung,  im  r.  Nucheus  caudatus  stellenweise  voll- 
stÀndiger Ausfall  des  Markfasernetzes  und  der  Nervenzellen. 
Zugleich  bestand  eine  astrocytÀre  und  fibrillÀre  Gliareaktion  mit 
Infiltration  von  StÀbchenzellen.  Die  VerÀnderungen  gingen  auch 
auf  den  Luyschen  Körper  und  Locus  niger  ĂŒber.  Daneben  aber 
fanden  sich,  abweichend  von  dem  ĂŒblichen  Befund,  Alterationen 
des  GefĂ€ĂŸnetzes,  Fibrohyaline,  Wandverdickung  und  Rundzelleu- 
infiltration,  alles  VerÀnderungen,  die  nur  syphilitischer  Natur 
sein  können.  Ein  2.  Fall  bestĂ€tigte  die  Beobachtung,  daß  die 
Syphilis  nicht  nur  das  GefĂ€ĂŸnetz,  sondern  auch  Hirnteile  von 
ganz  speziellem  Bau,  Funktion  und  chemischer  Zusammen- 
setzung wie  das  Corpus  striatum  angreift. 

Der  Wert  der  Methode  von  Salvaneschi  bei  der  Prophylaxe 
der  Orchitis  nach  Mumps.  Um  Orchitiden  nach  Ohraffektionen 
vorzubeugen,  hat  Salvaneschi  mit  ausgezeichnetem  Erfolge  anti- 
diphtherisches Serum  injiziert.  Auch  bei  bereits  eingetretener 
Orchitis  hat  sich  die  Methode  bestens  bewÀhrt;  sie  brachte  so- 
wohl unmittelbare  wie  anhaltende  Besserung,  auch  sind  spÀter- 
hin keine  Atrophien  beobachtet  worden,  die  Wirkung  soll  auf 
einer  Verhinderung  der  Hyperleukozytose  beruhen,  die  sich  bei 
Eintritt  von  Komplikationen  in  der  Parotis  bildet,  bei  gleich- 
zeitiger Vermehrung  der  roten  Blutkörperchen.  Die  Beobach- 
tungen, die  Cheinisse  in  Paris  gemacht  hat,  bestÀtigen  die  obigen 
guten  Erfahrungen  nicht  in  demselben  Maße;  die  Statistik  zeigt 
ungefÀhr  dieselben  Resultate  mit  und  ohne  Behandlung,  dagegen 
besteht"  immer  bei  der  Serumanwendung  die  Gefahr  der  Ana- 
phylaxie, die  allerdings  bei  strikter  Indikation  zur  Therapie 
nicht  in  Betracht  zu  ziehen  ist.  Habe  r. 

8.  April  1922,  Nr.  28. 

♩Chronische    Appendizitis;    Wichtigkeit    der    radioskopischen  Untersuchung. 
Laroche,  G.,  B  r  o  d  i  n  .  P.,  und  R  o  n  n  e  a  u  x  ,  G.  297. 
Bemerkungen   zur  Technik   der   Hornionhohandlung.   besonders    der  Crural- 
Hernien.    R  i  e  h  a  r  d  ,  A.  Sin. 
❖Gefahren  des  Hypophysanextrakts  in  der  Geburtsheilkunele.  Cheinisse, 
L.  302. 

Kritische  Betrachtung  ĂŒber  chronische  BlinddarmentzĂŒndung: 
die  Wichtigkeit  der  radioskopischen  Untersuchung.  Allgemeine 
und  funktionelle  Symptome  haben  keine  besondere  diagnostische 
Bedeutung.  Wichtig  sind  dagegen  2  Erscheinungen,  die  Defense 
musculaire  und  der  lokale  Schmerz  bei  der  Palpation.  Da  aber 
erstere  bisweilen  fehlt  und  letzterer  bei  der  sehr  verschiedenen 
Lage  der  Eingeweide  oft  schwer  zu  deuten  ist,  muß  unbedingt 
die  radiologische  Untersuchung  zu  Hilfe  gezogen  werden.  Wird 
mehrere  Male  ein  Schmerzpunkt  gefunden,  der  genau  an  der  Basis 
des  Wurmfortsatzes  oder  in  seiner  unmittelbaren  Nachbarschaft 
liegt  und  sich  bei 'wechselnder  Lage  mit  ihm  verschiebt,  so  ist 
dies  als  markantestes  Zeichen  einer  chronischen  Appendicitis 
zu  bewerten. 

Die  Gefahren  in  der  Geburtshilfe  durch  Hypophysenextrakt. 

Außer  schweren  Uterusrupturen  sind  vor  allem  Kontrakturen, 
Tetanisationen,  Zerreißungen  des  Halses,  vorzeitige  Loslösung 
oder  Incarceration  der  Placenta  als  Folge  der  Anwendung  von 
Hypophysenextraklen  beobachtet  worden,  in  einem  Fall,  wo 
keinerlei  Kontra-Indikation  bestand,  sogar  2  eklamptische  An- 
fÀlle nach  einer  Injektion  von  1  ccm.  Einer  Statistik  von  Lumdell 
zufolge  kommen  auf  1293  Geburten  34  TodesfÀlle  des  Foetus  und 
41  FĂ€lle  schwerer  Asphyxie.  Amerikanische  Autoren  hallen  die 
Anwendung  des  Mittels  nur  bei  Haermot  rhagien  post  partum  fĂŒr 
angezeigt.  Haber. 

12.  April  1922,  Nr.  29. 

Kann  die  Steinachsche  Operation  die  VerjĂŒngung  de»  tierischen  Organismus 
herbeifĂŒhren?    Marinesco,  G.  309. 
♩Dynamische  Zeichen  der  Aortensklerose.    M  o  u  g  e  o  t  .  A.  311. 
♩Prolongierte  PneumokokkenseptikĂ€mien.    L  o  u  b  et  und  R  is  c  xi  314. 

Vier  dynamische  Zeichen  der  Aortensklero9c  und  ihr  physio- 
pathologischer  Mechanismus.   Mit  Hilfe  des  Instrumentariums  von 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/48 


Pachon  gelang  es  dem  Autor,  noch  vor  dem  Erscheinen  der 

klinischen  Symptome  die  Sklerose  der  Aorta  deutlich  zu  machen. 
Sie  Ă€ußert  sich  in  dem  plötzlichen  und  raschen  Ansteigen  der 
Pulswelle,  in  der  starken  Steigerung  des  Differentialdruckes  ge- 
messen am  Humerus,  in  der  relativen  systolischen  Hypertension 

der  unteren  ExtremitÀten  und  in  dem  radio-femoralen  Asynchro- 
nismus  durch  vorzeitigen  Femoralpuls,  der  0"O44  betrÀgt.  Die 
ErklĂ€rung  der  Erscheinungen  sieht  Verf.  in  der  Tatsache,  daß  die 
sklerosierte  Aorta  nicht  wie  die  normale  einer  Kautschukröhre, 
sondern  einer  Stahlröhre  vergleichbar  ist,  deren  Ausdehnungs- 
fÀhigkeit vermindert,  die  ElastizitÀt  dagegen  erhöht  ist. 

Beitrag  zum  Studium  langdauernder  Pneumokokken-Septi- 
kÀmien.  Die  Anwesenheit  des  Pneumokokkus  im  Blut  lange  nach 
dem  Beginn  der  Erkrankung,  ist  eine  interessante  Erscheinung 
dieser  SeptikÀmien,  die  indessen  vom  Organismus  gut  vertragen 
werden,  weil  sie  in  der  Regel  ohne  weitere  Folgeerscheinungen 
abheilen.  Der  Allgemeinzustand  .bleibt  relativ  gut,  trotz  der 
erhöhten  Temperatur  und  der  deutlichen  Zeichen  von  ToxÀmie  wie 
Myocarditis,  Splenomegalie,  Albuminurie.  Dagegen  fehlen  im  Ver- 
lauf langdauernder  SeptikÀmien  die  Symptome  der  starken  Viru- 
lenz des  Pneumokokkus  wie  die  Purpura.  Den  Hauptgrund  fĂŒr 
den  gutartigen  Verlauf  erblickt  Verf.  darin,  daß  keine  viscerale 
Lokalisation  der  Pneumokokken  eingetreten  ist  und  ihre  Natur 
nur  durch  die  Blutkultur  nachzuweisen  ist.  Auch  ist  diese  Form 
ler  Erkrankung  meist  durch  einen  langsamen  und  schleichenden 
Beginn  gekennzeichnet.  Haber. 

15.  April  1922,  Nr.  30. 

♩  Die  Alhuminosc  des  Serums  der  Karzinomkranken.    I.  o  e  p  e  r  .  M.  321. 
Vago-Sympathicus  und  Anaphylaxie  in  den  naroxystischen  Krisen  der  Manie 

und  Epilepsie.     Tincl.  J.  und  Santenoise,  D.  321. 
♩Weiche    und    harte    Bestrahlung    in    der    TheTapie    des  Iteruskarzinoms. 
Lac.  assagne.  A.  323. 
VorĂŒbergehende  und  dauernde  ImmunitĂ€t.    Marmorek,  A.  324. 

Ueber  Albuminose  im  Serum  von  Karzinoniatösen.  Die  Be- 
obachtung, daß  im  Serum  Karzinomatöser  das  Globulin  ĂŒber- 
wiegt, findet  sich  besonders  bei  langsam  wachsenden  Tumoren  mit 
geringer  Metastasenbildung.  Nach  der  anaphvlaktischen  Reaktion 
stimmten  die  zirkulierenden  Albumine  mit  denen  des  Tumors  ĂŒber- 
ein. Verf.  gelangt  zu  der  l'eberzeugung,  daß  die  Albumine  nicht 
durch  Leberinsuffizienz  hervorgerufen  sind,  da  sie  sich  erstens 
auch  bei  Nieren-,  Magen-  oder  Lungenkrebs  finden,  und  zweitens 
die  Radiotherapie  die  Menge  bedeutend  vermehrt.  Diese  Ver- 
mehrung muß  den  Tumormassen  entstammen,  die  durch  die  Be- 
strahlung zur  Einschmelzung  gelangen.  Verf.  tritt  damit  der 
\nsicht  Filinskis  entgegen,  der  allein  die  Leber  fĂŒr  die  Globulin 
Vermehrung  verantwortlich  machen  will. 

Ueber  weiche  und  harte  Radiumbestrahlung  beim  Uterus- 
Karzinom.      Die    völlig    abweichenden    Beobachtungen  zweier 
Tutoren,  von  denen  der  eine  nach  Bestrahlung  einen  nichfslerili- 
sierten  Krebs  mit  GefĂ€ĂŸnekrosen  fand,  der  andere  dagegen  di 
Zerstörung  des  Tumors  bei  normalem  Zustand   des  gesunden 
Gewebes,  erklÀrt  Verf.  im  ersten  Falle  durch  die  kaustische  Wir- 
kung der  ß-  und  weichen  y-Strahlen  bei  ungenĂŒgender  Aussendun 
harter  y-Strahlen;  im  zweiten  Falle  waren  die  weichen  Strahlen 
durch  adÀquate  Filtration  vollstÀndig  absorbiert,  nur  die  elektiv 
Wirkung  der  harten  Strahlen  ist  intensiv  genug,  um  das  Krebs- 
Gewebe  total  zu  zerstören.    Es  handelt  sich  also  darum,  ein 
Technik  zu  finden,  die  bei  Exclusion  der  kaustischen  Strahlen  die 
elektive  Wirkung  einer  sinngemĂ€ĂŸ  filtrierten  Bestrahlung  reali 
siert.  Habe  r. 

19.  April  1922,  Nr.  31. 

Ein  neues  Verfahren  fĂŒr  Anus  iliacue.    ('  u  n  i  o  ,  B.  .".33. 

♩  Das    hulbĂ€re    Syndrom    hei    akuter   Intoxikation    durch    intraorhitale  Inie 

fcjonen  von  Kokain.    M  o  u  t  i  e  r  .  F.  und  Cl  u  e  r  i  n  .  A.  335. 

Das  bulbÀre  Syndrom  bei  akuter  Kokainvergiftung  durch  intr 
orbitale  Injektionen.    Bei  zwei  FĂ€llen  schwerer  Kopfneuralgie 
wurde  durch  intraorbitale  Kokaininjektionen  ein  Syndrom  hervor 
gerufen,  das  den  experimentell  erzeugten  BulbÀrsymptomen  voll 
stÀndig  gleicht:    Delirien,  Agitation,  Loquacitas,  Angstschwei 
BlÀsse,  Pulsbeschleunigung,  motorische  Störungen  vom  Zitter 
bis   zum   Tetanus,   Pupillenerweiterung,    Schwindel   und  Atem 
Störungen,  die  zum  Collaps  fĂŒhren.    Der  Reihe  nach  werden  zu 
erst  die  Hemisphaeren,  dann  das  RĂŒckenmark,  zuletzt  der  Bulbu 
ergriffen.   Dieser  ist  in  der  Exitationsperiode,  wenn  die  sensiblen 
RĂŒckenmarkszellen  paralysiert  sind.  Von  den  beiden  Gegenmitteln 
Sauerstoff  und  Aether  ist  der  letztere  bei  weitem  wirksamer  un 
schneller.      Die  Dosen  mĂŒssen  wiederholt  gegeben  werden  un 
können  30—35  ccm  betragen.    Das  Cheyne-Stokessche  PhĂ€nome 
wird  durch  beide  Medikamente  nicht  beeinflußt.  Haber. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  47/48  Ans  den  neuesten  Zeitschriften  <,:,,-, 


La  Presse  Medicale,  Paris. 

22.  April  1922,  Nr.  32. 

♩A  njipliylaiif    bei    Ipecacuanha;     DbsensU>ilA.tion    »uf    subkutanem  B'fg». 
N  i  (1  a I  .  P.,  A  Ii  i  a  h  a  m  1  ,  P.  und  J  ol t rs  in ,  Bd.  341. 
Krkonstitutiou  der  Oberlippe  bei  Frauen.    D  ul  0  U  r  m-6  n  t  6  1  ,  344. 
Ist  Quecksilber  ein  Heilmittel  der  Syphilis?    C  be  i  n  1  s  s  e  .  I..  MB. 

Anaphylaxie  bei  Ipecacuanha;  Desensibilation  auf  stibcuta- 
ncin  Wege.  Die  bekannte  Ueberenipfindlichkeit  gegen  Ipecacuanha 
zeigte  sich  bei  2  Beobachtungen,  von  denen  der  erste  Patient  an 
heftigem  Schnupfen  und  schweren  AslhmaanfÀllen  litt,  sobald  er 
mit  der  Droge  als  Apotheker  zu  tun  hatte;  beim  2.  Patienten  trat 
jedesmal  ein  Ekzem  nur  im  Gesicht  auf;  dabei  bestand  bei  beiden 
Fallen  die  charakteristische  haemoklasische  Krise  wÀhrend  der 
AnfÀlle,  ebenso  erwies  sich  die  CutÀnreaktiqn  sowohl  mit  Pulver 
wie  mit  der  Mazeration  stark  positiv.  Die  Desensibilation  ge- 
lang in  beiden  FĂ€llen  mit  subkutanen  Injektionen  minimaler  Dosen 
von  Ipecacuanha,  die  einige  Wochen  lang  ansteigend  zur  Heilung 
fĂŒhrten.  Im  ersten  Falle  wurde  wĂ€hrend  der  Kur  Belladonna 
gegeben,  da  die  AsthmaanfÀlle  sich  zunÀchst  eher  steigerten,  bis 
sie  im  weiteren  Verlauf  ganz  verschwanden.  Haber. 

26.  April  1922,  Nr.  33. 

Resektion  des  cerricotbpracalen  Syuipathicus.    .Tonnen  c  u  .  Th.  3SS. 
♩Die    C'oniuren   des   cardio-vaskulĂ€ren    Medianschattens  im  Röntgenbild  won 
Torn  gesellen.    i>  e  I  Ii  e  r  m  .  L.  und  Ohaperon.  R.  S58. 

Die  Konturen  des  cardio-vaskulÀren  Mediansehattrns  im  Rönt- 
genbild von  vorn  gesch  n.  Der  rechte  Kontur  des  normalen  Schat- 
tens im  Röntgenbild  von  oben  nach  unten  besteht  aus  dem  rechten 
brachio-cephalischen  Venenstamm,  der  Vena  cava  sup.,  dem  rech- 
ten Herzohr  und  der  Vena  cava  inf.  Den  linken  Rand  des  Median- 
schaltens bildet  von  oben  nach  unten  der  sterno-vertcbrale 
Schatten,  der  Aortenhalbkreis,  der  Anfangsteil  der  Aorta  desc, 
die  Arteria  pulm.,  der  linke  Ventrikel.  Die  AortenkrĂŒmmung 
ist  also  nur  im  Niveau  des  Endteiles  sichtbar.  Die  Messung 
des  Frontaldurchmessers  der  KrĂŒmmung  ist  illusorisch,  da  sie 
immer  den  Durchmesser  der  Vena  cava  sup.  mit  umfaßt,  nur  im 
schrĂ€gen  Durchmesser  erhĂ€lt  man  ein  genaues  Maß. 

Die  retrosternalgelegene^Korta  ascendens  ist,  entgegen  der 
meist  herrschenden  Ansicht,  in  Frontalstellung  nicht  zu  sehen. 

Haber. 

29.  April  1922,  Nr.  34. 
♩Retro-Oesopfrageal-Phlegmone.    t;  u  i  s  c  z  .  .1.  36;>. 

♩Wirkung  des  Adrenalins  auf  das  Leukt>!iyteiibilcl  bei  Myelosen,    (i  o  1  a  ,  .1. 
366. 

PigmentĂ€re  Cirrhose  und  HĂ€rnochromatose.  H  n  u  i  I  1  a  r  d  .  .1.  .'Â«ĂŒi. 
Ueber  die  Retro-Oesophageal-Phlegmone.  Verf.  konnte  die 
verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  seltene  Erkrankung  hei  drei  Kindern  beobachten. 
Der  Beginn  ist  schleichend,  wenig  oder  keine  Temperatur,  allmÀh- 
lich zunehmende  Dyspnoe,  Dysphagie  und  verÀnderte  rauhe  und 
erstickte  Stimme.  Die  direkte  Laryngoscopie  oder  nach  erfolgler 
Tracheotomie  die  Trachcoscopie  ergibt  ein  Abweichen  der  hinteren 
Tiachealwand  in  der  subglottischen  Region,  der  tief  eingefĂŒhrte 
Finger  fĂŒhlt  die  Fluktuation.  .  Nach  Eröffnung  des  Abszesses,  die 
selbstverstÀndlich  im  Liegen  bei  hÀngendem  Kopf  erfolgt  oder 
sich  sofort  an  die  Tracheotomie  anschließt,  sehr  schnelle  Besse- 
iiing.  Die  Ursache  ist  in  einer  Vereiterung  der  praevertebralen 
DrĂŒsen  zu  suchen,  wenn  nicht  ein  Fremdkörper  vorliegt,  was  bei 
dem  sehr  jugendlichen  Aller  der  Kinder  selten  ist. 

Die  Wirkung  des  Adrenalins  auf  das  Leukocytenbild  bei  den 
Myelosen.  Bei  der  myeloischen  Leukaemie  zeigt  sich  nach  Adrena- 
lininjektion eine  starke  Vermehrung  der  myeloischen  Leukocyten, 
die  sich,  wie  in  normaler  Weise  in  der  Milz  und  den  LymphdrĂŒsen 
vollzieht.  Die  Wirkung  erklÀre  sich  durch  die  Reaktion  des 
Adrenalins  auf  die  glatte  Muskulatur  der  betreffenden  Organe  und 
ist  um  so  weniger  ausgesprochen,  je  mehr  eines  derselben  seine 
normale  histologische  Struktur  beibehÀlt,  wie  z.  B.  bei  den  aleu- 
kÀmischen Myelosen.  Das  Adrenalin,  durch  das  vor  allem  die 
jug1  ndlichen  Formen  mobilisiert  werden,  ist  daher  ein  wertvolles 
Mittel  zur  Differt ntialdiagnostik  zwischen  den  FĂ€llen  von  Myelose 
und  aleukÀmischer  Lymphadenose,  die  hÀufig  grolle  Schwierig- 
keiten verursacht.  Habe  r. 

3.  Mai  1922,  Nr.  35.  ' 

♩  Der   muköse  Typus   des   Gallenblascnhydrops   durch    Verschluß   des  Ductus 
cysticus.    Daniel,  ('.  und  R  a  b  e  s  ,  A.  377. 
Betrachtungen    ĂŒber  die    l'ottscjie    Krankheit;    Klassische    und  chirurgische 
Behandlung.    Borrel,  E.  378. 

Der  muköse  Typus  des  Gallenblasenhydrops  durch  Verschluß 
dem   Ductus  cysticus.     Beim   Hydrops  der   Gallenblase,  hervor- 


gerufen durch  Verschluß  des  Ductus  cysticus.  sind  zwei  Typen 
zu  unterscheiden,  der  Iranssuelative  oder  seröse  Typ  und  der 
sekretorische  oder  muköse  Typ.  Ersterer  ist  charakterisiert 
durch  skleröse  VerÀnderungen  der  Blase  und  einer  transsudat 
artigen  FlĂŒssigkeit;  letzteres  durch  katarrhalische  EntzĂŒndungen 
der  Schleimhaut  mit  muköser  Sekretion.  Jener  beruht  auf  Àlteren, 
dieser  auf  frischen  LĂ€sionen  der  Schleimhaut.  Beide  Formen 
reprÀsentieren  Anfangs-  und  Endstadium  desselben  pathologi- 
schen Prozesses  und  können  selbstverstÀndlich  auch  in  allen 
Zwischenstadien  auftreten.  Haber. 

6.  Mai  1922,  Nr.  36. 

♩Colloidoklasie    und    endokrine    DrĂŒsen.     W  i  d  a  1  ,    F.,    A  h  r  a  rn  i  ,    P.  und 
d"e  G  e  n  n  e  s  ,  L.  385. 

♩  Die  radiculĂ€re  Verteilung  des  Xaevus  und  des  \'itili«-r>.    Klippel,  U.  und 

W  eil.   M.   P.  388. 

KisenprÀparate  in  der  Therapie.    Che  i  n  isse  ,  L.  3iiu. 

Colloidoklasie  und  endokrine  DrĂŒsen.  Die  Beobachtung  einer 
Kranken  mit  AsthmaanfÀllen  bei  gleichzeitiger  hÀmoklasischer 
Krise  zeigte  einen  engen  Zusammenhang  dieser  Erscheinungen 
mit  den  Funktionen  der  endokrinen  DrĂŒsen.  Die  AnfĂ€lle  be- 
gannen mit  dem  Auftreten  der  Menses  im  14.  Lebensjahr  und 
verschwanden  beim  Aufhören  derselben  im  37.  Lebensjahr;  dafĂŒr 
traten  die  deutlichen  physischen  und  psychischen  Symptome  des 
Myxödems  auf  bei  kleiner,  nicht  schmerzhafter  SchilddrĂŒse. 
Störungen  der  DrĂŒsen  mit  innerer  Sekretion  bewirken  also  auch 
eine  Störung  im  vagosympathischen  Apparat.  Es  tritt  eine 
coltoidoplasmatische  InstabilitÀt  ein,  die  zu  den  anaphylakti  sehen 
PhĂ€nomenen  fĂŒhrt.  Dauernd  fortgesetzte  Organotherapie  fĂŒhrte 
in  dem  angegebenen.  Falle  zur  Heilung. 

Die  radiculÀre  Verteilung  des  Naevus  und  des  Vitiligo. 
Zwischen  Naevus  und  Vitiligo  besteht  eine  nahe  Verwandt  schalt. 
Beide  können  als  sekundÀre  Erscheinungen  nach  anderen  Er- 
krankungen oder  durch  Druck  und  andere  mechanische  Beize 
entstehen,  was  durch  die  willkĂŒrliche  Lokalisation  angezeigt 
wird;  beide  können  aber  auch  nervösen  Ursprungs  sein  una 
lassen  dann  eine  klar  systematisierte  Topographie  erkennen,  die 
auf  eine  LĂ€sion  der  Wurzeln  hinweist.  Bei  einem  Z;Ur  Autopsie 
gelangten  Falle  konnte  man  an  der  Grenze  zwischen  unterem 
Hals  und  oberem  Brustmark  eine  schwarz  pigmentierte  peri- 
ependymÀre  Zone  sehen,  die  genau  der  Verteilung  des  Naevus 
entsprach.  Verf.  nehmen  an,  daß  der  eigentliche  Herd  im  Niveau 
der  hinteren  Kommissur  und  der  interkommissuralen  Fasern 
gelegen  ist.  Habe  r. 

10.  Mai  1922,  Nr.  37. 

♩  Am  no- Arsen-Phenol  zur  intramuskulĂ€ren  Behandlung  der  Syphilis.  Jean- 

seltne,  E.,   Poniaret,   M.   und   Bloch,  M.  :!97. 
♩Radiuniwirkung  der  Heilquellen  und  ihre  Rolle  in  der  Badekur,    f  ■  i  s  t  e  1  - 
n  a  u  ,  R.  und  L  o  i  s  e  1  .  P.  399. 
Die    H.uran  ko« -Dohleschen    Leukozyteukörperchen.     A  c  c  o  y  e  r  ,   H.  401. 

Die  Behandlung  der  Syplylis  mit  Amino-Arseno-Phenol  auf 
intramuskulÀrem  Wege.  Die  Beobachtung  an  150  FÀllen  ergab, 
daß  das  Amino-Arseno-Phenol  ein  haltbares,  sterilisables,  thera- 
peutisch wirksames  PrÀparat  zur  intramuskulÀren  Behandlung 
mit  geringster  toxischer  Wirkung  ist.  Es  eignet  sich  zur  FrĂŒh- 
bi  handlung  der  Lues  und  kann  in  grĂ¶ĂŸeren  Dosen,  als  intravenös 
möglich  ist,  gegeben  werden.  Patienten,  die  intolerant  gegen  die 
intravenöse  Behandlung  sind,  verlragen  die  intramuskulÀre  ohne 
Beschwerden.  Die  therapeutische  Wirksamkeit  sowohl  auf  die 
Narbenheilung  wie  auf  den  Ausfall  der  Wa.  B.  ist  bei  beiden 
Methoden  die  gleiche. 

Die  RadioaktivitÀt  der  Quellen  und  ihre  therapeutische  Wirk- 
samkeit. Die  RadioaktivitÀt  des  Gases  ist  immer  der  des  Wassers 
ĂŒberlegen,  ist  aber  auch  bei  eia  und  derselben  Quelle  niemals 
konstant;  sie  ist  am  stÀrksten  bei  Quellen,  die  in  Talkesseln  ge- 
legen sind,  wo  die  Emanation  durch  Konzentralion  schweier  wirti 
p.ls  che  Luit.  Als  GetrĂ€nk  betrĂ€gt  die  tĂ€gliche  Dosis  200—500  ccm. 
was  0,08—0,15  Millimicrocurie  Emanation  entspricht.  Bei  In- 
halation wird  diese  Dosis  bei  einem  Aufenthalt  von  10 — 60  Mi 
nuten  tĂ€glich  erreicht.  Heiße  HalbbĂ€der  sollen  5  Minuten  dauern 
wobei  der  Kranke  bis  zur  Taille  im  Wasser  sitzt.  Die  Wirkung 
besteht  in  Zersetzung  der  Purinkörper,  Erhöhung  der  Ferment- 
aktivitÀt, Vermehrung  des  HÀmoglobins  und  der  Kernteilung. 
Verbesserung  des  Stoffwechsels  und  der  HarnsÀureausscheidung. 
Es  zeigt  sich  ferner  eine  deutliche  Einwirkung  auf  die  Neben- 
niere und  wahrscheinlich  auch  auf  die  anderen  endokrinen 
DrĂŒsen.   Zur  Behandlung  eignen  sich  vor  allem  die  Erkrankun 


656 


Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/48 


gen,  bei  denen  das  vago-sympathische  Gleichgewicht  gestört  ist. 
Die  dabei  charakteristische  hÀmoklasische  Krise  verschwindet  im 
Laufe  der  Behandlung  vollstÀndig.  Haber. 

13.  Mai  1922,  Nr.  38. 

❖Der  gegenwĂ€rtige  Stand  der  unilateralen,  intra-thorakalen  Chirurgie  in  der 
freien  Pleura.    Duval,  P.  409. 

❖Die  Kalziumsalze  bei  Asystolie.   Danielopolu,  D..  D  r  a  g  a  n.e  s  c  o  ,  !S. 
und  Copaceanu,  P.  413. 

Der  gegenwÀrtige  Stand  der  unilateralen  intra-thorakalen 
Chirurgie  in  der  freien  Pleura.  Der  totale  unilaterale  Pneu- 
mothorax bei  sehr  groBer  Oeffnung  der  Thoraxwand,  mit  voll- 
stÀndigem Kollaps  der  ganzen  Lunge  durch  Kompression,  wobei 
auch  die  Residaalluft  entfernt  wird,  ruft  keine  Respiralions- 
störungen  hervor,  sondern  nur  eine  geringe  Herabsetzung  des 
arteriellen  Druckes,  ohne  den  kardialen  Rhythmus  zu  beein- 
flussen. Die  Respirationsstörungen  treten  nur  bei  Ventilation 
der  Pleura  auf,  hervorgerufen  durch  Alembewegungen  des  Hemi- 
thorax  und  Hemidiaphragma  bei  unvollstÀndigem  Lungenkollaps. 
Sie  verschwinden  sofort,  sobald  dieser,  am  besten  mil  Hilfe 
feuchtwarmer  Kompressen,  eingetreten  ist.  Allgemeinnarkose  mit 
Aether. 

Die  Kalziumsalze  bei  Asystolie.  Die  Beobachtungen  haben 
ergeben,  daß  das  Kalzium  bei  der  Behandlung  der  Asystolie  dem 
Digitalis  und  Strophantin  nicht  ĂŒberlegen  ist,  sondern  noch  den 
Nachteil  hat,  die  BlutgerinnungsfĂ€higkeit  zu  erhöhen.  GĂŒnstige 
Resultate  ergeben  dagegen  eine  Verbindung  beider  Therapien 
In  einigen  FĂ€llen,  wo  Steophantin  allein  unwirksam  blieb,  trat 
sofort  ein  augenfÀlliger  kardiotonischer  Effekt  ein,  nachdem  vor- 
her Kalzium  gegeben  war.  Diese  klinischen  Beobachtungen  decken 
sich  vielleicht  mit  den  experimentellen  von  Loewi.  daß  der 
Aktionsmechanismus  beider  Mittel  verschieden  ist,  und  zwar  in 
dem  Sinne,  daß  das  Kalzium  das  wahre  Cardiotonikum  ist,  das 
Digitalis  nur  die  Sensibilisierung  des  Herzens  fĂŒr  das  Kalzium 
bewirkt.  Haber. 


ist  die  Applikation  des  Medikaments  von  HautausschlÀgen  be- 
gleitet. Man  wird  in  der  Regel  mit  Verabreichung  von  0,2  g 
beginnen;  0,4  g  Luminal  ist  bereits  als  hohe  Dose  zu  betrachten. 
Das  Hauptindikationsgebiet  fĂŒr  seine  Anwendung  bilden  die 
FĂ€lle  von  genuiner  Epelipsie.  A.  MĂŒnzer. 


17  Mai  1022,  Nr.  30. 

❖Gedanken  eines  Praktiker.«  ĂŒber  Syphil's^Behanrlluuf 


Urnen.  L 


421. 


Betrachtungen  eines  Praktikers  ĂŒber  die  .Behandlung  der 
Syphilis.  Nach  reiflicher  ErwÀsung  der  verschiedensten  Me- 
thoden kommt  Verf.  zu  dem  Schluß,  im  Anfangsstadium  der 
Syphilis  eine  Serie  möglichst  starker  intravenöser  Injektionen 
von  Arsenobenzol  zu  machen  und  diese  eventl.  mangels  eisener 
Uebung  einem  Spezialisten  anzuvertrauen.  Bleibt  die  Wa.R. 
nesativ,  so  genĂŒgt  nach  einiger  Zeit  eine  Serie  intramuskulĂ€rer 
Injektionen  eines  ArsenprÀnarates  oder  eine  Quecksilbertheranie. 
Viele  Kollegen  bestehen  jedoch  auf  alle  FĂ€lle  nach  einer  Pause 
von  5 — 6  Wochen  auf  einer  zweiten  Kur'  analog  der  ersten.  Wir 
empfehlen  diese  nur  bei  SekundÀrerscheinungen  oder  positiver 
Wa.  B.,  danach  erfolst  dann  Quecksilberkur  oder  intramuskulÀre 
Arsenkur.  Dieselbe  ist  auch  bei  alter  Lues  angezeigt,  wo  es  sich 
nicht  mehr  darum  handelt,  möglichst  schnell  und  krÀftig  vorzu- 
gehen. Je  mehr  man  sich  vom  PrimÀrstadium  entfernt,  um  so 
individueller  werden  die  Indikationen,  fĂŒr  die  sich  keine  Regeln 
mehr  fixieren  lassen.  Haber. 

L'  Encephale. 

April  1022,  Nr.  4. 

Die   Heteraesthesie    bei    der   direkten   RĂŒckenmarkerschĂŒtterung.      L  b  e  r  - 
mitte,  I..  und  Corn  il  ,  I..  201. 
‱frDie  Erblichkeit  in  der  Nachkommenschaft  eines  Polygamen.    M  i  g  n  o  t  .  R 
212.  %-i<r'~  -»V 

Untersuchungen  ĂŒber  dir  Rolle  der  ..Ko:nnlexe:'  bei  den  Krankheitserschei- 
nungen der  Irren.    Hink  o  \v  s  k  i  .  E.  219. 
❖Zur  Behandlung  der  Epilepsie  mit  Luminal.    D  i  v  r  y.  228. 

Die  Lipoide  in  der  Pathologie  der  Nerven-  und  Geisteskrankheiten.    B  i  a  n  - 
e  i  n  i  .  H.  234. 

Die  Erblichkeit  in  der  Nachkommenschaft  einer  Polygamen. 

Ein  junger  Franzose,  der  in  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  in  einer 
der  Antillen  landete,  nahm  eine  schwarze  Sklavin  des  Landes 
zur  GefĂ€hrtin.  Aus  ihrer  Verbindung  entsproßte  ein  Sohn,  der 
exquisit  polygam  veranlagt  war.  Er  ging  zwei  rechtmĂ€ĂŸige  Ver- 
bindungen ein  und  hatte  außerdem  sieben  Nebenfrauen.  Die  Lebens- 
geschichte ihrer  Nachkommen  ist  genau  bekannt  und  wurde  von 
dem  Verfasser  hinsichtlich  ihrer  GesundheitsverhÀltnisse  ein- 
gehend geprĂŒft.  Unter  den  151  Gliedern  der  Familie  befinden 
sich  26  anormale  Individuen,  wĂ€hrend  die  ĂŒbrigen  völlig  gesund, 
und  einige  unter  ihnen  sogar  hervorragend  begabte  Menschen 
waren. 

Zur  Behandlung  der  Epilepsie  mit  Luminal.  (Schluß).  Luminal 
entfaltet  eine  schnellere  Wirkung  als  Brom.;  es  ist  auch,  da  eine 
einmalige  Gabe  am  Tage  genĂŒgt,  leichler  zu  nehmen.  Bisweilen 


Aus  den  verschiedenen  Sondergebieten. 
Innere  Medizin. 

E.  C.  Levine  und  H.  N.  Segall:  Reaktion  nach  Bluttrans- 
fusion.   (Surgery,  Gvnecology  and  Obstetrics,  35.  Nr.  3,  Sep- 
tember 1022,  S.  313.) 
Wiederholt  trat  nach  Aethernarkose  und  nachfolgender  Blut- 
transfusion Agglutination  der  roten  Zellen  des  Spenders  ein.  wenn 
auch  vor  der  Narkose  die  beiden  Blutarten  vertrÀglich  gewese 
waren.    Vielleicht  sind  Lipoide  im  Blut  die  Ursache,  vielleich 
Aenderungen  in  dem  kolloidalen  Zustand  des  Blutes  infolge  de 
Adners,  Àhnlich  wie  der  Wassermann  hei  Blutentnahme  kurz  nacl 
den   Mahlzeiten  infolge  kolloidaler  Aenderungen  unzuverlÀssi 
wird.   Ferner  zeigte  sich  bei  wiederholten  Bluttransfusionen,  da 
Blut,  das  erstmals  vertragen  wurde,  spÀter  schwere  Reaktion  aus 
löst.   Grund  liegt  vermutlich  darin,  daß  die  ursprĂŒnglichen  isoag- 
glutinierenden und  isohÀmolysierenden  Eigenschaften  des  EmpfÀn- 
gerblules  durch  Transfusion  vermutlich  geÀndert  werden.   Es  so1 
daher  vor  jeder  Transfusion  direkte  und  indirekte  PrĂŒfung  vor 
g<  nominell  werden.  K  u  h  n. 

Gustav  Pallin:   Bluttransfusion  bei  C  h  o  1  a  e  m  i  e.  (Act 
Chirurgic.a  Scandinavica,  55,  Heft  2.) 

Die  Gefahr  der  Nachblutung  bei  den  Operationen  an  de 
Gallenwegen  ist  bekannt.  Verf.  teilt  einen  Fall  mit,  in  dem  er 
frĂŒheren  Beobachtern  folgend,  bei  einer  schweren  Blutung  di 
Bluttransfusion  mit  gutem  Erfolge  angewandt  hat. 

A.  MĂŒnze  r. 

Martin,  W.  Uebcr  den  Wert  der  Blutiranfusion  f 
den  Urologen.  The  Jour.  atUrology.  Nr.  2,  August  19 
FĂŒr  den  Urologen  hat  besonders  die  prĂ€operative  Bluttrans 
fusion  eine  große  Bedeutung,  sieht  er  doch  hĂ€ufig  ausgeblutet 
schwer  anÀmische  Patienten,  bei  denen  ohne  prÀoperative  Blu 
transfusion  auf  einen  gĂŒnstigen  Erfolg  der  Operation  gar  nie' 
zu  rechnen  wÀre,  die  daher  hier  erst  die  Vornahme  der  Op 
ration  ermöglicht.  Postoperativ  dient  sie  dazu,  SchwÀchezustÀnd 
Blutdrucksenkungen  und  vor  allem  Infektionen  des  Harntraktu 
jeglicher  Art  und  Ursprunges  zu  bekÀmpfen.       Bab  (Berlin). 

Carl  Voegtlin.    Die  Grenzen  der  intravenösen  M  e  d  i 
ka  tion.    (.Tourn.  of  the  Amer.  Med.  Assoc.  79,  Nr.  6,  Aug.  19 
S.  421.) 

Die  Anwendung  der  intravenösen  Injektion  hat  einen  solc 
Umfang  angenommen,  daß  es  zeitgemĂ€ĂŸ  und  wichtig  ist,  einm 
den  wirklichen  Wert  dieser  Behandlungsform  und  ihre  Grenz 
nÀher  zu  betrachten. 

Historisch  betrachtet  geht  die  intravenöse  Injektion  der  su 
kutanen  voran.    Die  moderne  Anwendung  begann  mit  der  En 
deckung  Baccelis,  daß  Chinin,  in  die  Blutbahn  direkt  eingefĂŒh 
die  Malaria  besser  bekĂ€mpft  als  auf  dem  Umwege  ĂŒber  die  inter 
Medikation.    Ihm   folgte   Crede   mit   der    Injektion  colloidaleri 
Metalle  bei  SepticÀmie,  aber  mehr  als  dies  beides  hat  die  intraj 
venöse  Salvarsantherapie  zur  Popularisierung  der  intravenöse« 
Injektionen  beigetragen.    Man  ĂŒbersieht  dabei  scheinbar  absieht! 
lieh,  daß  der  intravenöse  Weg  hauptsĂ€chlich  zur  Vermeidung  des 
Schmerzes  und  der  lokalen  Beaktion  gewÀhlt  wurde  und  nichT 
wegen  der  grĂ¶ĂŸeren  Wirksmakeit.   Man  ist  also  berechtigt, 
Frage  zu  stellen:  gibt  es  ĂŒberhaupt  Drogen,  die  unter  bestimmte: 
Bedingungen  intravenös  nachhaltiger  als  auf  anderem  Wege  wid 
ken?  Jawohl,  und  zwar  Chinin  bei  maligner  Malaria,  Strophantin 
in  gewissen  HerzfÀllen,  Diphtherieantitoxin  bei  schwerer  Diphthe? 
rie.    Hier  ist  die  intravenöse  Einverleibung  ein  unbedingtes  En 
fordernis.    An  dieser  Stelle  ist  auch  die  Kochsalzinjektion  bef 
schwerer  Haemorrhagie  zu  nennen. 

Neben  den  VorzĂŒgen  dĂŒrfen  dfe  Nachteile  der  intravenös« 
Darreichung  nicht  unerwĂ€hnt  bleiben.  UnerwĂŒnschte  Reaktioneaj 
lassen  sich  durch  langsames  Injizieren  vermeiden,  der  Abwehrt 
mechanismus  des  Blutes  und  der  Gewebe  tritt  dann  in  Kraft,  wi 
bei  raschem  Einfließen  nicht  geschieht.  Es  ist  ferner  zu  berĂŒcla 
sichtigen,  wie  viel  von  dem  gleichen  Medikament  der  Patient  vffll 
her  per  os  genommen  hatte. 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  17/18 


Referate 


65? 


Verfasser  ist  nicht  der  Ansicht,  daV  die  intravenöse  Zufuhr 
von  Drogen  den  andern  Methoden  so  sehr  viel  ĂŒberlegen  ist,  er 
wĂŒnscht  sogar,  daß  wir  in  die  Lage  kĂ€men,  auch  das  Salvarsan 
subkutan  zu  geben,  was  zur  Vereinfachung  der  Syphilisbehand- 
lung sicherlich  erheblich  beitrĂŒge,  Held  (Berlin). 

Bernhard  Zondck:  Tiefenwirkungen  bei  thermischen 
Behandlungsmethoden.  (Klinisch«  Wochenschrift,  1922, 
Nr.  35.) 

Verf.  seigt  durch  eingehende  tiefenthermometrische  Messungen, 
daß  durch  Ă€ußere  Applikation  thermischer  Beize  sowoni 
WĂ€rme-  wie  KĂ€ltereize  -  -  die  Temperatur  tiefer  gelegener  Organe 
wesentlich  beeinflußt  wird,  eine  sehr  wichtige  Feststellung  fĂŒr 
unsere  therapeutischen  Maßnahmen.  A.  MĂŒnze  l. 

Karl    Frik :     Eine    wesentliche    Verbesserung  der 
Durchleuchtungstechnik    der  Lungenspitzen. 
(Klinische  Wochenschriff,  1922,  Nr.  39.) 
In  allen  FĂ€llen,  in  denen  man  bei  der  Durchleuchtung  der 
Lungenspitzen  kein  klares  Bild  bekommt,  muß  man  versuchen, 
den  Muse,  sternocleidomastoideus  wegzudrÀngen,  gerade  durch 
ihn  wird  hĂ€ufig  das  Spitzenbild  verschleiert.        A.  MĂŒnz  er. 

John,  H.  und  Gibbon,  M.  D.:   Die  konservative  B  e  h  a  n  d 
lung  chronischer  Empveme.    (The  Amer.  Journ.  of 
the  Med.  Sciences,  163,  Nr.  4,  April  1922,  S.  469.) 
Mittels  WismutfĂŒllung  wurde  röntgenologisch  die  GrĂ¶ĂŸe  der 
Empyemhöhle    festgestellt    und    das   Empyem    mit  Dakinseher 
Lösung  behandelt.  5  FÀlle  mit  Röntgenbildern.  Gute  Heilerfolge 
in  vier  FĂ€llen,  bei  einem  Rezidiv.   Der  Patient  muß  so  gelagert 
sein,  daß  bei  der  Blutung  sicher  die  ganze  Höhle  benetzt  wird. 

Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

MĂŒller-Dcham.  lieber  die  Therapie  der  Pneumonie. 
(Wien.  Med.  Wochenschrift,  Nr.  41,  Oktober  1922,  S.  1688) 
Verf.  empfiehlt  in  dem  fĂŒr  den  Praktiker  sehr  lehrreichen 
Fortbildungsvortrag  u.  a.  die  Verabreichung  von  Optochin,  jedoch 
nur1  wÀhrend  der  ersten  beiden  Krankheitstage  und  nur  unter  be- 
stimmten. Kautelen:  Tagesdosis  1 — 1,2  g  in  Einzeldosen  von 
0.2 — 0,25  g;  Gesamtmenge  nicht  ĂŒber  3 — 1  g;  ausschließlich  Milch- 
diÀt; Aussetzen  des  Mittels  bei  den  geringsten  Augen-  oder 
Ohrensymptomen.  In  jedem  Fall  Darmentleerung;  je  nach  den 
UmstÀnden  Digitalis,  besonders  bei  vorher  krankem,  hyper- 
trophischem Herzen,  Diginurat  und  Àhnliche  PrÀparate,  kein  Di- 
gnlen.  Chinin  1  g  pro  die.  Als  Herzmittel  Kampfer,  bei  ve- 
nöser Stauung  Aderlaß  (400 — 600  cem,  besonders  bei  drohendem 
Lungenleiden;  bei  toxischen  Symptomen  ev.  20—160  ccm.  Serum 
[Pneumokokken-  oder  Normnlserum).  Beuß  (Wien). 

Rolfe    Floyd,    M.    D.:    Organisation  pneumonischer 
Exsudate.    (The  Amer.  Journ.  of  the  Med.  Sciences,  163. 
Nr.  4,  April  1922,  S.  527.) 
Bei    der    Untersuchung    von    zahlreichen  PneumoniefÀllen 
konnten  hÀufiger  Pfropfe  in  den  Alveolen  gefunden  werden,  die 
im  Anfangsstadium  der  Organisation  sich  befanden.  Verf.  glaubt, 
daß  die  Fibroblasten  aus  Zellen  hervorgehen,  die  in  dem  An- 
fangsexsudat vorhanden   sind,  besonders  bei  Anwesenheit  von 
Fibrin   und  unabhÀngig   von   der   Vaskularisation.    Schon  am 
5.  Tage  hat  er  solche  gestreckten   Zellformen    gefunden.  Die 
relative  HÀufigkeit  dieser  herdförmigen  Organisation  bei  lobÀrer 
Pneumonie  wĂŒrde  die  nicht  selten   zu  beobachtende  Böntgen- 
schattertbildung  erklÀren,  die  nach  3  Wochen  noch  beobachtet 
wird  und  sich  dann  allmÀhlich  aufhellt. 

Loewenhardt  (Charloltenburg-WestendV 

S.  Iglauer:  Das  Pneumoperitoneum  als  Hilfsmittel 
bei  der  Diagnose  des  Cardiospasmus.  (New  Yörk 
medical  Journal,  115,  Nr.  12,  Juni  1922,  S.  745.) 

In  einem  Fall  von  starker  Dilatation  des  Oesophagus  infolge 
von  totaler  Unwegsamkeit  der  Cardia,  in  dem  die  Gastrostomie 
ausgefĂŒhrt  werden  mußte,  ergab  die  Böntgenuntersuchung  nach 
vorheriger  Einblasung  von  Sauerstoff  in  die  Bauchhöhle  das  Be- 
stehen von  AdhÀsionen  zwischen  dem  linken  Leberlappen  und 
dem  subdiaphragmatischen  Teil  des  Oesophagus,  auf  die  Verf. 
den  Verschluß  der  Cardia  zurĂŒckfĂŒhren  möchte.  Nach  wieder- 
holten SpĂŒlungen  des  diLatierten  Oesophagus  und  Dehnung  der 
Cardia  mit  Bougies  trat  Heilung  ein;  Verf.  erörtert  die  Möglich- 
keit, daß  die  Lufteinblasung  in  die  Bauchhöhle  zu  diagnostischen 
Zwecken  die  bestehenden  Verwachsungen  zwischen  Leber  und 
Speiseröhre  gelockert  hat  und  auf  diese  Weise  zur  Heilung  bei- 
getragen haben  könnte.  Wolff  (Hamburg). 


Kniest  Dwight  Chipman:  B  edĂŒrfnisse  u  ndForde  r  u  n  g  e  n 
in  der  Dermatologie.  (The  Journ.  of  the  Amer.  Assoc, 
79,  Nr.  6,  Aug.  22,  S.  119). 

FĂŒr  den  Dermatologen  gibt  es  noch  eine  Menge  erforschens- 
werter  Gebiete.  Z.  B.  ist  die  Molle  der  Pilze  bei  1  lauterkrankungen 
noch  keineswegs  geklÀrt.  Auf  der  Suche  nach  Àtiologischen  Fak- 
toren sehen  wir  eine  Reihe  von  Möglichkeiten  vor  uns,  die  vor- 
urteilslos zu  sichten,  unsere  Pflicht  ist.  Bei  jeder  Dermatose  un- 
bekannten rjtsprungs  verdienen  folgende  Punkte  Beachtung:  Herd- 
inl'eklion,  sympathisches  Nervensystem,  endokrine  DrĂŒsen,  gestör- 
ter Stoffwechsel.  I'roteinkörpersensilisation.  Die  Pflichten  des 
Dermatologen  beziehen  sieh  auf  den  Pal.  selbst,  auf  die  Gesell- 
schaft und  auf  den  Àrztlichen  Beruf.  Dem  Pat,  ist  er  exakteste 
Diagnosenstellung  und  Aufdeckung  eventueller  ZusammenhÀnge 
zwischen  Haut-  und  inferen!  Erkrankungen  schuldig.  Die  Ge 
Seilschaft  soll  er  durch  AufklÀrung  davor  bewahren,  der  Kur- 
pfuscherei in  die  HĂ€nde  zu  fallen;  denn  diese  Gefahr  ist  gerade 
bei  Fragen  der  Kosmetik  sehr  groß.  Und  schließlich  soll  er 
durch  Zusammenarbeit  den  Konnex  mit  den  ĂŒbrigen  Zweigen  der 
Medizin  wahren.  Held  (Berlin). 

lohn,  H.  und  Arnett,  M.  D.:   Milz-  und  LebervergrĂ¶ĂŸe- 
rung bei  Endokardiiis.   (The  Amer.  Journ.  of  the  Med. 
Sciences,  168,  Nr.  4,  April  1922,  S.  590.) 
286   Autopsiebefunde.    MilzvergrĂ¶ĂŸerung   ist   ein  wichtiges, 
oft    ĂŒbersehenes   diagnostisches   Symptom    fĂŒr    die   akute  und 
chronische    Endokarditis.    Sie   wurde    im    Verein    mit  Leber- 
schwellung  bei  allen  an  chronischer  oder  akuter  Endokarditis 
Gestorbenen  gefunden,  jedoch  hÀufig  auch  bei  chronischen  Herz- 
krankheiten und  bei  Streptokokkeninfektionen  ohne  Beteiligung 
des  Herzens.     F.  Loewenhardt  (Charlollenburg-Westend). 

O.  Kleinschmidt:  Ueber  Phlebalgia  ischiadica  und 
Ischias.  (Klin.  Wochenschrift,  1922,  Nr.  35.^ 
Es  ist  oftmals  schwierig,  zwischen  einer  echten  Ischias  und 
varikösen  Erkrankungen  inner-  oder  außerhalb  des  HĂŒftnerven  zu 
unterscheiden.  Differentialdiagnostisch  ist  folgendes  wichtig:  bei 
der  Phlebalgia  ischiadica  beginnen  die  Schmerzen  meist  distal  und 
allmÀhlich;  sie  treten  auf  im  Stehen,  langsamen  Gehen  und  werden 
durch  schnelles  Gehen  gebessert,  durch  Hochlagerung  werden  sie 
beseitigt;  daher  nachts  keine  Schmerzen.  Bei  der  Ischias  setzen 
die  Schmerzen  zentral  und  meist  plötzlich  ein.  Durch  schnelles 
Gehen  werden  sie  vermehrt,  ebenso  durch  Hochlagerung;  nachts 
sind  sie  besonders  heftig.  FĂŒr  die  Phlebalgie  ist  der  Nachweis 
anderweitiger  Varioen  bedeutungsvoll,  -fĂŒr  die  Ischias  derjenige 
von  neuritischen  Erscheinungen.  —  Mitteilung  zweier  FĂ€lle  von 
Phlebalgia  ischiadica.  A.  MĂŒnzer. 

Hummel,  H.:  Knochenmark  und  Blutbild  in  ihrer  Be- 
ziehung zuraplastischen  AnĂ€mie.   (WĂŒrzburg,  Univers.- 
Kinderklinik.)    Zeitschr.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  32,  S.  285—291. 
Bei  einem  Fall  von  aplastischer  AnÀmie,  der  an  einer  Sepsis  zu 
Grunde  geht,  versucht  H.,  sich  ein  Bild  zu  machen  von  der  Art  der 
Knochenmarkserkrankung.    Es  wird  dabei  berĂŒcksichtigt,  daß  nicht 
nur  die  regeneratorische  TĂ€tigkeit  des  Markes  sondern  auch  der  Aus- 
schwemmungsmechanismus  gestört  sein  kann.    In  seinem  Fall  nimmt 
H.  auf  Grund  seiner  klinischen  und  pathologisch-anatomischen  Be- 
funde in  Anlehnung  an  die  Theorien  Eppingers  an,  daß  eine  Ein- 
schrÀnkung der  Bildung  nur  bei  den  roten  B.  K.,  bei  dem  myeloischen 
System   und  den   PlÀttchen   dagegen   eine  Störung  des  Ausschwem- 
mungsmechanismus  anzunehmen  ist. 

Schall  (TĂŒbingen). 

G.  Fahr  und  E.  Ronzone:  Zirkulatorische  Kompen- 
sation   fĂŒr  die   unzureichende   FĂ€higkeit  des 
Blutes  in  schweren  AnĂ€mien  genĂŒgend  Sauer- 
stoff zu  transportiere  n.    Arch.  of  int.  med.  Bd.  29, 
H.  3,  1922,  S.  331. 
Bei  schweren  AnĂ€mien  ist  als  Kompensation  fĂŒr  die  unzu- 
reichende Sauerstoffzufuhr  das  Herzminutenvolumen  bedeutend 
vermehrt  (in  einem  Falle  von  Anaemia  perniciosa  bis  zu  250  %) 
Die  ViskositĂ€t  des  Blutes  ist  herabgesetzt,  die  HandgefĂ€ĂŸe  sind 
stark  verengt,  der  Pulmonarkreislauf  verstÀrkt. 

L.  Farmer  L  o  e  b. 

I'isenmenger,    E.      Verbesserte    H  e  r  z  m  a  s  s  a  g  e  und 
kĂŒnstliche  A  t  m  u  n  g.    Wien.  Med.  Wochenschrift,  Nr.  32, 
August  1922,  S.  1334. 
Beschreibung  eines  Pumpapparates,  durch  welchen  genau  do- 
sierte   intraabdominale  und    inlralhorakale  Druckschwankungen 
erzeugt  werden  können.     Er  wird  verwendet  bei  asphyktischen 


Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/48 


ZustÀnden,  bei  LungenblÀhung,  Asthma,  enteroptotischen  Zu- 
stĂŒnden, zur  Herzmassage  bei  Herzinsuffizienz  oder  zu  prophy- 
laktischen HeizĂŒbungen,  bei  Blutstauung  in  den  inneren  Organen, 
bei  pleuritischen  und  intraabdominellen  AdhÀsionen. 

Reuß  (Wien). 

Ettorre.  Die  SpÀt  er  folge  der  Behandlung  spasti- 
scher LÀhmungszustÀnde.  (Archivio  di  OrtopediÀ, 
Heft  3,  1922.) 

Die  großangelegte,  mit  zahlreichen  Bildern  und  Kranken- 
geschichten versehene  Arbeit,  setzt  sich  das  Ziel,  Klarheit  zu 
bringen  in  die  Bewertung  der  verschiedenen  Behandlungsarten. 
Blutige  und  unblutige  Methoden  werden  miteinander  verglichen. 
Die  Operationen  am  Muskel  werden  denen  an  den  Nerven  gegen- 
ĂŒbergestellt und  mit  den  Wirkungen  der  Försterschen  Opera- 
tion (Durchschneidung  der  sensiblen  RĂŒckenmarkswurzeln)  ver- 
glichen. Aus  den  interessanten  und  nĂŒtzlichen  Untersuchungs- 
ergebnissen erhalten  wir  ungefÀhr  folgendes  Bild: 

Die  subkutane  Penotomie  leistet  die  besten  Dienste  bei  Ad- 
duktionskontrakturen  der  HĂŒfte.  Hier  ist  sie  die  Operation  der 
Wahl.  Zur  Sehnenverpflanzung  eignen  sich  am  besten  der 
M.  ext.  hallucis  longus  oder  der  M.  ĂŒb.  ant.  bei  spastischen 
KlumpfĂŒĂŸen  leichteren  und  mittleren  Grades.  Die  Nachbehand- 
lung muß  sehr  exakt  durchgefĂŒhrt  werden.  Plastische  Sehnen- 
verlÀngerungen kommen  nur  in  Frage,  wenn  die  passive  Kor 
rektur  nicht  mehr  möglich  ist,  oder  wenn  psychische  GrĂŒnde 
einer  Stoff  eischen  Operation  entgegenstehen.  Diese  Operation 
wiederum  (Resektion  motorischer  Nervenbahnen)  leisten  ausge- 
zeichnete Dienste,  wenn  die  Kontraktur  in  Narkose  noch  aut 
korrigierbar  ist,  sie  also  hauptsÀchlich  aus  spastischen  KrÀften 
gespeist  wird,  wĂ€hrend  echte  VerkĂŒrzungen  noch  nicht  vorhanden 
sind.  Die  Arthrodese  darf  nur  in  seltenen  FĂ€llen  Verwendung 
finden,  wenn  hochgradige  Verschlimmerungen  die  letzten  tat- 
sÀchlich funktionierenden  Muskelfasern  zerstört  haben  und  ein 
Gelenkgleichgewicht  auf  andere  Weise  nicht  zu  erzielen  ist.  Rein 
konservative  Therapie  eignet  sich  nur  fĂŒr  FrĂŒhfĂ€lle. 

Debrunner  .Berlin). 

Mattauseh,  F.  KieselsÀurebehandlung  der  chroni- 
schen Lungentuberkulose.  (Wien.  Med.  Wochen- 
schrift Nr.  41,  Oktober  1922,  S.  1670.) 

Versuche  mit  Si  1  i  s  t  r  e  n  (Bayer  u.  Co.).  GĂŒnstige  Beein- 
flussung des  Appetits,  der  Mattigkeit,  Besserung  des  klinischen 
Bildes,  Nachlassen  der  katarrhalischen  Erscheinungen.  Zu  emp- 
fehlen als  unterstĂŒtzendes  Mittel  der  spezifischen  Behandlung. 

Reuß  (Wien). 

E.  E.  Larson,  D,  F.  Wein,  L.  G.  Rowntree:  Untersuchungen 
ĂŒber  Diabetes  insipidus,  Wassergleichgewichl 
und  W  a  s  s  e  r  i  n  t  o  x  i  k  a  t  i  o  n.  Arch.  of'int.  med.  Bd.  29, 
H.  3,  1922,  S.  306. 

In  15  FĂ€llen  von  Diabetes  insipidus  lag  4  mal  Lues,  einmal 
Hirntumor,  einmal  Hypophysentumor  vor;  in  den  ĂŒbrigbleiben- 
den FÀllen  konnte  kein  Àdiologischer  Zusammenhang  mit  einer 
anderen  Erkrankung  ermittelt  worden.  —  Pituitrin  erzielte  in 
allen  FĂ€llen  auffĂ€llige  Wirkung.  Der  gĂŒnstige  Einfluß  (Beseiti- 
gung des  quĂ€lenden  DurstgefĂŒhles)  trat  sofort  ein  und  hielt 
ĂŒber  Perioden  von  einigen  Stunden  bis  zu  4 — 5  Tagen  an.  Hista- 
min wurde  in  3  FĂ€llen  ohne  jede  Wirkung  angewandt.  Lumbal- 
punktion, in  6  FĂ€llen,  und  antiluetische  Behandlung,  in  4  FĂ€llen 
versucht,  waren  ohne  sichtbaren  Einfluß.  Von  einer  BeschrĂ€n- 
kung der  FlĂŒssigkeitszufuhr  wird  abgeraten,  da  diese  „Ent- 
ziehungskuren" außerordentlich  qualvoll  und  keinerlei  gĂŒnstigen 
Einfluß  auf  den  Krankheitsverlauf  ausĂŒben.  —  Experimentell  er- 
gab sich,  daß  das  Blutvolumen  nach  Pituitringaben  nicht  ver- 
mehrt ist.  Eine  ErklĂ€rung  fĂŒr  den  Wirkungsmechanismus  des 
Pituitrin  beim  Diabetes  insipidus  zu  finden,  gelang  den  Ver- 
fassern nicht.  In  sehr  interessanten  Tierversuchen  konnte  durch 
subkutane  Piluitrininjektionen  unter  gleichzeitigen  großen  Wasser- 
gaben der  Tod  unter  Intoxikationserscheinungen  herbeigefĂŒhrt 
werden.  Auch  hierfĂŒr  war  eine  eindeutige  ErklĂ€rung  nicht  zu 
linden.  C.  Farmor  Loeb  (Berlin). 

N.  Aage  Nielsen :  Ueber  die  Wahl  zwischen  innerer 
und  chirurgischer  Behandlung  beim  u  1  c  u  s  ven- 
l  r  i  c  u  1  i  und  du  o  d  e  n  i.  (Acta  Chirurgien  Scandinavica.  55, 
Heft  2.) 

Die  akute  Uleus-Blutung  ist  fĂŒr  gewöhnlich  mit  inneren 
Mitteln  zu  behandeln.  Ueber  die  Gefahr  einer  spÀteren  letalen 
Blutung  bei  den  gewöhnlichen  UlcusfÀllen  gehen  die  Ansichten 
auseinander.   In  denjenigen  UlcusfÀllen,  bei  denen  eine  tödliche 


Blutung  aufgetreten  ist,  deckt  die  Sektion  hÀufig  frische 
SchleimhautlĂ€sionen  auf.  Bei  jĂŒngeren  Individuen  ist  die  Gefahr 
solcher  Blutungen  gering,  das  Gegenteil  gilt  in  vorgerĂŒcktem 
Alter.  —  Die  freie  Perforation  muß  chirurgisch  angegangen 
werden.  Die  Gefahr  der  Perforation  beim  ulcus  im  allgemeinen 
ist  nicht  sehr  groß.  Bei  den  meisten  Patienten,  die  an  Perforation 
zugrunde  gehen,  hat  das  ulcus  wahrscheinlich  nur  "ganz  kurze 
Zeit  'bestanden  und  ist  schnell  in  die  Tiefe  gedrungen,  so  daß  die 
Bildung  der  schĂŒtzenden  Perigastritis  adhaesiva  noch  nicht 
möglich  war.  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 

Joseph,  S.  und  Diamond,  M.  I).:   Beobachtungen  ĂŒber  di 
Heilbarkeit    des    MagengeschwĂŒrs.     (The  Amer 
Journ.  of  the  Med.  Sciences,  163,  Nr.  4,  April  1922,  S.  548.) 
Bericht  ĂŒber  14  FĂ€lle  intern  geheilter  Ulcera  ventriculi  oh 
Rezidiv  bis  4}4  Jahre  nachher.    Theoretische  Erörterungen  d 
Frage  der  definitiven  Heilung.   Besprechung  der  Indikation  zu 
chirurgischen  Behandlung.   Nichts  wesentlich  neues. 

Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

W.  C.  Quinby.     Die   Erkennung   der  Erkrankunge 
des  Nieren-Blasentractus.    (The  Bost.  Med.  u.  Sur 
Journ.   187,  Nr.  7,  S.  229.) 
Blut-  oder  Eiterbefunde  im  Urin  sind  fĂŒr  den  Urologen  vo 
grĂ¶ĂŸter  Wichtigkeit;  ihrer  Provenienz  nachzugehen,  muß  da 
Ziel  seiner  diagnostischen  BemĂŒhungen  sein.    Auf  die  Ergebnis 
der   endoskopischen   und  cystoskopischen   Untersuchung  dĂŒrf 
wir  uns  verlassen,  vorausgesetzt,  daß  der  Untersucher  das  nötig 
Maß  von  Erfahrung  besitzt.    In  der  Differenzierung  zwische 
benignen  und  malignen  BlasengeschwĂŒren  ist  das  cystoskopisc' 
Ergebnis  manchmal  nicht  eindeutig.    Indessen,  wenn  man  bedenk 
daß   alle  Blasenneubildungen   zum   mindesten   potentiell  mali 
sind,  und  seine  Entschließungen  danach  einrichtet,  so  wird  ma 
sich  der  Gefahr  eines  Irrtums  kaum  aussetzen.    Mit  skeptische 
Auge-  sind  alle  Schalten  auf  der  Röntgenplatte,  die  man  als  Ste: 
deuten   könnte,   solange   zu  betrachten,   bis   anderweitige  Ma 
nahmen  bewiesen  haben,  daß  der  in  Frage  stehende  Schatten  si 
wirklich  innerhalb  des  Nierenblasentrakts  befindet.    Die  Erge 
Risse  der  pyelographischen  Betrachtung  sind  von  der  grĂ¶ĂŸt 
Bedeutung,  da  eine  falsche  Auslegung  derselben  zu  den  Seite 
heilen  gehört. 

Zusammenfassend  kann  man  sagen,  daß  unsere  diagnostisch 
Hilfsmittel  heul  weit  genug  gediehen  sind,  um  eine  rein  explor 
torische  Operation  ĂŒberflĂŒssig  zu  machen. 

Eine  Anzahl  von  Krankengeschichten  mit  Wiedergabe  d 
Röntgenbefundes  unterstĂŒtzen  die  theoretischen  Erörterung 
des  Verfassers.  Held  (Berlin). 

Joseph    L.    Baer:    Ein    Beitrag    zum    Problem  d 
Nephritis  und  Nephrose  in  der  Zeit  der  Schwan 
gerschaft.   (The  Journ.  of  the  Amer.  Med.  Assoc.  79,  Nr. 
August  22,  S.  622 
Nephritis    und   Nephrose    sind    getrennte,  wohlabgegre 
Nierenerkrankungen,  die  verschiedene  Teile  des  Nierenmechani 
mus  betreffen  und  die  bei  verschiedenem  Befund  auch  verschiede 
Behandlung  erheischen.    NierenfunktionsprĂŒfung  und  Capillar 
skopie  sind  genau  so  wichtig  wie  Urinanalysen  und  Blutdruc 
messungen  und  sind  notwendig,  um  Nierenerkrankungen  in  d 
Schwangerschaft  zu  klassifizieren  und  die  Behandlung  dana 
tinzurichten.    Die    Schwangerschaftsniere    steht    in    der  Mi 
zwischen  Nephritis  und  Nephrose  und  muß  sich  in  der  Beha 
hing  nach  dem  Typ  richten,  dem  sie  am  meisten  Àhnelt.  Schwa 
gerschaftspyelitis  ernsteren  Grades  kann  gegen  Pyonephrose  a 
gegrenzt  werden  durch  den  Nachweis  der  intakten  Nierenfunkti 
Eklampsie  scheint  auf  einem  Placentargift  zu  beruhen,  das  ei 
Toxikose  des  Gehirns  bewirkt,  die  von  der  nephrotischen  UrÀm 
ganz  verschieden  ist.    Letzterer  fehlt  das  Fieber,  das  die  Eklamp- 
sie stets  begleitet.  Held  (Berlin).« 

Husler:  Zur  F  r  a  g  e  d  e  r  I  m  p  e  t  i  g  o  n  e  p  h  r  i  t  i  s.  (Klinische 
Wochenschrift,  1922,  Nr.  37.) 

An  der  Existenz  einer  Impetigonephritis  besteht  kein  Zweifel 
Die  Erkrankung  betrifft  vorwiegend  die  ersten  10  Lebensjahr« 
Es  ist  nicht  richtig,  hier  diphtherische  SchÀden  bezw.  Mischinfek- 
tion mit  Diphtherie  anzunehmen.  Therapeutisch  ist  in  erster  Linie 
eine  peinliche  Behandlung  der  Haut  erforderlich.       A.  MĂŒnze« 

Kotisehet,  G.:   Nephrolvsis   und  Üreterolysis.  (Thft 

Journ.  of  Urology,  Nr.  2,  Aug.  1922). 
Mit  Nephrolvsis  bezeichnet  Rovsing  die  operative  Loslösung 
der  Niere  von  Verwachsungen  und  Verklebungen;  die  analoge 
Operation  am  Ureter  wird  daher  zweckmĂ€ĂŸig  mit  Üreterolysis 


10.  .Jahrg.  —  Nr.  47/48 


Heferate 


659 


bezeichnet.  Die  primÀre  Ursache  ist  meist  eine  Infektion  des 
parenchymatösen  Nierengewebes,  die  sich  aul  die  Nierenkapsel 
fortpflanzt,  hier  EnlzĂŒnelungserschcinungen  hervorruft,  die  zu 
narbigen  Verwachsungen  und  Schrumpfungen  fĂŒhren.  Das  Krank 
beitsbild  solcher  Nieren-  oder  Ureter  Verwachsung  Ă€ußert  sich  in 
dumpfen,  oder  attakenweis  auftretenden  Schmerzen  in  der  Nieren 
Kegend,  die  mit  erhöhtem  Blutdruck  aher  normalen  Urinbefund 
cinhergehen,  der  höchstens  im  Schmerzanfall  einige  Zylinder  oder 
rote  Blutkörperchen  zeigt  Palpatorisch  und  radiologisch  kann 
die  Verlagerung  der  Niere  bei  Abwesenheit  von  Tumoren  und 
Steinen  —  nachgewiesen  werden.  Bei  Verzerrung  des  Ureters  giht 
das  Böntgenbild  besonders  gute  AufschlĂŒsse,  da  ein  eingefĂŒhrter 
Ureterenkatheter  hier  deutlich  die  Verlagerung  desselben  zeigl 
Auch  das  Cystoskop  zeigt  charakteristische  Krankheitserschei- 
nungen. WĂ€hrend  bei  normalen  Nieren  die  Ausstoßung  des  Urins 
in  die  Blase  auf  beiden  Seiten  im  gleichen  Bythmus  geschieht, 
pflegt  bei  Verlagerung  der  Niere  und  des  Ureters  auf  der  er- 
krankten Seite  eine  ungewöhnlich  lange  Pause  der  Ausscheidung 
mit  heftigen  Expressionen  zu  wechseln.  B  a  b  (Berlin). 

George  Gilbert  Smith.  Die  Behandlung  des  Blasen-, 
c  a  r  c  i  n  o  m  s.  (Boston  Med.  und  Surg.  Jourm  187,  Nr.  3,  S.  87!) 
Verf.  fĂŒhrt  den  Nachweis,  daß  alle  Blasentumoren  —  von 
wenigen  Aharten,  wie  Fibromen,  abgesehen  —  potentiell  als 
malign  gelten  mĂŒssen.  Die  Vorbedingung  fĂŒr  eine  erfolgreiche 
Behandlung  ist  das  frĂŒhzeitige  Erkennen  mit  dem  Cystoskop. 
Selbst  den  geringsten  Blasenheschwerden  ist  nachzugehen,  bis 
man  ihre  Ursache  erkannt  hat.  Die  Behandlung  besteht  in  Pul- 
beration,  Bestrahlung  mittels  EinfĂŒhrung  von  Radium,  Excision 
des  Tumors,  totaler  Cystektomie  oder  in  hoffnungslosen 
FĂ€llen  —  Cauterisation  und  permanenter  suprapubischer  Drai- 
nage! Die  chirurgischen  Erfolge  beim  Blasencarcinom  sind  noch 
wenig  befriedigend,  Besserung  ist  nur  durch  FrĂŒhdiagnose  zu 
erwarten,  der  sich  in  manchen  FĂ€llen  radikale  Behandlung,  in 
anderen  zweckmĂ€ĂŸige  Verwendung  von  Badium  anzuschließen  hat. 

Held  (Berlin). 

John  Homans.  V  a  r  i  k  ö  s  e  V  enen  u  n  d  U  1  c  e  r  a ;  Me- 
thoden der  Diagnose  und  der  Therapie.  (Boston 
Med.  u.  Surg.  Journ.  187,  Nr.  7,  S.  258.) 
Variköse  Beinvenen  sind  klappenlose,  oberflÀchliche  Venen, 
dre  ihre  FĂ€higkeit  eingebĂŒĂŸt  haben,  bei  aufrechter  Körper- 
haltung das  Blut  zum  Herzen  zu  transportieren.  Die  Veran- 
lassung liii'  <  ine  Vnrixbildung  ist  gewöhnlich  schwere  körper- 
liche Arbeit  oder  Entbindungen.  Die  Klappen  können  durch  Phle- 
bitis zerstört  worden  sein,  in  diesen  FÀllen  ist  das  weiche  Ge- 
webe der  Beine  mehr  oder  weniger  entzĂŒndet  oder  narbig  ver- 
Àndert. Selten  und  ohne  bekannte  Ursache  kommen  variköse 
Venen  im  jugendlichen  Alter  vor.  Fast  immer  zeigl  sich  die 
V.  saphena  magna  betroffen  Tiefer  gelegene  Venen  sind  fast 
nie  \  varikös  und  treten  vikariierendfĂŒr  die  geschĂ€digten  oberflĂ€ch- 
lichen Venen  ein.  Variköse  Ulcera  kommen  dadurch  zustande, 
daß  die  von  varikösen  Venen  durchsetzte  Haut  gewöhnlieh 
schlecht  ernÀhrt  ist,  dann  aber  zu  Traumen  und  Infektionen  neigt. 
Der  ĂŒbliche  Typ  der  gewundenen  varikösen  Vene  ist  durch  ge- 
eignete Operation  leicht  zu  heilen.  Ulcera  sind  mehr  oder  we- 
niger radikal  zu  behandeln,  je  nachdem  variköse  perforierende 
Venen  vorhanden  sind  oder  fehlen,  ferner  nach  dem  Grad  der  In- 
fektion und  Induration  in  der  Umgebung  des  I  leus  Die  Diagnose 
„postphlebitischcr  Varix"  stellt  man  aus  der  Anamnese,  aus  dem 
Vorhandensein  kleiner  sklerosierter  Venen  und  in  vorgeschrit- 
tenen FĂ€llen  aus  der  diffusen  Induration  und  dem  Oedem  der 
Wade;  gewöhnlich  ist  ein  Ulcus  damit  verbunden,  das  pah 
liativer  Behandlung  unzugÀnglich  isl  und  fast  immer  Fxcision 
erfordert.  Operationen  dieser  Art  sind  schwierig,  auch  bleibt 
die  Dauer  des  Heilungsverlaufs  hinter  dem  einfachen  Typ  der 
oberflĂ€chlichen  VarikositĂ€t  zurĂŒck.  Akute  Phlebitis  sonst  nor 
maier  Venen,  wie  sie  bei  Typhus  und  im  Puerperium  vorkommt, 
erfordert  konservative  Behandlung.  Lange  Schonzeit  ist  dabei 
unvermeidlich.  Betrifft  die  akute  Phlebitis  Venen,  die  bereits 
varikös  verÀndert  sind,  so  ist  Excision  die  gegebene  Therapie. 

Held  (Berlin). 

Peers  u.  Shipman:  Die  Behandlung  de  r  l  u  b  e  r  k  u  1  ö  s  e  n 
L  a  r  y  n  g  i  t  i  s  «n il  Chaulmoograöl.  (The  Journ.  of  the 
Amcr.  Med.  Assoc.  79,  Nr.  t>.  Aug.  1922,  S.  161.) 

Intralaryngeale  Anwendung  einer  10  -20% igen  Lösung  von 
Chaulmoograöl  in  Olivenöl  kann  die  Schluckbeschwerden  einer 
Vorgeschrittenen  KehlkopflÀsion  erleichtern,  zum  mindesten 
temporÀr.  Andererseits  kann  durch  diese  Behandlungsart  der 
/Ulgemeinzustand  eines  Fiebernden  Patienten  ungĂŒnstig  beeinflußl 


werden.    Daher  isl  das  Chaulmoograöl  solange  mil  Ă€ußerster  Voi 
sieht  zu  verwenden,  bis  wir  ĂŒber  seine  lokale  und  allgemeine 
Wirkung  genauere  Kenntnisse  besitzen.  Held  (Berlin). 

Morrow,  Walker,  Miller;  Erfahrungen  mil  Derivaten 
des  C  h  a  u  1  m  o  o  g  r  a  (')  l  s  bei  der  Behandlung  Lep- 
röser. (Journ.  of  Nie  Amer.  Med.  Assoc.  7!),  Nr.  0,  Aug.  1022, 
S.  134.) 

Das  Chaulmoograöl  hat  schon  von  jeher  den  Huf  eines  aus 
gezeichneten  Heilmittels  bei  der  Behandlung  der  Lepra.  Aber  die 
perorale  Darreichung  scheiterte  an  Magenstörungen  und  an  der 
zu  langsam  sich  entfaltenden  Wirkung.  Daher  sind  seil  einigen 
Jahren  BemĂŒhungen  im  Gange,  es  durch  Mischung  mit  Ă€ndert) 
Substanzen  fĂŒr  die  subkutane  oder  intramuskulĂ€re  Injektion  ge- 
eignet zu  machen.  Im  Jahre  1920  wurde  experimentell  gezeigt,  daß 
das  Chaulmoograöl  Substanzen  enthÀlt,  die  in  vitro  eine  stark 
bactericide  TĂ€tigkeil  entfalten  und  zwar  geht  diese  besonders 
von  den  FettsÀuren  derselben  aus,  die  eine  geradezu  spezifische 
Wirkung  auf  den  Bac.  leprae  besitzen. 

Die  in  S.  Francisco  behandelten  LeprafÀlle  zeigten  nach 
intravenöser  Injektion  des  Aclhylesters  des  Chaulmoograöls 
keine  Besserung,  was  man  vielleicht  auf.  Bechnung  des  Alters  der 
Patienten  und  der  Vorgeschritlenheit  der  Erkrankung  setzen 
darf.  Dagegen  wird  von  einer  Lepra  Station  auf  Honolulu  be- 
richtet, daß  sowohl  bakteriologisch  wie  klinisch  Heilungen  erzielt 
werden,  besonelers  natĂŒrlich  bei  jĂŒngeren  Individuen  im  Anfangs- 
stadium. Im  vorgerĂŒckten  Stadium  muß  man  die  Behandlung 
mindestens  3  Jahre  lang  fortsetzen.  Nur  ganz  veraltete  FĂ€lle 
zeigten  sich  der  Behandlung  gegenĂŒber  refraktĂ€r. 

Verfasser  ergÀnzt  seine  Mitteilungen  durch  beigegebene 
Krankengeschichten  und  Illustrationen.  Held  (Berlin). 

Schönfeld,  A.  Zur  Kenntnis  der  Sauerampferver- 
giftung. Wien.  Med.  Wochenschrift,  Nr.  32,  August  1922, 
S.  1338. 

Vergiltung  bei  einem  12jĂ€hrigen  Knaben,  welcher  anlĂ€ĂŸlich 
einer  Wette  mit  Kameraden  große  Mengen  Sauerampfer  zu  sich 
genommen  halte.  Symptome:  Temperatursteigerung,  Darrn- 
blĂ€hung  mil  Obstipation  oder  Diarrhöen  und  Koliken,  entzĂŒnd 
liehe  VorgÀnge  in  den  Nieren,  Störungen  der  Harnsekretion,  Beiz- 
wirkungen auf  das  Zentralnervensystem,  Störungen  des  Herz- 
rhytmus.  Die  Erscheinungen  sind  zum  grĂ¶ĂŸten  Teil  durch  Oxal- 
sÀure hervorgerufen.  Therapeutisch  scheinen  magnesiumhaltige 
WĂ€sser  und  Bauchmassage  von  gĂŒnstiger  Wirkung  zu  sein.  Der 
mitgeteilte  Fall  endete  mit  Genesung,  doch  ist  die  Prognose 
zweifelhaft.  Reu'ß  (Wien). 


K  iiMiarfyeilk  undte. 

^osenstern,  j.:  FrĂŒhgeburtenstigmata.  (Berlin,  Kinderasyl.) 
Zeitschr.  f.  Kinderheilk.,  Bd.  32,  S.  129—161. 
Nach  einer  umfassenden  Zusammenstellung  der  primÀren  und  se- 
kundĂ€ren Störungen,  die  bei  FrĂŒhgeburten  zur  Beobachtung  gelangen, 
bespricht  Verf.  einige  bisher  weniger  beachtete  sekundÀre  Stigmata. 
ZunÀchst  weist  er  auf  die  HÀufigkeit  des  Megacephalus  hin,  der  sich 
bei  unreifen,  frĂŒhgeborenen  Kindern  fast  regelmĂ€ĂŸig  findet;  er  setzt 
im  L— 3.  Lebensmonat  ein  und  errreicht  im  6.-8.  seinen  Höhepunkt. 
Es  findet  sich  dabei  immer  ein  erhöhter  Lumbaidruck,  bedingt  durch 
eine  relative  VergrĂ¶ĂŸerung  des  Gehirns,  ohne  daß  sich  ein  Hydroce- 
phalus  feststellen  lÀ;  t.  Auch  mit  Rachitis  hat  das  hier  besprochene 
Symptom  nichts  zu  tun.  Weiter  wird  eine  charakteristische  VerÀnde- 
i  ung  des  anfĂ€nglich  mageren  „griesgrĂ€migen"  Gesichtes  der  FrĂŒhge- 
burt beschrieben.  Zwei  Typen  werden  unterschieden,  das  „Froschge- 
sicht" bei  mageren  Kindern  mit  abnorm  großen  Saugpolstern,  Glotz- 
augen, großem  Mund  und  dicker  Zunge,  verbunden  mit  adenoidem  Ha- 
bitus und  das  „Puppengesicht"  mit  abnormer  Fettablagerung  an  Kinn 
und  Wange  und  dadurch  mangelnder  Modellierung.  Seltener  wird 
eine  Störung  der  Körperproportion  beobachtet,  die  in  einem  gedrunge- 
nen Habitus  und  einer  mehr  oder  weniger  ausgesprochenen  Mikromelie 
besteht.  Zum  Schluß  werden  noch  nervöse  Störungen,  die  sich  be- 
sonders in  WutanfĂ€llen  und  Hypertonie  Ă€ußern,  erwĂ€hnt.  Alle  diese 
FiĂŒhgeburtenstigmata  finden  sich  nur  bei  frĂŒhgeborenen,  unreifen  Kin- 
dern und  fehlen  bei  den  rein  untermassigen  fast  immer;  je  unreifer  das 
Kind,  desto  ausgesprochener  die  Stigmata.  Sie  verschwinden  spontan, 
meist  im  Verlauf  des  ersten  Jahres.  Als  Àtiologisches  Moment  denkt 
Verf.  an  eine  Hypofunktion,  der  den  harmonischen  Aufbau  des  Kör- 
pers regelnden  endokrinen  DrĂŒsen. 

Schall  (TĂŒbingen). 


! 


Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/48 


Julius  H.  Heß:    FrĂŒhgeburten.    (The  Journ.  of  the  Amer. 
.Nied.  Assoc.  79,  Nr.  7,  Aug.  1922,  S.  .552.) 

Verfasser  gruppiert  die  lrĂŒhgeborenen  Kinder  nach  den  de 
Sichtspunkten,  wie  sie  fĂŒr  den  Chirurgen  von  Interesse  sind: 
l.  Kongenitale  Mißbildungen  des  Foets  auf  Grund  intrauterine 
Störungen,  2.  pathologische  VerhÀltnisse,  die  sich  bei  oder  kurz 
nach  der  Geburt  herausbilden,  3.  ErnÀhrungsstörungen  in  den 
ersten  Lebensmonaten,  die  zu  sekundÀren  Komplikationen  am 
Knochen-,  Muskel-  oder  Nervensystem  fĂŒhren. 

Linter  die  1.  Gruppe  fallen:  Cephalocele,  Spina  bifida,  Klump- 
luß,  HĂŒftluxationen,  Hasenscharte,  Wolfsrachen,  amniotische  Ab- 
schnĂŒrungen, Chondrodystrophie,  Osteogenesis  imperfecta. 

Yfppö  glaubt,  daß  30  %  der  TodesfĂ€lle  frĂŒhgeborener  Kinder 
in  den  ersten  Lebenstagen  auf  inlracranielle  blutungen  zurĂŒck- 
zufĂŒhren sind,  sei  es,  daß  diese  Blutungen  prĂ€natal  erfolgt  sind 
und  zur  vorzeitigen  Ausstoßung  gefĂŒhrt  haben,  sei  es,  daß  Ge- 
Imrtstraumen  auslösend  gewirkt  haben.    Bei  frĂŒhreifen  Kindern 
ĂŒberwiegen  die  Ventrikularblutungen,  Tentoriumzerreißungen  und 
subdurale  HĂ€morrhagien,     wie  sie  bei  ausgetragenen  Kindern 
vorkommen,  sind  seltener  anzutreffen.    GlĂŒcklicherweise  gehören 
geistige  Störungen  als  Folgeerscheinungen  zu  den  Seltenheiten, 
wahrscheinlich  deshalb,  weil  die  relative  SchÀdelweichheit  dem 
Gehirn  gestaltet,  sich  dem  vermehrten  inlracraniellen  KrĂŒck  an- 
zupassen.   Der  megacephale  Kopf  des  frĂŒhreifen  Kindes  hat  zum 
llydrocephalus  keine  Beziehung;  er  kommt  dadurch  zustande,  daß 
SchÀdel-    und    Körperwachstum    nicht    gleichen    Schritt  mitein 
:uider   hallen,     Bei   FrĂŒhgeburten   sind    Frakturen,  Epiphysen 
lösungen,    PlexuslÀhmungen    hÀufiger    als    bei  ausgetragenen 
Kindern    anzutreffen.     Infolge   der    UnfÀhigkeit   dieser  Kinder, 
Schmerz  zu  Ă€ußern,  können  diese  SchĂ€den  lĂ€ngere  Zeit  unbemerkt 
bleiben.  In  zweifelhaften  FÀllen  greife  man  lieber  zum  Röntgeno 
gramm.   Bei  allen  FrĂŒgeburlen  besieht  eine  mangelhalle  Kalk 
lelention  und  daher  eine  PrĂ€disposilion  fĂŒr  Rachitis;  nur  eine 
sehr  sorgfĂ€ltig  ausgewĂ€hlte  ErnĂ€hrung  kann  verhĂŒten,  daß  sie 
einen  grĂ¶ĂŸeren  Umfang  annimmt.   Ein  konstantes  Symptom  ist 
lerner  die  sehr  deutliche  und  frĂŒhe  HĂ€moglobin-Verarmung,  die 
ihren  Höhepunkt  im  3.  oder  4.  Monat  erreicht;  man  mag  sie  als 
hypoplastischen  Zustand  ansehen,  der  aus  einer  Insuffizienz  des 
hÀmatopoetischen  Systems  resultiert.  Eisen  und  Arsen  in  Form  von  . 
i  et  r  .  carb.  saccharat.  und  Liquor,  kal.  arsenicos.  sollen  pro- 
phylaktisch schon  in  den  ersten  Lebenswochen  gegeben  werden 
Auch  die  Spasmophilie  befĂ€flt  FrĂŒhgeburten  hĂ€ufiger  als  aus- 
getragene Kinder.  Das  Interesse  der  OrthopÀden  an  der  Tetanie 
bezieht  sich  auf  sekundÀre  Komplikationen,  wie  intracranielle 
und  mlraspinale  HĂ€morrhagien  im  Anschluß  an  KrĂ€mpfe,  sowie 
ul    Frakturen   und   DeformitÀten   nach   tonischen  Carpopedal 
-pasmen.   Solche  DeformitÀten  erheischen  allgemeine  diÀtetische 
und  medikamentöse  Behandlung,  lokal  Redressement  und  Ruhig- 
»(ellung.    Skorbut   bleibt    in   latenten   FÀllen   meist  unerkannt. 
Komplikationen  wie  Epiphysenlösung  und  inlracapsulÀre  Blutung 
nachen  chirurgische  wie  diÀtetische  Behandlung  erforderlich. 

Held  (Berlin) 

Ambrozic,  M.:  Zur  Frage  der  Nahrungsbemessung  bei 
untergewichtigen  SĂ€uglingen.  —    Zugleich    eine  Ver- 
gleichsstudie zwischen  der  H  e  u  b  n  e  r  sehen  und  der  Pirquet- 
schen  Dosierungsart.    (Wien,  Reichsanstalt  fĂŒr  Mutter-  und  SĂ€ug- 
lingsfĂŒrsorge.)   Zeitschr.  f.  Kinderheilk,  Bd.  32,  S.  247—270. 
WĂ€hrend  bei  der  Heubner sehen  Formel  der  Nahrungsbedarf 
eine  Funktion  der  Körpermasse  darstellt,  geht  Pirquet  vom  Quadrat 
der  Sitzhöhe,  also  einer  FlĂ€che  aus.    A.  prĂŒft  die  Leistungen  beider 
Nahrungsbemessungen  an  klinischem  Material.    Er  wÀhlt  dazu  gut  ge- 
deihende SĂ€uglinge,  bei  denen  andere  Faktoren  wie  Konstitution  oder 
Krankheit  möglichst  gleich  null  zu  setzen  sind,  und  vergleicht  die  Zahl 
der  tatsÀchlich  genossenen  Nahrungsmenge  mit  den  nach  Heubner 
und  Pirquet  errechneten  Zahlen.    Je  nach  dem  ErnÀhrungszustande 
des  Kindes  weichen  diese  mehr  oder  weniger  von  einander  ab.  hs 
ergibt  sich  weiter,  daß  sich  das  untergewichtige,  im  Wachstum  zurĂŒck- 
gebliebene Kind  mehr  dem  Nahrungsbedarf  eines  normalen  gleich  langen 
als  dem  eines  normalen  gleich  alten  Kindes  .nĂ€hert.   Im  ĂŒbrigen  stimmt 
die  Pirquet  sehe  Formel,  gegen  die  verschiedene  theoretische  Ein- 
wendungen gemacht  werden,  besonders  auch  bei  untergewichtigen  Kin- 
dern besser  mit  der  tatsĂ€chlich  genossenen  Nahrungsmenge  ĂŒberein, 
als  der  Heubner  sehe  Energiequotient.    Am  Schluß  findet  sich  eine 
Berechnungstabelle  der  Nahrungsmengen  in  Non  und  Kalorien,  be- 
zogen, auf  das  Quadrat  der  Sitzhöhe. 

Schall  ( 1  ubingen). 

Frassetto,  F. :  Ueber  die  gesetzmĂ€ĂŸigen  Beziehun  g'e  n 
zwischen  Gewicht  und  LĂ€nge  beim  Kinde  von 
der  Geburt  b  i  s  zum  6.  L  e  b  e  n  s  j  a  h  r  e.  (La  Clinica 
Pediatf.  4,  Heft  8,  S.  305). 


Aus  den  Resultaten  seiner  Studien,  die  er  an  2  Diagrammen 
darstellt,  glaubt  Verf.  folgendes  Gesetz  ableiten  zu  können:  Die 
Beziehungen  zwischen  Gewicht  und  LĂ€nge  bei  Kindern  bis  zum 
6.  Lebensjahre  lassen  sich  bei  beiden  Geschlechtern  in  einer 
fragmentierten  Linie  darstellen:  dieselbe  besteht  aus  gradlinigen 
Segmenten  von  verschiedener  LĂ€nge,  proportional  den  Wachs 
lumsperioden,  wÀhrend  welcher  die  Beziehungen  zwischen  den 
Variationen  der  LĂ€nge  ĂŒnd  den  entsprechenden  Variationen  d  r 
Gewichte  konstant  bleiben.  Held  (Berlin  . 

A.  Bassler  und  J.  R.  Lutz:  Bacillus  acidophilus;  seine 
sehr  begrenzte  Bedeutung  bei  Darmstörungen. 
(  The  Journ.  of  the  Amer.  Med.  Assoc.  79,  Nr.  8,  August  22,  S.  607). 
Bac.  acidophilus  ist  ein  normaler  Bewohner  des  menschlichen 
Darmkanals;  bei  Brustkindern  ist  er  zugleich  mit  dem  Bac.  bifidus 
der  HauplreprÀsentanl  der  Darmflora,  B.  coli  zeigt  sich  nur  bei 
kĂŒnstlich  genĂ€hrten  Kindern. 

Man  ist  geneigt,  an  eine  therapeutische  Wirkung  des  Bac.  aci- 
dophilus zu  glauben,  indem  man  ihm  die  Kraft  zuschreibt.  Bact. 
coli  zu  verdrÀngen  und  FÀulnisvorgÀnge  im  Darm  hintanzuhalten. 
Diese  Ansicht  wird  vom  Verf.  widerlegt.  Der  beste  Beweis 
fĂŒr  die  ganz  temporĂ€re.  Wirkung  liegt  schon  darin,  daß  wenige 
Tage  nach  Sistieren  der  Verabreichung  von  Bac.  acidophilus  das 
bakterielle  Stuhlbild  genau  dasselbe  wie  vor  seiner  Anwendung 
ist.  Das  gleiche'  Resultal  LĂ€'ßl  sich  mit  ein  paar  Teelöffeln  Milch- 
zucker erreichen,  nicht  anders  wie  kostspielige  Bakterienprapa- 
ratc  steigert  er  das  Wachstum  des  Bac.  acidophilus. 

H  e  1  d  .Berlin). 

Kopdoff  und  Cheney:  Bemerkungen  zur  therapeuti- 
schen Wirk  u  n  g  des  B  a  c  i  1 1.  a  c  i  d  o  p  h  i  1  u  s  -  M  i  1  c  h 
und  des  Milchzuckers.  (The  Journ.  of  the  Med.  Amer. 
Assoc.  79,  Nr.  8,  August  1922,  S.  G09). 

In  FĂ€llen  von  chronischer  Obstipation,  ebenso  wie  bei  Diar- 
rhoe hat  die  Zufuhr  von  Milch,  die  mit  Bac.  acidophilus  angesÀuert 
war,  und  von  Milchzucker  wesentliche  Erleichterung  gebracht  und 
zwar  be*i  geistig  Gesunden  wie  bei  psychisch  Abnormen. 

Unter  Bac.  acidophilus-Milch  und  Milchzucker  Àndert  sich  elie 
Danmilora,  aber  der  relative  Prozentsatz  grampositiver  StÀbchen 
ĂŒberschreitet  selten  70  %.  3  Tage  lang  bleibt  die  Acidophilus- 
Vollmilch  genießbar,  dann  erfolgt  ein  AciditĂ€tsanstieg,  der  den 
Geschmack  stark  beeintrÀchtigt.  Held  (Berlin),  j 

L.  F.  R  e  1 1  g  e  und  H.  A.  C  h  e  p  1  i  n  :  B  a  c  i  1 1  u  s  a  c  i  d  o  p  h  i  1  u  s 
und  seine  therapeutische  Anwendung.   Arch.  of  int. 
med.  Bd.  29,  H.  3,  1922,  S.  357. 
Bacillus  acidophilus  erzielte  sehr  gute  Resultate  in  der  Be- 
handlung chronischer  Obstipation  und  Diarrhoe.   Die  beste  Appli- 
kationsart ist  als  „Bacillus  acidophilus-Milch.  **)    Die  DurchfĂŒh- 
rung der  Behandlung  dĂŒrfte  aber  wohl  nur  im  Rahmen  einer 
Klinik  möglich  sein,  da  der  Patient  unter  stÀndiger  Kontrolle 
sein  muß  und  hĂ€ufige  bakteriologische  Untersuchungen  des  Falles 
notwendig  sind.  L.  Farmer  Loeb. 

W.  Lasch:  Ueber  die  Bedeutung  und  den  Wert  von  NĂ€hrklistier 
beim  SĂ€ugling.  (Klin.  Wochenschrift,  1922,  Nr.  39.) 
Es  gelingt,  bemerkenswerte  Mengen  von  Kohlehydraten  rekt 
zu  verabreichen  und  der  Verwertung  im  Stoffwechsel  zuzufĂŒhre 
DemgemĂ€ĂŸ  ist  in  ailen  FĂ€llen,  in  denen  sich  die  orale  Zufu" 
der  Kohlehydrate  beim  SĂ€ugling  verbietet,  die  Anwendung  vo 
Zuckerklistieren  angezeigt,  wodurch  ein  Teil  der  schweren  G 
fahren  des  kompletten  Hungers  abgewendet  wird. 

A.  MĂŒnzet^ 

W  .Caylord  u.  M.  D.  Graves:   Die  Rolle  konzentrierte 
Mehlmilchmischung  bei  SĂ€uglingen.     The  Am 
Journ.  of  the  Med.  Sciences.    163.  Nr.  4,  April  1922.   S.  576.) 
Heilung  eines  sieben  Wochen  alten  SÀuglings  mit  hartnÀckig 
Pylorospasmus  durch  konzentrierte  Milchmehlnahrung  ohne  F 
und  durch  Entziehung  sonstiger  FlĂŒssigkeit.   Dieser  konzentriert 
flĂŒssigkeitsarmen  Nahrung  wird  eine  stark  antispasmodische  "W 
kung  zugeschrieben.    Auch  sonst  ist  sie  bei  Mangelhaftigkeit 
FlĂŒssigkeitsresorption  zu  empfehlen.   Eventuell  Möglichkeit  d 
differentialdiagnoslischen    Verwendung    bei  Indikationsstellu 
zum  chirurgischen  Eingriff.    FĂŒr  ein  Kind  unter  6  Monaten 
nĂŒgt  der  Zusatz  von  2—3  Eßlöffel  Mehl,  zur  Normalnahrung 
auf   y3   eingekocht  wird.    Nahrungsmenge  60—75  Kalorien  p 
Pfund  Körpergewicht. 

L  o  e  w  e  n  h  a  r  d  t  (Charlottenburg- Westend 


**)  Bai-.  acidupliilus  Tablerti'ii  oder  Pulver  sind  unbrauchbar. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  47/48 


Referate 


Th.  S.  Gullen:  W  eile  r  e  B  e  m  e  r  k  im  g  e  n  ii  1)  e  r  N  a  b  e  1  c  r- 
k  rankungen.  (Johns  Hopk.  Univ.  Hosp.)  (Surgery,  Gyne- 
cology  and  Obstetrics,  35,  Nr.  3,  September  1922,  S.  257.) 
Durch  Verunreinigung  des  Nabels  entsteht  Tetanus  der  Neu- 
geborenen, woran  z.  B.  in  China  bei  der  armen  Bevölkerung  !">()  % 
der  Neugeborenen  zugrunde  gehen.  Verf.,  der  ĂŒber  Nabelerkran- 
kungen  eine  Monographie  geschrieben,  fand  sowohl  einfaches 
Granulationsgewebe,  als  Polypen,  insbesondere  auch  solche 
omphalomesenterischer  Herkunft,  ferner,  syphilitische  Condylome, 
jedoch  nur  bei  Erwachsenen.  Blauschwarze  NabelverfÀrbung  bei 
mageren  Frauen  ist  Zeichen  rupturierter  TubargraviditÀt.  Selten 
sind  kongenitale  atheromatöse  Nabelzysten  sowie  kongenitale 
Nabeladenome  aus  Uterusschleimhaut,  glatter  Muskulatur  und 
Bindegewebe,  sekundÀres  Nabelkarzinom  bei  Magen-,  Darm-  so- 
wie Rektumkarzinom,  amniotischer  Nabel,  wobei  die  Haut  um  den 
Nabel  durch  Amnion  ersetzt  ist.  K  u  h  n. 

E.  Gohrbandt:  Warum  sollen  K  i  n  d  e  r  h  e  r  n  i  e  n  operiert 
werden?    (Klin.  Wochenschrift,  1922,  Nr.  37.) 

Die  Statistik  aus  der  Hildebrandischen  Klinik,  die  352  Kinder- 
hernien  umfaßt,  zeigt  eine  postoperative  MortalitĂ€t  -  0  1  Hier- 
aus wird  die  Berechtigung  hergeleitet,  die  Kinderhernie,  ganz 
gleich  in  welchem  Alter,  alsbald  zu  operieren.  Es  ist  falsch,  noch 
lÀnger  zu  warten,  weil  durch  etwa  eintretende  Komplikationen 
die  Arbeit  des  Chirurgen  betrÀchtlich,  erschwert  wird. 

A.  M  ĂŒnze  r. 

-  R.  Belbeze:  Behandlung  der  kindlichen  Grippe  mit- 
tels Terpentin- Injektionen  (Collobiase).  (Lyon 
Med.  Nr.  12,  S.  526.) 

Verfasser  spricht  der  Anwendung  des  Terpentins  in  kolloi- 
daler Form  eine  Ă€ußerst  rasche  und  sichere  antiinfektiöse  Wirkung 
zu  und  teilt  aus  seinen  Grippejournalen  einige  FĂ€lle  mit,  bei  denen 
wenige  Terpentin-Injektionen  À  1  cem  besonders  sinnfÀllig  die 
Entfieberung  und  die  AbkĂŒrzung  der  schweren  Krankheitserschei- 
nungen herbeifĂŒhren.  Held  (Berlin). 

W.  W.  Roblee:  Das  Diphtherieproblem.  (California 
Journal  of  mediane.  Bd.  XX,  20,  Nr.  8,  August  1922,  S.  260.) 
Warme  Empfehlung  der  Immunisierung  mit  dem  Toxih- 
Antitoxingemisch  nach  Behring  bei  allen  nach  Schick  positiv 
reagierenden  Kindern.  Bericht  ĂŒber  eine  auf  "diese  Weise  be- 
herrschte Schulepidemie.  Im  ĂŒbrigen  strenge  DurchfĂŒhrung  der 
Isolierung  der  Diphtherierekonvaleszenten  und  der  BazillentrÀger 
bis  zum  Nachweis  der  Bazillenfreiheit.      Wölfl'  (Hamburg \ 

del   Diestro,   J.   <;.:     Ueber     mit     s  ch  a  r  1  a  c  h  a  r  t  i  g  en 
Symptome  n     e  i  n  h  e  r  g  e  Ii  e  n  d  e  n     R  h  e  u  m  a  l  i  s  m  u  s. 
(Archfves  Espauoles  de  Pediatria,  6,  Nr.  7,  Juli  1922.) 
Fall  1:    Kind,  von   12   Jahren   erkrankt   mit  Fieber.  Kopf- 
schmerzen, allgemeiner  Mattigkeit,  nach  einigen  Tagen  Pharyn- 
gitis, scharlachartiges  Exanthem,   Schmerzen    in    beiden  Hand- 
gelenken und  im  linken   Knie:  Zunge  belegt.    In   den  nÀchsten 
Tagen  geht  das  Exanthem  ĂŒber  den  ganzen  Körper,  die  Schmerzen 
befallen  alle  Gelenke;  das  Fieber  hÀlt  an,  Tachykardie,  unregel- 
mĂ€ĂŸiger Puls.    Schwellung   des   Jinken   Knies   und  des  rechten 
Fußknöchels,  leichtes  systolisches  GerĂ€usch.    Urin  ohne  Eiweiß, 
andauernd  Fieber.    Innerlich  Salizyl;  sofortige  Besserung.  Keine 
Abschuppung.   Fall  2:    Kind  von  6  Jahren,  erkrankt  plötzlich  mit 
-Fieber,  Erbrechen,  Pharyngitis;  am  nÀchsten  Tag  scharlachartiger 
Ausschlag,  der  ĂŒber  den  ganzen   Körper  gehl;   nach  3  Tagen 
Schmerzen  in  den  Knöcheln  und  in  der  Blinddarmgegend.  Nach 
einigen  Tagen  leichte  Desquamation,'  nur  an  der  BrĂŒst;  systo- 
lisches GerĂ€usch.    Fieber  gleichmĂ€ĂŸig  hoch:  Urin  ohne  Eiweiß 
Nach  Salizyl  rasche  Besserung.  Lurje  (Frankfurt  a.  M.) 

Schiff  u.  Eliasberg:  B  e  o  b  a  c  h  lang  e  n  ĂŒ  b  e  r  d  e  n  1kl  e  r  u  s 
simplex  bei  Kindern.  (Klin.  Wochenschrift,  1922,  Nr.  38.) 
Auch  bei  Kindern  Iral  in  den  letzten  Jahren  eine  auffallende 
HÀufung  von  Ikteruserkrankungen  auf.  Beginn  plötzlich  mit  Fie- 
ber und  Durchfall  oder  mehr  schleichend  mit  Stuhlverstopfung, 
Mattigkeit,  Erbrechen  und  Anorexie.  Im  Prodromalstadium  hÀufig 
Acetonurie.  Stets  VergrĂ¶ĂŸerung  der  Leber,  vielfach  Milz  palpabel. 
Verlauf  in  allen  FĂ€llen  gutartig.  Auffallende  Divergenzen  traten 
bei  der  Untersuchung  der  Blutsera  auf  Gnllenfarbsloff  auf.  In 
allen  FĂ€llen,  die  vom  Oktober  1921  bis  Januar  1922  beobachtet 
wurden,  war  indirekte  D  i  a  z  o  r  e  a  k  t  i  o  n  vorhanden,  wÀh- 
rend die  Sera  nach  dieser  Zeit  ausnahmslos  die  direkte  Re- 
aktion zeigten.  A.  M  ĂŒ  n  z  e  r. 


V.  Eickstein  und  E.  Rominger:  Beil  i  8  g  e  /.  u  r  I'  h  ysiol  Qgi  c 
u  n  d  P  a  t  h  ö  1 0  g  i  e  d  e  r  A  I  m  u  n  g  i  m  K  1  n  de  9  a  1 1  e  r. 
3.  Mitteilung.  Ueber  Schlafmittel  im  SĂ€uglingg- 
alt e  i'  u  n  d  i  h  i-  e  \Y  i  r  k  u  n  g  auf  d  i  e  A  I  m  u  n  g.  Archiv 
fĂŒr  Kinderheilkunde.    70.  Bd.  1921.    S.  1. 

Als  Bedingung  fĂŒr  die  ZuverlĂ€ssigkeil  eines  Schlafmittels 
isl  zu  verlangen:  1.  Itascher  Eintritt  und  genĂŒgende  StĂ€rke  der 
Wirkung,  möglichst  ohne  vorausgehendes  Excitalionsstadiuni. 
2.  Keine  zu  rasche  Zerstörung  bezw.  Ausscheidung  des  Mittels, 
d.  h.  genĂŒgend  lange  Wirkung.  3.  Keine  zu  langsame  Ausschei- 
dung, die  mit  oder  ohne  Benommenheit  zu  Cumulation  fĂŒhrt, 
l.  Keine  schÀdlichen  Nebenwirkungen  auf  lebenswichtige  Zentren 
oder  andere  Organsysteme.  Aus  der  Erfahrung,  daß  der  Ai 
mungslyp  (in  sehr  feines  Reagens  fĂŒr  die  Tiefe  des  Schlafes 
darstellt,  wurde  eine  schon  frĂŒher  von  den  Autoren  benutzte 
Methode  der  Atmungsregistrierung  zur  Beurteilung  der  Wir- 
kung verschiedener  Schlafmittel  verwandt.  Der  LĂ€hmung  des 
Atemzentrums  geht  oft  eine  „Reiz-Atmung"  voraus,  die  sich  in 
einer  Steigerung  des  absoluten  Atemvolumens  zeigt.  Danehen 
geben  Singultus  und  exspiratorische  Dyspnoe  Hinweise  auf  be- 
ginnende Störungen.  Der  ausgesprochene  Kollaps  geht  mit  Ver- 
kleinerung des  Atemvolums  einher.  C  h  1  o  r  a  1  h  y  d  r  a  t,  0,5 — 1,0 
per  Clysma,  wirkt  schnell  und  zuverlÀssig,  es  können  aber  auch 
bei  dieser  Dosierung  Atmungskollapse  eintreten,  besonders  bei 
dyspeptischen  Kindern,  bei  denen  die  Resorptionsgeschwindig- 
keit  erhöht  zu  sein  scheint.  Urethan,  1,0 — 3,0  per  Klysma,  ist 
unzuverlÀssig,  aber  frei  von  atemstörenden  Wirkungen.  II  e  - 
xl  o  n  a  1 ,  0,5 — 1,0  per  Klysma,  ist  recht  zuverlĂ€ssig,  es  kommt 
ihm  sogar  eine  spezifiscb  atemerregende  Wirkung  zu.  Es  zeigt 
eine  große  Wirkungsbreite,  ist  etwas  weniger  zuverlĂ€ssig  wie 
Chloral,  aber  viel  ungefÀhrlicher.  Besonders  geeignet  isl  es  in- 
folge seiner  atmungsfördernden  Eigenschaften  bei  ZustÀnden, 
die  mit  einer  Neigung  zu  Atemstörungen  einhergehen!  Lumi- 
na 1  -  N  a  t  r  i  u  m,  0,05—0,15,  subkutan  ist  weniger  sicher,  wenn 
auch  ungefÀhrlicher,  als  Chloral.  Es  kann  zu  schweren  At- 
milngskollapsen  kommen.  Bei  KrĂ€mpfen  zweckmĂ€ĂŸig,  wo  Chlo- 
ral zu  gefÀhrlich  erscheint.  Als  Beruhigungs-  und  Schlafmittel 
is!  es  ungeeignet,  da  es  kumulative  Wirkung  besitzt  und  nicht 
ungefÀhrlich  ist.  P.  Karger. 

Kundratitz,  N.:  B  e i t  r  À  g  e  z u  r  Z  y  s  t  o p  y  eli  t  i s  i  m  K  i  n  d  e  s- 
alter.  Wien.  .Med.  Wochenschr.,  Nr.  34/35,  Aug.  22,  S.  1441.) 
Es  werden  einige  FĂ€lle  von  Zystopyelitis  bei  Kleinkindern 
und  grĂ¶ĂŸeren  Kindern  (nur  MĂ€dchen)  mitgeteilt,  welche  unter 
dem  Bild  eines  Typhus,  einer  Meningitis,  Appendicitis  oder  Grippe 
Verliefen.  Neben  Urotropin  und  Salol  bewÀhrte  sich  eine  Trocken- 
diĂ€t (150 — 200  g  FlĂŒssigkeit)  bei  SĂ€uerung  des  Harns  durch  Phos- 
phorsÀuredarreichung besser  als  die  bekannte  Durchschwem- 
mungskur.    Wichtig  ist  die  Behebung  einer  etwaigen  Obstipation. 

Reu  ß  (Wien). 

Thomas,  J.,  Gilbert  u.  Tanner,  Ch.  O.:  St  ei  n  e  d  e  r  Ha  r  n  w  ege 
bei.  Kindern.  (Tbc  Journ.  of  Urology,  Nr.  2,  August  1922.) 
Steinbildung  im  Harntraktus  von  Kindern  isl  sehr  hÀufig  und 
tritt  bereits  Ausgang  des  SĂ€uglingsalters  auf.  Die  Ursache  ist 
gewöhnlich  eine  Infektion  der  Niere.  Die  Krankheitserscheinungen 
gleichen  vollkommen  denen  bei  Erwachsenen,  nur  muß  man  be- 
rĂŒcksichtigen, daß  der  kindliche  Ureter  stark  erweiterungsfĂ€hig 
isl.  Die  Diagnose  geschieht  durch  Urinuntersuchung,  Palpalion, 
Röntgenaufnahme  und  Cystoskop;  Ein  operativer  Eingriff  ist  nur 
bei  Feslklemnumg  und  hierdurch  bedingten  Beschwerden  not- 
wendig, sonst  soll  man  abwarten.  Im  gegebenen  Fall  ist  die 
Prognose  des  operativen  Eingriffes  gĂŒnstig  zu  stellen. 

B  a  b  (Berlin  ). 

Tal  La  ferro  Clark  ( Washington  ):  Die  Er  n  À  h  r  u  n  g  d  e  r  Schul- 
kinder. (Journ.  of  the  Amer.  .Med.  Assoc.  79,  Nr.  7,  Aug.  1922, 
S.  519.)  * 

Angesichts  der  wechselnden  und  alarmierenden  Prozentzahlen 
ĂŒber  UnterernĂ€hrung  ist  es  wichtig,  ifestzustellen.  ob  Unter- 
ernÀhrung als  pathologische  EnititÀt  aufzufassen  ist,  als  eine 
Störung,  die  frĂŒher  nur  nicht  beachtet  wurde,  und  die  eine 
Revision  unserer  ErnÀhrung  in  beziig  auf  QuantitÀt,  QualitÀt, 
Auswahl  und  Zubereitung  verlangt,  oder  ob  die  stark  wechseln- 
den Zahlen  'nicht  auf  der  Anwendung  ungenauer  Standardwerte 
beruhen.  Bei  der  Beurteilung  des  ErnÀhrungszustandes  sprechen 
eine  Menge  Faktoren  mit;  die  Standardtabellen  berĂŒcksichtigen 
aber  zumeist  nur  LÀnge  und  Gewicht  im  VerhÀltnis  zum  Alter. 
2  Standardswerte  haben  in  der  letzten  Zeit  viel  Beachtung  gefunden: 
Pirquets  Pelidisi-Index  und  Dreyers  AbschÀtzung  der  körper- 
lichen Eignung.  Pirquets  Index  grĂŒndet  sich  auf  das  VerhĂ€ltnis 


663 


Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  47/18 


des  Gewichts  zur  Sitzhöhe,  und  zwar  soll  bei  einem  normal  er- 
nÀhrten Kinde  das  VerhÀltnis  von  Gewicht  in  Grammen  mal  10, 
dividiert  durch  die  3.  Potenz  der  Sitzhöhe  in  Zentimetern  gleich 
100  sein.  Das  System  erweist  sich  nĂŒtzlich  bei  der  Speisung 
großer  Gruppen  von  Kindern,  bei  der  Anwendung  auf  Einzel- 
kinder zeigt  sich,  daß  es  sich  zu  sehr  auf  theoretische  Voraus- 
setzungen grĂŒndet. 

Dreyer,  Professor  der  Pathologie  in  Oxford,  der  bei  der 
Auswahl  der  Kandidaten  fĂŒr  den  Flugdienst,  eingehende  Studien 
ĂŒber  Vitalkapa zitĂ€l  gemacht  hat,  stellt  eine  zirkumskripte  Be- 
ziehung zwischen  dieser  und  gewissen  Körpermaßen  auf.  Er 
drĂŒckt  die  VitalkapazitĂ€t  als  Funktion  dieser  Maße  aus  und  hat 
eine  Reihe  von  Tabellen  fĂŒr  beide  Geschlechter  ausgearbeitet, 
auf  denen  das  Gewicht  in  Beziehung  gesetzt  wird  zu  Sitzhöhe, 
Brustumfang  und  VitalkapazitÀt.  UnterernÀhrte  Kinder  sind  die 
gegebenen  AnwÀrter  auf  Waldschulen,  wo  man  durch  Abstufung 
von  Arbeit  und  Ruhe,  durch  ausgewÀhlte  ErnÀhrung  ihrer 
körperlichen  UnzulÀnglichkeil  nachhelfen  kann.  WÀgen  und 
Messen  gehören  zu  jeder  körperlichen  Untersuchung,  die  Ur- 
sachen eines  Gewichtsslillstandes  oder  der  Abnahme  mĂŒssen 
unmittelbar  ergrĂŒndet  werden. 

Dem  SchulfrĂŒhstĂŒck  gebĂŒhrt  weitgehende  Aufmerksamkeit, 
besonders  in  lÀndlichen  Bezirken,  wo  die  Kinder  nach  langen 
Wegen  bereits  erschöpft  eintreffen  und  eine  frugale  Mahlzeit 
mitbringen,  die  den  ganzen  Tag  vorhalten  soll.  Abgesehen  von 
der  nachteiligen  Wirkung  auf  die  Gesundheit,  kann  man  auch 
von  einem  unterernÀhrten  Kinde  keine  normale  geistige  Leistung 
verlangen.  Held  (Berlin). 

E.  V.  Me  Collum,  Nina  Sinimonds,  P.  U.  Shipley  und  E.  A.  Park: 

Untersuchungen  ĂŒ  b  e  r  experimentelle  Rachitis. 
XXII.  Die  bei  der  Vorbereitung  von  Tieren  zur  Untersuchung 
des  antiraehilischen  Effekts  einzelner  Nahrungsstoffe  zu  erfĂŒl- 
lenden Bedingungen.  (Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital, 
Baltimore.  33,  Nr.  378,  August  1922,  S.  29(3.) 

Bei  der  Zusammenstellung  der  Kostform  fĂŒr  Tiere,  an  denen 
die  antirachitische  Wirkung  bestimmter  Nahrungsstoffe  geprĂŒft 
werden  soll,  mĂŒssen,  um  FehlschlĂŒsse  zu  vermeiden,  die  Bestand- 
teile der  Nahrung  in  vollkommener  Weise  den  Anforderungen  ent- 
sprechen, die  Verff.  auf  Grund  ihrer  umfangreichen  Versuche  fĂŒr 
notwendig  erachten.  Die  benutzten  Getreidekorner  mĂŒssen  von 
einwandfreier  Beschaffenheit  sein,  die  Keime  dĂŒrfen  keine  dunkle 
\  erfÀrbung  zeigen,  die  als  Folge  von  bakterieller  Zersetzung  unter 
Bildung  toxischer  Substanzen  zu  betrachten  ist.  die  Eiwei'ßstoffe 
mĂŒssen  in  rationeller  Weise  gereinigt  sein,  wozu  das  Auswaschen 
mit  Alkohol  unzweckmĂ€ĂŸig  ist  (Verff.  wenden  zu  diesem  Zweck 
wiederholte  Auswaschungen  mit  destilliertem  Wasser  unter  Zu 
salz  von  0,2  Prozent  EssigsÀure  an);  die  anorganischen  Salze 
mĂŒssen  durch  ad  hoc  vorgenommene  Analysen  auf  ihre  absolute 
Reinheit  geprĂŒft  werden  (Verff.  sind  durch  eigene  Erfahrungen 
sehr  skeptisch  gegen  die  Angabe  „chemisch  rein"  auf  den  Etiketten 
amerikanischer  chemischer  Fabriken  geworden);  bei  der  Verwen- 
dung von  Vitamin-haltigen  Extrakten  aus  Weizenkeimen  muß  stets 
ein  etwaiger  Gehalt  an  Vitamin-A  berĂŒcksichtigt  werden.  Es  wird 
nachgewiesen,  daß  minimale  Abweichungen  in  der  Zusammen- 
setzung der  benutzten  Kost  zu  sehr  ausgesprochenen  VerÀnde- 
i  ungen  des  histologischen  Bildes  fĂŒhren.  In  den  Versuchen  zeigte 
sich  ferner,  daß  Kalziumlaktal  im  Vergleich  zu  Kalziumkarbonat 
(ine  weniger  vollwertige  Quelle  des  fĂŒr  das  Wachstum  der  Kno- 
chen notwendigen  Kalks  ist.  Im  ĂŒbrigen  bestĂ€tigen  die  Versuche 
die  frĂŒheren  Ergebnisse  der  Autoren;,  betreffend  die'  Wichtigkeit 
des  richtigen  VerhÀltnisses  des  Kalziums  zum  Phosphor  in  der 
Nahrung  zur  VerhĂŒtung  von  rachitischen  Wachstumsstörungen. 

Wolff  (Hamburg). 

McCollum,  Simmonds,  Shipley  und  Park:  Studien  ĂŒber  ex- 
perimentelle Rachitis.  Journ.  of  Biol.  Chem.  Band 
50.  1922.   Heft  1.    S.  5. 

Ratten,  deren  Nahrung  genĂŒgende  Mengen  Phosphor,  aber 
ungenĂŒgende  Mengen  Oalzium  enthielt,  bekamen  in  der  einen 
Gruppe  Lebertran,  in  der  anderen  Butterfett.  Es  wurden  hier- 
bei durch  Gaben  von  1  %  Leberiran  bessere  Erfolge  erzielt  als 
mit  10—20  %  Butterfett.  War  Calcium  in  genĂŒgender  Menge 
vorhanden,  so  reichten  allerdings  schon  3  %  Butterfett  aus,  um 
die  Tiere  in  gutem  Allgemeinzustand  zu  erhalten.  Bei  einem 
Ca-Gehalt,  welcher  die  HĂ€lfte  der  optimalen  Menge  betrug,  war 
der  Unterschied  zwischen  Lebertran  und  Butterfett  kaum  noch 
vorhanden,  Die  Verf.  glauben,  aus  ihren  Versuchen  sehließen 
zu  können,  daß  im  Lebertran  eine  Substanz  im  Ueberfluß  vor- 
handen ist.  welche  im  Butterfett  nur  in  geringen  Mengen  vor- 


kommt, und  die  einen  gĂŒnstigen  Einfluß  auf  die  Knochenbildung 
trotz  Ca-Mangel  ausĂŒbt.  —  Die  Verf.  ma-chen  auf  noch  unver- 
öffentlichte Versuche  aufmerksam,  bei  denen  sie  Àhnliche  Wir- 
kungen durch  Sonnenbestrahlung  erzielten. 

L.  Farmer  L  o  e  b. 

Hess,  Ungor  und  Pappenheimer:  Ueber  experi- 
mentelle Rachitis  bei  Britten.  (III.  Mitteil.)  Journ. 

of.  Biol.  Chem.  Bd.  50,  1922,  H.  1,  S.  77. 

Die  Entstehung  von  Rachitis  bei  Ratten,  denen  eine  unzu- 
reichende Menge  Phosphor  bei  genĂŒgender  Calcium-Zufuhr  verab- 
folgt wurde,  konnte  durch  kurzdauernde  Sonnenbestrahlung  ver- 
hindert werden.  Ratten,  die  bei  gleicher  DiÀt  im  Dunkeln  gehalten 
wurden,  wurden  stets  rachitisch.  L.  Farmer  Loch. 

E.V.  McCollum,  N.  Simmonds,  J.  E.  Becker  und  P.  G.  Shipley: 

Untersuchungen  ĂŒber  experimentelle  Rachi- 
tis. XXI.  Experimenteller  Beweis  der  Existenz 
eines  die  Kalkahl agerung  begĂŒnstigenden  V  i  - 
l  a  m  i  n  s.  J.  of  biological  Chemistry,  Bd.  53,  p.  295,  August  1922. 

Lebertran  verliert  nach  lÀngerer  Erhitzung  unter  Sauerstoff- 
zufuhr die  FĂ€higkeit,  die  durch  Mangel  an  Vitamin-A  entstandene 
Keratomalazie  zur  Heilung  zu  bringen,  wÀhrend  er  nach  der  so 
vorgenommenen  Erhitzung  noch  immer  die  bekannte^  den  Kalk- 
ansatz bei  rachitischen  Tieren  befördernde  VVirkyng  besitzt.  Diese 
Tatsache  beweist,  daß  das  antirachitische  Vitamin  nicht  mit  dem 
die  Keratomalacie  heilenden  Vitamin-A  identifiziert  werden  darf. 
Zu  demselben  Schluß  fĂŒhrt  die  Beobachtung,  daß  KokusnuĂŸĂ¶l, 
das  keinerlei  Keratomalazie  heilende  Wirkungen  hat,  eine  deut- 
liche antirachitische  Wirkung  Zeigt,  wenn  auch  in  wesentlich  ge- 
ringerem Maß  als  Lebertran.  Butterfett  ist  viel  reicher  an 
Vitamin-A  als  an  der  den  Kalkstoffwechsel  regelnden  Substanz, 
die  sich  in  den  Fischtranen  in  besonders  reichlicher  Menge  nach- 
weisen lĂ€ĂŸt.  Verf.  erörtern  die  Möglichkeit,  daß  das  durch  diese 
rntersuchungen  nachgewiesene  vierte  Vitamin  sich  nur  durch 
das  Fehlen  oder  Vorhandensein  einer  Seitenkette  von  den: 
Vitamin-A  unterscheiden  könnte,  ohne  allerdings  Beweise  fĂŒr 
diese  Annahme  bringen  zu  können.  Wolff  (Hamburg). 

.  Ide,  T.:  GefĂ€ĂŸverĂ€n  der  ungen  bei  Möller-Barlow  scher 
Krankheit.    (Wien,  Univers.-Kinderklinik.)    Zeitschr.    fĂŒr  Kin- 
derheilkunde, Bd.  32,  S.  165—177. 

Bei  Untersuchung  an  vier  FÀllen  von  Möller-Barlow  fand 
I.  dreimal  Wucherungen  der  GefĂ€ĂŸintima  im  Bereich  der  mittelgroßen 
Arterien,  die  vom  Pathologen  als  Endarteritis  obliteraus  angesehen 
werden.  Vom  Verf.  wird  an  eine  GefĂ€ĂŸschĂ€diguug  durch  irgendwelche 
abnormen  Stoffwechselsubstanzen  oder  eine  Störung  der  BlutdrĂŒsen- 
funktion gedacht.  Ob  die  VerĂ€nderungen  einen  fĂŒr  das  Krankheitsbild 
typischen  Befund  darstellen,  wird  offen  gelassen.  Beim  experimentell 
am  Meerschweinchen  erzeugten  Skorbut  fanden  sich  dieselben  nicht. 
Auf  jeden  Fall  sollte  das  Interesse,  das  sich  bisher  dem  Blutbilde  zu- 
wandte, auf  den  Zustand  der  GefĂ€ĂŸe  ausgedehnt  werden.  Bei  einem 
der  FĂ€lle  fand  sich  ĂŒbrigens  eine  spontane  GangrĂ€n  beider  FĂŒPe,  die 
als  vasomotorische  Slörung  aufgefaßt  wird. 

Schall  (TĂŒbingen). 

Redfield,  A.  C.  und  E.  M.  Bright:  Die  Wirkungen  der  Ra- 
di u  m  s  t  r  a  h 1 c  n  auf  den  Stoffwechsel  und  auf  das 
W  a  c  h  s  t  u  m  von  P  f  1  a  n  z  e  n  s  a  m  e  n.  Journal  of  general 
Physiölogy,  Baltimore.  1.  Januar  1922,  p.  297. 

Pflanzensamen,  die  der  /^-Strahlung  des  Radiums  ausgesetzt 
waren,  zeigen  eine  deutliche  Vermehrung'  der  KohlensÀurepro- 
duktion im  Vergleich  zu  unbestrahlten  Kontrollsamen;  die  Keim- 
fÀhigkeit dagegen  wird  durch  die  Bestrahlung  deutlich  gehemmt. 
Diese  Tatsachen  zeigen,  daß  es  nicht  angĂ€ngig  ist,  einen  Paralle- 
lismus der  Wirkungen  der  Strahlen  auf  Stoffwechsel  und  Wachs- 
tum anzunehmen.  Verfasser  glauben  die  Entwicklungsstörnngen 
und  Mißbildungen  bestrahlter  Embryonen  durch  diese  Divergenz 
in  der  Wirkung  der  Strahlen  auf  die  Gewebe  erklÀren  zu  sollen. 

Wolff  (Hamburg). 

P  ii  v  a  1  und  D'A  unoy:  Experimentelle  Unter- 
suchungen ĂŒber  Masern.  I.  Journ  of  Experim.  Med. 
Bd.  35,  IL  2,  1922,  S.  257. 

Meerschweinchen  zeigten  spezifische  Reaktion  nach  intraear- 
dialer  Injektion  defibrinierlen  Blutes  von  Masernkranken.  Die  Re- 
aktion trat  aber  nur  auf  bei  Verwendung  von' Blut,  das  im  Stadium 
der  Eruption  entnommen  wurde.  Bei  den  Sektionen  fand  man 
starke  hĂ€morrhagische  Nephritis.  —  Eine  ZĂŒchtung  des  Er- 
regers gelang  nicht.  L.  Farmer  L  o  e  b. 


Fortschritte  der  Medizin 

Die  Wochenschrlfi  des  praktischen  Arztes 

Redaktion:  Prof.  Dr.  ARTHUR  KELLER.  Berlin  W  50 
Verlag  von  HAN  S  PUSCH.  Berlin  SW4ß,  Wilhelm -Stra&e  26  /  Fernsprecher   LĂŒtzow  9057 


Nr.  49/50 


Berlin,  den  25.  Dezember  1922 


40.  Jahrgang 


Der  Verlag  befeilt  steh  das  aiissokJisBliehe  Resht  der  VervielfÀltigung  und  Verbreitung  der  Originalbeitrige  innerhalb  der  gevetzliohen  Schutzfrist  »er. 


Zur  sicheren  Handhabung  der  Pravaz- 
Injektions-  und  Blutentnahmetechnik. 

Von  Dr.  med.  D  r  e  u  w  -  Berlin. 

Bei  den  subkutanen  und  intramuskulÀren  Injektionen, 
lamentlich  in  die  GLutÀen  (Quecksilberinjektionen  usw.,  bei 
lenen  man  die  Pravaznadel,  um  keine  Schmerzen  beim  Eins- 
tich zu  machen,  zweckmĂ€ĂŸig  schnell  und  pfeilartig  bis  an 
len  Konus  [AnsatzstĂŒck]  der  Nadel  in  das  Gewebe  hinein- 
tĂ¶ĂŸt),  kommt  es  nicht  selten  vor,  daß  die  Nadel  an  der  Ver- 
»indungsstelle  mit  dem  AnsatzstĂŒck  (Löt-,  Stanz-  oder 
ichraubstelle)  abbricht  und  in  die  Muskulatur  unter  der 
laut  eindringt.  Wem  dieses  UnglĂŒck  einmal  passiert  ist,  der 
tat  bei  jeder  Injektion  ein  GefĂŒhl  der  Unsicherheit  und  der 
Lngst.  Mir  wurde  neulich  wieder  von  einem  solchen  Fall  in 
Westfalen  berichtet.  Im  Anschluß  daran  war  eine  lang- 
vierige  und  schwierige  Operation  erforderlich.  Es  sei  be- 
aerkt,  daß  solche  ins  Gewebe  eingedrungene,  abgebrochene 
Jadeln  fast  immer  große  Strecken  weit  im  Körper  wandern. 
)iese  das  Ansehen  des  Arztes  schÀdigende  FatalitÀt  wird  ab- 
olut  und  sicher  verhĂŒtet  durch  die  in  Abbildung  1,  2  und  3 
iargestellte  Pravazolive.  Sie  besteht  aus  einem  olivenartigen 
Cnopf  (a)  von  ca.  Vi  cm  LĂ€nge,  der  durchbohrt  ist  und  in 
Lessen  Durchbohrung  die  eigentliche  Pravaznadel  (b)  ge- 
teckt  wird.  Mittels  des  kleinen  SchrÀubchens  (c)  kann  die 
)live  an  jeder  Stelle  der  Nadel  fixiert  werden.  Die  Pravaz- 
ilive  gewÀhrt  folgende  Vorteile: 

1.  Ein  Abbrechen  der  Nadel  (Fig.  1) 
n  der  Lötstelle  ist  bei  Verwendung  der  Pravaz- 
live  fĂŒr  den  Patienten  völlig  ungefĂ€hrlich,  da  ein 
[ineingleiten  der  abgebrochenen  Nadel  in  die 
luskulatur  durch  die  festgeschraubte  Olive  ver- 
indert  wird. 

2.  Die  Pravazolive  ist  fĂŒr  jede  Nadel 
erwendbar,  im  Bruchteil  einer  Sekunde  ver- 
miebbar,  auskochbar  und  daher  steril. 

3.  Die  zarte  Lötstelle  der  Nadel  wird  vor 
e  m  Abbrechen  geschĂŒtzt,  daher  spart 
tr  Arzt  a  n  A  n  s  c  h  a  f  f  u  n  g  s  k  o  s  t  en ,  ins- 
;sondere  bei  V ^rwendung  der  Pravaz-Hut- 
1  i  v  e  (Fig.  3).  Diese  wird  mit  ihrer  Aushöh- 
tng  d  ĂŒber  das  vorspringende  Ende  des  Konus  (e) 
ie  ein  Hut  ĂŒber  den  Kopf  gestĂŒlpt  und  zur  Be- 
stigung  und  VerstÀrkung  der  Nadel  sowohl 
littels  der  Schraube  f  am  Konus  e  als  mittels  der  Schraube  g 
i  der  Nadel  selbst  festgeschraubt,  so  daß  die  Nadel  bei 
irtem  Gewebe  (Infiltrate,  insbesondere  bei  der  zahnÀrzt- 
;hen  Technik),  da  sie  völlig  fest  und.  stabil  wird,  besonders 
irwendibar  wird. 

4.  Man  kann  die  Pravazolive  in  jeder  Höhe 
er  Nadel  anschrauben,  so  daß  man  die  Tiefe  jeden 
instiches  genau  nach  Zentimetern  berechnet  abmessen  kann, 
weckmĂ€ĂŸig  kann  auf  der  Nadel  selbst  (Fig.  3)  noch  eine 
entimeterskala  eingraviert  werden  (Zentimeterpravaznadel). 

5.  Bei  der  Blutentnahme  aus  der  Armvene, 
B.  fĂŒr  die  Wassermann-Reaktion,  wird  man,  nachdem  die 

|oitze  der  Nadel  in  die  Vene  gedrungen  und  beim  Ansaugen 
lut  in  die  Spritze  gedrungen  ist,  sofort  die  Olive  bis  an  die 
aut  heranschieben  und  schnell  anschrauben.  Dann  ist  es, 
lbst  wenn  man  die  Nadel  andrĂŒckt  oder  ansaugt,  fast  un- 


Fig.  1 


möglich,  die  Nadelspitze  in  die  gegenĂŒberliegende  Venenwand 
zu  stoßen,  oder  sie  durch  eine  ungeschickte  Bewegung,  oder 
durch  Zittern  der  Hand  aus  der  Vene  herauszuziehen.  Der 
Operateur  bekommt  daher  ein  GefĂŒhl  der  Sicherheit,  die 
Technik  der  Blutentnahme  wird  vereinfacht. 

6.  Um  das  Lumen  noch  besser  zu  treffen  und  ein  An- 
saugen des  Blutes  auf  alle  FÀlle  zu  gewÀhr- 
leisten, verwende  man  die  gebogene  oder  gerade  durch- 
löcherte Blutentnahme-Nadel  (Fig.  2),  an  deren  Spitze  sich 
5 — 6  seitlich  angebrachte  grĂ¶ĂŸere  Löcher  befinden,  so  daß 
beim  Ansaugen  auch  dann  noch  Blut  in  die  Spritze  durch 
diese  Löcher  gesaugt  wird,  wenn  die  Spitze  der  Nadel  schon 
durch  die  gegenĂŒberliegende  Venenwand  gedrungen  oder 
etwa  zu  weit  zurĂŒckgezogen  ist.  SelbstverstĂ€ndlich  kann  die 
gebogene  Blutentnahmenadel  auch  ohne  Durchlöcherung  ver- 
wandt werden,  in  jedem  Falle  zweckmĂ€ĂŸig  mit  der  Pravaz- 
olive und  der  Pravaz-Hutolive  (Figur  2  und  3). 


Fig  2 


Fig.  3 


Namentlich  bei  endovenösen  Einspritzungen  ge- 
wÀhrt die  Anwendung  der  beiden  Oliven  in  Verbindung  mit 
der  undurchlöcherten  Blutentnahmenadel 
ein  absolutes  GefĂŒhl  der  Sicherheit  und  der 
Stabilisierung,  da  man  sonst  beim  AndrĂŒcken  des 
Spritzen-Stempels  allzuleicht  die  Nadelspitze  in  die  gegen- 
ĂŒberliegende Venenwand  stoßen  kann. 

7.  Um  eine  bessere  Verteilung  der  InjektionsflĂŒssigkeit 
im  Hautgewebe  zu  erzielen,  verwende  man  die  in  Fig.  1  ab- 
gebildete „Perforationspravaznadel". 

Die  bisherigen  Bestrebungen,  die  Schmerzhaftigkeit  bei 
Injektionen  herabzusetzen,  waren  hauptsÀchlich  chemischer 
Natur.  So  entstand  eine  Reihe  von  Hg-PrÀparaten,  die  viel- 
fach nicht  das  hielten,  was  sie  versprachen.  Ich  habe  nun 
versucht,  auf  rein  physikalischem  Wege  dem  Ziele  zuzu- 
streben, von  dem  Gesichtspunkte  ausgehend,  daß  die 
Schmerzen  z.  T.  durch  die  plötzliche  Verteilung  des  Hg-PrÀ- 
parates  an  einer  Stelle  im  Gewebe  entstehen.  Denn  wenn  man 
mit  einer  gewöhnlichen  Pravaznadel  injiziert,  so  wird  das 
InjektionsprÀparat  durch  die  Spitzenöffnung  der  Nadel  an 
einen  einzigen  Punkt  im  Gewebe  suspendiert.  Hierdurch  wird 
das  Gewebe  gewaltsam  auseinandergedrÀngt,  es  findet  ein 
Druck  auf  die  in  der  NĂ€he  liegenden  Nerven  statt,  die  Resorp- 
tion wird  beeintrĂ€chtigt  und  die  Infiltratbildung  begĂŒnstigt. 
WĂŒrde  es  gelingen,  auf  einen  weiteren  Raum  so  das  Medi- 
kament zu  verteilen,  so  wĂŒrde  ein  Teil  der  erwĂ€hnten  Um- 
stÀnde wegfallen.  Diese  weiter  gehende  Verteilung  wird  nun 


664 


Dr.  Thoma,  Ueber  Isapogen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


erreicht  durch  eine  KanĂŒle  (Abbild.  1),  deren  Spitze  zuge- 
lötet ist.  Die  InjektionsflĂŒssigkeit  wird  infolgedessen  ge- 
zwungen, durch  etwa  5—10  feine  Oeffnungen,  die  seitwĂ€rts 
angebracht  sind,  nach  allen  Richtungen  der  Windrose  ins  Ge- 
webe einzudringen  und  sich  hier  zu  verteilen  (Perfora- 
tionspravaznadel). 

In  der  Tat  werden  mittels  dieser  Methodik  die  Schmerzen 
sowohl  wÀhrend  als  nach  den  Injektionen  herabgesetzt 
(Morphium,  Kampferöl  usw.). 

8.  Zum  SchlĂŒsse  mache  ich  noch  auf  einen  Pravaznadel- 
Handgriff  (Fig.  4)  aufmerksam,  der  dann  vielfach  das  Reini- 


gen einer  verstopften  KanĂŒle  gestattet,  selbst  wenn  kein  feiner 
Metallfaden  zum  Reinigen  vorhanden  ist,  insbesondere  bei 
derPerforationspravaznadel  (Fig.  1).  Die  meisten 
Verstopfungen  der  KanĂŒlen  kommen  so  zustande,  daß  ein 
Partikelchen  aus  der  zu  injizierenden  FlĂŒssigkeit,  z.  B. 
Hydrarg.  salicyl.,  sich  im  Lumen  der  KanĂŒle  festsetzt 
(s.  Fig.  4  k).  Der  Weg  vom  Konus  bis  zur  Verstopfungsstelle 
ist  also  passierbar  und  weit  genug.  Die  verengte  Stelle  liegt 
mehr  nach  vorne.  LĂ€ĂŸt  man  nunmehr  eine  Vis  a  tergo  ein- 
wirken, so  muß  das  verstopfende  Partikelchen  den  schon 
passierten  Weg  zurĂŒcklegen,  d.  h.  es  wird  zurĂŒckgeschleudert. 
Diese  Vis  a  tergo  ist  nun  sehr  einfach  zu  erreichen.  Man  hat 
nur  nötig,  wie  es  in  Fig.  4  abgebildet  ist,  die  KanĂŒle  in  die 
mit  der  InjektionsflĂŒssigkeit  b  gefĂŒllte  Pravazspritze  umge- 
kehrt einzufĂŒhren.  Zwischen  dem  Pravazspritzenhals  d  und 
der  Ansatzstelle  f  der  KanĂŒle  wird  etwas  Watte  g  oder  ein 
von  der  Nadel  durchstoßenes  StĂŒckchen  Leder  oder  eines 
Gummischlauches  oder  eines  StĂŒckchen  Tuches  gebracht. 
DrĂŒckt  man  nun  mit  Zeigefinger  und  Daumen  der  linken 
Hand  die  Ansatzstelle  f  gegen  den  Hals  d,  so  wird  durch  g 
eine  dichte  Verbindung  zwischen  f  und  d  hergestellt.  Nun- 
mehr wird  durch  Druck  auf  den  Spritzenstempel  h  der 
Kolben  i  vorwĂ€rts  gedrĂŒckt  und  die  im  Innern  der  Pravaz- 
spritze befindliche  FlĂŒssigkeit  b  muß  im  Lumen  der  KanĂŒle 
den  umgekehrten  Weg  machen  wie  vordem,  als  das  Partikel- 
chen k  sich  einkeilte.  Dieses  wird  dann  in  der  Regel  durch 
den  Druck  der  FlĂŒssigkeit  im  Innern  der  Pravazspritze  in 
die  freie  Passage  f  hinausgeschleudert. 

Dieser  Handgriff  ist  imstande,  dem  Arzte  manche  Un- 
annehmlichkeit zu  ersparen. 

Welchem  Praktiker  ist  es  z.  B.  nicht  schon  passiert,  daß 
er  zum  Injizieren  alles  sehr  schön  vorbereitet  hatte,  nur  ver- 
sagte im  letzten  Moment  die  Spritze,  da  die  KanĂŒle  sich 
durch  ein  kleines  Partikelchen  verstopfte  und  ein  feiner  Draht 
zur  Reinigung  zufĂ€llig  nicht  vorhanden  war,  so  daß  der  Pa- 
tient entweder  warten  oder  am  anderen  Tage  wiederkommen 
oder  ein  Besuch  nochmals  gemacht  werden  mußte. 

Die  obigen  Instrumente:  I."  die  Pravazolive  und  die 
Pravaz-Hutolive  Fig.  la  und  3g),  II.  die  Perforationspravaz- 
nadel  (Fig.  1),  III.  die  Zentimeterpravaznadel  (Fig.  3),  IV.  die 
gebogene,  seitlich  durchlöcherte  Blutentnahmenadel  (Fig.  2), 
V.  die  gebogene,  seitlich  nicht  durchlöcherte  Blutentnahme- 
nadel (auch  zur  endovenösen  Injektion),  VI.  die  gerade,  seit- 
lich durchlöcherte  Blutentnahmenadel  werden  hergestellt  von 
der  „Injecta"  Aktiengesellschaft,  Abt.  II,  vormals  Hohlnadel- 
gesellschaft, Berlin  SO  16,  und  sind  durch  jede  Handlung 
chirurgischer  Instrumente  zu  beziehen. 


n 


n 

; 


Ueber  Isapogen  u.  Salicyl-Isapogen  „Schörholz/ 

Von  SanitÀtsrat  Dr.  Thoma,  Hamburg. 

AlljĂ€hrlich  wertferr"eine  große  Anzahl  chemischer  mid 
chemisch-pharmazeutischer  Arzneimittel  in  den  Verkehr  ge- 
bracht mit  dem  Erfolg,  daß  ein  grĂ¶ĂŸerer  Teil  nach  geraumer 


Zeit  wieder  verschwindet.  Da  nun  aber  die  Einverleibung 
eines  wirklich  brauchbaren  PrÀparates  in  den  Arzneischatz 
fĂŒr  den  Arzt  einen  nicht  zu  unterschĂ€tzenden  Vorteil  be- 
deutet, so  lohnt  sich  die  MĂŒhe  reichlich,  wenn  es  gelingt, 
auf  Grund  der  PrĂŒfung  bezw.  NachprĂŒfung  die  wirklich 
guten  Ergebnisse  der  Versuche  weiteren  Kreisen  bekannt  zu 
geben. 

Von  der  Firma  J.  SchĂŒrholz,  Köln/Rhein,  sind  mir  zwei 
JodprĂ€parate  zur  VerfĂŒgung  gestellt  worden,  von  denen  das 
eine  mit  Isapogen  bezeichnet,  6  %  Jod  und  6  %  Kampher 
enthĂ€lt,  wĂ€hrend  das  andere  Salicyl -Isapogen  außerdem  noch 
15  %  Acid.  salicylicum  enthÀlt.  Beide  PrÀparate  stellen  ein 
klare,  flĂŒssige  Seife  dar,  von  Honigkonsistenz,  lassen  sich  in 
kĂŒrzester  Zeit  durch  Massage  in  die  Haut  einreiben  ohne 
Flecken  an  den  HĂ€nden  und  der  WĂ€sche  zu  hinterlassen  und 
sind  mit  Wasser  abwaschbar.  In  allen  FĂ€llen,  in  denen  ich 
diese  PrÀparate  anwendete,  habe  ich  sehr  gute,  in  vielen 
FĂ€llen  sogar  ĂŒberraschende  Erfolge  gehabt.  ZunĂ€chst  nahm 
ich  auf  Grund  vorliegender  FĂ€lle  in  der  Praxis  Versuche  mi 
Salicyl-Isapogen  vor. 

Ri.  Le.,  36  Jahre  alt,  Kaufmann.  Starke  Schwellung  de 
rechten  Hand,  UnfÀhigkeit  dieselbe  zu  bewegen,  heftige  Schmerzen 
bei  BerĂŒhrung  und  Bewegungsversuchen,  kein  Fieber.  Patient 
hatte  zuvor  schon  an  2—3  Stellen  Schmerzen  gehabt,  die  aber] 
wieder  verschwunden  waren.  Diagnose:  Gelenkrheumatismus.  Ein- 
reibungen mit  Salicyl-Isapogen,  welche  stĂŒndlich  bis  zur  Trocken-] 
heit  der  Haut  vorgenommen  wurden,  vermehrten  zunÀchst  diel 
Schwellungen  und  Schmerzen,  sodaß  der  Patient  am  2.  Tage  batj 
von  einer  weiteren  Behandlung  mit  Salicyl-Isapogen  Abstand  z« 
nehmen.  Nachdem  aber  am  3.  Tage  eine  ĂŒberraschende  Besse-! 
rung  durch  Abschwellung  und  Nachlassen  der  Schmerzen  eintrat) 
wird  die  Behandlung  weitere  8  Tage  fortgesetzt  mit  dem  Resultat] 
daß  tĂ€glich  eine  wesentliche  Besserung^  nach  Ablauf  dieser  Zeifl 
eine  vollstÀndige  Heilung  zu  verzeichnen  war. 

Ka.'  Jo.,  45  Jahre  alt,  Schlosser.  Schmerzen  unterhalb  der 
HĂŒfte  links  bis  zum  Knie,  besonders  die  Stelle  schmerzhaft,  wtj 
der  Ischiadicus  heraustritt.  Diagnose:  Ischias.  Auch  in  diesen! 
Falle  wurde  stĂŒndlich  mit  Salicyl-Isapogen  eingerieben  und 
LÀppchen  mit  dem  PrÀparat  getrÀnkt,  aufgelegt.  Da  es  sich  unj 
einen  veralteten  Fall  handelte,  mußte  die  Behandlung  etwa 
14  Tage  fortgesetzt  werden,  endete  aber  mit  einem  vollen  Erfolg 
und  ist  Patient  frei  von  allen  Schmerzen. 

Lo.  M.,  46  Jahre  alt,  Privatim   Heftige  Schmerzen  in  d 
linken  GesichtshÀlfte.  Die  Untersuchung  der  ZÀhne  ergab  kein 
Anhaltspunkt  fĂŒr  die  Schmerzen.  Diagnose:  Trigeminusneuralgi 
StĂŒndliche   Einreibungen   und  UmschlĂ€ge   mit  S;ilicvl-Isnnogen 
hatten  den  Erfolg,  daß  am  nĂ€chsten  Tage  die  Schmerzen  bereits 
etwas  nachließen.   Am  9.  Tage  war  Patientin  ohne  Schmer 
und  konnte  als  geheilt  entlassen  werden. 

Ge.  Tho.,  50  Jahre  alt,  Kaufmann.  Diagnose:  Akuter  Hexi 
schuß.  Patient  liegt  steif  im  Bett  und  kann  sich  nur  unter  heftig* 
Schmerzen  von  einer  Seite  auf  die  andere  bewegen.  Die  anfan 
von  mir  vorgenommenen  Einreibungen  wurden  spÀter  von  di 
Frau  des  Patienten  fortgesetzt.  Bereits  am  folgenden  Tage  fĂŒhl^ 
Patient  weniger  Schmerzen  und  konnte  sich  auch  schon  etwa 
wenn  auch  schwerfÀllig  bewegen.  TÀglich  war  eine  auffallen 
Besserung  nach  den  Einreibungen  zu  verzeichnen.  Am  10.  Tas 
war  Patient  frei  von  Schmerzen  und  konnte  seiner  BeschÀftige 
wieder  nachgehen. 

Ru.  Me.,  51  Jahre  alt,  Straßenkehrer.  Heftige  Schmerze 
wechselnd  an  verschiedenen  Körperteilen.  Diagnose:  MuskeB 
rheumatismus.  Die  von  mir  verordneten  Einreibungen  mit  Salicvl- 
Isanogen  werden  von  der  Frau  des  Patienten  (Masseuse^  sehr 
grĂŒndlich  und  sehr  gewissenhaft  ausgefĂŒhrt,  sodaß  eine  tĂ€gliche 
Besserung  festgestellt  werden  konnte.  VollstÀndige  Heilung  nach 
12  Tagen. 

BezĂŒglich  der  Wirkung  des  Isapogen  pur.  konnte  ich  an 
Hand  zahlreicher  FÀlle,  die  ich  mit  glÀnzendem  Erfolge  bei 
handelte,  gleich  Kauenhoven  und  Schroeder  fesB 
stellen,  daß  das  Isapogen  bei  Grippe,.  LungenentzĂŒndung, 
RippenfellentzĂŒndung,  akuter  und  chronischer  Bronchitis, 
Asthma  sowohl  die  Beschwerden  und  Schmerzen  beseitigt, 
als  auch  den  Auswurf  mit  wenig  MĂŒhe  in  großen  Mengen 
herausbefördert.  Die  absolute  Reizlosigkeit  des  PrÀparates 
gestattet  eine  tÀgliche  und  reichliche  Verwendung  desselben, 
sodaß  auf  die  innerliche  Verabreichung  von  Jodsalzen  und 
sonstigen  Expectorantien  verzichtet  werden  kann,  eine  Tat- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Dr.  Wilhelm  Fellbach,  Ueber  Salbenbehandlung 


Sache,  die  nicht  hoch  genug  bewertet  werden  kann,  besonders 
bei  geschwÀchten  und  Àlteren  Personen,  bei  denen  die  interne 
Behandlung  leicht  zu  Magen-  und  Darmstörungen  Ver- 
anlassung gibt.  Das  gleiche  gilt  auch  von  Salicyl-Isapogen 
und  kann  auch  bei  Verwendung  dieses  PrÀparates  von  der 
innerlichen  Verabreichung  von  SalicylsÀurc  und  salicyl- 
sauren  Salzen  abgesehen  werden.  Bemerken  möchte  ich  noch, 
daß  ich  in  geeigneten  FĂ€llen  die  Behandlung  mit  Prießnitz- 
UmschlĂ€gen  unterstĂŒtzte,  und  um  eine  rasche  Ausscheidung 
des  Jod  und  der  SalicylsÀure  durch  den  Urin  zu  bewirken, 
reichlich  alkalische  WĂ€sser,  wie  Faschinger,  Emser,  Seiter, 
Wildunger,  Roisdorfer  oder  Gerolsteiner  verabreichen  ließ. 
Schmerzhafte,  akute  Schwellungen  werden  nach  erfolgter 
Isapogen-Einreibung  mit  essigsaurer  Tonerdelösung  gekĂŒhlt. 
Bleiwasser  und  Sublimatlösung  sind  dagegen  nicht  zu  ver- 
wenden in  Gemeinschaft  mit  Isapogen-Einreibungen. 

Wie  Kauenhoven  sehr  richtig  betont,  ist  das  An- 
wendungsgebiet der  Isapogen-PrÀparate  ein  ungemein  reich- 
haltiges, und  haben  meine  kurzen  AusfĂŒhrungen  lediglich 
den  Zweck,  die  Herren  Kollegen  zu  weiteren  Versuchen  an- 
zuregen. Mein  Urteil  möchte  ich  dahin  zusammenfassen,  daß 
die  Isapogen-PrÀparate  in  ihrer  resorbierenden  Wirkung 
unter  allen  mir  bekannten  Jod -PrÀparaten  den  ersten  Platz 
einnehmen. 

Zum  Schluß  sei  noch  auf  die  Tatsache  hingewiesen,  daß 
durch  Ausschaltung  interner  Mittel,  und  wie  erwiesen,  durch 
eine  wesentliche  AbkĂŒrzung  der  Krankheitsdauer  bei  Ver- 
wendung der  Isapogen-PrÀparate,  diese  trotz  den  an- 
scheinend hohen  Preisen  sich  in  hervorragender  Weise  zur 
allgemeinen  Verwendung  in  der  Kassenpraxis  eignen,  worauf 
ich  die  Herren  Kollegen  noch  besonders  aufmerksam  machen 
möchte.  San. -Rat  Dr.  Thoma. 


Ueber  Salbenbehandlung  bei  Cervixkatarrhen 
und  Pseudoerosionen. 

Von  .Dr.  Wilhelm  F  e  i  1  b  a  c  h  -  Bad  Homburg  v.  d.  H. 

Von  der  gĂŒnstigen  Einwirkung  der  Kamillosansalbe  auf 
Schleimhautaffektionen  und  zwar  solche  mit  und  ohne  Epi- 
thelverluste,  bei  Erkrankungen  der  Nasen-  und  Mundhöhle, 
bei  entzĂŒndlichen  Prozessen  am  After  usw.  habe  ich  mich 
in  einer  großen  Anzahl  von  FĂ€llen  ĂŒberzeugen  können.  Wie 
bei  Affektionen  der  Ă€ußeren  Haut  besticht  auch  hier  die  leb- 
hafte Anregung  der  Granulation,  die  flotte  Epithel isierung 
nach  raschem  RĂŒckgang  der  entzĂŒndlichen  Erscheinungen. 
Es  lag  nahe  die  Einwirkung  der  Kamillosansalbe  auf  die  so 
hĂ€ufigen  EntzĂŒndungserscheimungen  an  der  Portio  zu  studie- 
ren. Gehen  doch  hier  EntzĂŒndungsvorgĂ€nge  mit  Epithelver- 
Ă€nderungen eigner  Art,  mit  Erosionen  bzw.  Pseudoerosionen 
Hand  inHand.  Nachdem  ich  eineAnzahl  vonFĂ€llen  mitlrriga- 
tionen  mit  Lösungen  von  Kamillosanum  liquidum  behandelt 
hatte  ohne  nennenswerten  Erfolg,  ging  ich  dazu  ĂŒber,  die 
Kamillosansalbe  anzuwenden.  Dabei  lergab  sich  sofort  die 
Schwierigkeit,  daß  der  fettige  Arzneikörper  der  durch  die  vor- 
handenen und  selbst  nach  Wegtupfen  rasch  wieder  ausge- 
schiedenen Schleimmassen  an  einer  direkten  Einwirkung  auf 
die  Schleimhaut  gehindert  wird.  EinfĂŒhrung  eines  mit  Salbe 
beschickten  Tampons  wĂŒrde  diesen  Umstand  nicht  beseitigt 
haben  und  war  auch  aus  anderen  GrĂŒnden  nicht  ratsam.  Ich 
versuchte  daher  dem  Uebelstand  dadurch  zu  begegnen,  daß 
ich  die  Salbe  durch  ErwĂ€rmen  verflĂŒssigte  .und  in  der  er- 
wÀrmten Uterusspritze  zum  Teil  in  den  unteren  Portioab- 
schnitt  einbrachte,  zum  Teil  auf  und  um  den  Muttermund, 
unmittelbar  auf  die  Erosionen  deponierte.  Der  Erfolg  dieser 
Therapie  war  zwar  unverkennbar,  stand  jedoch  hinter  dem 
iiner  anderen  Applikationsweise  zurĂŒck.  Diese  bestand 
darin,  daß  ich  zwischen  die  Enden  eines  stumpfen  Muskel- 
lakens  oder  in  das  Lumen  einer  KĂŒrette  eine  etwa  kirsch- 
«  rngroße  Menge  der  Kamillosansall>e  brachte,  das  Instrument 
lann  (im  Speculum)  unmittelbar  vor  die  Portio  fĂŒhrte  und 
um  mit  einer  gut  erwÀrmten  Uterussonde  die  Salbe  gewisser- 


maßen in  situ  verflĂŒssigte  und  durch  sanfte  Gleitbewegungen 
sit  innig  mit  dem  Schleim  mischend,  teils  in  die  Cervix,  teils 
auf  die  Erosionen  und  deren  Umgebung  auftrug.  Dies  Ver- 
fahren wiederholte  ich  je  nach  der  Schwere  des  Falles  zwei  - 
mal  tÀglich  bis  eimnal  wöchentlich.  Am  Abend  vor  der 
Behandlung  ließ  ich  eine  Irrigation  mit  einer  adstringieren- 
den  bzw.  desinfizierenden  Lösung  vornehmen.  In  vielen  FÀl- 
len trat  nach  (5  bis  8  Behandlungen  Heilung  ein.*)  Andere 
Ă€ltere  vernachlĂ€ssigte  FĂ€lle  mit  großen  Erosionen  und  hefti- 
ger Sekretion  beanspruchten  lÀngere  Behandlung,  jedoch 
blieb  der  Erfolg  mit  einer  Ausnahme  in  keinem  Falle  aus. 
(Bei  dieser  handelte  es  sich  um  tiefe  Einrisse  der  Cervix  post 
partum;  er  wird  operativ  angegangen  werden.)  Jedenfalls 
scheint  die  Kamillosansalbe  in  der  beschriebenen  Weise  an- 
gewandt ein  brauchbares  Mittel  zur  Behandlung  der  oft  hart- 
nÀckigen Cervixkatarrhe  und  Pseudoerosionen  zu  sein. 
Worauf  die  Heilwirkung  im  einzelnen  beruht,  werden  syste- 
matische Untersuchungen  ergeben  mĂŒssen.  Jedenfalls  ist  es 
von  Wichtigkeit,  daß  die  erwĂ€rmte  verflĂŒssigte  Salbe  innig 
mit  dem  Sekret  gemischt  wird.  Nur  so  vermag  sie  unmittel- 
bar auf  die  Schleimhaut  einzuwirken.  Ob  das  Kamillosan 
primÀr  die  Umwandlung  des  Zylinderepithels  in  Platten  be- 
gĂŒnstigt- oder  ob  diese  Umwandlung  sekundĂ€r  durch  Beein- 
flussung der  EntzĂŒndung  durch  die  Salbe  erleichtert  wird, 
ob  schließlich  chemische  VerĂ€nderungen  des  Sekretes,  des- 
infizierende EinflĂŒsse  usw.  eine  Rolle  spielen,  steht  einst- 
weilen dahin. 

Daß  die.  Kamillosansalbe  bei  dieser  Behandlungsmethode 
eine  Ausnahmestellung  einnimmt,  beweist  die  vergleichs- 
weise Anwendung  anderer  Salben,  teils  neutraler,  teils 
solcher  als  Vehikel  von  Arzneistoffen  (Jchtiyol,  Jod  usw.). 
Die  Erfolge  mit  diesen  reichen  an  die  Heilerfolge  der  Kamillo- 
sansalbe nicht  heran. 


Nervöse  Erscheinungen  auf  innersekreturischer 
Basis  bei  der  Frau 
und  deren  Behandlung  mit  Ovobrol. 

Das  GemĂŒtsleben  des  Weibes  wird  in  erster  Linie  durch 
die  Funktion  der  Ovarien  reguliert,  mangelhafte  Funktion 
oder  Funktionsausfall  rufen  infolgedessen  schwere  Störungen 
des  Nervensystems  bei  der  Frau  hervor.  Diese  Störungen 
sind  einer  Therapie  mit  endokrinen  PrÀparaten  zugÀnglich, 
sodaß  OvarienprĂ€parate  seit  lĂ€ngerer  Zeit  bereits  mit  bestem 
Erfolg  hiergegen  angewendet  werden.  Es  ist  nur  zu  beachten, 
daß  die  Therapie  mit  PrĂ€paraten  aus  den  endokrinen  DrĂŒsen 
verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  lange  dauert,  ehe  die  Wirkung  in  Erschei- 
nung tritt,  sodaß  die  Patientinnen  in  vielen  FĂ€llen  die  Kur 
vorzeitig  aufgeben.  Dieser  Uebelstand  lĂ€ĂŸt  sich  durch  gleich- 
zeilige  Medikation  eines  Sedativums  .abhelfen. 

In  glĂŒcklicher  Weise  wurde  dieser  Gedanke  auf  An- 
regung von  Guttmann  in  die  Praxis  umgesetzt,  indem 
das  bewÀhrte  OvarienprÀparat  Ovoglandol  mit  Bromnatrium 
kombiniert  wurde,  und  zwar  in  Form  von  BouillonwĂŒrfeln, 
die  im  Sedobrol  bereits  so  großen  Anklang  gefunden  haben. 

Ovobrol  wird  nach  Art  des  Sedobrol  gegeben,  am 
besten  dreimal  tĂ€glich  je  ein  WĂŒrfel  zu  Bouillon  mit  kochen- 
dem Wasser  bereitet.  Eventuell  kann  allmÀhlich  bis  zu 
dreimal  tĂ€glich  je  zwei  WĂŒrfel  gestiegen  werden.  Plötzliche 
grĂ¶ĂŸere  Dosen  werden  nicht  ohne  Reaktionserscheinungen 
vertragen  (siehe  unten).  In  allen  FÀllen  wurde  das  PrÀparat 


*)  Die  Sekretion  ließ  nach,  die  Erosion  verkleinerte  sich  zu- 
sehends und  verschwand  schließlich.  Bisher  d.  h.  seit  8  Monaten 
habe  ich  einmal  Recidiv  gesehen. 

Literatur:  von  Dr.  Gustav  Löffler,  Frankfurt  a.  M.  (In- 
tern. Aerztl.  Centrai-Anzeiger), 

von  dem  Allg.  Krankenhaus,  Herrn  Prof.  Dr. 
Bode.  (MĂŒnchener  Medizinische  Wochenschrift), 

von  Dr.  med.  W.  Feilbach,  Bad  Homburg. 
(Westdeutsche  Aerztezeitung.j 


im 


als  im  Geschmack  sehr  angenehm  gefunden.  Die  Indikation 
fĂŒr  Ovobrolbehandlung  scheint  mir  dort  gestellt,  wo  sich 
psychische  und  nervöse  Störungen  mit  Erkrankungen  des 
Genitalapparates  kombinieren,  und  zwar  ganz  besonders  bei 
solchen  Hysterien  und  bei  Ausfallserscheinungen. 

Hierzu  ist  zu  bemerken,  daß  ich  bemĂŒht  war,  eine  sug-. 
gestive  Beeinflussung  der  P.  wÀhrend  der  Ovobrolkur  mög- 
lichst auszuschalten.  Zu  diesem  Zweck  besuchte  ich  die  P. 
bei  LĂ€ngeren  Kuren  nur  etwa  jede  zweite  bis  vierte  Woche. 
Da  die  nervösen  und  psychischen  Störungen  keine  andere 
medikamentöse  Behandlung  erfuhren,  kann  man  wohl  mit 
Recht  die  Heilresultate  dem  Ovobrol  zuschreiben.  Die  erste 
Wirkung  des  PrÀparats  war  durchschnittlich  schon  nach 
4—8  Tagen  zu  merken.  Scheinbar  kann  Ovobrol  ohne  jede 
Störung  lange  Zeit  hindurch  gegeben  werden.  Nur  muß"  man 
bei  lÀnger  dauernden  Kuren  nach  je  zwei  Wochen  je  vier 
ovobrolfreie  Tage  einschalten.  Diese  Anordnung  ist  erforder- 
lich, um  dem  Auftreten  einer  Urticaria  vorzubeugen.  Bei  den 
vier  zuerst  behandelten  FÀllen  trat  nÀmlich  ein  Quaddel - 
ausschl.  auf,  einmal  zessierten  auch  die  Menses,  nach- 
dem vier  Wochen  hindurch  unentwegt  Ovobrol  genommen 
war.  Diese  Erscheinungen  gingen  jedoch  in  allen  FĂ€llen 
nach  durchschnittlich  ötĂ€gigem  Aussetzen  völlig  zurĂŒck. 
Nachdem  daraufhin  nach  je  14  Tagen  je  4  Tage  mit  den 
Ovobrolgaben  ausgesetzt  wurde,  traten  auch  bei  diesen  FĂ€llen 
keinerlei  Reaktionserscheinungen  mehr  auf.  In  allen  FĂ€llen 
lobten  die  Kranken  besonders  die  beruhigende  und  schmerz- 
lindernde Wirkung  des  Ovobrol.  Sie  „fĂŒhlten"  angeblich  die 
Heilwirkung  des  PrÀparates.  Im  allgemeinen  handelt  es  sich 
bei  den  von  mir  behandelten  Kranken  um  chronische  (meist 
hysterische)  Beschwerden,  auf  welche  das  PrÀparat  eine 
ganz  hervorragende  Wirkung  hatte.  Im  Durchschnitt  muß 
man  mit  einer  vierwöchigen  Kur  rechnen,  zuweilen  genĂŒgt 
eine  Behandlung  von  14  Tagen;  mitunter  kann  auch  das 
PrÀparat  lÀngere  Zeit  mit  gutem  Erfolg  genommen  werden. 

Im  Februar  1921  begann  ich  mit  der  Ovobrolbehand- 
lung bei  einer  sehr  schweren  Hysterie,  nachdem  Suggestiv- 
behandlung und  andere  Sedativa  nach  einem  nur  ganz  vor- 
ĂŒbergehenden Erfolg  eine  Verschlechterung  des  Zustandes 
nicht  hatten  aufhalten  können.  Bei  diesem  sehr  einleuch- 
tenden Fall  mit  absoluter  Steifigkeit,  Trismus,  Stupor,  Par- 
Àsthesien, anÀsthetischen  Zonen,  Globus,  Ovarie,  unregel- 
mĂ€ĂŸigem Zittern  der  Arme,  Fehlen  von  Cornea!-  imd 
Rachenreflex,  LĂ€hmungserscheinungen  der  Beine,  starker 
SuggestibilitÀt,  Stenokardie,  Schlaflosigkeit,  Retrofiexio, 
uteri,  Senkung  machte  sich  die  Ovobrol  Wirkung  schon  nach 
5  Tagen  bemerkbar. 

Unter  Vermeidung  jeder  suggestiven  Beeinflussung  be- 
gann ich  in  diesem  Fall  die  Ovobrolkur  mit  zunÀchst  dreimal 
tĂ€glich  je  1  WĂŒrfel,  steigend  auf  dreimal  tĂ€glich  2  WĂŒrfel, 
spĂ€ter  zweimal  tĂ€glich  2  WĂŒrfel,  schließlich  abends  2  und 
1  WĂŒrfel.  (Daneben  bei  Behandlungsbeginn  Digalenkörnchen 
wegen  Herzinsuffizienz.)  Nachdem  etwa  in  den  ersten  vier 
Tagen  das  Mißtrauen  der  Pat.  gegen  das  neue  Medikament 
ĂŒberwunden  war,  trat  eine  ĂŒberraschende  Wendung  zur 
Besserung  ein.  Als  erster  Fortschritt  trat  nÀchtlicher  Schlaf 
(acht  Stunden)  in  Erscheinimg;  die  Ursache  ging  merklich 
zurĂŒck;  ParĂ€sthesien  verschwenden  etwas  langsamer;  die 
LĂ€hmungserscheinungen  waren  innerhalb  14  Tagen  beseitigt. 
Schon  nach  8  Tagen  konnte  die  Pat.,  die  ein  Vierteljahr 
hatte  gefĂŒttert  werden  mĂŒssen,  allein  und  ohne  jede  Hilfe 
essen.  Im  Laufe  des  nÀchsten  Monats  machte  die  Besserung 
allmÀhliche,  aber  stetige  Fortschritte.  Nach  vierwöchiger 
Ovobrolkur  ging  es  mit  Eilschritten  vorwÀrts.  Pat.  fing  an 
—  zunĂ€chst  an  Stöcken  —  zu  gehen.  Anfang  des  zweiten 
Monats  sah  ich  sie  bereits  ohne  Hilfe  gehen,  und  nach  acht 
Wochen  traf  ich  sie  schon  bei  leichter  Hausarbeit,  fĂŒnf 
Monate  spÀter  bereits  bei  leichter  Feldarbeit.  Nach  zehn- 
monatiger  Ovobrolverabreichung  (immer  mit  den  viertÀgigen 
Pausen  nach  zwei  Wochen!)  konnte  die  Behandlung  mit 
dem  Erfolg  abgebrochen  werden,  daß  die  Pat.  sich  voll- 
kommen wohl  fĂŒhlte  und  jede  Arbeit  verrichtete.  Dieses 
Wohlbefinden  hat  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten. 


Aehnlich,  nur  in  viel  kĂŒrzerer  Zeit,  verliel  die  Wirkung 
des  Ovobrol  hei  den  ĂŒbrigen  FĂ€llen. 

Nach  diesem  Erfolg  wendete  ich  bei  allen  Hysterien,  die 
verbunden  waren  mit  irgend  welchen  pathologischen  \  er- 
Ă€nderungen  am  Genitalorgan  (Adnexitis,  Parametritis,  Fluor 
albus,  LageverÀnderungen  usw.)  Ovobrol  an  mit  dem  Erfolg, 
daß  in  10  solchen  FĂ€llen  alle  Beschwerden,  wie  Sensationen 
im  Unterleib,  große  AnfĂ€lle,  allgemeine  Unruhe,  Schlaf  losig  - 
keit,  ParÀsthesien  usw.,  theatralisches  Wesen  prompt  zurack 
gingen.  Auch  der  objektive  Befund  Ànderte  sich  zum  Nor- 
malen; ob  allein  durch  die  Lokaltherapie  oder  auch  unter 
Mitwirkung  des  Ovobrol  bleibe  dahingestellt.  Jedenfalls 
mĂŒssen  doch  wohl  die  Wirkungen  auf  das  Nerven- 
system und  die  Psyche  mit  Recht  dem  Ovobrol  zuge- 
schrieben werden.  Schon  nach  5  Tagen  begann  im  Durch- 
schnitt ein  ruhiges  Wesen  die  Theatralik  zu  ersetzen;  es 
stellten  sich  guter  Schlaf  und  Arbeitslust  ein,  Ovarie  schwand 
und  fehlende  Corneal-  und  Rachenreflexe  traten  wieder  auf. 
Bis  nach  etwa  14  bis  30  Tagen  die  ArbeitsfÀhigkeit  der  oft 
jahrelang  krÀnkelnden  Frauen  wieder  hergestellt  war. 

Den  Einfluß  des  Ovobrol  bei  psychischen  Alterationen 
beweist  eine  Melancholia  levissima,  kombiniert  mit  Appen - 
dicitis  und  Adnexitis  dextra.  Hier  glaubte  ich  sofort  grĂ¶ĂŸere 
Dosen  geben  zu  sollen  und  begann  mit  dreimal  tĂ€gĂŒcb 
2  WĂŒrfeln,  wodurch  nach  18  Tagen  die  schon  eingangs  er- 
wÀhnte starke  Urticaria  und  das  Zessieren  der  Menses  auf- 
trat. Wie  oben  erwÀhnt,  wurde  aber  nach  kurzer  Pause 
Ovobrol  in  steigenden  Dosen  (Einschleichen!)  gut  vertragen. 
Nach  zweimonatlicher  Behandlung  hatte  die  Frau  die  alte 
Lebensenergie,  Ruhe  und  Schlaf.  Eine  gleichzeitig  be- 
stehende Struma  hatte  sich  sehr  verkleinert;  eine  Er- 
scheinung, die  ich  auch  der  endokrinen  Wirkung  des 
Ovobrol  zuschreiben  möchte. 

Eine  Pat.  mit  Dysmenorrhoe  konnte  vom  Ovobrol  nicht 
ganz  entwöhnt  werden,  weil  sie  behauptete,  die  Schmerzen 
seien  fast  ganz  geschwunden,  ohne  Ovobrol  aber  könne  sie 
nachts  wÀhrend  der  Menses  nicht  schlafen.  Sie  nimmt  nocl 
jetzt  (nach  1K>  Jahren)  —  aber  nur  wĂ€hrend  der  Menses 
zweimal  tĂ€glich  1  WĂŒrfel  Ovobrol  mit  dem  Erfolg  eine 
guten  Schlafes.  Bei  dieser  Pat.  konnte  durch  Lagekorrektu 
des  retroflektierten  Uterus  die  Dysmenorrhoe  zunÀchst  nicht 
beseitigt  werden.  Diese  wurde  erst,  wie  der  ebenfalls  anfangs 
bestehende    allgemein    nervöse    Erschöpfungszustand,  di" 
Arbeitsunlust,  die  Mattigkeit  nach  achtwöchiger  Ovobrolku 
behoben. 

Auch  auf  mit  pathologischem  Befund  am  Genilalorga 
(in  meinem  Fall  Retrofiexio)  verbundene  Herzneurose  wirkt 
Ovobrol  hervorragend,  indem  nach  schon  fĂŒnf  Tagen  ein 
merkliche  Beruhigung  eintrat,  nach  5  Wochen  nur  noc1 
leichtes  Herzklopfen  bei  schwerer  Arbeit  ayftrat.  Die  Herz 
angst  ist  auch  nach  Absetzung  des  Ovobrols  nicht  wiede 
aufgetreten. 

Auf  Schmerzen  bei  LageverÀnderungen,  die  nach  Lage- 
korrektur nicht  schwanden,  hatte  Ovobrol  in  kurzer  Zeit 
Heilwirkung,  indem  in  den  drei  behandelten  FĂ€llen  die  Be- 
schwerden nach  1 — 2  Originalpackungen  aufgehört  hatten. 

Bei  einem  seit  mehreren  Wochen  bestehenden  (keine 
Gravida!)  chronisch  nervösen  Erbrechen  war  Ovobrol  schon 
nach  drei  Tagen  von  heilendem  Einfluß  (dreimal  tĂ€glich 

1  WĂŒrfel).  Nach  2  Originalpackungen  konnte  das  PrĂ€parat 
mit  dem  Erfolg  abgesetzt  werden,  daß  die  seit  Monaten  etwa 
dreistĂŒndlich,   12  Stunden  vor  der  Ovobrolkur  aber  alle 

2  Minuten  brechende,  sehr  abgemagerte  Frau  bei  außer- 
ordentlichem Appetit  völlig  gesundete.  Genitalbefund:  Retro- 
fiexio. 

Vielleicht  am  auffallendsten  war  die  Ovobrolwirkung  bei 
einer  Frau  mit  typischen  Ausfallserscheinungen  nach 
Uterusamputation  mit  einseitiger  Kastration.  Sie  wurde  be- 
handelt mit  dreimal  tĂ€glich  1  WĂŒrfel  Ovobrol.  Nach  einer 
Woche  bereits  war  eine  Besserung  bemerkbar.  Nach  vier 
Wochen  bestand  vollstÀndige  Beschwerdefreiheit.  Seit  da- 
mals braucht  Ovobrol  nicht  mehr  gegeben  zu  werden,  da  das 
Wohlbefinden  seit  jetzt  dreiviertel  Jahr  bestehen  blieb. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Dr.  KKrcher,  Ein  Beitrag 


66? 


Ich  nehme  an,  daß  in  allen  diesen  FĂ€llen  das  ursĂ€ch- 
liche Moment  zu  dm  nervösen  Störungen  in  der  Genital - 
Pathologie  zu  finden  sei.  In  einem  Fall,  in  dem  die  be- 
stehende Hysterie  zeitlich  nach  der  diagnostizierten  Reto- 
llexio  uteri  zu  Erscheinungen  gefĂŒhrt  hatte,  wurde  Ovobrol 
nicht  vertragen.  Es  traten  Erscheinungen  auf  Àhnlich  wie 
im  Klimakterium.  Statt  Ovobrol  wurde  Sedobrol  mit  Erfolg 
perordnet.  Es  bleibe  dahingestellt,  ob  die  ÜnertrĂ€glichkeit 
des  Ovobrol  in  diesem  Falle  darauf  beruhe,  daß  die  Hysterie 
sich  hier  nicht  mit  einer  Dysfunktion  der  Genitalien 
kombinierte.  Vielleicht  ist  sie  als  Folge  einer  ĂŒberstandenen 
sehr  schweren  und  langen  Allgemeinerkrankung  anzusehen. 
HierfĂŒr  spricht  die  Tatsache,  daß  die  Relroflexio  schon 
jahrelang  ohne  jedes  hysterische  Symptom  bestanden  hatte. 

Dagegen  wurde  in  allen  anderen  FĂ€llen,  besonders  bei 
chronischen  Dysmenorrhöen,  Unterleibsschmerzen,  Fluor 
albus  usw.  das  Ovobrol  Ă€ußerst  gern  genommen,  da  es  sehr 
bald  nach  der  Verordnung  seine  Wirkung  auf  die  ange- 
nehmste Weise  ausĂŒbte.  Zusehends  erholten  sich  alle  diese 
behandelten  FĂ€lle  auf  die  Ovobrolgaben.  Im  ganzen  wurden 
19  Patientinnen  behandelt.  Im  allgemeinen  wird  man  drei- 
mal tĂ€glich  einen  WrĂŒrfel  verordnen  und  mit  2 — 3  Packungen 
auskommen. 

In  allen  von  mir  behandelten  FÀllen  waren  die  nervös- 
psychischen Störungen  kombiniert  mit  einer  VerÀnderung 
am  Genitalorgan;  und  zwar  handelte  es  sich  zehnmal  um 
falle  von  Hysterie;  einmal  um  Melancholia  levissima;  ein- 
mal um  Dysmenorrhoe;  zweimal  um  Schmerzen  bei  GebÀr- 
mutterverlagerung, die  durch  Lagekorrektur  nicht  hatten  ge- 
hoben werden  können;  einmal  um  Ausfallerscheinungen 
nach  Kastration;  einmal  um  unstillbares  Erbrechen  bei 
Retroflexio  oder  GraviditÀt.  In  zwei  FÀllen  erwies  sich  die 
Einwirkung  des  Ovobrol  Ă€ußerst  gĂŒnstig,  auf  die  bei  Frauen 
so  hÀufigen  leichteren  nervösen  ErschöpfungszustÀnde. 
Auffallend  war  die  schnelle  Wirkung  bei  Hysterie  und  bei 
den  durch  Kastration,  bedingten  Ausfallserscheinungen. 

Auf  Grund  meiner  kurz  skizzierten  Erfahrungen  stelle 
ich  die  Indikation  fĂŒr  Ovobrolbehandlung  bei  allen  psy- 
chischen und  nervösen  Störungen,  die  mit 
gleichzeitig  bestehenden  pathologischen 
VerÀnderungen  am  Genitalapparat  möglicher- 
weise im  Zusammenhang  stehen. 

Dr.  Harald  Runze, 
Groß-Leuthen,  Kreis  LĂŒbben  N/L. 


Ein  Beitrag  zur  „therapeutischen  Anwendung 
des  „Hellsicol" 
(frĂŒher  Syrupus  compositus  „Hell")*). 

Von  Dr.  med.  Max  KĂ€rcher, 
\     Spezialarzt  fĂŒr  innere  und  Nervenleiden,  Kaiserslautern. 

Bereits  vor  dem  Weltkriege  wurde  meine  Aufmerksam - 
:eit  durch  Professor  Hoffmann  -  Heidelberg  auf  die 
iberaus  gĂŒnstigen  Heilwirkungen  des  Syrupus  Golae  compos. 
Hell",  besonders  bei  der  Behandlung  von  funktionellen 
Jervenleiden  und  dyspeptischen  ZustÀnden,  hingelenkt.  Seit 
iniger  Zeit  wurde  die  Indikationsstellung  in  der  Anwendung 
ieses  PrĂ€parates,  daß  neuerdings  unter  dem  wortgeschĂ€tzten 
»amen  „Hellsicol"  gefĂŒhrt  wird,  bedeutend  erweitert.  Die 
ahlreichen  Grippeepidemien,  die  in  den  letzten  Jahren  in 
)ehr  und  minder  schwerer  Form  die  verschiedensten  LĂ€nder 
eimsuchten  und  auch  in  Deutschland  starke  Verheerungen 
nr-ichteten,  haben  den  Gedanken  nahegelegt,  in  dem  zuweilen 
?cht  ausgedehnten  und  noch  zu  Besorgnissen  Anlaß  gebenden 
ekonvaleszenzstadium  dieser  Affektion  zu  einem  Mittel  zu 
reifen,  das  neben  appetitanregenden  Reizen  und  tonisieren- 
en  EinflĂŒssen  auf  Stoffwechsel,  Bhitzirkulation,  und 
ervensystem  -auch  gĂŒnstige  Wirkungen  .gegenĂŒber  den  all- 


‱)    „Hellsicol"    (Syr.   Colae   comp.   „Hell")   wird   von  der 
Hell  &  Comp.  A.-G.  in  Troppau  hergestellt  und  in  den  Handel 
‱.bracht. 


gemeinen  nervösen  Reiz-  und  Erschlaffungssymptomen  gel- 
tend macht.  Unter  den  krankhaften  Erscheinungen,  die  sich 
sogar  in  den  Leichteren  Verlaiufsformen  der  Grippe,  im  Re- 
konivaleszenzstadiiuin  hÀufig  noch  bemerkbar  machen,  möchte 
ich  hier  nur  kurz  erwÀhnen:  allgemeine  Nervenunruhe, 
Schlaflosigkeit,  große  Mattigkeit  und  Arbeitsunlust,  Be- 
nommenheit, Kopfschmerzen,  Kreuz  schmerzen,  nervöse  Herz- 
beschwerden, ĂŒberhaupt  alle  möglichen  neuritischen  Reiz- 
imd  Schmerzsymptorne,  besonders  Schmerzen  in  den  Schien- 
beinen, Gelenkschinerzen.  Die  schweren  Knochen-  und  Ge- 
lenkaffektionen, die  zu  Vereiterungen,  Ankylosen  usw.  fĂŒhren 
können,  ĂŒbergehe  ich  absichtlich,  da  diese  doch  meist  von 
vornherein  chirurgische  Behandlung  nötig  machen. 

Es  hat  sich  nun  gezeigt,  daß  zair  Behandlung  der  vorer- 
wĂ€hnten ZustĂ€nde  und  Komplikationen  das  „Hellsicol"  ein 
Ă€ußerst  brauchbares  PrĂ€parat  darstellt.  Ich  selbst  habe  in 
einer  großen  Anzahl  von  Grippeerkrankungen,  namentlich 
wĂ€hrend  der  letzten  zwei  Jahre  regelmĂ€ĂŸig  „Hellsicol"  ver- 
ordnet und  zwar  einige  Male  sogar  schon  zu  Beginn  der  Er- 
krankung, wo  ich  eine  appetitanregende,  roborierende,  ver- 
dauungsbef  ordernde  und  nervenberuhigende  Einwirkung 
konstatieren  konnte,  meistens  jedoch  wartete  ich  erst  die 
initialen  und  sekundÀren  Krankheitserscheinungen  ab,  die 
ich  im  wesentlichen  mit  Antipyrin,  Expektorantien  und 
Serumtherapie  bekÀmpfte,  um  dann  erst  in  der  Rekon- 
valeszenz mich  des  „Hellsicols"  zu  erinnern.  Hier  leistete 
dasselbe  allerdings  vorzĂŒgliches,  wie  die  meisten  Kranken 
rundweg  zugaben.  Der  Schlaf  wurde  gebessert,  Kopf-,  Ge- 
lenk-, Kreuz-  und  Gliederschmerzen  schwanden  rasch,  auch 
die  oft  vorhandene  psychische  Depression  wich  einer  eupho- 
rischen Verfassung.  Besonders  auffallend  waren  die  gĂŒn- 
stigen, Ionisierenden  Einwirkungen  auf  die  VerdauungstÀtig- 
keit und  die  Steigerung  des  Appetits,  was  bald  ein  frischeres 
Aussehen  des  Patienten  zur  Folge  hatte.  In  einigen  FĂ€llen 
nahm  ich  die  Gelegenheit  wahr  zu  einer  öfteren  Bestimmung 
des  HĂ€moglobingehalts  und  konnte  durchweg  eine  Zunahme 
des  HĂ€moglobins,  vereinzelt  sogar  um  20  bisi  30  %  ĂŒber  den 
Ausgangswert  ermitteln.  Es  lĂ€ĂŸt  sich  zusammenfassend 
jedenfalls  sagen,  daß  eine  HauptdomĂ€ne  fĂŒr  eine  außer- 
ordentlich vorteilhafte  Wirkung  des  „Hellsicols"  das  Rekon- 
valcszenzstadium  der  Grippe  bildet. 

Angeregt  durch  meine  gĂŒnstigen  Erfahrungen  mit  dem 
„Hellsicol"  in  diesen  FĂ€llen,  ging  ich  dazu  ĂŒber,  dasselbe  noch 
in  FĂ€llen  von  Neurasthenie  besonders  in  Verbindung  mit 
AnÀmie  und  Verdauungsstörungen,  ferner  bei  Herzneurosen, 
hei  nervösen  Blasenstörungen  und  Impotenz,  bei  verschiedenen 
LÀlnnungszustÀnden,  besonders  auf  hysterischer  Basis,  bei 
Magendarmatonie  und  bei  dyspeptischen  Beschwerden  zu  ver- 
ordnen. FrĂŒher  hatte  ich  bei  vielen  funktionellen  Nerven- 
leiden nicht  selten  Brom,  Arsen,  Baldrian  und  bei  gleich- 
zeitigem Status  anaemieus  auch  Eisen  ordiniert.  BromprÀ- 
parate, ebenso  Arsen  und  Baldrian,  in  der  verschiedensten 
Kombination  und  Medikation,  haben  mich  oft  schon  ent- 
tÀuscht, sogar,  wenn  diese  Mittel,  was  in  der  Privatpraxis 
nicht  selten  auf  Schwierigkeiten  stĂ¶ĂŸt,  subkutan  oder  intra- 
muskulÀr angewandt  werden,  wie  dies  ja  beim  Arsen  beson- 
ders in  der  Form  des  Natrium  kakodylicum  geschieht.  Hier- 
zu kommt,  daß  auch  bei  den  verschiedensten  ErsatzprĂ€pa- 
raten des  Broms  Nebenerscheinungen  wie  Stuhlverstopfung, 
Kopfschmerzen  und  Hautreizsymptome  selten  mit  Sicherheit 
auszuschließen  sind.  ArsenprĂ€parate  wirken,  wrenn  nicht 
subkutan  oder  intramuskulÀr  appliziert,  oft  schÀdlich  auf  die 
Verdauungsorgane,  fĂŒr  EisenprĂ€parate  allein  oder  in  Ver- 
bindung mit  Arsen  gilt  Àhnliches,  ihre  Wirkung  ist  auch  oft 
völlig  unzureichend. 

Alle  diese  Fehler  vermeidet  nun  das  „Hellsicol",  welches 
außer  Strychnin  nitr.  Extr.  colae  fluid.,  Natrium  glycerino- 
phosphoricum,  Chininumferrooitricum  enthÀlt,  d.  h.  das 
Eisen  in  einer  fĂŒr  die  therapeutische  Wirkung  sehr  vorteil- 
haften chemischen  Bindung.  Besonders  bei  reinen  Nerven- 
leiden, bei  nervösen  Magendarmleiden,  bei  Herzneurosen,  bei 
Magen -Darmatonien,  bei  LÀhmungszustÀnden  auf  nervöser 
Basis  und  bei  nervösen  AnÀmien  kann  ich  auf  Grund  ein- 


608 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


gehender  und  nunmehr  zweijÀhriger  Versuchsreihen  das 

„Hellsicol"  gar  nicht  genug  empfehlen.  Weit  entfernt  davon, 
therapeutischer  Enthusiast  zu  sein,  kann  ich  mich  hier  wirk- 
lich nur  lohend  Ă€ußern,  zumal  meine  Patienten  selbst  mir 
wiederholt  versicherten,  daß  ihre  Beschwerden  bald  ver- 
schwunden seien;  besonders  in  die  Augen  springend  war  die 
Zunahme  des  Appetits  und  des  Körpergewichts  und  die 
frischere  Gesichtsfarbe,  m.  E.  großenteils  auf  der  von  mir 
nachgewiesenen  Vermehrung  des  HĂ€moglobingehalts  be- 
ruhend. Auch  Nachlassen  der  ErmĂŒdungssymptome  und 
Verbesserung  des  Schlafes  konnte  ich  sehr  hÀufig  wahr- 
nehmen. Bei  der  Behandlung  der  psychischen  Impotenz  hat 
mir  außer  elektrotherapeutischer  Beeinflussung  das  „Hell- 
sicol" auch  mitunter  sehr  gute  Dienste  geleistet.  Schließlich 
möchte  ich  noch  eine  zwar  nicht  gefÀhrliche,  aber  sehr 
lÀstige  Affektion  nennen,  die  besonders  bei  Kriegsteilnehmern 
oft  in  Erscheinung  trat,  es  ist  dies  die  sogen.  Pollakisurie, 
das  ofte  Urinlassen,  welches  auf  kongestiven  ZustÀnden  der 
Blasenschleimhaut  in  Verbindung  mit  Status  neurasthenicus 


beruhen  soll.  Mit  Faradisieren,  Galvanisieren,  Balneotherapie, 
WĂ€rmeapplikationen  in  verschiedenster  Form  lassen  sich 
hier  Besserungen  erzielen;  ich  verordnete  außerdem  noch  das 
„Hellsicol"  und  glaube  hier  auch,  bestimmt  gĂŒnstige  Einwir- 
kungen gesehen  zu  haben.  Freilich  muß  man  das  PrĂ€parat 
hier  oft  lÀngere  Zeit  verordnen.  Auch  die  manchmal  recht 
schweren  neurasthenischen  AngstzustÀnde  chronischer  Go- 
norrhoiker  bilden  neben  der  spezifischen  Behandlung  ein 
gĂŒnstiges  Feld  fĂŒr  die  Anwendung  des  „Hellsicols". 

Auf  Grund  meiner  zahlreichen  und  eingehenden  Beob- 
achtungen glaube  ich  demnach,  mit  großer  Berechtigung,  das 
„Hellsicol",  besonders  auch  wegen  seiner  zweckentsprechenden 
Zusammensetzung  und  seines  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  noch  billigen 
Preises,  bei  den  verschiedensten  nervösen  und  anÀmischen 
ZustÀnden,  sowie  bei  nervösen  Verdauungsbeschwerden,  ner- 
vösen Herzleiden,  Blasenstörungen,  ferner  im  Rekon- 
valeszenzstadium von  Infektionskrankheiten  wie  z .  B  der 
Grippe  u.  a.  den  Kollegen  angelegentllichst  empfehlen  zu 
dĂŒrfen. 


REFERATENTEIL 


La  Presse  Medicale,  Paris. 

20.  Mai  1922,  Nr.  40. 

*J*Radiothe  lapie    der    Sehstörungen    infolge    Tumoren    der    Apophyse.  Ter- 
r  i  e  n  ,  F.  429. 

❖Die   moderne  Behandlung  der  Malaria   und  die    Sterilisation   durch  intra- 
vnöse  Injektionen  ^on  Chinin.    G  e  n  e  v  r  i  e  r,  431. 
Thrombostase  des  Herzens.    Latcmb  :i  c  h  ß  r.  13-'. 

Die  Radiotherapie  der  visuellen  Störungen  iniolge  von  Hypo- 
physentumoren.  Die  Beobachtung  von  10  FĂ€llen  von  Hypophysen- 
tumor mit  visuellen  Störungen  ergab,  daß  von  den  3  gebrĂ€uch- 
lichen Behandlungsmethoden  durch  gemischte  DrĂŒsenextrakte, 
Quecksilber-  oder  Röntgenbestrahlung  die  letztere  die  besten  Er- 
folge zeitigte,  soweit,  daß  sogar  das  vollstĂ€ndig  geschwundene 
Sehvermögen  in  einigen  FÀllen  wiederhergestellt  wurde,  die  An- 
wendung geschieht  am  besten  von  den  SchlÀfengruben  und  der 
unteren  Stirnpartie  in  der  NĂ€he  der  Nasenwurzel  aus.  Die  Dosis 
einer  Sitzung  betrÀgt  5  Einheiten,  unter  Benutzung  eines  Alumi- 
niumfilters von  1  mm  Dicke.  Bei  Akromegalie  ist  Bestrahlung  nur 
im  Beginn  der  Erkrankung  angebracht;  einmal  bestehende  Er- 
scheinungen bleiben  unbeeinflußt. 

Die  moderne  Behandlung  der  Malaria  und  die  Sterilisation 
durch  intravenöse  Chinininjektionen.  Die  Kur  gestaltet  sich  fol- 
gendermaßen: 

M  orgens: 

I,  3.,  6.      Tag  1,20—1,40  g  intravenös 

2.,  4.,  5.,  7.  Tag  1  gr  per  os  10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 
8.,  9..  10.     Tag  10  oentigr.  Na  cacod.  subcutan 

II.  ,  12.  Tag  1  g  per  os  10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 
1R. — 16.  Tag  10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 
17.,  18.        Tag  1  g    per  os   10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 

Abends: 

1. — 7.  Tag  1  g  per  os  10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 
8. — 10.  Tag  10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 

11. — 12.  Tag  1  g  per  os  10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 
13. — 16.  Tag  10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 

17. — 18.  Tag  1  g    per  os   10  centigr.  Na  cacod.  subcutan 
Die  Kur  muß  sofort  beginnen,  da  auch  Minuten  kostbar  sind.  Als 
Lösung  wird  Chin.  hydrochl.  vorwandt,  1,20-1,20  g  in  1,20  arti- 
ficiellem  Serum  gelöst.  Haber. 

24.  Mai  1922.  Nr.  41. 

Cardio-\askul;ire  Wirkungen  der  Uehercxtraktc     R  o  g  it.  H.  1*1. 
<J*Lösung  der  pleuralen  AdhÀsionen   mittels  Koehfrcouenzsfrom   bei  Paeutno- 
tboraxbehandlung.    Hervc.  M.  4*6. 
Babinskis  PhÀnomen.    B  y  c  h  0  w  s  k  i  ,  Z.  H7. 

Lösung  der  pleuralen  AdhÀsionen  mittels  Hochfrcauenzstrom 
bei  Pneumothoraxbehandlung.  Die  Anwendung  des  elektrischen 
Funkens  oder  der  Elektrocongulation  hal  den  Vorteil.  Blutungen 
zu  vermeiden,  durch  Entwicklung  von  Ozon  die  Tuberkulose  zia 
heeinflussen  und  ist  leicht  zu  dosieren.    Verf.  hal  dazu  ein  be- 


sonderes Endoscop  konstruiert  das  aus  2  Teilen  besieht,  einem 
kleinen  Trokart  mit  der  elektrischen  Sonde,  und  einem  Endoscrop. 
mit  dessen  Hilfe  man  die  Sonde  leitet.  Beide  verursachen  nur 
2  kleine  Punktionsöffnungen.  Zur  Lösung  eignen  sich  die  ziem- 
lich schmalen,  begrenzten  AdhÀsionen,  die  sich  oft  nach  den  ersten 
Gasinjeklionen  einstellen  und  einen  vollstÀndigen  Oollaps  der' 
Lunge  verhindern.  H  a  1)  f  r. 

The  Journal  of  Urology,  Baltimore. 

April  1922.  7.  Nr.  4. 

❖Einseitige   atrophische  Pyelonephritis.    William  F.  B  r  a  a  s  e  h. 

Studien  ĂŒber  Physiologie  und  Pathologie  des  Ureters.    Wm.  C.  Q  u  i  u  b  y. 
❖lieber  den  Einfluß  salin» scher  Purgantten  auf  die  Absorption  und  Exeretion 

von    Phenolsulphophtnli  lin.     David    J.  Macht. 
Pncumopyelographio.     (VorlĂ€ufiger  Berieht  ĂŒber  Technik  und  Ergebnisse.] 

Samuel   A.   T  h  o  m  p  s  o  n. 
Auflösung;  von   Steinen  im  Nierenbecken  und  Ureter.    Bube rt  C.   B  r  y  a  n 

und  P*.  I).  l'aldwcH. 
Chirurgische  Infektjonen  der  Blase.    J.  N.  Bake  r. 
Die   Giftigkeit  des   Chlorkaliums   bei  experimenteller  Nephritis.     Frank  I'. 

IT  n  d  e  r  h  i  1  1  und  Boy  C.  Ferguson. 
Sigmaniere.    A.  H  y  m  a  n  n. 
Saligenin   ein    Lokalanacsthetieum   bei    der    Cyetoskople    des    Mannes.  Artbu 

D.  Hir  s  chfeider  und  A .  E.  W  ei  t  h  a  II  und  G  ilbert  J.  Thomas 
Darstellung  einer  Vorrichtung  zum  Halten  von  GlÀschen  bei  der  Ureterer 

Untersuchung.    Charles  S.  Lc  y. 
Billiger  Anfbevrahrungskasten  fĂŒr  Uretereukatheter.    Emma  C.  Seh  rĂŒder. 
Steril isaitor  fĂŒr   Irrigatoren-AnsĂ€tze.    Arthur  B.   C  e  c  i  1. 
% 

Einseitige  atrophische  Pyelonephritis.  Die  einseitige  atro- 
phische Pyelonephritis  ist  aetiologisch,  klinisch  und  pathologisch 
von  der  doppelseitigen  chronischen  Pyelonephritis  zu  trennen.  Im 
Gegensatz  zu  dieser  ergreift  sie  fast  nur  Frauen  in  der  4.  Lebens- 
dekade. Sie  beginnt  mit  einseitigen  dumpfen  Schmerzen  in  der 
Nierengegend,  die  nur  kĂŒrzere  Zeit  andauern,  jedoch  auch  in  meh- 
reren Attacken  auftreten  können;  bisweilen  besteht  gleichzeitig 
Urindrang,  dagegen  wird  SchĂŒttelfrost,  Fieber,  Haematurie  nie  be- 
obachtet. Pathologische  Bestandteile  finden  sich  nicht  im  Urin, 
außer  vereinzielten  Leukocyten.  Die  Urinmenge  ist  von  normaler 
QuantitÀt.  Zystoskopisch  ist  die  Blase  fast  gar  nicht  krankhaft 
verÀndert,  nur  an  der  betreffenden  Ureterenöffnung  finden  sich 
bisweilen  mehr  oder  minder  deutliche  Zeichen  einer  chronischen 
Infektion:  dagegen  findet  man  bei  der  funktionellen  Nieren- 
prĂŒfung die  Menge  des  sezernierten  Urin  der  kranken  Niere  be- 
deutend geringer  als  die  der  gesunden  Seite.  Besonders  deutlich 
ist  die  verringerte  TĂ€tigkeit  der  atrophischen  Niere  bei  der  Phc- 
nolsulphophtaleinprobe  zu  erkennen  und  hier  gar  nicht  zu  ver- 
kennen. Röntgenologisch  sind  das  Nierenbecken  und  die  Nieren- 
kelche hÀufig  verschmÀlert.  Differentialdiagnostisch  kommen 
Verdopplung  des  Nierenbeckens,  weite  Striktur  des  unterer.  Ure- 
lers  und  chronische  Nierentuberkulose  in  Frage.  ^Die  heraus,sye- 
nommene  Niere  fÀllt  durch  ihre  Kleinheit  auf,  3  : 5  cm,  ihr  Gewicht 
betrÀgt  etwa  58  g,  sie  ist  von  derber  Konsistenz  so  wie  bei 
Arteiosklerose,  die  OberflÀche  ist  glatt,  nicht  eingezogen,  die 
verdickte  Kapsel  ist  leicht  abziehbar.  Mikroskopisch  ist  eine  Atro- 
phie des  funktionellen  und  eine  Hypertrophie  d«s  StĂŒtzgewebes 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/5«. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


669 


festzustellen.  Die  Affektion  ist  wahrscheinlich  auf  einen  primÀren, 
septischen  Infarkt  —  von  den  Tonsillen  oder  ZĂ€hnen  ausgehend  — 
ZurĂŒckzufĂŒhren.  Die  Therapie  besteht  in  der  operativen  Ent- 
fernung der  atrophischen  Niere,  die  infolge  ihrer  Kleinheit  wÀh 
irnd  der  Operation  hÀufig  nur  schwer  gefunden  wird.  Die  Dauer- 
resultate sind  Ă€ußerst  gĂŒnstig. 

Ucber  den  Einfluß  salinischer  l'urgantien  auf  die  Absorption 
und  Excretion  von  Phenolsulphophtaloin.  Auf  Grund  vielfacher 
Untersuchungen  an  Doggen,  Kaninehen  und  Menschen  kommt  M. 
ZU  dem  Resultat,  daß  das  oral  oder  subkutan  eingefĂŒhrte  Phenol- 
sulphophtalein  durcli  saliniscbe  AbfĂŒhrmittel  eine  Verzögerung 
seiner  Ausscheidung  erfÀhrt.  Bab  (Berlin). 

The  Kitasato  Archives  of  Experimental  Medicine. 
Oktober  1920,  4,  Nr.  1. 

Die  Leukocyfen  bei   der  Influeniza     mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  ihrer 

aetiologischen  Bedeutung.    Y  a  b  e  ,  S.  1. 
lieber  die  Seruimfestigkeit  der  RecurremsspiroehÀten  und  die  Heilung  dieser 

Krankheit.    Tcyoda.  10. 

The  Kitasalo  Archives  of  Experimenlal  Medicine. 

MĂ€rz  1021,  4,  Nr.  2. 

‱frKinei  Studie  ĂŒber  die  Wutscbutzimpfung  bei  Hunden  und  die  Ergebnis««  ihrer 
praktischen  Anwendung.    U  m  e  n  o  .  L.  und  D  v  i  ,  T.  89. 

Die  Leukoeyten  bei  der  Influenza  mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  ihrer 
Ă€tiologischen  Bedeutung.  —  (Schluß.)  —  Yabe.  6.  109. 

Uebei  die  Kultur  deg  Lcprabacitlus.    Kohda.  K.  14t. 

(Jeher  den  Lebenslauf  des  Faciolopsis  Buski.    Nakagawa,  K.  159. 

Eine  Studie  ĂŒber  die  Wutschutzimpfung  bei  Hunden  und  die 
Ergebnisse  ihrer  praktischen  Anwendung.  Der  Schutzstoff  wurde 
aus  dem  Gehirn  und  RĂŒckenmark  eines  mit  dem  fixierten  Virus 
geimpften  Kaninchens  gewonnen.  —  Mit  der  prophylaktischen 
Impfung  der  Hunde  wurden  sehr  gute  Ergebnisse  erzielt. 

A.  MĂŒnze  r. 

The  Urologie  and  Cutaneous  Review,  St.  Louis\ 
Mai  1922,  26,  Nr.  5. 

❖Hautkrankheiten  in  Siam.    Ralph  W.  Mendelson. 
Pseudoxanthoma     elastieum.      Abbildungen     und     Birichl.     B  i  n  d  f  o  r  d 

Throne  u.  H  e  r  m  a  n  Goodman. 
4  FĂŒlle  von  Epidermophyton  inguinale  mit  ungewöhnlichem  Sitz.    N  o  a  h  E 
A  r  o  n  s  t  a  m. 

Die  Behandlung  der  Prostaiiihypertrophie.    Moritz  P  o  r  o  s  z. 
Fall  von  angeborener  Jffierenatrophie.    Louis  Rene  Kaufmaun. 
Ein  instruktiver  Fall  von  Nierentumor.    H.  Ernett  Paul. 
Nierentuberkulose.  Eimer  Heß. 

Die  Behandlung-  der  Gonorrhoe  des  Mannes.    Frank  Glenn. 

Die  Wirksamkeit  gegen  SpirochÀten  bei  Arsphenamin,  Neoarsphenamiu  und 
Natrium   Arsphenamin.     B  r  u  e  e    M  a  e  a  1  1  u  m. 

Hautkrankheiten  in  Siam.  Hautkrankheiten  kommen  in  Siam 
vielfach  vor,  bieten  jedoch  dem  Spezialisten  im  allgemeinen  nichts 
Neues.  Sehr  hÀufig  ist  das  Ulcus  tropicum,  dessen  Erreger  sicher 
nicht  die  Spiroschaudinnia  Prowazek  ist,  da  diese  Spirochaete  auch 
auf  den  verschiedensten  anderen  Ulcerationen  gefunden  wird. 
HÀufig  ist  die  Frambösie,  die  jedoch  bei  Kindern  nur  selten  be- 
obachtet wird.  Lepra  und  Hautabszeß  kommen  vielfach  vor,  von 
tropischen  Krankheiten  Elephantiasis  und  die  verschiedenen  For- 
men der  Tinea.  Auch  Neubildungen  trifft  man  gar  nicht  selten 
bei  den  Eingeborenen  an,  besonders  Lippencarcinome,  die  oft 
einen  ungeheuren  Zerfall  hervorrufen,  und  wahrscheinlich  durch 
das  dauernde  Belelkauen  verursacht  werden.     Bab  (Berlin). 

The  American  Review  of  Tuberculosis,  Baltimore. 
Februar  1922,  5,  Nr.  12. 
Nachruf  fĂŒr  B.  Childs  Paterson.  931. 

Thomas  Willis  und  nein  Werk  .,Dc  Phthisi  Pulmonjiri".  S'-n  o  w  Miller. 
W.  934. 

Brehmer  und  Dettwciler.    Ihre  Behandlung  der  Lun 
hörn,  M.  y:«o. 

4»Kachektisehee  oder  Endödem  bei  Lungentuberkulose 
M  a  r  k  e  1  ,  C.  973. 

♩!'‱'>  her  Diagnose  der  Lungentuberkulose.     Stewart.  D.   A.  681. 
❖  VerhĂŒtung  der  TuberkuloseĂŒbertragung  durch    Erkenntnis  der  hĂ€ufigen  In- 
fektion Im  schulpflichtigen  Alter.    Krause,  A.  K.  994. 

Terminales  oder  kachektiscb.es  Oedem  im  Verlaufe  der  Lun- 
gentuberkulose. Die  terminalen  Oedeme  bei  der  PhtlĂŒsis  lassen 
Ii  ei  Gruppen  unterscheiden  :eine  kardiale,  eine  renale  und  eine 
igonale  Gruppe.  Bei  der  kleinen  kardialen  Gruppe  kann  das 
)edem  die  rapide  auftretende  Anasarka  der  akuten  Nephritis  vor- 
Ă€uschen.  oder  aber  es  beginnt  schleichend  mit  einer  Ansehwel- 


jentubcrkulose. 
n  u  b  o  l  f .  W 


King- 
S.  und 


lung  in  der  Knöchclgegcnd,  um  sich  dann  allmĂ€hlich  ĂŒber  den 
ganzen  Körper  auszubreiten.  Die  renale  Gruppe  tritt  meist  in  den 
langjÀhrigen  chronisch  fibrösen  FÀllen  mit  anscheinend  latenten 
LungcnlÀsioncn  auf.  Die  charakteristische  NierenverÀnderung 
besteht  in  einer  Herdsklerose.  Die  agonale  Oedemgruppe  ist  wahr- 
scheinlich verursacht  durch  vorzeitige  metabolische  VerÀnderun- 
gen in  den  Geweben  selbst.  Die  Nieren  zeigen  sekundÀre  Funk 
tionsstörungen. 

Einige  Betrachtungen  ĂŒber  die  Diagnose  der  Lungentuber- 
kulose. Verf.  bespricht  kurz  den  diagnostischen  Wert  der  ver- 
schiedenen zur  VerfĂŒgung  stehenden  Mittel  fĂŒr  die  Erkennung  der 
Lungentuberkulose.  Er  wĂŒrdigt  die  Bedeutung  einer  richtigen 
Anamnese,  der  einzelnen  Krankheitssymptome  (Husten,  Auswurf, 
Temperaturerhöhungen,  Verhalten  von  Puls-  und  Blutdruck,  Appe- 
titlosigkeit und  allgemeine  KörperschwÀche),  er  streift  ferner  die 
Komplikationen  (Pleuritis,  Tuberkulose  des  Kehlkopfs,  der  Haut), 
geht  dann  auf  die  Rolle  der  Perkussion  und  Auskultation  ein  und 
beleuchtet  schließlich  die  enorme  Wichtigkeit  der  röntgenologi- 
schen und  der  Sputumuntersuchung.  Die  Tuberkulin-Reaktion  hat 
nur  einen  beschrÀnkten  Wert.  Nicht  minder  wichtig  als  alles 
dies  sei  die  Feder;  jeder  Befund  mĂŒsse  sorgfĂ€ltig  eingetragen 
werden,  nicht  allein  zur  Ermöglichung  einer  spÀteren  Ver- 
gleichung,  sondern  auch  zum  Zwecke  der  Gewinnung  einer  klaren, 
prÀzisen  Ausdrucksweise. 

Die  Vorbeugung  der  Tuberkulose  auf  Grund  der  Beziehung 
der  kindlichen  Infektion  zur  Tuberkulose  der  Erwachsenen.  Aus- 
gehend von  der  Tatsache,  daß  die  Infektionen  des  Kindesalters  zu 
den  Hauptursachen  der  Tuberkulose  der  Erwachsenen  gehören, 
tritt  der  Verf.  fĂŒr  eine  grĂŒndliche  schulĂ€rztliche  Behandlung  durch 
erfahrene,  mit  der  Materie  in  vollem  Umfange  vertraute,  ange- 
messen bezahlte  Aerzte  ein.  Zu  bekÀmpfen  sind  vor  allem  Ma- 
sern, ErkÀltungen,  Keuchhusten  und  Diphtherie,  Tonsillitis  und 
Halsschmerzen.  Kranke  ZĂ€hne,  hypertrophische  Mandeln  und 
adenoide  Vegetationen  im  Nasenrachenraum  spielen  noch  beute 
eine  große  Rolle  im  Kindesalter,  ihre  BekĂ€mpfung  gehört  mit  in 
den  Rahmen  der  TuberkuloseverhĂŒtung.  Bei  der  phlyktĂ€nulĂ€ren 
Konjunktivitis  sind  endlich  nicht  nur  die  Augen  allein,  sondern 
der  ganze  kindliche  Körper  zu  behandeln.  L.  Kann  er. 

The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston. 
20.  April  1922,  186,  Nr.  16 

Der  praktische  Arzt  und  seine  Stellung  zur  wissenschaftlichen  Forschung. 
Lee,  R.  J.  523. 

♊♊«Fall  von  rezidivierendem  beiderseitigem  Pneumothorax.    H  arw  e  s  ,  3.  B.  52S. 
'    ❖GegenwĂ€rtige  Anschauungen  ĂŒber  die  Behandlung  der  Pyelitis.  G  r  a  h  v  i  1  1  e 
Crabitrce,  E.  530. 

Ein  Fall  von  rezidivierendem  beiderseitigen  Pneumothorax. 
Verf.  teilt  einen  Fall  von  rezidivierendem  bilateralen  spontanen 
Pneumothorax  mit,  an  dem  mehrere  Punkte  beachtenswert  sind: 
1.  Der  linksseitige  Pneumothorax  erzeugte  Schmerzen,  die  an 
Angina  und  Neuritis  der  linken  Schulter  und  des  Armes  denken 
ließen,  der  rechtsseitige  erweckte  den  Verdacht  auf  Gallenblasen- 
erkrankung. 2.  Der  gute  Allgemoinzustand  des  Pat.  in  den  Zeil- 
rÀumen, die  zwischen  den  Attacken  lagen,  und  das  Fehlen  per- 
manenter klinischer  Anzeichen  einer  Lungentubeikulose,  obwohl 
solche  wÀhrend  und  kurz  nach  den  Pneumothoraxattacken  deut- 
lieh vorhanden  waren.  Die  Einzelheiten  der  ausfĂŒhrlich  mitge- 
teilten Krankengeschichte,  deren  Beobachtungen  sich  ĂŒber  meh- 
rere Jahre  erstrecken,  hinterlassen  den  sehr  ermutigenden  Ein- 
druck von  einer  Heilbarkeit  der  Tuberkulose. 

Gesichtspunkte  fĂŒr  die  Behandlung  der  Pyelitis.  Das  akute 
Stadium  der  Pyelonephritis,  das  gewöhnlich  prognostisch  gĂŒnstig 
ist.  wird  ĂŒbereinstimmend  mit  Bettruhe,  leichter  DiĂ€t,  vermehr- 
ter FlĂŒssigkeitszufuhr  und  Urotropin  behandelt.  Das  Cystosko- 
pieren  in  diesem  Stadium  gilt  als  kontraindiziert.  Ist  die  Er- 
krankung in  ein  chronisches  Stadium  getreten,  so  leistet  Uro- 
tropin auch  hier  gute  Dienste;  desgl.  die  Auswaschung  des 
Nierenbeckens  mittels  Silbernitrat  und  Mercurochrom.  Dehnung 
des  Ureters  hat  sich  in  FĂ€llen  nĂŒtzlich  erwiesen,  die  mit  Cystitis 
cyslica  und  cystischer  Degeneration  der  Ureterenschleimhaut  ein- 
hergingen. Bei  Urelerstriktur  war  natĂŒrlich  die  Beseitigung  der 
Striktur  die  conditio  sine  qua  non.  Besteht  eine  Pyelitis  lÀnger 
als  2  Jahre,  so  ist  der  gesamte  Urogenitaltraktus  einer  sorgfÀl- 
ligen PrĂŒfung  zu  unterziehen,  um  so  dem  GrundĂŒbel  auf  die 
Spur  zu  kommen.  Die  Fortschritte  der  Pyelographie  haben  uns 
ĂŒber  das  relativ  hĂ€ufige  Vorkommen  von  Nierensenkung  mit 
Abknickung  des  Ureters  belehrt.  Fixation  der  Niere  fĂŒhrt  in 
frĂŒhen  FĂ€llen  zur  Heilung;  hat  die  SchĂ€digung  erst  einen  ge- 
wissen Umfang  angenommen,  so  ist  aaich  die  Plastik  gewöhnlich 
erfolglos.    Mittels   der   Pyelographie   können  auch  kleine,  wie 


II 


(j70  Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


Kugelventile  wirkende  Steine  nachgewiesen  werden;  mit  ihrer 
Entfernung  ist  zugleich  die  Quelle  der  Infektion  beseitigt.  Es 
kann  nicht  genug  betont  werden,  daß  die  Pyelitis  nicht  durch  die 
Anwesenheit  oder  Abwesenheit  von  Eiterzellen  bestimmt  wird, 
sondern  durch  den  Nachweis  von  Bakterien  im  Urin.  Patienten, 
die  2  oder  3  Attacken  von  Pyelonephritis  ĂŒberstanden  haben, 
werden  einer  Reinfektion  verdÀchtigt,  wogegen  de  facto  auch  im 
symptomlosen  Intervall  eine  Goliinfektion  des  Urins  bestand. 

Held  (Berlin). 

The  Journal  of  Nervous  and  Mental  Disease,  New  York. 

Januar  1922,  55,  Heft  1. 

❖Der  gegenwĂ€rtige  Stand  der  epikritischen  und  protopathischen  SensibilitĂ€t 
und  eine  Methode  fĂŒr  das  Studium  der  protopathischen  Dissociation. 
Byrne.  I. 

❖Eine  zusammenfassende  Studie  ĂŒber  endokrine  Störungen  und  Geieiteskrank- 

heiten.    Lewes  und  D  a  w  i  e  s. 
❖Epidemische  Encephalitis,  die;  eine  Myasthenia  gravis  vortĂ€uschte.  Gross- 

m  a  n.  33. 

Der  gegenwÀrtige  Stand  der  epikritischen  und  protopathischen 
SensibilitĂ€t  und  eine  Methode  fĂŒr  das  Studium  der  protopathischen 
Dissociation.  B.  wendet  sich  gegen  die  Einteilung  von  Head  in 
Bezug  auf  epicritische  und  protopathische  GefĂŒhlsqualitĂ€ten,  da 
diese  GefĂŒhlsqualitĂ€ten  nicht  einfache,  sondern  schon  Ă€ußerst 
komplizierte  seien;  und  weiterhin  die  tiefe  protopathische  Ge- 
fĂŒhlsqualitĂ€t von  Head  garnicht  erwĂ€hnt  werde,  die  hauptsĂ€ch- 
lich in  den  Eingeweiden  gefunden  wird.  Aus  dem  Studium  bei 
Tumoren  und  nach  Unterbrechungen  des  RĂŒckenmarks  muß  man 
schließen,  daß  wenigstens  2  getrennte  und  anatomisch  unterschie- 
dene Systeme  fĂŒr  die  Leitung  von  afferenten  Impulsen  vorhanden 
sind.  Das  eine  System,  von  ihm  affektives  System  bezeichnet, 
leitet  die  nicht  genau  lokalisierten,  ungenau  bestimmbaren  Ele- 
mente, wie  allgemeine  Schmerzempfindung,  angenehme  GefĂŒhle, 
LageverÀnderung  und  das  andere,  von  ihm  kritisches  System  ge- 
nannt, leitet  die  wohllokalisierten,  kritischen  und  quantitativen 
Elemente  (SchĂ€rfe,  GrĂ¶ĂŸe,  Gestalt,  WĂ€rme,  Raumdifferenzen,  ge- 
naue Lage  und  passive  Bewegungen).  Das  affektive  System 
endet  im  Thalamus  opticus,  das  kritische  System  in  der  Hirnrinde. 
Jedes  dieser  Systeme  leitet  auch  von  tiefergelegenen  Zellen  Ge- 
fĂŒhlsqualitĂ€ten nach  oben.  So  mußte  man  unterscheiden  ein  ober- 
flÀchlich-kritisches System,  ein  oberflÀchlich  affektives  System, 
ein  tiefes  kritisches  System  und  ein  tiefes  affektives  GefĂŒhls 
system.  Jedes  dieser  4  Systeme  hat  getrennte  Leitungen  zum 
zentralen  System.  Zur  Feststellung  dieser  4  verschiedenen  Ge- 
fĂŒhlsqualitĂ€ten mĂŒĂŸte  eine  einheitliche  Versuchsanordnung  ge- 
wÀhlt werden. 

Eine  zusammenfassende  Studie  ĂŒber  endokrine  Störungen  und 
Geisteskrankheiten.  Genaue  Beschreibung  von  22  FĂ€llen  von 
Geisteskrankheiten,  bei  denen  auf  endokrine  Symptome  geachtet 
wurde.  Bei  einer  Anzahl  von  FĂ€llen  konnten  neben  der  Geistes- 
krankheit auch  endoerine  Störungen  festgestellt  werden.  Inwie- 
weit letztere  primÀr  oder  sekundÀr  zur  Geisteskrankheit  stehen, 
entscheiden  die  Autoren  nicht.  Bei  einer  ganzen  Anzahl  FĂ€lle 
wurde  eine  herabgesetzte  Funktion  der  Thyreoidea  gefunden.  In 
diesen  FĂ€llen  wirkte  eine  Gabe  von  Thyreoidextrakten  auch  auf 
die  psychischen  Krankheitssymptome  gĂŒnstig  ein.  Deutliche 
Zeichen  von  schweren  innersekretorischen  VerÀnderungen  zeigten 
nur  wenige  FÀlle,  wÀhrend  leichte  Störungen  bei  den  meisten 
vorhanden  waren.  Therapeutisch  beeinflußbar  waren  nur  solche 
mit  ausgeprÀgten  Erscheinungen.  Besonders  wertvoll  zur  Unter- 
scheidung von  Hyper-  und  Unterfunktion  von  DrĂŒsen  zeigten 
sich  die  PrĂŒfung  auf  Zuckertoleranz  und  die  PrĂŒfung  auf  Funk- 
tion der  Thyreoidea.  (Erstere  durch  Bestimmung  des  Blutzuckers 
vor  und  nach  Zuckerdarreichung,  leztere  durch  Feststellung  der 
Pulsfrequenz  vor  und  nach  Darreichung  von  0,1  Thyreoidin  aus- 
gefĂŒhrt.) 

Epidemische  Encephalitis,  die  eine  Myasthenia  gravis  vor- 
tÀuscht. Beschreibung  von  3  FÀllen.  Neben  allgemeineren 
Symptomen  der  Encephalitis  lethargica  (Doppelsehen,  Inkontinenz 
des  Urins,  Schwindel,  GedÀchtnisschwÀche)  bildeten  slich  aus 
Unsicherheit  im  Gang  und  zunehmende,  allgemeine  Muskel- 
schwÀche. Es  fehlte  dabei  aber  das  typische,  myasthenische  Er- 
mĂŒdungsphĂ€nomen und  die  myasthenische  elektrische  Reaktion. 
In  einem  Falle  konnte  die  Sektion  gemacht  werden,  sie  ergab 
die  typischen  Zeichen  einer  Encephalitis,  Rundzelleninfiltration 
an  den  Lymphscheiden  des  Mesencephalons,  der  Medulla  oblongata 
und  des  RĂŒckenmarks.  G.  Dorn  er  (Leipzig). 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital,  Baltimore. 

Mai  1922,  33,  Nr.  375. 

❖Die  Entwicklung  der  menschlichen  Rassen  im  Lichte  der  Hormonen-Theorie. 
Reith,  A.  155. 

Die  pharmakologische  Wirkung  des  Adrenalins  auf  den  Sphlncter  pylori  dos 
Fötus.    S  h  i  p  1  e  y  ,  P.  G.  und  B  1  a  c  k  f  a  n,  K.  D.  159. 

AnÀmie  der  Ratten  bei  defizienter  Kost.    H  a  p  p  ,  W.  M.  163. 

Eedcutung  des  Influenza-Bazillus.    B 1  o  o  in  f  i  e  1  d  ,  A.  L.  172. 
❖Das  Tuberculum  intercolumnare,  ein  bisher  nicht  beschriebener  Hof  i«  der 
Wand  des  dritten  Ventrikels.    Putnam,  T.  J.  181 

Pseudomyxoma  Peritonei.    N  o  v  a  k  ,  E.  182. 
❖Histamin  als  En'fczĂŒndungserregcr.    Bloom,  W.  185. 

Behandlung   nicht  eingekapselter  Hirntumoren   durch  extensive  Resektion 
kontagiösen  Hirngewebes.    Dandy,  W.  E.  188. 

Spontangeburt  durch   schiefes,   kontrahierte«,   kyphotUches  Tricnterbeeken. 
Williams,  J.  W.  190. 

Die  Entwicklung  der  menschlichen  Rassen  im  Licht  der  Hor- 
montheorie. Auf  Grund  des  Befundes  einer  vergrĂ¶ĂŸerten  sella 
turcica  bei  einem  SchĂ€del,  der  eine  große  Aehnlichkeit  mit  dem 
NeandertalschĂ€del  aufwies,  stellt  Verf.  die  Theorie  auf,  daß  der 
Neandertalmensch  eine  Rasse  darstellt,  bei  der  es  durch  Hyper- 
iunktion  der  Hypophyse  zur  Entwicklung  derjenigen  körperlichen 
Merkmale  gekommen  ist,  die  fĂŒr  die  Akromegalie  charakteristisch 
sind.  Ganz  allgemein  dĂŒrften  die  innersekretorischen  DrĂŒsen  wohl 
bei  der  Frage  nach  der  Entstehung  der  verschiedenen  Rassen 
eine  hervorragende  Rolle  spielen.  Verf.  weist  darauf  hin,  daß  bei 
der  Akromegalie  die  Wachstumstörung  im  wesentlichen  funk- 
tionell zusammengehörige  Körperteile  ergreift,  so  am  SchÀdel,  die 
mit  der  Kaufunktion  in  Zusammenhang  stehenden  Partien,  sowie 
die  der  Nackenmuskulatur  als  Ansatz  dienenden  Teile  des  Hinter- 
hauptes. Die  Hypophyse  scheint  durch  ihr  Hormon  zu  bewirken, 
daß  vermehrte  Muskelarbeit  von  einer  quantitativ  angemessenen 
Hypertrophie  der  verschiedenen  Organsysteme  beantwortet  wird; 
dieser  hormonale  Regulationsmechanismus  ist  bei  der  Akrome- 
galie gestört. 

Das  Tuberculum  intercolumnare,  ein  noch  nicht  beschriebenes 
Gebilde  in  der  Vorderwand  des  dritten  Ventrikels.  Verf.  be- 
schreibt ein  in  der  Vorderwand  des  dritten  Ventrikels  gelegenes 
Gebilde,  welches  in  mancher  Hinsicht  den  frĂŒher  beschriebenen 
Areae  postremae  des  vierten  Ventrikels  zu  entsprechen  scheint 
Es  handelt  sich  um  ein  kleines,  bis  ein  mm  im  Durchmesser  be- 
tragendes Knötchen,  das  zwischen  den  columnae  fornicis  in  der 
Höhe  des  oberen  Randes  der  foramina  Monroi  unterhalb  der  Ver- 
bindungsstelle der  beiden  seitlichen  plexus  chorioidei  gelegen  ist. 
Mikroskopisch  ist  das  Gebilde  aus  eigentĂŒmlich  losem  Gliagewebe 
zusammengesetzt,  es  enthÀlt  zahlreiche  plumpe  Capillaren;  die 
OberflÀche  wird  durch  ein  niedriges  Endothel  gebildet.  Die  Adven- 
titia  der  Capillaren  fÀrbt  sich  vital  mit  Trypanblau.  Eine  be- 
stimmte Funktion  des  als  tuberculum  intracolumnare  vom  Verf. 
bezeichneten  Gebildes  lĂ€ĂŸt  sich  nicht  angeben. 

Histamin  als  entzĂŒndungserregendes  Agens.    Die  Tatsache, 

daß  der  EntzĂŒndungsvorgang  sich  in  gleicher  Weise  abspielt, 
wenn  er  als  Reaktion  auf  eine  abakterielle  GewebsschÀdigung 
(Nekrose)  oder  als  Antwort  auf  eine  infektiöse  SchÀdigung  durch 
eingebrachte  Bakterien  auftritt,  legt  die  Annahme  nahe,  daß  die 
entzĂŒndungserregenden  Substanzen  eher  dem  zerstörtem  Gewebe 
als  den  Mikroorganismen  entstammen.   Verf.  prĂŒfte  experimentell 
die  Frage,  ob  das  Imidazolaethylamin  (Histamin),  das  sich  durch 
seine  intensive  Wirkung  auf  die  Capillaren  auszeichnet,  entzĂŒn- 
dungserregende Eigenschaften  zeigt.    Es  wurde  das  Histamin 
in  physiologischer  Kochsalzlösung  Katzen  intraperitoneal,  sub- 
kutan und  intramuskulÀr  injiziert,  ferner  wurde,  um  eine  mög 
liehst  lokal  begrenzte  Wirkung  zu  erzielen,  das  Histamin  in  Kol 
lodiumkapseln  in  das  Gewebe  eingebracht;  endlich  wurde  in  vitr 
die  chemotaktische  Wirkung  auf  Leukozyten  untersucht.   In  keine 
dieser  verschiedenen  Versuchsanordnungen  zeigte  sich  eine  ent 
zĂŒndungserregende  oder  positiv   chemotaktische  Wirkung  des 
Histamins  im  Vergleich  zu  Kontrollversuchen  mit  reiner  Koch- 
salzlösung. Wolff  (Hamburg). 

Endoerinology. 

Januar  1922,  8,  Nr.  1. 

Ein  spontaner  Tetanieanfall  wÀhrend  einer  paroxysmalen  Polypnoe  bei  einem 
neuraethenlschen  Parienten  in  der  Rekonvaleszenz  nach  endemischer 
Enzephalitis.  Leweil  ys  F.  Barker  u.  Thomas  Sprunt,  P.  1. 
❖Hypopituitarismus  und  seine  Behandlung.    L  i  s  s  e  r  ,  H.  15. 

FrĂŒhere  Beobachtungen  Uber  die  Hypophyse.  Harre  y,  G.  und  Beck, 
H.  G.  40. 

♩Einige  Beobachtungen  Uber  den  Wasser-  und  Salzstofrwechsel  beim  Dtab_ete§ 
mellitus.    K  o  o  p  m  a  u.  48. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Aus  den  neuesten  Zeitschriften 


♩Studien  ĂŒber  Störungen  der  SchilddrĂŒse.  HI.  Weitere  Studien  ĂŒber  die 
pathologische  und  klinische  Bedeutung  diffuser  Adenomatös!*  der  Thyreo- 
idea.   G  o  e  t  s  c  h  ,  E.  59. 

Verabreichung   von   Adrenalin    bei    byperthyreolMvohen   Zustiindem.  Ro- 
g  e  r  s  ,  J.  78. 

NebennierenvergrĂ¶ĂŸeming  liei  Kaninchen.    Theodore,  L. ,  Squier,  L. 
und  G  r  a  b  f  i  c  l  d  .  t:.  r.  85. 

♩Die  Wirkung  von  Jod  und  .lodothyrin  auf  Salamanderlarven.  I.  Die  Wir- 
kung des  Jods  und  Jodothyrlna  auf  die  Metamorphose  von  Amhlystoma 
maoulatum.    Uhlcnhu.Ph,  E.  102. 

Hypopituitarisnws  und  seine  Behandlung.  Die  verschie- 
densten Formen  innersekretorischer  Störungen,  die  auf  ein  Ver- 
sagen, eine  Unterfunktion  der  Hypophyse  zurĂŒckzufĂŒhren  sind, 
vvi  rden  in  drei  große  Gruppen  eingeteilt:  1.  den  Levi-Lorain- 
schen  Typus  mil  Infant ilismus,  charakterisiert  durch  ZurĂŒck- 
bleiben im  LĂ€ngenwachstum  und  Aplasie  des  Genitale  aber  ohne 
7ettsucht.  2.  den  Fröhlich  sehen  Typus  der  dystrophia  adi- 
poso  genitalis,  welcher  neben  den  Symptomen  des  ersteren  noch 
starke  Fettsucht  zeigt  und  3.  den  Typus  von  Neurath- 
Cushing,  Steigerung  des  LĂ€ngenwachstums  mit  Aplasie  des 
ienitale  und  Fettsucht.  —  Aetiologisch  konnten  die  mannigfaltig- 
iten  SchĂ€digungen  der  Hyphophyse  nachgewiesen  werden.  —  Lues, 
Puberkulose,  erbbiologisch  bedingte  Störungen  der  Funktion,  Tu- 
noren.  —  Die  Prognose  ist  bei  dem  Stande  unserer  heutigen  Organo- 
herapie  noch  sehr  ungewiß.  In  einzelnen  FĂ€llen  wurden  durch 
>rale  Verabreichung  glÀnzende  Erfolge  erzielt,  wÀhrend  andere 
vieder  ĂŒberhaupt  nicht  ansprachen.  Von  6  FĂ€llen,  welche  den  ver- 
schiedensten Gruppen  angehörten,  wurden  bei  drei  jugendlichen 
Individuen  keine  Erfolge  erzielt.  Dagegen  nahm  Fall  5  (28  jÀh- 
‱ige  Frau)  bei  tĂ€glich  10  grains  (0.648  g  Ref.)  Hypophysenextrakt 
Armour  Company)  und  14  Injektionen  vor  Vorderlapp.cn- 
»xlrakten  (Borrough  u.  Welcome)  um  acht  Pfund  ab  bei  einer 
Verminderung  des  HĂŒftumfanges  um  1,5  Zoll;  psychisch  war  eine 
rhöhte  AktivitĂ€t  bemerkenswert,  eine  Steigerung  der  Libido.  — 
‱all  VI,  der  innerhalb  eines  Jahres  um  60  Pund  zunahm  (18- 
Àhriges  MÀdchen)  wurde  sechs  Monate  lang  mit  wöchentlich 
jinier  Injektion  Hypophysenextrakt  und  qralen  Gaben  von 
'5  grains  DrĂŒsen  behandelt.  Das  Gewicht  nahm  hierbei  um 
.5  Pfund  ab,  der  Taillenumfang  um  2,5  Zoll,  Brust-  und  HĂŒft- 
imfang  um  je  1  Zoll.  Subjekt  IV  wurde  lebhafteres  Wesen, 
>essere  Laune  angegeben  und  von  der  Familie  bestÀtigt.  Da- 
gegen trat  die  Menstruation  nicht  wieder  ein.  —  Fall  VII  zeigte 
benfalls  trotz  dreimonatlicher  Behandlung  (37jÀhrige  Frau)  mit 
ichilddrĂŒsenextrakt  kein  Wiederauftreten  der  Periode,  dagegen 
etzten  die  Blutungen  nach  vierwöchentlichen  Gaben  von  tÀglich 
5  grains  Vorderlappenextrakt  regelmĂ€ĂŸig  wieder  ein,  und  das 
(örpergewicht  nahm  um  25  Pfund  ab  —  ein  spezifischer  und 
;lĂ€nzender  Erfolg.  —  Fall  IX,  47  jĂ€hriger  Mann  vom  Fröhlich- 
chen  Typus  mit  fehlendem  Bartwuchs,  infantilem  Genitale.  Nach 
injÀhriger  Verabreichung  von  B.  u.  W.  Vorderlappenextrakt 
is  tĂ€glich  30  grains  nahm  das  Gewicht  ab,  der  Umfang  ĂŒber 
en  BrĂŒsten  um  3  Zoll,  der  HĂŒftenumfang  um  4  Zoll.  Gleich- 
eilig stellte  sich  leichter  Haarwuchs  im  Gesicht  und  an  der 
2gio  pubis  ein.  Auffallend  war  die  VerÀnderung  der  Haut,  die 
uerst  weich,  unelastisch,  wachsartig  und  kalt  war,  nach  der 
herapie  aber  dĂŒnner  und  elastischer  wurde.  Psychisch  ist  zit- 
ehmende  Energie,  grĂ¶ĂŸere  Geselligkeit  bemerkenswert. 

Einige  Beobachtungen  ĂŒber  den  Wasser-  und  Salzstoff- 
echsel  beim  Diabetes  mellitus.  Es  ist  wiederholt  die  Frage 
ifgeworfen  worden,  ob  nicht  gewisse  Formen  von  Diabetes 
sipidus  (Veil  unterscheidet  eine  hyper-  und  hypochlorÀmi- 
he)  dieselbe  Entstehungsursache  haben  wie  bestimmte  Krank - 
iilsbilder  des  Diabetes  meSHtus).  Verf.  konnte  verschiedene 
alle  der  letzteren  Erkrankung  nachweisen,  in  denen  der 
asser-  und  Salzstoffwechsel  große  Aehnlichkeit  mit  der  hyper- 
lorÀmischen  Form  der  Diabetes  insipidus  aufwies,  dagegen 
nd  er  keine  Erkrankungen  beim  Diabetes  mellitus,  welche  der 
irpochlorÀmie  Àhnlich  waren. 

Weitere  Studien  ĂŒber  die  pathologische  und  klinische  Bedeu- 
tig diffuser  Adcnomatosis  der  Thyreoidea.     Viele  FĂ€lle  von 
krankungen  weiblicher  Personen  im  Alter  von  20—30  Jahren 
t    den     folgenden     Krankheitssymptonwn:  MuskelschwÀche, 
chter  Erregbarkeit,  Gewichtsabnahme,  NervositÀt,  leicht  er- 
;barem  Puls  mit  geringer  Tachykardie,    Muskelzittern,  ver- 
hrlem  Schweißausbruch,  Erregbarkeit  der  Vasomotoren,  De- 
^ssionen    und    AngstzustÀnden,    wurden    bisher    unter  der 
[ignose  „Neurasthenie",  beginnende  Tuberkulose  usw.  behan- 
i  t.   Die  objektive  Untersuchung  ergibt  außer  diesen  Symptomen 
istens  nichts  Auffallendes  außer  einer  starken  Reaktion  auf 
i  :  Injektion  von  0.5  cem  Adrenalin  0.1  %   (Goetsch  Test),  so 
<  \  dio  Diagnose  Hyperthyreoddismus  meistens  nur  per  exclu- 


sionem  gestellt  werden  kann.  —  Die  histologische  Untersuchung 
solcher  FĂ€lle  ergibt  bisweilen  ein  diffuses  Adenom  der  Schild- 
drĂŒse mii  Vermehrung  der  interstitiellen  epithelialen  Zellen. 
Atrophie  Àlterer  Kolloidfollikel  und  Neubildung  kleinerer  Acini, 
welche  von  einem  Rande  K"i  fÀrbbarer  Epithelzellen  umgeben 
sind. 

Die  Wirkung  von  Jod  und  .lodothyrin  auf  Salamanderla  rven. 

Anorganisches  Jod  vermag  nicht  direkt  die.  Metamorphose  bei 
Amphibienlarven  zu  beschleunigen,  sondern  erst  auf  dem  Um- 
wege ĂŒber  diei  SchilddrĂŒse  wird  eine  spezifische  prganische 
Verbindung  erzeugt,  welche  (liest«  inkretorischen  Eigenschaften 
besitzt.  Zum  Beweise  werden  FĂŒltcrungsversuche  an  Salaman- 
dern angefĂŒhrt,  die  ohne  Erfolg  waren,  da  bei  ihnen  die  Thy 
reoidea  wĂ€hrend  des  grĂ¶ĂŸten  Teils  der  Larvenperiode  noch  nicht 
sezerniert  im  Gegensatz  zu  den  Kaulquappen,  die  ja  schon  frĂŒh 
auf  SchilddrĂŒsen-  und  JodfĂŒllcrung  reagieren. 

A.  Weil  (Berlin). 

Boston  Med.-and.  Lurg.  Journal. 

4.  Mai  1922,  186,  Nr.  18. 
❖Trockenmilch.    Leary,  T.  591. 

❖Chronische  GĂ€xungsdyspepsie.    Jaukelson,  .1.  R.  597. 
❖Schwangerschaft  und  Geburt  hei  Frauen,  die  mittels  Kaiserschnitt  entbunden 

haben.    Williams,  J.  T.  599. 
Kiefer-Sarkom.    G  i  b  b  y  ,  H.  J.  602. 

❖Die  Diphtherie-MortalitĂ€t  in  ihrer  Beziehung  zu  fehlerhaften  Kulturen.  Scott 
O'Keefc,  E.  603. 

Iniplantation  des  Ovariums.    M  e.  ser,  J.  H.  604. 

Trockenmilch.  Daß  in  der  Elimination  des  Wassers,  das  der 
Milch  ihren  verderblichen  Charakter  verleiht,  ein  großer  Vorteil 
liegt,  ist  ohne  weiteres  ersichtlich.  Der  Trockenprozeß  hebt  die 
Vermehrungsmöglichkeit  von  Bakterien  in  der  Milch  auf.  All  die 
Kosten,  die  aus  dem  Transport  flĂŒssiger  Milch  erwachsen,  z.  B.  Ge- 
friervorrichtungen, besondere  Wagen,  zerbrechliche  GefĂ€ĂŸe,  fallen 
bei  der  Trockenmilch  fort.  Es  kommt  ferner  in  Wegfall  die 
öffentliche  Ueberwachung  der  Versorgungsquellen  und  die  labö- 
ratoriumsmĂ€ĂŸige  Untersuchung  auf  QualitĂ€t  und  Verunreinigung. 
Die  Neigung  zur  VerfÀlschung  der  Milch  im  Kleinhandel  hört  mit 
der  Verwendung  pulverisierter  Milch  ebenfalls  auf.  Der  heutige 
Stand  des  Trockenverfahrens  ermöglicht  es  dem  Milchproduzenten, 
die  Milch  an  der  Erzeugungsstelle  einzudampfen  und  sich  damit 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  Saisonforderungen  unabhÀngig 
zu  machen,  wodurch  auch  eine  Verbilligung  der  Milch  fĂŒr  den 
Verbraucher  eintritt.  Was  heute  gegen  die  allgemeine  Verwendung 
von  Trockenmilch  spricht,  ist  ihr  Preis,  was  umso  erstaunlicher 
ist,  als  ja  —  wie  oben  gesagt  —  die  Verteilung  auf  den  Klein- 
handel viel  weniger  kostspielig  ist  als  bei  der  flĂŒssigen  Milch. 
Vielleicht  ist  die  Reklame  zur  EinfĂŒhrung  der  Trockenmilch 
Schuld  an  der  Preiserhöhung,  dann  wĂŒrde  die  ausgedehnte  Ver- 
wendung automatisch  zu  einer  Herabsetzung  fĂŒhren.  Der  Arzt 
sollte  das  Publikum  auf  die  Vorteile  hinweisen,  die  mit  der  Ver- 
wendung von  Trockenmilch  verbunden  sind;  er  soll  aber  auch  die 
Grenzen  ihrer  Anwendung  kennen  und  bei  ausschließlicher  Dar- 
reichung von  Trockenmilch  mindestens  ein  antiskorbutisches 
Agens,  wie  Orangensaft,  hinzufĂŒgen.  Schließlich  sollte  er  be- 
denken, daß  die  aus  Trockenmilch  bereitete  FlĂŒssigkeit  einen  ge- 
nau so  guten  NĂ€hrboden  fĂŒr  Bakterien  darstellt  wie  die  frische 
Milch,  und  daß  sie  deshalb  nur  in  kleinen  Mengen  zum  sofortigen 
Verbrauch  und  unter  peinlichen  Sauberkeitsmaßnahmen  herge- 
stellt werden  muß. 

Chronische  GĂ€rungsdyspepsie.  Im  Jahre  1901  beschrieben 
Straßburger  und  Schmidt  einen  Typ  chronischer  Diarrhoe,  der 
durch  leichtgefĂ€rbte  StĂŒhle  von  saurem  Geruch  und  ebensolcher 
Reaktion  bei  Anwesenheit  reichlicher  Mengen  unverdauter  StÀrke 
bestimmt  ist.  Die  klinische  Erkennung  dieses  in  Ablauf  und 
Symptomatologie  selbstÀndigen  Krankheitsbildes  ist  wichtig  und 
auch  fĂŒr  den  praktischen  Arzt  von  Bedeutung,  weil  er  dadurch 
ernsteren  Folgeerscheinungen  vorbeugen  kann.  Klinisch  prÀsen- 
tiert sich  die  GĂ€rungsdyspepsie  als  eine  milde  Colitis  mit  Be- 
teiligung des  angrenzenden  Ileums;  sie  geht  einher  mit  Hypermoti- 
litÀt  des  gesamten  Darmtrakts  und  einer  gesteigerten  Empfind- 
lichkeit der  DĂ€rme  gegen  die  Produkte  der  GĂ€rung.  Der  Patient 
klagt  ĂŒber  persistierende  Diarrhoe  und  ĂŒber  Meteorismus,  der 
durch  Abgang  von  Flatus  gemildert  wird.  Kolikartige  Schmerzen 
sind  selten  und  verschwinden  mit  der  Entleerung.  Besteht  der  Zu- 
stand lÀngere  Zeit,  so  gesellen  sich  Schwindel,  Kopfschmerzen, 
Schlaflosigkeit,  herabgesetzte  LeistungsfĂ€higkeit  dazu,  schließlich 
entwickelt  sich  eine  ausgesprochene  Neurasthenie,  von  Cohnheim 
als  „Enterosthenie"  bezeichnet.   Die  QuantitĂ€t  der  in  den  StĂŒhlen 


672 


Aus  d«n  neuesten  Zeitschriften 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


nachgewiesenen  freien  StĂ€rke  ist  ein  Index  fĂŒr  den  Grad  der  Er- 
krankung, ihr  Verschwinden  ist  ein  prognostisch  gĂŒnstiges 
Zeichen.  Die  Behandlung  ist  vorwiegend  diÀtetisch.  Theoretisch 
kommt  es  darauf  an,  die  gÀrungserregenden  Bakterien  durch  pas- 
sende Nahrungsauswahl  zu  beschrÀnken  und  das  Gleichgewicht 
der  Darmflora  herzustellen.  Die  diÀtetische  Behandlung  beginnt 
mit  strenger  oder  teilweise  eingeschrÀnkter  Kohlehydratkarenz. 
Alle  anderen  therapeutischen  Maßnahmen  sind  von  sekundĂ€rer 
Bedeutung.  Magnes.  sulf.  soll  man  nur  einmal  im  Beginn  geben, 
Adslringcntien  sind  zu  vermeiden,  Opium  ist  ausgesprochen  schÀd- 
lich. Tierkohle  wirkt  gĂŒnstig  durch  Gasabsorption.  Belladonna 
(oder  Atropin)  ist  das  Medikament  der  Wahl,  wegen  seiner 
krampfstillenden  und  sekretionseinschrÀnkenden  Wirkung.  Be- 
wÀhrt hat  sich  folgende  Vorschrift:  Extr.  Bellad.  0.2,  Bismuth. 
salicyl.  .r>,0,  Calc,  phosph.,  Carbi  animal.  aa  20,0,  3  X  tgl.  1  Tee- 
löffel nach  der  Mahlzeit.  FÀlle,  die  durch  Achylia  gastrica  kom- 
pliziert sind,  bedĂŒrfen  natĂŒrlich  besonderer  Beachtung  und  lĂ€nge- 
rer Behandlung. 

ScliAvangerschaft  und  Geburt  bei  Frauen,  die  mittels  Kaiser- 
schnitt entbunden  haben.  Patienten,  die  einmal  einen  Kaiser- 
schnitt durchgemacht  haben,  bedĂŒrfen  zu  weiteren  Geburten  stets 
der  Klinikaufnahme  und  der  Ueberwachung  durch  einen  geĂŒbten 
Chirurgen.  Da,  wo  die  Indikation  zum  Kaiserschnitt  eine  bleibende 
ist,  wie  bei  engem  oder  deformiertem  Becken,  ist  die  Wiederholung 
des  Kaiserschnittes  natĂŒrlich  unbedingtes  Erfordernis.  War  die 
Indikation  nur  temporÀr,  wie  hei  Placenta  praevia,  Eklampsie, 
vorgefallenem  Arm,  beckenverengenden  Neubildungen,  dann  sollte 
die  Patientin  unter  sorgfÀltiger  Beobachtung  möglichst  per  vias 
naturales  entbinden. 

Die  Diphtherie-MortalitÀt  in  ihrer  Beziehung;  zu  fehlerhaften 
Kulturen.  Eine  Verzögerung  in  der  DiagnosensHlhm';.  der  Diphthe- 
rie kann  dadurch  eintreten  und  verhĂ€ngnisvolle  Folgen  haben,  daß 
die  bakterielle  Untersuchung,  obwohl  lege  artis  angestellt,  keine 
verlĂ€ĂŸlichen  Resultate  liefert.  Die  Schuld  liegt  dann  nicht  beim 
Bakteriologen,  sondern  beim  Praktiker,  der  den  Abstrich  nicht 
richtig  entnommen  hat.  Es  ist  auch  noch  viel  zu  wenig  bekannt, 
daß  in  20  %  aller  FĂ€lle  echter  Diphtherie  die  PrimĂ€rkulturen 
negativ  sind,  wogegen  die  nachfolgenden  positiv  ausfallen.  Der 
negative  Befund  darf  also  bei  deutlichem  klinischen  Aspekt  nicht 
dazu  verleiten,  die  Serum-Applikation  unnötig  lange  hinauszu- 
schieben. Held  (Berlin). 


The  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 


15.  April  1922,  78,  Nr.  15. 


^Chronische  infektiöse  Arthritis.    Billings,  F.,  C  o  1  e  m  a  q  .        U.  und 
Hibbs,  W.  G.  1097. 

♩KMyotonia  congenita  kompliziert   durch  akute  Cholezystitis.     Morgan,  W. 
G.  und  Stuart,  D.  D.  V.  1105. 

♩{‱Diagnostischer  Wert  der  Bestimmung  der  ritalen  LuriR-enkapazitst  hei  Kin- 
dern.   Wilson,  M.  G.,  und  Edwards,  D.  J.  1107. 
Karotin-VerfÀrbung  der   Haut   durch    vegetabilische  ErnÀhrung.  Hlrotoshi 

Hashimoto.  1111. 
Ulnar-Paralyse  durch  Druckwirkung  eines  Gipsverbandes.  L  e.w  i  u  ,  P.  1112. 
Kongenitales  DiTertikulum  der  Blase.    I.  e  c  o  m  p  t  e  .  R.  M.  1113. 
Perineale  HĂŒftgelenksverrenkung.    Campbell,  W.  C.  1115. 
Das  Elcktrogastrogramm.    Alvarez,  W.  0.  iil6. 

Infektiöser  Ikterus  im  Staate  Neivv  York.  Wads  worth,  A.  Lau  g- 
worthy.  H.  V.,  S  t  e  w'a  r  t  .  F.  C,  Moor  e,  A.  C,  und  C  o  1  m  a  n  . 
M.  B.  1120. 

Verteilung  von  Vitamin  B.  in  Vegotabilien.  O  sh.o  r  n  e- ,  T.  B..  und  M  e  n  - 
d  e  1 ,  L.  B.  1121. 

Chronische  infektiöse  Arthritis.  Auf  Grund  ihrer  Unter- 
suchungen halten  die  Verff.  es  fĂŒr  erwiesen,  daß  in  erster  Linie 
Streptokokkeninfektionen,  die  in  der  Mehrzahl  der  FĂ€lle  sich 
primĂ€r  als  HalsentzĂŒndungen  dokumentieren,  aetiölogisch  in 
Frage  kommen.  Es  spielt  neben  diesem  Infektionsweg  die  Viru- 
lenz und  die  Menge  der  eingedrungenen  Bakterien  eine  Rolle. 
Verff.  glauben,  daß  sich  im  Anschluß  an  die  primĂ€re  Infektion 
eine  Bakteriaemie  entwickelt,  in  deren  Verfolg  die  Bakterien  in  die 
Gelenke  eindringen  und  hier  ganz  bestimmte  pathologische  Ver- 
Ă€nderungen hervorrufen.  In  den  FĂ€llen,"  die  Verff.  systematisch 
untersuchten,  handelte  es  sich  fast  immer  um  nicht  hÀmolysierende 
Streptokokken  von  relativ  geringer  Virulenz.  Die  Ursache  fĂŒr  die 
Transformation  des  Bindegewebes  und  die  anderen  pathologischen 
VerĂ€nderungen  muß  noch  Gegenstand  weiterer  Untersuchungen 
sein.  Therapeutisch  sahen  Verff.  am  meisten  von  diÀtetischen 
Maßnahmen  und  von  WĂ€rmeapplikation,  durch  die  die  Blutzir- 
kulation gut  in  Gang  gehalten  wird.  In  zahlreichen  FĂ€llen  wurden 
autogene  Vakzine  und  polyvalente  Streptokokkensera  angewandt, 
beides  ohne  nennenswerten  Erfolg. 


Myotouia  congenita,   kompliziert   durch    akute  Cholecystitis. 

Bericht  ĂŒber  einen  Fall  von  Myotonia  congenita  bei  einem  7jĂ€hri- 
gen  Knaben.  Die  Krankengeschichte  bietet  nichts  Besonderes. 
Auffallend  war,  daß  eine  wesentliche.  Besserung  vom  lfi.  Lebens- 
monat' bis  zum  3.  Jahre  durch  Verabfolgung  von  Thyroidintablet- 
ten  erzielt  worden  war,  fĂŒr  die  Verff.  eine  ErklĂ€rung  nicht  geben 
können.  Da  sich  im  Anschluß  an  eine  Typhuserkrankung  bei  dem 
Pat.  eine  Cholecystitis  entwickelte,  liegt  die  Frage  nahe,  ob  zwi- 
schen dieser  und  der  Myotonie  irgend  eine  Beziehung  besteht. 

Der  diagnostische  Wert  der  Bestimmung  der  vitalen  Lungen- 
kapazitĂ€t bei  Kindern.  Verff.  benutzten  fĂŒr  ihre  Untersuchungen 
den  von  P  e  a  b  o  d  y  angegebenen  Spirometer.  Es  gelangten  Kin- 
der im  Alter  von  6 — 16  Jahren  zur  Untersuchung.  Auf  Grund  der 
Untersuchungen  stellten  sie  einen  Standardwert  von  1,93  1,  pro  qm- 
fest.  Die  vitale  KapazitÀt  wird  von  einer  Tabelle  abgelesen.  Kna- 
ben zeigten  eine  um  6  %  grĂ¶ĂŸere  vitale  KapazitĂ€t  als  MĂ€dchen,  die 
Kinder  der  farbigen  Rassen  hatten  sÀmtlich  niedrigere  Werte. 
Armut,  schlechte  soziale  und  hygienische  VerhÀltnisse  scheinen 
auf  die  LungenkapazitĂ€t  keinen  Einfluß  zu  haben.  Dagegen  be-^ 
wirkt  körperliche  Bewegung  eine  Zunahme.  WÀhrend  wiederum; 
UnterernĂ€hrung  und  Untergewichtigkeit  keinen  Einfluß  auf  die 
vitale  KapazitÀt  haben.  Eine  Abnahme  der  KapazitÀt  von  15  % 
und  mehr  vom  Durchschnittswert  sollte  zu  weiterer  physikalischer 
und  röntgenographischer  Untersuchung  Veranlassung  geben. 

K  À  c  k  e  1 1  (Hamburg' 


The  American  Journal  of  Roentgenology,  New  York. 

Mai  1922,  9,  Heft  5. 

♊«‹Köntgen-    und    Radium  strahlen    in    der   Diagnostik   des  Proslatakarzinom« 

B  u  in  p  u  s  .   H.   C.  260. 

‱^Röntgendiagnostik  nichtschattengebendor  Fremdkörper   in  den  Lul'twesreÄ 

Hanget,  W.  F.  288. 
Praktisch  brauchbare  Röntgendiagnostik  des  Herzeus  auf  Grund  \nn  UuteM 

suchungen  an   lOO  normalen  und  pathologischen  FĂŒllen.    Holla.  (»., 

K  a  r  s  C  h  n  e  r  ,  K  e  n  n  i  c  o  t ,  R.  H.  30ö. 
Ein  StĂ€nder  fĂŒr  Schutehandschube.    van  N  u  y  s  .  R.  G.  314. 
Der  gegenwÀrtige  Stand  der  Röntgenticfentberapie  in  Europa.    Stcwit H 

W.  H.  315. 

❖Behandlung  von  Di.phthericbaĂŒillentrĂ€geru  mit  Röntgenstrahlen.    H  i  c  k  f  »1 

P.  M.  319. 

Röntgen-  und  Radiumstrahlcn  in  der  Diagnostik  des  Prostata- 
karzinoms.   Die  Lebensdauer  beim  unbehandelten  P.  betrÀgt  un& 
gefÀhr  drei  Jahre;  bei  einem  Drittel  diu-  FÀlle  treten,  wie  die 
Röntgenuntersuchung  zeigt,  Knochenmelastasen  auf.    Bei  atypi 
schem  P.  mit  Neigung  zu  FrĂŒhmetastasen  sind  hĂ€ufig  irrtĂŒmlicÄ 
KnochenverÀnderungen  als  Ostitis  fibrosa  gedeutet  worden,  da  diis 
KnochenverÀnderung  meist  nur  als  umschriebene  Auftreibnng  den 
Knochens  imponierte.    Die  Radiumbehandlung  (lokale  ApplikaS 
tion  mit  emanationshaltigen  Nadeln)  vermag  nur  in  großen  Dose« 
zu  3000—4000  Milligrammstunden  Nutzen  zu  bringen;  die  erziel« 
LebensverlÀngerung  steht  in  direktem  VerhÀltnis  zur  applizierte« 
Dosis.    Allerdings  ist  es  bisher  noch  nicht 'gelungen,  wie  mikroS 
skopische  Untersuchungen  beweisen,  mit  der  Radiumbestrahlun« 
alle  Teile  der  Prostata  gleichmĂ€ĂŸig  zu  durchstrahlen;  als  Ein! 
fallspforten  mĂŒssen  Damm,  Harnröhre  und  Mastdarm  gewĂ€hlt 
werden. 

Röntgendiagnostik  nichtschattengebender  Fremdkörper  in  den 
Luftwegen.  Die  Möglichkeit,  daß  jeder  Fremdkörper  in  den  Luft- 
wegen u.  U.  den  Tod  des  Patienten  herbeifĂŒhren  kann,  spornt  zum 
Ausbau  des  Röntgenverfahrens  zum  Nachweis  solcher  Fremd- 
körper an,  um  rechtzeitig  eine  Extraktion  derselben  vorzunehmen. 
Die  Zahl  der  nichtschattengebenden  Fremdkörper,  die  gelegent- 
lich aspiriert  werden  können,  ist  recht  groß.  Zum  indirekten  Nach- 
weis gibt  eine  exakte  Röntgenuntersuchung,  die  aus  der  Schirm 
beobachtung  und  mindestens  2  Röntgenaufnahmen  in  tiefster  E» 
piration  und  Inspiration  bestehen  soll,  wertvolle  AufschlĂŒsse,  vÂŁ 
sich  Verf.  an  56  FĂ€llen  ĂŒberzeugen  konnte.  VerĂ€nderungen  ■ 
der  Zwerchfellbewegung,  lokales  und  allgemeines  Emphysem* 
atelektatische  VerÀnderungen  umschriebener  Bezirke,  VerdrÀngung 
des  Herzens  und  Mittelschattens,  Dirhtigkeitsunlerschiede  de* 
Lungenbildes  sind  Anhaltspunkte,  die  zusammen  mit  genauester, 
Anamnese  und  klinischem  Befund  den  Verdacht  eines  aspiriertet 
Fremdkörpers  bestÀtigen  können. 

Behandlung  von  DiphtheriebazillenfrÀgern  mit  Röntgenstrahlen. 

Vom  Standpunkt  der  öffentlichen  Gesundheilspflege  ist  die  Ver- 
richtung der  Diphtheriebazillen  bei  den  sog.  Diphtheriebazillen- 


10.  Jahrg.  —  Nr.  40/50. 


Hefe  rate 


tigern  von  grĂ¶ĂŸter  praktischer  Bedeutung.  Bequemlichkeit  der 
Anwendung  und  Sicherheit  des  Erfolges  lassen  die  Röntgenbe 
prahlung  als  die  Methode  der  Wahl  erscheinen  V  er- 
reichende Untersuchungen  an  einem  grĂ¶ĂŸeren  Material 
rgaben  Spontanheilung  bei  'M  %,  Heilungen  nach  lokaler 
Behandlung  mit  Merkurochrom-  und  Gentianavviolettpinselung 
n  68  %,  Heilungen  bei  Rachendiphtherie  mit  Röntgen- 
»estrahlung  der  Tonsillen  in  80  %.  Das  so  seine  Ueber- 
egenheit  beweisende  Röntgenverfahren  sollte  daher  allgemein  zum 
frtschĂ€dlich  machen  von  BazillentrĂ€gern  in  ausgedehnterem  Maße 
lerangezogen  werden,  zumal  die  Anwendung  einfach  und  fĂŒr  den 
Üatienten  ohne.  Unbequemlichkeiten  vorgenommen  werden  kann. 

Kautz  (Hamburg). 

'hc  Journal  of  the  American  Medical  Association,  Chicago. 
29.  April  1922,  78,  Nr.  17. 

Chemische  Forschuug    in    ihrer  Beziehung   zur   Medizin.  Chittenden, 
R.  H.  1273. 

Ausbrechen  von  Botulismus  in  Cambridge,  Idaho.   W  hite  m  n  n  .  R.  T„  und 
W  i  1  k  i  n  s  o  n  .  K.  A.  1278. 

^‱1. unsenabszesse.   Moore,  W.  F.  i-.»7!>. 

Diagnose  toii  Gallenblasenerkrankungen.    V  i  t  e  Ii  0  Ii  e  n  e  y  .  w.  [281. 

♩MliMonathologiscbe  Studie  positiver  Kutaureaktiouen.  Sir  i  ekler,  A.  1237. 

\uatomie  der  Gonorrhöe  beim  Mann.  Behandlung.    B  e  1  i  i  e  1  d  ,  W.  T.  1290'. 

Lungenabszesse.  Bericht  ĂŒber  die  Ergebnisse  einer  Umfrage 
iber  die  Entstehung  von  Lungenabszessen  im  Anschluß  an  Ton- 
iillektomien?  unter  besonderer  BerĂŒcksichtigung  des  Zeitpunktes. 
:u  dem  die  ersten  Symptome  auftraten,  und  der  Lokalisation  in  den 
-erschiedenen  Lungenlappen.  Darnach  kamen  im  ganzen  202  FĂ€ll^ 
ron  Lungenabszessen  zur  Beobachtung,  die  ersten  Krankheits- 
:rscheinungen  traten  im  Durchschnitt  6  Tage  nach  der  Operation 
tuf.  Die  meisten  FĂ€lle  dĂŒrften  durch  Aspiration  entstanden  sein, 
lierfĂŒr  spricht  die  Zeit  bis  zur  Entwickelung  von  Symptomen  und 
las  Ergriffensein  besonders  der  Unterlappen  (60  %),  wie  man  es 
luch  nach  Fremdkörperaspiration  zu  sehen  gewohnt  ist.  In  41  % 
var  der  rechte,  in  19  %  der  linke  Unterlappen  erkrankt.  Auf 
!500 — 3000  Tonsillektomien  kommt  1  Fall  von  Lungenabszeß.  Eine 
hfektion  auf  dem  Blut-  oder  Lymphwege  konnte  nur  ganz  selten 
eindeutig  festgestellt  werden.  Die  halbaufrechte  oder  aufrechte 
-age  der  Pat.  bei  der  Operation  schĂŒtzt  nicht,  wie  man  UrsprĂŒng- 
en angenommen  hat,  vor  dieser  Komplikation. 

Histopathologische  Stndie  positiver  Kutanreaktionen.  Zur  Er- 
eugung  von  verschiedenen  Hautreaktionen  wurde  einmal  Alt- 
uberkulin  und  Luetin,  ferner  ein  von  Strickler  u.  Goldberg 
us  Nahrungsbestandteilen  gewonnenes,  frĂŒher  beschriebenes 
CiweißprĂ€parat  (food  test)  benutzt.  Dieses  „food  test"  ruft  auch 
ine  spezifische  Reaktion  hervor.  Die  Untersuchungen  zeigen,  daß 
'roteinkörper,  einerlei  ob  bakteriellen  oder  anderen  Ursprungs, 
jltan  verimpft  innerhalb  gewisser  Grenzen  gleiche  histologische 
erÀnderungen  hervorrufen.  Diese  sind  durch  mönonukleÀre 
ellinfiltrationen  im  oberflÀchlichen  Bindegewebe  charakterisiert, 
ur  bei  sehr  starken  Reaktionen  kommt  es  zu  polymorphkernigen 
lfiltrationen  in  den  tieferen  Schichten.  Dagegen  wurden  stets 
olymorphkernige  Infiltrationen  bei  der  Luetinreaktion  festge- 
keilt. Kack  eil  (Hamburg 

British  medical  Journal,  London. 

20.  Mai  1922,  Nr.  320.°.. 

8}  niptomenlosc   HĂ€maturie.     Ii  u  r  g  e  S  6  ,  A.  H.  787. 

M'rrn   iöses  Erbrechen  wÀhrend  der  Schwangerschaft.    Oldf  i  eld ,  C.  78!). 

Gewöhnliche  DiStlehler  I.    M  e  1 1  a  n  b  y  ,  E.  790. 
â–șKalziummangel;  seine  Behandlung  mit  NebenschilddrĂŒse,    G  r  "  v  e  .  W.  Ii. 
und  V  i  n  e  s  ,  H.  W.  C. 

Herzkrankheiten  und  Beruf.    M  o  o  n  ,  It.  O.  7ĂŒ.'>. 

Untersuchungen  ĂŒber  entgiftete  Vakzine.    T  h  o  m  s  0  n  .  D.  und  T  Ii  o  m  6  o  n 
R.  796. 

Bern  in  Incarceirata  Inguin&lis  directa.    Ii  o  g  h  e  s  ,  E.  K.  798. 

Perniziöses  Erbrechen  wÀhrend  der  Schwangerschaft.  Verf. 
|  rÀchtet  diese  Erscheinung  als  eine  Neurose.  Auch  die  sogen, 
ischen  FĂ€lle  sind  nicht  toxisch,  sondern  fortgeschrittene  Neu- 
jen. Die  beste  Behandlung  ist,  die  Kranke  nach  einem  Kran 
lhaus  zu  schicken  und  keine  DiĂ€t  zu  verschreiben.  Sie  muß 
es  essen.  Da«  perniziöse  Erbrechen  ist  niemals  eine  Indikation 
n  kĂŒnstlichen  Abortus. 

Kalziummangcl;  weine  Behandlung  mit  NebenschilddrĂŒse.  Bei 
onischen  Toxaemien  findet  man  immer  eine  Kalziumionarmut 
i    Blutes.  Diese  Erkrankungen  sind  ulzerös  (Ulcus  varicosum, 


I  leus  vcnlriculi  und  dtiodeni,  Erosion  der  Gervix  uteri  oder 
eitrig  (Sinuisitis  nasalis,  Tonsillitis,  Pyorrhoea,  Otitis  media, 
Bazillurie),  oder  nicht  eitrig  (rheumatische  Arithritis,  Arterio- 
sklerose, Ekzem,  Chlorose,  Ischias).  Auch  einige  andere  Ki 
krankungen  gehören  dazu  (Menorrhagie,  Prostalahypcrlrophic, 
Urticaria).  Alle  diese  Erkrankungen  heilen  nicht  aus,  solange 
das  Blut  nicht  wieder  einen  normalen  Kalziumgehall  hat  Durch 
Verabreichung  von  l'aralhyrcoidprÀparalen  wird  der  Kalzium- 
sloffwechsel  viel  schneller  hergestellt  als  durch  Einspritzung  von 
Kalziumsalzen.  Koopman  Ilaaj; 


Aus  den  verschiedenen  Sondergebieten. 
Tuberkulose. 

Esmond  R.  Long:    Die   Biochemie  der  Tuberkulose. 

(Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital,  Baltimore.  33,  Nr.  377, 

Juli  1922,  S.  246.) 
Tn  Form  eines  zusammenfassenden  Vortrages  erörtert  Verf. 
die  Ergebnisse  der  biochemischen  Untersuchungen  ĂŒber  den  Stoff- 
wechsel und  die  Biologie  des  Tuberkelbazillus  einerseits,  ĂŒber 
die  durch  die  Ansiedlung  des  Kochschen  Bazillus  im  Wirls- 
organismus  bedingten  VerÀnderungen  andererseits.  Die  Wieder- 
gabe der  einzelnen  Tatsachen  ist  im  Rahmen  eines  kurzen  Re- 
ferates nicht  möglich.  Von  besonderem  Interesse  sind  die  Aus- 
fĂŒhrungen ĂŒber  die  auffallende  chemische  Resistenz  der  tuber- 
kulösen KÀsemassen  intra  vitami,  die  sich  in  der  fehlenden  oder 
geringen  Neigung  zur  Autolyse  dokumentiert;  Verf.  weist  auf  die 
Untersuchungen  von  Jobling  und  Peterson  hin,  die  zeigen 
konnten,  daß  die  Seifen  der  ungesĂ€ttigten  FettsĂ€uren,  wie  sie  im 
kÀsigen  Gewebe  reichlich  vorhanden  sind,  eine  antiproteolytische 
Wirkung  ausĂŒben:  auch  im  Tuberkelbazillus  selbst  finden  sich 
ungesÀttigte  FettsÀuren,  deren  Seifen  eine  ihrer  Jodzahl  pro- 
portionale antiproteolytische  Wirkung  haben.  Die  toxischen  Wir- 
kungen jdes  tuberkulösen  Prozesses  sind  zum  Teil  auf  die  spe- 
zifischen Proteine  des  Erregers,  zum  Teil  aber  auch  auf  die  als 
fremdes  Eiweiß  wirkenden  Krankheitsprodukte  zurĂŒckzufĂŒhren. 

Wolff  (Hamburg). 

Villejcas  Ranion.  N  a  t  ĂŒ  r  1  i  c  h  e  I  m  m  unitĂ€t  bei  d  e  r  Tu- 
berkulose. Revista  de  Tuberculosis.  Jahrg.  X.  Nr.  110. 
Februar  1922. 

Der  natĂŒrlichen  Immunisierung  des  Organismus  bei  der  Tu- 
berkulose wirken  folgende  Momente  entgegen:  die  große  Wider- 
standsfÀhigkeit der  Bazillen,  ihre  bindegewebige  Isolierung  im 
Organismus,  welche  eine  die  Antikörperbildung  anregende  All- 
gemeinreaktion verhindert,  die  die  Bazillen  umgebende  Wachs- 
hĂŒlle und  von  ihnen  produzierte  Schutzstoffe  (Antiphagine), 
welche  den  vom  Organismus  gebildeten  Antikörpern  Widerstand 
leisten.  Außerdem  kommen  noch  MischfĂ€lle  von  Typushuman, 
und  bovin  vor,  solche,  bei  welchen  verschiedene  Bassen  der  glei- 
chen Spezies  nachweisbar  sind  und  solche,  bei  welchen  Misch- 
infekfionen  eine  bedeutsame  Rolle  spielen. 

Die  Möglichkeit  einer  Immunisierung  wird  erschlossen:  aus 
der  AbschwÀchung  der  Krankheit  durch  hereditÀr  erworbene  Re- 
sistenz —  wenn  Tuberkulose  auf  eine  bis  dahin  verschont  ge- 
bliebene Insel  eingeschleppt  wurde,  so  zeigte  sie  einen  viel  hef- 
tigeren Verlauf  —  und  aus  Spontanheilungen.  Die  Existenz  von 
spezif.  Schutzkörpern  Praezipitine  und  Agglutinine  wurde  nach- 
gewiesen, desgleichen  ihr  Uebergehen  von  der  Mutter  auf  den 
Eoetus. 

Mensi.  E.:  U  eher  T  u  b  e  r  k  u  I  i  n  r  e  a  k  i  i  p  n  d  er  kutane  n 
Tuberkuloseherde,  der  natĂŒrlichen  wie  der 
experimentellen.  La  Clinica  Pediatrica.  i.  Heft  8, 
S.  287). 

Verf.  faßt  seine  Erfahrungen  in  nachstehenden  SĂ€tzen  zu- 
sammen: Die  Tuberkulinimpfung,  an  natĂŒrlichen  oder  experimen- 
tellen Tuberkuloseherden  ausgefĂŒhrt,  —  sei  es,  daß  dieselben 
progressiv  oder  vernarbt  sind  —  löst  allergische  Reaktionen  aus, 
die  den  Köntrollimpfungen  an  Starke  ĂŒberlegen  sind.  Und  zwar 
fÀlH  die  Reaktion  umso  intensiver  aus,  je  lÀngere.  Zeit  seit  der 
ersten  fnoculatiori  verflossen  ist.   Wahrhaft  bestimmend  fĂŒr  die 


I 


674 


Referate 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Allergie  ist  der  allgemeine  Sensibilisationszustand  des  Organis- 
mus. Von  den  3  Faktoren  der  Allergie:  Antigen,  Antikörper  und 
Haut  ist  jene  letztere  nur  das  Medium,  in  dem  sich  die  Vereinigung 
des  Antikörpers  mit  seinem  Antigen  vollzieht. 

Held  (Berlin)., 

Ogawa:  Versuche  ĂŒber  die  Beziehungen  der  leich- 
ten, nicht  tuberkulösen  RippenfellentzĂŒndung 
zur  tuberkulösen  Pleuritis.  (Klin.  Wochenschrift, 
1922,  Nr.  39.) 

Verf.  schließt  aus  Meerschweinchenversuchen,  daß  beim 
Menschen  tuberkulöse  Pleuritiden  sich  hÀufig  erst  im  Gefolge 
leichter,  nicht  tuberkulöser  EntzĂŒndungen  entwickeln  können: 
daher  bedĂŒrfen  die  letzteren  seitens  des  praktischen  Arztes  einer 
ernsten  Beachtung  und  sorgfÀltigen  Behandlung. 

A.  MĂŒnzer. 

Thomas  Köftler.  Zur  Bedeutung  der  tuberkulösen 
Reinfektion.  Archiv  fĂŒr  Kinderheilk.  70.  B.  1921.  S.  95. 
FĂŒr  die  Reinfektion  kommen  nie  massige,  sondern  nur  hĂ€u- 
tige Infektionen  in  Betracht.  StÀndige  Reinfektionen  bewirken 
beim  Menschen  eine  Sensibilisierung  im  Sinne  einer  erhöhten  Tu- 
berkulinempfindlichkeit.  Eine  Zunahme  der  MorbiditÀt  infolge 
hÀufiger  Reinfektionen  kann  bei  Kindern  nicht  festgestellt  werden. 
Ueberhaupt  steht  praktisch  die  Reinfektion  an  Bedeutung  weit 
hinter  der  Erstinfektion  zurĂŒck.  P.  Karger. 

W.  Storm  van  Leuwen  u.  H.  Varekamp:  Ueber  die  Tuber- 
kulin-Behandlung  des  Asthma  bronchiale.  (Klin. 
Wochenschrift,  1922,  Nr.  37.) 

In  vielen  FĂ€llen  besteht  ein  Zusammenhang  zwischen  Tuber- 
kulinĂŒberempfindlichkeit  und  Asthma.  HĂ€ufig  wird  Asthma  gĂŒn- 
stig durch  Tuberkulin  beeinflußt,  und  zwar  in  den  FĂ€llen,  in  denen 
eine  Ă€ußere  Ursache  nicht  aufzufinden  ist.  A.  MĂŒnzer. 

Comisso.    Die  Behandlung  der  Spondylitis  im  Ma- 
rinehospital des  Roten  Kreuzes   zu  Valdoltra 
(Triest).    (Archivio  die  ortopedia,  Heft  3,  1922.) 
Die  Behandlung  ist  rein  konservativ  und  bedient  sich  der 
in  Sanatorien  ĂŒblichen  Mittel:  Luft,  Licht  und  gute  ErnĂ€hrung. 
Die  Erfolge  sind  denen  nach  operativer  Versteifung  der  Wirbel- 
sĂ€ule (Albee)  ĂŒberlegen.  Debrunner  (Berlin). 

A .  Raduleeeo:  Die  operative  Wirbelversteifung  als 
Behandlungsmethode  der  tbc.  Spondylitis.  Re- 
vue d'orthopedie,  Juli  1922. 
Der  Autor  sieht  in  der  operativen  Spondylitistherapie  eine 
glĂŒckliche  Bereicherung  des  orthopĂ€dischen  Heilmittelschatzes. 
Die  Krankheitsdauer  wird  wesentlich  abgekĂŒrzt,    weshalb  vor 
allem  der  unbemittelte  Kranke  große  Vorteile  vom  blutigen  Ein- 
griff hat.    Die  Operation  selbst  darf  nicht  als  Heilfaktor  be- 
trachtet werden;  sie  bietet  nur  ein  vorzĂŒgliches  Mittel  zur  Ruhig- 
stellung der  WirbelsÀule.  Debrunner  (Berlin). 

Ne  wman,  Sir  George :  Das  Eingreifen  des  Staates  bei 
der  Tuberkuloseprophylaxis.  Revista  de  Tuber- 
culosis.   Jahrg.  X.  Nr.  109—110.    Januar-Februar  1922. 

Da  bei  der  BekÀmpfung  der  Tuberkulose  nebst  rein  medi- 
zinischen Problemen  auch  soziale  und  ökonomische  Fragen  eine 
wichtige  Rolle  spielen,  so  kommt  es  dem  Staate  selbst  zu,  die  Ini- 
tiative zu  ergreifen,  um  so  mehr,  als  er  es  am  besten  vermag,  die 
Einzelbestrebungen  nutzbringend  miteinander  zu  verbinden  und 
die  VolksaufklĂ€rung  durchzufĂŒhren.  In  diese  Aufgaben  haben 
sich  sinngemĂ€ĂŸ  die  lokalen  und  zentralen  Behörden  zu  teilen. 
Die  Aussichten  auf  eine  erfolgreiche  BekÀmpfung  der  Tuber- 
kulose erscheinen  nicht  ungĂŒnstig,  angesichts  des  Umstandes, 
daß  seit  den  letzten  70  Jahren  in  England  die  durch  diese  Krank- 
heit bedingte  Sterblichkeit  eine  stÀndige  Abnahme  aufweist, 
welche  vom  Verf.  auf  die  allgemeine  Sterblichkeitsabnahme 
einerseits,  auf  gebesserte  hygienische  Lebensbedingungen,  durch 
Kenntnisse  der  Aetiologie  und  Uebertragungsweise  der  Tuber- 
kulose ermöglichte  Prophylaxis,  frĂŒhzeitige  Diagnostik  und 
rationelle  Therapie  andererseits  bezieht.  Außerdem  kann  viel- 
leicht auch  eine  gesteigerte  ImmunitÀt  der  Bevölkerunng  vor- 
liegen. Von  diesen  Voraussetzungen  ausgehend,  muß  demnach 
zur  erfolgreichen  BekÀmpfung  der  Tuberkulose  die  allgemeine 
WiderstandsfÀhigkeit  der  Bevölkerung  gehoben  und  die  Verbrei- 
tung der  Krankheit  möglichst  eingeschrÀnkt  werden.  Der  eng- 
lische Staat  tut  dies  auf  folgende  Weise.  Seit  1911  besteht  eia 
Gesetz,  nach  welchem  der  Staat  und  die  Arbeitgeber  die  Ver- 
sicherungsprĂ€mien zu  zahlen  haben,  welche  ermöglichen,  daß  die 
Arbeiter  im  Falle  der  Erkrankung  an  Tuberkulose  umsonst  be- 


handelt werden,  event  in  eigenen  HeilstÀtten,  und  im  Falle  der 
ArbeitsunfĂ€higkeit  unterstĂŒtzt  werden.  Des  weiteren  wird  den 
hygienischen  Anforderungen  der  Betriebe  besonderes  Augenmerk 
zugewendet.  Seit  1918  besteht  ein  eigenes  Gesetz,  nach  welchem 
ebenfalls  durch  von  den  Arbeitgebern  gezahlte  PrÀmien  die 
durch  Steinstaub  gefÀhrdeten  Arbeiter  periodisch  Àrztlich  zu  un- 
tersuchen sind.  Bei  Feststellung  einer  LungenverÀnderung  wird 
dem  Betroffenen  eine  angemessene  EntschÀdigung  ausgezahlt. 
Prophylaktische  Bedeutung  kommt  denjenigen  Maßnahmen  zu, 
welche  dem  Schutze  der  Mutterschaft  und  der  Kindheit  gewidmet 
werden,  und  damit  sich  mit  einer  Reihe  von  Krankheiten  wie  Ma- 
sern, Keuchhusten,  Rachitis  u.  a.  m.  beschÀftigen,  die  im  allge- 
meinen fĂŒr  die  Tuberkulose  prĂ€disponierend  wirken.  Außerdem 
besteht  die  Ă€rztliche  Aufsicht  der  Schulkinder;  das  diesbezĂŒgliche 
Gesetz  sieht  im  gegebenen  Falle  vor  1.  eine  Versetzung  in  eine 
Freiluftschule,  2.  in  ein  Erholungsheim  oder  3.  in  eine  Tuber- 
kuloseheilstĂ€tte fĂŒr  Schulkinder.  Ferner  obliegt  der  Ă€rztlichen 
Schulaufsicht  die  Belehrung  der  Kinder  ĂŒber  Hygiene  und  Kör- 
perkultur, die  Kontrolle  ihres  ErnÀhrungszustandes,  die  Aufsicht 
ĂŒber  die  Lehrlinge  und  die  jugendlichen  Angestellten.  Nachdem 
die  Gefahr  der  Uebertragung  der  Rindertuberkulose  auf  Menschen 
festgestellt  worden  ist,  besteht  in  England  die  Anzeigepflicht  fĂŒr 
dieselbe,  desgleichen  das  Verbot,  infizierte  Milch  zu  verkaufen. 
Die  EinschrĂ€nkung  des  Alkoholkonsums  dĂŒrfte  von  indirekter 
Wirkung  sein,  indem  dadurch  die  Resistenz  des  Volkes  gehoben 
wird.  Der  Verbreitung  der  Krankheit  wirken  die  Maßnahmen 
entgegen,  welche  die  Isolierung  und  Behandlung  der  FĂ€lle  von 
offener  Lungentuberkulose  bezwecken  und  das  freie  Ausspucken 
verbieten.  Schließlich  ĂŒbernimmt  der  Staat  die  VolksaufklĂ€rung 
und  Belehrung  in  den  die  Tuberkulose  betreffenden  Fragen.  — I 
Was  die  direkte  BekÀmpfung  der  Krankheit  anbetrifft,  so  wurde 
dieselbe  eigentlich  erst  im  Jahre  1908  durch  die  gesetzliche  An- 
zeigepflicht begonnen.  Derselben  folgten  4  Jahre  spÀter  Gesetze, 
welche  Ă€rztliche  Hilfe  allen  Tuberkulosen  ohne  RĂŒcksicht  auf 
eine  etwaige  Versicherung  zuwendete.  In  dieser  Absicht  wurden 
HeilstÀtten  errichtet,  und  den  lokalen  Behörden  obliegt  die  Auf- 
sicht ĂŒber  ihre  Kranken.  Zu  diesem  Zwecke  sollen  in  jedem  Orte 
Tuberkuloseambulanzen  gegrĂŒndet  werden,  die  gleichzeitig  zur 
Konsultation  und  Diagnose,  als  Mittelpunkt  fĂŒr  die  Beobachtung 
und  Klassifizierung  der  FĂ€lle,  fĂŒr  Anwendung  der  Heilmittel,  zur 
Untersuchung  der  Umgebung  des  Kranken,  Ueberwachung  der  in 
Behandlung  stehender  Kranken  und  als  Auskunft-  und  Propa- 
gandÀstelle  zu  dienen  haben. 

Ein  erfolgreiches  Wirken  der  staatlich  angestellten  Tuber- 
kuloseÀrzte hat  zur  Voraussetzung  ein  verstÀndnisvolles  Zusam- 
menarbeiten mit  den  ĂŒbrigen  Kollegen.  Schließlich  ĂŒbernimmt  der 
Staat  die  UnterstĂŒtzung  der  wissenschaftlichen  Forschung. 

Mona  Adolf  (Wien). 

*      *  * 

Dermatologie  und  Syphilis. 

Ernest  Dwight  Chipmann:  BedĂŒrfnisse  und  Förderungen 

in  der  Dermatologie.    (The  Journ.  of  the  Amer.  Assoa, 

79,  Nr.  6,  Aug.  22,  S.  419). 
FĂŒr  den  Dermatologen  gibt  es  noch  eine  Menge  erforschungs- 
wertc-r  Gebiete.  Z.  B.  ist  die  Rolle  der  Pilze  bei  Hauterkrankungen 
noch  keineswegs  geklÀrt.  Auf  der  Suche  nach  Àtiologischen  Fak- 
toren sehen  wir*  eine  Reihe  von  Möglichkeiten  vor  uns  die  vor- 
urteilslos zu  sichten,  unsere  Pflicht  ist.  Bei  jeder  Dermatose  un- 
bekannten Ursprungs  verdienen  folgende  Punkte  Beachtung:  Herd- 
infektion, sympathisches  Nervensystem,  endokrine  DrĂŒsen,  gestör- 
ter Stoffwechsel,  Proteinkörpersensitisation.  Die  Pflichten  des 
Dermatologen  beziehen  sich  auf  den  Pat.  selbst,  auf  die  Gesell- 
schaft und  auf  den  Àrztlichen  Beruf.  Dem  Pat.  es  er  exakteste 
Diagnosenstellung  und  Aufdeckung  eventueRer  ZusammenhÀnge 
zwischen  Haut-  und  inneren  Erkrankungen  schuldig.  Die  Ge- 
sellschaft soll  er  durch  AufklÀrung  davor  bewahren,  der  Kur- 
pfuscherei in  die  HĂ€nde  zu  fallen;  denn  diese  Gefahr  ist  gerade 
bei  Fragen  der  Kosmetik  sehr  groß.  Und  schließlich  soll  er 
durch  Zusammenarbeit  den  Konnex  mit  den  ĂŒbrigen  Zweigen  der 
Medizin  wahren.  Held  (Berlin),  j 

E.  Lawrence  Oliver.     Quarzlichttherapie   bei  Haut- 
krankheiten.   (The  Journ.  of  the  Amer.  Med.  Assoc.  79, 
Nr.  8,  Aug.  22,  S.  625.) 
Quarzlicht  leistet  Gutes  bei  vielen  Ulcera,  besonders  solchen, 
die  auf  Grund  verringerter  Zirkulation  entstanden  sind.  Beim 
Naevus  vasculosus  und  bei  der  Allopecia  areata  ist  es  ein  wert- 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Referate 


voller  Heilfaktor;  es  wirkt  unterstĂŒtzend  bei  Psoriasis  und  kann 
bei  lokalisiertem  chronischem  Ekzem  mit  Infiltration  der  Haut 
»ich  ebenfalls  als  nĂŒtzlich  erweisen.  Bei  Akne  vulgaris  ist  der  er- 
zielte Effekt  oft  nur  temporÀr.  Zeitweilige  Besserung  erfÀhrt  der 
Lupus  erythematodes  unter  Quarzlichtbehandlung.  Bei  Lupus 
Vulgaris  steht  der  Erfolg  nicht  lest.  Held  (Berlin). 

K.  F.  MĂŒller  und  II.  it.  Reese:  U  n  s  p  ezi  f  is  c  h  e  T  Ii  e  r  a  p  i  e 
der  gonorrhoischen  Epididymitis.  (The  Urolog. 
and  Cutaneous  Rev.  26,  Nr.  9,  Sept.  1922.) 
Intrakutane  Injektionen  von  Proteinkörpern,  besonders  von 
Aolan,  haben  außer  einer  provozierenden  Wirkung  hei  chronischer 
Gonorrhoe  auch  einen  erheblichen  therapeutischen  Wert  und  zwar 
bei  der  Epididymitis  gonorrhoica.  Unmittelbar  nach  der  Injek- 
tion lassen  die  Schmerzen  nach,  und  in  ganz  kurzer  Zeit  tritt  aucĂŒ 
eine  Abschwellung  des  entzĂŒndeten  Nebenhodens  ein.  Wird  die  In- 
jektion frĂŒhzeitig  gemacht,  so  bleibt  auch  keine  Verdickung  des 
Nebenhodens  wie  sonst  zurĂŒck.  Vorbedingung  fĂŒr  den  Erfolg  ist, 
daß  die  Injektion  absolut  sicher  intrakutan  geschieht,  was  ja 
durch  die  Quaddelbildung  leicht  festgestellt  werden  kann.  Der 
ĂŒberraschend  gĂŒnstige  Erfolg  kann  nicht  auf  das  Mittel  zurĂŒck- 
gefĂŒhrt werden,  da  es  ja  nur  in  ganz  geringen  Mengen  zugefĂŒhrt 
wird,  sondern  auf  Erregung  immunisatorischer  Eigenschaften  Oer 
Haut.  B  a  b  (Berlin). 

Burbi,  L.  Mitigalbe Handlung  der  Skabies.  (Wien. 
Med.  Wochenschrift,  Nr.  34/35,  August  1922,  S.  1458.) 

GĂŒnstige  Erfahrungen  bei  Skabies  (auch  Schnellkur),  Se- 
borrhoe, leichter  Psoriasis,  pyodermischen  Prozessen. 

Reuß  (Wien). 

Willy  Engelhardt:  Ein  Beitrag  zur  ZuverlÀssigkeit 
der  Wassermanns c hen  Reaktion  fĂŒr  die  prak- 
tische Diagnostik.    (Klin.  Wochenschrift,  1922,  Nr.  35.) 
Unter  1118  KrankheitsfÀllen  zeigte  die  Wassermannsche  Re- 
aktion 47  mal  Unstimmigkeiten  mit  der  klinischen  Diagnose  bezw. 
fĂŒhrte  nicht  zu  deren  KlĂ€rung.    Das  ist  ein,  fĂŒr  den  Praktiker 
durchaus  ermutigendes  Resultat.  A.  MĂŒnzer. 

M.  Warren,  H.  Hewins  und  R.  R.  Acre:  Sulfarsenol  bei  der 
Syphilisbehandlung.  (The  Urologie  and  Cutaneous  Rev. 
26,  Nr.  9,  Sept.  1922.) 

Sulfarsenol  ist  ein  französisches  ErsalzprÀparal  des  Salvar- 
sans,  das  intravenös,  subkutan  und  intramuskulÀr  verabfolgt  wer- 
den kann,  ohne  Beschwerden  oder  Nebenerscheinungen  hervorzu- 
rufen. Bei  intramuskulÀrer  Darreichung  ist  das  PrÀparat  ebenso 
«irksam  als  die  deutschien  intravenös  verabreichten,  nur  scheinen 
lie  Spirochaeten  bei  dieser  Verabreichungsari  langsamer  aus  den 
leweben  zu  verschwinden  als  hier;  dagegen  wird  hier  der  Blul- 
vassermann  intensiver  als  dort  verÀndert.  Das  Sulfarsenol  ist 
laher  das  ideale  Mittel  bei  der  Behandlung  von  Patienten  mit 
ngen  Venen  und  bei  Kindern.  B  a  b  (Berlin). 

Hoch :  Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Bismut- 
prÀparaten.   (Klin.  Wochenschrift,  1922,  Nr.  38.) 

Das  Bismut  ist  ein  zweifellos  klinisch  sehr  wirksames,  spiro- 
hÀlicides  Mittel.  Im  klinischen  und  bakterieiden  Ileileffekt  steht 
s  dem  Salvarsan  nahe,  wenn  es  dasselbe  auch  nicht  erreicht.  In 
lezug  auf  die  Beeinflussung  der  Wa  R.  dagegen  kommt  es  nichl 
n  das  Salvarsan  heran.  A.  MĂŒnzer, 


ermann  Schußlcr:  Eine  Methode  zur  intensiven  Be- 
handlung der  kongenitalen  Syphilis.  (California 
State  Journal  of  Medicine,  20,  Nr.  8,  August  1922,  S.  257.) 

Verfasser  empfiehlt  folgendes  Behandlungsscheima,  mit  dem 
‱  sehr  befriedigende  Ergebnisse  erzielt  hat:  1.  drei  in  AbstĂ€nden 
in   48   Stunden   vorzunehmende  Neosalvarsaninjeklionen;  die 
osierung  ist  viel  höher  als  im  allgemeinen  fĂŒr  das  Kindesalter 
dich,  ein  Kind  von  5  kg  Körpergewicht  erhÀlt  0,15  pro  dosi, 
inder  mit  einem  Gewicht  zwischen  10  und  15  kg  erhallen  0,45, 
‱lche  mit  einem  Gewicht  von  1(5  bis  25  kg  0,6  pro  dosi;  unan- 
nehme  Nebenwirkungen  wurden  nichl  beobachtet;  2.  wÀhrend 
eier  Wochen  an  je  drei  Tagen  Inunklion  von  grauer  Salbe  (Dosis 
nach  dem  Gewicht  2  bis  \  g;  3.  wie  1.;  1.  wahrend  der  folgen- 
n  4  Wochen  Schmierkur  wie  unter  2.;  nach  einer  Behandlungs- 
use von   1   Wochen  Blutuntersuchung  nach  Wassermann.  Bei 
gativem  Ausfall  wird  die  ganze  Kur  unter  Weglassung  der 
feiten  Salvarsanserie  noch  einmal  wiederholt,  das  Kind  kann 
nn  als  gesund  betraehtel  werden,  es  muß  allerdings  regelmĂ€ĂŸig 


nach  Wassermann  untersuch!  werden.  Die  Sal varsaninjeklioncn 
werden  intravenös  gemacht,  entweder  in  die  bei  Àlteren  Kindern 
gul  brauchbaren  Cubitalvenen,  oder  bei  jĂŒngeren  Kindern  in  die 
gestauten  Jugularvenen.  Zur  Vermeidung  von  Mei curialismiis 
empfiehlt  Verl',  die  Darreichung  von  Schwefe]  per  os. 

Wol  rr  (Hamburg  . 

Krott,  H.    Zur    Frage    der    I  o  x  i  s  c  h  e.  n  Salvarsan 
derma  ti  Iis.     Areh.   f.    Dermal,    u.    Svphil.    III,    Heft  ls 
August  1922. 

Die  Salvarsaudermatitis  bietet  kein  charakteristisches  Krank - 
lieitsbild  dar,  das  sieh  von  anderen  Dermaliliden,  z.  B.  der  H{; 
Dermatitis,  unterscheidet;  daher  kann  eine  nach  kombinierter  11^- 
Salvarsanbehandlung  auftretende  Dermatitis   nur  durch  genaue 
Analyse  des  Falles  auf  das  eine  oder  das  andere  Mittel  zurĂŒck- 
gefĂŒhrt werden.    Die  Dermaliiis   kann   durch   jedes  Salvarsan 
prÀparat  hervorgerufen  werden,   am   hÀufigsten   tritt   sie  nach 
Silbersalvarsan  auf,  am  seltensten  nach  dem  Sublimat-Neosal- 
varsangemisch.    Therapeutisch  ist  ihr  nur  wenig  beizukommen, 
am  meisten  noch  durch  ausgiebigen  Aderlaß  mit  nachfolgender 
Kochsalzinfusion.    Nach  ĂŒberstandener  Dermatitis  wird  in  eini 
gen  FĂ€llen  Salvarsan  weiterhin  gut  vertragen,  wahrend  in  an 
deren  FĂ€llen  schon  kleinste  Mengen  eine  neue  Dermatitis  aus- 
lösen; es  ist  daher  zweckmĂ€ĂŸig,  gegebenen  Falls  durch  kleine 
Mengen  eines  anderen  PrĂ€parates  die  VertrĂ€glichkeit  zu  prĂŒfen. 
Daß  diu'ch  U  eher  stehen  einer  schweren  Salvarsandermatitis  der 
Verlauf  der  Lues  gĂŒnstig  beeinflußt  wird,  wie  es  Busc  h  k  e 
und  Freymann  behaupten,  ist  wohl  fĂŒr  viele,  aber  nicht  fĂŒr 
alle  FĂ€lle  zutreffend.  Bab  (Berlin). 

Satta.  Die  hereditÀr-luetischen  deformierenden 
Gelenkprozesse  ( Archivio  di  ortopedia,  Heft  3,  1922.) 
Der  hereditĂ€r-luetische  deformierende  Gelenkprozeß  ist  die 
seltenste  Affektion,  unter  deren  Bild  sich  die  vererbte  SpÀt- 
syphilis Ă€ußert.  Es  handelt  sich  meist  um  monartikulĂ€re  Erkran- 
kungen, die  von  Zerstörungen  der  gelenkbildenden  Gewebe  be- 
gleitet werden.  Eine  chronische  proliferative  Synovitis  von  gum- 
mösem Charakter  liegt  dem  Leiden  zugrunde.  Die  klinischen 
und  röntgenologischen  Symptome  gestatten  seine  Abgrenzung 
gegen  die  gewöhnliche  Arthritis  deformans.  Die  Epiphysenlinie 
bildet  kein  Hindernis  fĂŒr  die  Ausbreitung  des  Prozesses,  so  daß 
die  Herde  zumeist  sowohl  die  Epiphyse  als  auch  Metaphyse  und 
Diaphyse  ergreifen.  Dadurch  gewinnt  man  ein  gutes  diagnosti- 
sches Merkmal  zur  Unterscheidung  tuberkulöser,  d.  h.  meist  epi- 
physÀrer  und  osteomyelitischer,  d.  h.  diaphysÀrer  Prozesse.  Vor- 
wiegend! ist  das  proximale  Gelenkende  langer  Röhrenknochen 
befallen.  Was  die  HĂ€ufigkeit  der  verschiedenen  Lokalisation  n 
anbetrifft,  kommt  an  erster  Stelle  die  Tibia,  dann  Schulter  und 
Ellenbogen.  Die  luetische  Affektion  zeichnet  sich  durch  mÀch- 
tige Neubildung  von  knöcherner  Substanz  aus,  wÀhrend  die 
Tuberkulose  mehr  destruktiver  Natur  ist.  Der  Knochen  isl  vi  r- 
dickt,  wÀhrend  die  Markhöhle  ihre  normale  Weite  behÀlt.  Die 
subjektiven  Erscheinungen  (Schmerzen,  Functio  laesa)  sind  ver- 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸig gering.  Niemals  sind  die  VerĂ€nderungen  so  all- 
gemein und  schwer  wie  bei  der  tabischen  Arthropathie.  Die  Be- 
handlung ist  eine  medikamentöse,  antiluetische.  Operative  Ein- 
griffe mĂŒssen  als  Kunstfehler  gelten,  da  hĂ€ufig  Knochennekrosen 
sich  anschließen.  Dagegen  soll  man  freie  Gelenkkörper  auf 
blutigem  Wege  entfernen.  Eine  richtige  Behandlung  ist  imstande, 
den  Prozeß  aufzuhalten,  in  leichteren  FĂ€llen  zu  heilen. 

De  brunner  (Berlin). 

Woacgien,  H.  Ueber  Ikterus  nach  S al v a  r  sa  n  b  eha  n  (1 
hing  der  Syphilis.   Arch.  f.  Dermal,  u.  Syphil.  141,  Heft  I. 
August  1922. 

Ikterus  bei  Lues  ist  Ă€tiologisch  auf  diese  zurĂŒckzufĂŒhren, 
wenn  er  1.  gleichzeitig  mit  luischen  Erscheinungen  der  Haut, 
Schleimhaut  oder  mit  einem  positiven  Wa  auftritt,  2.  wenn  er 
gleich  bei  Beginn  der  Kur  entsteht,  —  hi^r  ist  er  als  Herx- 
heimersche  Reaktion  der  Leber  aufzufassen  —  3.  wenn  er  beim 
Luetiker  auftritt,  innerhalb  von  2  Wochen  keine  Neigung  zur 
RĂŒckbildung  zeigt  und  auf  eine  jelzt  einsetzende  Kur  prompt 
reagiert,  und  4.  wenn  er  elwa  2—4  Monate  nach  einer  Salvarsan- 
kur  einsetzt;  in  diesem  Falle  ist  er  als  Monorezidiv  der  Leb  i 
anzusehen.  Lues  isl  dagegen  als  Àtiologischer  Faklor  auszu- 
schalten, wenn  der  Ikterus  1.  gegen  Ende  oder  Mitte  der  Kur 
auftritt,  2.  wenn  er  sieh  durch  die  spezifische  Behandlung  ver- 
schlimmert, 3.  wenn  er  wiederholt  wÀhrend  einer  Kur  od  t 
jedesmal   nach  einer  Salvarsaninjeklion  sich  zeigt  und  4.  wenn 


070  Referat«  40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


er  bereils  2 — 3  Wochen  oder  erst  spĂ€ter  als  6  Monate  nach  Be- 
endigung der  spezifischen  Behandlung  ausbricht.  Auf  das  Sal- 
varsan  als  schuldiges  Agens  ist  der  Ikterus  in  den  behandelten 
FĂ€llen  zurĂŒckzufĂŒhren,  in  denen  er  Mitte  oder  Ende  einer  Kur 
im  Anschluß  an  eine  Salvarsaninjektion  eintritt,  ferner,  wenn  er 
sich  beim  Fortsetzen  der  Behandlung  verschlimmert  und  beim 
Aussetzen  sich  bessert,  und  endlich,  wenn  er  sich  jedesmal  nach 
einer  grĂ¶ĂŸeren  Dosis  von  Sa  einstellt.  Therapeutisch  soll  nur 
der  Ikterus  mit  sicher  syphilitischer  Ursache  mit  zunÀchst 
kleinen  Dosen  von  Hg  +  Sa  angegangen  werden,  in  den  ĂŒbrigen 
FÀllen  empfiehlt  es  sich,  bis  zur  KlÀrung  der  Pathogenese  nur 
symptomatisch  zu  behandeln.  ß  a  b  (Berlin). 


Innere  SeKretion. 

T.  W.  Tallquist:  UnterernÀhrung  und  innere  Sekre- 
tion. (Acta  Medica  Scandinavica,  56,  Heft  6.) 
Nach  einem  kurzen  RĂŒckblick  auf  die  Oedemkrankheit,  deren 
ZusammenhÀnge  mit  der  inneren  Sekretion  besprochen  werden, 
wendet  sich  Verf.  der  Besprechung  des  Morb.  Basedow  und  des 
Diabetes  zu  und  weist  auf  die  schon  mehrfach  erörterte  Tatsache 
hin,  daß  beide  Krankheiten  in  der  Kriegszeit  sich  wesentlich  ver- 
ringert haben.  Er  glaubt  hieraus  schließen  zu  dĂŒrfen,  daß  unfrei- 
willige UnterernÀhrung  in  gewissem  Grade  die  Entstehung  der 
beiden  genannten  Krankheiten  verhindert.  Hinsichtlich  der  Aetio- 
logie  sowohl  des  Basedow  wie  des  Diabetes  wird  im  ĂŒbrigen  be- 
sonders der  konstitutionelle  Faktor  hervorgehoben. 

A.  MĂŒnzer. 

E.  C.  Cutler:    Der  Einfluß  der  Hypophyse  auf  die 
Antikörper -  Bildung.    Journ.  of  Experiment.    Med.  Bd. 
35,  H.  2,  1922,  S.  243. 
Die  nicht  zu  leugnende  große  Bedeutung  der  DrĂŒsen  mit 
innerer  Sekretion  veranlaßte  den  Verfasser  zu  untersuchen,  ob 
der   Hypophyse    eine    Rolle    bei    der    Antikörperbildung  zu- 
kommt (!?).    Ausgedehnte  Versuche  ĂŒber  Bazillen- Agglutination, 
HĂ€magglutination  und  HĂ€molyse  nach  partieller  Hypophysen- 
exstirpation  bei  Meerschweinchen   fĂŒhrten  zu  keinerlei  verwert- 
baren Ergebnissen.  L.  Farmer  Loeb. 

De  Quervain:     Ueber    den    respiratorischen  Gas- 
wechsel bei  der  Struma  vasculosa  im  Kindes- 
alter und  nach  Implantation  von  Kropfgewebe 
bei  Kretinen.  (Schweiz.  Med.  Wochenschrift  Nr.  38,  S.  925.) 
Zu   den  Mitteln,  die   zur  Erforschung  der  pathologischen 
Physiologie  der  SchilddrĂŒse  fĂŒhren,  gehört  in  erster  Linie  die  Be- 
stimmung des  respiratorischen  Grundumsatzes.   Wohl  war  von 
Friedrich  MĂŒller  auf  die  Erhöhung  desselben  bei  Basedow  auf- 
merksam gemacht  worden,  ein  Befund,  der  von  Magnus-Levy 
bestÀtigt  wurde;  klinische  Bedeutung  erhielten  diese  Beobach- 
tungen aber  erst  dadurch,  daß  eine  praktische  Apparatur  ge- 
schaffen und  der  normale  Grundumsatz  bei  beiden  Geschlechtern 
aufgestellt  wurde.    Verfasser  bespricht  die  von  Jaquet,  Tissot, 
Haidane  und  Benedikt  angegebenen  Apparate,  vom  denen  der 
erstere  wegen  seiner  UmstĂ€ndlichkeit  weniger  fĂŒr  den  klinischen 
Betrieb  geeignet  ist.  - 

Die  chirurgische  Klinik  in  Bern  bedient  sich  eines  Tissot- 
schen  Spirometers  mit  Gasanalyseapparaten  nach  Haidane  und 
hat  mit  dieser  Apparatur  auch  bei  ausgesprochenen  Kretinen 
gleichmĂ€ĂŸige  Resultate  erzielt.  Held  (Berlin). 

Frank  H'Doubler:  Ueber  den  respiratorischen  Gas- 
wechsel bei  der  Struma  vasculosa  im  Kindes- 
alter und  nach  Implantationen  von  Kropf- 
gewebe bei  Kretinen.  (Schweiz.  Med.  Wochenschrift 
Nr.  38,  S.  926.) 

Verfasser  faßt  seine  Ergebnisse  in  folgenden  SĂ€tzen  zu- 
sammen: Der  respiratorische  Grundumsatz  ist  bei  den  zur  Unter- 
suchung gelangten  diffusen  vaskulÀren  Strumen  des  Vorpuber- 
tÀtsalters  nicht  gesteigert,  sondern  ungefÀhr  normal  oder  leicht 
vermindert,  auch  da,  wo  auf  Hyperthyreoidismus  hindeutende 
cardiovaskulÀre  Symptome  vorhanden  sind.  Ausgiebige  Kropf- 
resektion setzte  den  Grundumsatz  in  diesen  FĂ€llen  um  durch- 
schnittlich 17  %  herunter.  Die  untersuchten  Kretinen  zeigen  eine 
Erniedrigung  des  Grundumsatzes  von  durchschnittlich  —32%. 
Bei  der  Aufstellung  einer  Altersskala  fĂŒr  den  Grundumsatz  können 
die  Standardwerte  NormalwĂŒchsiger  fĂŒr  ZwergwĂŒchsige  nicht 
ohne  weiteres  verwendet  werden.  Untersuchungen  ĂŒber  diesen 
Punkt  sind  noch  erforderlich.  Held  (Berlin). 


J.  Dun«:  Klinische  Erfahrungen  bei  840  Kropfope- 
rationen mit  besonderer  BerĂŒcksichtigung  der 
Kropf-Recidive      und      Recidiv-Ope  ratio»  en. 

(Schweiz.  Med.  Wochenschr.  Nr.  37,  Sept.  22,  S.  901.) 

Mit  Bezug  auf  den  Sita  der  Struma  bestÀtigt  sich  die  Erfah- 
rung, daß  der  r.  SchilddrĂŒsenlappen  viel  hĂ€ufiger  vergrĂ¶ĂŸert  ist 
als  der  1.  und  daß  der  1.  viel  mehr  Neigung  zur  substernalen  Ent- 
wicklung zeigt  als  der  r.  FĂŒr  die  AnĂ€sthesie  bei  der  Strumektomie 
beschrÀnkt  sich  Verf.  auf  die  Leitungsunterbrechung  am  hinteren 
Kopfnickerrande  unter  Verzicht  auf  die  tiefe  paravertebrale  Lei- 
tuagsanĂ€sthesie.  FĂŒr  das  Weglassen  der  Drainage  sprechen  fol- 
gende Momente:  Die  Drains  verstopfen  sich  meist  schon  nach 
relativ  kurzer  Zeit,  wodurch  die  Ableitung  illusorisch  wird.  Die 
Gefahr  einer  sekundÀren  Infektion  ist  bei  einer  drainierten  Wunde 
immer  grĂ¶ĂŸer1  als  bei  einer  primĂ€r  geschlossenen.  Der  primĂ€re 
Verschluß  bietet  ferner  die  Chance  des  abgekĂŒrzten  Heilungsver- 
laufs und  vermeidet  mit  Sicherheit  die  garnicht  so  seltenen  Drain- 
fisteln. Hat  man  den  Entschluß  zur  drainagelosen  Behandlung  ge- 
faßt, so  wird  man  der  Blutstillung  mehr  Aufmerksamkeit  als 
sonst  zuwenden.  Gegen  die  Sickerblutung  aus  dem  Stumpfrest 
sucht  man  sich  zu  schĂŒtzen  durch  Kapselabdichtung,  oder  wenn 
eine  solche  nicht  zu  erzielen  ist,  durch  AnnÀhen  der  liefen  Kropf- 
muskelschicht auf  den  Stumpf. 

WĂ€hrend  man  frĂŒher  vielfach  die  HĂ€ufigkeit  der  Recidive 
einfach  nicht  sehen  wollte  oder  auch  Zahlen  von  58—64  %  mit 
erstaunlichem  Gleichmut  entgegennahm,  sind  jetzt  Bedeutung  und 
Umfang  der  Kropfrecidive  in  den  Vordergrund  des  Interesses  ge- 
rĂŒckt. Besonders  aktuell  ist  die  Frage,  ob  die  weitgehende  Einengung 
des  Kreislaufs  durch  Unterbindung  aller  4  Arterien  imstande  ist, 
die  Rezidive  einzuschrĂ€nken.  Der  Umstand,  daß  bei  einer  Halb- 
seitenexcision  die  Recidivgefahr  von  den  verschiedenen  Autoren 
so  verschieden  gewertet  wird,  fĂŒhrt  zu  der  Feststellung  daß  die 
geographisch  bedingten  Verschiedenheiten  des  Kropfmaterials  die 
ausschlaggebende  Rolle  spielen.    So  muß  letzten  Endes  jeder 
Operateur  an  der  Hand  seiner  Resultate  sich  diejenige  Operations- 
methode selbst  heraussuchen,  die  fĂŒr  sein   Kropfmaterial  die 
wenigsten  Recidive  gibt.  FĂŒr  die  Schweiz  liefert  die  Hemistrum- 
ektomie  bezĂŒgl.  Recidive  sehr  schlechte  Resultate.   Auch  bei  fast 
rein  einseitiger  Entwicklung  des  Kropfes  genĂŒgt  der  einseitige) 
Eingriff  nicht,  um  die  „Kropf-Entwicklung  des  nichtoperierten! 
Lappens  zu  hindern.  Nach  seinen  vorlÀufigen  Erfahrungen  möchte 
Verf.  glauben,  daß  die  4-Arterienligatur  das  Recidiv  zwar  nicht 
mit  absoluter  Sicherheit  verhindert,  aber  weitgehend  einschrÀnkt. 
Die  FĂ€lle  von  Tetanie  nach  Unterbindung  aller  Arterien  halten 
einer  scharfen  Kritik  nicht  stand.    Daß   Recidivoperationcn  zu 
den  technisch  schwierigsten  und  unerfreulichsten  Eingriffen  ge- 
hören, ist  bekannt.  Nicht  am  wenigsten  fĂŒrchtet  sie  der  Pat.  selbst  I 
und  ĂŒberantwortet  sich  im  Recidivfalle  lieber  dem  Kurpfuscher  als 
dem  Chirurgen!    Es  zeigt  sich,  daß  das  Recidiv  nicht  selten  sich 
erst  viele  Jahre  nach  der  ersten  Kropfoperation  zu  entwickeln] 
beginnt.    Dazu  kommt  die  deprimierende  Feststellung,  daß  es 
Kropfgegenden  und  Kröpfe  gibt,  die  operativ  fast  nicht  unterzu- 
kriegen sind,  sich  allen  nicht  ganz  radikalen  Eingriffen  gegen- 
ĂŒber rebellisch  verhalten  und  immer  wieder  die  Tendenz  zu  neuem 
Wachstum  zeigen.    Die  GrĂŒnde  dieser  Recidivbereitschaft  kennen] 
wir  nicht;  aber  wir  wissen  wenigstens,  daß  der  frisch  operierte) 
Pat.  nicht  einfach  wieder  in  sein  altes  Kropf milieu  entlassen  wer-j 
den  darf,  wo  er  den  alten,  kröpf  erzeugenden  EinflĂŒssen  ausgesetzt! 
ist.   Die  postoperative  Kropfprophylaxe  kann  heut  nicht  mehr  um-j 
gangen  werden,  und  es  ist  ein  großes  Verdienst  von  Roux  undi 
Kocher,  darauf  aufmerksam  gemacht  zu  haben.    Nur  darf  kein 
Mißbrauch  getrieben  und  die  Ă€rztliche  Kontrolle  nicht  ausge- 
schaltet werden.  Held  (Berlin)* 

Bauer,  J.    Kalkstoffwechsel  und  innere  Sekretion. I 
Wien.  Med.  Wochenschrift,  Nr.  34/35,  August  1922,  S.  1426. 
Ausgezeichneter  Ueberblick  ĂŒber  den  derzeitigen  Stand  der 
recht  verwickelten  Frage.    Als  gesichert  wird  folgendes  ange- 
fĂŒhrt: Rachitis   und  Osteomalazie  sind  sehr  hĂ€ufig  mit  klinisch 
nachweisbaren    Funktionsstörungen    oder    brĂŒsken   Funktions- . 
Ă€nderungen   des   BlutdrĂŒsensystems   verknĂŒpft,   wobei  Epithel- 
körperchen,  Thymus,  KeimdrĂŒsen,  wahrscheinlich  aber  auch  Hy- 
pophyse, SchilddrĂŒse  und  Nebenniere  im  Vordergrund  der  endo- 
krinen Korrelationsstörung  stehen  können.    Alle  BlutdrĂŒsen  be- 
einflussen in   mehr  oder   weniger  ausgesprochener  Weise  den 
intermediÀren  Kalkstoffwechsel  des  Organismus,  Epithelkörper- 
chen  und  Thymus  greifen  in  ihrer  Wirksamkeit  am  Knochen- 
gewebe selbst  an,  indem  sie  dessen  AufnahmefĂ€higkeit  fĂŒr  Kalk- 
salze fördern.  R  e  u  ß  Wien). 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Referate 


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Chirurgie  und  GynÀkologie. 

C.  N.  Chipnian.  Narkosemittel  und  Lung  e  n  a  1)  s  /.  e  Ii 
nach  Hals-,  Nasenoperationen.  (Journ.  of  the 
Amer.  Med.  Assoc.  79,  Nr.  7,  Aug.  1922,  S.  539.) 
Operationsimethoden,  die  in  unzweckmĂ€ĂŸiger  Weise  die  Ton- 
sillen zermalmen  und  den  Pharynx  mit  dem  kÀsigen,  oft  auch 
dtrigen  Material  anfĂŒllen,  sind  dazu  angetan,  Lungenprozesse 
zu  erzeugen.  Ist  die  Narkose  tief,  die  Reflexe  aufgehoben,  so  ist 
die  (iefahr  der  Aspiration  grĂ¶ĂŸer  als  bei  leichter  Narkose  mit 
erhaltenen  Reflexen.  Die  Aspirationsgefahr  wird  ferner  dadurch 
vermehrt,  wenn  der  Kopf  sich  in  einer  Ebene  mit  dem  Körper 
befindet;  die .  Operation  soll  am  hÀngenden  Kopf  vollzogen 
werden.  Tonsillen  und  Pharynx  sind  vor  der  Operation  mit  einer 
50%igen  Jodtinktur  anzupinseln.  Blutungen  sind  durch  Naht 
oder  Ligatur  zu  stillen,  nicht  durch  Tamponade,  die  die  AnÀsthe- 
sie unnĂŒtz  verlĂ€ngert.  Besteht  eine  akute  Tonsillitis  oder  Bron- 
chitis, so  ist  mit  einem  operativen  Eingriff  am  Hals  oder  an  der 
Nase  unbedingt  8  Tage  bis  nach  Abklingen  der  fieberhaften  Er- 
scheinungen zu  warten.  Held  (Berlin). 

Mandl,  F.:  F  u  ß  b  a  1 1  v  e  r  1  e  t  z  u  n  g  en.  (Wien.  Med.  Wochen- 
schrift, Nr.  33,  August  1922,  S.  1380.) 
Folgende  Verletzungen  wurden  beobachtet:  Schockerschei- 
nungen  nach  Stoß  gegen  den  Bauch  (meist  harmlos);  Haema- 
tokelen  und  Praepulialhaematome,  Othaematome;  Kontusion  und 
Fraktur  des  Nasenbeins,  Verletzungen  der  oberen  ExtremitÀten 
sind  relativ  selten:  Luxation  des  Humerus,  Radiusfraktur,  Distor- 
sion  der  Hand,  Klavikularfraktur,  Luxation  des  Daumens  (wieder- 
holt beobachtet).  Der  gewöhnliche  Sitz  der  Verletzungen  ist  die 
untere  ExtremitÀt,  besonders  das  Kniegelenk  und  die  oberen  zwei 
Drittel  des  Unterschenkels.  Man  findet:  subkutane  Haematome, 
Exkoriationen,  zuweilen  recht  hartnÀckige  Ulcera  cruris,  Tendo- 
vaginitiden,  Achillodynie,  „Bursitis  anserina"  (unterhalb  des  pes 
anserinus),  Muskelhaematome;  Nervenerkrankungen  sind  selten 
(„FußballerlĂ€hmungen").  Ferner  findet  man:  traumatische  Periost- 
verdickungen, Schmerzen  in  der  Gegend  der  Tuberositas  tibiae 
(sog.  „Schlattersche  Krankheit"),  Frakturen  des  Metata  rsus,  der 
Tibia  und  Fibula,  hÀufig  Distorsionen  des  Sprunggelenks.  Am 
wichtigsten  sind  die  Affektionen  des  Kniegelenks:  Distorsionen 
mit  folgendem  Gelenkserguß,  Kontusionen,  Luxation  der  Menisken, 
BĂ€nderzerreißungen;  Haemarthros;  endlich  der  idiopathische 
Hydrops  genu.  AusfĂŒhrliche  Besprechung  der  Prognose  und 
Therapie.  Reuß  (Wien). 

A.  HĂŒbner:  SuprĂ€pubischeoder  perineale  Prostat- 
ektomie? (Klin.  Wochenschr.,  1922,  Nr.  35.) 
Die  suprapubische  Prostatektomie  ist  die  Operation  der  Wahl. 
Die  perinale  ist  indiziert  bei  Àlteren  Prostatikern,  bei  denen  die 
Frage  der  Potenz  bedeutungslos  ist,  und  in  den  FĂ€llen  von  Absze- 
dierung und  maligner  Degeneration  der  Prostata. 

A.  M  iinzor? 

Bertram,  M.  und  Bernheim,  M.  D.:  Zungenaktinomykose. 
(The  Amer.  Journ.  of  the  Med.  Sciences,  163,  Nr.  4,  April  1922, 
S.  507.) 

An  Hand  von  drei  eigenen  und  35  LiteraturfÀllen  kurze  Be- 
sprechung der  Klinik  und  Therapie.  Zur  Diagnose  am  besten 
Probeexzision  des  fraglichen  Knotens.  Therapie  chirurgisch, 
außerdem  Jodkali  in  großen  Dosen  und  Radium.  Prognose 
gĂŒnstig  bei  nicht  zu  weit  fortgeschrittenen  FĂ€llen. 

Loewenhardt  (Charlottenburg-Westend). 

H.  Schinz:  Ein  Beitrag  zur  Röntge  nkastration  beim 
Mann.   (Schweiz.  Med.  Wochenschrift  Nr.  36,  S.  886.) 

Bei  einem  34  jÀhrigen  Manne  wird  eine  Röntgenkaslration 
vorgenommen.  3  Wochen  nach  der  1.  und  8  Tage  nach  der  2.  Be- 
strahlung finden  sich  massenhaft  leicht  bewegliche  Spermalozoen, 
14  Tage  nach  der  3.  Bestrahlung  wenige  unbewegliche  Spermato- 
zoen.  Erst  3  Wochen  nach  der  5.  Bestrahlung  sind  keine  Sperma- 
tozoon mehr  auffindbar  und  bleiben  nun  vorlĂ€ufig  fĂŒr  8  Monate 
nicht  mehr  nachweisbar.  Im  Anschluß  an  diesen  Fall  wird  die 
GrĂ¶ĂŸe  der  Dosis  und  die  AbhĂ€ngigkeit  derselben  von  der  Spermio- 
genese erörtert  und  es  werden  ebenso  wie  bei  der  Frau  drei 
Stadien  der  Kastration  festgelegt: 

1.  die  temporÀre  Sterilisation  mit  klinischer  Oligo-Nekrosper- 
mie  nach  Bestrahlung  von  mindestens  34  %  H.  E.  D. 
|      2.  Die  totale  Aspermatogenese  als  Parallele  zur  Wintzschen 
jExovulation  mit  dem  klinischen  Symptom  des  Azoospermie;  nach 
Bestrahlung  von  60  %  H.  E.  D. 


3.  Die  Totalkastration  mit  Zerstörung  sÀmtlicher  Bestandteile 
des  Hodens  und  klinischen  Ausfallserscheinungen,  deren  Dosis, 
da  beim  Manne  nicht  erstrebenswert,  noch  nicht  festgestellt  ist. 

Held  (Berlin). 

Henry   S.    Penn:  R  u  p  t  u  r   d  e  s   O  varitlfflg   mit  ausge- 
dehnter H  a  e  m  o  r  r  h  a  g  i  c  als  Komplikation  einer 
akuten  A  p  p  e  n  d  i  c  i  t  i  s.    (The  Boston  Med.  u.  Surg.  Journ. 
187,  Nr.  5,  S.  183.) 
Daß    Ruptur    des   Ovariums    mit    Blutungen  verschiedenen 
StÀrkegrades  auch  ohne  eklopische  Schwangerschaft  vorkommt, 
ist  bekannt,  doch  ist  die  Aeliologie  einer  rein  ovariellen  Hae 
morrhagie  bisher  noch  hypothetisch  geblieben.    Obgleich  theore- 
tisch denkbar,  ist  die  prÀoperative  Diagnosestellung  ein  schwie- 
riges Problem.    Hauptsache  ist  das  schnelle  Erkennen,  daß  eine 
innere  Blutung  vorliegt  und  ebenso  rasches  Eingreifen.   In  dem 
mitgeteilten  Falle  ist  die  Ruptur  des  Ovars  bei  tder  sonst  ge- 
sunden,  akut  an  Appendicitis   erkrankten   jungen  Frau  wahr- 
scheinlich durch  einen  vermehrten  intraabdominellen  Druck  zu 
erklÀren,   der    durch   persistierendes   Erbrechen    zustande  ge- 
kommen war.  Held  (Berlin). 

R.  T.  Frank:  Krebs  im  Zervixstumpf,  Metastase  im 
Wurmfortsatz.    (Surgery,  Gynecology  and  Obstetrics,  35, 
Nr.  3,  Sept.  22,  S.  334.) 
Ist  wegen  Uterusfibrom  die  supravaginale  Hysterektomie  in- 
diziert, so  soll  stets  vorher  genau  die  Cervix  auf  Karzinom  unter- 
sucht werden.    Bei  Verdacht  auf  maligne  Neubildung  ist  dann  die 
Totalexstirpation  trotz  etwas  höherer  MortalitĂ€t  vorzuziehen.  — 
In  der  Appendix  kann  sich  Metastase  eines  Cervixkarzinoms  ent- 
wickeln, die  als  solche  sich  durch  die  morphologische  Ueberein- 
stimmung  ausweist.  Kuhn. 

(.'.  J.  Drueek:  Die  Gefahren  der  Operation  der  Mast- 
darmfistel. (New  York  medioal  Journal,  115,  Nr.  12,  Juni 
1922,  S.  757.) 

Warnung  vor  mehrfachen  Durchtrennungen  des  Spinkters, 
die  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  zu  Inkontinenz  fĂŒhren.  Die 
Gefahr  der  Inkontinenz  hĂ€ngt  nicht  nur  von  der  Art  und  GrĂ¶ĂŸe 
des  Eingriffs  ab,  sondern  auch  von  dem  Verhalten  der  Darm- 
tÀtigkeit des  Patienten  vor  dem  Eingriff:  ein  durch  einen  Eingriff 
gedehnter  Sphinkter  kann  bei  festem  Stuhl  durchaus  kontinent 
sein,  wĂ€hrend  er  bei  etwas  breiigen  StĂŒhlen  schon  insuffizient 
ist.  Im  ĂŒbrigen  nichts  neues.  Wolff  (Hamburg). 

Franz,  R.  Ueber  frauen  Àrztliche  Erfahrungen  mit 
Argobol.  Wien.  Med.  Wochenschrift,  Nr.  32,  August  1922, 
S.  1358. 

Argobol  bewÀhrte  sich  bei  sekundÀrer  Reizvaginitis  im  Ge- 
folge von  Uterusgonorrhoe,  bei  nicht  gonorrhoischem  vaginalem 
Fluor,  bei  Kolpitis  simplex;  Delegon  (stÀbchen)  bei  Gonorrhoe 
des  Uterus  und  der  Harnröhre.  Reuß  (Wien). 

Thaler,  H.  Die  Pathologie  der  Geburt  in  ihrer  Be- 
ziehung zum  Wochenbettsfieber.  Wien.  Med. 
Wochenschrift,  Nr.  38/39,  September  1922,  S.  1554. 
Nicht  in  dem  einfachen  Höhersteigenl  der  Eigenkeime  liegt 
die  Hauptgefahr,  sondern  in  der  Kombination  mit  Keim-  bezw. 
Virulenzanreicherung  oder  der  direkten  Inokulation  der  Plazen- 
tarstelle.  Zur  Umstimmung  einer  abnormen  Scheidenflora  wer- 
den prophylaktische  SpĂŒlungen  mit  Vi  %iger  MilchsĂ€urelösung 
empfohlen.  Das  Bad,  welches  die  Wanderung  der  Hautkeime  in 
die  Geburtswege  fördert,  ist  wÀhrend  der  ganzen  Geburtszeit  zu 
vermeiden.  Gegen  die  vaginale  Untersuchung  wird  kein  grund- 
sÀtzlicher Einwand  erhoben,  doch  ist  sie  tunlichst  zu  beschrÀnken. 
Von  Wichtigkeit  ist  ferner  eine  richtige  Geburtsleitung,  insbe- 
sondere die  richtige  Leitung  der  Nachgeburtsperiode,  die  mög- 
lichste Vermeidung  der  manuellen  Plazentalösung,  das  ĂŒber- 
flĂŒssige -Suchen  nach  Eiweißresten.  Empfehlenswert  ist  frĂŒh- 
zeitiger energischer  Sekalegebrauch  im  Wochenbett. 

Reuß  (Wien). 

*       *  * 

Ophthalmologie. 

J.  M.  Patton  und  S.  R.  Gifford,  Omaha  (Nebraska):   Eine  eigen- 
artige AugenentzĂŒndung  bei  Farmern  (Agricultur 
Conjunctivitis).   (Am.  Jour.  of  Ophthalmology,  5,  Nr.  8  Aug.  22.) 
Verf.  berichten  ĂŒber  die  klinischen  und  bakteriologischen  Be- 
obachtungen bei  6  FĂ€llen  seltener  Erkrankung.  Es  handelte  sich 
um  schwere  akute  AugenbindehautentzĂŒndung,  welche  immer  ein- 
seitig blieb,  aber  mit  enormer  Schwellung  der  regionalen  Lymph- 
drĂŒsen sowie  mit  Nekrose  der  Haut  an  den  Lidern  und  mit  Mem- 


678 


Buchbesprechungen 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


branbildung  an  der  Lidbindehaut  verbunden  war.  Auch  die  ober- 
flÀchliche Hornhaut  war  immer  mitbeteiligt  und  blieb  dauernd  ge- 
schÀdigt. Die  FÀlle,  welche  klinisch  ein  abgegrenztes  Krankheits- 
bild darstellen,  wurden  bei  erwachsenen  bzw.  nahezu  erwachsenen 
Personen  beobachtet,  welche  sÀmtlich  im  landwirtschaftlichen  Be- 
triebe beschÀftigt  waren.  Eine  Mischinfektion  war  immer  nach- 
weisbar. Staphylokokken  und  Streptokokken  (Diese  nicht  durch- 
weg!) hauptsĂ€chlich  aber  ein  anaerob  wachsender,  großer, 
grampositiver  Bazillus.  Letzterem  wird  aeliologisch  Bedeutung 
beigelegt  bzw.  seinen  Sporen,  wenn  auch  die  Infektionsart  nicht 
voll  geklĂ€rt  ist.  Auch  dem  Beruf  muß  eine  Bedeutung  zukommen. 
Eine  Bundfrage  bei  praktischen  Aerzten  ergab,  daß  die  Krankheit 
im  Staate  Nebraska  selten  vorgekommen  zu  sein  scheint.  — 
Die  ganze  Literatur  ĂŒber  nekrotische  und  membranöse  Konjunk- 
tivitiden  wird  zusammengesetzt  und  kritisch  besprochen.  Es  muß 
sich  in  den  beobachteten  FĂ€llen  um  eine  Infektion  eigener  Art  — 
unter  Ausschluß  von  Diphtherie  —  gehandelt  haben. 

Junius  (Bonn). 

Greeff:   UeberstenopÀischeBrillen  und  Apparate.  Ar- 
chiv f.  Augenh.  Bd.  90,  H.  2  und  3,  S.  147. 

Unser  Auge  ist  nicht  das  große  Wunderwerk  der  Natur,  fĂŒr  das  es 
in  frĂŒheren  Zeiten  gehalten  wurde,  sondern  mit  mancherlei  MĂ€ngeln 
seines  optischen  Systems  behaftet.  Selbst  das  sog.  deutliche  Sehen  ist 
nur  eine  besondere  Art  des  Sehens  in  Zerstreuungskreisen,  gegen  ein 
gewisses  Maß  derer  wir  gleichgĂŒltig  geworden  sind  Wo  sie  aber 
durch  Refraktionsfehler  und  UnregelmĂ€ĂŸigkeiten  der  brechenden  Me- 
dien resp.  der  Netzhaut  ĂŒber  dieses  Maß  hinausgehen,  ist  das  Auge  ge- 
zwungen, sie  bestmöglichst  zu  verkleinern.  Das  geschieht  durch  psy- 
chische, akkomodative  und  konvergente  Verengerung  der  Pupille  und 
deren  teilweise  Verdeckung  durch  Zukneifen  der  Lidspalte.  Diesen 
Zweck  haben  auch  die  seit  altersher  bekannten  stenopÀischen  Brillen 
und  Apparate. 

Im  folgenden  gibt  Verf.  aus  seiner  prachtvollen  Brillensammlung 
einige  interessante  Beispiele  solch  primitiver  Sehverbesserungsappa- 
rate,  durch  deren  enge  Oeffnung  abirrende  Randstrahlen  abgeblendet 
werden  und  ein  schÀrferes  Bild  auf  der  Netzhaut  entworfen  wird.  Die 
zu  einem  engen  Rohr  zusammengeballte  Hand  und  Holzröhren  mit 
engem  Spalt  galten  schon  lange  vor  Christi  Geburt  als  stenopÀische 
Fernrohre.  Gegen  das  Schielen  wandte  man  im  Mittelalter  Masken  und 
Brillen  an,  die  durch  besonders  angebrachte  stenopÀische  Spalten  und 
Löcher  das  schielende  Auge  in  die  Normalstellung  bringen  sollten. 
Lochbrillen  finden  sich  auch  heute  noch  in  den  Optikerkatalogen.  Sie 
sind  nutzlos  fĂŒr  den  Schielenden,  denn  die  Augen  stellen  sich  dahinter 
doch  nicht  gerade  ein.  Nur  die  Auskorrigierung  des  Brechungsfehlers 
und,  wenn  diese  erfolglos,  die  spÀte  Operation  können  als  kunstgerechte 
Schielbehandlung  gelten. 

StenopÀische  Lochsysteme  in  alten  Ritterhelmen  dienten  dem  besse- 
ren Sehen  der  Kurz-  und  Schwachsichtigen,  wie  auch  seit  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts  stenopÀische  Brillen  mit  einem  zentralen  oder  einer 
Reihe  von  engen  Löchern  auf  einer  Blechplatte  oder  mit  kĂŒrzeren  oder 
lĂ€ngeren  Tuben,  in  die  evtl.  auch  GlĂ€ser  gesetzt  wurden,  fĂŒr  Schwach- 
sichtige in  Gebrauch  waren.  Sie  hatten  aber  den  Fehler,  das  Gesichts- 
feld sehr  .einzuengen  und  zu  dauernden  Kopfdrehungen  zu  nötigen. 
Deshalb  fĂŒhrte  man  die  Siebplatte  ein,  die  spĂ€ter  mehrfach  modifiziert 
wurde.  Die  neueste  Schöpfung  auf  diesem  Gebiet  ist  die  Vereinigung 
von  stenopĂ€ischem  Spalt  mit  Fernrohrbrille.  —  Schließlich  wird  noch 
auf  stenopĂ€ische  Brillen  zum  Schutz  gegen  ĂŒbermĂ€ĂŸige  Belichtung,  wie 
sie  z.  B.  die  Eskimos  tragen,  auf  stenopĂ€ische  Schießbrillen  und  steno- 
pÀische Schutzbrillen  verwiesen,  welch  letztere  sich  besonders  im  Hoch- 
gebirgskrieg  gegen  Steinsplitterung  bewÀhrt  haben. 

Fr.  W.  M  a  s  s  u  r  (Berlin). 

Gradle,  S.:  Doppelseitige  Durchblutung  der  Horn- 
haut. (Amer.  Journ.  of  Ophthalmology,  5,  Nr.  9,  Sept.  1922.) 
Bei  einer  55  jÀhrigen  Patientin  waren  nach  vorderer  Uveitis, 
deren  tiefere  Ursache  unklar  blieb,  vielfache  Verlötungen 
zwischen  Iris  und  Linse  (hintere  Synechien)  zurĂŒckgeblieben.  Es 
wurde  ausnahmsweise  an  einem  Tage  an  beiden  Augen  die 
therapeutische  Iridektomie  vollfĂŒhrt.  Die  vordere  Kammer 
beider  Augen  fĂŒllte  sich  daraufhin  mit  Blut.  FĂŒnf  Tage  spĂ€ter 
war  auch  die  Hornhaut  bds.  durchblutet,  braun-rötlich  verfÀrbt, 
trĂŒbe.  Bechts  hellte  sie  sich  spĂ€ter  wieder  auf,  links  nicht.  Der 
Augendruck  blieb  rechts  regelrecht,  links  wurde  er  gesteigert  ge- 
funden. (Kleiner  Irisvorfall  als  mögliche  Ursache?)  Links  blieb 
die  Hornhaut  dauernd  trĂŒbe.  SpĂ€ter  trĂŒbten  sich  auch  beide 
Linsen  (ErnÀhrungsstörung).  Der  Fall,  welcher  in  seinen  Einzel- 
heiten nur  augenÀrztliches  Interesse  bietet,  aber  sehr  eigenartig 
liegt,  wird  bezĂŒglich  der  Entstehung  der  Blutung  unter  Eingehen 
auf  die  Literatur  nÀher  erörtert,  jedoch  nicht  voll  geklÀrt. 

Junius  (Bonn). 


Buchbesprechungen. 

Helferich:  Atlas  und  Grundriß  der  traumatischen 
Frakturen  und  Luxationen.  10.  Aufl.  J.  F.  Leh- 
manns Verlag,  MĂŒnchen,  1922.    Gebd.  100  Mark. 

Der  Helferich 'sehe  Atlas  erscheint  soeben  in  10.  Auf- 
lage. Ein  Werk  wie  dieses  bedarf  keines  Lobes  mehr.  Das  Buch, 
das  1894  zum  ersten  Mal  erschien,  steht  heute  völlig  aöf  der  Höhe 
unserer  neuesten  Erfahrungen.  Die  Abbildungen  sind  vorzĂŒglich, 
der  knappe  Text  ist  geradezu  als  klassisch  zu  bezeichnen.  Die 
weiteste  Verbreitung  unter  FachÀrzten,  Praktikern  und  Studen- 
ten ist  dem  Buch  auch  weiterhin  gewiT}. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Fehling:  Diagnostische  und  therapeutische  IrrtĂŒmer 
und  ihre  VerhĂŒtung  in  der  Schwangerschaft.  (Di- 
agnostische und  therapeutische  IrrtĂŒmer  und 
deren  VerhĂŒtung,  Geburtshilfe,  H.  3.  Herausg.  von 
J.  Schwalbe.)    Leipzig,  1922,  Georg  Thieme.    22,50  M. 

In  klarer,  ĂŒbersichtlicher  Form  werden  die  normale  Schwanger- 
schaft, die  spezifischen  Erkrankungen  und  die  akzidentellen  Erkran- 
kungen in  derselben  besprochen,  soweit  diagnostische  und  therapeuti- 
sche IrrtĂŒmer  in  Betracht  kommen.  Besonders  wichtig  fĂŒr  den  Prak- 
tiker ist  das  Kapitel  ĂŒber  Blutungen.  Sehr  zu  begrĂŒĂŸen  und  zu  beher- 
zigen ist  die  dringende  Warnung  des  Verf.  vor  der  Abortzange.  — 
Leider  ist  ĂŒber  Ileus  in  der  Schwangerschaft,  der  wohl  auch  schon  zu 
diagnostischen  IrrtĂŒmern  gefĂŒhrt  hat,  nichts  gesagt.  Das  Buch  wird 
fĂŒr  jeden  Geburtshilfe  treibenden  Praktiker  von  großem  Nutzen  und 
Wert  sein. 

K.  Wohlgemuth  (Berlin). 

Chvostek.  Ueber  ErkÀltungskrankheiten.  (Wien. 
Med.  Wochenschrift  Nr.  41,  Oktober  1922,  S.  1652.) 

FĂŒr  die  ErkĂ€ltungskrankheiten  ist  eine  abnorme  Körper- 
konstitution eine  conditio  sine  qua  non.  Dies  vorausgesetzt,  ist 
an  der  ErkÀltung  als  Krankheitsursache  nicht  zu  zweifeln.  Dem 
spezifisch  auslösenden  Moment  der  ErkÀltung  entsprechen  frei- 
lich nicht  ganz  bestimmte,  klinisch  gut  charakterisierte  Erschei- 
nungen; dieselben  Erscheinungen  kommen  auch  unter  andern 
Àtiologischen  Einwirkungen  zustande.  Als  ErkÀltungskrankheiten 
im  engeren  Sinne  gelten  jene,  bei  welchen  eine  KĂ€lteidiosyn- 
krasie bei  Einwirkung  abkĂŒhlender  VorgĂ€nge  zu  Krankheits- 
störungen an  verschiedenen  Organen  fĂŒhrt.  Außer  der  konsti- 
tutionellen Empfindlichkeit  kommt  noch  eine  erworbene  in  Be- 
tracht, die  vielfach  in  ersterer  fußt.  Beflektorisch  bedingte  Aen- 
derungen  der  Blutverteilung  und  nervöse  EinflĂŒsse  schaffen  den 
geeigneten  Boden,  auf  dem  sich  anderweitige  KrÀfte  entfalten,  wie 
Bakterien  und  Giftstoffe.  Bei  Fehlen  solcher  exogener  Faktoren 
sind  es  im  Körper  normalerweise  sich  abspielende  VorgÀnge 
des  Stoffwechsels,  die  unter  den  KĂ€lteeinwirkungen  zur  Geltung^ 
kommen;  oder  es  genĂŒgen  die  VerĂ€nderungen  der  Zirkulation^ 
und  die  nervösen  EinflĂŒsse  an  sich,  um  bei  der  besonderen  Ver-J 
fassung  des  Körpers  zu  VerĂ€nderungen  des  Gewebes  zu  fĂŒhren,, 
die  den  Beiz  ĂŒberdauern.  B  e  u  ß  (Wien). 

Professor  Dr.  Otto  Seifert  (WĂŒrzburg) :    Die  Nebenwirkungen 
der  modernen  Arzneimittel.    II.  Teil.  Leipzig  1922.  Ver-' 
lag  von  Kurt  Kabitzsch.   Preis  br.  Mk.  50,—,  gebd.  Mk.  68.—. 

Der  Titel  stimmt  mit  dem  Inhalte  nicht  ganz  ĂŒberein,  denn  nur  bei 
170  von  den  269  aufgenommenen  Arzneimitteln  sind  Nebenwirkungen 
mitgeteilt.    Unterscheidet  sich  von  Riedels  „Mentor"  nur  durch  we-- 
sentlich  geringere  Anzahl  der  berĂŒcksichtigten  Arzneimittel  und  durch 
die,  allerdings  unvollstÀndigen,  Literaturangaben. 

Low  (Döberitz). 

Professor  E.  Mannheim  (Bonn) :  PharmazeutischeChemie.  IV. 
UebungsprÀparate,  mit  5  Abbildungen.  Sammlung  Göschen.  Preis 
9,—  Mk.  (Vereinigung  wissenschaftl.  Verleger  Walter  de  Gruyter 
&  Co.,  Berlin-Leipzig). 

ZunĂ€chst  fĂŒr  studierende  Pharmazeuten  und  fĂŒr  Apothekerprakti- 
kanten zur  Vorbereitung  auf  das  Examen  besonders  geeignet,  ist  das 
Buch  aber  nicht  minder  fĂŒr  den  PrĂ€medikus  im  Physikum  und  noch 
mehr  fĂŒr  den  selbst  dispensierenden  Landarzt  von  grĂ¶ĂŸtem  Interesse. 
Die  Apothekerpraktikanten  werden  die  sehr  zweckmĂ€ĂŸig  gestellten 
stöchiometrischen  Uebungsaufgaben  samt  Lösung  besonders  dankbar 
begrĂŒĂŸen.  Sehr  sympathisch  ist  die  WiedereinfĂŒhrung  eines  fast  frie- 
densmĂ€ĂŸigen und  ziemlich  haltbaren  Ă€ußeren  Gewandes  der  BĂ€ndchen. 

Low  (Döberitz). 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


Jenseits 


\  o  n    H  e  i  ii  I    ii  ,,  ,|  \ 


in  I 


XIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Hygiene  in  der  Tierwelt. 

Von  Dr.  Th.  Zell. 

Von  den  im  Berliner  Zoologischen  Garten  befindliehen 
lenenffa-Schimpansen  wurde  kĂŒrzlich  belichtet,  daß  sie 
einen  Zuwachs  durch  die  Geburt  eines  Kleinen  erhallen 
hatten.  Das  Benehmen  der  Mutter  wurde  hierbei  von  fach- 
mÀnnischer Seite  geschildert.  Es  war  durchaus  zweckent- 
sprechend, so  das  Abbeißen  der  Nabelschnur,  die  Reinhal- 
tung und  das  SĂ€ugen  des  Kleinen.  Nach  unseren  Begriffen 
ist  die  Reinigung  durch  die  Zunge  hygienisch  nicht  ganz 
einwandfrei,  aber  bei  Tieren,  denen  beispielsweise  warmes 
Wasser,  Seife  und  Handtuch  fehlen,  ist  sie  ganz  am  Platze. 
Wie  wichtig  die  Zunge  fĂŒr  das  Gedeihen  der  Jungen  ist! 
konnte  man  an  einer  Wölfin  im  Zoologischen  Garten  sehen 
der  die  Zunge  fehlte.  SĂ€mtliche  Junge  von  ihr  starben,  weil 
sie  ihnen  die  natĂŒrliche  Reinigung  durch  das  Belecken  nicht 
angedeihen  lassen  konnte. 

Weder  Geburtsarzt  noch  Hebamme,  noch  einen  Kursus 
m  der  Behandlung  der  Neugeborenen  braucht  das  Tier,  und 
trotzdem  werden  die  wichtigsten  Lehren  der  Hygiene  in- 
stinktiv befolgt.  Das  gilt  nicht  nur  auf  dem  Gebiete  der 
SĂ€uglingspflege,  sondern  ganz  allgemein.  Daher  kommt  es 
auch,  daß  die  unter  natĂŒrlichen  VerhĂ€ltnissen  lebenden 
iiere  sich  fast  ausnahmslos  einer  ausgezeichneten  Gesund- 
heit erfreuen.  Ohne  jeden  Unterricht  befolgen  sie  die  gewiß 
nicht  einfachen  Lehren  der  Hygiene.  Ja,  man  kann  noch 
einen  Schritt  weiter  gehen  und  behaupten,  daß  die  Tiere  auf 
diesem  Gebiete  uns  Menschen  in  vielen  Punkten  weit  ĂŒber- 
legen sind. 


Die  schönsten  GrundsÀtze  der  Hygiene 


nĂŒtzen  keinen 

‱  Ulierling,  wem.  das  Material  nichts  taugt.  Die  Voraus- 
setzung jeder  Hygiene  wĂ€re  demnach,  daß  gesunde  Nach- 
kommenschaft und  kein  Kropzeug  vorliegt.  Das  Tier  han- 
delt hiernach  seit  ewigen  Zeiten,  indem  die  KĂ€mpfe  der 
Nebenbuhler  um  das  Weibchen  dafĂŒr  sorgen,  daß  nur  starke 
MĂ€nnchen  sich  fortpflanzen.  Wie  es  bei  uns  auf  diesem 
Gebiete  aussieht,  bleibt  wohl  besser  unerörtert.  Je  grĂ¶ĂŸere 
Macht  das  Geld  gewinnt,  desto  eher  bleibt  das  gesunde  aber 
arme  Madchen  sitzen,  wĂ€hrend  das  kĂŒnstlich  aufgepĂ€ppelte 
nervöse  Geschöpf  mit  dem  großen  Portemonnaie  einen  Mann' 
erhalt.  Unsere  Gesetzgebung,  die  sich  doch  sonst  mit  ver- 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸig gleichgĂŒltigen  Dingen  befaßt,  bekĂŒmmert  sich 
um  diese  Grundlage  der  Volksgesundheit  nicht  mit  einer 
,luc  Einsichtsvolle  MĂ€nner  haben  diese  GleichgĂŒltigkeit 
lebhaft  beklagt.  D  a  r  w  i  n  macht  darauf  aufmerksam,  daß 
man  die  Wichtigkeit  dieses  Punktes  bereits  vor  Jahrtausen- 
den eingesehen  hat.  Bei  dem  Dichter  Theognis,  der  550  Jahre 
vor  Christi  Geburt  lebte,  findet  sich  nÀmlich  schon  die  Klage 
daß  wir  bei  den  Haustieren  die  krĂ€ftigsten  zur  Nachzucht 
wÀhlen,  dagegen  bei  der  eigenen  Wahl  auf  das  Geld  sehen 
Der  Vorsprung,  den  das  wilde  Tier  dadurch  erzielt  daß 
es  nur  gesunde  Nachkommenschaft  in  die  Welt  setzt  kann 
vom  Kulturmenschen  niemals  wieder  eingeholt  werden 

Mit  Sokrates  glauben  viele,  daß  es  nur  des  Unterrichts 
hedarf,  um  die  Menschen  zur  Befolgung  richtiger  GrundsÀtze 
zu  veranlassen.  Hiernach  mĂŒĂŸten  LeitfĂ€den  der  Hygiene 
Wunder  wirken.  Es  sei  gestattet,  hierzu  ein  großes  Frage- 
zeichen zu  setzen,  denn  von  dem  Befolgen  der  GrundsÀtze  ist 
wenig  zu  merken.  Auch  in  diesem  Punkte  ist  uns  wiederum 
das  fier  uberlegen.    Es  liest  und  lernt  keine  SprĂŒche  wohl 


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XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  — Nr.  1. 


aber  befolgt  es  die  Lehren  der  Hygiene.  Und  das  ist  doch 
das  Wichtigste. 

Auf  der  Schulbank  wurde  uns  beispielsweise  der  schöne 
Spruch  eingeprÀgt: 

Arbeit,  MĂ€ĂŸigkeit  und  Ruh', 
Schließen  dem  Arzt  die  TĂŒre  zu. 

Welcher  Kulturmensch  kann  wohl  von  sich  sagen,  daß 
er  nach  diesen  Vorschriften  lebt?  Bei  den  Tieren  werden  da- 
gegen diese  GrundsĂ€tze  weit  besser  berĂŒcksichtigt. 

Der  Volksmund  hat  ganz  richtig  ausgesprochen,  daß 
Liebe  und  ĂŒbermĂ€ĂŸiges  Trinken  den  Menschen  aufreiben. 
Wie  steht  es  damit  in  der  Tierwelt? 

Ausnahmen  können  die  Regel  nur  bestÀtigen,  und  in  der 
Tat  gibt  es  einige  freilebende  Tiere,  die  sich  am  Alkohol 
berauschen.  Brehm  kann  aus  eigener  Anschauung  be- 
richten, daß  Paviane  sehr  verpicht  auf  das  Ă€gyptische  Bier 
sind  und  daher  leicht  mit  ihm  gefangen  werden  können. 
Daß  Affen  wie  Elefanten  gern  einen  guten  Tropfen  lieben, 
ist  ĂŒbrigens  eine  uralte  Beobachtung.  Von  freilebenden 
Tieren  wissen  wir  mit  Bestimmtheit,  daß  sich  zahlreiche 
Insekten  ihren  Tod  durch  den  „Suff"  holen.  Man  braucht 
in  einem  Gartenlokal  nur  sein  Glas  Bier  vor  sich  stehen  zu 
haben,  um  nach  kurzer  Zeit  zu  beobachten,  daß  sich  Fliegen 
und  Wespen  daran  gĂŒtlich  tun  wollen.  Gewöhnlich  fallen 
sie  dann  nach  einiger  Zeit  in  die  FlĂŒssigkeit  und  mĂŒssen 
eines  elendiglichen  Todes  sterben,  wenn  man  sie  nicht  her- 
ausfischt. 

Bei  Insekten  mĂŒssen  demnach  die  Instinkte  der  MĂ€ĂŸig- 
keit fehlen,  wahrscheinlich  deshalb,  weil  es  bei  ihrer  riesigen 
Vermehrung  auf  eine  Handvoll  nicht  ankommt. 

Dagegen  kann  man  von  SÀugetieren  und  Vögeln  meines 
Wissens  nur  Affen  und  Flughunde  durch  Alkohol  fangen. 
Vom  Panther  berichten  es  die  Alten,  weshalb  die  Bacchan- 
tinnen mit  Vorliebe  auf  ihm  reiten.  Ich  habe  aber  in  zoo- 
logischen GĂ€rten  niemals  eine  Vorliebe  dieser  gewandten 
Katzen  fĂŒr  den  Wein  feststellen  können.  Von  dem  Flugfuchs 
(jjteropus  Edwarsi)  schreibt  Brehm:  Sie  sollen,  wenn 
man  den  Saft  der  Kokospalme  auffÀngt,  sich  nach  der  durch- 


aus glaubwĂŒrdigen  Angabe  der  Eingeborenen  daran  gerade- 
zu betrinken. 

Auch  der  Gorilla  soll  sich  nach  Angabe  der  Neger  an 
einer  einheimischen  Frucht  förmlich  berauschen  und  dann 
leicht  erlegt  werden  können. 

Es  ist  das  alles,  was  ich  von  Alkoholkonsum  bei  wilden 
Tieren  angegeben  gefunden  habe.  Bedenkt  man,  welches 
Quantum  Alkohol  in  Deutschland  allein  auf  den  Kopf  der 
Bevölkerung  kommt,  so  wird  man  die  Tiere  im  allgemeinen 
als  höchst  mĂ€ĂŸig  bezeichnen  mĂŒssen. 

Ein  anderes  Verderben  des  Menschen,  seine  UnmĂ€ĂŸig- 
keit  im  geschlechtlichen  Genuß,  ist  in  der  Tierwelt  ebenfalls 
so  gut  wie  ausgeschlossen.  Die  Mehrzahl  der  Tiere  hat  eine 
bestimmte  Zeit,  Brunst-,  Ranz-,  Rammel-  usw.  Zeit,  in  der 
sie  der  Göttin  Venus  huldigt.  WĂ€hrend  der  ĂŒbrigen  Zeil 
wird  an  den  AltÀren-  der  Göttin  nicht  geopfert.  W  ie  schon 
wÀre  es.  wenn  der  Mensch  sich  hieran  ein  Beispiel  nÀhme. 

Auch  hier  sind  es  die  Haustiere,  die  diesen  gesunden  In- 
stinkt verloren  haben.  Zum  mindesten  sind  sie  hÀufiger  zur 
Begattung  geneigt.  So  haben  unsere  Hauskatzen  zweimal  im 
Jahre  Junge,  wÀhrend  sich  die  Wildkatze  nur  einmal  paart. 
Es  ist  allgemein  bekannt,  daß  der  zweite  Wurf  unserer 
Katzen  im  August  niemals  so  krÀftig  heranwÀchst  wie  der 
erste  im  Mai.  Denn  den  Augustkatzen  fehlen  die  warmen 
Sommermonate,  die  fĂŒr  ihr  Gedeihen  von  außerordentlicher 
Wichtigkeit  sind. 

Unter  den  wildlebenden  Tieren  sind  es  wiederum  merk 
wĂŒrdigerweise  die  Affen,  die  wie  der  Mensch  keine  be- 
stimmte Brunstzeit  haben.  Wenigstens  sind  die  MĂ€nnchen 
wahre  Satyrn.  Besonders  die  Paviane  zeichnen  sich  auf 
diesem  Gebiete  aus.  Meisterhaft  schildert  sie  unser  Brehm. 
In  ihrer  sinnlichen  Liebe  sind  sie  wahrhaft  scheußlich.  Die 
Geilheit  und  Frechheit  zeigt  sich  bei  keinem  anderen  Tiere 
in  so  abschreckender  Weise  wie  bei  ihnen.  Ich  möchte 
sagen,  daß  die  GrĂ¶ĂŸe  ihrer  Leidenschaftlichkeit  erst  hierbei 
sich  offenbare.  Die  MĂ€nnchen  sind  nicht  bloß  lĂŒstern  auf 
die  Weibchen  ihrer  Art,  sondern  auf  alle  grĂ¶ĂŸeren  SĂ€uge- 
tiere weiblichen  Geschlechts  ĂŒberhaupt.    Es  wird  wiederholt 


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10.  Jahrg.  -  Nr.  1. 


Jenseits  von  Hcruf  u  n d  A  m  l 


XV 


und  von  allen  Seiten  versichert,  daß  sie  zuweilen  MĂ€dchen 
rauben  oder  wenigstens  ĂŒberfallen  und  mißhandeln.  Daß 
sie  MĂ€nner  und  Frauen  sofort  unterscheiden,  habe  ich  hun 
dertfach  beobachtet,  und  ebenso,  daß  sie  den  Frauen  durch 
ihre  Zudringlichkeit  und  UnverschÀmtheit  im  höchsten 
Grade  lÀstig  werden  können.  Die  MÀnnchen  sind  bestÀndig 
brĂŒnstig,  die  Weibchen  nur  zu  gewissen  /eilen,  alle  30  35 
Tage  etwa.  Die  Brunst  zeigt  sieb  auch  Ă€ußerlich  in  hĂ€ĂŸlicher 
Weise:  die  Geschlechtsteile  schwellen  bedeutend  an  und  er- 
halten eine  glĂŒhend  rote  Farbe;  mau  meint,  daß  das  GesĂ€ĂŸ 
in  bedenklicher  Weise  erkrankt  sei. 

Gefangene  Paviane  benehmen  sich,  wie  ich  hÀufig  be- 
obachten konnte,  noch  viel  schlimmer.  Es  fehlen  ihnen 
eben  die  Feinde,  die  sie  von  ihren  sinnlichen  Gedanken  ab- 
bringen; 

Auch  die  Orang-Utans  haben  eine  ungewöhnliche  Vor- 
liebe fĂŒr  Alkohol.  Sie  können  sich  direkt  zu  Tode  trinken, 
wie  jener  Orang-Utan  Bobi,  von  dem  sein  Herr,  der  KapitÀn 
des  Schiffes,  folgendes  erzÀhlt:  Leider  machte  ein  unange- 
nehmer Zufall  dem  Leben  des  schönen  Tieres  ein  Ende,  noch 
ehe  es  Deutschland  erreichte.  Bobi  hatte  von  seiner  LagerstÀtte 
aus  den  Kellner  des  Schiffes  beobachtet,  wÀhrend  dieser 
Rumflaschen  umpackte,  und  dabei  bemerkt,  daß  der  Mann 
einige  Flaschen  bis  auf  weiteres  liegen  ließ.  In  der  Nacht 
vernahm  sein  Herr  ein  GerĂ€usch  in  der  KajĂŒte,  als  wenn 
jemand  mit  Flaschen  klappere,  und  sah  beim  Schimmer  der 
auf  dem  Tische  brennenden  Nachtlampe  wirklich  eine  Ge- 
stalt an  dem  Weinlager  beschÀftigt.  Zu  seinem  Erstaunen 
entdeckte  er  in  dieser  seinen  Orang-Utan.  Bobi  hatte  eine  be- 
reits fast  ganz  geleerte  Rumflasche  vor  dem  Munde.  Vor 
ihm  lagen  sÀmtliche  leere  Flaschen  behutsam  in  Stroh  ge- 
wickelt, die  endlich  gefundene  volle  hatte  er  auf  geschickte 
Weise  entkorkt  und  seinem  Verlangen  nach  geistigen  Ge- 
trĂ€nken völlig  GenĂŒge  leisten  können.  Etwa  10  Minuten  nach 
diesem  Vorgange  wurde  Bobi  plötzlich  lebendig.  Er  sprang 
auf    StĂŒhle    und    Tische,    machte    die   lĂ€cherlichsten  Be- 


wegungen und  gebÀrdete  sich  mit  steigender  Lebhaftigkeit 
wie  ein  betrunkener  und    zuletzt    wie  ein  wahnsinnige! 

Mensch.  Es  war  Unmöglich,  ihn  zu  bÀndigen.  Sein  Zu- 
stand hielt  ungefÀhr  eine  Viertelstunde  an,  dann  fiel  er  zu 
Boden;  es  trat  ihm  Schaum  vor  den  Mund,  er  lag  steif  und 
regungslos.  Nach  einigen  Stunden  kam  er  wieder  zu  sieb, 
fiel  aber  in  ein  heftiges  Xerven lieber,  Welches  seinem  Leben 
ein  Ziel  setzen  sollte. 

Auch  in  dem  Wohlgefallen  an  narkotischen  Dingen, 
namentlich  am  Tabakrauch,  dĂŒrften  Alfen  eine  Ausnahme 
bilden.  Hund  und  Pferd  als  feinnasige  Geschöpfe  wenden 
sich  mit  Ekel  von  den  schwelenden  TabakblÀttern  ab.  Alle 
großen  Affen  scheinen  dagegen  sich  sofort  mit  dein  grĂ¶ĂŸten 
VergnĂŒgen  eine  Zigarre  oder  Zigarette  in  den  Mund  zu 
stecken.  Besonders  Schimpansen  erinnern  daran,  daß  sie 
wie  die  Wilden  sofort  alle  Lasier  der  Weißen  zu  ĂŒbernehmen 
bereit  sind.  Aber  auc  h  unter  den  kleinen  Affenarten  gibt  es 
manche,  die  dem  Teufel  sofort  die  Hand  zu  reichen  bereit 
sind.  So  berichtet  Schomhurgk  von  seinem  Rollaffen 
folgendes:  Wird  er  mit  Tabaksrauch  angeblasen  oder  ihm 
etwas  Schnupftabak  vorgehallen,  so  reibt  er  sich  den  ganzen 
Körper  unter  wahrhaft  wollĂŒstigen  VerzĂŒckungen  und 
schließt  die  Augen.  Der  Speiche]  lĂ€uft  ihm  dabei  aus  dem 
Munde;  er  fÀngt  ihn  aber  mit  den  HÀnden  auf  und  reibt  ihn 
dann  ĂŒber  den  ganzen  Leib.  Manchmal  ist  der  Speichelfluß 
so  stark,  daß  der  Affe  zuletzt  wie  gebadet  aussiebt;  dann 
zeigt  er  sich  ziemlich  erschöpft.  Dasselbe  EntzĂŒcken  ruft 
auch  eine  angerauchte  Zigarre  hervor,  welche  man  ihm  gibt, 
und  es  scheint  mir  also,  daß  der  Tabaksrauch  in  ihm  ein 
ziemlich  wollĂŒstiges  GefĂŒhl  erregt.  Tee,  Kaffee,  Branntwein 
und  andere  erregende  GetrÀnke  bringen  fast  dieselben  Er- 
scheinungen hervor. 

Unzweifelhaft  machen  also  die  Affen  eine  höchst  un- 
rĂŒhmliche Ausnahme  in  der  Tierwelt,  indem  sie  zu  Exzessen 
in  geschlechtlichen  Dingen  sowie  im  Genuß  von  Alkohol  und 
narkotischen  Dingen  neigen.    Diese  Gefahren  bestehen  aber 


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J 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  — Nr.  1. 


mehr  in  der  Theorie  als  in  der  Praxis.  Der  freilebende  Affe 
erfreut  sich  regelmĂ€ĂŸig  einer  guten  Gesundheit  und  erreicht 
ein  ziemlich  hohes  Alter,  weil  ihm  die  Gelegenheit  fehlt, 
seinen  unhygienischen  Neigungen  zu  frönen.  Er  befindet 
sich  in  der  Lage  eines  Lebemannes  in  einem  entlegenen 
Neste,  der  solide  sein  muß,  weil  es  keine  Gelegenheit  zum 
Durchgehen  gibt.  Die  sinnlichen  Gedanken  vertreiben  ihm, 
wie  schon  bemerkt  wurde,  die  Raubtiere  oder  die  Neben- 
buhler und  zum  Genuß  von  Alkohol  gelangt  er  nur  in  der 
Gefangenschaft. 

Ueberhaupt  beachten  alle  wilden  Tiere  die  MĂ€ĂŸigkeit  in 
einer  so  gewissenhaften  Weise,  daß  sie  uns  als  leuchtendes 
Beispiel  dienen  können.  Kein  wildes  Tier  ĂŒberfrißt  sich, 
wÀhrend  es  Haustiere  hÀufig  tun.  Viele  Pferde  sind  deshalb 
geplatzt,  weil  sie  an  die  HafervorrÀte  gelangt  sind.  Da  die 
Einhufer  eine  Klappe  vor  dem  Magen  tragen,  so  können  sie 
sich  in  normalem  Zustande  nicht  ĂŒbergeben. 

Hierbei  muß  man  berĂŒcksichtigen,  daß  alle  Kaniden, 
also  Wölfe,  FĂŒchse  und  Hunde,  ihren  Magen  als  Tasche  be- 
nutzen. Das  Speien  des  Hundes  hat  also  mit  unserem  Er- 
brechen gewöhnlich  nichts  zu  tun.  Wie  der  Raubvogel  sein 
..Gewölle"  ausspeit  und  sich  nicht  wohl  fĂŒhlt,  wenn  es  ihm 
fehlt,  so  reißt  der  Wolf  von  dem  erbeuteten  Hirsch  einen 
großen  Bissen  ab  und  rennt  damit  in  ein  GebĂŒsch,  um  un- 
belÀstigl  von  den  Genossen  sein  Depositum  von  sich  zu  geben 
und  in  Ruhe  zu  verzehren.  So  ekelhaft  uns  ein  solches  Ge- 
baren ist,  so  hat  das  Tier  von  seinem  Standpunkte  aus 
durchaus  nicht  gegen  die  GrundsÀtze  der  Hygiene  gehandelt. 
Schlangen  treiben  es  nach  unseren  Anschauungen  noch 
toller.  Sie  verschlingen  stets  ihre  Beute  unzerstĂŒckelt  und 
befinden  sich  trotzdem  sehr  wohl  dabei.  Mit  UnmĂ€ĂŸigkeit 
hat  diese  Art  des  Fressens  der  Tiere  nicht  das  mindeste  zu 
tun. 

Von  den  großen  Raubtieren,  insbesondere  Löwen  und 
Tigern,  wissen  wir  ganz  genau,  daß  sie  eine  große  Beute 
nicht  völlig  auffressen,  sondern  aufhören,  wenn  sie  genug 


haben.  Der  Mensch  handelt  bekanntlich  nicht  immer  so. 
HyÀnen  und  Schakale  könnten  nicht  die  Schmarotzer  an  der 
Tafel  des  Löwen  sein,  wenn  dieser  nicht  regelmĂ€ĂŸig  fĂŒr  sie 
etwas  ĂŒbrig  ließe. 

Kommt  das  große  Raubtier  am  andern  Tage,  um  reinen 
Tisch  zu  machen,  so  sind  die  Ueberreste  gewöhnlich  ver- 
zehrt. Sein  Wiederkommen  —  worauf  der  JĂ€ger  rechnet, 
weshalb  er  sich  in  der  NĂ€he  ansetzt  —  beweist  am  besten, 
daß  es  sich  nicht  deshalb  entfernt  hat,  weil  ihm  das  ZurĂŒck- 
gelassene nicht  mehr  schmeckte. 

Die  Kaniden  haben  die  Gewohnheit,  wenn  sie  satt  sind, 
das  ĂŒbrige  zu  vergraben.  In  zoologischen  GĂ€rten  sieht  man 
FĂŒchse  oft  stundenlang  mit  den  Resten  ihrer  Mahlzeit  um- 
herlaufen, weil  der  Boden  zum  Einscharren  zu  fest  ist. 

Mit  der  MĂ€ĂŸigkeit  der  wilden  Tiere  scheint  die  Fang- 
weise der  Kondore  in  Widerspruch  zu  stehen.  Sie  erfolgt 
dadurch,  daß  man  die  Vögel  sich  an  toten  Rindern  voll- 
fressen lĂ€ĂŸt,  bis  sie  nicht  mehr  auffliegen  können.  Hierbei 
muß  man  jedoch  berĂŒcksichtigen,  daß  die  Mehrbelastung 
des  Magens  fĂŒr  ein  fliegendes  Geschöpf  von  einer  ganz  an- 
deren Bedeutung  ist  wie  fĂŒr  ein  laufendes.  Bei  schlechten 
Fliegern  sieht  man  daher  allgemein  das  Bestreben,  sich  bei 
eiliger  Flucht  in  jeder  Hinsicht  zu  erleichtern.  Stöbert  man 
einen  Fasan  auf,  so  erhÀlt  man  sicherlich  aus  der  Höhe 
einen  Gruß  aus  den  hinteren  Regionen.  Der  Reiher  begnĂŒgt 
sich  nicht  hiermit,  sondern  erbricht  auch  die  erbeuteten 
Fische,  um  besser  fliegen  zu  können.  Bei  dem  Kondor  ist 
nicht  so  sehr  die  Mehrbelastung  gefÀhrlich  wie  der  Umstand, 
daß  das  verlockende  Fleisch  von  dem  hinterlistigen  Men- 
schen in  einem  Talkessel  niedergelegt  wird.  Hier  sind  die 
FlugverhĂ€ltnisse  fĂŒr  den  Raubvogel  so  ungĂŒnstig,  daß  er  nur 
mit  leerem  Magen  auffliegen  kann.  Deshalb  kann  er  den 
plötzlich  anstĂŒrmenden  Menschen  nicht  entwischen,  zumal 
ihm  die  FĂ€higkeit,  sich  sofort  zu  ĂŒbergeben,  zu  mangeln 
scheint. 

Wie  steht  es  nun  mit  der  Arbeit  bei  den  wilden  Tieren? 


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das  nngiftige,  wasserlösliche  Tief enantiseptiknni 

Vernichtet  in  S  */o  LSsung  in  3  Standen  Milzbrandsporen :  Gen.  Oberarzt  Pro- 
fessor Dr.  H.  Bischoff. 

Wirkt  nicht  hÀmolytisch,  schÀdigt  nicht  die  phagozytÀre  Kraft  der  Leukozyten, 
stört  nicht  die  Bildung  von  agglutinierenden  Antikörpern.  Oberstabs- 
arzt Dr.  Dietrich,  Kaiser- Wilhelm-Institut  f.  ezp.  Therapie,  Dahlem. 

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Kraft  und  der  gewebereizenden  Anregung  zur  Granulation  (Zellakti- 
vierung): Prof.  Sonntag,  Cbir.  Univ .-Klinik,  Leipzig,  Dr.  Finger,  Chir. 
Univ.-Klinik,  Berlin. 

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XVII 


Die  Nötigung  zur  Arbeit,  d.  h.  also  in  der  Hauptsache 
zur  Bewegung  mit  Anstrengung  aller  Sinne  wird  bei  den 
Tieren  durch  eine  ganze  Reihe  von  Maßnahmen  erzielt. 

Der  wichtigste  und  hÀufigste  Antrieb  zur  Bewegung  ist 
natĂŒrlich  der  Hunger.  Aufgesammelte  VorrĂ€te  gibl  es  nur 
bei  einzelnen  Tieren,  und  zwar  unter  ganz  besonderen  Um- 
stĂ€nden. So  sammelt  der  Hamster  fĂŒr  den  Winter,  ebenso 
macht  es  das  Eichhörnchen.  Die  Anzahl  der  höher  organi- 
sierten Tiere,  die  fĂŒr  kĂŒnftige  Zeiten  sammeln,  ist  recht  ge- 
ring. Deshalb  mĂŒssen  uns  auch  in  der  kalten  Jahreszeit  die 
von  Insekten  und  Lurchen  lebenden  Vögel  verlassen,  weil  sie 
sonst  bei  uns  verhungern  mĂŒĂŸten.  Von  Raubtieren  sammelt 
wohl  nur  der  Iltis  VorrÀte,  indem  er  Frösche  in  eine  Höhle 
trÀgt  und  durch  Bisse  bewegungsunfÀhig  macht.  Auch  der 
Dachs  wÀre  zu  erwÀhnen,  obwohl  er  nach  seiner  Lebens- 
weise mehr  ein  Vegetarier  ist. 

Ererbte  VorrÀte  gibt  es  in  der  Tierwelt  gar  nicht,  wie 
denn  wohl  der  Hauptunterschied  zwischen  Menschen  und 
Tieren  nicht  zum  wenigsten  darin  besteht,  daß  die  Tiere 
keine  Schulden  haben  und  nichts  erben.  So  schön  und 
ĂŒberzeugend  der  Ausspruch  fĂŒr  den  Menschen  ist,  daß  eine 
Minute  erben  besser  sei  als  ein  Leben  lang  arbeiten,  so  be- 
denklich ist  er  in  hygienischer  Hinsicht.  Wieviel  Menschen 
sind  nur  deshalb  frĂŒh  in  das  Grab  gelegt  worden,  weil  sie 
so  viel  geerbt  hatten! 

Das,  was  dem  echten  Philister  ein  Greuel  ist,  dieses 
Leben  ins  Blaue  hinein  —  „wie  der  Vogel  auf  dem  Dach"  — , 
ist  in  hygienischer  Hinsicht  jedenfalls  viel  richtiger,  als  das 
Leben  auf  den  vollen  GeldsÀcken.  So  unangenehm  ein  bellen- 
der Magen  ist,  so  ist  das  Hungern  unzweifelhaft  viel  ge- 
sĂŒnder, als  man  gewöhnlich  annimmt.  Es  kann  kein  Zufall 
sein,  daß  die  meisten  Religionsstifter  Fasttage  eingesetzt 
haben,  da  sie  sicherlich  die  heilsame  Bedeutung  des  Fastens 
fĂŒr  den  menschlichen  Körper  frĂŒh  erkannt  haben.  An  Fett- 
leibigkeit, Gicht  und  anderen  Krankheiten  der  Vielesser  wird 
ein  wildes  Tier  schwerlich  erkranken. 


Der  Durst  spielt  in  der  Tierwelt  eine  viel  geringere  Holle 
als  beim  Menschen.  Wie  wenig  das  bekannt  ist,  ersieht  man 
daraus,  daß  ausgerechnet  das  Kamel  als  wenig  trinkendes 
Geschöpf  rĂŒhmend  hervorgehoben  wird.  Dabei  ist  selbst 
unter  JĂ€gern  bestritten,  ob  unser  heimisches  Wild  „schöpft", 
wie  es  in  der  JĂ€gersprache  heißt.  Denn  Hirsche  und  Rehe 
stehen  in  Gegenden,  wo  es  weit  und  breit  keinen  Tropfen 
Wasser  gibt.  Vom  Kaninchen  ist  es  sicher,  daß  es  niemals 
trinkt.  Es  begnĂŒgt  sieh  mit  den  Tautropfen,  die  sieh  in  der 
NĂ€he  seines  Baues  befinden. 

Das  Kamel  bildet  also  gar  keine  Ausnahme,  wie  allge- 
mein angenommen  wird.  Weit  bessere  Beispiele  hÀtten  wir 
in  unserer  heimischen  Tierwelt. 

Aber  nicht  nur  der  Hunger  zwingt  das  Tier  zur  IV- 
wegung,  sondern  auch  der  oder  die  Feinde.  Um  ihnen  zu 
entgehen,  mĂŒssen  alle  Sinne  aufs  sorgfĂ€ltigste  angespannt 
werden.  Deshalb  haben  nur  Haustiere  HĂ€ngeohren,  zum 
Beispiel  Hunde,  Schweine  und  chinesische  Katzen.  Der 
afrikanische  Elefant  lĂ€ĂŸt  zwrar  auch  seine  riesigen  Ohren 
gewöhnlich  hÀngen,  aber  er  kann  sie  nach  Belieben  auf- 
richten, was  unseren  Haustieren  unmöglich  ist. 

Feinde  hat  ein  jedes  Geschöpf  —  und  wenn  es  auch  nur 
der  Mensch  wĂ€re,  dieses  grĂ¶ĂŸte  Raubtier,  das  unter  der  Sonne 
lebt.  Die  Pflanzenfresser  werden  stÀndig  von  den  Fleisch- 
fressern verfolgt  oder  belauert.  Die  hundeartigen  Raubtiere 
hetzen  seine  Beute,  bis  sie  gepackt  ist,  die  katzenartigen  ĂŒber- 
fallen sie  mit  einem  plötzlichen  Sprunge.  Aber  auch  die 
Raubtiere  untereinander  stehen  in  bitterer  Fehde.  Die 
grĂ¶ĂŸeren  vertreiben  oder  fressen  die  kleineren.  Wo  es  Löwen 
gibt,  fehlen  die  BÀren,  da  der  Löwe  den  BÀren  in  seinem 
Revier  nicht  duldet.  Der  Wolf  ist  nicht  der  Freund  des 
Fuchses,  wie  es  in  der  Fabel  erzĂ€hlt  wird,  sondern  frißt  ihn, 
wenn  er  ihn  erhaschen  kann. 

Selbst  die  stÀrksten  Tiere  haben  wiederum  untereinander 
die  grimmigsten  KĂ€mpfe  auszufechten,  und  zwar  wegen 
ihres  Revieres.  Es  ist  eine  ganz  falsche  Vorstellung,  als  ob 


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XVIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


die  „Bodenfrage"  in  der  Tierwelt  keine  Bolle  spielte.  Ganz 
im  Gegenteil  werden  von  allen  Tieren,  die  nicht  gesellschaft- 
lich leben,  die  Grenzen  ihres  Gebietes  eifersĂŒchtig  bewacht 
und  jeder  Eindringling  sofort  wieder  hinaus  gejagt. 

Der  Schotte  G  o  r  d  o  n  C  u  m  m  i  n  g,  der  ein  vortreff- 
liches Buch  ĂŒber  seine  Jagden  in  Afrika  geschrieben  hat, 
schildert  eingehend,  welche  entsetzlichen  KĂ€mpfe  unter  den 
Löwen  aus  solchen  AnlÀssen  entstehen.  Gewöhnlich  wird 
der  unterliegende  Teil  zerrissen. 

Noch  heftiger  sind  die  KĂ€mpfe,  die  unter  den  Neben- 
buhlern um  die  Gunst  des  Weibchens  stattfinden.  Sie  können 
so  ziemlich  bei  allen  Tierarten  beobachtet  werden,  wenn- 
gleich es  auch  hier  Ausnahmen  giht,  zum  Beispiel  bei  den 
FledermÀusen.  Umgekehrt  sind  manche  Tiere  wegen  ihrer 
hartnÀckigen  KÀmpfe  aus  solchen  AnlÀssen  bekannt,  so  zum 
Beispiel  die  Hirsche.  Der  Brunfthirsch,  der  jeden  Bivalen 
angreift,  der  sich  seinem  Harem  nÀhert,  ist  tausendfach  ge- 
schildert und  gemalt  worden. 

Hunger,  Feinde,  Revier  und  Liebe  sorgen  also  fĂŒr  stĂ€n- 
dige Bewegung  in  der  Tierwelt  und  eine  fortwÀhrende  An- 
wendung aller  Sinne.  Bei  den  Jungen,  die  von  den  Alten 
behĂŒtet  und  ernĂ€hrt  werden  und  fĂŒr  die  Liebe  noch  kein 
VerstÀndnis  besitzen,  werden  die  notwendigen  Bewegungen 
durch  die  Spiellust  hervorgerufen.  HierĂŒber  hat  zum  Bei- 
spiel Professor  Groos  ein  vortreffliches  Buch  geschrieben. 

Selbst  der  GroßstĂ€dter  kann  die  Beobachtung  machen, 
daß  sich  junge  Hunde  auf  BasenflĂ€chen  sofort  zum  Spielen 
anschicken.  Das  Spiel  ist  eben  eine  Vorbereitung  zum  Kampf 
ums  Dasein  und  fĂŒr  die  StĂ€rkung  der  Muskeln  von  der 
grĂ¶ĂŸten  Wichtigkeit. 

Wie  glĂŒcklich  ist  doch  die  Tierjugend  daran,  wenn  man 
sie  mit  unserer  Schuljugend  vergleicht. 

Auch  die  Alten  sind,  wenn  sie  sich  gesĂ€ttigt  fĂŒhlen  und 


in  der  NĂ€he  keine  Feinde  lauern,  zu  einem  Spiel  sehr  geneigt. 
Bei  Groos  sind  eine  Menge  Beispiele  hierfĂŒr  angefĂŒhrt. 

Auch  fĂŒr  Ruhe  wird  in  der  Tierwelt  in  genĂŒgender 
Weise  gesorgt.  Wie  wir  in  dem  Artikel  ĂŒber  den  Schlaf  der 
Tiere  nachzuweisen  versuchten,  spielt  in  der  Tierwelt  der 
Schlaf  nicht  die  Rolle  wie  beim  Menschen.  Trotzdem  wird 
bei  schlafbedĂŒrftigen  Tieren,  also  Tagaffen,  Tagvögeln, 
Höhlentieren  usw.  die  Ruhezeit  pĂŒnktlich  innegehalten.  Wir 
sehen  an  unseren  HĂŒhnern,  wie  zeitig  sie  den  Stall  auf- 
suchen und  sich  davon  durch  nichts  abhalten  lassen.  Ein 
langes  Aufbleiben  oder  gar  ein  Durchbummeln  bis  zum 
andern  Morgen  gibt  es  in  der  Tierwelt  bei  Tagtieren  nicht. 
Daß  bei  Nachttieren  die  VerhĂ€ltnisse  anders  liegen,  ist  in 
dem  erwÀhnten  Artikel  geschildert  worden. 

Die  Forderungen  der  MĂ€ĂŸigkeit,  Arbeit  und  Ruhe  werden 
also  in  der  Tierwelt  ganz  sorgfÀllig  beobachtet.  Aber  auch 
den  andern  hygienischen  Anforderungen  wird  im  allge- 
meinen Rechnung  getragen. 

Wegen  der  frischen  Luit  brauchen  wir  wohl  kein  Wort 
zu  verlieren.  Fast  alle  Tiere  sind  in  der  beneidenswerten 
Lage,  fortwÀhrend  in  ihr  zu  leben.  Wir  armen  Kultur- 
menschen sind  dagegen  fast  ausnahmslos  zu  Stubenhockern 
verdammt.  UnzÀhlige  Krankheiten  nehmen  von  dieser  un- 
natĂŒrlichen Lebensweise  ihren  Ursprung. 

Man  darf  nicht  einwenden,  daß  z.  B.  der  Polwal  eine 
Stunde  unter  Wasser  bleibt  und  deshalb  mit  sehr  schlechter 
Luft  zufrieden  sein  muß.  Solche  Tiere  sind  genau  wie  die 
Höhlenbewohner  so  gebaut,  daß  ihnen  der  Mangel  an  frischer 
Luft  keinen  Schaden  zufĂŒgt» 

Ebenso  kennt  jedes  Tier  die  ihm  bekömmliche  Nahrung. 
NatĂŒrlich  dĂŒrfen  wir  hierbei  wieder  nicht  die  Sache  von 
dem  kleinen  Schiebefenster  des  Menschen  betrachten.  Die 
Kaniden  sind  z.  B.  von  Haus  aus  Aasfresser.  Deshalb  frißt 
unser  Hund  verwestes  Fleisch  ohne  Schaden,  wÀhrend  ihm 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  1. 


.1  e  n  s  e  i  I  s  v  o  n  Ii  e  r  u  I'  u  >>  <l  A  m  I 


XlX 


Kartoffeln  Schlecht  bekommen.  Audi  GeflĂŒgelknochen  lĂ€ĂŸt 
er  gewöhnlich  :uis  Furcht  vor  Splittern  unbeachtet. 

Ueber  die  fĂŒr  uns  passende  Kleidung  sind  die  Vertreter 
der  Wissenschaft  noch  immer  nicht  einig.  Wie  herrlich  hat 
es  das  Tier!  Ohne  zum  Sehneider  gehen  zu  mĂŒssen,  wĂ€chst 
ihm  fĂŒr  den  Winter  ein  prĂ€chtiger  lVlz.  Zu  Beginn  der 
wannen  Jahreszeit  fÀllt  er  wieder  aus. 

Wie  unendlich  das  Tierkleid  dem  Menschenkleid  ĂŒber- 
legen ist,  erfÀhrt  man  besonders  auf  der  Jagd.  Wir  kommen 
durchs  ein  DorilgebÜSCh  entweder  nicht  durch-,  oder  unsere 
Kleider  werden  zerrissen.  Das  Tier  dagegen  wird  durch  die 
Dornen  gekÀmmt  und  kommt  schön  gestrÀhlt  wieder  zum 
Vorschein,  ohne  daß  ihm  der  geringste  Riß  zugefĂŒgt  wurde. 

Alle  freilebenden  Tiere  sehen  sauber  aus  und  beweisen 
uns  dadureh,  daß  sie  großen  Werl  auf  Reinlichkeit  legen.  Es 
isl  ganz  falsch,  auf  das  Haussehwein  zu  verweisen  und  es 
den  Kindern  als  abschreckendes  Beispiel  vorzufĂŒhren,  weil 
es  in  der  PfĂŒtze  liegt.  Ein  Wildsehwein  wĂŒrde  sieh  eine 
solche  Stelle  gewiß  nicht  aussuchen.  Dagegen  ist  das  Suhlen, 
d.  h.  das  SichwĂ€lzen  in  einem  Schlammkessel,  das  BĂŒffel, 
DickhÀuter,  Wildschweine  und  auch  Hirsche  lieben,  ein  sehr 
praktisches  Verfahren.  Dadureh  befreien  sich  die  Tiere  von 
den  lĂ€stigen  Insekten,  außerdem  bekommt  ihre  Haut  ge- 
wissermaßen einen  Schlammpanzer  fĂŒr  die  nĂ€chsten  Stun- 
den. Affen  und  demnach  auch  Menschen  brauchen  sich 
nicht  zu  suhlen,  weil  sie  sich  die  Insekten  selbst  oder  durch 
einen  Genossen  absuchen  lassen  können. 

Von  einem  Menschen,  der  sich  nur  oberflÀchlich  wÀscht, 
sagt  man  bekanntlich,  er  mache  es  wie  die  Katze.  Es  ist 
richtig,  daß  sich  unser  Hinz  ganz  merkwĂŒrdig  wĂ€scht,  indem 
er  die  Stellen,  die  er  nicht  belecken  kann,  mit  der  nassen 
Pfote  bearbeitet.  Dazu  hat  er  aber,  wie  mir  scheint,  die  ge- 
wichtigsten GrĂŒnde.  Katzenhaare  scheinen  nĂ€mlich  unter 
dem  Baden  sehr  zu  leiden,  weshalb  Katzen  höchst  ungern 
ins  Wasser  gehen,  obwohl  sie  vortrefflich  schwimmen 
können. 


W  ie  gern  Vögel  baden       obwohl  sie  dadureh  fĂŒr  einige 

Zeil  ihr  Flugvermögen  beeintrÀchtigen  ersieht  man  dar- 
aus, daß  seihst  unsere  Sperlinge  an  ziemlich  kalten  Tagen 
ihr  tÀgliches  Bad  nehmen. 

Das  Wasserbad  genĂŒgt  ihnen  und  vielen  andern  Vögeln 

aber  nicht.  Sie  nehmen  obendrein  noch  ein  Sandbad.  Be- 
sonders die  HĂŒhnervölker  befinden  sich  nicht  wohl,  wenn  sie 
nicht  im  Sand  paddeln  können. 

Von  den  SĂ€ugetieren  isl  besonders  der  Elefant  ein  be- 
geisterter AnhĂ€nger  der  SandbĂ€der.  Mit  seinem  RĂŒssel  wirft 
er  sich  andauernd  den  trockenen  Sand  auf  den  RĂŒcken. 
Wahrscheinlich  kann  er  nur  auf  diese  Weise  den  hohen 
RĂŒcken  beaibeilen. 

Auch  die  SonnenbĂ€der  sind  in  der  Tierwelt  Ă€ußerst  be- 
liebt. Namentlich  die  Nachttiere  sind  ganz  versessen  auf 
den  Genuß  einer  reichlichen  Bestrahlung,  lĂŒden  gehen  sogar 
ein,  wenn  man  ihnen  die  Gelgenheit  nimmt,  sich  an  einem 
Sonnenbad  zu  erfreuen. 

Daß  FĂ€kalien  fortgeschafft  werden  mĂŒssen,  ist  den 
Tieren  sehr  wohl  bekannt.  Man  braucht  nur  einmal  Vogel: 
eitern  zuzuschauen,  die  ihre  Jungen  fĂŒttern,  und  wird  immer 
wieder  darĂŒber  staunen  mĂŒssen,  mit  welcher  Sorgfalt  der 
Unrat  entfernt  wird.  Da  die  Verdauung  der  Kleinen  ge- 
wöhnlich nichts  zu  wĂŒnschen  ĂŒbrig  lĂ€ĂŸt,  so  fĂ€llt  ein  großer 
Teil  der  elterlichen  TĂ€tigkeit  auf  die  Beseitigung  der  Ent- 
leerungen. Trotzdem  wĂŒrde  das  ganze  Nest  einem  stinken- 
den Pfuhl  gleichen,  wenn  nicht  zwei  UmstÀnde  den  Bestre- 
hungen der  Eltern  entgegenkĂ€men.  Die  Jungen  mit  flĂŒssi- 
gen Ausscheidungen  erheben  sich  nĂ€mlich  hinten  ĂŒber  den 
Nestrand  und  schleudern  ihren  Unrat  fort,  diejenigen  da- 
gegen, deren  Ausscheidungen  fester  sind,  haben  sie  in  eine 
Blase  gehĂŒllt,  die  von  den  Eltern  mit  leichter  MĂŒhe  in  den 
Schnabel  genommen  und  fortgetragen  werden  kann. 

Die  eigenen  Ausscheidungen  meidet  jedes  Tier  in- 
stinktiv. Ein  Hund,  der  mit  Wonne  fremde  Exkremente  be- 
riecht, wird  niemals  sein  eigenes  Lager  beschmutzen,  wenn 


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Wirksames  Rnthelminthihum  and  Darmdesinflziens. 

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gebunden.   Gute  Resorption  und  Assimilation. 

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Jod  fest  an  Ciroeif)  gebunden,  daher  oon  intensiver 
Wirksamkeit  bei  guter  VertrÀglichkeit. 

fejoprot 


Itlalzfropon 


Troponwerke,  TtT  Köln-MĂŒlheim 


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.a^ZT-Ti  ■  1 1 1 1 1 1 1  irVTi  1 1  j  1 1 1  ■  ■  bTTi  iimiiiLlifjMikttii  iTnj  1 1 1  j  t  n  i  ir  PTi  1 1  r  j  d  1 1 1  imi  muiijjrmiiiiii.fi  inTj  1 1 1 4 1 1  ■  ■  rTSc  1 1 1 1  u  1 1  imi  i  ■  i  j  1 1 1 1  tnTi  j  *  1 1 1 1 1  j  imi  r  j  i  u  i  n    1 1  e + m  1 1  mii  i  ^  1 1 1  j  1 1  irfli  1 1 1 1 » i  Litnfj )  1 1 1  u  l  i    i  ■  1 1 1 1 1 1  jrfTTt  i  ■  i  j  i  r  rlFfj  ■  ■  t  ■  ■  i  j  i  »IVTi  ■  e  j  j  uulv  C^^= 


^     Heroorragendes  KrÀftigungsmittel  in  der  Rekonoaleszenz. 


i 
I 
| 
I 
1 
I 
I 
1 
| 


4 

vereinigt  in  sich 
die  entzĂŒndungshemmenden  und  aniibakteriellen  Wirkungen 

desChlorcalciums  u.  HexameihYlentetramins 

und  erhöhl 

die  Wirksamkeit  dieser  beiden  anerkannten  und 
bewÀhrten  Arzneimittel  in  der  Behandlung  von 

akutes  u.  chronischen  EntzĂŒndungen 
der  Blase,  des  merenbechens 
und  der  Harnuiege 

Packung.    Scliachte.  mit  50  Tabletten  zu  0,3  g 
Dos.:  3  mal  2—3  Tabletten  in  Wasser  gelöst  zu  nehmen. 

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Caldon-Gesellschafft  m.b.H.,  Benin 

BĂŒlowstr.  2— 4  I 

1 


XX 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  — Nr.  1. 


man  ihn  festbindet.  Die  meisten  Hufkrankheiten  unserer 
Pferde  und  Rinder  rĂŒhren  nur  daher,  daß  man  sie  in  ihrem 
eigenen  Unrat  stehen  lĂ€ĂŸt.  Freiwillig  wĂŒrden  die  Tiere  das 
niemals  tun. 

Hygienisch  einwandfreies  Wasser  brauchen  die  meisten 
Tiere  nicht  zu  trinken,  weil  ihnen  selbst  schlechtes  nichts 
schadet.  Bereits  die  Affen  mĂŒssen  in  diesem  Punkte  viel 
mehr  vertragen  können  als  der  Mensch.  Der  Gorilla  trinkt 
z.  B.  aus  den  PfĂŒtzen  Westafrikas  und  wird  dabei  ein  alter 
Knabe. 

Eine  Schulfrage  und  nun  gar  eine  UeberbĂŒrdungsfrage 
gibt  es  zum  GlĂŒck  in  der  Tierwelt  nicht.  Alles,  was  der 
Kulturmensch  mĂŒhsam  erlernen  und  weswegen  er  die  schön- 
sten Jahre  in  stickigen  Schulzimmern  hocken  muß,  kommt 
den  Tieren  in  den  Hals  geflogen.  Schwimmen  können  alle, 
die  es  in  ihrem  Leben  brauchen.  Nur  reine  WĂŒstentiere  wie 
Dromedare  und  Felsenaffen  wie  Paviane  ertrinken.  Dagegen 
kann  das  asiatische  Trampeltier  schwimmen,  ebenso  be- 
finden sich  unter  den  andern  Affenarten  ausgezeichnete 
Schwimmer. 

Fassen  wir  das  Ergebnis  am  SchlĂŒsse  zusammen.  Das 
unter  natĂŒrlichen  VerhĂ€ltnissen  lebende  wilde  Tier  beob- 
achtet instinktiv  die  Hauptlehren  der  Hygiene.  Selbstver- 
stÀndlich richtet  es  sich  nach  den  Lehren  seiner  Hygiene, 
nicht  etwa  nach  der  des  Menschen,  wo  diese  anders  ist.  Viele 
Tiere  verzehren  ohne  Schaden  Gift  oder  Aas,  wÀhrend  sie  an 
Dingen  sterben,  die  uns  unschÀdlich  sind,  z.  B.  Raubvögel 
an  Salz.  Es  lebt  fortwĂ€hrend  in  frischer  Luft.  FĂŒr  ge- 
nĂŒgende Bewegung  sorgen  der  Hunger  und  hĂ€ufig  auch  der 
Durst,  die  Feinde  und  die  Nebenbuhler.  Die  fortwÀhrenden 
KĂ€mpfe  zwingen  zur  Anstrengung  aller  Sinne.  FĂŒr  die 
Jungen,  die  von  den  Alten  behĂŒtet  werden,  wird  die  notwen- 
dige Bewegung  durch  ihre  Lust  zum  Spielen  hervorgerufen. 
Alle  wilden  Tiere  sind  ferner  mĂ€ĂŸig,  und  zwar  im  Essen  und 
Trinken  sowie  in  sexueller  Hinsicht.  Alkohol -und  Narko- 
tika werden  fast  von  allen  verabscheut.  Die  Ausnahmen  sind 


mehr  von  theoretischer  als  praktischer  Bedeutung.  Denn  die 
Affen,  die  zu  sexuellen  und  sonstigen  Exzessen  neigen,  haben 
in  der  Freiheit  keine  Gelegenheit  dazu.  Nerven  kennt  das 
wilde  Tier  nicht,  weil  die  schlafbedĂŒrftigen  Tiere  niemals 
eine  Minute  lÀnger  aufbleihen,  als  nötig  ist.  Fast  alle  wilden 
Tiere  haben  Sinn  fĂŒr  Reinlichkeit  und  BĂ€der  und  kennen 
vielfach  Sand-  und  SonnenbÀder.  In  der  passenden  Klei- 
dung bleibt  das  Tier  dem  Menschen  ein  unerreichbares  Vor- 
bild. Daß  FĂ€kalien  fortgeschafft  werden  mĂŒssen,  ist  dem 
Tiere  instinktiv  bekannt.  Den  Kopf  braucht  die  Tierjugend 
nicht  anzustrengen,  weil  ihr  alle  Lehren  angeboren  sind. 

Da  sich  bei  den  wilden  Tieren  nur  die  stÀrksten  fort- 
pflanzen, so  ist  es  kein  Wunder,  daß  sie  sich  einer  ausge- 
zeichneten Gesundheit  erfreuen. 

Ganz  anders  liegt  die  Sache,  sobald  der  Mensch  mit  seiner 
tÀppischen  Hand  in  die  Geschicke  des  Tieres  eingreift.  Haus- 
tiere werden  schrecklich  von  Seuchen  heimgesucht,  und  zwar 
um  so  mehr,  je  unnatĂŒrlicher  sie  leben.  Namentlich  bei 
Rindern,  Schweinen  und  Schafen  kann  man  diese  Beobach- 
tung machen,  bei  denen  Krankheiten  niemals  aufhören.  Am 
gesĂŒndesten  ist  noch  der  rasselose  Dorfköter,  weil  er  dem 
Leben  eines  Wildhundes  am  nÀchsten  kommt. 

Seitdem  wir  in  Deutschland  die  meisten  Raubtiere  aus- 
gerottet haben,  treten  jetzt  bei  dem  von  uns  behĂŒteten  Wild 
Krankheiten  auf,  die  man  frĂŒher  nicht  kannte. 

Die  hier  geschilderte  Hygiene  in  der  Tierwelt  ist  daher 
nur  bei  solchen  Tieren  uneingeschrÀnkt  anzutreffen,  die  sich 
noch  in  natĂŒrlichen  VerhĂ€ltnissen  befinden. 

Den  Stalltieren  fehlt  wie  den  Stubenhockern  die  frische 
Luft,  und  das  vom  Menschen  seiner  Feinde  ledig  gemachte 
und  von  ihm  gefĂŒtterte  Wild  ist  nicht  etwa  glĂŒcklicher, 
sondern  ungesĂŒnder  geworden,  da  ihm  die  Arbeit,  d.  h.  die 
Bewegung  fehlt.  Sterben  doch  Hasen  bald  in  der  Gefangen- 
schaft, falls  man  sie  nicht  tÀglich  etwas  hetzt. 


Carl  Blank  Ben  na  Rh 

Verbandpflastar-Fabrik 


10.  Jahrg.     Nr.  2. 


Jenseits    v  0  n    15  fS  I*  II  f    ll  u  (1    A  Hl  I 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Die  Zauberkraft  des  Auges. 

Von  Dr.  S.  Sei  ig  mann,  Augenarzt,  Hamburg. 

Kein  Organ  des  Körpers  hat  von  jeher  die  menschliche 
Phantasie  so  angeregt  wie  das  Auge.  Wunderbar  genug  sind 
ja  schon  an  und  fĂŒr  sieh  die  beiden  hellen,  glĂ€nzenden 
kristallkugeln,  die  dem  Antlitz  Bewegung  und  Ausdruck  ver- 
leihen, mit  deren  Hilfe  Wir  lesen,  schreiben  und  zeichnen 
können,  die  es  uns  ermöglichen,  die  Formen  und  Farben  der 
Außenwelt  wahrzunehmen,  die  uns  den  Einblick  in  das 
innere  Leben  der  Natur,  in  die  eigenartige  Mannigfaltigkeil 
ihrer  Erscheinungen  eröffnen,  die  uns  das  Licht  des  Tages, 
die  Wunder  des  gestirnten  Himmels,  das  Menschenleben  und 
seine  Kraft,  das  Erdenweben  und  sein  Gesetz,  kurz,  die  ganze 
GrĂ¶ĂŸe  und  Erhabenheit  der  Schöpfung  zu  zeigen  vermögen. 

Aber  der  lebhaften  Volksphantasie  genĂŒgen  alle  diese 
Wunder  noch  nicht.  Ein  Organ,  das  solche  unerklÀrlichen 
Leistungen  auszufĂŒhren  vermag,  muli  nach  Ansicht  des 
Naturmenschen  auch  imstande  sein,  noch  grĂ¶ĂŸere  Zauber- 
kĂŒnste zu  vollbringen.  Die  Grenzen  von  dem,  was  das  Volk 
fĂŒr  möglich  hĂ€lt,  und  was  wirklich  möglich  ist,  gehen  voll- 
stĂ€ndig verloren.  Wir  brauchen  uns  darĂŒber  nicht  sonderlich 
zu  verwundern,  denn  der  primitive  Naturmensch  hat  natĂŒr- 
lich keine  Ahnung  von  der  Anatomie  und  Physiologie  des 
komplizierten  Sehorganes,  und  seine  Beurteilung  von  dessen 
Leistungen  ist  daher  durch  keine  Sachkenntnis  beeinflußt. 
Er  sieht  den  helleuchtenden  Glanz  der  HornhÀutoberflÀche, 
er  beobachtet   das   unheimliche   Augenleuchten   bei  vielen 


Tieren,  er  bemerkt,  wie  bei  starkem  Druc  k  oder  heftigem 
Schlag  auf  das  Auge  ein  feuriger  Kreis  erscheint  oder  Funken 
aus  dem  Auge  sprĂŒhen.  Und  dann  isl  sein  Urteil  fertig:  Alle 
diese  Glanz-  und  Lichterscheinungen  werden  durch  ein  im 
AĂŒgeninnern  glimmendes  Fe  u  e  r  hervorgerufen,  das  ;ms  der 
Pupille  hervorleuchtet  und  das  Sehen,  die  wunderbaren  Seh 
Leistungen  ermöglicht.  Dieser  Auffassung  von  einer  höchst 
aktiven  durch  den  Lichtgehalt  des  Augapfels  hervorgerufenen 
TĂ€tigkeit  des  Sehorgans  huldigte  aber  nicht  nur  das  Volk, 
sondern  auch  die  alten  griechischen,  arabischen  und  indi- 
schen Naturforscher  und  Philosophen.  So  vergleicht  z.  B. 
der  Eleate  Empedocles  das  Auge  mit  einer  Laterne: 

..Wie  wenn  ein  Mann,  um  ins  Freie  zu  gehen,  sieli  bereitel 

die  Leuchte, 

Üal5  sie  die  stĂŒrmische  Nacht  mit  dem  Scheine  des  Feuers 

erhelle, 

Und  die  La  Lern'  anzĂŒndet,  die  jeglichem  Winde  verschlossen. 
Diese  bewahre!  das  Feu'r  vor  dem  Hauche  der  blasenden 

Winde; 

Aber  das  Lieht  dringt  durch;  denn  es  isl  um  Vieles  ja  feiner. 
Und  es  beleuchtet  .den  Boden  mit  nimmer  ermĂŒdenden  Strahlen. 
Also  lagert  von  HĂ€utchen  umschlossen  das  ewige  Feuer, 
Von  ganz  feinen  GewĂ€ndern  umhĂŒllt,  in  der  runden  Pupille, 
Diese  verhegen  die  FĂŒlt  ihm  des  rings  anspĂŒlenden  Wassel  s. 
Aber  das  Feu'r  dringt  durch;  denn  es  ist  um  N  ietes  ja  feiner. 

Selbst  spÀtere  Naturphilosophen,  wie  B  r  u  n  o,  lehrten 
noch,  daß  das  Sehen  eine  TĂ€tigkeit  des  ,, Nervengeistes"  sei, 
der  zuerst  mittels  der  vom  Auge  ausgehenden  Strahlen  sieb 
nach  außen  hin   verbreitet,   und   von   den  verschiedensten 


(TrkhlorbuiylmaSons.iurrs  Ammonium  D.  R.  P.) 


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daher    auch   bei  SchwÀchlichen,   Kindern   und    Àlteren   Leuten  In  wirksamer  Gabe   gefahrlos  anwendbar. 

Indiköfionen: 

Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chronischen  Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  a  ich  tuberkulösen 
Ursprungs,  bei  Lungen-  u.  BrustfellentzĂŒndungen,  Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium,  nervöser  Husten. 

Verordnung : 

I  Röhrchen  Toramin-Tabletten  (25  StĂŒck  zirka  0,1  Toramin)  oder  1  —  2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
v»— mit  aromatischen  WĂ€ssern,  Sirup,  Expectorantien,  auch  Guajacol-Preparaten.  »xv>— — x 

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Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen 


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XII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


Empfindungen  beseelter  Objekten  berĂŒhrt  wird,  und  sich 
dann  wieder  zusammenzieht. 

Durch  solche  von  Gelehrten  und  Laien  vertretenen  An- 
sichten war  der  Boden  bereitet  fĂŒr  den  Glauben,  daß  es 
Menschen  gebe,  deren  Augen  bei  vollstÀndiger  Dunkelheit 
leuchten,  und  die  dieses  Licht  als  Laterne  zu  benutzen 
pflegen.  S  u  e  t  o  n  erzĂ€hlt,  daß  der  Kaiser  T  i  b  e  r  i  u  s 
durch  ein  aus  den  Augen  ausgesandtes  Licht  des  nachts  zu 
sehen  gewohnt  war.  Dasselbe  berichtet  P  1  i  n  i  u  s.  Diesem 
Autor  mĂŒssen  auch  die  Albinos  bekannt  gewesen  sein, 
deren  Pupillen  bei  Lichteinfall  allerdings  besonders  schön 
rot  aufleuchten.  Aber  von  dieser  Tatsache  erfahren  wir 
nichts,  sondern  wir  bekommen  nur  die  WundermÀr  zu  hören, 
daß  in  Albanien  Menschen  mit  hellen  Augen  und  weißen 
Haaren  geboren  werden,  die  des  nachts  besser  sÀhen  als  am 
Tage. 

Leuchtende  Augen  wurden  von  allen  Völkern  ihren 
Göttern  und  Helden  zugeschrieben.  Christus  und  Gott  der 
Vater  kommen  auf  allen  Bildern  hÀufig  mit  Lichtstrahlen 
vor,  die  aus  ihren  Augen  aufschießen.  Aus  den  Augen  christ- 
licher Heiligen  leuchtete  nach  den  Legenden  ebenso  ein  Licht- 
strahl, wie  aus  den  Augen  moderner  Magnetiseure  oder  Hyp- 
notiseure nach  Aussage  der  Somnambulen  Funken,  Licht- 
bĂŒschel oder  Lichtströme. 

Nach  der  Volksansicht  kann  dieses  aus  dem  Auge  drin- 
gende Licht  sogar  zur  Erleuchtung  der  Umgebung  dienen. 
So  fand  im  Jahre  1883  einmal  eine  Gerichtsverhandlung  statt, 
in  der  der  KlĂ€ger  behauptete,  er  sei  von  einem  Manne  ĂŒber- 
fallen worden,  der  ihm  mit  einem  Stein  einen  Schlag  aufs 
Auge  versetzt  habe,  und  bei  dem  Lichtschein,  der  dabei  aus 
seinem  Auge  aufleuchtete,  habe  er  den  UebeltÀter  deutlich 
erkannt. 

Noch  weiter  in  der  Benutzung  der  Feuerkreise  als 
dieser  KlÀger  ging  bekanntlich  in  seiner  eminenten  Geistes- 
gegenwart der  Freiherr  von  MĂŒnchhausen,  der,  wenn  er 


nachts  von  BĂ€ren  ĂŒberfallen  wurde,  sich  nicht  nur  das  zum 
Jagdmanöver  nötige  Licht,  sondern  zugleich  das  Feuer  fĂŒr 
sein  Gewehr  aus  den  Augen  schlug  und  von  dieser  Praxis  nur 
deshalb  zurĂŒckkam,  weil  sie  ihm  schließlich  Augenschmerzen 
verursachte. 

Solche  MĂŒnchhausiaden  sind  keineswegs  lĂ€cherlich  zu 
nehmen.  Sie  spiegeln  nur  das  wieder,  was  das  Volk  wirklich 
denkt.  Bei  den  primitiven  Naturvölkern  stehen  solche  An- 
sichten noch  heute  in  vollster  BlĂŒte.  So  erzĂ€hlt  ein  Reisen- 
der, als  er  in  seinem  Lager  in  Aequatorial-Afrika  seine 
Tabakspfeife  mit  einem  Brennglase  anzĂŒndete,  gerieten  die 
Eingeborenen,  die  schon  vorher  durch  seine  Brille  sehr  be- 
unruhigt waren,  in  grĂ¶ĂŸte  Angst  und  erzĂ€hlten  dem  Sultan, 
daß  der  weiße  Mann  Sonnen  in  den  Augen  hĂ€tte,  was  daraus 
hervorginge,  daß  er  den  Tabak  durch  seinen  Blick  entzĂŒnde. 

Den  indischen  Fakiren  wird  die  FĂ€higkeit  zugeschrieben, 
eine  Kerze  aus  der  Entfernung  nur  durch  den  Blick  ihrer 
Augen  zu  entzĂŒnden. 

Mit  dieser  Lichtausstrahlung  des  Auges  ist,  '  Tie  wir  ge- 
sehen haben,  manchmal  auch  eine  ĂŒbernatĂŒrlich  gesteigerte 
SehfĂ€higkeit  verbunden.  MerkwĂŒrdigerweise  sind  es 
gerade  kranke  und  minderwertige  Augen,  denen  das  Volk 
solche  zauberhaften  Leistungen  zuschreibt.  So  traute  man 
namentlich  dem  EinÀugigen  einen  besonders  scharfen 
Blick  zu;  daher  auch  das  deutsche  Sprichwort:  „Ein  Auge 
sieht  oft  mehr  als  zwei".  Im  Talmud  kommt  folgende 
Sherlock  Holmes -Geschichte  vor,  die  fĂŒr  den  scharfen  Blick 
eines  seines  einen  Auges  Beraubten  zeugt:  Ein  Athener,  der 
nach  Jerusalem  gekommen  war,  um  daselbst  eine  gewisse 
Geheimsprache  zu  erlernen,  hatte  nach  dreieinhalb  Jahren 
seinen  Zweck  noch  immer  nicht  erreicht.  Er  machte  sich 
daher  auf  die  Heimreise,  nachdem  er  sich  vorher  einen 
Sklaven  gekauft  hatte.  Bald  bemerkte  er,  daß  der  Sklave 
einĂ€ugig  sei,  ließ  sich  aber  damit  beruhigen,  daß  man  den 
Geist  und  das  scharfe  Auge  des  Sklaven  pries.    Als  er  mit 


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und   Quetschwunden),   Prostbeulen,   Brandwunden  I.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  cruris,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetiologische  Momente  hervorgerufenen  Erythemen.; 


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an 


n).  Jahn 


Nr.  2. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


demselben  die  Stadl  verlassen  hatte  sprach  dieser  zu  ihm: 
„Herr,  laß  uns  eilen,  damit  wir  jene  Gesellschaft  noch  ein- 
holen". ..Ist  uns  denn  eine  Gesellschaft  voraus?"  fragte  der 
Athener.  „Gewiß!  Ja,  ich  kann  dir  sagen,  daß  ein  weib- 
liches  Kamel  uns  vorausgeht,  welches  einÀugig  und  von 
einem  Zwillingspaare  trÀchtig  ist;  es  trÀgt  zwei  SchlÀuche 
auf  seinem  RĂŒcken,  den  einen  mit  Wein,  den  anderen  mit 
bissig  gefĂŒllt.  Es  ist  höchstens  vier  Meilen  vor  uns,  und  sein 
Treiber  ist  ein  Heide."  In  der  Meinung,  daß  der  Sklave 
seiner  spotte,  herrschte  ihn  der  Athener  an:  „EinĂ€ugiges, 
nackengebeugtes  Volk,  woher  weißt  du,  daß  das  Kamel  auf 
einem  Auge  blind  ist?"  „Merkst  du  nicht,  daß  der  Weg  nur  auf 
der  einen  Seite  abgeweidet  ist,  auf  der  anderen  aber  nicht?" 
„Woher  aber  weißt  du,  daß  das  Tier  mit  Zwillingen  trĂ€chtig 
ist?"  „Weil  an  der  Stelle,  wo  es  sich  gelagert  hat,  der  Ab- 
druck der  Leibesfrucht  bemerkbar  ist."  „Woran  erkennst  du 
die  Last  des  Tieres?"  „An  den  Tropfen,  die  von  den  SchlĂ€u- 
chen herabfallen;  Weintropfen  werden  nÀmlich  vom  Staube 
aufgesaugt,  wÀhrend  Essigtropfen  gÀren  und  Blasen  treiben." 
„Woher  weißt  du,  daß  der  Treiber  ein  Heide  ist?"  „Er  hat 
mitten  auf  der  Straße  etwas  getan,  was  ein  Jude  abseits  in 
einem  Winkel  tun  wĂŒrde."  „Woher  endlich  weißt  du,  daß 
die  Gesellschaft  höchstens  vier  Meilen  Vorsprung  hat?"  „Weil 
nur  bis  zu  dieser  Entfernung  die  Fußtapfen  von  Kamelen 
noch  zu  erkennen  sind,  bei  grĂ¶ĂŸerer  Entfernung  aber  die 
Spuren  sich  verwischen." 

NÀchst  dem  EinÀugigen  ist  es  der  Schielende,  der 
dem  Volksglauben  nach  ein  besonderes  Sehvermögen  hat. 
So  glauben  die  Orang  Belenda  auf  der  Halbinsel  MalĂ€ka,  daß 
der  Schielende  ein  grĂ¶ĂŸeres  Gesichtsfeld  hat  als  der  Normal - 
sehende.  Aus  diesem  Grunde  fĂŒrchten  sie  unter  den  Seelen 
Verstorbener  besonders  den  unsichtbaren  „schielenden 
Hantu".  Derselbe  ist  durch  die  Stellung  seiner  Augen  be- 
fÀhigt, jede  unbewachte  Stelle  des  Hauses  sofort  zu  sehen, 
wenn  einmal  die  Aufmerksamkeit  etwas  nachlĂ€ĂŸt,  und  er 


benutzt  diese  Gelegenheit,  um  Hab  und  Cid  zu  beschÀdigen. 

Auch  AugenentzĂŒndungen  sollen  dem  Volks- 
glauben nach  die  SehschÀrfe  bedeutend  steigern.  Die 
Koreaner  glauben,  daß  die  mit  Blattern  behafteten  Kinder 
durch  Vermittelung  des  Blatterngcistes  in  die  Lage  versetzt 
werden,  auf  große  Distanzen  zu  sehen.  D  e  1  r  i  o  erzĂ€hlt  von 
den  spanischen  Zahuris,  deren  Augen  auffallend  gerötet 
sind.  Mit  diesen  Augen  sollten  sie  imstande  gewesen  sein, 
alle  unter  der  Erde  verborgenen  Dinge  zu  sehen.  Sie  enl 
deckten  damit  Metall-  und  Wasseradern,  verborgene  SchÀtze 
und  selbst  Leichen,  die  in  SĂ€rgen  unter  der  Erde  vergraben 
lagen,  aber  diese  FĂ€higkeit  hatten  sie  nur  an  zwei  Wochen- 
tagen, am  Mittwoch  und  Sonnabend;  an  den  ĂŒbrigen  Tagen 
versagten  sie.  Von  einer  gewissen  Donna  Pedegacha  aus 
Lissabon  wird  uns  berichtet,  daß  sie  die  Gabe  besessen  habe, 
das  Innere  des  menschlichen  Körpers  zu  durchschauen;  nur 
mit  ihren  Augen,  und  ohne  die  geheimnisvolle  FĂ€higkeit 
moderner  Somnambulen  und  Hellseher. 

Da  solche  scharfe  Augen  sehr  erwĂŒnscht  waren,  versucht«' 
man  sie  sich  durch  allerhand  kĂŒnstliche  Mittel  und 
Zauberprozeduren  zu  verschaffen.  Die  altcymrische  Medizin 
lehrt:  „Man  nehme  Galle  von  einem  Hasen,  einem  Huhn, 
einem  Aal  und  einem  Hirsch  mit  frischem  Urin  und  Geis- 
blÀttern, schneide  dann  in  eine  Efeupflanze  ein,  mische  alles 
mit  dem  Saft,  welcher  herausquillt,  koche  schnell  und  gieße 
es  durch  dĂŒnne  Leinewand.  Wenn  es  kalt  ist,  gieße  etwas 
davon  in  die  Ecke  des  Auges,  und  es  wird  ein  Wunder  sein, 
wenn  derjenige,  welcher  es  benĂŒtzt,  die  Sterne  am  Himmel 
nicht  sieht  am  Mittag,  so  wirksam  ist  dieses  Mittel".  Um  fĂŒr 
die  Jagd  ein  besonders  scharfes  Sehvermögen  zu  bekommen, 
zerquetschten  die  Ipurina  oder  Kangiti  am  Rio  Purus  (Ama- 
zonas) eine  intensiv  nach  ZitronensÀure  riechende  Knollen- 
frucht (magarataki),  wickeln  sie  in  ein  Blatt  und  gießen 
Wasser  darauf,  welches  durch  ein  kleines  Loch  abfließt  und 
ins  Auge  getröpfelt  wird.    Auch  in  Deutschland  kennt  man 


ß(ĂŒfßuccqßa//am/caJSc^ol^cefy//a//zy//au^        Urgtoppln,  O/ea  aetherea 


^arnjcairclojcaö 


w/nass/halenm 

TĂ€bliken  ■=  Char/offenourg u.Men Wi 


XIV 


10.  Jahrg.  — 


Nr.  2. 


solche  Mittel:  bald  soll  man  sich  das  Blut  einer  Fledermaus 
auf  die  Augenlider  streichen,  bald  durch  ein  Tuch  sehen,  mit 
dem  mau  einem  Sterbenden  den  Todesschweiß  abgewischt 
hat. 

Im  letzteren  Falle  wird  einem  auch  der  Blick  in  die 
geheimnisvolle  Geisterwelt  aufgetan.  Der  Glaube,  daß 
es  Menschen  gibt,  die  durch  eine  natĂŒrliche  Anlage  oder 
durch  kĂŒnstliche  Mittel  die  FĂ€higkeit  besitzen  oder  erlangen 
können,  geistersichtig  zu  sein,  ist  uralt  und  findet  sich  bei 
vielen  Völkern.  In  den  indischen  Veden  wird  ein  Zauber 
kraul,  das  geistersichtig  macht,  „das  Auge  der  vierĂ€ugigen 
HĂŒndin"  genannt.  In  der  vedischen  Religion  galt  nĂ€mlich 
der  vierÀugige  Hund,  d.  h.  ein  Hund,  der  neben  seinen  Augen 
zwei  augenÀhnliche  Flecke  hatte,  als  ein  Symbol  feindlicher 
MÀchte.  Wer  nach  talmudischem  Glauben  die  bösen  Geister 
sehen  will,  der  nehme  die  Nachgeburt  einer  erstgeborenen 
schwarzen  Katze,  die  die  Tochter  einer  erstgeborenen  schwar- 
zen Katze  ist,  verbrenne  diese,  zerreibe  sie  und  gebe  von  der 
Asche  etwas  ins  Auge. 

Der  Malaye,  der  geistersichtig  werden  will,  lĂ€ĂŸt  sich  einen 
Beschwörungssaft  aus  Limonen,  Ingwer  und  Pfeffer  in  die 
Augen  trÀufeln.  Weniger  schmerzhaft  ist  die  in  Deutsch- 
land und  in  den  nordischen  LÀndern  gebrÀuchliche  Methode, 
durch  irgendein  natĂŒrliches  oder  kĂŒnstliches  Loch  hindurch- 
zublicken: man  sieht  dann,  wie  durch  ein  SchlĂŒsselloch  in 
ein  geschlossenes  Zimmer,  in  die  Geislerwelt  hinein.  Ein 
solches  Loch  kann  auf  die  mannigfachste  Art  gebildet  wer- 
den: so  sieht  man  durch  die  Pferdehalfter,  das  Zaumzeug,  das 
Pferdegebiß,  die  Halskoppel,  das  Geschirr  des  Pferdes  oder 
unter  dessen  Bauch,  durch  das  Nagelloch  eines  gefundenen 
StĂŒckes  eines  Sarges,  durch  ein  StĂŒck  Papier,  durch  ein  Ast- 
loch, durch  eins  der  Löcher  eines  Melkstuhles,  durch  die 
Augenlöcher  eines  gefundenen  Totenkopfes,  durch  die  Kehle 
eines  Wolfes,  durch  einen  Stein  mit  einem  natĂŒrlichen  Loch, 
durch  eine  Oese  von  drei  Haaren  einer  Wichtelfrau  gebildet. 


durch  eine  Egge,  einen  HemdsÀrmel,  ein  Sieb,  durch  die 
Röhre  eines  Webstuhls,  eine  Haarlocke,  ein  Tuch,  durch  den 
eigenen  Arm  oder  den  eines  anderen.  Hierzu  kommt  noch 
der  Blick  durch  die  gespreizten  Beine  hindurch  bei  gebĂŒckter 
Haltung. 

Auch  von  einem  anderen  geistersichtigen  Menschen  kann 
man  diese  Gabe  erwerben,  wenn  man  ihn  mit  dem  linken 
Fuße  auf  den  rechten  tritt  und  ihm  dann  ĂŒber  die  linke 
Schulter  sieht,  oder  umgekehrt.  Nach  ostfriesischem  Aber- 
glauben haben  auch  Hunde  und  schwarze  Schafe  die  Gabe 
„quad  zu  sehen"  und  man  kann  sie  von  ihnen  lernen.  Wenn 
der  Hund  heult,  weil  er  irgendein  ĂŒbernatĂŒrliches  Wesen 
sieht,  so  sehe  man  ihm  zw  ischen  den  Ohren  durch  und  hebe 
sein  linkes  Bein  auf,  oder  man  nehme  ihn  auf  die  Schulter 
'und  schaue  so  zwischen  seinen  Ohren  hindurch. 

Manche  Menschen  werden  auch  mit  der  FĂ€higkeit. 
Geister  sehen  zu  können,  geboren,  so  Sonntagskinder,  oder 
Kinder,  die  am  Donnerstage  geboren,  am  Sonntag  getauft, 
oder  in  der  Neujahrsnacht,  oder  am  ersten  Advent  oder  am 
,29.  Februar  oder  am  ersten  Sonntage  nach  Neujahr  geboren 
sind  (Böhmen).  Auch  Kinder,  die  mit  den  FĂŒĂŸen  zuerst  zur 
»Welt  kommen,  sind  imstande,  Gespenster  und  Geister  zu 
sehen  (Pommern). 

Durch  das  Hindurchblicken  durch  ein  Loch  kann  man 
(sich  aber  noch  eine  andere  unheimliche  FĂ€higkeit  des  Auges 
verschaffen,  nÀmlich  das  zweite  Gesicht.  So  sieht 
(man  den  gespenstischen  Leichenzug  als  Vorspuk  vor  dem 
iSterben  eines  Menschen.  Auch  andere  Ereignisse,  die  oft  in 
'großer  Entfernung  gerade  stattfinden,  oder  ein  StĂŒck  Zu- 
'kunft  wird  vom  Seher  als  gegenwÀrtiges  Bild  geschaut.  In 
,den  meisten  FĂ€llen  ist  diese  Gabe  aber  angeboren.  Die  Augen 
solcher  Seher  werden  als  wasserblau  und  klar  geschildert,  die 
manchmal  geisterhaft  aufblitzen.  In  anderen  FĂ€llen  ist  ihr 
Blick  durchdringend  schneidend,  oder  sie  schielen,  oder  ihre 
Augenlider  sind  krampfhaft  einwÀrts  gekehrt. 


Trypaf 


-Verbandstoffe 

u.  den  anderen  ĂŒblichen  antiseptischen  Verbandstoffen  auß: 


zeichnen  sich  vor  Jcdoform- 

durch  außerordentlich  rasche  Reinigung  der  Wunden; 
durch  gĂŒnstige  Beeinflussung  der  Granulationsbildung; 
durch  vollkommene  Reizlosigkeit; 
durch  Ungiftigkeit; 

es  tritt  kein  Verkleben  der  Verbandstoffe  ein; 

Jdiosynkrasien,  wie  sie  bei  Jodoform  und  anderen  jodhaltigenAntiseptici» 
hÀufig  vorkommen,  sind  nie  beobachtet  worden; 
sind  vollkommen  geruchlos. 


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Drogerien  wieder  regelma&ig  abgegeben  werden.    Sollten  die  Verkaufsstellen  das  Verlangte  nicht  bald  iiir  Hand  haben,  u> 

empfiehlt  sich  direkter  Franfco-Bezug  durch  den 
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AusfĂŒhrliche  Gebrauch  sanweisunfl  auf  Jeder  Tuba. 


FĂŒr  Krankenkassen  zugelassen. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


I  c  n  s  (  i  l  s   \  0  ii   1{  c  i  u  f   ,,  ii  (j    \  in  I 


XV 


Von  solchen  Leuten  s;igl 
11  ii  1  s  h  o  f  f: 


Annette  \  o  n  Droste 


Kennst  du  die  Blassen  im  Heideland 

Mit  blonden,  flÀchsernen  Haaren, 

Mil  Augen  so  klar  wie  ein  Weihersrand 

Die  Hlil/.e  der  Welle  fahren? 

().  sprich  ein  Gebet,  inbrĂŒnstig,  echt, 

\  ĂŒv  die  Seher  der  Nacht,  das  gequĂ€lte  Geschlecht. 

,Vorgesicht"  (Vorlat,  Voarweiling,  FĂŒrweiling) 
tigern 


ist 


Das  „Vorgesicht"  (Vorlat,  Voarweili 
seinen  TrĂ€gein  aber  keine  „Gabe",  keine  erfreuliche  Eigen- 
schaft, sondern  lastet  schwer  auf  ihrer  Seele,  es  ist  fĂŒr  sie 
eine  Heimsuchung  und  BeÀngstigung.  Es  gibt  Familien,  in 
denen  es  erblich  ist,  sonst  haben  es  nur  besonders  „Auser- 
\v.:.iitc".  Der  „Schichtige",  „Schichter",  „Wieker",  „Schicht - 
kic.vi'i",  „SpökenkiekerV,  der  das  Vorgesicht  hat,  muH  auch 
wider  seinen  Willen  hinaus,  oder  aus  dem  Bett  aufstehen  und 
sich  dahin  begeben,  wo  er  die  Erscheinung  wahrnehmen  soll, 
meist  auf  Kreuzwegen.  Er  kann  sich  auch  selbst  im  Sarge 
liegen  sehen,  und  wenn  er  sich  im  Leichenzuge  nicht  siehl, 
so  liegt  er  wahrscheinlich  im  Sarge  und  muß  sterben  (West- 
falen). Nur  selten  sieht  man  ein  frohes  Ereignis,  wie  einen 
HochzeitSzug.  In  Ostfriesland  können  einige  Leute  bei  be- 
vorstehenden Pfarrerwahlen  den  kĂŒnftigen  Pfarrer  auf  der 
Kanzel  sehen.  In  Tirol  sehen  Leute  nach  dem  AbendlÀuten 
manchmal  LeichenzĂŒge:  dann  stirbt  die  Person,  welche  sie 
unmittelbar  hinter  der  Bahre  gehen  sehen;  und  in  der  Syl- 
vester-Mitternacht sieht  man  die,  welche  im  neuen  Jahre 
sterben,  um  den  Altar  zum  Opfer  gehen;  wenn  man  seine 
eigene  Gestalt  ohne  Kopf  dabei  sieht,  muß  man  selbst  sterben. 
Diese  Sehergabe  haftet  in  Tirol  nicht  bloß  an  der  Person, 
selbst  wenn  sie  dieser  selbst  lÀstig  ist,  sondern  gewisser- 
maßen auch  an  bestimmten  Orten.  In  Zirl  bei  Innsbruck 
sehen  die  Leute,  welche  in  den  nach  dem  Kirchhof  hinaus- 
sehenden HĂ€usern  wohnen,  in  der  Mitternaehtsstunde  solche 
LeichenzĂŒge,  in  denen  sie  die  Personen    erkennen,  welche 


nÀchsldein  sterben  weiden:  deshalb  werden  diese  Wohnungen 

gemieden,  und  die  Armen  erhalten  sie  unentgeltlich.  Auch 

Pferden  und  Hunden  wird  das  /.weile  Gesicht  zugeschrieben 

Der  Ausdruck  „zweites  Gesicht'  halle  ursprĂŒnglich  wohl  die 
engere  Bedeutung  des  Sehens  eines  DoppelgÀngers,  wo 
bei  der  Mensch  sich  selbst  vor  sich  siebt.  In  diesem  Falle 
wird  er  im  Laute  eines  Jahres  sterben.  In  Tirol  isl  dieses 
Doppelsehen  in  der  Zeil  von  Weihnachten  bis  Neujahr.  Ge1 
wahrt  jemand  in  Bobinen,  wenn  er  in  den  Spiegel  siehl. 
neben  seinem  Gesichl  noch  ein  anderes,  so  wird  er  ebenfalls 
bald  sterben.  (Se.  biU  lolgli 

Hamlet. 

Neu  Nohn-  Dr.  C  1  a  u-sin  a  n  n,  Kerpen. 

Ein  Salz  aus  dem  liebenswĂŒrdigen  und  an  Spczialkennl 
uissen  reichen  Aufsalz  Dr.  HĂ€richs  ĂŒber  E.  T.  A.  Holl 
mann  (Nr.  287  X):  „Die  Medizin  darf  bewundern,  mit  welch 
genialer  Intuition  Shakespeare  in  der  Gestalt  Hamlets  ein 
ganz  bestimmtes  Krankheitsbild  darstellt",  drĂŒckte  mir  wie- 
derum einmal  den  Shakespeare  in  die  Hand.  Ich  meinte 
Hamlet  zu  kennen,  aber  Hamlet  krank?  ich  konnte 
mich  nicht  entsinnen;  das  war  mir  völlig  fremd,  und  isl  es 
mir  jetzt,  nach  der  frisch  erneuten  LektĂŒre  noch  unklarer. 
Sohle  ich  aber  irren:  Auch  diese  Abhandlung  entstand  „jen- 
seits von  Beruf  und  Amt"  und  man  ist  nie  zu  alt  zu 
lernen.  Einstweilen  aber  sehe  ich  Hamlet  anders.  Leber 
seine  Ă€  u  ß  e  r  e  E  r  s  c  h  e  i  n  u  n  g  finden  wir  im  StĂŒck  nur 
wenig  und  doch  genug  AufklĂ€rung.  ZunĂ€chst  muß  etwas 
ausgerÀumt  weiden.  Die  Königin  sagl  (im  letzten  Akt  nach 
lern  zweiten  Fechtelgang  Hamlets  mit  Laertes):  „Unser 
Sohn  ist  fett  und  kurz  von  Atem".  Hat  auch  kein  Geringerer 
als  Goethe  Hamlets  Korpulenz  als  notwendig  zu  rechtfertigen 
versucht,  so  neigen  doch  die  neueren  Shakespeareforscher 
wohl  mehr  zu  der  Ansicht,  daß  hier  ein  Uebersetzungsfehler 


MoUentum  basicum^ 


Emulsionsprodukt  allerfeinster,  reizloser  Fette  in  Verbindung  mit  einer 
basischen  Aluminiumacetat  «Verbindung. 

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in  postoperativen  FĂ€llen. 

MoUentum  scabiosum 


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Proben  und  Literatur   stehen  gern  zur  VerfĂŒgung. 

E.  T0SSE  <&  CO.,  HAMBURG 

Laboratorium    fĂŒr    chemisch-medizinische  PrĂ€parate 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


vorliegt  und  daß  das  englische  „fat"  eine  AbkĂŒrzung  von 
fatigued  ist,  so  daß  also  die  Meinung  wĂ€re:  „Unser  Sohn  ist 
mĂŒde  und  hinter  Atem".  Der  beschrĂ€nkte  Raum  hier  ge- 
stattet keine  weitere  Auseinandersetzung.  Nur  so  viel  möge 
gesagt  sein,  selbst  fĂŒr  die  Konstruktion  des  Krankheitsbildes 
könnte  eine  solche  (nicht  unwichtige!)  Bemerkung,  weil 
mit  dem  ganzen  Charakter  kontrastierend, 
nur  störend  wirken:  sie  wĂŒrde  der  vielleicht  schönsten  von 
Shakespeares  Gestalten  einen  Zug  von  Faulheit  auf  verfettetem 
Körperbau  beruhend,  aufdrĂŒcken.  Der  Allgemeinheit  er- 
scheint es  anders:  „Er  ist  beliebt  bei  der  verworrenen  Menge, 
die  mit  dem  Aug',  nicht  mit  dem  Urteil  wÀgt"  gesteht  selbst 
der  König. 

Anders  auch  klingen  die  Worte  Ophelias  (auch  sie 
glaubt  an  seinen  Irrsinn): 

„O,  welch'  ein  edler  Geist  ist  hier  zerstört, 

Des  Hofmannes  Auge,  des  Gelehrten  Zunge, 

Des  Kriegers  Arm,  des  Staates  Blum  und  Hoffnung, 

Der  Sitte  Spiegel  und  der  Bildung  Muster; 

Das  Merkziel  der  Betrachter  —  ganz  ganz  hin." 

Hieraus  sei  zunÀchst  nur  das  hergeleitet:  Eine  Tapfer- 
keit, die  in  einer  Zeit,  wo  alles  auf  der  Todesverachtung 
der  Renaissance  aufgebaut  war,  zwar  selbstverstÀndlich  ist, 
aber  von  Shakespeare  noch  durch  die  Schilderung  der  Kost- 
barkeit der  den  Wettpreis  ausmachenden  Waffen  unter- 
strichen wird  und  die  auch  Hamlet  selbst  mehrfach  an  den 
Tag  legt,  so  bei  seiner  ersten  Begegnung  mit  dem  Geist,  wo 
er  sich  mit  Gewalt  den  HĂ€nden  der  Krieger  entreißt,  um  dem 
Geist  aus  dem  Bereich  der  Menschen,  gleichgĂŒltig  wohin,  zu 
folgen;  mehr  aber  liegt  noch  —  dies  ist  der  SchlĂŒssel  zu 
Hamlets  Wesen  — ,  in  den  Worten:  „Der  Sitte  Spiegel  und 
der  Bildung  Muster".  In  einer  immerhin  durch  Alkohol  und 
Syphilis  angefaulten  Zeit  steht  Hamlet,  der  ehemalige  Wit- 
tenberger Student  (was,  wie  alles  bei  Shakespeare,  auch  nicht 
ohne  Bedeutung  ist),   da   als   das    subtile,  unbe- 


stechliche    Gewissen.     Nur  ein  Mann  von  seiner 
Selbstsicherheit  konnte  der  Königin,  seiner  Mutter, 
diesen  entsetzlich  klaren  Spiegel  vorhalten,  wie  er  es  in  deren 
Zimmer  vermag,  daß  sie  stöhnt:  „0  sprich  nicht  mehr.  Mir 
dringen  diese  Worte  in's  Ohr  wie  Dolche!"     Aus  diesem 
feinen  Gewissen  heraus,  das  nicht  ohne  absolute  Klarheit, 
dann  aber  furchtbar  rĂ€chen  wird  —  er  kann  ja  den  betenden 
König  töten,  will  aber  nicht  diesen  Moment  der  Gnade  aus- 
nĂŒtzen — ,  sondern  das  gesprochene  Todesurteil  vollziehen: 
„Wann  er  berauscht  ist,  schlafend,  in  der  Wut, 
In  seines  Betts  blutschÀnderischen  Freuden, 
Beim  Spielen,  Fluchen  oder  anderm  Tun, 
Das  keine  Spur  des  Heiles  an  sich  hat  — 
Dann  stoße  ich  ihn  nieder!" 

entsteht  seine  InaktivitÀt. 

Seine  Seele  war  von  dem  schwarzen  Gedanken  gequÀlt, 
der  jetzige  König  habe  mit  Hilfe  der  blutschÀnderischen 
eigenen  Mutter  den  geliebten  Vater  ermordet.  Aber  es  fehlt 
der  Beweis!  Der  wird  ihm  durch  den  Geist  des  Vaters, 
der  ihm  die  Geschichte  der  Ermordung  bis  ins  Kleinste  er- 
zĂ€hlt. Auch  da  noch  zweifelt,  grĂŒbelt  Hamlet,  muß  zweifeln, 
denn  auch  das  kann  noch  Spuk  eines  bösen  Höllengeistes 
sein,  bestimmt  eine  Seele  ins  Verderben  zu  ziehen,  wie 
mancher  Held  der  griechischen  Sage,  durch  das  Schicksal 
fiel.  Alle,  die  mit  ihm  den  Geist  sahen,  lĂ€ĂŸt  er  den  denkbar 
furchtbarsten  Eid,  stillzuschweigen,  ablegen.  Noch  mehr 
Gewißheit  will  er  haben,  selbst  eingestehen  sollen  die  Ver- 
brecher ihre  Schandtat,  und  sollte  er  selber  sich  irrsinnig 
stellen! 

„Da  mir's  vielleicht  in  Zukunft  dienlich  scheint 
Ein  wunderliches  Wesen  anzulegen." 

Alle  glauben  an  seinen  Wahnsinn.  Der  eitle  und  leere 
SchwĂ€tzer  Polonius  glaubt,  daß  der  Grund  sei:  Hamlet  wĂ€hne 
sich  von  Ophelia  verstoßen,  er  liefert  auch  gleich  die  Krank- 
heitsgeschichte: 


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Pigmentierungen ;  ferner  in  den  FĂ€llen, 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indicieri  ist. 
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40.  Jahrg.— Nr.  2. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


„Und  er  verstoßen,  um  es  kurz  zu  machen, 
Fiel  in  'ne  Traurigkeit;  dann  in  ein  Fasten, 
Drauf  in  ein  Wachen;  dann  in  eine  SchwÀche, 
Dann  in  Zerstreuung,  und  durch  solche  Stufen 
In  die  VerrĂŒcktheit,  die  ihn  jetzt  verwirrt." 

Das  allerdings  ist  Hamlet!  Kein  Geistes- 
umflorter,  aber  ein  im  tiefsten  GemĂŒt  Er- 
schĂŒtterter. Traurigkeit  und  Ekel,  die  bei  ihm  körper- 
liches Unbehagen  bis  zum  Brechreiz  loslösen  (in  seiner 
Unterredung  mit  Horatio  kurz  vor  der  Kampfszene:  „Du 
kannst  Dir  nicht  vorstellen,  wie  ĂŒbel  es  mir  hier  ums  Herz 
ist")  haben  ihm  Appetit  und  Schlaf  geraubt,  auf  die  der 
Körper  bis  zur  Ohnmacht  reagiert,  sein  Blick  ist  immer  ab- 
wesend, sein  Wesen  zerfahren  und  zerstreut:  so  erscheint  er 
seiner  Umgebung  als  im  Geiste  umdĂŒstert;  nur  Horatio,  dem 
Vertrauten  gegenĂŒber  verschmĂ€ht  er  stets,  seinen  Kummer, 
der  ihm  sonst  Maske  der  VerrĂŒcktheit  ist,  zu  verhehlen.  Ihm 
gibt  er  auch  eine  Probe  seines  GedÀchtnisses.  Er 
hat  einmal  die  Schauspieler  in  der  Stadt  gesehen  und  kann 
doch  ganze  Szenen  des  von  ihnen  gespielten  StĂŒckes  den 
Mimen  wörtlich  rezitieren! 

Zuweilen  dÀmmert  selbst  dem  blöden  Hirn  des  Polonius, 
der  sonst  hohl  ist,  wie  ein  leerer  Schrank,  einige  Erkenntnis: 
„Ist  dies  schon  Tollheit,  hat  es  doch  Methode." 

Doch  korrigiert  er  sich  sofort  selber: 

„Dies  ist  ein  GlĂŒck,  das  die  Torheit  oft  hat,  womit  es 
der  Vernunft  und  dem  gesunden  Sinne  weniger  gut  gelingen 
könnte." 

Tief  ist  das  Mitleid  Ophelias  mit  dem  armen  Geliebten. 
Aber  selbst  sie  begreift  den  Blick  nicht,  mit  dem  er  sie 
durchbohrt  hat,  als  wollte  er  in  die  tiefsten  Tiefen  ihrer 
Seele  dringen,  sie  weiß  ja  nicht,  daß  die  ihm  abgrundtief  er- 
scheinende Verruchtheit  der  eigenen  Mutter  ihn  an  allem 
Edlen  der  Weiblichkeit  verzweifeln  lĂ€ĂŸt! 


Ophelia:  „Mit  einem  Blick,  von  Jammer  so  erfĂŒllt. 
Als  war'  er  aus  der  Hölle  losgelassen  .... 
Griff  er  mich  bei  der  Hand  und  hielt  mich  fest, 
Dann  leimt'  er  sich  zurĂŒck,  so  lang  sein  Ann 
Und  mit  der  andern  Hand  so  ĂŒher'm  Auge 
Betrachtet  er,  so  prĂŒfend  mein  Gesicht, 

Als  wollt'  er's  zeichnen   Dann 

LĂ€ĂŸt  er  mich  geh'n,  und  ĂŒber  seine  Schultern 
Den  Kopf  zurĂŒckgedreht,  schien  er  den  Weg 
Zu  finden  ohne  seine  Augen;  denn 
Er  ging  zur  TĂŒr  hinaus  ohn'  ihre  Hilfe 
Und  wandte  bis  zuletzt  ihr  Licht  auf  mich." 
Sie  versteht  ihn  auch  da  nicht,  wo  er  sie  vor  dem 

ganzen  Hofe  (in  der  Schauspielszene)  auf  die  Stufe  einei 

Dirne  herunterschleudert. 

Königin:  Komm  hierher,  lieber  Hamlet,  setz'  dich  zu  mir! 
Hamlet:  Nein,  gute  Mutter,  hier  ist  ein  stÀrkerer  Magnet. 

Hamlet  (zu  Ophelia):  FrĂ€ulein,  soll  ich  in  eurem  SchĂ¶ĂŸe 
liegen? 

Ophelia:  Nein,  mein  Prinz. 

Hamlet:  Ich  meine,  den  Kopf  auf  euern  Schoß  gelegt? 
Ophelia:  Ja,  mein  Prinz. 

Hamlet:  Denkt  ihr,  ich  hÀtte  erbauliche  Dinge  im  Sinn? 
Ophelia:  Ich  denke  nichts. 

Hamlet:  Ein  schöner  Gedanke,  zwischen  den  Beinen 
eines  MĂ€dchens  zu  liegen! 

Ophelia:  Was  ist,  mein  Prinz? 
Hamlet:  Nichts.  

Hamlet:  O,  ich  wollte  zwischen  euch  und  eurem  Lieb- 
sten Dolmetscher  sein,  wenn  ich  die  Marionetten  nur  tanzen 
sÀhe. 

Ophelia:  Ihr  seid  spitz,  gnÀdiger  Herr.    Ihr  seid  spitz. 
Hamlet:  Ihr  wĂŒrdet  zu  stöhnen  haben,  ehe  Ihr  meine 
Spitze  abstumpftet! 


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Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


10.  Jahrg.  —  Nr.  2. 


Ophelia:  Immer  noch  besser  und  schlimmer! 
Hamlet:  So  mĂŒĂŸt  Ihr  Eure  MĂ€nner  nehmen! 
Hamlet  hat  Ophelien  innig  geliebt!      .Selbst  der 
Heirat  hĂ€tte,  auch  Ă€ußerlich,  nichts  im  Wege  gestanden. 
Königin  (Blumen  in  das  Grab  streuend): 

„Der  SĂŒĂŸen  SĂŒĂŸes,  lebe  wohl!    Ich  hoffte, 
Du  solltest  meines  Hamlet  Galtin  sein! 
Dein  Brautbett,  dacht  ich,  sollt  ich  schmĂŒcken, 
Nicht  zu  bestreu'n  dein  Grab!" 
Als   Laertes   in   gar  zu   lauter   Trauer   um   die  tote 
Schwester  in  ihr  Grab  springt,  springt,  seines  grĂ¶ĂŸeren  Rech- 
tes auf  die  Tote  sich  bewußt,  Hamlet  ihm  nach: 

„Ich  liehe  Ophelien!    Vierzigtausend  BrĂŒder  mit  ihrem 
ganzen  Maß  von  Liebe  hĂ€tten  nicht  meine  Summe  erreicht!" 
Aber  vor  Horatio  entschuldigt  er  sich: 
..Daß  mit  Laertes  ich  mich  seihst  vergaß! 

 Ich  schÀtz'  ihn  gern. 

Doch  wirklich  seines  Schmerzes  Prahlerei. 
Empörte  mich  zu  wilder  Leidenschaft!'" 

(Paßt  dieses  T  e  m  p  e  r  a  m  e  n  l  zu  dem  , Jetten"  Hamlet? 
Man  halle  die  aufgeschwemmte  bockige  Geilheit  des  edlen 
Sir  John  Ealstaff  dagegen!) 

Nur  der  König  sieht  klar  durch  Hamlets  Verstellung  hin- 
durch. Er  beschließt  daher  Hamlets  Tod  auch  das  durch- 
schaut Hamlet.  Des  Dramas  Knoten  ist  geschĂŒrzt.  Hamid 
erwacht  aus  seiner  LÀhmung.  ZunÀchst  ereignet  sich  ein 
blutiges  Intermezzo:    Er  ersticht  den  Polonius 

„In  seiner  wilden  Wut"  (erzĂ€hlt  die  Königin). 
„Da  er  was  hinterm  Teppich  rauschen  hört, 
Beißt  er  die  Kling'  heraus,  schreit:  eine  Balle!" 

„Und  tötet  sie  in  seines  Wahnes  Hitze. 

..Den  ungeseh'nen.  guten,  alten  Mann." 

IrrtĂŒmlich,  denn  er  meint  den  Konig  getroffen 
zu  haben,  a  b  e  r  o  h  n  e  B  e  u  e,  wie  er  vorher  Bosenkranz 
und  GĂŒldenstern  in  den  Tod  geschickt  hatte. 


..Du  klÀglicher,  vorwitz'gcr  Narr!    Fahr'  wohl; 

Ich  nahm  dich  fĂŒr  neu  Höheren.    Nimm  dein  Los. 

Du  siehst,  zuviel  GeschĂ€ftigkeit  ist  mißlich." 

höhnt  er  dem  Toten  nach!  Mit  den  TrÀumen  Hamlet's  ist  es 
aus.  Er.  der  selber  im  großen  Monolog  ..Sein  oder  Nichtsein" 
(an  diese  Stelle  gehört  der  Punkt  oder  das  Ausruf  ungs- 
zeichen.  nicht  hinter  „das  ist  hin  die  Frage",  die  Frage 
kommt  ja  erst)  gesagt  hatte: 

„So  macht  Gewissen  Feige  aus  uns  allen. 
Der  angeborenen  Farbe  der  Entschließung 
W  ird  des  Gedankens  BlÀsse  eingekrÀnkelt." 

Hier,  wo  es  Zeit  ist  zu  handeln,  Hamlet  kanns:  ein  Cesat 
Borgia  hÀtte  es  nicht  energischer,  impulsiver  vermocht. 
Hamlet  hat  sich,  wenn  er  ja  von  sich  abgeirrt  war,  wieder- 
gefunden. So  auch,  seihst  schon  vom  Tode  an  die  Hand  ge- 
faßt, ersticht  er  den  König  und  genĂŒgt  seinem  Schwur  und 
seiner  Bache  und  geht  o  h  n  e  G  e  \v  i  s  s  e  n  s  h  i  s  s  e  i  n  d  e  n 
Tod. 

..Der  liest  ist  Schweifen." 

Ist  dies  nun  ein  K  r  a  n  k  he  i  t  sb  i  I  d  ?  Audi  nicht  mit 
einem  Worte  findet  man  es  angedeutet.  Man  sieht  nur  einen 
Menschen  mit  feinstem  Gewissen.  SelbstquĂ€lerisch,  grĂŒbelnd 
HUI  so  lange,  bis  seiner  Seele  Klarheit  geworden  ist,  dann 
aber  auch  rĂŒcksichtslos  ĂŒber  Leichen  hinwegschreitend,  wie 
seine  Zeil  und  des  Dichters  Meinung  es  verlangtes,  Solche 
Menschen  sind  keine  Objekte  fĂŒr  den  Arzt,  auch  nicht  fĂŒr 
die  feinsten  Psychologen  unter  ihnen,  soweit  sie  als  Aerzle 
in  Frage  kommen.  Wenn  ihm  jemand  helfen  konnte,  so 
war  es  nur  ein  Freund,  aber  auch  die  fielen  aus.  weil  Ham- 
lets Geist,  GemĂŒl  und  Treue  gegen  sich  selber  sie  ĂŒberragte 
und  deshalb  abwies.      Aul  diesen  Höhen  ist  es  eisig  einsam' 

Irre  ich  aber,  nun  wohl,  so  tröste  ich  mich  mit  Goethe: 
..Wir  sÀmtlich,  wie  wir  auch  sind,  können  weder  seinem 
Buchstaben,  noch  seinem  Geiste  genĂŒgen."  (Shakespeare  und 
kein  Ende.) 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Jenseits   von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Die  Zauberkraft  des  Auges. 

Von  Dr.  S.  Scligmann,  Augenarzt,  Hamburg. 

(Fortsetzung  und  Schluß.) 

Die  Gabe  des  zweiten  Gesichtes  ist  also  alles  eher  als 
angenehm  fĂŒr  den  damit  Behafteten.  Viel  erfreulicher  ist  es 
dagegen,  wenn  man  die  FĂ€higkeit  besitzt,  jemanden  zu  er- 
blicken, der  die  Kraft  hat,  sich  selbst  unsichtbar  zu  machen. 
Dann  hebt  der  Augenzauber  die  Zauberkraft  des  anderen 
auf.  So  erzĂ€hlt  Ptolemaios  Ghennos,  ein  jĂŒngerer 
Zeitgenosse  Plinius  des  Aclteren,  daß  die  Frau  des  Kan - 
daules,  Nysia,  eine  doppelte  Pupille  gehabt  habe  und  ein 
Ă€ußerst  scharfes  Gesicht,  weil  sie  im  Besitz  des  Steines  Dra- 
kontites  war,  und  deswegen  den  durch  seinen  Ring  unsicht- 
bar gemachten  Gyges  wahrnahm,  als  er  durch  die  TĂŒr  hin- 
ausging. Der  Bericht  ist  leider  nicht  ganz  klar.  Es  geht 
nicht  deutlich  daraus  hervor,  ob  die  doppelte  Pupille  nur  ein 
charakteristisches  Zeichen  der  Nysia  war,  dem  weiter  keine 
Bedeutung  beizulegen  ist,  oder  ob  dieses  Merkmal  Beweis 
einer  ihr  beigelegten  Zauberkraft  war,  die  Ptolemaios  nicht 
ausdrĂŒcklich  anfĂŒhrt,  weil  er  sie  als  selbstverstĂ€ndlich  und 
bekannt  voraussetzt*),  oder  schließlich,  ob  die  doppelte  Pu- 
pille der  Besitzerin,  ebenso  wie  der  Schlangenstein,  eine  ĂŒber- 
natĂŒrliche SchĂ€rfe  des  Gesichts  verleiht,  die  es  ihr  ermög- 
lichte, den  unsichtbaren  Gyges  wahrzunehmen. 

*)  AusfĂŒhrliches  darĂŒber  siehe  in  meinem  soeben  bei  L. 
Friederichsen  &  Co.,  Hamburg,  erscheinenden  Buche  „Die 
Zauberkraft  des  Auges  und  das  Berufen". 


In  allen  bisher  erwÀhnten  Fallen  besieht  die  Zaubei 
Wirkung  des  Auges  in  einer  ĂŒbernatĂŒrlich  gesteigerten  Seh- 
tÀhigkeit  derselben.  Nur  der  Besitzer  eines  solchen  Auges 
hat  den  Vorteil  oder  den  Nachteil  seiner  Gabe.  In  anderen 
FĂ€llen  dagegen  tritt  die  Zauberkraft  des  Auges 
nach  außen  und  wirkt  auf  andere  Menschen  und  Objekte 
ein. 

Die  einfachste  und  unschuldigste  Form  der  vermeint- 
lichen Blickwirkung  eines  Menschen  auf  einen  anderen  be- 
steht in  dem  „FĂŒhlen"  des  Blickes.  Ks  wird  nĂ€mlich  be- 
hauptet, daß  manche  Individuen,  namentlich  solche,  die 
einen  „starken  Blick"  haben,  imstande  seien,  einen  Menschen 
zum  Umsehen  zwingen  zu  können,  wenn  sie  ihn  von  hinten 
eine  Zeitlang  fest  ansehen.  T  i  t  c  h  e  n  e  r  (1898)  gebĂŒhrt  das 
Verdienst,  diese  Behauptung  bestritten  zu  haben.  Er  stellte 
sogar  Experimente  an,  um  nachzuweisen,  daß  diesem  Glauben 
nichts  Wahres  zugrunde  liege;  wer  im  Theater  oder  im  Kon- 
zert still  stehe  oder  sitze,  sagte  er,  empfÀnde,  wenn  er  den 
Kopf  lange  still  halte,  nach  gewisser  Zeit  ein  unangenehmes 
GefĂŒhl  in  der  Nackengegend,  und  dieses  GefĂŒhl  beseitige  er 
dann  durch  eine  leichte  Drehung  des  Halses.  Als  Vorwand 
fĂŒr  diese  Drehung  wĂ€hle  er  das  Sichumblicken,  und  hieraus 
sei  der  Glaube  entstanden,  man  fĂŒhle  es,  wenn  man  von 
hinten  angesehen  werde.  Titchener  stellte  seine  Ver- 
suche mit  Personen  an,  die  behaupteten,  einen  besonders 
„starken  Blick"  oder  ein  besonders  „empfindliches  GefĂŒhl" 
zu  haben.  Im  Gegensatz  hierzu  nahm  nun  vor  einigen  Jahren 
Co  over  (1913)  Àhnliche  Experimente  vor  mit  Personen,  die 
weder  das  eine  noch  das  andere  von  sich  behaupteten.  Jede 

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Pneumonien  und  andere  Infektionskrankheiten  stellen   an  die 
D  i  g  i  t  a  1  i  s  t  h  e  r  a  p  i  e  oft  besondere  Anforderungen. 
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XII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


seiner  zehn  Versuchspersonen  wurde  15  Sekunden  hindurch 
bei  jedem  einzelnen  Versuche  geprĂŒft  und  mußte  angeben,  ob 
sie  wĂ€hrend  dieser  Zeit  von  rĂŒckwĂ€rts  fixiert  wurde.  Im 
ganzen  wurden  ungefÀhr  100  Versuche  angestellt,  von  denen 
,">0,2  Prozent  ein  richtiges  Resultat  ergaben.  Also  fast  in 
genau  der  Hallte  aller  FĂ€lle  konnte  die  Versuchsperson 
richtig  angeben,  ob  sie  von  hinten  her  angeblickt  worden  sei 
oder  nicht.  Coover  zog  daraus  den  Schluß,  daß  dieses  Er- 
gebnis der  Wahrscheinlichkeit  entsprÀche:  wenn  man  blind- 
lings rĂ€t,  ob  man  angeblickt  wird  oder  nicht,  muß  das  Ver- 
hÀltnis der  richtigen  Antworten  zu  dem  der  falschen  das 
gleiche  sein.  Titchener  mit  seinen  besonders  geeigneten 
Personen,  und  Coover  mit  seinen  Durchschniltspersonen 
kamen  also  zu  dem  gleichen  Ergebnis,  daß  dem  „gefĂŒhlten 
Blick"  nichts  TatsÀchliches  zugrunde  liege. 

Nun  bemÀchtigte  sich  die  Tagespresse  dieses  Sensations- 
stoffes. Die  Laien  fĂŒhlten  sich  bemĂŒĂŸigt,  diese  Experimente 
zu  kritisieren  und  nachzumachen,  und  so  behauptete  ein  Mit- 
arbeiter des  Pariser  „Journal  des  Debats",  daß  der  Prozent- 
salz von  50,2  eher  f  ĂŒ  r  das  Vorhandensein  eines  „starken 
Blickes"  oder  das  „empfindliche  GefĂŒhl"  spreche.  Er  fĂŒhrte 
ferner  an,  daß  die  Versuchszeit  von  15  Sekunden  zu  kurz  sei, 
und  behauptete  schließlich,  zu  solchen  Experimenten  dĂŒrfe 
man  nur  besonders  geeignete  Personen  benutzen,  aber  keine 
Durchschnittsmenschen,  wie  Coover  es  getan  habe. 

Diese  Bemerkungen  spornten  jetzt  einen  Pariser  Krimi- 
nalbeamten dazu  an.  mit  Bewilligung  des  Kommandanten  in 
einer  Kaserne  Proben  anzustellen.  Er  postierte  nach  der 
Reihe  fĂŒnf  Polizeiagenten,  die  ĂŒber  einen  solchen  magneti- 
schen Blick  verfĂŒgen  sollten,  in  einen  gesperrten  Raum  und 
ließ  sie  aus  einem  kleinen  Fensterchen  die  Torwache  fixieren. 
Obwohl  nun  die  betreffende  Mauer  nichts  Sehenswertes  bot 
und  bei  diesem  Fenster  niemand  vermutet  wurde  (?),  blick- 
ten von  zehn  Soldaten  drei  plötzlich  in  dieser  Richtung  und 
entdeckten  die  Beobachter.    Als  sie  gefragt  wurden,  was  sie 


veranlaßt  habe,  sich  umzusehen,  antwortete  der  erste  und 
zweite,  es  sei  ihnen  vorgekommen,  als  starre  sie  jemand  von 
rĂŒckwĂ€rts  an,  wĂ€hrend  der  dritte  sogar  eine  leichte  Be- 
rĂŒhrung verspĂŒrt  haben  wollte. 

So  interessant  alle  diese  Experimente  auch  dem  Laien 
zu  sein  scheinen  —  den  denkenden  Arzt  und  Naturforscher 
vermögen  sie  nicht  zu  befriedigen,  weil  die  wissenschaftlichen 
Voraussetzungen  fehlen,  die  ĂŒberhaupt  die  Vornahme  solcher 
Versuche  rechtfertigen.  Die  Möglichkeit  einer  Beein- 
flussung eines  Menschen  durch  das  Auge  eines  anderen  wÀre 
ja  nur  dann  gegeben,  wenn  von  dem  Auge  irgend  etwas  aus- 
gehen wĂŒrde,  das  auf  andere  Objekte  einwirken  könnte:  das 
Auge  mĂŒĂŸte  dann  ein  a  k  t  i  v  e  s  Organ  sein.  Da  dieses  aber 
nicht  der  Fall  ist,  vielmehr  wir  das  Sehorgan  nur  als  rein 
pereipierendes  passiv  e  s  Organ  zu  betrachten  haben,  so 
fehlt  jede  wissenschaftliche  Berechtigung,  Experimente,  wie 
die  oben  angefĂŒhrten,  ĂŒberhaupt  anzustellen. 

Diejenigen,  die  es  doch  tun,  gehen  von  dem  weitver- 
breiteten Volksaberglauben  aus,  daß  das  Auge  mit  den  Seh- 
strahlen auch  noch  eine  andere  Art  von  elektrisch-magne- 
tischen Strahlen  aussende,  die  im  stÀnde  seien,  andere  Men- 
schen und  Objekte  zu  beeinflussen.  #  Andere  sprechen  von  der 
Seele,  die  aus  dem  Auge  herausleuchtet  oder  ausstrahlt,  wie- 
der andere  von  einer  eigenartigen  Nervenkraft,  von  „Od"  und 
in  neuester  Zeil  sogar  von  RadioaktivitÀt  des  Auges. 

Dieser  hypothetischen  Augenkralt  schreibt  man  nun  die 
wunderbarsten  Eigenschaften  zu.  Mit  ihr  soll  man  nicht  nur 
hypnotisieren  können,  sondern  auch  imstande  sein.  Men- 
schen, Tiere  und  sogar  Geister  „bannen"  und  bĂ€ndigen  zu 
können.  S  t  o  1  1  erzĂ€hlt  von  einem  Fall  aus  einem  zĂŒrche- 
rischen Dorfe,  wo  ein  als  Zauberer  bekannter  Mann  im  Wirts- 
haus von  einigen  jungen  Leuten,  die  an  seiner  Kunst  zwei- 
felten, geneckt  wurde.  Er  stand  auf,  blickte  einen  der 
Spötter,  der  gerade  sein  Weinglas  zum  Munde  fĂŒhren  wollte, 
an  und  sagte:  „So,  ich  werde  jetzt  hinausgehen,  und  bis  ich 


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FRITZ  AUGSBERGER, 


NÜRNBERG. 

ROTHENBURGERSTÖ  27 


‱10.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Xlll 


wiederkomme,  kannst  du  dein  Glas  weder  zum  Munde 
fĂŒhren,  noch  niedersetzen,  sondern  wirst  es  in  der  Hand  be- 
halten!" Danach  ging  er  weg,  und  der  Bezauberte  blieb  wirk 
lieh,  zum  Staunen  seiner  Genossen,  mit  dem  Glase  in  der 
Hand  sitzen,  außerstande,  es  auf  den  Tisch  zu  stellen  oder 
ganz  zum  Munde  zu  bringen,  bis  ihm  der  zurĂŒckkehrende 
Zauberer  von  seinem  Bann  erlöste. 

Die  Geschichte  ist  natĂŒrlich  durchaus  möglich,  beruhl 
aber  nicht  auf  einer  Zauberwirkung  des  bannenden  Auges, 
sondern  nur  auf  Suggestion. 

Von  Suggestionswirkung  kann  allerdings  nicht  die  Rede 
sein  in  den  zahlreichen  Geschichten,  in  denen  von  mutigen 
und  beherzten  MÀnnern  erzÀhlt  wird,  denen  es  gelungen  sein 
soll,  reißende  Bestien,  wie  Löwen  und  Tiger,  und  wildge- 
wordene Stiere  und  Hunde  durch  ihren  bloßen  Blick  zu 
bannen,  so  daß  sie  von  einem  Angriff  abließen  und  sich  so- 
gar zur  Flucht  wendeten.  Im  steyrischen  Oberlande  können 
auch  Gemsen  gebannt  werden.  Solche  Gemsenbanner  ver- 
mögen, daß  Gemsen,  in  die  Schußlinie  kommend,  wie  ange- 
wurzelt stehen  bleiben  mĂŒssen,  wobei  ihnen  die  TrĂ€nen  aus 
Schmerz  herabrollen.  Etwas  Aehnliches  wird  von  den  Hirschen 
behauptet.  Bei  Preitenegg  in  KĂ€rnten  lebte  einst  ein  Zau- 
berer, der  eine  besondere  Macht  in  seinen  Augen  hatte.  Am 
glÀnzendsten  bewies  er  diese  Macht,  als  ein  BÀuerlein,  das 
zu  seinem  Vieh  auf  die  Alm  ging,  sie  anzweifelte.  Er  wies 
auf  einen  Waldschlag  hinĂŒber,  den  nur  ein  seichter  Graben 
von  den  beiden  trennte,  und  sah  scharf  hinĂŒber.  Das  BĂ€uer- 
lein sah,  wie  ein  Hirsch  ĂŒber  den  Graben  gelaufen  kam  und 
etwa  zehn  Schritte  vor  ihnen  auf  die  Knie  fiel;  wollte  sogar 
TrÀnen  in  seinen  Augen  bemerkt  haben.  Erst  als  der  Zau- 
berer den  Blick  vom  Hirsche  abwandte,  lief  er  wieder  wald- 
ein 

Wierus  erzÀhlt  von  Menschen,  die  er  gekannt  habe,  die 
imstande  waren,  durch  ihren  bloßen  Blick  die  Ratten  in 


ihrem  Laufe  zu  hemmen  und  sie  zu  zwingen,  ihren  Oi  l  nicht 
zu  verlassen,  so  daß  sie  mit  Leichtigkeit  ergriffen  und  gelötd 
werden  konnten.  Leise,  der  Lehrer  des  blinden  Dichters 
Bfeffel,  soll  die  schnellaufenden  Eidechsen  in  Gegenwart  voll 
.")()  Zöglingen  durch  seinen  festen  Blick  und  Willen  zum  Still- 
slehen gezwungen  haben,  so  daß  er  sie  ergreifen  konnte. 

Auch  auf  dÀmonische  Wesen  wirkt  ('(''  Blick  ein.  Die 
kellische  Sage  kennt  einen  Zwerg  oder  Gnom,  dessen  irische 
Bezeichnung  Leprec  haun  ist.  Er  fertigt  den  Feen  Stiefel- 
chen aus  Tau  und  Spinngewebe,  er  ist  hilfsbereit,  wie  ein 
Kölner  HeinzelmĂ€nnchen  und  trĂ€gt  außerdem  eine  Börse  bei 
sich,  die  immer  einen  Schillin»  enthÀlt,  so  oft  man  diesen 
auch  herausnimmt.  Es  bedeutet  GlĂŒck,  einen  solchen  Le- 
prechaun  zu  fangen,  aber  der  Lang  ist  nicht  leicht;  man  muß 
ihn  mit  dem  Auge  bannen,  wie  die  Schlange  den  Vogel;  lĂ€ĂŸt 
man  ihn,  ĂŒber  Wurzeln  stolpernd  und  auf  glatten  Steinen 
ausgleitend,  nur  eine  Sekunde  aus  den  Augen,  so  ist  er  spur- 
los verschwunden.  Noch  im  Jahre  1Ü08  berichteten  die  Tages- 
zeitungen, daß  bei  Mullingar,  dem  HauptstĂ€dtchen  der  iri- 
schen Grafschaft  Westmealh,  ein  solcher  Zwei»  gefangen 
worden  sei. 

NĂ€chst  dem  Menschen  wird  manchen  Tieren  ein  solcher 
bannender  Blick  zugeschrieben.  Am  bekanntesten  ist  der 
lÀhmende  Blick  des  Schlangenauges.  Durch  diesen  sollen 
nicht  nur  kleinere  Tiere,  wie  Vögel,  MÀuse,  Frösche,  Kröten, 
Eichhörnchen,  Hasen  u.  dgl.  gelĂ€hmt  werden;  auch  grĂ¶ĂŸere 
Tiere  und  sogar  der  Mensch  sollen  sich  seinem  Einfluß  nicht 
entziehen  können.  Der  römische  Geograph  Pomponius 
M  e  1  a  erzÀhlt  von  ungeheuren  Schlangen  in  Klein-Asien,  die 
sich  vor  der  Sonnenhitze  in  ein  Flußbett  zurĂŒckziehen  und 
dort  mit  aufgesperrtem  Rachen  liegen,  um  die  Vögel  zu  er- 
beuten, die  sie  hoch  aus  der  Luft  zu  sich  herabziehen.  In 
modernen  Reiscbeschreibungen  finden  wir  hÀufig  die  Art 
und  Weise  beschriebenen,  wie  die  Schlange  mit  ihren  Augen 


internes  ^    Indiziert  in  allen  Stadien  der  Gonorrhoe  und 

Antinnnnrrhftirum  ^  deren  Folgezus-tÀnden  sowie  bei  nervösen  Be- 
rtnugununnuituiii  schwerden  der  Blase.  Wirkt  ohne  unangenehme 

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XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


kleine  Vögel  fasziniert,  die  unruhig  hin  und  her  flattern 
und  nicht  imstande  sind,  sich  dem  furchtbaren  Banne  durch 
die  Flucht  zu  entziehen;  dabei  geben  sie  gewöhnlich  klÀg- 
liche Töne  von  sich  und  stĂŒrzen  sich  schließlich  freiwillig 
in  den  geöffneten  Rachen  ihres  Feindes.  Daher  sagt 
M  i  s  t  r  a  1: 

„Au  regard  de  la  serp  degoulu  lout-d'abord.    Lis  auco,  .  .  . 
(Die  wilde  Gans  erstarrt,  wenn  Schlangenaug'  erglĂŒht.) 

Nach  Diodor  schauen  die  riesigen  Schlangen  Äthi- 
opiens dem  von  ihren  Ringen  umschnĂŒrten  Elefanten  mit 
erhobenem  Kopf  in  die  Augen  und  blenden  ihn  mit  ihren 
Feuerblicken,  wie  mit  Blitzen,  daß  er  zu  Boden  stĂŒrzt  und 
ihnen  zum  FrĂ€ĂŸe  wird. 

Eine  Àhnliche  Faszinationskraft  wie  dem  Schlangenauge 
wird  auch  dem  Auge  vieler  Raubvögel  beigelegt. 

Unter  den  SĂ€ugetieren  ist  namentlich  der  Wolf  und  die 
HyĂ€ne  gefĂŒrchtet.  Von  letzterer  erzĂ€hlt  schon  P  1  i  n  i  u  s  , 
daß  sie  imstande  sei,  jedes  Tier,  das  sie  dreimal  anstarrt,  an 
seiner  Stelle  festzubannen,  so  daß  es  sich  nicht  mehr  be- 
wegen kann. 

Die  Zauberkraft  des  Auges  geht  aber  noch  weiter:  sie 
beeinflußt  sogar  leblose  GegenstĂ€nde.  So  wird  behauptet, 
daß  die  „elektromagnetische"  TĂ€tigkeit  des  Sehorganes  im- 
stande sei,  die  Magnetnadel  des  Kompasses  abzulenken. 
Bahr  und  KohlschĂŒlter  berichten  von  einer  Frau,  die 
durch  ihren  Blick  die  Magnetnadel  in  einer  Entfernung  von 
einer  halben  Elle  um  4"  nach  Westen  deklinieren  gemacht 
habe  und  dieses  dreimal  mit  gleichem  Erfolge. 

J  o  i  r  e  konstruierte  ein  „Stenometer",  d.  h.  einen  Appa- 
rat, bei  dem  eine  leichte  bewegliche  Nadel  innerhalb  einer 
Glasglocke  aufgehÀngt  war.  Er  behauptete,  diese  Nadel  durch 
seinen  Blick  beeinflussen  zu  können. 

Nach  Reichenbach  wirkt  das  aus  dem  Auge  aus- 
strömende „Odlicht"  bewegend  auf  einen  Pendel  ein,  und 


nach  Robiano  geraten  leichte  Körper,  z.  B.  ein  Blatt 
Papier,  eine  etwas  lange  Feder,  gummiertes  Taflet,  Glas. 
Metallplatten,  die  an  einem  Faden  aufgehÀngt  sind,  bei  stark 
„Neururgischen"  durch  bloßes  Anblicken  in  Schwingung. 
Voll  will  durch  seinen  Blick  ein  5 — 10  g  schweres  Pendel 
in  Bewegung  setzen  können,  bei  schwererem  Pendel  (50  g) 
sollte  jedoch  der  Versuch  nicht  gelingen. 

Wenn  solche  Dinge  schon  von  Autoren  behauptet  wer- 
den, die  durchaus  ernst  genommen  weiden  wollen,  so 
brauchen  wir  uns  nicht  zu  wundern,  wenn  der  Volksglaube 
noch  ganz  andere  Wunder  behauptet.  In  der  nordischen 
Gull-Thörissaga  wird  von  einer  zauberkundigen  Frau  namens 
Kerling  erzĂ€hlt,  die  versperrte  Schlösser  durch  den  bloßen 
Blick  zu  öffnen  wußte.  Job.  I  ldephon  sus  kannte  einen 
Knappen  Valentin,  der,  nach  einer  schweren  Krankheit  ge- 
nesen, die  Speisen,  die  man  ihm  vorsetzte,  nur  durch  die 
Kraft  seines  Blickes  sogleich  zerteilen  konnte.  In  KĂ€rnten 
erzÀhlt  man  sich  von  einem  Manne,  der  einen  so  stechenden 
Blick  halte,  daß  sein  Trinkglas  in  der  Mitte  entzweisprang, 
als  er  einst  in  einem  Wirtshause  in  dasselbe  hineinblickte. 

Weit  verbreitet  ist  die  Ansicht,  daß  Spiegel  getrĂŒbt  und 
sogar  durchlöchert  werden  können,  wenn  menstruieren  d  e 
Frauen  hineinstarren.  Im  Altertum  waren  es  Metall - 
spiegel,  spÀter  solche  aus  Glas.  Der  Grund  dieser  seltsamen 
Anschauung  ist,  daß  man  die  Menstruation  als  eine  Absonde- 
rung schlechter  und  verdorbener  KörpersÀfte  ansah.  Diese 
KörpersÀfte  sollten  das  Blut  dick  und  schwarz  machen  und 
eine  Art  Blutdunst  erzeugen,  der  wegen  seiner  Leichtigkeit 
nach  oben  zu  den  höchsten  Körperstellen  steigt  und  aus  den 
Augen  wie  aus  Glasfenstern  als  Lebensgeist,  Dunst  oder  Ema- 
nation ausströmt.  Trifft  nun  ein  solcher  Blutdunst  die  Ober- 
flĂ€che eines  Spiegels,  so  verdichtet  er  sich  auf  ihm,  frißt  ihn 
an  und  zerstört  ihn. 

Es  sind  aber  nicht  nur  Spiegel,  die  von  solchem  Blut- 
(lunst  beschÀdigt  werden,  sondern  auch  alle  anderen  mög- 


Toramin 


(TrlclilorbulylmÄlons aures  Ammonium  D.  R.  P.) 

wirkt  stark  herabsetzend  auf  die  Erregbarkeit  des  Atmungsapparates,  ohne  den  Blutdruck  zu  beeinflussen.  —  Prei  von 

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Ursprungs,  bei  Lungen-  u.  BrustfellentzĂŒndungen,  Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium,  nervöser  Husten. 

Verordnung ; 

1  Röhrchen  Toramin-Tabletten  (25  StĂŒck  zirka  0,1  Toramin)  oder  1  —  2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
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J 


Jenseits  v  o  n  II  e  r  n  f  u  n  <i  A  in  I 


XV 


liehen  Objekte,  und  selbst  in  die  Augen  eines  anderen  Men- 
sehen vermag  dieser  Blutdunst  einzudringen.  Dann  gelangt 
er  in  das  Blut  und  in  das  Herz  dieser  /.weiten  Person,  ver- 
wundet dieses,  verdickt  sieh  und  verwandelt  sieh  wiederum 
in  Blut.  Dieses  fremde  Blut  aber  alteriert  das  Blut  des  An- 
geblickten und  macht  diesen  krank.  Wegen  dieser  verderb- 
lichen Eigensehalt  des  Augendunstes  oder  der  Augenstrahlen 
bezeichnet  man  diese  ganze  Art  der  Augenwirkung  als 
bösen  Blick.  Und  nicht  nur  menstruierende  Weiber  mit 
ihren  schlechten  KörpersÀften  haben  einen  solc  hen  bösen 
Blick,  sondern  alle  Mensehen,  deren  Seele  durch  irgend 
eine  böse  Eigenschaft,  wie  Zorn,  Eifersucht,  Neid  und  der- 
gleichen affiziert  ist.  Denn  eine  derartig  verderbte  Seele  be- 
einflußt den  Körper  und  seine  SĂ€fte  und  sendet  aus  den 
Augen  gleichsam  vergĂŒtete  Pfeile  aus,  die  Menschen  und 
Tiere  krank  machen  und  leblose  Dinge  zu  beschÀdigen  ver- 
mögen. Namentlich  ist  es  der  mehr  oder  minder  verhĂŒllte 
Neid,  der  die  Seele  und  die  Augenstrahlen  beeinflußt,  und 
deshalb  nennt  man  den  bösen  Blick  auch  den  „neidischen 
Blick"  und  die  Augenstrahlen  auch  „Neidstrahlen".  Spricht 
nun  der  Neidische  beim  Betrachten  eines  begehrten  Objektes 
noch  ein  Lobeswort  aus,  findet  er  das  Objekt  „schön"  oder 
..vortrefflich",  so  her  u  f  t  oder  beschreit  er  dadurch 
dieses  Objekt.  Denn  jede  Bewunderung  ist  nach  allgemeiner 
Volksansicht  nur  der  Ausdruck  des  Neides.  „Böser  Blick" 
und  „Berufen"  gehören  unzertrennlich  zusammen.  Das  eine 
ist  ohne  das  andere  nicht  denkbar.  In  vielen  LĂ€ndern  braucht 
man  beim  Anblick  eines  hĂŒbschen  Kindes  oder  eines  schönen 
Pferdes  u.  dgl.  nur  zu  sagen:  „Welch  hĂŒbsches  Kind!  oder 
„Was  fĂŒr  ein  schönes  Pferd!",  um  sogleich  in  den  Verdacht 
zu  geraten,  dasselbe  mit  bösem  Blicke  angesehen  zu  haben. 
Der  Glaube  an  das  „Berufen"  oder  „Beschreien"  ist  ja  auch 
bei  uns  „aufgeklĂ€rten"  Deutschen  so  allgemein  verbreitet,  daß 
selbst  gebildete  Leute  sich  scheuen,  das  Lob  eines  Menschen 
zu   verkĂŒnden,   ohne  dabei   dreimal   unter   den   Tisch  zu 


klopfen  und  ihr  „Unberufen"  oder  „Unbeschrieen"  auszu 
sprechen.    Welch  inniger  Zusammenhang  dabei  zwischen 
dem  „bösen  Blick"  und  dem  „Beuden"  besteht,  davon  ahnen 
allerdings  die  wenigsten  etwas. 

Nach  einer  anderen  Auffassung  ist  der  böse  Blick  etwas 
höchst  Reelles,  nÀmlich  ein  (Iiis  t,  der  umhergeht  und 
spricht,  und  der  sich  auf  sein  Opfer  stĂŒrzt,  um  sein  Fleisch 
zu  essen  und  sein  Blut  zu  trinken.  So  sagt  der  böse  Blieb 
z.  B.  in  einem  armenischen  Zauberspruch: 

Ich  gehe  auf  das  krumme  Gehörfl  der  roten  Kuh, 
Auf  das  große  Gehörn  des  schwarzen  Muffels. 
Auf  «las  Beil  und  seinen  Griff, 
Auf  den  Salomon  (den  König)  und  seinen  Thron; 
Auf  das  Kind  in  der  Wiege, 

Auf  das  Auge  des  Mannes,  seinen  Kopf  und  sein  Lehen. 
Auf  das  Auge  des  Weibes,  ihre  Brust  und  Ilaare. 

Solche  Geister  des  bösen  Blickes,  „Beschreiungsgcistei  ' 
(urok)  lauern  nach  sĂŒdslawischer  Ansicht  ĂŒberall  herum. 
Sie  warten  nur  auf  den  Moment,  wo  ein  mit  dem  bösen  Auge 
behafteter  Mensch  sie  durch  seinen  Blick  herbeiruft,  um  sich 
auf  ihr  Opfer  zu  stĂŒrzen. 

Viele  Leute,  deren  Blick  oder  deren  Lobeswort  verderb- 
lich wirkt,  sehen  aus  wie  alle  anderen  Menschen.  Daneben 
gibt  es  aber  auch  Individuen,  die,  wie  der  Volksmund  sagt, 
„gezeichnet"  sind,  denen  die  Natur  einen  Stempel  aufgedrĂŒckt 
bat,  um  sie  sofort  als  „verdĂ€chtig"  zu  charakterisieren. 
Körperfehler  aller  Art,  aber  auch  Augenkrankheiten  kenn- 
zeichnen einen  solchen  UnglĂŒcklichen.  Wer  schielt,  wer 
einen  Fleck  auf  dem  Auge  hat,  wer  entzĂŒndete  rote  Augen- 
lider hat,  wer  einĂ€ugig  ist,  oder  wessen  Augenbrauen  ĂŒber 
der  Nase  zusammengewachsen  sind,  der  ist  in  vielen  LĂ€ndern 
ohne  weiteres  des  bösen  Blickes  verdÀchtig.  Im  Mittelalter 
war  es  der  Teufel,  der  zur  Besiegelung  des  mit  ihm  einge- 
gangenen Paktes  seinen  VerbĂŒndeten,  den  Hexen  und  Zau- 
berern, ein  derartiges  Zeichen  auf  die  Augen  drĂŒckte.  Die 


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XVi 


Jenseits  von  Beruf  u  n  d  A  m  t 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


armen  Menschen,  bei  denen  die  „Hexenfinder"  derartige 
, .signa  diabolica"  fanden,  waren  unrettbar  verloren:  der 
brennende  Scheiterhaufen  war  das  Universalmittel,  dessen 
sich  die  Henkersknechte  bedienten,  um  Augenkrankheiten  aus 
der  Welt  zu  schaffen. 

Ks  gibt  wohl  nur  wenige  I)  ö  s  e  Z  a  U  b  e  r  w  i  r  k  ĂŒngen, 
die  nicht  im  Laufe  der  Zeiten  dem  „bösen  Auge"  zuge- 
schrieben worden  sind.  Nichts  Lebendes,  nichts  Lebloses  ent- 
geht seiner  Wirkung.  Das  Schöne  und  Gute  hat  am  meisten  und 
frĂŒhesten  zu  leiden:  das  mĂ€nnliche  Geschlecht  ist  in  höherem 
Maße  betroffen  als  das  weibliche:  zarte  Kinder  mehr  als  das 
widerstandsfÀhigere  Aller.  Alle  möglichen  K  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n 
werden  auf  das  Konto  des  bösen  Blickes  gesetzt;  sowohl  akute 
vorĂŒbergellende  wie  Kopfweh,  verdorbener  Magen,  KrĂ€mpfe, 
Ohnmacht,  AugenentzĂŒndung,  Syphilis,  Impotenz,  Unfrucht- 
barkeit u.  dgl.,  als  auch  schwere  chronische  Leiden,  wie  LĂ€h- 
mungen, Schwindsucht,  Herzfehler,  geistige  Umnachtung.  Ja 
sogar  der  Tod  wird  in  vielen  FÀllen  dem  bösen  Blick  zuge- 
schrieben. 

Wie  auf  den  Menschen,  so  wirkt  der  Blick  auch  auf  die 
Haustiere.  MilchkĂŒhe  verlieren  ihre  Milch,  oder  dieselbe 
wird  blutig,  klebrig,  wÀsserig,  unbrauchbar.  Pferde,  Kamele, 
Maultiere  werden  scheu,  sie  sind  nicht  von  der  Stelle  zu 
bringen,  sie  straucheln  und  brechen  sich  ein  Bein.  Schweine, 
HĂŒhner,  Enten  und  sonstiges  GeflĂŒgel  werden  auf  Ă€hnliche 
Weise  verzaubert.  Wenn  der  JĂ€ger  kein  Wild  trifft,  oder 
wenn  der  Fischer  keine  Fische  fÀngt,  so  ist  er  von  dem  bösen 
Blicke  irgend  eines  allen  Weibes  behext  worden. 

Pflanzen  welken  unter  seinem  deletĂ€ren  Einfluß,  sie 
gehen  ein  oder  liefern  bittere,  ungenießbare  FrĂŒchte.  Spiegel 
zerspringen,  Kronleuchter  und  Bilder  fallen  herab,  Kleider 
fangen  an  zu  brennen,  Steine  zerspringen,  Quellen  versiegen, 
ja  selbst  die  Erde  fÀngt  an  zu  beben,  Vulkane  speien  Feuer 
und  der  Himmel  kann  zerbrechen:  kurz  die  gesamte  Natur  ist 
dem  bösen  Blick  Untertan. 


Dieser  Aberglaube  ist  so  alt  wie  das  Menschengeschlecht. 
UnzÀhlige  Inschriften  auf  babylonischen  und  assyrischen 
Keilschrifttafeln  beweisen  uns  sein  Vorkommen  in  jenen  ent- 
legenen Zeiten.  In  den  indischen  Veden,  im  persischen  Zend- 
Avesta,  in  mexikanischen  Hieroglyphen-Inschriften  ist  eben- 
sowohl davon  die  Rede,  wie  in  der  Edda  und  in  der  altnordi- 
schen Saga-Literatur.  Griechische  und  römische  Schrift- 
steller haben  schon  von  diesem  Glauben  gesprochen  und 
Theorien  zu  seiner  ErklÀrung  aufgestellt.  Zahlreiche  Gegen- 
stÀnde, Amulette  und  apotropÀische  Bilder,  die  gegen  diesen 
Augenzauber  gelragen  wurden,  und  die  bei  Ausgrabungen 
und  in  GrÀbern  gefunden  worden  sind,  beweisen  uns,  welche 
große  Rolle  der  böse  Blick  im  klassischen  Altertum  gespielt 
hat. 

Und  diese  Rolle  spielt  er  noch  heutigen  Tages  in  vielen 
LĂ€ndern'.  Wer  jemals  im  sĂŒdlichen  Italien  gewesen  ist,  der 
weiß,  welche  Bedeutung  dort  dem  mal'occhio  zukommt. 
Auf  der  PyrenÀischen  Halbinsel  gibt  es  kaum  ein  Kind,  das 
nicht  durch  irgend  ein  Amulett  gegen  den  bösen  Blick  ge- 
schĂŒtzt ist.  Auf  der  Balkanhalbinsel  werden  TĂŒrken, 
Griechen,  Muhammedaner,  Christen  und  Juden  in  gleicher 
Weise  durch  den  bösen  Blick  in  ihrem  Tun  und  Lassen 
regiert.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  den  Slaven,  den  Arabern 
und  Hindu.  Der  Wende,  der  Pole,  der  Russe,  der  Schotte,  der 
IrlĂ€nder  fĂŒrchtet  den  bösen  Blick  ebenso  wie  der  Maure  und 
Marokkaner,  wie  der  Tatare,  der  Chinese  und  Tibetaner. 
Indianer  sind  seinem  Zauber  ebenso  unterworfen,  wie  afrika- 
nische Eingeborene  und  SĂŒdseeinsulaner.  Kurz,  der  Glaube 
an  den  bösen  Blick  kehrt  ĂŒberall  in  derselben  Form  und  Ge- 
stalt bei  fast  allen  Völkern*)  und  zu  allen  Zeiten  wieder, 
selbst  bei  Nationen,  die  Jahrtausende  und  der  halbe  Erdball 
coneinander  trennen. 


*)  Ueber  Ausnahmen  s.  in  meinem  oben  erwÀhnten  Buch 
ĂŒber  die  Zauberkraft  des  Auges. 


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JahrbrĂŒcKe'Sj 


40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


.Icnsejts   von   Beruf  und   A  in  I 


XVII 


Neben  dem  bösen  Blick  gibt  es  auch  einen  g  n  l  e  n 
ßlick,  d.  h.  es  existieren  Menschen,  deren  Seele  so  vortreff- 
lieh  ist,  daß  die  durch  sie  beeinflußten  A.ugenstrahlen  Heil 
und  Segen  bringen.  Bei  der  verschwindend  geringen  Menge 
des  Guten  aber,  das  sieh  im  Menschen  findet,  spielt  der  gute 
Blick  im  Gegensatz  zum  bösen  nur  eine  sehr  geringe  Rolle. 
Wer  einen  guten  Blick  hat.  der  kann  die  durch  den  bösen 
Blick  hervorgerufenen  Leiden  wieder  aufheben.  Ks  gibt  auch 
gute  Menschen,  die  wider  ihren  Willen  den  hosen  Blick 
haben;  diese  können  den  unfreiwillig  verursachten  Schaden 
durch  ein  zweites  Hinblicken  wieder  heilen.  In  Yannes 
(Morbihan)  konnte  im  Jahre  1M1  ein  Organist  Mr.  Le  heu 
Brandwunden  durch  seinen  Blick  heilen.  In  Spanien  nennt 
man  solche  Leute  „Benzedeiros".  Im  Isergebirge  lĂ€ĂŸt  man 
neugeborene  Kinder  vielfach  in  den  Stall  sehen,  weil  man 
glaubt,  daß  sie  besondere  GlĂŒcksbringer  fĂŒr  die  Viehzucht 
seien.  Ein  Fischer  aus  Neapel  erzÀhlte  von  dem  wohltÀtigen 
Wirken  des  Auges  das  folgende:  Zwei  junge  Fischer,  von 
Eifersucht  entflammt,  gingen  mit  Messern  aufeinander  los. 
Aber  —  o  Wunder  —  eine  alle  Frau  saß  dabei,  blickte  scharf 
auf  die  Streitenden,  und  siehe  da  —  keiner  traf  den  anderen. 
Das  hat  mit  ihrem  Auge  das  alte  Weib  getan! 

Besprechungen. 

Irance,  K.:   Bios,   die  Gesetze  der  Meli.     2   Bande  mit 
239  Abbildungen  und  Tafeln.    MĂŒnchen  1021.    Franz  Hanf- 
s  t  a  ngl.    M   150,  180  bezw.  '200. 
Kein  Zweifel:  Die  UmwÀlzung,  in  der  wir  stehen,  geht  viel 
tiefer,  als  wir  gemeinhin  annehmen.    Die  VerÀnderungen  in  i 
Ilster-  und  intranationalen  VerhÀltnissen  drÀngen  sieh  uns  mit 
ungeheuerer  Wucht   auf:   aber   ungleich   nachhaltiger  sind  die 
Verschiebungen  in  unserem  eigenen  Geistesleben.    Aus  der  be- 
schaulichen Ruhe  des  wie  ein  Elternhaus  wohlgeordneten  alten 
Staates   sehen  wir   uns   in   die  Brandung  des  losenden  Lebens 
hinausgestoßen,  jeden  Moment   gewĂ€rtig,   daft   uns   die  nĂ€chste 


Welle  verschlinge.     Und  das  isl  mit  so  neu  und  so  ungewohnt, 

daß  wir  die  innere  Unordnung  null  Unsicherheit  nach  außen 
projizierend  von  einem  allgemeinen  Chaos  reden,  das  doch  in 
Wahrheit  in  uns  selber  liegt 

Die  Notwendigkeit,  sieh  mil  dem  allem,  bezw.  mil  sich  scibsi 
auseinanderzusetzen,  macht  sich  immer  mein  geltend,  Mil  den 
einzelnen  Spezialkenntnissen  ist  da  nichl  viel  anzulangen.  Du 

Horizont  muß  sieh  weilen,  und  so  sehen  wir  religiös«  und  philo- 
sophische Versuche  wie  Pilze  aus  der  Krd<  schießen,  die  den 
Mensehen  den  SchlĂŒssel  des  VerstĂ€ndnisses  versprechen.  Mo- 
mentane Produkte  der  Ratlosigkeit,  dĂŒrfte  kaum  einem  davon 
(ine  lange  Dauer  beschieden  sein. 

Wesentlich  anders  gehl  France  vor.  Wir  mĂŒssen  zunĂ€chst 
die  Gesetze  der  Well  kennen  lernen,  wenn  wir  diese  meistern 
sollen.  Und  zu  dem  /.wecke  fĂŒhrt  er  uns  durch  das  ganze  ge- 
wallige Gebiet  der  belebten  und  unbelebten  Natur,  um  diese  Ge 
setze  zu  demonstrieren.  Nur  mit  Bewunderung  kann  man  das 
Werk  in  die  Hand  nehmen,  welches  auf  272  und  2SH  Seiten  so- 
zusagen die  naturwissenschaftliche  Bibel  dat stellt.  Bs  im  ge- 
wöhnlichen Sinn  zu  referieren,  isl  unmöglich.  Die  Frucht  der 
LektĂŒre  isl  ‱nichl  irgend  ein  memorierfĂ€higer  Salz,  sondern  eine 
Anleitung  zum  Denken:  „Die  meisten  Mensehen  können  nur 
mangelhaft  denken;  das  ist  das  Uebel  der  Zeit.  Aber  es  genĂŒgt 
nicht,  die  Gesetze  der  Well  zu  kennen:  man  muß  auch  nach  ihnen 
leben".    Dieses  Leitmotiv  kehrt  immer  wieder. 

Am  deutlichslen  kommt  vielleicht  die  praktische  Quintessenz 
von  France' s  AusfĂŒhrungen  in  diesen  SĂ€tzen  zum  Ausdruck: 
..Alle  Leistungen  bei  Zelle,  Pflanze.  Tier  und  Mensch  sind  unter- 
worfen den  großen  mechanischen  Gesetzen,  die  ihnen  Wirkung 
und  Dauer  siehern,  wenn  sie  befolgt  werden,  sie  aber  der  Zer- 
reibung  und  Haltlosigkeit  ausliefern,  wenn  eine  Vielheit  sieh 
anders  zu  regeln  versuchte,  als  nach  diesem  Zusammenhangs- 
schema, das  nicht  deswegen  wirkt,  weil  es  gut  ist,  sondern  das 
eben  die  einzige  Möglichkeit  isl,  durch  die  eine  gute  Wirkung 
zustande  kommen  kann"  (II.  S.  LSG);  und  „Was  nichl  richtig  lebt, 
muß  leiden.  Umwell  und  Vererbung  stehen  dĂŒster  da  wie  Voll- 
strecker unerbittlicher  RichtersprĂŒche,  damit  die  Gerechtigkeit 
der  Well  sich  vollziehe  an  allem.''  (II.  S.  287). 

Wer  auf  Fachkenntnisse  eingeschworen  isl,  wird  diesem 
Buch  verstĂ€ndnislos  gegenĂŒberstehen,  es  sei  denn,  daß  ihn  die 


Trypaflavin-Verbandstoffe 


zeichnen  sich  vor  Jodoform-  u.  den  anderen  ĂŒblichen  antieeptischen  Verbandstoffen  aus : 

durch  außerordentlich  rasche  Reinigung  der  Wunden; 
durch  gĂŒnstige  Beeinflussung  der  Granulationsbildung'; 
durch  vollkommene  Reizlosigkeit; 
durch  Ungiftigkeit; 

es  tritt  kein  Verkleben  der  Verbandstoffe  ein; 

Jdiosynkrasien,  wie  sie  bei  Jodoform  und  anderen  jodhaltigenAntisepticĂŒi 
hÀufig  vorkommen,  sind  nie  beobachtet  worden; 
sind  vollkommen  geruchlos. 


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XVIII  Jenseits  von  Beruf  und  Amt  40.  Jahrg.  —  Nr.  3. 


hinreißende,  an  den  Gesamtmenschen  appellierende  Darstellung  in 
seinen  Bann  zieht.  Kolloidchemie  und  Weltprobleme,  Relativi- 
tÀtstneorie  und  Kunstgeschichte,  seelische  Erlebnisse  und  Welt- 
mechanik, Vulkane  und  Zivilisation,  um  alle  diese  scheinbar 
heterogenen  Dinge  schlingt  France  das  Band  der  Synthese  und 
sucht  auf  dem  Stufenbau  der  zahllosen  Seinsformen  und  vermöge 
der  Selektion,  der  grĂ¶ĂŸten  Sparsamkeit  bei  grĂ¶ĂŸter  Leistung, 
die  uns  als  Harmonie  erscheint,  den  Leser  zu  einer  sich  im 
praktischen  Leben  bewĂ€hrenden  Lebensweisheit  zu  fĂŒhren. 

Ganz  wundervoll  ist  die  Ausstattung  sowohl  im  Druck  wie 
in  den  Bildern.  Wir  Deutsche  können  ja  dermalen  nicht  mehr 
auf  viele  Dinge  stolz  sein;  zu  den  wenigen  aber  gehört  nach 
Form  und  Inhalt  R.  France's  Bios.  Buttersa  c  k. 

Kossinna,  Gustaf:  Die  I  n  d  o  g  e  r  m  a  n  e  n.  I.  Teil:  Das  indo- 
germanische U  r  v  o  1  k.  (Mannus-Bibliothek  Nr.  26), 
79  Seiten  mit  150  Textbildern  und  6  Kartentafeln.  Leipzig, 
C.  Kabitzsch  1921.  —  M.  22  bezw.  29. 

Der  denkende  Arzt  betrachtet  den  vor  ihm  stehenden  Pa- 
tienten nicht  als  ein  isoliertes  Gebilde,  das  mit  der  Oberhaut 
völlig  nach  außen  abgeschlossen  wĂ€re.  0  1 1  o  m  a  r  Rosen- 
bach  hat  uns  gelehrt,  daß  durch  diese  scheinbare  Isolierschicht 
hindurch  unaufhörlich  Energieströme  herein-  und  hinausdringen; 
und  genau  so  wie  wir  durch  diese  mit  unabsehbaren  rÀumlichen 
Entfernungen  dauernd  in  Verbindung  stehen,  so  sind  wir  vermit- 
telst unseres  Erbgutes,  unseres  Keim-Plasma,  mit  unvordenk- 
lichen Ahnenreihen  verknĂŒpft.  Was  könnte  lockender  sein,  als 
diese  Ahnenreihe  möglichst  weit  zu  verfolgen?  Die  Familien- 
forschung hat  diesen  Weg  eingeschlagen;  allein  schon  nach  ver- 
hĂ€ltnismĂ€ĂŸig wenigen  Generationen  reißen  die  FĂ€den  ab. 

Nun  kann  man  aber  auch  den  umgekehrten  Weg  —  aus  der 
Vorzeit  zu  uns  Heutigen  herab  —  verfolgen;  und  das  tut  Kos- 
sinna, der  Vertreter  der  vorgeschichtlichen  ArchÀologie  an 
der  Berliner  UniversitĂ€t,  im  vorliegenden  Heft.  Seine  AusfĂŒh- 
rungen sind  knapp  und  prÀzis  gehalten,  durch  instruktive  Bilder 
und  Karten  verdeutlicht,  so  daß  auch  der  Nichtfachmann  sich 
ein  ungefÀhres  Bild  von  dem  Werdegang  unseres  Germanentums 
machen  kann.  Ums  Jahr  15000  v.  Chr.  sind  den  weichenden 
Gletschern  folgend  die  Bewohner  des  Oberrheins  nach  Norden 
vorgedrungen  und  haben  sich  in  dem  Gebiet  der  heutigen  Ostsee 


angesiedelt.  Als  Reste  sind  die  dem  sogen,  spÀten  Magdalenien 
synchronen  GerÀte  aus  Renngeweihen,  bezw.  die  langovalen 
FeuersteingerĂ€te  der  Y  o  1  d  i  a  -  Periode  (—  Eismeerstadium  der 
Ostsee)  auf  uns  gekommen;  in  viel  grĂ¶ĂŸerer  Anzahl  Gebrauchs- 
gegenstĂ€nde der  A  n  c  y  1  u  s  -  Zeil,  in  welcher  die  Ostsee  ein  SĂŒfi- 
wassersee  wurde  und  an  ihren  Ufern  Fischerei  in  allen  Arten 
getrieben  werden  konnte. 

Aus  der  gemischt  lang-  und  kurzschÀdeligen,  aber  durchweg 
blonden  Bevölkerung  der  D  o  b  b  e  r  t  i  n  e  r  löste  sich  gegen  6000 
v.  Gh.  eine  Gruppe  von  LangschÀdeln'  ab  und  siedelte  sich  an 
der  Kieler  Bucht  an:  die  Ellerbeckleute.  Sie  waren  die 
unternehmenderen  und  fortschrittlichen,  machten  große  Erobe- 
rungszĂŒge gen  Westen  bis  in  die  Dordogne  hinein,  erfanden  die 
Töpferei  und  gingen  zu  Ackerbau  und  Viehzucht  ĂŒber,  wĂ€hrend 
die  Dobber tiner  —  mehr  konservativ  in  ihrer  Entwicklung  '— 
ihren  BevölkerungsĂŒberschuß  nach  Norden,  Nordosten  und  SĂŒd- 
osten vorschoben,  wo  sie  uns  die  Fatjanowo-Kultur  (etwa  im 
Umkreis  von  Moskau)  hinterlassen  haben.  Sie  stellen  die  Vor- 
finnen dar;  dagegen  dort,  wo  sie  sich  dauernd  mit  den  Nach- 
kommen der  Ellerbecker  mischten  —  in  SĂŒdschweden,  JĂŒtland 
und  Schleswig-Holstein,  —  entstanden  am  Ende  der  Steinzeil  die 
Germanen. 

Ein  zweiter  Teil  soll  darlegen,  wie  im  weiteren  Verlaul  die 
Nordindogermanen  Mittel-  und  SĂŒdeuropa  eroberten  und  wie  die 
SĂŒdindogermanen  —  von  ihrem  Stammsitz  in  den  LĂ¶ĂŸgebielen 
der  Donau-Theiß-Ebene  aus  —  in  Vorderasien  in  die  Geschichte 
eingetreten  sind. 

Welch  gewaltiges  Völkerringen  mag  sich  damals  abgespielt 
haben!  Auch  mit  der  lebendigsten  Phantasie  vermögen  wir  uns 
davon  kein  Bild  zu  machen;  kennen  wir  doch  nur  ein  paar 
SchÀdel,  Feuersteine,  Angelhaken,  Beile  und  ganz  wenige  Hand- 
zeichnungen gewissermaßen  als  Kapitel-Ueberschriften  erschĂŒt 
ternder  Völkerdramen.  Allein  fĂŒr  den  so  geschulten  Blick  bilden 
die  Ereignisse  unserer  Zeit  keineswegs  mehr  so  unerhörte,  ein- 
zigartige, nie  dagewesene  Schrecken,  wie  sie  wohl  dem  großen 
Haufen  erscheinen  mĂŒssen.  FĂŒr  ihn  fĂŒgen  sie  sich  fast  mit 
historischer  Notwendigkeit  in  den  Ablauf  unseres  Volkstums  ein. 
und  ihn  erhebt  die  Kenntnis  der  Entwicklung  ĂŒber  die  Sorgen 
um  die  Gegenwart;  denn  die  Vergangenheit  enthĂ€lt  den  SchlĂŒssel 
fĂŒr  die  Zukunft.  Buttersack. 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Der  Fuß. 

‱  Von  A.  De  Nora. 

Im  Dorfe  hieß  man  sie  nur  die  „Wilden".  Ihr  Hof  lag 
ganz  allein  und  verloren  im  Walde,  in  einem  weiten  Staats- 
forste, dessen  hundertjĂ€hrige  schwarzgrĂŒne  Fichten  in  Reihen 
gepflanzt  waren,  so  daß  sie  wie  eine  Armee  riesiger  Soldaten 
gegen  die  einsame  Ansiedlung  loszugehen  schienen.  Der 
Hofname  aber  war  nicht  ĂŒbel  gewĂ€hlt;  man  nannte  den  fast 
im  Holze  vergrabenen  Hof  den  „Fuchsbau".  Seine  Besitzer 
schrieben  sich  Rainer,  und  seit  Jahrhunderten  schon  saß  ihr 
Geschlecht  hier  draußen  in  der  Wildnis,  still,  zĂ€h,  ver- 
schlossen gegen  Menschen  und  fremd  der  Welt,  die  jenseits 
der  dunkeln  BĂ€ume  lag. 

Viele  Forst-  und  RentamtmÀnner  hatten  schon  versucht, 
das  Gut,  dies  versprengte  StĂŒck  Kultur  in  der  Urwaldherr- 
lichkeit ihrer  Forsten  aufzukaufen,  um  den  Ring  wieder 
schließen  zu  können.  Denn  wie  ein  grober,  harter  Pfahl 
steckte  es  in  dem  Körper  der  Staatswaldung.  Es  schob  sich 
stumm  und  trotzig  mit  seinem  derben  Bauernleib  her  ĂŒber 
ihren  grĂŒnen  Tisch,  breit  vorgelehnt,  die  braunen  Acker- 
streifen wie  rauhe  harte  Arme  vor  sich  hingebreitet,  oder  wie 
eine  Spinne  Beine  nach  allen  Seiten  ausgestreckt. 

Aber  alle  Ankaufversuche  waren  an  dem  harten  SchÀdel 
der  Fuchsbauern  gescheitert,  die  um  keinen  Preis  sich  von 
der  Heimat  ihrer  VĂ€ter  wegbringen  ließen. 

Als  der  letzte  Fuchsbauer,  Ambros  Rainer,  vor  fĂŒnfzig 
Jahren  starb,  schien  es  fast,  als  wÀre  nun  endlich  das  Gut 
zu  erwerben.  Ein  Baumstamm  hatte  ihn  erschlagen,  und 
seine  Ehe,  die  erst  sechs  Jahre  gewÀhrt  hatte,  war  kinderlos 


geblieben.  Die  Herren  vom  Fiskus  schmunzelten  und  boten 
der  Witwe  ein  sehr  schönes  StĂŒck  Geld,  wenn  sie  abziehen 
und  den  Hof  dem  Staate  ĂŒberlassen  wĂŒrde.  Aber  die  junge 
Frau  sah  sie  groß  an  und  sagte:  „Warum?  Wißt  ihr's  so 
gewiß,  daß  der  letzte  Rainer  verschwunden  ist  von  der  Erde? 
Sprecht  in  sieben  Monaten  wieder  einmal  vor!" 

Und  als  sie  in  sieben  Monaten  vorsprachen,  lag  ein 
neuer  Rainer  in  der  Wiege,  sah  die  fremden  Herren  auch 
groß  an,  sagte  aber  nichts  als  „BĂ€h,  BĂ€h"  wie  ein  junges 
Lamm,  und  das  Schmunzeln  war  wieder  auf  der  Seite  der 
Fuchsbauern.  Die  Herren  zogen  mit  langen  Gesichtern  ab, 
und  die  BĂ€uerin  rackerte  sich  mit  den  paar  alten  Ehehalten 
und  ihrem  jĂŒngeren  Bruder  allein  durch,  zwanzig  Jahre 
lang,  bis  der  kleine  Ambros  groß  war  und  nun  seinerseits 
mitrackern  konnte. 

Um  die  Zeit,  als  diese  Geschichte  beginnt,  war  sie  hoch 
in  den  Siebzigern  und  saß  nur  noch  am  Ofen,  um  zu  spinnen 
oder  StrĂŒmpfe  zu  stricken.  Der  Ambros  aber  war  heut'  ein 
starker,  breiter  Mensch,  mit  einem  Nacken  wie  ein  Stier  und 
einem  SchÀdel,  dessen  Stirne  ebenfalls  etwas  von  dem 
massiven  breiten  Profil  eines  BĂŒffelschĂ€dels  hatte. 

Er  hantierte  auf  dem  Hofe  und  richtete  einen  der  schwe  - 
ren  Wagen  zurecht,  mit  denen  der  Mist  auf  die  Felder  ge- 
fĂŒhrt wird,  wĂ€hrend  Thomas,  sein  Ă€ltester  Sohn,  im  Stalle 
die  Pferde  anschirrte.  Aus  der  halb  offenen  TĂŒr  hörte  man 
das  Klirren  der  Halfterketten  und  das  „Oeh,  Oeh",  womit 
der  Junge  die  Tiere  zur  Ruhe  rief,  indem  er  ihnen  schwere 
Kummete  ĂŒber  die  HĂ€lse  warf.  Der  Bauer  hatte  den  Wagen 
vor  die  Jauchegrube  geschoben,  um  noch  einige  Schöpfeimer 
ĂŒbers  geladene  Fuder  zu  gießen  und  hob  ein  paar  Bretter  ab, 
mit  denen  die  Grube  gedeckt  war.   Er  legte  sie  langsam  zur 


Hexal-Tabletfen  (0,5)  in  Originalrollen  mit  10 
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J.  D.  Riedel  A.-G.  Berlin 


XII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Seite  und  dann  tauchte  der  an  dem  langen  Holzstiel  be- 
festigte Eimer  in  die  Oeffnung  und  stieg  empor,  wurde  hoch 
gehoben  und  entleerte  seinen  schmutzigen  Inhalt,  drei-,  vier- 
mal hintereinander  mit  der  RegelmĂ€ĂŸigkeit  von  Wind- 
mĂŒhlenflĂŒgeln, die  auf-  und  niedertauchen.  Inzwischen 
spannte  der  Sohn  die  zwei  Braunen  an  die  Deichsel,  und  als 
der  Vater  sah,  daß  alles  fertig  war,  trat  er  zurĂŒck  und  be- 
fahl „Weiter". 

Die  GĂ€ule  zogen  an. 

Der  Bauer  aber  stieß  einen  kleinen  Schrei  aus,  was  mehr 
wie  ein  Fluch  klang,  und  hob  den  linken  Fuß  auf,  der  in 
schwerem  Lederstiefel  steckte.  An  dem  Fuß,  an  der  Sohle 
des  Stiefels  hing  eines  der  Bretter,  wie  ein  Eisensplitter  an 
einem  Magnet  hÀngt.  Ein  Nagel  hatte  sich  in  den  Stiefel 
und  durch  das  Leder  hindurch  in  die  Fußsohle  des  Bauern 
getreten,  so  daß  er  das  ganze  Brett  daran  emporzog.  Mit 
einem  Faustschlag  schlug  er  es  los,  humpelte  auf  den 
Brunnentrog  zu  und  entledigte  sich  dann  im  Sitzen  des 
Stiefels.  StrĂŒmpfe  hatte  er  keine  an  und  konnte  die  Wunde 
sogleich  betrachten.  Wie  ein  kleiner  schwarzer  Fleck  auf 
der  harten,  lederartigen  Haut  seiner  Sohle  sah  sie  aus,  und 
wenn  nicht  ein  wenig  Blut  gesickert  wĂ€re,  wĂŒrde  man  sie 
fĂŒr  einen  Schmutzflecken  gehalten  haben.  Der  Bauer 
wischte  das  Blut  mit  der  RĂŒckenflĂ€che  seiner  Hand  ab  und 
hielt  den  nackten  Fuß  unter  die  Brunnenröhre.  KĂŒhl  und 
glitzernd  rieselte  das  Wasser  ĂŒber  den  großen,  sehnigen, 
braunen  Körperteil,  plÀtscherte  in  den  Trog  hinunter  und 
fÀrbte  sich  schwach  von  dem  Rot,  das  nur  in  ein  paar 
Tropfen  aus  dem  kleinen  Stichloche  quoll. 

Als  der  Bauer  sah,  daß  es  aufgehört  hatte  zu  bluten,  riß 
er  ein  BĂŒschel  des  mageren  und  feuchten  Grases  aus,  das 
unter  dem  Brunnen  hervorwuchs,  und  legte  es  auf  die 
Wunde.  Dann  zog  er  den  Stiefel  wieder  an,  warf  sich  die 
Mistgabel  ĂŒber  die  Schulter  und  ging  langsam,  stetig  und 
fest  dem  Fuhrwerke  nach.  Manchmal  spĂŒrte  er  einen  kleinen 
Schmerz,  besonders  bei  den  ersten  Tritten,  aber  er  verbiß  ihn. 


Als  er  fĂŒnfzig  Meter  gegangen,  hatte  sich  jede  Spur  der 
Verletzung  fĂŒr  sein  GefĂŒhl  verloren. 

Er  arbeitete  schweigend  auf  dem  Acker  draußen  neben 
dem  Sohn,  der  ebenfalls  schwieg.  Mit  ihren  Gabeln  und 
Hacken  zogen  sie  den  schweren,  klumpigen  DĂŒnger  von  dem 
Wagen  herunter,  bis  sich  ein  Haufen  gebildet  hatte,  groß 
genug,  um  die  nÀchsten  zehn  Meter  Boden  zu  decken,  wenn 
er  ausgebreitet  war.  Dann  trieben  sie  die  GĂ€ule  an  und 
zehn  Meter  weiter  begann  dasselbe  Werk,  immerfort,  bis  der 
Wagen  leer  und  das  Feld  mit  den  dunkeln,  dampfenden  HĂŒ- 
geln wie  mit  RĂ€ucherkerzen  besteckt  war.  Drei-,  viermal  so 
hatten  sie  neue  Ladung  geholt,  und  wÀhrend  der  Junge  im 
Hofe  den  Wagen  belud,  hatte  der  Alte  mit  der  breiten  drei- 
zackigen Gabel  den  Mist  auseinander  geworfen  und  ver- 
rieben .  .  . 

Sie  waren  mĂŒde,  als  sie  endlich  heimkamen. 

Die  Bauern  zĂŒnden  nicht  gerne  Licht  an,  wenn  es  nicht 
sein  muß.  Beim  Fuchsbauern  ging  man  mit  den  Vögeln  zu 
Bett  und  erhob  sich  mit  ihnen. 

Als  Ambros  am  nÀchsten  Morgen  erwachte,  hatte  er  ein 
sonderbar  brennendes  GefĂŒhl  im  Fuß  und  seine  Zunge  war 
trocken  wie  nach  scharfem  Tabakrauchen.  Er  wollte  auf- 
stehen, aber  als  er  den  Boden  betrat,  zuckte  er  zusammen 
und  spĂŒrte  einen  stechenden  Schmerz.  Jetzt  erst  erinnerte 
er  sich  wieder  des  Nagels  und  der  Verletzung,  und  da  es 
noch  nicht  hell  genug  war,  zu  sehen,  wie  die  kleine  Wunde 
ausschaute,  so  streckte  er  sich  nochmals  auf  sein  Lager  aus. 
Seine  Frau  —  robuste,  gesunde  Vierzigerin  mit  dem  Schritt 
eines  Dragoners  und  derben  knochigen  Gliedern  — ,  die 
schon  vorher  aufgestanden  war  und  Feuer  am  Herd  ange- 
macht hatte,  kehrte  in  die  Schlafstube  zurĂŒck  und  wunderte 
sich,  ihn  noch  im  Bett  zu  finden. 

„Bist  krank,  Ambros?"  fragte  sie. 

„Es  ist  nichts.  Hab  mir  gestern  einen  Nagel  in  den  Fuß 
getreten  und  scheint,  der  Tropf  wir  ausschwÀren.  Wann 
Licht  ist,  muß  ich  den  Schaden  besehen." 


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A  NTI  RHEUMA  T  I  C  U  H 

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40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Jenseits   v  o  n   B  e  r  u  f  u  n  tl   A  in  t 


XIII 


Sie  aber  wollte  nicht  warten,  bis  es  voller  Tag  wurde, 
sondern  machte  Liebt.  Der  Bauer  streckte  seinen  großen, 
groben  Fuß  unter  der  schweren  Federbettdecke  heraus  und 
die  Frau  nahm  ihn  und  betrachtete  ihn  von  allen  Seiten. 
Sie  konnte  die  kleine  Wunde  kaum  finden,  aber  der  ganze 
Teil  kam  ihr  geschwollen  vor.  Wenn  sie  ihn  an  der  Sohle 
und  weiter  nach  oben  zu  gegen  die  Knöchel  berĂŒhrte,  zuckte 
der  Mann  zusammen  und  rief:  „Au  verflucht!"  Er  war  sonst 
nicht  webleidig.  Da  entschied  sie,  daß  der  Fuß  entzĂŒndet 
sei  und  verbot  dem  Ambros,  aus  dem  Bette  zu  gehen. 

Aber  wÀhrend  sie  in  der  unteren  Stube  mit  der  alten 
FuchsbĂ€uerin  beriet,  was  man  machen  sollte,  um  den  Fuß 
zu  heilen,  ging  die  TĂŒr  auf  und  der  Ambros  humpelte  her- 
ein. Es  war  ihm  zu  langwellig  oben  in  der  Schlafkammer, 
so  ganz  allein  und  „bloß  wegen  des  bißchen  Zehens".  „Wenn 
sie  ihm  UmschlĂ€ge ,  verordnen  wĂŒrden,  so  könnte  er  diese 
ebensogut  in  der  Wohnstube  machen." 

Die  beiden  Frauen  waren  in  der  Tat  ĂŒbereingekommen, 
UmschlÀge  zu  machen.  Sie  banden  MilchkÀse  in  nasse 
TĂŒcher  und  legten  sie  ĂŒber  den  Fuß.  Der  KĂ€s  zieht  die 
Hitze  aus,  sagten  sie.  Und  den  ganzen  Tag  lag  oder  saß  der 
Ambros  auf  dem  schwarzen  Ledersofa  in  der  Eßstube  und 
ließ  sich  von  dem  weißen  KĂ€se  die  Hitze  ausziehen.  Sobald 
die  KĂ€sefladen  trocken  und  heiß  wurden,  was  etwa  nach  ein 
paar  Stunden  eintrat,  wurden  sie  den  HĂŒhnern  zum  Fressen 
gegeben  und  frische  aufgebunden.  Es  war  besonders  gut  fin- 
den Fuß,  daß  die  HĂŒhner  den  Krankheitsstoff  sogleich  ver- 
zehrten.  Da  konnte  es  an  baldiger  Heilung  nicht  fehlen. 

Der  Thomas  besorgte  wÀhrend  des  Tages  die  Feldarbeit 
allein,  von  der  Cilla  unterstĂŒtzt,  die  etwa  ein  Jahr  jĂŒnger 
war.  Cenzi,  die  SiebzehnjÀhrige,  und  Walpurg,  eben  erst 
aus  der  Feiertagsschule  entlassen,  halfen  der  Mutter  im 
Hause  und  im  Stalle.  Sepp,  der  JĂŒngste,  besuchte  noch  die 
Volksschule,  ging  gewöhnlich  um  sechs  Uhr  frĂŒh  fort  (der 


Marktflecken  mit  dein  Schulbause  lag  eine  gute!  Stunde  von 
Fuchsbau  entfernt)  und  kam  erst  abends  sechs  I  hr  zurĂŒck. 

Er  mußte  bei  Verwandten  zu  Mittag  essen,  denn  im  Tag 
v  iermal  hin  und  her  zu  laufen,  wĂ€re  fĂŒr  den  Buben,  nament- 
lich im  Winter,  zu  viel  gewesen. 

Jedes  der  Kinder  erkundigte  sich,  so  oft  es  die  Stube 
betrat,  angelegentlich  nach  dem  Stande  der  Heilung.  Si- 
liebten  ihren  Vater  mit  wahrer  Liebe,  mit  jener  bÀuerlichen, 
schlichten,  groben  Treue,  die  hart  ist  wie  steiniger  Boden, 
aber  auf  der  Liebcsbezeigungen  wachsen,  so  weich  und  zart 
und  sonnig  wie  Blumen  .  .  .  Sie  erwiesen  kleine  Aufmerk- 
samkeiten, die  ihn  erfreuten,  ohne  daß  er  es  merken  ließ.  Im 
Gegenteil  schien  er  brummiger  zu  werden  und  wetterte  zu- 
weilen ĂŒber  die  Faulenzerei,  zu  der  ihn  „die  Weibsleute" 
verdammt  hÀtten,  obwohl  ihm  doch  gar  nichts  fehle.  Allein 
als  es  Abend  war,  ließ  er  es  doch  geschehen,  daß  ihn  Tho- 
mas auf  den  Arm  nahm  und  ĂŒber  die  Stiege  hinauf  in  die 
Kammer  trug,  nur  damit  er  nicht  auf  den  Fuß  zu  treten 
brauchte. 

Thomas  war  zwanzig  Jahre  alt,  ein  langer,  hagerer 
Bursche  mit  dem  SchÀdel  und  den  Knochen  des  Bainer-Ge- 
schlechtes und  ein  GrĂŒbler.  Er  lachte  selten,  sprach  wenig 
und  höchstens  mit  den  Pferden,  den  Ochsen  und  KĂŒhen  im 
Stall,  oder  draußen  mit  den  Erdschollen  des  Ackers.  Der 
Wald  und  sein  Einödhof  und  dieses  Losgelöstsein  von  all 
der  Welt  draußen  war  ihm  das  liebste,  was  er  kannte.  Wenn 
er  neben  dem  Vater  her  an  der  Pflugschar  gegangen  war 
oder  wenn  sie  zusammen  Holz  gefĂ€llt  oder  im  FrĂŒhjahr  und 
Herbst  DĂŒnger  auf  den  Wiesen  verarbeitet  halten,  hatte  der 
Alte  oft  Geschichten  von  draußen  erzĂ€hlt.  Von  KrĂ€mern,  die 
gescheit  daherreden  und  die  Bauern  betrĂŒgen;  von  Pfarrern, 
die  NĂ€chstenliebe  predigen  und  sich  fĂŒr  jeden  Schund  be- 
zahlen lassen;  von  den  Bichtern  und  Gesetzmachein,  die  nur 
gegen  Niedrige  streng,  aber  milde  gegen  Große  sind;  von 
Steuern  und  Abgaben,  die  der  Bauer  zahlen  muß,  damit  die 


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Chlor   und  Sauerstoff  mit  der  keimtötenden  Kraft  eines  Alkalolds  vereinigt 
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y  Ii 


HO  'ÄÄSitr  Berlin-Wilmersdorf  I.  £ 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Herren  und  BĂŒrger  gemĂŒtlich  leben  können  und  dergleichen 
mehr.  So  hatte  der  Junge  einen  wahren  Greuel  vor  all  dem 
eingesogen,  was  jenseits  der  grĂŒnen  Mauer  lag,  und  hatte 
sich  geschworen,  so  wenig  als  möglich  mit  diesen  Leuten  in 
BerĂŒhrung  zu  kommen.  Er  war  stolz  geworden,  hier  wie  ein 
König  frei  und  ungeniert  schalten  und  walten  zu  können, 
und  bewundernd  hatte  er  seinem  Vater  zugehört,  daß  schon 
vor  dreihundert  Jahren  die  Rainer  auf  dem  nÀmlichen  Hofe 
gelebt  und  vor  keinem  den  Hut  gezogen  hatten.  Daß  sie  sich 
selbst  genug  waren,  niemand  brauchten  und  von  niemand 
abhingen,  erfĂŒllte  ihn  mit  Freude.  Und  daß  sie  das  tun 
konnten,  ohne  „gescheit"  zu  sein,  ohne  die  verlogene,  heuch- 
lerische sogenannte  „Bildung"  —  daß  sie  mit  ihrem  gewöhn- 
lichen Lesen,  Schreiben  und  Rechnen  doch  gerade  so  weit 
waren  als  die  anderen,  die  mit  Wissen  und  Fortschritt  prahl- 
ten, das  bereitete  ihm,  der  nie  ein  besonderes  Geisteskind  ge- 
wesen und  in  der  Schule  nicht  viel  ĂŒber  die  letzte  Bank  hin- 
ausgekommen war,  ein  ganz  besonderes  VergnĂŒgen.  Trotz- 
dem hatte  er  das  GefĂŒhl  der  AbhĂ€ngigkeil  von  seinem  Vater 
in  einem  Maße,  wie  es  eben  nur  das  Bewußtsein  der  eigenen 
SchwÀche  erzeugen  kann.  Er  war  gewöhnt,  von  ihm  alle 
Befehle  zu  empfangen,  ihn  ĂŒberall  nachzuahmen  und  sich 
in  allem  nach  ihm  zu  richten,  denn  es  stand  fĂŒr  ihn  fest, 
daß  der  Vater  der  klĂŒgste  und  tĂŒchtigste  aller  Bauern  des 
Landes  sei. 

Der  einzige  Tag,  den  er  heute  fehlte,  hatte  dem  Thomas 
schon  manche  Verlegenheit  gebracht,  denn  die  MĂ€dchen  und 
die  Mutter  hatten  ihn  manchmal  um  etwas  gefragt,  was  er 
nicht  zu  beantworten  gewagt  hatte.  Die  Unsicherheit  seines 
verschlossenen  Wesens  kam  plötzlich  zum  Vorschein. 

Er  war  also  aus  doppeltem  Grunde  traurig  und  miß- 
mutig. Seine  eigene  Lage  dĂŒnkte  ihm  zu  verantwortlich, 
wenn  es  sich  gleich  nur  um  Mist,  Futter,  Ochsen  und  KĂŒhe 
handelte,  und  das  Leiden  des  Vaters  machte  Sorge.  Er  hatte 
den  Fuß  gesehen.    Der  Fuß  gefiel  ihm  nicht.    Es  war  alles 


rot  gewesen,  rot  und  dick.  Wer  weiß,  wie  lange  es  dauern 
konnte. 

Auch  am  nĂ€chsten  Morgen  war  das  entzĂŒndete  Glied 
ebenso.  Ambros  blieb  im  Bett  und  verlangte  gar  nicht  mehr 
in  die  Stube  hinunter.  Die  Weiber  hielten  abermals  Rat  zu- 
sammen und  gedachten,  die  Versuche  mit  dem  TopfenkÀse 
fortzusetzen.  Aber  der  Bauer  entschied,  daß  es  nichts  wert 
sei  und  sprach:  „Unsinn!  KĂ€se  ist  nix.  KĂ€lte  ist  nix  fĂŒr 
das  Bein  da.  Ich  spĂŒre,  daß  ein  Eiter  darin  tobt,  und  am 
besten  ist  es  schon,  etwas  zum  Ziehen  darauf  zu  tun.  Kar  - 
toffelbrei muß  dran  hin  oder  ein  Zugpflaster.  Macht,  daß 
ihr's  herbringt!" 

Wie  immer  fĂŒgten  sich  die  Frauen  seiner  besonneneren 
Einsicht,  und  bis  die  Mutter  Wachs,  Leinöl  und  Honig  zu 
einer  Pflastermasse  zusammengeschmolzen  hatte,  legte  ihm 
die  BĂ€uerin  zerdrĂŒckte  Kartoffeln,  so  heiß  er  sie  ertragen 
konnte,  auf  die  Haut  und  band  sie  mit  TĂŒchern  fest,  bis  sie 
abgekĂŒhlt  waren.  Alle  paar  Stunden  steckte  Thomas  den 
Kopf  zur  TĂŒr  herein  und  fragte:  „Wie  geht  dir's,  Vaterl?" 

Und  wenn  der  Alte  erwiderte,  „alleweil  noch  nix  Rech- 
tes", dann  setzte  sich  der  Sohn  auf  den  Stuhl  neben  hin  und 
erzÀhlte  ein  paar  Minuten  lang  mit  kurzen,  abgebrochenen 
SĂ€tzen  von  seiner  TĂ€tigkeit  auf  dem  Felde,  teils  weil  er 
glaubte,  das  mĂŒĂŸte  den  Alten  am  besten  unterhalten,  teils 
weil  er  sich  dabei  pfiffig  irgendeinen  Ratschlag  erholte. 

Am  Abend  dieses  Tages  erkundigte  sich  der  Bauer 
plötzlich,  ob  es  draußen  kalt  sei.  Es  war  Ende  September 
und  einer  der  schönsten  Tage  des  Jahres.  Aber  sonder- 
barerweise fing  es  an,  ihn  im  Bett  zu  frieren.  Die  BĂ€uerin 
mußte  TĂŒcher  wĂ€rmen  und  ihn  einwickeln;  trotzdem  zitterte 
er  an  allen  Gliedern  und  seine  ZĂ€hne  schlugen  mit  leisem 
Klappern  aneinander. 

Nachdem  der  Frost  vorĂŒber  war,  fĂŒhlte  er  sich  matt  und 
trank  viel  kalte  Milch,  um  seinen  Durst  zu  löschen.  In  der 
Nacht  redete  er  wirres  Zeug,  von  Haferpreisen  und  Kuhver- 
kÀufen,  vom  Erschlagenwerden  durch  fallende  BÀume  und 


Toramin 


(Trlchlorbulylmalons  aure§  Ammonium  D.  R.  P.) 

wirkt  stark  herabsetzend  auf  die  Erregbarkeit  des  Atmungsapparates,  ohne  den  Blutdruck  zu  beeinflussen.  —  Frei  von 

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daher   auch   bei  SchwÀchlichen,   Kindern  und   Àlteren  Leuten  In  wirksamer  Oabe   gefahrlos  anwendbar. 

Indlkafionen: 

Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chronischen  Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  a  ich  tuberkulösen 
Ursprungs,  bei  Lungen-  u.  BrustfellentzĂŒndungen,  Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium,  nervöser  Husten. 

Verordnung : 

1  Röhrchen  Toramin-Tabletten  (25  StĂŒck  zirka  0,1  Toramin)  oder  1  —  2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
s— mit  aromatischen  WĂ€ssern,  Sirup,  Expectorantien,  auch  Guaiacol-PrĂ€paraten.  sjs»>^— — ■ x 

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J 


10.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Jenseits   von   Ii  e  r  u  f   u  n  d   A  in  t 


XV 


von  brennenden  HĂ€usern,  alles  bunt  durcheinander,  bei  halb 
offenen  Augen,  so  daß  der  Frau  angst  wurde  und  sie  die 
Kinder  zusammenrief,  um  nicht  allem  zu  sein. 

Den  JĂŒngsten  ließ  man  schlafen,  aber  die  drei  MĂ€dchen 
standen  mit  erschreckten  Augen  und  dem  Weinen  nahe  um 
das  Bettende,  wÀhrend  Thomas  stumm  neben  dem  Kopf  des 
Kranken  saß  und  auf  die  tollen  Gedanken wirbel  horchte,  die 
in  dem  sonst  so  ruhigen,  kĂŒhlen  Gehirn  seines  Vaters 
brodelten. 

„Muß  er  sterben?"  fragte  er  wie  ein  großes  Kind  die 
Mutter. 

„Ei,  was  gar  noch!"  rief  Ambros  auf  einmal.  Er  hatte 
die  Frage  in  seinen  Halbschlaf  hinein  vernommen  und  war 
aufgewacht  und  betrachtete  erstaunt  die  vielen  Gesichter, 
die  um  sein  Bett  versammelt  waren. 

„Was  wollt  ihr  denn  da,  ihr?"  fuhr  er  sie  an.  „Was 
habt  ihr  denn  fĂŒr  ein  GeplĂ€rr;  sterben?  Wer  sagt  denn  das? 
GetrÀumt  hab'  ich.  Der  Kopf  ist  mir  dumm  von  dem 
ewigen  Bettliegen  da,  und  ich  weiß,  was  ich  tu:  morgen 
stehe  ich  auf.  Das  ist  alles.  Macht,  daß  ihr  in  euer  Stroh 
kommt!"  .  .  . 

So  polterte  er. 

Sie  hörten  es,  wie  Stimme  der  Erlösung.  Wenn  er  noch 
aufbegehren  konnte,  war  es  nicht  gefehlt  mit  ihm,  sagten 
sie  sich  und  gingen  aufatmend  in  ihre  Kammern. 

Die  BĂ€uerin  jedoch  schickte  morgens  den  Joseph,  als  er 
in  die  Schule  fortging,  zum  Doktor. 

„Gehst  hin  und  sagst,  er  möchte  gelegentlich  herkommen, 
der  Vater  sei  krank." 

Thomas  hörte  das. 

„Ist  es  denn  nötig,  Mutter?"  meinte  er.  „Ich  denke,  Vater 
reißt  es  so  besser  durch.  Was  wissen  die  Dokterl" 

Aber  die  Mutter  erklÀrte,  sie  wolle  mal  hören,  was  sei. 
Hernach  könne  man  immer  tun,  was  man  möge.  Im  Fuchs- 
bau hielt  man  nicht  viel  von  der  Wissenschaft.  Kranke 


Schafe  und  Rinder  kurierte  man  selbst,  und  es  ging  meist 
vortrefflich. 

Doktor  Merdmcr  war  ein  Secbziger,  klein,  kugelrund, 
mit  glattrasiertem  Gesicht  und  scharfen  BrillenglÀsern,  so 
daß  er  aussah  wie  ein  Geistlicher.  Sein  SchĂ€del  war  fast 
ganz  kahl,  aber  das  rote  vollbackigc  Antlitz  und  die  große 
Beweglichkeit,  die  er  besaß,  ließen  ihn  jĂŒnger  erscheinen 
und  gaben  ihm  etwas  allzeit  Fideles  auch  bei  ernstesten 
Gelegenheiten. 

Er  kam,  fand  den  Fuß  und  seinen  TrĂ€ger  sehr  bedenk- 
lich und  sprach  von  Blutvergiftung,  Aufschneiden,  höchster 
Zeit  usw.,  daß  alle  Familienglieder  eine  GĂ€nsehaut  ĂŒberlief. 
Ambros  war  bei  vollem  Bewußtsein  und  hörte  die  ErklĂ€run- 
gen des  Arztes  schweigend.  Als  sie  zu  Ende  waren,  sagte 
er  bloß:  „Schneiden  laß  ich  mich  jetztmals  noch  nicht, 
Doktor.    Tut  sonst,  was  Ihr  fĂŒr  gut  meint." 

Doktor  Merdmer  zuckte  die  Achseln,  begnĂŒgte  sich,  vor- 
erst einen  Verband  anzulegen  und  wollte  sich  die  Ueber- 
redung  zum  nötigen  Eingriff  auf  den  nÀchsten  Tag  ver- 
sparen. 

Als  er  fort  war,  riß  Thomas  die  Fenster  auf  und  fluchte 
zum  erstenmal  in  Gegenwart  des  Vaters. 

„Pfui  Teufel,  wie  das  Sakermentszeug  stinkt,"  rief  er, 
„was  die  Kerle  da  an  einen  hinschmieren.  Man  riecht  ihnen 
das  Gift  auf  eine  Stunde  weit  an.  Vater,  schneiden  laßt  du 
dich  nicht!  Schneiden  laßt  du  nicht!  Es  wird  schon  so 
gehen,  nicht  wahr,  Vaterl!" 

Er  war  ganz  erregt  und  kniete  neben  dem  Bett  des 
Kranken  nieder.  Der  Vater  kraute  ihm  den  großen,  dicken 
Schopf  und  tröstete  ihn:  „Sei  nit  so  dumm,  Thomas.  Kommt 
Zeit,  kommt  Rat.  Schneiden  laß  ich  mich  nit,  wenn's  nit 
gewiß  sein  muß.  Vielleicht  bricht  bis  morgen  die  ganze  Ge- 
schichte auf  und  dann  ist  alles  in  Ordnung.  Ich  spĂŒr's,  daß 
dem  Doktor  sein  Sach  gut  angreift.  Es  brennt  schon  sau- 
mĂ€ĂŸig." (Schluß  folgt.) 


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XVI 


Jenseits  von  Beruf  und-  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Anatomie  und  Krankheit  in  den  Àltesten  Zeiten. 

Von  Dr.  F.  von  den  Velden. 

Es  soll  hier  von  Zeiten  die  Rede  sein,  aus  denen  keine 
schriftliche  Ueberlieferung  existiert,  ĂŒber  welche  wir  nur  aus 
der  Sprache  selbst  Nachricht  bekommen. 

Daß  die  Ă€ußeren  sichtbaren  Körperteile  frĂŒhzeitig  be- 
nannt waren,  versteht  sich  bei  dem  großen  Interesse,  das  der 
Naturmensch  fĂŒr  seinen  Körper  hat,  von  selbst.  Mit  ihnen 
wollen  wir  uns  hier  nicht  aufhalten,  vielmehr  sehen,  wie 
weit  die  inneren  Teile  bekannt  und  benannt  waren.  Sie 
kennen  zu  lernen,  hatte  der  frĂŒhe  Mensch  nicht  nur  an 
Tieren  Gelegenheit,  sondern  auch  an  seinesgleichen,  denn 
einst  herrschte  ein  ungenierter  Kannibalismus,  wie  man  z.  B. 
aus  den  Funden  von  Krapina  ersehen  kann,  die  aus  klein  - 
geschlagenen  menschlichen  Knochen  bestehen. 

Die  Nieren  mĂŒssen  den  Menschen  frĂŒhzeitig  inter- 
essiert haben,  denn  sie  werden  nicht  nur  in  den  mongolisch- 
tĂŒrkischen, sondern  sogar  in  den  Bantusprachen  (Afrika) 
mit  demselben  Worte  bezeichnet  als  im  Griechischen  und 
Deutschen.  Daß  das  tĂŒrkische  bögrok,  bujarak  dasselbe 
Wort  ist  wie  das  griechische  vscpgöc,  =  Niere,  dafĂŒr  muß 
ich  freilich  hier  den  Beweis  schuldig  bleiben,  um  nicht  all- 
zusehr ins  philologische  Gebiet  zu  geraten.  Die  ursprĂŒngliche 
Bedeutung  ist  „Stein"  —  man  erinnere  sich,  daß  die 
Schwaben  den  Testikel  „Stein"  nennen.  Das  Lateinische  hat 
neben  zwei  Dialektworten  (nefro,  nebrundo)  das  uns  ge- 
lĂ€ufige ren,  das  wahrscheinlich  auch  „Stein"  bedeutet.  Ueber 
die  Funktion  der  Nieren  scheint  man  im  Zweifel  gewesen  zu 
sein  und  sie  gelegentlich  fĂŒr  GeschlechtsdrĂŒsen  gehalten  zu 
haben,  was  ja  bei  ihrer  anatomischen  Lage  begreiflich  ist. 
Wenn  es  im  Alten  Testament  heißt  „der  Herr,  der  Herzen 
und  Nieren  prĂŒft",  so  ist  dabei  nicht  an  die  Untersuchung 
auf  Eiweiß  und  Zucker  gedacht,  sondern  hier  sind  die 
„Nieren"  als  GeschlechtsdrĂŒsen  aufzufassen,  deren  enger  Zu- 


sammenhang mit  dem  Charakter  dem  scharf  beobachtenden 
Naturmenschen  bekannt  gewesen  ist. 

FĂŒr  die  Testikel  haben  auffallenderweise  die  so  nahe 
verwandten  indogermanischen  Sprachen  keinen  gemein- 
samen Ausdruck,  vielleicht  deshalb,  weil  „liebe  Kinder  viele 
Namen  haben"  und  öfters  einen  neuen  bekommen.  Um  nur 
die  bekanntesten  zu  nehmen:  o(#»s,  testis,  Hode  haben  mit- 
einander nichts  zu  tun.  "O^tc  bedeutet  „Ei",  testis  und 
Hode  „Stein".  Ueber  die  Bedeutung  der  Hoden  muß  man 
frĂŒhzeitig  im  klaren  gewesen  sein,  denn  das  Verschneiden 
der  Haustiere  ist  eine  alte  Gewohnheit.  Im  Tungusischen 
heißt  geldak  Ochse,  eine  gelte  Geis  ist  in  der  JĂ€gersprache 
eine  unfruchtbare. 

Das  grĂ¶ĂŸte  und  nutzbarste  Organ  des  Leibes,  die  Leber, 
ist  natĂŒrlich  der  frĂŒhzeitigen  Aufmerksamkeit  nicht  ent- 
gangen.. Im  Tungusischen  und  den  tĂŒrkischen  Sprachen 
wird  sie  mit  demselben  Worte  bezeichnet  wie  ijnctQ,  jecur, 
Leber.  Die  Bedeutung  ist  wahrscheinlich  „das  schwere 
(Organ)",  wie  in  vielen  Sprachen  die  Leber  als  die  schwere 
der  Lunge  als  der  leichten  entgegengesetzt  ist.  Lateinisch 
pulmo,  griechisch  TtÄsifMP,  spĂ€ter  nvevpoov  in  Anlehnung 
an  TTvioĂ€  atmen,  bedeutet  das  „leichte",  vielleicht  auch  das 
„schwimmende".     Auch    Lunge    bedeutet    die  „leichte". 

Weniger  Ordnung  herrscht  bei  Organen,  die  nicht  so 
klar  charakterisiert  sind,  wie  die  M  i  1  z.  Das  Wort,  welches 
in  den  mongolischen  Sprachen  die  Milz  bedeutet  (und  wahr- 
scheinlich identisch  ist  mit  anXijv,  lien),  bedeutet  dort 
gelegentlich  auch  die  Leber  und  im  HebrÀischen,  Arabischen 
und  anderen  hamitosemitischen  Sprachen  die  Niere.  ' 

Wenig  Klarheit  herrscht  auch  in  bezug  auf  den  Bauch. 
Bauch  und  Magen  werden  gewöhnlich  duich  dasselbe  Wort 
bezeichnet,  auch  bei  uns  versteht  man  unter  Leib  bald  den 
Bauch,  bald  den  ganzen  Körper.  Der  Magen  erschien  als 
ein  StĂŒck  des  Darms,  ja  sogar  die  Speiseröhre:  dasselbe  Wort, 
das    im    Tungusischen  den   Darm   bezeichnet,  ist  unser 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


Jenseits  von  ß  c  r  u  1'  und   A  in  t 


XVI! 


„Schlund".  Die  Brust  wird  im  allgemeinen  zum  Bauch  ge- 
rechnet, das  Wort,  das  im  Tungusischen  den  Bauch  be 
zeichnet,  ist  das  lateinische  pectus,  „Brust".  Die  Eingeweide 
mit  Ausnahme  der  oben  einzeln  erwÀhnten  werden  sehr  in 
Bausch  und  Bogen  behandelt,  so  gibt  es  in  den  germanischen 
Sprachen  ein  Wort,  das  „Eingeweide",  aber  auch  „Herz"  be- 
deutet: es  ist  dasselbe  Wort  wie  das  aus  Homer  bekannte 
ttTog  „herz",  das  in  der  Form  tjtyi»'  auch  „Bauch"  bedeutet 
und  vermutlich  mit  Uterus  und  vaiiqa  (=  Uterus)  identisch 
ist,  aber  auch  mit  litauisch  vedara,  mazedonisch  udt-yog 
„Bauch,  Magen".  Uebrigens  bedeutet  auch  das  griechische 
xaqdia  nicht  nur  Herz,  sondern  auch  Magen.  Daß  man  diese 
Organe  so  wenig  auseinanderhielt,  beweist,  wie  wenig  man 
sich  um  ihre  Funktion  kĂŒmmerte,  lieber  ihre  Verwendbar- 
keit in  der  Haushaltung  hinaus  hatten  sie  kein  Interesse. 

So  betrachtete  man  auch  die  Muskulatur  nicht  als  Be- 
wegungsorgan, sondern  als  eßbares  Fleisch.  Das  gotische 
mimz  „Fleisch",  ganz  Ă€hnlich  im  samojedischen  und  mand- 
schurischen benannt,  steckt  im  lateinischen  membrum  Glied, 
im  griechischen  (ii^ivQ,  (jt/quc,  aber  auch  im  griechischen 
fivg,  lateinisch  mus  culus,  althochdeutsch  mĂŒs  „Muskel",  die, 
entgegen  der  Meinung  der  Philologen  mit  dem  gleichlauten- 
den, „Maus"  bedeutenden  Worte  nichts  zu  tun  haben. 
Uebrigens  bedeuten  auch  „Leiche"  und  „Leib"  nichts  anderes 
als  Fleisch,  wenn  man  auf  die  mongolischen  Sprachen  zu- 
rĂŒckgeht. 

Dieselbe  praktische  Anschauungsweise  finden  wir  bei 
Sehnen,  Adern  und  Nerven.  In  den  mongolischen 
Sprachen  und  im  Lappischen  finden  wir  einen  Verwandten 
unseres  Wortes  Sehne  oder  Senne,  der  bald  Ader,  bald  Sehne 
bedeutet.  Davon  hat  das  tĂŒrkische  sein  sinir,  sinjir  abge- 
leitet, welches  Sehne  und  Nerv  bedeutet  und  mit  nervus, 
vsvqov  und  Schnur  (ahd.  snuor)  identisch  ist.  Die  drei 
Sachen  haben  fĂŒr  den  primitiven  Menschen  nur  insofern 
Interesse,  als  sich  FĂ€den  und  Stricke  daraus  machen  lassen. 


Das  Blut  fĂŒhrt  im  Lateinischen  einen  altehrwĂŒrdigen 
Namen  (sanguis,  blutig  sancius),  der  sich  nicht  nur  in  den 
Sprachen  Mittel-  und  Nordasiens  wiederfindet  (mand 
schurisch  sengi,  tungusisch  sauksa  usw.),  sondern  auch  in 
Sprachen  Indiens,  vielleicht  auch  Nordafrikas;  vermutlich 
gehört  auch  griechisch  atfia  hinzu.  Die  germanischen 
Sprachen  haben  das  Wort  verloren  und  gebrauchen  eine 
Neubildung  „Blut",  die  vermutlich  „rot"  bedeutet. 

Und  nun  sei  noch  als  Ausnahme  und  MerkwĂŒrdigkeit  der 
Name  eines  Organs  mitgeteilt,  der  einen  allerdings  nahe- 
liegenden Hinweis  auf  die  Funktion  enthĂ€lt.  FĂŒr  die  Blase 
sind  die  tungusischen  Namen  gutuga,  udjik,  adjik  ĂŒberliefert, 
woraus  sichtlich  lateinisch  vesica  entstanden  ist.  Zugrunde 
liegt  ein  Wortstamm  in  der  Bedeutung  „urinieren",  der  sich 
sogar  in  den  fernen  Bantusprachen  findet. 

Wir  sehen  also  in  sehr  alter  Zeit  gewisse  anatomische 
Kenntnisse  verbreitet,  aber  ohne  die  zugehörige  Physiologie, 
es  ist  eigentlich  nur  eine  Anatomie  fĂŒr  den  KĂŒchen-  und 
technischen  Gebrauch  des  Schlachtopfers.  Nun  wollen  wir 
sehen,  wie  es  mit  den  Krankheiten  steht. 

Es  ist  auffallend,  daß  fĂŒr  „Krankheit"  und  „Verletzung, 
Wunde"  die  Bezeichnungen  nicht  getrennt  sind,  sondern  die  - 
selben Worte  in  beiden  Bedeutungen  gebraucht  werden.  Die 
Lautverwandten  unseres  „sehr",  das  eigentlich  „wund"  (eng- 
lisch sore)  bedeutet  und  auch  seinem  eigentlichen  Sinne  nach 
in  „versehren"  erhalten  ist,  bedeuten  in  den  mongolischen- und 
tĂŒrkischen  Sprachen  Verletzung,  Wunden,  Schmerz,  Krank- 
heit, und  ebenso  geht  es  mit  den  Verwandten  des  lateinischen 
aeger,  aegrotus  und  des  deutschen  siech,  Seuche.  Eine  he- 
sonders  weite  Verbreitung  hat  die  Verwandtschaft  des 
griechischen  Xotyöc,  Xotjjöc,  „UnglĂŒck",  Seuche",  lateinisch 
lues  (dessen  ursprĂŒngliche  Bedeutung  bekanntlich  „Krank- 
heit" ist).  Ein  im  heutigen  Deutsch  ausgestorbenes  Wort  fĂŒr 
Arzt,  althochdeutsch  lachi,  das  in  den  nordischen  und 
slawischen  Sprachen  noch  existiert  (manchem  wird  das  pol- 


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XVIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  4. 


nische  lekarschi  bekannt  sein),  dĂŒrfte  damit  zusammen- 
hÀngen. Ausgestorben  ist  auch  das  eigentliche  deutsche  Wort 
fĂŒr  Gift  bezw.  Arznei,  althochdeutsch  luppi,  gotisch  lubia 
und  durch  das  farblose  Gift,  eigentlich  „Gabe"  ersetzt,  wie 
auch  im  lateinischen  statt  des  eigentlichen  Wortes  gewöhnlich 
venenum  „Liebestrank"  (zu  Venus)  gesetzt  wird.  Das  grie- 
chische log,  lateinisch  virus  Gift,  hÀngt  mit  althochdeutsch 
wesanen  verwesen,  verfaulen  zusammen,  deutet  also  auf 
Leichengift.  Daß  damit  noch  in  griechischer  Zeit  gelegent- 
lich die  Waffen  (rd§a)  vergiftet  wurden,  ersieht  man  aus 
ofyxov  „Gift". 

Der  gewöhnliche  Name  fĂŒr  Eiter,  lateinisch  pus  (grie- 
chisch nvov,  nvog)  rĂŒhrt  von  stinkendem  Eiter  her,  vergl. 
putridus  „faul",  wenn  man  nachher  auch  das  pus  bonum  et 
laudabile  so  benannte.  Das  germanische  „Eiter"  ist  eine  Ab- 
leitung des  im  SchwĂ€bischen  noch  gebrĂ€uchlichen  Eiß  = 
Furunkel,  das  sich  nicht  weiter  verfolgen  lĂ€ĂŸt. 

EigentĂŒmlich  ist  der  Name  Narbe,  der  nach  Ausweis 
des  Mongolischen  usw.  eigentlich  „Narbenkontraktur"  bedeu- 
tet, vgl.  auch  englisch  narrow  „eng".  Das  lateinische  cicatrix 
ist  unerklĂ€rt,  dĂŒrfte  aber  zu  einer  interessanten  Gruppe  von 
Wörtern  gehören,  die  sich  von  den  tĂŒrkischen  und  kaukasi- 
schen Sprachen  bis  ins  ferne  Baskische  zieht  und  allerlei 
örtliche  HautabnormitĂ€ten  bedeutet.  Im  baskischen  heißt 
ankura,  hanpa  eine  Geschwulst  =  englisch  amper,  ambury 
„BlutgeschwĂŒr",  in  einem  kaukasischen  Dialekt  zinkir  eine 
Warze.  Das  ist  offenbar  =  griechisch  yoyygoc,  yoyyQwvri, 
yĂ€yyqaiva  „Auswuchs"  und  lateinisch  Cancer,  das  man 
fÀlschlich  mit  dem  Tiere  Cancer  =  Krebs  zusammengebracht 
hat. 

Eine  eigentĂŒmliche  Scheidung  besteht  unter  den  Worten 
fĂŒr  Sterben,  sie  bedeuten  mehr  oder  weniger  deutlich  „tot- 
geschlagen werden"  oder  „welken,  verkĂŒmmern"  —  zu 
letzteren  gehört  „sterben"  und  vermutlich  auch  lateinisch 
mori. 


Daß  es  von  jeher  allerlei  KrĂŒppel,  Lahme,  Blinde  gab,  ist 
klar,  so  findet  sich  unser  „Blind"  in  den  mongolischen 
Sprachen,  lateinisch  caecus  ebenfalls  und  in  noch  weiterer 
Verbreitung.  Auch  das  Ungeziefer,  Flöhe,  Fliegen,  Ameisen, 
haben  von  jeher  die  Menschheit  gewaltig  geplagt,  manche 
Ungeziefernamen  finden  sich  durch  die  ganze  alte  Welt  ver- 
breitet. Nur  auf  eins  möchte  ich  aufmerksam  machen,  die 
Hautleiden,  die  offenbar  von  jeher  verbreitet  waren.  Das 
etwas  in  Vergessenheit  geratene  Zitteroch  =  Hautflechte, 
englisch  tetter,  lateinisch  derbiosus  grindig  ist  wohl  iden- 
tisch mit  dem  weitverbreiteten  Namen  gefleckter  HĂŒhnerarten 
(lateinisch  tetrao,  griechisch  ts7qccÂŁ  Perlhuhn).  Flechte, 
griechisch  lti%{v,  lateinisch  delictus  grindig  bedeutet  nach 
Ausweis  der  mongolischen  Sprachen  eigentlich  „bunt- 
scheckig". Griechisch  tQTtrjc,  dessen  Verwandtschaft  haupt- 
sÀchlich in  den  mongolischen  und  semitischen  Sprachen  ver- 
breitet ist,  bedeutet  nach  Ausweis  dieser  einen  „juckenden 
Ausschlag". 

Mit  diesen  Feststellungen  kommen  wir  in  eine  erheblich 
frĂŒhere  Zeit  als  die  Ă€ltesten  schriftlichen  Ueberlieferungen, 
die  doch  erst  in  den  letzten  Jahrhunderten  vor  unserer  Zeit- 
rechnung beginnen  (wenn  man  von  der  altÀgyptischen 
Ueberlieferung  absieht,  die  aber  meines  Wissens  fĂŒr  unsern 
Zweck  wenig  bringt).  Die  sogenannte  indogermanische 
Spracheinheit,  d.  h.  die  Zeit,  wo  noch  ein  Urstadium  der 
slawischen,  germanischen  und  keltischen  Sprachen,  des 
Sanskrit  und  Altpersischen,  des  Griechischen  und  Lateini- 
schen existierte,  mag  etwa  3000  Jahre  v.  Chr.  Geburt  liegen, 
was  sich  also  in  diesen  Sprachen  gemeinsam  findet,  mag  in 
diese  Zeit  zurĂŒckgehen.  Nun  haben  wir  aber  auch  vieles 
gefunden,  was  auch  den  mongolischen  und  tĂŒrkischen,  ja 
noch  weiter  abstehenden  Sprachgruppen  zugehört.  Das 
fĂŒhrte  in  sehr  viel  frĂŒhere  Zeiten  zurĂŒck,  fĂŒr  die  alle  ge- 
nauere Berechnung  aufhört;  auch  in  viel  frĂŒhere  als  die  alt- 
Ă€gyptische Kultur. 


(Bad  faon)bur&  c/L  9* 

Literatur:  W.  von  Noorden.    Zur  Salbenbehandlung  der  Haemorrhoiden. 
MĂŒnchener  Medizinische  Wochenschrift  Nr.  7  1920. 
A.  Schmidt 's  Klinik  der  Darmkrankheiten,  II.  Aufl.  1921,  Seite  533. 
Fo    tschritte  der  Medizin  Nr.  18/1921. 


Hauptbestandteile :  Kampferchloral-Mentbol. 


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ganz  ausgezeichnetes  Harndesinfiziens.  Spezifikum  bei  Cystitiden  jeden  Ursprungs, 
bei  Pyelitis,  Pyurie.  Bakteriurie  [besonders  auch  auf  typhöser  Basis],  Phosphaturie, 
ideales  internes  Harnantiseptikum  vor  und  nach  Operationen  am  Genitalapparat, 
‱ehr  sparsam  im  Gebrauch,  da  Tagesdosen  von  1—1,5  g  geniigen,  in  therapeuti- 
schen   Dosen    vollkommen    ungiftig    und    frei    von  Nebenwirkungen. 

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SchwÀchezustÀnden  ist 

ein  vorzĂŒgliches 

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^limulansfĂŒrdenÄppetit 

Vial  8<UMmann.3nh.Apofh.E.Ralh  J 
^  Frankfurt  a.M.' 


Kl.  .hihrg.     Nr.  .1 


.1  c  ii sc i  i s  v  o  ii  r>  c  r  ii  f  ii  ii  (I  a  in  1 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Cialenos,  das  neue  Korpus  antiker  Aerzte 
und  die  heutige  Aerztewelt. 

Von  Ii  a  r  IS  u  d  Ii  o  I'  I'.') 

Am  Kode  des  gewaltigsten  Bingens,  das  die  Menschlich 
kennt,  mn  Naturerkenntnis  und  Meisterung  der  .NaturkrÀflc 
/um  Heile  der  Kranken  und  zur  Bewahrung  der  Gesunden 
sicli i  Galenos.  Fr  laßt  zusammen,  sichlet  und  ordne:!  neu, 
\v;is  ĂŒber  das  Wesen  des  Organischen  und  seine  Lebens 
erscheinungen  in  der  Milte  des  Nalurganzen  griechische 
Naturphilosophie  und  griechische  Medizin  seil  Hippokrales 
erforsch!  und  durchdacht  hat.  Er  kennt  sie  alle,  auch  die 
n  a  e  h  Entstehung  des  hippokratischen  Schriftenkorpus  sieh 
mit  Bau  und  Funktion  des  Mensc'henkörpers,  mit  seinen  \Tei  - 
Ă€nderĂŒugen  unter  der  Einwirkung  krankmachender  Mo- 
mente, mil  diesen  pathogenen  Faktoren  selbst,  mit  den  Mit- 
teln zur  Behebung  der  Störungen,  diÀtetischen  oder  pharma- 
kologischen, beschÀftigt  haben.  Er  hÀtte  noch  die  ganze 
große  medizinische  Literatur  der  Hellenen  von  allen  l'llanz- 
und  PflegeslĂ€llen  an  Kleinasiens  KĂŒsten,  an!'  stauen  Inseln, 
in  Sizilien  und  SĂŒditalien,  in  den  Lehr-  und  Forschungs- 
Indien  Alexandreias,  unverkĂŒrzt  zur  Hand  und  schöpfte  aus 
dem  Vollen,  doch  nicht  ohne  NachprĂŒfung  in  Beobachtung, 
im  biologischen  Experiment;  aber  er  schöpfte  nach  Belieben 
und  schaltete  souverÀn  mil  seinen  Vorlagen,  ohne  dal!  wir 
in  den  meisten  Fidlen  kontrollieren  könnten,  ob  er  elwus 
und  w  i  e  v  i  e  1  an  selbst  Beobachtetem  vortrÀgt  und  Welche 
SchlĂŒsse  er  selbst  daraus  gezogen  haben  mochte. 


Mit  Erlaubnis  des  Ver 
Ii  o  I  [.    Leipzig,  Verlag  von  1 


geS'  aus  ..Skizzen"  von  Karl  S  u  (1- 
C.  YY.  Vogel.  192L 


Fast  zwei  Jahrlausende  lang  hal   man   alles  als  sein 
Eigenes  angesehen  und  ihn  als  den  höchsten  Meister  Àltgrie 
c  bischer  Heilkunde  verehrt      man  hal  jelzi  zu  zweifeln  bfi 
gönnen,  sein  Wert  isl  liefer  gesunken  oder  seine  SchÀtzung 
Wenigstens  als  zu  den  /eilen,  da  man  ihn  als  ĂŒberlebt  bei 
seile  schob,  trotzdem  man  seine  relative  GrĂ¶ĂŸe  noch  gelten 
ließ. 

Man  Irin  heute  mit  anderen  Gedanken  an  ihn  herab. 
Man  suchl  auch  ihm  Antwort  zu  entlocken  ĂŒbei  das,  was 
vor  ihm  war,  was  er  uns  direkt  kenntlich  oder  in  VerhĂŒllung 
bewahrt  hat.  Freilich  isl  bei  ihm  die  VerhĂŒllung  weil  dichter 
als  bei  den  großen  EnzyklopĂ€disten  der  spĂ€talexandrinischen 
und  byzantinischen  Medizin,  einem  Oreibasios,  einem 
Alexandros  von  Tralleis,  einem  Ae'tios,  einem  Laulos,  ob- 
gleich man  sieb  auch  dort  hat  tÀuschen  lassen  und  manchem 
dieser  Aerzte  den  Werl  weit  grĂ¶ĂŸerer  SelbstĂ€ndigkeit,  be- 
deutender eigener  Leistung  hal  zuerkennen  wollen,  als  er  ihm 
gebĂŒhrt;  Bei  Galenos  isl  das  VerhĂ€ltnis  unter  allen  l'm- 
st ariden  ein  anderes.  Die  Einkleidung  der  Gedanken  und 
der  Tatsachenschilderung  isl  allenthalben  sein  EigengĂŒt. 
Leicht  bandbabl  er  den  Griffel,  allzu  leicht  nur  und  allzu 
weitsehweifend  breit  und  endlos:  in  flĂŒssiger,  allzu  flĂŒssiger 
Diklion  dehnen  sieh  und  verflachen  sieb  die  Gedanken  zu 
oll  öder,  unertrÀglicher  Langweile  trotzdem  der  Mann 
immer  etwas  zu  sagen  hat. 

Von  seinen  Jugendtagen  an  schrieb  er.  wo  er  auch  war, 
und  diktierte  last  Ihm  jeglicher  BeschĂ€ftigung.  Der  dĂŒnne 
Fadeii  seiner  rieselnden  Worle  rill  niemals  ab.  Aber  er 
beben  se  hte  sein  Gebiet  völlig.-  Grundlegend  unterrichtet  bei 
Mathematikern  und  Philosophen  hal  er  in  Biologie  und 
praktischer  Medizin  das  vorhandene  Wissensmalerial  voll  in 


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XII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


sich  aufgenommen,  nicht  nur  gedĂ€chtnismĂ€ĂŸig,  sondern 
wissenschaftlich  verarbeitet  im  Anschauen,.  Nachschaffen 
und  NachprĂŒfen.  Das  zeigen  besonders  seine  Anatomie  und 
Physiologie  in  inniger  VerknĂŒpfung. 

Wohl  hat  auch  hier  die  Frage  volle  Berechtigung,  und 
ihre  Beantwortung  wird  sich  immer  wieder  aufdrÀngen,  wie- 
viel von  dem  anatomischen  Tatsachen-  und  Beobachtungs- 
material, das  er  vortrÀgt,  verdankt  er  seinen  VorgÀngern, 
z.  B.  dem  bedeutenden  MarinosV  —  vielleicht  alles!  Trotzdem 
lehrt  uns  schon  die  Art,  wie  er  in  den  „anatomischen  Enchei- 
resen"  den  Leser  gleichsam  an  der  prÀparierenden  Zerglie- 
derung, an  dem  vivisektorischen  Experiment  teilnehmen  lĂ€ĂŸt, 
daß  er  das  ganze  anatomische  Detail,  wenigstens  am  Tier- 
körper, nachkontrolliert  hat.  Man  erkennt  aber  dabei  auch 
sofort  die  enge  Verbindung,  in  der  bei  ihm  Bau  und  Funk- 
tion in  der  Lehre  stehen  und  in  der  Forschung,  und  die  große 
Gefahr  Galenischer  Denk-  und  Darstellungsweise  mit  ihrer 
teleologischen  Zurechtlegung  alles  Beobachteten,  schnei] 
fertig  und  wenig  in  die  Tiefe  dringend,  und  darum  weitere 
Forschung  ĂŒberflĂŒssig  erscheinen  lassend. 

Ein  flacher  Bationalismus  und  Dogmatismus  beherrscht 
nicht  nur  Morphologie  und  Funktionslehre,  sondern  die 
ganze  Medizin  des  Galenos,  bei  der  es  uns  allerdings  wieder 
versöhnen  kann,  wenn  wir  sehen,  wie  sich  in  seinem  Schrift- 
tum der  genetische  Prozeß  seiner  eigenen  Fortentwicklung 
in  sicherer  Methodik  und  ehrlichem  Streben  ausspricht,  wie 
er  im  eigenen  Einarbeiten  und  Erfahrunggewinnen  von  den 
theoretischen  Gebieten,  zu  deren  Erfassung  sein  Riesenfleiß 
und  sein  scharfer  Verstand  ihn  sofort  in  den  Stand  setzen, 
beginnt  und  gewissenhaft,  im  Wachsen  eigener  Erfahrung, 
zu  den  praktischen  FĂ€chern  weiterschreitet.  Und  Erfah- 
rungen in  reichem  Maße  zu  sammeln,  dazu  war  er  allerdings 
in  der  Lage,  in  der  Chirurgie  der  Verletzungen  wÀhrend 
seiner  jahrelangen  Dienste  als  Gladiatorenarzt  zu  Pergamon, 
in   intern    Medizinischem   auf  Grund   seiner  ausgedehnten 


Praxis  allenthalben  und  besonders  in  der  Weltstadt  Rom, 
wovon  er  ĂŒberall  in  seinen  Schriften  ein  weidliches  Auf- 
hebens macht  mit  der  in  hervorragendem  Maße  ihm  eignen- 
den SelbstgefÀlligkeit  der  vorderasiatischen  Giaeculi.  Nach 
Rom  hatte  es  ihn  gezogen,  wie  so  viele  seinesgleichen,  wie 
den  Falter  ins  Licht,  wie  eine  sc  höne  Frau  in  den  Bereich 
staunender  Augen  der  MĂ€nner.  Was  er  von  seinen  dortigen 
Erfolgen  selbst  erzĂ€hlt,  muß  zwar  mit  prĂŒfender  Skepsis 
betrÀchtet  werden;  aber  ohne  Zweifel  ist  er  in  höheren  Ge- 
sellschaftskreisen und  selbst  bei  Hofe  ein  vielgesuchter  Arzt 
gewesen.  VortrÀge  und  Demonstrationen,  wie  er  sie  in 
großem  Maßstabe  und  unter  starkem  Zustrom  des  gebildeten 
Laienpublikums  hielt,  halfen  seinem  Ruhme  krÀftig  nach. 
Er  wÀhlte  dazu  besonders  biologische  Fragen  von  allgemei- 
nerem Interesse,  ĂŒber  Bau  und  Funktion  des  Wirbeltier- 
körpers, die  er  in  teleologisch  gestimmter  Weise  naturphilo- 
sophisc  h-vivisektorisch  mit  den  Funktionen  und  auch  dem 
Bau  des  Menschenkörpers  identifizierte.  Seine  platte,  den 
allgemeinen  Menschenverstand  als  Richter  willkommen 
heißende  und  die  ZweckmĂ€ĂŸigkeil  der  Einrichtung  durch 
den  Weltschöpfer  betonende  Darstellungs-  und  ErklÀrungs- 
weise der  Physiologie  eignete  sich  besonders  gut  zu  solcher 
Laienbelehrung.  Und  auch  in  seiner  Pathologie  sah  es 
Ă€hnlich  aus. 

Auf  dem  Gesamtgebiele  der  normalen  und  pathologischen 
Biologie,  wie  auf  dem  der  praktischen  Medizin  herrschte  da- 
mals in  der  zweiten  HĂ€lfte  des  2.  Jahrhunderts  nach  Christo, 
ein  schlimmer  Wirrwarr.  Durch  divergente  Bestrebungen 
der  verschiedenen,  fĂŒr  das  ganze  griechische  Geistesleben 
charakteristischen  „Schulen"  mit  ihrer  jeweilig  einseitigen, 
jedenfalls  stark  ausschließlichen  Betonung  bestimmter  Er- 
kenntniswege, Methoden,  biologischer  VorgÀnge,  Naturer- 
scheinungen, Agentien  und  Grundsubstanzen  der  anorgani- 
schen und  organischen  Körperwelt,  wie  sie  sich  in  der  Me- 
dizin  beispielsweise   in   der  „empirischen",  „methodischen" 


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stört  nicht  die  Bildung  von  agglutinierenden  Antikörpern.  Oberstabs- 
arzt Dr.  Dietrich,  Kaiser- Wilhelm-Institut  f.  ezp.  Therapie,  Dahlem. 
Dar  HeUeffekt  des  YATRENS  beruht  ia  seiner  Doppelwirkung  von  bakterizider 
Kraft  und  der  gewebereizendea  Anregung  zur  Granulation  (Zellakti- 
vierung): Prof.  Sonntag,  Chir.  Dniv.-Klinik,  Leipzig.  Dr.  Finger,  Chir. 
Uaiv.-Klinik,  Berlin. 

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40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


uml  „dogmatischen"  Schulrichtung,  in  Humoralpathologie, 
Solidarpathologie  und  Pneumatopathologie  betÀtigen,  war  in 
der  gesamten  Heilwissenschaft  des  spÀten  Hellenismus  eine 
starke  Unruhe  schon  fast  zum  Dauerzustande  geworden.  In 
diesem  Kample  der  Meinungen  hielt  Galenos  sieh  durchaus 
Bichl  von  einer  Parteinahme  fern.  Er  nahm  mit  Nachdruck 
[einen  Standpunkt  und  zog  gegen  andere  Riehtungen  scharf 
vom  Leder,  wie  er  denn  von  der  streitsĂŒchtigen  Manier  grie- 
chischen Gelehrtentums  einen  starken  Durchschuß  besaß, 
ptrotzdem  ihm  der  Vater  in  der  Hoffnung,  daß  mit  diesem 
Kinde  Frieden  und  Ruhe  in  sein  durchzanktes  Haus  ein- 
ziehen möge,  den  Namen  Galenos.  „der  Friedfertige",  auf  den 
Lebensweg  gegeben  halte.  Aber  sein  scharfer  Verstand  hatte 
ihn  auch  getrieben,  alle  Zeitriehtungen,  wie  die  der  Ver- 
gangenheit, an  der  Quelle  zu  studieren,  und  er  nahm  so 
neben  deren  Theoremen  auch  all  ihre  Forschungsergebnisse 
in  sich  auf  und  verarbeitete  sie  alle  mit  seinem  ordnenden 
Griechengeiste  als  seinen  eigensten  Besitz  und  gestaltete  sie 
gleichsam  neu  aus  seinem  Innern  heraus.  Und  all  dieses 
Erarbeitete  schuf  er  schließlich  um  zu  einem  großen,  durch 
ihn  selber  einheitlichen  GesamtgebÀude  der  Medizin  auf 
hippokratisch-dogmatischer  Grundlage,  wie  er  selbst  sie  zu 
durchschauen  glaubte.  Daß  er  sich  dieser  dogmatischen 
Schulrichtung  anschließen  wĂŒrde,  war  von  vornherein  klar, 
aus  seiner  ganzen  Veranlagung  und  geistigen  Struktur  her- 
aus. Die  Grundlage  seines  Systems  ist  die  humorale  An- 
schauung, die  in  den  flĂŒssigen  Bestandteilen  des  Körpers  die 
wichtigsten  Faktoren  alles  pathologischen  Geschehens  sah 
jfin  einer  Form,  die  ihr  des  Hippokrates  Schwiegersohn 
Polybos  abschließend  zu  geben  versucht  hatte.  Daß  er  dabei 
einer  Art  hippokratischer  Erneuerung  von  Grund  auf  sich 
befliß,  sicherte  ihm  einen  um  so  grĂ¶ĂŸeren  Wirkungskreis. 
FĂŒr  uns  ist  Galenos  eben  als  solcher  Erneuerer  und  zugleich 
abschließender  Zusammenfasser  im  Moment  des  beginnenden 
Niedergangs  der  Medizin  und  Gesamtbiologie  des  klassischen 


Altertums  von  so  besonders  großer  Bedeutung;  wir  mĂŒssen 
es  immer  wieder  als  besonderen  GlĂŒcksfall  fĂŒr  die  historische 
Forschung  begrĂŒĂŸen,  daß  gerade;  vom  Schrifttum  des  Galenos 
soviel  uns  erhalten  ist,  wenn  wir  es  auch  sofort  wieder  be 
klagen  werden,  daß  wir  diese  reiche  Erhaltung  seiner  Geistes 
arbeit  eben  der  verhÀngnisvollen  Einwirkung  verdanken, 
welche  Galenos  auf  die  AusgÀnge  der  Antike  vom  vierten 
Jahrhundert  an  und  durch  das  ganze  Mittelalter  und  weit  in 
die  Neuzeil  hinein  ausgeĂŒbt  hat. 

Wer  aber  die  Biologie  und  Medizin  des  klassischen  Alter- 
tums an  der  Quelle  studieren  und  aus  rein  historischen  oder 
irgendwelchen  erkenntnis-theoretischen  oder  methodischen 
GrĂŒnden  in  sich  aufnehmen  will,  der  wird  mit  Notwendig- 
keit immer  wieder  zu  Galenos  gefĂŒhrt  werden.  Darum  und 
aus  einer  ganzen  Reihe  anderer  GrĂŒnde  beginnt  auch  das 
„Korpus  der  griechischen  Aerzte",  das  jetzt  zu  erscheinen 
anhebt,  in  glĂŒcklicher  Weise  mit  einer  Anzahl  von  Galen - 
bÀnden,  deren  erster  Halbband  jetzt  vor  uns  liegt. 


Doch  dies  hervorragende  neue,  aber  lange  schon  vorbe- 
reitete Unternehmen  verdient  in  vollem  Maße,  daß  wir  uns 
mit  ihm  etwas  eingehender  beschÀftigen.  Was  will  das 
Corpus  medicorum  graecorum?  Es  dokumentiert  sich  ganz 
ausschließlich  als  philologisches  Unternehmen;  kein  einziger 
Medizinhistoriker  oder  sonst  ein  Mediziner  ist  in  der  Leitung 
desselben,  noch  weniger  natĂŒrlich  unter  dem  Stabe  der  Mit- 
arbeiter, dem  die  Recensio  der  Autoren  anvertraut  ist.  In 
keiner  einzigen  Frage  glaubt  die  Leitung  auch  nur  des  Rates 
eines  Mediziners  zu  bedĂŒrfen,  getreu  dem  Schlagworte,  das 
als  Parole  der  griechischen  Philologie  ausgegeben  wurde: 
„Die  Historie  muß  sich  die  antike  Medizin  erobern"  und  in 
engster  Auslegung  derselben.  Die  Tatsache  sei  hier  einfach 
registriert,  ohne  daran  Kritik  zu  ĂŒben,  wie  leicht  es  auch 
wÀre,  da  sich  die  Philologie  zum  Nachweise  der  Berechtigung 


Torami  in 


(Trlchlorbulylmalonsaui  es  Ammonium  D.  R.  P.) 


wirkt  stark  herabsetzend  auf  die  Erregbarkeit  des  Atmungsapparates,  ohne  den  Blutdruck  zu  beeinflussen.  —  Frei  von 

narkotischer  und  drastischer  Nebenwirkung,  keine  Verstopfung, 
daher   auch   bei  SchwÀchlichen,   Kindern   und    Àlteren   Leuten  in  wirksamer  Gabe   gefahrlos  anwendbar. 

Indlkaflonen: 

Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chronischen  Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuberkulösen 
Ursprungs,  bei  Lungen-  u.  BrustfellentzĂŒndungen,  Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium,  nervöser  Husten. 

Verordnung : 

I  Röhrchen  Toramin-Tabletten  (25  StĂŒck  zirka  0,1  Toramin)  oder  1  —  2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
^— « — »sn!«»>       mit  aromatischen  WĂ€ssern.  Sirup,  Expectorantien,  auch  Guaiacol-PrĂ€paraten.  »o»»— ■ — «» 

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J 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  5 


ihres  Vorgehens  eine  Charakterisierung  der  Medizinhistorik 
zurechtgelegt  hat,  welche  in  ihrer  Verallgemeinerung  den 
Tatsachen  durchaus  nicht  entspricht. 

Aber  großzĂŒgige,  erstklassige  Arbeit  wird  an  eine  be- 
deutungsvolle Aufgabe  gewendet,  das  ist  gewiß.  Gleich- 
zeitig beginnt  die  moderne  Medizin  und  Naturwissenschaft 
sich  darauf  zu  besinnen,  daß  das,  was  fĂŒr  alle  Gebilde  in 
der  Natur,  vor  allem  fĂŒr  die  belebten,  was  fĂŒr  das  gesamte 
Gebiet  der  biologischen  Forschung  uneingeschrÀnkt  gilt:  nur 
in  seinem  Werden,  in  seiner  Entwicklung  ist  jedes  Objekt 
der  Biologie  voll  zu  erfassen  —  daß  dies  auch  fĂŒr  die  biolo- 
gische Naturwissenschaft  als  solche  gilt,  wie  auch  fĂŒr  jede 
„exakte"  Naturwissenschaft.  Diese  gesamten  Naturwissen- 
schaften und  so  auch  die  Medizin  stellen  doch  gleichfalls 
ein  seit  vielen  Jahrhunderten,  ja  seit  mehr  als  zwei  Jahr- 
tausenden bestehendes  lebendiges  Gebilde  dar,  das  gleich- 
falls nur  in  seiner  Entwicklung  voll  erfaßt  und  verstanden 
werden  kann.  Das  berĂŒhmte  Goethe-Wort:  „Die  Geschichte 
einer  Wissenschaft  ist  die  Wissenschaft  selbst"  gilt  nicht  nur 
heute  noch,  es  ist  sogar  noch  einer  gewissen  Erweiterung 
fĂ€hig.  FĂŒr  exakte  wie  biologische  Naturwissenschaften,  mit 
in  erster  Linie  fĂŒr  die  Medizin  als  angewandte  Biologie,  ist 
die  historische  Erforschung  die  Wissenschaft  selbst  eine  not- 
wendige ErgÀnzung  ihres  Tagesbetriebes,  der  auf  Fort- 
schritt und  Vertiefung  vor  allem  gerichtet  ist.  Nur  die  volle 
Kenntnis  des  Entwicklungsganges  garantiert  der  Natur- 
wissenschaft im  weitesten  Sinne  die  Dauer  des  Fortschrittes 
und  die  Vermeidung  allzu  grober  Irrwege  der  Forschung. 

Und  fĂŒr  die  gesamte  Naturwissenschaft  einschließlich 
der  Heilwissenschaft  ist  aus  diesem  Gesichtspunkte  heraus 
von  geradezu  unvergleichlichem  Werte  eine  einzige  große 
Periode  in  ihrer  Geschichte,  die  mit  der  modernen  Natur- 
wissenschaft ernsthaft  verglichen  werden  kann. 

Wohl  ist  fĂŒr  den  Spezialforscher  der  Geschichte  der 
Naturwissenschaft  von  kaum  zu  ĂŒbertreffendem  Reize,  sich 
in  die  schĂŒchternen  AnfĂ€nge  eines  vorwissenschaftlichen  Be- 


triebes der  Natur-  und  Heilkunde  bei  primitiven  und  bei 
frĂŒhe  schon  hochkultivierten  Völkern  am  Euphrat  und  Nil 
oder  am  Ganges  und  Jang-tse  zu  vertiefen.  Wohl  ist  es 
lockend,  sich  mit  der  WunderblĂŒte  der  arabisch-persischen 
Naturwissenschaft  und  Medizin  in  der  Hochperiode  des 
Islam  zu  befassen  und  den  Duft  dieser  ĂŒppig  wuchernden 
Renaissance  antiken  Wissens  in  sich  zu  saugen  —  sehn- 
sĂŒchtiger lockend  vielleicht  noch,  sich  mit  Erfolg  durch  die 
Dornenhecken  hindurch  zu  winden,  welche  um  das  spröde 
Knöspchen  des  abendlÀndischen  Mittelalters  so  dicht  ge- 
wachsen sind,  das  man  auch  heute  noch  so  hochmĂŒtig  ver- 
achten zu  dĂŒrfen  glaubt,  wĂ€hrend  es  doch  die  zarten  Reiser 
zukunftssicher  umhegt,  aus  denen  die  FruchtbÀume  heutiger 
naturwissenschaftlicher  Erkenntnis  wuchsen,  die  sogar  die 
hochragenden  StĂ€mme  hellenischen  Naturerfassens  ĂŒber- 
wachsen sollten.  Langsam,  gar  langsam  ist  es  herange- 
wachsen, und  zögernd  hat  es  Zellschichten  um  Zellschichten 
aneinandergefĂŒgt;  aber  schließlich  ist  es  doch  zu  Ehren  ge- 
kommen, zu  höheren  sogar  als  alle  ChaldÀerweisheit  und 
alle  WunderblĂŒten  des  Islam.  Darum  soll  man  seine  AnfĂ€nge 
nicht  ĂŒber  die  Achsel  ansehen.  Aus  dem  Aschenbrödel  ist 
die  Königstochter  geworden,  und  wer  zu  sehen  versteht,  ver- 
mag auch  schon  durch  das  löchrige  Sackgewand  von  Salerno 

den  Reiz  der  jungen  Glieder  zu  erspÀhen.  

Aber  das  sind  IntimitĂ€ten  fĂŒr  den  Fachmann,  „Biterol- 
fisch  Waldlatein"  — ,  fĂŒr  die  großen  ZusammenhĂ€nge  gei- 
stiger Kultur  und  ihren  Wert  fĂŒr  das  Heute  kommt  es  kaum 
in  Betracht,  wird  niemals  wieder  Wirkung  werden.  Es  ist,j 
wirklich  so,  wie  ich  oben  schon  andeutend  aussprach,  von 
geradezu  einzigartigem  Werte  ist  und  völlig  ausschließlich 
die  erste  große  Periode  wissenschaftlicher  Erschließung  und 
Erfassung  der  Natur,  die  vor  2%  Jahrtausenden  begann  und 
mit  ihren  AusklÀngen  rund  ein  Jahrtausend  wÀhrte.  Nur  sie 
ist  der  modernen  Naturwissenschaft  an  die  Seite  zu 
setzen,  nur  sie  ganz  allein.  Nur  ihre  Erzeugnisse  können 
—  samt  der  Grundlegung  des  Modernen  vom  16.  Jahrhundert 


I    VERLAG  VON  CURT  KABITZSCH  IN  LEIPZIG  I 

i  Dörnen  -  Strasse  16.  « 


Neuigkeiten  und  neue  Auflagen: 


Die  operative  Behandlung  der 
Lungen-Tuberkulose 

von  Professor  Dr.  J.  Jessen, 

Geheimer  SanitÀlsrat  in  Daves. 

Dritte  gÀnzlich  umgearbeitete  und  erweiterte  Auflage. 
75  Seiten  mit  11  Abbildungen  im  Text.    1921.   M.  12.—. 

Den  richtigen  Zeitpunkt  und  die  richtige  Art  des  operativen  Vor- 
gebens zu  treffen,  wird  durch  dieses  gut  eingefĂŒhrte  Buch  des  bekannten 
Davoser  Facharztes  möglich  gemacht. 

DAS  WEIB 

in  anthropologischer  u.  sozialer  Betrachtung 

Von  Dr.  Oskar  Schnitze, 

Professor  der  Anatomie  an  der  UniversitĂ€t  WĂŒrzburg. 

2.  ergÀnzte  Auflage. 
IV  und  64  Seiten  mit  11  Abbildungen  im  Text.  1920.  M.  6.—. 

In  ruhiger  objektiver  Weise  werden  die  Unterschiede  von  Mann  und 
Weib  auf  Grund  des  anatomischen  Baues  und  der  Entwicklungsgeschichte 
an  der  Hand  guter  Bilder  geschildert.  Bietet  eine  wahre  FĂŒlle  von  ge- 
lichtetem, wichtigem  Zahlenmaterial  aus  der  einschlÀgigen  Literatur. 
Ein  sehr  interessantes,  höchst  lesenswertes  Buch  besonders  in  der  neuen 
Zeit,  die  dem  Weibe  auf  fast  allen  Gebieten  die  Gleichberechtigung  mit 
<1em  Manne  gebracht  hat. 


Ueber  das  Frauenstudium. 

Eine  soziologische  und  biologische  Untersuchung  auf  Grund 
einer  Erhebung. 
Von  Dr.  Max  Hirsch,  Berlin. 
IV  und  138  Seiten  mit  9  Kurven  u»d  zahlreiche» 
schematischen  Darstellungen  im  Text.  1920.  M.  8.40. 

Inhalt : 

Geschichtliches.    —    Soziologie    des    Frauenstudiums.  — 
Statistik  des   Frauenstudiums.  —  Biologie   des  Frauen- 
studiums. —  Hygiene  des  Frauenstudiums.  —  Frauenstudium 
und  Mutterschaft. 

Das  zeitgemĂ€ĂŸe  Thema  wird  sowohl  nach  der  medizinischen  all 
auch  nach  der  sozialpolitischen  Seite  erörtert.  FĂŒr  Akademiker 
mÀnnlichen  und  weiblichen  Geschlecht!  besonder! 
interessant,  wichtig  auch  fĂŒr  den  Hygieniker,  Frauenarst 
und  Sozialpolitiker. 


I 


f 


10.  Ja  Ii  iv  Nr 


Jenseits  V  o  n  l>  e  r  u  f  u  n  <i  A  in  I 


XV 


;hi      mit  wirklichem  Nutzen  fĂŒr  die  heutige  Forschung  und 
leine  noch  gelesen  werden  ;ds  Muster  und  Warnung  zu 
gleich. 

Die  moderne  Naturwissenschaft  isl  in  die  Ma  inesjahrc 
eingetreten.  Sie  hat  ihre  JugendslĂŒrme  hinter  Meli,  nie  sie 
lllein  aus  eigener  Krall,  aus  sich  heraus  bestehen  konnte 
find  mußte,  sie  ist  nachdenklicher  geworden  und  reifer,  und 
■eben  der  ruhigen,  unermĂŒdlichen  Weiterarheit  auf  lausend 
worsehungswegen  tun  denen,  die  fĂŒhrend  am  Werke  sind, 
siille  Siunden  der  Einkehr  und  Besinnung  not.  Sie  mögen 
sie  damit  fĂŒllen,  daß  sie  die  Entwicklung  ihrer  eigenen 
\\  issenschafl  Verfolgen,  die  Phasen  ihres  Aufstieges  sich 
gegenwÀrtig  halten  und  die  Lebensarbeit  und  Lebensgestal- 
Eung  und  das  geistige  Ringen  ihrer  großen  Pfadfinder  aber 
auch  die  Perioden  des  Stillstandes  und  des  Niederganges, 
indem  sie  deren  Ursachen  nachspĂŒren.  Der  Verkehr  mit  den 
Klassikern  clor  Naturwissenschaft  der  letzten  vier  Jahr- 
hunderte sei  der  Quickborn  der  modernen  Forscher  in  den 
Siunden  der  inneren  Sammlung  und  Einkehr.  DĂ€neben  aber 
sollten  sie  zeitweisen  vertrauten  Verkehr  pflegen,  ab  und  zu 
nur,  aber  doch  immer  wieder  einmal,  mit  der  jungen  Wis- 
senschaft der  Hellenen,  die  doch  zum  ersten  Male  in  der 
Geschichte  der  Menschheit  wirklich  Emst  gemacht  mit  der 
wissenschaftlichen  Erforschung  der  Naturdinge,  die  auch 
ihre  JugendstĂŒrme  hatte,  ihr  reifes  Mannesalter  und  —  ihre 
Zeil  des  Alterns  und  Herabsinkens!  Vor  der  Gefahr  einer 
llaehen  Nachahmung  ist  die  moderne  Naturwissenschaft  ge- 
leil. Aber  tieferes  Verstehen  unseres  eigenen  Strebens  wer- 
den wir  entnehmen  aus  diesem  unvergleichlichen  ersten  An- 
lauf, der  so  Vieles  schon  erringen  dĂŒrfte,  und  glĂ€nzende  Vor- 
bilder und  ernste  Mahnungen,  wohin  kĂŒhnes  Theoretisieren 
fĂŒhren  kann  und  hartnĂ€ckiges  Verharren  seihst  auf  genialen 
Irrwegen. 

Wohl  dem  modernen  Naturforscher,  der  die  großen 
Allen  sieh  zu  Freunden  macht,  sie  sind  Fleisch  Von  seinem 
Fleisch,  seines  Strebens  und  Irrens,  seiner  Freude  und  seiner 


ErittÀusohtfngen  Genossen!  Dann  mag  «las  Wort  wieder 
gelten:  „Was  griechisch  ist,  kommt  schließlich  zu  Ehren", 

es  wandelt  auf  freien  Hohen,    auf  Wegen«   die    die  Nalur 
forschuna  nie  hÀtte  verlassen  sollen! 


Der  Fuß. 

Von  A.  De  Nora. 
(Fortsetzung  und  Schluß.) 

Der  Doktor  versuchte  vergeblich  in  den  nÀchsten  Tagen 
den  Amhros  zur  Erlaubnis  zu  bewegen,  daß  er  einige  Ein- 
schnitte machen  dĂŒrfe.  Der  Fuß  sah  sehr  ĂŒbel  aus,  blaurot 
mit  dunkeln  Flecken  ĂŒber  Widerrist  und  Sprunggelenk,  und 
gegen  die  Waden  zu  zogen  lange  rote  Streifen,  wie  spitze 
Zungen  einer  Flamme.  Jeden  Tag  um  eine  bestimmte  Stunde 
kam  der  Frost,  der  den  Bauer  schĂŒttelte,  wie  ein  MĂŒhlwerk 
den  Kleiensack,  ihn  emporwarf,  streckte  und  bog,  und  der 
manchmal  eine  halbe  Stunde  und  lÀnger  dauerte. 

Der  Frost  war  ein  besserer  Prediger  als  der  Doktor. 
Amhros  fĂŒrchtete  sich  allmĂ€hlich  davor.  Und  so  gab  er 
endlich  zu,  daß  am  nĂ€chsten  Tage  geschnitten  werden  sollte. 

Thomas  wollte  Assistenzdienste  leisten,  das  Wasser 
reichen,  Wattetupfer  beiseite  legen  und  dergleichen  chirur- 
gische Handlangerarbeit.  Aber  als  er  den  Arzt  das  Messer 
auspacken  sah,  die  scharfen  DÀmpfe  der  Verbandlösungen 
roch  und  die  kaltblĂŒtige  Vorbereitung  des  Eingreifens  er- 
blickte, wurde  ihm  ganz  schlecht  und  er  mußte  an  die  frische 
Luft  gehen.  Die  BĂ€uerin  ging  stall  seiner  hinauf  und  er 
setzte  sich  unter  das  Fenster  der  Kammer,  wo  die  hölzerne 
Bank  an  der  Hausmauer  stand. 

Fr  hörte  droben  die  Stimme  des  Doktors,  der  beruhigend 
auf  den  Kranken  einsprach,  und  der  Mutter,  die  ihrem  Mann 
Mut  zuredete,  horte  das  Klappern  der  Instrumente  in  der 
TonschĂŒssel,  wo  sie  in  Karbolwasser  lagen,  und  das  PlĂ€t- 
schern der  FlĂŒssigkeit,   mil   der   der   Fuß  berieselt  wurde. 


bei  nervöser  Schlaflosigkeit, 
Merz -und  GeFĂ€ssneurosen 
und  allen  Beschwerden  und  Er, 
regungszusfÀnden  auf  nervöser 
und  hysterischer  Grundlage 


Zun  Verordnung  fĂŒr  die 
Berliner  u.die  meisten 
ĂŒbrigen  Krankenkassen 
Deutschlands  zugelassen 


Resistan- 

Salbe.  (Aktive  Komplexe  von  Fe-Phosphor-Verblndungen.) 

Anliseptische  Salbe  mit  starken  granulations- 
anregenden   und    epithelisierenden  Eigenschaften. 
Neuartiges  ionotherapeutisches  Mittel, 
wirkt  durch  das  Uebergewicht  an  Kationen 

Sein   bewÀhrt  besonders  bei:  Aeusseren  Verletzungen  (wie  Schnitt-.  Riss-,  Biss- 
nnd   Quetschwunden),   Frostbeulen,   Brandwunden  I.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  cruris,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetiologische  Momente  hervorgerufenen  Erythemen. 


I 


Agressit- 

Einlege -Pastillen  zur  vaginalen  Desinfektion. 

(ra-Monomethylbenzolsulfonehlorimid-Kalium, 
/Vlonomethylcupreinbihydrochlorid ,  Aluminiumacetotartrat.) 

Sicherstes  Entkeimungsmittel  auf  neuem  Prinzip: 
Dissoziiertes   Chlor  und  naszierender  Sauerstoff. 

VerbĂŒrgt  den  Schulz,  ohne  die  Schleimhaut  zu  reizen  und  Ă€sthetisch  unange- 
nehm  tu   wirken.  —   PrĂ€parat,   welches   die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor   und  Sauerstoff  mit  der  keimtötenden   Kraft  eines   Alkaloids  vereinigt. 
VorzĂŒglich  als  Schutzmittel. 


— 


Proben  und  Literatur  nach  Anforderung. 


33  TimellO  6ÄÄS"nii°  Berlin-Wilmersdorf  I. 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


10.  Jahrg.  —  Nr.  5 


Dann  vernahm  er  den  Schrei  des  Verwundeten,  an  dem  nun 
das  Messer  des  Arztes  Schnitte  zog  und  den  unterdrĂŒckten 
Klageruf  der  Frau,  worin  der  Jammer  ĂŒber  das  Leiden  des 
Mannes  erstickt  wurde  durch  das  Bestreben,  sich  nicht  vom 
Mitleid  ĂŒberwĂ€ltigen  zu  lassen  ...  Und  dann  erklang  ein 
rauhes,  fast  tierisches  Stöhnen,  das  mehr  als  laute  Klagen 
die  Schmerzen  verriet,  die  der  Operierte  droben  ertrug. 

Da  litt  es  den  Thomas  nicht  mehr  drunten  vor  dem 
Haus. 

Er  sprang  mit  ein  paar  SĂ€tzen  ĂŒber  die  Stiege  hinauf, 
riß  die  TĂŒr  der  Kammer  auf  und  starrte  das  Bild  an,  das 
sich  ihm  bot.  Von  dem  Fuß  des  Kranken  rann  an  mehreren 
Stellen,  wo  Einstiche  stattgefunden  hatten,  Blut  herunter 
und  ergoß  sich  in  die  weiße  SchĂŒssel,  die  drunter  stand.  Der 
Arzt  war  ohne  Rock,  in  HemdĂ€rmeln,  die  weißen  Aermel  bis 
ĂŒber  die  Ellbogen  aufgestĂŒlpt,  und  seine  HĂ€nde  waren  blutig, 
wie  die  eines  SchlĂ€chters.  Die  Mutter  lag  ĂŒber  den  Leib 
des  Mannes  geworfen  und  hielt  das  kranke  Bein  am  Knie 
fest,  mit  einer  grausamen  Umklammerung,  die  schlecht  zu 
dem  mitleidigen,  entsetzten  Ausdruck  ihres  Gesichtes 
stimmte.  Und  hinter  ihrem  RĂŒcken  hervor  tönte  das  dumpfe, 
lauhe  Stöhnen  des  GequÀlten  ... 

Gleich  einem  Tiger  sprang  der  Thomas  ans  Bett. 

„Vaterl,  Vaterl,  was  tut  er  dir?    Er  bringt  dich  um!" 

Und  mit  einem  giftigen  Blick,  mit  Augen  wie  ein  bis- 
siger, großer  Hund,  der  zum  Sprunge  bereit  ist,  sah  er  den 
Doktor  an,  der  sich  eben  ruhig  die  HĂ€nde  wusch.  Doktor 
Merdmer  ließ  sich  durch  das  rauhe  und  plötzliche  Ein- 
dringen des  Jungen  nicht  aus  der  Fassung  bringen.  Er  war 
lange  genug  auf  dem  Lande,  um  zu  wissen,  daß  diese  Men- 
schen ihre  GefĂŒhle  nicht  maskieren  können,  weder  gute  noch 
böse,  und  daß  sie  das  Messer  des  Chirurgen  mehr  fĂŒrchten 
als  des  Feindes.  Er  wußte  auch,  der  Zorn  des  Jungen  und 
der  Schmerz  des  Alten  wĂŒrde  sich  schneller  beruhigen,  als 
es  zunÀchst  scheinen  mochte.  Deshalb  redete  er  vor  allem 
dem  Operierten  gĂŒtlich  zu.  Sagte,  daß  jetzt  alles  vorbei  sei 
und  daß  es  nun  besser  wĂŒrde,  hieß  ihn,  die  Schmerzen  noch 
ein  wenig  verbrummen  lassen,  imd  riet  der  Frau,  ihm  einen 
Schluck  Wein  zu  geben.  Und  als  er  so  die  beiden  Alten  be- 
schĂ€ftigt hatte,  wandte  er  sich  gemĂŒtlich  zum  Jungen  und 
sprach:  „Na,  Thomas,  warum  so  wild?  Schau  dir  den  an, 
den  Vater,  ob  er  schon  umgebracht  ist  .  .  ." 


„Ist  auch  Euer  GlĂŒck,  Doktor,"  knurrte  Thomas  und 
stellte  sich  wie  schĂŒtzend  zwischen  Arzt  und  Kranken. 

Der  Arzt  sah,  daß  mit  dem  Menschen  nicht  zu  reden 
war,  zuckte  die  Achseln  und  schwieg. 

Nachdem  er  verbunden,  seine  Anweisungen  gegeben  mid 
versprochen  hatte,  morgen  wieder  zu  kommen,  ging  er. 

„Vaterl,"  sagte  der  Thomas,  als  sich  die  TĂŒr  geschlossen 
hatte,  „gelt,  den  Leuteschinder,  den  Metzger  laßt  nicht  mehr 
herein  Ich  kann  es  nicht  sehen,  wie  er  dich  abschlachte l 
gleich  einem  StĂŒck  Vieh.  Ich  will  zum  SchĂ€fer  Balthes 
gehen,  in  den  Stauden  hinten,  der  uns  schon  oft  guten  Rat 
gegeben  hat,  und  wirst  sehen,  der  macht's!  Der  macht's 
ohne  Blut  und  Messer!  Das  ist  ein  zehnmal  gescheiterer 
als  der  Vieraugete!  Wenn  der  Balthes  nicht  helfen  kann, 
kann's  der  Doktor  auch  nicht." 

Lang  setzte  er  dem  Ambros  zu. 

Dem  stand  die  Erinnerung  an  die  Messerschnitte  und  an 
das  AusdrĂŒcken  der  Wunden,  an  all  das  Blut  und  die 
Schmerzen  noch  zu  lebhaft  vor  Augen,  als  daß  er  sich  stark 
dagegen  gewehrt  hÀtte,  auf  schmerzlose  Weise  kuriert  zu 
werden.  Er  gab  schließlich  seine  Einwilligung,  und  lachend, 
pfeifend  ging  Thomas  aus  dem  Zimmer.  Eine  halbe  Stunde 
spĂ€ter  war  er  schon  auf  dem  Weg  „in  die  Stauden". 

Der  SchÀfer  Balthes  hatte  die  SchÀferei  lÀngst  aufge- 
geben. Er  war  ein  gesuchter  Wunderdoktor  der  Gegend, 
kurierte  mit  KrĂ€utern  und  „Sympathie",  das  heißt  beson- 
deren, geheimnisvollen  Gebeten  und  SprĂŒchen,  die  auch  aus 
der  Ferne  noch  Wirkung  tun,  und  verwendete  seine  Kunst 
sowohl  am  Vieh  als  an  Menschen.  Er  sah  aus  wie  die 
anderen  Bauern  auch,  schlecht  rasiert,  verschmitzt,  schweig- 
sam und  grobschlÀchtig,  und  so  stand  er  am  Tage  darauf 
neben  dem  Bett  des  Ambros,  gerade  als  der  Doktor  ankam. 

Die  BĂ€uerin  mit  der  Gerissenheit  der  Weiber  und  der 
KaltblĂŒtigkeit,  die  ihr  sonst  zu  eigen  war,  stellte  den  Balthes 
leichthin  als  „einen  Vetter"  vor  und  fragte,  ob  er  nicht  da- 
bleiben dĂŒrfe  zum  Helfen,  denn  sie  könne  es  nicht  mehr 
„verkraften",  und  auch  dem  Thomas  sei  schlecht  geworden. 
Der  Arzt  war  zufrieden  und  ließ  sich  ahnungslos  beim  Ver- 
bandwechsel von  dem  Pfuscher  helfen. 

Als  er  fort  war,  schĂŒttete  Balthes  seine  Weisheit  aus. 

„Das  glaube  ich,  Bauer,  daß  du  nicht  gut  werden  kannst! 
Gerade  verkehrt  macht  er's  mit  dir.    Das  gesunde  Blut  lĂ€ĂŸt 


Gebrauchsfertige  Arznei  Formen  deutscher  Herstellung 


und 


Als  bequeme,zuverlÀssigeu.billige  Verordnung  bei  Krankenkassen  zugelassen 


R 


Grippe-Spezifica 


heumasan 

memtioi-Rneumasan. 


Rheumatismus,   Ischias,  Neur- 
algien,   Narbenschmerzen,  In- 
fluenza,    Pleuritis,  Hydrops 
articul.,  Gichtschmerzen, 
Muskelschmerzen, 
Herzschmerzen,  Sohlenbrennen 


B 


uccosperin 


internes  Antigonorrhoi- 
cum  und  Harnantisep- 
ticum  von  diuret.,  beruhi- 
gender u.  die  Darmperistal- 
tik anregender  Wirkung. 
Völlig  unschÀdlichl 


Ester  Dermasan: 
krÀftiges  Resorbens 


wie  Rheumasan  bei  hartnÀckigeren  FÀllen,  cluon.  Lumbago,  Arthritis  deformans,  tabisch. 
Schmerzen,  Sehnenscheiden-EntzĂŒndung,  Furunkeln,  ferner  bei  Psoriasis,  Pityriasis 
Gynaekoloffisch  als  Ester-Dermasan-Vaginal-Tabletten  bei  Adnexen  etc.  und  Ester- 
Dermasan- Vaginal-Tab  etten  mit  Silber  bei  Gonorrhoe  sowie  Fluor  dubiöser  Natur. 


[  Pulver, , 

"  0,5) 


BOlUSal  iTab. 
(Bolus-  Aluminl  umhy  doxyd-C  aicium) 

Carbobolusal  (ℱ) 
Tabletten  (0,5)  und  Pulver 

3 mal  tagt.  Vi  Std.  v.  d.  Mahlzeit.  2  Tabl.  od.  l-2Kaffeel. 

Dr. 


HyperaciditÀt, 
Ulcus  ventriculi. 
DurchfÀlle  aller 
Art,  Sommer- 
Diarrhöen, 
Ruhr,  Colitis  ulc, 
Meteorismus, 
DarmgÀrungen. 

R.  Reiss,  Rheumasan-  und  Lenicet  Fabriken 

  Charlottenburg  4/120  und  Wien  VI/2  


Haemorrhoiden: 

eru-Lenicet-Salbe,  Lenicet-Salbe  \  Schmiermittel 
eru=Lenicet=Salbe,  Lenicet-Krem  / yor  ■  StaU 

mit  Anaesthetikum 

enirenin;  Lenirenin-Salbe:  Blutungen 
enirenin-Beiladonna-Salbe :  Tenesmus 
enicet-Suppositorien ;  Lenirenin-Suppositorien. 

|eru=Lenicet=>Pulver     \  Rhagaden  und 
Silber-Lenicet>Pulver|  Figuren 


P 
L 


Literatur 
and  Proben 


10.  Jahrg. 


Nr.  5 


Jenseits   \  011   Ii  e  r  u  f   und    A  in  I 


XVII 


er  dir  raus;  hast  nicht  gesehen,  wie  rot  daß  es  war  und  wie 
frisch  und  gesund?  Und  treibt  dir  das  schlechte  in  den  Leih 
hinein.  Ei  ja,  freilich!  Möchte  dir  vielleicht  gar  noch  das 
Bein  runterschneiden,  damit  du  ein  KrĂŒppel  wĂ€rst  dein 
Lebtag!  Sagen  tu  ich's  dir,  Bauer:  ein  GlĂŒck  ist  es,  <!;i!i  dein 
[Bub  noch  zur  rechten  Zeit  an  mich  gedacht  hat.  Wirst 
sehen,  ich  stell  dich!  In  acht  'l  agen  stell  ich  dich  auf  die 
FĂŒĂŸe,  daß  du  laufen  kannst  wie  ein  Gockel!  Aber  folgen 
mußt  und  geschehen  muß  alles  gerade  wie  ich's  haben  will, 
sonst  ist's  gefehlt." 

Der  Bauer  versprach  es  hoch  und  heilig.  Und  ih  r 
Balthes  riß  ihm  vor  allem  den  Verband  wieder  ab,  bestrich 
Leinwandlappen  mit  Hundsschmalz,  das  er  in  einen« 
schmierigen  Tiegelchen  mitgebracht  hatte,  und  legte  sie  auf 
die  Wunden.  Dann  ließ  er  ihn  von  oben  bis  unten  ein- 
wickeln, gab  ihm  einen  Tee  zum  Schwitzen  und  außerdem 
wollte  er  noch  „Sympathie  machen",  aber  das  mußte  ganz 
aus  der  Ferne  geschehen  und  konnte  nur  in  seiner  Wohnung 
gemacht  werden.  Sympathie  hilft  sicher,  wenn  nicht  von 
feindseliger  Seite  ein  Gegenpart  getan  wird,  etwa  vom  Doktor 
aus  oder  sonst  wem. 

So  sagte  Balthes  den  Leuten  vom  Rainerhof;  denn  er 
war  schlau  genug,  um  den  schweren  Zustand  des  Fuchs  - 
hofbauern  zu  erkennen,  und  wollte  sich  fĂŒr  alle  FĂ€lle  ein 
HintertĂŒrchen  offen  halten.  Thomas  horchte  mit  offenem 
Mund  und  Auge  und  nahm  jedes  Wort  des  Pfuschers  wie 
ein  Evangelium. 

Wirklich  wurde  es  die  nÀchsten  Tage  besser.  Dem  Arzt 
hatte  man  sagen  lassen,  er  brauche  nicht  mehr  zu  kommen. 

Aber  nach  achtundvierzig  Stunden  brach  die  Krankheit 
im  Gehirn  aus.  Ambros  wurde  bewußtlos,  streckte  sich  wie 
ein  Brett,  knirschte  mit  den  ZĂ€hnen  und  verdrehte  die 
Augen;  es  war  schrecklich  anzusehen. 

Thomas  lief,  was  er  konnte  um  den  Balthes,  der,  in 
Anbetracht  der  Schwere  des  Falles,  trotz  seiner  großen 
Praxis  sofort  mitkam.    Auf   dem   Wege   ließ   er  sich  die 


Symptome  schildern.  Ihm  schwante  nichts  Gutes!  Und  ei 
haute  gleich  vor,  damit  nicht  etwa  ihm  die  Schuld  am  Tode 
des  Allen  zugeschoben  werden  konnte. 

„BĂŒhle,  BĂŒhle,  das  bah'  ich  mir  schier  gedacht,"  sprach 
er  zu  Thomas,  „es  hat  einer  Widerpart  getan  gegen  meine 
Sympathie!  Ich  hah's  gemerkt,  wie  ich  gestern  die  Sympa- 
thie gemacht  habe,  gerade  wie  wenn  mir  einer  die  Worte 
vom  Munde  wegbliese,  ist  es  gewesen.  Ks  muß  ein  Feind 
da  sein,  der  ihm  das  Leben  nicht  gunnt,  und  dann  hilft  die 
heste  Sympathie  nix.  Dann  ist's  gerade,  als  wenn  du  Klee 
ins  Moor  sÀen  wolltest.    Es  geht  nit  auf  und  es  hilft  nix." 

So  wÀlzte  er,  ohne  eine  bestimmte  Andeutung  zu  machen, 
die  Schuld  einem  andern  zu.  Thomas  ging  nebenher  und 
lauschte  den  Worten  des  alten  Lumpen  bis  zur  HaustĂŒr. 

Als  sie  hereintraten,  zog  der  Fuchsbauer  eben  den  letzten 
Atemzug.  Balthes  drĂŒckte  allen  bedauernd  die  Hand,  be- 
teuerte, daß  er  sein  Bestes  getan  habe,  und  sondierte  das 
Terrain,  ob  ihm  die  Leute  den  Tod  des  Patienten  ankreiden 
wĂŒrden  oder  nicht.  Da  er  merkte,  daß  sie  im  Gegenteil 
nur  seine  Hilfe  als  zu  spÀt  gekommen  betrachteten,  ver- 
langte er  noch  mehr  „Honorar"  als  sonst  und  trug  sein  Ge- 
wissen leichter  und  seinen  Geldbeutel  schwerer  nach  Hause 
als  wie  er  gekommen  war. 

Ambros  wurde  in  der  Stube,  wo  er  gestorben  war,  auf- 
gebahrt. 

Das  Bett  wurde  herausgenommen  und  ebenso  die  See- 
grasmatratze, dann  legte  man  Bretter  quer  ĂŒber  die  Seiten - 
laden  der  Bettstatt  und  deckte  sie  mit  einem  hochgefĂŒllten 
Strohsack.  Ueber  diesen  weit  aufragenden  und  durch  SĂ€cke 
am  Kopfende  noch  schrĂ€g  gestellten  Sarkophag  wurde  weißes 
Linnen  gebreitet  und  nun  die  Leiche  im  Feiertagsgewande, 
mit  Kragen  und  schwarzer  Krawatte,  drauf  gebettet.  Hoch 
und  stolz  wie  ein  König  lag  der  Ambros  auf  seinem  Toten - 
lager.  Rechts  mid  links  auf  zwei  HolzbÀnken  standen  alle 
Blumenstöcke,  die  das  Haus  besaß,  und  KrĂ€nze  von  Papier 
blumen,  BlechkrĂ€nze  und  Tannenreiser  fĂŒllten  alle  LĂŒcken 


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» 
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Wirksames  Hnthelminthlkum  und  Dartndesinfiziens. 

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lod  fest  an  Ciroeifj  gebunden,  daher  uon  intensloer 
Wirksamkeit  bei  guter  VertrÀglichkeit. 

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gezeigt  bei  an  Skrofulöse  leidenden  Kindern.  f J 

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XV1I1 


!0,  Jahrg.  —  Hr.  ."> 


des  Paradebettes.  Zu  FĂŒĂŸen  stand  ein  kleines,  weißgedecktes 
Tischchen  mit  einem  Kruzifix  und  in  schmiedeeisernen 
Leuchtern  zwei  Kerzen,  die  Tag  und  Nacht  brannten. 

Doktor  Merdmer  war  auch  der  Leichenschauer  des  Be- 
zirks und  kam  am  andern  Vormittag,  um  die  Konstatierung 
des  Todes  vorzunehmen. 

Mutter,  Frau  und  Töchter  des  Verstorbenen,  die  im 
Wohnzimmer  Totengebete  sprÀchen,  brachen  in  ein  stÀrkeres 
Heulen  und  Beten  aus,  als  der  Doktor  das  Haus  betrat. 
Thomas  aber  mußte  als  nunmehriger  Herr  des  Fuchshofes 
den  Arzt  empfangen  und  die  Treppe  hinauf  in  die  Toten- 
kammer geleiten. 

Er  wies  durch  einen  stummen  Wink  den  Weg  und  folgte 
dem  alten,  dicken  Herrn  ĂŒber  die  Stiege. 

Doktor  Merdmer  kletterte  an  dem  hohen  Aufhau  des 
Paradebettes  empor,  indem  er  sieh  Blumenstöcke  und  KrÀnze 
von  der  Bank  nehmen  lieh,  um  zur  Leiche  zu  gelangen.  Fr 
prĂŒfte  mit  Fingern  und  Licht  die  Heaktionslosigkeil  der  ge- 
brochenen Augen,  die  Totenstarre  des  Kiefers  und  der  HĂ€nde, 
die  fest  in  ihren  geschlossenen  braunen  Fingern  das  schwarze 
Kreuzchen  hielten,  und  drehte  ein  wenig  das  kaum  beweg- 
liche Haupt  des  Toten  zur  Seite,  um  Leichenflecken  am  Hals 
zu  sehen. 

Thomas  war  jeder  seiner  Bewegungen  mit  den  Augen 
gefolgt. 

Als  der  Doktor  von  dem  Sehragen  herunterkam  und  ihm 
den  Kerzenleuchter  zurĂŒckgab,  den  er  vorher  vom  Tischchen 
genommen,  halte,  öffnete  der  junge  Mensch  zum  erstenmal 
den  Mund. 

„Wißt  Ihr's  jetzt,  wer  ihn  umgebracht  hat?" 
Fs  klang  rauh,  scharf,  hissig,  ein  kurzer,  derber,  höh- 
nischer Ruf. 

Verwundert  schaute  Doktor  Merdmer  auf  den  Frager. 
Dieser  Irat,  noch  immer  den  Leuchter  in  der  Hand,  naher 
hin  zu  ihm. 

„Ob  Ihr's  nun  wißt,  wer  ihn  umgebracht  hat,  den  Vater?" 


..Was  wollen  Sie  eigentlich,  Rainer?"  sagte  der  Arzt 
ruhig,  aber  etwas  geĂ€rgert.  „Ich  hoffe.  Sie  werden  sich  an- 
stĂ€ndig betragen-  Ich  weiß,  was  Ihrem  Vater  gefehlt  hat 
und  weiß  auch,  daß  Sie  meine  Anordnungen  nicht  befolg! 
haben.  Angesichts  des  Todes  will  ich  daher  nicht  prĂŒfen, 
wer  an  demselben  schuld  isl  ...  Jedenfalls  ich  nicht," 
setzte  er  mit  Betonung  dazu. 

Aber  Thomas  zitierte  an  allen  Gliedern  vor  Wut. 

„Du  nicht?  So?  Du  nicht?"  schrie  er  plötzlich  und 
sprang  dem  erst  hroekenen,  allen  Herrn  an  den  Hals.  Aller 
Haß,  den  er  von  jeher  gegen  die  gebildeten  Leute  gehegt, 
aller  Schmerz,  den  er  heim  Leiden  seines  Vaters  empfunden, 
aller  Aberglaube,  den  der  SchÀfer  Ballhes  erregt  und  ge- 
stĂ€rkt halle,  vereinigte  sieb  jetzt  in  ihm  zum  GefĂŒhl  der 
Hache  an  demjenigen,  auf  dessen  Rechnung  er  den  tragischen 
Ausgang  des  Imfalles  setzte.  Er  drĂŒckte  den  Arzl  mit  ge- 
waltiger Faust  an  die  Wand  der  Kammei  und  schlug  blind 
mit  dem  schweren  Leuchter  auf  den  glatten,  großen,  runden 
SchÀdel  los,  wie  ein  Schuster  auf  die  Sohle  eines  Stiefels, 
Der  Feberfallene  war  nicbl  einmal  imstande  einen  Schrei 
auszustoßen,  so  rasch,  wild  und  schrecklich  war  die  Will 
des  Bauernburschen  ĂŒber  ihn  herein  gebrochen 

Erst  das  Gepolter  des  stĂŒrzenden  Körpers,  der  Blumen- 
stöcke und  ein  KĂ€stchen  umriß,  gab  den  betenden  Weibern 
in  der  Stube  unten  Anlaß,  ihr  GeplĂ€rr  zu  unterbrechen  und 
heraufzukommen. 

Sie  standen,  von  Schreck  gebannt,  an  der  Schwelle.  ( 

Thomas  hielt  den  Doktor  wie  eine  Katze  am  Kragen  und 
zog  ihn  eben  neben  das  Leichenlager.  Dort  hob  er  ihn  auf 
und  warf  ihn  quer  ĂŒber  die  FĂŒĂŸe  des  Toten.  Feber  jenen  ver- 
wundeten, vergifteten,  weißbestrumpften  Fuß,  der  noch  jetzt 
nach  dem  Tode  wie  ein  stummer  KlÀger  unter  dein  schwar- 
zen Bahrtuch  herauszutreten  schien,  und  zu  (hau  sich  der 
Mörder  fast  wie  zu  einem  Übenden  Wesen  wendete  als  er 
sprach:  ..Da,  nimm  ihn!  Fr  hat  dich  umgebracht!  Ich  habl 
ihn  umgebracht.    Es  muß  so  recht  sein.  Vater?"  .... 


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Prof.  Dr.  Treupel  genau  nach  dessen  Angaben  hergestellt. 


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Allgem.  med.  Zentral-Zeitung  Nr.  41  1921 
ZahnÀrztliche  Rundschau  Nr.  39  1921 


Industrie  und  Handel  aus  Nr.  5 

vom  1.  Februar  1922. 

„Sarotti"  Aktiengesellschaft. 

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erhÀltlichen  Prospektes  sind 

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der 

„Sarotti"  Aktiengesellschaft 

zu  Berlin 

54  000  StĂŒck  zu  je  M.  1000.—  Nr.  18  001— 72  000 
zum  Handel  und  zur  Notiz  an   der   Berliner  Börse   zugeUi s^en 
worden. 

Berlin,  im  Januar  1922. 
Georg  Freinberg  &  Co.  Berliner  Handels-Gesellschaft, 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Die  gesellschaftliche  Maske. 

Eine  soziologische  und  pÀdagogische  Studie. 
Von  Baron  Caj  von  Brockdorf  f. 

Wenn  wir  unbefangen  prĂŒfen,  wie  wir  jemand  ĂŒbei 
reden,  ein  GeschĂ€ft  abzuschließen,  so  erkennen  wir,  daß  ihm 
nicht  nur  Vorteile  in  Aussicht  gestellt  werden  mĂŒssen,  son- 
dern auch  das  GeschÀft  als  solches  nicht  unangenehm  sein 
dĂŒrfe.  Um  aber  dies  rasch  zu  erreichen,  wird  der  Ueber- 
ledende  die  Seelen  seiner  KĂ€ufer  erforschen  und  studieren, 
und  hierin  hat  er  nur  dann  Aussicht  auf  VerstÀndnis,  wenn 
er  sich  in  ihre  Seelenstimmungen  und  die  sie  hervorrufenden 
Lebenslagen  hineinversetzt.  Dann  kam  eine  Miene,  eine  Geste, 
eine  GefÀlligkeit,  ein  vielleicht  nur  scheinbares  Entgegen- 
kommen den  Ausschlag  geben.  Der  VerkÀufer  wird  sich 
unter.  UmstĂ€nden  mit  mehreren  Helfern  verbĂŒnden,  deren  ge  - 
meinsamer  treibender  oder  scheuchender  Arbeit  das  Opfer 
erliegt.  SelbstverstÀndlich  sind  zuvor  die  Rollen  gut  zu  ver- 
leilen und  geeignete  Masken  zu  wÀhlen.  Ohne  Maske  wird 
aber  ĂŒberhaupt  nicht  viel  Erfolg  zu  erzielen  sein. 

Das  wird  dem  HĂ€ndler  mehr  und  mehr  zum  Bewußtsein 
kommen.  Sollte  aber  nicht  der  Maske  ĂŒberhaupt  viel  grĂ¶ĂŸere 
Bedeutung  eignen,  sollte  sie  nicht  in  das  Wesen  des  gesell 
schaftlichen  Treibens  einfach  hineingehören? 

Nach  der  bekannten  Tönnie  sehen  Unterscheidung 
zwischen  Gemeinschaft  und  Gesellschaft  versteht  man  unter 
Gemeinschaft  das  Zusammenleben  auf  Grund  natĂŒrlicher  in- 
nerer Bindung,  wie  vor  allem  in  der  Familie,  im  Stamm,  in 
der  ĂŒberkommenen  Sitte;  unter  Gesellschaft  denkt  man  an 
das  Nebeneinanderleben  von  einander  sich  unabhÀngig  vor- 
stellender Menschen.  Gesellschaft  ist  vor  allem  in  der  stÀdti 
sehen  Zivilisation  zu  suchen.  Gesellschaft  ist  „die  Öffent- 


lichkeit", di«'  Welt  des  Handels,  des  Vertrages,  des  Hechts 
Streites,  des  Parteigetriebes,  der  wissenschaftlichen  For 
schung,  des  durch  öffentliche  Meinung  beeinflußten  GefĂŒgei 
in  den  Machtzusammensetzungen.  Schon  im  Begriff  der  (« 
Seilschaft  liegt  also,  daß  keiner  sich  selbst  „spielt",  wohl  aber, 
daß  jeder  fĂŒr  sich  allein  eintritt  und  fĂŒr  andere  nur  dann, 
wenn  es  sein  Interesse  erheischt,  daß  er  BĂŒndnisse  schließt. 
So  kommt  es  denn,  daß  ein  Einzelner  unter  UmstĂ€nden  sogar 
mehrere  Rollen  ĂŒbernimmt  und  durchfĂŒhrt.   Wie  viele,  ist 
an  sich  gleichgĂŒltig;  der  springende  Punkt  muß  darin  ge- 
sucht werden,  daß  das  kĂŒnstliche  Antlitz  zum  Menschen  der 
„Gesellschaft"  wesentlich  gehört. 

Es  ist  nun  merkwĂŒrdig,  daß  der  von  T  ö  n  n  i  e  s  in  Idas  - 
sischer  Weise  durchleuchtete  innere  Widerstreit  gemein 
schaftlicher  und  gesellschaftlicher  Momente,  schon  lÀngst 
mehr  oder  minder  vorausgeahnt  worden  ist,  Àhnlich  wie  wir 
Vorahnungen  großer  astronomischer  Errungenschaften  bis 
tief  ins  griechische  Altertum  zurĂŒckverfolgen  können.  Fast 
immer  finden  wir  damit  die  Vorstellung  von  der  Maske  ver 
blinden. 

Ein  Philosoph  wie  Hobbes  (1588 — 1679),-  den  wir 
durchgĂ€ngig  als  Denker  der  „Gesellschaft"  auszulegen  ha- 
ben, weist  selbst  schon  auf  einige  sehr  wichtige  Quellen 
dieser  Ansicht  hin.  In  seiner  Antropologie  (De  Homine)  hat 
Hobbes  den  ganzen  Zusammenhang  mit  einer  fĂŒr  seine 
Zeit  und  seinen  Standpunkt  ĂŒberraschenden  Klarheit  er 
lĂ€utert.  ZunĂ€chst  unterscheidet  Hobbes  „facies"  und  „per- 
sona". In  einem  Falle  trĂ€gt  der  Mensch  im  bĂŒrgerlichen 
Leben,  im  andern  auf  der  BĂŒhne  eine  Maske.  Auf  der  BĂŒhne 
ersetzte  man  mit  der  Zeit  die  Maske  durch  die  einfache  An 
kĂŒndigung  der  Rolle,  die  der  einzelne  Schauspieler  spielen 
wĂŒrde.  Nicht  weniger  nötig  als  im  Theater  sind  solche  Fik- 


wirksamer  als 


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xn 


Jenneits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


tionen  im  bĂŒrgerlichen  Leben  wegen  der  GeschĂ€fte  und  Ab 
machungen,  die  im  Namen  von  Abwesenden  abgeschlossen 
werden.  FĂŒr  das  bĂŒrgerlich  Leben  definiert  Hobbes  den 
Begriff  der  Person  folgendermaßen:  „Eine  Person  ist  ein 
Mensch,  dem  Worte  oder  Handlungen  von  Menschen  bei- 
gelegt werden,  und  zwar  entweder  seine  eigenen  oder  die 
eines  anderen;  wie  ein  Schauspieler  zu  verschiedenen  Zeiten 
verschiedene  Rollen  spielen  kann,  so  kann  jeder  beliebige 
Mensch  mehrere  Rollen  darstellen."  Cicero  sagt:  „Ich  allein 
spiele  drei  Rollen,  meine  eigene,  die  des  Gegners  und  die  de; 
Richters",  d.  h.  Ich,  der  eine  Cicero,  kann  als  ich  selbst,  als 
der  Gegner  und  als  Richter  gelten." 

Der  Charakter,  den  wir  bloß  spielen,  die  Masken,  die  wir 
stets  wechseln  mĂŒssen,  werden  schließlich  den  natĂŒrlichen 
Menschen  ganz  und  gar  verkennen  lassen,  damit  auch  die 
echte,  ursprĂŒngliche  Darstellungsweise  des  menschlichen  In- 
nenlebens. Sogar  bei  einer  Rolle  lĂ€ĂŸt  sich  daher  zwischen 
einer  wirklich  ungezwungenen  Haltung  und  Schilderung  — 
und  einer  KĂŒnstelei  unterscheiden.  Der  echte  Darsteller  gibt 
die  Natur,  der  bloße  Nachahmer  etwas  Konventionelles  odei 
wohl  gar  eine  Uebertreibung  des  Konventionellen.  Daher 
ist  das  gesellschaftliche  Moment  letzten  Endes  der  verinner- 
lichenden  Kunst  feindselig.  Die  bloße  Zivilisation  ist  nicht 
Kultur. 

Der  Schauspielkunst,  die  ein  jeder  ĂŒbt,  um  durchs 
Leben  zu  kommen,  haftet  immer  etwas  Konventionelles  an. 
Das  kann  schon  darum  gar  nicht  anders  kommen,  als  der 
kluge  Mann  sich  dem  Gedankenkreise  anderer  Ă€ußerlich  an- 
paßt. Dies  gilt  in  AnknĂŒpfung  an  ein  Wort  Charrons  (De 
la  sagesse  II,  2.  ed.  1601)  erst  recht  von  dem  Weisen,  der 
immer  innerlich  ein  anderer  sein  muß,  als  er  sich  nach 
außen  zeigen  kann.  Sich  zu  zeigen,  wie  man  wirklich  ist. 
hat  daher  stets  als  Narrheit  oder  als  Zeichen  opfervollen 
Mutes  gegolten.  Dergleichen  War  nie  möglich  ohne  eine  Art 
von  Bruch  mit  dem,  was  als  Gesellschaft  bezeichnet  worden 
ist.  Die  Rolle  der  Selbstbiographie  lĂ€ĂŸt  sich  danach  noch  gar 


nicht  ermessen.  Man  versteht  aber  gar  wohl,  daß  namentlich 
Rousseau  in  seinen  „Bekenntnissen"  einen  neuen  großen 
Dienst  erblickte,  den  er  der  ganzen  Menschheit  leisten  wollte. 

Es  ist  bezeichnend,  daß  Rousseau  der  Zivilisation, 
der  Gesellschaft,  den  aus  bloßen  Abmachungen  entspringen- 
den LebensverhÀltnissen  mit  den  Worten  bitterster  Ab- 
weisung entgegentrat.  Ein  nicht  auf  organischer,  d.  h.  natĂŒr- 
licher Grundlage  beruhendes  Gemeinwesen  hielt  er  fĂŒr  ver- 
derbenschwanger. Mit  Scharfblick  entdeckt  er  in  den  Ver- 
trÀgen der  Zivilisation  Listen  und  Kniffe.  Schon  dem  Keime 
nach  steckt  in  den  BemĂŒhungen  der  Erwerbsmenschen,  an 
dere  durch  VertrÀge  zu  binden,  Lug  und  Trug.  Wiederum 
erblicken  wir  hierin  nur  eine  andere  Form  des  Gedankens, 
daß  Wahrheit  und  Ungezwungenheit  nur  mit  organischen, 
echten  LebensverhÀltnissen  vereinbar  sei,  nicht  aber  mit  dem 
Zustande  des  Zusammenlebens  Einzelner,  die  ihre  ihnen 
wahrhaft  wesenhafle  EigentĂŒmlichkeit  in  den  Mittelpunkt 
stellen,  sich  selbst  an  Macht  und  Einfluß  zu  vergrĂ¶ĂŸern 
trachten  und  mit  allen  insgesamt  und  allen  Einzelnen  in  dem 
VerhÀltnis  von  Macht  und  Macht  verkehren  unter  mög 
liebster  Vermeidung  des  Ă€ußeren  Anscheins  dieser  Grund - 
Stimmung. 

Der  gesellschaftliche  Mensch  erkennt  sich,  wie  T  ö  n  - 
nies  schildert,  allerdings  als  der  unabhÀngige  Herr  seine-. 
Geldvermögens,  seiner  Arbeitskraft  oder  anderer  Leistungs 
fĂ€higkeit.  Er  ist  allerdings  stets  „berechnend",  abwĂ€gend, 
und  kĂŒhl  fremden  Ansichten  gegenĂŒber,  und  er  erscheint  an 
deren  gegenĂŒber  als  Verkaufender  und  ist  fĂŒr  sich  ein  Ge- 
nießender. Tönnies  setzt  mit  Recht  hinzu,  er  gehe  nicht 
gern  ohne  Maske  einher. 

Die  GeschÀfte  des  Erwerbslebens  sind  es  nicht  aHein,  die 
den  Mensehen  der  Gegenwart  zum  Tragen  einer  Maske  zwin- 
gen. Zum  Zweck  des  Fortkommens  ist  jeder  gleichsam  ver- 
pflichtet, sich  dem  GefĂŒge  des  Staates,  dem  Getriebe  eines 
Berufs,  dem  Zusammenwirken  in  Parteien,  Genossenschaften 
u.  dergl.  einzuordnen.  Alle  diese  verschiedenen  Bindungen  be- 


TESTOBAIt  THELVGAII 


fĂŒr  MĂ€nner. 


fĂŒr  Frauen. 


Seit  8  Jahren  bewÀhrte  Spezitika  auf  organ.-chemotherapeutiscber  Grundlage  nach  Dr.  Iwan  Bloch 

bei  sexueller  Dyshormonie  und  Insuffizienz 

vorzeitigen   Alterserscheinungen,    Stoffwechselstörungen,    Herzneurosen,    Neurasthenie,  DepressionszustÀnden. 

Enthalten  die  Sexualhormone,  d.  n.  die  Hormone  der  KeimdrĂŒsen  und  der  Drosen  mit  Innensekretion. 


Spezielle  ^Indikationen  fĂŒr  Testogaa. 

Impotenz,  Climaeterium  virile,  Pro- 
statitis, Asthma  sexuale,  leichte  Er- 
mĂŒdbarkeit, Arbeitsunlust,  Periodische 
MigrÀne  und  andere  endoerine 
Störungen. 


Ordinationen : 


Dreimal  tÀglich  eine  Tablette  nach  dem 
Essen  und  eventuell  gleichzeitig  tÀglich 
bezw.  jeden  zweiten  Tag  eine  subku 
tane  oder  intraglutÀale  Injektion. 


In  Form  von  Tabletten) 
Ampullen  und  Suppositorien. 


Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Thelygan 

Endoerine  Genitalstörungen, 
Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmen- 
orrhoe, Klimakterische  Beschwerden, 
Ausfallserscheinungen,  FrigiditÀt,  Ste- 
rilitÀt, Angstueurosen,  lofantilismus, 
univers.  part. 


Dr.  Georg  Henning,  Berlin  W  35, 


Grosse  neue  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 


KurfĂŒrstenstrasse  146/147. 


‱10.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


stehen  in  der  Vorstellung  der  Menschen  fĂŒr  sich.  Im  wirk- 
lichen Loben  gehen  aber  alle  jene  Gebilde  auch  noch  neue 
Verbindungen  miteinander  ein.  Nicht  nur  Staaten  und  Par- 
teien bekÀmpfen  und  verstÀndigen  sich,  auch  amtliches  Le- 
hen und  geschÀftliches  Treiben  sehen  sich  auf  einander  an- 
gewiesen. Banken,  Industrie,  Verleger  und  HĂ€ndler  unter- 
richten sich  vorsichtig  vorfĂŒhlend  ĂŒber  persönliche  Eigen- 
schaften, Schicksale.  Aussichten.  Amtliches  Gelehi  tentum 
und  unternehmerisches  GeschÀftswesen  z.  B.  können  zu- 
sammen ein  Gebilde  von  geradezu  ungeheuerlicher  Festigkeit 
bilden,  wÀhrend  sich  die  Beziehungen,  auf  ihren  organischen 
Ursprung  untersucht,  doch  als  im  Grunde  durchaus  zufÀllig 
und  Ă€ußerlich  erweisen,  auch  keinen  andern  Halt  ver- 
sprechen, als  den  einer  Art  von  gemeinsamer  Politik,  einer 
gelegentlichen  MĂ€chtegruppierung.  Um  so  mehr  wird  von 
dem  Talent  des  Einzeihen  verlangt,  daß  er  sich  der  Mannig- 
faltigkeit des  GefĂŒges  anpaßt.  Er  muß  unter  UmstĂ€nden  die 
Rolle  des  Gerechten,  unter  anderen  VerhÀltnissen  die  des  all- 
seitig Wohlwollenden,  wieder  unter  anderen  die  des  nur  mii 
finanziellen  Erfolgen  Rechnenden,  unter  noch  anderen  die 
des  auf  die  Torheit  der  Masse  Spekulierenden  durchfĂŒhren. 
Ohne  Gnade.  So  verbraucht  er  denn  schon  zur  Uebernahme 
seiner  verschiedenartigen  Formen  des  Spiels  eine  große  Kraft 
und  begibt  sich  eines  Teils  seines  individuellen  Lebens.  Das 
politische  wie  das  soziale  GefĂŒge  könnte  sich  ohne  das  Opfer 
der  IndividualitÀt  nicht  halten  und  erhalten.  Darauf  beruht 
aber  die  Lebensmöglichkeil  des  Ganzen  und  aller  Einzelnen. 
Aus  der  Maske  des  Spiels  wird  unerbittlicher  Ernst  und  dieser 
Lim  so  furchtbarer,  wenn  Ungeschick  in  der  Anlage  und  viei 
schlechtes  Material  den  Zusammenhalt  des  GefĂŒges  unsicher 
und  gefÀhrdet  erscheinen  lassen.  Durch  geeignete  Er- 
ziehung und  Bildung  vermag  man  den  Lauf  des  Schicksals 
gĂŒnstig  zu  beeinflussen;  aber  auch  dann  bleibt  der  innere 
Zwiespalt  bestehen.  Die  Erziehung  des  BĂŒrgers  wird,  wie 
schon  Rousseau  erkannte,  der  Bildung  des  Menschen  im 
wesentlichen  widerstreiten. 


Der  Arzt  als  Patient*) 

Von  I >r.  Ludwig  F in ck  b. 

Seinen  eigenen  Herzschlag  kann  man  hören,  wenn  man 
das  Ohr  aufs  Kopfkissen  picht,  das  eigene  Blut  kann  man 
sehen,  wenn  man  mit  geschlossenen  Lidern  m  die  Sohne 
blickt.  Man  kann  sich  auf  viele  Arten  selber  belauschen, 
spĂŒrt  Knarren  in  Sehnen,  Knacken  in  Gelenken  und  Knurren 
im  Magen,  und  manch  einer  ist  schon  in  Verlegenheit  ge- 
kommen, weil  seine  Verdauungsorgane  sich  zu  zanken  an 
fingen,  als  ob  er  sechs  Katzen  im  Bauche  trĂŒge.  Von  diesen 
natĂŒrlichen  und  leichtpathologischen  Aeußerungen  der  Or- 
gane bis  zur  Schinerzempfindung  ist  es  noch  ein  weiter  Weg. 
und  diese  selbst  ist  an  oll  unberechenbare,  psychische  Fak 
toren  geknĂŒpft;  man  fĂŒrchtet  sich  vor  einem  Nadelstich  und 
bemerkt  einen  tiefen  Messerschnitt  erst  daran,  daß  das  Blut 
herunterlĂ€uft.  Ganz  unangenehm  ist  es  aber  gewiß,  einen 
heftigen  Knall,  eine  Sprengung  im  eigenen  Körper  zu  erleben. 

Ich  ging  ruhig  bei  Tauwetter  auf  ebener  Straße  hin,  als 
ich  ein  wenig  ausrutschte;  um  nicht  den  Boden  zu  berĂŒhren 
hielt  ich  mit  aller  Kraft  an  mich;  im  selben  Augenblick  ging 
mir  ein  Donnerschlag  durch  den  Leib,  zugleich  wußte  ich: 
jetzt  ist  die  Streckersehne  gerissen  und  die  Kniescheibe  an 
den  Oberschenkel  hinaufgefahren.  Ruhig  Blut.  Leise  sank 
die  Nacht  ĂŒber  mich  her. 

Als  ich  wieder  sehen  konnte,  ordnete  ich  unter  den  Her- 
beigelaufenen das  Notwendige  an.  Ich  ließ  mir  das  Knie  steil 
binden,  wurde  auf  einen  Holzschlitten  gelegt  und  nach  Hause 
gebracht;  aber  einer  in  mir  sagte  unablÀssig:  wenn  du  nur 
schon  viorundzwanzig  Stunden  Àlter  wÀrest. 

Es  war  am  5.  Januar  1909,  nachmittags  um  zwei  Uhr; 
Automobile  gab  es  keine,  das  nÀchste  Dampfschiff  fuhr  am 
andern  Morgen  um  zehn  Uhr  nach  Konstanz. 


*)  Aus  dem  InseltrĂŒhling, 
Strecker  &  Schröder,  Stuttgart. 


mit    Erlaubnis    des  Verlages 


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XIV 


Fortschritte  der  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


Noch  niemals  hat  sich  ein  Mensch  so  gefreut  unters 
Messer  zu  kommen  wie  ich  nach  den  einundzwanzig  Stunden, 
‱lie  ich  im  Notverband  gelegen.  Meine  einzige  Sorge  war. 
werden  sie  mich  im  Krankenhaus  gleich  vornehmen?  GlĂŒck 
[icherweise  Wai  ulles  bereit.  Schon  im  Operationssaal  wurde 
mir  behaglich  zumute.  Als  sich  die  Maske  ĂŒber  mich  senkte, 
dachte  ich:  ich  will  sofort  einschlafen.  Atmete  dreimal  lie! 
mit  offenem  Mund,  trank  in  richtigen  ZĂŒgen  den  Aetherdunst 
und  versank  leise  in  einen  Abgrund.  Es  ist  ein  seliges  Wonne- 
gefĂŒhl, so  wie  ich  mir  den  Opiumrausch  denke,  ein  Boden - 
verlieren,  ein  Hinunterschweben  auf  sanften  FlĂŒgeln.  Plötz- 
lich hebt  ein  Klopfen  in  den  Ohren  an,  als  ob  mit  zehn- 
tausend DampfhĂ€mmern  drauflos  geschlagen  wĂŒrde,  schnel- 
ler, schneller,  und  da  ist  ein  Punkt,  etwa  wie  wenn  noch  Ă€iĂŒ 
einen  elektrischen  Knopf  gedrĂŒckt  wurde,  und  dann:  der 
Gaul  geht  durch,  rasend,  der  ganze  Organismus  saust  dahin, 
die  Seele  fÀhrt  aus  dem  Leib.  Schlaf. 

Das  ist  der  Tod.  Man  existiert  nicht  mehr.  Anders  kann 
der  Tod  nicht  sein.  — 

Ich  erwachte  in  einem  Krankenbett.  Zwei  Stunden  waren 
vergangen.  Der  erste  Gedanke:  so,  jetzt  weiß  ich's;  euch  bin 
ich  hinter  eure  Schliche  gekommen;  jetzt  weiß  ich,  wie  dei 
Tod  ist.  Ein  lĂ€ppisches  Frohlocken  erfĂŒllte  mich,  und  es 
fiel  mir  ein,  daß  ich  mit  dem  Gedanken  an  einen  Freund 
eingeschlafen  war:  hat  er  es  nicht  kĂŒrzlich  genau  erzĂ€hlt, 
diesen  Punkt,  von  dem  ab  man  geliefert  ist,  wehrlos,  ohne 
Hilfe?  Ein  paar  Tropfen  mehr,  und  man  wacht  nicht  mehi 
auf.  Vom  Vorhof  des  Todes  in  den  Tod  —  ohne  Unterschied, 
ohne  es  zu  merken.  Ein  Zorn  erfaßte  mich  ĂŒber  diese  Macht 
losigkeit. 

debrigens  stellte  es  sich  heraus,  daß  dieses  GesprĂ€ch  mit 
dem  Freund   nie  stattgefunden  hatte. 

MĂŒhsam  holte  ich  nun  ein  paar  Gedanken  in  meinen' 
Hirn  zusammen;  ich  spĂŒrte  sie  heinahe  körperlich  entstehen: 


sie  lagen  da  herum,  und  ich  mußte  sie  fassen:  eine  gewisse 
nĂ€rrische,  tölpelhafte  Heiterkeit  versuchte  einen  halben  Spaß 
zu  machen;  die  Zunge  versagte  den  Dienst,  lallte  schwer  im 
Munde  herum,  und  als  sie  sprach,  kam  nicht  das  zustande, 
was  das  Gehirn  wollte.  Bald  merkte  ich,  daß  die  Zunge  ver 
schwollen  war.  ohne  Zweifel,  weil  sie  wÀhrend  der  Operation 
in  den  Schlund  gerutscht  und  mit  der  Zungenklemme  fest 
gehalten  worden  war. 

Ich  habe  das  spater  mehrfach  gehört,  daß  man  heim  Er- 
wachen aus  der  Narkose  noch  in  der  Trunkenheit  kindisch 
zu  spaßen  versucht;  ich  soll  der  alten  Schwester  Oliva  heilig 
versprochen  haben:  oh,  ich  werde,  noch  leine  Gedichte 
machen,  und  ein  Kamerad  sagte  dem  Arzt,  er  mache  so  ein 
katholisches  Gesicht;  andere  plÀrren  und  spinnen  au  dem 
schweren  Gedankengang  weiter,  mit  dein  sie  eingeschlafen 
sind,  und  das  geschah  dann  im  heftigsten  Widerstreben,  im 
natĂŒrlichen  Kampf  des  Lebens  gegen  den  Tod.  Uebrigens 
glaube  ich,  daß  jede  Narkose  sieh  rasch  und  gĂŒnstig  vollzieht, 
wenn  der  Kranke  vorher  darĂŒber  aufgeklĂ€rt  und  bereit  ist. 
daß  er  mit  bestem  Willen  mithelfen  soll.  Ich  war  in  einer 
halben  Minute  friedlich  eingeschlummert. 

Eine  tiefe  Dankhaikeil  erfĂŒllte  mich  gegen  die  Narkose 
Schwester,   fĂŒr  diesen   ununterbrochenen,  erinnerungslosen 
Schlaftod. 

Naseweise  junge  Schwestern  haben  sich  schon  zum  Spaß 
gegenseitig  narkotisiert;  das  ist  ein  Unfug,  und  ich  kann  mir 
denken,  daß  er  zum  Laster  werden  kann.  Dagegen  wĂŒnsche 
ich  jedem  Arzte,  daß  er  selber  einmal  unters  Messer  kommt 
und  am  eigenen  Leibe  verspĂŒrt,  was  im  Patienten  vorgehl. 

Verwundert  besah  ich  nun  mein  Bein:  es  war  von  oben 
bis  unten  in  Wasserglasverband  gepackt,  auf  eine  Hol/ 
schiene  gelegt;  das  Knie  war  eröffnet  worden  und  das  untere 
Sehnenende,  an  dem  ein  StĂŒckchen  Knochen  hing,  mit  der 
Kniescheibe  vernÀht.  Zwar  war  eine  breite,  gutgeflickle 
Wunde  gesetzt,  aber  ich  hatte  die  erlösende  Empfindung:  es 


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stielen  die   hartnÀckigsten  'Blutungen 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7 


.1  cn  S  e  i  tj  \  o  n  H  e  r  u  f  ti  n  d   A  m  I 


XV 


ist  alles  wieder  in  Ordnung  und  sitzt  an  der  rechten  Stelle, 
nicht  mehr  so  unnatĂŒrlich  und  peinvoll  wie  vorher. 

Zum  erstenmal  kam  Ich  aus  eigener  Erfahrung  darauf, 
zu  welchen  Punktionen  das  Kugelgelenk  im  Knie  bestimml 
ist.  Der  Gesunde  weiß  nichts  von  seinen  Gliedern;  er  nimmt 
ihre  Arbeit  selbstverstÀndlich,  danklos  und  ohne  Besinnung 
hin;  erst  der  Kranke  dringt  mit  Schmerzen  in  den  Sinn  seiner 
Organe  ein.  Die  geringste  BerĂŒhrung  des  Betts  empfand  ich 
als  Stoß  in  der  Wunde,  und  ich  sah  ein,  daß  das  Kniegelenk 
des  Gesunden  jeden  Schritt  und  Schlag  in  sich  auffÀngt,  seine 
ErschĂŒtterungswirkung  abschwĂ€cht  und  fĂŒr  den  Körper  neu 
tralisiert;  es  ist  als  DĂ€mpfer  in  die  Knochenleitung  einge- 
schaltet; ohne  dieses  sanftarbeitende,  wohlgeölte  Gelenk 
winde  jeder  Tritt  wie  eine  Gewalttat  auf  den  Körper  wirken; 
wir  wĂŒrden  das  Gleichgewicht  verlieren  und  umfallen. 

Kaum  hatten  sieh  die  braven  Organe  Haut,  Muskeln, 
Sehne,  Knochen,  Nerven,  GefĂ€ĂŸe  von  dem  rauhen  Eingriff  in 
ihr  ruhiges  Leben  notdĂŒrftig  erholt,  so  begannen  sie  mit  Eifer 
den  Hemmgsprozeß.  In  den  ersten  Tagen,  stets  um  dieselbe 
Nachmittagsstunde,  setzte  eine  eigentĂŒmliche  Schmerz  - 
empfindung  ein:  ein  ganzer  Klemmerhaufen,  ein  Ameisen  - 
heer  nagte  mit  tausend  Bissen  an  der  Wunde,  zerrte,  rupfte, 
zupfte  daran;  gegen  Abend  versurrte  es  wohlig.  Die  NĂ€chte 
brachten  Schlaf  von  halben  Stunden.  Wie  anspruchslos  wird 
der  Schwerkranke.  Um  eine  Stunde  in  einer  Nacht  ist  er 
beglĂŒckt:  unbeweglich  lernt  er  die  Wochen  in  steifer  RĂŒcken- 
lage verbringen.  Das  Zeitmaß  ist  verschoben.  Einmal  wrachte 
ich  nachts  auf  und  sah  auf  die  Uhr;  sie  zeigte  fĂŒnf  Minuten 
vor  drei  Viertel  zwei  Uhr;  sofort  schlief  ich  wieder  ein,  schlief 
tief  und  fest,  lange,  lange,  und  wachte  wohl  nach  Stunden 
wieder  auf;  es  waren  noch  zwei  Minuten  bis  drei  Viertel  zwei 
Uhr;  ich  hatte  genau  drei  Minuten  geschlafen.  Morphium 
bewÀhrte  sich  nicht;  es  verursachte  beim  Einschlafen  elek- 
trische SchlÀge  durch  den  ganzen  Körper  durch.  Dagegen 
preise  ich  ein  leichtes  Fiebermittel.  Ich  hatte  anfangs  stets 


Temperaturerhöhung,  H8,f),  etwas  allzulange,  weshalb  mein 
Operateur,  der  alte,  geniale  Otto  Kappeler.  knurrte;  schließ 
lieh  bat  ich  um  ein  Fiebermittel;  ich  kenne  mich,  ich  hÀtte 
beim  geringsten  Schnupfen  hohe  Temperatur,  mein  Blul 
brenne  leicht;  ungern  bewilligte  er  ein  PĂŒlverchcn  Phena 
/ciin,  und  weg  war  das  Fieber. 

Nach  acht  Tagen  hob  um  die  Mittagszeit  ein  wohliges 
Schaffen  im  Knie  an,  irgendein  magnetischer  Strom  wurde 
erzeugt,  eine  elektrische  Maschine  nÀhte  und  stach  angenehm 
prickelnd  an  den  Wundteilen;  es  war,  als  ob  eine  Dynamo 
maschine  drin  arbeitete;  dabei  spĂŒrte  ich  lebhaft,  wie  die 
beiden  KnochenstĂŒcke  sich  anzogen,  sich  ineinander  preßten 
und  ineinander  hineinwuchsen;  ich  hatte  jetzt  nur  die  Pflicht 
stillzuliegen  und  dem  mÀchtigen  Schaffen  im  Knie  zuzi 
horchen. 

Mit  Vorsicht  griff  ich  zu  BĂŒchern.  Gleich  das  erste,  das 
ich  in  die  Hand  bekam,  Heydenstams  Karl  XII.,  war  zu 
schwer  fĂŒr  das  junge  Leben,  das  erst  wieder  die  Augen  in 
mir  aufschlug;  es  strengte  mich  an,  erschien  mir  blutrĂŒnstig 
und  erdrĂŒckend.  Darnach  verfiel  ich  aufs  Gegenteil  und  la> 
"eine  Sammlung  lustiger  Gedichte  und  Geschichten:  si< 
wurden  zu  leicht  befunden  und  hinterließen  eine  Leere.  Ich 
glaube,  der  Kranke  ist  feinfĂŒhliger  und  bestimmter  in  seinem 
Geschmack  als  der  Gesunde.  Erst  als  ich  an  die  SprĂŒche  von 
Goethe,  an  Möricke  und  Gottfried  Keller  geriet,  ging  mir  das 
liebe  Leben  wieder  an,  das  ich  nun  zehn  Wochen  nur  vom 
Fenster  aus  betrachten  sollte.  Das  waren  drei  gute  Kranken 
freunde.  Freilich,  am  besten  wirkte  der  Humor  aus  ersl 
Hand,  von  einer  prÀchtigen  alten  Krankenschwester  ge 
spendet.  Nichts  regt  die  Lebensgeister  so  an  wie  ein  unver- 
mutetes Lachenkönnen  ĂŒber  irgendeine  Torheit  oder  eine  sich 
eben  abspielende  Anekdote,  die  einem  unversehens  in  den 
Schoß  fĂ€llt;  sie  schĂŒttelte  sie  aus  dem  Aermel. 

AllmĂ€hlich  gewann  ich  Sinn  fĂŒr  meine  Umgebung. 

Das  Krankenzimmer  war  mustergĂŒltig  nach  hygienischen 


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XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  6/7. 


GrundsÀtzen  nur  mit  dem  Notwendigsten  versehen,  die 
WĂ€nde  abwaschbar,  mit  grauer  Oelfarbe  gestrichen;  kein 
Bild,  keine  Unterbrechung  der  eintönigen  FlÀchen.  Dem  Bett 
gegenĂŒber  war  eine  TĂŒr  in  die  Wand  eingelassen,  deren  Hol : 
nicht  unter  einer  Oelfarbe  verdeckt,  sondern,  mit  dĂŒnnem 
Lack  ĂŒberzogen,  als  ehrliches  Tannenholz  hervortrat.  Die 
Masern  dieser  TĂŒre  waren  lange  Zeit  die  einzige  Erholung, 
der  Ă€sthetische  Genuß  fĂŒr  mein  verarmtes  Auge.  Ihnen  danke 
ich  soviel  wie  Goethe,  Möricke  und  Keller.  Bis  ich  an  der 
Stubendecke  einige  SprĂŒnge  im  Gips  entdeckte,  die  wie  FlĂŒsse 
auf  einer  Landkarte  gewunden  verliefen.  —  Diese  Masern 
und  diese  SprĂŒnge  werde  ich  nie  vergessen,  und  wenn  ich 
hundert  Jahre  alt  werde.  Die  Hygiene  ist  eine  herbe  Tochter 
des  Verstandes,  eine  Puritanerin  und  BilderstĂŒrmerin,  eine 
Erzlangweilerin;  ihr  gilt  alles  als  Staubfresser,  was  nicht 
abwaschbar  ist;  derweil  darbt  das  Herz  und  wird  mĂŒde  und 
schließt  Freundschaft  mit  Rissen  und  Rosen  und  allem,  was 
nur  nicht  hygienisch  ist. 

Ich  weiß,  ich  bin  ein  Ketzer  und  hĂ€tte  in  meiner  Kran- 
kenzeit auch  etwas  Gescheiteres  tun  können  als  aus  der 
Schule  zu  schwatzen.  Als  ich  wieder  anfing,  gehen  zu  lernen 
wie  ein  kleines  Kind,  erst  im  Trichter,  dann  an  zwei  Stöcken, 
unbehilflich  und  plump,  und  als  ich  an  der  Maschine  zwangs- 
weise im  Knie  gebeugt  und  gestreckt  wurde,  da  wußte  ich, 
daß  an  mir  ein  MeisterstĂŒck  der  Ă€rztlichen  Kunst  verrichtet 
war,  das  vor  fĂŒnfzehn  Jahren  noch  keiner  kannte,  und  daD 
ich  nicht  als  ein  KrĂŒppel  im  Leben  herumhumpeln  wĂŒrde, 
sondern  einmal  noch  ĂŒber  die  Berge  springen  könnte. 

Aber  ich  habe  meine  stillen  Beobachtungen  angestellt 
ĂŒber  Arzt  und  Leben.  Im  allgemeinen  traut  sich  der  Arzt  auf 
dem  platten  Lande  und  oft  auch  in  der  Stadt  zuviel  zu;  er 
will  alles  machen,  und  da  kommen  die  saumseligen  Patien 
ten  leicht  zu  spÀt  vor  die  rechte  Schmiede,  ins  Krankenhaus, 
wo  unter  viel  gĂŒnstigeren  VerhĂ€ltnissen,  mit  geschultem  Per- 


sonal, mit  Asepsis,  mit  Apparaten  gearbeitet  wird.  Der  Ein- 
zelarzt kann  heute  unmöglich  in  allen  SÀtteln  gerecht  sein; 
so  wird  er,  wenn  er  ehrlich  ist,  in  vielen  FĂ€llen  den  Patienter: 
so  schleunig  wie  möglich  ins  Krankenhaus  oder  zum  besten 
Spezialarzt  befördern,  der  kraft  seiner  reichen  Erfahrung  au) 
seinem  Gebiete  in  kurzer  Zeit  bewÀltigt,  woran  der  einfache 
Arzt  zersplittert  wÀre;  dann  hat  er  als  Berater  der  Menschheil 
besser  gedient,  als  wenn  er  sich  erst  selber  daran  versucht 
hÀtte. 

Otto  Kappeler  ist  kurz  nach  meiner  Entlassung  gestor- 
ben, am  11.  Mai  1909,  er,  Blinddarmspezialist,  an  Blinddarm 
entzĂŒndung;  ich  habe  ihn  ein  viertel  Jahr  als  sein  Patient 
wie  einen  Vater  verehren  gelernt;  er  gehörte  zum  Schlage  der 
Bismarck  und  Kiderlen -WĂ€chter,  knorrig,  kurz  angebunden, 
und  voll  Humor. 

Heute  kann  ich  tĂŒchtig  marschieren  und  bin  schon  aufs 
Rad  gestiegen;  nur  einen  bösen  Wettervogel  habe  ich;  und 
den  Föhn  prophezeie  ich  mit  Leichtigkeit  und  Stöhnen  drei 
Tage  vorher. 


Der  Laie  als  Patient. 

Aus  einem  Briefe  Detlev  von  Liliencrons 
an  seinen  ersten  Verleger.*) 

Kiel,  Klinisches  Institut  des  Herrn  Dr.  Neuber,  Königsweg  8. 

Den  2.  August  1887. 

Mein  Urgroßvater  war  dĂ€nischer  Gesandter  in 
Paris,  und  brachte  von  dort  eine  illustrirte  französische 
Bibel  mit.    Unter  den  Bildern  —  ich  habe  die  Bibel  noch 

*)  Mit  Erlaubnis  des  Verlages  Heinrich  Finck.  Leipzig  aus 
..Neue  Kunde  von  Lilieni/ron",  1912. 


Gll3 jdCCtin  !  Ur^en^der  Luft- 
wege,   ErkÀltungs-    and  Infektions- 
krankheit. In  Pulver-  u.  Tablettenform. 
Packungen  mit  25,  50  u.  100  Tabletten 

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UUICOdH.  Ucum  in  FĂ€llen  leich- 
terer Asomnie  sowie  Erregungs-  und 
DepressionszuslÀnden 

10  Tabletten  a  0.55  gr. 

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MiyiUI*    Fiebers  bei  tuberkulösen 
u.  and.  infektiös-fieberhaften  Erkran- 
kung.  Bei  Neuralgie,  MigrÀne,  neurit. 
Sympt.  Pulvern.  Tabletten  1 10  StĂŒck) 

RhinilogleitfÄof  Ä 

thesin,  Suprarenin,  aether.  Oele  and 
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Pharyngitis  Originalpackung. 

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Reizloses  AbfĂŒhrmittel  in  allen  FĂ€llen 
von  Obs  ipHtion.  Packung  mit  2  SttVk 

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packung 20  gr. 

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LUllldlldli.       v  grober  Wasser- 
aufnahmefĂ€higkeit.   (Bis  4U0"/„) 

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brand sowie  Lichtbestrahlungen, 
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Zur  Verordnung  fĂŒr  Kranken- 

kassenmitglieder zugelassen: 

Rheuma-Mattan: 

Rheumatismus,  Gicht.  Ischias,  neuralg. 

Schmerzen. 
Kassenpackung,    Privatpacliungen  in 
Vi  Tube  und  '/,  Tube 

Mattan  rein 
Zink-Mattan 
Schwefel-Mattan 
Zink-Schwefel-Mattan: 

Bei  DermaUden,  Rötungen,  bei  roten 
Farben  nach  Aknepusteln  u.  leichten 
Pigmentierungen  ;  ferner  in  den  FĂ€llen, 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indiciert  ist. 
Kassenpackungen,  Privatpackungen 

OpnttiaiminaugensiabtuDe 

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Wljllfdll.  silberaalbenaeife). 
Grad.  Röhre  30  gr.,  Kassen-  u.  Privatp. 

cm.  fim  Fril7  Krinkfi  R  m  h  H  ***** 

Windet  sich  auch  eins,  das  ,cn  ais  tun 
Lachen  und  Lachein  gesehen  habe: 

Abraham  und  Isaak. 
Isaak  liegt  auf  ■  dem  Opferstein  mit  einem  so  grenzenlos 
dummen  Gesicht,  nach  Vater  Abraham  hinschulend  wie  e 
nur  einen  Vergleich  (-  das  Bild  von  Onkel  Isaak  -)  mit 
"">■  aushalten    kann,   als   ich   vor  gut  14  Tagen   auf  dein 
Open^onshseh  lag:  Unglaublich  dumm  und)  4  ausgeseheh 

N«.  aber  ich  danke  gehorsamst.    Dunnenvetter,  ich  ver- 
steuere 5>ie:  Angenehm  ist  das  niejvt  '  !  !  '  t  i  i  i  i 

Nachdem  ich  die  Erlaubnis  zur  Operation  -  es  galt  a 
bissei  auf  Leben  und  Tod  -  gegeben  hatte,  durfte  ich  Ichon 
am  Abend  vorher  nichts  essen,  am  Morgen  kein  FrĂŒhstĂŒck 
nehmen.  Punkt  9  Uhr  erschienen  2  fĂŒrchterliche  MĂ€nner 
n  meniein  /mnner  mit  kleinen  „ach  oben  gedrehten  kohl- 
MlHnMlmarzen  SchnurrbÀrtchen.  Die  Greuelkerls  hatten 
eine  Tragbahre,  auf  weicher  eine  feuerrothe  (sie»  teuer 
rot  he  -  des  etwaigen  Blutes  wegen  -)  Decke  lag 
„Na  nu?  & 

Aber  ohne  zu  antworten,  nahmen  sie  mir  das  Hemd  ab 
und  hoben  mich  auf  die  Bahre,  nachdem  ich  vorher  in  die 
euerrofhe  Decke  (-  2  schwarze  Teufel  und  die 
feuerrothe  Decke!  _)  gewickelt  war. 

„Was  ist  denn  nun  los?" 

beaSÀ1  dipST?"§en-  fUebrTra"  machten  K^nkenhaus- 
mal Tl %2K,  u  ^    Unterwe§s  hörte  ich  noch  ein- 

mal das  Stad  gerausch.  Dann  in  -  einen  K  e  1 1  e  r.  Dieser 
schon  mit  vielen  Mordinstrumenten.  Die  Fenster  hatten  ge 
frorene  Scheiben.  Feuerrothe  Decke  ab  und  -  ras  irt 
auf  den  Stellen,  also  auf  dem  RĂŒcken  p.  p,  wo  die  freund 
heben  Messer,  Meißel  p.  p.  des  Arztes  sich  "einsenken  wollten. 
Dann.  Bad  in  30°  Reaumur  und  Abreibung  wie  bei  einem 
geschlachteten   Schwein.     Triefend,  ohne   abgetrocknet  zu 


Äegfwa"6  aDdere  BahrC'  d"  mi1  ^achs- 
„Was  nu?" 

Aufgehoben  Und  in  den  Operationssaal  geschleppt  und 
einen  TU*>1     ,      feuerrothe  Decke  gehĂŒllt,  und  auf 
mÜ  f,e^farbe„em  Wachstuch  bezogen 

Weib^S  '"'T'"1  Sa,h  ('s  vor,s"',,ri«  11,11  "**  aus:  zwei 

de       .Ii   W  fS(hU,Zl    (       W^1:    «lUSivischer  Steinboden, 

,,       Was?e*  wa'-  ~).  "'il  aufgekrÀmten  Armen,  die 
Sc  usseln  und  Gott  weiß  was  fĂŒr  GerĂ€tbe  wuseben  Sie 

hSende  ArJ^  YT  ConditormĂŒtzen  auf  wie  auch  de 
ctirigirende  Arzt  und  das  ĂŒbrige  Personal,  das  mich  nach 
und  nach  umstand.    Diese  MĂŒtzen  werden  befgroßen  One 

:rrVund,albfg,e,tragr' ,,amit  auch  ℱh< 

m  die  Wunden  fallen  kann  (sie  !  !  !). 

Hallelujah!    Bis  jetzt  also  nur  die  beiden  Teufel  und  die 
beiden  Weiber     Ich  hatte  Zeit  -  o  ich  Srhlarhtopfe  n 

Sendr^aa^kS§eSiCht  "  ***  —  deinen 

/  '0  °cie.  r  V  ,von  -Messern,  Feilen,  Scheeren,  Meißeln 
tt  ,  ,P  '  ?enk  lch  an  die  Meißel  _),  Zangen  n  n 
Ueberau  an  den  WĂ€nden  kleine  Cascaden,  Springt  innen 
Seifen,  SchwĂ€mme,  TĂŒcher  p.  p.  p.  p.  °  ' 

Das  eine  Weib  ging  nun  an  einen  Oel -Tropfenfall  mit 

fTZLVJn  NT  St6Ckte  einer  VOn  de»  beÀde11  Teufeln 
beim  Ä  -  .i  ahnchen1an>  und  al^rlei  Instrumente,  wie 
beim  HaarkĂŒnstler   wurden  zum  GlĂŒhen  hineingelegt 

„Prosit  die  Mahlzeit."  ft      '  ' 

Aber  eine  Drossel  sang  draußen  (faktisch!)  und  rief 

ni  bang?"      P,attdeutsch:  "Wat>  "*>  Jung,  du  bĂŒst  doch 

Nun  kam  einer  von  den  Teufeln,  und  machte  mir  in 
den  linken  Arm  eine  Morphiumeinspritzung. 


Mallebrein 

(Alemininm  chlorkum  solutum  25V#lg) 

Als  Gurgelung  ausgezeichnet  gegen 
Katarrhe  und  entzĂŒndliche  Prozesse 

%Vnk?l    egCt  !n  F.or,m  von  Tampons  und 
SpUlung  prompt  wirkendes  Mittel  gegen 
Vagimtis,  Fluor  albus  etc. 


Sanguinal 

(und  seine  Kompositionen  mit  Arsen.  Chinin,  Guaiakol, 
Kreosot,  Extr  Rhei  etc.) 

In  Pillenform,  anerkannt  vorzĂŒgliche  Mittel 
zur  wirksamen  prompten  BekÀmpfung  von 
Blutarmut  und  Bleichsucht  und  ver- 
wandten ZustÀnden. 

"=====  Literatur  und  Proben  den  Herren  Aerzten  gratis  und  franko 

Krewel  &  Co.,  Q.  m.  b.  H.  &  Cie.      Cöln  a.  Rh 


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(Pormaldebyd.  Natrium  bltolforoa.  solnt) 

in  Ampullenform  zur  endovenösen  Behand- 
lung bei  gichtischen  und  rheumatischen 
Erkrankungen,  Leber-  und  Gallenstein- 
Erkrankungen,  Arteriosklerose,  Herz- 
GefÀsserkrankungen  etc. 


Sudian 

(Sapo  kalinus  compositus) 

hervorragendes  KrÀftigungsmittel  bei 
Skrofulöse  und  Tuberkulose,  wÀrmstens 
empfohlen  bei  Brust-  und  Bauchfellent- 
zĂŒndungen, ErgĂŒssen,  Verwachsungen 
Schwartenbildungen. 


vxui 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40  Jahrg,  —  Nr.  6/7 


Bald  darauf  erschienen   einige   Aerzte,  die  aber  bald  Ich  erwachte  .  .  .  2  Stunden,  sage  „zwei"  Stunden  hatte 

wieder  verschwanden.  .  .  .    Donnerwetter,  was  muß  ich  fĂŒr  die  Operation  gedauert.   Wieder  sang  die  Drossel.   Ein  un  - 

ein  dummes  Gesicht  gemacht  haben.  nennbares  DankgefĂŒhl  ĂŒberströmte  mich.    Ich  er- 

Da  schrie  der  eine  der  Teufel:  griff,  so  schwach  ich  war,  die  HĂ€nde  Dr.  Neubers,  der  mich 

Fertig!"  lÀchelnd  ansah.    Dann  fiel  ich  wieder  in  Ohnmacht  und 

.     "     ö  . "     ,      ,.  ‱  ‱      |     .        ,  blieb  4  Tage  und  NĂ€chte  in  Ohnmacht;  nur,  wenn  ich  zu- 

und  es  erschienen:  An  der  Spitze  dei  dmgirende  Arzt   der  WeUen  die  &Augen  öffnete)  sah  ich  Aerzte>  WÀrter  und  WÀr- 

beruhmte  Dr.  Neuber  (-  nach  Billroth  der  Erste    Schnei-  lerinn€n  mich&  umstehn.    und   dann  die  grĂ€miche  ewige 

der    -)  und  hinter  ihm  8-10  Assistenzarzte.    A 1 1  e  nur  Uebergabc  von  Speier  durch  die  viele  Chloroform,  die  ich 

m  Hoser, u  aufgestreuten  Hemdarmeln  und  Conditormutzen.  hatfe  sehlucken  mĂŒssen: 

(-  Ob  ich  leise,  leise  geseufzt  habe?    Aber  ich  blieb  Schmerzen  hatte  ich  wÀhrend  der  ganzen  Operation 

völlig  obenaut.  — )  natĂŒrlich  nicht,  aber  ich  habe  alles  gefĂŒhlt: 

Als  mir  der  dmgirende  Arzt,  der  mir  eine  artige  Ver-  Zuweilen  ging  ein  Daum  sehr  angenehm  ĂŒber  meinen 
beugung  gemacht  hatte,  so  ruhig  in  die  Augen  sah;  als  ich  Recken- 
den Genius  fĂŒhlte  von   ihm,   wurde  ich  ganz  ruhig.    Zu  DĂ€An  wurde  ich  geschnitten, 
komisch  war  es,  als  mir  nun  sammtliche  Aerzte  von  Dr.  Neu- 

her  vorgestellt  wurden.    Die  Drossel  sang  unaufhörlich.  Zuweilen   fĂŒhlte  ich  eine  warme,   höchst  gemĂŒtliche 

Nun  ein  Augenblick  noch:  Dr.  Neuber  tra   an  das  Fußende  FrĂŒhlingssonne  auf  meinem  Popo: 

meiner  Bahre,  die  andern  Aerzte  wie  nach  Kommando  auf  Dann  wurde  ich  gebrann\ 

die  ihnen  angewiesenen  Stellen.        _   

Da  rief  der  Arzt  in  strengem,  befehlenden  Ton:  Zuweilen   erschĂŒtterte   in   gleichmĂ€ĂŸigem   Schlage  auf 

„Maske  vor!"  eine  gleiche  Stelle  meines  Körpers,  aber  so  sanft,  so  sanft, 

und  einer  der  Teufel  sprang  an  mich  heran  und  hielt  die  mich  etwas,  genau:  als  wenn  man  NÀgel  einschlÀgt: 

Chloroform-Maske  mir  um  die  Nase.   UnwillkĂŒrlich  hielt  ich  Dann  wurde  ich  gemeißelt.  ‱ 

meine  linke  Hand  vor  Augen.    Diese  aber  wurde  im  selben  —                                                                      —  — 

Augenblick  wie  rasend  mir  fortgerissen;  zwei  AssistenzÀrzte  Meine  Krankheit  war: 

umgriffen  meine  Pulse  und  der  Teufel  schrie  mir  ins  Ohr:  „  ,       .                   ..,                     ...           ..  , 

ZĂ€hlen  Sie  Herr  Baron!"  Schon  111  Elterung  ubergegangene  Knochenentzundun-; 

"          i            .       ....                  ....  im  letzten  Grade.   lieber  1  Liter  Eiter  ist  mir  entnommen. 

Lud  nun  gings  los  bei  mir:  eins,  zwei,  drei,  vier   Die  infame  lschias,  die  mir  viele  Monate  lang  so  grĂ€ĂŸliche 

5*  ,qT   S'n§t:                     m                      ng    "  "  "  '  Schmerzen  verursacht  hatte,  hatte  -  d.  h.  der  Nervus  ischia- 

K,  .57  .  .  .  tikus,  das  große  Schenkelbeinnervenvieh  —  die  Liebens - 

‱       '       -  WĂŒrdigkeit  gehabt,  die  umliegenden  Knochen  zu  entzĂŒnden: 

Die  1).  !  .  r  .  .  .o  .  .  .  s  .  .  .  s  .    .  e  .  .  .  J  .      6b  .      ./  Deßhalb  mein  ewiges  Fieber  und  nicht  gehen  können. 

(Hier  lolgen  1%  Seiten  Punkte.)  ö  3 


HORMIN 

Hormin  masc.      Hormin  fem. 

Reines  OrganprÀparat 
nach  San.-Rat  Dr.  Georg  Berg, 
Frankfurt  a-  M. 

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bei  Infantilismus,  Eunuchoidismus,  spÀr- 
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Prostataatrophie,  Genital-Hypoplaslen,  Fri- 
giditÀt, infantilistischer  SterilitÀt,  sexueller 
Neurasthenie  u.  Hypochondrie,  vorzeitigen  ‱ 
Alterserscheinungen.  Haarschwund,  Derma- 
tosen in  der  Zeit  der  körperlichen 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Zu  Adolf  Kußmauls  100.  Geburtstag 

Von  Dr.  Owlglass. 

Am  22.  Februar  1822  kam  Adolf  Kussmaul  in 
Graben  bei  Karlsruhe  zur  Welt,  als  Sohn  eines  Landarztes 
schwÀbischer  Abstammung;  am  28.  Mai  1902  starb  er  in 
Heidelberg,  als  emeritierter  Straßburger  Professor,  Geheim- 
rat und  WeltberĂŒhmtheit. 

Der  Philosoph  oder  vielmehr  der  Philosophieprofessor 
Kuno  Fischer  soll  seinerzeit  recht  verschnupft  darĂŒber 
gewesen  sein,  als  er  nicht  mehr  die  einzige,  die  Exzellenz  von 
Heidelberg  war;  Kussmaul  dĂŒrfte  sich  nach  allem,  was 
wir  von  ihm  wissen,  weniger  daraus  gemacht  und,  ohne  es 
mit  dem  otium  zu  genau  zu  nehmen,  seiner  dignitas  doch 
nichts  vergeben  haben.  Wer  damals  dem  schlicht-feinen 
alten  Herrn  mit  den  gescheiten  und  gĂŒtigen  blauen  Augen 
etwa  in  der  Leopoldstraße  begegnet  war  und  anderthalb 
I  )ezennien  spÀter  Wilhelm  Raab  es  nachgelassenes 
Buch  „Altershausen"  in  die  Hand  bekam,  der  wußte  nun  ganz 
genau,  wie  er  sich  den  Geheimrat  Feyerabend  vorzustellen 
hatte,  der  sich  gleichfalls  selber  „gegen  die  toxischen  und 
infektiösen  Agentien  des  Erdendaseins,  auch  nach  zurĂŒck 
gelegtem  siebenzigsten  Lebensjahr,  mit  mehr  oder  weniger 
Erfolg  „immun"  gemacht  hatte". 

Es  sei  ferne  von  mir,  den  Versuch  einer  „WĂŒrdigung"  der 
wissenschaftlichen  und  praktischen  Verdienste  Kussma  u  1  s 
wagen  zu  wollen.  Ich  darf  mich  darauf  beschrÀnken,  ganz 
kursorisch  anzufĂŒhren,  daß  er  schon  als  junger  Student  mit 
seiner  Preisarbeil  ĂŒber  „Die  Farbenerscheinungen  im  Grunde 
des  menschlichen  Auges"  (1845)  dicht  vor  der  Lösung  ctes 


Problems  des  Augenspiegels  stand,  daß  er  grundlegende  Unter- 
suchungen ĂŒber  Ursprung  und  Wesen  der  Epilepsie  anstellte, 
daß  er,  wenn  schon  nicht  als  der  Vater,  so  doch  als  der  weit- 
blickende und  erfolgreiche  Adoptivvater  der  Magenpumpe  und 
der  Thorakozentese  anzusprechen  ist  und  von  der  Hygiene 
bis  zur  Neurologie,  von  der  Pockenimpfung  bis  zur  BulbÀr- 
paralyse  und  zu  den  Sprachstörungen  den  weiten  und  hohen 
Bogen  seiner  Interessen  zu  spannen  verstand. 

Hier  soll  nur  wieder  einmal  auf  jenes  Buch  hingewiesen 
werden,  das  Kussmauls  Namen  in  breitere  Kreise  trug 
und  von  dem  man  wĂŒnschen  möchte,  daß  es  in  jeder  Ă€rzt- 
lichen Bibliothek  stĂŒnde,  recht  als  ein  Hausbuch  und  Haus 
freund  fĂŒr  helle  und  trĂŒbe  Stunden,  ein  Buch  vor  allem  auch 
fĂŒr  die  AnfĂ€nger  in  unserer  schweren  Kunst.  Wenn  mich 
dann  und  wann  ein  junger  Student  der  Medizin  frug,  welch'; 
BĂŒcher  ich  ihm  sozusagen  zur  EinfĂŒhrung  in  seinen  kĂŒnftigen 
Beruf  empfehle,  so  habe  ich  ihm  stets  des  Schweizers 
Sonderegger  bei  uns  immer  noch  nicht  hinreichend  gc 
schĂ€tzte  „Vorposten  der  Gesundheitspfle  ge'\ 
zumal  das  wunderschöne,  temperamentvolle  Schlußkapitel 
ĂŒber  „Aerzte  und  Ă€rztlichen  Beruf"  und  als  zweites  Kuss- 
mauls „Erinnerungen  eines  alten  Arztes"  ans 
Herz  gelegt. 

Wir  lernen  da  den  Entwicklungsgang  eines  recht  eigent- 
lich prĂ€destinierten  Arztes,  eines  charaktervollen,  glĂŒcklich 
Ă€quilibrierten  und  lauteren  Menschen  kennen,  dessen  reicher 
Begabung  ein  starker  Schuß  KĂŒnstlertum  und  wahrhaften 
Humors  (im  besten  Sinne  dieses  viel  mißbrauchten  Wortes) 
beigemischt  war.  Wie  mutet  die  frohe,  wenn  auch  karge 
Kinderzeit  auf  dem  Lande  an,  die  ihm,  zum  Teil  unter  des 


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Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


ernsten  Vaters  Leitung,  den  Sinn  fĂŒr  Pflanzen,  Tiere  und 
alles  natĂŒrliche  Gesehehen  aufschloß,  und  wobei  auch  „der- 
jenige Teil  des  Leibs,  den  die  Natur  —  nach  dem  alten 
Glauben  der  PĂ€dagogen  —  mit  den  innigsten  Beziehungen  zu 
den  Organen  der  Sittenlehre  ausgestattet  hat",  nicht  zu  kurz 
kam.  Wie  anschaulich  wird  uns  der  Gymnasialbetrieb  der 
< I reißiger  Jahre,  die  bescheidene  Lebenshaltung,  die  wohl- 
tuende geistige  Duldsamkeit,  der  merkwĂŒrdige  badische 
Napoleonkult  jener  Biedermeierzeit  vor  Augen  gefĂŒhrt.  Es 
folgen  die  Studienjahre  im  alten  romantischen  Heidelberg,  mit 
einer  eingehenden,  kulturhistorisch  fesselnden  und  farbigen 
Schilderung  des  studentischen  Lebens  und  der  Reform  - 
hewegung  innerhalb  der  Studentenschaft,  an  der  Kussmaul 
legen  Anteil  nahm.  Mit  liehevoller  Hingabe  wird  sodann  vom 
medizinischen  Studium  berichtet;  die  FakultÀt  mit  ihren,  ach. 
noch  so  primitiven  Einrichtungen,  die  doch  schon  „fest  auf 
dem  einzig  sicheren  naturwissenschaftlichen  Boden"  stand, 
ersteht  wieder,  und  in  köstlichen  MiniatĂŒren  ziehen  die  Bikkr 
der  damaligen  KoryphĂ€en  an  uns  vorĂŒber:  der  Anatom 
Tiedemann  mit  seinem  gewichtigen  Satz:  „Aerzte  ohne 
Anatomie  gleichen  den  MaulwĂŒrfen.  Sie  arbeiten  im 
Dunkeln,  und  ihrer  HĂ€nde  Tagewerk  sind  —  ErdhĂŒgel";  d,jr 
Internist  Puchelt,  von  dem  es  heißt,  „er  Stack  mit  einem 
Bein  noch  tief  in  der  rein  symptomatologischen  Entwicklungs 
periode  der  Pathologie,  mit  dem  andern  schickte  er  sich  an. 
in  die  anatomische  einzutreten";  der  Chirurg  Chelius; 
der  geistvolle,  lebendige  Geburtshelfer  und  GynÀkolog 
X  a  e  g  e  1  e  ,  der  Kussmaul  Gelegenheit  gab,  nicht  bloß  das 
Kurieren,  sondern  auch  das  Courmachen  zu  lernen;  mein 
nebenbei  auch  der  Philosoph  Kapp,  bei  dem  ein  philosophi  - 
sches  Zwangskolleg  zwar  belegt,  aber  unschweren  Herzens 
geschwÀnzt  wurde,  was  den  guten  alten  Herrn  indes  nicht 
hinderte,  hinterher  zu  testieren:  „Mit  ausgezeichnetem  Eifer 
und  grĂ¶ĂŸter  Aufmerksamkeit".  Daß  K  u  s  s  m  a  u  1  spĂ€ter  noch 
M'hr    solide    philosophische    Studien    getrieben    und  mit 


Aristoteles  wie  mit  den  englischen  Empirikern  sich  wohl 
vertraut  gemacht  hat,  beweist  die  Einleitung  zu  seinen  „Unter- 
suchungen ĂŒber  das  Seelenleben  des  neugeborenen  Menschen" 
und  seine  klassische,  große  Arbeit  ĂŒber  „Die  Störungen  d*r 
Sprache"  (in  Ziemssens  „Handbuch"). 

Ein  neuer  Geist,  eine  neue  Zeit  brach  herein,  als  l  r 
Anatom  Jacob  Heule  und  mit  ihm  sein  Freund,  der 
Kliniker  Karl  Pfeufer,  „die  Dioskuren  der  rationellen 
Medizin",  1844  von  ZĂŒrich  nach  Heidelberg  berufen  wurden. 

Es  darf  hier,  um  eines  allgemeineren  Interesses  willen, 
daran  erinnert  werden,  daß  wenige  Jahre  spĂ€ter  ein  dritter 
ZĂŒricher,  freilich  kein  Mediziner,  sondern  der  werdende 
Dichter  Gottfried  Keller,  studierenshalber  gleichfalls 
nach  Heidelberg  kam,  sich  unverweilt,  aber  erfolglos  in  die 
Tochter  Johanna  des  oben  erwÀhnten  Philosophen  Kapp 
verliebte  und  den  starken  Eindruck,  den  ihm  H  e  n  1  e  s 
Kolleg  ĂŒber  Anthropologie  machte,  hernach  in  seinem 
„GrĂŒnen  Heinrich",  im  ersten  Kapitel  des  vierten  Bandes, 
wiedergab,  nicht  ohne  eine  maliziöse  Bemerkung  ĂŒber  die 
„damalige  Wissenschaft,  die  wie  gewöhnlich  den  bisher 
denkbar  höchsten  Stand  soeben  erstiegen  hatte". 

An  die  poliklinische  Lehrzeit  schloß  sich  die  Vorbereitung 
zur  StaatsprĂŒfung  und  diese  seihst.  „Ist  man  in  eigener 
Person  einst  mit  all  dem  vorgeschriebenen  Wissen  glĂŒcklich 
durch  die  Klippen  . . .  gesegelt,  so  begreift  man,  warum  Geni?s 
wie  Skoda  und  Dieffenbach  ...  an  den  Felsen  ge- 
scheitert sind."  Der  StaatsprĂŒfung  folgte  prompt  die  PrĂŒfung 
des  jungen  Arztes  auf  dem  eigenen  Krankenbett,  in  Foim 
eines  schweren  Gelenkrheumatismus.  „Es  gibt  viele  Ding<> 
in  der  Àrztlichen  Praxis,  die  der  wissenschaftlichen  Medizin 
gleichgiltig  sind,  aber  fĂŒr  den  KrĂ€nken  Labsal  und  Balsam: 
wer  a  u  f  dem  Krankenbette  und  nicht  bloß  a  n  ihm  geprĂŒft 
wurde,  weiß  den  Wert  eines  mitfĂŒhlenden  Blickes,  eines 
guten  Wortes  zur  rechten  Zeit  am  besten  zu  schÀtzen:  den 
Physiologen   lĂ€ĂŸt  es  gleichgiltig,   wie  die  Kissen   fĂŒr  den 


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10.  Jahrg.     Nr.  8 


Jenseits   von   Beruf   und  Amt 


XV 


Kranken  gelegt  werden,  fĂŒr  den  praktischen  Arzt  isi  es  eine 
ernste,  wichtige  Sache." 

Dann  aber  gehl  es,  nach  alter  guter  Sitte,  hinaus  in  die 
Kerne,  um   auch  anderswo  die  Kunst  zu  grĂŒĂŸen.  Ueber 
MĂŒnchen,  wo  damals  in  der  Medizin  der  Mystiker  R  i  n  g  s  e  i  s 
hI  in  der  Politik  die  Abenteurerin  Lola  Möntez  die  erste 
ige  spielte,  fuhr  und  wanderte  man  frohgemut  durch  die 
yerischen,  tiroler  und  salzburger  Berge  nach  Wien,  um  bei 
k  o  d  a  ,  R  o  k  i  t  a  n  s  k  y  .  S  e  m  m  e  I  w  e  i  s  und  anderen 
en   Honig  neuer  Erkenntnisse  einzusammeln.    Die  junge 
'iener  Schule  mit  ihrem  Skeptizismus  und  therapeutischen 
ihilismus  wird  treffend  gezeichnet:   „Bei   vielen  JĂŒngern 
Skodas  war  es  geradezu  Axiom  geworden;  Nichtstun  sei 
das  beste  in   der  inneren  Medizin.    Nun   ist  es  zwar  nach 
Sokrates  der  Anfang  der  Weisheit,  zu  wissen,  daß  man  nichts 
wisse:  aber  nichts  zu  tun,  ist  nicht  der  Anfang  der  Kunst 
Mit  der  leinen  Diagnose  und  i hier  BestÀtigung  hinterher  an 
der  Leiche  ist  dem  Kranken  nicht  gedient  ...    Lehrer  und 
SchĂŒler  vergaben  die  eigentliche  Aufgabe  der  Medizin:  das 
Heilen." 

Von    Wien   ging's   nach   Prag  zu   0  p  p  o  1  z  e  r  ;  „mit 
ruhiger  Weisheit  verzichtete  er  auf  mathematische  Gewißheit 
und  erreichte  das  Mögliche  und  Beste  durch  einfache  Mittel 
ein  Kennzeichen  tĂŒchtiger  Aerzte." 

Und  nun  zog  es  den  unermĂŒdlich  lernenden  jungen 
K  u  s  s  m  a  u  1  mit  Macht  nach  Berlin,  zu  dem  strahlend  auf- 
gegangenen neuen  Gestirn  V  i  r  c  h  o  w  ;  aber  zwei  Hemmnisse 
standen  dem  entgegen:  sein  Reisegeld  ging  auf  die  Neige,  und 
eben  war  auch  die  MĂ€rzrevolution  ausgebrochen.  Also  kehrte 
er  in  die  Heimat  zurĂŒck,  trat  als  MilitĂ€rarzt  ins  badische  Haer 
ein  und  machte  den  Feldzug  nach  Schleswig-Holstein  und. 
wenigstens  in  ihren  AusklÀngen,  als  Festungsarzt  in  Rastatt, 
auch  die  badische  Revolution  mit,  von  der  er  unvoreingenom 
men  und  verstÀndnisvoll  allerband  Bedeutsames  erzÀhlt. 

Im  FrĂŒhjahr  1850  verheiratete  er  sich  und  zog  als  prakti- 


scher Arzt  in  Kandern  im  sĂŒdlichen  Scliwaizwald  auf,  in 
.1  o  h  a  n  n  P  e  t  e  r  H  e  b  e  I  s  schönem  Heimatgau.  Wir  lernen 
Land  und  Leute  und  die  Freuden  und  Leiden  der  landÀrzl 
liehe/)  Praxis  kennen,  von  der  er  sagt:  „Die  Landpraxis  stellt 
gröbere  Anforderungen  an  die  Kraft  und  Kunst  der  Aerzte,  als 
die  Stadlpraxis  ...  In  allen  FĂ€chern  der  Medizin  soll  der 
Landarzt  gut  gesattelt  sein,  mit  gleicher  Geschicklichkeit  die 
innere  wie  die  Ă€ußere  Medizin  und  die  Geburtshilfe  ausĂŒben 
In  dringenden  FĂ€llen,  auch  der  vei  wickeltslen  Art,  deckt  ihn 
iiiemand  mit  schĂŒtzendem  Schild,  auf  eigene  Verantwortung 
muß  er  entschlossen  handeln,  wie  der  Soldat  auf  einsamem 
Posten  im  Feindesland.  Es  hat  mir  als  Kliniker  Nutzen  ge- 
bracht, durch  diese  Schule  gegangen  zu  sein,  sie  leinte  das 
Wesentliche  und  Notwendige  von  dem  Unwesentlichen  und 
Unnötigen  unterscheiden,  mit  einfachen  Dingen  auszukom- 
men und  praktisch  Erprobtes  nicht  fĂŒr  theoretisch  Empfohle- 
nes, Ungewisses  hinzugeben."  Drei  Jahre  hielt  er  den  schweren 
Anforderungen  stand;  dann  aber  erkrankte  er  an  einer  (wie 
er  damals  selbst  diagnostizierte)  „Meningitis  Lumbaris  rheu- 
matischen Ursprungs",  erlitt  eine  LĂ€hmung  heider  Beine, 
deren  Folgen  noch  Jahre  lang  anhielten,  und  entschloß  sich, 
knapp  genesen,  die  Landpraxis  aufzugeben  und  die  akademi- 
sche Laufbahn  einzuschlagen. 

Das  Schlußkapitel  berichtet,  wie  er  dann  nach  WĂŒrzhiU'g 
zu  dem  inzwischen  dorthin  berufenen  Virchow  ging, 
hernach,  um  eine  schmerzlich  empfundene  LĂŒcke  seines  Ă€rzt- 
lichen Wissens  auszufĂŒllen,  einige  Zeit  in  der  Irrenanstalt 
Ulenau  praktizierte  und  sich  ein  Jahr  darauf  in  Heidelberg 
habilitierte. 

*      *  * 

Adolf  Kus  s  m  a  u  1  war,  wie  T  h  e  o  d  o  r  F  o  n  t  a  n  <*  . 
ein  Liebhaber  und  Meister  der  Anekdote  und  erreichte  in  die- 
ser Form  eine  schlagende  Charakterisierung  von  Personen 
und  Situationen. 


TESTOG AH  THELV6AII 


fĂŒr  MĂ€nner. 


fĂŒr  Frauen. 


Seit  8  Jahren  bewÀhrte  Spezifika  anf  organ.-chemotherapeutischer  Grundlage  nach  Dr.  Iwan  Bloch 

bei  sexueller  Dyshormonie  und  Insuffizienz 

vorzeitigen    Alterserscheinungen,    Stoffwechselstörungen,    Herzneurosen,    Neurasthenie,  DepressionszustÀnden. 

Enthalten  die  Sexualhormone,  d.  h.  die  Hormone  der  Keimdrosen  und  der  Drosen  mit  innensehretlon. 


Spezielle  ^Indikationen  fĂŒr  Testogan. 

Impotenz,  Climacterium   virile,  Pro- 
statitis, Asthma  sexuale,  leichte  Er- 
mĂŒdbarkeit, Arbeitsunlust,  Periodische 
MigrÀne  und  andere  endoerine 
Störungen. 


Ordinationen: 


Dreimal  tÀglich  eine  Tablette  nach  dem 
Essen  und  eventuell  gleichzeitig  tÀglich 
bezw.  jeden  zweiten  Tag  eine  subku- 
tane oder  intraglutÀale  Injektion. 


In  Form  von  Tabletten; 
Ampullen  und  Suppositorien. 


Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Thelygan. 

Endoerine  Genitalstörungen, 
Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmen- 
orrhoe, Klimakterische  Beschwerden, 
Ausfallserscheinungen,  FrigiditÀt,  Ste- 
rilitÀt, Angstneurosen,  Infantilismus, 
univers.  part. 


Dr.  Georg  Henning,  Berlin  W  35 


Grosse  neue  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 


KurfĂŒrstenstrasse  146/147. 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  — Nr.  8 


Er  war  eine  durchaus  kĂŒnstlerische  Natur  und  hat  in 
jungen  Jahren  auch  in  gebundener  Form  Treffliches,  ja  auf 
humoristischem  Gebiet  UnĂŒbertreffliches  geschrieben,  so  die 
wunderbare  Ballade  vom  verlorenen  Sohn  „in  dem  Land 
Mesopotamium."  Viele  dieser  „komischen"  Gedichte  aus  der 
Kanderner  Zeit  und  von  nachher  hat  sein  in  dieser  Beziehung 
etwas  sehr  merkwĂŒrdiger  Freund  Ludwig  Eichrodt 
seelenvergnĂŒgt  und  ohne  weitere  UmstĂ€nde  seinen  eigenen 
Dichtungen  einverleibt. 

Die  lyrische  Muse  ist  auch  dem  alten  Herrn  nicht  ganz 
untreu  geworden.  WehmĂŒtig  und  doch  gelassen  klingt  sein 
Buch  aus  der  Jugendzeit  in  die  schöne  Strophe  aus: 

Der  Abend  verglĂŒht  und  die  Nacht  bricht  ein. 

O  flimmernder  Staub  im  Sonnenschein, 

Bald  wirst  du  im  Dunkel  verschwunden  sein. 


Hohenheims  literarische  Hinterlassenschaft.*) 

Aus  schwÀbischem  Adelsgeschlechte  entsprossen,  geboren 
Ende  1493  zu  Einsiedeln  in  der  Schweiz,  aufgewachsen  seit 
1502  zu  Villach  in  KÀrnten  unter  der  Hut  des  Àrztlichen 
Vaters,  hat  Hohenheim  italienische,  deutsche,  französische 
Hochschulen  besucht  (hat  etwa  1515  in  Ferrara  zum  Doct. 
med.  promoviert)  und  ist  nach  langen  Wanderungen  und 
Fahrten  durch  Spanien,  England,  DĂ€nemark,  Schweden, 
Bußland,  Preußen,  Polen,  Ungarn,  Kroatien  kaum  dreißig- 
jÀhrig wieder  heimgekehrt. 

Ums  Jahr  1525  taucht  er,  nach  vorheriger  Niederlassung 
in  Salzburg  (1524),  in  deutschen  Landen  am  Oberrhein  auf, 
wo  er  Kranke  heilend  und  SchĂŒler  unterrichtend  bald  da, 
bald  dort  sein  Wesen  treibt. 

Wann  er  begonnen  hat,  seine  Erfahrungen,  seine  aus  be- 

*)  Aus  Karl  Sudhoff's  Skizzen,  Verlag  F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig. 


stÀndiger  Beobachtung  geschöpften  neuen  Ideen  niederzu- 
schreiben, ist  ungewiß. 

Sicher  hat  er  schon  frĂŒhe  einzelne  medizinische  oder 
chemische  oder  sonstige  eigene  Beobachtungen  oder  wichtige 
Mitteilungen  anderer  sich  aufgezeichnet.  Auf  solchen  ge- 
legentlichen Wanderschaftsnotizen  beruhen  z.  B.  die  bei  Joh. 
Kornelius  zu  Pettau  in  der  Steiermark  zurĂŒckgelassenen 
beiden  Manualia,  die  man  als  eigentliche  „Schriften"  Hohen- 
heims nicht  betrachten  kann. 

In  frĂŒheren  Jahren  scheint  er  sich  mit  dem  Plane  eines 
großen  Gesamtwerkes  ĂŒber  interne  Pathologie  und  Therapie 
getragen  zu  haben,  welches  unsicherer  Ueberlieferung  nach 
53  BĂŒcher  zĂ€hlen  sollte.  Aus  diesem,  großen  Entwurf  sind 
uns  nur  drei  ausgearbeitete  BĂŒcher  erhalten;  das  6.  Buch  von 
den  tartarischen  Krankheiten,  das  7.  Buch  von  den  Krank- 
heiten, die  der  Vernunft  berauben,  und  das  9.  Buch  von  den 
Kontrakturen,  welche  wie  Stichproben  erkennen  lassen,  daß 
Hohenheim,  weit  davon  entfernt,  nach  dem  alten  Schlendrian 
seiner  Zeit  a  capite  ad  calcem  sein  Thema  abzuwandeln, 
verwandte  Krankheitsformen  gruppenweise  zusammenstellte 
und  in  ihrem  inneren  Zusammenhang  zu  erfassen  und  dar- 
zustellen versuchte.  An  Dispositionen  und  ĂŒbersichtlichen 
EntwĂŒrfen  ĂŒber  Geplantes  ist  sonst  im  handschriftlichen 
Nachlasse  Hohenheims  kein  Mangel;  schade,  daß  uns  gerade 
zu  diesem  großen  Werke  jede  Uebersicht  ĂŒber  die  geplante 
Anordnung  völlig  verloren  ist. 

Eng  hieran  anzuschließen  scheinen  sich  die  in  doppelter 
Bearbeitung  erhaltenen  elf  Traktate  vom  Ursprung  und  Ur- 
sachen der  Wassersucht,  Schwindsucht,  Farbsuchten,  Kolik, 
Schlag,  Taubsucht,  WĂŒrmer,  Stuhllauf,  Podagra,  Fallsucht 
und  des  kalten  Wehes. 

Doch  schon  mit  grĂ¶ĂŸeren  EntwĂŒrfen  trug  er  sich  in  der 
vorbasilianischen  Zeit.  So  gehen  die  großartigen  „parami- 
rischen"  Konzeptionen  ĂŒber  allgemeine  KrankheitsĂ€tiologie, 
wie  sie  in  der  Lehre  von  den  fĂŒnf  Entien  des  Paramirum 
primum  uns  entgegentreten,  schon  zweifellos  in  diese  Zeit  zu- 


Hochprozentiges  SalicylprÀparat 

sicher  wirksam  u.  gut  bekömmlich  auch  bei  magenempfindlichen  Patienten 

_mTI,  -tt/amc-m  Gelenkrheumatismus.MuskelrheumaĂŒsmus,  Gicht, Neuralgie, 
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Lenicet-Bolus: 
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mit  Jod;  Peroxyd;  MilchsÀure 

i.  Tabl  (C02);  (Flmr .  Goiarrb .  Kaipltls  im.). 


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und  gynaecl.  als  Ester-Dermasan  -  Vaginal  -  Tabletten:  Adnexe,  Fluor.,  Ester- 
Dermasan -Tabletten  mit  Silber  bei  Gonorrhoe  und  in  dubiösen  FÀllen. 


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II   I   r  U   II   I   II    Lenket,  Tonerdehydrat  „Reiss"  ~  49,0] 


L— —  

halĂŒtr^t  bei  Retronasalkatarrhen,  Schnupten,  auch  Heu-  und  Jod- 
schnupfen, Blephar  u.  Laryngitis,  Nasen-Zahn  Blutungen,  Haemorrhoiden. 


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Nase,  Ohren,  Haemorrh,;  Prurit.  u.  kl.  Chirurg. 

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Peru-Lenicet-Salbe  .mit  Anaesthetikum  J 

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Literatur 
und  Proben 
grutis 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


rĂŒck.  Ja,  es  scheint  mir,  als  ob  dieses  vielleicht  gewaltigste 
aller  theoretischen  Werke  Hohenheims  in  einem  Guß  vor 
Basel  bereits  vollendet  worden  wÀre  und  im  Jahre  1529/30 
höchstens  die  letzte  Feile  erhalten  hÀtte.  Jedenfalls  atmet  es 
ganz  den  jugendlichen  Enthusiasmus  des  vorwĂ€rtsstĂŒrrnen* 
den  Neuerers. 

Auch  die  Archidoxen,  das  Grundwerk  der  neuen  spezi- 
fischen Heilmethode  auf  chemischer  Basis,  sind  in  diese* 
drĂ€ngenden  Jugendzeit  verfaßt,  zugleich  mit  den  BĂŒchern 
De  Renovatione  und  Restauratione  und  dem  ersten  Buche 
vom  langen  Leben.  Auch  eine  deutsche  KrÀuterkunde  hat 
er  in  seinem  Herbarius  damals  entworfen  und  meteorologische 
und  BĂ€derschriften  vorbereitet. 

Mitten  in  diesen  schriftstellerischen  Arbeiten  traf  ihn  zu 
Straßburg  oder  zu  Neuenburg  am  Rhein  die  Berufimg  nach 
Basel,  welche  seine  AutorentÀtigkeit  auf  andere  Wege  wies. 

Noch  waren  sie  ja  nur  zum  kleinsten  Teile  auch  nur  ent- 
worfen, geschweige  ausgefĂŒhrt,  die  „medicinae,  et  physices  et 
chirurgiae,  libri,  quorum  et  ipse  auetor",  die  er  seinen  Baseler 
UniversitÀtsvorlesungen  zugrunde  legen  wollte. 

Nur  die  7  BĂŒcher  De  gradibus  et  compositionibus  reeep- 
torum  et  naturalium  waren  vielleicht  schon  im  EntwĂŒrfe  vor- 
handen, da  sie  sich  den  eben  genannten,  allgemein  pharmako- 
logischen und  therapeutischen  Schriften  direkt  anschließen, 
wenn  sie  auch  einen  mehr  ĂŒberleitenden  als  reformatorischen 
Charakter  tragen,  also  zur  EinfĂŒhrung  des  Hörers  in  das 
neue,  fremde  Anschauungsgebiet  besonders  gut  dienen 
konnten. 

Zu  Vorlesimgszwecken  ausgearbeitet  hat  Hohenheim 
weiter  die  BĂŒcher  De  Praeparationibus,  von  der  arzneilichen 
Bereitung  der  anorganischen  und  pflanzlichen  Heilstoffe, 
deren  Kollegicnheft  in  der  Mitte  abbricht;  dies  Thema  kam 
also  wohl  im  Wintersemester  1527/28  zum  Vortrag. 

Auch  ĂŒber  Purgieren  und  Aderlassen  hat  er  ein  kurzes 
Kolleg  vorbereitet  und,  anscheinend  unter  AnknĂŒpfung  an 


die  oben  genannten  „eilf  Traktate",  in  den  14  BĂŒchern  der 
Paragraphen  als  aphoristische  spezielle  Pathologie  und 
Therapie  eine  Auslese  hÀufiger  Krankheitsformen  kursorisch 
abgehandelt,  wÀhrend  er  in  dem  Liber  de  Icteritiis  eine  an- 
dere Erkrankungsform  ausfĂŒhrlicher  herausgreift  und  in  den 
zwei  BĂŒchern  De  morhis  ex  tartaro  oriundis  eine  erschöpfend«' 
monographische  Klarlegung  dieser  wichtigen,  von  ihm  neu 
aufgestellten  Àtiologischen  Krankheitsgruppe  zum  Vortrag 
bringt,  indem  er  kurze  lateinische  LeitsÀtze  diktiert  und  einen 
weitlĂ€ufigen  deutschen  Kommentar  anfĂŒgt. 

In  einem  besonderen  Kolleg,  wÀhrend  der  sonst  vor- 
lesungsfreien Hundstage  1527,  hat  Hohenheim  die  Se- 
miolik  des  Harns  und  Pulses  vorgetragen,  weiterhin  kommen- 
tierend ĂŒber  die  Aphorismen  des  Hippokrates  und  anschei- 
nend auch  ĂŒber  die  Poemata  Macri  de  virtutibus  herbarum 
gelesen. 

Als  Doktor  beider  Arznei  hat  er  auch  die  Chirurgie  nicht 
vernachlÀssigt  und,  wÀhrend  die  intemiedizinischen  VortrÀge 
teilweise  noch  lateinisch  gehalten  wurden,  rein  deutsch  ein 
Kolleg  ĂŒber  Verletzungen  der  verschiedenen  Gewebe  und  Or- 
gane und  eines  ĂŒber  Ă€ußere  chirurgische  Krankheiten  ge- 
halten, welche  uns  beide  in  mehrfachen  Nachschriften  ĂŒber- 
liefert sind  und  einen  bedeutenden  Reichtum  eigener  Erfah- 
rung und  selbstÀndige  Anschauungen  auf  diesen  chirurgi- 
schen Gebieten  erkennen  lassen. 

Wahrlich,  wenn  man  bedenkt,  daß  die  ganze  Baseler 
LehrtÀtigkeit  Hohenheims  im  höchsten  Falle  VA  Jahre,  wahr- 
scheinlich sogar  nur  10  Monate  gedauert  hat,  so  muß  man 
sagen,  daß  Paracelsus  in  dieser  kurzen  Zeitspanne,  wie  so  oft 
in  seinem  Leben,  geradezu  fieberhaft  schriftstellerisch  tÀtig 
gewesen  ist.  Und  nebenbei  hat  er  zahllose  Kranke  besucht, 
auch  mit  seinen  SchĂŒlern,  und  botanische  Exkursionen  ver- 
anstaltet, wie  ĂŒberliefert  wird. 

Doch  damit  noch  nicht  genug!  Auch  die  ĂŒbrigen  wissen- 
schaftlichen EntwĂŒrfe  haben  neben  diesen  Ausarbeitungen 


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Jenseits   von   Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


fĂŒr  die  Baseler  LehrvertrĂ€ge  nicht  geruht:  die  freie  schrift- 
stellerische Arbeit  ging  rastlos  weiter. 

Hatte  die  LehrtÀtigkeit  den  gewissenhaften  Mann  natur- 
gemĂ€ĂŸ dazu  gefĂŒhrt,  die  Summe  seiner  .Erfahrungen,  das 
Fazit  zu  ziehen,  sich  Rechenschaft  darĂŒber  abzulegen,  wie- 
weit er  denn  nun  mit  dem  Ausbau  seiner  eigenen  Gedanken 
in  Theorie  und  Praxis  gekommen  sei,  so  sehen  wir  nun  die 
FĂŒlle  seiner  Beobachtungen.  Anschauungen  und  Abstrak- 
tionen sich  in  immer  neuen  chirurgischen,  medizinischen, 
naturwissenschaftlichen  und  philosophischen  Abhandlungen 
ergießen,  immer  neue  Gußformen  fĂŒllend  mit  dem  Edel- 
metall seiner  neuen  Naturbeobachlung  aus  den  Schmelzöfen 
seiner  schaffenden  Phantasie. 

Abei  auch  jetzt  ist  er  nicht  „fertig";  ewig  bleibt  er  ein 
Werdender.  Innner  wieder  wird  aus  der  Beobachtung  in  der 
freien  Gottesnatur,  im  Laboratorium  und  am  Krankenbette 
neues  Edelerz  gewonnen,  stets  wieder  von  neuem  werden  die 
alten  Formen  eingeschmolzen  und  neue  Werke  gebildet,  wie 
z.  B.  die  Tartarusschriften  und  die  Wundarznei  in  ihren 
verschiedenen  erhaltenen  Gestalten  dartun. 


In  Basel  entstanden  neben  den  Vorlesungskonzepten  vor 
allem  die  fĂŒnf  BĂŒcher  De  vita  longa,  ein  dunkel  gehaltenes 
Werk  ĂŒber  LebensverlĂ€ngerung  und  KrankheitsbekĂ€mpfung 
durch  wirkungsvolle  Therapie.  Auch  die  Niederschriften  De 
Fodagricis  scheinen  bis  in  die  Baseler  Zeit  zurĂŒckzugreifen, 
zum  Teil  sogar  in  noch  frĂŒhere  Zeit;  in  ihnen  finden  sich 
namentlich  schon  Vorstudien  zum  Paramirum  II  und  zum 
Paragranum. 

Als  letzte  Baseier  Arbeit  möchte  ich  die  Bertheonea  be- 
ll achten,  den  ersten  Entwurf  einer  allgemeinen  chirurgischen 
Pathologie  und  Therapie,  der  ein  Torso  geblieben  ist,  haupt- 
sachlich von  Wert  als  Fixierung  seines  damaligen  Stand- 
punktes in  der  Auffassung  der  Wundinfektion  und  Wund- 
heilung, der  Entstehung  der  VerschwĂ€rungen  und  Abszeß- 


bildungen usw.  und  durch  die  kulturgeschichtlich  inter- 
essante Vorrede. 

Einen  Teil  dieser  allgemein-chirurgischen  Gedanken  hat 
Hohenheim  in  Kolmar  unter  teilweiser  Benutzung  des  schon 
vorliegenden  Textes  in  Zusammenhang  monographisch  aus 
gefĂŒhrt  in  den  7  BĂŒchern  Von  den  offenen  SchĂ€den. 

Ein  anderes,  damals  zur  Chirurgie  gezÀhltes.  Gebiet  hat 
er  gleichzeitig  in  Angriff  genommen  und  in  einer  ganzen 
Reihe  von  Schriften  behandelt,  die  Syphilis,  die  ihn  1  Vt  Jahre 
lang  in  hervorragendem  Maße,  ja  scheinbar  fast  ausschließ- 
lieh, beschÀftigt  hat  und  in  einer  ganzen  Reihe  von  Einzel- 
darstellungen ihre  Erledigung  fand  Vom  Holz  Qua  ja  k. 
Drei  BĂŒcher  von  der  französischen  Krankheit  („Impo- 
sturen"),  Acht  BĂŒcher  von  Ursprung  und  Herkommen  der 
Franzosen;  Spitalbuch  —  nachdem  er  in  Kolmar  zu  Dedi- 
kationszwecken  das  ganze  Gebiet  in  zehn  BĂŒchern  zum  ersten 
mal  in  einem  Zuge  zu  schildern  versucht  halte. 

Daß  neben  der  Syphilis  in  den  Jahren  1528 — 153t)  kein 
anderes  Thema  ihn  beschÀftigt  habe,  darf  man  jedoch  nicht 
annehmen.  ZunÀchst  hat  er  seine  Studien  tri  den  Schweizer 
und  SchwarzwaldbĂ€dern,  die  er  großenteils  schon  in  vor- 
basilianischer  Zeit  gemacht  hatte,  endgĂŒltig  zusammengefaßt 
und  den  BĂŒchern  Von  den  natĂŒrlichen  BĂ€dern  ihre  heute 
noch  erhaltene  Gestalt  gegeben.  Weiter  berichtet  die  Sage  aus 
der  (angeblichen)  Heimatstadt  seiner  Familie,  Eßlingen,  von 
reicher  alchemistischer  TĂ€tigkeit  Hohenheims  im  Jahre 
1529;  doch  selbst  angenommen,  daß  dieser  legendĂ€ren  Ueber- 
lieferung  etwas  TatsÀchliches  zugrunde  liegt,  so  scheinen  mir 
die  paar  erhaltenen  praktisch  alchemistischen  Schriften,  falls 
echt,  wesentlich  Àlteren  Datums  zu  sein. 

Dem  Zeitgeschmacke  entsprechend  hat  H  o  h  e  n  h  e  i  m 
im  Jahre  1529  die  erste  astrologische  Praktik  erscheinen 
lassen,  wie  ich  daraus  schließe,  daß  dieser  „Practica  gemacht 
auf  Europen"  ein  Nachwort  an  die  „Astronomos"  beigegeben 
ist,  welches  programmatisch  seinen  allgemeinen  astrologi- 
schen Standpunkt  klarlegt.    Vielleicht  hat  er  in  der  Eßlinger 


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4u.  Jahrg.  -  Nr.  « 


Jenseits   \  o  n    Kernt    und    A  in  t 


XIX 


Notlage  diesen  Gedanken  gefaßt.  Jedenfalls  ist  er  diesem 
Brauche  der  jÀhrlichen  Proghostikatiönen  von  nun  ab  fast 
regelmĂ€ĂŸig  treu  geblieben,  mindestens  bis  zum  JĂ€hre  1539, 
also  volle  10  Jahre:  er  scheint  an  diesen  Spielereien  seiner 
geistreichen  Laune  besonderen  Gefallen  gefunden  zu  haben 
Das  Honorarergebnis  wird  man  dabei  kaum  in  Rechnung 
ziehen  können. 

Auch  Epilepsie  und  Hysterie  scheinen  ihn  1528  -29  be- 
schÀftigt zu  haben;  wenigstens  weisen  die  Schriften  De  Ca 
dueo  und  De  Cadueo  matrieis  stark  in  diese  Zeit,  ebenso  die 
Vorarbeiten  zum  Paragranum.  Gerade  von  dieser  Sehrift  sind 
besonders  zahlreiche  erste  Ausarbeitungen  und  Konzepte  uns 
erhalten,  die  teilweise  noch  in  voller  unmittelbarer  Leben- 
digkeit an  die  Baseler  Sehlußkatastrophe  anknĂŒpfen,  wĂ€hrend 
die  fertige  Gestalt  des  bedeutenden  Werkes,  in  welchem  er 
in  scharf  pointierter  Weise  als  die  allgemeinen  Grundlagen 
Ă€rztlicher  Kunst:  Naturerkenntnis  (irdische  und  kosmische 
Physik),  Scheidekunst  und  reine,  menschenfreundliche  Ge- 
sinnung aufstellt,  aus  dem  FrĂŒhling  1530  stammt.  Dies 
grundlegende  Werk  fĂŒhrte  ihn  direkt  dazu,  die  allgemeine 
KrankheitsĂ€tiologie  von  neuem  zu  bearbeiten,  die  er  im  „Vo- 
lumen medicinae  Paramirum"  schon  Jahre  vorher  festgelegt, 
aber  nun  bei  den  Untersuchungen  ĂŒber  die  Entstehung  der 
Lustseuche  vielfach  gestreift  und  in  neue  Beleuchtungen  ge- 
bracht hatte.  Das  in  St.  Gallen  1531  in  der  Hauptsache  fertig- 
gestellte Paramirum  II  hat  denn  auch  eine  durchaus  andere 
Gestalt  angenommen,  ist  wesentlich  konkreter,  mehr  nach 
praktischen  Gesichtspunkten  gefaßt,  wenigstens  mit  dem 
hochfliegenden,  konsequent  durchdachten  philosophischen 
Jugendwerke  verglichen.  Doch  ich  will  auf  Einzelheiten 
nicht  eingehen. 

Zu  Ende  des  Jahres  1530  schiebt  sich  dann  die  Nördlinger 
Pestschrift  (Zwei  BĂŒcher  von  der  Pestilenz)  ein.  welche  wohl 
Eingebungen  des  Augenblickes  oder  dem  Wunsche  von  Nörd- 
linger Freunden  ihre  Entstehung  verdankt,  wie  die  Kometen- 


erscheinungen der  Jahre  1581  und  15:52  eine  Anzahl  kleinei 
Kometenschriften  und  Verwandtes  ins  Leben  riefen, 


Bittere  eigene  Not,  konfessionelle  Streitigkeiten  ringsum, 
durch  beide  verkörpert  „der  Menschheil  ganzer* Jammer"  ent- 
fĂŒhrten nun  fĂŒr  Jahre  zwar  nicht  den  ,, armen  Kranken"  ihren 
treuen  Arzt,  aber  der  Medizin  ihren  fleißigsten  scluillsteile 
rischen  Arbeiter  (1532  bis  1535). 

Das  Mare  magnuni  der,  philosophischen  und  theologischen 
Spekulation  verschlang  ihn  mit  seinen  Wogen.  Jedoch  will 
ich  das  Ergebnis  dieser  Abkehr  von  der  Medizin  eine  lange 
Keihe  hochbedeutender  theologischer  Abhandlungen  heute 
nicht  weiter  berĂŒhren. 

In  diesen  Jahren  erneuter  Bergeinsamkeit  ist  auch  das 
Volumen  primum  suae  philosophiae  de  divinis  operibus  el 
secretis  naturae  in  23  BĂŒchern  entstanden,  ingleichen  das 
Volumen  secundum  de  vita  beata.  Vielleicht  sind  auch  die 
durchaus  originellen  BĂŒcher  ĂŒber  die  Bergsucht  (die  Berg- 
krankheiten) in  diesen  Jahren  fertiggestellt  oder  wenigstens 
neu  durchgesehen  worden;  denn  er  erwÀhnt  ihrer  öfters 
gerade  in  den  nÀchstkommenden  Jahren  und  mag  von  Inns- 
bruck aus  auch  seine  alten  LehrstÀtten  in  den  Bergwerken 
der  Grafen  FĂŒger  im  Oberinntal  von  neuem  besucht  haben 
(1534—35). 

Wieder  auftauchend  aus  dem  Meere  des  Elends  und  der 
theologischen  Weltverlorenheit  trifft  ihn  unter  dem  Brennei 
die  heranrĂŒckende  Pest,  der  er  das  populĂ€re  Pest-BĂŒchlein  an 
die  Stadt  Sterzing  entgegenhÀlt  (1535). 

Tartarusforschungen  und  Heilquellenstudien  im  Engadin 
und  in  Pfeffers  vollenden  das  Bekehrungswerk,  und  im 
Sommer  1536  bringt  er  die  ersten  beiden  BĂŒcher  der  großen 
Wundarznei  ĂŒber  Wundheilung  und  Verschwörungen  zum 
Druck,  gießt  seine  Tartarus -Erfahrungen  und  -Gedanken  in 


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XX 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  8 


ihre  letzte  Gestalt  (fĂŒr  Pfarrer  von  Brandt  in  Eferdingen), 
packt  in  MĂ€hren  zum  letzten  Male  die  Franzosenkrankheit  an 
(als  3.  Buch  der  großen  Wundarznei,  das  ein  Torso  blieb)  und 
beginnt  im  selben  Sommer  1537  seine  Astronomia  magna  oder 
philosophia  sagax  der  großen  und  kleinen  Welt,  gleichfalls 
das  Ergebnis  einer  langen  Kette  von  Vorarbeiten  und  gleich- 
falls nicht  völlig  zu  Ende  gefĂŒhrt,  trotzdem  in  seiner  welt- 
umspannenden TotalitÀt  eine  seiner  genialsten  Konzeptionen, 
wenn  auch  ins  okkulte  Gebiet  weit  hinĂŒbergreifend.  Die 
9  BĂŒcher  De  natura  rerum  stellen  in  ihren  möglicherweise 
echten  Teilen  eine  kecke  Mystifikation  dar  —  „ich  bin  des 
trocknen  Tons  nun  satt"!  —  wie  bequem  sich  auch  ihr  okkul- 
tistisches GeprÀge  an  den  Eferdinger  Okkultistenverkehr  und 
die  „Philosophia  sagax"  anzuschließen  scheint. 

Durch  neue  KĂ€mpfe  mit  der  Mißgunst  der  Wiener  Kol- 
legen wird  Hohenheim  unsanft  auf  den  realen  Boden  zurĂŒck- 
gestoßen und  schreibt  in  den  heimatlichen  KĂ€rntner  Bergen, 
schneidig  wie  mit  der  Klinge  des  Schwertes,  seine  sieben 
Defensiones  und  den  Labyrinthus  Medicorum,  in  welchem 
uns  seine  ganze  wissenschaftliche  Persönlichkeit,  der  unge- 
beugte KĂ€mpfer  fĂŒr  die  klar  erkannten  Prinzipien  des  Fort- 
schrittes noch  einmal  in  ungeschwÀchter  Kraft  und  Frische 
als  echter  Reformator  der  Heilkunst  entgegentritt  in  seiner 
ursprĂŒnglichen  Grobkörnigkeit  und  bergquellenklaren  Rein- 
heit und  Tiefe. 

Auf  die  letzten  beiden  Lebensjahre  des  Reformators  in 
und  um  Salzburg  lassen  sich  mit  einiger  Bestimmtheit  nur 
einige  theologische  Niederschriften  verweisen,  und  wir  sind 
am  Ende  mit  diesem  chronologischen  Ueberblick  ĂŒber  Hohen- 
heims literarische  Hinterlassenschaft,  der  auch  im  Medizini- 
schen das  Erhaltene  kaum  zur  HĂ€lfte  erschöpft  —  und  wie 
gewaltig  ist  schon  dies  kurz  skizzierte  Ergebnis  seines 
Schaffens,  das  fĂŒr  ein  langes  Leben  schon  erstaunlich  genug 
wĂ€re,  um'  so  staunenserregender  fĂŒr  ein  so  kurzes,  das  mit 
47  Lebensjahren  sein  Ende  fand  und  unter  den  widrigsten 


VerhÀltnissen  bestÀndigen  Hin-  und  Herwanderns  sich  er- 
schöpfte! 

*  * 
* 

NaturgemĂ€ĂŸ  ist  dies  ruhelose  Wanderleben,  das  ja  so  gar 
nicht  passen  will  zu  wissenschaftlicher  Schriftstellern,  auf 
den  U  eberlief  erungszustand  der  literarischen  Hinterlassen- 
schaft Hohenheims  nicht  ohne  einschneidende  Einwir- 
kung geblieben. 

Wie  rasch  Hohenheim  auch  gelegentlich  produziert 
haben  mag,  so  hat  er  es  doch  durchaus  nicht  leicht  ge- 
nommen mit  seinem  literarischen  Schaffen.  Im  Gegenteil! 
Immer  und  immer  wieder  hat  er  dasselbe  Thema,  das  ihn 
einmal  gefesselt  hatte,  von  neuem  zur  Hand  genommen,  um 
es  immer  grĂ¶ĂŸerer  Vollkommenheit  entgegenzufĂŒhren. 

Wir  haben  auf  diese  Art  zahlreiche  Einzelschriften  in 
mehrfacher  Ausarbeitung  vor  uns  aus  den  verschiedenen 
Perioden  seines  Schaffens,  leider  nicht  immer  unter  Wahrung 
der  fĂŒr  den  Schaffenden  selber  wĂŒnschenswerten  KontinuitĂ€t. 
Und  daran  tragen  die  Unterbrechungen  und  FĂ€hrnisse  des 
ewigen  Wanderlebens  hauptsÀchlich  die  Schuld. 

Nicht  nur,  daß  er  frĂŒhere  EntwĂŒrfe  und  Ausarbeitungen 
ab  und  zu  als  Dedikationen  an  einflußreiche  Personen  ver- 
wendete, daß  er  eben  fertige  Werke  in  der  Hoffnung,  die 
Drucklegung  dadurch  zu  erreichen,  an  hochmögende  Stadt- 
potentaten hingab  und,  wenn  die  Hoffnung  trog,  nachher 
nicht  einmal  selber  ein  geschriebenes  Exemplar  mehr  besaß; 
er  hat  auch  manches  Manuskript  an  einzelnen  RaststÀtten  bei 
zuverlÀssigen  Leuten,  wie  er  meinte,  in  Verwahr  gegeben, 
ohne  daß  er  dessen  spĂ€ter  wieder  habhaft  werden  konnte,  und 
manches  andere  wurde  ihm  wohl  auch  entwendet  oder  geriet 
in  anderer  Weise  in  Verlust,  um  gelegentlich  nach  langen. 
Jahren  in  der  Gemeinde  seiner  JĂŒnger  wieder  aufzutauchen 
und  in  durchaus  unfertiger  Gestalt  weiter  abgeschrieben  oder 
wohl  gar  in  Druck  gegeben  zu  werden. 

Fortsetzung  folgt.) 


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anormal  erhöht.  Blutdruckes, 
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terlosclerose .  Herzneurose, 
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gesteigerten  Blutdruckes.  Be- 
ruhigung des  nervös  erregten 
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mĂŒtsverstimmung u.  Linderung 
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10.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Hohenheims  literarische  Hinterlassenschaft.*) 

(Fortsetzung  und  Schluß.) 

Daneben   sind   aber   auch   Ausarbeitungen  ĂŒberliefert, 
welche  deutlich  die  Spuren  der  Weiterentwicklung  und  Um- 
arbeitimg in  den  verschiedensten  Stadien  aufweisen,  so  daß 
sich  gut  erkennen  lĂ€ĂŸt,  wie  Hohenhei  m  mit  der  Form  der 
Darstellung  gerungen,  wie  er  gelegentlich  Àrgerlich,  wenn's 
nicht  vom  Fleck  gehen  wollte,  die  Feder  hinwarf  und  die 
Weiterarbeit  auf  eine  bessere  Stunde  verschob,  wie  er  nicht 
I  nur  Form  und  Ausdruck  glÀttete  und  klÀrte,  sondern  auch 
k  die  heftigen  StimmungsergĂŒsse  zĂŒrnenden  Augenblicks,  die 
f    er  feuersprĂŒhend  aufs  Papier  geworfen  oder  stĂŒrmisch  vör- 
sprudelnd  seinen  SchĂŒlern  diktiert  hatte,  in  klar  gestaltenden 
Zeiten  seelischer  Ruhe  endlich  maßvoll  fĂŒr  die  Veröffent- 
lichung in  ĂŒberlegter  Fassung  milderte  und  festlegte. 

Aus  allen  Stadien  der  Fertigstellung  und  Gestaltung  sind 
uns  derart  grĂ¶ĂŸere  und  kleinere  Abhandlungen,  Abschnitte 
und  Fragmente  erhalten,  verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig  Weniges  in  dem 
bei  Beginn  der  Arbeit  erschauten  Zustande  der  Vollkommen- 
heit, in  dem  er  es  an  Mit-  und  Nachwelt  hinausgeben  wollte. 

Das  muß  man  vor  allem  bei  der  Sichtung  und  Be- 
urteilung und  Wertung  von  Hohenheims  schriftstelle- 
rischem Nachlaß  festhalten.  Das  öfters  Verletzende,  Derbe 
oder  in  anderer  Weise  AnstĂ¶ĂŸige  in  seinen  sog.  „Werken" 
beruht  vornehmlich  auf  diesen  UmstÀnden,  ebenso  die 
stellenweise  Ungelenkheit  und  UnverstÀndlichkeit  des  Aus- 
druckes, ein  wie  guter  Stilist  Hohenheim  auch  anderwÀrts 


*)  Aus  Karl  Sudhoff  s  Skizzen,  Verlag  F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig. 


wieder  ist.  Ja,  er  hat  ebenso  redlich  tun  die  Form  seinei 
Abhandlungen  gerungen  wie  um  die  Erfassung  und  Ausge- 
staltung seiner  horhl'liegendcn  und-  weitschauenden  Ge- 
danken und  um  das  körperliche  und  seelische  Wohlergehen 
der  ihm  anvertrauten  Kranken.  Ein  ehrlicher  Wahrheits- 
sucher  und  -kÀmpfer  auf  allen  Gebieten  seiner  BetÀtigung! 

*      *  * 

Aber,  wie  gesagt,  fĂŒr  die  Beurteilung  und  namentlich 
fĂŒr  die  Herausgabe  seiner  Schriften  sind,  was  ĂŒber  den  Zu- 
stand ihrer  Ueberlieferung  gesagt  wurde,  ganz  besondere 
Schwierigkeiten,  die  prinzipiell  beachtet  und  im  einzelnen 
jederzeit  streng  festgehalten  werden  mĂŒssen. 

Nur  die  fertigen  Werke  sind  gerechterweise  der  Wertung 
seiner  literarischen  Persönlichkeit  zugrunde  zu  legen,  wenn 
auch  in  eine  kĂŒnftige  Gesamtausgabe  seiner  W'erke  alle  die 
vorlĂ€ufigen  EntwĂŒrfe  und  Ausarbeitungen  als  wichtig  fĂŒr  die 
Art  seines  Schaffens  und  fĂŒr  das  VerstĂ€ndnis  der  Entwick- 
lung seiner  Ideen  werden  Aufnahme  finden  mĂŒssen  mit  aus- 
drĂŒcklicher Betonung  ihres  nur  relativen  Wertes  wegen  ihrer 
unfertigen  oder  nur  ein  Durchgangsstadium  darstellenden 
Gestalt. 

Einer  derartig  abwĂ€genden,  nachprĂŒfenden,  sich  liebe- 
voll versenkenden  und  sich  fĂŒhren  lassenden  Bearbeitung  und 
Aufweisung  werden  auch  zahlreiche  der  immer  wieder  be- 
tonten WidersprĂŒche  und  Inkongruenzen  seiner  Lehre  von 
selbst  sich  lösen.  Ein  anderer  Teil  fÀllt  unter  den  Gesichts- 
punkt der  von  Tag  zu  Tag  sich  weiterziehenden  Entwicklung 
eines  nimmer  rastenden,  stets  schauenden,  suchenden  und 
grĂŒbelnden  Geistes,  dem  jede  Stunde  neue  Ausblicke  bringt 


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XII 


Jenseits  von  Beruf  nnd  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


und  jeder  Krankheitsfall  neue  Belehrung  bietet,  wÀhrend 
die  schaffende  Phantasie  des  zusammenfassenden  und  ge- 
staltenden Denkers  das  ewig  Fließende  der  neu  zuströmenden 
Erfahrungen  immer  wieder  ummodelt  und  weiterbildet, 
wenn  auch  die  Grundanschauungen  der  neuen  Weltbe- 
trachtung immer  wieder  neu  durch  die  wechselnden  Er- 
scheinungen des  Lebens  in  Mensch  und  Natur  durchblinken 
und  BestÀtigung  zu  finden  scheinen. 

Dieses  unablÀssige  Ringen  nach  Erkenntnis  in  der  Seele 
des  Reformators,  auf  höchster  Temperatur  gehalten  durch 
das  heiße  Verlangen  seines  brennenden  Herzens,  der  leiden- 
den Menschheit  Hilfe  zu  bringen,  hat  er  selbst  einmal,  bald 
am  Ende  seiner  Schaffensbahn  im  Sommer  1536  in  der  Ein- 
leitung zur  großen  Wundarznei  mit  eindringlichen  Worten 
in  schlichter  GrĂ¶ĂŸe  geschildert,  aber  trauernd  mĂŒssen  wir 
sagen,  wenn  wir  den  unfertigen  Zustand  so  mancher  seiner 
mitten  aus  gĂ€render  Zeit  ĂŒberlieferten  Abhandlungen  be- 
trachten: 

HĂ€tte  ein  widrig  Geschick  dem  stĂŒrmenden  Eiferer  und 
drÀngenden  Neurer  nicht  in  der  ewig  schönen  Stadt  an  der 
Salzach  ein  frĂŒhes  Ende  bereitet,  hĂ€tte  er  mit  der  olympi- 
schen Ruhe  eines  höheren  Alters  sein  Wissens-  und  Denk- 
gebĂ€ude harmonisch  ausfĂŒhren  können,  wie  anders  schaute 
uns  heute  das  wissenschaftliche  Antlitz  Hohenheims  an! 

Um  so  mehr  aber  bleibt  uns  Nachlebenden,  namentlich 
uns  deutschen  Aerzten,  zu  tun,  um  aus  dem  WĂŒste  des  ge- 
druckten und  handschriftlichen  Nachlasses  den  Großen  un- 
serer Vergangenheit  neu  entstehen  zu  lassen,  und  da  ist  - 
fast  schĂ€me  ich  mich,  es  hier  vor  dem  Ausland,  das  fĂŒr  die 
wissenschaftlichen  Herren  seiner  Vergangenheit  auch  in 
Medizin  und  Naturwissenschaft  in  monumentalen  Gesamt- 
ausgaben aus  öffentlichen  Mitteln  schon  so  hervorragendes 
getan  hat,  auszusprechen  —  da  ist  fĂŒr  Hohenheim 
eigentlich  fast  alles  noch  zu  tun! 

Wohl  hat  vor  mehr  als  300  Jahren  ein  erlauchtes  deut- 
sches FĂŒrstengeschlecht  in  mehreren  seiner  Mitglieder,  ange- 


weht von  der  GrĂ¶ĂŸe  des  Mannes,  fĂŒr  den  Lebenden  und  fĂŒr 
seine  Hinterlassenschaft  ewig  Preiswertes  geleistet  —  fĂŒr 
Jahrhunderte  die  Schuld  des  deutschen  Volkes  vorausbezahlt, 
indem  es  den  wertvollsten  Teil  seines  schriftstellerischen 
Nachlasses  in  Verwahr  nahm  und  eine  opulente  Ausgabe 
seiner  medizinischen,  naturwissenschaftlichen  und  philo- 
sophischen Werke  ermöglichte,  ehe  es  zu  spĂ€t  war  —  das 
erlauchte  Haus  der  Wittelsbacher. 

Heute  aber  scheint  mir  dies  auf  Zinseszins  angelegte.- 
Dankeskapital  bis  auf  den  letzten  Heller  verausgabt:  die 
jetzige  Generation  muß  dringend  Hilfe  schaffen,  daß  durch 
die  treue  Arbeit  sachkundiger  und  sprachkundiger  Gelehrter 
in  erneuter  Gestalt  erstehe  das  Lebenswerk  eines  der  grĂ¶ĂŸten 
Geister  jener  an  GeistesgrĂ¶ĂŸen  so  reichen  Epoche  der  Wieder- 
geburt der  Wissenschaften,  der,  seiner  Zeit  um  Jahrhundertc 
vorauseilend  im  stolzen  Fluge  seiner  Gedanken,  erst  von 
der  heutigen  fortgeschrittenen  Wissenschaft  völlig  be- 
griffen zu  werden  beginnt  in  seiner  ĂŒberragenden  GrĂ¶ĂŸe  - 
Theophrast  von  Hohenheim. 


Ein  Paracelsus-Roman. 

Von  Dr.  0  w  1  g  1  a  s  s. 

Die  seltsame,  hell-dunkle,  fast  mythische  Gestalt  des 
großen  Arztes,  Naturforschers  und  grĂŒblerischen  Denkers 
Theophrastus  Bombastus  von  Hohenheim,  genannt  Para- 
celsus,  hat  im  Laufe  der  Jahrhunderte  mannigfache  Bewer- 
tung gefunden.  Man  hat  ihn  zu  Lebzeiten  als  heftigen  Be- 
kÀmpfer  der  galenischen  Tradition  wiederum  heftig,  und 
zwar  mit  keineswegs  sauberen  Mitteln,  bekÀmpft;  man  hat 
ihn  gehaßt  und  verfolgt  und  gleichzeitig  auch  wieder  ge- 
schĂ€tzt und  gesucht.  Schließlich  hat  man  ihn  vergessen  oder 
bestenfalls  sehr  von  oben  herab  ĂŒber  ihn  als  einen  Charlatan, 
als  ein  unklares  Irrlicht,  abgesprochen.  Auch  die  sogenannte 
„schöne"  Literatur  macht  da  keine  Ausnahme.   Noch  Conrad 


ASPAROL:  Antineuralgkum,  Antipyretkum,  Analeptkum 


Orig.-K&hrchen  mit  10  TabL.  a  9,i  g  Mk.  6. SO.    Aoratamuater  durch  J.  E.  Stroacheln  Cham,  Fabrik  C.  m.  b.  H.,  Bar  IIa  10.  94,  Wlaaarstr.  S8t* 


  J"*  .  i  //      i  /    i  WLl  mW/   r~\ :  „   .  j_  «  i  i^.  ^  i  ^  :  J  «    ~1  ~  ^ 


Das  deutsche  natĂŒrliche  ^*-S^  Die  Qesamtalkaloide  den 
Nebennieren^Pnapanat.    Anfragen  Rad.  Ipecac.  in Tabl ettentonm. 

1  erbitten 

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Die  Spiritusseife  nach  Gehennrat  Prof.  Dis  Blaschko-Bcrlin,  und  zwar  von  medizinischen  PrÀparaten  «nfcer 

c  Hau.  carb.  det.  (Teer)  und  c.  sulfur  dep.  (Schwefel)  10°/0  W 

iiwuuiiiiiHiiiiiiiĂŒiiiiiiimniMiiianiraiaimmiitiiiiiiimmiiiiiTOiM« 


das 


nun  auch  noch 

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Sapalcol  rein  und  mit  Eau  de  Cologne  parfĂŒmiert 


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za  desinfizierenden  Waschungen  zum  Preise  von  Mk.  6*50  bezw.  Mk.  je  Tube  kann  jetzt  auch  von  Apotheken  und  Medmnel- 
Drogerien  wieder  regelmÀ&ig  abgegeben  ^werden.   Sollten  die  Verkaufsstellen  das  Verlangte  rocht  baW  *u-  Hesel  Raben,  so 

empfiehlt  sich  ettrskter  Franke-Bezug  durch  den 
  SAPALCOL-VERTRIEB,  BRESLAU  10. 


AusfĂŒhrlich»  Cxsbrouchsanweisun«  auf  Jeder  Tab«. 


FĂŒt  Krankankaaaen 


10.  Jahrg. 


Nr.  9. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


Ferdinand  Meyer  laßt  seinen  Hutten  ĂŒber  Paracelsus  ĂŒber 
ihn,  der  als  erster  an  einer  deutschen  Hochschule  in  deutschet 
Sprache  las,  der  ein  prachtvoll  knorriges  Deutsch  sprach  und 
schrieb!  —  sagen: 

„Was  spricht  der  Gast  das  liebe  Deutsch  nicht  rein 
Und  mischt  so  garst 'ge  fremde  Brocken  ein! 


Ich  dachte:  Wie  zu  dir  dein  Name  paßt! 
Bombastus  nennst  du  dich  —  und  sprichst  Bombast! 


Be- 
De- 


Erst  durch  die  unermĂŒdlichen  Forschungen  und 
mĂŒhungen  Karl  S  u  d  h  o  f  f  s  beginnt  seit  wenigen 
zennien  sein  Bild  klarer  und  klarer  aus  den  Nebeln  hervor- 
zutreten: das  Bild  des  ĂŒberragenden  naturwissenschaftlichen 
Reformators,  des  tiefen  religiösen  Denkers  und  KÀmpfers,  des 
in  seiner  ZwiespÀltigkeit  echt  deutschen  Menschen. 

Und  nun  sieht  es  sogar  beinahe  so  aus,  als  sollte  er  in 
die  Mode  kommen,  als  wollte  unsere  verworrene  Zeit,  die 
sich  nicht  mehr  zu  helfen  weiß  und  verzweifelt  nach  Okkul- 
tismus, Astrologie,  Schulen  der  Weisheit  und  Àhnlichen 
Strohhalmen  greift,  in  ihrer  Angst  und  Not  auch  diesen 
Doktor  der  Arzneikunst  und  seine  Arkana  konsultieren.  Der 
schönen,  bei  E.  Diederichs  in  Jena  vor  bald  20  Jahren  er- 
schienenen, durch  Franz  Strunz  besorgten  Neuausgabe  der 
BĂŒcher  „Paragranum"  und  „Paramirum"  ist  vor  kurzem  eine 
Auswahl  Paracelsischer  Schriften  im  Inselverlag  gefolgt. 
Aber  Vorsicht,  Herrschaften!  Holt  euch  erst  etwa  im  zweiten 
Band  von  Mauthners  „Geschichte  des  Atheismus",  im  zweiten 
Abschnitt,  Auskunft  und  Rat  ein!  Wenn  die  Finger  schon 
nicht  krÀftig  sind,  die  nach  ihm  greifen  wollen,  sollen  sie 
wenigstens  sauber  sein.  Wer  den  stolzen  Wahlspruch 
fĂŒhrte:  Alterius  non  sit,  qui  suus  esse  potest,  der  kann  keine 
Gefolgschaft  brauchen,  die  den  Satz  fĂŒr  sich  umdreht  und 
meint:  Alterius  sit,  qui  suus  non  esse  polest  .... 

Der  Dichter  E.  G.  Kolbenheye  r  ist  nicht  aus  inner- 
licher SchwÀche,  sondern  aus  innerlicher  Kraft  und  Ver- 


wandtschaft zu  Paracelsus  gekommen.    Kr  lial  ihn  geradezu 
instinktiv  erfaßt,  er  hat  ihn  erlebt  und  so  ĂŒberzeugend  ge 
staltet,  daß  wir  ĂŒber  dem  Menschen,  der  nun  leibhaftig, 

geisthaftig,  vor  uns  wandelt  und  sich  abwandelt,  die  Dich 
lung  als  solche  fast  vergessen,  last  als  selbstverstÀndlich  hin 
nehmen,  um  erst    hinterher   uns  darĂŒber  klar  zu  werden, 
welche  FĂŒlle  kulturhistorischeil  Wissens  hier  Wort  und  Bild 
geworden  ist. 

Zwei  BĂ€nde  sind  bis  jetzt  erschienen,  ,,1)  i  e  K  i  n  d  heil 
des  P a r a c e  1  s u  s"  und  „Das  Gestirn  des  Para  c  e  1  - 
sus"  (beide,  wie  alle  anderen  Werke  Kolben  heyers,  bei 
Georg  MĂŒller  in  MĂŒnche  n).  Jeden  Band  eröffnet 
eine  mĂ€chtige  OuvertĂŒre,  eine  großartige  seherische  Nachl- 
szene,  in  der  sich  sozusagen  rassenmĂ€ĂŸige,  blutbedingte  Ge- 
bnndenheit  mit  erlösnngheischender  religiöser  Sehnsucht  aus- 
einandersetzt. Dann  lernen  wir  den  Boden,  die  Zeit  und  die 
bestimmenden  KrÀfte,  die  komponierenden  Elemente,  kennen, 
aus  denen  der  kleine  Bombast  sich  herausbildet:  den  uralten 
Wallfahrtsort  Einsiedeln,  das  großvĂ€terliche  Haus,  die 
willensstarke,  unruhig-tapfere  Art  der  helvetischen  mĂŒtter- 
lichen Sippe,  den  bedÀchtigeren,  leiseren,  gehemmteren 
schwÀbischen  Vater  aus  alterndem  Geschlecht,  und  wie  das 
alles  ineinander  geht,  gegeneinander  steht.  Wir  sehen  den 
Kleinen  erwachen  und  „zunehmen  an  Alter  und  Weisheit"  — 
gezeichnet  mit  einer  Sicherheit  und  einer  FĂ€higkeit,  noch 
einmal  völlig  Kind  zu  werden,  die  rĂŒhrt  und  verblĂŒfft;  wir 
sehen  den  Knaben  hineinverwoben  in  den  schweren  Kon- 
flikt zwischen  der  geistig  erkrankten  Mutter,  dem  ernst- 
gĂŒtigen Vater  und  dem  in  seiner  zĂ€hflĂŒssigen  Art  durch- 
schĂŒttelten Großvater  „mit  dem  suchenden  Blick",  und  wie 
endlich,  nach  der  Mutter  tragischem  Tod,  Vater  und  Sohn, 
einig  in  ihrer  Liebe  zur  Natur  und  in  ihrem  Helferdrang,  in 
fremdes  Land  auswandern. 

Der  zweite  Band  zeigt  den  werdenden  JĂŒngling,  der  in- 
zwischen als  KlosterschĂŒler  von  Sankt  AndrĂ€  begonnen  hat, 
in  die  Geheimnisse  der  Chemie  einzudringen;  er  zeigt  ihn 


ĂŒ 


TORAMIN  MILANOL 


wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  Reizhuslen,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungern  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  ToranĂŒn-Tabletten  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromat.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expektorantien,  auch 
Guajakol-PrÀparaten. 


neue  chloroformlösliche  Wismut-Verbindung  fĂŒr  dermato- 
logische Zwecke, 

saubere   Anwendung   als   Salbe,   Paste,  Puder, 

Pinselung  2— 10%ig,  weder  WĂ€sche  noch  Haut 
verschmierend. 

Indikationen:  Speziell  chronische  und  subakute 
Ekzeme. 

Ferner  FĂ€lle  der  derma lologischen  Praxis,  in  denen  eine 
juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lationsbefördernde,  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keratoplastische  W'irkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


ftceionai  -  HĂ€mormoidai -zaplchen 


adstringierend,  antiseptisch, 
granu/ationsbe  fördernd, 
schmerzlindernd. 


1 


ITH 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


als  SchĂŒler  seines  Vaters  in  den  MetallkĂŒchen  von  Villach 
und  lĂ€ĂŸt  ihn  erkennen:  „Des  Menschen  Leib  ist  also  auch 
ein  Ofen,  und  brennt  ein  subtil  Feuer  in  ihm.  Das  will  ich 
aus  dem  Grund  der  grĂ¶ĂŸten  Meister  erkennen  und  also  den 
Kranken  helfen  mit  Regierung  ihres  Feuers."  Wir  hören 
Vater  und  Sohn,  der  auf  die  Hochschule  zu  TĂŒbingen  wan- 
dern will,  Abschied  nehmen:  „Du  bist  in  dein  Weg  geborn, 
der  zweiget  ab  dem  meinen.  Gang  deiner  Weg  mit  Gott,  sei 
ein  Mensch  und  such  dein  Frieden."  —  „Ich  will  mein  Frie- 
den nit."  —  „Und  wirst  ihn  dannocht  suchen.  Es  ist  keine 
Kreatur  gesatzt  zwischen  Himmel  und  Erden,  die  den  Frie- 
den also  begehret  als  der  Mann,  und  die  ihn  nindert  find't. 
Das  aber  ist  der  Weg,  der  den  Mann  ĂŒber  alle  Kreatur  hin- 
ausfĂŒhrt." Wir  erleben  die  Trostlosigkeit  des  medizinischen 
Studiums  damaliger  Zeit.  „Glaubenssatz  wurde  auf  Glau- 
benssatz gekeilt.  Puls,  Urin,  Aderlaß  und  Schröpfen,  einige 
Heilmittel  der  alten  Griechen,  von  den  Arabern  neu  be- 
schrieben, ersetzt  und  erweitert  —  alles  Bericht  und  Bericht 
des  Berichtes,  nirgends  lebendige  Anschauung."  Paracelsus 
vertauscht  TĂŒbingen  mit  Ferrara  —  gehupft  wie  gesprungen; 
er  lernt,  grĂŒbelt  und  forscht  auf  eigene  Faust,  macht  sich  bei 
einer  Pestepidemie  durch  Mut  und  Umsicht  verdient  und  er- 
wirbt den  Doktorhut.  Die  Zeit  des  Wanderns,  des  ewigen 
Landstreichens,  beginnt.  Als  Regimentsmedikus  treibt  er  sich 
in  Geldern,  in  England,  in  Paris,  Granada  und  DĂ€nemark 
herum  und  sammelt  Erfahrung  auf  Erfahrung.  Durch  Nie- 
derdeutschland, Polen  und  SiebenbĂŒrgen  zieht  er,  spĂŒrt 
â€žĂŒberall  in  den  Mauern  der  StĂ€dte  und  Schlösser,  den  Lehm- 
hĂŒtten der  Dörfer,  im  HĂ€usergewinkel  der  Judengassen,  an 
den  Feuern  der  Zigeuner  .  .  .  die  ungeschriebene,  urmĂŒtter- 
liche Heilerfahrung  und  Arznei  der  Menschen"  auf,  wird  von 
großen  Herren  als  Arzt  zu  Rat  gezogen,  von  kleinen  Lumpen 
ausgehorcht  und  bestohlen,  kommt  nach  Salzburg,  beginnt 
dort  zu  praktizieren,  wird  hinausintrigiert,  wandert  weiter 
in  den  Schwarzwald  und  nach  Straßburg,  erhĂ€lt  einen  Ruf 
nach  Basel  als  Stadtarzt  und  Professor,  kommt  daselbst  zu 


den  Humanisten  und  ihrem  Oberhaupt,  dem  allmÀchtigen, 
eitlen  Erasmus,  in  ein  zweifelhaftes  und  zu  den  Herren  Kol- 
legen sehr  bald  in  ein  ganz" und  gar  unzweifelhaftes  VerhÀlt- 
nis, wird  verleumdet,  von  einem  fĂŒrnehmen  Herrn  ums  Ho- 
norar geprellt,  pasquilliert  und  entflieht  in  einer  Föhnnacht 
den  Mauern  Basels,  um  weiter  zu  irren,  weiter  seinem  Ge- 
stirn zu  folgen  durch  dieses  schwere  Leben. 

Damit  schließt  der  zweite  Band.  Ob  der  Dichter  die 
ferneren  Jahre  und  das  einsame  Sterben  seines  Helden  in 
einem  Band  oder  in  mehreren  zum  Ziele  fĂŒhren  wird,  weiß 
ich  nicht;  es  ist  auch  gleichgĂŒltig.  Aber  das  weiß  ich,  daß 
der  Paracelsus-Roman,  wie  er  jetzt  vorliegt,  eines  jener  we- 
nigen dichterischen  Werke  ist,  hinter  denen  ein  ganzer,  ech- 
ter, seiner  Verantwortung  bewußter  Mensch  steht,  und  daß 
sein  Dichter  zu  unsren  Besten  und  GrĂ¶ĂŸten  gehört.  Möchte 
sich  jeder  Kollege,  dem  es  mit  seinem  Beruf  bitterer  Ernst 
ist,  je  nachdem,  Mut  oder  Gelassenheit  (ist  das  am  Ende 
nicht  das  gleiche?)  daraus  holen  oder  sich  doch  mindestens 
bestÀtigen  lassen. 

—  Erstmals  erregte  Kolbenheyer  Aufsehen  durch  den 
Spinoza-Roman  „Amor  Dei":  da  war  nicht  nur  eine 
grĂŒndliche  Kenntnis  des  Helden,  seines  Lebensganges  und 
Lebenswerks,  seiner  „Landschaft",  der  ZeitverhĂ€ltnisse  im 
Großen  und  Kleinen,  da  war  vor  allem  eine  starke  kĂŒnst- 
lerische und  menschliche  Persönlichkeit,  die  das  beherrschte 
„Material"  zu  einem  ĂŒberzeugenden  und  in  sich  runden 
Kunstwerk  gestaltete.  Doch  sieht  sich  der  Dichter  nicht 
bloß  auf  vergangene,  versunkene  Welten  angewiesen;  auch 
in  der  Gegenwart  steht  er  mit  festen  FĂŒĂŸen  und  hellen 
Augen,  wie  z.  B.  die  unter  dem  seltsamen  Titel  „A  h  a  1  i  - 
bama"  zusammengefaßten  drei  ErzĂ€hlungen  aus  dem 
Wien  der  Vorkriegszeit  aufweisen,  in  deren  erster  und  bester 
sprachkritische  Gedanken  seines  deutschböhmischen  Lands- 
manns Fritz  Mauthner  unverkennbar  anklingen,  vielleicht 
sogar  spontan  und  neu  aufgewacht  und  erlebt  sind. 


r 


(i 


vereinigt  in  sich 
die  entzĂŒndungshemmenden  und  antibakteriellen  Wirkungen 

desChlorcalciums  u.  HexamethYlentetramins 

und  erhöht 

die  Wirksamkeit  dieser  beiden  anerkannten  und 
bewÀhrten  Arzneimittel  in  der  Behandlung  von 

ahmen  u.  chronischen  EntzĂŒndungen 
der  Blase,  des  Nierenbeckens 
und  der  Harnuiege 


l'ackung .    Schachte,  mit  50  Tabletten  z«  0,J  g 
Dos.:    3  mal  2—3  Tabletten  in  Wasser  gelöst  zu  nehmen 


Literatur  und  Proben  zu  Diensten 

Calcion-Gesellschafft  m.b.H.,  Benin 

BUlowslr.  2-4 


i 
I 

i 


^i^'i"Hill'W'ltil1l«wiwlJflrni 


Muster  u 
Literatur 
Hostenlos. 


F  AUTH  &  Co. 

MANNHEIM 

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Herzogl.  Stahlbad  . 
Liebenstein  (S.-M.)  J 

Perle  f 
des  ThĂŒringer  Waldes 


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bÀder.   StÀrkste  Eisen- Arsen- 
Quelle  Deutschlands. 

S  p  e  z  i  a  1  k  u  r  e  n 
bei  Herz-,  Blut-,  Nerven-Frauen- 
leiden.  ErholungsbedĂŒrftige. 

Prospekte  durety 

die  ftaaeÀlretttlon 


40.  Jahrg.  —  Nr.  0. 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XV 


Goethes 

Morphologie  und  Metamorphosenlehre. 

Von  Georg  S t i ck er ,  Wurzburg. 

Ein  Bild  davon,  was  geistreichen  und  gelehrten  MĂ€nnern 
im  achtzehnten  Jahrhunderl  die  BeschÀftigung  mit  der  Bo- 
tanik bedeutete,  gewinnt  man  unter  anderem  aus  den  Briefen 
des  Leidener  Professors  Hermann  Boerhaavc  an 
seinen  SchĂŒler  und  Freund,  den  kaiserlichen  Leibarzt 
Bassand  in  Wien  (Vindobonnae  1778),  und  aus  den 
Briefen  des  Großherzogs  Carl  August  an  Goethe 
(Berlin  1918).  Es  war  ihnen  hauptsÀchlich  darum  zu  tun,  in 
dem  liebenswĂŒrdigen  Reiche  Floras  zu  angenehmer  Erholung 
des  Geistes  und  des  Leibes  zu  verkehren,  insbesondere  auch 
seltene  und  dazu  auslÀndische  GewÀchse  kennen  zu  lernen 
und  als  SchaustĂŒck  im  Garten  und  GewĂ€chshaus  zur  eigenen 
und  fremden  Augen-  und  Nasenweide  zu  hegen.  Der  zĂŒnftige 
Botaniker  jener  Zeit  pflegte  seinen  KrÀutergarten  zu 
ökonomischen  und  medizinischen  Zwecken  nach  dem  Vor- 
bilde des  mittelalterlichen  Klosterapothekers  oder  auch  nach 
der  Vorschrift  des  pÀbstlichen  Leibarztes  Andrea  Gesal- 
p  i  n  o ,  der  eine  Renaissance  der  Botanik  zu  Beginn  der 
neuen  Zeit  in  Rom  angeregt  hatte;  wenn  es  hoch  kam, 
lieferte  der  Botaniker  vom  Fach  Nacharbeiten  zu  des 
Aristoteles  und  seines  SchĂŒlers  Theophrastos  zwei- 
tausend] ahre  altem  Werk,  wobei  er  als  FĂŒhrer  einen  neuen 
großen  Geist,  Carl  von  Linne  gerne  anerkannte.  Linne 
brauchte  GehĂŒlfen  bei  seiner  Arbeit,  das  Inventar  der  gestalt- 
und  formenreichen  Natur  bis  zum  Kleinsten  aufzunehmen 
und  jeden  Naturkörper  als  etwas  fertiges  mit  bezeichnenden 
AusdrĂŒcken  zu  fixieren.  Zu  solcher  Hilfsarbeit  lockte  idealer 
Lohn;  man  konnte  durch  sie  Autor  und  sogar  Professor 
werden. 

Abseits  von  den  Liebhabern  botanischer  GĂ€rten  und  von 
den  Floraarchivbeamten   wandern   im    letzten  Viertel  des 


achtzehnten  Jahrhunderts  zwei  einsame  Denkei  durch  die 
Pflanzenwelt,  Bous  sc  au  und  Goethe.  Rousseau, 
der  die  friedlichmĂŒĂŸige  BeschĂ€ftigung  mit  der  stillen  Pflan- 
zenwelt sucht,  um  von  den  eigenen  Leidenschaften  und  von 
den  Eitelkeiten  des  Jahrhunderts  zu  genesen.  Goethe, 
dessen  staunendes  Auge  sich  an  den  Gestalten  der  Umwell 
ruhig  sĂ€ttigen  will,  aber  bald  gewahrt,  daß  die  fertigen 
Formen  der  Natur  selber  keine  Ruhe  haben,  nur  Durch - 
gangsbilder  zu  einer  stetigen  Verwandlung,  in  einem  end 
losen  Werden  und  Vergehen  sind,  rastlose  Entfaltungen 
eines  geistigen  Schöpfers,  den  Hiob  geahnt  hat:  Siehe,  El 
geht  vor  mir  ĂŒber,  ehe  ich's  gewahr  werde,  und  verwandelt 
sich,  ehe  ich's  merke.  —  Die  Schöpfung  ist  mit  dem  Sechs- 
tagewerk nicht  abgeschlossen;  das  sanfte  Wandeln  des 
Gottestages  dauert  fort  in  der  Natur,  geht  weiter  in  jeder 
Minute,  in  jeder  Sekunde,  ohne  Stillstand  und  ohne  Ver- 
alten; die  unbegreiflich  hohen  Werke  sind  neu  und  herrlich 
wie  am  ersten  Tage.  Jede  Tierbildung,  jede  Pflanzenknospe, 
das  Wolkenspiel,  der  Farbenwechsel,  ja  das  scheinbar  tote 
Gestein  am  starren  Urgebirge  wird  dem  erschlossenen  Auge 
Zeuge  lebendiger  SchöpfertÀtigkeit,  die  aus  einfachstem  Ur- 
bild zu  vielgestaltiger  Lebensmöglichkeit  nach  gemessenem 
BedĂŒrfnis  in  gesetzmĂ€ĂŸiger  Metamorphose  sich  weiter  und 
weiter  entfaltet. 

Solange  Goethe  sich  einer  schlichten  Betrachtung  der 
entwickelten  Formen,  dem  rein  morphologischen  Studium, 
hatte  hingeben  können,  wurde  der  KĂŒnstler  in  ihm  befrie- 
digt; die  augenblickliche  Zustandsform  in  ihrer  scheinbaren 
Ruhe  ist  Vorbild  und  Hauptziel  der  bildenden  Kunst.  Vor- 
aufgegangene  und  nachfolgende  Bewegung  in  der  Ruhe  dar- 
zustellen, ist  eine  spÀte  Forderung  gesteigerter  Kunst,  die 
nicht  schweigend  beruhigen,  sondern  heimlich  sprechend 
anregen  will.  Wie  diese  Ruhe  in  Bewegung  auch  unter  den 
höchsten  Voraussetzungen  leicht  zu  KĂŒnstelei  ausartet,  zeigt 
die  SpĂ€tantike  in  den  SchĂŒlern  des  Praxiteles  und  des 
Lysippos,  zeigt  vor  allem  Leonardo  da  Vincis  un- 


feufralon  Belladonna- 

Heutralon 


vorzĂŒglich  bewahrt  bei' 

Hyp&raciditÀt, 
Hyp<zrs<zkr<ztion, 
Ulcus  ventriculi 
u  duod<2.ni. 


bei  gleichzeitiger  erhöhter  Erregbarkeit 
des  Vagussysrems 


Verordnung  h/eurraion  oder  Beliadonna-Neutraion,  Originalpackung 
Dreimal  rĂ€atich  7$  Stunde  vor  den  Mahlzeiten  ITeelöt Fei  bezw.  7 Pulver  in  einem  0/O.se  Wasser  verrĂŒhrt. 
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Salbe.  (Aktive  Komplexe  von  Fe-Pbosphor-Verblndangen.) 

Antiseptische  Salbe  mit  starken  granulations- 
anregenden   und    epithelislerenden  Eigenschaften. 
Neuartiges  ionotherapeutiscbes  Mittel, 
wirkt  durch  das  Uebergewicht  an  Kationen. 

Sehr   bewÀhrt' besonders  bei:   Aeusseren  Verletzungen  (wie  Schnitt-.  Riss-,  Biss- 
und   Quetschwunden),    Frostbeulen,    Brandwunden   I.  und  Ii.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  crurls,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetiologische  Momente  hervorgerufenen  Erythemen. 


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Einlege -Pastillen  zur  vaginalen  Desinfektion. 

(m-Monomethylbenzolsulfonchlorlmld-Kalium, 
Monomethylcuprelnbihydrochlorid ,  Alumlniumacetotartrat.) 

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Dissoziiertes   Chlor   und  naszierender  Sauerstoff. 

VerbĂŒrgt 'den   Schutz,   ohne  die   Schleimhaut   zu  reizen  und  Ă€sthetisch  unange- 
nehm zu   wirken.  —   PrĂ€parat,   welches   die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor   und   Sauerstoff  alt  der  keimtötenden  Kraft  eines  Alkaloids  vereinigt. 
VorzĂŒglich  als  Schutzmittel. 


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Proben  und  Literatur  nach  Anforderung. 

Resistan  ‱^S^Sa^ÄrrT'  Berlin-Wilmersdorf  1. 

Die  Gesellschaft  hat  ihren  bisherigen  Namen  Timello-Ges.  abgeÀndert  in  Reslstan-Qes.,  wie  vorstehend. 


E2 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  9. 


befriedigtes  Hasten.  Bewegung  ist  Anreiz  zur  Forschung, 
Inhalt  der  Wissenschaft:  Wissenschaft  mit  Ruhe  nicht 
vereinbar. 

Daß  die  Idee  der  Metamorphose  bei  aller  Berechtigung 
und  EhrwĂŒrdigkeit  eine  höchst  gefĂ€hrliche  Gabe  von  oben 
sei,  bleibt  fĂŒr  Goethe  nicht  verborgen;  sie  fĂŒhre  ins  Form- 
lose, zerstöre  das  Wissen,  löse  es  auf;  sie  mĂŒĂŸte  sich  gleich 
der  Zentrifugalkraft  ins  Unendliche  verlieren,  wÀre  ihr  nicht 
ein  Gegengewicht  zugegeben,  der  Spezifikationstrieb,  das 
zÀhe  Beharrlichkeitsvermögen  dessen,  was  einmal  zur  Wirk- 
lichkeit gekommen;  eine  Zentripetalkraft,  welche  der  schein- 
bar zufÀlligen  Form  Ewigkeitswert  gebe  und  der  in  ihrem 
tiefsten  Grunde  keine  Aeußerlichkeit  etwas  anhaben  könne; 
denn  keine  Zeit  und  keine  Macht  zerstĂŒckelt  geprĂ€gte  Form, 
die  lebend  sich  entwickelt. 

Stoff  und  Form,  Organisation  und  Auflösung,  fort- 
schreitender Bildimgstrieb  und  begrenzter  Typus,  Species 
und  VarietĂ€t  erscheinen  zunĂ€chst  als  WidersprĂŒche,  sind 
aber  ausgeglichen  in  dem  endlosen  Werden  und  Wachsen 
und  Wandeln  des  Lebens,  worin  wirkliches  Sterben  und 
Vergehen  keinen  Raum  hat. 

Goethes  Gedanken  ĂŒber  den  heiligen  Kreis  lebendiger 
Bildung  in  der  Metamorphose  des  Lebendigen  blieben  seinen 
Zeitgenossen  unverstanden;  wie  denn  zu  allen  Zeiten  die 
großen  Gedanken,  welche  Naturseher  und  NaturergrĂŒnder  im 
höchsten  Sinne,  Herakleitos,  Hippokrates,  Ari- 
stoteles, Roger  B  a  c  o  n,  Leonardo  da  Vinci, 
Theophrast  von  Hohenheim  ausgesprochen  haben, 
dunkel  und  damit  der  Masse  wertlos  erschienen;  Goethes 
Gedanke  blieb  unverstanden,  nicht  nur  in  der  dichterischen 
Einkleidung,  die  er  zunÀchst  erhielt,  sondern  auch  dann 
noch,  als  er  in  grĂŒndlichen  botanischen,  osteologischen,  mine- 
ralogischen, metereologischen  Beobachtungsreihen  und  Ver- 
suchsreihen als  naturwissenschaftlicher  Leitsatz  erhÀrtet 
worden  war,  ja  in  einer  Anzahl  neuentdeckter  anatomischer 
und  physiologischer  Tatsachen  als  höchst  fruchtbar  sich  er- 
wiesen hatte.  Goethe  war  und  blieb  den  Gelehrten  wie 
der  Menge  der  Dichter.  Dichtung  und  Wissenschaft  schei- 
nen feindlich  wie  Traum  und  Wirklichkeit.    Daß  Einer  ein 


großer  Dichter  und  ein  tiefer  Naturforscher  sei,  will  der 
platte  Verstand  nicht  zugeben.  Goethe  sah  klar  den  wah- 
ren Grund,  warum  die  Herren  Gelehrten  seine  Ideen  ganz 
lĂ€cherlich  fanden  oder  sich  vielmehr  damit  begnĂŒgten,  sie 
unbeachtet  zu  lassen:  weil  ich  kein  Fachmann  bin,  sagt  er 
am  2.  Juli  1823  zum  Prinzenerzieher  Soret.  Er  Àrgerte 
sich  mehr  als  billig  ĂŒber  die  ZurĂŒcksetzung  seiner  Ent- 
deckung an  den  UniversitĂ€ten.  Er  vergaß,  daß  es  auch  in 
den  MÀnnern  der  Wissenschaft  ein  zÀhes  Beharrungsver- 
mögen gibt,  das  den  Fortschritt  der  Lehre  weislich  verzögern 
muß,  nicht  um  die  Wahrheit  zu  unterdrĂŒcken,  sondern  um 
den  Besitzstand  des  wirklichen  Wissens  vor  mutwilligen 
Eindringlingen  und  aufgeregten  SchwÀrmern  zu  sichern,  und 
daß  es  darum  sogar  mit  Recht  ein  ausgesprochener  Grund- 
satz wissenschaftlicher  Akademien  ist,  eher  eine  ablehnende 
ZurĂŒckhaltung  zu  ĂŒben,  als  eine  voreilige  Zustimmung  zu 
geben. 

Goethes  naturwissenschaftliches  Streben  ging  nicht 
verloren.  Wie  tief  er  schon  auf  Zeitgenossen  wirkte,  hÀtte 
er  an  Schopenhauer  sehen  können,  der  sich  freudig  zu 
ihm  bekannte,  oder  auch  an  manchen  anderen,  die  sich 
seiner  Gedanken  annahmen  und  sie  ausfĂŒhrten,  ohne  den 
Urheber  zu  nennen.  Im  Verkehr  mit  Alexander  von 
Humboldt  gewann  Goethe  selber  so  viel,  daß  er  wohl 
kaum  beachtete,  wie  viel  er  wiederum  gab.  Das  GestÀndnis 
Humboldts  an  Karolinc  von  W  o  1  z  o  g  e  n  „wie  ich 
durch  Goethes  Naturansichten  gehoben,  gleichsam  mit  neuen 
Organen  ausgerĂŒstet  war"  (14.  Mai  1806),  hĂ€tte  ihm  zum 
Trost  gereichen  können  in  der  Zeit,  wo  ihn  die  Einsamkeit 
quĂ€lte  und  das  GefĂŒhl,  ich  trete  die  Kelter  allein,  ungerecht 
machte.  Der  SiebenundsiebzigjĂ€hrige  erhĂ€lt  das  „Weihe- 
geschenk eines  bisher  schweigsamen  und  unbekannten  SchĂŒ- 
lers", des  25jĂ€hrigen  Johannes  MĂŒller  in  Bonn:  Zur 
vergleichenden  Physiologie  des  Gesichtssinnes  (1826).  Und 
der  AchtzigjÀhrige  darf  es  (am  24.  November  1829)  dankbar 
aussprechen,  daß  er  durch  MĂŒller  und  seine  Mitarbeiter 
frĂŒhere  Bestrebungen  und  BemĂŒhungen,  auf  die  er  so  viel 
Zeit  und  Kosten  verwendet,  nunmehr  zu  Ehren  gebracht  und 
in  der  grĂ¶ĂŸten  Breite  und  AusfĂŒhrlichkeit  zu  belehrender 


Gebrauchsfertige  Arzneiformen  deutscher  Herstellung 


Als  bequeme,zuverlÀssigeu.billige  Verordnung  bei  Krankenkassen  zugelassen 


flHfittv  Ii  II  II  Itt  A  Aflll    Rheumatismus,   Ischias,  Neur- 

W^B  II  M  II  1   1  A  X  A  II    algien,    Narbenschmerzen,  In- 
l  M  HU  Ulli  II  Uli  II    Buenza,     Pleuritis,  Hydrops 

articul.,  Gichtschmerzen, 

mentnoi-Hneumasan.  Bm^ÂŁÂŁÂŁ?sSELm. 

BMk                                »                    internes   Antigonot  i  ho» - 
■T^K                  '<Sr                     cum  und  Harnantisep 

ticum  von  diuret,  beruh  ‱ 
B^l»                                          gender  u.  die  Darmperisrai- 
Wmm  lirrncnprilt         tik  anregender  Wirkung. 

UUBIpt  w^^waM«"1«     Völlig  unschÀdlich 

BI-Ij,^         _  M         -         M  _  wie  Rheumasan  bei  hartnÀckigeren  FÀllen,  rh  on  Lumbago,  Arthritis  deformans,  tabisch 
MMmTff!y~U(K»l* llfllSl»"^^  "  Schmerzen,  Sehnenscheid r-n-EntzĂŒi  dĂŒng,  Furunkeln,  ferner  bei  Psoriasis,  Pityriasis 
^7  .                                        GynÀkologisch  als  Ester-Dermasan-Vaginal-TableHen  bei  Adnexen  etc.  und  Ester- 
■BB                krĂ€ftiges  Resorbens                   Dermasan-Vaginal-Tab  etten  mit  Silber  bei  Gonorrhoe  sowie  Fluor  dubiöser  Natur 

Eftflllicol  fp"'«er,\  HyperaciditÀt, 
BKUlUodl  iTabi.  0,5)           Ulcus  ventriculi. 

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m.                             1  san8-  '  Ruhr,  Colitis  ulc, 

Tabletten  (0,5)  und  Pulwer  Meteorismus, 

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1  eru-Lenicet=Salbe,  Lenicet-Krem  Jvor  ■  nach  stnhl 

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I  enirenin;  Lenirenin-Salbe:  Blutungen 
enirenin-Belladonna-Salbe:  Tenesmus 
Lenicet-Suppositorien ;  Lenirenin-Suppositorien. 

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■    Silber=Lenicet>Pulver|  Fissuren 

Literatur 
und  Proben 
gratis 

10.  Jahrg.  — Nr.  10. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Zwei  Wege. 

Von  A.  de  N  o  r  a. 

Mein  Freund  Rolf  GĂŒnther  hatte  mit  fĂŒnfundzwanzig 
Jahren  die  UniversitÀt  verlassen  und  war  nun  seil  zwei 
Jahren  Arzt  einer  kleinen  schlesischen  Stadt.  Ich  kannte 
sie.  Eins  von  jenen  kleinen,  unansehnlichen  Nestern,  die 
denjenigen  schrecklich  langweilen,  der  auf  ihrem  holperigen 
Straßenpflaster  und  in  ihren  rauchigen  Gasthöfen  ein  paar 
Tage  zubringen  muß.  Aber  in  ihren  alten  SackgĂ€ĂŸchen  und 
an  der  baufÀlligen  Stadtmauer  entlang  voller  Schönheiten, 
daß  man  Wochen  und  Monde  nichts  zu  tun  haben  möchte, 
als  immerfort  dasitzen  und  sie  abmalen.  Ach  was,  malen! 
Da  sind  Farben  und  Stimmungen,  Schatten  von  einer  WĂ€rme 
und  Lichter  von  einem  GlĂ€nze,  daß  es  ganz  unmöglich  ist, 
sie  auf  die  Leinwand  zu  bringen.  Daß  nichts  ĂŒbrig  bleibt,  als 
sie  mit  jener  Linse  aufzunehmen,  die  man  Auge,  und  in 
jener  Kamera  zu  bewahren,  die  man  Gehirn  nennt.  Dann 
entwickelt  eines  schönen  Tages  die  Phantasie  plötzlich 
wieder  irgendeins  der  Bilder  im  Glanz  der  Erinnerung.  Ein 
altes  Tor,  von  grĂŒnem  Efeu  umrankt,  und  davor  die 
schmutzigen  und  malerischen  Gruppen  spielender  Kinder. 
Oder  an  der  Mauer  hoch  oben  eine  hölzerne  Galerie  mit 
steilen,  engstufigen  Treppcheh  und  flatternder  WĂ€sche  ĂŒber 
dem  GelÀnder.  Oder  irgendein  modriges,  moosumsponnenes 
Eckchen,  wo  in  verwittertem  Gestein  das  Farnkraut  schwankt 
und  durch  die  Schießscharten  der  blaue  Himmel  hereinguckt. 
Das  muß  man  sehen,  wenn  man  Augen  hat,  aber  ach,  wie 
wenig  Menschen  haben  dafĂŒr  Augen.  Da  sitzen  sie  und 
schimpfen  ĂŒber  das  langweilige  Nest  und  indessen  baut  es 
sich  ĂŒber  ihnen  auf  mit  TĂŒrmchen  und  Zinnen  und  kleinen 


Fenstern  wie  eine  Dekoration  im  Theater!  Die  Gasse  hin 
unter  leuchtet  das  Mondlicht  in  einer  Perspektive,  daß  sie 
Ai  b  und  Oh  schreien  wĂŒrden,  sĂ€hen  sie  das  von  der  ersten 
Galerie  aus  beleuchtet  mit  ein  paar  weißen  elektrischen 
Reflektoren  .  .  .  aber  sie  sitzen  in  der  dumpfen  Stube  und 
das  alles  kennen  sie  nicht.  Ich  aber  kannte  es  noch,  das 
Nest,  und  die  Winkel  der  Stadtmauer,  die  GĂ€rtchcn  im 
i  estungsgraben  und  das  schöne  alte  Haus,  in  dem  GĂŒnther 
Wohnte.  Wir  hatten  uns  ach!  Jahre  nicht  mehr  gesehen, 
und  da  ich  in  die  NĂ€he  kam,  suchte  ich  ihn  auf. 

Er  schaute  mich  einen  Augenblick  zweifelnd  an,  als  ich 
sein  Sprechzimmer  betrat,  dann  streckte  er  mir  herzlich  die 
Hand  entgegen:  „Du  hier?  Schön,  daß  du  mich  besuchst. 
Wie  geht  es?" 

„Gut!  und  dir,  alter  Junge?" 

„Auch  gut,  natĂŒrlich."  Er  wurde  rot  ĂŒbers  ganze  Ge- 
sicht, so  daß  zwei  breite  Durchzieher  auf  seiner  Wange,  fast 
schon  verblaßt  und  verschwunden,  wie  frische  Striemen  auf- 
zuleuchten begannen.  Das  halte  er  noch,  daß  er  bei  jeder 
LĂŒge  rot  wurde,  und  also  log  er!  Ich  sah  es,  sagte  aber 
nichts,  sondern  schĂŒttelte  ihm  herzlich  die  Hand. 

„Das  freut  mich,  denn  ich  gönne  es  dir  wie  keinem 
anderen.    Seit  wann  bist  du  schon  hier?" 

„Seit  zwei  Jahren.  Ein  Jahr  war  ich  in  Sumatra,  wie 
du  wissen  wirst." 

„Nein,  das  wußte  ich  nicht." 

„Aber  das  Heimweh  hat  mich  hergetrieben!  Diese 
gelben,  schlitzĂ€ugigen  Gesichter,  der  ewig  gleichglĂŒhende 
Himmel,  die  langweiligen  MangrovebĂŒsche  und  all  der  tro- 
pische Durcheinander  war  mir  in  der  Seele  zuwider;  ich 
sehnte    mich,    wie.    Heine    sagt,    nach    Torfgeruch,  nach 


TORAMIN  MILANOL 


wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  Reizhusten,  hei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tabletlen  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromat.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expektorantien,  auch 
Gunjakol-PrÀ  paraten. 


neue  chloroformlösliche  Wismut-Verbindung  fĂŒr  dermato- 
logische Zwecke, 

saubere   Anwendung   als   Salbe,   Paste,  Puder, 

Pinselung  2— 10%ig,  weder  WĂ€sche  noch  Haut 
verschmierend. 


Indikationen: 
Ekzeme. 


Speziell   chronische    und  subakute 


Ferner  FĂ€lle  der  dermatologischen  Praxis,  in  denen  eine 
juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lationsbefördernde,  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keratoplastische  Wirkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


flcetonal  -  H^mormoidai  -  ZĂ€pfchen 


adstringierend,  antiseptisch, 
gran  ula  tionsb  e fördernd, 
schmerzlindernd. 


Ii: 


Ei) 


XII 


Jenseits  von  Berat  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


deutschem  Tabaksdampfe,  —  und  so  kam  ich  eines  schönen 
Tages  wieder  —  der  reinste  ,Peter  in  der  Fremde'.  Du  wirst 
mich  auslachen,  nicht  wahr?" 

„Durchaus  nicht;  es  scheint  mir  im  Gegenteil  recht  be- 
greiflich. Warst  immer  ein  spezifisch  deutscher  Geselle. 
Schollenkleber,  konservativ  bis  ins  Mark  der  Knochen  — 
wenn  ich  nur  dran  denke,  welche  MĂŒhe  wir  einmal  hatten, 
dich  in  eine  andere  Stammkneipe  zu  bringen,  obwohl  das 
Bier  in  der  unsern  kaum  mehr  zu  trinken  war.  —  Weshalb 
singsl  du  eigentlich  nach  Sumatra?" 

..Weshalb?  Ich  weiß  es  selbst  nicht.  Ich  denke,  weil 
es  mein  Alter  so  haben  wollte.  Er  schrieb  mir  eines  Tages, 
das  sei  nĂŒtzlich  fĂŒr  mich,  Reisen  bilde  den  Menschen  und 
gebe  namentlich  dem  Arzte  einen  freien  Blick,  ich  solle 
Schiffsarzt  werden,  mich  einige  Jahre  in  Borneo  oder  sonst- 
wo niederlassen  und  so  weiter.  Dazu  schickte  er  mir  Emp- 
fehlungsbriefe und  einen  tĂŒchtigen  Haufen  Kassenscheine. 
-  so  ging  ich.  —  Er  meinte  es  gut  mit  mir,  der  alte  Herr!" 

Dabei  lachte  er  verÀchtlich  und  zog  die  Augenbrauen 
grimmig  zusammen.  Tiefe  Verbissenheit  lag  in  seinen 
Worten,  und  ich  ahnte,  daß  irgend  etwas  zwischen  ihm  und 
seinem  Vater  vorgefallen  sein  mĂŒsse,  was  sich  wie  ein  Ab- 
grund zwischen  sie  schob;  aber  da  ich  mich  nicht  gerne  in 
FamilienverhÀltnisse  mische,  schlug  ich  ein  anderes 
Thema  an. 

„Jedenfalls  ist  es  besser  so."  sagte  ich.  „Du  wirst  hier 
mit  offenen  Armen  aufgenommen  worden  sein  und  hast  eine 
»ute  Praxis?" 

Er  nickte.  „Die  Leute  haben  mich  gern,  und  mit  meiner 
TÀtigkeit  wÀre  ich  ganz  zufrieden.  Ich  mag  diese  Menschen 
gut  leiden  mit  ihren  breiten,  ehrlichen  Gesichtern  und  dem 
lirdeutschen,  erdfrischen  Dialekt,  ihren  kleinen  Sorgen  und 
KĂŒmmernissen  und  altertĂŒmlichen  Begriffen,  das  paßt  mir! 
Ich  verstehe  sie,  bin  selbst  so  ein  geborener  kleinstÀdtischer 
SpießbĂŒrger,  und  sie  verstehen  mich." 

„Nun  also,"  erwiderte  ich,  „dann  bist  du  ja  glĂŒcklich! 


Mir  geht  es  lange  nicht  so  gut.  Ich  fahre  von  einem  Ort 
und  Land  zum  andern  wie  der  ewige  Jude,  bin  nirgends 
recht  zufrieden  und  nirgends  recht  unzufrieden  und  weiß 
eigentlich  nie,  fĂŒr  wen  und  fĂŒr  was  ich  arbeite.  Meiner 
Seele  geht's  wie  dem  Gretchen  im  .Faust',  unruhvoll,  weiß 
weder,  was  sie  will  noch  soll,  einmal  ist  sie  munter,  meist 
betrĂŒbt,  einmal  recht  ausgeweint,  dann  wieder  ruhig,  wie  s 
scheint,  aber  immer  verliebt.  —  Da  fĂ€llt  mir  ĂŒbrigens  ein, 
daß  du  verlobt  bist!  Lieber  Freund,  nachtrĂ€glich  meinen 
herzlichsten  GlĂŒckwunsch.  Weißt  du,  wo  ich  deine  Karte 
erhielt?  In  Paris!  Ich  war  damals  fĂŒr  eine  wissenschaft- 
liche Expedition  tÀtig,  nach  dem  Nyanzasee,  zu  der  wir  einen 
flotten  Zeichner  gebraucht  hÀtten.  Dabei  kam  ich  in  al! 
diese  Pariser  Ateliers  und  unter  die  Boheme  des  Quartier 
Montmartre  mit  ihrem  genialen  Leichtsinn,  ihren  prÀchtigen 
Ideen,  sĂŒperben  Farben  und  noch  sĂŒperberen  Weibern  —  so 
was  solltest  du  gesehen  haben,  mein  Junge,  dann  wĂŒrdest 
du  ein  um  so  besserer  Ehemann." 

Er  hatte  kein  Wort  erwidert,  weder  auf  meinen  GlĂŒck- 
wunsch noch  die  Worte,  mit  denen  mir  die  Erinnerung  an 
meine  Pariser  Abenteuer  auf  die  Zunge  getreten  war,  und  als 
ich  gar  das  Wort  Ehemann  aussprach,  ging  ein  Zucken  ĂŒber 
sein  Gesicht.  Ich  glaubte  vielleicht  sein  reines  deutsc  hes 
LiebesgefĂŒhl  verletzt  zu  haben  und  lenkte  schnell  ein. 
-Uebrigens!  Ich  zweifle  nicht,  daß  du  auch  ohne  diese  Vor 
Studien  unbestritten  ein  Mustergatte  und  -vater  werden  wirst. 
Jedenfalls  ist  deine  Braut  ein  schönes,  liebes  MÀdchen,  und 
ich  wĂŒrde  mich  freuen,  sie  kennen  zu  lernen."  Plötzlich  fiel 
mir  ein,  er  sei  wohl  schon  lÀngst  verheiratet,  denn  die  Karte 
hatte  ich  vor  mehr  als  einem  halben  Jahr  erhalten.  Viel 
leicht  beging  ich  den  Fehler,  mich  nach  allem,  nur  nicht 
nach  seiner  Frau  zu  erkundigen,  und  ganz  bestĂŒrzt  platzte 
ich  heraus:  „Oder  bist  du  schon  verheiratet?" 

Da  erhob  er  sich.  Als  hĂ€tte  er  sich  die  Antwort  mĂŒhsam 
abgerungen,  stieß  er  hervor:  „Nein!  Komm  mit!  Ich  will 
dich  in  mein  Schlafzimmer  fĂŒhren,  da  wirst  du  sehen,  da  Ii 


TEST06MI  THELYGMI 


fĂŒr  MĂ€nner. 


fĂŒr  Frauen. 


Seit  8  Jahren  bewÀhrte  Spezi  fika  auf  organ.-chemotherapeutischer  Grundlage  nach  Dr.  Iwan  Bloch 

bei  sexueller  Dyshormonie  und  Insuffizienz 

vorzeitigen   Alterserscheinungen,    Stoffwechselstörungen,    Herzneurosen,    Neurasthenie,  DepressionszustÀnden. 

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 Ordinationen :  

Dreimal  tÀglich  eine  Tablette  nach  dem 
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bezw.  jeden  zweiten  Tag  eine  subku- 
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Spezielle  Indikationen  fOr  Thelygan. 

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40.  Jahrg.  —  for.  10. 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XIII 


es  noch  eine  rechte,  echte  Jungesellenbude  ist,  und  hier  sind 
wir  ja  doch  vor  Störenfrieden  nicht  sicher." 

Wir  betraten  durch  eine  hohe,  eisenbeschlagene  TĂŒr  das 
Schlafzimmer.  Auf  den  eisten  Blick  verriet  dieser  Raum 
nichts  von  seiner  Bestimmung.  Kr  war  hoch  und  hell,  mit 
Stuckornamenten  an  den  WĂ€nden  und  einem  in  feinstem 
Zopf  ausgefĂŒhrten  Plafond,  In  der  Milte  ein  aller,  brauner 
l  isch,  bedeckt  von  BĂŒchern.  Schriften,  Schreibzeug  in  bun- 
tem Durcheinander.  Um  ihn  etliche  StĂŒhle,  zum  Teil  mit 
BĂŒchern  belegt,  zwei  BibliothekschrĂ€nke,  kleine  Pfeiler- 
tischchen an  der  Fensterseite  und  ein  von  der  Decke  his 
fast  zum  Boden  reichender  Spiegel. 

Schweigend  hatte  er  mich  hierher  gefĂŒhrt  und  bot  mir 
nun  Platz  gerade  dem  Spiegel  gegenĂŒber,  wĂ€hrend  er  die 
BĂŒcher  mit  ein  paar  Bewegungen  zusammenschob.  Das 
Ende  fies  Tisches  bedeckte  er  mit  weißer,  wertvoller  Tee- 
decke und  stellte  eine  Flasche  Medoc  und  GlÀser  vor  uns 
hin  —  alles  mit  jener  hastigen,  fast  ungeduldigen  Manier, 
die  ich  frĂŒher  nie  an  ihm  bemerkt  hatte.  Als  wir  anstießen, 
sah  ich,  daß  er  mit  dem  Entschluß  rang,  mir  etwas  anzu- 
vertrauen. '  Nahm  daher  seinen  Bechergruß  mit  bedeutsamem 
Anstoßen  entgegen  und  sagte:  „Prosit,  Rolf!  Mach  kein  so 
vertraktes  Gesicht,  und  wenn  du  was  auf  dem  Heizen  hast, 
dann  heraus  damit  und  nicht  alles  hineingefressen!  Du 
weißt,  ich  mein's  gut  mit  dir,  aber  mißmutiges  Getue  war 
mir  immer  in  der  Seele  zuwider!" 

„Hast  recht,"  entgegnete  er,  „es  soll  heraus!  Ja,  muß 
heraus,  sonst  macht  es  mich  noch  wahnsinnig!  Gleich  als 
ich  dich  sah,  dacht'  ich:  den  schickt  die  Vorsehung!  und  hah' 
mich  wie  ein  Kind  auf  den  Moment  gefreut,  wo  ich  dir  alles 
sagen  könnte!  Nun  hĂ€tt'  ich's  heinahe  wieder  nicht  ĂŒber 
die  Lippen  gebracht! 

Er  gab  mir  die  Hand. 

Ich  nahm  sie  schweigend,  denn  in  solchen  Augenblicken 
ist  jedes  Wort  zu  viel,  und  wartete. 

Er  lehnte  sich  in  seinen  Stuhl  zurĂŒck  und  schloß  die 


Augen,  mĂŒde  und  abgespannt.  Erst  jetzt  bemerkte  ii  h 
recht,  wie  elend,  wie  zerrĂŒttet  er  aussah. 

..Sieh,"  begann  er,  „auf  der  UniversitĂ€t  war  ich  ein 
ehrlicher  Kerl  mit  seradem,  offenem  Dreinschlagberzen  und 
Kraft  im  Gehirn  wie  in  den  Knochen!  Und  nun!  Welch 
ein  schlaffer,  armseliger  Kump  bin  ich  geworden,  der  sich 
schĂ€mt';  auf  die  Straße  zu  gehen,  weil  die  Leute  ihn  aUJ 
lachen,  und  zu  feig  ist.  das  Gesindel  ĂŒber  den  I  lauten  zu 
schlagen,  wie  .  .  .  Nein,  ich  will  mich  ruhig  halten  und  dir 
die  ganze  Geschichte  erzÀhlen,  sollst  mich  beichten  hören 
wie  ein  Doktor  den  Kranken. 

Also,  das  wirst  du  ja  noch  wissen,  wie  ich  dii  voi 
schwÀrmte  von  meinem  Schatz,  als  wir  in  Leipzig  waren 
von  dem  lieben  kleinen  MĂ€del  meiner  Heimat,  mit  dem  ich 
schon  als  Bube  Kameradschaft  gehalten?" 

„Ich  glaube,  sie  hieß  Lore,"  erwiderte  ich.  „Du  er- 
zÀhltest mir  viel  von  eurer  Liebschaft  im  Stadtgraben  an 
der  alten  Mauer.  Hatte  sie  nicht  lange,  braune  Zopfe  und 
(in  herzförmiges  Muttermal  auf  dem  Halse?" 

„Wie  die  Hexen,  jawohl!"  entgegnete  er  grimmig;  ..im 
Mittelalter  hÀtte  man  sie  verbrannt,  und  das  wÀre  gut  ge- 
wesen! Na  ja,  was  ich  dir  damals  von  uns  beiden  erzÀhlte, 
das  war  alles  richtig  und  wahr.  Wir  gelobten  ewige  Lieb' 
und  Treue,  schnitten  uns  Locken  ab  und  gruben  unsre 
Namen  in  eine  alte  Rotbuche  —  ganz  wie  die  großen  Leute, 
obwohl  wir  damals  erst  dreizehn  und  achtzehn  Jahre  alt 
waren.  Und  was  mich  betrifft,  hab*  ich  meinen  Schwur  auch 
gehalten!  Jedesmal,  wenn  ich  in  Ferien  kam  und  sah,  wie 
groß  und  schön  sie  wurde,  freute  ich  mich  auf  die  Zeit,  da 
sie  meine  Frau  sein  wĂŒrde,  und  wir  waren  glĂŒcklich  wie  .  .  . 
wie  ehen  nur  Verliebte  glĂŒcklich  sein  können.  In  den  letz- 
ten Ferien  vor  meinem  Staatsexamen  war  mir  allerdings,  als 
oh  sie  mich  ein  wenig  vermiede,  wir  fanden  seltener  Gele- 
genheit, heimlich  zu  sprechen;  wenn  es  geschah,  dann  nur 
auf  Augenblicke,  ein  paar  schweigende,  tiefe  KĂŒsse,  ein 
HĂ€ndedruck  —  und  vorbei!    Es  fiel  mir  auf,  aber  ich  schoh 


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XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


es  auf  Scheu  und  auf  das  Erwachen  des  .  .  .  wie  soll  ich 
sagen?  In  einem  gewissen  Alter  werden  die  MĂ€dchen  auf 
einmal  klug,  wissen,  worum  es  sich  handelt,  und  sind  stren- 
ger gegen  sich,  weil  sie  sich  selbst  fĂŒrchten.  Dann  war  ja 
auch  in  diesem  Jahr  meine  Mutter  gestorben,  und  sie  wollte 
vielleicht  aus  PietÀt  nicht  mit  der  profanen  sinnlichen  Lieb- 
stenliebe in  die  noch  zitternde  verlorene  Mutterliebe  treten 
—  kurz,  ein  Verliebter  weiß  ja  fĂŒr  die  unerklĂ€rlichsten  Dinge 
Entschuldigungen,  warimi  hÀtte  ich  anders  sein  sollen?  Ich 
ging  wieder  auf  die  UniversitĂ€t  zurĂŒck,  und  studierte  mit 
Feuereifer,  um  möglichst  bald  fertig  zu  werden  und  um  sie 
freien  zu  können." 

Hier  hielt  er  inne  und  tat  einen  tiefen  Zug  aus  dem 
Becher,  wie  wenn  er  sich  Mut  antrinken  wolle.  Auch  nie- 
dergesetzt, behielt  er  ihn  noch  in  den  Fingern  der  rechten 
Hand,  als  mĂŒĂŸte  er  sich  dran  anklammern,  Ertrinkender  an 
den  Strohhalm.  Seine  Stimme,  der  vorher  noch  GlĂŒck  der 
Erinnerung  einen  helleren  Ton  verliehen  hatte,  wurde  tie- 
fer und  dumpfer,  manchmal  murmelte  er  nur  so  in  sich  hin- 
ein. Er  fuhr  fort:  „Das  Examen  ging  gut.  Ich  wollte  gleich 
danach  heim  eilen,  aber  "  ;fi  der  ['eufel,  wie  es  kam,  nach 
drei  Wochen  saß  ich  noch  in  dem  verfluchten  Leipzig.  Be- 
sann mich,  ob  ich  nun  in  die  Praxis  gehen  oder  erst  eine 
Weile  Assistenzarzt  werden  sollte  —  da  erschien  plötzlich 
jener  Brief  meines  Vaters,  der  mich  nach  Sumatra  schickte 
Abenteuerlust  habe  ich  nie  gehabt,  aber  ohne  recht  zu 
wissen,  warum,  vielleicht  nur,  weil  ich  eben  auch  nicht 
wußte,  warum  nicht,  ging  ich.  Von  der  Lore  verabschiedete 
mich  ein  langer  Brief,  worin  ich  erklĂ€rte,  ich  wĂŒrde  nach 
meiner  RĂŒckkunft  um  ihre  Hand  anhalten,  und  wie  ich  mich 
darauf  freue  und  so  weiter  —  dann  segelte  ich  ab." 

Seine  Stimme  flĂŒsterte:  „Weißt  du,  warum  ich  nach 
Sumatra  geschickt  wurde?  Damit  ich  das  gelbe  Fieber  krie- 
gen sollte." 

Er  lachte.  „Aber  ich  bekam  es  leider  nicht:  hingegen 
das  Heimweh,  das  oft  noch  schlimmer  als  das  gelbe  Fieber 


—  und  eines  Tages  stand  ich  wieder  hier  auf  dem  alten, 
holperigen  Pflaster.  Wenn  ich  an  die  Gesichter  denke,  als[ 
sie  mich  so  unvermutet  zurĂŒckgekehrt  fanden!  Aber  ich[ 
Narr  merkte  nichts.  Ich  war  ja  so  glĂŒcklich,  wieder  daheim 
zu  sein,  so  glĂŒcklich!  Die  Steine  des  Bodens  hĂ€tt'  ich  kĂŒs- 
sen mögen!  Mein  erster  Gang  war  zur  Lore!  Ich  fand  mei- 
nen Vater  bei  ihr,  was  mir  höllisch  unangenehm  war,  denn 
er  ertappte  mich  so  auf  frischer  Tat,  das  heifit  bei  der  Tat- 
sache, daß  ich  ihn  spĂ€ter  aufgesucht  hĂ€tte  als  das  MĂ€dchen, 
mit  dem  ich  noch  gar  nicht  verlobt  war.  Aber  ich  log  mich 
trefflich  heraus,  fiel  ihm  um  den  Hals  und  kĂŒĂŸte  ihn  tĂŒch- 
tig. Er  war  zwar  nicht  angenehm  ĂŒberrascht  von  meiner 
Ankunft,  aber  er  schĂŒttelte  mir  doch  freundlich  die  Rechte 
und  sagte  Komplimente  ĂŒber  mein  Aussehen  und  meine  Er- 
scheinung. Der  Lore  kĂŒĂŸte  ich  mit  einem  bedeutsamen 
Druck  die  Hand.  Sie  sah  wundervoll  aus,  groß,  schlank  und 
ĂŒppig,  nur  ein  wenig  blaß  und  ihre  Hand  war  kĂŒhl.  Dann 
gingen  der  Alte  und  ich  zusammen  fort,  und  ich  erzÀhlte, 
daß  ich  mich  jetzt  hier  niederlassen  wolle,  daß  mich  das 
Leben  ohne  Zweck  und  Stetigkeit  nicht  mehr  befriedige,  daß 
ich  meine  Kenntnisse  verwerten  wolle,  und  was  dergleichen 
mehr  war.  Kurz,  wenn  auch  nicht  zur  großen  Freude,  so 
doch  ohne  irgendeinen  Vorwurf  seinerseits  blieb  ich  und 
richtete  mich  hÀuslich  ein.  Dies  Haus  hier  gehört  nÀmlich 
mir  als  mĂŒtterliches  Erbe,  wĂ€hrend  er  und  die  Schwestern 
in  dem  anderen  wohnen,  das  sein  Eigentum  ist." 

Er  schwieg  abermals  und  starrte  eine  Weile  vor  sich 
hin.  Mit  der  Hand  wischte  er  sich  ein  paarmal  ĂŒber  die 
Augen,  als  wollte  er  irgendeine  hartnÀckige  Fliege  verjagen, 
dann  fuhr  er  weiter  fort:  „Das  ging  nun  anfangs  ein  wenig 
durcheinander.  Ich  bin  mit  der  halben  Stadt  verbrĂŒdert  und 
verschAyÀgert,  und  sechs  Monate  lang  hatte  ich  fast  nichts  zu 
tun,  als  Besuche  zu  machen.  Die  Praxis  ließ  sich  gleich  sehr 
gut  an.  ich  mußte  viel  arbeiten,  namentlich  bei  den  armen 
Leuten,  und  kam  oft  vor  acht,  neun  Uhr  abends  nicht  zur 
Ruhe,    Lore  sah  ich  infolgedessen  selten,  aber  so  oft  ich  sie' 


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Jenseits  von  ßeful  und  Amt 


XV 


sah,  schien  si  ■  mir  zurĂŒckhallend  und  verlegen;  und  wie 
das  böse  Gewissen  peinigte  mich  der  Gedanke:  sie  erwartet, 
dal!  du  um  sie  anhÀltst,  und  du  tust  nicht  dergleichen,  als 
hÀttest  du  ihr  einmal  die  Ehe  versprochen.  Daher  raffte  ich 
mich  eines  Tages  gewaltig  auf  und  erzÀhlte  zunÀchst  mei- 
nem Alten  die  ganze  Geschichte,  wie  wir  uns  seit  Jahren 
gern  hĂ€tten,  wie  es  nun  endlich  an  der  Zeil  sei,  daß  ich  sie 
Beirate,  und  wie  ich  in  den  nÀchsten  Tagen  zu  ihr  hingehen 
wolle,  um  sie  anzuhalten.  Er  hörte  mich  ruhig,  um  seine 
Lippen  aber  zuckle  ein  faunhaftes  LĂ€cheln.  Schließlich  gab 
er  mir  recht,  sagte,  er  wolle  die  Eltern  selbst  ein  wenig  vor- 
bereiten und  nahm  mir  das  Versprechen  ab,  vor  Ablauf  einer 
Woche  mich  nicht  mehr  im  Hause  meiner  Braut  sehen  zu 
lassen.  Das  tat  ich.  Nach  dieser  Woche  machte  ich  meinen 
Antrag.  Die  Eltern  gaben  ihre  Zustimmung,  Lore  kĂŒĂŸte 
mich  zum  erstenmal  öffentlich,  dann  fand  ein  kleines  Diner 
statt,  und  wir  verschickten  die  Karten.  Heiraten  sollten  wir, 
sobald  die  Aussteuer  und  alles  in  Ordnung  sein  wĂŒrde.  Nun 
gab's  natĂŒrlich  vielerlei  Arbeit,  von  der  ich  keine  Ahnung 
gehabt,  bei  den  GeschÀftsleuten  herumgehen,  stundenlang  in 
LĂ€den  stehen  und  Waren  aussuchen,  ĂŒber  Anschaffungen 
debattieren  und  Rat  schlagen  —  kurz,  die  Liebe  trat  vor  dem 
Envst  des  Lebens  etwas  in  den  Hintergrund.  Nur  zuweilen 
konnte  ich  Lore  so  recht  allein  erwischen  und  nach  Herzens- 
lust kĂŒssen.  Anfangs  war  sie  noch  etwas  scheu  und  zurĂŒck- 
hallend, ein  paarmal  aber  kĂŒĂŸte  sie  so  wild,  so  lĂŒstern,  so 
eigentĂŒmlich,  daß  es  mir  auffiel  und  ich  mich  fragen  mußte: 
*  r  hat  sie  so  kĂŒssen  gelehrt?  Wer?  Ich  lachte  schließlich 
immer  wieder  ĂŒber  mich  selbst  und  meine  Torheit  und  be- 
antwortete meine  Frage  mit  der  Phrase  ,die  Liebe'.  O  ich 
Tor,  ich  Narr,  mit  Blindheit  geschlagener  Irre!  Wochen-, 
monatelang  lief  ich  mit  diesem  Wreib  am  Arme  durch  die 
Gassen,  zum  GelÀchter  der  Leute,  bis  ich  alles  erfuhr.  Und 
wie  erfuhr!  Brockenweise,  zögernd  herausgepreßt  aus  feige 
zitternden  Lippin,  mit  allerlei  Schnörkeln  und  beschönigen- 


den  Redensarten  verhĂŒllt,  so  schonend,  mitleidsvoll,  zart- 
fĂŒhlend  ah!" 

Er  preßte  den  feinen  Fufl  des  Weinglases  so  wĂŒtend 
/wischen  den  l  ingern,  daß  er  brach  und  der  Kelch  wie  ein 
abgeschlagener  Kopf  auf  das  Tischtuch  rollte,  wÀhrend  der 
verschĂŒttete  Hotwein  gleich  einer  Blutlache  niedi rieselte. 

„Teufel,"  rief  er  aus,  „gerade  so  hĂ€tte  ich  ihr  das  Ge- 
nick brechen  Sollen,  der  HĂŒndin!  Mit  meinem  Vater  hatte 
sie 's,  mußt  du  wissen,  mit  meinem  Vater!  Gleich  nach  MĂŒl- 
lers Tod  hatte  er  sich  herangemacht,  sie  tÀglich  besucht,  sie 
waren  zusammen  spazieren  gegangen,  ausgefahren,  alle  Welt 
hatte  von  ihrer  bevorstehenden  Verlobung  gesprochen.  Mein 
Vater  war  noch  hĂŒbsch,  und  die  Weiber  verstand  er;  er 
hatte  Lore  bald  soweit,  als  er  sie  wollte,  und  es  wÀre  nichts 
im  Wege  gestanden,  wenn  nicht  ich  gewesen  wĂ€re.  Da  wußte 
er  ein  Mittel.  Schickte  mich  auf  Reisen,  weit  fort,  in  die 
schönen  LÀnder,  wo  Menschen  und  Fieber  gelb  sind,  und  wo 
so  mancher  EuropÀer  sich  den  Tod  oder  lebenslÀngliches 
Siechtum  holt.  Nicht  wahr,  aer  Gedanke  war  gut?  Aber 
leider  machte  ich  den  dummen  Streich,  wiederzukehren,  und 
bewarb  mich  gar  noch  um  meines  Vaters  Geliebte.  Ein 
anderer  wÀre  in  Verlegenheit  gekommen,  aber  er.  der  gute 
Spekulant,  ließ  sich  gar  nicht  aus  der  Fassung  bringen: 
konnte  sie  nicht,  auch  als  meine  Frau  seine  Geliebte  bleiben? 
Jetzt  erst  begriff  ich  sein  damaliges  faunisches  LĂ€cheln,  jetzt 
wußte  ich.  weshalb  ich  ihm  bei  meiner  Ankunft  so  unbequem 
gewesen,  jetzt  erkannte  ich,  warum  er  stets  so  zÀrtlich  und 
liebevoll  mit  seiner  »Schwiegertochter  war,  und  warum  ich 
ihn  so  oft  in  ihrem  Hause,  allein  mit  ihr,  antraf!  Es  war 
zum  Rasendwerden,  sage  ich  dir,  und  den  ersten,  der  mich 
auf  die  Spur  leitete,  hÀtte  ich  erschlagen,  wenn  er  nicht  ge- 
flohen wÀre!  Allem  alles  war  richtig,  keine  Silbe  erlogen; 
und  weißt  du,  von  wem  es  mir  bestĂ€tigt  wurde?  Von  ihr 
selbst!  Ich  sehe  sie  noch,  wie  sie  kalt  und  ruhig  am  Tische 
stand  und  meine  VorwĂŒrfe  beantwortete.     Ehe"  ich  zu  ihr 


YATREN 


(Jodderivat  des 
Benzolpyridins) 

das  ungiftige,  wasserlösliche  Tief  enantiseptiknm 

Vernichtet  in  5  9/„  Lösung  in  3  Stunden  MiUbrandsporen  :  Gen.  Oberarzt  Pro- 
fessor Dr.  H.  Biscboff. 

Wirkt  nicht  hÀmolytisch,  schSdigt  nicht  die  phagozytÀre  Kraft  der  Leukozyten, 
stört  nicht  die  Bildung  von  agglutinierenden  Antikörpern.  Oberstabs- 
arzt Dr.  Dietrich,  Kaiser- Wilhelm-Institut  f.  exp.  Therapie.  Dahlem. 

Der  Heileffekt  des  YATRENS  beruht  in  seiner  Doppelwirkung  von  bakterizider 
Kraft  und  der  gewebereizenden  Anregung  zur  Granulation  (Zellakti- 
vierung): Prof.  Sonntag,  Chir.  Oniv.-Klinik,  Leipzig,  Dr.  Finger  Chir 
Unlv.-Klinik,  Berlin. 

Indikationen : 

Wundbehandlung,  Fluorbehandlung,  Diphtherie  und  Anginen.  Konservierung  von 
Sera  (Hinz,  tierÀrztl.  Hochschule,  Berlin). 

Handelsformen : 

Yatrer.  puriss.  Yatrenwundpulver.  Yatrenpuder,  Yalrenga/e,  Yatrentampons, 
Yatren-NoftkestÀbchen,  Yatrenpillen  zu  0,25  g. 


YATREN 


als  Schwellenreiz- 
mittel nach  Zimmer 
fĂŒhrendes  Mittel  der  im  spezifischen  Reiztherapie 
Yatren-Lösung  5%. 

Kombinierte  Schwellenreizmittel; 
Yatren-Casein  schwach:  2V,  %  Yatren  +  2VS  »/„  Casein. 
Yatren-Casein  stark:  2Va%  Yatren  +  s%  Casein. 

In  Ampullen  zu  1,  5,   10  und  20  cem  zur  subkutanen  ,  intramuskulÀren  und 
intravenösen  Injektion.  —  Leichte  Dosierbarkeit. 
Starke  Herdwirkung  bei  geringer  Störung  des  Allgemeinbefindens. 

Garantie  der  absoluten  SterilitÀt  durch  die  bakterizide  Kraft 
des  Yatrens. 
Innerliche  Gaben : 

Bei  chronischen  Gelenkerkrankungen  und  Muskelrheumatismus:  Dr.  Zimmer, 
Dr.  Prinz,  Chir.  Univ.-Klinik,  Berlin,  —  bei  Amöbendysenterie  und  Dick- 
darmgeschwĂŒren: Yatren  PrĂ€parat  Nr.  105,  Professor  Dr.  MĂŒhlens. 
Institut  fĂŒr  Schiffs-  und  Tropenkrankheiten,  Hamburg. 


Unter  stĂ€ndiger  bakteriologischer  und  biologischer  Kontrolle.  —  Proben  und  Literatur  gratis 

Westlaboratorium  Hamburg-Berlin  *  Hamburg,  Billbrookdeich  42 

llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll  IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIMIIMIIIIIIIIIIIinil  IIIMMMIIIIimi  >  III!  lilllill  Il»im.l.l  „„....„.m.n.Znn,  


Resistan- 

Salbe.  (Aktive  Komplexe  von  Fe-Phosphor-Verblndungen.) 

Antiseptische  Salbe  mit  starken  granulations- 
anregenden   und    eplthelisierenden  Eigenschaften 
Neuartiges  ionotherapeutisches  Mittel, 
wirkt  durch  das  Uebergewlcht  an  Kationen. 

f.?A   neW.Ă€h['  bes,onders  bei:  Aeusseren  Verletzungen  (wie  Schnitt-.  Riss-,  Biss- 
und  Quetschwunden),   Frostbeulen,   Brandwunden  1.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
uecubltus,  Ulcus  cruris,  Impetigo.  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetiologische  Momente  hervorgerufenen  Erythemen. 


Agressit- 

Einlege-Pastillen  zur  vaginalen  Desinfektion. 

(m-fflonomethylbenzolsulfonchlorimid-Kalium, 
Monomethylcupreinbihydrochlorid  ,  AluminiumacetotartraL) 

Sicherstes  Entkelmungsmittel  auf  neuem  Prinzip : 
Dlssoziiertes   Chlor  und  naszierender  Sauerstoff. 

VerbĂŒrgt  den  Schutz,  ohne  die  Schleimhaut  zu  reizen  und  Ă€sthetisch  uaange- 
nehm  zu  wirken.  —  PrĂ€parat,  welches  die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor   und   Sauerstoff  Bit  der  keimtötenden   Kraft  eines  Alkalolds  vereinigt 
VorzĂŒglich  als  Schutzmittel. 


Proben  und  Literatur  nach  Anforderung. 

Resistan  Ă€Tn!ls,chVL«h.r pJÄ2 m.cb"«.',e,  Berlin-Wilmersdorf  1. 

Die  Gesellschaft  hat  ihren  bisherigen  Namen  Timello-Ges.  abgeÀndert  in  Resistan-Ges.,  wie  vorstehend. 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg. —  Nr.  10. 


ging,  nahm  ich  Messer,  SchlĂŒssel  und  Revolver  aus  der 
Tasche  —  um  nicht  in  Versuchung  zu  kommen,  sie  zu  mor- 
den. Aber  als  sie  mir  gelassen  erzÀhlte,  wie  alles  gekommen, 
daß  sie  ein  armes  MĂ€dchen  sei,  daß  sie  geglaubt  habe,  ich 
wĂŒrde  sie  vergessen,  und  dann,  als  ich  um  sie  anhielt,  daß 
sie  aus  Mitleid  nicht  habe  nein  sagen  wollen  —  aus  Mitleid, 
hörst  du  aus  purem  Mitleid  .  .  .  oh,  da  fĂŒhlte  ich,  wie 
ich  mit  diesen  meinen  HĂ€nden  sie  erdrosseln  mĂŒĂŸte,  wenn 
ich  nicht  fortginge  und  ich  ging." 

Ein  Zittern  lief  durch  seinen  Körper  wie  der  Frost  eines 
heftigen  Fiebers,  seine  Stirn  sank  vorwÀrts  auf  den  Tisch, 
wie  ein  Tier  heulte  er  auf. 

Der  ganze  große  starke  Mensch  bebte,  und  ein  Schluchzen 
so  wild,  so  tief  elend  entrang  sich  seiner  Brust,  daß  ich 
MĂŒhe  hatte,  an  mich  zu  halten. 

Ich  nahm  seinen  lieben,  mÀchtigen  Körper,  wie  man  ein 
Kleines  Kind  in  die  Arme  nimmt,  und  bettete  seinen  Kopf 
in  meinen  Schoß,  vor  dem  er  kniend  niedergesunken  war. 
und  ließ  ihn  weinen. 

Dann  sagte  ich  endlich:  „Komm,  armer  Junge,  sei  tapfer' 
Ich  beklage  dich  tief,  aber  mit  Weinen  werden  solche  Ge- 
schichten nicht  beendet,  du  mußt  einen  Ausweg  suchen." 

Er  raffte  sich  ein  wenig  empor.  ,.Ja,  einen  Ausweg," 
flĂŒsterte  er. 

„Und  der  einzige  ist  der",  fuhr  ich  fort,  „daß  du  auf  der 
Stelle  von  hier  fortkommst.  In  diesen  VerhÀltnissen,  unter 
diesen  Menschen  darfst  du  nicht  bleiben!  Am  besten  wÀre 
es,  du  ließest  alles  stehen  und  liegen,  wie  es  ist,  und  gingest 
augenblicklich  mit.  Ich  reise  in  acht  Tagen  nach  Spanien, 
wir  können  aber  eben  so  gut  in  acht  Stunden  fort.  Geld 
genug  hast  du  ja,  und  je  .weniger  Besitz  dich  an  dies  Nest 
erinnert,  desto  besser." 

Er  hatte  sich  erhoben  und  seinen  frĂŒheren  Platz  ein- 
genommen, nur  seine  beiden  HĂ€nde  blieben  in  den  meinen. 
Er  drĂŒckte  sie  fest,  schĂŒttelte  aber  den  Kopf. 


„Es  geht  doch  nicht,  ich  könnte  das  Heimweh  nicht 
ĂŒberwinden." 

Aber  ich  ließ  mich  nicht  irremachen:  „Das  Heimweh  — 
schließlich  sind  wir  doch  keine  Kinder  -  -  muß  sich  ver- 
lieren, und  dein  letztes  ist  am  Ende  doch  nur  Liebessehn- 
sucht gewesen.  Auch  du  wirst  es  verwinden,  sobald  du  je 
inand  um  dich  hast,  die  Heimat  zu  ersetzen,  wie  mich.  Denn 
ich  werde  dich,  mein  lieber  Junge,  nicht  verlassen." 

Da  stand  er  auf  und  ging  ein  paarmal  im  Zimmer  aui 
und  ab  mit  seinen  großen,  tölpischen  Schritten,  ĂŒber  die  wir 
ihn  oft  gehĂ€nselt,  und  ich  sah,  daß  er  mit  einem  Entschluß 
rang.  Endlich  blieb  er  stehen  und  legte  seine  HĂ€nde  auf 
meine  Schulter. 

„Du  hast  recht",  sagte  er.  „Es  gibt  nur  zwei  Wege,  und 
ich  will  dir  auf  dem  deinen  folgen,  aber  nicht  gleich,  nicht 
auf  der  Stelle." 

„Warum  nicht?" 

„Meiner  Patienten  wegen",  antwortete  er;  „ich  kann  sie 
nicht  plötzlich  im  Stiche  lassen.  Da  ist  zum  Beispiel  ein 
altes  MĂŒtterchen,  das  von  mir  Rettung  fĂŒr  ihren  einzigen 
Sohn  erwartet  .  .  .  und  da  ist,  draußen  vor  dem  Westertore, 
so  ein  kleiner,  krĂŒppeliger  Schuster,  dessen  Kind  ich  jĂŒngst 
operiert  habe,  und  dann  noch  ein  paar  .  .  .  ich  kann  ihnen 
nicht  davonlaufen  wie  ein  Dieb  in  der  Nacht,  ich  muß  ihnen 
Hilfe  oder  einen  Ersatz  schaffen.  Das  siehst  du  doch  ein? 
Das  will  ich  noch  in  Ordnung  bringen,  und  dann  komme 
ich  gewiß;  wo  willst  du  mich  erwarten?" 

Der  gute  Mensch  rĂŒhrte  mich.  Selbst  in  seinem  tiefsten 
Elend  dachte  er  noch  an  das  Elend  anderer  Leute,  und  seinei 
eigenen  Rettung  zog  er  noch  die  Rettung  von  ein  paar  armen 
Teufeln  vor,  die  mit  einem  Vergeltsgott  lohnen  —  aber 
ich  konnte  nicht  abschlagen  und  willigte  ein. 

Wir  beschlossen  noch,  wann  und  wo  wir  uns  treffen 
wĂŒrden,  dann  reiste  ich  ab. 

Drei  Tage   spĂ€ter   erhielt    ich    folgenden  Brief:  „Mein 


GU3  jdCGtill  l  Urrhen^der  Luft- 
wege,   ErkÀltungs-    und  Infektions- 
krankheit. In  Pulver-  u.Tableltenform 
Packungen  mit  25,  50  u.  100  Tabletten 

fllMACan*  Sedativum  u.  Hypno-  1 
l|UICSdll>  ticum  in  FĂ€llen  leich-  ■ 
terer  Asomnie  sowie  Erregungs-  und  1 
DepressionszustÀnden. 

10  Tabletten  a  0,55  gr. 

UiflPfll  *    Zur  Herabsetzung  des 

miyiUla    Fiebers  bei  tuberkulösen 
u.  and.-  infektiös-fieberhaften  Erkran- 
kung. Bei  Neuralgie,  MigrÀne,  neurit. 
Sympt.  Pulveru.  Tabletten  (10  StĂŒck) 

Rhiniiogleit1Ä!!dÄ 

thesin,  Suprarenin,  aether.  Oele  und 
Gleitpulver).    Akute  u.  chron.  Rhino- 
Pharyngitis.  Originalpackung. 

Frangulose-DragÀes: 

Reizloses  AbfĂŒhrmittel  in  allen  Fallen 
von  Obstipation.  Packung  mit  25  StĂŒck 

QuecKsiiDer-Gieitpuder  10% :  1 

Lokale  Luesbehandlung.  Original- 
packung 20  gr. 

FlIltlĂŒHan*  Salbengrundlage 
LU  III  dl  Ulli«       v.  großer  Wasser- 
aufnahmefÀhigkeit.   (Bis  400%) 

Gletscher-Mattan: 

Schutzmittel  gegen  Sonnen-Gletscher-  ■ 
brand  sowie  Lichtbestrablungen. 
Originaltube. 

Zur  Verordnung  fĂŒr  Kranken-  1 

kassen m itg lieder  zugelassen:! 

Rheuma-Mattan: 

Rheumatismus,  Gicht,  Ischias,  neuralg. 

Schmerzen. 
Kassenpackung,    Privatpackungen  in 
"/a  Tube  und  V,  Tube 

Mattan  rein 
Zink-Mattan 
Schwefel-Mattan 
Zink-Schwefel-Mattan:  1 

Bei  Dermatiden,  Rötungen,  bei  roten 
Farben  nach  Aknepnsteln  u.  leichten  1 
Pigmentierungen ;  ferner  In  den  FĂ€llen,  ■ 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indiciert  ist.  H 
Kassenpackungen,  Privatpackungen 

Opfiihaimin-AugensiabiuDe 

mit  1  und  2°/0  ungt.  ophthalm.  flav. 
Kassenpackung.  Privatpackung 

Hriiliuan*  L«es  (30  °/oifle  Queck - 
WIJUVdH.  silbersalbenselfe). 
Grad.  Röhre  30  gr.,  Kassen-  u.  Privatp. 

.SLS  Friß  Kriphe  lulsssJ 

10.  Jahrg.  —  Nr.  10. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


lieber,  treuer  Freund!  Ich  habe  nur  die  Sache  ĂŒberlegt  und 
bin  doch  zu  einem  anderen  Entschluß  gekommen.  Ich 
glaube  nicht,  daß  ich  alles,  was  da  war,  vergessen  könnte, 
beim  Anblick  anderer  Menschen  die  meiner  Heimat,  beim 
Hören  des  W  ortes  Vater  den  meiner  Heimat,  kurz,  alles  das 
auslöschen,  was  wie  mit  glĂŒhenden  Typen  in  meine  Seele 
gebrannt  ist.  Ich  muß  fort,  darin  hast  du  recht,  aber  ich 
muh  noch  weiter  fort,  dorthin,  wo  ich  nichts  mehr  sehen, 
nichts  mehr  hören  und  nichts  mehr  denken  werde.  Das  ist 
mein  Weg.  Und  nun  leb'  wohl  und  Dank  fĂŒr  deine  Freund- 
schaft! Du  hast  mich  wie  ein  rechtes  Kind  flennen  sehen: 
ich  werde  aber,  denk'  ich,  wie  ein  rechter  Mann  zu  sterben 
wissen." 

Auf  diesen  Brief  hin  reiste  ich  eiligst  zurĂŒck,  doch  kam 
ich  nur  recht  zu  seiner  Beerdigung. 

Die  alte  Martha  zeigte  mir  in  seinem  Schlafzimmer  die 
Stelle,  wo  er  am  Morgen  tot  aufgefunden  wurde. 

Vor  dem  Spiegel  stehend,  hatte  er  sich  mit  tadelloser 
Sicherheit  eine  jener  langen,  dreischneidigen  Nadeln  ins 
Herz  gestoßen,  die  man  Troikart  zu  nennen  pflegt,  und  war 
umgesunken,  massig  und  schwer  wie  ein  Turm  in  das  Loch 
einer  unterirdischen  Mine.  Das  Blut  bedeckte  noch  den 
Boden  und  klebte  genau  an  jener  Stelle,  wo  ich  seinen  Kopf 
im  Schoß  gehalten  und  ihm  den  einen  Weg  gewiesen  hatte. 

Er  war  d-m  anderen  gegangen. 

Betrachtungen  ĂŒber  Alter  und  Tod. 

Von  Generalarzt  Dr.  Buttersack. 

Es  ist  eine  ĂŒberraschende  Beobachtung,  daß  die  Physio- 
logen und  Biologen  zwar  die  abgelegensten  Probleme  mit 
hartnÀckiger  Energie  verfolgen,  aber  an  der  doch  hinreichend 
wichtigen  Tatsache  des  Absterbens  und  des  Todes  still  vor- 


ubergleitcn.  Sie  könnten  freilich  sagen,  wn  haben  es  um 
mit  dem  Leben  zu  tun;  dazu  gehört  der  Tod  keineswegs. 

Allein  eben  so  gut  wie  wir  eine  Embryologie  haben,  ver- 
dient auch  die  Thanalologie  BĂŒrgerrecht;  diese  als  Ende, 
jene  als  Anfang  dei  Entwicklungsgeschichte. 

Sagt  ein  arabisches  Sprichwort  resigniert:  „Der  Vorbote 
des  Todes  ist  die  Geburt",  so  vindizieren  andere  stolz  und 
hoffnungsfroh  jeglichem  Leben  Unsterblichkeit  und  nehmen 
etwa  im  Geiste  von  Weißmann  das  individuelle 
Sterben  als  eine  Art  von  Anpassung  und  ZweckmĂ€ĂŸigkeit 
bzw.  als  Folge  der  nun  einmal  gegebenen  realen  VerhÀltnisse. 

In  diesem  Sinne  klingen  auch  die  botanischen  Betrach 
tungen  ĂŒber  Alter  und  Tod  von  E.  K  ĂŒ  s  t  e  r  )  aus.  Indem 
er  vorfĂŒhrt,  wie  die  Bergkieler  1000.  die  Eiche  1500,  die  Eibe 
)U)00  und  der  Drachenbaum  von  Teneriffa  sogar  6000  Jahre 
alt  werden  bzw.  geworden  sind,  lĂ€ĂŸt  er  ganz  leise  den  Ein- 
druck des  Unendlichen,  Unsterblichen  anklingen,  als  ob 
0000  Jahre,  die  uns  Menschen  eine  „Ewigkeit"  dĂŒnken,  im 
kosmischen  Maßstab  irgendeine  Bedeutung  hĂ€tten.  Immer- 
hin, die  Tatsache  des  Sterbens  lĂ€ĂŸt  sich  nicht  leugnen,  und 
so  sucht  KĂŒster  nach  dessen  Ursachen  in  der  ĂŒblichen 
chemisch-physikalischen  Denkweise.  In  höchst  interessanten 
AusfĂŒhrungen  kommt  er  zu  dem  Ergebnis,  daß  irgend  welche 
Giftstoffe  das  Altern  bedingen,  etwa  Stoffe  der  inneren  Se- 
kretion als  Produkte  des  unaufhörlichen  Stoffwechsels. 
Unterbindet  man  den  Stoffwechsel,  wie  in  der  vita  minima, 
so  mĂŒĂŸte  sich  das  Sterbliche  unsterblich  machen  lassen;  nur 
wird  kein  Mensch  einer  Spore,  einem  in  Bernstein  einge- 
schlossenen Bakterium  oder  einem  auf  den  absoluten  Null- 
punkt ( —  273  Grad)  abgekĂŒhlten  „Lebewesen"  viel  „Leben" 
zuerkennen.  Und  wenn  KĂŒster  meint,  durch  Verminde- 
rung der  hypothetischen  Stoffwechselprodukte,  durch  ihre 

*)  Abhandlungen  zur  theoretischen  Biologie,  herausgegeben 
von  Dr.  Julius  Schapel,  Heft  10.  —  Berlin,  Gebr.  BorntrĂ€ger  1921. 
42  S.  m.  12. 


Mallebrein 

Aluminium  chloricum  liquidum  25%  ig 

Indikation: 

Als  Gurgelung  oder  Inhalation:    Katarrhe,  Anginen,  ulzeröse  Prozesse  des  Kehlkopfs,  Tuber- 
kulose im  Initialstadium  usw. 

In  Form  von  UmschlÀgen     Verwundungen  und  Verletzungen  aller  Art,  besonders  bei 

tiefer  greifenden  Nekrosen. 

Bei  innerlicher  Anwendung:  Darmerkrankungen  verschiedener,  auch  epidemischer  Art. 
Literatur  und  Muster  zu  Diensten.  f^Oltl    £L»    F^.hm  Literatur  und  Muster  xu  Diensten 

Krewel  &  Co.,  a  T±h-  Chem.  Fabrik 

General-Vertreter  fĂŒr  Berlin  und  Umgegend:  A.  Rosenberger,  Arkona- Apotheke,  Berlin  N,     Arkonaplatz  5.   Tel.:  Norden  8711 


XV1I1 


Jenseits  von  Berat  and  Amt 


lu.  Jahrg.  — Nr.  10, 


rechtzeitige  Ableitung,  durch  chemische  Umsetzungen,  welche 
jene  schÀdlichen  Stoffe  zu  unschÀdlichen  verwandelten,  wÀre 
das  Sterben  zu  vermeiden  gewesen,  so  erinnert  er  an  das 
Wort  Alfonso's  des  Weisen:  „Mejor  habria  yo  hecho  el 
mundo  (ich  wĂŒrde  die  Welt  besser  gemacht  haben)". 

NĂ€her  kommt  KĂŒster  der  Lösung  des  Problems  im 
weiteren  Verlaufe  seiner  Betrachtungen  mit  Hilfe  des  Be- 
griffs der  Differenzierung,  daß  ungleich  veranlagte,  d.  h. 
differenzierte  Zellen  ungleich  auf  die  Autotoxine  reagieren. 
Hat  man  erst  diese  Einsicht  gewonnen,  dann  wird  man  fast 
von  selbst  zu  der  Erkenntnis  gefĂŒhrt,  daß  eine  allzuweit  ge- 
triebene Differenzierung  schließlich  die  Harmonie  des  Gan- 
zen, die  Einheit  des  Individuums  sprengt  und  damit  seine 
Auflösung  herbeifĂŒhrt.  Dabei  ist  natĂŒrlich  nicht  gesagt,  daß 
der  Höhepunkt  der  Differenzierung  und  der  Tod  zeitlich  zu- 
sammenfallen mĂŒĂŸten.  Wir  wissen  ja  aus  histologischen 
und  funktionellen  Untersuchungen  zur  GenĂŒge,  daß  das 
„Altern"  schon  in  der  frĂŒhesten  Kindheit  einsetzt.  Das,  was 
wir  gemeinhin  Tod  nennen,  ist  nur  das  Ende  eines  lang- 
jÀhrigen Entwicklungsprozesses. 

Bei  aller  HochschÀtzung  der  sogen,  exakten  Wissen- 
schaften muß  man  aber  doch  dem  Gedanken  Raum  geben, 
daß  zwar  alles  nach  mechanischen  bzw.  phy siko -chemischen 
Gesetzen  ablÀuft.  Allein  der  Ablaufmöglichkeiten  sind  un- 
zÀhlige; je  verschlungener  der  Aufbau  der  lebendigen  Sub- 
stanz, desto  mehr.  Kein  Mensch  wird  leugnen,  daß  in  eben 
diesem  Ablauf  eine  gewisse  Einheitlichkeit  gewahrt  ist. 
Durch  alle  die  verschiedenen  Stadien  des  Lebens  hindurch, 
durch  Freud  und  Leid,  körperliche  und  seelische  ErschĂŒtte- 
rungen bleiben  wir  doch  immer  ein  wohlumrissenes  Ich  und 
kein  Chaos,  wie  es  aus  einem  ungeordneten  Ablauf  der  Che- 
mischen VorgĂ€nge  resultieren  mĂŒĂŸte. 

Wir  sind  aber  auch  kein  zufÀlliges  Ich,  sondern  wurzeln 
eben  mit  diesem  geordneten  Ablauf  in  der  unĂŒbersehbaren 
Kette  unserer  Vorfahren,  und  je  weiter  sich  unser  geistiger 


Horizont  ausdehnt,  in  um  so  grĂ¶ĂŸere  Formen  erstreckt  sich 
diese  AbhĂ€ngigkeil.  Es  mag  —  weil  ĂŒber  die  4  WĂ€nde  des 
Laboratoriums  und  des  Tierstalls  hinausgehend  —  verwegen 
erscheinen:  aber  wir  stehen  ^ewiß  auch  mit  allem,  was  uns 
umgibt,  in  korrelativen  Beziehungen. 

Entgegen  der  biblischen  Auffassung  ist  nicht  die  ganze 
Schöpfung  dem  Menschen  Untertan;  vielmehr  stellt  er  selbst 
nur  ein  kleines  Glied  in  der  Kelle  der  Erscheinungen,  in  dem 
gewa'tigen  Kosmos  dar.  Unerreichbar,  unerkennbar,  unfaß- 
bar steht  der  gewallige  Geisl  ĂŒber  uns,  der  das  alles  bewegl 
und  mit  Leben  durchhaucht.  Von  der  unermeßlichen  Kette 
von  Differenzierungen,  deren  er  sich  bedient,  bildet  die 
Menschheit  ein  BruchstĂŒck,  und  von  diesem  BruchstĂŒck  sind 
unsere  Nationen,  Sippen,  Familien  und  unsere  Individuali- 
tĂ€ten wiederum  nur  BruchstĂŒcke. 

In  immer  neuen  Konfigurationen  erseheint  der  Well- 
geist; sie  folgen  sich  in  immer  neuen  Kombinationen,  und 
immer  neue  Differenzierungen  sehen  wir  bewundernden 
Blickes  auftreten.  In  dem  riesigen  unaufhörlichen  Werde- 
Prozeß  des  Kosmos  spielen  die  -  unserem  menschlich - 
endlichen  Maßstab  entnommenen  Begriffe  von  Raum  und 
Zeil  und  Ewigkeil  keine  Rolle.  Die  1.  Chronik  a  und 
Hiob  haben  Recht:  „Unser  Leben  ist  wie  ein  Schatten  und 
wie  ein  Wind;  und  ist  kein  Aufhalten".  Hier  sucht  der 
Sterblichen  Schar  umsonst  den  ruhenden  Pol. 

Aber  wenn  auch  die  individuelle  und  ĂŒberindividuelle 
Erscheinungsform  als  solche  in  diesem  Riesengetriebe  keinen 
Anspruch  auf  ewiges  Fortbestehen,  auf  Unsterblichkeit  er- 
heben kann,  so  bleibt  sie  doch  eben,  als  zeitliche  Teilaus- 
wirkung des  Weltgeistes,'  der  Weltharmonie  mit  diesen  ver- 
bunden, und  in  diesem  geistigen  Sinne  hat  jeder  nach  dem 
Grade  seiner  Verwandtschaft  Anteil  an  der  l  nsterblichkeit. 


FLÜSSIG 
TABLETTEN 
AMPULLEN, 


FAUTH&Co  di form-  MANNHEIM 


♩      H  ETRALI  N  ♩ 

gm  ausgezeichnetes  Harndesinfisiens,  Spezifikum  bei  Cystitiden  jeden  Ursprungs, 
bei  Pyelitis,  Pyurie,  Bakteriurie  [besonders  auch  auf  typhöser  Basis],  Phosphaturie. 
Ideales  internes  Harnantiseptikam  vor  und  nach  Operationen  am  Genitalapparat, 
■ehr  sparsam  im  Gebrauch,  da  Tagesdosen  von  1 — 1.5  g  geniigen,  in  therapeuti- 
schen   Dosen    vollkommen    ungiftig    und    frei    von  Nebenwirkungen. 

Literatur  und  Gratismuster  auf  Wunsch. 
Clement  Zimmermann,  Hamburg  36. 


LEITZ 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Hygienische  Gedanken  und  ihre  Manifestationen 
in  der  Weltgeschichte.*) 

Altvertraute  Kindheitserinnerungen  und  lieblich  aus- 
gesponnene Dichterphantasien  fernster  und  jĂŒngerer  PrĂ€- 
gung bringen  uns  schmeichelnd  den  Gedanken  nahe,  daß, 
wenigstens  auf  hygienischem  Gebiete,  wie  man  es  fĂŒr  manche 
Menschenweisheit  noch  vor  wenigen  Jahrhunderten  allen 
Ernstes  lehrte,  der  Höhepunkt  aller  Kenntnis  und  deren 
ĂŒppigste  BetĂ€tigungsfĂŒlle  am  Anfang  der  Menschheit  zu 
suchen  sei,  daß  hier  wenigstens  „der  Weisheit  Anfang"  mit 
dem  Anfang  aller  Dinge  so  ungefÀhr  zusammenfalle. 

Am  lÀngsten  spukten  solche  Lehren  bekanntlich  in  der 
Scheidekunst,  von  der  man  noch  im  17.  Jahrhundert  an- 
nahm, daß  Tubalkain  ihr  grĂ¶ĂŸter  Meister  gewesen  sei,  und 
daß  auch  der  weise  Salomo,  als  er  seinen  Tempel  baute, 
noch  weit  mehr  von  den  Geheimnissen  der  Chemie  ver- 
standen habe  als  etwa  der  große  „Geber",  Paracelsus,  An- 
dreas Libavius  und  Basilius-Thölde  zusammengenommen. 

Auch  diese  Irrmeinung  ist  ja  zuletzt  an  ihren  eignen 
WidersprĂŒchen  gestorben.  Aber  in  der  Hygiene,  der  ge- 
sundheitsgemĂ€ĂŸen von  Krankheiten  freien  Lebenshaltung,  da 
mĂŒĂŸten  denn  doch  unsere  Urahnen  an  der  Ostsee,  am  Golf 
von  Biskaya  oder  am  Pamirgebirge,  die  Anwohner  des 
Euphrat  oder  des  Nil  vor  ungezÀhlten  Jahrtausenden  uns 
die  besten  Lehren  geben  können!  Man  tut  noch  recht  viel- 
fach so,  als  ob  das  ganz  einwandfrei  und  selbstverstÀndlich 


*)  Aus  Karl  Sudhoff's  Skizzen  mit  Erlaubnis  des  Verlages 
F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig,  nachgedruckt. 


wÀre.  Dem  so  lange  schon  erhobenen  und  so  oft  wieder* 
holten  Schlagwort  von  der  „naturgemĂ€ĂŸen  Lebensweise' 
wird  kaum  ein  Gutberatener  etwas  Triftiges  entgegenzu- 
halten wagen.  Wahrlich,  es  ließe  sich  ein  ganzes  Buch 
darĂŒber  schreiben,  und  so  ziemlich  sĂ€mtliche  Weltanschau- 
ungen und  eine  stattliche  Reihe  bewunderter  Philosopheme 
wĂŒrde  darin  zur  VorfĂŒhrung  gelangen  mĂŒssen,  ein"  lange 
Kette  von  glĂ€nzendsten  Edelsteinen  großer  Namen  aus  dem 
Entwicklungsgang  des  Menschengeistes  winde  darin  an  uns 
vorĂŒbergleiten  —  ein  Buch  darĂŒber,  wie  oll  schon  seil  Jahr- 
tausenden in  der  Geschichte  der  Ruf  ertönt  hat  in  unzÀhligen 
Variationen:  „ZurĂŒck  zur  Natur!" 

Ich  will  nun  nicht  elwa  die  Kelzerei  begehen,  diesem 
Ii  nie  alle  und  jede  Berechtigung  abzusprechen,  wenn  hier- 
bei auch  n  o  c  h  mehr  leeres  Stroh  gedroschen  zu  werden 
pflegt,  als  man  gemeinhin  sich  klar  macht,  ich  will  nur 
darauf  hinweisen,  daß  auch  in  der  Vor-  und  FrĂŒhgeschichte 
der  Menschheit  paradiesische  ZustÀnde  langen,  leidensfreien 
Lebens  und  spÀten,  unbeschwerten  Alterns  durchaus  nicht 
an  der  Tagesordnung  waren. 

Gewiß,  auch  damals  war  manches  besser  als  heute,  aber 
durchaus  nicht  alles.  Wir  staunen  zum  Beispiel  mit  Recht, 
wenn  wir  lange  Reihen  von  frĂŒhĂ€gyptischen  und  frĂŒhnu- 
bischen  SchĂ€deln  betrachten,  ĂŒber  die  tadellose  Erhaltung 
der  Zahnreihen,  wenn  auch  die  hÀufig  zu  beobachtende 
ĂŒberstarke  Abnutzung  der  Gehisse  uns  ein  wenig  stutzig 
macht:  einfache,  bekömmliche  Nahrung,  aber  vorwiegende 
Pflanzenkost  und  viel  Zellulose  und  starke  Verunreinigung 
durch  harte  Sandteilchen!  —  Sehr  nachdenklieh  werden  wir 
aber,  wenn  wir  beim  OberĂ€gypter  und  Nubier  vor  fĂŒnf-, 


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XII 


Jenseits  von  Berat  and  Amt 


40.  Jahrg. —  Nr.  11. 


sechs-,  siebentausend  Jahren  an  der  Mehrzahl  aller  Skelette 
Erwachsener  Spuren  einer  Krankheit  finden,  die  heute  nur 
unter  den  allerungesundesten  hygienischen  VerhÀltnissen 
sich  einstellt,  und  auch  da  kaum  jemals  in  so  hohen  Graden, 
wie  sie  damals  einen  erschreckend  hohen  Prozentsatz  aller 
Lebenden  schon  vom  dritten  Lebens jahrzehnte  an  befiel, 
Glieder  und  RĂŒcken  steif,  ja  fast  völlig  unbeweglich  machte, 
daß  die  Bedauernswerten  frĂŒher  schon  hilflos  wurden, 
auf  die  Barmherzigkeit  ihrer  Angehörigen  angewiesen: 
Knochen-  und  Gelenkgicht  (Osteoarthritis  deformans)  hat 
in  jenen  „goldenen"  Zeiten  die  Menschheit  beiderlei  Ge- 
schlechts in  einer  HĂ€ufigkeit  und  Heftigkeit  heimgesucht, 
von  der  wir  uns  kaum  eine  rechte  Vorstellung  machen  kön- 
nen in  unserem  durch  die  „verfeinerte  Kultur"  auf  der  einen 
und  die  „Verelendung"  auf  der  andern  Seite  so  „verderbten" 
Zeitalter.  StÀndiges  Leben  an,  auf  und  im  Flusse  hat  die 
Menschen  schon  damals  krank  gemacht,  mehr  vielleicht  noch 
das  Wohnen  und  Schlafen  auf  feuchtem  Boden,  in  nassen 
Gruben  und  Höhlen. 

Absichtlich  ist  mit  einer  Schilderung  nahe  den  Tropen 
begonnen  worden,  wo  man  ja  lange  ausschließlich  die  Wiege 
des  Menschengeschlechts  unter  Palmen  sah.  Doch  der  hygie- 
nische Koeffizient,  den  man  aus  den  Lebensbedingungen  der 
FrĂŒhwohner  Nordeuropas  durch  das  Studium  ihrer  Knochen- 
reste zu  ziehen  vermag,  ist  nur  unwesentlich  verschieden 
von  den  Ergebnissen  der  Forschungen  am  Nil.  Die  geringere 
Achtsamkeit  der  prÀhistorischen  Forschung  nördlich  der 
Alpen  auf  pathologische  Knochenbefunde  hÀlt  bisher  das 
Material  in  bescheideneren  Dimensionen,  aber  was  ernslhafl 
untersucht  ist,  weist  genau  in  die  gleiche  Richtung.  Die 
„Höhlengicht"  Rudolf  Virchows  bei  Mensch  und  Tier  ist 
schon  Àlterer  Besitzstand  historischer  Pathologie;  aber 
auch  die  FrĂŒhgermanen,  die  ihre  Helden  in  den  langen 
SteingĂ€ngen  der  „Riesenstuben"  bestatteten,  haben  in  einem 
gewaltigen  Prozentsatz  an  gichtigen  Knochen-  und  Gelenk- 


leiden gelitten,  der  fast  neunzig  von  hundert  Erwachsenen 
erreicht.  Die  NĂ€hrweise  an  Nil  und  Ostsee  war  bestimmt 
die  denkbar  verschiedenste,  aber  im  Wohnungswesen 
herrscht  völliger  Parallelismus  in  einem  Gesichtspunkt,  in 
dem  der  Feuchtigkeit,  ob  man  nun  in  PfahlbauhĂŒtten  ĂŒber 
Seespiegeln  wohnte  oder  in  LandhĂŒtten,  die  metertief  in  die 
Erde  gingen  und  nur  allmĂ€hlich,  fĂŒr  die  SchlafrĂ€ume 
wenigstens,  aus  der  Erdgrube  sich  hoben,  die  dann  von  der 
Steinzeit  zur  La-Tene-Zeit  immer  mehr  sich  verflachte.  Ein 
bescheidener  Fortschritt  vielleicht,  aber  ein  wichtiger. 

Macht  nun  beim  Wohnungswesen  das  Klima  scheinbar 
nur  einen  geringen  Unterschied,  so  ist  das  bei  der.  Kleidung 
etwas  andres.  Mag  man  von  der  gesundheitsgemĂ€ĂŸen, 
leichten  Kleidung  der  Aegypter,  Babylonier  oder  gar  der 
Griechen  schwĂ€rmen,  so  muß  man  doch  die  Weisheit  der 
nordalpinen  Völker  FrĂŒheuropas  richtig  einschĂ€tzen,  die  sie, 
dem  Klima  entsprechend,  den  Mann  in  wÀrmende  Hose  und 
Wams,  das  Weib  in  langen  HĂŒftrock  und  Jacke  stecken  ließ. 
Sind  doch  vielleicht  gar  die  Griechen  in  Àhnlicher  Gewan- 
dung von  Norden  eingerĂŒckt  und  haben  erst  im  wĂ€rmeren 
Klima  die  leichte,  bequeme  Mittelmeer-  oder  subtropische 
Tracht  des  einfachen  ZeugstĂŒckumwurfes  kennen  und  unter 
den  neuen  VerhĂ€ltnissen  schĂ€tzen  gelernt  —  eine  Warnung 
vor  vorschnellem  Generalisieren  in  Kleidungsfragen  fĂŒr  alle 
Regionen  der  Erde,  selbst  wenn  man  den  Polarkreis  aus- 
schließen wĂŒrde! 

*  * 
* 

Audi  rein  hygienisch  betrachtet  stellt  die  klassische 
Antike,  stellen  Hellas  und  Rom  einen  kulturellen  Hochstand 
von  fast  unvergleichlicher  absoluter  Höhe  dar. 

Als  Herrenvolk  (mit  einer  Unterschicht  von  Arbeits- 
sklaven) stellte  der  Hellene  zum  ersten  Male  in  der  Welt- 
geschichte und  in  noch  nicht  wieder  erreichtem  Umfang  und 
Grade  die  gesamte  Erziehung  der  Knaben  und  stammweise 


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40.  Jahrg. —  Nr.  11: 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XIII 


auch  der  MĂ€dchen  unter  den  Gesichtspunkt  der  harmonischen 
Ausbildung  aller  körperlichen  FÀhigkeiten  zur  Erzielung 
eines  Höchstmaßes  von  Kraft,  Gewandtheit  und  Selbstsicher- 
heit, von  physischer  Vollkommenheit  und  Schönheit.  Grund- 
satz war  tĂ€gliche  Üefoung  von  frĂŒher  Jugend  auf  bis  in  die 
reifen  Mannesjahre  hinein  unter  Aufsicht  erfahrener  und  ge- 
ĂŒbter Leiter,  die  bald  auch  das  Training  nicht  nur  wirkungs- 
und  zielsicher  zu  regeln,  sondern  auch  klug  zu  individuali- 
sieren und  aus  jeder  jugendlichen  Körpereinheif  das  höchst- 
mögliche Leistungsmaß  in  stĂ€ndigem  Hinblick  auf  die  Ge- 
samtkrĂ€ftigung herauszuarbeiten  wußten.  Der  PĂ€dotrib 
wurde  zum  Gymnasten,  der  die  Normalfunktionen  des 
ganzen  Körpers  zu  verstehen  suchte,  wetteifernd  mit  der 
Aerzteschaft,  die  den  Wert  der  Gymnastik  fĂŒr  eine  gesunde 
Körperbeschaffenheit  durchschaute  und  aus  den  RĂŒstkam- 
mern ihres  anatomisch-physiologischen  Wissens  die  Richt- 
schnur entnahm  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Leistungskraft  des 
Einzelnen  und  unter  Zuhilfenahme  der  gesamten  DiÀtetik 
daraus  die  Normen  fand  fĂŒr  Verwendung  der  Gymnastik  als 
VerhĂŒterin  von  Gesundheitsstörungen  und  als  Helferin  bei 
der  Wiederherstellung  gestörter  Körper-  oder  Organfunk- 
tionen. Die  Gymnastik  wurde  so  unter  dem  fördersamen 
Wetteifer  der  Berufsgymnasten  und  Aerzte  zur  Wissenschaft 
von  der  KörperĂŒbung  und  KörperkrĂ€ftigung,  zur  Bewegungs- 
und  Arbeitshygiene,  wie  wir  sie  heute  mit  allen  Hilfsmitteln 
moderner  Methodik  und  instrumenteller  Exaktheit  erneut  von 
Grund  aus  zu  schaffen  beflissen  sind. 

Mit  diesem  zentralen  Bestreben  des  Hellenentums,  mit 
der  KörperkrÀftigung  durch  tÀgliche  Pflege  der  Gymnastik, 
hĂ€ngt  ein  großer  Teil  auch  der  ĂŒbrigen  Körperpflege  zu- 
sammen, vor  allem  die  Hautpflege  in  Waschen  und  Baden, 
in  Schwimmen  und  Massage,  die  gesamte  Körperreinigung 


einschließlich  der  Haarpflege  und  der  Kleidung,  aber  auch 
ein  guter  Teil  der  Regelung  der  GesamtdiÀtetik  in  der  Nah- 
rung und  den  GetrÀnken,  in  Ruhe  und  Schlaf  und  im  Ge- 
schlechtsleben, wie  denn  die  Regelung  der  Funktionen  des 
letzteren  bei  der  Gymnastik  der  MĂ€dchen  ohne  jede  PrĂŒderie 
Ziel-  und  Angelpunkt  bildet  —  gesunde  Nachkommenschaft. 

Auch  weitere  Fragen  der  Hygiene  bildeten  wichtige 
GegenstĂ€nde  der  Sorge  fĂŒr  die  Staatslcitungen  der  Hellenen. 
Anlage  der  StĂ€dte,  ihrer  Straßen,  Besonnung  der  HĂ€user; 
Wasserversorgung  und  Beseitigung  der  AbwÀsser  wurden 
erwogen  und  zielbewußt  geregelt,  namentlich  in  den  kul- 
turellen Hochperioden  der  „Tyrannenzeiten".  An  vieles 
konnten  die  Römer  mit  ihrer  eminenten  Begabung  fĂŒr  die 
Lösung  großer  Aufgaben  der  öffentlichen  Hygiene  direkt  an- 
knĂŒpfen,  bei  denen  die  Sorge  fĂŒr  Reinheit  des  Getreides  und 
des  Trinkwassers  fast  als  religiöse  Staatsaufgabe  von  An- 
beginn gelten  kann.  Wasserzuleitung,  Kanalisation,  Straßen- 
bau, StÀdtebau,  Nahrungskontrolle,  Heizung,  Badewesen 
waren  in  den  Zeiten  ihres  Weltreiches  in  einer  Vollkommen- 
heit geregelt,  vor  der  wir  heute  noch  respektvoll  uns  ver- 
neigen« Aber  der  Römer  hat  auch  schon  in  seinen  kleinen 
AnfĂ€ngen  einen  Sinn  fĂŒr  fundamentale  Nahrungsreinheit  in 
Verbindung  mit  dem  Kulte  der  Vesta  und  Juturna  bewiesen, 
der  sich  kĂŒhnlich  neben  das  setzen  kann,  was  als  kultische 
Nahrungshyg  iene  des  Orients  mit  Recht  schon  lange  ge- 
priesen wird.  Wir  werden  uns  gleich  damit  befassen,  es 
muß  aber  vorher  noch  einmal  fĂŒr  die  griechisch-römische 
Antike  betont  werden,  daß  auch  sie  zwar  zum  Teil  in  der 
Kulthygiene  in  ihren  ReinheitsbedĂŒrfnissen  wurzelt,  daß  sie 
aber  diesem  zielgewissen  Kinderstande  frĂŒh  entwachsen  ist 
und  sich  direkte  hygienische  Ziele  stellte,  in  genialer,  groß- 
zĂŒgiger Weise  an  ihrem  Ausbau  arbeitete  und  Ergebnisse  zu- 


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XIV 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


ta^e  förderte,  die  in  Vereinigung  mit  einer  Àrztlich-wissen- 
schaftlichen Regelung  des  gesamten  Lebens  des  Einzelnen, 
ewig  bewundernswert  bleiben  werden  als  der  erste  genial 
konzipierte  und  mit  GenialitĂ€t  durchgefĂŒhrte  Versuch  einer 
privaten  und  öffentlichen  Hygiene  mit  klar  erkannten  Zielen 
indirekter  KrankheitsbekÀmpfung  durch  Erhöhung  der  Kraft 
und  WiderstandsfÀhigkeit  zweier  ganzer  Völker  gegen  krank- 
machende EinflĂŒsse  vielfacher  Art. 


Was  will  demgegenĂŒber  die  gepriesene  Kulihygiene  der 
Aegypter,  Babylonier  und  selbst  der  Juden  besagen,  die  nie- 
mals direkt  und  mit  Absicht  das  Hygienische  ins  Auge  ge- 
faßt hat,  bei  der  es  in  vorhellenistischer  Zeit  höchstens  als 
AnhÀngsel,  als  kaum  beachtetes  Nebenergebnis  in  die  Er- 
scheinung trat.  Die  Legende  von  einem  Moses,  der  mit  tief- 
ster Weisheit  und  zielsicherer  Klarheit  von  Anfang  an  sein 
Volk  in  religiöser  Einkleidung  vor  vielen  tausend  Jahren  auf 
den  Weg  der  Hygiene  geleitet  hÀtte,  hÀlt  in  keiner  Weise  der 
historischen  Kritik  stand;  sie  steht  der  Wahrheit  ebenso  fern 
als  etwa  die  Annahme  eines  hygienisch  vollkommenen  Na- 
turzustandes an  den  AnfÀngen  der  Menschheit.  Die  hygieni- 
schen Verdienste  der  Vorderasiaten,  vor  allem  der  Semiten, 
um  die  Menschheit  sind  enorm,  aber  sie  liegen  auf  völlig  an- 
derem Gebiete,  wie  wir  noch  sehen  werden. 

Von  dem  Negativen  nur  ein  paar  Worte  vorher!  Zu- 
nÀchst geht  es  nicht  mehr  an,  die  Kulthygiene  des  Juden- 
tums derart  als  singulare  Erscheinung  aufzufassen  wie 
frĂŒher,  als  sie  noch  die  einzige  und  einzigartige  erhaltene 
Stichprobe  eines  ganzen  Kulturkreises  war,  der  unter  dem 
Schutte  der  Jahrtausende  lag,  nun  aber  energisch  wieder  ans 
Tageslicht  gezogen  zu  werden  begonnen  hat,  stÀndig  neue 
AufschlĂŒsse  uns  spendend,  wenn  wir  auch  in  allem  noch 
in  den  AnfĂ€ngen  stehen.    Mitten  in  dem  großen  Völkerver- 


kehr, der  vom  Euphrat  zum  Nil  flutete  und  rĂŒckflutete,  ist 
das  kleine  Judenvolk  zu  erfassen,  wie  es  all  den  mÀchtigen 
Kulturströmungen  preisgegeben  war  imd  vieles  aus  ihnen 
aufnahm  und  in  sich  verarbeitete.  Was  wir  heute  als  Fixie- 
rungen altjĂŒdischer  Kulthygiene  vor  uns  haben,  ist  ĂŒberdies 
fast  alles  nachexilisch,  stammt  also  zum  Teil  aus  der  Zeit, 
da  das  Volk  Israel  den  EinflĂŒssen  der  Stammes-  und  denk- 
artverwandten Hochkulturen  am  Euphrat  und  Tigris  viele 
Jahrzehnte  lang  ausgesetzt  gewesen  war;  eine  Scheidung  der 
Aeußerlichkeiten  des  Brauches  auf  ihre  Herkunft  ist  darum 
naturgemĂ€ĂŸ  schwer.  Und  gar  in  der  Zeit,  da  man  den  Tal- 
mud aufzuzeichnen  begann,  da  hatte  das  Judenvolk  im 
Aerztlich-Hygieniscln-n  Jahrhundertelang  unter  dem  Einfluß 
der  griechischen  Wissenschaft  gestanden  und  daraus  sich 
assimiliert  und  weiter  gebildet,  wofĂŒr  es  in  seiner  Eigenart 
AufnahmefĂ€higkeit  besaß.  All  dies  ist  bei  der  WĂŒrdigung 
und  Wertung  der  Hygiene  der  Juden  stets  gegenwÀrtig  zu 
halten  —  ohne  daß  damit  irgendwie  eine  Minderwertung 
ihrer  Leistung  motiviert  weiden  dĂŒrfte;  nur  die  OriginalitĂ€t 
im  einzelnen  gewinnt  damit  vielfach  ein  anderes  Gesicht. 

Bei  allen  Völkern  des  Altertums  ist  von  Anfang  die 
Fleisehnahrung,  soweit  Haustiere  in  Frage  kommen,  Opfer- 
nahrung; damit  ist  allerwÀrts,  am  Nil  wie  am  Euphrat,  am 
Jordan  wie  am  Tiber  und  Kephissos  eine  Opfertierschau  ver- 
bunden gewesen,  die  sich  meist  in  Spitzfindigkeiten  nach 
einer  bestimmten  Richtung  hin  im  wesentlichen  erschöpfte, 
aber  auch  Erfahrungstatsachenmaterial  zusammentrug,  vor 
allem  in  Mesopotamien,  das  einer  hygienischen  Fleischbe- 
schau immerhin  vorarbeitete  und  —  einer  geschĂ€ftigen  Deu- 
tungskunst vom  Standpunkt  spÀterer  gereifthygienischer  Er- 
kenntnis freiesten  Spielraum  gewÀhrte.  Dasselbe  gilt  von 
der  kultischen  Reinheit,  die  zwar,  wie  schon  angedeutet,  zum 
Beispiel  bei  den  Hellenen  nicht  weniger  entwickelt  war  wie 
bei  den  Orientalen  am  Euphrat,  Jordan  und  Nil,  dort  aber 
spĂ€ter  in  ihrer  griechischen  Weitergestaltung  zur  bewußt- 


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40.  Jahrg. —  Nr.  11. 


Jenseits  von  tieruf  and  Amt 


xv 


hygienischen  Reinliehkeitspflege  in  den  Tagen  des  Hcllenis 
mus  (auch  auf  das  Judentum)  unverkennbaren  Einfluß  ge- 
wann.   Selbsi  die  kultische  Unreinheit  der  Frau  in  beson 
deren  Fidlen  ist  auch  hellenisches  FrĂŒhgut  —  und  es  ist  eine 
befreiende  'Tat  edelster  Art  fĂŒr  die  ganze  Frauenwelt,  die  als 
Markstein  ihrer  Emanzipation  von  unwĂŒrdiger  Bevormun- 
dung nicht   hoch   genug  angeschlagen  weiden  kann,  daß 
Papst  Gregor  der  Große  den  judischen  Atavismus  im  Christ 
liehen  Brauch  beseitigte  und  den  Besuch  der  Kirche  durch 
Wöchnerinnen  oder  Menstruierende  in  die  t'teie  Entscheidung 
der  Einzelnen  stellte,  die  ganze   Frage  damit  der  „Kult' 
hygiene"  entrĂŒckend.  Doch  zurĂŒck  von  dieser  Absehweituni;! 

Daß  die  Beschneidung  des  Mannes  den  Juden  aus  Aegyp- 
ten ĂŒberkommen  ist,  sieht  heule  außer  Zweifel,  ebenso  ihre 
Herkunft  fĂŒr  beide  Geschlechter  aus  dem  inneren  Afrika. 
Das  wĂŒrde  ihr  natĂŒrlich  ihre  objektive  hygienische  Bedeu- 
tung nicht  nehmen,  so  wenig  wie  jedem  andern  Brauch,  der 
in  völlig  differenten  Gedankenkreisen  wurzelt,  deshalb  seine 
objektive  Wirkung  in  der  Richtung  der  Hygiene  abgestritten 
werden  kann,  weil  ihm  die  subjektive  hygienische  PrÀgung 
abgeht.  Aber  die  hygienische  Bedeutung  der  Beschneidung 
des  Mannes  im  Altertum  wird  mit  dem  Tage  gering,  an  dem 
die  Nichtexistenz  der  Syphilis  vor  Kolumbus  in  der  Alten 
Welt,  die  heute  allgemein  angenommen  wird,  bewiesen  ist. 
Angeborene  Bildungsfehler,  wie  die  Phimose,  als  Argument 
fĂŒr  eine  generelle  Beschneidung  des  Mannes  anzufĂŒhren, 
heißt  die  Frage  auf  ein  anderes  Gebiet  verschieben.  Die  auf 
dem  gleichen  kultischen  Boden  erwachsene  Beschneidung 
der  Frau  hat  noch  niemals  jemand  als  hygienische  Maß- 
nahme proklamiert.  Daß  das  Judentum  nicht  auch  diesen 
Ă€gyptischen  Priesterbrauch  herĂŒbernahm,  erklĂ€rt  sich  leicht 
daraus,  daß  die  Frau  im  Tempelkult  der  Juden  damals  keine 
Rolle  spielte,  ja  den  Tempel  gar  nicht  betreten  durfte;  es 
liegt  aber  auch  die  Frage  nahe,  ob  im  Volke  Israel  eine  Pe- 
riode gewesen  ist,  in  der  nur  der  Priesterstamm  beschnitten 


War;  oder  ob  von  Anhing  an  das  gesamte  Volk  durch  seine 
Beschneidung  als  ein  priesterliches  charakterisiert  werdea 

sollte. 

Doch  man  verstehe  mich  nicht  falsch!  Alle  diese  Fra- 
gen der  Kulihygiene  sind  fĂŒr  den  Historiker  der  Hygiene 
wie  fĂŒr  jeden  Kullurhisloriker  von  allergrĂ¶ĂŸtem  Interesse. 
Keine  al>er  ist  als  ein  historischer  Markstein  in  der  hygie- 
nischen Geschichte  der  Menschheit  zu  betrachten,  <l<  i  dei 
Gymnastik  des  Griechenvqlks,  der  hygienisch  klaren  Wissen- 
schaft des  Griechentums  und  den  öffentlichen  SanitÀtsbestre- 
bungen der  Römer  in  Wasserversorgung  usw.  ebenwertig  an 
die  Seite  gesetzt  werden  dĂŒrfte.  Aber  aus  dem  Semitentum, 
speziell  ans  dessen  geistiger  BlĂŒte,  dem  Judentum  als  TrĂ€ger, 
Vermittler  und  Ausreife*  der  Gesamtgedanken  des  Semitis- 
mus,  stammen  zwei  der  grĂ¶ĂŸten  hygienischen  Gedanken  der 
Menschheit  und  ihre  zielsicheren  Manifestationen  —  der 
w  ö  c  h  en  1 1  i  c  h  e  R  ĂŒbet  a  g  und  die  d  i  rekle  K  r  a  n  k  - 
h  e  i  t  s  b  e  k  Ă€  m  p  f  u  n  g  durch  natĂŒrliche  Maßnahmen. 

Das  erstere  wird  jedermann  sofort  einleuchten,  wenn  es 
auch  als  hygienische  Offenbarung  von  weiltragendster  Be- 
deutung noch  nicht  mit  voller  Klarheit  bisher  erkannt  und 
ausgesprochen  zu  sein  scheint.  Einen  VorlÀufer  hat  der 
jĂŒdische  Sabbat  wohl  auch  schon  in  babylonischer  Kultur 
besessen.  Der  siebente,  vierzehnte,  einundzwanzigste  und 
achtundzwanzigste  Tag  jedes  Monats  galt  dem  Sternglauben 
der  Babylonier  als  UnglĂŒckstag,  ja,  es  kam  praktisch  noch 
ein  fĂŒnfter  Ruhetag  zu  diesen  vier  in  jedem  Monat  hinzu,  da 
auch  der  neunundvierzigste  (7X7.)  Tag  als  unglĂŒcklicher 
galt,  den  man  vom  Anfang  des  vorhergehenden  Monats  ge- 
rechnet jedem  Monat  einfĂŒgte.  An  solchen  UnglĂŒckstagen 
sollten  Speisen  nicht  gebacken  und  gebraten,  derart  zu- 
bereitete nicht  genossen  werden,  keine  Kleider  gewechselt, 
kein  Opfer,  keine  amtliche  Handlung,  keine  Àrztliche  Be- 
handlung vorgenommen  werden,  kurz,  der  Tag  war  zur  Aus- 
fĂŒhrung jedes  Vorhabens  ungeeignet.   Durch  alle  diese  Ver- 


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XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


böte  wurde  der  UnglĂŒckstag  teilweise  zu  einem  öffentlichen 
Ruhetage  —  teilweise,  und  es  scheint,  als  wenn  hieraus  die 
Anregung  entflossen  sei.  Aber  wenn  auch,  was  hat  das 
Judentum  daraus  gemacht,  welche  FĂŒlle  von  Segen,  geistig 
und  körperlich,  ergoß  sich  ĂŒber  das  Judenvolk  aus  diesem 
seinem  heiligen  Tage,  seinem  Ruhetage.  Mehr  als  alles  andere 
hat  der  Sabbat  ihm  die  Kraft  gegeben,  sich  unter  anderen 
Völkern  zu  behaupten,  mehr  als  alles;  und  die  Wohltat  dieses 
Ruhetages  hat  es  der  christlichen  und  der  islamischen  Re- 
ligion weiter  gegeben;  es  hat  damit  dessen  hygienischen  Se- 
gen ĂŒber  den  grĂ¶ĂŸten  Teil  der  Erde  ausströmen  lassen,  der 
unermeßlich  ist.  Wenn  das  Judentum  der  Menschheit  nichts 
weiter  geschenkt  hÀtte  als  diese  Fixierung  jedes  siebenten 
Tages  als  Ruhetages,  man  mĂŒĂŸte  es  kĂŒhnlich  allein  um 
dessen  Willen  als  einen  der  grĂ¶ĂŸten  hygienischen  WohltĂ€ter 
der  Menschheit  bezeichnen. 


Und  nun  das  Zweite,  die  direkte  KrankheitsbekÀmpfung, 
was  will  das  besagen?  Dazu  muß  ich  etwas  weiter  ausholen! 

Es  ist  eine  ĂŒberaus  interessante  Tatsache,  daß  die  grie- 
chische medizinische  Wissenschaft,  die  von  so  unvergleich- 
licher Bedeutung  fĂŒr  die  Gesamtentwicklung  ^er  Menschheit 
geworden  ist  und  ihren  grĂ¶ĂŸten  Ruhmestitel  darin  erblicken 
kann,  daß  sie  die  Erforschung  der  natĂŒrlichen  Krankheits- 
ursachen an  Stelle  der  supranaturalistischen  DĂ€monen - 
medizin  setzte,  die  den  gesamten  vorhippokratischen  Orient 
und  Okzident  mediterran  wie  nordalpin  beherrschte  und 
heute  noch  einen  großen  Teil  der  Erde  in  ihrem  Banne  hĂ€lt, 
daß  die  Griechenmedizin  scheinbar  gerade  aus  dieser  natĂŒr- 
lichen Krankheitsentstehungslehre  heraus  fĂŒr  die  Tatsachen 
der  Krankheitsansteckung,  der  direkten  KrankheitsĂŒber- 
tragung blind  war.  Woher  ein  so  grell  in  die  Augen  sprin- 
gender Mangel  bei  so  viel  SchÀrfe  in  der  Erfassung  der 


NaturvorgĂ€nge?  Gewiß,  dem  Griechentum  waren  diese  Tat- 
sachen nicht  völlig  entgangen,  wie  schon  der  Bericht  des 
Thukydides  ĂŒber  die  athenische  Pest  dartut,  aber  die  grie- 
chische Àrztliche  Wissenschaft  ging  daran  vorbei. 
Vielleicht,  weil  eine  natĂŒrliche  ErklĂ€rung  unmöglich  er- 
schien, wo  das  Volk  mit  „bösem  Blick"  und  verwandten  Vor- 
stellungen schnell  fertig  sich  behalf. 

Am  Euphrat  treffen  wir  dagegen  frĂŒhe  schon  auf  die 
Vorstellung  von  einer  langwierigen,  sehr  selten  der  Heilung 
zugÀngigen  Krankheit,  die  mit  VerÀnderungen  auf  der  Haut 
einhergeht  und  von  dem  davon  Ergriffenen  auf  Gesunde 
ĂŒbergehen  kann.  Ja  wir  finden  frĂŒh  schon  im  babylonischen 
Kulturkreise  aus  dieser  Erkenntnis  den  Schluß  gezogen  und 
in  die  Tat  ĂŒbersetzt:  Die  von  dieser  Krankheit  Befallenen 
mĂŒssen  aus  dem  Verkehr  der  Gesunden  ausgeschlossen  wer- 
den. Der  mit  issubbu  (Aussatz)  Befleckte  wurde  in  die 
Wildnis  gestoßen.  NĂ€heres  ĂŒber  diese  Dinge  fehlt  uns  noch 
aus  babylonisch-assyrischen  Originalquellen,  wie  oft  auch 
die  Tatsache  durch  die  Ueberlieferung  durchblickt.  Aber  wir 
haben  im  Alten  Testament  eine  methodisch  ausgebildete 
Schau  der  von  einer  solchen  Krankheit  Befallenen  durch  den 
Priester,  der  je  nach  dem  Untersuchungsergebnis  den  Kran- 
ken vorĂŒbergehend  oder  dauernd  vom  Verkehr  der  Gesunden 
absonderte  und  bestimmt  erst  nach  zweifellos  eingetretener 
Besserung  oder  Heilung  zum  freien  Verkehr  wieder  zuließ. 
Zwar  ist  es  noch  unentschieden,  weil  unentscheidbar,  ob  mit 
der  Zaraath  des  3.  Buches  Mosis  der  Aussatz,  die  Lepra  und 
nur  die  Lepra,  gemeint  ist;  darin  jedoch  ein  harmloses  Lei- 
den zu  sehen,  heißt  eine  ernste,  strenge  Maßregel  eines  der 
hervorragendsten  GesetzbĂŒcher  der  Menschheit  zu  einer 
blöden  Farce  erniedrigen.  Jede  vorurteilslose,  sachverstÀn- 
dige historische  PrĂŒfung  wird  zu  dem  Ergebnis  kommen,  daß 
der  grĂ¶ĂŸte  Teil  der  von  den  Bestimmungen  des  13.  Kapitels 
des  Levitikus  Betroffenen  im  Altertum  wirklich  an  Lepra  ge- 
litten hat;  der  hygienische  Gedanke  der  Isolierungsnotwen- 


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10.  Jahrg.  —  Nr.  11. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


digkeit  solcher  an  einer  ĂŒbertragbaren  chronischen  Krank - 
fielt  Leidenden  ist  durch  das  jĂŒdische  Gesetz  der  Menschheit 
geschenkt  worden,  das  ist  das  historisch  Wichtigste;  und 
noch  mehr  als  das,  im  Levitikus  werden  Reinigungsmaß  - 
nahmen  fĂŒr  infizierte  HĂ€user  angeordnet,  die  zum  RĂŒstzeug 
der  modernen  SeuchenbekÀmpfung  gehören.  Dabei  scheint 
es  mir  wenig  zu  verschlagen,  daß  die  sog.  Zaraath  der 
HĂ€user  mit  der  Lepra  bestimmt  nichts  zu  tun  hat,  und  daß 
die  modernen  Maßnahmen  sicher  keine  direkte  Entlehnung 
aus  dem  Levitikus  darstellen.  Daß  die  ZufluchtsstĂ€tte  des 
mit  der  Lepra  befleckten  Königs  Azarjah-Uzzijah  ein  Leprö- 
sorium  im  mittelalterlichen  Sinne  gewesen  sei,  ist  unheweis- 
bar  und  völlig  unwahrscheinlich.  Doch  bleibt  die  Tatsache 
bestehen,  daß  die  gesamte  Vorstellung  von  Uebertragung 
schwerer  Krankheit  durch  das  Zusammenleben  mit  davon 
Betroffenen  und  die  daraus  gezogene  Konsequenz  der  Isolie- 
rung der  Kranken  auf  religiösem  Wege  dem  Abend- 
lande  vermittelt  wurde. 

Als  der  Aussatz  in  die  antike  Welt  von  Osten  her  her- 
einbrach und  zur  Kognition  der  griechischen  Aerzte,  beson- 
ders Alexandriens,  kam,  beantworteten  diese  sein  Auftreten 
mit  trefflicher  Fixierung  seiner  Symptomatik,  ohne  in  die 
epidemiologischen  Fragen  tiefer  einzudringen  oder  von  Ab- 
sonderungsmaßnahmen prophylaktischer  Art  zu  berichten. 
Aegypten  aber,  wo  der  Aussatz  sich  erst  in  hellenistischer 
Zeit  stĂ€rker  verbreitet  und  festgesetzt  hat,  bildete  nun  fĂŒr  den 
Westen  seine  hauptsÀchlichste  Ausfallspforte  und  ist  heute 
eines  seiner  intensivsten  BetÀtigungsfelder.  Von  Aegypten 
her  zog  die  Lepra  in  schleppendstem  Epidemiengang  durch 
Nordafrika,  setzte  im  kontinuierlichen  Völkerfortschreiten 
ĂŒber  die  Meerenge  von  Gibraltar  und  breitete  sich  in  Spanien 
aus,  wĂ€hrend  gleichzeitig  im  stĂ€ndigen  Völkerfluten  ĂŒbers 
Mittelmeer  nach  Italien,  nach  SĂŒdfrankreich  ihre  Keime  ge- 
tragen wurden  und  ĂŒber  Byzanz  in  die  Balkan-  und  Donau- 
lĂ€nder. Namentlich  im  sĂŒdlichen  Gallien,  aber  auch  weiter 
ins  Keltenland  hinein,  ĂŒber  das  sich  germanische  Ueber- 


schichten  gelegt  hatten,  wurde  das  Maschengewebe  der  Lie- 
praerkrankungen  immer  enger  gebreitet,  und  hier  begann 
man,  nachweisbar  im  0.  .Jahrhundert,  daran  zu  denken,  dir 
sich  immer  mehr  verdichtenden  Epideinicnliidcn,  die  ĂŒbers 
Land  zogen,  zu  zerreißen  oder  zu  durchschneiden.  Erleuch- 
tete KirchenfĂŒrsten  der  Christenheit  entnahmen  aus  dem 
steigenden  Jammer  des  Volkes  an  der  Hand  des  Priester 
kodex  des  allen  Bundes  die  Aufgabe,  hier  einzugreifen:  die 
FĂŒhrerin  der  Völker  des  Mittelalters  verstand  ihre  Pflicht. 
Das  Konzil  von  Lyon  583  ging  zuerst  daran,  das  freie  Wan- 
deln der  Leprakranken  zu  beschrÀnken!  Das  Longobarden- 
gesetz  zeigt  im  EdictUS  Rothari,  welche  Forlschritte  dieser 
Gedanke  in  sechzig  Jahren  gemacht,  die  Bestimmungen  des 
großen  Karl  das  nĂ€mliche  anderthalb  Jahrhunderte  spater: 
die  Leprosenverordnungen  des  dritten  Latcrankonzils  (1179) 
bedeuten  fĂŒr  die  Kirche  einen  gewissen  Abschluß.  Die  Fest- 
Stellung  der  Erkrankten  ward  in  den  Territorien  der  geist- 
lichen wie  der  weltlichen  FĂŒrsten  in  Frankreich  und 
Deutschland  zur  allgemein  durchgefĂŒhrten  Maßregel;  aller- 
wÀrts  hatte  man  Isolierungsstellen  geschaffen,  die  langsam 
zu  vielen  Tausenden  wurden,  wohin  die  zweifellos  Leprösen 
und  die  VerdĂ€chtigen  gebracht  wurden,  die  ersteren  fĂŒr  den 
vollen  Rest  ihres  Lebens  bĂŒrgerlich  tot.  Mit  unbarmherziger 
Konsequenz  wurde  dies  Isolierungssystem  durchgefĂŒhrt  und 
jahrhundertelang  durchgehalten  mit  vollem  Erfolg.  In 
diesem  zÀhen  Ringen  von  Jahrhunderten,  wozu  die  Richt- 
schnur aus  dem  jĂŒdischen  Priesterkodex  entnommen  war,  ist 
der  Okzident  der  Lepra  Herr  geworden.  Von  dieser  geistigen 
Fackel  geleitet,  hat  er  die  erste  große  Tat  direkter  Krank- 
heitsbekÀmpfung  vollbracht:  die  methodische  Vernichtung 
der  Lepra  durch  konsequente  UnschÀdlichmachung  aller  von 
ihr  Ergriffenen  als  Aussaatquelle  des  Krankheitsgiftes  — 
Licht  von  Osten  in  lebendige  Energie  umgesetzt  von  Völkern 
Europas,  wÀhrend  im  Orient  die  Krankheit  trotz  lahmer 
Isolierungsversuche  unbehindert  weiter  ihre  Geißel  schwingt! 


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Jenseits  von  Berat  and  Amt 


40.  Jahrg. —  Nr.  11. 


Endlich  hat  dasselbe  Licht,  das  auch  den  Aerzlen  des 
Abendlandes  aufgegangen  war,  wie  den  Aerzlen  des  Islam, 
in  einem  zweiten  großen  Kampfe  seine  Leuchtkraft  bewĂ€hrt, 
der  einen  erneuten  Ruhmestitel  des  Mittelalters  bildet  in  dem 
großen  Abwehrkampfe  gegen  eine  akute  Infektionskrank- 
heit, die  wieder  einmal  als  WĂŒrgengel  ĂŒber  das  Mittelmeer 
von  Osten  kam,  die  Pest.  Aufgeschreckt  durch  den 
„schwarzen  Tod"  in  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  haben  in 
den  kommenden  Jahrzehnten  am  Ende  dieses  und  zu  An- 
fang des  15.  SĂ€kulums  die  Leitungen  italienischer  und  sĂŒd- 
französischer StÀdte,  allen  voran  Venedig  und  Marseille,  das 
ganze  System  der  Gesundheitskontrolle  der  einlaufenden 
Schiffe,  der  Beobachtungsstationen,  der  Isolierlazarette  und 
selbst  Desinfektionsmaßnahmen  geschaffen,  die  die  begin- 
nende Neuzeit  ĂŒbernahm  und  noch  die  heutige  Seuchenab- 
wehr in  geklÀrter  und  geschÀrfter,  wenn  auch  relativ  wenig 
verĂ€nderter  Gestalt  weiter  ĂŒbt.  Auch  suchte  man  in  den  er- 
griffenen StÀdten  mit  Energie  Ordnung  zu  schaffen,  ohne 
allerdings  Konsequenz  und  Zielsicherheit  fh  gleichem  Maße 
zu  betĂ€tigen  wie  bei  der  Einschleppungsabwehr,  fĂŒr  die  nur 
drei  Daten  als  Beleg  hier  stehen  mögen:  1374,  als  abermals 
Pesteinschleppung  droht,  versagt  Venedig  allen  verpesteten 
und  verdÀchtigen  Schiffen,  Menschen  und  Waren  den  Ein- 
tritt in  die  Stadt;  1377  weist  Ragusa  in  Dalmatien  alle  Rei- 
senden aus  verpesteten  Orten  ab,  falls  sie  nicht  einen  Monat 
lang  an  zwei  dazu  angewiesenen  Stellen  sich  aufgehalten 
haben  und  seuchenfrei  geblieben  sind;  1383  errichtet  Mar- 
seille seine  erste  QuarantÀnestation,  in  welcher  nach  schar- 
fer Schiffskontrolle  alle  Menschen  und  GĂŒter  von  verpesteten 
und  verdĂ€chtigen  Schiffen  vierzig  Tage  abgesondert,  gelĂŒftet 
und  durchsonnt  werden.  Das  sind  die  Grundlagen  der 
Seuchenabwehr  des  Mittelalters,  die  Aerzte  und  Behörden  in 
gemeinsamer  Arbeit  geschaffen  haben  in  Weiterentwicklung 
der  Gedanken,  welche  die  LeprabekÀmpfung  hatte  lebendig 
werden  lassen. 


Und  nun  noch  ein  Letztes,  was  zu  den  großen  hygieni- 
schen Gedanken  und  Taten  der  Vergangenheit  gerechnet  wer- 
den darf,  das  allmÀhlich  sich  durchsetzte  und  Segensgestalt 
gewann,  der  christliche  Barmherzigkeitsgedanke,  der  in  den 
VersorgungsstĂ€tten  fĂŒr  BedĂŒrftige,  Betagte,  Schwache  und 
Kranke  zum  Ausdrucke  kam,  die  edle  soziale  BlĂŒte  des  jun- 
gen Christentums,  die  auf  jĂŒdischem  Baume  erwuchs,  aber 
in  selbstgewiesener  Richtung  sich  entfaltete  seit  den  Tagen 
Basileios  des  Großen  von  Kaisareia,  ein  Gedanke,  der  in 
seiner  BetĂ€tigung  frĂŒhzeitig  zu  Byzanz  mit  griechisch-Ă€rzt- 
licher Wissenschaft  enge  FĂŒhlung  nahm,  wie  uns  erhaltene 
Ordnungen  des  Àrztlichen  Krankenhausdienstes  aus  den 
Zeiten  der  Komnenen  dartun,  wÀhrend  in  Westeuropa  die 
Krankenheilung  erst  weit  spÀter  die  Hauptaufgabe  der  Spi- 
tÀler wurde.  Ihre  hygienische  Bedeutung  war  trotzdem  auch 
vorher  schon  enorm,  zumal  die  HospitÀler  doch  nur  einen 
Teil  der  christlichen  WTohltÀtigkeitsanstalten  des  Mittelalters 
und  der  neueren  Zeit  bilden,  die  in  klaren  ZusammenhÀngen 
Vorschule  und  Wegweisung  fĂŒr  unser  gesamtes,  heute  so 
weit  entwickeltes  System  sozialer  Wohlfahrtseinrichtungen 
wurden,  das  einen  der  ersten  Ruhmestitel  praktisch  hygieni- 
scher Art  in  der  Neuzeit  darstellt.  Er  setzt  sich  ebenbĂŒrtig 
neben  die  wissenschaftlichen  Leistungen,  welche  die  moderne 
naturwissenschaftliche  Medizin  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene 
geschaffen  hat,  wie  vieles  sich  auch  unbewußt  mit  altgrie- 
chischer  privater  Hygiene  berĂŒhrt,  wĂ€hrend  das  wissen- 
schaftliche Erfassen  des  Infektionsgedankens  in  jeder  Hin- 
sicht als  neuzeitlich  bezeichnet  werden  muß,  da  es  im  Grunde 
seine  erste  klare  Fassung  durch  Girolamo  Fracastoro  (1546) 
erhalten,  in  Ignatz  Philipp  Semmelweis  und  Josef  Lister 
seine  großen,  genialintuitiven  Interpreten  in  der  Praxis  und 
in  Louis  Pasteur  und  Robert  Koch  seine  wissenschaftlichen 
Meisterforscher  und  RÀtsellöser  gefunden  hat. 


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40.  Jahrg.  -  Nr.  12 


Jenseits  von  Beruf  and  Ami 


XV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Der  Heilzauber  in  der  Heilkunde. 

Von  A.  Pniower. 

Wir  wollen  an  der  Hand  der  Geschichte  der  Medizin 
untersuchen,  wie  es  sich  mit  diesem  He.ilzauber  verhÀlt  und 
wie  er  im  Wandel  der  Zeiten,  des  Heraklitschen 
„Alles  fließ  t"  bewertet  worden  ist  und  wird.  Denn  nicht 
nur  heutzutage,  nach  dem  Weltkriege  glaubt  die  Menschheit 
an  einen  „Irrationalismus",  will  „das  Uebersinnliche  gewalt- 
sam durch  die  Kraft  ihres  leidenschaftlichen  Triebes  in  die 
sinnliche  SphĂ€re  niederzwingen"  (B  r  u  h  n,  „T  heosophie 
und  Anthroposophi  e")  —  bis  in  die  graue  Vorzeit 
oder  wenigstens  bis  auf  eine  sehr  niedrige,  heute  noch  vor- 
handene Kulturstufe  können  wir  dies  verfolgen,  denn  wir 
können  und  mĂŒssen  unsere  geschichtlichen  und  vorge- 
schichtlichen Funde  wirksam  durch  das  Studium  jetzt  leben- 
der Völker  ergÀnzen. 

Auf  der  alleruntersten  Stufe,  der  sogen,  prÀani  - 
mistischen,  kennt  man  gar  keinen  heilkrÀftigen  oder 
-kundigen  Stand,  die  Krankheiten  werden  der  Feind- 
schaft irgend  eines  Mitmenschen  zugeschrieben, 
durch  den  aber  —  meist  ein  mĂ€chtiger  HĂ€uptling  —  der 
„Heilzauber"  leicht  mittels  Geschenke  zur  Wirksamkeit  ge- 
bracht werden  kann. 

Auf  der  nĂ€chsten  Stufe,  der  niedrigsten  eines  ĂŒbersinn- 
lichen Heil-  und  Gottesglaubens,  wird  der  Heil- 
zauber durch  den  Fetischismus  usw.  reprÀsentiert. 
Dieser  wird  durch  einen  Vertreter  beider  Begriffe  in  einer 
Person,  den  Schamanen,  wiedergegeben.  Der  Besitzer 
des  Fetisch  wird  im  Glauben  des  Kranken  fĂŒr  heilkrĂ€ftig  ge- 
halten, und  wenn  sein  Fetisch  sich  heilkrÀftig  erweist,  hoch 
geehrt  —  man  denke  aber  an  das  AugurenlĂ€cheln! 
Nach  OberlÀnder  sind  die  Schamanen  gern  erbötig, 


gegen  ein  Trinkgeld  fremden  Reisenden  ihr«  KĂŒnste  mit  des 
Xaubertromniel  zu  zeigen.  Die  heutigen  ZahnhalsbÀnder 
usw.  sind  noch  der  Ueberrest  eines  Fetischismus,  All  die 
belebte  und  unbelebte  Welt  wird  von  Gottheiten  auf  diesei 
Stufe  bevölkert,  und  feindliche  DÀmonen  verursachen  Krank- 
heiten und  UnglĂŒck.  Von  einem  DĂ€mon  spricht  Oed  i  p  u  v 
welcher  sein  böses  Geschick  herbeigefĂŒhrt  habe.  Dieser  DĂ€- 
monenglaube ist  selbst  in  der  Neuzeit  noch  nicht  ausgestoi 
ben,  denn  1892  hat  in  dem  bayerischen  StÀdtchen  W  e  m  - 
ding  eine  Teuielaustreibung  (!)  staltgefunden  und  „Hexen- 
schuß" wie  „Albdruck",  das  „Besprechen"  und  „Anhauchen" 
der  Rose  weisen  auf  diesen  Ursprung  hin.  Der  Medizin- 
mann der  Indianer  gebraucht  seine  Medizin,  um  Àhn- 
lich einem  Palladium,  der  Orif  lamme  und  der 
GrĂŒnen  Fahne  die  KĂ€mpfenden  anzufeuern.  Bei  den 
Indianern  Zentralbrasiliens  muß  der  „gute"  Zauber- 
arzt, um  sich  gegen  die  „bösen"  DĂ€monen  zu  wappnen,  an- 
stellen des  Kranken  persönlich  die  Arznei  einnehmen,  welche 
Àhnlich  der  spÀteren  russischen  Heilzauberentgeltung  in 
Spirituosen  besteht. 

Durch  diese  lebenden  Beispiele  können  wir  die  spÀr- 
lichen Funde  ergÀnzen,  welche  die  Geschichte  dieser  Stufe 
ĂŒberliefert  hat.  Bei  den  Skythen  bestand  die  HeiltĂ€tig- 
keit im  „Wahrsagen"  (Ă€rztliche  Prognose?).  Der  „Heil- 
beruf" war  aber  eine  sehr  prekĂ€re  Sache,  denn  der  „Wahr- 
sager" wurde  getötet,  wenn  die  Prophezeiung  nicht  in  Er- 
fĂŒllung ging.  Hier  entspringt  die  Tötung  sicher  aus  der 
Wesensart  des  Fetischismus  selbst.  War  ein  Fetisch  un- 
wirksam, so  wurde  er  beschimpft,  nicht  selten  mißhandelt 
und  beiseite  gebracht.  Dies  pflanzt  sich  sehr  leicht  auf  die 
TrĂ€ger  dieser  „Götzen"  fort.  Aehnlich  kann  man  sich  die 
SklavenÀrzte  vorstellen,  deren  Leben  unumschrÀnkt  in  die 
Hand  ihrer  Herren  gegeben  war,  wÀhrend  die  Tötung  des 


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Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Arztes  bei  den  spÀteren  Westgoten  in  Spanien  nach  einer 
unglĂŒcklichen  Kur  durch  die  Verwandten  des  Toten  wohl 
die  „Bhitrache"  zur  Ursache  hat.  Darauf  weist  der  Umstand 
hin,  daß  die  Aerzte  durch  einen  förmlichen  Vertrag  sich  vor- 
her ihr  Leben  versichern  konnten  —  Ă€hnlich  den  Haft- 
pflichtversicherungen hinsichtlich  der  heutigen  ‱  Schaden - 
ersatzpflicht.  Die  Tötung  des  Arztes  unter  denselben  Ver- 
hÀltnissen beruhte  im  alten  Aegypten  und  in  China 
sicherlich  in  erster  Linie  auf  der  Verletzung  von  Zunftregeln 
der  „reellen  Bedienung",  vielleicht  auch  auf  dem  Ueberrest 
des  Fetischismus.  Auf  einer  höheren  Beligionsstufe  ist  der 
Fetisch  zur  Heilgottheit  erhöht.  Die  Vertreter  dieser, 
die  Priester,  sind  in  ihrer  zwiefachen  Stellung  als  solche 
und  als  Heilkundige  doppelt  so  hoch  angesehen,  weil  sie  als 
Vertreter  einer  Gottheit,  deren  Beistand  man  brauche,  bei 
einer  Behandlung  galten.  Dies  wiederholt  sich  bei  den 
Mittelalters.  Auf  dieser  Stufe  ist  die 
unter  den  Willen  der  Gottheit 
der  Heilzauber  geholfen,  dann  ist  die 
wo  nicht,  wird  dies  als  wohlverdiente 


KlerikerÀrzten  des 
Unterwerfung 
vorherrschend:  hat 
Dankbarkeit  groß, 


Strafe  fĂŒr  irgendeine  SĂŒnde  willig  hingenommen. 

Wenn  auch  aus  der  polytheistischen  eine  mo- 
notheistische Religion  geworden  ist,  so  nimmt  doch 
heute  noch  ein  frommes,  glĂ€ubiges  GemĂŒt  Krankheiten  und 
Heilung  wie  Nichtheilung  als  von  Gott  gesandt  hin. 

Da  die  „esoterische"  Tempelmedizin  nur  wenigen  Aus- 
ei  wÀhlten  zugÀnglich  war,  wurde  der  Heilzauber  durch  den 
mystischen  Hintergrund  außerordentlich  gehohen.  Die  Ver- 
tretung der  Heilkunde  durch  Priester  erinnert  ĂŒbrigens  an 
den  religiösen  Einschlag  der  mittelalterlichen  ZĂŒnfte. 

Von  einem  Heilzauber  ist  auch  in  der  Bibel  die  Rede, 
wo  die  Heilung  des  Aussatzes  beschrieben  wird:  Der  Priester 
soll  .  .  .  einen  Vogel  schlachten,  einen  lebendigen  in  des  ge- 
schlachteten Vogels  Blut  tunken  ....  fliegen  lassen  und  das 
Haus  versöhnen;  so  ist  es  rein  (III.  Mos  c.  14).   Daß  bei  den 


Griechen  auf  dieser  Stufe  der  theurgischen  Heil- 
kunst viel  mit  dem  Tempelschlaf  (Inkubation)  behandelt 
wurde,  ist  bekannt.  Und  nicht  nur  der  Kranke  mußte  dort 
schlafen,  dies  konnten  auch  Angehörige  und  sogar  die 
Priester  fĂŒr  ihn  besorgen.  Viel  trugen  die  kosmologischen 
Theorien  der  spekulativen  Philosophie  dieser  Zeit  dazu  bei, 
den  Glauben  an  einen  metaphysischen  Heileffekt  zu  ver- 
stÀrken: Hcraklit,  Empedokles,  Pythagoras,  die 
S  t  o  a.  Namentlich  bei  letzterer  kann  man  die  pantheistische 
Auffassung  der  Allbeseeltheit  der  Natur  leicht  auf  den  Ur- 
sprung des  DĂ€monenglaubens  verfolgen. 

Interessant  ist  im  Wandel  der  Zeit  die  Tatsache,  daß  wie 
in  der  Neuzeit  die  Christian  Science,  die  Gesund- 
heterei,  so  schon  um  das  Jahr  150  v.  Chr.  die  alexandrinisch- 
jĂŒdischen  E  s  s  Ă€  e  r,  eine  Sekte  von  Therapeuten,  der  herr- 
schenden Schulmedizin  entgegen,  Krankheiten  durch  theur- 
gische  Maßnahmen  heilen  wollten.  Zumal  immer  wieder 
aus  dem  Oriente  kommt  nicht  nur  das  lux,  sondern  auch  die 
geheimnisvolle  Strömimg,  besonders  der  astrologische  Ein- 
schlag. In  Alexandria  waren  die  seinerzeit  neu  auf- 
tauchenden philosophischen  Grundlagen  des  N  e  u  - 
PythagorÀismus,  Neupiatonis  mus  und  der 
jĂŒdischen  Religionsphilosophie  P  h  i  1  o  '  s  dem  Glauben 
an  einen  Heilzauber  förderlich.  Aber  auch  zur  Zeit 
G  a  1  e  n  '  s  war  in.  Rom  der  Aberglauben  die  Heilkunst 
beherrschend,  die  „Dreck-  und  Wunderapotheke" 
gewann  Einlaß  in  die  Heilkunde,  hohe  Honorare  der 
„WasserĂ€rzte",  der  „GestirnĂ€rzte"  waren  keine  Seltenheit. 
Nicht  nach  dem  Maß  von  Wissen  und  Arbeitsaufwand 
wird  dann  der  Arzt  beurteilt,  sondern  nach  dem 
Erfolge  des  „Heilzaubers".  Dies  nimmt  nicht  Wunder  in 
einer  dem  Mystizismus  huldigenden  Zeit,  wenn  schon  die 
alten  Hippokratiker  „kritische  Tage"  annehmen  und 
TrĂ€ume  bei  der  Prognose  eine  Rolle  spielen  ließen,  wenn 
schon  einem  Aristoteles  die  Chiromantie  bemer- 
kenswert erschien. 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


An  die  Stelle  der  heidnischen  Besprechungen  und  Be 
schwörungen  trat  im  christlichen  Mittelalter  der  Miß- 
brauch des  Namens  Gottes*  die  Anrufung  der  Heiligen.  Zwar 
wurden  schon  im  Altertum  die  „schwarzen  Zauberer"  be 
kĂ€mpft  und  „Zauberei"  unter  Rams-es  III.  mit  dem  Tode 
bestraft,  der  Glaube  an  einen  wahren  oder  falschen  HeĂŒ- 
zauber  erhielt  sich  im  Volke. 

Getreu  dem  Glauben  an  einen  lÀngst  beseitigten  Feti- 
schismus erleiden  im  ganzen  Mittelaller  die  Aerztc  Anfein- 
dungen, Verbannungen,  Todesstrafen,  sogar  Verbrennungen; 
nicht  nur  im  finsteren  Altertum.  Hat  der  Fetisch  nicht  ge- 
holfen, wird  er  beseitigt.  Bei  den  wenig  von  der  Kultur  be- 
leckten Franken  wurden  zwei  LeibÀrzte  der  Königin 
A  u  s  t  r  i  g  i  1  d  i  s  auf  deren  letztwilligen  Wunsch  enthauptet, 
weil  sie  ihr  nicht  hatten  helfen  können. 

Heilzauber  ist  die  Losung;  die  Könige  von  Frank- 
reich haben  die  „ererbte"  Macht,  Skrofeln  durch  Handauf- 
legen zu  heilen,  bei  Herausnahme  von  Pfeilgeschossen  wurde 
gebetet,  Syphilis  wird  als  Gottesstrafe  angesehen  und  theur- 
gisch  behandelt,  sofern  ĂŒberhaupt  eine  Auflehnung  gegen 
den  göttlichen  Willen  statthaft  ist.  Die  Kirche  kennt  ein 
besonderes  Amt,  den  Exorzisten,  den  Teufelsbeschwörer; 
der  Priester  muß  fĂŒr  den  Arzt  eintreten  und  klagt,  daß  der 
Arzt  an  natĂŒrliche  VorgĂ€nge  glaube,  wo  doch  „Verzaube- 
rung" vorliege.  Die  „christliche  Magie"  (Diepgen)  blĂŒht 
Heilzauber  bei  Verzauberung!  FĂŒr  den  Arzt  galt  es  als  eine 
gute  Empfehlung,  wenn  er  unter  einem  Stern  geboren  war, 
der  Àrztliches  Talent  versprach. 

Die  Chirurgie  gilt  seit  dem  Altertum  her  fĂŒr 
minderwertig,  weil  sie  keinen  Heilzauber  aufweisen 
konnte.  Solange  aber  der  Aerzteschaft  die  bessere 
anatomische  Durchbildung,  die  Blutstillung  und  nament- 
lich die  Narkose  mangelte,  war  daran  nicht  zu  den- 
ken. Namentlich  die  letztere  —  auch  die  LokalanĂ€sthesie 
macht  darin  keine  Ausnahme  —  hat  erst  den  Glauben  an 
einen  Heilzauber  erwachen  lassen.    Ob  durch  Tempelschlaf, 


ob  durch  Narkose  bedingt,  der  Kranke  sieht  in  den 
norkotischen  Mitteln  etwas  Heilzauberhaftes.  Ohne  ört- 
liche oder  allgemeine  BetĂ€ubung  ist  auch  keine  grĂ¶ĂŸere, 
wenigstens  innere  Operation  mit  Aussicht  auf  sicheren  Er- 
folg vorzunehmen.  Und  solange  hielt  die  innere  Medizin 
;m  der  „esoterischen"  Heilkunst  fest,  weil  sie  durch  keinen 
sichtbaren  Mißerfolg  den  Glauben  an  einen  Heilzauber 
erschĂŒttern  lassen  wollte. 

Umgekehrt  war  es  hei  den  j  ĂŒ  di sc  h  e  n  Aerzten  des 
Mittelalters.  Die  ganze  Zeitrichtung  war  ihnen  nicht  hold: 
so  wurde  zeitweise  ihnen  das  Praktizieren  untersagt  und  den 
GlÀubigen  verboten,  sie  zu  Rate  zu  ziehen.  Wie  aber  in  der 
Antike  schon  die  auslĂ€ndischen  Aerzte  —  die  Juden  wurden 
auch  als  stammesfremde  AuslĂ€nder  angesehen  —  besonders 
hoch  in  Wertung  standen,  so  kann  man  dies  auch  bei  den 
jĂŒdischen  Aerzten  des  Mittelalters  sehen,  denn  der  Glauben 
an  ihrem  Heilzauber  hatte  große  Geltung.  Nicht  nur  FĂŒr- 
sten, auch  Aebte  und  fĂŒnf  PĂ€pste  hielten  sich  jĂŒdische  Leih- 
Ă€rzte. 

Auch  in  der  geschichtlichen  Neuzeit  blĂŒhte  der  Aber- 
glauben mehr  als  in  der  verachteten  Antike,  dem  sich  auch 
die  Aerzte  nicht  entzogen  und  „Waffensalben"  wie  „Segens- 
sprĂŒche" verschrieben.  Man  fĂŒhrte  sogar  den  Namen  Sal- 
bader auf  S  a  1  v  a  t  o  r  zurĂŒck.  Vesalimus  und 
Paracelsus  klagen  ĂŒber  die  aberglĂ€ubischen  Aerzte, 
welche  aber  hohe  Geltung  hatten.  Die  Rosen  kreuze  r 
wollen  mit  Gebet  Gesundheit  erringen  usw.,  so  daß  die  Aerzte 
den  Spott  Petra  rka's,  Cervantes  und  M  o  1  i  e  r  e  s 
ĂŒber  sich  ergehen  lassen  mußten.  Selbst  im  18.  Jahrhundert, 
wo  die  Aerzteschaft  den  Kampf  mit  den  okkultistischen 
Strömungen  aufnimmt,  fehlt  es  nicht  an  dissentierenden 
Aerzten  (Mesmer,  Hahiiemann,  Rademacher  mit 
ihren  vitalistischen  und  dynamistischen  Theorien).  Die  Zeit 
war  dem  Mystizismus  wieder  geneigt,  man  versenkte  sich  in 
die  Romantik;  das  Zeitalter  der  „AufklĂ€rung"  ließ  die 
medizinische  FakultĂ€t  zu  WĂŒrzburg  noch  eine  „Hexe" 


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und  Quetschwunden),   Prostbeulen,   Brandwunden  I.  und  II.  Crades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  cruris,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetiologische  Momente  hervorgerufenen  Erythemen. 


Agressit- 

Einlege-Pastillen  zur  vaginalen  Desinfektion. 

(m-MonomethylbenzoIsulfonchlorlmid-Kalium, 
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VerbĂŒrgt  den  Schutz,  ohne  die  Schleimhaut  zu  reizen  und  Ă€sthetisch  uiange- 
nehm  zu  wirken.  —  PrĂ€parat,  welches   die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor  und  Sauerstoff  Hit  der  keimtötenden  Kraft  eines  Alkaloids  vereinigt 
VorzĂŒglich  als  Sctaatzmlttel. 


Proben  und  Literatur  nach  Anforderung. 


Resistan  'TÄ'rÄÄr  Berlin-Wilmersdorf  I.  RH 

Die  Gesellschaft  hat  ihren  bisherigen  Namen  Timello-Ges.  abgeÀndert  in  Resistan-Ges.,  wie  vorstehend. 


XVIII 


Jenseils  von  Beruf  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


verbrennen,  im  Jahre  1703  erklĂ€rte  eine  Preußische 
Pestordnung  die  Pest  als  eine  gerechte  Strafe  des  Him- 
mels, und  noch  1732  sollten  dem  VizeprÀsidenten  der  König- 
lichen Akademie  „ZauberbĂŒcher  aus  dem  Königlichen  Ar- 
chive, wie  das  speculum  Salomonis"  verabfolgt  werden. 

In  dieser  Zeit  nimmt  man  den  heilkrÀftigen  Zauber,  wo 
man  ihn  findet.  Ein  einfacher  Wundarzt  wurde  in  den 
Ritter-  und  Grafenstand  erhoben,  als  er  den  König  Ma- 
thias Co rvinus  von  Ungarn  auf  dessen  öffentliche 
Aufforderung  von  einer  Wunde  befreite,  ein  anderer  wurde 
auf  Àhnliche  Weise  zum  c  o  m  e  s  palatinus  ernannt;  ein 
Scharfrichter  wurde  vermöge  eines  Privilegiums  Kaiser 
Leopolds  Medikus  der  Reichsstadt  N  ĂŒ  r  n  b  e  r  g,  wo  er 
schon  vorher  seines  „Amtes"  gewaltet  hatte,  in  B  e  r  1  i  n 
wurde  ein  Scharfrichter  von  F  r  i  e  d  r  i  c  h  I.  sogar  zum  Hof- 
und  Leibmedikus  befördert.  Daher  liest  man  auch  in  jenen 
Zeiten  den  ironischen  Rat,  seinen  Heilmitteln  einen  „arabi- 
schen, chaldÀischen  oder  griechischen  Namen  zu  geben". 

Umgekehrt  wurden  die  Aerzte,  welche  gegen  diesen 
Heilzauber  sich  wandten,  wie  der  große  Spanier  Servet, 
verbrannt,  Wierus  lotgeschwiegen  und  seine  Ansichten 
mit  der  Wirkung  der  Pest  verglichen.  Nahm  man  im  Mittel- 
alter den  Heilzauber  schon  so  weit,  daß  körperlich  Verun- 
staltete nicht  zur  Promotion  in  Salerno  zugelassen  wur- 
den, damit  schwangere  Frauen  sich  an  ihnen  nicht  versehen 
könnten,  so  faßte  man  im  Jahre  1521  die  Leitung  einer  Ge- 
burt durch  den  Arzt  als  „Zauberei"  auf.  In  diesem  Jahre 
wurde  ein  Arzt  als  „Zauberer"  verbrannt,  weil  er,  als  Hebe- 
amme verkleidet,  eine  Geburt  glĂŒcklich  zu  Ende  gefĂŒhrt 
haben  sollte,  die  der  Hebamme  nicht  glĂŒcken  wollte,  und 
weil  die  medici  puri  bei  Geburten  —  RĂ€ucherungen  verord- 
neten, geburtshilfliche  Eingriffe  aber  nie  machten. 


In  der  aller  neuesten  Zeit  nÀherte  man  sich  re- 
gierungsseitig mit  EinfĂŒhrung  des  Kurierzwanges  und 
mit  seiner  nach  Abschaffung  versuchten  WiedereinfĂŒhrung 
beim  Vorentwurf  zur  Reichsversicherungsordnung  und  beim 
Gesetz  gegen  MißstĂ€nde  im  Heilgewerbe  bedenklich  der  Auf- 
fassung eines  durch  den  Fetisch  oder  durch  den  s  e  r  v  u  s 
m  e  d  i  c  iLS  unbedingt  zu  gewÀhrenden  Heilzaubers.  In 
Hessen-Darmstadt  wurden  die  PrivatÀrzte  sogar  hin- 
sichtlich der  Art  und  Weise  der  Behandlung  zu  Untergebenen 
der  StaatsÀrzte  gemacht. 

Durch  die  heutige  Àrztliche  TÀtgikeit  mit  ihren  Errun- 
genschaften der  Diagnose  und  Therapie,  welche  jedem  leich- 
ter wie  frĂŒher  zugĂ€nglich  sind,  beginnt  bei  einem  Hoch- 
stande  der  wissenschaftlichen  Heilkunde,  wie  schon  einmal 
zur  Zeit  des  Hippokrates,  der  Glaube  an  einen  Heil- 
zauber zu  schwinden.  Aber  die  ganze  Zeitrichtung,  nament- 
lich nach  dem  Kriege,  ist  dem  Mystizismus  wieder  geneigt, 
mag  er  nun  auf  religiöser,  philosophischer,  spiritistischer  oder 
theosophisch-okkultistischer  Grundlage  beruhen.  Und  das 
Kurpfuschertiun,  mag  es  sich  nun  magnetisch,  homoeopa- 
thisch,  hypnotisch-suggestiv  oder  naturheilmĂ€ĂŸig  betĂ€tigen 
oder  noch  gröberes  GeschĂŒtz  auffahren,  hĂ€lt  sich  dem  leiden- 
den Publikum  bestens  empfohlen. 

Wenn  die  Aerzte  den  zu  der  Zeit  eines  wissenschaft- 
lichen Hochstandes  der  Heilkunst  geborenen  Rat  des  Hip- 
pokrates beherzigen,  nicht  nur  die  Krankheit,  son- 
dern auch  den  Kranken  zu  behandeln,  werden  sie  trotz 
eines  augenblicklichen  Hochstandes  der  Heilkunde  sehr  wohl 
auch  den  Glauben  an  einen  Heilzauber  erwachsen  lassen. 
Der  Kranke  aber  soll  wissen,  daß  auch  das  Vertrauen  zu 
dem  Arzte  einen  gewissen  Heilzauber  in  sich  birgt:  das  wird 
ihn  auf  manches  Heilzauberhafte  verzichten  machen. 


>>1  ^t?A 

rPLS  AM 


Ef%  ■   gß     m     *S  IpulalmHW  feg.n 

PISAN  Epilepsie 


ußtJ  verwandte  Krankheiten  (Cherea:  Kinderkrampf e) 

In  UniversitÀtskliniken  und  Nervenheilanstalten  verordnet. 

Btltass'taiU;  Mato.  Mboraa.  pari*».  Kai.  Natr.  Amonoo.  »remat.  ZU«.  oxydat.  pari». 
Asyl.  raJsrtss.  Ol.  Mestfc.  pio.  Mllcha».  Amid»M<*«Uol  ».  ».  is  Ublett.  »  1,076. 
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Literatur 
and  Proben 
greti" 

40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XIX 


Malerei  und  Geschichte  der  Medizin.*) 

(1906.) 

Eine  Eigenschaft  vor  allem  ist  dem  bildenden  KĂŒnstler 
und  dem  wahren  Arzte  gemeinsam  und  in  ihrer  vollsten  Aus- 
bildung eigentlich  nur  diesen  beiden  gegeben,  das  wirklich- 
keitsoffene  Auge,  der  alles  erfassende  Blick,  die  große  Kunst 
des  Sehens,  die  ihn  zwingt,  alle  HĂŒllen  zu  durchdringen, 
unter  der  Schale  den  Kern,  unter  der  OberflÀche  das  spielend 
sich  bewegende  Leben  zu  sehen  —  eine  Himelsgabe,  die  wie 
jedes  hohe  Geschenk  auch  zur  Quelle  der  Qual  werden  kann 
fĂŒr  den  Feinnervigen,  Feinempfindenden,  der  die  Gabe  des 
durchdringenden  Schauens  in  besonderem  Maße  besitzt,  zur 
Qual,  weil  er  sie  nicht  schlummern  lassen  kann,  weil  er  sie 
innner  und  allerorten  ĂŒben  muß,  auch  wo  die  holde  Illusion 
das  GlĂŒck  ist  —  doch  das  gehört  hier  nicht  hin!  Daß  der 
große  KĂŒnstler,  auch  der  ĂŒberirdisch-idealste,  diese  Gottes  - 
gĂ€be  des  Schauens,  der  unbewußt  stets  geĂŒbten  Erfassung 
des  Wirklichen  unter  allen  UmstÀnden  besitzt  und  nicht  etwa 
nur  beim  Schaffen  eines  Genrebildes,  eines  „Bildes  aus  dem 
Leben"  oder  gar  eines  Stillebens  ĂŒbt,  macht  ihn  ungewollt 
zum  Chronisten  der  Wirklichkeit  seiner  Zeit,  auch  wenn  er 
nicht  etwa  ihr  „Sittenschilderer"  zu  sein  wĂŒnscht. 

Dadurch  sind  die  GemĂ€lde  großer  Meister  aller  Zeiten, 
am  vollkommensten  natĂŒrlich  der  „naiven"  Zeiten  ohne  anti- 
quarisches Studium  in  der  kĂŒnstlerischen  Darstellung,  gemalte 
Archive  fĂŒr  den  Kulturhistoriker,  besonders  auch  fĂŒr  den 
Historiker  der  Heilkunde. 

Darum  ist  der  Maler  und  Bildhauer  in  seinen  Diensten 
fĂŒr  den  Geschichtsforscher  der  Medizin  nicht  etwa  darin  er- 
schöpft, daß  er  die  großen  Aerzte  und  Naturforscher  in  ihrer 

*)  Aus  Karl  Sudhoff's  Skizzen  mit  Erlaubnis  des  Verlages 
F.  C.  W.  Vogel,  Leipzig,  nachgedruckt. 


Ă€ußeren  Erscheinung  und  in  ihrer  geistigen  Persönlichkeit 
festgehalten  hat.  Nein,  die  P  o  r  t  r  À  t  g  a  1  e  r  i  e  n  sind  etwas 
recht  Wesentliches  fĂŒr  unsere  Zwecke:  die  GemĂ€ldegalerien 
sind  noch  in  einem  viel  weiteren  Sinne.  Arsenale  der  Kultur- 
geschichte und  in  einem  kleinen,  aber  recht  beachtenswerten 
Teile  auch  der  Geschichte  der  Medizin. 

Ja,  von  einer  anderen  Hilfe  wollen  wir  sogar  ganz  ab- 
sehen, die  uns  die  zeichnende,  die  malende  und  formende 
Kunst  seit  Jahrhunderten  an  die  Hand  gibt,  von  der  vollen- 
deten Wiedergabe  unserer  wissenschaftlichen  Objekte  in  Ana- 
tomie, Physiologie  und  Pathologie  —  nein,  die  graphischen 
KĂŒnste  als  kunstgewerbliche  Dienerinnen  unseres  Metiers 
fallen  fĂŒr  uns  hier  völlig  aus:  wir  haben  hier  nur  mit  dein 
freischaffenden  Gotteskinde  mit  den  wehenden  Locken  zu 
tun,  der  unbeschrÀnkten  königlichen  Herrscherin  Kunst! 

Von  der  „Anatomie"  also  betrachten  wir  hier  nur  einen 
Rembrandt,  wie  er  den  Anatomen  und  seine  Zuschauer  und 
Zuhörer  in  ihrem  geistigen  Wesen  und  Wirken  erfaßt,  wie 
seine  KĂŒnstlerseele  es  geschaut  und  die  aller  seiner  großen 
und  kleinen  Genossen  in  den  „AnatomiegemĂ€lden". 

Dicht  daneben  stehen  die  packenden  Darstellungen,  vor 
allen  der  NiederlÀnder,  wie  sie  den  Arzt  in  seinem  Berufe  ge- 
sehen haben  am  Bette  des  welken  Greises,  wie  der  blĂŒhenden 
Jungfrau,  des  Fiebernden  mit  dem  glÀnzenden,  des  Abgezehr- 
ten mit  dem  brechenden  Blicke,  wie  der  sterbenswehen  Liebes- 
kianken und  des  vermeintlichen  Kranken,  den  nur  die  Ein- 
bildung plagt.  Alle  diese  Typen  und  unzÀhlige  andere  hat 
Pinsel  und  Feder  des  Malers  seit  Jahrhunderten  festgehalten 
als  ewig  altes  und  immer  neues  Exempel  aus  dem  Leben  der 
JĂŒnger  der  heilenden  Kunst,  aber  als  Wirklichkeitsschilderer 
hat  er  den  Bildern  das  wechselnde  Licht  des  Tages  mit  seinem 
Detail  gegeben  und  uns  nebenbei  ganz  unbeabsichtigt  auch 
die  Historie  der  Ă€rztlichen  Kunst  ĂŒberliefert. 


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vielen  anderen  großen  Krankenkassen -VerbĂ€nden 
zur  Verordnung  zugelassen. 


XX 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


41).  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Der  Maler  von  heute,  der  uns  in  das  Sprechzimmer  des 
Arztes  fĂŒhrt,  zeigt  uns  wohl  eine  junge  Leidende,  wie  sie, 
leicht  vorgeneigt,  das  schneeige  Hemdchen  an  den  schwellen- 
den Busen  drĂŒckt,  wĂ€hrend  der  ernste  Herr  Doktor  „Bitte, 
atmen  Sie  tief!"  ihren  RĂŒcken  auskultiert,  oder  wie  der  Arzt 
ein  diphtheriekrankes  BĂŒrschlein  mit  dem  Kehlkopfspiegel 
untersucht,  das  die  atemlos  Àngstliche  Mutter,  zitternd  wie 
ein  armer  SĂŒnder  vor  dem  Urteilsspruch,  auf  dem  SchĂ¶ĂŸe 
hĂ€lt  — 

Zeitalter  der  Laryngoskopie  und  Auskultation. 

Der  KĂŒnstler  vor  etwa  hundert  Jahren  fĂŒhrt  uns  den 
Kollegen  mit  dem  Goldknopfstock  vor  und  der  kostbaren 
Schnupftabaksdose,  wie  er  geduldig  gefaßt  den  Vorderarm 
einer  Dame  im  Reifrock  mit  drei  Fingern  umspannt  — 

Zeitalter  des  bloßen  PulsfĂŒhlens, 
oder  wie  er  einem  widerstrebenden  halbentkleideten  T.öchtei  - 
lein  in  Gegenwart  der  entsetzt  sich  abwendenden  Frau  Mama 
mit  wichtiger  Miene  und  scharfer  Lanzette  ein  paar  Stiche 
im  Oberarm  beibringt  — 

Zeitalter  der  beginnenden  Vakzination. 

Ein  und  einige  weitere  Jahrhunderte  frĂŒher  hĂ€lt  der  Herr 
Doktor  ein  flaschenkĂŒrbisartiges  GefĂ€ĂŸ  bedenklich  gegen  das 
Licht,  wÀhrend  ein  Kranker  dabei  sitzt  oder  daneben  im  Bette 
liegt  oder  noch  frĂŒher  ein  wenig  intelligenter  Geselle  mit* 
einem  auffallend  gestalteten  hoben  strohgeflochtenen  Henkel- 
körbchen dabei  steht  — 

Zeit  der  Hainschau, 
oder  der  Arzt  mit  bedeutender  Pose  im  langen  Talar  mit 
wuchtigem  Barett  am  hohen  Bogenfenster  zum  Nachthimmel 
mit  sonderbaren  Sternbildern  und  Sternformen  hinaufschau!, 
wunderbare  GerĂ€te  in  den  HĂ€nden  — 

Zeit  der  Sternprognose  fĂŒr  den  Krankheitsverlauf,  der 
Iatromathematik. 


Ein  andermal  schauen  wir  in  eine  fast  ĂŒbermĂŒtige  Stube 
hinein,  wo  am  einen  Ende  nichtsnutzig  Volk  mit  Weibern 
schĂ€kert,  am  andern  ein  Abszeß  geöffnet  wird  im  RĂŒcken  oder 
am  Arme,  oder  ein  Fuß  oder  Kopf  operiert  oder  zur  Ader 
gelassen  oder  geschröpft  oder  ein  Zahn  gezogen  oder  rasiert 
wird,  wÀhrend  Verbundene  heranziehen  oder  schreiende  Kin- 
der herbeigebracht  werden  —  der  Mensch  ist  der  ewig  gleiche, 
aber  sein  Tun,  seine  GefĂ€ĂŸe,  seine  Binden,  seine  Instrumente, 
seine  Manipulationen  sind  immer  wieder  andere:  was  wir 
in  Lehr-  und  HandbĂŒchern  ferner  und  fernster  Zeiten  mĂŒh- 
sam entrĂ€tseln  mĂŒssen,  das  zeigt  uns  ein  Bild  aus  jener  Zeit 
in  einem  Blick  bis  hinauf  zur  Anwendung  altrömischer 
Knochenzangen  aus  Pompeji  auf  der  gleichzeitigen  Freske 
des  verwundeten  Aeneas.  So  bilden  die*  gemalten  Sprech- 
zimmer, Kranken-  und  Operations-  und  Spitalzimmer  un- 
schĂ€tzbare Dokumente  fĂŒr  die  Lehrmeinungen  und  die  Aus- 
ĂŒbung unserer  Kunst,  ebenso  aus  dem  Leben  gegriffen  und 
ebenso  naturwahr  und  wirklich  in  all  ihrem  Drum  und  Dran, 
wenn  auch  meist  nicht  entfernt  so  scharf  und  spitzig  karikier! 
wie  die  Fixierung  Doyen'scher  Operationen  oder  parismische r 
FakultÀtsgruppierungen  der  letzten  Monate,  die  bald  ebenso 
wichtige,  als  satyrisch  verzerrt  jederzeit  zu  erkennende  Bilder 
zur  Geschichte  der  Medizin  sein  werden. 

Und  wie  die  zahlreichen,  ĂŒppigen  und  zarten  GemĂ€lde, 
gemalten  und  gezeichneten  Persiflagen  unserer  Seebadschi  1- 
derer,  einschließlich  „face  Ă€  l'ennemi"  und  Ă€hnlichem,  das 
Leben  am  Strande  unserer  ModebÀder  festhalten,  so  haben 
die  KleinkĂŒnstler  der  Renaissance  wie  die  großen  Meister 
jener  Periode  das  ĂŒppige  Leben  in  den  PrachtbĂ€dern  und 
Badestuben  unserer  ReichsstÀdte  belauscht  und  das  Àrztliche 
Detail  der  Dampf-  und  SchwitzbÀder  mit  ihren  peitschenden 
Hautquasten  und  BademĂŒtzen  ebenso  getreu  ĂŒberliefert  wie 
die  unhygienischen  Schmausereien  und  Trinkgelage  in  den 
BadehÀusern  und  das  Poggiosche  Detail  einer  lockeren 
BisexualitÀt. 

*      „,  * 


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ist  essigsaure  Tonerde  in  Pulverform,  verstÀrkt  mit 
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ca.  100  gr. 

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Streudose  ca.  50  g 

Eston-Bolus  steril  20  % 

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40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XXI 


Aber  auch  die  ernstesten  GemÀlde  Sublimster  Edelkimst, 
sie  haben  uns  in  den  Heilwundern  Chi'isti  und  seiner  Apostel 
und  der  Heiligen  die  Bilder  der  damaligen  Nervenkrankheiten 
festgehalten,  die  meist  heute  noch  ebenso  beobachte!  werden 
können  und  die  Bilder  frĂŒherer  Zeil  eben  dadurch  als  lebens- 
wahrste Zeichnungen  erweisen,  wahrend  nianehe,  /.  B,  die 
TĂ€nzvvut,  in  dieser  Form  kaum  mehr  gesehen  werden,  isl 
der  erbrachte  Nachweis  des  Sichgleichbleibens  schon  von 
krankheitshistorischem  Werte,  so  haben  uns  die  großen  Tafel t 
gemÀlde  der  Vergangenheit  aber  auch  Inventarien  geliefert 
von  bei  uns  ausgestorbenen;  oder  milder  gewordenen  Krank- 
heiten, durch  nichts  zu  ersetzende  Archive,  welche  uns  bei- 
spielsweise alle  Formen  des  abendlÀndischen  Aussatzes  und 
der  zahllosen  durch  ihn  entstandenen  Entstellungen,  Ver- 
stĂŒmmelungen und  VerkrĂŒppelungen  tĂŒchtig  und  wahr  aus 
dem  Leben  beobachtet  und  mit  mitleidig  -  unbarmherzigein 
Pinsel  schildern,  woraus  sich  ein  Atlas  der  Lepra  zusammen 
stellen  ließe,  der  unseren  modernsten  Atlanten  der  Hautkrank  - 
heiten  in  feinstem  Farbendruck  an  Naturtreue  wenig  nach 
gÀbe. 

So  sind  uns  auch  die  Greuel  der  Pestepidemien  aufbe  - 
wahrt in  unvergleichlicher  Weise,  so  die  Gestalt  und  Farbe 
der  Pestbeulen  am  Schenkel  des  heiligen  Rochus  und  unzÀh- 
liges andere,  das  heute  noch  klar  und  ĂŒberzeugend  die  Patho- 
logie der  Vergangenheit  widerspiegelt. 

Und  was  können  wir  nicht  alles  fĂŒr  die  Ă€rztliche  Ver- 
gangenheit an  den  WTochenstuben  lernen,  die  vor  allem  die  an 
kein  streng  ĂŒberliefertes  Detail  des  Stalles,  der  Krippe,  und 
der  vierfĂŒĂŸigen  Stallbewohner  gebundene  Geburt  der  Maria 
liehevoll  schmĂŒckend  umkleiden,  vom  prĂ€chtigen  Himmelbett 
bis  zum  KinderbadewÀnnchen,  dessen  Inhalt  die  wartende 
Frau  oder  Magd  mit  der  nackten  Ferse  prĂŒft,  und  all  dem 
Kleinzeug  der  Kinderpflege  an  SchwÀmmchen,  Windeln  und 
WickelbÀndern  und  der  kleinen  Wiegen  und  geflochtenen 


Betlehen,  die  oll  auch  entzĂŒckend  neben  der  Gottesinuttei 
sieben  -  alles  ebenso  ans  dem  Leben  gegriffen  wie  auf  den 
köstlichen  Bildern  der  Wochenbesuche  bei  irdischen  nieder- 
lĂ€ndischen MĂŒttern,  die  einst  ein  sehr  beliebter  malerische! 
Typus  am  untersten  Laufe  der  Maas  und  des  Rheines  fwic 
zum  Teil  auch  Qberdeutschlands)  waren  und  wertvolles  ine 
clizin -geschichtliches  Material  uns  aufspeicherten: 

Andeuten  will  ich  nur  noch,  wie  liehevoll  die  Kranken 
pflege  durch  manches  Jahrhundert  in  den  Darstellungen  der 
SpitÀler  und  ihres  Pflege-  und  Wartungspersonals,  der  Spital- 
gĂ€rten usw.  festgehalten  ist  —  wie  belehrend  die  Abschilde- 
rungen  der  Apotheken  und  ihres  ganzen,  oft  ĂŒberaus  reichen 
und  kĂŒnstlerischen  Inventars,  wenn  der  kostbare  Theriak 
unter  obrigkeitlicher  Beaufsichtigung,  ja  gleichsam  Beglau- 
bigung bereitet  wird,  oder  wenn  gar  Christus  selber  am  Re- 
zeptiertisch  steht  und  die  Wage  handhabt  —  wie  beachtens- 
wert in  ihrem  Detail  und  in  ihrer  ganzen  Stimmung  die  La 
boratorien  der  Alchemisten  sind,  aus  denen  ebensowohl  unsere 
ganze  chemisch-biologische  Forschung,  wie  die  Schlotreihen 
unserer  großen  chemischen  Weltfabriken  in  Elberfeld-Lever- 
kusen, Höchst,  Ludwigshafen  usw.  hervorgegangen  sind. 

Wie  auch  das  Kurpfuschertum  von  heute  seine  Ahnen - 
galerie  in  den  TheriakskrÀmern,  fahrenden  Quacksalbern, 
Starstechern,  Zahnbrechern,  Mesmerschen  und  anderen  Sean- 
ces  usw.  finden  kann  —  und  seine  Narrenpritsche,  die  ihm 
nur  die  historische  Forschung  gebĂŒhrend  applizieren  kann, 
darĂŒber  und  ĂŒber  vieles  andere,  was  die  bildende  Kunst  der 
Geschichte  unserer  Wissenschaft  bietet,  ließe  sich  noch 
manche  Seite  plaudernd  fĂŒllen,  aber  diese  Andeutungen 
mögen  genĂŒgen. 


Der  heutigen  Nummer  dieser  Zeitschrift  liegt  ein  Prospekt  der  Chemischen  Fabrik  6  u  e  s  t  r  o  w  bei,  auf  welchen  wir  besonders  aufmerksam  machen. 


TO  RAMIN  MILANOL 


wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
'  anwendbar. 

Indikationen:  Huslen,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulöseu  Ursprungs,  bei  Lungen-  und  BrĂŒstf ellent ■ 
ZĂŒndungen,  Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toram.in-TableUcn  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromat.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expeklorantien, auch 
Gifa  ja  kob PrÀ  paraten. 


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logische Zwecke, 

saubere   Anwendung   als   Salbe,   Paste,  Puder, 

Pinselung  2 — 10%ig,  weder  WĂ€sche  noch  Haut 
verschmierend. 

Indikationen:  Speziell  chronische  und  subakutc 
Ekzeme. 

Ferner  FĂ€lle  der  derma  tologischen  Praxis,  in  denen  eine 
juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lationsbefördernde,  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keratoplastische  Wirkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


adstringierend,  antiseptisch, 
granulationsbe fördernd, 
schmerzlindernd. 


mm 


mm 


XXII 


Fortschritte  der  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  12. 


Name  gesetzlich  geschĂŒtzt.    D.  R.  P. 
(Doppelsalz  von   Calcium   lacticum    und  Natrium  lacticum) 

das  von  den  Professoren  Emmerich  und  Loew  erprobte  und 
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erhöht  durch  seine  Natriumlaktat-Komponente  die  Alkalescenz 
des  Blutes    und    fahrt   so  zu  einer   guten    und  sicheren 

Kalkretention. 

Indikationen:  Rachitis,  Osteomalacie,  KnochenbrĂŒche,  Caries, 
Dentition,  Haemorrhagien,  insbesondere  auch 
PubertÀtsmenorrhagien  u.  Haemoptoe,  Hidrosis, 
Skrofulöse,  Arteriosclerose,  Heufieber,  Asthma, 
GraviditÀt  usw. 

Handelsform:  Ganze  Packung  zu  lORöhrchen  mit  je  9  Tabletten 

Mk.  12.— 

Halbe  Packung  zu  5  Röhrchen  mit  je  9  Tabletten 

Mk.  7.— 

Jede  Tablette  enthÀlt  0,5  g  Calcium-Natriumlaktat. 
Literatur  u.  Aerztemuster  hostenlos  zur  VerfĂŒgung. 

Johann  n.  WĂŒlfing,  Chemische  Fabrik 

Scbwesterfirma  von  BAUER  &  Cie.,  Sanatogenwerke 

BERLIN  SW48,  FriedrichstraBe  231. 


ir  bitten  unsere  verehrten  Abon- 
nenten um  Erneuerung'  des  Bezugs 
fĂŒr  das  nĂ€chste  Quartal,  dessen 
Preis  Mark  20.-  betrÀgt.  Ein  Post- 
bestellschein  befindet  sich  auf 
Seite  XXIII. 


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verschluß auf  Wunsch  gegen  eine  kleine  Nachzahlung  in  Dublofix  -  Flaschen  umgetauscht  werden. 

Dr.  G.  F.  Henning,  Chemische  Fabrik,  Berlin  N  37 


Amt  Humboldt  737. 


40.  Jahr«.  —  Nr.  13. 


Jenseits   von   Berat   an  4  Amt 


XV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Psychopathologie  in  Hauptmanns  Dramen 

Hanneies  Himmelfahrt.*) 

Von  Dr.  Arthur  MĂŒnzer,  Charlottenburg. 

So  mĂŒde  ist  Hannele,  so  mĂŒde.  Hart  hat  sie  das  Leben 
angepackt,  und  schwer  lasten  des  Alltags  Sorgen  auf  ihrer 
Kinderseele!  Trotz  ihrer  14  Jahre  hat  sie  den  Leidens - 
kelch  geleert,  schon  bis  zur  Neige.  Mit  teuflischer  Grausam- 
keit behandelt  sie  der  Stiefvater,  er  schlÀgt  sie,  jagt  sie  hin- 
aus in  Nacht  und  Nebel,  damit  sie  ihm  die  Groschen  fin- 
den Schnaps  zusammenbettle,  und  wehe  ihr,  wenn  sie  kein 
Geld  heimgebracht!  —  In  Lumpen  geht  sie  gekleidet,  und 
der  Hunger  nagt  an  dem  striemenbedeckten  Körper.  Doch 
kein  Wort  der  Klage  entringt  sich  ihren  Lippen.  —  Die 
Mutter  stirbt,  auch  sie  eine  MĂ€rtyrerin,  der  schweres  Los 
beschieden.  Da  hÀlt  es  Hannele  nicht  lÀnger  auf  der  arm- 
seligen Erde.  Unten  an  der  Jeuchner  Schmiede  ist  ein  Teich, 
in  ihm  sucht  sie  die  ewige  Ruhe.  Lebend  noch  wird  sie  hin- 
ausgezogen, aber  Freund  Hein  meint  es  besser  und  erlöst  sie 
von  irdischer  Qual. 


*)  Vergl.  hierzu  den  Aufsatz  „Hanneies  Himmelfahrt"  in 
Erich  Wulffen,  Gerhard  Hauptmanns  Dramen.  2.  Auflage.  Verl. 
Langenscheidt.  —  Die  vorliegende  Arbeit  vertritt  zwar  nicht  die 
gleiche  Auffassung,  hat  jedoch  mit  Wulffens  Abhandlung  manche 
BerĂŒhrungspunkte.  Im  Text  ist  auf  diese  letzteren  nicht  beson- 
ders hingewiesen  worden. 


Folgt  mir  leise  und  recht  behutsam,  liebe  Leser.  Ich 
fĂŒhre  Euch  mitten  in  das  Zauberreich  der  Poesie,  und  da 
heißt  es  still  und  ehrfĂŒrchtig  sein.  Ach,  mich  beschleicht  eine 
geheime  Angst,  daß  ich  nicht  mit  dem  groben  Handwerks 
zeug  der  Medizin  das  feine  Gewebe  der  Dichtung  zerstöre. 
Und  ich  wĂŒnsche  doch  so  sehr,  dali  Ihr  den  Duft,  den  sie  aus 
ihrer  zarten  BlĂŒte  ausströmt,  auch  noch  ;ius  meinen  Zeilen 
atmet. 

Der  Waldarbeiter  Seidel  hört  das  Gewimmer  der  armen 
Hannele,  als  sie  im  Teich  ihr  Leben  zu  enden  im  Begriffe 
steht.  Er  eilt  ihr  nach  und  rettet  sie.  Der  Lehrer  Gottwald 
kommt  gerade  vorĂŒber,  trĂ€gt  sie  schnell  in  seine  Wohnung 
und  bringt  sie,  nachdem  sie  mit  trockenen  Sachen  versehen 
ist,  hinĂŒber  in  das  Armenhaus.  Hannele  wimmert  leise,  die 
langen  roten  Haare  sind  gelöst,  die  Arme  hÀngen  schlaff 
und  tot  herab.  Die  Wirklichkeit  verschwimmt,  und  ein 
„Fiebertraum"  hĂ€lt  sie  umfangen.  Was  uns  der  Dichter  hier 
in  feinen  ZĂŒgen  schildert,  ist  eine  Geistesstörung,  und  am 
SchlĂŒsse  unserer  Erörterungen  werden  wir  deren  klinischen 
Charakter  festzustellen  versuchen.  Mit  bewundernswertem 
Geschick  hat  es  der  Meister  verstanden,  uns  in  den  Aeuße- 
rungen  der  Geisteskrankheit  das  ganze  Seelenleben  Hanneies 
zu  schildern  und  aufzuzeigen,  wie  die  Psychopathologie  aus 
dem  Inhalt  des  normalen  Seelenlebens  schöpft.  Suchen  wir 
nunmehr  an  Hand  der  Dichtung  die  einzelnen  BruchstĂŒcke 
des  Krankheitsbildes  zusammen.  Es  wird  dabei  auch  auf 
interessante  normalpsychologische  Erscheinungen  einge- 
gangen. 


Zur  unauffÀlligen  diÀtetischen  Darreichung  krÀftiger  Bromdosen 

»HauptsÀchlich  ist  die  erhöhte  Wirksamkeit  in  dieser  Form  wohl 
derguten  Resorption  zuzuschreiben.  Ich  selbst  Konnte  feststellen, 
dass  eine  deutliche  Wirkung  einmal  6,  ein  zweites  Mal  be- 
reits Minuten  nach  dem  Trinken  einer  in  100  cem  heis- 
sen  Wassers  gelösten  Tablette  eintrat«  Mangelsdarf 

Anfragen: 

Wissenschaft).  Abtlg.der  Chemischen  Werke  Grenzach  AG. 
Berlin,  SW.  WilhelmsTr.  38 


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(Doppelsalz  von  Hexamethylentetramin  u.  Natriumacelat) 

Internes  Harndesiilizienz  mit  uprsiĂ€rkter  diureĂŒschcr  Wirkung 

Völlig  reizlos  gegenĂŒber  Nieren  und  Verdauungsapparat. 
Daher  besonders  geeignet  zur 
Dauerbchandlung.  ‱ 


BewÀhrtes  Mittel  bei  Cystitis,  Pyelitis,  Nephritis  und 
Pyelonephritis.      Prophylaktikum     vor    and  nach 
Operationen  im  Gebiete  der  Harnwege  sowie 
gegen  tabische  Cystitis. 


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Geruch-  u.  geschmackloses  mild  u.  sicher  wirkendes  Jodmittel 

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wird  im  Darm  Ă€ußerst  leicht  zerlegt  und  resorbiert, 
kein  Jodismus. 


BewÀhrtes  Mittel  bei  sekundÀrer  und  tertiÀrer  Lues, 
'  Lues  hereditaria,  Arteriosklerose,  Asthma  eardiale  und 
bronchiale,  Angina  pectoris,  Bronchitis  chronica, 
Pneumonie,  Skrofulöse  u.  a. 


Literatur   und    Ärztemuster   kostenlos  zur  VerfĂŒgung. 

JOHANN  A.  ».WÜLFING,  Chem.  Fabrik,  BERLIN  SW  48,  Friedrich-Strasse  231 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


40,  Jahrg.  -  Nr.  13. 


Der  Lehrer  Gottwald  fragt  Hannele:  ....  Nu  kannst 
du  mir  auch  mal  gleich  erzÀhlen  ....  du  warst  doch  unten 
am  Sehmiedeteich.  —  Weshalb  bist  du  denn  nicht  zu  Hause 
geblieben?    Nu?  warum  nicht? 

Hannele:  Ich  fĂŒrchte  mich  so. 

Berger:  Wir  werden  uns  ganz  beiseite  stellen.  Sag's 
nur  dem  Herrn  Schullehrer  ganz  aliein. 

Hannele,  scheu  und  geheimnisvoll:  Es  hat  gerufen. 


G  o  1 1  w  a  1  d 
Hannele: 
G  o  1 1  w  a  1  d 
rufen? 

Hannele: 
G  o  1 1  w  a  1  d 
Hannele: 


Wer  hat  gerufen? 
Der  liebe  Herr  Jesus. 
:  WTo 


hat  dich  der  liebe  Herr  Jesus  ge- 


Im  Wasser. 

:  Wo? 

Nu  unten  - 


im  Wasser. 


Ist  das  etwas  Krankes?  Ist  das  eine  SinnestÀuschung? 
fragt  der  Arzt. 

Hannele  war  ein  ernstes,  nachdenkliches  Kind.  Ihr 
trauriges  Leben  hatte  wohl  ganz  besonders  tief  auf  sie  ein 
gewirkt.  Manches  Kind  mochte  unter  der  grausamen  Knute 
des  Vaters  störrisch  und  verbissen  geworden  sein.  Hannele 
wurde  still,  ganz  still.  Sie  lebte  nach  innen.  Ihre  Einbil- 
dungskraft wuchs.  Von  kleinauf,  —  wohl  von  der  Mutter, 
zur  Frömmigkeit  angehalten,  erbaute  sie  sich  eine  MÀrchen- 
welt, in  der  der  liebe  Herr  Jesus  alles  ĂŒberstrahlte.  Wenn 
des  Tages  Last  sie  niederdrĂŒckte,  floh  sie  in  ihr  Inneies  und 
sah  nur  Schönes.  Da  starb  die  Mutter.  Und  wÀhrend  nun 
der  Vater,  jeder  Hemmung  bar,  wohl  noch  Àrger  auf  sein 
Kind  einwĂŒtete,  lockte  sie  um  so  mehr  die  Zauberwelt,  in  der 
jetzt  auch  die  Mutter  weilte.  Dort  mußte  ja  alles  Leid  zu  Ende 
sein.  —  Und  da,  war  es  nicht,  als  ob  es  riefe,  sie  solle  kom- 
men! War  es  nicht  unten  im  Teich!  Ja,  ja  es  rief  wirklich. 
Nun  schnell  zum  Teich  und  hinweg  von  der  Erde  /u  ihm, 


der  sie  zu  sich  rief!  —  Das  war  nicht  eine  Krankheit,  die  ihr 
Hun  umnebelt,  nicht  eine  SinnestÀuschung,  die  sie  gelockt. 
Nur  ihre  Einbildungskraft  ließ  die  geliebte  Stimme  laut 
werden,  der  sie  schon  oft  gelauscht.  Der  Ruf  ist  der  lebendig 
gewordene  Gedanke,  wie  er  sich  schon  lÀngst  in  dem  armen 
Kinderhirn  eingegraben.  —  Das  Kind  lebt  ja  nur  im  Gegen- 
stÀndlichen, seine  Welt  ist  eine  rein  konkrete,  jedes  Erlebnis 
muß  in  ihm  einen  greifbaren  Ausdruck  haben.  Und  nur 
unter  diesem  Gesichtswinkel  können  wir  die  geschilderte 
Szene  betrachten. 

Kurz  nachdem  Hannele  in  das  Armenhaus  gebracht  ist, 
wird  sie  von  Angst  ergriffen  und  ruft:  „der  Vater,  der  Vater!" 
Eine  SinnestĂ€uschung  fĂŒhrt  ihr  den  Mann  vor  Augen,  der 
sie  am  meisten  gequÀlt  und  vor  dem  sie  eine  herzbeklem- 
mende Angst  empfindet.  —  VerĂ€ngstigt  war  sie  ja  ihr  ganzes 
Leben  hindurch.  Manch  einer  mochte  sie  fĂŒr  eigensinnig  und 
widerspenstig  gehalten  haben,  ohne  zu  erkennen,  daß  eigent- 
lich nur  Angst  Triebfeder  ihres  Handelns  war.  —  In  der 
Krankheit  redet  sie  zuweilen  auch  in  störrischem  Ton:  „Ich 
mag  nicht,  ich  mag  nicht.  Ich  geh'  nicht  zu  Hause.  Ich 
muß  zu  der  Frau  Holle  —  in  den  Brunnen  gehen."  Aber  das 
ist  nicht  mutwilliges  Widerstreben,  es  ist  nur  Angst  und 
Widerwillen  gegen  ihren  Peiniger.  Schon  die  nÀchsten  Worte 
„Laß  mich  doch  —  Vater,  Pfui,  wie  das  stinkt!  Du  hast 
wieder  Branntwein  getrunken",  deuten  darauf  hin. 

Als  die  Krankenschwester  naht  und  der  Doktor  sich  ĂŒber 
das  arme  Wesen  beugt,  da  wird  ihr  Bewußtsein  fĂŒr  einige 
Augenblicke  licht.  Erstaunt  schaut  sie  umher.  Der"  Arzt 
untersucht  und  fragt  nach  Schmerzen.  Der  Lehrer  Gottwald 
tritt  ans  Bett  imd  sagt:  „Antworte  dem  Herrn  Doktor, 
Hannele!" 

Hannel  e,  mit  inniger  bittender,  in  TrÀnen  zitternder 
Stimme:  „Ach,  lieber  Herr  Gottwald." 


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40.  Jahrg.  -Nr.  1». 


Jenseits   von  Beruf  und  Amt 


XVII 


Gottwald:  „Jetzt  paß  nur  auf,  was  der  Doktor  sagt, 
und  antworte  schön. 

In  den  Worten  Hanneies  offenbart  sich  eine  der  mÀch- 
tigsten Regungen  ihres  Herzens,  die  Liebe  zu  ihrem  Lehrer 
Gottwald.  Eine  Kinderliebe  ist  es,  die  tief  in  ihr  wurzelt 
und  ihre  Seele  ausfĂŒllt.  Ihre  Gedanken  ziehen  oft  um  den 
geliebten  Mann;  ihr  ist  er  der  Schönste  und  Beste.  „Schwe- 
ster, gelt?  der  Herr  Lehrer  Gottwald  ist  ein  schöner  Mann. 
Heinrich  heißt  er.  Gelt?  Heinrich  ist  ein  schöner  Name, 
gelt?  Du  lieber,  sĂŒĂŸer  Heinrich!  .  .  .  ."  Aber  die  Phantasie 
des  frĂŒhreifen  Kindes  reicht  weiter.  Hannele  begnĂŒgt  sich 
nicht  mit  der  schwÀrmerischen  Verehrung,  wie  sie  Kindern 
im  Entwicklungsalter  eigen;  sie  will  dem  AuserwÀhlten  mit 
Leib  und  Seele  gehören.  „.  .  .  .  Schwester!  weißt  du  was? 
Wir  machen  zusammen  Hochzeit.  Ja,  ja,  wir  beide:  der  Herr 
Lehrer  Gottwald  und  ich. 

Und  als  sie  nun  verlobet  warn, 
Da  gingen  sie  zusammen 
In  ein  schneeweißes  Federbett 
In  einer  dunklen  Kammer." 

Hier  drÀngen  sich  sexuelle  Vorstellungen,  wie  sie  in  den 
unteren  Bevölkerungsschichten  weit  verbreitet  sind,  in  die 
erwachende  Kinderseele. 

Was  Hannele  in  ihrem  innersten  Herzen  wĂŒnscht,  wie 
sie  sich  geliebt  sehen  möchte  von  ihrem  vergötterten  Lehrer, 
das  alles  malt  und  erfĂŒllt  ihr  die  große  Halluzination  im 
zweiten  Akt,  in  dem  sie  ihr  eigenes  Sterben  schaut. 

Diakonissin:  Warum  sind  Sie  denn  so  traurig,  Herr 
Gottwald? 

G  o  1 1  w  a  1  d  :  Weil  sie  nun  doch  gestorben  ist. 


Gottwald:  Ach,  mir  ist  schwer. 
Diakonissin:  Weil  sie  erlöst  ist? 
G  o  1 1  w  a  1  d  :  Weil  mir  zwei  Blumen  verwelkt  sind. 
Diakonissin:  Wo? 

G  o  1 1  w  a  1  d  :  Zwei  Veilchen,  die  ich  hier  im  Buche 
habe.  Das  sind  die  toten  Augen  meines  lieben  Hannele. 


Gottwald,  nun  allein  bei  Hannele.  Er  legt  ihr  ge- 
rĂŒhrt die  Blumen  zu  FĂŒĂŸen:  „Mein  liebes  Hannele,  hier  habe 
ich  dir  noch  einen  Strauß  schöner  Glockenblumen  mitge- 
bracht." —  An  ihrem  Bett  kniend,  mit  zitternder  Stimme:  „Ver- 
giß mich  nicht  ganz  und  gar  in  deiner  Herrlichkeit."  Er 
schluchzt,  die  Stirne  in  die  Falten  ihres  Kleides  gedrĂŒckt: 
„das  Herz  will  mir  zerbrechen,  weil  ich  von  dir  scheiden 
muß!" 

Hier  sehen  wir  die  Dichtung  ganz  in  Freud'schen  Ge- 
dankengĂ€ngen dahinfließen.  Wie  Freud  uns  den  Traum  als 
WunscherfĂŒllung  geschildert  hat,  so  wird  die  Halluzination 
zur  endlichen  ErfĂŒllerin  der  innersten  Regungen  Hanneies. 

In  packendem  Gegensatz  zur  irdischen  schildert  uns  der 
Dichter  die  himmlische  Liebe:  Der  „liebe  Herr  Jesus"  ist 
innig  in  Hanneies  Denken  verwoben.  Wie  kindlich  hinge- 
geben betet  sie:  „Ach  lieber  Herr  Jesus!  Ach  lieber  Herr 
Jesus!  Ach  schönstes,  bestes  Herr  Jesulein,  so  nimm  mich 
doch  zu  dir,  so  nimm  mich  doch  zu  dir!"  In  der  großen 
Todeshalluzination  sieht  sie  den  Fremden,  der  kein  anderer 
ist  als  der  liebe  Herr  Jesus,  ihrem  Sarge  nahen.  Als  er  sie 
vom  Totenlager  aufstehen  heißt,  sagt  er  weich  und  innig  nur 
das  eine  Wort:  Hannele. 

Hannele:  Da  ist  er. 

Der  Fremde:  Wer  bin  ich? 

Hannele:  Du. 


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Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


40.  Jahrg. —Nr.  13. 


In  dieses  eine  „Du"  legt  sie  ihre  tiefe,  echte  und  innige 
Liebe. 

Ganz  wundersam  verschmilzt  in  der  Krankheit  Hanneies 
irdische  und  himmlische  Liebe.  Angedeutet  wird  das  vom 
Dichter  schon  durch  die  völlig  gleiche  Namengebung,  die 
Hannele  anwendet:  der  liebe  Herr  Jesus  und  der  liebe  Herr 
Gottwald. 

Als  eben  Hannele  recht  innig  zu  Jesus  gebetet,  sagt  sie 
in.  verÀndertem  Ton: 

Ach  wenn  er  doch  kam'. 
Ach  daß  er  mich  nahm', 
Und  daß  ich  den  Leuten 
Aus  den  Augen  kam'. 

Ich  weiß  es  ganz  gewiß  Schwester  

Schwester  Martha:  Was  weißt  du  denn? 

Hannele:  Er  hat  mir 's  versprochen.  Ich  komme  in 
den  Himmel,  er  hat  mir's  versprochen. 

Schwester  Martha:  Hm. 

Hannele:  Weißt  du,  wer? 
'  Schwester  Martha:  Nun? 
,  ‱  Hannele,  geheimnisvoll  ins  Ohr  der  Schwester:  der 
liebe  Herr  —  Gottwald. 

Hier  gehen  ihre  Gedanken  deutlich  von  einem  zum  an- 
dern, die  beiden  Gestalten,  die  ihre  Phantasie  ausfĂŒllen,  ver- 
wachsen zu  einer  einzigen. 

Der  Fremde,  der  ihrem  Sarge  naht,  trĂ€gt  die  ZĂŒge  des 
Lehrers  Gottwald.  Das  vor  ihm  hingehauchte  selige  „du" 
umfaßt  die  beiden  FĂŒhter  und  Leiter  ihrer  Kinderjahre. 
Als  der  Fremde  zu  ihr  sagt:  „Ierr  weiß  alle  deine  Leiden  und 
Schmerzen",  da  sagt  sie  nur:  „Ku  lieber,  lieber  .  .  .  ."  Sie 
nennt  keinen  Namen,  ihr  ist  das  Herz  so  voll,  sie  weiß  es 
selbst  nicht,  ist  es  der  liebe  Herr  Jesus  oder  der  liebe  Herr 
Gottwald? 


In  einer  Unterredung  mit  der  Schwester  Martha  sehen 
wir  lichte  Momente  in  die  Geistesverwirrung  Hanneies  sich 
hineindrÀngen.  Ihr  Wunsch,  nicht  gesund  zu  werden,  und 
ihre  Sehnsucht,  in  den  Himmel  zu  kommen,  werden  der 
Schwester  gegenĂŒber  in  voller  Bewußtseinsklarheit  geĂ€ußert 
und  scheinen  auch  verstÀndlich.  Was  konnte  wohl  der 
kleinen  TrÀumerin  die  armselige  Erde  noch  bieten! 

Mit  einer  grausigen  Deutlichkeit  zeichnet  der  Dichter 
Hanneies  Halluzination,  die  ihr  den  Maurer  Mattern,  ihren 
Stiefvater,  vor  Augen  fĂŒhrt.  Die  Krankenschwester  hat  fĂŒr 
einen  Moment  das  Zimmer  verlassen,  da  erscheint  ihr  die 
wĂŒste,  versoffene  Gestalt,  der  Schrecken  ihres  Lebens  und 
ihre  Qual  auch  noch  in  der  tödlichen  Krankheit.  Hannele 
wird  von  höchster  Angst  gepackt,  sie  bedeckt  mit  der  Hand 
die  Augen  und  wimmert  leise.  Da  ertönt  schon  die  heisere, 
in  höchster  Wut  gepreßte  Stimme:  „Wo  bleibst,  wo  bist  du 
gewesen,  MĂ€del?  .  .  .  ;  .  Mach,  daß  du  uffstehst.  Du  gehst 
mich  nischt  an.  Ich  kennte  dich  uff  die  Gasse  schmeißen  .  .  . 
Steh  uff  und  mach  Feuer.  Wird's  bald  werden?  Aus  Gnade 
und  Barmherzigkeit  bist  du  im  Hause.  Gelt,  nu  noch  faul- 
sehen." —  In  vollem  Gegensatz  zu  der  Mattern-Halluzination 
steht  die  SinnestÀuschung,  die  die  Mutter  zeigt.  Konnte  uns  die 
lenzen  oben  druff.  Nu?  Wird's  nu  werden?  Ich  schlag'  dich 
so  lange,  biste,  biste  Hannele  steht  mĂŒhsam  auf, 

schleppt  sich  zum  Ofen  und  bricht  zusammen.  —  Die  krasse 
Wirklichkeit  dieser  Szene  lĂ€ĂŸt  uns  die  ĂŒbermĂ€chtige  Gewalt 
der  Halluzination  erkennen  und  erinnert  gewiß  an  manches 
Erlebnis  im  Krankensaal. 

Wie  linder  Balsam  legt  sich's  auf  Hanneies  Herz,  als  die 
kranken  Sinne  ihr  diejote  Mutter  vor  Augen  zaubern.  Da 
kommt  eine  blasse,  geisterhafte  Gestalt  mit  weißen  Haaren 
und  abgehĂ€rmtem  Gesicht,  hohlwangig  und  aufs  dĂŒrftigste 
gekleidet.  Aber  Hannele  sieht  nicht  ihre  Armut,  sie  hört 
nicht  die  mĂŒde,  leise  Stimme;  nein,  die  Mutter  glĂ€nzt  fĂŒr  sie 


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40.  Jakrg.  —  Nr.  18. 


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Jenseits  vou  Beruf  and  Amt 


XIX 


in  aller  Schöne,  ihre  Stimme  tönt,  in  ihrem  Gaumen  wachsen 
Maiglöckchen.  Die  Dahingeschiedene  erzÀhlt  ihr  von  den 
weiten  Auen,  in  denen  sie  jetzt  weilt  und  legt  ihr  als  Gottes 
Pfand  eine  Blume  HimmelsschlĂŒssel  —  in  die  Hand. 
Dann  weicht  sie  langsam  zurĂŒck,  „lieber  ein  Kleines  wirst 
du  mich  nicht  sehen,  und  ĂŒber  ein  Kleines  so  wirst  du  mich 
sehen."  —  In  vollem  Gegensatz  zu  der  Mattern-Halluzination 
steht  die  SinnestÀuschung,  die  die  Mutter  zeigt.  Konnte  uns  die 
erste  mitten  in  den  Wachsaal  einer  Klinik  versetzen,  so  fĂŒhrt 
uns  die  zweite  in  das  Reich  der  Poesie  zurĂŒck.  In  der  lieb- 
lich ernsten  Zwiesprache  zwischen  Mutter  und  Kind  waltet 
allein  die  Zauberkraft  des  Dichters,  da  hebt  er  uns  selbst 
hinaus  ĂŒber  die  irdischen  Nöte,  und  gern  vergessen  wir,  daß 
wir  bei  unseren  Geisteskranken  einer  so  sinngemĂ€ĂŸ  geordneten 
Halluzination  selten  oder  nie  begegnen. 

Als  das  MĂŒtterlein  entschwunden  ist,  da  fĂŒllt  ein  neues 
Gesicht  die  kranke  Seele:  drei  lichte  Engelsgestalten,  schöne, 
geflĂŒgelte  JĂŒnglinge  schweben  herbei.  Wie  oft  hatte  Hannele 
in  ihrer  Kindheit  von  Engeln  getrÀumt,  und  wie  jubelte  sie 
jetzt  im  Ueberschwang  ihrer  Freude:  „Engel,  Engel!"  Das 
Leiden  und  Entbehren,  das  so  oft  ihr  Inneres  aufgerĂŒttelt, 
wird  in  eine  holde  Melodie,  von  den  Engeln  gesungen,  ver- 
woben. Aber  auch  das  Hoffen»  auf  eine  glĂŒckvollere  Zeit 
tönt  leise,  leise  .  .  .  Hiermit  wird  der  alten  psychiatrischen 
Erfahrung,  daß  vieles,  was  den  gesunden  Geist  intensiv  be- 
schÀftigt, in  der  Krankheit  in  sinnfÀlliger  Deutlichkeit  wie- 
der erscheint,  ein  schöner  poetischer  Ausdruck  verliehen. 

ErfĂŒllt  von  dem  Geschauten,  berichtet  Hannele  von  den 
Engeln,  die  zu  ihr  gekommen.  Als  die  Schwester  sich  freut, 
daß  sie  so  schöne  TrĂ€ume  gehabt  habe,  erwidert  sie:  „Ach, 
ach,  da  sagt  sie,  das  soll  ich  getrÀumt  haben."  Lebhaft 
denken  wir  hier  der  Geisteskranken,  die  nur  mitleidig  lÀcheln, 
wenn  man  versucht,  ihre  Halluzinationen  zu  erklÀren  oder 
ihnen  auszureden. 


Klar  wie  eine  Offenbarung  tritt  uns  Hanneies  große 
Todeshalluzination  entgegen,  die  Szene,  in  der  ihr  eigenes 
Sterben  und  BegrĂ€bnis  an  ihren  Augen  vorĂŒberzieht.  Gerade 
hier  zeigt  uns  der  Dichter  in  vollendeter  Kunst  das  kindliche 
Denken  und  FĂŒhlen;  die  naive  Einfalt  und  der  völlig  im 
GegenstÀndlichen  befangene  Glaube  des  Kindes  breiten  sich 
in  ihrer  ganzen  Lieblichkeit  vor  unseren  Augen  aus. 

Zweifellos  ist  hier  dichterisch  ein  Geschehen  geschildert, 
wie  es  sich  auch  durchaus  in  den  Rahmen  der  klinischen 
Erkrankung  einfĂŒgt.  Vom  psyehopathologischen  Standpunkt 
aus  können  wir  in  dieser  Szene  eine  .Realisation  Freudscher 
GedankengÀnge  erblicken.  Alles,  was  Hannele  in  ihrem 
Elend  entbehrt,  was  sie  oft  mit  heißer  Inbrunst  herbeige- 
wĂŒnscht, erfĂŒllt  ihr  restlos  die  Halluzination.  Und  so  er- 
klimmt sie  noch  kurz  vor  dem  Ende  den  Gipfel  des  GlĂŒcks. 

Schwer  und  ernst  beginnt  der  letzte  Kampf:  der  schwarze 
Engel  kommt,  groß,  schön  und  stark,  in  der  Hand  ein  langes, 
geschlÀngeltes  Schwert.  Er  spricht  nichts,  Hannele  wird  von 
Grauen  erfaßt.  Da  naht  ihr  schon  die  Diakonissin,  nur 
schöner  und  jugendlicher  als  diese,  und  Hannele  sucht  Hilfe 
und  Schutz  bei  ihr  mit  den  Worten:  „MĂŒtterchen,  MĂŒtter- 
chen!" Wir  sehen  hier  eine  Illusion,  die  Diakonissin  wird 
zum  MĂŒtterchen;  beide  verwachsen  zu  einem  Wesen.  „Du 
bist  doch  Schwester  Martha?  Ach,  nein  doch,  meine  Mutter 
bist  du  doch?"  Es  ist  das  eine  Parallele  zu  der  Verschmel- 
zung von  „dem  lieben  Herrn  Jesus  und  dem  lieben  Herrn 
Gottwald."  Man  kann  in  diesem  Denkprozeß  wohl  ĂŒber- 
haupt eine  EigentĂŒmlichkeit  der  kindlichen  Seele  erblicken: 
alles  Höchste  und  Schönste  ist  fĂŒr  das  KindergemĂŒt  immer 
eine  Einheit.  Die  Seele  schafft  sich  eine  Idealgestalt,  an  die 
sie  sich  mit  aller  Hingebung  klammert.  —  Die  Schwester  — 
Mutter  steht  Hannele  auch  bei,  als  der  Tod  ihr  naht. 

So  erschĂŒtternd  ernst  sagt  das  Kind:  „Ich  habe  dich  von 
Herzen  oft  ersehnt.    Nun  bangt  mir  immer."    Gleich  aber 


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Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  13. 


bricht  wieder  das  Kindliche  in  ihr  durch;  als  sie  sagt:  „Soll 
ich  zerrissen  und  zerlumpt  im  Sarge  liegen?"  „Gott  wird 
dich  kleiden",  antwortet  die  Diakonissin.  Da  kommt  auch 
schon  der  Dorfschneider,  bringt  Brautkleid,  Schleier,  Kranz 
und  glÀserne  Pantoffel.  So  wird  es  endlich  zur  Wahrheit, 
das  heimliche  WĂŒnschen.  Sie  wird  Braut,  schönste  Braut, 
irdische  und  Himmelsbraut.  Wie  sie  geschmĂŒckt  ist  zum 
letzten  Gang,  legt  sie  sich  wieder  auf  das  Sterbelager.  Der 
Trauermarsch  klingt.  Da  schreitet  der  schwarze  Engel  auf 
sie  zu.  Doch  da  packt  sie  wieder  grause  Angst.  „Hilf  mir 
Schwester."  Die  Diakonissin  tritt  zwischen  den  Engel  und 
Hannele  und  legt  ihr  beide  HĂ€nde  schĂŒtzend  aufs  Herz:  „Er. 
darf  es  nicht.  —  Ich  lege  meine  beiden,  geweihten  HĂ€nde  dir 
aufs  Herz."  —  Wie  einfĂ€ltig,  schlicht  denkt  hier  das  Kind; 
nicht  der  Tod  darf  sie  hinĂŒber  nehmen,  nein,  nur  die 
Schwester,  die  Mutter  kann  sie  sicher  und  schmerzlos  hin- 
ĂŒbergeleiten in  die  bessere  Welt. 

Wir  haben  bereits  berichtet,  wie  in  der  großen  Todes- 
halluzination der  Lehrer  Gottwald  erscheint  und  sein  tiefes 
Leid  ĂŒber  Hanneies  Hinscheiden  zum  Ausdruck  bringt.  Auch 
alle  Schulkinder  sind  mitgekommen  und  bewundern  das 
Prinzeßchen.  Ein  kleiner  Junge  bittet:  „Sag's  nicht  dem 
lieben  Gott,  daß  ich  dich  immer  Lumpenprinzessin  geheißen 
habe." 

Noch  einmal  schreckt  sie  in  der  Krankheit  der  Stiefvater, 
die  Geißel  ihres  Lebens.  Aber  ihm  tritt  der  „Fremde"  mit 
den  ZĂŒgen  des  Lehrers  Gottwald  entgegen,  er,  der  fĂŒr  Han- 
nele das  Letzte  und  Höchste  bedeutet.  Wie  kindlich-demĂŒtig, 
wie  ernst  und  eindringlich,  wie  tief  durchdacht  ist  sein 
Reden!  Er  entlarvt  Mattern,  den  eigentlichen  „Mörder" 
Hanneies,  in  seiner  ganzen  Niedrigkeit  und  schreitet  dann 
an  ihren  Sarg.  Und  so  wie  ihrem  lieben  Herrn  Jesus  ge- 
schehen, so   geschieht   auch   ihr.    „FĂŒrchtet   Euch  nicht". 


spricht  der  Fremde  zu  den  Anwesenden  gewendet.  „Das 
MĂ€gdlein  ist  nicht  gestorben.  Es  schlĂ€ft.  —  Johanna  Mattern 
steht  auf!!!"  Hannele  erhebt  sich  und  sinkt  vor  ihrem  Er- 
wecker  in  die  Knie. 

Sanfte  Musik  tönt,  Engel  schweben  heran,  wundersam 
melodische  Worte  spricht  der  Fremde. 

Und  dann  singen  die  Engel  im  Chor: 

„Wir  tragen  dich  hin,  verschwiegen  und  weich, 
Eia  popeia  ins  himmlische  Reich. 
Eia  popeia  ins  himmlische  Reich. 

Und  so  ist  Hannele,  das  kleine,  arme  Hannele,  die 
Lumpenprinzessin  mit  der  goldenen  Seele,  in  die  Ewigkeit 
hinĂŒbergeschwebt. 

Wir  sind  wieder  im  Armenhaus.  Der  Doktor  beugt  sich 
mit  dem  Hörrohr  ĂŒber  das  kranke  Kind;  Ă€ngstlich  steht  die 
Schwester  daneben.  Und  auf  ihre  bange  Frage  nickt  der 
Doktor  trĂŒbe  und  sagt:  „Tot!" 

Es  ist  nunmehr  folgende  Frage  zu  erledigen:  All  das,  was 
die  handelnden  Personen  in  der  großen  Todeshalluzination 
aussprechen,  existiert  naturgemĂ€ĂŸ  nur  im  Denken  Hanneies, 
es  sind  ja  nur  ihre  Gedanken,  die  hier  zum  Ausdruck  gebracht 
werden.  —  In  jeder  Halluzination  kann  nur  der  geistige  Be- 
sitzstand des  Erkrankten  verwertet  werden,  und  niemals 
kann  eine  SinnestÀuschung  dem  Geistesgestörten  etwas  vor- 
gaukeln, was  er  weder  gesehen  noch  gehört  oder  empfunden 
hat.  So  naiv  und  echt  kindlich  auch  vieles  klingt,  was  in 
Hanneies  kranker  Seele  sich  auswirkt,  so  tief,  ernst  und 
schön  sind  wieder  andere  ihrer  Gedanken,  so  daß  man  wohl 
berechtigt  ist  die  Frage  aufzuwerfen:  Kann  ein  14  jÀhriges 
MĂ€dchen  sich  schon  zu  einer  solchen  Auffassung  der  Dinge 
durchgerungen  haben? 


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4«.  Jahrg.  —  Nr.  18. 


Jeaseits  von  Beruf  and  Amt 


XXI 


Hannele  ist  erst  14  Jahre  alt,  aber  sie  hat  in  ihrem  kurzen 
Dasein  viel  gesehen  und  erlebt.  Das  tiefe,  namenlose  Leid 
hat  sie  frĂŒhzeitig  gelĂ€utert,  nachdenklich  und  fromm  ge- 
macht. Schon  als  kleines  MĂ€dchen  wandte  sie  sich  ab  von 
der  Außenwelt  und  versenkte  sich  in  ihr  Inneres.  Betrachtete 
die  Dinge  nach  ihrer  Weise  und  eroberte  sich  ein  gut  StĂŒck 
Lebensweisheit.  Alles,  was  sie  bedachte,  spiegelt  sich  in  ihrer 
Halluzination  wieder.  —  Bei  dem  Letzten  und  Schönsten 
allerdings,  bei  den  Schlußworten  des  Fremden,  da  hat  es  dich, 
o  Dichter,  ich  weiß  es  wohl,  fortgerissen,  da  hast  du  das 
kleine  MĂ€dchen  mit  dem  Kindersinn  vergessen.  Da  standest 
du  wohl  selbst  mit  ihr  an  der  Himmelspforte,  schautest  alle 
Wunder,  die  sich  um  Euch  breiteten  und  gÀbest  traumver- 
loren deinem  Hannele  zu  trinken  aus  dem  Born,  der  dir  so 
unerschöpflich  quillt. 

Die  Auffassung  Wulffens,  daß  Hannele  hysterisch  sei, 
kann  ich  nicht  teilen.  Dieses  stille,  schweigsame  Kind,  das 
allen  Gram  in  sich  versenkt,  das  frĂŒhgereift  sich  eine  eigene, 
Welt  erbaut  und  in  ihr  lebt,  das  schließlich  in  klarer  Er- 
kenntnis seiner  Lage  den  Tod  sucht,  ist  meines  Erachtens 
nicht  hysterisch.  Ihr  ganzes  Denken  und  Handeln  ist  als 
Reaktion  eines  gewiß  sensiblen  Kindes  auf  die  gegebenen 
Daseinsbedingungen  zu  beurteilen.  Alles  Phantastische, 
UeberschwÀngliche,  Sprunghafte,  ist  auf  Rechnimg  der 
Seelenstörung  zu  setzen;  es  ist  aus  der  Dichtung  keineswegs 
erkennbar,  daß  diese  Eigenschaften  noch  dem  Normal - 
charakter  Hanneies  angehören. 

Hat  der  Dichter  in  der  Geistesstörung  Hanneies  ein  Bild 
geschildert,  das  wir  auch  klinisch  fassen  können?  Ich  glaube 
das  ohne  weiteres  bejahen  zu  können.  Im  Mittelpunkt  der 
Seelenstörung  steht  eine  traumartige  Benommenheit  mit 
zahlreichen  SinnestÀuschungen  und  Illusionen.  Hierzu  ge- 
sellen sich  innere  Unruhe,  leichte  Erregbarkeit  und  Angst. 
ZustÀnde  von  Verworrenheit  und  Unbesinnlichkeit  wechseln 
mit  vollkommener  Klarheit.    Kein  Zweifel,  daß  wir  hier  ein 


echtes  Delirium  vor  uns. haben,  und  zwar  entspricht  das  Zu- 
standsbild  im  allgemeinen  dem  in  der  klinischen  Psychiatric 
als  Fieberdelirium  bekannten.  '  Ein  solches  mĂŒssen 
wir  auch  bei  Hannele,  die,  eben  dem  Wasser  entrissen,  schwer 
fieberhaft  erkrankt  und  dann  in  Geistesstörung  verfÀllt,  an- 
nehmen. 

So,  Hannele,  nun  laß  ich  dich  schlafen.  Rechne  es  mir 
nicht  zur  Schuld,  daß  ich  deine  TrĂ€ume  gestört.  Du  weilst 
nun  schon  lÀngst  in  schöneren  Auen  und  saugst  alles  Wun- 
derbare in  dich  ein,  indes  hier  ein  winziger  Sterblicher 
deinem  Erdenschicksal  nachgrĂŒbelt.  Aber  deine  liebliche 
Kinderseele  hat  mich  gelockt,  dein  Leid  ist  mir  nahe  ge- 
gangen, und  deine  Krankheit  hat  den  Arzt  in  mir  geweckt. 
So  habe  ich  manches  an  dir  zu  zergliedern  versucht  und 
habe  dabei  doch  immer  die  Empfindung  gehabt:  RĂŒhr'  nicht 
an  Hannele,  nimm  sie,  wie  sie  ist,  deutele  nicht  an  ihr  herum. 
Doch  die  Feder  ist  mir  immer  weiter  geglitten  und  schließ- 
lich bin  ich  mit  meinen  Betrachtungen  zu  einem  gewissen 
Abschluß  gelangt. 

Der  Dichter  setzt  seinem  Werk  folgende  Widmimg  voran: 

An  Marie  Hauptmann,  geb.  Thienemann! 

„Die  Kinder  pflĂŒcken  roten  Klee,  rupfen  die  BlĂŒten  - 
krönchen  behutsam  aus  und  saugen  an  den  blassen,  feinen 
SchĂ€ften.  Eine  schwache  SĂŒĂŸigkeit  kommt  auf  ihre  Zun- 
gen. Wenn  Du  nur  soviel  SĂŒĂŸe  aus  meinem  Gedicht  ziehst, 
so  will  ich  mich  meiner  Gabe  nicht  schÀmen." 

Auch  ich  habe  diese  SĂŒĂŸe  aus  dem  Gedicht  gezogen,  und 
das  war  die  schönste  Freude,  die  mir  aus  meiner  Arbeit  er- 
wachsen. 


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XXII 


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40.  Jahr§.  —  Nr.  18. 


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XVII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Der  Entwicklungsgedanke  und  seine 
Anwendung  auf  die  verschiedenen  Wissen- 
schaftsgebiete. 

Von  Professor  Dr.  Th.  Ha  e  ring  <l.  J.-TĂŒfbingen. 
1. 

Jede  Zeit  hat  ihre  Schlagworte,  welche  gleich  den  Leil- 
lossilien  der  Geologie  demjenigen,  der  einmal  spÀter  histo- 
risch die  Hinterlassenschaften  der  verschiedenen  Schichtungen 
der  Kulturzeitalter  studieren  wird,  durch  ihr  Vorkommen  so- 
fort zeigen  werden,  .welcher  Zeit  ein  literarisches  Produkt  an- 
gehört. Eines  dieser  Schlagworte  der  Gegenwart  —  oder 
sollen  wir  schon  sagen:  der  jĂŒngsten  Vergangenheit?  —  ist 
oder  war  —  auf  praktisch-weltanschaulichem,  wie  auf  dem 
rein  theoretischen  Gehiet  der  Wissenschaft  —  das  Wort  „Ent- 
wicklung". Die  verschiedensten  Weltanschauungen  bedienten 
sich  eintrÀchtig  desselben  zu  ihrer  Formulierung:  bald  als 
Ausdruck  einer  relativistisch-skeptischen,  bald  als  Symbol 
einer  dogmatisch  -  optimistischen  Geisteshaltung.  Jeder 
schlechthin  galt  fĂŒr  unmodern,  welcher  nicht  von  Entwicke- 
lung  redete  und  in  allem  Entwickelung  sah.  Aber  fĂŒr  die 
einen  bedeutete  dies  die  Ueberzeugung  vom  relativen  Unwert 
alles  Bestehenden:  sollte  es  als  bloßer  Durchgangspunkt  der 
Entwickelung  jeweils  doch  nur  ein  VorĂŒbergehendes,  niemals 
ein  EndgĂŒltiges  sein;  auch  die  scheinbar  unverĂ€ußerlichsten 
GĂŒter  der  Menschheit,  die  altehrwĂŒrdigen  ethischen  und 
religiösen  Ideale,  sie  waren  ja  doch  eben  auch  nur  vorĂŒber- 
gehende Entwickelungsstufen,  die  bald  anderen  Platz  machen 
mußten.    Die  anderen  dagegen  (ja,  in  ihrer  Gedankenlosig- 


keit oll  sogar  dieselben  Leute)  stellten  an  dem  Gedanken  der 
Entwickelung  da*  Moment  des  Iminerhöher-Strebens,  d.  Ii. 
des  absoluten  Fortschritts  in  den  Vordergrund  und  wurden 
nicht  mĂŒde,  voll  Optimismus  stets  das  jeweils  Neuste  als 
einen  Fortschritt  gegenĂŒber  dem  Bisherigen  kritiklos  gutzu- 
heißen; als  eine  weitere  sichere  Stufe  zur  herrlichen  Zukunft, 
die  mit  nalurnolwendiger  Sicherheit  kommen  mußte.  Dort 
also  ein  skeptischer  und  fast  pessimistischer  Relativismus, 
hier  ein  dogmatischer  Glaube  an  den  Fortschritt  zu  einem 
absoluten  Ideal.  Beides  aber  im  GewÀnde  desselben  Schlag- 
worts der  Entwickelung. 

Abei-  auch  abgesehen  von  dieser  Bedeutung  fĂŒr  das  prak- 
tische Leben  und  die  Weltanschauung  des  Menschen 
herrschte  dieser  Gedanke  auch  in  der  theoretischen  Wissen- 
schaft mit  fast  unbeschrÀnkter  Gewalt.  War  irgendwo  etwas 
als  Entwicklungsprodukt  erklÀrt,  so  schien  es  auch  end- 
gĂŒltig verstanden  und  man  fragte  nicht  weiter. 

Wie  bei  allen  wissenschaftlichen  Schlagworten  war  es  da- 
hei  auch  bei  diesem  folgendermaßen  gegangen:  auf  einem 
speziellen  Gebiet  der  Wirklichkeit,  also  in  einer  Einzelwissen- 
schaft, erwachsen  und  hier,  wie  es  schien,  als  Erkenntnis- 
mittel bewÀhrt,  hatte  sich  der  Entwicklungsgedanke  in  un- 
erhörtem Siegeszug  bald  auch  auf  allen  anderen  Wirklich- 
keitsgebieten Und  im  Erkenntnisbetrieb  aller  anderen  Einzel- 
wissenschaften einheimisch  gemacht.  Man  fragte  kaum  mehr, 
ob  denn  in  diesen  letzteren  auch  wirklich  analoge  Tatbe- 
stÀnde, wie  auf  jenem  Urgebiete,  vorlÀgen  und  dadurch  auch 
wirklich  von  seiner  Anwendung  dasselbe  VerstÀndnis  zu  er- 
hoffen sei,  wie  dort.  WÀhrend  man  zunÀchst  in  der  Wissen- 
schaft von  jener  besonderen  VerÀnderungsform,  die  man 
Entwickelung  nennt,  nur  auf  dem  Gebiet   der  organischen 


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Jengells  von  Berat  mu4  Ami 


40.  Jahrg. 


Ni 


Natur,  und  auch  hier,  wie  wir  seheu  werden,  nur  auf  einem 
besonderen  Spezialgebiet  derselben,  etwas  gewußt  urtd  ge- 
sprochen hatte,  redete  man  nun  plötzlich  auch  von  Entwicke- 
lung  auf  dem  Gebiet  der  anorganischen  Natur  (z.  B.  von 
Entwicklung  der  Erde,  der  Gestirnwelt,  des  Weltalls),  oder 
im  Bereich  des  Psychischen  (z.  B.  von  einer  individuellen 
psychischen  Entwicklung  wie  von  einer  ĂŒberindividuellen, 
also  von  der  Entwickelung  eines  einzelnen  Menschen,  aber 
»benso  auch  einer  Familie,  eines  Volkes,  der  Menschheit,  so- 
wie ihrer  verschiedenen  einzelnen  KulturbestÀtigungen,  z.  B. 
der  Religion,  der  Moral,  der  Kunst,  der  Sprache  usw.):  kurz, 
es  gab  wohl  kein  Gebiet  der  Wirklichkeit  und  damit  auch 
der  Wissenschaft,  auf  dem  nicht  von  Entwickelung  die  Rede 
gewesen  wÀre.  Und  so  ging  es  weiter:  man  sprach  in  noch 
weit  uneigentlicherem  Sinne  von  der  Entwickelung  eines 
Hausbaus,  eines  Beweises,  seiner  GrĂŒnde,  einer  Krankheit, 
eines  GemÀldes.  Jede  VerÀnderung  fast  war  allmÀhlich  zur 
Entwickelung  avanciert  und,  was  das  eigentlich  schlimme 
dabei  war,  galt  dann  als  verstanden  und  erklÀrt,  wenn  es  nur 
—  gleichgĂŒltig  mit  welchem  Recht  —  als  solche  bezeichnet 
war.  Eine  bestimmte  VerÀnderimg  irgendeines  bestimmten 
Zustandes  —  das  war  oft  der  Weisheit  letzter  Schluß  —  trat 
ein,  „weil  sich  der  Zustand  eben  so  entwickelte". 

Angesichts  dieser  Sachlage  wurde  die  Frage  zur  gebiete- 
rischen Notwendigkeit;  was  denn  eigentlich  mit  diesem  Be- 
griff und  seiner  Anwendung  jeweils  gemeint  und  vor  allem 
auch  wirklich  verstanden  und  erklÀrt  sei;  auf  seinem  ur- 
sprĂŒnglichen Heimatgebiete,  wie  auf  den  von  ihm  allmĂ€hlich 
usurpierten  anderen  Gebieten.  Wieweit  denn  wenigstens 
ĂŒberhaupt  in  all  diesen  verschiedenen  mit  ihm  belegten  und 
benannten  VerÀnderungen  wirklich  ein  Gemeinsames  oder 
auch  nur  Analoges  sich  nachweisen  lasse,  welches  die  Ueber- 
tragung  dieses  Begriffs,  auch  wenn  er  nicht  einmal  auf  seinem 
Urgebiet  verstÀndlich  wÀre,  auf  alle  jene  anderen  rechtfertige? 
Denn   selbst  wenn  er  auf  seinem  Urgebiet  nur  einen  in 


sich  selbst  unverstandenen  Typus  der  VerÀnderung  darstellte, 
so  wĂŒrde,  wenn  nur  auf  jenen  anderen  Gebieten  derselbe 
(analoge)  Typus  nachweisbar  wÀre,  damit  wenigstens  das 
Recht  erwiesen  sein,  ihn  als  „Gesetz",  d.  h.  als  typisch 
regelmĂ€ĂŸige  Form  auch  auf  alle  jene  anderen  FĂ€lle,  die  sich 
ihm  ja  dann  als  ihrem  Allgemeinbegriff  unterordnen  ließen, 
anzuwenden;  darf  ja  doch  auch  sonst  etwas  dann  als  erklÀrt 
und  verstanden  gelten,  wenn  es  sich  einer  Regel,  einem  Gesetz 
unterordnen  lĂ€ĂŸt;  mag  diese  GesetzmĂ€ĂŸigkeit  in  sich  selbst 
auch  nicht  weiter  verstÀndlich  und  erklÀrbar  sein.  Die  not- 
wendig zu  erledigende  Vorfrage  aber  blieb  auch  fĂŒr  diese 
(bloß  „rein  kategoriale")  Verwendung  des  Begriffes  offenbar 
die  obige:  ob  und  wieweit  denn  wirklich  in  allen  diesen 
FÀllen  derselbe  Tatbestand  und  Typus  der  VerÀnderung  vor- 
liege (wie  auf  jenem  Urgebiet),  auch  wenn  er  in  sich  selbst 
nicht  einmal,  wie  jedoch  meist  außerdem  angenommen 
wurde,  verstÀndlich  war. 

Es  hat  lange  gedauert,  bis  man  sich  diese  notwendige 
Frage  stellte  und  es  kann  keineswegs  gesagt  werden,  daß  sie 
heute  etwa  schon  befriedigend  beantwortet  wÀre.  Es  sollen  da- 
her im  folgenden  auch  nur  einige  Richtlinien  zu  ihrer  Beant- 
wortung und  damit  fĂŒr  eine  brauchbare  Verwendung  des 
Entwicklungsgedankens  (EG)  gegeben  weiden. 

2. 

Es  dĂŒrfte  historisch  zunĂ€chst  kaum  bestritten  werden 
können,  daß  das  Quellgebiet  des  Entwicklungsgedankens,  d.  h. 
der  Tatbestand,  von  welchem  sich  dieser  Begriff  ursprĂŒnglich 
herleitet,  im  Gebiet  der  organisch -biologischen  Wirklichkeit 
zu  suchen  ist.  Und  zwar  auf  demjenigen  Teilgebiet  desselben, 
welches  wir  heute  als  das  der  Entwicklung  eines  mehrzelligen 
Organismus,  vom  wissenschaftlichen  Standpunkt  aus,  zu  be- 
zeichnen pflegen.  Der  Gedanke  an  diesen  Tatbestand,  der  Ent- 
wicklung z.  B.  einer  Pflanze  oder  eines  Tieres,  und  zwar 
in  der  Form,  wie  er  sich  zunÀchst  dem  vor- 


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Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XIX 


wissenschaftlich e  □  M e  o  s  c  Ii  e n  d a r s t e  1  ]  t,  ist 
es,  welcher  auch  bei  allen  spÀteren  Verwendungen  des  Ge- 
dankens auf  anderen  Wirklichkeitsgebieten  —  und  zwar  vor- 
wissenschaftlichen  wie  auch  wissenschaftlichen 
—  mehr  oder  weniger  bewußt  innner  noch  unter  der  Ober- 
flÀche mitschwingt  und,  was  das  VerhÀngnisvolle  dabei  ist, 
auch  diesen  spÀteren  Verwendungen  desselben  meist  noch 
etwas  von  dieser  seiner  ursprĂŒnglichen  vorwissenschaftlichen 
Eigenart  und  VerstÀndlichkeit  zu  verleihen  scheint,  auch 
wenn  jeder  Grund  hierfĂŒr  fehlt. 

FĂŒr  den  vorwissenschaftlichen  Menschen  nun  unter- 
scheidet sich  diejenige  VerÀnderungsart,  welche  er  als  Ent- 
wickelung  eines  Organismus  kennt,  nach  seiner  Ansicht 
deutlich  von  anderen  VerÀnderungsarten,  welche  ihm  die 
Wirklichkeit  sonst  zeigt.  Diejenigen  FĂ€lle,  in  welchen  er 
ĂŒber  das  Vorliegen  oder  Nichtvorliegen  derselben  im  Zweifel 
zu  sein  scheint,  beweisen  nichts  gegen  die  Klarheit  dieses 
seines  Begriffs,  sondern  sie  zeigen  nur,  daß  diejenigen  Merk- 
male, die  er  mit  einer  solchen  unweigerlich  verbindet  und 
von  ihr  stets  verlangt,  in  einem  solchen  Fall  nicht  deutlich 
genug  gegeben  sind.  Gerade  an  solchen  FĂ€llen  kann  ihm 
und  uns  sogar  das,  was  er  noch  an  einer  VerÀnderung  ver- 
mißt, um  sie  als  eine  „Entwicklung"  gelten  lassen  zu 
können,  ganz  besonders  deutlich  werden. 

FĂŒr  den  vorwissenschaftlichen  Menschen  besteht  der 
Tatbestand,  welchen  er  Entwicklung  nennt  und  von  anderen 
Arten  der  VerÀnderung  unterscheidet,  wenn  wir  ihn  hier 
kurz  charakterisieren  sollen,  etwa  darin,  daß  eine  materielle 
Einheit  (der  Art  wie  wir  sie  als  Organismus  bezeichnen)  sich 
nach  seiner  Meinung  aus  eigener  Kraft  verÀndert;  und 
zwar  in  der  merkwĂŒrdigen  und  besonderen  Weise  verĂ€ndert, 
daß  sie  trotz  ihrer  stĂ€ndigen  VerĂ€nderung  doch  nicht  eigent- 
lich eine  andere  wird,  sondern,  indem  sie  doch  immer 
irgendwie  dieselbe  bleibt,  sozusagen  nur  von  Stufe 
zu  Stufe,  bis  zu  einem  von  ihr  als  Höhepunkt  angestrebten 


Ziel  immer  mehr  ihre  „Anlage",  d.  h.  das,  was  von  Natur  in 
ihr  zu  liegen  scheint,  „entfaltet".  Insbesondere  sind  es 
die  Merkmale  einer  trotz  aller  VerÀnderung  doch  immer  als 
vorhanden  angenommenen  einheitlichen  Konstanz  des  sich 
verÀndernden  Organismus,  die  zielstrebig-geradlinige  Diffe- 
renzierung und  die  „EigenkrĂ€ftigkeit"  dieses  Vorganges,  die 
ihm  seine  besondere  Eigenart  geben!  In  dein  sprachlichen 
Ausdruck  „Sichentwickeln"  Liegen  diese  Merkmale,  auf  die  es 
dem  vorwissenschaftlichen  Menschen  besonders  ankommt, 
offenbar  ganz  deutlich  enthalten:  in  dem  „Sich"  die 
Konstanz,  EigenkrĂ€ftigkeit  und  „Absicht"  der  VerĂ€nderung; 
in  dem  Wort  ent-Wickeln  der  Gedanke,  daß  in  ihr  nur  ein 
vorher  schon  „implizit  Vorhandenes"  („Gelegenes",  daher 
„Anlage")  sich  entfalte  („expliziert")  und  sichtbar  werde. 
Es  ist  in  diesem  Sinne  charakteristisch,  daß  jedenfalls  der 
^verwissenschaftliche  Mensch  sofort  nicht  mehr  von  einer  Ent- 
wicklung reden  wird,  wenn  entweder  die  „IdentitĂ€t"  des 
SichverÀndernden,  der  kontinuierliche  Zusammenhang  der 
frĂŒheren  ZustĂ€nde  mit  den  spĂ€teren  sich  nicht  mehr  fest- 
stellen oder  die  VerÀnderung  sich  nur  noch  als  eine  passive, 
d.  h.  von  außen  verursachte  nachweisen  ließe,  oder  wenn  der 
VerÀnderungsfolge  das  Merkmal  der  geradlinigen  Zielstrebig- 
keit und  immer  höheren  Entfaltung  (Differenzierimg)  man- 
geln wĂŒrde.*  Eben  darum  wird  ein  naiver  Mensch  oder  ein 
Kind  das  AusschlĂŒpfen  eines  Schmetterlings  aiis  einer  Puppe, 
da  er  die  hier  vorliegenden  kontinuierlichen  UebergÀnge  noch 
nicht  kennt,  immer  als  das  Entstehen  eines  Neuen  und  da- 
mit als  ein  „Wunder",  nicht  als  Entwicklung  im  genannten 
strengen  Sinne  auffassen  Und  verstehen  können;  ebensowenig 
aber  auch  z.  B.  das  passive  Entstehen  eines  Kunstwerks  (sei 
es  auch  etwa  einer  Tiergestalt),  weil  ihm  hier  die  eigene 
AktivitÀt  von  innen  heraus  fehlt;  ebensowenig  ferner  eine 
ziel-  und  planlos  auf-  und  abgehende,  wenn  auch  eigen- 
krÀftige und  die  Konstanz  wahrende  VerÀnderungsfolge.  Ja, 
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XX  Jenseits  von  Beruf  und  Ami  10.  Jahrg.     Nr.  14/15 


VerĂ€nderung  wird  fĂŒr  ihn  immer  noch  ein  bloßes  „Wachs- 
tum" (das  fĂŒr  ihn  stets  auf  vorgenanntem  Gebiet  ein  eigen- 
krÀftig-aktives ist)  und  damit  nur  Entwickelung  in  einem 
weiteren  als  dem  obigen  Sinne  sein  können,  solange  sich  nicht 
rfas  Moment  einer  schrittweisen  qualitativen  Differen- 
zierung der  Funktionen,  nicht  bloß  eine  quantitative  Ver- 
Ă€nderung (VergrĂ¶ĂŸerung)  dabei  zeigt.  So  können  wir  die 
Entwickelung  im  vorwissenschaftlichen  Sinne  in  kurzer 
Formel  etwa  als  die  kontinuierliche  eigenkrÀftige  geradlinig- 
zielslrebende  wertsteigernde  und  sich  dabei  qualitativ  diffe- 
renzierende VerÀnderung  einer  bei  aller  VerÀnderung  irgend- 
wie doch  konstant  bleibenden  GrĂ¶ĂŸe  bezeichnen. 

Diesen  von  ihm  gemeinten  besonderen  Tatbestand  deutet 
sich  der  vorwissenschaftliche  Mensch  meist  in  einer  recht 
naiven  Weise:  wenn  er  nicht  diesen  ganzen  VerÀnderungs- 
typus einfach  schon  wegen  seiner  ihm  so  gelÀufigen  HÀufig- 
keit als  bekannt  und  darum  auch  selbstverstÀndlich  ansieht 
und  ihn  deswegen  einer  besonderen  ErklÀrung  gar  nicht  mehr 
fĂŒr  bedĂŒrftig  hĂ€lt,  d.  h.  einfach  im  obigen  Sinne  als  bloße 
„Kategorie"  verwendet.  Er  nimmt  nĂ€mlich  an  (wie  wir  es 
uns  alle  selbst  von  unserer  Kinderzeit  her  erinnern,  wo  auch 
wir  z.  B.  die  ganze  spÀtere  Eiche  schon  in  den  Eicheln  ent- 
halten dachten),  daß  es  sich  bei  einer  solchen  Entwickelung 
wirklich  nur  um  ein  allmÀhliches  Sichentfalten  eines  schon 
im  Keim  auf  kleinstem  Raum  Zusammengefalteten  handele. 
Welche  Kraft  diese  Auseinanderfaltung  zuwege  bringe,  bleibt 
freilich  auch  hier  unerklÀrt  der  '  vorwissenschaftliche 
Mensch  zweifelt  ĂŒbrigens  nicht,  daß  auch  diese  „aus  eigener 
Kraft"  erfolge  — ;  aber  es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  diese 
naive  Vorstellungsweise  viel  dazu  beitrÀgt,  um  dem  vor- 
wissenschaftlichen Menschen  den  Vorgang  ganz  besonders 
verstÀndlich  erscheinen  zu  lassen,  obwohl  sie  selbstverstÀnd- 
lich einer  nur  etwas  weniger  oberflÀchlichen  Betrachtung 
keineswegs  stichhÀlt. 


‱*.f*  ■■  3.  '■  -  i  

Diese  vom  vorwissenschaftlichen  Menschen  bei  der  Ent- 
wickelung eines   individuellen   Organismus  vorausgesetzten 
TatbestÀnde  und  diese  an  sich  unhaltbare  Deutung,  die  er 
meist  unmittelbar  damit  verbindet,  sind  nun  aber,  wie  gesagt, 
fĂŒr  uns  deshalb  besonders  wichtig,  weil  dieselben  nachweis- 
lich auch  bei  allen  anderen  Anwendungen  des  EG.  mehr  oder 
weniger  unbewußt  nachzuwirken  und  in  sie  hereinzuspielen 
pflegen;  sowohl  (a)  bei  der  Anwendung  auf  andere  Wirk- 
lichkeitsgebiete  ĂŒberhaupt,  als.  was  das  wichtigste  ist,  viel- 
fach (b)  sogar  noch  l>ei  der  wissenschaftlichen  An- 
wendung dieses  Gedankens,   also  bei   der  Beurteilung  des 
(ganz  andersartigen)  wissenschaftlich  feststellbaren  Tatbe- 
slandes, von  dem  wir  sofort   reden  werden1).    Und  zwar 
letzteres  in  doppelter  Beziehung:  es  wird  einerseits  vielfach 
durch  die,  wie  wir  sehen  werden,  ganz  andere  und  auf  ganz 
andere  Tatsachen    bezĂŒgliche    wissenschaftliche  ErklĂ€rung 
vielfach  auch  der  vorwissenschaftlich  gemeinte  Tatbestand  als 
erklÀrt  und  dessen  Problematik  als  beseitigt  angesehen,  an- 
dererseits aber  werden  doch  auch  vielfach  noch  ZĂŒge  und 
ErklÀrungsweisen    des    vorwissenschaftlichen  Tatbestandes 
unbewußt  in  die  wissenschaftliche  hineingetragen  und  da- 
mit umgekehrt  der  wissenschaftlichen  ErklÀrungsweise  viel- 
fach die  VerstÀndlichkeit  und  sogar  Bedeutung  des  vorwissen- 
schaftlichen EG.  zugeschrieben.    Daß  beide  Uebertragungen 
(a  wie  b)  nicht  ohne  weiteres  zulĂ€ssig  sind,   geht   fĂŒr  die 
Uebertragung  auf  andere  Wirkliehkeitsgebiete  (a)  deutlich 
und  einfach  dann  hervor,    wenn  man    sich    nur  die  MĂŒhe 
nimmt,  nachzuprĂŒfen,  wie  weit    bei    denjenigen  VerĂ€nde- 
rungen, die  dort  auch  als  Entwickelung  bezeichnet  werden, 
sich  denn  auch  wirklich  alle  oben  auf  jenem  Urgebiel  ange- 
fĂŒhrten Bestimmungen  des  EG.  wiederfinden.  Nur  einige  Bei- 

1  Lebt  doch  sogar  jene  unmögliche  vorwissenschaftliche 
Deutung  im  Gedanken  der  PrÀformationstheorie  oft 
noch  weiter. 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


Je  ii  Bolls  von  Berat  ma4  Amt 


XXI 


spiele:  i^iht  es  bei  der  Erdentwickelung  die  EigenkrÀftigkeit? 
Worin  besteht  bei  der  Entwicklung  der  Arien  die  dem  indi- 
viduellen Organismus  dort  entsprechende  konstante  Einheit? 
Worin  dieselbe  auf  psychischem  Gebiet?  usw. 

Mit  diesen  Fragen  soll  hier  noch  nicht  bestritten  Werden, 
daß  sich  diese  Analogien  nicht  doch  auch  hier  wirklich  finden 
lassen  könnten;  es  soll  damit  vielmehr  nur  gezeigt  werden, 
daß  es  jedenfalls  nötig  ist,  sich  den  wirklichen  Tatbestand 
und  das  Bestehen  wirklicher  Analogien  auf  diesen  neuen  Ge- 
bieten zunÀchst  jeweils  recht  deutlich  zu  machen,  ehe  man 
den  EG.  unbesehen  und  noch  dazu  mit  seinem  dortigen  Ver- 
stĂ€ndlichkeitswert auf  sie  ĂŒbertrĂ€gt. 

Vor  allem  aber  ist  es  nötig,  sich  davor  zu  hĂŒten,  den 
vorwissenschaftlichen  EG.  in  seinen  wissenschaftlichen,  Ge- 
brauch einzumischen.  Diese  Forderung  erscheint  heule  den 
meisten  freilich  deshalb  ĂŒberflĂŒssig,  weil  sie  ihnen  schon 
lĂ€ngst  erfĂŒllt  bzw.  ĂŒberholt  zu  sein  scheint.  Ist  denn 
nicht,  so  werden  sie  fragen  (und  damit  kommen  wir  zu- 
gleich zu  dem  zweiten  Fall  (b),  in  welchem  der  vorwissen- 
schaftliche Tatbestand  und  Deutungsversuch  sich  auch 
wissenschaftlich  noch  geltend  macht),  durch  die  Wissen - 
lÀngst  entbehrlich  geworden?  Denn  wie  sollte  er,  wenn  er 
gar  nicht  mehr  zu  Recht  besteht,  noch  in  dieser  Weise  ge- 
fÀhrlich werden  können? 

DemgegenĂŒber  ist  jedoch  zu  sagen,  daß  umgekehrt 
gerade,  wenn  dies  tatsÀchlich  so  wÀre,  damit  jenes 
unklare  Hereinspielen  des  vorwissenschaftlichen  Ent- 
wicklungsgedankens in  den  wissenschaftlichen  jo  doch 
nur  um  so  verhĂ€ngnisvoller  und  unzulĂ€ssiger  wĂŒrde. 
Denn  wie  sollte  ein  als  gar  nicht  bestehend  nach- 
gewiesener „Tatbestand"  noch  eine  solche  Rolle  spielen? 
die  (unrichtige  und  voreilige)  vorwissenschaftliche  Deutung 
sich  bezog,  doch  unverÀndert,  nur  vielleicht  an  etwas  anderer 
Stelle  wiederkehren;  und  daß  somit  der  gerĂŒgte  Intimi  nicht 
so  sehr  darin  besteht,  daß  in  einen  ganz  anderen  Tatbestand 


und  eine  ganz  Àndere  Deutung  die  alten  unberechtigt  hinein- 
gemischt werden  (\\;is  freilich  auch  der  FĂ€ll  ist),  sondern 
darin,  daß  jene  allen  Probleme  beseitigt  erscheinen,  wĂ€hrend 
sie  in  Wahrheil  nach  Wie  vor  fortbestehen. 


Doch  welches  ist  der  wissenschaftlich  festgestellte  Tatbe 
stand  eines  Entwicklungsvorganges  und  seine  wissenschaft- 
liche Deutung?  Die.  experimentelle  Feststellung  der  hei  einej 
„Entwicklung"  tatsĂ€chlich  beobachtbaren  materiellen  Pro 
zesse  hat  gezeigt,  daß  sie,  kurz  gesagt,  nichts  anderes  ist,  als 
eine  fortgesetzte  Zellteilung.  Verfolgen  wir  den  Zustand  eines 
individuellen  Organismus  soweit  zurĂŒck,  wie  wir  vermögen, 
so  werden  wir,  sofern  wir  nicht  ĂŒber  das  Individuum  hinaus- 
gehen wollen,  auf  die  Keimzelle  als  ein  fĂŒr  ihn  letztes  Ge- 
gebenes zurĂŒckgefĂŒhrt,  aus  der  durch  bestimmte  gesetzmĂ€ĂŸige 
Teilungen  alle  spÀteren  Entfaltungen  hervorgehen.  Der  An- 
fangs*zustand  (der  Keimzelle)  und  die  Art  der  Reihen- 
folge der  an  diesem  Anfangszustand  sich  weiter  an- 
schließenden ZustĂ€nde  (des  sich  entwickelnden  Organismus) 
sind  selbst  hierin  nicht  weiter  erklÀrlich,  sondern  ein- 
fach in  ihrer  gesetzmĂ€ĂŸigen  Folge  zu  konstatieren  und  hinzu- 
nehmen. Das  naturwissenschaftliche  Ideal  der  Erkenntnis 
bzw.  ErklÀrung  dieser  VorgÀnge  ist  erreicht,  wenn  nur  die 
Reihenfolge  der  einander  folgenden  materiellen  ZustÀnde  des 
Organismus  als  eine  gesetzmĂ€ĂŸige  erfaßt  ist.  Die  Entwicke- 
lung  ist  freilich  damit  fĂŒr  dieses  Ideal  offenbar  sozusagen 
kinematographisch  in  eine  Folge  verschiedener  materieller 
ZustĂ€nde  „des  Organismus"  zerlegt  und  aufgelöst.  Von  einer 
eigenkrÀftigen  Entwickelung  im  vorwissenschaftlichen  Sinn 
ist  nicht  mehr  die  Rede,  jedenfalls  werden  diese.  ZustÀnde 
ganz  ohne  RĂŒcksicht  auf  irgendeine  solche  Kraft  festgestellt. 
Und  ebenso  ist  es  fĂŒr  diese  Betrachtungsweise  offenbar  ganz 
gleichgĂŒltig  geworden,  ob  und  wieweit  es  sich  hierbei  wirk- 
lich noch  um  die  „Entwickelung"  (die  materiellen  ZustĂ€nde) 


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XXII  Jenseits  von  Beruf  und  Amt  40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


einer  konstanten  Einheit  („eines  Organismus")  handelt;  es 
genĂŒgt  auch  hier  fĂŒr  sie  die  bloße  (kinematographische)  Folge 
materieller  MomentanzustĂ€nde,  gleichgĂŒltig,  „woran"  diese 
gedacht  werden.  Auch  der  „Organismuscharakter"  der  Keim- 
zelle selbst  wie  aller  folgenden  ZustĂ€nde  „des  sich  ent- 
wickelnden Organismus"  löst  sich  naturwissenschaftlich  in 
ein  gesetzmĂ€ĂŸiges  Produkt  rein  anorganischer,  d.  h.  chemi- 
scher und  physikalischer  gesetzmĂ€ĂŸig  verlaufender  Prozesse 
auf,  fĂŒr  welche  ihre  teleologische  „Zugehörigkeit  zur 
Einheit  eines  Organismus"  mindestens  ganz  gleichgĂŒltig  ge- 
worden ist.  Die  Naturwissenschaft  hat  auch  hier  ihr  Ideal 
erreicht,  wenn  und  soweit  ihr  die  Feststellung  der  hier  mit- 
wirkenden Gesetze  gelungen  ist.  Warum  freilich  alle  diese 
gesetzmĂ€ĂŸigen  chemischen  u.  a.  Prozesse  sich  jeweils  gerade 
so,  wie  sie  es  tun,  in  dieser  sozusagen  planvollen  Weise  zu 
einem  solchen  einheitlichen  Organismus,  wie  z.  B.  auch  dem 
der  Keimzelle,  zusammenfinden  und  dies  immer  wieder  in 
jedem  Momentanzustand  des  sich  entwickelnden  Organismus 
tun,  so  daß  sich  derselbe  immer  wieder  gerade  in  dieser  be- 
stimmten Weise  erhÀlt  bzw.  verÀndert,  d.  h.  einen  gewissen 
Variationsbereich  niemals  ĂŒberschreitet  — ;  das  vermag  diese 
naturwissenschaftliche  ErklÀrung,  auch  wenn  sie  eine  noch 
so  ideale  wÀre,  nicht  zu  erklÀren.  Ganz  genau  wie  oben  jenes 
Gesetz  der  regelmĂ€ĂŸigen  Aufeinanderfolge  (diese  sozusagen 
„vertikale"  GesetzmĂ€ĂŸigkeit),  muß  sie  hier  dieses  Gesetz,  nach 
welchem  sich  alle  jene  anorganischen,  chemischen  oder 
physikalischen  Prozesse  gerade  zu  der  Einheit  eines  solchen 
Organismus  in  jedem  Moment  zusammenfinden  (diese  sozu- 
sagen „horizontale"  GesetzmĂ€ĂŸigkeit),  einfach  als  eine  nicht 
weiter  erklÀrbare  Tatsache  hinnehmen.  Damit  ist  aber  offen- 
bar nichts  anderes  gesagt,  als  daß  diese  naturwissenschaft- 
liche ErklĂ€rung  sich  grundsĂ€tzlich  damit  begnĂŒgt,  das  gesetz- 
mĂ€ĂŸige W  i  e  des  Verlaufs  der  hier  vorliegenden  Prozesse 
festzustellen.  Auf  jene  Frage  nach  dem  Warum  dagegen 
in  dem  Sinne,  wie  sie  das  vorwissenschaftliche  Erkennen  mit 


dem  Begriff  der  „Anlage"  oder  mit  dem  Gedanken  der  dyna- 
misch teleologischen  Einheit  des  „Organismus"  und  seiner 
selbstkrÀftigen  teleologischen  VerÀnderung  andeutet,  wenn 
auch  freilich  nicht  löst,  gibt  sie  keine  Antwort;  ja,  diese 
Frage  und  diese  Begriffe  gehen  sie  gar  nichts  mehr  an.  An- 
stelle beider  setzt  sie  je  ein  „Gesetz",  das  zwar  gewiß  den  ein- 
zelnen Fall  eines  Organismus  oder  seiner  Entwickelung,  der 
sich  darunter  subsummieren  lĂ€ĂŸt,  als  einen  nach  diesem  Ge- 
setz verlaufenden  verstÀndlich  macht,  aber  nicht  verstÀndlich 
in  jenem  Sinn  der  vorwissenschaftlichen  Frage  nach  dem 
Warum  dieses  Gesetzes.  Das  bedeutet,  aber,  daß  jene  vor- 
wissenschaftlichen Probleme  nicht  gelöst,  sondern  nur  un- 
gelöst vorausgesetzt  sind,  bzw.  daß  bewußt  auf  ihre  Lösung 
verzichtet  wird.  Denn  ob  ich  sage:  ein  bestimmtes  Gesetz 
fĂŒhre  die  anorganischen  (chemischen,  physikalischen  usw.) 
Prozesse  zur  Einheit  des  Organismus  jeweils  zusammen  und 
ein  bestimmtes  anderes  Gesetz  lasse  den  Ablauf  der  verschie- 
denen VerÀnderungsstadien  immer  gerade  in  dieser  bestimm- 
ten Weise  einander  folgen,  welche  wir  als  „Entwickelung" 
bezeichnen,  oder  ob  ich  sage:  im  selbst  unerklÀrten  Anfangs- 
zustand des  Organismus  sei  alles  spĂ€tere  „angelegt",  ist  offen- 
bar nur  efh  sprachlicher  Unterschied.  Man  sollte  daher  auch 
dem  Neovitalismus,  der  anstelle  dieser  besonderen,  ĂŒber 
die  anorganischen  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  sozusagen  ĂŒbergreifen- 
den organischen  „GesetzmĂ€ĂŸigkeiten"  lieber  von  „KrĂ€ften" 
aller  Art  spricht,  dies  nicht  so  ĂŒbel  nehmen,  da  es  ja  doch 
nicht  eigentlich  etwas  anderes  besagt  als  das,  was  die  ĂŒbliche 
Biologie  auch  voraussetzt,  aber  keineswegs  erklÀrt  hat.  Frei- 
lich sollte  auch  der  Neovitalismus  umgekehrt  mit  solchen 
neuen  Worten  nicht  etwas  besonderes  zu  sagen  meinen,  und 
namentlich  dem  Naturwissenschaftler,  der  es  in  der  Tat  nur 
mit  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  materieller  VorgĂ€nge  zu  tun  hat,  nicht 
einen  Vorwurf  daraus  machen,  wenn  er  von  solchen  KrÀften 
nichts  wissen,  d,  h,  nicht  in  die  Metaphysik  ĂŒbergehen  will. 
Physikalisch  erklĂ€rt  ist  durch,  alle  „Dominanten"  und 


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M|lM%iiw  n  HG  r»fcd.  %,  &Ct  T*M. 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


„Entelechien"  usw.  nicht  mehr  als  ohne  sie.  Aber  freilich  — 
jene  Warumfrage  ist  physikalisch  keineswegs  gelöst,  sondern 
nur  vertagt;  sie  bleibt  bestehen,  auch  Wenn  die  Naturwissen- 
schaft ihrer  Natur  nach  keine  Antwort  darauf  gibt  und  geben 
kann. 

5.  1    -  ' 

Dies  ĂŒieigt  sich  vielleicht  noch  besonders  deutlich,  wenn 
man  sich  weiter  vergegenwĂ€rtigt,  daß  genau  dieselben  zwei 
vorwissenschaftlichen  Probleme  auch  gegenĂŒber  allen  an- 
deren Arten  und  Gebieten  biologischer  „Entwicklung"  (auch 
neben  der  besprochenen  eines  mehrzelligen  Organismus)  be- 
stehen bleiben»  trotz  und  ungeachtet  aller  zu  ihrer  Beseitigung 
jemals  unternommenen  und  oftmals  scheinbar  geglĂŒckten 
Versuche  einer  rein  physikalischen  ErklÀrung  derselben,  d.  h. 
einer  solchen,  welche  den  ganzen  Entwicklungsvorgang  doch 
noch  „rein  passiv"  nach  dem  obigen  physikalischen  Ideal- 
schema (kausal-gesetzmĂ€ĂŸiger  materieller  Prozesse)  erklĂ€ren 
zu  können  glaubt.  Und  es  ist  ja  kein  Wunder,  daß  diese 
Probleme  doch  stets  wieder  auferstehen  mĂŒssen,  da,  wie  wir 
zeigten,  diese  Art  von  ErklÀrung  an  das  hier  gemeinte 
„Warum"  gar  niemals  heranreichen  kann,  weil  sie  stets  nur 
nach  dem  (zweckmĂ€ĂŸigen)  Wie  fragt,  niemals  aber  nach 
lern  Warum  dieses  (gesetzmĂ€ĂŸigen)  Wie. 

Wie  wir  heute  wissen,  fĂŒhrt  nĂ€mlich  auch  jede  andere 
bntwickelung  als  die  bisher  betrachtete  eines  individuellen 
jnehrzelligen  Organismus  auf  genau  dieselben  VorgÀnge  ge- 
setzmĂ€ĂŸiger Zellteilungen  zurĂŒck.  Auch  wenn  wir  zur  Ent- 
wicklung ĂŒber  das  Individuum  hinaus  fortschreiten  und 
‱inen  F  o  rt  p  f  1  a  n  z  u  n  g  s  Vorgang  untersuchen,  werden 
vir,  rein  schematisch  beachtet,  ja  nur  ĂŒber  die  Keimzelle 
unaus  zu  den  elterlichen  Geschlechtszellen  zurĂŒckgefĂŒhrt 
ms  denen  sie  durch  allerhand -  Kopulationen  und  Teilungen 
ntstanden  ist;  und  auch  ĂŒber  diese  elterlichen  Geschlechts - 
eilen  hinaus  fĂŒhrt  der  Weg  durch   die  Folge  der  Gene- 


rationen der  Vorfahren  immer  wieder  zu  nichts  anderen  als 
zu  frĂŒheren  Zellen  zurĂŒck  (auch  ĂŒber  die  betreffende  Art 
Innaus  nicht,  wenn  man  deren  Zusammenhang  als  Deszen- 
denzzusammenhang annehmen  darf)  -:  bis  wir  schließlich 
wenigstens  wenn  wir  einen  Ausgangspunkt  des  Lebens  an- 
nehmen dĂŒrfen,  bei  der  ersten  UrZelle  anlangen,  fĂŒr  welch« 
wieder  dasselbe  Problem  gilt,  wie  oben  fĂŒr  das  Zustande- 
kommen jedes  Organismus  aus  den  in  ihm  zusammentreten- 
den anorganischen  Prozessen.  Jene  ganze  Folge  aller  Fort- 
pllanzungen  dieser  Urzelle  selbst  aber  enthÀlt  in  sich  wieder 
jenes  andere  Problem  der  „vertikalen"  GesetzmĂ€ĂŸigkeit  nur 
m  einer  unendlich  vervielfachten  Weise. 

Man  hat  freilich  auch  hier  vielfach  die  Entwicklung 
rein  passiv-kausal  erklÀren  zu  können  geglaubt.    Die  Dar- 
winsche Selektionstheorie  ist  hierfĂŒr  das  bekannteste  Beispiel 
geworden.   Aber  eine  genauere  Betrachtung  zeigt  gerade  hier 
besonders  deutlich,  das  eine   solche  Theorie  in  Wahrheit 
unsere  obigen  Probleme  immer  schon  und  noch  voraus- 
setzt, keineswegs  beseitigt  oder  löst.     Die  Darwinsche 
Iheone  besagt  ja  bekanntlich  nichts  anderes,  als  daß  unter 
den  von  der  Natur   in   unendlicher  VariabilitÀt  hervorge- 
brachten und  sich  fortpflanzenden  Organismen  sich  immer 
nur  diejenigen  im  Kampf  ums  Dasein  erhalten  und  darum 
auch  fortpflanzen  können,  welche  die  LebenstĂŒchtigsten  sind 
und  sie  glaubt  so  durch  eine  rein  passive  Selektion  das  Ueber- 
/T-L   UIS    Ausgesondertwerden    immer  lebenstĂŒchtigerer 
„höherer  )  Arten  erklĂ€ren  zu  können,  ohne  eine  „eigenkrĂ€f- 
tige Anlage    zu  einer  bestimmten  Höherentwickelung  an- 
nehmen zu  mĂŒssen.   Aber  auch  wenn  wir  alle  Bedenken  zu- 
ruckha  ten  w-elche  sich  auf  die  „unendliche  VariabilitĂ€t",  die 
Ausschießlichkeit  des  Kampfes  ums  Dasein  als  Selektions- 
pnnzip  und  die  alleinige  Vererbbarkeit  des  so  AusgewÀhlten 
beziehen  so  geht  doch  jedenfalls  schon  aus  unserer  Formu- 
herung  hervor,   daß   diese  Theorie    das   tatsĂ€chliche  Vor- 
handensein  von   Organismen   ebenso  voraussetzt  wie 


A  N  T I  RHEUMA  TIC  UM 

'JOFOQT  JCHM  ERZJTI  LLE/VD* 


XXIV 


Jenseits  von  Berat  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  14/15. 


deren  VariabilitÀt  und  Fortpflanzung  mit  allen  darin  ver- 
borgenen oben  besprochenen  Problemen.  Nur  die  (gerad- 
linige) Richtung  zum  Höheren  in  der  Entwiclcelung  der 
Arten  scheint  durch  eine  rein  passive  Selektion  erklÀrt  und 
bierfĂŒr  ein  besonderes  innewohnendes  Anlageprinzip  unnötig 
gemacht  zu  sein.  Aber  selbst  hier  sind  doch  erhebliche  Ein- 
schrÀnkungen zu  machen,  sofern  ohne  ein  solches  doch  auch 
aller  Kampf  ums  Dasein  mit  seinen  zufÀllig  wechselnden 
UmstÀnden  niemals  jene  relativ  geradlinige  Entwickelung  zu 
höheren  Formen  verstehen  lassen  wĂŒrde,  welche  wir  tatsĂ€ch- 
lich vorfinden.  Wir  brauchen  dazu  doch  immer  noch  ein 
gewisses  Richtungsprinzip,  auch  wenn  wir  von  allen  anderen 
Bedenken  noch  absehen:  z.  B.  dem,  wie  denn  die  zunÀchst 
doch  nur  kleinen  VerĂ€nderungen  sich  ĂŒber  ihr  erstes  Ent- 
stehen hinaus  bis  zu  der  GrĂ¶ĂŸe  erhalten  und  vererben  sollen, 
welche  sie  erst  im  Kampf  ums  Dasein  wertvoll  werden  lĂ€ĂŸt; 
oder  von  dem  anderen  Bedenken,  daß  von  der  nach  Darwin 
doch  notwendig  vorauszusetzenden  unendlichen  VariabilitÀt 
tatsĂ€chlich  nicht  die  Rede  zu  sein  scheint,  so  daß  doch  schon 
die  VariabilitĂ€t  selbst  eine  gewisse  Richtung  liesĂ€ĂŸe.  Aber 
auch  ganz  abgesehen  von  diesen  Bedenken,  bleibt  ja  doch 
jedenfalls  auf  allen  anderen  Entwicklungsgebieten,  außer 
diesem  vorliegenden  der  Entwickelung  der  Arten,  das  Pro- 
blem der  Höherentwickelung  ganz  im  frĂŒheren  Sinne  be- 
stehen. Denn  wie  sollte  z.  B.  die  Entwickelung  eines  indi- 
viduellen Organismus  irgendwie  durch  eine  solche  Folge  von 
Selektionen  aus  allen  sonst  noch  denkbaren  Wachstums- 
möglichkeiten des  Individuums,  auf  jeder  Stufe  seiner  Ent- 
wickelung, hervorgebracht  gedacht  werden  können?  Hier 
jedenfalls  versagt  ein  solcher  rein  passiver  ErklÀrungsver- 
such offenbar  vollstÀndig. 

Alle  solche  Versuche,  das  Zustandekommen  einer  orga- 
nischen Einheit  doch  rein  passiv,  d.  h.  nur  aus  den  gewöhn- 
lichen anorganischen  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  und  ebenso  auch  die 


in  der  Entwickelung  eintretende  Folge  von  ZustÀnden  (des 
einzelnen  Individuums  wie  etwa  der  verschiedenen  Individuen 
einer  Art  oder  auch  der  Arten)  durch  rein  passive  Milieu- 
wirkungen erklĂ€ren  zu  wollen,  mĂŒssen  ja,  wie  wir  wissen, 
ihr  Ziel  notwendig  verfehlen,  soweit  sie  wirklich  eine  Ant- 
wort auf  jenes  letzte  Warum  geben  wollen.  Denn  immer 
wird  offenbar  in  jenem  ersteren  Fall,  wie  wir  schon  zeigten, 
ein  Grund  angenommen  werden  mĂŒssen,  warum  gerade  alle 
diese  anorganischen  Prozesse  in  dieser  Weise  und  immer 
wieder  in  dieser  Weise  zusammentreten,  warum  z.  B.  gerade 
nur  diese  Stoffe  einander  immer  wieder  in  einer  solchen,  eine 
bestimmte  Einheit  bildenden  Weise  annehmen,  wie  sie  jeder 
Organismus  darstellt.  Ein  solches  Zusammentreten  bleibt 
doch  fĂŒr  diese  ErklĂ€rung  schließlich  immer  nur  ein  zufĂ€lliger 
GlĂŒcksfall.  Und  auch  wenn  dieser  GlĂŒcksfall  wirklich 
einmal  eingetreten  wĂ€re  und  ein  solcher  „Organismus"  vor- 
lÀge, so  ist  wiederum  aus  jenen  rein  anorganischen  Gesetz- 
mĂ€ĂŸigkeiten nicht  zu  erklĂ€ren,  warum  er  unter  dem  steten 
Wechsel  der  ihn  umgebenden  materiellen  Faktoren  und  Vor- 
gÀnge sich  nicht  sofort  wieder  auflöst,  sondern  sich  erhÀlt 
oder  gar  immer  wieder  in  derselben  Weise  weiter  verÀndert, 
die  wir  Erhaltung,  Wachstum,  Entwickelung  oder  Fort- 
pflanzung nennen.  WĂŒrden  wir  nicht  immer  schon  einen 
Faktor  annehmen,  welcher  sozusagen  alle  diese  mitwirken  ien 
und  einwirkenden  Prozesse  in  dieser  ganz  bestimmten  „ge-j 
seemĂ€ĂŸigen"  Weise  reguliert  und  zur  Erhaltung  oder  zum 
Wachstum  usw.  „verwendet"  und  „auswĂ€hlt",  also  eben  eine 
„Anlage"  zu  alldem,  welche  durch  EinflĂŒsse  des  Milieus  zwar 
modifiziert,  aber  eben  nur  in  einer  bestimmten  Weise,  inner- 
halb bestimmter  Grenzen  und  in  bestimmter  Richtung  modi- 
fiziert werden  kann,  so  wĂŒrde  die  tatsĂ€chliche  Ordnung  und 
Auswahl  aller  der  vorhandenen  EinflĂŒsse  uns  immer  unver- 
stĂ€ndlich in  jenem  letzten  Sinne  bleiben  mĂŒssen. 

 (Fortsetzung  folgt.) 


Der  heutigen  Nummer  dieser  Zeitschrift  liegt  ein  Prospekt  der  Chemischen  Fabrik  G  u  e  s  t  r  o  w  bei,  auf  welchen  wir  besonders  aufmerksam  machen. 


ETI 


TO  RAMIN  MI  LAN  OL 


wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tabletlen  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromat.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expektorantien,  auch 
Guajakol-PrÀpa  raten. 


1  neue  chloroformlösliche  Wismut-Verbindung  fĂŒr  dermato- 
|  logische  Zwecke, 

saubere   Anwendung   als   Salbe,   Paste,  Puder, 

Pinselung  2 — 10%ig,  weder  WĂ€sche  noch  Haut 
verschmierend. 


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Ekzeme. 


Speziell    chronische    und  subakutc 


Ferner  FĂ€lle  der  dermatologischen  Praxis,  in  denen  eine 
juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lationsbefördernde,  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keratoplastische  Wirkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


ii 


iĂŒal-ZĂ€ 


adstringierend,  antiseptisch, 
gran  ulationsbefbrdernd, 
schmerzlindernd. 


-Hl.  Jahrs.  —  Nr.  IG'  1 ' 


Jenseits  \  o  n  H  e  ruf  u  n  d  A  in  t 


XI  II 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Der  Entwicklungsgedanke  und  seine 
Anwendung  auf  die  verschiedenen  Wissen- 
schaftsgebiete. 

Von  Professor  Dr.  Th.  Unering  d.  J. -TĂŒbingen. 
(Schluß). 
6. 

Und  zwar  kann  ein  Faktor,  welcher  diese  erklÀrende 
Funktion  ĂŒbernĂ€hme,  kein  materieller  mehr  sein,  obwohl  die 
Naturwissenschaft  (da  sie  es  nur  mit  gesetzmĂ€ĂŸigen  Be- 
ziehungen materieller  GrĂ¶ĂŸen  zu  tun  haben  kann,  also  auch 
wenn  sie  von  dem  Einfluß  des  Milieus  auf  die  „Anlage" 
spricht)  auch  diesen  Anlagefaktor  immer  irgendwie  materiell 
reprĂ€sentiert  denken  muß.  Aber  alle  solchen  materiellen  Re- 
prÀsentanten solcher  den  Verlauf  regulierender  Faktoren, 
mögen  sie  nun  in  der  Keimzelle  oder  in  den  chromosomalen 
Bestandteilen  derselben  oder  in  bestimmten  DrĂŒsen  oder  be- 
stimmten Blutbestandteilen  oder  Hormonen  gesehen  werden, 
setzen  in  Wahrheit  gerade  immer  die  Beantwortung  der 
Frage,  die  wir  hier  zu  beantworten  wĂŒnschen,  schon  voraus. 
W  a  r  u  m  wirken  z.  B.  DrĂŒsen  und  Hormone  in  der  Weise 
regulierend  auf  das  Wachstum  und  die  Entwickelung  eines 
Organismus,  wie  es  ihnen  zugeschrieben  wird?  W  a  r  u  m 
kommen  ĂŒberhaupt  solche  materielle  Komplexe  zustande  und 
warum  treten  sie  insbesondere  gerade  in  diesen  bestimmten 
ZusammenhÀngen  .  auf  und  zwar  immer  wieder  auf? 
Warum  ergibt  ein  Körperchen  von  bestimmter  materieller 


Beschaffenheit,  wie  es  jedes  Chromosom  darstellt,  unter  dem 
Einfluß  seiner  Umwelt  in  und  außerhalb  der  Keimzelle 
gerade  diese  weiteren  EntwickelungsresultalcV  \V  a  r  n  ED 
kommt  es  gerade  nur  in  dieser  Gemeinschaft  mit  den  an- 
deren Chromosomen  der  Keimzelle  vor  (als  Chromosom  z.  B. 
gerade  dieser  Bohnenart)?  Es  wiederholt  sich  hier  ĂŒberall 
wieder- genau  das  frĂŒhere  Problem  des  Gesamtorganismus 
und  seiner  Entwickelung,  und  zwar  wiederum  „horizontal" 
wie  „vertikal";  ja,  alle  diese  Teilbestandteile  eines  solchen 
setzen,  genau  besehen,  das  Ganze  desselben  in  Wahrheit  um- 
gekehrt immer  schon  voraus,  da  sie  nur  in  diesem  und  in 
bezug  auf  dieses  ĂŒberhaupt  denkbar  und  verstĂ€ndlich  sind. 
Auch  das  Ganze  als  solches  zur  „Ursache"  der  Teile  zu 
machen  hat  aber  keinen  wirklichen  ErklÀrungswert.  Denn 
dies  materielle  Ganze,  in  bezug  auf  welches  die  Teile  allein 
verstÀndlich  sind,  ist  nicht  v  o  r  seinen  Teilen,  sondern  es  ist 
mitsamt  seinen  Teilen  in  seinem  ganzen  materiellen  BestÀnde 
ja  gerade  das  zu  erklÀrende  Problem.  In  seiner  Gesamt- 
heit muß  es  in  jedem  Moment  nach  seinem  Zustand  dem- 
nach immer  schon  als  das  Produkt  einer  solchen  („teleo- 
logischen") Kraft-(„Anlage")  aufgefaßt  werden  oder,  anders 
gesprochen:  schon  als  Produkt  aus  immateriellem  Anlage- 
faktor und  Milieu.  Genau  dasselbe  gilt,  wie  wir  sahen,  ĂŒber- 
haupt von  jedem  materiellen  ReprÀsentanten,  der  natur- 
wissenschaftlich als  „Anlagefaktor"  bezeichnet  wird:  auch  er 
ist  immer  schon  in  seinem  Bestand  nur  als  unter  der  Mit- 
wirkung eines  solchen  (immateriellen)  Anlagefaktors  ent- 
standen erklÀrlich,  also  ebenfalls  immer  selbst  schon  ein 
Produkt   aus   dem  Zusammenwirken   desselben   mit  allem 


XIV  Jenseits  von  Beruf  und  Amt  40.  Jahrg.  —  Nr.  16  17. 


materiellen  Milieu.  Der  Anlagefaktor  kann  also  m.  a.  W., 
stets  nur  als  ein  immaterieller  gedacht  werden,  wenn  er 
wirklich  das  erklÀren  soll,  wozu  er  angenommen  wird,  und 
alle  materiellen  sogenannten  ReprÀsentanten  desselben  immer 
schon  als  Auswirkungen  desselben  innerhalb  der 
Materie  und  deren  anorganischen  Gesetzen  oder,  wissen- 
schaftlich gesprochen:  jeder  sog.  geiiotypische  Faktor  ist,' so- 
fern er  ein  materieller  sein  soll,  immer  schon  in  Wahrheit  ein 
phÀnotypischer  Faktor,  d.  h.  ein  Produkt  aus  dem  (im- 
materiellen) ersteren  und  den  ĂŒbrigen  materiellen  Bedin- 
gungen. 

7. 

In  allen  diesen  FĂ€llen  sind  wir  mit  unserer  Warumfrage 
nur  befriedigt,  wenn  wir  anstelle  der  rein  kausalen  die  teleo- 
logische ErklÀrung,  insbesondere  diejenige  setzen,  welche  alle 
TeilphÀnomene  als  von  einer  teleologischen  Kraft, -als  Mittel 
zum  Zweck,  in  bezug  auf  das  Ganze  oder  Folgende  gesetzt 
betrachten  und  z.  B.  das  Vorhandensein  der  Chromosome  aus 
ihrer  Stellung  im  und  zum  Ganzen  und  ebenso  der  Hormone 
aus  ihrem  funktionellen  Wert  fĂŒr  das  Ganze  uns  verstĂ€ndlich 
machen  — :  eine  ErklĂ€rungweisc,  welche  freilich,  wie  wir 
oben  fĂŒr  alle  vitalistische  ErklĂ€rung  zeigten,  gĂ€nzlich  außer- 
halb aller'  physikalischen  Betrachtungsweise  steht  und  fĂŒr 
sie.  gĂ€nzlich  metaphysisch  ist  und  sein  muß;  aber  zugleich 
doch  eine  solche,  welche  eben  deshalb  niemals  durch  die 
physikalische  ersetzt  oder  entbehrlich  gemacht  werden  kann. 
Sie  ist  es  auch,  welche  heute  von  den  verschiedensten  Seiten 
und  unter  den  verschiedensten  Namen  gefordert  wird:  so 
wenn  man  z.  B.  verlangt,-  daß  wir  die  Welt  mit  dem  intuitiven 
synthetischen  Blick  des  Dichters  oder  Goethes  betrachten 
sollen,  statt  nur  mit  dem  des  atomistisch-mcchanistisch- er- 


klĂ€renden und  zerlegenden  Physikers;  daß  wir  nicht  vom  Ein- 
zelnen, Abstrakten,  Elementaren  aus  „atomistisch"  das  Ganze 
und  die  grĂ¶ĂŸeren  ZusammenhĂ€nge  gesetzmĂ€ĂŸig-mechanisch 
zu  erklÀren  versuchen,  sondern  das  Einzelne  als  Glied  um- 
fassenderer ZusammenhÀnge  und  Ganzen,  in  seiner  dyna- 
mischen Funktion  fĂŒr  letztere,  erfassen  und  erschauen  sollen, 
und  so  auch  die  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  (mit  denen  sich  die 
Naturwissenschaft  allein  beschÀftigt  und  welche  auch  diese 
andere  Betrachtungsweise  ja  keineswegs  zu  leugnen  braucht) 
als  dienende  Glieder  in  diese  ZusammenhÀnge  einordnen  und 
teleologisch -dy n amisch-funktionell  verstehen  sollen. 

Es  liegt  gewiß  ein  gutes  Recht  in  allen  diesen  Forde- 
rungen, und  es  ist  sehr  möglich,  daß  wir  hierdurch  dem 
lebendigen  Zusammenhang  der  Welt  nÀher  kommen  als  auf 
jenem  anderen  methodisch  begrenzteren  Wege,  der  zunÀchst 
nur  fĂŒr  den  anorganischen  Teil  der  materiellen  Wirklichkeil 
der, passende  und  ideale  ist.  . 

Damit  wĂ€re  darin  aber  auch  fĂŒr  den  Entwii  kelungs- 
gedanken  das  Recht  des  unmittelbaren  Eindrucks  des  ver- 
wissenschaftlichen Menschen  gegenĂŒber  der  Besonderheit 
dieser  organischen  Veninderungsform  wieder  hergestellt  und 
gerettet.  Seine  EindrĂŒcke  von  den  Besonderheiten  organi- 
schen Seins  und  organischer  VerÀnderung  könnten  mitsamt 
ihren  Problemen  bestehen  bleiben,  auch  wenn  fĂŒr  die  natui  - 
wissenschaftliche  Betrachtung;  welche  in  Wahrheit  nur  die 
dabei  beteiligten  anorganischen  Prozesse  betrachtet,  sich  eben 
darum  kein  prinzipieller  Unterschied  zwischen  dem,  was  das 
vorwissenschaftliche  Bewußtsein  organisch  und  das  ver- 
wissenschaftliche wie  das  wissenschaftliche  Bewußtsein  an- 
organisch nennt,  nachweisen  lassen  sollte.  Oh  freilich  nicht 
umgekehrt  das.  was  das  verwissenschaftliche  und  wissen- 
schaftliche Erkennen  heute  im  Allgemeinen  noch  anorganisch 


Testogan  fĂŒr  MĂ€nner 

,  Gegen  endoerine  Störungen    —    Allgemeine  NervositĂ€t    —    Neurasthenie  — 

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vorzeitiges  Altern  —  Psychische  Depression,  Arbeitsunlust,  -UnfĂ€higkeit  — 
Sexuelle  Neurasthenie,  Impotenz,  —  Klimakterium  virile,  EjaculĂ€tio  praecox. 

Thelygan  fĂŒr  Frauen 

Gegen  endoerine  Genital-Störungen  —  Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmenor- 
rhoe —  Störungen  der  Menarche  —  Klimakterische  Beschwerden  —  Depres- 
sionen, Ausfallerscheinungen,  Angstneurosen,    —    SterilitĂ€t,  FrigiditĂ€t. 

Tabletten       Subkutan-Injektionen  —  Suppositcrien. 

Dr.  GEORG  HENNING,  BERLIN  W  35 

Große  Literatur  zur  VerfĂŒgung.  .  KurfĂŒrstenslraOe  146  147 


lĂŒ.  Jahn 


Nr.  16  r 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XV 


nennt,  vielleicht  nur  eine  Abstraktion  isi  und  ob  nichl  viel 
leicht  auch  in  der  sogenannten  anorganischen  Wirklichkeil 
lern  tieferen  Blick  sich  dieselben  oder  doch  ganz  analoge 
Probleme  zeigen  (man  denke  an  manche  Striiktinprobleme 
der  Chemie  oder  der  Atonie  usw.),  isl  eine  Frage,  die 
hier  nicht  entschieden  werden  soll.  WĂ€re  dies  der  Fall,  so 
wĂŒrde  eben  auch  hier  die  herrschende  „anorganische"  natur- 
wissenschaftliche Methode  sich  als  in  genau  derselhen  Weise 
unzureichend  zur  Lösung  dieser  letzten  Probleme  erweisen, 
w  ie  wir  es  fĂŒr  die  organischen  gezeigt  haben.  Davon  da- 
gegen, daß  dann  diese  Methode  auch  fĂŒr  das  organische  Ge- 
biet als  zureichend  erwiesen  wÀre,  ist  keine  Rede. 


Steht  es  aber  so  mit  der  ZustÀndigkeit  naturwissen- 
schaftlicher Betrachtung  und  ErklÀrung  des  Tatbestandes 
der  Entwickelung  und  mit  der  behaupteten  „VerstĂ€ndlich- 
keit" derselben  auf  dem  Quellgebiet  dieses  Gedankens  nhd 
auf  organisch-materiellem  Gebiet  ĂŒberhaupt,  so  ergeben  sich 
daraus  nach  unseren  frĂŒheren  AusfĂŒhrungen  von  selbst  auch 
dii  notwendigen  Kautelen  fĂŒr  ihre  Anwendbarkeit  auf  die 
anderen  Gebiete  der  Wirklichkeit. 

Wir  werden  immer  zu  fragen  haben,  welcher  Tatbestand 
auf  diesen  tatsÀchlich,  ob  insbesondere  eine  wirkliche  Ana- 
logie zu  dem  vorwissenschaftlich  oder  wissenschaftlich  auf 
dem  Quellgebiet  angenommenen  vorliegt  (was,  wie  wir  nun- 
mehr wissen,  etwas  sehr  verschiedenes  ist).  Und  ob  und 
inwieweit  demzufolge  auch  die  vorwissenschaftliche  oder  die 
naturwissenschaftliche  ErklÀrung  und  VerstÀndlichkeit  des 
Entwickelungsvorgangs  oder  auch  beide  (auch  nur  in  dem 
gezeigten,  stark  reduzierten  Grade)  auch  auf  diesem  Gebiet 
vorausgesetzt  bzw.  erhofft  werden  dĂŒrfen. 


Statt  weiterer  Worte  nur  einige  Beispiele:  Sprechen  wir 
z.  B.  auf  psychischem  Gebiet  von  Entwickelung,  so  seien  wir 
uns  vollkommen  klar  darĂŒber,  daß  liier  eine  Analogie  /u 
dem  naturwissenschaftlich  allein  beachtetet)  materiellen  Tat- 
bestand der  Entwickelung  (als  eines  standigen  Kreuzungs- 
punkts  seihstÀndiger  anorganischer  Prozesse)  einfach  deshalb 
niemals  vorliegen  kann,  weil  das  Psychische  seiner  Art  nach 
nichts  Materielles  oder  auch  nur  MaterieÀhnliches  (nach 
Seins-  wie  Entwicklungsweise)  ist,  was  freilich  heute  noch 
oft  ĂŒbersehen  wird,  und  daß  deshalb  eine  direkte  Ueber- 
Iragung  auch  der  (anatomisch  -  mechanistisch  -  kausalen) 
naturwissenschaftlichen  ErklĂŒrungsmethoden  auf  dieses 
heterogene  Gebiet  nicht  ohne  weiteres  möglich  ist.  (Hiergegen 
ist  auch  die  Psychophysik  kein  Gegenbeweis;  denn  die  psy- 
chischen Prozesse  werden  nichl  deshalb  selbst  materieller 
Art,  weil  sie  materiellen  Prozessen  gesetzmĂ€ĂŸig  zugeordnet 
sind.)  Wird  also  von  psychischer  Entwickelung  gesprochen, 
so  kann  zunÀchst  nur  der  vorwissenschaftliche  EG.  hier  ge- 
meint sein.  Und  auch  hier  haben  wir  ihn  erst,  wie  oben, 
Merkmal  fĂŒr  Merkmal  daraufhin  durchzuprĂŒfen,  wie  weit 
die  Analogie  tatsÀchlich  stimmt.  Es  wÀre  z.  B.  sehr  wohl 
möglich,  daß  auf  psychischem  Gebiet  keineswegs  dieselbe 
kontinuierliche  VerÀnderung  vorlÀge  wie  auf  organisch - 
materiellem  Gebiet  und  daß  ĂŒberhaupt  oder  doch  zum  Teil 
nicht  eine  so  einfache  naturhafte  Entwickelung  vor- 
lĂ€ge wie  dort;  sondern  daß  z.  B.  hier  wirklich  der 
oft  behauptete  Dualismus  bestÀnde,  vermöge  dessen  die  rein 
naturhafte  Entwickelung,  wenn  man  eine  solche  zugeben 
will,  durch  Eingreifen  des  eigenen  oder  fremder  „freier" 
Willen  wesentlich  modifiziert  werden  könnte.  Jedenfalls 
sind  derartige  Möglichkeiten  nicht  schon  dadurch  aus  der 
Welt  geschafft,  daß  man  einfach  von  psychischer  Ent- 
wickelung redet  und  damit  alle  gegenseitigen  Instanzen  ab- 


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es  tritt  kein  Verkleben  der  Verbandstoffe  ein; 

Jdiosynkrasien,  wie  sie  bei  Jodoform  and  anderen  jodheHigamAaH— ptmtm 
hÀufig  vorkommen,  sind  nie  beobachtet  worden; 
wmd  vollkommen  geruchlos. 


Alleinig«  Hersteller  und  Lieferanten: 


LÜSCHfcR  &  BÖMPER 

Berfa  W57        Essen  (Ruhr) 


Hamburg  1 


FAHR  (RHEINLAND} 

NĂŒrnberg,  Marienstr.  21. 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


lo.  Jahn 


Nr.  16/17. 


getan  glaubt.  Vielmehr  muß  umgekehrt  das  Recht,  diesen 
Begriff  anzuwenden,  erst  aus  den  empirischen  Tatsachen  er- 
wiesen werden. 

Oder  nehmen  wir  das  Beispiel  Spenglers!  Nach  ihm 
soll  jede  Kulturperiode  eine  völlig  in  sich  abgeschlossene 
Entwickelung  darstellen.  Aber  er  macht  es  sich  bei  diesem 
Nachweis  recht  leicht.  Die  von  Spengler  ausgewÀhlten 
Analogien  mit  einem  einheitlichen  Organismus  und  dessen 
Entwickelungsstadien  sind  vielfach,  wenn  es  nicht  sogar 
immer  ebensoviele  entgegenstehende  ZĂŒge  gibt,  bloße  Kon- 
vergenzerscheinungen, deren  Aehnlichkeit  nur  Ă€ußerlich  ist, 
da  sie  vielmehr  jeweils  den  verschiedensten  Ursachen  und 
zudem  meist  Ă€ußeren  Ursachen,  nicht  einer  inneren  Ent- 
wicklungstendenz entspringen.  Summa:  die  Analogie  zu 
dem  organischen  Entwickelungstatbestand  —  der  von 
Spengler  ganz  „eigenkrĂ€ftig"  im  vorwissenschaftlichen 
Sinne  gedacht  wird  —  erweist  sich  bei  nĂ€herer  Betrachtung 
als  recht  wenig  haltbar  und  stimmig,  womit  dann  selbstver- 
stÀndlich auch  der  Erkenntnis-  und  VerstÀndniswert  der 
ganzen  Analogie  ein  recht  zweifelhafter  wird. 

So  werden  wir  auch,  um  etwa  von  der  typischen  Ent- 
wickelung einer  Krankheit  sprechen  zu  können,  jedenfalls 
stets  streng  zu  scheiden  haben  zwischen  den  bloßen  Schein- 
analogien zu  einer  wirklich  einheitlich-selbstkrÀftigen  Ent- 
wickelung, welche  in  Wahrheit  nur  auf  der  sich  gleichförmig 
wiederholenden  Einwirkung  Ă€ußerer  Ursachen  beruhen,  und 
einem  wirklichen  immanent-gesetzmĂ€ĂŸig-typischen  Verlauf 
derselben.  Von  einer  wirklichen  Entwickelung  dĂŒrften  wir 
hier  eigentlich  nur  reden,  wenn  etwa  der  Krankheitserreger 
selbst  eine  bestimmte  Entwickelung  durchmachte.  Meist  wird 
man  darunter  nur  einen  bestimmten  Verlauf  der  einer 
solchen  parallelgehenden  bzw.  folgenden  Begleiterscheinungen 


im  umgebenden  Körper  verstehen,  wofĂŒr  der  Name  „Ent- 
wickelung" offenbar  nicht  eigentlich  der  richtige  Ausdruck 
ist.  Die  Folge  der  ZustÀnde  des  Organismus  macht  nur  den 
Eindruck  eines  selbstÀndig  sich  entwickelnden  Ganzen.  In 
Wahrheit  entwickelt  sich  nur  und  höchstens  der  organische 
Erreger  bzw.  dessen  Generation;  alles  andere  aber  sind  nur 
passive  Wirkungen  des  Erregers  aufs  Milieu  und  umgekehrt. 
Bei  einer  ursprĂŒnglichen  Entwickelung  eines  Organismus  ist 
dies  anders:  hier  haben  wir,  wie  wir  sahen,  trotz*  aller  rein 
passiven  ErklĂ€rungsversuche  der  Naturwissenschaft  —  die 
hier  in  Wahrheit  gerade  nicht  zum  Ziele  fĂŒhren  —  in  der 
Tat  das  Recht  von  einer  den  Gesamtprozeß  dieser  Entwicke- 
lung des  Organismus  ĂŒbergreifenden  Eigenkraft  zu  reden. 
Hier  sind  die  somatischen  VerÀnderungen  keineswegs,  wie 
im  vorliegenden  Fall,  bloß  indirekte  Wirkungen  eines  nur  im 
Inneren  vor  sich  gehenden  wirklichen  Entwickelungs- 
prozesses  (etwa  der  Keimzelle),  sondern  hier  entwickelt  sich 
wirklich  der  ganze  Komplex  des  Organismus  einheitlich  in 
allen  seinen  Teilen  miteinander.  Soweit  dies  nicht  der  Fall 
wĂ€re,  wĂŒrden  wir  ja  gerade  auch  hier  nicht  mehr  von  wirk- 
licher Entwickelung  reden:  etwa  in  bezug  auf  die  rein 
passiven  VerÀnderungen  eines  abgestorbenen  Gliedes  dieses 
Organismus,  welches  sich  eben  dann  gerade  nicht  mehr  mit 
und  in  dem  Ganzen  entwickelt. 

Doch  es  mag  an  Beispielen  genug  sein,  von  denen  sich 
ja  jeder  auf  seinem  Gebiete  weitere  zu  bilden  vermag.  Die 
GrundsĂ€tze  hierfĂŒr  haben  wir  ja  hiermit  aufgestellt.  Man 
frage  sich  immer  zuerst,  welche]-  Tatbestand  bei  derjenigen 
VerÀnderung  tatsÀchlich  vorliegt,  auf  welche  man  den  EG. 
anzuwenden  geneigt  ist.  Man  stelle  fest,  inwieweit  und  ob 
derselbe  demjenigen  analog  ist,  welcher  auf  dem  Quellgebiet 
der  organischen  Entwickelung    nach  vorwissenschaftlicher 


ßd^ßu(xqßa/famicaJSa/olAcety//a//zy//aureJ  I    TJrgtoppin,  Olea  aetherea 


DsR.  Reiss 

TÖbriken*  Charlotten  ourg -tf  uWien H\. 


10.  Ja  lug.  —  Nr.  16/17. 


.)  c  n  s  e  i  t  s  v  o  n  Ii  e  r  u  I  ii  n  <l  A  in  t 


XVII 


öder  wissenschaftlicher  Ansicht  vorliegt.  Und  man  sei  sich, 
auch  wenn  dies  der  Fall  ist,  slels  klar  darĂŒber,  wie  viel  oder 
wie  wenig,  sei  es  wissenschaftlich,  sei  es  vorwissenschaftlich 
bzw.  metaphysisch,  damit  an  diesem  Tatbestande  (wie  an 
dem  des  Urgebietes)  auch  dann  wirklich  verstanden  ist, 
(auch  wenn  man  ihn  dann  mil  Recht  unter  den  Begriff  der 
Entwickelung  Siubsummieren  darf).  Stimmt .  die  Analogie 
jedoch  schon  angesichts  des  vorliegenden  Tatbestandes  nicht, 
so  wird  es  immer  besser  sein,  diesen  Begriff  Überhaupt  nicht 
oder  doch  nur  mit  genauer  besonderer  Definition  zu  ver- 
wenden. Auch  im  ersteren  Fall  sei  man  sich  aber  nament- 
lich darĂŒber  stets  klar,  daß,  wie  wir  gezeigt  haben,  auch  die 
idealste  naturwissenschaftliche  ErklÀrung  des  Entwicke- 
lungstatbestandes  doch  niemals  auf  jene  letzten  Probleme 
antworten  wird,  wie  sie  das  vorwissenschaftliche  Erkennen 
mit  Recht  als  die  eigentlichen  Probleme  und  Besonderheiten 
des  Organismus  und  der  Entwickelung  empfindet. 

Diesen  Problemen  gegenĂŒber  ist  ein  VerstĂ€ndnis  schließ- 
lich immer  nur  denkbar,  wenn  man  sich  bewußt  entschließt, 
in  dem  oben  angegebenen  Sinne  ĂŒber  das  naturwissenschaft- 
lich erfaßbare  materielle  Geschehen  zu  einer  immateriellen 
metaphysischen  ErgÀnzung  des  Talbestandes  fortzuschreiten, 
wie  sie  in  jeder  vitalistischen  und  ĂŒberhaupt  dynamisch- 
teleologischen  Betrachtung,  insbesondere  in  der  Form  des 
VerstÀndnisses  des  einzelnen  aus  seiner  funktionellen  glied- 
haften  Stellung  in  einem  ĂŒbergeordneten  Ganzen  vorliegt. 

Diese  Betrachtung  wird  dann  aber  offenbar  immer  keine 
wissenschaftliche  mehr  sein,  welche  sich  mit  den  erfahr- 
baren materiellen  Prozessen  und  deren  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten  he- 
gnĂŒgen  muß  und  begnĂŒgen  kann;  wiewohl  eine  solche,  fĂŒr 
oder  gegen  welche  die  Naturwissensehaft  niemals  etwas  wird 
ausmac  hen  können.    Sie  wird  daher  auch  keine  Einsprache, 


namentlich  nicht  von  naturwissenschaftliche]  Seite,  aner- 
kennen können,  welche  es  ihr  mil  vermeintlichem  Rechte 
verwehren  wollte,  in  dieser  ihrer  bewußt  metaphysisch7teleo- 
logischen  ErgÀnzung  der  naturwissenschaftlichen  Tatsa'ghen 
noch  ĂŒbei-  die  Annahme  solcher  einzelner  organischer  Richt- 
und  EinheitskrĂ€fte  und  ĂŒbergeordneter  ZusammenhĂ€nge 
hinauszugehen,  und  schließlich  alle  diese  kleineren  Einheiten 
und  VerlĂ€ufe  nebst  ihren  GesetzmĂ€ĂŸigkeiten,  sogar  immer 
umfassenderen  Ganzen  und  ZusammenhÀngen  eingeordnet 
zu  denken,  von  denen  sie  ihren  funktionellen  Sinn  emp 
langen  — :  evtl.  bis  hinauf  zu  jener  höchsten  Einheit, 
in  welcher  alles  seinen  Sinn  und  Werl  erhÀlt  und  welche 
sich  jeder  nach  seinem  Glauben  denken  mag. 

Medizin  und  Kunst. 

(1906.) 

Wem  der  Heilandsberuf  des  Arztes  in  seiner  ganzen 
GrĂ¶ĂŸe  aufgegangen  ist,  der  fragt  nicht  mehr  nach  den  FĂ€den, 
die  von  der  Medizin  zur  bildenden  Kunst  hinĂŒberfĂŒhren, 
der  sieht  mit  einem  großen  leuchtenden  Blick  das  weile 
glĂ€nzende  Wundergewebe  aller  KĂŒnste,  wie  sie  sich  durch- 
einander und  ineinander  schlingen  als  die  großen  Tröste- 
rinnen der  Menschheit,  die  uns  heilen  von  allem  „großen" 
und  „kleinen"  Erdenjammer  —  sei's  auch  nur  fĂŒr  kurze 
Frist. 

Einer  sinnenden  Betrachtung  mag  dann  wohl  die  Kunst 
der  Töne,  die  göttliche  Musik,  der  Heilkunst  noch  nÀher  zu 

*)  Aus  Karl  Sudhoffs  „Skizzen";  Verlag  von  F.  C.  W. 
Vogel,  Leipzig. 


Gebrauchsfertige  Arzneifarmen  deutscher  Herstellung 


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und  Quetschwunden),   Frostbeulen,   Brandwunden  I.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  cruris,  Impetigo.  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
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XViJl 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


stehen  scheinen  als  die  plastisch  oder  zeichnerisch  oder  male- 
risch gestaltende  —  war  sie  doch  einmal  direkt  ein  TeilstĂŒck 
heilender  Kunstbestrebungen,  die  ernste  heilige  und  doch  so 
„holde"  Kunst,  die  Trösterin  Musik! 

So,  direkt  als  Heilfaktor  verwendet,  ist  die  bildende 
Kunst  vielleicht  nie  in  die  Erscheinung  getreten.  Und  doch 
hat  die  kunstsinnige  Griechenseele  auch  die  bildende  un- 
mittelbar in  den  Kreis  ihrer  Àrztlichen  Wirkungsmittel  ge- 
zogen, als  sie  die  Weisung  gab,  das  Weib  in  der  hehrsten, 
der  erfĂŒUenden  Zeitspanne  seines  Lebens,  wenn  sein  schön- 
heitsdurchdrungenes Wesen  ein  neues  gestaltet,  das  auch 
wieder  den  ewigen  Anforderungen  der  Formenschönheit  ent- 
sprechen soll,  als  der  Hellenengeist  die  Forderung  stellte,  die 
schwangere  Frau  —  die  der  alte  Römer  so  heilig  ansah,  daß 
er  in  ihrer  NĂ€he  stets'  eine  Freistatt  erblickte  fĂŒr  jeden  Ver- 
folgten wie  im  Allerheiligsten  seiner  Tempel  —  mit  schönen 
Bildwerken  zu  umgeben,  damit  ihre  Phantasie,  wie  sie  in 
diesen  Monden  der  nahenden  ErfĂŒllung  besonders  frei  und 
ungebunden  schaltet,  ihr  plastisch  schaffendes  Ver- 
mögen um  so  wirkungsvoller  entfalte  unter  den  wegeweisen- 
den EindrĂŒcken  Wirklichkeit  gewordener  Zeugen  ihrer 
Macht.  — 

* 

Wem  der  „Heilandsberuf  des  Arztes"  im  Ausdruck  zu 
hoch  gegriffen  erscheint  —  natĂŒrlich  sehen  wir  dabei  von 
allen  jenseits  gewandten,  geoffenbarten  Religionen  völlig  ab: 
wie  könnte  ein  Arzt  auch  Wunden  schlagen  wollen  dem 
religiösen  Empfinden  seiner  Mitmenschen!  hat  er  doch  am 
Krankenbette  so  oft  der  großen  Heilerin  kranker  Seelen  mit 
verstÀndnisvollem  Blick  in  ihre  schwÀrmerischen  Augen 
dankbar  die  Hand  gedrĂŒckt,  die  große  Mithelferin  in 


ihr  begrĂŒĂŸend!  —  wem  der  „Heilandsberuf  des  Arztes"  zu 
hoch  gegriffen  erscheint,  der  hadere  mit  unserer  lieben 
Mutter,  der  deutschen  Sprache,  die  uns  in  ihren  fernen 
Jugendjahren  (aber  auch  heute  ist  sie  noch  ein  blĂŒhend 
Weib!)  den  Heiland  und  den  Heilenden  in  völlig  gleichem 
Sprachgewand  einhergehen  ließ,  der  hadere  aber  auch  mit 
einer  anderen  Mutter  des  Geistesmenschen,  mit  der  Ge- 
schichte! Denn  sie  lehrt  uns,  daß  von  allen  Göttern  des 
sonnigen  Hellenentums  der  eine  am  lÀngsten,  fast  möchte  ich 
sagen  eindringlichsten,  der  milden  Gewalt  des  neuen  Er- 
lösers der  Menschheit  widerstand,  der  mildeste,  barmher- 
zigste seiner  Götter,  der  schon  das  sanft  zu  allem  Weh  sich 
hernieder  Neigende  im  Klange  seines  Namens  fĂŒr  das  Ohr 
des  Griechen  weichtröstend  trĂ€gt  — 

ASKLEPIOS, 

der  Gott  der  heilenden  Kunst. 

In  seine  Tempel  flĂŒchteten  sich  alle  die  großen  Heiden, 
die  nicht  aus  bitterböser  Verstocktheit,  wie  es  wohl  heißt, 
dem  Gotte  der  Christen  fernblieben.  In  den  Tempeln  des 
AGxlrjmdc  com/p  suchten  sie  Heilung  auch  fĂŒr  ihren 
Seelenjammer,  fĂŒr  alle  SchĂ€den  einer  bitterkranken  Zeit  — 
in  seinen  Tempeln,  deren  glÀnzendsten  einer  die  schönen 
Worte  an  der  Stirn  trug  als  Mahnung  beim  Eintritt  zur 
seelischen  Vorbereitung  fĂŒr  jeden  der  Hilfe  und  Heilung 
Suchenden  von  rpancherlei  Leid: 

was  in  der  schönen  erlÀuternden  Umgewandung  Johannes 

"Ajjvov  yprj  vTjoto  ftvwoso;  ivtö;  lövza 
;)i.|xeva'.  ■    tqvv.t]  V  i<3~\  <!>pove?v  031a. 

Ilbergs  folgendermaßen  lautet: 


Sittel' 


Veronanung- 
Valamin- Perlen 
kOrigindlpackung 
mehrmals  tÀglich, 
möglichst'  an  = 
schliessend  an 
das  Essen  1-3  Pen 
len  bezw  abends 
vordem  Schlafen^ 


bei  nervöser  Schlaf  losig  hei  r, 
Herz -und  GefÀssneurosen 
und  allen  Beschwerden  und  Er« 
regungszusrÀnden  auF  nervöser 
und  hysterischer  Grundlage 


Zur  Verordnung  fĂŒr  die 
Berliner  u.die  meisren 
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1-2  Tabletten 
mih  einem 


Das  injicierbare  Diuretikum.  Das  deutsche  Opium- PrÀparat*. 

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L 


E  P I  SAN  cTnTpkT«  ||fĂŒ 


■etf  ftrwaitffte  Kranfcfcetten  (Cfetrea:  SfnderkrĂ€mpfe) 

*■  tMvmKatekflalkMt  mm*  ■‹»VMli*tlamteltea  nftrtoti 

im«,  «XT«V«i.  paria* 

t»  ukU.  «  i.tn 


NM*  «41«    ■«*?   Wt»»M    |>vln   K«l    Wate  kmm 
kmmi.  i  «a»««»    a\     H— Bt    p»     ■Itofetav  UMmm««1««I 

‱  ݮraravwifaBfaa    -    H  *thm  4p««a«kaa  m  «■»«« 


toaa*t.  Uu    »iyikt  pari*» 

t»  iwr«M.  ■.  im  T»*f 


PI  V\M 


Uumir  a  PTeb««  4mr*k  r%   KPII.I-REIIHI>«n«BF,    8*rtl*i  W,  P*ta«ll 


10.  Jahrg.     Nr.  16/17 


.1  C  n  s  e  i  t  s   \  o  n   H  e  r  u  I'  u  n  d   A  m  I 


XIX 


Dem  Reinen  öffnen  sich  des  Tempels  Schranken, 
Des  weihrauchduftumwallten,  jederzeit 
Wir  heißen's:  fromm  sein.   AufwĂ€rts  die  Gedanken! 
Das  ist  die  Reine,  die  der  Gotl  gebeut. 

Von  dieser  hohen  Priesteraufgabe  des  Reinheitspendens 
durchdrungen  scheint  uns  der  Genius  der  Reitkunst  noch 
wĂŒrdiger,  der  holden  Schwester  Kunst  die  Hand  zu  reichen. 

Wie  sehr  er  aber,  in  historischer  Beleuchtung  gesehen, 
berufen  ist,  auch  mit  der  heilenden,  mild-ernsten  Zwillings- 
schwesler  Religion  Hand  in  Hand  zu  gehen,  dafĂŒr  geben  eben 
auch  wieder  die  heilungspendenden  Asklepiostempel  ein  lieb- 
lich Beispiel! 

Mit  unnachahmlicher  Naivetat,  die  ehen  in  der  tiefen 
Seelenverwandtschaft  der  beiden  Kulte,  der  Heilung  und 
Tröstung  innigst  beflissen,  ihre  Berechtigung  findet,  sind  in 
manche' Tempel  des  Asklepios,  des  „gnĂ€digen  Heilandes  auch 
der  kleinen  Leute",  und  der  Dioskuren  gottgeweihte  christ- 
liche Krankenheiler  fast  unvermerkt  getreten,  zum  Beispiel 
die  heiligen  ZwillingsbrĂŒder  und  ZwillingsmĂ€rtyrer  Kosmas 
und  Damianos,  die  gleich  Asklepios  und  den  göttlichen 
ZwillingsbrĂŒdern  der  Heiden  den  in  ihren  Tempelhallen 
nÀchtigenden  Hilfesuchenden  im  Traume  erschienen,  heil- 
same Anweisungen  gaben  fĂŒr  körperliche  und  seelische  Ge- 
brechen und,  wenn's  nötig  war,  wohl  auch  einmal  bei  den 
schlafenden  (abermals  wie  Asklepios  und  seine  Gehilfen) 
Irisch  ans  Werk  gingen  und  operative  Eingriffe  vornahmen, 
einen  eingedrungenen  Fremdkörper  herauszogen  und  dem 
Schlafenden  in  die  Hand  legten,  oder  gar  vom  Messer  Ge- 
brauch machten  und  die  Wunde  kunstgerecht  wieder 
schlössen,  so  daß  sie  am  Morgen  geheilt  war,  doch.nichl,  ohne 
daß  sie  am  Morgen  geheilt  war,  doch  nicht,  ohne  daß  Bett- 


zeug und  Fußboden  rioch  am  Tage  die  Spuren  aufwiesen,  wie 
ein  Chirurg  Iiier  seines  Amtes  gewaltet! 

Wie  der  Kult  dieser  heilenden  BrĂŒder  von  seinem  hei- 
matlichen Boden  in  Vorderasien  ganz  Buropa  ĂŒberflutete, 
das  erweist  sich  nicht  nur  in  der  BegrĂŒndung  eines  Ritter- 
ordens auf  ihren  Namen  zur  Krankenpflege  und  Leichen 
bestattung  in  den  KreuzzĂŒgen,  das  erweist  sich  im  ganzen 
Ă€rztlichen  Lehen  des  Mittelalters  und  das  fĂŒhrt  uns  schon 
mitten  in  das  Thema  unserer  Ausstellung  hinein!  —  wo  kaum 
eine  Àrztliche  oder  andere  heilende  Vereinigung  zu  findest 
war,  die  nicht  St.  Kosmas  oder  St.  Damianos  oder  beide  im 
Wappen  fĂŒhrte  oder  ihren  festlichen  Tag  im  September  nicht 
nach  alter  guter  Sitte  mit  einer  solennen  Schmauserei  beging! 

Und  zeigt  nicht  noch' heute  manch  medizinisches  Fakul- 
tÀtssiegel (selbst  in  hart  protestantischen  Gegenden)  diese 
alten  Àrztlichen  Zunftheiligen,  wie  sich  die  milde  Gottes- 
mutter im  Wappen  der  Alma  mater  Lipsiensis  auch  „Anders- 
glĂ€ubigen" hold  erweist,  wie  es  denn  im  Lande  der  KĂŒnste 
und  Wissenschaften  keinen  Unterschied  der  Konfessionen 
gibt  als  den  der  Wege,  die  zu  demselben  gemeinsamen  Ziele 
des  Göttlichen  fĂŒhren,  das  sich  in  ihnen  allen  als  dasselbe 
Tröstende,  Heilende  und  Erhebende  dokumentiert,  wie  das 
einer  der  Gewaltigsten  medizinischer  Wissenschaft  des 
19.  Jahrhunderts  einmal  in  wundervoller  GrĂ¶ĂŸe  zum  Aus- 
druck gebracht  hat: 

„So  offenbart  sich  das  Göttliche  andern  auf  andere 
Weise  in  der  ganzen  Schöpfung  gnadenreich.  Es  offen- 
bart sich  dem  mit  reicher,  erhabener  Phantasie  Begabten 
durch  die  Phantasie,  dem  Frommen  durch  das  GemĂŒt, 
dem  Weisen  durch  die  Weisheit,  dem  Starken  durch  die 
GrĂ¶ĂŸe  seiner  Werke,  wie  denn  auch  das  Göttliche  in  allen 
diesen  Weisen  von  andern  anders  verehrt  wird  " 


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XX 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  16/17. 


So  schrieb  J  o  b  a  n  n  e  s  M  ĂŒ  1 1  e  r,  der  GrĂ¶ĂŸte  wohl  von 
denen,  die  je  als  Lehrer  an  der  Berliner  Hochschule  auf  Àrzt- 
lichem Gebiete  gewirkt,  und  in  seinem  Sinne  möchten  wir 
auch  die  Arbeit  und  den  Genuß  an  einer  Ausstellung,  die  der 
Vereinigung  von  Medizin  und  bildender  Kunst  in  der  Ver- 
gangenheit gewidmet  ist,  verstanden  sehen.  So  werden  wir 
bereit  sein,  auch  die  so  reich  vertretene  kirchliche  Kunst  ver- 
gangener Jahrhunderte  in  ihrer  VerklÀrung  des  Àrztlichen 
Beiwerks  rein  und  voll  auf  uns  wirken  zu  lassen  —  im  Sinne 
Johannes  MĂŒllers,  im  Dienste  des  Höchsten  in  beiden 
SchwesterkĂŒnsten,  im  Dienste  des  Tröstenden,  des  Heilenden, 
des  Göttlichen. 

Und  so  kann  dann  die  bildende  Kunst  noch  in  einem  letzten 
Sinne  der  Àrztlichen  die  schlanke  Hand  in  warmem  Drucke 
reichen  und  ihre  hohe  Aufgabe  noch  in  einer  ganz  beson- 
deren Weise  erfĂŒllen  —  als  Heilerin  und  Trösterin  auch  fĂŒr 
den  AusĂŒbenden  der  Ă€rztlichen  Kunst,  fĂŒr  den  Arzt  sel- 
ber, der  heute  in  seinem  Jammer  in  schwerer  Zeil  ganz 
besonders  einer  solchen  heiligen  Trösterin  bedarf,  die  ihm  die 
Sorgen  tilgt  und  die  Stirn  glĂ€ttet  und  das  trĂŒbe  Auge  wieder 
leuchten  macht,  die  ihm  den  heilenden  Trank  reicht  der  gött- 
lichen Phantasie,  des  himmelgeborenen  Idealismus  aus  dem 
ewig  klaren  Reiche  der  Kunst,  daß  er  geheilt,  genesen,  mit 
dem  neuen  Mute  des  unergrĂŒndlichen  und  unerschöpflichen 
Idealismus  des  deutschen  Arztes  dahingehe  unter  der  Dornen- 
krone seines  Berufes,  die  er  dann  nicht  mehr  drĂŒckend  fĂŒhlt, 
die  ihm  dann  leicht  sich  trÀgt  wie  eine  Licht-  und  Strahlen - 
kröne  in  der  unendlichen  Liebe  zur  leidenden  Menschheit,  im 
nimmer  rastenden  Drange  zu  lindern,  zu  trösten,  z  u 
heilen!  — 


Der  heutigen  Nummer  liegt  ein  Prospekt  der  Chemischen  Fabrik  GĂŒstrow 
ĂŒber  Menolysin  und  der  Firma  Kalle  &  Co.  ĂŒber  Neuronal  bei,  wo- 
rauf wir  besonders  hinweisen. 


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wege, ErkÀltungs-  and  Infektions- 
krankheit. In  Pulver- u.  Tablettenform. 
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miyiUl.  Fiebers  bei  tuberkulösen 
u.  and.  infektiös-fieberhaften  Erkran- 
kung. Bei  Neuralgie,  MigrÀne,  neurit. 
Sympt.  Pulveru.  Tabletten  (10  StĂŒck) 


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terer Asomnie  sowie  Erregungs-  und 
DepressionszustÀnden. 

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Pharyngitis.  Originalpackung. 


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packung 20  gr. 


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brand sowie  Lichtbestrahlungen. 
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kassenmitglieder zugelassen 


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Rheumatismus,  Gicht,  Ischias,  neuralg. 

Schmerzen. 
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Zink-Mattan 
Schwefel-Mattan 
Zink-Schwefel-Mattan: 

Bei  Dermatiden,  Rötungen,* bei  roten 
FĂ€rben  nach  Aknepusteln  u.  leichten 
Pigmentierungen  ;  ferner  in  den  FĂ€llen, 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indidert  ist. 
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frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser.  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tabletten  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromal.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expekloranlien,  auch 
Guajakol-PrÀparaten. 


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logische Zwecke. 

saubere  Anwendung  als  Salbe,  Paste,  Puder, 
Pinselung  2— 10% ig,  weder  WĂ€sche  noch  Haut 


verschmierend. 

Indikationen:    Speziell   chronische    und  subakute 

Ekzeme. 

Ferner  FĂ€lle  der  dermalologischen  Praxis,  in  denen  eine 
juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lationsbefördernde,  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keratoplastische  Wirkung  erstrebt  wird". 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


ncetonai  -  HĂ€ 


adstringierend,  antiseptisch, 
granulationsbe  fördernd, 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Xlll 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Kunst  und  Geisteskrankheit. 

Von  Dr.  phil.  et  med.  Hans  Prinzhorn. 
Nervenarzt  in  Heidelberg. 

L 

Die  Frage  nach  den  Beziehungen  zwischen  Kunst  und 
Geisteskrankheit  wird  in  jĂŒngster  Zeit  wieder  hĂ€ufiger  ge- 
stellt, nachdem  sie  seit  Lombrosos  Tagen  etwas  zur  Ruhe 
gekommen  war.  W<mn  bei  den  Antworten,  die  von  MĂ€nnern 
sehr  verschiedenen  Wissensgrades  und  verschiedener  Berufs - 
bindung  versucht  wurden,  so  wenig  Gewichtiges  herausge- 
kommen ist,  so  liegt  das  zweifellos  schon  an  der  Grund- 
tendenz, von  der  jene  Frage  meist  getragen  wird.  Diese 
Klippe  der  (hÀufig  unausgesprochenen)  Tendenz  macht  jede 
sachliche  BemĂŒhung  scheitern.  Und  das  wĂŒrde  genau  ebenso 
mit  jedem  anderen  Thema  gehen,  das  die  Beziehungen  völlig 
inkommensurabler  Gebiete  zueinander  dogmatisch  behandeln 
i  wollte:  die  MaßstĂ€be  des  einen  Gebietes,  tausendfach  erprobt 
und  bewĂ€hrt  am  rechten  Ort?  fĂŒhren  zu  AbsurditĂ€ten,  wenn 
man  sie  naiv-glÀubig  oder  böswillig  am  unrechten  Ort  an- 
legt. Man  denke  sich  einen  Psychiater,  der  an  die  Produk- 
tionsweise dekorativer  Kunst  mit  seinem  Begriff  von  Stereo- 
typien herangehen  wollte  und  nun  gegen  die  Zwangsvorstel- 
lung zu  kÀmpfen  hÀtte,  als  seien  diese  dekorativen  Bild- 
ner durch  ihre  sachgemĂ€ĂŸe  Neigung,  Motive  in  endlosen 
Reihen  zu  wiederholen  —  sĂ€mtlich  katatonie-verdĂ€chtig! 

Nun  wÀre  der  Schaden  derartiger  Begriffsverwirrungen 
je  nicht  groß,  wenn  es  nur  um  mehr  oder  weniger  mĂŒĂŸige 
Spielereien  ginge,  ĂŒber  die  der  Einsichtige  sich  kopfschĂŒt- 


telnd hinwegsetzte  und  die  der  Törichte  bald  vergĂ€ĂŸe.  Abel 
die  beiden  Gebiete,  um  die  es  sich  hier  handelt,  greifen  tief 
in  das  WeltgefĂŒhl  jedes  reifen  Mensche])  ein  -  und  keines 
besitzt  einen  Wertmaßstah,  der  ĂŒber  den  persönlichen  Mei 
nungen  stĂŒnde.  Vielmehr  mischt  sieh  bereits  in  Werturteile 
der  Fachleute  fast  immer  eine  weltanschauliche,  nicht  mehr 
sachliche,  sondern  private  Komponente.  Und  selbst  die 
sachliche  Bewertung  der  gleichen  Tatsachen  schwankt,  wie 
etwa  die  soziale  und  forensische  Verwertung  der  Diagnose 
Schizophrenie  in  Deutschland  und  in  der  Schweiz,  oder 
unter  Kunstkennern  die  EinschÀtzung  kubistischer  Darstel- 
lungsweise in  der  Malerei  als  Kunst  oder  als  Experiment. 

Und  dann  schließt  eben  jeder  geistig  entwickelte  Mensch 
in  das  Kultur-  und  Menschheitsideal,  das  er  bewußt  oder 
nur  ahnend  und  wĂŒnschend  in  sich  trĂ€gt,  unbedingt  etwas 
ein  von  „geistiger  Gesundheit"  —  sei  es,  daß  er  als  Vorbe- 
dingung eines  erstrebenswerten  Daseins  die  robuste  seelische 
Unverwundbarkeit  des  Durchschnittsmenschen  sich  vorstelle, 
oder  sei  es,  daß  er  an  dem  anderen  Pol,  in  dem  schranken- 
losen Sichöffnen  der  Seele  fĂŒr  „alles  Menschliche"  sein 
Wunschbild*  finde.  Und  nicht  anders  steht  der  Kultur- 
mensch zu  den  „Aufgaben  der  Kunst".  Dem  einen  beschrĂ€n- 
ken sich  diese  auf  ein  möglichst  gefĂ€lliges  AusschmĂŒcken 
des  Alltags,  dem  andern  gelten  sie  als  höchste  Sinndeutungen 
des  Lebens.  In  einem  Punkte  glauben  trotzdem  alle,  die  sich 
zu  diesen  heiklen  Fragen  Ă€ußern,  sicher  zu  gehen:  daß  man 
im  Grunde  mit  einigem  guten  Willen  sich  ĂŒber  das  Problem 
„krank  oder  gesund",  „Kunst  oder  Nichtkunst"  einigen  könne 
und  schlagen  ihre  Privatmeinung  als  Einigungsbasis  vor. 

Es  lohnt  gewiß  nicht  der  MĂŒhe,  einige  harmlose  Ba- 


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Ulcus  cruris,    Krampfadern,    VenenentzĂŒndungen,  Decubitus, 
Quetschungen,   Hautreizungen,   Verbrennungen,  HĂ€morrhoiden 
und  Juckreizen  im  After,  Ekzemen,  Flechten,  Pruritus,  Intertrigo,  rissiger 
'  Haut,  Akne,  Furunkeln,  Frostwirkungen  etc.  i 

(Bestandteile :  Extr.  hamamelid.,  Camph.  japon  ,  Acid  carb  ,  Adeps  lanae,  Vaselin  amerik.) 

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Laborator.  Miros,  Dr.  K.  &  H.  Seyler,  Berlin  NO  18. 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Ami, 


in.  Jahrg.  '  Nr.  )H  19. 


nausen  abzufĂŒhren,  die  „Gott  sei  Dank"  nur  Lachlust  oder 
Abscheu  in  ihrer  gesunden  Brust  verspĂŒren,  wenn  sie  manche 
Bilder  von  Kubin,  Ensor,  Redon  oder  selbst  Goya  sehen.  Nur 
denjenigen  kann  man  vielleicht  zur  Besinnung  verhelfen, 
denen  es  im  Grunde  als  erste  Pflicht  gilt,  den  Tatsachen  ge- 
recht zu  werden.  Und  dies  —  so  lautet  der  erste  Grundsatz  fĂŒr 
jede  Grenzgebiets-Arbeit  —  ist  unmöglich,  wenn  man  Maß- 
stÀbe und  Gesichtspunkte  unvorsichtig,  ohne  genaue  Sach- 
kenntnis nach  beiden  Seiten,  von  einem  Gebiet  auf  das 
andere  ĂŒbertrĂ€gt. 

PrĂŒfen  wir  diese  Behauptung  zunĂ€chst  an  dem  Begriff 
der  Geisteskrankheit  nach.  Er  bedeutet  in  diesem  Zusam- 
menhange wohl  fast  ohne  Ausnahme:  nicht  mehr  ernst  zu 
nehmen,  und  zwar  meist  in  dem  populÀren  wegwerfenden 
Sinne:  verrĂŒckt.  Nun  wĂ€re  diese  Wertung,  die  man  gern 
als  Ausdruck  gesunder  Instinkte  rĂŒhmt,  vollkommen  in 
Ordnung,  wenn  tatsÀchlich  Geisteskrankheiten  (oder  gar 
psychopathische  GrenzzustÀnde,  die  man  gern  einfach  damit 
zusammenwirft),  das  Individuum  unbedingt  aus  der 
geistigen  und  sozialen  Gemeinschaft  der  Menschen  lösen 
wĂŒrden.  Das  ist  aber  doch  nur  mit  gewichtigen  EinschrĂ€n- 
kungen der  FÀll.  Es  stimmt  am  hÀufigsten  im  praktischen 
Sinne:  jemand  wird  erwerbsunfÀhig,  weil  er  infolge  seiner 
Störung  den  regelmĂ€ĂŸigen  unerbittlichen  Anforderungen 
seines  Berufes  nicht  mehr  gewachsen  ist.  FĂŒr  die  Mehrzahl 
der  Menschen  unserer  Zeit  entscheidet  dieser  Gesichtspunkt. 

ist  auch  aussichtslos,  dem  Manne  des  praktischen  Lebens 
von  heute  etwa  nahe  zu  bringen,  welche  Scharen  von  be- 
gabten Menschen  als  „erwerbsunfĂ€hige  Hungerleider"  zum 
Hohne  ihrer  christlichen  NĂ€chsten  ihr  Leben  im  bĂŒrger- 
lichen Sinne  vertan  haben,  um  hernach  durch  große  oder 
kleine  Tore  zur  Unsterblichkeit  (diesseits!)  einzugehen. 
Geben  wir  also  zunĂ€chst  einmal  das  Votum  ab:  bĂŒrgerliche 
LrwerbstĂŒchtigkeit  ist  gut  — ■  aber  sie  entscheidet  in  einem 


höheren  Sinne  nicht  ĂŒber  Werl  und  Unwert  des  Menschen. 
Wir  sollten  mindestens  bereit  sein,  bei  Begabten  mit  einer 
Leistung  zu  rechnen,  die  sich  nicht  gleich  in  Geld  umsetzen 
laßt.  Es  geht  also  keinesfalls  an.  von  Geisteskrankheit  zu 
reden,  wo  sich  Zweck  und  Bedeutung  eines  Werkes  nicht  in 
der  gewohnten  Weise  kundtut  wie  bei  einer  Durchschnitts- 
leistung. So  wenig  wie  man  zu  der  Diagnose  einer  psy- 
chischen Störung,  d.  h.  heule  am  liebsten  zur  Schizophrenie 
seine  Zuflucht  nehmen  darf,  wenn  ein  Mensch  in  zeit- 
ungewohnter  Weise  triebhaft  konsequent  ist,  Kompromisse 
verachtet,  sich  fĂŒr  Ideen  und  Ueherzeugungen  rĂŒckhaltlos 
einsetzt,  ohne  an  die  GefĂ€hrdung  seiner  kĂŒnftigen  Beamten- 
laufbahn  vorsichtig  zu  denken. 

Wenn  wir  irgendwo  TÀtbestÀnde  erhoben  haben,  die  ge- 
wisse Analogien  zeigen,  so  dĂŒrfen  wir  .uns  niemals  verleiten 
lassen,  leichtsinnig  zu  identifizieren.  Das  ist  der  erste 
Grundsatz  wissenschaftlicher  Sauberkeit.  Ein  drastisches 
Heispiel  fĂŒr  diese  beliebte  Art  von  ScheinschlĂŒssen  wĂ€re: 
Hei  kel,  Nolde,  Schmitt-Rottluff  machen  jetzt  Plastiken  ge- 
nau wie  Kamerunneger  —  also  sind  sie  Kamerunnegei . 
Solche  Entgleisungen  sind  auf  dem  Grenzgebiet  zwischen 
Kunst  und  Geisteskrankheit  nicht  selten. 

Man  kann  nun  aber  auch  von  den  unbestrittenen 
Leistungen  „Kranker"  ausgehen  und  von  ihnen  aus  prĂŒfen, 
worin  sich  wohl  das  spezifisch  Kranke  zeige.  „Reinbrandt 
als  Erzieher"  ist  ein  Schlagwort  geworden.  Das  Buch  hat 
seinerzeit  riesiges  Aufsehen  erregt  und  auf  die  junge  Kunst  - 
bewegung  um  1900  lebhaft  eingewirkt,  weil  es  EindrĂŒcke, 
Gedanken  und  Gesinnungen  formulierte,  die  der  unruhigen 
.lugend  jener  Tage  gemĂ€ĂŸ  waren.  Was  verschlĂ€gt  es,  daß 
die  AnknĂŒpfung  jener  Zeitgedanken  an  Rembrandt  eine 
Marotte  war  und  daß  manches  Törichte  und  manches  Falsche 
obendrein  in  jenem  Buche  steht?  Die  eigenwilligen  Ein- 
lalle des  dunkeln   Anonymus  bahnten  sich  ihren  Weg.  die 


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fĂŒr  monokularen  und  binokularen  Gebrauch. 
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LUPEN  u. LUPENMIKROSKOPE  ‱  MIKROTOME 
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Prospekfe  GurcO 

die  Badetf  irek/i on  1 


■SP* 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XV 


anregende  Wirkung  ist  unbestritten,  und  der  Autor  er- 
wies sich  spÀter  als  ein  typischer  Schizophrener,  wÀre  also 
fĂŒr  manchen  ZU  den  Leuten  zu  rechnen,  die  man  nicht  ernsl 
zu  nehmen  braucht 

Mit  gutem  Gewissen  könnte  man  die  Namen  dreier 
großer  Toter  als  Motto  ĂŒber  jede  Arbeit  setzen,  die  sich 
ernsthaft  dieses  Grenzgebietes  zu  bemÀchtigen  trachtet: 
Hölderlin,  Strindherg,  van  Gogh.*)  Weil  ihnen  gegenĂŒber 
wohl  niemand  die  Frage  aufweifen  wird,  ob  sie  große 
Konner  und  Gestalter  waren;  und  weil  bei  ihnen  zugleich 
i esasteht,  daß  sie  schizophren  waren.  Wer  vermöchte  mit 
dieser  Feststellung  Wert  und  Wirkung  ihrer  Werke  umzu- 
stoßen? — 

Wenige  kannten  des  alten  Rembrandt  Persönlichkeit, 
die  von  der  Kunstgeschichte  gern  mit  dem  Mantel  der 
NĂ€chstenliebe  im  Namen  der  bĂŒrgerlichen  Moral  zugedeckt 
wird.  Diesen  elenden  im  Trunk  verkommenen  Greis,  der  in 
wenigen  Jahren  aus  prunkhaftem  Dasein  auf  die  tiefste 
Stufe  der  Verwahrlosung  gesunken  ist,  wo  die  heutigen 
Gesetze  lĂ€ngst  mit  EntmĂŒndigung  und  Anstaltsversorgung 
eingeschritten  wÀren.  Wem  deshalb  die  Bilder  des  alten 
Rembrandt  weniger  wert  sind,  mit  dem  ist  nicht  weiter  zu 
verhandeln. 

Man  wendet  ein:  es  gibt  doch  aber  ZustÀnde  von 
Geisteskrankheit,  die  den  Kranken  wirklich  „entmenschen" 
vor  allem  bei  der  Paralyse  —  hier  muß  doch  jede  Produk- 
tionsmoglichkeit  erloschen  sein,  nicht  nur  die  QualitÀt  sin- 
ken. Das  ist  im  allgemeinen  gewiß  richtig  und  in  krassen 
hallen  hegt  der  Zerfall  der  Persönlichkeit  so  plump  und 
offen  zutage,  daß  es  ein  Wunder  genannt  werden  mĂŒĂŸte, 

wUctLXff"  die  votrsichtige  das  biographische  Material  sehr  ge-  " 
Goth  10W  wertende  Studie  von  Jaspers:  Strindberg  und  van 
Gogh  1922  bei  Bircher,  Bern  u.  Leipzig. 


wenn  aus  solchem  Endstadium  ernst  zu  nehmende  Werke 
hervorgingen.    Und  doch  gilt  selbst  dies  nicht  unbedingt. 
Zumal  l>ei  bildenden  KĂŒnstlern  ist  es  nicht  selten,  daß  trotz 
vorgeschrittener  paralytischer  Verblödung  die  Gestaltungs 
kraft  am  lĂ€ngsten  erhalten  bleibt  und  daß  der  Wegfall  dei 
gewohnten    kritischen    Kontrolle    sogar    nochmal  anregend 
Wirkt   und  zu  eigenartigen  Gestaltungen   von  selbstÀndigem 
Wert  fuhrt.    In  einem  Falle  geht  das  soweit,  daß  ein  para- 
lytischer Maler  bis  zu  seinem  selbstgewÀhiten  letzten  Tage 
nach  LĂ€hmung  der  rechten  Hand  mit  der  linken  erstaun- 
liche Zeichnungen  machte,  die  an  Reife  und  innerer  GrĂ¶ĂŸe 
alles  FrĂŒhere  ĂŒbertrafen.    Derartiges  zu  wissen,  kann  nur 
gut    tun,    denn    es    prÀgt    nachdenklichen    Menschen  die 
heroische  Tatsache  ein,  daß  es  nicht  nur  Ritter  trotz  Tod 
und  Teufel  gab,  sondern  daß  es  Schaflende  trotz  Paralyse  und 
Schizophrenie  gibt,  und  daß  nur  die  Leistung  entscheidet 
nicht  die  Diagnose.    Dagegen  ist  es  giftig  und  fahrlÀssig." 
einem  Tageszeitungspublikum  ohne  ErlÀuterung  die  Phrase 
vorzusetzen,  auch  Manet  habe  eben  leider  eine  Paralyse  ge- 
habt. 

Bei  dem  Persönlichkeits-Zerfall  der  Schizophrenen  die 
unsere  Anstalten  bis  zu  70  Prozent  fĂŒllen,  ist  es  nun  sogar 
nicht  einmal  ganz  ungewöhnlich,  daß  sich  produktive  Ten- 
denzen, wenn  auch  oft  in  etwas  verschrobener  Weise,  Bahn 
brechen.  In  dem  Buche  ĂŒber  die  „BĂŒdnerei  der  Geistes- 
kranken" )  konnten  wir  das  an  mehreren  FĂ€llen  zeigen.  Da 
laßt  sich  etwa  ein  kunstgewerblicher  Schlosser  durch 
22  .Jahre  Anstaltsaufenthalt  anhand  datierter  Zeichnungen 
verfolgen.  Die  ersten  sind  ganz  gewandt,  handwerklich, 
durchaus  mittelmĂ€ĂŸig  und  wenig  fesselnd.    WĂ€hrend  die 

*)  Prinzhorn:  BĂŒdnerei  der  Geisteskranken.  Ein  Beitrag  zur 
Psychologie  und  Psychopathologie  der  Gestaltung.  Mit  187  Abb 
darunter  16  farbigen  Tafeln.    J.  Springer,  Berlin  1922 


lnterrV  von  ausgezeichneter  VertrÀglichkeit 
subkutan:  ohne  lokale  Nebenwirkung  1 
intravenös:  bei  drohendem  Herrkollaps  ]  AmPullen 
rektal :  In  Form  von  Mikroklysmen 

FĂŒr  genaue  Dosierung  kleinster  Gaben   Digalen  in  Festen 
Tropfen  =  »  Digalenkörnchen  <?  en 
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Berlin,  SW.  Wilhelmstr.  38 


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zeichnen  sich  vor  Jodoform-  u.  den  anderen  ĂŒblichen  antiseptischen  Verbandstoff  «maus : 
1.   durch  außerordentlich  rasche  Reinigung  der  Wunden- 
durch  gĂŒnstige  Beeinflussuog  der  Granulahonsbildunö- 
durch  vollkommene  Reizlosigkeit; 
durch  Ungiftig  keit; 

es  tritt  kein  Verkleben  der  Verbandstoffe  ein- 

Jdiosynkrasien,  wie  sie  bei  Jodoform  und  anderen  jodhaltigen  Antisepfisin 
hĂ€ufig  vorkommen,  sind  nie  beobachtet  worden-  ■■»‹piwin 
sind  vollkommen  geruchlos. 

Alleinige  Hersteller  und  Lieferanten: 


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Berlin  WS7      Essen  (Ruhr)       Hamburg  1 


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NĂŒrnberg,  Marlenstr.  ai. 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


Krankheit  fortschreitet,  werden  die  Bilder  eigenartiger, 
reicher,  und  schließlich,  nachdem  er  seit  Jahren  mit  nie- 
mandem mehr  spricht  und  als  ganz  „verblödet"  gilt,  bringt 
er  einige  Bilder  zustande,  die  ernsthaft  auf  dem  Boden  großer 
Kunst  gewertet  weiden  mĂŒssen.  Zugegeben,  daß  solche 
.FÀlle  nicht  hÀufig  sind.  Unter  den  etwa  500  FÀllen,  der 
Heidelberger  Sammlung  finden  sich  keine  zehn.  Doch  be- 
weisen auch  wenige  die  Möglichkeit  —  und  darauf  kam  es 
uns  hier  an.  Dem  bequemen  Pseudo -Werturteil  „geisteskrank 
also  unsinnig"  ist  damit  auch  von  dieser  Seite  der  Boden 
entzogen,  wie  von  der  anderen  Seite  durch  die  Krankheit 
der  drei  großen  Schaffenden  Hölderlin,  Strindberg,  van 
Gogh. 

Wir  mögen  das  Problem  drehen  und  wenden  wie  wir 
wollen:  prĂŒfen  wir  die  Tatsachen  unvoreingenommen,  so  lĂ€ĂŸt 
sich  keine  Formel  finden,  nach  der  man  einem  Werk  ent- 
weder den  Krankheitszustand  seines  Urhebers  sicher  ansehen 
könnte,  oder  nach  der  man  aus  dem  bekannten  Zustande 
einer  Geisteskrankheit  einen  sicheren  Schluß  auf  die  Be- 
schaffenheit der  Werke  zu  ziehen  vermöchte.  Denn  ein 
Werk  entspringt  weder  der  .Gesundheit  noch  der  Krankheit, 
sondern  der  Gestaltungskraft  des  Schaffenden,  die  in  der 
ganzen  Persönlichkeit  wurzelt,  sei  diese  nim  krank  oder  ge- 
sund. 

Dagegen  nun  steigt  nach  solcher  an  festen  Ergebnissen 
armen  Umschau  ein  Problem  auf,  das  alle  anderen  Probleme 
sich  unterwirft  .und  in  der  Tat  die  einzige  dem  Gegenstand 
wĂŒrdige  Einstellung  verleiht:  sind  etwa  tiefe  Wesensbezie- 
hungen vorhanden  zwischen  dem  WeltgefĂŒhl  des  Geistes- 
kranken und  dem  WeltgefĂŒhl  des  Schaffenden,  zumal  im  Zu- 
stande der  Inspiration?  Die  Alten  glaubten  dies.  Dem 
naturwissenschaftlich  Denkenden  von  heute  erscheint  es  ab-' 
surd.  Wer  hat  Recht?  Die  erwĂ€hnte  Bearbeitung  der  „Bild- 
nerei  der  Geisteskranken"  tat  den  ersten  Schritt,  zur  Lösung 


dieses  Problems,  indem  sie  neues  Material,  durchforscht 
unter  dem  Gesichtspunkte  einer  allgemeinen  Psychologie  der 
bildnerischen  Gestaltung,  der  Diskussion  unterbreitet,  um 
damit  endlich  eine  neue  Grundlage  fĂŒr  die  bisher  noch  nicht 
geleistete  Aufhellung  des  vielumstrittenen  Grenzgebietes 
zwischen  Kunst  und  Geisteskrankheit  zu  schaffen.' 

Der  gegenwĂ€rtige  Zeitpunkt  ist  fĂŒr  solche  weitaus- 
greifende, von  jeder,  traditionellen  Norm  absehende  Unter- 
suchungen gĂŒnstig,  weil  alte  Normen  zeihrochen  sind  und 
um  neue  gerungen  wird,  auf  beiden  Gebieten.  Dieses  Ringen 
zu  erschweren,  indem  wir  Probleme  und  Tatsachen  hÀufen, 
die  mitverarbeitet  sein  wollen,  haben  wir  alle  Ursache,  wenn 
uns  daran  gelegen  ist,  daß  die  Umwandlung  eine  Vertiefung 
bringe.  Wenn  die  Psychiater  von  den  Gestaltungsproblemen 
fĂŒr  ihre  Fachkenntnisse,  das  Eindringen  in  die  seelischen 
Yerlaufsformen  bei  ihren  Kranken  etwas  lernen  wollen  — 
und  die  KĂŒnstler  und  Kunstfreunde  etwas  von  den  wunder- 
lichen seelischen  Verzerrungen  in  manchen  Mitmenschen, 
die  man  oft  zu  hochmĂŒtig  VerrĂŒckte  nennt  —  dann  dient  die 
ernsthafte  Bearbeitung  des  Grenzgebietes  allen  Teilen  und 
befriedigt  alle.  Was  unter  diesem  Niveau  bleibt  und  jener 
vox  populi,  vox  bovi  entgegenkommt,  sollte  man  nicht  mehr 
dulden. 


Die  Stellung 
der  Aerzte  in  der  Standesgeschichte. 

Von  Dr.  Pniower. 

Es  ist  nicht  leicht  zu  entscheiden,  wie  sich  der  Arzt 
soziologisch  beschreiben  lĂ€ĂŸt. 

Man  spricht  von  einer  sozialen  „Klasse"  der  Aerzte,  wenn 
wir  dieselben  innerhalb  der  grĂ¶ĂŸeren  Gemeinschaft,  meist  des 


Eston 

ist  essigsaure  Tonerde  in  Pulverform,  verstÀrkt  mit 
Aluminiumsulfat. 

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schweren  Wunden  der  Brustwarzen 
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nungen 

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und  Beutel  ca.  100  gr. 

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Eiternde  Wunden,  nie.  cruris 
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zĂŒndungen, Haemorrhoiden,  ferner 
bei  Verbrennungen  zur  VerhĂŒtung 
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10.  Jahrg.  —  Nr.  18  10. 


Jenseits  von  Beruf  und  Ami 


XVII 


Staates,  im  Gegensatz  zu  den  ĂŒbrigen  „gesellschaftlichen 
Klassen''  bestimmen  wollen.  In  der  geschichtlichen  Er- 
forschung der  Àrztlichen  Standesgeschjchje  kann  man  einen 
Wandel  der  Auffassung  der  Einklassierung  gewahr  werden. 
So  wird  die  Verschiedenheil  der  öffentlichen  Rechtsstellung 
der  Aerzte  im  VerhÀltnis  zu  anderen  Gesellschaftsklassen  die 
Geschlossenheit  der»  arztlichen  Klasse  auslösen.  Diese  Ver- 
schiedenheit kann  nun  einmal  nach  der  Seite  einer  M  i  n  - 
derwe-rtigkeit  -sich  ausprÀgen.  Dies  sehen  wir  /..  15. 
bei  den  medizinischen  heilkundigen  Sklaven,  welche  wie  in 
Rom*  sogar  in  ZĂŒnften  vereinigt  waren.  Das  finden  wir  bei 
dem  verachteten  Stande  der  WundÀrzte  in  Indien,  in  Grie- 
<  henland,  Rom  und  im  ganzen  mittelalterlichen  Abendland, 
das  haben  wir  bei  den  jĂŒdischen  Aerzten  bis  in  die  Neuzeit 
hinein  und  bei  den  japanischen  „VolksĂ€rzten".  Wir 
linden  diese  Abgrenzung  also  nur  entweder  zu  einer 
fernliegenden  Zeit  oder  auf  einer  noch  vorhandenen 
aber  primitiven  Kulturstufe.  Wie  heute,  so  kennen  wir  auch 
Durchgangsstadien  in  der  Àrztlichen  Standes- 
geschichte; so  konnte  im  alten  Indien  ein  Mitglied  der 
niederen  Àrztlichen  Kaste  in  die  höhere  aufsteigen  und  die 
eben  erwÀhnten  japanischen  VolksÀrzte  auch  die  bevorzugte 
Stellung  des  FĂŒrstenarztes  gewinnen.  Und  auch  in  der 
Neuzeit  hat  sich  dies  erhalten.  Viele.  Aerzte,  namentlich 
speziell  die  FachÀrzte,  machen  eine  abhÀngige  Assistenzzeit 
durch,  ehe  sie  zu  ihrer  Höhe  emporsteigen  können.  Doch  ist 
dies  natĂŒrlich  nicht  die  oben  beschriebene  Minderwertigkeit, 
sondern,  wie  gesagt,  entspricht  eher  einem  Durchgangs- 
stadium. 

Die  einheitliche  Begriffsbestimmung  der  Aerzte,  ob 
Stand,  Beruf  oder  Klasse,  ist  nicht  leicht  zu  geben. 
Selbst  innerhalb  der  gesellschaftlichen  Klasse  können  der- 
artige GegensĂ€tze  vorhanden  sein,  daß  man,  wie  schon  zu  den 
Zeiten  (1  a  Ions  im  alten  Rom  so  auch  heute,  von  einem 


Aerzteproletariat  spricht,  obwohl  doch  im  Allgemeinen  die 
Aejcaieschaft  nicht  darunter  rechnet. 

Nicht  einmal  der  Sprachgebrauch  lin  die  eben  auf- 
fĂŒhrten Bezeichnungen  ist  eindeutig.  Nach  der  Schmol- 
ler'sehen  Definition  ist  die  Aerzteschaft  ein  „Stand",  weil 
er  darunter  Berufsgruppen  mit  bestimmten  Rechten  ver 
steht  und  unter  einer  ,, Klasse"  Berufs-  und  Besitzunter- 
schiede auf  dem  Boden  der  Rechtsgleichheit,  v.  W  iese  teilt 
die  Gesellschaft  vertikal  in  Berufe  und  horizontal  in  Klassen, 
ej  anerkennt  damit  seihst  innerhalb  des  Aerzteberufs  Wohl 
noch  mehrere  Klassen.  Dem  wĂŒrden  dann  die  oben  er- 
wÀhnten gegensÀtzlichen  Arztgruppen  entsprechen. 

Sombarl  nÀhert  sich  der  S  c  h  m  o  1  1  c  r  sehen  Auf- 
fassung, wenn  er  unter  einer  sozialen  „Klasse"  eine  geson- 
derte wirtschaftliche  Gruppe  sieht,  wÀhrend  S  c  h  m  olle  r 
das  Hauptgewicht  *uf  das  GefĂŒhl  der  Zusammengehörigkeit 
legt.  Dieses  Bewußtsein  ist  indessen  nicht  immer  vorhanden, 
es  kann  sagarein  Gegensatz  bestehen.  Wenn  man  denkt,  dal! 
unter  den  arabischen  Aerzten  sogar  Vergiftungen  aus  Kol- 
legialitĂ€t vorkamen,  daß  nach  Richter  (Aerztli.ches  Ver- 
einsblatt 1872)  die  Aerzte  noch  am  Anfange  des  neunzehnten 
Jahrhunderts  „wie  Spinnen  in  ihrem  Bau  lebten  und  deren 
.sprichwörtliche  Feindschaft  auch  dokumentierten",  daß  selbsl 
heute  noch  die  KollegialitÀt  mit  dem  Quadrate  der  Entfernung 
wĂ€chst,  so  wird  man  auch  VerstĂ€ndnis  dafĂŒr  haben,  wenn 
der  Große  KurfĂŒrst  in  der  berĂŒhmten  Medizinal- 
ordnung  vom  12.  11.  1685  sagt:  AnfÀnglich  sollen  die 
Medizi  unter  sich  selbst  friedlich  und  eintrÀchtig  miteinander 
umbgehen. ..'  Keiner  sol  zwar  dem  andern  seine  Patienten 
abspÀnstig  machen  oder  an  sich  zu  bringen  noch  sich  in 
eines  oder  andern  Kur  zu  mengen  und  solche  zu  tadeln  öder 
zu  kavallieren  befugt  sein  (J  o  a  c  h  i  m:  Die  neue  M  e  d  i  - 
z i n  al  t  a x  e").  In  der  Neuzeit  haben  S fca n de sordnu n- 
g  e  n   und   E  h  r  e  n  g  e  r  i  c  h  t  e,    S  t  a  n  d  e  s  v  e  r  eine  und 


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XVIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


auch  die  Aerzte  -Gewerkschaft  mit  den  gegensÀtzlichen 
Strömungen  nach  Möglichkeit  aufgerÀumt. 

Und  doch  ist  fĂŒr  die  Aerzte  ein  Moment  fĂŒr  die  Zu- 
sammengehörigkeit bestimmend:  die  gleiche  Ausbildung,  das 
gleiche  Fachstudium,  wenn  auch  nachher  die  Wege  weit 
auseinander  gehen  sollten.  Darm  aber  auch  der  gleiche  Beruf, 
leidenden  Mitmenschen  zu  helfen,  spricht  ein  gewichtiges 
Wort  mit.  Nach  von  Z  w  i  e  d  i  n  e  c  k  -  S  ĂŒ  d  e  n  h  o  r  s  t 
kommt  es  auch  bei  dem  Begriffe  der  HomogenitÀt  einer 
Gesellschaftsgruppe  auf  das  KlassengefĂŒhl  an,  auf  ein 
subjektives,  stimmungsgemĂ€ĂŸes,  welches  die  kon- 
stitutiven Momente  der  anderen  Zusammengehörigkeits- 
grĂŒnde  ĂŒberwiegt. 

Dieses  GefĂŒhl  wird  aber  dann  noch  außerordentlich  ver- 
stÀrkt werden,  wenn  von  der  Allgemeinheil  oder  irgend 
einer  Obrigkeit  der  AusĂŒbende  der  Heilllunde  eine  Abgren- 
zung, eine  Sonderheitsstellung  innerhalb  des  Gemeinschafts- 
körpers  gewÀhrt  wird.  Zwar  sind  die  Bestrebungen  der 
Aerzte  sich  zusammenzuschließen  uralt  und  haben  in  der  Ge- 
werkschaftsbewegung ihren  Abschluß  gefunden,  der  Cha- 
rakter einer  Kaste  oder  einer  Zunft  hat  die  Eingliederung 
der  Aerzte  in  das  öffentliche  Leben  in  doppelter  Hinsicht  im 
Auge.  Auf  der  einen  Seite  wird  dieser  Besonderheit  eine  Ver- 
gĂŒnstigung eingerĂ€umt:  durch  UnterstĂŒtzung  des  Selbst- 
erhaltungstriebes soll  durch  bestimmte  Vorschriften  der  Auf- 
nahme von  Mitgliedern  und  der  AusĂŒbung  der  Ă€rztlichen 
TĂ€tigkeit  ein  Sonderrecht  zugestanden  werden.  Auf  der 
anderen  Seite  hat  die  Obrigkeit  das  entgegengesetzte  Inter- 
esse. Sie  will  eine  volkswirtschaftliche  Mission  erfĂŒllen,  in- 
dem sie  Vorkehrungen  zur  Sicherung  von  sachgemĂ€ĂŸer  Ă€rzt- 
licher TÀtigkeit  trifft.  Speziell  durch  Taxen,  durch  Àrztliche 
GebĂŒhren-Ordnungen,  will  sie  als  Vertreterin  der  Allgemein- 
heit diese  in  der  Höhe  der  Enfgeltung  schÀtzen. 

Wenn  auch  diese  beiden  Gesichtspunkte  scheinbar  ent- 
gegengesetzt sind,  so  haben   sie  doch  auch  mehrfache  Be- 


rĂŒhrungspunkte. Man  kann  feststellen,  daß  die  vorgeschrie- 
benen Forderungen  bezĂŒglich  der  moralischen  und  tech- 
nischen QualitĂ€t  auch  das  Ansehen  der  Zunft  selbst  außer- 
ordentlich heben  und  sich  damit  rĂŒckwirkend  auf  die  Mit- 
glieder fortpflanzen.  Will  die  Obrigkeit  auf  die  Tendenz  der 
Zunft  regulierend  einwirken,  sich  ein  „Monopol"  zu  schaffen, 
so  will  sie  andererseits  durch  GewÀhrung  bestimmter  Ent- 
geltungssÀtze doch  eine  gewisse  Sicherheit  der  Entgeltung 
festlegen.  Namentlich  durch  Standesordnung  und 
Ehrengerichtsbarkeit,  durch  die  Zunftver- 
fassung und  Zunf  tger  ich  ts  barkeit  will  die 
Obrigkeit  beiden  Seiten  gerecht  werden  und  Rechte  wie 
Pflichten  ausgleichend  verteilen.  Wir  erleben  aber  in 
der  Ă€rztlichen  Standesgeschichte,  wie  bei  den  ZĂŒnften  das 
merkwĂŒrdige  Schauspiel,  daß  je  nach  der  Macht,  die  der 
Obrigkeit  zu  einer  Zeit  zu  Gebote  stand,  die  Entgeltung  mög- 
lichst gesenkt  werden  soll.  Zwar  will  die  Obrigkeit  die  Aerzte 
zu  möglichst  hoher  Bewertimg  hochsteigen  lassen,  um  damit 
der  Allgemeinheit  Annehmlichkeiten  zu  bieten,  aber  auch 
eine  möglichst  niedrige  Entgeltung  rechnet  ebenfalls  dazu. 

Zunft-  resp.  Kastencharakter  sehen  wir  in  der  Àrztlichen 
Standesgeschichte  fast  ĂŒberall  vorhanden,  nicht  nur  in  der 
Jetztzeit,  auch  in  der  Vorzeit,  nicht  nur  auf  der  höchsten, 
sondern  auch  auf  der  niedrigsten  Kulturstufe.  Wir  finden 
ihn  in  den  Zunftfamilien  des  animistischen  Zeitalters 
der  Schamanen,  den  Zunftschulen  mancher  Neger- 
stÀmme  derselben  Stufe,  den  Priester- Aerzten  der  höheren 
theurgischen  Entwicklungsstufe.  Und  auf  der  höch- 
sten Stufe  der  wissenschaftlichen  Heilkunde,  sehen 
wir  bis  in  die  Nen/eit  hinein  den  Zunftcharakter  ausge- 
sprochen, und  zwar  nicht  nur  bei  den  WundÀrzten,  sondern 
auch  bei  den  Aerzten.  Ich  habe  alles  Wissenswerte  darĂŒber 
in  Nr.  32  der  Hamburger  Wochenschrift  von  1921  zusammen- 
gestellt. 


TESTOGAIt  THELYGMI 


fĂŒr  MĂ€nner. 


fĂŒr  Frauen. 


Seit  8  Jakren  bewahrte  Spezifik«  auf  organ. -chemotherapeutischer  Grundlage  nach  Dr.  Iwan  Bloch 

bei  sexueller  Dyshormonie  und  Insuffizienz 

vorzeitigen   Alterserscheinungen,    Stoffwechselstörungen,    Herzneurosen,    Neurasthenie,  DepressionszustÀnden. 

Enthalten  die  Sexualhormone,  i  b.  die  Hormone  der  Keimdrosen  und  der  Drosen  mit  Innensekretion. 


Spezielle   Indikationen  fOr  Testogaa. 

Impotenz,  Climacterlum   virile,  Pro- 
statitis, Asthma  sexuale,  leichte  Er- 
mĂŒdbarkeit, Arbeitsunlust,  Periodische 
MigrÀne  und  andere  endoerine 
Störungen. 


Ordinationen  :- 


Dreimal  tÀglich  eine  Tablette  nach  dem 
Essen  und  eventuell  gleichzeitig  taglich 
berw.  jeden  zweiten  Tag  eine  subku- 
tane oder  intraglutÀale  Injektion. 


In  Form  von  Tabletten; 
Ampullen  und  Suppositorien. 


Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Thelygan. 

Endoerine  Genitalstörungen, 
Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmen- 
orrhoe, Klimakterische  Beschwerden, 
Ausfallserscheinungen,  FrigiditÀt,  Ste- 
rilitÀt, Angstneurosen,  Infantilismue, 
univers.  part. 


Dr.  Georg  Henning,  Berlin  W  35 


Grosse  neue  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19 


F  o  r  t  s  c  h'i  i  1 1  e  der  M  e  d  i  z  i  o 


XIX 


Industrie  u.  Handel  aus  Nr.  18/19 

vom  10.  Mai  1922. 

Aktiengesellschaft  Mix  &  Genest 

Telephon-  und  Telegraphen-Werke  Berlin-Schöneberg. 
Abschluß  am  31.  Dezember  1921. 


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GrundstĂŒck  Schöne- 
berg, Genest  st  r 

GrundstĂŒck  Schöne- 
berg, Reichartstr. 

GebÀude  Schöneberg 

Grundst.  u.  GebÀude 
Gelsenkirchen  .  .  . 

Grundst.  u.  GebÀude 
Frankenhaiisen  . 

Maschinen  ....... 

Utensilien  

Mobilien  

Werkzeug  

.SchutzansprĂŒche    .  . 

Beteiligungen    .  .  .  . 

Wertpapiere  

Bestand  in  Rohmat. 
und  Fabrikaten  .  . 

Debitoren  

Bankguthaben  .  .  .  . 

Kasse  u.  Postscheck- 
guthaben   

Wechsel  

BĂŒrgschaftsnehmer 
M   618  583,35 


4 

621  312 

124  373 

32 

1  600  000 

65  000 

160000 

653  699 

21  799  113 

23  483  939 

13 

31  566  383 

49 

1 163  442 

56 

734  180 

12 

7  409 

95 

81  958  857 

57 

Verbindlichkeiten. 

Aktienkapital  .  .  .  . 

Gesetzlicher  Reser- 
vefonds   

Speziaireserve   .  .  . 

Werkerhaltung  .  .  . 

Teilschuldverschrei- 
bungen von  1920  .  . 

Teilschuldvef  schrei 
bungen-Zinsen  .  . 

Teilschuldverschrei 
bungen-RĂŒckzahl. 

Kreditoren   

Talonsteuer-RĂŒck- 
stellung   

UnterstĂŒtzungs- 
fonds   

Dividenden,  uner- 
hoben   

BĂŒrgschaftsgeber 

M.  618  58:;.:!.'» 

Beingewinn  


je 

25  200000 

2  520  000 
800000 
10  000  000 

6  843  000 

160  641 

110160 
28  809  271 

161  500 
2  864172 

21  130 


4  468  98080 


94 


86 


Berlin-Nehöneberg.  den  21    April  1922. 


Dci 


81  958  857  57 
Vorstand. 


Bilanz  der  Mitteldeutschen  Credithank 

per  31.  Dezember  1921.  


Aktiva. 

Nicht  eingezahltes  Aktienkapital  

Kasse,  fremde  Geldsorten,  Kupons  und  Guthaben 

bei  Noten-  u.  Abrechnungs-  (Clearing-)  Hanken 
Wechsel  und  unverzinsliche  Schatzanweisungen 
Nostroguthaljen  bei  Banken  und  Bankfirmen    .  . 
Reports    und    Lombards    gegen  börsengÀngige 

Wertpapiere 

VorschĂŒsse  auf  Waren  und  Warenverschiffungen 

Eigene  Wertpapiere  

Konsort  ialbeteihgungen  

Dauernde   Beteiligung   bei  anderen   Banken  und 

Bankfirmen  

Debitoren  in  laufender  Rechnung 

a)  gedeckte  ........  M.  626659640,06 

davon  durch  börseng.  Wert- 

pap.  gedeckt  M.  524 189256,08 

b)  ungedeckte  

außerdem  Aval-  u.  BĂŒrgsch.- 
Debitoren  .  M.  113090925,52 

Uebergangsposten    der  Niederlassungen 
einander    .   . 

BankgebÀude  M.   19  374  991,11 

abzĂŒglich  Hypotheken  .    .    .    _.,  2374_991,11_ 

Sonstige  Immobilien  M.       962  684,5(i 

abzĂŒglich  Hypotheken   — , — 

Mobiliar  


258  037  040,07 


untei 


Passiva. 


Aktienkapital   .    .  . 
Reserven  .... 
Kreditoren  .... 
Akzepte  und  Schecks 
außerdem   Aval-  u 


BĂŒrgschaf  tsver  pflichtungen 
M.  113  090  925,52 

Unerhpbene  Dividenden   

Heingewinn  des  Jahres  1921  .  .  M.  33  826  081,67 
Vortrag  aus  dem  Jahre  1920  .    .  „ 


520  262  400 
1032  922  652 
114  047  396 

173  192  465 
3  093  066 
19  322  081 
11  999  315 

7  570  984 


886  696  680 

5  936  885 
17  000  000 


56 

2  799  012  613  93 


962  684 
1 


72 
03 
92 

7* 

55 

r, 
L0 

71 


13 


16 


170000  000  — 
109  500000  — 
2  413  748964)40 
71  511  754,83 


222  082  50 
34029  812  20 


2  799  012  613193 


3  EST  56  WJRHßTE) 

W  T I  12  H  t:  LI  t*t  A  IT  t  C  U  fr4 

>  J  O  F  O  Q  T  .  JCHMEQZJTI  L  L  END* 


I 


BEI  o  RHEUMATISMUS* *  61  CHT* 
GRIPPE  ‱  NEURAL  Gl  EN  »„hEQZÖ  ES  ( HWE&DEN' 


dq'Q'zeiss*  feflE  UHA  JA  N  \  L  t:Nl  CE  T  ℱbrikew 

L I TEQATUQ     ‱    ‱  ‱     C  H XX  R.  L  O.T  71  ÂŁ  Ü  ö  U  Q  G  ♩   4U20  o      W/ÂŁMW/P*    ‱  PQOßEjS 


XX 


Fortschritte  der  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  18/19. 


Gewinn-  und  Verlust-Rechnung  per  31.  Dezember  1921. 


I  nkosten 

a)  GehÀlter.  .Teuerungszulagen,  Gratifikationen, 
Tantiemen  und  sonstige  GeschÀftsunkosten  . 

b)  Steuern   '.   .   .  ..*  *y  ;#*:-''./.''' -'l 

BeitrÀge  zum   Beamten?  Versicherungsverein  des 

Deutschen  Bank-  und  Bankiergewerbes  und  zur 

Wohlfahrtskasse  der  Bank  ,  

Absehreibungen  auf  BankgebÀude  »  . 

Heingewinn  '  VEBTEILUNG: 
12Va  %  Dividende  auf  M.  90  000  000,—  


Ueberweisung 
l'eberweisung 
Ueberweisung 
Tantieme  des 
Vortrag  auf 


an  die  außerordentliche  Reserve 
an    die  Konto-Korrent-Beserw 
an   die  Wohlfahrtskasse     .    .  . 
Aufsichtsrats  

Rechnung , .   .  ■  


neue 


99  01. ".  449  71 
15  2H7  784  Ol 


761  017  41 
M07  5X0  71 

11  ‱J.WDOO  — 
9Ü()0.(JUt)  - 
1 1  51  0  000  — 
1  Ü00 1  00  — 
032  926  82 
3-16  88.". 


150  252  244  04 


( iewinn- Vortrag   aus  1020   

Gewinn    aus    Zinsen    sowie    aus    deutschen  und 

fremden  Wechseln   

Gewinn  aus  Provisionen   .    .  . 

Gewinn  aus   Wertpapieren  und  Konsortialbetei- 

ligungen  

Gewinn  aus  dauernden  Beteiligungen  bei  Banken 

und  Bankfirmen   

Verschiedene  Gewinne  und  MieteinnÀhmen  .   .  . 


M.  4 

7d3  730  53 

‱  5  552"!  9  50 
38  215  307  91 

35  Hl  1  524  77 

2  079  505  8  > 
8  590  105  41 


150  252  244,04 

In  der  heule  abgehaltenen  07.  ordentlichen  Generalversamm- 
lung unserer  AktionĂ€re  wurde  die  Dividende  fĂŒr  das  GeschĂ€fts- 
jahr 1921  auf  Vly.  %  festgesetzt. 

Der  Dividendenschein  fĂŒr  1921  kommt 
mit  M.    37,50  fĂŒr  jede  Aktie  zu  M.    300.^  I  abzĂŒgl.  10  % 

mit  M.  150, —  fĂŒr  jede  Aktie  zu  M.  1200. —  |  Kapitalertragsteuer 
/in-  Auszahlung.  Die  Einlösung  der  Dividendenscheine  erfolgt 
von  heute  ab: 

in  Frankfurt  a.  M.,  Berlin,  Augsburg,  Baden-Baden,  Essen. 
FĂŒrth,  Gießen,  GĂŒttingen.  Hamburg,  Hanau,  Hannover. 
Hildesheim,  Karlsruhe,  Köln,  Königsberg  i.  Pr.,  Leipzig. 
Magdeburg,  Mainz,  Marburg  a.  d.  L.,  Memmingen,  MĂŒnchen, 
NĂŒrnberg  und  Wiesbaden  bei  unseren  Niederlassungen, 
sowie  bei  unseren  Deposilenkassen  und  Wechselstuben  in 


Alsfeld  i.  H.,  Biebrich  a.  Rh.,  BĂŒdingen,  Butzbach  i.  H.. 
Kriedberg  i.  H.,  Höchst  a.  M.,  Lauterbaeh  i.  H.,  Limburg 
a.  d.  L.,  Neu-Isenburg  i.  IL,  Nienburg  a.  W.,  Ottenbach  a.  M.. 
Schölten  i.  H.,  Uelzen  (Provinz  Hannover  und  Wetzlar  an 
unseren  Kassen  wĂ€hrend  der  ĂŒblichen  GeschĂ€ftsstunden,  in 
Coblenz  und  Köln  bei  der  Firma  Leopold  '  Seligmann,  in 
Meiningen  bei  der  Bank  fĂŒr  ThĂŒringen  vormals  B.  M.  Strupp 
Aktiengesellschaft,  in  MĂŒnchen  bei  den  Firmen  Moritz 
Sehulmann  und  H.  AufhÀuser,  in  Stuttgart  bei  der  Firma 
ĂŒoertenbaeh  &  Gie.,  G.m.b.H..  in  TĂŒbingen,  Hechingen. 
Sigmaringen  und  Metzrngen  bei  der  Bankcommantlite 
Siegmund  Weil. 

Die  Dividendenscheine  sind  auf  der  RĂŒckseite  mit  dem 
Firmenstempel  oder  dem  Namen  des  Einreichenden  zu  versehen. 

Frankfurt  a.  M.,  den  2.  Mai  1922 

Der  Vorstand  der  Mitteldeutschen  Ureditbank. 

Dr.  KĂ€tzenellenbogen.     Mommscn.     Reinhart.  Wolfensperger. 


Die  von 
festgesetzte 
Scheines  Nr. 
in  Dresden 


in  Herlin 


in  Leipzig 


der  Generalversammlung  am  2-1.  April  d.  .1.  auf  20% 
Dividende  wird  gegen  Einreichung  des  Dividenden- 
19 

bei  dem  BankhÀuse  Gebr.  Arnhold, 
bei  der  Commerz-  und  Privat-Bank  A.-G.  und 
bei  der  Bank  fĂŒr  Handel  und  Industrie, 
bei  dem  BankhÀuse  Gefcr.  Arnhold, 
bei  dem  Bankhause  Arons  &  Waltet  und 
bei  dem    Berliner    Bankinstitut    Joseph  Goldgchmidt 
&  Co., 

bei  dem  BankhÀuse  H.  C.  Plaut  und 
bei  dem  BĂ€nkhause  Bayer  &  Heinze.  Abteilung 
F.  W.  SteinmĂŒller, 
n  Chemnitz  bei  dem  Bankhause  Bayer  &  Heinze 
i  usgezahlt. 

An  Stelle  der  Barzahlung  können  unter  gewissen  Bedingungen 
uich  Aktien  unserer  Gesellschaft  bezogen  werden.  Auskunft 
lierĂŒber  erteilen  obengenannte  Stellen. 

Niedersedlitz,  den  21.  April  1922. 

Sachsenwerk, 

Licht-  und  Kraft-Aktiengesellschaft. 

Glauber.  Sarfert. 


TORAMIN  MILANOL 


wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  B_eizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tablellen  (25  StĂŒck  ca. 
0.1  Toramin  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromat.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expektoranlien,  auch 
Guajakol-PrÀparaten. 


;  neue  chloroformlösliche  Wismut-Verbindung  fĂŒr  dermato- 
logische Zwecke, 

saubere  Anwendung  als  Salbe,  l'aste,  Puder, 
Pinsclung%2— 10%iĂŒ,.  weder  WĂ€sche  noch  Haut 


=  verschmierend. 

I  Indikationen:    Speziell    chronische    und  subakute 

|  Ekzeme. 

\  ‱ 

1  Ferner  FĂ€lle  der  derma  lologischcn  Praxis,  in  denen  eine 
I        juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lalionsbelördernde.  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keratoplaslische  Wirkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


adstringierend,  antiseptisch, 
gran  u/ationsbe  fördernd, 
schmerzlindernd. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  20/21 


XXXIV.  Kongreß  der  deutschen  Gesellschaft  fĂŒr  innere 
Medizin 

in  Wiesbaden  vom  24.  b  i  s  27.  April  1022 
Referent:  Dresel-  Berlin 
L.  Brauer-  Hamburg-Eppendorf :  Eröffnungsrede. 
Eppinger-  Wien :  Referat  ĂŒber  Ikterus 

FrLraobeiSprJfathf0?nese  di&  IktCrUS  ist  verknĂŒpft  mit  der 
trage,  ob  die  alte  Lehre  zu  Recht  besteht,  daß  die  epitheliale 
Leberzehe  den  Gallenfarbstoff  bildet.  Die  einfachste  Form  des 
Ikterus  entsteht,  wenn  der  Ductus  choledochus  z  B  durÀ  einen 
Stein  verschlossen  wird.  Der  Gallenfarbstoff  nimmt  im  Blute  zu 
?LWir\Ga J1^?810"  im  Harn  ^geschieden  fcTfaTg 
ĂŒbSen   rtub\  ?eni«er  GallensĂ€uren   werden   mit  den 

Ä  hp  r  enbeStandteilen  im  Harn  Senden.  Eine  weitere 
Ä  u  .Gfaliengangsverschlusses  ist  der  acholische  Stuhl  Die 
Galle  scheint,  bevor  sie  ins  Blut  gelangt,  sich  der  Lymph wege zu 
bedienen.  Das  histologische  Bild  spricht  ebenfalls  dafĂŒr  Auch 
beim  rein  mechanischen  Ikterus  hat  man  jetzt  eine  funktionelle 
mtrMg  Z»«ℹ**ℱ*ℱ  des  Ikterus  verantwortlich 'S 

macht.  DemgegenĂŒber  ist  darauf  aufmerksam  zu  machen  daß 
schwere  Leberzerstörungen  durch  Metastasen  nicht  zum  Ikterus 
zu  fuhren  pflegen.  So  einfach  das  Problem  bei  dem  sSnĂŒK 
ist,  so  schwierig  wird  es  bei  den  anderen  Ikterusformen 

Es  werden  die  zahlreichen  Theorien,  die  zur  ErklÀrung  heran 
gezogen  worden  sind,  auseinandergesetzt,  insbesondere  dfe  hÀmÀ- 
logene  und  hepatogene  Theorie.  Von  Minkowski  u  a  A 
das .funktionelle  Moment  in  die  Pathogenese  der  nicht  lithogenen 
Ikterusformen  eingefĂŒhrt  worden.  Weiter  kam  man  durch  die 
Epp  inger  sehe  Methode  der  GallenkapillaruntersueW  Es 

lTr£enn-ChRdle,G?lenthr°mben  und  «ie  Zerreissung  der  Kapil- 
laren^ Die  Beobachtung  von  B  a  n  t  i,  daß  die  Milzexstirpation  bei 

SS1?6  h  S?rmen#.v<m  Ikterus  eine  gĂŒnstig«  Wirkung  aSsĂŒbt  und 
daß  nach  Milzexstirpation  Toluilendiamin  nicht  mehr  zum  Ikterus 

t?  UW-f kS?0?  fruchtbar-  Sie  fĂŒhrte  zur  Aufstellung  des 
KrankheitsbUdes  des  hÀmolytischen  Ikterus.  Bei  diesem  hfndell 
es  sich  um  vermehrtes  Zugrundegehen  von  roten  BlSpeTcheh 


Kongreßberichte 


XIII 


wichen  WlwE*  ÜlilZeXa[ irp3li0n  ZU  heilen-    A  s  c h  o  f  f  fand  bei 

Kupfle"  zeilen"  ^  T^i^VX  *  Ä 

Aschoff«  AatK  d!«  p  ■    r  i        .   Iunrte    zu    der  Auffassung 

BiLCubh\VbeSdoargedne  ffifi^ ? TbZZ??  *?  BMu"g  ^ 
a-  j       *  s*-11-    i'ijinanns  v.  a.  Ii  e  r  g  h  könn  e  7v\non  ri'ifi 

die  aus  dem  Ductus  choledochus  gewonnene  See  „de 

ÄESSes  auch  physiologisch 

die  &1ffi,!ffi^n?rea; spielt  sicher  die  Miiz> aber  auch 

sich  rhP  Knnfl  ei  I,kler,us  lst  ein  hepatolienaler.  Wie 

sieht  n^S  fefr  "**  *  Uheℱ*ℱ  «*■  Rollen  teilen! 

Der  Icterus  catarrhalis  bedarf  unbedingt  endlich  einer  KlÀ 
rung.   Die  anatomische  Untersuchung  von  5  RKÄ?£aST 

lere  aßer  zeigten  schwere  ParenchymschĂ€digung  Aus  einem 
harmlosen  Icterus  catarrhalis  kann  immer  eine  schwere  Lebeℱ 
atrophie  entstehen,  oder  es  kann  sich  allmÀhlich  eine  Leberzir" 
rhose  entwickeln.  Schwierigkeiten  bietet  die  Frage  wfe  in  diesen 
Fallen  der  Ikterus  entsteht.   Sollten  die  Kupfferzellen  die  B  hru 

inbildung  besorgen,  so  könnte  man  annehmen,  daß  diese  gegen 
ĂŒber  den  Leberzellen  zu  zahlreich  werden.  Dies  Moment  kommt 
auch  fĂŒr  die  - akute  gelbe  Leberatrophie  in  Betracht  lus  diesen 
GrĂŒnden  empfiehlt  es  sich,  vorlĂ€ufig  nur  noch  von  dem  sog « 
Icterus  catarrhalis  zu  sprechen.  Eine  einheitliche  ErklÀrung  des 
SftX  l  u'  Zlrrhosen  und  den  Herzfehlern  ist  bisher  nicht 
Rnlt     R  SlChiTt  Spid?  bd  letzterem  die  Gallenthromben  eTne 

u  \  u    eiu    ^terus  der  pneumoniker  liegen  die  VerhÀltnisse 
Ă€hnlich,  wahrscheinlich  ist  auch  hier  die  Leber  das  exeknSti^t 
Organ  wahrend  in  den  anderen  Organen  die  PrÀparation  vor  sich 
geht.    Zusammenfassend  kann  man  sagen,  daß  mit  wenigen  Aus 
nahmen  mechanische  und  funktionelle  Momente  eine  Rolle8  spielen. 

und  hPhvIJnU«  l  Unr  n  S-.Eilangen:  Ueber  die  Anatomie 

und  Physiologie  der  Lebennnervation. 


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»ur  parenteralen  Proteinkörpertherapie,  frei  von  wirksamen  f», 
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I 


XIV 


Kongreß  berichte 


40.  Jahrg. —  Nr.  20/21. 


Die  Physiologie  hat  gezeigt,  daß  drs  Glykogen  in  der  Leber 
auch  direkt  sympathisch-parasympathis  h  reguliert  wird.  Auch 
der  Eiwei'ßsloffwechsel  steht  unter  der  Herrschaft  von  Vagus 
und  Sympathikus.  Dasselbe  ist  mit  der  Gallenbildung  der  Fall, 
lieber  die  anatomischen  Grundlagen  bestanden  keine  Unter- 
suchungen. Der  Sympathikus  geht  nie  direkt  zur  Leber,  sondern 
ĂŒber  die  großen  Ganglien  zur  Leberpforte.  Umgekehrt  verhĂ€lt 
sich  der  linke  Vagus,  der  den  linken  Leberlappen  allein  versorgt, 
wÀhrend  der  rechte  z.  T.  direkt,  z.  T.  indirekt  zur  Leber  zieht. 
In  der  Hauptsache  hat  die  Leberinnervation  vasomotorische  Auf- 
gaben. Aber  auch  die  chemischen  VorgÀnge  werden  von  ihr  regu- 
liert und  zwar  in  der  Hauptsache  peripher. 

W  e  s  t  p  h  a  1  -  Frankfurt  a.  M.:  Muskelinnervation  der  Gallen- 
wege und  ihre  Beziehungen  zur  Pathologie, 

Bei  Vagusreizung  am  Halse  kontrahiert  sich  die  Gallenblase, 
der  Choledochus  erweitert  sich  etwas  und  Galle  wird  herausbe- 
fördert. Der  Gallendruck  nimmt  zu.  Bei  stÀrkerer  Reizung  gibt 
es  einen  Krampf,  der  zur  Abflußhemmung  fĂŒhrt.  Atropin  hebt 
dies  sofort  auf,  das  gleiche  ist  bei  Splanchnikusreizung  der  Fall. 
Das  Bild  Àhnelt  sehr  dem,  wie  wir  es  vom  Magen  her  kennen. 
Bei  Steinen  fĂŒhren  starke  Vagusreize  zu  den  starken  Kontrak- 
tionen und  zu  den  Schmerzen.  Die  Stauung  kann  durch  Vagus- 
und  Sympathikusreizung  hervorgerufen  werden,  einmal  durch 
Krampf,  einmal  durch  LĂ€hmung  der  Muskulatur. 

Bieling  und  I  s  a  a  c  -  Frankfurt  a.  M.:  Untersuchung  ĂŒber 
die  Bedeutung  von  Leber  und  Milz  fĂŒr  die  Entstehung  des  Ikterus. 

Dosiert  man  die  Seruminjektion  zur  intravitalen  HĂ€molyse  so, 
daß  das  Tier  10  Stunden  und  lĂ€nger  am  Leben  bleibt,  so  entsteht 
ein  Ikterus.  Dies  lĂ€ĂŸt  sich  weder  durch  Milzexstirpation  noch 
durch  Blockade  der  gesamten  Kupfferzellen  durch  Eisen  ver- 
hindern. In  diesen  Zellen  ist  die  Produktionsstelle  der  hÀmoly- 
tischen Körper.  DafĂŒr,  daß  aus  dem  hĂ€molytischen  Blut  Gallen- 
farbstoff  gebildet  wird,  sind  diese  Zellen  nicht  mehr  verantwort- 
lich.  Dagegen  werden  die  Leberzellen  selbst  geschÀdigt  gefunden. 

Brugsch  und  E.  Frankel  -  Berlin:  Ueber  funktionelle 
Hypoeholie. 

Es  wurde  die  Einwirkung  von  Galle  auf  Seifen,  besonders  auf 
slearinsaures  Natron  untersucht.  Die  Galle  ist  imstande,  die 
Seifen  durch  Quellung,  Emulgierung  und  Lösung  resorptionsfÀhig 


zu  machen.  Nach  Verbitterung  von  Stearin  beim  normalen  Hund 
wird  die  Seife  resorbiert,  nach  Unterbindung  des  Gallengangs  wird 
sie  restlos  wieder  ausgeschieden.  Ebenso  ist  es  auch  beim  Men- 
schen. Der  Gesunde  resorbiert  fast  alles,  bei  völligem  Gallen 
gangsverschluß  wird  alles  ausgeschieden.  Die  Zwischenwerte 
zeigen  Störungen  der  Gallenwirkung,  die  bisher  unter  den  Begriff 
der  funktionellen  Pankreasachylie  gefallen  waren  und  die  mit 
Brugsch  als  funktionelle  Hypoeholie  bezeichnet  werden  sollten. 

K.  B  i  n  g  o  1  d  -  Hamburg-Eppendorf :  Ueber  Blutfarbstoffabbau 
und  Ikterus,  sowie  ĂŒber  die  diagnostische  Bedeutung  des  HĂ€matins 
im  strömenden  Blute. 

Insbesondere  bei  der  perniziösen  AnÀmie  sowie  bei  verschie- 
denen Toxikosen  findet  sich  HĂ€matin  im  Blute.  Auch  bei  durch- 
gebrochener TubargraviditÀt  kann  es  zu  HÀmatinikterus  kommen, 
der  auf  Resorption  hĂ€matinhaltiger  Extravasate  zurĂŒckzufĂŒhren 
ist.   HÀmatinbildung  findet  anscheinend  im  strömenden  Blute  statt. 

R  e  t  z  1  a  f  f  -  Berlin:  Experimentelle  und  klinische  BeitrÀge 
zur  Lehre  vom  Ikterus. 

R.  hat  die  Whipple-  und  H  o  o  p  e  r  sehen  Versuche,  die 
eine  wesentliche  StĂŒtze  des  anhepatogenen  Ikterus  bilden,  nach- 
geprĂŒft und  kann  sie  nicht  bestĂ€tigen.  Bei  Tieren,  deren  Leber 
ausgeschaltet  war,  konnte  er  durch  Vergiftung  mit  Phenylhydrazin 
nie  eine  Bilirubinvermehrung  im  Blute  feststellen.  Wenn  er  Galle 
ins  Duodenum  brachte,  so  stieg  beim  Menschen  und  Tier  der  Bi- 
lirubingehalt  des  Blutes,  und  zwar  sowohl  bei  Gesunden  wie  bei 
Ikterischen  nur  das  indirekte  Bilirubin.  Dasselbe  trat  nach 
Nahrungsaufnahme  und  nach  Einbringung  von  Pepton  und  Mag- 
nesiumsulfat ins  Duodenum  ein.  Diese  Resorption  der  Galle  aus 
dem  Darm  legt  den  Gedanken  nahe,  daß  das  gesamte  normale 
Bilirubin  im  Blute  durch  Resorption  aus  dem  Darm  entsteht.  Wenn 
aber  bei  Gesunden  und  Kranken  GallefĂŒlterung  das  Blutbilirubin 
erhöht,  so  erscheint  es  auch  plausibel,  den  hÀmolytischen  Ikterus 
auf  eine  vermein  te  Resorption  von  vermehrtem  Bilirubin  im  'Darm 
zurĂŒckzufĂŒhren.  Die  klinischen  Beobachtungen  lassen  sich  damit 
sowohl  wie  die  experimentellen  in  Einklang  bringen.  Der  Icterus 
haemolyticus  wÀre  demnach  ebenfalls  ein  hepatogener,  aber  ver- 
ursacht durch  einen  vermehrten  Blutzcrfall  und  dadurch  bedingte 
Bildung  von  pleiochromer  Galle  (in  der  Leber)  und  Resorption 
des  Bilirubins  im  Darm. 


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TĂŒbriken*  Charlotten  du rg -tyjuWien  Ei 


40.  Jahrg. —  Nr.  20/21. 


K  o  n  g  r  e  IIb  e  r  i  c  h t  e 


N fra berge r- Hamburg-Eppendorf:  Ueber  «Ii«'  Leberlunk- 
tion  in  der  Schwangerschaft 

Normalerweise  isi  in  der  Schwangerschaft  das  Bilirubin  nichl 
vermehrt  und  (ko  Beaklion  verzögert.  In  anderen  fÀllen  Iritl 
eine  Vermehrung  des  Bilirubingehaltes  auf,  teils  mil  verzögerter, 
teils  mit  direkter  Reaktion.  Ebenso  zeigen  viele  Schwangere 
eine  positive  LĂ€vĂŒloseprobe,  eine  Störung  der  Leberfunktion, 
LĂ€vulose  in  Dextrose  umzuwandeln. 

Lin s er- TĂŒbingen:  Ikterus  und  Salvarsan. 

In  manchen  FĂ€llen  steigt  nach  det  Salvarsaninjeklion  der 
Bilirubinspiegel  des  Blutes  an,  wahrend  dies  nach  Ilg  niemals 
beobachtet  werden  kann.  Die  Dosis  scheint  hierfĂŒr  keine  Bolle 
zu  spielen.  Fast  y3  aller  Falle  von  Lues  hatte  eine  erhöhte  Biliru- 
bin'Ă€mie,  oft  schon  im  seronegativen  Stadium.  Spezifische  Be- 
handlung hatte  ein  Absinken  des  Bilirubingehaltes  zur  Folge. 
Dies  beweist,  daß  die  meisten  FĂ€lle  von  Ikterus  bei  Lues  auf  die 
Lues  und  nicht  das  Salvarsan  zurĂŒckzufĂŒhren  sind. 

Thannhausen  v.  Miller,  .Schaber  und  M  o  n  c  a  r  p  9- 
MĂŒnchen:  Der  Cholesterinstoffweehsel  und  seine  Beziehung  zur 
UallensÀureausscheidung. 

Es  wurde  eine  Methode  ausgearbeitet,  Cholesterin  und  Gallen- 
sĂ€uren getrennt  zu  bestimmen.  Es  ließ  sich  feststellen,  daß  der 
Körper  auf  die  Zufuhr  von  Cholesterin  angewiesen  ist,  das  nur 
zusammen  mit  Fett  resorbiert  werden  kann.  Einen  Einfluß  auf 
die  GallensĂ€ureausscheidung  hat  die  CholesterinfĂŒlterung  nicht. 
Die  GallensÀuren  sind  vermutlich  kein  Stoffwcchselendprodukt. 

A.  A  d  1  e  r- Leipzig:  Chemisch-physikalische  Untersuchungen 
an  Gallenfarbstoffen  und  Cholesterin. 

Bei  geeigneter  Versuchsanordnung  und  Auswahl  geeigneter 
Adsorbentien  zeigte  sich  in  vitro,  daß  die  Adsorbierbarkeit  des 
Bilirubins  in  Anwesenheit  von  Cholesterin  oder  Lipoiden  herab- 
gesetzt wird.  Ferner  kann  unter  gewissen  Bedingungen  das  Uro-„ 
bilin  vom  Bilirubin  von  der  Adsorption  verdrÀngt  werden.  Kata- 
phoreseversuche  an  diesen  drei  Stoffen  ergaben  Resultate,  die  in 
gleicher  Richtung  sprechen.  Danach  wĂŒrde  sich  erklĂ€ren,  wieso 
es  bei  Stauungs-  und  katarrhalischem  Ikterus  zur  Bilirubinurie 
kommt,  denn  bei  diesen  ist  Cholesterin  im  Serum  stark  vermehrt. 
Das  Fehlen  von  Bilirubin  im  Harne  bei  dem  Icterus  neonatorum 


und  haemolytiCUS  wird  damit  zu  erklaren  versucht,  daß  das  Cho 
lesterin  vermindert  ist.  Hier  kommt  es  also  leicht  zu  Urobilinurie 
falls  Urobilin  im  Darm  gebildet  wird,  wie  beim  [ct.  haem. 

L  e  p  e  h n  e  -  Königsberg:  Ueber  die  Ausscheidung  der  Gallen- 
sÀuren beim  Lebergesunden,  Leberkranken  und  Neugeborenen. 

Sogenannte  Blasengalle  hat  höhere,  Leichengalle  geringere 
GallensÀurezahlen  gemessen  mil  der  Schwefelblumenprobe.  Icterus 
calarrhalis  zeigt  deutliche  Herabsetzung  der  Zahl  bis  1  :  10.  Aul 
der  Höhe  der  Erkrankung  scheint  die  Leber  wenig  GallensÀure  zu 
bilden.  Duodenalsaft  beim  Neugeborenen  zeigt  IMciochromie  ohne 
Zusammenhang  mil  dem  Icterus  neonatorum  in  Verbindung  mit 
einer  Verringerung  der  GallensÀurezahl. 

F.  R  o  B  e n t h  a  1 -Breslau:  Untersuchungen  ĂŒber  die  Topik 
der  Gallenfarbstoff bildung. 

Wenn  in  der  Tat  dem  Sternzellensystem  bei  der  Gallenfarb- 
stoffbildung  eine  ĂŒberragende  Bolle  zukommt  und  eine  funktio 
nelle  Ausschaltung  dieses  Systems  durch  Kollargolblockade  mög- 
lich ist,  dann  muß  sich  nach  intensiver  Kollargolbehandlung  die 
normale  Gallenfarbstoffbildung  bezw.  jede  Arl  von  Ikterus,  auch 
der  mechanische  Ikterus,  koupieren  oder  abschwÀchen  lassen. 

Es  wurde  untersucht  der  Einfluß  der  Kollargolblockade  auf 
die  normale  Biliverdinausscheidung  im  Taubenkot,  der  Einfluß  der 
Kollargolblockade  auf  den  Gallenfarbstoffgehalt  im  experimen- 
tellen Cholasgos  nach  Zerreißung  beider  GallengĂ€nge  und  der  Ein- 
fluß der  Kollargolblockade  auf  den  Blutikterus  nach  Unterbindung 
der  GallengÀnge. 

In  sÀmtlichen  Versuchen  an  der  Taube  konnte  eine  nennens- 
werte Beeinflussung  der  Gallenfarbstoffbildung  trotz  histologisch 
gesicherter  Kollargolblockade  der  K  u  p  f  f  e  r  sehen  Zellen  nicht 
festgestellt  werden.  Hieraus  dĂŒrfte  folgen,  daß  die  ĂŒberragende 
Rolle  der  Betikuloendothelien  bei  der  Gallenfarbstoffbildung  nicht 
bewiesen  ist.  Hieran  schließen  sich  Beobachtungen  ĂŒber  den 
"mechanischen  Ikterus  bei  Vögeln,  der  gleichzeitig  ein  grĂŒner  und 
gelber  Ikterus  ist,  und  dessen  Entslehungsmechanismus  eine 
StĂŒtze  fĂŒr  die  Minkowskische  Parapedeselehre  darstellt. 

L.  Strauß  und  E.  A  d  1  e  r- Frankfurt  a.  M.:  Untersuchungen 
zum  Mechanismus  der  Bilirubinreaktion  im  Serum  bei  Erkran- 
kungen der  Leber  und  des  Blutes. 


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XVI 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


Im  Hinblick  auf  die  große  Bedeutung  der  H.  v.  d.  Bergh- 
schen  Reaktion  wurden  Untersuchungen  angestellt,  die  zunÀchst 
in  vitro,  dann  in  großen  Serienuntersuchungen  zeigen,  daß  die 
Beschaffenheit  des  Serums  selbst,  d.  h.  ihre  Kolloide  und  Kristal- 
loide  maßgebend  fĂŒr  den  Ablauf  der  Reaktion  sind.  Und  zwar 
bei  fast  allen  Ikterischen  eine  Erhöhung  des  Na-Spiegels  und  eine 
Verminderung  der  Globulinfraktion  namentlich  beim  Icterus  ca- 
tarrh.  auf  der  Höhe  der  Erkrankung  und  bei  akuter  gelber  Leber- 
atrophie. Letztere  weniger  ausgesprochen  bei  Cholelithiasis  und 
dekompensierten  Herzfehlern.  Mutmaßung,  daß  die  Störung  im 
VerhÀltnis  von  Albuminen  zu  Globulinen  mit  einer  mangelhafteren 
SynthetisierungsfÀhigkeit  der  in  diesen  FÀllen  meist  pathologisch 
verÀnderten  Leberzelle  zusammenhÀngt. 

KĂ€mmerer-MĂŒnchen:  Zur  enterogenen  Urobilinbiklung. 

Jede  Stuhlaufschwemmung  vermag  Bilirubin  in  Urobilin  zu 
verwandeln.  Der  Mechanismus  ist  durch  Anaerobia  nicht  bedingt, 
da  die  StuhlĂŒberfĂŒhrung  auch  aerob  geschieht.  Erhöhung  auf  ĂŒ0° 
bringt  keine  VerĂ€nderung,  es  mĂŒssen  also  sporenlragende  Er- 
reger sein.  Maßgebend  fĂŒr  diesen  Mechanismus  sind  die  Unter- 
suchungen von  Bien  stock  ĂŒber  den  komplexen  Charakter  der 
EiweißfĂ€ulnis,  wo  aerobe  das  Wachstum  der  anaeroben  durch 
Wegnahme  des  Sauerstoffes  ermöglichen.  SÀurebildung  (Koli  etc.) 
hemmt  die  Urobilinbildung. 

R  a  b  e  -  Hamburg-Eppendorf :  Zur  Desinfektion  der  Gallen- 
wege. 

Mit  einem  Produkt,  das  erst  durch  Umsetzung  in  der  Leber 
zur  Wirksamkeil  kommt,  konnte  beim  Hunde  Steigerung  der 
Gallenmenge  und  Herabgehen  der  Keimzahl  bis  auf  Vso  gesehen 
werden.  NachprĂŒfung  am  Menschen  ergab  Ansteigen  der  Gallen- 
menge auf  das  2 — 3  fache  und  ebenfalls  Verringerung  der  Keim- 
zahl. In  FĂ€llen  von  frischer,  fieberhafter  Cholangitis  trat  Ent- 
fieberung sowie  subjektive  und  objektive  Besserung  auf.  Bei 
chronischer  Cholelithiasis  ist  das  PrÀparat  nicht  zu  empfehlen. 
Gustav  Sing  er- Wien:  Zur  Chemotherapie  der  Gallenwege. 

In  frĂŒheren  Versuchen  wurde  die  gĂŒnstige  Wirkung  von  Me- 
tallen, besonders  kolloidalen  SilberprĂ€paraten,  bei  EntzĂŒndungen 
der  Gallenwege  klinisch  erprobt.  Es  kam  darauf  an,  solchen  wirk- 
samen Körpern  eine  erhöhte  elektive  AffinitÀt  zum  Lebergewebe 


zu  verleihen.  Hier  kamen ‱  vor  allem  die  GallensĂ€uren  in 
Betracht.  Der  Autor  war  bestrebt,  durch  Kuppelung  von  Gallen- 
sÀuren mit  pharmakologisch  wirksamen  Körpern  zu  Produkten 
mit  elektiv  auf  die  Leber  eingestellter  Wirksamkeit  zu  gelangen. 
Ein  Teil  dieser  Untersuchungen,  die  in  Gemeinschaft  mit  R.  Will- 
heim ausgefĂŒhrt  sind,  wird  mitgeteilt,  wobei  eine  Verbindung 
von  GallensÀuren  mit  kolloidalem  Silber,  das  in  der  Gonorrhöe- 
therapie  bekannte  PrĂ€parat  „Choleva  1"  intravenös  zur  Anwen- 
dung kam.  In  mehr  als  15  FĂ€llen  von  Cholangitis  und  Cholezystitis 
wurde  mit  intravenöser  Applikation  von  10 — 20  cem  1  proz.  Lösung 
(manchmal  zwei  bis  drei  Tage  hintereinander)  rascher  RĂŒckgang 
und  Schwinden  aller  anderen  Krankheitserscheinungen  auch  bei 
vorher  langwierigen  Prozessen  erzielt. 

E.  Grate-  Rostock  (nach  Untersuchungen  mit  H.  Freund: 
Chemische  WĂ€rmeregulation  und  Eiweißstoffwechsel. 

FrĂŒhere  Versuche  hatten  eine  Steigerung  des  Eiweißstoff-  ] 
wechseis  nach  Ausschaltung  der  WĂ€rmeregulation  mittels  Durch- 
trennung des  Halsmarkes  ergeben,  wÀhrend  nach  Brustmark- 
durchschneidung,  die  nur  die  physikalische  WĂ€rmeregulation  aus- 
schaltet, etwa  normaler  Eiweißstoffwechsel  vorhanden  ist.  Adre- 
nalin verringerte  im  Gegensatz  zu  den  Angaben  anderer  Autoren 
den  Eiweißstoffwechsel.  Trotz  Steigerung  des  Stoffwechsels  sank 
beim  nÀchtlichen  Absinken  der  Thermostatentemperatur  die  1 
Körpertemperatur. 

K.  D  r  e  s  e  1  und  E.  W  o  1 1  h  e  i  m:  Physikalische  und  chemische  1 
VerÀnderungen  des  Blutserums  nach  Nahrungsaufnahme  bei  Ge-  3 
sunden  und  Leberkranken. 

Bei  positivem  Ausfall  der  W  i  d  a  1  sehen  Leberfunktionsprobe  | 
zeigte  sich  konstant  eine  VerdĂŒnnung  des  Blutserums,  beobachtet  I 
am  Verhalten  der  Polarisation  und  des    Rest-N.  Lebergesunde» 
dagegen  zeigten  eine  Eindickung  des  Blutserums  nach  Nahrungs-B 
aufnÀhme.   Die  Verdiinnung  beim  LebergeschÀdigten  ist  der  Aus-B 
druck  eines  parasympathischen  Reizzustandes  —  Ă€hnlich  dem  ana-W 
phylaktischen  Schock  —  wĂ€hrend  die  Eindickung  Symptom  einesj 
sympathischen  Reizzustandes  ist.    Diese  Aenderung  der  Konzen- 
tration des  Blutserums  erwies  sich  als  zuverlĂ€ssiger  fĂŒr  die  Be- 
urteilung der  Leberfunktion  als  das  Verhalten   der  Leukozyten- 
kurve. 


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Die  Folgen  des  Krieges.  Einfluß 
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f  ucht  ..ngsmöglichke't.  Krankheits- 
zustÀnde,  d  e  Unfruchtbarkeit  be- 
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Erkrankungen  allgemeiner  Natur 
u.  m.  w. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


Kongreß  berichte 


XVII 


E.  R  e i s  s -  Frankfurt  a.  M.  und  II.  Wör  n  er-Weißenfels: 
Neuere  Untersuchungen  ĂŒber  alimentĂ€re  Galaktosuric  bei  Leber- 
krankheiten. 

Die  akute  gelbe  Leberatraphie  und  der  Icterus  catarrhalis  zei- 
gen eine  ganz  besondere  Intoleranz  gegen  Galaktose.  Wahrschein- 
lich ist  die  ParenchymschĂ€digung  der  Leber  hierfĂŒr  verantwort- 
lich zu  machen.  Die  PrĂŒfung  auf  alimentĂ€re  Galaktosuric  ist  da- 
her nicht  eine  allgemeine  LeberfunktionsprĂŒfung,  sondern  gibt  uns 
Anhaltspunkte  fĂŒr  bestimmte  SchĂ€digungen. 

V.  Schilling-  Berlin :  ErgÀnzungen  zur  Leberdiagnostik 
durch  das  Blutbild. 

Bei  der  Schwierigkeit  klinischer  Leberdiagnostik  hat  die 
symptomatische  Verwertung  des  Blutbildes  große  praktische  Be- 
deutung. Die  gestörte  Leberfunktion  an  sich  wirkt  kaum  auf  das 
Blutbild.  Dagegen  verÀndern  alle  blutwirksamen  Prozesse,  auch 
in  der  Leber  lokalisiert,  das  Blutbild  in  einer  oder  mehreren  seiner 
Komponenten  (rotes  Blutbild,  L.-Zahl,  DifferentialverhÀltnis,  Kern- 
verschiebung). Cholangitis  und  Leberabszeß  sind  diagnostisch, 
symptomatisch  und  prognostisch  durch  leukozytÀre  Bilder  gegen 
Gallensteine  und  Tumoren  zu  sondern;  hÀmolytischer  Ikterus  zeigt 
starke  rote  Blutmauserung  im  „dicken  Tropfen",  infektiöser  Ikte- 
rus infektiöses  Leukozyten-  und  toxisches  rotes  Blutbild,  katarrha- 
lischer und  sonstiger  Stauungsikterus  sehr  geringe  VerÀnderung. 

Diskussion  der  vorangegangenen  VortrÀge. 

Frank-  Breslau  sucht  aus  dem  unklaren  Gebiet  der  hyper- 
trophischen Leberzirrhose  eine  besondere  klinische  Form  heraus- 
zuschĂ€len, die  durch  großen  Milztumor,  AnĂ€mie,  Leukopenie  und 
Thrombopenie  charakterisiert  ist  und  die  schwere  SchÀdigung 
der  Leber  durch  funktionelle  PrĂŒfung  sehr  gut  erkennen  lĂ€ĂŸt.  Der 
bei  dieser  Krankheit  bestehende  Ikterus  wird  durch  die  Milz- 
exstirpation beseitigt,  diese  bedeutet  offenbar  eine  maximale  Scho- 
nung der  Leber,  der  nunmehr  die  beim  Zerfall  der  Erythrozyten 
entstehenden  Stoffe  nicht  mehr  oder  viel  verzögerter  zufließen. 

G  r  u  n  e  n  b  e  r  g  -  Berlin:  Das  direkte  und  indirekte  Bilirubin 
lĂ€ĂŸt  sich  durch  seine  Chloroformlöslichkeit  trennen.  Das  indi- 
rekte Bilirubin  ist  in  Chloroform  löslich,  das  direkte  nicht.  Zu- 
satz von  Alkali  zum  chloroformlöslichen  Bilirubin  macht  es  chlo- 
roformunlöslich.   Zusatz  von  SÀure  zum  chloroformunlöslichen 


Bilirubin  macht  dies  chloroformunlöslich.  Unterschiede  im  spek- 
trophotometrischen  Verhallen  lassen  sich  nicht  finden. 

Schiff -Berlin:  Bei  grĂ¶ĂŸeren  Kindern  mit  Ikterus  ließen 
sich  2  verschiedene  Typen  unterscheiden.  Bei  allen  bestand  Uro- 
bilinurie  und  GallensÀurcausscheidung  im  Urin,  BilirubinÀmie, 
osmotische  Resistenzerhöhung  und  Hypercholest°rinÀmie.  Die 
Differenz  bestand  allein  im  Ausla"  '  "x;'>7.oreaktion.  WĂ€hrend 
3  Monate  hindurch  nur  indirekte  Beaktionen  zur  Beobachtung 
kamen,,  Ă€nderte  sich  das  Bild  dann  insofern,  daß  die  direkte  Be- 
aktion  prompt  ausfiel.  Das  Serumbilirubin  kann  also  auch  beim 
Stauungsikterus  die  indirekte  Beaktion  geben  und  es  kann  durch 
den  Harn  auch  zur  Ausscheidung  gelangen.  Der  verschiedenartige 
Ausfall  der  Diazoreaktion  zeigt  wahrscheinlich  nur  eine  verschie- 
denartige Lokalisation  des  zum  Ikterus  fĂŒhrenden  pathologischen 
Prozesses  an. 

P  1  a  u  t  -  Hamburg:  Es  wurde  die  WĂ€rmeregulation  nach  Zer- 
störung des  Plexus  coeliacus  untersucht  und  gefunden,  daß  die 
chemische  WĂ€rmeregulation  durch  die  angegebene  Operation  ge- 
stört wird. 

Schnabel:  Bei  Pneumokokkeninfektion  lĂ€ĂŸt  sich  in  geeig- 
neten FĂ€llen  HĂ€matinbildung  nachweisen. 

N  a  e  g  e  1  i  -  ZĂŒrich:  In  der  Ikterusfrage  mĂŒssen  wir  vor  allem 
die  klinische  Basis  erweitern.  Die  HĂ€moklasieprobe  sollte  in 
allen  FĂ€llen  durchgefĂŒhrt  werden,  desgleichen  die  Probe  auf  Gal- 
lensĂ€ure. Nur  aus  der  ĂŒberragenden  Mehrzahl  der  FĂ€lle  können 
SchlĂŒsse  gezogen  werden.  Beim  katarrhalischen  Ikterus  sind 
Darmstörungen  oft  nicht  vorhanden.  Oft  stellen  sich  nach  einigen 
Jahren  MilzvergrĂ¶ĂŸerungen  etc.  ein. 

V.  S  c  h  i  1 1  i  n  g  -  Berlin:  Die  Bolle  der  Sternzellen  ist  durch 
Aschoff  zu  sehr  bei  der  Bilirubinbildung  in  den  Vordergrund 
gerĂŒckt  worden.  Die  Sternzellen  sind  ein  Netz,  durch  das  alle 
Stoffwechselprodukte  hindurchgehen.  Sie  haben  eine  Schutz- 
wirkung. 

W  e  s  l  p  h  a  1  -  Frankfurt  a.  M.:  Im  Duodenalsaft  von  Ikterus- 
fÀllen  finden  sich  hÀufig  Protozoen  (Lamnia  intestinalis).  Desgl. 
im  Stuhl.  Die  Lamnien  können  in  die  Galle  eindringen.  Es  schei- 
nen Beziehungen  zwischen  dem  Auftreten  von  Lamnia  und  Ikterus 
zu  bestehen. 

L  i  c  h  t  w  i  t  z  -  Altona :    Das  Ulcus  duodeni  geht  sehr  hÀufig 


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XVUI 


Kongreß  berichte 


41).  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


mit  vermehrtem  Bilirubin  im  Blute  einher  solange  es  Beschwerden 
macht. 

W  ö  r  n  e  r  -  Frankfurt  a.  M.  macht  noch  einmal  auf  die  Bedeu- 
tung der  GalakloseprĂŒfung  fĂŒr  die  Beurteilung  der  Leberfunktion 
aufmerksam.    Einige  Beispiele  werden  hierfĂŒr  gegeben. 

L  e  s  c  h  k  e  -  Berlin:  Die  hÀmoklasische  Krise  beruht  wahr- 
scheinlich auf  einer  mangelnden  synthetischen  Funktion  der  Leber. 
AminosÀuren  bewirken,  intravenös  injiziert,  einen  Leukozyten- 
sturz. Per  os  verfĂŒttert  machen  sie  beim  Normalen  keine  Krise. 
Lieber  die  extrahepatische  Bilirubinbildung  ist  zu  sagen,  daß  man 
immer  24  Stunden  nach  der  Einverleibung  von  HĂ€moglobin  Bili- 
rubinbildung extrahepatisch  beobachten  kann. 

Semmler  -  Berlin  demonstriert  Kurven  ĂŒber  die  Einwirkung 
der  AminosÀuren  auf  den  Blutbefund  und  deutet  sie  als  anaphylak- 
lischen  Schock. 

G.  Klemperer  -  Berlin :  Man  unterscheidet  am  besten 
leichten  Ikterus  und  Icterus  gravis.  Dann  umgehen  wir  den  Aus- 
druck Ikterus  catarrhalis.  Sehr  wichtig  wÀren  bestimmte  Anhalts- 
punkte fĂŒr  die  Schwere  eines  Falles.  Diagnostische  UnterstĂŒtzung 
kann  die  Untersuchung  des  Duodenalsaftes  geben.  Insbesondere 
ist  der  Befund  von  Eiterkörpereben  von  Wichtigkeit.  ErhÀlt  man 
mit  Pepton  keine  Galle,  so  kann  man  eine  Schrumpfung  der  Gallen- 
blase vermuten.  FĂŒr  die  Funktion  der  Leberzellen  empfiehlt  sich 
die  von  Amerikanern  angegebene  Farbmethode.  Das  feinste  Rea- 
gens bildet  aber  die  klinische  Allgemeinuntersuchung,  insbesondere 
auf  zerebrale  Erscheinungen. 

Stepp-  Gießen:  Durch  Wittepeptön  wird  nicht  eine  vermehrte 
Gallenbildung,  sondern  eine  Kontraktion  der  Gallenblase  erzielt. 
Der  Beweis  hierfĂŒr  wird  auf  verschiedenen  Wegen  gefĂŒhrt.  Lam- 
nia  intestinalis  hat  auch  er  hÀufiger  gefunden. 

Schade- Kiel:  Die  Methoden  der  GallensÀuremessung  be- 
ruhen auf  Aenderungen  der  OberflÀchenspannung.  Diese  Werte 
sind  aber  fĂŒr  die  Konzentration  der  GallensĂ€uren  nicht  zu  ver- 
werten. 

BĂŒrger-  Kiel:  Die  Veresterung  des  Cholesterins  verhĂ€lt  sich 
verschieden  beim  mechanischen  und  funktionellen  Ikterus.  Die 
GrĂŒnde  hierfĂŒr  werden  besprochen.  Sind  GallensĂ€uren  vermehrt 
im  Blute,  so  findet  man  das  Fett  gelöst  im  Serum  nicht  als  HÀmo- 
konien.  Die  Vermehrung  des  Rest-N  fand  sich  auch  in  FĂ€llen,  die 
sicher  keine  akuten  gelben  Leberatrophien  waren. 


V  o  1  h  a  r  d  -  Halle:  Bei  dem  in  letzter  Zeit  beobachteten,  epide- 
misch aufgetretenen  Ikterus  hat  Grote  einen  sehr  starken  Blut- 
zerfall bei  einem  Kranken  beobachtet.  —  Sicher  gibt  es  FĂ€lle  von 
echtem  Icterus  catarrhalis.  —  Oft  findet  der  Chirurg  bei  langer 
Stauung  keine  Galle  in  den  Gallenwegen.  Hier  muß  die  Leber- 
zelle fĂŒr  den  Ikterus  verantwortlich  gemacht  werden. 

G  u  n  d  e  r  m  Ă€  n  n  -  Gießen  weist  auf  ZusammenhĂ€nge  zwischen 
Gallensekretion  und  Urinmenge  hin. 

Fisch  ei  r  :  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  Blutfarbstoffe 
erst  vollstÀndig  abgebaut  werden  und  dann  eine  Synthese  der  ver- 
schiedenen Farbstoffe  beginnt. 

E  m  b  d  e  n  -  Frankfurt  a.  M.:  Untersuchungen  des  Cholesterin- 
gehaltes der  verschiedenen  Organe  bei  Avitaminosen  ergaben  eine 
sehr  starke  Cholesterinvermehrung  yn  Blut.  Muskel  usw. 

Gotjt,schalk -Frankfurt  a.  M.:  Viele  Schwangere  zeigen 
eine  SchÀdigung  ihres  Zuckerstoffwechsels  als  Ausdruck  ihrer 
LeberschÀdigung. 

Beckmann  weist  auf  Verschiedenheiten  in  der  Ausschei- 
dung des  direkten  und  indirekten  Bilirubins  in  der  Niere  hin. 

v.  F  r  i  e  d  r  i  c  h  -  Frankfurt  a.  M.:  Bei  verschiedenen  Ikterus- 
formen,  abgesehen  vom  mechanischen  Ikterus,  wurde  der  Chole- 
steringehalt des  Blutes  und  des  Duodenalsaftes  bestimmt.  Es  zeigte 
sich  bei  verschiedensten  Ikterusformen,  daß  im  Duodenalsaft  Cho- 
lesterin nicht  nachzuweisen  war,  im  Blut  war  teils  Hyperchole- 
sterinÀmie,  teils  normale  Werte.  Nach  Ablauf  des  Ikterus  kehren 
in  den  meisten  FÀllen  normale  VerhÀltnisse  wieder,  aber  in  einigen 
bleibt  eine  verzögerte  Cholesterinausscheidung.  Die  Unter- 
suchungen geben  einen  Hinweis,  daß  die  Leber  auch  beim  sog. 
Ict.  catarrh.  geschĂ€digt  ist,  ferner  daß  man  die  Partialfunktionen 
der  Leber  unterscheiden  muß. 

W  ei  t  z  -  TĂŒbingen  weist  auf  die  Wichtigkeit  von  Farben- 
intensitÀt und  Farbton  im  Urin  und  Serum  bei  Leberkranken 
hin  und  demonstriert  einen  Apparat  zur  Untersuchung  dieser 
Dinge. 

B  i  1 1  o  r  f  -  Breslau:  Beim  mechanischen  Ikterus  ohne  Leber- 
zellschÀdigung steigt  der  Sekretdruck  in  den  Zellen  durch 
Stauung  in  den  Kapillaren,  so  daß  durch  die  Leberzelle  auch  an 
den  nicht  prÀformierten  Stellen  Galle  durchtritt.  Beim  hÀmoly- 
tischen Ikterus  steigt  der  Sekretdruck  durch  die  Sekretbildung  in 
der  Zelle  selbst.    Bei  allen  Ikterusformen  mit  ParenchvmschÀdi- 


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die  Baded Irelt/Ion  I 


10.  .Jahrg.  —  Nr.  20  21 


K  o  n  g  r  e  ß  h  «■  r  i  <■  Ii  t  r 


XIX 


■Aun&  muß  die  Minkowski  sehe  Lehre  von  der  Parapedese 
herangezogen  werden.    Der  große  Unterschied  in  dem  klinischen 
Bilde  des  hÀmolytischen  Ikterus  und  des  mechanischen  Ikterus 
weist  auf  verschiedene  Hindling  des  Bilirubins  im  Hinte  hin,  eni 
sprechend  der  direkten  und  indirekten  Reaktion. 

Lohr- Kiel:  An  Gallenfisteln  nach  Operationen  wurden  die 
verschiedenen  Chemotherapeutika  ausprobiert  und  festgestellt,  daß 
sieh  die  Bakterienflora  /.war  unterdrĂŒcken  lĂ€ĂŸt,  sobald  die  Mittel 
aber  abgesetzt  werden,  treten  die  Bakterien  wieder  auf,  weil  sie 
in  den  Wandungen  der  <  lallenblase  angesiedelt  sind 

Heß -Köln:  Es  wurden  bei  ultramikroskopische  r  Unter- 
suchung des  Serums  von  lklerisehen  eigenartige  Gebilde  gefunden, 
die  sieh  von  den  roten  Blutkörperchen  herleilen  und  nur  selten 
bei  Nichtikteri sehen  gefunden  werden. 

H  e  r  x  h  e  i  m  e  r -Wiesbaden  warnt  vor  UeberschÀtzung  der 
anatomischen  Befunde.  Zentrale  LÀppchennekrose  wird  sehr  hÀu- 
fig gefunden.  Ks  muH  doch  eine  funktionelle  Störung  hinzukom- 
men. Das  retikuloendothelialc  Gewebe  darf  nicht  ĂŒberschĂ€tzt 
werden. 

R  et  zl  a  f  f  -  Berlin  wendet  sich  gegen  die  Ansicht  Stepp.s, 
daß  durch  das  Wittepepton  nur  die  Gallenblase  entleert  wird. 

A  d  1er-  Leipzig:  Wichtig  ist  die  Untersuchung  des  Quotienten 
iles  Stuhl-  und  Urinurobilins,  die  mehrere  Tage  nacheinander  vor- 
genommen wei  den  muß.  ■ 

Lepehne- Königsberg:  Das  letzte  Wort  ist  auch  durch  die 
heute  von  Rosentha  1,  R  e  I  z  1  a  f  f  usw.  vorgetragenen  An- 
sichten ĂŒber  den  retikuloendothelialen  Apparat  nicht  gesprochen 
Auf  verschiedene  FehlschlĂŒsse  wird  hingewiesen. 

Minkowski -Breslau:  Eppinger  hat  sich  seinen  An- 
sichten sehr  genĂ€hert.  Die  heutige  Diskussion  hat  ergeben,  daß 
das  retikuloendotheliale  Gewebe  in  seine  ihm  gebĂŒhrenden  Schran- 
ken gewiesen  werden  muH.  Schon  in  einer  sehr  allen  Arbeit  mit 
Naunyn  wurde  gezeigt,  daß  Bilirubinbildung  extrahepatisch 
möglich  ist,  daß  aber  die  rlauptmenge  in  der  Leberzelle  entsteht. 

Auch  das  mechanische  Moment  ist  in  der  Auffassung  Eppin- 
gers  zurĂŒckgetreten.  Schon  vor  vielen  Jahren  hat  M.  den  Ver- 
gleich zwischen  SchÀdigung  der  Leberzelle  und  BilirubinÀmie  und 
SchÀdigung  der  Nierenzelle  und  Albuminurie  gezogen.  Auch  die 
Benennung  des  Icterus  simplex  als  ..sog."  Icterus  catarrhalis  ist 
von  M.  schon  im  ..Mehring"  erfolgt  und  auf  die  Vielgestaltigkeil 


dieser  Krankheil  hingewiesen     Die  Milz  scheint  bei  dem  Unter 
gang  der  roten  Blutkörperchen  eine  Rolle  zu  spielen.   Auch  den 
hĂ€molytischen  Ikterus  aber  macht  die  Leberzelle.  Schließlich 
wird  auf  die  Bedeutung  der  Untersuchung  der  Duodenalgalle  tun 
gewiesen 

llijmnnn  v.  d.  B  e  r  gh  -  Amsterdam:  Es  ist  sehr  schwer,  die 
Krage  zu  entscheiden,  ob  das  Bilirubin  in  den  Sternzellen  entstehe 
oder  nicht.  Das  ist  aber  gar  nicht  so  wichtig.  Daß  der  Ikterus 
durch  extrahepatische  Bilirubinbildung  entstehen  kann,  ist  nicht 
wahrscheinlich.  Dies  kann  höchstens  zu  einer  gering  vermehrten 
BilirubinĂ€mie  fĂŒhren.  Die  Milz  spielt  sicher  eine  grolle  Rolle 
Die  Frage,  ob  es  mehrere1  Arien  von  Bilirubin  gibt,  ist  noch  nichl 
entschieden,  aber  unwahrscheinlich.  Vermutlich  sind  physikalisch 
chemische  A ender nngen  fĂŒr  die  verschiedene  Reaktion  verant- 
wortlich. —  Klinisch  sind  wir  jedenfalls  durch  die  Forschung  der 
letzten  Jahre  weitergekommen,  was  an  Beispielen  gezeigt  wird. 

E  p  |>  i  n  g  e  r  -  Wien    Schlußwort  . 

C  laudius-  Kopenhagen:  Eine  Methode  zur  Mikrobestimmung 
des  Chlors  im  Blute  und  anderen  albuminhaltigen  Medien. 

Die  Lösung  wird  mit  7,00  AgNO.-.  versetzt,  einige  Tropfen 
ilNO:,  ‱  zugefĂŒgt,  gekocht.  Kaliumpermanganat  zugesetzt,  nach 
Kochen  absoluter  Alkohol  hinzugefĂŒgt  und  schließlich  nach  Zusatz 
\  on  Eisen  als  Indikator  mit  Vaoo  Rhodankaliumlösung  titriert. 

R  o  t  h  e  r  -  Berlin:  Mikrobe  Stimmung  der  HarnsÀure  im  Blute. 

Eine  Kritik  der  analytischen  Methodik  ergab,  daß  Phosphor 
wolframsÀurecholorimetrierungen  nur  bis  zu  einer  gewissen 
Grenze  ausreichend  exakt  sind.  DarĂŒber  hinaus'sind  die  Kolori- 
riieterwerte  viel  zu  gering  im  Vergleich  zu  den  laisÀchlich  vor- 
handenen HarnsÀureniengen.  Es  gibt  bisher  keine  Methode, 
welche  Eiweißkörper  aus  Blul  oder  Serum  quantitativ  entfernt, 
ohne  betrÀchtliche  HarnsÀureniengen  mit  auszufÀllen.  Hydrolyse 
des  gesamten  Blutes  und  nachherige  HarnsÀurebestimmung  ver- 
spricht bessere  Resultate.  Als  Ersatz  fĂŒr  die  unbestĂ€ndige  Harn- 
sÀurestandardlösung wird  Verwendung  einer  wÀssrigen  Hydra- 
zinsulfatlösuJiig  empfohlen,  die  auch  an  der  Luft  unverÀndertes 
Reduktionsvermögen  behÀlt 

G  e  h  r  i  g  -  Hamburg-Eppendorf:  Kohlehydratreiche  Nahrungs- 
mittel und  GlykÀmie. 


ZurunaufTÀlligen  diÀtetischen  Darreichung  krÀftiger  Bromdosen 

»HauptsÀchlich  ist  die  erhöhte  WirksamKeit  in  dieser  Form  wohl 
derguten  Resorption  zuzuschreiben  Ichselbst  konnte  feststellen 
dass  eine  deutliche  Wirkung  einmal  6,  ein  zweites  Mal  be- 
reits Minuten  nach  dem  Trinken  einer  in  100  ccm  heis- 
sen  Wassers  gelösten  Tablette  eintrat«  Mange/sdorf 

Anfragen: 

WissenschaPtl.  Abtlg.  der  Chemischen  Werke  Grenzach  AG. 
Berlin,  SW.  WilhelmsTr.  38 


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4.  durch  Ungiftigkeit; 

5.  es  tritt  kein  Verkleben  der  Verbandstoffe  ein; 

6.  Jdiosynkrasien,  wie  sie  bei  Jodoform  und  anderen  jodhaltigen  Antiseptisin 
hÀufig  vorkommen,  sind  nie  beobachtet  worden; 

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XX 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


Kohlehydratreiche  Nahrungsmittel  zeigen  eine  ziemlich  kon- 
stante Kurve  der  HyperglykÀmie.  Bei  Diabetikern  steigt  der  Blut- 
zucker höher  an  und  fÀllt  langsamer  ab. 

Haas-Gießen.  Ueber  die  Millen  sehe  Reaktion  im  Blute 
und  deren  quantitativer  Ablauf. 

Bei  entsprechendem  Vorgehen  gelingt  es,  die  M  i  1 1  o  n  sehe 
Probe  im  Sinne  der  Weiß  sehen  Modifikation  auch  auf  das  Blut 
zu  ĂŒbertragen  und  im  enleiwei'ßten  Blutserum  die  mit  der  Mil- 
l  o  n  sehen  Probe  reagierenden  Stoffe  nicht  nur  qualitativ,  sondern 
auch  quantitativ  zu  bestimmen.  Aus  der  Summe  der  die  Mi  Hon 
sehe  Reaktion  gebenden  Substanzen  gelang  es  ferner,  einzelne 
Fraktionen  abzutrennen.  Erhöhte  Werte  der  Àtherlöslichen  und 
hitzeunbestĂ€ndigen  Fraktion  sprechen  fĂŒr  vermehrte  Eiweißein- 
schmelzung unter  bakteriellem  Einfluß,  wĂ€hrend  die  wasserlös- 
liche, hitzebestĂ€ndige  Fraktion  fĂŒr  die  akute  gelbe  Leberatrophie 
von  Bedeutung  ist. 

E.  K  f  a  u  li  -  MĂŒnchen :  Die  Ausscheidung  der  harnfĂ€higen 
Stoffe,  insbesondere  der  HarnsĂ€ure,  unter  dem  Einfluß  von  subku- 
tanen Adrenalingaben. 

Bei  der  essentiellen  Hypertonie  wird  ineist,  trotz  erhöhter 
HarnsĂ€ure  im  Serum,  ein  niedriger  endogener  Ha r nsĂ€ĂŒrewe'r t  im 
Urin  gefunden.  Bei  Gesunden  ist  in  einer  kĂŒnstlich  durch  Adrenalin 
erzeugten  Hochdruckperiode  die  Stickstoff-,  Harnstoff-.  Kreatinin- 
und  Kochsalzausscheidung  meist  gesteigert,  die  HarnsÀureaus- 
scheidung  verringert,  sobald  sieh  ein  stÀrkerer  Anstieg  des  Blut- 
drucks gellend  macht.  Die  Wasserausscheidung  ist  meist  ver- 
ringert, kann  aber  auch  erhöht  sein.  Im  Serum  staut  sich  die 
HarnsÀure  wÀhrend  der  Hochdruckperiode.  Der  Grad  der  Harn- 
sĂ€ur everminderyng  im  Urin  scheint  zum  großen  Teil  abhĂ€ngig 
von  der.  Reaktion  des  Blutdrucks  zu  sein.  Es  gibt  demnach  in 
der  Niere  eine  Partialf  unk  tion,  die  isoliert  geschÀdigt  werden 
kann.  Als  SpÀtwirkung  der  Adrenalininjeklion  ist  eine  vermehrte 
HarnsÀureausscheidung,  bedingt  durch  vermehrtes  Angebot,  zu 
beobachten. 

Wilhelm  Stepp  und  Behrend  B  e  h  r  e,n  s  -  Gießen:  Darf 
BrenztraubensÀure  als  Quelle  des  Azetaldehyds  im  menschlichen 
Körper  angesprochen  «  erden? 

Wenn  man  steril  entnommenes  Blut  mit  BrenztraubensÀure 


versetzt  und  nach  Beigabe  von  Dinatriumsulfat  12  Stunden  bei 
.'57°  hÀlt,  so  wird  aus  der  BrenztraubensÀure  Azetaldehyd  abge- 
spalten. Im'  menschlichen  Blute  kommt  also  ein 
Ferment  vor,  das  BrenztraubensÀure  in  Azetnl- 
d  e  h  y  d  und  KohlensÀure  zerlegt  (C  a  r  b  o  x  y  1  a  s  e 
Der  von  Step  p  und  Feulgen  als  normales  intermediÀres  Stoff- 
wechselprodukt erkannte  Azetaldehyd  stammt  also  aus  der  Brenz- 
traubensĂ€ure. Der  Zuckerabbau  geht  beim  Menschen  ebenso  ĂŒber 
die  BrenztraubensĂ€ure-Azetaldehydslufe,  wie  das  fĂŒr  die  alkoho- 
lische HefegÀrung  von  Neuberg  gezeigt  wurde. 

S.  J.  Thann  haus  er  und  St.  Weiß-MĂŒnchen  Ueber  die 
Vorstufe  des  Pigmentes  bei  melanotisehen  Tumoren. 

Aus  den  Nieren  zweier  Kranker  konnte  ein  Melanogen  isoliert 
werden,  welches  die  Untersucher  als  BrenzkatechinessigsÀure 
-  HomoprolokatechusÀure)  identifizierten.  Durch  diesen  Befund  ist 
es  wahrscheinlich,  daß  in  der  Pigmentzelle  und  in  der  Neben- 
niere ein  Ferment  vorhanden  ist.  das  aus  EiweißspaltstĂŒcken,  die 
einen  Phenylresl  enthalten,  Brenzkatechinderivate  zu  bilden  im- 
stande ist  (Brenzkatechinase).  Der  Zusammenhang  zwischen 
Nebenniere  und  Pigmentbildung  dĂŒrfte  nicht  in  dem  Produkte  der 
inneren  Sekretion  der  Nebenniere,  dem  Adrenalin,  zu  suchen  sein, 
sondern  in  der  Anwesenheit  eines  gleichartigen  Fermentes  (Brenz- 
katechinase) in  der  Nebenniere  und  Pigmentzelle. 

0.  Adler-  Karlsbad:  Ueber  das  Melanin. 

Das  Melanin  ist  kein  einheitliches  Produkt.  Tumormelanin  und 
MelaninsÀure  sind  zu  unterscheiden.  Die  MelaninsÀuren  zeigen 
SĂ€urenatur,  sind  gegen  Reduktionsmittel  sehr  resistent,  von  Oxy- 
dationsmitteln werden  sie  leicht  verbrannt.  Die  Gerinnung  des 
Blutes  wird  gehemmt.  Es  gelingt,  eine  große  Zahl  von  Melanin- 
sÀuren darzustellen.  Dies  ist  nur  aus  aromatischen  Stoffen 
möglich. 

Offenbache  r  -  FĂŒrth:  Die  alimentĂ€r-glykĂ€mische  Reaktion 
und  ihre  diagnostische  Bedeutung. 

50  g  Dextrose  werden  in  300  cem  FlĂŒssigkeit  verabreicht  und 
Blutzucker  und  Harnzucker  verfolgt.  Diese  Methode  wird  als  Me- 
thode der  Wahl  vorgeschlagen,  da  mit  ihr  gleichmĂ€ĂŸige  Resultate 
gewonnen  werden,  wie  an  zahlreichen  Beispielen  gezeigt  wird. 


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K).  Jahrg.     Nr.  20/21. 


K  im  g  r  e  II I)  e  r  i  c  Ii  t  e 


XXI 


U 1  Itaann- Berlin:  Die  Bedeutung  der  endogenen  HarnsÀure- 
ausseheidang  bei  Lobererkrankangen, 

Bei  einer  Beihe  von  Erkrankungen  mit  Ikterus  wurde  die1 
HarnsÀureausscheidung  bei  purinfreier  Kost  fortlaufend  unter- 
sucht. Dabei  wurde  folgendes  gefunden:  FĂ€lle  von  subakuter 
Leberatrophie  zeigen  in  den  mehr  akuten  Stadien  eine  grolle  Harn 
saureausscheidung.  Sie  kann  Werte  von  1,5—2  g  laglieh  erreichen 
Schwerere  FĂ€lle  von  katarrhalischem  Ikterus  bedingen  Werte  von 
100 — 800  mg.  Keine  Erhöhung  der  HarnsĂ€urcwerlc  wurde  bei 
leichten  FĂ€llen  von  katarrhalischem  Ikterus,  Leberzirrhose,  pri- 
mÀrem Leberzellenkarzinom  und  Cholelithiasis  festgestellt.  Bei 
der  subakuten  Leberatrophie  geht  das  allmÀhliche  Absinken  der 
HarnsÀurewerte  mit  der  zunehmenden  Gesundung  der  Kranken 
parallel.  Die  Höhe  der  endogenen  HarnsÀurewerte  scheint  von 
Bedeutung  zu  sein  fĂŒr  die  DLfferentialdiagnose  zwischen  den  leich- 
leren FÀllen  von  katarrhalischem  Ikterus  und  den  UebergÀngen 
in  akute  Leberatrophie  und  von  prognostischer  Bedeutung  fĂŒr  den 
Verlauf  der  Erkrankung.  Ein  Teil  der  vermehrten  HavnsÀure- 
ausscheidung  wird  auf  die  zugrunde  gehenden  Kernsubstanzen  der 
Leber  zurĂŒckgefĂŒhrt. 

Zweiter  Verhandlungstag. 

Trendelen  bĂŒrg  -  Bostock:  Pharmakologische  Grundlagen 
der  SympathikotonieprĂŒiung. 

Die  Erregbarkeit  des  peripheren  Organes,  die  z.  T.  den  Effekt 
der  sympathischen  Wirkung  bedingt,  ist  nicht  zu  dem  Tonus  in 
den  sympathischen  Nerven  zu  rechnen.  Aenderungen  im  sympa- 
thischen Tonus  können  durch  Aenderungen  der  zentralen  Erreg- 
barkeit usw.  bedingt  sein.  Ueber  die  Ganglienstationen  ist  klinisch 
nichts  bekannt.  Eigentlich  mĂŒĂŸte  getrennt  die  periphere  und  die 
zentrale  Erregbarkeit  und  die  GrĂ¶ĂŸe  der  von  den  Zentren  ausge- 
sandten Impulse  gemessen  werden.  Wir  kennen  Substanzen,  die 
die  Zentren  des  sympathischen  Systems  erregen,  aber  die  Wirkung 
ist  nicht  spezifisch  und  daher  ist  die  Verwendung  fĂŒr  klinische 
Zwecke  nicht  geeignet.  FĂŒr  das  parasympathische  System  ist  es 
möglich,  durch  Atroph)  die  GrĂ¶ĂŸe  der  von  den  Zentren  ausge 
sandten  Impulse  zu  messen.  Die  Dauer  der  Atropinwirkung  gibl 
keine  genauen  Anhaltspunkte,  da  es  verschieden  schnell  zerstört 


wird.  Das  sympathische  System  könnte  man  durch  ApoCodejn  und 
durch  Ergotoxin  blockieren.  Apoeodem  ist  nicht  spezifisch,  auch 
Ergoloxin  ist  nicht  das  Atropin  des  Sympathikus,  da  es  nur  die 
sympathisch  fördernden  Nerven  lÀhmt.  Die  periphere  Reizung 
des  sympathischen  Nervensystems  ist  mil  Adrenalin  möglich. 
Adrenalin  ist  streng  spezifisch,  da  es  entwicklungsgeschichtlich 
als  verflĂŒssigte  postganglionĂ€re  symptahtische  Faser  betrachte! 
werden  muß.  Durch  kleinste  Dosen  Adrenalin  kann  man  bei 
Fleischfressern  eine  GefĂ€ĂŸerweiterung  beobachten.  Worauf  dies 
beruht,  steht  noch  nicht  fest.  Diese  Wirkung  lĂ€ĂŸt  sich  durch 
Atropin  nicht  aufheben.  Man  kann  mit  Adrenalin  exakte  Beiz- 
dosen setzen,  insbesondere  wenn  es  gelingt  eine  konstante  Kon- 
zentration im  arteriellen  Blute  zu  erreichen.  Die  subkutane  In 
jektion  ist  deshalb  nichl  zu  empfehlen,  weil  die  Resorption  sicher 
sehr  verschieden  ist  und  durch  die  verschiedensten  Dinge  be- 
einflußl  wird.  Durch  intravenöses  Einlaufenlassen  von  Adrenalin 
lösung  kann  man  eine  regelmĂ€ĂŸige  Wirkung '  erzielen.  Zum 
Schluß  bespricht  Referent  die  Möglichkeiten,  die  Endorgane  der 
parÀsympathischen  Nerven  zu  reizen.  Das  Pilokarpin  ist  nicht 
so  gut  wie  das  Adrenalin.  Die  Derivate  des  Cholins  sind  noch 
nicht  genau  genug  klinisch  und  pharmakologisch  untersucht. 

Frank,  Not h mann  und  II  i  r  *  c  h  -  K  a  u  f  I  m  a  n  n  -  Bres- 
lau: Ueber  die  parasympathikotonische  Innervation  der  querge- 
streiften Muskulatur  des  SĂ€ugetieres  und  ihre  humoral-hormonale 
Nachahmung  durch  Azetyleholin  und  Guanidin. 

Vortr.  hat  vor  2  Jahren  eine  dreifache  Innervation  der  quer- 
gestreiften Muskulatur  gefordert,  ohne  zu  wissen,  daß  Boecke 
schon  vorher  zu  denselben  Resultaten  gekommen  war.  Der  Para- 
sympathikus steigert,  der  Sympathikus  setzt  den  Tonus  in  der 
Muskulatur  herab.  Durch  Azetyleholin  lassen  sich  Ionische  Kon- 
traktionen nach  Durchtrennung  der  motorischen  Innervation  er- 
zielen. Diese  Wirkung  lĂ€ĂŸt  sich  durch  Atropin  unterdrĂŒcken. 
Adrenalin  hemmt,  ebenso  Novokain.  Das  Guanidin  entspricht  etwa 
dem  Azetyleholin.  Der  Tonusnerv  wird  durch  die  spinalmoto- 
rische Innervation  gehemmt. 

Schreiber  und  P 1  a  t  z  -  Magdeburg:  Nach  Pilokarpin  be- 
obachtet man  nach  intravenöser  und  subkutaner  Injektion  ver- 
schiedene Wirkungen,  die  auf  verschiedene  Resorption  zurĂŒck 
gefĂŒhrt  werden.    Nach  Adrenalin  isl  das  gleiche  der  Fall.  Nach 


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und 


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und  Quetschwunden),   Frostbeulen,   Brandwunden  I.  und  II.  Orades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  crurls,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetlologische  Momente  hervorgerufene«  Erythemen. 


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nehm zu  wirken.  —  PrĂ€parat,  welches   die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor  und  Sauerstoff  mit  der  keimtötenden  Kreit  eines  Alkaloids  vereinigt 
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XXII 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


intravenöser  Injektion  treten  oft  starke  Wirkungen  ein,  die  bei 
subkutaner  Injektion  vermißt  werden.  Nach  kleinen  Dosen  Atropin 
sieht  man  eine  Vaguserregung.  Die  subkutane  PrĂŒfung  wird 
daher  verworfen. 

Billigheimer  -  Frankfurt  a.  M. :  Einfluß  der  ErnĂ€hrung 
auf  Funktionen  des  vegetativen  Nervensystems. 

Kohlehydratreiche  und  eiweißreiche  ErnĂ€hrung  haben  Einfluß 
auf  die  Adrenalinblutzucker-  und  Adrenalinblutdruckkurve.  Ei- 
weißreiche Kost  hat  einen  höheren  Anstieg  des  Blutdrucks  zur 
Folge,  kohlehydratreiche  höheren  Anstieg  der  Blutzuckerkurve. 

S  c  h  o  1 1  m  ĂŒ  1 1  e  r  -  Hamburg-Eppendorf :  Zur  Behandlung  der 
Zystitis  und  Zystopyelitis. 

100  ccm  einer  2  proz.  Argent.  nitr. -Lösung  werden  in  die 
Blase  eingespritzt  und  dort  5  Minuten  belassen.  Es  folgt  eine 
SpĂŒlung  mit  steriler  physiologischer  Kochsalzlösung.  Sehr  emp- 
findliche Kranke  haben  Morphium  nötig.  Schon  nach  2  Tagen 
zeigt  sich  auch  bei  ambulanter  Behandlung  ein  Erfolg,  manchmal 
ist  dann  schon  Heilung  eingetreten.  3 — 5  SpĂŒlungen  genĂŒgen 
meist,  nur  die  wenigsten  Kranken  reagieren  nicht  auf  diese  Be- 
handlung. Auch  das  Nierenbecken  kann  mit  der  2  proz.  Lösung 
gespĂŒlt  werden,  doch  heilt  die  Pyelitis  meist  auch  nach  der  Des- 
infektion der  Blase  allein. 

S  t  r  a  u  b  -  Greifswald :  .Jahressehwankungen  der  Atmungs- 
regulation. * 

Das  Verhalten  der  KohlensÀurebindungskurve  wurde  bei  ver- 
schiedenen Personen  fortlaufend  geprĂŒft.  Es  zeigte  sich,  daß 
deutliche  Jahressehwankungen  vorhanden  sind.  Die  KohlensÀure- 
spannung der  Alveolarluft  Àndert  sich  gleichsinnig,  doch  folgt  sie 
nicht  bei  allen  Personen  gleichmĂ€ĂŸig  stark  der  Aenderung  der 
KohlensÀurebindungskurve. 

Le  Blanc:  Gasanalytische  Untersuchungen  des  Blutes  bei 
Zyanose. 

Bestimmungen  der  arteriellen  Sauerstoff-  und  KohlensÀure- 
werte  nach  der  Barcrofl  sehen  Methode.  Untersucht  wurden 
in  dieser  Weise  krankhafte  ZustÀnde  der  Atmungsorgane  aller  Art 
mit  und  ohne  Zyanose.  Maßgebend  fĂŒr  das  Auftreten  einer  Zya- 
nose ist  die  Dicke  der  kapillÀren  Blutschicht.    An  reduziertem 


HĂ€moglobin  reiches  Blut  erscheint  bei  normaler  Kapillarweite 
noch  rot.  Bei  Zunahme  des  kapillÀren  Querschnittes  erscheint 
auch  an  reduziertem  HĂ€moglobin  armes  Blut  schon  blau.  Ein 
RĂŒckschluß  aus  dem  Auftreten  der  Zyanose  auf  die  GrĂ¶ĂŸe  der 
Störung  des  respiratorischen  Gaswechsels  durch  den  krankhaften 
Zustand  der  Atmungsorgane  ist  nicht  ohne  weiteres  möglich.  Sie 
ist  ein  Zeichen  der  SchÀdigung  von  Herz  oder  Vasomotoren. 

B  eckmann- Greifswald:  Ueber  das  SĂ€ure-Blasengleichge- 
wicht  bpi  experimentellen  NierenverÀnderungen. 

Im  Tierexperiment  zeigt  sich,  bei  Verkleinerung  der  Nieren 
bis  auf  %  des  Gewebes  einer  Niere  eine  völlige  AbhÀngigkeit 
des  SÀure-Basengleichgewichls  von  der  AusscheidungsfÀhigkeit 
der  Niere.  Bei  NierenverÀnderungen,  die  durch  Gifte  oder  Bak- 
lerientoxine  hervorgerufen  sind,  kommt  zu  dieser  renalen  Störung 
noch  eine  endogene  SÀurebildung  hinzu,  die  durch  primÀre  Gift- 
wirkung auf  die  Gewebe  bedingt  ist. 

V ©Ii -MĂŒnchen:  HarnaziditĂ€t  und  C02-Spannung  im  arteri- 
ellen Blute. 

CGvSpannung  der  Alveolarluft  und  HarnaziditÀt  wurden  ver- 
glichen. Die  Mahlzeilen  fĂŒhren  zu  einer  Alkalose,  wenn  nicht 
AnaziditĂ€t  besteht.  Der  Schlaf  fĂŒhrt  zur  Alkaliurie  und  einem 
Anstieg  der  CGvSpannung.  Digitalis  hat  einen  Anstieg  der  Azi- 
ditÀt des  Harns  und  einen  Abfall  der  KohlensÀurespannung  zur 
Folge. 

Tallqy ist-Hielsingfors:  Ist  das  hypoplastische  Herz  einer 
kompensatorischen  Hypertrophie  fÀhig? 

Unter  normalen  VerhÀltnissen  zeigen  die  Herzen  von  Hypo- 
plaslikern  mit  zunehmendem  Alter  immer  grĂ¶ĂŸere  Abweichungen 
von  dem  normalen  Gewicht.  Es  findet  also  keine  nennenswerte 
Entwicklung  statt.  Auch  unter  pathologischen  VerhÀltnissen,  z.  B. 
bei  Blutdrucksteigerung  und  Mitralfehlern,  bleibt  die  kompensa- 
torische VergrĂ¶ĂŸerung  hĂ€ufig  aus.  Ob  dies  immer  der  Fall  ist. 
das  mĂŒssen  grĂ¶ĂŸere  Untersuchungsreihen  beweisen 

Koch- Köln:  I>ie  Stromgeschwindigkeit  des  Blutes  bei  Ge- 
sunden und  Kranken. 

Es  wird  eine  fluoreszinhaltige  FlĂŒssigkeit  in  die  Vena  cuhit. 
eingespritzt  und  die  Stromgeschwindigkeit  verfolgt.    Bei  Insuffi- 


TESTOGAR  THELYGMI 


fĂŒr  MĂ€nner. 


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Seit  8  Jahren  bewahrte  Spezifik*  a«f  orgaiL-chemotherapeutiscber  Grundlage  nach  Dr.  Iwan  Bloch 

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Impotenz,  Climacterium  ririle,  Pro- 
statitis, Asthma  sexuale,  leichte  Er- 
mUdbarkeit,  Arbeitsunlust,  Periodische 
MigrÀne  und  andere  endoerine 
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SpezIoNo  Indikationen  fĂŒr  Thelygan. 

Endoerine  Genitalitörungen, 
Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmen- 
orrhoe, Klimakterische  Beschwerden, 
Ausfallserscheinungen,  FrigiditÀt,  Ste- 
rilitÀt, Angstneurosen,  Infantilismus, 
univers.  part. 

Dreimal  taglich  eine  Tablette  nach  dem 
Eisen  und  eventuell  gleichzeitig  tÀglich 
bezw.  jeden  zweiten  Tag  eine  subku- 
tane oder  intraglutÀale  Injektion. 

In  Form  von  Tabletten? 
Ampullen  und  Suppositorien. 

Dr.  Georg  Henning,  Berlin  W  35, 


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40.  Jahrg.  — Nr.  20/21. 


kongreßbertchie 


XXIII 


zienzen  Verzögerung  ebenso  bei  Oedemen  aufs  Doppelte,  des 
gleichen  bei  Hypertonie.  Bei  der  AnĂ€mie  Beschleunigung  ĂŒber 
das  Doppolte  der  Norm,  ebenso  bei  der  Hyperglobulie  und  im 
Fieber.  Bei  Pneumonie  Verzögerung,  bei  Pleuritis  Beschleunigung, 
bei  Ikterus  und  Diabetes  Verzögerung  ohne  VerÀnderungen  des 
Blutdrucks  und  Herzens.  Nach  Adrenalininjektionen  keine  Ver 
[angsamung.  Eine  dynamische  Insuffizienz  des  Kreislaufs  wird 
durch  dieses  Fluoreszinverfahren  offenkundig. 


Gegensatz  zum  Aktionsslrum'  des  Langsquersrhnillsslromes  des 
Herzens  zum  Ausdruck. 


Die  Beeinflussung  der  Funktion  der 
durch    Aenderungen   der  Blutzirku- 


B.  Kiseh  -  Köln  a.  Rh. 
extrakardialen  Herznerven 
lation  im  Gehirn. 

Arlielle  Blutdrucksteigerung  und  hierbei  vorhandene  Hyper- 
amie der  HirngefĂ€ĂŸe  fĂŒhrt  nicht  nur  zu  Vagustonussteigerung, 
sondern  auch  zu  einer  Akzeleranstonusherabselzung.  HypÀmie 
der  von  den  Karotiden  versorgten  Hirnteile  fĂŒhrt  zu  Vagustonus- 
herabsetzung und  Akzeleranstonussleigerung.  So  wirken  Blut- 
druoksteigerung  bei  wegsamen  HirngefĂ€ĂŸen  und  Karotidenver- 
schluß bezĂŒglich  der  extrakardialen  Herznerven  antagonistisch. 
Die  beobachtete  Steigerung  der  Wirkung  elektrischer  Vagus- 
reizung bei  HyperÀmie,  ihre  Herabsetzung  bei  HypÀmie  des  Ge- 
hirns am  nomotop  schlagenden  Herzen  werden  auf  Grund  dieser 
Beobachtungen  verstÀndlieh 

Hering-  Köln:  L  eiter  neurogene  Hemmung  heterotoper  Reiz- 
hildung  im  Herzen. 

Durch  Vagusreizung  kann  man  helerotope  Reizbildung  hem- 
men. Eine  andere  Möglichkeit,  dasselbe  zu  erreichen,  ist  die  Rei- 
zung des  Depressor  nach  durch  Karotidenverschlun  bedingtem, 
auf  erhöhtem  Akzeleranslonus  beruhendem  Auftreten  von  Extra- 
systolen. Die  Beziehungen  zur  Diagnose  und  Therapie  werden 
besprochen. 

H.  SchÀl  f  er- Breslau  (z.  Zt.  Köln  a.  Rh.):  Der  Nachweis 
des  Herzmuskeltonus  auf  elektrographisehein  Wege. 

Unter  Benutzung  eines  hochempfindlichen  Saitengalvanometers 
lĂ€ĂŸt  sich  zeigen,  daß  jedes  Herz  beim  Uebergang  aus  der  Ruhe  zur 
rhythmischen  Schlagfolge  in  einen  Zustand  tonischer  Dauer- 
erregung gerÀt,  der  erst  nach  Aussetzen  der  Kontraktionen  ganz 
allmÀhlich  spontan  verschwindet.  In  der  elektrographischen  Kurve 
kommt  diese  Dauererregung  als  negative  Dauerschwankung  (im 


Zur  Frage  der  atrioventrikulÀren  Auto 


Mobitz-  MĂŒnchen 
matie. 

HĂ€ufiger  als  zu  der  extrem  seltenen  andauernden  atrioven 
trikulĂ€ren  Schlagfolge  des  Gesamlherzens  fĂŒhrt  eine  gesteigerte 
Automatie  des  Asch  off  sehen  Knotens  zu  eigenartigen  Disso 
ziationen  zwischen  Vorhof  und  Kammer.  Im  Unterschied  zu  dem 
gewöhnlichen  Herzblock  schlÀgt  hierbei  die  Kammer  raschei  ab 
der  Vorhof.    Dies  wird  an  zahlreichen  Beispielen  demonstriert 

Citron-  Berlin:  Weitere  elektrokardiographische  Unter- 
suchungen bei  Anwendung  verschiedener  Herzmittel. 

Im  Prinzip  fĂŒhren  alle  Herzmittel  der  Digitalisgruppe  zum 
Herzstillstand.  Im  Elektrokardiogramm  machen  sich  jedoch 
Unterschiede  in  der  Wirkung  der  einzelnen  Mittel  gellend,  wie  an 
Beispielen  auseinandergesetzt  wird. 

K 1  e  w  i  t  z- Königsberg:  BeitrÀge  zur  ErnÀhrungsphysiologie 
des  ĂŒberlebenden  WarmblĂŒterherzens. 

Das  ĂŒberlebende  Herz  braucht  keinen  Zucker  zu  verbrennen 
und  das  ruhende  Herz  kann  Zucker  verbrauchen.  Dies  beweist, 
daß  das  Herz  in  seiner  ErnĂ€hrung  nicht  auf  Kohlehydrale  ange- 
wiesen ist.  Der  N  einer  NĂ€hrflĂŒssigkeit  wird  im  Herzen  retiniert. 
AminosĂ€uren  haben  einen  gĂŒnstigen  Einfluß  auf  die  TĂ€tigkeit 
des  Herzens.  Bei  stillstehendem  Herzen  wird  kein  Stickstoff 
retiniert.  Es  wird  angenommen,  daß  der  Stickstoff  zum  Aufbau 
der  abgenutzten  Gewebe  verwandt  wird. 

Boden  und  Neukirch- DĂŒsseldorf:  [Jeher,  die  Wirkung 
von  Organextrakten  auf  das  isolierte  WarmblĂŒterherz. 

Es  wurden  Leber-,  Nieren-,  Magen-,  Pankreas-   und  Herz 
extrakf  in  ihrer  Wirkung  auf  die  TĂ€tigkeil  des  ĂŒberlebenden 
WarmblĂŒterherzens  geprĂŒft.    Insbesondere  Herzextrakt  hat  eine 
starke   fördernde    Wirkung,   deren   Natur   noch   unbekannt  isl 
Magenextrakt  hemmt,  wohl  infolge  seines  Cholingehaltes. 

E.  Wiechma  n  n  -  MĂŒnchen :  Zur  Theorie  der  Kalzium- 
wirkung am  Herzen. 

Chinin,  Chinidin  und  Arsen 
in  bestimmten  Konzentrationen. 


lÀhmen  das  isolierte  Froschherz 
Durch  Kalzium  wird  das  still 


5  EST  3  E  WAHRTE! 

A  N  T I  RHEUMA  T  I  C  U  M 

‱JOFOQT  JCHMEQZJTI  L  L  END* 


5 El  t  QHEUMATJ5MU)  * /JC/i/d)  *  ö/C/iT* 
GQIPPE  *  NEUQALG/EN*  HERZSCHMERZEN' 


&HEVMASAN  \  LENICET 


F/XBRi  KEN* 


UTEQ/XTU*     ‱  CHA  &  L  OTTEN  ö  U  CG  ‱  41120  ‱      WiÂŁ.NVV2»    *  t>Q05ÂŁH 


XXIV 


Kongreßberichte 


40.  Jahrg. —  Nr.  20/21. 


gestellte  Herz  wieder  zum  Schlagen  gebracht.  Das  Kalzium  kann 
herbei  immer  nur  durch  die  anderen  Erdalkalien,  das  Strontium 
und  das  Barium  vertreten  werden.  Andere  zweiwertige  Kationen 
können  die  HerzlÀhmung  nicht  kompensieren.  Danach  ist  offen- 
bar die  chemische  Natur  des  kompensierten  Ions  viel  entscheiden- 
der als  der  physikö-chemische  Charakter.  Dementsprechend  muß 
man  auch  anneinnen.  daß  die  lahmende  Wirkung  des  Chinidins. 
Chinins  und  Arsens  auf  das  Herz  viel  eher  ein  chemischer  Vor- 
gang als  ein  physikochemischer  ist.  Auf  das  durch  Chinidin  ge- 
lĂ€hmte Herz  ĂŒben  die  Digilaliskörper  eine  Ă€hnliche  Wirkung  wie 
das  Kalzium  aus.  Das  stillgeslellte  Herz  beginnt  wieder  zu 
schlagen.  Auf  Grund  der  mitgeteilten  Versuche  wird  es  sich  fĂŒr 
die  Klinik  empfehlen,  wenn  es  einmal  zur  akuten  Herabsetzung 
der  KontraktionsfÀhigkeit  des  Herzens  durch  Chinidin  kommen 
sollte,  diese  durch  Digifolin  und  Slrophanthin  zu  beheben.  Solche 
SchÀdigungen  lassen  sich  fast  immer  vermeiden,  wenn  man  nur 
kompensierte  Herzen  mit  Chinidin  angehl.  Wird  der  Kaliumgehalt 
der  Ringerlösung  um  eine  nicht  wirksame  Menge  erhöht,  so  sind 
schon  sonst  sicher  unterschwellige  Chinidindosen  imstande,  das 
Froschherz  zu  lÀhmen.  Da  die  DÀmpfung  einer  extremen  Hyper- 
kinesie  Endzweck  jeder  Chinidinlherapie  ist,  ist  damit  die  theo- 
retische Grundlage  fĂŒr  die  schon  empfohlene  Kombination  der 
Chinidinmedikation  mit  einer  Kalianreicherung  des  Organismus 
geliefert. 

W  e  i  t  z  -  TĂŒbingen:  Zur  Aetiologi-e  der  Hypertension. 

In  sehr  vielen  FĂ€llen  fendel  sich  in  der  Aszendenz  ebenfalls 
Hypertension.  Es  wird  angenommen,  da  Ii  es  sich  um  eine  endogene 
SchÀdigung  handeil.  die  dominant  mendelnd  vererbt  wird. 

E.  A  d  1  e  r  -  Frankfurt  a.  M.  .  Klinische  experimentelle  Studien 
ĂŒber  die  GefĂ€fifunkĂŒon  bei  Hypertensionen. 

Nach  intravenöser  Injektion  stark  konzentrierter  Trauben- 
zuckerlösungen zeigte  sich  bei  manchen  Formen  von  arteriellem 
Hochdruck  eine  lĂ€ngerdauernde  BlutverdĂŒnnung  Nach  Wassel 
zufuhr  war  die  HydrÀmie  lÀnger  zu  beobachten  als  nach  Durst 
bczw.  Wasserwechsel  durch  Arbeit.  Gelatine-  und  Gummiarabi 
cumzusalz  zur  Traubenzuckerlösung  hatten  keinen  Einfluß*.  Kof- 
fein, Jodkali,  manchmal  auch  Thyreoglandol  und  Digitalis  ver- 
kĂŒrzen die  BlutverwĂ€sserungszeit.  Als  Ursache  fĂŒr  die  lang- 
dauernde HydrÀmie  wird  ein  pathologischer  Zustand  der  Serum- 
kolloide bei  Hypertonikern  angenommen. 


B  es pr.ee hĂŒ ng  der  vorangegangenen  VortrĂ€ge. 

H  e  u  b  n  e  r  -  Göttingen  macht  einige  Bemerkungen  zu  dei 
Wirkung  des  Physostigmins  auf  den  Muskel. 

Hering- Köln:  TonusÀnderungen  und  ErregbarkeitsÀnde- 
rungen sind  nicht  dasselbe.  Die  Nomenklatur  ist  daher  irrefĂŒhrend 

B  o  r  c  h  a  r  d  l  -  Königsberg:  Die  Schwierigkeiten  bei  der  PrĂŒ- 
fung des  vegetativen  Nervensystems  werden  grĂ¶ĂŸer,  wenn  man 
individuelle  Momente  berĂŒcksichtig! 

F  r  e  u  n  d  Heidelberg:  (Jnspezifische  Reizkörpertherapie  hat 
einen  großen  Einfluß  auf  die  W  irkung  der  vegetativen  Pharmaka. 
Er  nimmt  an.  daß  VerĂ€nderungen  des  Blutes  hierfĂŒr  verantwort- 
lich sind. 

K  no  o  p  - Freiburg:  Die  leichte  Zerslörbarkeit  des  Adrenalins 
ist  gĂŒnstig  fĂŒr  seine  Verwendbarkeit  zu  den  vegetativen  PrĂŒ- 
fungen. Diese  Zerstörbarkeit  sollte  das  Postulat  fĂŒr  alle  diese 
Pharmaka  erhoben  werden. 

Heß -Köln:  Eine  verminderte  Resorption  kann  eine  geringe 
Reaktion  auf  Adrenalin  vortÀuschen. 

Bau  er -Wien:  Auch  in  der  Klinik  ist  es  bekannt,  daß  das 
Adrenalin  gefĂ€ĂŸerweiternd  wirken  kann.  In  manchen  FĂ€llen 
kommt  es  zu  einer  primÀren  HyperÀmie  der  Konjunktiva  nach 
AdrenalineintrÀufelung.  HÀufig  wurde  dies  bei  ovarieller  Hypo- 
plasie beobachtet. 

Högler -Wien  macht  auf  die  adrenalinÀhnliche  Wirkung 
des  venösen  Hirudinplasmas  aufmerksam. 

M  o  o  g  -  Magdeburg:  Im  gestauten  Arm  kontrahieren  sich  die 
Kapillaren  nach  Adrenalininjcklion  nicht.  Massiert  man  die  In- 
jektionsstelle, so  tritt  eine  andere  Blutdruckkurve  auf. 

H  ey  er  -  MĂŒnchen:  Beim  Studium  der  nervösen  Phosphaturie 
zeigte  es  sich,  daß  in  liefer  Hypnose  bei  Anbringung  eines  schwe- 
len psychischen  Schocks  eine  vermehrte  Phosphorausscheidung  zu 
beobachten  ist. 

W  e  s  s  e  1  y  -  WĂŒrzburg.  Es  gibt  Ausnahmen  von  der  Regel, 
daß  sympathische  und  parasympathische  Fasern  am  selben  Sub- 
strat angreifen.  Dies  ist  z.  B.  bei  der  Iris  der  Fall.  Es  konnte 
die  TĂ€tigkeit  des  Dilatator  experimentell  nachgewiesen  werden. 

M  o  r  a  w  i  I  z  -  WĂŒrzburg  warnt  vor  intravenöser  Adrenalin- 
injcklion. 

Ebbecke  macht  Bemerkungen  ĂŒber  die  gefĂ€ĂŸerweiternde 
Wirkung  des  Adrenalins. 


TORAMIN  MILANOL 


wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  dÄier  auch  bei  Kindern,  SchwĂ€ch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luflröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tabletlen  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin:  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromal.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expektoranlien,  auch 
Guajakol-PrÀparaten. 


1  neue  chloroformlösliche  Wismut-Verbindung  fĂŒr  dermato- 
logische Zwecke, 

saubere   Anwendung   als   Salbe,  Paste,  Puder, 

Pinselung  2 — 10% ig,  weder  WĂ€sche  noch  Haut 
verschmierend. 

Indikationen:    Speziell    chronische    und  subakute 

Ekzeme. 

Ferner  FĂ€lle  der  dermatologischen  Praxis,  in  denen  eine 
juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lationsbefördernde,  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keratoplastische  Wirkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


idai-zs 


adstringierend,  antiseptisch, 
granulationsbefördernd, 
schmerzlindernd. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20/21. 


K  o  n  g  r  e  ß  I)  e  r  i  c  h  t  e 


XXV 


L  i  cb  t  w  i  t  z;- Kiel:   Man  kann    Adrenalin   intravenös  inji 
zieren,  wenn  man  es  stark  verdĂŒnn!  hat.    Asthmatiker,  die  sU-li 
dauernd  Adrenalin  injizieren,  können  schwere  SchÀdigungen  d«i 
vontragen.   In  einem  Falle  sah  er  starke  Verkalkung  des  Herzen*. 

T  r  e  n  d  e  1  e  n  1)  u  r  ff  :  Schlußwort.' 


-  Frankfurt  a.  M.:  ZustandsÀnderungen  von  Serum- 
Lhre  Bedeutung  fĂŒr  den  FlĂŒĂ€sigkeitshaushaH  <les 


E Hinge 
kolloiden  und 
Menschen. 

Je  mehr  Eiweiß  in  einem  bestimmten  Volumen  vorhanden  ist, 
je  weniger  Wasser  ist  verfĂŒgbar.  Die  ViskosilĂ€lsbcslinimniig  ist 
keine  Eiweißbestimmung.  Durch  Ionen  wird  der  Quellungszustand 
des  Eiweißes  geĂ€ndert,  ebenso  auch  durch  organische  Substanzen. 
Koffein  bewirkt  in  einer  Konzentration  von  1  : 32000—1  :  KHK)  ein 
Ansteigen  und  dann  ein  starkes  Absinken  der  ViskositÀt  des 
Serums.  Aehnliche  VorgÀnge  werden  bei  zahlreichen  anderen 
Substanzen,  wie  Chloralhydrat,  Strophantin,  Chinin  usw.  gefunden. 
Histamin  und  Adrenalin  wirken  nach  einem  etwas  anderen  Typus. 
Morphium  und  Atropin  zeigen  keinerlei  Wirkung.  Besonders 
frappant  sind  die  EinflĂŒsse  verschiedener  Schwermetalle  in  sehr- 
großen Verdiinnungen.  Ebenso  Brom  und  Jod.  Bei  der  PrĂŒfung 
von  PrĂ€paraten  aus  verschiedenen  DrĂŒsen  mit  innerer  Sekretion 
zeigte  sich  eine  große  Verschiedenheit  der  einzelnen  PrĂ€parate 
aus  den  verschiedenen  Fabriken.  Quellensteigernde  Wirkung 
aus  den  verschiedenen,  Fabriken.  Quellungssteigernde  Wirkung 
tanustoxin.  Manche  Sera  zeigen  derartige  Reaktionen  nicht.  Einer 
Herabsetzung  der  ViskositĂ€t  um  5  Prozent  entspricht  eine  Eiweiß- 
Ă€nderung um  10  Prozent.  Ein  praktisches  Interesse  gewinnen 
diese  Beobachtungen  dadurch,  daß  auch  beim  Menschen  nach  ■ 
therapeutischen  Dosen  die.  gleichen  VerhÀltnisse  gefunden  wurden, 
wie  sie  nach  den  Ergebnissen  im  Reagenzglas  erwartet  wurden. 
Novasurol  bewirkt  die  Diurese  durch  Abspaltung  kleinster  Hg- 
Mengen  und  eine  dadurch  veranlaßte  VerdĂŒnnung  des  Serums. 
Auch  die  ThyreoideadiĂŒrese  scheint  in  Ă€hnlicher  Weise  zustande 
zu  kommen.  Man  muß  nach  den  Untersuchungen  zwei  Arten  von 
Diurese  unterscheiden,  einmal  die  direkte  Wirkung  auf  die  Niere, 
dann  die  Eiweißzunahme  im  Serum  und  die  darauf  erfolgende 
Anziehung  von  Wasser.  Die  Indikationen  können  daher  fĂŒr  die 
einzelnen  Mittel  genauer  bestimmt  werden,  doch  muß  man  den 
Kolloidzustand  des  Serums  hierzu  feststellen. 

(Fortsetzung  folgt.) 


7ÂŁr 

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3«*  Unkuw  mnttn  ö  jUA 


♩      HETRALIN  ♩ 

San  ausgezeichnetes  Harndesinfixlens,  Spezitilnim  bei  Cystitiden  jeden  Ursprungs, 
ei  Pyelitis,  Pynrie,  Bakteriurie  (besonders  aucb  auf  typhöser  Basis],  Phosphaturie, 
Ideales  internes  Harnantiseptikom  vor  and  nach  Operationen  am  Genitalapparat, 
Mhr  sparsam  lsa  Gebrauch,  da  Tagesdosen  von  1 — 1,5  g  genĂŒgen,  in  therapeuti- 
schen   Dosen    vollkommen    angiftig    and   frei    von  Nebenwirkungen. 

Literatur  und  Graiismuster  auf  Wunsch. 
Clement  Zimmermann,  Hamburg  30. 


Heyden 


Coliargol 


Kolloides  Silber  „Heyden"  mit  70  %  Ag. 

Chemotherapeutisches  Mittel  zur  BekÀmpfung  von 

Infektionskrankheiten 

durch  Intravenöse  Einspritzungen 
von  1 — 10  ceni  ein«  lk — 2%igen  Lösung. 
KrÀftiges  ortliches  Antiseptikum 
ohne  lokale  Reizwirkungen  und  ohne  allgemeine  Giftwirkungen 
zur  Behandlung  von  infizierten  Wunden*  GeschwĂŒren, 
Harnröhren«  und  BlasenentzĂŒndungen,  Endometritis« 
AugenentzĂŒndungen  usw. 

Röntgendiagnostlkum  bei  Erkrankungen 
der  Blase,  der  Harnleiter  und  des  Nierenbeckens. 
Steriles  festes  Coliargol:  . 
Schachteln  mit  10,  25,  100  Ampullen  zu  0,4  g  and  1 
Haschen  zu  10  und  25  g. 
Coliargol  In  12°/aiger  Lösung: 
Schachteln  mit  2  Ampullen  zu  5  cem  Lösung 
und  3  Ampullen  destilliertes  Wasser. 


g, 


Acetyl  i  n 


AcetylsalicylsĂ€ure  „Heyden". 

Acetylin-Tabletten  zerfallen  in  Wasser  sehr  leicht,  sind  wohl- 
bekömmlich, von  tadelloser  Beschaffenheit  u.  sicherer  Wirkung. 

Glasröhren  mit  20  Tabletten  zu  0,5  g. 


Caseosa n 

Sterile  Kaseinlösung  „Heyden". 

Zur  parenteralen  Proieinkörpertherapie 

Erfolgreich  bei  Infektionen  örtlicher  und  allgemeiner  Natur,  ins- 
besondere auch  bei  Gelenkerkrankungen,  auch  empfohlen  zur 
Hebung  des  Allgemeinzustandes. 

Subkutan  und  intramuskulÀr  anwendbar  ohne  lokale  Reiz- 
wirkungen, Dosis  1  bis  2  cem  (bis  5  ccm). 

Dosis  bei  intravenöser  Zufuhr  0,25  bis  1  ccm  (bis  2  ccm) 
Schachteln  mit   3  Ampullen  zu  1  ccm, 
Schachteln  mit  10  Ampullen  zu  1  ccm. 
Schachteln  mit  6  Ampullen  zu  5  ccm. 
Klinikpackung:  Schachteln  mit  50  und  100  Amp.  zu  1  ccm. 

Elektrocollargol 

Elektrokolloide  Silberlösung«  ausgezeichnet  durch  außer- 
ordentliche Feinheit  der  ultramikroskopischen  Metallteilchen, 
dadurch  Steigerung  der  katalytischen  Kraft,  des  Adsorptions- 
vermögens und  der  entwicklungshemmenden  Wirkung. 

Zur  BekÀmpfung  von  Infektionskrankheiten  durch 
intravenöse  und  intramuskulÀre  Einspritzungen. 

Elektrocollargol  (0,06  %,  Ag)  und 
Elektrocollargol  konzentriert,  10  fach  (0,6  %  Ag) 

in  Schachteln  mit  je  6  Ampullen  zu  5  ccm. 


Proben  und  Literatur  kostenfrei. 

Chemische  Fabrik  von  Heyden  Aktiengesellschaft,  Radebeul  -  Dresden 


XXVI 


Portschritte  der  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.aÖ/21. 


HORMIN 

Hormin  masc.      Hormin  fem. 

Reines  OrganprÀparat 
nach  San. -Rat  Dr.  Georg  Berg,  , 
Frankfurt  a.  M. 

BewĂ€hrtes  SDezĂŒum  gegen 

Sexuelle  Insuffizienz 

wird  mit  ausgezeichnetem  Erfolg  angewendet 
bei  Infantilismus,  Eunuchoidismus,  spÀr- 
licher  Behaarung    Infolge  hypophysÀrer 
Fettsucht,  Klimakterium  virile,  Enuresis, 
Prostataatrophie,  Genital-Hypoplasien,  Fri- 
giditÀt, infantilistischer  SterilitÀt,  sexueller 
Neurasthenie  u.  Hypochondrie»  vorzeitigen 
Alterserscheinungen,  Haarschwund,  Derma- 
tosen in  der  Zeit  der  körperlichen 
Um  Stimmung. 
Orlg.-Packg.:   30  Tabletten   oder  10 
Suppositorien  oder  10  Ampullen  je  M.  20.— 
Arzteproben  (M.  14-25  die  Schachtel)  durch 
die  Impler-Apotheke,  MĂŒnchen  50. 

Literatur  kostenfrei  durch 

Fabrik  pharm.  PrÀparate 
Wilhelm  Natterer,  MĂŒnchen  19. 


I  Bei  Rheuma»  1 
h  Gicht,  Ischias  usw.  1 


seit  18  Jahren  hervorragend  bewÀhrt: 

nach  San. -Rat  Dr.  Pfeffer,  Bad 
Oeynhausen.  SchwefelprÀparat  zur 
Ă€ußerlichen  Behandlung  (Einreibung) 


Ttiiocsirm 


|  Thiopinoi -matzka-Schuiefelbade- 1 

E«  PUlP2)lft  Vereinigung  von  Fichtennadel-  und  JöJ 

(Sj  ĂŒflll  Ulli  Schwefelbad.    Infolge  Löslichkeit  {3 

Igt  des  Schwefels  intensivste  Schwefelwirkung,  fgj 

Igt  Statt  des  lÀstigen  Schwefehvasserstoffgeruches  {gj 

w|  angenehmer   Nadelholzgerudi.     —    In  jeder  CS 

»gc  Wanne  verwendbar. 

VSil  Beide  PrĂ€parate  gesetzlich  geschĂŒtzt  in  den  meisten  ßjj 

j^j  Kulturstaaten.  j^j 

»gj  Aerztliche  Literatur  zu  Diensten  wj 

1  Chemische  FaDrih  Uechelde  G.  m.  D.  H.,  1 

j|  Braunschweig.  j| 


Druck:  Uu  IUHImod  O.  m.  b.  H    Berlin  SW  «t 


Nr.  22/23. —40.  Jahrg. 


.1  e  n  s  e  i  t  s  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Tiere  als  Medizinspender. 

Von  Dr.  Th.  Zell. 

Lieber  die  Tiere  als  Medizinspender  muß  man  sich  mit 
einer  gewissen  Vorsicht  Ă€ußern.  Und  zwar  einfach  aus  dem 
Grunde,  weil  in  der  Neuzeit  schwerlich  ein  Fachmann  die 
als  Medizin  gepriesenen  Teile  eines  Tieres  auf  ihre  angeb- 
lichen Wirkungen  genau  geprĂŒft  hat.  Es  sind  vielmehr  die 
FĂ€lle  selten,  wo  wir  auf  Grund  praktischer  Erfahrung  zu 
einem  anderen  Ergebnis  gelangt  sind.  Um  ein  Beispiel  aus 
der  der  Medizin  verwandten  Kosmetik  herauszugreifen,  so 
herrschte  bei  den  alten  Römern  der  Glaube,  daß  der  Genuß 
von  Hasenbraten  schön  mache,  und  zwar  wenigstens  auf  eine 
Woche.  Lenz  berichtet  hierĂŒber  folgendes  Histörchen. 
Kaiser  Alexander  Severus  pflegte  tÀglich  Hasenbraten  zu 
essen,  weshalb  ihn  ein  Dichter  besang: 


Ewig  schön  der  Kaiser  ist. 
Der  ewig  Hasenbraten  ißt. 

Der  Kaiser  war  von  diesem  Lobgehudel  nicht  erbaut, 
sondern  erwiderte: 

Dein  Gedicht,  o  Dichterling, 
Ist  ein  ganz  erbÀrmlich  Ding; 
Iß  du  fleißig  Hasenbraten, 
Wird  dir's  schöner  dann  geraten. 

Da  vor  dem  Weltkriege  in  Deutschland  etwa  5  Millionen 
Hasen  jÀhrlich  erlegt  wurden,  so  können  wir  mit  Bestimmt- 
heit erklĂ€ren,  daß  das  Schönwerden  nach  dem  Genuß  von 
Hasenbraten  in  das  Reich  der  Fabel  gehört. 


Die   im   Nachstehenden   abgegebnen   abfÀlligen  Urteile 
entsprechen  ohne  Zweifel  der  herrschenden  Ansicht,  aber  mii 
ist  nicht  bekannt,  daß  sie  ebenfalls  auf  zahlreichen  prah 
tischen  Versuchen  beruhen.    Die  meisten  RatschlÀge  erst  hei 
neu  uns  von  vornherein  als  geradezu  albern  und  eines  Ver- 
suches gar  nicht  wert  zu  sein. 

Wie  sehr  selbst  in  der  Stadl  der  Intelligenz  der  Aber- 
glaube noch  in  BlĂŒte  steht,  kann  dem  aufmerksamen  Beob- 
achter nicht  entgehen.  Ein  lehrreicher  Fall  war  folgender, 
den  ein  Berliner  Blatt  vor  dem  Weltkriege  veröffentlichte : 

Hundebiß  und  Aberglauben. 

Neulich  wurde  ein  Knabe  von  einem  Hund  zweimal  in 
den  rechten  Fuß  gebissen.  Ein  im  Hause,  des  Verletzten 
wohnhafter  Kaufmann  legte  dem  sich  in  Schmerzen  winden- 
den Verletzten  den  ersten  Verband  an.  Er  war  kaum  damit 
fertig,  als  ein  Mann  aus  der  Zuschauermenge  ernstlich  ver- 
langte, der  Verband  sollte  abgenommen  werden,  und  es 
sollten  die  Wunden  mit  Haaren  des  bissigen 
Hundes  belegt  werden!  —  Mit  Not  und  MĂŒhe  wurde 
der  Verletzte  vom  Abreißen  des  Verbandes  abgehalten.  Der 
Arzt  stellte  eine  schwere  Bißverletzung  fest,  bis  zu  deren  Hei 
hing  mindestens  sechs  Wochen  vergehen  dĂŒrften. 

Was  wĂ€re  wohl  geschehen,  wenn  man  den  „aberglĂ€ubi- 
schen" Vorschlag  jenes  Mannes  ausgefĂŒhrt  hĂ€tte! 

Der  Glaube,  daß  Hundehaare  die  Heilung  der  Wunde  be- 
schleunigen, war  allerdings  schon  im  Altertume  anzutreffen. 
Es  sollte  auch  sehr  vorteilhaft  sein,  wenn  man  Brot  in  das 
Blut  tauchte  und  dem  UebeltÀter  von  Köter  zu  fressen  gÀbe, 
sozusagen  also  glĂŒhende  Kohlen  auf  dem  Haupte  seines 
Gegners  sammelte. 


Ampullen 
Tabletten 
Lösung 
Sirup 

Gesamtalkaloide  des  Opiums 

Etwa  Eintausend  Publikationen  aus  allen  Gebieten  II 
der  medicinischen  Literatur  |§ 

Anfragen:  |§ 
jf  Wissenschaftl.  Abtlg.  der  Chemischen  Werke  GrenzachAG.  |§ 
Berlin,  SW.  Wilhelmstr.  38  m 


Bei  erhöhter  Anforderung  an  Körper  und  Geist  gegen  NervositÀt 
Hysterie/  ErschöpfungszustÀnde,   psychische  Impotenz,  Appetitlosigkeit   und  Herzleiden 

seit  mehr  als  20  Jahren  erprobt : 

Syrupus  Colae  Comp.  Hell 


in  Privat-  und  Kassenpackung. 
Alle  Berichte  der  Literatur  beziehen  sich  nur  auf  unser  OriginalprÀparat. 
FĂŒr  Diabetiker:  Pilulae  Colae  Comp.  „Heil".    Proben  bei  Hinweis  auf  diese  Anzeige  kostenlos. 

G.  HELL  &  Comp.  A.-G.,  Troppau. 

Fabrik  und  Versand  fĂŒr  Deutschland:  Dr.  KARL  HELL,  HEISSE,  Hohenzollernstraße  27. 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Nr.  22/23.  —  40.  Ja  tu-. 


Man  macht  sich  so  hĂ€utig  darĂŒber  lustig,  daß  die  alten 
Griechen  und  Römer  in  naturwissenschaftlichen  Dingen  die 
gröbsten  Schnitzer  begangen  haben.  Und  doch  ĂŒbersieht 
man  dabei,  daß  die  Gebildeten  der  damaligen  Zeit  weder 
wissenschaftliche  Werke  noch  zoologische  GĂ€rten  besahen, 
durch  die  sie  sich  hÀtten  belehren  können.  Wir  aber  be- 
sitzen beides,  und  trotzdem  sind  gewisse  IrrtĂŒmer  unausrott- 
bar. So  habe  ich  erst  kĂŒrzlich  auf  eine  Anfrage  aus  dem 
Leserkreise  dargetan,  daß  der  alte  Glaube,  der  Wolf  besĂ€ĂŸe 
einen  steifen  Hals  und  wĂ€re  nicht  imstande,  bloß  den  Kopf 
zu  bewegen,  unbegrĂŒndet  ist.  l'ebrigens  ist  diese  Ansicht 
ebenfalls  uralt,  denn  schon  bei  Oppian,  der  um  200  nach 
Christi  Geburt  lebte,  ist  sie  zu  lesen.  Wie  sie  entstanden  ist, 
kann  man  leicht  begreifen.  Der  Wolf  hat  im  VerhÀltnis  zum 
Hunde  einen  ungewöhnlich  starken  Nacken,  weshalb  er  auch 
viel  grĂ¶ĂŸere  Lasten  als  sein  Vetter  tragen  kann.  Noch  stĂ€rker 
ist  in  dieser  Hinsicht  die  HyÀne  gebaut,  aber  auch  diese 
kann,  wovon  ich  mich  selbst  ĂŒberzeugt  habe,  ihren  Kopf  mit 
Leichtigkeit  bewegen . 

Ferner  darf  man  nicht  vergessen,  daß  die  Menschen  in 
frĂŒheren  Zeiten  viel  vertrauter  mit  der  Tierwelt  lebten  und 
auch  eine  viel  grĂ¶ĂŸere  Hochachtung  vor  ihr  hatten.  Bei  uns 
sind  alle  menschengefĂ€hrdenden  Bestien  ausgerottet;  ĂŒber- 
dies verschaffen  uns  die  modernen  Waffen  dem  Tiere  gegen- 
ĂŒber eine  solche  Ueberlegenheit,  daß  selbst  die  stĂ€rksten 
Haubtiere  viel  von  ihrer  Furchtbarkeit  eingebĂŒĂŸt  haben.  Der 
Nutzen  der  Tiere  ist  in  der  Großstadt  immer  mehr  im 
Schwinden.  Die  Pferde  werden  durch  Automobile  und  Àhn- 
liche Maschinen  ersetzt,  die  Hunde  sind  mehr  lÀstig  als  von 
Nutzen. 

Ganz  anders  lag  die  Sache  bei  den  Alten.  GefÀhrlichen 
Raubtieren  bloß  mit  Schwert  und  Spieß  gegenĂŒberzutreten, 
erforderte  einen  ganzen  Mann.  Pferde  und  Hunde  leisteten 
unersetzliche  Dienste.  Der  GroßstĂ€dter,  dessen  Kind  ab- 
handen gekommen  ist,  schickt  nach  der  Polizei,  der  Natur- 


mensch bringt  seinen  Hund  auf  die  FĂ€hrte  des  verirrten 
Kindes  —  und  wohl  selten  vergeblich.  Was  der  Mensch  mit 
seinen  Sinnen  und  seiner  Intelligenz  nicht  vermag,  das  voll- 
bringt das  Tier  mit  Leichtigkeit.  Es  folgt  der  FĂ€hrte  und 
findet  schließlich  das  Verirrte  im  tiefen  Walde.  Ohne  Hilfe 
des  Hundes  wÀre  das  Kind  verloren  gewesen,  wie  der  JÀger 
ohne  Hund  kein  Wild  erbeutete,  der  Araber  ohne  Windhund 
verhungern  mĂŒĂŸte,  der  SchĂ€fer  ohne  seinen  treuen  GefĂ€hrten 
die  Herde  nicht  zusammenhalten  könnte. 

Da  ferner  der  Hund,  wie  alle  Tiere,  ein  VorgefĂŒhl  fĂŒr 
Wetter  besitzt,  da  er  bei  Erkrankungen  durch  Kauen  von 
Gras  und  KrÀutern  seine  Leiden  hÀufig  mit  Erfolg  beseitigt, 
so  kann  es  nicht  wundernehmen,  daß  man  das  ganze  Tier 
als  eine  Fundgrube  von  Medikamenten  betrachtete.  Von 
diesem  Standpunkte  aus  ist  der  fĂŒr  unsere  Begriffe  einfach 
haarstrĂ€ubende  Unsinn  einigermaßen  verstĂ€ndlich,  der  bei 
den  Alten  ĂŒber  die  Benutzung  des  Hundes  herrschte,  und  von 
dem  sich  bei  Brehm  eine  Zusammenstellung  findet,  .Na- 
mentlich Fl  ini  U s  ist  unermĂŒdlich  in  AufzĂ€hlung  der  ver- 
schiedenen HeilkrĂ€fte  des  Hundes;  außer  ihm  leisten  Sextus, 
Hippokrates,  Galen,  Faventius,  Marellus,  Bontius,  Aeskulap 
und  Amatos  jedoch  auch  das  ihrige.  Ein  lebender  Hund,  bei 
Brustschmerzen  aufgelegt,  tut  vortreffliche  Dienste;  wird  er 
aufgeschnitten  und  einer  schwermĂŒtigen  Frau  auf  den  Kopf 
gebunden,  so  hilft  er  sicher  gegen  die  Schwermut.  Nach 
Sextus  heilt  er  sogar  Milzkrankheiten.  Mit  allerlei  GewĂŒrz 
gekocht  und  gegessen,  dient  er  als  Mittel  gegen  fallende  Sucht; 
doch  muß  es  dann  ein  sĂ€ugender  Hund  sein,  der  mit  Wein 
und  Myrrhen  zubereitet  wurde.  Ein  junger  .Jagdhund  hilft 
gegen  Leberkrankheiten.  Wird  eine  Frau,  die  frĂŒher  schon 
Kinder  geboren  hatte,  unfruchtbar,  dann  befreit  sie  gekochtes 
Hundefleisch,  das  sie  in  reichlicher  Menge  genießt,  von  ihrer 
SchwÀche.  Die  rohe  Leber  wird  gegen  die  Wutkrankheit 
empfohlen;  doch  muß  sie  stets  von  einem  Hunde  von  dem- 
selben  Geschlechte   genommen   werden,   das   der  Beißende 


LEITZ 


MIKROSKOPE 

fĂŒr  monokularen  und  binokularen  Gebrauch. 
ACHROMÄTEN'APOCHROMATEN  u.  FLUORITSYSTEME 

'DUNKELFELDKONDENSOREN  ‱ 
LUPEN  u. LUPENMIKROSKOPE  ♩  MIKROTOME 
MIKROPHOTOGRAPHISCHEu.  PROJEKTIONSAPPARATE. 
BLUTKÖRPERZÄHL- APPARATE 
in  allen  vorkommenden  AusfĂŒhrungen. 

ERNST  LEITZ  optische  werke  WETZLAR 

Man  verlange  Sonderliste  Mikro  283. 


DlSOTRIN 


FLÜSSIG 
TABLETTEN 
AMPULLEN. 


FAUTH&Co  MANNMIM 


Herzogl.  Stahlbad 
Liebenstein  (S  N  )  23  8 

Perle 

des  ThĂŒringer  Waldes 


NatĂŒrliche  kohlensaure  Stahl- 
bÀder.   StÀrkste  Eisen -Arsen- 
Quelle  Deutschlands. 

S  p  e  z 1 a 1 ku  ren 
bei  Herz-,  Blut-,  Nervan-Frauen- 
letden.  ErholungsbedĂŒrftige. 

Prospelc/e  tfureß 

die  lod «tf  I  rmtciloQ  t 


Nr.  22/23.     10.  Jahrg. 


Jenseits  von  Beruf  u n  <1  A  tu  I 


XV 


hatte.  Gegen  dieselbe  Krankheit  brauchte  mau  auch  WĂŒrmer 
aus  dem  Aase  eines  tollen  Hundes.  Das  Leder  wird  ange- 
wandt gegen  schweißige  FĂŒĂŸe;  ein  dreifaches  Halsband  da- 
von schĂŒtzt  gegen  BrĂ€une;  ein  Gurt  von  Hundeleder  vertreibt 
das  Leibschneiden.  Die  Galle  mit  Honig  versetzt  ist  eine 
Augensalbe,  hilft  ebenso  gegen  Flechten,  und  wenn  sie  mit 
einer  Feder  anstatt  mit  der  Hand  aufgestrichen  wird,  gegen 
die  Fußgicht,  tut  auch  zur  Bestreichung  von  Flechten  treff- 
liche Dienste.  Die  Milch  ist  sehr  gut,  wenn  sie  getrunken 
wird;  mit  Salpeter  versetzt,  hilft  sie  gegen  den  Aussatz;  mit 
Asche  vermischt  erzeugt  sie  Haarwuchs  oder  befördert 
schwere  Geburten. 

Von  anderen  Tieren  seien  hier  folgende  Proben  gegeben: 

Das  Blut  der  Elefanten  bringt  alle  Rheumatismen  zum 
Stillstand.  Durch  eine  Mischung  von  ElfenbeinspÀnen  und 
attischem  Honig  werden  Flecken  im  Gesicht  und  durch  die 
leinen  SpĂ€ne  allein  NagelgeschwĂŒre  geheilt.  Durch  BerĂŒh- 
rung seines  RĂŒssels  wird  Kopfweh  gelindert,  und  um  so 
mehr,  wenn  der  Elefant  dabei  niest  (sie!).  Das  Blut  des 
Elefanten  tut  auch  bei  der  Auszehrung  wohl  und  seine  Leber 
hei  der  Fallsucht. 

Löwenfett  mit  Rosenöl  bewahrt  die  Haut  des  Gesichts 
vor  Fehlern  und  erhĂ€lt  sie  weiß,  heilt  auch  erfrorene  Glieder 
und  geschwollene  Gelenke.  Mischt  man  die  Galle  mit 
Wasser,  so  sehen  die  damit  bestrichenen  Augen  heller,  und 
milFe'tt  desselben  Tieres  vermischt,  vertreibt  sie  die  Fallsucht, 
wenn  man  nur  ein  wenig  davon  kostet  und  gleich  darauf 
tĂŒchtig  lĂ€uft.  Verzehrt  man  das  Herz,  so  wird  man  vom 
viertÀgigen  Fieber,  durch  Fett  und  Rosenöl  aber  vom  tÀg- 
lichen Fieber  befreit.  Wer  mit  Löwenfett  gesalbt  ist,  vor 
dem  fliehen  die  wilden  Tiere,  und  er  scheint  auch  vor  Nach- 
stellungen gesichert. 

Kamelgehirn,  getrocknet  und  mit  Essig  getrunken,  soll 
die  Fallsucht  heilen,  ebenso  die  Galle  mit  Honig,  letzterer 
auch  die  BrÀune;  der  gedörrte  Schwanz  dient  gegen  Ver- 


stopfung, die  Asche  des  Mistes  mit  Oel  in. ĂŒbt  das  HaOl' 
lockig.  Gegen  Leibsebneideii  und  Fallsucht  legt  man  die 
Asche  auf  oder  trinkt  soviel  man  mit  drei  Fingern  bissen 
kann.  Der  Urin  des  Kamels  soll  den  Walkern  sein  nĂŒtzlich 
‱  ein,  auch  eiternde  GeschwĂŒre  heilen.  Dreht  man  Haare,  die 
aus  einem  Kamelschwanz  gerupft  sind,  zusammen  und  bindet 
sie  an  den  linken  Arm,  so  vergeht  das  viertÀgige  Fieber. 

Unglaublich  ist  es,  wozuCctie  einzelnen  Körperteile  der 
HyÀne  nutzen  sollen.  Man  höre  und  staune:  Die  Kopfhaut 
der  HyÀne  helfe  gegen  Kopfweh;  gegen  Triefaugen1  streiche 
man  ihre  Galle  an  die  Stirn,  und  wenn  man  sieh  ganz  vor 
diesem  Liebe]  sichern  wolle,  so  mische  man  sie  mit  attischem 
Honig  und  Safran,  Wodurch  man  auch  AugenĂŒbel  und  Nar- 
ben heilen  könne.  Gegen  den  Star  im  Auge  lege  man  die 
BrĂŒhe  von  gebratener  HyĂ€nenleber  mit  abgeschĂ€umten  Ho- 
nig auf.  Die  ZÀhne  der  HyÀne  sollen  helfen,  wenn  man  sie 
berĂŒhrt  oder  der  Reihe  nach  anbindet,  gegen  Zahnweh,  ihre 
SchulterblÀtter  gegen  Schmerzen  der  Schultern  und  Arme. 
Beiße  man  ihr  die  ZĂ€hne  aus  der  linken  Seite  des  Rachens 
und  binde  sie  in  ein  Schafs-  oder  Bocksfell,  so  verschwinde 
das  Bauchgrimmen.  Die  Lungen  sollen  gegen  Unterleibs- 
beschwerden genossen,  auf  den  Magen  ihre  Asche  mit  Oel 
gelegt  werden.  FĂŒr  die  Nerven  brauche  man  das  RĂŒcken- 
mark nebst  altem  Oel  und  Galle.  Bei  viertÀgigem  Fieber 
koste  man  vor  dem  Anfall  dreimal  von  der  Leber.  Gegen 
das  Podagra  koche  man  die  Asche  des  RĂŒckgrats  nebst  der 
Zunge  und  dem  rechten  Fuße  des  Seehunds,  fĂŒge  Ochsen - 
galle  hinzu  und  wickle  die  Mischung  in  ein  HyÀnenfell.  Wer 
an  Zittern,  Zuckungen  und  Herzklopfen  leide,  mĂŒsse  etwas 
\om  gekochten  Herzen  kauen  und  dann  die  Asche  des  ĂŒbrig 
bleibenden  StĂŒckes  mit  HyĂ€nengehirn  auflegen.  Durch  diese 
Mischung  könne  man  ferner  Haare  vertilgen,  wozu  auch  die 
Galle  allein  schon  hinreiche,  wobei  man  jedoch  diejenigen 
ausreißen  mĂŒsse,  die  nicht  wieder  wachsen  sollen.  Gegen 
Schmerz  in  den  Lenden  esse  man  Fleisch  von  HyÀnenlenden 


TESTOGAK  THELVGAH 


fĂŒr  MĂ€nner. 


fĂŒr  Frauen. 


Seit  8  Jahren  bewÀhrte  Spezifika  auf  organ.-chemotherapeutischer  Grundlage  nach  Dr.  Iwan  Bloch 

bei  sexueller  Dyshormonie  und  Insuffizienz 

vorzeitigen   Alterserscheinungen,    Stoffwechselstörungen,    Herzneurosen,    Neurasthenie,  DepressionszustÀnden 

Enthalten  die  Sexualhormone,  d.  n.  die  Hormone  der  KeimdrĂŒsen  und  der  Drosen  mit  Innensekretion. 


Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Testogan. 

Impotenz,  Climacterium  virile, .  Pro- 
statitis, Asthma  sexuale,  leichte  Er- 
mĂŒdbarkeit, ArbeitBunlust,  Periodische 
MigrÀne  und  andere  endocrine 
Störungen. 

Ordinationen :  

Dreimal  tÀglich  eine  Tablette  nach  dem 
Essen  und  eventuell  gleichzeitig  tÀglich 
bezw.  jeden  zweiten  Tag  eine  subku- 
tome  oder  intraglutÀale  Injektion. 

Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Thelygan. 

Endocrine  Genitalstörungen, 
Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmen- 
orrhoe, Klimakterische  Beschwerden, 
Ausfallserscheinungen,  FrigiditÀt,  Ste- 
rilitÀt, Angstneurosen,  Infantilismus, 
univers.  part. 

In  Form  von  Tabletten; 
Ampullen  und  Suppositorien. 

Dr.  Georg  Henning,  Berlin  W  35, 


Grosse  neue  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 


KurfĂŒrstenstrasse  146/147. 


XV  i 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


und  lege  es  mit  Oel  auf.  Gegen  nÀchtlichen  Schrecken  und 
Gespenster  binde  man  einen  der  großen  ZĂ€hne  mit  einem 
Faden  an  sich.  Damit  sollen  auch  Rasende  berÀuchert,  der 
/ahn  ihnen  auf  die  Brust,  nebst  Nierenfett  oder  Leber  oder 
mit  einem  StĂŒck  Fell  gebunden  werden.  Durch  angebranntes 
Fell  sollen  die  Schlangen  vertrieben  werden.  StĂ¶ĂŸt  man  die 
Kinnlade  mit  Anis  und  ißt  sie,  so  soll  das  Schaudern  auf- 
hören. 

Doch  genug  des  grausamen  Spiels.  Eine  ErklĂ€rung  fĂŒr 
diese  tollen  Anschauungen  der  sonst  so  verstÀndigen  Römer 
findet  sich  wohl  darin,  daß  sie  dem  Grundsatze,  similia 
similibus  zu  behandeln,  mit  aller  Konsequenz  huldigten.  Sie 
sahen  z.  B.,  daß  der  LĂ€mmergeier  Knochen  verdauen  kann, 
folglich  stand  es  bei  ihnen  fest,  daß  ein  schwacher  Magen 
durch  den  Genuß  eines  LĂ€mmergeiermagens  geheilt  werde. 
Es  ist  nur  merkwĂŒrdig,  daß  sie  nic  ht  noch  einen  Schritt 
weiter  gegangen  sind  und  dumme  Menschen  durch  den  Ge- 
nuß des  Gehirns  kluger  Tiere,  wie  z.  B.  des  Fuchses,  zu  geist- 
reichen Köpfen  umgewandelt  haben. 

Sieht  man  von  diesen  Phantastereien  der  Alten  ab,  so 
muß  man  doch  zugeben,  daß  die  Tiere  in  der  Medizin  eine 
[‱echt  bedeutende  Rolle  insofern  spielen,  als  sie  uns  auf 
manche  HeilkrÀfte  der  Natur  aufmerksam  gemacht  haben. 
Es  muß  unser  Erstaunen  erregen,  daß  die  Tiere  ohne  Zau- 
dern gleich  das  richtige  Mittel  ergreifen.  Auch  von  den 
Naturmenschen  ist  es  ja  bekannt,  daß  sie  mit  heilkrĂ€ftigen 
Pflanzen  weit  besser  Bescheid  wissen  als  der  Kulturmensch. 
Der  Mythus,  daß  der  Zentaur  Chiron  der  Lehrmeister  des 
Achilles  in  der  Heilkunde  gewesen  sei,  will  ja  auch  nichts 
anderes  besagen,  als  daß  die  Griechen  von  Naturvölkern  heil- 
krÀftige Pflanzen  kennen  lernten,  die  ihnen  bisher  unbekannt 
waren. 

Doch  um  auf  die  Tiere  zurĂŒckzukommen,  so  seien  hier 
folgende  FĂ€lle  angefĂŒhrt.  Wenn  der  BĂ€r  aus  seinem  Winter- 
schlaf erwacht,  nimmt  er  zunĂ€chst  ein  abfĂŒhrendes  Moos  zu 


sich,  um  sich  Magen  und  GedÀrme  zu  reinigen.  Woher  ist 
ihm  diese  Wirkung  bekannt?  —  Jeder  Hundekenner  weiß, 
daß  Hunde  auf  dem  Lande  sich  wohler  fĂŒhlen  als  in  der 
Stadt.  Auf  dem  Lande  kann  eben  der  Hund,  sobald  er  sich 
nicht  wohl  fĂŒhlt,  Gras  und  KrĂ€uter  nach  Belieben  fressen. 
Das  Graskauen  der  Hunde  wird  ja  wohl  selbst  ein  StÀdter 
beobachtet  haben.  Es  sei  ferner  an  Unlands  Gedicht  „Gral 
Eberhard  der  Rauschebart"  erinnert: 

Ein  angeschossner  Eber,  der  sich  die  Wunde  wusch, 
Verriet  voreinst  den  JĂ€gern  den  Quell  in  Kluft  und  Busch. 

Diese  Kenntnis  der  Tiere  von  Heilmethoden  durch  die 
einfachsten  Dinge,  wozu  nicht  bloß  Pflanzen  gehören,  isl 
ganz  auffallend.  Ein  von  einer  Kreuzotter  gebissener  Hund 
begab  sich  unverzĂŒglich  nach  einer  Quelle,  hielt  dort  seinen 
gebissenen  Fuß  vierundzwanzig  Stunden  eingetaucht  und 
war  gerettet. 

Bekannt  ist  auch  die  Geschichte  von  dem  Einsiedler  und 
der  Ziege.  Er  wÀre  verhungert  oder  an  den  Folgen  von  Gift 
gestorben,  wenn  er  nicht  alle  ihm  unbekannten  GewÀchse 
erst  seiner  Ziege  vorgelegt  und  sich  nach  ihrem  Verhalten  ge- 
richtet hÀtte. 

Die  Kenntnis  der  giftigen  und  abfĂŒhrenden  Pflanzen 
ballen  wir  also  den  Tieren  zu  verdanken.  Ebenso  sind  die 
Wasser-  und  Sonnenkuren  wohl  ebenfalls  ihnen  abgelauscht. 
Denn  die  Wahrnehmung,  daß  HĂŒhner,  Sperlinge  usw.  mit 
dem  grĂ¶ĂŸten  Behagen  ihr  Sonnenbad  nehmen,  indem  sie  mit 
allen  Zeichen  des  körperlichen  Wohlbefindens  im  Sande 
paddeln,  wird  wohl  nicht  ohne  Einfluß  auf  manchen  Zu- 
schauer gewesen  sein.  Wie  HĂŒhner  ordentlich  hungrig  nach 
der  Sonne  sind,  lernte  ich  einmal  recht  deutlich  in  einem 
Berliner  Hause  kennen.  Hier  hielt  sich  der  Wirt  HĂŒhner, 
obwohl  der  dunkle,  kleine  Hof  wenig  dazu  geeignet  war.  Nur 
im  Juni,  und  dann  nur  zwei  Stunden  lang  an  einer  gewissen 
Stelle  des  Hofes  war  Sonnenschein.    Da  hÀtte  man  aber  die 


Eston 

ist  essigsaure  Tonerde  in  Pulverform,  verstÀrkt  mit 
Aluminiumsulfat. 

Nachstehende  PrÀparate  sind  im  Handel: 

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den,  Fisteln,    tiefen  GeschwĂŒren, 
schweren  Wunden  der  Brustwarzen 
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Bei   starker   Schw  eissabsonderung 

und  bei  Wunden 

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und  Akne.  Originaltube 

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Wundlaufen.  Wundliegen,  Verbren- 
nungen 

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Gegen    Frostbeulen     und  andere 
FrostschÀden.  Originaltube 

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zur  Schönheitspflege 
Streudose,  Probebeutel  und  Beutel 
ca.  100  gr. 

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Eiternde  Wunden,  ulc.  cruris 
Streudose  ca.  50  g 

Eston-Bolus  steril  20  % 

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Vi  und  Streudose 

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stillcnder  Wirkung  bei  Wunden,  Ent- 
zĂŒndungen. Haemorrhoiden.  ferner 
bei  Verbrennungen  zur  VerhĂŒtung 
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Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


HĂŒhner  sehen  sollen.  WĂ€hrend  der  ganzen  Zeit  lagen  sie 
nur  in  der  Sonne,  ohne  an  Futter  oder  sonst  etwas  zu  denken. 

,  lieber  Wasserkuren  des  Wildes  hat  vor  dem  Weltkriege 
v  o  n  P  r e  s  s  e  n  t  i  n  -  R  a  u  1 1  e  r  einiges  berichtet,  wovon 
ich  Nachstehendes  ĂŒbernehme.  Er  schreibt  nĂ€mlich:  Zu 
Nutz  und  Frommen  vieler  JĂ€ger  wollen  wir  hier  die  alte  Er- 
fahrung mitteilen,  daß  jedes  nicht  tödlich  angeschweißtes 
Wild  es  liebt  —  falls  es  dazu  Zeit,  Ruhe  und  Gelegenheit 
findet  — ,  sich  einer  Art  Wasserkur  zu  unterziehen,  indem  es 
das  Wasser  aufsucht,  sich  seine  Wunden  zu  kĂŒhlen  und 
durch  fortgesetzten  Gebrauch  solcher  WasserbÀder  sich  die 
erhaltenen  Wunden  oftmals  ganz  auszuheilen.  Zu  Alt-Hart- 
mannsdorf bei  Storckow  schoß  ich  auf  meinem  damaligen 
Jagdrevier  einen  guten  Bock  mit  der  Kugel  hohl  durch.  Bei 
der  Nachsuche  am  nÀchsten  Morgen  sah  ich  den  kranken 
Bock  etwa  500  Meter  vom  Anschuß  in  einem  seichten  Graben 
stehen.  Er  leckte  sich  in  schwierig  gebogener  Stellung  den 
Ausschuß  und  schöpfte  auch,  von  einmaligem  Aufwerfen 
unterbrochen,  in  zwei  AbsĂ€tzen,  um  dann  bis  ĂŒber  den  Schuß 
ins  Wasser  zu  steigen.  Ich  schlich  mich  an  den  Bock  heran, 
worĂŒber  wohl  eine  Viertelstunde  verging,  wĂ€hrend  deren  der 
Bock  ruhig  im  Wasser  stand,  und  als  ich  ihn  endlich  in 
dem  Augenblick  totschoß,  wo  er  aus  dem  Wasser  stieg,  stellte 
es  sich  nach  genauer  Besichtigung  beim  Aufbrechen  heraus, 
daß  kein  edles  Organ  durch  den  ersten  Kugelschuß  verletzt 
war,  daß  sich- der  Bock  mithin  hĂ€tte  ausheilen  können.  — 
Einen  anderen  kapitalen  Bock,  den  ich  1863  mit  ganz  Àhn- 
lichem Schuß  in  der  Polkewitzer  Niederheide  anschweißte, 
entdeckte  ich  erst  drei  Tage  spÀter  in  dem  Rohr  eines  Wiesen- 
teiches dicht  jenseits  der  feindlichen  Grenze.  Der  Bock  trat 
mit  krummem  RĂŒcken  und  tief  niedergedrĂŒcktem  GeĂ€se  auf 
die  Wiese,  wo  er  sich  zu  Àsen  begann,  dazwischen  aber  mit 
dem  Gehörn  sehr  eifrig  die  Fliegen  von  seinen  Flanken 
scheuchte.  Als  Verfasser  diesen  Bock,  den  er  spÀter  wohl 
noch  zehnmal  im  Rohr  des  feindlichen  Grenzteiches  sah, 


endlich  nach  einem  Vierteljahr  zur  Strecke  brachte,  war  die 
alte  Schußwunde  völlig  verheilt,  und  der  Bock  war  gut  bei 
Leibe;  die  WasserbÀder  hatten  ihn  vor  dem  Eingehen  ge- 
rettet. 

Im  Jahre  1861  wurde  zu  Friedersdorf  auf  des  Verfassers 
damaliger  Pachtjagd  gelegentlich  einer  Treibjagd  von  einem 
Jagdgast  ein  Rotspießer  mit  kleinen  Rehposten  angeschweißt. 
Die  RotfĂ€hrte  ergab  Lungenschuß.  Das  StĂŒck  war  ĂŒber  die 
Grenze  ins  Königliche  gewechselt,  konnte  aber  auch  dort 
nicht,  trotz  starken  Hustens,  zur  Strecke  gebracht  werden. 
Drei  Tage  spĂ€ter  war  es  auf  Friedersdorfer  Revier  zurĂŒck- 
gewechselt und  hatte  sich  in  die  von  einem  flachen  Kanal 
durchschnittene  Dickung  gesteckt,  aus  der  es  bei  der  Treib- 
jagd vor  die  Flinte  getrieben  war.  Wenige  Tage  spÀter  sah 
ich  den  Spießer,  gelegentlich  eines  Pirschganges,  im  Wasser 
des  Kanals  sitzen.  DĂŒrre  Zweige  verhinderten  das  Ankom- 
men; der  kranke  Hirsch  ging  in  die  Dickung  zurĂŒck.  Monate- 
lang hörte  man  den  Hirsch  noch  in  der  Schonung  husten 
und  sah  ihn  im  Wasser,  ohne  daß  ein  Abschuß  möglich 
wurde.  Erst  im  Januar  brachte  ich  den  anscheinend  ganz 
wieder  genesenen  Hirsch  zur  Strecke.  Bei  dem  Zerlegen 
zeigten  sich  in  der  Lunge  an  zwei  Stellen  kÀsige  Entartungen, 
in  denen  zwei  Posten  gefunden  wurden.  Das  StĂŒck  war  gut 
bei  Leibe  und  so  gut  wie  genesen. 

Ließen  wir  vorstehend  einige  Beispiele  sprechen,  so  wol- 
len wir  im  allgemeinen  bemerken,  daß  Rotwild  bei  sehr 
vielen  nicht  sofort  tödlichen  Schußverletzungen  zum  Wasser 
zu  gelangen  sucht.  Wir  haben  die  schwerkranken  und  ver- 
endeten StĂŒcke  öfter  in  BrĂŒchen  oder  SĂŒhlen,  bis  zum  Kopf 
im  Schlamm  steckend,  gefunden.  Dem  inneren  Drange  nach 
einem  wohltĂ€tigen  Wasser-  oder  Schlammbade  folgt  ĂŒbrigens 
angeschweißtes  Schwarzwild  noch  ungleich  mehr  als  die  bis- 
her besprochenen  beiden  Wildarten.  Vielleicht  liegt  das 
daran,  daß  die  Suhle  den  Sauen  an  und  fĂŒr  sich  sofort  ein 
Lebenselement  ist.    Es  ist  indessen  auch  möglich,  daß  man 


ersetzt  die  Gessmtafkalofde  des  Opiums 

gegerĂŒb.  and.  Opiaten :  einhell.  cheT.  Zu  ammenset<ung.  Fehlen  unnötiger  Ballaststoffe 
gegenub.  du"  Morphium:  lÀnger  dauernde  Wirkung,  S  honung  des  Atemzentrums  und 
Wegia'l  bzw.  selteneres  Auftreten  ■  an  Nebenerscheinungen,  wie  Erorechen, 
Cnayi e-Stocxessches  Atmen,  Cyanose  usw. 


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Antiseptische  Salbe  mit  starken  granulations- 
anregenden   und    eplthellslerenden  Eigenschaften. 

Neuartiges  ionotherapeutlsches  Mittel, 
wirkt  durch  das  Uebergewicht  an  Kationen. 

Sehr  bewÀhrt  besonders  bei:  Aeusseren  Verletzungen  (wie  Schnitt-.  Riss-,  Bits- 
und   Quetschwunden),   Prostbeulen,   Brandwunden  I.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  cruris,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetiologische  Momente  hervorgerufene*  Erythemen. 


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Monomethylcupreinblhydrochlorid ,  Alumln  lumaeetotartrat.) 

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Dlssozllertes  Chlor  und  naszierender  Sauerstoff. 

Verbflrgt  den  Schutz,  ohne  die  Schleimhaut  zu  reizen  und  Àsthetisch  unange- 
nehm zu  wirken.  —  PrĂ€parat,  welches   die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor  und  Sauerstoff  mit  der  keimtötenden  Kraft  eines  Atkalolds  vereinigt 
VorzĂŒglich  als  SchofMltiol. 


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5 


Das  deutsche  natunliche  N^-5^  Die  Gesamtalka  I  oide  d  e  r> 
Nebennienen^Pnaparat    Anfragen  Rad.  Ipecac.  in  Tablette  nfonm. 

'  erbitten  ' 

BYK-QULDEN  WERKE  CHEMISCHE  FABRI K-  AKT-GES —  BERLIN  ‱  NW/ „. 


s 


Vlll 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


diese  Beobachtung  deswegen  öfter  beim  Schwarzwild  macht, 
weil  ihm  noch  mehr  als  jedem  anderen  Wilde  bei  nÀcht- 
lichem Ansitz  mit  grobem  Schrot  oder  mit  Posten  auf  das" 
Schild  gebrannt  wird,  ohne  daß  solch  ein  Schuß  zunĂ€chst 
mehr  als  ein  KĂŒmmern  zur  Folge  hĂ€tte.  Jedenfalls  beob- 
achtet man  es  unendlich  oft,  daß  angeschweißte  Sauen,  die 
zu  Wasser  gelangen,  spÀter  gleichsam  mit  neuer  Lebenskraft 
weiter  wechseln  und  fĂŒr  den  SchĂŒtzen  ĂŒber  die  Grenze  ver- 
loren gehen. 

Hiernach  kann  es  also  gar  keinem  Zweifel  unterliegen, 
daß  der  Naturmensch,  der  derartige  Kuren  weit  hĂ€ufiger  als 
wir  beobachtet  haben  muß,  den  segensreichen  Einfluß  des 
Wassers  vom  Rot-  und  Schwarzwild  gelernt  hat. 

Pressentin  bestÀtigt  also  die  Heilwirkung  des 
Wassers  fĂŒr  Schußwunden,  die  Unland  besungen  hat. 

Weil  also  die  Tiere  fĂŒr  die  Naturvölker  unzweifelhaft  in 
vielen  Punkten  Lehrmeister  der  Heilkunde  gewesen  sind,  so 
begreift  man,  daß  die  Leiber  der  Tiere  selbst  als  medizin- 
spendend angesehen  wurden.  Dieser  Grundgedanke  ist  ja 
naheliegend.  So  soll  auch  das  Fleisch,  insbesondere  das 
Mark  von  starken  Tieren,  z.  B.  von  BĂ€ren,  den  Essenden  stark 
inachen. 


Eine  Schneidergewerbekrankheit. 

Von  Dr.  Hermann  Schelenz,  Cassel. 

„Es  pflanzen  sich  Gesetz  und  Recht  wie  eine  ew'ge 
Krankheit  fort"  —  geringfĂŒgige  Tatsachen  auf  allen  mög- 
lichen Wissengebieten,  mehr  noch  vielleicht!  Vor  dreißig 
Jahren  etwa  konnte  ich  nach  langwierigen  Untersuchungen 
nachweisen,  daß  der  Glauben,  daß  der,  wie  ich  ebenfalls 


zeigen  konnte,  an  zwei  Jahrtausend  alte  Glaube  an  die  Heil- 
kraft der  salzhaltigen  Seeluft  ein  Irrglaube  ist:  sie  enthÀlt 
gar  kein  Salz.  Und  daß  wir,  trotzdem  meine  Arbeitsergeb- 
nisse die  Runde  durch  die  Welt  gemacht  haben,  noch  fort- 
lebte, fĂŒhrt  mir  ein  Zufall  vor  Augen.  Ausgerechnet  im 
BadefĂŒhrer  durch  St.  Peter,  wo  ich  seinerzeit  meine  Unter- 
suchungen ausgefĂŒhrt  habe,  fand  ich  den  Kochsalzgehalt  als 
Heilfaktor  herausgestrichen! 

Was  das  Volk  von  dem  sehr  ehrenwerten,  uns  immer 
teuer  gewesenen,  nachgerade  fast  unerschwinglich  gewordenen 
Schneider-,  vornehmer  Tailleur-  oder  Tailorstand  sich  er- 
zĂ€hlt, geht  auf  Ueberlieferungen  aus  Jahrhunderten  zurĂŒck. 
Heldenhaft  erschien  er  ihm  nie,  trotzdem  er  auf  einen  be- 
rĂŒhmten Kriegsmann  in  seinen  Reihen  stolz  sein  darf.  Der 
Schneider  Meck-Meck  mit  dem  Ziegenbart  und  der  meckern- 
den hohen  Stimme  vertrÀgt  sich  nicht  mit  einer  Heldenrolle. 
Er  hielt  sich  stets  zu  den  Friedliebenden.  Lange  schon  hing 
man  ihm  ein  Leiden  als  eine  Art  Gewerbekrankheit  an,  ehe 
ihÀn  an  solche  auch  nur  dachte:  pochen  auf  den  Besitz  eines 
Teils  des  ihm  zur  Verarbeitung  gelieferten  Stoffes!  Wenn 
man  einen  Schneider  und  je  einen  gleich  krankheitsbelasteten 
MĂŒller  und  Weber  in  einen  Sack  stecke  und  blindlings  einen 
von  ihnen  am  Bein  heraushebe,  so  hÀtte  man  stets  einen  Dieb 
zu  fassen.  —  So  scherzte  man  ĂŒber  die  drei  Kumpane.  Ver- 
mutlich doch  auf  Erfahrung  gestĂŒtzt,  gibt  Shakespeare 
solchen  Gedanken  in  bezug  auf  den  Schneider.  Ausdruck.  Er 
spricht  von  einem  Tailor,  dem  damaliger  Zeit,  wie  mir 
scheint,  viel  kunstvollere  Arbeiten  zugemutet  worden  sind 
als  jetzt,  dem  Dieb  einer  .französischen  Hose  —  der  Dichter 
geißelt  an  mehr  als  an  einer  Stelle  solche  und  andere  Art  „Aus- 
lĂ€nderei" —  daß  er  in  die  Hölle  mĂŒsse,  wo  er  ĂŒbrigens  so  gut 
Gelegenheit  fĂ€nde,  seine  Tailor-goose,  das  einigermaßen 
gĂ€nseĂ€hnlich  gestaltete  BĂŒgeleisen  zu  wĂ€rmen.  Ob  die  da- 
mals schon  gÀngige  Sitte,  bei  einem  Falle,  beim  Stolpern 


qeqen  alle  durch  erhöhten 
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Nr.  22/23. —40.  Jahrg. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIX 


u.  dgl.,  wie  bei  uns  etwa  „Pardauz!"  Tailor!  zu  rufen,  mit 
jener  Gewerbekrankheit  irgendwelche  Beziehung  hat,  weiß  ich 
nicht  zu  sagen.  Eine  weitere,  jetzt  offenbar  ganz  in  Vergessen- 
heit geratene  Gewerbekran khoit  lernte  ich  durch  Zufall  in 
letzter  Zeit  kennen.  Ich  wurde  gebeten,  das  Wort  Schneider- 
kurage  zu  deuten,  unter  dem  und  Àhnlichen  in  den  Apo- 
theken ein  Mittel  gefordert  wird,  eine  Salbe  nach  recht  altem 
Rezept  aus  Nießwurzel,  Quecksilber  und  Fett,  die,  weil  sie  die 
Milben  tötet,  die  die  unappetitliche  KrÀtze  hervorruft,  infolge- 
dessen gegen  diese  Krankheit  hilft.  Ich  fand  in  einem  alten 
Nachschlagebuch,  daß  den  Rittern  der  Nadel  nur  den 
SchwÀchlingen  des  Nachwuchses,  aus  denen  doch  nichts 
wurde,  gab  man  sie  fĂŒr  den  Kampf  mit  dem  Leben  in  die 
Hand!  —  nachgesagt  wurde,  daß  sie  der  Regel  nach  an  einer 
Jucken  erregenden  Hautkrankheit  litten  und  infolgedessen  zu 
ewigem  Schubben  verdammt  seien,  „daher  sie  einige  Leute 
Schob  bjacks  und  ihr  Mittel  Schobbjackssalbe  genannt 
wĂŒrde".  GenĂŒgend  Kurage  fĂŒr  solchen  Kampf  traute  man 
dem  Schneider  wohl  zu.  War  er  damals  wirklich  nötig,  dann 
hatte  gewiß  nicht  der  Gewandschneider,  sondern  nur  der 
Flickschneider  ihn  zu  bekĂ€mpfen,  der  mit  „Hadern"  arbeitete, 
in  die  wohl  einmal  die  Einquartierungeines  Schobbjacks  sich 
festgesetzt  haben  konnte.  Sonst  hÀtte  nur  der  Staub  der 
Stoffe  in  den  Hautfalten  Jucken  erregen  können,  nicht  jenes 
krabbelnde  Ungeziefer.  Und  doch  wird  der  Bekleidungs- 
kĂŒnstler sich  lange  noch  mit  seinem  Ruf  abfinden  mĂŒssen, 
selbst  wenn  er,  wie  es  wenigstens  die  Weiblichkeit  zu  beab- 
sichtigen scheint,  zugunsten  akademischer  Feigenblattmode 
:  abgeschafft  werden  sollte.  Trost  wird  er  sicher  finden,  selbst 
wenn  er,  Kampf  abgeneigt,  bescheiden,  vom  Heranziehen  des 
Worts  vom  Gerechten  absieht.  Will  er  es  besser  haben  als 
der  best-verleumdete  Michel?  ! 


F.  C.  Donders. 

Von  Generalarzt  a.  Ü.  Dr.  B  u  1 1  e  r  s  a  c  k,  ĂŒber  lieft. -Med. -Hai 

Am  22.  Juni  1921  wurde  in  Utrecht  ein  Denkmal  von 
F.  C.  Donders  enthĂŒllt,  und  die  dabei  gehaltenen  An- 
sprachen von  wissenschaftlichen  und  staatlichen  Spitzen 
liegen  —  von  seiner  Enkelin  Paula  Krais  geb.  EngeLmann 
liebevoll  ĂŒbersetzt  —  aus  dem  Engelmann'schen  Verlage  nun 
mehr  vor. 

Eigentlich  hÀtte  das  Denkmal  zum  100.  Geburtstage  am 
27.  Mai  1918  fertiggestellt  sein  sollen.  Die  Not  des  Krieges 
hat  es  verzögert.  Aber  bei  ĂŒberragenden  Persönlichkeiten 
kommt  es  auf  die  ZufÀlligkeiten  ihres  Geburts-  oder  Todes- 
jahres nicht  an.  Auf  Donders  paßt  das  Johnson  sehe 
Wort:  „He  was  not  of  one  age,  but  for  all  time",  so  gut  wie 
der  Vers  des  Tyrtaeos: 

„Nimmer  im  Dunkel  erlischt  sein  Ruhm  und  gepriesener 
Name;  Und  der  Begrabene  lebt  als  ein  Unsterblicher  fort." 

Denn  wenn  es  wahr  ist,  daß  nur  derjenige  ein  vollende- 
ter Arzt  ist,  welcher  Theorie  und  Praxis  gleich  gut  be- 
herrscht, so  gehörte  Donders  an  erster  Stelle  dazu.  Er 
war  zwar  Physiolog,  aber  immer  mit  dem  Blick  auf  die  Ver- 
wertbarkeit seiner  Entdeckungen  im  Interesse  der  leidenden 
Menschheit.  Uns  Deutschen  ist  er  vornehmlich  von  der 
Augenheilkunde  her  bekannt;  hat  er  doch  die  erste  ophthal- 
mologische Klinik  auf  Grund  seiner  (und  H  e  1  m  h  o  1 1  z'  und 
G  r  a  e  f  e  '  s)  Forschungen  ins  Leben  gerufen  und  damit 
einen  Mittelpunkt  fĂŒr  die  ganze  damalige  Welt  geschaffen, 
von  der  unsere  heutigen  Institute  letzten  Endes  nur  Ableger 
darstellen. 

Aber  ĂŒber  das  Individuum  hinaus  erstreckte  sich  sein 
Wirken  auf  die  Aligemeinheit  und  umfaßte  mit  bewunde- 


XX 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Nr.  22/23.  —  40.  Jahrg. 


1  ungswĂŒrdigem  VerstĂ€ndnis  und  EinfĂŒhlen  die  wunden 
Punkte  in  dem,  was  man  jetzt  gemeinhin  soziale  Medizin 
nennt.  Viel  Ruhm  war  dabei  nicht  zu  holen.  Allein  danach 
stand  sein  Sinn  auch  nicht  im  geringsten.  Ihn  beseelte  außer 
dem  Forschungstrieb  auch  eine  seltene  HerzensgĂŒte  und  der 
Wunsch  zu  helfen,  wo  es  auch  sei.  Donders  war  nicht 
bloß  Gelehrter  und  Arzt,  sondern  in  erster  Linie  Mensch, 
d.  h.  ein  Vollmensch  mit  harmonischer  Ausbildung  aller  uns 
verliehener  Gaben,  und  eben  dadurch  ragte  er  so  hoch  ĂŒber 
seine  Umgebung  hervor. 

Indessen,  er  war  doch  nicht  der  einzige  ReprÀsentant 
dieser  wahren  „Uebermenschen".  Wenn  wir  heute  zurĂŒck- 
denken an  die  Zeiten  von  Griesinger,  Wunderlich, 
Langenbeck,  Billroth,  Bunsen,  Siemens, 
R  a  n  k  e  usw.,  dann  fĂŒhlen  wir  uns  in  eine  MĂ€rchenwelt  ver- 
setzt, in  welcher  diese  FĂŒrsten  des  Geistes  wie  Heroen  her- 
umwandelten, und  ein  GefĂŒhl  des  Verstoßenseins  will  sich 
nicht  unterdrĂŒcken  lassen.  Die  Wahrheit  des  arabischen 
Spruches  geht  uns  auf:  „Das  Sinken  der  Wissenschaft  ist 
ein  kleineres  Uebel  als  der  Tod  ihrer  Meister". 

Aber  trösten  wir  uns!  Die  Wellenbewegung  alles  Or- 
ganischen fĂŒhrt  uns  oder  wenigstens  unsere  Enkel  wieder  in 
die  Höhe.  Das  strahlende  Licht  der  Vergangenheit  erhellt 
auch  unsere  Zukunft,  und  stolz  erinnern  wir  uns  beim  Ge- 
denken an  unsere  großen  Toten  des  Verses  von  K  a  1 1  i  - 
machos:  „Und  nun  bist  du,  teurer  Freund,  lĂ€ngst  Staub! 
Deine  Nachtigallen  aber  singen  weiter.  Auf  sie  wird  der 
RĂ€uber  Hades  seine  schwere  Hand  nicht  legen." 


Der  heutigen  Nummer  liegt  ein  Prospekt  des  Verlages  Kurt  Kobitzsch 
ĂŒber  „  Preussische  GebĂŒhren-Ordnung  fĂŒr  Aerzte  und 
ZahnÀrzte  und  andere  Werke  bei,  worauf  wir  besonders  aufmerksam 
machen  möchten. 


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zustÀnde,  d:e  Unfruchtbarkeit  be- 
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schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tablelten  (25  StĂŒck  ca. 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Zusammengestellt  von  Dr.  med.  Kr  u  Irsch,  Coswig  i.  Sachsen, 
LungenheilstÀtte  Lindenhof. 

1.  aus: 

Johannes  Hartmannus,  Praxis  Chymiatrica 

oder 

Chymische  Artzney=Uebung. 

N  ĂŒ  r  n  b  e  r  g,  i  m  .1  a  h  r  C  h  r  i.s  t  i  1678. 

Motto: 

..Zu  des  Mensehen  Nutz  und  Frommen 
wird  diss  nlles  vorgenommen."  - 

(  Johannes  Hartmannus.  1678. 

Seite  346  f. 

„A  t  r  o  p  h  i  a, 

Schwindsucht  und  Abnehmung  des  Leibs,  da  man  doch  bey 
vielem  Essen  und  Trincken  nicht  zunimmt,  auch  stetigs 
großen  Hunger  dabey  hat." 

 „Die  unheilsame  Curation  des  abnehmenden  Leibs  / 

wann  alle  Mittel  vergebens  sind  angewendet  worden  /  hab 
ich  zuweilen  auf  diese  Weise  curirt.  Rp.  Jungfrauen-Honig 
nach  Belieben  /  beschmiere  einen  neuen  unglasurten  Hafen 
damit  inwendig  /  darnach  scharre  denselben  in  einen 
Ameisen-Hauffen  /  also  /  daß  das  Mundloch  des  Hafens  mit 
einem  Sieb  bedeckt  werde  /  so  mittelmĂ€ĂŸig-weite  Löcher 
hat  /  und  also  werden  die  Ameisen  /  wann  sie  durch  das 
Sieb  lauften     in  das  Hoenig  fallen  /  und  darinnen  kleben 


bleiben  /  und  nicht  wieder  lauften  können  und  wird  nichts 
anders  unreines  hineinfallen. 

Aqua  contra  consumtionem  corporis. 

lieber  diese  gesammlete  Ameisen  s.  q.  giesse  einen  Spiri- 
lum  Vini  ({.  s.  digerirs  mit  beschlossenem  GefĂ€ĂŸ  in  B.  ein 
oder  andern  Tag  /  darnach  d ist i  1  Ii is  durch  B.  erstlieb  lind 
biss  kein  Spiritus  Vini  mehr  ausgehe.  Wann  solcher  heraus 
gebracht  /  so  distillire  das  ander  im  siedenden  B.  und  behalt 
es  auf. 

Dieses  Wassers  ein  Löffel  voll  in  jeglicher  Wochen  drey 
oder  viermal  nĂŒchtern  mit  geröstetem  Bröd  gebraucht  / 
nimmt  die  Abnehmung  des  Leibs  wunderlieh  hinweg.  Unter- 
dessen soll  man  den  gantzen  Leib  /  oder  dessen  distantes 
partes,  zuweilen  mit  diesem  liquor  schmieren;  (als  Hand 
Arm  /  Fuß)  wann  auch  auf  dieses  Mittel  die  Curation  nicht 
geschwind  erfolget  /  so  verfahre  endlich  folgender  Weise 
(diese  Magnetische  Cur  nutzet  auch  in  den  Fiebern)  besiehe 
etwas  besser  unten  von  der  Aridura. 

(  ura  magnetica  consumtionis. 

Nimm  ein  neu  Ey  /  siede  es  in  Urin  eines  SchwindsĂŒch- 
tigen /  in  einem  neuen  HĂ€felein  /  daß  der  Urin  das  Ey  gantz 
bedecke  /  lass  es  aufsieden  /  biss  es  hart  werde.  Wann 
solches  geschehen  ist  /  thue  das  HĂ€felein  vom  Feuer  /  durch- 
bohre das  gesottene  Ey  mit  Löchern  /  mit  einem  spitzigen 
Höltzlein  /  daß  die  Löcher  zum  Eyerdotter  dringen  /  hernach 
siede  das  durchgeborte  Ey  im  hinterstelligen  gleichmĂ€ĂŸigen 
Urin  /  und  kehre  allezeit  das  Ey  um  /  bis  der  Urin  aller  ver- 


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XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Ami 


10.  Jahrg.  —  Nr.  21  25. 


zehret  worden;  endlich  vergrabe  dieses  Ey  um  /  bis  der  Urin 
aller  verzehret  worden;  endlich  vergrabe  dieses  Ey  in  einen 
Ameis-HaĂŒffen.  Wann  solches  von  ihnen  verzehret  und 
aufgefressen  worden  /  so  höret  die  Schwindsucht  durch  eine 
verwunderliche vfidnÀdsiap  auf  \  und  fanget  eine  vollkommene 
Zunehmung  aufs  neue  anzusetzen.  Unterdessen  aber  ist  des 
obigen  Saffts  Gebrauch  nicht  unterwegen  zu  lassen." 

2.  aus:  Z  e  n  t  r  a  1  b  1  a  1 1  fĂŒr  die  gesamte  T  u  b  e  r- 
kulosef  orschung,  Band  XVI.  Berlin,  25.  Juli  1921. 
Seite  24. 

„DĂŒblet,  F.:  Cas  de  guerison  de  la  tuberculose  experi- 
mentale.  (FĂ€lle  von  Heilung  der  experimentellen  Tuber- 
kulose.) Gpt.  rend.  des  seances  de  la  soc.  de  biol.  Bd.  84, 
Nr.  3,  S.  111—112.  1921. 

Verf.  zerkochte  Leber  und  Pankreas  von  Weinberg- 
schnecken in  Kalkwasser,  setzte  Glycerin  zu  und  mischte  das 
Filtrat  mit  dem  Glyzerinextrakt  von  Raupen  der  After- 
schaben. Diese  Mischung  scheint,  auf  Tuberkelbazillen- 
kulturen gebracht,  eine  verzögernde  Wirkung  auf  das  Wachs- 
tum der  Kolonien  auszuĂŒben,  aber  die  LebensfĂ€higkeit  der 
Bazillen  nicht  aufzuheben,  da  die  damit  geimpften  Tiere 
tuberkulös  werden.  Spritzt  man  "die  Mischung  tuberkulösen 
Meerschweinchen  ein,  so  bringt  sie  den  tuberkulösen  Prozeß 
zum  Stillstand.  Meerschweinchen,  welche  4 — 8  Wochen  lang 
subkutane  Einspritzungen  der  Glyzerinextrakte  erhielten,  er- 
krankten angeblich  bei  spÀterer  Impfung  mit  lebenden  Ba- 
zillen nicht.  Möllers  (Breslau). 

DĂŒblet:  L'extrait  de  chenilles  de  la  mite  de  la  ruche 
d'abeilles  pour  la  guerison  de  la  tuberculose  experimentale. 
(Der  Raupenextrakt  der  Milbe  des  Bienenstocks  in  seiner  Be- 
ziehung zur  Heilung  der  experimentellen  Tuberkulose.)  Gpt. 
rend.  des  seances  de  la  soc.  de  biol.  Bd.  84,  Nr.  8,  S.  381  — 
382.  1921. 

Verf.  hat  die  Versuche  von  Metalnikoff  (dies.  Zentrlbl.  15, 
279)  mit  dem  Raupenextrakt  der  Bienenstockmilbe  nach- 


geprĂŒft und  kommt  auf  Grund  von  Meerschweinchenver- 
suchen zu  dem  Schluß,  daß  es  möglich  ist,  die  Tiere  durch 
eine  Vorbehandlung  mit  Raupenextrakt  gegen  eine  nach- 
folgende tuberkulöse  Infektion  zu  schĂŒtzen. 

Möllers  (Berlin)." 


Carl  Thiersch  und  die  Studenten. 
Zu  seinem  100.  Geburtstag. 

Von  J  u  s  t  u  s  W  h  i  e  r  s  c  h. 

Am  20.  April  1922  jÀhrte  sich  zum  100.  mal  der  Geburts- 
tag meines  Vaters,  des  im  Jahre  1895  heimgegangenen  Leip- 
ziger Chirurgen  Carl  Thiersch.  So  mancher  Àltere 
Kollege  wird  sich  an  diesem  Tage  seines  Lehrers  erinnern 
und  die  Stunden  noch  einmal  durchleben,  in  denen  er  einst 
in  der  altberĂŒhmten  UniversitĂ€t  zu  den  FĂŒĂŸen  seines 
Meislers  gesessen  hat. 

Ich  habe  die  Erinnerungen  an  meinen  Vater  in  einem  be- 
sonderen Buch*)  zusammengefaßt  und  mich  dabei  der  Mit- 
arbeit zahlreicher  Kollegen  erfreut,  fĂŒr  die  ich  auch  an  dieser 
Stelle  meinen  herzlichsten  Dank  ausspreche.  Viele  neue 
charakteristische  AussprĂŒche  sind  mir  dadurch  bekannt  ge- 
worden. Die  meisten  konnte  ich  fĂŒr  die  Biographie  verwerten, 
aber  so  Manches  bleibt  noch  zu  erzĂ€hlen  ĂŒbrig  und  so  ent- 
spreche ich  gern  dem  Wunsch  des  Verlegers  dieser  Zeitschrift 
einiges  ĂŒber  den  „Vater  Thiersch"  zu  plaudern. 

Auf  Ă€ußerst  verschiedenen  Wegen  findet  das  Wort  eines 
geliebten  Lehrers  Eingang  in  die  Heizen  der  Zuhörer.  Das 
wurde  einem  besonders  deutlich  in  der  Glanzzeit  der  Leipziger 
medizinischen  FakultĂ€t,  etwa  1870 — 1890,  als  neben-  und 

*)  Carl  Thiersch.  Sein  Leben  daf gestellt  von  Justus 
Thiersch.    Leipzig,  Job.  Ambr.  Barth.  190  S.    120  Mark. 


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Herzogl.  Stahlbad 
Liebenstein  (S.  m)  23/8 

Perle 

des  ThĂŒringer  Waldes 


NatĂŒrliche  kohlensaure  Stahl- 
hÀrter.   StÀrkste  Bisen -Arsen- 
Quelle  Deutschlands. 

S  p  e  z  I  a  1  k  u  r  e  n 
bei  Herz-,  Blut-,  Nerven-Frauen- 
lelden.  ErholungsbedĂŒrftige. 

Prospelc/e  dareß 

die  BariMlircUlM  I 


40.  Jahrg.  -  Nr.  24/25. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XV 


nacheinander  MĂ€nner  wie  Carl  Wunderlich,  Ernsl 
Wagner,  Carl  Crede,  Carl  Ludwig,  Wilhelm  Iiis, 
Carl  Thierse!)  und  andere  lehrten.  Das  waren  so  die 
rechten  Typen  deutscher  Professoren,  die  den  deutschen 
Studenten  mit  wissenschaftlichem  Geist  erfĂŒllten  und  in 
ihnen  den  allseitig  durchgebildeten  praktischen  Arzt  erzogen, 
Um  den  uns  die  ganze  Welt  beneidet.  Wunderlich  he  - 
geisterte  seine  Zuhörer  durch  rhetorisch  glÀnzende  VortrÀgt' 
am  KrÀnkenbett,  Wagner  imponierte  durch  seine  gedie- 
genen aus  praktischer  Erfahrung  gewonnenen  Kenntnisse, 
L  u  d  w  i  g  regle  Geist  .und  Phantasie  seiner  SchĂŒler  an  durch 
streng  wissenschaftliche  Ausarbeitung  fundamentaler  phy- 
siologischer LehrsÀtze. 

In  anderer  Weise  wirkte  Thiersch.  Von  Natur  einst, 
schweigsam,  ja  zur  Sehwermut  -geneigt,  vereinigte  er  zwei 
Naturen  in  sieh,  die  eine  grĂŒblerische,  psychologischen  Prob- 
lemen nachspĂŒrend  und  die  andere,  auf  eminenter  Menschen- 
kenntnis begrĂŒndete,  von  Toleranz  und  Humor  getragene 
Lebensbejahung.  Eigenartig  gemischt  kamen  sie  zur  Wir- 
kung. Seine  ZurĂŒckhaltung  ließ  Ă€ußerlich  zwar  immer  einen 
Abstand  von  den  SchĂŒlern  bestehen,  aber  innerlich  fĂŒhlten 
diese  sich  doch  sehr  bald  zu  ihrem  Lehrer  hingezogen. 
Denn  wer  Thiersch  nur  wenige  mal  bei  der  Arbeit 
gesehen  hatte,  mußte  ein  unbegrenztes  Zutrauen 
ihm  gewinnen,  nicht  nur  zu  seiner 
Kunst,  sondern  vor  allem  zu  seiner  ganzen  Persön- 
lichkeit. Er  war  gleich  seinem  Kollegen  Wagner  der 
Typus  eines  humanen  Arztes,  aber  darĂŒber  hinaus  ver- 
stand er  es  in  der  Seele  des  Patienten  zu  lesen.  Sein  Trost, 
und  war  es  nur  ein  Blick,  kurzes  Wort,  ein  Besuch  zu  spÀter 
Abendstunde,  um  noch  einmal  nach  dem  Verband  zu  sehen, 
richtete  die  Patienten  auf;  hÀufig  war  er  auch,  ganz  in  der 
Stille,  ihr  WohltÀter.  Seine  Lebensarbeit  ging  auf  in  der 
Sorge  um  das  Krankenhaus  und  die  Patienten. 


zu 

chirurgischen 


Diese  Eigenschaften  offenbarten  sich  wie  gesagt  gar  bald 
dem  Studenten  und  es  ist  wohl  nicht  zuviel  gesagt,  daß  er 
der  populÀrste  Lehrer  der  medizinischen  PakultÀl  damaliger 
Zeil  war. 

Wenn  Carl  Thiersch  ĂŒber  den  medizinischen  Kreis  hinaus 
weitbekannl  wurde  durch  AussprĂŒche  in  der  Klinik,  Tisch - 
reden  bei  dem  Rektoratswechsel  und  anderen  öffent- 
lichen Gelegenheiten,  so  lag  das  daran,  daß  der  sati 
rische  Heiklang,  der  jenen  Bemerkungen  stets  innewohnte, 
immer  eine  berechtigte  Kritik  enthielt,  eine  Kritik,  die  sich 
allerdings  nicht  jeder  erlauben  konnte.  In  der  Erinnerung 
der  Nachlebenden,  besonders  des  nicht  medizinischen  Publi- 
kums ist  vielfach  nur  die  Wirkung  eines  gewöhnlichen  Wort 
witzes  zurĂŒckgeblieben.  Wer  Thiersch  nicht  gekannt  hat, 
muß  dadurch  ein  ganz  falsches  Bild  von  ihm  gewinnen.  Er 
war  kein  „kaltherziger  Witzbold",  sondern  ein  wohlwollender, 
humaner,  allerdings  scharfer  Kritiker. 

Wer  einen  Zweifel  haben  sollte  an  dem  harmonischen 
VerhĂ€ltnis  zwischen  „Vater  Thiersch"  und  seinen  Zuhörern, 
der  werfe  einen  Blick  in  die  Bierzeitung  der  klinischen 
Studentenschaft,  die  alljĂ€hrlich  am  SchlĂŒsse  des  Sommer 
semesters  als  Beigabe  zum  „klinischen  Vogelschießen"  er- 
schien. Jahrzehnte  hindurch  war  Thiersch  als  beliebter 
Lehrer  Gegenstand  einer  wohlwollenden  Gegenkritik  der 
Studenten,  die  sich  in  Prosa,  Poesie  und  mehr  oder  weniger 
gelungenen  Abbildungen  kund  gab.  Viele  seiner  geflĂŒgelten 
Wotle  sind  dort  wieder  zu  finden,  gesammelt  sind  sie  m.  W. 
noch  nicht  und  doch  wĂŒrde  das  lohnen.  Aus  meinen  per- 
sönlichen Erinnerungen  und  denen  anderer  Kollegen  will  ich 
einiges  zum  Besten  geben.*) 

In  der  Klinik  nahm  Thiersch  immer  den  gleichen  Platz 
ein  neben  einem  der  Waschtische  an  der  Fensterseite.  Er 


*)  Vergleiche  dazu  auch  die  in  der  Biographie  wiedergegebe- 
nen Anekdoten. 


Testoga 


fĂŒr  MĂ€nner 


Gegen  endoerine  Störungen  —  Allgemeine  NervositĂ€t  —  Neurasthenie  — 
Leichte  ErmĂŒdbarkeit  bei  körperlicher  und  geistiger  Anstrengung, 
vorzeitiges  Altern  —  Psychische  Depression,  Arbeitsunlust,  -UnfĂ€higkeit  — 
Sexuelle  Neurasthenie,  Impotenz,  —  Klimakterium  virile,  Ejaculatio  praecox. 


Thelygan 


fĂŒr  Frauen 


Gegen  endoerine  Genital-Störungen  —  Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmenor- 
rhoe —  Störungen  der  Menarche  —  Klimakterische  Beschwerden  —  Depres- 
sionen, Ausfallerscheinungen,  Angstneurosen,    —    SterilitĂ€t,  FrigiditĂ€t. 

Tabletten       Subkutan-Injektionen  —  Suppositcrien. 

|  Dr.  GEORG  HENNING,  BERLIN  W  35 


Große  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 


KurfĂŒrstenstraße  146/147 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  — Nr.  24/25. 


saß,  das  eine  Bein  ĂŒber  das  andere  geschlagen,  die  Prakti- 
kantenliste in  der  einen,  das  Notizbuch  und  Bleistift  in  der 
andern  Hand.  Ueber  die  GlÀser  seines  Klemmers  sah  er  den 
Praktikanten  fragend  und  ermunternd  an.  So  werden  ihn 
wohl  alle  seiner  Zuhörer  im  GedÀchtnis  haben. 

Zwischen  dem  Aufruf  der  Praktikanten  mußte  ab  und  zu 
die  Operationsschwester  erscheinen,  um  dies  oder  jenes  zu 
besorgen.  FrĂŒher  war  es  die  „Kutschbach",  von  Vater 
Thiersch  kurz  „K  utsc  h"  gerufen.  Sie  erfĂŒllte  ihr  Amt 
schlecht  und  recht,  aber  ihr  Ă€ußerer  Anblick  erfĂŒllte  mit 
Schaudern.  Hager  und  knochig  an  Gestalt  hatte  auch  ihr 
Antlitz  nichts  fĂŒr  den  Studiosus  Anziehendes.  Bei  einer 
Krankenvorstellung  setzte  Thiersch  dem  Auditorium  den 
Unterschied  zwischen  Halluzination  und  Illusion  auseinander. 
„Hielte  jemand  die  Kutschbach  fĂŒr  eine  Madonna,  so  wĂ€re 
das  eine  Illusion"  fĂŒgte  er  erlĂ€uternd  hinzu.  Mit  der  Zeit 
wurde  die  „Kutsch"  „alt  und  bumblich",  aber  Thiersch  konnte 
sich  nicht  entschließen,  einen  Wechsel  im  Amt  vorzunehmen, 
denn  sie  hatte  eine  unschĂ€tzbare  Eigenschaft,  sie  wußte  nĂ€m- 
lich „wo  die  Instrumente  lagen".  In  dem  gerĂ€umigen  Instru- 
mentenschrank fand  sie  sich  besser  zurecht  als  die  stets 
wechselnden  Assistenten  und  Protokollanten  und  wenn  die 
Vorbereitungen  zu  einer  Operation  schnell  getroffen  werden 
mußten,  so  war  die  Kutschbach  unentbehrlich.  Schließlich 
mußte  sie  aber  doch  einer  Nachfolgerin  Platz  machen.  Es 
war  die  hĂŒbsche  Franke,  die  sich  bald  ebensogut  in  den 
Instrumenten  auskannte  wie  ihre  VorgÀngerin. 

In  den  achtziger  Jahren  war  der  Zustrom  operativer 
FĂ€lle  groß  und  fast  tĂ€glich  wurde  operiert.  Meist  waren  es 
Operationen,  die  der  praktische  Arzt  niemals  vornehmen 
kann:  Trepanationen,  Bauchoperationen  aller  Art,  Ge- 
schwulstexstirpationen  usw.  Wie  in  anderen  Kliniken  auch, 
erforderte  dies  einen  großen  Apparat  von  Hilfspersonal  und 
die  Zuschauer  sahen  von  der  Operation  selbst  oft  so  gut  wie 


nichts.  Ergötzlich  schildert  dies  einmal  „W  i  p  p  c  h  e  n"  in 
einer  der  Bierzeitungen: 

„Nachdem  ich  mich  auf  einer  der  amphitheatralisch  an- 
geordneten BĂ€nke  niedergelassen  hatte,  welche  in  der  Weise 
aufgestellt  sind,  daß  der  Kliniker  bequem  auf  dem  Fenster- 
brett Platz  nehmen  kann,  suchte  ich  mich  zu  orientieren.  Zu- 
nĂ€chst schweiften  meine  Blicke  nach  dem  großen  Operateur, 
den  ich  mit  Muße  in  seiner  TĂ€tigkeit  studieren  wollte. 
Letzteres  gelang  mir  jedoch  vergeblich.  Was  ich  sah,  be- 
stand in  seinen  oberen  Partien  in  einem  undurchdringlichen 
Nebel,  in  den  unteren  zeigte  sich  eine  erschreckende  Anzahl 
der  verschiedensten  Hosen,  die  zu  einem  wahrhaft  gordischen 
Knoten  verschlungen  schienen.  Ich  wurde  lebhaft  an  die 
Schlachtenbilder  erinnert,  wo  man  auch  nur  die  Beine  er- 
kennen kann,  wÀhrend  der  Pulverdampf  alles  andere  mit 
dem  Mantel  christlicher  Liebe  verdeckt."  (Abbildung.) 

Der  Reporter  gelangt  nach  seinen  vergeblichen  Ver- 
suchen etwas  von  der  Operation  zu  sehen,  zu  Dörnfeld. 
Der  „pathologische"  Dornfeld,  zum  Unterschied  von  dem 
„anatomischen"  so  genannt,  Diener  des  Pathologischen 
Institutes,  hatte  im  Souterrain  daselbst  einen  behaglichen 
Aufenthaltsraum  fĂŒr  die  Kliniker  bereit,  wo  diese  es  sich 
zwischen  der  Klinik  von  Thiersch  und  Wagner  bei  Bier  und 
Schinkenbrot  wohl  sein  ließen.  Dadurch  ging  natĂŒrlich  zu 
Thiersch  Mißbehagen  hĂ€ufig  der  letzte  Teil  seiner  Klinik  fĂŒr 
die  Studenten  verloren.  Darauf  bezieht  sich  ein  scherzhaftes 
Gedicht,  das  ihm  gelegentl.  eines  klinischen  Vogelschießens 
ĂŒberreicht  wurde.  Nachdem  es  den  Exodus  der  Kliniker  zu 
Dornfeld  geschildert,  schließt  es  mit  folgenden  Worten: 

„Sieh'  dieses  zierliche  BĂŒffet 
HĂŒbsch  sauber  ist's,  appetitlich  nett, 
Garniert  mit  kalten  und  mit  heißen 
Verschiedentlichen  schönen  Speisen. 


GUajÀCBtim  Urriien^der  Luft- 
wege,   Erkaltuugs-    und  Infektions- 
krankheit. In  Pulver-  u. Tablettenform. 
Packungen  mit  25,  50  u.  100  Tabletten 

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l|UIKadll>  tlcum  in  Fallen  leich- 
terer Asomnie  sowie  Enegungs-  und 
DepressionszustÀnden. 

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MiyS  Ul  ‱    Fiebers  bei  tuberkulösen 
II.  and.  infektiös-fieberhaften  Erkran- 
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brand sowie  Lichtbestrahlungen, 
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Zink-Mattan 
Schwefel-Matlan 
Zink-Schwefel-Mattan: 

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Farben  nach  Aknepusteln  u.  leichten 
Pigmentierungen  ;  ferner  in  den  FĂ€llen, 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indiciert  ist. 
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Hostenlos. 

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MANNHEIM 

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bei  Cholelithiasis 


10.  Jahrg.  Nr.24/25. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


xvii 


Sieh'  hier  den  SehweizerkÀse  winken 

Dort  kalten  Hinten,  ros'ge  Wurst. 

Hier  rollen  und  gekochten  Schinken 

Und  da  auch  etwas  fĂŒr  den  Durst 

ein  ff.  FlÀschchen  Lagerbier!*) 

Verlaß  Dich  drauf  und  glaube  mir 

Stell'  solch  BĂŒffet,  in  eine  Eck' 

Dann  geht  kein  einz'ger  Mensch  mehr  weg. 

Biereifrig  bleibt  ein  Jeder  dort. 

Lauscht  voller  Spannung  Deinem  Wort 

Und  stillt  mit  Freude  und  Plaisir 

Den  Hunger  und  die  Wißbegier 

Lud  operierst  Du  grad'  einmal 

Und  tiefe  Stille  herrscht  im  Saal, 

Dann  tönt  es  laut  herab  zu  Dir: 

,,H  e  r  r  Geheimrat,  i  c  h  e  r  1  a  u  h  e  m  i  r  !" 

Thierschs  Verantwortlichkeitsgel'ĂŒhl  war  hoch  entwickelt 
und  er  konnte  an  andern  eine  scharfe  Kritik  ĂŒben,  wenn  er 
einen  Mangel  daran  erblickte.  Der  Sohn  eines  namhaften 
Professors  an  der  Leipziger  UniversitÀt  cand.  med.  N.,  der 
als  Ferienprotokollant  und  Chloroformeur  eingestellt  war, 
hatte  das  UnglĂŒck  gehabt,  einen  Patienten  in  der  Narkose 
zu  verlieren.  Von  seiner  Ferienreise  zurĂŒckgekehrt,  erwartete 
Thiersch  einen  Bericht  mit  Rechtfertigung  dieses  ihm  immer 
sehr  nahe  gehenden  Ereignisses.  Der  Student  zog  es  aber 
vor  zu  schweigen  und  fand  kein  Wort  einer  Entschuldigung. 
Das  hat  ihm  Thiersch  nie  verziehen  und  sich  gelegentlich 
bitter  ĂŒber  diesen  Mangel  an  Takt  ausgesprochen. 


*)  Man  verzeihe  bei  den  harten  Zeiten  diese  schlemmerhafte 
AufzÀhlung. 


Mit  Lob  und  Tadel  war  Thiersch  sparsam  und  ging  aus 
dieser  ZurĂŒckhaltung  selten  heraus.  Um  so  mehr  war  ein 
Wort  der  Anerkennung  geschĂ€tzt  und  der  Tadel  gefĂŒrchtet 
Im  ganzen  hatten  die  Studenten  zu  viel  Angst,  denn  Thiersch 
war  gerecht  und  das  Spiel  war  fĂŒr  den  Examinanten  bei 
einer  falschen  Diagnose  noch  nicht  verloren,  wenn  er  sie 
nur  begrĂŒnden  konnte.  Der  PrĂŒfer  ging  dann  dir  GrĂŒnde 
mit  ihm  durch  und  zeigte  ohne  Spott,  warum  die  Diagnose 
falsch  war.  Dagegen  ergoß  sich  allerdings  hĂ€ufig  genug  die 
scharfe  Lauge  seines  Spottes  ĂŒber  diejenigen,  nieist  noch 
jugendlichen  klinischen  Semester,  die  ohne  genĂŒgende  Vor- 
kenntnisse seine  Klinik  besuchten  und  auch  nicht  eine  einzige 
Frage  beantworten  konnten. 

„Sie  sind  ja  ein  wahrer  Chimborasso  von  Unwissenheit" 
oder:  „Haben  Sie  Ihr  Physikum  schon  gemacht"  oder:  „Sind 
Sie  Mediziner?"  und  Ă€hnliche  Fragen  mußten  sich  diejenigen 
gefallen  lassen,  die  seine  Kritik  unvorsichtig  herausforderten. 
Daß  dazu  nicht  wenige  Juden  gehörten,  ist  bekannt,  Thiersch 
war  jedoch  kein  Antisemit. 

Ein  wohlbeleibter  Bierstudent  sollte  die  Diagnose  bei 
F  un g u s  genu  stellen.  Das  Bein  mit  dem  geschwollenen 
Knie  war  unbekleidet.  Aus  dem  Studenten  war  keine  Ant- 
wort heraus  zu  bringen.  „Was  sehen  Sie?"  Schweigen.  „Was 
fĂŒhlen  Sie?"  Schweigen.  Thiersch  palpirl  selbst,  die  Finger - 
eindrĂŒcke  bleiben  stehen.  „Nun?"  Schweigen.  Thiersch  sagt 
weiter  nichts  als:  „B  i  e  r  ?"  und  hat  das  lachende  Auditorium 
auf  seiner  Seite. 

Ein  Praktikant  Namens  R  o  s  e  n  t  h  a  1  wird  aufgerufen, 
erscheint  und  untersucht  lange  einen  Kranken,  ohne  etwas 
finden  zu  können.  Schließlich  sagt  der  alte  Herr:  „Der  Mann 
hat  Mastdarmkarzinom.  Nun,  Herr  Rosenthal,  fahren  Sie 
einmal  mit  dem  Finger  in  das  Rosenthal." 

Ein  Kandidat  Namens  Cohn  stellte  gleichfalls  keine 
Diagnose.    Da  trug  Papa  Thiersch  den  Patienten:  „Was  sind 


Gebrauchsfertige  Ärzneiformen  deutscher  Herstellung 


und 


ÂŁ3 


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wirkt  durch  das  Uebergewlcht  an  Kationen. 

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und  Quetschwunden),   Frostbeulen,   Brandwunden  I.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  crurls,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetiologtsche  Momente  hervorgerufene»  Erythemen. 


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Dissoziiertes   Chlor  und  naszierender  Sauerstoff. 

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nehm zu  wirken.  —  PrĂ€parat,  welches   die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor  und  Sauerstoff  mit  der  keimtötenden  Kraft  eines  Alkalolds  vereinigt 
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Das  deutsche  natunh'che  Die  Qesamtalkaloide  d  e  r> 

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'  erbitten  ' 

BYK-GULDEN  WERKE  CHEMISCHE  FABRIK  -  AK77-GES  —  BERLIN  NWSY. 


XVIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


Sie?".  „Goldschmied,  Herr  Geheimrat!"  Thiersch:  „So, 
haben  Sie  eine  Braut,  Herr  Cohn?"  „Nein,  H.  G."  Th.: 
„Schade,  dann  können  Sie  dem  Mann  nichts  zu  verdienen 
geben.  Na,  vielleicht,  wenn  Sie  sich  wollen  vergolden  lassen." 
(Scheußliches  Lachen  des  Auditoriums.) 

War  Thiersch  bei  Laune,  so  machte  es  ihm  Spaß  die  Kan- 
didaten etwas  hinters  Licht  zu  fĂŒhren: 

Ein  Patient  mit  Diabetes  mellitus  wird  vorge- 
stellt. Daneben  eine  Urinprobe  im  Kelchglas.  Th.  zum  Prak- 
tikanten: „Wollen  Sie  den  Patienten  untersuchen,  ich  werde 
sehen,  ob  Sie  ein  guter  Beobachter  sind."  Sprachs,  berĂŒhrte 
mit  der  Fingerspitze  den  Inhalt  des  Uringlases  und  fĂŒhrte 
sie  zum  Munde.  Der  Kandidat  tut  desgleichen,  untersucht, 
befragt  den  Kranken  und  stellt  die  richtige  Diagnose.  Th.: 
„Sie  haben  richtig  untersucht,  aber  nicht  richtig  beobachtet, 
sonst  wĂŒrden  Sie  bemerkt  haben,  daß  ich  zwar  den  Zeige- 
finger eingetaucht,  aber  den  Mittelfinger  abgeleckt  habe." 
(Diese  Anekdote  wird  auch  von  Billroth  erzÀhlt,  sie  ist  aber 
von  Thiersch.) 

Vorgestellt  wird  ein  Fall  von  Paraphimose  mit 
starker  Schwellung  der  glans.  Aufgerufen  wird  cand.  med. 
Bubinstein  und  es  erfolgt  folgendes  ZwiegesprÀch: 

Th.:  „Was  denken  Sie?" 
B.:  „Paraphimose." 
Th.:  „Bichtig,  was  denken  Sie?" 
B.:  „Ich  denke,  man  muß  gleich  operieren." 
Th.:  „Bichtig,  was  denken  Sie  weiter?" 
B.  ĂŒberlegt  lĂ€nger,  weiß  aber  nichts  Bechtes  zu  sagen. 
Th.:  „Herr  Bubinstein,  so  war  wohl  Ihr  Name,  ich  wĂŒrde 
an  Ihrer  Stelle  denken,  mir  kann  so  was  ja  nicht  passieren." 


Gelegentlich  bekommen  auch  die  benachbarten  Institute 
einen  kleinen  Hieb  ab. 

In  die  Klinik  wird  ein  Patient  gebracht  mit  Ober- 
schenkelbruch. Derselbe  wird  demonstriert  und  be- 
handelt. Kaum  ist  derselbe  abgefahren,  kommt  ein  zweiter 
Patient  auch  mit  Oberschenkelbruch  und  dann,  wie  es  ein 
merkwĂŒrdiger  Zufall  will,  in  gleicher  Stunde  noch  ein  dritter 
mit  der  gleichen  Verletzung.  Und  der  Herr  Geheimrat  sagt: 
„Die  inneren  Kliniker  wĂŒrden  jetzt  sagen,  wir  haben  eine 
Oberschenkelbruchepidemie." 

Ein  Kollege  berichtet:  Wir  waren  zum  Operationskurs 
im  Seziersaal.  Th.  tritt  ein,  findet  ein  ganz  neues  Messer  vor, 
hebt  es  empor  und  fragt  Dornfeld:  „Wie  kommt  der  Glanz 
in  diese  HĂŒtte?" 

Solche  guten  und  schlechten  Witze  des  alten  Herrn  gehen 
noch  viele  um,  fast  alle  haben  als  Unterton  einen  liebens- 
wĂŒrdigen Humor,  der  allerdings  fĂŒr  den  Nachlebenden 
hĂ€ufig  verloren  geht.    Treffend  bemerkt  ein  alter  SchĂŒler: 

„Es  ging  ja  immer  ein  Gruseln  ĂŒber  den  BĂŒcken,  wenn 
man  zum  Praktizieren  aufgerufen  wurde,  weil  man  seine 
treffenden  Witze  fĂŒrchtete,  aber  geliebt  haben  wir  unseren 
Papa  Thiersch  alle  und  verklÀrt  steht  er  immer  vor  den 
Augen  von  uns  alten  Knaben,  verehrt  und  geliebt." 

Diese  Liebe  und  Verehrung  Ă€ußerte  sich  besonders  bei 
der  Feier  seines  70.  Geburtstages  im  Jahre  1892.  Thiersch 
brachte  bei  dem  ihm  zu  Ehren  veranstalteten  Kommers  einen 
berĂŒhmt  gewordenen  Trinkspruch  auf  die  Mediziner- 
brÀute aus.  Die  Antwort  erfolgte  prompt  in  der  nÀchsten 
Nummer  der  Vogelschießzeitung.  Eine  Zeichnung  stellt 
Thiersch  dar,  wie  er  von  erhöhtem  Sitz  ĂŒber  seinen  Klem- 
mer auf  die  Schar  ihn  umgebender  Jungfrauen  blickt,  die 
ihn  mit  Blumen  umkrÀnzen.  In  dem  Gedicht  zu  dem  wohl- 
gelungenen  PortrĂ€t  heißt  es: 


Nach  Professor  Dr.  Heinz,  Erlangen. 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  24/25. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIX 


Lieber  Vater  Thiersch,  Entschuldigung 

Mögst  du  gnÀdig  uns  gewÀhren, 

Wenn  wir  dich  mit  unsrcr  Huldigung 

JÀh  aus  deiner  Ruhe  stören. 

Dankbarkeit  ist  illusorisch, 

Doch  noch  nicht  bei  deutschen  MĂ€dchen, 

Darum  trieb's  uns  kategorisch, 

Unsern  Dank  dir  zu  betÀt'gen. 

Denn  es  kam  uns  ja  zu  Ohren, 

Daß  du  jĂŒngst  gehalten  hast 

Von  der  Galerie  Emporen 

Einen  glÀnzenden  Toast, 

Worin  du  unser  Lob  gesungen, 

Wie  es  keinem  noch  gelungen. 

Unbekannt  ist  unser  Wirken 

Ja  in  weiteren  Bezirken, 

Wie  wir  manchen  jungen  Mann, 

Der  noch  wenig  weiß  und  kann, 

Das  Interesse  wecken  klug 

Zum  Kollegienbesuch. 

Und  ihm  alsdann  den  Mut  entfachen 

Zum  baldigen  Examenmachen. 

Sag',  wie  kommt's,  daß  du  so  sinnig, 

GefĂŒhlvoll  und  verstĂ€ndnisinnig 

Uns  schildern  konntest?   Motivier  es! 

Beinahe  scheint  uns,  daß  auch  dir  es 

(Zwar  ist  das  noch  nicht  bewiesen, 

Denn  es  liegt  etwas  zurĂŒck) 

Einst  vergönnt  war  zu  genießen 

Als  Student  der  Liebe  GlĂŒck." 
Zum  SchlĂŒsse  sei  noch  das  Gedicht  wiedergegeben, 
welches  die  Klinikerschaft  in  der  Festschrift  des  41.  klini- 
schen Vogelschießens  Thiersch  zum  70.  Geburtstag  widmet. 
Es  beleuchtet  am  besten  das  VerhÀltnis  zwischen  ihm  und 
den  Studenten. 


An  Thiersch. 

Du  großer  Mann  von  Gottes  Gnaden, 
Von  Ehrfurcht  und  Bewunderung  erfĂŒllt, 
Seh'  ich  im  Jubelkranz  geschmĂŒckt  dein  Bild; 
Mit  Ehren  bist  du  und  Erfolg  beladen. 
Manch  Monument  auf  dorn'gen  Wissenspfadm 
Preist  deinen  Namen.   Unter  deinem  Schild 
Ward  vielen  Menschen  bitt'rcr  Schmerz  gestillt. 
Reich  aufgesprossen  stehen  deine  Saaten. 

Im  Wissen  König  und  ein  Kind  von  Herzen, 

Verstehst  du  —  im  Gemisch  von  Ernst  und  Scherzen  — 

Des  Lebens  Not  und  Drangsal  zu  vertreiben. 

Dein  Geist,  dein  Witz  und  Spott  sind  fast  noch  besser 
GeschÀrft,  gespitzt  als  dein  chirurgisch  Messer: 
0  mögst  du,  wie  du  bist,  noch  lang  uns  bleiben. 


Der  Held  des  Tages.  Das  MĂ€nnlichste  am  Mann  ist  das  freie 
zu  Herzen  gehende  und  ĂŒberzeugend  gesprochene  Wort.  Ein  un- 
gewöhnliches KraftgefĂŒhl  und  Machtbewußtsein  trĂ€gt  derjenige 
in  sich,  der  imstande  ist,  zu  jeder  Zeit  unvorbereitet  schlagfertig 
und  ĂŒberzeugend  zu  reden.  Nach  Brechts  seit  langen  Jahren 
bestens  bewĂ€hrtem  „Fernkursus  fĂŒr  praktische  Lebenskunst, 
logisches  Denken,  freie  Vortags-  und  Redekunst"  lernt  der 
Studiernde  in  leichtfaßlicher  Weise  logisch  zu  denken,  sicher  und 
zielbewußt  zu  handeln,  ruhig  und  ungeniert  aufzutreten  und  frei 
zu  reden,  bzw.  wirkungsvoll  vorzutragen.  Wir  empfehlen  jedem 
Interessenten  die  Beachtung  des  diesem  Hefte  beiliegenden  Pro- 
spektes der  Redner- Akademie,  R.  Halb  eck,  Berlin  66,  Pots- 
damer Str.  105  a. 


Der  heutigen  Nummer  liegt  ein  Prospekt  der  Firma  Theodor 
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XX 


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Infolge  der  außerordentlichen  Papierknappheit,  die  jedem 
Zeitungsunternehmen  bei  den  heutigen  VerQĂ€liniffen  die  grĂ¶ĂŸten 
Schwierigkeiten  macht,  sieht  »ich  der  Verlag  leider  genötigt, 
die  Fortschritte  der  Medizin 

ab  1.  Juli  in  14  teigigen  ZwischenrÀumen 

erscheinen  ju  lassen. 

WĂ€hrend  die  medizinischen  Wochenschriften  heute  einen 
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der  Fortschritte  der  Medizin  es  trotzdem  zunÀchst  bei  einem 
Abonnementspreise  von  nur  20.    Mk.  viertelf  Àhrlich  belassen. 

Wir  werden  bestrebt  sein,  den  Inhalt  des  Blattes  auch  wei- 
terhin so  auszubauen,  daß  es  dem  Leser  in  seiner  Praxis  wert- 
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zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Die  Bewertung  des  Kindes  im  Wandel 
der  Zeiten. 

Von  Nelly  W  <>  1  [  f  h  ei  m. 

Die  mehr  oder  weniger  große  Bedeutung,  die  der  Er- 
ziehung und  gesundheitlichen  FĂŒhrung  der  Kinder  beige- 
messen wind,  und  vor  allem  das  Ziel,  dem  man  bei  der  er- 
ziehlichen Leitung  zustrebt,  ist  eng  verknĂŒpft  mit  der  Ge- 
samtkultur eines  Volkes;  abhÀngig  von  den  Lebensbedin- 
gungen der  Mensehen  ist  die  WertschÀtzung,  die  sie  ihren 
Kindern  entgegenbringen. 

In  einer  Zeit,  da  die  Völker  noch  nicht  seßhaft  waren  und 
im  steten  Kampfe,  Beute  suchend  ihr  Dasein  fristeten,  konnte 
das  Leben  des  Einzelnen  nicht  von  allzugroßer  Bedeutung 
sein.  Nur  wer  vermochte,  sich  selbst  durchzukÀmpfen,  hatte 
Daseinsberechtigung;  schwache,  kranke  Kinder  wurden 
besser  nicht  erhalten.  Der  barbarische  Gebrauch  der  Kindes- 
Aussetzung  war  daher  im  Altertum  allgemein,  und  nur  bei 
wenigen  Völkern  finden-  wir  ihn  nicht.  Bei  Juden  und 
Aegyptern  ist  die  Aussetzung  der  Kinder  verboten.  Selbst  bei 
so  hochkultivierten  Völkern  wie  den  Griechen  und  Römern 
bestand  die  Sitte;  den  Spartanern,  die  ihr  Ideal  in  erster 
Linie  in  der  Vervollkommnung  des  Staates  sahen,  war  es 
natĂŒrlich,  sich  der  nicht  lebenstĂŒchtigen  Kinder  zu  entledigen. 
T  acitus  erzĂ€hlt  in  der  Germania,  daß  es  bei  den  Germanen 
fĂŒr  Frevel  angesehen  wurde,  „der  Zahl  seiner  Kinder  ein 
Ziel  zu  setzen  oder  ein  nachgeborenes  zu  töten",  aber  an 
anderen  Orten  finden  wir  Nachrichten,  die  auf  die  Lieblich- 
keit der  Aussetzung  hinweisen.  Mit  der  Ausbreitung  des 
Christentums  ist  zwar  ein  Ahnehmen  derselben  bemerkbar; 


wie  fest  aber  der  Brauch  im  Volke  eingewurzeil  war,  ent- 
nehmen wir  vielen  Bel  ichten.  Zur  Zeit  Karls  des  Großen  gab 
es  eine  Verordnung,  die  das  Tölen  der  Kinder  gleich  nach  der 
Geburt  gestaltete,  und  manche  Volkssliunme  sicherten  sich 
auch  nach  ihrem  Uebertritt  zum  Christentum  das  Recht,  ĂŒber 
Lehen  und  Tod  ihrer  neugeborenen  Kinder  zu  verfĂŒgen.  Be- 
sonders in  Zeiten  schwerer  Kriegs-  und  Hungersnot,  ĂŒber- 
legte man  es  sich,  ob  man  ein  Kind  aussetzen  oder  aufziehen 
sollte.  Das  Neugeborene  wurde  auf  den  Boden  gelegt,  bis 
sich  der  Vater  entschieden  hatte,  ob  es  am  Lehen  bleiben 
solle  oder  nicht.  Aus  Schleswig  wird  noch  aus  dem  10.  und 
11.  Jahrhundert  berichtet,  daß  hĂ€ufig  kleine  Kinder  ins  Meer 
geworfen  seien.  Im  Jahre  1012  wurde  im  Dorfe  KochslÀdt 
bei  Aschersleben  ein  mißgestaltetes  Zwillingspaar  auf  Be- 
schluß der  BĂŒrgerschaft  nach  der  Geburt  getötet. 

Im  allgemeinen  traf  das  Todesurteil  weit  seltener  Knaben 
als  MÀdchen,  weil  diese  hÀufiger  als  eine  Last  empfunden 
wurden.  In  dem  Gebrauch  der  Kindestötung  offenbart  sich 
ja  ĂŒberhaupt  die  niedrige  Stellung  der  Frauen,  denn  wĂ€ren 
die  MĂŒtter  immer  gefragt  worden,  hĂ€tten  wohl  bei  weitem 
weniger  Aussetzungen  stattgefunden. 

Das  Christentum,  das  in  jedem  Menschen  die  Seele  ehrt, 
fĂŒr  die  man  dem  Himmel  Rechenschaft  schuldig  ist,  wan- 
delte nach  und  nach  die  Anschauungen;  es  gelang  den 
Kindesmord  zum  Verbrechen  zu  stempeln.  Freilich  wollte 
man  die  Kinder  erhalten,  lag  die  Verpflichtung  vor,  fĂŒr  sie  zu 
sorgen.  Schon  im  Mittelalter  finden  sich  daher  die  ersten 
Vorboten  einer  sozialen  FĂŒrsorge  nach  dieser  Richtung. 
Weil  man  den  Gebrauch,  unwillkommene  Kinder  an  ent- 
legener Stelle  auszusetzen,  als  sĂŒndhaft  gekennzeichnet  hatte, 
mußte  man  fĂŒr  die  Möglichkeit  ihrer  Unterbringung  Vor- 


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rasse  84  a 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  20 


sorge  treffen.  Es  fĂŒhrte  sich  ein,  die  Neugeborenen,  die  mau 
nicht  aufziehen  wollte  oder  konnte,  an  den  KirchentĂŒren 
niederzulegen,  wo  mancherorts  ein  Becken  zu  diesem  Zwecke 
angebracht  war;  die  Kinder  kamen  dann  ins  Findelhaus. 
V\  ir  hören  bereits  aus  dem  6.  Jahrhundert  von  einer  solchen 
Anstalt  zu  Trier.  Die  FindelhÀuser  fanden  besonders  in 
den  romanischen  LĂ€ndern  Ausbreitung;  das  bekannteste 
Findelhaus  ist  wohl  das  in  Florenz,  das  mit  della  Robbias 
berĂŒhmtem  Wickelkinder-Fries  geziert  ist. 

Mehr  und  mehr  wurde  das  VerantwortlichkeitsgefĂŒhl  der 
Eltern  unter  dem  Einfluß  der  christlichen  Religion  geweckt; 
die  Erziehung  wurde  im  allgemeinen  ernst  genommen;  die 
Seele  des  Kindes  sollte  gelÀutert  werden,  damit  der  Teufel 
ihrer  nicht  habhaft  werde.  Strenge  Zucht  wurde  deshalb 
angewandt.  Der  Wunsch,  den  Kindern  die  ewige  Seligkeil 
zu  sichern,  war  die  Haupttriebfeder  der  erziehlichen  Maß- 
nahmen. 

Nach  der  Reformation  wurden  neue  Bahnen  betreten,  und 
besonders  kann  man  nach  dem  dreißigjĂ€hrigen  Kriege  große 
Wandlungen  bemerken.  Luther  hat  eindringlich  auf  die 
W  ichtigkeit  der  Erziehung  hingewiesen  ‱  und  in  Wort  und 
Schrift  den  Eltern  ihre  Pflichten  ans  Herz  gelegt.  Auch  sein 
Bestreben  einen  allgemeinen  Volksschulunterricht  einzu- 
fĂŒhren und  «eine  Forderung,  daß  nur  befĂ€higte  Lehrer  be- 
schÀftigt werden  sollten,  zeigen,  wie  wichtig  ihm  die  rechte 
Beeinflussung  der  Kinder  war.  Obgleich  Luther  noch  ganz 
auf  dem  Boden  der  kirchlichen  Erziehung  stand,  war  er  doch 
ein  Vorbote  einer  neuen  Zeit;  seinem  Einfluß  ist  es  zu  ver- 
danken, daß  die  Fragen  der  Erziehung  ĂŒberhaupt  mit  er- 
neutem Interesse  behandelt  wurden.  Die  Bestrebungen,  die 
dem.  Wohl  der  Kinder  dienten,  nahmen  nach  und  nach  eine 
andere  FĂ€rbung  an.  Immer  mehr  wurde  die  Absicht,  die 
Kinder  nur  fĂŒr  das  Jenseits  zu  erziehen,  von  dem  Gedanken 
abgelöst,  sie  auch  fĂŒr  das  zukĂŒnftige  weltliche  Leben  tĂŒchtig 
zu  machen.    Unterricht  und  Erziehung  sah  man  jetzt  schon 


vielfach  fĂŒr  eine  Grundlage  blĂŒhender  Staaten  an;  die  Be- 
deutung, die  man  dem  Einzelnen  als  Glied  der  grĂ¶ĂŸeren  Ge- 
meinschaft zuerkannte,  Ă€ußerte  sich  auf  diese  Weise.  Daß 
ein  jeder  Anspruch  auf  Erziehung  und  Unterricht  habe, 
dieser  Gedanke  suchte  sich  sichtbar  durchzusetzen.  Der 
kĂŒnftige  Mensch  wunde  im  Kinde  geachtet.  Unterrichts- 
methoden und  Erziehungsprinzipien  wurden  bewußter,  und 
man  suchte  sie  zweckentsprechender  zu  gestalten.  Die  grĂ¶ĂŸere 
WertschÀtzung,  die  dem  einzelnen  Individuum  entgegenge- 
bracht wurde,  zeigte  sich  in  der  Behandlung  der  Kinder. 

Vor  allem  sollte  die  Erziehung  die  Menschen  glĂŒcklicher 
machen,  und  man  wollte  den  Kindern  eine  frohe  Jugendzeit 
gönnen.  Angenehmere  Lehrweise,  mildere  Zucht  suchten 
.Menschenfreunde  —  die  „Philanthropen"  —  den  Kindern  zu 
verschaffen.  Aber  ein  Gedanke  beherrschte  noch  ganz  all- 
gemein die  W  elt:  Vollkommene  UnterdrĂŒckung  des  persön- 
lichen Willens  beim  Kinde,  strengste  elterliche  Gewalt  waren 
selbstverstÀndliche  Vorbedingungen  der  Erziehung.  War 
doch  auch  der  Mensch  Gott  Untertan,  und  die  Eltern  galten 
als  seine  Stellvertreter  auf  Erden. 

LĂ€ngere  Zeit  standen  die  verschiedenen  Weltan- 
schauungen gegeneinander,  und  eine  streng  pietistische  Rich- 
tung suchte  die  Herrschaft  ĂŒber  die  pĂ€dagogischen  Bestre- 
bungen an  sich  zu  reißen;  der  Geist  der  AufklĂ€rung  war  je- 
doch so  erstarkt,  daß  er  sieghaft  vorwĂ€rts  drĂ€ngte  und  eleu 
Boden  schuf,  auf  dem  neue,  gewandelte  Erziehungsmethoden 
gedeihen  konnten.  „Nicht  Ablichtung  zum  getreuen  Unter- 
tan, zum  korrekten  Gesellschaftsmenschen,  zum  AnhÀnger 
eines  kirchlichen  Systems,  sondern  Bildung  zum  Menschen. 
Bildung  zur  vollen  freien  Persönlichkeit  durch  Entwicklung 
aller  von  der  Natur  in  dieses  Wesen  gelegten  KrÀfte,  Bildung 
zur  HumanitĂ€t",  das  war  —  nach  Paulsen  —  das  Bil- 
dungsideal am  Ausgang  des  achtzehnten  Jahrhunderts. 

Daß  man  dieses  Bildimgsideal  nur  scheinbar  anerkannte, 
daß  man  bis  zu  unserer  Revolution  eine  Z  w  e  c  k  p  Ă€  d  a  - 


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9e5Dn1Wundsem  der      Q"ch  der  kleinen  K.n  X 
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.  v»n.tÀB  No.u.  xfe/iiLe/  flrzten  zurVe  *  j 


^^^2"^ 1921  No  «. 


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40.  Jahrg. —Nr.  26, 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XV 


gogik  ausĂŒbte,  sei  hier  eingeschaltet.  Man  denke  an  die 
Schulerziehung,» die"  zwar  nebenbei  die  allgemeine  Bildung 
zum  Ziele  hatte,  aber  fast  mein  als  diese  die  Erziehung  zum 
getreuen  StaatsbĂŒrger  ins  Auge  faßte.  Denken  wir  an  die 
Art  des  bisherigen  Geschichtsunterrichtes,  denken  wir  an 
die  Richtungen,  die  in  dem  Kinde  durch  den  Religionsunter- 
richt angebahnt  werden  sollten,  so  sehen  wir  ĂŒberall  die  Be- 
tonung eines  bestimmten  Zweckes,  der  außerhalb  der  ein- 
lachen Menschenbildung  liegt.  Es  soll  hier  absichtlich  keine 
Kritik  geĂŒbt  werden,  die  ĂŒber  den  Rahmen  dieser  Abhand- 
lung hinausginge,  sondern  nur  Feststellungen  sollen  ge- 
macht werden,  die  /eigen,  wie  unsere  SchulpÀdagogik  unter 
dem  Gesichtspunkt  der  Zweckpolitik  gehahdhabt  wurde  und 
vielleicht  —  wenn  auch  in  einem  anderen  Sinne  — 
noch  heute  wird.  Nehmen  wir  ein  weiteres  Beispiel:  Bei 
Gelegenheit  von  Schulfeiern  wurden  den  Kindern  nicht  ein- 
fach erhebende  Stimmungen  ĂŒbermittelt,  sondern  die  königs- 
treue Gesinnung  sollte  gefĂŒhls-  und  verstandesmĂ€ĂŸig  ange- 
bahnt werden.  Die  Einrichtung  der  Fortbildungsschulen  galt 
luder  dem  alten  Regime  auch  nicht  nur  der  Weiterbildung 
der  Jugend;  ihr  letzter  Zweck  war,  eine  Gegenwirkung  gegen 
den  sozialdemokratischen  Einfluß  auszuĂŒben.  Der  bekannte 
Jugendpflegeerlaß,  der  einige  Jahre  vor  dem  Kriege  alle  in 
pÀdagogischer,  sozialer  oder  seelsorgerischer  Arbeit  stehenden 
Persönlichkeiten  zur  tĂ€tigen  Mitarbeit  an  der  FĂŒrsorge  fĂŒr  die 
schulentlassene  Jugend  aufrief,  dieser  Erlaß  galt  ebenfalls 
letzten  Endes  der  BekÀmpfung  des  sozialdemokratischen  Ein- 
flusses, der  mehr  und  mehr  in  der  deutschen  Jugend  fĂŒhlbar 
wurde  und  immer  weitere  Kreise  fĂŒr  sich  gewann.  Bis  in 
die  kleinsten  Orte  hinein  fanden  sich  geeignete  Persönlich- 
keiten, die  sich  im  Sinne  des  Erlasses  den  Heranwachsenden 
widmeten,  sie  zu  Vereinen  zusammenschlössen,  auf  Wande- 
rungen fĂŒhrten  und  sie  in  jeder  Weise  seelisch-geistig  zu 
fördern  suchten.  Der  Außenstehende  sieht  meist  nicht  hinter 
die  Dinge,  nimmt  sie  mehr  fĂŒr  das,  was  sie  scheinen,  als  daß 


er  die  letzten  Gedanken  irgendwelcher  Bestrebungen  zu  er- 
lassen trachtet  und  so  waren  sich  wohl  auch  nicht  vieh 
der  in  dieser  sozialen  Arbeit  mittÀtigen  MÀnner  und  Frauen 
ĂŒber  die  Grundidee  der  von  ihnen  vertretenen  Prinzipien  im 
Klaren.  Schließlich  wurde  in  diesem  Falle  damit  aber  kein 
Schaden  angerichtet,  das  Gute  wurde  erreicht,  indem  man 
sich  der  Jugend  widmete  und  sie  förderte.  Der  politische 
Hintergedanke  kann  fĂŒr  den  reinen  PĂ€dagogen  ja  auch  nie 
das  Wesentliche  sein. 

Doch  kehren  wir  nach  dieser  Abschweifung  in  die 
moderne  Zeit  wieder  in  das  achtzehnte  Jahrhundert  zurĂŒck. 
Rousseau  war  der  VorlÀufer  einer  neuen  Epoche.  Sein 
Ruf  „ZurĂŒck  zur  Natur"  weckte  einen  starken  Widerhall, 
und  begeisteit  suchten  weite  Kreise  ihm  zu  folgen.  Die  Art, 
wie  Rousseau  der  kindlichen  Psyche  nachging,  wie  er  des 
Kindes  Ich  geachtet  sehen  wollte,  war  so  neu,  so  ĂŒber 
raschend,  daß  der  Einfluß  nicht  ausbleiben  konnte.  Der 
„Emil",  Rousseaus  großer  Erziehungsroman,  ist  noch  heute 
lesenswert.  Bei  der  LektĂŒre  dieses  Werkes  wird  uns  klar, 
wie  lange  Gedanken  gebrauchen,  um  Gemeingut  zu  werden. 
Die  pĂ€dagogischen  Fragen  sind  seit  Rousseau  —  trotzdem 
seine  Ansichten  nur  zum  Teil  und  nur  bei  einigen  PĂ€dagogen 
zur  Anerkennung  kamen  —  im  Mittelpunkt  des  Interesses 
und  reger  Diskussionen  geblieben,  und  noch  heute  mĂŒssen 
wir  uns  als  Erben  seiner  Anregungen  betrachten. 

Unsere  Dichter  und  Denker  haben  sich  fast  alle  irgend- 
wie mit  Fragen  der  Erziehung  befaßt,  sie  in  irgend  einer 
Form  der  WĂŒrdigung  unterzogen. 

In  unserer  Zeit  ist  das  Kind  so  zum  Problem  geworden, 
daß  die  verschiedensten  Wissenschaften  sich  mit  ihm  be- 
schĂ€ftigen, daß  neben  den  eigentlichen  PĂ€dagogen  Psycho- 
logen, Aerzte,  Sozialhygieniker,  Sozialwissenschaftler, 
Juristen  das  Wohl  und  Wehe  des  Kindes  und  seine  Be- 
ziehungen zur  Mitwelt,  seine  körperliche  und  seelische  Ent- 


Testogan 


_  fĂŒr  MĂ€nner 

Gegen  endoerine  Störungen  —  Allgemeine  NervositĂ€t  —  Neurasthenie  — 
Leichte  ErmĂŒdbarkeit  bei  körperlicher  und  geistiger  Anstrengung, 
vorzeitiges  Altern  —  Psychische  Depression,  Arbeitsunlust,  -UnfĂ€higkeit  — 
Sexuelle  Neurasthenie,  Impotenz,  —  Klimakterium  virile,  Ejaculatio  praecox. 

Thelygan  fĂŒr  Frauen 

Gegen  endoerine  Genital-Störungen  —  Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmenor- 
rhoe —  Störungen  der  Menarche  —  Klimakterische  Beschwerden  —  Depres- 
sionen, Ausfallerscheinungen,  Angstneurosen,    —   SterilitĂ€t,  FrigiditĂ€t. 

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XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26, 


wicklung  zu  erforschen  trachten.  In  Wort  und  Schrift,  auf 
experimentellem  und  praktischem  Wege  sucht  man  sich  mit 
den  das  Kind  herĂŒhrenden  Fragen  auseinanderzusetzen. 
KĂŒnstler  sind  —  und  besonders  taten  sie  dies  im  ersten  Jahr- 
zehnt unseres  Jahrhunderts  —  dem  Wesen  der  kindlichen 
Kunst  nĂ€her  getreten,  sie  gewissermaßen  entdeckend  und  ihr 
Wege  weisend,  oder  sie  haben  selbst  mit  Vorliebe  das  Kind 
zum  Objekt  ihres  Schaffens  gewÀhlt. 

Bei  all  diesen  Bestrebungen  und  der  starken  Betonung 
pÀdagogischer  Notwendigkeiten  kam  mehr  und  mehr  der  in- 
dividualistische Gedanke  zum  Durchbruch.  Alle  Reform- 
pĂ€dagogik der  Vorkriegsepoche  faßte  —  im  Gegensatz  zur 
offiziellen  ZweckpĂ€dagogik  —  das  Kind  als  Einzelwesen  ins 
Auge,  es  gewissermaßen  als  kleine  MajestĂ€t  auf  einen  Thron 
hebend  und  ihm  Rechte  und  weitgehendste  Entwicklungs- 
möglichkeiten anbahnend.  Mit  dem  Beginn  des  Krieges 
wurde  hier  ein  plötzlicher  Wandel  bemerkbar.  Der  Gedanke 
des  StaatsbĂŒrgertums  beherrschte  jetzt  alle  oder  doch  fast 
alle  Kreise;  die  Umformung  der  seelischen  Welt  in  den 
Augusttagen  1914  ist  zu  bekannt,  als  daß  ich  hier  nĂ€her  dar- 
auf einzugehen  brauche.  Das  Kind  wurde  nun  allgemein  als 
Teil  des  Volksganzen  so  weitgehend  gewĂŒrdigt,  daß  es  in  dem 
Vorstellungsleben  selbst  sonst  recht  moderner  Menschen  auf- 
hörte, Einzelpersönlichkeit  zu  sein.  Die  Kinder  wurden  da- 
mals nur  noch  als  Teil  des  Volkes  bewertet,  und  nur  in  sehr 
seltenen  FÀllen  hat  man  in  den  ersten  Kriegs  jÀhren  An- 
zeichen einer  IndividualpÀdagogik  bemerken  können. 

Dann  aber  kam  der  große  Unischwung!  Die  vaterlose 
Erziehung  so  vieler  Kinder  tat  das  ihre;  die  sensationsreiche, 
aufregende  Zeit  wirkte  auf  die  Heranwachsenden  ein,  die 
schnellen  und  leichten  Verdienstmöglichkeiten  hoben  das 
Selbstbewußtsein  und  das  HerrengefĂŒhl  unreifer  Köpfe  — 
und  als  Erfolg  all  dieser  EinflĂŒsse  suchte  die  Jugend  jedem 
erziehlichen  Einfluß  zu  trotzen.  Die  AutoritĂ€t  hatte  auf- 
gehört, die  Jugend  irgendwie   zu   beeinflussen.    Man  ver- 


gegenwÀrtige sich  auch  die  SchulzustÀnde  jener  Zeit,  man 
denke  an  die  aufreizenden,  die  jugendliche  Rauflust  be- 
gĂŒnstigenden ErzĂ€hlungen  der  Soldaten,  und  vor  allem  denke 
riian  daran,  wie  schwer  es  fĂŒr  Kinder  und  Jugendliche  war, 
sich  in  dem  allgemeinen  moralischen  Wirrwarr  zurechtzu- 
finden. Im  Kriege  wurde  hoch  bewertet,  was  vordem  als 
unrecht,  unmoralisch  geschildert  ward;  die  Gebote:  Du 
sollst  nicht  töten!  Du  sollst  nicht  trachten  nach  dem  Gute 
Deines  NĂ€chsten!  waren  wĂ€hrend  der  Kriegszeit  außer  Kurs 
gesetzt  worden.  Die  Kinder  unserer  Epoche  sind  dadurch  in 
eine  ZwiespÀltigkeit  geraten,  die  ihr  ganzes  Weltbild  auf 
eine  schiefe  Ebene  gebracht  hat. 

So  vorbereitet  traf  die  Kinder  die  Revolution!  W  ieder 
traten  ernste,  einschneidende  Lebensfragen  an  sie  heran,  und 
in  schÀrfster  Weise  griff  das  politische  Leben  in  das  kind- 
liche Dasein  ein.  Ich  will  hier  nicht  auf  Einzelheiten  ein- 
gehen, die  als  bekannt  vorauszusetzen  sind;  ein  jeder  weiß, 
wie  oft  die  Familien  der  Platz  ernster  politischer  ZerklĂŒf- 
tungen wurden,  wie  Freundschaften  auseinanderrissen,  und 
wie  in  der  Schule,  wenn  nicht  vom  Lehrer,  so  doch  ganz 
sicher  unter  den  SchĂŒlern  Politik  getrieben  wurde  und  wird. 
Und  all  dies  kam  an  Kinder  heran,  die  innerlich  hin  und  her 
gerissen  waren,  deren  ethische  Anschauungen  sich  verwirrt 
hatten,  deren  Egoismus  hemmungslos  (nach  kurzem 
altruistischen  Aufschwung  zu  Beginn  des  Krieges.)  entwickelt 
worden  war.  Gesichtspunkte,  wie  die  bekannte  Formel: 
Jeder  suche  zu  erwischen,  was  er  erwischen  kann!  mußten 
verderblich  auf  die  Heranwachsenden  wirken.  Und  dann 
fast  als  das  Traurigste:  Der  Jugend  waren  zu  viele  Ideale 
verloren  gegangen,  die  Anfang  des  Kriegs  ihre  Heizen  höher 
schlagen  ließen  und  ihr  Wollen  beeinflußten;  der  Nieder- 
gang des  seelischen  Aufschwunges  konnte  von  den  Heran- 
wachsenden nicht  leicht  ĂŒberwunden  werden.  Die  Erzieher 
—  Eltern  und  Lehrer  —  wurden  durch  all  diese  Konflikte 
vor  die  denkbar  schwersten  Aufgaben  gestellt.  —  Ein  Teil 


Zur  unauffÀlligen  diÀtetischen  Darreichung  krÀftiger  Bromdosen 

»HauDteÀchlich  ist  die  erhöhte  Wirksamkeit  in  dieser  Form  wohl 
derguten  Resorption  zuzuschreiben.  Ich  selbst  konnte  feststellen, 
dass  eine  deutliche  Wirkung  einmal  6,  ein  zweites  Mal  be- 
reits Minuten  nach  dem  Trinken  einer  in  100  ccm  heiS- 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  2(5, 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


der  Jugend  begann  sich  selbst  zu  helfen.  In  der  Jugend- 
bewegung treffen  sich  diese  jungen  Mcnselien,  die  aus  der 
TrĂŒbsal  heraus  wollen  und  sich  ĂœĂŒr  ein  neues  Menschentum 
einsetzen;  mit  jugendlichem  Eifer  streben  sie  ihren  Idealen 
zu.  Und  gehen  sie  auch  verschiedene  Wege  —  die  Politik 
hat  auch  hier  Trennendes  geschaffen  —  so  ist  es  doch  das 
Grundfundament,  das  sie  eint.  Dali  wir  es  hier  mit  einer 
starken  kulturellen  Bewegung  zu  tun  haben,  wissen  alle,  die 
sicdi  nÀher  mit  dieser  Materie  beschÀftigt  haben,  und  sicher 
haben  wir  auf  unsere  Jugend  viel  Hoffnung  zu  setzen.  Daß 
aber  aus  diesen  Sonderbestrebungen  junger  Menschen  Eltern 
und  Erziehern  Schwierigkeiten  erwachsen,  daß  sich  nicht 
immer  verbindende  BrĂŒcken  zwischen  den  verschiedenen 
Generationen  finden  werden,  das  ist  nicht  zu  leugnen. 

Wenn  so  der  Erziehung  heute  besonders  schwere  Auf- 
gaben gestellt  sind,  wenn  es  gilt,  die  Pflichten  der  Erzieher 
besonders  ernst  zu  nehmen,  dann  ruft  dies  alle  auf  den  Plan, 
die  zur  Hilfe  fĂ€hig  sind.  Der  Wunsch  zu  helfen  muß  sich 
allerorten  regen,  und  jeder  an  seinem  Platz  kann  zur  Hebung 
des  Volksganzen  beitragen.  Daß  sich  aber  die  Erziehung 
beute  nicht  mehr  als  ein  rein  autoritatives  Leiten  erfassen' 
lĂ€ĂŸt,  ist  selbstverstĂ€ndlich  fĂŒr  die,  die  den  Zeitgeist  richtig 
erfassen.  Den  Kindern  den  rechten  Boden  fĂŒr  eine  gute  Ent- 
wicklung zu  schaffen,  ihnen  das  bildende  Heim,  die  der 
Eigenentwickelung  förderliche  Schule  zu  geben,  das  ist  das 
BemĂŒhen  aller,  die  die  Kinder  im  modernen  Sinne  bewerten. 

Wenn  man  aber  einsieht,  daß  wissenschaftliche  Er- 
kenntnis nutzbar  gemacht  werden  muß,  daß  theoretisches 
Wissen  mit  praktischem  Können  zu  verbinden  sind,  um  dem 
Kinde  zu  geben,  was  es  zu  fordern  hat,  dann  muß  sich  die 
Stellung  der  Erziehenden  um  vieles  heben.  Ihre  Wirksam- 
keit wird  in  ihrer  Bedeutung  und  in  ihrer  Schwierigkeit 
höher  eingeschĂ€tzt.  In  frĂŒheren  Zeiten  erwĂ€hlte  man  —  wie 
wir  in  alten  Berichten  lesen  —  zum  Lehrer  ausgediente  Sol- 


daten, und  nicht  selten  erfahren  wir,  daß  der  Dorfschneider 
gleichzeitig  das  Amt  des  Lehrers  versah;  das  Wissen  der 
Lehrenden  war  nur  gering,  und  ihre  pÀdagogischen  FÀhig- 
keiten können  wir  von  den  alten  Kupfern,  die  uns  die  Lehrei 
immer  wieder  als  strafende  Macht  vorfĂŒhren,  ablesen.  All 
dies  hĂ€ngt  naturgemĂ€ĂŸ  mit  der  geringen  EinschĂ€tzung  der 
lehrenden  TĂ€tigkeit  zusammen.  Im  Vergleich  zu  den  mo- 
dernen Debatten  ĂŒber  die  beste  Form  des  Unterrichtes  wirken 
die  damaligen  ZustÀnde  fast  erheiternd  auf  uns.  Betrachten 
wir  dagegen  die  allerncueste  Zeit:  Die  Volbsschullehrer,  die 
lange  um  eine  vermehrte  Anerkennung  ihrer  Aufgaben  und 
daraus  resultierend  auf  eine  bessere  Ausbildungsmöglichkeit 
gewartet  haben,  die  mit  Heftigkeit  um  die  Hebung  ihrer 
sozialen  Stellung  kÀmpften,  sind  nun,  nach  der  Revolution, 
mit  ihren  WĂŒnschen  weiter  durchgedrungen.  Die  Kinder- 
gĂ€rtnerinnen, die  frĂŒher  als  eine  Art  zweitklassiger  Erziehe- 
rinnen angesehen  wurden,  da  sie  in  erster  Linie  die  vor- 
schulpflichtigen Kinder  zu  betreuen  haben,  mĂŒssen  jetzt  ihre 
Ausbildung  durch  ein  staatliches  Examen  abschließen,  um 
Anerkennung  zu  finden,  und  endlich  erhalten  sie  auch  —  im 
Gegensatz  zu  frĂŒher  —  wenigstens  in  stĂ€dtischen  und  staat- 
lichen Anstalten  eine  auskömmliche  Entlohnung.  Wir 
gehen  nicht  irre,  wenn  wir  diese  vennehrte  Anerkennung  mit 
der  höheren  Bewertung  der  FrĂŒherziehung  in  Einklang  brin- 
gen. Auch  die  SĂ€uglingspflegerinnen  lĂ€ĂŸt  man  heute  staat- 
liche PrĂŒfungen  ablegen,  da  man  die  Bedeutung  einer  rechten 
Pflege  des  SĂ€uglings  eingesehen  hat. 

NaturgemĂ€ĂŸ  ist  auch  das  Wesen  der  hĂ€uslichen  Er- 
ziehung nun  in  eine  andere  Beleuchtung  gerĂŒckt  worden. 
Die  Pflichten  der  Eltern  werden  immer  mehr  als  Aufgabe 
gewĂŒrdigt,  und  besonders  sind  es  die  MĂŒtter,  denen  aus 
neuer  Erkenntnis  neue  Aufgaben  erwuchsen.  Die  hohe  Be- 
wertung, die  man  jetzt  dem  Kinde  zuteil  werden  lĂ€ĂŸt,  nahm 
uns  den  Glauben  an  den  in  erster  Linie  wirksamen  mĂŒtter- 
lichen Instinkt;  eine  Vorbereitung  auf  den  Mutterberuf,  eine 


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XVIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Ami 


40.  Jahrg.  —  Nr.  2Q, 


Erziehung  zur  wahren  MĂŒtterlichkeit  wird  mehr  und  mehr 
angestrebt.  Zu  verstehenden  MĂŒttern  sollen  unsere  MĂ€dchen 
herangebildet  werden,  -aber  auch  zu  gesunden,  krÀftigen 
MĂŒttern!  Das  ist  es,  was  der  modernen  Auffassung  den 
Charakter  verleiht:  Nicht  nur  um  ihrer  selbst  willen  sucht 
man  die  MĂ€dchen  zu  erziehen  (wenigstens  in  den  aufge- 
klÀrteren pÀdagogischen  Kreisen),  sondern  bei  ihrer  geistigen 
und  körperlichen  Entwicklung  hat  man  die  Zukunft  vor 
Augen  und  versucht  damit  auf  das  Wachsen  und  Gedeihen 
kĂŒnftiger  Generationen  Einfluß  zu  gewinnen.  Die  „Fnauen- 
schule",  zwar  vorlÀufig  noch  ein  tastender  Versuch,  stellt 
einen  Schritt  auf  diesem  Wege  dar. 

WÀhrend  einst  hauptsÀchlich  von  den  Renditen  des  Er- 
ziehers dem  Kinde  gegenĂŒber  die  Rede  war,  spricht  man 
heute  nur  von  seinen  Pflichten,  und  was  ihm  an  Dank  fĂŒr 
sein  BemĂŒhen  zuteil  wird,  ist  gewissermaßen  freiwillige  Gabe, 
nicht  wie  einst,  ein  verbrieftes  Recht.  Diese  Verschiebung  der 
Begriffe  spricht  sich  auch  im  Verkehrsion  aus;  aus  dein 
schroffen  AutoritÀtsprinzip  wurde  ein  freundschaftlicher 
Umgang.  NatĂŒrlich  ist  dieser  Umschwung  der  VerhĂ€ltnisse 
noch  nicht  allgemein  bewußt  geworden,  aber  die  Auffassung 
liegt  in  der  Luft  und  ist  unserer  Epoche  eigentĂŒmlich.  Eine 
teilweise  Rechtlosigkeit  der  Eltern  kommt  immer  mehr  zum 
Ausdruck;  die  Heranwachsenden  gehen  eigene  Wege  (mau 
denke  an  die  oben  erwÀhnte  Jugendbewegung)  und  suchen 
sich  der  FĂŒhrerschaft  der  .Ă€lteren  Generation  zu  entziehen. 
Aber  auch  in  anderer  Hinsicht  wird  eine  gewisse  Rechtlosig- 
keit der  Eltern  bemerkbar:  Der  Staat  greift  oft  in  die  elter- 
lichen Rechte  ein,  sucht  ihre  erziehlichen  Maßnahmen  zu 
ergÀnzen  und  vertritt  des  Kindes  Anspruch  auf  Unterricht 
und  Erziehung. 

Der  Schulzwang  war  wohl  der  erste  Schritt  nach  dieser 
Richtung  hin,  Impfzwang,  FĂŒrsorgeerziehung,  Zwangsvor- 


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mundschaft,  ja  selbst  der  Schutz  des  ungeborenen  Kindes 
sind  weitere  Befugnisse,  durch  die  der  Staat  in  das  Leben  des 
Einzelnen  eingreift.  So  erwuchsen  aus  der  modernen  Be- 
wertung des  Kindes  dem  Staate  Rechte  und  Pflichten. 

Neben  der  staatlichen  FĂŒrsorge  fĂŒr  das  Kind  wurde  ein 
groller  Teil  der  zu  leistenden  Arbeit  auf  Grund  eines  sozialen 
Pflichtbewußtseins  der  oberen  StĂŒnde  lange  Zeit  hindurch 
von  privater  Seite  ĂŒbernommen.  Das  starke  Verantwortlich- 
keitsgefĂŒhl, das  sich  in  dieser  Hilfsarbeit  Ă€ußerte,  war  wohl 
der  Ausdruck  der  Anerkennung  der  Menschenrechte  des  Ein- 
zelnen und  besonders  des  einzelnen  Kindes. 

Nach  der  Revolution  ist  die  soziale  Richtung  entschieden 
in  den  Hintergrund  getreten.  Man  hat  darin  nicht  nur  den 
freilich  unserer  Zeit  charakteristischen  Egoismus  zu  sehen, 
sondern  den  Ausdruck  dafĂŒr,  daß  ein  großer  Teil  der  ge- 
bildeten und  begĂŒterten  Kreise  keine  rechte  innere  Stellung- 
nahme zu  den  unteren  Volksschichten  mehr  finden  kann. 
Die  Zeiten  politischer  Unruhe  haben  die  verschiedenen 
Klassen  sich  zu  sehr  als  Feinde  gegenĂŒber  stehen  lassen,  und 
das  GefĂŒhl  der  Menschenliebe  und  des  VerstĂ€ndigung  und 
Hilfe  herbeifĂŒhrenden  Wollens  ist  einem  starken  Ohnmachts- 
gefĂŒhl  gewichen.  Mir  wurde  kĂŒrzlich  folgender  Fall  erzĂ€hlt, 
den  man  fĂŒr  diese  Zeitströmung  bezeichnend  ansehen 
kann:  In  einer  kleineren  Stadt  versammelte  ein  junges  MĂ€d- 
chen, die  Tochter  eines  Bergwerksdirektors,  das  sich  zum 
Zweck  einer  weitgehenden  sozialen  Hilfsarbeit  eine  pÀda- 
gogische Ausbildung  angeeignet  hatte,  Arbeiterkinder  in 
einem  Hort.  Nach  kurzer  Zeit  gab  sie  dieses  Hilfswerk  auf, 
da  ihr  Vater  durch  SteinwĂŒrfe  und  andere  feindschaftliche 
Aktionen  mehrfach  bedroht  worden  war  Das  junge  MĂ€dchen 
sagte  mit  Recht,  daß  sie  sich  unmöglich  der  Kinder  an- 
nehmen könne,  deren  Eltern  vielleicht  zu  den  Gegnern  ihres 
Vaters  gehörten.   Um  ein  fĂŒr  die  heutigen  VerhĂ€ltnisse  eben- 


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Jod  fest  an   eiroelrj  gebunden,  daher  von  lntensloer 
Wirksamkeit  bei  guter  Vertiöglichkelt. 


I 

9 

Fl  Organisches  eisen- Jod- eiroeifjprÀparat.  Besonders  an- 
[f  gezeigt  bei  an  Skrofulöse  leidenden  Kindern. 


fejoprot 


I 
B 


lHalztropon 


|T     Heroorragendes  KrÀftigungsmittel  in  der  Rekonoaleszenz.  *s 


Troponwerke,  TlT  Köln-MĂŒlheim 

Ityjj^llhjj^iilli^^  ulll|UiTr^itflliiuM.udilllli  ulld 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XIX 


falls  charakteristisches  Gegenbild  zu  zeigen:  In  einer  Stadt 
lehnten  wÀhrend  des  Krieges  die  Arbeiterkreise  es  ;il>,  ihre 
Kinder  in  Kinderheimen  durch  ausgebildete  KindergÀrtne- 
rinnen und  Damen  der  gebildeten  Kreise  beschÀftigen  und 
leiten  zu  lassen;  sie  versuchten  die  Leitung  des  Kinderheims 
selbst  zu  ubernehmen,  mußten  freilieh  bald  einsehen,  daß 
die  Wirksamkeit  doch  einiger  besonderer  Kenntnisse  und 
FĂ€higkeiten  bedurfte.  Auch  jetzt  werden  aus  Arbeiter- 
kreisen starke  Strömungen  dafĂŒr  bemerkbar,  daß  man  sieh 
selbst  helfen  wolle  und  auf  die  soziale  Arbeit  höherer  Schich- 
ten verziehten  mĂŒsse.  Fabrikpflegerinnen,  FĂŒrsorgerinnen 
sollen  auf  Wunsch  der  Linksparteien  aus  jenen  Schichten 
hervorgehen,  denen  die  FĂŒrsorge  gilt.  Man  will  gewisser- 
maßen unter  sieh  bleiben  und  lehnt  alle  Vermittlungsver- 
suche „von  oben  her"  ab.  So  kann  man  infolge  der  starken 
Durchsetzung  unseres  Volkslebens  mit  politischen  Gedanken 
eine  Beeinflussung  der  sozialen  und  pÀdagogischen  Aktionen 
wahrnehmen,  und  ĂŒberall  wird  man  einen  politischen  Ein7 
schlag  der  Erziehung  beobachten  können.  Alle  Parteien 
suchen  sieh  der  Jugend  zu  bemÀchtigen  und  sehen  bereits 
in  den  frĂŒhen  Kinderjahren  —  besonders  durch  den  Einfluß 
der  Schule  —  Grundlagen  hierfĂŒr  zu  schaffen.  Das  Hinein- 
tragen der  Politik  in  die  Seffule  aber,  ihr  Heranbringen  an 
unreife  Geister,  die  EinflĂŒssen  so  leicht  zugĂ€nglich  sind,  ist 
im  hohen  Grade  zu  bedauern,  doch  scheint  es  mir  eine  Folge 
der  heutigen  Stellung  des  Kindes  zu  sein.  In  frĂŒheren  Zeiten 
wÀre  es  wohl  undenkbar  gewesen,  um  die  Kinder  zu  werben, 
um  sie  fĂŒr  diese  oder  jene  Richtung  zu  gewinnen.  Erst  da- 
durch, daß  man  bereits  das  junge  Kind  als  Menschen  wertet, 
ihm  Eigenanschauungen  gestattet  und  zutraut,  ist  dies  Be- 
mĂŒhen verstĂ€ndlich  und  möglich  geworden. 

Die  heutigen  Bestrebungen,  die  dahin  zielen,  jedem 
Kinde  eine  ihm  entsprechende  Ausbildung  zu  sichern,  wei- 


den unbedingt  zum  Siege  gelangen.  Wir  man  auch  zu  dei 
Frage  der  Einheitsschule  stehen  mag,  das  eine  ist  sicher:  Der 
Gerechtigkeitsgedanke,  der  ihr  als  Grundlage  dient,  muß  in 
Hinblick  auf  das  Kind  begrĂŒĂŸt  werden.  Mag  der  Staat  seine 
Eigeninteressen  durch  die  Heranbildung  der  ihm  zur  Ver 
fĂŒgung  stehenden  KrĂ€fte  damit  am  besten  vertreten  sehen; 
wir  erkennen  darĂŒber  hinaus  auch  die  Stellungnahme  dem 
Kinde  gegenĂŒber. 

In  unserer  zerklĂŒfteten  Zeil  wird  ja  auch  die  Bewertung 
des  Kindes  von  verschiedenen  Polen  aus  zu  betrachten 
sein.  Besonders  viel  wird  ĂŒber  die  Frage  des  Nachwuchses 
heute  debattiert;  der  Volksvermehrung^  schenkt  man  nach 
den  verlustreichen  Kriegsjahren  vermehrte  Aufmerksamkeit. 
In  erster  Linie  gehen  die  Meinungen  darĂŒber  auseinander, 
ob  ein  quantitativer  Zuwachs  an  Menschenmaterial  das 
wichtigere  sei,  oder  ob  man  nicht  in  erster  Linie  die  Quali- 
tÀt des  Nachwuchses  ins  Auge  zu  fassen  habe.  Mehr  als  je 
stehen  die  Fragen  der  Rassenhygiene  im  Vordergrunde.  Die 
Elternverantwortlichkeil,  schon  vor  der  Geburt,  ist  man  be- 
strebt, dem  Volksbewußtsein  nahe  zu  bringen.  Die  Bewer- 
tung des  Kindes  wird  hier  von  anderen,  neuen  Gesichts- 
punkten betrachtet,  das  Kind  ist  hier  FortfĂŒhrung  begonne- 
ner Lebenslinien,  ist  Kettenglied.  Je  mehr  die  Erkenntnis 
der  Vererbungsniöglichkeiten  in  weitere  Kreise  dringen  wird, 
desto  mehr  wird  man  sich  den  neuen  Lebewesen  gegenĂŒber 
verantwortlich  fĂŒhlen.  Wie  auf  dem  vorher  erwĂ€hnten  Ge- 
biet der  Erziehung,  so  auch  hier:  Vorbereitung  zur  Eltern- 
schaft, die  Erziehung  zu  ihr  sind  moderne  Gesichtspunkte, 


die 
sollen. 


dem  kĂŒnftigen 


Menschen,  dem  Kinde  zugute  kommen 


Sehr  wichtig  ist  auch  gerade  fĂŒr  unsere  Zeit  die  Frage 
nach  dem  Recht  der  Mutter  ĂŒber  das  Leben  des  noch  unge- 
borenen Kindes  zu  verfĂŒgen;  die  Diskussionen  ĂŒber  die  Auf- 


ß  E I  t  QHEJJMATSlttUS'UWIA)  *  61  CHT* 
GRIPPE  ‱  NEUJ2ALGLEN *„HE&ZSCHMEnZEN' 


FABRIKEN* 


LITEQATUk     ‱  CHj&Q  LOTT  E  N  ö  U  HG**  4/120f*      WtÂŁNVII2»  * 


XX 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  26 


hebung  des  betreffenden  Strafparagraphen  beweisen,  wie 
ernst  man  die  Materie  nimmt.  Interessant  ist  es  zu  sehen, 
daß  wir  damit  am  Ende  unserer  Uebersicht  fast  an  den  Aus- 
gangspunkt derselben  zurĂŒckkehren  mĂŒssen:  Wenn  wir  bei 
den  alten  Völkern  den  Gebrauch  der  Kindesaussetzung  und 
Kindestötung  fanden,  um  die  nicht  lebensfÀhigen  Kinder  von 
dem  Heranwachsen,  das  Staatswesen  von  seiner  Erhaltungs- 
pflicht zu  befreien,  so  kann  man  hier  und  da  gerade  in 
unserer  Zeit  Stimmen  hören,  die  sich  gegen  die  jede  s  Lebe- 
wesen schonende  und  behĂŒtende  HumanitĂ€t  wenden.  Nicht 
schlechtweg  das  Kind  soll  der  FĂŒrsorge  wert  erachtet  wer- 
den; nur  das  lebensfÀhige,  gesunde  Kind  habe  ein  An- 
recht auf  die  BetĂ€tigung  humanitĂ€rer  BemĂŒhungen.  Fast 
roh  will  uns  dieser  Gedankengang  erscheinen,  sind  wir  doch 
gewöhnt,  fĂŒr  jede  Art  der  kindlichen  Gebrechen  FĂŒrsorge- 
maßnahmen zur  VerfĂŒgung  zu  haben.  VerkrĂŒppelte  Kinder, 
die  Blinden  und  Taubstummen,  die  geistig  Minderwertig"!) 
haben  die  allgemeine  Teilnahme  gewonnen,  und  man  sucht 
sie  nach  Möglichkeit  zu  einem  Leben  zu  fĂŒhren,  das  lebens- 
wert  ist,  und  man  will  sie  durch  Anleitung  und  Ausbildung 
vor  der  AbhÀngigkeit  bewahren.  Tuberkulöse  Kinder  und 
andere  Leidende  sollen  durch  die  ihnen  zuteil  werdende 
Pflege  gesunden,  und  so  ist  man  bestrebt,  des  so  tausendfach 
vertretenen  Elends  Herr  zu  werden.  Viel  Gutes  wird  erreicht, 
und  doch  wieviel  Kraft  und  —  wie  wichtig  in  unserer  Zeit! 
—  wieviel  Geld  wird  an  untaugliches  Material  gewandt.  Es 
ist  die  Folge  unserer  ZeitverhĂ€ltnisse,  daß  man  auch  die  den 
Kindern  zugedachte  FĂŒrsorge  begrenzen,  einengen,  Zweck- 
lichkeitsgedanken  angleichen  will. 

Bei  Gelegenheit  der  „Kinderwoche''  im  Jahre  1920  wurde 
durch  ein  Plakat  fĂŒr  diese  Hilfsaktion  geworben,  das  in 
krassester  Weise  das  Kinderelend  zeigte.  Unter  Bezug  dar- 
auf schrieb  Peter  Paul  Schmitt  in  der  „WeltbĂŒhne" 
(16.  Dezember): 


„Aber  vor  diesem  abschreckenden  Plakat  frage  ich 
jeden  seiner  normalen  Sinne  fÀhigen  Mitmenschen:  Wollen 
Sie  die  Verantwortung  dafĂŒr  tragen,  daß  der  hier  gezeigte 
rachitische,  skrophulose  und  verkrĂŒppelte  Wechselbalg  mit 
Gewalt  aufgepÀppelt  und  am  Leben  erhalten  wird.  Was 
fĂŒr  eine  Art  von  nĂŒtzlichem  Mitglied  der  menschlichen 
Gesellschaft  soll  wohl  so  ein  unglĂŒckseliges  Wesen  ab- 
geben? Ist  nicht  viel  eher  anzunehmen,  daß  es  der  mensch- 
lichen Gesellschaft  dauernd  zur  Last  fallen  wird?  Wir 
wollen  gern  dazu  beitragen,  daß  unterernĂ€hrte  Kinder  wie- 
der dicke  Backen  kriegen,  aber  die  Gesundmachung  solcher 
Kretins  lehnen  wir  ab.  Wem  in  aller  Welt  soll  mit  der 
HeranzĂŒchtung  unheilbarer  Mißgeburten  gedient  werden? 
Den  Eltern  nicht,  dem  Staat  ebensowenig,  und  dem  armen 
Wurtm  sicher  am  wenigsten,  —  nein,  was  nicht  leben 
kann,  soll  sterben.  Goethe  hat  bekanntlich  schon  beklagt, 
daß  die  Rasse  durch  die  falsche  SentimentalitĂ€t,  alles 
Kranke  mit  Gewalt  am  Leben  zu  erhalten,  verschlechtert 
wird." 

Es  mag  an  den  hier  ausgesprochenen  Gedanken  manches 
lichtig  sein,  so  weit  wir  unseren  Verstand  vorherrschen 
lassen  wollen,  aber  uns  ist  di«  HumanitÀt  so  in  Fleisch  und 
Blut  ĂŒbergegangen,  uns  ist  die  Achtung  vor  dem  Kinde  etwas 
so  SelbstverstĂ€ndliches,  daß  wir  in  dem  unglĂŒcklichsten  und 
mißgestaltetsten  Wesen  immer  noch  den  Menschen  seilen, 
dem  wir  nach  Möglichkeit  helfen  mĂŒssen.  Vielleicht  werden 
sich  kommende  Generationen  davon  befreien  —  klĂŒger  und 
zweckpolitischer  wĂ€re  es  auf  alle  FĂ€lle  —  aber  die  WĂ€rme, 
die  wir*  jedem  Kinde  gegenĂŒber  empfinden,  lĂ€ĂŸt  unser  GefĂŒhl 
revolutionieren,  selbst  wenn  wir  verstandesmĂ€ĂŸig  Ă€hnliche 
GedankengÀnge  haben. 


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wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  alten  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tablellen  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromat.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expektoranlien,  auch 
Guajakol-PrÀparalen. 


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logische Zwecke, 

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keratoplastische  Wirkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


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tdai-z 


adstringierend,  antiseptisch, 
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schmerzlindernd. 


10.  Jahrg.  —  Nr.  27  28. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Aus  den  Briefen  des  Klinikers  M.  E.  A.  Naumann 
in  Bonn  und  ĂŒber  seine  Beziehungen  zu  Goethe. 

Von  Dr.  Erich  Ebstein,  Leipzig. 

Die  AuszĂŒge  aus  nachfolgenden  Briefen  an  Naumanns 
Bruder,  Carl  Naumann,  Mineralogen  in  Leipzig,  die  sich 
im  Besitz  des  Prof.  Dr.  Ernst  Naumann,  Berlin,  befinden1), 
sind  wohl  geeignet,  nicht  nur  ein  Bild  der  Zeit  von  1836 — 1871 
zu  gehen,  sondern  sie  werfen  auch  interessante  Schlaglichter 
auf  den  jeweiligen  Stand  der  Medizin  und  der  sie  betreffenden 
Tagest  ragen. 

Voi  angeschickt  seien  einige  Daten  aus  M.  E.  A.  Naumanns 
Leben.  Geboren  in  Dresden  am  7.  Oktober  1798,  studierte  er 
seit  1816  abwechselnd  in  Berlin  und  Leipzig.  1823  erschien 
Von  ihm:  „l'eber  die  Grenzen  zwischen  Philosophie  und  Na- 
turwissenschÀften", mit  einem  Motto  aus  Goethes  Faust  auf 
dem  Titelblatt  und  mit  einer  Widmung  an  dessen  Dichter 
versehen,  „als  Beweis  seiner  innigen  Hochachtung".  An  zwei 
Stellen  seines  Buches  S.  161  und  180  nimmt  er  Bezug  auf 
Goethes  Farbenlehre,  TĂŒbingen  1810,  §  617.  Es  mag  sein, 
daß  Naumann  auf  diese  Weise  mit  Goethe  in  BerĂŒhrung  ge- 
kommen ist. 

Diese  meine  Vermutung  wird  durch  die  folgenden  drei 
Briefe  Naumanns  an  Goethe  bestÀtigt,  die  sich  im  Goethe- 
und  Schiller-Archiv  in  Weimar  befinden  und  an  dieser  Stelle 
ihren  Platz  finden  mögen. 

Wie  viele  Tausende,  hat  es  auch  Naumann  versucht, 
Goethe  fĂŒr  sieb  und  seine  Werke  zu  interessieren.  Er  scheint 

1  Ich  verdanke  sie  der  Vermittlung  von  Dr.  Hans  GĂŒnther 
in  Leipzig. 


aber  nicht  viel  GlĂŒck  dabei  gehabt  zu  haben.  Indes  bat 
Goethe  durch  seinen  Arzt  G.  Vogel  Gelegenheil  genommen, 
sich  ĂŒber  Neumann  zu  informieren.  Bereits  am  23.  Oktober 
1921  hatte  Goethe  (Weimarer  Ausgabe,  Briefe  Bd.  :',.">,  S.  156) 
an  G.  G.  GĂŒldenapfel  (?)  geschrieben:  „In  dem  10.  StĂŒcke 
des  Isis  steht  ein  Aufsalz,  unterschrieben  Moritz  Nau 
>n  a  n  n  ,  M  e  d.  e  t  Chi  r.  Dr.,  ich  wĂŒnschte  nĂ€here  Nachricht 
von  ihm."  Der  Aufsatz  war  betitelt:  „Bestimmung  der  Aus 
dehnung  des  Begriffes  der  Geschichte"  (S.  671—673). 

I.  N  a  u  m  a  n  n  a  n  G  o  e  t  h  e. 
Ew.  Excellenz! 
Nach  langem  Stillschweigen,  welches  durch  die  KĂ€lte  ge- 
rechtfertigt zu  werden  schien,  mit  der  Ew.  Exzellenz  das 
Werkchen  aufgenommen  haben,  welches  ich  mit  allen  seinen 
Tugenden  und  MĂ€ngeln,  im  Jahre  18231),  Ihnen  zuzueignen 
mir  die  Freiheit  nahm,  ergreife  ich,  den  Sie  vielleicht  kaum 
dem  Namen  nach  kennen,  die  Feder,  um  im  Vertrauen,  einer- 
seits auf  Ihren  Edelmuth,  andererseits  auf  meine  TĂŒchtigkeit, 
Sie,  um  Ihre  mÀchtige  Verwendung  zu  bitten.  Sollte  nÀmlich 
die,  bisher  von  Heusinger,  in  Jena  bekleidete  Stelle,  noch 
nicht  besetzt  seyn,  so  ersuche  ich  Ew.  Excellenz,  mich  unter 
die  Zahl  der  Bewerber  um  dieselbe  aufnehmen,  und  gnÀdig 
zu  mir  herabblicken  zu  wollen.  Ganz  gewiß  wĂŒrde  ich  Ihrer 
Empfehlung  keine  Schande  machen!  Uebrigens  grĂŒndet  sich 
meine  Bitte  nicht  auf  pecuniÀre  VerhÀltnisse,  denn  ich  bin  eher 
wohlhabend,  als  arm  zu  nennen;  sondern  auf  den  lebhaften 
Wunsch,  Leipzig,  den  Ort,  in  welchem  die  medicinischen 
Wissenschaften  in  einen  Zustand  von  Lethargie  versunken 

')  M.  E.  A.  Naumann,  lieber  die  Grenzen  zwischen  Philo- 
sophie und  Naturwissenschaften.    Berlin  u.  Leipzig  1823. 


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XII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


sind,  der  nur  bisweilen  durch  nutzlose  Streitigkeiten,  und 
durch  Hindernisse,  die  man  AnfÀngern  in  den  Weg  legt, 
unterbrochen  wird,  —  mit  einer  UniversitĂ€t  vertauschen  zu 
können,  in  welcher  ein  frischeres  Leben  grĂŒnt.  Der  klas- 
sische Boden  des  Saal -Landes  wĂŒrde  die  glĂŒcklichste  Woh- 
nung darbieten! 

Drey  Werkchen,  welche  demjenigen,  das  ich,  schaam- 
roth,  Ew.  Excellenz  zu  FĂŒĂŸen  legen  durfte,  gefolgt,  und  höchst 
gĂŒnstig  beurtheilt  worden  sind,  so  wie  viele,  in  den  neusten 
medicinischen  Zeitschriften  von  mir  herrĂŒhrende  AufsĂ€tze, 
in  denen  die  Besultate  mancher  nicht  unwichtigen  Beob- 
achtung mitgetheilt  sind,  wĂŒrden  mich  vielleicht  am  besten 
empfehlen  können,  wenn  dieselben  Ew.  Excellenz  bekannt 
geworden  wÀren.  Wenigstens  glaube  ich  durchgÀngig  mehr 
der  Wahrheit,  als  der  Meinung  gehuldigt  zu  haben,  und  bin 
deshalb,  trotz  meiner  Verborgenheit,  vielen  ein  Stein  des  An- 
stoßes geworden.  Nach  Art  der  schlechtesten  Dichter,  wĂŒrde 
ich  meine  gesammten  Arbeiten  Ew.  Excellenz  zugeschickt 
haben;  aber  ich  fĂŒrchtete  Ihren  ernsten  Blick,  und  so  unter- 
blieb es. 

Jetzt  habe  ich  es  gewagt,  dem  grĂ¶ĂŸten  deutschen  Manne, 
zu  dem  Tausende  ihre  Stimme  erheben,  meinen  innigsten 
Herzenswunsch  zu  offenbaren!  Gewiß  wird  auch  dieser 
Wunsch  verfliegen,  und  spurlos  in  meine  Seele  zurĂŒcksinken; 
ja!  mir  ist,  als  ob  es  der  Sonne  nicht  gezieme,  den  dĂŒstern 
Schimmer  des  kleinen  Lichtes,  durch  ihre  Strahlen  zu  be- 
leben. Aber,  niemals  werde  ich  mich  schÀmen,  Ew.  Excel- 
lenz, um  etwas  gebeten  zu  haben,  —  ewig  werde  ich  in  den 
SchÀtzen  Ihres  Geistes  schwelgen,  und  in  seinen  Werken 
den  großen  Urheber  verehren! 

„Warum  uns  Gott  so  wohlgefĂ€llt? 
„Weil  er  sich  uns  nie  in  den  Weg  stellt." 

Empfangen  Sie  die  Versicherung  der  grÀnzenloseslen 
Hochachtung,  von  dem  entferntesten  Trabanten  Ihres  Sonnen- 
systems. 


LEITZ 


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in  allen  vorkommenden  AusfĂŒhrungen. 

ERNST  LEITZ  optische  werke  WETZLAR 

Man  verlange  Sonderlisre  MiX.ro  283. 


Ich  verbleibe  Zeit  meines  Lebens 
Ew.  Excellenz 

dankbar  ergebener 

Leipzig.  Moritz  Naumann, 

d.  20.  Januar  (Praktischer  Arzt  und  academischer 

1825.  Docent  in  Leipzig.) 

II.  Naumann  an  Goethe. 

Hochgeborener  Herr  Staatsminister! 

Ich  habe  die  Ehre  Ew.  Excellenz  beifolgend  eine  kleine 
Schrift  zu  ĂŒbersenden,  in  welcher  ich  den  Versuch  wage  der 
Semiotik1),  einer  Doctrin  die  als  die  eigentliche  Uebergangs- 
stufe  aus  der  theoretischen  in  die  praktische  Medicin  be- 
trachtet werden  muß,  die  erste  wissenschaftliche  Grundlage 
zu  geben,  indem  ich  den  noch  gÀnzlich  brach  liegenden  allge- 
meinen Theil  derselben  bearbeitete.  Viele  neu  gewonnene 
Gesichtspunkte  verdanke  ich  den  geistreichen  Winken  und 
scharfsinnigen  Bemerkungen,  welche  die  morphologischen 
Hefte  in  so  reicher  FĂŒlle  darbieten.  Deshalb  nehme  ich  mir 
die  Freiheit  Ew.  Excellenz  ein  Exemplar  dieser  Schrift  zu 
FĂŒĂŸen  zu  legen. 

Ein  Wort  des  Lobes  oder  Tadels  von  Ihrer  Hand 
wĂŒrde  mich  höchst  glĂŒcklich  machen;  da  aber  weder  das 
Eine,  noch  das  Andere  geschehen  wird,  so  ersuche  ich 
Ew.  Excellenz,  wenigstens  stillschweigend  mir  erlauben  zu 
wollen,  auch  fernerhin  das  Unerreichbare  zu  meiner  Er- 
quickung hoffen  und  erwarten  zu  dĂŒrfen. 

Ich  habe  die  Ehre  mit  ausgezeichneter  Hochachtung  "zu 
verbleiben 

Ew.  Excellenz 

gehorsamster 

Berlin.  Moritz  Naumann 

d.  10.  Juli  1826. 


")  M.  E.  A.  Naumann,  Handbuch  der  allg.  Semiotik.  Berlin  1826. 


DlSOTRIN 


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Prospekte  darcß 

«Je  ■MTetUrckHo«  / 


40.  Jahrg.  — 


Nr.  27/28. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


III.   Naumann  an  Goethe. 

Ew.  Excellenz. 

Sie  werden  Sich  violleicht  noch  eines  Zudringlichen  er- 
innern, welcher  nur  einmal  das  GlĂŒck  hatte,  von  Angesicht 
zu  Angesicht1)  Ihnen  gegenĂŒber  sich  zu  befinden,  —  der 
nachmals  zu  wiederholten  Malen  Ihnen  zu  schreiben  wÀgte, 
aber  —  wie  recht  und  billig  scheint  —  niemals  durch  eine 
Zeile  von  Ihrer  Hand  erfreut  wurde,  die  er  triumphirend  in 
seinem  Kreise  hÀtte  aufweisen  können.  Das  nÀmliche  In  - 
dividuum wagt  es  jetzt,  dem  erhabensten  und  tiefsten  Geiste 
Deutschlands,  ein  kleines  BĂŒchlein  bescheidentlich  darzubrin- 
gen, in  welchem  Zweifel  zu  berichtigen  versucht  worden  sind, 
die  den  Arzt  am  unheimlichsten  bedrohen.2) 

Sollte  ich  Ihrer  großartigeren  Ansicht  ĂŒber  diesen  Gegen- 
stand mich  nicht  genÀhert  haben,  so  finde  ich  doch  in  Ihren 
unsterblichen  Werken  Argumente  genug,  die  auch  mir  zur 
StĂŒtze  dienen. 

Ich  verharre  mit  der  ausgezeichnetsten  Hochachtung 


Ew.  Excellenz 


Bonn, 
d.  15.  Septbr. 
1830. 


gehorsamster 


Professor  Dr.  Moritz  Naumann. 


Inzwischen  war  Naumann  1824  Privatdozent  in  Leipzig 
und  kam  1825  als  Prof.  Extraordinarius  nach  Berlin.  1826 
gab  Naumann  ein  Handbuch  der  allgem.  Semiotik  heraus. 
Ueber  dieses  muß  Goethe  Erkundigungen  bei  seinem  Arzte 
C.  Vogel  eingezogen  haben.  Darauf  bezieht  sich  der  Brief 
Vogel 's  an  Goethe  vom  7.  August  1826,  der  sich  im  Goethe - 
und  Schiller- Archiv  in  Weimar  befindet  und  den  ich  eben- 


1)  Wann  Naumann  Goethe  kennen  gelernt  oder  wenigstens  ge- 
sehen hat,  ist  nicht  zu  bestimmen.  Goethes  TagebĂŒcher  ver- 
zeichnen ihn  nicht. 

2)  Naumann,  Versuch  eines  Beweises  fĂŒr  die  Unsterblichkeit 
der  Seele  aus  dem  physiologischen  Standpunkte.  Zugleich  als 
Einleitung  in  die  sogen.  Geisteskrankheiten.   Bonn  1830. 


falls  wie  die  vorigen  Briefe  der  Copie  des  Herrn  Prof.  liecker 
verdanke. 

IV.  Vogel  an  Goethe. 
Ew.  Excellenz! 

habe  ich  die  Ehre,  anliegend  mit  dem  untei  thanigsten 
Danke  Naumann  Handbuch  der  allgemeinen  Semiotik  zu- 
rĂŒck zu  senden.  Der  Verfasser  hat  die  ihm  von  seinem  be- 
berĂŒhmten Lehrer,  dem  Geheimen  Rathe  Berends  in  Berlin, 
mitgetheilte  Idee  des  Werkes  mit  vielem  GlĂŒcke  bearbeitet 
und  so  wirklich  eine  neue  Bahn  fĂŒr  eine  in  der  letzteren 
Zeit  nicht  allein  auf  UniversitÀten  zu  sehr  vernachlÀssigte 
Disciplin  gebrochen.  Dieß  mein  unmaßgebliches  Urtheil  ĂŒber 
das  Wesen.  Die  Form  anlangend,  wĂ€re  wohl  zu  wĂŒnschen 
gewesen,  daß  der  Verfasser  seine  beifallswĂŒrdigen  Ideen  und 
zweckmĂ€ĂŸig  gesonderten  Begriffe  in  einer  prĂ€cisern  und 
weniger  dunkeln  Schreibart  vorgetragen  hÀtte.  VerlÀugnet 
also  hierin  der  SchĂŒler  in  etwas  seinen  oben  genannten,  in 
bĂŒndigem  und  klarem  Ausdrucke  excellirenden  Lehrer,  so 
zeigt  er  sich  desselben  durch  eine  gut  angebrachte  klassische 
Gelehrsamkeit  und  durch  eine,  manchmal  vielleicht  etwas  zu 
Ă€ngstlich  und  weitlĂ€uftig  erstrebte  VollstĂ€ndigkeit  und  GrĂŒnd- 
lichkeit wiederum  wĂŒrdig.  Ich  darf  wohl  kaum  hier  noch 
bemerken,  daß  der  Verfasser  die  Semiotik  nach  Analogie  der 
allgemeinen  Pathologie  zu  bearbeiten  unternommen  hat  und 
daß  in  seiner  Schrift  das  Krankheitszeichen  nur  nach  den 
allgemeinen,  ihm  zukommenden  Eigenschaften  gewĂŒrdigt 
wird. 

Mit  tiefster  Verehrung 

Ew.  Excellenz 
Weimar  unterthÀnigster 

Dr.  Vogel. 


d.  7.  August  1826 


Von  1828  bis  zu  seinem  Tode  (19.  Oct.  1871)  war  Nau 
mann  ord.  Professor  der  Heilkunde  in  Bonn 
nach  ZĂŒrich  hatte  er  abgelehnt  (Gurlt-Hirsch) . 


Eine  Berufung 
Naumanns 


TESTOGMI  THELVGAH 

fĂŒr  MĂ€nner.  fĂŒr  Frauen. 

OriginalprÀparate  zur 

hormonalen  Reizstofftherapie 

Physiologische  Anregung  der  DrĂŒsenfunktionen,  speziell  bei: 
Funktionsverminderung  der  SexualdrĂŒsen,  Sexueller  Insufficienz 

Keine  vorĂŒbergehende  Besserung  —  sondern: 

Cumulative  Dauerwirkung  und  Heilung 

Indikationen:  Alle  ZustÀnde,  welche  auf  Verminderung  der  Menge  oder  des  Wertes 

der  Hormone  zurĂŒckzufĂŒhren  sind. 


Speaielle  Indikationen  fĂŒr  Testogan: 
«  ■ 

;  Neurasthenische  Abspannung,  verminderte  Arbeitslust  und  Schaffens-  '. 

j  freudigkeit,  schnelles  CrmĂŒden,  grundlose  Verstimmungen,  VerĂ€rgerung  ; 

;  und  Pessimismus,  vorzeitige  senile  Symptome,  auffallende  Vermin-  l 

|  derung  der  Libido,  zeitweilige  oder  dauernde  Impotentla  coeundi,  j 

I  Fjaculatlo  praecox.  '. 


Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Thetygan: 

‱  ~ ~ ~ ~~~ ~~~ ~~~~ ~~  ■ 

;  Hysteroneurasthenische  Symptome,  Angstneurosen,  motorischeUnruhe,  l 
;  mangelnde  KonzentrationsfÀhigkeit,  erschwerter  Beginn  der  Menses,  l 
;  Menstruationsstörungen:  Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmenorrhoe,  '. 
U  vorzeitiger  Eintritt  der  Wechseljahre  und  der  damit  in  Zusammenhang  '. 
;  stehenden  Ausfallerscheinungen,  FrigiditÀt  und  SterilitÀt,  soweit  sie  auf  ! 
;         Störungen  der  ovariellen  Funktionen  zurĂŒckzufĂŒhren  sind.  ! 


Tabletten  —  Ampullen   —  Suppositorien 

Dr.  Georg  Henning,  Berlin  W  35 

Grosse  neue  Literatur  zur  VerfĂŒgung.  KurfĂŒrstenstraße  1461 47. 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28 


zahlreiche  Arbeiten  sind  bei  Callisen,  Band  13  (Kopenhagen 
1833),  S.  433—37  und  ebenda  Band  31  (Kopenhagen  1843), 
S.  3 — 6  angezeigt.  In  der  AUgem.  Deutschen  Biographie 
fehlt  sein  Name  mit  Unrecht,  und  in  sonstigen  Lexieis  wird 
hÀufig  fÀlschlich  1869  als  Todesjahr  angegeben! 

Sein  Hauptwerk  „Das  Handbuch  der  medizinischen 
Klinik",  das  in  8  stattlichen  BĂ€nden  in  den  Jahren  1829 — 39 
erschienen  ist  und  seiner  Zeit  sicher  allen  AnsprĂŒchen  ge- 
nĂŒgen mußte  und  genĂŒgt  hat,  ist  noch  heute  eine  wahre 
Fundgrube.  Naumann  hat  ein  stilles  Gelehrtenleben  gefĂŒhrt 
und  es  ist  interessant,  mit  den  Augen  der  heutigen  Zeit  seine 
Briefe  zu  lesen.  Wie  richtig  hat  er  z.  B.  die  Bedeutung 
1.  R.  Mayers  erkannt  und  ihn  neben  Kepler  und  Newton  ge- 
setzt! Daß  er  die  aufdĂ€mmernde  moderne  Chemie  nicht  völlig 
wĂŒrdigen  konnte,  wer  wird  ihm  das  verdenken.  Politisch 
hat  er  die  Einigung  Deutschlands  freudigst  empfunden  und 
mancher  Satz  aus  seinen  167  Briefen  an  seinen  Bruder1)  ge- 
richtet, mögen  als  heute  geschrieben  imponieren.2) 

Gleich  im  ersten  an  seine  Muller  gerichteten  Briefe  ge- 
denkt er  dieses  von  ihm  verfaßten  Handbuches. 

V.  X  a  u  m  a  n  n  a  n    s  e  i  n  e  M  u  t  t  e  r. 

Bonn,  den  4.  Dec.  1836. 

.  .  .  Ich  bin  im  preußischen  Staatsdienste  durch  eine 
merkwĂŒrdige  PrĂŒfungsschule  der  Geduld  gegangen,  und  erlebe 
jetzt  wenigstens  die  Genugthuung,  daß  mein  Handbuch, 
weh  lies  jene  Behörde  mit  schnöden  Recensionen  zu  beant- 
worten pflegt  (die  irgend  ein  behaglich  schweigender  G.  M. 
Rath  schreibt),  in  ganz  Deutschland  die  lebhafteste  Teil- 
nahme erregt  und  ich  darf  wohl  sagen  —  allgemeine  Aner- 

')  Mit  Karl  Friedrich  Naumann  stand  Goethe  auch  im  Brief- 
wechsel. (Vgl.  Bretnnek,  Goethes  naturwissenschaftl.  Korresp.. 
Bd.  2.  1874.  8.  5—12.)   Au.ch  Goethes  TagebĂŒcher  verzeichnen  ihn. 

2)  Die  Briefe  umfassen  die  Jahre  1836—53  und  1863—1871. 


Gudjdcstin  r  urrT.enride. 'lIu  - 

wege,    Erkaltungs-    und  Infektions- 
krankheit. In  Pulver-  u.Tablettenform. 
Packungen  mit  25,  50  u.  100  Tabletten 

Alllacatl*  Sedativum  u.  Hypno- 
IflJICbdll.  ticum   in  Fallen  leich- 
terer Asomnie  sowie  Erregung«-  und 
DepressionszustÀnden. 

10  Tabletten  À  0,55  gr. 

Ifirtpnl*    Zur  Herabsetzung  des 
InllJiUla    riebers  bei  tuberkulösen 
u.  and.  infektiös-fieberhaften  Erkran- 
kung.  Bei  Neuralgie,  MigrÀne,  neurit. 
Sympt.  Pulveru.  Tabletten  (10  StĂŒck) 

RhinitogleitÄ 

thesin,  Suprarenin,  aether.  Oele  und 
Gltitpulver).    A>  ute  o.  ebron.  Rhino- 
Pharyngitis.    C)  ig  nalpackung. 

Frangulose-Dragees: 

Reizloses  AbfĂŒhrmittel  in  allen  FĂ€llen 
von  ObsĂŒpation.  Packung  mit  25  StĂŒck 

QuecKsiiöer-Gieiipuder  ip°/o : 

Lokale  Luesbehandlung.  Original* 
packung  20  gr. 

FlimaHan*  Salbengrundlage 
LUIliaitall.       v.  großer  Wasser- 
aufnahmefÀhigkeit.   (Bis  40O"/0) 

Gletscher-Mattan: 

Schutzmittel  gegen  Sonnen-GleUcher- 
brand  sowie  Lichtbestrahlungen. 
Originaltube. 

Zur  Verordnung  fĂŒr  Kranken- 

kassenmitglieder zugelassen: 

Rheuma-Mattan: 

Rheumatismus,  Gicht,  Ischias,  nearalg. 

Schmerzen. 
Kassenpackung,     Privatpackungen  in 
Va  Tube  und  xlx  Tube 

Mattan  rein 
Zink-Mattan 
Schwefel-Matfan 
Zink-Schwefel-Mattan: 

Bei  Dermatiden,  Rötungen,  bei  roten 
Farben  nach  Aknepusteln  u.  leichten 
Pigmentierungen ;  ferner  in  den  FĂ€llen, 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indiciert  ist. 
Kassenpackungen,  Privatpackungen 

Ophttiaimin-Augensta&iube 

mit  1  und  2%  ungt    ophthalm.  flav. 
Kassen packung,  Privatpackung 

UUJUfdll  -        silbet salbenseife). 
Grad.  Röhre  30  gr.,  Kassen-  u.  Privatp. 

.„sr/r  Fritz  Kriphe  Gj.hJ..ssil 

kennung  findet.  Herr  Geh.  M.  Rat  Berndt,  Ritter  des  rothen 
Adlerordens,  Director  der  medicinischen  und  geburtshilf- 
lichen Klinik  in  Greifswald,  hat  sich  nicht  geschÀmt,  ganze 
Seiten  daraus  abzuschreiben.  Vielleicht  ist  dieser  Herr  einer 
von  meinen  ministeriellen  Recensenten.  Er  hat  sein 
Buch  dem  Könige  dedicirt,  und  wird  höchst  wahrscheinlich 
dafĂŒr  mit  neuen  Auszeichnungen  und  Decorationen  geziert 
werden.    Es  geht  sonderbar  in  dieser  Welt  zu  .  .  . 

VI.  X  Ă€  u  m  a  n  n  a  n  sei  n  e  nBrude  r  (18:57—53). 

Bonn,  d.  13.  Febr.  1837. 
‱  ■  ‱  „Die  halbe  Stadt  leidet  gegenwĂ€rtig  an  der  Grippe, 
die  Auditorien  sind  nur  halb  gefĂŒllt.  Fast  alle  meine  Pa- 
tienten sind  bereits  durchseucht  ...  In  Köln  liegen  20000 
Menschen  an  der  Grippe,  die  mitunter  heimtĂŒckisch  wird  ..  ." 
Die  Sterblichkeit  (in  London)  war  damals  so  groß,  „daß  die 
Leichenwagen  der  Stadt  nicht  mehr  zureichten,  und  daß  man 
besorgen  mußte,  in  dem  dicken  Nebelmeere  von  diesen  Equi- 
pagen zermalmt  zu  werden.  Auch  in  Belgien  zeigen  sich  hin 
und  wieder  pernieiöse.  Formen  " 

Bonn,  den  lft  April  1838. 
Nach  10  jÀhrigem  Aufenthalt  in  Bonn1)  berichtet  Nau- 
mann seinem  Bruder:  .  .  .  „In  Bonn  wurde  ich  sehr  bald 
von  allen  mitgebrachten  glÀnzenden  Erwartungen  enttÀuscht, 
denn  statt  des  versprochenen  Directoriums  der  Klinik2)  sah 
ich  mich,  plötzlich,  unter  einer  FacultÀt,  deren  Mitglieder 
mich  insgesamt,  und  zwar  mit  Recht,  als  rein  ĂŒberflĂŒssig, 
perhorrescirten,  als  das  fĂŒnfte  Rad  am  Wagen  angesehen. 

1   ĂŒeber  Neumanns  Bonner  Zeit  vgl.  Karl  Schmiz,  Die  medi- 
zinische FakultĂ€t  der  l'niversitat  Bonn.  1818—1918.  bes.  S  10 
Naumanns  Gattin  wird  in  einem  Briefe  A.  W.  v.  Sehlegels  an 
Tieck  (Bonn),  den  9.  Marz  1839  „meine  liebenswĂŒrdige  und  geist- 
reiche Freundin"  genannt.     K.   v.   Holtei.   Briefe   an   1.  Tieck 
Bd.  3.    Berlin  1861,  S.  309.) 

-    Siehe  Meyers  Konversalions-Lexikon. 


Industrie  u.  Handel  Nr.  27/28 

vom  19.  Juli  1922 


Die  Auszahlung  der  fĂŒr  das  GeschĂ€ftsjahr  1921  auf 
30pCt.  festgesetzten  Dividende  erfolgt  sofort  in  Berti  1  und 
Bielefeld  bei  der  Deutschen  Bank  und  bei  der  Direktion  der 
Disconto-Gesellschaft,  in  Berlin  bei  dem  Bankhause  Gebr. 
George,  Charlottenstrafte  62. 

5  e  r  1  i  n  ,  den  6.  Juli  1922. 

Kammerich  -  Werke  Aktiengesellschaft. 

Der  Vorstand. 

Richard  Kusserow. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XV 


Ich  war  iI<t  einzige  Ordinarius  in  dn  FacultÀt  ohne  Nomi- 
nalprofessur,  allenthalben  stieß  ich  an  und  griff,  wollte  ich 
;ils  akademischer  Lehrer  thÀtig  sein,  in  die  mehr  oder  min- 
der begrĂŒndeten  AnsprĂŒche  Anderer  ein.  Gegen  ein  Heer 
von  Cabalen  und  Intriguen  hahe  ich  endlich  eine  Stellung  mir 
errungen,  ich  darf  wohl  sagen,  dem  Ministerium  und  meinen 
sÀmtlichen  Specialcollegen  zum  Trotze,  denn  die  AnimositÀl 
der  letzteren  wuchs  in  dem  VerhÀltnis,  wie  die  Studenten 
mir  Beifall  zu  zollen  begannen.  In  zwei  FĂ€chern  habe  ich 
Rivalen  niedergelesen,  und,  neben  dem  Director  der  med. 
Klinik,  bin  ich  der  Einzige,  welcher  regelmĂ€ĂŸig  specielle 
Therapie  zustande  bringt.  DafĂŒr  hatte  ich  in  den  ersten  4—5 
Jahren  sehr  wenige  Zuhörer  und  las  gewöhnlich  nur  ein 
Publicum,  denn  man  hatte  dafĂŒr  gesorgt,  den  Studieinden 
mich  als  Naturphilosophen,  als  halbverrĂŒckten  Narren  usw. 
darzustellen.  Ich  kann  nicht  leugnen,  daß  ich  zuletzt  nahe 
daran  war,  alle  Lust  am  Docieren  zu  verlieren,  welches  mir 
jetzt  die  angenehmste  BeschÀftigung  geworden  ist,  die  ich 
garnicht  mehr  enthehren  könnte  ..." 

Bonn,  den  28.  August  1840. 
Naumann  spricht  von  seinem  eben  vollendeten  Bande  der 
Palhogenie1)  und  schreibt:  „Der  Gegenstand  ist  höchst  inter- 
essant und  von  weit  allgemeinerem  Interesse  als  die  diek- 
bÀndige,  mir  zum  Ekel  gewordene  Klinik.  Die  Untersuchung 
fĂŒhrt  in  die  Tiefen  der  Physiologie  und  Psychologie  und  be- 
rĂŒhrt die  fĂŒr  den  Menschen  wichtigsten  Fragen.  An  Kampf 
wird  es  darauf  nicht  fehlen.  Ich  habe  mich  genötigt  ge- 
sehen, die  H.  H.  I.  M  ĂŒ  1 1  e  r2)  und  S  c  h  ö  n  1  e  i  n  tĂŒchtig  zu 
Leibe  zu  gehen.  Ersterer  ein  Duz-Bruder  von  mir,  hat  mich 
schlecht  behandelt,  der  letztere,  bei  nicht  minder  glÀnzenden 

J)  Berlin  1840.  In  der  Vorrede  (vom  August  1840)  spielt  er 
S.  X  auf  Schönleins  Vorlesungen  an  und  auf  andere  berĂŒhmte 
Naturforscher,  den  er  widersprechen  mußte,  „jedoch  nur  in  einer 
der  Wissenschaft  und  großen  Verdiensten  angemessenen  Form." 

-')  Mit  MĂŒller  setzt  sich  Naumann  z.  B.  S.  118,  168,  241,  267, 
333  und  mit  Schönlein  S.  443  f.,  461,  495  auseinander. 


Verdiensten,  ist  ein  plumper  Grobian,  der  seine  literarischen 
Gegner  im  Colleg  lÀcherlich  zu  machen  sucht.  Ich  kann  mich 
daher  auf  einen  harten  Strauß,  oder  auf  vornehme  Abwei- 
sung von  oben  herab  gefaßt  machen,  weide  aber,  unter 
beiderlei  UmstÀnden,  nichts  schuldig  bleiben.  In  einei  Welt, 
WO  man  getreten  wird,  muß  man  wieder  treten.  Das  ist 
lÀngsl  meine  Lebensansicht  geworden  .  .  . 

Heute  ist  die  BestÀtigung  von  Arndts  R.  e  c  t  o  r  a  1 
eingegangen.  Er  erklĂ€rte  zwar  bei  dem  Wahlacte,  daß  er 
keine  Comödie  spiele,  sondern  unwiderruflich  entschlossen 
sei,  seiner  vorgerĂŒckten  Jahre  und  seiner  Urkunde  in  den 
akademischen  GeschÀften  wegen,  das  Rectorat  nicht  anzu- 
nehmen. Indeß  scheint  man  in  Berlin  großes  Gewicht  auf 
seine  BestĂ€tigung  gelegt,  und  ihn  gewissermaßen  zur  An- 
nahme gezwungen  zu  haben. 

Bonn,  6.  MĂ€rz  1842. 

.  .  .  .  Gar  us,  mit  dem  ich  correspondieren  sollte  (we- 
gen der  Krankheit  einer  Verwandten),  schrieb  ausweichend, 
weil  ich  Ansichten,  die  er  in  seiner  Physiologie  aufstellt,  in 
meiner  Pathogenie  bestritten  hatte.  Außerdem  hat  man 
Horn,  S  c  h  ö  n  1  e  i  n,  C 1  a  r  u  s  consultiert.     Viele  Köche 

verderben  den  Brei          Daß  der  arme  T  i  e  c  k  (eigentlich) 

seine  einzige  Tochter,  denn  die  zweite  ist,  streng  genommen, 
nicht  sein  Kind,  verloren  hat,  betrĂŒbt  uns  sehr.  Der  un- 
glĂŒckliche Vater  war  drei  Tage  lang  ganz  stumm,  erst  am 
Abend  des  dritten  Tages  machte  sich  die  Natur  in  einem 
Strome  von  ThrÀnen  Luft. 

Im  Jahre  1  842  —  1  84  3  w  a  r  N  a  u  m  a  n  n  Rector 
der  Bonner  U  niversitÀt  (Vgl.  Schmi  z). 

Bonn,  den  25.  Januar  1847. 
Naumann  spricht  von  einem  jetzt  25  jÀhrigen  Arzt  Dr. 
von  Herf  f.  „GegenwĂ€rtig  gilt  er  fĂŒr  den  ersten  Operateur 
Darmstadt's.  Er  hat  zuerst  (mit  wahrhaft  genialem  Blick) 
die  Paracentese  der  Lungen  selbst,  fĂŒr  den  Zweck  der  Hei- 
lung der  Phthisis  pulmonalis  tubereulosa,  nicht  blos  in  Ver- 


Gebrauchsfertige  Ärznei formen  deutscher  Herstellung 


und 


Als  bequeme,zuverlÀssigeu  billige  Verordnung  bei  Krankenkassen  zugelassen 


Resistan- 

Salbe.  (Aktive  Komplexe  von  Fe-Phosphor-Verblndnngen.) 

.  Antiseptische  Salbe  mit  starken  granulatlons- 
anregenden    und    eplthellslerenden  Eigenichaftea. 

Neuartiges  ionotherapeutisches  Mittel, 
wirkt  durch  das  Uebergewicbt  an  Kationen. 

Sehr  bewÀhrt  besonders  bei:  Aeusseren  Verletzungen  (wie  Schnitt-.  Riss-,  Blei- 
und  Quetschwunden),   Prostbeulen,  Brandwunden  I.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  cruris,  Impetigo,  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
aetlologlsche  Momente  hervorgerufene«  Erythemen. 


Agressit- 

Elnlege-Pastillen  zur  vaginalen  Desinfektion. 

(m-Monoinethylbenzolsulfonchlorimld-Kailum, 
Monomethylcupreinbihydrochlorld ,  Alumlnlumacetotartrat) 

Sicherstes  Entkeimungsmittel  auf  neuem  Prinzip: 
Dlssoziiertes  Chlor  und  naszierender  Sauerstoff  f. 

VerbĂŒrgt  den  Schutz,  ohne  die  Schleimhaut  zu  reizen  und  Ă€sthetisch  uaaage- 
aehm  zu  wirken.  —  PrĂ€parat,  welches  die  desinfizierenden  Wirkungen  von 
Chlor  und  Sauerstoff  mit  der  keimtötenden  Kraft  eines  Alkaloids  vereinigt 
VorzĂŒglich  als  Schutzmittel. 


Proben  und  Literatur  nach  Anforderung. 

Resistan  ^ÄÄ*'«1''  Berlin-Wilmersdorf  I. 


Das  deutsche  natĂŒrliche  Die  Qesamtalkaloide  den 

Nebennieren^Pnapanat.    Anfragen  Rad.  Ipecac.  in  Tablettrenform. 

*  erbitten  r 

BYK-QULDEN  WERKE  CHEMISCHE  FABRIK- AKT- G ES  —  BERLIN  ‱  N\*X  V. 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


schlag  gebracht,  sondern  auch  auf  die  sinnreichste  Weise 
ausgefĂŒhrt.  In  zwei  FĂ€llen  hat  das  kĂŒhne  Beginnen  die 
glĂŒcklichsten  Resultate  dargeboten." 

Bonn,  den  28.  Dec.  1847. 
.  .  .  Neulich  habe  ich  mich  mit  Chlorofor  m1)  ziem- 
lich stark  narcotisiert,  und  bin  kurze  Zeit  an  der  Grenze  von 
Sein  und  Nichtsein  herumspaziert.  Sonst  bin  ich  durch  das 
Experiment  nicht  eben  sehr  erbaut  worden.  Auch  auf  diesen 
Gebieten  wird  entsetzlich  gelogen  und  ĂŒbertrieben. 

Bonn,  den  20.  Februar  1848. 

.  .  .  Die  physikalische  Richtung,  deren  Du  ErwÀh- 
nung thust  (passim  die  naturhistorische)  steht  in  einem  ge- 
wissen Gegensatz  zur  physiologischen  (noch  vor  Kur- 
zen von  S  c  h  ö  n  1  e  i  n  vertretenen)  Schule,  spaltet  sich  aber 
in  manche  Zweige,  mit  zum  Theil  sehr  nÀrrischen  und  aben- 
theuerlichen Tendenzen.  Das  Feldgeschrei,  sowohl  der  be- 
leibteren MĂ€nner  als  auch  der  Ep heben,  welche  an  der  Spitze 
dieser  Ramificationen  knospen  und  blĂŒhen,  kommt  drauf 
hinaus,  daß  ĂŒberhaupt  bis  jetzt  noch  gar  keine  Medicin  be- 
standen habe,  daß  alles  FrĂŒhere  dummes,  ontologisches  Zeug 
gewesen  sei,  womit  eine  Schar  von  Pedanten  fortfahre,  sich 
und  das  Publicum  zu  stopfen,  um  auf  diese  Weise  den  Weg 
zur  Einsicht  zu  verbarricadieren.  Bei  einiger  Bekanntschaft 
mit  der  Geschichte  der  Medicin  erscheinen  dabei  PrÀten- 
sionen freilich  höchst  komisch,  indem  man  einsieht,  daß  der 
alte  Tanz  um  GrÀber  immer  in  Àhnlicher  Weise  gefeiert  wor- 
den ist,  wÀhrend  doch  der  Tod,  nach  wie  vor,  eben  so  incon- 
sequent,  schließlich  jeden  Proceß,  in  welchem  der  Arzt  plĂ€- 
dirt,  notwendig  gewinnen  muß.  -» 

In  der  neuen  Ausgabe  meines  klinischen  Handbuches 
habe  ich  meine  Ueberzeugung  dahin  ausgesprochen,  daß  es 
gar  keine  Àrztliche  Wissenschaft  giebt  und  geben  kann, 

*)  Vgl.  E.  Ebstein,  Aerzte  Briefe  aus  vier  Jahrhunderten. 
Berlin  1919,  S.  80. 


Salbe  und  Pulver  nach  Prof.  Dr.  Heinz,  Erlangen. 

Zur  Behandlung  schlechtheilender  Wunden  u.  GeschwĂŒre 
(speziell  ulcus  varicosum,  Decubital-GeschwĂŒre,  schwer- 
heilende  Brandwunden,  caro  Iuxurians  und  besonders 
lupus  exulcerans). 


Proben  und  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 
^Dr.  Ivo  Deiglmayr,  Chem.  Fabr.  A.-G.^ 
MĂŒnchen  25. 


Medizinische  Apparate. 

Ingenieur  mit  Fabrikations-  und  Schulzrechten  erstmaliger  Appa- 
raturen (Absak  gesichert)  sncht  Anschluß  an  mittleren  oder  kleineren 
einschlagigen  Betrieb,  ev.  unter  Mitarbeit  oder  beteiliyung.  Auch  Teil- 
haberaufnahme z.  Ausbau  des  vorhandenen  Betriebes  kommt  in  Frage. 

Off.  erbeten  unter  W.  A.  85  an  Ad.  Haussmann,  Berlin  SW68. 

Industrie  und  Handel  Nr.  27/28 

vom  19.  Juli  1922. 

Deutsche  Gußstahlkugel-  und  Maschinenfabrik 

Aktien-Gesellschaft. 

Auf  Grund  des  von  der  Zulassungsstelle  genehmigten,  bei  uns 
erhÀltlichen  Prospektes  sind 

nom.  Nl.  lOOOOOOO.—  neue  Aktien 
obiger  Gesellschaft 
10  000  StĂŒck  zu  je  M.  1000.-  No.  8  042-18  041 

zum  Handel  und  zur  Notiz  an  der  Berliner  Börse  zugelassen  worden. 

Berlin,  im  Juni  1922.  , 
Gebr.  Arnhold.  Georg  Fromberg  &  Co. 


sondern  daß  es  nur  gestattet  ist,  von  einer  wissenschaftlichen 
Behandlung  eines  sehr  verunreinigten,  mit  LĂŒgen  durch- 
setzten Materials  zu  reden.  Ich  bin  als  Kliniker  der  krasseste 
Empiriker,  und  bekriege  eben  deshalb  in  meinem  Buch  ganz 
nothwendig  die  Wiener  und  die  Prager  Schule. 

In  der  Klinik  dĂŒrfen  mir  die  Practikanten  nicht  theo- 
retisieren,  wenn  ich  ihnen  freundlich  sein  soll.  Es  handelt 
sich  bei  uns  nicht  um  Krankheitsnamen,  sondern  um  die 
möglichst  genaue  Beobachtung,  Auffassung  und  Vergleichung 
kranker  LebenszustÀnde.  Daher  steht  die  Skepsis  oben  an. 
Deshalb  bin  ich  auch  den  sorgfÀltigen  Bestimmungen  des 
Leichenbefundes  so  ergeben,  und  wĂŒhle  gern  selbst  in  Ca- 
davern  herum,  denn  es  macht  mir  eine  wahre  Freude,  wenn 
ich  den  Klinikern  so  recht  «ad  oculos  demonstrieren  kann, 
welcher  Unsinn  zum  Theil  jetzt  gefeiert  wird  und  eben  Mode 
geworden  ist. 

In  dem  erschienenen  Bande  der  Klinik  sind  manche  Be- 
obachtungen aus  der  hiesigen  Klinik  und  Poliklinik  nieder- 
gelegt, aus  denen  dem  Kundigen  sattsam  deutlich  werden 
muß,  daß  ich  mit  dem  physikalischen  HĂŒlfsmitteln  der  Dia- 
gnose, mit  Percussion,  Mensu  ratio  n,  Stetho- 
scopie,  Plessimeter,  und  wie  das  Zeug  alles  heißen 
mag,  umzugehen  verstehe.  Ich  bilde  mir  sogar  ein,  eine  be- 
sondere Fertigkeit  in  diesen  Uebungen  mir  erworben  zu 
haben.  Wenigstens  mĂŒssen  meine  Zuhörer  sich  lange  ab- 
mĂŒhen, bis  sie  nach  Wunsch  hören.  Keiner  wird  es  sich 
einfallen  lassen  wollen,  mich  zu  tÀuschen.  Aber  ich  versÀume 
auch  nicht  die  Gelegenheit,  auf  die  vielen  Wege  zur  TĂ€u- 
schung aufmerksam  zu  machen,  zu  denen  die  Stethoscopie 
die  Veranlassung  leicht  geben  kann.  Ich  bemĂŒhe  mich,  sie 
auf  ihren  wahren  Werth  zu  reduciren. 

Auch  das  Microscop  wird  fleißig  von  uns  gehandhabt. 
Eben  so  wenig  vermag  sich  unsern  chemischen  Reagentien 
zu  entziehen,  was  nur  irgend  im  Pißtopfe  oder  im  Spuck- 
nĂ€pfchen weilt.  Selbst  im  Inhalt  des  Nachtstuhles  wĂŒhlen 
wir  herum,  und  coliren  und  decantiren,  sei  es  auch  nur,  um 


OWAG 


ORBIS-WERKEag 

CliEM^PHARM^FABRIKEN 

BRÄUNSCHWEIG 


40.  Jahrg.  -  Nr.  27/28. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


ein  Paar  armselige  Krystalle  von  phosphorsaurem  Ammoniak 
Magnesia  zu  erwischen1),  oder  ein  zweifelhaftes,  gleichsam 
embryonales  Gallenconcrement  aufzufischen.  Eine  schöne 
Arbeit  wirst  Du  sagen.  Manches  ist  indessen  doch  dabei  zu 
lernen  und  es  bildet  sich  eine  gewisse  methodische  Sicher- 
heit raus.  Denn  (unter  uns  gesagt)  die  Resultate  fĂŒr  die 
Therapie  sind  höchst  unerhebliche.  Meine  Zuhörer  wundem 
sich  oft  ĂŒber  mich,  daß  ich  durchaus  nicht  weiß,  was  Ekel 
ist,  und  den  Schmutz  in  keiner  Form  scheue.  Freilich  wasche 
ich  mich  auch  genug  .  .  . 

Bonn,  den  5.  Juli  1848. 
.  .  .  Meine  Einnahmen  sind  durch  den  Weltspectakel 
furchtbar  zusammengeschmolzen.  Denn  der  Besuch  meiner 
Klinik  ist  sistiert.  .  .  Die  .  .  .  Studenten  haben  jetzt  ganz 
andre  Dinge  im  Kopfe,  als  pedantische  Vorlesungen.  Sie 
halten  fast  tĂ€glich  Versammlungen,  und  bestĂŒrmen  den  Senat 
mit  unausstehlichen  AntrÀgen.  Viele  von  Ihnen  haben  nur 
ein  Publicum  belegt.  Man  lĂ€ĂŸt  die  Sache  gehen.  Die  Ge- 
setze ruhen.  Jeder  fĂŒrchtet  sich,  den  jugendlichen  Demo- 
craten  unbequem  zu  werden.  .  . 

Bonn,  den  13.  Januar  1849. 
.  .  .  Noch  schlimmer  ist  es  mir  mit  meinem  Verleger  er- 
gangen. .  .  Nach  der  Angabe  dieses  Mannes  ginge  die  2.  Auf- 
lage meiner  Klinik  so  schlecht,  daß  bei  dem  drohenden  poli- 
tischen Horizonte,  vor  der  Hand  ĂŒber  die  Fortsetzung  sich 
gar  nichts  bestimmen  lasse.  .  .  Mißmuthig,  wie  ich  ge- 
worden, selbst  zu  einer,  wenn  auch  kleinen  und  unansehn- 
lichen geistigen  Ruine  metamorphosiert,  gewÀhrte  es  mir 
einen  gewissen  Trost,  bei  meinem  Herumflanieren  in  Berlin 
mich  an  den  Anblick  einiger,  ganz  anders  bedeutender  und 
stattlicher  Ruinen  negativ  zu  stÀrken,  und  dadurch  eine  Art 
von  Hohlspiegel-Vertröstung  auf  mich  zu  reflectieren.  Ich 


war  bei  Tieck1)  und  bei  S  c  Ii  e  1  1  i  n  g.2)  Wie  zog  nicht 
die  alle  philosophische  Spinne  gegen  die  Neuzeit  und  deren 
Tendenzen  los.  Da  ich  im  wesentlichen  derselben  Ueber- 
zeugung  huldige,  so  konnte  ich  nicht  genug  zu  hören  be- 
kommen. Es  wÀren  Worte  eines  göttlichen  Zorns  gewesen, 
wenn  nicht  allzu  oft  das  Individuum  mit  polternder  Heftig- 
keit dazwischen  gefahren  wÀre.  Dagegen  stellte  sich  mir 
Tieck  als  ein  im  Abscheiden  begriffener,  halbverklÀrter 
Greis  dar.  Mild  und  sanft  beklagte  er  den  Irrthum,  in 
welchem  die  gemĂŒthlose  Welt  befangen  sei.  Es  war  der  am 
klaren  Saume  des  westlichen  Horizonts  untergehende  Mond, 
der  eben  zur  rechten  Zeit  einem  wĂŒst  heranbrausenden 
Sturmgewölke  weicht.  .  . 

Bonn,  den  13.  Mai  1849. 
.  .  .  Ihr  AnfĂŒhrer,  Prof.  Kinkel11),  stĂŒrzte  vom  Pferde; 
doch  gelang  es  ihm,  durch's  GebĂŒsch  zu  entkommen.  Man 
lacht  allgemein  ĂŒber  die  schmĂ€hlige  Niederlage  dieser  Maul- 
helden  Aber  sind  das  nicht  spanische  ZustÀnde;  und 

hÀtte  man  jemals  Aebnliches  in  Deutschland  erwarten 
können? 

Gott  sei  dem  armen  Deutschland  gnÀdig!  Ob  unsere 
FĂŒrsten  nicht  schwere  Schuld  auf  sich  laden,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden. 

Wir  leben  nur  von  Tag  zum  Tage.  Die  Vorlesungen 
werden  nur  vereinzelt  und  zerstreut  besucht.  Denn  alles  ist 
aufgeregt.  Kein  Mensch  weiß,  welches  Geschick  ihn  morgen 
erwartet.  .  .  . 

Bonn,  den  13.  Sept.  1849. 
Naumann  spricht  von  der  Ausbreitung  der  Cholera  in 
der  Rheinprovinz  usw.  In  Cöln  betrĂ€gt  „die  Mittelzahl  der  tĂ€g- 
lichen TodesfĂ€lle  60 — 80  .  .  .  Dazu  kommt  der  TĂŒrkenglaube 
der  sonst  so  orthodoxen  Leute:  „daß  sie  nur  befallen  werden 
wĂŒrden,  wenn  es  Gottes  Wille  sei."  Denn  mit  diesem  apodic- 


1)  Schönlein,  Ueber  Crystalte  im  Darmkanal  bei  Typhus 
abdominalis.    J.  MĂŒĂŒer's  Archiv  1836,  S.  258  f.  . 


l)  Joh.  Ludw.  Tieck  (1773—1853);  2)  Sendling  (1775—1854); 
»)  Joh.  Gott-fr.  Kinkel  (1815—82). 


r 


Gegen  Salvarsan-SchÀden 

subkutan,  10  Min.  vor  der  Injektion  0,5  —  0,75  ccm. 

Sol.  Hypernephrin 


1:1000  D.  A.  ß.  5. 

Gesellschaft  fĂŒr  Feinchemie  m.  b.  H.  ,ÄWÄtM°J 

Berlin  NW  7,  Unter  den  Linden  39.  das  synthetische  Hormon  des  Nebennierenmarkes  [Adrenin]. 

 ■ —    'Den  F)erren  Jlerzten  'Proben  7;o  lenfrei  zur  VerfĂŒgung.  — — —  


II 


Glanko  Binde  „Mollis 

Weicher  Zinkleimverband  in  gebrauchsfertiger  Form. 
Hervorragend  bewÀhrt  bei  Ulcus  cruris,  Hydrops,  chronischen  Ekzemen  u.  a.  m. 

Einfach  -  Wirksam  —  Billig 

Bei  Krankenkassen  zur  Verordnung  zugelassen  I 

LĂŒscher  &  Bömper,  Fahr  (Rheinland) 

Fabriken  medizinischer  Verbandstoffe  u.  pharmazeutischer  PrĂ€parate.  —  Fm"Ien:Haei^r7-lsurnSSriRul,r) 


XVIII 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  27/28. 


tischen  Satze  wird  jede  Ermahnung:  dem  unmĂ€ĂŸigen  Prassen 
und  Saufen  doch  fĂŒr  einige  Zeit  Einhalt  zu  thun,  kurz  abge- 
fertigt. Dagegen  giebt  es  Prozessionen  und  UmzĂŒge  ohne 
Ende.  Das  Volk  kommt  aus  den  Kirchfahrten,  Litaneien  und 
aus  einem  barbarischen,  die  Phantasie  berĂŒckenden  Clerical- 
treiben  garnicht  mehr  heraus.  .  . 

Nach  meinen  Erfahrungen  (jeder  beruft  sich  auf  dieses 
Schiboleth)  ist  die  asiatische  Cholera  eine  ansteckende  Krank- 
heit. Das  Contagium  zĂŒndet  oder  haftet  aber  nur,  wo  eine 
ganz  besondere  Disposition  stattfindet  .  .  ." 

Bonn,  den  11.  October  1849. 
.  .  Madam  Moscheies  schreibt  mir,  daß  der  von  ihr  ver- 
ehrte Arzt,  Prof.  O  p  p  o  1  z  e  r1),  einen  Ruf  nach  Wien  ange- 


l)  Johann  Oppolzer  (1808—71)  war  von  1848—1850  Kliniker 
in  Leipzig.  (Vgl.  E.  Ebstein,  Joh.  Oppolzer  in  Leipzig  1848—50: 
seine  Antrittsrede  und  sein  Vortrag  zur  Diagnose  der  Unterleibs- 
ÂŁ>;eschwĂŒlste  in  Sudhoffs  Mitt.  zur  Geschichte  der  Medizin  1919. 


nommen  habe.  Die  liebe  Frau  knĂŒpft  daran  Hoffnungen, 
die  mich  betreffen. 

Ob  ich  nun  gleich  mein  Geschick  sehr  wohl  kenne,  auch 
ĂŒber  die  Anforderungen  der  oft  frechen  und  Ignoranten 
Jetztzeit,  ĂŒber  die  eigentĂŒmliche  TournĂŒre,  die  man  vom 
klinischen  Arzte  fordert,  mir  nicht  die  geringste  TĂ€uschung 
mache,  ob  ich  gleich  mein  vorgerĂŒcktes  Lebensalter  ernst- 
lichst und  gar  bedenklich  ins  Auge  fasse,  —  so  will  ich  doch 
meinerseits  alles  gethan  haben,  was  möglicherweise  dahin 
fĂŒhren  könnte,  am  spĂ€ten  Abend  eines  mĂŒhseligen  Lehens 
den  alten  Wunsch  zu  realisieren,  der  sich  auf  die  Directum 
einer  medizinischen  Klinik  bezog. 

Ich  bitte  Dich  daher,  mein  geliebter  Bruder,  daß  Du 
mir  möglichst  schnell  eine  zuverlÀssige  N  a  c  h  r  i  e  h  t 
darĂŒber  zukommen  lassen  mögest,  ob  jene  die  Berufung  von 
Oppolzer  betreffende  Botst  halt  begrĂŒndet  sei  oder  nicht, 
—  und  ferner:  ob  Oppolzer  den  an  ihn  ergangenen  Ruf 
annehmen  werde,  oder  nicht?  .  .  .  (Fortsetzung  folgt.) 


Das  neue 
II  AnHneuralgicum 
Ii  fĂŒr  die  Behandlung  derTrigeminusneuralgie 


Originalpackung:  Dose  mit 
2.0 Gramm  Zergalinpu!ver>. 


adsrringierendes 
staubfeines 

Wun d hei I mittel  von  hoher  AufsaugeFĂ€higkei f 


Iii  1  LUera>u~r:Prof..Kranner.aus  derjpsychialrischen 
II  I  und  Nepvenkirri'k"3erL)niversihÀl-  Berlin. 

(DipekForGeh.Ral-8onhöffer)Berl.Klin.Wo..i921  N?* 

lift- 


6        ADLERSHOF  «BERLIN  ^ 


tiferaKir/Dp.  E.~Ries»*8U3  der-  'chirurgischen 

Univepsil"Ă€l-sklinlK  Berlin. 
(Direktor  Geh  Rai- Bier)  Med.  Kl.  1921  IS?  19 . 


TORAMIN  MILANOL 


wirksames  Sedativum, 

frei  von  narkotischer  oder  drastischer  Nebenwirkung, 
keine  Verstopfung;  daher  auch  bei  Kindern,  SchwÀch- 
lichen und  allen  Leuten  in  genĂŒgender  Gabe  gefahrlos 
anwendbar. 

Indikationen:  Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tabletlen  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
mit  aromat.  WĂ€ssern,  Sirup,  Expekloranlien,  auch 
Guajakol-PrÀpa  raten. 


neue  chloroformlösliche  Wismut-Verbindung  fĂŒr  dermato- 
logische Zwecke. 

saubere   Anwendung   als   Salbe,  Paste,  Puder, 

Pinselung  2 — 10% ig,  weder  Wasche  noch  Haut 
verschmierend. 


Indikationen 
Ekzeme. 


Speziell    chronische    und  subakute 


Ferner  FĂ€lle  der  dermalologischen  Praxis,  in  denen  eine 
juck-  und  schmerzstillende,  desinfizierende,  granu- 
lationsbelördernde,  Infiltrationen  resorbierende  oder 
keraloplaslische  Wirkung  erstrebt  wird. 

Proben,  Literatur  und  Rezeptformeln  kostenfrei  durch 


Athenstaedt  &  Redeker,  Chem.  Fabrik,  Hemelingen  bei  Bremen 


ii 


mal  zj 


adstringierend,  antiseptisch, 
gran  u/ationsbefördernd, 
schmerzlindernd. 


40.  Jahrg.  — Nr.  31/32. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Aus  den  Briefen  des  Klinikers  M.  E.  A.  Naumann 
in  Bonn  und  ĂŒber  seine  Beziehungen  zu  Goethe. 

(Schluß  aus  Nr.  27/28.) 
Von  Dr.  Erich  Ebstein,  Leipzig. 

Bonn,  den  27.  Oct.  1849. 
.  .  .  Nun  noch  Etwas:  Ich  habe  an  Oppolzer  lako- 
nisch geschrieben,  und  ihn,  unter  Mittheilung  des  Umstandes, 
der  mich  dazu  zu  berechtigen,  oder  wenigstens  deshalb  zu 
entschuldigen  schien,  geradezu  gefragt:  ob  er  Leipzig  zu  ver- 
lassen gedenke?  Darauf  erhielt  ich  die  beiliegende1)  eben 
so  kurz  gefaßte,  doch  freundliche  Antwort,  die  ich  mir  ge- 
legentlich zu  remittieren  bitte.  Es  versteht  sich  von  selbst, 
daß  Du  von  dieser  Sache  nichts  darfst  transpiriren  lassen; 
damit  es  sich  nicht  so  ausnehme,  als  ob  ich  das  Vertrauen, 
welches  ö.  mir  gezeigt,  mißbrauche  und  damit  ferner  nicht 
etwa  meinetwegen  ein  unnöthiges  und  vorzeitiges  Geschrei 
erhoben  werde.  Ich  weiß,  ohne  weitere  Zuthat,  daß  ich 
Deinerseits  auf  völlige  Verschwiegenheit,  auch  O.  gegenĂŒber, 
zÀhlen  darf. 

(A  m  R  a  n  d  e  :  Sprich  ja  nicht  davon,  daß  0.  fortzugehen 
beabsichtigt,  wenn  davon  officiell  nichts  bekannt  sein  sollte!) 

Bonn,  den  23.  November  1849. 
Ich  wende  mich  an  Dich,  mit  der  wenn  gleich  höchst 
ĂŒberflĂŒssigen  und  unmotivirten  Bitte,  daß  Du  nicht  ver- 
gessen möchtest,  mich  zu  unterrichten,  so  bald  Du  ĂŒber 
Oppolzers  Abgang  irgend  etwas  definitiv  feststeht.  .  .  . 

Bonn,  den  3.  December  1849. 
.  .  .  Ich  stehe  im  SpÀtherbste  des  Lebens;  ich  habe  es 


*)  lag -nicht  bei.  Vgl.  E.  Ebstein,  Johannes  Oppolzer  in 
Leipzig,  in  Mitt.  zur  Gesch.  der  Medizin.  1919,  S.  366—373. 


nicht  dahin  gebracht,  einer  klinischen  Anstalt  als  D  i  r  i  g  e  n  t 
vorgesetzt  zu  werden.  Das  sind  keine  gĂŒnstigen  Titel,  um 
AnsprĂŒche  zu  formulieren;!  Dann,  die  „Wiener"  (anato- 
misch-pathologische, physiologische,  rationelle,  mechanische, 
heuristisch-genetische)  Schule!  Du  siehst,  es  fehlt  nicht  an 
manichfachen,  sich  gegenseitig  sogar  ausschließenden  und 
negierenden  PrÀdicaten!  Freilich  bin  ich  in  dieser  Schule 
nicht  gebildet  worden,  da  sie  ein  Kind  der  Neuzeit  genannt 
werden  muß.  Ebensowenig  bin  ich  ihr  in  allen  Richtungen 
zugethan.  Indessen  glaube  ich  doch  mit  ihren  Lehren  ziem- 
lich vertraut  zu  sein.  Dieselbe  ist  wie  jede  neue  Richtung, 
durch  die  vielfachen  WidersprĂŒche  zwischen  Theorie  und 
Praxis,  als  ein  Werk  der  Notwendigkeit  entstanden.  Sie 
hat  viel  gutes  gefördert,  manchen  alten  Schlendrian  besei- 
tigt, aber  sie  theilt  die  Einseitigkeit,  welcher,  im  Gebiete  der 
Naturbeobachtung,  jede  zur  „Schule"  gewordene  Richtung 
verfallen  muß,  und  droht,  einen  Dogmatismus  vorherrschend 
zu  machen,  der  einer  freien  und  allseitigen  Entwickelung 
fĂŒr  lange  Zeit  Fesseln  anlegen  könnte.  In  nicht  wenigen 
Kapiteln  (z.  B.  in  der  sogenannten  „Krasenlehre")  werden, 
unter  der  verfĂŒhrerischen  Benennung  von  Erfahrungen,  nicht 
ohne  Scharfsinn,  zum  Theil  die  crudesten  Hypothesen  vor- 
getragen, vieles,  das  sich  als  neu  gebÀrdet,  war  lÀngst  aner- 
kannt, oder  ist  selbst  uralte  Errungenschaft;  die  Diagnose 
soll  ihr  Heil  nur  aus  der  Leiche  gewinnen  und  der  Sections- 
tisch  hat  eine  der  Therapie  (die  ja  ohnedies  auf  schwachen 
FĂŒĂŸen  steht)  wenig  gĂŒnstige  Dictatur  sich  angemasst.  Ich 
glaube  in  der  Leitung  der  propÀdeutischen  Klinik  eine  ge- 
wisse Fertigkeit  in  der  Anwendung  der  mechanischen  und 
chemischen  Explorationsmittel,  sowie  in  der  anatomischen 
Beurtheilung  der  Erscheinungen  mir  erworben  zu  haben.  Aber 
freilich,  blinder  AnhÀnger  der  Wiener  Schule  bin  ich  nicht. 
Da  aber  dieses  schwer  auf  einen  concreten  Begriff  zu  redu- 


TESTOBAlf  THELY6AN 


fĂŒr  MĂ€nner. 


fĂŒr  Frauen. 


Seit  8  Jahren  bewÀhrte  Spezifika  auf  organ.-chemotherapeutischer  Grundlage  nach  Dr.  Iwan  Bloch 

bei  sexueller  Dyshormonie  und  Insuffizienz 

vorzeitigen   Alterserscheinungen,    Stoffwechselstörungen,    Herzneurosen,    Neurasthenie,  DepressionszustÀnden 

Enthalten  die  Sexualhormone,  d.  Ii.  die  Hormone  der  Keimdrusen  und  der  Drosen  mit  innensekreiion. 


Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Testogan. 

Impotenz,  Climacterium  virile,  Pro- 
statitis, Asthma  sexuale,  leichte  Er- 
mĂŒdbarkeit, Arbeitsunlust,  Periodische 
MigrÀne  und  andere  endocrine 
Störungen. 

 Ordinationen :  

Dreimal  tÀglich  eine  Tablette  nach  dem 
Essen  und  eventuell  gleichzeitig  tÀglich 
bezw.  jeden  zweiten  Tag  eine  subku- 
tome  oder  intraglutÀale  Injektion. 

Spezielle  Indikationen  fĂŒr  Theiygan. 

Endocrine  Genitalstörungen, 
Amenorrhoe,  Oligomenorrhoe,  Dysmen- 
orrhoe, Klimakterische  Beschwerden, 
Ausfallserscheinungen,  FrigiditÀt,  Ste- 
rilitÀt, Angstneurosen,  Infantilismus, 
univers.  part. 

In  Form  von  Tabletten; 
Ampullen  und  Suppositorien. 

Dr.  Georg  Henning,  Berlin  W  35 

Grosse  neue  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 


KurfĂŒrstenstrasse  146/147. 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


cirende  Meteor  mit  seinem  unbestimmten  Schimmer  einen 
großen  Theil  vom  literarischen  Himmel  der  Jetztzeit  erfĂŒllt, 
so  wird  meine  Lage  dadurch,  daß  ich  nicht  zu  den  gerade 
Geblendeten  gehöre,  wahrlich  um  nichts  gebessert. 

Ich  habe  dies  Alles  vorausgehen  lassen,  um  Dir  die 
Ueberzeugung  beizubringen,  daß  ich  nicht  blindlings  darauf 
losgehe,  und  daß  ich  meine  Stellung  wahrlich  nicht  ver- 
kenne. Dennoch  bin  ich  entschlossen  um  die  erledigte  (oder 
bald  zu  erledigende)  Professur  der  Klinik  in  Leipzig  einzu- 
kommen. Ich  thue  es  ohne  alle  Hoffnung  auf  Er- 
folg, und,  wenn  ich  Dir  schon  einmal  sagte,  nur  mit  dem 
GefĂŒhle,  mit  dem  man  wohl  zu  Zeiten  ein  Viertellos  in  der 
Lotterie  zu  spielen  sich  entschließt,  ohne  dabei  einen. großen 
Treffer  auch  nur  fĂŒr  wahrscheinlich  zu  halten. 

Bonn,  den  4.  Dezember  1849. 

.  .  Nach  einer  fast  schlaflosen  Nacht  bin  ich  nÀmlich  zu 
dem  EntschlĂŒsse  gelangt,  mich  mit  gar  keinem  officiellen  Ge- 
suche nach  Sachsen  zu  wenden,  mithin  weder  das  Ministe- 
rium in  Dresden  noch  die  FacultÀt  in  Leipzig,  als  ein  Bit- 
tender (gleichsam  Schutzflehender)  anzugehen.  .  . 

Die.  Schreiberei  an  Oppolzer  und  alle  derlei  unnĂŒtze 
Schritte  habe  ich  natĂŒrlich  aufgegeben. 

Bonn,  den  14.  MĂ€rz  1850. 

.  .  Wenn  ich  Deine1)  Leistungen  mit  den  meinigen  ver- 
gleiche, so  mĂŒĂŸte  ich  billig  schamrot  weiden.  Denn  was  ist 
das  endliche  Resultat  von  all  der  bÀndereii dien  Sudelei,  mit 
welcher  ich  das  langweiligste  Repertorium  der  langweiligsten 
Literatur,  —  ich  meine  die  medicinische  —  vermehrt  habe! 
Ich  komme  mir  vor  wie  ein  alter  SacktrÀger,  der  von  den 
Lasten  die  er  so  lange  Jahre  hindurch  ge-  und  verschleppt 
hat  hager,  krumm  und  grau  geworden  ist.  Besser  wĂŒrde  es 
gewesen  sein,  gar  nicht  zu  schreiben,  als  solchen  jÀmmer- 

Neumanns  Bruder  war  der  berĂŒhmte  Mineraloge". 


Guajacetin:^»^«^: 

wege.    ErkÀltung»-    and  Iofektioos- 
krankheit.  In  Pulver-  u.Tabletteoform. 
Packungen  mit  25,  50  u.  100  Tabletten 

fllaiACOll*  Sedativum  u.  Hypno- 
l|UIBSall.  tlcum   in  FĂ€llen  leich- 
terer Asomnie  sowie  Erregung«-  und  j 
DepressionszuatÀnden.  1 
10  Tabletten  a  0,56  gr. 

Ultimi*    Zur  Herabsetzung  des 
HliyiUln    Fiebers  bei  tuberkulösen 
u.  and.  infektiös-fieberhaften  Erkran- 
kung. Bei  Neuralgie,  MigrÀne,  neurit. 
Sympt.  Pulvern.  Tabletten  (10  StĂŒck) 

Rhinitogleit!^c^!eit^!L. 

tbesin,  Suprarenin,  aether.  Oele  sind 
Gleitpulver).    Akute  u.  chron.  Rhino- 
pbaryngitis.    Ölig  nalpackung. 

Frangulose-Dragftes: 

Reizloses  AbfĂŒhrmittel  in  allen  FĂ€llen 
von  Obstipation.  Packung  mit  25  StĂŒck 

QuecksilDer-Gleitpuderlo%: 

'  Lokale  Luesbehandlung.  Original- 
packung 20  gr. 

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aufnahmefÀhlgkeit     (Bis  400 °/0) 

Gletscher-Mattan: 

Schutzmittel  gegen  Sonnen-Gletscher- 
brand sowie  Lichtbestrahlungen, 
Originaltube. 

Zur  Verordnung  fĂŒr  Kranken- 

kassenmitglieder zugelassen: 

Rheuma-Mattan: 

Rheumatismus,  Gicht,  Ischias,  neurulg. 

Schmerzen. 
Kassenpackung,    Privatpackungen  in 
Vs  Tube  und  V,  Tube 

Mattan  rein 
Zink-Mattan 
Schwefel-Mattan 
Zink-Schwefel-Mattan: 

Bei  Dermatiden,  Rötungen,  bei  roten 
Farben  nach  Aknepusteln  u.  leichten 
Pigmentierungen ;  ferner  in  den  FĂ€llen, 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indidert  ist. 
Kassenpackungen,  Privatpackungen 

opnuiaimin-Augenstabtutie 

mit  1  und  2"  ,,  ungt.  ophthalm.  flav. 
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UOJUVall.        silbersalb  enseUe). 
Grad.  Röhre  30  gr.,  Kassen-  u.  Privatp. 

jsass  Fritz  Kriphe fi  m  h " wmmm- 1 

liehen  Plunder.  Aber,  wer  kann  dem  eisernen  Gebote  seines 
Geschickes  entgehen?  Mir  wurde  das  harte  Joch  auferlegt, 
fort  und  fort  zu  schreiben,  um  nur  Geld  zu  verdienen,  auf 
die  Gefahr  hin,  dabei  die  Ehre  zu  verlieren!  So  bin  ich  denn 
nach  und  nach  an  den  Abgrund  gelangt,  in  welchen  ich 
gegenwÀrtig  hinabblicke. 

Der  Abgrund  ist  aber  nicht  so  schlimm,  es  ist  nur  der  des 
fadesten  Alltaglebens  und  der  jÀmmerlichsten  philisterhaf- 
testen Existenz.  Man  sitzt  dabei  ganz  breit  und  bedÀchtig, 
und  wenn  die  Sorgen  und  Aengsten  nur  nicht  allzuheftig  an 
der  alten  Maschine  rĂŒtteln,  raucht  man  (behaglich  seine 
Gigarre  und  verdampft  die  aufsteigenden  Bedenken. 

Im  Jahre  1851  wurde  Naumann  Direktor 
des  Bonner  klinischen  Instituts,dessen  Lei  - 
tun»  er  1  864  niederlegte.  Aus  dieser  Zeit 
liegen  keine  Brie>f  e  vor. 

VII.  N  a  u  m  a  n  n    a  n    seinen  B  r  u  d  e  r  (1865 — 71 ). 

Aachen,  den  5.  Sept.*  1865.2) 
.  .  .  Auch  ich  brauche  hieselbst  die  Trink-  und  die  Bad" - 
cur,  um  meinem  eigenen,  baufÀlliger  werdenden  Zustande 
etwas  zu  HĂŒlfe  zu  kommen.  .  ,  .  Mich  erwarten  in  Bonn 
zahlreiche  Arbeiten,  .  .  .  die  Dekanatsarbeiten  gehen  freilich 
zu  Ende.  Dagegen  haben  mich  meine  Collegen,  mit  großer 
MajoritĂ€t  zum  ersten  Rectoratskandidaten  fĂŒr  ‱  das  bevor- 
stehende neue  Academische  Jahr  ernannt. 

Bonn,  den  29.  Oktober  1865. 
.  .  Laß  Dich  nur  nicht  durch  den  Namen  „Kaloinel" 
abhalten,  welchen  ich  selbst  Dir  namhaft  gemacht  habe.  Ich 

*)  Ein  Bild  Naumann's  aus  dem  Jahre  1859  (von  A.  Hohneck) 
findet  sich  im  Leipziger  Institut  fĂŒr  Geschichte  der  Medizin. 
Darunter  steht  faksimiliert: 

Was  ist  das  Allgemeine  ' 

Der  einzelne  Fall. 

Was  ist  das  Besondere? 


Millionen  FĂ€lle.  M.  F.  A.  Naumann. 


Industrie  u.  Handel  Nr.  30/31 

m  vom  16.  August  1922. 

Annawerk,  Schamotte-  und  Tonwarenfabrik, 

Aktiengesellschaft  vorm.  J.  R.  Geith  in  Oeslau  bei  Coburg. 
Auf  Grund  des  von  der  Zulassungsstelle  genehmigten,  bei  uns 
erhÀltlichen  Prospektes  sind 

nom.  M.  6  500  000.—  Aktien 
Nr.  1—6500  zu  je  M.  1000.— 
obiger  Gesellschaft 
zur  Handel   und  zur  Notiz  an  der  Berliner  Börse  zugelassen 
worden. 

Berlin,  im  August  1922. 

Gebr.  Arnhold.  Commerz-  und  Privat-Bank 

Aktiengesellschaft. 


10.  Jahrg.  — Nr.  151/32. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XV 


möchte  wahrlich  nicht  Aiv.t  sein,  ohne  dieses,  in  seiner  Arl 
wirksame  antispastische  Medikamenl  anwenden  zu  dĂŒrfen. 

Bonn,  den  22.  Dez.  1867. 

.  .  .  Alles  gehl  jetzt  so  ret'oi mirend  vor,  daß  man,  ehe 
man  sichs  versieht,  wieder  zum  A  B  G-SchĂŒtzen  werden  muh, 
wenn  man  die  Zeit  nur  einigermaßen  verstehen  will.  Bert- 
h  o  1  d1)  und  B  e  r  z  e  1  i  u  s-j  sind  nun  auch  zu  Grabe  ge- 
tragen worden,  Lieb  ig*)  wird  von  unsern  jungen  Chemi- 
kern fĂŒr  antiquirt  erklĂ€rt.  Die  Typologie  beherrscht  jetzt 
den  weiten  Kreis  des  chemischen  Wissens,  obgleich,  sobald 
man  von  den  Gasen  absieht,  ebenfalls  wieder  der  Hypothese 
Thor  und  ThĂŒr  geöffnet  worden  sind.  Um  eine  allgemeine 
Idee  von  der  Sache  zu  erhalten,  habe  ich,  zu  meiner  großen 
Belehrung,  die  „Einleitung  in  die  moderne  Chemie  von  A.  W. 
Hof  mann"  Braunschweig  1866  mit  einiger  Emsigkeit 
durchgearbeitet.  Uebrigens  gefÀllt  Hof  mann4)  in  Berlin 
nicht;  man  nennt  ihn  (den  Anilinmann)  einseitig  und  streitet 
ihm  das  Lehrtalent  ab.  Wohin  soll  aber  das  SpezialStudium 
der  Chemie  endlich  fĂŒhren?  Unser  berĂŒhmter  Professor  K  e  - 
kule8  lĂ€ĂŸt  jetzt  an  einem  Werke  ĂŒber  die  Derivate  des  Ben- 
zol drucken,  welches  3  BĂ€nde  umfassen  wird.  Guten  Appetit 
möchte  man  da  ausrufen! 


Bonn,  den  21.  Dez.  1866. 

.  .  Mit  der  eiteln  Decoration  des  Rectorates  geht  es  zu 
Ende.  Bei  uns  ist  der  Rector  eigentlich  nicht  viel  mehr,  als 
ein  Figurant,  der  bei  gewissen  Gelegenheiten  einen  rothen 
Theatermantel  umhÀngt,  und  zwei  Pedelle  mit  bleiernen 
Szeptern  vor  sich  her  schreiten  lĂ€ĂŸt.  .  . 


*)  Bert  hold  (1748— 1822);  Berzelius  (1779—1848);  »)  Lie- 
1»  i  g  (1803—7:?;  ')  11  o  f  m  a  n  n  (1818—92);  s)  K  ekul  e.  Fr.  v.  (182!) 
bis  1896);  Chemie  der  Benzolderivate  1867. 


Bonn,  den  25.  Dez.  1868. 

.  .  Daß  ich  Dich  mittelbar  veranlassen  mußte,  mit  dem 
Grobian,  T  h  i  e  r  s  c  h:i)  genannt,  in  BerĂŒhrung  zu  treten,  hat 
mir  am  ineisten  leid  getan  und  mich  last  schmerzlich  !><■- 
rĂŒhrt.    Mit  seltenen  Ausnahmen,  meint  jetzt  jeder  neu  auf 
tretende  Dozent,  durch  stolzes  SelbstgefĂŒhl  imponieren  zu 

mĂŒssen. 

Bonn,  den  12.  April  1868. 

.  .  Mit  Interesse  las  ich:  „I.  R.  Mayer,  die  Mecha- 
nik der  WĂ€rme  Stuttgart  1867"  und  Abdruck  frĂŒherer 
Abhandlungen  des  berĂŒhmten  Heilbronner  Sonderlings,  der 
(wenn  ich  nicht  irre,  in  Poggendorffs  Wörterbuch*)  bereits 
als  ein  im  Irrenhaus  verstorbener  bezeichnet  worden  war. 
Die  Abhandlungen  sind  vom  Verfasser  ĂŒberarbeitet  und,  — 
in  der  bescheidensten  Form,  —  mit  Wahrungen  der  ihm  ge- 
bĂŒhrenden PrioritĂ€tsrechte  ausgestattet  worden.  Die  Ent- 
deckungen Mayers,  die  so  lange  Zeit  im  Verborgenen  ge- 
schlummert hatten,  gehören  doch  schließlich  zu  dem'  Groß- 
artigsten, was  seit  Kepler  und  N  ewton,  in  der  Erkennt- 
nis der  Natur  geleistet  worden  ist.  Welche  Anerkennung  ist 
ihm  geworden;  wo  haben  die  stolzen  Academien  ihn  der  Auf- 
merksamkeit wert  erachtet?  Der  ungekĂŒnstelte  Styl  und 
selbst  der  etwas  pleonastische  Vortrag,  Alles  hat  mir  gefallen. 

Bonn,  den  26.  Dez.  1868. 
.  .  Mir  selbst  wĂŒnsche  ich,  daß  es  uns  vergönnt  werde, 
Euch  noch  einmal  von  Angesicht  zu  Angesicht  zu  sehen,  be- 
vor die  letzten  AnklÀnge  an  das  Naumannsche,  bis  ins 
18.  Jahrhundert  zurĂŒckgreifende  Lebensdrama  völlig  ver- 
klungen. 

*)  C.  Thierse  h  (1822—!).")  !  war  1867  als  Nachfolger  GĂŒnthers 
nach  Leipzig  gekommen. 

*)  Stimmt,  ist  im  folg.  Band  berichtigt. 


7  ■   II»  in  l|a^|)p|BjBaMSS»jBajsa^  "  ■.      :  — 

Gebrauchsfertige  Arzneiformen  deutscher  Herstellung 


MERCK 
BOEHRINGER 
fSNOLL 


und 


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Als  bequeme,zuverlÀssigeu.billige  Verordnung  bei  Krankenkassen  zugelassen 


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Antiseptische  Salbe  mit  starken  granulations- 
anregenden   und    epithellslerenden  Eigenschaften 

Neuartiges  ionotherapeutisches  Mittel, 
wirkt  durch  das  Uebergewicht  an  Kationen. 

Sehr  bewÀhrt  besonders  bei:  Aeussercn  Verletzungen  (wie  Schnitt-.  Riss-,  Biss- 
und  Quetschwunden),   Frostbeulen,   Brapdwunden  I.  und  II.  Grades,  Ekzemen, 
Decubitus,  Ulcus  crurls,  Impetigo.  Erysipel,  Dermatomykosen,  durch  verschiedene 
‱  Ă€tiologische  Momente  hervorgerufenes  Erythemen. 


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Monomethylcuprelnbihydrochlorid ,  Aluminlumacetotartrat) 

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Dissozilertes   Chlor  und  naszierender  Sauerstoff. 

VerbOrgt  den  Schutz,  ohne  die  Schleimhaut  zu  reizen  und  isthetisch  uaaage- 
aehm   zu   wlrkea.  —   PrĂ€parat,   welches   die  desinfizierenden   Wirkungen  von 
Chlor   ond  Sauerstoff  seit  der  keimtötenden   Kraft  eines  Alkalold«  vereiiigt 
VorzĂŒglich  als  SchutzmitUI- 


Resistan 


Proben  und  Literatur  nach  An/orderung. 

Berlin-Wilmersdorf  1. 


Gesellschaft  zur  Herstellung  technisch« 
und  chemische-  Produkte  m  b  H. 


Das  deutsche  natönh'che 
Nebennieren^PpÀparat.  Anfragen 

'  erbitten 

BYK-GULDEN  WERKE  CHEMISCHE  FABRIK 


Die  Gesamiralkaloide  ölen 
Rad.  Ipecac.  in  Tablette nform. 

AKT-GES  —  BERLIN  NWS Y. 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  31/32. 


(Bonn)  Eingegangen  24.  Mai  1869. 
.  .  Von  der  Praxis,  die  ich  niemals  gesucht  habe,  die 
auch  niemals  bedeutend  war,  suche  ich  mich,  nach  KrÀften, 
loszumachen.  Meine  academische  ThĂ€tigkeit  ist  eine  ĂŒberaus 
geringe,  da  sie  sich  meist  lediglich  auf  ein  Publikum  be- 
schrÀnkt, das  nicht  einmal  sehr  frequentiert  wird.  (Meist: 
Geschichte  der  Medizin,  oder  med.  Geographie1),  Klimatolo- 
gie  und  Balneologie).  Mit  einem  Worte:  ich  greife  nicht  mehr 
in  die  Zeit  ein,  und  befinde  mich  in  der  Verfassung,  um  ofd- 
nungs-,  und  dem  gewöhnlichen  Schlendrian  gemĂ€ĂŸ,  zu 
meinen  VĂ€tern  versammelt  zu  werden. 

(Bonn)  29.  Dez.  1870. 
.  .  Der  fĂŒrchterliche  Krieg,  will  nicht  zu  Ende  gehen,  wie 
lange  soll  das  Morden  im  neuen  Jahr  noch  fortgesetzt  wer- 
den? .  .  .  Die  französischen  Behörden  scheuen  sich  nicht, 
wahre  Brandbriefe  gegen  uns  unter  das  Volk  zu  schleudern, 
in  denen  sie  zur  Tötung,  PlĂŒnderung  und  EinĂ€scherung  auf- 
fordern. Das  Blut  unserer  braven  Soldaten  fließt  in  Strömen, 
aber  wir  mĂŒssen  den  niedertrĂ€chtigen  Feind  zu  Boden  wer- 
fen, es  koste  was  es  wolle.  Wir  behalten  ihn  sonst  auf  dem 
Halse  ...  Daß  wir  Elsaß  haben  mĂŒssen,  ist  allerdings  wohl 
nötig,  aber  ich  hasse  beinahe  diese  entarteten  Deutschen, 
welche  eingefleischte  Franzosen  sind  und  bleiben  wollen. 
Möchte  ich  ihnen  doch  lieber  einen  Fußtritt  geben,  damit  sie 
recht  bald  mit  der  LĂŒgenbrut  wieder  vereinigt  wĂ€ren.  .  .  . 

Bonn,  den  30.  Januar  1871. 
.  .  Zuerst  wollen  wir  uns  gegenseitig  herzlichst  und 
freudigst  beglĂŒckwĂŒnschen,  daß,  nach  so  langer  und  fĂŒrchter - 


1)  Vergl.  Anton  Springer.  Aus  meinem  Leben.  Berlin  1892. 
S.  219.  „Keinem  Bonner  fiel  es  ein,  in  ernsten  KrankheitsfĂ€llen 
sich  an  einen  Kliniker  zu  wenden.  Auf  meine  naive  Frage,  in 
welchem  speziellen  Fach  der  Kliniker  fĂŒr  innere  Krankheiten 
glÀnze,  erhielt  ich  schmunzelnd  zur  Antwort.  In  der  Geographie 
Amerikas." 


lieher  Blutarbeit,  die  stolze  Hauptstadt  der  Gallier  vor  dem 
geeinigten  Deutschland  endlich  sich  beugen  mußte.  Da  wir 
jetzt  dieses  Babel  in  unsern  HĂ€nden  haben,  so  dĂŒrfen  wir 
auch  hoffen,  daß  wir,  im  Besitze  dieses  Unterpfandes,  den 
Frieden,  einen  ehrenvollen,  alle  Schuld  sĂŒhnenden  Frieden, 
zu  erwarten  haben. 


Der  letzte  von  Naumanns  Briefen  ist  vom  16.  April  1871 
datiert.  Naumann  starb  am  19.  Oktober  1871.2)  In  Bonn 
scheint  er  sich  nicht  restlos  glĂŒcklich  gefĂŒhlt  zu  haben,  wie 
er  öfter  betont  hat.  Und  so  schreibt  er  am  6.  MĂ€rz  1842:  „Und 
doch  ist  mir  dieses  preußische  Paradies  bei  der  steten  Lustig- 
keit und  VergnĂŒglichkeit  seiner  Bewohner,  nicht  ganz  nach 
meinem  Sinn.  Ich  ziehe  doch  immer  die  Germania  magna 
vor. 

Sie  sollen  ihn  nicht  haben, 
Doch  laßt  mich  nicht  begraben  — 


An  diesem  freien  Rhein. 
In  wĂŒsten  inĂ€rkschen  Sande, 
In  dem  mir  lieben  Lande, 
Da  legt  mich  einst  hinein3). 


\ 


2)  Das  Datum  fand  ich  nur  bei  Stricker  (Virchows  Archiv, 
Bd.  54,  1872)  verzeichnet;  sonstige  Nekrologe  in  Zeitschriften  habe 
ich  nicht  aufzufinden  vermocht.  Der  Index  Catalog  der  BibĂŒothek 
in  Washington  lĂ€ĂŸt  Naumann  scholl  1869  sterben.  Richtige  Daten 
enthĂ€lt  jetzt  ĂŒbrigens  Meyers  Konservationslexikon. 

3)  Parodie  auf  Beckers  Rheinlied,  steht  nicht  bei  Z.  Funck. 
KlÀnge  aus  der  Zeit.  Hervorgerufen  durch  die  neuesten  politi- 
schen Ereignisse  und  zunÀchst  durch  das  Beckersche  Rheinlied. 
Erlangen  1841.  Ueber  Beckers  Persönlichkeit  vgl.  Th.  v.  Kobbe, 
Humoristische  Reisebilder.  Hamburg  1843,  S.  42  ff. 


Nach  Professor  Dr.  Heinz,  Erlangen. 
‱#  Spezifisch  wirkendes,  die  Leberzellen  zu  verstĂ€rkter  Galle-  ‱ 
Produktion  anregendes  Cholagogum 
(Gegen  alle  Erkrankungen  der  Gallenwege).       ‱  j 
Sicheres  Mittel  gegen  Erbrechen  Schwangerer.  *j 


Proben  und  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 
» ^  ^  Dr.  Ivo  Deiglmayr,  Chem.  Fabr.  A.-G. 


Hönigenologen 

desgleichen  Besitzer  von  Röntgenapparaten,  Heilansialten,  Sanatorien  usw., 
schließt  Euch  zum  gemeins.  Einkauf  aller  Bedarfsartikel  zusammen 

in  der  Wirtschaftsgenossenschaft 
deutscher  Röntgenologen  e.  G.  m.  b.  H. 

Sie  bewirkt  alle  EinkÀufe  billiger,  weil  den  Mitgliedern  der 
gesamte  Reingewinn  als  sogenannte  Jabres-Warendividende  zufließt.  Kein 
Jahresbeitrag,  kein  Eintrittsgeld.  Bei  der  Aufnahme  ist  nur  die  Er- 
werbung wenigstens  1  GeschĂ€ftsanteils  in  Höhe  von  500. —  M.  erforderlich. 
Jeder  erworbene  Anteil  bleibt  Eigentum  des  Mitgliedes,  wird  beim  Austritt 
zurĂŒckgezahlt,  trĂ€gt  Dividende.  Satzung  und  BeitrittserklĂ€rungen  werden 
auf  Anfrage  sofort  zugesandt  von  der  GeschÀftsstelle. 

Berlin  W9,  Potsdamer  Straße  1.  Fernsprecher:  Amt  LĂŒtzow  37s. 

Der  Vorstand:  Dr.  Pri win.    Dr.  Thomas.   Dr.  Helmbold. 


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samen Radikale  des  SANTOMN  mit  denen 
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potenzierter  Wirkung  vereinigt,  unter  Aus- 
schaltung jeder  schÀdlichen  Nebenwirkung. 

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10.  Jahrg. 


Nr.  35/36. 


Jenseits  von  Berat  and  Amt 


X| 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Das  Standeskleid  des  Arztes. 

Von  Max  von  B  o  e  h  n. 

Die  fortschreitende  Demokrati- 
sierung der  bĂŒrgerlichen  Gesell- 
schaft, die  ein  so  wesentliches  Cha- 
rakteristikum der  Kultur  des  neun- 
zehnten Jahrhunderts  bildet,  hat  zu- 
erst mit  all  den  Erscheinungen  auf- 
gerĂ€umt, die  in  den  Aeußerlichkeiten 
Unterschiede  von  Rang  und  Stand 
betonten.  Einer  wie  Alle!  Der  Ge- 
lehrte und  der  Laie,  Kaufmann, 
KĂŒnstler,  Handwerker,  Arbeiter  bil- 
den zusammen  eine  große  Masse,  aus 
deren  unerfreulichem  Einerlei  sich 
nur  noch  Reich  und  Arm  heraus- 
heben, GegensÀtze  von  so  unver- 
löschlichem  GeprĂ€ge,  daß  sie  selbst 
der  Bolschewismus  nicht  wird  aus- 
Die  Heiligen  Cosmas  und  gleichen  können.  Diese  Tendenz  der 
Damian.  gegenseitigen  AnnÀherung    ist  sehr 

GemĂ€lde  von  Lorenzo  di  Bicci-     „1.        ‱       i,       ‱   u     J  t   »  x 

Florenz,  uffmen.  Um  1423.  alt,  sie  hat  sich  durchgesetzt  trotz 
aller  Vorschriften,  mit  denen  die 
mittelalterliche  Polizei  auf  das  Àngstlichste  besorgt  war, 
die  verschiedenen  BerufsstÀnde  sichtbar  zu  kennzeichnen. 
Alle  Verbote  und  alle  Strafen  haben  nicht  hindern  können, 
daß  die  niederen  Schichten  sich  kleideten  wie  die  Hoch- 
geborenen und  daß  die  verschiedenen  Berufe  schließlich  frei- 


willig auf  Merkmale  verzichteten,  die  ihre  Bedeutung  ver- 
loren halten. 

Am  zÀheslen  erwies  sich  bei  diesem  Vorgang  der 
Theologe;  er  ist  von  den  Studierten  der  Einzige,  den  man 
heilte  noch  mĂŒhelos  erkennt;  der  Arzt  und  der  Jurist  haben 
es  aufgegeben,  auf  Aeußerlichkeiten  der  Erscheinung  Weil 
zu  legen.  Und  dabei  sind  die  Berufe  des  Geistlichen  und  des 
Mediziners  einer  Wurzel  entsprungen,  dem  Priestertum;  ist 
die  Heilkunst  im  alten  Orient,  in  Aegypten,  in  Griechenland 
doch  zuerst  von  den  Dienern  der  Gottheit  ausgeĂŒbt  worden. 
Es  ist  nicht  ĂŒberliefert,  ob  z.  B.  die  griechischen  Aerzte  eine 
bestimmte  Kleidung  getragen  haben,  Hippokrates  verlangt 
nur,  daß  der  Arzt  in  Haar-  und  Barttracht  reinlich,  im 
Anzug  elegant  sein  soll,  aber  da  sie  in  festen  VerbÀnden,  den 
Asklepiaden,  zusammengeschlossen  waren,  so  ist  der  Gedanke 
nicht  abzuweisen,  daß  sie  sich  in  irgend  einer  Weise  von 
den  Laien  abhoben.  Im  Rom  der  Kaiserzeit,  das  eine  fest- 
gefĂŒgte Organisation  des  Medizinalpersonals  besaß,  das 
Kaiserliche  LeibÀrzte,  StaatsÀrzte  und  gewöhnliche  Aerzte 
kannte,  außerdem  ein  Heer  von  Spezialisten,  waren  die  so 
sorgfĂ€ltig  ausgeklĂŒgelten  Rangunterschiede  sicher  auch  durch 
gewisse  Abzeichen  betont. 

VerlĂ€ĂŸliche  Nachrichten  haben  wir  erst  aus  dem  Mittel- 
alter. Seit  es  eine  medizinische  Wissenschaft  gab,  die  in 
Salerno,  Montpellier  und  Paris  gelehrt  wurde,  gab  es  auch 
wieder  gebildete  Aerzte,  die  sich  beeiferten,  die  Grade  der 
berĂŒhmten  UniversitĂ€ten  zu  erwerben  und  damit  bĂŒrgert 
sich  eine  bestimmte  Kleidung  fĂŒr  den  ganzen  Stand  ein. 
Deutschland  besaß  bis  zum  14.  Jahrhundert  keine  Hoch- 
schule, an  der  ein  Unterricht  fĂŒr  Mediziner  erteilt  worden 


Bei  nervöser  Schlaflosigkeit 


in  ihren  vielseitigen  Ursachen,  insbesondere 
infolge 
von  Überarbeitung, 
Aufregungen,  körperlicher  und 
geistiger  Abspannung, 
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bewÀhren  sich  stets  bei  richtiger  Dosierung 

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XII 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Der  Arzt  am  Krankenbett. 

Holzschnitt  aus  Ketham.  Fasciculus  medicinae.  Venedig  1500. 

wÀre,  die  Studenten  waren  genötigt,  ins  Ausland  zu  gehen 
und  von  daher  brachten  sie  außer  ihren  Titeln  auch  den 
Anzug  mit,  der  ihren  Beruf  kenntlich  machte. 

Das  Ansehen,  das  die  Aerzte  in  Italien  genossen,  war 
sehr  groß,  so  groß,  daß  die  Kleider-  und  Luxusordnungen  sie 
mit  besonderer  RĂŒcksicht  behandeln.  In  Florenz  wurde 
1321  Aerzten,  Richtern  und  Soldaten  erlaubt,  silberne  GĂŒrtel 
zu  tragen,  ebenso  wie  Perlen  und  Edelsteine,  und  auch  in 


Venedig  war  schon  in  der  zweiten  HĂ€lfte  des  Trecento  den 
Aerzten  gestattet,  sich  anzuziehen  wie  die  Nobili.  In  einem 
Brief,  den  Petrarca  aus  Pavia  an  Boccaccio  schreibt,  macht 
er  sich  ĂŒber  die  Anmaßung  lustig,  mit  der  sie  sich  in  die 
köstlichen  vielfarbigen  Stoffe  hĂŒllen,  die  sie  sogar  mit  Gold 
sticken  lassen,  und  an  Francesco  Casini  in  Siena  bemerkt 
er:  „in  Purpur  und  Gold  gekleidet,  kommen  sie  sich  vor  wie 
Herren  ĂŒber  Leben  und  Tod."  Die  öffentliche  Meinung  in 
Deutschland  machte  sich  die  italienische  Anschauung  völlig 
zu  eigen.  Der  Augsburger  Reichstagsabschied  von  1530, 
welcher  der  Verschwendung  und  Kleiderpracht  steuern 
sollte,  will  doch,  daß  „die  Doctor  und  ire  weiber  auch  kleyder, 
geschmuck,  ketten,  gĂŒlden  ring  und  anderes  jrem  standt 
und  freiheyt  gemeß  tragen  sollen  und  mögen." 


26 

Der  Arzt. 


Holzschnitt  aus  dem  Totentanz  von  Hans  Holbein.  Um  1520. 


V  TE/TIGLANDOL  /, 
I THYHOGLANDOL  k 
'  THYREOCLAHDOL  I A 


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7 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XIII 


a.öwn$wt  Hu**  Ihr.  «>((n  m 


Von  der  Zeitmode  nahmen  die  Mediziner  den  hingen 
Mantel  an,  der  im  Gegensatz  zu  der  Ueberenge  von  Wamms 
und  Beinbekleidung,  welche  nicht  nur  auf  uns,  sondern 
schon  auf  die  Zeitgenossen  schamlos  wirkte.  Anstand  und 
WĂŒrde  darstellte.  Dieser  Mantel,  als  großes  Tueh  mit  Kopf- 
loeh,  im  15.  Jahrb.  „Tappert"  genannt,  aufgeschlitzt  und 
mit  Aermeln  versehen  im  sechzehnten  zur  „Schaube"  ge- 
worden, bildet  trotz  des  Wechsels  im  Schnitt  mehrere  Jahr- 
hunderte hindurch  das  charakteristische  Kennzeichen  des 
Arztes.  Ob  die  Kunst  sich  mit  ihm  beschÀftigt  oder  der 
V olksniund,  in  erster  Linie  ist  es-  der  Mantel,  an  den  man 
sich  hĂ€lt;  er  muß  es  also  gewesen  sein,  der  das  auffallendste 
StĂŒck  der  Ă€rztlichen  Garderobe  bildete.  „E  dottore  di  Va- 
lenza,  lunga  vesta  e  poca  scienza"  spottete  der  Italiener  und 
der  boshafte  Pascal  schrieb:  „Nehmt  dem 
Arzt  Mantel  und  MĂŒtze  und  von  seiner 
Wissenschaft  bleibt  nichts  ĂŒbrig",  ja  noch 
im  18.  Jahrb.  hieß  man  in  Hamburg 
einen  armen  Mediziner  ohne  Patienten. 
„Doktor  DĂŒnnmantel". 

Das    Aussehen   lernen   wir    fĂŒr  die 
frĂŒhere  Zeit  am  besten  aus  den  Bildern 
kennen,   die   den  Heiligen  Cosmas  und 
Damian,  den  Patronen  der  Aerzte  gewid- 
met sind  und  erst  von  ihnen  aus  dĂŒrfen 
wir  RĂŒckschlĂŒse  machen,  wenn  auf  Ge- 
mÀlden  Personen   dargestellt  sind,  die 
man  fĂŒr  Aenzte  zu  halten  geneigt  ist.  Eine 
Tafel  des  Florentiners  Lorenzo  di  Bicci 
(1350—1427)  in  den  Uffizien,  zeigt  die 
zwei  Heiligen  in  ihren  weiten  Togen  ĂŒber 
langen  Unterkleidern,  die  an  den  BĂ€ndern 
Dr.  Leonhart  Fuchs,    mit  einer  schmalen  Goldstickerei  verziert 
Holzschnitt  aus  seinem    sind,  beide  mit   langzipfeligen  Baretts. 
NeBa«fuiB43Uch       Genau  so  werden  sie  von  Fra  Angelico 


da  Fiesole  dangestellt  und  von  andern  Meislern  der 
gleichen  Zeit,  wie  Fra  Filippo  Lippi,  Pesellino,  Sandro 
Botticclli  u.  a.  Da  die  Farbe  der  medizinischen  FakultÀt 
die  rote  war,  so  sind  auf  den  GemÀlden  Baretts,  MÀntel  und 
Schuhe  ebenfalls  rot,  wÀhrend  die  Farbe  des  langen  Unter- 
kleides schwankt,  meist  ist  sie  blau,  manchmal  aber  auch 
grĂŒn.  ■  Feststehend  sind  die  Farben  aber  doch  nicht,  oder 
sie  wechseln  in  den  verschiedenen  Orten.  Die  Sienesen,  wie 
z.  B.  Domenico,  di  Bartolo,  geben  ihnen  blaue  Barette  und 
blaue  oder  schwarze  MĂ€ntel,  die  Venetianer,  wie  die  Vivarini, 
Gentile  Bellini,  Garpaccio  kleiden  sie  zwar  auch  in  rote 
MĂ€ntel,  aber  geben  ihnen  schwarze  Barette  dazu.  Einig  abei 
sind  alle  diese  Meister  darin,  daß  sie  die  MĂ€ntel  an  Kragen 
und  Aermeln  ebenso  wie  die  Barette  an  der  Krempe  mit 
Pelzwerk  besetzen  und  zwar  immer  mit  Feh  oder  dem  so- 
genannten Grauwerk,  so  daß  in  Italien 
das  Sprichwortkursirte:  „Non  e  ognun' 
dottore  che  porta  vaio."  Wenn  man 
nun  auf  den  Bildern  der  Zeit  MĂ€nner 
in  dieser  Tracht  sieht,  z.  B.  auf  dem 
Fresko  der  Capella  Bardi  in  S.  Croce, 
Florenz,  auf  dem  Giotto  den  Tod  des 
H.  Franz  darstellte,  oder  bei  Taddeo 
Gaddi  oder  anderen,  so  darf  man  an- 
nehmen, daß  es  sich  um  Aerzte 
handelt. 

Das  Abzeic  hen  der  medizinischen 
DoktorwĂŒrde  war  zwar  das  vier- 
spitzige Barett,  aber  es  hat  seine  Form 
mit  der  Mode  geÀndert  und  die  man- 
nigfaltigen Gestalten  angenommen,  in 
denen  sich  im  15.  und  16.  Jahrh.  die1 
mÀnnliche  Kopfbedeckung  gefiel.  Nur 
an  der  roten  Farbe  hat  man  streng 


ItaliÀnischer  Arzt. 


festgehalten;  „es  seind  nicht  alle  doc-  Aus  ^:°d\gHf5^an,ichi' 


Belladonna^ 
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bei  gleichzeitiger  erhöhter  Erregbarkeif 
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XIV 


Jenseits,  von  Beruf  und  Amt 


40,  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


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Kl  >1t.A  TAVVtV  FEYV.vt  LABQRLS 
RT.  S  TAT    TU  MODO  TOLU.  MXLUM 


Der  Arzt. 

Kupferstich  von  H.  Goltzius.  Um  1600. 

toren,  die  rot  he  paret  tragen"  pflegte  mau  noch  im  16«  Jahrb. 
in  Nkxlerdeutschland  und  Holland  zu  sagen,  wenn  man  sein 
Mißtrauen  laut  werden  lassen  wollte. 

Das  Aussehen  eines  deutschen  Arztes  der  frĂŒhen  Zeit 
bewahrt  der  Großbaseler  Totentanz  des  15.  Jahrhunderts,  es 
weicht  von  dem  italienischen  der  gleichen  Zeit  kaum  ab. 
Typisch  ist  die  Auffassung  in  Holbein's  Totentanz,  die  auch 
durch  Bildnisse,  wie  etwa  das  des  Dr.  Leonhart  Fuchs  von 


FĂŒllmaurer  und  Meyer  bestĂ€tigt  wird.  Als  Felix  Platter  1557 
in  Basel  seinen  medizinischen  Doktor  macht,  trÀgt  er  ein 
rotseidenes  Atlaswamms,  rote  Hosen,  einen  schwarzen  Mantel 
mit  Sammet  verbrÀmt.  Das  Sammet-Barrett  mit  Perlen- 
borte wind  ihm  vom  Dekan  der  FakultÀt  in  feierlicher 
Sitzung  auf  den  Kopf  gesetzt.  In  Frankreich  trugen  die 
Aerzte  bis  zur  Zeit  Heinrich  III.  Kleider  von  demselben 
Schnitt  wie  die  Italiener;  es  scheint  nur,  daß  sie  in  der  Wahl 
der  Farben  abwichen  und  der  Mantel  sowohl  rot  wie  blau 
sein  durfte,  das  viereckige  Barett  wrar  in  Paris  schwarz. 

Im  Laufe  des  16.  Jahrhunderts  hat  die  BĂŒhnenkunst  der 
Commedia  dell'  arte  diese  Erscheinung  zu  dem  feststehenden 
Typus  des  „Dottore"  umgeschaffen.  Er  trĂ€gt  den  langen 
Mantel  des  gelehrten  Arztes  und  dazu  eine  wunderlich  und 
willkĂŒrlich  entstellte  Kopfbedeckung,  die  zum  Lachen  reizen 
soll.  Der  Dottore  der  StegreifbĂŒhne  braucht  nicht  notwendig 
Arzt  zu  sein,  er  kann  auch  Jurist  sein,  meist  aber  gehört  er 
dem  Àrztlichen  Stande  an.  Mit  dieser  Schöpfung  sind  wir 
an  einem  Grenzstein  angelangt;  im  Laufe  des  17.  Jahrh.  be- 
ginnt der  Arzt  mehr  und  mehr  sich  der  wechselnden  Mode 
anzubequemen  und  wenn  er  auch  nicht  gerade  alle  Formen 
und  Schnitte  wÀhlt,  die  auf  den  Markt  kommen,  so  unter- 
scheidet er  sich  in  der  Folge  von  seinen  Zeitgenossen  höch- 
stens noch  durch  einen  gewissen  betonten  Ernst  in  der  Wahl 
der  Farben  und  den  Verzicht  auf  den  verschwenderischen 
und  glÀnzenden  Ausputz.  Der  Mediziner  will  ein  Kavalier 
sein  wie  die  anderen,  so  daß  die  MarkgrĂ€fin  Wilhelmine  von 
Bayreuth,  als  sie  den  Arzt  Superville  kennen  lernt,  erstaunt 
feststellt:  „Ich  erwartete  einen  Pedanten  zu  sehen,  und  es 
erschien  ein  hĂŒbscher  Mann  von  Wellsilte."  Der  brave 
Jung-Stilling  mußte  sogar  die  Erfahrung  machen,  daß  seine 
Glaubensgenossen,  die  pietislischen  Wuppertaler,  sich  von 
ihm  zurĂŒckzogen,  als  er  wie  „ein  vornehmer  weltförmiger 


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Indikationen:  Husten,  Reizhusten,  bei  akuten  und  chroni- 
schen Luftröhren-  und  Kehlkopfkatarrhen,  auch  tuber- 
kulösen Ursprungs,  bei  Lungen-  und  Brustfellent- 
zĂŒndungen, Keuchhusten  in  abklingendem  Stadium, 
.  nervöser  Husten. 

Verordnung:  1  Röhrchen  Toramin-Tabletten  (25  StĂŒck  ca. 
0,1  Toramin)  oder  1-2  g  Toramin  pro  die,  in  Mixtur 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  36/36. 


Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XV 


Mann  mit  Hand-  und  Halskrausen  am  Hemd"  zu  ihnen  kam. 
„Ein  Doktor  mit  Manschetten  um  die  Hand,  aber  im  Kopf 
ohne  Verstand"  sagte  man  damals  wohl,  wenn  «  in  Arzt  auf 
seine  Kleidung  zu  starkes  Gewicht  legte.  Man  traute  ihm 
dann  nicht  mehr  so  recht,  hatten  ja  schon  die  griechischen 
Lustspieldichter  zu  Aristophanes'  /eil  die  Aerzte  lÀcherlich 
zu  machen  gesucht,  die  durch  feine  Kleidung  den  Mangel  an 
W  issen  und  Erfahrung  verdecken  wollten. 

Im  18.  Jahrhundert,  zumal  in  der  zweiten  HĂ€lfte  des 
seihen,  scheint  nur  die  PerrĂŒcke  noch  gewisse  feine  Berufs- 
Unterschiede  markiert  zu  hal)en,  man  kann  wenigstens  fest- 
stellen, daß  die  zeichnenden  KĂŒnstler,  wenn  sie  Aerzle  dar 
zustellen  haben,  ihnen  ganz  andere  HaartöUren  aufsetzen  als 
etwa  Geistlichen  oder  Kaufleuten  oder  Stutzern  im  Allge- 
meinen. Moreau  le  j.,  der  die  gute  französische  Gesellschaft 
unmittelbar  vor  der  Revolution  mit  seinem  graziösen  Stift 
geschildert  hat,  stattet  z.  B.  alle  petits  maitres,  wie  man  da- 
mals sagte,  mit  dem  Haarbeutel  aus,  wÀhrend  er  dem  Arzt 
eine  ganz  verschieden  geartete  PerrĂŒcke  aufsetzt.  Sie  faßt 
das  Haar  im  Nacken  nicht  zusammen,  sondern  lĂ€ĂŸt  ihm  einen 
freieren  Lauf,  ganz  so  wie  man  es  auch  auf  dem  von  Chodo- 
wiecki  1787  gemalten  Bildnis  des  Dr.  Lcvin,  eines  Berliner 
Arztes,  sieht.  Schließlich  hat  die  Mode  auch  die  PerrĂŒcke 
beseitigt  und  dem  Mediziner  war  kaum  noch  eine  Möglich- 
keit, sich  auszuzeichnen,  ĂŒbrig.  Dunkle  Farben,  ernste 
Schnitte  und  ein  sehr  steifer  Hut  blieben  allerdings  noch 
lange  ein  Erfordernis  fĂŒr  das  standesgemĂ€ĂŸe  Auftreten  des 
praktischen  Arztes.  Wer  sich  40  bis  50  Jahre  zurĂŒck- 
erinnern kann,  der  wird  sich  entsinnen,  daß  damals  kein 
Arzt  einen  kurzen  Jackettanzug  tragen  konnte  oder  gewagt 
haben  wĂŒrde,  seine  Patienten  ohne  Zylinder  zu  besuchen. 
Als  ein  Freund  des  Schreibers  vor  30  Jahren  seine  Patienten 
in  MĂŒnchen  auf  dem  Zweirad  im  SportkostĂŒm  aufsuchte,  da 


gab  es  ein  allgemeines  GeschĂŒttel  des  Kopfes,  l  ud  heute? 
Ich  Weiß  niHil,  wie  sie  aussehen,  ich  kann  keinen  bezahlen. 

Das  alles  betrifft  die  studierten  Aerzte  in  normalen 
Zeiten.  Die  anormalen  aber  waren  hÀufig  genug.  Dann, 
wenn  etwa  eine  Pest  grassierte,  hĂŒllten  sich  die  Herren  in 
lange,  weile  MĂ€ntel  von  Leder  <><lei  WachstĂŒch,  mit  dem  sie 

ihr  ganzes  ĂŒbriges  KostĂŒm  bedeckten;  auf  den  Kopf  StĂŒlpten 

sie  einen  Helm  von  dem  gleichen  Stoff  mit  einer  Gesichts- 
maske, die  die  Augen  durch  BrillenglĂ€ser  schĂŒtzte,  Mund  und 
Nase  aber  durcli  einen  schnabelförmigen  Auswuchs  deckte, 


Der  italiÀnische  Charlatan. 

Fresko  von  Tiepolo  im  Palazzo  Papadopoli  in  Venedig.    Um  1730. 


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Nicht  oxydierender  wohlschmeckender  Phosphorlebertran 
VerbĂŒrgt   unverĂ€nderlicher  Phosphorgehalt  0,01  : 100,   0,01 : 200 
Empfohlen  u.  a.  von  Ibrahim,  Langstein,  Lenhartz,  Pfaundler  nsw 

und  von  Tausenden  von  praktischen  Aerzten. 
Seit  12  Jahren  bewĂ€hrt,  auch  in  heißer  Jahreszeit  unbedenklich  an- 
wendbar. —  In  vielen  KrankenhĂ€usern.  Kinderkliniken,  SĂ€uglingsheimen 
eingefĂŒhrt.     —     Der    Arzt  hat  volle  GewĂ€hr  der  Phosphordosis. 

Phosrhachlt  schwankt  nie  Im  Phoiphorgehalt. 
Phosrhachlt  versagt  nie  bei  Rachitis,  Skrophulose,  Spasmophllle. 
Dr.  KÖRTE  *  CO.,   HAMBURG  BO 


XVI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg. —  Nr.  18/19. 


Der  deutsche  Charlaian. 

Kupferstich  von  Helman  nach  einer  Zeichnung  von  Bertaux.  1776.5 

der  innen  einen  mit  Essig  getrÀnkten  Schwamm  barg.  So 
gingen  sie  als  Schreckensgestalten  in  Schreckenszeiten  um- 
her, den  Kranken  ein  Entsetzen  und  Grauen  und  es  steht 
dahin,  wie  weit  sie  sich  selbst  durch  diese  Vorsichtsmaß- 
regeln schĂŒtzen  konnten. 

Neben  den  gelehrten  Medizinern  aber  gab  es  noch  zwei 
Sorten  von  Aerzten,  auf  die  das  eben  Beigebrachte  nicht  zu- 
trifft, das  waren  die  Chirurgen  und  die  Marktschreier.  Es 
ist  bekannt,  daß  die  Wundarzneikunst  eine  verachtete  Be- 
schÀftigung war,  die  die  studierten  und  graduierten  Herren 
den  „unehrlichen"  Gewerben  der  Henker,  Bader,  Barbiere 


ĂŒberließen.  Die  WundĂ€rzte  kleideten  sich  wie  jeder  andere 
Christenmensch  auch  und  so  zahlreich  und  mannigfach  auch 
die  bildliche  Ueberlieferung  von  ihrem  Aussehen  und  ihrer 
TĂ€tigkeit  ist,  so  wenig  vermag  man  sie  Ă€ußerlich  von  anderen 
Berufen  zu  unterscheiden 

Ganz  anders  verhÀlt  es  sich  dagegen  mit  den  Kur- 
pfuschern, die  wie  bekannt,  schon  im  Altertum  eine  crux 
der  approbierten  Herren  bildeten.  Zu  dieser  Klasse  zÀhlten 
die  Bruch-  und  Steinschneider,  Starstecher,  Zahnbrecher, 
Quacksalber,  die  sich  im  Gegensatz  zu  ihren  Kollegen  von 
der  rechten  FakultÀt  so  auffÀllig  wie  möglich  anzogen.  Schon 


Der  französische  Charlatan. 

Kupferslich  von  Helman  nach  einer  Zeichnung  von  Bertaux.  1776, 


Gll3 jSCBtill  *  Urrt*nrtd«  Luft- 
wege,   ErkÀltnngs-    und  Infektions- 
krankheit. In  Pulver- u. Tablettenform. 
Packungen  mit  25,  SO  u.  100  Tabletten 

fllliocon*  Sedativum  u.  Hypno-  fl 
l|UI6Saila  Ucum   in  FĂ€llen  leich-  H 
terer  Asomnie  sowie  Erregung!-  und  jj 
DtpressionszustÀnden.  q 
10  Tabletten  a  0,55  gr. 

Uifipnl*    Z*rr  Herabsetzung  dea 
lYliyiUl.    Fiebers  bei  tuberkulösen 
u.  and.  infektiös-fieberhaften  Erkran- 
kung. Bei  Neuralgie,  MigrÀne,  neurit. 
Sympt.  Pulvern.  Tabletten  (10  StĂŒck) 

Rhinitogleitl^rS 

thesin,  Suprarenin,  aether.  Oele  und 
Gleitpulver).    Akut«  u.  chron.  Rhino- 
pharyngitis.  Oilgmalpackung. 

Frangulose-Dragees: 

Reizloses  AbfĂŒhrmittel  in  allen  FĂ€llen 
Ton  Obstipation.  Packung  mit  25  StĂŒck 

QuecksilDer-Gleltpuderl0°/o : 

Lokale  Luesbehandlung.  Original- 
packung 20  gr. 

Eumattan: 

aufnahmefÀhigkeit.    (Bis  400 °/o) 

Gletscher-Mattan: 

Schutzmittel  gegen  Sonnen-Gletscher- 
brand sowie  Lichtbeatrahlungen, 
Originaltube. 

Zur  Verordnung  fĂŒr  Kranken- 

kassenmitglieder zugelassen: 

Rheuma-Mattan: 

Rheumatismus,  Gicht,  Ischias,  neuralg. 

Schmerzen. 
Kassenpackung,    Privatpackungen  in 

Vj  Tube  und  V,  Tube 

Mattan  rein 
Zink-Mattan 
Schwefel-Mattan 
Zink-Schwefel-Mattan: 

Bei  Dermatlden,  Rötungen,  bei  roten 
Farben  nach  Aknepusteln  u.  leichten 
Pigmentierungen ;  ferner  in  den  Fallen, 
wo  Zink-  bzw.  Schwefel  indiciert  ist. 
Kassenpackungen.  Privatpackungen 

ophtnaimin-AugenstabtuDe 

mit  1  und  2%  ungt.  ophthalm.  flav. 
Kassenpackung,  Privatpackung 

nriillUĂŒn*  Lues  (30  "/„ige  Queck - 
UUJlIVdll.  silbersalbenseife). 
Grad.  Röhre  30  gr.,  Kassen-  u.  Privatp. 

ctiem.  Fabrik  fpjß         fi  m  h  H  ummm.  \ 

10.  Jahr*.  —  Nr.  35/36. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XVII 


Der  Berliner  Arzt  Dr.  Lewin. 

GemÀlde  von  Chodowiecki.  1787.  Im  Kaiser-Friedrich-Museum. 

im  Jahre  1583  spricht  G.  Bartisch  in  seinem  in  Dresden  er- 
schienenen Augendienst  von  dem  „leichtfertigen  Gesindel, 
deren  etliche  mit  stattlichen  Kleidungen,  köstlichem  Golde 
und  Silber,  viel  Knechten  und  Pferden,  ĂŒbermĂ€ĂŸiger  Tracht 
und  Pracht  sich  sehen  und  hören  lassen",  aber  da  begann  die 
Entwickelung  erst.  Diese  HeilkĂŒnstler  zogen  mit  Schau- 
spielern, SeiltÀnzern,  Marionetten  u.  dgl.  im  Lande  umher 
und  suchten  das  Publikum  durch  ihre  Darbietungen  anzu- 
locken, um  ihm  nachher  sein  Geld  fĂŒr  die  schwindelhaftesten 


Geheimmitte]  abzunehmen.  Das  l<S.  Jahrhundert  bezeichnet 
darin  einen  Höhepunkt;  Doktor  Bisenbart,  »ine  wirkliche 
historische  Persönlichkeit,  ist  ja  noch  heute  unvergessen.  Ein 
berĂŒhmter  Arzt  in  diesem  Genre  war  u.  a.  Joh.  Christian 
HĂŒbner,  der  1721  in  Memmingen  mit  ">  Kutschen,  50  Per- 
sonen, 18  Pferden  und  2  Kamelen  eintraf  und  sein  Theatrum 
auf  dem  Ratzehgraben  aufschlug.  Die  Grenzen  zwischen  Arzl 
und  Schauspieler  waren  in  diesem  Berufe  tiichl  fesl  abge- 
steckt; Bruscambille,  einer  der  berĂŒhmtesten  Komiker  der 
französischen  Huhne  im  Anfang  des  17.  Jahrh.,  war  Markt 
schreier  gewesen  und  kehlte  schließlich  wieder  zu  seinem 
Ă€rztlichen  Berufe  zurĂŒck. 

Bei  dieser  TĂ€tigkeit  wĂ€ren  ZurĂŒckhaltung  und  Beschei- 
denheit TodsĂŒnde  gewesen,  und  wir  sehen  denn  auch  auf  den 
vielen  Bildern,  die  uns  von  diesem  GeschÀftsbetriebe  erhalten 
sind,  Canaletto,  Tiepolo  u.  a.  haben  Szenen  von  den  MĂ€rkten 
deutscher,  französischer  und  italienischer  StÀdte  genug  auf- 
bewahrt, daß  die  fahrenden  Doktoren  sich  durch  auffĂ€lligen 
Anzug  hervorzutun  suchten.  Uebertriebene  Schnitte  und 
Verzierungen,  grelle  Farben,  RiesenperrĂŒcken,  gewaltige 
Stöcke,  alles  was  Aufsehen  erregen  kann,  wird  herbeigezogen, 
um  die  Figur  des  Charlatans  merkwĂŒrdig  zu  gestalten  und 
den  KĂ€ufer  anzulocken.  Daß  die  rite  absolvierten  Aerzte  sich 
diesem  Gebaren  gegenĂŒber  ablehnend  verhielten  und  es  vor- 
zogen, sich  durch  Einfachheit  auszuzeichnen,  kann  man  ver- 
stehen. Jetzt  sind  die  Marktschreier  ausgestorben,  man  macht 
fĂŒr  Geheimmittel  nicht  mehr  mit  seiner  Person  Reklame, 
sondern  durch  die  Zeitung,  aber  wer  sein  Handwerk  ver- 
steht, der  ist  nicht  auf  zwei  Kamele  beschrÀnkt,  wie  der 
Doktor  HĂŒbner  in  Memmingen,  der  zĂ€hlt  sie  nach  Tausenden. 


illllNHIINII  1 1 1  wnil  l  iiiiim  l  jM.llllll  ts  tuninur  l'llilii  niiirri  [Iii  ilri;cil>iTniilll>ri[[ir[iniiil[l!.  ihm  iiiiimii  lim  t  in  im  i  h  in  >u  >  1 1 1  >  u  1 1 N 1 1 1 1  i  u  1 1 N  >  1 1  n  >  >  i  m  1 1 1  >  i  < :    >  >  i  I  um  im  in  Mlllllll  imilllllllllll  Uli. 

=     ^IHI  lllllllllllllllIUlll  II  IIIIIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII  IUI  lllllllllllllllllllllllllllllllllltlllMIIIIIIIIIIIIINIIIIIMIMIIIIi  IIMIIIIIIIIItlllnillllllllllllllUIIIIIIMIIIIIIIIIIIIIIII  I  Ii  tili  I  I*1U  ■  I  MI  I  IUI  1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 . .  1 1 1 1 ,1 1 1 .,  1 1  IN, in, :lll, III, llllllllllll!'-  E 


1  1  Bei 


Rhinitis 


aller  Art 


Heu- 
Jod-Schnupfen 


Mehrmals 
|  1  tÀglich  eine  Prise 


i 


e> 


i  Zur  Therapie  des  hartnÀckigen 

Fluor  albus  / 


.Ol 


Anarmisierend  1 


Nase  (auch  Epistaxis) 
Rachen  (z.  B.  Anginen) 
Kehlkopf  (z.  5.  Tbc) 

Augen  (z.  ß.  Blepharitis,  1 
auch  skrofulöser  Art)  I 


und 


I  1 


Schmerzstillend  |  | 


EntzĂŒndungswidrig  t  i 


*  Lenirenin  Salbe  Dei  Rhagaden,  Blepharitis  N 

sowie  Lenirenin-Suppositorien beide  mit  und  ohne  Belladonna.  |  I 


Dauernd  haltbar. 

Mit 

MilchsÀure  (3%) : 
Hervorragend  bewÀhrt 
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Fluor  grauidarum 

Die  Fluor-Therapie  auf  " 
biologischer  Grundlage. 


*  Zur  Kassenpraxis  zugelassen. 

Dr.  Reiss,  Rheumasan-  u.  Lenket  "Fabriken 


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Charlottenburg  4/120 


IMIIMMUlHn 


XVI  II 


Fortschritte  der  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  35/36. 


GeschÀftliche  Mitteilungen. 
Wetzlar.  Nachdem  die  optischen  Werke  von  Ernst  Leitz  vor 
einigen  Monaten  ihr  200  000  s  t  e  s  Mikroskop  fertiggestellt 
haben,  konnte  dieser  Tage  auch  das  lOOOOOste  Objektiv  fĂŒr 
homogene  Immersion  zur  Vollendung  gebracht  werden.  Dieselbe 
wurde  dem  in  der  mikroskopischen  Forschung  sehr  verdienten 
Gelehrten,  dem  Pathologen  Prof.  Ludwig  A  s  c  h  o  f  f  in 
F  r  e  i  b  u  r  g  i.  Br.  zugeeignet.  Bei  dieser  ■  Gelegenheit  wurde 
auch  der  Invaliden-,  Witwen-  und  Waisenkasse  der  Firma  der 
Betrag  von  2  000 000  M  a  r  k  ĂŒberwiesen. 


‱^7 


Nach  Professor  Dr.  Heinz,  Erlangen 
Spezifisch  wirkendes,  die  Leberzellen  zu  verstÀrkter  Galle-  * 
Produktion  anregendes  Cholagogum 


*♩  (Gegen  alle  Erkrankungen  der  Gallenwege).       ‱  ] 


Sicheres  Mittel  gegen  Erbrechen  Schwangerer. 

Proben  und  Literatur  zur  VerfĂŒgung. 


Dr.  Ivo  Deiglmayr,  Chem.  Fabr.  A.-G. 


MĂŒnchen  25. 


Behandlung  des  Lupus  Vulgaris  mit 
Kupfer-Dermasan  *) 

(Aus  der  LupusheilstĂ€tte  Gießen,  Direktor  Prof.  Dr.  Jesionek.) 
Von  Dr.  Rothmann,  Oberarzt  der  Klinik. 

Verfasser  hat  mit  Kupfer-Dermasan  „mit  Tiefenwirkung", 
einem  Kupfer-Salben-Seifen-PrÀparat,  auch  kosmetisch  sehr 
gĂŒnstige  Erfolge  erzielt,  besonders  in  Verbindung  mit  Licht- 
therapie. Pigmentverschiebungen,  Narbenhypertrophie,  feste 
NarbenzĂŒge,  sind  unter  Gebrauch  der  Kupfer-Dermasane  bei  den 
zahlreichen  FĂ€llen  nie  beobachtet  worden.  Bei  dieser  kom- 
binierten Kupfer-Dermasan  „mit  Tiefenwirkung"-Lichtbehand- 
lĂŒng,  kam  er  bereits  mit  3—6  Belichtungen  aus.  Verfasser  be- 
stÀtigte die_Beobachtungen  von  Eng  wer  (Lichtinstitut  Charit^), 
daß  Kupfer-Dermasan  „mit  Tiefenwirkung"  weniger  schmerzt 
als  andere  PrÀparate  und,  wie  gesagt,  den  Vorzug  der  kos- 
metischen Eigenschaften  hat.  Bei  großen  FlĂ€chen  ging  Verfasser 
abschnittsweise  vor.  Er  erklÀrte  die  elektive  Kupferwirkung  bei 
dem  PrĂ€parat  fĂŒr  eine  „erstaunliche"  und  gibt  dem  Mittel  deshalb 
den  Vorzug,  weil  es  die  „umgebende,  gesunde  Haut  vollkommen 
unangegriffen  lĂ€ĂŸt."  Je  nach  den  UmstĂ€nden  wurde  entweder 
Kupfer-Dermasan  „mit  Tiefenwirkung"  1 — 2  mal  24  Stunden  rein 
angewandt,  oder  aber  man  gebrauchte  absteigend  zur  Ver- 
dĂŒnnung das  PrĂ€parat  Kupfer-Dermasan  „mit  OberflĂ€chen- 
wirkung"  (z.  B.  4  : 1,  3  : 2,  2  : 3,  1  :  4).  Im  Anfangsstadium  der 
Einwirkung  des  Kupfer-Dermasan  „mit  Tiefenwirkung"  be- 
schrÀnkte sich  die  Nekrose  nur  auf  das  Bindegewebe;  erst  all- 
mÀhlich wird  die  Epidermis  lose  und  dann  selbst  nekrotisch. 
Nach  Entfernung  des  Salbenverbandes  tritt  die  Epithelisierung 
rasch  ein  und  innerhalb  weniger  Stunden  sind  die  EpithellĂŒcken 
ĂŒberbrĂŒckt.  Die  Behandlung  wurde  solange  fortgesetzt,  bis  die 
Nekrosen  ihren  höchsten  Grad  erreicht  hatten;  dann  wurde  die 
erste,  krÀftige  Belichtung  vorgenommen. 


*)  Kupfer  -  Dennasan  „mit  Tiefenwirkung"  und 
Dermasan  „mit  OberflĂŒchenwirkung". 


Kupfer- 


FLÜSSIG 
TABLETTEN 
AMPULLEN. 


FAUTH&Co  MANNHEIM 


Hrsen-Peptoman 


(Mangan-Eisen-Peptonat  „Rieche"  mit  Arsen) 

hervorragend  wirksam,  leicht  vertrÀglich,  wohlschmeckend. 
Dr.  A.  Rieche  &  Co.,  O.  m.  b.  H.,  Bernbnxg. 


Industrie  u.  Handel  Nr.  35/36 

vom  15.  September  1922. 

Lindcar  Auto 

Aktien-Gesellschaft. 

Die  auf  14  %  festgesetzte  Dividende  gelangt  mit  Mark  140.— 
gegen  Einreichung  des  Dividendenscheins  fĂŒr  1921/22  in  Berlin 
bei  den  BankhÀusern 

Mertz  &  Co.,  Mohrenstr.  58/59, 
Back  &  Co.  Komm.-Ges.,  Unter  dt.i  Linden  16, 
in  Braunschweig  bei  dem  Bankhause  W.  Poppe, 
in  Hannover  bei  dem  Bankhause  James  Kayser 
zur  Auszahlung. 

Berlin,  den  29.  August  1922. 

Der  Vorstand: 
Allers.  Blumenthal. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Offener  Brief  von  Medicus  pater  an  Medicus 
filius  et  Medicus  gener. 

Von  Dr.  K.  D. 

Lieber  Sohn! 

Nachdem  ich  die  60  ĂŒberschritten  habe,  muß  ich  mich 
wohl  oder  ĂŒbel  zu  den  alten  Aerzten  rechnen.  FrĂŒher  hat 
man  ja  wohl  den  Plan  ernstlich  erwogen,  mit  Anfang  oder 
Mitte  60  sich  zu  einem  nicht  ganz  unverdienten  otium  cum 
dignitate  zurĂŒckzuziehen  —  nicht  zum  Faulenzen  oder  Grillen- 
fangen, sondern  zu  einer  selbstgewÀhlten  behaglicheren  TÀ- 
tigkeit. Bei  den  heutigen  wirtschaftlichen  VerhÀltnissen  sind 
derartige  PlĂ€ne  fĂŒr  mich  und  die  meisten  meiner  Altersge- 
nossen lÀngst  in  die  Region  der  schönen  TrÀume  zerflattert. 
Den  meisten  von  uns  wird  es  beschieden  sein,  in  den  Sielen 
zu  sterben. 

Da  Du  ja  nun  in  absehbarer  Zeit  den  Schritt  in  die  Àrzt- 
liche Praxis  tun  wirst,  zum  Teil  auch  schon  getan  hast,  sind 
Dir  vielleicht  so  einige  Gedanken  und  Betrachtungen  ernsten 
und  heiteren  Inhalts,  die  mir  auf  einsamen  PraxisgÀngen  im 
Lauf  der  Jahre  durch  den  Kopf  gegangen  sind,  nicht  ohne 
Wert.  Ueber  das  eine  und  andere  haben  wir  ja  auch  schon 
mĂŒndliche  Zwiesprache  gehalten.  Ich  will  dabei  nicht  in  den 
Fehler  verfallen,  der  dem  Alter  oft  eigen  sein  soll,  grundsÀtz- 
lich das  Alte  zu  Ungunsten  des  Neuen  zu  loben.  Wer  einiger- 
maßen sich  bemĂŒht  hat,  in  der  Medizin  auf  dem  Laufenden  zu 
bleiben,  kann  nur  mit  Bewunderung  und  Hochachtung  von 
dln  Fortschritten  und  Verbesserungen  sprechen,  die  sich  hier 
in  den  letzten  30 — 40  Jahren  auf  allen^  Gebieten  vollzogen 
haben.  Und  doch  kann  ich  mich  mit  einigen  allgemeineren 
Dingen  in  der  jungen  Aera  nicht  so  ganz  einverstanden  er- 
klÀren. 


Wir  sind  s.  Zt.  von  unseren  Lehrern  zur  schÀrfsten  Kri- 
tik und  Selbstkritik  erzogen  worden.  Ich  gebe  zu,  ein  Ueber- 
maß  an  stets  zweifelnder  Kritik  lĂ€hmt  die  Tatkraft,  es  fĂŒhrt 
zum  Nihilismus,  zum  untÀtigen  Gehenlassen  in  der  Therapie. 
Und  sie  ist  doch  der  vornehmste  und  wichtigste  Teil  aller 
Ă€rztlichen  TĂ€tigkeit.  Ein  warnendes  Beispiel  in  dieser  Bezie- 
hung ist  die  Wiener  Schule  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhun- 
derts. In  der  modernen  Medizin  scheint  mir  nun  aber  das 
zwischen  den  beiden  Extremen  schwingende  Pendel  in  ebenso 
bedenklicher  Weise  nach  der  anderen  Seite  auszuschlagen. 
Neue  Methoden,  neue  Heilverfahren  und  neue  Medikamente 
drĂ€ngen  und  ĂŒberstĂŒrzen  sich,  sie  werden  kritiklos  aufgenom- 
men und  auf  die  leidende  Menschheit  losgelassen.  Vieles  da- 
von verschwindet  wieder  nach  kurzer  Zeit,  einiges  Wenige 
verbleibt  als  dauernder  Gewinn.  Ob  dieser  Polypragmasie 
kommt  uns  Alten  wirklich  manchmal  das  Grausen  an.  Weni- 
ger wÀre  hier  sicher  oft  mehr.  Die  Vieltuerei  ist  das  Korrelat 
des  Mangels  an  Kritik,  so  wie  der  tatenlose  Nihilismus  das 
Korrelat  des  grundsÀtzlichen  Zweifels  ist.  Sollte  es  da  nicht 
einen  richtigen  Mittelweg  geben?  Eines  muß  ich  ja  zugeben: 
eine  scharfe  Kritik,  namentlich  Selbstkritik  macht  nicht  immer 
glĂŒcklich,  gelegentlich  sogar  recht  unglĂŒcklich.  Jeder,  der 
sie  ernstlich  ĂŒbt,  wird  mehr  wie  einmal  in  seinem  Ă€rztlichen 
Leben  die  Stunde  verfluchen,  in  der  er  auf  den  Gedanken  kam, 
diesen  Beruf  zu  wÀhlen,  diesen  Beruf,  an  dem  er  doch  mit 
allen  Fasern  seines  Seins  hĂ€ngt.  Statt  des  GlĂŒcksgefĂŒhls  ĂŒber 
erzielte  Erfolge  wird  ihm  höchstens  die  Genugtuung  bleiben, 
bei  allem  Tun  und  Lassen  scharf  mi  sich  ins  Gericht  gegan- 
gen zu  sein,  so  zeitlebens  ein  Lernender  und  ein  Strebender  ge- 
blieben zu  sein.  Jeder  hat  da  die  Wahl,  was  ihm  lieber  und 
letzten  Endes  innerlich  wertvoller  ist. 

Noch  einen  Punkt  kann  ich  nicht  bei  Seite  lassen.  Un- 
sere Kranken  werden  ja,  wenn  sie  es  nötig  haben,  mit  glÀnzen- 


SALIPYRIN 


Bei  allen 
ErkÀltungskrankheiten 


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seit  30  Jahren  mit  anerkanntem 
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tikum,  Analgetikum  und  Antineu- 
ralgikum,  bestens  empfohlen  in  der 
gynÀkologischen  Praxis,  bei  Men- 
struaiionsstörungen  usw.,  bewÀhrt 
bei  MigrÀne  und  Neuralgien,  be- 
sonders indiziert  aber  bei  allen 
ErkÀltungs-Krankheiten 
(Schnupfen  ,  Bronchial  -  Katarrh, 
Rheumatismus) ,   vor    allem  bei 

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suchsmengen  stehen  den  Herren 
Aerzten  kostenlos  zur  VerfĂŒgung. 


J.  D.  Riedel  A.-G.  Berlin. 


MI 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  59/40. 


der  Technik  operiert,  in  unseren  KrankenhÀusern,  Kuranstal- 
ten und  HeilbĂ€dern  stĂŒrmt  eine  Menge  teils  nĂŒtzlicher,  teils 
unnĂŒtzer  Heilfaktoren  auf  sie  ein.  Ich  kann  mich  aber  des 
Lindrucks  nicht  erwehren,  als  ob  dabei,  ich  möchte  sagen  vor 
'auter  Physik  und  Chemie,  die  Seele,  die  doch  nun  einmal  je- 
c'er  Mensch  hat,  zu  kurz  kÀme.  Leidet  denn  bei  jedem  körper- 
lich Leidenden  nicht  auch  seine  Seele  mit?  Dabei  ist  die 
Psyche  eines  Kranken  ein  so  zart  besaitetes  und  bei  Jedem 
wieder  anders  gestimrrtes  Saitenspiel,  daß  darauf  nicht  mit 
ungeschickten  Fingern,  mit  Fingern,  die  nur  physikalisch  und 
chemisch  orientiert  sind,  herumgeklimpert  werden  darf,  soll 
ni:ht  eine  ĂŒble  Verstimmung  die  Folge  sein.  Ich  fĂŒrchte,  in 
dieser  Kunst  des  psychologischen  EinfĂŒhlens,  das  noch  lange 
keine  weichliche  SentimentalitÀt  zu  sein  braucht,  waren  uns 
viele  alte  Aerzte  entschieden  ĂŒber.  Man  hat  sogar  schon  be- 
hauptet, daß  mancher  Kurpfuscher  darin  Besseres  leistet.  Daß 
damit  der  suggestiven  Ausbeutung  der  Unwissenheit  und 
LeichtglÀubigkeit  des  Publikums,  wie  sie  diese  Leute  hÀufig 
ĂŒben,  nicht  das  Wort  geredet  sein  soll,  versteht  sich  von  selbst. 
Man  wird  nun  einwenden:  wir  haben  ja  jetzt  die  Psychothe- 
rapie als  eigenes  Fach.  Bedauerlich  genug,  daß  wir  sie  als 
eigenes  Fach  brauchen.  Das  scheint  mir  doch  zu  beweisen, 
daß  sie  im  alltĂ€glichen  Verkehr  mit  den  Kranken  nicht  so  ge- 
pflegt wird,  wie  es  nötig  und  zweckmĂ€ĂŸig  wĂ€re.  Freilich  ist 
das  etwas,  was  man  zum  Wenigsten  in  Vorlesungen  und  Kur- 
sen lernen,  oder  aus  LehrbĂŒchern  studieren  kann.  Mindestens 
sind  dafĂŒr  die  ganze  Summe  der  teils  angeborenen,  teils  aner- 
zogenen Eigenschaften,  die  man  als  Takt  zu  bezeichnen  pflegt, 
und  eine  tĂŒchtige  Dosis  Menschenkenntnis  unerlĂ€ĂŸliche  Vor- 
bedingungen. Diese  bei  jedem  Kranken  zu  ĂŒbende  Psycho- 
therapie besteht  ja  nun  nicht  in  einzelnen  Verordnungen  und 
RatschlÀgen  wie  bei  der  rein  körperlichen  Behandlung,  son- 
dern sie  ist  die  Summe  unseres  ganzen  Wesens  und  Auftre- 
tens, unseres  Tuns  und  Lassens,  unserer  Mienen  und  GebÀr- 
den, der  von  uns  gesprochenen,  hÀufig  auch  der  nicht  gespro- 


Nach  Professor  Dr.  Heinz,  Erlangen. 
L##  Spezifisch  wirkendes,  die  Leberzellen  zu  verstÀrkter  Galle-  * 


‱  j 
‱i 

Proben  und  Literatur  zur  VerfĂŒgung.  fJ 
*  ‱  m  Ä  Dr.  I vo  Deiglmayr ,  Chem.  Fabr.  A.-G.     -  ‱  -  ' 


Produktion  anregendes  Cholagogum 
(Gegen  alle  Erkrankungen  der  Gallenwege). 
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chenen  Worte  und  gebrauchten  AusdrĂŒcke,  kurzum  es  ist  die 
ganze  Persönlichkeit.  Ich  habe  den  Eindruck,  als  ob  durch 
etwas  mehr  Haltung  und  WĂŒrde  da  mancher  Schaden  auf  see- 
lischem Gebiet  vermieden  werden  könnte.  Ist  es  denn  z.  B. 
notwendig,  daß  der  letzte  Hoffnungsschimmer  und  der  letzte 
Rest  von  Lebensmut  dem  Kranken  oder  seinen  Angehörigen 
geraubt  werden  muß,  nur  weil  der  Arzt  nicht  die  Selbstver- 
leugnung besitzt,  auf  den  Glorienschein  einer  feinen  Diagnose 
und  einer  totsicheren  Prognose  zu  verzichten?  Man  braucht 
doch  nicht  alles  zu  sagen,  was  man  denkt  und  erwÀgt.  Das 
laute  Denken  ist  nirgends  so  wenig  angebracht  wie  am  Kran- 
kenbett. Wenn  ich  vorhin  das  Wort  WĂŒrde  gebrauchte,  so 
meine  ich  damit  nicht,  daß  wir  wieder  zum  Rohrstock  mit  dem 
goldenen  Knopf  greifen  sollen.  Da  mußte  noch  die  Ă€ußere 
Gespreiztheit  und  Grandezza  die  innere  Leere  verdecken.  Wir 
pflegen  auch  nicht  mehr  unsere  Krankenbesuche  in  Gehrock 
und  Zylinder  zu  machen.  Ich  kann  es  aber  auch  nicht  schön 
finden,  wenn  man  als  vollendeter  Gent,  etwa  im  TennisÀnzug 
und  mit  einem  Armband  geschmĂŒckt  an  das  Lager  eines  Ster- 
benden tritt.  Ich  habe  das  einmal  miterlebt,  und  der  peinliche 
Eindruck  des  Kontrastes  ist  mir  unvergeßlich  geblieben.  In 
den  Mienen  der  Angehörigen  war  der  seelische  Schmerz  — 
nicht  bloß  ĂŒber  den  bevorstehenden  Verlust  —  deutlich  zu 
lesen. 

Die  richtige  psychisch-ethische  AtmosphÀre,  in  der  Arzt 
und  Kranker  mit  einander  atmen  sollen,  ist  durch  unsere  Sozi- 
alversicherung empfindlich  gestört  worden,  das  Kassenarztwe- 
sen mit  seiner  schlecht  entlohnten  Massenarbeit  hat  hier  ver- 
wĂŒstend gewirkt.  Mit  der  dem  Deutschen  nun  einmal  eige- 
nen Neigung  zu  doktrinÀrer  Uebertreibung  ist  auch  auf  die- 
sem Gebiet  gewirtschaftet  worden.  Immer  neue  Kreise  sollen 
dem  Versicherungszwang  unterworfen  werden,  ob  sie  wol- 
len oder  nicht.  Wohltat  wird  hier  Plage.  Wir  haben  uns 
ĂŒber  diese  Dinge  schon  mehrfach  unterhalten  und  Du  kennst 
meinen  Standpunkt,  der  ja  sicher  von  Vielen  fĂŒr  erzreaktionĂ€r 


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10.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XII 


angesehen  wird.  Ich  halte  unsere  Sozialversicherung  und  spe- 
ziell die  Krankenversicherung,  die  uns  Aerzte  ja  am  meisten 
angeht,  nicht  in  ihren  Grundgedanken,  aber  in  der  Art,  wie  sie 
Sich  allmĂ€hlich  ausgewachsen  hat,  fĂŒr  ein  UnglĂŒck  und  fĂŒr 
einen  Unfug.  Die  MĂ€nner,  welche  das  Krankenversicherungs- 
gesetz —  auch  das  Unfallversicherunj>sgesetz  —  gemacht  und 
ausgebaut  haben,  trieften  sicher  von  Wohlwollen  und  Huma- 
nitĂ€t gegenĂŒber  den  wirtschaftlich  Schwachen,  aber  Men- 
schenkenner waren  sie  nicht.  Ein  Grundfehler  der  Kranken- 
versicherung liegt  m.  E.  darin,  daß  die  Entlohnung  der  Ă€rzt- 
lichen Leistung  nicht  Sache  des  Versicherten  ist  oder  nicht 
mindestens  durch  seine  HÀnde  geht.  Nur  so  hÀtte  der  schÀd- 
lichen Ausbeutung  der  Krankenversicherung  durch  viele  Ver- 
sicherte und  —  leugnen  wir  es  nicht  —  auch  durch  manche 
Aerzte  wirksam  vorgebeugt  werden  können.  Die  Sozialver- 
sicherung in  ihrer  heutigen  Ueberspannung  gereicht  den  Ver- 
sicherten zum  ethischen  Schaden,  denn  sie  nimmt  ihnen  den 
letzten  Rest  von  SelbstverantwortungsgefĂŒhl.  Sie  ist  ein  Un- 
glĂŒck fĂŒr  den  Ă€rztlichen  Stand,  denn  sie  macht  ihn  persönlich 
und  wirtschaftlich  abhÀngig  und  unfrei.  Dabei  war  sonst 
die  UnabhÀngigkeit  unseres  Standes  sein  vornehmstes  und 
eifersĂŒchtig  gehĂŒtetes  Gut  —  sicher  nicht  zu  seinem  Schaden. 
Ich  habe  mich  immer  gewundert,  daß  sich  die  Aerzte  diesen 
ihren  wertvollsten  Besitz  so  allmĂ€hlich  StĂŒck  fĂŒr  StĂŒck  haben 
rauben  lassen.  Doch  genug  nun  von  diesen  unerfreulichen 
Dingen.  Zu  Àndern  sind  sie  ja  voraussichtlich  ohnedies  nicht 
mehr. 

Deine  seitherige  BerufstÀtigkeit  hat  Dich  ja  schon  im 
Krankenhaus  mit  den  verschiedensten  sozialen  Schichten  und 
Lebenslagen  zusammengefĂŒhrt.  Was  ist  es  doch  fĂŒr  eine 
bunte  und  wechselnde  Gesellschaft,  die  im  Lauf  der  Jahre  un- 
sere Sprechzimmer  passiert!  Was  spielt  sich  da  nicht  alles  ab 
an  Hoffnungen  und  Sorgen,  an  Heroismus  und  Feigheit,  an 
Edelmut  und  an  Niedertracht!  Kurz  es  ist  die  ganze  Klavia- 
tur menschlicher  guter  und  schlechter  Charaktereigenschaften, 


die  an  uns  in  buntem  Wechsel  vorĂŒberzieht.  FĂŒr  Jeden,  dei 
dafĂŒr  Interesse  hat,  reiche  Gelegenheit  zum  Studium  an  der 
Spezies  homo  sapiens,  wobei  ich  vom  rein  Àrztlichen  Teil  ganz 
absehe.  Wie  oft  werden  wir  angelogen  und  getÀuscht,  gib!  es 
doch  nicht  wenig  Menschen,  die  eine  Unwahrheit  dem  Arzt 
gegenĂŒber  fĂŒr  ebenso  erlaubt  halten,  wie  gegenĂŒber  der  Steuer- 
oder Zollbehörde.  Besonders  bezĂŒglich  Aeußerungen,  die 
uns  als  angeblich  von  Kollegen  stammend  berichtet  werden, 
kann  man  nicht  vorsichtig  und  mißtrauisch  genug  sein.  Sie 
sind  oft  falsch  verstanden,  oft  tendenziös  umgefÀrbt.  Wie  oft 
werden  wir  gelÀstert,  wo  wir  Dank  verdient  hÀtten.  Wie  oft 
werden  wir  mit  Dank  ĂŒberschĂŒttet,  wo  wir  genau  wissen, 
daß  unser  Verdienst  minimal  war. 

Patienten  mosaischen  Glaubens  sind  ja  wegen  ihrer 
Dankbarkeit  fĂŒr  Ă€rztliche  Leistungen  bekannt  und  geschĂ€tzt. 
Ich  erinnere  mich  eines  alten  Juden,  es  war  ein  schöner  Pa- 
triarchenkopf inmitten  einer  ungewöhnlich  schmutzigen  Um- 
gebung, den  ich  eines  Nachts  beim  unsicheren  Schein  einer 
qualmenden  Oelfunzel  durch  Reposition  eines  Mastdarmvor- 
falles von  einem  peinlichen  Zustand  befreite.  WĂ€hrend  ich 
noch  mit  dieser  anmutigen  Verrichtung  beschÀftigt  neben 
seinem  Bett  kniete,  legte  er  mir  die  Hand  aufs  Haupt  und 
flehte  den  Segen  Jahves  und  etlicher  ErzvÀter  auf  mich  herab. 
Es  muß  ein  gelungenes  Bild  gewesen  sein.  Ein  anderer  jĂŒdi- 
scher Herr  orthodoxer  Richtung,  ein  gelehrter  Kenner  des 
HebrÀischen  und  des  Talmuds,  glaubte  mir  sein  besonderes 
Vertrauen  nicht  besser  aussprechen  zu  können  als  mit  der  Ver- 
sicherung, daß  er  bereit  sei,  Schweinefleisch  zu  essen,  falls  es 
ihm  von  mir  verordnet  wĂŒrde.  Der  Schlauberger  wußte  na- 
tĂŒrlich ganz  gut,  daß  fĂŒr  mich  schwerlich  Veranlassung  vor- 
liegen werde,  ihn  einem  derartigen  schweren  Gewissenskon- 
flikt auszusetzen.  Es  ist  ein  StĂŒckchen  Kinderstubenpoesie, 
wenn  der  „liebe  Onkel  Doktor"  gelegentlich  von  einem  dank- 
baren kleinen  Patienten  einen  Kuß  erwischt.  Man  wird  ĂŒbri- 
gens mit  der  Zeit  gegen  ĂŒberschwengliche  Dankesbezeugun- 


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ĂŒ 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  39/40. 


gen  etwas  kĂŒhler.  Es  gibt  nĂ€mlich  Menschen,  welche  glau- 
ben, damit  ihrer  Erkenntlichkeit  fĂŒr  Ă€rztliche  Hilfe  allein  und 
ausreichend  GenĂŒge  getan  zu  haben.  Von  frenudlichen  Wor- 
ten können  wir  aber  leider  nicht  leben. 

Die  Grundlage  ersprießlichen  Ă€rztlichen  Wirkens  ist  be- 
kanntlich persönliches  Vertrauen.  Durch  nichts  wird  dies  so 
rasch  und  so  sicher  zerstört  wie  durch  wirkliche  oder  schein- 
bare GleichgĂŒltigkeit  seitens  des  Arztes.  Jeder  Kranke  ist 
mehr  oder  weniger  Egoist  oder  egozentrisch  orientiert.  Seine 
eigene  werte  Person,  gerade  seine  großen  oder  kleinen  Lei- 
den erscheinen  ihm  als  das  Wichtigste  und  Interessanteste. 
Eine  falsche  Diagnose,  ein  Mißgriff  oder  ein  Mißerfolg  in  der 
Therapie  wird  uns  eher  nachgesehen  wie  Mangel  an  Interesse. 
Selbst  grob  oder  heftig  aufgebracht  darf  der  Arzt  gelegentlich  - 
sein  —  Notabene,  wenn  er  Grund  dazu  hat.  Mir  ist  auch  an- 
gesichts groben  Unverstandes  oder  bösen  Willens  ab  und  zu 
der  Gaul  durchgegangen,  so  daß  ich  mich  spĂ€ter  wegen  mei- 
ner Heftigkeit  glaubte  entschuldigen  zu  mĂŒssen.  Mehr  wie 
einmal  sagte  ich  mir:  den  Patienten  hast  du  gesehen,  der 
kommt  nicht  wieder.  Zu  meinem  Erstaunen  waren  also  Ange- 
blasene nicht  selten  von  besonderer  AnhĂ€nglichkeit.  Sie  mĂŒs- 
sen doch  wohl  das  GefĂŒhl  gehabt  haben,  daß  man  in  ihrer 
Sache  mit  besonderem  Eifer  ins  Zeug  gegangen  war. 

Die  Behandlung  erkrankter  Kollegen  ist  ein  eigenes  und 
manchmal  recht  schwieriges  Kapitel.  Der  kranke  Arzt  ist  hÀu- 
fig der  merkwĂŒrdigen  Vorstellung,  daß.  eine  Krankheit  bei 
ihm,  eben  weil  er  Arzt  ist  —  die  Logik  dieses  Gedankenzu- 
sammenhanges ist  allerdings  dunkel  —  eine  Art  Ausnahme 
von  der  Regel  machen  mĂŒsse,  daß  sie  insbesondere  bei  ihm 
rascher  und  leichter  verlaufen  mĂŒsse  wie  bei  anderen  Men- 
schen. Es  fehlt  ihm  hÀufig  das,  was  er  selbst  von  seinen  Pa- 
tienten verlangt,  nĂ€mlich  Geduld  und  Ausdauer.  Daß  das  die 
Situation  fĂŒr  den  ihn  beratenden  und  behandelnden  Kollegen 
wesentlich  erschwert,  liegt  wohl  auf  der  Hand.  Es  sind  FĂ€lle 
genug  bekannt,  wo  Aerzte  ihren  eigenen  Zustand  mit  unerbitt- 


licher SchÀrfe  und  Logik  erkannten  und  beurteilten.  Anderer- 
seits ist  mir  aber  doch  auch  aufgefallen,  daß  Aerzte  manch- 
mal Dinge,  die  mit  HĂ€nden  zu  greifen  sind,  an  sich  selbst 
gÀnzlich  verkennen  oder  unrichtig  bewerten.  Unter  UmstÀn- 
den liegt  hier  ein  barmherziges  Walten  der  Natur  vor.  Im 
allgemeinen  kann  man  sagen:  die  Diagnosen,  die  wir  an  uns 
selbst  oder  an  unseren  nÀchsten  Angehörigen  stellen,  sind 
nicht  unsere  besten.  Daher  auch  die  Gewohnheit  vieler  Aerzte, 
sobald  es  sich  um  etwas  Ernsteres  handelt,  den  Rat  und  die 
Hilfe  eines  Kollegen  einzuholen.  Bei  erkrankten  Chirurgen 
und  GynĂ€kologen  ist  mir  mehrfach  ein  kindlich-rĂŒhrender 
Glaube  an  Arzneimittel  und  deren  Wirkung  aufgefallen.  Man 
hat  ja  manchmal  vor  Dingen,  von  denen  man  wenig  versteht, 
einen  ganz  besonderen  Respekt.  Dem  Internisten  mag  es  mit 
rein  operativen  Maßnahmen  ebenso  gehen.       (Schluß  folgt.) 

Aerztlicher  Beruf. 

Manch  guter  Freund  hat  mir  sein  Leid  geklagt, 
Daß  sein  Beruf  der  schwerste  sei  von  allen; 
Der  meine  mĂŒsse  jedem  Wohlgefallen, 
.    Der  nach  dem  ethischen  Gehalte  fragt. 

Und  wenn  ich  schwieg,  hat  er  wohl  noch  gesagt: 
Gibts  Schön'res,  als  die  Mutter  aus  den  Krallen 
Des  Todes  retten,  dem  sie  war'  verfallen, 
Wenn  Du  den  kĂŒhnen  Eingriff  nicht  gewagt? 
Als  ich  noch  jung  war,  hab'  ich 's  auch  gedacht 
Und  achte  den  Beruf  noch  hoch  genug, 
Um  keinem  andern  höheren  Rang  zu  gönnen; 
Doch  was  das  Herz  mir  immer  schwerer  macht: 
Dem  Segen  eng  verbunden  ist  der  Fluch, 
Gern  helfen  wollen  und  nicht  helfen  können. 
Warstade  b.  Basheck.  H.  Boing. 

Unserer  heutigen  Nummer  liegt  ein  Prospekt  der  Chemisch- 
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40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Die  Augen  der  Hexen,  Zauberer  und  DĂ€monen 

Von  Dr.  S.  Selig  m  a  n  n,  Augenarzt,  Hamburg. 

Nach  einer  weit  verbreiteten  Volksansicht  ist  das  Auge 
Sitz  und  Ausgangspforte  der  Seele.  Als  Beweis  dafĂŒr  wer- 
den die  glÀnzende  HornhautoberflÀche,  das  Augenleuchten 
und  vor  allen  Dingen  das  rĂ€tselhafte  PĂŒppchgn  im  Auge  be- 
trachtet. Tritt  nun  in  der  Seele  des  Menschen  eine  nennens- 
werte VerÀnderung  ein,  so  dokumentiert  sich  diese  hÀufig 
auch  in  einer  VerÀnderung  des  Aussehens  des  Seelensitz- 
organes,  des  Auges.  Namentlich  ist  es  eine  Kategorie  von 
Wesen,  die  eine  besonders  geartete  Seele  —  teils  angeboren, 
teils  erworben  —  besitzen:  das  sind  die  Hexen,  Zauberer  und 
bösen  Geister.  Ihre  Seele,  ihre  GemĂŒtsart  ist  gewöhnlich 
schlecht  und  böse,  sie  sind  befÀhigt,  jeden  Schadenzauber, 
namentlich  den  bösen  Blick,*)  auszuĂŒben,  und  diese  Zauber- 
kraft verrÀt  sich  dem  aufmerksamen  Beobachter  schon  durch 
ein  besonderes  Aussehen  ihrer  Augen. 

Bei  den  EnglÀndern  und  Italienern,  den  Slaven  und  Ma- 
konde  in  Ostafrika  gelten  große,  hervorstehende  Glotz- 
augen als  Zeichen  des  bösen  Blickes,  bei  den  Deutschen, 
Franzosen,  Arabern  und  Marokkanern  sind  es  dagegen 
kleine,  hohle,  tiefliegende  Augen.  Auch  Augen  von  ver- 
schiedener GrĂ¶ĂŸe  werden  als  mit  dem  bösen  Blick  be- 
haftet angesehen.  Derartige  Augen  spielten  auch  in  der 
mittelalterlichen  „Augendiagnose"  eine  große  Rolle  und 
zeigten  unter  anderem  einen  bösen,  neidischen  und  Hexen- 
kĂŒnsten ergebenen  Menschen  an. 


*)  Vgl.  den  Artikel  „Die  Zauberkraft  des  Auges"  in  Nr.  2  u.  3 
dieser  Zeitschrift. 


Der  Verlust  eines  Auges  bedingt  gewöhnlich  den  bösen 
Blick,  deshalb  sind  alle  EinĂ€ugigen  gefĂŒrchtel  und 
solche,  die  ein  Glasauge  tragen.  Nach  Naphthali 
Katz,  einem  Talmudgelehrten,  ist  es  notwendig,  daß  ein 
Auge  geschlossen  ist,  wenn  man  jemanden  mit  dem  hosen 
Blick  treffen  will:  So  lange  beide  Augen  offen  sind,  ist  der 
Mensch  ein  Ebenbild  Gottes  und  kann  daher  kein  Böses  tun; 
aber  wenn  er  ein  Auge  schließt,  gleich  er  den  bösen  ein- 
Ă€ugigen DĂ€monen  und  ist  imstande,  durch  seinen  Blick 
Böses  zu  tun. 

Der  einÀugige  Riese  wird  in  allen  MÀrchen  und  Sagen 
als  Bösewicht  hingestellt.  Der  bulgarische  Krankheitsgeist 
b  o  1  e  s  t  s  c  h  i  z  a,  der  Pest  oder  Cholera  bringt,  hat  nur  e  i  n 
Auge.  In  Indien  gilt  der  UnglĂŒckliche,  der  den  Verlust  eines 
Auges  zu  beklagen  hat,  "sprichwörtlich  als  Schurke.  Ein- 
Ă€ugig sind  die  Elben  und  Truden  der  germanischen 
Mythologie,  ebenso  die  armenischen  A  1  e  n  oder  Nachtbösen, 
die  den  Wöchnerinnen  nachstellen.  In  der  Nordschweiz 
können  einÀugige  Frauen  den  Pflanzen  schaden;  denn  es 
heißt  da,  wenn  eine  solche  dem  Stecken  von  Kartoffeln  zu- 
sehe, so  wĂŒrden  sie  ungenießbar.  Ein  venetianisches  Sprich- 
wort lautet:  „BehĂŒte  uns  der  Himmel  vor  denen  mit  rotem 
Bart,  vor  dem  Wurm  im  Fenchel  und  vor  denen,  die  nur  ein 
Auge  haben".  EinÀugigkeit  ist  auch  auf  Sardinien  ein 
Zeichen  des  bösen  Blickes.  In  Andalusien  muß  man  nĂŒchtern 
den  Blick  eines  EinÀugigen  vermeiden,  denn  er  wirkt  schÀd- 
lich. EinÀugige  und  Leute  mit  Glasaugen  haben  in  ganz 
Spanien  den  bösen  Blick;  desgleichen  in  Marokko,  Algier  und 
bei  den  StĂ€mmen  der  Sahara.  In  Arabia  Petraea  heißt  es: 
„BehĂŒte  Gott  vor  dem  Omen  eines  EinĂ€ugigen".  Man  sagt 
auch  hier  ebenso  wie  in  Kairo:  „Wenn  du  einem  EinĂ€ugigen 


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Jenseits  von  Beruf  nnd  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


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Schutzmittel  gegen  den  bösen  Blick. 


denn  dieses  gilt  als 
Wenn  ein  Suaheli  auf 
Reisen  gehen  will  oder  auf  seine  Pflanzung  oder  zum  Inder, 
um  etwas  zu  borgen,  und  er  trifft  einen  EinÀugigen,  so  sagt 
er  sich:  „Meine  Reise  wird  ĂŒbel  verlaufen,  denn  das  ist  ein 
böses  Omen".  In  diesem  Falle  kehrt  er  gewöhnlich  sofort 
wieder  um. 

Bote,  entzĂŒndete  und  blutunterlaufene 
Augen  und  Augenlider  sind  immer  eins  der  wichtigsten 
Merkmale  von  besonders  unsympathischen,  grausamen  und 
bösartigen  Menschen  gewesen.  Die  schlimmen  Heiden  und 
Biesen  werden  stets  rotÀugig  gedacht.  Blutige  Augen  werden 
der  Erinnye  Megaera  wie  allen  Erinnyen  beigelegt.  Blut- 
rote Augen  sind  ein  Symbol  des  Schreckens  und  des  Todes; 
deshalb  haben  auch  die  Gottheiten  des  Krieges  solche  Augen. 
Der  indische  Gott  der  Unterwelt  und  Bichter  der  Toten 
Y  a  m  a  wird  ebenso  wie  die  Göttin  des  Siva,  die  schreckliche 
blutdĂŒrstige  Kali  mit  roten  Augen  dargestellt.  Bote  Augen 
hat  auch  der  mit  dem  bösen  Blick  behaftete  buddhistische 
DÀmon  Ayimaha-yakseya.  Er  hÀlt  sich  an  den 
TĂŒren  und  Ecken  der  HĂ€user  auf,  immer  auf  der  Suche 
nach  Essen.  Wenn  er  jemanden  ĂŒberrascht,  der  ein  Gericht 
ißt,  das  er  selbst  gern  haben  möchte,  und  auf  welches  er 
einen  Blick  hat  werfen  können,  so  wird  der  Betreffende  un- 
wohl werden  und  sich  den  Magen  verderben.  Die  Scha- 
manen haben  meist  stiere,  blutrĂŒnstige  Augen.  Auch  die 
Augen  der  spanischen  Zahuris,  von  denen  D  e  1  r  i  o  er- 
zĂ€hlt, daß  sie  alle  unter  der  Erde  verborgenen  Dinge  sĂ€hen, 
sind  auffallend  gerötet.  Von  den  bösblickenden  roten  Augen 
sprach  schon  der  römische  Satiriker  Persius;  und  am 
Ende  des  11.  Jahrhunderts  eiferte  der  französische  Theologe 
Radulphus  Ardens  gegen  diejenigen,  die  behaupteten, 
daß  man  mit  solchen  Augen  faszinieren  könne. 

Derartige  rote  Augen  sind  hÀufig  die  Folgen  einer  mit 
Eiterabsonderung  verbundenen  Augenerkrankung,  meist  an- 
steckender Bindehautkatarrh  und  Ă€gyptische  AugenentzĂŒn- 


dung. Schon  im  Altertum  hatte  man  die  richtige  Beobach- 
tung gemacht,  daß  derartige  AugenentzĂŒndungen  „Trief- 
augen" auf  andere  gesunde  Augen  ansteckend  wirkten.  Aber 
da  man  den  wahren  Grund  dieser  Ansteckung  nicht  kannte, 
geriet  man  auf  die  Vermutimg,  daß  von  dem  kranken  Auge 
gewisse  Strahlen  ausgingen,  die  die  umgebende  Luft  durch- 
dringen und  das  gesunde  Auge  eines  anderen  infizieren  könn- 
ten. „Unter  allen  Arten  von  Krankheiten",  sagt  P lu t  a r c  h, 
„steckt  keine  leichter  und  geschwinder  die  in  der  NĂ€he  be- 
findlichen Personen  an,  als  das  Augenweh;  so  groß  und 
schnellwirkend  ist  die  Kraft  des  Gesichtes,  manches  Uebel 
zu  verbreiten  und  auf  andere  zu  ĂŒbertragen".  Und  Helio- 
d  o  r  sagt:  „Wie  viele  erhalten  kranke  Augen  allein  aus  dem 
Ansehen,  wenn  sie  andere  schlimme  Augen  sehen?"  Aehn- 
lich  Ă€ußert  sich  Alexander  Aphrodisiensis,  und 
Ovid  drĂŒckt  dieses  durch  die  Verse  aus: 

Dum  spectant  oculi  laesos,  laedunlur  et  ipsi. 

Multaque  corporibus  transitione  nocent. 
(Krank  werden  die  Augen  selbst,  die  kranke  erblicken, 
Manches  Uebel  schon  teilt  so  sich  von  anderen  nur  mit.) 

Diese  Ansicht  wurde  in  allen  Abhandlungen  des  Alter- 
tums und  Mittelalters  ĂŒber  die  Faszination  angefĂŒhrt  und 
als  eine  HauptstĂŒtze  und  Beweis  fĂŒr  die  Existenz  des  hösen 
Blickes  betrachtet.    „Wer  an  TriefĂ€ugigkeit   leidet",  sagte 
Fracastor  im  15.  Jahrhundert,  „pflegt  alle  diejenigen  an- 
zustecken,  die   ihn    anblicken",    Àhnlich   F  i  c  i  n  u  s  und 
Delrio    im    15.  und    16.    Jahrhundert.  Gockelius 
Ă€ußerte  im  17.  Jahrhundert  noch  die  Ansicht:  „Wenn  ein] 
Gesunder  einem  trieffaugenden  Menschen  starr  in  die  Angeni 
siehet,  so  werden  ihm  auch  die  Augen  ĂŒherlauffen;  dann  im 
dem  gantzen  Leib  des  Menschen  kein  Organum  gefunden 
ward,  darinnen  so  viel  Spiritus  seyen,  aus  welchem  der  her-- 
ausschlagende  Geist  eines  andern  Aug  so  stark  afficiren  und« 
bewegen  könnte,  als  der  Augapffel". 

Gramer  (1787),  der  diese  Ansteckung  auf  Sympathie 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


XI 


zurĂŒckfĂŒhrt,  macht  infolgedessen  eine  kleine  EinschrĂ€nkung, 
indem  er  annimmt,  daß  nur  Personen  mit  schwachen  Augen 
in  Mitleidenschaft  gezogen  werden,  wenn  sie  die  rotentzĂŒn- 
deten und  triefenden  Augen  eines  anderen  ansehen.  Aus 
dem  Leben  Petrarcas  wird  erzĂ€hlt,  daß  seine  Laura  einst 
heftig  an  den  Augen  gelitten  habe.  Einst  heftete  er  seine 
Augen  auf  die  der  Geliebten,  da  schoß  plötzlich  ein  unsicht- 
barer Pfeil  aus  ihrem  rechten  Auge  und  traf  das  seine, 
welches  sich  entzĂŒndete  und  schwach  wurde. 

Ein  altes  deutsches  Sprichwort  sagt:  „Ein  böss  aug  ver- 
derbt das  ander",  ein  spanisches:  „Wer  böse  Augen  ansieht, 
dem  hÀngen  sie  ihre  Krankheit  an",  und  ein  hollÀndisches: 

Die  leepe  ooghen  langh  beziet, 
die  leepheyd  oock  in  zijne  schiet. 
(Triefende  Augen  besehen  lang, 
HÀngen  einem  auch  die  TriefÀugigkeit  an.) 

Im  Reiche  des  Mikado  dagegen  hat  man  keine  Angst, 
einen  Augenkranken  anzusehen;  im  Gegenteil:  man  schĂŒtzt 
sich  in  Japan  gegen  ansteckende  Augenkrankheiten  dadurch, 
daß  man  einen  solchen  Augenkranken  möglichst  starr  und 
fest  anblickt. 

Aus  dem  ursprĂŒnglichen  Glauben  an  die  Uebertragbar- 
keit  der  AugenentzĂŒndung  vermittelst  des  Blickes  hat  sich 
im  Mittelalter  die  Ansicht  gebildet,  daß  rote  und  entzĂŒndete 
Augenlider  Zeichen  des  bösen  Blickes  wĂ€ren,  und  daß  jede 
alte  Frau  mit  roten  Augen  eine  Hexe  sei.  Noch  heute  glaubt 
das  Volk  dieses  in  ganz  Deutschland,  bei  den  Wenden,  in 
JĂŒtland,  Tirol.  In  den  Dörfern  der  Umgegend  von  Bassum 
bei  Bremen  herrscht  der  Glaube,  daß  sich  in  jedem  derselben 
eine  Hexe  mit  „thranigen"  Augen  befindet,  die  Menschen  und 
Vieh  durch  ihren  Anblick  behext;  infolgedessen  entstehen 
Krankheiten,  welche  von  einem  anderen  Weibe  durch  Be- 
sprechung geheilt  werden  können.  Wenn  man  in  Masuren 
von  jemandem  angeblickt  wird,  der  kranke  Augen  hat,  dann 
wird  man  behext.    Im  Departement  Deux-Sevres  sagt  man: 


„Rote  Augen  wie  eine  Hexe  haben".  Auf  Hawai  hat  man 
UnglĂŒck  zu  befĂŒrchten,  wenn  man  jemanden  trifft,  dessen 
Augen  krank  oder  entzĂŒndet  sind.  Bei  den  Makonde  sind 
rote  Augen  Kennzeichen  des  bösen  Blickes,  bei  den  Chinesen 
kranke  Augen.  Bei  den  Tjams  und  bei  zahlreichen  anderen 
primitiven  Völkern  gelten  alle  Leute  mit  geröteten  Augen  — 
ein  Leiden,  das  infolge  der  dumpfigen  und  raucherfĂŒllten 
HĂŒtten  nicht  sehr  selten  ist  —  als  Zauberer;  sie  sind  nie 
ihres  Lebens  sicher,  denn  sie  können  jederzeit  als  Urheber 
irgendeines  UnglĂŒcksfalles  zur  Verantwortung  gezogen 
werden. 

Wer  eine  Funktionsstörung  eines  den  Augapfel  zur  Seite 
ziehenden  Augenmuskels  hat,  wer  also  schielt,  der  ist  des 
bösen,  neidischen  Blickes  verdÀchtig;  daher  wurde  in  der 
Ă€lteren  Anatomie  der  Musculus  oculi  abducens  „ScheelsĂŒch- 
tiger, Neider  oder  Neidhammel"  genannt.  Das  ursprĂŒng- 
liche Wort  fĂŒr  „schielend"  war  „scheel",  und  ein  „Scheel - 
sĂŒchtiger"  ist  daher  ein  Mensch,  der  schief  oder  schielend 
siebt,  und  zu  gleicher  Zeit  ein  solcher,  der  seinen  Nachbarn 
mit  scheelen,  d.  h.  mit  neidischen,  mißgĂŒnstigen  Augen  an- 
sieht. Wer  schielt,  darf  in  Mecklenburg  beim  Buttern  nicht 
zugegen  sein,  sonst  bekommt  man  keine  Butter.  Den  bösen 
Blick  haben  die  Schielenden  in  Steiermark,  Italien,  Sar- 
dinien, Frankreich,  Spanien,  bei  den  englischen  Zigeunern, 
in  Bosnien  und  der  Herzegowina.  „Richte  deinen  Blick  nicht 
auf  den  Schielenden,  er  könnte  dir  den  bösen  Blick  geben", 
sagen  die  TĂŒrken.  Begegnet  der  Amerikaner  einem  Schielen- 
den, so  spuckt  er  schnell  aus,  um  das  drohende  Unheil  da- 
durch abzuwenden.  Wenn  in  England  ein  Schielender 
jemanden  anblickt,  so  wird  dieser  den  ganzen  Tag  UnglĂŒck 
haben.  Die  Esthen  kennen  einen  Waldgeist,  auch  k~wer- 
silm  (Schielauge)  genannt.  Er  zeigt  sich  bisweilen  als 
schreckende  Erscheinung,  meistens  als  rufende  Stimme 
(Echo),  welche  den  Wanderer  im  Walde  irre  zu  fĂŒhren 
sucht.  Viele  indische  VölkerstĂ€mme  glauben,  daß  schielende 
Leute  den  bösen  Blick  haben. 


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XII 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


Eine  andere  Form  der  Bewegungsstörung,  die  den  bösen 
Blick  charakterisiert,  ist  das  Zittern  der  Augen. 
Plinius,  Gellius,  Solinus  erzÀhlen,  auf  das  Zeugnis 
des  Isigonus,  Apollonides,  Phylarchus  und 
Cicero  gestĂŒtzt,  von  den  ZauberkĂŒnsten  der  Triballer, 
Illyrier,  Thibier  und  von  scythischen,  B  i  t  h  y  a  e  genannten 
Weibern,  daß  sie  „in  altero  oculo  geminam  pupillam,  in 
altero  equi  effigiem"  hĂ€tten.  Diese  Stelle  ist  vielfach  miß- 
verstanden und  falsch  ĂŒbersetzt  worden.  Wörtlich  heißt  es: 
„daß  sie  in  dem  einen  Auge  zwei  Pupillen,  in  dem  anderen 
das  Bild  eines  Pferdes  hÀtten". 

Betrachten  wir  zuerst  den  zweiten  Teil  des  Satzes,  „das 
Bild  eines  Pferdes".  Plinius  nimmt  dieses  ganz  buch- 
stĂ€blich und  glaubt  wirklich,  daß  sich  in  manchen  Augen 
derartige  Pferdebilder  zeigen,  die  DĂ€monographen  des  Mittel- 
alters nahmen  dies  ohne  weiteres  fĂŒr  richtig  an,  und  selbst 
ganz  moderne  Schriftsteller  tragen  kein  Bedenken,  den  Satz 
des  Plinius  wörtlich  wiederzugeben.  Ein  Autor  schreibt 
den  Namen  der  Krankheit  einem  Pferde-gestaltigen  DĂ€mon 
zu,  und  ein  anderer  glaubt,  daß  die  PĂŒppchen-Seele  im  Auge 
der  von  Plinius  erwÀhnten  Völker  die  Gestalt  eines  Pfer- 
des gehabt  habe,  weil  man  glaubte,  daß  die  dortigen  Zau- 
berer sich  in  Pferde  verwandeln  konnten. 

Aber  alle  diese  ErklÀrungen  treffen  nicht  das  Richtige. 
Es  handelt  sich  nicht  um  ein  richtiges  Pferdebild  im  Auge, 
sondern  um  eine  Krankheit,  die  die  Griechen  „hippos",  d.  h. 
„Pferdchen"  nannten,  unter  der  die  alten  Aerzte  H  i  p  p  o- 
krates  und  Galen  das  verstanden,  was  die  heutigen 
AugenĂ€rzte  „Nystagmus"  nennen,  nĂ€mlich  ein  unruhiges, 
schnelles  und  stetiges  Zittern  der  Augen.  Nach  Hirsch- 
b  e  r  g  heißt  es  in  einem  unechten  Buch  der  Galen  sehen 
Sammlung:  „Das  Pferdchen  ist  ein  angeborener  Zustand,  bei 
dem  die  Augen  in  steter  Unruhe  und  Bewegung  sind,  da  sie 
eine  Bewegung  erleiden,  die  in  unablÀssigem  Zucken  oder 
Zittern  besteht.  Diesen  Zustand  hat  Hippokrates 
Pferdchen  genannt.    Es  ist  ein  Leiden  des  Muskels,  der  das 


Auge  festhĂ€lt,  und  die  Basis  des  Sehorgans  umhĂŒllt."  In 
den  echten  Schriften  des  Galen  wird  zweimal  dieses  Zu- 
standes  gedacht:  „Das  ZĂ€hneknirschen  (das  Hippokrates  er- 
wÀhnt), ist  Àhnlich  dem  Augenleiden,  das  einige  befÀllt 
und  das  man  Pferdchen  nennt,  wobei  die  Augen  nicht  einen 
Augenblick  ruhig  bleiben  können,  sondern  immer  in  Zitter- 
bewegung hin  und  her  schwanken"  —  und  ferner:  „Denn 
unstÀt  sind  sie,  Àhnlich  jenen,  die  das  sogenannte  Pferdchen 
haben,  so  daß  sie  nicht  ruhig  blicken  können". 

Diese  ĂŒbertragene  Bedeutung  des  Wortes  hĂ€ngt  offenbar 
damit  zusammen,  daß  es  Pferde  gibt,  die  niemals  die  Beine 
ruhig  halten.  Bei  den  Makonde  in  Afrika  gelten  noch  heute 
Augen,  die  nicht  stille  stehen,  als  Zeichen  des  bösen  Blickes. 

Wenden  wir  uns  jetzt  dem  ersten  Teil  des  Satzes  des 
Plinius  zu,  der  doppelten  Pupille.  Dieses  merk- 
wĂŒrdige Augensymptom  hat  seit  dem  Altertum  in  der  Magie 
eine  große  Rolle  gespielt.  Bei  P  1  i  n  i  u  s  ist  es  fĂŒr  den  bösen 
Blick  charakteristisch.   O  v  i  d  sagt  von  der  Zauberin  Dipsa: 

„. . .  Oculisquoque  pupilla  duplex 

Fulminat,  et  geminum  lumen  in  orbe  manet." 

Nysia,  die  Frau  des  Kaudaules  hatte,  wie  wir  bereits 

gesehen  haben*),  eine  doppelte  Pupille  und  zugleich  ein 
Ă€ußerst  scharfes  Gesicht.  Die  Hexenrichter  des  Mittelalters 
fahndeten  nach  diesem  verdÀchtigen  Zeichen,  und  die  alten 
Augendiagnostiker  bezeichneten  es  als  todbringend.  In  einem 
serbischen  Lied  wird  von  einem  Manne  erzÀhlt,  der  zwei 
Pupillen  hatte  und  der  die  teuflische  Macht  besaß,  alle  die- 
jenigen zu  bezaubern,  die  er  starr  ansah;  nach  einem  anderen 
Liede  wird  eine  Frau  von  Schrecken  ergriffen  und  stirbt,  als 
sie  entdeckt,  daß  ihr  Geliebter  zwei  Pupillen  hat.  Auch  in 
China  existiert  der  Glaube  an  die  doppelte  Pupille;  nur  be- 
deutet sie  hier  nichts  Schlechtes,  sondern  im  Gegenteil  etwas 
Gutes.    Der  Pater  Martinus  Martini  erzĂ€hlt,  daß  der 


*)  s.  Fortschritte  der  Medizin.  Nr.  2. 


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Jenseits  von  Beruf  and  Amt 


XIII 


treffliche  kluge  König  Xunus  (Slmn,  2255—2205)  in  jedem 
Äuge  eine  doppelte  Pupille  gehabt  habe.  Er  selbst  hĂ€lt  dieses 
fĂŒr  gar  nichts  Besonderes,  da  er  selbsl  einen  chinesischen 
Knaben  gesehen  habe,  in  dessen  rechtem  Auge  eine  doppelte 
Pupille  vorhanden  gewesen  sei. 

Welche  Bewandtnis  es  mit  dieser  doppelten  Pupille  aber 
eigentlich  gehabt  hat,  geht  nirgends  hervor.    Der  Ausdruck 


an  sich  besagt, 


daß 


zwei  Löcher  in  der  Regenbogenhaut  des 


Auges  vorhanden  sind;  hieran  hat  Ovid'in  seinen  oben 
zitierten  Versen  gedacht,  und  ein  doppeltes  Sehloch  wird 
auch  ohne  weiteres  von  den  meisten  modernen  Philologen 
angenommen.  Ich  habe  nun  in  meiner  „Zauberkraft  des 
Auges"  ausfĂŒhrlich  auseinandergesetzt,  daß  auch  diese  Auf- 
fassung —  ebenso  wie  das  Pferdchen  —  auf  einem  Mißver- 
stĂ€ndnis beruht,  daß  von  zwei  Irislöchern  ebensowenig  die 
Hede  sein  kann,  wie  von  den  ganz  fabelhaften  zwei  Aug- 
Ă€pfeln in  der  Augenhöhle,  sondern  daß  wir  es  mit  Individuen 
zu  tun  haben,  die  die  Griechen  „Dikoroi"  nannten,  das  sind 
Menschen,  deren  eines  Auge  eine  von  dem  anderen  Auge  ab- 
weichende Farbe  hatte.  Thamyris,  der  homerische 
SĂ€nger  der  Edonen  in  Thracjen,  soll  ein  Dikoros  gewesen 
sein,  da  er  ein  blaues  und  ein  schwarzes  Auge  gehabt  hatte. 
Etwas  Aehnliches  wird  von  Alexander  dem  Großen 
und  dem  byzantinischen  Kaiser  Anastasios  I.  erzÀhlt. 

Aehnlich  auffallende  Menschen  wie  diese  Dikoroi  sind 
die  Leute,  die  die  Griechen  „Diaslyrakoi"  nannten,  das  sind 
Individuen  mit  einer  doppeltfarbigen  Regenbogenhaut,  d.  h. 
mit  einer  Iris,  deren  innerer  Ring  heller  gefÀrbt  ist  als  der 
Ă€ußere. 

Sowohl  die  verschiedenfarbigen  wie  die 
d  o  p  p  e  1  f  a  r  b  i  g  e  n  RegenbogenhÀute  wurden  wegen  ihrer 
auffÀlligen  Erscheinung  immer  als  Kennzeichen  des  bösen 
Blickes  betrachtet;  aber  ebenso  auch  Augen  mit  einer  gleich- 
mĂ€ĂŸigen, aber  auffallenden  Farbe  der  Iris.  Bei  den  ver- 
schiedenen Rassen  ist  daher  die  gefĂŒrchtete  Farbe  der  Regen- 
bogenhaut eine  verschiedene.    In  Spanien  sind  Augen  von 


MIKROIKOPE 


ERM$T  LEI  TS-WETZLAR 

OPTISCHE  WERKE 

MAN  VERLANGE  DRUCKSCHRIFT  NO  ,34-5 


unbestimmter  Farbe  des  hosen  Blickes  verdÀchtig.  Die 
Tscherkcssen  betrachten  eine  gewisse  Form  und  Parin-  der 
Augen  als  Anzeichen  der  Macht  zu  faszinieren.  Im  allge- 
meinen haben  die  blonden  hellÀugigen  Völker  einen  heil- 
losen ResjKikt  vor  den  dunklen  Augen,  und  die  brĂŒnetten 
dunkelÀugigen  Völker  einen  solchen  vot  den  hellen  Augen. 
Wenn  in  Pommern  Personen  mit  schwarzen  Augen  mi- 
getaufte  Kinder  oder  Jungvieh  anblicken,  so  werden  diese 
unruhig  oder  krank.  Auch  in  Rußland  ist  das  schwarze 
Auge  besonders  gefĂŒrchtet;  bei  den  Schweden  Estlands  sind 
es  die  b  rönnen,  in  Schwaben  die  gr  auen,  in  Frankreich 
die  meergrĂŒnen,  bei  den  TĂŒrken,  Arabern,  Kirgisen  und 
Turkmenen  die  blauen  Augen.  Plaue  Augen  sind  auch  in 
Griechenland  in  der  Gegend  des  Berges  Hymettus  des  hosen 
Blickes  verdĂ€chtig;  und  das  ist  um  so  merkwĂŒrdiger,  weil 
in  Attika  wegen  der  starken  albanischen  Bevölkerung  blaue 
Augen  gar  nicht  so  selten  sind.  Wahrscheinlich  jedoch  war 
es  der  ursprĂŒngliche  Argwohn  der  eingeborenen  Griechen 
gegen  die  Fremden,  die  sich  unter  ihnen  ansiedelten,  die  zu- 
erst diese  besondere  Entwickelung  des  Glaubens  in  dieser 
Gegend  verursachte.  Helle  Augen  sind  auch  bei  den  nomadi- 
sierenden Arabern  und  den  arabisch  sprechenden  Bergbe- 
wohnern von  Nord-Marokko,  wo  solche  Augenfarbe  selten 
ist  und  daher  einen  ungewöhnlichen  Eindruck  macht, 
Zeichen  des  bösen  Blickes,  dagegen  nicht  bei  den  Berbern 
des  Atlas,  wo  blonde  Personen  hÀufiger  sind.  In  Armenien 
gilt  ein  blonder  Mann  mit  blauen  Augen,  zuweilen  auch  ein 
schwarzer  Mann  mit  braunen  Augen  als  des  bösen  Blickes 
verdĂ€chtig.  Auch  grĂŒne  Augen  bei  den  MĂ€nnern  werden  fĂŒr 
böse  gehalten.  Der  Teufel  wird  im  Orient  als  blauÀugig  dar- 
gestellt. Blaue  Augen  erscheinen  den  Tataren  und  Chinesen 
furchtbar  hĂ€ĂŸlich.  Bei  den  Goajiro-Indianern  in  Nord- 
kolumbia  sind  Menschen  mit  blauen  Augen  so  gefĂŒrchtet, 
daß  sie  nicht  selten  ĂŒberfallen  und  getötet  werden. 

In  den  mittelalterlichen  Inquisilionsakten  werden  eigen- 
artige Befunde  aufgefĂŒhrt,   die   fĂŒr   die  Augen  der  Hexen 


CHOIOOEN 


Jett  mehr  als  jfahren  bemÀhrt 
bei  ChoLeUrhiasis  und  allen  an? 
decen  ÂŁc/axmkungerL  desXebev- 
und  Salier  isyslems.  Keine.  urv~ 
ermĂŒri^chlen/Veben/pirkungen. 

NUCLEOGEN 

&cnShosphov-Atsen-S):Ă€paixit 
in  <fableti&\Seit  mehr  als  ZQJah* 
ren  bewÀhrt  alsRoborans  und, 
Tonikum.  Reicht  asstrriilicrbcw. 
Appetitanregend, . 


PHY5IOLOG/CHEMISCHES  LABORATORIUM 
HUGO  ROSEN  BERGFREIBURGi  BREISGAU 


V 


XIV 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


40.  Jahrg.  —  Nr.  43/44. 


charakteristisch  sein  sollten.  Bald  ist  von  einem  Stern  oder 
einer  kleinen  MĂŒnze  mit  auslaufenden  Fasern  die  Rede,  bald 
von  der  FĂ€hrte  oder  dem  Fuß  eines  Hasen,  eines  Hundes, 
einer  Kröte,  eines  Maulwurfes  oder  sogar  von  der  Gestalt  des 
Teufels.  Alle  diese  Befunde  sind  wahrscheinlich  auf  eine 
persistierende  Pupillarmembran  oder  auf  die 
mannigfaltig  gestalteten  Hornhautflecke  zurĂŒckzu- 
fĂŒhren. Solche  auffallende  Zeichen  wurden  als  Hexen-  oder 
Tr  utenmale  bezeichnet  und  auf  die  Einwirkung  des 
Teufels  zurĂŒckgefĂŒhrt.  Man  glaubte,  die  Hexe  habe  mit  dem 
Teufel  einen  Pakt  geschlossen,  und  dieser  habe  ihr  zur  Be- 
siegelung  des  BĂŒndnisses  ein  solches  Zeichen  auf  die  Augen 
gedrĂŒckt.  Nach  dem  GestĂ€ndnis  von  29  im  Jahre  1510  durch 
die  Inquisitoren  von  Logrogno  verurteilten  Zauberern  drĂŒckte 
ihnen  der  Teufel  auf  dem  Hexensabbath  mit  einem  GoldstĂŒck 
die  Figur  einer  kleinen  Kröte  auf  das  linke  Auge,  ohne  ihnen 
den  geringsten  Schmerz  zu  verursachen.  Ein  junges  MĂ€d- 
chen gestand  im  Jahre  1610,  daß  der  Teufel  ihr  ein  solches 
Augenzeichen  mit  seinem  Horn  beigebracht  habe,  und  kleine 
Kinder  von  9  Jahren  zeichnet  der  Teufel  auf  dem  Sabbath, 
indem  er  ihnen  eine  Nadel  aus  unechtem  Gold  in  das  Weiße 
ihres  linken  Auges  sticht. 

Gewisse  Hornhauterkrankungen,  bei  denen  die  Hornhaut 
trĂŒbe  und  undurchsichtig  wird,  mögen  auch  zur  Entstehung 
einiger  merkwĂŒrdigen  Ansichten  ĂŒber  das  PĂŒppchen  bei  - 
getragen  haben.  So  heißt  es,  daß  ein  Mensch,  in  den  Holden 
gezaubert  sind,  daran  erkennbar  ist,  daß  man  in  seinen  Augen 
kein  MĂ€nnlein  oder  Kindlein  sieht,  oder  nur  ganz  trĂŒbe.  Ein 
sicheres  Zeichen  bei  den  Zigeunern  fĂŒr  eine  Zauberin  ist,  daß 
sie  keine  „Pupille"  (hier  —  PĂŒppchen)  hat.  Sie  blickt  nicht 
den  Leuten  in  die  Augen,  in  ihren  Augen  sieht  man  kein 
Menschenbild,  aber  sie  blickt  in  die  Zukunft. 

Durch  das  undeutliche  und  verschwommene  Bild,  das  die 
getrĂŒbte  Hornhaut  wiederspiegelt,  mag  auch  der  in  Deutsch- 
land und  Frankreich  existierende  Glaube  entstanden  sein,  daß 
das  Bild,  das  man  im  Auge  einer  Hexe  sieht,  umgekehrt 
steht.  Es  kann  aber  noch  ein  anderer  Grund  maßgebend  fĂŒr 
diese  Anschauung  gewesen  sein:  Die  Hexenrichter  pflegten  die 
Augen  der  Angeklagten  zu  prĂŒfen,  indem  sie  sie  auf  den 
Kopf  stellten.  Dabei  mußten  sie  dann  konstatieren,  daß  das 
PĂŒppchen  eine  anormale  Stellung  hatte.  In  Loango  (Afrika) 


ist  es  noch  heute  ein  sicheres  Zeichen  einer  Hexe,  wenn  ihre 
Augen  die  Außenwelt  verkehrt  wiederspiegeln. 

Auch  VerÀnderungen  der  eigentlichen  Pupille,  des 
Loches  in  der  Regenbogenhaut,  galten  als  Hexenzeichen.  War 
die  Pupille  —  etwa  durch  LĂ€hmung  oder  Verwachsung  der 
Iris  mit  der  Linse  —  unbeweglich,  so  war  dieses  im  12.  und 
13.  Jahrhundert  fĂŒr  die  deutschen  und  französischen  Juden 
ein  Beweis,  daß  man  es  mit  einer  Hexe  zu  tun  hatte.  Treten 
infolge  von  iritischen  Verwachsungen  Verzerrungen  der 
Pupille  ein,  so  daß  diese  nicht  mehr  rund  erscheint,  sondern 
viereckig  oder  kreuzförmig,  so  ist  dies  in  Schwaben  ein 
Zeichen  des  bösen  Blickes.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  den 
Polen,  wenn  die  Pupille  lÀnglich  wie  bei  einer  Katze  ist,  und 
in  Spanien,  wenn  die  Pupillen  von  ungleicher  GrĂ¶ĂŸe  sind. 

Als  ein  höchst  charakteristisches  Zeichen,  eine  Hexe  zu 
erkennen,  galt  im  mittelalterlichen  Strafprozesse,  wenn  diese 
vor  dem  Richter  oder  wÀhrend  der  Folter  nicht  w  einen 
konnte.  Sie  wird  zwar,  so  heißt  es  im  „Hexenhammer", 
weinerliche  Laute  von  sich  geben  und  versuchen,  Wangen 
und  Augen  mit  Speichel  zu  bestreichen,  als  wenn  sie  weinte, 
bezĂŒglich  dessen  die  Umstehenden  vorsichtig  aufpassen 
mĂŒssen.  Aber  wirkliche  TrĂ€nen  wird  sie  nicht  vergießen, 
selbst  wenn  ihr  der  Richter  die  Hand  aufs  Haupt  legt  und 
folgende  Formel  ausspricht:  „Ich  beschwöre  dich  bei  den 
bittersten  TrÀnen,  die  unser  Heiland  und  Herr,  Jesus 
Ghristus  am  Kreuze  zum  Heile  der  Welt  vergossen  hat,  und 
bei  der  brennendsten  TrÀne  der  glorreichsten  Jungfrau,  seiner 
Mutter  selbst,  die  sie  ĂŒber  seine  Wundern  zur  Abendstunde 
hat  fließen  lassen,  und  bei  allen  TrĂ€nen,  welche  hier  in  der 
Welt  alle  Heiligen  und  AuserwÀhlten  Gottes  vergossen  haben, 
von  deren  Augen  Gott  jetzt  jede  TrĂ€ne  abgewischt  hat,  daß 
du,  sofern  du  unschuldig  bist,  TrĂ€nen  vergießest,  wenn 
schuldig,  keinesfalls.  Im  Namen  des  Vaters  und  des  Sohnes 
und  des  heiligen  Geistes  f.  Amen."  Das  Ausbleiben  der 
TrĂ€nen  —  ein  ganz  natĂŒrliches  Ereignis  bei  der  hochgradigen 
seelischen  Erregung  der  armen  Gefolterten  —  wurde  dann 
dem  Einfluß  des  Teufels  zugeschrieben,  der  sich  die  grĂ¶ĂŸte 
MĂŒhe  gab,  die  TrĂ€nen  zu  verhindern,  weil  diese  als  Zeiclrn 
der  Bußfertigkeit  die  himmlische  Barmherzigkeit  anflehten, 
wĂ€hrend  er  alles  versuchen  mußte,  um  die  Unbußferligen  in 
seine  Gewalt  zu  bekommen.  Nach  B  o  d  i  n  u  s  gestand  eine 
Hexe,  daß  sie  nur  drei  TrĂ€nen  aus  dem  rechten  Auge  ver- 


1)  Holden  oder  Elben  wurden  von  den  Hexen  verhaßten  Ne- 
benmenschen in  den  Leib  gezaubert,  um  LĂ€hmung  und  Krank- 
heiten hervorzurufen. 


gießen  können. 


(Fortsetzung  folgt.) 


DlSÖTRIN 


raxKS 
JDEALE 
ÂŁ5* 


Digitalis, 
mophdntus 


Calcaona 


Wohlschmeckendes  KalkprÀparat  in  Form  von  Rein- 
k  a  k  a  o.  Chlorkalziumbindung  D.  R.  P.  und  Ausl.-Pat. 
1  Teelöffel  =  0,5  g  Ca.  chlorat. 

Packung:  100  g,  250  g,  500  g. 


Sedacao 


Woh'schmeckepdes  Sedativum  und  Nervinum  in  Form  von 
Reinkakao.  Bromkalziumbindung,  D.  R.  P.  und  Ausl.-Pat. 
1  Teelöffel  =  0,66  g  Ca.  brom.  entspr.  0,5  g  K.  brom. 

Packung:  100  g. 
Literatur  und  Proben  zur  VerfĂŒgung. 

Chemische  Fabrik  Marienfelde 

G.  m.  b.  H 
Berlin-Marienfelde 


■  i  ^ 

FLÜSSIG  ~ 
TABLE JTE ff 
AMPULLEN. 


FAUTH&Co  MANNHEIM 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


IX 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt. 


Ein  ernstes  Mahnwort  an  die  Eltern. 

Von  Lisa  Turnowsky. 
O  ih  r  Eltern ! 
Gebt  euch  doch  Rechenschaft  darĂŒber,  was  ihr  seid! 
Ahnt  doch  die  GrĂ¶ĂŸe,  die  Heiligkeit  eures  Berufsl  Wie  viel 
könnt  ihr  tun,  welch  reiche  Möglichkeiten  sind  euch  gegeben 
-  und  wie  wenig  nĂŒtzt  ihr  sie  aus!  Ruht  nicht  in  eurer  Hand 
die  grĂ¶ĂŸte  Macht  ĂŒber  die  Zukunft,  die  schwerwiegendste 
Verantwortung  fĂŒr  dieselbe?  Sind  nicht  die  zarten  Kinder 
von  heute  die  MÀnner  und  Frauen  von  morgen?  Was  wÀre 
das  ganze,  jahrtausende  alte  Werk  menschlicher  Kultur,  das 
wirken  und  Schaffen  aller  Völker,  so  vieler  Geister,  wenn  wir 
nicht  jene  jungen  Schultern  hÀtten,  sie  mit  dem  Reichtum  un- 
seres Erbes  zu  belasten?  Darum  sorgt,  daß  dieses  Erbe  rein 
und  kostbar  sei,  und,  wo  ihr  könnt,  befreit's  von  Tand  und 
ocnein! 

O,  schließt  die  Augen  und  die  Herzen  auf  und  streut  gol- 
dene Saaten  in  den  edlen  Boden,  der  euch  vertrauet  ward' 
p„p-  f  ve[meßt,  euch  nicht,  die  Kinder  zu  betrachten  als 
euer  E  i  g  e  n  t  u  m  !  Nein!  Jeder  Mensch,  und  sei  er  noch 
rftw!?'  1tt~frei'  eme  Persönlichkeit  fĂŒr  sich.  Doch  wie 
IL.  T nepK°rPer  nur  bei  grĂ¶ĂŸter  Vorsicht  und  Geduld,  durch 

TT h"^  PĂŒegt  Sjch  gut  entwickeln  kann  und 
ÄHilfP  ?  ^durfℱ  auch  die  jungen  Seelen  hingebungs- 
stehen  sie  Her  ^T^'  S°}kn  sie  recht  gedeihen.  Wie 

frĂ€s;  sso  Ă€ĂŒos^ĂŒĂ„.816  plötzlich  emgetreten  sind>  S°i 

Wendet  den  Blick  zurĂŒck  und  schauet  auf  den  Weg  den 
h  r  gekoiffmen  seid!  O  sagt,  war  euer  Kinderleid  nie  ernst? 
En  ^'^r1  Un?rT  euch'  die  nicht  schon  in  ganz  jung  n 
Klnd%rĂ€brdhe,UVP  KĂŒmmernis  ^kannt?  Zwar  ist  lern 
*ina  die  ĂŒabe  des  Vergessens  in  höherem  Maße  eifren  und 
seine  Schmerzen  ziehen  vorĂŒber  wie  kleine  Wölkende  der 


nĂ€chste  Sonnenstrahl  verflĂŒchtigt.  Bisweilen  aber  kommt  es 
dennoch  vor  —  o,  daß  es  wirklich  nur  ganz  selten  wĂ€re!  — 
da  fÀllt  ein  Tropfen  Bitternis  auch  in  die  blumenzarte  Seele, 
der  sich  nie  mehr  verwischen  lĂ€ĂŸt.  . 

Ja,  Blumen  gleich  sind  jene  lieben,  kleinen  Wesen  und, 
wie  im  rauhen  FrĂŒhlingswind  des  Lenzes  BlĂŒten,  schwanken 
sie  manchmal  Àngstlich  hin  und  her  und  wissen  nicht,  was 
werden  soll. 

Ihr  aber,  merket  wohl,  ihr  seid  die  heiligen  GĂ€rtner,  die 
diesen  Blumen  Halt  und  StĂŒtze  geben,  ihnen  die  Wege  weisen 
sollen,  die  sie  zu  Licht  und  Freiheit  fĂŒhren. 

Hört  ihr  Eltern!  Und  ihr,  der  Eltern  Helfer,  Lehrer  und 
Erzieher!  Priester  seid  ihr,  Diener  Gottes,  von  ihm  zu  einer 
heiligen  Arbeit  auserkoren!    Und  seht!    Der  Stoff,  aus  dem 

Begreift  ihr,  daß  ihr  da  euch  selbst  vor  allem  rein  er- 
halten mĂŒĂŸt,  daß  eurer  GĂŒte  und  Vollkommenheit  nimmer 
genug  sein  kann,  wollt  ihr  die  hohen  Pflichten  der  Erziehung 
recht  erfĂŒllen?  & 

Rein  an  Körper  und  Seele  soll  der  Priester  sein,  der  vor 
den  Schopfer  tritt,  ihn  zu  verehren.    Doch  heller  noch  und 
heißer,  strahlender  muß  der  göttliche  Funke  glĂŒhen  in  dem 
der  auserwÀhlt  ist,  des  Vaters  Diener  treu  zu  sein  zum  Guten! 

Taucht  still  und  tief  hinab  in  ein  paar  liebe  Kinderaugen 
und  lauschet  dann  dem  Echo  eures  eigenen  Herzens!  Welch 
wunderbarer  Friede,  welch  ein  unsagbar  heiteres  GlĂŒck 
strömt  euch  entgegen!  Und  doch,  bei  aller  Klarheit,  wie 
rÀtselhaft  und  ferne  ist  ihr  Blick.  

O,  ihr,  die  ihr  dazu  berufen  seid,  gebt  euch  den  Kindern 
hin  mit  ganzer  Kraft,  mit  ganzer,  treuer  Liebe! 

Und  euer  oberstes  Gebot:  ■ 
Seid  selbstlos! 

tt .  ℱcht  was  euch  bequem  und  angenehm  ist,  des 

Kindes  Wohl  allein,  sein  Bestes  und  sein  Frommen  mĂŒĂŸt 
ihr  stets  bedenken. 


btl 


m 


Sertanimalftorungen 
Berftopfnna  ‱  Minor, 
rtpfoen-ßallenflelnen 
Mufti 

$ai>  öompurflcr 
Glifa&e(&=3runnen 

f*IPlt  teffeo  6al) 


tpelf&erfi&mfe  Seilquelle 


Wf^L-PASTltLEN 

KS  UnĂŒbertroffen  bef 

HUSTEN,  HEISERKEIT 
O^ERSCHLEIMUNQL 


8tm  Wirt)    JBIneranoaffCTBroSftonfilanani  a.  flftofflefen 

3aoöomDur0er0eilQueDen<&.m.fc$. 

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Fordern  Sie  SpezialitÀten-Verzeichnis. 


X 


Jenseits  von  Beruf  und  Amt 


40.  Jahrgang.  —  Nr.  45/46. 


Laßt  euch  nicht  leiten  von  der  eignen  Ungeduld! 

Wollt  ihr  den  jungen  Baum  herausziehen  aus  der  Erde, 
auf  daß  er  schneller  wachse?  Ihr  könnt  ihm  reichlich  Sonne 
geben,  gute,  gesunde  Nahrung,  könnt  ihn  schirmen  gegen 
mancherlei  Gefahr,  vor  Frost  und  Sturm  und  tĂŒckischem  Ge- 
wĂŒrm, doch  weiter  schaffen,  das  Gedeihen  vollenden,  das 
kann  allein  die  ewig  waltende  Natur. 

Hemmt  eure  eigenen  kleinen  WĂŒnsche! 

WĂ€hnet  nicht,  ihr  könnt's  erzwingen,  daß  euch  die  Veil- 
chenstaude Rosen  trage,  noch  an  dem  Eichbaum  sĂŒĂŸe  FrĂŒchte 
wachsen!   Seid  eingedenk  der  guten,  wahren  Worte  Goethes: 

Wir  können  die  Kinder  nach  unserem  Sinne  nicht  formen, 

so  wie  Gott  sie  uns  gab,  so  muß  man  sie  haben  und  lieben, 

sie  erziehen  aufs  beste  und  jeglichen  lassen  gewÀhren; 

denn  der  eine  hat  die,  die  anderen  andere  Gaben; 

jeder  braucht  sie  und  jeder  ist  doch  nur  auf  eigene  Weise 

gut  und  glĂŒcklich.' 

Wie  oft  ist  dieser,  eurer  WĂŒnsche  Grund  nicht  das  Be- 
streben, nur  der  Kinder  Wohl  zu  fördern;  nein,  Eitelkeit 
und  falscher  Ehrgeiz  treiben  euch  zu  handeln. 
Ihr  sucht  Bewunderung,  Ehre,  Ruhm  fĂŒr  sie  —  und  euch  und 
bringt  sie  so  um  GlĂŒck  und  Frieden!  Und  solltet  doch  fĂŒr- 
wahr, im  Gegenteil,  gar  sorglich  vor  dem  bösen  Ehrgeiz  sie 
bewahren,  solltet  sie  lehren,  Gutes  tun  aus  Liebe,  nicht  um 
des  Lohnes,  der  Bewunderung  willen,  oder,  was  noch  schlim- 
mer, um  andere  zurĂŒckzudrĂ€ngen.  So  ist  jes  doppelt  schĂ€d- 
lich, wenn  ihr  selbst  dem  argen  Fehler  euch  ergebt. 

Und  auch  die  Furcht  vor  dem  Reden  der  Leute  laßt  nicht 
an  euch  noch  an  das  Kind  heran!  Man  kann  sich  wohl  dem 
Brauch  der  anderen  fĂŒgen,  solange  er  harmlos  ist,  um  un- 
liebsames Aufsehen  zu  vermeiden;  wer  aber  immer  und  in 
allem  Ă€ngstlich  horcht  auf  das,  was  „man"  wohl  sagt  und 
was  „man"  tut,  der  raubt'  sich  sein  gesundes,  eigenes  Urteil, 
seine  freie  Sicherheit  im  Denken. 

Ein  Wort  noch,  und  vor  allem  an  die  MĂŒtter: 

ZĂŒgelt  eure  Triebe! 

Laßt  euch  nicht  hinreißen  zu  mancher  Art  von  Ueber- 
treibung!  So  wie  der  zarte  Körper  eures  Lieblings  nur  ein 
gewisses  Maß  an  Nahrung  braucht  und,  was  darĂŒber  ist,  ihm 
schadet,  so  ist  auch  ein  Zuviel  an  lauter  ZĂ€rtlichkeit,  an 
KĂŒssen  und  Liebkosen,  ungesund.  Eure  GefĂŒhle 
seien  tief  und  stark,  doch  stumm  und  tÀtig, 
ja  nicht  ĂŒberlaut  und  hohl,  nicht  Worte  mehr  als 
Taten!! 

All  jene  Schlacken  mĂŒĂŸt  ihr' von  euch  tun,  und  frei,  durch- 
glĂŒht vom  besten,  stĂ€rksten  Willen,  sei  euer  unermĂŒdliches 
Bestreben,  dem  Kind  zu  dienen. 

Es  gibt  gar  prÀchtige,  sehr  inhaltsreiche  Schriften  zur 
Erziehung,  wertvolle  BĂŒcher  auf  dem  jungen  Wissensfeld  der 
Kinderseelenkunde,  und  unleugbar  ist  diese  Literatur  ein  rei- 
cher Quell  der  Anregung  fĂŒr  die,  die  nach  dem  rechten  Wege 
suchen.  Doch  BĂŒcher,  Erfahrung  anderer  sind  nicht  genug. 
Der  einzig  sichere  und  feste  Grund  alles  Erfolges  im  pÀda- 
gogischen Schaffen  ist  stilles  Sich-versenken  in  des  Kindes 
Wesen,  das  ernste,  nimmer  rastende  BemĂŒhen,  sein  feinstes 
Regen  zu  erlauschen,  die  wahre  Art  des  jungen  Lebens  selber 
zu  ergrĂŒnden.  Denn  dort  nur  könnt  ihr  finden,  was  beim  Er- 
ziehen euch  als  Richtschnur  dienen  muß;  des  Kindes  eigene 


Natur  allein  verrĂ€t  euch  sicher,  was  fĂŒr  dasselbe  gut  ist  und 
welche  Anlagen  gepflegt,  gefördert  werden  sollen,  welche  zu 
hemmen  und  zu  unterbinden  sind.  Denn  noch  einmal:  Nicht 
eure  Wege  soll  es  gehen,  und  sei  es  noch  so  gut  ge- 
meint, sondern   die  seinen!! 

Der  tĂŒchtigste  Erzieher  ist  nun  der,  in  dem  die  eigne 
GĂŒte,  Einsicht,  Klugheit  den  FrĂŒchten  jenes  Forschens  dau- 
ernd Wert  verleiht.  Er  muß  mit  klarem  Scharfsinn  unter- 
scheiden, was  ihm  bedeutsam  ist  und  was  unwesentlich.  Hat 
er  das  Richtige  einmal  erkannt,  dann  muß  es  unverrĂŒckbar  ihm 
vor  Augen  stehen,  ein  Ziel,  das  er  mit  Gleichmaß,  ruhiger 
Festigkeit  verfolgt,  ohne  alles  Wanken. 

Ja,  f  e  s  t  wie  Eisen,  doch  nicht  hart!  All  eure 
Kraft  sei  ĂŒberstrahlt  von  Liebe!  Was  frommt  es,  wenn  ihr 
eure  Macht  als  Faustrecht  ĂŒbt,  des  Körpers  ĂŒberlegene 
KrĂ€fte  nĂŒtzt,  um  Furcht  zu  sĂ€en?  Das  Kind,  das  euch  aus 
Furcht  gehorcht,  entzieht  euch  sein  Vertrauen!! 
Mag  sein,  daß  ihr  mitunter  strafen  mĂŒĂŸt,  die  menschliche 
Natur  ist  einmal  so,  daß  sie  die  starke  Hemmung  braucht. 
Doch  sei  die  Strafe  nie  der  Ausfluß  eures 
Zorns!  !  Strafet  mit  Liebe,  so,  daß  ihr  das  Innerste  des 
Kindes  nicht  verletzt,  sein  EhrgefĂŒhl  nicht  krĂ€nkt!  Beson- 
ders aber:  Straft  erst,bisdas  Kind  sein  eignes 
Unrecht  klar  empfunden  hat! 

So  seid  als  Richter  auch  der  Jugend  edle  FĂŒhrer, 
und  immer,  ĂŒberall  seid  eingedenk  der  beiden  Worte: 

Erzieht  euch  selbst! 

Und: 

Gebt  den  Kindern  Achtung,  Liebe, 

auf  daß  sie  euch  vergelten  mit  Liebe  und  Vertrauen  und  ihr 
mit  ihnen  glĂŒcklich  seid!  „ 

Und  was  ihr  den  Kindern  an  Liebe  gebt,  das  nehmt  ihr 
von  dem  Haß  der  Welt  hinweg. 


Polypragmasie  (nach  Kussmaul). 

Am  Sterbelager  eines  Kranken  stand 

Der  Bader,  um  ihn  her  die  Anverwandten, 

Die  jammernd  sich  um  HĂŒte  an  ihn  wandten, 

Der,  was  die  Wissenschaft  jemals  erfand, 

Verordnet  hatte  mit  freigebiger  Hand 

Im  Kampfe  mit  dem  großen  Unbekannten. 

Er  sann  und  sann  —  da  endlich  spannten 

Sich  seine  Mienen  und  der  Zweifel  schwand: 

„Mit  Egeln,"  sprach  er,  „reinigt'  ich  sein  Blut, 

Mit  BĂ€dern,  kalt  und  warm,  und  Aderlaß, 

Er  hat  geschwitzt,  vomiert,  laxiert,  gespieen, 

Arzneien  schluckt'  er  ohne  Unterlaß  — 

Gescheh'n  ist  alles;  aber  dĂŒnkt's  euch  gut, 

Will  ich  zum  Schluß  noch  einen  Zahn  ihm  ziehen." 


Warstade  b.  Basbeck. 


H.  Boing. 


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Spanien  Pes.  0.— ,  U.  S.  A.  Doli.  1. —  FĂŒr  die  Lander  Deutsch-Oesterreich,  Ungarn  und  Tschechoslowakei  empfiehlt  es  sich,  die  Zeitschrift  durch  die  dortigen 
Postamter  zu  beziehen.  Der  Bezugspreis  Ist  beim  Postamt  zu  erfragen.  Zahlungen  an  den  Vorlag  bitten  wir  Innerhalb  Deutschlands  auf  unssr  Postscheck- 
konto Berlin  81831  und  von  den  anderen  Landern  durch  Bankscheck  auf  das  Konto  HANS  PUSCH,  Berlin,  Bank  fflr  Handel  und  Industrie,  zu  ĂŒberweisen, 
—     ■  i  -  '  soweit  Postanweisungen  nach  Deutschland  nicht  zulassig  sind.       ■         i   ■    ■  i  =m» 

FORTSCHRITTE  DER  MEDIZIN 

DIE  WOCHENSCHRIFT«BCS'  PRAKTISCHEN  ARZTES 


Redaktion:  Professor  Dr.  ART 
Verlag  von  HANS  PUSCH,  Berlin  SW  48, 


LER,  Berlin  W  50,  Rankestr.  6 
ße28  /  Fernsprecher:  LĂŒtzow  9057 


nerauseegeben  von  I  Brauer,  Hamburg,  L.  v.  Criegern,  H lTdesrfl fl i l'Wrl M sMfeaVuMflbfJHwt  a.  M.,  R.  Th.  Jaschke,  Gießen,  G.  Köster,  Leipzig 

C.  Opitz,  Freiburg,  C.  L.  Rehn,  Frankfurt  a.  M.,  K.  Reifferscheid,.  Göttingen,  Hans  Schloßberger,  Frankfurt  a.  M.,  G.  SchĂŒtz,  Berlin 
«======  E.  Schreiber,  Magdeburg,  F.  Skutsch,  Leipzig,  O.  Tilmann,  Köln  a.  Rh.,  O.  Vulpfus,  Heidelberg  ===»=— =- 


Zweites  Dezemberheft 

Berlin.  25.  Dezember  1922 

40.  Jahrgang 

Zur  DurchfĂŒhrung  der  stomachalen  Kampferbehandlung: 


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40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


Fortschritte  der  Medizin 


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Inhalt 

ginale: 

Dr.  med.  D  r  e  u  w  -  Berlin:  Zur  sicheren  Handhabung 
der  Pravaz-Injektions-  und  Blutentnahmetechnik     .  6(33- 

SanitÀtsrat  Dr.  Thoma  :  Ueber  Isapogen  und  Salicyl- 
Isapogen  „SchĂŒrholz"   

Dr.  Wilhelm  F  e  i  1  b  a  c  h  :  Ueber  Salbenbehandlung 
bei  Cervixkatarrhen  und  Pseudoerosionen  

Dr.  Runze:  Nervöse  Erscheinungen  auf  innersekre- 
turischer  Basis  bei  der  Frau  und  deren  Behandlung 
mit  Ovobrol  .  ,  

Dr.  med.  Max  KĂ€rcher  :  Ein  Beitrag  zur  therapeu- 
tischen Anwendung  des  „Helisicol"  

Aus  den  neuesten  Zeitschriften: 

La  Presse  Medicale,  Paris  

The  Journal  of  Urology,  Baltimore  

The  Kitasato  Archives  of  Experimental  Medicine  .  . 
The  Urologie  and  Cutaneous  Review,  St.  Louis  .  .  . 
The  American  Review  of  Tuberculosis,  Baltimore  .  . 
The  Boston  Medical  and  Surgical  Journal,  Boston  . 


des  Heftes. 

The  Journal  of  Nervous  and  Mental  Disease,  New-York  670 
Bulletin  of  the  Johns  Hopkins  Hospital,  Baltimore   .  670 

"ĂŒĂŒ4        Endocrinology    .  ‱   .   ‱  670-671 

Boston  Med.  and.  Surs.  Journal   671—672 

664 

The  Journal  of  the  American  Medical  Association, 
665  Chicago  '  672 

The  American  Journal  of  Roentgenology,  New-York   .  672 — 673 
ßg,-        The  Journal  of  the  American  Medical  Association^ 

Chicago    .   673 

667  British  medical  Journal,  London   .    .  ‱   673 

Aus  den  verschiedenen  Sondergebieten: 

668  Tuberkulose   673— €74 

668  Dermatologie  und  Syphilis   674— €76 

669  Innere  Sekretion   676 

669        Chirurgie  und  GynÀkologie   677 

669        Ophthalmologie   677—678 

669        Buchbesprechungen    .   678 


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gegen  Ekzeme, 

GefĂ€ĂŸkrankheiten, 
Lungenkrankheiten 

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hohem  Maße  absorbierend  und  desodorierend 
Bei  den  Krankenkassen  zurVerordnungzugelassen 
Von  einer  großen  Anzahl  Ă€rztlicher 
AutoritÀten   glÀnzend  begutachtet 

Literatur  und  'Proben  zur  VerfĂŒgung 

Lit  eratur: 
Fulda.  Fortschritte  der  Medizin  1921.  Nr.  1* 
Bachem,  MĂŒnchner  med   Wochenschrift  1  '22,  Nr.  9 
GrĂŒn'hal,  Fortschritte  der  Medizin  1922,  Nr.  12 
BrĂŒning,  Deutsche  med.  Wochenschlift  1922,  Nr.  19 


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IV 


Fortschritte  der  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


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Grimme:  vAllgemeines  ĂŒber  das  Antilueticum  Bismogenol". 
Betreffs  Proben  bitten  wir  ĂŒber  uns  verfĂŒgen  zu  wollen. 

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Indikationen : 

Akute  und  chronische  Formen  von  Polyarthritis,  Muskelrneumatis- 
mus  und  Neuralgie,  Lumbago,  IĂ€chias;  Infektioiisfieber;  menstruelle 
Beschwerden;    prophylaktisch    gegen    postoperative  Schmerzen. 

Dosierung: 

Intern:  3—i  mal  tĂ€glich  1 — 2  Tabletten  zu  0,5  g;  als  Antipyretikum 
auch  in  kĂŒrzeren  Intervallen  (stĂŒndlich  0,1  g  oder  2 — 3  stĂŒndlich 
0,25  g). 

Parenteral:  1—2  mal  tĂ€glich  1—2  ccm  der  50%igen  Lösung  subkutan 
oder  intramuskulÀr. 

Originalpackungen : 

Novalgin-Tabletten:     Röhrchen  mit  10  Tabletten  zu  0,5  g. 
Novalgin-Lösung    50%ig:     Schachteln    mit   5    und    10    Ampullen  zu 

1  ccm  =  0,5  g  Novalgin. 
Schachteln    mit   5  und    10    Ampullen  zu 

2  ccm  —  1,0  g  Novalgin. 

Aerzten  stehen  Literatur  und  Proben  zur  VerfĂŒgung. 


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und  Uierusbesc&werden  usw. 
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Sc&mer3en  der  Tabiker. 

Originalpackung:  Röhrchen  mit  10  und  20  Tabletten  iu  0,2 
Klinikpackung:  Glas  mit  250  Tabletten. 

Dosierung:  FĂŒr  Erwachsene :  2—3  Tabletten. 
FĂŒr  Kinder:  Va— I'/j  Tabletten. 

Proben  und  Literatur  kostenfrei. 

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40.  Jahrg.  —  Nr.  19/50. 


Fortschritte  der  Medizin 


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Das  Einkommensteuergesetz 


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Fassung  vom  20.  Juli  1922  bearbeitet 
v.  SanitÀlsral  Dr.  Heinrich  Joachim 
und    Rechtsanwalt    Dr.  Walther 
Joachim,  öerlin. 


Verlag  Hans  Pusch,  Berlin  SW48, 
Wilhelmstrasse  28. 

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in  Dresden. 

Auf  Grund  des  von  der  Zulassungsstelle  genehmigten,  bei  uns 
erhÀltlichen  Prospektes  sind 

11  oin.  !H.  2  6ÖOOOO.—  neue  Aktien 
2666  StĂŒck  ĂŒber  je  M.  1000,—  Nr.  5001—7666 
obiger  Gesellschaft 
zum  Handel  und  zur  Notiz  an  der  Berliner  Börse  zugelassen 
worden. 

Berlin,  im  August  1922. 

Gebr.  Arnhold. 


Concordia, 

chemische  Fabrik  auf  Aktien. 

Die  fĂŒr  das  GeschĂ€ftsjahr  1921/22  auf  50  pCt.  fĂŒr  die  alten 
Aktien  und  25  pCt.  fĂŒr  die  jungen  Aktien  festgesetzte  Dividende 
gelangt  sofort  bei  dem  Bankhause  A.  Reissner  Söhne,  Berlin,  zur 
Auszahlung. 

Leopoldshall,  den  27.  November  1922. 

Her  Vorstand. 

Linnemann. 


2 


X 


Fortschritte  der  Medizin 


40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


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Frankfurt  a.  M. — Berlin 


Bezugs-Angebot 

auf  M.  17OO0OOOO,—  neue  Stammaktien. 

Die  außerordentliche  Generalversammlung  unserer  AktionĂ€re 
vom  2.  Dezember  1922  hat  u.  a.  beschlossen,  das  Stammaktien- 
Kapital  der  Gesellschaft  um  einen  Betrag  bis  zu  M.  330  000  000.— 
ziu  erhöhen  durch  Ausgabe  bis  zu  330  000  StĂŒck  vom  1.  Januar 
1923  ab  dividendenberechtigten  auf  den  Inhaber  lautenden  Stamm- 
aktien ĂŒber  je  M.  1000.—. 

Nachdem  der  Beschluß  ĂŒber  die  Kapitalerhöhung  im  Handels- 
register eingetragen  ist,  bieten  wir  namens  und  im  Auftrag  eines 
Konsortiums  einen  Betrag  von  M.  170000  000. —  unseren  Aktio- 
nĂ€ren unter  nachstehenden  Bedingungen  zum  BezĂŒge  an: 

1.  Auf  je  M.  3000. —  alte  Aktien  können  drei  neue  Aktien 
ĂŒber  je  M.  1000. —  zum  Kurse  von  300  %  frei  von  StĂŒck- 
zinsen unter  Entrichtung  der  Börsenumsatzsteuer  bezogen 

werden. 

2.  Die  AusĂŒbung  des  Bezugsrechtes  hat  bei  Vermeidung  des 
Anschlusses 

bis  zum  28.  Dezember  1922  einschliesslich 

zu  erfolgen  und  zwar: 
in  Frankfurt  a,  M.  j 

und  >  bei  der  Mitteldeutschen  Creditbank, 

in  Berlin  J 

ferner   bei   sÀmtlichen  Zweigniederlassungen   der  Mittel- 
deutschen Creditbank  an  anderen  PlÀtzen, 

außerdem: 

in  Coblenz  und  Köln  bei  der  Bankfirma  Leopold  Seligmann, 
in  Leipzig  bei  der   Allgemeinen   Deutschen  Creditanstalt 

(Abteil.  Becker  &  Co.), 
in  Meiningen  bei   der   Bank  fĂŒr  ThĂŒringen  vorm.  B.  M. 

Strupp  Aktiengesellschaft, 
in  MĂŒnchen  bei  den  Bankfirmen  H.  AufhĂ€user  und  Moritz 

Schulmann, 


in  TĂŒbingen 

in  Hechingen  und  >  bei  der  Bankcommandite  Siegmund  Weil, 
in  Sigmaringen  J 

Bei  der  Anmeldung  sind  die  Aktien,  fĂŒr  die  das  Bezugsrecht 
ausgeĂŒbt  werden  soll,  nach  der  Serien-  und  Nummernfolge 
geordnet  ohne  Gewinnanteil-  und  Erneuerungsscheine  mit 
einem  angefertigten  Anmeldeschein,  wovon  Vordrucke  bei 
den  Bezugsstellen  erhÀltlich  sind,  einzureichen.  Die  Aus- 
ĂŒbung des  Bezugsrechtes  ist  provisionsfrei,  soweit  sie  am 
Schalter  der  Bezugsstelle  erfolgt.  Wenn  die  AusĂŒbung  auf 
brieflichem  Wege  erfolgt,  wird  die  ĂŒbliche  Bezugsprovi- 
sion in  Anrechnung  gebracht.  Die  Aktien,  fĂŒr  die  das  Be- 
zugsrecht ausgeĂŒbt  ist,  werden  mit  einem  die  AusĂŒbung 
des  Bezugsrechts  kennzeichnenden  Stempelaufdruck  zurĂŒck- 
gegeben. 

Der  Bezugspreis  von  300  %  =  M.  3000—  fĂŒr  jede  Aktie  ist 
zuzĂŒglich  Börsenumsatzsteuer  bei  der  Anmeldung  bar  ein- 
zuzahlen. Ueber  die  Einzahlung  wird  dem  Einreicher  eine 
Kassenquittung  erteilt.  Die  Bezugsstellen  sind  bereit,  die 
Verwertung  und  den  Zukauf  von  Bezugsrechten  zu  ver- 
mitteln. 

Die  AushĂ€ndigung  der  neuen  Aktien,  ĂŒber  deren  Erscheinen 
besondere  Mitteilung  ergeht,  erfolgt  gegen  BĂŒckgabe  der 
Kassenquittung  bei  derjenigen  Anmeldestelle,  die  diese 
Quittung  ausgestellt  hat,  gegen  EmpfangsbestÀtigung.  Die 
Bezugsstelle  ist  berechtigt,  aber  nicht  verpflichtet,  die  Le- 
gitimation des  Vorzeigers  der  Kassenquittung  zu  prĂŒfen. 


Frankfurt  a.  ML, 
Berlin, 


im  Dezember  1922. 


Mitteldeutsche  Creditbank. 

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40.  Jahrg.  —  Nr.  49/50. 


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XII 


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